Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Arbeitsgemeinschaft Österreichische Rechtsgeschichte, 2. Aufl.. facultas.wuv, Wien 2012. 408 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Seit seiner Entstehung hat der Mensch seine Fähigkeiten dazu genützt, seine Lebensbedingungen zu sichern und zu bessern. Dieses Verhalten hat ihn zur Sprache, zum Recht, zur Schrift, zur Wissenschaft und zur juristischen Universitätsausbildung geführt. Jeder neue Forscher verändert und vermehrt dabei das weltweite Wissen durch seine Beiträge in individueller Weise.

 

Nach dem Vorwort des vorliegenden manuals war seine erste, 2011 erschienene Auflage „durch den an der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät schon seit langem bestandenen Wunsch nach einer gemeinsamen Lernunterlage in Überwindung traditioneller Schulen motiviert“. In diesem Sinne hatten sich die Dozentin und die drei Dozenten am Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte - nach Emeritierung ihrer bekannten Lehrer - entschlossen, das Wagnis einer gemeinsamen Arbeit auf sich zu nehmen. Als Ergebnis entstand - bewusst unter der gemeinsamen „Firma“ einer Wiener Arbeitsgemeinschaft Rechtsgeschichte - eine Gemeinschaftsarbeit, die in Form und Inhalt naturgemäß ein Kompromiss war, getragen vom Anliegen, größtmögliche Einheitlichkeit für den Wiener Lehr- und Prüfungsbetrieb herzustellen.

 

Dieses vor allem im Interesse der Gleichbehandlung der Studierenden und der Vermeidung der allgemein möglichen Diskriminierung der Studierenden eines Lehrers durch einen anderen nicht selbst gewählten Prüfer sehr begrüßenswerte, von Gerald Kohl, Christian Neschwara, Thomas Olechowski und Ilse Reiter-Zatloukal verwirklichte Unternehmen ist nach dem Vorwort außerhalb Wiens positiv aufgenommen worden. Mit der Erweiterung des Herausgeberkreises um den Innsbrucker Kollegen Martin Schennach, der zum 1. Oktober 2012 die Nachfolge des 2010 emeritierten letzten ordentlichen Universitätsprofessors der Rechtsgeschichte angetreten hat, soll ein integratives Zeichen des Selbstbewusstseins und der Lebenskraft einer eigenständigen „Österreichischen Rechtsgeschichte“ gesetzt werden. Dies spiegelt sich auch im neuen Herausgebernamen wider.

 

Inhaltlich hatte die Aufnahme eines neuen Mitglieds eine Ausdehnung des Stoffumfangs zur Folge. In diesem Sinne konnte einerseits eine in der ersten Auflage noch fehlende Einleitung der Untermauerung des programmatischen Anspruchs der Arbeit und andererseits die in der ersten Auflage noch fehlende Strafrechtsgeschichte der Anpassung an die unterschiedlichen studienrechtlichen Rahmenbedingungen und Schwerpunktsetzungen verschiedener Fakultäten dienen. Nach den Worten der Herausgeber versteht es sich daher von selbst, dass nicht alle in der zweiten Auflage präsentierten Inhalte überall gleichermaßen prüfungsrelevant sind, was für die Lernenden besondere Bedeutung haben dürfte.

 

Bei dieser Gelegenheit nahmen die Herausgeber auch am „Stammtext“ der ersten Auflage teilweise erhebliche Veränderungen vor. Hier erfolgten zahlreiche Umstellungen, Ergänzungen und Modifikationen teils inhaltlicher, teils sprachlicher Natur. Gründlich überprüft wurden Absatzfolge, Randziffernsetzungen und Querverweise.

 

Gegliedert ist das großformatige, gewichtige Lernbuch, das sich an den Bedürfnissen jener Studierenden orientieren will, die an der Erkenntnis auch komplexerer Zusammenhänge interessiert sind, nach einem Abkürzungsverzeichnis von a.h. (allerhöchst) bis zit.n. (zitiert nach) bzw. ZPO (Zivilprozessordnung) und einer Einleitung Martin Schennachs über Grundbegriffe (Rechtsgeschichte, Rechtsbegriff, Staatsbegriff, Österreichbegriff, österreichische Rechtsgeschichte), das Fach Rechtsgeschichte sowie Quellen und Methoden (Randnummern 1001-1040) in vier Teile. Sie betreffen die Zeit bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (Randnummern 1041-1382), (die Zeit) von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1848 (Randnummern 1383-1543), (die Zeit) von der Revolution 1848 bis zum Ende der Monarchie 1918 (1544-1778) und (die Zeit) von 1918 bis zur Gegenwart (Randnummern 1779-2071). Jeder Abschnitt setzt sich aus Einführung, Verfassungsgeschichte, Privatrechtsgeschichte und (nunmehr auch) Strafrechtsgeschichte zusammen.

 

Literaturhinweise von H. Baltl bis H. Wolfram, ein Personenregister von Albrecht II. bis Franz von Zeiller, ein fast vierzigseitiges, schätzungsweise 4000 Ansätze umfassendes Sachregister von Abdankung bis Zypern sowie eine Zeittafel von vor 1000 bis 2011(-2020) runden das Gemeinschaftswerk ab. Wer seinen Inhalt sorgfältig lernt, muss auf die meisten Prüferfragen eine sachgerechte oder zumindest vertretbare Antwort finden können. Wer die dahinter stehenden Zusammenhänge gut verstanden hat, wird über die geschichtlichen Grundlagen des geltenden Rechts Österreichs gut orientiert sein und von dort aus beflügelt ein erfolgreiches Studium der Rechtswissenschaft gestalten können.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler