Nr. 170. Kammergerichtsordnung. - 1471, Okt. 24.
RS. d. RU. I, S.249 ff.;
vgl. auch den älteren Druck bei Lünig, Reichsarchiv IV (1720), 272ff.
Wir Friedrich von Gots
gnaden Romischer keiser zu allen zyten merer des reichs, zu Hungarn, Dalmatien,
Croacien etc. könig, herzog zu Oestereich und zu Steyr etc. sezen und ordenen,
daß hinfür unser cammergericht besizen sollen ein cammerrichter mit einer
zimlichen zahl erbaren, redelichen, beysizenden urteilern, die verbunden seyn
sollen, unsers cammergerichts stetiglichs, wo wir zu zeiten im reich sein, oder
cammergericht zu halten befehlen, zu gewarten, oder das merer aus yn, und auf
daß aller argwohn vermieten werde, sollen dieselbigen, und wer hinfür zu
cammerrichtern und urteilern aufgenommen werden, diesen hernach geschrieben
eidt thun.
§ 1. Der Eyd des richters
und beysizenden urteilern.
Ich N. globe und swere, daß
ich nach allen minen besten verstentniß und sinnen recht urteilen und recht
sprechen will, in sachen, so vor mir in dem kammergericht gehandelt und
fürgenommen werden, u. das nicht laßen umb vorcht, gunst, lieb, gab oder
versprechniß eincher gab oder anders; mein urteil auch zu sprechende geverlich
nicht verhalten oder verziehen, auch mit keiner partei, die vor dem gerichte zu
schaffen hat, einche fürrede haben, noch keiner parteyen wider die andern hülf
oder beystandt tun, noch ichtz von yne nemen oder in iren sachen rathen, sunder
alles geverde.
§ 2. Gerichtschreibers eydt.
Ich N. globe und swere, daß
ich alle gerichthändel, vor mir in gericht gehandelt und fürbracht, getrewlich
und eigentlich aufschreiben will, und register, briefe und urkund, so im
gericht fürbracht und gelegt werden, bey dem gericht getreulich halten, und
keiner partei oder yemants von ihren wegen übergeben, öfenen, leßen, hören oder
abschrifft davon werden lassen, es würde denn zu gescheen von richtern und
urteilern erleubet.
§ 3. Item, es soll kein
fürsprech oder procurator, das wort in dem rechten zu thun, zugelaßen werden,
es sey denn [daß er] zuvor von unsern wegen zugelaßen, aufgenommen, und diesen
hernach geschriben eidt gethan habe. Deßgleichen soll auch nymants advocat seyn
oder advociren, er sey dann zuvor durch uns, oder wem wir das befehlen, zu sollichem
amt aufgenommen, auf daß redelich und gelehrte advocaten, die den partein wißen
zu rathen, aufgenommen werden, und eher er zu solchem amt aufgenommen würdet,
sol er globen und sweren den eyd, als hierunter von den advocaten geschriben
ist. Es soll auch kein partei über einen geswornen advocaten oder procurator in
einer sachen aufnemen oder bestellen, auf daß die ander partei auch möge
advocaten und fürsprecher bekommen, und daß darinnen kein gefehrlichkeit
gebraucht werden möge, soll kein advocat oder procurator eincher partei in
ihrer sache raten, dieselbige partey, die yn umb rath ersucht, wolle dann den
advocaten oder procurator in den sachen zu advocaten oder zu procurator
aufnemen.
§ 4. Der procurator-eydt
Ich N. globe und schwere,
daß ich den partein, der sachen zu handlen als ich mich annymme, in denselben
sachen mit ganzen und rechten treuen meinen, und die sachen in rechten nach
mein besten verstentniß, der partein zu gut, fürbringen und handeln, auch
darinnen wißentlich keinerley falsch und unrecht gebrauchen, daß ich mit
derselben meiner parthien keinerlei fürgedinge oder fürwort machen, darum ich
ein teil von der sachen, darumb die parthie in recht steht, wartend sey, auch
heimligkeit und behelf, so ich von derselben parthey vernemen oder nach
unterrichtung der sach von mir selbs vermercken würde, der partheyen zu schaden
wissentlich nymands offenbaren, darzu auch die partein über den sold und lone,
der mir im anfange des rechtens versprochen were, nit meren oder gedingen,
beschweren oder erhöern will; und ob des solds und des lohns halben, zwischen
der partheien und mir irrung oder spenne entstünde, des will ich bleiben bey
dem cammerrichter und urteilern, oder wem der cammerrichter das aus den
urteilern bevelen würde, und wie sie mich darum entscheiden, wil ich es darbey
bleiben laßen und gnügig seyn, auch der sachen, so ich angenommen hab, on
redlich ursach und des richters erleubunge mich nicht entslahen, sundern der
parthien zu gut getruwelich biß zu endunge des rechtens handeln, in diesen
allen geverde und argelist genzlich ausgescheiden.
§ 5. Der advocaten eydt.
Ich N. globe und schwere,
daß ich in den sachen, durch mich angenommen, dem rechten nach getreulich
rathen und handeln, keinen falsch oder geverde darinen gebrauchen will, und die
heimligkeit und gestalt der sachen meiner parthei zuwider mit geferde nymand
offenbaren, auch mit der partei sunder gedinge umb ein teil der heubtsumm zu
haben nit machen oder annemen, sunder mich zimlichs und redelichs soldes
benügen, und ob zwischen der parthei und mir deßhalb irrung entstünde, nach
erkentniß des cammerrichters und der beysizer, die er zu ime nemen würdet,
entscheiden und auch dabey ungewiddert bleiben laßen.
§ 6. Item, auf daß armuts
halben nymands rechtloß gelaßen werde, so soll der cammer richter, so zu zeiten
wird, die sachen der armen, die yr armut mit ihren eyden, ob der gesonnen
würde, erweisten, den advocaten oder procuratorn entpfehlen, darinne zu raten
und zum besten in recht fürzubringen.
Und welchem advocaten oder
procuratorn solch sachen von dem cammerrichter entpholen würde, sol schuldig
und pflichtig sein, bey pene entsezung seins amts, di on wiederrede, wie
vorgemelt, anzunemen, doch so soll der cammerrichter, ob der sachen mer denn
eine würden, die gleich unter die advocaten und procuratores teilen, alles
ungeverlich.
§ 7. Ob auch ein fürst, grav,
herre oder commun ander advocaten oder fürsprecher, dann obgemelt, im rechten
zu rathen oder zu reden nehmen wolten, oder ob ymants im selbst sein wort im
rechten thun wolt, sollten sie macht haben, doch auf eyde von denselben zu
thun, so sich durch recht gebüren würde.
§ 8. Was gerichtz boten sein, sollen diesen eid tun,
und was sie also uf den eyd sagen und furbringen, dem soll gestanden werden.
Ich N. globe und schwere, dass ich alle ladung,
urteil, proceß und gebotsbriefe, so mir bevolhen werden, getreulich verkunden
und überantworten will, wohin mir das zu thun bevolhen und sich geburen würdet,
und des getreuliche relation zu yder zeit thun, wo, wann und wem ich solchs
thun soll, und darinn kein geverlichkeit gebrauchen, noch um ymants willen laßen,
auch nicht anders fürbringen noch referiren, dann wie sich die dingk begeben
haben, sunder alles geverde.
§ 9. Es sollen auch die bothen sich um ihren lohn von
yder meyl zimlichen vernügen lassen; würd aber darum zwischen yn und den
parteien irrrung, wie sie denn unser cammerrichter und urteilere, oder wem
unser cammerrichter das auß yn bevelhen würde, darumb sezen und entscheiden,
dabey sollen es beyde partheyen bleiben laßen und dem nachkommen.
§ 10. Und daß sich ein jeder in sachen, so hinfüre in
unserm cammergericht gehandelt werden, zu halten wiße, sezen und ordenen wir,
so der cläger auf den gesezten rechttagk nicht erschiene, auch kein ehehafft
seiner verhinderung, der zu recht gnug were, beybringen laßen würd, wann denn
solch sein außenblibunge und contumacia beschicht, ehe der antworter auf die
clage geantwort und litem contestiret hette, so solt der antwerter von solchem
gericht auf daßelbig mahl entledigt werden und die gerichtskosten, so darauf
gegangen weren, erlangt haben.
§ 11. Ob aber der antworter begerte, sich von der
clage und ansprach, in der citation bestimt, oder von des clegers teil in recht
fürbracht mit recht zu entledigen, und sein unschult und gerechtigkeit
fürbringen wolt und sich erbeut, solichs in recht zu volfürn, so solt er in solchem
erbieten also gehört und zugelaßen werden, und auf sein fürbringen und
kuntschafft mit entlicher urteil gescheen, was recht were.
§ 12. Ob aber der cleger, nachdem der antwerter auf
sein clage geantwort und litem contestiret hette, ungehorsam würde, so solt der
antwerter auf sein begeren von der clag, darinn er geladen wer, entledigt
werden und seinen gerichtzkosten behabt haben, es wer dann, daß der richter und
die urteiler auß dem fürbringen und gerichtzhandel als kundschafften und anders
den weg abnemen möchten, was ynen in solchen zu erkennen und zu urteilen wer,
dem solten sie alßo nachkommen, und umb gerichtzkosten gescheen, was sich in
recht gebüret.
§ 13. Würde aber der antwerter vor oder nach seiner
antwort ungehorsam, so sollen richter und urteiler auf des clegers anruffen in
der sachen mit der verhörung alles fürbringens volnfaren und darauß biß zu
entlichen urteilen und andern processen und executorial procediren und dem
cleger, so er das entlich urteil behabt hette, den ungehorsamen angeclagten in
gerichtzkosten urteilen; so aber das urteil für den antwerter gesprochen würde,
so solt umb gerichtzkosten auch gescheen, alß sich in recht gepürt.
§ 14. Und auf daß verlengerunge, die die parthei, so
geappellirt hat, biß her durch den schein ihrer appellation oft gesucht haben,
hinfür vermiden werden; so orden und sezen wir, daß die parthei, wider die also
appellirt wurde, die dann pars appellata heißet, nu fürter nicht schuldig sey,
das jare auswarten, das dann den, die appelliren, zu volfürunge derselben ihrer
appellation im rechten zugeben ist, sundern sie mögen nach verlaufen sechs
monaten von der zeit der appellation vor unserm gericht erscheinen, instrument
solcher appellation und der verkündigung fürbringen, darauf ladung erlangen und
die appellation prosequiren.
§ 15. Auf daß auch durch vermischung der reden die
sachen nicht verhindert noch den richter und urteilern unverständig gemacht
werden, so wollen wir, daß, so ein sach in dem gericht fürgewand wird, daß kein
ander sach, dieweil die partheien gegen einander durch sich oder ire anwelde
reden, fürgenommen werden, biß die sach nach notdurft verhört und zu recht
gesatzt oder auf den stand bracht wer, das recht alsdann erfordert.
§ 16. Es were dann, daß einicher parthein ein zeit zu
bedencken gegönnet würde, also daß man do zwischen en ein andere sache verhören
möcht, oder daß eincher parthien beybrengung zu geteilet würde, als denn solt
man ein ander sache verhören, wie obgemelt ist. Wer sich auch dawider sezt und
anders hilt, der solt unserm fiscal mit zehen gulden an unser statt zu bezahlen
verfallen sein, und doch nit anders, wie obgemelt, verhöret werden.
§ 17. Item, alß im anfang gemeldet ist, unser
cammergericht mit cammerrichter und urteilern besezt werden soll, die
desselbigen gerichts zu warten verpunden sein sollen, auch eyde darüber thun,
wie obgemelt ist.
§ 18. Auf daß dann wir dester trefflicher person daran
zu setzen gehaben mögen, die auch darum, als billig ist, yren sold haben
sollen, so sezen wir, daß ein yder cleger, in anfange des rechtens, von ydem
hundert gulden, alß hoch sich sein ansprach trifft, zween gülden geben soll,
das dann unser vorfarn, Röm. keißer und könige, sportulas genannt haben, davon
dem richter und den urteilern iren sold zu bezalen und aus zurichten, doch
also, ob ein sach sich ob tausend gülden haben würde, so sollt von dem übrigen
biß auf zwey tausend gülden, ye von hundert gülden, ein gülden gegeben werden.
So aber die summ über zwey tausend gulden treffe, von dem übrigen ye von
hundert gülden ein halber gülden bezahlet werden, und solich geld, sportulae
genannt, soll die parthey, die in die costen nach der entlichen urteil geteilet
wirdet, der behaltenden partey widergeben und ausrichten. Geben und öfentlich
verkündigt zu Wien, auf den 24. tagk des monats octobris, nach Cristi geburde
vierzehenhundert und in dem ein und siebenzigsten, unser reich, des Römischen
im zwey und drißigsten, des keiserthums im zwenzigsten, und des Hungerischen im
dreyzehenden jaren.
Quellensammlung zur Geschichte der deutschen
Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, 270