Erklärung des Kaisers Franz II.
über die Niederlegung der deutschen Kaiserkrone. – 1806, Aug. 6.
Corpus Iuris Confoederationis
Germanicae I., S. 71f.
Wir Franz der Zweite, von Gottes
Gnaden erwählter römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, Erbkaiser
von Oesterreich etc., König in Germanien, zu Hungarn, Böheim, Croatien,
Dalmazien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Jerusalem, Ertzherzog zu
Oesterreich etc.
Nach dem Abschlusse des
Preßburger Friedens war Unsere ganze Aufmerksamkeit und Sorgfalt dahin
gerichtet, allen Verpflichtungen, die Wir dadurch eingegangen hatten, mit
gewohnter Treue und Gewissenhaftigkeit das vollkommenste Genüge zu leisten, und
die Segnungen des Friedens Unsern Völkern zu erhalten, die glücklich wieder
hergestellten friedlichen Verhältnisse allenthalben zu befestigen, und zu
erwarten, ob die durch diesen Frieden herbeigeführten wesentlichen
Veränderungen im deutschen Reiche es Uns ferner möglich machen würden, den nach
der kaiserlichen Wahlcapitulation Uns als Reichs-Oberhaupt obliegenden schweren
Pflichten genug zu thun. Die Folgerungen, welche mehreren Artikeln des
Preßburger Friedens gleich nach dessen Bekanntwerdung und bis jetzt gegeben
worden, und die allgemein bekannten Ereignisse, welche darauf im deutschen Reiche
Statt hatten, haben Uns aber die Ueberzeugung gewährt, daß es unter den
eingetretenen Umständen unmöglich seyn werde, die durch den Wahlvertrag
eingegangenen Verpflichtungen ferner zu erfüllen: und wenn noch der Fall übrig
blieb, daß sich nach fördersamer Beseitigung eingetretener politischer
Verwickelungen ein veränderter Stand ergeben dürfte, so hat gleichwohl die am
12. Julius zu Paris unterzeichnete, und seitdem von den betreffenden Theilen
begnehmigte, Uebereinkunft mehrerer vorzüglichen Stände zu ihrer gänzlichen
Trennung von dem Reiche und ihrer Vereinigung zu einer besonderen
Conföderation, die gehegte Erwartung vollends vernichtet.
Bei der hierdurch vollendeten
Ueberzeugung von der gänzlichen Unmöglichkeit, die Pflichten Unseres
kaiserlichen Amtes länger zu erfüllen, sind Wir es Unsern Grundsätzen und
Unserer Würde schuldig, auf eine Krone zu verzichten, welche nur so lange Werth
in Unsern Augen haben konnte, als Wir dem von Churfürsten, Fürsten und Ständen
und übrigen Angehörigen des deutschen Reichs-Uns bezeigten Zutrauen zu
entsprechen und den übernommenen Obliegenheiten ein Genüge zu leisten im Stande
waren.
Wir erklären demnach durch
Gegenwärtiges, daß Wir das Band, welches Uns bis jetzt an den Staatskörper des
deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst ansehen, daß Wir das
reichsoberhauptliche Amt und Würde durch die Vereinigung der conföderirten
rheinischen Stände als erloschen und Uns dadurch von allen übernommenen Pflichten
gegen das deutsche Reich losgezählt betrachten und die von wegen desselben bis
jetzt getragene Kaiserkrone und geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit
geschieht, niederlegen.
Wir entbinden zugleich
Churfürsten, Fürsten und Stände und alle Reichsangehörigen, insonderheit auch
die Miglieder der höchsten Reichsgerichte und die übrige Reichsdienerschaft,
von ihren Pflichten, womit sie an Uns, als das gesetzliche Oberhaupt des
Reichs, durch die Constitution gebunden waren. Unsere sämmtlichen deutschen
Provinzen und Reichsländer zählen Wir dagegen wechselseitig von allen Verpflichtungen,
die sie bis jetzt, unter was immer für einem Titel, gegen das deutsche Reichs
getragen haben, los, und Wir werden selbige in ihrer Vereinigung mit dem ganzen
österreichischen Staatskörper als Kaiser von Oesterreich unter den
wiederhergestellten und bestehenden friedlichen Verhältnissen mit allen Mächten
und benachbarten Staaten zu jener Stufe des Glücks und Wohlstandes zu bringen
beflissen seyn, welche das Ziel aller Unserer Wünsche, der Zweck Unserer
angelegensten Sorgfalt stets seyn wird.
Gegeben in Unserer Haupt- und
Residenzstadt Wien, den sechsten August im eintausend achthundert und sechsten,
Unserer Reiche des Römischen und der Erbländischen im fünfzehnten Jahre.
(L. S.) Franz.
Johann Philipp Graf von Stadion.
Ad Mandatum Sacrae
Caesareae ac caes. regiae apost. Maj. proprium
Hofrath
von Hudelist.
Quellensammlung
zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, hg.
v. Zeumer, K., 2. A. 1913, Neudruck 1987, 188 Nr. 217 (1806, Aug. 6)