Althoff, Gerd, „Selig sind, die Verfolgung ausüben“. Päpste und Gewalt im Hochmittelalter. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2013. 254 S. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Ausgangspunkt des vorliegenden Werkes ist die Bergpredigt des Neuen Testaments, nach der selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich. Dementsprechend steht im Mittelpunkt der christlichen Heilslehre die Forderung, dass der Mensch seinen Nächsten so lieben soll, wie sich selbst. Da jedermann aus verständlichen Gründen Verfolgung und Gewalt gegen sich selbst ablehnt, muss die christliche Kirche grundsätzlich auch Gewalt gegen Mitmenschen und Verfolgung anderer verneinen.
Die Frage, warum die Kirche dem in der Lebenswirklichkeit im Mittelalter nicht entspricht, hat sich der in Hamburg 1943 geborene, nach dem Studium der Geschichte und Germanistik in Münster und Heidelberg bei Karl Schmid mit einer Dissertation über das Damenstift Borghorst promovierte, 1981in Freiburg im Breisgau habilitierte und 1986 nach Münster berufene Verfasser gestellt. Er gliedert seine weiterführende Studie außer in Einleitung und Zusammenfassung in insgesamt acht Abschnitte. Sie beginnen mit den neuen Geltungsansprüchen Gregors VII. und ihrer biblischen Begründung, zeigen frühe Ansätze von potestas bei Petrus Damiani und Humbert de Silva Candida und gehen von dort zur Rechtfertigung von Gewalt bei Bonizo von Sutri, Anselm von Lucca und Manegold von Lautenbach über, denen beispielsweise Wenrich von Trier und Hugo von Fleury abwehrend entgegentreten.
Das Ergebnis ist Papst Urbans II. Aufruf zur Gewalt gegen Ungläubige im ersten Kreuzzug. In der Folge wirkt sich diese neue Vorstellung auch in der causa 35 des Decretum Gratiani von der Mitte des 12. Jahrhunderts aus. Auch wenn mit den Worten des Verfassers mehr als Annäherungen an die Motive und Antriebskräfte der hauptsächlichen Handelnden kaum möglich sind, erscheint der Versuch einer Erklärung durch das besondere Amtsverständnis, das etwa im Dictatus papae in Satz 22 sichtbar wird, doch den eindringlich und umfassend durchgearbeiteten Quellen am ehesten zu entsprechen, selbst wenn dadurch die Kirche von ihrem älteren Ausgangspunkt entfernt und der wohl natürlichen Aggressivität des Menschseins im Bereich der Verfolgung angenähert wird - machtlose Verfolgte lehnen Verfolgung naheliegenderweise grundsätzlich ab, einmal aus der Verfolgung heraus an die Macht gelangte Menschen setzen sie aber nur zu gerne zwecks Alleinherrschaft nach dem Vorbild ihrer Vorgänger gegen Schwächere ein.
Innsbruck Gerhard Köbler