Gerst, Christoph, Hexenverfolgung als juristischer Prozess. Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel im 17. Jahrhundert. V & R, Göttingen 2012. 333 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die mit einer chronologischen Übersicht und zwei kleinen Kartenausschnitten angereicherte Arbeit ist die von Rebekka Habermaas betreute, im September 2010 der philosophischen Fakultät der Universität Göttingen vorgelegte Dissertation des im Mai 2011 promovierten Verfassers. Sie gliedert sich außer in Einleitung über den Forschungsstand, die Fragestellung & Methodik und die verwendeten Quellen samt Quellenkritik und eine Schlussbetrachtung in vier Abschnitte. Sie betreffen die Grundlagen, den Beginn des Verfahrens gegen eine Hexe, die Grundlagen des gerichtlichen Hexenverfahrens und den Hexenprozess.

 

Dabei geht der Verfasser davon aus, dass die den Ablauf lokal begrenzter Verfolgungen schildernde historische Hexenforschung die juristische Prozesspraxis oft vernachlässigte, während die Rechtshistoriker ein zu geringes Augenmerk auf die spezifisch juristische Sicht warfen. Aus diesem Grund bemüht sich der Verfasser um eine Synthese unter dem Versuch, eine einheitliche Sprachregelung über das Prozessgeschehen zu etablieren. Wegen der begrifflichen und systematischen Neuerungen seines Ansatzes stehen vor allem die (bisher) herrschenden Lehrmeinungen der Rechtshistoriker zum Prozessgeschehen auf dem Prüfstand.

 

Der von ihm verwendete Stoff besteht aus mehr als 30 Fallakten, zu denen einige nur aus Hinweise ermittelte, inhaltlich unergiebige Fälle kommen (insgesamt 41 Fälle in hundert Jahren). Seine vielleicht wichtigste Erkenntnis ist, dass jedes seiner Hexenverfahren nur innerhalb des allgemeinen Verfahrens der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 ablief. Auf dieser Grundlage stellt er mittlerweile kanonisierte Forschungsergebnisse in ein neues Licht, in dem Bezeichnungen wie die Epoche der europäischen Hexenverfolgungen zumindest als missverständlich erscheinen, weil Hexenprozess und Folter nur einzelne rechtmäßige Bestandteile eines zu dieser Zeit gültigen Rechtssystems waren, das sich in Hexenprozess und Folter keineswegs erschöpfte.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler