Staat Macht Uniform - Uniformen als Zeichen staatlicher Macht im Wandel?, hg. v. Wiggerich, Sandro/Kensy, Steven (= Studien zur Geschichte des Alltags 29). Steiner, Stuttgart 2011. 256, XV (Farbtafeln) S. Besprochen von Christoph Schmetterer.

 

Das 19. und das frühe 20. Jahrhundert waren wohl „die“ Epoche der Uniformen und der (populär-)wissenschaftlichen Beschäftigung mit dieser Thematik. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ist das allgemeine wie das wissenschaftliche Interesse an Uniformen in Deutschland und Österreich deutlich zurückgegangen – nicht zuletzt in Reaktion auf zwei Weltkriege. Dennoch werden auch am Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch Bücher über Uniformen publiziert. Hier lassen sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen feststellen. Einerseits eine im Wesentlichen deskriptive, die insbesondere von Sammlern aber auch Museen betrieben wird und an die Uniformkunde des 19. und frühen 20. Jahrhunderts anschließt; andererseits eine mehr kontextorientierte, die nach der Bedeutung von Uniformen in ihrem (sozialen) Umfeld fragt. Dieser relativ neuen zweiten Herangehensweise ist der vorliegende Tagungsband verpflichtet.

 

Der erste Beitrag Lutz Untersehers gibt einen Überblick über die Dimensionen, in denen die Bedeutung von Uniformen behandelt werden kann.

 

Elizabeth Harding beschäftigt sich mit der Einführung adeliger Ziviluniformen und der Diskussion darüber am Ende des 18. Jahrhunderts. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass diese Uniformen keine eindeutigen Zeichen waren, da sie sowohl für fortschrittliche Dienstbeflissenheit als auch rückständiges Standesbewusstsein stehen konnten.

 

Ellinor Forster behandelt die Einführung bayerischer Unformen in Tirol ab 1806. Im Frieden von Pressburg hatte Österreich Tirol an Bayern abgeben müssen. In den folgenden Jahren versuchte die bayerische Regierung (insgesamt wenig erfolgreich) das neu erworbene Gebiet in das Königreich zu integrieren. Ein Aspekt dieser Bemühungen war die Einführung bayerischer Uniformen.

 

Auch Jochen Ramming beschäftigt sich mit den bayerischen Ziviluniformen – und zwar in der Epoche des Vormärz. Er erläutert, dass Beamtenuniformen in Bayern schon um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert eingeführt worden waren, dass es aber erst nach 1850 verpflichtend wurde, sie zu tragen. Rammings These ist nun, dass die Uniformen ursprünglich von Maximilian I. Joseph als Instrument der Auszeichnung und internen Disziplinierung der Staatsbediensteten eingeführt worden waren, unter seinem Sohn Ludwig I. hingegen die (nunmehr) verpflichtende Uniformierung ein Mittel zur Schaffung und Wahrung der staatlichen Autorität gegenüber der Bevölkerung wurde.

 

Ngozi Okidegbe behandelt die Einführung von Uniformen für die New Yorker Polizei. Er führt aus, dass New York die erste Stadt in den USA war, in der eine militärisch organisierte und uniformierte Polizei eingeführt wurde – nach einem kurzlebigen ersten Versuch 1844 endgültig im Jahr 1853. Okidegbe beschreibt die politischen und sozialen Hintergründe sowie die Diskussion um die Einführung der Uniformen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Polizei davor mehr als Teil der Bürger, danach mehr als Teil der Obrigkeit wahrgenommen wurde.

 

Der Beitrag Elisabeth Hackspiel-Mikoschs widmet sich der Veränderung der deutschen Polizeiuniformen vom 19. bis ins 21. Jahrhundert. Sie geht davon aus, dass sich die Uniformen der Polizei zwischen den Polen obrigkeitlich-orientierter, militärischer und bürgernaher, ziviler Uniformen bewegen. Diese Beobachtung ist sicher richtig, wie es auch stimmt, dass die Polizeiuniformen der NS-Zeit betont militärisch waren, während es ab den Sechzigerjahren in der Bundesrepublik Deutschland einen Trend zu zivileren Uniformen für die Polizei gab. Genauso zutreffend ist die Beobachtung, dass die jüngsten Polizeiuniformen stark von amerikanischen Vorbildern beeinflusst sind. Die Grundthese des Beitrags, dass grüne Uniformen bürgernäher sind, blaue hingegen obrigkeitsorientierter, kann die Autorin aber weder überzeugend begründen noch belegen.

 

Carmen Winkel schreibt über Uniformen als Zeichen eines Ranges in der preußischen Armee des 18. Jahrhunderts. Sie geht dabei über die offiziellen militärischen Rangstufen und deren Abzeichen hinaus und behandelt auch die nicht offiziell festgeschriebene, aber trotzdem deutliche Abstufung der einzelnen Waffengattungen und Regimenter. Schließlich behandelt sie Uniformen als Abgrenzungsmerkmal von Militär und Zivil.

 

Alexander Querengässer beschäftigt sich mit dem Wandel sächsischer Offiziersuniformen in den napoleonischen Kriegen. In diesem Zusammenhang führt er aus, dass sich die Uniformen der (nach-)revolutionären Zivilkleidung anpassten. Die Offiziersuniformen wurden einerseits stärker an die Mannschaftsuniformen angepasst, andererseits wurden eindeutige Rangabzeichen eingeführt. Die Entwicklungen, die Querengässer hier beschreibt, sind keineswegs nur für Sachsen typisch.

 

Unter Uniformen versteht man im Allgemeinen eine gleichartige Kleidung. Sandro Wiggerich dehnt diesen Begriff in seinem Beitrag weiter aus und beschäftigt sich mit der militärischen Haartracht und deren Normierung. Wiggerich gibt keine durchgehende Darstellung dieses Themas, sondern behandelt es anhand zweier Schwerpunkte. Diese sind die Zöpfe der alt-preußischen Armee im 18. Jahrhundert einerseits und Vorschriften über Haare in der deutschen Bundeswehr nach dem zweiten Weltkrieg.

 

Christian Senne beschäftigt sich mit einem kleinen Uniformierungsdetail, nämlich dem Gibraltar-Ärmelband. Von 1779 bi 1783 wurden hannoversche Truppen in Gibraltar von spanischen und französischen Einheiten belagert, konnten sich aber erfolgreich verteidigen. Zur Erinnerung daran stiftete Georg III. 1784 das Gibraltar-Ärmelband für jene Unteroffiziere und Mannschaften, die an dieser Belagerung teilgenommen hatten. 1901 wurde das Ärmelband durch Wilhelm II. wiederbelebt, der es allen Angehörigen (also auch Offizieren) jener preußischen Truppenteile verlieh, die aus bestimmten alten hannoverschen Einheiten hervorgegangen waren.

 

Elena Huber behandelt die Uniformen in den ersten Jahren der Sowjetunion. Sie beschreibt nicht nur die Entwicklung der frühen sowjetischen Militäruniformen, sondern auch die – letztlich gescheiterten – Versuche, eine allgemeine Ziviluniform einzuführen.

 

Marc Zivojinovic schließlich beschäftigt sich mit den Uniformen Titos, die er in Beziehung zu dessen Biographie und der Struktur des jugoslawischen Staats stellt.

 

Das Buch (Hardcover) ist für einen Tagungsband ungewöhnlich gut ausgestattet. Dem Thema entsprechend sind die meisten Beiträge illustriert; am Ende des Buches sind zusätzlich noch 15 Farbtafeln enthalten; außerdem sind dem Werk umfassende Personen- und Sachregister beigegeben.

 

Wien                                                                          Christoph Schmetterer