Genesis und Dynamiken der Mehrheitsentscheidung, hg. v. Flaig, Egon (= Schriften des Historischen Kollegs 85). Oldenbourg, München 2013. XXXIV, 230 S., 5 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch ist Sozialwesen und Individuum zugleich. Dementsprechend hat jeder Einzelne jeweils einen eigenen Willen und wird doch in der Wirklichkeit stets mit dem Willen seiner Mitmenschen konfrontiert. Dies führt zur Notwendigkeit eines Lösungsansatzes zwischen der gewaltsamen Durchsetzung eines einzelnen Willens gegenüber allen anderen Mitmenschen und der zwar wünschbaren, aber selten erreichbaren Einheitlichkeit aller Einzelwillen.

 

Der in Gronau 1949 geborene Herausgeber des vorliegenden Sammelbands, der etwa gleichzeitig ein gewichtiges Werk mit dem Titel Die Mehrheitsentscheidung. Entstehung und kulturelle Dynamik vorgelegt hat, war nach dem Studium von Geschichte und Romanistik in Stuttgart, Paris und Berlin als Lehrer und Übersetzer tätig und wurde 1984 über Angeschaute Geschichte - Zu Jakob Burckhardts griechischer Kulturgeschichte bei Alexander Demandt und Jacob Taubes promoviert. Nach seiner auf Grund der Schrift Den Kaiser herausfordern 1990 erfolgten Habilitation, wurde er 1998 nach Greifswald berufen und 2008 nach Rostock versetzt.

 

Als Stipendiat des Historischen Kollegs in München hielt er vom 6.-8. Mai 2010 ein Kolloquium ab, dessen Referate das vorliegende Werk der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Es umfasst insgesamt zehn Beiträge, die mit Thomas Wagners Beispiel der Irokesen beginnen und mit Johannes Preiser-Kappellers Überlegungen zur Synode von Konstantinopel in spätbyzantinischer Zeit enden. Dazwischen werden etwa die Entstehungsvoraussetzungen des Mehrheitsprinzips, die Mehrheitsfindung im mittelalterlichen Japan, Demokratie und Agonalität im klassischen Athen, Solons Stasigesetz und die Mehrheitsentscheidung im Areopag, die rhetorische Konstruktion von Konsens in der römischen Republik, Konsensfiktionen in römischen Volksversammlungen, das Senatsquorum oder die Akklamationen als Surrogat politischer Partizipation erörtert, so dass insgesamt eine Vielzahl vielfältiger, leider nicht durch ein Sachverzeichnis aufgeschlossener Erkenntnisse zur Sprache gebracht wird.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler