Bergdolt, Klaus, Deutsche in Venedig. Von den Kaisern des Mittelalters bis zu Thomas Mann. Primus, Darmstadt 2011. 304 S. Besprochen von Ulrich Oppitz.

 

Der Kölner Medizinhistoriker, der nach seiner Facharztausbildung ein Studium der Geschichte, Religionswissenschaften, Kunstgeschichte und Archäologie abschloss, war von 1990 bis 1995 Direktor des Deutschen Studienzentrums in Venedig am Canal Grande. Auf der Basis seiner Fachausbildung und seiner andauernden Zuneigung zu seinem Venedig führt er den Leser in 27 unterhaltsamen Kapiteln in die Verbindung zahlreicher Deutscher und Österreicher zu Venedig und dem angrenzenden Venetien ein. Die Kapitel behandeln jeweils Gruppen von Personen, die durch Beruf oder gemeinsames Interesse verbunden sind. Waren es im Mittelalter Kaiser, Bischöfe oder Ordensritter, so waren es später Kaufleute, Maler, Musiker oder Literaten. Interessant ist die Erwähnung der ersten Drucker in Venedig, die mit Gutenberg zusammengearbeitet hatten und bei ihm die Kunst des Druckes mit bewe4glichen Lettern gelernt hatten. Sie führten neben der Drucktype Antiqua für literarische Produkte die gotische Type für Fachliteratur, besonders für juristische Drucke, ein. Einzelnen Personen, wie Dürer, Goethe, Nietzsche und Thomas Mann widmet er ein eigenes Kapitel. Der Fondaco dei Tedeschi an der Rialto-Brücke und sein Umfeld werden von ihren Anfängen beschrieben. Erst in diesem Jahr konnte eine architektonische Gefährdung der Bausubstanz des Gebäudes, das trotz seiner Funktion als Hauptpostamt zwischen 1870 und 2008 viel Originales erhalten hatte, vermieden werden; wie lange der Schutz des an die Benetton-Gruppe verkauften Gebäudes als Denkmal erhalten bleibt, ist weiter unklar.

 

Die von Bergdolt ausgebreiteten Lesefrüchte über den „Klumpen Antiquitäten auf dem Wasser“ (E. M. Arndt, 1798) machen auch mit vielen heute oft vergessenen Personen der Geschichte bekannt. Bereits Heinrich Schickhardt sprach um 1600 von der Bedeutung des Reisens für die Bildung. Je mehr sich das Reisen zu einem Massenphänomen entwickelte, desto geringer wurde der Ertrag für die persönliche Bildung; immer häufiger finden sich in den Reiseberichten abfällige Bemerkungen, die mitgetragene Vorurteile bestätigten. Dementsprechend häufen sich die Klagen über die Vielzahl der verständnislosen Besucher der Stadt – natürlich mit Ausnahme des jeweiligen Verfassers, der sich über die anderen Reisenden erhaben fühlt. Neben der Bildungsreise gab es auch gelegentlich Reisen, die in staatlichem Auftrag Studienreisen waren: der Architekt Schinkel studierte die Museen Venedigs für seinen Minister Altenstein, der Preußens Museen verbessern wollte.

 

Die Geschichte der Stadt seit ihrem 1798 erfolgten Übergang an Österreich ist kenntnisreich beschrieben. Abgesehen von der Tatsache, dass seit dieser Zeit die Berichte von Österreichern über die Stadt  häufiger wurden, zeigt Bergdolt auch die Förderung der neuen Herren für die Universität Padua und für die Verbesserung des Strafrechts, die auch eine Zurückdrängung der bis dahin weit verbreiteten Korruption zur Folge hatte. Ab 1873 kam Venedig an das vereinigte Italien. Dadurch lenkten die Österreicher bis zum Ende des Ersten Weltkrieges ihr Interesse stärker auf das ihnen verbliebene, benachbarte Triest.

 

Durch die Schilderungen der Besucher zieht sich über die langen Jahrhunderte gleichbleibend als beliebtes Motiv die Bewunderung des morbiden Charmes der Stadt – dies hält noch heute an und mit ihm auch die Diskussion, wann Venedig eines Tages im Meer versinken wird.

 

Neu-Ulm                                                                                                          Ulrich-Dieter Oppitz