Haffer, Dominik, Europa in den Augen Bismarcks. Bismarcks Vorstellungen von der Politik der europäischen Mächte und vom europäischen Staatensystem (= Otto-von-Bismarck-Stiftung, Wissenschaftliche Reihe 16). Schöningh, Paderborn 2010. 723 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Dominik Haffer studierte Geschichte, Politik und Rechtswissenschaft an der Universität Marburg, wo er im Sommersemester 2008 mit der vorliegenden, von Peter Krüger angeregten und betreuten Dissertation im Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften promoviert wurde. Im Anschluss hieran absolvierte er das Archivreferendariat am Hauptstaatsarchiv Dresden und an der Archivschule Marburg. Danach leitete er die Archivberatungsstelle Hessen und wechselte zum 1. September 2010 als Leiter des Sachgebiets Archivberatung zum LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum in Brauweiler.
Seine gewichtige, von der Konrad-Adenauer-Stiftung durch ein dreijähriges Promotionsstipendium unterstützte Untersuchung beruht auf ausgedehnten Forschungen im politischen Archiv des auswärtigen Amts Berlin, im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg im Breisgau, im geheimen Staatsarchiv preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde und in der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh bei Hamburg. Gegliedert ist sie außer in eine Einleitung und eine Schlussbetrachtung in insgesamt fünf Teile. Sie reichen von Überlegungen zum politischen Handeln Bismarcks über die Wurzeln des Europabilds Bismarcks, Deutschland und Europa vor und nach dem Krimkrieg (von 1853 bis 1856 zwischen Russland einerseits und dem Osmanischen Reich, Frankreich, Großbritannien sowie Sardinien/Italien andererseits), Krisen und Kriegen als Stationen europäischer Politik bis zum Deutschen Reich als neue Größe im europäischen Staatensystem. Der Verfasser will vor allem die Ideen ermitteln, mit deren Hilfe Bismarck eine berechenbare Politik im Rahmen europäischen Rechts und politischer Kultur anstrebte.
In seiner auf vielfältige Quellen gestützten Arbeit über die streitige Wirkung Bismarcks auf Europa gelangt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass Bismarck sich nicht antieuropäisch verhielt, sondern sich um Stabilisierung unter Gewinnung bzw. Sicherung einer angemessenen Rolle Preußens bzw. Deutschlands in Europa bemühte. Bereits früh gewann er dabei die Überzeugung, dass der von ihm in Erfüllung deutscher Sehnsucht angestrebte Nationalstaat nicht gegen, sondern nur in einem europäischen Staatengeflecht geschaffen werden konnte. Verzeichnisse und ein Personenregister von Abeken bis Zuylen van Nijevelt runden die breit angelegte, ansprechende Untersuchung vorteilhaft ab.
Innsbruck Gerhard Köbler