Debaenst, Bruno, Een Proces van Bloed, Zweet en Tranen! Juridisering van Arbeidsongevallen in de negentiende Eeuw in België (= Iuris Scripta Historica XXV). Wetenschappelijk Comite voor Rechtsgeschiedenis - Koninklijke vlaamse Academie van Belgie voor Wetenschapen en Kunsten, Brussel 2011. 503 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im ausgehenden 18. Jahrhundert änderte sich die menschliche Welt stärker als in vielen Zeiten zuvor. Freiheit und Gleichheit setzten sich von Frankreich ausgehend durch, während von England aus die Landwirtschaft gegenüber Gewerbe und Industrie zunehmend ins Hintertreffen geriet. Freie Menschen standen nicht mehr unter grundherrschaftlicher Verantwortung und mussten selbst sehen, woher sie mit ihrer Hände Arbeit Geld für Brot und Wasser für sich und ihre Familien erlangten.
Die Freiheit nützte vor allem den besitzenden, geschickten, wendigen und unternehmungslustigen Individuen und schadete den armen, ungebildeten, einfallslosen und unbeweglichen. Dies führte in langen Jahrzehnten zur Spaltung der Gesellschaft in wenige Kapitalisten und viele Proletarier, welche der liberale Staat lange nicht als Bedrohung für sich ansah. Erst Otto von Bismarck nahm diese Gefahr für Gesellschaft und Staat ernst und versuchte nach anfänglichem Verbot der gemeingefährlich erscheinenden Bestrebungen sozialistischer Parteien die Lösung der Problematik mit Hilfe von Sozialpolitik in den Jahren 1881 bis 1884.
Diesen wichtigen Vorgang greift für Belgien der 1977 geborene Bruno Debaenst erfolgreich auf, der nach dem Studium von Geschichte, Recht und Kriminologie in Gent zwischen 2003 und 2008 als advocaat aan de balie van Gent wirkte, sich aber seit 1. Oktober 2005 als Assistent an der Fachgruppe Grondslagen en Geschiedenis van het Recht der Genter juristischen Fakultät mehr und mehr der Rechtsgeschichte zuwandte und am 10. November 2010 seine Dissertation erfolgreich verteidigen konnte, die nunmehr erfreulicherweise als Buch vorliegt. Sie gliedert sich nach einer kurzen und klaren Einleitung in neun Kapitel über die vorindustriellen Anfänge der Mitte des 19. Jahrhunderts, die ersten gewichtigen Arbeitsunfälle in Belgien, die besondere Bedeutung Charles-Xavier Sainctelettes, die Zeit bis 1903 mit wichtigen Zwischenschritten von 1886, 1890, 1894 und 1901, die Unfallfelder, die Verwaltung, die strafrechtlichen Aspekte, die zivilprozessualen Verläufe und die Detailuntersuchung am ausgewählten Beispiel. In sorgfältiger Betrachtung ermittelt der Verfasser auf der Grundlage umfangreicher Quellen aus dem armen Flandern wie dem reichen Wallonien ein eindrucksvolles regionales Gesamtbild eines weltweit bedeutsamen Vorgangs, das zur größeren internationalen Wirksamkeit wohl auch eine deutsche, englische und französische Zusammenfassung verdient hätte.
Innsbruck Gerhard Köbler