Erklärung der Rheinbundes-Staaten über ihren Austritt aus dem Reiche. – 1806, Aug. 1.

Corpus Iuris Confoederationis Germanicae I., S. 70f.

Dictatum Ratisbonae die 1. Augusti 1806 per Archicancellariensem.

 

Hochwürdige, Hoch- und Hochwohl- auch Wohlgeborene, insonders Hoch- und vielgeehrteste Herren!

Die zur allgemeinen deutschen Reichsversammlung bevollmächtigten unterzeichneten Bothschafter und Gesandte haben den Befehl erhalten, Namens Ihrer Höchst- und Hohen Committenten Euren Excellenzien, Hochwürden, Hoch-, Hochwohl- und Wohlgebornen nachstehende Erklärung mitzutheilen:

Die Begebenheiten der drei letzten Kriege, welche Deutschland beinahe ohnunterbrochen beunruhigt haben, und die politischen Veränderungen, welche daraus entsprungen sind, haben die traurige Wahrheit in das hellste Licht gesetzt, daß das Band, welches bisher die verschiedenen Glieder des deutschen Staatskörpers mit einander vereinigen sollte, für diesen Zweck nicht mehr hinreiche, oder vielmehr, daß es in der That schon aufgelöst sey; das Gefühl dieser Wahrheit ist schon seit langer Zeit in dem Herzen jedes Deutschen, und so drückend auch die Erfahrung der letztern Jahre war, so hat sie doch im Grunde nur die Hinfälligkeit einer in ihrem Ursprunge ehrwürdigen, aber durch den allen menschlichen Anordnungen anklebenden Unbestand fehlerhaft gewordenen Verfassung bestätiget. Nur diesem Umstande muß man ohne Zweifel die im Jahre 1795 im Reiche selbst sich hervorgethane Trennung zuschreiben, die eine Absonderung des nördlichen und südlichen Deutschlands zur Folge hatte. Von diesem Augenblicke an mußten nothwendig alle Begriffe von gemeinschaftlichem Vaterlande und Interesse verschwinden; die Ausdrücke: Reichskrieg und Reichsfrieden, wurden Worte ohne Schall; vergeblich suchte man Deutschland mitten im deutschen Reichskörper. Die Frankreich zunächst gelegenen, von allem Schutz entblößten und allen Drangsalen eines Krieges, dessen Beendigung in den verfassungsmäßigen Mitteln zu suchen nicht in ihrer Gewalt stand, ausgesetzten Fürsten sahen sich gezwungen, sich durch Separatfrieden von dem allgemeinen Verbande in der That zu trennen. Der Friede von Lüneville, und mehr noch der Reichsschluß von 1803, hätten allerdings hinlänglich scheinen sollen, um der deutschen Reichsverfassung neues Leben zu geben, indem sie die schwachen Theile des Systems hinwegräumten und die Hauptgrundpfeiler desselben befestigten. Allein die in den letztverflossenen zehn Monaten unter den Augen des ganzen Reichs sich zugetragenen Ereignisse haben auch diese letzte Hoffnung vernichtet und die gänzliche Unzulänglichkeit der bisherigen Verfassung auf’s Neue außer allem Zweifel gesetzt. Bei dem Drange dieser wichtigen Betrachtungen haben die Souverains und Fürsten des mittäglichen und westlichen Deutschlands sich bewogen gefunden, einen neuen und den Zeitumständen angemessenen Bund zu schließen. Indem sie sich durch gegenwärtige Erklärung von ihrer bisherigen Verbindung mit dem deutschen Reichskörper lossagen, befolgen sie bloß das durch frühere Vorgänge und selbst durch Erklärungen der mächtigeren Reichsstände aufgestellte System. Sie hätten zwar den leeren Schein einer erloschenen Verfassung beibehalten können, allein sie haben im Gegentheil ihrer Würde und der Reinheit ihrer Zwecke angemessener geglaubt, eine offene und freie Erklräung ihres Entschlusses und der Beweggründe, durch welche sie geleitet worden sind, abzugeben. Vergeblich aber würden sie sich geschmeichelt haben, den gewünschten Endzweck zu erreichen, wenn sie sich nicht zugleich eines mächtigen Schutzes versichert hätten, wozu sich nunmehr der nämliche Monarch, dessen Absichten sich stets mit dem wahren Interesse Deutschlands übereinstimmend gezeigt haben, verbindet. Eine so mächtige Garantie ist in doppelter Hinsicht beruhigend. Sie gewährt die Versicherung, daß Se. Majestät der Kaiser von Frankreich, Allerhöchstdero Ruhms halber eben so sehr, als wegen des eigenen Interesse des französischen Kaiserstaates, die Aufrechterhaltung der neuen Ordnung der Dinge in Deutschland und die Befestigung der inneren und äußeren Ruhe sich angelegen seyn lassen werden. Daß diese kostbare Ruhe der Hauptzweck des rheinischen Bundes ist, davon finden die bisherigen Reichsmitstände der Souverains, in deren Namen die gegenwärtige Erklräung geschieht, den deutlichen Beweis darin, daß jedem unter ihnen, dessen Lage ihm eine Theilnahme daran erwünschlich machen kann, der Beitritt zu demselben offen gelassen ist.

Indem wir uns dieses höchsten und hohen Auftrags hierdurch schuldigst entledigen; so haben wir zugleich die Ehre, die Versicheurng der hochachtungsvollsten Ergebenheit hinzuzufügen, womit wir sind

Eurer Excellenzien, Hochwürden, Hoch-, Hochwohl- und Wohlgebornen

Regensburg, den 1. August 1806.                                              gehorsamst-ergebenste

                     Freiherr von Rechberg, Ihrer königlichen Majestät von Baiern geheimer Rath

                             und bisheriger Comitial-Gesandter.

                     Freiherr von Seckendorf, Ihrer königlichen Majestät von Würtemberg Staats-

                             minister und bisheriger Comitial-Gesandter.

                     Churfürstlich-Reichs-Erzkanzlerischer Staatsminister und Directorial-Gesandter,

                             Freiherr von Albini.

                     Der churfürstlich Badensche Gesandte, Albrecht Freiherr von Seckendorf.

                     Landgräflich Hessischer Gesandter, Freiherr von Türckheim.

                     Edmund Freiherr von Schmitz-Grollenburg, Seiner hochfürstlichen Durchlaucht

                             zu Hohenzollern-Hechingen und des hochfürstlichen Gesammthauses

                             Hohenzollern Gesandter.

                     Weihbischof und Domdechant von Wolf, als Salm-Kyrburgischer-Comitial-

                             Gesandter.

                     Von Mollenbec, von wegen Seiner hochfürstlichen Durchlaucht zu Isenburg.

Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, Neudruck 1987, 187 Nr. 216 (1806, Aug. 1)