Eine Grenze in Bewegung – Öffentliche und private Justiz im Handels- und Seerecht. Une frontière mouvante – Justice privée et justice publique en matières commerciales et maritimes, hg. v. Cordes, Albrecht/Dauchy, Serge unter Mitarbeit von Karg, Andreas/Auer, Anika. Oldenbourg, München 2013. XI, 366 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Bereits Griechen und Römer maßen der sie eingrenzenden See und dem über sie möglichen Handel erhebliche praktische Bedeutung zu, stellten sie aber nicht in die Mitte des Rechtes. Dementsprechend erlangten Handel und See nicht die ihnen eigentlich für das Leben zumindest der führenden Gesellschaftsschichten zukommende Bedeutung innerhalb des römisches Rechtes. Diesen verdienten Rang erreichten beide eigentlich erst im Laufe der Neuzeit, in der das Handelsrecht einschließlich des Seerechts zu einem eigenen Rechtsgebiet innerhalb des umfassenderen Privatrechts wurden, das zumindest in einzelnen Staaten in eigenen Kodifikationen geregelt wurde.
Dessen ungeachtet verdienen Handel und See die ungeteilte Aufmerksamkeit auch des Rechtshistorikers. Innerhalb der Rechtsgeschichte haben sich ihnen vor allem die Germanisten gewidmet, die freilich von den geistigen Errungenschaften der Romanisten im Bereich des allgemeinen Privatrechts stets wichtige Anregungen erhalten haben. Von daher ist es nur folgerichtig, dass die Herausgeber ihr Interesse auf den wichtigen Gegenstand konzentriert und ihm eine eigene gemeinsame Tagung des Centre d’Histoire Judiciaire und des Historischen Kollegs gewidmet haben, die am 1. und 2. Mai in Roscoff/Bretagne abgehalten wurde.
Insgesamt umfasst der daraus hervorgegangene, von den Herausgebern überzeugend eingeleitete Band sechzehn ertragreiche Einzelstudien. Sie betreffen etwa die Parlamentsarchive des !3. Jahrhunderts, das mittelalterliche England, hansische Privilegien, die Gdańsk Issue, die Handelsgesellschaft Brentano vor dem Reichskammergericht, Formen der Konfliktlösung in Nürnberg, Hamburg und Leipzig, die Amirauté de Cornouaille, Dünkirchen, Quintin, die Vereinigten Staaten, das Oberappellationsgericht der vier freien Städte des Deutschen Bundes, die Entstehung des Bundesoberhandelsgerichts, die Ville de Victoria, die Regionalkonferenz in Riom im Jahre 1899, das Verhältnis zwischen geistigem Eigentum und Handel und das Seehandelsrecht im frühen 20. Jahrhundert. Möge den vielfältigen neuen Erkenntnissen auch ohne Aufschluss durch ein Register bestmögliche Wirkung auf die Handelsrechtsgeschichte beschieden sein.
Innsbruck Gerhard Köbler