Diestelkamp, Bernhard, Ein Kampf um Freiheit und Recht. Die prozessualen Auseinandersetzungen der Gemeinde Freienseen mit den Grafen zu Solms-Laubach. Böhlau, Köln 2012. X, 360 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Urkundlich erstmals erwähnt wurde das Dorf Freyenseen im Seenbachtal am Rande des Vogelsbergs in einer Urkunde des Landgrafen Otto von Hessen am 26. Januar 1312, obgleich es durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1125-1190) den Titel freies Reichsdorf erhalten haben soll. Über dieses Dorf zu reden, würde nach dem Verfasser nicht lohnen, hätte nicht ein Teil seiner Bewohner seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert mit den Grafen zu Solms-Laubach hartnäckig darum prozessiert, nicht der gräflichen Landeshoheit unterworfen zu sein. Da dieser Streit auch vor dem 1495 eingerichteten Reichskammergericht ausgetragen wurde, ist der Altmeister der neueren Reichskammergerichtsforschung vorzüglich dazu berufen, die langwierigen Auseinandersetzungen monographisch ausführlich zu schildern.
Der Verfasser geht überzeugend davon aus, dass der Vorgang der Durchsetzung der Landeshoheit im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit nicht nur horizontal als Auseinandersetzung feudaler Kräfte untereinander zu verstehen ist, sondern dass er auch gravierende Auswirkungen auf das Verhältnis der Herrschaftsunterworfenen zu den Herren hatte, das mehr und mehr verstärkt und verdichtet wurde, wogegen sich die Betroffenen bei Gelegenheit nach Kräften wehrten. Im Rahmen der für die Wetterau bereits untersuchten diesbezüglichen Untertanenprozesse interessierte ihn ein Bündel von fast 50 Verfahren, welche Freienseen vor dem Reichskammergericht, einigen Visitationskommissionen, dem Reichshofrat und schließlich vor dem Oberappellationsgericht in Darmstadt führte. Darin bestritten die Freienseener grundsätzlich, dass sie den Grafen untertan seien, weil sie nur Kaiser und Reich unterworfen seien.
In 20 Schritten stellt der Verfasser die Abläufe kenntnisreich und sachkundig vor. Er beginnt mit den Parteien, Freienseens Herrschaftszugehörigkeit und unruhigen Zeiten bis zu den ersten Prozessen, betrachtet dann das Hauptverfahren der Jahre von 1554 bis 1561 vom Beginn bis zum Endurteil, den dessenungeachtet aufgenommenen Kampf vor Ort, den Marburger Vergleich vom 20. Mai 1639 und das Geschehen unter den Grafen Carl Otto, Johann Friedrich, Friedrich Ernst, Friedrich Magnus II., Christian August und Friedrich Ludwig Christian (1797-1806/1822). Am Ende der eingängig formulierten, inhaltlich vorbildlichen Darlegung stellt er Gewinne und Opfer der Freienseener und Ergebnisse der Herrschaft einander gegenüber und stuft die lebhaften Auseinandersetzung als einen Kampf gegen einen allgemeinen geschichtlichen Ablauf ein, den die Bauern im besten Falle nur zu einem gewissen Teil gewinnen konnten und im Übrigen unabhängig von ihren vielfältigen Anstrengungen verlieren mussten.
Innsbruck Gerhard Köbler