Odsun.
Die Vertreibung der Sudetendeutschen. Vyhnáni sudetských Němců.
Dokumentation zu Ursachen, Planung und Realisierung einer „ethnischen
Säuberung“ in der Mitte Europas. Band 2 Von der Errichtung des „Protektorats
Böhmen und Mähren“ im März 1939 bis zum offiziellen Abschluss der Vertreibung
Ende 1946, hg. v. Hoffmann, Roland J./Heißig, Kurt/Kittel, Manfred.
Sudetendeutsches Archiv/Sudetendeutsches Institut e. V., München 2010. 891 S.
Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Wort sudetendeutsch wird anscheinend erstmals 1903 von
dem Politiker Franz Jesser (1869-1854) verwendet, Sudetenland
ist seit 1912 die Bezeichnung für das
Siedlungsgebiet der überwiegend deutschsprachigen Bewohner Deutsch-Mährens,
Deutsch-Böhmens und Österreichisch-Schlesiens. Im Oktober 1918 rufen am Ende
des ersten Weltkriegs die Bewohner der nördlichen Gebiete die
deutsch-österreichische Provinz S. aus und treten im November 1918 der Republik
Deutschösterreich bei, doch erklärt der Friedensvertrag von Saint Germain den
Beitritt als unwirksam und gliedert das Gebiet der Tschechoslowakei ein. Am 29.
9. 1938 wird das Sudetenland im Münchener Abkommen von der Tschechoslowakei an
das Deutsche Reich abgetreten (29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen Einwohner),
kommt aber am Ende des zweiten Weltkriegs 1945 unter Vertreibung der Deutschen
in viele Länder (z. B. 1026356 nach Bayern, 394411 nach Hessen, 357000 nach
Sachsen-Anhalt, 322681 nach Baden-Württemberg, 142100 nach Österreich oder 40
nach Norwegen) an die Tschechoslowakei zurück.
Durch diese bekannten geschichtlichen Vorgänge ist es zu Leiden auf vielen Seiten gekommen, wobei in der Bilanz der Verlust letztlich die Sudetendeutschen getroffen hat. Von daher ist es nur zu verständlich, dass sie an einer Dokumentation sehr interessiert sind. Neben zahlreichen anderen Einzelwerken ist dazu 2000 ein erster Band als Odsun. Die Vertreibung der Sudetendeutschen. Vyhnáni sudetských Němců. Dokumentation zu Ursachen, Planung und Realisierung einer „ethnischen Säuberung“ in der Mitte Europas. Band 1 Vom Völkerfrühling und Völkerzwist 1848/49 bis zum Münchener Abkommen 1938 und zur Errichtung des „Protektorats Böhmen und Mähren“, hg. v. Hoffmann, Roland J./Harasko, Alois. Sudetendeutsches Archiv, München 2000. 944 S., zahlreiche Abb., erschienen.
Dem folgt zehn Jahre später ein gleich gewichtiger zweiter Band unter einem neuen Bearbeiterteam mit veränderten Grundlagen. Er enthält neben einem zweisprachigen Vorwort und nach einer ebenfalls zweisprachigen kurzen Einführung Kurt Heißigs 516 Dokumente und 106 Abbildungen. Register und Verzeichnisse erschließen die in Karten zusammengefassten politischen Vorgänge in überzeugender Weise, so dass Gegenwart und Zukunft ein informatives Werk über dramatische Veränderungen ethnischer Art in einem bekannten Teil Mitteleuropas zur Verfügung haben.
Innsbruck Gerhard Köbler