Die
archivalischen Quellen. Mit einer Einführung in die historischen
Hilfswissenschaften, hg. v. Beck, Friedrich/Henning, Eckart (= UTB 8273
L), 5. Aufl. Böhlau, Köln 2012. 468 S. Besprochen
von Thomas Vogtherr.
Seit
ihrer ersten Auflage im Jahre 1994 besitzt diese Einführung in die
archivalischen Quellen einen festen Platz unter den einschlägigen
Überblickswerken. Von Praktikern geschrieben – also überwiegend von Archivaren
– ist sie ebenso praxisnah wie forschungsorientiert und zeigt, dass der
Archivarsberuf bis heute eine ungewöhnliche Kombination zwischen handwerklichem
Können auf höchstem Niveau und einer engen Beziehung zu aktuellen
Forschungsgegenständen auf dem Gebiet der sog. Historischen Hilfswissenschaften
verlangt.
Die
Grundanlage des Werkes ist über alle Auflagen hinweg nahezu unverändert
geblieben. Ein erster quellenkundlicher Teil umfasst nunmehr 184 Druckseiten
(in der Erstauflage 130 Seiten) und behandelt die Schriftquellen (Urkunden,
Amtsbücher, Akten, Briefe und Selbstzeugnisse), während der zweite
hilfswissenschaftliche Teil mit 185 Druckseiten (einstmals 104 Seiten) von den
Schriftträgern und der Schrift über Siegel und Wappen bis hin zu Maß, Zahl und
Gewicht alle klassischen – und manche nichtklassischen – Hilfswissenschaften
darstellt. Gegenüber der Erstauflage hat die Zahl der Abbildungen erheblich
zugenommen; die einstmals beigegebenen Farbabbildungen sind leider entfallen.
Eine notwendigerweise aktualisierte, in der Menge der nachgewiesenen Titel sehr
unausgewogen wirkende Bibliographie sowie ein exzellentes Sachregister
beschließen den Band.
Bei
überblicksartigen Handbüchern den Inhalt zu referieren oder auch nur zu
charakterisieren, ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Für Benutzer
dieses Werkes mit spezifisch rechtshistorischen Interessen sei deswegen nur
kursorisch auf besondere Inhalte hingewiesen: Den vollen, bei Weitem über den
bloßen Wortlaut hinausgehenden Inhalt von Aktenüberlieferungen zu erschließen,
ist komplexer, aber auch ertragreicher, als man das vermuten könnte. Das
einschlägige Kapitel von Gerhard Schmid (S. 89-124) ist dafür ein ebenso
perfekter Wegweiser wie die knappe Darstellung Eckart Hennings zu Anreden und
Titeln (S. 277-290). Beide Kapitel gemeinsam zeigen, wie sehr im vermeintlichen
Staub der Akten nicht nur rechtsgeschichtliche, sondern auch
kulturgeschichtliche Entdeckungen möglich sind. Die Arbeiten Cornelia Vismanns
(„Akten“, erstmals 2000; nicht in der Bibliographie vermerkt) zeigen das mehr
als deutlich. Von nicht geringerem Interesse für juristisch interessierte Leser
sind die Ausführungen Waldemar Schupps zu Abstammung und Verwandtschaft (S.
315-338): Wer ernsthaft immer noch der Ansicht sei, „Familienforschung“ sei
allein etwas für Hobbygenealogen, der wird auf diesen Seiten mit einer
Wissenschaft vertraut gemacht, bei der die Interdisziplinarität schon gepflegt
worden ist, bevor in anderen Wissenschaften dieser Begriff überhaupt entdeckt
wurde.
Dem
Charakter eines Werkes mit einer Fülle von Autoren – das Verzeichnis S. 468
nennt 16 Namen – entspricht es, dass die Beiträge recht unterschiedlich
strukturiert sind. Das macht den Band ebenso reizvoll wie zum Nachschlagen
trotz des Sachregisters eher schwer benutzbar: Er lädt dafür zum Lesen
ausdrücklich ein, und das ist kein geringes Kompliment für ein Werk, dem
weitere Auflagen nur zu wünschen sind.
Osnabrück Thomas
Vogtherr