Westerhoff, Christian, Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg. Deutsche Arbeitskräftepolitik im besetzten Polen und Litauen 1914-1918 (= Studien zur historischen Migrationsforschung 25). Schöningh, Paderborn 2011. 377 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Jochen Oltmer und Wolfgang Reinhard betreute, im Oktober 2005 im Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt begonnene, 2009 in Brüssel am Centre d’Etudes et de Documentation Guerre et Societiés (!) contemporaines fortgeführte und 2010 in Erfurt verteidigte Dissertation des als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt 1914-1918-online der Deutschen Forschungsgemeinschaft tätigen Verfassers. Sie gilt einem der düstersten Kapitel des Zeitalters der Weltkriege in der Periode „des zweiten dreißigjährigen Krieges“. Sie will klären, inwieweit und warum Zwangsarbeit als Mittel der deutschen Arbeitskräftepolitik während des Untersuchungszeitraums angewandt wurde.

 

Sie gliedert sich in sieben Abschnitte. Nach einer kurzen Einleitung beginnt der Verfasser mit einem Überblick über den Wechsel vom Rückkehrzwang zum Rückkehrverbot für Arbeitskräfte aus Russland in Deutschland zwischen 1906 und 1918, nach dem der Verfasser Arbeitsmarkt, Verwaltungsaufbau und Wirtschaftspolitik in seinen beiden Untersuchungsgebieten Generalgouvernement Warschau und Verwaltungsgebiet des Oberbefehlshabers Ost behandelt, wobei auf den beigefügten Karten insgesamt an deb gleichen Stellen teils Seen teils Haffs zu erkennen sind. Danach unterscheidet der Verfasser mit guten Gründen drei zeitliche Abschnitte.

 

Dabei schildert er zunächst die Rekrutierung und Beschäftigung vom Herbst 1914 bis Sommer 1916, dann den totalen Krieg in der Arbeitskräftepolitik mit Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit im Herbst/Winter 1916 und schließlich Zuckerbrot und Peitsche bei der Anwerbung und Beschäftigung vom Frühjahr 1917 bis zum Herbst 1918. Insgesamt kam es demnach auf der Grundlage wirtschaftlicher Überlegungen zu unterschiedlichen Phasen und Formen der Rekrutierung und Beschäftigung, die von freier Anwerbung und Beschäftigung bis zu willkürlichen und umfassenden Razzien und Zwangsarbeit reichen, ohne dass der angestrebte Erfolg tatsächlich erreicht werden konnte. Für die weitere Vertiefung unterbreitet der Verfasser schließlich eine Reihe wichtiger Vorstellungen, damit geklärt werden kann, inweiweit es sich bei der im deutschen Machtbereich praktizierten Zwangsarbeitspolitik um einen deutschen Sonderweg oder um eine europaweite Entwicklung handelt.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler