Greiner, Bettina, Verdrängter Terror. Geschichte und Wahrnehmung sowjetischer Speziallager in Deutschland, Hamburger Edition, Hamburg 2010. 525 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die wohl von Stig Förster betreute, von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur mit einem Stipendium geförderte, 2008 von der historischen Fakultät der Universität Bern angenommene, in Erinnerung an Erika von Prittwitz und Gaffron (1907-2001) veröffentlichte Dissertation der Verfasserin. Sie behandelt die Speziallager des Geheimdiensts der Sowjetunion in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone des Deutschen Reiches bzw. in der Deutschen Demokratischen Republik. Nach offiziellen Angaben des Volkskommissariats bzw. Ministeriums für innere Angelegenheiten der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken waren dort 157837 Männer und Frauen (122671 deutsche Zivilisten und 34706 Staatsangehörige der Sowjetunion festgehalten worden wie z. B. Gustaf Gründgens, Karl Ritter von Halt, Eduard Zimmermann oder Karl-Heinz Kurras, wobei die Verfasserin die tatsächliche Zahl der Insassen auf insgesamt 189000 schätzt, von denen mindestens 44000 Deutsche dort verstarben.
Die Verfasserin gliedert ihre beeindruckende Studie nach einer Einleitung über das Lagersystem, die Internierten und die durch sowjetische Militärtribunale Verurteilten in drei Teile, wobei sie mit den Haftmaßnahmen beginnt. Danach betrachtet sie die Hafterfahrungen (Verhaftung, GPU-Keller, Speziallager Nr. 7/Nr. 1 Sachsenhausen, Bruchstücke). Anschließend stellt sie die Hafterinnerungen der Überlebenden in Freiheit einschließlich des Preises der Anerkennung dar.
Im Mittelpunkt steht das gewaltgeprägte Sozialgefüge in einem Lebenskontext, in dem das Ausbleiben von Gewalt einer Belohnung gleichkommt. Am Ende stuft sie mit guten Gründen diese mit Beschluss des Zentralkomitees vom 30. Dezember 1949 aufgelösten Speziallager als Konzentrationslager ein. Wie diese waren sie lange verdrängte Orte von Terror, Grauen und Unrecht, auf welche die Verfasserin unter Ausschöpfung der unterschiedlichen verfügbaren Quellen verdienstvoll, umsichtig und sachgerecht aufmerksam macht.
Innsbruck Gerhard Köbler