KöblerEherecht1811-2011-20121015 Nr. 14476 ZIER 2 (2012) 89. IT

 

 

Eherecht 1811-2011. Historische Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen, hg. v. Kohl, Gerald/Olechowski, Thomas/Staudigl-Ciechowicz, Kamila/Täubel-Weinreich, Doris (= BRGÖ Jahrgang 2 Band 2012/1). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien 2012. 232 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Anlässlich des zweihundertjährigen Jubiläums des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs versammelten sich auf Einladung der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs der österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Universität Wien, der Wiener rechtsgeschichtlichen Gesellschaft und der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter im kleinen Festsaal der Universität Wien am 16. und 17. Juni 2011 Vertreterinnen und Vertreter der Forschung und der Praxis, um über die geschichtliche Entwicklung des österreichischen Eherechts und über aktuelle Rechtsfragen zu sprechen. Insgesamt widmeten sich sechzehn Vorträge aus rechtsdogmatischer, rechtshistorischer und soziologischer Sicht diesem Gegenstand. Zeitlich erstreckten sie sich von der Entstehung des Gesetzbuchs bis zur Gegenwart.

 

Nach Ansprachen des Leiters der Zivilrechtssektion des Justizministeriums Österreichs und des Präsidenten der österreichischen Akademie der Wissenschaft sowie einer kurzen Einführung befasste sich eine erste Abteilung mit dem Eherecht des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahre 1811 (Stefan Schima), mit dem Eherecht in der Republik Österreich zwischen 1918 und 1978 (Herbert Kalb) sowie mit dem Familienbild des Gesetzbuchs und der Lebenssituation von Scheidungsfamilien und Nachscheidungsfamilien. Dem folgten vier Referate über historische und aktuelle Entwicklungen des Eheschließungsrechts, in denen Dieter Schwab die rechtshistorische Entwicklung des Ehenamens, Astrid Deixler-Hübner aktuelle Probleme des Namensrechts, Melanie Goisauf und Rossalina Latcheva die Zwangsverheiratung im sozialwissenschaftlichen und politischen Diskurs sowie Bea Verschragen die eingetragene Partnerschaft behandelten. Hinsichtlich Eherecht und Staatsbürgerschaft erörterte Christian Neschwara siebenbürgische, ungarische, deutsche und Coburger Ehen im 19. Jahrhundert, während Ilse Reiter-Zatloukal die Beziehungen zwischen Ehe, Staatsangehörigkeit und Migration in Österreich zwischen 1918 und 1948 und Nina Dethloff die europäische Ehe als ein optionales Modell für transnationale Partnerschaften untersuchten.

 

In Bezug auf Rechtstatsachen der Ehe berichteten Monika Niedermayr über eherechtliche Entscheidungen in der Judikatur der Obersten Justizstelle und Gerald Kohl über das Eherecht in der populären Rechtsliteratur. Den Ausklang bildeten Entwicklungen des Ehescheidungsrechts, die den Ehgattenunterhalt (Constanze Fischer-Czermak), die Scheidungsreform in Österreich in den 1970er Jahren (Maria Wirth), die Scheidungsgründe im Wandel der Zeit (Doris Täubel-Weinreich) und das Verschuldensprinzip im heutigen Ehescheidungsrecht Österreichs (Norbert Marschall) betrafen. Zusammengenommen bietet der gehaltvolle, leider eines eigenen Registers entbehrende Band dementsprechend zwar keine vollständige Geschichte des Eherechts in Österreich in der einbezogenen Zeit, weist aber auf viele wichtige Einzelereignisse auf dem privatrechtlichen Rechtsgebiet hin, das sich innerhalb und außerhalb Österreichs in den beiden letzten Jahrhunderten am entschiedensten verändert hat, ohne dass dadurch letztlich aber das Gewicht der Kodifikation entscheidend gemindert worden wäre.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler