Ballinger, Chris, The House of Lords 1911-2011. A Century of Non-Reform. Hart Publishing, Oxford 2012. XIII, 249 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das House of Lords (Oberhaus) ist im englischen Recht die im Laufe des 13. Jahrhunderts aus dem Königshof hervorgegangene Versammlung der großen Lehnsleute des Königs, von denen die Barone 1215 dem König die Magna Charta libertatum abringen konnten. Es umfasste, obgleich es durch das seit 1265/1297 sichtbare House of Commons im Laufe der Zeit mehr und mehr zurückgedrängt wurde,  noch 1998 635 Angehörige des Erbadels und 26 anglikanische Bischöfe. Es ragt also als aristokratisches Element der Vergangenheit in eine demokratische Verfassung der Gegenwart hinein.

 

Mit seiner jüngeren Geschichte befasst sich die bedeutsame Studie des als erster Academic Dean in Exeter wirkenden Verfassers. Vorangegangen waren ihr Arbeiten über Democracy and Voting und Hedging and Ditching - The Parliament Act 1911 des in Oxford ausgebildeten Wissenschaftlers. Seit 2004 war er dem britischen Parlament in Sachen Verfassungsreform eng verbunden, so dass er als einer der besten Kenner der jüngeren Geschichte des britischen Oberhauses angesehen erden kann.

 

Seine eindringliche Studie gliedert sich nach einer kurzen Einführung in Reform und Nichtrefom in neun chronologisch geordnete Abschnitte. Sie beginnen mit dem Parliament Act des Jahres 1911 und behandeln unter einprägsamen Überschriften wie The Battle is Over die Jahre zwischen 1917 und 1945, den Parliament Act 1949, den Life Peerages Act 1958, den Peerage Act 1963, die Inter-Party Conference und the Parliament (No 2) Bill (1968-1969), den House of Lords Act 1999, die Wakeham Commission und schließlich Gründe für Reform und Nichtreform. Am Ende gelangt der Verfasser ansprechend zu der Überzeugung, dass zwar jede Regierung der letzten hundert Jahre im Unterhaus die Mehrheit gehabt hätte, eine grundlegende und endgültige Reform durchzuführen, dass aber eine Reihe kleiner Nichtreformen einfacher und erheblich interessanter erschien, weil eine echte Reform die Bedeutung des Oberhauses grundsätzlich verändert hätte, während ein Jahrhundert der Nichtreform dem Oberhaus die ihm 1911 zugedachte Rolle aufrecht erhielt, selbst wenn 1999 die ausgewählten Mitglieder des Erbadels auf 92 beschränkt wurden.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler