Stäcker, Therese, Die Franz von Liszt-Schule und ihre Auswirkungen auf die deutsche Strafrechtsentwicklung (= Kieler rechtswissenschaftliche Abhandlungen N. F. 66). Nomos, Baden-Baden 2012. 453 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die ansprechende Untersuchung ist die 2011 abgeschlossene und im Wintersemester 2011/2012 von der juristischen Fakultät angenommene Dissertation der in Itzehoe 1984 geboren, zwischen 2004 und 2010 Rechtswissenschaft an der Universität Kiel studierenden und in dieser Zeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften und am Lehrstuhl für bürgerliches Recht, europäische und deutsche Rechtsgeschichte und historische Rechtsvergleichung tätigen Verfasserin. Die Arbeit wurde von Heribert Ostendorf angeregt und betreut. Sie behandelt einen interessanten Gegenstand.

 

Franz von Liszt, auf dessen biographische Daten die Verfasserin nicht vertieft eingeht, wurde in Wien am 2. 3. 1851 als Sohn eines Generalstaatsanwalts geboren und nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Wien (Jhering), Göttingen und Heidelberg 1874 mit 23 Jahren promoviert und in Graz 1876 habilitiert. 1879 wurde er nach Gießen, 1882 nach Marburg, 1889 nach Halle und1899 nach Berlin berufen. Sein in Gießen erarbeitetes, in Marburg verkündetes kriminalsoziologisches Programm wirkt in der Folge in vielfacher Hinsicht und wird in seinem Einfluss durch das bis zum Tode Liszts in Seeheim/Hessen am 21. 6. 1919 vielfach und bis 1927 27 Mal aufgelegtes Lehrbuch des Strafrechts besonders gestützt.

 

Die Verfasserin gliedert ihr Werk im Wesentlichen chronologisch in sechs Teile. Sie betreffen die Zeit (bzw. Schule) bis 1919, die Zeit bis zum Ende der Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus, die Besatzungszeit (S. 161-170), die Franz von Liszt-Schule während der kriminalpolitischen Strömungen in Westdeutschland (mit einem Exkurs über die Deutsche Demokratische Republik) und eine abschließende Betrachtung. Insgesamt geht die insbesondere die Schriften ihres Betreuers umfangreich verwertende Verfasserin auf zahlreiche strafrechtliche Fragen und Probleme seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert sachkundig und detailliert ein, zeigt die Unterschiedlichkeit der Stellungnahmen von Liszts und ihre Bewertung sowie die Begrenztheit der Schule (Gustav Radbruch, Eberhard Schmidt, Eduard Kohlrausch, Moritz Liepmann, Franz Exner).

 

Im Ergebnis beschreibt sie das Neue Franz von Liszts mit dessen Worten von 1889 dahingehend, dass Erkenntnisse zu den Verbrechensursachen  und den Strafwirkungen durch die naturwissenschaftliche Methode gewonnen werden sollen. Hieran müsse die Kriminalpolitik anknüpfen, was aber auf Grund des damaligen Kenntnisstandes nicht gelingen konnte. In der Gegenwart zeige sich leider demgegenüber eines stärkere Orientierung zu mehr Sicherheit, obwohl ein anderer Umgang mit Straftätern erprobt werden konnte, ohne dass ein unverantwortlicher Anstieg der Kriminalität festzustellen gewesen sei.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler