Oberkofler, Gerhard,
Ludwig Spiegel und Kleo Pleyer - Deutsche Misere in der Biografie zweier
sudentendeutscher Intellektueller. StudienVerlag, Innsbruck 2012. 264 S., Ill.
Besprochen von Gerhard Köbler.
Ludwig Spiegel wurde in Reichenau an der Kněžna 1864 als Sohn eines Advokaten und Notars geboren, studierte ab 1882 an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag mit ausgezeichnetem Erfolg (Promotion 2. 7. 1887), wurde danach bei der Finanzprokuratur tätig und erwarb am 12. Dezember 1893 die Lehrbefugnis für österreichisches Staatsrecht. In 15 Abschnitten verfolgt der Verfasser akribisch an Hand zahlreicher einzelner Quellen das sehr erfolgreiche Wirken des bald berufenen Gelehrten, der sich etwa mit der Geschichte Böhmens, der Entstehung des tschechoslowakischen Staates, die Rechtsstellung der deutschen Universität Prag oder der Staatssprache der Tschechoslowakei entschieden und weiterführend auseinandersetzte und als einer der wichtigsten Führer der Sudetendeutschen zum Senator im Parlament in Prag aufstieg. Als er, bereits zum Rektor gewählt, in Marienbad am 14. August 1926 nach kurzer Krankheit starb, ließ sich sein leidenschaftliches Einstehen für Gerechtigkeit als oberste Richtlinie seines politischen Handelns besonders rühmen.
Franz Kleophas Pleyer wurde als neuntes Kind des Grobschmieds Josef Pleyer im westböhmischen Bezirk Kralowitz an der deutsch-tschechischen Sprachgrenze 1898 geboren, absolvierte Bürgerschule und zweiklassige Handelsschule, arbeitete ab 1914 bei der Westböhmischen Kaolin- und Schamottewerk AG, meldete sich im Juni 1916 freiwillig zum Kriegsdienst und zog sich nach Kriegsende und einer Anklage seitens der tschechischen Arbeiterschaft wegen gegenrevolutionärer Bestrebungen zum Studium alter Sprachen, sozialistischer Wissenschaften und völkischer Erneuerungsfragen in die Abgeschiedenheit seiner Waldheimat zurück. Im Wintersemester 1921/1922 schrieb er sich als außerordentlicher Hörer der philosophischen Fakultät der deutschen Universität Prag ein, holte danach die Reifeprüfung als Externer am Altstädter Realgymnasium nach, wechselte zum Winter 1923/1924 für Staatswissenschaften nach München, wo ihm jedoch zum 31. Dezember 1923 wegen seiner politischen Betätigungen die Aufenthalterlaubnis entzogen wurde. Danach gelang ihm, den der Verfasser als Rohdiamanten für die nobel tuenden Naziintellektuellen, welche die SA-Stiefel ablehnten, aber in ihrer Denkrichtung mit ihnen marschierten, bezeichnet, in Berlin die Habilitation für Geschichte, der Berufungen nach Königsberg (1937) und Innsbruck (1939) folgten, ehe Pleyer als freiwilliger Kriegsteilnehmer am 26. März 1942 beim Sturm auf Velikoje-Sselo an der Spitze seiner Kompanie durch einen Herzschuss fiel.
Der Verfasser sucht in seinem sorgfältig aus den verstreuten Quellen erarbeiteten Werk nach den Gründen, warum Spiegel und Pleyer trotz unterschiedlicher Herkunft und Bildung zu Gehilfen der deutschen Bourgeoisie wurden. Ihr Lebensweg hat sich nur kurz in Prag berührt. Gleichwohl hat das Wirken beider in verschiedener Weise einerseits die bürgerlich demokratische Tschechoslowakei destabilisiert und andererseits den nationalsozialistischen Imperialismus Deutschlands gestützt, jeweils zum Schaden eines vom Verfasser mit guten Gründen bejahten friedlichen Miteinanders in Europa.
Innsbruck Innsbruck