Holzschuh, Ingrid, Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942. Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann. Böhlau, Wien 2011. 122 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Revolutionäre ändern die Welt gerne mit Macht nach ihren eigenen Vorstellungen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der französische Revolutionskalender, nach dem bereits am 15. Juli 1789 und damit am ersten Tag nach Erstürmung der Bastille von revolutionären Zeitungen das Jahr eins der Freiheit ausgerufen wurde und infolge einer Entscheidung des Nationalkonvents am 24. November 1793 rückwirkend ab 22. September 1792 der zweite republikanische Kalender mit neuer Zählung der Jahre, Monate und Tage in Kraft trat. Ähnlich setzte sich der Nationalsozialismus für zahlreiche einschneidende Veränderungen ein.

 

Hierzu sind auch die Planungen für Führerstädte und Gauhauptstädte unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu zählen. Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich unter Reichskanzler Adolf Hitler begann dementsprechend die Arbeit an einer Neugestaltung der Stadt. In diesem Zusammenhang wurde im Herbst 1940 der Berliner Architekt Hanns Dustmann zum neuen Baureferenten Wiens bestimmt.

 

Mit diesen Vorgängen befasst sich die vorliegende, als Diplomarbeit seit Herbst 2007 entstandene Untersuchung der nach Tätigkeiten als Bautechnikerin im Bereich Planung und Projektleitung in verschiedenen Architekturbüros Wiens und dem Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien mit einer Dissertation über Otto Strohmayr (1900-1945), Salzburger Projekte und Bauten im Nationalsozialismus promovierten Autorin. Gegliedert ist die neue Quellen aufschließende, mit zahlreichen Abbildungen versehene Studie nach einer Einleitung in neun Abschnitte von städtebaulichen Vorbildern aus dem Altreich über den Machtkampf in der Wiener Stadtplanung, Hanns Dustmann, das Projekt 11.41, das Wiener Gauforum, die Wiener Gauhalle und das Gauforum bis zu der Gauhauptstadt Dresden als Prototyp einer Neugestaltung. Im Ergebnis gelangt die Verfasserin zu der ansprechenden Arbeitserkenntnis, dass Dustmann nur einer von vielen Erfüllungsgehilfen Hitlers war, der ein vom Führer vorgegebenes Programm umsetzen sollte, nach dem sich der Einzelne zu unterwerfen und dem einheitlichen, widerspruchslosen Volkskörper anzupassen hatte.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler