(14) Beilage 1.
Vorschlag, daß eine allgemeine Gerichtsordnung und gleiches
Landrecht in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden einzuführen
seie.
Erstlich: Es könnte zu gemeinsamen Besten aller
österreichischen Erblanden nichts ersprießlicher und heilsamer sein, als wann
in allen unter einem Landsfürsten stehenden Landen eine gleiche Gerichtsordnung
und gleiches Länderrecht eingeführet wurde, mithin die gesammte Unterthanen zu
allgemeiner Wohlfahrt untern einem Gott, einem Landsfürsten und einerlei Gesetz
vereinbart zu sein sich zu erfreuen hätten.
Die Vollstreckung dieses Vortrages wäre unbeschreiblich
nutzbar, ist annebens allerdings thunlich, folget also, daß solcher Vortrag
verdienete, zu gemeinsamen Besten deren Länder in die Wirklichkeit gesetzet zu
werden. Belangend nun Andertens: Den unvergleichlichen Nutzen, kann selber
nicht mißkennet werden, wann nachfolgende Betrachtung zu Gemüth gezogen werden.
Dann 1. kann der Zeit ein wackerer österreichischer Rath nur in Oesterreich,
ein stattlicher böhmischer Rath nur in böhmischen Ländersachen und so fort mit
Nutzen gebrauchet werden; keinerdings aber kann der österreichische, obschon
ausbündige Rath zu Manipulirung deren böhmischen Länderangelegenheiten; weder
der böhmisch-fürtreffliche Rath zu ersprießlicher Manipulirung in
österreichischen Justiz- und Polizeiaffairen mit guten Nutzen angewendet
werden. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit denen Räthen, Officianten und
Advocaten all übriger Länder, welche für ihr Land stattlich und ausbündig sein
mögen, außer ihres Vaterlandes aber wenigen Nutzen schaffen werden. Der Satz
ist in sich selbst so richtig und unwidersprechlich, daß ein jeder böhmische
und respective österreichische oder tirolerische Rath etc. nach seinen Gewissen
wird gestehen müssen: er getraue sich zwar in böhmischen Justiz- und
Polizeiwesen, auch der böhmischen Landsverfassung in denen ihme auftragenden
Amtirungen seiner allerhöchsten Landesfürstin ein volles Vergnügen zu leisten;
allein in der österreichischen ganz unterschiedenen Gerichtsordnung, Landrecht,
Landsgewohnheiten und Landesverfassung seie ihme der nöthige Unterricht
abgängig, seie also außer Stande, nach dem Landesrecht mitzuwirken und ein
sicheres Urtheil zu fällen, ehe und bevor er sich durch besondere Anwendung und
Beflissenheit die Kenntniß der landsüblichen Gerichtsordnung und
Landessatzungen beigeleget habe.
Eine gleiche Bewandtniß hat es mit dem österreichischen,
steirischen, kärntnerischen oder tirolerischen Rath, wann selber in Böhmen zu
einer Justiz- oder anderen auf besonderer Landserfahrenheit beruhenden
Bedienstung sollte angestellet werden.
Die Ursach des Satzes ist handgreiflich: weilen jedes
Erbland mit unterschiedener Gerichtsordnung, besonderen Landsatzungen und
Gewohnheiten versehen ist, welche ohne mühesamer Erlernung und langwieriger
Uebung nicht können in Erfahrenheit gebracht werden, und um so schwerer zu
untergreifen seind, weilen selbe in keinem compilirten Landrecht, sondern
meistentheils in zerstreuten, nach und nach emanirten Satzungen bestehen.
Dahingegen wann ein gleiche Gerichtsordnung, gleiches Landrecht und
Landesverfassung in allen Erblanden eingeführet wäre, so würde der allerhöchste
Landsfürst den nämlichen Rath, nämlichen Advocaten, nämlichen Officianten in
allen Erbländern zu seinen Dienst gebrauchen, die in diesem oder jenem Land
sich äußernde Gebrechen durch Abschickung eines böhmischen oder
österreichischen Raths aller Orten leichtlich verbessern und die tauglichste
Räthe nach Erforderniß deren Umständen von einem Land in das andere anwenden
können.
(15) Eben diese Gleichförmigkeit würde der obersten
Justizstelle eine ausnehmende Leichtigkeit zur allerförderlichsten
Justizverwaltung verschaffen: anerwogen dieselbe derzeit, um in allen Ländern
die gemessene Remeduren zu verschaffen und die wahre innerliche Beschaffenheit
deren Länderbeschwerden untrüglich einzusehen, auch nothwendig aller Länder
verschiedene Gerichtsordnungen, Landessatzungen und Gewohnheiten vollständig
innen haben muß; in Fall der Gleichförmigkeit aber ganz leicht die Nothdurft
deren Länder mit heller Einsicht übersehen, die einreißende Mißbräuch tilgen
und denen etwa zudringenden Bedrangnussen deren Parteien behender zu steuren in
Stand gesetzet würde.
Durch eben diese Gleichheit des Rechtens würde auch denen
sammentlichen Erblanden selbst gegen einander der größte Nutzen zufließen, auch
Handel und Wandel aller Orten in besseren Flor gebracht werden. Indeme nicht
anzustehen,
daß derzeit die Einwohnern eines Landes von darumen Bedenken
tragen, Verkehrungen mit eines anderen Landes Inwohnern zu machen und Gelder
dahin zu leihen oder sich daselbst Realien anzukaufen, weilen selbe wegen
Unterschiedenheit deren ihnen unbekannten fremden Rechten in Sorgen stehen, in
Rechtsführungen verflochten zu werden oder ihre ausleihende Capitalien
schwerlicher hereinbringen zu können. Dahingegen bei obwaltend – gleichen Recht
und zu erwarten habend – gleicher Justizadministration vorgedachte Besorgung
von selbst hinwegfallen und besseres Zutrauen zwischen denen Einwohnern deren
verschiedenen Ländern eingepflanzt wurde. Deme hinzukommet, daß wann in zwei
Ländern entgegenstehende Rechte beobachtet werden, zum Exempel in einem Land
wird eines Abwesenden Gut nach verstrichenen 32 Jahren denen nächsten
Anverwandten zugetheilet; in dem anderen Land muß eine längere Zeit abgewartet
werden; in einem Land kann ein ausländisch, obschon näherer Anverwandter nicht
erben, falls ein obschon weitschichtigerer Blutverwandter im Land ist; in dem
anderen Land erbet der nächste Anverwandte, er seie aus diesem oder jenem
Erbland gebürtig. Bei solchen in denen Erblanden selbst vorfindig
entgegengesetzten Rechten entstehet das Jus reciproci, retorsionis, seu
repressaliorum, wodurch die Unterthanen von einerlei Landsfürsten, jedoch von
zweierlei Landschaften zu schweren Rechtführungen verleitet werden, welches jus
retorsionis oder Wiederkehrungsrecht durch die Gleichförmigkeit des Rechtens
von selbst aufhöret. Gleichwie nun keinem Zweifel unterworfen zu sein scheinet,
daß die Gleichheit des Rechts und Justizadministration in denen Erbländern
höchst nutzbar; so ist
Drittens: An der Thunlichkeit solch gleichförmigen
Einführung ebenfalls nicht anzustehen. Die Römer haben untern einem Gesetz die
ganze Welt regieret: der Kaiser Justinian hat sein Recht nicht für die Stadt
Constantinopel, sondern für alle seine Ländereien zusammentragen lassen. Warum
sollte also nicht ebenfalls thunlich sein, daß wenigstens die österreichischen
benachbart deutsche Erbländer unter einerlei Gerichtsordnung, unter einerlei
Satzungen sollten können vereiniget werden?
Die Verschiedenheit deren Gerichtsordnungen und
Landsordnungen und Gewohnheiten nimmt ihren Ursprung, weilen vor alten Zeiten
diese Länder ihre eigene Herzoge gehabt. Nachdeme nun diese Landschaften unter
dem glorreichesten Haus Oesterreich (welches der Allerhöchste bis zum Ende der
Welt mit reichesten Segen erfülle und und in immerwährenden Wachsthum erhalte),
mithin unter einem allerdurchlauchtesten Oberhaupt vorlängst mit glücklichsten
Band verknüpfet worden, so ist keine Hinderung, womit auch alle diese Länder
mit einem gleichförmigen Gesetz untereinander auf das genaueste verbunden
werden. Die zu den alten Gewohnheiten vorhangende Privatneigungen müssen der
gemeinsamen Nutzbarkeit jederzeit weichen. Es ware in Land Oesterreich ob der
Enns eine uralte Landsgewohnheit, daß die Verlassenschaften nicht bei Gericht
ordentlich abgehandelt, weder die Gerhabschafts-Raittungen zu Gericht erleget,
weder die denen Gütern
(16) anklebende Eigenschaften eines Fideicommissi, eines
lehenbaren Guts, weder die darauf haftende onera ordnungsmäßig bei denen Gütern
fürgemerket, weder ein ordentliches Vormerkbuch oder Landtafel zur
Sicherstellung deren Hypotheker-Creditore eingeführet worden. Ihrer kaiserl.
königl. Majestät haben aus erleuchtester Einsicht gründlichst erkennet, daß
diese alte Gewohnheiten dem gemeinsamen Ländernutzen entgegenstehen und dahero
mit gerechtester Entschließung die gleichförmige Einführung der in anderen
Ländern bereits mit guten Nutzen in Uebung gebrachten Landtafel nebst denen
künftigen Verlassenschaftsabhandlungen und was deme anhängig, allergnädigst
anbefohlen.
Der Ihrer kaiserl. königl. Majestät angestammte Justizeifer,
die mehr als mütterlich zärtlichste Liebe für allerhöchst dero getreueste
Unterthanen, die zu Unternehmung aller ansonst schwersten Handlungen angeborne
bewunderungswürdige, höchste Gemüthsgaben und die zu werkthätiger derenselben
Ausführung besitzend lebhafteste Standhaftigkeit können unschwer zu Stand
bringen, daß auch in allen übrigen Rechtstheilen eine Gleichförmigkeit in allen
dero Erblanden zu allgemeiner Wohlfahrt zu Stand gebracht werde, wann zu
solchen Erwirkungsende eine autorisirte perpetuirliche Hofcommission
niedergesetzet und derselben das Werk mit Vernehmung deren Länderstellen in die
erforderliche Weg einzuleiten die behörige Gewalt eingeräumt würde.
Es würde ja ex. gr. In Betreffung der Gerichtsordnung denen
Ländern gleichgiltig sein: ob der Execut.-ordin.-Concursproceß etc. Die
Appellations-Revisionsordnung etc. mit diesen oder jenigen Fristen, mit solch
oder anderen Formalitäten, mithin gleichförmig in allen Ländern abgeführet
würde? Wann nur hiebei der Hauptendzweck der fördersamen Justizadministration
erreichet wird. Es würden sich endlich auch die Rechtsmaterien selbst mit
gemeinsamer Vernehmung der Ländern in eine Gleichstimmigkeit zusammen bringen
lassen, allenfalls aber, wann doch ein oder anderen Land einige besondere
Rechten und Gewohnheiten aus triftigen Ursachen müßten beigelassen werden,
würden solche jedoch zum allgemeinen Wissen öffentlich kundgemacht und dem
allgemeinen Länderrecht einverleibet werden müssen.
Beilage 2.
Grundsätze
zur Verfassung des allgemeinen Rechts für gesammte kaiserl.
königl. deutsche Erblande, wie solche bei der zu Brünn niedergesetzt gewesenen
Commission zu gründlicher Ausarbeitung des Codicis Theresiani Universalis allen
anfangs entworfen, einmüthig genehmiget und zeithero unabweichlich beobachtet
worden.
Anmerkung.
Nachdeme durch allerhöchste Entschließungen von 14. Mai und
18. Juni 1753 die vorbesagte Commission dahin angewiesen worden, daß in
Ausarbeitung des Codicis Theresiani die vorhandene heilsamste Ländergesetze
gegen einander gehalten, das natürlichste und billigste ausgewählet, der Abgang
nach der gefunden Vernunft, dann allgemeinen Natur- und Völkerrecht erganzet,
nach Bedürfniß neue Satzungen vorgeschlagen, und so gestaltet die Länderrechte
(ohne allen Vorurtheil für eines oder das andere) in Gleichförmigkeit gebracht
werden
(17) sollten; so hat erdeute Commission in
allerunterthänigster Befolgung sothaner allerweisesten Maßregeln die
allerhöchste Absicht desto gesicherter zu erreichen und die Compilation des
codicis universalis allmöglichst zu beschleunigen der Nothdurft zu sein
erachtet, sich über gewisse Grundsätze vorläufig zu vereinigen, denen in
Auswahl des billigsten, Ergänzung des abgängigen und Vorschlag des allenfalls
nöthigen ganz neuen Rechts zuverläßlich nachgegangen werden könnte.
Die Absicht ware zugleich vorzubiegen, damit in dem Fortgang
deren Commissional-Operationen es nicht auf bloßes Gedünken und Dafürhalten
ankommete, was das Natürlichste und Billigste seie. Vielmehr eine
einverständliche Richtschnur vorhanden wäre, das Natürlichste und Billigste aus
richtigen Grundsätzen abzufolgern, denen man wegen offenbarer Billigkeit und
untrüglichen Vernunftsschluß nicht leicht entfallen könnte. Immaßen ohne
vorgehender Feststellug solch sicherer Grundsätzen zu besorgen gewesen, daß
eben hierüber, was das Natürlichste und Billigste seie, die Meinungen sich am
allermeisten theilen, die Ausarbeitung verzögeren und die Erreichung des
allerhöchsten Endzwecks verspäten dürften.
Folgen die alldaselbst commissionaliter concertirte
Compilationsgrundsätze.
I. Wann ein Unterschied zwischen denen Länderrechten
vorkommet, ist auf dessen Ursprung zu sehen, und damit solcher entdecket werde,
soweit als möglich hinauf zu gehen, bis auf ein Hauptprincipium gelanget werde,
worinnen die zum Augenmerk habende Länderrechte, entweder ausdrücklich
übereinkommen oder wenigstens nichtes enthalten, so diesem Principio entgegen
wäre.
II. Ein solches Hauptprincipium ist unstrittig für den
natürlichsten und billigsten Grundsatz zu halten, und wird entweder offenbar in
dem Natur- und Völkerrecht gegründet sein, oder, da es auch ein principium
juris positivi wäre, wegen Einhelligkeit deren erbländischen Gesetze außer
Anstand zu beruhen haben, weil hieran die abgezweckte Gleichförmigkeit schon
erreichet ist. Es wäre dann, daß ohnerachtet der Einhelligkeit deren bisherigen
erbländischen Gesetzen etwas Billicheres und zu Erreichung dermaligen Endzwecks
Diensameres vorzuschlagen und fürders pro principio zu halten wäre.
III. Von dergleichen unstrittigen Grundsatz seind allemal
die nächste Folgen abzuleiten, und wann in diesen die Länderrechte
übereinkommen, oder nichts Widriges enthalten, ist sofort eine jede sichere
Folge zum weiteren Grundsatz anzuuehmen (= anzunehmen). Wann jedoch gleich in
denen ersteren Folgen sich ein Unterschied hervorthäte, ist fernerweit dessen
Ursprung oder Anlaß zu erforschen.
IV. Ob nämlich der Unterschied selbst von dem Inhalt derer
bisherigen Ländergesetze, oder von hergebrachten landesfürstlich bestätigten,
oder bloß zugelassenen Gewohnheiten, oder nur von Gebrauch und Uebung deren
Gerichten herrühre.
Ob ferner ein solcher Unterschied in die Hauptverfassung
oder Freiheiten deren Länder unmittelbar einschlage oder nicht.
V. Ebenermaßen, wann von einem einhelligen Grundsatz, oder
richtigen Folge sich in diesen oder jenen Länderrecht ein Abfall oder Ausnahme
zeiget, ist zu untersuchen, ob selbst die Ländergesetze derlei Abfall oder
Ausnahme bemerken, oder ob ein hergebrachte landesfürstlich bestätigte, oder
bloß geduldete Gewohnheit den Abfall oder Ausnahme eingeführet habe, oder ob
endlich nur durch Gebrauch und Uebung deren Gerichten von dem Hauptsatz ein
Abfall und von der Regel eine
(18) Ausnahme entstanden seie, nicht minder ob derlei Abfall
oder Ausnahme die Hauptverfassung oder Privilegia eines Erblandes betreffe oder
nicht?
VI. Ist ein Unterschied deren von einem Hauptprinzipio
ableitlichen Folgen, oder ein Abfall und Ausnahme hiervon, in dem Buchstaben
eines oder des andern Landrechts gegründet, so ist förderist auf den wörtlichen
Verstand des Landesgesetzes, dann auf Sinn und Meinung des höchsten
Gesetzgebers und endlich auf den Endzweck und Bewegursache der Gesetzgebung zu
sehen.
VII. Wann der wörtliche Ausdruck unterschieden, doch Sinn
und Meinung einerlei ist, so wird keine Beschwerniß sein, von den Worten
abzugehen und nach Sinn und Meinung des höchsten Gesetzgebers ein
gleichförmiges Gesetz zu entwerfen. Wann aber solch höchster Sinn und Meinung
nicht klar genug abzunehmen wäre, so ist die End- oder Bewegursache des
Gesetzes desto nothwendiger zu ergründen.
VIII. Zielet nun ein und das andere Gesetz zu gleichem
Endzweck, so kann dasjenige gewählet werden, was leichterer und sicherer darzu
führet. Ist aber der Endzweck mehrerlei, so ist die Hauptabsicht denen anderen
vorzuziehen; ist endlich der Hauptendzweck ganz unterschieden (so sich nicht
leicht ergeben wird), so kommet fernerweit zu erwägen:
IX. Ob es um ein bloßes arbitrarisches Gesetz zu thun seie,
so keine andere Ursach für sich hat, als den
besonderen Willen des höchsten Gesetzgebers für dieses oder jene Land.
Solchenfalls (weil dermalen der allerhöchste Willen auf Gleichförmigkeit des
Rechts in allen Erblanden gerichtet ist) kann man jenes von denen bisherigen
Gesetzen wählen, oder ein zur allgemeinen Maßgab neu vorschlagen, welches dem
ungekünstelten Natur- und Völkerrecht am allermeisten beikommet und der
gegenwärtigen politischen Verfassung deren gesammten kaiserlich königlichen
deutschen Erblanden am gemäßesten ist.
X. Ob hingegen es um ein Gesetz zu thun seie, welches tief
in die Länderverfassung einschlaget und welches der Gleichförmigkeit halber in
einen oder dem andern Land abzuändern von darumen Bedenklichkeit hätte, weil
der Hauptendzweck des Gesetzes, von der unterschiedenen Verfassung des Landes
unabtrennlich wäre und zu besorgen stünde, daß bei einzuführender Gleichheit
dies- oder jenes ländige Verfassung gestöret und der gesetzgebige Hauptendzweck
solchländig verfehlet würde.
Solchenfalls ist in keine Auswahl oder Vorschlag eines neuen
Rechts einzugehen, weil dasjenige, was den statum publicum oder die politische
Verfassung ein und des andern Erblandes anbetrifft, von dem objecto des
abzufassenden Codicis Theresiani durch das kaiserliche königliche Hofdecretum
von 14. Mai 1753 besonders ausgeschlossen und sich hierein nicht einzulassen
zur Richtschnur geboten ist.
XI. Es wird solchemnach in derlei Fällen der vorkommende Unterschied
auch in denen nachherigen Folgen beizuhalten, und denen für allgemein
abfassenden Sätzen eine dahin beziehende Ausnahme jedesmal beizufügen sein,
damit allerhöchsten Orts sowohl dasjenige, was in jeden Vorfall überhaupt
billig, als auch dasjenige, was denen sonderheitlichen Verfassungen oder
landesfürstlichen Verleihungen und Freiheiten gemäß und hieraus erfolgreich
seie, zugleich abgenommen werden möge, und wobei es zu bewenden habe,
unterwerflichst anheim verbleibe.
XII. Wann der Unterschied deren von einem einhelligen
Hauptprinzipio ableitlichen Folgen, Abfällen oder Ausnahmen nur von
Gewohnheiten (so entweder landesfürstlich bestätiget, oder unbestätiget seind)
herrühret, so ist vornemlich hierauf zu sehen, ob eine dergleichen Gewohnheit
irgendswo per legem expressam bestätigt seie, oder sich in landesfürstlichen
Satzgebungen, General-Verordnungen, Handvesten, Recessen, Rescripten,
Endbescheiden oder anderen ausdrücklichen allerhöchsten Willensäußerungen
hierauf bezogen werde, oder ob nicht ein solche
(19) Gewohnheit nur in Landesgebrauch und lediglich in
tacito principis consensu bestehe.
XIII. Im ersten Fall, weil ein solche Gewohnheit, wo nicht
bereits in jus scriptum verwandlet worden, doch den ausdrücklichen
landesfürstlichen Willen für sich hat, ist solche anderen Landesgesetzen gleich
zu achten, mithin auf die vorher angezeigte Art, bei sich zwischen denen
Ländern ereignenden Unterschied zu verfahren.
XIV. Im anderten Fall ist zwar in Rechten des juris scripti
et non scripti, mithin des consensus principalis expressi et taciti einerlei
Wirkung. Es höret aber Letzerer (!) (= Letzterer) auf
und kann jus consuetudinarium in solcher Qualität nicht ferner bestehen, wann
(wie in Gegenwart) der allerhöchste landesfürstliche Willen dahin gehet, ein
beschriebenes gewisses und gleichförmiges Recht allenthalben einzuführen.
XV. Es wird dahero eben hierinfalls ankommen, ob consuetudo
circa mere arbitraria versire? Und da wird vorzüglich das Augenmerk und Bedacht
auf die ein- oder mehrländige legem scriptam zu nehmen und solche bei Befund
einer allen Ländern gemeinsamen Andienlich- und Nutzbarkeit auf übrige Erblande
zu extendiren sein.
Es wäre dann, daß ganz andere Ursachen für eines oder übrige
Erblande unterwalten thäten, welche bei vorschlagender extension den
gesetzgebigen Endzweck unsicher machen oder dies- und jenerländige Verfassung
alteriren thäten, oder daß die in ein und andern Ländern eingeführte
Gewohnheiten dem allgemeinen Natur- und Völkerrecht und der natürlichen
Billigkeit näher beikämen, als das etwa anderländig vorfindliche geschriebene
Recht.
XVI. Gestalten eben wie bevor bei unterschiedenen
Ländergesetzen, also auch bei unterschiedenen Gewohnheiten oder Gesetzen und
Gewohnheiten gegen einander es also zu nehmen ist, daß wann solche tief in die
Länderverfassung einschlagen, sich in die Auswahl oder anderweiten Vorschlag
nicht einzulassen, sondern der Unterschied in allen daraus ableitlichen Folgen
beizuhalten und als eine auf dergleichen in die Landesverfassung einschlagende
Gewohnheit sich beziehende Ausnahme zu bemerken seie.
XVII. Es wird aber, wann es um die Frage zu thun, ob ein
besonderes Landesgesetz oder Gewohnheit in die Landesverfassung einschlage,
nicht eine jedwede entfernte connexion zu beirren haben, daß sofort fürzugehen
angestanden und die einzuführende Gleichförmigkeit für unthunlich angesehen
werden sollte. Ansonsten, da bekanntlich alle Gesetze und Gewohnheiten zu
gemeinen Besten abzielen (allwohin auch die Verfassung eines jeglichen Landes
gerichtet ist), in allen Fällen
(20) ein Zusammenhang vorgeschützet werden könnte, um bei
vorigen Gesetzen und Gewohnheiten zu beruhen und einen vielfältigen Unterschied
deren Länderrechten fernerweit zu hegen.
XVIII. Gleichwie nun dieses der allerhöchsten zur
Gleichförmigkeit des Länderrechts abzielenden Intention sehr entgegen wäre, als
wird bei Vorkommen deren sonderheitlichen Ländergesetzen und Gewohnheiten nur
auf unmittelbaren und wesentlichen Einfluß in die Länderverfassung, nicht aber
auf alle entfernte Folgerungen, deren so gestaltige, oder andere Bewandtniß
mehr gleichgiltig als bedenklich sein kann, zu sehen sein.
XIX. Wesentlich und derohalben in der Verabfassung des juris
privati nicht zu berühren ist alles dasjenige, was die landesfürstliche Hoheit,
und Regalien, das aerarium, die jura commercialia, fiscalia, außer wo der
Fiscus sich des juris privatorum gebrauchet, und dergleichen anbetrifft.
Was die Ordnungen, Vorrechte, Privilegia und Freiheiten
deren Stände angehet, ist ebenfalls für wesentlich
anzusehen.
Eben also was die Bestellung deren Gerichte, die Verwaltung
des gemeinen Wesens, Handhabung der Gerechtigkeit, Ordnung der Polizei und
dergleichen anbetrifft.
XX. Was hingegen, ob es also oder anderst gehalten werde,
denen landesfürstlichen juribus unnachtheilig, denen ständischen Privilegiis
unabbrüchlich, der Verwaltung gemeinen Wesens und Handhabung der Gerechtigkeit
unverhinderlich zu sein befunden wird, ist nicht für so wesentlich anzusehen,
daß nicht gestattet wäre in dahin einschlagenden Rechtsfällen auf Gleichförmigkeit
zu trachten, und entweder eines von denen bisherigen, oder ein neues Recht zu
allgemeinen Maßgab vorzuschlagen.
XXI. Wann endlich ein Unterschied deren von einem
einhelligen Principio, oder richtigen Folge weiterhin ableitlichen Sätzen,
Abfallen oder Ausnahmen bloß von Gebrauch und Uebung dies- oder jenländiger
Gerichten herkommet, so ist zu beobachten:
Ob solcher Gebrauch und Uebung durchgängig und universal bei
allen dortländigen Gerichtstellen, oder nur sonderheitlich bei einigen
Gerichten seie?
Ob dieser in denen landesfürstlichen Instructionen deren
Gerichtstellen gegründet, oder nur nebenhin eingeführet seie?
Ob solcher jemalen von allerhöchsten Ort bestätiget, oder
bei höchster Behörde hiernach decidiret worden?
Ob solcher Gebrauch und Uebung lediglich eine Formalität,
oder selbst das materiale causarum anbelange?
XXII. Ist der Gebrauch durchgängig und universal, so ist
solcher für eine Landesgewohnheit und falls derselbe ausdrücklich in einer
landesfürstlichen Instruction gegründet wäre, sogar pro lege zu achten und wie
vorhin von unterschiedenen Gesetzen und Gewohnheiten gemeldet worden, in
operando fürzugehen. Eben also, wann solcher jemalen allerhöchst bestätiget
oder bei höchster Behörde hiernach judiciret worden wäre, und hauptsächlich damalen,
wann der Gebrauch und Uebung in das materiale causarum einschlaget.
XXIII. Ist aber derlei Gebrauch nicht durchgängig und bei
allen Gerichten üblich, auch nicht in instructionibus deren Gerichtstellen
gegründet, sondern nur nebenher eingeführet, per decisa summi principis nicht
bestätiget und (wie mehrentheils) nur auf die Formalität gerichtet; da kommet
hauptsächlich zu beobachten, ob nicht vielmehr ein Mißbrauch oder Ueberfluß
darunter enthalten seie, welchenfalls die
(21) nachdrücklichste Maßgab in vorgedachten kais. köngl.
Hofdecreto von 14. Mai enthalten ist, die eingeschlichenen Mißbräuche und
Verzögerungen zu entdecken und darauf zu reflectiren, wie solche gänzlichen
abzuthun. Besonders ist mit aller Strenge dargegen fürzugehen, wann derlei Mißbräuche
und Aufzüge von denen Advocaten herrühren und mit dem Vorwand einer praxis
judiciariae bemäntlet werden.
XXIV. Aber da auch ein und anderer Gerichtsgebrauch, Praxis,
Stylus und wie immer benamende Formalität an sich selber nicht verwerflich wäre
und in ihren Schranken zu keinen Umtrieb gereichete, ist doch auf dergleichen
versessen zu sein keine genügliche Ursach, alsbald auf andere Art eben sowohl
(um so mehr, wann leichter und geschwinder) zu Recht verholfen werden kann.
Ueberhaupt ist hierinnen der Natürlichkeit nachzugehen, und
seind diejenige Gerichtsübungen vorzuziehen oder allenfalls neu vorzuschlagen,
bei welchen die wenigste Subtilität erforderlich, die mindeste Beirrung
besorglich, der geringste Aufwand nöthig und die größte Beschleunigung zu gewarten
ist.
XXV. Sogestalt ist in Fällen zu verfahren, wo die bisherige
Länderrechte, Gewohnheiten und Gebräuche eines oder mehrere von denen übrigen,
oder alle von einander unterschieden seind, doch den Fall, um welchen es zu
thun, vollständig in sich begreifen.
Wann aber ein oder anderer Fall zwar berühret, jedoch nicht
vollständig entschieden wäre, also daß zu vollständiger Entscheidung sich ein
Abgang deren Länderrechten oder statthabenden Gewohnheiten erzeigete, so ist
dergleichen Abgang aus dem natürlichen und Völkerrecht zu ersetzen.
XXVI. Wann endlich ein Vorfall in denen bisherigen
Länderrechten gar nicht ausgemessen, weder durch löbliche Gewohnheiten eine
sichere Beobachtung eingeführet wäre, vielmehr die Bedürfniß und Billigkeit ein
ganz neues Gesetz erfordern thäte, so ist ein solches ohne Rücksicht auf
bisherige Observanz in Vorschlag zu bringen.
Weil jedoch in diesen und vorigen Fällen das Natur- und
Völkerrecht, dann die Bedürfniß und Billigkeit zur Richtschnur vorgeschrieben
ist, so will eine nähere Anleitung vor sich zu haben nöthig sein, wie dem
Natur- und Völkerrecht verläßlich nachgegangen und nebst der natürlichen
Billigkeit zugleich der Bedürfniß hinlänglich vorgesehen werden könne.
XXVII. Das Natur- und Völkerrecht zwischen Privatpersonen
(maßen es nur um Privatrecht zu thun ist), erstrecket sich so weit, als viel
deren unterschiedenen Handlungen in menschlicher Gesellschaft vorkommen, wovon
der Gebrauch gesitteten Völkern eigen und gemeinlich ist.
Es seind jedoch gewisse Hauptquellen, mittelst welchen die
natürliche Billigkeit in alle Civilhandlungen den Einfluß hat, nicht nur
inwieweit es unmittelbar um Erhaltung der menschlichen Gesellschaft zu thun
ist, sondern auch, was mittelbar zu diesem Endzweck gereichet.
Und es seind nicht allemal strenge Pflichten, deren
Unbeobachtung das Band der menschlichen Gesellschaft auflöset, welche zur
Richtschnur der natürlichen Billigkeit andienen, sondern es seind auch gewisse
Wohlanständigkeiten, bei welchen eine besondere Billigkeit unterwaltet.
XXVIII. Es ist zum Beispiel die natürliche Freiheit eines
von jenen unschätzbaren Gütern, so nicht weiter zu verschränken, als es das
gemeine Wohl erforderet und darumen erheischet die Billigkeit jenes
vorzuziehen, was der natürlichen Freiheit am allerwenigsten entgegen ist.
Also ist billig, einem wahren und unbehinderten Eigenthümer
die Uebertragung seiner Sachen an Andere zuzulassen, die Errichtung eines
letzten Willens nicht
(22) zu behindern, allerlei ehrbare Vergleichungen, Abreden
und Verträge zu gestatten u. s. w.
XXIX. Es erforderet der Wohlstand, damit Niemand an seinen
Nutzen und Gemächlichkeit, so er ohne des Andern Nachtheil suchet, behinderet
werde. Und dahero ist billig und leicht zu gestatten, was Einem nutzet und dem
Andern nicht schadet. Zum Beispiel das Taglicht, die durchstreichende Luft, das
abfallende Regenwasser sich zu Nutzen zu machen, anderer Leute Freigebigkeit zu
genießen, die Aufnahm seines Hauswesens zu beförderen u. s. w.
XXX. Hingegen lasset der Wohlstand nicht zu, sich mit eines Anderen
Schaden zu bereichern. Solchemnach ist billig, daß jedweder sich von deme
enthalte, was dem Andern zu Abbruch gereichet, worunter allerlei Thaten
begriffen seind, die an sich selbst oder aus Umständen Andern zu Nachtheil
fallen. Und erstrecket sich dieses auf alle Vorenthaltung und Unerfüllung
dessen, wessen Rückgabe oder Leistung die gute Treu und Glauben erfordert. Zum
Beispiel, wann etwas gewisser Ursach willen gegeben worden, so nicht erfolget
ist, wann etwas ohne Ursach Jemanden zugekommen, wann die Ursach von Verbrechen
oder Unbild herrühret, wann ein Theil etwas gethan oder gegeben, um damit der
andere gleichfalls thue oder gebe und letzterer sich dessen weigerte, wann
jemand durch Irrthum, Furcht oder List zu etwas bewogen worden, so dem andern
nicht gebühret hat u. s. w.
XXXI. Aus diesen und dergleichen Hauptquellen (wiewohlen in
Ansehen bloßer Civil- und Privathandlungen kaum andere auszufinden seind,
welche nicht von denen Vorstehenden abfließen), ergiebt sich allemal eine
sichere Richtschnur, wornach verläßlich geprüfet werden kann, was in
unterschiedenen oder undeutlichen Vorfällen das Natürlichste und Billigste
seie, all jenes nämlich, was näher und reiner einer solchen Hauptquelle
zugehet, weniger Beschwerniß und Unfänglichkeit auf sich hat und zur Erhaltung
der menschlichen Gesellschaft fürträglicher ist.
XXXII. Es ist aber hierinnen nicht bei moralen oder
universal-gesellschaftlichen Betrachtungen zu beruhen, sondern immaßen auch
allerweisest mitgegeben worden, auf die Bedürfniß zu sehen, so muß zugleich,
was die Nothwendigkeit oder Nutzbarkeit zu gemeinen und sonderheitlichen Besten
erfordere, betrachtet werden.
In welchen Anbetracht vorzüglich jenes für das Nützlichste,
auch gestalter Dingen für nothwendig zu halten ist, was eine gemeinnützliche
Absicht beförderet, jenes als minder nützlich und durchaus unnothwendig
anzusehen, wodurch eine dergleichen Absicht behinderet wird.
XXXIII. Bei solchen Fürgang, und da beides, die natürliche
Billigkeit und zugleich die öffentliche Wohlfahrt, zur Richtschnur gehalten
werden, können nur wenige Fälle, wegen ein- oder anderländig sonderheitlicher
Hauptverfassung, Privilegien und Freiheiten eine Ausnahme von deme, was
durchgängig zu Recht gelten solle, erfordern. In all übrigen aber ist es gar
nicht unmöglich, sondern durch unermüdete Beeiferung endlichen wohl thunlich,
in denen Meinungen zu Auswahl eines oder andern Länderrechts, zu Ergänzung
deren Abgänge und zu allerunterthänigst gutächtlichen Vorschlag benöthigter
neuen Gesetze in einem natürlichen Zusammenhang übereinzukommen.
XXXIV. Zu Behelf hat die Gemüthserleuchtung und ein
ungebundener, von allen Vorurtheil entferneter Vernunftsschluß, nicht minder
die Erwägung des jederfälligen Endzwecks, deren darzu leitenden Mitteln, deren
vorträglich oder hinderlichen Umständen der Personen, der Sachen, des Orts und
der Zeit anzudienen; maßen die Aequität oder natürliche Billigkeit eben in
nichten andern, als in einem hiernach gerichteten arbitrio boni viri bestehet,
damit nichtes über Verdienst oder Unverdienst zu Recht gestattet oder verhänget
werde.
(23) XXXV. Zu Behuf hat auch die Rechtsgelehrheit und
Erfahrenheit anzudienen, nicht zwar die leges positivas, sonderheitlich
arbitrarias des gemeinen römischen Rechts vordringlich zu machen, sondern der
in denen römischen Gesetzen größtentheils vorblickenden natürlichen Billigkeit
Platz zu geben, und die Fälle, welche ein gewisses und gleichförmiges
Länderrecht erfordern, aus dem Vorrath des gemeinen römischen Rechtens desto
bequemer zu entnehmen.
XXXVI. Zu Behuf können endlich auch auswärtige Ländergesetze
gereichen, inwieweit darinnen eine mehrere Natürlichkeit, als etwan in dem
römischen Recht zu erfinden; immaßen nicht ohne Ursach dieses für das
Natürlichste und Billigste bei Gleichheit deren Umständen zu halten ist,
worinnen mehrere von einander unabhängige Völker übereinkommen. Und wann es de
lege condenda zu thun ist, so hat ein wo immer mit Ersprießlichkeit übliches
Gesetz oder Gewohnheit bei einerlei Umständen mehr Eindruck für die Billigkeit
und Nutzbarkeit zu wirken, als immer die Meinung eines noch so berühmten
Autoris.
XXXVII. Ursach dessen seind die rechtlichen Scribenten,
welche besonders Specialmaterien gründlich erschöpfen, zwar gleichfalls zu Hilf
zu nehmen; doch ist nicht sowohl auf die Anzahl deren Gleichstimmenden (wo oft
einer von dem andern die Meinung entlehnet), weder bloß auf die Autorität und
Berufenheit, sondern vielmehr auf die eines oder des andern mehr oder wenigere
Begründung in dem Natur- und Völkerrecht mittelst richtigen Vernunftsschlüssen
zu sehen.
Der röm.
kaiserl. auch zu Hungarn und Böheim königl. Majestät und Erzherzogin zu
Oesterreich Maria Theresia Codex, worin für alle dero königl. böheimische und österreichische Erblande ein jus privatum et universale
statuiret wird.
(27)
Wir Maria Theresia u. s. w. entbieten allen und jeden Unseren nachgesetzten
hohen und niederen Gerichtsstellen, Obrigkeiten, Magistraten, Vasallen,
Landesinwohneren und Unterthanen in Unseren königlichen böheimischen und
österreichischen Erblanden, was Würden, Standes, Amts und Wesens sie sein, auch
sonst jedermänniglichem, wer sich in diesen Unseren Erblanden aufhält, oder
allda Recht zu suchen oder zu nehmen hat, Unsere kaiserliche, königliche und
landesfürstliche Gnade, auch alles Gutes, und geben euch hiemit in Gnaden zu
vernehmen, wasmaßen unter Unseren vielen und schweren Regierungssorgen
jederzeit eine der vorzüglichsten dahin gerichtet gewesen, die bei der
Rechtspflege wahrgenommenen Gebrechen sogleich abzustellen, und denenselben in
Zukunft abhelfliche Maß zu verschaffen.
Wiewohlen nun von Uns in dieser Absicht mehrfältige heilsame
Gesetze und Verordnungen von Zeit zu Zeit nach Erheischung der zu Unserer
Wissenschaft gebrachten verschiedenen Vorfällen erflossen, worinnen allemal
Unser Augenmerk hauptsächlich dahin abzielet, in diesen Unseren Erblanden, so
viel es deren unterschiedene Verfassungen zugelassen, eine Gleichheit
herzustellen und zu erhalten.
So hat zwar diese Unsere landesmütterliche Vorsehung auch
die gedeihliche Wirkung gehabt, daß andurch viele Mißbräuche abgeschafft, die
Dunkelheit der vorigen Gesetzen über verschiedene Gegenstände, welche eine
genauere Bestimmung erfordert, aufgekläret und erläutert, mehrere darinnen
unentschieden gelassene oder doch zweifelhaft gebliebene Fälle entschieden, und
da, wo es nöthig ware, eine maßgebige Richtschnur vorgeschrieben worden, nach
welcher dermalen die Rechtspflege mit minderen Aufzügen und Umtrieben verwaltet
wird.
Das Uebel aber aus dem Grund zu heben, so sehr Wir auch
immer dessen Bewirkung gewunschen haben, ware jedennoch bisher theils wegen
Unzulänglichkeit und Unverläßlichkeit, theils wegen Verschiedenheit der in
diesen Landen beobachteten, in ihrem Inhalt zum öfteren einander ganz
widersprechenden Gesetzen nicht möglich, woraus nothwendig die unliebsamen
Folgen entspringen müssen, daß nicht nur Wir über einzle Vorfälle mit
unzähligen Anfragen, Belehrungsgesuchen und Vorstellungen von Unseren
nachgeordneten Stellen fort und fort behelligt, sondern auch, was Uns zum
meisten am Herzen gelegen, Unsere getreue Landesinwohner und Unterthanen durch
diese Ungewißheit, Dunkelheit und Verschiedenheit des Rechts in ihren
Handlungen selbst nicht selten einem beträchtlichen Schaden und Nachtheil
ausgesetzet worden, zumalen sich zum öfteren Fälle ergeben, daß, was nach denen
Gesetzen des einen Landes recht ware, nach jenen des anderen für unrecht
geachtet und somit bei dieser Gestalt der Sachen der Beförderung des
gemeinsamen Handels und Wandels zwischen diesen Unseren Erblanden keine geringe
Hinderniß in Weg geleget wurde.
Gleichwie aber Wir von Anbeginn Unserer Regierung allstets
dahin getrachtet haben, diese unter Unserem Scepter durch das gemeinsame Band
der Erbbotmäßigkeit so genau verknüpfte Erblande noch enger miteinander zu
verbinden und dieses Band zu deren selbsteigener Sicherheit und Wohlfahrt durch
die nach Möglichkeit in ihren Gesetzen und Verfassungen herzustellende
Gleichförmigkeit immer mehr und mehr zu befestigen.
(28) Also hat Uns auch, um zu diesem vorgesetzten
ersprießlichen Endzweck zu gelangen, ein Unserer landesmütterlichen
Aufmerksamkeit würdiger Gegenstand zu sein geschienen, für alle diese Unsere
Erblande ein allgemeines gewisses und ganz gleichförmiges Recht einzuführen und
zu diesem Ende ein klares, deutliches, verläßliches, immerwährendes und alle
diese Lande gleich verbindendes Gesetzbuch verfassen zu lassen.
Von diesem Vorhaben waren weder die fehlgeschlagene ähnliche
Versuche Unserer Vorfahren, noch auch die bei Anfang des Werks sich geäußerte
mannigfältige Schwierigkeiten Uns abwendig zu machen vermögend.
Im Gegentheil hat weit mehr die andurch erzielende
gemeinwesige Wohlfahrt und der hieraus einem jedweden Unserer getreuen
Unterthanen in diesen Unseren Erblanden für sich insonderheit zugehende Nutzen
alle andere Rücksichten überwogen und Uns zu dem gnädigsten Entschluß gebracht,
die Verfassung und Ausarbeitung dieses Gesetzbuchs einer eigenen, von Uns unter
dem Vorsitz Unsers wirklichen geheimen Raths, Rittern des goldenen Vließes,
Vicepräsidentens bei unserer Obristen Justizstelle und lieben getreuen Michael
Johann Grafen von Althann aufgestellten Commission aufzutragen.
Da nun von dieser Commission, deren ohnausgesetzter Fleiß,
Mühe und Eifer mit unserer Erwartung und dem von Uns in sie gesetzten
gnädigsten Vertrauen vollkommen übereinstimmte, gegenwärtige drei Theile dieses
Gesetzbuchs zu Stand gebracht und Uns zu Unserer höchsten Einsicht und
Begnehmigung gehorsamst vorgeleget worden.
Als haben Wir in Anbetracht, daß der noch zu verfassende
vierte Theil lediglich die Gerichtsordnung betrifft, welche aber bereits in
denen meisten Landen durch Unsere besondere Verordnungen eingerichtet und
festgesetzet ist, folglich die auch hierinnen herzustellende Gleichförmigkeit
noch ganz wohl einen Anstand leiden kann, rathsam zu sein erachtet, um diese
Unsere getreue Erblande des aus Unserer landesmütterlichen Sorgfalt ihnen
zugedachten Nutzens und Vortheils nicht länger
(29) entbehren zu lassen, zur Einführung dieses Unseren neuen Gesetzbuchs ohne weiterem Verschub allsogleich
fürzuschreiten.
Wir haben solchemnach diesem Unseren gleichermelten
Gesetzbuch nach dessen vorläufiger genauester Einsicht und Erwägung mit rechtem
Wissen und gutem, wohlbedachten Rath in seinem ganzen Inhalt aus der bei Uns
allein ruhenden höchsten gesetzgebenden Gewalt die vollkommeneste Kraft,
Wirkung und Bündigkeit eines allgemeinen, beständigen und immerwährenden
Gesetzes für alle Unsere königl. böheimische und österreichische Erblande
gnädigst beigeleget und wollen zugleich, daß zum ewigen und unvergeßlichen Andenken
dieser von Uns anmit Unseren treugehorsamsten Erblanden und Unterthanen
zugewendeten Wohlthat dieses Gesetzbuch jetzt und künftighin nach Unserem
höchsten Namen Codex Theresianus heißen und von jedermänniglich also genennet
werden solle.
Wie zumalen aber bei diesem Codice Theresiano Unsere
gnädigste Absicht eintzig und allein dahin gehet, ein durchgehends
gleichförmiges und allgemeines jus privatum in gesammten diesen Unseren
Erblanden einzuführen; so wollen wir es auch bei denen vorigen Satz- und Ordnungen,
insoweit solche das jus publicum und die besondere dahin einschlagende
Verfassungen eines jedweden Landes betreffen, noch ferners ohnveränderlich
bewenden lassen, dahingegen, so viel es das jus privatum anbelanget, nicht
allein denen gemeinen Rechten, wo dieselbe bisher üblich gewesen, sondern auch
denen vorherigen Landesordnungen, sogenannten Landhandfesten, Land- und
Stadtrechten und allen anderen wie immer Namen habenden Satz- und Ordnungen,
insoferne als in diesem Codice Theresiano ein anderes geordnet wird, hiemit
ausdrücklich derogiret haben.
(30) Damit also dieser Unser Codex auf das Baldigste und zu
gleicher Zeit in gesammten Unseren königlichen böheimischen und
österreichischen Erblanden in seine unverbrüchliche Beobachtung gesetzet werde,
so ist Unser weiterer gnädigster Wille und Meinung, daß solcher binnen Einem
Jahr von dem unten gesetzten Tag dieser Unserer erlassenen Verordnung an zu
rechnen, aller Orten seine vollkommene Bindungskraft ohne Gestattung einiger
wie immer dagegen ersinnen mögenden Ausflüchten, Einreden oder Entschuldigungen
durchgängig haben und erreichen solle.
Zu diesem Ende befehlen und gebieten Wir allen Unseren
Landesstellen, hohen und niederen Gerichten, Obrigkeiten und Magistraten diesen
Unseren Codicem Theresianum unter vorgedachter Jahrszeit gewöhnlichermaßen
überall kund zu machen, und solcher Gestalt zu Jedermanns Wissenschaft zu
bringen, damit sich Niemand mit der Unwissenheit dagegen entschuldigen möge.
Nach Verlauf dieses Jahrs aber wollen, ordnen und setzen Wir,
daß die in demselben enthaltene Gesetze in gesammten Unseren königl.
böheimischen und österreichischen Erblanden von Allen und Jeden unverbrüchlich
beobachtet und solchen in allen sowohl gerichtlichen als außergerichtlichen
Handlungen auf das genaueste nachgelebet, hierob auch von denen Gerichten,
Obrigkeiten und Magistraten stets feste Hand gehalten, und im Sprechen und
Urtheilen in denen nach vorbesagtem Jahrslauf sich zutragenden Fällen lediglich
diesem Unseren Codici Theresiano nachgegangen werden solle.
Dahingegen Wir in Ansehung jener Fällen, die sich vor dem
Tag, an welchem obangeordnetermaßen die Kraft und Bündigkeit dieses neuen
Codicis ihren Anfang nehmen solle, ergeben haben, gnädigst gestatten, daß
solche, insoweit als in diesem Codice wegen einen und anderen vergangenen
Fällen keine absonderliche Vorsehung begriffen ist, nach denen vorigen
Gesetzen, wie dieselbe in einem jedwedem Fall vor Einführung dieses Unseren
Codicis gebräuchlich gewesen, bei Gericht beurtheilet und entschieden werden möge.
Dies ist unser gnädigster und ernstlicher Wille.
Geben etc.
(1-31) Erster Theil.
Von dem Recht der Personen.
(1-32)
(1-33) Caput I.
Von dem Recht insgemein.
Inhalt:
§. I. Von Eintheilung des Rechts. §. II. Von Gesetzen.§. III
Von Gewohnheiten. §. IV. Von Befreiungen. §. V. Von Ausdeutung der Gesetzen und
Befreiungen. §. VI. Von dem dreifachen Gegenstand der Gesetzen und der hienach
verfaßten Eintheilung dieses Gesetzbuchs.
§. I.
[1, 1, § 1] Num. 1. Das Recht, insoferne als es ein Gesetz
bedeutet, ist eine Richtschnur der menschlichen Handlungen. Dessen Endzweck ist
die Gerechtigkeit, welche in deme bestehet, dass einem Jedem das Seinige, was
ihme von Rechtswegen gebühret, zu Theil werde.
(1-34) [1, 1, § 1] 2. Alle Rechte sind entweder von Gott
oder von Menschen geordnet. Gott hat das Recht der Natur und sein offenbartes
alt- und neues Gesetz geordnet.
(1-35) [1, 1, § 1] 3. Das Recht der Natur ist von Gott dem
Menschen eingepflanzet, auf daß er durch seine eigene
Vernunft geleitet werde, das Gute zu thun und das Böse zu meiden. Insoweit sich
aber dessen freie Völker und unabhängige Staaten gegeneinander gebrauchen, wird
dasselbe das Völkerrecht genennet.
[1, 1, § 1] 4. Die menschlichen Rechte kommen entweder von
der geistlichen oder von der weltlichen Gewalt.
Welche von der letzteren herrühren, haben entweder
unmittelbar das allgemeine Beste und die innere Verfassung des ganzen Staats
zum Gegenstand und heißen eigentlich das Staatsrecht.
[1, 1, § 1] 5. Oder dieselben zielen hauptsächlich auf das
sonderheitliche Beste einzler Bürger ab und schreiben die Richtschnur der
Privathandlungen vor, welche im engeren Verstand das bürgerliche oder
Privatrecht genennet werden.
[1, 1, § 1] 6. Dieses ist nichts anderes, als ein Begriff
aller von der höchsten Gewalt des Staats zum sonderheitlichen Besten der eben
derselben höchsten Gewalt unterworfenen Personen ergangenen Geboten, Satz- und
Ordnungen.
[1, 1, § 1] 7. Die bürgerlichen Rechte sind nach
Verschiedenheit der Staaten verschieden, nachdeme solche eines jeden Staats
dabei abgesehene Wohlfahrt und Nutzen erheischet.
Wir wollen aber in Unseren gesammten deutschen Erblanden
kein anderes als gegenwärtiges Recht, welches Wir zum Bestem Unserer getreuen
Unterthanen in diesem Gesetzbuch in Ordnung bringen lassen, hinfüro als ein
beständiges allgemeines Recht von männiglich beobachtet wissen.
[1, 1, § 1] 8. Nur allein rechtmäßig hergebrachte
Gewohnheiten, welche weder diesem Unseren Gesetzbuch, noch anderweiten von Uns
allschon erlassenen oder in Zukunft erlassenden Verordnungen zuwider sind,
sollen noch ferners in derjenigen Maß bestehen können, welche unten in §. III.
von Uns bestimmet wird.
[1, 1, § 1] 9. Hieraus fließt die allen von der Willkür der
höchsten Gewalt geordneten Rechten gemeine Eintheilung in das beschriebene und
unbeschriebene Recht. Ersteres gründet sich in dem ausdrücklichen, letzteres in
dem stillschweigenden Willen des Gesetzgebers, beide aber erlangen ihre
Bindungskraft von der gesetzgebenden höchsten Gewalt allein.
[1, 1, § 1] 10. Das beschriebene Recht besteht aus Satzungen
und Verordnungen. Diese sind entweder allgemein, welche jedermänniglich
verbinden und heißen eigentlich
(1-36) Gesetze. Oder sie enthalten sonderbare Begünstigungen
gewisser Personen oder Sachen und sind Befreiungen.
[1, 1, § 1] 11. Es wird demnach in diesem ersten Capitel
zuerst von denen Gesetzen, sonach von denen Gewohnheiten, weiters von denen
Befreiungen, alsdann aber von der Ausdeutung sowohl der Gesetzen, als der
Befreiungen gehandlet und endlich die Ordnung der Abhandlung, welcher in diesem
ganzen Gesetzbuch nachgegangen wird, nach dem dreifachen Gegenstand alles
Rechts dargezeiget.
§. II.
[1, 1, § 2] 12. Die Gesetze sind allgemeine von der höchsten
Gewalt zur Wohlfahrt der Unterthanen erlassene Verordnungen. Sie mögen aus
eigener Bewegniß, oder auf Anlangen, oder auf was sonst immer für eine Art
ergehen.
[1, 1, § 2] 13. Ihre Wirkung bestehet:
Erstens und vornehmlich in der Verbindungskraft.
Zweitens in Zerrüttung und Entkräftung der gesetzwidrigen
Handlungen.
Drittens in Verwirkung der in dem Gesetz auf die
Uebertretung verhängten Strafe.
[1, 1, § 2] 14. Sie verbinden zur Beobachtung Alle und Jede,
die in dem Gebiete sind, für welches das Gesetz ergangen ist, sowohl
Unterthanen, als Fremde und diese
(1-37) letztere zwar nicht allein währenden ihren
Aufenthalts in diesem Gebiete, sondern auch auswärts befindliche müssen sich
insoweit nach Unseren Gesetzen achten, als sie in diesen Unseren Landen Recht
suchen oder Recht zu nehmen schuldig sind.
[1, 1, § 2] 15. Wann hingegen Unsere Unterthanen aus diesen
Landen sich in fremden Gebieten aufhalten, so wollen Wir wegen ihrer alldort
nach den daselbstigen Gesetzen geschlossenen Handlungen den Beistand rechtens
auch in hiesigen Ländern insoweit angedeihen lassen, als diese Handlungen nur eine
bloße persönliche Verbindung nach sich ziehen und nach Unseren diesländigen
Gesetzen weder an sich selbst ungiltig, noch Unsere Unterthanen sich zu
verbinden unfähig sind.
[1, 1, § 2] 16. Da es sich aber um Veräußerung oder
Behaftung hierländiger liegender Güter, oder dessen, was sonst nach Unseren
Gesetzen für unbeweglich zu halten ist, handlete, solle keinerlei derselben
lebzeitige oder letztwillige Uebertragung, Veräußerung, Verpfändung oder was
sonst immer für andere Bestellung eines Rechts an der Sache giltig sein, es
seie dann eine solche Handlung nach hierländigen Gesetzen vollzogen.
[1, 1, § 2] 17. Uebrigens bleiben Unsere Unterthanen Unseren
Befehlen und denen von Unseren hierländigen Gerichtsbarkeiten für oder gegen
sie ergehenden Rechtssprüchen aller Arten unterworfen, wo sie sich immer
befinden mögen.
[1, 1, § 2] 18. Was wider die Gesetze geschieht, ist in
derjenigen Maß ungiltig, als die widrige Handlung entweder von dem Gesetz
selbst ausdrücklich vernichtet und entkräftet, oder der richterlichen
Erkanntniß solche umzustoßen überlassen wird.
[1, 1, § 2] 19. Wo die widrige Handlung von dem Gesetz
selbst vernichtet, oder die von dem Gesetz vorgeschriebene wesentliche
Feierlichkeit unterlassen wird, entstehet hieraus gar keine Verbindlichkeit und
kann andurch nicht allein kein Eigenthum oder ein anderes Recht an der Sache
erworben oder übertragen, sondern auch das gegebene anwiederum zurückgefordert
werden.
[1, 1, § 2] 20. In anderen Fällen aber haben verschiedene
ihres Orts vorkommende Rechtsmitteln statt, wodurch auf richterliche Erkanntniß
die gesetzwidrige Handlung umgestoßen, oder Schaden und Nachtheil abgewendet
und der Verkürzung abgeholfen wird.
[1, 1, § 2] 21. Endlich wird durch Uebertretung der Gesetzen
die darinnen verhängte Strafe verwirket. Doch ist dabei der Unterschied zu
beobachten, ob das Gesetz die
(1-38) bloße That ohne Bemerkung und Rücksicht auf einige
Umstände bei Strafe gebiete oder verbiete, oder ob das Gesetz nebst der That
annoch gewisse Umstände ausdrücklich anführe und erheische?
[1, 1, § 2] 22. In dem ersten Fall hat der Richter nach dem
Buchstaben des Gesetzes auf die bloße Uebertretung zu sehen. In dem letzteren
Fall hingegen, muß derselbe zugleich untersuchen, ob auch die bei einer
verbotenen That oder Handlung in dem Gesetz ausdrücklich angeführte Umstände
unterwalten.
[1, 1, § 2] 23. In beiden Fällen aber solle der Richter
lediglich nach Maßgebung der Gesetzen mit der darinnen ausgemessenen Strafe
ohne Gnad, Nachsicht oder Milderung fürgehen, als welche bei Uns allein zu
suchen ist, wo nicht von Uns demselben in gewissen Fällen dergleichen Gewalt
namentlich eingeräumet wäre.
[1, 1, § 2] 24. Wann jedoch das Gesetz eine That oder
Handlung für strafbar angesehen, die Strafe aber dabei nicht ausgemessen hätte,
solle dieselbe jedesmal nach Beschaffenheit der mehr oder minder erschwerenden
Umständen durch richterlichen Befund bestimmet werden.
[1, 1, § 2] 25. Diese Wirkungen haben die Gesetze für sich
ohne Rücksicht auf deren Annehmung oder unterbliebene Beobachtung, sondern es
solle an deme genug sein, daß sie behörig kundgemacht worden, welches in jedem
Land durch die gewöhnliche Wege schleunig zu geschehen hat, damit sie allsobald
zu Jedermanns Wissenschaft gelangen können.
[1, 1, § 2] 26. Von was für Zeit nun dieses Unseres neues Gesetzbuch seine Bindungskraft haben solle,
ist allschon von Uns im Eingang geordnet worden.
Für alle in Zukunft von Uns in Rechtssachen erlassende
Gesetze aber, worinnen keine längere oder kürzere Zeit ausdrücklich bestimmet
ist, wollen und ordnen Wir hiemit, daß dieselbe jedesmal nach zweien Monaten
von dem Tag der öffentlichen
(1-39) Kundmachung in der Hauptstadt eines jedweden Landes
durchgehends unnachsichtlich verbinden sollen.
[1, 1, § 2] 27. Nach Verlauf sothaner bestimmten Zeit solle
zwar Niemandem die vorschützende Unwissenheit Unserer Gesetzen, oder ein
vorgeblicher Irrthum in Rechten zu Statten kommen, weder unter diesem Vorwand
eine gesetzwidrige Handlung zu Kräften gelangen, noch Jemand von der verhängten
Strafe deswegen enthoben werden können.
[1, 1, § 2] 28. Wir wollen Uns jedoch vorbehalten haben in
Fällen, wo Jemand besonders von solchen Personen, die von Unseren Gesetzen
begünstiget worden, aus Unwissenheit und Irrthum in Rechten des Seinigen
verlustiget und der Gegentheil ohne Ursach andurch bereicheret würde, demselben
nach Befund der einige Entschuldigung und Nachsicht verdienenden Umständen auf
geziemendes Ansuchen die außerordentliche Rechtshilfe mittelst Herstellung in
vorigen Stand angedeihen zu lassen.
[1, 1, § 2] 29. Die Gesetze betreffen künftige Handlungen,
nicht aber auch vergangene, oder annoch fürwährende, wann dieserwegen in dem
Gesetz keine ausdrückliche Vorsehung enthalten ist.
(1-40) [1, 1, § 2] 30. Hieraus aber folget nicht, daß an
sich böse und lasterhafte Thaten blos von darum, weilen vor deren Ausübung
keine Strafe darauf ausgesetzt gewesen, ungestraft gelassen werden sollen,
sondern, obschon die in einem späteren Gesetz ausgemessene Strafe nicht
verhänget werden kann, so sind solche jegleichwohlen nach Schwere des
Verbrechens mit einer dem gerichtlichen Befund überlassenen Strafe zu belegen.
[1, 1, § 2] 31. Wann hingegen durch ein Gesetz kein neues
Recht eingeführet, sondern nur lediglich das vorherige erläutert wird,
erstrecket sich auch dasselbe auf die vergangene
Fälle.
[1, 1, § 2] 32. Nicht weniger solle in jenen Fällen,
worinnen aus einer vor dem Gesetz vorhergegangenen Handlung von Zeit zu Zeit
eine neue Verbindlichkeit erwachset, als bei laufenden Zinsen oder einhebenden
Nutzungen, das spätere Gesetz nach Maß der Zeit beobachtet und die
Verbindlichkeit jedesmal nach denen von Zeit zu Zeit neu hervorkommenden
Gesetzen abgemessen werden.
[1, 1, § 2] 33. Die Gesetze bleiben immer bei Kräften,
solange sie durch ein späteres Gesetz nicht aufgehoben oder abgeänderet werden.
Wo aber die Beobachtung des Gesetzes etwann allgemein
unnütz, unbillig, schädlich, oder in der Befolgung unmöglich würde, so ist ein
solcher sich zwar nicht leicht ergebender Abfall Uns zur nöthigen Vorsehung
sofort anzuzeigen.
[1, 1, § 2] 34. Zu denen Gesetzen gehören auch die
Satzungen, welche nur auf ein gewisses Land oder Ort gerichtet und von Uns
entweder unmittelbar geordnet oder ausdrücklich bestättiget sind.
(1-41) [1, 1, § 2] 35. Jene Satzungen und Einrichtungen
hingegen, welche weder von Uns herrühren, noch ausdrücklich bestätiget sind,
sondern mit Unserer besonderer Verwilligung von nachgesetzten Obrigkeiten,
Gerichten, Gemeinden, Vorsteheren und Mitteln nach Amtserforderniß und zu
Erhaltung guter Ordnung gemacht werden, sind zwar nicht unter die allgemeine
Verordnungen zu zählen; doch sollen dieselbe, daferne sie nicht wider Unsere
Gesetze laufen, von ihren Mitgliedern und Untergebenen beobachtet werden; Uns
aber bleibt die Einsicht, Aenderung und Aufhebung derselben zu allen Zeiten vorbehalten.
[1, 1, § 2] 36. Umsoweniger können ohne Unserer
ausdrücklichen Verleihung oder Bestätigung einige Satzungen errichtet werden,
sondern die Gemeinschlüsse und Verabredungen, welche aus redlicher und Unseren
Gesetzen nicht widerstrebender Absicht getroffen werden, können nicht anders
als in der Gestalt eines freiwilligen Vertrags, und nur Jene, so von der
Gemeinde sind, verbinden.
[1, 1, § 2] 37. Doch mit dem Unterschied, daß in
Angelegenheiten, welche die ganze Gemeinde betreffen, der mindere Theil durch
den größeren zur Gleichförmigkeit verbunden werde, wiewohlen einem jedem
Mitstimmenden sich wider den aus einem solchen Schluß für die Gemeinde
befahrenden Schaden zu verwahren und aller sich daher zuziehen mögenden
Verfänglichkeit auszuweichen unbenommen ist.
[1, 1, § 2] 38. Wo es aber um Gerechtsamen, Befugnissen oder
Verbindungen einzler Personen von der Gemeinde oder um Behaftung ihres Hab und
Guts zu thun wäre, da wird erforderet, daß, was Alle betrifft, auch von Allen
einstimmig begenehmiget werde.
§. III.
[1, 1, § 3] 39. Das unbeschriebene Recht machen rechtmäßige
Gewohnheiten aus. Eine Gewohnheit ist nichts anderes als ein mit
stillschweigender Einwilligung der
(1-42) höchsten Gewalt durch langwierigen Gebrauch als ein
Recht eingeführtes und immer gleichförmig beobachtetes, für Recht gehaltenes
Herkommen.
[1, 1, § 3] 40. Wir wollen aber keine wider Unsere Gesetze
laufende Gewohnheiten, sie mögen in allen oder auch nur in einem oder anderen
Unserer deutschen Erblanden allgemein oder in einzlen Orten besonders
eingeführet sein, statthaben lassen, sondern hiemit sowohl die vor Einführung
dieses Unseren Gesetzes allschon bestehende gänzlich abgestellet und
aufgehoben, als auch die künftig einschleichen mögende zu allen Zeiten
ernstgemessen verboten und für ein strafbares Beginnen angesehen haben.
[1, 1, § 3] 41. Auch nicht in jenen Fällen solle ein
Gewohnheit zufällig sein, noch minder eine verbindende Kraft haben, wovon in
Unseren Gesetzen nichts verordnet ist, sondern, wo Fälle vorkämen, worinnen es
ersprießlich wäre, etwas Gewisses für allgemein zu ordnen, solle jedesmal die
Beschaffenheit der Sache bei Uns geziemend angebracht und Unsere höchste
Entschließung abgewartet werden.
[1, 1, § 3] 42. Nur allein in solchen Fällen, welche zwar
von Unseren Gesetzen in der Hauptsache entschieden sind, dabei aber die Art und
Weise, Zahl, Maß, Größe,
(1-43) Gestalt oder Beschaffenheit, Zeit oder sonstige
Umstände entweder dem Befund des Richters überlassen oder auf den Landesbrauch,
bisherige Beobachtung, derzeitige Uebung und Verfassung verwiesen werden, solle
gestattet sein, auf eine Gewohnheit nach und gemäß dem Gesetz zu sehen.
[1, 1, § 3] 43. Es solle demnach in diesen Fällen jenes für
Recht gehalten werden, was alle oder die meisten in mehreren oder in einem Land
freiwillig, öffentlich und langwierig auf einerlei Art beobachtet haben, wann
es vernunftmäßig und der gemeinen Wohlfahrt nicht zuwider ist, so lange Wir es
dabei stillschweigend bewenden lassen.
[1, 1, § 3] 44. Desgleichen sollen kleinere Gemeinden und
Ortschaften, insoweit als sie nach obiger Maßgab der Macht Satzungen zu
errichten fähig sind, ihre eingeführte oder weiters einführende löbliche und
Unseren Gesetzen nicht widerstrebende Gebräuche und Gewohnheiten beobachten,
ohne daß jedoch jemals außer dem Bezirk eines solchen Orts hieraus ein
allgemeines Recht erwachsen, oder andere, welche nicht von dieser Gemeinde
sind, andurch verbunden werden mögen.
[1, 1, § 3] 45. Damit aber etwas für eine rechtmäßig
hergebrachte Gewohnheit in derjenigen Maß, als solche von Uns zugelassen wird,
geachtet werden könne,
(1-44) ist zu etwas solchem, so nicht bloßen Beliebens,
sondern auf einigerlei Weise verbindlich sein solle, eine öftere gleiche
Beobachtung, ein geraumer Zeitlauf und die Einwilligung aller oder doch des
größten Theils jener, von welchen die Gewohnheit eingeführet wird,
erforderlich.
[1, 1, § 3] 46. Zu diesem Ende muß die gleichförmige
Beobachtung, wenigstens dreimal freiwillig und wissentlich wiederholet, auch
von Zeit der ersten sogestalteten Ausübung wenigstens zehn Jahre verflossen und
binnen dieser Zeit von Niemandem widersprochen, noch sonst was Widriges
vorgenommen worden sein.
[1, 1, § 3] 47. Welches alles derjenige, der zum Behuf
seiner Gerechtsame eine eingeführte Gewohnheit oder Herkommen vorschützet,
gleichwie im Gegentheil Jener, welcher sich von der Verbindlichkeit einer
Gewohnheit entziehen will, das Widerspiel zu erweisen hat, ohne daß jedoch
hierzu ein vor oder wider die Gewohnheit allbereits ergangener Rechtsspruch
nöthig seie, wiewohlen der Beweis dadurch erleichteret wird.
[1, 1, § 3] 48. Insoweit aber Gewohnheiten in vorstehender
Maß einzuführen zugelassen wird, insoweit können selbe auch durch spätere
Gebräuche und Gewohnheiten anwiederum aufgehoben werden.
Doch hat allemal Jener, welcher die Aenderung vorgibt,
dieselbe zu erproben.
[1, 1, § 3] 49. Uebrigens solle aus gleichförmigen
Rechtssprüchen, da nämlich öfters in gleichen Fällen auf einerlei Art
gesprochen worden, in Ansehung künftiger derlei Vorfallenheiten keine Gewohnheit
erwachsen, wann es nicht Fälle sind,
(1-45) worinnen nach obiger Ausmessung eine Gewohnheit
statthaben mag, und die übrigen Erfordernissen beitreten.
[1, 1, § 3] 50. Noch weniger solle eine Gewohnheit in Sachen
zulässig sein, welche die Verfahrungsart bei Gericht, die Feierlichkeiten und
Gerichtsübungen betreffen, sondern aller Orten und bei allen Gerichten die
Gerechtigkeit jedermänniglich nach Unseren Gesetzen gleichförmig ertheilet, wo
aber zur Beförderung der Rechtspflege und Abstellung der sich etwa
einschleichen mögenden Mißbräuche eine Vorsehung nöthig wäre, deshalben Uns die
geziemende Anzeige zur weiteren Maßgebung gemacht werden.
§. IV.
[1, 1, § 4] 51. Zu denen Gesetzen gehören auch die
Befreiungen oder von Uns ertheilte Verfügungen und Verleihungen besonderer
Gnaden und Freiheiten.
[1, 1, § 4] 52. Diese sind sonderheitliche, zu Gunsten
gewisser Personen, Sachen oder Handlungen ergangene Verordnungen.
Sie wirken ein besonderes Recht für Jene, die anmit
begünstiget werden, enthalten aber zugleich einen allgemeinen Verbot, daß
Niemand dawider handlen, noch den Genuß der verliehenen Freiheit behinderen
solle.
[1, 1, § 4] 53. Die Befreiungen werden entweder Personen in
Ansehung ihrer Verdiensten, Eigenschaften oder aus sonstiger Ursache, oder auch
aus Unserer sonderbaren Gnad und Begünstigung, oder aber gewissen Orten,
Gründen oder anderen Sachen und Handlungen verliehen.
(1-46) [1, 1, § 4] 54. Hierdurch unterscheiden sich
dieselben in persönliche und sächliche Befreiungen.
Wiewohlen aber einige von beiderlei Art etwas an sich zu
haben scheinen, so werden selbe dennoch einer oder der anderen Gattung
beigezählet, welcher sie ihrer Natur nach zunächst beikommen.
[1, 1, § 4] 55. Also sind unter die persönlichen Befreiungen
jene zu zählen, welche einer gewissen Anzahl der Personen oder ganzen Gemeinden
und Mitteln zum Genuß eines jedweden Mitglieds ertheilet werden, obschon es
sich um den Genuß einer Sache handlet.
[1, 1, § 4] 56. Wann hingegen einer Gemeinde oder Mittel zum
gesammten Genuß oder auch gewissen Aemtern, Würden, Künsten und Gewerben
Begnadigungen und Freiheiten verliehen werden, so sind es sächliche
Befreiungen, weilen dabei die Absicht mehr auf die Sache als auf die Personen
gerichtet ist, wenngleich diese in Ansehung des bekleidenden Amts und Würde,
oder der übenden Kunst und treibenden Gewerbs und Genuß davon haben.
[1, 1, § 4] 57. Von dieser Art sind auch jene Befreiungen,
welche gewissen Handlungen und Geschäften oder einer besonders begünstigten
Gattung Personen, als Minderjährigen, Weibsleuten, Soldaten und Anderen zu
Abwendung des sich sonst zuziehenden Nachtheils oder zu sonstiger Entstehung
von dem allgemeinen Recht in Unseren Gesetzen gegeben werden und in dem Inhalte
dieses Unseren Gesetzbuchs an gehörigen Orten begriffen sind.
[1, 1, § 4] 58. Die persönlichen Befreiungen erstrecken sich
nicht über die in der Verleihungsurkunde benannten Personen. Die sächlichen
aber kommen auch einem jedweden Besitzer der Sache, wie nicht weniger denen
Nachfolgern in Gemeinden, Aemtern und Würden, dann auch denen Erben und Bürgen
zu Statten, wie es an seinem Ort bei derlei in diesem Unseren Gesetzbuch
besonders abgehandelten Befreiungen mit mehreren erkläret wird.
[1, 1, § 4] 59. Alle von Uns oder Unseren Vorfahren
ertheilte sowohl persönliche als sächliche Befreiungen und Begnadigungen
enthalten allemal die in einer jedweden
(1-47) Verleihung stillschweigend begriffene Bedingniß in
sich, wann sich die Sache angebrachtermaßen verhält.
[1, 1, § 4] 60. Wann dahero hervorkäme, daß eine Befreiung,
es seie in Gnaden oder Gerechtigkeitssachen, mit unwahrhaften Anbringen,
Verschweigen der Wahrheit oder sonstiger Arglist von Uns etwann erschlichen
worden, so solle ein solcher Fall Uns jedesmal zur anderweiten Entschließung
angezeiget werden.
[1, 1, § 4] 61. Die Befreiungen erlöschen auf mehrerlei Art:
Zeitliche Befreiungen, welche entweder einzlen Personen oder
auf eine bestimmte Zeit oder unter einer beigefügten Bedingniß oder auf
Wohlgefallen oder wegen einer gewissen Eigenschaft verliehen worden, nehmen ihr
Ende mit Absterben der befreiten Personen, mit Ausgang der benannten Zeit, mit
Ermanglung der beigesetzten Bedingniß, mit willkürlicher Widerrufung oder mit
Abänderung der Eigenschaft, welche die Verleihung zum Endzweck gehabt.
[1, 1, § 4] 62. Jene Befreiungen hingegen, welche auf immer
und allzeit gegeben worden, hören auf, wann die Gemeinde oder das Mittel,
welches die Befreiung erworben, gänzlich aufgelöset, oder das Amt oder Würde,
welcher die Befreiung anklebet, nicht mehr ersetzet wird, oder die Sache, mit
der die Befreiung verknüpfet ist, völlig zu Grund gehet, ohne daß zu deren
Wiederherstellung eine Hoffnung übrig seie.
[1, 1, § 4] 63. Zuweilen wird die Wirkung einer Befreiung
oder Begünstigung durch eine andere gehemmet, wann nämlich zwei gleich begünstigte
Personen dergestalten zusammentreffen, daß beide zugleich den Genuß der
Befreiung nicht haben können.
[1, 1, § 4] 64. In solchem Fall gebühret
Demjenigen, welcher bei Entgehung des Genusses an seinem Gut einen wesentlichen
Schaden erleiden würde, der Vorzug vor dem Anderen, deme der Genuß der
Befreiung lediglich einen Gewinn brächte.
[1, 1, § 4] 65. Wann es aber beiden Theilen um Abwendung des
Schadens oder auch beiden um bloßen Gewinn zu thun wäre, so ist von denen in
diesem Unseren Gesetzbuch enthaltenen Begünstigungen jene überwiegender,
welcher in Zusammentreffung mit anderen vor diesen der Vorzug seines Orts
namentlich zugestanden wird.
[1, 1, § 4] 66. Bei allen anderen Begünstigungen und
Verleihungen hingegen, welche von gleichen Kräften sind, ist allemal die ältere
der jüngeren oder späteren vorzuziehen, wann die erstere durch diese nicht
ausdrücklich aufgehoben wird.
[1, 1, § 4] 67. Es können auch die Befreiungen durch
freiwillige Verzicht und Begebung, durch Nichtgebrauch oder widrigen Gebrauch
und Mißbrauch und durch
(1-48) deren nach Erforderniß der Umständen
nöthig befundene Aufhebung in seiner Maß verloren gehen.
[1, 1, § 4] 68. Die freiwillige Verzicht und Begebung wirket
nur damals den Verlust der Befreiung, wann die Begebung nicht zum Nachtheil
einer gesammten Gemeinde oder eines Mehreren gemeinsamen Standes und Würde,
oder auch eines Dritten gereichet, und wann die Befreiung nicht also beschaffen
ist, daß sie vielmehr zu gemeinen Besten, als zu Gunsten der befreiten Person
verliehen seie.
[1, 1, § 4] 69. Der Nichtgebrauch einer Befreiung, welche
nicht in einer bloßen willkürlichen, Niemandem nachtheiligen Ausübung bestehet,
zieht deren Verlustigung ganz oder zum Theil nach sich, insoweit sich derselben
nicht gebrauchet wird, jedoch mit folgenden Unterschied:
[1, 1, § 4] 70. Soferne die Befreiung in einer insgemein
oder Jemandem insonderheit beschwerlichen Befugniß etwas zu thun oder zu
fordern bestehe, so wird dieselbe bei Unterlassung des Gebrauchs, wo solcher
thunlich gewesen, durch die im zweiten Theil, im neunten Capitel, von
Verjährungen zur Verschreibung der Gerechtsamen vorgeschriebene Verjährungszeit
verloren.
[1, 1, § 4] 71. Falls aber die Befreiung in Enthebung von
einer Beschwerde und somit in der Befugniß etwas nicht zu thun besteht, so wird
solche durch dreimalige freiwillige und ohne weiteren Vorbehalt wissentlich
geschehene Unterziehung verloren, ohne daß es einer Verjährung bedürfe.
[1, 1, § 4] 72. Doch ist in allen Fällen, wo sich entweder
durch ausdrückliche Verzicht oder stillschweigend durch Nichtgebrauch der
Befreiung begeben wird, erforderlich, daß in der Gewalt des Befreiten
gestanden, sich der ihme verliehenen Freiheit zu begeben.
[1, 1, § 4] 73. Welche aber diese Macht nicht haben, als
Minderjährige und andere pflegbefohlene Personen, diesen kann auch aus einer solchen Verzicht oder aus dem Nichtgebrauch kein
Nachtheil erwachsen.
[1, 1, § 4] 74. Uebrigens stehet es bei Uns, die Befreiungen
des widrigen Gebrauchs oder Mißbrauchs halber oder da selbe bei veränderten Umständen
unbillig, Anderen unerträglich oder gemeinschädlich zu werden beginneten und
dieses behörig an Uns gebracht würde, nach Befund anwiederum aufzuheben.
(1-49) [1, 1, § 4] 75. Zur Beibehaltung der rechtmäßig
erworbenen Befreiungen trägt deren von Uns auswirkende Erneuerung und
Bestätigung Vieles bei.
Die
Ansuchung dieser Bestätigung ist entweder willkürlich oder nothwendig.
[1, 1, § 4] 76.
Willkürlich ist dieselbe, wann Jemanden daran gelegen ist, damit die ihme
angebührende Befreiung nicht in Vergessenheit gerathe, und er wider alle von
Anderen besorgende Anfechtung oder Hinderniß in Ausübung seiner Freiheit durch
die landesfürstliche Bestätigung desto gesicherter seie.
[1, 1, § 4] 77.
Nothwendig aber wird sie, wann entweder in der Verleihung ausdrücklich
vorgesehen ist, daß die Bestätigung von Zeit zu Zeit oder bei Veränderung deren
Besitzeren solcher Sachen, Aemtern oder Würden, denen die Befreiung zukommt,
angesuchet werden solle, oder wann bei jeweiliger Veränderung der
Landesherrschaft für allgemein geboten wird, um die Erneuerung und Bestätigung
aller verliehenen Gnaden und Freiheiten höchsten Orts einzukommen.
[1, 1, § 4] 78.
Würde nun dieses in der anberaumten Zeit nicht befolget, sondern verabsäumet,
so solle die Befreiung eben darum für erloschen und aufgehoben geachtet werden,
wann solche in dem landesfürstlichen Gebot nicht namentlich von der
Nothwendigkeit der anzusuchen habenden Bestätigung ausgenommen worden.
[1, 1, § 4] 79.
Die Bestätigung aber gibt kein neues Recht, wann die Befreiung schon ehebevor
erloschen ist, noch weniger bringt sie dem Recht eines Dritten einigen
Nachtheil, sondern sie bestärket blos allein das schon habende Recht in
derjenigen Maß, als es angebühret, ohne Beilegung einer mehreren Kraft, und
gehet nicht weiter, als inwieweit der Befreite sich in dem Besitz und Uebung
der Befreiung befindet, und diese weder Unseren noch jemands Anderen Rechten
zuwider ist.
[1, 1, § 4] 80.
Es wäre dann ein Mehreres aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit in der
Bestätigung ausdrücklich enthalten, oder einer schon erloschenen Befreiung
namentlich ihre vorige Kraft und Wirkung von Neuem beigeleget, und somit
vielmehr eine neue Verleihung, als eine Bestätigung der alten ertheilet worden.
§. V.
[1, 1, § 5] 81.
Jedermann ist an die ausdrückliche Worte Unserer Gesetzen
in ihrem wahren und allgemein üblichen Verstand gebunden.
(1-50) Niemandem ist dahero gestattet,
sich einer rechtskräftigen Ausdeutung Unserer Gesetzen anzumaßen, noch unter
dem Vorwand eines Unterschieds zwischen den Worten und dem Sinne des Gesetzes
solche auf einerlei Weise zu erweiteren oder einzuschränken.
[1, 1, § 5] 82.
Wir verbieten auch allen Richteren, unter dem
nichtigen Vorwand einer von der Schärfe der Rechten unterschiedenen Billigkeit
von der klaren Vorschrift Unserer Gesetzen im Mindesten abzugehen.
(1-51) [1, 1, § 5] 83. Nicht weniger solle alle
Ausdeutung und Erweiterung oder Einschränkung Unserer Gesetzen durch
Gewohnheiten außer dem Fall, wo das Gesetz sich auf wohl hergebrachte
Landesverfassungen, Gebräuche und Gewohnheiten ausdrücklich beziehet, je und
allzeit verboten, unkräftig und nichtig sein, und vielmehr die Vorschützung
solcher unstandhafter Gewohnheiten wider die klare und buchstäbliche Vorschrift
der Gesetzen nach richterlichem Ermessen bestrafet werden.
[1, 1, § 5] 84.
Woferne aber dem Richter ein Zweifel vorfiele, ob ein vorkommender Fall in dem
Gesetz begriffen seie oder nicht, oder da ihme das Gesetz selbst dunkel
schiene, oder ganz besondere und sehr erhebliche Bedenken der Beobachtung des
Gesetzes entgegenstünden, so ist die maßgebige Erklärung des Gesetzes allemal
bei Uns anzusuchen.
(1-52)
[1, 1, § 5] 85. Damit wir
jedoch nicht ohne Noth mit Belehrungen über den Verstand Unserer Gesetzen
behelliget werden, so gestatten und wollen Wir gnädigst, daß, wann entweder ein
bei Gericht anhängiger, in dem Gesetz nicht wörtlich ausgedrückter Fall in
allen fürwaltenden Umständen und in der ganzen Beschaffenheit der Sache mit
einem in dem Gesetz ausdrücklich entschiedenen Fall vollkommen übereinstimmte und
somit die Bewandtniß beider Fällen einerlei wäre, oder Unsere höchste
Willensmeinung aus der in dem Gesetz klar ausgedrückten Ursache, daß wir alle
nicht buchstäblich berührte Fälle von der nämlichen Beschaffenheit gleichfalls
unter dem Gesetz begriffen haben wollen, offenbar erhellete, der Richter sodann
ohne fernerer Anfrage oder Anstand fürgehen möge und solle.
[1, 1, § 5] 86.
Dann, wo einerlei der Sache Beschaffenheit ist, da muß auch einerlei Recht
sein.
Außerdeme
aber solle alle gekünstelte Ausdeutung Unserer Gesetzen besonders denen
streitenden Theilen und ihren Rechtsfreunden ernstgemessen untersaget, und
nicht von der mindesten Erheblichkeit sein, sondern vielmehr wo eine Verdrehung
der Worten oder andere Arglist zu der Sachen Verwirrung und Umtrieb mit
unterliefe, derlei Beginnen scharf bestrafet werden.
[1, 1, § 5] 87.
Dem Richter hingegen ist nicht verwehret in jenen Fällen auf die natürliche
Billigkeit nach vernünftigen Ermessen zu sehen, in welchen er durch Unsere
Gesetze dahin angewiesen wird, die Umstände der Person, der Sache, des Orts,
der Zeit, der Ursache, der Zuthat oder Weise, der Absicht und Meinung, der
Gefährde oder Schuld nach der natürlichen Billigkeit zu beurtheilen.
[1, 1, § 5] 88.
Derlei Fälle sind, wobei es auf die Erforschung menschlichen Willens in
lebzeitigen oder letztwilligen Handlungen, auf die Abschätzung einiger Sachen,
Vergütung zugefügter Schäden, verhinderter Nutzungen, Aufwands und
Verbesserungen, Mäßigung der Unkosten, Auswerfung eines Unterhalts oder
Belohnung, Milderung oder Verschärfung der Strafen und mehr dergleichen
Vorfälle nach Erheischung der Umständen ankommt, von welchen an gehörigen Orten
in dem ferneren Inhalt dieses Unseren Gesetzbuchs mit mehreren gehandelt wird.
[1, 1, § 5] 89.
Gleichwie die Gesetze, also sind nicht weniger die Befreiungen und Verleihungen
nach ihrem buchstäblichen Inhalt zu nehmen und nicht anderst zu verstehen.
Da sich
aber über deren eigentlichen Sinn und Verstand erhebliche Anstände äußerten, so
sollen Uns solche von Unseren nachgesetzten Stellen zur Entscheidung
vorgetragen werden.
[1, 1, § 5] 90.
Außer derlei erheblichen Anständen ist überhaupt für eine Richtschnur zu
halten, daß keine Befreiung über den klaren Inhalt der Verleihungsurkunde zu
erweiteren und auszudehnen, sondern auf das Genaueste auszudeuten seie.
[1, 1, § 5] 91.
Hieraus folget, daß bei vorfallenden Zweifel die anderen zur Beschwerniß
gereichende Befreiungen vielmehr für persönlich als sächlich, und mehr für
zeitlich als immerwährend und beharrlich zu achten sind.
[1, 1, § 5] 92.
Endlich sollen sie auch jeder Zeit also verstanden werden, damit von Unseren
Gesetzen so wenig, als es mit einigmäßiger Wirkung der verliehenen
(1-53) Befreiung bestehen kann,
abgegangen und da selbe zum Abbruch eines bereits von Anderen erworbenen Rechts
gereichen, demselben zum wenigsten geschadet werde.
§. VI.
[1, 1, § 6] 93.
Gleichwie das einzige Ziel und Ende aller Gesetze ist, damit einem Jeden das
Seinige zugeeignet werde, also wird auch Alles, womit die Gesetze sich
beschäftigen, unter dreierlei Gegenständen, welche jedoch alle auf den
vorberührten alleinigen Endzweck gerichtet sind, begriffen.
Diese sind
die Personen, denen das ihrige zu geben ist, die Sachen, welche jenen
angebühren und endlich die Rechtsmitteln, wodurch den Personen zu den ihnen
angebührenden Sachen verholfen wird.
[1, 1, § 6] 94.
Was aber denen Personen gebühret, hierauf haben sie entweder aus einem ihrem
Stand anklebenden persönlichen Vorrecht, oder aus dem Eigenthum, oder einem
anderen die Sache selbst behaftenden dinglichen Recht, oder aus der Verbindung
des Anderen einen Anspruch.
[1, 1, § 6] 95.
Hiernach wird also gegenwärtiges Gesetzbuch in vier Haupttheile abgetheilet und
in diesem ersten dem Recht der Personen, in dem zweiten von Sachen und
dinglichen Rechten, in dem dritten von persönlichen Verbindungen und endlich in
dem vierten von Ordnung des gerichtlichen Verfahrens gehandlet.
[1, 1, § 6] 96.
Die Untertheilung der folgenden drei Theilen und die dabei beobachtete Ordnung
der Abhandlung kommt in deren jedem angehörigen Ort
besonders vor.
Hier
erübriget nur die Ordnung dieses ersten Theiles von dem Recht der Personen
voraus zu setzen.
[1, 1, § 6] 97.
Alle persönlichen Vorrechte entspringen aus dem Stand der Menschen, welcher
vornehmlich dreierlei ist, nämlich: der Stand der Freiheit, der bürgerliche
Stand und der Hausstand.
Diese
dreierlei Stände werden im zweiten Capitel erkläret.
[1, 1, § 6] 98.
Der Hausstand bestehet erstens zwischen Mann und Weib,
zweitens zwischen Verwandten, drittens zwischen Vater und Kindern, viertens
zwischen Herrn und Dienstleuten. Es wird dahero in drittem Capitel von
Ehebündnissen, in viertem von der Verwandtschaft und in fünftem von der
väterlichen Gewalt gehandlet.
[1, 1, § 6] 99.
Wie zumalen aber die väterliche Gewalt sich mit dem Tod des Vaters endiget, und
jegleichwohlen der gemeine Wohlstand erforderet, daß jene, welche wegen
unvogtbaren Alters oder anderen Gebrechen halber sich und ihrem Gut selbst
nicht vorzustehen vermögen, nicht unbeschützt und unversorget gelassen werden,
so folget das sechste Capitel von der Vormundschaft.
[1, 1, § 6] 100.
Endlich wird dieser erste Theil in dem siebenten Capitel von Dienstleuten mit
Erklärung der zwischen Herren und Dieneren wechselweise angebührenden Rechte
und Schuldigkeiten beschlossen.
(1-54) Caput II.
Von dem
Stand der Menschen.
Inhalt:
§. I. Von
Verschiedenheit menschlicher Ständen. §. II. Von dem Stand der Freiheit. §.
III. Von dem bürgerlichen Stand. §. IV. Von dem Hausstand.
§. I.
[1, 2, § 1] Num.
1. Der Stand des Menschen ist eine Eigenschaft, kraft welcher
Jemand als ein Mitglied einer von den menschlichen Hauptgesellschaften
betrachtet und all dieser Gesellschaft eigenen Rechten theilhaftig wird.
[1, 2, § 1] 2.
Dieser menschlichen Hauptgesellschaften sind dreierlei Gattungen: Die erste
unter allen freien Menschen, die zweite unter Gliedern eines Staates, die
dritte unter Hausgenossen.
[1, 2, § 1] 3.
Hiernach ist dann auch der dreifache Stand der Menschen unterschieden, nämlich
der Stand der Freiheit, der gemeinsame bürgerliche Stand in einem Staat und
Hausstand.
[1, 2, § 1] 4.
Alle andere theils natürliche, theils beigelegte oder erwählte Eigenschaften,
womit die Menschen verschiedentlich begabet sind, obschon sie in Ansehung
solcher Eigenschaften nach der Verfassung des Staats besondere Vorrechte zu
genießen haben, machen jegleichwohlen in dem Stand der Menschen keinen
Unterschied überhaupt, sondern, wann eine solche Eigenschaft aufhöret,
verlieren sie zwar die derselben anklebende Vorrechte, bleiben aber jedoch
Mitglieder vorbemelter menschlicher Hauptgesellschaften.
(1-55) §. II.
[1, 2, § 2] 5.
Des Standes der Freiheit sind alle Menschen von der Natur selbst theilhaftig.
Die
Freiheit ist dahero eine natürliche Befugniß zu thun, was Jedem beliebet, er werde dann durch Gewalt oder Recht davon
abgehalten.
[1, 2, § 2] 6.
Es wird jedoch die Freiheit weder durch die Gewalt, noch durch das Recht
benommen, sondern durch die Gewalt nur deren Ausübung verhinderet und die
Gesetze steueren dem Mißbrauch der Freiheit, welche sie in den Schranken der
Billigkeit und Ehrbarkeit erhalten.
[1, 2, § 2] 7.
Dem Stand der Freiheit ware ehedessen die knechtliche Dienstbarkeit entgegen
gesetzet, deren vormalige Strenge aber unter Christen vorlängst aufgehoben ist.
[1, 2, § 2] 8.
Nur gegen die im Krieg gefangene Ungläubige wird solche aus dem
Wiedergeltungsrecht noch in gewisser Maß ausgeübt; dann sie gelangen in das
(1-56) Eigen des Ueberwinders, sind
gleich anderen Sachen handelbar, werden zum Dienst und Arbeit angehalten,
erwerben ihren Herren und hangen in Allem von deren Willen ab.
[1, 2, § 2] 9.
Doch erstrecket sich die Willkür ihrer Herren nicht auf Leib und Leben, noch
auf etwas Anderes, was dem natürlichen Recht, denen Geboten Gottes oder Unseren
Gesetzen und Verordnungen zuwider ist.
[1, 2, § 2] 10.
Dahingegen verlieren Unsere von den Ungläubigen gefangene Unterthanen den Stand
der Freiheit nicht; vielmehr sollen ihnen alle ihre Güter und Gerechtigkeiten,
welche ihnen schon angefallen sind, oder währender ihrer Gefangenschaft weiters
anfallen, bis zu ihrer wann immer erfolgender Rückkehr unversehrt erhalten
werden.
[1, 2, § 2] 11.
Wo sie aber hieran durch Verjährung oder in andere Wege verkürzet worden wären,
haben sich dieselben in Herstellung in vorigen Stand, wann sie nicht sonst aus
anderen Ursachen dieser Wohlthat unwürdig sind, zu erfreuen.
[1, 2, § 2] 12.
Wie sie dann auch währender Gefangenschaft mit ihrem Hab und Gut nach eigenem
Gefallen schalten und walten können, wann nur ihr eigentlicher freier und
ungezwungener Willen genugsam erweislich ist.
[1, 2, § 2] 13.
Von der knechtlichen Dienstbarkeit ist die in Unseren deutschen Erblanden
(1-57)verschiedentlich eingeführte
Unterthänigkeit ganz und gar unterschieden, kraft welcher der Stand der
Freiheit nur einigermaßen beschränket wird.
(1-58) [1, 2, § 2] 14. Diese Beschränkung ist größer
oder minder nach dem Unterschied der
(1-59) mannigfältigen Schuldigkeiten,
worzu die Unterthanen ihren Herrschaften in Ansehen der Person oder der Gründen
halber verbunden sind.
(1-60) [1, 2, § 2] 15. Bei diesen wohlhergebrachten
Schuldigkeiten der Unterthanen lassen Wir
(1-61) es dann auch für das Künftige
nach einer jeden Landesverfassung und nach Maßgebung
(1-62) der in jedwedem Land
bestehenden, von Uns und Unseren Vorfahren hierwegen gemachten besonderen Anordnungen
gnädigst bewenden.
(1-63) [1, 2, § 2] 16. Wir wollen Uns aber anbei
vorbehalten haben, da, wo die Nothdurft
(1-64) eine anderweite Vorsehung zu
treffen erheischet, derlei Schuldigkeiten durch
(1-65) besondere Verordnungen für ein
jedwedes Land insonderheit Ziel und Maß zu setzen.
(1-66)
(1-67) §. III.
[1, 2, § 3] 17.
Der bürgerliche Stand in einem Staat ist Allen eigen, welche in demselben Staat
unter einer höchsten Gewalt vereiniget leben, und in
dieser weiten Bedeutung kommt solcher allen Unseren Unterthanen zu.
(1-68) [1, 2, § 3] 18. Dahingegen werden Fremde und
alle Andere von der bürgerlichen Gesellschaft in jenem Staat ausgeschlossen, in
welchem sie weder von Mitgliederen geboren, noch zu Mitgliederen nach jeden
Landes Gewohnheit aufgenommen worden.
[1, 2, § 3] 19.
In engerem Verstand aber werden nur Diejenige Burger genennet, welche in
Städten oder Märkten die Gemeinde ausmachen, darinnen mit einander heben (!)
und legen und zu gemeinem Mitleiden das Ihrige beitragen.
[1, 2, § 3] 20.
Und in diesem Stand werden die bloße Einwohnere und überhaupt alle von dem
Stadtburgerstand ausgeschlossen, welche das Burgerrecht allda weder behörig
erworben, noch dessen durch besondere Landesverfassung oder Freiheiten zu
genießen haben.
[1, 2, § 3] 21.
In Ansehung Unserer Erbländer sind alle Diejenige für Fremde zu achten, welche
einer auswärtigen Botmäßigkeit unterworfen sind; Unsere Unterthanen aber sind
zu einem, oder dem anderem unserer Erbländer gehörig.
[1, 2, § 3] 22.
Die zu einem Unserer Deutschen Erblanden insonderheit gehörige Unterthanen sind
entweder Personen höheren Standes und Landleute, die in demselben Land die
Landmannschaft unter den höheren Ständen ordentlich erworben, oder von Ankunft
auf sich haben und kraft solcher aller landschaftlichen Rechten in diesem
Erbland fähig sind.
[1, 2, § 3] 23.
Oder sie sind Burger in Städten und Märkten, welche daselbst das Burgerrecht
ordentlich erworben, oder da sie von dasigen Burgern geboren sind, diese
Eigenschaft nicht geänderet haben.
[1, 2, § 3] 24.
Oder sie sind, entweder ansässige, oder auch nur bloße Landeseinwohnere, welche
theils der Landes- oder Stadtfähigkeit nach jeder Landesverfassung oder kraft
beseonderer Freiheiten theilhaftig sind, theils aber sich des besonderen
Landesschutzes als Inländer zu erfreuen haben.
[1, 2, § 3] 25.
Da im Gegentheil Fremde bei Durchreisen oder sonstigen Aufenthalt in diesen
Unseren Erblanden nur für dieselbe Zeit, als sie sich darinnen befinden, den
gemeinsamen Landesschutz genießen, nicht aber für Inländer angesehen werden
können.
[1, 2, § 3] 26.
Wer übrigens für einen Inländer zu achten seie, wie die Landmannschaft, oder
das Stadtburgerrecht erworben oder wieder verloren werde, und was für Vorzüge,
Rechten und Freiheiten so dem einem, wie der anderen ankleben, ist nach einer
jeden Landesverfassung aus Unseren allda bestehenden anderweiten Verordnungen
zu entnehmen.
[1, 2, § 3] 27.
Fremde sind in keinem dieser Unserer Erblanden durch Handlungen zwischen
Lebenden auf einigerlei Weise ohne vorher erworbener Landesfähigkeit oder
(1-69) Unserer besonderer Erlaubniß
Vesten, Schlösser, Städte und andere landwirthschaftliche Güter, Gülten,
Herrlichkeiten und dergleichen an sich zu bringen, noch auch sonst an solchen
Gütern haftende dingliche Rechten zu erwerben fähig.
(1-70) [1, 2, § 3] 28. Wovon nur allein das von ihnen
an liegenden Gütern erlangen mögende Recht des Unterpfands in jenen Landen, wo
nach der bisherigen Verfassung es hierzu Unserer besonderen Vergünstigung nicht
bedarf, ausgenommen ist, doch nicht weiter, als bloß allein zur Sicherheit
ihrer rechtmäßigen Forderungen und zur Gewinnung des Vorzugs vor späteren
Gläubigeren, keineswegs aber um andurch den Besitz, noch minder das Eigenthum
eines solchen zum Unterpfand verschriebenen liegenden Guts zu erwerben.
[1, 2, § 3] 29.
Alle andere dahin abzielende Handlungen hingen sind ungiltig und null und
nichtig, und da Jemand dergleichen Güter oder Rechten an einen Fremden
verkaufete, vertauschete, oder wie sonst immer übertragen, oder auch nur pfand-
oder bestandweise in Besitz übergeben hätte, so sollte, falls ein solches
Beginnen zu Unseren und des Landes Nachtheil gereichete, nicht allein das
abgetretene Gut, oder Recht, sondern auch das dafür bezahlte oder bedungene
Kaufgeld, oder was sonst dafür gegeben, oder bedungen worden, soviel davon im
Lande zu erholen ist, wie nicht weniger der Pfandschilling oder Bestandzins
Unserer Kammer verfallen sein.
[1, 2, § 3] 30.
Wäre es aber Uns und dem Lande unnachtheilig, so solle nichtsdestoweniger
dergleichen Veräußerung keinen Fortgang haben, sondern der Fremde, wann er
schon zu dem natürlichen Besitz gelanget wäre, von dem Gut zu weichen
angehalten, der übertragende Inländer hingegen wegen solcher unbefugten
Uebergabe mit einer willkürlichen Strafe belegt werden.
[1, 2, § 3] 31.
Jedoch hat in diesem letzteren Fall der Fremde Fug und Macht, sein etwann
erlegtes Kaufgeld, oder was er sonst dafür gegeben hat, anwiederum
zurückzufordern, obschon ihme wegen Vollziehung des Kaufs oder anderer auf die
Erwerbung des Guts abgesehenen Bedingnissen kein rechtlicher Beistand zu
leisten ist.
[1, 2, § 3] 32.
Unsere Unterthanen hingegen, welchen außer dem Mangel der Landmannschaft sonst
nichts Anderes nach der Länderverfassung im Wege stehet, können zwar in diesen
Erblanden auch ohne vorher in dem betreffenden Erbland erworbenen
Landesfähigkeit landwirthschaftliche Güter, Gülten und Rechten durch Handlungen
unter Lebenden an sich bringen und sind nicht allein die abschließenden
Handlungen giltig, sondern sie auch des natürlichen Besitzes fähig.
Umsomehr
können sie auch bei allen Landtafeln, Stadt- und Grundbüchern das Recht des
Unterpfands an liegenden Gütern ohne darzu nöthig habender
(1-71) besonderer Vergünstigung, jedoch
nur bloß zur Sicherheit und Gewinnung des Vorzugs erwerben.
[1, 2, § 3] 33.
Sie erlangen aber weder das Eigenthum, noch den rechtlichen Besitz mittelst
wirklicher Einverleibung oder Eintragung des an sich gebrachten Guts oder
Rechts in die Landtafel, insolange sie nicht die Landesfähigkeit durch
Erwerbung der Landmannschaft, oder, wo es nach der Landesverfassung üblich ist,
eine besondere Besitzfreiheit von Uns erwirket haben.
[1, 2, § 3] 34.
Worzu Wir denenselben eine Frist von sechs Monaten von Zeit der geschlossenen
Handlung gnädigst eingestehen, also zwar, daß sie binnen dieser Zeit weder in
dem natürlichen Besitz gestöret, noch von jemanden Landesfähigen das
Einstandrecht angemeldet werden könne.
[1, 2, § 3] 35.
Wann sie aber diese Zeit verstreichen ließen, ohne die Landesfähigkeit auf eine
oder die andere Art erworben zu haben, so sind sie verbunden längstens in denen
nächstfolgenden sechs Monaten das Gut an einen Anderen zu übertragen, binnen
welchen jedoch in Kauffällen, ehe und bevor das Gut von dem Inhaber weiter
veräußert worden, einem jedweden daselbstigen Landmann, der sich zuerst meldet
und zahlungsfähig ist, das Einstandrecht gegen Entrichtung des bedungenen oder
schon bezahlten Kaufgelds und gegen Ersatz dessen, was in der Zwischenzeit
erweislich hinein verwendet worden, gebühren solle.
[1, 2, § 3] 36.
Dieses Einstandrecht hat so lang statt, als von dem Inhaber des Guts auch
binnen solchen anderen sechs Monaten die Landesfähigkeit nicht erworben wird.
Fände sich
hingegen zwischen diesen anderen sechs Monaten von dortigen Landleuten Niemand,
welcher sich des gesetzmäßigen Einstandrechts gebrauchen wollte, und der
Unfähige hätte die Landesfähigkeit weder bis dahin erworben, so solle alsdann
das Gut ohne weiteres gerichtlich feilgeboten und mittelst gewöhnlicher
Versteigerung an den Meistbietenden käuflich überlassen werden, ohne daß dabei
das Einstandrecht nach tiefer Zeit ferners Platz habe.
[1, 2, § 3] 37.
Diesemnach ist auch das von dem Inhaber bedungene oder bezahlte Kaufgeld nicht
mehr zu sehen, sondern ihme, oder weme sonst ein Recht hierzu gebühret, so viel
auszufolgen, als für das Gut durch die Versteigerung an Kaufschilling gelöset
worden.
[1, 2, § 3] 38.
Bei derlei gerichtlichen Versteigerungen ist ein Kauflustiger nicht eben darum
auszuschließen, daß er die Landesfähigkeit noch nicht erworben habe, sondern,
wo derselbe Unser Unterthan wäre, und ihme sonst nach der Landesverfassung
nichts im Wege stünde, gegen der Verbindlichkeit der in der obausgemessenen
Zeit zu erwerben habenden Landesfähigkeit allerdings zuzulassen.
[1, 2, § 3] 39.
Einem Fremden aber, wann für Uns und das Land von ihme kein Nachtheil zu
befahren ist, solle nicht anderst, als gegen Bestimmung einer hinlänglichen
Zeit, binnen welcher er sich zum Lande fähig zu machen habe, und gegen
Bedingung eines genüglich zu versicheren habenden Strafgelds, welches auf dem
Fall der Nichtbefolgung unnachsichtlich verwirket sein solle, die Mitanbietung
gestattet werden.
[1, 2, § 3] 40.
So viel es die Erbanfälle anbelanget, genießen die Fremden, welche einer
auswärtigen Botmäßigkeit unterworfen sind, des Rechts der Erwiederung
(1-72) in aller Art der Erbfolge,
insoweit es kundbar ist, oder von ihnen dargethan wird, daß Unsere Unterthanen
desjenigen Landes, worinnen ihnen die Erbschaft zugefallen, in ihrem Vaterland
zu Erbschaften zugelassen werden.
[1, 2, § 3] 41.
Wo aber die erwiederliche Erbfolge Unserer Unterthanen in ihrem Lande nicht
erweislich, oder gegentheils deren Ausschließung von dortländigen Erbschaften
kundbar ist, gegen solche Ausländer ist das Recht der Wiedergeltung in gleicher
Maß zu beobachten.
[1, 2, § 3] 42.
Wann jedoch Fremde in dem ersten Fall aus dem Recht der Erwiederung zu
hierländigen Erbschaften oder Vermächtnissen gelangen, die an liegenden Gütern,
oder darauf haftenden dinglichen Rechten bestehen, sind sie schuldig die
Landmannschaft oder Besitzfreiheit (woferne sie sonst durch die
Landesverfassung von dem Besitz derlei Güter und Rechten nicht ausgeschlossen
sind) in dem Erbland, wo solche Güter gelegen, zu erwerben, oder ihr Recht zu
derlei Erbstücken längstens binnen einem Jahr von Zeit des ihnen kundgemachten
Erbanfalls an jemanden Landesfähigen zu übertragen.
[1, 2, § 3] 43.
Da aber von ihnen keines von beiden befolget werden wollte oder könnte, solle
nach Verlauf dieses Jahres zur Veräußerung dieser Güter und Rechten mittelst
gerichtlicher Feilbietung und Versteigerung geschritten und ihnen das Kaufgeld,
wann sie ihr Erbrecht rechtsgenüglich ausgewiesen und sonst nichts im Wege
steht, ausgefolget, oder bei etwann noch fürwaltenden Anstand die von dem
Käufer abgeführte baarschaft bis zu dessen Behebung in Gerichtshanden
aufbehalten werden.
[1, 2, § 3] 44.
In dem zweiten Fall hingegen sind Fremde, welche durch das Recht der
Wiedergeltung von hierländigen Erbschaften ausgeschlossen werden, für
erbunfähig anzusehen und die Erbschaft, sie möge an liegenden Gütern oder an
dinglichen Rechten oder an was sonst immer bestehen, fallt denen
miteingesetzten oder
(1-73) nachberufenen Erben, oder denen
nächsten Blutsfreunden (wann so eine als die anderen erbsfähig sind) bis auf
den zehenten Grad, in deren Abgang aber Unserer Kammer zu.
Vermächtnissen
aber, welche einem solchem erbsunfähigen Fremden verschaffet worden, bleiben
dem Erben oder weme sie sonst von Rechtswegen gebühren.
[1, 2, § 3] 45.
Unsere Unterthanen sind in allen Unseren deutschen Erblanden ohne Unterschied
erbfähig. Wann jedoch Landgüter oder hierauf haftende dingliche Rechte durch
Erbschaft oder Vermächtniß an sie gelangten, haben sie in jenem Land, wo sich
der Erbanfall ergibt, die Landesfähigkeit oder die Besitzfreiheit, wo solche hergebracht
ist, binnen einer Jahresfrist von Zeit des ihnen kundgemachten Erbanfalls zu
erwerben, oder ihr Recht an einen daselbstigen Landesfähigen zu übertragen.
[1, 2, § 3] 46.
Widrigens solle nach Verlauf dieses Jahres mit gerichtlicher Feilbietung und Versteigerung
obangeordneter Massen verfahren, ihnen aber, wann sonst kein Anstand fürwaltet,
der erlösende Kaufschilling nach Abzug der Unkosten ausgefolget, übrigens aber
auch bei allen sowohl aus Unseren Erblanden, als aus einem Erbland in das
andere hinausziehenden Erbschaften allemal auf das nach Verschiedenheit der
Fällen durch Unsere anderweite Verordnungen ausgemessene Abfahrtgeld, da wo
solches zu entrichten ist, der Bedacht genommen werden.
[1, 2, § 3] 47.
Alles, was bishero von Landgütern und darauf haftenden dinglichen Rechten
geordnet worden, ist seiner Maßen auch von bürgerlichen Gründen und denenselben
anklebenden Rechten (mit alleiniger Ausnahm des Unterpfandrechts) sowohl in
Ansehung der einer fremden Botmäßigkeit unterworfenen Ausländer als Unserer
Unterthanen zu beobachten.
[1, 2, § 3] 48.
Andere unbewegliche Güter, zu deren Besitz die Eigenschaft eines Landmanns oder
Burgers nicht erforderlich ist, sind Fremde sowohl durch Handlungen unter
Lebenden, als durch Erbfolge an sich zu bringen nicht unfähig, wann sie sonst
nach der Länderverfassung oder insonderheit von der Erbfolge durch das
Wiedergeltungsrecht nicht ausgeschlossen sind, und anbei von der behörigen
Grundobrigkeit zu Inhaberen derlei Gründen angenommen werden.
[1, 2, § 3] 49.
Woferne sie aber von der betreffenden Grundobrigkeit nicht angenommen
(1-74) würden, haben die zwischen
Lebenden solcher Gründen halber geschlossenen Handlungen ohnehin keinen
Fortgang, sondern die Obrigkeit hat in diesem Fall mit derlei Gründen nach dem
ihr vermöge eines jeden Landes Verfassung gebührenden Recht zu verfahren.
[1, 2, § 3] 50.
In Erbfällen hingegen, wo Fremde aus dem Erwiederungsrecht zu Erbschaften
zugelassen werden, haben sich dieselben denen Grundrechten gemäß zu verhalten,
widrigens aber ist die Grundobrigkeit berechtiget, zu der Feilbietung des
Grundes mittelst der gewöhnlichen Versteigerung auf gleiche Weise, wie es
bereits oben erwähnet worden, fürzuschreiten.
[1, 2, § 3] 51.
Bewegliche Sachen, Geld oder persönliche Sprüche und Forderungen können Fremde
an sich bringen, insoweit ihnen das Wiedergeltungsrecht nicht im Wege stehet,
oder mit ihnen als Fremden die Gemeinschaft nicht untersaget ist.
(1-75) [1, 2, § 3] 52. Obschon aber Fremde in
Schuldsachen und allen anderen rechtlichen Ansprüchen außer der Besitzfähigkeit
zu liegenden Gütern und außer dem Fall der Wiedergeltung gleiches Recht mit
Unseren Unterthanen zu genießen haben, so können dieselben doch auch durch
diesen Weg zu dem Besitz landschaftlicher oder bürgerlicher Güter nicht gelangen,
sondern sie müssen das an solchen Gütern erworbene Recht des Unterpfands, bevor
es zur gerichtlichen oder außergerichtlichen Besitzeinraumung kommt, ab einen
anderen Fähigen übertragen, oder das Gut muß gerichtlich feilgeboten und der
Fremde aus dem erlösenden Kaufschilling befriediget werden.
[1, 2, § 3] 53.
Die Landmannschaft sowohl als das Burgerrecht muß ordentlich nach eben des
Landes Verfassung erworben und kann durch Ehelichung landes- oder stadtfähiger
Weibspersonen auf keinerlei Art erschlichen werden.
[1, 2, § 3] 54.
So viel es aber die von dergleichen Weibspersonen an ihre landes- oder
stadtunfähige Ehemänner, oder mit diesen erzeugte Kinder lebzeitig oder
letztwillig geschehende Uebertragungen und an diese nach jenen sich ergebende
Erbanfälle anbetrifft, diesfalls solle es bei Unseren in die Verfassung eines
jeden Landes einschlagenden Gesetzen und Verordnungen sein ohnverändertes
Verbleiben haben.
[1, 2, § 3] 55.
Wann Jemandem der bürgerliche Stand in einem Staat oder in einem Ort, nämlich
die Eigenschaft eines Landmanns, städtischen Mitburgers, befreiten oder nicht
befreiten Landeseinwohners angestritten wird, so ist anförderist über den
Besitz dieser Eigenschaft schleunig zu erkennen, und nach Maßgab diesfälliger
Erkanntniß die Vorsehung zu treffen, damit Jemand in den Genuß der bürgerlichen
Rechten gehandhabet oder davon ausgeschlossen werde.
[1, 2, § 3] 56.
Weme aber der Besitz abgesprochen worden, demselben ist nicht verwehret sein
darzu habendes Recht in ordentlichen Weg Rechtens auszuführen und seine
dortländige Abkunft von Landleuten, Burgeren oder sonstigen Landeseinwohneren,
oder die rechtmäßige Erwerbung der Landes- oder Stadtfähigkeit, oder ihm
zukommende besondere Freiheit, oder die häusliche Niederlassung, oder
langjährigen Aufenthalt und was sonsten nach Unseren gemeinwesigen Verordnungen
zu der behaupten wollenden Eigenschaft eines Landeseinwohners erforderlich ist,
rechtsbeständig zu erweisen.
[1, 2, § 3] 57.
Wann hingegen Jemand in dem Besitz erhalten worden, einem Anderen aber entweder
von tragenden Amts wegen oblieget, oder aus seinem erworbenen Recht wesentlich
daran gelegen ist, damit jener sich der bürgerlichen Eigenschaft in dem Staat
oder in einem Orte nicht gebrauche, solchen Falls hat Kläger durch förmliche
Rechtsverfahrung darzuthun, daß Beklagter derlei Eigenschaft
(1-76) niemalen behörig erworben, oder
sich der erworbenen begeben, oder solche nach Ausmessung Unserer Verordnungen
verwirket habe.
[1, 2, § 3] 58.
Allermaßen gleichwie in Erwerbung des bürgerlichen Standes in dem Staat oder in
einem Ort sich nach eines jeden Landes Verfassung und Unseren daselbstigen
besonderen Verordnungen zu achten ist, also hanget auch dessen Verlustigung von
eben diesen Verfassungen und Verordnungen ab. Niemand aber solle zur Bestreitung
einer von dem Anderen angebenden bürgerlichen Eigenschaft zugelassen werden,
als deme es vorbesagter Maßen entweder von amtswegen zukommt oder sonst
erweislich daran gelegen ist.
§. IV.
[1, 2, § 4] 59.
Der Hausstand ist eine Eigenschaft, welche jenen Personen zukommt, die einer
häuslichen Gesellschaft beigethan sind. Dieser begreift in seinem weiten
(1-77) Verstand alle Verwandten, die
von einerlei Hause oder Geschlecht abstammen und andurch der besonderen Rechten
des Geblüts theilhaftig werden, die nur jene, welche von der Verwandtschaft
sind, zu genießen haben.
[1, 2, § 4] 60.
In seiner genauen Bedeutung hingegen, beschränket sich derselbe allein auf jene
Personen, die unter einem Hausvater in einer häuslichen Gesellschaft vereiniget
leben, und in diesem Verstand ist der Hausvater das Haupt der häuslichen
Gesellschaft, durch welchen alle, die von dieser Gesellschaft sind, den
Hausstand erlangen, wofür ein jedweder anzusehen ist, der nicht unter
väterlicher Gewalt stehet, obschon er keine eigene Hausverwaltung führet.
[1, 2, § 4] 61.
Gleichwie aber die Vereinigung in eine häusliche Gesellschaft aus dreierlei Art
geschieht, nämlich durch das Band der Ehe zwischen Mann und Weib, durch die
Geburt zwischen Eltern und Kindern, durch ein Beding zwischen Herren und
Dienstleuten, also gehören auch alle vorbenannten Personen zu dem Hausstand.
[1, 2, § 4] 62.
Aus diesem dreifachen Band der häuslichen Gesellschaft, entspringen die
besonderen Rechten und Verbindlichkeiten, welche sowohl dem Hausvater gegen
seinen Untergebenen, als auch diesen zum Theil gegen ihme und zum Theil gegen
einander gebühren.
[1, 2, § 4] 63.
Hier wird nur von jenen Rechten und Verbindlichkeiten gehandelt, welche
einerseits zwischen dem Hausvater und der Hausmutter als Eheleuten und
andererseits zwischen Eltern und Kindern bestehen.
[1, 2, § 4] 64.
Wohingegen die Rechten der Verwandtschaft in dem vierten und die Rechten
zwischen Herren und Dienstleuten in dem siebenten Capitel besonders erkläret werden.
[1, 2, § 4] 65.
Das Band, welches zwischen Mann und Weib besteht, insoweit es den Ehestand
selbst unmittelbar betrifft, ist geistlichen, dahingegen sind alle desselben
Wirkungen in zeitlichen der weltlichen Obrigkeit unterworfenen Dingen
weltlichen Rechts.
[1, 2, § 4] 66.
Diesemnach steht die Erkanntniß über die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Ehe
und über die Schuldigkeit der ehelichen Beiwohnung, sowie über die Ehescheidung
der geistlichen Gewalt allein zu. Alle Rechten, welche denen Eheleuten
gegeneinander in zeitlichen Sachen gebühren, und deren ein Theil durch den
anderen in der bürgerlichen Gesellschaft theilhaftig wird, gehören einzig und
allein für die weltliche Obrigkeit.
[1, 2, § 4] 67.
Diese Rechten bestehen an Seiten des Manns in einer Art der Gewalt über seine
Ehegattin, welche jedoch nach der Vernunft, Anständigkeit und Billigkeit
gemäßiget und an die göttliche, geistliche und weltliche
Gesetze gebunden sein muß.
[1, 2, § 4] 68.
Dahingegen ist er verbunden, sie seinem Stande gemäß zu ernähren und zu
unterhalten, wie nicht minder dieselbe sowohl gerichtlich als außergerichtlich
zu vertreten und zu beschützen.
[1, 2, § 4] 69.
An Seiten des Weibs, daß die Ehegattin den Namen, und das Wappen ihres Manns
führe, allen Ehren, Würden und dem Mann zustehenden
(1-78) Vorzügen theilhaftig werde und der
Gerichtsbarkeit, welcher der Mann unterworfen ist, folge, dann nach dem Tod des
Manns die wittibliche Vorrechte genieße.
[1, 2, § 4] 70.
Dagegen ist ihre Schuldigkeit, dem Wohnsitz des Manns zu folgen und ihme in
seinem Nahrungsstand und in der Haushaltung alle Hilfe zu leisten, folglich ihn
in Besorgung des Hauswesens nach ihrem Stande, Kräften und Kündigkeit zu
überheben.
[1, 2, § 4] 71.
Beider aber gemeinsame Rechten und Schuldigkeiten sind die häusliche
Beiwohnung, die unter einander gebührende Erbfolge und Heirathssprüche, welche
aus denen Eheberednissen einem und dem anderen Theil zukommen.
[1, 2, § 4] 72.
Allhier wird von der häuslichen Beiwohnung und der Schuldigkeit des Manns zur
Unterhaltung seines Weibs gehandlet. Alle übrigen Rechten und Schuldigkeiten
unter Eheleuten aber kommen allda besonders vor, wo die Gegenstände welche sie
betreffen, als da sind die Ehebindnissen, die Erbfolge, die Gerichtsbarkeit und
dergleichen erkläret werden.
[1, 2, § 4] 73.
Vor allem muß sicher und genüglich dargethan sein, daß zwischen beiden Theilen
eine rechtmäßige und giltige Ehe bestehe, worüber im Zweifelsfall die
Erkanntniß dem geistlichen Gericht gebühret, das
weltliche hingegen jenem die erforderliche Hilfe zu leisten hat.
[1, 2, § 4] 74.
Wird die Ehe für ungiltig erkläret und die Trennung der einander widerrechtlich
beiwohnenden Personen von dem geistlichen Gericht erkennet, so solle der
weltliche Arm Unserer nachgesetzten Stellen auf Erforderen die hilfliche Hand
bieten, damit die häusliche Beiwohnung allsogleich getrennet und in Zukunft
alle verdächtige Gemeinschaft vermieden werde.
[1, 2, § 4] 75.
Da aber die Ehe von dem geistlichen Gericht für giltig erkannt würde und die
Eheleute hätten sich eigenmächtig von einander abgesonderet, so hat
gleichermaßen das weltliche Gericht nöthigenfalls an Hand zu gehen, damit die
eigenwillig getrennte Eheleute zu häuslichen Beiwohnung angehalten werden.
[1, 2, § 4] 76.
In Zwietrachten, so anderer Ursachen halber zwischen Eheleuten
(1-79) entstehen, oder wann ein Theil
sich von dem anderen eigenmächtig abgesonderet hätte oder absonderen wollte,
sollen Unsere nachgesetzte Gerichte und Obrigkeiten zeitliche Vorsehung thun,
und die zwistigen Eheleute allenfalls mit einer dem ungebührlichen Betragen
angemessenen Ahndung zu vereinigen trachten, und zum friedlichen Leben
anhalten.
[1, 2, § 4] 77.
Wo aber der eine oder andere Theil auf die Ehescheidung berufen und die
Scheidung von Tisch und Bett vom geistlichen Richter bewilliget würde, so kann
auch der geschiedene Theil zur häuslichen Beiwohnung mit dem anderen von dem
weltlichen Gericht keinerdings gezwungen werden, obschon ihme nicht verwehret
ist, zur Aussöhnung getrennter Eheleuten alle gütliche Vermittlung anzuwenden.
[1, 2, § 4] 78.
Wann die Ehe für ungiltig erkläret wird, höret die Verbindlichkeit zur
Unterhaltung des vermeintlichen Eheweibs auf, und sind die beiderseitige
Ansprüche des zugebrachten Vermögens halber, so etwann ein Theil dem anderen
vorenthielte, oder wegen des Verlusts, welchen ein Theil oder der andere aus
Anlaß der ungiltigen Ehe erleidet, lediglich bei denen weltlichen Gerichten
auszuführen.
[1, 2, § 4] 79.
Daferne aber die Ehe ungezweiflet giltig ist, und gleichwohlen aus zulänglich
befundener Ursache die Ehescheidung von Tisch und Bett durch die geistliche
Gehörde zugelassen würde, so solle auf die von derselben anerkannte
Schuldtragung des einen des oder anderen Theils, ob nämlich der Mann das Weib
forthin zu unterhalten verbunden oder von weiterer Abreichung des Unterhalts
entledigt bleiben solle, gesehen und dieser Entscheidung in Anmessung des
Unterhalts nachgegangen werden.
[1, 2, § 4] 80.
Dahingegen gehöret die Bestimmung des eigentlichen Betrags des Unterhalts und
dessen Zahlungsart, dann alles Uebrige, was sowohl wegen Erziehung und
Unterhaltung der Kinder, als wegen der einem an dem anderen Theil gebührenden
Sprüchen und Forderungen einer gerichtlichen Vorsehung bedarf, einzig und
allein zu den weltlichen Gerichten.
[1, 2, § 4] 81.
Hierüber solle anförderist nach Thunlichkeit gütliche Handlung gepflogen, da
aber diese fruchtlos abliefe, außerordentlich im Weg des schleunigen Rechts
verfahren, und was billig befunden wird, vorgekehret werden. Es handlete sich
dann um solche Ansprüche, die außer dem ordentlichen Rechtsweg nicht zu
entscheiden wären.
[1, 2, § 4] 82.
Der mehr oder wenigere Betrag des Unterhalts ist mit Rücksicht auf den Stand
und Würde des Manns nach denen Kräften seines Vermögens, nach Maß des
zugebrachten Guts und anderweiter Mitteln des Weibs, bei unbemittelten Leuten
aber nach dessen Besoldung, Verdienst, Gewerb, Nahrungsfähigkeit des Weibs und
anderen zu erwägen billig findenden Umständen abzumessen.
[1, 2, § 4] 83.
Vornehmlich solle dabei das Augenmerk dahin gerichtet werden, damit weder das
Weib durch den allzugroßen Unterhalt in der Gemüthsentfernung gestärket,
indessen aber der Mann an Mitteln erschöpfet, außer Nahrungsstand gesetzet,
oder die geziemende Erziehung der Kinder behinderet, noch auch der Mann durch
den allzugeringen Unterhalt abgehalten werde, der von Zeit zu Zeit zu versuchen
habenden Vereinigung die Hand zu bieten.
(1-80) [1, 2, § 4] 84. Zum Unterhalt gehöret Alles, was
zu Erhaltung des Lebens und Abwendung der Dürftigkeit nach Standesgebühr und
nach Bewandtniß vorberührter Umständen erforderlich ist, nicht aber was zur
Pracht und überflüssigen Gemächlichkeit dienet.
[1, 2, § 4] 85.
Die Unterhaltungsschuldigkeit erstrecket sich auch auf die zu tragen habende
standesgemäße Begräbnißkosten, wann nach dem Verstorbenen keine darzu hinreichende Mitteln nachgeblieben sind.
[1, 2, § 4] 86.
Außer dem Fall der Ehescheidung kommt es zwar wegen Unterhaltung des Eheweibs
nicht leicht zur gerichtlichen Erkanntniß. Wo aber jedoch begründete Ursach zur
Beschwerde vorhanden wäre, so hat das weltliche Gericht wegen Beobachtung des
schuldigen Wohlstands schleunige Vorsehung zu treffen und, da gütliche Besuche
nichts verfingen, auch nöthigen Falls nach vorstehender Maßgabe die
richterliche Hilfe zu ertheilen.
[1, 2, § 4] 87.
Aus dem Band des Geblüts entspringen die Rechten zwischen Eltern und Kindern.
Diese erwerben sowohl Vater als Mutter durch die eheliche Erzeugung wovon hier
gehandlet wird. Jene Rechten aber, welche Unsere Gesetze dem Vater als
Wirkungen der väterlichen Gewalt besonders zueignen, werden unten in fünftem
Capitel von der väterlichen Gewalt eigends erkläret.
[1, 2, § 4] 88.
Der Vater hat ein gewisses Beherrschungsrecht über seine Kinder, woraus deren
Schuldigkeit zu gehorsamen, und die vollkommene Unterwerfung in den väterlichen
Willen fließet, insoweit dessen Befehle nicht wider die gute Sitten und
göttliche und menschliche Gebote laufen.
[1, 2, § 4] 89.
Es steht ihme dahero zu, sie zu allem Guten zu leiten, Gehorsam und
Ehrerbietung von ihnen zu fordern und die Widerspenstigen durch mäßige
Züchtigung anzuhalten, worinnen ihm Niemand hinderlich zu fallen, noch weniger
die Kinder seiner Gewalt zu entziehen oder zu verhehlen befugt ist.
[1, 2, § 4] 90.
Widrigens kann der Vater solche von weme immer abforderen und gebühret ihme die
Rechtsklage zu Darstellung seiner Kinder, worinnen schleunig zu verfahren und
da die Kinder etwann gewaltthätig geraubet worden, wider den Entführer die
Strafe der heimlich oder öffentlich ausgeführten Gewalt und auch nach Umständen
die Strafe des Menschenraubs zu verhängen ist.
[1, 2, § 4] 91.
Wo aber die Kindschaft entweder von einem Kind selbst oder von einem Dritten in
Abrede gestellet würde, solle hierüber mit schleuniger Erkanntniß fürgegangen
und dem Vater zu Behauptung seines behörig zu erweisen habenden Rechts
außerordentliche Rechtshilfe ertheilet werden.
[1, 2, § 4] 92.
Ferners ist der Vater berechtiget, seine Kinder sowohl gerichtlich als
außergerichtlich zu schützen und zu vertreten, ihren Handlungen und
Verbindungen so lange sie unter seiner Gewalt stehen, den Beistand zu geben
oder zu versagen, für die ihnen angethane Unbild in Weg Rechtens Genugthuung zu
suchen, ihr Hab und Gut zu verwalten und durch sie zu erwerben.
[1, 2, § 4] 93.
Diesem Recht des Vaters können sich die Kinder auf keinerlei Weise
(1-81) entziehen noch etwas vornehmen,
wodurch dem Vater geschadet oder dessen Ehre, Leumuth und guter Namen bekränket
werde.
[1, 2, § 4] 94.
Dahingegen lieget auch dem Vater ob, die Kinder als sein Blut zu lieben, sie
für die seinigen zu erkennen, zu ernähren, zu allen Guten zu erziehen, zu einem
dem Staat nützlichen Stand anzuführen und dieses, wie das Wohl, Ehre und Nutzen
seines Hauses nach Möglichkeit zu beförderen.
[1, 2, § 4] 95.
In diesem besteht solchemnach das hauptsächliche Recht der Kinder, damit sie
nämlich von ihrem Vater dafür erkennet und von ihme geziemend ernähret werden,
woraus alle übrige Rechten hergeleitet werden, welche denen Kindern gegen Vater
und zu seinem Vermögen gebühren und unten bei der Abhandlung von der
väterlichen Gewalt mit mehreren vorkommen.
[1, 2, § 4] 96.
Das Recht der Kindschaft steht denen Kindern in gewisser Maß noch eher zu, als
sie das Licht der Welt erblicken.
Dahero ist
der Vater nicht nur die währender Ehe empfangene Kinder, falls die Mutter
keines Ehebruchs überführet worden, für die seinigen zu erkennen, sondern auch,
falls er vor ihrer Geburt versterben sollte, sowohl wegen Ernährung der Mutter
zu Erhaltung der Frucht, als wegen der Erbfolge der nachgeborenen Kinder die
nöthige Vorsehung zu treffen schuldig.
[1, 2, § 4] 97.
Aus dem Recht der Kindschaft folget unmittelbar die Theilnehmung an allen
Vorrechten des Hausstandes, folglich nicht allein an dem väterlichen Namen,
Wappen und Anverwandtschaft, sondern auch an allen Ehren, Würden, Vorzügen und
anderen Rechten des Vaters, die nicht auf dessen Person beschränket sind, wie
(1-82) nicht weniger an dem väterlichen
Gut und der Erbfolge, insoweit der Vater nach Zulassung der Gesetzen
darmit nicht anderst ordnet.
[1, 2, § 4] 98.
Zu Behauptung dieses Rechts solle denen Kindern, falls etwann von dem Vater
oder von jemandem Anderen die Kindschaft widersprochen würde, und sich die
Frage ereignete, ob Jemand wirklich des angegebenen Vaters Kind seie, die
außerordentliche und schleunige Rechtshilfe angedeihen.
[1, 2, § 4] 99.
Und wiezumalen die Entscheidung dieser Frage einzig und allein von der
ehelichen Geburt abhanget, so ist damals die rechtliche Vermuthung für die
eheliche Geburt, wann das Kind wenigstens in dem siebenten Monat nach
angetretener Ehe oder aber längstens im zehenten Monat von des Vaters Tod oder
von seiner Abwesenheit zu rechnen geboren worden.
Dehero (!)
Derjenige, welcher in solchen Fällen die eheliche Geburt strittig machen
wollte, dagegen das Widerspiel zu erweisen hat.
[1, 2, § 4] 100.
Wer aber vor Anfang des siebenten Monats nach Antritt der Ehe, oder nach dem
zehenten Monat von des Vaters Tod oder Abwesenheit zu rechnen geboren worden,
hat die Vermuthung wider sich, und liegt ihme die Beweisführung seiner
rechtmäßigen Geburt ob, wobei so in einem als dem anderen Fall die genaueste Untersuchung
und Bewährung aller Umständen nöthig ist, warum nach dem Befund der
Naturkundigen die Geburt so frühezeitig oder so spät habe erfolgen können.
[1, 2, § 4] 101.
Es hätte dann der Vater einen früher Gebornen für den seinigen erkennet, welche
Erkanntniß zwar wider den Vater den vollen Beweis, wider Andere aber nur die
rechtliche Vermuthung für die Rechtmäßigkeit des Kinds wirket, welche durch
widrigen Beweis entkräftet werden kann. Ein Gleiches hat auch in jenem Fall
statt, wann der Vater ein nach dem zehenten Monat von seiner Abwesenheit zu
rechnen gebornes Kind nachhero für das seinige anerkennet.
[1, 2, § 4] 102.
Ist die Kindschaft außer Anstand, so fließet hieraus die Schuldigkeit des
Vaters sein Kind zu ernähren und zu unterhalten, welche sich auch auf die
Unterhaltung Mutter erstrecket, so lange das Kind noch von ihr getragen wird,
damit die Frucht erhalten werde.
[1, 2, § 4] 103.
Sind die Kinder zur Welt gekommen, so ist der Vater zu allem demjenigen Aufwand
verbunden, welcher zur weiteren Ernährung, Pflegung, Wartung und Erziehung der
Kinder nöthig ist, bis sie sich selbst ernähren können, sie mögen mündig oder
unmündig, in der väterlichen Gewalt oder außer derselben, gut oder übel
gesittet sein und eine Versorgung bereits erhalten oder eigene Mitteln gehabt
haben oder nicht, ohne Unterschied und Ausnahm, wann sie von anderwärts her
sich nicht unterhalten können.
(1-83) [1, 2, § 4] 104. Dieses erstrecket sich auch auf
die Kindskinder, wenn ihre Eltern unvermögend sind und sie sonst keine Mitteln haben, doch also, daß allemal die väterlichen
Großeltern vor denen mütterlichen hierzu verbunden sind.
[1, 2, § 4] 105.
Von dieser Schuldigkeit aber wird der Vater insoweit enthoben, als die Kinder
ein eigenes Vermögen haben, und die davon abfallende Nutzungen, oder die
Einkünften eines bekleidenden Amts und Bedienstung, oder einer treibenden Kunst
oder Gewerbs, oder der sich durch eigenen Fleiß und Arbeit schaffende Verdienst
zur standesmäßigen Ernährung hinreichend sind.
[1, 2, § 4] 106.
Nicht weniger wird der Vater davon entbunden, wann die Mutter die Unterhaltung
der Kinder ganz oder zum Theil über sich genommen, oder wann die Töchter mit
oder ohne väterlichen Willen, mit oder ohne einem Heirathsgut ausgeheirathet
worden, sie wäre dann arm und könnte weder von ihrem Mann, welchen ihre
Ernährung zuerst oblieget, noch von dessen Eltern den benöthigten Unterhalt
ihrer ebenmäßigen Armuth wegen überkommen.
[1, 2, § 4] 107.
Um somehr ist ein Vater von Ernährung seiner Tochterkinder entledigt, immaßen
diese Kinder von ihrem Vater, oder bei dessen Unvermögenheit von ihren
väterlichen Großeltern ernähret werden müssen.
Wann jedoch
weder ihr Vater, noch dessen Eltern selbe zu ernähren im Stande wären, so liegt
erst alsdann dem mütterlichen Großvater ob, seiner Tochter Kindern nicht zwar
nach seinem eigenem Stand und Würde, sondern nur nach Nothdurft den Unterhalt
zu verschaffen.
[1, 2, § 4] 108.
Endlich entbindet auch die Undankbarkeit der Kinder, wann sie also beschaffen
ist, daß selbe nach Unseren Gesetzen zu deren Enterbung hinlänglich seie, den
Vater von der Schuldigkeit ihrer standesmäßigen Unterhaltung. Doch woferne
solche unwürdige Kinder in äußersten Nothfall den Unterhalt von ihrem Vater
ansuchen, so kann ihnen derselbe zur bloßen Lebensfristung und ohne Rücksicht
auf das Vermögen, Stand oder Würde des Vaters nicht verweigeret werden.
[1, 2, § 4] 109.
Von dem Recht des Vaters ist nach der Natur das Recht der Mutter über ihre
Kinder nicht sonderlich unterschieden.
Sie sind
nicht minder derselben nach dem Vater zu gehorsamen, sie zu ehren und auf
keinerlei Art zu verletzen schuldig.
[1, 2, § 4] 110.
Außer deme legen die Gesetze nach andere Rechten sowohl der Mutter gegen die
Kinder, als diesen gegen die Mutter bei, welche theils in der Erbfolge, theils
in dem Recht zur Vormundschaft und dergleichen mehreren bestehen, wovon an
behörigen Orten das mehrere erwähnet werden wird.
[1, 2, § 4] 111.
Dagegen ist die Mutter nicht weniger verbunden auch ihrerseits zur Erziehung,
Pflegung und Wartung ihrer Kinder alle Mühe, Fleiß und Sorgfalt
(1-84) anzuwenden, keineswegs aber
währender Ehe zu deren Ernährung und Unterhaltung aus ihren Mitteln etwas
beizutragen schuldig.
[1, 2, § 4] 112.
Es wäre dann der Vater hierzu unvermöglich oder sie hätte sich darzu entweder
in der Eheberedniß oder auch sonst außer derselben durch ein nachheriges Beding
anheischig gemacht oder sich zu einem Beitrag eingelassen.
[1, 2, § 4] 113.
Nach des Vaters Tod aber ist die Mutter, die ohne allem oder doch mit keinem
hinlänglichen Vermögen hinterlassene Kinder zu ernähren schuldig, insoweit
deren eigene Mitteln nicht zureichen, woferne nicht eine von denen bereits oben
bei dem Vater erwähnten Ursachen unterwaltet, wodurch sie von dieser
Schuldigkeit enthoben würde.
[1, 2, § 4] 114.
In Gegentheil haben auch die Kinder die erwiederliche Schuldigkeit auf sich,
ihre bedürftige Eltern, Großeltern und weitere Aufsteigende zu ernähren, zu
pflegen, zu warten und denenselben in ihrer Noth und Kräften beizustehen, wo
sie es zu thun im Stande sind.
[1, 2, § 4] 115.
Wer die Verbindlichkeit des abzureichen habenden Unterhalts auf sich hat, deme
lieget auch ob die standesgemäße Begräbnißkosten zu bestreiten, insoweit diese
aus dem nachgelassenen Vermögen nicht erschwungen werden können.
[1, 2, § 4] 116.
Was aber aus der erwiederlichen Ernährungsschuldigkeit zwischen Eltern und
Kindern von einem oder dem anderen Theil aufgewendet oder sonst über die
Schuldigkeit aus natürlicher Zuneigung abgereichet worden, kann nicht mehr
zurückgeforderet werden, wann der Ersatz des über die Schuldigkeit
Aufgewendeten nicht ausdrücklich bedungen worden.
[1, 2, § 4] 117.
Was bisher geordnet worden, ist nur von eheleiblichen Kindern zu verstehen,
wofür auch die aus einer vermeintlich giltigen Ehe erzeugte Kinder zu halten
sind. Von denen unehelich erzeugten, nachher aber rechtmäßig gewordenen und von
denen an Kindsstatt angenommen wird unten in fünftem Capitel mit mehreren
Meldung geschehen.
[1, 2, § 4] 118.
Dahingegen haben uneheliche Kinder keinen Antheil an dem Hausstand
(1-85) des Vaters, obschon dieser, wo
er Vater zu sein gestehet oder dessen überführet wird, selbe zu ernähren
schuldig ist.
[1, 2, § 4] 119.
Auf bloßes Angeben einer geschwächten Person aber wird Niemand für den Vater
gehalten, sondern um eine rechtliche Vermuthung wider ihn zu bewirken, ist
seine eigene Geständniß der Schwächung oder dessen Ueberführung und die
Uebereinstimmung der Zeit und Umständen mit der Geburt erforderlich.
[1, 2, § 4] 120.
Diese Vermuthung kann von nicht anderst, als durch klaren Gegenbeweis abgeleinet
werden, welche aber immittelst an sich schon stark genug ist, daß ihme bis
dahin nicht allein die Ernährung des Kinds, sondern auch die Unterhaltung der
unbemittelten Kindsträgerin bis zur Geburtszeit und die Bestreitung der
Kindbettsunkosten auferleget werde.
[1, 2, § 4] 121.
Doch ist der Unterhalt unehelicher Kinder und der Kindsmutter nicht so wie bei
ehelichen Kindern nach dem Vermögen, Stand und Würde des bezüchtigten Vaters,
sondern nach der bloßen alleinigen Nothwendigkeit auszumessen und zugleich auf
das Vermögen der Mutter, auf die Dürftigkeit des angeblichen Vaters und auf
andere Umstände zu sehen, welche den Vater von Ernährung des Kinds oder der
Kindsträgerin ganz oder zum Theil entheben können.
[1, 2, § 4] 122.
Von diesem höchstnöthigen Unterhalt sind keine uneheliche Kinder, aus was immer
für einer verbotenen Vermischung dieselbe gezeuget worden, ausgeschlossen, wann
sie sonst von anderwärts keine Nahrung haben.
[1, 2, § 4] 123.
Insoweit aber dieselbe vorstehender Maßen von dem erweislichen Vater ihren
Unterhalt nicht bekommen, ist die Mutter sie zu ernähren schuldig und nach dem
Tod ihres erweislichen Vaters oder ihrer Mutter gebühret ihnen aus deren
Verlassenschaft anstatt des Unterhalts derjenige Antheil, welcher im zweiten
Theil im zwölften Capitel von Einsetzung der Erben, §. II von num. 23 bis num.
25 für sie eigends ausgemessen ist.
[1, 2, § 4] 124.
Uebrigens folgen sie der Mutter und sind in Ansehung ihrer in allen Rechten und
Schuldigkeiten gegen dieselbe denen ehelich gebornen gleich, insoweit Unsere
Gesetze in Erb- und anderen Fällen zwischen beiden keinen Unterschied
ausdrücklich bestimmen.
(1-86) Caput III.
Von
Ehebindnissen
Inhalt:
§. I. Von
Eheverlobnissen. §. II. Von Heirathsgut. §. III. Von der Widerlag. §. IV. Von
Schankungen zwischen Eheleuten. §. V. Von dem ehegattlichen Vermögen. §. VI.
Von Witums und anderen Rechten nach der Ehe.
§. I.
[1, 3, § 1] 1.
Die Ehe ist der Ursprung aller Rechten des Hausstands, dann aus derselben
entstehen die Rechten zwischen Mann und Weib. Aus der ehelichen Erzeugung jene
zwischen Eltern und Kindern. Und endlich werden durch dieselbe die Rechten des
Geblüts unter denen Verwandten fortgepflanzet.
[1, 3, § 1] 2.
Es wird dahero die Abhandlung von Ehebindnissen in gegenwärtigen Capitel
vorausgesetzet, ehe und bevor die übrigen hieraus erwachsende Vorrechte des
Hausstands erkläret werden.
[1, 3, § 1] 3.
Die Ehebindnissen nehmen insgemein ihren Anfang von der Eheverlobniß oder dem
Versprechen künftiger Ehe, werden durch die wirkliche Ehe vollzogen, und endlich
durch den Tod des einen oder anderen Theils anwiederum aufgelöset.
[1, 3, § 1] 4.
Gleichwie aber aus der Eheverlobniß die Verlobten in Absicht auf die künftige
Ehe gegen einander gewisse Rechten erwerben, sodann aus der wirklichen Ehe die
Rechten zwischen Eheleuten entspringen und nach deren Auflösung durch den Tod
des einen oder anderen Ehegatten dem überlebenden Theil noch gewisse Rechte an
dem hinterlassenen Vermögen des Verstorbenen gebühren, also wird auch hier
erstlich von den rechtlichen Wirkungen der Ehebindnissen vor der Ehe zwischen
Verlobten, sonach von jenen in der Ehe zwischen Vereheligten und schließlichen
von denen nach der Ehe an Seiten des verwitibten Ehegattens gehandlet.
[1, 3, § 1] 5.
Die Eheverlobniß ist ein Versprechen und Gegenversprechen der künftigen
(1-87) Ehe, woraus die beiderseitige
Verbindlichkeit der eheversprochenen Personen erwachset, ihr Versprechen zu
erfüllen und mittelst priesterlicher Zusammengebung die Ehe anzutreten.
(1-88) [1, 3, § 1] 6. Diese Verbindlichkeit kann jedoch
nicht anderst als mit der Fähigkeit der Eheversprochenen sich mittelst eines
solchen Versprechens gegeneinander zu verstricken bestehen, welche nicht allein
nach denen geistlichen, sondern auch nach Unseren weltlichen Gesetzen
abgemessen werden muß.
[1, 3, § 1] 7.
Wiewohlen dahero das Eheversprechen, insoweit es auf die Vollziehung der
versprochenen Ehe abzielet, zur Erkanntniß der geistlichen Gerichten gehöret,
so solle jedoch von denenselben auch auf Unsere Gesetze, welche die
Eheverlobnissen gewisser Personen, wann sie wider deren Ausmessung unternommen
worden, für ungiltig erklären, um so mehr gesehen werden, als im widrigen die
dagegen ergehende Erkanntnissen keine Kraft und Wirkung haben und solchen von
Unseren nachgesetzten Gerichten nicht der mindeste Beistand geleistet werden
solle.
[1, 3, § 1] 8.
Solchemnach ist da Eheversprechen der minderjährigen oder auch schon
großjährigen, allein zur Zeit noch in der Eltern Brod
stehenden Kindern ganz und gar ohne Kraft und Wirkung, wann ein Sohn oder
Tochter heimlich oder vor Zeugen schriftlich oder mündlich solches ohne
angesuchter Einwilligung der Eltern eingegangen.
[1, 3, § 1] 9.
Sie sollen vielmehr, ehe und bevor sie sich in ein Eheversprechen einlassen,
vorhero ihre Eltern, oder wo bereits Vater und Mutter verstorben wäre, den noch
lebenden Elterntheil um die Einwilligung geziemend ersuchen und im
Weigerungsfall dieses Ersuchen nach einiger Zwischenzeit wenigstens noch zu
zweimalen wiederholen oder durch Andere darum anhalten lassen.
[1, 3, § 1] 10.
Würden aber Vater oder Mutter oder auch beide Eltern jegleichwohlen auf ihrer
Weigerung immer beharren, so mögen sich die Kinder an die weltliche
Gerichtsstelle, welcher ihre Eltern untergeben sind, bittlich verwenden,
welches Ansuchen nicht weniger sowohl von denen Befreundten, die sich der
Kinder annehmen wollen, als auch von dem Gegentheil, mit welchem die
Eheverlobniß nicht zugelassen werden will oder dessen Eltern oder Gerhaben und
Vormünderen geschehen kann.
(1-89) [1, 3, § 1] 11. Das Gericht hat hierauf die
Eltern über die Ursache ihrer Weigerung außer dem ordentlichen Weg Rechtens
schleunig zu vernehmen und da die Ursachen
(1-90) der Verweigerung erheblich zu sein befunden würden,
nicht allein das Verwilligungsgesuch abzuschlagen, sondern auch die muthwillige
Behelligung zu verweisen und den Sohn oder Tochter nach Umständen von
dergleichen unzeitigen oder unanständigen Vorhaben nachdrucksam abzuwarnen.
[1, 3, § 1] 12. Wann aber von denen Eltern gar keine Ursach
der Weigerung angegeben oder die vorschützende Ursachen nicht hinlänglich zu
sein erachtet würden, hat das Gericht sich alle Mühe zu geben, die auf der
Weigerung bestehende Eltern durch alle nur thunliche gütliche Vorstellungen zu
Einwilligung zu bewegen, und da sie nichtsdestoweniger sich hierzu nicht
verstehen wollten, ihnen eine mäßige Bedenkzeit zur Ueberlegung und endlichen
Erklärung anzuberaumen.
[1, 3, § 1] 13. Da jedoch auch dieses nichts fruchtete,
solle das Gericht nach Verlauf der bestimmten Bedenkzeit die Einwilligung zu
dem Eheversprechen anstatt der Eltern von amtswegen ertheilen und die sonach
für sich gegangene Heirath den Kindern an deme, was ihnen von ihren Eltern von
Rechts wegen gebühret, zu keinem Nachtheil gereichen.
[1, 3, § 1] 14. In Gegentheil sind die Kinder, welche ohne
vorher angesuchter Einwilligung ihrer Eltern und ohne auf dem Fall ihrer
Weigerung ausgewirkter gerichtlicher Erlaubniß oder wohl gar wider den
ausdrücklichen Willen und Verbot der Eltern oder wider die gerichtliche
Abweisung sich in ein Eheversprechen eingelassen, solches zu erfüllen nicht
befugt, sondern die Eltern vielmehr berechtiget dergleichen Heirathen auf alle
Art und Weis zu hintertreiben und nöthigen Falls eine Abmahnung von der
weltlichen an die geistliche Gehörde auszuwirken, um die priesterliche
Zusammengebung einzustellen.
[1, 3, § 1] 15. Woferne sich aber ein Sohn oder Tochter
jegleichwohlen wider Willen der Eltern und ohne hierzu erhaltener gerichtlicher
Bewilligung vereheliget hätte, so ist der hierdurch beleidigte Vater, oder
Mutter von aller Schuldigkeit entbunden einem solchen ungehorsamen Kind das
standesmäßige Unterkommen, Heirathgut und wie immer Namen habende Versorgung
oder Ausstattung abzureichen, die im Nothfall zu unumgänglichen Lebensfristung
unentbehrliche Nahrungsmitteln allein ausgenommen.
[1, 3, § 1] 16. Ueber das haben die Eltern Fug und Macht
ihre ungehorsame Kinder, die sich wider ihren Willen verheirathet, wann die
Ursach ihrer Weigerung von Gericht erheblich zu sein befunden worden, in ihrem
letzten Willen zu enterben, insoferne von ihnen nach der Hand diese Heirath
nicht begenehmiget und die andurch zugefügte Beleidigung nachgesehen worden.
[1, 3, § 1] 17. Nebst deme solle ein solches Beginnen
beschaffenen Umständen nach mit einer dem richterlichen Ermessen überlassenen
Strafe desto schärfer angesehen werden, je ungleicher die Heirath und je
verkleinerlicher dieselbe ihrem Stand und Geschlecht oder dem Ansehen, guten
Namen und Leumuth ihrer Eltern ist.
[1, 3, § 1] 18. Eine noch empfindlichere Strafe aber ist
wider jene Personen zu verhängen, die sich unterfangen, adeliche oder sonst
ehrbarer Leuten Kinder zu verführen und arglistig zu bereden, um sich mit ihnen
in eine ungleiche Ehe einzulassen.
[1, 3, § 1] 19. Desgleichen solle wieder Diejenige die
Strafe verschärfet werden, welche sich aus Arglist oder schnöder Gewinnsucht
zur Vermittlung solcher Winkelheirathen gebrauchen lassen oder wohl gar selbst
darzu anbieten und hierzu Anlaß, Gelegenheit
(1-91) und Vorschub geben, besonders, da sie der Eltern oder
Kindern Dienstleute wären.
[1, 3, § 1] 20. Großjährige und zugleich außer der Eltern
Brod stehende Kinder aber haben zwar zu ihrer vorhabenden Verehelichung die
Einwilligung ihrer Eltern aus natürlicher Ehrerbietung anzusuchen; doch kann
weder dessen Unterlassung, noch die ohnerachtet der Weigerung ihrer Eltern
vollzogene Heirath gegen sie geahndet, noch weniger dieselbe hierwegen von
ihren Eltern enterbet werden.
[1, 3, § 1] 21. Es seie dann, daß die Eltern wider eine
ungleiche, ihrem Stand und Ansehen verkleinerlich fallende Heirath ihrer auch
zur Zeit schon großjährigen Kinder die Gerichtshilfe angerufen hätten, und die
Ursach ihrer Widersetzung von Gericht aus gebilliget worden wäre.
[1, 3, § 1] 22. Vaterlose Söhne oder Töchter müssen nebst
Einwilligung der Mutter auch die Einwilligung ihres Vormunds (wann sie einen
anderen Vormund haben, oder der Mutter ein Mitvormund zugegeben ist) ansuchen.
Dieser hat sich, da kein Bedenken vorhanden, von der
Gesinnung der Mutter nicht leicht zu entfernen; falls aber ein gegründeter
Anstand unterwaltete, solchen bei der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen.
[1, 3, § 1] 23. Welche sodann benöthigten Falls die
Freundschaft hierüber vernehmen und nach reifer Ueberlegung der sowohl für als
wieder die Heirath streitenden Ursachen entweder die
obervormundschaftliche Genehmigung ertheilen oder solche abschlagen solle.
[1, 3, § 1] 24. Wären aber beide Eltern verstorben, so ist
es an der alleinigen Verwilligung des Vormunds nicht genug, obgleich die
Befreundten des Waisens darmit verstanden wären, sonder es muß auch hierzu die
obervormundschaftliche Genehmhaltung des Gerichts erwirket werden.
[1, 3, § 1] 25. Diese hat insgemein der Vormund selbst, wann
er wider die Heirath nichts einzuwenden hat, mit Anführung des unterwaltenden
Wohlstands und Nutzens des Waisen, Gutbefunds der nächsten Freundschaft und
anderer Umständen anzusuchen.
[1, 3, § 1] 26. Wann hingegen der Vormund weder seine
Einwilligung ertheilen, noch auch um die obervormundschaftliche Genehmhaltung
einkommen wollte, so stehet sowohl dem minderjährigen Sohn oder Tochter, als
dem Gegentheil frei, auf gleiche Weise, wie es im Weigerungsfall der Eltern
oben verordnet worden, entweder selbst oder durch Andere um die
obervormundschaftliche Einwilligung zu bitten.
[1, 3, § 1] 27. Worüber das Gericht den Vormund und nöthigen
Falls die nächste Befreundte des Waisen zu vernehmen und da keine erhebliche
Ursach entgegen stünde, zu der Heirath die gerichtliche Verwilligung zu
ertheilen, falls aber gegründete
(1-92) Bedenken fürwalteten, den Waisen mit seinem Gesuch
abzuweisen die Behelligung zu verheben und ihn von dem Vorhaben ernstlich
abzuwarnen hat.
[1, 3, § 1] 28.Würde aber ein minderjähriger Sohn oder
Tochter wider dieses Unser Gebot sich mit Hintansetzung des Vormunds und der
behörigen Gerichtsstelle in ein heimliches oder auch öffentliches
Eheversprechen einlassen, so solle solches ganz und gar kraftlos und nicht von
der mindesten Wirkung und Verbindlichkeit sein, noch weniger von Unseren
nachgesetzten Stellen hierwegen ein Beistand geleistet werden.
[1, 3, § 1] 29. Um so mehr sollen auf den Fall einer solchen
vollzogenen Winkelheirath nicht allein alle dieserwegen eingegangene
Verbindungen, Verheißungen oder Schankungen, wie sie immer Namen haben mögen,
durchaus ungiltig und nichtig sein, sondern auch dieses strafmäßige Beginnen an
ihnen, an dem anderen Theil und an denen Helfern mit gleicher Schärfe geahndet
werden, wie es bereits oben n.17, 18 und 19 wider Söhne und Töchter in dem
ähnlichen Fall ausgemessen ist.
[1, 3, § 1] 30. Desgleichen wo es die Landesverfassung mit
sich bringet, daß einem
(1-93) Unterthan sich ohne Einwilligung seiner Herrschaft zu
vereheligen nicht erlaubet seie, da lassen Wir es noch ferners dabei bewenden,
doch solle sothane Einwilligung denen Unterthanen von der Herrschaft ohne
genugsamer Ursache nicht verweigeret, sondern vielmehr die Heirathen des
gemeinen Volks, wann die zusammen Heirathende anderst sich zu nähren im Stande
sind, und der Herrschaft kein Schaden und Nachtheil hieraus erwachset, nach
Unseren anderweiten Verordnungen in Absicht auf den aus der mehreren
Bevölkerung erzielenden gemeinwesigen Nutzen auf alle thunliche Weise
erleichteret werden.
[1, 3, § 1] 31. Solchemnach gestatten Wir denen Unterthanen,
welchen auf ihr bittliches Anlangen die herrschaftliche Einwilligung zu ihrer
vorhabenden Vereheligung versaget wird, sich darüber bei jener Gehörde, an
welche die Unterthansbeschwerden wider ihre Obrigkeit in jedem Lande
unmittelbar angewiesen sind, selbst oder durch Andere zu beschweren.
[1, 3, § 1] 32.Worüber die Herrschaft über die Ursachen
ihrer Weigerung vernommen und da selbe hinlänglich zu sein befunden würden, der
beschwerführende Unterthan abgewiesen und gestalter Dingen nach,, da er sich
eines unwahren Anbringens, ungeziemenden Betrags oder muthwilliger Behelligung
unterstanden hätte, bestrafet werden solle.
[1, 3, § 1] 33. Wäre aber die Weigerungsursache nicht
erheblich, so ist der Vorfall an die vorgesetzte Landesstelle mit Beifügung des
Gutachtens einzuberichten, welche bei Befund der unstandhaften Weigerung dem
beschwerführenden Unterthan die Verwilligung zu seiner Vereheligung von Amts
wegen zu ertheilen hat, kraft welcher derselbe nachhero weder an seiner
Vereheligung von der Herrschaft weiter behinderet, noch deshalben auf
einigerlei Weise gekränket werden solle.
[1, 3, § 1] 34. Die Ursachen, wegen welcher die
herrschaftliche Einwilligung zur Vereheligung eines Unterthans abgeschlagen
werden kann, sind beiläufig folgende:
Das minderjährige Alter der unterthänigen Person, die
Weigerung der Eltern, welchen Falls aber auch diese darüber zu vernehmen sind
und auf obstehende Art fürzugehen ist.
[1, 3, § 1] 35. Ferners die Freiheit des anderen Theils,
falls dieser die Unterthänigkeit nicht angeloben, oder denen aus dieser Ehe
erzeugenden Kindern die Freiheit vorbehalten wollte. Eben also, wann der andere
Theil ein fremder Unterthan ist, und dieser Anstand durch den nachbarlichen
sogenannten Weglaß nicht behoben werden kann.
[1, 3, § 1] 36. Böser Lebenswandel des einen oder anderen
Theils, woraus von dem künftigen Ehepaar Verführung Anderer, Schaden und
Aergerniß zu befürchten wäre.
[1, 3, § 1] 37. Die offenbare Unvermögenheit der künftigen
Eheleuten sich und ihre Kinder durch Dienstleistung, Handarbeit, Handel, und
Gewerb oder auf sonstige redliche Weise zu ernähren, woraus vorzusehen wäre,
daß sie der Herrschaft, denen Mitunterthanen und selbst dem gemeinen Wesen zu
Last gereichen würden.
[1, 3, § 1] 38. Endlich auch die vorhin schon übersetzte
Anzahl der Eheleuten auf einem Gut, so daß daselbst noch mehrere Haushaltungen
auf keinerlei Weise bestehen könnten und überhaupt alles, wovon sowohl dem
Herrn, als dem Gut und denen dortigen Mitunterthanen oder wohl gar dem gemeinen
Wesen ein Schaden und Nachtheil zugehen könnte.
[1, 3, § 1] 39. Dahingegen solle ein bloßes nicht Wollen der
Herrschaft, eine eigennützige
(1-94) Absicht, eine anmaßliche Bestrafung wegen
fleischlichen oder anderen Verbrechens oder ein sonstiger ungegründeter Vorwand
keineswegs hinreichend sein, die Einwilligung zu versagen, oder solche auf
diese oder jene mit Ausschließung der zur Ehe verlangten Person einzuschränken.
[1, 3, § 1] 40. Obwohlen zuweilen die Einwilligung auf
einige Zeit verschoben werden kann, da auf dem Gut oder Herrschaft ein
erweislicher Abgang diensttauglicher Leuten wäre und hierzu wegen des
landesbrauchlichen geringen Lohns oder anderer Umständen halber ohne Nachstand
des Dienstes nicht füglich verheirathete Leute gebrauchet werden könnten.
[1, 3, § 1] 41. Wegen unterwaltender gemeiner Wohlfahrt muß
die Erfüllung des Eheversprechens bei gewissen Personen, welche wegen einer auf
sich habenden Eigenschaft oder aus Umständen, in denen sie sich zur Zeit
befinden, durch Unsere besondere Verordnungen Heirathen einzugehen untersaget
ist, einsweilig ausgesetzet bleiben, so daß zwar die Verbindung nicht unkräftig
ist und auch nicht aufhöret, dennoch aber so lang nicht in Erfüllung gehen
kann, als vorbesagte Eigenschaft oder Umstände fürdaueren.
[1, 3, § 1] 42. Solchemnach solle deme, was gedachte Unsere
Verordnungen in Ansehung der sowohl wirklich dienenden Kriegsleuten, als der zu
dienen unfähigen und in Verpflegung stehenden unvermöglichen Soldaten, dann
deren den Verdacht eines heimlichen Abzugs erweckenden Heirathen mit
Ausländern, herrnloser Leuten, Landstreichern und anderen unnützigen keines
Nahrungsstandes fähigen Gesinds maßgebig enthalten, auf das Genaueste
nachgelebt werden.
[1, 3, § 1] 43. Wo es sich aber um Vollziehung eines
Eheversprechen zwischen
(1-95) solchen Personen handlete, denen Unsere Gesetze nicht
im Wege stehen, so hat der geistliche Richter allein zu erkennen, ob ein
giltiges Eheversprechen unterwalte und ob mithin ein Theil den anderen zu
eheligen schuldig oder von dem Versprechen entbunden seie.
[1, 3, § 1] 44. Zu diesem Ende solle zu Handhabung der ihme
hierinfalls gebührenden Gerichtbarkeit (!) und Vollstreckung seiner mit
Beobachtung Unserer Gesetzen geschöpften Erkanntnissen
und Urtheilen der Beistand des weltlichen Arms auf jedesmaliges Ansuchen
unweigerlich ertheilet werden.
[1, 3, § 1] 45. Wann hingegen ohne erweislichen
Eheversprechen nur Schwächung oder Schwängerung halber geklaget würde, gehöret
sowohl die Erkanntniß über die Genugthuung, als auch über die Kindbettunkosten
und Unterhaltung des Kinds,
(1-96) wie nicht minder über die Bestrafung derlei Vergehens
bloß allein zu denen weltlichen Gerichten.
[1, 3, § 1] 46. Es seie dann, daß sich von der einen oder
anderen Partei auf ein zwischen ihnen eingegangenes Eheversprechen berufen
würde, welchen Falls selbe sofort an das geistliche Gericht zu verweisen sind,
um daselbst über die Giltigkeit und Verbindlichkeit des Eheversprechens zu
erkennen und sonach weiter in Sachen zu verfahren.
[1, 3, § 1] 47. Daferne jedoch der klagende Theil von der
Person des Beklagten abließe, und nur eine Genugthuung an Geld oder anderen
Sachen verlangete, oder aber von dem geistlichen Richter kein Eheversprechen zu
unterwalten befunden würde, kann die Genugthuung und deren Ausmessung nirgends
anderst als bei dem weltlichen Gericht, deme der Gegentheil unterworfen ist,
angesuchet werden.
[1, 3, § 1] 48. Wie dann überhaupt in Eheverlobnißfällen, wo
von dem geistlichen Richter auf einen Ersatz oder Abfindung erkennet wird, die
Bestimmung des Betrags denen weltlichen Gerichten allein zustehen solle,
obschon denen streitenden Theilen nicht verwehret ist, sich entweder vor dem
geistlichen Gericht oder auch unter sich allein, wann es nur sonst erweislich
ist, frei und ungezwungen zu vergleichen, und auch zu Erfüllung derlei
freiwilliger Vergleichen die Gerichtshilfe nach Ordnung rechtens nicht versaget
werden kann.
[1, 3, § 1] 49. Bei Eheverlobnissen wird gemeiniglich auch
um die zeitliche Versorgung der künftigen Eheleuten gehandlet und geschieht
sehr gut daran, wann dergleichen Heirathsberednissen noch vor der
priesterlichen Trauung geschlossen werden, wovon in denen nachstehenden §§ das
mehrere folgen wird.
[1, 3, § 1] 50. Doch sind die Verehrungen und Schankungen,
welche entweder vor
(1-97) dem Eheversprechen, oder bei, oder nach demselben, es
seie in Absicht auf die künftige Ehe oder zu Bezeigung der Liebe zwischen
Brautleuten, oder von Anderen aus Zuneigung gegen dieselbe zu geschehen
pflegen, in dasjenige, was ein Theil dem anderen aus der Heirathsberedniß
schuldig ist, nicht einzurechnen, wann in derselben ein solches nicht
ausdrücklich bedungen oder vorbehalten worden.
[1, 3, § 1] 51. Vielmehr sollen jene Verehrungen, so vor dem
Eheversprechen ohne dessen ausdrücklicher Bedingung zu bloßer Bezeigung der
Liebe und Zuneigung geschehen, als freiwillige, unbedingte, unwiderrufliche
Schankungen angesehen werden, wann die verehrte und verschenkte Sachen zugleich
übergeben und angenommen worden, auch die Schankung sonst an sich selbst nicht
mangelhaft, noch der schenkende Theil solche zu thun unfähig ist.
[1, 3, § 1] 52. Die Verehrungen aber, welche entweder vor
dem Eheversprechen mit dem ausdrücklichen Beding der künftigen Ehe, oder bei,
oder nach demselben gleichsam zu einer Versicherung und Unterpfand des zu
vollziehen kommenden Ehebindnisses, es sei von denen Brautleuten untereinander,
oder von denen Eltern des einen oder anderen Theils mit wirklicher Uebergabe
gemacht werden, sollen, wann die Heirath mit beiderseitiger Abweichung oder
zufälliger Weise nicht erfolget, (falls nicht etwas Anderes ausdrücklich
bedungen worden) dem verehrenden Theil zurückfallen.
[1, 3, § 1] 53. Wo aber ein Theil wider Willen des anderen
ohne rechtlicher Ursache von dem Eheversprechen abweichen und der andere ihn
zur Erfüllung des Versprechens mit Gerichtszwang nicht anhalten wollte, oder da
ein Theil dem anderen genugsame Ursache von dem Eheversprechen abzuweichen
gegeben hätte, so behält nicht allein der beständig gebliebene oder abzuweichen
veranlaßte Theil das Empfangene, sondern er ist noch über das Jenes, was er dem
anderen gegeben, zurückzuforderen berechtiget.
[1, 3, § 1] 54. Da jedoch der beständig gebliebene Theil auf
den Vollzug des Eheversprechens gleichwohlen andringete, der andere hingegen
sich hierzu durchaus nicht verstehen wollte oder aus seiner Schuld dasselbe
nicht mehr erfüllen könnte, so bleibet dem ersteren bevor, die vollständige
Genugthuung für Alles, woran es ihme wegen nicht erfolgter Ehe gelegen ist,
gerichtlich anzusuchen.
[1, 3, § 1] 55. Dahingegen sollen bloße Zusagen und
Verheißungen ohne Uebergabe zwischen freienden oder eheverlobten Personen keine
Kraft und Wirkung haben, sondern bei Veränderung des Willens widerruflich sein,
wann sie nicht wohlbedächtlich mit darüber errichteten Urkunden oder vor Zeugen
geschehen, insoferne jedoch auch in diesem Fall die Schankung sonst an sich
selbst nach Maßgebung dessen, was deshalben in zweitem Theil von Schankungen
geordnet wird, bestehen kann.
(1-98) [1, 3, § 1] 56. Wann von Anderen, die zur Versorgung
des Ehepaars nicht verbunden sind, denen Brautleuten vor oder nach der Ehe
einige Geschenke geschehen, sollen solche beiden Theilen gemein erworben
werden, wo sie nicht erweislich dem einen oder dem anderen Theil besonders
zugedacht oder nur in Ansehung eines Theils verehret worden, oder nur zu
Gebrauch und Anständigkeit des einen Theils und nicht auch des anderen andienen
können, in welchen Fällen sie jenem allein zu verbleiben haben.
[1, 3, § 1] 57. Da Jemand eine Ehe zu stiften, oder zu
diesem Vorhaben auf erlaubte Art behilflich zu sein ersuchet würde, oder sich
selbst darzu anbietet, so muß dieses unentgeltlich und bloß aus Freundschaft
geschehen.
[1, 3, § 1] 58. Widrigens kann Jenes, was dieserwegen vor
der Heirath gegeben worden, binnen Jahr und Tag vor oder nach der Heirath
anwiederum zurückgeforderet werden, es wäre dann erweislich, daß es auf allen
Fall, die Heirath erfolge oder nicht, freiwillig geschenket und übergeben
worden.
[1, 3, § 1] 59. Wo aber nichts gegeben, sondern nur etwas
dafür versprochen oder verschrieben worden, solle derlei Versprechen oder
Verschreibung ganz ungiltig sein, und unter keinerlei Vorwand einige
Rechtshilfe darzu ertheilet, noch weniger, wann nichts verglichen worden, vor
oder nach erfolgter Heirath etwas dafür geforderet werden können, sondern die
rechtliche Vermuthung vorbringen, daß der Heirath ohne eigennütziger
Nebenabsicht Vorschub gegeben worden seie.
[1, 3, § 1] 60. Doch muß Derjenige, deme vergleichen
Unterhandlungsgeschäft eigends aufgetragen worden, seines Aufwands, Versäumniß
und sonstigen Nachtheils halber gleich einem anderen Bevollmächtigten schadlos
gehalten werden.
[1, 3, § 1] 61. Wie dann auch nicht verboten ist, nach
erfolgter Heirath für die auch ohne Vollmacht auf erlaubte Weise bewirkte
Unterhandlung durch eine freiwillige Erkenntlichkeit sich dankbar zu erzeigen,
wann nur alle Zunöthigung davon entfernet ist.
[1, 3, § 1] 62. Was dahero einem solchen Unterhandler nach
der Hochzeit aus Dankbarkeit verehret, versprochen oder verschrieben worden,
dieses hat in derjenigen Maß, wie es in zweitem Theil von Schankungen geordnet
wird, die Kraft einer zu Recht bestehenden vergeltlichen Schankung.
[1, 3, § 1] 63. Dahingegen solle auch Derjenige, welcher
sich zu Vermittlung oder Unterhandlung einer Heirath gebrauchen läßt, sich
aller Arglist, Gefährde oder sonst ungeziemender Absicht enthalten. Widrigens
ist ein solcher arglistiger Unterhandler nicht allein dem hintergangenen Theile
für Alles, was diesem daran gelegen ist, verfänglich, sondern solle beinebst
nach Befund der hinzustoßenden mehr oder minder erschwerenden Umständen
unnachsichtlich bestrafet werden.
§. II.
[1, 3, § 2] 64. Auf die Eheverlobniß folget die Ehe, und mit
dieser nehmen die Rechten der Eheleuten ihren Anfang, welche, insoweit sie
unmittelbar aus dem Ehestand selbst fließen, bereits oben in zweitem Capitel, §
IV, berühret worden.
(1-99) Insoweit sie aber die zeitliche Versorgung der
Eheleuten und das ehegattliche Vermögen zum Gegenstand haben, in diesem und
denen folgenden §§. eigends beschrieben werden.
[1, 3, § 2] 65. Diese betreffen das Heirathgut, die
Widerlage oder Gegenvermächtniß, die Schankungen zwischen Eheleuten, die
gemeine Erwerbung oder das beiderseitige abgesonderte Eigenthum, die
Nutznießung und Verwaltung des ehegattlichen Vermögens.
[1, 3, § 2] 66. Das Heirathgut, welches auch anderst die
Ehesteuer, Mitgift oder
(1-100) Brautschatz genannt wird, ist dasjenige, was das
Weib oder die Eltern oder auch ein Anderer für das Weib dem Mann zu leichterer
Ertragung der Ehelasten an Geld oder Gut bestellet.
(1-101) [1, 3, § 2] 67. Die Ehe kann zwar allerdings ohne
Heirathgut bestehen; doch ist es nicht nur eine allgemeine Geziemung, sondern
auch in Ansehung gewisser Personen eine Schuldigkeit, ein Heirathgut zu
bestellen, wann solches bei vorfallender anständiger Heirat begehret wird.
[1, 3, § 2] 68. Wann Diejenigen, welche sich in ein Ehebindniß einlassen, ein eigenes Vermögen und die freie
Schalt- und Waltung mit demselben haben, hanget es von ihrer freien Willkür ab,
ein Heirathgut zu bestellen und zu bedingen.
[1, 3, § 2] 69. Wo aber die sich verehelichende Person unter
der Vormundschaft stehet und die obervormundschaftliche Einwilligung in die
Heirath erfolget, hat der Vormund das Heirathgut nach Kräften des Vermögens der
Braut und nach Umständen der Heirath mit Beobachtung der hiernach
vorgeschriebenen Maß und mit jedesmaliger Gutheißung der
obervormundschaftlichen Gehörde zu bestellen.
[1, 3, § 2] 70. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann
eine noch unter väterlicher Gewalt stehende Tochter, die ein eigenes von dem
Vater verwaltetes Vermögen hätte, entweder mit seinem Willen oder doch bei
dessen unbilliger Weigerung mit gerichtlicher Verwilligung heirathete, welcher
nicht weniger der Vater auf Begehren von ihrem Vermögen ein anständiges
Heirathgut mit gerichtlicher Genehmhaltung auszumessen hat.
[1, 3, § 2] 71. Wo aber ein Vormund oder Vater aus dem
eigenen Vermögen einer heirathenden Tochter das Heirathgut zu bestellen
weigerte, kann solches sowohl vor der Heirath als auch währender Ehe mit Willen
der Verheiratheten gerichtlich angesuchet werden, welchen Falls schleunig und
außerordentlich zu verfahren ist.
[1, 3, § 2] 72. Wann hingegen die heirathende Person kein
eigenes Vermögen hat, so sind die Eltern und Großeltern nach derjenigen
Ordnung, wie sie zu dem Unterhalt verbunden sind, ihren ausheirathenden
Töchtern und Enklinnen ein geziemendes Heirathgut zu bestellen schuldig.
[1, 3, § 2] 73. Deme zufolge lieget
diese Verbindlichkeit vornehmlich dem Vater, und wo dieser arm wäre, sodann der
Mutter ob, wann sie vermöglich ist. Da aber beide Eltern mittellos wären, so
gehet diese Schuldigkeit erstlich auf die väterliche und hernach auf die mütterliche Großeltern.
[1, 3, § 2] 74. Da sich jedoch Jener, der hierzu verbunden
ist, dessen weigerte, kann von den Brautleuten oder von Anderen, denen sich
ihrer anzunehmen zustehet, die behörige Gerichtsstelle des darzu Verbundenen um
ihre Vermittlung belanget werden, welche denselben hierüber schleunig zu
vernehmen und durch gütliche Wege mit allen diensam ermessenden Vorstellungen
zu einen anständigen Heirathgut zu vermögen hat.
[1, 3, § 2] 75. Bei fruchtloser Vermittlung aber solle das
Gericht vornehmlich darauf sehen, ob der weigerende Theil eine genugsame Ursach
habe, das begehrende Heirathgut abzuschlagen, welchen Falls der anrufende Theil
abzuweisen ist.
[1, 3, § 2] 76. Derlei Ursachen sind die eigene
Mittellosigkeit oder doch so geringes Vermögen, daß ihme selbst der gebührende
Unterhalt kaum verbleiben oder derselbe
(1-102) außer Stand gelangen würde, die übrige noch habende
Kinder oder Enkeln zu versorgen.
[1, 3, § 2] 77. Desgleichen wann die Tochter oder Enklin zu
dieser oder der vorigen Ehe bereits ein Heirathgut oder ihre gänzliche
Abfertigung erhalten hat, obschon sie das Erhaltene auch ohne ihrer Schuld
verloren hätte.
[1, 3, § 2] 78.Nicht minder, wann sie bei großjährigen Alter
sich ausdrücklich des Heirathguts begeben oder auf die Erbschaft dessen,
welcher unmittelbar hierzu verbunden ist, eine Verzicht gethan oder gegen ihme
eine Enterbungsursache begangen, oder, wann auch jener Elterntheil, durch
welchen sie absteigend ist, sich der Erbschaft desjenigen Aufsteigenden, von
deme das Heirathgut begehret wird, gegen erhaltener gänzlicher Abfertigung
verziehen hat.
[1, 3, § 2] 79. Endlich enthebet auch das eigene Vermögen
der heirathenden Tochter oder Enklin von der Verbindlichkeit zur Bestellung des
Heirathguts insoweit, daß es genug seie, nur so Vieles beizutragen, als mit
Zuziehung ihres Vermögens zu einem gebührlichen Heirathgut abgängig ist.
[1, 3, § 2] 80. Dahingegen kann ein bloßer Eigensinn,
Kargheit oder Gehässigkeit den hierzu Verbundenen, wann er genugsam bemittelt
ist, und es ohne merklichen Nachtheil wohl thun kann, von dieser Schuldigkeit
keineswegs befreien.
[1, 3, § 2] 81. Vielmehr solle das angerufene Gericht in
Ermanglung einer billigen Weigerungsursache ein anständiges Heirathgut in der
unten vorgeschriebenen Maß bestimmen, und den weigerenden Theil zu dessen
wirklicher Bestellung binnen einer hierzu anzuberaumen habenden Frist und nach
deren Verlauf durch gerichtliche Zwangsmitteln verhalten.
[1, 3, § 2] 82. Doch stehet einem jedweden durch diese
richterliche Ausmessung sich beschwert zu sein findenden Theil frei, den Zug
dagegen an den oberen Richter in der hierzu ausgesetzten Zeit einzuwenden,
woselbst ebenfalls schleunig zu verfahren ist.
[1, 3, § 2] 83. Außer vorbemelten aufsteigenden Personen ist
sonst Niemand von Befreundten und umsoweniger ein Fremder zur Bestellung des
Heirathguts verbunden, er habe sich dann freiwillig darzu verpflichtet, oder
eine Erbschaft oder Vermächtniß mit solcher Beschwerde angenommen.
[1, 3, § 2] 84. Nur allein bestehet bei höheren
Standespersonen, welche zugleich Landleute sind, in Ansehung der Brüdern und
Bruders-Söhnen für die vor Einführung dieses Unseren Gesetzes sich ergebene
Erbfälle nach einem Vater oder väterlichen Großvater, in welchen ihnen die
ganze väterliche oder großväterliche Erbschaft mit Ausschließung der für
verziehen gehaltenen Töchtern und Enklinnen nach den vorigen Gesetzen allein
zugefallen, die Ausnahme, daß sie noch ferners eben nach Maßgebung der vorigen
Gesetzen zur landesbräuchlichen Ausstattung ihrer verziehenen Schwestern und
Muhmen verbunden bleiben.
[1, 3, § 2] 85. Niemandem aber ist verwehret, er möge ein
Befreundter oder Fremder sein, aus freien Willen und Gutthätigkeit für eine
heirathende Person ein Heirathgut zu bestellen, welches zugleich als eine ihr
geschehene Schankung anzusehen ist, wann der Bestellende sich die Rückgabe nach
ausgelöster Ehe nicht bedungen hat.
Es ist demnach das Heirathgut dreierlei, als:
Ein eigenes, welches aus dem eigenen Vermögen der Braut
entweder von ihr selbst, wo sie darmit die freie Schalt- und Waltung hat, oder
von ihrem Vormund oder Vater mit obervormundschaftlicher Genehmigung bestimmet
wird.
[1, 3, § 2] 87. Ein von denen Eltern oder Großeltern
herrührendes, welches der Vater, die Mutter, der Großvater oder die Großmutter
oder auch ein Anderer in Ansehen der Eltern oder Großeltern bestellet.
[1, 3, § 2] 88. Ein auswärtiges, welches weder aus dem
Vermögen der Baut, noch von ihren Eltern oder Großeltern aus ihren Mitteln,
noch auch von jemanden
(1-103) Anderen in Ansehen des hierzu verbundenen Theils,
sondern bloß aus Freigebigkeit und Gutthätigkeit gegen die sich verehelichende
Person gegeben worden.
[1, 3, § 2] 89. Wo die heirathende Person ein eigenes Vermögen
und darmit die freie Schalt- und Waltung hat, hanget es von ihrer eigenen
Willkür, gleichwie in dem Fall, wo selbe noch minderjährig ist, von dem Befund
der obervormundschaftlichen Gehörde ab, was und wie viel von ihrem Vermögen zum
Heirathgut bestellet werden wolle.
[1, 3, § 2] 90. Wir setzen und ordnen aber, daß ein aus
eigenen mitteln bestellendes Heirathgut den dritten Theil des Vermögens nicht
überschreiten solle, was eine Braut oder Ehegattin zur selben Zeit hat, da sie
das Heirathgut bestellet.
[1, 3, § 2] 91. Solchemnach solle die Uebermaß niemalen in
der Eigenschaft eines Heirathguts bestehen können, sondern als eine aus bloßer
Freigebigkeit herrührende Schankung zwischen Eheleuten nach deme geachtet
werden, was davon in dem folgenen §. IV geordnet wird.
[1, 3, § 2] 92. Wovon Wir nur den alleinigen Fall
ausgenommen haben wollen, da das Vermögen der heirathenden Person so gering
wäre, daß dessen dritter Theil zu einem standesgemäßen Heirathgut nicht
zureichete, welchen Falls zu Beförderung einer anständigen Heirath sich auch
darüber bis auf die Hälfte des Vermögens einzulassen gestattet sein solle.
[1, 3, § 2] 93. Wann ein Heirathgut von einem Aufsteigenden,
welcher hierzu verbunden ist, bestellet wird, ist bloß darauf zu sehen, damit
der Pflichttheil der übrigen Notherben andurch nicht verkürzet werde.
Widrigens, und da nach Ableben eines solchen Aufsteigenden
sich durch Uebermäßigkeit des bestellten Heirathguts in Ansehung des
nachgelassenen Vermögens eine Verkürzung an dem Pflichttheil der übrigen
Notherben ergeben würde, muß ihnen auch der Abgang von dem Heirathgut nach Maß
dessen, um was sie durch dasselbe an dem Pflichttheil verkürzet worden,
vergütet werden.
[1, 3, § 2] 94. Außer deme beruhet die Bestimmung des mehr
oder minderen Betrags bei der Willkür der sich hierwegen Vergleichenden. Wo
sich aber deshalben, weilen entweder gar keines oder doch ein sehr geringes,
mit der Wohlanständigkeit nicht übereinkommendes Heirathgut mitgegeben werden
wollte, unter ihnen nicht geeiniget werden könnte, und es dahero auf die
richterliche Ausmessung ankäme, so hat das Gericht jedes Mal auf den
Landesbrauch, nach den Stand, Würde und Wesen der Personen, und auf die Kräften
des Vermögens des hierzu verbundenen Elterntheils zu sehen.
[1, 3, § 2] 95. Wann jedoch in Ermanglung eines
Landesbrauchs keine verläßliche Richtschnur daher zu erholen wäre, oder der
landesübliche Betrag die Kräften des Vermögens des hierzu verbundenen
Elterntheils überstiege, hat das Gericht auf dessen Vermögens-, Gewerb- und
Nahrungsstand, die mehrere oder mindere Anzahl der noch zu versorgen habenden
Kindern und mehr dergleichen zu erwägen billige Umstände die Rücksicht zu
nehmen, und nach vernünftigen Ermessen das Heirathgut zu bestimmen, oder durch
gütliche Wege die Parten über den Betrag zu vereinigen, dabei aber sich von
aller nachtheiligen Untersuchung des Vermögens zu enthalten.
[1, 3, § 2] 96. Endlich, wo Jemand, welcher zu Mitgebung
eines Heirathguts nicht verbunden ist, dasselbe bestellete, hanget es von
seiner eigenen Willkür ab, was für Ziel und Maß derselbe seiner Freigebigkeit
setzen wolle, wenn die Schankung nur also beschaffen ist, daß solche nach
Inhalt dessen, was davon in zweitem Theil, in siebentem Capitel geordnet wird,
zu Recht bestehen könne.
[1, 3, § 2] 97. Ein Heirathgut kann sowohl vor der Heirath,
als auch während der Ehe bestellet werden. Wo aber dessen Bestellung vor der
Heirath nicht geschehen, ist der Mann
(1-104) nicht mehr befugt, solche darnach anzubegehren, noch
weniger das Weib oder ihre Eltern darum gerichtlich anzusprechen.
[1, 3, § 2] 98. Es seie dann, daß ein minderjähriges Weib
ihr eigenes Vermögen unter der Verwaltung ihres Vormunds oder ihres Vaters
besitzete, und diese vor der Heirath ein Heirathgut zu bestellen verweigeret
hätten, welchen Falls dessen Ausmessung auch nach der Verehelichung mit Willen
des Weibs gerichtlich angesuchet werden mag.
[1, 3, § 2] 99. Wie aber die Bestellung des Heirathguts,
also kann auch dessen Vermehrung währender Ehe aus freier Willkür geschehen,
wann nur dabei mit Einrechnung des schon vorhin zum Heirathgut bestimmten
Betrags die oben vorgeschriebene Maß nicht überschritten wird.
[1, 3, § 2] 100. Ein Heirathgut kann entweder durch
lebzeitige oder letztwillige Handlungen bestellet werden.
Darüber pflegen insgemein schriftliche Eheberednissen,
Heirathsbriefe oder wie sonst immer Namen habende Verträge zwischen denen
Brautleuten selbst oder zugleich zwischen ihren Eltern, Vormünderen,
Befreundten oder auch Fremden, die das Heirathgut hergeben, errichtet zu
werden, wiewohlen eine Eheberedniß oder ordentlich zu Stande gebrachter
Heirathsvertrag auch ohne schriftlicher Urkunde giltig ist, wann solcher durch
Zeugen oder sonst genüglich erwiesen werden mag.
[1, 3, § 2] 101. die Eheberednissen und Heirathsbriefe
bestehen einerseits in dem Versprechen oder Beschreibung des Heirathsguts und
andererseits in dessen Annehmung mit oder ohne Gegenbestellung einer Widerlag,
deme noch verschiedene andere Nebenbedinge nach Willkür deren sich
Vergleichenden beigefüget zu werden pflegen.
[1, 3, § 2] 102. Die Bestellung des Heirathguts hat allemal
die Bedingniß auf sich, wann eine giltige Ehe erfolget
oder die bereits eingegangene giltig ist.
[1, 3, § 2] 103. Wann demnach die Ehe aus was immer für
Ursache mit oder ohne Schuld eines oder des anderen Theils nicht erfolget, oder
die schon angetretene Ehe wegen einer ehetrennlichen Hinderniß für ungiltig
erkläret, und sonach die vermeinte Eheleute geschieden worden, höret alles
Recht des Heirathguts dergestalten auf, daß nicht nur das versprochene nicht
begehret, sondern auch das schon übergebene und empfangene als ein von dem
anderen ohne Ursach vorenthaltenes Gut zurückgeforderet werden könne.
[1, 3, § 2] 104. Doch bleibet in jenem Fall, da aus Schuld
des einen Theils die versprochene Ehe nicht erfolget, oder der eine Theil vor
der Heirath die ehetrennliche Hinderniß, wegen welcher die Ehe nachhero
ungiltig erkläret worden, wohl gewußt und solche dem anderen verhehlet hat, dem
Hintergangenen sein Recht bevor, die Entschädigung und sonstigen Entgang an dem
Schuldigen anzusuchen.
[1, 3, § 2] 105. Außer vorbemelter, einem jeden Heirathgut
nach dessen Natur
(1-105) ohnzertrennlich anklebender Bedingniß der ohnfehlbar
erfolgenden oder wirklich schon bestehenden Ehe kann von Jenen, die ein
Heirathgut zu geben schuldig sind, bei dessen Bestellung ohne Einwilligung des
Bräutigams oder Ehemanns keine andere wie immer Namen habende Bedingniß
beigesetzet werden.
[1, 3, § 2] 106. Was aber auch mit Einwilligung des
Bräutigams oder Ehemanns ausbedungen wird, kann der Braut oder Ehegattin an
ihrem nach dem bestellenden Eltertheil dereinst zu gewarten habenden Erbtheil
zu keinem Schaden gereichen, wann durch derlei Bedinge sie an dem ihr
angebührenden Pflichttheil eine erweisliche Verkürzung oder sonstige
Beschwerung über die Natur des Heirathguts erlitte.
[1, 3, § 2] 107. Sie wäre dann großjährig und hätte dabei
ausdrücklich das unter so beschaffenen Bedingnissen bestellte Heirathgut auf
Abschlag ihres künftigen Erbtheils oder zu ihrer gänzlichen Abfertigung
angenommen.
[1, 3, § 2] 108. Umsoweniger kann in Fällen, wo ein Vater
oder Vormund aus den unter seiner Verwaltung habenden eigenen Mitteln einer
minderjährigen Tochter ein Heirathgut bestellet, auch mit Willen des Bräutigams
oder Ehemanns etwas ausbedungen werden, was derselben über die Natur eines
Heirathguts eine mehrere Beschwerde oder sonstigen Nachtheil zuziehen würde.
[1, 3, § 2] 109. Dahingegen stehet sowohl einer schon
großjährigen Braut oder Eheweib, als einem jedem anderen hierzu nicht
Verbundenen allerdings frei, bei Bestellung des Heirathguts was immer für
mögliche, sonst zulässige und weder denen Gesetzen noch guten Sitten
widerstrebende Bedingnissen und Nebenverträge beizufügen.
[1, 3, § 2] 110. Doch müssen derlei Bedinge gleich Anfangs
bei der Bestellung geschehen; dann widrigens, wo das Heirathgut unbedingt
bestellet worden, erwachset hieraus ein Recht, welches ohne Willen dessen, deme
es gebühret weder geänderet noch mit neuen Beisätzen beschweret werden kann.
[1, 3, § 2] 111. Also ist nach einmal bestellten Heirathgut
weder das Weib ohne Einwilligung des Manns, noch der Mann ohne Einwilligung des
Weibs und um so minder ein Dritter, der das Heirathgut bestellet, ohne
Einwilligung Beider befugt, ein neues Beding beizurucken oder das Anfangs
beigeruckte zum Nachtheil des einen oder anderen Theils abzuänderen.
[1, 3, § 2] 112. Auch die Eheleute für sich können die
Bedinge nicht änderen, welche von einem Dritten, der das Heirathgut hergegeben,
beigefüget worden, außer jenen, welche einzig und allein den selbsteigenen
Vortheil des einen oder anderen Theils zu Absicht haben, dessen sich Jedermann,
der sich sonst zu verbinden oder Verbindungen zu erlassen fähig ist, nach
eigenem Gefallen begeben kann.
[1, 3, § 2] 113. Diejenige Bedinge aber, welche sie selbst gegen
einander eingegangen, oder über ihr eigenes oder nachhero eigenthümlich
angefallenes Vermögen von ihren Vormünderen oder Eltern eingegangen worden,
können sie, wann selbe großjährig sind, mit beiderseitiger Einverständniß nach
Willkür änderen oder auch
(1-106) gar anwiederum einander erlassen, insoweit keines
Anderen hieraus erworbenes Recht andurch geschmäleret wird.
[1, 3, § 2] 114. Insgemein betreffen die dem Heirathgut
beigesetzte Bedinge und Nebenverträge dessen Gewinn oder Rückfall, wann das
Weib vor dem Mann oder der Mann vor dem Weib verstirbt.
[1, 3, § 2] 115. Wo aber nichts Anderes ausdrücklich
ausbedungen worden, solle das Heirathgut jedesmal dem überlebenden Theil
unwiderruflich gehören und verbleiben, also daß auf Vorsterben des Weibs dasselbe
der Mann gewinne, wann er sich nicht namentlich auf diesem Fall zu dessen
Zurückstellung an den Bestellenden oder dessen Erben oder an die Kinder oder
sonstige Erben des Weibs verbunden hat.
[1, 3, § 2] 116. Gleichwie gegentheils auf Vorsterben des
Manns das Heirathgut allemal zu dem Weib zurückzukehren hat, wann nicht etwann
ein Widriges wortdeutlich bedungen worden, daß es auf solchen Fall entweder bei
denen Kindern aus solcher Ehe oder bei anderen Erben des Manns verbleiben, oder
dem Bestellenden oder dessen Erben oder auch einem Dritten zukommen solle.
[1, 3, § 2] 117. Wann ein Heirathgut schriftlich oder
mündlich versprochen worden,
(1-107) ist an dem Versprechen allein nicht genug, sondern
es muß auch in der gebührenden Zeit dessen wirklicher Erlag erfolgen.
[1, 3, § 2] 118. Doch kann vor der Heirath auf dessen
Entrichtung noch nicht geklaget werden. Nach der Heirath aber ist zu
unterscheiden, ob eine Erlagsfrist verglichen worden oder nicht. Ersteren Falls
ist förderist die verglichene Frist abzuwarten.
[1, 3, § 2] 119. Letzteren Falls aber kann solches aus
Wohlanständigkeit vor Gericht nicht ehender gefordert werden, bevor nicht sechs
Wochen von Zeit der priesterlichen Trauung verstrichen sind.
[1, 3, § 2] 120. Nach deren Verlauf hingegen oder nach der
verglichenen Verfallzeit gebühret die Rechtsforderung wider Jenen, der das
Heirathgut bestellet hat, oder dessen Erben zu dessen Erlag, Uebergabe oder
Abtretung mit allen von der verglichenen Erlagszeit oder, da keine bestimmet
worden, von dem Tag der eingegangenen Ehe verfallenen Zinsen oder Früchten und
Nutzungen.
[1, 3, § 2] 121. Und zwar mit landesüblichen Zinsen, wo das
Heirathgut an baarem Geld oder einbringlichen Forderungen versprochen worden,
oder der Werth von zugeschätzten Sachen zu erstatten kommt. Mit Früchten und
Nutzungen aber von denen zum Heirathgut angewiesenen fruchtbringenden
beweglichen oder unbeweglichen Dingen oder nutzbaren Rechten.
[1, 3, § 2] 122. Der Rechtszwang gehet jedoch wider den
Beklagten nicht weiter, als auf das, was derselbe füglich thun kann, ohne sich
selbst dem äußersten Nothstand auszusetzen, also daß dem Beklagten allemal die
Rechtswohlthat der erweislichen Selbstbedürfniß zu Statten komme, und dieses
zwar denen leiblichen Eltern oder Großeltern der Eheleuten ohne Unterschied;
dahingegen Anderen nur damals, wann das Heirathgut aus ihrer bloßen
Freigebigkeit herrühret, und sie nicht schon aus einer vorhin bestandenen
Ursache zu eben denselben Betrag, welchen sie nachhero zum Heirathgut
bestellet, verbunden waren.
[1, 3, § 2] 123. Wo aber ein Heirathgut mit einem bestellten
Unterpfand landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben worden, bedarf
es keiner besonderen Rechtsforderung, sondern dem Ehemann stehet nach Verlauf
der oberwähnten Zeit frei, bei fruchtloser gütlicher Ermahnung die gerichtliche
Einführung in das ihme verschriebene Unterpfand zu nehmen, und sich dessen bis
zu seiner vollständigen Befriedigung zu halten.
[1, 3, § 2] 124. Die Uebergabe des Heirathguts geschieht an
baarem Gelde durch dessen wirkliche Zuzählung und an Fahrnissen durch deren
Ueberantwortung und anderseitige Annehmung, bei liegenden Gütern und hierauf
haftenden Rechten und Forderungen durch deren landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Verschreibung und Abtretung.
[1, 3, § 2] 125. Und da es sich zuweilen ereignet, daß in
dem Heirathsbrief die Zuzählung und der richtige Empfang des Heirathguts
bekennet und über dessen Empfang in Hoffnung der künftigen Zahlung schon zum
Voraus quittiret werde, obschon es noch nicht wirklich zugezählet und empfangen
worden, so solle jegleichwohlen eine solch voreilige Bekanntniß nicht hinderen,
daß nicht ohnerachtet der in dem Heirathsbrief enthaltenen Quittirung das
Heirathgut annoch geforderet werden könne.
[1, 3, § 2] 126. Doch mit folgendem Unterschied, daß, wann
der Mann binnen Jahr und Tag (das ist binnen einem Jahr und sechs Wochen) von
dem Tag der Verehelichung, obschon binnen dieser Zeit das Weib verstorben wäre,
nach dessen Tod ihme vermöge der Heirathsberedniß das Heirathgut zugefallen, dasselbe
gerichtlich
(1-108) begehret, derjenige, welcher das Heirathgut
bestellet, und hierüber quittiret worden, die wirkliche Zuzählung oder
Uebergabe zu erweisen habe.
[1, 3, § 2] 127. Wann aber das Heirathgut erst nach Jahr und
Tag von angetretener Ehe wider die eigene Quittung als unzugezählter geforderet
würde, so solle der Gegentheil, welcher das Heirathgut bestellet hat, von dem
Beweis der in dem Heirathsbrief bekannten und bescheinigten Zuzählung gänzlich
entbunden, Kläger aber, welcher vorgibt, daß ihme das Heirathgut nicht
zugezählet worden, dieses sein Vorgeben rechtsbeständig darzuthun schuldig
sein.
[1, 3, § 2] 128. Da jedoch der Empfang des Heirathguts nicht
in dem Heirathsbrief bekennet, sondern von dem Ehemann nach der Hand eine
absonderliche Quittung oder sonstige Urkunde zu Bescheinigung des Empfangs
ausgestellet worden, so ist sich in solchem Fall nach deme zu achten, was im
dritten Theil von anderen zum Voraus ausgestellten Quittungen geordnet wird.
[1, 3, § 2] 129. Diese Klage und Forderung wegen noch nicht
zugezählten und übergebenen Heirathguts höret aber auf, wann solches entweder
in denen Rechten für übergeben gehalten, oder von dem Bräutigam oder Ehemann
anwiederum seiner Braut oder Ehegattin zurückgeschenket wird, in welchem letzteren
Fall es in Absicht auf den Schenkenden einerlei ist, ob keine Zuzählung und
Uebergabe vorhergegangen oder erst das schon zugezählte oder übergebene
geschenket worden.
[1, 3, § 2] 130. Doch muß dergleichen Schankung in dem
nämlichen Heirathsbrief oder in einer anderen darnach gefertigten Urkunde
ausdrücklich enthalten, oder in andere Wege rechtsgenüglich erweislich sein,
und ihrer Giltigkeit sonst nicht im Wege stehen.
[1, 3, § 2] 131. An dem übergebenen Heirathgut erwirbt der
Mann das Eigenthum, welches aber nach Unterschied der Dingen, woran des
Heirathgut bestehet, entweder nach aufgelöster Ehe widerruflich oder
unwiderruflich ist.
[1, 3, § 2] 132. An baarem Geld und solchen Dingen, welche
in Handel und Wandel nach dem Gewicht, Zahl und Maß geschätzet werden, wie
nicht minder an abgetretenen Schuldforderungen und an allen in einem
angeschlagenen und bedungenen
(1-109) Werth zugeschätzter gegebenen sowohl beweglichen als
unbeweglichen Dingen, doch in Ansehung dieser letzteren nicht anderst, als mit
der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Uebergabe erlanget der Mann
das unwiderrufliche Eigenthum.
[1, 3, § 2] 133. Dieses hat die Wirkung, daß derselbe an
dergleichen Heirathgut allen Aufwand, Gefahr, Schaden und Verunglückung selbst
zu tragen, dahingegen auch die Befugniß habe, darmit nach eigenem Gefallen frei
zu schalten und zu walten, solches wie immer zu beschweren und zu veräußeren,
also daß nach ausgelöster Ehe das Weib oder Jener, an welchen in Kraft der
Eheberedniß das Heirathgut zurückzufallen hat, nicht eben dasselbe, was gegeben
worden, sondern an Geld und Feilschaften nur eben so Vieles von gleicher Güte
und Eigenschaft, als zum Heirathgut gegeben worden, und für andere zugeschätzte
Sachen lediglich den angeschlagenen Werth zurückforderen könne.
[1, 3, § 2] 134. Wir verordnen aber zur Sicherheit des
Handels und Wandels noch weiter, daß in Hinkunft keine Fahrnissen nach ihrer
Gestalt und Stückweise anderst als nach einer beiderseits beliebten
Schätzung zum Heirathgut gegeben werden sollen.
[1, 3, § 2] 135. Widrigens sind zwar solche auf dem Fall der
Zurückstellung des Heirathguts, wann sie noch bei dem Mann oder seinen Erben
vorhanden sind, in demjenigen Stand, in welchem sie vorgefunden werden,
anwiederum zurückzugeben.
[1, 3, § 2] 136. Dahingegen, wo selbe mittlerweil veräußeret
worden, kann dieserwegen kein dritter Besitzer angefochten, sonder nur der
Werth dafür, wie solcher gerichtlich geschätzet oder erwiesen, oder in
Ermanglung eines anderen Beweises mittelst gewissenhaften Anschlags beschworen
und in diesem letzteren Fall nach richterlichen Befund gemäßiget wird, von dem
Mann, oder dessen Erben zurückgeforderet werden, welcher auch damals gebühret,
wo sie außer der Abnützung aus erweislicher Gefährde oder Schuld des Manns oder
seiner Erben zu Schaden gekommen.
[1, 3, § 2] 137. An liegenden Gütern aber und anderen darauf
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich haftenden Rechten, wann solche ohne
Zuschätzung oder Bedingung des Werths zum Heirathgut bestellet worden, erwirbt
der Mann durch die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Uebergabe und
Abtretung nur ein widerrufliches Eigenthum, welches ihme bis zu dem sich
ergebenden bedungenen Rückfall des verschriebenen und übergebenen Heirathguts
hieran zustehet, sodann aber anwiederum ausgelöset wird.
[1, 3, § 2] 138. Dieses wirket so viel, daß dem Mann nicht
allein die Verwaltung des Heirathguts währender Ehe gebühre, sonder auch
derselbe alle von Zeit der eingegangenen Ehe bis zu dem Rückfall davon
abfallende wie immer Namen habende Früchten und Nutzungen, insoweit solche ohne
Schaden und Schmälerung des Guts und ohne Erschöpfung des künftigen gänzlichen
Nutzens behoben werden mögen, mit vollem Recht erwerbe und sein Eigen mache.
[1, 3, § 2] 139. Was aber dem Heirathgut dergestalten
zugehet, daß es mit demselben entweder durch die Natur, durch Zufall oder durch
das Recht unabtrennlich vereiniget werde, alles dieses, es bestehe in
körperlichen oder unkörperlichen Dingen, wächst dem Heirathgut zu und ist mit
demselben bei sich ereignenden Rückfall zurückzustellen, obschon die Nutzung
auch von diesem Zuwachs dem Mann für die Zeit der fortwährenden Ehe gebühret.
[1, 3, § 2] 140. Dagegen lieget dem Mann ob, in Verwaltung
des Heirathguts allen Fleiß, Sorgfalt und Vorsicht eines emsigen Hausvaters anzuwenden,
folglich ist er auch verbunden, für allen aus seiner Gefährde, großen oder
leichten Schuld hieran verursachten Schaden zu haften; für Zufall aber und die
geringste Schuld wird er nicht verfänglich.
[1, 3, § 2] 141. Hieraus fließt dessen weitere Schuldigkeit,
nicht nur das Heirathgut und alle demselben anklebende Rechten und
Gerechtigkeiten wider die Ansprüche
(1-110) Anderer bei Gericht zu vertheidigen und zu
verfechten, sondern auch alle zu Erhaltung des Heirathguts und dessen Rechten
erforderliche Rechtsmitteln gegen Jedermänniglich anzustrengen und auszuführen,
wie nicht minder die darwider laufende Verjährungen auf alle thunliche Weise zu
unterbrechen.
[1, 3, § 2] 142. Keineswegs aber ist derselbe berechtiget,
von einem solchen ungeschätzt empfangenen Heirathgut etwas zu veräußeren oder
solches zu verpfänden, zu beschweren oder was immer zu thun oder zu
unterlassen, woraus die Veräußerung, der Verlust oder einige Schmälerung oder
Beschwerung desselben erfolgete.
[1, 3, § 2] 143. Widrigens ist nicht allein ein dergleichen
Beginnen dem Weib oder demjenigen, welchem das Heirathgut seiner Zeit
zurückzustellen ist, ganz und gar unschädlich, sondern es muß auch der etwann
gleichwohlen an dem Heirathgut hieraus entstandene Schaden, Verminderung oder Abwürdigung
bei dem Fall dessen dereinstiger Zurückstellung von dem Mann oder dessen Erben
ersetzet werden.
[1, 3, § 2] 144. Was jedoch derselbe zu beharrlicher
Erhaltung und künftiger mehrerer Benutzung des Heirathguts erweislich hinein
verwendet, ist er auf dem Fall der Zurückstellung nicht weniger, wie nach
Ausmessung dessen, was davon in zweitem Theil seines Orts geordnet wird, ein
jedweder anderer zeitlicher Besitzer mit gutem Glauben zurückzuforderen befugt.
[1, 3, § 2] 145. Um aber auf den erfolgenden Rückfall der
Zurückstellung des
(1-111) Heirathguts nach Verschiedenheit der Fällen entweder
in dem gleichen Betrag oder an Werth desto gesicherter zu sein, solle dem
Bestellenden freistehen, entweder
(1-112) in dem Heirathsbrief oder sonsten sich hierwegen
eine genugsame Sicherheit mittelst Verschreibung eines sonderheitlichen
Unterpfands an einem liegenden Gut oder hierauf haftenden Recht auszubedingen.
[1, 3, § 2] 146. Doch giebt ihme dieses Beding für sich
allein noch kein dingliches Recht des Unterpfands an dem hierzu bestellten Gut,
sondern zu dem Ende muß der Heirathsbrief, worinnen das Unterpfand verschrieben
worden, oder die Versicherungsurkunde in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
da, wo das verschriebene Gut innelieget, einverleibet und darauf vorgemerket
werden.
[1, 3, § 2] 147. Andurch erlanget derselbe von dem Tag der
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Vormerkung das Pfandrecht an dem
verschriebenen Gut mit dem Vorzug vor allen später darauf vorgemerkten
Gläubigeren.
Vor Jenen aber, die schon früher auf eben diesem Gut
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret waren, hat das Heirathgut
kein Vorrecht.
[1, 3, § 2] 148. Ueberhaupt solle ein zur Versicherung des
Heirathguts bestelltes Unterpfand von denen für allgemein festgesetzten
Maßregeln keine Ausnahme noch einige mehrere Wirkung haben, als welche allen
anderen Pfandsverschreibungen in dem dritten Theil beigeleget wird.
[1, 3, § 2] 149. Umsomehr wollen Wir hiermit das in einigen
Landen nach denen vorigen Gesetzen dem Heirathgut eingeräumt geweste
stillschweigende Pfandrecht in Zukunft gänzlich abgestellet, und in Ansehung
eines dergleichen bei Einführung dieses Unseren Gesetzes allschon bestehenden
stillschweigenden Pfandrechts Jenes beobachtet haben, was deshalben in zweitem
Theil geordnet wird.
[1, 3, § 2] 150. Es kann dahero zur Sicherheit des
Heirathguts kein Pfandrecht anderst, als mittelst der landtäflichen, stadt-
oder grundbücherlichen Vormerkung auf dem verschriebenen Gut erworben werden,
sondern wo diese Vorsicht unterlassen worden, hat das Heirathgut allen
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicherten Forderungen nachzustehen.
[1, 3, § 2] 151. Gleichwie aber die Versicherung des
Heirathguts bei Braut- oder Eheleuten, welche freie Schalt- und Waltung mit dem
Ihrigen haben, ihrer eigenen Willkühr überlassen wird, also sind hingegen Jene,
unter deren Obsorge minderjährige sich verehelichende Weibspersonen stehen,
schuldig, auf ihre eigene Gefahr die Sicherstellung des Heirathguts zu bewirken
und solches längstens binnen sechs Wochen von Zeit der Verehelichung
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versichern zu lassen, widrigens sie,
falls vor geendigter Vormundschaft dasselbe gefährdet würde, allerdings dafür
zu haften haben.
[1, 3, § 2] 152. Die Versicherung des Heirathguts geschieht
insgemein an dem Vermögen des Manns entweder von ihme selbst, wann er die freie
Schalt- und Waltung hat, oder aber von dem Vater oder Vormund, unter deren
Verwaltung dessen Vermögen stehet, welche auch auf dem Fall, daß die Heirath
mit der väterlichen oder gerichtlichen Einwilligung für sich gegangen, durch
den Zwang Rechtens hierzu verhalten werden können.
[1, 3, § 2] 153. Es kann aber auch der Vater, Mutter,
Großeltern und jeder Fremder, wann er sonst sich zu verbinden fähig ist, aus
eigenen Mitteln das Heirathgut auf vorstehende Weise versicheren.
(1-113) [1, 3, § 2] 154. Wann jedoch der Mann zur
genüglichen Versicherung des Heirathguts kein eigenes hinreichendes Vermögen
hätte, so ist der Vater, die Mutter und die weitere Aufsteigende, wann die
Heirath mit ihrer Beistimmung geschehen, in derjenigen Maß, wie sie nach
Ausmessung des gleich nachfolgenden §. III zur Widerlage verbunden sind, das
Heirathgut, doch nicht weiter, als auf den landesüblichen Betrag zu versicheren
schuldig, wo es ohne ihrem merklichen Nachtheil
geschehen kann.
[1, 3, § 2] 155. Daferne aber zur Versicherung des
Heirathguts kein besonderes Unterpfand, sondern nur überhaupt all gegenwärtiges
und künftiges liegend und fahrendes Vermögen zur allgemeinen Hypothek
verschrieben worden wäre, so kann zwar ein so beschaffener Heirathsbrief oder
Versicherungsurkunde in Ermanglung einer sonderheitlichen Hypothek zur
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung und Vormerkung nicht
gelangen.
[1, 3, § 2] 156. Doch solle sowohl in diesem Fall, als auch,
da gar kein und also weder ein allgemeines Unterpfand verschrieben worden wäre,
dem Weib oder Jenem, der das Heirathgut für sie bestellet hat, freistehen, nach
der Hand dessen Sicherstellung an des Manns entweder zur Zeit des bestellten
Heirathguts schon gehabten oder nachher erworbenen Vermögen noch allzeit
anzusuchen.
[1, 3, § 2] 157. Welches entweder durch Erwerbung eines
gerichtlichen Pfandrechts an dem zu diesem Ende namentlich anzuzeigen habenden
Gut, wessen sich Kläger zu halten gedenket oder durch Anhaltung des Manns zur
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung einer
sonderheitlichen Hypothek erwirket werden kann.
In einem so anderem Fall aber
gebühret dem also versicherten Heirathgut der Vorzug nur vor denen später,
nicht aber auch vor denen früher vorgemerkten Forderungen.
[1, 3, § 2] 158.Wann hingegen sich wegen Sicherheit des
Heirathguts mit einer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen
Verschreibung nicht vorgesehen worden, so hat dasselbe weder eines
ausdrücklichen, noch weniger stillschweigenden Pfandrechts, folglich auch
keines Vorzugs vor denen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten
Forderungen zu genießen, sondern diesen allen als eine bloße briefliche oder sonst
persönliche Forderung nachzugehen.
[1, 3, § 2] 159. Wir wollen jedoch aus besonderer
Begünstigung dem unversicherten Heirathgut an denen nach Abzahlung aller
vorgemerkten Forderungen aus dem unbeweglichen Vermögen erübrigenden
Zahlungsmitteln und an allem noch vorhandenen fahrenden Gut den Vorzug vor
anderen bloßen brieflichen, oder sonst persönlichen Sprüchen und Forderungen in
jener Ordnung, die in viertem Theil in der Gant- oder Cridaordnung für dasselbe
ausgemessen wird, gnädigst verliehen und eingestanden haben.
[1, 3, § 2] 160. Dieser Vorzug aber kann demselben nicht
anderst zu statten kommen, als wann entweder durch untadelhafte Urkunden oder
Zeugen, oder im Fall eines halbständigen Beweises durch eidliche Erhärtung
dargethan wird, daß das Heirathgut dem Mann wirklich zugebracht und übergeben
worden seie.
[1, 3, § 2] 161. Dahingegen ist an der alleinigen Bekanntniß
des Manns zur Wirkung des Vorzugs vor anderen Gläubigeren nicht genug, noch
kann bei Entstehung alles anderen Beweises bloß dieserwegen das Weib zum
Ergänzungseid zugelassen werden, obschon eine solche Bekanntniß wider den Mann
und dessen Erben nichts destoweniger ihre Kraft hat.
[1, 3, § 2] 162. Der Rückfall des Heirathguts, wann
deshalben nichts anderes bedungen worden, ergiebt sich allemal nach aufgelöster
Ehe. Währender Ehe aber
(1-114) kann dasselbe insgemein nicht zurückgeforderet
werden, es hätte dann der Mann durch seine Untreue, durch allzuhartes Verfahren
oder durch boshafte Verlassung zur erfolgten gerichtlichen Sönderung von Tisch
und Bett Ursach gegeben, welchen Falls er auch die Nutzung des Heirathguts
verlieret.
[1, 3, § 2] 163. In dem Fall jedoch, wo das Weib oder Jene,
die sie zu vertreten haben, wegen kundbarer Verschwendung oder sonstiger
Abnahme des Vermögens des Manns eine mit Grund besorgende Gefährde des
unversicherten Heirathguts zu erweisen vermögeten, kann zwar dasselbe nicht
zurückgeforderet, wohl aber dessen hinreichende Sicherstellung oder anderweite
sichere Anlegung, doch allemal mit der dem Mann vorbehaltenen Nutzung
anbegehret werden.
[1, 3, § 2] 164. Desgleichen solle das Heirathgut währender
Ehe in Sicherheit gebracht werden, wann der Mann Verbrechens halber sein
Vermögen verwirket hätte, oder dasselbe zu handen der Glaubigeren in
gerichtlichen Beschlag gediehen wäre, um solches bei sich ergebenden Rückfall
Jenem, deme es gebühret, zurückzustellen, woferne es vorbemelter Maßen schon
vor anderen später angemeldeten Forderungen mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern seine Bedeckung hat oder außer derselben an dem noch nicht
behafteten Vermögen etwas erübriget.
§. III
[1, 3, § 3] 165. Gleichwie das Heirathgut dem Mann von dem
Weib zugebracht wird, also pfleget auch dieses dagegen von dem Mann insgemein
mit einer Widerlage des Heirathguts betrauet zu werden.
(1-115) [1, 3, § 3] 166. Durch diese Widerlage oder
Gegenvermächtniß wird also jenes verstanden, was der Mann oder seine Eltern
oder jemand Anderer anstatt seiner dem Weib insgemein als eine Gegenschankung
für das Heirathgut bestellet.
[1, 3, § 3] 167. Die Eigenschaft der Widerlage ist übrigens
mit jener des Heirathguts einerlei, außer daß das Heirathgut die Erleichterung
der Ehelasten an Seiten des Manns währender Ehe, die Widerlage aber die
Versorgung des Weibs nach aufgelöster Ehe zur Absicht habe.
[1, 3, § 3] 168. Aus dieser verschiedenen Absicht kann
sowohl das Heirathgut ohne Widerlage, als diese ohne einem vorher, zugleich
aber auch darnach bestellten Heirathgut bestehen.
[1, 3, § 3] 169. Doch ist die Bestellung der Widerlage aus
ihrem gemeinnützlichen Endzweck, damit unbemittlete Witwen versorget werden,
nicht weniger als die Bestellung des Heirathguts nicht allein eine allgemeine
Geziemung, sondern auch in Ansehung jener Personen, welche ihren Töchtern und
Enkelinnen ein Heirathgut mitzugeben verbunden sind, eine Schuldigkeit
gleichfalls für ihre heirathende Söhne
(1-116) und Enkeln eine Widerlage zu bestellen, wann solche
bei einer treffenden anständigen Heirath begehret wird.
[1, 3, § 3] 170. Bei jenen Heirathenden, welche ein eigenes
Vermögen und dessen freie Verwaltung haben, beruhet es in ihrer eigenen Willkür
eine Widerlage aus ihren Mitteln zu bestellen und zu bedingen.
[1, 3, § 3] 171. Da aber der heirathende Sohn unter der
Vormundschaft stünde oder ein eigenes Vermögen unter der Verwaltung des Vaters
hätte, und die väterliche oder die gerichtliche Einwilligung in die Heirath
erfolget wäre, hat sowohl der Vormund, als Vater die Widerlage aus dem Vermögen
des Sohns mit Genehmhaltung der obervormundschaftlichen Gehörde zu bestellen,
und, wo sie sich dessen ohne erheblicher Ursache weigereten, können sie auch
bei schon bestehender Ehe mit Willen des Manns darzu gerichtlich verhalten
werden.
[1, 3, § 3] 172. In Ermanglung eigenen Vermögens haben die
Eltern und Großeltern des heirathenden Sohns oder Enkels in derjenigen Ordnung,
wie sie nach Ausmessung des vorigen §. zur Ausstattung ihrer Töchter und
Enklinnen verbunden sind, die Schuldigkeit auf sich,
eine geziemende Widerlage zu bestellen.
[1, 3, § 3] 173. Und wo die Heirath mit ihrer oder des
Gerichts Verwilligung geschieht, sie aber sich zur Bestellung der Widerlage
ohne erheblicher Ursache nicht verstehen wollten, kann eben also wie es oben
von dem Heirathgut geordnet worden, die gerichtliche Vermittlung und Ausmessung
angesuchet werden.
[1, 3, § 3] 174. Von dieser Verbindlichkeit kann keine
andere Weigerungsursache entheben, als welche oben von n. 76 bis n. 79 von
Bestellung des Heirathguts entbindet.
Doch verstehet sich von selbsten, daß die Schuldigkeit zur
Bestellung der Widerlage allemal ein bedungenes Heirathgut voraussetze, dann wo
dieses nicht bestellet wird, kann auch keine Widerlage begehret werden.
[1, 3, § 3] 175. Wo aber eine Heirath ohne Einwilligung
desjenigen Elterntheils, welcher sonst zur Bestellung des Heirathguts oder der
Widerlage verbunden wäre, oder bei dessen unbilliger Weigerung ohne
gerichtlicher Genehmhaltung eingegangen worden, da höret auch die Schuldigkeit
sowohl zu dem Heirathgut als zur Widerlage auf.
[1, 3, § 3] 176. Ueber die aufsteigende Personen erstrecket
sich diese Schuldigkeit nicht auf Befreundte und umsoweniger auf Fremde, wann
sie sich nicht sonst darzu verbindlich gemacht haben.
Doch stehet auch Jenen, die hierzu nicht verbunden sind,
frei, aus Freundschaft und guten Willen eine Widerlage für den Mann zu bestellen,
welche solchen Falls als eine dem Mann und nach dessen Absterben dem Weib
gemachte Schankung anzusehen ist, wann nichts Anderes bedungen wird.
[1, 3, § 3] 177. Wo die Widerlage aus dem eigenen Vermögen
des Manns, es seie von ihme selbst oder, wo er noch minderjährig oder sonst in
der freien Schalt- und Waltung gehemmet wäre, von seinem Vater, Vormund oder
Gerhaben mit gerichtlicher Genehmhaltung bestellet wird, solle solche niemalen
den vierten Theil seines frei vererblichen Vermögens übersteigen.
[1, 3, § 3] 178. Doch also, daß in diesen vierten Theil der
Betrag des auch wirklich zugebrachten und bei dem Mann verbliebenen oder dem
Weib zurückgeschenkten Heirathguts nicht mit eingerechnet werde.
Was aber an der Widerlage den vierten Theil übersteiget, ist
als eine bloße Schankung zwischen Eheleuten nach Ausmessung des davon
handelnden §. IV anzusehen.
[1, 3, § 3] 179. Wann die Widerlage von einem darzu
verbundenen Aufsteigenden bestellet wird, darf der Pflichttheil der übrigen
Notherben andurch nicht verkürzet werden.
(1-117) Widrigens muß ihnen so viel davon ersetzet werden,
als denenselben dadurch an ihrem Pflichttheil erweislich abgehet.
[1, 3, § 3] 180. Ohne Verkürzung des Pflichttheils hingegen
hanget die Bestimmung des mehr oder minderen Betrags der Widerlage von der
freien Willkür der sich hierum Vergleichenden ab.
Wo sie aber sich darüber nicht vergleichen könnten, ist die
Widerlage nach den Betrag des Heirathguts und nach Umständen der Heirathenden,
doch also, daß die Schuldigkeit zur Widerlage sich niemalen über den
landesüblichen Betrag des Heirathguts erstrecke, wann sich auch solches höher
beliefe, auszumessen.
[1, 3, § 3] 181. Wann endlich Jemand, welcher nicht darzu
verbunden ist, eine Widerlage aus guten Willen bestellet, beruhet deren Betrag
bei seiner eigenen Freigebigkeit, woferne andurch niemand Anderer an seinem
Recht verkürzet und dabei jenes beobachtet wird, was in zweitem Theil in
siebentem Kapitel von Schankungen überhaupt geordnet ist.
[1, 3, § 3] 182. Es ist auch nicht nöthig, daß die Widerlage
allemal dem Heirathgut in ihrem Betrag gleich komme, sondern dieselbe kann in
etwas Wenigerem oder Mehrerem bestehen, wann nur jenes, was gleich vorhero
erwähnet worden, dabei beobachtet wird.
[1, 3, § 3] 183. Sie kann sowohl vor der Heirath als auch
währender Ehe bestellet und nach Gefallen beider Eheleuten vermehret oder
verminderet oder auch ganz erlassen werden.
Doch solle die Vermehrung der Widerlage mit Einrechnung des
schon vorhin darzu bestimmten Betrags den oben bemelten vierten Theil nicht
übersteigen.
[1, 3, § 3] 184. Wo aber die Bestellung der Widerlage vor
der Heirath nicht geschehen, kann das Weib solche nicht mehr begehren, außer
dem alleinigen oben n. 171 bemerkten Fall des hierein willigenden noch
minderjährigen Manns.
[1, 3, § 3] 185. Die Bestellung der Widerlage kann auf ganz
gleiche Art, wie jene des Heirathguts nach mehreren Ausweis des vorhergehenden
§. n. 100 und 101 geschehen, und sie enthält nicht weniger die stillschweigende
Bedingniß in sich, wann eine giltige Ehe erfolget oder
die bereits eingegangene giltig ist.
[1, 3, § 3] 186. Wann dahero die Ehe nicht erfolget oder die
eingegangene für ungiltig erkläret wird, kann so wenig die Widerlage, als
obbesagter Maßen das Heirathgut bestehen, sondern die Beschreibung ist null und
nichtig, und was etwann gegeben worden, kann anwiederum zurückgeforderet
werden.
[1, 3, § 3] 187. Uebrigens hat jenes, was von Beisetzung
anderer Bedingen und Nebenverträgen bei dem Heirathgut in vorigem §. von n.105
bis n. 113 geordnet worden, auch bei Bestellung der Widerlage statt.
[1, 3, § 3] 188. Wann aber nichts Anderes ausdrücklich
ausbedungen worden, solle die Widerlage dem überlebenden Theil zufallen, also
daß auf Vorsterben des Weibs selbe dem Mann verbleibe, gleichwie gegentheils
auf Vorsterben des Manns solche das Weib erwerbe.
[1, 3, § 3] 189. Doch muß die Widerlage allemal ausdrücklich
bedungen werden, und ist genug, daß sie versprochen oder verschrieben werde,
ohne daß währender Ehe das Weib deren Uebergabe forderen könne, sondern solche
bleibt für diese Zeit in dem Eigenthum des Manns, welcher auch, so lange er am
Leben ist, deren Verwaltung und Benutzung behält.
[1, 3, § 3] 190. Sie genießt aber so wenig als das
Heirathgut eines stillschweigenden Unterpfands an dem Vermögen des Manns, sondern
wann derselben eine sächliche Sicherheit verschaffet werden will, kann deren
Sicherstellung nicht anderst, als durch die landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Vormerkung auf ein namentlich zum Unterpfand verschriebenes
oder bestelltes Gut oder deme
(1-118) gleichendes Recht auf die nämliche Art, wie es oben
von Heirathgut geordnet worden, bewirket werden.
[1, 3, § 3] 191. In dessen Ermanglung gebühret der
Widerlage, sowie dem unversicherten Heirathgut nur allein das Vorrecht vor
anderen bloßen brieflichen oder sonst persönlichen Rechten und Forderungen nach
mehrerer Ausmessung der im vierten Theil vorkommenden Gant- oder Cridaordnung.
[1, 3, § 3] 192. Da aber der Mann in Abfall des Vermögens
geriethe, oder dasselbe wegen Verbrechens verwirkete, oder es zu Handen der
Gläubigeren in gerichtlichen Beschlag gediehen wäre, solle die Widerlage auf
Anlangen des Weibs in Sicherheit gebracht werden, wann selbe etwann schon
vorhero hinlänglich bedecket ist, oder sonst an dem noch nicht behafteten
Vermögen etwas übrig bleibt.
Auf die Nutzungen hingegen hat das Weib, so lang der Mann lebet, keinen Anspruch.
§. IV.
[1, 3, § 4] 193. Außer dem Heirathgut und der Widerlage
pflegen auch Eheleute sich einander mit Schankungen zu betreuen.
(1-119) Diese aber mögen zur Vermehrung des Heirathguts oder
der Widerlage oder auch für sich allein, ohne oder mit einem schon vorhero
verschriebenen oder zugebrachten Heirathgut oder Widerlage, durch Zusage und
Verschreibung oder durch Uebergabe, lebzeitig oder auf Todesfall geschehen, so
sollen solche niemalen, sie bestehen in einer oder mehreren einzlen Schankungen
an Seiten des Weibs mit Einrechnung des verschriebenen oder zugebrachten
Heirathguts, den dritten Theil ihres damals habenden Vermögens, an Seiten des
Manns hingegen mit Einbegriff der Widerlage, Leibgedings und witiblichen
Unterhalts den vierten Theil seines zur Zeit der Schankung besitzenden
Vermögens nicht übersteigen.
[1, 3, § 4] 194. Die Uebermasse, welche an Seiten des Weibs
den dritten und an Seiten des Manns den vierten Theil ihres zur Zeit der
Schankung habenden Vermögens übersteiget, bleibt nach Wohlgefallen des
Schenkenden sowohl durch lebzeitige Willensänderung, als durch letztwillige
Anordnung widerruflich.
[1, 3, § 4] 195. Da aber der Schenkende diese Uebermasse
weder auf eine noch die andere Art widerrufen hätte, solle die Schankung auch
mit der Uebermasse durch seinen Tod bestätiget sein und in Ansehung der
Uebermasse jene Wirkung haben,
(1-120) welche denen auf den Todesfall gerichteten
Schankungen und Uebergaben in zweitem Theil, in siebentem Kapitel, zweitem
Artikel zugeeignet wird.
[1, 3, § 4] 196. Dahingegen liegt sowohl dem Widerrufenden,
als dessen Erben, wann diese die Widerrufung ihres Erblassers darzeigen können,
der Beweis der vorgebenden Uebermasse ob, daß nämlich die Schankung den
obausgesetzten Betrag um so viel überstiegen habe.
[1, 3, § 4] 197. Wo nun dieses erweislich ist, hat die
Widerrufung die Wirkung, daß nicht nur die Uebermasse an dem Geschenkgeber
nicht anbegehret, sondern auch das schon Gegebene, was übermäßig ist,
anwiederum zurückgeforderet werden könne.
[1, 3, § 4] 198. Doch bleiben die mittlerweilige Nutzungen
von Zeit der Uebergabe bis zur Widerrufung dem Schanknehmer, und falls etwas
von dem geschenkten Gut von ihme veräusseret oder verzehret worden, hat er zwar
den Werth dafür zu ersetzen; es kommt ihme aber nicht allein die Rechtswohlthat
der Selbstbedürfniß zu statten, sondern er ist auch für Zufall nicht
verfänglich, sondern dieser schadet in Ansehung der Uebermasse dem Schankgeber
allein.
[1, 3, § 4] 199. Umsoweniger kann die Widerrufung einer
Schankung einem Dritten schädlich sein, der dasjenige, was einem Ehegatten von
dem anderen geschenket, und übergeben, oder mittelst gerichtlicher Vormerkung
versicheret worden, rechtmäßig an sich gebracht oder ein Recht daran erworben
hat, sondern es gebühret in solchem Fall dem Schenkenden nur ein persönlicher
Anspruch wider den Schanknehmer oder dessen Erben zu Wiedererstattung des
Werths der widerrufenen Uebermasse.
[1, 3, § 4] 200. Von dieser Widerrufung sollen jedoch
geringe von einem dem anderen Ehegatten gemachte Verehrungen, welche nach
richterlichen Ermessen das Vermögen des Schenkenden nicht schwächen,
ausgenommen sein, und in den obausgesetzten dritten oder vierten Theil des Vermögens
nicht eingerechnet werden können.
[1, 3, § 4] 201. Alle übrige Schankungen zwischen Eheleuten,
welche entweder an liegenden Gütern oder denenselben gleich geachteten Rechten
ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Uebertragung, Verschreibung
oder Versicherung, oder aber an beweglichen Gut und fahrenden Hab ohne
erweislicher Uebergabe geschehen, geben nur ein persönliches Recht zu der
geschenkten Sache, und obschon sie den obbestimmten Betrag nicht übersteigen,
haben selbe jegleichwohlen keines Vorzugs vor anderen wider den Schankgeber
zustehenden persönlichen Forderungen zu genießen.
[1, 3, § 4] 202. In Gegentheil sollen alle dergleichen
unvorgemerkte oder nicht übergebene, sondern in bloßer Zusage und Versprechen
bestehende Schankungen allen Gläubigeren des Schankgebers nachgesetzet, und
falls der Pflichttheil der Notherben nach Maß des zur Zeit des Absterbens
hinterbleibenden Vermögens andurch verletzet würde, dieser vorerst ergänzet
werden.
[1, 3, § 4] 203. Nur alle jene Schankungen zwischen
Eheleuten, welche namentlich zur Vermehrung des Heirathguts oder der Widerlage
geschehen, wann sie vorerwähnter Maßen den dritten oder vierten Theil des
damaligen ein- oder anderseitigen Vermögens nicht übersteigen, genießen nicht
allein auch ohne vorgeschriebener Hypothek des obeingeraumten Vorzugs vor
anderen unversicherten Gläubigeren, sondern sie können auch bei nachhero minder
ausfallendem Pflichttheil aus Ursach der Unpflichtmäßigkeit nicht angefochten
werden.
§. V.
[1, 3, § 5] 204. Ueber das, was ausdrücklich zum Heirathgut
oder zur Widerlage verschrieben und bestellet, oder freiwillig in der
obbestimmten Maß geschenket
(1-121) wird, hat ein Ehegatt zu dem Vermögen des anderen
währender Ehe keinen Anspruch.
(1-122) [1, 3, § 5] 205. Gegentheils bleibt einem jedwedem
Theil dasjenige, was derselbe bevor gehabt, mit allen davon abfallenden
Früchten und Nutzungen ohne Gemeinschaft
(1-123) mit dem anderen Theil eigen, und was währender Ehe
erworben oder ererbet wird, gehöret lediglich demjenigen Theil, welcher es
erwirbt oder ererbet.
[1, 3, § 5] 206. Es stehet dahero sowohl dem Mann, als dem
Weib, wann sie nicht minderjährigen Alters oder sonst aus anderer Ursache
darinnen beschränket sind, die freie Verwaltung ihres Vermögens zu, und hat
jeder Theil die Macht, mit dem Seinigen durch lebzeitige oder letztwillige
Handlungen zu ordnen.
[1, 3, § 5] 207. Nichtsdestoweniger kann ein Ehegatt sich zu
Gunsten des anderen durch freiwillige Verträge dieser ihme über das Seinige
zustehenden Befugnissen entweder in Ansehung der freien Verwaltung, oder der
Nutznießung, oder auch des Eigenthums und eigenthümlichen Erwerbung insoweit
begeben, als es hiernach geordneter Maßen zugelassen wird.
[1, 3, § 5] 208. Also kann ein Ehegatt dem anderen
ausdrücklich oder stillschweigend, in der Eheberedniß oder nachhero, auf
lebenslang oder auf eine gewisse bestimmte oder unbenannte Zeit, mit dem
Fruchtgenuß oder ohne demselben die Verwaltung seines ganzen Vermögens oder
eines Theils desselben unter Verrechnung oder ohne solcher auftragen, welches
zwar sich an Seiten des Manns, daß er selbe an das Weib übertrage, seltener,
desto gemeiner an Seiten des Weibs ereignet, daß von dieser die Verwaltung
ihres Vermögens an den Mann übertragen werde.
[1, 3, § 5] 209. Es möge jedoch die Verwaltung dem Mann von
dem Weib, oder dem Weib von dem Mann aufgetragen werden, so solle es bei deme
sein festes und unwiderrufliches Bewenden haben, was deswegen unter ihnen
verglichen zu sein durch unlaugbare Urkunden oder durch untadelhafte Zeugen
erweislich ist.
(1-124) [1, 3, § 5] 210. Wann dahero die Verwaltung des
weiblichen Vermögens dem Mann aufgetragen worden, kann ihme solche währender
Ehe oder vor Ausgang der bestimmten Zeit nicht benommen werden, wo nicht dessen
üble Gebarung erwiesen werden mag, welchem Falls dem Weib, wann sie die
wirkliche Schmälerung ihres Vermögens, oder doch die Gefahr derselben genugsam
darzeigen kann, auf ihr Begehren die an den Mann übertragene Verwaltung
anwiederum einzuräumen ist.
[1, 3, § 5] 211. Dahingegen, wo das Weib die Verwaltung
ihres Vermögens nur auf eine Zeit oder ohne Benennung einer Zeit, doch nicht
auf immer an den Mann übertragen hätte, stehet derselben frei, solche ersteren
Falls nach Verlauf der Zeit, letzteren Falls aber wann sie immer will, wieder
zu begehren.
[1, 3, § 5] 212. Ohne vorhergehenden ausdrücklichen Vertrag
ist zwar dem Mann nicht verwehret, sich der Geschäften des Weibs und der
Verwaltung ihres Vermögens, wann sie nicht darwider ist, anzunehmen, und er hat
eine stillschweigende Gewalt und Vollmacht in Vorfällen, die keine besondere
Vollmacht erforderen.
[1, 3, § 5] 213. Dem Weib bleibt aber bevor, der weiteren
Verwaltung des Manns zu allen Zeiten zu widersprechen, und ihr Vermögen selbst
zu verwalten.
Die Verwaltung des weiblichen Vermögens möge jedoch dem Mann
ausdrücklich oder stillschweigend überlassen sein, so ist derselbe nicht
weniger, wie ein jedweder anderer Befehlshaber oder Sachwalter fremder
Geschäften zur getreuen und nützlichen Gebarung verbunden, und für Gefährde und
Schuld in gleicher Maß wie jener verfänglich, worüber in drittem Theil die
Ausmessung folget.
[1, 3, § 5] 214. Umsoweniger ist derselbe befugt, sich die
Früchten und Nutzungen von dem verwaltenden weiblichen Vermögen zuzueignen,
sondern er ist schuldig, solche dem Weib erfolgen zu lassen, und Rechnung
darüber zu legen, wann ihme nicht zugleich nebst der Verwaltung dessen
Nutznießung ganz oder zum Theil auf Lebenszeit des Weibs oder auf eine gewisse
Zeit eingestanden worden.
Ueber jenes aber, was ihme an Nutzungen nicht überlassen worden, ist er jegleichwohlen Rechnung zu legen gehalten.
[1, 3, § 5] 215. Dann die alleinige, obwohlen ausdrückliche
Uebertragung der Verwaltung wirket nicht zugleich die Ueberlassung der
Früchten, so wie gegentheils die Ueberlassung der Nutzungen von dem ganzen oder
einem Theil des Vermögens die Macht, dasselbe zu verwalten, nicht nach sich
ziehet, welche demohngeachtet bei dem Weib verbleibet, wann sie nicht mit
zugleich oder darnach an den Mann übertragen worden.
[1, 3, § 5] 216. Wann aber der Fruchtgenuß an den Mann
überlassen worden, kann solcher so wenig, als die demselben aufgetragene
Verwaltung zuwider dem eingegangenen Beding von dem Weib widerrufen werden,
außer derselbe wäre entweder nur stillschweigend oder auch ausdrücklich, doch
nicht auf immer, sondern auf eine unbenannte Zeit, oder nur zum Theil, oder nur
auf eine gewisse Zeit ihme zugestanden worden, in deren ersterem Fall sie die
Früchten und Nutzungen zu allen Zeiten, in dem zweiten Fall aber von Zeit der
erweislichen Widerrufung, in dem dritten nur jene von dem nicht übertragenen
Theil, und endlich in dem vierten Fall von Verlauf der bestimmten Zeit forderen
kann.
[1, 3, § 5] 217. Damit jedoch in derlei Fällen, wo das Weib
von dem Mann ihr von ihm verwaltetes Vermögen zurückbegehret, über die
Verrechnung der mittlerweil behobenen Nutzungen zwischen Eheleuten, oder ein-
oder ander- oder beiderseitigen Erben keine beschwerliche und weit aussehende
Strittigkeiten entstehen mögen, so setzen und ordnen Wir hiermit, daß, wann der
Mann sich nicht ausdrücklich zur Verrechnung des verwalteten Vermögens
verbunden hat, derselbe oder dessen Erben zu nichts mehreren, als zur
letztjährigen Rechnung von dem Tag des gerichtlichen Belangens zurückzurechnen,
und zur Ausfolgung oder
(1-125) Ausweisung der in diesem letzten Jahr behobenen
Nutzungen verhalten werden solle, und somit auch nur für die letztjährige
Verwaltung, außer eines durch seine Gefährde oder Schuld vorhin an dem
verwalteten Gut selbst zugefügten Schadens verantwortlich seie.
[1, 3, § 5] 218. Was hingegen dem Weib oder ihren Erben über
ein Jahr zurück für die verflossene weitere Jahre der Verwaltung oder der
eingehobenen Nutzungen halber an dem Mann gebühren könnte, dieses Alles soll
für erlassen geachtet werden, und aller dieserwegen an dem Mann oder seiner
Verlassenschaft machen mögender Anspruch gänzlich aufhören.
[1, 3, § 5] 219. Ein Gleiches solle auch in Ansehung des
Weibs und ihrer Erben statthaben, wann der Mann oder dessen Erben die ihme nach
dem Beding überlassene, jedoch von dem Weib eingehobene Früchten und Nutzungen
an ihnen forderet, welchem Falls ihme oder dessen Erben nur die letztjährige
Ertragniß von dem Tag des gerichtlichen Belangens zurückzurechnen gebühret, all
älterer Rückstand aber für nachgelassen zu achten ist.
[1, 3, § 5] 220. Dahingegen bleiben die von Zeit des
gerichtlichen Belangens weiter laufende Früchten und Nutzungen, wie auch alle
andere von dieser Zeit bis zur gänzlichen Befriedigung angebühren mögende
rechtmäßige Forderungen dem klagenden Theil bevor, und hat die richterliche
Hilfe sich zugleich auch auf dieselben zu erstrecken, insoweit der Kläger
solche zu forderen befugt ist.
[1, 3, § 5] 221. Ohnerachtet aber der dem Mann übertragenen
Verwaltung, aber auch dem ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher
Vormerkung ihme überlassenen Fruchtgenuß behält das Weib jegleichwohlen Fug und
Macht, ihre eigenthümliche Sachen zu veräußeren, wann sie sonst in der freien
Schalt- und Waltung nicht beschränket ist.
[1, 3, § 5] 222. Hierdurch wird an Seiten des Manns sowohl
dessen Verwaltung, als der ihme bis dahin zugestandene Fruchtgenuß an dem
veräußerten Gut aufgelöset, und bleiben ihme nur die persönliche Sprüche wegen
des erweislichen Entgangs gegen dem Weib bevor.
[1, 3, § 5] 223. Wäre aber der Fruchtgenuß von liegenden
Gütern mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf den Mann übertragen
worden, kann auch die Veräußerung dieser behafteten Güter zum Nachtheil des
hierauf dem Mann versicherten Rechts keinen Fortgang haben.
[1, 3, § 5] 224. Dahingegen ist der Mann nicht berechtiget,
etwas von dem seiner Verwaltung mit oder ohne Nutznießung anvertrauten Gut des
Weibs, außer denen ihme überlassenen Nutzungen, ohne oder wider ihren Willen
auf was immer für Art zu veräußeren, zu verpfänden oder zu beschweren.
[1, 3, § 5] 225. Wo aber jegleichwohlen von ihme etwas
dergleichen unternommen würde, ist die Veräußerung liegender Güter und
landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten null und nichtig, bei
Fahrnissen und beweglichen Dingen hingegen ist sich nach deme zu richten, was
dieserwegen in zweitem Theil nach dem Unterschied der entgeltlichen oder
ohnentgeltlichen Erwerbungsursache, dann des guten oder üblen Glaubens an
Seiten des Dritten, welcher derlei Sachen an sich bringet, geordnet wird.
[1, 3, § 5] 226. Wiewohlen jedoch einem Weib die freie
Schalt- und Waltung mit ihrem Vermögen, insoweit sie sonst derselben fähig ist,
und sich solcher nicht gutwillig begeben hat, zukommt, so stehet
nichtsdestoweniger dem Mann zu, auf ihre gute oder üble Gebarung Obacht zu
haben, damit sie ihr Gut, besonders wann Kinder vorhanden sind, nicht
verschwende und versplittere.
[1, 3, § 5] 227. Wo nun eine schädliche Unwirthschaft an ihr
vermerket wird, ist sowohl dem Mann als denen ein- oder anderseitigen
Blutsfreunden verstattet, bei
(1-126) Gericht um den behörigen Einhalt der Verschwendung
oder üblen Gebarung einzukommen.
[1, 3, § 5] 228. Und da die angegebene Unwirthschaft von
Gericht befunden würde, solle, falls das Weib sich zu einem freiwilligen
Auftrag nicht verstehen wollte, die Verwaltung ihres Vermögens dem Mann, oder
bei fürwaltenden erheblichen Bedenken vorzüglich Jemandem von der Freundschaft,
oder auch in dessen Ermanglung einem Dritten nach vorläufiger
Vermögensbeschreibung und unter Verrechnung, dann anderen bei Anvertrauung
fremden Guts erforderlichen Vorsichten, jedoch mit Vorbehalt der dem Weib davon
gebührenden Nutzungen, wann solche nicht schon vorhin dem Mann von ihr
überlassen worden, gerichtlich aufgetragen werden.
[1, 3, § 5] 229. Diese gerichtlich, es seie mit oder wider
Willen des Weibs geschehene Uebertragung der Verwaltung solle bei Gericht
vorgemerket und gewöhnlicher Maßen öffentlich kundgemacht werden, wodurch das
Weib außer Stand gesetzet wird, ohne Einwilligung ihres Manns oder sonst verordneten
Beistands eine wie immer Namen habende zur Verminderung ihres Vermögens
abzielende Verbindung einzugehen.
[1, 3, § 5] 230. In allen Fällen, wo der Mann das von ihme
verwaltete Vermögen des Weibs ihr oder ihren Erben zurückzustellen hat, ist
derselbe ebenso, wie ein jedweder anderer Sachwalter, die Schadloshaltung für
das, was er aus dem Seinigen auf das Gut des Weibs erweislich verwendet, zu
begehren befugt, insoweit er die Nutzungen ordentlich verrechnet.
Für jene Zeit aber, für welche er die Nutzungen nicht
verrechnet, kann auch keine Schadloshaltung von ihme geforderet werden, außer
insoferne der nothwendige oder nützliche Aufwand sich erweislicher Maßen über
die behobenen Nutzungen beliefe.
[1, 3, § 5] 231. Was ein Ehegatt dem anderen durch was immer
für Bedinge und Verträge von dem Eigenthum seines Vermögens, es seie durch
lebzeitige Uebertragung oder auf Ueberleben unwiderruflich zueignet, dieses
solle an Seiten des Weibs mit Einrechnung des Heirathguts und dem Mann
gemachter Schankungen den dritten Theil ihres damals gehabten Vermögens, an
Seiten des Manns hingegen mit Einbegriff der Widerlage, witiblichen Unterhalts
und anderer dem Weib zugewendeter Schankungen den vierten Theil seines
damaligen Vermögens nicht überschreiten.
[1, 3, § 5] 232. Was aber einerseits den dritten und
andererseits den vierten Theil übersteiget, dieses bleibt sowohl durch
lebzeitige Handlungen, als durch letzten Willen widerruflich, wann es gleich in
der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket wäre.
[1, 3, § 5] 233. Dahingegen, wo der vorsterbende Ehegatt
diese Uebermaße weder auf eine noch die andere Art widerrufen hätte, wird
solche durch seinem Tod insoweit bestätiget, als sie ohne Nachtheil der
Glaubigeren und ohne Verkürzung des Pflichttheils bestehen kann.
[1, 3, § 5] 234. Doch leidet das Heirathgut, die Widerlage
oder Schankungen deswegen keine Verminderung, daß solche zur Zeit des
Absterbens den dritten oder vierten Theil des nachgelassenen Vermögens
übersteigen, wann sie nur zur Zeit, als sie geschehen,
nicht übermäßig waren.
(1-127) [1, 3, § 5] 235. Nur allein denen Handels-, Gewerbs-
und Bauersleuten solle verstattet sein, zu ihrer besseren Versorgung eine
unwiderrufliche Gemeinschaft ihrer beiderseitigen Güter über das ganze Vermögen
oder einen Theil desselben mit
(1-128) oder ohne Einbegriff dessen, was von ihnen währender
Ehe erworben und ererbet wird, zu errichten und einzugehen.
(1-129) [1, 3, § 5] 236. Wo aber dabei nicht namentlich
ausgedrucket ist, daß auch das ererbende unter der Gemeinschaft der Güter
begriffen sein solle, so erstrecket sich solche nicht auf Jenes, was einem oder
dem anderen Theil durch Erbschaften seinem Fleiß und Häuslichkeit erworben,
oder nach der gemeinen Redensart mit Mühe und Arbeit eroberet wird.
[1, 3, § 5] 237. Diese Gemeinschaft hat die Wirkung, daß dem
überlebenden Ehegatten die Halbscheide dessen, was ihme mit dem Verstorbenen an
dessen Vermögen gemein ware, zufalle, die andere aber denen entweder durch
letzten Willen berufenen oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zunächst
eintretenden Erben des Verstorbenen zukomme.
[1, 3, § 5] 238. Außerdeme änderet die Gemeinschaft des
Vermögens zwischen Eheleuten nichts an dem Eigenthum des ein- oder
anderseitigen Guts, so lang Beide am Leben sind, und werden auch liegende Güter
und anderes für unbeweglich geachtetes Vermögen des einen oder anderen Theils
mit keinem dinglichen Recht behaftet, wann nicht zugleich die errichtete
Gemeinschaft in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern eingetragen, auf denen
betreffenden unbeweglichen Habschaften vorgemerket und ein Ehegatt mit dem
anderen an das Eigenthum geschrieben worden.
[1, 3, § 5] 239. Solchemnach kann in diesem Fall ein Ehegatt
mit dem also behafteten unbeweglichen Gut ohne Einwilligung des anderen zum
Nachtheil der mit diesem
(1-130) bestehenden und darauf vorgemerkten Gemeinschaft
nichts ordnen, obschon es ihme für seinen Antheil unbenommen ist, mit solchem
nach Gefallen zu schalten und zu walten.
[1, 3, § 5] 240. Wo aber das unbewegliche Vermögen mit der
darauf vorgemerkten Gemeinschaft landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich nicht behaftet ist, so behält ein jeder Theil sowohl mit
diesem, als mit dem beweglichen Vermögen, ohnbehindert der mit dem anderen
bestehenden Gemeinschaft, die freie Schalt- und Waltung und Benutzung desselben,
also daß er es nach Belieben auch ohne Willen des Anderen rechtsbeständig
veräußeren oder beschweren kann, wann er sich sonst nicht durch andere Bedinge
der freien Verwaltung oder der Nutznießung begeben hat.
[1, 3, § 5] 241. Dann diese Gemeinschaft giebt vorbesagter
Maßen kein mehreres Recht, als auf die Hälfte dessen, was nach Vorsterben des
einen Ehegattens von deme, was nach dem eingegangenen Beding zwischen Beiden
gemein ware, übrig bleiben wird.
[1, 3, § 5] 242. Doch mit folgendem Unterschied, daß die
Hälfte von jenem unbeweglichen Vermögen, worauf die Gemeinschaft landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich vorgemerket worden, dem Ueberlebenden, welcher mit
an das Eigenthum geschrieben ist, mit vollem und freien Eigenthumsrecht
gebühre.
[1, 3, § 5] 243. Dahingegen erwirbt der Ueberlebende sowohl
an demjenigen unbeweglichen Vermögen, welches mit dieser Vormerkung nicht
behaftet ist, als an dem fahrenden Hab ohne Unterschied kein dingliches,
sondern nur ein persönliches Recht wider die Erben des Verstorbenen, ihme die
Hälfte des mit diesem gemein gehabten Vermögens auszufolgen.
[1, 3, § 5] 244. Welches zwar in jenem Fall keinem Anstand
unterlieget, wann die Gemeinschaft über alles sowohl gegenwärtig habendes, als
künftig erwerbendes oder ererbendes Vermögen eingegangen worden, weilen
solchergestalten Alles, was dem Verstorbenen angehörig ware, und in seiner
Verlassenschaft vorgefunden wird, für ein gemeines Gut mit dem Ueberlebenden zu
achten ist.
[1, 3, § 5] 245. Wo aber sich einer Gemeinschaft lediglich
in Ansehung des gegenwärtigen Vermögens und nicht auch namentlich der künftigen
Erwerbungen, oder nur des künftig erwerbenden und ererbenden und nicht des
gegenwärtigen Hab und Guts, oder endlich zwar des erwerbenden, nicht aber auch
des ererbenden Vermögens verglichen würde, in solchen Fällen ist zu Vorbeugung
aller nach Ableben des einen oder anderen Theils über Jenes, was von denen
nachgelassenen Mitteln unter das gemeinschaftliche Vermögen gehöre oder nicht,
entstehen mögenden Strittigkeiten erforderlich, daß allemal eine ordentliche
und verläßliche Beschreibung der ein- und anderseitigen Habschaften mit beider
Theilen Fertigung getreulich errichtet werde.
[1, 3, § 5] 246. Diese Beschreibung wirket so viel, daß in
dem ersten Fall, wo die Gemeinschaft nur über das gegenwärtige Vermögen
eingegangen worden, bloß allein das beschriebene Vermögen in die Gemeinschaft
und somit in die Theilung mit dem überlebenden Ehegatten gehöre, all Uebriges
aber, was in der Beschreibung nicht einkommt, außer der Gemeinschaft, folgsam
auch außer der Theilung mit dem Ueberlebenden verbleibe, und denen Erben des
Verstorbenen zukomme.
Für eine so beschaffene Gemeinschaft ist eine jede
anzusehen, welche nur überhaupt über das beiderseitige Vermögen errichtet und
darinnen des künftigen nicht gedacht wird.
[1, 3, § 5] 247. In dem zweiten Fall aber, wo die
Gemeinschaft ohne Meldung des gegenwärtigen über alles künftig erwerbendes und
ererbendes Vermögen errichtet worden, gehöret das beschriebene Vermögen nicht
zur Gemeinschaft, das übrige hingegen, was in der Beschreibung nicht enthalten
ist, solle ohne Ausnahme mit dem Ueberlebenden als ein gemeinsames Gut
getheilet werden.
(1-131) [1, 3, § 5] 248. Endlich in dem dritten Fall, wo die
Gemeinschaft sich nur auf das Erwerbende und nicht zugleich auch ausdrücklich
auf das Ererbende erstrecket, ist Alles, was nicht beschrieben, oder dem einem
oder anderem Theil durch Erbschaften oder Schankungen zugekommen zu sein durch
vollständige Proben erweislich ist, ohne fernerem Stritt für ein erworbenes
gemeines Vermögen zu halten.
[1, 3, § 5] 249. Ohne einer dergleichen verläßlichen
Beschreibung hingegen solle keine Gemeinschaft des beiderseitigen Vermögens
oder der künftigen Erwerbungen allein (wann solche nicht ausdrücklich auf das
gegenwärtige und künftige lautet) zu recht bestehen können, noch außer
derselben ein anderer Beweis, was in die Gemeinschaft gehöre oder nicht,
zugelassen sein, sondern die Gemeinschaft für nicht eingegangen gehalten
werden, folglich das nachgelassene Vermögen außer deme, was der Ueberlebende
hieran aus einem anderen Recht zu forderen hat, ohne Ausnahme denen Erben des
Verstorbenen zufallen.
[1, 3, § 5] 250. Wo aber eine ordentliche Gemeinschaft, es
seie des ganzen Vermögens oder eines Theils desselben mit dem Verstorbenen zu
recht bestanden, solle bei der gerichtlichen Abhandlung dem Ueberlebenden die
Hälfte dessen, was ihme mit jenem gemein ware, entweder in seiner Gestalt oder
in einem verglichenen oder geschätzten Werth mit leiblicher Uebergabe der
beweglichen und mit landtäflicher, stadt - oder grundbücherlicher Abtretung und
Uebertragung der unbeweglichen Dingen als ein außer dem Erbfolgrecht ihme
besonders zustehendes Gut ausgefolget werden.
[1, 3, § 5] 251. Doch verstehet sich von selbsten, daß, wo
die Gemeinschaft der Güter zwischen beiden Eheleuten auf alles Vermögen
überhaupt mit Einbegriff der künftigen Erwerbungen eingegangen worden, die von
dem Verstorbenen nachgelassene Schulden von seinem nachgebliebenen Vermögen
abzuziehen seind, und sodann erst von dem Uebrigen dem Ueberlebenden die Hälfte
angebühre.
[1, 3, § 5] 252. Wann hingegen die Gemeinschaft nur die
künftige Erwerbungen mit oder ohne Einbegriff der Ererbungen betroffen, sind
die von dem Verstorbenen gemachte Schulden von dem erworbenen Vermögen nicht
abzuziehen, sondern von dem eigenen Vermögen desjenigen, der die Schulden
gemacht hat, und wo dieses nicht zureichete, von dem, was von dem erworbenen
Gut nach aufgelöster Ehe auf seinen Antheil ausfallet, hintan zu fertigen.
[1, 3, § 5] 253. Es wären dann solche Schulden, welche
erweislicher Maßen zur gemeinen Nothdurft und Nutzen gemacht worden, mithin
auch von dem in Gemeinschaft erworbenen Vermögen vor der Absonderung mit dem
Ueberlebenden abzuziehen sind.
[1, 3, § 5] 254. Wann endlich die Gemeinschaft nur in
Ansehen des damals gehabten und nicht auch zugleich namentlich des künftigen
Vermögens errichtet worden, sind nur jene Schulden, welche von dem Verstorbenen
zur Nothdurft oder Nutzen des gemeinschaftlichen Guts gemacht worden, hiervon
vor der Theilung abzuziehen, alle übrige aber von dem eigenthümlich erworbenen
und bei dessen Unzulänglichkeit von dem auf den Verstorbenen kommenden Antheil
des gemeinschaftlichen Guts zu bestreiten.
[1, 3, § 5] 255. Von dieser Gemeinschaft des Vermögens
zwischen Eheleuten, wovon bishero gehandlet worden, ist alle andere Art der
Gemeinschaft unterschieden, welche sich zwischen ihnen in einzlen Sachen
zufällig, oder mit ihrem Willen ereignen kann, als da Beiden zusammen etwas
verschaffet oder geschenket, oder eine Schuld verschrieben oder von Beiden
zusammen etwas erkaufet oder in die Gesellschaft eines Handels oder Gewerbs
getreten wird.
Welchem Falls sich auf Jenes
bezogen wird, was in zweitem Theil von Sachen, welche mehreren gemein sind und
in drittem Theil von der Gesellschaft folget.
[1, 3, § 5] 256. Uebrigens kann die Gemeinschaft der Güter,
jedoch nur unter der
(1-132) obbenannten Gattung von Leuten, entweder in dem
Heirathsbrief oder durch ein nachheriges Beding, wann es sonst durch unlaugbare
Urkunden oder untadelhafte Zeugen erweislich ist, eingegangen werden.
Dahingegen solle weder ein unvollkommener Beweis, wann er auch halbständig
wäre, noch die Gemeinschaft der Güter unter einer anderen als der vorgedachten
Gattung der Leuten ohne Unserer besonderen höchsten Verwilligung zulässig sein.
§. VI.
[1, 3, § 6] 257. Nach aufgelöster Ehe gebühren dem
überlebenden Ehegatten an der Verlassenschaft des Verstorbenen folgende
Rechten, als das Witthumsrecht, welches auch anderst das Leibgeding oder der
wittibliche Unterhalt genannt wird.
(1-133) Das
Versorgungsrecht oder der ehegattliche Antheil aus dem Gut des Verstorbenen,
und endlich die Rechtsmitteln zur Habhaftwerdung aller und jeder zustehender
Heirathssprüchen.
(1-134) [1, 3, § 6] 258. Der wittibliche Unterhalt ist eine
Versorgung des Weibs nach Absterben des Manns, wodurch ihr auf Lebenszeit, so
lang sie in dem Wittibstand verbleibet, von dem Mann oder jemandem Anderen
anstatt seiner in dem Heirathsbrief oder mittelst eines nachherigen besonderen
Bedings zu ihrem Unterhalt ein gewisser jährlicher Betrag an Geld, Fruchtgenuß
eines Guts oder anderen Sachen bestellet und versicheret wird, worunter auch
die Wohnung, Einrichtung, Bedienung und andere dergleichen Bequemlichkeiten
begriffen sind, wann solche namentlich bedungen worden.
[1, 3, § 6] 259. Dieser unterscheidet sich von der Widerlage
hauptsächlich in deme, daß diese dem Weib auf Vorsterben des Mannes
eigenthümlich zufalle, dahingegen an dem Gut, wovon der wittibliche Unterhalt
bestellet und versicheret wird, derselben blos allein die Nutznießung in der
verschriebenen oder bedungenen Maß für die Zeit ihres Wittibstandes gebühre,
das Eigenthum aber denen Erben des Manns oder dem sonstigen Bestellenden
verbleibe.
[1, 3, § 6] 260. Die Maß des wittiblichen Unterhalts ist
zwar der eigenen Willkühr deren sich hierwegen Vergleichenden überlassen; doch
solle solcher, wo er aus dem Vermögen des Mannes bestellet wird, dessen vierten
Theil mit Einrechnung der Widerlage und sonstigen Schankungen nicht
übersteigen.
[1, 3, § 6] 261. Wir verordnen aber zu Gunsten des
wittiblichen Unterhalts, daß, obgleich solcher zur Zeit der Bestellung
übermäßig gewesen wäre, wann nachhero das Vermögen sich vergrößeret hätte,
dasselbe nicht wie es zur Zeit der Bestellung gewesen, sondern wie es sich zur
Zeit des Tods befindet, in Betracht genommen und also berechnet werden solle.
Dahingegen leidet der wittibliche Unterhalt deswegen keinen
Abbruch, wann derselbe zur Zeit der Bestellung nicht übermäßig ware, und das
Vermögen sich darnach verminderet hätte.
[1, 3, § 6] 262. Die Berechnung des wittiblichen Unterhalts
hat allemal also zu geschehen, daß, was hieran jährlich abzureichen kommt, es
bestehe in Geld oder Geldswerth, nach denen landesüblichen Zinsen oder
gemeingängigen Preis zu Capital gerechnet, zur Widerlage und zu denen
Schankungen zugeschlagen und solcher gestalten von dem nachgebliebenen Vermögen
des Verstorbenen in Abzug gebracht werde.
(1-135) [1, 3, § 6] 263. Was nun den vierten Theil des zur
Zeit der Bestellung gehabten Vermögens, wann solches nach der Zeit nicht
zugenommen, erweislich übersteiget, bleibet nach Willkühr des Bestellenden
widerruflich. Wo er es aber nicht widerrufen hätte, kann die Uebermaße nur
insoweit bestehen, als andurch weder die Glaubigere, noch der Pflichttheil der
Notherben verkürzet werden.
[1, 3, § 6] 264. Uebrigens kann der wittibliche Unterhalt
auf gleiche Art, wie die Widerlage, durch landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Vormerkung auf einem zur Hypothek verschriebenen liegenden Gut
oder anderen unbeweglichen Vermögen sichergestellet werden, in welchem Fall
derselbe allen später zur Vormerkung gekommenen Glaubigeren vorgehet.
[1, 3, § 6] 265. Wo aber wittibliche Unterhalt nicht
vorgemerket worden, hat solcher sich weder des der Widerlage vor anderen persönlichen
Forderungen eingeräumten Vorzugs zu erfreuen, sondern solle allen wahren
Glaubigeren des Verstorbenen ohne Unterschied nachgesetzet werden.
[1, 3, § 6] 266. Dieser Unterhalt nimmt insgemein nach
Verlauf der ersten sechs Wochen nach des Manns Tod seinen Anfang. Binnen denen
ersten sechs Wochen aber von Absterben des Manns solle die Wittib, wie vorhin
bei dessen Lebzeiten, aus der Verlassenschaft unterhalten werden, wann diese
Unterhaltung ohne Nachtheil der Glaubigeren oder nothwendiger Erben von dem
nachgelassenen Vermögen bestritten werden kann, oder die Wittib sich derselben
nicht freiwillig begeben hat.
[1, 3, § 6] 267. Damit aber der wittibliche Unterhalt
gebühre, muß eine wahre und giltige Ehe vorhergegangen sein, und ist genug, daß
die priesterliche Trauung erfolget, obschon der
Bräutigam vor der wirklichen Beiwohnung verstorben wäre.
[1, 3, § 6] 268. Auch einem vermeintlichen Eheweib, wann sie
die Ehe mit gutem Glauben für giltig gehalten, und solche bis zur Zeit des Tods
des Manns insgemein für rechtmäßig geachtet worden, gebühret der verschriebene
wittibliche Unterhalt, obschon der Mann von deren Ungiltigkeit Wissenschaft
gehabt hätte. Wo aber bei Lebzeiten beider vermeintlichen Eheleuten die Ehe für
ungiltig erkläret worden wäre, wird anmit auch das Beding und die Beschreibung
des wittiblichen Unterhalts entkräftet.
[1, 3, § 6] 269. Wann hingegen Eheleute aus erheblichen
Ursachen von Tisch und Bett geschieden werden, so bei Ausmessung des Unterhalts
für das Weib, so lang der Mann lebet, auf das bedungene Witthumsrecht nicht zu
sehen, sondern es hat bei deme sein Bewenden, was oben in zweiten Capitel, §.
IV von Unterhaltung eines geschiedenen Eheweibs geordnet worden.
[1, 3, § 6] 270. Ist eine Wittib schwanger verlassen worden,
und würde solches behörig anzeigen, so solle derselben ohne Abbruch ihrer
Heirathssprüchen oder ehegattlichen Antheils der Unterhalt so, wie bei
Lebzeiten des Manns, währender ihrer Schwangerschaft bis sechs Wochen nach der
Niederkunft aus der Verlassenschaft abgereichet, und alle Unkosten daher
bestritten werden.
[1, 3, § 6] 271. Bis dahin bleibt der wittibliche Unterhalt
ausgesetzt, und nimmt erst nach Verlauf der sechs Wochen von der Niederkunft
seinen Anfang, wann die Wittib sich nicht ehender freiwillig der ihr aus der
Verlassenschaft angebührenden Unterhaltung verziehen hätte.
[1, 3, § 6] 272. Die angebliche Schwangerschaft muß in
Ermanglung sichtbarer Zeichen allemal durch das Zeugniß geschworner Hebammen
erwiesen werden, und wo sich die Wittib ohne Gefährde schwanger zu sein
ausgegeben, obschon hernach befunden würde, daß sie nicht schwanger gewesen
seie, ist dieselbe zu keinem Ersatz dieses mittlerweile genossenen Unterhalts
verbunden.
[1, 3, § 6] 273. Würde sie aber einer dabei gebrauchten
Gefährde überwiesen werden können, so ist selbe das zur Ungebühr Genossene zu
ersetzen oder sich von ihren Heirathssprüchen abziehen zu lassen schuldig, wie
dann auch, um zu verhüten,
(1-136) damit
die Niederkunft nicht etwann fälschlich vorgegeben, und kein fremdes Kind unterschoben
werde, denen Erben oder Anderen, welchen daran gelegen ist, freistehet, von
Gericht aus zwei oder mehrere ehrbare Weiber bestellen zu lassen, um auf die
Wittib ein obachtsames Aug zu haben, und der Niederkunft seiner Zeit
beizuwohnen.
[1, 3, § 6] 274. Der wittibliche Unterhalt kann nur damals,
wann selber bedungen oder verschrieben worden, und niemalen mehr, als was
bedungen oder verschrieben ist, geforderet werden. Wo aber solcher bedungen
worden, muß auch derselbe in denen darzu bestimmten oder sonst landesüblichen
Fristen und in der ausgesetzten Maß richtig abgeführet und entrichtet werden.
[1, 3, § 6] 275. Wäre aber zu dem wittiblichen Unterhalt der
Genuß eines Guts, Hauses oder anderen Grundes, oder eines auf Zinsen angelegten
Capitals bestimmet worden, so hat die Wittib davon den Nießbrauch und somit
Alles, was ein anderer Nutznießer nach dem Recht genießen kann, so lange sie am
Leben ist und in dem Wittibstand beharret.
[1, 3, § 6] 276. Wann der Wittib die Wohnung in einem Hause,
wie auch die Unterhaltung einer gewissen Anzahl Pferden, Bedienten und Anderes
in seiner Gestalt und Wesenheit verschrieben worden, kann selbe dafür den
Betrag an Geld nicht forderen, sonderen sie hat sich mit deme, was ausgemessen
worden, oder in Ermanglung einer ausdrücklichen Ausmessung mit demjenigen, was
nach Nothdurft und Standesgebühr gerichtlich bestimmet wird, zu begnügen.
[1, 3, § 6] 277. Gleicher gestalten, wo für die Wohnung oder
auch Unterhaltung von Pferden und Bedienten ein Gewisses am Geld ausgesetzet worden,
hat es bei dem ausgeworfenen Geldbetrag sein Verbleiben, die Wittib möge
ebensoviel, mehr oder weniger darauf verwenden.
[1, 3, § 6] 278. Wo aber etwas, es seie die Wohnung oder
eine andere Bequemlichkeit, der Wittib entweder in seiner Gestalt oder in einem
bestimmten Geldbetrag bestellet worden, so hat sie die Auswahl, wann solche
nicht denen Erben ausdrücklich vorbehalten worden.
[1, 3, § 6] 279. Der wittibliche Unterhalt währet so lange,
bis die Wittib verstirbt oder sich wieder verehelichet, oder sich dessen
freiwillig begiebt, oder endlich sich aus denen in zweitem Theil, zwanzigstem
Capitel, fünftem Artikel, §. XXIII angeführten Ursachen, wegen welcher
überhaupt ein Ehegatt seines ehegattlichen Antheils verlustiget wird, oder auch
durch ihr unzüchtiges Leben unwürdig macht.
[1, 3, § 6] 280. Wann aber gar keine Eheberedniß vorhanden
ist, gebühret dem
(1-137) überlebenden Mann oder Weib der ehegattliche Antheil
aus der Verlassenschaft des verstorbenen Ehegattens, wovon in zweitem Theil an
gleichbemelter Stelle ausführlich gehandlet wird.
[1, 3, § 6] 281. Alle übrige dem überlebenden Ehegatten nach
aufgelöster Ehe aus
(1-138) denen
Heirathssprüchen gebührende Rechte sind schon vorhero berühret worden. Diese
bestehen an Seiten des überlebenden Manns in Gewinnung des Heirathguts, wo
nichts Anderes deshalben bedungen worden, und an Seiten des überlebenden Weibs
in dem Rückfall des Heirathguts, Gewinnung der Widerlage und des wittiblichen
Unterhalts.
So ein als andererseits aber in Erwerbung der von dem verstorbenen
Ehegatten gemachten und mit seinem Tod bestätigten übermäßigen Betreuungen und
Schankungen, insoweit die Uebermaße weder zum Nachtheil der Glaubigeren, noch
zur Verkürzung des Pflichttheils gereichet.
[1, 3, § 6] 282. Zu Erlangung dessen, was dem überlebenden
Ehegatten aus denen Heirathssprüchen gebühret, kommen ihme die rechtliche
Hilfsmitteln zu statten, welche nach dem Unterschied des erworbenen oder nicht
erworbenen Eigenthums, des erhaltenen oder nicht erhaltenen Besitzes, der
bewirkten oder nicht bewirkten Vormerkung und Einverleibung der Heirathsbriefen
oder anderen mit dem verstorbenen Ehegatten eingegangenen Bedingen verschieden
sind.
[1, 3, § 6] 283. Wann das Heirathgut dem Mann an liegenden
Gütern, oder anderen für unbeweglich gehaltenen Vermögen mit der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern abgetreten oder an Fahrnissen ordentlich übergeben
worden, und er bei Absterben des Weibs sich in dessen Besitz befindet, hat er
keiner anderen Rechtsmitteln nöthig, als welche überhaupt einem jedweden
Besitzer zur Vertheidigung seines Besitzes und Eigenthums gebühren.
[1, 3, § 6] 284. Falls aber derselbe nicht in dem Besitz
desselben wäre, stehet ihme die Eigenthumsklage und alle sonstige zu Erlangung
des Besitzes hergebrachte Behelfe wider die Besitzere der ihme zum Heirathgut
übergebenen oder abgetretenen Sachen zu.
[1, 3, § 6] 285. Wie dann auch ihme unbenommen ist, das an
liegenden Gütern oder landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderungen
bestellte Heirathgut, wann es bei Lebzeiten des Weibs demselben mit der
Landtafel-, Stadt- oder Grundbüchern nicht abgetreten worden, auch noch nach
ihrem Tod, jedoch ohne Schaden und Nachtheil deren immittelst früher darauf
versicherten Haftungen (wegen welcher aber ihme die Schadloshaltung an des Weibs
Erben anzusuchen bevorstehet) vormerken zu lassen, und sich anmit in dessen
rechtlichen Besitz zu setzen, wann sonst der Heirathsbrief die zur
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage nöthige Erfordernissen
hat.
[1, 3, § 6] 286. Wäre aber der Heirathsbrief mit
gleicherwähnten Erfordernissen nicht verstehen oder das Heirathgut an Geld oder
anderen Fahrnissen ohne einem verschriebenen Unterpfand bestellet, jedoch nicht
übergeben worden, so hat der Mann
(1-139) bloß
allein eine persönliche Rechtsforderung wider die Erben des Weibs oder
Denjenigen, der das Heirathgut für das Weib bestellet hat, zu Bezahlung des
versprochenen und ihme durch Vorsterben des Weibs zugefallenen Heirathguts mit
allen davon vertagten Zinsen, Früchten und Nutzungen.
[1, 3, § 6] 287. Wann hingegen demselben zur Sicherheit des
Heirathguts ein Unterpfand verschrieben und dieses vor oder nach Absterben des
Weibs darauf vorgemerket worden, hat er sich seiner Hypothek, insoweit solche
zureichet, zu halten und da diese zu seiner Befriedigung nicht zulänglich wäre,
des Abgangs halber mit der persönlichen Rechtsforderung wider die Erben des
Weibs oder den Bestellenden zu verfahren.
[1, 3, § 6] 288. Welches Alles jedoch nur von dem Fall zu
verstehen ist, wann wegen Zuruckgabe des Heirathguts auf Vorsterben des Weibs
nichts Anderes bedungen worden.
Wo aber auch nach Inhalt des Vertrags das Heirathgut ihme
nach Absterben des Weibs nicht zufiele, bleiben demselben nichtsdestoweniger
wegen der für die Zeit der fürgewährten Ehe verfallenen Zinsen, Früchten und
Nutzungen alle Sprüche und Forderungen bevor.
[1, 3, § 6] 289. Dem Weib fallt nach Vorsterben des Manns
das ihme an unbeweglichen Vermögen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
abgetretene oder an Fahrnissen übergebene Heirathgut, insoferne diese in seiner
Verlassenschaft annoch vorhanden sind, ebensowohl als Dasjenige, was ihr auf
Ueberlebungsfall zur Widerlage mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern zum
Eigenthum verschrieben worden, ohne weiters eigenthumlich zu.
[1, 3, § 6] 290. Wo ihr aber zur Sicherheit des Heirathguts,
Widerlage und des wittiblichen Unterhalts eine Hypothek verschrieben, und ihre
Heirathssprüche mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vor oder nach
Absterben des Manns darauf vorgemerket worden, so hat sich dieselbe dieses
Unterpfands nach dessen Zulänglichkeit zu halten.
Was hingegen daher nicht zu erholen oder mit keiner solchen
Sicherheit bedecket ist, kann sie nicht anderst als mittelst persönlicher
Rechtsforderung von denen Erben des Manns oder Demjenigen, welcher sich hierzu
verbunden hat, einbringen.
[1, 3, § 6] 291. So viel es endlich die einem von dem
anderen Ehegatten gemachte Schankungen und Betreuungen anbelanget, so hat der
Schanknehmer in Ansehung jener, welche ordentlich übergeben und verschrieben
worden, insoweit sie schon bei Lebzeiten in der erlaubten Maß zu Recht
bestanden, ohnedies das Eigenthum erworben, folglich bedarf derselbe auch
keiner weiteren Rechtshilfe.
[1, 3, § 6] 292. An der Uebermasse hingegen, welche durch
den Tod des Schankgebers bekräftiget wird, erlangt der Ueberlebende das
unwiderrufliche Eigenthum, insoferne andurch weder denen Glaubigeren des
Verstorbenen, noch dem Pflichttheil des Notherben geschadet worden.
[1, 3, § 6] 293. Ist aber die Uebergabe oder Abtretung des
Geschenkten nicht geschehen, so ist zu unterscheiden, ob zu dessen Sicherheit
ein Unterpfand bestellet worden oder nicht. Ersteren Falls hat der Schanknehmer
sich der verschriebenen Hypothek zu halten; letzteren Falls hingegen gebühret
ihme nur die persönliche Rechtsforderung wider den Schankgeber und dessen
Erben, doch in beiden Fällen nicht weiter, als die Schankung zu Recht bestehen
kann.
(1-140) Caput IV.
Von der Verwandtschaft.
Inhalt:
§. I. Von der Verwandtschaft überhaupt. §. II. Von
Verschiedenheit der Verwandten. §. III. Von den Staffeln der Verwandtschaft. §.
IV. Von den Rechten der Verwandten.
§. I.
[1, 4, § 1] Num. 1. Durch die Ehe werden Geschlechter
fortgepflanzet und mittelst derselben alle Diejenige, welche zu einem
Geschlecht gehören, durch ein gemeinsames von einerlei Stammvater herrührendes
Blutband untereinander verknüpfet, welches sie aller diesem Geschlecht
zustehender Vorrechten theilhaftig macht, und durch die Verwandtschaft in der
eigentlichen Bedeutung verstanden wird.
[1, 4, § 1] 2. In ihrem weitesten Verstand aber begreift die
Verwandtschaft überhaupt auch die rechtliche und die geistliche.
Die rechtliche Verwandtschaft ist eine bloße Nachahmung der
natürlichen, welche aus Jemandens Annehmung an Kindsstatt entstehet, und in dem folgendem Capitel vorkommen wird. Die geistliche
Verwandtschaft hingegen entspringet zwischen gewissen
Personen aus der Taufe oder Firmung und gehöret zum geistlichen Recht.
[1, 4, § 1] 3. Allhier wird nur von der natürlichen
Verwandtschaft des Geblüts gehandlet, welche ein gemeinsames Blutband ist,
wodurch mehrere von einerlei Stammen absteigende Personen mittelst der
ehelichen Fortpflanzung untereinander verknüpfet sind.
[1, 4, § 1] 4. Hierdurch wird jene Verwandtschaft
ausgeschlossen, welche aus unehelicher Erzeugung entstehet, und außer der
Verbindlichkeit der natürlichen Eltern zum Unterhalt solcher Kinder in Absicht
auf die weiteren sowohl väterlichen als mütterlichen Verwandten nach Unseren
Gesetzen keine Wirkung hat.
(1-141) [1, 4, § 1] 5. Die rechtmäßige Verwandtschaft und
die darunter begriffenen Personen pflegen auch anderst unter dem Namen der
Blutsfreundschaft, der Sippschaft, der Befreundten oder Angehörigen und mehr
dergleichen allgemeinen Ausdrücken verstanden, und nach Umständen bald in einer
weiteren, bald in einer engeren Bedeutung genommen zu werden, nachdeme die
Rechten der Verwandtschaft, um welche sich handlet, nach dem Sinn der Gesetzen
oder nach dem Willen und Meinung des sich also Ausdrückenden mehreren oder
wenigeren Personen zu statten kommen.
[1, 4, § 1] 6. Es sind dahero mehrerlei Gattungen der
Verwandten, entweder nach dem Unterschied der Reihen oder Linien, oder nach dem
unterschiedenen Geschlecht der Person, durch welche sie verwandt sind, und jede
dieser Linien hat ihre Grade oder Staffeln, nach welchen die Vorrechte der
näheren vor denen weiteren abgemessen werden. Es werden solchemnach zuerst die
Gattungen der Verwandten, sonach die Staffeln oder Grade der Verwandtschaft,
und schließlichen die Vorrechte der Verwandten erkläret.
§. II.
[1, 4, § 2] 7. Alle, welche einander mit Blutsfreundschaft
beigethan, sind entweder absteigende, aufsteigende oder Seitenverwandten. Diese
werden durch Reihen oder Linien unterschieden.
(1-142) [1, 4, § 2] 8. Durch eine Linie wird nichts Anderes als eine Sammlung mehrerer
einander verwandter Personen verstanden, also, daß nur eine Person sich zwar in
einer deren Linien befinde, und auch der Anfang, das Mittel oder das Ende der
Linie seie, niemalen aber für sich allein betrachtet eine Linie ausmachen könne,
sondern zur Linie allzeit mehrere Personen erforderet werden.
[1, 4, § 2] 9. Die Linien theilen sich in gerade oder
Seitenlinien.
Die gerade Linie ist anwiederum zweierlei:
Eine enthält die Absteigenden, welche von Anderen gezeuget
worden, als Kinder, Enkeln, Urenkeln u. s. w. abwärts, also, daß allzeit von
dem Erzeugenden auf den Erzeugten gerad hinabgeschritten werde.
Die andere begreift die Aufsteigenden, welche Andere
gezeuget haben, als Vater, Mutter Großeltern, Urgroßeltern u. s. w. aufwärts,
dergestalten, daß allemal von dem Gezeugten auf den Erzeugenden gerad
hinaufgeschritten werde.
[1, 4, § 2] 10. Die Zwerg- oder Seitenlinie enthält die
Seitenverwandten, welche zwar von einem gemeinen Erzeuger abstammen, nicht aber
von einander gezeuget worden, als Brüder, Schwestern, derenselben Kinder und
Kindeskinder, dann auch Vaters oder Mutter Bruder, Schwestern und Diejenige,
welche von diesen abstammen u. s. w. hinauf oder herunter.
[1, 4, § 2] 11. Jedwede Linie wird in Grade oder Staffeln
untertheilet. Durch diese wird der Abstand einer Person von der anderen,
welcher durch die Erzeugung geschieht, angedeutet, um die Nähe oder Weite der
Verwandtschaft einer Person mit der anderen daraus abzunehmen.
[1, 4, § 2] 12. Gleichwie aber Einer dem Anderen entweder
durch eine Mannsperson oder durch eine Weibsperson verwandt ist, also fließt
auch hieraus der Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen
Verwandtschaft, welcher insonderheit bei adeligen Geschlechteren wegen
verschiedener dem Mannsstammen vor denen weiblichen Verwandten zukommenden
Vorzügen und Vorrechten wohl zu bemerken ist.
[1, 4, § 2] 13. Der Mannsstammen begreifet
diejenige Manns- und Weibspersonen in absteigender Linie, welche von einem Mann
als gemeinsamen Stammvater in ununterbrochener Männerreihe abstammen.
In aufsteigender Linie nur diejenige Mannspersonen, die von
dem Vater in ununterbrochener Männerreihe weiter aufsteigen.
Und endlich in der Zwerg- oder Seitenlinie diejenige
Seitenverwandte, Manns- und Weibspersonen, welche von einem gemeinen Stammvater
in ein so andererseits ununterbrochener Männerreihe ihre Abkunft haben, also
daß in allen dreien Ordnungen kein Weib dazwischen komme, von welcher die
Verwandtschaft zwischen denen Personen, um welche die Frage ist, allein
abgeleitet würde.
[1, 4, § 2] 14. Dahingegen gehören die von Weibern
absteigende und die von der Mutter weiter aufsteigende, sowie alle mütterliche
Seitenverwandten nicht mehr zu dem Mannsstammen, wann sie gleich männlichen
Geschlechts oder nach einmal unterbrochener Männerreihe durch einen Mann
befreundt wären, weilen die Männerreihe durch ein darzwischen kommendes Weib
unterbrochen wird.
[1, 4, § 2] 15. Nicht einmal gehöret die Mutter zum
Mannsstammen, sondern sie ist der Anfang der weiblichen, wie der Vater der
männlichen Verwandtschaft oder des Mannsstammes. Ebensowenig erstrecket sich
der Mannsstammen auf die von dem Vater, obschon in ununterbrochener Männerreihe
weiter aufsteigende Weibspersonen, als die väterliche Ahnfrau, Urahnfrau u. s.
w., weilen sie eben auch jede in ihrer Ordnung der Anfang der weiblichen
Verwandtschaft sind.
(1-143) [1, 4, § 2] 16. Dahero sie zwar für ihre Person der allgemeinen Rechten des
Geschlechts ihrer Männer, als da sind die Führung des Namens und Wappens, aber
nicht aus dem Recht des Geblüts, wie die von Mannsstammen unmittelbar
absteigende Weibspersonen, sondern lediglich durch die Verehelichung aus der
Person ihres Mannes theilhaftig werden.
[1, 4, § 2] 17. Die männliche Verwandtschaft wird insgemein
unter dem Namen des Hauses, des Geschlechts, des Stammes verstanden, und die
Verwandten von Mannsstammen pflegen auch anderst Befreundte von oder nach dem
Schwert, sonst auch Schwertmagen, die weiblichen hingegen Verwandte von oder
nach der Spindel, sonst auch Spielmagen oder Gunkelfreunde genennet zu werden.
[1, 4, § 2] 18. Von der Verwandtschaft ist die
Schwägerschaft ganz und gar unterschieden, als welche nicht in einem
gemeinsamen Blutband von einerlei Stammen, sondern nur in der Beitretung des
einen Ehegatten zu der Verwandtschaft des anderen bestehet.
[1, 4, § 2] 19. Sie ist dahero nichts Anderes, als in dem
weitesten Verstand eine Zusammenfügung zweier Verwandtschaften.
In dem eigentlichen Verstand aber eine Verknüpfung des einen
Theils mit der Verwandtschaft des anderen, welche durch die Ehe oder andere
fleischliche Vermischung entstehet.
[1, 4, § 2] 20. Mittelst dieser werden alle Verwandte des
Manns Schwäger des Weibs, gleichwie gegentheils alle Verwandte des Weibs
Schwäger des Manns werden, ohne daß zwischen beiderseitigen Verwandten selbst
daraus eine Schwägerschaft, noch weniger eine Verwandtschaft entspringe,
obschon selbe nach dem gemeinen Wahn einander Schwäger zu nennen pflegen.
[1, 4, § 2] 21. Es können demnach die rechtlichen Wirkungen,
welche von Unseren Gesetzen der Blutsverwandtschaft beigeleget sind, auf die
Schwägerschaft nicht erstrecket werden, und sind außer Ehesachen (worinnen aber
sich nach den geistlichen Rechten zu achten ist) gar wenige Fälle, wo nach
Unseren Gesetzen die Schwägerschaft in rechtliche Betrachtung kommt.
[1, 4, § 2] 22. Diese sind das Laster der Blutschand
zwischen verschwägerten Personen, und insoweit in anderen peinlichen Fällen die
nahe Anverwandtschaft oder Schwägerschaft einen erschwerenden oder mildernden
Umstand abgeben mag, nach Ausmessung dessen, was davon in Unserer peinlichen
Gerichtsordnung enthalten ist. Ferners die Ausschließung verschwägerter
Personen von Zeugenschaften und Vertretung des Richteramts, wovon in viertem
Theil bei der Gerichtsordnung das Mehrere folgen wird.
[1, 4, § 2] 23. Dieses hat jedoch die Schwägerschaft mit der
Verwandtschaft gemein, daß sie nach denen Linien und Graden der Verwandtschaft
geachtet, und die nähere oder weitere Schwägerschaft mit dem einen Ehegatten
nach der näheren oder weiteren Verwandtschaft mit dem anderen abgemessen werde.
[1, 4, § 2] 24. Dergestalten, daß jemand dem einem Ehegatten
in eben derselben Linie und Grad verschwägert ist, in welcher Linie oder Grad
er mit dem anderen in Verwandtschaft stehet.
(1-144) Mann
und Weib aber sind miteinander nicht verschwägert, sondern das zwischen ihnen
bestehende Eheband ist die Quelle und Ursprung der Schwägerschaft.
§. III.
[1, 4, § 3] 25. Durch die Grade oder Staffeln wird die Nähe
oder Weite, in welcher eine Person mit der anderen nach dem Geblüt befreundt
ist, abgemessen.
[1, 4, § 3] 26. Um den Grad der Blutsfreundschaft zwischen
Personen, wovon die Frage ist, zu erforschen, müssen vor Allem die Personen in
rechte Ordnung gesetzet, der Unterschied der geraden und Seitenlinie
beobachtet, und endlich die Grade oder Staffeln genau gezählet werden.
[1, 4, § 3] 27. Die Personen werden gehörig gesetzet, wann
die Ordnung von Demjenigen anfangt, von welchem die Frage ist, und hernach
solange mit anderen Personen fortgefahren wird, bis man zu dem Anderen gelange,
um den gleichfalls gefraget wird.
[1, 4, § 3] 28. Wobei jedoch wohl zu bemerken ist, daß in
der Reihe der Personen keine Zwischenperson ausgelassen, noch eine andere darzu
nicht gehörige miteinbezogen, sondern allemal nur die durch einerlei Blutband
verknüpfte Personen miteinander zusammengefüget werden.
[1, 4, § 3] 29. Der Unterschied der Linien ist dergestalten
zu beobachten, daß die Absteigenden in der geraden Linie abwärts, die
Aufsteigenden aber in eben gerader Linie aufwärts und die Seitenverwandten von
einem in der geraden Linie befindlichen gemeinen Stammen schräg herab, und zwar
in allen dreien Linien nach der Ordnung der Erzeugung zu stehen kommen.
[1, 4, § 3] 30. Die Grade oder Staffeln sind also zu zählen,
daß von der ersten Person zur anderen ein Grad, von dieser zur dritten der
zweiten Grad u. s. w., mithin so viele Grade als Erzeugungen, oder aber ein
Grad weniger als Personen gerechnet werden, und dieses ohne Unterschied, ob von
Manns- oder Weibspersonen oder gegen Manns- oder Weibspersonen gefraget werde.
[1, 4, § 3] 31. Dieser Berechnungsart der Grade oder
Staffeln solle ihne Unterschied der geraden oder Seitenlinie (die Personen, um
welche gefraget wird, mögen in gleicher oder ungleicher Entfernung von dem
gemeinen Stammen stehen) in allen Fällen, welche nach Unseren Gesetzen zu
entscheiden kommen, als da es um Erbfolge,
(1-145) Vormundschaft,
Einstandrecht und andere Gerechtsamen der Verwandten, oder aber um Anschließung
von Zeugenschaften und dem Richteramt zu thun ist, je und allezeit nachgegangen
werden.
[1, 4, § 3] 32. Dahingegen hat die Berechnung der Graden
nach dem geistlichen Recht allein statt, wann von Zuläß- oder Unzulässigkeit,
Giltig- oder Ungiltigkeit der Ehe zwischen Verwandten, oder in peinlichen
Fällen von dem Laster der Blutschand die Frage ist.
[1, 4, § 3] 33. Die Berechnungsart des geistlichen Rechts
unterscheidet sich von der obigen bloß allein in der Seitenlinie, in welcher
dasselbe die Erzeugungen nur von der einen Seite, und zwar allemal von der
längeren zählet, also, daß bei ungleichen Abstand zweier Seitenverwandten von
dem gemeinen Stammen jederzeit die weitere Entfernung des einen den Ausschlag
gebe, und die Zahl des Grads auch in Ansehung des anderen, obschon nicht so
weit entferneten, bestimme.
[1, 4, § 3] 34. Hieraus folget, daß nach dem geistlichen
Recht die Zwerg- und Seitenlinie anwiederum in die gleiche und ungleiche
untertheilet werde.
Die gleiche Linie ist, in welcher die Seitenverwandten, um
deren Blutsfreundschaft gefraget wird, von dem gemeinen Stammen in gleichem
Grad entfernet sind.
Die ungleiche Linie hingegen ist, in welcher die
Seitenverwandten, um die gefraget wird, von dem gemeinen Stammen nicht gleich,
sondern der eine näher und der andere weiter entfernet sind.
[1, 4, § 3] 35. In der gleichen Zwerglinie hat die Regel
statt, da, in welchem Grad die eine von jenen Personen, um deren Verwandtschaft
gefraget wird, von dem gemeinen Stammen entfernet ist, in eben demselben beide
miteinander verwandt sind. In der ungleichen Zwerglinie aber ist die andere Regel
anzuwenden, daß, in welchem Grad die weitere Person von dem gemeinen Stammen
entfernet ist, in eben demselben beide miteinander verwandt sind.
§. IV.
[1, 4, § 4] 40. (!) Die Verwandten haben nicht nur unter
sich vor Anderen, welche nicht von der Verwandtschaft sind, gewisse Vorrechte,
sondern es wird auch unter ihnen selbst einer Ordnung oder Linie vor der
anderen, einem näheren vor dem weiteren,
(1-146) denen
männlichen vor denen weiblichen ein mehreres Recht von Unseren Gesetzen
beigeleget, wovon gehöriger Orten ausführlicher gehandlet werden wird.
Allhier ist genug von derlei verwandtschaftlichen Vorrechten
nur überhaupt einen kurzen Begriff zu geben.
[1, 4, § 4] 41. Einige derselben sind allen Verwandten,
sowohl von männlicher als weiblicher Seiten gemein. Dahin gehören die Erbfolge
in freien oder auch Stamm- und Lehengütern, wann in Ansehung der letzteren
sowohl männliche als weibliche Verwandten darzu berufen oder darmit belehnet
sind, die Vormundschaft, das Einstandrecht u. dgl., doch also, daß allemal der
Nähere, wann er sich seines Rechts bedienen will, vor dem Weiteren den Vorzug
habe.
[1, 4, § 4] 42. Dieses verstehet sich aber nur von Fällen,
worinnen derlei Rechten weder durch Unsere Gesetze, noch auch nach Zulassung
derselben durch den Willen des Erblassers oder durch Verträge und Vergleiche
unter Lebenden auf den Mannsstammen allein beschränket sind.
[1, 4, § 4] 43. Ferners sind von dieser Art die gemeinsame
Vertretung, Klage oder Vertheidigung und nach Gestalt der Sachen die Beitretung
an klagender oder beklagter Seiten, wann es um ein Recht zu thun ist, so die
ganze Verwandtschaft ohne Unterschied der männlichen und weiblichen Befreundten
angehet.
[1, 4, § 4] 44. Die Theilnehmung an allen Rechten und
Gerechtigkeiten, die einer ganzen Verwandtschaft ohne Unterschied zustehen, in
deren Genuß sich ein jeder von denen Verwandten durch die gehörige
Rechtsmitteln erhalten mag.
[1, 4, § 4] 45. Und endlich mehrere der Verwandtschaft
zukommende Rechtswohlthaten, als da sind, daß in Fällen, wo es sich allein um
die Verwandtschaft handlet, schleunig verfahren, daß in gewissen
Rechtsvertheidigungen der Ehre der verwandten Personen geschonet, daß in
Schuldsachen gegen dieselbe nicht auf das Strengste fürgegangen, und endlich
binnen gewissen Graden kein naher Verwandter wider den anderen insgemeim zur
Zeugenschaft gezwungen werde.
[1, 4, § 4] 46. Andere verwandtschaftliche Rechten, welche
eigentlich Stammrechten genennet werden, sind nur dem Mannesstammen und
hierunter verschiedene denen männlichen Verwandten von Mannsstammenallein
eigen.
Als die Nachfolge in Stamm- und Lehengütern, wann nur die
Männlichen von Mannsstammen darzu berufen oder letztere rechte Mannleben sind.
Das geschlechtliche Vorzugs- und Einstandrecht in liegenden
Gütern. Der größere Pflicht- und Erbtheil der männlichen Absteigenden von
Mannsstammen vor denen weiblichen bei Landleuten und andere denen männlichen
Verwandten von Mannsstammen vorzüglich angebührende Gerechtsamen, welche in
Verfolg dieses Gesatzbuchs ihres Orts vorkommen werden.
[1, 4, § 4] 47. Jene Stammrechte hingegen stehen dem
Mannsstammen auch mit Einbegriff der darzu gehörigen Weibspersonen zu, welche
nicht lediglich die Fortpflanzung des Geschlechts zur Absicht haben, oder wobei
nicht besonders auf die
(1-147) Fähigkeit
der Mannspersonen gesehen wird, oder die zwar vorzüglich denen Mannspersonen
zukommen, jedoch in deren Abgang auch auf die Weibspersonen erstrecket werden
[1, 4, § 4] 48. Dergleichen sind der Gebrauch des gemeinen
Namens und Wappens, der Genuß aller dem ganzen Geschlecht und nicht allein
einzlen Personen desselben verliehenen Würden und Vorzügen und endlich die
Gemeinschaft aller dem Geschlecht zukommender Rechten und Gerechtigkeiten,
insoweit auch Weibspersonen von Mannsstammen zu deren Genuß und Ausübung fähig
sind.
[1, 4, § 4] 49. Die Rechten der Blutsverwandtschaft,
insoweit dieselben aus dem natürlichen Blutband fließen, sind unbenehmlich, was
immer für Veränderung mit einer verwandten Person vorgehe.
Jene Verwandtschaftsrechten hingegen, welche bloß von denen
Gesetzen oder von menschlicher Willkühr abhangen, können in mehrerlei Umständen
aufhören.
[1, 4, § 4] 50. Also verlieret
Derjenige die Rechten der Verwandtschaft in Erb- und anderen Fällen, welcher
der Landmannschaft oder des Bürgerrechts nebst allen davon abhangenden
Gerechtigkeiten aus Verbrechen verlustiget wird.
[1, 4, § 4] 51. Desgleichen kann Niemand der
verwandtschaftlichen Vorrechten theilhaftig werden, der die Eigenschaft nicht
hat, welche zum Genuß derenselben etwann kraft einer letztwilligen Verordnung
oder nach Inhalt sonstiger Bedingen zwischen Lebenden erforderet wird, oder der
die beigesetzte Bedingniß, unter welcher ihme der Genuß des Rechts zugedacht
worden, nicht erfüllet oder etwas unternimmt, was bei Verlust des Vorrechts
verboten war.
[1, 4, § 4] 52. Ueber den Beweis der Blutverwandtschaft ist
in außerordentlichen Weg Rechtens schleunig zu verfahren, und lieget solcher
Jenem ob, der sich einen Verwandten zu sein ausgiebt und seine Rechtsforderung
in der Verwandtschaft gründet, gleichwie gegentheils der Andere, der seine
Forderung darinnen gründet, daß der Besitzer kein Verwandter seie, das
Widerspiel zu erweisen hat.
[1, 4, § 4] 53. Wo es sich aber um Rechten handlet, zu
welchen mehrere Verwandten zugleich gelangen, oder worinnen der nähere dem
weiteren oder der Mannsstammen dem weiblichen vorgezogen, oder nebst der
Verwandtschaft noch eine gewisse Eigenschaft erforderet wird, müssten auch
Alle, die hierauf einen Anspruch machen, die Verwandtschaft und zwar nicht
überhaupt, sondern nach Unterschied der Fällen zugleich die Nähe der
Verwandtschaft binnen einem gewissen Grad oder von einem gewissen Stammvater
oder von männlicher Seiten oder die vorgeschriebene Eigenschaft erweisen.
[1, 4, § 4] 54. Die stärkesten Beweise der Verwandtschaft
sind Urkunden, welche aus Tauf- und Trauungsbüchern, Heirathscontracten,
gerichtlichen und anderen öffentlichen Archiven entnommen werden.
Nicht weniger Zeugen, wann sie die Abstammung von Person zu
Person auf eine beglaubte Weise aussagen können.
[1, 4, § 4] 55. Außer deme können auch andere mehrere
Behelfe zum Beweis der Blutsverwandtschaft andienen, als der gemeine Ruf, das
durchgängige Dafürhalten, wann es offenkundig oder sonst genüglich erprobet
ist, der Besitz der Vorfahren, für die Blutsverwandtschaft ergangene
Rechtssprüche, untadelhafte Stammbücher und andere in denen Geschlechtsarchiven
oder in sonstigen glaubwürdigen Orten aufbehaltene Urkunden, alte Denkmale und
Inschriften, bewährte Zeit- und Geschichtbücher, besonders von solchen
Schriftstellern, welche zu gleicher Zeit, von der sie schreiben, gelebet haben,
der unangefochtene beständige Gebrauch gleiches Namens und Wappens und andere
dergleichen mehr oder minder beitragende Umstände, deren Zulänglich- oder
Unzulänglichkeit jedoch dem richterlichen Ermessen überlassen wird.
[1, 4, § 4] 56. Und obzwar sonst die Urkunden und
Rechtssprüche das Recht eines Dritten weder bestärken noch schwächen können, so
wirken doch solche damals auch
(1-148) in
Ansehung eines Dritten ein kräftiges Vorurtheil, wann Jemand, um dessen
Verwandtschaft die Frage ist, mit der Verwandtschaft Desjenigen in der Abkunft
von einem gemeinen Stammen einen erweislichen Zusammenhang hat, für welchen
oder wider welchen eine gerichtliche oder sonst ungezweiflete Urkunde, oder ein
zu Kräften erwachsener Rechtsspruch streitet, daß er mit jenem, gegen welchem
gefraget wird, verwandt oder nicht verwandt seie, wann es sich um das nämliche
und kein anderes Blutband handlet, als wovon die Urkunde oder der Rechtsspruch
erwähnet.
[1, 4, § 4] 57. Also muß einem Absteigenden das Recht der
Blutverwandtschaft zu Demjenigen nothwendig gebühren, in wessen Ansehung
dasselbe bereits einem seiner Aufsteigenden zuerkannt worden; gleichwie
gegentheils ein Absteigender kein Recht zur Blutsverwandtschaft mit Demjenigen
hat, in wessen Ansehung dasselbe einem seiner Aufsteigenden allschon
abgesprochen worden.
[1, 4, § 4] 58. Von nicht minderer Kraft ist die Verjährung
der blutsverwandtschaftlichen Rechten, welche auch Jenen nutzet oder schadet,
die mit Demjenigen in Abkunft von einerlei Stammen unstrittig verwandt sind,
welcher solche wider Andere verjähret hat, oder wider welchen sie von Anderen
verjähret worden.
Caput V.
Von der väterlichen Gewalt.
Inhalt:
§. I. Von der Natur und Wesenheit der väterlichen Gewalt. §.
II. Von der Art und Weis, die väterliche Gewalt zu erlangen. §. III. Von
Wirkungen der väterlichen Gewalt. §. IV. Von der Art und Weis, wodurch die
väterliche Gewalt beendiget wird.
§ I.
[1, 5, § 1] Num. 1. Das engeste Band der Verwandtschaft ist
zwischen Eltern und Kindern, welchem nicht nur alle übrige Ordnungen der
Verwandten nachstehen, sondern deme auch über die gemeinen
Verwandtschaftsrechten, deren nicht weniger andere Verwandten in obbestimmter
Maß theilhaftig sind, noch besondere rechtliche Wirkungen sowohl von der Natur
selbst, als von denen Gesetzen beigeleget werden.
(1-149) [1,
5, § 1] 2. Jene Rechten zwischen
Eltern und Kindern, welche aus der Erzeugung hauptsächlich von der Natur selbst
entspringen, sind bereits oben in zweitem Capitel von dem Stand der Menschen §.
IV. bei dem Hausstand ausführlich erkläret worden.
[1, 5, § 1] 3. Es erübrigen also nur noch diejenige Rechten
zwischen Eltern und Kindern, welche entweder aus Anordnung der Gesetzen herfließen, oder doch durch selbe ihre Bestimmung
erhalten.
[1, 5, § 1] 4. Unter diesen ist die väterliche Gewalt,
welche die Gesetze einem Vater über seine Kinder zueignen,
das vornehmste, welche in gegenwärtigem Capitel beschrieben wird.
Dahingegen alle übrige Rechten
zwischen Eltern und Kindern ihres Orts vorkommen, wo die Gegenstände, welche
sie betreffen, besonders abgehandlet werden.
[1, 5, § 1] 5. Die väterliche Gewalt bestehet
in dem Recht des Vaters, welches ihme über die Personen, über das Vermögen und
über die Handlungen seiner Kinder von denen Gesetzen eingeräumet ist.
[1, 5, § 1] 6. Es wird dahero allhier erstlich von der Art
und Weis, die väterliche Gewalt zu erlangen, sodann von denen Wirkungen der
väterlichen Gewalt, und letztlich von der Art und Weis, wodurch die väterliche
Gewalt geendiget wird, gehandlet.
§. II.
[1, 5, § 2] 7. Die väterliche Gewalt wird auf dreierlei Art,
erlanget, als erstens, durch rechtmäßige Ehe, zweitens, durch Rechtmäßigung
unehelich erzeugter Kinder, drittens, durch Annehmung an Kindesstatt.
[1, 5, § 2] 8. Durch die Ehe wird Jemand rechtmäßiger Vater
zu sein dargezeiget, und die Erzeugung in rechtmäßiger Ehe zieht sogleich die
väterliche Gewalt über das erzeugte Kind nach sich.
[1, 5, § 2] 9. Was dahero zum Beweis oder zur rechtlichen
Vermuthung der ehelichen Geburt andienet, alles dieses gereichet auch zum
Beweis und zur rechtlichen Vermuthung
(1-150) der
väterlichen Gewalt, und haben zu deren Behauptung alle diejenige Beweismitteln
und Rechtsbehelfe statt, welche zum Beweis und Vertheidigung der ehelichen
Kindschaft gehören, und allschon oben in zweitem Capitel, §. IV. von Num. 98
bis Num. 101 angeführet worden.
[1, 5, § 2] 10. Dahingegen erstrecket sich die väterliche
Gewalt in Ansehung der nachstehenden Rechtswirkungen nicht auf die außer der
Ehe oder aus einer an Seiten des Vaters wissentlich ungiltigen Ehe erzeugte
Kinder, obschon die Mutter die Ehe für giltig gehalten hätte, gleichwie
gegentheils der gute Glauben des die Ehe giltig zu sein vermeinenden Vaters
ihme die väterliche Gewalt über die aus dieser vermeintlichen Ehe erzeugte
Kinder zueignet, wann gleich die Mutter solche ungiltig zu sein gewußt hätte.
[1, 5, § 2] 11. Doch kann die väterliche Gewalt über
unehelich erzeugte Kinder durch deren erfolgte Rechtmäßigung erlanget werden.
Diese geschieht entweder durch nachfolgende Ehe zwischen dem Vater und der
Mutter eines außer der Ehe erzeugten Kinds, oder aus höchster landesfürstlicher
Gewalt.
[1, 5, § 2] 12. Beide diese Arten der Rechtmäßigung kommen
zwar in deme überein, daß sie die Makel der unehelichen Geburt oder Erzeugung
tilgen, allein in Absicht auf die väterliche Gewalt und andere
Verwandtschaftsrechten sind ihre Wirkungen unterschieden.
[1, 5, § 2] 13. Damit aber ein unehelich erzeugtes Kind
durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gemacht werden möge, ist darzu
erforderlich, daß zur selben Zeit, als es empfangen worden,
zwischen Vater und Mutter eine giltige Ehe bestehen können. Widrigens haben
dergleichen Kinder ohnerachtet der nachgefolgten Ehe eine besondere
Rechtmäßigung ihrer Geburt von landesfürstlicher Gewalt nöthig.
[1, 5, § 2] 14. Die Rechtmäßigung durch nachgefolgte Ehe
kommt nicht allein dem unehelich erzeugten Kind in Ansehung seines Vaters und
Mutter zu statten, sondern auch die von einem unehelichen und nachher durch die
nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordenen Sohn oder Tochter erzeugte eheleibliche
Kinder sind in Ansehung der Großeltern für eheliche Enkeln zu achten, obschon
der Sohn oder die Tochter noch vor der erfolgten Ehe ihrer Eltern mit Tod
abgegangen wären.
[1, 5, § 2] 15. Durch diese Art der Rechtmäßigung wird nicht
allein alle Makel der unechten Geburt gänzlich ausgelöschet und derlei
rechtmäßig gewordene Kinder denen ehelich empfangenen in allen Wirkungen
insgemein vollkommen gleichgehalten, sondern sie werden auch aller Rechten der
echten Geburt sowohl in Ansehung ihrer Eltern, als der ganzen Verwandtschaft
theilhaftig.
[1, 5, § 2] 16. Nur jene Rechten bleiben ausgenommen, welche
ausdrücklich entweder durch letztwillige oder lebzeitige Handlungen lediglich
auch solche Kinder eingeschränket sind, die aus einer vorhergegangen
rechtmäßigen Ehe empfangen worden.
(1-151) [1, 5, § 2] 17. Umsoweniger können die immittelst
denen ehelich gebornen Kindern erworbene Rechten durch die nachherige
Rechtmäßigung der unehelichen auf einigerlei Weise geschmäleret und
beeinträchtiget werden. Von dieser Art ist das Recht der Erstgeburt oder der
früheren Geburt, wovon die Erbfolge in geschlechtliche Trau- und Stammgüter und
andere verwandtschaftliche Vorrechte abhangen, welches allemal der vor der
Rechtmäßigung des Unehelichen aus rechtmäßiger Ehe Geborene unverletzt behält,
obschon der Andere später rechtmäßig Geborene außer der Ehe früher erzeuget
worden.
[1, 5, § 2] 18. Die andere Art der Rechtmäßigung, welche aus
Unserer höchsten landesfürstlichen Gewalt herfließet, bleibt nur Uns allein und
jenen Stellen, welchen Wir die Macht solche in Unserem Namen zu ertheilen
besonders einraumen, vorbehalten.
[1, 5, § 2] 19. Damit aber aus einer Rechtmäßigung, die
zwischen Vater und
(1-152) Kindern bestehende Rechten und unter diesen auch die
väterliche Gewalt mit allen derselben anklebenden Wirkungen entspringen mögen,
muß deren namentliche Verleihung in dem Rechtmäßigungsbrief allemal deutlich
mit ausgedrucket sein, welche jedoch über den buchstäblichen Inhalt Unseres
Gnadenbriefs auf keine andere Rechten der Verwandtschaft in Ansehung der
weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten der natürlichen Eltern zu
erstrecken ist.
[1, 5, § 2] 20. Außer dieser namentlichen Mitverleihung,
welche jederzeit bei Uns unmittelbar angesuchet werden solle, wirket die aus
Unserer höchsten Machtsvollkommenheit erhaltene Rechtmäßigung nichts Anderes,
als daß die Makel der unechten Geburt getilget werde, und die auf solche Art
geborene Person zu Ehren, Würden und Aemtern gelangen könne, folglich umsomehr
in allen Gemeinden anderen ehrlichen Leuten gleichgeachtet, und in alle
ehrliche Mitteln, Zünften und Gewerbe zugelassen werden müsse, ohne daß ihme
von Jemandem seine uneheliche Geburt bei der in dem Gnadenbrief ausgesetzten
Strafe vorgerucket werden dürfe.
[1, 5, § 2] 21. Die Annehmung an Kindsstatt giebt die
väterliche Gewalt, jedoch nur mit jenen Rechtswirkungen, welche dem Wahlkind zu
seinem Nutzen, nicht aber auch zu dessen Schaden und Nachtheil gereichen.
[1, 5, § 2] 22. Dergleichen Annehmung solle zwar ohne
Unterschied, der Anzunehmende möge unter der väterlichen Gewalt eines Anderen
stehen oder nicht, groß- oder minderjährig, und Derjenige, welcher den Anderen
an Kindsstatt annehmen will, ein Aufsteigender von väterlicher oder
mütterlicher Seite, oder ein Fremder sein, jedoch
(1-153) niemalen anderst, als mit Unserer höchsten
Verwilligung oder Bestätigung geschehen können, widrigens aber ganz und gar
ohne Kraft und Wirkung sein.
[1, 5, § 2] 23. Zur Erhaltung dieser Unserer höchster
Verwilligung und Bestätigung müssen sowohl an Seiten des Wahlvaters als des
Wahlkinds folgende Erfordernisse hinzutreten.
[1, 5, § 2] 24. Der Jemanden an Kindsstatt annehmen will,
muß:
1.) Eines betagten Alters und wenigstens um die Jahre der
gemeinen Vogtbarkeit älter sein als Derjenige, welchen er an Kindsstatt
anzunehmen gedenket.
[1, 5, § 2] 2.) 25. Müssen weder eheleibliche Kinder,
besonders männliche am Leben, noch zu deren Ueberkommung einige Hoffnung übrig
sein, und hanget die Beurtheilung dieses letzteren Umstandes lediglich von
Unserem Ermessen ab.
[1, 5, § 2] 3.) 26. Muß derselbe ein freies Vermögen
besitzen, und davon einen gewissen Antheil bestimmen, auch solchen genugsam zu
versichern sich erbieten, welcher dem überlebenden Wahlkind zuzukommen habe,
wann auch der Wahlvater dessen in seinem letzten Willen nicht ferner gedächte.
[1, 5, § 2] 4.) 27. Muß überhaupt dem Wahlkind ein Vortheil
dadurch zugehen und dem Recht eines Dritten kein Abbruch geschehen. Zu welchem
Ende jedes Mal mit anzuzeigen ist, ob der Wahlvater ledig oder verheirathet,
und wie letzteren Falls seine Ehegattin versorget seie; nicht minder ob nicht
einige Notherben oder sonst nahe Anverwandte männliche oder weibliche und in
was für einem Grad der Blutsverwandtschaft am Leben sind.
[1, 5, § 2] 5.) 28. Wird an Seiten dessen, welcher an
Kindsstatt angenommen werden will, erforderet, daß derselbe, wann er großjährig
ist, ausdrücklich darein willige, und, wo er noch minderjährig wäre, die
Einwilligung seines Vaters oder Vormunds beitrete, welche in Kindsjahren, wo er
noch keiner Einwilligung fähig wäre, für sich allein genug ist; doch muß die
Annehmung eines unter der Vormundschaft stehenden Waisen an Kindsstatt allemal
nebst der Einwilligung des Vormunds auch von der obervormundschaftlichen
Behörde gutgeheißen und für den Waisen ersprießlich zu sein erkennet werden.
[1, 5, § 2] 29. Wann nun in Betrachtung der fürwaltenden Umständen Unsere höchste Verwilligung zu der angesuchten
Annehmung an Kindsstatt erfolget, so hat dieselbe insgemein, wann in Unserem
Verwilligungs- oder Bestätigungsbrief nichts Besonderes ausgedrucket ist,
nachstehende Wirkungen.
[1, 5, § 2] 30. Der Wahlvater erlangt andurch das Recht der
Vaterschaft mit der väterlichen Gewalt, wann das Wahlkind die Jahre der
Vogtbarkeit noch nicht erreicht hat, nach deren Erreichung die väterliche
Gewalt überhaupt ihre Endschaft hat.
[1, 5, § 2] 31. Doch wird der Wahlvater andurch nicht
berechtiget, es seie in Lebzeiten oder nach dem Tod des Wahlkinds, auf dessen
Vermögen und Habschaften einigen Anspruch zu machen, sondern derselbe hat nur
dieses Vermögen bis zu Großjährigkeit des an Kindsstatt Angenommen auf ganz
gleiche Weise und unter der nämlichen Verbindlichkeit wie ein jedweder anderer
Vormund zu verwalten.
[1, 5, § 2] 32. Wäre hingegen der an Kindsstatt Angenommene
bereits großjährig, so überkommt der Wahlvater das alleinige Recht der
Vaterschaft ohne der väterlichen Gewalt und nur mit der Wirkung, daß er nicht
kind- und erblos seie, sondern die Rechten seines Geschlechts nebst Namen und
Wappen durch den angenommenen Sohn und dessen Nachkommenschaft fortsetzen
könne.
[1, 5, § 2] 33. Das Wahlkind erhält durch dessen Annehmung
das Recht der Kindschaft und mit solchem wird selbes auch des Namens und
Wappens und anderer wahlväterlichen Geschlechtsrechten in der Maß, wie diese in
der Verwilligungs- oder Bestätigungsurkunde von Uns erstrecket oder
eingeschränket worden, theilhaftig.
[1, 5, § 2] 34. Nicht minder gebühret
demselben die Erbfolge in dem bei seiner
(1-154) Annehmung aus dem Vermögen des Wahlvaters bestimmten
Antheil; doch ist dem Wahlvater nicht verwehret, ihme ein Mehreres durch
letzten Willen zuzuwenden.
[1, 5, § 2] 35. Dieser bestimmte Antheil wird nicht
verminderet, wann gleich der Wahlvater nachher eheleibliche Kinder überkäme,
insoweit dieselbe andurch an ihrem Pflichttheil nicht verkürzet werden, woran
aber das Wahlkind keinen Theil hat.
[1, 5, § 2] 36. Noch weniger kann vorbemelter Antheil dem
Wahlkind durch letzten Willen benommen werden, wann dasselbe nicht etwann eine
solche Undankbarkeit begangen, wegen welcher auch eheleibliche Kinder von der
väterlichen Erbschaft ausgeschlossen werden mögen.
[1, 5, § 2] 37. Nebstdeme wirket die Annehmung an Kindsstatt
an Seiten des Wahlvaters die Schuldigkeit, sein Wahlkind gleich einem
leiblichen nach seinem Stand und Würde zu ernähren, zu erziehen, zu erhalten,
zu schützen und zu vertreten, und ist dessen leiblicher Vater von allem
diesfälligen Beitrag gänzlich entbunden.
[1, 5, § 2] 38. Wann jedoch das Wahlkind ein eigenes
Vermögen hätte, so kann von dessen Ertragniß so viel, als zu dessen Ernährung
und Erziehung nöthig ist, durch die Behörde ausgemessen, der Ueberrest aber muß
in Ersparniß gebracht und gleich einem Waisengut von dem Wahlvater verrechnet,
wann hingegen das Vermögen des Wahlkinds nicht hinlänglich wäre, der Abgang von
dem Wahlvater aus dem Eigenen getragen werden.
[1, 5, § 2] 39. Es wird ein Wahlkind deswegen nicht von der
Erbschaft nach seinen leiblichen Eltern oder von anderen Rechten ihrer Blutsverwandtschaft
ausgeschlossen, sondern ihme bleiben vielmehr solche zu allen Zeiten bevor.
[1, 5, § 2] 40. Gleichwie die Annehmung an Kindsstatt
hauptsächlich die Fortpflanzung des Namens und Geschlechts zum Endzweck hat,
also können auch insgemein die Weibsperson weder Andere an Kindsstatt annehmen,
noch von anderen an Kindsstatt angenommen werden, wann nicht Unsere besondere
höchste Einwilligung zu einem dergleichen Vorhaben ausgewirket wird, nach deren
Inhalt sich in solchem Fall zu achten ist.
[1, 5, § 2] 41. Wann dahero eine Manns- oder Weibsperson
fremde Kinder oder Waisen ein oder anderen Geschlechts bloßer Dingen zu
Erziehung, Ernährung und dermaleinstiger Versorgung gutwillig zu sich nimmt, so
ist dieses keine Annehmung an Kindsstatt, sondern eine bloße Wohlthat, die
weder ein- noch andererseits vorerwähnte Rechtswirkungen nach sich zieht.
[1, 5, § 2] 42. Dann derlei Zucht- oder Nährkinder erlangen
andurch keinen Anspruch auf das Vermögen ihres Gutthäters, außer insoweit ihnen
etwas von demselben verschrieben, geschenket oder vermachet worden. Sie können
auch nicht sich des Namens, Wappens und anderer Geschlechtsrechten ihres
Nährvaters anmaßen, und um so weniger wirket
dergleichen Gutthat die väterliche Gewalt.
[1, 5, § 2] 43. Obschon dieselben ihrem Gutthäter, so lange
sie von ihme den Unterhalt genießen, aus Dankbarkeit in gewisser Maß
untergeben, und insoweit von dessen Hause sind, als sie von ihme geschützt und
für die Seinigen gehalten werden.
[1, 5, § 2] 44. Wie dann auch von allem deme, was auf sie
verwendet worden, nichts
(1-155) zurückgeforderet werden mag, wann nur der
Pflichttheil eheleiblicher Kinder andurch nicht verkürzet wird.
Dessen ohnerachtet aber behalten sie in Ansehung ihrer
leiblichen Eltern und gesammten Verwandtschaft alle angebühren mögende Rechten
bevor.
[1, 5, § 2] 45. Mit der Annehmung an Kindsstatt ist die
Einkindschaft nicht zu vermengen, welche nach bisheriger Gewohnheit in einigen
Orten gebräuchlich ware, und wodurch von neuangehenden Eheleuten ihre aus
vorigen Ehen erzeugte Kinder zu gemeinen Kinder dergestalten angenommen worden,
daß sie sowohl neben einander, als auch mit denen aus der neuen Ehe erzeugenden
Kindern durchaus gleich gehalten werden, und miteinander nach der Eltern Tod
gleiche Erbtheile genießen sollen.
[1, 5, § 2] 46. Wir wollen aber derlei Einkindschaften
hiemit für das Künftige gänzlich aufgehoben und abgestellet haben, also zwar,
daß daraus weder die Gleichheit in der Erbfolge, noch eine andere Rechtswirkung
entstehen, noch weniger dadurch die väterliche Gewalt über Stiefkinder
erlanget, sondern diese unter der vorherigen oder nach Erheischung der
Umständen neu zu bestellen habenden Vormundschaft belassen werden sollen.
§. III.
[1, 5, § 3] 47. Die Wirkungen der väterlichen Gewalt
betreffen entweder die Person oder das Vermögen, oder die Handlungen der
Kinder.
(1-156) [1, 5, § 3] 48. In Ansehung ihrer Person hat der
Vater das Recht, seine ihme von Anderen vorenthaltene Kinder abzuforderen,
wobei schleunig zu verfahren, und lediglich darauf zu sehen ist, ob Jemand in
dem Besitz des väterlichen Rechts oder sonst nach rechtlicher Vermuthung der
Vater seie. Es erforderten dann die Umstände ein ordentliches rechtliches
Verfahren.
[1, 5, § 3] 49. Es kann auch ein flüchtig geworbenes Kind
von dem Vater selbst überall ergriffen und solle ihme hierinnen, wann er die
Gerichtshilfe nöthig hätte, solche schleunigst geleistet werden.
[1, 5, § 3] 50. Nicht weniger ist dem Vater eine mäßige, die
Besserung zum Zweck habende Züchtigung seiner Kinder zugelassen. Doch giebt die
väterliche Gewalt kein Recht über das Leben, Leib, Gesundheit, Freiheit und
guten Leumuth der Kinder.
[1, 5, § 3] 51. Belangend das Vermögen der Kinder, so ist
anförderist jenes, was
(1-157) sich bei ihnen dem Gut des Vaters befindet, und von
diesem weder schankungsweise, noch sonst auf eine andere rechtsbeständige Art
an sie übertragen worden,
(1-158) von dem wahren und eigenen Kindergut wohl zu
unterscheiden, maßen das erstere mit Nutzungen, Zuwachs und allem deme, was die
Kinder anmit erwerben, dem Vater allein zugehöret.
[1, 5, § 3] 52. Ein wahres und eigenes Kindergut hingegen
ist jenes, welches denen Kindern entweder von dem Vater selbst geschenket, oder
auf andere zu recht bestehende Art an sie eigenthumlich übertragen wird, oder
was ihnen von anderwärts zukommt, als von der Mutter, von väterlichen oder
mütterlichen Großeltern, von Geschwisteren, Verwandten oder auch von Fremden
durch Erbfolge, Vermächtnissen, Schankungen oder in andere Wege, oder was sie
außer dem Gut und Gewerb des Vaters nach vollkommen zuruckgelegten funfzehnten
Jahr durch ihren Fleiß oder durch andere redliche Weise erwerben.
[1, 5, § 3] 53. Von dem Kindergut gebühret
dem Vater insgemein der Fruchtgenuß nebst der Verwaltung desselben, solang die
Kinder in seiner Gewalt befindlich sind. Es giebt aber Fälle, wo der Vater zwar
den Fruchtgenuß, nicht aber auch die Verwaltung des Kinderguts, oder dagegen
diese allein ohne den Fruchtgenuß oder aber keines von beiden hat.
[1, 5, § 3] 54. Das Erstere ereignet sich, wann Derjenige,
von deme das Kindergut
(1-159) herrühret, den Vater von der Verwaltung
ausgeschlossen, oder über dasselbe einen anderen Vormund bestellet hat, oder
der Verwaltung halber ein erhebliches Bedenken wider den Vater vorhanden wäre.
[1, 5, § 3] 55. Im Fall, wo Derjenige, von deme das Gut auf
die Kinder gelanget ist, wegen dessen Verwaltung eine andere Vorsehung gemacht
hätte, ist derselben allerdings nachzugehen, außer deme aber bei einem wider
den Vater fürwaltenden gegründeten Verdacht einer üblen Gebarung das Kindergut einem
Anderen unter ordentlicher Verrechnung in die Verwaltung zu geben, oder, da es
nutzlicher zu sein befunden würde, dasselbe gerichtlich zu veräußern, und der
Werth unter genugsamer Sicherheit irgendwo auf Zinsen nutzbar anzulegen.
[1, 5, § 3] 56. Jedoch behält der Vater einen Weg, wie den
anderen, den Fruchtgenuß, das Kindergut möge von ihme selbst oder jemand
Anderem verwaltet und auf was immer für eine Art genutzet werden.
[1, 5, § 3] 57. Dahingegen hat der Vater die alleinige
Verwaltung ohne dem Fruchtgenuß in folgenden Fällen: Erstens, wann Jemand sein
liegend- oder fahrendes Gut Kindern, welche annoch unter väterlicher Gewalt
stehen, durch lebzeitige oder letztwillige Handlung mit dem ausdrücklichen
Beding zuwendet, daß der Vater den Genuß davon nicht haben, sondern dieser, so
wie das Eigenthum denen Kindern verbleiben und zu ihrem Besten verwendet oder
in Ersparniß gebracht werden solle.
[1, 5, § 3] 58. Zweitens, wann die Mutter oder mütterlichen
Großeltern denen Kindern den Pflichttheil mit eben diesem ausdrücklichen Beding
hinterlassen, obschon sonst keine andere denen Kindern nachtheilige Bedingniß
dem Pflichttheil beigesetzet werden mag.
[1, 5, § 3] 59. Drittens, wann der Vater selbst seinen
Kindern ein liegend oder fahrendes Gut ohne Vorbehalt des Fruchtgenusses
schenket, oder sich dessen zu Gunsten seiner Kinder begiebt.
[1, 5, § 3] 60. Viertens, was die Kinder nicht aus dem Gut
des Vaters, noch mittelst desselben, noch auch in Ansehung des Vaters, sondern
durch Kriegs- oder andere Dienste, geistliche Pfründen, Künste und
Wissenschaften, Fleiß und Gewerbe nach dem funfzehnten Jahr ihres Alters
erwerben, oder um eigener Verdiensten willen von Anderen schankungsweise
überkommen, von allem deme gebühret dem Vater der Fruchtgenuß nicht.
[1, 5, § 3] 61. Fünftens, wann die Kinder selbst kein
Eigenthum, sondern nur den bloßen Genuß haben, als da ihnen der Nießbrauch
eines Guts, jährliche Zinsen oder Früchten oder andere Jahrgelder, ein
Stiftgenuß und dergleichen zeitliche oder lebenslängliche Beihilfe verschaffet,
oder wie sonst immer zugewendet worden wären.
[1, 5, § 3] 62. Weder den Fruchtgenuß, noch die Verwaltung
des Kinderguts hat der Vater, wann entweder ihme in Fällen, wo demselben der
Fruchtgenuß nicht gebühret, auch namentlich die Verwaltung benommen worden,
oder er sich dieser Befugnissen unwürdig gemacht hat, als da er die
Vormundschaft in Ansehung eines seinem Kind zukommenden Guts ohne rechtmäßiger
Entschuldigungsursache verschmähet hätte.
[1, 5, § 3] 63. Wo aber das Kind in der Unvogtbarkeit
verstürbe, so erlangt der Vater auch von deme den Fruchtgenuß nicht, was denen
übrigen unter seiner väterlichen Gewalt stehenden Kindern als nächsten Erben
von diesem Waisengut auf ihren Antheil zugefallen.
[1, 5, § 3] 64. In Fällen jedoch, wo der Vater die
Verwaltung des Kinderguts mit oder ohne dem Fruchtgenuß desselben hat, muß
solches ehe und bevor es ihme eingeantwortet wird, gerichtlich beschrieben
werden, wann darunter verschiedene Sachen und Forderungen als Vorräthe bei
einem Landgut, Einrichtungen bei einem Hause, ausständige Gülten, Zinsen oder
andere Ansprüche begriffen sind.
[1, 5, § 3] 65. Wann aber das an die Kinder gelangte Gut in
einer einzlen Sache
(1-160) bestehet, als z. B. in einem Grund ohne allem
Beilaß, Einrichtung und Ausständen, oder in einer vorgemerkten Schuldforderung,
so ist zwar der Fall einer förmlichen Beschreibung nicht abhanden, nichts
destoweniger muß jegleichwohlen die Beschaffenheit einer solchen Sache,
derselben Werth und Ertragniß zur Sicherheit der Kinder gerichtlich angemerket
werden.
[1, 5, § 3] 66. Vor dieser Beschreibung oder Anmerkung und
der hierauf folgenden gerichtlichen Einantwortung darf der Vater sich der
Verwaltung und des Nießbrauches nicht anmaßen, und ist auch nicht fähig etwas
von Zinsen oder Nutzungen einzuheben, und die Schuldnere über den Erlag
rechtsgiltig zu quittiren.
[1, 5, § 3] 67. Zuweilen kann auch der Vater, wann es die
Sicherheit des Kinderguts nach Umständen erheischet, zur Bürgschaft wegen
dessen unverminderter Erhaltung nicht weniger als ein anderer Vormund
angehalten werden, wo nicht die Gefahr einer Verminderung von selbsten
entfiele, als bei einer gerichtlich vorgemerkten Forderung oder einem anderen
dinglichen Recht, so der Vater ohne gerichtlicher Verwilligung nicht veräußern
kann.
[1, 5, § 3] 68. Nur von dem Rechnungsverlag über die
Ertragnisse allein ist der Vater entbunden, insolange er den völligen Genuß des
Kinderguts hat. In allem Uebrigen aber ist er in Ansehung desselben als ein
natürlicher Vormund seiner Kinder zu betrachten, mithin auch alles Dasjenige zu
beobachten schuldig, was in gleich nachfolgendem Capitel bei Vormundschaften
zur guten Verwaltung des Waisenguts vorgeschrieben wird.
[1, 5, § 3] 69. Der dem Vater an dem Kindergut gebührende
rechtliche Nießbrauch eignet ihme zwar insgemein alle Ertragnisse desselben und
alle diejenige Befugnissen zu, welche einem jedem anderem, durch lebzeitige
oder letztwillige Handlungen bestellten Nutznießer zu statten kommen.
[1, 5, § 3] 70. Wann jedoch der Wohlstand seiner Kinder
unumgänglich erheischet, einen Theil der Nutzung zu ihrem Besten zu verwenden,
um etwann eine auf dem Kindergut haftende Schuldenlast zu tilgen, einen durch
Zufall hieran entstandenen Schaden wieder zu verbessern, eine nothwendig oder
sehr nutzliche Einverwendung zu thun, einen wegen dieses Guts erregten
Rechtshandel auszuführen, oder endlich auch auf diejenige Kinder, welchen das
Gut zugehöret, zur besseren und anständigeren Erziehung ein Mehreres zu
verwenden, als der Vater sonst nach seinem Stand und Vermögen auf andere Kinder
anzuwenden vermag; so kann der Vater in dergleichen Umständen die völlige
Nutzung des Guts für sich nicht behalten, noch wegen derlei nothwendiger oder
nutzlicher Auslagen das Gut selbst vermindern.
[1, 5, § 3] 71. Sondern Wir ordnen hiermit, daß in solchen
Fällen der Vater schuldig sein solle, so lange es die Nothsurft erheischet, und
die Schulden nicht völlig getilget, der Schaden nicht wieder verbesseret, der
sich darbietende mehrere Nutzen nicht bewirket, der Rechtshandel nicht ausgeführet
sein wird, oder so lange denen Kindern die anständige Erziehung zu geben ist,
den dritten Theil der klaren Nutzungen zum Besten der Kinder von Jahr zu Jahr
anzuwenden, woferne es nicht bereits dahin gediehen, daß dieser Aufwand mit
geringeren Unkosten bestritten werden könnte.
[1, 5, § 3] 72. Zu welchem Ende und damit durch die Gehörde
von amtswegen hierauf obacht getragen werde, solle ein jeder Vater, der sich in
dem rechtlichen Genuß eines seinen Kindern zugekommenen Guts befindet,
verbunden sein, den Stand des ihme eingeantworteten Kinderguts und die etwann
darauf haftende Schulden nebst dessen wahrer Ertragniß alljährlich bei der
Gehörde anzuzeigen, und diese Anzeige mit bewährten Rechnungsauszügen, auch, da
es ihme der Erforderniß nach auferleget würde, mit vollständigen Rechnungen zu
belegen.
[1, 5, § 3] 73. Wobeinebst derselbe, wie viel er davon
nöthigen Falls zu Tilgung der
(1-161) Schulden, wie auch zu Bestreitung der nothwendigen
oder nutzlichen außer dem gewöhnlichen Aufwand vorgefallenen Ausgaben verwendet
habe, nicht nur behörig auszuweisen, sondern deme auch, was an Schulden noch
weiters verbleibet, und was ferners zu vorsehen mögenden unentbehrlichen
Einverwendungen erforderlich sein dürfte, beizufügen hat.
[1, 5, § 3] 74. Dieser Ausweis, Anzeige oder Rechnung ist
zwar, außer dem Fall einer unterlaufenden geflissentlichen Gefährde oder
hervorkommenden allzugroßer Vernachlässigung des Wirthschaftstriebs, nicht so
genau zu bemängeln, sondern auf Befinden, daß Unseren vorstehenden Verordnungen
nachgelebt worden, sofort ohne weiters gerichtlich zu beangenehmen.
[1, 5, § 3] 75. Wann hingegen hervorkäme, daß weniger als
der dritte Theil deren klaren Nutzungen zum Besten der Kinder von dem Vater
einverwendet worden wäre, ist von der Gehörde, ob nicht so vieles
einzuverwenden nothwendig oder nutzlich gewesen seie, genau einzusehen, und, da
sich die Nothdurft zeigete, dem Vater dessen Unterlassung auszustellen, anbei
aber er sowohl zum Nachtrag des Abgangs in dem folgenden Jahr, als auch zur
künftigen unnachbleiblichen Beobachtung dieser seiner Schuldigkeit befindenden
Umständen nach mit Nachdruck anzuhalten.
[1, 5, § 3] 76. Diese Schuldigkeit lieget jedoch dem Vater
nur allein in demjenigen Fall ob, wo ihme aus Anordnung des Gesetzes der
rechtliche Nießbrauch des Kinderguts zustehet.
Wann aber dem Vater der Nießbrauch eines seinen Kindern
eigenthumlich zugewendeten Guts durch ausdrücklichen Willen Desjenigen, von
deme es an die Kinder gekommen, bis zu ihrer Vogtbarkeit oder auf Lebenszeit,
aus einer lebzeitigen oder letztwilligen Handlung verliehen worden, oder solche
ihme hieran noch ehender, als das Eigenthum an seine Kinder gediehen, schon
zugestanden wäre, in solchen Fällen ist sich nach dem Vertrag oder nach der
letztwilligen Verordnung zu achten, übrigens aber der Vater zu nichts Mehreren
verbunden, als was die gemeine Eigenschaft des Nießbrauchs mit sich bringt.
[1, 5, § 3] 77. In Fällen hingegen, wo der Vater die
alleinige Verwaltung des Kinderguts ohne dem Fruchtgenuß hat, ist er ebenso,
wie ein jedweder anderer Gerhab oder Vormund ordentliche Rechnung zu legen
schuldig, dabei aber auch befugt, zur standesmäßigen Erziehung und Erhaltung
der Kinder die Ausmessung eines jährlichen Betrags von denen Einkünften,
insoweit solche zureichen, von der Gehörde anzuverlangen.
[1, 5, § 3] 78. Die väterliche Gewalt erstrecket
sich auch auf die Handlungen der
(1-162) Kinder, welche, solange sie unter derselben stehen,
keinerlei Handlung fähig sind, worzu freie Schalt- und Waltung nebst
Unabhängigkeit des Willens erforderet wird.
[1, 5, § 3] 79. Also können Dieselbe keinen letzten Willen
errichten, ihr Vermögen weder veräußern, noch beschweren und keine wie immer
Namen habende, rechtsbündige Bedinge, Verträge und Vergleiche mit Anderen
eingehen, es gereicheten dann diese letztere ihnen zum Nutzen und Vortheil oder
der Vater hätte darin gewilliget.
[1, 5, § 3] 80. Ueberhaupt ist denen unter väterlicher
Gewalt stehenden Kindern nicht gestattet, was denen Waisen nicht zugelassen
ist; weswegen dann auch Dasjenige, was von denen Waisen in dem gleich
nachfolgendem Capitel geordnet wird, nicht weniger auf die unter väterlicher
Gewalt stehende Kinder zu deuten ist.
[1, 5, § 3] 81. Nur aus jenen Handlungen der Kinder kann der
Vater Anderen verbindlich werden, oder sich Andere verbindlich machen, welche
von ihnen in Ansehung des Vaters, oder seines Guts, oder Gewerbs auf sein
Geheiß, oder mit seinem Willen mit Anderen eingegangen oder hernachmals von
ihme beangenehmet worden.
Außer deme wird derselbe hieraus nur insoweit verbindlich,
als aus der vorgegangenen Handlung etwas zu seinem Nutzen gediehen ist.
[1, 5, § 3] 82. Die Kinder hingegen werden aus dergleichen
Handlungen nicht selbst verbunden, noch weniger sind sie schuldig, über kurz
oder lang für das, wozu ihr Vater durch sie verbunden worden, aus dem Ihrigen
Genügen zu thun, außer sie wären immittelst Erben des Vaters worden.
[1, 5, § 3] 83. Von dergleichen Handlungen, woraus Anderen
durch Andere etwas erworben oder eine Verbindlichkeit zugezogen wird, und von
denen in solchen Fällen denen allseitigen Theilhaberen gebührenden
Rechtsmittel, folget das Mehrere im dritten Theil, wo von persönlichen
Verbindungen gehandelt wird.
(1-163) [1, 5, § 3] 84. Durch Gelderborgungen werden weder
die unter väterlicher Gewalt stehende Kinder, noch der Vater selbst in
mindestem verbindlich, wann nicht sein erweisliches Geheiß, Einwilligung oder
Gutheißung hinzutritt, oder nicht das Geld zum Nutzen des Vaters verwendet,
oder von ihme die Bezahlung übernommen, ganz oder bereits wissentlich oder zum
Theil geleistet worden.
[1, 5, § 3] 85. In welchem letzteren Fall nicht nur allein
das Bezahlte nicht mehr zuruckgeforderet werden kann, sondern auch der Vater,
wo er durch Abschlagszahlung ohne ausdrücklicher
Verwahrung für den Ueberrest die Schuld einmal anerkannt, nicht weniger den
Ueberrest zu bezahlen schuldig ist.
[1, 5, § 3] 86. Eben also, da ein mit Willen des Vaters sich
in der Fremde aufhaltender Sohn oder Tochter Geld erborget hätte, ist der Vater
nur Dasjenige zu bezahlen verbunden, was ein solches Kind zu seinem
gebührlichen Unterhalt und zu Bestreitung deren Reiseunkosten auszuborgen
bemüssiget gewesen.
[1, 5, § 3] 87. Zu Hause aber solle einem Kind kein
dergleichen Vorwand wider den Vater verhelfen können, sondern ihme lieget ob,
wo es einen Mangel an dem gebührenden Unterhalt erlitte, und der Vater
gleichwohlen ein Mehreres zu thun im Stande wäre, nach Anordnung dessen, was
davon oben in zweitem Capitel, §. IV vorgesehen worden, die Gehörde anzugehen,
um den Vater zur Erfüllung seiner Schuldigkeit zu vermögen.
[1, 5, § 3] 88. Mehrere Wirkungen der väterlichen Gewalt
kommen hiernach an jenen Orten besonders vor, wohin sie nach ihrem Gegenstand,
den selbe betreffen, gehörig sind, um alle unnöthige Wiederholungen zu
vermeiden.
§. IV.
[1, 5, § 4] 89. Die väterliche Gewalt höret
auf mehrerlei Art auf, als erstens mit Absterben des Vaters oder der Kinder.
Dem natürlichen Tod aber wird auch verglichen, wann Vater oder Kinder wegen
begangenen Verbrechens von der bürgerlichen Gesellschaft in dem Staat oder in
einem Land durch Urtheil und Recht ausgeschlossen werden.
[1, 5, § 4] 90. Wann dahero Vater oder Kind aus dem Staat
oder aus einem Land auf ewig verwiesen, oder an entlegene Orte zu seinem
daselbstigen immerwährenden Aufenthalt abgeschaffet, oder zu einem
lebenslänglichen Gefängniß, Festungsbau oder zu anderer Strafarbeit
verurtheilet worden, so wird der also Bestrafte eben
(1-164) andurch aller Wirkungen der väterlichen Gewalt, die
ihme zu seiner Gunst und Vortheil gereichen könnten, ganz und gar verlustig.
[1, 5, § 4] 91. Da es den Vater betroffen, verlieret
derselbe vornehmlich den Nießbrauch und die Verwaltung des Kinderguts, ohne daß
deswegen die Kinder aufhören nothwendige Erben ihres Vaters zu sein, sondern
denenselben ist sowohl durch Sicherstellung ihres Pflichttheils, als durch
Bestellung eines Vormunds in solchen Fällen vorzusehen.
[1, 5, § 4] 92. Doch werden weder Vater noch Kinder, die
solcher gestalten bestrafet werden, von der wechselweisen Erbfolge deswegen
ausgeschlossen, wann das Verbrechen nicht zugleich die Unfähigkeit zu Erbfällen
nach sich ziehet, sondern sie haben sich diesfalls des Rechts der Inwohneren
desjenigen Landes, in welchem sie sich befinden, zu erfreuen, insoweit diesen
das Wiedergeltungsrecht in Ansehung diesländiger Erbschaften nicht
entgegenstehet.
[1, 5, § 4] 93. Eine zeitliche Abschaffung oder
Landesverweisung, oder auch eine auf gewisse Jahre verhängte Gefängnißstrafe
des Vaters verhinderet nur jene Wirkungen der väterlichen Gewalt, welche sich
auf die Erziehung der Kinder, dann auf die Verwaltung und Nutznießung des
Kinderguts erstrecken, auch nur so lange, als die Strafe daueret.
[1, 5, § 4] 94. Inzwischen aber ist von der Gehörde zur
Verwaltung des Kinderguts ein zeitlicher Vormund zu bestellen, und wann der Vater
nach geendigter Strafzeit anwiederum zurückkehret, und sonst kein erhebliches
Bedenken ihme das Kindergut wieder anzuvertrauen fürwaltet, tritt derselbe in
seine vorige Rechten ein.
[1, 5, § 4] 95. Ein von Feinden gefangener verlieret die
Rechten der väterlichen Gewalt so wenig, als wie ein von Sinnen gekommener oder
sonst gebrechlich gewordener Vater; und wird in folgendem Capitel geordnet
werden, wie in solchen Fällen sowohl dem sinnlosen oder abwesenden Vater, als
denen hilflosen Kindern vorzusehen seie.
[1, 5, § 4] 96. Zweitens endiget
sich die väterliche Gewalt durch das Recht selbst,
(1-165) sobald ein Kind das vogtbare Alter erreichet, ohne daß es hierzu besonderen Entlassung aus der
Gewalt oder einer sonstigen gerichtlichen oder außergerichtlichen Handlung
bedörfe.
[1, 5, § 4] 97. Dieses vogtbare Alter, so für sich selbst
die väterliche Gewalt auflöset, sind bei Söhnen zwanzig und bei Töchtern
achtzehn vollständig erfüllte Jahre, vor welcher Zeit kein Vater befugt ist,
seine Kinder der Gewalt zu entlassen, noch sie über solche in seiner Gewalt zu
halten.
[1, 5, § 4] 98. Doch sollen derlei aus der väterlichen
Gewalt getretene Kinder nicht eben sofort ihrer eigener Willkür überlassen
sein, sondern noch fernershin bis zu erreichter Großjährigkeit, das ist, bis
nach vollständig erfüllten vierundzwanzigsten Jahr ihres Alters unter der
väterlichen Obsorge und Aufsicht verbleiben.
[1, 5, § 4] 99. Bis dahin sind die obschon vogtbaren Kinder
ohne Einwilligung des Vater keinerlei lebzeitige Handlungen mit Giltigkeit
vorzunehmen fähig, wodurch entweder ihre Person verbunden oder ihr Vermögen
veräußeret, verminderet oder auf einigerlei Weise beschweret würde, wie in
folgendem Capitel von Minderjährigen mit Mehreren geordnet wird.
[1, 5, § 4] 100. Sie können hingegen mit ihrem Vermögen nach
Gefallen letztwillig ordnen, und solle ein von ihnen errichteter letzter
Willen, wann derselbe sonst an sich nicht mangelhaft ist, allerdings giltig und
zu Recht beständig sein.
[1, 5, § 4] 101. Mit der durch die erreichte Vogtbarkeit der
Kinder aufgelösten väterlichen Gewalt höret zwar der dem Vater von dem
Kindergut bis dahin zugestandene Nießbrauch auf, nicht aber auch die Verwaltung
desselben, obschon solche von dieser Zeit an in eine andere Gestalt verwandlet,
und aus der von der väterlichen Gewalt herrührenden eine bloße
vormundschaftliche Verwaltung wird, ohne weiterem Recht des Nießbrauchs.
[1, 5, § 4] 102. Es ist dahero der Vater schuldig, sobald
ein Kind die obbestimmten Jahre der Vogtbarkeit erreichet, einen Abschnitt der
ihme bis dahin mit dem Nießbrauch zugestandenen Verwaltung des Kinderguts zu
machen, und dessen gegenwärtigen Stand getreulich anzuzeigen, welcher von der
Gehörde mit der oben gleich anfangs vorzunehmen angeordneten gerichtlichen
Beschreibung zusammengehalten, und hauptsächlich darauf gesehen werden solle,
ob währendem väterlichen
(1-166) Nießbrauch dem Kindergut etwas entgangen oder
dasselbe sonst zu Schaden gekommen, folglich was denen Kindern vom Vater zu
ersetzen seie.
[1, 5, § 4] 103. Mittlerweil aber hat der Vater als
natürlicher Vormund die Verwaltung des Kinderguts mit der Verbindlichkeit
fortzusetzen, daß er gleich einem anderen Vormund von Stund an, alle
Ertragnisse des Kinderguts zum Nutzen derselben verwenden, solche ordentlich
verrechnen, hierüber die Rechnungen alljährlich bei der Gehörde erlegen, und in
Allem sich deme gemäß betragen müsse, was in gleich nachfolgendem Capitel
überhaupt von Gerhaben oder Vormünderen geordnet wird.
[1, 5, § 4] 104. In diesem allein waltet ein Unterschied ob,
daß ein Vater in die Verehelichung seines minderjährigen Kinds für sich allein
willigen könne, wo in Gegentheil die Vormündere und Gerhaben der Minderjährigen
die Verwilligung bei der vorgesetzten Vormundschaftsgehörde anzusuchen haben,
wie es oben in drittem Capitel vorgeschrieben worden.
[1, 5, § 4] 105. Die dem Vater gebührende Vormundschaft über
seine noch minderjährige Kinder ist demselben ohne
erheblicher Ursach nicht zu benehmen. Es käme dann wider ihn eine Gefährde,
geflissentliche Benachtheiligung oder große Verwahrlosung des Kinderguts
erweislich hervor.
[1, 5, § 4] 106. Welchen Falls denen minderjährigen Kindern
ein anderer Vormund bestellet, und diesem von der Gehörde aufgetragen werden
solle, Alles, was von dem Vater bis dahin etwann vernachlässiget worden wäre,
in Richtigkeit zu bringen, und was dieser allenfalls zu ersetzen haben dörfte,
beschaffenen Umständen nach auch gerichtlich einzutreiben. Uebrigens ist mit
der Raitung des Vaters auf ganz gleiche Weise zu verfahren, wie es wegen
Bemängelung all anderer Vormundschafts-Raitungen in dem gleich hiernach
folgendem Capitel ausgemessen wird.
[1, 5, § 4] 107. Drittens wird sowohl die väterliche Gewalt,
als die väterliche Vormundschaft durch die einem Kind aus Unserer
landesfürstlichen Machtsvollkommenheit ertheilte Nachsicht des Alters
ausgelöset, wann solche nicht ausdrücklich nur auf gewisse darinnen benannte
Handlungen allein eingeschränket worden.
[1, 5, § 4] 108. Viertens höret die väterliche Gewalt durch
die mit Willen des
(1-167) Vaters, oder mit gerichtlicher Begenehmigung
erfolgte Verehelichung eines noch unvogtbaren Sohns oder Tochter der gestalten
auf, daß ein sich verheirathender Sohn bis zu erreichender Großjährigkeit unter
der Vormundschaft des Vaters verbleibe, eine verehelichte Tochter hingegen
unter die Vormundschaft ihres Manns, wann derselbe großjährig ist, verfalle,
widrigens oder so lange unter der Vormundschaft ihres Vaters verbleibe, bis daß
ihr Mann oder sie selbst die Großjährigkeit erreiche.
[1, 5, § 4] 109. Wann jedoch der Vater vor der
Großjährigkeit eines verheiratheten Kinds verstürbe, ist diesem sofort ein
anderer Vormund zu bestellen, und stehet solchen Falls dem Vater frei, ihme
einen anderen Vormund in seinem letzten Willen zu benennen.
Wo aber der bereits großjährige Ehemann einer verehelichten
Tochter welcher vorbesagter Maßen die Vormundschaft über sie gehabt, verstürbe,
fallt dieselbe, wann sie auch noch nicht vogtbaren Alters wäre, nicht mehr
unter die Gewalt, sondern lediglich unter die Vormundschaft ihres noch lebenden
Vaters zurück, und da auch dieser vor oder nach dem Tod abgegangen wäre, ist
sie bis zu ihrer Großjährigkeit anderweit zu bevormunden.
[1, 5, § 4] 110. In allen Fällen, wo die väterliche Gewalt
durch die Verehelichung eines Kinds aufgelöset wird, hat auch der väterliche
Nießbrauch des Kinderguts sein Ende, und ist von dem Tag der Heirath dessen
gesammte Ertragniß ordentlich zu verrechnen, welche jedoch ganz oder zum Theile
nach Befund und
(1-168) Ausmessung der vormundschaftlichen Gehörde dem
verheiratheten Kind zu seinem Gebrauch und Unterhaltung ausgefolget werden
solle.
[1, 5, § 4] 111. Woferne aber ein noch unvogtbares Kind sich
wider Willen des Vaters und ohne gerichtlicher Einwilligung auf dem Fall, da
dieser sich ohne rechtmäßiger Ursach weigerete, verheirathet hätte, höret die
väterliche Gewalt deswegen nicht auf, noch weniger kann dem Vater dadurch der
Nießbrauch des einem solchen Kind angehörigen Vermögens entzogen werden.
[1, 5, § 4] 112. Wegen Führung einer eigenen Haushaltung,
oder wegen aufhabender Würde, oder unter was sonst immer für einem
Vorwand kann sich kein Kind der väterlichen Gewalt entziehen.
[1, 5, § 4] 113. Doch solle denen vogtbaren Kinder, die ein
eigenes Vermögen haben, jährlich ein Theil, ihrer Einkünften, welchen jedes Mal
die Gehörde nach mehr oder minderer Bedürfniß auszumessen hat, zur freien
Schalt- und Waltung von dem Vater ausgefolget werden, damit sie zeitlich zum
vernünftigen Gebrauch ihres Vermögens angewöhnet werden.
[1, 5, § 4] 114. Gleichwie aber jene minderjährige Waisen,
welche zu einer Handlung, Kunst, Gewerb und bürgerlichen Nahrung fähig erkennet
worden, von der Nothwendigkeit einer weiteren Vormundschaft, wie es in dem
folgenden Capitel geordnet wird, entbunden sind, und mit ihrem zu dem
Nahrungstrieb ihnen eingeantworteten Vermögen frei schalten und walten,
folglich sich rechtsbeständig verbinden mögen, also ist solches allerdings auch
von denen minderjährigen Kindern zu verstehen, welchen mit des Vaters
Verwilligung oder doch dessen vorläufiger Vernehmung ihr Vermögen von der
Gehörde zu gleichem Ende eingeantwortet worden.
[1, 5, § 4] 115. Die Auflösung der väterlichen Gewalt solle
denen Kindern niemalen zu einigem Nachtheil gereichen, sondern sie bleiben nach
wie vor nothwendige Erben des Vaters, und genießen auch weiters alle übrigen
Rechten des Hausstandes.
[1, 5, § 4] 116. Wer einmal von der väterlichen Gewalt
entbunden worden, fallt niemalen unter dieselbe zuruck.
Nur bei Wahlkindern leidet solches eine Ausnahme, welche
sowohl aus der Gewalt ihres leiblichen Vaters in die Gewalt des Wahlvaters
übergehen, als auch nach dem Tod dieses letzteren, wann sie noch unvogtbar
sind, anwiederum in die Gewalt ihres leiblichen Vaters, oder da sie zu dieser
Zeit bereits vogtbaren Alters sind, in dessen Vormundschaft zurückzufallen.
(1-169) Caput VI.
Von der Vormundschaft.
Inhalt:
§. I. Von Vormundschaften überhaupt. §. II. Von
Verschiedenheit der Vormundschaften. III. Von Antretung der Vormundschaft. §.
IV. Von Verwaltung der Vormundschaft.
§. V. Von der Vormundschafts-Raitung. §. VI. Von Belohnung
der Vormünderen. §. VII. Von Beendigung der Vormundschaft. §. VIII. Von
Obsorgeren deren Ihrem Gut selbst vorzustehen unfähigen Personen.
§. I.
[1, 6, § 1] Num. 1. Die aus der väterlichen Gewalt
ausgetretenen Personen sind noch nicht bei so reifem Alter, daß sie sich selbst
zu ihrem und des gemeinen Wesens Besten zu leiten und ihren Sachen der
Erforderniß nach gebührend vorzustehen vermögen.
[1, 6, § 1] 2. Es erheischet dahero der allgemeine
Wohlstand, damit solche Personen
(1-170) durch Andere geleitet und geschützet, folglich ihnen
zu dem Ende tüchtige Vormünder und Gerhaben bestellet werden.
[1, 6, § 1] 3. Diese Beschützung heißet
eigentlich eine Vormundschaft oder Gerhabschaft und ist nichts Anderes, als
eine Macht und Gewalt Diejenigen zu beschützen, welche wegen ihrem unreifen
Alter sich selbst und ihren Gütern nicht vorstehen können.
[1, 6, § 1] 4. Die Personen, welchen diese Macht zukommt,
werden Vormündere, Gerhaben, Pflegeväter, Pflegevögte, Treuhaltere, ihre
Pflegebefohlene aber Unvogtbare, Minderjährige, und Jene, welche vaterlos sind,
insoweit Waisen und Mündlein benamset.
[1, 6, § 1] 5. Dann nicht nur in der ersten Jugend haben
Waisen für ihre Person und zu Erhaltung ihres Vermögens einen solchen Schutz
nöthig, sondern es erforderet auch der gemeinwesige Wohlstand, daß die Freiheit
junger Leuten, besonders in Ansehung der eigenmächtigen Schalt- und Waltung mit
ihrem Gut bis zu einem gewissen Alter beschränket bleibe, in welchem die
Kräften der Vernunft schon reif genug sind, dem Ihrigen selbst vorzustehen.
[1, 6, § 1] 6. Die Jugendjahre werden in viererlei Alter
abgetheilet, als in die Kindheit, Unmündigkeit, Unvogtbarkeit und
Minderjährigkeit.
[1, 6, § 1] 7. Die Kindheit reichet
bis zum Ende des siebenten und die Unmündigkeit bis zum Ende des funfzehnten
Jahrs.
Die Unvogtbarkeit hingegen erstrecket
sich bei Mannspersonen bis nach gänzlich erfülltem zwanzigstem und bei
Weibsperson bis nach völlig zurückgelegtem achtzehntem Jahr, bis dahin Niemand
für vogtbar gehalten werden solle.
[1, 6, § 1] 8. Mit Eintritt einer Mannsperson in das
einundzwanzigste Jahr und mit Eintritt einer Weibsperson in das neunzehnte Jahr
ihres Alters nimmt die Minderjährigkeit ihren Anfang, und währet ohne
Unterschied des Geschlechts oder Standes bis zu dem gänzlich vollbrachtem
vierundzwanzigstem Jahr.
[1, 6, § 1] 9. Mit dessen vollständiger Erfüllung wird jenes
Alter erreichet, welches die Großjährigkeit genennet wird, und nach erfolgter
gerichtlicher Großjährigkeitserklärung nicht nur der Vormundschaft ein Ende
macht, sondern auch dem großjährig Erklärtem die Fähigkeit zu allen in
bürgerlicher Gesellschaft vorfallenden Handlungen giebt.
[1, 6, § 1] 10. Großjährigen werden dahero niemalen
Vormündere gesetzet, sondern, wo selbe wegen Gemüths- oder Leibesgebrechen oder
anderer rechtlicher Hindernissen ihrem Gut selbst vorzustehen nicht fähig sind,
ihren Sachen und Rechten durch bestellte Obsorgere vorgesehen, deren
Amtsbefugnisse und Verbindlchkeiten jedoch mit jenen der Vormünderen fast
durchaus übereinkommen.
[1, 6, § 1] 11. Es wird solchemnach in gegenwärtigem Capitel
von Vormündern zuerst, sodann aber auch von Obsorgeren deren ihrem Gut selbst
vorzustehen unfähigen Personen gehandelt.
§. II.
[1, 6, § 2] 12. Der höchste Schutz und die oberste Vormundschaft
über alle Waisen in Unseren Staaten ruhet bei Uns allein, dessen diese
mittelbar durch die nachgeordneten Gerichte und Obrigkeiten, unmittelbar aber
durch die gerichtlich bestellte oder bestätigte Vormündere theilhaftig werden.
(1-171) [1, 6, § 2] 13. Bestätiget werden die in letztem
Willen benannte Vormündere, dann die von denen Gesetzen zur Vormundschaft
berufene nächste Blutsverwandte. In Ermanglung dieser ersten und anderten
Gattung aber werden von richterlichen Amts wegen Vormündere bestellet und
gesetzet. Doch muß sowohl die Bestätigung als die Bestellung der Vormünderen
allemal von jenem Gericht geschehen, zu welchem der Wais mit seiner Person oder
mit seinen Gütern gehöret.
[1, 6, § 2] 14. Es sind also drei Gattungen der
Vormundschaften, als:
Erstens, die durch letzten Willen geordnete Vormundschaft.
Zweitens, die Vormundschaft der nächsten Blutsverwandten.
Drittens, die durch die Obrigkeit verordnete Vormundschaft.
[1, 6, § 2] 15. In dem letzten Willen können entweder der
Person der Waisen und
(1-172) ihrem gesammten Vermögen, ohne Unterschied, woher
dasselbe rühre, oder nur in Ansehung eines gewissen denen Waisen verschafften
Guts Vormündere bestellet werden.
[1, 6, § 2] 16. Die Befugniß, der Person der Waisen und
ihrem wo immer herrührendem gesammten Vermögen Vormündere zu geben, ist ein
vorzügliches Recht und Wirkung der väterlichen Gewalt, so niemandem Anderem
gebühret, der die väterliche Gewalt nicht hat.
[1, 6, § 2] 17. Wir wollen aber dieses Recht dem Vater noch
weiters auch über seine minderjährige Kinder, obschon durch deren erreichte
Vogtbarkeit die väterliche Gewalt erloschen, aus besonderer Rücksicht für das
denen Kindern nicht anderst, als ersprießlich fallen mögende Urtheil eines auf
ihren Wohlstand bedachten Vaters belassen, und solle sich demnach die Macht
deren von dem Vater in seinem letzten Willen geordneten Vormünderen sowohl auf
die Person der Waisen, als auf alles nicht allein von dem Vater, sondern auch
von anderwärts herkommendes Vermögen erstrecken, wann über dieses letztere nicht etwann schon ein anderer Vormund
insonderheit bestellet ist.
[1, 6, § 2] 18. Dieses Recht hat der Vater auch damals,
wanngleich derselbe rechtmäßige Ursach hätte, eines von seinen Kindern, welches
die Großjährigkeit noch nicht erreichet hätte, von der Erbschaft auszuschließen
und zu enterben, deme er nichtsdestoweniger in Ansehung der Person und des
anderwärtigen Vermögens einen Vormund bestellen kann.
[1, 6, § 2] 19. In Gegentheil stehet weder der Mutter, noch
auch denen Großeltern und weiteren Aufsteigenden die Befugniß zu, denen Waisen
auf eine andere Art, als bloß allein in Ansehung des denenselben in dem letzten
Willen von ihnen zugewendeten Guts Vormündere zu benennen.
[1, 6, § 2] 20. Diese alle werden aus Mangel der väterlichen
Gewalt fremden Erblasseren gleichgeachtet, welchen die letzwillige Bestellung
der Vormünderen nicht weiter zugelassen ist, als über das denen Waisen oder
Jemands noch minderjährigen Kindern von ihnen durch letzten Willen zugewendete
Gut, als worauf allein und nicht weiter sich eine solche von ihnen angeordnete
Vormundschaft zu erstrecken hat.
[1, 6, § 2] 21. Es seie dann, daß von der Gehörde, worunter
die Waisen stehen, denenselben vorträglicher zu sein befunden würde, dem von
einem Dritten letztwillig geordneten Vormund auch die Person der Waisen und ihr
übriges Vermögen anzuvertrauen,
(1-173) wann solches ohne Benachtheiligung eines Dritten,
der hierzu ein näheres Recht hätte, geschehen kann.
[1, 6, § 2] 22. Diese auch Anderen außer dem Vater
zustehende Macht in letztem Willen Vormündere anzuordnen gehet aber nicht
weiter, als nur auf das, was denen Waisen in letztem Willen zugewendet, und
nicht auch auf Jenes, was denenselben von ihnen bei Lebzeiten geschenket
worden, wann sich dabei die Benennung eines Vormunds nicht ausdrücklich
vorbehalten oder gleich zur Zeit, als die Schankung geschehen, dieser nicht
schon mit benennet worden, welchen Falls die solcher gestalten geordnete
Vormundschaft die Natur eines der Schankung beigesetzten Bedinges hat.
[1, 6, § 2] 23. Die Bestellung deren Vormünderen hat in
jeder letztwilliger Verordnung statt, wann diese nur in ihrer Art und an sich
selbst nach Unseren Gesetzen zu recht bestehet.
[1, 6, § 2] 24. Und kann nicht nur einer, sondern auch
mehrere Vormündere entweder zugleich, oder andere nach anderen, falls sie
ersteren nicht zur Vormundschaft gelangeten, bestellet, wie auch die
Vormundschaft selbst unter mehrere vertheilet, nicht weniger eine gewisse Zeit
oder Bedingniß beigefüget, und sowohl Jemandem nach Erfüllung der Bedingniß
oder nach Erreichung einer gewissen Zeit die Vormundschaft aufgetragen, als
nach Ausgang derselben oder in Ermangelung der Bedingniß solche anwiederum
benommen werden
[1, 6, § 2] 25. In dem ersteren Fall, so lange noch
anzuhoffen ist, dass die Anordnung des Erblassers in Erfüllung gehen könne,
liegt die mittlerweilige Versorgung der Waisen der ordentlichen Gehörde ob.
In dem letzteren Fall aber, wo die von dem Erblasser
bestellte Vormundschaft völlig aufhöret, gebühret
solche denen nächsten Anverwandten.
[1, 6, § 2] 26. Ueber das hat die von dem Vater letztwillig
geordnete Vormundschaft noch dieses Besondere, daß selbe allemal günstig
auszudeuten seie, also zwar, daß sich solche auch auf jene Kinder erstrecke,
die nach seinem Tod geboren werden, obschon bei Bestellung der Vormundschaft
deren keine ausdrückliche Meldung geschehen wäre.
[1, 6, § 2] 27. Nicht weniger ist der von dem Vater einem
seiner Kinder bestellte Vormund auch aller übrigen und der denen Söhnen
bestellte auch deren Töchtern Vormund, wann wegen deren nicht mitbenannten von
ihme keine anderweite ausdrückliche Vorsehung gemacht worden.
[1, 6, § 2] 28. Eben also wird der von dem Vater der Person
seiner hinterlassener Kinder gegebene Vormund auch in Ansehung des Vermögens
für bestellet geachtet, und dagegen, gleichwie dann auch die väterliche
Bestellung der Vormundschaft über einen Theil des Vermögens sich auf das ganze
Vermögen erstrecket, wann die Waisen in dessen Ansehung nicht schon anderweit
bevormundet sind.
[1, 6, § 2] 29. Alle letztwillig bestellte Vormündere müssen
ohne Unterschied, ob sie von dem Vater oder anderen Erblasseren benennet
worden, vor Antretung der Vormundschaft gerichtlich bestätiget werden, obschon
die letztwillige Benennung so viel wirket, daß die Gehörde von der Auswahl des
Erblassers ohne erheblicher Ursach nicht abzugehen hat.
[1, 6, § 2] 30. Dann aus der letztwilligen Anordnung
erwachset dem darinnen benannten Vormund ein Recht zur Vormundschaft, welches
ihme, wann er hierzu tauglich ist, nicht entzogen werden kann.
Gegentheils aber entspringet auch seinerseits daraus die
Verbindlichkeit, daß er ohne rechtmäßiger
Entschuldigungsursache sich derselben nicht entschlagen mag.
[1, 6, § 2] 31. Würde er sich aber weigeren die
Vormundschaft anzunehmen, und wäre von dem Erblasser in dem letzten Willen mit
einer Vermächtniß bedacht worden, so solle er auch dieser ihme zugedachten
Wohlthat verlustiget sein, und die rechtliche
(1-174) Vermuthung allemal fürwalten, daß ihme solche in
Ansehung der aufgetragenen Vormundschaft verschaffet worden.
[1, 6, § 2] 32. Er könne dann beweisen, daß der Erblasser
dabei auf die Annehmung der Vormundschaft keine Rücksicht getragen habe, oder
daß die Erfüllung der letztwilligen Anordnung nicht an ihme erliege, als da er
ohne seiner Schuld durch rechtliche Ehehaften davon abgehalten, oder von der
Gehörde aus erheblichen Ursachen, ohne daß ihn sein Verbrechen hierzu
untauglich mache, nicht zugelassen würde.
[1, 6, § 2] 33. In welchen beiden Fällen ihme sein Recht zur
Vermächtniß jegleichwohlen bevorstehet, woferne nicht von dem Erblasser die
Führung der Vormundschaft zur ausdrücklichen Bedingniß erforderet worden,
welche eben andurch, daß er nicht zur Vormundschaft gelange, gänzlich
ermanglet.
[1, 6, § 2] 34. Wann aber die letztwillig angeordnete Vormundschaft
nach gerichtlicher Bestätigung angetreten worden, so ist dieselbe von solcher
Kraft, daß insolange sie fürwähret, die nächsten Anverwandten kein Recht zur
Vormundschaft haben, noch von ihnen dem letztwillig benannten Vormund ein
Eintrag oder Hinderniß geschehen könne.
[1, 6, § 2] 35. Wovon jedoch der alleinige Fall ausgenommen
wird, wann von dem
(1-175) Vater, Mutter oder weiteren Aufsteigenden mehreren
Waisen ein Vormund in dem letzten Willen bestellet, und ein Bruder vor dem
anderen noch minderjährigen Geschwister die Großjährigkeit erreichen würde,
deme sodann auf Begehren der letztwillig bestellte Vormund die Vormundschaft
über sein noch minderjähriges Geschwister abzutreten schuldig ist.
[1, 6, § 2] 36. Es wären ihme dann erhebliche Bedenken entgegen,
oder von dem Erblasser ausdrücklich verordnet worden, daß bis zur
Großjährigkeit aller Waisen der von ihme benannte Vormund bleiben solle.
[1, 6, § 2] 37. Wann durch letzten Willen kein Vormund
benennet worden, oder auch der letztwillig benannte, entweder weilen der der
letzte Willen ganz und gar ungiltig, oder der benannte untauglich ist, oder
sich aus rechtmäßiger Ursache entschuldiget, oder vor dem Erblasser verstorben,
zur Vormundschaft nicht gelanget, oder endlich die letztwillig geordnete Vormundschaft
nachhero gänzlich aufhöret, so werden die nächsten Blutsverwandten der Waisen
hiermit durch dieses Unser Gesatz zur Vormundschaft berufen.
[1, 6, § 2] 38. Hieraus erwachset denenselben ein Recht zur
Vormundschaft, welches nicht allein in der Befugniß bestehet solche, wann sie
wollen, anzusuchen, sondern auch mit der Nothwendigkeit verknüpfet ist, daß sie
die ihnen von der Gehörde aufgetragene Vormundschaft in Ermanglung
rechtserheblicher Entschuldigungsursachen unweigerlich annehmen müssen.
[1, 6, § 2] 39. Sowohl dieses Recht die Vormundschaft
anzuverlangen, als die Verbindlichkeit die aufgetragene auf sich zu nehmen,
trifft allemal den nächsten Blutsverwandten des Waisen, also daß, wer dem
Waisen nach dem Geblüt der Nächste ist, auch der Nächste zur Vormundschaft
seie.
[1, 6, § 2] 40. Es seie nun, daß mehrere Blutsverwandte sich
um die Vormundschaft anmelden, oder daß die Gehörde selbst einem aus mehreren
Blutsverwandten die Vormundschaft aufzutragen befinde; so solle allzeit darauf
gesehen werden, damit der Nächste nicht vorbeigegangen, sondern ihme vor denen
Weiteren die Vormundschaft
(1-176) aufgetragen werde, wann derselbe sonst darzu
tauglich ist, und keine rechtmäßige Ursache zur Entschuldigung hat.
Widrigens ist der nächst nach ihme kommende
taugliche Verwandte vorzuziehen.
[1, 6, § 2] 41. Für den Nächsten aber wird Jener geachtet,
der von denen, die sich um die Vormundschaft angemeldet, oder von denen, die
dem Gericht bekannt sind, dem Waisen zum nächsten verwandt ist, obschon der
Wais noch nähere zur Vormundschaft taugliche Verwandten hätte, die aber sich
entweder nicht gemeldet oder der Vormundschaftsgehörde nicht bekannt sind.
[1, 6, § 2] 42. Doch solle die Gehörde, worunter die Waisen
stehen, die Anmeldung der Anverwandten zur Vormundschaft nicht über die ersten
vierzehn Tage von Zeit, als der Bevormundungsfall dem Gericht bekannt worden,
abwarten, sondern nach deren Verlauf, wann sich kein tauglicher Verwandter
angemeldet, oder der sich Anmeldende seine Verwandtschaft mit dem Waisen nicht
rechtserforderlich dargethan hätte, von amtswegen fürschreiten und
vorsichtsweise dem nächsten tauglich befindenden Blutsfreund, welcher in
Erfahrniß gebracht wird, oder in dessen Ermanglung auch einem Fremden die
Vormundschaft auftragen.
[1, 6, § 2] 43. Ohnerachtet aber des einem weiteren
Anverwandten oder auch einem Fremden geschehenen Auftrags soll
nichtsdestoweniger dem nächsten tauglichen Blutsverwandten, wann er sich
nachher anmeldet, weder sein Recht zur Vormundschaft benommen, noch auch in dem
Fall, da er in Erfahrniß gebracht und das Gericht ihme die Vormundschaft auch
ohne seinem freiwilligen Anerbieten zu übertragen befinden würde, derselbe von
der Schuldigkeit solche anzunehmen entbunden sein.
[1, 6, § 2] 44. Zu diesem Ende verstatten Wir in dem Fall,
wo die Vormundschaft einem weiteren Anverwandten aufgetragen worden, dem
näheren, und in jenem Fall, wo der Auftrag einem Fremden geschehen, allen
Blutsverwandten der Waisen annoch Jahr und Tag von Zeit des dem Anderen
geschehenen Auftrags zur freiwilligen Anmeldung.
[1, 6, § 2] 45. Dahingegen solle auch der
Vormundschaftsgehörde bevorstehen, sowohl binnen dieser anberaumten Frist von
Jahr und Tag, als nach Verlauf derselben zu allen Zeiten, wann sie es zum
Besten der Waisen zu gereichen findet, dem in Erfahrniß bringenden näheren
tauglichen Blutsverwandten die Vormundschaft von amtswegen aufzutragen und den
inzwischen vorsichtsweise bestellten Vormund zu entledigen
[1, 6, § 2] 46. Gleichwie dann auch diesem unbenommen ist,
solchen Falls um seine Entlassung von der Vormundschaft anzuhalten, obschon
derselbe währenden Jahrgangs dem Anderem, dieser möge sich hierum selbst
angemeldet haben oder ihme solche von amtswegen übertragen worden sein, die von
ihme bereits angetretene Vormundschaft abzutreten, ohne erheblicher Ursache
nicht gezwungen werden kann.
[1, 6, § 2] 47. Wann jedoch der abtretende und angehende
Vormund damit zufrieden oder die Vormundschaftsgeschäften noch in ihrer Gänze
sind, oder das Beste der Waisen die Aenderung der Vormundschaft nicht zu
verschieben erforderet, so kann nach vernünftigen richterlichen Ermessen auch
in der Zwischenzeit darzu geschritten werden.
[1, 6, § 2] 48. Wobei aber sowohl die aus Verwaltung der
Vormundschaft gegen den Waisen erwachsende Verbindlichkeit, als die vormundschaftliche
Belohnung (von deren einer, wie der anderen die weitere Ausmessung in denen
nachstehenden §§. folgen wird) zwischen dem ab- und antretenden Vormund nach
Maß der Zeit also vertheilet wird, damit weder einer noch der andere Theil über
die Gebühr beschweret oder verkürzet werde.
[1, 6, § 2] 49. Nach Verlauf Jahr und Tags hingegen
erlöschet das Recht des nächsten Blutsverwandten die Vormundschaft anzusuchen,
und kann nach dieser Zeit weder
(1-177) ein weiterer Befreundter von dem näheren, noch auch
ein fremder Vormund von einem später hervorkommenden Blutsverwandten wider
Willen verdrungen werden.
[1, 6, § 2] 50. Es könne dann der sich später anmeldende
Blutsverwandte erweisen, daß er sich ehender zu melden durch rechtmäßige
Ehehaften, wegen welcher sonst nach Anordnung Unserer Gesetzen keine Verjährung
laufen kann, verhinderet gewesen seie.
[1, 6, § 2] 51. Der Obrigkeit aber bleibt vorbesagter Maßen
allemal vorbehalten auch nach dieser Zeit, wann es denen Waisen ersprießlich zu
sein befunden wird, dem hernach in Erfahrung bringenden tauglichen
Blutsverwandten die Vormundschaft zu übertragen, von deren Annehmung derselbe
sich nicht anderst, als auch einer deren hiernach erklärenden rechtmäßigen
Ursachen entschuldigen kann.
[1, 6, § 2] 52. Aus der alleinigen Ursache hingegen, daß er
nicht der Nächste seie, kann sich derselbe der Vormundschaft nicht entziehen,
es seie dann, daß er auf der Stelle einen näheren, nicht weniger tauglichen und
keine Entschuldigung habenden Blutsverwandten anzuzeigen vermöge, gleichwie er
dann auch von der schon angetretenen Vormundschaft entbunden werden kann, wann
immer ein solcher Näherer gefunden wird.
[1, 6, § 2] 53. Wann jedoch die vorgebrachte
Entschuldigungsursachen von Gericht verworfen oder die angezeigte nähere Blutsverwandte
untauglich befunden werden, oder rechtmäßige Entschuldigungsursachen haben, so
ist eine solche Ausflucht für keine verfängliche Weigerung zu achten, welche
sie von Unseren Gesetzen hierauf ausgesetzte Ahndung nach sich zieht, woferne
nur sodann dem gerichtlichen Auftrag gleichwohlen Folge geleistet wird.
[1, 6, § 2] 54. Sondern damals ist es eine wahre Weigerung
und Verschmähung der Vormundschaft, wann derjenige Blutsverwandte, deme der
Auftrag geschehen, in der anberaumten Frist keine Entschuldigung einbringt,
oder nachdeme sie verworfen worden und die gerichtliche Erkanntniß in
Rechtskräften erwachsen ist, dennoch die Vormundschaft nicht annimmt.
[1, 6, § 2] 55. In diesem Fall wird der die ihme
aufgetragene Vormundschaft ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache anzunehmen
sich weigernde Blutsverwandte der nach dem in der Unvogtbarkeit versterbenden
Waisen entweder nach der rechtlichen Ordnung oder aus vertraulicher
Erbsnachberufung zu gewarten habenden Erbfolge zur Strafe verlustig.
[1, 6, § 2] 56. Dieser Strafe unterliegen nicht allein die
nächsten, sondern auch die weiteren Blutsverwandten, welche dem ihnen in Abgang
näherer tauglicher Befreundten geschehenen gerichtlichen Auftrag ohne
rechtmäßiger Entschuldigungsursache kein Genügen leisten, wann sich der Fall
ereignete, daß die Erbschaft des Waisen gleichwohlen an sie zu gelangen hätte.
[1, 6, § 2] 57. Nebstdeme verlieret ein solcher sich
unbillig weigerender Verwandter nicht allein die Vermächtnissen, welche ihme
etwann von des Waisen Vater, Mutter oder anderen Aufsteigenden und Befreundten,
oder auch fremden Erblasseren verschaffet worden annoch aus des Waisen Gut zu
entrichten sind, sondern auch überhaupt allen von des Waisen Gut, es seie bei
dessen Lebzeiten oder nach dessen Tod, aus einer gewinnstigen Ursache ihme
zukommenden Nutzen und Vortheil.
[1, 6, § 2] 58. Diesemnach gehet der Erbanfall nach dem in
der Unvogtbarkeit versterbenden Waisen auf jene, obschon weitere
Blutsverwandte, welche sich die Verschmähung der Vormundschaft nicht zu Schulden
kommen lassen, oder zur Zeit der Bevormundung entweder noch minderjährig oder
abwesend, aber sonst nach diesem Unserem Gesatz zur Vormundschaft unfähig
gewesen, oder eine hinlängliche Entschuldigungsursache beigebracht haben, und
da deren keine in denen zur Erbfolge ausgesetzten Staffeln vorhanden wären, ist
die Erbschaft als ein erbloses Gut Unserer Kammer verfallen.
[1, 6, § 2] 59. Die Vermächtnissen hingegen und andere dem
sich unbillig weigerendem
(1-178) Verwandten aus des Waisen Gut zuzukommen habende
Vortheile bleiben dem Waisen oder gehen auf Denjenigen, welcher etwann von dem
Erblasser darzu eigens nachberufen worden.
[1, 6, § 2] 60. Doch erstrecket sich die Ausschließung von
der Erbfolge nicht über die Person dessen, welcher die Vormundschaft
verschmähet hat, sondern das Recht zur Erbfolge nach dem Waisen bleibet seinen
Kindern, wann sie sonst in der Ordnung der Verwandtschaft die nächsten darzu
sind, noch allzeit bevor.
[1, 6, § 2] 61. Obschon der Vater von deme, was seinen
Kindern aus der dem Waisen, wessen Vormundschaft derselbe verschmähet hat,
angefallenen, oder nach diesem auf sie gediehenen Erbschaft zugekommen, den
ihme sonst gebührenden Fruchtgenuß verlieret, und dieser, so wie das Eigenthum
denen Kindern allein mit Ausschließung des Vaters verbleibet.
[1, 6, § 2] 62. Ohnerachtet aber des Verlusts der Erbfolge
und anderer aus des Waisen Gut herrührender Vortheilen bleiben die Verwandten
nichtsdestoweniger zur Annehmung der Vormundschaft verbunden, und sind nicht
allein für allem dem Waisen entstehen mögenden Schaden von Zeit ihrer bezeigten
Widerspänstigkeit verfänglich, sondern sie können auch auf Befund der Gehörde
mit gerichtlichen Zwangsmitteln zur Annehmung der Vormundschaft angehalten
werden, ohne daß sie das verlorene Erbrecht und andere Vortheile wieder
erlangen, wann sie die Vormundschaft endlich gleichwohlen anzunehmen gezwungen
werden.
[1, 6, § 2] 63. Wir wollen jedoch nur allein die
Blutsverwandten männlichen
(1-179) Geschlechts, und zwar alle männliche Aufsteigende,
sowohl von Vaters als Mutter Seiten, welche wegen Gebrechlichkeit des Alters
hierzu nicht unfähig sind, die
(1-180) männlichen Seitenverwandten aber bis in den zehenten
Grad oder Staffel durch dieses Unser Gesatz zur Vormundschaft berufen,
dahingegen hinfüro davon alle Weibspersonen mit alleiniger Ausnahm der Mutter
und der Groß- und Ur-Großmütter, wann sie auch denen Waisen zunächst verwandt
wären, und in der Erbfolge denen männlichen vorgingen, ausgeschlossen haben.
[1, 6, § 2] 64. Nach Absterben des Vaters, welcher nach
Maßgab dessen, was davon in gleich vorhergehendem Capitel geordnet ist, in
Ansehung des seinen Kindern von anderwärts zukommenden Guts allemal ihr
natürlicher Vormund ist, insoferne von dem Erblasser deshalben keine andere
Vorsehung geschehen, hat die Mutter über ihre Kinder vor allen weiteren
Aufsteigenden und Seitenverwandten das nächste Recht zur Vormundschaft, wann
sie bereits großjährig ist, und die Vormundschaft auf sich zu nehmen verlanget,
wie auch die hiernach vorgeschriebene Erfordernissen zu leisten im Stande ist.
[1, 6, § 2] 65. Und soferne, entweder weilen sie damals noch
minderjährig ware, oder sich darum in der Zeit nicht gemeldet, ein anderer
Vormund vorsichtsweise bestellet worden, solle derselbe ihr nach erreichter
Großjährigkeit, oder, da sie schon vorhin großjährig gewesen, wann sie sich
binnen Jahr und Tag von Zeit der Bevormundung anmeldet, die Vormundschaft auf
ihr Verlangen mit dem nächstjährigen Rechnungsabschluß abzutreten schuldig
sein.
[1, 6, § 2] 66. Wider Willen aber kann die Mutter zur
Vormundschaft nicht gezwungen werden, noch ist dieselbe verbunden, solche bei
Verlust der Erbfolge und anderer aus dem Waisengut zu gewarten habender
Vortheilen auf sich zu nehmen, sondern die Ausschlagung des gerichtlichen
Auftrags kann ihr zu keinem Nachtheil gereichen.
[1, 6, § 2] 67. Sie hat dahero nur das Recht, wann sie will,
die Vormundschaft über ihre Kinder anzubegehren, nicht aber die
Verbindlichkeit, solche wider Willen auf sich zu nehmen.
Allein auch dieses Recht erlöschet
durch das Gesatz selbst, wann sie zur Zeit der anverlangenden Vormundschaft
sich nicht in dem Wittibstand befindet, sondern wieder verheirathet ist.
[1, 6, § 2] 68. In diesem Fall kann selbe die Vormundschaft
nicht anderst, als mit Unserer höchsten Verwilligung erlangen, und ist der neue
Ehemann nebst ihr das Waisengut nach Erforderniß zu verbürgen schuldig.
[1, 6, § 2] 69. Wo sie aber im Wittibstand die Vormundschaft
erhalten, und nachher zur neuen Ehe schritte, so solle die Vormundschaft
sogleich erloschen und sie verbunden sein, solche sofort abzulegen, die
Rechnungen bis dahin einzubringen, das Waisengut dem nach ihr zu bestellendem
Vormund zu übergeben und der obgehabten Verwaltung halber in Allem die
Richtigkeit zu pflegen.
[1, 6, § 2] 70. Würde sie sich hierinnen saumig bezeigen, so
solle dieselbe hierzu durch die Gehörde unnachsichtlich angehalten werden, und
sowohl sie, als ihr neuer Ehemann für allen aus ihrer bis dahin geführten
Verwaltung und ferner
(1-181) angemaßten Führung der Vormundschaft denen Waisen
entstehenden Schaden sammt und sonders verfänglich sein.
Es wäre dann, daß vor oder nach ihrer Verehelichung Unsere
höchste Verwilligung von ihr zu Fortführung der Vormundschaft geziemend
angesuchet worden wäre, und Wir beschaffenen Umständen nach ihrer Bitte zu
willfahren befinden würden, in welchem Fall derselben zwar die Vormundschaft,
jedoch nicht anderst, als daß der neue Ehemann das Waisengut nebst ihr,
insoweit die Sicherheit von derselben nicht geleistet werden kann, verbürge,
beigelassen werden solle.
[1, 6, § 2] 72. Wir gestatten aber auch weiters, daß, wo die
Mittellosigkeit der Waisen erheischete, ihrer besseren Erziehung und Ernährung
halber die Vormundschaft der Mutter ohnerachtet ihrer anderweiten Verehelichung
anzuvertrauen, oder ferner beizulassen, die Vormundschaftsgehörde den
Nothdurftsfall ermessen und diesfalls ohne Unserer vorläufig anzusuchen
habender Verwilligung Dasjenige, was sie denen Waisen zum vorträglichsten zu
sein befindet, vorkehren möge.
[1, 6, § 2] 73. Nicht allein die Wiederverehelichung der
Mutter, sondern auch ihre kundbare Abneigung gegen die Kinder,
Leichtsinnigkeit, Unwirthschaft und Verschwendung sind zulängliche Ursachen,
sie von der Vormundschaft auszuschließen, oder, da sie solche bereits erhalten
hätte, ihr selbe nach Umständen wieder zu benehmen, worauf die Gehörde von
amtswegen sorgfältig obacht zu tragen hat.
[1, 6, § 2] 74. Auf daß jedoch wegen guter Gebarung mit dem
Waisengut alle nur mögliche Sicherheit erreichet werde, solle einer zur
Vormundschaft gelangenden Mutter allemal ein Mitvormund zugegeben werden,
dessen Stelle, wann er mit Tod oder auf andere Weise von der Mitvormundschaft
abgehet, jedes Mal wieder zu ersetzen ist.
[1, 6, § 2] 75. Diesen Mitvormund kann zwar dieselbe bei
ansuchender Vormundschaft namhaft machen, und sich dessen Beigebung ausbitten.
Doch bleibet der Vormundschaftsgehörde bevor, ihr mit Beigebung des erbetenen
zu willfahren, oder aber die Mitvormundschaft einem Anderen, und zwar nach
Thunlichkeit Jemandem von der Verwandtschaft der Waisen aufzutragen.
[1, 6, § 2] 76. Der Mitvormund ist schuldig, der Mutter
nicht nur auf Ersuchen getreulich beizustehen, sondern auch selbst an Hand zu
geben, was zu guter Erziehung und Anleitung der Waisen, wie auch zu nutzlicher
Verwaltung und Aufnahm ihres Vermögens gereichen kann.
[1, 6, § 2] 77. Nicht weniger lieget demselben ob, die
Vorkehrungen der Mutter sowohl in Ansehung der Person als des Vermögens der
Waisen mit Unständigkeit zu beobachten und die verspürende Gebrechen der
Vormundschaftsgehörde zur Abhilfe und Verbesserung anzuzeigen.
[1, 6, § 2] 78. Uebrigens ist und bleibt die Mutter die
wahre und Hauptvormünderin, und hat allein die vormundschaftliche
Erfordernissen zu leisten, das Waisengut zu verwalten und die Raitungen zu
legen, wie auch die vormundschaftliche Belohnung zu genießen.
[1, 6, § 2] 79. Nur allein in jenen Waisengeschäften,
worinnen die Bewilligung oder Bestätigung der Vormundschaftsgehörde zur
Giltigkeit der vorhabenden Handlung nöthig ist, solle diese anderer Gestalt
nicht ertheilet werden, als wann nebst der Mutter auch der Mitvormund solche
angesuchet hat, oder derselbe über das einseitige Anbringen der Mutter vorhero
der Ordnung nach besonders vernommen und die von beiden Theilen angeführte
Ursachen gegen einander wohl erwogen worden.
[1, 6, § 2] 80. In anderen Waisengeschäften aber, welche
keiner gerichtlichen Bewilligung oder Bestätigung bedürfen, ist zwar die Mutter
an die Beiziehung und Beistimmung des Mitvormunds nicht gebunden, doch ist
derselbe schuldig, falls er wahrnehmen würde, daß aus Beiseitsetzung seines
Raths und Beistands die
(1-182) Waisen zu Schaden kämen, solches in der Zeit der
Vormundschaftsgehörde beizubringen.
[1, 6, § 2] 81. Dahingegen ist er auch der
vormundschaftlichen Geschäften halber nicht weiter verfänglich, als inwieweit
ihme wegen versagten Beistands oder üblen Raths, oder wegen nicht zeitlich
gethaner Anzeige deren ihme wohl bekannt gewesten Vormundschaftsgebrechen eine
Gefährde oder Schuld beigemessen werden kann.
[1, 6, § 2] 82. Es seie dann, daß ihme entweder mit Willen
der Mutter oder von Gericht aus die Verwaltung der Vormundschaft ganz oder zum
Theil aufgetragen worden wäre, in welchem Fall derselbe die nämliche
Verbindlichkeit, wie ein anderer Hauptvormund in Ansehung desjenigen Guts, was
von ihme verwaltet worden auf sich hat.
Gleichwie dann auch in diesem Fall die vormundschaftliche
Belohnung zwischen der Mutter und ihme nach billigmäßigen Befunde der Gehörde
vertheilet werden solle.
[1, 6, § 2] 83. Nach der Mutter hat der väterliche und nach
ihme der mütterliche Ahnherr oder Großvater das Recht der Vormundschaft nebst
der Schuldigkeit dieselbe anzunehmen.
[1, 6, § 2] 84. Wann aber deren keiner vorhanden oder
tauglich wäre, solle es der väterlichen und nach ihr der mütterlichen Ahnfrauen
oder Großmutter gestattet sein, die Vormundschaft über ihre verwaiste, noch
minderjährige Enkeln vor denen weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten zu
begehren, ohne daß sie jedoch wider ihren Willen damit beladen werden können,
sondern es ist nicht weniger in Ansehung ihrer all Jenes zu beobachten, was
hier oben von der mütterlichen Vormundschaft geordnet worden.
[1, 6, § 2] 85. In Ermanglung der Großeltern gehet die
Vormundschaft auf die Urgroßeltern, wann sie noch am Leben und Alters halber
hierzu nicht untauglich sind, auf gleiche Weise, daß zuerst der Vater des
väterlichen Ahnherrn, nach ihme der Vater der väterlichen Ahnfrauen, nach
diesem der Vater des mütterlichen Ahnherrn und endlich der Vater der
mütterlichen Ahnfrauen das Recht zur Vormundschaft sowie die Schuldigkeit zu
deren Annehmung habe. In Abgang deren Ur-Ahnherren aber denen Ur-Ahnfrauen in
der nämlichen Ordnung zwar das Recht zur Vormundschaft, nicht aber die
Verbindlichkeit, solche auf sich zu nehmen zukomme, und bei ihnen alles Dasjenige,
was bei der mütterlichen Vormundschaft vorgeschrieben worden, statt habe.
[1, 6, § 2] 86. In eben dieser Maß können auch noch weitere
Aufsteigende, wann sich der seltene Fall ereignete, daß von ihnen noch einer am
Leben und hierzu tauglich wäre, zur Vormundschaft gelangen.
[1, 6, § 2] 87. Nach deren Aufsteigenden gehet die
Vormundschaft mit Ausschließung aller Weibspersonen auf die Seitenverwandte
männlichen Geschlechts bis auf den zehenten Grad mit Einbegriff desselben,
unter denen dieselbe allemal dem Nächsten ohne Unterschied, ob das nähere
Blutband von männlicher oder weiblicher Seite herrühre, gebühret.
[1, 6, § 2] 88. Da aber mehrere in gleichem Grad
zusammentreffen, so solle in diesem Fall der Verwandte von männlicher dem von
weiblicher Seite, und da auch alle von einerlei Seite in gleichem Grad verwandt
wären, jederzeit der ältere in Jahren dem jüngeren vorgezogen, und somit die
Vormundschaft niemalen zwischen Mehreren vertheilet, sondern nur Einem allein
aufgetragen werden.
[1, 6, § 2] 89. Wann es um eine Vormundschaft in
geschlechtlichen Stamm- und Traugütern zu thun ist, worzu der Mannsstammen
vorzüglich vor denen weiblichen Verwandten berufen ist, wird zwar die leibliche
Mutter und väterliche Ahnfrau, wie auch die Mutter des väterlichen Ahnherrn zur
Vormundschaft zugelassen, wann sie nicht durch die bei einem oder anderem
Geschlecht mit Unserer
(1-183) höchsten Verwilligung oder Bestätigung eingeführte
Vormundschafts-Ordnung davon ausdrücklich ausgeschlossen werden.
[1, 6, § 2] 90. Dahingegen müssen die mütterlichen
Großeltern und Urgroßeltern sowohl, als alle andere weibliche Aufsteigende von
des Vaters Seiten nebst allen Verwandten von weiblicher Seite denen männlichen
Verwandten von Mannsstammen, wann schon diese im weiterem Staffel wären, in dem
Recht zur Vormundschaft weichen.
[1, 6, § 2] 91. Hätte jedoch der Wais nebst dem Stamm- oder
geschlechtlichen Traugut noch andere leicht davon absönderliche freie Erbgüter,
wobei in der Erbfolge nicht auf die Vorzüglichkeit des Geschlechts und Stammens,
sondern nur auf die Nähe der Verwandtschaft gesehen wird, so solle solchen
Falls in Ansehung dieses zweierlei Vermögens auch zweierlei Vormundschaft
bestellet, die Person des Waisen aber unter der geschlechtlichen Vormundschaft
belassen werden.
[1, 6, § 2] 92. Es würde dann von der Gehörde die Abtheilung
beiderlei Vermögens und die Absönderung der Vormundschaft nicht thunlich, oder
nach beschaffenen Umständen dem Waisen nicht vorträglich zu sein befunden, in
welchem Fall beiderlei Vermögen zwar unter der geschlechtlichen Vormundschaft
verbleiben, dabei aber unvermengt erhalten, und über jedes besondere Rechnung
geführet werden solle, damit bei sich ergebendem Fall der unterschiedenen
Erbfolge allen aus Vermischung beiderlei Vermögens entstehen mögenden Streitigkeiten
auf diese Art vorgebogen werden möge.
[1, 6, § 2] 93. Wann weder ein letztwillig benannter
Vormund, noch ein Blutsverwandter
(1-184) vorhanden ist, der die ihme angetragene oder
auferlegte Vormundschaft mittelst gerichtlicher Bestätigung auf sich zu nehmen
fähig und darzu bereit, oder gehalten seie, so liegt denen Gerichtsstellen und
Obrigkeiten von amtswegen ob, Vormündere zu bestellen.
[1, 6, § 2] 94. Diese Macht und Obliegenheit, denen Waisen
Vormündere zu geben, sowie die letztwillig benannte oder durch das Recht
berufene zu bestätigen, ist eine Folge und Wirkung der ordentlichen oder
befreiten Gerichtsbarkeit, welcher der Vater der Waisen zur Zeit seines
Absterbens in persönlichen Sprüchen unmittelbar unterworfen ware.
[1, 6, § 2] 95. Die von der persönlichen Gehörde der Waisen
bestellte oder bestätigte Vormundschaft erstrecket sich nicht allein auf deren
Person, sondern auch auf alles in dem nämlichen Erbland unter was immer für
einer Gerichtsbarkeit befindliche sowohl bewegliche, als unbewegliche Vermögen.
[1, 6, § 2] 96. Wie dann auch ein solcher angestellter
Vormund bei allen Stellen desselben Landes auf geziemende Beibringung einer
aller Orten, wo es nöthig, vorzumerken kommenden Beglaubigung in dieser
Eigenschaft anerkennet, und ihme die Verwaltung des jeden Orts befindlichen
Waisenguts unhinderlich gestattet werden solle.
[1, 6, § 2] 97. Es muß sich aber derselbe, demegemäß
betragen, was die Eigenschaft des Guts bei derjenigen Gerichtsbarkeit, worunter
es gelegen ist, erforderet, und solle hierinnen durch die Vormundschaftsgehörde
kein Eingriff oder Beeinträchtigung der anderen Gerichtsbarkeit geschehen,
damit alle Anstößigkeit unter denen verschiedenen Gerichtsbarkeiten vermieden
bleibe.
[1, 6, § 2] 98. Noch weniger solle von der Vormundschaftsgehörde
zur Veräußerung des unter einer anderen Gerichtsbarkeit gelegenen Waisenguts
geschritten werden können, ehe und bevor nicht diejenige Stelle, worunter
solches gehörig, hierum belanget worden.
(1-185) [1, 6, § 2] 99. Diese letztere aber hat solches auf
Belangen der ersteren, ohne sich in die Untersuchung, ob das Vorhaben
zuträglich seie oder nicht, einzulassen, unweigerlich zu gestatten. Dahingegen
jene wegen deme, was auf ihre Veranlassung geschehen, die Verantwortung auch
allein zu tragen.
[1, 6, § 2] 100. Wäre jedoch das Vermögen der Waisen in
mehreren Erblanden vertheilet, so ist darauf zu sehen, ob solches in
beweglichen oder unbeweglichen Gütern bestehe.
[1, 6, § 2] 101. Sind in verschiedenen Erblanden liegende
Güter vorhanden, gebühret der Gehörde eines jeden
Lands die Befugniß, über das unter ihrer Gerichtsbarkeit befindliche liegende
Gut denen Waisen Vormündere zu bestellen.
[1, 6, § 2] 102. Worzu der letztwillig benannte Vormund,
oder in dessen Ermangelung der nächste Blutsfreund ohne Rücksicht, ob so ein
als anderer in dem anderen Erbland zur Vormundschaft zugelassen worden, den
Vorzug haben, wann sie derorten hierzu tauglich befunden werden.
[1, 6, § 2] 103. Dahingegen hat der in einem Erbland von der
Obrigkeit bestellte Vormund deswegen kein Recht zur Vormundschaft in dem
anderem Erbland, wiewohlen ihme solche auch in diesem aufgetragen werden kann,
wann er daselbst tauglich und denen Waisen ersprießlich zu sein erkennet wird,
daß ihr in mehreren Ländern gelegened Vermögen von einem Vormund verwaltet
werde.
[1, 6, § 2] 104. Nichtsdestoweniger solle auch in diesem
Fall die in einer Person des Vormunds vereinbarte Vormundschaft jeden Landes
als eine abgesönderte Vormundschaft angesehen, und dahero in jedwedem Land von
ihme die bei derselben Antretung ausgemessene Erfordernissen absonderlich
geleistet, die Verwaltung jeden Orts besonders geführet, die Rechnungen zur
Gehörde jeden Landes erleget und überhaupt das Vermögen des einen mit
demjenigen des anderen Landes durchaus nicht vermenget, noch weniger etwas von
dem Gut selbst oder dem davon sich ergebenden Ersparnissen ohne Vorbewust und
Verwilligung der Stelle, unter welche das Gut gehörig ist, in das andere Land
hinausgezogen werden.
[1, 6, § 2] 105. Bestünde aber das in dem anderen Erbland
befindliche Vermögen nicht in liegenden Gütern, sondern nur Fahrnissen oder
anderem beweglichen, obschon mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
versicherten Hab und Gut, solchen Falls kann zwar zur Vorsicht von derjenigen
Stelle, worunter diese fahrende Verlassenschaft gehörig ist, ein Vormund
bestellet werden.
[1, 6, § 2] 106. Wann jedoch in dem anderen Erbland,
worinnen die liegende Güter sind, oder der Waisen ordentliche persönliche
Gehörde befindlich ist, eine Vormundschaft bestellet wird, solle von der Stelle
desjenigen Lands, allwo die zur Verlassenschaft gehörige Fahrnissen vorhanden
sind, auf die davon erhaltene Anzeige kein Anstand genommen werden, diese
Vormundschaft anzuerkennen und derselben nicht allein die etwann allda
befindliche Waisen, sondern auch das bewegliche Vermögen zu überlassen, in
welchem Fall sowohl die Schuldigkeit zur Leistung der Erfordernissen, als der
Erlag der Raitungen von dieser Zeit an allda aufhöret und dieses alles an die
Gehörde des anderen Erblands übertragen wird.
[1, 6, § 2] 107. Woferne aber die liegende Güter in zweien
oder mehreren Erblanden zerstreuet, und noch in einem anderen Erbland allein
ein bewegliches Vermögen vorhanden wäre, hat unter denen Ersteren die Gehörde
desjenigen Lands in Erstreckung der Vormundschaft über das in dem einen Land
befindliche, alleinige bewegliche Vermögen den Vorzug, in welchem der Vater
verstorben, folglich zur Zeit seines Absterbens sowohl mit seinem Gut, als mit
seiner Person der dortigen Landesgehörde unterworfen ware.
[1, 6, § 2] 108. Außer diesem Fall, wo die Waisen in
mehreren Landen liegende Güter haben, solle der in einem Land von der
ordentlichen persönlichen Gehörde der Waisen bestellte Vormund in allen anderen
Erblanden, wo immer ein
(1-186) bewegliches, obschon mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern versichertes und sonst in anderen Absichten nach diesem Unserem
Gesatz für unbeweglich geachtetes Vermögen befindlich ist, auf die behörig
beigebrachte Beglaubigung dafür unweigerlich erkennet werden.
[1, 6, § 2] 109. Doch ist nicht an deme genug, daß der die
Vormundschaft bestellenden Gehörde die Person und das Vermögen der Waisen
unterworfen seie, sondern es wird auch erforderet, daß Jener, deme solche
aufgetragen wird, der Gerichtsbarkeit derselben unterliege.
[1, 6, § 2] 110. Daher kann keinem Fremden und kundbar unter
anderer Gerichtsbarkeit Stehendem die Vormundschaft aufgetragen, noch weniger
ein solcher dieselbe wider Willen anzunehmen mit Fug angehalten werden.
[1, 6, § 2] 111. Es geschehe dann, daß zum Besten der Waisen
diejenige Stelle, unter welcher derselbe stehet, um ihme die Vormundschaft
aufzutragen belanget und von dieser ihme solche auferleget würde, in welchem
Fall er die Vormundschaft anzunehmen oder die rechtmäßige
Entschuldigungsursachen, wann er deren einige hat, bei seiner Gehörde
anzubringen schuldig ist.
[1, 6, § 2] 112. Eine ganz andere Bewandtniß hat es mit
letztwillig benannten oder nächsten blutsverwandten Vormünderen, welchen von
der Gehörde der Waisen, obgleich sie dieser Gerichtsbarkeit nicht untergeben
wären, jegleichwohlen die Vormundschaft aufgetragen werden kann.
[1, 6, § 2] 113. Wie dann auch dieselben gehalten sind, binnen nächsten vierzehn Tagen von dem ihnen
zugekommenen Auftrag ihre Erklärung allda einzubringen, ob sie die Vormundschaft
anzunehmen oder sich davon zu entschuldigen Willens sind.
[1, 6, § 2] 114. Hätten sie nun rechtmäßige
Entschuldigungsursachen, so sollen solche von ihnen bei ihrer ordentlichen
Stelle mit der Anzeige des erhaltenen Auftrags in eben dieser obausgesetzten
Frist von vierzehn Tagen angebracht und von dieser darüber denen Rechten nach
erkennet werden.
[1, 6, § 2] 115. Die Gehörde der Waisen aber hat nicht
allein auf die schleunige Erkanntniß über die angebrachten
Entschuldigungsursachen bei der Stelle, wo solche rechtsanhängig sind,
anzudringen, sondern auch bis zu Ausgang der Sache vorsichtsweise einsweilig
einen anderen Vormund zu bestellen.
[1, 6, § 2] 116. Würden jedoch die Entschuldigungsursachen
hinlänglich zu sein befunden, und Derjenige, deme der Auftrag geschehen, von
seiner Gehörde ledig und losgezählet, so solle es auch dabei sein Bewenden
haben.
[1, 6, § 2] 117. Im Fall hingegen von ihme in der
voranberaumten Frist weder seine Erklärung, noch weniger einige
Entschuldigungsursachen angebracht, oder auch die angebrachten verworfen
worden, und die Auflage in Rechtskräften erwachsen wäre, so hat die Gehörde der
Waisen Fug und Macht denselben zur Annehmung der Vormundschaft durch die
gehörige Zwangsmitteln anzuhalten.
[1, 6, § 2] 118. Dann es ist keine Nothwendigkeit, daß ein
der Gehörde der Waisen nicht unterstehender Vormund sich seiner ordentlichen Gerichtsbarkeit durch eine
besondere Verzicht begebe, sondern derselbe wird sogleich durch Annehmung der
Vormundschaft, oder durch den zu Rechtskräften erwachsenen Auftrag der Gehörde
der Waisen in allen vormundschaftlichen Geschäften bis zur vollständigen
Pflegung der Richtigkeit ohne aller Ausflucht unterworfen.
(1-187) [1, 6, § 2] 119. Damit aber die Waisen auf das
schleunigste mit tüchtigen Vormünderen versehen werden mögen, ist einer jeden
Ortsobrigkeit und Gerichts Schuldigkeit bei Anlegung der Sperr sogleich von den
Umständen des Verstorbenen, ob er nicht noch unvogtbare oder minderjährige
Kinder hinterlassen, ob von ihme ein letzter Willen errichtet und darinnen ein
Vormund verordnet worden, ob einige Verwandten vorhanden, und welche die
nächsten, auch wo dieselben befindlich sind; dann ob und was für eine
Vormundschaft der Verstorbene auf sich gehabt habe, genaue und verläßliche
Erkundigung einzuziehen.
[1, 6, § 2] 120. Gleichwie dann auch die Mutter, die
Großeltern und Seitenverwandten verbunden sind, den Todsfall des Vaters,
besonders wann sich solcher außer der Gerichtsbarkeit der Gehörde anderwärts
ereignete, sogleich bei Gericht anzuzeigen, wann sie nicht widrigens sich einer
Verantwortung und gestalter Dingen nach bei mitunterlaufender Gefährde einer
wirklichen Bestrafung aussetzen wollen.
§. III.
[1, 6, § 3] 121. Alle Vormundschaften müssen gerichtlich
angetreten werden, sie mögen aus letzten Willen; aus Anordnung der Gesetzen
oder von obrigkeitlichen Amts wegen aufgetragen werden.
[1, 6, § 3] 122. Zur gerichtlichen Antretung der
Vormundschaft wird an Seiten des Vormunds erforderet, daß er tüchtig seie,
keine rechtmäßige Entschuldigungsursache einwende, sondern die Vormundschaft
freiwillig annehme, oder doch zu deren Annehmung gerichtlich angehalten werden
könne, das Waisengut verbürge und den Vormundschaftseid ablege.
[1, 6, § 3] 123. An Seiten der Vormundschaftsgehörde aber
ist nöthig, daß eine ordentliche Beschreibung des gesammten Waisenguts
verfasset, dasselbe dem Vormund eingeantwortet, und ihme eine gerichtliche
Auftragsurkunde zu seiner Beglaubigung ertheilet, dann bei allen Gerichten und
Obrigkeiten über die ihrer Gerichtsbarkeit unterstehende Waisen ein richtiges
und verläßliches Vormundschafts- oder sogenanntes Waisenbuch gehalten werde.
[1, 6, § 3] 124. Tüchtig ist zur Vormundschaft Derjenige,
welchen weder das
(1-188) Geschlecht, weder das Alter, weder ein natürliches
Gebrechen, weder eine Verhinderniß noch ein gegründeter Verdacht davon
ausschließt.
[1, 6, § 3] 125. Die schwere Bürde des vormundschaftlichen
Amts und die mit solchem verknüpfte Verantwortung gestattet nicht, das
weibliche Geschlecht damit zu beladen, sondern Wir wollen dasselbe außer der
leiblichen Mutter, Großmutter und weiteren weiblichen Aufsteigenden, als
welchen schon der natürliche Trieb die Liebe und Sorgfalt für ihre Kinder und
Abkömmlinge einflößet, in Zukunft gänzlich davon enthoben haben.
[1, 6, § 3] 126. Aus Abgang des Alters werden Minderjährige
bis zu erfülltem vierundzwanzigsten Jahr und erfolgter Großjährigkeitserklärung
ausgeschlossen, obschon sie von Uns die Nachsicht des Alters und mit solcher
auch die freie Verwaltung ihres Vermögens ehender erhielten, wann selbe nicht
zugleich von Uns ausdrücklich zur Vormundschaft fähig erkläret worden wären.
[1, 6, § 3] 127. Dagegen sind zwar auch Jene, welche sechzig
Jahre zuruckgeleget, wegen ihrem hohen Alter von neuen Vormundschaften
befreiet, nicht aber von denen bereits aufhabenden, außer hinzustoßender
Leibes- oder Gemüthsgebrechlichkeit, entlediget.
[1, 6, § 3] 128. Wegen natürlichen Gebrechen sind zu
Vormundschaften unfähig: Blödsinnige, Stumme, Taube, Blinde, Preßhafte und
dermaßen kränkliche Personen, daß sie ihren eigenen Geschäften behörig
abzuwarten nicht im Stande sind.
[1, 6, § 3] 129. Wegen rechtmäßiger Hindernissen und
Ehehaften sind von Vormundschaften befreiet: Abwesende aus gemeinwesiger
Ursach, wirkliche Kriegsleute, Unsere wirkliche Räthe und andere in
öffentlichen Aemtern und schweren Verrichtungen stehende Personen.
[1, 6, § 3] [1, 6, § 3] 130. Doch können dieselbe mit
Unserer höchster Verwilligung nicht allein zu Vormundschaften gelangen sondern
auch die vorhin aufhabende fortsetzen, und, wann ihnen mit Unserer Verwilligung
eine Vormundschaft aufgetragen wird, sich dagegen mit der Befreiung nicht
schützen.
(1-189) [1, 6, § 3] 131. Der Verdacht schließt Jemanden von
der Vormundschaft aus, von deme entweder eine üble Erziehung der Waisen oder eine
üble Verwaltung ihres Vermögens mit Grund zu besorgen ist.
[1, 6, § 3] 132. Aus dieser Ursache solle die aus Verbrechen
abgeurtheilte oder auch in üblen Ruf stehende, oder sonst wegen ärgerlichen
Lebenswandel beschrieene Personen zu keinen Vormundschaften zugelassen, wie
auch jederzeit, damit der Vormund keiner widrigen Glaubenslehre beigethan seie,
obacht getragen, und diesfalls in Ansehung anderer Glaubensgenossen denen
Verfassungen jeden Landes nachgegangen werden.
[1, 6, § 3] 133. Desgleichen solle kundbaren Verschwenderen,
über die Kräften Eingeschuldeten, in Rechnungsämtern oder vorhin gehabten
Vormundschaften unrichtig Befundenen keine Vormundschaft anvertrauet werden, es
wäre dann wegen geänderten Umständen keine weitere Gefahr einer üblen Verwaltung
obhanden.
[1, 6, § 3] 134. Auch aus Jemandens Abneigung gegen die
Waisen, Ausschließung des Erblassers, unerlaubter Bestrebung um die
Vormundschaft, beträchtlichen Ansprüchen und Forderungen an dem Waisengut,
Ungleichheit des Standes, Einfalt und Unerfahrenheit kann ein Verdacht oder
Beisorge einer üblen Gebarung mit dem Waisengut erwachsen.
[1, 6, § 3] 135. Wer dahero mit dem Vater der Waisen bis zu
dessen Absterben in schwerer Feindschaft gestanden ist, derselbe kann keinen
Vormund abgeben, wann nicht befunden wird, daß die Unversöhnlichkeit nicht
ihme, sondern dem Vater beizumessen und er von aller Rachgier entfernet seie.
[1, 6, § 3] 136. Nicht weniger solle es damals, wann ein
Vater oder anderer Erblasser Jemanden von der Vormundschaft ausgeschlossen, bei
dieser Ausschließung sein Bewenden haben, es erhelle dann aus denen Umständen,
daß solche aus feindlichem Gemüth ohne allem gegründetem Anlaß geschehen.
[1, 6, § 3] 137. Wer sich auf unerlaubte Weise durch Gaben,
Verkleinerung Anderer, Bedrohungen, Betrug und Arglist, oder sonstigen Unfug in
die Vormundschaft einzudringen bestrebet, solle davon ausgeschlossen sein,
nicht aber auch Jener, der sich auf redliche Weise selbst oder durch Andere
darzu anerbietet oder sich hierum geziemend anmeldet.
[1, 6, § 3] 138. Ferners wer einen noch strittigen Anspruch
an dem Waisengut oder einer denen Waisen, zugefallenen Erbschaft hat (es seie
um das Erbrecht selbst oder um Vermächtnisse, um ein liegendes Gut oder um
einen Theil davon, oder um eine namhafte Schuldforderung zu thun), solle nicht
über diese Waisen Vormund sein können, bevor der Stritt nicht entschieden oder
verglichen ist.
[1, 6, § 3] 139. Ebenso wenig kann auch Jener, gegen welchem
dem Waisen ein unausgemachter Anspruch oder beträchtliche Forderung zustehet,
zur Vormundschaft zugelassen werden, bevor nicht Alles in Richtigkeit gebracht,
und dem Waisen Genügen gethan oder hinlängliche Sicherheit verschaffet worden.
[1, 6, § 3] 140. Dahingegen ist wegen richtigen Ansprüchen,
oder Schuldforderungen, besonders wann sie gerichtlich vorgemerket sind, oder
es nicht viel betrifft, Niemand von der Vormundschaft ausgeschlossen, wann er
jedoch der Sachen Bewandtniß in der Zeit getreulich angezeiget, damit der
Anspruch oder die Schuldforderung in die Beschreibung des Waisenguts eingezogen
werde, und die Vormundschaftsgehörde das zum Besten der Waisen weiters nöthig
Findende ankehren könne.
[1, 6, § 3] 141. Wer aber seine an dem Waisen oder des
Waisen an ihme habende der Vormundschaftsgehörde damals unbekannte und nachhero
hervorkommende Ansprüche und Schuldforderungen geflissentlich verhehlet, und
ohne deren Anzeige die Vormundschaft angetreten, derselbe solle alles seines
von ihme verschwiegenen Rechts gegen den Waisen sowohl, als auch in dem Fall
der Gegenforderung des
(1-190) Waisen aller ihme sonst zu statten kommen mögenden
Nachfrist und anderer rechtlicher Wohlthaten verlustig sein, und ihme über das
die angetretene Vormundschaft benommen werden.
[1, 6, § 3] 142. Die Ungleichheit des Standes ist nur damals
eine ausschließende Ursache, wann sie so groß ist, daß denen Waisen
verkleinerlich fiele, einen Vormund niederen Standes zu haben, worauf der
Richter insonderheit bei Bevormundung der Waisen höheren Standes acht zu tragen
hat.
[1, 6, § 3] 143. Endlich schließt auch Einfalt und
Unerfahrenheit von der Vormundschaft aus, wann die Umstände so beschaffen sind,
daß hieraus ein Schaden des Waisen oder des Vormunds vernünftig vorhergesehen
werden könne.
[1, 6, § 3] 144. Alle bisher angeführte Untauglichkeit,
Verhinderniß oder Befreiung, welche von der Vormundschaft ausschließt, ist
zugleich auch ein genugsame Entschuldigungsursach, wann einem solchen die
Vormundschaft aufgetragen worden.
[1, 6, § 3] 145. Außer diesen gibt es aber noch andere
Entschuldigungsursachen, wegen welcher, wann sie ordentlich vorgebracht und
erwiesen werden, Niemand gezwungen werden kann, eine ihme aufgetragene
Vormundschaft auch sich zu nehmen.
[1, 6, § 3] 146. Dergleichen sind Abwesenheit, viele Kinder,
mehrere schon aufgehabte oder annoch aufhabende Vormundschaften und
Sorgschaften, eigener Nothstand und Mittellosigkeit, Gehässigkeit,
vorhergehender namhafter Verlust und Nachtheil.
[1, 6, § 3] 147. Nur jene Abwesenheit gereichet zur
Entschuldigung, welche nothwendig und löblich, gegenwärtig oder nächst
bevorstehend oder auch bloß zufällig ist, so lange sie daueret.
[1, 6, § 3] 148. Dahingegen entschuldiget weder eine
freiwillige Abwesenheit wegen eigenen Nutzens oder Bequemlichkeit, noch weniger
eine geflissentliche Abwesenheit, um der Vormundschaft zu entgehen. Wer aber
aus einer schmählichen Ursache abwesend ist, als aus Furcht oder Flucht des
Rechts, oder aus verhängter Strafe, bleibt ohnedieß seiner Schulden oder
Verbrechen halber von der Vormundschaft ausgeschlossen.
[1, 6, § 3] 149. Die Vielheit eheleiblicher Kinder
entschuldiget damals, wann ein Vater deren fünf oder mehrere annoch in seiner
Gewalt und zu versorgen hat, worunter auch die Enkeln von einem Sohn für eines,
jene von Töchtern hingegen gar nicht zu rechnen sind, wie dann auch die an
Kindsstatt angenommenen oder uneheliche Kinder in gar keine Betrachtung kommen.
[1, 6, § 3] 150. Drei wirklich aufhabende oder schon
aufgehabte Vormundschaften und Sorgschaften entschuldigen insgemein von der
vierten. Doch kann auch nur eine wirklich verwaltende Vormundschaft, wann sie
sehr weitläufig und beschwerlich ist, von Annehmung einer neuen Vormundschaft
entschuldigen.
[1, 6, § 3] 151. In Gegentheil entschuldigen auch drei oder
mehrere zugleich, oder nach und nach verwaltete Vormundschaften nicht, wann sie
gar leicht zu besorgen oder von kurzer Dauer gewesen, oder annoch ohne
sonderlicher Mühe zu bestreiten sind und umsoweniger, wann sich Jemand selbst
darzu angetragen oder darum bestrebet hat.
[1, 6, § 3] 152. Für bedürftig und mittellos ist Jener
anzusehen, der ein so geringes Vermögen hat, daß er durch schweres Gewerb oder
tägliche Handarbeit sich und die Seinigen zu ernähren gezwungen werde, und
dahero ihme nicht möglich falle, sich mit Vormundschaftsgeschäften zu beladen.
[1, 6, § 3] 153. Die Gehässigkeit muß eine gegründete Ursach
haben, als daß Jemand von dem Vater der Waisen eine große Unbild erlitten habe,
oder daß er von demselben aus bloßem Haß zum Vormund benennet worden, um ihme
wegen Verwirrung des Vermögens, Unbändigkeit der Kinder oder hieraus
entstehender Verfeindung mit Anderen Verdruß zu machen.
[1, 6, § 3] 154. Ueberhaupt ist alle Jemandem aus der ihme
aufgetragenen Vormundschaft
(1-191) bevorstehende wahrscheinliche Gefahr, Schaden und
Nachtheil, wann solcher nicht ausgiebig vermieden bleiben kann, eine genugsame
Ursach sich von dem Auftrag zu entschuldigen.
[1, 6, § 3] 155. Doch solle in allen sowohl Entschuldigungs-
als vorhin erwähnten Ausschließungsfällen das richterliche Ermessen statt
haben, und allemal der Bedacht dahin genommen werden, damit Niemand sich unter
nichtigem Vorwand der aufgetragenen Vormundschaft entziehe, gleichwie in
Gegentheil auch Niemand zu seiner allzugroßen Beschwerniß und unersetzlichen
Schaden damit beladen werde.
[1, 6, § 3] 156. Auch nach schon angetretener Vormundschaft
können sich Umstände ergeben, welche den Vormund zu weiterer Fortsetzung
derselben untüchtig machen, oder davon entschuldigen, in welcherlei Fällen all
Jenes, was gleich anfangs eine Ausschließung, Ausnahme, Befreiung oder rechtmäßige
Entschuldigung von der Vormundschaft nach sich gezogen hätte, auch während
derselben die Entlassung oder Enthebung des Vormunds nach richterlichen
Ermessen wirket.
Wie dann der Vormundschaftsgehörde von amtswegen oblieget,
bei Wahrnehmung einer denen Waisen wegen Untüchtigkeit des Vormunds
bevorstehenden Gefahr den Vormund abzuändern.
[1, 6, § 3] 157. Einem wissentlich Untauglichen oder von der
Vormundschaft Ausgenommenen, wann dieser letztere sich nicht selbst hierum
anmeldet, obschon er im letzten Willen benennet oder der nächste Blutsverwandte
wäre, solle die Vormundschaft aufgetragen, umsoweniger seine Entschuldigung
abgewartet, sondern die Vormundschaft sofort einem anderem weiterem darzu
tauglichen Befreundten oder in dessen Ermanglung einem Fremden anvertraut, und
dabei in dem gerichtlichen Auftrag ohne ausdrücklicher Anführung der
Untauglichkeit des ersteren sich überhaupt auf erhebliche Ursachen bezogen
werden.
[1, 6, § 3] 158. Fände sich aber der Vorbeigegangene
hierdurch beschweret, so ist ihme auf sein Anmelden die Ursach seiner
Ausschließung mittelst eines ordentlichen Bescheids zu erinneren, und stehet
demselben frei, sich alsdann hierwegen bei dem höheren Richter im
außerordentlichen Weg Rechtens zu beschweren, wo inmittelst es bei der anderweit
bestellten Vormundschaft sein Verbleiben hat, die jedoch ihme, wann er von dem
oberen Richter für tauglich erkennet worden, sodann gegen Leistung der
Erfordernissen abgetreten werden muß.
[1, 6, § 3] 159. Um Jemands Tüchtig- oder Untüchtigkeit
desto verläßlicher beurtheilen zu können, solle die Vormundschaftsgehörde
jedesmal die Ausführung, Sitten und Vermögensstand dessen, deme die
Vormundschaft aufzutragen ist, wann solche derselben nicht schon vorhero
bekannt sind, auf eine ihme unnachtheilige Weise untersuchen, und die zu
solchem Ende nöthige Kundschaften einziehen.
[1, 6, § 3] 160. Wer nun ohne allem Zweifel tüchtig befunden
wird, deme kann und solle die Vormundschaft unbedenklich aufgetragen werden,
ohne sich durch eine vermuthende Entschuldigungsursache abhalten zu lassen,
sondern es bleibet ihme noch allzeit bevor, solche gehörig anzubringen.
(1-192) [1, 6, § 3] 161. Nach erhaltenem gerichtlichem
Auftrag ist der bestellte Vormund schuldig die Vormundschaft anzunehmen, oder
seine Entschuldigungsursachen in der hiernach ausgesetzten Zeit anzubringen.
[1, 6, § 3] 162. Die Annehmung der Vormundschaft ist
entweder freiwillig oder nothwendig.
Freiwillig geschieht dieselbe entweder ausdrücklich durch
schriftliche oder mündliche Erklärung, sich dem Auftrag unterziehen zu wollen,
oder stillschweigend, wann in der ausgemessenen Frist keine
Entschuldigungsursachen eingebracht werden.
[1, 6, § 3] 163. Nothwendig wird die Annehmung, wann die
gerichtliche Auflage in Rechtskräften erwachsen oder, da sich darwieder an die
höhere Gehörde verwendet worden, dieselbe alldort bestätiget worden ist.
[1, 6, § 3] 164. In einem wie in dem anderem Fall ist der
bestellte Vormund nach Verlauf von vierzehen Tagen oder nach höherer
Bestätigung des ihme gemachten Auftrags die vormundschaftliche Erfordernissen
zu leisten, und sich auch selbst darzu anzumelden, folglich die Vormundschaft
unweigerlich anzutreten schuldig.
Widrigens kann derselbe hierzu auf die weiter unten
vorgeschriebene Art und Weis gerichtlich verhalten werden.
[1, 6, § 3] 165. Wer Entschuldigungsursachen zu haben
vermeinet, muß solche, und zwar so viele deren er hat, alle auf einmal binnen
vierzehen Tagen von Zeit des ihme zugekommenen gerichtlichen Auftrags ohne
aller weiterer Erstreckung einbringen. Falls aber wegen seiner Abwesenheit oder
weit entferneten Aufenthalts diese Frist zu kurz zu sein vorgesehen würde, so
solle ihme gleich in dem Auftrag eine geraumigere Frist, jedoch gleichermaßen
ohne aller Erstreckung, bestimmet werden.
[1, 6, § 3] 166. Die Entschuldigungsursachen müssen allemal
bei derjenigen Gehörde eingebracht werden, von welcher der Auftrag der
Vormundschaft geschehen.
Es wäre dann ein letztwillig benannter Vormund, oder von dem
Gesatz darzu berufener Blutsverwandter einer anderen Gerichtsbarkeit
unterworfen, welchen Falls dieselben bei der auftragenden Gehörde blos allein
ihre Erklärung, ob sie die Vormundschaft annehmen oder sich davon entschuldigen
wollen, in der obausgemessenen Frist einzubringen, die Entschuldigungsursachen
aber bei ihrer Gerichtsbarkeit in gleicher Zeit vorzustellen haben.
[1, 6, § 3] 167. Werden die Entschuldigungsursachen
rechtmäßig zu sein befunden, so hat es auch dabei sein gänzliches Bewenden.
Wann aber solche verworfen worden, wird dem andurch
Beschwertem gestattet, sich an den unmittelbaren höheren Richter in der
ausgesetzten rechtlichen Frist, doch ohne allen sonst erforderlichen
Feierlichkeiten zu verwenden.
Widrigens erwachset die erste
Erkanntniß zu Rechtskräften.
[1, 6, § 3] 168. Die höhere Gehörde hat dabei schleunig und
also zu verfahren, wie es seines Orts bei außerordentlichen Zufluchten an den
oberen Richter vorgeschrieben wird, und da von derselben die
Entschuldigungsursachen rechtmäßig und übel verworfen worden zu sein erkennet
würde, so wird der bestellte Vormund andurch von der Vormundschaft gänzlich
losgezählet, und hat der verweigerten Annehmung halber keine Verantwortung auf
sich.
[1, 6, § 3] 169. Wann hingegen wohl gesprochen zu sein
befunden würde, so wird auch die Verwerfung der Entschuldigung und der
gerichtliche Auftrag der Vormundschaft anmit von der höheren Gehörde
bestätiget, und der Sachfällige ist für allen während seiner unbefugten
Weigerung denen Waisen widerfahrenen Schaden zu stehen schuldig, obschon ihme
nicht benommen ist, sich dieserwegen an Anderen, gegen welche er sich
aufzukommen getrauet, zu erholen.
[1, 6, § 3] 170. Er kann demnach die Antretung der
Vormundschaft nicht länger hinaus verschieben, sondern seine Obliegenheit ist,
sich selbst sogleich den nächst
(1-193) darauffolgendem Gerichtstag, nachdeme die Auflage zu
Rechtskräften erwachsen oder von dem höheren Richter bestätiget worden, eben
also, als ob er sich der Vormundschaft freiwillig unterzogen hätte, zu Leistung
der Erfordernissen bei der Gehörde geziemend anzumelden.
[1, 6, § 3] 171. Würde aber derselbe sich hierinnen säumig
erzeigen, so solle ihme hierzu eine achttägige, und wann er auch diese
verstreichen ließe, noch eine dreitägige Frist unter empfindlicher, bei
ferneren Ungehorsam unnachsichtlich einzutreiben habender Geldstrafe, und bei
unbemittleten und geringeren Leuten unter Bedrohung persönlichen Verhafts
anberaumet werden.
[1, 6, § 3] 172. Wann jedoch weder die Bedrohung noch die
Eintreibung der verhängten Geldstrafe, oder nach Unterschied der Personen der
wenigstens durch vier Wochen fürzuwähren habende Arrest seinen Ungehorsam zu
beugen vermögete, so ist zwar auf die Antretung der Vormundschaft nicht weiter
anzudringen, sondern entweder der vorsichtsweise in der Zwischenzeit bestellte
Vormund in der Vormundschaft zu bestätigen, oder ein anderer tauglicher Vormund
zu benennen.
Doch bleibt der Ungehorsame für allen durch seine Weigerung
denen Waisen zugegangenen Schaden verfänglich.
[1, 6, § 3] 173. Uebrigens solle bei Bevormundung geringer
und unbemittleter Waisen, wo eben auch die Vormündere geringe Leute sind, noch
schleuniger fürgegangen, der Vormund auch ohne schriftlichen Auftrag
fürgeforderet, ihme die Vormundschaft auferleget, seine Entschuldigung zur
Stelle angehöret, und solche entweder gutgeheißen, oder bei deren befindender
Unerheblichkeit verworfen, folglich derselbe zur Leistung der Erfordernissen
angehalten werden, ohne jedoch ihme, wann er sich beschweret zu sein glaubet,
den Zug an den oberen Richter zu verschränken.
[1, 6, § 3] 174. Diese vormundschaftliche Erfordernissen,
welche von einem jedwedem
(1-194) Vormund bei Antretung der Vormundschaft geleistet
werden müssen, bestehen hauptsächlich in Verbürgung des Waisenguts und in
Ablegung der vormundschaftlichen Eidespflicht.
(1-195) [1, 6, § 3] 175. Beide ist ein jedweder wahrer
Vormund, welcher die Vormundschaft zu verwalten hat, und nicht etwann bloß
Ehren halber oder beirathsweise zugezogen worden, zu leisten schuldig,
ohnerachtet derselbe wohl bemittelt oder angesessen und des Waisen nächster
Blutsverwandter, oder auch dessen leiblicher Vater, oder ein weiterer
Aufsteigender wäre, oder der Erblasser, welcher ihn zum Vormund benennet,
denselben von dieser Verbürgung ausdrücklich entbunden hätte.
[1, 6, § 3] 176. Nur in dem alleinigen Fall, wo ein Vater in
seiner letztwilligen Anordnung dem von ihme benannten Vormund die
Bürgschaftsleistung erlassen hätte, solle dem Richter zustehen, nach
vernünftiger Erwägung der Umständen zu erkennen, was für eine Verbürgungsart
demselben aufzuerlegen seie, niemalen aber ihme die Verbürgung gänzlich
nachzulassen.
[1, 6, § 3] 177. Durch die Verbürgung wird das Waisengut
sicher gestellet, und dahero ist solche auch dermaßen nothwendig, daß die
Vormundschaftsgehörde, welche diese Vorsicht zu gebrauchen unterlassen hätte,
alle Verantwortung der üblen Verwaltung des Vormunds auf sich selbst ladet, und
für den entstandenen Schaden, insoweit solcher von dem Vormund nicht zu
erhalten wäre, nach Erkanntniß des oberen Richters zu haften hat.
[1, 6, § 3] 178. Doch ist nicht nöthig, daß die Verbürgung
nach dem ganzen Betrag des Waisenguts abgemessen werde, sondern es ist genug,
dasselbe nur insoweit sicher zu stellen, als es einer Gefahr der Verminderung
unterworfen ist, ohne jedoch darauf zu sehen, was durch ungefähre und
außerordentliche Zufälle, wofür Niemand verfänglich wird, sich ereignen könnte.
[1, 6, § 3] 179. Kein Vormund ist solchemnach schuldig,
Grund und Boden, oder andere dingliche Rechten, oder auch landtäflich, stadt-
oder grundbücherlich vorgemerkte Forderungen zu verbürgen, sondern die
Verbürgung ist nach deme zu mäßigen, was dem Vormund von dem Waisengut also zu
Handen kommt, daß er solches zu Nutzen verwenden oder verzehren, oder mit
seiner Schuld zu Grund gehen lassen könne.
[1, 6, § 3] 180. Von dieser Art sind die Ertragnissen und
Einkünften des Waisenguts, wie nicht minder Fahrnissen, Barschaften und
unvorgemerkte Forderungen, so viel hiervon dem Vormund zu seinen Handen
eingeantwortet wird.
(1-196) [1, 6, § 3] 181. Die Ertragnissen und Einkünften des
Waisenguts sind nicht nach Maß der ganzen Zeit, welche die Vormundschaft
fürzudaueren hat, zu nehmen, sondern es ist genug, daß die Verbürgung dem
beiläufigen Betrag einjähriger Ertragniß gleich komme.
[1, 6, § 3] 182. Dieser Betrag der Einkünften kann aus dem
bekannten Werth des Waisenguts, oder wie solcher auf andere Weis in Erfahrniß
gebracht werden mag, bestimmet werden, ohne sich mit allzu genauer
Untersuchung, wodurch die Bevormundung verzögeret würde, aufzuhalten.
[1, 6, § 3] 183. Ueberhaupt kommt es dabei auf vernünftiges
Ermessen des Richters an, welchem unbenommen ist, ebenso wohl auf dem Fall, da
nach der Hand die geleistete Sicherheit unzureichend zu sein befunden würde,
von dem Vormund mehrere Sicherheit zu forderen, als demselben die Uebermasse
der geleisteten Verbürgung auf sein Verlangen zu erlassen, wann nur mit dem
Uebrigen das Waisengut hinlänglich gesicheret bleibt.
[1, 6, § 3] 184. Desgleichen ist von dem beweglichen
Waisengut nur so viel zu verbürgen nöthig, als dem Vormund eingeantwortet wird,
zumalen wegen dem übrigen die anderweitige Vorsehung hiernach folget.
Die Vormundschaftsgehörde hat dahero den nöthig erachtenden
Betrag der Verbürgung auszumessen, und solchen dem Vormund zu seiner Nachricht
zu bedeuten.
[1, 6, § 3] 185. Diese Verbürgung hat sogleich der Vormund
mittelst landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Verschreibung einer
hinlänglichen Hypothek auf eines seiner liegenden Güter, oder landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich versicherter richtiger Forderungen aus seinem
eigenem frei vererblichen Vermögen durch persönliche Bekanntniß vor Gericht
oder Einlegung einer bündigen Versicherungsurkunde zu leisten.
[1, 6, § 3] 186. Worauf die Vormerkung, wann die
verschriebene Hypothek unter der nämlichen Gerichtsbarkeit der Vormundschaftsgehörde
befindlich ist, allsogleich veranlasset, falls aber dieselbe sich unter einer
anderen Gerichtsbarkeit befände, diese gewöhnlichermaßen um die daselbstige
Vormerkung ersuchet werden solle.
[1, 6, § 3] 187. Wollte aber ein Vormund, der es kundbar
wohl zu thun vermögete, sich zu dieser Verbürgung nicht verstehen, so hat die
Vormerkung des ausgeworfenen Versicherungsbetrags auf sein Vermögen, und
vornehmlich auf jenes Gut, welches zur Sicherheit der Waisen das beste ist, von
amtswegen zu geschehen.
[1, 6, § 3] 188. Wann hingegen ein Vormund kein
unbewegliches Vermögen besitzet, oder das besitzende zur Sicherheit der Waisen
nicht hinreichete, oder er dasselbe ohne seinem erweislichen großen Nachtheil
mit dem ausgemessenen Verbürgungsbetrag nicht behaften könnte, so ist ihme eine
vierzehntägige Frist ohne aller fernerer Erstreckung anzuberaumen, um sich
binnen dieser Zeit um taugliche Bürgen, welche eine annehmliche sachliche
Sicherheit für ihn zu leisten bereit wären, zu bewerben.
[1, 6, § 3] 189. Könnte aber der Vormund keine taugliche
Bürgen, welche eine sächliche Sicherheit für ihn bestellen wollten und könnten,
aufbringen, so solle auch in solchem Fall an persönlicher Verbürgung oder an
Einlegung und Verpfändung beweglicher Habschaften, so viel hiervon zum
Unterpfand nöthig ist, genug sein.
[1, 6, § 3] 190. Wann jedoch alles dieses ermanglete und
gleichwohlen denen Waisen ersprießlich wäre, einen Solchen zum Vormund zu
haben, so ist derselbe nichts destoweniger gegen deme zum Vormundschaftseid
zuzulassen, daß er zugleich eidlich erhärte, wienach er weder die Verbürgung
ohne seinem großen Nachtheil selbst leisten, noch mit einer anderen Bürgschaft
aufkommen könne, dennoch aber Alles, was aus seiner Schuld und Verwahrlosung
denen Waisen zum Schaden gereichen würde, getreulich zu ersetzen schuldig sein
wolle und solle.
[1, 6, § 3] 191. Auf gleiche Weise ist insonderheit bei
geringen Vormundschaften
(1-197) fürzugehen und sich wegen der Verbürgung nicht
aufzuhalten, sondern auf das schleunigste mit möglichster Sicherstellung der
Waisen zu verfahren, wann nur die Vormündere sonst taugliche und sicher
geachtete Leute sind, und die eidliche Verstrickung nicht unterlassen wird.
[1, 6, § 3] 192. Um aber der getreuen Verwaltung halber
desto gesicherter zu sein, so ordnen und wollen Wir hiermit, daß von einem
jedwedem Vormund ohne Unterschied und Ausnahme vor Antretung der Vormundschaft
ein körperlicher Eid bei derjenigen Gehörde, von welcher die Vormundschaft ihme
aufgetragen worden, abgeleget werden solle, daß er sich der Waisen getreulich
annehmen, sie zur Gottesforcht und Tugend anführen, und nach ihrem Stand zum
Nutzen des gemeinen Wesen anleiten, ihr Vermögen gleich dem seinigen besorgen,
ihre Rechten und Gerechtigkeiten in acht nehmen, Nutzen beförderen, Schaden
abwenden, jährliche Raitung erlegen, und sich solcher Vormundschaft halber in
Allem nach Unseren Gesetzen und Verordnungen, wie es sich einem getreuen und
aufrichtigen Vormund gebühret, verhalten wolle und solle.
[1, 6, § 3] 193. An Seiten der Vormundschaftsgehörde ist bei
Antretung der
(1-198) Vormundschaft erforderlich, damit eine ordentliche
Beschreibung aller und jeder denen Waisen angehöriger Güter und Habschaften,
von was für Gattung und Eigenschaft dieselben immer sein mögen, gerichtlich
errichtet werde.
[1, 6, § 3] 194. Hiervon sollte kein Vormund befreiet sein,
obschon ein Vater oder anderer Erblasser die gerichtliche Beschreibung seines
Vermögens ihme nachgesehen oder auch ausdrücklich verboten hätte.
[1, 6, § 3] 195. Diese Beschreibung ist mit dem
gerichtlichen Verlassenschaftsinventario, wovon in zweitem Theil gehandlet
werden wird, nicht zu vermengen, sondern außer diesem noch besonders zu
verfassen.
Es wäre dann ein Wais nach seinem Vater oder einem anderen
Erblasser der alleinige Erb und hätte sonst kein anderes Vermögen.
[1, 6, § 3] 196. Desgleichen können Theilzetteln und
Erbtheilungsvergleiche anstatt dieser Beschreibung andienen, wann zwischen dem
Waisen und großjährigen Miterben die Erbtheilung geschehen, und in der Theilungsurkunde
Alles, was dem Waisen aus der Verlassenschaft zugekommen, namentlich und
deutlich enthalten ist, dieser auch außer deme kein sonstiges Vermögen hat.
[1, 6, § 3] 197. Sind aber seine Miterben ebenfalls noch
minderjährig, so kann es bei dem Verlassenschafts-Inventario solange sein
Bewenden haben, als besagte Miterben minderjährig sind, und unter einerlei
Vormundschaft zu stehen haben, auch die Gemeinschaft ihnen zuträglich zu sein
befunden wird.
[1, 6, § 3] 198. Hätte jedoch der Wais außerdeme noch ein
anderes Vermögen, so muß dem Verlassenschafts-Inventario oder der
Theilungsurkunde auch die Beschreibung des anderweiten Vermögens beigerucket,
und somit eine vollständige Beschreibung des gesammten Waisenguts verfasset
werden.
[1, 6, § 3] 199. Diese gerichtliche Beschreibung ist auf
ganz gleiche Art und Weise zu errichten, wie es in zweitem Theil, in
einundzwanzigstem Capitel, §. VII von dem gerichtlichen
Verlassenschafts-Inventario geordnet wird, damit der ganze Vermögens- und
Schuldenstand des Waisen daraus abgenommen werden könne.
[1, 6, § 3] 200. Zu der Beschreibung des Waisenguts ist die
Gegenwart des Vormunds insgemein nicht nothwendig, obschon ihme nicht verwehret
werden mag, derselben beizuwohnen.
Sie ist dahero nicht zu verschieben, wann es sich mit der
Bevormundung verweilete, besonders wann die Gläubigere hierauf andringeten,
oder die Sachen der Gefahr der Verderbung unterworfen wären, oder der Ort ihrer
Aufbehaltung geraumet werden müßte.
[1, 6, § 3] 201. Was aber nach der ersten Beschreibung des
Waisenguts denen Waisen nachhero durch Erbschaft, Vermächtniß, Schankung oder
in andere Wege zufallt, oder sonst etwas, was denenselben gehörig ist, hervor
käme, so in der ersten Beschreibung nicht enthalten wäre, all dessen
absonderliche Beschreibung oder genüglich bewährte Anzeige ist der
Hauptbeschreibung als ein Nachtrag beizufügen.
(1-199) [1, 6, § 3] 202. Wohingegen der sich etwann nach der
Hand eräußerende Abgang in der errichteten Beschreibung anzumerken ist.
Die jährliche Ersparniß aber und aller aus deme, was bereits
in der Beschreibung enthalten ist, sich ergebender Zuwachs muß in die jährliche
Vormundschaftsrechnungen eingezogen werden.
[1, 6, § 3] 203. Wann ein neuer Vormund in des vorigen
Stelle tritt, ist es keiner neuen gerichtlichen Beschreibung nöthig, sondern an
deme genug, daß der abtretende oder dessen Erben dem antretenden Vormund das
vorhändige Waisengut gemäß seiner Schlußrechnung und beigefügten Ausweis gegen
behöriger Uebergabs- und Uebernahmsbescheinigung zustelle.
[1, 6, § 3] 204. Wäre das Waisengut unter verschiedenen
Gerichtsbarkeiten in einem Erbland zerstreuet, so gebühret zwar einer jeden
dieser verschiedenen Gerichtsbarkeiten die besondere Beschreibung des unter ihr
befindlichen Waisenguts. Sie sind aber solche insgesammt der
Vormundschaftsgehörde auf Ersuchen in beglaubigten Abschriften abzufolgen
schuldig.
[1, 6, § 3] 205. Wann hingegen das Vermögen der Waisen in
mehreren Erblanden befindlich, und somit die Vormundschaft abgeordneter Maßen
in jedem Land besonders zu führen ist, so ist auch in jedem Land eine besondere
Beschreibung des dahin gehörigen Waisenguts erforderlich, und da hernachmals
etwas davon aus einem Land in das andere übertragen würde, solches jedes Mal in
dem einen Land ab- und in dem anderen zuzuschreiben.
[1, 6, § 3] 206. Eine jedwede gerichtliche Beschreibung des
Waisenguts solle in drei gleichlautende Urkunden verfasset, und eine davon bei
dem Verlassenschafts-Inventario, die andere aber bei dem Vormundschafts- oder
Waisenbuch aufbehalten, und die dritte dem Vormund zugestellet werden.
[1, 6, § 3] 207. Nach dieser Beschreibung hat die
gerichtliche Einantwortung des Waisenguts an den Vormund also zu geschehen, daß
ihme das bewegliche Vermögen, so viel ihme nach der unten zu erwähnenden
Ausmessung hiervon auszufolgen nöthig befunden wird, übergeben, und er in das
unbewegliche gerichtlich eingewiesen und eingeführet werde.
[1, 6, § 3] 208. Zugleich aber solle auch einem jedem
Vormund eine gerichtliche Beglaubigungsurkunde von der Vormundschaftsgehörde
über die ihme aufgetragene Vormundschaft zu dem Ende ertheilet werden, damit er
sich anmit aller Orten, wo es nöthig, ausweisen möge, daß er der wahre und
ungezweiflete Vormund seie, und andurch in Stand gesetzet werde, ohne Jemands
Widerrede Alles, was die rechtliche Nothdurft erforderet, in Namen deren Waisen
zu handlen und vorzukehren.
[1, 6, § 3] 209. Endlich solle bei allen Gerichtsstellen und
Obrigkeiten, welchen die Bevormundung deren Waisen aus obhabender
Gerichtsbarkeit zustehet, ein eigenes Vormundschafts- oder Waisenbuch
errichtet, und mit aller erforderlichen Richtigkeit und Verläßlichkeit
fortgeführet werden.
[1, 6, § 3] 210. In diesem Waisenbuch ist der Tod des Vaters
mit allen aus dem Bericht der zur Sperr abgeordneten Gerichtspersonen
hervorkommenden Umständen, die Anzahl, das Geschlecht, der Namen, das Alter der
Waisen, die Bestellung
(1-200) des entweder durch letzten Willen oder durch die
Nähe des Geblüts berufenen, oder von der Obrigkeit verordneten Vormunds, die
Leistung deren vormundschaftlichen Erfordernissen, und wie solche geleistet
werden, die Zeit der angetretenen Vormundschaft, die Beigebung eines
Mitvormunds oder die nach Umständen nöthig befundene Anstellung eines
curatoris, und überhaupt Alles, was den Anfang und Fortgang der Vormundschaft
anbetrifft, vorzumerken.
[1, 6, § 3] 211. In dasselbe ist ferners der Betrag des
Waisenguts mit Beilegung sowohl des Verlassenschafts-Inventarii und
Theilungsurkunden, als der besonders darüber errichteten ein- oder mehrerer
Beschreibungen, wie nicht weniger der jährliche Raitungserlag, deren befundene
Richtigkeit oder erfolgte Richtigstellung und der jährlich verbleibende
Vermögensstand mit allen und jeden bei dieser Vormundschaft vorfallenden
Waisenhandlungen, Verwilligungen, Verordnungen, Auflagen, Bescheiden,
Schuldzahlungen, Geldanlegungen, nöthigen Gelderborgungen und Behaftungen,
Käufen, Verkäufen und andere derlei Geschäften mit deutlicher Beziehung auf
jenes Ort, wo dieserwegen ein Mehreres zu finden seie, ordentlich und
getreulich einzutragen.
[1, 6, § 3] 212. Desgleichen muß das neue Vermögen, was
denen Waisen von anderwärts durch Erbschaften, Vermächtnissen, Schankungen oder
in andere Wege zukommt, mit allen Umständen, von weme, wann, wieviel und auf
was Art ihnen zugefallen seie, in eben demselben Waisenbuch angemerket und deme
auch beigefüget werden, ob in Ansehung dieses Zuwachses ein besonderer Vormund
bestellet worden seie, welchen Falls die zu dieser besonderen Vormundschaft
gehörige Geschäfte darinnen von der ersten Vormundschaft abgesöndert anzuführen
sind.
[1, 6, § 3] 213. Ferners solle die mit dem Vormund
vorgehende Aenderung und die Anstellung eines neuen Vormunds in dieses
Waisenbuch eingeschrieben, und währender zweiter Vormundschaft mit der
Vormerkung so, wie bei der ersten, fortgefahren werden.
[1, 6, § 3] 214. Wann alsdann die Vormundschaft zu Ende
gehet, muß gleichfalls der Erlag der Schlußrechnung, die vollständige
Richtigkeitspflegung, die Zeit der erreichten Großjährigkeit, die erfolgte
Großjährigkeitserklärung, die etwann von Uns erbetene Nachsicht des Alters, die
Einantwortung des Vermögens und schließlichen die gerichtliche Loszählung des
Vormunds, wie auch die Hauptquittung und Verzicht des großjährig werdenden
Waisen darinnen angemerket werden.
[1, 6, § 3] 215. Dieses Waisenbuch hat den Nutzen, damit
einerseits die Gerichten und Obrigkeiten von Allem, was währender Vormundschaft
vorgegangen, zu allen Zeiten eine vollkommene Nachricht und Wissenschaft
überkommen möge, um denen Waisen hiernach in allen Vorfällen desto behender
vorzusehen.
[1, 6, § 3] 216. Andererseits aber, daß auch die Waisen nach
erreichter Großjährigkeit und erfolgter Einantwortung ihres Vermögens hieraus
zugleich alle deshalben nöthige Nachrichten mittelst gerichtlich beglaubter
Abschriften oder Auszügen erhalten können.
§. IV.
[1, 6, § 4] 217. Nach angetretener Vormundschaft bestehet die Pflicht und Schuldigkeit eines Vormunds oder
Gerhabens überhaupt in guter Erziehung der
Waisen und in getreuer Verwaltung ihres Vermögens.
(1-201) [1, 6, § 4] 218. Diesemnach sollen sowohl die
Vormündere als die ihnen vorgesetzten Vormundschaftsgehörden bei schwerer
Verantwortung und unausbleiblicher Ahndung darob sein, damit die Waisen in der
Gottesforcht, christlichen Tugenden, ehrbaren Wandel, guten Sitten, Wissenschaften,
Künsten und Gewerben nach ihrem Stand und Fähigkeit erzogen, somit aber von dem
Müssigang (!) und anderen gefährlichen Abwegen abgehalten werden.
[1, 6, § 4] 219. Die Erziehung der Waisen stehet
besonders in ihrer Kindheit der Mutter zu, obschon dieselbe die Vormundschaft
nicht hätte, oder zur anderen Ehe geschritten wäre, wann sonst kein erhebliches
Bedenken dagegen fürwaltet.
[1, 6, § 4] 220. Auch nach denen Kindsjahren hat die
mütterliche Erziehung so lange zu daueren, bis die Vormundschaftsgehörde für
gut findet, denen Waisen ihres besseren Unterrichts halber oder aus anderen zu
ihrem Besten abzielenden Ursachen eine anderwärtige Erziehung zu verschaffen.
[1, 6, § 4] 221. Wann die Mutter nicht mehr am Leben oder
sonst ein Bedenken wider sie wäre, können die Waisen auch bei ihren Großeltern
oder Jemandem von
(1-202) ihrer Freundschaft, oder bei dem Vormund selbst oder
auch an einem anderen ehrbaren und anständigen Ort, wie es ihnen nach Ermessen
der Vormundschaftsgehörde am vorträglichsten zu sein befunden wird, erzogen
werden.
[1, 6, § 4] 222. Doch liegt dem Vormund allemal ob, die
Waisen mögen bei der Mutter, ihrer Freundschaft oder irgendwo anderst erzogen
werden, auf ihre gute Erziehung fleißig obacht zu tragen, und die wahrnehmenden
Gebrechen sogleich der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen.
[1, 6, § 4] 223. Unbemittelte Waisen ist zwar ein Vormund
aus dem Seinigen zu ernähren und auf eigene Kosten zu erziehen nicht schuldig,
er muß aber alle mögliche Sorgfalt anwenden, damit ihrer Dürftigkeit entweder
durch erwirkende Beihilfe ihrer Befreundten oder durch Unterbringung in milde
Stiftungen, oder auf andere Weise beigesprungen werde.
[1, 6, § 4] 224. Wo aber die Waisen ein eigenes Vermögen
haben, solle der Aufwand auf ihren Unterhalt und Erziehung jedesmal von der
Vormundschaftsgehörde bestimmet, und nach ihrem Stand, Geschlecht, Alter und
nach denen Kräften des Vermögens dergestalten ausgemessen werden, damit der
jährliche Betrag weder zum Ueberfluß, noch zum Abbruch der standesmäßigen
Nothdurft gereiche.
[1, 6, § 4] 225. Auch da ein Vater oder anderer Erblasser
etwas Gewisses darzu bestimmet hätte, so kann nichtsdestoweniger dasselbe nach
gerichtlichem Ermessen bei befindender Uebermaß auf ein Weniges eingeschränket,
oder bei dessen wahrnehmender Unerklecklichkeit, wann es die Vermögensumstände
leiden, auf ein Mehreres erstrecket werden.
[1, 6, § 4] 226. Bei solcher gerichtlicher Ausmessung hat
der Vormund zu beruhen und die erübrigenden Einkünften zur Vermehrung des
Waisenguts in Ersparniß zu bringen, doch stehet ihme allezeit frei, wann der
Nutzen oder die Nothdurft der Waisen einen größeren Aufwand erfordereten, um
eine Vermehrung des bestimmten Betrags aus denen übrigen Einkünften bei der
Gehörde einzukommen.
[1, 6, § 4] 227. Wann hingegen das Vermögen der Waisen so
gering wäre, daß dessen Ertragniß zu denen nothdürftigen Unterhalts- und
Erziehungskosten kaum erkleckete, so solle es der Bescheidenheit des Vormunds
überlassen sein, die Ausgaben dergestalten wirthschaftlich einzurichten, damit,
wo möglich, gleichwohl etwas mehr oder weniger ersparet, oder doch wenigstens
das Hauptgut denen Waisen unvermindert erhalten werde.
[1, 6, § 4] 228. Wann jedoch die jährlichen Einkünften zur
Erhaltung und Erziehung der Waisen nicht hinlänglich wären, oder wann besonders
mittelst eines größeren Aufwands die Waisen in Stand gesetzet werden könnten,
sich selbst künftighin eine beständige Nahrung zu verschaffen, so kann auch das
Hauptgut, jedoch niemals anderst, als mit vorläufiger Einwilligung der Gehörde,
angegriffen und darzu nach Erforderniß ganz oder zum Theil verwendet werden.
[1, 6, § 4] 229. Ueberhaupt ist ein Vormund in allen die
Erziehung der Waisen betreffenden wichtigeren Vorfällen, besonders aber, wo es
um die Bestimmung des Aufwands, den Ort der Erziehung, oder deren leichteren
Unterhalts- und besserer Unterweisung halber nutzlich findende Versendung an
andere Orte in Unseren Erblanden zu thun ist, an die Einwilligung und
Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde gebunden.
[1, 6, § 4] 230. Dahingegen solle weder dem Vormund, noch
der Vormundschaftsgehörde ohne Unserer besonderer höchster Verwilligung bei
schwerer Strafe und Ahndung zugelassen sein, Waisen oder Minderjährige außer
diesen Unseren Erblanden unter was immer für Vorwand anderswohin zu verschicken,
wovon allein die Wanderschaften der Handwerker ausgenommen sind.
[1, 6, § 4] 231. Bei der Erziehung der Waisen hat ein
Vormund wohl in acht zu nehmen, damit derselbe die Ausgelassenheit und Fehler
ihrer Tugend gleich einem
(1-203) Vater mittelst glimpflicher Ermahnungen, ernstlicher
Verweisen und mäßiger Bestrafungen, hauptsächlich aber durch Abschneidung übler
und Sitten verderblicher Gelegenheiten zu verbesseren trachte, und wo dieses
nicht verfinge, es der Gehörde zur ernstlicheren Einsicht und allenfalls wider
die Verführere verhängenden scharfen Strafe zeitlich anzeige.
[1, 6, § 4] 232. Doch solle sich ein Vormund nicht nur
selbst von übermäßiger Strenge gegen die Waisen enthalten, sondern auch sie
wider Bedrängnissen Anderer schützen. Widrigens hat
die Gehörde das ungeziemende Verfahren mit denen Waisen, sobald sie davon
Wissenschaft erhält, abzustellen und nach Umständen ernstlich zu ahnden.
[1, 6, § 4] 233. Insonderheit lieget dem Vormund ob, wann
arme Waisen zu dienen bemüssiget sind, oder irgendwo in die Lehre einer
Wissenschaft, Kunst oder Gewerbs gegeben worden, fleißig nachzusehen und
nachzuforschen, ob sie auch geziemend gehalten werden, und allem unbilligen
Verfahren sogleich abhilfliche Maß zu verschaffen.
[1, 6, § 4] 234. Umsoweniger ist der Vormund selbst befugt
die Waisen, wann ihme die Unterhaltskosten für sie bezahlet
werden, in seinem Dienst oder Arbeit zu seinem Gewinn und Nutzen anzuwenden.
Wann jedoch Dieselbe Mittellosigkeit halber zu dienen gezwungen sind, so ist
ihme zwar nicht verwehret, sich ihrer mit Vorwissen der Gehörde zu seinen
Diensten und Arbeiten zu gebrauchen, er muß aber ihnen dabei mit aller Glimpfe
und Mäßigung begegnen.
[1, 6, § 4] 235. Wie die Beschirmung der Person der Waisen,
also kommt auch die
(1-204) Besorgung und Verwaltung ihres Vermögens dem Vormund
allein zu, also zwar, daß alle von denen Waisen und Minderjährigen ohne
Vorwissen und Bewilligung
(1-205) ihrer Vormünderen eingegangene Verbindungen oder zu
Verminderung ihres Vermögens oder Verstrickung ihrer Person abzielende
Handlungen nicht von der mindesten Kraft, sondern ganz und gar null und nichtig
sein sollen.
[1, 6, § 4] 236. Sie können dahero weder sich selbst auf was
immer für Art und Weise rechtsgiltig verbinden, noch auch von ihren Habschaften
und Rechten etwas, wie solches Namen haben mag, verkaufen, verpfänden, behaften
oder in andere Wege veräußeren.
[1, 6, § 4] 237. Wer solchemnach sich mit einem Waisen oder
Minderjährigen ohne Zuthat seines Vormunds in eine Handlung eingelassen,
wodurch er etwas von dem Gut der Waisen an sich gebracht, ist solches sammt
allen Nutzungen oder Zinsen, dann Schäden und Unkosten zuruckzustellen
schuldig; deme hingegen der Wais oder Minderjährige etwas zu geben oder zu
leisten sich verbunden hat, dieser hat deswegen wider Jenen keine
Rechtsforderung.
[1, 6, § 4] 238. Wo aber der Wais oder Minderjährige von
Jemandem etwas an Geld oder Geldswerth ohne Einwilligung des Vormunds zu seinen
Handen empfangen hätte, so bereits ohne hiervon einen erweislichen Nutzen gehabt
zu haben verthan oder verzehret wäre, kann an ihme deshalben nichts mehr
geforderet werden.
[1, 6, § 4] 239. Da es hingegen annoch vorhanden oder
erweislich zu des Waisen oder Minderjährigen Nutzen angewendet worden, so solle
der Wais mit des Anderen Schaden nicht bereicheret, sondern Dasjenige, was noch
hieran vorhanden oder zu des Waisen oder Minderjährigen Nutzen wirklich
verwendet worden, diesem wider erstattet werden.
[1, 6, § 4] 240. Jene Handlungen aber, welche einem Waisen
oder Minderjährigen zum Vortheil gereichen, sind zwar seinerseits, insoweit sie
dessen Verbindlichkeit auf sich haben, unkräftig; doch ist Derjenige, mit deme
solche eingegangen worden, hieran gebunden, und sie erlangen auch an Seite des
Waisen oder Minderjährigen ihre vollkommene Wirkung, wann sie von dem Vormund
auf davon erhaltene Wissenschaft gutgeheißen werden.
[1, 6, § 4] 241. Dahingegen haben auch ohne Vorwissen oder
Gutheißen des Vormunds diejenige Handlungen ihre volle Kraft und Wirkung,
welche zum bloßen Gewinn und Vortheil des Waisen oder Minderjährigen ohne
seiner Gegenverbindung oder Verfänglichkeit
gereichen, als da sind Schankungen, Verheißungen oder
Nachlaß einer Schuld und dergleichen.
[1, 6, § 4] 242. Wiewohlen aber die erreichte Vogtbarkeit,
welche in diesen Unseren Erblanden bei Mannspersonen mit dem gänzlich erfülltem
zwanzigsten und bei Weibspersonen mit dem zuruckgelegtem achtzehenten Jahr
ihres Alters anfangen, und bis zur Großjährigkeit, das ist, bis auf das völlig
erfüllte vierundzwanzigste Jahr, sowohl bei Manns- als Weibspersonen ohne
Ausnahme daueren solle, denen Minderjährigen gewisse rechtliche Wirkungen
zueignet; so haben nichtsdestoweniger auch die Minderjährigen noch unter der
Vormundschaft zu verbleiben, und ebenso wenige Befugniß, wie die Unvogtbaren,
sich in etwas zu verbinden oder von ihrem Vermögen ohne Vorwissen und
Einwilligung ihres Vormunds etwas zu veräußeren und zu behaften.
[1, 6, § 4] 243. Dann die der Vogtbarkeit beigelegte
rechtliche Wirkungen bestehen bloß allein in folgenden, als in der Macht einen
letzten Willen zu errichten, welcher, wann er sonst die darzu erforderlichen
Feierlichkeiten hat, allerdings zu Recht bestehen solle.
[1, 6, § 4] 244. Die Endschaft der der Waisenjahren und
einer namentlich auf das Absterben eines unmündigen oder unvogtbaren Erbens
gerichteten Erbsnachberufung, also, daß, wann ein Minderjähriger ohne letzten
Willen verstirbt, Dasjenige, worinnen ein Anderer auf den Fall dessen sich in
der Unmündigkeit oder Unvogtbarkeit ergebenden Todesfalls nachberufen worden,
nicht dem nachberufenen, sondern
(1-206) dem nächsten Anverwandten nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge zufalle, insoferne die Erbsnachberufung nicht ausdrücklich
auf weitere Zeit erstrecket worden, wie davon in zweitem Theil, in dreizehentem
Capitel das Mehrere geordnet wird.
[1, 6, § 4] 245. Der völlige Genuß des eigenen Vermögens und
anmit aufhörende väterliche Nießbrauch, wie auch die eigene Ausübung solcher
Rechten und Gerechtigkeiten, welche einem Eigenthümer zustehen, und weder zur
Verbindlichkeit der Person, weder zur Verminderung des Vermögens, noch auch zur
Beirrung der ordentlichen Verwaltung gereichen.
[1, 6, § 4] 246. Die Fähigkeit, öffentliche Aemter und
Dienste zu bekleiden, Richter und Zeugen abzugeben, Andere in und außer Gericht
zu vertreten, dieses jedoch ohne weiterer Verbindung, als insoferne sie mit des
Anderen Schaden bereicheret, oder dem auf sich genommenen Amt zuwider handlen
würden, und dieserwegen eine Ahndung gegen ihre Person verdieneten.
[1, 6, § 4] 247. Die Fähigkeit bei niederen Standspersonen,
Handlung, Gewerbe- und sonstige Nahrung zu treiben, zu welcher sie geschickt
sind, und worzu ihnen ihr Vermögen nach Maßgebung dessen, was hiervon unten
folgen wird, eingeantwortet worden.
[1, 6, § 4] 248. Und endlich überhaupt die rechtliche
Befugniß, alles Dasjenige zu thun, was zu ihrem oder anderer Leute Nutzen und
Frommen ohne ihrem Nachtheil gereichen kann, und wodurch weder ihre Person zu
einem Abtrag von dem Ihrigen verbunden, noch ihr Vermögen auf einerlei Weise
beschweret oder verminderet wird.
[1, 6, § 4] 249. Dahingegen sollen auch der Minderjährigen
wie immer Namen habende Verbindungen, Zusagen, Versprechen, Eheberednissen und
andere Handlungen, welche zu ihnen nachtheiliger Verstrickung ihrer Person, um
etwas aus dem Ihrigen zu geben oder zu leisten, oder auf die Veräußerung,
Verminderung oder Behaftung ihres Vermögens abzielen, nicht die mindeste Kraft
und Wirkung haben, und hierinfalls kein Unterschied zwischen denen
Minderjährigen und denen Unvogtbaren oder unter väterlicher Gewalt Stehenden,
sondern so die Einen wie die Anderen auf gleiche Art unfähig sein, derlei
Verbindungen und Handlungen für sich selbst einzugehen.
[1, 6, § 4] 250. Wovon nur allein jene Minderjährige von
burgerlichen oder anderen niederen Stand ausgenommen sind, welchen laut Unseres
weiter unten vorkommenden Gesatzes auf richterlichen Befund nach erreichten
vogtbaren Jahren und hierauf von Gericht erfolgter Vogtbarkeitserklärung die
nämliche Fähigkeit zu allen Handlungen, wie denen Großjährigen eingestanden
wird.
[1, 6, § 4] 251. Gleichwie aber ein Minderjähriger nach
erreichter Vogtbarkeit den völligen Genuß seines Vermögens, folglich auch die
eigene Gebarung mit denen ihme in der hiernach bestimmenden Maß zu seiner
freien Schalt- und Waltung überlassenen Einkünften, doch allemal unter der
Aufsicht des Vormunds hat, also muß es auch bei deme, was derselbe an
Feilschaften und Waaren zu seinen und der Seinigen Bedürfnissen kaufet und baar
bezahlet, sein Bewenden haben, wann der Kauf sonst nach Unseren Gesatzen zu
Recht bestehet, und nicht also beschaffen ist, daß auch einem Großjährigen die
richterliche Hilfe dagegen geleistet würde.
[1, 6, § 4] 252. Wann jedoch die von dem Minderjährigen
erhandlete Sachen oder ausgenommene Waaren nicht baar bezahlet sind, und
dieserwegen eine Anforderung hervorkommet, solchen Falls solle dem Verkaufer,
wann er solche nicht zu des Minderjährigen Nutzen oder Nothdurft verwendet
worden zu sein erweisen kann, keine Hilfe geleistet, sondern in alle Wege, wie
in dem gleich hiernach berührenden Fall einer Geldvorleihung, verfahren werden,
und denen Minderjährigen ohne Wissen und Willen ihres Vormunds einige Schulden
zu machen unter keinerlei Vorwand erlaubet sein.
[1, 6, § 4] 253. Wir verbieten dahero nicht allein alle
offenbare oder heimliche Geldvorleihungen,
(1-207) und auf Vereitlungen und Uebertretung dieses Verbots
gerichtete Scheinhandlungen, wodurch denen Minderjährigen baare Gelder
zugewendet, unnütze Waaren aufgedrungen oder zugeschlagen werden, sondern Wir
entkräften auch alle diesfällige Verbindungen, Zusagen und Verschreibungen,
also daß hieraus niemals eine rechtsbeständige Forderung entstehen, noch bei
Gericht darauf gesehen werden solle.
[1, 6, § 4] 254. Diese Entkräftung und Vernichtung derlei
Handlungen solle sich noch weiters auch dahin erstrecken, daß, wann gleich eine
aus solchen Handlungen herrührende Forderung nach erlangter Großjährigkeit
wirklich anerkennet und zu bezahlen neuerdings versprochen, oder zu einer
aufrechten Schuld zugeschlagen, und darüber eine Verschreibung errichtet worden
wäre, diese Anerkanntniß, Zusage oder Verschreibung nichtsdestoweniger ungiltig
und kraftlos verbleiben, mithin auch zur Tilgung und Ausgleichung einer wahren
und aufrechten Gegenforderung niemals behilflich sein, noch weniger eine von
dem Minderjährigen dafür geleistete Bürgschaft, eingelegtes Pfand oder
verschriebenes Unterpfand zu Recht bestehen solle.
[1, 6, § 4] 255. Und obschon in dem Fall, da ein
Großjähriger sich für einen Minderjährigen zum Bürgen gestellet, oder sich
anstatt desselben zum Selbstschuldner verbunden, oder seine eigene Sachen für
ihn zum Pfand eingeleget, oder zum Unterpfand verschrieben hätte, die
Verbindung in seiner Person gegen den Anderen, welchen er also versicheret hat,
allerdings bestehet, so solle ihme jedoch wider den Minderjährigen zu keiner
Zeit eine Ruckforderung gebühren.
[1, 6, § 4] 256. Wie Wir dann auch alle Verbindungen der
Minderjährigen für Andere, es seie durch Bürgschaft oder Selbstübernahme der
Schuld, Pfandseinlegung oder Verschreibung eines Unterpfands, oder wie es sonst
geschehen möge, ebenso unkräftig, wie ihre für sich selbst eingegangene
Verbindungen erklären.
[1, 6, § 4] 257. Damit sich aber Niemand gelüsten lasse,
Minderjährigen mit Vorbeigehung ihrer Väter oder bestellter Vormünderen
heimlich Geld zu leihen, oder durch verstellte Handlungen ihnen Geld zu
verschaffen und zuzubringen, so solle nicht genug sein, daß ein Solcher,
welcher einem Minderjährigen Geld vorgestrecket, oder Sachen und Waaren
geborget hat, mit der ansuchenden Zahlung gar nicht gehöret werde, sondern
derselbe solle (es möge bei dem Darlehen ein Betrug unterlofen sein oder nicht)
nebst dem Verlust eines solchen Unserer Kammer anheimfallenden, und von dem
Schuldner zu der nach Unseren anderweiten Verordnungen bestimmten Verwendung
abzuführen habenden Darlehens noch über dieses um den nämlichen eben dahin zu
entrichten kommenden Betrag der dargeliehenen Summe unnachsichtlich bestrafet
werden.
[1, 6, § 4] 258. Die sich einschuldende Minderjährige
hingegen sollen nach erreichter Großjährigkeit um so viel länger, als selbe in
Vergleich ihres jährlichen Einkommens Schulden zu machen sich unterfangen, und
bis sie nicht bessere Kennzeichen einer guten Wirthschaft geben werden, oder so
lange es Uns gefällig sein wird, unter der Vormundschaft zu verharren, die
nachgesetzten Gerichten aber und Fiscalen ohne einiger Rücksicht der Person
unter eigener Vertretung auf das genaueste und strengste darob zu halten
schuldig sein.
[1, 6, § 4] 259. Was jedoch einem Glaubiger auf ein solches
Darlehen entweder währender Minderjährigkeit, oder auch nach erreichter
Großjährigkeit bezahlet worden wäre, dieses solle von ihme zurückgeforderet,
und sammt dem noch unbezahlten, wie auch mit dem über das zu erlegen kommenden
anderfachen Strafbetrag je und allzeit zu Handen Unserer Kammer eingezogen
werden.
[1, 6, § 4] 260. Hätte sich aber ein Glaubiger beinebst
eines offenbaren Wuchers, oder der Verführung eines Minderjährigen und anderer
sträflicher Gefährde schuldig gemacht, so solle derselbe über den Verlust des
vorgeliehenen Gelds oder der geborgten Sachen, und über die schon ausgesetzte
Strafe des anderfachen Betrags
(1-208) des Darlehens (welche bei Unvermöglichen nach
Beschaffenheit der Umständen in zeitliche Gefängniß zu verwandlen ist) annoch
nach Maß der mehr oder minder erschwerenden Umständen mit einer nach
richterlichen Befund auszumessenden Strafe beleget werden.
[1, 6, § 4] 261. Wider diese Unsere gesatzgebige Anordnung
solle Niemanden die vorgebliche Unwissenheit des minderjährigen Alters schützen
können, sondern ein Jeder, der sich mit jungen Leuten in Handlungen außer denen
zur wahrscheinlichen Nothdurft gereichenden Sachen einläßt, vorhero sich wohl
zu erkundigen schuldig sein, ob sie bereits für großjährig erkläret, mithin fähig
sind, rechtsgiltige Verbindungen einzugehen.
[1, 6, § 4] 262. Noch weniger mag die Vorstellung eines sich
für großjährig ausgebenden Minderjährigen, weder die gemeine ihn dafür haltende
Meinung, weder die vorgespieglete Einwilligung des Vaters oder Vormunds, noch
was Anderes, wodurch der Glaubiger hintergangen worden zu sein vorgiebt,
demselben zur Habhaftwerdung des geborgten Gelds oder Sachen, und zur
Entbindung von der ausgesetzten Strafe behilflich sein.
[1, 6, § 4] 263. Doch solle dem Minderjährigen die
Hintergehung des Glaubigers nicht ungeahndet hingehen, sondern, da solche
erwiesen wird, ernstlich bestrafet werden. Und wann der Glaubiger durch Andere
hintergangen worden, so bleiben ihme zu seiner Entschädigung alle diensame
Rechtsmitteln wider dieselbe bevor.
[1, 6, § 4] 264. Was nun immer für Geschäften oder
Handlungen an Seiten der Waisen und Minderjährigen in oder außer Gericht
vorfallen mögen, diese alle gehören zur Verwaltung des Vormunds in Namen und zu
Handen der Waisen und Minderjährigen, dessen Schuldigkeit ist, solche getreu
und fleißig zu besorgen, der Waisen Nutzen in allen zu beförderen, und Schaden
und Nachtheil abzuwenden.
[1, 6, § 4] 265. Unter gerichtlichen Geschäften ist das
erste, die denen pflegbefohlenen Waisen und Minderjährigen durch letzten Willen
oder nach Ordnung rechtlicher Erbfolge angefallene Erbschaften entweder
gerichtlich anzutreten, oder sich derselben zu entschlagen, wie er Eines oder
das Andere ihnen am zuträglichsten zu sein befinden würde.
[1, 6, § 4] 266. Die Antretung einer Erbschaft, es seie nach
dem Vater, der Mutter, oder anderen Erblasseren, solle jedoch von dem Vormund
niemalen anderst geschehen können, als mit ausdrücklich vorbehaltener
Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii, und ohne solcher keine Erbserklärung
von einem Vormund bei Gericht angenommen werden.
[1, 6, § 4] 267. Fände aber der Vormund seinen
Pflegbefohlenen nützlicher zu sein, sich der Erbschaft zu entschlagen, so solle
derselbe allemal vorhero die eigentliche Beschaffenheit der Ursachen, wegen
welcher er die Erbschaft auszuschlagen
(1-209) vermeinet, derjenigen Gehörde, von der er zum
Vormund bestellet worden, getreulich anzeigen, diese aber die Sache reiflich
erwägen, und den Vormund befindenden Dingen nach zu seinem Nachverhalt verbescheiden.
[1, 6, § 4] 268. Widrigens, da ein Vormund deme zuwider
handlete, und entweder die Erbserklärung ohne Vorbehalt des gerichtlichen
Inventarii, oder die Erbsentschlagung ohne vorläufiger Genehmhaltung der
Vormundschaftsgehörde einbrächte, solle dergleichen Erbserklärung oder
Erbsentschlagung bei keinem Gericht angenommen werden, sondern so Eine als die
Andere ganz ungiltig und ohne Wirkung sein.
[1, 6, § 4] 269. Da aber jegleichwohlen seinen
Pflegbefohlenen ein erweislicher Schaden hieraus erwachsen wäre, oder der
Vormund einer dabei gebrauchten Arglist, Gefährde oder ungleicher
Vorstellungen, wodurch bei der Gehörde die Gutheißung der Erbsentschlagung
erschlichen worden, überführet werden könnte, so ist derselbe nicht allein zum
Ersatz alles ihnen andurch zugefügten Schadens anzuhalten, sondern auch nach
Maß seiner mitunterwaltenden Arglist und Gefährde zu bestrafen, und was an ihme
nicht zu erholen wäre, dafür hat die Vormundschaftsgehörde zu haften, wann
selbe sich hierinfalls eine Fahrlässigkeit zu Schulden kommen lassen.
[1, 6, § 4] 270. Wie in Erbfällen, also auch in allen
anderen Gerichtshändeln hat ein Vormund seine Pflegbefohlene zu vertreten. Es
lieget ihme dahero ob, die bei Gericht vor oder wider dieselbe anhängige
Rechtsführungen ohne Saumsal zu Ende zu bringen, und dabei wohl zu überlegen,
auch sich bei Rechtserfahrenen Raths zu erholen, ob seinen Pflegbefohlenen
nutzlicher seie, den richterlichen Ausspruch abzuwarten, oder sich mit dem
Gegentheil in eine Vergleichshandlung einzulassen.
[1, 6, § 4] 271. In Vergleichshandlungen, der Rechtsstreit
möge schon vor oder erst nach angetretener Vormundschaft rechtsanhängig worden
sein, solle sich von keinem Vormund ohne vorläufig angesuchter Verwilligung der
Vormundschaftsgehörde eingelassen, noch auch solche anderst als durch
Vermittlung einiger hierzu verordneten Gerichtspersonen vorgenommen, und der
Vergleich selbst nicht ehender, als nachdeme derselbe der Vormundschaftsgehörde
vorgeleget, von dieser, ob er zum Nutzen der Waisen gereiche, wohl erwogen, und
auf Befund beangenehmet worden, geschlossen werden können.
[1, 6, § 4] 272. Widrigens bindet ein von dem Vormund für
sich allein eingegangener Vergleich zwar den Gegentheil, welcher solchen mit
ihme geschlossen, nicht aber auch die Waisen, wann er ihnen zum Nachtheil
gereichete.
[1, 6, § 4] 273. Nicht weniger ist ein Vormund schuldig da,
wo es die Nothdurft oder der Nutzen der Waisen erfoderet, in ihrem Namen sowohl
neue Ladungen auszuwirken und Klage wider Andere anzustrengen, als auch Ladungen
anzunehmen, sich auf Rechtsklagen einzulassen, und alles Nöthige bis zu der
Sachen gänzlichen Ausgang bei Gericht vorzukehren, also daß allemal der Vormund
in Namen der Waisen Andere belange und von Anderen belanget werde.
[1, 6, § 4] 274. Doch gehet Alles auf Gewinn und Verlust der
Waisen, und ist der Vormund, da er sachfällig würde, außer Verantwortung, wann
er seinerseits am Verlust des Rechtshandels keine Schuld traget, als da
derselbe einen muthwilligen Rechtsstreit wissentlich angefangen oder fortgesetzet,
oder wegen Ungehorsam, Fristversäumniß oder anderer Verwahrlosung den
Rechtshandel verloren, oder wie sonst immer in Verlauf des Streits seinen
Pflegbefohlenen ein Recht vergeben oder mit seiner Schuld einen Nachtheil
zugezogen hätte, in welchen Fällen er allen erweislichen Schaden zu ersetzen
hat.
[1, 6, § 4] 275. Eben also fällt dem Vormund auch die Schuld
und Vernachlässigung Derjenigen zur Last, deren er sich in Rechtshändeln aus
eigener Wahl gebrauchet. Deme vorzukommen stehet ihme frei, in vorfallenden
schweren Rechtshändeln,
(1-210) wann er darinnen unerfahren ist, und einen
Rechtsfreund zu wählen sich selbst nicht getrauet, bei der
Vormundschaftsgehörde um Beigebung eines Rechtsobsorgers oder Curatoris
anzuhalten, welcher eine oder mehrere Rechtsführungen, worzu er bestellet ist,
gegen billiger Belohnung, oder, wo die Waisen arm sind, auch ohnentgeltlich zu
besorgen, und die Schuld oder Vernachlässigung, wann solche dem Vormund nicht
mit beigemessen werden mag, allein zu verantworten hat.
[1, 6, § 4] 276. Umsomehr ist die Bestellung eines
Rechtsobsorgers oder Curatoris damals nothwendig, wann zwischen dem Vormund und
seinen Pflegbefohlenen Rechtsansprüche fürwalteten, welche in Namen der Waisen
von dem Curatore entweder gütlich, oder in Weg Rechtens zu End zu bringen sind.
[1, 6, § 4] 277. Was nun kraft der richterlichen Erkanntniß,
oder des von der Vormundschaftsgehörde bestätigten Vergleichs der Vormund
seinen Pflegbefohlenen zu entrichten hat, dieses muß derselbe unnachbleiblich
erstatten, oder wenigstens hinlängliche Sicherheit dafür bestellen und die
Zinsen davon richtig abführen, widrigens ist er durch die rechtliche
Zwangsmitteln darzu anzuhalten.
[1, 6, § 4] 278. Was hingegen dem Vormund, es seie durch
Spruch und Urtheil, oder durch gerichtlich bestätigten Vergleich von dem
Waisengut gebühret, dafür kann er mit obervormundschaftlicher Bewilligung eben
also, wie in Ansehung aller anderer richtiger und gerichtlich bewußter an denen
Waisen habender Forderungen sich selbst aus dem Waisengut bezahlt machen, oder
die Zinsen davon beziehen.
[1, 6, § 4] 279. Auch außer rechtsanhängigen Ansprüchen
zwischen dem Vormund und Waisen solle diese letztere in allen anderen
gerichtlichen und außergerichtlichen Vorfällen, welche so geartet sind, daß
sowohl des Vormunds, als der Waisen Vortheil dabei unterwalte, und durch
Vorziehung des eigenen Nutzens jener der Waisen außer acht gelassen werden
könnte, durch einem eigenen Curatorem vertreten und über Alles, was in ihrem
Namen geschlossen wird, die obervormundschaftliche Gutheißung mit Anzeige aller
Umständen angesuchet werden.
[1, 6, § 4] 280. Von dieser Art sind die Theilung einer dem
Vormund und Waisen zusammen angefallenen Erbschaft oder eines zwischen ihnen
gemeinschaftlichen Guts, oder Forderung, oder deren Uebertragung und Abtretung
an einen Dritten, die Ablassung von einem beiderseitigen Recht zu Gunst eines
Dritten, die zwischen dem Vormund und Waisen schließen wollende Käufe und
Verkäufe liegender Güter oder an Werth beträchtlicher Fahrnissen, und überhaupt
alle Handlungen, wobei es um Vortheil und Verlust des Vormunds und Waisen
gegeneinander zu thun ist.
[1, 6, § 4] 281. Dann keinerlei Handlung, Vergleich, Zusage,
noch Verbindung kann zwischen dem Vormund und seinen Pflegbefohlenen zu Recht
bestehen, wann diese nicht dabei obverordnetermaßen von einem Curatore
vertreten werden, und die ausdrückliche Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde
nicht hinzustoßt.
[1, 6, § 4] 282. Noch weniger ist einem Vormund erlaubet,
das Waisengut auf einigerlei Weise anderst als mit obrigkeitlicher Bewilligung
bei Nichtigkeit der Handlung an sich zu bringen.
[1, 6, § 4] 283. Wann dahero ein Waisengut wegen nothwendig
oder nutzlich befundener Veräußerung gerichtlich feilgeboten wird, ist zwar dem
Vormund nicht verwehret sich zu dem Kauf anzumelden, jedoch muß er diese seine
Gesinnung der Vormundschaftsgehörde zeitlich anzeigen, und sich auf keinerlei
Weis in den Verkauf einmischen.
Die Vormundschaftsgehörde aber hat die genaueste
Untersuchung, ob keine Eigennützigkeit des Vormunds zur Benachtheiligung der
Waisen dabei unterlaufe, zu veranlassen, und ihre Einwilligung hierzu nicht
anderst, als bei befindender Unschädlichkeit des Vorhabens zu ertheilen,
folglich denen Waisen einen Curatorem zu bestellen, der ihren bei diesem Geschäft
unterwaltenden Nutzen zu beobachten hat.
[1, 6, § 4] 284. Endlich solle kein Vormund in Fällen, wo
immer der Gewinn und
(1-211) Vortheil, Schaden oder Nachtheil mehrerer unter ihme
stehender Waisen nicht einerlei ist, sondern einer an dem anderen etwas zu
forderen hat, deren einen gegen den anderen vertreten können, sondern einem
jedem ein besonderer Curator zu dessen Vertretung bestellet werden, als da ein
Wais gegen den anderen einen Rechtsanspruch hätte, oder die Theilung eines
zwischen ihnen gemeinschaftlichen Guts oder Erbschaft vorzunehmen wäre.
[1, 6, § 4] 285. Außer vorberührten Handlungen hat ein
Vormund alle andere außergerichtliche Geschäften in Namen und zu Handen deren
Waisen nach seinem besten Wissen und Befund zu besorgen und zu verwalten, wann
sie nicht von so beträchtlicher Wichtigkeit sind, daß hierzu die Verwilligung
und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde erforderet werde.
[1, 6, § 4] 286. Zu deren einigen, als da sind die
Veräußerung liegender Waisengüter, oder anderer landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich versicherter Rechten und Forderungen, sie geschehe durch
Verkauf, Tausch, Abtretung, Ablassung, Verpfändung oder sonstige Beschwer- und
Behaftung, der Ankauf liegender Güter, oder in einen großen Werth laufender
Fahrnissen, Einschuldung der Waisen, und überhaupt Alles, was zur Verminderung
und Schmälerung des Waisenguts gereichen kann, ist die obervormundschaftliche
Einwilligung dergestalten nothwendig, daß die ohne derselben unternommene
Handlung ganz und gar kraftlos seie, folglich bei keinem Gericht einiger
Beistand hierwegen ertheilet, noch irgendwo zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einverleibung angenommen werden solle.
[1, 6, § 4] 287. Bei minder wichtigen Geschäften und
Handlungen ist zwar die Verwilligung der Vormundschaftsgehörde zu deren
Giltigkeit und Fortgang nicht erforderlich; doch setzet
sich der Vormund ohne deren Erwirkung der Verantwortung und nach Gestalt der
Sachen der Schadloshaltung der Waisen aus.
[1, 6, § 4] 288. Wann demnach die Nothwendigkeit oder der
Nutzen der Waisen erforderet, ein ihnen angehöriges liegendes Gut, Haus oder
Grundstück zu verkaufen, so solle der Vormund solches bei der
Vormundschaftsgehörde anzeigen, welche sodann nach Befund, dass dessen
Veräußerung für die Waisen ersprießlicher seie, als dessen Beibehaltung,
allemal eine öffentliche Feilbietung zu veranlassen, und entweder, wann das Gut
unter ihrer eigenen Gerichtsbarkeit gelegen ist, solche selbst auszuschreiben,
oder diejenige Gerichtsstelle, worunter es gehöret, hierum anzugehen hat.
[1, 6, § 4] 289. Gleichwie in Gegentheil, wann eine
vortheilhafte Gelegenheit vorfiele, denen Waisen aus ihren darzu erklecklichen
Mitteln zu ihrem Nutzen ein liegendes Gut, Haus oder Grundstuck anzukaufen, der
Vormund schuldig ist, bei der Vormundschaftsgehörde die ihn hierzu bewegende
Ursachen mit dem verläßlichen Anschlag
(1-212) des Guts, Hauses oder Grunds, dessen Ertragniß,
Zugehörungen Herrlichkeiten, Anlagen, Beschwerden, Haftungen und den Preis
desselben anzuzeigen.
[1, 6, § 4] 290. Nach all dessen reifer Erwägung und genauer
Untersuchung, auch nöthigen Falls veranlaßter Besichtigung und daraus erhobenen
Befund eines wahren Nutzens hat die Vormundschaftsgehörde dem Vormund die
Bewilligung zu dem vorhabenden Kauf entweder bis auf einen bestimmten Preis,
und mit Vorschrift der Kaufbedingnissen, oder aber mit Vorbehalt ihrer nach
Einsicht des geschlossenen Kaufs erfolgenden Gutheißung zu ertheilen, und die
Bewilligung oder Bestätigung des Kaufs allemal in den Kaufbrief einziehen zu
lassen.
[1, 6, § 4] 291. Güter und Landwirthschaften, welche
derorten insgemein von denen Besitzeren selbst besorgt und bestellet werden,
darf kein Vormund ohne besonderer Ursach und von der Vormundschaftsgehörde
darzu erhaltener Verwilligung verpachten, noch auch die zu verpachten
gewöhnliche auf eine längere Zeit, als insgemein üblich ist, in Pacht geben.
[1, 6, § 4] 292. Dahingegen bedarf es bei Bestandgebung oder
Vermiethung einzler Gründen, Nutzungen und Hauswohnungen dieser besonderen
Verwilligung nicht, wann der Bestand oder die Miethung sich nicht über zwei
Jahre hinaus erstrecket, und der bedungene Zins gegen dem vorhinigen nicht
merklich herabfällt.
[1, 6, § 4] 293. So viel es aber das bewegliche Waisengut
betrifft, so solle gleich bei dessen Beschreibung, folglich noch vor desselben
Einantwortung an den Vormund, was davon zu veräußeren oder aufzubehalten für
die Waisen nutzlich seie, erwogen werden.
[1, 6, § 4] 294. Was nicht bei dem Geschlecht zu verbleiben
hat, oder von dem Vater, Vorelteren oder anderen Erblasseren aufzubehalten
namentlich verordnet ist, oder als ein besonderes Denkmal für die
Nachkommenschaft aufbehalten zu werden verdienet, oder von Grund und Boden
unabsönderlich ist, alles dieses ist je eher je besser zu verkaufen, und der dafür
erlöste Werth zur Benutzung sicher anzulegen.
[1, 6, § 4] 295. Sachen aber, welche denen Waisen
dermaleinstens nutzlich sein können, und nicht leicht wieder zu haben, noch der
Verderbungsgefahr unterworfen sind, sollen ohne Noth nicht verkaufet, noch auch
mit der Veräußerung solcher Sachen geeilet werden, welche mit der Zeit bessere
Käufer finden können, oder durch längere Aufbehaltung in ihrem Werth steigen.
[1, 6, § 4] 296. Ueberhaupt kommt die Beurtheilung dessen,
was zu veräußeren oder aufzubehalten seie, dem vernünftigen Ermessen deren zur
Beschreibung des Waisenguts abgeordneten Gerichtspersonen, des etwan
mitanwesenden Vormunds und Befreundten und bei Verschiedenheit der Meinungen
der obervormundschaftlichen Erkanntniß zu.
[1, 6, § 4] 297. Was aufzubehalten befunden wird, ist, so
viel möglich, gleich bei der Beschreibung des Waisenguts von denen zum Verkauf
bestimmten Sachen abzusönderen, beide aber sind durch beeidigte Schätzere,
oder, wo diese ohne großen Kosten nicht zu haben sind, durch andere der Sachen
verständige Kennere gewissenhaft, und also, wie sie ihre Schätzung auf
Erforderen eidlich bekräftigen können, zugleich abzuschätzen, und die
Schätzungspreise der gerichtlichen Beschreibung beizufügen.
[1, 6, § 4] 298. Könnte aber dieses bei der Beschreibung des
Waisenguts ohne großem Aufwand oder Verzögerung nicht geschehen, so mag die
Schätzung immittelst unterbleiben, und alsdann erst vorgenommen werden, wann
zur Veräußerung oder Erbtheilung geschritten werden will.
[1, 6, § 4] 299. Mit der Veräußerung der zum Verkauf
bestimmten Sachen ist nicht zu saumen, sondern solche des fördersamsten nach
vorangegangener Schätzung entweder an dem Ort, wo die Sachen befindlich, oder
auch anderwärts, wo sie
(1-213) leichter und besser an Mann gebracht werden können,
doch niemalen anderst, als gerichtlich mittelst öffentlicher Feilbietung
vorzunehmen.
[1, 6, § 4] 300. Das für die verkaufte Sachen gelöste Geld
ist so, wie die bei der Beschreibung vorgefundene Barschaft bis auf so viel,
als der Vormund zu vormundschaftlichen Ausgaben nöthig hat, von Zeit zu Zeit,
wie solches eingehet, mittelst einer von denen dazu verordneten
Gerichtspersonen über den gelösten Betrag jedesmal zu erstatten habenden
Berichts bei Gericht zu hinterlegen, dem Vormund aber seiner Zeit eine
gerichtliche Verzeichniß all dessen, was verkaufet worden, mit Anmerkung des
dafür hinterlegten Preises zu Belegung seiner künftigen Rechnungen auszufolgen.
[1, 6, § 4] 301. Was wegen Mangel der Kauflustigen nicht
verkaufet werden kann, solle dem Vormund eingeantwortet werden, damit derselbe
diese Sachen so bald und so hoch wie möglich, doch niemalen unter der Schätzung
zu verkaufen trachte, es würde ihme dann dieses ausdrücklich verwilliget, oder,
da es Kleinigkeiten beträfe, ihme hierinnen freie Hand gelassen, den Verkauf so
gut als möglich zu bewirken.
[1, 6, § 4] 302. Desgleichen sind demselben auch jene
Sachen, welche für die Waisen aufzubehalten befunden worden, zur sorgfältigen
Verwahrung einzuhändigen.
Doch, da sich ein erhebliches Bedenken äußerte, können und
sollen dieselbe in gerichtlicher Verwahrung gehalten, oder an andere sichere
Orte hinterleget, dem Vormund aber hierüber ein Hinterlegungsschein zur
Belegung seiner Rechnungen hinausgegeben werden.
[1, 6, § 4] 303. Die Waisengelder, so viel hieran laut der
Beschreibung des Waisenguts
(1-214) an Barschaft vorgefunden, oder aus dem verkauften
Waisengut gelöset, und von so einem, als anderen über Abzug deren
unausweichlichen Vormundschaftsausgaben erübriget, oder von der jährlichen
Ertragniß ersparet, oder an Capitalien, Ausständen und Forderungen heimgezahlet
oder eingetrieben wird, sollen nach Maßgebung Unserer hierwegen bestehenden
besonderen Verordnung mit Vorwissen der Vormundschaftsgehörde verzinslich
angeleget werden.
[1, 6, § 4] 304. Und im Fall sie an Privatpersonen
auszuleihen befunden würde, so solle solches nicht anderst, als gegen
landtäflich, stadt oder grundbücherlich auf einem liegenden Gut verschriebener
hinlänglicher Versicherung, mit jedermal vorläufig einzuholen habender ausdrücklicher
Gutheißung der Vormundsgehörde unter landesgewöhnlichen Zinsen geschehen
können.
[1, 6, § 4] 305. Sowohl die über die neu angelegte
Capitalien ausgestellte, als in der Beschreibung des Waisenguts einkommende
Schuldbriefe sollen von der Vormundschaftsgehörde in gerichtliche Verwahrung
genommen, und derorten, wo eigene Hinterlegungsämter von Uns aufgestellet sind,
dahin gegen einem ordentlichen die Anzahl, Eigenschaft und Betrag dieser
Schuldbriefen mit dem Jahr und Tag der Ausstellung, und allenfalls darauf
befindlichen Vormerkung deutlich enthaltenden Hinterlegungsschein zur
Verwahrung abgegeben, wo aber zur Zeit keine dergleichen Hinterlegungsämter
sind, bei Gericht sicher aufbehalten werden.
[1, 6, § 4] 306. Dem Vormund jedoch sind zu seiner Nachricht
Verzeichnissen und Abschriften davon zu geben: dahingegen die Schuldbriefe
selbst nur damals zu seinem Handen auszufolgen, wann die Vormundschaftsgehörde
solche demselben entweder zur Ausführung eines hierwegen entstandenen
Rechtshandels, oder zu der von ihr bewilligten Erhebung, Uebertragung oder
Umlage des Hauptgelds oder Capitals, oder auch zur bewirkenden Vormerkung der
Schuldforderung, oder zur Eintreibung derselben, oder zu anderen derlei
rechtlichen Nothdurften zuzustellen nöthig findet.
[1, 6, § 4] 307. Die in der Beschreibung des Waisenguts
einkommende, oder sonst nachhero sich ergebende Forderungen und Ausstände der
Waisen sind entweder in öffentlichen Fundis angeleget, oder auch landtäflich,
stadt oder grundbücherlich versicheret oder nicht, die unversicherten entweder
verbrieft oder unverbrieft, beide aber richtig oder unrichtig.
[1, 6, § 4] 308. Von denen in öffentlichen Fundis angelegten
oder hinlänglich versicherten Capitalien hat der Vormund die abfallende Zinsen
fleißig einzuforderen und keine Rückstände anwachsen zu lassen, sondern da auch
zur zweiten Verfallzeit von dem Privatschuldner nicht eingehalten würde, den
ganzen Rückstand sofort gerichtlich einzutreiben, und da die Unrichtigkeit
öfters vorginge, oder wegen der Sicherheit ein Bedenken wäre, nach
vorhergehender Anzeige an die Vormundschaftsgehörde und darüber erhaltener
Genehmhaltung das Capital zur Heimzahlung aufzukündigen.
[1, 6, § 4] 309. Ueberhaupt solle kein Vormund für sich
allein befugt sein, ein in öffentlichen Fundis anliegendes oder landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich vorgemerktes Capital ohne Bewilligung der
Vormundschaftsgehörde aufzukündigen, zu deren Erwirkung derselbe allemal die
Bewegursachen, warum er die Aufkündigung denen Waisen nothwendig oder nutzlich zu
sein finde, ihr anzuzeigen hat.
[1, 6, § 4] 310. Dahingegen stehet einem jedwedem Schuldner
frei, das bei ihme anliegende Capital der Waisen dem Vormund aufzukündigen, und
dieser ist allerdings schuldig, die ihme behörig geschehene Aufkündigung
anzunehmen und der Vormundschaftsgehörde hiervon die Anzeige zu machen.
(1-215) [1, 6, § 4] 311. In beiden Fällen, wo nämlich
entweder mit Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde dem Schuldner aber von
diesem dem Vormund das Capital aufgekündiget wird, hat die Vormundschaftsgehörde
dem Vormund einen besonderen Bewilligungsbescheid zur Erhebung des Gelds und
Ausstellung der Quittung zu ertheilen, ohne welche ihme von dem Schuldner das
Capital nicht ausgezahlet, sondern zu Gerichtshanden erleget werden solle.
[1, 6, § 4] 312. Wie dann keine von dem Vormund über ein
Capital der Waisen ausgestellte Quittung, Abtretung oder Verzicht bei Gericht
angenommen, noch weniger irgendwo einverleibet werden darf, wann nicht zugleich
die von der Vormundschaftsgehörde darzu habende Verwilligung beigebracht und
sich hierauf in der ausstellenden Quittung, Abtretung oder Verzicht nicht
ausdrücklich bezogen wird.
[1, 6, § 4] 313. Das heimgezahlte Capital ist sogleich
anwiederum obverordneter Maßen mit Sicherheit zinsbar anzulegen, und hat der
Vormund zugleich mit der Anzeige der Aufkündigung auch einen anderen sicheren
Ort zur Wiederanlegung der Vormundschaftsgehörde vorzuschlagen und hierzu ihre
Einwilligung anzusuchen.
[1, 6, § 4] 314. Wann aber der Vormund kein sicheres Ort
ausfindig zu machen vermögete, so hat derselbe diesen Umstand wenigstens vier
Wochen vor der Zahlungszeit der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen, damit durch
öffentliche Kundmachung (daß einige Waisengelder zur sicheren Anlegung
vorhändig sind) oder in andere Wege dem aus unfruchtbarer Erliegung dieser
Gelder besorglichen Schaden der Waisen vorgebogen werden könne.
[1, 6, § 4] 315. Würde hingegen ein Vormund deme, was hier
oben verordnet worden, nicht nachkommen, sondern die Anzeige in der Zeit
unterlassen, oder die obervormundschaftliche Bewilligung zur Erhebung und
Quittirung nicht erwirken, und somit zur unfruchtbaren Erliegung oder zur
gerichtlichen Hinterlegung des Waisengelds aus seiner Schuld Anlaß geben, so
solle derselbe nicht allein die Unkosten der gerichtlichen Hinterlegung,
sondern auch den wegen Nichtnutzung des Gelds denen Waisen inzwischen
zugehenden Schaden bis zu dessen sicherer Wiederanlegung oder anderweiter
nutzbarer Verwendung zu ersetzen schuldig sein, daß Geld oder bis dahin bei dem
Hinterlegungsamt in Verwahrung gegeben, oder wo kein solches Amt befindlich,
bei Gericht sicher aufbehalten werden.
[1, 6, § 4] 316. Bei unvorgemerkten, oder doch verbrieften
Forderungen hat der Vormund aus dem Inhalt der Schuldbriefen die Bewandtniß der
Schuldforderung abzunehmen, ob darinnen ein Unterpfand bestellet seie, oder
nicht, ob und was für eine Aufkündigungszeit bedungen, oder was für eine
Verfallzeit bestimmet, ob die Forderung richtig oder strittig, ob der Schuldner
in zahlungsfähigem Stande oder unsicher seie.
[1, 6, § 4] 317. Unvorgemerkte Hauptbriefe, worinnen ein
Unterpfand bestellet ist, sollen ohne Ausnahme zur Vormerkung gebracht, da aber
in einer Schuldverschreibung kein Unterpfand bestellet wäre, zur Sicherheit der
Waisen die ausdrückliche Bestellung eines genugsamen Unterpfands von dem
Schuldner anbegehret und solche behörig vorgemerket, widrigens in der
bedungenen Zeit die Zahlung geforderet und bei besorgender Gefahr immittelst
auf die Sicherstellung der Waisen, wie es am füglichsten geschehen kann, fürgedacht
werden.
[1, 6, § 4] 318. Allermaßen dann die Schuldigkeit eines
jeden Vormunds mit sich bringt, alle verbriefte Forderungen, wofür keine
hinreichende Sicherheit bestellet ist, noch von denen Schuldneren erhalten
werden kann, unverlängt gütlich oder gerichtlich einzutreiben, und die
erwartende Zahlung zu gleichem Ende, wie es oben von versicherten Capitalien
erwähnet worden, der Vormundschaftsgehörde zeitlich anzuzeigen.
[1, 6, § 4] 319. Um so mehr lieget
dem Vormund ob, alle unverbriefte Ausstände und Forderungen sobald möglich
einzubringen, oder eine hinlängliche Sicherheit zu verschaffen, und ist
derselbe befugt das eingehende Geld, ohne eine obervormundschaftliche
(1-216) Bewilligung hierzu nöthig zu haben, selbst zu
erheben, welches er sofort in Rechnungsempfang zu nehmen und damit also zu
verfahren hat, wie es in Ansehung vorräthiger Barschaft hiernach verordnet
wird.
[1, 6, § 4] 320. Auf gleiche Art hat ein Vormund mit
strittigen Forderungen fürzugehen, und solche entweder mittels eines von der
Vormundschaftsgehörde genehmhaltenden Vergleichs oder in Weg Rechtens richtig
zu stellen, dabei aber auch auf alle bewirken mögende Sicherheit fürzusorgen.
Doch solle keinem Vormund unter was immer für einem Vorwand
Schuldforderungen der Waisen an sich zu lösen oder zu erhandlen gestattet sein.
[1, 6, § 4] 321. Vornehmlich aber hat die
Vormundschaftsgehörde auf die genügliche Sicherstellung aller denen Waisen
angebührenden Schuldforderungen auch jenen Falls, wo der Vormund an seiner
Obliegenheit etwas erwinden ließe, von amtswegen fürzudenken. Widrigens wo
selbe hierinfalls eines Saumsals überwiesen werden könnte, ist sie denen Waisen
Dasjenige, um was diese aus ihrer Schuld erweislich gefährdet worden, und was
von dem die Schuld mittragenden Vormund nicht erholet werden kann, aus dem
Eigenen zu ersetzen schuldig.
[1, 6, § 4] 322. Von denen vorräthigen Barschaften, welche
nach Abzug aller nothwendigen Vormundschaftsausgaben erübrigen, sollen
vorzüglich die Waisenschulden baldmöglichst getilget werden, und dabei vor
Allem auf die Entledigung des Waisenguts von denen darauf versicherten
Haftungen der Bedacht genommen, auch hierüber vorhero allemal von dem Vormund
der Vorschlag der leisten wollenden Zahlung der Vormundschaftsgehörde
vorgeleget und ihre Genehmhaltung eingeholet, sodann aber die über die
geleistete Zahlung erhaltene Quittungen und zuruckgestellte Schuldbriefe
derselben zur Verwahrung übergeben werden.
[1, 6, § 4] 323. Was nach getilgten Schulden an der
Barschaft übrig bleibt, solle mit Begenehmigung der Vormundschaftsgehörde zur
Verbesserung des Waisenguts auf Zukaufung nutzlicher Grundstücken, Ablösung der
auf dem Waisengut haftender Zinsen, Abgaben oder Dienstbarkeiten, oder in
andere nutzliche Wege verwendet werden.
[1, 6, § 4] 324. Es kann auch ein außerordentliche
Verbesserung deren Gütern und Gründen in allen Gattungen der Wirthschaft aus
der vorhändigen Barschaft und weiteren Ersparnissen vorgenommen werden, wodurch
die Ertragniß eines Guts vermehret und der Nutzen erhöhet werden kann, wann solche
die Vormundschaftsgehörde ersprießlich zu sein findet und hierzu einwilliget.
[1, 6, § 4] 325. Diese Einwilligung ist insonderheit zu
Aufführung neuer oder kostbarer Erneuerung alter Wohn oder auch
Wirthschaftsgebäuden erforderlich, zu deren Erwirkung der Vormund jederzeit
einen verläßlichen Ueberschlag deren darzu erforderlichen Kosten einzubringen,
und den von der Vormundschaftsgehörde beangenehmten Betrag nicht zu
überschreiten hat.
[1, 6, § 4] 326. Wann jedoch die Vormundschaftsgehörde keine
Nothwendigkeit, Nutzbarkeit oder besondere Wohlanständigkeit dabei zu
unterwalten findet, solle sein keineswegs hierein willigen, und umsoweniger die
Unternehmung unnützer Gebäuden zu bloßem Pracht und Lust gestatten.
[1, 6, § 4] 327. Was aber die Herstellung und Erhaltung der
Gründen und Gebäuden in guten Stand anbelanget, deren Besorgniß lieget dem
Vormund ohnedies nach dem ordentlichen Wirthschaftstrieb ob, worzu er so viel,
als nöthig ist, nicht allein aus denen Einkünften, sondern auch aus denen
Barschaften und Ersparnissen ohne besonderer obervormundschaftlicher
Verwilligung unter der Verrechnung verwenden kann.
[1, 6, § 4] 328. Außer derlei Vorfällen solle sie vorhändige
Barschaft sowie die sich von Zeit zu Zeit ergebende Ersparnissen nach
obstehender Anordnung mit Vorwissen und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde
verzinslich angelegt, widrigens
(1-217) aber der denen Waisen aus Schuld des Vormunds durch
fruchtlose Erliegung der Gelder zugehende Schaden von ihme ersetzet werden.
[1, 6, § 4] 329. Wie kann ein jeder Vormund mit denen
Waisengeldern ohne allem Eigennutz getreulich gebaren, und diese mit denen
seinigen niemals vermischen, noch solche zu seinem eigenen Gebrauch, Nutzen
oder Nothdurft bei schärfester Ahndung verwenden solle.
[1, 6, § 4] 330. Hätten die Waisen eine Handlung oder sonst
verdienstliches Gewerb, dessen Beibehaltung und Fortsetzung zu ihren Handen von
der Vormundschaftsgehörde für sie ersprießlich zu sein befunden würde, und der
Vormund wäre wegen Unkundigkeit des Gewerbs, Handels oder Handtirung (!), oder
wegen eigener Nahrungsgeschäften außer Stande dasselbe nach Erforderniß zu
besorgen, kann derselbe bei der Vormundschaftsgehörde um Beigebung einiger
tüchtiger und des Gewerbs erfahrener Leuten einkommen, und sich anmit von aller
Verantwortung, wann durch diese denen Waisen ein Schaden widerfahren und
seinerseits keine Schuld unterlaufen würde, entledigen.
[1, 6, § 4] 331. Wo er aber sich selbst Leute nach eigener
Auswahl zu Führung des Gewerbs oder Handels erkiesete, hat derselbe alle
Behutsamkeit, damit die Waisen durch sie nicht gefährdet werden mögen,
anzuwenden, und wann seinerseits in deren Auswahl, nöthigen Vorsicht oder
Einsicht eine Schuld unterliefe, für allen denen Waisen von diesen Leuten
zugefügten Nachtheil selbst zu haften, obschon ihme die Schadenserholung wider
Jene, welche hieran Schuld tragen, allerdings bevorstehet.
[1, 6, § 4] 332. Wann jedoch die Vormundschaftsgehörde aus
denen Rechnungen oder sonst beglaubten Anzeigen den schlechten Fortgang des
Gewerbs oder Handlung wahrnehmen würde, so solle dieselbe, falls der Mangel an
dem Gewerb oder der Handlung selbst ist, die weitere Betreibung aufheben, und
allenfalls das denen Waisen hierzu angebührende Recht wie es ihnen am
vortheilhaftesten geschehen kann, an Andere zu überlassen trachten, oder da der
Fehler an Seiten des Vormunds oder deren darzu angestellten Leuten, andere
Tüchtigere, die das Gewerb unter eigener Verantwortung fortführen, benennen.
[1, 6, § 4] 333. Keinem aber, welcher die Handlung im Namen
der Waisen führet, es seie der Vormund oder ein Anderer, ist erlaubt einen
heimlichen Antheil an dem Gewinn zu nehmen, oder den Verdienst und Kundschaften
unter der Hand an sich zu ziehen.
[1, 6, § 4] 334. Dahingegen kann ein Vormund, welcher schon
mit dem Vater der Waisen oder mit einem anderen Erblasser, von deme das Gewerb
auf die Waisen gekommen, in Gesellschaft gestanden, oder als Miterb mit denen
Waisen in solche
(1-218) gerathet, solange dabei beharren, bis nicht die
Vormundschaftsgehörde die Absönderung nöthig findet.
[1, 6, § 4] 335. In Erforschung der Kräften einer Handlung
oder Gewerbs hat die Vormundschaftsgehörde mit aller Behutsamkeit fürzugehen,
damit solche nicht entdecket werden, sondern zu Aufrechthaltung Trauens und
Glaubens, so viel möglich, geheim bleiben mögen.
[1, 6, § 4] 336. Zu diesem Ende ist anstatt der sonst
gewöhnlichen gerichtlichen Beschreibung des Waisenguts der Hauptstand der
Handlung oder des Gewerbs von denen Handlungsbuchhalteren oder anderen
Rechnungsführeren abzuheischen, solcher von zwei oder mehreren darzu
bestellenden vertrauten Männern mit denen vorhandenen untadelhaften
Handlungsbüchern zusammzuhalten, die gefundene Richtigkeit von ihnen an
Eidesstatt oder nach Umständen mit einem körperlichen Eid unter Angelobung der
Verschwiegenheit zu bekräftigen, bei Gericht zu hinterlegen, daselbst unter dem
Gerichtssiegel zu verwahren und geheim zu halten.
[1, 6, § 4] 337. Auf gleiche Weise solle währender
Vormundschaft von Jahr zu Jahr ein Hauptüberschlag der Schulden und
Forderungen, Handlungsvorräthen, Gewinns und Verlusts abgeheischet, in Geheim
untersuchet, und nach befundener oder hergestellter Richtigkeit bei Gericht
hinterleget werden.
[1, 6, § 4] 338. Ueberhaupt bestehet das Amt eines Vormunds
in Ansehung des
(1-219) ihme anvertrauten Waisenguts darinnen, daß derselbe
alle von Landgütern, Grundstücken, Häusern, zinsbar angelegten Geldern, Renten,
Gülten, oder wie sonst abfallende Nutzungen, wie auch den aus Gewerben und
Handlungen beziehenden Gewinn empfange, gebührend verrechne, und das Vermögen
der Waisen treu und emsig so, wie es ein guter und sorgfältiger Wirth und
Haushalter mit seinem Eigenem nach dortigem Landesbrauch insgemein zu thun
pfleget, verwalte, folglich dessen Nutzen und Aufnahme, wie bei Abwendung alles
Schadens, so viel an ihm lieget, sich angelegen sein lasse.
[1, 6, § 4] 339. Er hat dahero für Gefährde und Arglist
große, und leichte oder geringe Schuld zu haften, und allen aus seiner üblen
Gebarung, Fahrlässigkeit und Verwahrlosung denen Waisen zugefügten Schaden unnachsichtlich
zu ersetzen.
[1, 6, § 4] 340. Wo aber eine wahre Gefährde und Arglist mit
unterwaltete, ist derselbe über das nebst Verlust der Vormundschaft dem
Verbrechen gemäß zu bestrafen. Doch muß die Arglist offenbar und der Vormund
eines solchen bösen Beginnens überführet sein.
Ansonst ist der schädliche Erfolg für keine Gefährde,
sondern nach der im Zweifelsfall vordringenden milderen Ausdeutung einer
Schuldtragung beizumessen, folglich es allein bei dem Ersatz des Schadens ohne
weiterer Strafe und gestalter Dingen nach bei Benehmung der Vormundschaft
bewenden zu lassen.
[1, 6, § 4] 341. Ob hingegen die bei der Untersuchung
hervorgekommene Schuld für eine geringe, mithin die Verfänglichkeit zum Ersatz
nach sich ziehende Schuld angesehen zu werden verdiene, und ob der Schaden
dadurch erfolget oder der Nutzen deswegen zuruckgeblieben seie, dieses hangt
vornehmlich von dem richterlichen Ermessen ab.
[1, 6, § 4] 342. Dann wo die Schuld guten Theils abgeleinet
wäre, und nur der leichtesten und geringsten beikäme, oder kein sonderlicher
Schaden daraus erfolget, oder kein beträchtlicher Nutzen deshalben
zurückgeblieben, noch für das Künftige entgangen, oder endlich unvorgesehene
Zufälle hinzugestoßen, außer welchen der Nachtheil nicht entstanden sein würde,
da solle nicht so streng auf Ersatz gedrungen werden, obschon der Vormund nach
Umständen zu mehreren Fleiß anzumahnen ist.
[1, 6, § 4] 343. Insgemein ist zwar ein Vormund für die
geringste Schuld nicht verfänglich, wann sie aber also beschaffen ist, daß selbe
aus erschwerenden Umständen nach richterlichen Befund zu einem größeren Grad
der Schuld gerechnet werden könne, so solle auch hierwegen auf den Ersatz des
verursachten Schadens oder unterbliebenen Nutzens erkennet werden.
[1, 6, § 4] 344. Bei Bestimmung des Ersatzes ist mit
Rücksicht auf jene Maßregeln, welche deshalben im dritten Theil vorgeschrieben
werden, nur auf den wesentlichen Schaden, oder verhinderten Nutzen, nicht aber
auf übermäßige Schätzung oder bloße muthmaßliche Anschläge zu sehen.
[1, 6, § 4] 345. Zufälle hingegen, welchen keine Schuld
vorgegangen, und die durch menschliche Vorsicht insgemein nicht verhütet werden
können, fallen einem Vormund keineswegs zu Last, folglich kann ihme auch
deswegen kein Ersatz aufgebürdet werden.
[1, 6, § 4] 346. Auch für fremde Schuld hat ein Vormund
nicht zu haften, wanngleich durch Jene, deren sich derselbe zur Verwaltung des
Waisenguts gebrauchet, denen Waisen ein Schaden zugefüget oder ein Nutzen
entzogen worden wäre, insoferne seinerseits in Auswahl dieser Leuten keine
Schuld begangen, und die sonst dabei erforderliche Vor und Einsicht nicht außer
acht gelassen worden.
[1, 6, § 4] 347. Wiewohlen, er aber bei der
Vormundschaftsgehörde, über Alles, was einigen Bedenken unterlieget und einer
näheren Ausführung bedarf, zur Verantwortung gezogen werden muß, und dahero die
Behörde auf seine Nachgesetzte nicht
(1-220) verweisen kann, so ist ihme jedoch unverwehret,
Diejenige, deren er sich in Verwaltung der Vormundschaft besonders bei
Wirthschaften, Handlungen und Gewerben gebrauchet hat, zur Mitverantwortung zu
ziehen, und sich in deme, woran nicht er, sondern Jene die Schuld tragen,
auszuführen.
[1, 6, § 4] 348. Ist die Vormundschaft zwischen mehreren
Vormünderen entweder von dem Erblassere oder von Gericht vertheilet, so hat
auch deren Jeder nach Maß des ihme anvertrauten Antheils die
vormundschaftlichen Erfordernissen zu leisten und seinen Antheil zu verwalten,
für dem anderen aber nichts zu verantworten.
[1, 6, § 4] 349. Wären aber mehrere Vormündere ohne Vertheilung
der Verwaltung letztwillig benennet und gerichtlich bestätiget worden, so sind
auch alle des Waisengut auf gleiche Weise zu versicheren und dafür mit
gesammter Hand, das ist: Alle für Einem und Einer für Alle, zu haften schuldig,
obschon ihnen unbenommen ist, die Verwaltung der Vormundschaft unter sich nach
Gefallen zu vertheilen.
[1, 6, § 4] 350. Doch sollen sie gleich bei Antritt der
Vormundschaft einen von ihnen unter sich zum Hauptvormund erwählen, welcher
allein der der Vormundschaftsgehörde das Nöthige besorge, und über die
Verwaltung der ganzen Vormundschaft mit Einziehung der von denen übrigen
Mitvormünderen geführten Raitungen die Hauptrechnung erlege, die Mängel selbst
verantworte, und gegen freistehender Wiederholung an denen Uebrigen richtig
stelle, folglich deme auch allein von der Vormundschaftsgehörde das
Erforderliche zukomme.
[1, 6, § 4] 351. Würden aber die Vormündere in Erkiesung
eines Hauptvormunds saumig sein oder sich darüber nicht vereinigen können, so
solle es eben dadurch von der getheilten Vormundschaft abkommen, und die
Vormundschaftsgehörde den Tauglichsten aus ihnen zum Hauptvormund bestellen,
somit aber diesem die Versicherung des gesammten Waisenguts und die Verwaltung
der Vormundschaft allein auftragen, wodurch die Uebrigen von der Verbürgung und
künftigen Verantwortung entbunden werden, und nur als Ehrenvormündere anzusehen
sind.
[1, 6, § 4] 352. Außer dem Fall mehrerer letztwillig
ernannter Vormünderen kann auch damals, wann die Weitläufigkeit oder
Zertrennung des Waisenguts erforderet mehrere Vormündere obrigkeitlich zu
bestellen, die Verwaltung der Vormundschaft von der Gehörde zwischen ihnen
vertheilet, und von Allen zwar die Vormundschaftspflicht auf gleiche Weise, die
Verbürgung aber nur von einem jedem nach Maß des von ihme zu verwaltenden (!)
habenden Antheils abgenommen werden, welchem Falls ein jeder für seinen Antheil
die Vormundschaft besonders zu verwalten, und für die Antheile der Anderen
keine Verantwortung hat.
[1, 6, § 4] 353. Doch ist jener von ihnen, welchem die
Besorgniß der Person der Waisen aufgetragen worden, insoweit für den
Hauptvormund anzusehen, als zu seiner Verwaltung auch alles der Person folgende
bewegliche Vermögen gehöret, und ihme allein alle Vertretung der Waisen in
persönlichen Sprüchen oblieget, welches Alles in dem Waisenbuch, um allen
künftigen Beirrungen vorzukommen, wohl anzumerken ist.
[1, 6, § 4] 354. Die Verwaltung der Vormundschaft gebühret
nur wahren und
(1-221) wirklichen Vormünderen, welche die
obvorgeschriebene Vormundschaftserfordernissen geleistet haben.
Diese sind dahero von Ehren-Vormünderen, Beiräthen oder
Vormundschaftsgehilfen, Stattvormünderen, vermeintlichen Vormünderen und
falschen Vormünderen zu unterscheiden.
[1, 6, § 4] 355. Ehrenvormündere sind jene, welche bloß den
Namen eines Vormunds Ehren halber haben, und so von der Verwaltung der
Vormundschaft, wie von Leistung der vormundschaftlichen Erfordernissen und von
aller Verantwortung enthoben sind.
[1, 6, § 4] 356. Bei letztwillig bestellter Vormundschaft
ist derjenige nur ein Ehrenvormund, deme entweder aus mehreren letztwillig
benannten Vormünderen nur der Namen und die Ehre eines Vormunds, denen anderen
aber die Verwaltung des Waisenguts aufgetragen worden, oder welcher aus
mehreren letztwillig benannten Vormünderen, wann sie sich über die Auswahl
eines Hauptvormunds nicht vergleichen können, von der Vormundschaftsgehörde in
dem Auftrag der Verwaltung übergangen wird.
[1, 6, § 4] 357. Bei der Vormundschaft der nächsten
Blutsfreunden ist jener nur ein Ehrenvormund, welchen die Vormundschaftsgehörde
mit dem gerichtlichen Auftrag der Vormundschaft zwar nicht zu übergehen, jedoch
aber aus erheblichen Ursachen
(1-222) einem weiteren Befreundten, oder auch einem Fremden
die Verwaltung der Vormundschaft aufzutragen befunden hat.
[1, 6, § 4] 358. Endlich kann auch bei obrigkeitlich
bestellter Vormundschaft Jemand von der Vormundschaftsgehörde als ein
Ehrenvormund gleichsam zur Oberaufsicht über jenen, deme die Verwaltung des
Waisenguts aufgetragen wird, ernennet werden, wann es nach Umständen
erforderlich oder besonders rathsam erachtet wird, weshalben auf den Inhalt des
vormundschaftlichen Auftrags zu sehen ist.
[1, 6, § 4] 359. Aus der alleinigen Ursache aber, daß unter
mehreren Vormünderen, zwischen welchen die Verwaltung der Vormundschaft
getheilet ist, einer von ihnen zum Hauptvormund bestellet oder dafür angesehen
wird, sind die anderen deshalben nicht für bloße Ehrenvormündere zu achten,
sondern dieselben sind alle wahre Mit oder Nebenvormündere, welche nach dem
oben berührten Unterschied entweder sammt und sonders, oder deren jeder für
seinem Antheil die Verantwortung zu tragen haben.
[1, 6, § 4] 360. Dahingegen sind Diejenigen, welche einer
Mutter oder Großmutter zu vormundschaftlichen Beiständen ohne Auftrag der
Mitverwaltung zugegeben werden, keine wahre Vormündere, sondern nur Beiräthe
und Vormundschaftsgehilfen, obschon sie in gemeinem Gebrauch Mit oder
Nebenvormündere benamset zu werden pflegen.
[1, 6, § 4] 361. Desgleichen sind auch Jene, welche einem
wahren Vormund von der Vormundschaftsgehörde zu Besorgung gewisser
Angelegenheiten, deren der Vormund selbst nicht kundig ist, als in Rechts,
Wirthschafts, Handlungs oder Gewerbssachen, auf sein Ansuchen oder von
amtswegen unter ihrer selbsteigenen Verantwortung zugegeben werden, nicht als
Mitvormündere, sondern nur als Beiräthe und Vormundschaftsgehilfen anzusehen.
[1, 6, § 4] 362. Derlei vertraute und des Werks erfahrene
Männer, wann der Nutzen der Waisen deren Beiziehung erforderet, hat die
Vormundschaftsgehörde sich allenfalls von denen Mitteln und Zünften vorschlagen
zu lassen, und sie unter Eidespflicht und allenfalls nöthig findender
Sicherheitsleistung anzustellen, oder, da selbe einer anderen Gerichtsbarkeit
unterworfen wären, mittelst gewöhnlicher Ersuchungsschreiben durch diese dahin
anweisen zu lassen, damit sie denen Vormünderen gegen billiger unter einem
auszuwerfen habender Belohnung an die Hand gehen sollen.
[1, 6, § 4] 363. Dieser Auftrag hat mittelst einer
besonderen Beglaubigungsurkunde zu geschehen, damit diese Beistände sich nach
Erforderniß aller Orten, wo es vonnöthen, mit solcher ausweisen mögen.
Doch gereichet die Auswahl solcher Leuten
denen Gerichten zu keiner Verfänglichkeit, wann ihrerseits keine Gefährde oder
schwere Schuld dabei unterlaufet.
[1, 6, § 4] 364. Wer wissentlich, daß er nicht Vormund seie,
oder noch nicht darzu von der Behörde angestellet worden, in Fällen, wo
entweder die Bevormundung durch Zufälle verzögeret würde, oder eine sonstige
Nothdurft der Waisen, wo der Vormund nicht zugegen, einen unverlängten Beistand
erheischete, sich aus guter Meinung einiger keinen Vorschub leidender
Waisengeschäften, damit sie nicht unvertreten bleiben, freiwillig annimmt und
solche besorget, wird ein Stattvormund genennet.
[1, 6, § 4] 365. Dieser an sich sehr löbliche Beistand ist
jedermänniglich und insonderheit denen Blutsverwandten der Waisen zugelassen.
Doch ist ein solcher Stattvormund schuldig, das von ihme zu Handen der Waisen
vorgenommene Geschäft, sobald es geschehen kann, bei der Vormundschaftsgehörde
anzuzeigen, und hierwegen nicht weniger, wie ein jeder wahrer und ordentlicher
Vormund Red und Antwort zu geben, auch für Gefährde und Schuld zu haften.
[1, 6, § 4] 366. Wer hingegen von einer unbehörigen
Gerichtsstelle oder Obrigkeit dessen unwissend zum Vormund bestellet worden,
oder sich sonst in gutem Glauben
(1-223) für einen Vormund achtet, da er es doch nicht wäre,
dieser ist zwar nur ein vermeintlicher Vormund, doch aber eben also, wie ein
wahrer Vormund für die Zeit seiner Verwaltung aus solcher vermeintlicher
Vormundschaft verfänglich.
[1, 6, § 4] 367. Ein solcher Vormund ist, welcher wohl
wissend, daß er nicht Vormund seie, sich dafür ausgiebt, oder mit seinem Willen
von Anderen dafür ausgeben läßt, und sich ohne Noth in die Waisengeschäften
einmischt, in Namen derselben als Vormund handlet, und wie immer sich der
Verwaltung der Vormundschaft über dieselbe anmaßet.
[1, 6, § 4] 368. Ein solcher falscher Vormund hat nicht nur
alle Verbindlichkeiten eines wahren Vormunds auf sich, sondern er ist denen
Waisen allen auch aus seiner mindesten Schuld oder Vernachlässigung
entstehenden Schaden zu ersetzen schuldig, und sind beinebst alle von ihme
unternommene Handlungen (wann solche nicht zum offenbaren Nutzen der Waisen
gereichen) ganz unkräftig und nichtig. Wo aber auch Andere durch seine Arglist
und Verstellung von ihme hintergangen worden, hat er nicht weniger gleichfalls
diese schadlos zu halten, und ist über das wegen solcher unbefugten Anmaßung
nach Umständen scharf zu bestrafen.
§. V.
[1, 6, § 5] 369. Alle Vormündere, welche das Waisengut
verwalten, sind darüber Rechnung zu legen schuldig, wann sie auch durch letzten
Willen des Erblassers davon befreiet wären. Wovon weder der leibliche Vater,
wann er die bloße
(1-224) Verwaltung des Kinderguts ohne dessen Nutznießung
hat, noch die leibliche Mutter, obschon in dem Heirathsbrief ein Anderes
vorgesehen wäre, ausgenommen sind.
(1-225) [1, 6, § 5] 370. Nicht nur bei Endigung der
Vormundschaft, sondern nach Ausgang eines jeden Jahrs soll ein jedweder
verwaltender Vormund seine jährliche Raitung bei der Vormundschaftsgehörde
erlegen.
[1, 6, § 5] 371. Wo Wirthschafts, Gewerbs oder andere
Rechnungen mit unterlaufen, welche ordentlicherweise mit dem gemeinen Jahrgang
geschlossen zu werden pflegen, sind die Jahrgänge von Anfang bis Ende eines
jedweden gemeinen oder natürlichen Jahrs zu nehmen.
[1, 6, § 5] 372. Wann aber eine dergleichen Vormundschaft
währendem solchen gemeinen Jahrslauf angetreten oder geendigt wird, ist in
diesen Fällen für die Zwischenzeit eine Stuckrechnung von Anfang der
angetretenen Vormundschaft bis zu Ende desselben Jahres, wie ingleichen in dem
letzten Jahr, von dessen Anfang bis zur Beendigung oder Abwechslung der
Vormundschaft nöthig.
[1, 6, § 5] 373. Bei anderen Vormundschaften hingegen ist
der Jahreslauf von dem Tag der angetretenen Vormundschaft bis zu demselben
Monatstag des folgenden Jahrs u. s. w. zu rechnen.
Wo aber die Vormundschaft unter diesem Jahrslauf sich
endigen oder abgeänderet würde, ist für die Zeit von dem letzten
Rechnungsschluß bis zu Abtretung der Vormundschaft die Raitung zu legen.
[1, 6, § 5] 374. Die Erlagszeit der vormundschaftlichen
Rechnungen sind nach Ausgang des Jahrs, oder von dem Tag der geendigten
Vormundschaft bei größeren Vormundschaften, wo Wirthschafts, Handlungs, oder
andere besondere Rechnungen mit einschlagen, drei Monate, bei anderen minder
wichtigen Vormundschaften aber, wobei es auf bloße Geldverrechnung ankommt,
sechs Wochen.
[1, 6, § 5] 375. In dieser Zeit ist ein Vormund seine
Rechnungen ohne weiterer Erinnerung zu erlegen
schuldig. Doch kann ihme aus beibringenden erheblichen Ursachen in dem ersterem
Fall eine vierwöchentliche, und in dem zweiten Fall eine vierzehentägige
Nachfrist, wann solche vor Ausgang der Erlagszeit anverlanget wird, von der
Vormundschaftsgehörde verstattet, dahingegen eine weitere außerordentliche
Fristerstreckung nur allein bei Uns mit Anführung der unterwaltenden Ursachen
angesuchet werden.
[1, 6, § 5] 376. Würde aber der Vormund nach Verlauf der
anberaumten oder erstreckten Frist in Erlag der Rechnungen saumig sein, so wird
derselbe nicht allein auf dem Fall der fortwährenden Vormundschaft für die Zeit
dieses seines Saumsals
(1-226) der denen Vormünderen in
dem hiernach folgendem §. ausgemessenen Belohnung verlustig, sondern er solle
auch unter aussetzender Geldstrafe und mit
anderen Zwangsmitteln hierzu angehalten, und gestalter Dingen nach ihme die Vormundschaft wohl gar abgenommen werden.
[1, 6, § 5] 377. Die Vormundschaftsrechnung muß ordentlich
und deutlich, ohne aller Weitläufigkeit und Verwirrung dergestalten verfasset
werden, damit hieraus nicht nur die Einnahme und Ausgabe, sondern zugleich auch
der völlige Vermögen- und Schuldenstand der Waisen ohne Mühe abgenommen werden
könne.
[1, 6, § 5] 378. Zu diesem Ende solle dieselbe in zweien
Haupttheilen, als in dem Vermögenstand und in dem Schuldenstand bestehen, und
der Vermögensstand das gesammte Vermögen der Waisen, und zwar bei der
erstjährigen Rechnung nach der gerichtlichen Beschreibung, und bei denen nachfolgenden
Rechnungen allemal nach dem Endauszug der
vorigen Raitung sammt dem währenden jeden
Rechnungslauf sich ergebenen neuen Zuwachs des Vermögens verläßlich anzeigen,
dabei aber auch den Ausweis, was von so Einem als Anderem in Empfang genommen
worden, oder noch in Bestand verbleibet, enthalten.
[1, 6, § 5] 379. In dem Schuldenstand müssen alle Schulden
bei der erstjährigen Rechnung nach der gerichtlichen Beschreibung und bei denen
nachfolgenden Rechnungen nach dem Endauszug der vorigen Raitung sammt dem neuen Zuwachs der Schulden währenden
Rechnungslauf angezeiget, und beinebst sowohl die baare Ausgabe und dadurch
bewirkte Schuldenverminderung, als auch der weitere Ruckstand
derselben ausgewiesen werden.
[1, 6, § 5] 380. Dergestalten, daß
sowohl Vermögen- als Schuldenstand in einem Anblick zweifach, nämlich in
richtiger Anzeige und in richtigen Ausweis einkomme, und wie bei dem
Vermögenstand, also auch bei dem Schuldenstand der Betrag der Anzeige sich mit
dem Betrag des Ausweises vollkommen ausgleiche.
[1, 6, § 5] 381. Zu dem Zuwachs des Vermögens gehöret nicht
nur alle zwischenzeitige Einnahme, sondern auch der Schuldenabfall, wodurch der
Schuldenstand ohne baarer Bezahlung oder
sonstiger Vermögensabnahme verminderet wird, welcher bei dem
Vermögensstand in baaren Empfang, bei dem Schuldenstand aber durchlaufend in
Ausgab zu bringen ist.
[1, 6, § 5] 382. Zu dem Zuwachs der Schulden hingegen
gehöret nicht nur alle zwischenzeitige Ausgabe, sondern auch aller
Vermögensabfall, wodurch etwas aus der gerichtlichen Beschreibung, oder aus dem
Endauszug der vorigen Raitung dem Vermögen der
Waisen entgehet, und dasselbe anmit verminderet wird, welcher bei dem
Schuldenstand in baare Ausgab, bei dem Vermögenstand aber durchlaufend in
Empfang zu bringen ist.
[1, 6, § 5] 383. Sowohl der völlige Vermögenstand, als der
völlige Schuldenstand solle nach seinen verschiedenen Gattungen unterschieden,
und deren jedwede unter besonderen Inschriften
nach dem Richtmaß der gerichtlichen Beschreibung oder des Endauszugs der vorigen
Raitung gestellet werden.
[1, 6, § 5] 384. Wann aber ein Zuwachs des Vermögen- oder
Schuldenstands sich ereignet, welcher zu denen in der gerichtlichen
Beschreibung oder vorherigen Endauszug enthaltenen Gattungen und Inschriften
nicht gehörig ist, so sollen neue und mehrere Gattungen unter gehörigen
Inschriften unterschieden werden.
[1, 6, § 5] 385. Es ist auch nicht nöthig, wann viele unter
einerlei Gattung und Inschrift gehörige Stücke vorkommen, alle Stuck für Stuck
besonders in denen Rechnungen anzuführen, sondern es ist genug, den Betrag der
Gattung unter ihrer Inschrift mit Beziehung auf die gerichtliche Beschreibung
oder allschon bei Gericht befindliche, oder allenfalls
neu beizulegen habende besondere Verzeichnissen auszusetzen.
[1, 6, § 5] 386. Alle und jede eintzle (!) Inschriften sind
sowohl zu Ende des Vermögenstands,
(1-227) als zu Ende des Schuldenstands nochmalen in einer
Hauptanzeige anzumerken, und deren Betrag in einem Hauptbetrag zusammzuziehen,
somit aber zum Beschluß der Vormundschaftsraitung eine zweifache Ausgleichung
zu machen, als die erste des völligen in der Raitung vorkommenden
Vermögenstands gegen dem völligen Schuldenstand und die andere des zu der
folgenden Raitung verbleibenden Vermögenstands gegen dem gleichfalls verbleibenden
Schuldenstand.
[1, 6, § 5] 387. Aus deren einer und der anderen muß das
klare Vermögen der Waisen hervorkommen, und auf beiderlei Art gleich viel
betragen, worüber noch insonderheit eine namentliche Verweisung des
verbleibenden sowohl Vermögen- als Schuldenstands der Vormundschaftsraitung
beizufügen ist.
[1, 6, § 5] 388. Dahingegen sind die besonderen in die
Vormundschaftsraitung einschlagenden Wirthschafts-, Handlungs-, Gewerbs- und
dergleichen Rechnungen auf die Art und Weise einzurichten, nach welcher
dieselben insgemein geführet zu werden pflegen.
[1, 6, § 5] 389. Hiervon ist in die Vormundschafts-Raitung
ein Mehreres nicht einzuziehen, als was der Vormund von daher empfangen oder
dahin vorgeschossen hat. Diese besondere Rechnungen
aber sind allemal der Vormundschaftsraitung beizulegen, um den Wirthschafts-,
Handlungs-, Gewerbs- oder anderen Bestand daraus insonderheit abnehmen zu
mögen.
[1, 6, § 5] 390. Alles, was in der Vormundschaftsrechnung
einkommt, vornehmlich aber, was in baaren Empfang und in baare Ausgab gebracht
wird, muß mit Beilagen bewähret, und zwar jener, wann solcher sich sonst aus
denen Rechnungen nicht selbst klar ausweiset, mit Gegenscheinen oder anderen
Urkunden, wodurch bekräftiget werde, daß weder mehr noch weniger empfangen worden,
diese aber mit Quittungen, Zahlscheinen oder anderen Urkunden, welche die
geschehene Zahlung bestätigen, belegt werden.
[1, 6, § 5] 391. Nicht nur große, sondern auch kleine
Ausgaben, wann sie einen Gulden oder darüber betragen, müssen mit Quittungen oder
Zahlscheinen bewähret werden. Doch können mehrere Ausgaben in ein Verzeichniß
zusammengezogen und unter Einem bescheiniget werden.
[1, 6, § 5] 392. Außer deme sollen die Beilagen also
beschaffen sein, daß sowohl bei denen Empfangs- als Ausgabsposten der Tag,
Monat und Jahr daraus deutlich abzunehmen seie, und mit der Raitung zutreffe.
[1, 6, § 5] 393. Sie müssen ferners der Raitung in
Urschriften beigeleget werden, wovon nur Jene ausgenommen sind, deren ein
Vormund zu seiner weiteren Rechtfertigung oder Nachverhalt bedarf.
Hiervon kann er zwar nur Abschriften beilegen, doch ist er
schuldig, auf gerichtliches Erforderniß die
Urschriften selbst jedesmal vorzuzeigen.
[1, 6, § 5] 394. Ueber die Rechnungsbeilagen und mit
erlegende besondere Rechnungen ist eine doppelte Verzeichniß beizufügen,
worinnen bei jedwedem Stuck ganz kurz angemerket werde, von was für
Beschaffenheit die Beilage seie, von welchem Jahr, Monat und Tag sie laute, ob
dieselbe in Urschrift oder gerichtlich beglaubigter, oder nur bloßer Abschrift
beigelegt werde, und wo die Urschrift von denen beigelegten Abschriften
befindlich seie.
[1, 6, § 5] 395. Eine dieser Verzeichnissen
hat unter der Fertigung des Vormunds bei Gericht zu verbleiben. Die zweite
hingegen ist nach befundener Richtigkeit aller darinnen beschriebenen Beilagen
sammt dem Einlagsschein über die eingebrachte Rechnungen dem Vormund unter
gerichtlicher Fertigung zu seiner Sicherheit zuruckzustellen.
[1, 6, § 5] 396. Die Rechnung selbst aber muß von dem
Vormund mit seiner Handunterschrift und Petschaft bekräftiget, und mit ihren
Beilagen bei Gericht aufbehalten werden. Falls jedoch der Vormund eine oder die
andere Urkunde davon
(1-228) nöthig hätte, so ist demselben entweder eine
gerichtlich beglaubte Abschrift oder nach befindender
Nothdurft auch die Urschrift selbst gegen Zuruckhaltung einer gerichtlich
beglaubten Abschrift hinauszugeben.
[1, 6, § 5] 397. Die solcher gestalten von dem Vormund zu
der Vormundschaftsgehörde erlegte Raitungen sollen, sobald es möglich, von der
Vormundschaftsgehörde aufgenommen, das ist untersuchet und erlediget werden,
also zwar, daß auch die weitläufigste Vormundschaftsrechnung mit allen
derselben beigelegten besonderen Nebenrechnungen noch vor Ausgang des Jahrs
unfehlbar erlediget werde.
[1, 6, § 5] 398. Würde sich aber die Erledigung über den
Jahrslauf hinaus verzögeren, welches jedoch nur in dem alleinigen und ganz
besonderen Fall der durch längere Zeit gänzlich gehemmten Rechtspflege sich
ergeben kann, so solle der Vormund nichtsdestoweniger in der obanberaumten
Erlagszeit seine nächstjährige Rechnungen einbringen, und darinnen die bei dem
vorjährigen Rechnungsschluß gemachte Verweisung des verbliebenen Vermögen- und
Schuldenstands zum Grund nehmen.
[1, 6, § 5] 399. Die Aufnehmung und Untersuchung der
Vormundschaftsraitungen liegt einer jeden Vormundschaftsgehörde ob, wann nicht
derorten besondere Waisenraths- oder darzu gesetzte Raitungsmitteln vorhanden
sind.
[1, 6, § 5] 400. Diese hat entweder von dem gesammten Mittel
oder durch darzu eigens verordnete Mittelspersonen zu geschehen, welche über
den Befund an das gesammte Mittel ihren Bericht zu erstatten haben.
[1, 6, § 5] 401. Die Rechnungs-Aufnehmere haben vor Allem
darauf zu sehen, ob die Raitung nach vorstehender Vorschrift verfasset seie, in
wessen Ermanglung dem Vormund die Außerachtlassung der vorgeschriebenen
Rechnungsform ernstlich verhoben, und die Umfertigung der Raitung binnen zwei
oder höchstens vier Wochen ohne aller weiterer Erstreckung unter einer
auszumessenden Geldstrafe auferleget werden solle.
[1, 6, § 5] 402. Nach behörig eingerichteter Raitung ist
deren vorbereitliche Untersuchung durch die bestellte Raithandlere, oder wo
deren keine sind, durch die Aufnehmere selbst, oder auch durch einen in
wirklicher Pflicht stehenden, oder eigens mit Pflicht
(1-229) zu belegenden, in Raitungssachen erfahrenen Mann zu
veranlassen, und ein Gleiches in Ansehung deren beigelegten besonderen
Rechnungen durch Wirthschafts-, Handlungs- oder Gewerbsverständige anzukehren.
[1, 6, § 5] 403. Die Schuldigkeit deren Rechnungsaufnehmeren
ist Alles wohl und genau zu durchgehen, zu überrechnen, die Rechnungsfehler
oder Mängeln anzuzeigen, nicht minder alle vernünftige Anstände mit
Bescheidenheit auszustellen, und diese Arbeit, so viel immer möglich, zu beschleunigen.
[1, 6, § 5] 404. Die hauptsächlichere Anstände können sich
in deme ergeben, und zwar bei dem Vermögenstand, ob Alles nach der
gerichtlichen Beschreibung, oder nach dem vorhergegangenen gerichtlichen
Endauszug darinnen enthalten, ob auch Alles, was seit dem Jahrgang oder dem
letzteren Raitungsschluß dem Vermögen zugewachsen, oder doch zuwachsen hätte
sollen, darunter begriffen, ob Barschaften mit obervormundschaftlicher
Verwilligung und mit genugsamer Sicherheit angeleget, ob nicht einige Gelder ohne
Noth durch längere Zeit unfruchtbar erliegen gelassen, oder wohl gar von dem
Vormund zu seinem eigenem Nutzen verwendet, und ob endlich Alles zu rechter
Zeit eingebracht und in baaren Empfang gestellet, oder in dem weiteren
Vermögensbestand als ausständig angemerket worden, und ob der Empfang überall,
wo es vonnöthen, mit Beilagen genugsam bewähret seie.
[1, 6, § 5] 405. Bei dem Schuldenstand hingegen, ob nicht
die in der gerichtlichen Beschreibung, oder in dem letzt vorhergegangenen
Endauszug einkommende Schulden hätten bezahlt werden können, ob die geleistete
Zahlungen genüglich erwiesen, ob nicht mehr, als gebühret hat, bezahlet, oder
mehr, als bezahlet, in Ausgab gebracht worden, ob alle Ausgaben nothwendig oder
nutzlich gewesen, ob sie alle genugsam beleget, die Zinsen von Schulden
abgeführet, der Schuldenstand mit oder ohne obervormundschaftlicher
Verwilligung und aus was für Ursachen vermehret, und endlich ob die
gerichtliche Ausmessung in Unterhalt der Waisen oder zu anderen namhaften
Aufwand von dem Vormund angesuchet und nicht überschritten worden seie.
[1, 6, § 5] 406. Ueberhaupt aber ist darauf zu sehen, ob der
Nutzen der Waisen in allen Vorfallenheiten beobachtet, und von dem Vormund sein
Amt getreulich, vorsichtig und fleißig, wie es Unseren Verordnungen und seinen
Pflichten gemäß ist, gehandlet, oder ob nicht gefährlicher oder fahrlässiger
Weise von ihm etwas verwahrloset, oder sonst denen Waisen Schaden und Nachtheil
zugezogen worden seie.
[1, 6, § 5] 407. Alle dergleichen vorkommende Anstände
sollen bei Vortrag der Raitung von der Vormundschaftsgehörde in reife Erwägung
gezogen, und nicht allein nach dem Gutachten deren Ausstelleren, sondern nach
eigener Einsicht und Beurtheilung untersuchet, da sie aber unerheblich befunden
würden, mit deren Uebergehung zur Erledigung der Vormundschaftsraitung
geschritten werden.
[1, 6, § 5] 408. Wären hingegen die Bedenken erheblich, so
sollen dieselben nach Ordnung der Raitung ausgezogen, und dem Vormund durch die
Vormundschaftsgehörde mit der Auflage zugestellet werde, daß er an einem hierzu
anzuberaumenden Tag selbst oder durch einen Anwalt erscheine, und seine
Erläuterung darüber mündlich beibringe, um alle schriftliche Weitläufigkeit, so
viel möglich zu vermeiden.
[1, 6, § 5] 409. Was nun der Vormund bei der Tagsatzung,
wobei er ohne aller Ausflucht entweder selbst oder durch einen Bevollmächtigten
zu erscheinen hat, genugsam erläuteret, oder selbst zum Ersatz gutwillig
übernimmt, dieses Alles ist ordentlich zu vermerken, und das solcher gestalten
Verhandlete von dem Vormund oder dessen Anwalt mit seiner Handunterschrift zu
bestätigen, wobei es dann auch sein Verbleiben haben, und da auf diese Art
Alles behoben worden wäre, zur schließlichen Erledigung der
Vormundschaftsraitung geschritten werden solle.
[1, 6, § 5] 410. Was aber durch mündliche Verhandlung in
einer oder mehreren Tagsatzungen nicht behoben werden können, sondern in
Widerspruch verblieben, darüber
(1-230) allein solle die schriftliche Verfahrung zugelassen,
und zu dem Ende das noch Unbehobene von denen bereits behobenen Anständen
abgesönderet und besonders ausgezogen werden.
[1, 6, § 5] 411. Diese unbehobene Anstände und Bedenken sind
dem Vormund als förmliche Raitungsmängeln auf eine Frist von vier Wochen
zuzustellen, um binnen derselben entweder solche schriftlich zu erläuteren oder
in widrigen den bei jedweder Mängelspost zugleich ausgesetzten Vergütungsbetrag
ohne aller Erstreckung zu ersetzen.
[1, 6, § 5] 412. Nach Verlauf dieser Frist solle keine
Erläuterung mehr angenommen, sondern zur Erledigung geschritten, und der
Vormund zum Ersatz deren unerläuterten Mängelsposten ohne weiters angewiesen
werden.
[1, 6, § 5] 413. Hätte aber der Vormund binnen dieser Frist
eine schriftliche Erläuterung eingebracht, und andurch die Mängeln entweder gänzlich
behoben oder in keinem Stuck abgeleinet, so solle keine weitere
Schriftwechslung veranlasset, sondern die Verhandlung geschlossen, Dasjenige,
was bis dahin verhandlet worden, an einem anzuberaumenden Tag in Gegenwart des
Vormunds oder seines Anwalts, bei ihrem Ausbleiben aber von amtswegen
beschrieben, Stuck für Stuck vorgemerket, zum Vortrag gebracht und darüber, was
Rechtens ist, erkennet werden.
[1, 6, § 5] 414. Würden hingegen die Mängel durch die
schriftliche Erläuterung zum Theil behoben und einigermaßen abgeleinet, so ist
über das Unbehobene eine fernere Bemänglung auszuziehen, und dem Vormund unter
einer abermaligen vierwochentlichen Frist zur schließlichen Erläuterung
zuzustellen.
[1, 6, § 5] 415. Wann hierbei an Seiten des Vormunds eine Weisung
durch Zeugen vorfiele, so ist denen Waisen ein Rechtsobsorger oder Curator zu
bestellen, der sie bei der von dem Vormund verführenden Weisung vertretete.
Die Raithandlung aber ist dieserwegen gar nicht aufzuhalten,
sondern wann der Vormund in seiner schließlichen Erläuterung nicht darzeiget,
daß die Weisung zu Recht anhängig seie, ohne Vorbehalt, ansonst aber mit
Vorbehalt, falls der Vormund mit seiner zu Recht anhängigen Weisung nicht
aufkommen würde, auf den Ersatz des ausgestellten Mangels zu erkennen.
[1, 6, § 5] 416. Es ist dahero nach der von dem Vormund
eingebrachten schließlichen Erläuterung, es möge eine Weisung durch Zeugen mit
unterlaufen oder nicht, die Raithandlung vorbesagter Maßen zu beschließen, und
die Rechnung ohne weiters zu erledigen.
[1, 6, § 5] 417. Mit der Vormundschaftsraitung müssen auch
die derselben beigelegte besondere Nebenrechnungen zu gleicher Zeit und auf die
nämliche Weise untersuchet und erlediget werden. Vornehmlich aber solle bei
weitschichtigen Wirthschaftsrechnungen deren Untersuchung eigends bestellten
Raithandleren oder anderen verpflichteten, der
Landwirthschaft vollkommen kundigen Personen aufgetragen werden.
[1, 6, § 5] 418. Diese haben gleichfalls alles Dasjenige
dabei in acht zu nehmen, was bishero bei der Untersuchung der
Vormundschaftsrechnungen zu beobachten geordnet worden, hauptsächlich aber
darauf zu sehen, ob die Waisengüter und Grundstücke behörig und nutzlich
verwaltet worden, und ob nicht die Einnahme in Einem oder dem Anderem erhöhet,
die Ausgabe gegentheils verminderet und die Wirthschaft besser empor gebracht,
folglich ein größerer Nutzen verschaffet werden könne.
[1, 6, § 5] 419. Zu diesem Ende haben sie nicht nur über die
Rechnung selbst, sondern auch vornehmlich über den daraus erhellenden Wirthschaftstrieb
ihre Anstände und Bedenken zu entwerfen, dabei aber mit Bescheidenheit
fürzugehen, und nicht voreilig auf einen Ersatz anzutragen, wo ihnen die
Umstände, warum Dieses oder Jenes unterblieben, oder aus was Ursachen also und
nicht anderst vorgekehret worden, nicht bekannt sind, sondern dahero die
Erläuterung darüber abzuheischen.
[1, 6, § 5] 420. Was aber dieselben überhaupt zur
Verbesserung der Wirthschaft dienlich
(1-231) finden, dieses solle von ihnen kurz und deutlich
gefasset, und kein Anlaß zur unnöthigen Weitläufigkeit gegeben werden.
[1, 6, § 5] 421. Derlei Anstände, Bedenken und Erinnerungen
haben die Rechnungsaufnehmere vorläufig zu erwägen, ob sie von der Wichtigkeit
sind, daß der Vormund hierüber zur Rede gestellet werde, und nach dessen Befund
ist vorstehendermaßen zu verfahren, dabei aber nicht nöthig die weitschichtige
Wirthschaftsrechnungen in ihrem ganzen Inhalt nach deren von dem Raithandler
vorhergegangener Untersuchung zu durchgehen, sondern es kann denen daraus
verfaßten Rechnungsauszügen (welche ohnedies einer jeden Wirthschaftsrechnung
beiliegen müssen) nachgegangen, und in deren Entgegenhaltung die hervorkommende
Anstände beurtheilet werden.
[1, 6, § 5] 422. Bei denen mit der Vormundschaftsraitung
erlegten besonderen Handlungs- oder Gewerbsrechnung ist die bereits oben
angeordnete Geheimhaltung wohl in acht zu nehmen, und deren Untersuchung und
Zusammenhaltung mit denen Handlungsbüchern denen beeidigten Handlungs- oder
Gewerbsvorsteheren, in deren Ermanglung aber anderen der Handlung oder des
Gewerbs erfahrnen Männern gegen Angelobung an Eidesstatt, daß sie die
Untersuchung getreulich nach ihrem besten Wissen und Gewissen und mit der
erforderlichen Verschwiegenheit vornehmen wollen, aufzutragen.
[1, 6, § 5] 423. Diese haben sodann ihre Anstände und
Bedenken denen Raitungs-Aufnehmeren beizubringen, welche darüber eine
Tagsatzung anordnen, die Ausstellere sowohl, als den Vormund, und die
Handlungs- oder Gewerbs-Rechnungsführere darzu erforderen, die Anstände durch
die Handlungsbücher oder gewechslete Briefe zu beheben, und die Richtigstellung
auf die kürzeste und geheimste Art zu bewirken sich bestreben sollen.
[1, 6, § 5] 424. Wäre aber die Richtigkeit einer dergleichen
Handlungs- oder Gewerbsrechnung auf vorstehende Weise zu erreichen nicht
möglich, so solle über die ausgezogene, unbehobene, von denen schon behobenen
eigens abzusönderende Mängeln dem Vormund eine schriftliche Erläuterung
auferleget, und nach Erforderniß mit weiterer Bemänglung und schließlicher
Erläuterung binnen obausgesetzten Fristen verfahren werden.
[1, 6, § 5] 425. Nach solchergestalten vollbrachter Untersuchung und Aufnehmung der vormundschaftlichen Rechnung
mit allen derselben allenfalls beigelegten besonderen Nebenrechnungen ist
ohnverweilt zu deren Erledigung zu schreiten. Diese hat mittelst eines hieraus
zu verfassenden und dem Vormund zu seinem Richtmaß hinauszugebenden Endauszugs,
und zugleich mitzuertheilenden Raitscheins zu geschehen.
[1, 6, § 5] 426. Der Endauszug ist eigentlich die
gerichtliche Erkenntniß und Verbescheidung der Vormundschaftsgehörde über die
von dem Vormund erlegte und von ihr aufgenommene Vormundschaftsrechnung.
[1, 6, § 5] 427. Ist die Rechnung in allen Stücken richtig
befunden worden, so hat der Endauszug dahin zu lauten, daß es bei der erlegten
Vormundschaftsraitung sein gänzliches Bewenden habe, und diesemnach der Vormund
laut seiner eigenen richtig befundenen Rechnungsverweisung die darinnen
enthaltene Posten (welche in dem Endauszug jedesmal namentlich auszusetzen
sind) sowohl in dem Vermögen- als in dem Schuldenstand einbringen, und nebst
dem sich ergebenden neuen Zuwachs in der folgenden Vormundschaftsraitung
weitershin verrechnen solle.
[1, 6, § 5] 428. Hätte aber der Vormund etwas nachzutragen
oder aus dem Seinigen zu ersetzen, oder es wäre ihme dagegen aus dem Waisengut
etwas zu vergüten, so ist in solchem Fall der Endauszug dergestalten zu fassen,
daß derselbe zur Richtigstellung der erledigten Vormundschaftsraitung über
Dasjenige, was in seiner Rechnungsverweisung enthalten, und vorgeordnetermaßen
in dem Endauszug namentlich auszusetzen ist, annoch jenes, was von ihme
nachzutragen ist, in der
(1-232) folgenden Raitung in den Vermögenstand, und, wo er
es aus dem Seinigen zu ersetzen hätte, in den baaren Empfang zu bringen schuldig,
dagegen aber auch jenes, was etwann aus dem Schuldenstand ausgelassen worden,
dahin nachzutragen, und, wo es ihme selbst zu guten ginge, in baare Ausgab zu
bringen berechtiget seie.
[1, 6, § 5] 429. Der Raitschein hingegen ist eine
gerichtliche Entbindung und Loszählung des Vormunds von aller weiteren
Verantwortung wegen der von ihme erlegten, ordentlich aufgenommenen und
gerichtlich erledigten Rechnungen, wodurch er, insoweit solche für richtig
befunden, oder von ihme dem Endauszug Genügen geleistet worden, wider alle
Ansprüche und Anfechtungen dieser Rechnungen halber sicher gestellet wird.
[1, 6, § 5] 430. Zu diesem Ende solle sich in dem Raitschein
allemal auf das, was in dem End-Auszug dem Vormund auferleget worden,
ausdrucklich bezogen, und alles dieses namentlich darinnen angeführet werden,
vor dessen vollständiger Erfüllung der Raitschein den Vormund in deme, was von
ihme nach Ausmessung des Endauszugs noch nicht befolget worden, nicht schützen
kann.
[1, 6, § 5] 431. Der Endauszug muss nach Ordnung der
erlegten Vormundschafts-Raitung verfasset werden, und sind darinnen nicht nur
die klare Ersatz- und Vergütungsposten, sondern auch jene auszusetzen, deren
Richtigkeit entweder an der noch anhängigen Weisung, oder an der von dem
Vormund bei einem für sich habenden halbständigen Beweis angebotenen eidlichen
Erhärtung, oder an der erwartenden richterlichen Erkanntniß über einen noch
obschwebenden Rechtsstritt, oder an einem sonstigen künftigen Erfolg beruhet,
weswegen ihme der Ersatz nur bedingter Weise auferleget, sowie die ihme
angebührende Gutmachung zugesprochen werden kann.
[1, 6, § 5] 432. Doch ist nicht allemal, wann ein Mangel
ausgestellet, und nicht abgeleinet worden, sofort auf den Ersatz zu erkennen,
sondern, wo ein Vormund darzu mit Fug verhalten werden mag, muß der wesentliche
Schaden oder entgangene Nutzen an Seiten des Waisen, und die Schuld des
Vormunds in dem obbestimmten Grad offenbar oder doch genüglich erwiesen sein,
widrigens solle in dem Endauszug bei Ermanglung des Einen oder des Anderen kein
Ersatz auferleget werden können.
[1, 6, § 5] 433. Also hat ein Vormund nichts zu ersetzen,
wann er etwas eigenmächtig unternommen hat, worzu er die obervormundschaftliche
Bewilligung hätte ansuchen sollen, insoferne daraus der Wais keinen Schaden
hat, wiewohlen die Beiseitssetzung der Vormundschaftsgehörde nicht ungeahndet
zu lassen ist.
[1, 6, § 5] 434. Desgleichen kann ein Vormund deswegen nicht
zum Ersatz angehalten werden, weilen er etwas gethan oder unterlassen, was
jedoch noch verbesseret, und der Wais somit von allem Schaden befreiet werden
kann, obschon er in solchem Fall nicht nur zur Verbesserung des Fehlers
erinneret, sondern auch ihme seine Nachlässigkeit verhoben werden solle.
[1, 6, § 5] 435. Noch weniger ist ihme das zum Ersatz zu
legen, woran nicht er, sondern jene, welche unter besonderer Verrechnung die Vormundschaftsgeschäften verwaltet, die Schuld tragen.
Doch muss derselbe diese Rechnungsführere über die ihme aus
ihren Rechnungen zugekommene Mängeln zur Verantwortung ziehen, und sie bei der
anberaumten Tagsatzung zur Erstattung der nöthigen Erläuterung gestellen.
[1, 6, § 5] 436. Ist die von ihnen gegebene Erläuterung
hinlänglich, so entfällt der ausgestellte Mangel, und ist auch deshalben der
Beamte gegen den Vormund entbunden, wann sonst keine andere bei Gericht nicht
vorgekommene Ursach unterwaltet, wegen welcher der Beamte und Rechnungsführer
dem Vormund noch insonderheit Red und Antwort zu geben schuldig wäre.
(1-233) [1, 6, § 5] 437. Wann hingegen auch mit Zuziehung des
Rechnung legenden Beamten der Mangel nicht behoben worden, sondern zur
förmlichen Ausstellung gegen den Vormund gelanget, so ist diesem ferners
zugelassen, von dem betreffenden Rechnungsführer hierüber die schriftliche
Erläuterung und auf zukommende weitere Bemängelung die schließliche Erläuterung
abzuheischen, sodann aber solche mit deme, was er etwann selbst zu seiner
eigenen Entschuldigung beizufügen hat, einzubringen.
[1, 6, § 5] 438. Worzu ihme in diesem alleinigen Fall über
die anberaumte vierwochentliche Frist noch eine vierzehentägige Nachfrist auf
sein Anlangen ertheilet werden mag.
[1, 6, § 5] 439. Bei Erwägung der über einen ausgestellten
Mangel verhandleten Nothdurften hat die Vormundschaftsgehörde zu beurtheilen,
ob die Schuld an dem Vormund selbst oder an dem rechnungsführenden Beamten
erliege. Ersteren Falls ist dem Vormund der Ersatz aus seinem Eigenen
aufzuerlegen, letzteren Falls aber aufzutragen, damit er den Rechnungsführer
zum Ersatz anhalte.
[1, 6, § 5] 440. Doch ist der Vormund nicht schuldig, dafür
zu stehen, er hätte dann an der Eintreibung oder Sicherstellung des Ersatzes
etwas, so er füglich thun können, erwinden lassen, oder wissentlich untaugliche
Beamten und Rechnungsführere aufgenommen, oder sie bei Befund der
Untauglichkeit nicht abgeschaffet, oder in andere Wege sich für dieselben zu
haften verfänglich gemacht.
[1, 6, § 5] 441. Ueber dergleichen besondere Rechnungen sind
eben so viele besondere Endauszüge zu verfassen, und nebst dem Endauszug über
die vormundschaftliche Hauptrechnung der Vormundschaft zuzustellen.
Was aber solchergestalten einmal von der vormundschaftlichen
Behörde entschieden worden, deshalb ist der Beamte der Vormund Rechenschaft zu
geben nicht mehr schuldig.
[1, 6, § 5] 442. Doch bleibet denen Vormünderen unbenommen,
für sich selbst von ihren nachgesetzten Beamten und Rechnungsführeren die
Rechnungen aufzunehmen, und mit deren Erledigung auf die in folgendem Capitel
vorgeschriebene Art und Weis, so wie es einer jedweden Obrigkeit mit ihren
unverraiteten Dienern und Beamten zustehet, zu verfahren.
[1, 6, § 5] 443. Einem jedwedem Endauszug sowohl in Ansehung
der vormundschaftlichen Hauptraitung, als der besonderen Nebenrechnungen solle
auch jenes beigefüget werden, was sonst dem Vormund zu nutzlicherer Verwaltung
der Vormundschaft zu erinneren, und zu seinem künftigen Nachverhalt mitzugeben
befunden würde.
[1, 6, § 5] 444. Der Endauszug hat die Kraft und Wirkung
eines richterlichen Urtheils, und ist zugleich der Grund zur künftigen
Rechnung, welchem, sobald er in Rechtskräften erwachsen ist, der Vormund in
denen nächstfolgenden Raitungen vollkommenes Genügen leisten muß, wann nicht
ihme nach Umständen oder nach Erheischung einer auf dem Verzug haftenden Gefahr
eine kürzere Frist zur Genugthuung anzuberaumen nöthig erachtet worden wäre.
[1, 6, § 5] 445. Es ist aber dem Vormund allerdings
gestattet, wann er sich durch den ihme hinausgegebenen Endauszug in einer oder
der anderen Post beschweret zu sein findet, in der zur Berufung auf den oberen
Richter seines Orts überhaupt ausgesetzten Zeit sich mit deutlicher Bemerkung
derenjenigen Posten, bei welchen sich derselbe beschweret zu sein glaubet, an
die höhere Gehörde zu verwenden, ohne jedoch andurch den Lauf der weiteren
Rechnungen aufzuhalten.
[1, 6, § 5] 446. Wann demnach währender Rechtsanhängigkeit
bei dem oberen Richter die Erlagszeit zur Einbringung der nächsten
vormundschaftlichen Raitung herankommt, so muß ohnerachtet des an die höhere
Gehörde eingewandten Zugs zur Vollständigkeit der Raitung immittelst diesem
Endauszug jedoch dergestalten nachgegangen werden, daß in allen denenjenigen
Posten, worüber sich von dem Vormund
(1-234) beschweret worden, der ergriffene weitere Rechtszug
und die zur gewarten habende Erkanntniß des höheren Richters vorbehalten
bleibe.
[1, 6, § 5] 447. Nach dieser Erkanntniß hat sich der Vormund
schließlichen zu richten, also, daß wo der Endauszug von dem oberen Richter
abgeänderet, und der Vormund ganz oder zum Theil von dem Ersatz entbunden
worden wäre, dieser nur Dasjenige, was er nach dem oberrichterlichen Ausspruch
zu ersetzen hat, bei denen nächstkünftigen Rechnungen in baaren Empfang zu
nehmen, wovon er aber losgesprochen worden, nur durchlaufend in Empfang zu
stellen, bei dem Schuldenstand hingegen mit Beilegung des oberrichterlichen
Ausspruchs in baare Ausgab zu bringen habe.
[1, 6, § 5] 448. Wann hingegen der Endauszug von dem oberen
Richter bestätiget worden, hat es bei dem auferlegten Betrag des Ersatzes sein
Bewenden, und ist noch über das auch jenes, was etwann an Zinsen, Schäden und
Unkosten denen Waisen bei der höheren Gehörde zugesprochen worden, bei der
nächstfolgenden Rechnung in baaren Empfang zu nehmen.
[1, 6, § 5] 449. Der einem Vormund gestattete Zug an den
oberen Richter ist auch einem nachgesetzten Beamten und Rechnungsführer nicht
verschränket, welcher sich in dem über seine besondere Nebenrechnungen
hinausgegebenen Endauszug beschweret zu sein glaubet, und hat in Ansehung deren
über derlei Nebenrechnungen fertigenden Endauszügen alles Dasjenige statt, was
von dem Endauszug über die Vormundschafts-Rechnungen bishero geordnet worden.
[1, 6, § 5] 450. Gleichwie aber ein zu Rechtskräften
erwachsener, oder von dem oberen Richter bestätigter Endauszug, und der damit
übereinstimmende Raitschein den Vormund von weiterer Verfänglichkeit nicht
anderst entbinden kann, als bis von ihme allem Demjenigen, was demselben
darinnen zum Ersatz auferleget worden, vollkommenes Genügen geschehen, also hat
hingegen nach geleisteter Genugthuung ein derlei Endauszug die Wirkung, daß
dagegen weder an Seiten der Waisen, noch an Seiten des Vormunds etwas weiter
gereget werden könne.
[1, 6, § 5] 451. Doch sind nichtsdestoweniger gewisse Fälle
ausgenommen, welche insgemein Vorbehaltsfälle von daher genennet zu werden
pflegen, weilen, wann immer ein dergleichen Fall hervorkommet und genugsam
erwiesen wird, sowohl dem Waisen gegen dem Vormund, als diesem gegen jenen der
angebührende Ersatz oder Vergütung durch das Gesatz selbst vorbehalten bleibet.
[1, 6, § 5] 452. Diese Fälle sind:
Erstens: Ein klarer Rechnungsverstoß, wann ein Betrag irrig
angesetzet, oder in Zusammenziehung mehrerer Posten, oder in Abziehung einer
von der anderen, oder in sonstiger Rechnungsart geirret worden, welcherlei
Irrthum zu verbesseren zu allen Zeiten freistehen solle.
[1, 6, § 5] 453. Zweitens: Die Auslassung aus dem
Vermögenstand, wann der Vormund bei dem Vermögenstand aus Irrthum oder
Vergessenheit etwas in Empfang zu nehmen unterlassen hätte, welches ihme doch
als ein Waisengut erweislich übergeben, oder zu Handen gekommen wäre.
[1, 6, § 5] 454. Drittens: Die irrsame Ansetzung in dem
Schuldenstand, wann der Vormund bei dem Schuldenstand aus bloßer Beirrung
etwas, was er nicht bezahlet, in baare Ausgab gebracht, oder etwas, so er
erweislich bezahlet, nicht in Ausgab geleget, oder auch etwas, so er doch
erweislich niemalen erhalten, aus Irrthum in Empfang genommen hätte, ohne es
hinwiederum in der Ausgab durchzuführen.
[1, 6, § 5] 455. Derlei menschliche Fehler sollen Niemandem
zum Schaden gereichen, sondern zu allen Zeiten verbesseret werden können;
dahingegen solle auch kein Theil mit Schaden des Anderen hieraus einen Vortheil
ziehen, sondern Alles, was aus Anlaß eines solchen Fehlers, folglich ohne
rechtmäßiger Ursach bei dem
(1-235) Vormund von dem Gut der Waisen, oder bei diesen von
dem Gut des Vormunds zur Ungebühr geblieben, einem von dem anderen Theil mit
allen behobenen Nutzungen, welche nicht immittelst von dem in hinlänglich
erwiesenen Irrthum befangenen Besitzer mit guten Glauben verzehret worden,
ersetzet und zuruckgestellet werden.
[1, 6, § 5] 456. Was hingegen ein Vormund von dem Waisengut
wissentlich zuruckgehalten, unterschlagen, oder wie sonst immer aus Arglist und
Gefährde erweislich an sich gezogen hat, dieses hat derselbe zu allen Zeiten,
wann immer eine solche Veruntreuung auf ihn erwiesen wird, mit allen daraus
behobenen noch vorhändigen und verzehrten, wie auch zu beheben gewesten,
obschon von ihme nicht eingehobenen Nutzungen, dann Schäden und Unkosten denen
Waisen zu ersetzen, und ist über das nach Schwere der begangenen Gefährde
empfindlich zu bestrafen.
[1, 6, § 5] 457. Was bishero von Verfassung, Aufnehmung und
Erledigung deren Vormundschafts-Raitungen geordnet worden, leidet bei geringen
Vormundschaften geringer Leuten einen Abfall, wo das Vermögen der Waisen nicht
beträchtlich, und auch nicht leicht einer Unordnung und Verwirrung unterworfen
wird.
[1, 6, § 5] 458. In solcherlei Fällen lassen Wir es bei der
unter diesen Leuten gewöhnlichen und den Begriff des gemeinen Volks nicht
übersteigenden Raitungs- und Verfahrungsart gnädigst bewenden, nach welcher an
deme genug ist, daß der Empfang und die Ausgab getreulich und ordentlich
verzeichnet, wo es nöthig, beleget oder mit glaubwürdiger Aussage vor Gericht
bestätiget, und das zur künftigen Verrechnung verbleibenden Vermögen, Barschaft
und Vorrath vollständig ausgewiesen, sodann aber bei der Aufnahme und
Erledigung derlei Rechnungen auf die leichteste und schleunigste Art verfahren
werde.
[1, 6, § 5] 459. Wobei jedoch die Vormundschaftsgehörde
darauf zu sehen hat, ob das Waisengut in Sicherheit seie, ob solches behörig
genutzet, die Ausgaben gemäßiget, und ob von einem Raitungserlag zum anderen
das Vermögen der Waisen erhalten, vermehret oder verminderet werde?
[1, 6, § 5] 460. Damit aber die Einfalt nicht zum Deckmantel
einer ungetreuen Verwaltung mißbrauchet werde, solle bei Aufnehmung der
Rechnung der Vormund über Alles, wo sich ein Zweifel oder Anstand ereignen
kann, zur Red gestellet, der Stand des Waisenguts nicht allein von dem Vormund
genau erforschet, sondern auch von anderwärts die erforderliche Nachricht
eingeholet, wo es nöthig, der Augenschein eingenommen und nichts unterlassen
werden, wodurch die Verwaltungsgebrechen entdecket, verbesseret, der Schaden
ersetzet, deme in Zukunft vorgebogen, und der Nutzen der Waisen, so viel immer
möglich, beförderet werden könne. Worüber der erhobene Befund in dem Waisenbuch
jedesmal fleißig anzumerken, und dem Vormund hieraus ein Auszug in Kraft eines
förmlichen Endauszugs und Raitscheins zu seiner Sicherheit und Nachachtung
hinausgegeben ist.
§. VI.
[1, 6, § 6] 461. Gleichwie das beschwerliche Amt der
Vormundschaft mit vieler Mühewaltung und Verantwortung begleitet ist, also
erheischet auch die Billigkeit,
(1-236) daß getreue und emsige Gerhaben und Vormündere für
ihre Mühe, Fleiß und Sorgfalt belohnet werden.
(1-237) [1, 6, § 6] 462. Diese Belohnung solle jederzeit
nach der klaren Ertragniß des Waisenguts dergestalten abgemessen werden, damit
selbe bei der ergiebigeren Einkünften reichlicher,
(1-238) dahingegen bei minderer Ertragniß desto mäßiger
ausfalle, niemahlen aber, wo die Einkünften nicht zureichen, das Vermögen der
Waisen andurch verminderet werde.
[1, 6, § 6] 463. Die Ausmessung dieser Belohnung hanget
demnach allemahl von dem Befund der Vormundschaftsgehörde ab.
Wir wollen jedoch in jenen Landen, allwo solche bishero bei
Vormundschaften der Landleuten durch die vorige Gesetze bis zu denen darinnen
bestimmt gewesten Vogtbarkeitsjahren der Waisen auf den sechsten Theil der
klaren Ertragniß des Waisenguts, von dieser Zeit aber für die noch übrige Jahre
der Minderjährigkeit bis zu erfüllten vierundzwanzigsten Jahr auf den zwölften
Theil für jedwedes Jahr bestimmt ware, es auch in Zukunft bei diesem Sechstel
und Zwölftel da, wo die jährliche klare Ertragniß sich nicht über
dreißigtausend Gulden erstrecket, gnädigst bewenden lassen.
[1, 6, § 6] 464. Unter der klaren Ertragniß aber wird nur
jenes verstanden, was nach Abzug aller laufenden Ausgaben, als Steuern und
Gaben, Grundschuldigkeiten, Zinsen von Schulden, wittiblichen und anderen
Unterhaltsgeldern, Wirthschafts- und nöthigen Bauauslagen, jährlichen
Bestallungen, Gerichts-, Reise-, dann vormundschaftlichen Rechnungsunkosten,
und anderen dergleichen alljährlich nach dem ordentlichen Verwaltungs- und Wirthschaftslauf
mehr oder weniger vorfallenden unausweichlichen Ausgaben, wie auch des
Unterhalts und standmäßiger Erziehung der Waisen als klarer Nutzen erübriget
wird.
[1, 6, § 6] 465. Es möge solches in baarem Geld vorhanden,
oder zur Tilgung der Waisenschulden, Anlegung neuer Capitalien, Erkaufung
einiger Gründen aber wie sonst immer über den ordentlichen Verwaltungs- und
Wirthschaftstrieb zum Nutzen und Wohlstand der Waisen mit Verwilligung der
Vormundschaftsgehörde angewendet worden sein.
[1, 6, § 6] 466. Was hingegen dem Vermögen der Waisen nicht
aus dessen Fruchttragung
(1-239) oder anderen davon abfallenden Einkünften, sondern
von anderwärts, als durch Erbschaft, Vermächtniß, Schankung oder wie sonst
immer zugehet, wodurch dasselbe vergrößeret wird, dieses ist in die Berechnung
des Sechstels oder Zwölftels nicht einzuziehen, obschon durch die davon
eingehende Zinsen und Nutzungen so ein als anderes in vorstehender Maß
vermehret werden kann.
[1, 6, § 6] 467. Desgleichen können auch Ausstände, obschon
dieselben sicher und unfehlbar wären, Vorräthe, und was entweder noch weiter zu
verrechnen ist, oder als ein Bestand von der vorhergehenden Rechnung herrühret,
in keine Berechnung des Sechstels oder Zwölftels kommen.
[1, 6, § 6] 468. Doch leidet dieses bei der letztjährigen
Schlußrechnung des Vormunds eine Ausnahme, maßen in solchem Fall auch auf diese
Vorräthe und sichere Ausstände, welche erst künftig in baaren Empfang zu
gelangen haben, in Ausmessung des Sechstels oder Zwölftels die Rücksicht
genommen werden muß, damit dem abtretenden Vormund seine angebührende Belohnung
davon nicht entgehe.
[1, 6, § 6] 469. Wiewohl aber demselben von deme, was zur
Zeit noch nicht zu Geld gemacht oder noch nicht eingegangen, die baare
Bezahlung nicht zugesprochen werden kann, so hat jedoch die
Vormundschaftsgehörde entweder zu seiner Sicherheit in dem Endauszug die
Verwahrung beizufügen, daß er bei dereinstiger Einbringung dieser Ausstände
oder Verschleiß der Vorräthen das ihme davon gebührende Sechstel oder Zwölftel
erhalten solle, oder aber nach Umständen ein billiges Abkommen auf etwas
Gewisses hierwegen mit ihme zu treffen.
[1, 6, § 6] 470. Und zumalen ein Zweifel sich in deme
ergeben könnte, ob an denen von jener Zeit, wo dem Vormund das Sechstel
gebühret hätte, herrührenden Ausständen und Vorräthen, wann solche nachhero zur
Zeit, als er nur das Zwölftel zu forderen hat, eingehen, oder zu Geld gemacht
werden, ihme das Sechstel oder Zwölftel zuzuerkennen seie, so wollen Wir zu
Behebung aller künftigen Anständen solchen dahin entschieden haben, daß dem
Vormund in diesen Fällen allemal das Sechstel zugesprochen werden solle, wann
seinerseits in Eintreibung deren Ausständen oder dem Verschleiß der Vorräthen
kein geflissentlicher Saumsal zum Schaden der Waisen unterlaufen ist.
[1, 6, § 6] 471. Dieses Sechstel oder Zwölftel gebühret dem
Vormund ohne Unterschied, ob das Vermögen der Waisen an liegenden Gütern, oder
an verzinslich angelegten Geldern, oder anderen trockenen Gefällen, oder an was
sonsten bestehe, und ob dessen Mühewaltung schwerer oder leichter seie, dann ob
viel oder wenig an der klaren Ertragniß erübriget werde, wann solche nur
dreißigtausend Gulden nicht übersteiget.
Wo aber gar nichts übrig bleibt, hat auch das Sechstel oder
Zwölftel nicht statt.
[1, 6, § 6] 472. Kein Vormund ist jedoch befugt, sich dieses
Sechstel oder Zwölftel eigenmächtig zuzueignen, bevor ihm dasselbe nicht von
der Vormundschaftsgehörde in dem Endauszug zugesprochen, und solches in Ausgab
zu bringen verwilliget worden.
[1, 6, § 6] 473. Es lieget ihm dahero ob, bei Erlag der
jährlichen Raitung einen ordentlichen Ueberschlag von dem Betrag des
vormundschaftlichen Sechstels oder Zwölftels nach den oben vorgeschriebenen
Maßregeln zu verfassen und solchen der Rechnung beizulegen, dann hierüber die
richterliche Erkanntniß abzuwarten.
[1, 6, § 6] 474. Diesen Ueberschlag solle die
Vormundschaftsgehörde durch die bestellte Raithandlere oder Rechnungsaufnehmere
untersuchen lassen, und nach Befund entweder so viel, als der Vormund hieran
angesetzet, ihme in dem Endauszug, um solches in künftiger Rechnung in Ausgab
zu legen, zusprechen oder nach dem eigentlichen Betrag mäßigen.
[1, 6, § 6] 475. Nichtsdestoweniger ist dem Vormund
gestattet, nicht allein währendem
(1-240) Raitungserlag und Aufnahme sich an dem baaren
Geldvorrath für dem Betrag der angesetzten Belohnung bis zum Erfolg des
gerichtlichen Endauszugs zu halten, sondern auch nach dessen Habhaftwerdung
sich mit so viel, als ihme hieran zuerkannt worden, aus der bei dem
Rechnungsschluß vorhanden gebliebenen, oder nachher eingehenden Barschaft ohne
Nachwartung bezahlt zu machen.
[1, 6, § 6] 476. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann
gleich der Vormund durch den Endauszug zu einigem Ersatz angewiesen wurde, in
welchem Fall nicht nöthig ist, deswegen von der vormundschaftlichen Belohnung
etwas abzuziehen, sondern die Richtigkeit wird dadurch hergestellet, daß der
Vormund dagegen den Betrag des auferlegten Ersatzes in der künftigen Rechnung
ordentlich in Empfang zu bringen schuldig ist.
Es hätte dann die Vormundschaftsgehörde bei Ermanglung
anderweiter Sicherheit nothwendig zu sein befunden, sich an der
vormundschaftlichen Belohnung des zu leisten habenden Ersatzes halber zu
halten, und solches in dem Endauszug namentlich ausgedrucket.
[1, 6, § 6] 477. Würde hingegen der Vormund bei deme, was
ihme in dem Endauszug an dem angesetzten Sechstel oder Zwölftel zugesprochen
worden, nicht beruhen wollen, so ist ihme unbenommen, binnen vierzehen Tagen
von der ihme kundgemachten richterlichen Erkanntniß seine Beschwerde auch außer
der Ordnung bei dem höheren Richter anzubringen.
[1, 6, § 6] 478. Wann jedoch das Vermögen der Waisen an
jährlicher klarer Ertragniß mehr dann dreißigtausend Gulden abwirft, so solle
Uns allein vorbehalten sein, die vormundschaftliche Belohnung nach Umständen
jedesmal auszumessen.
[1, 6, § 6] 479. In allen anderen Landen aber, wo durch die
vorige Gesetze nichts Gewisses zur vormundschaftlichen Belohnung festgesetzet
ist, sondern deren jedesmalige Bestimmung von dem richterlichen Ermessen abhanget,
solle es auch fernershin dabei sein Verbleiben haben, und die Belohnung
jederzeit mit Mäßigung und Sparsamkeit ausgeworfen werden.
[1, 6, § 6] 480. Zu diesem Ende hat die
Vormundschaftsgehörde, wann der Vormund bei Erlag der Raitung hierum geziemend
anlanget, nicht allein auf die Ertragniß des Waisenguts, sondern vornehmlich
auch auf die Beschaffenheit der Vormundschaft, mehrere oder wenigere
Mühewaltung des Vormunds, die Kräften des Vermögens, und andere zu betrachten
billige Umstände zu sehen, und eine denenselben angemessene Belohnung
zuzusprechen, welche zwar nach Befund der Umständen weniger, niemalen aber ein
Mehreres, als das oben ausgesetzte Sechstel oder Zwölftel nach dem Unterschied
der Unvogtbarkeit oder Minderjährigkeit der Waisen betragen kann und solle.
[1, 6, § 6] 481. Wäre die ausgeworfene Belohnung zu gering
oder zu übermäßig, so solle wie ersteren Falls dem Vormund, also auch im
letzteren Fall denen Befreundten der Waisen freistehen, sich bei höherer
Gehörde außerordentlich hierwegen zu beschweren.
[1, 6, § 6] 482. Wann aber das Vermögen der Waisen so gering
ist, daß von dessen klarer Ertragniß ein gar Weniges in jährliche Ersparniß
falle, so solle dem Vormund nicht bei jedesmaliger Raitungserledigung die
Belohnung zuerkannt werden, sondern er ist immittelst die Vormundschaft bis zu
Ende derselben unentgeltlich zu führen schuldig.
[1, 6, § 6] 483. Falls sodann nach Erledigung der
Vormundschaft befunden würde, daß der Vormund in Allem die Richtigkeit
gepflogen, und gleichwohlen einen kleinen Vermögenszuwachs für die Waisen
erübriget, oder mit besonderer Mühe und Fleiß ihr Vermögen bis dahin
unverminderet erhalten, oder durch gute Erziehung und Anleitung die Waisen in
den Stand gesetzet habe, ohne Schmälerung ihres Vermögens sich selbst künftighin
einen ehrbaren Unterhalt zu
(1-241) verschaffen, so ist ihme eine mäßige Erkenntlichkeit
von der Vormundschaftsgehörde zuzusprechen.
[1, 6, § 6] 484. Ueberhaupt erforderet die Billigkeit, daß,
wo es wegen Unzulänglichkeit der Vermögensumständen nicht thunlich ist, getreue
und fleißige Vormündere nach Maß ihrer Bemühung zu belohnen, die
Vormundschaftsgehörden bedacht sein sollen, ihnen auf andere Weis einige
Vergeltung zu verschaffen, und zu dem Ende denenselben bei sich ereignender
Gelegenheit eine oder andere vermöglichere Vormundschaft, wovon sie sich einer
ergiebigeren Belohnung getrösten können, zukommen zu lassen.
§. VII.
[1, 6, § 7] 485. Die Vormundschaft endiget
sich entweder an Seiten der Waisen oder an Seiten des Vormunds. An Seiten der
Waisen hat dieselbe ihr Ende durch Absterben der Waisen, oder Ablegung
feierlicher Ordensgelübde, durch deren
(1-242) Annehmung an Kindesstatt, durch Erreichung der
Großjährigkeit und bei Gewerbs- und Handelsleuten niederen Standes, durch
Erreichung der Vogtbarkeit, dann endlich durch Nachsicht des Alters.
[1, 6, § 7] 486. Wann ein Wais mit Tod abgehet, oder in
einem geistlichen Orden die feierliche Gelübde ableget, wird zwar andurch die
Vormundschaft über denselben geendiget, doch hat der Vormund das nachgebliebene
Vermögen insolange zu besorgen, bis daß es Denenjenigen, welchen es von Rechts
wegen zuzukommen hat, eingeantwortet werden kann.
(1-243) [1, 6, § 7] 487. Würde das Vermögen nach dem
Verstorbenen anderen unter der nämlichen Vormundschaft stehenden Waisen erblich
anfallen, so hat auch solches unter der Verwaltung eben desselben Vormunds
weitershin zu verbleiben, und hanget es von dem Befunde der
Vormundschaftsgehörde, welcher der Vormund den Todesfall unverlängt anzuzeigen
hat, ab, ob dieser denen übrigen Waisen zugefallene Erbtheil unter ihnen
getheilet, oder annoch ungetheilt in der Gemeinschaft belassen werden solle.
[1, 6, § 7] 488. Falls aber die Verlassenschaft nebst denen
übrigen unter der nämlichen Vormundschaft stehenden Waisen zugleich auch entweder
großjährigen, oder zwar noch minderjährigen, doch aber nicht unter dieser,
sondern unter anderer Vormundschaft befindlichen Miterben zufiele, so muß die
Theilung, sobald solche geschehen kann, ohne Verzug gerichtlich vorgenommen
werden, und hat nur so viel unter der Verwaltung des Vormunds zu verbleiben,
als davon nach der Theilung auf die übrige unter seiner Vormundschaft stehende
Waisen gelanget.
[1, 6, § 7] 489. Durch Annehmung eines Waisen an Kindsstatt endiget sich die Vormundschaft dergestalten, daß der an
Kindsstatt Angenommene bis zu seiner Großjährigkeit aus der Vormundschaft
seines bisherigen Vormunds in die Gewalt oder Vormundschaft seines Wahlvaters
übertritt.
[1, 6, § 7] 490. Die gemeinste Art der Beendigung einer
Vormundschaft ist, wann die Waisen die Großjährigkeit erreichen, welches damals
geschieht, wann sie das vierundzwanzigste Jahr ihres Alters völlig erfüllet
haben.
[1, 6, § 7] 491. Dahingegen wird durch Erreichung er
Vogtbarkeit allein die Vormundschaft insgemein nicht geendiget, sondern auch
die vogtbar geworbene Waisen haben, so lange sie minderjährig sind, unter der
Vormundschaft zu bleiben.
[1, 6, § 7] 492. Doch hat die Vogtbarkeit, die oben in §. IV
von num. 243 bis num. 251 beschriebene rechtliche Wirkungen, außer welchen übrigens
in allen anderen Handlungen die Minderjährige denen Unvogtbaren gleich zu
halten sind, und ebenso wie diese zur Giltigkeit ihrer
Verbindungen den vormundschaftlichen Beistand nöthig haben.
[1, 6, § 7] 493. Es hat dahero der Vormund nicht weniger wie
bei Unvogtbaren auf ihr Thun und Lassen obacht zu tragen, sie mit allen
Nöthigen nach obervormundschaftlicher Ausmessung zu versehen, ihnen zu
Wissenschaften und standesgemäßen Uebungen oder Hantierungen die Anleitung zu
geben, oder durch Andere zu verschaffen, ihre gute oder üble Aufführung zu
beobachten, von letzterer sie bescheidentlich abzumachen, und, da dieses nicht
verfinge, ihr unanständiges Betragen der Vormundschaftsgehörde zur ernstlichen
Einsicht zeitlich anzuzeigen.
[1, 6, § 7] 494. Desgleichen währet die vormundschaftliche
Verwaltung des Vermögens der Minderjährigen eben also, wie in der
Unvogtbarkeit, fort, wobei aber der Vormund hauptsächlich dahin zu trachten
hat, damit der Minderjährige nach und nach geschickt gemacht werde, sein
Vermögen bei erreichender Großjährigkeit selbst nutzlich zu verwenden.
[1, 6, § 7] 495. Zu diesem Ende solle denen Minderjährigen
von der Beschaffenheit ihres Vermögens, von denen dabei vorfallenden
Ankehrungen, Wirthschaftseinrichtungen, Verbesserungen, Haftungen und
Beschwerden, zustoßenden Schäden, Strittigkeiten und Rechtsvertheidigungen, und
überhaupt von Allem, was ihnen zum nöthigen oder nutzlichen Unterricht und
dereinstiger Warnung gereichen kann, kein Geheimniß gemacht, sondern vielmehr
ihr eigener Begriff darüber zum öfteren geprüfet, ein besserer beigebracht und
alle nöthige Anleitung auf künftige Fälle gegeben werden, welche sie zur
dereinstigen nutzlichen und wirthschaftlichen Verwaltung des Ihrigen geschickt
und tauglich mache.
[1, 6, § 7] 496. Die Minderjährigen aber sollen hierbei alle
Aufmerksamkeit bezeigen, ohne sich jedoch in die vorfallende Geschäften
einzumischen, oder dem Vormund
(1-244) darinnen hinderlich zu fallen, oder zuwider zu sein,
wie dann Wir in dieser Absicht den Vormund darzu verbunden haben wollen, bei
Erlag der jährlichen Raitungen der Vormundschaftsgehörde allemal besonders
anzuzeigen, wie selbe sich in dem Begriff der Wirthschaft anlassen, wie ihre
Aufführung beschaffen seie, und ob sie sich unachtsam oder widerspänstig gegen
seine Anleitungen bezeigen?
[1, 6, § 7] 497. Um damit jedoch die Minderjährigen nach und
nach zur ordentlichen Haushaltung angewöhnet werden, und die Kennzeichen der
von ihnen zu gewarten habenden guten oder üblen Wirthschaft sich desto
deutlicher veroffenbaren, solle der Vormund denenselben von Zeit zu Zeit nicht
allein von denen für sie gewidmeten Unterhaltsgeldern nach seiner
Bescheidenheit mehr oder weniger zu ihren Handen ausfolgen, und auf dessen
behöriger Verwendung besonders obacht haben, sondern auch, wo es die Kräften
des Vermögens zulassen, von ihren Einkünften nach obervormundschaftlichen
Ermessen etwas zu ihrer freien Verwendung abreichen, und hierauf, wie selbe
sich dessen gebrauchen, ohne daß sie es vermerken, fleißige Aufsicht tragen, um
nach Beschaffenheit ihrer Gebarung die ihnen eingestandene Freiheit zu
erweiteren oder einzuschränken.
[1, 6, § 7] 498. Wann ein Minderjähriger bereits mit
Bewilligung der Gehörde verehelichet wäre, oder schon in einem öffentlichen Amt
oder Bedienstung stünde, oder der Wohlstand es sonst aus anderen Ursachen
erforderete, so solle ihme die Führung seiner eigenen Haushaltung nach Maß des
ihme von der Vormundschaftsgehörde ausgeworfenen Unterhaltsbetrags überlassen
werden.
[1, 6, § 7] 499. Würde aber der Vormund bemerken, daß die
Barschaft unnütz verwendet werde, und die Bezahlung der nothwendigen
Bedürfnissen in Ruckstand gerathe, so hat derselbe solches der Gehörde zeitlich
anzuzeigen, damit der Minderjährige nach erheischenden Umständen in der freien
Gebarung beschränket, und der besorglichen Einschuldung durch dienliche Wege
vorgebogen werde.
[1, 6, § 7] 500. Durch die Heirath allein, wann gleich
solche mit Bewilligung der Gehörde geschehen, wird kein Minderjähriger, noch
weniger ein Unvogtbarer von der Vormundschaft entlediget, obschon ihme in
solchem Fall zu seinem und der Seinigen Unterhalt ein ergiebigeres Auskommen
von der Vormundschaftsgehörde auszumessen ist.
[1, 6, § 7] 501. Wann aber eine minderjährige oder noch
unvogtbare Weibsperson mit Vorwissen und Bewilligung der Vormundschaftsgehörde
sich verehelichet, fällt sie bis zur erreichenden Großjährigkeit unter die
Vormundschaft ihres Ehegattens, wann dieser bereits großjährig ist, deme sofort
der bis dahin geweste Vormund die Vormundschaft abzutreten und zugleich die
Verwaltung ihres Vermögens zu übergeben hat, welche derselbe mit eben der
Verbindlichkeit, wie ein jedweder anderer Vormund, jedoch ohne einiger
Belohnung, statt welcher er sich mit deme, was ihme in dem Heirathsbrief
verschrieben worden, zu begnügen hat, zu führen schuldig ist.
[1, 6, § 7] 502. Wäre hingegen derselbe noch minderjährig,
obschon Wir ihme die Nachsicht des Alters ohne solche namentlich auf diese
Vormundschaft zu erstrecken, ertheilet hätten, oder ihme sonst die freie
Verwaltung seines eigenen Vermögens beschränket, so hat das Vermögen seiner
minderjährigen oder noch vogtbaren Ehegattin unter der Verwaltung des bis dahin
gewesten oder neu zu bestellenden Vormunds zu verbleiben, bis daß der Mann die
Großjährigkeit und somit die Vormundschaft über dieselbe erlange, oder sie
selbst großjährig werde.
[1, 6, § 7] 503. Würde aber der Mann, unter dessen
Vormundschaft seine minderjährige oder noch unvogtbare Ehegattin gestanden, vor
deren erreichter Großjährigkeit versterben, so ist der minderjährigen, oder
noch unvogtbaren Wittib ein anderer Vormund zu bestellen.
[1, 6, § 7] 504. Damit jedoch Jemand für großjährig geachtet
werde, und die Macht
(1-245) mit dem Seinigen frei zu schalten und zu walten
erlange, ist an der Erfüllung des vierundzwanzigsten Jahrs nicht genug, sondern
er muß beinebst von Gericht aus für großjährig erkläret, und ihme sein Vermögen
eingeantwortet werden, welches die Vormundschaftgehörde sogleich, als Jemand
die ausgesetzte Jahre hat, wann sonst keine erhebliche Ursachen entgegenstehen,
ohne weiters zu veranlassen hat.
[1, 6, § 7] 505. Derlei erhebliche Bedenken sind, wann
Jemand währender Minderjährigkeit deutliche Kennzeichen einer üblen Wirthschaft
von sich gegeben hätte, und es dahero ohne seinem besorglichen Verfall nicht
rathsam wäre, ihme die freie Hand über sein Vermögen zu lassen.
[1, 6, § 7] 506. In welchem Fall mit der Erklärung der
Großjährigkeit und Einantwortung des Vermögens Anstand genommen, zugleich aber
dieser Vorfall mit allen Ursachen der nöthig findenden Zuruckhaltung unverlängt
Uns angezeiget und Unsere höchste Entschließung darüber abgewartet werden
solle.
Wo es sodann bei Uns beruhen wird, die Vormundschaft annoch
auf eine Uns gefällige weitere Zeit hinaus zu erstrecken.
[1, 6, § 7] 507. Wir wollen jedoch von der Nothwendigkeit
der zur selbsteigenen Schalt- und Waltung mit dem Seinigen für insgemein
erforderlichen Großjährigkeit die Gewerbs- und Handelsleute niederen Standes in
Städten und Märkten, wie auch das gemeine Landvolk gnädigst entbunden und hiermit
verordnet haben, daß, wann selbe nach erreichten vogtbaren Jahren einer
burgerlichen Nahrung, Gewerb, Handlung oder Hantierung selbst vorzustehen fähig
befunden werden, sie keiner Nachsicht des Alters nöthig haben, sondern denen
Vormundschaftsgehörden für allgemein die Macht eingeraumet sein solle, nach
Befund der Tauglichkeit solcher junger Leuten auf deren, oder ihrer Befreundten
oder Vormünderen Ansuchen selbst fürzugehen und ohnerachtet der noch
fürwährenden Minderjährigkeit die Einantwortung des Vermögens zu veranlassen.
[1, 6, § 7] 508. Es solle aber der Vormund des
Minderjährigen, wann er nicht selbst darum anhält, allemal vorhero darüber
vernommen und beinebst genugsame Zeugniß beigebracht werden, daß der
Minderjährige ehrbaren und bescheidenen Wandels, und zur vorhabenden Handlung,
Gewerb oder anderen burgerlichen Nahrung, worzu die eigene Schaltung mit dem
Seinigen und die Freiheit sich zu verbinden erforderlich ist, fähig seie.
[1, 6, § 7] 509. Wann nun die Vormundschaftsgehörde
denselben zu diesem Gewerb oder Nahrung zuzulassen
befindet, so hat sie ihme sein Vermögen ohne weiters einzuantworten, dabei
jedoch auf das Betragen solcher junger Leuten ein wachsames Aug zu halten, und
bei wahrnehmender Unwirthschaft in Zeiten solche Vorkehrungen zu treffen, damit
ihrem weiteren Verfall vorgebogen werde.
[1, 6, § 7] 510. Diese gerichtliche Einantwortung macht der
über sie bestellt gewesten Vormundschaft ein Ende, und sie erlangen andurch die
Fähigkeit zu allen Handlungen und Verbindungen, zu deren Giltigkeit sonst bei
Anderen die Großjährigkeit oder eine Besondere Nachsicht des Alters erforderet
wird.
[1, 6, § 7] 511. Nur zur Vormundschaft über ihre
minderjährige oder noch unvogtbare Weiber sind sie vor erreichter
Großjährigkeit nicht fähig, sondern diese beharren bis dahin unter ihrer
vorigen Vormundschaft.
Wo sie aber schon vogtbar sind, und an dem Gewerb ihres
Manns mit gerichtlicher Verwilligung Antheil nehmen, so ist ihnen ohnangesehen
ihrer Minderjährigkeit ihr Vermögen einzuantworten, und kann auch ihnen in
diesem Fall nach dem Tod des Manns die Vormundschaft über ihre Kinder zu
Fortsetzung der Nahrung, jedoch mit Beigebung eines gewerbsverständigen
Mitvormunds aufgetragen werden.
[1, 6, § 7] 512. Endlich endiget
sich die Vormundschaft an Seiten der Waisen durch
(1-246) die von Uns aus landesfürstlicher
Machtsvollkommenheit Jemandem ertheilte Nachsicht des Alters, welchem Falls
sich nach dem Inhalt Unserer Verleihung zu achten, und hiernach die
Einantwortung des Vermögens mit denen allenfalls darinnen enthaltenen
Einschränkungen zu veranlassen, forthin aber auf seine Gebarung fleißig acht zu
tragen, und bei Verspürung eines üblen Gebrauchs dieser ihme verliehenen Gnade
der besorgliche Verfall seines Vermögens Uns von der Gehörde allsogleich
anzuzeigen ist, um die nöthig ermessende Vorsehung treffen zu mögen.
[1, 6, § 7] 513. Außer diesen Fällen entweder einer von Uns
erwirkten Nachsicht des Alters oder der bei Personen minderen Standes und
gemeinen Leuten von der Vormundschaftsgehörde befundenen, selbsteigenen
Nahrungs- oder Gewerbsfähigkeit solle keinem Minderjährigen sein Vermögen
einantwortet, sondern dessen Verwaltung von dem Vormund fortgesetzet werden.
[1, 6, § 7] 514. Solange aber auch bei schon Großjährigen
die Einantwortung des Vermögens nicht erfolget, ist ein solcher, obschon nach
dem Alter großjährig Gewordener, oder zur eigenen burgerlichen Nahrung tüchtig
Befundener, oder von Uns mit der Nachsicht des Alters Begnadigter forthin einem
Minderjährigen gleich zu halten, mithin zu einigerlei Verbindungen unfähig.
[1, 6, § 7] 515. Was bishero von der
Großjährigkeitserklärung und Einantwortung des Vermögens geordnet worden, ist
nur von solchen Minderjährigen zu verstehen, die ein unter vormundschaftlicher
Verwaltung befindliches Vermögen haben, maßen in dessen Ermanglung nichts
eingeantwortet werden kann, folglich auch keine vorläufige
Großjährigkeitserklärung nöthig ist, sondern gleichwie derlei unvermögliche
Waisen nach erreichter Vogtbarkeit für die Erwerbung ihres Unterhalts selbst zu
sorgen haben, und dem Schicksal ihres Fortkommens überlassen bleiben, also hat
auch die weitere Vormundschaft ihr Ende, und sie sind an der Giltigkeit ihrer
Verbindungen nicht gehemmet.
[1, 6, § 7] 516. An Seiten des Vormunds endiget
sich die Vormundschaft durch
(1-247) dessen Tod, wegen dessen Unfähigkeit oder
rechtmäßiger Entschuldigung, wegen übler Verwaltung und daher auf sich ladendem
Verdacht, und endlich aus Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers.
[1, 6, § 7] 517. Durch den Tod des Vormunds höret die Vormundschaft
auf und erstrecket sich keineswegs auf dessen Erben.
Doch müssen diese die rückständigen Raitung legen,
verantworten und richtig stellen, wie auch das Waisengut mit gleicher
Obliegenheit, wie der Verstorbene, insolang besorgen, bis eine andere Vorsehung
getroffen und dessen Ausantwortung an den nachfolgenden Vormund veranlasset
wird. Wo es aber zufällig geschehen würde, daß der Erb des Vormunds auch dessen
Nachfolger in der Vormundschaft werde, ist es jedennoch nicht die vorige,
sondern eine neue Vormundschaft.
[1, 6, § 7] 518. Die Unfähigkeits- und
Entschuldigungsursachen sind alle bereits oben §. III. erwähnet worden.
Was dahero Jemanden gleich anfänglich zur Uebernehmung der
Vormundschaft unfähig macht oder bei deren Auftrag zur Enschuldigung (!) (=
ENtschuldigung) berechtiget, alles dieses ist insgemein auch hinreichend, wann
es sich währender Vormundschaft ereignet, daß deswegen der Vormund von der
aufhabenden Vormundschaft entlassen oder auf Verlangen davon befreiet werde,
insoferne die Ursachen nicht also beschaffen sind, daß solche nach vorerwähnter
obiger Ausmessung zwar von einer neu aufgetragenen, nicht aber auch von der
schon wirklich aufhabenden Vormundschaft entschuldigen.
[1, 6, § 7] 519. Wann ein Vormund der üblen Verwaltung
überwiesen, oder dessen Untreue offenkundig ist, solle demselben die
Vormundschaft ohne weiters benommen werden.
Wiezumalen aber für die Waisen allzugefährlich wäre, es auf
den Fall einer wirklichen Veruntreuung ankommen zu lassen, so ist es auch schon
an einem gegründeten Verdacht der üblen Verwaltung genug, zur Aenderung der
Vormundschaft zu schreiten.
[1, 6, § 7] 520. Dieser Verdacht kann aus verschiedenen
Umständen wider den Vormund entstehen, da er aus eigener böser Gemüthsart,
Fahrlässigkeit oder Arglist wider seiner Pflicht etwas thut oder unterläßt, was
einen gegründeten Argwohn erreget, daß er sein vormundschaftliches Amt nicht
getreulich handle.
[1, 6, § 7] 521. Als da derselbe die Waisen übel hielte, sie
zum Ueblen anführete, durch böse Beispiele zu ihrer Verführung Anlaß gäbe,
wissentlich übel gesitteten Leuten sie anvertrauete, es ihnen an standesmäßiger
Erziehung ermanglen ließe, die Ausmessung eines genüglichen Unterhalts nicht
ansuchete, oder durch unwahrhafte Vorstellungen hintertriebe, oder den ausgeworfenen
Betrag, da er es wohl thun kann, nicht darzu anwendete.
[1, 6, § 7] 522. Ferners, wann er sich durch ungeziemende
Mittel zur Vormundschaft eingedrungen oder sich darinnen auf solche Art zu
erhalten suchet, wann er sich in Eigennutz betreten läßt, wann er ein ihme wohl
bewußtes Vermögen der Waisen der Vormundschaftsgehörde nicht zeitlich oder
nicht getreulich angezeiget, und um so mehr, wann er solches anfänglich ganz
oder zum Theil verleugnet und unterschlagen hätte, wann er das Waisengut ohne
obervormundschaftlicher
(1-248) Verwilligung eigenmächtig veräußeret, verpfändet
oder sonst, wiewohlen ungiltig, beschweret, vernachlässiget oder gar verderben
läßt.
[1, 6, § 7] 523. Nicht weniger, wann er die Steuern und
Anlagen davon nicht entrichtet, sondern solche ohne Noth zum Nachtheil der
Waisen anwachsen läßt, wann er mit dem Waisengut einen verbotenen oder sehr
unsicheren Handel waget, wann er ohne Verwilligung der Vormundschaftsgehörde
neue Schulden macht oder die vorhandenen, wo er kann, nicht abzahlet, wann er
nach überkommener Vormundschaft, ohne zu begreifen, woher, kostbarer, als er
nicht sonst gewohnet ware, zu leben anfängt, oder an ihme eine Verschwendung
seines eigenen Vermögens bemerket wird.
[1, 6, § 7] 524. Endlich, wann derselbe den Raitungserlag
lang über die ausgesetzte Zeit verspätet, wann er auf Erforderen der
Vormundschaftsgehörde außer habenden Ehehaften nicht erscheinet, wann er die
ihme zugegebene Beiräthe oder Vormundschaftsgehilfen in Sachen, die in ihre
Wissenschaft, Kunst und Gewerbe einschlagen, nicht beiziehet, oder ihren Rath
und Meinung eigensinnig verwirft, und überhaupt etwas thut oder unterläßt, was
guten und getreuen Vormünderen zu thun oder zu unterlassen nicht geziemet.
[1, 6, § 7] 525. Alle Vormündere ohne Ausnahme können sich
verdächtig machen, worwider sie weder das Zutrauen des Erblassers, weder das
nahe Blutband, weder der obrigkeitliche Auftrag der Vormundschaft, weder der
gute Ruf und Leumuth, weder die geleistete Bürgschaft, weder die kundbare
Zahlfähigkeit, noch sonst etwas schützen kann, sondern es solle bei sich
ergebendem Verdacht nach Erheischung der Umständen ohne Ansehen der Person des
Vormunds mit Untersagung der ferneren Verwaltung und hiernach folgender
anderweiter Vorsehung fürgegangen werden.
Doch muß der Verdacht gegründet und die Anzeigen einer üblen
Verwaltung an sich schon offenbar sein, oder von glaubwürdigen Leuten und nicht
etwann aus Mißgunst, Haß oder Leichtsinnigkeit herrühren, noch sonst
unwahrscheinlich, sondern vielmehr nach vernünftigen Ermessen des Richters
durch geheime zu keiner Verkleinerung des Vormunds gereichende Nachforschung,
oder andere beitretende Umstände vorerst bestärket sein.
[1, 6, § 7] 526. Nicht nur die Vormundschaftgehörde selbst
ist schuldig, auf das Betragen des Vormunds acht zu haben, sondern auch jene,
welchen einen Theil an der Vormundschaft haben, als Mitvormündere,
Ehrenvormündere, vormundschaftliche Beistände, oder zugegebene Beiräthe und
Gehilfen sind unter eigener Verantwortung verbunden, die Handlungen des Vormunds
zu beobachten, und den vermerkenden Unfug oder Gefahr der Vormundschaftsgehörde
sogleich anzuzeigen.
[1, 6, § 7] 527. Ueber das solle nicht allein allen
Befreundten der Waisen, sondern auch einem jedwedem Anderem zugelassen sein,
aus redlichem Antrieb und Beherzigung des unter der Vernachlässigung der Waisen
und ihres Vermögens leidenden gemeinen Wohlstands verdächtige Vormündere bei
der Gehörde anzugeben.
[1, 6, § 7] 528. Es ist aber dabei keine förmliche Anklage
nöthig, sondern an deme genug, daß der Verdacht mit allen Umständen bei der
Vormundschaftsgehörde angezeiget werde, welche des Angebrachte zu beurtheilen,
nach Erforderniß gehörig zu untersuchen, und das weiter nöthig Findende
vorzukehren hat. Wann selbe jedoch die billige Abhilfe versagete, kann solche
bei dem höheren Richter angesuchet werden.
[1, 6, § 7] 529. Ist das Angeben unwahrscheinlich und nicht
mit genugsamen Anzeigen begleitet, der Vormund hingegen guten Rufs und
bekannten Wohlverhaltens, so solle dasselbe zur Stelle verworfen, gänzlich
unterdrucket, und da es muthwillig zu sein befunden würde, dem Angeber
nachdrucksam verwiesen, auch gestalter Dingen nach bestrafet, hierbei aber
vermieden werden, damit es dieserhalben zwischen dem Vormund und dem Angeber zu
keiner weitläufigen Rechtsführung gelange.
[1, 6, § 7] 530. Wäre aber die Anzeige zwar nicht
ungegründet, jedoch an sich von
(1-249) keiner besonderen Erheblichkeit und an dem Verzug
der Abhilfe keine Gefahr, so ist die Verwaltung des Vormunds nicht zu
unterbrechen, sondern unter der Hand der Sachen Bewandtniß nachzuforschen, und
der befundene Unfug allsobald abzustellen, oder beschaffenen Umständen nach in
der Ausstellung der Mängeln über die erlegte Vormundschaftsraitungen auf das
Angeben der Bedacht zu nehmen, und somit dem weiterem Uebel vorzubeugen.
[1, 6, § 7] 531. Wäre hingegen die Anzeige gegründet und das
Angegebene auch an sich erheblich, so solle nicht gesaumet werden, dem Vormund
in der weiteren Verwaltung der Vormundschaft Einhalt zu thun, denselben zu Rede
zu stellen und, da er den Verdacht von sich abzuleinen nicht
vermögete, der Vormundschaft halber eine andere Vorsehung zu veranlassen, wobei
auf das schleunigste zu verfahren ist, damit die Waisen durch längeren Verzug
keinem größeren Schaden ausgesetzet bleiben.
[1, 6, § 7] 532. Doch solle alles dieses dem Vormund an
seiner Ehre und guten Leumuth nicht nachtheilig sein, noch auch dieserhalben
ein förmlicher Rechtsspruch wider dem Vormund geschöpfet werden, sondern es ist
an deme genug, daß einem Anderem die Vormundschaft aufgetragen, und unter Einem
der verdächtige Vormund ohne Erwähnung des Verdachts, sondern nur mit der
überhaupt lautenden Beziehung auf erhebliche Ursachen mittelst gerichtlicher
Auflage dahin angewiesen werde, dem neuen Vormund das Waisengut zu übergeben,
und seiner bisherigen Verwaltung halber die vollständige Richtigkeit zu
pflegen.
[1, 6, § 7] 533. Würde aber der Vormund nicht dabei beruhen
wollen, sondern sich an die höhere Gehörde verwenden, so sind ihme die wahre
Ursachen des Verdachts schriftlich zu bedeuten, und eben also dem höheren
Richter in dem abforderenden Bericht ohne Ruckhalt anzuzeigen, welches jedoch
dem Vormund an seiner Ehre noch keinen Nachtheil zuziehet.
[1, 6, § 7] 534. Nur in dem alleinigen Fall wird der Vormund
seiner Ehre verlustig, wann wider ihn wegen begangener Untreue und Gefährde in
dem schöpfenden Urtheil nebst der Entsetzung von der Vormundschaft auch
zugleich die Ehrlosigkeit ausdrücklich verhänget worden.
[1, 6, § 7] 535. Durch das Gesatz unmittelbar wird die
Vormundschaft an Seiten des Vormunds in zweien Fällen beendiget, als:
Erstens, wann von mehreren unter der Vormundschaft stehenden
Geschwisteren ein Bruder die Großjährigkeit erreichet, welchen Falls derselbe
über sein übriges noch minderjähriges Geschwister die Vormundschaft begehren
kann, durch welche Aenderung sie an Seiten des vorherigen Vormunds geendiget
wird.
[1, 6, § 7] 536. Zweitens, wann die Mutter, welche die
Vormundschaft über ihre Kinder erhalten hat, zur anderen Ehe schreitet, ohne
die Verwilligung solche beibehalten zu dürfen ausgewirket zu haben, wie es
bereits oben in §. II. geordnet worden.
[1, 6, § 7] 537. Aus Anordnung des Erblassers höret die
Vormundschaft an Seiten des Vormunds auf, wann der Erblasser in seinem letzten
Willen Jemanden nur bis auf eine gewisse Zeit, oder bis zum Erfolg oder Ausgang
einer beigesetzten Bedingniß zum Vormund benennet hat, die Zeit aber vorüber,
und die Bedingniß erfüllet oder erloschen ist.
[1, 6, § 7] 538. Wie immer aber die Vormundschaft beendiget
werde, so ist der Vormund oder dessen Erben allemal schuldig die Schlußraitung
in der ausgesetzten Zeit zu erlegen, und das Vermögen entweder dem
nachfolgenden Vormund, oder dem großjährig erklärten, oder auch noch
minderjährigen Waisen, wann derselbe in obigen beiden Fällen, da er entweder
nach erreichter Vogtbarkeit zu einer burgerlichen Nahrung oder Gewerb fähig
befunden worden, oder die Nachsicht des
(1-250) Alters erhalten hätte, aus der Vormundschaft
austritt, auf obervormundschaftliche Anordnung einzuantworten.
[1, 6, § 7] 539. Wann die Vormundschaft aus Anordnung des
Gesatzes oder des Erblassers aufhöret, oder der Vormund sonst eine rechtmäßige
Ursache hätte, seine Entbindung von der Vormundschaft anzuverlangen, so lieget
ihme ob, diesen Umstand bei der Vormundschaftgehörde gebührend anzuzeigen, und
um anderweite Bevormundung der Waisen anzuhalten, bis dahin aber die Verwaltung
fortzusetzen.
[1, 6, § 7] 540. Wann hingegen die Vormundschaftsgehörde, es
seie wegen übler Verwaltung, gegründeten Verdachts, oder wegen zugestoßener
Unfähigkeit, mit dem Vormund eine Aenderung zu treffen befindet, so muß von
derselben sogleich denen Waisen mit einem anderem tüchtigem Vormund vorgesehen
werden.
[1, 6, § 7] 541. Wo aber die Vormundschaft an Seiten der
Waisen durch deren erreichte Großjährigkeit, oder befundene Gewerbsfähigkeit
oder von Uns erwirkte Nachsicht des Alters gänzlich aufhöret, hat der Vormund
bis zu der von der Vormundschaftsgehörde anordnenden Einantwortung des
Vermögens die Verwaltung fortzuführen.
[1, 6, § 7] 542. Die von dem abtretenden Vormund
einbringende Schlußraitung solle allemal mit Zuziehung des antretenden
Vormunds, oder seines aus der Vormundschaft gänzlich ausgetretenen
Pflegbefohlenen aufgenommen und erlediget, wie auch die aus der verwalteten
Vormundschaft entstandene Sprüche und Gegensprüche zwischen dem abtretenden und
antretenden Vormund, oder einem für die Waisen eigens zu bestellen habenden
Rechtsvertreter, oder auch denen die eigene freie Schalt- und Waltung
überkommenden Pflegbefohlenen gerichtlich ausgeführet werden.
[1, 6, § 7] 543. Unmittelbar aber kann es zwischen dem
Vormund und seinen Pflegbefohlenen zu keinen Rechtssprüchen kommen, weilen
diese weder für sich selbst den Vormund belangen, noch von ihme belanget werden
können, sondern durch den nachfolgenden Vormund, oder einen nach Erforderniß
eigens zu bestellenden Rechtsobsorger, und durch die Vormundschaftsgehörde
selbst bis zu Erlangung der eigenen freien Verwaltung vertreten werden müssen.
[1, 6, § 7] 544. Die Einantwortung des Vermögens an die aus
der Vormundschaft
(1-251) Austretende hat allemal auf vorläufige gerichtliche
Verordnung, und zwar da, wo noch keine vormundschaftliche Raitung
vorhergegangen, nach der gerichtlichen Vermögensbeschreibung, ansonst aber nach
dem letzten gerichtlichen Endauszug zu geschehen, und muß beinebst Alles, was
seit deme zugewachsen und nach Abzug der Ausgaben übrig ist, nach Ausweis der
Schlußraitung überantwortet werden.
[1, 6, § 7] 545. Diese Einantwortung kann die
Vormundschaftsgehörde, wann auch kein Theil darum anhielte, nach vorläufiger
Großjährigkeitserklärung von amtswegen verordnen, und solle dieselbe wegen noch
nicht verfaßter oder erlegter Schlußraitung nicht aufgehalten, sondern das
Vermögen immittelst entweder nach der gerichtlichen Beschreibung oder nach dem
letzten Endauszug übergeben, und so die Uebergabe, wie die Uebernahme
inzwischen gegen einander bescheiniget, die Schlußraitung aber in der von dem
Tag der Großjährigkeitserklärung zu laufen habenden obausgemessenen Frist
ohnfehlbar erleget werden.
[1, 6, § 7] 546. Die einem aus der Vormundschaft
Ausgetretenen wider seinen gewesten Vormund zustehende Sprüche zielen
hauptsächlich auf Erlag der Raitungen und auf Erstattung alles dessen ab, was
demselben von seinem Vermögen annoch abgehet, oder aus Schuld des Vormunds
abgehen dörfte, und entweder in seiner Gestalt oder in seinem Werth sich bei
dem Vormund befindet, wie auch auf Ersetzung alles ihme durch des Vormunds
Gefährde, schwere oder geringe Schuld bereits zugestoßenen oder annoch zustoßen
mögenden erweislichen Schadens.
[1, 6, § 7] 547. Die Gegensprüche des gewesten Vormunds aber
gehen auf seine Entschädigung in Ansehung dessen, was er von dem Seinigen in
die Verwaltung erweislich einverwendet, und wessen Vergütung derselbe noch
nicht erhalten, oder was er aus der Verwaltung Schaden erlitten hat, wie auch
auf seine vollständige
(1-252) Entbindung von allen währender vormundschaftlicher
Verwaltung für seine Pflegbefohlene eingegangenen Verbindungen, ferners auf die
Erlassung der wegen der aufgehabten Vormundschaft geleisteten Sicherheit oder
Bürgschaft, und endlich auf eine gerichtliche Hauptquittung und Verzicht von
allen an ihme der verwalteten Vormundschaft halber gemachten oder weiters
machen mögenden Ansprüchen und Forderungen.
[1, 6, § 7] 548. In diese Sprüche und Gegensprüche kommt
jedoch nichts, was durch die vorherige zu Rechtskräften erwachsene gerichtliche
Endauszüge, wann solchen bereits vollständiges Genügen geleistet worden,
allschon behoben und abgethan ist, mit alleiniger Ausnahme deren oben erklärten
Vorbehaltsfällen, wegen welcher zu allen Zeiten die Richtigkeit von so einem,
wie dem anderen Theil geforderet werden kann.
[1, 6, § 7] 549. Außer diesen bleiben alle vorhin erhaltene
Raitscheine in ihrem Inhalt bei Kräften, und wirken in allem deme, was durch
den Endauszug richtig befunden und hernach erweislich richtiggestellet worden,
eine wahre und vollkommene Loszählung des darmit bescheinigten Vormunds.
[1, 6, § 7] 550. Gleichwie dahero der geweste Vormund
insgemein nur für Jenes Red und Antwort zu geben schuldig ist, was von Schluß
der letzten gerichtlich erledigten Rechnung vorgefallen, oder etwann in dem
darüber hinausgegebenen Endauszug zur weiteren Verantwortung oder Genugthuung
vorbehalten worden, also hat auch an Seiten des gewesten Vormunds auf Dasjenige
kein weiterer Anspruch statt, was ihme in denen vorigen Endauszügen oder sonst
durch richterliche Erkanntniß bereits bereits rechtskräftig abgesprochen, oder
von ihme in die vorige schon erledigte Raitungen bei damals bereits fürgewester
Gegenforderung einzubringen wissentlich unterlassen worden, wann nicht
vorbesagter Maßen ein- oder andererseits ein erweislicher Vorbehaltsfall
unterwaltet.
[1, 6, § 7] 551. Zur Habhaftwerdung des Vermögens nach
einmal gerichtlich angeordneter Einantwortung solle dem großjährig Erklärten
mit gerichtlichen Zwangsmitteln wider den saumseligen Vormund, oder wider
Jenen, bei weme immer sich etwas von diesem Vermögen ohne Ursach befindet,
verholfen und allenfalls auch derselbe mittelst Gerichtshilfe ohne Verschub in
den Besitz seiner Güter gesetzet werden.
[1, 6, § 7] 552. Desgleichen hat er zu Erhaltung des ihme
durch den gerichtlichen in Rechtskräften erwachsenen Endauszug zuerkannten
Ersatzes, dann aller ihme durch Saumsal des Vormunds verursachten Schäden und
Unkosten sich derjenigen Rechtsmitteln zu gebrauchen, welche zu Vollstreckung
deren Rechtssprüchen eingeführet sind.
[1, 6, § 7] 553. Der abtretende Vormund hingegen kann zur
Habhaftwerdung dessen, was ihme durch den zu Rechtskräften gediehenen,
gerichtlichen Endauszug zugesprochen worden, oder was er nach seiner
Schlußraitung annoch zu forderen hat, einen seiner Gegenforderung ausgemessenen
Betrag von dem verwalteten Vermögen bis zu seiner Befriedigung zuruckhalten.
Falls aber derselbe nicht so viel zuruckgehalten hätte, so
kann er das, was ihme zu seiner Schadloshaltung, oder an der
vormundschaftlichen Belohnung zuerkannt worden, so viel hieran noch ausständig
ist, durch gleichmäßige Rechtsmitteln ansuchen.
[1, 6, § 7] 554. Die Sprüche und Gegensprüche, welche
zwischen einem großjährig Erklärten und seinem gewesten Vormund bestehen,
gelangen demnach selten zu der Nothwendigkeit einer darüber ordentlich
auszuführen habenden Rechtstheidigung, sondern der über die erledigte
Schlußrechnung ausgefertigte gerichtliche Endauszug giebt schon Ziel und Maß,
was einem von dem anderen Theil zu erstatten seie.
[1, 6, § 7] 555. Nur allein bei sich ergebenden
Vorbehaltsfällen, welche nach allen
(1-253) erledigten Vormundschaftsraitungen hervorkommen,
kann eine ordentliche Rechtsführung zwischen dem großjährig Erklärten und
seinem gewesten Vormund platzgreifen, worinnen auch der Lauf Rechtens
keinerdings zu hemmen ist.
[1, 6, § 7] 556. Alle diese Sprüche und Gegensprüche
betreffen vornehmlich denjenigen Vormund, welcher die Vormundschaft verwaltet
hat, und wo solche von Mehreren verwaltet worden, auch Alle, welche die
Verwaltung geführet haben.
[1, 6, § 7] 557. Es ist aber in dem Fall, wo mehrere
Vormündere bestellet worden, der dreifache Unterschied zu beobachten, als
erstens, ob Alle zugleich die Vormundschaft ungetheilt
verwaltet haben, oder
andertens, ob die Verwaltung unter ihnen und von weme
getheilet, oder
drittens, ob solche von Einem oder Mehreren allein, von
denen Uebrigen aber nicht geführet worden.
[1, 6, § 7] 558. In dem ersten Fall sind Alle für Einen und
Einer für Alle denen an sie wegen der vormundschaftlichen Verwaltung machenden
Ansprüchen verfänglich, und stehet dem großjährig Erklärten frei, jedweden von
ihnen, welchen er will, um die Erstattung dessen, was sie ihme schuldig sind,
zu belangen, ohne daß der Belangte sich hierwegen auf die Anderen berufen oder
eine Theilung des schuldigen Ersatzes einwenden könne.
[1, 6, § 7] 559. Doch bleibet Demjenigen, welcher den Ersatz
geleistet, bevor, sich deswegen an denen Uebrigen für den dieselbe
mitbetreffenden Antheil mittelst einer besonderen Rechtsfertigung zu erholen.
Dahingegen ist auch der großjährig Erklärte Allen für ihre erweisliche
Gegensprüche gerecht zu werden schuldig.
[1, 6, § 7] 560. In dem zweiten Fall ist zu unterscheiden,
ob die Verwaltung von dem Erblasser oder von Gericht unter mehrere Vormündere
vertheilet, oder aber von ihnen selbst untereinander eigenmächtig abgesönderet
worden.
[1, 6, § 7] 561. Wann die Theilung von dem Erblasser oder
von Gericht geschehen, so stehet ein Jeder nur für dem
Antheil seiner Verwaltung, und kommen ihme auch nur insoweit seine Gegensprüche
zu statten. Dahingegen hat Keiner für dem Anderen zu haften, außer insoferne
Einer die üble Gebarung des Anderen wissentlich vertuschet, und in der Zeit bei
Gericht anzuzeigen unterlassen hätte, welchen Falls derselbe auch um das, was
an dem Schuldtragenden nicht erholet werden mag, belanget werden kann.
[1, 6, § 7] 562. Wo aber mehrere Vormündere die Verwaltung
unter sich eigenmächtig vertheilet hätten, so sind zwar Alle, wie in dem ersten
Fall verordnet worden, für den von deren Einem verursachten Schaden zu haften
verbunden.
Nichtsdestoweniger solle in diesem Fall vorerst Derjenige,
der hieran Schuld traget, hierum belanget, und was von ihme nicht erholet
werden kann, alsdann von ihnen dergestalten eingetrieben werden, daß nur ein
Jeder einen gleichen Antheil zu tragen habe, und was an diesem Antheil von
Einem nicht eingebracht werden mag, von denen Uebrigen anwiederum zu gleichen
Theilen ersetzet werde.
[1, 6, § 7] 563. In dem dritten Fall, wo die Verwaltung nur
von Einem oder Mehreren und nicht von Allen geführet worden, ist darauf zu
sehen, ob Allen zusammen oder nur Einem oder Einigen aus ihnen die Verwaltung
aufgetragen worden. Haben Alle den Auftrag erhalten, und sich Einige
eigenmächtig davon entzogen, so hat auch alles Dasjenige statt, was in dem
gleich vorhergehenden Fall der eigenmächtigen Vertheilung verordnet worden.
[1, 6, § 7] 564. Ist aber der Auftrag nur Einem oder Einigen
von ihnen geschehen, so haben nur die Verwaltenden und nicht auch die Anderen,
welche davon enthoben geblieben, Red und Antwort zu geben. Es wäre dann, daß
ihre Schuld entweder wegen Selbsteinmengung in die Verwaltung, oder wegen unterlassener
Anzeige der ihnen wohl bekannten Gebrechen des verwaltenden Vormunds mit
unterlaufe.
(1-254) [1, 6, § 7] 565. Für mitverwaltende Vormündere aber
sollen alle Diejenige gehalten werden, welche die Vormundschaftsrechnung mit
unterschrieben haben, ohne Unterschied, ob ihnen die Verwaltung aufgetragen
worden, oder dieselbe sich eigenmächtig darein gemischet haben.
[1, 6, § 7] 566. Auch bei Stattvormünderen und
vermeintlichen Vormünderen haben diese vormundschaftliche Sprüche und
Gegensprüche so, wie bei einem wahren Vormund statt.
Falsche Vormündere hingegen sind zwar denen Waisen
verfänglich, an diesen aber haben sie nur insoweit eine Gegenforderung, als
selbe mit ihrem Schaden erweislich bereicheret worden.
[1, 6, § 7] 567. Die Verbindlichkeit der Vormünderen gegen
die Waisen, sowie dieser gegen jene, gehet auch auf beiderseitige Erben, also,
daß die Erben des einen Theils dem anderen für das, zu deme ihr Erblasser
verbunden ware, nicht weniger gerecht werden müssen, als sie befugt sind,
Dasjenige, was der andere Theil ihrem Erblasser schuldig gewesen, von ihme oder
dessen Erben einzuforderen.
[1, 6, § 7] 568. Damit jedoch die Erben eines Vormunds mit
Recht zum Ersatz angehalten werden mögen, muß entweder die Gefährde oder
schwere Schuld ihres Erblassers erweislich, oder die Klage wider den
verstorbenen Vormund noch bei dessen Lebzeiten erhoben, oder der Mangel
ausgestellet worden sein, welchen Falls die Erben auch für dessen geringe oder
leichte Schuld zu haften haben.
[1, 6, § 7] 569. Endlich, wo der Ersatz weder von denen
Vormünderen, noch deren Erben zu erholen wäre, kann auch wider die
Vormundschaftsgehörde selbst die nachhilfliche Rechtsforderung bei dem höheren
Richter angestrenget werden.
[1, 6, § 7] 570. Zu dieser Rechtsforderung ist nothwendig, daß
erstens die wirklich erleidende Beschädigung,
zweitens, daß Kläger den Ersatz weder von dem gewesten
Vormund, noch von dessen Bürgen oder Erben, noch von jemandem Anderen erhalten
könne, und
drittens, die Gefährde, oder wenigstens schwere
Schuldtragung der Vormundschaftsgehörde rechtsbeständig erwiesen werde.
[1, 6, § 7] 571. Zur schweren Schuld wird gerechnet, wann
von derselben gar kein oder ein untüchtiger Vormund bestellet worden, wann sie
Gaben und Verehrungen von ihme angenommen, wann von ihme keine hinlängliche
Sicherheit, die er doch wohl hätte leisten können, geforderet, der wider ihn
hervorgebrochene gegründete Verdacht nicht untersuchet oder kein Einhalt
gethan, bei sich geäußerten großen Ruckstand auf die Richtigkeitspflegung oder
Sicherstellung nicht angedrungen, sondern längerhin nachgesehen worden, und was
sonst nach Erwägung der Umständen für eine schwere Schuld zu achten ist.
[1, 6, § 7] 572. Bei dergleichen erwiesenen Umständen ist
die Vormundschaftsgehörde zum Ersatz desjenigen daher entstandenen
Schadenbetrags zu verurtheilen, welcher von denen hieran unmittelbar
Schuldtragenden, ihren Bürgen und Erben nicht erholet werden kann.
[1, 6, § 7] 573. Dahingegen verbindet die geringe oder
leichte Schuld, wofür die Fahrlässigkeit in allzu genauer Beobachtung der
Vorgeschriebenen heilsamen Vorsichten oder des obervormundschaftlichen Amts
anzusehen ist, nur insoweit zu dem Ersatz, als solchen der höhere Richter nach
Erwägung der Umständen billig zu sein ermessen wird. Die geringste oder
leichteste Schuld aber ziehet gar keine
Verbindlichkeit nach sich, noch viel weniger ein zufällig erfolgter Schaden.
[1, 6, § 7] 574. Doch sind nur diejenige Mitglieder der
Vormundschaftsgehörde und deren Erben zur nachhilflichen Entschädigung
verbunden, welche an der Gefährde oder Schuldtragung Antheil haben, nicht aber
auch jene, welche entweder zu dieser Zeit gar nicht von diesem Mittel waren,
oder bei Veranlassung dessen, was zum
(1-255) Schaden der Waisen ausgeschlagen, nicht gegenwärtig
gewesen, oder sich ausdrücklich dagegen verwahret, oder wenigstens darzu nicht
mit eingestimmet haben.
[1, 6, § 7] 575. Auch deren Schuldigen Erben sind nicht
weiter verfänglich, als insoferne die Gefährde oder schwere Schuld ihrer
Erblasseren erweislich, oder wegen geringer Schuld die Klage schon bei ihren
Lebzeiten wider dieselbe erhoben worden.
[1, 6, § 7] 576. Diese nachhilfliche Rechtsforderung hat
aber nur in dem Fall statt, wann der Schaden von dem Vormund zugefüget worden
und sich dessen in keinerlei andere Wege erholet werden kann. Wo aber die
Vormundschaftsgehörde selbst den Schaden unmittelbar zugefüget hätte, als da
der Vormund von denen aus seiner erlegten Raitung hervorgekommenen Mängeln zur
Ungebühr losgesprochen, oder weniger als rechtmäßig gebühret hätte, zum Ersatz
anerkannt worden wäre, ist die Rechtsforderung aus übler Erkanntniß wider
dieselbe auf so viel, als dem Kläger andurch erweislich Unrecht geschehen,
anzustrengen.
[1, 6, § 7] 577. Wann es um Raitungserledigung, Sprüche oder
Gegensprüche zwischen Vormünderen und Denenjenigen zu thun ist, welche zwar
noch nicht großjährig sind, doch aber entweder von Uns die Nachsicht des Alters
erhalten haben, oder nach erreichter Vogtbarkeit zur burgerlichen Nahrung und
Gewerb fähig erkläret worden, so solle ihnen ein eigener Rechtsobsorger oder
Curator um sie dabei zu vertreten, und die vollständige Richtigkeit für sie zu
bewirken, beigegeben werden, welcher sodann nebst ihnen die Hauptquittung und
Verzicht auszustellen hat.
[1, 6, § 7] 578. Ansonst hat ein jeder für großjährig
Erklärter, deme sein Vermögen eingeantwortet wird, diese
Hauptverzichts-Quittung nach gänzlich hergestellter Richtigkeit für sich allein
auszustellen, und, wann damit verweilet würde, kann auf Anlangen des gewesten
Vormunds und allenfalls auch von amtswegen darauf gedrungen werden.
[1, 6, § 7] 579. Diese Verzicht auf alle weitere Ansprüche
und Forderungen der verwalteten Vormundschaft halber solle allemal persönlich
vor Gericht und in Beisein des gewesten Vormunds oder eines von diesem darzu
eigends bevollmächtigten Anwalts geschehen, die ausgestellte Hauptquittung
allda vorgelesen, von dem Quittirenden sich hierzu ausdrücklich bekennet, und
alsdann da, wo es zur Entbindung von der bestellten Sicherheit oder sonst noch
nöthig ist, eingetragen und vorgemerket, und sonach dem gewesten Vormund
zugestellet werden.
[1, 6, § 7] 580. Wann aber der Quittirende aus erheblichen
Ursachen hierzu persönlich nicht erscheinen könnte, so kann auch auf Anzeige
der Ehehaften die Verzicht durch einen von ihme eigends darzu Bevollmächtigten
mit denen in drittem Theil zu derlei gerichtlichen Bekanntnissen
vorgeschriebenen Feierlichkeiten bei Gericht vorgenommen, und da, wo nöthig,
sammt der ausgestellten Vollmacht eingetragen werden.
[1, 6, § 7] 581. Diese Urkunde solle nicht allein die
Bescheinigung und Quittirung des gewesten Vormunds über die vollständige
Uebergabe des bis dahin von ihme verwalteten Vermögens, und über die gänzliche
Genugthuung für alles das, was derselbe laut des über seine vormundschaftliche
Schlußraitung verfaßten Endauszugs zu erstatten gehabt, sondern auch beinebst
die Verzicht auf alle weitere Ansprüche, folglich dessen Loszählung von der
ferneren Verantwortung und die Ablassung von der bestellten Sicherheit
enthalten.
[1, 6, § 7] 582. Auf gleiche Weise müssen auch bei
vorfallender Aenderung der Vormundschaft die abtretende
von denen nachfolgenden Vormünderen, wie nicht weniger die Erben eines
verstorbenen Vormunds zu ihrer Entledigung losgesprochen werden.
[1, 6, § 7] 583. Dann nach Einantwortung des Vermögens, sie
geschehe an den aus der Vormundschaft austretenden Pflegbefohlenen, dessen
Erben, oder den nachfolgenden Vormund, wird der abtretende Vormund von aller
weiterer Gefahr entbunden,
(1-256) und hat jener, deme die Einantwortung geschieht, nebst
der übernehmenden Gefahr auch alle Rechten und Gerechtigkeiten von dieser Zeit
an zu besorgen, folglich auch allen in Namen der fürgewesten Vormundschaft
eingegangenen Verbindungen Genüge zu thun, ohne daß der abgetretene Vormund
wegen der unter seiner Verwaltung vorgegangenen Handlungen Jemanden besprechen
oder von Anderen hierwegen besprochen werden könne.
[1, 6, § 7] 584. Er habe sich dann für seine Person gegen
Jemanden zu etwas verbindlich gemacht, und es wäre bei Erledigung der
Schlußraitung ihn von solcher Verbindung nicht zu entheben befunden worden,
aber es käme ihme die Wiederholung des ihme zu leisten auferlegten Ersatzes an
Anderen zu statten.
[1, 6, § 7] 585. Außer deme entbindet vorbemelte
Hauptverzichts-Quittung auch alle Andere, denen wegen deren mit dem gewesten
Vormund vorgegangenen Handlungen daran gelegen ist, und solle unter keinerlei
Vorwand mit alleiniger Ausnahme deren Vorbehaltsfällen etwas darwider zu regen
gestattet sein.
[1, 6, § 7] 586. Auch solle wider dergleichen Verzicht seine
Herstellung in den vorigen Stand unter dem alleinigen Vorwand der damaligen
Minderjährigkeit angesuchet werden können.
Wiewohlen Wir Uns übrigens allerdings vorbehalten, einem
dadurch erweislich zu Schaden Gekommenen aus unterwaltenden besonderen Umständen,
wann Uns solche behörig vorgestellet werden, derlei Herstellung in vorigen
Stand aus Unserer landesfürstlicher Machtsvollkommenheit angedeihen zu lassen.
§. VIII.
[1, 6, § 8] 587. Der einmal nach erreichten gesetzmäßigen
Jahren, oder von Uns erwirkter Nachsicht des Alters aus der Vormundschaft
ausgetreten, fällt in dieselbe nicht mehr zurück. wann er gleich seinen Sachen
selbst vorzustehen unfähig.
(1-257) oder verhindert wird, sondern derlei Personen sind
eigenen Obsorgere oder Curatores zu ihrer Vertretung und Verwaltung ihres Guts
zu bestellen.
[1, 6, § 8] 588. Diese Obsorgere oder Curatores kommen mit
denen Vormünderen oder Gerhaben in ihren Amtsbefugnissen und Verbindlichkeiten
fast durchaus überein, und wann jene Obsorgere, die besonders nur zu gewissen
einzlen Handlungen bestellet sind, ausgenommen werden, so sind die übrigen von
denen Vormünderen nur dem Namen nach unterschieden.
[1, 6, § 8] 589. Die Bestellung eines Obsorgers erforderet
demnach allemal entweder an Seiten dessen, deme ein solcher bestellet wird, die
Unfähigkeit oder Verhinderniß, seinen Sachen selbst vorstehen zu können, oder
die Nothwendigkeit einer rechtlichen Vorsehung in Fällen, wo es um ein Gut zu
thun ist, welches noch keinen bestimmten Eigenthümer hat, oder in Sicherheit gebracht
werden muß, oder wo es in einzlen Vorfällen um das Recht solcher Personen zu
thun ist, welche weder sich selbst vertreten, noch durch ihre ordentliche
Vertretere wegen Theilnehmung an der fürgehenden Handlung dabei vertreten
werden können, oder endlich, wo es um eine landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Auslöschung einer schon getilgten Haftung zu thun ist, welche
von Jenem der sie zu bewirken schuldig wäre, nicht befolget werden kann oder
will.
[1, 6, § 8] 590. Die Untüchtigkeit seinen Sachen selbst
vorzustehen, rühret entweder von der Gemüths- oder Leibesgebrechlichkeit, oder
von der unmäßigen Neigung zur Verschwendung des Seinigen her.
[1, 6, § 8] 591. Unter denen Gebrechlichen werden alle
Blödsinnige, Sinnlose, Unsinnige, Wahn- oder Aberwitzige, Rasende, Stumme und
Taube, Blinde und fortwürig preßhafte Menschen verstanden, welche aus Mangel
der gesunden Vernunft oder wegen Mühseligkeit und Leibesschwachheit außer
Stande sind, ihre Habschaften und Gerechtsame selbst zu besorgen, oder durch andere
von ihnen darzu Gestellte besorgen zu lassen.
[1, 6, § 8] 592. Derlei gebrechlichen Leuten sind Obsorgere
zu bestellen, welche für ihre Verpflegung sorgen und ihr Vermögen getreulich
verwalten sollen, und dieses ohne Unterschied, ob sie aus Zufall oder ihrer
selbsteigenen Schuld in solche mißliche Umstände gerathen sind.
[1, 6, § 8] 593. Wo aber Jemand noch währender
Minderjährigkeit und der über ihn fortdauernden Vormundschaft mit einer
dergleichen Gebrechlichkeit befallen würde, wird nach erreichter Großjährigkeit
die Vormundschaft in eine Curatel verwandlet.
(1-258) [1, 6, § 8] 594. Doch muß eine so beschaffene
Gemüths- und Leibesgebrechlichkeit allemal vorhero wohl untersuchet und
befunden worden sein, daß ein solcher ganz und gar zur selbsteigenen Verwaltung
unfähig seie.
Widrigens kann keinem Großjährigen wider seinen Willen die
eigene freie Schalt- und Waltung benommen werden.
[1, 6, § 8] 595. Also bedarf jener Blödsinnige keines
Obsorgers, der von Zeit zu Zeit dergestalten zu sich kommt, daß er mit dem
Seinigem vernünftig ordnen und sein Vermögen mit Beihilf anderer sich wählender
Personen auch für die Zeit des ihme zustoßenden Uebels verwalten könne.
[1, 6, § 8] 596. Ebensowenig hat ein mit Leibesgebrechen
Behafteter einen Obsorger nöthig, wann er, obschon der Sprache, des Gehörs oder
Gesichts beraubet, oder stets liegerhaft, jegleichwohlen von dem Stand seiner
Geschäften und Habschaften durch schriftliche oder mündliche Berichte, obgleich
mit einiger Beschwerniß, von Anderen Kundschaft einziehen, seinen Willen
darüber vernünftig erklären und das Nöthige durch Andere vorkehren kann.
[1, 6, § 8] 597. Es hanget dahero allemal von dem
richterlichen Ermessen derjenigen Gehörde ab, deren Gerichtsbarkeit der
Blödsinnige oder Gebrechliche unterstehet, ob in Erwägung aller fürwaltenden
Umständen nothwendig seie, Jemanden, der schon großjährig ist, wegen
Blödsinnigkeit oder Gebrechlichkeit für unfähig zur selbsteigenen Verwaltung
seines Vermögens zu erklären, und ihme einen Obsorger zu bestellen.
[1, 6, § 8] 598. Es wäre dann, daß der Blödsinnige in der
vernünftigen Zwischenzeit, oder der Gebrechliche aus eigener Erkanntniß seiner
Schwachheit zur Sicherheit seines Vermögens selbst darum anhielte, oder darein
willigete, welchen Falls kein weiteres Bedenken zu tragen ist.
[1, 6, § 8] 599. Diese Gattung der Obsorge kommt mit der
Vormundschaft auch in deme überein, daß ein Vater seinen blödsinnigen oder
gebrechlichen Kindern in seinem letzten Willen einen
Obsorger bestellen könne, und solle, wann dieser nothwendig zu sein befunden
wird, von der Auswahl des Vaters nicht leicht abgegangen werden.
[1, 6, § 8] 600. Nicht weniger gebühret diese Obsorge
vorzüglich denen nächsten Verwandten, welche auch vor Anderen darzu angehalten
werden sollen, wie dann Jedermann, deme sie gerichtlich aufgetragen wird,
solche auf sich zu nehmen, oder hinlängliche Entschuldigungsursachen, welche
bereits oben bei der Vormundschaft erkläret worden, beizubringen schuldig ist.
[1, 6, § 8] 601. Derlei Obsorgere oder Curatores haben alles
Dasjenige zu beobachten, was oben von Vormünderen wegen der Antretung und dabei
vorgeschriebenen Erfordernissen, Verwaltung und alljähriger Raitlegung geordnet
worden, wogegen aber auch ihnen eine gleichmäßige Belohnung, wie denen
Vormünderen zu statten kommen solle.
[1, 6, § 8] 602. Diese Curatel, wann sonst wegen Todsfall,
Untauglichkeit, Entschuldigung oder Verdachts keine Aenderung zu machen nöthig
ist, hat so lange zu daueren, als die Blödsinnigkeit oder Gebrechlichkeit
fürwähret.
[1, 6, § 8] 603. Wann aber der Blödsinnige zur Vernunft gelanget oder der Gebrechliche geneset, hat die Curatel ihr
Ende, und muß alsdann in Ansehung der Schlußraitung und beiderseitiger
Richtigkeitspflegung alles Dasjenige beobachtet werden, was bei Endigung der
Vormundschaft angeordnet worden.
[1, 6, § 8] 604. Doch solle die Curatel nicht ehender
aufgehoben werden, als bis es entweder kundbar oder genugsam erwiesen seie, daß
der Pflegbefohlene den Gebrauch seiner Vernunft, oder die Gesundheit wieder
erlanget habe, und daß nach Urtheil der Aerzten die Wiedergenesung dauerhaft zu
sein befunden werde.
(1-259) [1, 6, § 8] 605. Blödsinnigen kommen Verschwendere
zum nächsten bei, welche muthwilliger Weise ihr Vermögen versplitteren, und in
unnützen Ausgaben kein Ziel
(1-260) nach Maß halten, folglich eben andurch dem Ihrigen
selbst vorzustehen sich unfähig machen.
[1, 6, § 8] 606. Es erforderet demnach der gemeine
Wohlstand, damit der Unwirthschaft derlei Leuten behöriger Einhalt geschehe,
und sie eben also, wie andere, zur eigenen Verwaltung untaugliche Personen von
derjenigen Gehörde, welcher sie untergeben sind, mit Obsorgeren oder Curatoren
versehen werden.
[1, 6, § 8] 607. Niemand aber solle aus bloßen Vermuthungen
für einen Verschwender gehalten, sondern, wo sich bei Jemanden Kennzeichen
einer üblen Wirthschaft oder Verminderung seines Vermögens aus vielen unnützen
Aufwand, unmäßiger Freigebigkeit, vernachlässigter Wirthschaft, muthwilliger
Einschuldigung und Versplitterung seiner Habschaften, oder aus sonst anderen
Umständen äußereten, und von der Freundschaft oder Anderen, denen an Erhaltung
seines Vermögens gelegen ist, angegeben oder auch sonst von der Gehörde selbst
bemerket würden, solchen Falls eine besondere Aufmerksamkeit auf sein Betragen
gerichtet, und ohnverlängt auf den Grund der Sachen zu kommen getrachtet
werden.
[1, 6, § 8] 608. Zu diesem Ende sind alle angebrachte
Umstände unter der Hand zu untersuchen, die übermäßig scheinende Ausgaben mit
denen Kräften des Vermögens, wahrscheinlichen anderweiten Verdienst, und der
befindenden Nothdurft oder Wohlstand zusammenzuhalten, sofort aber, wann daraus
die vermuthete Verschwendung noch mehr bestärket würde, der angegebene
Verschwender in geheim vor Gericht fürzuforderen und zur getreulichen Anzeige
seines Vermögens und Schuldenstandes anzuhalten.
[1, 6, § 8] 609. Würde aber dieser Verdacht von ihm
genüglich abgeleinet, oder die Unwirthschaft nicht sehr beträchtlich befunden,
so kann es dabei, und zwar gestalter Dingen nach mit ernstlicher Ermahnung zur
besseren Wirthschaft und Vermeidung weiteren Verdachts sein Bewenden haben.
[1, 6, § 8] 610. Wann hingegen die Anzeigen der
Verschwendung von ihme nicht abgeleinet würden, oder auch sein eigentlicher
Vermögen- und Schuldenstand nicht getreulich veroffenbaret werden wollte, so
ist nicht zuzuwarten, bis sein Zahlungsstand zweifelhaft werde, sondern ihme
nebst nachdrucksamer Erinnerung eine verläßliche Anzeige seines Vermögen- und
Schuldenstandes binnen einer kurzen Frist aufzuerlegen, und inzwischen auch auf
sein Betragen genau obacht zu geben.
[1, 6, § 8] 611. Zu dieser Absicht solle ihme ein vertrauter
Mann, welcher auf sein Thun und Lassen acht habe, und auf allmaliges Erforderen
von dem zu- oder abnehmenden Wirthschaftsstand Nachricht ertheilen könne, an
die Seite gestellet, anbei aber alle böse Rathgebere und zur Verschwendung
verleitende Personen hintangehalten, und überhaupt solche von dem richterlichen
Befund abhangende Maßregeln genommen werden, wodurch der Endzweck einer
wirthschaftlichen Gebarung erreichet, dabei aber der Wohlstand auch nicht
verletzt werde.
[1, 6, § 8] 612. Fruchtete aber alles dieses nicht, oder es
äußerete sich gleich anfangs eine Gefahr ob dem Verzug, so solle einem solchen
in der That befundenen Verschwender ohne Aufschub ein Obsorger bestellet,
diesem die Verwaltung des Vermögens gerichtlich aufgetragen, und solches anbei
auf eine zum wenigsten
(1-261) verkleinerlich fallende Art mit dem Verbot
öffentlich kundgemacht werden, daß Niemand dem Pflegbefohlenen Geld oder
Geldswerth zu borgen, oder sich in andere zur Beschwerung oder Veräußerung
seines Vermögens gereichende Handlungen mit demselben ohne Zuthat seines
Obsorgers, und ohne allenfalls nöthiger gerichtlicher Verwilligung bei
Nichtigkeit der Handlung und gleichmäßiger Bestrafung, welche oben bei Minderjährigen
verhänget worden, einzulassen unterfangen solle.
[1, 6, § 8] 613. Doch ist bei höheren Standspersonen mit
Bestellung eines Obsorgers und vorgedachter öffentlicher Kundmachung ohne
Unserem höchsten Vorwissen nicht fürzugeben, sondern der Vorfall Uns vorhero
einzuberichten, und Unsere darauf erfolgende höchste Entschließung abzuwarten.
[1, 6, § 8] 614. Diese Vorkehrung hat die Wirkung, daß der
Pflegbefohlene der eigenen Verwaltung seines Vermögens andurch entsetzet werde,
und ohne Einwilligung des Obsorgers nichts davon veräußeren, verpfänden,
beschweren, noch einige zu dessen Verminderung gereichende Handlungen mit
Anderen eingehen könne.
[1, 6, § 8] 615. Zu diesem Ende muß dem bestellten Obsorger
das gesammte Vermögen des Pflegbefohlenen zur Verwaltung eingeantwortet, die
nachgesetzte zur Verwaltung nöthige Beamten in allen ihren Amtshandlungen an
den Obsorger angewiesen, und ihme die Macht, solche nach Befund, jedoch in
Ansehung deren Vornehmeren nicht anderst, als mit gerichtlicher Genehmhaltung,
abänderen zu können eingeraumet werden.
[1, 6, § 8] 616. Wir gestatten jedoch dem Pflegbefohlenen,
daß die zu seinem ohnentbehrlichen Gebrauch benöthigte Habschaften auf seine
davon zu machen habende Anzeige nach Ermessen der Gehörde von der Verwaltung
des Obsorgers ausgenommen, annebst aber ihme ein gewisser jährlicher Betrag zu
seinem Unterhalt ausgeworfen werde, mit welchem sich derselbe begnügen, und in
die Verwaltung seines Vermögens gar nicht einmischen, noch weniger den Obsorger
darinnen auf einigerlei Weise behinderen, sondern gegentheils dieser ausgiebig
dabei geschützet werden solle.
[1, 6, § 8] 617. Derlei Pflegbefohlene werden in Ansehen
ihrer Handlungen und Verbindungen denen Minderjährigen vollkommen gleich
geachtet, außer daß selbe zur Verehelichung die Einwilligung des Obsorgers,
oder des Gerichts nicht nöthig haben, obschon der errichtende Heirathsbrief zu
seiner Giltigkeit die gerichtliche Genehmhaltung erforderet.
[1, 6, § 8] 618. Uebrigens ist sich in Ansehung dieser
Curatel, deren Antretung, Verwaltung, Raitungslegung und was dahin einschlägt,
nach denen bei der Vormundschaft vorgeschriebenen Maßregeln zu achten.
[1, 6, § 8] 619. Doch solle die Auswahl eines Obsorgers
(wovon sich Niemand anderer gestalt, als aus denen oben bei Vormundschaften
erklärten rechtmäßigen Entschuldigungsursachen entledigen kann) die
Nothwendigkeit sowohl einer gerichtlichen Beschreibung, als der Verbürgung, die
eidliche Verstrickung und die Ausmessung der Belohnung nach Beschaffenheit der
Umständen dem gerichtlichen Ermessen vorbehalten sein, wie dann statt der
gerichtlichen Vermögensbeschreibung in Fällen, wo der Zahlungsstand
ungezweiflet ist, eine gerichtliche Uebergabs- und Uebernahmverzeichniß
hinlänglich ist.
[1, 6, § 8] 620. Desgleichen wird diese Curatel eben also,
wie die Vormundschaft geendigt.
Insonderheit aber erreichet dieselbe ihr Ende, wann der
Pflegbefohlene verläßliche Anzeigen einer besseren Wirthschaft giebt, welche
bei höheren Standespersonen Uns zu Verfügung des Weiteren einzuberichten, bei
Leuten niederen Standes hingegen von der Gehörde selbst wohl zu erwägen sind.
[1, 6, § 8] 621. Wird nun von der Gehörde befunden, daß dem
Pflegbefohlenen sein Vermögen zur eigenen freien Verwaltung anwiederum
eingeraumet, und mit
(1-262) Aufhebung sowohl der Curatel als des Verbots der
Einschuldigung fürgegangen werden könne, so solle ein solches zu Jedermanns
Wissenschaft gleicher gestalt öffentlich kundgemacht werden.
[1, 6, § 8] 622. Nach aufgehobener Curatel hat wegen
Erledigung der Schlußraitung, Sprüchen und Gegensprüchen alles Dasjenige statt,
was in gleichem Fall bei Beendigung der Vormundschaft geordnet worden.
Doch haben die Gehörden auf die weitere Aufführung eines
solchen von der Curatel losgesprochenen Pflegbefohlenen ein wachsames Aug zu
tragen, damit er nicht wiederum in die vorige üble Wirthschaft verfalle.
[1, 6, § 8] 623. Wobei insonderheit darauf acht zu geben
ist, daß derselbe nicht etwan neue Schulden mache, oder die währendem Verbot in
geheim gemachte bezahle, oder durch Neuerung bestätige, bei dessen Wahrnehmung
sogleich zu denen vorigen Einhaltsmitteln geschritten, und vornehmlich gegen
Diejenige, die sich währender Curatel haben gelüsten lassen, dem
Pflegbefohlenen Geld oder Waaren zuwider dem Verbot zu borgen, wann sie auch
nach Aufhebung der Curatel die Zahlung wie immer erschlichen hätten, mit denen
auf verbotene Geldborgungen oben ausgesetzten Strafen unnachsichtlich
fürgegangen, dabei aber ein mit unterlaufender Wucher oder andere Gefährde noch
über das an denen Wuchereren und verführerischen Geldzubringeren nach aller
Strenge Unserer Gesetzen bestrafet werden solle.
[1, 6, § 8] 624. Welches sich jedoch auf die vor dem
kundgemachten Verbot oder nach Aufhebung desselben aufrecht und ohne Wucher
oder Gefährde gemachte Schulden nicht erstrecket, sondern diese sind allerdings
zu bezahlen, wann denenselben sonst nichts entgegen stehet.
[1, 6, § 8] 625. Wann hingegen Jemandens Verschwendung
offenbar und von ihme keine Besserung zu hoffen ist, auch ein so großer Verfall
des Vermögens wahrgenommen wird, daß die Zahlungsunfähigkeit besorget werde, so
solle solchen Falls nicht angestanden werden, denselben ohne weiteren Unweg (!)
für einen Verschwender gerichtlich erklären, ihme die Verwaltung zu benehmen,
einen Obsorger zu bestellen, die weitere Einschuldung und Verbindung zu
verbieten, und alles dieses nebst der gerichtlichen Verschwendungserklärung zu
Jedermanns Warnigung öffentlich kund zu machen.
[1, 6, § 8] 626. Derlei gerichtlich erklärte Verschwendere
verlieren über das nach Ausmessung dessen, was davon oben in eilftem Capitel,
erstem Artikel, §. II. geordnet worden, die Macht und Fähigkeit letztwillig zu
ordnen.
Wo aber bei hervorbrechender Zahlungsunfähigkeit ein Auflauf
der Glaubigeren entstünde, kommt es von dieser Gattung der Curatel ab, und ist
dagegen zum Besten der Glaubigeren ein Vermögensobsorger zu bestellen, von
welcherlei Fällen und wie derlei sich muthwillig außer Zahlungstand setzende
und ihre treuherzige Glaubigere hintergehende Schuldnere zu bestrafen sind,
seines Orts mit Mehreren gehandelt werden wird.
[1, 6, § 8] 627. Außer vorangezeigten Fällen der eigenen
Unfähigkeit seinen Sachen
(1-263) selbst vorstehen zu können, giebt es noch andere,
worinnen die Bestellung eines Obsorgers zur Vertretung gewisser Personen, Güter
oder Rechten nöthig ist.
[1, 6, § 8] 628. Ein dergleichen Fall ergiebt sich bei
Jemandens Abwesenheit, der zwar sonst die freie Schalt- und Waltung mit dem
Seinigen, doch aber zu dessen Besorgung Niemanden zurückgelassen hat, folglich
dessen Gut einer Benachtheiligung bloßgestellet ist, oder dessen Rechten,
weilen sie von Niemanden vertreten werden, ein Abbruch und Verkürzung geschehen
könnte.
[1, 6, § 8] 629. Um also allem ihme hieraus widerfahren
mögenden Schaden vorzubeugen, solle einem Abwesenden bei vorfallender
Nothdurft, wann entweder dessen Aufenthalt unbekannt, oder die Entfernung
allzuweit ist, oder die Unverschieblichkeit des Vorfalls keinen Verzug
gestattet, und derselbe entweder keinen bestellten Sachwalter zurückgelassen
hätte, oder dieser mit Tod abgegangen oder unfähig worden wäre, zu seiner
Verwaltung ein Obsorger bestellet werden.
[1, 6, § 8] 630. Diesem liegt anförderist ob, den Ort des
Aufenthalts seines Pflegbefohlenen, wo möglich, zu erforschen, ihme von deme,
was in Ansehen seiner Güter oder Rechten vorfällt, Nachricht zu geben, und die
Nothwendigkeit, daß er entweder selbst zurückkomme, oder einen genugsam
bevollmächtigten Sachwalter bestelle, zu erinneren.
[1, 6, § 8] 631. Den in Erfahrniß gebrachten Aufenthalt
desselben hat er sofort der Gehörde anzuzeigen, damit, wenn es nöthig befunden
würde, derselbe nach Gestalt der Sachen abgerufen oder ordentlich fürgeladen,
und bei Nichterscheinen gegen ihme, wie Rechtens, verfahren werden könne.
[1, 6, § 8] 632. Inzwischen ist der bestellte Obsorger die
Curatel, falls er nichts Erhebliches zu seiner Entschuldigung einzuwenden hat,
auf sich zu nehmen und selbe, wann sie nicht etwan eine einzle Sache oder Recht
beträfe, nach vorläufiger gerichtlicher Beschreibung auch allenfalls nöthig
findender Verbürgung und Einantwortung der Güter und Habschaften anzutreten,
dann nach der Sache oder rechten Eigenschaft getreulich zu verwalten schuldig.
[1, 6, § 8] 633. Würde der Pflegbefohlene länger ausbleiben,
so hat auch der Curator über die Einnahme und Ausgabe jährliche Raitung zu
legen, sich der Raithandlung und Allem, was deme anhängig, zu unterziehen,
sodann aber bei erfolgender Rückkehr des Abwesenden oder nach dessen Absterben
und Hervortretung der rechtmäßigen Erben die aus seiner Verwaltung herrührende
und bis dahin noch nicht gerichtlich abgethane Sprüche und Gegensprüche mit
ihme oder dessen Erben auszuführen.
[1, 6, § 8] 634. Wie dann überhaupt bei allen Curatelen,
welche mit der Verwaltung eines in mehrerlei Sachen oder Rechten bestehenden
Vermögens verknüpfet sind, all jenes, was oben von Vormundschaft geordnet
worden, beobachtet werden, und nur allein die Ausmessung der Belohnung von dem
richterlichen Befund mit Rücksicht auf die mehrere oder mindere Mühewaltung des
Curators abhangen solle.
(1-264) [1, 6, § 8] 635. Von dieser Art sind jene Obsorgere,
welche über die Habschaften Zahlflüchtiger oder über Verlassenschaften
verstorbener Schuldner zum Besten der Glaubiger, oder über ein strittiges Gut
oder Erbschaft bis zu Ausgang des Rechtsstritts, oder zur Vertretung der
Leibesfrucht einer schwanger hinterlassenen Wittib, und in dieser Absicht zur
mittlerweiligen Verwaltung des ganzen Vermögens oder eines Theils desselben,
oder zur Besorgung einiger Erbschaften oder Vermächtnissen, worzu sich noch
Niemand gemeldet oder sein Erbrecht genugsam ausgewiesen hat, oder welche aus
anderen Ursachen denen Erbsnehmeren zur Zeit noch nicht eingeantwortet werden
können, bestellet werden.
[1, 6, § 8] 636. Eine ganze andere Beschaffenheit aber hat
es mit denen zu einzlen Sachen, Handlungen oder Rechten bestellten Obsorgeren,
welchen nichts zur Verwaltung anvertrauet wird, als z. B. bei Erbtheilungen,
Verkäufen, Nachlassung eines Rechts oder Verbindlichkeit, oder zur
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Ausquittirung, oder endlich in
Rechtsführungen an Seiten des Klägers oder Beklagten.
[1, 6, § 8] 637. Welcherlei Fälle sich verschiedentlich auch
in Ansehung solcher Personen, die bereits einen Vertreter, als z. B. den Vater,
in dessen Gewalt sie befindlich sind, oder den Vormund, oder einen
anderweitigen Obsorger haben, ereignen können.
[1, 6, § 8] 638. Dann allemal, wann ein Rechtshandel oder
auch eine außergerichtliche Gewinn oder Verlust nach sich ziehende Handlung
Denjenigen, welcher Jemanden hierbei von amtswegen zu vertreten hätte,
unmittelbar oder mittelbar zugleich mit angehet, solle dem zu vertreten
habenden Pflegebefohlenen ein eigener Obsorger, der ihn hierbei vertrete,
bestellet werden.
[1, 6, § 8] 639. Nicht weniger, da Jemand in einem solchem
Handel mehrere pflegebefohlene Personen gegeneinander zu vertreten hätte, ist
jederzeit deren Jedweder ein eigener Obsorger zu bestellen; jener aber, deme
die Vertretung sonst obliegete, hat sich in derlei Fällen der Vertretung sowohl
des Einen, als des Anderen zu enthalten, damit aller Anlaß einer Vorliebe und
Parteilichkeit vermieden werde, wie schon anderwärts davon geordnet ist.
[1, 6, § 8] 640. In allen diesen und dergleichen Fällen,
wobei keine zur ordentlichen Verrechnung verbindende Verwaltung mit
unterlaufet, bestehet das Amt und die Schuldigkeit des Obsorgers lediglich in
deme, daß er das Geschäft, welches ihme anvertrauet wird, zu Handen des dabei
zu vertreten Habenden getreu und fleißig handle, und sich diesfalls nichts zu
Schulden gehen lasse, noch weniger einer Gefährde unterfange.
Dahingegen er auch vollständig schadlos gehalten und ihme
nach richterlichem Befund eine billige Belohnung für seine Mühe ausgemessen
werden solle.
(1-265) Caput VII.
Von Dienstleuten.
Inhalt:
§. I. Von der Schuldigkeit der Dienstleuten.
§. II. Von der Gegenverbindlichkeit des Herrn. §. III. Von der Verbindlichkeit
der unter Raitung stehenden Bedienten und Beamten insonderheit. §. IV. Von dem
Recht des Herrn wider unverraitete Diener.
§. I.
[1, 7, § 1] Num. 1. Bishero ist von jenen Personen gehandlet
worden, welche unmittelbar zu dem Hausstand gehören und deren daher fließenden
Rechten theilhaftig werden. Nun erübriget annoch von Dienstleuten zu handlen,
die zwar eigentlich an denen Rechten des Hausstandes keinen Theil haben, doch aber
insoweit bei der häuslichen Gesellschaft in Betrachtung kommen, als das
häusliche Wesen ohne denenselben nicht wohl bestritten werden mag.
(1-266) [1, 7, § 1] 2. Das Band, welches sie an die
häusliche Gesellschaft knüpfet, bestehet in einem ausdrücklichen oder
stillschweigenden Beding, wodurch dieselbe sich in die Dienste verdingen und in
solche aufgedungen werden.
[1, 7, § 1] 3. Aus diesem Beding werden alle Rechten und
Schuldigkeiten zwischen dem Herrn und seinen Dienstleuten abgeleitet, welche
entweder allgemein sind und allen Herren und Dienstleuten überhaupt ohne
Unterschied der bekleidenden Bedienstung unter einander zustehen, oder sie sind
einer jedweden Bedienstung nach Gestalt der ihr anklebenden verschiedenen
Verrichtungen insonderheit angemessen.
[1, 7, § 1] 4. Diese Letztere erhalten ihre Bestimmung aus
der Verschiedenheit deren zwischen Herren und Dienenden eingegangenen Bedingen,
aus der Eigenschaft der Dienenden, und aus der Beschaffenheit der manchfältigen
Verrichtungen und Geschäften, welche entweder der Dienst oder das Amt in seiner
Art erheischet, oder besonders aufgetragen werden.
[1, 7, § 1] 5. Sie können dahero wegen ganz unbeschränkter
Manchfaltigkeit menschlicher Bedürfnissen, Wohlstands und Gemächlichkeit, ja
auch bloßer Willkür, aus deren Antrieb so verschiedene Dienstleuten in dem
gesellschaftlichen Leben aufgenommen zu werden pflegen, in einer eigenen
Abhandlung nicht erschöpfet werden.
[1, 7, § 1] 6. Ueberhaupt aber lassen sich Dienstleute in
zwei Hauptgattungen eintheilen, als Eine, welche außer ihrer besonderer
Amtsschuldigkeit zu nichts Mehreren, als an die allen Dienenden insgesammt
zukommende allgemeine Dienstpflichten gebunden sind, und die Anderen, welche
noch besonders das ihnen zur Verwaltung anvertraute Gut ihres Herrn zu
verrechnen haben und somit unter Raitung stehen.
[1, 7, § 1] 7. Nach diesem Unterschied wird in gegenwärtigen
Capitel in denen zweien ersteren §§. vorher von allen Dienstleuten überhaupt,
hernach aber in denen folgenden zweien §§. von denen unter Raitung stehenden
Bedienten und Beamten insonderheit gehandlet.
[1, 7, § 1] 8. Die allgemeinen Dienstpflichten bestehen in
Gehorsam, Fleiß, Treue und
(1-267) ehrbaren Wandel, welche ein jeder Herr von seinen
Dienstleuten zu forderen und selbe auch gestalter Dingern nach mit mäßigen
Zwang hierzu anzuhalten berechtiget ist.
[1, 7, § 1] 9. Weder der Diener kann sich währender
Dienstzeit seinem Herrn entziehen, noch darf jemand denselben abwendig machen.
Widrigens ist der Herr befugt, nicht allein den flüchtigen Diener aller Orten
in Anspruch zu nehmen, damit derselbe anwiederum in seinen Dienst gestellet
werde, sondern auch Denjenigen, welcher ihn abwendig gemacht oder wissentlich
einen Aufenthalt giebt, zur Ausfolgung unter einer nach richterlichen Befund zu
bestimmenden Geldstrafe nebst Ersetzung der erweislichen Dienstversäumniß und
aller Schäden und Unkosten zu belangen.
[1, 7, § 1] 10. Hierbei solle ohne aller Weitläufigkeit
schleunig verfahren und sich vor Allem, wann die noch fürwährende Dienstzeit
ohne Zweifel ist, der Person des entwichenen Dieners mittelst Bürgschaft oder
eidlicher Verstrickung, daß er weiter nicht entweichen wolle, auch beschaffenen
Umständen nach mittelst dessen Handfestmachung versicheret, sodann aber nach
Befund, daß er sich seinem Herrn widerrechtlich entzogen habe, auf die Stellung
in seinen Dienst erkennet und solche durch die gehörige Zwangsmitteln
veranlasset werden.
[1, 7, § 1] 11. Von diesfälliger Erkanntniß ist kein
weiterer Rechtszug gestattet, falls jedoch der Entwichene genugsame Ursache den
Dienst zu verlassen, oder ein Anderer ein stärkeres Recht an ihme zu haben
vermeinte, solle es so Einem wie dem Anderen nach vorheriger Stellung des
Dieners unverwehret sein, bei eben demselben Gericht ihre Gerechtsamen
auszuführen.
[1, 7, § 1] 12. In Dienst selbst müssen sich Dienstleuten
ehrlich, fromm und getreu aufführen, ihrem Herrn geziemende Ehrerbietung und
Gehorsam bezeugen, desselben Nutzen beförderen, Schaden abwenden und den ihnen
anvertrauten Dienst mit allem erforderlichen Fleiß verrichten.
[1, 7, § 1] 13. Was einem frommen und redlichen Lebenswandel
entgegen ist, dieses
(1-268) lieget dem Herrn ob, durch ernstliche Ermahnungen
und gutes Beispiel so viel möglich, zu verbesseren, hierinnen nicht
nachzusehen, noch viel weniger sie durch gebende Aergerniß in dem Bösen zu
bestärken.
[1, 7, § 1] 14. Nahmhaftere wider die guten Sitten oder
wider die gemeinwesige Ordnung laufende Verbrechen kann der Herr selbst an
seinen Dienstleuten nicht bestrafen und hierdurch der ordentlichen Gerichtsbarkeit
vorgreifen, wohl aber stehet ihme frei, den Thäter sogleich abzuschaffen und
längershin in seinen Diensten nicht zu gedulden.
[1, 7, § 1] 15. Die Untreue, welche im Dienst begangen wird,
kann ein Herr in Kleinigkeiten selbst ahnden und bestrafen, falls sie aber
beträchtlich wäre oder gar ein Hausdiebstahl begangen würde, so ist die
öffentliche Bestrafung derlei ungetreuer und diebischer Dienstleuten nach
Aussatz Unserer peinlichen Gerichtsordnung denen Gerichten zu überlassen.
[1, 7, § 1] 16. Unehrerbietigkeit, Ungehorsam in billigen
Sachen, Widersetzlichkeit und dergleichen Unfug, der unmittelbar gegen den
Herrn oder gegen die Seinige laufet, ist derselbe nicht nur scharf zu
verweisen, sondern auch gestalter Dingen nach mit mäßiger Züchtigung zu ahnden,
und, da dieses nicht verfinge, den widerspänstigen Dienstboten vor Ausgang der
Dienstzeit zu entlassen, auch allenfalls eine empfindlichere Bestrafung bei
Gericht anzusuchen berechtiget.
[1, 7, § 1] 17. Ein jeder Diener ist auch außer seinen
ordentlichen Dienstverrichtungen des Herrn Nutzen, so viel er kann, zu
beförderen und Schaden abzuwenden schuldig. Hätte er aber dieses zu thun
geflissentlich unterlassen, so kann solches nicht nur gegen ihme geahndet,
sondern, da eine Arglist, Gefährde oder schwere Schuld mit unterliefe, nach
Umständen auch von Gericht aus bestrafet werden.
[1, 7, § 1] 18. In ihren Dienstverrichtungen hingegen sind
Dienstleute nicht nur den durch Arglist, Gefährde oder schwere Schuld, sondern
auch den durch eine jede wiewohlen geringe, doch so beschaffene Schuld, welche
ein fleißiger und sorgfältiger Diener verhüten kann und insgemein zu verhüten
pfleget, zugefügter Schaden zu ersetzen oder abzudienen schuldig.
[1, 7, § 1] 19. Die geringste Schuld aber wegen etwan
unterlassener ganz besonderer Achtsamkeit, welche auf mehr, dann gemeine Weise
sonst fleißiger Diener, anzuwenden gewesen wäre, verbindet dieselben zu keinem
Ersatz, wann nicht das aufgetragene Amt oder Geschäft in seiner Art den größten
Grad des Fleißes erforderet, oder der Diener sich zu dessen Anwendung und im
Widrigen zu der Vergütung nicht ausdrücklich verbunden hat.
§. II.
[1, 7, § 2] 20. Dagegen ist aber auch der Herr verbunden,
denen Dienstleuten alles Dasjenige zu reichen, was denenselben bedungen worden,
und er kann auch einen
(1-269) Dienstboten vor Ausgang der bestimmten Zeit ohne
erhebliche Ursache wider dessen Willen des Dienstes nicht entlassen.
[1, 7, § 2] 21. Ist kein gewisser Lohn und sonstiger Gehalt
bedungen, sondern dessen Ausmessung von dem in die Dienste Tretenden dem Herrn
überlassen worden, so hat dieser das Recht einen ihme billig scheinenden Lohn
seiner Zeit auszuwerfen.
Wo aber der Herr dem Diener gestattet hätte einen Lohn, den
er verdienet zu haben glaubete, anzubegehren, so mag der Diener solches thun.
[1, 7, § 2] 22. Wann jedoch so ein- als anderenfalls der
Herr und Diener hierinnen nicht übereinkämen oder deswegen zwischen ihnen gar
nichts verabredet worden, so tritt das richterliche Ermessen ein, und solle auf
Jenes gesehen werden, was für dergleichen Dienste derorten insgemein an
Liedlohn und anderem Gehalt gereichet zu werden pfleget.
[1, 7, § 2] 23. Wäre einem Diener ein gewisser Lohn für ein
Jahr bedungen oder auch ohne Beding mit dessen Zufriedenheit gereichet worden,
und er bliebe über diese Zeit länger in Diensten, ohne weiter einen Lohn zu
bedingen, so lauft auch für die folgende Zeit der dem erstjährigen Lohn
angemessene Betrag fort.
[1, 7, § 2] 24. Eben also, da ein neuer Diener von nicht
geringerer Fähigkeit an die Stelle des vorigen eintritt, ohne etwas des Lohns
oder Gehalts halber auszumachen, wird darfürgehalten, daß
man sich um den vorigen Lohn stillschweigend verglichen
habe.
[1, 7, § 2] 25. In Liedlohnstrittigkeiten solle schleunig
und außerordentlich verfahren, und, wann eine unbillige Vorenthaltung oder
Verkürzung des bedungenen oder in das Verdienen gebrachten Lohns vorkäme, mit
ausgiebigem Ernst darauf gedrungen werden, damit die Dienstleute ohne Verschub
zu dem Ihrigen nebst Ersatz aller erweislichen Schäden und Unkosten gelangen
mögen.
[1, 7, § 2] 26. Worwider die Einwendungen, daß ein Dienstbot
eine wenige Zeit seinem Dienst nicht vorgestanden, daß währendem seinem Dienst
ein Schaden geschehen seie, daß sich dessen Arbeit verminderet habe und
dergleichen, zur Aufhaltung des Lohns nicht zureichend sind, wann derselbe
durch Krankheit oder sonstigen Zufall eine kurze Zeit seinem Dienst abzuwarten
verhinderet worden, an dem Schaden keine erweisliche Schuld trägt, und der Lohn
nicht nach Menge der Arbeit, sondern nach der Dienstzeit verglichen ist.
[1, 7, § 2] 27. Dahingegen ist der Herr bei länger
anhaltender Krankheit eines Dienenden den Lohn fortzuzahlen nicht verbunden; es
würde dann von dem Diener ein anderer zu dieser Dienstleistung Tauglicher und
dem Herrn Annehmlicher für die Zeit seiner Krankheit anstatt seiner bestellet.
[1, 7, § 2] 28. Doch hat der Herr in Krankheitsfällen für
die Wiedergenesung des Dieners zu sorgen.
Wo er aber Unkosten darauf verwendet hätte, kann er solche
zurückforderen
(1-270) oder sich abdienen lassen, wie dann auch ihme die
vorgeschossene Begräbnißunkosten aus des Dieners Verlassenschaft zu ersetzen
sind.
[1, 7, § 2] 29. Einem Dienstboten, der vor der Zeit wider
Willen des Herrn aus dem Dienst tritt, ist der Herr den Lohn ausfolgen zu
lassen nicht schuldig, sondern vielmehr befugt, auf dessen Wiederstellung zum
Dienst anzudringen und sich an dem verfallenen Liedlohn der Dienstversäumniß
und verursachten Unkosten halber zu halten, woferne nicht ein erweisliches
hartes und unbilliges Verfahren des Herrn den Diener aus dem Dienst zu weichen
bemüssiget hätte.
[1, 7, § 2] 30. Uebrigens ist ein Herr seinen Diener zu
schützen, gegen unbillige Zudringlichkeiten zu vertheidigen, ihme den des
Dienstes halber an dessen Sachen ohne eigener Schuld erleidenden Schaden zu
ersetzen, und wegen etwan in einer anbefohlenen gefährlichen Verrichtung oder
aus sonstiger Veranlassung des Herrn widerfahrener Beschädigung an dessen Leib
und Gliedern Genugthuung zu leisten schuldig, und hat hierinfalls der Richter
den sich beschwerenden Diener nach der sich aus der That selbst ergebenden
Billigkeit klaglos zu stellen.
[1, 7, § 2] 31. Wie weit aber ein Herr aus denen Handlungen
der Dienstleuten mit
(1-271) Anderen verbunden werde, weilen er entweder dieselbe
seinen Geschäften vorgesetzet oder ihre Handlungen gutgeheißen hat, hierüber
folget die Ausmessung in dem dritten Theil, allwo von persönlichen Verbindungen
gehandlet wird.
[1, 7, § 2] 32. Und weilen überhaupt dem gemeinen Wesen
daran gelegen ist, damit die Untreue und Bosheit der Dienstleuten, ihre
sträfliche Fahrlässigkeit und Unfleiß, unzeitige Dienstverlassung, übermäßige
Gehaltserpressung, Muthwillen, Liederlichkeit und sonstiger Unfug, sowie an
Seiten der Herren das harte und unbillige Verfahren mit Dienstleuten hintangehalten
werde, so solle in allem diesem Unseren in jedwedem Lande diesfalls besonders
bestehenden Polizeiordnungen und löblich hergebrachten Gewohnheiten auf das
genaueste nachgelebet werden.
§. III.
[1, 7, § 3] 33. Ueber die gemeine Schuldigkeiten aller Dienstleuten
haben jene Bedienten und Beamten, denen das Gut ihres Herrn zu verwalten
anvertrauet wird,
(1-272) noch die besondere Verbindlichkeit auf sich, daß sie
über das von ihnen verwaltende Gut ihrem Herrn Rechnung zu legen schuldig sind.
[1, 7, § 3] 34. Ein jeder unter Raitung stehender Diener ist
dahero verbunden nicht nur das ihme anvertraute Gut mit dem erforderlichen
Fleiß und also, wie es seinem Herrn nutzlich ist, zu verwalten, und sich von
allem dieser Pflicht zuwiderlaufenden Unfug, und besonders von aller
Veruntreuung, sie geschehe durch Eingriff, Unterschlagung, heimliche
Entwendung, Vorenthaltung oder durch andere Gefährde und Arglist, zu enthalten,
sondern auch sich nach Beschaffenheit oder Erforderniß seines Amts oder
Dienstes zu betragen, folglich Empfang und Ausgab, Zuwachs und Abnahme seinem
Herrn ordentlich zu verrechnen, bei Legung der Raitung den Bestand auszuweisen
und den Abgang vollständig zu ersetzen.
(1-273) [1, 7, § 3] 35. Die Rechnungsart, wie auch die Zeit,
wann die Rechnung zu legen ist, hat zwar der Herr zu bestimmen, doch erforderet
die gute Ordnung und die selbsteigene Sicherheit sowohl des Herrn, als des
unter Raitung stehenden Dieners, daß die Rechnungsrichtigkeit längstens von
Jahr zu Jahr gepflogen werde.
[1, 7, § 3] 36. Dahero dann sowohl der Herr den
Rechnungsführer wenigstens zur alljährigen Rechnungslegung anhalten, als auch
der Rechnungsleger bei dem Herrn nach jedwedem Jahrgang die Aufnehmung und
Erledigung seiner für dieses Jahr gelegten Rechnungen ansuchen kann.
[1, 7, § 3] 37. Wann hierauf der Herr binnen drei Monaten,
vom dem Tag des bei ihme eingebrachten Erledigungsgesuchs des Raitungslegers zu
rechnen, weder zur Rechnungserledigung schreitet, noch ihme die Mängeln
zustellen läßt, so solle demselben die obrigkeitliche Erkanntniß (woferne ihme
solche nach Maß dessen, was hiernach davon geordnet wird, sonst zustünde) über
diese Rechnungen weiter nicht gebühren, sondern, da es darüber zur Strittigkeit
käme, und der Herr Kläger würde, die Nothdurft bei dem ordentlichen Richter des
Rechnungsführers verhandlet werden. Es wollte sich dann der Rechnungsführer der
späteren Erkanntniß des Herrn freiwillig unterziehen.
[1, 7, § 3] 38. Nebst deme ist bei solcher Verzögerung der
Rechnungsführer zugleich berechtiget, den Dienst aufzusagen, wann er sich
gleich auf längere Zeit zu dienen verbunden hätte. Wo ihme sodann freistehet, die Rechnungserledigung und vollständige
Loszählung bei dem Richter des Herrn anzusuchen.
[1, 7, § 3] 39. Da er aber jegleichwohlen in Diensten
verbleiben, und der Herr die Erledigung deren Raitungen längstens binnen dreien
Jahren und achtzehen Wochen vom dem Tag ihres Erlags zu End zu bringen
unterlassen würde, so sollen solche Rechnungen aus Gewalt des Rechts für
richtig gehalten und kein Theil vom dem anderen hierwegen weiter angefochten
werden.
[1, 7, § 3] 40. Wie Wir dann hiermit die Rechnungsführere
von der Schuldigkeit entbinden, weitere Red und Antwort über diejenige
Rechnungen zu geben, von deren Erlag die vorbesagte Zeit verstrichen ist.
[1, 7, § 3] 41. Wovon die alleinige in gleich vorhergehendem
Kapitel, §. V erwähnte Vorbehaltsfälle und der etwann eingestandene Raitrest
ausgenommen bleiben, wegen welcher der Rechnungsführer jederzeit zur
Verantwortung, doch nicht nach der Erkanntniß des Herrn, sondern des
ordentlichen Richters verbunden ist.
[1, 7, § 3] 42. Die Rechnungen der Bedienten und Beamten
betreffen verschiedene Gegenstände nach Manchfältigkeit der Güter oder
Geschäften, welche ihnen unter Verrechnung zu verwalten anvertrauet werden.
Hauptsächlich aber sind es Haus-, Wirthschafts-, Gewerbs-
oder Handlungsrechnungen.
[1, 7, § 3] 43. Wie bei anderen, also auch bei
Hausrechnungen, ob sie schon nicht allzu beträchtlich wären, muß der
Rechnungsführer den Hauptempfang, das ist jenes, was ihme bei Antritt des
Dienstes an baarem Geld oder anderen Sachen und Fahrnissen übergeben worden,
oder von der vorigen Rechnung als ein Bestand übrig geblieben ist, wie nicht
weniger den weiteren Empfang an Hauptgeldern, Zinsen, Einkünften, Nutzungen und
allen anderen Zugängen getreulich anzeigen, und solchen da, wo es zur
Beglaubigung nöthig ist, mit Gegenscheinen, Urkunden, Zeugnissen und
dergleichen Beweismitteln belegen.
[1, 7, § 3] 44. Ingleichen muß derselbe die Ausgaben mit
Bemerkung des Jahrs, Monats und Tags ordentlich anzeigen, mit Quittungen,
Scheinen und anderen Beweisen bewähren, und anbei, wo es nicht unausweisliche
oder überhaupt anbefohlene Zahlungen betrifft, die hierzu erhaltene
schriftliche Anschaffung beibringen.
[1, 7, § 3] 45. Da aber der Rechnungsführer sich nur auf
mündliche Anschaffungen
(1-274) beriefe, so muß derselbe bei ermanglendem vollem
Beweis solche wenigstens halbständig erweisen, in welchem Fall er zur eidlichen
Erhärtung der erhaltenen Anschaffung zuzulassen, außerdeme hingegen seinem
bloßen Vorgeben ohnerachtet des zugleich anerbietenden Eides kein Glauben
beizumessen ist.
[1, 7, § 3] 46. Doch kommt die Ausgab dem Rechnungsführer
auch bei unerweislicher Anschaffung insoweit zu Guten, als selbe zu
erweislichen Nutzen des Herrn gediehen ist.
[1, 7, § 3] 47. Endlich muß der Rechnungsführer den nach
Abzug der Ausgaben verbleibenden Bestand an Geld oder anderen Sachen baar oder
in seiner Gestalt, Zahl, Gewicht und Maß vollständig ausweisen, und den
allenfalls sich ergebenden Abgang ersetzen.
[1, 7, § 3] 48. Dann ein jeder Rechnungsführer hat für die
Richtigkeit seiner Rechnung zu stehen, und die Mängeln zu verantworten, wann er
seinem Amt zuwider gehandlet, den gehörigen Fleiß anzuwenden unterlassen,
Dasjenige, worzu er sich besonders verbunden, nicht erfüllet, oder die von
seinem Herrn ihm eigens ertheilte Befehle nicht befolget hat.
[1, 7, § 3] 49. Der Herr ist demnach berechtiget, über die
erlegte Rechnungen Mängeln auszustellen und den Ersatz zu forderen, wann
einerseits die Schuld des Rechnungsführers und andererseits der Schaden des
Herrn erweislich ist.
[1, 7, § 3] 50. Dagegen aber ist
auch dem Rechnungsführer zugelassen, die ausgestellten Mängel zu erläuteren,
und auf die weitere Bemängelung seine Schlusserläuterung einzubringen.
[1, 7, § 3] 51. Ueber die allen Rechnungsführeren insgemein
obliegende Schuldigkeit
(1-275) erheischet noch besonders die Pflicht der
Wirthschaftsbeamten, insoweit sie denen Unterthanen und Landvolk vorgesetzet
sind, ob denen gemeinwesigen Verordnungen feste Hand zu halten und selbe genau
zu befolgen, hiernächst aber auch die Gerechtsamen und den Nutzen nicht nur
ihrer Herren, sondern auch ihrer Untergebenen alles Fleißes zu beobachten.
[1, 7, § 3] 52. Sie sind dahero schuldig, Unsere
landesfürstliche Verordnungen und die von denen vorgesetzten Gehörden ihnen
zukommende Befehle ihren Untergebenen unverweilt, und da es erforderlich, auch
zu wiederholten Malen kund zu machen, mithin darob zu sein, daß Niemand eine
Unwissenheit vorschützen könne.
Widrigens sollen dieselbe den aus solcher Unwissenheit ihrem
Herrn oder denen Unterthanen etwa erwachsenden Schaden zu ersetzen gehalten
sein.
[1, 7, § 3] 53. Umsoweniger sollen sie gestatten, daß Jemand
von ihren Untergebenen Unseren Verordnungen zuwider handle, vielmehr die
Uebertretere, insoweit es ihnen zustehet, bestrafen oder zu anderweiter
Bestrafung denen Gehörden bei schwerer Verantwortung anzeigen.
[1, 7, § 3] 54. Nicht minder lieget ihnen ob, die
Unterthanen und andere Untergebene zu schützen, da, wo es nöthig, zu vertreten,
dieselbe auf keinerlei Weise Unseren Verordnungen und der Billigkeit zuwider an
ihren Rechten und Gerechtigkeiten zu kränken, und sich anbei von allem
Eigennutz und Erpressung oder Annehmung auch freiwillig von ihnen anbietender
Geschenken über das, was die ausgesetzten Gebühren betragen, wie auch von
unbilligen Bedrohungen, Verfolgung und unmäßiger Härte zu enthalten.
[1, 7, § 3] 55. Insonderheit aber sind sie auch in jenem
Fall, wo ihnen zugleich die Aufsicht über Städte, Märkte, Dorfschaften und
andere Gemeinden, Gotteshäuser und milde Stiftungen mit oder ohne Verwaltung
der Einkünften aufgetragen worden, für die Erhaltung und Aufnahme derselben zu
sorgen, widrigens den mit ihrer Schuld oder Vernachlässigung erfolgenden
Schaden zu ersetzen schuldig, und beinebst beschaffenen Umständen nach denen
anderweit ausgemessenen Strafen verfänglich.
(1-276) [1, 7, § 3] 56. Und da ihnen zugleich die Besorgung
der obrigkeitlichen Gerichtsbarkeit, die Haltung der Grundbüchern, und was
überhaupt in die Rechtspflege einschlägt, anvertrauet wäre, sollen dieselbe
nach Vorschrift deren Satz- und Ordnungen, und ihren aufhabenden schweren
Pflichten gemäß fürgehen, widrigen Falls aber zum Ersatz des zugefügten
Schadens angehalten, und noch darzu mit einer nach Umständen verhängenden
Strafe beleget werden.
[1, 7, § 3] 57. Denen Herrschaften und Obrigkeiten stehet
zwar frei, ihren Beamten diensame Maßregeln zur Beobachtung vorzuschreiben,
doch müssen dieselbe Unseren Gesetzen und Verordnungen, wie auch der Landesverfassung
und wohlhergebrachten Gewohnheiten nicht zuwiderlaufen.
[1, 7, § 3] 58. Nach dieser Vorschrift, sonst aber aus der
Eigenschaft des aufhabenden Amts oder Dienstes ist die Pflicht eines
Wirthschaftsbeamten, folglich auch die Schuld zu beurtheilen, für welche
derselbe zu haften hat.
[1, 7, § 3] 59. Insgemein ist ein Wirthschaftsbeamter zu
keinem mehreren Fleiß verbunden, als welchen gute, emsige und
sorgfältige Wirthe anzuwenden pflegen. Wann er dahero bei der
Wirthschaft ohne Befehl etwas unternimmt, was ein guter und fleißiger Wirth
insgemein nicht unternommen haben würde, oder wann derselbe in Gegentheil bei
der Wirthschaft entweder selbst etwas vorzukehren oder wenigstens der
Herrschaft zur anzuordnenden Vorkehrung zeitlich anzuzeigen unterlassen hätte,
was ein guter und fleißiger Wirth insgemein vorzukehren nicht unterlassen haben
würde, so gereichet ihme der hieraus erweislich entstandene Schaden allerdings
zur Schuld.
[1, 7, § 3] 60. Nicht weniger fallt ihme zur Schuld, wann er
einen auch nur zufälligen jedoch von einem guten Wirth vorzusehen und
abzuwenden gewesten Schaden nicht verhütet, oder einen durch anderer ihme
untergebener Dienstleuten Unachtsamkeit verursachten Schaden, deme er
bevorkommen kann, nicht hintan hält, oder wann aus seiner Unwissenheit ein
Schaden geschieht, da er nämlich Dasjenige nicht weiß, was er vermöge auf sich
genommenen Amts wohl wissen sollte.
[1, 7, § 3] 61. Desgleichen, wann durch seine
Unverträglichkeit oder bedenkliche Verständniß mit anderen Beamten, oder durch seine
allzu große Nachsicht, da er den Unfug seiner Untergebenen weder selbst
abstellet, noch solchen der Herrschaft zur Abstellung in der Zeit anzeiget,
oder auch durch fälschliche Verkleinerung anderer Dienstleuten dem Herrn ein
Schaden zugezogen wird.
[1, 7, § 3] 62. Dahingegen hat ein Beamter für die
Unterlassung einiger Verbesserungen, welche vielleicht die besten und
allerfleißigsten Wirthe angekehret haben würden, oder für eine ihme anmuthen
mögende geringste Schuld nicht zu haften, er hätte sich dann ausdrücklich zu
dem ausbündigsten Fleiß verbunden, oder die Eigenschaft des Amts oder Geschäfts
selbst hätte den größten Fleiß erforderet.
[1, 7, § 3] 63. Solche Verbesserungen hingegen, welche nicht
anderst, als mit Beschwerung der Unterthanen, mit unbilliger Benachtheiligung
der nachgesetzten minderen Beamten und Dienstleuten, mit Entkräftung der
Bestandleuten, mit Bekränkung der Nachbarschaft oder wie immer mit Belästigung
des gemeinen Wesens bestehen können, solle kein Beamter bei nachdrucksamer Ahndung
in Vorschlag zu bringen, noch weniger selbst vorzunehmen sich anmaßen,
widrigens den der Herrschaft oder denen Untergebenen durch dergleichen
gemeinverderbliche und aus seiner Verleitung veranlaßte Vorkehrungen etwan
zugegangenen Schaden zu ersetzen gehalten sein.
[1, 7, § 3] 64. Ueberhaupt hanget die Beurtheilung dessen
von dem vernünftigen Ermessen ab, ob und was für eine Schuld an Seiten des
Wirthschaftsbeamten unterwalte, wobei auf die verschiedene Umstände der Person,
der Zeit, des Orts, des Amts und mehr Anderes zu sehen ist, was in Ansehung der
verschiedenen Gattungen der Schuldtragung in drittem Theil seines Orts erkläret
wird.
[1, 7, § 3] 65. Wie dann zuweilen auch eine an sich sonst
geringste Schuld zur mittleren
(1-277) Schuld erwachsen kann, wann z. B. eine Warnigung von
der Herrschaft oder von dem vorgesetzten Oberbeamten, oder ein besonderer
Befehl, deme nicht genau nachgelebet worden, vorhergegangen, oder ein Dritter
an Anwendung des allergrößten Fleißes verhinderet worden wäre.
[1, 7, § 3] 66. Gleichwie im Gegentheil auch die sonst
mittlere Schuld sich in die geringste verwandlen kann, wann etwann ein Zufall,
eine anderweitige Verhinderniß, fremde Schuldtragung, vorherige nicht
abzustellen geweste gleiche Beobachtung, Kleinigkeit des Schadens, anderweiter
beträchtlicher Nutzen und dergleichen die Schuld minderende Umstände
unterliefen.
[1, 7, § 3] 67. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit jenen
unter Raitung stehenden Dienstleuten, welchen eine Handlung, Gewerb oder
sonstige in Empfang und Ausgab bestehende Verwaltung anvertrauet ist, und die
deswegen, weilen sie in alleiniger Bedienstung, Verpflegung und Besoldung ihres
Herrn stehn, andurch von bestellten Sachwalteren unterschieden sind, welche
fremde Geschäften lediglich kraft übernommener Vollmacht besorgen.
[1, 7, § 3] 68. Ein Herr kann von seinem unter Raitung
stehenden Diener zu allen
(1-278) Zeiten Rechenschaft forderen, den Stand deren ihme
anvertrauten Gütern und Habschaften erforschen, und bei gegründetem Verdacht
oder wirklichem Befund einer üblen Gebarung sich der Person und Habseligkeiten
des Dieners entweder selbst, inwieweit er aus obrigkeitlicher Gewalt darzu
berechtiget ist, oder mittelst gerichtlicher Hilfe versicheren, bis daß der
Diener oder Beamte vollständige Richtigkeit gepflogen, den Abgang ersetzet oder
annehmliche Sicherheit für Alles bestellet habe.
[1, 7, § 3] 69. Einigen Herren ist gestattet, über die von
ihren Dieneren und Beamten gelegte Rechnung und dabei vorgefallene Mängeln
dergestalten zu erkennen, daß ihre Erkanntniß in Rechtskräften erwachse, wann
nicht davon, sowie von anderen Rechtssprüchen sich zu der höheren Gehörde
gewendet wird.
(1-279) [1, 7, § 3] 70. Alle übrige Herren hingegen können
sich zwar mit ihren Dieneren und Beamten auf die hiernach folgende Art
berechnen, doch, wann es hierüber zur Strittigkeit kommt, muß solche bei der
ordentlichen Gehörde verhandlet und entschieden werden.
[1, 7, § 3] 71. Dieser Unterschied rühret von dem besonderen
Vorrecht her, welches Wir allen Besitzeren landschaftlicher oder Lehengüter in
diesen Unseren deutschen Erblanden hiermit verleihen und bestätigen, daß selbe
in Rechnungssachen ihrer Beamten und anderer zur Landwirthschaft gehöriger
Dienstleuten als die erste Gehörde auf nachstehende Weise fürgehen, und, was
Rechtens ist, erkennen mögen.
[1, 7, § 3] 72. Welche obrigkeitliche Befugniß denenselben
auch in Hausrechnungssachen, jedoch bloß allein in jenem Fall gebühren solle,
wann die Hausrechnungsführere in ihrem alleinigen Dienst und Gehalt stehen, und
auf dem landschaftlichen oder Lehengut ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
[1, 7, § 3] 73. Damit aber in derlei Rechnungswesen
ordentlich verfahren werde, muß bei Antritt eines unter Raitung stehenden
Dienstes dem eintretenden Diener oder Beamten Alles richtig übergeben werden,
was er künftig zu verrechnen hat.
[1, 7, § 3] 74. Wann aber der Herr dem aufgenommenen Diener
befohlen hätte, sich unerwartet einer ordentlichen Uebergabe der zu verraiten
habenden Amtsverwaltung zu unterziehen, so kann der Rechnungsführer nach der
Zeit nicht verhalten werden, seinen Empfang mit einem Eid der Anzeige zu
bestätigen, doch ist dem Herrn unbenommen, den mehreren Empfang über das, was
von dem Rechnungsführer angegeben wird, durch andere rechtliche Beweismitteln
darzuthun.
[1, 7, § 3] 75. Woferne hingegen ein anderer bringender
Umstand den Beamten bemüssigete, einen solchen Dienst ohne vorhergegangener
Uebergabe unverschieblich anzutreten, so ist derselbe den Empfang,falls er sich
darüber keine andere Bescheinigung hätte geben lassen, auf Verlangen des Herrn
mit einem Eid der Anzeige zu erhärten schuldig.
[1, 7, § 3] 76. Die Uebergabe solle von dem Herrn oder einem
Anderen in desselben Namen oder von dem Vorfahrer in Amt oder Dienst in Beisein
des Herrn oder eines anderen von ihme hierzu Abgeordneten geschehen, alles
Uebergebene, es seie baarer Bestand, Vorräthe oder Ausstände, nach seiner Zahl,
Gewicht und Maß beschrieben und diese Beschreibung von dem Herrn oder von dem
statt seiner darzu Verordneten gefertiget, dem antretenden Rechnungsführer
zugestellet und eine gleichlautende von dem Rechnungsführer mit Bescheinigung
der Uebernahme gefertigte Urkunde bei dem Herrn aufbehalten werden.
[1, 7, § 3] 77. Wäre aber der Vorfahre todt oder flüchtig,
so kann der Herr nicht allein zu seiner Sicherheit die Sperr alsobald anlegen,
sondern auch mit Zuziehung zweier glaubwürdigen Personen die Beschreibung des
vorhandenen Bestandes vornehmen lassen, und hienach die Uebergabe an den
Nachfolger vollziehen, welche alsdann diesem zur Bewährung des Hauptempfangs
und somit zum Grund der künftigen Rechnung andienet.
[1, 7, § 3] 78. Nach angetretenem Dienst hat der Herr das
Recht, von seinem unter Raitung stehenden Diener und Beamten die Rechnungen
abzuforderen, aufzunehmen und zu erledigen, welche wenigstens von Jahr zu Jahr
oder in denen bedungenen oder von dem Herrn darzu bestimmten kürzeren Fristen,
und vornehmlich bei Ausgang des Dienstes jedes Mal längstens binnen denen
nächst darauffolgenden sechs Wochen ohne weiterer Nachfrist geleget werden
sollen.
Widrigens kann der Herr den Rechnungsführer nach deren
Verlauf mit Zwangsmitteln darzu anhalten.
[1, 7, § 3] 79. Nichtsdestoweniger bleibet auch unter dieser
Zeit dem Herrn unbenommen, von seinem unter Raitung stehenden Diener und
Beamten nach Gefallen den Ausweis des vorhändigen Bestandes von denen ihme
anvertrauten Geldern oder
(1-280) anderen Habschaften abzuforderen, und falls hieraus
eine Unrichtigkeit hervorkäme, unmittelbar binnen nächsten sechs Wochen den
Erlag der Rechnungen anzuverlangen.
[1, 7, § 3] 80. Eine dergleichen Bestandlegung zielet einzig
und allein zu des Herrn eigener Sicherheit ab, mithin
gereichet solche auch dem Beamten zu keiner Verkleinerung. Hierbei ist dem
Herrn gestattet, sogleich mit der Sperr und Versieglung der vorhändigen Geldern
und alles dessen, was der Beamte unter seiner Verrechnung hat, wie auch mit
Versieglung seiner Handbücher und aller zur Rechnung gehöriger Schriften den
Anfang zu machen.
[1, 7, § 3] 81. Sodann sind in Beisein des Rechnungsführers
die Gelder und alle übrige zu verrechnen habende Sachen nachzuzählen,
nachzumessen oder nachzuwiegen, und nebst denen Schriften und Urkunden dem
Befund gemäß zu beschreiben; bis daß aber nicht Alles beschrieben worden, ist
dem Rechnungsführer zugelassen, sein eigenes Siegel mitanzulegen.
[1, 7, § 3] 82. Nach diesem ist die Schuldigkeit des
Rechnungsführers aus denen Rechnungsschriften die Ausstände entweder zur Stelle
anzuzeigen, oder binnen drei Tagen herauszuziehen, zu welchem Ende ihme nicht
verwehret werden solle, sich nach Nothdurft in denen Schriften zu ersehen,
wobei jedoch die erforderliche Behutsamkeit gebrauchet werden mag, damit von
ihme darinnen nichts geänderet oder verrucket werde.
[1, 7, § 3] 83. Dieser Ausweisung kann der Rechnungsführer
auch jene Ausstände beifügen, die er etwan in seinen Schriften aufzuzeichnen
vergessen hätte, und wann er sodann darmit zu Stand gekommen, muß solche in die
Beschreibung des Bestands mit eingezogen werden. Doch beruhet es bei dem Herrn,
die Mitbeamte und andere Personen, worauf sich der Rechnungsführer eines
Ausstands halber beziehet, zur Bestätigung der Richtigkeit oder Bekanntniß der
Schuld fürzuforderen, oder gestalter Dingen nach hierüber zu vernehmen.
[1, 7, § 3] 84. Was von ihnen eingestanden wird, ist als ein
wirklicher Bestand anzusehen, das Widersprochene aber als zweifelhaft
anzumerken und zur weiteren Untersuchung auszusetzen, dann immittelst die
Beschreibung zur beiderseitigen Nothdurft gleichlautend auszufertigen.
[1, 7, § 3] 85. Fände sich ein Abgang an Geld oder anderen
Sachen, oder es würden bei dem Ausweis beträchtliche Posten widersprochen, oder
es äußerete sich sonst eine gefährliche Verwirrung oder ein gegründeter
Verdacht einiger Veruntreuung, so kann der Herr obverordneter Maßen nicht
allein den wirklichen Rechnungserlag abforderen, sondern auch, da genugsame
Ursach vorhanden wäre, sich sowohl der Person des Rechnungsführers, als seiner
Sachen versicheren.
[1, 7, § 3] 86. In Ansehung der Art und Weis, wie
Wirthschafts- und andere derlei Privatrechnungen zu verfassen sind, hat es bei
dem landesüblichen Gebrauch oder bei denen von jedem Herrn nach eigener
Willkühr hierinnen gemachten besonderen Einrichtungen sein Bewenden.
[1, 7, § 3] 87. Wie aber die Rechnungen zu legen, wie
Empfang und Ausgab zu bewähren, und ein richtiger Verweis des Ueberrests zu
machen seie, ist aus deme abzunehmen, was in gleich vorhergehendem Capitel von
Vormundschaftsrechnungen geordnet worden, und auf alle weitläufigere Rechnungen
überhaupt seine gute Anwendung hat.
[1, 7, § 3] 88. Die gelegte Rechnungen ist der Herr selbst
aufzunehmen oder durch Andere aufnehmen zu lassen berechtiget, und solle vor
Allem die Rechnung durchgegangen, untersuchet, die vorkommende Bestände und
Anstände ausgezogen, diese dem Rechnungsleger zu seiner Ersehung auf eine ihme
anzuberaumende hinlängliche Zeit zugestellet, sonach derselbe darüber mündlich
vernommen, was behoben
(1-281) oder von demselben eingestanden wird, verzeichnet,
diese Verhandlung von dem Rechnungsleger unterschrieben, und ihme zu seiner
Nothdurft eine Abschrift davon zugestellet werden.
[1, 7, § 3] 89. Wann nun solchergestalt Alles behoben
worden, so ist dem Rechnungsführer nach Ersetzung deren etwan von ihme
eingestandenen Mängeln die Loszählung unverlängt zu ertheilen.
Da er aber mit dem Ersatz säumete, dieser ihme mittelst
eines obrigkeitlichen Endauszugs binnen vierzehn Tagen aufzulegen, und ferner
zu verfahren, wie hiernach geordnet wird.
[1, 7, § 3] 90. Würden hingegen dabei einige Anstände und
Bedenken unbehoben bleiben, so sollen dieselbe als förmliche Mängeln
abgefasset, dem Rechnungsleger zur schriftlichen Erläuterung zugestellet, und
was hierdurch nicht abgethan würde, darüber durch weitere Bemänglung des Herrn
und die Schlußerläuterung des Rechnungslegers, weiter aber nicht, als mit vier
Schriften verfahren, und, da eine Zeugenführung vorfiele, die Verhandlung
deswegen nicht aufgehalten, sondern dabei jenes beobachtet werden, was in
vorstehendem Capitel in gleichem Fall bei Aufnehmung der Vormundschaftsrechnung
geordnet worden.
[1, 7, § 3] 91. Nach also gewechsleten Schriften ist die
Verhandlung ohne weiters zu schließen, und über Alles, was sowohl mündlich, als
schriftlich verhandlet worden, eine Verzeichniß unter des Rechnungslegers
Unterschrift, oder da dieser hierbei in der ihme zu bestimmenden
vierzehentägigen Frist nicht erscheinen würde, von amtswegen zu verfassen,
hierauf aber binnen vier Wochen, von dem Tag der geschlossenen
Nothdurftshandlung zu rechnen, zur obrigkeitlichen Erkanntniß zu schreiten,
nach deren Verlauf dieselbe dem Herrn nicht mehr gebühren, sondern dem
ordentlichen Richter allein überlassen sein solle.
[1, 7, § 3] 92. Diese Erkanntniß möge von dem Herrn oder von
Anderen in seinem Namen geschöpfet sein, so muß sie jedesmal von dem Herrn
selbst unterfertiget werden. Er wäre dann abwesend und hätte zu seinen
Rechtsvorfallenheiten Jemanden genugsam bevollmächtiget, durch welchen sodann
die Fertigung in Vollmacht des Herrn geschehen kann.
[1, 7, § 3] 93. Die Rechnungserledigung muß ordentlich von
Post zu Post, wobei Mängeln vorgekommen, in der nämlichen Ordnung, welche bei
der Rechnung beobachtet worden, abgefasset und der Rechnungsleger entweder von
denen Mängeln losgesprochen oder zu den Ersatz angewiesen werden.
[1, 7, § 3] 94. Doch muß die Erkanntniß des Ersatzes in jenen
Fällen, wo es noch auf weiteren Beweis durch Zeugen oder auf die eidliche
Erhärtung ankommt, mit dem Vorbehalt, wann der Rechnungsleger dieses oder jenes
nicht erweisen oder beschwören würde, geschehen, und auch überall die Ursachen
des auferlegten Ersatzes beigefügt werden.
[1, 7, § 3] 95. Ueberhaupt sollen in der nach rechtlicher
Ordnung zu vollführenden Raithandlung dem Rechnungsführer die Mitteln zu seiner
Vertheidigung keineswegs beschränket, noch weniger ihme dessen Schriften,
daferne er solche zu seiner Rechtfertigung bedarf, vorenthalten werden.
[1, 7, § 3] 96. Vielmehr sind ihme dieselben zu seiner
Einsicht sowohl währender mündlicher als schriftlicher Verhandlung
unweigerlich, obschon mit freistehender Anwendung der nöthigen Behutsamkeit
vorzulegen, und entweder in Urschriften gegen Bescheinigung oder in beglaubten
Abschriften zu seiner Nothdurft auszufolgen, wie nicht minder auf gleiche Weise
demselben die benöthigten Urkunden aus seinen vorhin gelegten oder anderen
dahin einschlagenden Raitung seiner Mitrechnungsführeren in Abschrift
mitzutheilen.
[1, 7, § 3] 97. Die Raithandlung solle nicht verzögeret,
sondern die oben zum Erlag
(1-282) der Rechnungen sowie zu deren Erledigung ausgesetzte
Fristen genau beobachtet, hernach aber in nachfolgenden Rechtsfristen
unnachbleiblich fürgegangen werden.
[1, 7, § 3] 98. Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung
kann von dem Herrn so oft als nöthig, jedoch ganz kurz aufeinander bestimmet
werden.
Wo aber der Rechnungsleger nicht erschiene, ist der Herr
befugt, über die Anstände, welche dieser mündlich hätte beheben können, Mängeln
auszustellen, worüber derselbe sich sodann schriftlich zu verantworten hat.
[1, 7, § 3] 99. Wann hingegen bei dessen Erscheinen die
mündliche Verhandlung geschlossen wird, solle der Herr dem Rechnungsleger
längstens binnen vier Wochen bei befundener Richtigkeit die Loszählung
ertheilen, oder die mündlich nicht behobene Mängeln zur schriftlichen
Erläuterung zustellen. Widrigens wird derselbe der obrigkeitlichen Erkanntniß
verlustig.
[1, 7, § 3] 100. Eine gleiche vierwochentliche Frist ist dem
Rechnungsleger zu seiner schriftlichen Erläuterung, ferners dem Herrn zur
weiteren Bemänglung und endlich dem Rechnungsleger zu seiner Schlusserläuterung
ohne aller Erstreckung anberaumet, also zwar, daß, wann binnen dieser Zeit ein-
oder andererseits auf die zugestellte Schrift des Gegentheils nichts einkommt,
die Verhandlung geschlossen, und nach Demjenigen, was eingebracht worden,
jedoch mit Beobachtung der Billigkeit, gesprochen werden kann.
[1, 7, § 3] 101. Wann demnach der Raitungsleger seine
Erläuterung über die ausgestellte Mängeln, oder seine Schlusserläuterung über
die ihme zugekommene weitere Bemänglung in der obbestimmten Frist nicht
eingebracht, ist der Herr nicht mehr schuldig, die später einreichende Schrift
anzunehmen, sondern kann vorbesagter Maßen die Verhandlung schließen, und über
die verhandleten Schriften, was Rechtens, erkennen.
[1, 7, § 3] 102. Gleichwie gegentheils, wann der Herr in der
obanberaumten Frist die weitere Bemänglung dem Rechnungsleger nicht zustellet,
dieser nicht mehr verhalten werden kann, sich darüber weiter einzulassen,
sondern ihme stehet frei mit Verwerfung der später eingebrachten Schrift des
Herrn die Schließung des Verhandleten und die Schöpfung der obrigkeitlichen
Erkanntniß anzuverlangen.
[1, 7, § 3] 103. Wo aber der Herr auf eine oder die andere
Weis die obrigkeitliche Erkanntniß verlieret, solle er den Rechnungsführer bei
seiner ordentlichen Gehörde belangen, und die Rechnungssache, wann bereits
einige Nothdurft darinnen verhandlet worden, so, wie sie liegt, alldahin zum
weiteren Verfahren übergeben.
[1, 7, § 3] 104. Würde er hingegen längstens binnen drei
Jahren und achtzehen Wochen von dem Tag des Erlags der Rechnungen die
Raitungssache bei Gericht nicht anbringen, so sollen obverordneter Maßen nach
Verlauf dieser Frist die gelegten Rechnungen bis auf den etwann eingestandenen
Rest, und die allzeit ausgenommene Vorbehaltsfälle für richtig gehalten, und
dem Rechnungsleger ohne weiters zu seiner Loszählung verholfen werden.
[1, 7, § 3] 105. Nebst deme ist auch der Herr in jenem Fall,
wann aus seiner Schuld die Erkanntniß über die gelegten Rechnungen zur
ordentlichen Gehörde gelanget, die beiderseitigen Gerichtskosten nach
vorläufiger richterlicher Mäßigung allein zu tragen schuldig, wann gleich alle
oder mehrere Mängeln gegründet befunden worden wären.
[1, 7, § 3] 106. Wo aber die Obrigkeit mit der Erkanntniß
selbst fürgehet, sind dem Rechnungsleger gar keine Gerichtskosten anzumuthen,
und da er durch die obrigkeitliche Erkanntniß sich beschweret zu sein glaubet,
so mag er binnen vierzehentägiger Frist von dem Tag deren ihme geschehener
Kundmachung den weiteren Rechtszug an die höhere Gehörde einwenden.
[1, 7, § 3] 107. Widrigens erwachset die Erkanntniß zu
Rechtskräften, welche sie auch
(1-283) in jenem Fall erreichet, wann der Rechnungsleger
sich zur Ablegung des ihme in der obrigkeitlichen Erkanntniß aufgetragenen
Eides oder zur Verführung eines demselben darinnen vorbehaltenen Beweises
binnen obbemelten nächsten vierzehen Tägen nicht gemeldet hätte, nach deren
Verlauf er weder zu dem Eid, noch zu dem ferneren Beweis weitershin zugelassen
werden solle.
[1, 7, § 3] 108. Wann endlich die obrigkeitliche Erkanntniß
in Rechtskräften erwachsen, oder von dem höheren Richter ganz oder zum Theil
bestätiget worden ist, so haben diejenige Fristen statt, welche zu Befolgung
der Rechtssprüchen an seinem Ort bestimmet werden.
[1, 7, § 3] 109. Wie kann auch in Ansehung des Zugs zur
höheren oder höchsten Gehörde jenes zu beobachten ist, was hierwegen
gleichfalls an seinem Ort ausgemessen wird.
[1, 7, § 3] 110. Jene Herren hingegen, welchen das besondere
Vorrecht der eigenen Erkanntniß über die Rechnungen ihrer unter Raitung
stehenden Dieneren und Beamten nicht zustehet, können zwar solche entweder
selbst oder durch ihre darzu bestellte Leute aufnehmen, untersuchen, Mängeln
darüber ausstellen, und wann sich der Rechnungsleger gutwillig bei ihnen
einlassen will, auch mit ihme die weiteren Verhandlung pflegen.
Doch solle eine so beschaffene Privatverhandlung weder die
Gestalt und Wirkung eines rechtlichen Verfahrens, noch auch die Erkanntniß des
Herrn die Kraft einer richterlichen Entscheidung haben, sondern der Herr ist
schuldig, das, was er aus denen Rechnungen, oder sonst an den Rechnungsleger zu
forderen hat, und von diesem widersprochen wird, der Erkanntniß der
ordentlichen Gehörde zu überlassen.
§. IV.
[1, 7, § 4] 111. Die bisher erklärte Rechten eines Herrn
gegen seine unter Raitung stehende Dienstleute und Beamten haben umsomehr bei
Erledigung des Dienstes
(1-284) statt, und ist sonderist dem Herrn zugelassen zu
seiner Sicherheit sich der Person und Sachen seiner unverraiteten Diener zu
halten, wann selbe gleich in sonstigen persönlichen Sprüchen einer anderen
Gerichtsbarkeit unterworfen wären.
[1, 7, § 4] 112. Insolange aber ist Jemand für einen
unverraiteten Diener zu achten, bis die von ihme zu erstatten habende Rechnung
geleget, die obrigkeitliche Erkanntniß gebührend abgewartet, der schuldige
Ersatz geleistet oder der gänzlichen Berichtigung halber annehmliche Sicherheit
bestellet wird.
[1, 7, § 4] 113. Doch kann der Herr den Rechnungsführer,
wann er sich unter einer anderen Gerichtsbarkeit befindet, eigenmächtig nicht
ergreifen, sondern er hat zu diesem Ende sich an die höhere Gehörde zu wenden,
welche gestalter Dingen nach, wann der Rechnungsführer sich auf die Fürladung
des Herrn nicht gutwillig selbst gestellen wollte, dem dortigen Gericht oder
Obrigkeit aufzutragen hat, damit derselbe alldort ergriffen und dem Herrn
ausgefolget werde.
[1, 7, § 4] 114. Bis aber nicht all Vorstehendes befolget
worden, ist der Herr nicht schuldig, dem Rechnungsführer seine ausständige
Besoldung zu reichen, oder die baar eingelegte Verbürgung zuruckzustellen, oder
die gestellte Bürgschaft zu erlassen, oder demselben die Loszählung zu
ertheilen.
[1, 7, § 4] 115. Ebensowenig kann der Herr verhalten werden,
da der Rechnungsführer verstorben wäre, dessen Erben die ausständige Besoldung
und nachgebliebene Habschaften abfolgen zu lassen, bis nicht von diesen anstatt
des Verstorbenen vollständige Raitung geleget, und Alles in Richtigkeit
gestellet, oder genugsame Sicherheit dafür geleistet worden.
[1, 7, § 4] 116. Die persönliche Verhaftung eines
unverraiteten Dieners muß leidentlich und bloß zur Sicherheit und Verwahrung
sein, keineswegs aber derselbe mit harter Gefängniß oder auf andere
ungeziemende Art bekränket, noch auch ihme der nothdürftige Unterhalt versaget,
sondern solcher nach Umständen der Person von dem Seinigen, oder von deme, was er
ausständig hat, abgereichet, oder da er selben nirgends woher erholen könnte,
selbst von dem Herrn gegen künftigen Ersatz vorgeschossen, auch denen Seinigen
oder anderen unverdächtigen Personen der Zutritt zu ihme nicht verwehret, noch
weniger aber derselbe verhinderet werden solle, sich über erleidendes
ungebührliches Verfahren bei der Gehörde zu beschweren.
[1, 7, § 4] 117. Wann des Rechnungsführers Habschaften und
Schriften von dem Herrn in die Sperr zu nehmen befunden würde, solle solche im
Beisein des Eigenthümers unter einer von demselben zu bewähren habenden
Verzeichniß aller in Verwahrung genommenen Sachen, in jenem Fall aber, wo der
Rechnungsführer flüchtig wäre, oder bei der Sperr nicht erscheinen könnte oder
wollte, die Beschreibung in Gegenwart zweier Zeugen vorgenommen werden.
[1, 7, § 4] 118. Dem Herrn ist sodann verstattet auf die
möglichste Art, wie es aus denen zurückgelassenen Schriften oder aus denen
Rechnungen anderer Mitbeamten oder in andere Wege am verläßlichsten geschehen
kann, den Betrag des von dem flüchtigen Dieners schuldigen Ersatzes zu
erörteren und hierauf den Endauszug zu verfertigen.
[1, 7, § 4] 119. Erscheinet nun der Flüchtige binnen Jahr
und Tag von der Entweichung nicht, so kann der Herr zur Veräußerung der von
ihme hinterlassener Habschaften nach rechtlicher Ordnung fürschreiten, und sich
davon, soweit solche erklecklich, bezahlt machen.
[1, 7, § 4] 120. Eben also ist der Herr zu verfahren
berechtiget, wann der Rechnungsführer verstorben, und Niemand sich zur
Verlassenschaft und vorher zu pflegen habender Richtigkeit anmeldet.
Doch kommt dem Herrn der aus denen verkauften Habschaften
über seine
(1-285) Forderung gelöste Ueberschuß niemals zu, sondern
dieser hat solange nach Maßgab Unserer anderweiten Verordnungen hinterleget zu
bleiben, bis solcher Demjenigen der sein hierzu habendes Recht erweiset,
eingeantwortet werden könne.
[1, 7, § 4] 121. Es kann auch binnen vorbestimmtem Jahr und
Tag der Erb oder Erbsnehmer des Verstorbenen, oder wer sonst an der
Verlassenschaft ein erweisliches Recht hat, die Erläuterung der Mängeln auf
sich nehmen und die nachgebliebene Verlassenschaft vertreten, nach Verlauf
dieser Zeit aber wider das, was von dem Herrn veranlasset worden, weiter nichts
einwenden.
[1, 7, § 4] 122. Dahingegen hat die Aufhaltung der Person
oder Sachen des Rechnungsführers nicht statt, wann die Raitung zur rechten Zeit
geleget worden und sich dabei kein Abgang oder Veruntreuung zeiget, noch ein
gegründeter Argwohn der Entweichung halber vorhanden ist, obgleich die Rechnung
noch nicht untersuchet und die ausgestellten Mängeln noch nicht erläuteret
worden wären.
[1, 7, § 4] 123. Wann aber auch ein gegründeter Verdacht
vorhanden wäre, so ist gleichwohlen zur persönlichen Verhaftung nicht anderst
zu schreiten, als da der Herr weder durch Bürgschaft, noch durch den
ausständigen Lohn, noch auch durch die dem Rechnungsführer gehörigen Sachen
seine Sicherheit erhalten kann, und sonst eine Gefahr der Entweichung vor
gepflogener Richtigkeit vorhanden wäre.
[1, 7, § 4] 124. Auch nach erledigter Raitung ist der
allenfalls zu ersetzen kommende Ruckstand nicht mit persönlicher Anhaltung zu
erzwingen, sondern sich der geleisteten Verbürgung, ruckständigen Besoldung und
übrigen in die Sperr genommenen Habschaft zu halten, und mittelst derselben
Abschätzung und Veräusserung an den Meistbietenden sich bezahlt zu machen.
[1, 7, § 4] 125. Wäre dieses nicht erklecklich, so können
die Bürgen bei ihrer Gehörde belanget, oder auch die anderwärts befindliche
Habschaften des Rechnungsführers des zu leisten habenden Ersatzes halber in
Anspruch genommen werden, und da alles dieses nicht zureichend wäre, der Herr
aber sich der Person des Rechnungsführers halten wollte, so muß er denselben
der ordentlichen Gehörde zum gerichtlichen Verhaft einlieferen.
[1, 7, § 4] 126. Noch weniger stehet dem Herrn zu, die
Mißhandlungen und Veruntreuungen eines dergleichen Dieners mit Gefängniß oder
in andere Wege selbst zu bestrafen; es wäre dann, daß ihme derorten, wo der
Rechnungsführer den Dienst verwaltet hat, die Gerichtsbarkeit in peinlichen
Fällen gebührete.
[1, 7, § 4] 127. Würde aber ein Herr deme, was vorstehet,
zuwider handlen, und in Einem oder Anderem die Maß seiner Befugniß
überschreiten, so ist derselbe nicht allein zur Genugthuung verbunden, sondern
es solle auch das Unternehmen nach Gestalt der Sachen gegen ihme geahndet
werden.
[1, 7, § 4] 128. Andere Herren hingegen, welchen die
obrigkeitliche Erkanntniß nicht gebühret, oder die sich solcher verlustig
gemacht haben, können sich zwar mit ihrem unter Raitung stehenden Diener
berechnen, mit nichten aber wider ihn selbst eigenmächtig verfahren, sondern
müssen in Allem die Gerichtshilfe ansuchen.
[1, 7, § 4] 129. Der Grund der Berechnung ist gleichfalls
die ordentliche Bestandsübergabe, welche ein jeder Herr bei dem Antritt des
Dienstes zu machen hat.
(1-286) Widrigens ist jenes zur Richtschnur zu nehmen, was
in gleich vorhergehendem §. deshalben geordnet worden.
[1, 7, § 4] 130. Einem solchen Herrn stehet auch zu, sich
mit einer Bürgschaft oder sonstigen Sicherheit vorzusehen, die Rechnungen zur
rechten Zeit zu forderen, nicht minder in der Zwischenzeit die Bestandlegung
und Rechenschaft abzuheischen, wobei in seiner Maß alles das zu beobachten ist,
was in vorhergehendem §. davon geordnet worden.
[1, 7, § 4] 131. Zur Legung der Rechnung solle dem Diener
eine drei- oder vier- wochentliche Frist nach Größe und Wichtigkeit derselben
gestattet sein; es wäre dann wegen deren besonderer Weitläufigkeit oder
Beschwerlichkeiten eine längere Frist bedungen worden, oder es wäre sonst in
gleichen Fällen eine längere Zeit insgemein üblich.
[1, 7, § 4] 132. Der Diener ist allerdings schuldig, sich
mit seinem Herrn oder jenem, den dieser darzu verordnet, zu berechnen, Alles in
das Klare zu bringen und die unableinlichen Mängeln zu ersetzen. Wie dann auch
Mittelspersonen mit beiderseitiger Einwilligung erkieset
werden mögen, um die Anstände beizulegen und die Richtigkeitspflegung gütlich
zu bewirken, wo es dann bei deme, was zwischen denen Theilen verglichen wird,
sein gänzliches Bewenden haben solle.
[1, 7, § 4] 133. Wann der Diener oder Beamte nicht zur
rechten Zeit die Rechnung legen würde, mag sich der Herr seiner ihme
anvertrauten Geldern und Habschaften selbst bemächtigen, ihme die Schlüsseln
benehmen, die Gewölber oder andere Oerter, wo die Sachen befindlich, sperren
oder versiegeln, und allsobald die Bestandlegung forderen.
[1, 7, § 4] 134. Er kann auch die Verhaftung und Anhaltung
eines ihme verdächtigen Dieners auf seine Gefahr ansuchen, und sich dessen
Habseligkeiten mittelst gerichtlicher Verkümmerung halten.
Wo er aber ohne genugsamer Ursach wider den Rechnungsführer
also verfahren würde, so ist derselbe diesem alle andurch verursachte Schäden,
Unkosten und Versaumnissen zu ersetzen schuldig.
[1, 7, § 4] 135. Falls der Rechnungsführer mit Tod abgehet,
so ist der Herr nicht verbunden, die ausständige Besoldung und nachgebliebene
Habschaften denen Erben abfolgen zu lassen, als bis von ihnen statt des
Verstorbenen die Rechnung geleget und die vollständige Richtigkeit gepflogen,
oder genugsame Sicherheit geleistet worden, als worzu die Erben oder wer immer
an der Verlassenschaft des Rechnungsführers ein Recht anzusuchen hat, durch die
Gehörde anzuhalten sind.
[1, 7, § 4] 136. Es möge nun hierauf die Rechnung gütlich oder
durch Gerichtszwang erleget werden, so stehet doch allzeit dem Herrn deren
vorläufige Durchgehung und Untersuchung zu, wie dann zu dem Ende die Erben sich
mit ihme außergerichtlich zu berechnen schuldig sind.
[1, 7, § 4] 137. Da auch der eine oder andere Theil sein
Recht sofort gerichtlich suchen wollte, so ist derselbe allemal zuvor auf die
außergerichtliche Berechnung zu verweisen, und ihme hierzu eine hinlängliche
Frist anzuberaumen, damit die Parteien entweder selbst unter einander oder
durch Mittelspersonen sich vergleichen, und die etwan hervorkommende Mängeln
und Anstände abthun können.
[1, 7, § 4] 138. Wäre aber solche insgesammt
außergerichtlich beizulegen nicht möglich, so solle nach Verlauf der
anberaumten Zeit eine Tagsatzung angeordnet, dabei von denen vorgeforderten
Theilen, was bereits verglichen worden, in einem Auszug vorgeleget, und sich
darzu bekennet, das Unausgemachte aber durch mündliche Verhandlungen oder
Vergleich zu beheben getrachtet werden.
[1, 7, § 4] 139. Was nun auch solchergestalt nicht
ausgeglichen werden kann, darüber ist nach der von beiden Theilen
unterschriebenen mündlichen Verhandlung der
(1-287) Bericht von denen zur Tagsatzung verordnet gewesten
Gerichtspersonen an die Gehörde zu erstatten, und von dieser, falls die
übriggebliebene strittige Puncten durch die mündliche Verhandlung schon genug
erläuteret wären, ohne weiteres mit richterlicher Erkanntniß fürzugehen.
[1, 7, § 4] 140. Falls aber die strittige Puncten noch nicht
klar genug ausgeführet wären, so sind die Parteien, insoweit solche noch nicht
hinlänglich erläuteret sind, zu dem Weg Rechtens, und zur schriftlichen
Verfahrung anzuweisen, welche nur damals zuzulassen ist, wann eine wahre
Nothdurft vorhanden ist, und die Strittsache nicht anderst ausgemacht werden
kann.
[1, 7, § 4] 141. Ansonst sollen zur Vermeidung aller
Weitläufigkeit bei denen zur mündlichen Verhandlung angeordneten Tagsatzungen
von beiden Theilen alle Behelfe und Gegenbehelfe vorgebracht, alle
unterwaltende Anstände, wo nicht behoben, wenigstens so gut als möglich
erörteret, und nur allein jene zur schriftlichen Verfahrung verwiesen werden,
worüber, weilen sie verflochten und zweifelhaft sind, oder auf weiterem Beweis
beruhen, die Parteien ihre Nothdurften mündlich nicht genugsam verhandlet zu
haben befunden würde.
[1, 7, § 4] 142. Diesemnach solle auf erstatteten Bericht
der richterliche Ausspruch über alle bis dahin unausgemachte Strittigkeiten von
Post zu Post ergehen, dergestalten, daß jenes, was durch rechtsbeständigen
Beweis zur Genüge erörteret worden, durch einen Endbescheid, und ohne weiterem
Vorbehalt, all Anderes hingegen, worüber entweder eine Partei selbst der
anderen bei der mündlichen Verhandlung einen Eid aufgetragen, oder worüber
einem oder dem anderen Theil den Eid gerichtlich aufzutragen befunden wird,
zwar ebenfalls durch einen Endbescheid, jedoch mit dem Vorbehalt beizulegen und
zu entscheiden ist, wann nämlich der buchstäblich vorzuschreibende Eid
geleistet oder nicht geleistet würde.
[1, 7, § 4] 143. Eben also solle in jenem Fall, da es annoch
auf einen von diesem oder dem anderen Theil zu führen habenden Beweis ankäme,
die Sache durch Endurtheil zwar entschieden, doch aber dieser Beweis
vorbehalten, und wer solchen zu führen, auch was er noch zu erweisen habe,
deutlich ausgedrucket werden.
[1, 7, § 4] 144. Nur mit jenen Anständen, welche so
zweifelhaft sind, daß nicht abzunehmen seie, was einem oder dem anderen Theil
zuzusprechen wäre, sind beide in Widerspruch verharrende Theile durch ein
Beiurtheil in eben demselben Spruch zu dem ordentlichen Weg Rechtens, mithin
zur schriftlichen Verfahrung zu verweisen.
[1, 7, § 4] 145. Dieser richterliche Spruch erwachset in Rechtskräften, wann nicht binnen vierzehn Tagen
die Verwendung an den höheren Richter angemeldet, und das in solchen Fällen
seines Orts Geordnete nicht beobachtet wird.
[1, 7, § 4] 146. Nicht weniger muß sich binnen denen
nächsten vierzehen Tagen zur Ablegung des allenfalls in dem Spruch zuerkannten
Eides oder zur Verführung des vorbehaltenen ferneren Beweises angemeldet, und
sowohl der Eid in der darzu anberaumten Zeit abgeleget, als der Beweis
verführet werden, wann sich nicht derowegen binnen besagter Frist an die höhere
gehörde verwendet worden.
[1, 7, § 4] 147. Würde aber die Anmeldung und Ablegung des
Eides oder die Führung des vorbehaltenen Beweises, oder die Einwendungen des
Zuges an den oberen Richter binnen dieser Zeit verabsaumet, so wird der
Saumselige dieser Wohlthat verlustig, und ist dem Gegentheil die gerichtliche
Hilfe nach Ausmessung des ergangenen Spruchs ohne weiters zu ertheilen.
[1, 7, § 4] 148. Wann aber der Beweis zur rechten Zeit
eingeleitet und fortgesetzet
(1-288) wird, so hat zwar der Sachfällige in allem Uebrigen,
was entschieden worden, dem gerichtlichen Spruch Genügen zu thun; doch muß die
weitere Erkanntniß über Dasjenige abgewartet werden, was nach der Anleitung des
Spruchs erst zu erweisen kommt.
[1, 7, § 4] 149. Auch da die streitenden Theile durch
Beiurtheil zum ordentlichen Weg Rechtens verwiesen worden, muß die Klage binnen
denen nächsten vierzehen Tagen angebracht werden, nach deren Verlauf der
Gegentheil hierum nicht mehr angefochten werden kann.
[1, 7, § 4] 150. Was aber bishero geordnet worden, ist bloß
allein von Privatdiensten und Aemtern zu verstehen, maßen, so viel es die öffentliche
Dienste und Aemter anbetrifft, es in deren Ansehung bei Unseren anderweiten
Satz- und Ordnungen sein gänzliches Bewenden hat.
(1-289) Inhalt.
Seite
Einleitung 1
Beilage 1. Vorschlag einer allgemeinen Gerichtsordnung und
eines gleichen Landrechts in allen Erbländern
14
Beilage 2. Grundsätze zur Verfassung des allgemeinen Rechts
für gesammte k. k. deutliche Erblande 16
Einführungs-Rescript
25
Erster Theil. Von dem Recht der Personen 31
Caput I. Von dem Recht insgemein. n. 1-100 33
§. I. Von Eintheilung des Rechts. n. 1-11 33
§. II. Von Gesetzen. n. 12-38 36
§. III. Von Gewohnheiten. n. 39-50 41
§. IV. Von Befreiungen. n. 51-80 45
§. V. Von Ausdeutung der Gesetzen und Befreiungen. n. 81-92
49
§. VI. Von dem dreifachen Gegenstand der Gesetzen
und der hiernach versatzten Eintheilung dieses Gesatzbuchs. n. 93-100 53
Caput II. Von dem Stand der Menschen. n. 1-124 54
§ I. Von Verschiedenheit menschlicher Ständen. n. 1-4 54
§ II. Von dem Stand der Freiheit. n. 5-16 55
§ III. Von dem bürgerlichen Stand. n. 17-58 67
§ IV. Von dem Hausstand. n. 59-124 76
Caput III. Von Ehebindnissen. n. 1-124 86
§. I. Von Eheverlobnissen. n. 1-63 86
§. II. Von dem Heiratsgut. n. 64-164 98
§. III. Von der Widerlag. n. 165-192 114
§. IV. Von Schankungen zwischen Lebenden. n. 193-203 118
§. V. Von dem ehegattlichen Vermögen. n. 204-256 120
§. VI. Von Witthums- und anderen Rechten nach der Ehe. n.
257-293 132
Caput IV. Von der Verwandtschaft. n. 1-58 140
§. I. Von der Verwandtschaft überhaupt. n. 1-6 140
§. II. Von Verschiedenheit der Verwandten. n. 7-24 141
§. III. Von den Staffeln der Verwandtschaft. n. 25-35 144
§. IV. Von den Rechten der Verwandten. n. 40-58 145
Caput V. Von der väterlichen Gewalt. n. 1-116 148
§. I. Von der Natur und Wesenheit der väterlichen Gewalt. n.
1-6 148
§. II. Von der Art und Weis, die väterliche Gewalt zu
erlangen. n. 7-46 149
§. III. Von Wirkungen der väterlichen Gewalt. n. 47-88 155
§. IV. Von der Art und Weis, wodurch die väterliche Gewalt
beendigt wird. n. 89-116 163
(1-290) Caput VI. Von der Vormundschaft. n. 1-640 169
§. I. Von Vormundschaft überhaupt. n. 1-11 169
§. II. Von Verschiedenheit der Vormundschaften. n.
12-120 169
§. III. Von Antretung der Vormundschaft. n. 121- 216 187
§. IV. Von Verwaltung der Vormundschaft. n. 217-368 200
§. V. Von der vormundschaftlichen Raitung. n. 369-460 223
§. VI. Von Belohnung der Vormünderen. n. 461-484 235
§. VII. Von Beendigung der Vormundschaft. n. 485-586 241
§. VIII. Von Obsorgeren deren ihrem Gut selbst vorzustehen
unfähigen Personen. n. 587-640 256
CaputVII. Von Dienstleuten. n. 1-150 265
§. I. Von der Schuldigkeit der Dienstleuten.
n. 1-19 265
§. II. Von der Gegenverbindlichkeit des Herrn. n. 20-32 268
§. III. Von der Verbindlichkeit der unter Raitung stehenden
Bedienten und Beamten insonderheit. n. 33-110
171
§. IV. Von dem Recht des Herrn wider unverraitete Diener. n.
111-150 283
Der CODEX THERESIANUS und seine Umarbeitungen. Herausgegeben
und mit Anmerkungen versehen von Dr. Philipp Harras Ritter von Harrasowsky. II.
Band. Wien. Druck und Verlag von Carl Gerold’s Sohn. 1884.
CODEX THERESIANUS. Herausgegeben und mit Anmerkungen
versehen von Dr. Philipp Harras Ritter von Harrasowsky. II. Band. Wien Druck
und Verlag von Carl Gerold’s Sohn. 1884.
(2-1) Zweiter Theil.
Von Sachen und dinglichen Rechten.
(2-2)
(2-3) Caput I.
Von Unterschied der Sachen.
Inhalt:
§. I. Von Natur, Eigenschaft und Verschiedenheit der Sachen
in Absicht auf die darauf gebührende Rechten. §. II. Von Gott geheiligten
Sachen. §. III. Von Sachen, deren Gebrauch allen Menschen gemein ist. §. IV.
Von Sachen eines Staats oder Landes. §. V. Von Sachen der Gemeinde. §. VI. Von
Sachen einzler Personen. §. VII. Von beweg- und unbeweglichen Sachen. §. VIII.
Von unkörperlichen Dingen.
§. I.
[2, 1, § 1] Num. 1. Auf die in ersten
Theil beschriebene Vorrechte der Personen, welche aus dem verschiedenen
Stand und Eigenschaft der Menschen entspringen, folget
(2-4) nunmehro die Abhandlung derjenigen Rechten, welche
denenselben über Gab und Güter zustehen.
[2, 1, § 1] 2. Deren sind zweierlei nach ihrem Ursprung,
Wesenheit und Wirkung unterschiedene Gattungen, als das Recht an der Sache,
welches auch anderst ein dingliches Recht genannt wird, weilen es das Ding,
worauf dasselbe gebühret, selbst behaftet, und das Recht zur Sache.
[2, 1, § 1] 3. Die dingliche Rechte werden in diesem zweiten
Theil, das Recht zur Sache aber in dem nachfolgenden dritten Theil beschrieben,
welcher von persönlichen Verbindungen, woraus dasselbe entstehet, eigends
handlet.
[2, 1, § 1] 4. Beiderlei Gattungen der Rechten haben die
Sachen zu ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Vorwurf. Dahero wird in diesem
ersten Capitel die Abhandlung von Sachen vorausgesetzet, und deren Natur,
Eigenschaft und Verschiedenheit in Absicht auf die darauf
gebührende Rechten erkläret.
[2, 1, § 1] 5. In dieser Betrachtung werden durch die Sachen
nur allein jene Dinge verstanden, welche ihrer Natur nach der Menschen
Eigenthum sein können, obschon dieselbe wegen einer auf sich habenden
Beschaffenheit wirklich in Niemandens Gut sind.
[2, 1, § 1] 6. Und in dieser Bedeutung werden sowohl alle
Zugehörungen der Dinge und die davon abfallende Nutzungen, als auch alle
Verbindungen, Forderungen und andere Rechten darunter begriffen.
[2, 1, § 1] 7. Alle Sachen, welche an sich fähig sind
Jemandens Eigenthum zu sein, gehören entweder zu Jemandens Vermögen, sind
handelbar und in Jemandens Gut, oder sie gehören zu keines Menschen Vermögen,
sind unhandelbar und in Niemandens Gut.
[2, 1, § 1] 8. Außer dem Vermögen der Menschen, mithin
unhandelbar und in Niemandens Gut sind die Gott geheiligte Sachen, welche zu
dem Gottesdienst geweihet und gewidmet sind, und eben darum von Niemandem zum
Eigenthum erworben, besessen, noch auch zum weltlichen Gebrauch verwendet
werden können.
[2, 1, § 1] 9. Eben also sind auch jene Sachen, deren
Gebrauch allen Menschen gemein ist, insoweit in Niemandens Gut, als keiner
dieselbe in ihrem ganzen Umfang oder in ihrer unermeßlichen Völle sich allein
zueignen, noch auch wegen ihrer unerschöpflichen Eigenschaft Andere von deren
Gebrauch überhaupt ausschließen kann, als da sind Luft und Wasser, obschon sie
nach Maß des Umfangs der sie einfassenden
(2-5) oder einschließenden Behältnissen, welche sich in dem
Eigenthum oder Besitz der Menschen befinden, eben auch Jemandens sein und
werden können.
[2, 1, § 1] 10. In Jemandens Gut und Vermögen hingegen,
folglich auch handelbar sind alle und jede Sache, deren Eigenthum, Besitz und
ausschließender Gebrauch bei denen Menschen ist, sie mögen einem Stand oder
Land oder einer Gemeinde oder einzlen Personen zugehören.
[2, 1, § 1] 11. Diese sind entweder körperlich oder
unkörperlich. Körperlich sind jene, deren Wesen und Gestalt in die Sinnen
fällt, unkörperlich aber, deren Wesenheit nur durch den Verstand des Rechts
begriffen werden kann. Ferners sind solche entweder beweglich oder unbeweglich
nach ihrer Art oder nach dem Verstand Rechtens.
[2, 1, § 1] 12. Die körperlichen Sache werden in Handel und
Wandel auf dreierlei Weis betrachtet, als entweder nach dem Betrag, das ist nach
ihrem Gewicht, Zahl und Maß, als Getreide, Wein, Wolle, Gold, oder nach der
Gattung, als ein Pferd, ein Schaf, oder nach ihrer Gestalt und stuckweis, als
dieses Pferd, dieses Schaf, dieses Haus.
[2, 1, § 1] 13. Nach dem Betrag wird nur darauf gesehen, daß
eben dergleichen und eben so vieles gegeben werde, als hieran gebühret. Nach
der Gattung kann zwar die Verbindlichkeit eine noch unbestimmte Sache von
dieser oder jener Art zu leisten hergebracht, niemalen aber hieran das
Eigenthum, oder der Besitz, oder ein anderes dingliches Recht vor derer
wirklicher Bestimmung erworben werden.
[2, 1, § 1] 14. Dahingegen können Sachen nach der Gestalt
und stuckweis, sowohl einzle als mehrere zusammen, nicht allein aus einer
darüber eingegangenen Verbindlichkeit Jemanden gebühren, sondern auch das
Eigenthum, der Besitz und alle andere Arten dinglicher Rechten hieran erworben
werden.
[2, 1, § 1] 15. Und wer zu Leistung einer bestimmten Sache
verbunden ist, entlediget sich seiner Schuldigkeit nicht, wann er eben so
vieles, obschon von ganz gleicher Art und Gestalt dafür abtragen will, sondern
er muß eben dasjenige, was er schuldig ist, geben. Alle vorerwähnte Arten der
Sachen werden in folgenden §§. erkläret.
§. II.
[2, 1, § 2] 16. Gott geheiliget sind Kirchen, Kapellen, Altäre,
Freithöfe oder sogenannte Gottesäcker, Kelche und andere heilige Gefäße und was
sonst nach Ordnung
(2-6) der christkatholischen Kirchen unmittelbar zu dem
Gottesdienst geweihet und gewidmet wird.
[2, 1, § 2] 17. Niemand dahero kann für sich selbst aus
eigener Macht ein Ort oder Ding heiligen, obschon er dieses zu andächtigen und
gottseligen Gebräuchen widmet, insolange solches nicht durch die vorgesetzte
geistliche Gewalt förmlich eingeweihet und darzu bestimmet wird, sondern bis
dahin ist und bleibet dieses handelbar.
[2, 1, § 2] 18. Sachen aber, die einmal ordentlicher Weise
Gott geheiliget worden, sind allerdings unhandelbar und können auf keinerlei
Art veräußeret, verkaufet, verpfände oder sonst in andere Wege behaftet werden,
sondern alle dahin abzielenden Handlungen sind nichtig und unkräftig, also daß
hieran weder ein Recht zu der Sache, noch minder ein Recht an der Sache daraus
erworben werden möge, und da einiges vor der Weihung hieran gebühret hätte,
erlöschet solches gänzlich, sobald als die Sache geweihet worden.
[2, 1, § 2] 19. Wann demnach derlei Sachen Jemanden zu
Handen kommen, der nicht weiß, daß sie geweihet sind, ist er schuldig solche,
sobald als ihme diese Eigenschaft wissend wird, da, wo sie hingehören, ohne
Entgelt zurückzustellen, und wo er etwas dafür gegeben hätte, mag er sich an
den Veräußerer, oder Jenen, der ihn sonst darzu verleitet hat, seines ohne
Schuld erleidenden Schadens halber erholen.
[2, 1, § 2] 20. Wer aber sich erfrechete, Gott geheiligte
Sachen wissentlich an sich zu handlen, dieser ist nebst deren Zurückstellung
eben sowohl als der wissentliche Veräußerer nach Unterschied der Fällen zu
bestrafen, und das Kaufgeld oder was immer sonst an Preises statt dafür gegeben
oder bedungen worden, solle Unserer Kammer verfallen sein.
[2, 1, § 2] 21. Nur in großen allgemeinen Nothfällen, bei
Gebrechung anderer Hilfsmitteln, wann es für nöthig befunden wird, können auch
heilige Gefäße nach deren vorhergehender von der geistlichen Behörde
veranlaßten Zerbrechung oder sonstigen Verstaltung zu weltlichen Handen mit
Giltigkeit veräußeret werden, in welchem Fall der Zeug, woraus sie verfertiget
sind, in den Handel und Gebrauch der Menschen zurückkehret.
[2, 1, § 2] 22. Und lassen Wir es übrigens bei Ausmessung
der geistlichen Rechten bewenden, wann und wie auf Befund der geistlichen
Obrigkeit derlei Sachen entweder wegen ihrer Abnutzung und Unbrauchbarkeit nach
deren vorläufiger Verstaltung zu weltlichen Handen, oder auch aus Nothdurft
oder sonstigen erheblichen Ursachen von einer Hand zur anderen zu gleichmäßigen
geistlichen Gebrauch überlassen und veräußeret werden mögen.
[2, 1, § 2] 23. Welches jedoch von anderen kirchlichen
Geräthschaften, die zur Einrichtung oder zur Zierde gebrauchet werden, nicht
aber geweihet sind, nicht zu verstehen ist, sondern diese können auch in ihrer
Form und Gestalt, die sie haben, mit
(2-7) Bewilligung und Gutbefund der Oberen durch die
Kirchenvorstehere in weltliche Hände veräußeret werden.
[2, 1, § 2] 24. Gott geheiligte Orte und Gebäude bleiben
immerhin unhandelbar, sie würden dann zerstöret, und es ermanglete durch
einverständliche Erklärung
(2-8) der geistlichen und weltlichen Obrigkeit alle Hoffnung
der Wiedererwerbung, in welchem Fall sowohl der Platz als der Raum des
Gebäudes, als der verfallene Bauzeug, wann ein oder anderes nicht ausdrücklich
vorbehalten würde, dem Herrn des Grundes eigen wird.
[2, 1, § 2] 25. Derlei Orte sind Gott allein gewidmet,
mithin ist auch nicht erlaubet solche durch menschlichen Gebrauch zu
verunehren, noch weniger darinnen weltliche Geschäfte zu handlen, sondern die
dadurch gebende Aergerniß solle ernstlich hintangehalten werden. Doch sind
freie und redliche Vergleiche und Verträge darum nicht ungiltig, weilen sie an
solchen Orten geschlossen worden, wann sonst daran kein Mangel ist.
[2, 1, § 2] 26. Gerichtlicher Handlungen aber, welche mit
einem Rechtsgetös vorgenommen werden, und vornehmlich von Blutgerichten solle
sich an solchen Orten enthalten werden. In Widrigen ist nicht allein das
Verhandlete null und nichtig, sondern auch die Verunehrung derlei Gott
geheiligter Orten nach Gestalt der Umständen zu bestrafen.
[2, 1, § 2] 27. Große Nothfälle entschuldigen zwar, daß man
sich geweihter Orten und Gebäuden auf eine Zeit zu menschlichen Bedürfnissen
ohne Verunehrung bedienen könne; doch solle solches außer unverschieblichen
Zufällen, wo die äußerste Gefahr bevorstehet, nicht anderst, als mit Vorwissen
und Bewilligung der Gehörde geschehen.
[2, 1, § 2] 28. Von Gott geheiligten Sachen sind die geistliche Güter unterschieden,
(2-9) welche zu Bisthümern, Dom- und anderen Stiftern,
Kirchen, Klöstern, geistlichen Würden, Pfründen und anderen milden Sachen
gehören. Diese sind ihrer Eigenschaft nach außer dem Handel und Wandel der
Menschen nicht gesetzet, sondern können nach Nothdurft oder Nutzen, jedoch
nicht anderst, als mit Beobachtung der gehörigen Feierlichkeit veräußeret
werden.
[2, 1, § 2] 29. Gleichwie aber Unserem obristen Schutz- und
Schirmrecht zukommet, darauf zu sehen, damit die geistlichen Güter zu keinem
anderen Gebrauch, als worzu sie gewidmet sind, verwendet werden, also sollen
auch ohne Unserer besonderen höchsten landesfürstlichen Einwilligung keine
geistliche liegende Güter rechtsgiltig veräußeret werden können.
[2, 1, § 2] 30. Hierunter wollen Wir auch alle der Geistlichkeit
angehörigen auf liegenden Gütern haftende dinglichen Rechten, unablösliche
Stiftsgelder, wie auch dergleichen Zinsen oder beständige Nutzungen begriffen
haben, also daß solche unter Nichtigkeit der Handlung ohne Unserer höchsten
Einwilligung weder verkaufet, vertauschet, verschenket, noch auf andere Weis
veräußeret oder verminderet werden mögen.
[2, 1, § 2] 31. Es sind dahero dergleichen wie immer
veräußerte geistliche Güter und Rechten denjenigen Kirchen und Stiftungen, von
wannen sie abgekommen, mit allen mittlerweil abgefallenen Nutzungen, nebst
Ersetzung aller erweislichen Schäden und Unkosten zurückzustellen. Inwieweit
aber solche durch rechtmäßige Verjährung an Andere übertragen werden können,
wird unten im neunten Capitel ausgemessen werden.
[2, 1, § 2] 32. Doch bleibet deme, wer solche Sachen mit
guten Glauben an sich gebracht, die Ansuchung seiner Entschädigung wider
Demjenigen bevor, von deme er sie bekommen, oder durch den er darzu verleitet
worden. Was aber dagegen einer
(2-10) Kirchen oder Stiftung zugekommen, ist ihme
zurückzugeben, damit die Kirche oder Stiftung mit fremden Schaden nicht
bereicheret werde.
[2, 1, § 2] 33. Wann hingegen Jemand ohne Unserer
Bewilligung wissentlich derlei Güter gekaufet oder in andere Wege an sich gebracht
hätte, solle über die schon besagte Zurückstellung das gegebene oder bedungene
Kaufgeld Unserer Kammer unnachsichtlich verfallen, und beinebst Uns die
gebührende Ahndung sowohl wider den Veräußerer, als Jenen, der solche an sich
bringen wollen, vorbehalten sein.
[2, 1, § 2] 34. Zu denen Gott geheiligten Orten gehören auch
die geweihte Kirch-
(2-11) oder Freithöfe, oder sogenannte Gottesäcker, welche
zur Beerdigung der Todten gewidmet sind, und wegen solcher Eigenschaft außer
dem Eigenthum, Besitz und zeitlichen Gebrauch der Menschen sind.
[2, 1, § 2] 35. Außer diesen geweihten Orten haben andere
Begräbnussen weder für sich selbst, noch aus Eigenschaft des Orts etwas
Besonderes, und solle kein Erdenraum bloß wegen menschlicher Begräbnuß, wann er
hierzu von der geistlichen Gehörde nicht geweihet ist, für verehrlich gehalten,
noch deswegen außer Handel und Wandel gesetzet oder von anderen Gebrauch
ausgenommen werden.
[2, 1, § 2] 36. Wo aber jedennoch gewisse Plätze außer
geweihten Orten darzu bestimmet und von anderen Gebrauch abgesönderet oder auch
mit einigen Freiheiten begabet wären, so ist sich nach diesfälligen Anordnungen
zu richten. Jene Beerdigungsorte hingegen, wohin Selbstmörder und andere keiner
ehrbaren Begräbnuß würdige Uebelthäter eingescharret werden, sind außer aller
Achtung.
[2, 1, § 2] 37. Die Eigenschaft eines zur Begräbnuß
gewidmeten, geweihten Orts hinderet nicht, daß Jemanden für sich und die
Seinigen ein besonderes Recht gebühren könne, in einer gewissen Gruften oder
Grabstelle beigesetzet zu werden, welcherlei Recht nicht nur durch
unentgeltliche Verleihung, sondern auch gegen einigen Gelderlag erworben werden
mag.
[2, 1, § 2] 38. Dieses Geld wird insgemein zu Behuf der
Kirchen oder anderer milden Stiftung, oder auch zu Handen des Grundherrn für
den zur Grabstätte
(2-12) hergegebenen Grund entrichtet, wie es jeden Orts
gebräuchlich und Unseren in Begräbnußsachen erlassenen Verordnungen nicht
zuwider ist.
[2, 1, § 2] 39. Bei diesem einem Geschlecht, oder auch
einzlen Personen und zuweilen gewissen Mitteln gebührenden Begräbnußrecht solle
Jedermann geschützet, in dessen Genuß von Niemanden beeinträchtiget, noch
weniger das Grabmal seines Geschlechts verwüstet, oder sonstiger Unfug zu
dessen Nachtheil und Verkleinerung daran begangen werden.
[2, 1, § 2] 40. In widrigen sind Jene, die es angehet,
befugt, bei der Gehörde um Handhabung ihres Rechts anzuhalten, worinnen
schleunig unter Verhängung Geld- oder anderer willkührlicher Strafen wider die
Schuldige zu verfahren ist, woferne der Mangel des Beweises keine ordentliche
Rechtshandlung erheischete.
[2, 1, § 2] 41. Mit Gott geheiligten Sachen kommen jene
nicht überein, welche man in bloßer rechtlicher Bedeutung heilig nennet, weilen
sie unverletzlich sind und durch Strafgesetze gegen allerlei Verunehrung,
Gewalt oder daran verübten Unfug bewahret werden, obschon sie übrigens zu
menschlichen Gebrauch dienen und andurch von ersteren wesentlich unterschieden
sind.
[2, 1, § 2] 42. Von dieser Art sind alle und jene Sachen,
welche nach Ausmessung des §. IV. der höchsten Gewalt des Staats vorbehalten,
und wegen dieser ihrer öffentlichen Eigenschaft außer gemeinen Handel und
Wandel gesetzet sind. Deren Unverletzlichkeit, welche insgemein mit dem Recht
der freien Sicherheit vereinbaret ist, hat durch unsere anderweite Verordnungen
ihre Maß und Richtschnur.
§. III.
[2, 1, § 3] 43. Auch jene Sachen sind in Niemandens Gut,
deren Gebrauch allen Menschen dergestalten gemein ist, dass wegen ihrer
Unermeßlichkeit Keiner deren
(2-13) Gebrauch verminderen oder erschöpfen, noch weniger
Andere überhaupt ausschließen könne.
[2, 1, § 3] 44. Von dieser Art sind Luft, Wasser, Licht,
deren Gebrauch in der ganzen Erstreckung dieser Dinge von Niemanden sich allein
mit völliger Ausschließung aller Anderer zugeeignet werden mag, wiewohlen zum
Theil solcher binnen den Grenzen eines Jemanden eigenthumlich zustehenden
Bezirkes oder Behältnisses Anderen mit Fug verwehret werden kann.
[2, 1, § 3] 45. An allen anderen Dingen aber, die des
Eigenthums fähig sind, hat in Unseren Staaten keine natürliche Gemeinschaft
statt, sondern sie sind entweder in dem öffentlichen Eigenthum des Staats, oder
in dem sonderheitlichen Eigenthum gewisser Gemeinden oder einzler Personen.
[2, 1, § 3] 46. Dahero ist Niemanden gestattet, ohne einer
ihme entweder nach der Länderverfassung, oder nach der Ordnung der Gemeinden,
oder aus Zulassung einzler Eigenthümer hierzu gebührenden Befugniß, sich des
freien Gebrauchs derlei Sachen anzumassen, noch weniger sich solche durch
eigene Bemächtigung zuzueignen.
(2-14) §. IV.
[2, 1, § 4] 47. In dem öffentlichen Eigenthum sind alle und
jede Sachen, welche der bei Uns ruhenden höchsten Gewalt des Staats eigen sind,
und deren Gebrauch nach der Länder Verfassung und Unseren dahin einschlagenden
Verordnungen entweder Uns allein vorbehalten oder von Uns Anderen verliehen,
oder jedem Lande gemein ist.
[2, 1, § 4] 48. Dahin gehöret das Meer, die Meerhäfen und
Küsten, schiffbare Seen, öffentliche Ströme und Flüsse, offene Straßen und
Wege, nicht aber auch jene Seen, deren Eigenthum und Besitz aus Unserer
Verleihung oder auf andere rechtmäßige Weise Jemanden insonderheit zustehet.
[2, 1, § 4] 49. In Betreff des Meers, der Meerhäfen und
Küsten, wie auch der schiffbaren Seen ist sich nach der Verfassung Unserer
anliegenden Länder zu richten, und überhaupt auf die Erhaltung Unserer
landesfürstlichen Hoheiten zu sehen, damit nichts gestattet werde, was diesen
zu Abbruch gereichen könnte.
[2, 1, § 4] 50. Aus der Ursache ist derorten Niemanden der
Fischfang, Sammlung des Salzes, Muscheln und anderer Erzeugungen oder Auswürfen
des Meers oder Seewassers, noch weniger die Zueignung der etwan entstehenden
Inseln zugelassen, er seie dann entweder nach der Länder Verfassung oder nach
Unseren Verordnungen, Verleihungen und sonst rechtmäßig hergebrachten
Freiheiten darzu berechtiget.
[2, 1, § 4] 51. Ueberhaupt aber solle Niemanden erlaubet
sein, soweit sich Unsere Landeshoheit erstrecket, in diesen Orten etwas zu
bauen, zu versenken, oder auf andere Weis zu unternehmen, wodurch die
Schifffahrt und Anländung behindert oder beschwerlicher gemacht werde. Wo in
Widrigen die Hinderniß sogleich zu heben,
(2-15) die Beschwerde abzustellen und das Beginnen nebst
Ersatz des verursachten Schadens nach Umständen ernstlich zu bestrafen ist.
[2, 1, § 4] 52. Dahingegen ist Jedermann in Ansehen dieser
Dinge bei dem Gebrauch seines angebührenden Rechts und in dem Genuß Unserer
Verleihungen und Freiheiten durch die gehörige Rechtsmitteln zu schützen und zu
handhaben.
[2, 1, § 4] 53. Große, beharrliche und schiffbare Ströme und
Flüsse sind in Ansehen
(2-16)der Schifffahrt und dahin abzielenden Gebrauchs zu
Unseren Hoheiten gehörig; das Eigenthum aber gebühret nach Verschiedenheit der
Länderverfassungen entweder
(2-17) Uns oder den Eigenthümeren der anliegenden Gründen,
und zwar entweder gemeinschaftlich oder deren Jedweden nach Maß einer
bestimmten Weite.
[2, 1, § 4] 54. Wo das Eigenthum der Flüssen Uns zustehet,
bleibet gleichermaßen der Rinnsal oder das Flussbett solange öffentlich, als
der Strom den Lauf darinnen hat. Da er aber solchen ganz oder zum Theil änderet
und einen neuen Rinnsal nimmt, so wird dieser öffentlich, und der verlassene
fallt entweder in das vorige sonderheitliche Eigenthum des Grunds, wann es
erweislich, zuruck, oder ist auf die hiernach ausmessende Art und Weis zu
vertheilen.
[2, 1, § 4] 55. Die Ufer der öffentlichen Flüssen
sind nur insoweit öffentlich, als zu dem landgemeinen Gebrauch des Flusses auch
der Gebrauch der Ufern nöthig ist. Außerdeme gehöret deren Eigenthum allemal zu
den nächstanliegenden Gründen, woferne diese von den Ufern nicht vollständig
abgerainet wären, und somit die Ufer mit dem Flusse und Rinnsal einerlei
Eigenschaft hätten.
[2, 1, § 4] 56. Gebührete hingegen das Eigenthum der Flüssen
den Eigenthümeren der anliegenden Gründen, so ist förderist darauf zu sehen, ob
durch besondere Rainzeichen oder Urkunden zwischen ihnen die Theile bestimmet
seien oder nicht.
[2, 1, § 4] 57. Ersteren Falls hat es dabei ohne Widerrede
sein Bewenden, letzteren Falls aber ist der Fluss zwischen ihnen nach
Erstreckung ihrer daranstoßenden Gründen gemein, und stehet ihnen frei,
denselben gemeinschaftlich durch sich oder durch Andere zu nutzen und zu
genießen, oder den Nutzen und Genuß nach Gefallen unter sich zu vertheilen, wie
nicht weniger sich des Eigenthums halber zu vergleichen, wobei es ebenmäßig für
die Zukunft sein unverbrüchliches Verbleiben haben solle.
[2, 1, § 4] 58. Da aber in Ermanglung älterer oder neuerer
Vergleiche und Verträge von einem oder dem anderen Theil die Theilung des Flusses
anverlanget würde, ist zur Grundregel der Abtheilung zu halten, daß, weme an
einer Seiten der nächst an dem Fluß gelegene Grund zuständig ist, demselben
auch das Ufer, der Rinnsal und der Fluß nach Breite dieses seinen Grunds bis
zur Mitten des Flusses gehöre.
[2, 1, § 4] 59. Es verstehet sich aber die Mitte nicht nur
nach dem wirklichen Lauf des Flusses, sondern nach dem ganzen zwischen dies-
und jenseitigen Gründen befindlichen Zwischenraum, er seie mit Wasser bedecket
oder trocken, also daß allemal der Fluß sammt seinem Rinnsal und allem
Zwischenraum bis an die Mitte dem Eigenthümer des diesseitigen Grunds, von der
Mitte aber dem Eigenthümer des jenseits des Flusses gelegenen Grunds zukomme.
[2, 1, § 4] 60. Wann jedoch mehrerer Herren Gründe dies- und
jenseits an den Fluß anstoßen, so ist auch der Fluß nach der Breite ihrer
vorwärts gegen dem Fluß besitzenden Gründen zu vertheilen. Dahingegen ist
Jenem, der zu beiden Seiten
(2-18) Gründe hat, soweit als dieselbe dies- und jenseits
des Flusses Niemanden entgegen liegen, der ganze Fluß, dessen Rinnsal und aller
Zwischenraum allein gehörig.
[2, 1, § 4] 61. Diese Befugnuß aber, sich die Flüsse nach
Erstreckung der anstoßenden Gründen zuzueignen, stehet
nur jenen Besitzern zu, denen das Grundeigenthum gebühret. Dahingegen
Erbzinsleute und Unterthanen, obschon sie die naheliegenden Gründe
eigenthumlich besitzen, durch die Grenzen ihrer Gründe, welche in Ermanglung
anderer die Ufer ausmachen, beschränket sind, und sich an den Flüssen nicht das
mindeste Recht anmaßen können, außer was ihnen durch die Grundbücher, Gewähren
und Handfesten verliehen ist, oder sonst der gemeine Landesbrauch mit sich
bringt.
[2, 1, § 4] 62. An beharrlichen und schiffbaren Flüssen, sie
mögen zu dem sonderheitlichen oder Landeseigenthum gehören, ist Niemanden
gestattet, etwas zu thun, wodurch der Zustand des Flusses verändert, der freie
Lauf behinderet, die Schifffahrt, Flößung, der darzu nöthige Gebrauch des
Ufers, die Anländung und andere landgemeine Bequemlichkeit beschwerlicher gemacht
werde.
[2, 1, § 4] 63. Ebensowenig ist zulässig, durch neue Werke
anderen dies- oder jenseits nächst dem Fluß oder auch weiter davon gelegenen
Gründen einen Schaden zuzufügen, oder die Gefahr einer bei großem Wasser,
Eisgang oder sonstigen Umständen entstehen mögenden Beschädigung zuzuziehen.
[2, 1, § 4] 64. Noch auch ist erlaubet, die selbsteigenen
Gründe durch neue Werke einer Gefahr auszusetzen, wann der erfolgen mögende
Schaden beträchtlich und dem gemeinen Besten oder wem immer Anderen zum
Nachtheil gereichen könnte.
[2, 1, § 4] 65. Wir verbieten
dahero alle schädliche Vermehrung des Gewässers durch Einleitung mehrerer
Flüssen, Bächen, Quellen, Seen, Teichen, Sümpfen, als sonst derorten in dem
Fluß zu fallen pflegen, besonders wann hierdurch der Fluß reißender,
austretender, gefährlicher, und denen nächst oder tiefer gelegenen Gründen
schädlicher würde.
[2, 1, § 4] 66. Nicht weniger solle alle Ableitung des
Wassers durch Gräben und Wasserleitungen zu Mühlen oder anderen Gebrauch
untersaget sein, wann dadurch der Fluß schmäler, seichter und unschiffbarer
würde, oder deme sonst aus anderen Ursachen Unser Verbot entgegenstände.
[2, 1, § 4] 67. Desgleichen solle sich der Errichtung neuer
Wasserwehren, Schleußen, Rechen, Pfählen und allerhand anderer Werke in die
Breite des Flusses, es seie gerad oder schräg hinein, wodurch der ordentliche
Lauf des Flusses zu Behinderung der Schifffahrt oder sonst zu Jemands Nachtheil
aufgehalten, abgetrieben, erhöhet oder eingeschränket würde, gänzlich enthalten
werden.
[2, 1, § 4] 68. Dieser Verbot
erstrecket sich auch auf die Behinderung der Oberfläche des Flusses mit Brücken
oder Stegen, Fischerzäunen oder Körben, länger auf liegenden Bau- oder
Brennholz, und was sonst den landgemeinen Gebrauch des Flusses hemmen kann.
[2, 1, § 4] 69. Ueberhaupt aber solle Niemand bei scharfer
Ahndung sich unterfangen, an Flüssen landgemeinen Gebrauchs neue Werke
eigenmächtig vorzunehmen, oder die schon bestehende über den Stand, worinnen
sie sich befinden, zu erweiteren, oder etwas hieran abzuänderen.
[2, 1, § 4] 70. Sondern, wo Jemandens Nothdurft, Nutzen oder
Bequemlichkeit etwas dergleichen erforderte, welches ohne Männiglichens Schaden
und Nachtheil geschehen könnte, ist das Vorhaben jedes Mal vor Unternehmung des
Werks bei der gehörigen Landesstelle, oder wo in Fluß- und Wassersachen eigene
Gerichte oder Aemter angeordnet sind, daselbst anzubringen.
[2, 1, § 4] 71. Die Stelle hat hierauf nicht allein zu
erwägen, ob dabei von Seiten des gemeinen Wesens ein Anstand oder
Bedenklichkeit unterwalte, sondern auch Jene, die es angehet, und von welchen
sich vermuthen läßt, daß ihnen das vorgabende Werk schädlich sein könne,
darüber zu vernehmen, und bei befindenden
(2-19) Anstand oder Jemands erfolgenden Widerspruch sofort
eine Untersuchung an Ort und Stelle mit Zuziehung geschworner oder auch
anderer, doch darzu eigends zu beeidigen kommender Wasserbauverständigen zu
veranlassen.
[2, 1, § 4] 72. Hierbei ist der Augenmerk vorzüglich darauf
zu richten, ob durch das vorhabende Werk Unseren Hoheiten ein Abbruch, dem
landgemeinen Gebrauch des Flusses eine Hindernuß, oder den Benachbarten ein
Nachtheil bevorstehe.
[2, 1, § 4] 73. Vor Allem sollen Unsere Hoheiten aufrecht
erhalten, und keinem Abbruch oder Gefahr einer Verkürzung ausgesetzet, wie
nicht weniger der landgemeine Gebrauch des Flusses gehandhabet, und nichts
zugelassen werden, was deme hinderlich fallen könnte, wanngleich eine
Schadloshaltungssicherheit anerboten würde.
[2, 1, § 4] 74. Da aber nur eines oder des anderen
Benachbarten Schaden und Nachtheil besorget würde, ist die vorschützende Gefahr
wohl zu erwägen, und da die Gefahr unwahrscheinlich, folglich die Beisorge
ungegründet befunden würde, solle der Widerspruch eines neidigen und
mißgünstigen Nachbars nicht angesehen werden.
[2, 1, § 4] 75. Wann hingegen ein Schaden mit
Wahrscheinlichkeit zu beförchten wäre, ist Demjenigen, der das Werk errichten
will, dessen Aufführung nicht anderst, als gegen Bestellung einer annehmlichen
Sicherheit für den Ersatz des erfolgen mögenden Schadens nach richterlicher
Mäßigung zu gestatten. Wann jedoch die Gefahr augenscheinlich und der Schaden
ungezweiflet wäre, solle in das vorhabende Werk gar nicht gewilliget werden.
[2, 1, § 4] 76. Weme aber ein dergleichen Werk aufzurichten
erlaubet wird, deme ist auch die Art und Weis, oder die Form und Gestalt des
Baues deutlich vorzuschreiben, und wie ihme solche auf den erstatteten
Untersuchungsbericht von der Gehörde ausgemessen worden, hiernach ist er sich
zu halten schuldig, woferne er seinen weiteren Rechtszug an die höhere Stelle
ergreifen würde.
[2, 1, § 4] 77. Würde Jemand ein dem gemeinen Wesen oder
Anderen schädliches Werk eigenmächtig unternehmen, so ist ersteren Falls auf
davon erhaltene Nachricht von amtswegen, letzteren Falls aber auf eingebrachte
Beschwerde ein Einhalts- oder Einstellungsbefehl unter einer den Umständen
gemäßen Geldstrafe sogleich zu erlassen.
[2, 1, § 4] 78. Dieser Befehl verbindet Denjenigen, deme der
Einhalt geschieht, von dem Bau allsobald, als ihme solcher zugekommen, bei
sonstiger Verwirkung der ausgemessenen Strafe abzustehen, in wessen Befolgung,
wann die Sache noch unverrucket und Niemanden ein Schaden geschehen ist,
derselbe von aller weiterer Anfechtung enthoben wird.
[2, 1, § 4] 79. Würde er aber den angefangenen Bau fortzusetzen
verlangen, muss er mit Einstellung des weiteren Werks die Untersuchung an Ort
und Stelle anbegehren, sowie Jene, welche dadurch sich beschweret zu sein
finden, wann das Werk schon wirklich so weit gediehen wäre, daß sie davon einen
Schaden beförchten, um den vorigen Stand der Sachen herzustellen, gleichfalls
die Untersuchung an Ort und Stelle auszuwirken haben, wobei auf vorbemelte Weis
zu verfahren ist.
[2, 1, § 4] 80. Gehorchete hingegen derselbe nicht, sondern
könnte eines ihme wider den Verbot in Fortsetzung des Baues zu Schulden
gehenden Ungehorsams überwiesen werden, so ist nach obigen Unterschied der
Fällen entweder von amtswegen oder auf Verlangen des Gegentheils die
Untersuchung unverweilt vorzunehmen, unter Einem aber die durch seinen Ungehorsam
verwirkte Strafe ohne Nachsicht und ohne Abwartung des Ausschlags der
Hauptsache von ihme einzutreiben, auch gestalter Dingen nach der Verbot unter
verdoppelter Strafe zu erneueren.
[2, 1, § 4] 81. Findete sich sodann das Angefangene oder
auch schon vollends zu Stand gebrachte Werk wirklich schädlich zu sein, so ist
der Unternehmer dieses Werks anzuhalten, alles Errichtete abzuthun und in den
vorigen Stand herzustellen, beinebst aber auch die Untersuchungskosten allein
zu tragen und allen erweislichen Schaden sammt Unkosten dem Gegentheil zu
ersetzen.
(2-20) [2, 1, § 4] 82. Dagegen wo das angefangene, und nach
geschehenen gerichtlichen Einhalt fortgesetzte Werk unschädlich befunden würde,
so hat es zwar bei der durch Ungehorsam verwirkten Strafe sein Verbleiben, von
Ersetzung der Unkosten aber solle der im Werk begriffene Theil enthoben sein,
und vielmehr der Gegentheil, wann er den Einhalt muthwillig begehret hat, darzu
verurtheilet werden.
[2, 1, § 4] 83. Wäre aber ein neu errichtetes Werk durch
drei Jahre und achtzehen Wochen ohne Widerspruch bestanden, so solle es auch
weiterhin erhalten werden, wann die Verjährung nicht mangelbar oder sonst keine
gemeinwesige Ursach vorhanden ist, die dessen Abstellung erheischete.
[2, 1, § 4] 84. Eingegangene alte Werke ist keinem verwehret
in den vorigen Stand herzustellen, wann Niemand zu einem Widerspruch Ursach
hat. Ansonsten, wo die Widerherstellung einem Widerspruch unterworfen wäre, muß
solche binnen drei Jahren und achtzehen Wochen vorgenommen werden, nach deren
Verlauf ist der Stand der Sachen verjähret, woran zum Nachtheil dessen, der zu
widersprechen Ursach hat, nichts mehr geänderet werden darf.
[2, 1, § 4] 85. Wäre aber die Wiederherstellung derlei
verfallener Werke auch unter dieser Verjährungszeit wegen veränderter Lage des
Orts ohne Schaden des Anderen nicht mehr möglich, solchen Falls hat Derjenige
den Verlust der Werke zu leiden, deme solche entweder aus seiner Schuld oder
durch Zufall zu Grund gegangen.
[2, 1, § 4] 86. Allein ohne Benachtheiligung des Anderen ist
Jedermann befugt, den durch die Gewalt des Stroms, oder auf andere Weise
befahrenden Schaden von seinen Gründen abzuwenden und zu dem Ende seine Ufer
nach der Länge des Flusses zu befestigen, folglich solche vor Einreißung des
Stroms, Ueberschwemmung und Abspühlung des Erdreichs oder anderen Schaden zu
verwahren, und anmit den Fluß in seinen ordentlichen Rinnsal zu erhalten, oder
da er ausgetreten, ihn wieder zuruckzuleiten, woran er von Niemanden behinderet
werden kann, außer Jemand hätte nach Verlauf der Verjährungszeit von Abänderung
des Rinnsals deme zu widersprechen Ursach.
[2, 1, § 4] 87. Dagegen ist Niemand schuldig, Wehren oder
Dämme an seinem Ufer zu Bewahrung fremder Gründen auf
eigene Unkosten aufzurichten oder herzustellen, wann er nicht durch Verträge,
Vergleiche, oder Verjährung hierzu verbunden ist.
[2, 1, § 4] 88. Wäre aber die Gefahr Jemandens Gründen mit
anderen benachbarten gemein, solle derselbe sich nicht entziehen können mit
Anderen, denen an zeitlicher Vorsehung gelegen ist, gemeine Sache zu machen und
mit ihnen auch seinerseits zu den gemeinschaftlichen Unkosten den nach Maß der
ihn zugleich mitbetreffenden Gefahr ausfallenden Beitrag unweigerlich zu
leisten.
[2, 1, § 4] 89. Würde er hingegen sich dessen ohne Rechts
erheblicher Ursache weigeren, stehet Jedermann frei, deme an Errichtung neuer
oder Wiederherstellung eingegangener alter Werken zu Abwendung des ansonst
seinen Gründen bevorstehenden Schadens gelegen ist, bei der Gehörde um
Vorsehung anzuhalten, welche sogleich derorten, wo es nöthig, eine Untersuchung
zu veranlassen hat.
[2, 1, § 4] 90. Diese Untersuchung solle, wann das Ansuchen
Grund zu haben befunden würde, auf Unkosten aller dabei verfangener Theile
vorgenommen, und dabei nicht allein die Errichtung der zur Abwendung der Gefahr
dienlichen Werke bestimmet, sondern auch zugleich ein Ueberschlag der Kosten
gemacht und alle Theile, die es betrifft, zur gütlichen Einverständniß des
gemeinsamen Beitrags halber zu vermögen getrachtet werden.
[2, 1, § 4] 91. Wie sich nun Dieselben deswegen
untereinander vergleichen, dabei solle es auch sein Bewenden haben und hierüber
feste Hand gehalten werden. Wäre aber kein gütlicher Vergleich zu bewirken, so
hat die Behörde auf den an sie abgegebenen Untersuchungsbericht die Eintheilung
des Bezugs mit Beobachtung aller nur möglichen Gleichheit in Absicht auf die
Größe und Erträglichkeit der Gründen und auf die
mehrere oder wenigere Gefahr auszumessen.
(2-21) [2, 1, § 4] 92. Findete sich andurch Jemand
beschweret und wollte dawider einen weiteren Rechtszug einwenden, so solle
dessen ohnerachtet die Vollstreckung der Erkanntnuß nicht verschoben bleiben,
sondern die Berufung an den oberen Richter bloß die rechtszügliche Wirkung zu
Verbesserung der angeblichen Ungleichheit haben.
[2, 1, § 4] 93. Umsoweniger ist Jemand befugt, auf fremden
Ufern oder Gründen ohne Bewilligung des Herrn des Ufers oder Grunds, etwas zu
errichten oder herzustellen. Doch solle eine solche Verwilligung nicht versaget
werden, wann das Werk dem Herrn des Grunds unschädlich ist, und die
selbsteigene Aufwendung der Unkosten von dem Ansuchenden sammt der vollkommenen
Schadloshaltung anerboten wird.
[2, 1, § 4] 94. Diesemnach kann wider dem Verweigerenden von
Jenem, deme hieran erweislich gelegen ist, bei der Gehörde eine Rechtsklage
erhoben, und dieser, wann die Unschädlichkeit des Werks, folglich der Ungrund
der Weigerung sammt der Zulänglichkeit der angebotenen Schadloshaltung und
Sicherheit rechtsgenüglich erprobet wird, zu dessen Verstattung verhalten
werden.
[2, 1, § 4] 95. Kleinere Flüsse, Bäche und andere fließende
Wässer sind von anderen eigenthumlichen Sachen nicht unterschieden, sondern in
dem Eigenthum Derjenigen, durch deren Gründe sie fließen.
[2, 1, § 4] 96. Es kann dahero der Herr derselben nach
Gefallen damit schalten und walten und inner seinen Gründen mehrere dergleichen
Wässer zusammenziehen, eines jeden Lauf, wie er will, vertheilen, änderen,
zwingen und leiten, wann nur andurch Niemanden geschadet oder der landgemeine
Gebrauch der Holzflössung oder Schwemmung nicht behinderet wird. Ansonsten ist
dabei eben so, wie es oben von größeren Flüssen geordnet worden, zu verfahren.
[2, 1, § 4] 97. Wo aber derlei Wässer zwischen verschiedener
Herren Gründen ihren Lauf haben, und weder der einen noch der anderen Seiten
zugerainet oder durch Verträge und Vergleiche gehörig sind, sondern selbst die
Rainung ausmachen, so folget sowohl der Fluß, Bach, als dessen Rinnsal dem
Eigenthum des dies- und jenseitigen Gestads nach Maß und Weis, wie es oben von
größeren Flüssen ausgewiesen worden.
[2, 1, § 4] 98. In diesem Fall kann keiner von den
Eigenthümern der beiderseits gelegenen Gründen ohne dem anderen etwas
vornehmen, wodurch der Lauf des Wassers geändert würde, sondern da er
jegleichwohlen etwas hieran änderete, solle derselbe auf Anlangen des andurch
beschwerten Theils dasselbe anwiederum dahin, wo es zuvor von seinen Gründen
den Ausfall gehabt, zu führen, nebst Ersatz aller erweislichen Schäden und
Unkosten angehalten werden.
[2, 1, § 4] 99. Es ist auch Derjenige, deme die vorhabende
Wasseränderung zu Schaden gereichen könnte, deren wirkliche Bewerkstelligung
abzuwarten nicht schuldig, sondern er kann in der Zeit um einen Einhaltsbefehl
bei der Gehörde einkommen, womit oben verordneter Maßen fürzugehen ist.
[2, 1, § 4] 100. Was von Beschädigung Anderer durch
abgeänderten Lauf des Wassers auch auf eigenen Gründen gemeldet worden, ist
gleichfalls von Jenen zu verstehen, denen an diesem Wasser eine Herrlichkeit,
oder Dienstbarkeit oder was immer für ein anderes Recht auf dem Grund zustehet,
deme die Aenderung nachtheilig sein könnte.
[2, 1, § 4] 101. Insonderheit sollen die Landesstellen
darauf genaue Obsicht tragen, damit den Unterthanen an ihren steuerbaren
Gründen durch derlei von ihren Obrigkeiten unternehmende Wasserleitungen und
Aenderungen nicht im geringsten geschadet werde.
[2, 1, § 4] 102. Wo es sich aber ergäbe, dass ein Fluß, Bach
oder sonstiges fließendes Wasser, welches durch mehrerer Herren Gründe seinen
Lauf hat, oder woran nebst dem Grundherrn auch noch jemand Anderen ein Recht
zustehet, durch ungefähren Zufall und ohne Zuthat oder Schuld des einen oder
anderen Grundherrn seinen
(2-22) Lauf änderen und einen Ausriß zum Schaden der anderen
Gründen oder dessen, der hieran ein Recht hat, nehmen würde, ist zu unterscheiden,
ob der Schaden oder die Gefahr den Grund, in welchem der Ausriß geschehen,
zugleich mitbetreffe oder nicht.
[2, 1, § 4] 103. Ersteren Falls ist der Herr desselben zur
Zuruckleitung des Wassers und Herstellung des vorigen Rinnsals oder Wassergrabens
nach Maß dessen, was oben von num. 88 bis num. 92 deshalben geordnet worden,
das Seinige mit beizutragen schuldig.
[2, 1, § 4] 104. Letzteren Falls aber kann er zwar zu keinem
Beitrag verhalten werden, doch muß er denen Anderen, welchen erweislich hieran
gelegen ist, ein solches auf ihre Unkosten ohne seinem Schaden und Nachtheil
auf seinem Grund zu thun, unweigerlich verstatten.
[2, 1, § 4] 105. Wobei Derselbe die Schadloshaltung nur in
jenem Fall anzubegehren befugt ist, wann in dem vorigen Stand der Sachen,
welcher vor dem Ausriß gewesen, etwas geänderet oder ein neues Werk aufgeführet
werden wollte. Da aber dieser nicht überschritten wird, ist auch keine
Schadloshaltung nöthig.
[2, 1, § 4] 106. Offene Straßen und Wege gehören unter das
öffentliche Eigenthum des Staats, wo es die Länderverfassung also mit sich
bringet und bevorab, wo solche mit landgemeinen Kosten erbauet sind; ansonsten
ist nur deren Gebrauch landgemein, das Eigenthum aber von dem Eigenthum des
Erdreichs, über welches sie gehen, nicht unterschieden.
[2, 1, § 4] 107. Der Wege sind dreierlei Gattungen: Erstens,
die Hauptstraßen in jedem Land, als die Heerstraßen, Landstraßen, Poststraßen,
Handelsstraßen und dergleichen, welche von einem Land in das andere, von oder
zu Meerhäfen, Seen, Flüßen, Haupt- oder anderen Städten und Märkten, es sei
unmittelbar oder mittelbar durch Eintritt in andere Hauptstraßen führen.
(2-23) [2, 1, § 4] 108. Zweitens, die ortschaftliche Wege,
welche von Hauptstraßen zu Schlössern, Dörfern, Flecken und anderen volkreicheren
Ortschaften, wie auch zu Kirchen, Freithöfen, Klöstern oder Spitälern, oder von
dannen auf die Hauptstraßen führen.
[2, 1, § 4] 109. Drittens, die sonderheitlichen Wege, als
Feld- und Holzwege, Waldwege, Viehwege, Gartenwege und mehrere andere, welche
zu sonderheitlichen Orten, Wohnsitzen, Meierhöfen, Wäldern, Gärten, Aeckern,
Wiesen, Teichen und dergleichen führen, von dannen aber keinen anderen Ausgang
habe, oder wieder zu sonderheitlichen Orten gerichtet sind.
[2, 1, § 4] 110. Auf den Hauptstraßen ist nicht erlaubet
etwas zu bauen, zu pflanzen, Lasten oder andere Hindernisse hinzulegen, noch
weniger ihre Breite, die entweder durch Unsere Verordnungen oder durch den
Landesbrauch bestimmet ist, auf was immer für eine Art zu schmäleren oder sonst
etwas zu thun, so der Freiheit, Beweglichkeit, Bequemlichkeit und Sauberkeit
der Straßen zuwider wäre.
[2, 1, § 4] 111. Wann aber auch das Eigenthum der Straßen
dem Eigenthümer des Grunds gehörig ist, so bleibet
doch deren Gebrauch allemal landgemein, und darf nichts, was zu dessen
Hindernuß gereichete, unternommen werden.
[2, 1, § 4] 112. Dahingegen, wo die Hauptstraßen zu dem
Eigenthum des Grunds nicht gehören, ist das Erdreich, welches sie einnehmen,
solange die Straßen derorten fortdaueren, indem Eigenthum des Staats. Da aber
von Uns dergleichen Straßen zu änderen und an andere Orte zu verlegen befunden
würde, kehret das ledige Erdreich in das vorige sonderheitliche Eigenthum, wann
dieses erweislich ist, zuruck; ansonsten, wo dieses nicht bekannt wäre, hat der
Eigenthümer des nächtstangelegenen Grunds allemal die Vermuthung für sich.
[2, 1, § 4] 113. Gehöreten aber die dies- und jenseits der
Straßen gelegene Gründe verschiedenen Eigenthümeren, so kommet ihnen der von
der Straßen befreite Raum entweder nach Maß ihrer vormaligen Rainen, wann
solche erweislich sind, oder zur Halbscheide nach der Breite ihrer Gründen,
welche sie längst der Straßen haben, wiederum zu.
[2, 1, § 4] 114. Dieses verstehet sich jedoch nur allein von
herrschaftlichen freien Gründen, nicht aber von zinsbaren oder unterthänigen
Gründen, maßen diesen hieran kein Recht zustehet, sondern solchen Falls
gebühret den Grundherschaften die Vertheilung des ledigen Erdraums.
[2, 1, § 4] 115. Ortschaftliche Wege bleiben in dem
Eigenthum Derjenigen, über deren Gründe sie gehen, sie mögen kurz oder lang
über ihre Gründe gemacht worden sein. Sie können dahero solche nach ihrer
Nothdurft veränderen, an andere Orte verlegen und nach Gutbefund darmit
verfahren, wann nur allemal von der Hauptstraßen bis zu den Ortschaften, wohin
sie gerichtet sind, und von dannen zu den Hauptstraßen ein freier Weg zu
Jedermanns Gebrauch verbleibet, und sonst Niemanden an seinem ihme derorten
zustehenden Recht geschadet wird.
[2, 1, § 4] 116. Sonderheitliche Wege hingegen sind nicht
allein in dem Eigenthum dessen, der solche über seine Gründe angeleget, sondern
derselbe kann sie auch nach seinem Gefallen änderen oder wieder aufheben, wie
nicht minder den Gebrauch davon sich allein vorbehalten, oder weme er will
verleihen, und zu dem Ende dieselbe mit Thören, Zäunen und Schlagbäumen
sperren, es hätte dann jemand Anderer durch Verträge, Vergleiche, oder durch
rechtmäßige Verjährungszeit das Recht sich dieses Wegs zu gebrauchen
hergebracht, welchen Falls er dabei geschützet werden solle.
[2, 1, § 4] 117. Außerdeme darf Niemand wider derlei
Versperrung sonderheitlicher Wege einige Gewaltthätigkeit unter der auf die
Gewalt ausgesetzten Strafe verüben, worein jedoch Keiner fällt, der sich eines
solchen Wegs gebrauchet, wann er nicht versperret oder kein kennnbares Zeichen
des Vorbehalts vorhanden ist.
[2, 1, § 4] 118. Auf öffentlichen Straßen sowohl, als
ortschaftlichen Wegen ist Jedermann der freie Wandel, Fahrt, Gang und Durchzug
gestattet, und darf zu dessen
(2-24) Behindernuß nichts errichtet oder sonst gethan, noch
weniger von Jemanden, wer es immer seie, für den Durchzug etwas abgeforderet
werden, wann nicht von Uns eigene Zoll- und Mauthhäuser dahingestellet, oder
sonst derlei Gerechtigkeiten Anderen verliehen worden.
[2, 1, § 4] 119. Doch bleibet die Freiheit des Durchzugs
allemal auf die von Uns vorgeschriebene Handels- und Zollstraßen in betreff
Derjenigen, die hierauf angewiesen sind, dergestelten (!) eingeschränket, dass
solche keinerdings unter den in Unseren anderweiten Verordnungen ausgesetzten
Strafen umfahren werden dürfen.
[2, 1, § 4] 120. Würde aber Jemand in dem freien Gebrauch
der Straßen und Wege widerrechtlich verhinderet, so ist die Verhindernuß
allsogleich abzustellen, und der Uebertreter unter ausmessender Geld- oder
anderer willlkührlicher Strafe zu schleuniger Herstellung des vorigen Stands
der Straßen, nebst Ersetzung aller erweislichen Schäden und Unkosten
anzuhalten, wie es dann bei den durch Unsere besondere in Wegsachen ergangene
Verordnungen auf die Verhinderung oder Verderbung öffentlicher Straßen und
ihrer Zugehörungen verhängten Strafen sein Bewenden hat.
[2, 1, § 4] 121. Die Erhaltung und Zurichtung öffentlicher
Straßen und Wege hat theils durch Unsere gleichgedachte Verordnungen besonders
in Ansehung der gebauten Straßen Ziel und Maß, theils ist sich diesfalls nach
jeder Landesverfassung zu richten. Wo aber deshalben nichts vorgesehen ist,
lieget die Erhaltung und Zurichtung den anliegenden Grundobrigkeiten und den
Einwohneren der daran befindlichen Ortschaften ob, welche obacht zu tragen
haben, damit unbrauchbare und gefährliche Wege sogleich verbesseret, die
Reisende nicht aufgehalten und alle erfolgen mögende Verunglückung vermieden
werde.
[2, 1, § 4] 122. Begegnete dahero Jemanden wegen Gefährlichkeit
des Wegs ohne seiner Schuld ein Schaden, so sollen auf dessen Anlangen
Diejenige, welche zu Unterhaltung und Zurichtung des Wegs derorten verbunden
gewesen, nach Umständen ihrer oder ihrer Untergebenen Fahrlässigkeit und Schuld
zu dessen Ersatz, insoweit solcher erweislich ist, angehalten werden.
[2, 1, § 4] 123. Was von Straßen gemeldet worden, erstrecket
sich auch auf Brücken, Wasserfurthen, und überhaupt auf Alles, was ein Theil
des Wegs oder darzu gehörig ist, welches Alles zum Gebrauch freigelassen, nicht
behinderet, in brauchbaren Stand erhalten, und, was verdorben oder eingegangen,
zeitlich zugerichtet werden solle.
[2, 1, § 4] 124. Unter jene öffentliche Sachen, welche Uns
unmittelbar vorbehalten sind, mit Ausschließung alles sonderheitlichen Eigenthums
und Gebrauchs, gehören Unsere königliche und landesfürstliche Burgen,
Schlösser, Palläste, Festungswerke, Zeughäuser, Münzstätte, Mauthhäuser und
andere zu Unseren Hoheiten gehörige Gebäude, öffentliche Bildsäulen und
Denkmale, Ländergrenzzeichen und mehr Anderes, was Uns allein eigen ist.
[2, 1, § 4] 125. Derlei Sachen sind in dem oben in §.II,
num. 41 und 42 erklärten rechtlichen Verstand heilig, das ist unverletzlich,
weilen sie wider alle Verunehrung und eigenmächtige Thathandlung durch Strafgesetze
bewehret sind, welche
(2-25) Unverletzlichkeit sich auf alle Unsere Hoheiten, dann
überhaupt auf alle Personen, Sachen und Rechte erstrecket, die durch Unsere
Gesetze mit besonderen Vorrechten und Freiheiten begabet sind, und deren
Misshandlung nach Inhalt Unserer anderweiten Verordnungen unter besonderer
Strafe verboten ist.
§. V.
[2, 1, § 5] 126. Sachen der Gemeinden sind jene, deren
Eigenthum nicht einzlen Personen, sondern der ganzen Gemeinde gehörig, der
Gebrauch aber davon entweder der Gemeinde allein vorbehalten, oder allen
Mitgliedern derselben gemein ist.
[2, 1, § 5] 127. Hiervon aber sind jene Dinge unterschieden,
die, obschon sie bei Gemeinden befindlich sind, und meistentheils nur den
stadtgemeinen Gebrauch haben, nichtsdestoweniger unter das öffentliche
Eigenthum des Staats gehören.
(2-26) [2, 1, § 5] 128. Als da sind bei Unseren Städten und
Märkten die Stadtthöre, Ringmauern, Zwinger, Rathhäuser, Plätze, Gässen (!),
Brunnen, Wasserleitungen, Brücken u. dergl., welche als Theile und Zugehörungen
Unserer Städten und Märkten anzusehen sind, folglich auch deren Eigenthum bei
Uns beruhet.
[2, 1, § 5] 129. Derlei Sachen kann sich Niemand
eigenthumlich anmaßen, noch ist deren Veräußerung ohne Unserer höchsten
Einwilligung verstattet, der Gebrauch aber davon gebühret nach der Sachen
Eigenschaft entweder nur den Stadteinwohneren, oder ist auch zum Theil
landgemein, und da Jemand hieran verhinderet würde, ist gleichwie bei dem
verschränkten Gebrauch anderer öffentlichen Sachen schleunig zu verfahren.
[2, 1, § 5] 130. Es ist demnach Niemanden erlaubet, an
solchen Orten etwas zu bauen, zu graben, zu pflanzen oder sonst zu thun,
wodurch die gegenwärtige Gestalt veränderet oder der freie Gebrauch verhinderet
werde.
[2, 1, § 5] 131. Vornehmlich aber ist die Sauberkeit und
Reinlichkeit öffentlicher Plätzen und Gassen zu erhalten, und der freie Handel
und Durchgang nirgends zu verhinderen, folglich auch nicht zuzulassen, dass an
solchen Orten Steine, Balken, Baugeräth oder Schutt hingeleget oder hingeworfen
werde, außer die Baunothdurft erforderete ein solches auf einige wenige Zeit,
wornach aber Alles anwiederum weggeführet, und die Stelle, wie zuvor, geräumt
werden solle.
[2, 1, § 5] 132. Wo darwider gehandlet würde, hat jeden Orts
Obrigkeit von amtswegen Vorsehung zu thun, übrigens aber Unsere in Polizei- und
Bausachen ergangene Verordnungen und Befehle auf das genaueste zu beobachten,
und die Uebertretere mit Geld- und anderen willkürlichen Strafen zu belegen.
[2, 1, § 5] 133. Alle andere zu den Gemeinden gehörige
Sachen sind in ihrem Eigenthum, welche in dieser Absicht als sittliche Personen
betrachtet und hierunter die Gemeinden der Städten, Märkten und anderer
Ortschaften, wie auch alle und jede weltliche Versammlungen mehrerer in
größerer oder kleinerer Anzahl bestehenden Personen, welche rechtmäßig
errichtet und von Uns bestätiget sind, verstanden werden, also, dass wenigstens
drei Personen eine Gemeinde oder Versammlung ausmachen können.
[2, 1, § 5] 134. Würde aber deren Anzahl bis auf eine
einzige noch übrige Person verminderet, so bleiben dennoch die Rechten der
Gemeinde in dieser einzigen Person aufrecht, und da alle abgingen, haben Unsere
Stellen wegen der Sachen und Rechten der Gemeinde einsweilen die Vorsehung zu
treffen, bis darmit von Uns anderst geordnet werde.
[2, 1, § 5] 135. Der Gebrauch der Sachen, welche in dem
Eigenthum einer Gemeinde sind, ist entweder der Gemeinde selbst mit
Ausschließung einzler Mitglieder vorbehalten, oder allen einzlen Mitgliedern
derselben gemein.
[2, 1, § 5] 136. Zur ersteren Gattung gehören jene Sachen,
deren Nutzbarkeit zu den gemeinen Renten und Einkünften gewidmet ist, worunter
allemal die Kammerei und Wirthschaftsstand der Gemeinden gehöret; die
Verwaltung aber gebühret denen, welche hierzu bestellet sind, ohne dass andere
von der Gemeinde eingreifen dörfen. Weswegen sich nach Unseren besonderen, das
Wirthschaftswesen der Gemeinden betreffenden Verordnungen zu richten ist.
[2, 1, § 5] 137. Zur anderen Gattung gehören gemeine Weiden,
Wälder, Brunn- und Röhrwasser, Mühlen, Brauhäuser, Steinbrüche, Leim- oder
Sandgruben, Bäder, Schießstätte, Lustgänge und dergleichen Sachen, deren
Nutzen, Gebrauch oder Bequemlichkeit einzlen Mitgliedern der Gemeinde entweder
nach der bei derselben rechtmäßig eingeführten Ordnung, oder nach Unseren
Verleihungen und Verordnungen zustehet.
[2, 1, § 5] 138. Doch hat sich bei dem Gebrauch derselben
ein Jeder also zu betragen, dass kein Anderer, deme solcher gleichmäßig
gebühret, hiervon ausgeschlossen, oder darinnen verhinderet werde, sondern
Jedermänniglich sich in den geziemenden Schranken
(2-27)halte, und wo in dem Gebrauch eine Vorzüglichkeit
gewissen Mitgliedern vor anderen nach Ordnung der Gemeinde zustünde, dieselbe
hierinnnen nicht beirre, noch sich in etwas eindringe oder dessen anmaße, worzu
er nicht berechtigt ist.
[2, 1, § 5] 139. Entstünde aber des Gebrauchs halber
zwischen den Mitgliedern eine Streitigkeit, und die Gemeinde hätte eine eigene
Gerichtsbarkeit, so ist der Streit daselbst auszumachen, doch mit Vorbehalt des
weiteren Rechtszugs.
[2, 1, § 5] 140. Ansonsten ist bei der den Gemeinden
vorgesetzten Stelle die Klage anzubringen, und so ein als anderen Falls in
derlei beschwerden mit schleuniger Erkanntnuß fürzugehen, wann die Umstände
nicht erforderen, die strittige Theile zu dem ordentlichen Weg Rechtens
anzuweisen.
[2, 1, § 5] 141. Liegende Güter und darauf haftende Rechten
der Gemeinden können ohne Unserer höchsten Einwilligung nicht veräußeret
werden, sondern alle ohne derselben vornehmende Veräußerung, Verpfändung oder
Beschaffung derlei Güter und Rechten ist ungiltig, und obgleich die Uebergab
wirklich erfolget wäre, so wird doch aus solchen Handlungen den Gemeinden keine
weitere Verbindlichkeit zugezogen, als für Dasjenige, was denenselben wirklich
zugekommen, und entweder noch vorhanden, oder zu ihrem Nutzen verwendet worden.
[2, 1, § 5] 142. Dahingegen bleiben die Veräußerer solcher
Sachen für allen durch die Veräußerung der Gemeinde zugefügten Schaden und
entgangenen Nutzen verfänglich, insoweit als dessen Ersatz von dem
unrechtmäßigen Besitzer nicht zu erlangen wäre, und da Derjenige, welcher ein
dergleichen Gemeingut oder Recht an sich gehandlet, sich wegen seines guten
Glaubens wider die Veräußerer aufzukommen getrauet, kann nicht weniger derselbe
seine Schadenserholung an ihnen suchen.
[2, 1, § 5] 143. Bewegliche Sachen der Gemeinden können zwar
frei veräußeret werden, doch sollen Jene, denen die Verwaltung der Gemeinsachen
anvertrauet ist, die Schranken ihrer Gewalt nicht überschreiten, sondern sie
sind Vormünderen gleich und zur Rechenschaft verbunden.
[2, 1, § 5] 144. Wannenhero meisten Theils auch bei ihnen
dasjenige statt hat, was in ersten Theil von Vormünderen geordnet worden.
Uebrigens aber haben sich dieselbe in ihrer Verwaltung nach Unseren
Verordnungen und ihnen eigends vorgeschriebenen Amtsunterrichten unverbrüchlich
zu achten.
[2, 1, § 5] 145. Bei Vorfällen, wo es auf die Einwilligung
einer Gemeinde ankommt, ist zuweilen genug, dass der Ausschuß Derjenigen oder
der mehrere Theil davon einwillige, welche die Gemeinde vorstellen, zuweilen
aber wird Männiglichens Einstimmung erforderet, der von dieser Gemeinde ist,
wie es die Verfassung einer jeden Gemeinde mit sich bringt.
[2, 1, § 5] 146. Allein auch in diesem letzteren Fall ist
der Unterschied der Gegenständen wohl in acht zu nehmen, dann in Fällen, wo es
um die Verbindung der Gemeinde als Gemeinde zu thun ist, wird dasjenige, was
von dem mehreren Theil geschieht, von der ganzen Gemeinde gethan und
geschlossen zu sein erachtet.
[2, 1, § 5] 147. Dahingegen ist zu Verbindung eines Jedweden
für seine Person und Habschaften insonderheit erforderlich, damit was Alle
betrifft, auch von Allen genehmiget und gutgeheißen werde.
[2, 1, § 5] 148. Also z. B. wenn ein gemeiner Sachwalter,
Gewalttrager oder Beamter zu bestellen oder ein Mitglied der Gemeinde
aufzunehmen, oder ein Vorsteher zu wählen ist, wo derlei Bestellungen,
Aufnahmen und Wahlen nicht den Vorsteheren der Gemeinden eingeraumet sind, gilt
die Mehrheit der Stimmen, und was diese beschlossen, verbindet auch die
Uebrige, obschon sie deme nicht beigestimmet hätten.
[2, 1, § 5] 149. Gleichwie gegentheils, wo es auf die
Begebung eines allen einzlen Mitgliedern gebührenden Rechts oder auf
Verstrickung ihrer Personen und Habschaften ankommt, Aller und Jeder Einwilligung
nöthig ist, und Keinem durch den Anderen einige Verfänglichkeit an seiner
Person oder Gut zugezogen werden kann.
(2-28) [2, 1, § 5] 150. Und nach dieser Richtschnur, ob
nämlich der Gegenstand, worzu die Einwilligung der Gemeinde erforderet wird, dieselbe
als Gemeinde, oder alle deren einzle Mitglieder insonderheit betreffe, ist sich
in allen anderen Gemeinvorfallenheiten, welche insgesammt hier nicht angeführet
werden können, zu richten.
[2, 1, § 5] 151. Doch müssen auch in jenen Fällen, wo die
Mehrheit der Stimmen den Ausschlag gibt, Alle und Jede, die das Stimmrecht bei
dieser Gemeinde haben, nach dem bei jeder Gemeinde wohlhergebrachten Gebrauch
und Gewohnheit bei Ungiltigkeit der Handlung darzu einberufen werden, und
wenigstens zwei Theile davon erscheinen. Die Ausbleibenden aber werden nicht
weniger, als die Erscheinenden durch den ausgefallenen Schluß verbunden.
[2, 1, § 5] 152. Wann jedoch eine Gemeinde um Gemeinsachen
willen belanget wird, oder Andere zu belangen nöthig hat, solle der Rechtsstritt
durch die aus ihrem Mittel darzu geordnete Personen oder durch gemeine
Sachwaltere in Namen und anstatt der ganzen Gemeinde auf deren Gewinn und
Verlust geführet, und die darzu geordnete oder gemeine Sachwaltere mit
genugsamer Gewalt und Vollmacht versehen werden.
[2, 1, § 5] 153. Gleichwie die rechtliche Verfolgung und
Vertheidigung der Gemeinsachen dem ganzen Mittel oblieget, so sind auch die
darzu erforderliche Kosten aus den Gemeineinkünften zu bestreiten, wie nicht
minder die Sachen selbst hieraus in guten Stand zu erhalten und die verfallene
wieder herzustellen, worzu unter keinerlei Vorwand von einzlen Mitgliedern ohne
Unserer oder der nachgesetzten Stellen Verwilligung einige Beisteuer geforderet
werden darf.
[2, 1, § 5] 154. Es betreffe dann solche Sachen, deren
Nutzen und Gebrauch nicht der ganzen Gemeinde oder allen ihren Mitgliedern,
sondern nur gewissen Personen derselben zukäme, worzu sie billig, gleichwie sie
den Nutzen allein beziehen, also auch die Kosten allein ohne Beschwerung der Gemeinde
oder anderer von dem Nutzen derlei Sachen ausgeschlossener Mitglieder
beizutragen haben.
[2, 1, § 5] 155. Was bishero von freien Gemeinden geordnet
worden, erstrecket sich auch in seiner Maaß auf alle unterthänige, oder wie
sonst immer von einigen Herrschaften abhangende Gemeinden, insoweit als nicht
nach der Länder Verfassung oder aus Unseren Verleihungen, Freiheiten und
Anordnungen bei denenselben etwas Anderes eingeführet ist.
§. VI.
[2, 1, § 6] 156. Sachen einzler Personen sind, deren
Eigenthum und ausschließender Gebrauch bei einzlen Menschen ist, doch also, daß
einerlei Sache auch Mehreren
(2-29) nicht zwar als Gliedern einer Gemeinde, sondern als
Theilhaberen zustehen könne, als da sind Miteigenthümere, Miterben,
Gesellschaftere.
[2, 1, § 6] 157. Mit eigenen Sachen kann Jedermann nach
Gefallen ordnen, schalten und walten, sie beschweren, veräußeren, an Andere
eingenthumlich (!) übertragen, auch zu seinen oder eines Anderen Gebrach
verwenden, sie mögen darbei erhalten oder verdorben werden.
[2, 1, § 6] 158. Woran Niemand von dem Anderen behinderet,
noch auch sich von Anderen zu Beschränkung dieser Freiheit eines Rechts, was
von ihnen nicht rechtmäßig erworben worden, an fremden Sachen angemaßet werden
darf.
[2, 1, § 6] 159. Wann jedoch das gemeine Wohl die Erhaltung
gewisser Sachen absonderlich erheischet oder ein gewisser Gebrauch
vorgeschrieben und der widrige Gebrauch ausdrücklich verboten wäre, ist auch
Niemand zu einem widrigen Gebrauch, Mißbrauch oder zu geflissentlicher
Verderbung derlei, obschon ihme eigenthumlich zustehender Sachen, berechtiget.
[2, 1, § 6] 160. Dann gleichwie die gemeine Wohlfahrt des
Staats dem sonderheitlichen Wohl einzler Personen vorzuziehen ist, also hat
auch das Recht einzler Personen über ihre Sachen der Befugnuß der höchsten
Gewalt, darmit zum Nutzen oder Bedürfnuß des gemeinen Wohls zu ordnen,
allerdings zu weichen.
[2, 1, § 6] 161. Deme eine Sache nicht allein, sondern mit
Anderen zusammengehörig ist, dieser hat solche für den Antheil der Anderen, er
seie beschieden oder noch unbeschieden, als eine fremde Sache anzusehen, und
ist auch für seinen Antheil an dem Willen des Miteigenthumers dergestalten
gebunden, dass er ohne solchem die gemeinschaftliche Sache zur Gänze an Andere
zu übertragen, zu beschweren oder deren Gestalt zu verminderen nicht vermag;
dann in gemeinschaftlichen Dingen hat Derjenige ein stärkeres Recht, der sich
der Neuerung widersetzet, als Jener, welcher solche vorzunehmen Willens ist.
[2, 1, § 6] 162. Uebrigens wird von dem besondern Recht und
Schuldigkeit eines jeden Theilhabers an gemeinschaftlichen Dingen in dritten
Theil in neunzehenten Capitel, §. IV, eigends gehandlet. Auf was Art aber
sowohl das Eigenthum als andere dingliche Rechte an Sachen erworben werden,
wird in diesem zweiten Theil in den nachfolgenden Capiteln erkläret.
§. VII.
[2, 1, § 7] 163. Körperliche Sachen sind entweder beweglich
oder unbeweglich. Unkörperliche aber, wovon in folgenden §§. gehandlet wird,
sind ihrer Art und
(2-30) Natur nach weder beweglich noch unbeweglich, sondern
sie folgen der Eigenschaft der Sache, der sie ankleben, oder worauf sich
dieselbe beziehen, und in diesem Verstand werden andere den beweglichen, andere
den unbeweglichen Dingen beigezählet.
[2, 1, § 7] 164. Bewegliche Sachen sind jene, welche ganz und
unverletzt von einer Stelle zur anderen entweder aus eigener Kraft sich selbst
bewegen, oder durch menschliche Zuthat beweget werden können, und dahero auch
anderst Fahrnussen, fahrendes Hab und Gut genannt werden.
[2, 1, § 7] 165. Unbewegliche Sachen hingegen sind der Natur
nach, welche ganz und
(2-31) unverletzt von einem Ort an das andere nicht gerucket
werden können, und obzwar derlei ihrer Natur nach unbewegliche Sachen als
liegende Güter und Gründe niemalen auch nach den Wirkungen des Rechts für beweglich
zu halten sind, so werden doch in Gegentheil bewegliche Sachen zum öfteren für
unbeweglich geachtet, woraus zweierlei Gattungen unbeweglicher Sachen
entstehen, als der Natur nach oder in rechtlichen Verstand.
[2, 1, § 7] 166. Nach dem rechtlichen Verstand werden ihrer
Natur nach sonst bewegliche Sachen in folgenden vier Fällen für unbeweglich
gehalten, als erstens, aus ihrem Zusammenhang mit unbeweglichen Sachen,
zweitens, aus Anordnung des Rechts, drittens, aus letztwilliger Verordnung,
viertens, aus Vertrag und Vergleich zwischen Lebenden.
[2, 1, § 7] 167. Der Zusammenhang beweglicher mit
unbeweglichen Sachen entspringet entweder aus der
Natur, oder aus menschlicher Zuthat. Von der Natur folgen den unbeweglichen
Sachen, und werden daher auch dafür angesehen, die in einem Grund gewurzlete
Bäume, das Graswerk, die hangenden Früchten und Alles, was darinnen eingesäet
oder eingepflanzet ist.
[2, 1, § 7] 168. Aus menschlicher Zuthat hingegen folget dem
Grund Alles, was darauf gebauet ist, sowohl in seiner Gänze, als nach dem Zeug,
so lange das Gebäude bestehet, nicht minder Alles, was Gründen und Gebäuden
eingegraben, eingemaueret, und überhaupt Alles, was erd-, mauer-, niet- oder
nagelfest ist, als Wasserröhren, Balken, Bildsäulen und Andere an dem Gebäude
befestigte Auszierungen, welches Alles ebenso, wie der Grund oder das Gebäude
selbst, für unbeweglich geachtet wird.
[2, 1, § 7] 169. Eben also wird aus der Beschaffenheit
liegender Güter und Gründen Alles für unbeweglich gehalten, was zu dem
beharrlichen Gebrauch derselben als eine nothwendige Zugehörung gewidmet ist,
wann es nicht ausdrücklich durch dieses Unser Gesatz, oder durch letzten
Willen, oder durch Vertrag und Vergleich davon ausgenommen wäre.
[2, 1, § 7] 170. Derlei Zugehörungen eines Guts oder Grunds
sind die Unterthanen, das Zug-, Zucht- und sonstiges Nutzvieh, das
Wirthschaftsgeräth und was sonst zur Einrichtung des Grunds nach dem
gewöhnlichen Wirthschaftsbetrieb gehörig ist.
[2, 1, § 7] 171. Zugehörungen der Gebäuden sind die zu dem
Gebrauch, worzu das Gebäude oder ein Theil davon eigends gewidmet ist, gehörige
Geschirre und Geräthschaften als Bräupfannen, Wasch- und Brandweinkessel,
Weinpressen und dergleichen.
[2, 1, § 7] 172. Aus Anordnung des Rechts werden in
verschiedenen anderen Fällen, welche in diesem Unsern Gesatz an mehreren Orten
vorkommen, den beweglichen Sachen die Wirkungen des Rechts, welche sonst nur
den unbeweglichen Sachen zukommen, zugeeignet.
[2, 1, § 7] 173. Also hat z. B. in Fällen, wo eine sächliche
Sicherheit an unbeweglichen Gütern zu bestellen ist, die hinlängliche
Pfandeinlage von beweglichen Sachen die nämliche Wirkung, welche sonst die
Verschreibung eines Unterpfands auf liegenden Gütern hätte.
[2, 1, § 7] 174. Aus letztwilliger Verordnung sowohl, als
aus Handlungen zwischen Lebenden durch Verträge und Vergleiche können
bewegliche Sachen den unbeweglichen gleichgehalten, als Zugehörungen zu
denenselben bestimmet, mit solchen übertragen, und so wie jene dem Wiederkauf
und Einstandrecht und dergleichen Bedingen unterworfen werden.
[2, 1, § 7] 175. Dadurch aber wird doch die Eigenschaft der
Sache nicht geänderet und obschon die Erben so an den Willen des Erblassers,
wie die sich untereinander Vergleichende an das, was zwischen ihnen bedungen
worden, gebunden sind, so kann gleichwohlen eine bewegliche Sache durch bloße
letztwillige Anordnung, oder durch Verträge und Vergleiche nicht also behaftet
werden, daß solche dessen ohngeachtet von einem Dritten nicht erworben werden
könne.
(2-32) [2, 1, § 7] 176. Es wäre dann, daß deren Hinterlegung
bei Gericht, oder ein gerichtlicher Beschlag, oder die Wissenschaft des
unterwaltenden Umstands und der daherrührende üble Glauben an Seiten dessen,
welcher solche zu Jemands Verkürzung an sich gebracht, hinzustoße.
[2, 1, § 7] 177. Weilen jedoch sich sowohl bei letztwilligen
Anordnungen, als bei Handlungen zwischen Lebenden zum öfteren Anstände
eräußeren, ob eine bewegliche Sache für unbeweglich zu achten seie oder nicht,
wann nur überhaupt ein Anderes von beweglichen und ein Anderes von
unbeweglichen Sachen geordnet oder verglichen wird, so wollen Wir hiermit zu
Behebung dieser Anständen für alle derlei Fälle, wo es auf die Absönderung
beweglicher von unbeweglichen Sachen ankommt und alle andere entweder durch
letzten Willen oder durch Verträge und Vergleiche vorgeschriebene Richtschnur
ermanglet, nachfolgende Sachen (außer den beigefügten Ausnahmsfällen) für
beweglich gehalten und verstanden haben, als:
[2, 1, § 7] 178. Erstens: Alles baare Geld, Gold und
Silbermünze, sie seie gangbar und zu gewöhnlichen Ausgaben bestimmet oder als
ein Schatzgeld besonders aufbehalten, und ohne Unterschied, ob das Geld von
verkauften unbeweglichen Gütern oder von anderwärts eingebracht, und ob solches
zu Erkaufung liegender Güter gewidmet seie oder nicht, wann es nur des
Besitzers frei Eigen ist.
[2, 1, § 7] 179. Falls es aber von veräußerten Trau- oder
Fideicommißgütern herrührende oder erhobene Fideicommißhauptgelder oder
Capitalien, oder eines zu Erkaufung eines mit Unserer Verwilligung zu errichten
kommenden Fideicommißguts gewidmete und auch wirklich vorräthige Barschaft
wäre, ist solche für unbeweglich zu halten.
[2, 1, § 7] 180. Zweitens: Edelgesteine, Perlen, Geschmuck
und allerlei Kleinodien, doch mit Ausnahme dessen, was davon in der Eigenschaft
eines Fideicommißguts bei einem Geschlecht zu verbleiben hat, wann es noch in
seiner Gestalt vorhanden ist.
[2, 1, § 7] 181. Drittens: Gold- und Silbergeschirre und
anderes Geschmeid, wie auch Schaumünzen und Denkpfennige, jedoch mit
gleichbemelter Ausnahme.
[2, 1, § 7] 182. Viertens: Gemälde, Bilder, Uhren und
allerlei künstliches Guß-, Schnitz-, Dreh-, oder Erdenwerk, wann es nicht zu
einem Gebäude gewidmet oder erd- und nagelfest ist.
[2, 1, § 7] 183. Fünftens: Tapezereien, Fürhänge, allerlei
Hausrath und Einrichtung von Seiden, Lein, Woll, Zinn, Kupfer, Eisen, Holz oder
anderen Zeug, wann es nicht zu dem Gebrauch eines Gebäudes dergestalten
gewidmet ist, daß dieses nach seiner Beschaffenheit ohne solcher Zugehör nicht
genutzet werden könne. Also gehören Bräupfannen zu Bräuhäusern, Wasch- und
Brandweinkesseln zu Wasch- und Brandweinhäusern, Weinpressen zu Preßhäusern,
Tische, Bänke, Betten und Leingeräthe zu Wirthshäusern.
[2, 1, § 7] 184. Sechtens (!) (= Sechstens): Gewehr und
Rüstung von aller Gattung, Bücher, Kunstwerkzeuge, Garn und Netze, Jagdhunde
und was sonst zur Waidmannschaft gehörig ist, außer es wären derlei Sachen als
ein Fideicommißgut für das Geschlecht also gewidmet, daß sie bei dem liegenden
Gut zu verbleiben hätten.
[2, 1, § 7] 185. Siebentens: Alle abgenommene und
eingesammlete Früchten, das abgemähte Gras, das geschnittene Getreid, es sei
noch auf dem Feld befindlich, oder schon eingebracht, in Geströh oder in
Körnern, nicht aber auch das annoch auf den Feldern stehende, obschon zeitige und
zum Schnitt bereite Getreid, oder die noch hangende Früchten, welches Alles als
ein Theil oder vielmehr als ein Zugang des Grunds, folglich für unbeweglich
anzusehen ist.
[2, 1, § 7] 186. Desgleichen sind von dem vorhändigen
Getreid die zum Samen und zum Unterhalt der Wirthschaftsbeamten und Gesinds,
wie auch zur Fütterung des Viehs bis zur neuen Fechsung nöthige Körner, nicht
minder das Malz bis zur landesüblichen neuen Malzungszeit ausgenommen, welche
als eine Zugehörung zu dem Gut zu achten sind.
(2-33) [2, 1, § 7] 187. Da aber das vorhändige Getreid zu
allen diesen Wirthschaftserfordernissen nicht zureichend, und Jemand entweder
aus letzten Willen, oder aus einem Vertrag oder Vergleich, oder nach sonstiger
beständiger Einrichtung zu einem gewissen Betrag des Beilasses verbunden wäre,
so ist derselbe den Abgang zu ergänzen schuldig.
[2, 1, § 7] 188. Achtens: Allerlei Vieh- und Geflügelwerk,
was über das zur Wirthschafts-Nothdurft nach geziemender Bestellung eines Guts
oder Grunds erforderliche Zug-, Nutz- und Zuchtvieh vorhanden ist. Die
geziemende Bestellung aber ist nach jener Anzahl abzumessen, welche nach
Genüglichkeit des Futters über Winter gehalten zu werden pfleget.
[2, 1, § 7] 189. Neuntens: Das Wild, so zum Genuß, oder
Verkauf eingesperret ist, wie nicht weniger die in Behalteren, oder in
Absätzlein aufbehaltene Fische, wohingegen das freie Wild, wann solches gleich
in Thiergärten oder umzäumten oder sonst eingeschränkten Bezirken befindlich
wäre, und die Fische in Teichen oder fließenden Wässern dem Grund folgen.
[2, 1, § 7] 190. Zehentens: Alte und junge Weine, Most oder
frisch abgelöste Trauben, Obst, und überhaupt alle zum Verkauf gewidmete oder
sonst über die Wirthschafts-Nothdurft aufbehaltene Eßwaaren, Getränke, Wolle,
Federn, Gespunst, Bauzeug, Eisenwerk und alle andere Feilschaften, doch allemal
mit Ausnahm dessen, was hiervon zu der landbräuchlichen
Wirthschafts-Erfordernuß gehörig ist.
[2, 1, § 7] 191. Eilftens: Das gefällte, und umsomehr das
schon geschnittene oder gespaltene Bau- und Brennholz nach Abschlag der
gegenwärtigen Wirthschafts-Nothdurft.
[2, 1, § 7] 192. Von Windbrüchen hingegen, wann deren Menge
beträchtlich und den gewöhnlichen jährlichen Holzschlag übersteiget, solle nur
so vieles unter die eingebrachte Nutzungen gerechnet und anderen Fahrnussen
gleichgehalten werden, als jeden Jahrs zum Verkauf zu fällen gewöhnlich ist.
Das Uebrige aber hat bei dem Grund als eine Zugehörung zu verbleiben.
[2, 1, § 7] 193. Zwölftens: Ausgebrochene Erze oder Steine,
und was sonst aus der Erden gebrochen oder gegraben wird; es wäre dann eine
solche Menge davon vorhanden, daß die Bergwerke oder Steinbrüche beträchtlich
erschöpfet wären, und in Zukunft gar kein oder doch nur ein sehr geringer
Nutzen zu hoffen stände.
[2, 1, § 7] 194. In diesem Fall solle nur so vieles als ein
eingebrachter Nutzen, folglich anderen Fahrnussen gleich geachtet werden, was
in einem jedweden Jahrgang von dergleichen rohen Zeug daselbst verarbeitet oder
verkaufet zu werden pfleget, das Uebrige aber ist zu Ersetzung des
vorerschöpften Nutzens bei dem Gut oder Grund zu lassen.
[2, 1, § 7] 195. Doch sollen für Dasjenige, was bei dem Gut
oder Grund verbleibet, die Unkosten des Ausbruchs oder Ausgrabung zu dem
beweglichen Vermögen ersetzet werden, welches auch von dem vorerschöpften
Waldnutzen gleichermaßen zu verstehen ist, daß nämlich die Uebermaß von dem
über den jährlich zum Verkauf gewidmeten Betrag gefällten Holz bei dem Gut oder
Grund zu verbleiben habe, dagegen aber das ausgelegte Schlag-, Schneid- oder
Zimmerlohn für den beigelassenen Betrag in das bewegliche Vermögen zu ersetzen
seie.
[2, 1, § 7] 196. Außer vorbemelten Unterschied beweglicher
und unbeweglicher Sachen können körperliche Dinge entweder nach ihrer Wesenheit
oder nach ihrer Eigenschaft, die denenselben anklebet,
betrachtet werden.
[2, 1, § 7] 197. Nach ihrer Wesenheit machen sie entweder
ein Ganzes für sich aus, als ein Thier, ein Stein, oder sie bestehen aus
zusammengefügten mehreren Stücken, als ein Haus, ein Schiff oder aus
Versammlung mehrerer selbstständiger Körper, als eine Viehherde.
[2, 1, § 7] 198. Gleichwie aber eine jede bewegliche Sache
in Handel und Wandel entweder nach ihrer Form und Gestalt, die sie ob sich hat,
oder nach dem Zeug, woraus sie bestehet, geschätzet zu werden pfleget, also werden
hingegen liegende Güter entweder nach ihrer Oberfläche oder nach dem Grund und
Boden betrachtet.
(Seite 34) [2, 1, § 7] 199. Die Oberfläche begreifet nur
jenes in sich, was über der Erden ist. Der Grund aber,
die ganze Weite, Länge, Höhe und Tiefe des Erdreichs, folglich auch Alles, was
unter der Erden ist, und wird der Unterschied der Rechte, welche lediglich der
Oberfläche von jenen, welche dem Grundeigenthum zustehen, weiter unten mit
Mehreren erkläret.
[2, 1, § 7] 200. Nach der Eigenschaft unterscheiden sich
Sachen von anderen, nachdeme solche bei einer und nicht bei der anderen zu
finden sind. Diese Eigenschaften sind zwar nach Mannigfaltigkeit der Sachen
verschieden; überhaupt aber lassen sich dieselbe in
zweierlei Gattungen abtheilen, als die innerlichen und äußerlichen.
[2, 1, § 7] 201. Jene bestehen in jedweder Sache natürlichen
Güte und Beschaffenheit, die äußerlichen aber in deren Wirthschaft und
Würdigung, welche ihr in Handel und Wandel, oder in dem Gebrauch beigeleget
wird.
[2, 1, § 7] 202. Alle Dinge sind theilbar oder untheilbar.
Theilbare sind, welche sich ohne Verletzung ihrer Gestalt füglich in
beschiedene oder abgesönderte Theile zertheilen lassen, als eine Summe Gelds,
eine Maß Getreids, Grund und Boden.
[2, 1, § 7] 203. Die Untheilbare sind wiederum von zweierlei
Art, dann entweder nehmen sie gar keine Theilung weder zu beschiedenen, noch zu
unbeschiedenen Theilen an, als da insgemein ist das Recht einer Dienstbarkeit,
oder sie können zwar in unbeschiedene, nicht aber ohne ihrer gänzlichen
Vernichtung oder wesentlichen Verringerung in beschiedene Theile getheilet
werden, als einzle Thiere, Edelgesteine, Gemälde, Bildsäulen und dergleichen
Kunststücke, deren Werthschaft ungleich mehr nach ihrer Form und Gestalt,
welche durch die Zertheilung vernichtet würde, als nicht nach dem Zeug, woraus
sie verfertiget sind, geschätzet wird.
[2, 1, § 7] 204. Ein unbeschiedener Theil ist, welcher bei
einer zwischen Mehreren gemeinschaftlichen Sache bloß durch den rechtlichen
Verstand ohne seiner wirklichen Absönderung von dem
Ganzen begriffen wird. Ein beschiedener Theil hingegen ist von dem zertheilten
Ganzen wirklich abgesönderet, welcher anwiederum als ein Ganzes für sich in die Sinnen fällt.
§. VIII.
[2, 1, § 8] 205. Unkörperliche Dinge sind, welche nicht in
die Sinnen fallen, folglich weder gesehen, noch berühret oder gegriffen werden
können, sondern bloß in einem
(2-35) Recht bestehen, und ihre Wesenheit von den Gesetzen
haben, obschon der Gegenstand, weshalben sie gebühren oder worauf sie sich beziehen,
oder den sie behaften, meisten Theils etwas Körperliches ist.
[2, 1, § 8] 206. Dahero werden sie insgemein Gerechtigkeiten
genannt, als da sind Gerichtsbarkeit, Eigenthum, Besitz- und Pfandrecht,
Dienstbarkeiten, Erbschaften, Verbindungen, Forderungen oder Rechtsklagen und
dergleichen.
[2, 1, § 8] 207. Sie sind dreierlei, dann entweder ist es
nur eine einzle Gerechtigkeit, als z. B. eine Dienstbarkeit oder
Schuldforderung, oder es sind unter einem Namen mehrere Gerechtigkeiten von
einerlei Art begriffen, als z. B. unter der Gerichtsbarkeit und Vormundschaft,
oder sie bestehen aus einem allgemeinen Begriff vieler verschiedener Rechten,
als z. B. eine Erbschaft.
[2, 1, § 8] 208. Alle diese Rechten können aus Mangel
sichtlicher Anzeige oder leiblicher Berührung eigentlich weder übergeben, noch
auch besessen werden, weilen sie keiner körperlichen Ergreifung fähig, sondern
bloß durch deren Ausübung kenntlich sind, welche allein mit äußerlichen Sinnen
gefasset werden kann.
[2, 1, § 8] 209. Die Uebergabe körperlicher Dingen oder
Rechten kann solchemnach nicht anderst, als lediglich durch den Gebrauch des
Einen und Duldung des Anderen geschehen, der Besitz aber derenselben bestehet
in der Ausübung, weswegen auch sowohl deren Uebergabe als Besitz nur nach dem rechtlichen
Verstand betrachtet werden mag.
[2, 1, § 8] 210. Aus eben dieser Ursache sind sie an und für
sich selbst weder beweglich noch unbeweglich, sondern sie nehmen nach dem
Unterschied beweglicher oder unbeweglicher Sachen, welche sie zum Gegenstand haben,
deren Eigenschaft an, und werden bald diesen, bald jenen verglichen.
[2, 1, § 8] 211. Deme zu Folge sollen alle Jemanden
zustehende Rechten und Gerechtigkeiten in jenen Fällen, wo es auf die
Unterscheidung oder Abtheilung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens
ankommet, zu einer oder der anderen Gattung gezogen, und niemalen etwas unter
dem Vorwand eines wie immer Namen habenden Rechts oder Gerechtigkeit für eine
dritte Gattung der Habschaften ausgebeutet werden, die unter keiner von beiden
begriffen seie.
[2, 1, § 8] 212. Es wären dann gewisse Rechten und
Gerechtigkeiten durch Unsere Gesetze besonders ausgenommen, als sie väterliche
Gewalt und die Vormundschaft, welche unmittelbar die untergebene Personen zum
Gegenstand haben, und dahero unter die Rechte über Hab und Güter nicht füglich
gezählet werden können, oder es würde die Ausnahme gewisser Dingen von anderen,
welche für beweglich oder unbeweglich zu achten sind, entweder in dem letzten
Willen klar und deutlich verordnet, oder zwischen Lebenden durch Verträge oder
Vergleiche ausdrücklich bedungen.
[2, 1, § 8] 213. Außer deme ist alles Recht an Sachen,
welches auf unbeweglichen Gütern haftet, für unbeweglich zu halten, nicht aber
auch jenes, welches bewegliche Sachen behaftet; also ist und bleibet das
Pfandrecht an beweglichen Sachen gleich der verpfändeten Sache selbst immerda
beweglich.
[2, 1, § 8] 214. Die Behaftung unbeweglicher Güter aber kann
nicht anderst, als mittelst Einverleibung oder Vormerkung des hieran
gebührenden Rechts in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern bewirket, und
ohne solcher kein Recht an derlei Gütern erworben werden, sondern, solange
dieselbe ermanglet, hat es nur allein die Wirkung eines Rechts zur Sache,
welches ohne Unterschied, ob es eine
(2-36) bewegliche oder unbewegliche Sache betreffe, zum
beweglichen Vermögen gehöret, wann es auf unbeweglichen Gütern nicht
einverleibet ist.
[2, 1, § 8] 215. Doch kann auch ein Recht zur Sache (obschon
es dieselbe noch nicht wirklich behaftet) beding- und erfolgweise für unbeweglich
gehalten werden, wann es auf die Einverleibung oder Vormerkung, und die hieraus
folgende Erwerbung eines landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Rechts an
unbeweglichen Gütern gerichtet ist.
[2, 1, § 8] 216. Also ist z. B. eine Jemanden um ein
liegendes Gut zustehende Eigenthumsklage, oder ein aus Vertrag und Vergleich an
einem liegenden Gut bestelltes Unterpfand oder sonstiges Recht erfolgeweise (!)
auf dem Fall, daß die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Erwerbung,
oder die wirkliche Einlage und Verschreibung erfolge, für unbeweglich
anzusehen.
[2, 1, § 8] 217. Ueberhaupt also sind alle Rechten,
Gerechtigkeiten, Schuldbriefe und Forderungen, welche unbewegliche Güter
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich durch wirkliche Einverleibung und
Vormerkung behaften, ebenso als die Güter selbst für unbeweglich, jene
hingegen, welche zwar nicht wirklich einverleibet, doch auf eine solche
Behaftung oder landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Erwerbung gerichtet,
und gleich denen mit Bestellung eines besonderen Unterpfands auf die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung eingerichteten
Schuldbriefen mit den darzu gehörigen Erfordernussen versehen sind, nur
erfolgweise auf diesen sich ergebenden Fall für unbeweglich zu achten.
[2, 1, § 8] 218. Alle anderen Rechten aber, welche weder
wirklich einverleibet, noch auf Einverleibung oder obgedachte Erwerbung
gerichtet sind, sie mögen an oder zu beweglichen oder unbeweglichen Sachen
gebühren, gehören unter das bewegliche Vermögen, doch mit alleiniger Ausnahm
jener Rechten, welche solche bewegliche Sachen betreffen, die nach der oben in
§. VII enthaltenen Erkärung (!) (= Erklärung) in dem rechtlichen Verstand für
unbeweglich gehalten werden.
[2, 1, § 8] 219. Aus Verschiedenheit dieser an oder zu den
Sachen gebührenden Rechten fließet der Unterschied, daß nicht Alles, was zu
Jemandens Vermögen gehöret, auch sofort in dessen
Eigenthum seie.
[2, 1, § 8] 220. Dann in dem Eigenthum ist nur Jenes, was
Jemand wirklich hat, und sein Eigen ist, in dem Vermögen aber Alles, was er
auch zu forderen hat, oder durch eine rechtmäßige Einwendung wider die
Forderung des Anderen sich eigen machen kann, obschon zur Zeit dessen Eigenthum
nicht ihme, sondern einem Anderen zustehet. Außer Jemandens Vermögen hingegen
ist Alles, was er weder wirklich hat, noch ihme darzu einiges Recht zustehet,
obschon auch fremde Sachen insoweit unter Jemandens Vermögen begriffen werden
können, als ihme deren Gebrauch oder Verwahrung, oder die Gefahr zu tragen
zukommet, gleichwie bei vermietheten, entlehnten oder verpfändeten Sachen.
(2-37)
Caput II.
Von dinglichen Rechten überhaupt.
Inhalt:
§. I. Von Natur, Wesenheit und Unterschied dinglicher
Rechten. §. II. Von deren Eintheilung in das Recht über das eigene Hab und Gut,
und das Recht an fremden Sachen. §. III. Von verschiedenen Gattungen des Rechts
an fremden Sachen. §. IV. Von der Ordnung dieses zweiten Theils, nach welcher
alle Gattungen dinglicher Rechte abgehandlet werden.
§. I.
[2, 2, § 1] Num. 1. Alle Rechten über Hab und Güter
entspringen aus Anordnung des Gesatzes, also daß, weme das Gesatz keines
zueignet, deme auch keines gebühren könne. Doch ist zwischen diesen Rechten der
Unterschied, daß von dem Gesatz dem einen die Kraft, die Sachen selbst gleich
einer ihnen anklebenden Eigenschaft zu behaften, zugeeignet, dem anderen aber
nur die Wirkung einer persönlichen Verbindlichkeit etwas zu geben oder zu thun
ohne Behaftung der Sachen beigeleget werde.
[2, 2, § 1] 2. Jenes heißet ein Recht an der Sache, oder
wegen Behaftung des Dings, worauf es gebühret, ein dingliches Recht, dieses
aber ein Recht zur Sache, wie es allschon oben in ersten Capitel, §. I, num. 2
bemerket worden.
[2, 2, § 1] 3. Das Recht an der Sache ist eine Befugnuß,
welche Jemanden von dem Gesatz in der Sache zugeeignet wird und die Sache
selbst dergestalten behaftet, daß solche von einem jedweden Besitzer ohne
seiner eigenen persönlichen Verbindlichkeit abgeforderet werden könne.
[2, 2, § 1] 4. Das Recht zur Sache hingegen ist bloß eine
Befugnuß, welche aus der Verbindung des Anderen etwas zu geben oder zu thun
entstehet, und die Sache selbst nicht behaftet, sondern die Forderung lediglich
wider den hierzu Verbundenen, nicht aber wider den Besitzer, der darzu nicht
verbunden ist, bewirket, wovon in dritten Theil gehandlet wird.
[2, 2, § 1] 5. Diese zweierlei Gattungen der Rechten
unterscheiden sich nach ihrem Ursprung, Wesenheit und Wirkung. Nach dem
Ursprung, daß ein Recht an der Sache durch die Uebergabe oder sonstige
rechtmäßige Uebertragung, das Recht zur Sache hingegen durch verbindliche
Handlungen erworben werde.
[2, 2, § 1] 6. Nach der Natur und Wesenheit, daß jenes die
Sachen, dieses aber die Verbindlichkeit der Person zu seinem unmittelbaren
Gegenstand habe, folglich jenes die Sachen selbst, dieses aber nur die Person
behafte, und jenes nach der verschiedenen Behaftungsart und daherrührenden
mannigfaltigen Wirkung von mehrerlei Gattung, dieses hingegen in seiner Art nur
einerlei seie, obschon die verbindliche Handlungen, woraus daßelbe entstehet,
vielerlei sind.
[2, 2, § 1] 7. Nach der Wirkung, daß in gerichtlicher
Verfolgung dinglicher Rechten
(2-38) Kläger nichts Anderes, als das ihme an der Sache
zustehende Recht und den Besitz des Gegentheils zu erweisen, und die Erklärung
des ihme angebührenden Rechts nebst Ausantwortung der Sache anzuverlangen
nöthig habe, in Verfolgung des Rechts zur Sache aber die verbindliche Handlung,
woraus dasselbe entsprungen, und die daher rührende Verbindlichkeit des Anderen
zur eingeklagten Schuldigkeit darzeigen, und dessen Verurtheilung zu Leistung
dessen, was er schuldig ist, anbegehren müsse.
[2, 2, § 1] 8. Endlichen, daß die dingliche Rechten mit dem
Untergang der Sachen, worauf sie haften, erlöschen, obschon der Andere, welcher
hierzu aus seiner Schuld Anlaß gegeben, oder sonst die Gefahr zu tragen
schuldig ist, zum Ersatz des Schadens aus seiner persönlichen Verbindung
verstricket bleibet, das Recht zur Sache aber auch nach deren Untergang noch
bestehe, wann es nicht aus einer solchen Handlung herrühret, nach deren Natur
der ungefähre Zufall von der Verbindlichkeit entlediget, wie alles dieses in
dritten Theil mit Mehreren erkläret wird.
[2, 2, § 1] 9. Die Behaftung der Sachen ist also die
wesentliche Wirkung dinglicher Rechten, gleichwie bei dem Recht zur Sache die Verstrickung
der Person. Die Sache aber wird sogleich behaftet, als ein dingliches Recht
hieran auf rechtmäßige Art und Weis erworben wird.
[2, 2, § 1] 10. Doch solle auf liegenden Gütern kein wie
immer Namen habendes dingliches Recht auf andere Art, als durch die wirkliche
Einverleibung und Vormerkung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher,
worinnen das darmit behaften wollende Gut inlieget, und zwar auf eben dasselbe
Gut, was darmit behaftet werden will, erworben, bestellet und übertragen werden
können.
[2, 2, § 1] 11. Wovon wir allein jene Grunddienstbarkeiten
und andere Grundrechten ausgenommen haben wollen, die über Menschengedenken alt
sind, oder doch vor Einführung dieses Unseren neuen Gesatzes schon durch
rechtmäßige Verjährung erworben worden, oder wenigstens deren Verjährungszeit
vor diesem eingeführten Gesatz in jenen Orten, wo nach den vorigen
Landesgesetzen zu deren Bestellung keine dergleichen Einverleibung
erforderliche ware, bereits ihren Anfang genommen und hernach, ohne daß die
Verjährung von dem Besitzer des Grunds unterbrochen worden wäre, vollständig
erfüllet würde.
[2, 2, § 1] 12. Derlei Grundrechten und
Grunddienstbarkeiten, die noch vor Einführung dieses Unseren Gesatzes schon
verjähret sind, oder wenigstens deren Verjährung vor diesem Gesatz in jenen
Orten, wo bishero zu deren Bestellung keine Einverleibung erforderlich ware,
angefangen und hernach ohne Widerspruch vollendet worden, behalten noch ferners
auch nach diesem Unseren Gesatz die Eigenschaft und Wirkung dinglicher Rechten,
und behaften nicht allein den Grund, sondern können auch ohne Nothwendigkeit
der Einverleibung mit dem herrschenden Grund, deme sie gebühren, an andere
Besitzere rechtsgiltig übertragen werden.
[2, 2, § 1] 13. Dahingegen jene Grundrechten und
Grunddienstbarkeiten, welche nach diesem Unseren Gesatz, es sei durch Verträge,
Vergleiche oder durch letztwillige Anordnungen, in Hinkunft bestellet werden,
wie nicht weniger diejenige, welche zwar vor diesem Unseren Gesatz bestellet,
aber bis zu dessen Einführung noch nicht verjähret worden, sondern von dem
Besitzer des dienstbaren Grunds widersprochen werden, den Grund nicht anderst
behaften, noch an einen Dritten anderer gestalt übertragen werden können, als
wann sie in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf den dienstbaren Grund
da, wo derselbe inlieget, oder da solcher nicht inliegete, bei dem herrschenden
Grund und zwar in jenen Landen, wo bishero keine Einverleibung darzu
erforderlich ware, so ein, als anderen Falls allemal mit Vorwissen des
Besitzers des dienstbaren Grunds vorgemerket und einverleibet werden.
[2, 2, § 1] 14. Wie dann überhaupt bei allen nach Einführung
dieses Unseren Gesatzes
(2-39) in Hinkunft bestellenden Grundrechten und
Grunddienstbarkeiten, ohne der landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
vorgemerkten Bestellung keine Verjährung statt haben, noch auch dieselbe
ehender, als von Zeit der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen
Einverleibung ihrem Anfang nehmen solle.
[2, 2, § 1] 15. Ohne einer solchen Vormerkung und
Einverleibung wirket die Bestellung einigerlei Grundrechts oder
Grunddienstbarkeit nur die persönliche Verbindung dessen, der sie bestellet
hat, für sich und seine Erben dieselbe zu dulden, ohne daß jedoch diese
Verbindlichkeit auf einen dritten Besitzer mit wirklicher Behaftung des Grunds
erstrecket werden könne.
[2, 2, § 1] 16. Dann außer obiger Ausnahme müssen alle in
Hinkunft auf liegenden Gütern bestellende dingliche Rechten landtäflich, stadt-
oder grundbücherlich sein, auch also und auf keine andere Art bestellet und übertragen
werden. Ohne dieser Eigenschaft aber sind sie bloß für ein Recht zur Sache
anzusehen, welches lediglich die Verbindlichkeit der Person, die solches
bestellet oder übertragen, nicht aber die Behaftung des Guts oder Grunds
wirket. Es sei dann, daß der Vertrag, Vergleich oder das Beding oder ein
letzter Willen, woraus das Recht zur Sache gebühret, auf dem Gut einverleibet
werde, in welchem Fall daselbe das Gut selbst behaftet und auch einen dritten
Besitzer verbindlich machet.
[2, 2, § 1] 17. Die landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Bestellung und Uebertragung dinglicher Rechten kann auf
dreierlei Arten geschehen, als entweder durch persönlichen Vorstand und
Bekanntnuß vor Gericht, wodurch Derjenige, der ein solches Recht dem Anderen
bestellet oder auf ihn übertraget, sich darzu bekennet und seine Bekanntnuß
einzuverleiben begehret.
[2, 2, § 1] 18. Oder durch Verschreibung mittelst Einlage
einer mit denen nach Verschiedenheit der Handlung zur Einverleibung
erforderlichen Feierlichkeiten versehenen Urkunde,
welche entweder eine Handlung zwischen Lebenden oder eine letztwillige
Anordnung enthalte.
[2, 2, § 1] 19. Oder endlich durch richterlichen Spruch und
Urtheil oder sonstige gerichtliche Ausmessung, welche auf dem Gut oder Grund,
worauf das Recht zuerkannt worden, vorgemerket wird.
[2, 2, § 1] 20. Bei beweglichen Sachen oder Fahrnissen,
weilen sie in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht inneliegen, bedarf
es auch zu deren Behaftung keiner Einverleibung oder Vormerkung, sondern sie
werden behaftet, sobald das dingliche Recht hieran erworben wird.
[2, 2, § 1] 21. Doch gehet deren Behaftung nicht so, wie bei
liegenden Gütern auch auf einen jedweden dritten Besitzer ohne Unterschied,
sondern nur auf Jenen, deme diese Behaftung wissend ist, folglich der die Sache
nicht mit guten Glauben und also auch nicht rechtmäßig an sich gebracht hat,
wie es unten in achten Capitel §. IV. mit Mehreren ausgeführet wird.
§. II.
[2, 2, § 2] 22. Nicht alle Sachen sind einzlen Personen
dergestalten eigen, daß sofort jedweder Anderer von deren Gebrauch
ausgeschlossen und alle Gemeinschaft einerlei Dingen unter den Menschen
gänzlich aufgehoben wäre, sondern es kann auch nebst dem Eigenthum des Einen an
einerlei Sache dem Anderen ein Recht aus Vertrag, Vergleich oder aus letzten
Willen gebühren, mittelst wessen Derselbe aus eben dieser Sache, die des
Anderen Eigen ist, einen Nutzen oder sonstige Bequemlichkeit beziehet.
[2, 2, § 2] 23. Es sind dahero die Sachen entweder in
Jemandens vollen Eigenthum, welches ihme allein den ausschließenden Gebrauch
und die vollkommene freie Macht darmit nach seinem Gefallen zu schalten und zu
walten zueignet.
[2, 2, § 2] 24. Oder sie sind in dem beschränkten Eigenthum,
dessen Wirkung durch
(2-40) das dem Anderen an eben derselben Sache zustehende
Recht in gewisser Maß solange, als dasselbe hieran bestehet, gehemmet wird.
[2, 2, § 2] 25. Hieraus entstehet die Haupteintheilung der
dinglichen Rechten in das Recht über das eigene Hab und Gut, welches alle
Wirkungen des Eigenthums nach Maß der freien oder beschränkten Schalt- und
Waltung in sich begreifet und in das Recht an fremden Gut, welches Jemand
hieran aus Vertrag, Vergleich oder letzten Willen rechtmäßig erworben hat.
[2, 2, § 2] 26. Das Recht über das eigene Hab und Gut ist
das Eigenthum und ist nur einerlei, obschon es nach Verschiedenheit mehrerer
oder einzler Sachen, welche es behaftet, in zweifachen Verstand betrachtet
werden kann, als entweder allgemein über einen allgemeinen Begriff von Dingen,
wie das Erbrecht ist, oder sonderheitlich über einzle Sachen.
§. III.
[2, 2, § 3] 27. Die Rechten an fremden Sachen bestimmen Wir
insoweit als sie den Vorwurf dieses Unseren Gesatzbuchs ausmachen auf folgende
fünf Gattungen als:
Erstens: Das Besitzrecht.
Zweitens: Das Erbzinsrecht.
Drittens: Das Recht der Oberfläche.
Viertens: Das Recht der Dienstbarkeit.
Fünftens: Das Pfandrecht.
[2, 2, § 3] 28. Das Besitzrecht eignet Jemanden alle
Nutzbarkeit und Beweglichkeit der Sache, welche er in Besitz hat, sammt der
Befugnuß deren Eigenthum selbst durch rechtmäßige Verjährung zu erwerben zu.
[2, 2, § 3] 29. Das Erbzinsrecht giebt das nutzbare
Eigenthum des Grunds, das Recht der Oberfläche hingegen nur die Benutzung
dessen, was über der Erden ist, nicht aber des Grunds selbst.
[2, 2, § 3] 30. Das Recht der Dienstbarkeit machet einen Grund dem anderen, oder oder auch einer Person
in der bestimmten Maß dienstpflichtig, und endlich wirket das Pfandrecht die
Sicherheit des Pfandinhabers an der verpfändeten Sache.
[2, 2, § 3] 31. Alle andere die Sachen behaftende
Rechten machen keine besondere Gattung für sich aus, sondern schlagen
entweder nach Verschiedenheit ihrer Wirkungen in eine von vorbemelten fünf
Gattungen ein.
[2, 2, § 3] 32. Oder sie sind bloß ein aus einem auf dem Gut
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibten Vertrag, Vergleich oder
sonstigen Beding, oder letzten Willen gebührendes Recht zur Sache, welches
nicht aus seiner Natur und Eigenschaft, sondern lediglich aus Kraft der
Einverleibung das Gut behaftet und außer dieser Behaftung und der daraus
folgenden Verfänglichkeit eines dritten Besitzers keine andere Wirkung eines
dinglichen Rechts hat.
§.IV.
[2, 2, § 4] 33. Nach vorerwähnter Haupteintheilung
dinglicher Rechten in das Recht über das eigene Hab und Gut und in das Recht an
fremden Sachen ist die Abhandlung dieses zweiten Theils eingerichtet, und wird
anförderist das Eigenthum sammt dessen Wirkungen und Erwerbungsarten von dem
folgenden dritten Capitel bis zu dem dreiundzwanzigsten Capitel beschrieben.
[2, 2, § 4] 34. Hierauf folgen die fünf Gattungen des Rechts
an fremden Sachen, nämlich das dem Eigenthum nächst beikommende Besitzrecht in
dem vierundzwanzigsten Capitel, worinnen dessen Erwerbung, Wirkung und
Verlustigung erkläret wird.
[2, 2, § 4] 35. In dem fünfundzwanzigsten Capitel das
Erbzinsrecht, und in dem sechsundzwanzigsten Capitel das Recht der Oberfläche;
dann in dem sieben-, acht- und (Seite 41) neunundzwanzigsten Capitel das Recht
der Dienstbarkeit, wie solches sowohl überhaupt, als nach Verschiedenheit der
persönlichen und Grunddienstbarkeiten betrachtet werden kann, und endlich in
dem dreißigsten Capitel das Pfandrecht, womit dieser zweite Theil beschlossen
wird.
Caput III
Von Eigenthum
Inhalt
§. I. Von Natur, Wesenheit und Eigenschaft des Eigenthums.
§. II. Von Erwerbungsarten des Eigenthums. §. III. Von Wirkungen des
Eigenthums. §. IV. Von Erlöschung und Beendigung des Eigenthums.
[2, 3, § 1] Num. 1. Das vornehmste dingliche Recht ist das
Eigenthum, welches nicht allein alle anderen Arten von dinglichen Rechten in
seiner Wirkung übertrifft, sondern auch solche gleichsam in sich einschließt.
(2-42) [2, 3, § 1] 2. Dieses ist ein Recht und Befugnuß mit
Sachen frei und vollkommen zu schalten und zu walten, es seie dann Jemand durch
die Gesetze oder durch Verträge und Vergleiche, oder aus letzten Willen hieran
verhinderet.
(2-43) [2, 3, § 1] 3.Wer das Eigenthum hat, der ist Herr der
Sache selbst, ihme fruchtet seine Sache und bei ihme ist alle Herrlichkeit,
Nutzen und Bequemlichkeit derselben aus der alleinigen Ursach des Eigenthums,
wann nicht ein jemanden Anderen hieran zustehendes sonstiges Recht dessen
Wirkungen beschränket und den Anderen derselben theilhaftig machet.
[2, 3, § 1] 4. Dahero kann Niemanden seine eigene Sache
dienstbar, noch zu einem Pfand sein, sondern die Völle des Eigenthums dringet
allen deme vor, was minder ist, und ist kein auf die Inhabung, Benutzung oder
Gebrauch der Sachen abzielendes Recht und Gerechtigkeit zu erdenken, was nicht
in dem Eigenthum begriffen wäre.
[2, 3, § 1] 5. Dahingegen kann zwar das an fremden Sachen
gebührende Recht eine eigenthumliche Gerechtigkeit, keineswegs aber ein
Eigenthum sein, sondern dieses verbleibet nichtsdestoweniger, wiewohlen mit
beschränkter Wirkung Demjenigen, deme die Sache gehöret, obschon der Andere ein
Recht hieran hat, welches ihme entweder die Früchten und Nutzungen mit der
Befugnuß der Verjährung, oder die Nutzbarkeit des Grunds oder nur der
Oberfläche, oder eine Dienstbarkeit oder Sicherheit an der Sache zueignet,
nicht aber die Sache selbst sein eigen machet.
[2, 3, § 1] 6. Es ist demnach das Eigenthum in seiner
Wesenheit ganz einfach, nämlich ein einziges, wahres, natürliches und zugleich
rechtliches, volles, wirkliches und außer Uebertragung an einen Anderen
unauflösliches Eigenthum.
[2, 3, § 1] 7. All anderes Recht an Sachen kann die Völle
des Eigenthums, welche an sich untheilbar ist, nicht erreichen, noch weniger
das Eigenthum über einerlei
(2-44) Sache bei zweien Herren für voll sein, obschon an
einer Sache mehrere Theilhabere sein können.
[2, 3, § 1] 8. Was also von dinglichen Rechten vorbemelte
Eigenschaft nicht hat, ist kein Eigenthum, wiewohlen es demselben beikommet,
und ein nutzbares, zeitliches, anwartliches oder unauflösliches Eigenthum
benamset werden mag.
§. II.
[2, 3, § 2] 9. Bei dem Eigenthum sind, erstens die Arten,
mit welchen solches erworben wird, zweitens die Personen, die dasselbe zu
erwerben fähig sind, und drittens die Sachen, welche erworben werden mögen, zu
betrachten.
(2-45) [2, 3, § 2] 10. Alle Erwerbungsarten des Eigenthums
sind in dem gegenwärtigen Stand der Sachen ableitlich, und hat keine
ursprüngliche Erwerbung statt, weilen Alles, was in dem Umfang eines Staats
oder Landes ist, sich allschon entweder in dem öffentlichen Eigenthum der
höchsten Gewalt, oder in dem sonderheitlichen Eigenthum der Gemeinden oder
einzler Personen befindet, folglich auch nichts von Neuen erworben werden kann.
(2-46) [2, 3, § 2] 11. Die ableitliche Erwerbung geschieht
auf zweierlei Art, als entweder durch den Uebergang und Uebertragung aus einer
Gattung des Eigenthums in die andere, nämlich aus dem öffentlichen in das
sonderheitliche, und dagegen aus dem sonderheitlichen in das öffentliche, oder
in der nämlichen Gattung des sonderheitlichen Eigenthums von einem Herrn an den
anderen.
[2, 3, § 2] 12. Diese Uebertragung entstehet entweder
unmittelbar aus Kraft Unseres Gesatzes oder mittelbar aus einer vorhergehenden
Ursach, die von Unseren Gesetzen zu Uebertragung des Eigenthums für hinlänglich
erkennet wird.
[2, 3, § 2] 13. Doch sind derlei Ursachen an sich allein
noch nicht genug das Eigenthum zu übertragen, sondern diese wirken nur bloß ein
Recht zur Sache, und wird dahero eine rechtmäßige Erwerbungsart darzu
erforderet, daß andurch das Eigenthum geänderet, mithin an Seiten des Einen
verloren, und an Seiten des Anderen erworben werde.
[2, 3, § 2] 14. Diese Erwerbungsarten bestimmen wir auf
folgende fünf Gattungen, als:
Erstens: Die Ergreifung eines Dings.
Zweitens: Den Zugang oder Zuwachs zu einem Ding.
Drittens: Die willkührliche Uebertragung des Eigenthums
durch Uebergaben und Schankungen.
Viertens: Die Uebertragung des Eigenthums aus Macht
Rechtens:
1. Durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage
liegender Güter.
2. Durch richterlichen Spruch und Urtheil.
3. Durch rechtmäßige Erwerbung fahrender Dingen mit guten
Glauben.
4. Durch Verjährung.
Fünftens: Die Erbfolge, sowohl aus letzten Willen, als nach
rechtlicher Ordnung.
[2, 3, § 2] 15. Von jedweder dieser Erwerbungsarten wird in
folgenden Capiteln absonderlich gehandlet, außer welchen keine andere zulässig
ist, noch weniger von diesem Unserem Gesatz für rechtmäßig anerkannt wird.
[2, 3, § 2] 16. Alle Personen sind das Eigenthum zu erwerben
fähig, welche nicht entweder von der Natur oder von dem Gesatz hieran
verhinderet werden. Von der Natur sind jene darzu untüchtig die keinen Gebrauch
ihres Verstands und Willens haben, als Blödsinnige und Kinder. Doch kann an
deren statt von Anderen in ihrem Namen und zu ihren Handen das Eigenthum
erworben werden, maßen in allen ihnen zum Nutzen und Vortheil gereichenden
Handlungen der Mangel ihrer Einwilligung von dem Gesatz ersetzet wird.
[2, 3, § 2] 17. Von dem Gesatz aber werden einige Personen
für unfähig geachtet, welchen die Erwerbung gewisser Sachen untersaget ist, wie
es in diesem Unseren Gesatzbuch jeden Orts, wo die auf Uebertragung des
Eigenthums gerichtete Handlungen beschrieben werden, eigends vorkommet.
[2, 3, § 2] 18. Inwieweit aber pflegebefohlene Personen,
welche zwar von der Natur nicht verhinderet, doch an der freien Schalt- und
Waltung durch das Gesatz beschränket sind, das Eigenthum erwerben mögen, ist
bereits in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft erkläret
worden.
[2, 3, § 2] 19. Nicht allein durch sich selbst, sondern auch
durch Andere kann Jemanden das Eigenthum erworben werden, wann die Handlung in
seinem Namen und zu seinen Handen vorgenommen worden, und entweder sein Befehl
vorhergegangen oder seine Gutheißung erfolget, oder der Andere zu dieser
Handlung von dem Gesatz begewaltiget ware, als Vormündere und Curatores.
[2, 3, § 2] 20. Die Sachen, deren Eigenthum erworben werden
mag, müssen handelbar und des Eigenthums fähig sein. Welche aber dessen
unfähig, folglich entweder nach ihrer Natur oder wegen einer auf sich habenden
Beschaffenheit außer Handel und Wandel gesetzet sind, werden oben in ersten
Capitel umständlich beschrieben.
(2-47) §. III.
[2, 3, § 3] 21. Die hauptsächlichste Wirkungen des
Eigenthums bestehen erstlich in dem vollkommenen Genuß und unbeschränkten
Gebrauch eigener Sachen mit
(2-48) Ausschließung aller Anderen, denen hieran kein Recht
zustehet, also daß jedweder Eigenthümer seine Sache in alle Wege nutzen, zur
Lust und Bequemlichkeit gebrauchen,
(2-49)oder den Genuß und Gebrauch Anderen überlassen, deren
Gestalt nach Gefallen änderen und die Sache selbst verminderen, verbrauchen,
verzehren oder vernichten könne.
(2-50) [2, 3, § 3] 22. Zweitens, in der freien Macht mit
eigenen Sachen nach Willkür zu ordnen, zu schalten und zu walten, solche zu
beschweren, zu veräußeren, und an Andere entweder durch Handlungen zwischen
Lebenden oder durch letzten Willen zu übertragen.
[2, 3, § 3] 23. Drittens, in den aus dem Eigenthum
entspringenden, sowohl zur Handhabung des unbeschränkten Besitzes, als zur
Wiedererlangung der von Handen gekommenen Sachen dem Eigenthümer angebührenden
Rechtsmitteln.
[2, 3, § 3] 24. Alle diese Wirkungen sind jedoch nicht
anderst, als nach Maßgebung und Zulassung Unserer Gesetzen und Verordnungen zu
verstehen, und erstrecken sich nur insoweit, als der Eigenthümer hierinnen aus
Verträgen oder letztwilligen Anordnungen nicht gehemmet ist.
[2, 3, § 3] 25. Es bleibet dahero Unserer höchsten
landesfürstlichen Gewalt allemal vorbehalten, nach Erfordernuß des gemeinen
Wohlstandes nicht allein den Gebrauch der Sachen Unserer Unterthanen zu bestimmen,
zu beschränken, oder gar zu verbieten, wie es oben in ersten Capitel §. IV.
num. 159 und 160 erwähnet worden, sondern auch die Sachen selbst zum Dienst des
gemeinen Besten zu gebrauchen und zu verwenden.
[2, 3, § 3] 26. In welchen Fällen Niemand über Verletzung
seines Rechts zu klagen hat, wann gleich ihme ein Schaden widerfahren oder ein
Nutzen entgangen wäre, noch weniger aber soll zwischen den Eigenthümeren,
Besitzeren und dritten Personen aus Anlaß dessen, daß wegen gemeinwesiger
Nothdurft oder Nutzens Sachen eingezogen, unnutzbar gemacht oder in ihrem Werth
abgewürdiget worden, ein wie immer Namen habender rechtlicher Anspruch, wann
solcher nicht etwan schon aus einer vorherigen Handlung herrühret,
gegeneinander zugelassen, sondern das Geschehene einem Zufall gleich geachtet
werden.
[2, 3, § 3] 27. Wie der Gebrauch der Sachen, also wird auch
nicht minder die Macht eigene Sachen zu veräußeren, entweder durch die Gesatze,
oder durch Verträge oder durch letztwillige Anordnungen beschränket.
[2, 3, § 3] 28. Durch die Veräußerung aber wird eine jedwede
auf die Uebertragung des Eigenthums gleich, oder in der Folge gerichtete
Handlung verstanden, wodurch entweder das Eigenthum der Sache an einen Anderen
wirklich übertragen, oder doch wenigstens mittelst Bestellung eines Rechts an
der Sache der Weg zum Verlust des Eigenthums gebahnet oder dasselbe
geschmäleret wird.
[2, 3, § 3] 29. Es ist demnach nicht allein die wirkliche
Uebertragung des Eigenthums ganz oder zum Theil durch Handlungen unter Lebenden
oder aus letzten Willen, sondern auch alle beharrliche Beschwerung, Belastung
und Behaftung der Sachen mit Bestellung eines Unterpfands, Grunddienstbarkeit
und anderer dinglicher Rechten, wodurch das Eigenthum geschmäleret wird, eine
wahre Veräußerung und unter dem Veräußerungsverbot begriffen.
[2, 3, § 3] 30. Dahingegen alle anderen Handlungen, welche
nicht auf die Aenderung oder beharrliche Schmälerung oder Behaftung des
Eigenthums, sondern auf eine zeitliche Verleihung der Sache ohne deren
Beschwerung oder Behaftung zu einem bestimmten Gebrauch, Genuß oder anderer
Bequemlichkeit anzielen, als Vermiethung, Ueberlassung der Nutznießung, Leihung
zum Gebrauch, für keine Veräußerung zu halten, sondern allerdings für die Zeit,
als das Recht des Verleihenden fürwähret, rechtsgiltig sind.
[2, 3, § 3] 31. Nach dieser Zeit aber erlöschet das aus
einer solchen Handlung erworbene Recht eines Dritten mit dem Recht des
Verleihers, und ist der Nachfolger, auf den das Eigenthum der Sache nicht aus
einem von dem Vorfahren ableitenden, sondern aus eigenen hieran habenden Recht
gediehen, an derlei Handlung keinerdings gebunden.
[2, 3, § 3] 32. Die Gesetze verbieten die willkürliche
Veräußerung theils in Absicht auf gewisse Personen, welche die freie Schalt-
und Waltung mit ihrem Vermögen
(2-51) nicht haben, sondern wegen Mangel des Alters,
gesunder Vernunft oder wegen angewohnter Verschwendung unter der Vormundschaft
oder Obsorge eines Anderen stehen, als da sind Unmündige, Minderjährige,
Blödsinnige und gerichtlich erklärte Verschwendere, wovon bereits in ersten
Theil gehandlet worden, theils wegen Eigenschaft gewisser Sachen.
[2, 3, § 3] 33. Derlei Sachen sind geistliche und andere
Stiftungsgüter, Gemeingüter, die in wirklichen Rechtsstritt hangende Sachen,
deren Eigenthum angesprochen wird. Von ersteren Zweien ist allschon oben in
ersten Capitel §. II. und V. gehandlet worden. Von Letzteren aber wird in
dritten Theil, in zweiten Capitel, Art. II., §. XII.
num. 158 und 159 das Mehrere erwähnet.
[2, 3, § 3] 34. Inwieweit aber die Macht der Veräußerung
durch Verträge und Vergleiche beschränket werden möge, wird eben allda §. XIII.
erkläret, und wie die Unveräußerlichkeit durch letzten Willen angeordnet werden
könne, wird unten, wo von letztwilligen Anordnungen gehandlet wird, folgen.
[2, 3, § 3] 35. Inhabere fremder Sachen hingegen haben die
Macht nicht, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers etwas zu veräußeren, sie
haben dann darzu entweder eine ausdrückliche und besondere Gewalt und
Vollmacht, oder die Genehmhaltung des Eigenthümers würde hierauf erfolgen, bis
dahin die Veräußerung seine rechtliche Kraft hat.
[2, 3, § 3] 36. Wann, und auf was für Art aber Vormündere
oder Gerhaben und Curatores Sachen ihrer Pflegebefohlenen veräußeren können,
ist in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft gemeldet worden;
und wann und wie ein Pfandsinhaber zur Veräußerung des Pfands schreiten möge,
wird im dritten Theil, in siebenten Capitel, Art. II. §. XIII. mit Mehreren
ausgeführet.
[2, 3, § 3] 37. Außer dem Fall eines entweder von dem Gesatz
oder aus Verträgen und Vergleichen, oder aus letzten Willen herrührenden
Verbots stehet sonst Jedermann frei, seine eigene Sachen, wann, wie und an wen
er wolle, zu veräußeren.
[2, 3, § 3] 38. Dahingegen, wo der Verbot des Gesatzes
entgegen stehet, ist die Veräußerung weder zulässig, noch rechtsgiltig,
sonderen alle darauf abzielende Handlung ganz und gar unkräftig, und auch
gestalter Dingen nach strafbar, wann in Unseren Verordnungen über die
Nichtigkeit der Handlung noch eine Strafe darauf ausgesetzet ist, oder Gefährde
und Arglist unterlaufet.
[2, 3, § 3] 39. Wo aber Jemand nur mittels einer
persönlichen Verbindlichkeit aus Verträgen, Vergleichen oder aus letzen (!) (=
letzten) Willen ohne Behaftung der Sache, dieselbe nicht zu veräußeren verstricket
ist, geschieht die Veräußerung zwar nicht zulässig, doch in alle Wege
rechtsgiltig, wann der Dritte die Sache mit guten Glauben und ohne von dieser
ihrer Beschaffenheit etwas zu wissen auf rechtmäßige Art an sich gebracht hat.
[2, 3, § 3] 40. Daferne jedoch ein liegendes Gut mit der
Eigenschaft der Unveräußerlichkeit landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
behaftet wäre, kann die Veräußerung weder zulässig noch giltig geschehen,
sondern eine solche Handlung ist null und nichtig, wie alles dieses an
obbemelten Orten mit Mehreren erkläret wird.
[2, 3, § 3] 41. Das Eigenthum schließet nicht allein in sich
alle Wirkungen des
(2-52) Besitzrechts ein, woraus die zur Handhabung und
Wiederlangung (!) (= Wiedererlangung) des Besitzes gebührende rechtliche
Hilfsmitteln entspringen, von welchen unten in vierundzwanzigsten
(2-53) Capitel besonders gehandlet wird, sondern es wirket
auch auf den
(2-54) Fall, da Jemandens eigenes Gut von einem Anderen
vorenthalten würde, die Eigenthumsklage.
[2, 3, § 3] 42. Diese ist eine aus dem Eigenthum entstehende
Rechtsforderung, welche einem jedweden Eigenthümer wider den Besitzer oder
Inhaber seiner Sache, der hieran weder ein wahres Eigenthum, noch ein anderes
hinlängliches Recht selbe zu besitzen oder innenzuhalten hat, zu dem Ende
gebühret, damit sein hieran habendes Eigenthum erkläret und ihme von dem
Beklagten die Sache mit allen ihren Zugängen und Nutzungen zurückgestellet
werde.
[2, 3, § 3] 43. Wer dahero mit der Eigenthumsklage verfahren
will, muß wahrer Eigenthümer der Sache sein, das ist, entweder das volle oder
doch das Grundeigenthum haben, dahingegen aus dem nutzbaren Eigenthum und
anderen dinglichen Rechten nicht diese, sondern andere Rechtsforderungen
entstehen, welche jeden Orts, wo von derlei Rechten gehandlet wird, erkläret
werden.
[2, 3, § 3] 44. Es hat aber bei Zusammentreffung des
Eigenthümers mit einem Anderen, welcher an der aus Handen eines Dritten
zurückforderenden Sache das nutzbare Eigenthum oder ein sonstiges dingliches
Recht hat, allemal dieser vor dem Eigenthümer den Vorzug, solange sein Recht
hieran bestehet, bis zu dessen Beendigung der Eigenthümer die Ausantwortung der
Sache zu seinen eigenen Handen anzubegehren nicht befugt ist.
[2, 3, § 3] 45. Die Eigenthumsklage gehet wider alle
Besitzere und Inhabere der eingeklagten Sache, obgleich sie solche in Namen
eines Dritten besitzen, als Pächtere, Bestandleute und Jene, denen dieselbe zum
Gebrauch geliehen, oder zu getreuen Handen anvertrauet worden, wann sie nur die
Macht haben, solche zuruckzustellen.
[2, 3, § 3] 46. Doch können Diejenigen, welche die Sachen in
eines Dritten Namen besitzen, sich durch
Namhaftmachung dessen, von deme sie dieselbe bekommen, von der Klage befreien.
Woferne sie aber Denselben weder namhaft machen, noch zur Vertretung anrufen,
lassen sie sich auf ihre eigene Gefahr in die Rechtsführungen ein, und sind, da
sie sachfällig werden, Demjenigen, in dessen Namen sie die Sache besessen, Red
und Antwort zu geben schuldig.
[2, 3, § 3] 47. Dahingegen Jener welcher fremdes Gut mit guten
Glauben für sich selbst besitzet, dadurch keine Verantwortung auf sich ladet,
daß er sich ohne Namhaftmachung seines Gewährsmanns und ohne dessen
anverlangter Vertretung auf die Eigenthumsklage eingelassen und sachfällig
worden, gleichwie dieser ihme auch dagegen solchen Falls zu keiner weiteren
Gewährleistung verbunden ist.
[2, 3, § 3] 48. Es giebt auch Fälle, wo die Eigenthumsklage
wider Nichtbesitzende statt hat, welche entweder aus Gefährde zu
gefließentlicher Verkürzung des Eigenthümers sich des Besitzes der
angesprochenen Sache entäußeret haben, aber, da sie wissentlich nicht in dem
Besitz gewesen, sich jedennoch für Besitzere ausgeben und mit dem Kläger, der
sie darfürhält, in die Rechtsfertigung einlassen.
[2, 3, § 3] 49. Die Gefährde eines Besitzers, mit welcher
derselbe, um sich der Eigenthumsklage zu entziehen, den Besitz der
angesprochenen Sache auf einen Dritten übertragen oder sich derselben in andere
Wege losgemacht, kann ihme in nichts verhilflich sein, sondern es wird
dafürgehalten, als ob er die Sache noch wirklich besitze, er möge sich
derselben vor, oder nach erhobener Klage entäußeret haben, wann er nur solche
fremd zu sein gewußt hat.
[2, 3, § 3] 50. Kläger muß dahero einerseits des Beklagten
gehabten Besitz, und
(2-55) andererseits, wo ein liegendes Gut angesprochen wird,
auch dessen Gefährde erweisen. In Ansehen beweglicher Sachen hingegen wird die
Gefährde daraus vermuthet, wann der Beklagte die rechtmäßige Erwerbung der
Sache auf die hienach in achten Capitel §. IV. bestimmende Art und Weis, mit
welcher er solche an sich gebracht, zu erweisen außer Stande ist.
[2, 3, § 3] 51. Wovon ihn auch die Namhaftmachung des
weiteren oder gegenwärtigen Besitzers keinerdings entledigen kann, dann, wo
dieser eine fremde bewegliche Sache mit guten Glauben, welcher mit den zu
Uebertragung des Eigenthums erforderlichen Umständen begleitet ist, an sich
gebracht hätte, ist er nach der allda folgenden Ausmessung des Eigenthums
halber gesicheret. Da aber auch die Erwerbungsart nicht so beschaffen wäre, daß
andurch das Eigenthum auf ihn übertragen würde, bleibet der vorige Besitzer
jegleichwohlen zur Strafe seines Betrugs verfänglich.
[2, 3, § 3] 52. Kläger hat dahero die Auswahl, welchen von
beiden, ob nämlich den wirklichen oder gewesten Besitzer derselbe belangen
wolle, und wo auch der gegenwärtige Besitzer der Theilnehmung an der Gefährde
überwiesen werden könnte, stehet ihme frei Dasjenige, was er von einem nicht
erholet, noch an dem Anderen anzusuchen.
[2, 3, § 3] 53. Daferne er jedoch von den gegenwärtigen
Besitzer die Sache selbst zuruckerhalten hätte, oder auch dieser währender
Rechtsfertigung mit dem gewesten Besitzer ihme die Sache auszuantworten
erbietig wäre, kann Kläger zwar den gewesten Besitzer um den Werth derselben
nicht ansprechen, wohl aber noch Dasjenige, was dieser etwan an Nutzungen
bezogen, oder was er an Zugängen oder Zugehörungen zu der Sache bei sich
zuruckgehalten, oder um was die Sache in ihrem Werth verringeret worden, wann
es von dem gegenwärtigen Besitzer nicht erhalten werden kann, von ihme
anforderen.
[2, 3, § 3] 54. Hätte aber Kläger von dem gewesten Besitzer
den Werth der Sache erlanget, und nachhero erst in Erfahrnuß gebracht, in
wessen Handen seine Sache befindlich seie, so stehet ihme zwar noch frei, die
Sache selbst von den gegenwärtigen Besitzer anzubegehren, doch ist er schuldig
den empfangenen Werth, insoweit als solcher den erweislichen Schaden
übersteiget, anwiederum zuruckzugeben, welcher allemal, wo eine Gefährde an
Seiten des gewesten Besitzers unterwaltet, Unserer Kammer verfallen ist, und da
Derjenige, an den die Sache veräußert worden, solche mit guten Glauben, welcher
jedoch nicht mit den Umständen vergesellschaftet ist, die zu Uebertragung des
Eigenthums einer beweglichen Sachen hinlänglich wären, an sich gebracht hätte,
so bleibet der Veräußerer noch über das ihme für Jenes, was er dafür
ausgeleget, verfänglich.
[2, 3, § 3] 55. Nicht weniger hat Derjenige, welcher, da er
sich wissentlich in dem Besitz der angesprochenen Sache nicht befindet, sich
jegleichwohlen für den Besitzer ausgegeben, und den Kläger solchergestalten zu
der unternommenen Rechtsfertigung verleitet, sich selbst beizumessen, daß er
nachhero für einen Besitzer gehalten und zu Leistung alles dessen verbunden
wird, was die Natur der Eigenthumsklage mit sich bringet.
[2, 3, § 3] 56. Worwider auch die Widerrufung des Vorgebens
nichts verfanget, nachdeme er sich einmal auf die Klage eingelassen hat, er
könnte dann einen unterlaufenden Irrthum in der Zeit als solches nach Unserer
Gerichtsordnung noch gestattet wird, rechtsbehörig erweisen. Dahingegen kann er
vor der Einlassung auf die Klage sein Vorgeben auch ohne Beweis des Irrthums
widerrufen und sich andurch von der Klage gegen Erstattung der Unkosten
entledigen, welche er auch in jenem Fall dem Kläger zu ersetzen hat, wann der
wahre Besitzer sich nachhero angeben und den Rechtsstritt auf sich nehmen
würde. Käme aber der wahre Besitzer erst nach geendigten Rechtsstritt hervor,
solle dadurch die Execution nicht gehinderet, und da Kläger nachhero die Sache
erhielte, der vorher empfangene
(2-56) Werth gleichfalls zu Handen Unserer Kammer in der
Maß, wie es oben geordnet worden, eingezogen werden.
[2, 3, § 3] 57. Wider die Erben des Besitzers gehet die
Eigenthumsklage nur insoweit, als sie die angesprochene Sache in Besitz haben,
oder etwas davon zu ihren Handen gekommen, oder sie sonst aus der That ihres
Erblassers dafür zu haften verfänglich sind.
[2, 3, § 3] 58. In der Eigenthumsklage hat der Kläger
seinerseits das Eigenthum und an Seiten des Beklagten den Besitz der
angesprochenen Sache zu erweisen. Zu Darzeigung des Eigenthums muß die Ursache,
aus welcher solches erworben worden und eine rechtmäßige nach Unseren Gesetzen
hinlängliche Erwerbungsart erprobet werden.
[2, 3, § 3] 59. Würde aber Kläger mit dem Beweis derjenigen
Erwerbungsursache, welche er in seiner Klage angegeben, nicht aufkommen und
dashalben sachfällig werden, so ist ihme jegleichwohlen nicht verwehret, wenn
er eine andere Erwerbungsursache zu erweisen im Stande ist, eine neue Klage zu
erheben.
[2, 3, § 3] 60. Zum Beweis des Besitzes hat Kläger nicht
nöthig, den Beklagten vorläufig um Darstellung und Vorlegung der in Anspruch
genommenen Sache zu belangen, noch auch in der Klage selbst den Besitz zu
erweisen, sondern es ist an deme genug, den Besitz des Gegentheils darinnen
anzuführen, maßen solcher bei liegenden Gütern ohnedies offenkundig ist, und
bei beweglichen Sachen weit kürzer auf hienach folgende Weis verfahren werden
mag.
[2, 3, § 3] 61. Dann entweder ist der Beklagte des Besitzes
geständig oder nicht. Ersteren Falls bedarf es keines weiteren Beweises und
derselbe muß sich auf die Eigenthumsklage einlassen. Letzteren Falls aber wird
solche durch bloße Verneinung des Besitzes nicht abgeleinet, wann Kläger in
Verfolg der Rechtsführung solchen erweisen kann.
[2, 3, § 3] 62. Wendete hingegen der Beklagte ein, daß er
den Besitz verloren oder bereits an einen Anderen übertragen habe, ist er
schuldig diese seine Einwendung zu erweisen, und kann denselben nichts Anderes,
als was gleich unten von dem Fall der nicht vorhandenen Sache geordnet wird,
von der Zuruckstellung entbinden. Wann aber seinerseits eine Gefährde
unterwaltet, wird er nach obiger Ausmessung für einen Besitzer geachtet.
[2, 3, § 3] 63. Wäre endlich der Beklagte des Besitzes einer
Sache, wie solche von dem Kläger beschrieben worden, zwar geständig, schützete
aber vor, daß jene, die er in Besitz hat, nicht die nämliche sei, welche
angesprochen wird, so solle er sich zugleich erbieten, die besitzende Sache zur
Behebung des Irrthums dem Kläger vorzuzeigen.
[2, 3, § 3] 64. Wo er aber ein solches unterließe, macht er
sich des üblen Glaubens verdächtig, und ist auf Anlangen des Klägers, oder auch
nach Beschaffenheit der Umständen von amtswegen durch Gerichtsbefehl
anzuhalten, die Sache zu Gericht zu erlegen, und Klägern deren Ersehung
unweigerlich zu verstatten.
[2, 3, § 3] 65. Mit derlei Gerichtsbefehlen ist auch in
allen anderen Fällen zu verfahren, wo der Beklagte den Besitz laugnet aber
vertuschet, und dessen hernach überwiesen wird, oder wo sonst außer der
Eigenthumsklage Jemanden erweislich daran gelegen ist, daß ihme eine Sache oder
Urkunde zu seiner Ersehung vorgezeiget werde.
[2, 3, § 3] 66. Würde nun die zu Gerichtshanden erlegte
Sache wirklich diejenige zu sein befunden, welche von Klägern angegeben und von
Beklagten verlaugnet worden, solle dieselbe zur Strafe seines Laugnens bis zu
Aushang des Rechtsstritts in serichtlichen (= gerichtlichen) Beschlag
verbleiben, Beklagten aber nichtdestoweniger unbenommen ain (= sein), in
Verfolg der Rechtsfertigung sein hieran habendes Recht der Ordnung nach
guszuführen (= auszuführen).
[2, 3, § 3] 67. Und da es sich ergeben würde, daß Beklagter
zur Zeit der eingebrachten
(2-57) Klage die Sache nicht in Besitz gehabt habe, jedoch
aber mittlerweil währenden Rechtsstritts bis zur Zeit des Urtheils zu deren
Besitz gelangete, ist derselbe jegleichwohlen zur Zuruckstellung der Sache zu
verurtheilen.
[2, 3, § 3] 68. Dahingegen kann Jener, der die Sache zwar
zur Zeit der erhobenen Klage besessen, vor dem ergehenden Urtheil aber
erweislich macht, daß er ohne seiner Schuld und Zuthat um den Besitz derselben
gekommen seie, zu deren Zuruckstellung nicht verurtheilet werden, wann er nicht
sonst wegen Saumsals oder üblen Glaubens die Gefahr der Sache zu tragen hat.
[2, 3, § 3] 69. Die Eigenthumsklage ist nur auf körperliche
Sachen gerichtet, wegen unkörperlichen Dingen aber, als Rechten und
Gerechtigkeiten, gebühren besondere Rechtsforderungen, welche, insoweit als sie
aus dinglichen Rechten entspringen, bei Abhandlung eines jedweden dinglichen
Rechts in diesem zweiten Theil, sowie jene, die aus verbindlichen Handlungen
entstehen, in dritten Theil beschrieben werden.
[2, 3, § 3] 70. Kläger hat aber die Sache, welche er
forderet, namentlich und umständlich nebst deme, ob die ganze Sache, aber was
für ein Theil hiervon von ihme geforderet werde, in seiner Klage anzuzeigen.
[2, 3, § 3] 71. Es könnte dann aus einer rechtserheblichen
Ursache derjenige Theil, welcher ihm hieran gebühret, noch zur Zeit nicht
ausgewiesen werden, als da auch Andere hieran noch unbeschiedene Theile zu
forderen hätten, oder Kläger von dieser Sache den Pflichtheil, welcher zur Zeit
der erhobenen Klage noch nicht ausgemessen wäre, herauszugeben haben würde.
[2, 3, § 3] 72. Die Sache muss auf erfolgte richterliche
Erkanntnuß anwiederum in den Besitz des Klägers, und zwar alldahin, wo selbe
ihme entkommen, auf Unkosten des Beklagten und ohne allem
Entgelt zuruckgestellet werden. Wäre aber die Sache nicht mehr vorhanden, so
ist zu unterscheiden, ob Beklagter dieselbe auf eine solche rechtsbeständige
Art erworben habe, wodurch das Eigenthum des Klägers erloschen ist, oder ob er
solche zwar mit gutem Glauben, doch ohne der unten zu Uebertragung des
Eigenthums für hinlänglich ausgemessenen Art an sich gebracht habe, oder
endlich, ob er solche fremd zu sein gewußt habe, folglich sich in üblen Glauben
befinde.
[2, 3, § 3] 73. In dem ersten Fall höret alle Frage von
Erstattung des Werths auf, weilen in Kraft Unseres Gesatzes das Eigenthum des
Klägers erloschen und auf den Beklagten übertragen worden ist.
[2, 3, § 3] 74. In den zweiten Fall hingegen kommet es darauf an, ob der Untergang der Sache sich noch
vor erhobener Klage, oder darnach ereignet. Für den vor erhobener Klage auch
mit seiner Zuthat erfolgten Untergang der Sache ist er nicht zu haften
schuldig, wann sonst seinerseits keine Gefährde unterwaltet.
[2, 3, § 3] 75. Wo er jedoch die Sache vor erhobener Klage
ohne von dem Anspruch des Eigenthümers etwas zu wissen, an einen Dritten veräußeret,
so ist er dem Kläger nur so vieles zu ersetzen schuldig, als der daraus gelöste
Werth das von ihme erweislich dafür Ausgelegte übersteige, damit er nicht mit
Schaden des Eigenthümers bereicheret werde.
[2, 3, § 3] 76. Erfolgete aber der Untergang der Sache nach
erhobener Klage, so ist zu unterscheiden, ob der Untergang durch einen solchen
Zufall geschehen, wodurch die Sache auch bei dem Eigenthümer hätte zu Grund
gehen können, in welchem Fall der Beklagte zwar von Erstattung des Werths,
nicht aber von Ersatz der von Zeit der Klage behobenen Nutzungen entlediget
wird.
[2, 3, § 3] 77. Oder ob die Sache aus seiner Schuld oder
auch durch einen aus seiner Zuthat veranlaßten Zufall zu Grund gegangen, und in
diesem Fall ist er schuldig, den Werth der Sache nach der gemeinen Schätzung,
wie solcher von Klägern in Ermanglung eines anderen Beweises beschworen werden
kann, abzutragen.
[2, 3, § 3] 78. Dann durch die ihme zugekommene
Eigenthumsklage höret sein guter Glauben insoweit auf, daß, obschon er berechtiget bleibet sein vermeintliches Eigenthum
(2-58) oder sonstiges Recht durch die an Handen habenden
Behelfe nach seinem besten Wissen zu schätzen und zu vertheidigen, er jedennoch
in die Schuldigkeit versetzet werde, allen auch zufälligen Schaden an der Sache,
so viel in seiner Macht stehet, zu verhüten.
[2, 3, § 3] 79. In dem dritten Fall, wo der Beklagte die
Sache mit offenbaren üblen Glauben oder mit wahrer Gefährde, und durch
Verbrechen an sich gebracht hätte, und solche in ihrer Gestalt nicht wieder zuruckzustellen
vermögete, hat er den höchsten Werth, wie solchen der Kläger nach seiner
eigenen Meinung und Schätzung beschwören mag, nach vorläufiger richterlicher
Mäßigung zu erstatten.
[2, 3, § 3] 80. Was von Untergang der Sache nach
Verschiedenheit der Fällen gemeldet worden, ist auch von allen hieran
zugefügten Schaden zu verstehen, wodurch die Sache ganz oder zum Theil
unbrauchbar und unnütz gemacht, aber sonst in ihrem Werth verringeret und
abgewürdiget worden wäre.
[2, 3, § 3] 81. Der Werth aber, welcher zu ersetzen ist,
solle allemal, wo keine geflissentliche Gefährde fürwaltet, nach der gemeinen
Schätzung, oder wie solchen Kläger gewissenhaft beschwören kann, dahingegen bei
unterlaufender Gefährde nach der eigenen eidlichen Schätzung, Anständigkeit und
Vorliebe des Klägers, jedoch mit vorläufiger richterlichen Mäßigung bestimmet
werden.
[2, 3, § 3] 82. Nicht nur die Sache selbst oder nach
Verschiedenheit der gleichberührten Fällen deren Werth, sondern auch alle ihre
Zugänge und Zugehörungen, Nutzungen und was sonst immer dem Beklagten in
Ansehen der Sache zugekommenen (= zugekommen), müssen Klägern zuruckgestellet
oder ersetzet werden.
[2, 3, § 3] 83. Bei Erstattung der Nutzungen ist jedoch der
Unterschied zwischen einem Besitzer mit guten Glauben und zwischen jenem mit
üblen Glauben zu beobachten. Ersterer macht sich aus dem Besitzrecht alle bis
zur Zeit der erhobenen Klage eingesammlete und verzehrte Nutzungen eigen.
Diejenige aber, welche davon zur Zeit der angestrengten Klage noch vorhanden
sind, ist derselbe sammt allen von Zeit der angestrengten Klage erhobenen
sowohl verzehrten, als noch vorhandenen, wie auch allen nach Eigenschaft der
Sache zu erheben gewesten Nutzungen dem Kläger zuruckzustellen verbunden.
[2, 3, § 3] 84. Der Besitzer mit üblen Glauben hingegen ist
schuldig, alle von Zeit der Inhabung der Sache eingehobene sowohl noch
vorhandene, als verzehrte und auch die von ihme aus seiner Schuld und
Nachlässigkeit zu erheben unterlassene Nutzungen dem Eigenthümer abzustatten.
[2, 3, § 3] 85. Der Werth der verzehrten Nutzungen aber
solle allezeit nach dem gemeinen Landpreis geschätzet werden, wann Kläger
erweisen mag, daß Beklagter solche höher angebracht habe. Uebrigens wird von
Nutzungen in dritten Theil, in siebzehenten Capitel, Art. II, das Mehrere erwähnet.
[2, 3, § 3] 86. Dieser Unterschied zwischen dem Besitzer mit
guten Glauben und jenem mit üblen Glauben hat gleichfalls in Ansehung der auf
die dem Eigenthümer zuruckgestellte Sache gemachten Auslagen statt, wovon der
Besitzer mit üblen Glauben seine andere zuruckzuforderen befugt ist, als welche
von ihme entweder auf die Erzeugung, Einhebung und Einsammlung der Nutzungen
erweislich aufgewendet worden, oder ohne Beschädigung der Sache davon füglich
abgesönderet werden können. Alle übrige folgen ohne
Unterschied, von was für einer Art sie sein mögen, der Sache.
[2, 3, § 3] 87. Dem Besitzer mit gutem Glauben hingegen hat
Kläger nicht allein die auf Erzeugung und Einsammlung der Nutzungen erweislich
aufgewendete Auslagen für die Zeit, als ihme die Nutzungen zukommen, zu
ersetzen, und alle ohne Beschädigung der Sache thunliche Absönderung
lustbringender Kosten zu verstatten, sondern auch den zu beharrlicher Erhaltung
oder mehrerer Benutzung der Sache gemachten Nothwendigen oder nutzlichen Aufwand
zu vergüten.
[2, 3, § 3] 88. Für nutzlich aber werden alle Auslagen
gehalten, woraus dem Eigenthümer
(2-59) ein Nutzen welcher ohne solchen nicht zu erhalten
gewesen wäre, zugehet, er seie beharrlich oder zeitlich. Der Ersatz ist dahero
nicht nach dem Betrag des Aufwandes, sondern nach dem Betrag des wirklich
verschafften Nutzens und nach der wesentlichen Verbesserung zu leisten.
[2, 3, § 3] 89. Jene Kosten demnach, woraus der Nutzen nur
den Besitzer betroffen und nicht dem Eigenthümer zukommet, hat jener allein zu
tragen. Wie aber die Auslagen nach ihrer verschiedenen Art zu schätzen sind,
und was für Rechtsmitteln zu deren Habhaftwerdung gebühren, ist in dritten
Theil, in siebzehenten Capitel, Art. IV nachzusehen.
[2, 3, § 3] 90. Die Eigenthumsklage kann durch alle
diejenige Einwendungen abgeleinet werden, welche entweder das Eigenthum des
Klägers entkräften, oder den Besitz des Beklagten rechtfertigen.
[2, 3, § 3] 91. Von ersterer Art ist der zufällige Untergang
der Sache, wann solchen nicht Beklagter nach obiger Ausmessung zu tragen hat,
und die Aenderung des Eigenthums, wann selbes Beklagter auf rechtmäßige Art, es
seie durch willkührliche Uebertragung oder durch Gewalt des Rechts entweder
ohne Verjährung oder mittelst der Verjährung erworben zu haben erweisen kann.
[2, 3, § 3] 92. Von der anderen Art ist alles wie immer
Namen habendes dem Beklagten zum Besitz oder Innehabung der Sache zustehendes
Recht, welches derselbe von dem Eigenthümer, oder auch von Demjenigen, dessen
Handlung der Eigenthümer zu vertreten hat, zum Genuß oder zur Sicherheit, oder
zum Gebrauch der Sache mieth- oder entlehnungsweise auf eine Zeit, welche noch
nicht vorüber ist, überkommen hätte, vor deren Verlauf der Eigenthümer die
Sache nicht abrufen, noch weniger seiner oder desjenigen That, die er zu
vertreten hat, zuwider handlen kann.
[2, 3, § 3] 93. Wann aber Kläger das Eigenthum, wie es sich
zu Recht gebühret, nicht erweisen würde, ist Beklagter auch in Ermanglung aller
anderen beigebrachten Einwendung sofort von der Klage ledig und loszuzählen.
[2, 3, § 3] 94. Diese Ledigsprechung wirket jedoch blos
allein die Abweisung des Klägers, giebt aber dem Beklagten an der Sache kein
mehreres Recht, als er vorhin hieran gehabt, und bleibet dahero derselbe nicht
allein dem sich hervorthun mögenden wahren Eigenthümer noch allzeit
verfänglich, sondern es werden auch dem Richter dadurch die Hände nicht
gebunden, bei genugsamen Inzichten eines unterwaltenden Verbrechens dessen
ohnerachtet wider ihn von amtswegen zu verfahren.
§. IV.
[2, 3, § 4] 95. Außer dem Untergang der Sachen, womit auch
alle ihnen anklebende Rechten erlöschen, kann das Eigenthum auf keine andere
Art aufgelöset werden,
(2-60) als durch eben diejenige, wodurch es von dem Anderen
erworben und von Einem auf den Anderen übertragen wird, also daß einerlei
Handlung das Eigenthum des Einen auflöse und solches dem Anderen gebe.
[2, 3, § 4] 96. Niemand dahero kann sich das Eigenthum
anderer gestalt, als auf eine Unseren Gesetzen gemäße Art entladen, welcherlei
Arten in folgenden Capiteln beschrieben werden.
[2, 3, § 4] 97. Eine solche Art aber ist die Verlassung und
Hinwegwerfung einer Sache nicht, solange solche von niemanden Anderen ergriffen
und in der Absicht sich selbe zuzueignen in Besitz genommen wird, sondern der
Verlassende oder Hinwegwerfende bleibet bis dahin auch wider Willen ein Herr
seiner Sache, dergestalten, daß derselbe für alle Haftungen dieser Sache
verbunden, und den andurch Jemanden zugefügten Schaden zu ersetzen schuldig
seie.
[2, 3, § 4] 98. Es solle auch niemanden vermuthet werden,
daß Jemand seine Sache habe verlassen wollen, sondern dieser sein Willen muß
erwiesen werden, damit ein Anderer sich die Sache zueignen und des Eigenthums
hieran gesicheret sein möge.
[2, 3, § 4] 99. Obgleich aber Jemandes Willen seine Sache zu
verlassen erweislich wäre, so stehet ihme doch die Aenderung seines Willens
insolange bevor, bis nicht ein Anderer diese Sache ergriffen und in Besitz
genommen hat.
[2, 3, § 4] 100. Sobald jedoch ein Anderer ihme vor
Aenderung seines Willens hierinnen bevorgekommen, und sich die Sache zugeeignet
hat, ist auch derselbe bei dem mit Willen des Herrn und mittelst seiner
wiewohlen unvollkommenen Uebergabe erworbenen Eigenthum sowohl wider denselben,
als jedweden Anderen, der ihme an der Sache einen Eintrag thun wollte, zu
schützen.
Caput IV.
Von Erwerbungsarten des Eigenthums, und in sonderheit von
der Ergreifung.
Inhalt:
§. I. Von Rechtmäßigkeit der Ergreifung einer Sache. §. II.
Von Verschiedenheit der Ergreifungsarten. §. III. Von Bemächtigung einer Sache.
§.IV. Von Findung einer Sache. §. V. Von Hebung eines Schatzes.
§. I.
[2, 4, § 1] Num. 1. Von den Erwerbungsarten des Eigenthums
sind die Ursachen der Erwerbung wohl zu unterscheiden. Die Ursache muß vor der
wirklichen Erwerbung
(2-61) allemal vorhergehen, dadurch aber wird das Eigenthum
noch nicht erworben, sondern nur eine persönliche Verbindlichkeit zur
Uebertragung des Eigenthums, folglich blos ein Recht zur Sache erzeuget.
[2, 4, § 1] 2. Die darauffolgende Erwerbungsart hingegen
giebt das Eigenthum der Sache. Also ist die Erkaufung einer Sache lediglich die
Ursache der Erwerbung, nicht aber die Art, wodurch das Eigenthum erworben wird,
sondern wer eine Sache kaufet, wird nicht ehender ein Herr derselben, als bis
ihme solche übergeben worden.
[2, 4, § 1] 3. Eben also ist auch bei allen anderen
dinglichen Rechten der Unterschied der Bestellungsursache von der wirklichen
Bestellung und Erwerbung zu bemerken. Erstere gibt nur das Recht die Bestellung
zu forderen, letztere aber die Befugnuß, das bestellte Recht auszuüben.
[2, 4, § 1] 4. Die Ursachen der Erwerbung bestehen außer
jenen Fällen, worinnen das Eigenthum unmittelbar aus Macht Unseres Gesatzes
übertragen wird, entweder in verbindlichen Handlungen zwischen Lebenden oder in
letztwilligen Anordnungen. Erstere werden in dritten Theil, letztere aber
weiter unten in diesem Theil beschrieben.
[2, 4, § 1] 5. Die Erwerbungsarten des Eigenthums sind in
vorigen Capitel §. II, in fünf Hauptgattungen eingetheilet worden. Hierunter
ist die erste die Ergreifung eines Dings, welche mit oder auch wider Willen des
Eigenthümers die Uebertragung des Eigenthums jener Sachen, die nach Zulassung
Unserer Gesetzen von jemanden ergriffen und sich zugeeignet werden mögen,
wirket.
[2, 4, § 1] 6. Diese Erwerbungsart hat aus Unserer Zulassung
nur an solchen Sachen statt, die, ob sie zwar zu dem öffentlichen Eigenthum des
Staats, oder zu dem sonderheitlichen Eigenthum unter dem Begriff einer
Herrschaft, Guts oder Grunds gehören, jedennoch wegen ihrer Geringschätzigkeit
und nicht leicht erschöpflichen Menge weder Uns, noch den besonderen
Herrschaften oder Grundbesitzeren zum Nutzen oder Lust vorbehalten sind.
[2, 4, § 1] 7. Derlei Sachen sind nach Unterschied der Arten
mancherlei, als wilde Thiere, Meer- oder Flußfische, Vögel, Schalen- und
Muschelwerk, wilde Bienen,
(2-62) deren Honig, Wachs, wilde Baumfrüchten, Harz,
Blumen, Kräuter, Wurzeln, Schwämmen, Reiserholz, Gestrüpp und Rohrwerk,
zerstreute edlere oder gemeinere Erz- und andere Steine, Erdfarben und andere
bewegliche oder sich selbst bewegende Kleinigkeiten, nicht aber Grund und Boden
auch zum kleinsten Theil.
[2, 4, § 1] 8. Die Ergreifung und Sammlung derlei Dingen
wird nur an jenen Orten, wo dagegen kein Verbot vorhanden, noch durch
äußerliche Zeichen, als Zäune, Stangen, Wische u. dgl. einiger Vorbehalt
abzunehmen ist, nicht zwar, als ob solche Sachen herrenlos wären, sondern aus
Unserer Zulassung und aus stillschweigender Verwilligung der besonderen
Herrschaften, Guts- oder Grundbesitzeren verstattet.
[2, 4, § 1] 9. Wo aber die Zulassung und stillschweigende
Verwilligung durch kundbaren Verbot oder durch kennbare Zeichen des Vorbehalts
aufhöret, ist alle anmaßliche Ergreifung, Fang oder Sammlung solcher Sachen ein
unzulässiger Eingriff entweder in Unsere Hoheiten, oder in die eigenthumliche
Befugnussen der Grundinhaberen, oder in die besondere Anderen gehörige
Herrlichkeiten.
[2, 4, § 1] 10. Worwider kein Vorwand die Erwerbung des
Eigenthums wirken, noch von Auslieferung der Sache und den darauf ausgesetzten
Strafen entheben kann. Insonderheit aber sollen wegen des Jagens, Fischens,
Vogelstellens, Gold- oder Silberwaschens und dergleichen Dingen, so entweder
für allgemein verboten, oder worinnen nach der Länder Verfassung oder durch
anderweite von Uns und Unseren Vorfahren erlassene Verordnungen Ziel und Maß
gesetzet ist, derlei Maßgebungen unter den wider die Uebertretere verhängten
Strafen auf das genaueste beobachtet werden.
[2, 4, § 1] 11. Außer deme mag ein jedweder Eigenthümer oder
Grundbesitzer in dem Umfang seines Grund und Bodens sich der Ergreifung und
Bemächtigung aller vorher gemelter Sachen aus dem ihme zustehenden Eigenthums-
oder Besitzrecht, als einer ihme daher gebührenden Nutzbarkeit oder
Bequemlichkeit seines Gefallens gebrauchen, Andere davon abhalten, und sich
durch gehörige Rechtsmitteln bei seiner Befugnuß vertheidigen, wie auch in Weg
Rechtens wider alle Beeinträchtigung verfahren.
[2, 4, § 1] 12. Es wäre dann jemanden Anderen eine solche
Befugnuß, als eine besondere Herrlichkeit oder Dienstbarkeit zuständig, oder
nach der Landesverfassung und Unseren Verordnungen deren Gebrauch allgemein
gestattet, oder auch von Jemanden durch Verleihungen, Freiheiten und Verträge
rechtmäßig erworben.
[2, 4, § 1] 13. Ohne einer solchen Befugnuß beruhet es in
der Willkür der Grundeigenthümeren oder Besitzeren entweder Anderen den
Gebrauch derlei Sachen stillschweigend zu gestatten, oder die Zulassung durch
ein Verbot oder Vorbehalt aufzuheben, und kann also derowegen zwischen den
Grundeigenthümeren oder Grundbesitzeren und jenen, die hierzu kein besonderes
Recht haben, kein Rechtsstritt entstehen.
[2, 4, § 1] 14. Da aber Jemand zu dergleichen Befugnußen ein
besonders erworbenes Recht zu haben vorgeben würde, haben diejenige
Rechtsmitteln statt, welche zu Behauptung oder Widerspruch einer Herrlichkeit
oder Dienstbarkeit hergebracht sind.
[2, 4, § 1] 15. Desgleichen findet zwischen Jenen, die kein
besonderes Recht, sondern bloß allein die aus Unserer Zulassung, oder
stillschweigender Einwilligung der Grundherren herrührende Freiheit haben, sich
solcher Sachen zu bemächtigen, keine Rechtsklage statt, außer nur insoweit, als
die natürliche Billigkeit erforderet, damit in Dingen, die Männiglichen
freistehen, Keiner von dem Anderen widerrechtlich gestöret oder behinderet,
umsoweniger aber Dasjenige, wessen er sich nach Zulassung des Rechts einmal
bemächtiget, ihme wiederum abgenommen werde.
[2, 4, § 1] 16. Damit aber Jemand durch die Ergreifung da,
wo diese Erwerbungsart zulässig, das Eigenthum erwerben möge, ist erforderlich,
daß er nicht allein die Sache, welche sich von ihme solchergestalten zugeeignet
werden will, wirklich und
(2-63) körperlich mit Händen ergreife, und in seine Gewalt
und Gewahrsame bringe, sondern auch den Willen und Absicht habe, sich solche
eigen zu machen.
[2, 4, § 1] 17. An Ersehung oder Ansichtwerdung einer Sache
ist demnach nicht genug, sondern es muß die wirkliche Ergreifung beitreten. Wer
dahero die Sache zuerst ergriffen, hat hieran in Erwerbung des Eigenthums den
Vorzug vor Demjenigen, welcher solche zuerst gesehen.
[2, 4, § 1] 18. Es hätte dann Dieser dieselbe dem Anderen in
der Absicht, solche sich selbst zuzueignen, gezeiget, und diese seine Absicht
dabei erkläret, der Andere aber wäre ihme in der Ergreifung bevorgekommen,
dessen ohnerachtet das Eigenthum jegleichwohlen Deme, der sie zuerst gesehen
und seinen Willen sich solche zuzueignen zuerst eröffnet, mit Ausschließung des
anderen verbleibet.
[2, 4, § 1] 19. Doch muss auch bei der wirklichen Ergreifung
der Willen, Vorsatz und die Absicht, sich die ergriffene Sache eigen machen zu
wollen, hinzustoßen, widrigens kann die alleinige Ergreifung das Eigenthum
nicht wirken.
[2, 4, § 1] 20. Dieser Willen und Absicht aber wird allemal
vermuthet, wann der Ergreifende die ergriffene Sache in seiner Gewahrsame
behält. Dahingegen hört diese Vermuthung auf, sobald als er die ergriffene
Sache anwiederum hinwegwirft oder fahren lässt.
§. II.
[2, 4, § 2] 21. Die Ergreifung geschieht mit oder ohne
Gewalt. Jene heißet eigentlich eine Bemächtigung und
hat erstlich an lebenden Dingen, dann zweitens im Kriege an dem feindlichen Gut
statt. Ohne Gewalt hingegen werden leblose Dinge ergriffen, welche Art der
Ergreifung eigentlich eine Findung genannt wird.
[2, 4, § 2] 22. Mit Gewalt werden alle wilde Thiere gefangen,
welche auf der Erden, in der Luft, oder im Wasser
leben und schweben. Nach solchem dreifachen Gegenstand ist auch diese Art der
Bemächtigung vornehmlich dreierlei, als das Jagen, Vogelstellen und Fischen.
§. III.
[2, 4, § 3] 23. In allen diesen Arten der Bemächtigung ist
sich nach der Landesverfassung und Unseren anderweiten Verordnungen zu richten.
Ueberhaupt aber
(2-64) solle Niemanden erlaubet sein, auf fremden Grund und
Boden, ohne besonderer entweder aus einer ihm gebührenden Herrlichkeit, oder Dienstbarkeit,
oder aus
(2-65) Zulassung des Grundherrn hierzu habender Befugnuß zu
jagen, auf Vögeln zu stellen, oder zu fischen.
[2, 4, § 3] 24. Wer jedoch die Befugnuß darzu hat, und sich
eines solchen wilden Thiers, welches durch eigene Bewegung und Flüchtigkeit
anwiederum entkommen kann, bemächtiget, derselbe behält das Eigenthum des
gefangenen Thiers solange, als es in seiner Gewalt und Gewahrsame bleibet.
Sobald es aber ihme entkommet, kann sich dessen neuerdings ein jeder Anderer,
der hierzu befugt ist, bemächtigen.
[2, 4, § 3] 25. Die Verwundung allein giebt Jemanden das
Eigenthum des verwundeten Thiers noch nicht, sondern dieses muß wirklich
ergriffen, gefangen und in seine Gewalt gebracht werden. Wann er dahero
dasselbe nicht erreicht, bevor sich dessen ein Anderer bemächtiget, wird dem
Letzteren das Eigenthum hieran erworben, woferne dieser den Verwundenden nicht
geflissentlich an der Nachsetzung und Verfolgung verhinderet hätte.
[2, 4, § 3] 26. Wie es aber mit der Nachsetzung und
Verfolgung eines verwundeten Thiers auf fremden Grund und Boden zu halten sei,
ist aus unseren Jagdordnungen und Waidmannsrechten zu entnehmen.
[2, 4, § 3] 27. Zu dieser Art der Bemächtigung gehöret auch die Schöpfung eines Bienenschwarms. Es ist aber
dabei der Unterschied zwischen wilden und einheimischen Bienen zu beobachten.
[2, 4, § 3] 28.Wilde Bienen, welche von entlegenen oder
wüsten Orten zufliegen, ohne daß wissend seie, ob sie von Jemanden von weme
vorhin gewartet und gepflogen worden, mag sich Jedermann an freien Orten, wo
kein diesfälliger Vorbehalt ist, und umsomehr auf eigenen Grund und Boden
bemächtigen, wie auch den Hönig und Wachs von ihnen sammlen.
[2, 4, § 3] 29. Wo aber Bienen in Bienstöcken oder Körben
verwahret, gewartet und gepflogen werden, kann sich des Wachses und Hönigs
niemand Anderer, als deme die Bienstöcke und Körbe zustehen, anmassen,
noch weniger ist erlaubet die Bienstöcke oder Körbe bei Strafe des Diebstahls
von dannen zu entwenden.
(2-66) [2, 4, § 3] 30.Wie dann auch aller durch Tödtung, Störung
oder Vertreibung der Bienen zufügender Schaden gleich anderen Beschädigungen zu
ersetzen und der hieran begehende Unfug, Frevel und Muthwillen über das noch
besonders nach obrigkeitlichen Ermessen zu bestrafen ist.
[2, 4, § 3] 31. Wann aus Jemandens Bienstock ein
Bienenschwarm ausgeflogen, so hat dieser das Recht diesen Bienen nachzusetzen,
und da, wo er sie erreicht, den Schwarm zu schöpfen und in seine Bienstöcke zu
bringen.
[2, 4, § 3] 32. Es solle auch die Befugnuß, den
ausgeflogenen Bienen auf fremden Gründen nachzusetzen und den Schwarm zu
schöpfen, zwischen Nachbarn erwiederlich sein. Wann jedoch Jemandens Grund,
worinnen der Schwarm sich angesetzet, nicht offen, sondern mit Mauern oder
Zäunen umfangen wäre, solle die Begrüßung des Grundherrn oder dessen, der
anstatt seiner auf dem Grund ist, allemal vorhergehen.
[2, 4, § 3] 33. Falls es aber in der Eilfertigkeit vorhero
nicht geschehen könnte, so mag zwar der Nachsetzende in seines Nachbarn Grund
auch ohne dessen vorheriger Begrüßung ohne Gewalt eintreten, und allda den
Schwarm schöpfen. Doch solle er unter Strafe des Gewalts nicht befugt sein, den
geschöpften Schwarm ehender davon zu tragen, bis er nicht den Grundherrn darum begrüßet.
[2, 4, § 3] 34. Wann hingegen Jemand seinen von ihme
ausgekommenen Bienen nicht nachsetzet, und der Schwarm inmittelst sich irgendwo
auf fremden Grund oder auch an freien Orten anleget, so kann zwar solchen an
freien Orten Jedermänniglich, auf fremden Grund aber nur Derjenige, deme die
Benutzung des Grunds zustehet, schöpfen, doch anderer gestalt nicht für sich
behalten, als wann Jener, von deme die Bienen ausgeflogen, nicht binnen
vierundzwanzig Stunden von Zeit des Ausflugs denenselben nachsetzet und sie
zurückforderet.
[2, 4, § 3] 35. Desgleichen bleiben zahm gemachte Thiere
oder Vögel in dem Eigenthum Desjenigen, deme sie gehörig sind, obgleich
dieselbe ihme entkommen und anderwärts herumirren, insolange sie heimzukehren
nicht gänzlich entwöhnet werden.
[2, 4, § 3] 36. Diese Entwöhnung ist daraus abzunehmen, wann
sie auf den angewohnten Ruf, Zeichen oder Lockfraß nicht wiederkehren,
mit welcherlei Versuch ihnen auch auf fremden Gründen doch allemal ohne Gewalt
und Beschädigung, und mit thunlicher Begrüßung des Grundherrn nachzugehen
gestattet ist.
[2, 4, § 3] 37.Wann ihnen aber gar nicht nachgesetzet, oder
das Nachsetzen und der Versuch der Wiederkehr vergeblich wird, und von Zeit des
Auskommens sechs Wochen verflossen sind, so solle dafür gehalten werden, daß
ein solches Thier oder Vogel der Heimlichkeit völlig entwöhnet und wieder
verwildet seie.
[2, 4, § 3] 38. Da es sich also nach dieser Zeit bei
jemanden finden würde, solle es nicht mehr abgeforderet werden können, es
beweise dann der vorige Eigenthümer, daß von dem jetzigen Inhaber schon vor
Verlauf dieser Zeit dessen Wiederkehr durch Einsperrung, Anbindung oder in
andere Wege verhinderet worden seie.
[2, 4, § 3] 39. Dergleichen zahm gemachte Thiere oder Vögel,
wann es wissend ist, weme sie gehören, solle Niemand geflissentlich auffangen,
noch weniger, wo selbe durch angehängte Ringe, Schellen oder andere
Zeichen kenntlich sind, fällen, verwunden oder lähmen, widrigens ist derselbe
zum Ersatz des Schadens verbunden, und über das nach Beschaffenheit des Unfugs
und Muthwillens strafbar.
[2, 4, § 3] 40. Vielmehr ist ein Jedweder schuldig, bei deme
ein solches Thier oder Vogel, von ohngefähr einkommt, wann er dessen Herrn
weiß, es ihme zurückzugeben.
(2-67) Da er aber den Herrn nicht weiß, kann er dasselbe
entweder frei von sich lassen, oder solange in seiner Gewahrsame behalten, bis
es Jemand als das Seinige binnen obiger Zeit zuruckbegehre, welcher aber
ihn wegen des etwan darauf gemachten Aufwands schadlos zu halten schuldig ist.
[2, 4, § 3] 41. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es mit
einheimischen Tauben, Pfauen, Gänsen, Hühnern und anderen Geflügel, welches
ordentlicherweise bei Häusern und Landwohnugen (= Landwohnungen)aufbehalten,
genähret und genutzet wird, wie auch mit einheimischen größeren und kleineren
Vieh, von was immer für Gattung dasselbe seie.
[2, 4, § 3] 42. Wann etwas von vergleichen einheimischen
Vieh oder Geflügel Jemanden aus seiner Gewalt und Gewahrsame entfliehet oder
entlaufet, und bei einem Anderen von Ungefähr einkommet, so solle es alsobald
dem Eigenthümer, wann er wissend ist, zur Abholung angezeiget, oder sobald er
sich hierum meldet, auf sein Begehren zuruckgestellet, und es damit überhaupt,
wie es unten von gefundenen Sachen geordnet wird, gehalten werden.
[2, 4, § 3] 43. Wer aber dergleichen Vieh oder Geflügel dem
Anderen geflissentlich abfängt, abtreibet oder wissentlich vorenthaltet, kann
nicht nur um die Zuruckstellung belanget werden, sondern er ist auch nach
Beschaffenheit der Umständen mit den auf die Entwendung und Verhehlung fremden
Guts Unserer peinlichen Gerichtsordnung ausgemessenen Strafen zu belegen.
[2, 4, § 3] 44. Wie es jedoch in Fällen zu halten seie, wo
fremdes Vieh oder Geflügel an Saaten, Gärten, oder sonsten Schaden zufüget, und
darüber betreten wird, hierüber folget die Ausmessung in dritten Theil,
in zweiundzwanzigsten Capitel, § VI.
[2, 4, § 3] 45. Die gewaltsame Bemächtigung wird ferners an
den im Krieg dem Feind abnehmenden Sachen ausgeübet, heißet
in diesem Verstand eigentlich eine Erbeutung.
[2, 4, § 3] 46. Gleichwie aber überhaupt das Recht des
Kriegs und Friedens in unseren Staaten Uns allein zukommet, also ist auch
Niemand das Eigenthum durch kriegerische Bemächtigung zu erwerben fähig, als in
wie weit von Uns zugelassen ist, daß Jemand sich Dasjenige eigen mache, was er
durch Kriegesglück erbeutet.
[2, 4, § 3] 47. Diese Unsere Zulassung erstrecket sich
aber keineswegs auf unbewegliche Güter, deren Eroberung, durch wen sie immer
geschehe, Uns allein vorbehalten ist, noch weniger auf die überwundene
feindliche Personen, außer was aus dem Wiedervergeltungsrecht gegen die
Unglaubige zugelassen, und oben in ersten Theil, Von dem Stand der Menschen,
berühret worden ist, weder auch solche Sachen
(2-68) des Feinds, welche unmittelbar zur Führung des Kriegs
gewidmet sind, als Geschütz, Gewehr, Munition, Proviant, Kriegscassa,
Feldlager, Fahnen und anderes Kriegsgeräthe.
[2, 4, § 3] 48. Es kann dahero die Beute blos allein in
allein in beweglichen und den feindlichen Unterthanen oder Soldaten
sonderheitlich gehörigen Sachen bestehen, die nicht schon oben ausgenommen
sind, und worüber von Uns zur Zeit des Kriegs nicht anderst geordnet wird.
[2, 4, § 3] 49. Die kriegerische hat mit der gemeinen
Bemächtigung diese Gleichheit, daß wer der Erste dem Feind etwas abnimmt, eben
derselbe das Eigenthum der abgenommenen Sache erwerbe, sobald als er dieselbe
vollkommen in seine Gewalt und Gewahrsame an ein solches Ort bringt, wo er zur
selbigen Zeit gegen die feindliche Wiedereroberung gesicheret ist.
[2, 4, § 3] 50.Wo aber die Beute, ehe bevor sie dahin
gebracht wird, ihme anwiederum von dem Feind abgenommen würde, so ist nicht
mehr auf die erste Bemächtigung zu sehen, sondern sie wird Demjenigen erworben,
welcher diese Sache dem Feind zum anderten Mal abgenommen und in Sicherheit
gebracht hat.
[2, 4, § 3] 51. Beute zu machen stehet zwar nur Unseren
Soldaten zu, doch kann sich diese Befugnuß auch auf andere Unsere Unterthanen
zum Abbruch und Entkräftung der Feinden erstrecken, wann nichts deme entgegen
von Uns oder Unseren Kriegsbefehlshaberen geordnet ist.
[2, 4, § 3] 52. Ein Erbeuter feindlichen Guts erwirbt hieran
das Eigenthum mit allen seinen Wirkungen und genießet
aller derjenigen Rechtsmitteln, die einem Herrn um seine Sachen zustehen.
[2, 4, § 3] 53. Wer aber einige Unseren Unterthanen
gehörige, und ihnen von dem Feind abgenommene Sachen dem Feind hiewiederum
abnimmt oder durch was immer für Handlungen währenden Krieg von ihme an sich
bringt, muß solche dem Eigenthümer zuruckstellen, welcher jedoch dagegen den
Wiedereroberer oder Denjenigen, der sie an sich gebracht hat, schadlos zu halten
schuldig ist.
[2, 4, § 3] 54. Wann hingegen Jemand derlei Sachen nach
geendigten Krieg redlicher Weise an sich gebracht, oder auch die währenden
Krieg erworbene Sache durch die unten in neunten Capitel auf bewegliche Sachen
ausgemessene Verjährungszeit besessen hätte, solle derselbe weitershin des
Eigenthums halber nicht mehr angefochten werden können, wann auch seine
Erwerbung ganz oder zum Theil gewinstig gewesen wäre.
[2, 4, § 3] 55. Was aber in einem Aufstand, Meuterei oder
Auflauf des Pöbels Jemanden geraubet worden, es seie zu Kriegs- oder
Friedenszeiten, dessen Eigenthum verliert Niemand, sondern Jedermänniglich kann
das ihme geraubte, ebenalso, wie ein anderes gestohlenes Gut wiederforderen,
und sind Jene, die sich bei solchen Umständen einer Plünderung, Raubs,
Hilfleistung oder Verhehlung geraubter Sachen schuldig machen, nach Schärfe
Unserer peinlichen Gesetzen zu bestrafen.
§. IV.
[2, 4, § 4] 56. Ohne Gewalt wird an leblosen Dingen durch
Ergreifung das Eigenthum erworben, wann sie von Jemanden gefunden worden und
von solcher
(2-69) Art sind, daß selbe nach der oben in § I. enthaltenen
Ausmessung auf diese Weis erworben werden mögen.
[2, 4, § 4] 57. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es dahero
mit Sachen, die Jemand ohne seinen Willen und unvermerkt verlieret, es seie,
daß etwas auf der Reise irgendwo von dem Wagen gefallen, in einer Einkehr aus
Vergessenheit zuruckgelassen, unter anderen Sachen außer seiner Gewahrsame
verleget, durch Kinder, sinnlose Menschen oder Thiere vertragen, in Feuer-, Wasser-,
Einsturz-, Feindesgefahr oder in einem Auflauf irgendwo verborgen und nicht
wieder hervorgesucht oder abgeholet worden.
[2, 4, § 4] 58. Von gleicher Beschaffenheit sind Sachen, die
durch Schiffbruch verloren, oder bei entstehenden Sturm zu Erleichterung des
Schiffs in das Wasser geworfen worden, welche dessen ohnerachtet in dem
Eigenthum Desjenigen verbleiben, deme sie gehöret haben.
[2, 4, § 4] 59. Wer dahero verlorene Sachen findet, obschon
er nicht wüßte, weme die gefundene Sache gehörig seie, kann sich dieselbe
keineswegs zueignen, noch weniger solche, da sie aufbehaltlich wären, zu seinem
Nutzen verwenden, sondern er ist vielmehr schuldig zu Erforschung des
Eigenthümers allen Fleiß anzuwenden, und alle
(2-70) Mitteln vorzukehren, wodurch der Eigenthümer von
seiner gefundenen Sache Wissenschaft erlange.
[2, 4, § 4] 60. Deshalben solle ein Finder die gefundene
Sache geflissentlich nicht verhehlen, dieselbe für die seinige nicht ausgeben,
noch weniger auf die Nachfrage verlaugnen, wo in widrigen, wann gleichwohlen
die Findung der vermißten Sache auf ihn erwiesen würde, er nebst deren
Zuruckstellung mit einer nach den Umständen abgemessenen Strafe belegt werden
solle.
[2, 4, § 4] 61. Um damit aber der Eigenthümer einer
verlorenen Sache solche desto leichter wieder habhaft werde, wollen und
gebieten Wir hiermit, daß ein Jedweder, der etwas findet und binnen dreien
Tagen, wer es verloren habe, nicht selbst mit Sicherheit erfahren kann, wann
das Gefundene den Werth von zehn Gulden übersteiget, solches nach deren
Verlauf, sobald als es geschehen kann, bei der Gerichtsbarkeit desjenigen Orts,
in deme die Sache gefunden worden, anzeige.
[2, 4, § 4] 62. Wer hingegen solches unterließe, bleibet
nicht allein jegleichwohlen verbunden, dem über kurz oder lang sich meldenden
Eigenthümer die Sache ohnentgeltlich und ohne Fundlohn zuruckzustellen, sondern
er ladet über dieses den Verdacht auf sich, daß er die Sache unredlich an sich
gebracht habe, also daß in Hinzustoßung anderer hinlänglicher Inzichten wider
ihn peinlich verfahren werden könne.
[2, 4, § 4] 63. Auf die von dem Finder bei Gericht gemachte
Anzeige solle sofort mit der erforderlichen Kundmachung auf die jeden Orts
übliche Art und Weis fürgegangen und dem sich hierzu genüglich ausweisenden
Eigenthümer die Zuruckstellung des Gefundenen anerboten werden.
[2, 4, § 4] 64. Wo inzwischen die gefundene Sache entweder
bei dem Finder, wann kein Bedenken dagegen ist, zu belassen, oder bei
fürwaltender Bedenklichkeit in gerichtliche Verwahrung zu nehmen, oder bei
einem anderem sicheren Mann zu getreuen Handen niederzulegen ist.
[2, 4, § 4] 65. Nur jene gefunden Sachen, deren Werth nicht
über zehn Gulden betragt, sind von der Nothwendigkeit der gerichtlichen Anzeige
und öffentlichen Kundmachung ausgenommen, dessen ohnerachtet aber wird der
Finder von der Schuldigkeit, dem Eigenthümer nachzuforschen, und ihme das
Gefundene zuruckzustellen, nicht entbunden.
[2, 4, § 4] 66. Wann sich darnach der Eigenthümer zu der
gefundenen Sache, wie es zu Recht erforderet wird, genugsam ausweiset, ist dem
Finder, oder deme, bei welchem sie sonst zu treuen Handen hinterleget worden,
deren Zuruckstellung aufzuerlegen oder da sie bei Gericht erlieget, solche dem
Eigenthümer ohne Anstand auszufolgen.
[2, 4, § 4] 67. Doch wollen Wir, daß in Fällen, wo die
gerichtliche Anzeige oder öffentliche Kundmachung vorhergegangen, dem Finder,
wann er einen Fundlohn begehret, eine mäßige nach dem Werth der Sache, und
anderen Umständen durch richterliches Ermessen bestimmende Verehrung von dem
Eigenthümer abgereichet werden solle, welcher auch außer deme allezeit die
Kundmachungsunkosten und den zu Habhaftwerdung und Erhaltung der Sach
erweislich gemachten Aufwand unweigerlich zu ersetzen hat.
[2, 4, § 4] 68. Wann jedoch binnen der unten in neunten
Capitel für die bewegliche Sachen ausgemessenen Verjährungszeit sich zu der
gefundenen Sache Niemand ausweiset, kann der Finder in Fällen, wo wegen ihres
geringen Werths keine gerichtliche Anzeige erforderlich, darum nicht mehr
gerichtlich besprochen werden, und ist solchen Falls die Verjährungszeit von
dem Tag der Findung zu rechnen.
[2, 4, § 4] 69. Da aber bei Sachen von größeren Werth die
gerichtliche Anzeige und öffentliche Kundmachung vorhergegangen, so hat die
Verjährungszeit von dem Tag der öffentlichen Kundmachung ihren Anfang zu
nehmen, und solle nach deren Verlauf dem Finder auf sein Anhalten zu Belohnung
seiner durch eigene Anzeige
(2-71) bewiesenen Redlichkeit die gefundene Sache
gerichtlich zugesprochen, widrigens aber dieselbe, da er solches längstens
binnen sechs Wochen von erfüllter Verjährungszeit nicht verlangete, zu milden
Sachen verwendet werden.
[2, 4, § 4] 70. Wann jedoch die gefundene Sache nicht
aufbehaltlich wäre, stehet dem Finder frei, da deren Werth zehen Gulden nicht
übersteigete, solche zu eigenem Gebrauch und Nutzen gegen der Verbindlichkeit
zu verzehren, daß er den erweislichen Werth dafür dem binnen der
Verjährungszeit sich meldenden Eigenthümer ersetze.
[2, 4, § 4] 71. Dahingegen, wo deren Werth zehen Gulden
übersteigete, solle dieselbe gerichtlich versteigeret und an dem Meistbietenden
verkaufet, der daraus gelöste Werth aber bei Gericht hinterleget, und es darmit
eben also, wie es oben von der Sache selbst geordnet worden, gehalten werden.
§. V.
[2, 4, § 5] 72. Eine Art der Findung ist die Hebung eines
Schatzes, wodurch ein mit Fleiß vergrabenes und hinterlegtes Geld, Gold- oder
Silbergeschmeid, oder andere durch Länge der Zeit unverderbliche Kostbarkeiten
verstanden werden, deren Hinterleger nach allen Anzeigen längst verstorben und
kein Merkmal vorhanden ist, wodurch man in die Erfahrung seiner Erben und
Nachkommen gelangen könne.
[2, 4, § 5] 73. Dahingegen, wo erwiesen würde oder aus
genugsamen Vermuthungen
(2-72) als aus einer dabei befindlichen schriftlichen
Vormerkung, oder aus der Münze und aus der Jahreszahl der Prägung erhellte,
wann, und zu welcher Zeit es dahin geleget, und von weme es vergraben worden,
alsdann ist es für keinen Schatz zu achten, sondern dem erweislichen
Eigenthümer oder dessen Erben sogleich zuruckzustellen.
[2, 4, § 5] 74. Wann dahero Jemand aus Forcht eines
unversehenen Ueberfalls oder besserer Sicherheit, Verwahrung und Behutsamkeit
willen, Geld oder andere Kostbarkeiten an ein geheimes Ort hinterleget,
verbirgt oder in das Erdreich vergräbt, und Jener, welcher das hinterlegte oder
vergrabene Gut findet, ohnerachtet er dessen Beschaffenheit weiß, solches
jegleichwohlen für sich behält oder sonst gefährlich ausgrabt, so begehet
dieser darmit einen Diebstahl und kann hierum rechtlich verklaget werden, dann
es gehöret und bleibet dem, oder dessen Erben, der es dahin geleget, vergraben
oder verborgen hat.
[2, 4, § 5] 75. Wo aber auch der Eigenthümer unbekannt wäre,
so wird er doch deshalben des Eigenthums nicht verlustig, daß er sein Gut an
verborgene Orte hinterleget oder vergraben hat, sondern er behalt solches bis
an sein Ende, und nach seinem Tod fallt es seinen Erben, und von diesen den
weiteren Nachkommen zu.
[2, 4, § 5] 76. Es kann dahero ein Schatz von darumen, daß
dessen Eigenthümer nicht bekannt seie, weder für Niemandens Gut angesehen,
weder für einen Zugang oder Nutzen des Grunds geachtet, noch auch dem dem
bloßen Zufall der Findung so viele Kraft beigelegt werden, daß derselbe
Jemanden ein Recht gebe, der sonst auf keinerlei Weis einen Anspruch an der Sache
zu machen berechtiget ist.
[2, 4, § 5] 77. Er bleibet vielmehr in dem Eigenthum
Desjenigen, der ihn hinterleget oder vergraben hat, und wird auf seine Erben
übertragen, auf welche dessen Verlassenschaft entweder aus letzten Willen, oder
nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge gediehen ist, wannanhero solcher
denenselben, wo sie zu erfragen sind, unweigerlich zuruckgestellet werden muß.
[2, 4, § 5] 78. Da aber dieselbe nicht zu erforschen wären,
ist der gefundene Schatz für ein erbloses Gut anzusehen, und tritt solchemnach
in der Ordnung der rechtlichen Erbfolge Unsere landesfürstliche Kammer ein,
welcher der gefundene Schatz ohne Unterschied an was immer für Orten derselbe
gehoben worden, als ein erbloses Gut anfaltet, wann in Ansehen der erblosen
Gütern keine besondere Verleihungen oder Freiheiten obhanden sind.
[2, 4, § 5] 79. Damit jedoch bei sich ergebenden Fällen
einer Schatzhebung alle Strittigkeiten vermieden werden mögen, so wollen Wir
hiermit gnädigst für die Zukunft folgende Richtschnur vorgeschrieben und
verordnet haben.
[2, 4, § 5] 80. Daß Niemand, wer der auch seie, sich
gelüsten lassen solle, mit ungeziemenden und aberglaubischen Künsten Schätze zu
graben, Andere zu derlei sträflichen Vorhaben zu verleiten, Ort und Gelegenheit
oder Vorschub darzu zu geben, oder wie immer sich eines solchen
höchstärgerlichen Beginnens theilhaftig zu machen. Wo in widrigen das an was
immer für einem Ort auf diese Art Gefundene oder Gehobene, wann sich kein
Eigenthümer hierzu gehörig ausweisen könnte, ohne einiger Vergütung des
Aufwands zu Handen Unserer landesfürstlichen Kammer eingezogen und wider die
Uebertretere nach Schärfe Unserer peinlichen Gesetzen verfahren werden solle.
[2, 4, § 5] 81. Auch ohne unerlaubten Künsten solle
Niemanden zugefallen sein, in einem fremden Grund wider Willen des Grundherrn
einen Schatz nachzugraben, sondern dem Grundherrn stehet zu, ein solches
Unternehmen durch diensame Rechtsmitteln abzuhalten, und den heimlich oder
gewaltsamen Eintritt, Einschlagung oder Eingrabung in seinen Grund klagbar
anzubringen, wie nicht weniger den Ersatz alles zugefügten Schadens und
entgangenen Nutzens anzubegehren. Wobeinebst die Uebertretere noch über das
nach Beschaffenheit des verfügten Unfugs, Gewalt und Frevels außerordentlich zu
bestrafen sind.
(2-73)
[2, 4, § 5] 82. Wer aber auf seinen eigenen oder mit
Bewilligung des Herrn auf fremden Grund einen Schatz graben will, derselbe hat
sich in acht zu nehmen, daß er dadurch keinem Benachbarten schade, weder die
Gefahr eines Schadens zuziehe, noch den freien Gebrauch und Nutzen der
benachbarten Gründen in einigerlei Weis behindere.
[2, 4, § 5] 83. Er muss dahero verhüten, damit er keine
Gebäude, weder einige seinen Nachbarn gehörige, auch leere Gründe untergrabe,
folglich die Rainen seines Grunds weder in der Oberfläche, noch in der Tiefe
überschreite, oder auch durch Grabung in eigenen Grund ohne Ueberschreitung
seiner Rainen den benachbarten Gebäuden keine Gefahr des Einsturzes oder
sonstigen Beschädigung zuziehe, und sich überhaupt von Allem, was seinen Nachbarn
an ihrem auch in der Tiefe des Grunds habenden Recht nachtheilig oder
verhinderlich wäre, enthalte.
[2, 4, § 5] 84. In widrigen gebühren den Benachbarten alle
diejenige Rechtsmitteln, die an seinem Ort wegen Einstellung neuer Werke
geordnet sind, und sie können die
Sicherstellung für Schaden und Nachtheil, sowie den Ersatz des schon
zugefügten Schadens unmittelbar von dem Herrn des Grunds, mit dessen Vorwissen
und Zulassung die Schatzgrabung geschieht, anforderen.
[2, 4, § 5] 85. Umsoweniger darf die Schatzgrabung zu
Schaden oder Nachtheil einiger öffentlichen Gebäuden, Plätzen, Straßen oder
anderer Werke geschehen, noch auch andurch zu besorglichen Einsturz eines
eigenen oder dem zur Grabung einwilligenden Grundherrn gehörigen Hauses, wann
Jemanden andurch geschadet, oder das Ansehen einer Stadt oder Markts
verstellet, oder sonst der öffentliche Gebrauch oder Bequemlichkeit verhinderet
würde, Anlaß gegeben werden, sondern die Obrigkeiten jeden Orts sollen von
amtswegen hierauf ein scharfes Einsehen haben und derlei Unfug ernstlich
hintanhalten.
[2, 4, § 5] 86. So viel es aber den gefundenen Schatz
anbelanget, solcher möge auf eigenen oder auf fremden Grund gehoben worden
sein, so solle ohne Unterschied dessen Findung für einen bloßen Zufall, deme
von Uns gar keine Wirkung eines Rechts beigelegt wird, angesehen, und es darmit
eben also, wie mit gefundenen fremden Sachen gehalten werden.
[2, 4, § 5] 87. Es ist demnach sowohl Derjenige, welcher den
Schatz gefunden, als der Herr des Grunds, der zugleich, wann er davon
Wissenschaft hat, auch für den Ersteren stehen muß, schuldig binnen drei Tagen
den erhobenen Schatz bei derjenigen Gerichtstelle, unter deren Gerichtsbarkeit
derselbe gefunden worden, anzuzeigen und solchen zu Gerichtshanden
einzulieferen.
[2, 4, § 5] 88. Würde aber von ihnen diese Anzeige
unterlassen, und es eräußerten sich sodann genugsame Inzichten, daß sie einen
Schatz gehoben und vertuschet haben, so solle wider dieselben von amtswegen
fürgegangen, und da sie der Vertuschung überwiesen würden, ihnen der erhobene
Schatz ohne Ersatz einigen Aufwands abgenommen, beinebst die Ergänzung des
davon Verzehrten von denenselben unnachsichtlich eingetrieben, und sie noch
über dieses nach Umständen mit einer willkührlichen Strafe beleget werden.
[2, 4, § 5] 89. Der zu Gerichtshanden erlegte Schatz solle
in gerichtlichen Augenschein genommen, und ordentlich beschrieben, sofort aber
beurtheilet werden, ob das Erhobene den Umständen nach ein so lang hinterlegtes
Gut seie, daß dessen Eigenthümer oder seine Erben nicht abgenommen werden
mögen, in welchem Fall das Gefundene für einen Schatz gerichtlich zu erklären,
ansonsten aber bei ermanglenden Anzeigen des Alterthums, oder bei
wahrscheinlicher Erkanntnuß des Eigenthümers anderen gefundenen Sachen gleich zu
achten ist.
[2, 4, § 5] 90. Würde es nun ein Schatz zu sein befunden, so
ist die Kundmachung eines an dem zu benennen habenden Ort gefundenen Schatzes
mit deutlicher Anregung, in was derselbe bestehe, und mit was für Merkmalen und
Kennzeichen versehen seie, zu veranlassen, und dabei Jedermänniglich, wer sich
das hieran
(2-74)erworbene oder ererbte Eigenthum auszuweisen getrauet,
binnen der unten in neunten Capitel für die bewegliche Sachen ausgemessenen
Verjährungszeit fürzuladen.
[2, 4, § 5] 91. Findete sich nun Jemand, der vor Verlauf
dieser Zeit den Beweis des Eigenthums oder eines hieran habenden Erbrechts auf
sich nehmen, und nach rechtlicher Ordnung vollführen würde, so ist der erhobene
Schatz ihme auszufolgen.
[2, 4, § 5] 92. Gleichwie in Gegentheil, wann binnen dieser
Zeit sich Niemand hierzu angebete, oder der Angebende den auf sich genommenen
Beweis, wie es sich zu Recht gebühret, nicht vollführete, der Schatz sofort
nach Verlauf dieser Zeit oder wo immittelst der Rechtsstritt anhängig gemacht
worden wäre, nach dessen Endigung für ein erbloses Gut erkläret, und zu Handen
Unserer Kammer oder Derjenigen, welche zu erblosen Gütern aus Unserer
Verleihung ein besonderes Recht haben, eingezogen werden solle.
[2, 4, § 5] 93. Doch sind so ein, als anderen Falls, es möge
der Schatz dem sich ausweisenden Eigenthümer ausgefolget, oder von Unserer
Kammer eingezogen werden, dem Herrn des Grunds, wann er selbst der Finder ist,
ansonsten aber sowohl ihme, als dem Finder in dem Fall, als die gerichtliche
Anzeige von ihnen geschehen, alle erweisliche Unkosten, Schäden und
Versaumnussen zu ersetzen, und über das solle Beiden zusammen die Halbscheide
des Schatzes nach dem Werth der gerichtlichen Schätzung als eine ihnen für ihre
Mühe und Redlichkeit zukommende Verehrung abgereichet werden.
[2, 4, § 5] 94. Welche zwischen ihnen in Ermanglung eines
anderen untereinander eingegangenen Vergleichs zur Hälfte dergestalten zu
vertheilen, daß der vierte Theil des Schatzes dem Herrn des Grunds, es möge
Einer oder Mehrere sein, und der andere vierte Theil dem Finder, und zwar
Mehreren zu gleichen Theilen gebühre, wann nämlich der Schatz auf fremden Grund
entweder zufällig oder mit Verwilligung des Herrn des Grunds gehoben worden.
[2, 4, § 5] 95. Dahingegen, wo sich der Finder ohne Wissen
und Willen des Grundherrns der Schatzgrabung auf fremden Grund angemasset
hätte, in diesem Fall hat dem Herrn des Grunds allein die ganze Halbscheide zu
verbleiben.
[2, 4, § 5] 96.Wo aber das nutzbare Eigenthum des Grunds von
dem Grundeigenthum abgesönderet wäre, gebühret dieser Vortheil allemal
Demjenigen, welcher das nutzbare Eigenthum hat, nicht zwar als eine aus dem
Grund entspringende Nutzung, sondern als ein wegen des Grunds herrührender
Gewinn.
[2, 4, § 5] 97. Und eben dahero, weilen es für keine Nutzung
des Grunds angesehen werden mag, hat Jener, welchem die bloße Nutznießung auf
dem Grund zustehet, hieran keinen Anspruch, außer, wann er solchen selbst
gefunden hätte, für den hiervon dem Finder gebührenden Antheil; was aber davon
dem Grundherrn zuzukommen hat, bleibt dem Eigenthümer des Grunds.
[2, 4, § 5] 98. Gleichergestalten da in einem verkauften
Grund vor dessen Uebergabe ein Schatz gefunden würde, gebühret der davon
beziehende Vortheil dem Verkaufer und nicht dem Kaufer, weilen der Verkaufer
bis dahin das Eigenthum behält und der Schatz kein Zugang des Grunds ist,
worauf der Kaufer einen Anspruch zu machen berechtiget wäre.
[2, 4, § 5] 99. Es würde dann der verkaufte Grund von den
Verkaufer zur Ungebühr vorenthalten, wodurch derselbe sich eines Saumsals
schuldig machete, in welchem Fall der Vortheil von dem erhobenen Schatz ebenso,
als ob die Uebergabe schon wirklich vollzogen worden wäre, dem Kaufer zu
statten kommt, wann gleich derselbe von dem daselbst verborgenen oder
vergrabenen Schatz gute Wissenschaft gehabt und in der Absicht den Schatz zu
heben, den Grund gekaufet hätte, oder auch aus dem Beding des Wiederkaufs zu
Wiederabtretung des Grunds verbunden wäre.
(2-75) [2, 4, § 5] 100. Welches ingleichen von allen
Denjenigen zu verstehen ist, welche ein auflösliches oder widerrufliches
Eigenthum haben, dann es solle nur darauf gesehen werden, wer zur Zeit des
erhobenen Schatzes das Eigenthum des Grunds hat, nicht aber, weme solches in
Zukunft zuzukommen habe.
[2, 4, § 5] 101. Da aber ein Schatz an einem geweihten ober
zu einer Gemeinde gehörigen Ort gefunden worden, solle der sonst dem Herrn des
Grunds hiervon gebührende Antheil dem geweihten Ort oder der Gemeinde
zugewendet werden.
[2, 4, § 5] 102. Wohingegen, da ein Schatz an öffentlichen
Orten zufällig oder mit dazu erhaltener Verwilligung erhoben würde, der ganze
halbe Theil dem Finder zu verbleiben hat, wann in der Verwilligung kein
sonstiger Vorbehalt begriffen wäre. Da aber die Anzeige von dem erhobenen
Schatz sowohl von dem Finder, als dem Herrn des Grunds unterlassen worden,
solle dieser halbe Theil, wann sie hernach überwiesen würden, dem Angeber mit
Verschweigung seines Namens zu statten kommen.
[2, 4, § 5] 103. Uebrigens ist darinnen kein Unterschied, ob
der Schatz in der Tiefe des Grunds vergraben und versenket, oder aber nur über
der Oberfläche des Grunds eingemauret oder sonst irgendwo verstecket und
verborgen seie, wann nur die obige Erfordernussen des Alterthums und
undenklichen Zeit hinzustoßen, daß das Gefundene für einen Schatz geachtet
werden möge.
[2, 4, § 5] 104. Es ist dahero in Ansehen eines über der Erden eben so, wie in Ansehen eines unter der Erden
gefundenen Schatzes das Nämliche zu beobachten. Doch sollen Kleinigkeiten,
welche nicht wenigstens Zweihundert Gulden an Werth betragen, für keinen Schatz
gehalten, sondern darmit in Allen und Jeden, wie es oben von gefundenen Sachen
verordnet worden, verfahren werden.
[2, 4, § 5] 105. Welchemnach solche, wann sich Niemand
hierzu ausweiset, dem Finder zu verbleiben haben. Er hätte dann in fremden
Grund ohne Wissen und Willen des Herrn des Grunds gegraben, in welchem Fall das
Gefundene diesem allein zukommt, oder es wäre zwischen ihnen eine Verabredung
vorhergegangen, wie das Gefundene unter ihnen zu vertheilen seie, wobei es dann
auch sein Verwenden haben solle.
(2-76) Caput V.
Von Zugang oder Zuwachs.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von natürlichen Zuwachs.
§. I. Von verschiedenen Gattungen des natürlichen Zuwachses
überhaupt. §. II. Von der Thierzucht. §. III. Von Anwurf oder Anspülung des
Erbreichs durch den Strom. IV. Von
Entstehung eines Werbers oder Insel. §. V. Von dem verlassenen Flussbett oder
Rinnsal.
§. I.
[2, 5, § 1] Num. 1. Die zweite Erwerbungsart des Eigenthums
ist der Zugang oder Zuwachs zu einer Sache, wodurch Sachen, die in Jemandens
Eigenthum sind, etwas zugehet oder zuwachset, so jener erwirbt, deme er die
Sache zustehet.
[2, 5, § 1] 2. Dieser Zugang oder Zuwachs geschieht auf
dreierlei Art, als entweder von der Natur, oder theils von der Natur und theils
durch menschlichen Fleiß und Arbeit, oder durch menschlichen Fleiß und Arbeit
allein, nach welchen dreifachen Unterschied gegenwärtiges Kapitel in drei
Artikeln abgetheilet, und von einer jedweden dieser drei Gattungen des Zugangs
oder Zuwachses besonders gehandlet wird.
[2, 5, § 1] 3. Der natürliche Zuwachs bestehet:
1. In der Thierzucht.
2. In dem Anwurf oder Anspülung des Erdreichs durch den
Strom.
3. In der Entstehung eines Werders oder Insel.
4. In Verlassung oder Raumung des Flussbetts oder Rinnsals.
Alle diese Arten des natürlichen Zuwachses werden in gleich
nachfolgenden §§ erkläret.
§. II.
[2, 5, § 2] 4. Was von Jemandens Thier gezeuget wird, gehöret nicht weniger als wie alle andere von dem eigenen
Vieh abfallende Nutzung den Herrn des Viehs.
(2-77) [2, 5, § 2] 5. Und obgleich ein Thier des einen von
dem Thier des anderen Herrn trächtig worden wäre, so gehöret doch die Zucht
Demjenigen zu, welcher Herr des Weibleins ist, ohne daß der Herr des Männleins
etwas dafür zu forderen berechtiget wäre.
[2, 5, § 2] 6. Er hätte sich dann etwas für die Zulasssung
bedungen, aber es wäre ihme dadurch aus Schuld des Herrn des Weibleins ein
Schaden verursachet, oder Nutzen entzogen worden, dessen Ersatz derselbe billig
von dem Anderen anbegehren mag.
§. III.
[2, 5, § 3] 7. Der Anwurf oder Anspülung des Erdreichs durch
den Strom geschieht auf zweierlei Art, als entweder ganz unmerklich, also daß
nicht abgenommen werden möge, wie viel zu jeder Zeit dem einem Grund
zugewachsen und dem anderen entgangen seie, oder durch gewaltsamen Anwurf eines
kenntlichen ganzen Stucks Erden, welches von dem benachbarten Grund durch die
Gewalt des Stromes abgerissen worden.
[2, 5, § 3] 8. Die unmerkliche Anspülung wirket für sich
allein das Eigenthum des angeworfenen Erdreichs also, daß was an Erdreich dem
Grund auf diese Art zugehet, dem Eigenthümer des Grunds erworben werde, wann
ihme das Ufer oder Gestad zugehöret.
(2-78) [2, 5, § 3] 9. Damit also der Zuwachs des Erdreichs
durch den Anwurf oder Anspülung statt habe, ist auf zwei Dinge zu sehen, als,
einerseits auf die Beschaffenheit des Wassers und andererseits auf die
Erstreckung des Grunds.
[2, 5, § 3] 10. Das Wasser muß fließend, folglich also
beschaffen sein, daß es durch die Gewalt seiner Bewegung immerfort den
anstoßenden Gründen etwas abnehme oder zulege. Von dieser Art sind das Meer,
Flüsse, Bäche, Seen, welche ihren ordentlichen Ab- und Zufluß haben.
[2, 5, § 3] 11. Bei stehenden Wässern, als todten Seen,
Teichen und Sümpfen kann dahero auf einen Anwachs keine Frage sein, weilen
solche durch keine Gewalt beweget werden, sondern immerda in einerlei Stand
binnen ihrer Grenzen verbleiben.
[2, 5, § 3] 12. Die Wässer müssen ferners zu dem
öffentlichen und nicht Jemands sonderheitlichen Eigenthum gehören; dann die von
letzterer Art behalten allzeit ihre Grenzen, welche, da sie erweislich sind,
durch keine Ueberschwemmung verrucket werden können.
[2, 5, § 3] 13. Außer die sonderheitliche Wässer wären ohne
einer erweislichen Abrainung zwischen dies- und jenseitigen Eigenthümern
gemein, welchen Falls auch Dasjenige, was zu dem dies- oder jenseitigen Grund
angespület wird, dem Eigenthümer des Grunds gehört.
[2, 5, § 3] 14. Die Gründe, denen der unmerkliche Anwachs
des Erdreichs zukommen solle, müssen sich bis an das Wasser erstrecken. Wo sie
aber von dem Ufer oder Gestad durch Rainen und Grenzen abgesönderet wären, gehöret das zugewachsene Erdreich Demjenigen, dessen das
Ufer ist.
[2, 5, § 3] 15. Dahingegen giebt der gewaltsame Anwurf eines
ganzen kenntlichen Stucks Erden für sich allein das Eigenthum Demjenigen nicht,
zu dessen Grund es angeworfen worden, sondern solches behält der Herr des
Grunds, vom deme es erweislich abgerissen worden, solange, bis es nicht mit dem
anderen Grund dergestalten vereinbaret wird, daß es darmit völlig
zusammenhänge, und die Bäume darinnen Wurzeln fassen.
[2, 5, § 3] 16. In diesem Fall erwirbt zwar Jener, dessen
Grund es solchergestalten angeworfen, das Eigenthum dieses seinen Gründen
angewachsenen Erdreichs; doch ist er schuldig dem Anderen, von dessen Grund es
abgerissen worden, den Werth für so vieles, als davon seinem Grund erweislich
angewachsen, zu bezahlen.
[2, 5, § 3] 17. Es ist aber auch zwischen dem unmerklichen
und gewaltsamen Anwurf der Unterschied noch an deme, daß das unmerklich
angespülte Erdreich alle Eigenschaften des Grunds an sich nehme, also daß deme,
wer die Nutznießung, oder das nutzbare Eigenthum des Grunds hat, auch dieses
Recht an dem Zuwachs gebühre.
[2, 5, § 3] 18. Im Gegentheil erstrecket
sich solches keinerdings auf den gewaltsamen Anwurf eines kenntlichen Stucks
Erden, sondern, obgleich dieses wegen seines Zusammenhangs dem Eigenthum des
Grunds folget, so hat doch Jener, welcher die Nutznießung oder das nutzbare
Eigenthum dieses Grunds hat, hieran keinen
(2-79) Anspruch, wann ihme solches von dem Grundeigenthümer
nicht besonders verliehen oder von ihme selbst nicht abgelöset worden.
§. IV.
[2, 5, § 4] 19. Eine Art des natürlichen Zuwachses ist
ferners die Entstehung eines Werders oder Insel, wodurch ein Erdraum verstanden
wird, welcher um und um mit Wasser umgeben und daher von dem festen Erdreich
auf allen Seiten getrennt ist.
[2, 5, § 4] 20. Ein Werder oder Insel kann auf dreierlei Art
entstehen, als erstens, wann Jemandens Grund von dem oben sich zertheilenden
und unten wieder zusammenlaufenden Fluß umgeben, und also zu einer Insel
gemacht wird, welchen Falls der Herr des Grunds sein Eigenthum hieran
unveränderlich behält.
[2, 5, § 4] 21. Zweitens, wann ein in dem Fluß
hervorkommendes Erdreich mit dem Flußbett nicht zusammenhängt, sondern auf der
Oberfläche des Flusses herumschwimmt, welches solange es sich an keinen Grund
ansetzt, dem Eigenthum des Flusses folget.
[2, 5, § 4] 22. Sobald es sich aber an einen anliegenden
Grund unabtrennlich angehänget, oder in dem Fluß an dem Rinnsal befestigt hätte
und also unbeweglich gemacht worden wäre, so gehöret es im ersten Fall aus dem
Recht des Zuwachses Demjenigen zu, an dessen Grund es sich angesetzet, in dem
zweiten Fall aber wird es eine ordentliche Insel, wormit es so, wie gleich
hiernach folgt, zu halten ist.
[2, 5, § 4] 23. Drittens, wann ein mit dem Flußbett
zusammhangendes Erdreich sich dergestalten nach und nach anhaufet, daß es über
der Oberfläche des Wassers herfürraget und einen von Wasser ledigen Erdraum
darstellet, welcher von allen Seiten mit Wasser umgeben ist.
[2, 5, § 4] 24. Eine solche Insel oder Werder, wann sie in
öffentlichen Flüssen entstehet, gehöret Denjenigen zu,
welche an beiden Seiten und Gestaden des Wassers
(2-80) eigene Aecker und liegende Gründe haben, wo nicht
derlei neu entstehende Inseln nach der Landesverfassung oder Unseren
anderweitigen Verordnungen Unseren Hoheiten besonders vorbehalten sind.
[2, 5, § 4] 25. Da aber der Fluß zu dem sonderheitlichen
Eigenthum gehörete, hat Jener das Eigenthum der darinnen entstehenden Insel,
welcher das Eigenthum des Flusses hat, und wo das Eigenthum des Flusses
zwischen den Besitzeren der anstoßenden Gründen gemein wäre, wird auch die
Insel zwischen ihnen gemein.
[2, 5, § 4] 26. In diesen Fällen demnach, wo entweder die
Insel in einem öffentlichen Fluß entstehet, weswegen der obige besondere
Vorbehalt nicht vorhanden oder wo das sonderheitliche Eigenthum des Flusses
zwischen Mehreren gemein ist, solle die Theilung der neuen Insel zwischen ihnen
nach derjenigen Richtschnur vorgenommen werden, wie solche im ersten Kapitel §.
IV von num. 58 bis num. 61 in Ansehen der zwischen Mehreren gemeinen Flüssen
vorgeschrieben worden.
[2, 5, § 4] 27. Ist aber die Theilung einer solchen Insel
einmal geschehen, gehöret auch aller Zuwachs und Anwurf, welcher sich nachhero
bei einem oder dem anderen Theil ergiebt, Demjenigen zu, deme dieser Theil von
Anfang zugefallen, obgleich die Insel sich durch den Anwachs näher gegen die
jenseitige Gründe erstreckete.
[2, 5, § 4] 28. Dann es ist allemal auf den ursprünglichen
Stand der Insel zu sehen, nach welchem die Theilung vorgenommen worden, und was
derselben hernach zugehet, ist für einen Zuwachs zu achten, welcher dem Grund
folget, deme er zugegangen ist.
[2, 5, § 4] 29. Wer aber nur die Nutznießung oder das nutzbare
Eigenthum des an dem Fluß anliegenden Grunds hat, kann auf die Insel keinen
Anspruch machen, als insoweit er auch zugleich die Nutznießung oder das
nutzbare Eigenthum des Flusses hat, in dessen Ermanglung bleibet die Insel dem
Grundeigenthümer, welchen Falls jedoch auf die Verleihungen, Gewähren und
Handfesten zu sehen ist.
§. V.
[2, 5, § 5] 30. Mit dem Zuwachs der Insel kommt in gewisser
Maß auch die Verlassung des Flußbetts oder Rinnsals in jenem Fall überein, wann
das vorige Eigenthum des unter Wasser gestandenen und nachhero davon
verlassenen Erdreichs nicht mehr erweislich ist.
[2, 5, § 5] 31. Die Verlassung des Rinnsals geschieht
damals, wann der Fluß für sich selbst und ohne Jemands Zuthat oder Ableitung
seinen vorhin gehabten natürlichen Gang verläßt, und entweder durch einen
gewaltsamen Einriß auf einmal oder nach und nach anderswohin ablenket, folglich
mit gänzlicher Verlassung des vorigen ein anderes Erdreich dergestalten
einnimmt, daß der alte Gang den Namen eines fließenden Wassers verloren habe.
[2, 5, § 5] 32. Ist nun das vorige Eigenthum des
ausgetrockneten alten Rinnsals erweislich, so fallt auch solcher
in das vorige sonderheitliche Eigenthum zuruck. Wo aber dasselbe nicht mehr
dargetan werden könnte, ist das ausgetrocknete Flußbett zwischen den
Eigenthümern der nächst anstoßenden Gründen nach den oben an vorberührter
Stelle enthaltenen Maßregeln mit Beobachtung dessen, was
(2-81) in vorigen §. von der Nutznießung und dem nutzbaren
Eigenthum gemeldet worden, zu vertheilen.
[2, 5, § 5] 33. Dieser Zuwachs des ausgetrockneten und
verlassenen Rinnsals an die nächst anstoßende Gründe wird dadurch nicht
behinderet, wann gleich zwischen denselben und dem ehemaligen Rinnsal die
Landstraßen befindlich wäre, woferne nur dieselbe nicht die Grenzen ausmacht,
oder die Gründe sonst von dem vorigen Flußbett nicht ordentlich abgerainet
wären.
[2, 5, § 5] 34. Dann, wo sie davon abgerainet sind, kann
ihnen der verlassene Rinnsal nicht zuwachsen, sondern
solcher folget noch allemal dem Eigenthum des Flusses auch nach dessen
Austritt, er sei öffentlich oder sonderheitlich.
[2, 5, § 5] 35. Eine ganz andere Beschaffenheit hat es mit
Ueberschwemmung eines Grunds oder Ackers, wann das angestiegene Wasser aus
seinen natürlichen Ufern tritt und sich über die nächst angelegene Gründe
ergießt; dann andurch gehet weder das Eigenthum dieser Gründen, noch andere
hieran habende Rechten verloren, sondern, sobald als das Wasser zuruckweichet,
kommt Alles in seinen vorigen Stand, obschon bis dahin das Eigenthum ohne
Wirkung bleibet.
[2, 5, § 5] 36. Wo aber der Fluß den geänderten Lauf
beständig hielte, und seinen vorigen Rinnsal gänzlich verließe, folget zwar der
neue Rinnsal dem Eigenthum des Flusses, es seie öffentlich oder sonderheitlich,
solange, als der Fluß seinen Lauf darinnen behält.
[2, 5, § 5] 37. Doch stehet den Herren der Gründen, in
welche der Fluß eingebrochen frei, ihre außer dem Fluß befindliche Rainen zu
bewahren, oder da solche durch den Fluß vermenget worden wären, die Scheidung
ihrer durch den eingerissenen Strom vermischten Gründen anzuverlangen, um auf
den Fall, da der eingenommene neue Rinnsal von dem Fluß anwiederum verlassen
würde, ihr hieran habendes Eigenthum außer allen Anstand zu setzen.
[2, 5, § 5] 38. Jener, welcher die Scheidung verlanget, ist
für den Kläger und der Andere für den Beklagten anzusehen; Beiden aber lieget
ob ihre vorige Rainung auszuweisen, welche, wann sie darinnen übereinkommen,
oder solche der Erfordernuß nach erweisen, ordentlich zu beschreiben und mit
Grenzzeichen an ihren Gründen zu bemerken ist, damit hiernach in Zukunft der
dereinstens ganz oder zum Theil wieder verlassene Rinnsal zwischen ihnen werden
möge.
[2, 5, § 5] 39. Zu Anbegehrung dieser Grenzscheidung der
durch den ausgetretenen Fluß vermischten Gründen bestimmen Wir die zu Ersitzung
liegender Güter unten im neunten Kapitel ausgemessene Verjährungszeit von drei
Jahren und achtzehn Wochen von dem Tag, als der Fluß über die gemeinsamen
Rainen zuerst erweislich geschritten ist, es möge dessen Austritt und
Einnehmung des neuen Rinnsals auf einmal oder nach und nach geschehen sein.
[2, 5, § 5] 40. Nach dieser Zeit hingegen, wann Niemand
unter solcher auf die Scheidung berufen hätte, oder da sich auch hierauf
berufen worden wäre, die vorige Rainung von keinem Theil rechtsbeständig hätte
erwiesen werden können, in solchen Fällen solle nimmermehr auf die vormalige
Rainung der Gründen gesehen, noch ein weiterer Beweis deshalben mehr
zugelassen, sondern der Fluß selbst für die Rainung gehalten, und der
eingenommene Rinnsal, wann er nach der Zeit anwiederum verlassen werden würde,
den nächst anstoßenden Gründen auf die obverordnete Art und Weis aus dem Recht
des Zuwachses zugetheilt werden.
[2, 5, § 5] 41. Wie Wir dann überhaupt gnädigst verordnen,
daß, wo es um den Beweis einiger durch den Fluß vermengter Rainen oder
vormaligen Ufern zu thun ist, keine andere für wahre Raine oder Ufer gehalten
werden sollen, als welche wenigstens durch die nächst abgewichene drei Jahr und
achtzehn Wochen unstrittig bestanden sind.
(2-82) Zweiter Artikel.
Von dem Zugang theils von der Natur, theils durch
menschliche Zuthat.
§. VI. Von Einpflanzung und Einsäung fremder Pflanzen und
Samens in eigenen Boden. §. VII. Von Einpflanzung und Einsäung eigener Pflanzen
und Samens in fremden Boden. §. VIII. Von Einpflanzung und Einsäung fremder
Pflanzen und Samens in fremden Boden.
§. VI.
[2, 5, § 6] 42. Die zweite Gattung des Zugangs rühret theils
von der Natur, theils von menschlichen Fleiß und Arbeit her, also, daß die menschlich That vorhergehe, die Natur aber nachwirke und
einen Zugang oder Zuwachs der Sache hervorbringe.
[2, 5, § 6] 43. Dieses geschieht durch die Einpflanzung oder
Einsäung, und der sich daraus ergebende Zugang wird dem Eigenthümer des Grunds
oder deme, der anstatt desselben ist oder ein Recht von ihme hat, aus dem Recht
des Bodens erworben.
[2, 5, § 6] 44.Welches soviel wirket, daß das Eigenthum des
Grunds sich auf das was zugehet, ebenso wie das Eigenthum eines Ganzen auf alle
seine Theile erstrecket, Derjenige aber, welcher den Zugang durch seine That
veranlasset hat, dasjenige, was von ihme dem Boden zugegangen, verliere, und
umsoweniger ein Recht zu dem Zuwachs habe.
[2, 5, § 6] 45. Was dahero eingepflanzet oder eingesäet
wird, ist für einen Theil des Grund und Bodens zu achten, wann es sich mit
demselben dergestalten vereiniget, daß es unverdorbener zu einem anderweiten
Gebrauch nicht mehr herausgenommen werden möge, aber wenigstens in dem
rechtlichen Verstand für unabsönderlich gehalten werde.
[2, 5, § 6] 46. Dieses geschieht bei Pflanzen und
Setzlingen, wann sie in dem Grund und Boden Wurzeln fassen, bis dahin deren
Eigenthümer unvermehret ist, solche anwiederum herauszuziehen; bei der Ansaat
hingegen ist nicht nöthig abzuwarten, bis das Korn gekeimet Wurzel gefasset,
sondern der Samen wird ein Theil des Grunds,
(2-83) sobald er ausgeworfen worden, weilen es nicht möglich
alle Körner auszusuchen und zuruckzunehmen.
[2, 5, § 6] 47. Es kann aber nur damals von dem Zugang aus
dem Recht des Bodens die Frage sein, wann ein Anderer Eigenthümer der Pflanzen
oder des Samens und ein Anderer Eigenthümer des Bodens ist, dann wo Beider
Eigenthum Einem Herrn zusteht, ist die Benutzung des Bodens eine wesentliche
Wirkung des Eigenthums, und was schon Jemandens ist, kann ihme nicht mehr
erworben werden.
[2, 5, § 6] 48. Die Fälle des Zugangs sind demnach
dreierlei; erstens, wann fremde Pflanzen oder Samen in eigenen Boden, oder
zweitens, wann dagegen eigene Pflanzen oder Samen in fremden Boden, oder
endlich drittens, wann fremde Pflanzen oder Samen in fremden Boden
eingepflanzet oder eingesäet werden.
[2, 5, § 6] 49. Alle diese Fälle kommen zwar in deme
überein, daß die Pflanzen, sobald sie Wurzel gefasset, und der Samen, sobald er
in die Erden geworfen worden, das vorige Eigenthum veränderen und dem Eigenthum
des Grunds zuwachsen, also zwar, dass, wann auch ein Baum, welcher einmal in
den Boden gewurzlet, anwiederum ausgerissen wird, solcher in das vorige
Eigenthum nicht mehr zurückfalle.
[2, 5, § 6] 50. Weilen jedoch solche dem Herrn des Grunds
nicht allemal unentgeltlich erworben werden, so bestehet blos der Unterschied
in den zur Erlangung des Werths angebührenden Forderungen und Rechtsmitteln,
welchemnach der erste Fall in diesem §., die beide
andere aber in den folgenden zweien §§. erkläret werden.
[2, 5, § 6] 51. Wann jemand in seinen eigenen Boden fremde
Pflanzen einpflanzet oder fremde Samen einsäet, stehet
zwar dem Eigenthümer der Pflanzen zu, solche, solange es ohne Schaden des
Grunds thunlich, zuruckzunehmen.
[2, 5, § 6] 52. Da er aber dieselbe nicht mehr zurucknehmen
wollte oder könnte, aber es blos um den Samen zu thun wäre, ist der Herr des
Grunds schuldig, ( die Pflanzen oder der Samen mögen zum Wachsthum gekommen
sein oder nicht ) ihme, wann er sie fremd zu sein nicht gewußt hätte, dafür den
gemeinen, wo er sie aber fremd zu sein gewußt hätte, den höchsten Werth zu
ersetzen, und in letzteren Fall beinebst allen erweislich verursachten Schaden
und entzogenen Nutzen zu erstatten, wie nicht minder nach Beschaffenheit der
unterwaltenden Gefährde zu bestrafen.
§. VII.
[2, 5, § 7] 53. In dem zweiten Fall hingegen ist zu
unterscheiden, ob eigene Pflanzen oder Samen in fremden Boden mit guten Glauben
oder wissentlich, daß er fremd sei, ohne ein Recht zur Benutzung des Grunds zu
haben, eingepflanzet oder eingesäet worden.
[2, 5, § 7] 54. Ist es mit guten Glauben geschehen, hat der
Einpflanzende oder Einsäende die Befugnuß entweder klag- oder einwendungsweise
nach dem Unterschied, ob er in den Besitz des Grunds seie oder nicht, den
gemeinen Werth für die Pflanzen und Samen nebst den Anbauunkosten, insoweit als
dem Herrn des Grund ein Nutzen hiervon zugehet, zu forderen, und wo derselbe in
dem Besitz des Grunds befindlich wäre, ist er vor ihme geleisteter Genugthuung
oder dafür gestellten Sicherheit hieraus zu weichen nicht schuldig.
[2, 5, § 7] 55. Hätte aber Jemand seine Pflanzen oder seinen
Samen wissentlich in fremden Boden ohne ein Recht zu Benutzung des Grunds zu
haben, eingepflanzet oder eingesäet, kann er zwar dafür den gemeinen Werth von
den von ihme erhobenen und dem Eigenthümer zuruckzustellen habenden Nutzungen
abziehen.
[2, 5, § 7] 56. Wo er aber die Nutzungen und Früchten noch
nicht eingesammlet hätte, ist er nicht befugt derowegen eine Forderung zu
stellen, noch weniger den Grund
(2-84) vorzuenthalten, er hätte dann solchen mit guten
Glauben an sich gebracht und wäre nur nach der Zeit in üblen Glauben versetzet
worden, in welchen Fall Derselbe, so viel es den Ersatz der nutzlichen Auslagen
anbetrifft, einem Besitzer mit guten Glauben gleich zu achten ist.
[2, 5, § 7] 57. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es hingegen,
wann ein in Jemandens Eigenthum gepflanzter Baum in den nächst angelegenen
benachbarten Grund Wurzel treibet oder seine Aeste darüber ausbreitet, dann
dessen ohnerachtet bleibet das Eigenthum des Baums Demjenigen, in dessen Grund
derselbe gepflanzet ist.
[2, 5, § 7] 58. Doch ist der Nachbar nicht schuldig, die in
seinen Grund ausgebreiteten Wurzeln und Aeste eines fremden Baums zu dulden,
wann ihme solche an Benutzung seines Grunds hinderlich fallen, sondern er hat
Fug und Macht die Wurzeln und Aeste, soweit selbe sich in seinen Grund
erstrecken, abzuschneiden, und die an den über seinen Grund ausgebreiteten
Aesten hangenden Früchten für sich einzusammlen.
[2, 5, § 7] 59. Da aber ein Baum auf der Rainung zwischen
benachbarten Gründen befindlich wäre, also daß nicht abzunehmen seie, auf
wessen Grund der Stamm stehe, so ist ein solcher Baum zwischen den angrenzenden
Nachbarn nach Maß seines in einen jedweden Grund sich erstreckenden Gipfels gemein.
[2, 5, § 7] 60. Und da derselbe entweder zufälliger Weise
ausgerisssen oder abgebrochen, oder mit gemeinsamer Einverständniß abgehauen
würde, so ist das Holz zwischen den Nachbaren, auf deren Rainen der Stamm
gestanden, gleich zu theilen.
§. VIII.
[2, 5, § 8] 61. In dem dritten Fall, wann in fremden Grund
und Boden von einem Dritten fremde Pflanzen eingepflanzet oder fremder Samen
eingesäet worden, werden zwar solche dem Herrn des Bodens eigenthumlich
erworben, wann die Pflanzen nicht mehr davon abgesönderet und deren Eigenthümer
unverdorbener zuruckgestellet werden mögen.
[2, 5, § 8] 62. Der Herr des Grunds aber ist schuldig, dem
Eigenthümer der Pflanzen oder Samens, die Einpflanzung oder Einsäung möge von
dem Dritten aus Irrthum oder wissentlich in fremden Grund und Boden geschehen
sein, den gemeinen Werth dafür zu ersetzen.
[2, 5, § 8] 63. Dahingegen kann der Dritte keine Pflanz- und
Saatunkosten anforderen, sondern derselbe bleibet vielmehr, wann er sich
wissentlich fremder Dingen angemaßet, sowohl dem Eigenthümer der Pflanzen und
Samens, als dem Herrn des Grunds wegen alles andurch erweislich verursachten
Schadens oder verhinderten mehreren Nutzens verfänglich, und ist noch über das
wegen etwan begangener Entfremdung zu bestrafen.
(2-85) Dritter Artikel.
Von dem Zugang durch alleinige menschliche That.
§. IX. Von Gestaltung eines fremden Zeugs. §. X. Von
Beifügung eines Dings zu dem anderen. §. XI. Von der Zusammengießung und
Vermengung. §. XII. Von Einbau fremden Zeugs in eigenen Boden. §. XIII. Von
Einbau eigenen Zeugs in fremden Boden. §. XIV. Von Einbau fremden Zeugs in
fremden Boden. §. XV. Von Beschreibung fremden Papiers und von Bemalung fremden
Zeugs. §. XVI. Von Zugang der Früchten und Nutzungen aus fremden
Gut wegen guten Glaubens.
§. IX.
[2, 5, § 9] 64. Die dritte Art des Zugangs entstehet aus
menschlicher That allein, wobei die Natur gar nicht mitwirket, wann nämlich
zweier Herren Sachen miteinander dergestalten vereiniget werden, daß solche von
einander nicht mehr abgesönderet werden mögen.
[2, 5, § 9] 65. Gleichwie aber solches auf vielfältige Art
und Weis geschehen kann, also werden hier nur die gemeinere Arten erkläret,
wornach die andere sich seltsamer ergebende Fälle, welche mit jenen eine
Gleichheit haben, desto leichter entschieden werden können.
[2, 5, § 9] 66. Diese Arten sind:
1. Die Gestaltung eines fremden Zeugs.
2. Die Beifügung eines Dings zu dem anderen.
3. Die Zusammengießung und Vermengung zweier Herren Sachen.
4. Der Einbau fremden Zeugs in eigenen Boden oder eigenen
Zeugs in fremden Boden, oder fremden Zeugs in fremden Boden.
5. Die Beschreibung fremden Papiers und Bemalung fremden
Zeugs.
(2-86) [2, 5, § 9] 67. Die Gestaltung ist damals eine Art
des Zugangs, wann aus einem fremden Zeug eine neue Gestalt und Form verfertiget
wird, welche soviel wirket, daß nach Beschiedenheit der Umständen entweder die
Gestalt dem Eigenthum des Zeugs oder der Zeug dem Eigenthum der Gestalt folge.
[2, 5, § 9] 68. Als da aus fremden Gold, Silber, Kupfer oder
Zinn allerhand Gefäße, oder Geschmeidwerk; aus fremder Seiden, Woll oder Lein
Stoffe, Teppiche, Tücher, Zeuge, Spitzen oder Gewand; aus fremden Holz, Stein
oder Erz Bildnussen,Kästen, Geschirr und anderes Geräthe; aus fremden Gewächsen
und Früchten Speisen, Getränke, Säfte, Farben oder Arzneien u. dergl.
verfertiget werden.
[2, 5, § 9] 69. Damit aber die Gestaltung die besondere
Wirkung einer Erwerbungsart des Eigenthums habe, wird darzu erforderet:
Erstens,daß der Zeug, welcher gestaltet wird, ganz fremd seie, dann, wo
derselbe ganz oder zum Theil eigen wäre, höret ersteren Falls die Frage von dem
Zugang auf, weilen der Zeug schon ehedem in dem Eigenthum des Gestalters ist,
der letztere Fall aber begreift eine zweifache Art des Zugangs als eine
Beifügung und Gestaltung zugleich.
[2, 5, § 9] 70. Zweitens, daß der Gestalter die neue Form in
seinen Namen und für sich verfertige, dann, wo die Gestaltung in Namen eines
Anderen und für einen Anderen geschehen wäre, gebühret hieran das Recht der
Gestaltung halber nicht deme, der den Zeug gestaltet, sondern jenem, in wessen
Namen und für welchen solcher gestaltet worden.
[2, 5, § 9] 71. Drittens, daß die Gestaltung ohne
Einwilligung des Eigenthumers des Zeugs geschehe, widrigens, da Jemand seinen
Zeug mit Willen hergegeben, und der Andere solchen mit Willen gestaltet hätte
in der beiderseitigen Absicht und zu dem Ende, damit das Gestaltete zwischen
ihnen gemein werde, wirket die Gestaltung nichts besonderes, sondern Beide
gerathen aus ihrer eigenen Einwilligung in die Gemeinschaft des gestalteten Zeugs,
womit es dahero eben also, wie mit einer zwischen Mehreren gemeinen Sache zu
halten ist.
[2, 5, § 9] 72. Viertens, daß wirklich eine neue Gestalt
hervorgebracht und nicht etwan die schon habende Gestalt bloß entdecket werde,
als da Jemand aus fremden Garben Korn ausdreschete oder aus fremden Trauben
Wein pressete, so für keine Gestaltung zu halten ist, folglich auch dem Herrn
der Garben oder Trauben sein Eigenthum an dem Korn oder Wein unveränderet
verbleibet, obschon er schuldig ist, den mit guten Glauben ausgelegten
Drescher- und Preßlohn dem Anderen zu vergüten.
[2, 5, § 9] 73. Wann nun bei der Gestaltung eines fremden
Zeugs alle diese Erfordernussen zusammentreffen, so kommt es vornehmlich darauf
an, ob die Gestaltung mit guten oder mit üblen Glauben geschehen seie.
[2, 5, § 9] 74. Ist es das Letztere, und der Gestaltende hat
den Zeug fremd zu sein gewußt, so verlieret er die Arbeit, und die gestaltete
Sache bleibet dem Eigenthümer des Zeugs, welche dieser mittelst der
Eigenthumsklage von dem Anderen anforderen kann, ohne daß dagegen der
Gestaltende für seine Arbeit eine Vergütung anzuverlangen berechtiget wäre.
[2, 5, § 9] 75. Daferne aber der Eigenthümer des Zeugs
solchen in seiner jetzigen Gestalt nicht zurucknehmen wollte, sondern ihme der
Werth dafür anständiger wäre, ist der Gestalter schuldig, ihme den gemeinen
Werth, dahingegen in jenem Fall, wo der Zeug durch die Gestaltung schlechter
worden, oder dem Eigenthümer sonst erweislich daran gelegen wäre, daß der Zeug
nicht in seiner vorigen Gestalt gelassen worden, den höchsten Werth, wie jener
sich solchen nach eigener Neigung und Vorliebe eidlich schätzen wird, doch mit
vorläufiger richterlichen Mäßigung sammt allen erweislichen Schäden und
Unkosten zu erstatten.
[2, 5, § 9] 76. Wann in Gegentheil die Gestaltung eines
fremden Zeugs von dem Gestaltenden mit guten Glauben in ungezweifleter Meinung,
daß ihme der Zeug gehörig seie, geschehen, so ist auf den Unterschied zu sehen,
ob die vorige Gestalt ohne Verderbung des Zeugs anwiederum hergestellet werden
könne oder nicht.
(2-87) [2, 5, § 9] 77. Ist es das Erstere, als da aus
fremden Gold, Silber Kupfer oder Zinn allerlei Gefäß oder Geschmeid verfertiget
worden wäre, gehöret die also gestaltete Sache dem Herrn des Zeugs gegen deme,
daß er, wann der Zeug durch die Gestaltung einen größeren Werth bekommen, dem
Gestaltenden seine Arbeit, wie solche gerichtlich geschätzet wird, vergüte, bis
dahin der Gestaltende zur Auslieferung der noch in seinen Handen befindlichen
Sache nicht verhalten werden kann, aber daferne der Herr des Zeugs solchen
nicht annehmen wollte, ist er schuldig, sich mit den gemeinen Werth desselben
zu begnügen.
[2, 5, § 9] 78. Hätte jedoch die Sache durch die neue
Gestaltung keinen größeren Werth erhalten oder wäre in Widerspiel andurch schlechter
worden, ist der Herr des Zeugs nicht schuldig dem Gestaltenden etwas für seine
Arbeit herauszugeben.
[2, 5, § 9] 79. Könnte aber die vorige Gestalt nicht mehr
hergestellet werden, als da aus fremder Wolle Tuch oder Zeug, aus fremder
Seiden Stoff, aus fremden Tuch ein Kleid, aus fremden Garn Leinwand verfertiget
worden wäre, gehöret die also gestaltete Sache den Gestaltenden, weilen die
Gestalt solchen Falls vornehmer und folgsam auch in Absicht auf das an der
Sache gebührende Recht wirksamer als der Zeug ist, welchen sie als etwas
Minderes nach sich zieht.
[2, 5, § 9] 80. Dem Herrn des Zeugs hingegen bleibet allemal
sein Anspruch auf dessen Werth nach der gerichtlichen Schätzung bevor, vor
dessen Erlangung derselbe die Sache, wann er sich in deren Besitz befindet, dem
Gestaltenden auszulieferen nicht gehalten ist.
[2, 5, § 9] 81. Wäre aber die Sache in Handen eines Dritten
befindlich, der solche entweder von dem Herrn des Zeugs oder von dem Gestalter,
oder auch von einem Anderen mit guten Glauben und ohne aller Wissenschaft des
dabei fürwaltenden Umstands an sich gebracht hätte, also, daß sein guter
Glauben mit allen zu Erwerbung des Eigenthums einer beweglichen Sache unten in
achten Capitel vorgeschriebenen Erfordernussen versehen wäre, erwirbt zwar dieser
das Eigenthum der ganzen Sache, und kann weder von dem einen noch von dem
Anderen darum weiter angefochten werden.
[2, 5, § 9] 82. Dahingegen bleibet sowohl der Herr des
Zeugs, als der Gestaltende, welcher aus ihnen die Sache an einen Dritten
veräußeret, Einer dem Anderen jegleichwohlen verbunden nach dem Unterschied, ob
er zur Zeit der Veräußerung in guten oder üblen Glauben bestellet seie, in
derjenigen Maß, wie es oben in dritten Capitel §. III, von n. 47 bis 81
bestimmet worden, den Werth dessen, was dieser hieran zu forderen hat, zu
ersetzen.
[2, 5, § 9] 83. Hätte aber der Dritte von dem Umstand gewußt
und die Sache von Einem aus ihnen auf redliche Weise erhalten, so erlangt er
hieran kein mehreres Recht, als Derjenige hieran gehabt, von deme er die Sache
erworben, und hat solchemnach der Andere die Auswahl, ob derselbe den
Veräußerer, oder den dritten Besitzer um das, was ihme hieran gebühret,
belangen wolle.
[2, 5, § 9] 84. Gleich wie auch in jenem Fall, wo ein
Dritter die Sache von einem Anderen, als dem Herrn des Zeugs, oder dem
Gestaltenden, es seie mit üblen oder auch mit guten, doch von den zu Erwerbung
des Eigenthums nöthigen Erfordernussen entblößten Glauben erworben hätte,
dieser Beiden für das, was sie hieran zu forderen haben, dergestalten jedoch
verfänglich bleibet, daß er Dasjenige, was er dem Einem für die Gestalt oder
für den Zeug bezahlet, von dem Anderen der als Eigenthümer der Sache deren
Ausfolgung anverlanget, anwiederum zuruckforderen könne, aber falls er diesem
die Sach ohne Entgelt zuruckgestellet hätte, dem Anderen weiter etwas
herauszuzahlen nicht schuldig seie, sondern dieser das Seinige an Jenem, der
die Sache bekommen, zu forderen habe.
[2, 5, § 9] 85. Endlich da die Sache gar zu Grund gegangen
oder verloren worden wäre, sind die Fälle nach den
oben in dritten Capitel an gleich vorberührter
(2-88) Stelle enthaltenen Maßregeln, ob nämlich an Seiten
des Inhabers ein guter oder übler Glauben vorhanden gewesen seie, zu
unterscheiden.
§. X.
[2, 5, § 10] 86. Die Beifügung ist eine Art des Zugangs,
wodurch eine fremde Sache mit der eigenen zur Zierde, Verbesserung oder
Zurichtung dergestalten vereiniget wird, daß sie zwar mit einander ein Ganzes
ausmachen, doch weder beider Wesenheit vermischet, noch auch daraus eine neue
Gestalt und Form erzeuget werde.
[2, 5, § 10] 87. Alsda ein fremder Edelgestein in eigenen
Gold, oder ein eigener Edelgestein in fremden Gold gefaßet, ein Kleid mit
fremden Gold oder Silber, oder
(2-89) ein fremdes Kleid mit eigenen Gold oder Silber
gesticket, und anderen Sachen andere beigefüget werden.
[2, 5, § 10] 88. Dahin gehöret, wann zweier Herren Erzstücke
durch die Anschweißung oder Anlöthung dergestalten zusammengefüget werden, daß
daraus ein Ganzes entstehe, deren erstere ohne und letztere mit Zusatz eines
anderen Erzes geschieht.
[2, 5, § 10] 89. Es wird aber zu dieser Art des Zugangs
erforderet, erstens, daß eine fremde Sache mit der eigenen zusammengefüget
werde, dann wo beide einem Herrn zugehören, hat dieser nicht nöthig, daß schon
habende Eigenthum durch den Zugang zu erlangen.
[2, 5, § 10] 90. Gleichwie in Gegentheil, wann ein Dritter
zweier Herren Sachen zusammenfüget, in Ansehen seiner von keinem Zugang die
Frage sein kann, noch weniger ihme das Eigenthum hieran erworben wird, sondern,
wo sie absönderlich sind, behält ein jeder seine eigene Sache, deren
Absönderung und Zurückstellung Beide von dem Zusammenfügenden mittelst der
Eigenthumsklage anverlangen können.
[2, 5, § 10] 91. Da aber solche ohne merklicher Beschädigung
nicht abgesönderet werden könnten, erwirbt Derjenige, dessen Sache von größeren
Werth ist, das Eigenthum des Ganzen, doch ist er schuldig, dem Anderen den
Werth der minderen Sache nach der gerichtlichen Schätzung herauszugeben.
[2, 5, § 10] 92. Der Zusammenfügende hingegen, wann er die
Sachen fremd zu sein gewußt, ist über das in einem, wie dem anderen Fall nebst
der nach Beschaffenheit der Gefährde sich zugezogenen Strafe verbunden,
denenselben nicht allein allen erweislichen Schaden und entgangenen Nutzen,
sondern auch, da die Sachen durch die Zusammenfügung schlechter worden,
folglich den Eigenthümeren nicht mehr anständig wären, Einem wie dem Anderen
den höchsten Preis, wie sie solchen nach eigener Neigung und Vorliebe eidlich
schätzen werden, doch mit Vorbehalt der richterlichen Mäßigung für eines
Jedweden Sache zu
erstatten.
[2, 5, § 10] 93. Zweitens ist erforderlich, daß das
Beigefügte mit der anderen Sache, welcher es beigefüget worden, ein wahres
Ganzes ausmache, welches aus zusammenhängenden mehreren Stücken besteht. Dahero
ist es keine Beifügung, wann die Stücke für sich selbstständig und abgesönderet
sind, als da ein fremdes Schaf unter eine Heerde gebracht würde, dessen
Eigenthum dadurch nicht veränderet wird.
[2, 5, § 10] 94. Drittens, daß die Beifügung ohne Willen des
Anderen und von dem Beifügenden ein seinen eigenen Namen und für sich selbst
geschehe. Dann wo zweier Herren Sachen mit beider Einwilligung in Absicht auf
eine Gemeinschaft zusammengefüget worden, so wird das Ganze zwischen ihnen
gemein, und was in eines anderen Namen oder für einen Anderen beigefüget wird,
gehöret demselben aus willkürlicher Uebertragung des Eigenthums zu.
[2, 5, § 10] 95. Viertens, daß die Wesenheit der
zusammengefügten Sachen nicht vermischet, noch auch daraus eine neue Gestalt
erzeuget werde, dann ersteren Falls ist es eine Zusammengießung oder
Zusammenschmelzung, wovon in folgenden §. gehandlet wird.
[2, 5, § 10] 96. Und letzteren Falls zugleich eine
Gestaltung, folglich eine zweifache Art des Zugangs, welche dem Gestaltenden
wegen seines doppelten Anspruchs, wann der fremde Zeug nicht mehr in seine
vorige Gestalt gebracht werden kann, das Eigenthum des Ganzen gegen Ersatz des
Werths für den fremden Zug zueignet.
[2, 5, § 10] 97. Bei der mit vorerwähnten Erfordernussen
versehenen Beifügung ist vornehmlich einerseits der gute oder üble Glauben des
Beifügenden, und andererseits die Absönderlichkeit oder Unabsönderlichkeit der
zusammengefügten Sachen in acht zu nehmen.
[2, 5, § 10] 98. Ist die Zusammenfügung mit guten Glauben
geschehen, und können dieselbe füglich ohne merklicher Beschädigung von
einander abgesönderet werden, so behält ein Jeder das Seinige, und kann Jener,
der in Besitz des Ganzen ist, von dem Anderen zur Absönderung und
Zuruckstellung mittelst der Eigenthumsklage verhalten
(2-90) werden, gleichwie dagegen
der Inhabende, wann er von dem Anderen belanget wird, solche einwendungsweise
selbst vorzunehmen berechtiget ist.
[2, 5, § 10] 99. Wo sie aber ohne
beträchtlichen Schaden nicht abgesönderet werden könnten, erwirbt Jener, dessen
Sache von größerem Werth ist, das Eigenthum des Ganzen, doch gegen deme, daß er
dem Anderen den Werth dessen, um was seine Sache durch Beifügung der anderen
verbesseret worden, nach der gerichtlichen Schätzung ersetze, deme bis dahin
das Recht der Innenhaltung der in Handen habenden Sache zustehet.
[2, 5, § 10] 100. Wäre jedoch die
Beifügung einer fremden Sache wissentlich, dass sie fremd seie, folglich mit
üblen Glauben geschehen, so hat der Beifügende in ersteren Fall, wo die Sachen
absönderlich sind, und also ein Jedweder das Seinige zurucknehmen kann, dem
Anderen allen durch die Beifügung an seiner Sache verursachten erweislichen
Schaden und erweislichen Nutzen zu vergüten.
[2, 5, § 10] 101. In dem zweiten
Fall hingegen, wann die Sachen nicht mehr abgesönderet werden können, solle an
Seiten des wissentlich Beifügenden kein Recht des Zugangs statthaben, sondern
(die Sache des wissentlich Beifügenden möge kostbarer oder geringschätziger
sein), allemal ohne Unterschied dem Anderen die Auswahl zustehen, ob er das
Ganze dem wissentlich Beifügenden gegen Ablösung seiner Sache in dem höchsten
Werth, wie er sich solche nach seiner eigenen Vorliebe und Anständigkeit, doch
mit richterlicher Mäßigung schätzen wird, überlassen, oder ob er dasselbe gegen
Erstattung des gemeinen Werths für das, um was seine Sache verbesseret worden,
für sich behalten wolle.
[2, 5, § 10] 102. Wie es jedoch
mit zweier Herren zusammengefügten Sachen zu halten seie, wann solche zu Handen
eines Dritten gelangen, oder gar zu Grund gegangen oder verloren worden wären,
ist nach deme zu entscheiden, was in vorigen §. num. 81-85 von Gestaltung eines
fremden Zeugs in gleichen Fällen geordnet worden.
§. XI.
[2, 5, § 11] 103. Die Zusammengießung oder
Zusammenschmelzung und die Vermengung unterscheiden sich nach ihrem Gegenstand,
welcher bei jener in flüssigen oder flüssiggemachten, bei dieser aber in
trockenen Sachen bestehet.
(2-91) [2, 5, § 11] 104. Beide kommen jedoch in deme
überein, daß sie eine Art des Zugangs sind, wodurch zweier Herren flüssige oder
trockene Sachen von gleicher oder unterschiedener Wesenheit dergestalten
vermischet worden, daß sie zusammen ein ungetheiltes Ganzes ausmachen, welches
bei flüssigen Dingen eine gleichförmige Wesenheit überkommet, bei trockenen
aber nur in der Anhäufung verschiedener Theilen, welche ihre Wesenheit nicht
änderen, bestehet.
[2, 5, § 11] 105. Als da zweier Herren Weine
zusammengegossen, oder zweier Herren Erze zusammengeschmolzen, oder zweier
Herren Getreid, Körner, Samenwerk, kleine von einander unkenntliche Thiere,
oder auch durch Menschenhand verfertigte von einander nicht unterscheiden
mögende Kleinigkeiten vermenget werden.
[2, 5, § 11] 106. Geschieht diese Vermischung mit beider
Herren Willen, so wird daß Vermischte zwischen ihnen gemein, es möge durch die
Vermischung eine neue Gestalt erzeuget werden oder nicht, und unangesehen
beider Herren Zeug von einerlei oder verschiedener Art, und ob derselbe leicht
absönderlich seie oder nicht.
[2, 5, § 11] 107. Wo aber zweier Herren Sachen mit
beiderseitiger Einwilligung, sondern entweder durch Zufall, oder durch die That
des Einen ohne Willen des Anderen vermischet worden wären, ist zu
unterscheiden, ob solche von einander abgesönderet und geschieden werden
können, oder nicht.
[2, 5, § 11] 108. Sind sie ohne Schaden abzusönderen, behält
ein Jeder das Seinige, und ist dabei eben also zu verfahren, wie es oben in
gleich vorhergehenden §., num. 98 und num. 100, von
Zusammenfügung zweier Herren Sachen nach dem Unterschied des unterwaltenden
guten oder üblen Glaubens gemeldet worden.
[2, 5, § 11] 109. Doch bleibet auch in dem Fall, wo der
Vermischende nicht in üblen Glauben bestellet, jegleichwohlen aber aus seiner
Schuld durch die Vermischung dem Anderen an dessen Sache ein Schaden
widerfahren wäre, diesem wider jenen die Erholung seiner Entschädigung allzeit
bevor.
[2, 5, § 11] 110. Wären in Gegentheil die vermischten Sachen
unabsönderlich, so werden solche zwischen beiden Herren gemein, die Vermischung
möge mit flüssigen oder trockenen Sachen geschehen sein, wann nur der
Vermischende in guten Glauben ist, und von ihme keine neue Gestalt
hervorgebracht werde, welche in die vorige nicht mehr verwandlet werden könnte,
dann ansonst behält nach obiger Entscheidung in §. IX, num. 96, der Gestaltende
das Ganze.
[2, 5, § 11] 111. Mit Demjenigen hingegen, welcher eine
fremde Sache mit der seinigen wissentlich, folglich mit üblen Glauben
vermischet, kann keine Gemeinschaft bestehen, sondern dem Anderen gebühret
solchen Falls in der in vorigen §. num. 101 bestimmten Maß die Auswahl, ob er
das Ganze ablösen, oder gegen seiner völligen
Entschädigung dem Vermischenden überlassen wolle.
[2, 5, § 11] 112. Wo aber die vermischten Sachen zwischen
beiden Herren gemein werden, hat deren Jedweder an dem Ganzen seinen Antheil
entweder nach dem Verhältniß derjenigen Zahl, Maß und Gewichts, worinnen seine
Sache vor der Vermischung bestanden, oder nach dem Verhältniß des Werths,
welchen seine Sache vor der Vermischung gehabt, zu forderen, und stehet
Jedwedem frei, nach Gefallen die Theilung des Ganzen anzubegehren.
[2, 5, § 11] 113. Das Verhältniß der vorigen Zahl, Maß und
Gewichts, ist damahls zur Richtschnur der Theilung zu nehmen, wann die
vermischten Sachen in ihrer vorigen
(2-92) Güte und Werth geblieben, und durch die Vermischung
weder besser, noch schlechter worden, als da zweier Herren Sachen von einerlei
Gattung, Güte und Werth vermischet würden.
[2, 5, § 11] 114. Welchen Falls sich beide Theile ohne
Widererbe darmit zu begnügen haben, wann ein Jedweder das Seinige in der
nämlichen Güte und Werth wie es vor der Vermischung gewesen, nach dem
Verhältniß der ehehinigen Zahl, Maß und Gewichts zuruckerhält, obschon wegen
des etwanigen Abgangs an dem Betrag dem Einen wider dem Anderen, aus dessen
Schuld die Vermischung geschehen, seine Schadenserholung bevorstehet.
[2, 5, § 11] 115. Daferne aber die vermischten Sachen durch
die Vermischung ihre natürliche Beschaffenheit geänderet hätten, und eine
andurch besser, die andere schlechter worden, als da alter mit jungen Wein,
oder Weizen mit Korn vermischet worden wäre, und dahero bei der Theilung nach
dem Verhältniß der vorigen Zahl, Maß und Gewichts eine merkliche Ungleichheit
ausfiele, also, daß der Eine mehr, der andere weniger als er vor der
Vermischung gehabt, erhielte, folglich einer mit Schaden des Anderen
bereicheret, oder durch die That des Anderen in Schaden versetzet würde, so ist
die Ausgleichung nach dem Verhältniß des vor der Vermischung gehabten Werths
einer jedweden Sache vorzunehmen.
[2, 5, § 11] 116. Zu diesem End solle sowohl das Ganze als
eines Jedweden Sache insonderheit, was sie vor der Vermischung gegolten,
gerichtlich geschätzet, und dem Einem, dessen Sache vor der Vermischung von
größeren Werth war, das Ganze, dem Anderen aber, dessen Sache geringschätziger
gewesen, so viel, als nach Maß der vor der Vermischung gehabten Werths seiner
Sache von dem jetzigen Werth des Ganzen auf seinen Antheil ausfallet,
zugesprochen werden, welches der Erstere ihme herauszugeben hat.
[2, 5, § 11] 117. Wäre jedoch die Vermischung aus Schuld des
Einen ohne Willen des Anderen geschehen, und der auf diesen letzteren
ausgefallene Antheil erreichete den Werth seiner Sache nicht, welchen sie vor
der Vermischung gehabt, so kann er sich noch allezeit wegen seines Abgangs an
den Vermischenden halten.
[2, 5, § 11] 118. Gleichwie er dann auch in dem Fall, wo
ihme das Ganze zufiele, dem Vermischenden für dessen Antheil nur Dasjenige zu
ersetzen hat, um was seine Sache durch die Vermischung mit der anderen
verbesseret worden, ohne Rucksicht auf den vorigen Werth der zugemischten Sache
des Anderen, oder, da seine Sache durch Vermischung mit der anderen schlechter
worden wäre, kann er noch über Erhaltung des Ganzen an dem Vermischenden seine
Entschädigung ansuchen.
[2, 5, § 11] 119. Von der aus der Vermischung entstehenden
Gemeinschaft ist jedoch der Fall auszunehmen, wann Jemand seine mit einer
fremden Barschaft vermischet ; dann die Summe wird deshalben nicht gemein,
sondern sie wird dem Vermischenden erworben, weilen bei dem baaren Geld in
Handel und Wandel nicht so viel auf dessen Wesenheit, als auf dessen Werth
gesehen wird, welchen der Vermischende dem Anderen für den vermischten Betrag
zu erstatten in alle Wege verbunden bleibet.
[2, 5, § 11] 120. Uebrigens hat in dem Fall, wann zweier
Herren vermischte Sachen an einen Dritten gelangen, oder gar untergangen, alles
Dasjenige statt, was oben in §. IX von der Gestaltung eines fremden Zeugs in
gleichen Fällen vorgesehen ist.
§. XII.
[2, 5, § 12] 121. Der Einbau ist eine Art des Zugangs, wann
auf eines Anderen Grund und Boden von eines Anderen Bauzeug ein Gebäude
aufgeführet wird.
(2-93) [2, 5, § 12] 122. Dieses kann auf dreierlei Art
geschehen, als erstens, da Jemand von fremden Zeug auf seinen eigenen Grund und
Boden bauet, zweitens, da eigener Zeug in fremden Boden eingebauet, und endlich
drittens, wann ein Dritter mit fremden Zeug auf fremden Grund und Boden bauet.
[2, 5, § 12] 123. In allen diesen Fällen gehet Grund und
Boden dem Herren des Bauzeugs niemalen, wohl aber der Bauzeug dem Herrn des
Grund und Bodens zu, welchen, solange das Gebäude bestehet, weder der vorige
Herr zuruckckzuforderen berechtiget, noch der Herr des Grunds, wann solcher
ohne Beschädigung des Gebäudes nicht füglich davon abgesönderet werden kann,
herauszunehmen schuldig ist.
[2, 5, § 12] 124. Dann das Recht des Bodens erstrecket sich
nicht allein auf jenes, was aus dem Grund und Boden selbst seinen Ursprung und
Anwachs hat, als Bäume, Pflanzen, Staaten, wovon in zweiten Artikel gehandlet
worden, sondern auch auf Alles, was in den Grund und Boden eingebauet wird, und
also darauf unbeweglich ruhet, daß es ohne seiner Vernichtung von dannen nicht
verrucket werden kann.
[2, 5, § 12] 125. Es verstehet sich dahero diese Art des
Zugangs nur von unbeweglichen Gebäuden, welche mit dem Grund unmittelbar oder
mittelbar durch Pfeiler, Bögen, Pfähle oder Pürsten zusammenhangen, nicht aber
von beweglichen Gebäuden, die mit dem Grund keinen Zusammenhang haben, sondern
ohne Verletzung von einem Ort an das andere übertragen werden mögen.
(2-94) [2, 5, § 12] 126. Was demnach auf Jemandens Grund und
Boden erbauet wird, gehöret ihme aus dem Recht des Zugangs zu. Nur die
Forderungen wegen des Bauzeugs an dem Herrn des Grunds sind nach dem
Unterschied obiger drei Fällen unterschieden.
[2, 5, § 12] 127. In dem ersten Fall, wann Jemand von
fremden Zeug auf seinen eigenen Grund und Boden bauet, ist derselbe schuldig,
dem Herrn des Zeugs, wann er es mit guten Glauben, daß der Bauzeug sein Eigen
seie, gethan, den gemeinen Werth desselben, wo er aber den Bauzeug fremd zu
sein gewußt hätte, den höchsten Werth nach dessen eigener Vorliebe und
eidlichen Schätzung, doch mit richterlicher Mäßigung, sammt allen verursachten
Schäden und Unkosten zu erstatten.
[2, 5, § 12] 128. Wäre aber das Gebäude, noch ehe und bevor
der Herr des Bauzeugs den Werth dafür empfangen, über kurz oder lang anwiederum
niedergerissen worden oder eingefallen, hat derselbe sodann Fug und Macht,
seinen erweislichen Bauzeug, wann ihme solcher anständiger als dessen Werth
ist, zuruckzunehmen, worwieder der Herr des Grund und Bodens sich mit keiner
Verjährung schützen kann.
§. XIII.
[2, 5, § 13] 129. In dem zweiten umgekehrten Fall, wann
Jemand aus seinen Bauzeug auf fremden Grund und Boden ein Gebäude aufführet,
ist zu unterscheiden, ob er in Meinung, daß Grund und Boden sein Eigen seie,
folglich mit guten Glauben oder wissentlich, daß Grund und Boden fremd seie,
ohne ein Recht zu dessen Benutzung zu haben, das Gebäude darauf errichtet habe.
[2, 5, § 13] 130. Ware derselbe in guten Glauben bestellet,
oder hätte ein Recht zur Benutzung oder Innehabung des Grunds gehabt, so ist
der Eigenthümer des Grunds schuldig, ihme für die nothwendige Gebäude den
erweislichen Aufwand, und für die nutzliche den Werth nach Maß des daraus
zugehenden Nutzens unweigerlich zu vergüten, bei lustbringenden Gebäuden
hingegen deren Hinwegnehmung, wann solche ohne Schaden des Grunds geschehen
kann, ohngehindert zu verstatten.
[2, 5, § 13] 131. Würde jedoch das Gebäude, ehe der
Bauführer den Werth dafür erhalten, anwiederum zerstöret, kann dieser ebenso,
wie in dem ersten Fall oben gemeldet worden, seinen Bauzeug zurucknehmen.
[2, 5, § 13] 132. Hätte hingegen Jemand wissentlich auf
fremden Grund und Boden, ohne zu dessen Benutzung ein Recht zu haben, aus
seinem Bauzeug ein Gebäude aufgeführet, kann derselbe lediglich den
erweislichen Aufwand auf die nothwendige Gebäude von den dem Eigenthümer
zuruckzustellen habenden Nutzung sich abziehen und zuruckhalten.
[2, 5, § 13] 133. Wo er aber keine von ihme erhobene
Nutzungen herauszugeben hätte, ist derselbe so wenig für die nothwendige als
nutzliche, oder lustbringende Gebäude eine Forderung zu stellen befugt.
[2, 5, § 13] 134. In Gegentheil bleibet
er dem Herrn des Grunds für allen durch das errichtete Gebäude etwan an dem
Grund zugefügten Schaden oder entgangenen Nutzen verfänglich. Doch ist ihme
ohnverwehret Dasjenige, was sich davon ohne Schaden des Grunds absönderen lasset, hinwegzunehmen.
§. XIV.
[2, 5, § 14] 135. In dem dritten Fall, wo Jemand aus fremden
Zeug auf fremden Grund und Boden ein Gebäude aufführet, erwirbt zwar der
Eigenthümer des Grunds sowohl den Bauzeug, als das davon errichtete Gebäude.
[2, 5, § 14] 136. Der Herr des Bauzeugs hingegen ist
berechtiget, den Werth für seinen eigenen Bauzeug von dem Bauführer
anzuforderen, und da er von ihme nicht zur Entschädigung gelangen könnte,
stehet demselben frei, den Herrn des Grunds, wann das Gebäu nothwendig oder
nutzlich, oder ihme sonst anständig ist, hierum zu
(2-95) belangen, oder auch, da das Gebäude vor Erhaltung des
Werths zerstöret würde, seinen Bauzeug wieder zuruckzunehmen.
[2, 5, § 14] 137. Der Bauführer aber kann die Bauunkosten
von dem Herrn des Grunds nur in derjenigen Maß zuruckforderen, wie es oben in
vorigen §. von Einbauung seines eigenen Zeugs in fremden Boden nach dem
Unterschied des guten oder üblen Glaubens geordnet worden.
[2, 5, § 14] 138. Doch ist Niemand verwehret, wer ein
Gebäude auf fremden Grund aufgeführet, solange er in Besitz des Grunds ist,
solches nach allen seinen Theilen ab- und anderwärtshin zu übertragen, wann er
es mit Nutzen oder Anständigkeit an einem anderen Ort wieder aufrichten kann
und die gemeinwesige Absicht auf Erhaltung der Gebäuden nicht entgegen stehet.
[2, 5, § 14] 139. Wäre er aber nicht mehr in Besitz des
Grunds, so kann derselbe nur damals die Ab- und Uebertragung des Gebäudes
anbegehren, wann der Herr des Grunds ihme solches nach der obigen Ausmessung
nicht ablösen will.
[2, 5, § 14] 140. Gleichwie dagegen der Herr des Grunds ein
aus fremden Zeug auf seinem Grund aufgeführtes Gebäude, wann ihme solches
unnütz oder ungelegen ist, wider Willen zu behalten keinerdings schuldig,
sondern vielmehr berechtiget ist, den Bauführer darzu anzuhalten, damit er das
Gebäu abtrage, den Bauzeug und Schutt auf seine Unkosten hinwegführe, und
überhaupt den Boden also raume und wieder herstelle, wie er zuvor gewesen ist.
§. XV.
[2, 5, § 15] 141. Nicht weniger ist die Beschreibung fremden
Papiers und Bemalung fremden Zeugs eine Art des Zugangs, wodurch insgemein das
Beschriebene oder Bemalte Demjenigen erworben wird, welcher es beschrieben oder
bemalet hat, oder von jemand Anderen für sich beschreiben und bemalen lassen.
[2, 5, § 15] 142. Dieses verstehet sich jedoch nur von
Beschreibung fremden Papiers und Pergaments, dann von Bemalung solcher Dinge,
welche, da sie beschrieben oder bemalet sind, dem Eigenthümer zu einem
anderweiten Gebrauch nichts oder doch weniger, als dem Schreiber oder Maler
nutzen würden, nicht aber auch von solchen Schriften und Malereien, welche
leichtlich und ohne Schaden des Schreibers oder Malers anwiederum vermischet
und ausgebracht werden können.
[2, 5, § 15] 143. Eben so wenig erstrecket sich dieser
Zugang auf die Beschreibung oder Bemalung unbeweglicher oder auch solcher
beweglicher Sachen, die ihrem ordentlichen Gebrauch nach nicht darzu gewidmet
sind, auf daß darauf geschrieben oder gemalet werde, sondern ohnerachtet sie
beschrieben oder bemalet sind, jegleichwohlen
(96) ihren Werth und den Gebrauch, worzu sie bestimmet sind,
behalten, folglich ihren Eigenthümeren nach wie vor verbleiben.
[2, 5, § 15] 144. Wann demnach das Beschriebene oder Bemalte
der Schrift oder Malerei zugehet, hat der Schreiber
oder Maler dem Eigenthümer des Zeugs den nach dem oft wiederholten Unterschied
seines guten oder üblen Glaubens abgemessenen Werth dafür zu ersetzen.
[2, 5, § 15] 145. Dahingegen, wo die Schrift oder das
Gemälde dem Eigenthümer des Zeugs zugehet, hat dieser dem Schreiber oder Maler
nur in jenem Fall eine Vergütung zu leisten, wann ihme ein wirklicher Nutzen
daraus zukommet, und der Schreiber oder Maler in guten Glauben bestellet ist,
widrigens hat er nicht nur nichts dafür zu erstatten, sondern er kann noch über
das den Ersatz des an seiner Sache durch die Beschreibung oder Bemalung
zugefügten erweislichen Schadens von dem Anderen anforderen.
§. XVI.
[2, 5, § 16] 146. Alle bishero erklärte Arten des Zugangs
wirken die Erwerbung des Eigenthums wegen der eigenen Sache, welcher eine
andere zuwachset oder zugehet, es ist aber noch eine andere Art des Zugangs
auch wegen eines fremden, mit guten Glauben besitzenden Guts, welcher die davon
abfallende Früchten und Nutzungen dem Besitzer zueignet, aus was immer für
einer Erzeugung, es seie von der Natur oder menschlichen Fleiß allein, oder von
beiden zusammen, dieselbe herrühren.
[2, 5, § 16] 147. Dann allen Nutzen und Vortheil, welchen
sonst ein wahrer Eigenthümer aus dem Eigenthum seiner Sache beziehet, giebt
auch der gute Glauben dem Besitzer einer fremden Sache, solange er in guten
Glauben bestellet ist.
[2, 5, § 16] 148. Gleichwie dahero ein wahrer Eigenthümer
alle von seiner Sache oder wegen derselben herkommenden Früchten und Nutzungen
aus dem Recht des Eigenthums sich eigen machet, also erwirbt solche nicht
weniger der Besitzer mit guten Glauben aus einem fremden Gut, welches er
ungezweiflet für das seinige hält.
[2, 5, § 16] 149. Die Früchten und Nutzungen bestehen in
aller Nutzbarkeit, welche von einer Sache abfällt oder wegen derselben
eingehet, und sind dreierlei, als eine, welche selbst von der Natur entweder
ohne aller menschlicher Zuthat, oder doch ohne Mitwirkung eines sonderbaren
Fleißes hervorgebracht werden, als die Wolle auf den Schafen, das Kalb von der
Kuhe, das Obst auf den Bäumen.
[2, 5, § 16] 150. Die anderen, deren Erzeugung beides,
nämlich sowohl die Wirksamkeit der Natur, als die Anwendung menschlichen
Fleißes und Zuthat, als die Beurbarung, den Anbau oder die Pflanzung
erforderet, wie da sind das Getreid, der
(2-97) Wein und allerhand andere Gewächse, die durch
Menschenhände angebauet, gepflanzet und gezüglet werden.
[2, 5, § 16] 151. Die dritten, woran die Wirkung der Natur
gar keinen Theil hat, sonder der alleinige menschliche Fleiß und Witz, wie
immer Jemand sich wegen seiner Sache aus den darüber eingegangenen Handlungen
einen Nutzen und Gewinn zu verschaffen weiß, von dieser Art sind Bestandzinse,
Pachtgelder und dergleichen.
[2, 5, § 16] 152. Alle drei Gattungen sind entweder noch
hangend und ausständig, solange die zwei ersteren noch mit dem Grund
zusammenhangen, und letztere noch nicht eingegangen oder schon abgesönderet und
eingehoben, obschon sie noch nicht eingesammlet oder hinweggeführet worden, als
das geschnittene Getreid auf dem Felde, das abgemähte Gras auf der Wiesen, oder
aus Schuld des Besitzers nicht mehr einbringlich, welche er jegleichwohlen auf
redliche Weise hätte einbringen können.
[2, 5, § 16] 153. Die eingehobenen Früchten und Nutzungen
sind entweder noch vorhanden, oder schon verthan oder verzehret, es seie durch
den selbsteigenen Gebrauch und Genuß, oder durch die Veräußerung an jemand
Anderen.
[2, 5, § 16] 154. Die Früchten und Nutzungen sind, solange
sie mit demjenigen Ding, woraus selbe erzeuget werden, zusammenhangen, ein
Theil, und da sie auch davon abgesönderet worden, noch eine natürliche Folge
desselben, mithin gehören sie auch dem Eigenthümer des Guts zu, wann kein
Anderer ein Recht darzu hat, welches Jemand auf zweierlei Art überkommen kann,
als entweder mit Willen des Eigenthümers, oder ohne demselben aus dem Recht des
mit guten Glauben erlangten Besitzes.
[2, 5, § 16] 155. In dem ersteren Fall bedarf es keines
Zugangs, weilen das Eigenthum der Nutzungen aus willkürlicher Ueberlassung des
Eigenthümers erworben wird, wovon, insoweit als die Benutzung der Sache die
Wirkung eines hieran mit Willen des Eigenthümers bestellten dinglichen Rechts
ist, in diesem zweiten Theil jeden Orts bei Erklärung derlei dinglicher
Rechten, und insoweit als solche Jemanden aus Verträgen und Vergleichen
zustehet, in dem dritten Theil gehandlet wird.
[2, 5, § 16] 156. In Gegentheil wirket in dem zweiten Fall
zwar das Besitzrecht die Befugnuß die mit guten Glauben besitzende fremde Sache
nicht weniger, als die seinige zu benutzen; das Eigenthum aber an den
eingehobenen Früchten und Nutzungen giebt dem Besitzer sein guter Glauben aus
dem Recht des Zugangs, doch nur insolange, als der gute Glauben seinerseits
fürwähret, und der wahre Eigenthümer nicht hervorkommet, weilen diese Art des
Zugangs sich einzig und allein auf dem guten Glaubendes Besitzers gründet.
[2, 5, § 16] 157. Sobald dahero, als der gute Glauben ermanglet,
höret auch dieser Zugang auf, welcher jedoch so viel gewirket, daß der Besitzer
mit guten Glauben die bis zur Hervorkommung des wahren Eigenthümers schon
verthane oder verzehrte Nutzungen sich unwiderruflich und dergestalten eigen
gemacht habe, daß er dem Eigenthümer nichts dafür zu ersetzen schuldig seie,
wann gleich erweislich wäre, daß er andurch bereicheret seie.
[2, 5, § 16] 158. Dahingegen wird bei den wiewohlen von ihme
mit guten Glauben eingehobenen, doch aber zur Zeit, als derselbe von dem Eigenthümer
um die Zuruckstellung der Sache mit ihren Nutzungen gerichtlich belanget,
folglich in üblen Glauben versetzet wird, noch vorhandenen Nutzungen
seinerseits das Eigenthum anwiederum aufgelöset, welche als ein Theil und
natürliche Folge der Hauptsache dem Eigenthümer zuruckgegeben werden müssen.
[2, 5, § 16] 159. Es wäre dann, daß die eingehobene Früchten
und Nutzungen sich bei dem Besitzer mit guten Glauben von Zeit deren Einhebung
noch vor dessen gerichtlicher Belangung durch die unten in neunten Capitel für
die bewegliche
(2-98) Sachen ausgemessene Verjährungszeit verjähret hätten,
welchen Falls derselbe auch die obschon noch vorhandene, doch solchergestalten
Nutzungen aus dem Recht der Verjährung erwirbt.
[2, 5, § 16] 160. Umsoweniger aber hat diese Art des Zugangs
bei dem Besitzer mit üblen Glauben statt, sondern derselbe ist alle Früchten
und Nutzungen, sie mögen hangend oder eingehoben, noch vorhändig oder schon
verthan sein, dem Eigenthümer zuruckzustellen, und den Werth für die verzehrten
sowohl, als jene, welche er aus seiner Schuld einzubringen unterlassen, zu
ersetzen schuldig, wie alles dieses schon oben in dritten Capitel §. III von
num. 82 bis 89 mit Mehreren ausgeführet worden.
Caput VI.
Von willkürlicher Uebertragung des Eigenthums, und
insonderheit von der Uebergabe.
Inhalt:
§. I. Von verschiedenen Arten der Uebergabe. §. II. Von
Fähigkeit der Uebergebenden und Erwerbenden. §. III. Von Erfordernussen zur
rechtmäßigen Uebergabe. §. IV. Von Bewirkungen der Uebergabe.
§. I.
[2, 6, § 1] Num. 1. Die dritte Erwerbungsart des Eigenthums
ist dessen willkürliche Uebertragung von Einem auf den Anderen durch Uebergaben
und Schankungen. Von Ersteren wird in gegenwärtigen, von Anderen aber in dem
gleich nachfolgenden Capitel gehandlet.
[2, 6, § 1] 2. Nicht eine jedwede bloße Uebergabe einer
Sache übertraget das Eigenthum, sondern nur jene, welche aus einer zu
Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache geschieht, und in diesem
Verstand ist sie eine Handlung zweier Personen, wodurch das Eigenthum der Sache
aus einer rechtmäßigen und zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache
von dem Einen übertragen und von dem Anderen übernommen wird.
[2, 6, § 1] 3. Diese Uebergabe bestehet demnach in
leiblicher Ueberlieferung der Sache an Seiten des einen, und in leiblicher
Ergreifung und Annehmung an Seiten des anderen Theils, wannenhero dieselbe auch
nur bei körperlichen Dingen, welche gesehen und gegriffen werden mögen,
geschehen kann.
[2, 6, § 1] 4. Unkörperliche Dinge hingegen, als Rechten und
Gerechtigkeiten, woferne
(2-97) sie nicht körperlichen Sachen ankleben und mit
denenselben übergeben werden, können für sich allein aus Mangel sichtlicher
Anzeige und leiblicher Berührung eigentlich nicht übergeben werden, sondern
diese werden an eigenen Sachen durch den Gebrauch des Einen und Duldung des
Anderen bestellet, und an fremden Sachen durch Verzicht und Begebung dessen,
deme sie gebühren, abgetreten.
[2, 6, § 1] 5. Doch also und dergestalten, daß, wo die
Bestellung und Abtretung auf liegenden Gütern
haltende Rechte betrifft, solche nicht anderst, als mittelst
der Einverleibung in die Landtafel, Stadt- und Grundbücher, worinnen das
behaften wollende, oder schon behaftende Gut inlieget, auf die oben Capitel II,
§. I, num.13 bemerkte Weis geschehen kann.
[2, 6, § 1] 6. Aber auch nicht bei allen körperlichen Dingen
ohne Unterschied wirket die Uebergabe, wann selbe gleich aus einer darzu
hinlänglichen Ursach geschieht, allemal die Uebertragung des Eigenthums,
sondern nur bei beweglichen Sachen allein.
[2, 6, § 1] 7. Wohingegen bei unbeweglichen Sachen über das
erforderet wird, daß die Uebertragungsursache in die Landtafel, Stadt- und
Grundbücher da, wo das übergeben wollende Gut inlieget, auf dasselbe
einverleibet werde, ohne welcher Einverleibung durch die Uebergabe nichts, als
bloß der natürliche Besitz des Guts auf den Anderen übertragen werden kann.
[2, 6, § 1] 8. Die Uebergaben geschehen auf mehrerlei Weis,
als entweder durch wesentliche und leibliche Ueberlieferung, oder durch
gleichgiltige Arten, welche mit beiderseitiger Einverständnuß und Absicht auf
die Uebertragung des Eigenthums gerichtet sind, und eben dahero die nämliche
Wirkung, wie die wahre Uebergabe haben.
[2, 6, § 1] 9. Auf erstere Weis erden bewegliche Sachen aus
einer Hand in die andere, unbewegliche aber dadurch übergeben, wann Einer den
Anderen darein einführet, ihme deren Theile ausweiset, aus dem Besitz weichet,
und dem Anderen die Macht, den Besitz davon zu nehmen, einraumet, welchen
Derselbe übernimmt, und in Ganzen oder in seinen Theilen ausübet.
[2, 6, § 1] 10. Durch gleichgiltige Arten kann die Uebergabe
vollzogen werden, wann aus einer That oder sonstigen Kennzeichen der
ungezweiflete Willen an Seiten des Einen, daß er die Sache übergeben wolle, und
an Seiten des Anderen, daß er solche übernehmen wolle, geschlossen werden mag.
[2, 6, § 1] 11. Dergleichen Arten der Uebergabe sind
dreierlei, dann entweder geschieht solche mit langer Hand oder mit kurzer Hand,
oder durch Kennzeichen.
[2, 6, § 1] 12. Mit langer Hand wird die Uebergabe vollzogen,
wann entweder die zu übergeben kommende Sache mit dem Willen und Absicht des
Einen solche zu übergeben, und des Anderen dieselbe zu übernehmen, in Gegenwart
vor Augen geleget und ausgewiesen, oder von dem Einen gestattet wird, daß der
Andere die an einen gewissen Ort befindliche oder hinterlegte Sache ergreifen
und übernehmen möge.
[2, 6, § 1] 13. Also, da Jemand dem Anderen, der ihme eine
Sache zu übergeben hat, schaffete, solche an ein gewisses Ort hinzulegen, ist
die Uebergabe an Seiten dessen, der sie zu übergeben gehabt, durch deren
Hinterlegung an das ihme angewiesene Ort vollzogen, und dieser von seiner
Verbindlichkeit ohne weiters entlediget.
[2, 6, § 1] 14. Der Besitz aber an Seiten des Uebernehmenden
kann bei einer ihme mit langer Hand übergebenen Sache anderer gestalt nicht
erworben werden, als wann entweder in seiner Gegenwart oder eines Anderen in
seinen Namen die Sache hingeleget wird, oder wo die übergebene Sache nicht an
Ort und Stelle gegenwärtig wäre, deren leibliche Ergreifung oder doch eine
derselben gleichkommende That, als da ist die Auszeichnung, Versieglung oder
Bewahrung hinzustoßet.
[2, 6, § 1] 15. Mit kurzer Hand geschieht die Uebergabe,
wann zu Vermeidung mehreren Umschweifs die zu
Uebertragung des Eigenthums sonst erforderliche wechselweise
(2-100) Uebergaben in dem Verstand Rechtens aus
beiderseitiger Einwilligung für vollzogen geachtet werden.
[2, 6, § 1] 16. Diese Art kann also nur in jenen Fällen
statthaben, wo die zu übergeben habende Sache entweder schon vorhero sich in
Handen Desjenigen, deme sie jetzt eigenthumlich zu übergeben wäre, aus einer
anderen zu Uebertragung des Eigenthums für sich nicht hinlänglichen Ursache
befindet, oder in Handen Desjenigen, der sie an den Anderen zu übergeben hätte,
belassen wird, um solche von nun an nicht mehr in seinem, sondern in des
Anderen Namen zu besitzen.
[2, 6, § 1] 17. Also, da eine bei Jemanden hinterlegte, oder
ihme geliehene oder vermiethete Sache demselben nachhero verkaufet oder
geschenket würde, bedarf es keiner neuen Uebergabe, sondern die Sache wird ihme
eigenthumlich erworben, sobald der Andere seinen Willen erkläret, daß er solche
als sein Eigen behalten möge, und in dem Verstand Rechtens dafürgehalten, als
ob ihme die Sache zu seinem Eigenthum leiblich übergeben worden wäre.
[2, 6, § 1] 18. Gleichergestalten, da der Verkaufer die
verkaufte Sache von dem Kaufer pachtet, miethet oder entlehnet, und solche ihme
also in Handen gelassen wird, daß er sie nicht in seinem, sondern des Kaufers
Namen besitzen und inhaben solle, wird nach dem rechtlichen Verstand dafür
geachtet, als ob die verkaufte Sache dem Kaufer leiblich übergeben worden wäre,
obschon solche nicht aus Handen des Verkaufers gekommen ist.
[2, 6, § 1] 19. Durch diese letztere Art der Uebergabe wird
entweder das Eigenthum sammt dem Besitz, wann eine zu Uebertragung des
Eigenthums zureichende Ursach unterwaltet, oder auch nur der Besitz allein
übertragen, in welchem Fall diese Handlung eigentlich eine Bestellung des
Besitzrechts heißet, deren Wirkungen unten in vierundzwanzigsten Capitel von
dem Recht des Besitzes beschrieben werden.
[2, 6, § 1] 20. Durch Kennzeichen geschieht die Uebergabe,
wann Jemand dem Anderen ein Zeichen giebt, wodurch die ihme zu übergebende
Sache angedeutet, und von diesem auch dafür angenommen wird, als da sind die
Schlüssel von einem Haus, Speicher oder Keller, oder, da er dem Anderen
verstattet, die Sache als die seinige zu versieglen, zu bezeichnen oder zu
deren Bewahrung eine Wache darzu zu stellen, und er Andere sich dieser
Verstattung gebrauchet.
[2, 6, § 1] 21. Jene Versieglung oder Auszeichnung dahero,
welche vor geschlossenen Kauf in Absicht und zu dem Ende geschieht, damit die
in Kauf stehende Sache nicht verwechslet werde, ist noch keine Uebergabe,
weilen es zur Zeit sowohl an dem Willen, als an der Ursache das Eigenthum zu
übertragen gebricht.
[2, 6, § 1] 22. Dahingegen kann die Aushändigung der eine
Sache betreffenden Kaufbriefen oder anderen Urkunden, welche die
Erwerbungsursache, woraus die Sache auf den Uebergebenden gediehen, enthalten,
wann sie in Absicht das Eigenthum zu übertragen geschieht, nur damals ein
Kennzeichen der vollzogenen Uebergabe sein, wann es um bewegliche Sachen zu
thun ist; bei liegenden Gütern aber kann so wenig diese gleichgiltige, als die
wahre leibliche Uebergabe ohne landtäflicher, stadt= oder grundbücherlicher
Einverleibung die Uebertragung des Eigenthums bewirken.
§. II.
[2, 6, § 2] 23. Die Uebergabe möge durch leibliche
Ueberlieferung, oder durch gleichgiltige Arten geschehen, so wird doch allemal
so an Seiten des Uebergebenden
(2-101) der Willen und die Macht das Eigenthum zu
übertragen, wie an Seiten des Uebernehmenden solches zu erwerben erforderet.
[2, 6, § 2] 24. Beiderseitige Fähigkeit ist allschon oben in
dritten Capitel, und zwar des Erwerbenden in §. II, von num. 16 bis 19, und
jene des Uebertragenden oder Veräußerenden in §. III, von num. 32 bis 40
erkläret worden.
[2, 6, § 2] 25. Doch ist die persönliche Gegenwart des
Uebergebenden und Uebernehmenden nicht nothwendig, sondern sowohl die Uebergabe
als Uebernahme kann auch mit ihren Willen und in ihren Namen durch Andere
geschehen, wann ihr Willen entweder vorher durch genugsame Gewalt und
Vollmacht, oder darnach durch erfolgte Gutheißung erkläret wird.
[2, 6, § 2] 26. Es ist auch die Uebergabe nichtsdestoweniger
rechtskräftig, wann gleich die Person dessen, an den das Eigenthum einer Sache
übertragen wird, zur Zeit, da sich Jemand in der Absicht solche einem Anderen
zuzuwenden derselben entäußeret, noch nicht gewiß und bestimmet ist, woferne nur
der Willen des Uebergebenden ungezweiflet ist, und die Annehmung und
Einwilligung des Anderen nachhero beitritt, als da Jemand Geld, Eßwaaren u.
dgl. unter das Volk wirft.
§. III.
[2, 6, § 3] 27. Außer der Fähigkeit des Uebergebenden und
Uebernehmenden müssen zur Rechtsgiltigkeit der Uebergabe noch folgende
Erfordernussen theils an Seiten des Uebergebers, theils an Seiten des
Uebernehmers, Theils in Ansehen der Sache selbst, und theils in Ansehen der
Ursache, aus welcher die Uebergabe geschieht, beitreten.
[2, 6, § 3] 28. An Seiten des Uebergebers wird erforderet,
daß er Eigenthümer der Sache seie, dann Niemand kann ein mehreres Recht, als er
selbst hat, auf einen Anderen übertragen, und da unten in achten Capitel
geordnet wird, daß Jemand auch eine fremde Sache, die er auf redliche Weise mit
guten Glauben an sich gebracht, erwerben möge, so geschieht doch solchen Falls
die Uebertragung des Eigenthums nicht aus Wirkung der Uebergabe, sondern aus
Macht und Gewalt Rechtens.
[2, 6, § 3] 29. An Seiten dessen, deme etwas übergeben wird,
ist die Erklärung seiner freien, ungezwungenen, und von aller Gewalt, Forcht,
List und Irrthum entferneten Einwilligung in die Annehmung der Sache
erforderlich; wider Willen aber kann Niemanden etwas erworben werden, wann auch
die Erwerbung seinerseits bloß gewinnstig wäre, folglich umsoweniger, da solche
aus einer entgeltlichen Ursache zu geschehen hätte.
[2, 6, § 3] 30. Die Sache, welche übergeben werden will, muß
körperlich, handelbar,
(2-102) und weder durch ihre Eigenschaft, noch sonst außer
Handel und Wandel gesetzet, noch minder mit einem Verbot, daß sie überhaupt,
oder wenigstens von deme, der sie an einen Anderen zu übertragen Willens ist,
nicht veräußeret, oder auch von Demjenigen, deme sie übergeben werden will,
nicht erworben werden dürfe, beschaffet sein.
[2, 6, § 3] 31. Sie muß auch ferners von dem rechtlichen
Besitz eines Anderen ledig sein, und wer aus dem rechtlichen Besitz seiner
Sache gesetzet ist, kann solche bis zu dessen Habhaftwerdung an niemanden
Anderen durch Uebergabe übertragen, wohl aber sein hieran habendes
Eigenthumsrecht abtreten, dahingegen hinderet der natürliche Besitz oder die
bloße Innenhabung eines Anderen die Uebergabe der Sache nicht, wann der
Eigenthümer in deren rechtlichen Besitz befindlich ist, also kann die einem
Dritten geliehene, vermiethete oder verpfändete Sache dessen ohnerachtet an den
Anderen eigenthumlich durch Uebergabe übertragen werden.
[2, 6, § 3] 32. Die Ursache, aus welcher die Uebergabe
geschieht, muß rechtmäßig und zur Uebertragung des Eigenthums hinlänglich sein.
Alle Ursachen sind rechtmäßig, welche durch Unsere Gesatze nicht verboten sind;
jene aber nur zur Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, welche aus Absicht
der Handlung und Einwilligung der Contrahenten darauf gerichtet sind.
[2, 6, § 3] 33. Von dieser Art sind Verkäufe, Tausche,
Darlehen, Schankungen, Theilungen, Zahlungen, Hinlassung an Zahlungsstatt,
Verträge und Vergleiche, Urtheile und Rechtssprüche, und andere Handlungen, die
entweder ihrer Natur nach oder nach der Gesinnung und Absicht der Contrahenten
ohne Uebertragung des Eigenthums nicht geschlossen oder vollbracht werden
können.
[2, 6, § 3] 34. Nicht aber auch eine Vermiethung, Leihung
zum Gebrauch, Hinterlegung zu getreuen Handen, Verpfändung, Bestellung der
Nutznießung oder sonstigen Dienstbarkeit, Vergünstigung einer Sache auf Willkür
und derlei Handlungen, wodurch man Willens ist, nur den Gebrauch, die
Verwahrung, die Sicherheit, oder ein anderes von dem Eigenthum ganz
unterschiedenes dingliches Recht an Jemanden zu übertragen.
[2, 6, § 3] 35. Ist nun die Ursache zu Uebertragung des
Eigenthums hinlänglich, so müssen auch Beide, sowohl der Uebergeber als
Uebernehmer darein willigen, also zwar, daß, aus welcher Ursache von dem Einem
die Sache übergeben wird, aus eben derselben Ursache solche von dem Anderen
übernommen und erworben werden wolle.
[2, 6, § 3] 36. Doch ist der Unterschied zwischen den
Handlungen, wodurch eine vorhin bestandene Verbindlichkeit aufgehoben, und
zwischen jenen, wodurch solche eingegangen wird, oder welche aus bloßer
Freigebigkeit ohne einer hierzu verpflichtenden Ursache herrühren, dabei wohl
in acht zu nehmen.
[2, 6, § 3] 37. Bei ersteren, welche auf die Auflösung der
Verbindlichkeit gerichtet sind, als Zahlungen oder Annehmung an Zahlungsstatt,
ist die beiderseitige Uebereinstimmung des Uebergebers und Uebernehmers in die
nämliche Ursache nicht nothwendig, sondern, obgleich der Uebergeber die Zahlung
aus einer anderen Ursache leistet, und der Uebernehmer solche aus einer anderen
annimmt, bestehet gleichwohl die Uebergabe, und wirket die Uebertragung des
Eigenthums, wann nur die ein- oder anderseitige Ursache wahrhaft und so
beschaffen ist, daß daraus die übergebene Sache und so viel, als gegeben
worden, gebühret habe, obgleich die andere irrig vermeinet gewesen wäre, dann
ansonst, wo keinerseits eine wahre Ursache unterwaltete, kann das aus Irrthum
zur Ungebühr Bezahlte anwiederum zuruckgeforderet werden.
[2, 6, § 3] 38. Dahingegen ist bei allen anderen Handlungen,
in welchen die Uebergabe aus einer verpflichtenden Ursache, um sich den Anderen
verbindlich zu machen, geschieht, als bei Darlehen, Verkaufen, Tauschen, oder
wodurch die Sache aus bloßer Freigebigkeit übergeben wird, als in Schankungen,
die beiderseitige
(2-103) Uebereinstimmung in die nämliche Ursach der
Uebergabe unumgänglich und dergestalten erforderlich, daß in deren Ermanglung
durch die Uebergabe das Eigenthum nicht übertragen werden könne, sondern diese
keine mehrere Wirkung habe, als was der Uebergebende dem Uebernehmenden anmit
zuzuwenden gemeinet gewesen, wann jedoch nachhero die Erklärung des
Uebernehmenden erfolget; daß er die Sache so, und auf die Art, wie der
Uebergebende gesinnet ware, annehmen wolle.
[2, 6, § 3] 39. Erklärete aber der Uebernehmende das
Widerspiel und wollte sich mit der Gesinnung des Uebergebers nicht vereinigen,
so ist sowohl die Uebergabe als die ganze Handlung null und nichtig, und die
Sache als ein bei dem Uebernehmer ohne Ursach befindliches fremdes Gut
anzusehen, welches sofort dem Uebergebenden zuruckgestellet werden solle.
[2, 6, § 3] 40. Wie es jedoch zu halten seie, wann ein
Irrthum entweder in der Person des Uebergebenden, oder dessen, der die Sache
übernimmt, oder in der zu übergeben oder zu übernehmen vermeinten Sache selbst
unterlaufet, ist nach eben denenjenigen Maßregeln zu entscheiden, welche in
dritten Theil, in zweiten Capitel und zweiten Artikel, §. XI von num. 114 bis
119 vorgeschrieben werden.
[2, 6, § 3] 41. Endlich solle auch diese Ursache der
Uebergabe auf die gegenwärtige, nicht aber auf die künftige Zeit gerichtet oder
mit einer aufschiebenden Bedingnuß behaftet sein, widrigens wirket dieselbe die
Uebertragung des Eigenthums nicht ehender, als bis die Zeit angekommen, oder
die Bedingnuß erfüllet ist, solche möge ausdrücklich beigesetzet oder aus
Anordnung Rechtens dabei stillschweigend verstanden sein.
[2, 6, § 3] 42. Eine solche stillschweigende Bedingnuß
unterwaltet bei Uebergaben aus Verkäufen beweglicher Sachen, nämlich, daß der
Kaufer den Preis für die verkaufte Sache bezahle, bis dahin ihme deren
Eigenthum nicht erworben wird, es wäre dann, daß der Verkaufer ihme getrauet,
folglich auf die in dritten Theil, in neunten Capitel, §. VIII, num. 128
ausgemessene Art und Weis das Kaufgeld geborget hätte.
§. IV.
[2, 6, § 4] 43. Eine mit vorbemelten Erfordernussen
versehene Uebergabe wirket ohne weiters bei beweglichen Sachen die Uebertragung
des Eigenthums und des Besitzes an Jenen, deme solche übergeben worden, in
derjenigen Maß des Rechts, welches dem Uebergebenden zur Zeit der Uebergabe an
der Sache zugestanden, wann er sich hieran nichts vorbehalten hat.
[2, 6, § 4] 44. Bei liegenden Gütern oder landtäflichen,
stadt- oder grundbücherlichen Rechten hingegen wird durch die Uebergabe bloß
der natürliche Besitz, nicht aber auch das Eigenthum und der rechtliche Besitz
übertragen, sondern hierzu ist die Verschreibung und Einverleibung der
Uebertragungsursache in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wo das Gut
inlieget, oder das übertragen wollende Recht vorgemerket ist, erforderlich,
ohne welcher kein liegendes Gut oder derlei Recht von Einem auf den Anderen
eigenthumlich übergehen kann.
[2, 6, § 4] 45. Dieses verstehet sich jedoch nur von solchen
Uebergaben und Verschreibungen, welche von ungezweifleten Eigenthümeren
entweder selbst oder von Anderen in ihren Namen geschehen, dann wo etwas von
Jemanden, welcher nicht dessen Eigenthümer ist, dem Anderen übergeben oder
verschrieben würde, kann auch das Eigenthum, welches der Uebergebende oder
Verschreibende nicht hat, an den Anderen anmit nicht übertragen werden.
(2-104) [2, 6, § 4] 46. Sondern in diesem Fall erlanget der
Uebernehmende lediglich die Befugnuß in Hinzutretung der übrigen unten in
achten und neunten Capitel ausgemessenen Erfordernussen die Sache aus Macht und
Gewalt Rechtens entweder sogleich durch Wirkung des guten Glaubens, oder durch
rechtmäßige Verjährung eigenthumlich zu erwerben.
Caput VII.
Von Schankungen.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Schankungen unter Lebenden.
§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit der Schankungen
unter Lebenden. §. II. Von Fähigkeit der Geschenke Gebenden und Annehmenden. §.
III. Von Sachen, welche geschenket werden mögen. IV. Von gerichtlicher
Anmeldung der unmäßigen Schankungen. §. V. Von Wirkungen der Schankungen.§. VI.
Von Widerrufung und Entkräftung der Schankungen unter Lebenden.
§. I.
[2, 7, § 1] Num. 1. Die willkürliche Uebertragung des
Eigenthums geschieht sowohl aus entgeltlicher, als ohnentgeltlicher Ursache,
oder aus bloßer Freigebigkeit durch eine Schankung, Gab oder Verehrung, und zwar
nach Verschiedenheit der Schankungsart entweder mittelst der Uebergabe, oder
auch aus dem alleinigen Willen des Schenkenden ohne besonderer Uebergebung der
geschenkten Sache.
(2-105) [2, 7, § 1] 2. Wo die Uebergabe erforderet wird, ist
die Schankung lediglich die Erwerbungsursache, wie eine jedwede andere auf
Uebertragung des Eigenthums gerichtete Handlung, wo es aber an dem bloßen
Willen des Schenkenden genug ist, bestehet die Erwerbungsart in der Schankung
selbst, wie in Verfolg dieses Capitels mit Mehreren erhellen wird.
[2, 7, § 1] 3. Die Schankungen sind demnach eine bloße
Freigiebigkeit, wodurch Jemanden aus freien ungezwungenen Willen ohne einer
hierzu verpflichtenden Ursache etwas gegeben und verehret wird, und geschehen
entweder unter Lebenden, oder auf den Todesfall.
[2, 7, § 1] 4. Wiezumahlen aber diese zwei Arten in ihrer
Natur, Wesenheit und Wirkung von einander ganz unterschieden sind, so wird auch
gegenwärtiges Capitel in zwei Artikeln abgetheilet, und in deren ersteren von
Schankungen unter Lebenden, in zweiten aber von Schankungen und Uebergaben auf
den Todesfall gehandlet.
[2, 7, § 1] 5. Die Schankungen unter Lebenden haben ihre
Wirkung noch bei Lebzeiten des Schenkenden, und geschehen entweder ganz
ohnbeschränkt, aus bloßen Antrieb der Freigebigkeit und ohnwiderruflich, oder
aber mit Beschränkung auf eine gewisse Zeit und Bedingnuß, oder aus einer
Ursache der eigenen, schon vorhergehenden oder des Anderen sich dabei
ausbedingenden Verbindlichkeit, daß derselbe dagegen etwas gebe oder thue, oder
widerruflich.
[2, 7, § 1] 6. Nur die erstere Art ist eigentlich eine wahre
Schankung, wodurch dieselbe sich von Verträgen und Contracten unterscheidet,
als welche allemal eine verpflichtende Ursache zum Grund haben. Was dahero
nicht aus freien Willen, sondern aus Ursache entweder der eigenen
Verbindlichkeit, oder um sich den Anderen zu etwas verbindlich zu machen,
gegeben wird, ist keine wahre Schankung.
[2, 7, § 1] 7. Die beschränkten Schankungen beziehen sich
entweder auf eine vorhergegangene oder künftige Ursache, welche in einer
beigesetzten Art und Weis, Bedingnuß oder Zeit bestehet.
[2, 7, § 1] 8. Jene, welche aus einer vorhergehenden Ursach
geschieht, wird eine vergeltliche Schankung genennet, weilen in der Absicht
etwas gegeben wird, um anmit die Verdienste des Anderen zu vergelten und zu
belohnen. Eine solche vergeltliche Schankung kann den wahren Schankungen bald
mehr, bald weniger beikommen, nachdeme die Verdienste beschaffen sind, daß
dafür mit Recht etwas geforderet werden könne oder nicht.
[2, 7, § 1] 9. Sind die Verdienste von solcher
Erheblichkeit, daß mit Recht dafür eine Gegenerkenntlichkeit gebühre, ist das
Geschenkte für keine wahre Schankung und Freigebigkeit, sondern vielmehr
gleichsam aus einem stillschweigenden Vertrag für eine schuldige Genugthuung zu
achten.
[2, 7, § 1] 10. Gleichwie in Gegentheil, wo die Bewegursache
zur Schankung nur in Vergeltung bloßer unverfänglicher Gefälligkeiten, oder
erwiederlichen Freundschafts- und Höflichkeitsbezeugungen bestehet, die Natur
einer wahren Schankung deshalben nicht geänderet wird.
(2-106) [2, 7, § 1] 11. Schankungen, welche aus einer
künftigen Ursache unter beigefügter Art und Weis, damit der Andere dagegen
etwas gebe oder thue, sind nur dem Namen nach Schankungen, und haben die Natur
eines wahren Vertrags oder Contracts. Da aber jenes, was dagegen bedungen
worden, nicht erfolgete oder erfüllet würde, so ist sich solchenfals (!) nach
deme zu achten, was in dritten Theil, in zwanzigsten Capitel, §. II, von
Zuruckforderung einer Sache wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben
worden, geordnet wird.
[2, 7, § 1] 12. Desgleichen hat bei Schankungen, welchen
eine gewisse Zeit oder Bedingnuß beigefüget wird, alles Dasjenige statt, was in
dritten Theil, ersten Capitel, §. VII, von der Natur und Wirkung bedingter
Handlungen gemeldet wird.
[2, 7, § 1] 13. Die Schankungen geschehen entweder durch
Zusagen oder durch Uebergaben. Von Zusagen, welche noch kein Recht an der
Sache, sondern, wie andere Verträge und Contracten, bloß ein Recht zur Sache
wirken, wird in dritten Theil, in zweiten Capitel, in ersten Artikel, hier aber
von Schankungen, wodurch sogleich die geschenkte Sache mittelst der Uebergabe
an den Anderen übertragen wird, gehandlet.
[2, 7, § 1] 14. Diese Uebertragung des Eigenthums entstehet
jedoch nicht unmittelbar aus der Schankung unter Lebenden, sondern diese ist
bloß allein eine zu Uebertragung des Eigenthums hinlängliche Erwerbungsursache,
woraus das Eigenthum nicht anderst, als mittelst wirklicher Uebergebung der
geschenkten Sache erworben werden kann. Solange dahero die Uebergabe, oder bei
unbeweglichen Dingen die Verschreibung nicht geschehen ist, bleibet der
Schenkende noch allzeit Eigenthümer, und der Andere hat lediglich ein Recht zur
Sache.
[2, 7, § 1] 15. Zur Wesenheit der Schankung wird der
beiderseitige Willen und die Macht, das Geschenk zu geben und anzunehmen, erforderet. Der Willen muß an Seiten des Schenkenden klar,
deutlich, ungezweiflet, und entweder mündlich oder
schriftlich, oder sonst durch andere zur Ausdruckung der Willensmeinung
genügliche Zeichen erkäret (!) (=erkläret) sein.
[2, 7, § 1] 16. Dann dieser wird keineswegs vermuthet,
sondern muß allemal erwiesen werden, außer denjenigen in diesem Unserem
Gesatzbuch jedweden gehörigen Orts besonders angemerkten Fällen, worinnen eine
derlei Vermuthung statt zu haben ausdrücklich geordnet wird.
[2, 7, § 1] 17. Gleichergestalten muß die Annehmung
Desjenigen, deme etwas geschenket wird, hinzutreten, denn wider Willen kann
Niemand etwas erworben werden, sondern der Schenkende behält bis zur erfolgten
Annehmung die Befugnuß das Geschenk zu widerrufen.
[2, 7, § 1] 18. Es handlete sich dann um Erlassung einer
Schuld oder Nachsicht einer sonstigen Schuldigkeit, wobei es an dem einmal
erklärten Willen des Erlassenden oder Nachsehenden genug ist, daß solcher auch
noch vor erfolgter Annehmung nicht mehr widerrufen werden kann, sondern
derselbe erweislich, es ein für allemal hierbei sein Bewenden haben müsse;
übrigens ist von Beschaffenheit der Annehmung in dritten Theil, in zweiten
Capitel, §. IV, von num. 17 bis 27, das Mehrere nachzulesen.
§. II.
[2, 7, § 2] 19. Die Macht zu schenken hat Jedermänniglich,
der mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befuget ist. Fremde
Sachen aber können ohne hierzu ausdrücklich habender besonderer Vollmacht nicht
verschenket werden.
(2-107) [2, 7, § 2] 20. Doch ist die Schankung einer fremden
Sache, wann die übrige unten in neunten Capitel vorgeschriebene Erfordernussen
hinzustoßen, eine rechtmäßige Ursache, daß solche durch die Verjährung erworben
werden möge.
[2, 7, § 2] 21. Geschenke annehmen können Alle, welche ihren
Willen zu erklären und auszudrucken fähig sind, wann ihnen kein Verbot des
Gesatzes entgegen stehet, wie in gleich Folgenden erwähnt wird.
[2, 7, § 2] 22. Die aber wegen Mangel des Alters oder
Gebrechen des Verstands keiner Einwilligung mächtig sind, anstatt deren haben
Diejenige die denenselben machende Geschenke anzunehmen, die zu ihrer
Vertretung, Obsorge und Pflegung bestellet sind, und da sie solches zu thun aus
ihrer Schuld vernachlässigten, machen sie sich für das, was Jenen entgangen,
verfänglich.
[2, 7, § 2] 23. Wäre jedoch Niemand vorhanden, der zur
Vertretung und Pflegung derlei Personen bestellet wäre, solchen Falls ersetzet
das Gesatz den Mangel ihrer Einwilligung in alles Dasjenige, was zu ihrem
Nutzen und Vortheil gereichet.
[2, 7, § 2] 24. Von dem Gesatz werden die Schankungen
verboten: Erstens, unter Eheleuten über diejenige Maß, welche ihnen im ersten
Theil in der Abhandlung „Von Schankungen unter Eheleuten“ einander zu schenken
zugelassen wird.
[2, 7, § 2] 25. Jene Schankungen aber, welche die Eltern
ihren Kindern machen, diese mögen großjährig oder noch unmündig sein, sind
allerdings rechtsgiltig, insoweit andurch die anderen Kinder in dem ihnen angebührenden
Pflichttheil nicht verkürzet werden, oder die Schankung nicht gefährlicher
Weise zum Nachtheil und Abbruch der treuherzigen Glaubigeren geschieht.
[2, 7, § 2] 26. Wären die Kinder, denen von ihren Eltern
etwas geschenket wird, der Einwilligung in die Annehmung des Geschenkes nicht
fähig, wird solches von dem Gesatz für angenommen gehalten, wann nur der
ausdrückliche Vorsatz und Willen zu schenken entweder durch Zeugen, oder
schriftliche Urkunden klar und ungezweiflet an Tag lieget.
[2, 7, § 2] 27. Gleichermassen (!) können Kinder, wann sie
eigenes Vermögen und dessen freie Verwaltung haben, ihren Eltern Geschenke
geben, wo sie aber noch unmündig oder sonst in der freien Schalt- und Waltung
beschränket sind, ermanglet bei ihnen auch die Macht etwas zu schenken.
[2, 7, § 2] 28. Zweitens ist verboten Richteren und
Obrigkeiten Geschenke zu geben nach Ausmessung dessen, was davon in dritten
Theil, in einundzwanzigsten Capitel, §. XX, „Von Verbrechen“, vorkommt.
Drittens, sind auch die Schankungen Derenjenigen unkräftig,
welche schon zur Zeit der Schankung wegen eines Verbrechens, worauf die
Verwirkung und Einziehung des Vermögens gesetzet ist, angeklaget waren, wann
sie dessen nachhero überführet werden.
§. III.
[2, 7, § 3] 29. Alle Sachen können geschenket werden, welche
handelbar sind, und womit der Schenkende freie Macht und Gewalt hat zu schalten
und zu walten, wann kein Nachtheil der Kinder in Verkürzung ihres
Pflichttheils, oder auch eines Dritten dabei unterwaltet, als da Jemand zu
Hintergehung der Glaubigeren sein Vermögen arglistiger Weise durch Schankungen
schmälern und verstoßen wollte.
(2-108) [2, 7, § 3] 30. Niemanden aber solle ohne Unserer
höchsten Einwilligung erlaubet sein, in Lebszeiten sein samentliches Hab und
Gut, es seie einer oder mehreren Personen zusammen auf einmal, und überhaupt,
oder durch mehrere einzle Schankungen einer Person allein zu verschenken, noch
weniger eine solche Schankung vor Unserer höchsten Bestätigung die mindeste
Kraft und Wirkung haben.
[2, 7, § 3] 31. Wobei Jener, der Unsere Einwilligung und
Bestätigung zu einer solchen von ihme machen wollenden Schankung ansuchen wird,
allemal verläßlich ausweisen solle, daß sein Vermögen frei und unbehaftet,
Niemand, der hiervon nach Unserem Gesatz einen Pflichttheil zu forderen hätte,
vorhanden, oder derselbe bereits abgefertiget, oder mit der Schankung zufrieden
seie, und daß hiernächst er sich von seinem Vermögen so vieles vorbehalte, als
er zu seinem standesgemäßen Unterhalte bedarf.
[2, 7, § 3] 32. Jenen aber, welchen von dem Vermögen des
Schenkenden ein Pflichttheil gebühret, solle eine solche Schankung so wenig,
als seinen Glaubigeren zu einigem Nachtheil gereichen, sondern ihnen allemal
bevorstehen, sich an dem verschenkten Vermögen, wann es gleich schon in Handen
des Geschenknehmers befindlich wäre, soviel davon zu ihrer Befriedigung nöthig
ist, zu halten, dann nur das, was nach bezahlten Schulden erübriget, ist für
geschenkt zu achten.
[2, 7, § 3] 33. Doch erstrecket sich die obschon mit Unserer
Bewilligung geschehene, oder von Uns bestätigte Schankung des samentlichen Hab
und Guts nur allein auf jenes, was der Schankende zur Zeit der Schankung
wirklich in Vermögen hat, das ist, was er zu dieser Zeit entweder eigenthumlich
besitzet, oder rechtmäßig zu forderen hat, folglich auch auf alle Rechten und
Forderungen, mit alleiniger Ausnahme dessen, was er sich namentlich davon
vorbehält.
[2, 7, § 3] 34. Keineswegs aber solle auch das erst nach der
Schankung von ihme künftig erwerbende Vermögen darunter begriffen werden können,
außer es würde etwas, was er in Zukunft anzuhoffen hätte, worüber Verträge
einzugehen in diesem Unseren Gesatz nicht verboten ist, darinnen namentlich und
insonderheit ausgedrucket.
§. IV.
[2, 7, § 4] 35. Außer gleichbemelten, Unserer höchsten
Bewilligung und Bestätigung vorbehaltenen Schankungen des samentlichen Hab und
Guts stehet zwar Jedermann
(2-109) frei von seinem Vermögen, womit er frei zu schalten
und zu walten befugt ist, was er will, an Andere zu verschenken, doch wollen
Wir auch bei Schankungen
(2-110) einzler Sachen oder Summen, welche aus keiner dem
Werth des Geschenks gleichkommenden entgeltlichen Ursache, sondern aus bloßer
Freigiebigkeit herrühren, zu Hintanhaltung alles Mißbrauchs und allerlei dabei
zu unterlaufen pflegenden arglistigen Beredungen und Kunstgriffen folgende Maß
und Ordnung beobachtet haben.
[2, 7, § 4] 36. Liegende Güter und alle landtäflich, stadt-
oder grundbücherlich einverleibte Rechten und Forderungen, in was immer sie
bestehen, und auf was für eine Summe dieselbe sich belaufen mögen, sollen nicht
anderst, als mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, worinnen sie
vorgemerkt sind, verschenket und übergeben werden können.
[2, 7, § 4] 37. Also zwar, daß noch bei Lebzeiten des
Schenkenden die Schankung bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, wo das
verschenken wollende Gut, Recht oder Forderung einverleibet ist, entweder von
ihme selbst, oder in seinen Namen von einem mit besonderer und genugsamer
Vollmacht eigends darzu bestellten Gewalttrager geziemend angemeldet, und die
Einverleibung der Schankung anbegehret, folglich das geschenkte Gut, Recht oder
Forderung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich an den Geschenknehmer
übertragen werden müsse.
[2, 7, § 4] 38. In Widrigen und bis nicht die gerichtliche
Anmeldung geschehen, solle die Schankung nicht die mindeste Kraft haben, und
der Geschenkgeber nicht allein befugt sein, solche zu widerrufen, sondern auch
bei dessen nicht erfolgter Widerrufung, da die gerichtliche Anmeldung von ihme
noch in seinen Lebzeiten unterlassen worden, dessen Erben hieraus zu nichts
verbunden sein, wann gleich der Geschenknehmer die ihme geschehene Schankung
durch Zeugen oder schriftliche Urkunden zu weisen vermögete.
[2, 7, § 4] 39. Bewegliche Sachen und Geldsummen können zwar
insoweit ohne gerichtlicher Anmeldung verschenket werden, als das Geschenk den
Werth von fünfhundert Gulden rheinisch nicht übersteiget, wo es sich aber
darüber beliefe, muß solches von dem Schenkenden bei Gericht angemeldet und
daselbst vorgemerket werden.
[2, 7, § 4] 40. So lange dieses nicht geschieht, bestehet
die Schankung nur für den Betrag von fünfhundert Gulden rheinisch, für das
Mehrere aber ist solche ungiltig, und kann die Uebermasse von dem Geschenkgeber
widerrufen werden, wo aber derselbe solche bei Lebzeiten in der unten
bestimmenden Frist nicht widerrufen hätte, so wird dieselbe durch seinen Tod
bestätiget, und seine Erben haben nicht mehr die Macht, solche zu widerrufen.
[2, 7, § 4] 41. Die Befugnuß eine Schankung wegen nicht
erfolgter gerichtlichen Anmeldung zu widerrufen, daueret bei liegenden Gütern,
und landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderungen solange, als die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Uebertragung an den Geschenknehmer
nicht wirklich vollzogen worden.
[2, 7, § 4] 42. Nicht minder währet solche bei beweglichen
Sachen und Geldsummen in Ansehen der Uebermasse, solange das Geschenk nicht
übergeben worden, ohne Beschränkung einiger Zeit immer
fort. Nach der Uebergabe des Geschenks aber kann die Uebermasse, wann von dem
Tag der Uebergabe die zur Verjährung fahrender Dingen unten in neunten Capitel
ausgemessene Zeit verstrichen, nicht mehr widerrufen, noch weniger von dem
Schenkenden oder dessen Erben zurückgeforderet werden.
[2, 7, § 4] 43. Die gerichtliche Anmeldung von Schankungen
unbeweglicher Sachen hat jederzeit allda zu geschehen, wo das verschenken
wollende Gut, Recht oder Forderung einverleibet ist, von Schankungen
beweglicher Sachen hingegen bei jenem Gerichtsstand, deme der Geschenkgeber zur
Zeit der Schankung unterworfen ist.
[2, 7, § 4] 44. Das Gericht aber hat allemal bei derlei
vorkommenden übermäßigen Schankungen, ehe und bevor dasselbe deren
Einverleibung oder Vormerkung verwillige,
(2-111) von amtswegen darauf zu sehen, ob Jemand vorhanden
seie, deme die Schankung zu einigem Nachtheil gereichen könnte, als da der
Geschenkgeber nothwendige Erben hätte, oder mit Schulden behaftet wäre.
[2, 7, § 4] 45. In diesem Fall, wann das Gericht eine
unterwaltende Verkürzung der Glaubiger oder nothwendigen Erben mit Grund besorgen
könnte, sollen solche allemal vor ertheilender Verwilligung zur Einverleibung
oder Vormerkung der Schankung hierüber vernommen, und da sie eine erhebliche
Ursache ihres Widerspruchs beibringen würden, die Schankung nicht zugelassen
werden.
[2, 7, § 4] 46. Die Nothwendigkeit der gerichtlichen
Anmeldung wird überhaupt bei allen Schankungen, welche liegende Güter, oder die
denenselben gleichkommende Rechten und Forderungen betreffen, oder bei
beweglichen Sachen und Geldsummen den Werth von fünfhundert Gulden übersteigen,
erforderet, also daß dagegen keine Verzicht oder Begebung, wann auch solche
ausdrücklich darauf geschähe, statt haben solle.
[2, 7, § 4] 47. Noch weniger kann der gerichtlichen
Anmeldung ausgewichen werden, wann gleich die verschenkende größere Summe in
mehrere, es seie auf einmal oder nach und nach machende kleinere Schankungen
dergestalten, daß keine insonderheit fünfhundert Gulden betrage, eingetheilet,
doch die ganze Summe an einerlei Person verschenket würde, es wäre dann von der
Zeit einer minderen Schankung bis zur anderen wenigstens ein Jahreslauf
darzwischen verstrichen.
[2, 7, § 4] 48. Eine gleiche Bewandtnuß hat es mit
Verschenkung oder Verleihung gewisser beständiger jährlicher Einkünften, wann
solche zu Capital gerechnet die Ertragnuß von fünfhundert Gulden übersteigen,
welche solchenfalls ebenmäßig gerichtlich angemeldet werden müssen, wo sie
nicht zu Versorgung oder Verpflegung Witwen und Waisen, oder zu Belohnung
geleisteter Dienste abgereichet werden.
[2, 7, § 4] 49. Nur jene Schankungen allein sind von der
gerichtlichen Anmeldung ausgenommen, welche Uns oder von Uns Jemanden gemacht
werden, wie nicht weniger alle vergeltliche Schankungen, worinnen eine soche (=
solche) verdienstliche Ursache, die von dem Geschenknehmer mit Grund vermuthet
werden kann, namentlich und insonderheit ausgedrucket wird.
[2, 7, § 4] 50. Dahingegen rechtfertiget der Ausdruck von
Verdiensten überhaupt, ohne solche zu benennen, in was sie bestanden, die
Uebermasse der Schankung nicht, und da auch solche benennet worden wären,
stehet nichtsdestoweniger Demjenigen, deme daran gelegen ist, frei, bei
unterlassener Anmeldung die Falschheit der angegebenen verdienstlichen Ursache
zu erweisen, und die Uebermasse zuruckzuforderen.
§. V.
[2, 7, § 5] 51. Die Wirkung einer mit allen vorerwähnten
Erfordernussen versehenen Schankung unter Lebenden ist nach dem Unterschied, ob
solche nur in einer Zusage bestehe, oder durch die wirkliche Uebergabe
vollzogen werde, verschieden.
(2-112) [2, 7, § 5] 52. Aus einer Zusage entstehet die dem
Geschenknehmer und seinen Erben wider den Geschenkgeber gebührende Forderung zu
Erfüllung des Versprechens, wovon in dritten Theil, in zweiten Capitel, in
ersten Artikel, §. IV, von num. 28 bis 31 mit Mehreren gehandlet wird.
[2, 7, § 5] 53. Zu dieser Rechtsforderung aus einer Zusage
kann jedoch nur wegen versprochenen Fahrnussen oder Geldsummen geschritten
werden, massen die Schankungen unbeweglicher Sachen vor deren Einverleibung
keine Bündigkeit haben, durch die Einverleibung aber die Schankung schon
vollzogen wird, folglich auch dabei der Fall, wo eine Rechtsforderung zulässig
oder nöthig wäre, sich niemalen ergeben kann.
[2, 7, § 5] 54. Wo aber diese Rechtsforderung statt hat, ist
Kläger nicht befugt wegen Saumsals einige Zinsen von der geschenkten Summe,
noch auch den Ersatz der inmittelst eingehobenen Früchten und Nutzungen von dem
Geschenkgeber anzuforderen, wann solche nicht ausdrücklich mit verschrieben
oder geschenket werden.
[2, 7, § 5] 55. Außerdeme hat er sich mit der Sache allein,
oder da solche aus Schuld oder Zuthat des Geschenkgebers nicht mehr vorhanden
wäre, mit dem gemeinen Werth derselben, wie dieser gerichtlich geschätzet
werden wird, zu begnügen, wo aber die geschenkte Sache durch Zufall zu Grund
gegangen wäre, kann er keine Vergütung dafür anbegehren.
[2, 7, § 5] 56. Es kommt auch über das dem Geschenkgeber die
Rechtswohlthat der Selbstbedurfnuß insoweit zu statten, daß er zu nichts
Mehreren, als was er füglich leisten mag, verhalten werden könne, und ihme
allemal, wann er nicht so vieles in seinem Vermögen erübriget, als er zu seinem
standesgemäßen Unterhalt bedarf, der hierzu nöthige Betrag von dem geschenkten
Gut zum lebenslänglichen Genuß gelassen werden müsse, obschon das Eigenthum dem
Geschenknehmer hieran zu versicheren ist.
[2, 7, § 5] 57. Durch die Uebergabe der geschenkten Sache
wird das Eigenthum derselben, oder da der Geschenkgeber kein Eigenthümer
gewesen wäre, sondern solche nur mit guten Glauben besessen hätte, die Befugnuß
selbe durch rechtmäßige Verjährung zu erwerben an den Geschenknehmer mit allen
Rechten und Befugnussen, welche dem Schenkenden hieran zugestanden, übertragen,
außerdeme, was sich dieser hiervon ausdrücklich vorbehalten hätte.
[2, 7, § 5] 58. Ein Mehreres jedoch, als geschenket worden,
ist der Geschenknehmer anzubegehren keineswegs berechtigt, und keine Schankung
kann auf jenes, was darinnen nicht namentlich ausgedrücket worden, ausgedeutet
werden.
[2, 7, § 5] 59. Dagegen gehet auch die geschenkte Sache mit
allen ihren Hoffnungen, womit sie einem Dritten verfangen ist, auf den
Geschenknehmer, und bleiben einem Dritten seine an der Sache habende Ansprüche
unbenommen, ohne daß der Schenkende dem Geschenknehmer deshalben zu einer
Vertretung oder Gewährsleistung verbunden wäre, außer denenjenigen in dritten
Theil, in neunten Capitel, §. XII, num. 174, besonders ausgenommenen Fällen.
[2, 7, § 5] 60. Wo aber die geschenkte Sache nicht
insonderheit behaftet wäre, können
(2-113) die Glaubigeren des Geschenkgebers, welchen derselbe
schon zur Zeit der Schankung verstricket ware, solche nur allein in jenem Fall
in Anspruch nehmen, wann sie zu erweisen im Stande sind, daß schon zu dieser
Zeit das Vermögen des Schenkenden zu ihrer völligen Befriedigung nicht
zulänglich ware. Außer deme kann keine zu Recht bestehende unwiderrufliche
Schankung oder Zusage von den Glaubigeren des Geschenkgebers entkräftet werden.
§. VI.
[2, 7, § 6] 61. Eine rechtsgiltig gemachte Schankung unter
Lebenden, sie geschehe durch Zusage oder Uebergabe, kann ohne rechtsmäßiger
Ursache nicht mehr widerrufen werden; es giebt aber Fälle, in welchen wegen
gewisser Ursachen eine zu Recht bestehende Schankung entweder zum Theil, oder
ganz widerrufen werden mag.
[2, 7, § 6] 62. Zum Theil kann die Widerrufung aus zweierlei
Ursache geschehen, als erstens, wegen nachhero erfolgender großen Armuth und
Dürftigkeit des Geschenkgebers, also, daß es ihme an anderweiten nöthigen
Lebensunterhalt gebreche, in welchem Fall nicht allein demselben vor der
Uebergabe die Rechtswohlthat der Selbstbedurfnuß, wie es bereits oben geordnet
worden, zu statten kommet, sondern er hat auch nach der Uebergabe, wann er all
sein Vermögen, oder doch einen beträchtlichen Theil desselben an Jemand
verschenket hätte, Fug und Macht, seinen nach Maß der Ertragnuß des geschenkten
Guts durch richterliche Ausmessung bestimmenden Unterhalt von dem
Geschenknehmer anzuverlangen.
[2, 7, § 6] 63. So sich aber auf kleinere Schankungen, wann
auch durch solche, da sie nicht an eine, sondern an mehrere Personen geschehen,
das Vermögen erschöpfet worden wäre, nicht erstrecket.
[2, 7, § 6] 64. Zweitens, wegen Verkürzung des
Pflichttheiles derenjenigen Personen, welchen solcher nach der unten in
vierzehenten Capitel folgenden Ausmessung
(2-114) gebühret, wann gleich die Schankung Einem aus ihnen
geschehen wäre, wodurch aber die Uebrigen in ihrem Antheil verkürzet würden.
[2, 7, § 6] 65. Um jedoch eine Verkürzung des Pflichttheils
mit Bestand behaupten zu können, muß der Vermögensstand des Geschenkgebers nach
zweierlei Zeitpunkten betrachtet werden, als zur Zeit der Schankung und zur
Zeit des Tods.
[2, 7, § 6] 66. Es muß dahero erweislich sein, daß die
Schankung schon zur Zeit als sie geschehen, unpflichtmäßig gewesen seie, also,
daß der Geschenkgeber von seinem Vermögen nicht so viel übrig behalten, als
hiervon mit Einrechnung des verschenkten Guts zum Pflichttheil gebühret hätte.
[2, 7, § 6] 67. Ferners solle nicht weniger dargezeiget
werden können, daß die Schankung auch zur Zeit seines Tods noch unpflichtmäßig,
und nach ihme nicht so vieles zuruckgeblieben sei, als was der von dem
Verlassenen und Verschenkten in eine Summe zusammengerechneten Guts ausfallende
Pflichttheil betraget.
[2, 7, § 6] 68. Wann aber zur Zeit der Schankung keine
Verkürzung des Pflichttheils erweislich ist, obschon der Geschenkgeber nach der
Zeit, es seie durch Zufall, oder aus eigener Schuld um sein Vermögen gekommen
wäre, und nicht so vieles hinterließe, als damals, da die Schankung geschehen,
auf den Pflichttheil ausgefallen sein würde, kann die Schankung wegen Unpflichtmäßigkeit
nicht angefochten werden.
[2, 7, § 6] 69. Gleichwie, wo in Gegentheil die Schankung
zwar zur Zeit, als solche geschehen, unpflichtmäßig gewesen wäre, nachhero aber
die Vermögensumstände des Geschenkgebers sich dergestalten verbesseret hätten,
daß er gleichwohlen so vieles hinterließe, als der Pflichttheil zur Zeit der
Schankung, wann das verschenkte Gut in das Vermögen mit eingerechnet worden
wäre, betragen hätte, die Schankung nicht weniger unwiderruflich bestehet.
[2, 7, § 6] 70. Wo aber mehrere Schankungen gemacht, und der
Pflichttheil andurch verkürzet worden wäre, ist darauf zu sehen, ob sie alle zu
einer Zeit zusammen, oder nach und nach geschehen. Ersteren Falls unterliegen
alle der Widerrufung für denjenigen Theil, welcher nach Maß einer jedweden
Schankung zur Ergänzung des Pflichttheils abfallet, anderen Falls aber solle
die Ergänzung des Pflichttheils nur von denen letzteren erholet werden, wodurch
derselbe verkürzet worden, doch also, daß das Vermögen, wie es zur Zeit der
letzteren Schankung gewesen, gerechnet, und die ersteren Schankungen nicht mit
einbezogen werden sollen.
[2, 7, § 6] 71. Es haben demnach Jene, die eine Schankung
wegen verkürzten Pflichttheils zum Theil widerrufen wollen, nicht allein die
Unpflichtmäßigkeit sowohl zur Zeit der Schankung, als
zur Zeit des Tods, sondern auch, daß ihnen der Pflichttheil wirklich gebühre,
zu erweisen.
[2, 7, § 6] 72. Dann, wo sie entweder bei Lebzeiten des
Geschenkgebers allschon abgefertiget, oder aus einer erweislichen erheblichen
Ursache von ihme enterbet worden wären, oder selbst so viel Vorempfangenes in
die Verlassenschaft einzubringen hätten, was ihren Pflichttheil erreichete,
können dieselbe über keine Unpflichtmäßigkeit der Schankung klagen.
[2, 7, § 6] 73. Der Betrag des Pflichttheils aber, wann
solcher durch die Schankung verkürzet worden wäre, ist nach Maß des verlassenen
und verschenkten Guts, also daß beides in eines zusammengerechnet, und der
Pflichttheil davon abgezogen werde, auszumessen. Als da z. B. Jemand
dreitausend Gulden bei Lebzeiten verschenket und
eintausend Gulden nach seinem Tod verlassen hätte, ist das Vermögen auf
viertausend Gulden anzusetzen, und der Pflichttheil hiernach zu bestimmen.
[2, 7, § 6] 74. Doch allemal in dem obigen Verstand, daß der
Geschenkgeber weder zur Zeit der Schankung in seinem Vermögen so vieles
erübriget, noch auch nach der Zeit erworben und verlassen hätte, was den
Pflichttheil nach seinem damaligen Vermögensstand, wie solcher zur Zeit der
Schankung gewesen, betragen hätte, maßen in widrigen so ein als anderen Falls
nur auf das, was wirklich verlassen
(2-115) wird, nicht aber auch auf das, was verschenket
worden, oder zu dieser Zeit vorhanden gewesen, in Berechnung des Pflichttheils
gesehen werden solle.
[2, 7, § 6] 75. Die Klage wegen Unpflichtmäßigkeit der
Schankung gehet also nur auf die Widerrufung dessen, was zu Ergänzung des vorerwähnter Maßen berechneten Pflichttheils abgehet. In
Uebrigen bleibet die Schankung bei Kräften.
[2, 7, § 6] 76. Und da der Pflichttheil nicht ehender, als nach
dem Tod dessen, der solchen zu verlassen schuldig ist, gebühret, so folget auch
von selbsten, daß die Widerrufung der Schankung wegen Unpflichtmäßigkeit
insgemein erst nach dem Tod des Geschenkgebers angestrenget werden könne.
[2, 7, § 6] 77. Es unterwaltete dann eine offenbare
Verkürzung nothwendiger Erben, als da Jemand den größten Theil seines Vermögens
verschenket hätte, welchen Falls ihnen allerdings unverwehret sein solle auch
noch bei seinen Lebzeiten um die Ausmessung und Sicherstellung ihres Pflichttheils
einzukommen, folglich von dem verschenkten Gut so vieles, als zu dessen
Ergänzung nöthig ist, zuruckzuforderen.
[2, 7, § 6] 78. Die Befugnuß der Widerrufung aber höret auf,
wann entweder die nothwendige Erben in die Schankung eingewilliget haben, oder
von dem Absterben des Geschenkgebers drei Jahr und achtzehen Wochen verflossen
sind, ohne solche bei Gericht angebracht zu haben.
[2, 7, § 6] 79. Ganz kann eine Schankung unter Lebenden nur
allein wegen nachher erzeugter Undankbarkeit des Geschenknehmers gegen den
Schenkenden widerrufen werden.
[2, 7, § 6] 80. Damit aber nicht von der alleinigen Willkür
des Geschenkgebers abhange Alles, was nicht nach seinem Sinn und Geschmack ist,
für eine Undankbarkeit auszudeuten, und unter allerlei Vorwand rechtsgiltige
Schankungen zu widerrufen, so bestimmen Wir die Undankbarkeit auf folgende
Fälle, wegen welcher allein, und keiner anderen Ursachen die Widerrufung der
Schankung zulässig sein solle, als:
[2, 7, § 6] 81. Erstens, wann der Geschenknehmer dem Schenkenden
an seinem Vermögen gefährlicher und arglistiger Weise einen merklichen Schaden
zufügete. Zweitens, wann er denselben mit großer Schmach an seinen Ehren
antastete, ihme übel nachredete, oder gar durch Verkleinerung und
Verunglimpfung bei Anderen ihn um seinen Dienst und Amt gebracht hätte.
Drittens, wann er ihn an seinem Leib boshafter und vorsätzlicher Weise
verletzete, verwundete, vergewaltigete, oder gefangen hielte. Viertens, wann er
seinem Leben entweder selbst gefährlich nachstellete, oder aus eigener
Veranlassung ihme eine Lebensgefahr zuziehete. Fünftens, wann er seinerseits
Dasjenige, was ihme bei der Schankung durch Beding eingebunden worden, nicht
verrichtet, erfüllet oder gehalten hätte.
[2, 7, § 6] 82. Um also eine Schankung wegen Undankbarkeit
widerrufen zu können, muß eine von diesen gleich vorstehenden Ursachen bei
Gericht angebracht, rechtsgenüglich erwiesen und nach Vernehmung des
Gegentheils durch richterlichen Spruch und Urtheil für hinlänglich anerkannt
werden.
[2, 7, § 6] 83. Es muß aber aus den ersteren vier Ursachen
die Widerrufungsklage von dem Geschenkgeber noch in seinen sowohl, als des
Geschenknehmers Lebszeiten, und zwar längstens binnen einem Jahr von Zeit der
begangenen Undankbarkeit an zu rechnen eingebracht, oder doch wenigstens, da er
unter dieser Jahrszeit verstürbe, die Schankung vor Zeugen, oder in seinem
letzten Willen widerrufen, und nach seinem Tod die Undankbarkeit von seinen
Erben rechtsbehörig erwiesen werden. Es wäre dann der Geschenkgeber entweder
durch Blödsinnigkeit oder Krankheit, oder, weilen er in der Gefahr umgekommen,
die Schankung zu widerrufen außer Stande gesetzet gewesen, in welchem Fall auch
dessen Erben gleichfalls binnen einem Jahr von Zeit der begangenen
Undankbarkeit solche widerrufen können.
[2, 7, § 6] 84. Widrigens, und da die Widerrufung von ihme,
wo er sie thun könne,
(2-116) binnen obbemelter Frist annoch in Beider Lebszeiten
auf eine oder die andere Art geschehen zu sein nicht erweislich wäre, können
nach dem Tod des Geschenkgebers seine Erben die Widerrufungsklage nicht mehr
anstrengen, noch auch von dem Geschenkgeber selbst die Erben des
Geschenknehmers deshalben angefochten werden, sondern durch das Stillschweigen
des Geschenkgebers wird nach seinem Tod die Unbild für erlassen geachtet, und
das Verbrechen des Erblassers kann an dessen Erben nicht gestrafet werden.
[2, 7, § 6] 85. Nicht weniger solle nach Verlauf eines
Jahres von Zeit der begangenen Undankbarkeit, wann binnen solchen die
Widerrufung nicht geschehen, die Widerrufungsklage für verschwiegen, und die
Unbild eben also für erlassen gehalten werden, als ob solche ausdrücklich
verziehen und nachgesehen worden wäre, dahingegen hat die Verzicht auf die
Widerrufung wegen künftig begehender Undankbarkeit nicht die geringste Wirkung,
und behinderet die Widerrufungsklage nicht.
[2, 7, § 6] 86. Wegen der letzteren Ursache aber, da das
Beding, unter welchem etwas geschenket wird, von dem Geschenknehmer nicht
erfüllet oder gehalten worden, kann, solange das Beding nicht vollzogen ist,
sowohl von den Erben des Geschenkgebers, als wider die Erben des
Geschenknehmers auf die Erfüllung des Bedings oder Zuruckstellung des gegebenen
Guts geklaget werden.
[2, 7, § 6] 87. Daferne aber der Geschenknehmer bereits das
Beding zu erfüllen angefangen, oder sonst Mühe und Unkosten darauf gewendet
hätte, und nachhero aus einer erheblichen Ursache davon abstünde, so solle er
von dem geschenkten Gut so vieles zu seiner Entschädigung für sich
zuruckzubehalten befugt sein, als er auf die Erfüllung des Bedings verwendet zu
haben erweisen, und ihme hieran nach richterlichen Befund zugesprochen werden
wird, woferne er aber, ohne eine genügliche Ursache seines Abstands anführen zu
können, das Beding nicht erfüllen wollte, gebühret ihm solchen Falls keine
Entschädigung.
[2, 7, § 6] 88. Wohingegen nach gänzlich erfüllter oder auch
vorhergegangener Ursache, wegen welcher etwas geschenket wird, als da zur
Vergeltung oder Belohnung geleisteter Diensten etwas gegeben würde, das
Geschenkte wegen nachheriger Undankbarkeit, selbe möge noch so groß sein, nicht
mehr widerrufen werden kann.
[2, 7, § 6] 89. Da aber das geschenkte Gut aus einer deren
vorhergehenden vier Ursachen der Undankbarkeit widerrufen würde, ist der
Geschenknehmer hieran nichts Mehreres zuruckzustellen schuldig, als was zur
Zeit der eingebrachten Klage, es seie von der Sache selbst, oder von den
abgefallenen Nutzungen bei ihme noch wirklich vorhanden ist.
[2, 7, § 6] 90. Wogegen ihme Jenes, was er hierauf aus
seinem Eigenen zur beharrlichen Erhaltung oder mehreren Benutzung der Sache
erweislich aufgewendet, insoweit hieraus dem Geschenkgeber ein Nutzen zugehet,
ersetzet und vergütet werden muß.
[2, 7, § 6] 91. Was er jedoch mittlerweil davon veräußeret,
verthan oder verzehret hat, dessen Ersatz kann von Demselben nicht mehr
zuruckverlanget werden.
[2, 7, § 6] 92. Und gehet das geschenkte Gut in demjenigen
Stand, wie es zur Zeit der eingebrachten Widerrufungsklage ist, mit allen von
dem Geschenknehmer darauf gemachten Haftungen und Pfandsverschreibungen auf den
Geschenkgeber zuruck.
[2, 7, § 6] 93. Es seie dann, daß der Geschenknehmer nach
gleich begangener Undankbarkeit, oder doch in Absicht, und mit dem Vorsatz
solche zu begehen, das geschenkte Gut geflissentlich veräußeret
oder mit Haftungen beschweret hätte.
[2, 7, § 6] 94. In welchem Fall es also zu halten ist, wie
es oben in dritten Capitel, §. III von num. 49 bis 54 von Jenen, die sich zu
Verkürzung des Klägers gefährlicher Weise des Besitzes einer Sache entledigen,
geordnet worden.
[2, 7, § 6] 95. Dahingegen solle wegen nachhero erzeugter
eheleiblicher Kinder keine Schankung anderer gestalt ganz aufgelöset und
aufgehoben werden können, als
(2-117) wann solches von dem Geschenkgeber bei der Schankung
ausdrücklich ausbedungen worden.
[2, 7, § 6] 96. Doch solle das auf eheleibliche Kinder
lautende Beding auch jenen Kindern zu statten kommen, die zwar vor oder nach
der Schankung außer der Ehe erzeuget, nachgehends aber durch die nachgefolgte
Ehe rechtmäßig worden.
[2, 7, § 6] 97. Nicht weniger erstrecket sich dieses Beding
auch auf die Enkeln, und weitere rechtmäßig Abstammende von denen allenfalls
vor Widerrufung der Schankung vorgestorbenen Kindern.
[2, 7, § 6] 98. Dahingegen kann die von Uns ausgewirkte
Rechtmäßigung unehelicher Kinder, wann selbe gleich von dem Vater selbst
angesuchet worden wäre, so wenig, als die nachherige Kindsanwünschung die
vorhin rechtsgiltig geschehene Schankung in mindesten entkräften.
[2, 7, § 6] 99. Nur allein die Ueberkommung eheleiblicher,
oder durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gemachter Kinder wirket so vieles,
daß, wo solches bedungen worden, die vorhergeschehene Schankung durch das Recht
selbst anwiederum aufgelöset werde, und das geschenkte Gut in demjenigen Stand,
wie es zur Zeit der Uebergabe gewesen, mit allen seinen Zugängen, und
mitlerweil (!) (= mittlerweil) davon behobenen Früchten und Nutzungen (doch
gegen Vergütung des erweislichen nothwendigen oder nutzlichen Aufwands) sowohl
von dem Geschenkgeber, als seinen Kindern zuruckgeforderet werden könne,
obgleich der Vater solche bei Lebszeiten nicht widerrufen hätte.
[2, 7, § 6] 100. Die Befugnuß, das Geschenkte
zuruckzubegehren, daueret an Seiten deren Kindern durch drei Jahr und achtzehen
Wochen von dem Absterben des Geschenkgebers; es hätte dann derselbe vor oder
nach erzeugten Kindern sich des Rechts, die Schankung widerrufen zu mögen,
ausdrücklich begeben, und darauf namentlich Verzicht gethan, in welchem Fall
die Kinder ebenso, als ob niemalen ein dergleichen Beding der Schankung
beigefüget gewesen wäre, nur so vieles zuruckzuforderen berechtiget sind, als
zur Ergänzung ihres Pflichttheils erweislich abgehen würde.
[2, 7, § 6] 101. Wo aber die Kinder vor dem Vater, ehe und
bevor derselbe die Schankung widerrufen hätte, verstorben, ist zu
unterscheiden, ob die Schankung unbeweglicher Güter bereits landtäflich, stadt-
oder grundbücherlich einverleibet, und geschenkte Fahrnussen dem Geschenknehmer
schon übergeben worden, oder die Schankung noch zur Zeit in einer bloßen Zusage
bestehe.
[2, 7, § 6] 102. Ersteren Falls, wann bei Lebszeiten der
Kinder die Widerrufung nicht geschehen, noch auch einige weitere Abstammende
von ihnen vorhanden, kann nach deren Absterben die Schankung nicht mehr
widerrufen werden, sondern dieselbe ist durch das Stillschweigen des
Geschenkgebers für neuerdings bestätiget zu halten.
[2, 7, § 6] 103. Letzteren Falls hingegen, wo die Schankung
in einer bloßen Zusage bestehet, kommt dieselbe auch nach Absterben der Kinder
nicht mehr zu Kräften, obschon der Geschenkgeber sie ausdrücklich nicht
widerrufen hätte, und kann nur durch eine nach Ableben der Kinder wiederholte
Erneuerung des Versprechens zu ihrer vorigen Kraft und Bündigkeit gelangen.
[2, 7, § 6] 104. Um damit jedoch auch auf dem Fall, wo die
Schankung durch Ueberkommung eheleiblicher Kinder aufgelöset wird, dem
Geschenknehmer die Gelegenheit verschränket werde, bis zur Zeit der
eingebrachten Widerrufungsklage das geschenkte Gut zu verthun oder zu
veräußeren, und solchergestalten die auf das Beste der Kinder abzielende
Vorsehung Unseres Gesatzes zu vereitlen, so solle dem Geschenkgeber freistehen,
gleich bei erweislicher nächsten Hoffnung überkommender eheleiblicher Kinder
das verschenkte Gut vorsichtsweise mit gerichtlichen Kummer und Verbot zu
belegen, auf daß solches in demjenigen Stand, worinnen es sich damals befindet,
mit allen von dieser Zeit davon abfallenden Nutzungen unverruckt erhalten
werde.
(2-118) Zweiter Artikel.
Von Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall.
§. VII. Von der Natur und Unterschied der Schankungen und
Uebergaben auf den Todesfall. §. VIII. Von Fähigkeit deren auf den Todesfall
Uebergebenden und Annehmenden. §. IX. Von Wirkung der Schankungen und
Uebergaben auf den Todesfall. §. X. Von deren Widerrufung und Entkräftigung.
§. VII.
[2, 7, § 7] 105. Die Schankung oder Uebergabe auf den
Todesfall ist eine Handlung, wodurch Jemand in Betrachtung der Sterblichkeit
sein Gut dem Anderen auf den Fall, da er Todes verfahren würde, schenket und
übergiebt.
[2, 7, § 7] 106. Diese Art der Schankung kommt theils der
Natur der Contracten, theils den Vermächtnussen bei, und obschon dieselbe
insgemein eine Uebergabe auf den Todesfall genennet wird, so ist doch diese
Benamsung nicht in dem Verstand zu nehmen, als ob das Eigenthum des auf diese
Art geschenkten Guts nicht anderst, als eben also, wie bei Schankungen unter
Lebenden, mittelst der leiblichen Uebergabe auf den Geschenknehmer übertragen
werden könne, sondern weilen nach erfolgten Tod des Geschenkgebers, wann die
Schankung von ihme nicht widerrufen
(2-119) worden, das Eigenthum des geschenkten Guts sofort
aus dessen unveränderten Willen auf den Geschenknehmer ohne weiterer Uebergabe
übergehet, und auf diesen Fall der Willen des Geschenkgebers die Uebertragung
des Eigenthums eben also, wie die Uebergabe bei Schankungen unter Lebenden, wirket.
[2, 7, § 7] 107. Es ist demnach die Schankung oder Uebergabe
auf den Todesfall für sich selbst eine Erwerbungsart des Eigenthums, und
unterscheidet sich andurch von einer Schankung unter Lebenden, welche nur eine
hinlängliche Ursache zur Erwerbung des Eigenthums ist, solches aber für sich
allein ohne Uebergabe oder Ueberlieferung des geschenkten Guts auf den
Geschenknehmer nicht übertragen kann.
[2, 7, § 7] 108. Diese beiden Arten der Schankung
unterscheiden sich außerdeme vornehmlich in ihrer Wirkung, welche die Schankung
unter Lebenden noch bei Lebszeiten des Geschenkgebers, die Schankung und
Uebergabe auf den Todesfall hingegen nicht ehender, als nach dessen Absterben erlanget.
[2, 7, § 7] 109. Doch muß eine Schankung und Uebergabe auf
den Todesfall ausdrücklich auf den Tod des Geschenkgebers gerichtet, und dessen
darinnen entweder überhaupt oder einer bevorstehenden Todesgefahr insonderheit
und dergestalten gedacht werden, dass außer der Betrachtung der Sterblichkeit
die Schankung nicht geschehen wäre.
[2, 7, § 7] 110. In widrigen, und da nicht der Willen zu
schenken, sondern nur die Erfüllung der Schankung bis nach Absterben des
Geschenkgebers, oder eines Dritten verschoben, oder die Unwiderruflichkeit der
Schankung ausdrücklich beigesetzet würde, oder sonst der Inhalt der Schankung
zweifelhaft wäre, ist eine solche Handlung allemal für eine Schankung unter
Lebenden zu halten, deren Erfüllung auf den Todesfall verschoben worden.
[2, 7, § 7] 111. Es muß auch ferners das auf den Todesfall
Verschenkete des Schenkendes eigenes Gut, Recht oder Forderung sein, dann,
woferne derselbe eine Dritten beschweren würde, nach seinem Tod dem Anderen
etwas zu geben, ist es keine Schankung, sondern eine Art von letztwilligen
Anordnungen und Vermächtnussen, wovon seines Orts gehandlet wird.
[2, 7, § 7] 112. Mit Vermächtnussen kommt zwar die Schankung
und Uebergabe auf den Todesfall in deme überein, daß beide erst durch den Tod
bestätiget, und in beiden das Eigenthum übertragen werde, sie unterscheiden
sich aber dadurch, daß Vermächtnussen nicht anderst, als durch Testamenten oder
Codicillen, die Schankungen aber für sich ohne denenselben geschehen können,
dann, daß erstere von Giltigkeit der letztwilligen Anordnung, worinnen sie
verschaffet worden, abhangen, letztere aber auch ohne derselben bestehen.
[2, 7, § 7] 113. Nicht weniger, daß bei Vermächtnussen eine
beigefügte, unerlaubte oder unmögliche Bedingnuß für nicht beigefügt geachtet
werde, folglich die Vermächtnuß nichtsdestoweniger giltig verbleibe, die
Schankungen auf den Todesfall hingegen nach der Natur der Contracten auszulegen
und auszudeuten sind, mithin auch durch die beigefügte unerlaubte oder
unmögliche Bedingnuß vernichtet werden.
[2, 7, § 7] 114. Endlich, daß Vermächtnussen nach Willkür
des Erblassers widerrufen werden können, Schankungen und Uebergaben auf den
Todesfall hingegen durch die Annehmung des Geschenknehmers unwiderruflich
werden, und andurch, wie Handlungen unter Lebenden, ihre vollkommene
Bindungskraft erhalten, wann der Geschenkgeber die Macht, solche zu widerrufen,
sich nicht vorbehalten hat.
[2, 7, § 7] 115. Erfolgete aber die Annehmung des
Geschenknehmers nicht, als da die Schankung oder Uebergabe auf den Todesfall
einem Abwesenden oder Unwissenden gemacht, und nicht widerrufen worden wäre, bestehet
sie gleichwohlen in Kraft einer Vermächtnuß, wann sie sonst die hiernach
ausgemessene Erfordernussen hat.
[2, 7, § 7] 116. Die Schankungen und Uebergaben auf den
Todesfall geschehen entweder durch Zusagen oder durch wirkliche Uebergaben,
also daß von dem Geschenkgeber
(2-120) noch bei seinen Lebszeiten das auf den Todesfall
geschenkte Gut entweder unter einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingnuß
übergeben werde.
[2, 7, § 7] 117. Unter einer auflösenden Bedingnuß geschieht
solches, wann sogleich das Eigenthum des geschenkten Guts an den Geschenknehmer
auf Widerrufen, und gegen dessen Zuruckstellung, wann der Geschenkgeber der
Todesgefahr, wegen welcher er die Schankung gethan, entgangen sein würde,
übertragen wird.
[2, 7, § 7] 118. Eine aufschiebende Bedingnuß der Schankung
hingegen ist, wann die Uebertragung des Eigenthums erst bis nach Absterben des
Geschenkgebers verschoben wird, dann wo es gleich noch bei seinen Lebszeiten
unwiderruflich übertragen würde, ist es keine Uebergabe auf den Todesfall,
sondern eine Schankung unter Lebenden.
[2, 7, § 7] 119. Um damit aber auch bei Schankungen und
Uebergaben auf den Todesfall, sie geschehen durch Zusagen oder wirkliche
Ueberlieferung des geschenkten Guts, zu Hintanhaltung alles besorglichen
Unterschleifes und arglistiger Kunstgriffen eine gewisse Maß und Ordnung
beobachtet werde, so wollen und ordnen Wir hiermit, daß bei Schankungen und
Uebergaben auf den Todesfall, wann sie Fahrnussen betreffen und fünfhundert
Gulden nicht übersteigen, der Geschenkgeber allemal in Gegenwart wenigstens
zweier untadelhafter Zeugen, oder durch seine ungezweiflete eigene Handschrift,
also, daß an der alleinigen Unterschrift nicht genug seie, sondern der ganze
Inhalt der Schankung von ihme mit seiner eigenen Hand geschrieben sein müsse,
oder vor Gericht seine Willensmeinung erklären, widrigens die Schankung null
und nichtig sein solle.
[2, 7, § 7] 120. Würden sie aber fünfhundert Gulden an Werth
übersteigen, so solle nicht weniger, als oben von Schankungen unter Lebenden
geordnet worden, zur Giltigkeit der Uebermaß die gerichtliche Anmeldung und
Vormerkung der Schankung noch bei Lebszeiten des Geschenkgebers hinzutreten,
außerdeme hingegen die Schankung, wann sie sonst vor zweien Zeugen geschehen,
oder mit seiner Handschrift erweislich ist, nur bis auf fünfhundert Gulden
bestehen können und für die Uebermasse ungiltig sein.
[2, 7, § 7] 121. Wann jedoch liegende Güter, landtäfliche,
stadt- oder grundbücherliche Rechten und Forderungen auf den Todesfall
verschenket werden wollen, solle solches bei Nichtigkeit der Schankung nicht
anderst, als durch eine ordentliche Verschreibung mit der Landtafel, Stadt-
oder Grundbüchern, wo das verschenkte Gut inlieget, oder das Recht oder die
Forderung vorgemerket ist, und zwar noch bei Lebszeiten des Geschenkgebers,
welcher die Einverleibung der Schankung selbst anzubegehren hat, und in
Gegenwart des Geschenknehmers, welcher entweder selbst, oder durch einen darzu
Bevollmächtigten seine Einwilligung und Annehmung der Schankung vor Gericht zu erklären
hat, geschehen können.
[2, 7, § 7] 122. Endlich solle Niemanden gestattet sein, das
samentliche Hab und Gut auf den Todesfall anderer gestalt, als vor Gericht, und
bloß allein unter aufschiebender, keinerdings aber unter auflösender Bedingnuß
zu verschenken und zu übergeben.
[2, 7, § 7] 123. Und da unter dem Vermögen auch liegende
Güter, landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten und Forderungen
begriffen wären, muß über das die vorher angeordnete landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Verschreibung, ohne welcher derlei Güter, Rechten und
Forderungen nicht übertragen werden können, von dem Geschenkgeber vollzogen
werden.
[2, 7, § 7] 124. Ohne diesen vorgeschriebenen Erfordernussen
kann keinerlei Schankung oder Uebergabe auf den Todesfall rechtsgiltig
bestehen, es wäre dann, daß der Geschenkgeber in seiner letztwilligen
Anordnung, die an sich rechtsbeständig ist, eine solche mangelhafte Schankung
nochmalen wiederholet und bestätiget hätte, in welchem Fall dieselbe auch in
Abgang obiger Erfordernussen in der Form und Gestalt einer Vermächtnuß bei
Kräften erhalten wird, aber daß derselbe die Uebermasse
(2-121) der mit zweien Zeugen, oder mit seiner eigenen
Handschrift erweislichen Schankungen von Fahrnussen, welche fünfhundert Gulden
übersteigen, bei Lebszeiten nicht widerrufen, sondern solche mit der
Beharrlichkeit seines Willens bis zu seinem Tode bekräftiget hätte.
§. VIII.
[2, 7, § 8] 125. Alle haben Fug und Macht, auf den Todesfall
zu schenken und zu übergeben, die über ihr Hab und Gut letztwillig zu ordnen
und mit ihren Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt sind, gleichwie
auch Jedermänniglich Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall geschehen
mögen, deme durch letztwillige Anordnungen etwas vermachet und verschaffet
werden kann.
[2, 7, § 8] 126. Auch unter Eheleuten bestehen Schankungen
und Uebergaben auf den Todesfall in derjenigen Maß, wie solche in ersten Theil
in der Abhandlung von Schankungen unter Eheleuten bestimmet worden.
[2, 7, § 8] 127. Die Schankungen und Uebergaben auf den
Todesfall können nicht nur Einem allein, sondern auch Mehreren entweder nach
und nach, also, daß wo der Erstere den Geschenkgeber nicht überlebete, solche
dem Anderen zufallen sollen, oder Allen zusammen geschehen.
[2, 7, § 8] 128. In ersteren Fall ist es eine Art der
Nachberufung, wovon unten in dreizehenten Capitel gehandlet werden wird. In
letzteren Fall hingegen gehet der durch Abgang des einen Geschenknehmers vor
dem Geschenkgeber erledigte Antheil nicht denen Uebrigen, sondern den Erben des
Geschenkgebers zu guten, doch mit Ausnahme jener Fällen, worinnen nach der
unten in sechzehenten Capitel: Von Vermächtnussen, in ersten Artikel, §. III,
enthaltenen Ausmessung das Recht des Zuwachses zwischen Mehreren zu einerlei
Sache Mitberufenen namentlich zugelassen wird.
§. IX.
[2, 7, § 9] 129. Schankungen und Uebergaben auf den
Todesfall haben bei Lebszeiten des Geschenkgebers nicht ehender eine
Bündigkeit, als wann die Annehmung des Geschenknehmers entweder vor zweien
Zeugen, oder vor Gericht erfolget; vor
(2-122) seiner also erklärten Annehmung hingegen bleiben dieselbe nach Gefallen des Geschenkgebers
widerruflich, und wirken bloß allein die Hoffnung eines ungewissen Vortheils,
welcher von der Beharrlichkeit des Willens des Geschenkgebers abhanget.
[2, 7, § 9] 130. Würde aber eine solche mit den oben
vorgeschriebenen Erfordernussen versehene Schankung von dem Geschenkgeber nicht
widerrufen, sondern durch seinen Tod bestätiget, so erhält sie auch alsdann
ihre vollständige Wirkung eben also, als ob sie noch bei Lebszeiten des
Geschenkgebers von dem Geschenknehmer ordentlich angenommen worden wäre.
[2, 7, § 9] 131. Durch die Annehmung des Geschenknehmers
wird demnach die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall, wann dabei
mehrermelte Erfordernussen beobachtet worden, unwiderruflich, woraus der
Geschenknehmer ein auf dem Ueberlebungsfall bedingtes Recht zu, oder an dem
geschenkten Gut erlanget.
[2, 7, § 9] 132. Dieses Recht kann ihme zwar ohne
rechtmäßiger Ursach durch die Widerrufung des Geschenkgebers nicht mehr
entzogen werden, doch aber wird solches auf seine Erben nicht übertragen, wann
er vor dem Geschenkgeber verstirbt, sondern dasselbe erlöschet mit seiner
Person, woferne der Geschenknehmer die Schankung nicht ausdrücklich auch auf
dessen Erben erstrecket, und sie auf dem Fall des versterbenden Geschenknehmers
zu dem geschenkten Gut nachberufen hätte.
[2, 7, § 9] 133. Ansonsten, wo die Schankung die
Nachberufung der Erben ausdrücklich nicht enthielte, gibt die alleinige Meldung
derenselben ihnen hierzu kein Recht, im Fall der Geschenknehmer vor dem
Geschenkgeber versterben sollte, sondern die Schankung und Uebergabe auf den
Todesfall hat allemal die Ueberlebung des Geschenknehmers zu ihrer wesentlichen
Bedingnuß, wann deme entgegen nichts Anderes ausdrücklich vorgesehen worden.
[2, 7, § 9] 134. Das dem Geschenknehmer aus einer von ihme
ordentlich angenommenen Schankung und Uebergabe auf den Todesfall zukommende
Recht ist bei Lebzeiten des Geschenkgebers nach dem Unterschied, ob solche nur
durch eine Zusage, oder durch wirkliche Ueberlieferung des Geschenks geschehen,
verschieden.
[2, 7, § 9] 135. Ist es nur eine Zusage, so entstehet
hieraus lediglich ein auf dem Ueberlebungsfall bedingtes Recht zu dem
geschenkten Gut, wird hingegen das Geschenk dem Nehmenden von dem Schenkenden
dergestalten übergeben, daß er zwar sogleich von nun an dessen Eigenthum haben,
dieses aber nach aufgelöster Schankung an den Geschenkgeber anwiederum
zuruckkehren solle, so erwirbt derselbe hieran ein auflösliches Eigenthum, würde
aber das Geschenk ihme also übergeben, daß es erst nach dem Tod des Schenkenden
sein Eigenthum werden solle, hat er bis dahin außer dem auf Ueberlebungsfall
bedingten Recht lediglich die bloße Innenhaltung der Sache.
[2, 7, § 9] 136. Doch solle so in einem als anderen Fall der
Geschenknehmer die ihme also übergebene Sache mitlerweil weder zu veräußeren,
noch sonst zu beschweren befugt, sondern nach aufgelöster Schankung dieselbe
dem Geschenkgeber mit allen ihren Nutzungen und Zugängen gegen Vergütung der
erweislichen Auslagen zuruckzustellen, und beinebst für allen aus seiner Schuld
hieran entstandenen Schaden zu haften schuldig sein.
[2, 7, § 9] 137. Sobald aber die Schankung und Uebergabe auf
den Todesfall durch den Tod des Geschenkgebers bestätiget, und eine bestimmte
Sache, es seie durch Zusage oder Uebergabe geschenket worden, ist sie eine
rechtmäßige Erwerbungsart des Eigenthums, wodurch sogleich aus unveränderten
Willen des Geschenkgebers das unauflösliche und unwiderrufliche Eigenthum der
geschenkten Sache auf den Geschenknehmer und seine Erben übergehet, also zwar,
daß er solche nicht allein von einem jedweden dritten Besitzer, der solche
eigenthümlich erworben, mittelst der Eigenthumsklage abforderen, sondern auch,
wann selbe in Handen der Erben des Schenkenden befindlich wäre, sie um deren
Ausfolgung mit allen von dem
(2-123) Tag des Absterbens des Geschenkgebers hiervon
eingehobenen Nutzungen belangen könne.
[2, 7, § 9] 138. Wohingegen, da eine noch unbestimmt
gelassene Sache von einer benannten Gattung, oder ein gewisser Betrag an Geld
oder anderen Gut auf den Todesfall verheißen worden wäre, kann zwar in diesem
Fall der Geschenknehmer vor der durch die Ueberlieferung erfolgten Bestimmung
kein Eigenthum hieran erwerben, er erlangt aber aus der durch den Tod des
Geschenkgebers bestätigten Schankung für sich und seine Erben ein
unauflösliches und unwiderrufliches Recht zu der geschenkten Sache oder Betrag,
und die ihme daher wider die Erben des Geschenkgebers gebührende Forderung zu
Leistung dessen, was ihme von ihrem Erblasser auf den Todesfall geschenket
worden.
[2, 7, § 9] 139. Es gebühret aber das geschenkte Gut nicht
ehender, als nach Abzug der Schulden, und wann gleich dasselbe noch bei
Lebzeiten des Geschenkgebers dem Geschenknehmer übergeben worden wäre, können
nichtsdestoweniger die Glaubigere, welchen der Schenkende schon zur Zeit der
Schankung verstricket ware, solches zuruckforderen, woferne dessen übrige
Verlassenschaft zu ihrer Befriedigung nicht zureichend wäre.
[2, 7, § 9] 140. Dahingegen können die spätere Glaubigere,
deren Forderung erst von der Zeit nach der gemachten Schankung herrühret, das
Geschenk nicht anfechten, wann die Schankung sonst zu Recht beständig ist und
von dem Geschenknehmer noch bei Lebszeiten des Schenkenden angenommen worden.
[2, 7, § 9] 141. Um so mehr gehet das geschenkte Gut mit
allen seinen Haftungen, und einem Dritten hieran gebührenden Rechten und
Ansprüchen auf den Geschenknehmer, ohne daß die Erben des Geschenkgebers ihme
deshalben zu einer Vertretung oder Gewährsleistung weiters verbunden wären, als
oben in ersten Artikel, §. V, num. 59, von Schankungen unter Lebenden gemeldet
worden.
[2, 7, § 9] 142. Auch gehet die Schankung und Uebergabe auf
den Todesfall nicht weiter, als auf das, was namentlich und ausdrücklich
geschenket worden, wann dahero der Geschenkgeber sich etwas von seinem
Vermögen, um in andere Wege darmit zu ordnen, vorbehalten hätte, ordnete aber
darmit nicht, solle das solchergestalten Vorbehaltene nicht dem Geschenknehmer
zuwachsen, sondern den nächsten Erben des Geschenkgebers zukommen.
§. X.
[2, 7, § 10] 143. Eine ordentlich gemachte Schankung und
Uebergabe auf den Todesfall kann auf dreierlei Art anwiederum aufgehoben und
entkräftet werden, als:
Erstens, durch die Reue und Widerrufung des Geschenkgebers.
Zweitens, durch Vorsterben dessen, deme etwas auf diese Art
geschenket worden, vor dem Geschenkgeber, und endlich
Drittens, durch die Wiedergenesung von der Krankheit oder
Befreiung von der Todesgefahr, wegen welcher die Schankung geschehen.
(2-124) [2, 7, § 10] 144. Die Macht, die Schankung zu
bereuen, und nach eigener Willkür zu widerrufen, behält der Geschenkgeber so
lange, bis von dem Anderen, deme die Schankung geschehen, deren Annehmung
entweder vor Zeugen oder vor Gericht nicht erfolget.
[2, 7, § 10] 145. Die willkürliche Widerrufung der Schankung
kann entweder mündlich vor Zeugen, oder vor Gericht, oder schriftlich mit des Geschenkgebers ungezweifleter eigenen Handschrift, oder
auch stillschweigend durch eine That geschehen, woraus dessen geänderte
Willensmeinung geschlossen werden mag.
[2, 7, § 10] 146. Eine solche That ist die freiwillige
Veräußerung der geschenkten Sache an einen Dritten durch Handlungen unter
Lebenden, oder aus letzten Willen, wann darinnen namentlich über die geschenkte
Sache von dem Geschenkgeber anderst geordnet wird.
[2, 7, § 10] 147. Da aber der Geschenkgeber einen Dritten
zum Erben seines Vermögens einsetzete, ohne über die geschenkte Sache
insonderheit anderst zu ordnen, wird die Schankung dadurch nicht entkräftet,
sondern gegentheils der Erb verbunden, solche zu erfüllen.
[2, 7, § 10] 148. Würde nicht die ganze geschenkte Sache,
sondern nur ein Theil derselben von dem Geschenkgeber an einen Dritten
veräußeret, so wird auch die Schankung nur nach demjenigen Betrag für
widerrufen gehalten, welcher davon veräußeret worden, bestehet aber für den
noch vorhandenen Theil, doch also, daß wann der Geschenknehmer dagegen etwas zu
leisten verbunden wäre, das beigesetzte Beding gleichfalls nach Maß des
verringerten Geschenks getheilet werde.
[2, 7, § 10] 149. Dahingegen können Schankungen und
Uebergaben auf den Todesfall nach Annehmung dessen, deme sie geschehen, wann
der Geschenknehmer sich die Macht solche zu widerrufen nicht ausdrücklich
vorbehalten hat, ohne rechtmäßiger Ursache nicht mehr widerrufen werden,
welches überhaupt von allen landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen
Verschreibungen auf den Todesfall zu verstehen ist, weilen solche obverordneter
Maßen nicht anderst, als nach gerichtlich erklärter Annehmung des Geschenks
geschehen können.
[2, 7, § 10] 150. Derlei rechtmäßige Ursachen sind eben
dieselbe, wegen welcher Schankungen unter Lebenden widerrufen und entkräftet
werden können, und ist sich dahero gleichfalls bei Schankungen und Uebergaben
auf den Todesfall darnach zu richten, was oben in ersten Artikel, §. VI dieser
Widerrufungsursachen halber geordnet worden.
[2, 7, § 10] 151. Durch Vorsterben des Geschenknehmers vor
dem Geschenkgeber erlöschet die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall,
obgleich solche von ihme angenommen, und die Verschreibung noch so lange in der
Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet gewesen wäre.
(2-125) [2, 7, § 10] 152. Da aber zweifelhaft wäre, wer den
Anderen überlebet habe, kommt es darauf an, ob das Geschenk nur verheißen, oder
schon bei Lebszeiten des Schenkenden übergeben worden.
[2, 7, § 10] 153. Ersteren Falls solle die Ueberlebung des
Geschenknehmers von seinen Erben allemal erwiesen werden, widrigens ist die
Schankung unkräftig, letzteren Falls hingegen lieget der Beweis der Ueberlebung
des Geschenkgebers dessen Erben ob, wann sie die geschenkte Sache wegen
Vorsterben des Geschenknehmers zuruckforderen wollen.
[2, 7, § 10] 154. Durch die Wiedergenesung des
Geschenknehmers von der Krankheit oder Befreiung von der Gefahr, wegen welcher
etwas auf den Todesfall geschenket worden, wird die Schankung auch ohne
ausdrücklicher Widerrufung aufgelöset, wann solche namentlich wegen dieser
Krankheit oder Gefahr geschehen ist, obschon der Geschenkgeber nachhero noch
vor widerrufener Schankung in einer anderen Krankheit oder Lebensgefahr umkäme,
woferne er nur diese Krankheit oder Gefahr, worauf die Schankung ausdrücklich
beschränket ware, überstanden hat.
[2, 7, § 10] 155. Diesemnach kann sowohl der Geschenkgeber,
als dessen Erben in beiden Fällen, wann die Schankung entweder durch Vorsterben
des Geschenknehmers, oder sein des Geschenkgebers Wiederaufkommen aufgelöset
worden, die geschenkte Sache mit allen Nutzungen und Zugängen von Zeit der
Uebergabe wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben worden,
zuruckforderen, und da die Schankung irgendwo einverleibet wäre, deren
Auslöschung anbegehren.
[2, 7, § 10] 156. Außerdeme wird in Fällen, wo auf den
Todesfall nur etwas verheissen (!), und dem Geschenknehmer nicht wirklich
überlieferet worden, die Verbindlichkeit zu Leistung dessen, was verheissen
worden, auf alle diejenige Arten aufgelöset, womit sonst persönliche
Verbindungen getilget werden, wie solches in dritten Theil, in letzten Capitel
mit Mehreren erkläret wird
(2-126) Caput VIII.
Von Uebertragung des Eigenthums aus Macht Rechtens.
Inhalt:
§. I. Von den Arten der rechtlichen Uebertragung des
Eigenthums überhaupt. §. II. Von Uebertragung des Eigenthums durch
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlagen liegende Güter. §. III. Von
Uebertragung des Eigenthums durch richterlichen Spruch und Urtheil. §. IV. Von
Uebertragung des Eigenthums durch rechtmäßige Erwerbung fahrender Dingen mit
guten Glauben.
§. I.
[2, 8, § 1] Num. 1. Die vierte Erwerbungsart des Eigenthums
ist dessen Uebertragung aus Macht Rechtens, wodurch dasselbe entweder mit, oder
ohne Willen des Eigenthümers nicht durch die Uebergabe, sondern unmittelbar aus
Anordnung Unserer Gesetzen an den Anderen übergehet.
[2, 8, § 1] 2. Diese hat in allen Fällen statt, worinnen es
entweder an dem Willen, oder an der Macht gebricht, das Eigenthum zu
übertragen, folglich auch gar keine oder eine zur Veränderung des Eigenthums
unzulängliche Uebergabe geschieht, und doch Recht und Billigkeit erheischet,
solches dem Anderen zuzuwenden.
[2, 8, § 1] 3. An dem Willen gebricht es nicht nur damals,
wann die Uebergabe der zu leisten schuldigen Sache widerrechtlich verweigeret,
sondern auch bei ungezweifleten
(2-127) Willen des Uebertragenden, wann dieser für sich
allein bei gewissen Sachen von Unseren Gesetzen zu Uebertragung des Eigenthums
nicht für hinlänglich geachtet, und der aus Abgang dieser wesentlichen
Erfordernuß mangelhaften Uebergabe die Wirkung der Uebertragung des Eigenthums
benommen wird.
[2, 8, § 1] 4. Also erforderet bei liegenden Gütern das
öffentliche Trauen und Glauben, daß die Veränderung des Eigenthums zu
Jedermanns Wissenschaft offenkundig werde, welches aber durch die alleinige
Einwilligung, und nur zwischen den Parten unter sich vollziehende Uebergabe nicht
erreichet werden kann, und eben dahero muß nebst dem Willen des Uebertragenden
die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage der Veränderungsursache
hinzutreten, ohne welcher das Eigenthum an liegenden Gütern anderer gestalt
nicht übertragen werden mag.
[2, 8, § 1] 5. Wo aber die Uebergabe einer dem Anderen zu
leisten schuldigen Sache widerrechtlich verweigeret würde, und also der Willen
zur Uebergabe gänzlich ermanglete, sind zu diesem Ziel und Ende Unsere
nachgesetzte Gerichte aufgestellet, um Jedermänniglich zu dem Seinigen zu
verhelfen.
[2, 8, § 1] 6. Wann demnach die Sache deme, weme sie
gebühret, durch richterlichen Spruch und Urtheil zuerkannt wird, erwirbt
derselbe hieran auch ohne Uebergabe das Eigenthum aus Macht Rechtens, sobald
als der richterliche Spruch in seine Rechtskräften erwachset ist, und, wann es
liegende Güter betrifft, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet
worden.
[2, 8, § 1] 7. An der Macht, das Eigenthum zu übertragen
gebricht es, wann die Sache zwar übergeben wird, dem Uebergebenden aber das
Eigenthum hieran ermanglet, welches er dahero, weilen er es selbst nicht hat,
auch an den Anderen nicht übertragen kann.
[2, 8, § 1] 8. Doch erforderet in diesem Fall die Sicherheit
gemeinen Handels und Wandels bei beweglichen Sachen, daß Niemand, der eine
fremde bewegliche Sache mit guten Glauben aus entgeltlicher oder einer solchen
Ursache, aus welcher er dagegen etwas von dem Seinigen dafür zu geben verbunden
worden, redlicher Weise an sich gebracht hat, dabei gefährdet seie, wann er
seinerseits keinen Anlaß gegeben, daß ihme die Erhandlung einer fremden Sache
zur Schuld geleget werden könne.
[2, 8, § 1] 9. Er erwirbt dahero in Hinzutretung aller
dieser Umständen sofort das Eigenthum einer auf gleichbemelte Art rechtmäßig an
sich gebrachten fremden beweglichen Sache aus Macht Rechtens, welches auf ihn
sogleich ohne einer hierzu nöthigen Verjährung übertragen wird.
[2, 8, § 1] 10. Allein auch bei liegenden Gütern, die von
Einem, welcher nicht deren Eigenthümer gewesen, auf den Anderen rechtmäßig
gediehen, und bei jenen fremden Fahrnussen, die Jemand obschon nicht mit
Beistoßung all obiger Umständen, doch mit guten Glauben aus einer sonst zur
Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache an sich gebracht hat, erheischet
das gemeine Wohl, daß die Gewissheit und Verläßlichkeit des Eigenthums
hergestellet, und die Frage wegen desselben dereinstens entschieden werde.
[2, 8, § 1] 11. In dessen Betrachtung verdient Jener, der
durch die in Unseren Gesetzen ausgemessene Zeit eine rechtmäßig an sich
gebrachte fremde Sache mit guten Glauben besessen hat, eine weit mehrere
Rücksicht, als nicht die Nachlässigkeit des Eigenthümers, welcher durch diese
ganze Zeit geschwiegen, und durch sein Stillschweigen sich seiner Sache gleichsam
verziehen hat.
[2, 8, § 1] 12. Aus dieser Ursache wird nach Verlauf der
bestimmten Zeit das Eigenthum der fremden Sache auf den Besitzer mit guten
Glauben durch die Verjährung aus Macht Rechtens übertragen, und dessen der
vorige Eigenthümer zur Strafe seiner Fahrlässigkeit billig verlustig.
[2, 8, § 1] 13. Es wird demnach das Eigenthum auch ohne
Uebergabe auf viererlei Art aus Macht Rechtens übertragen, als:
(2-128) Erstens, wegen öffentlichen Trauens und Glaubens bei
liegenden Gütern durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherlicher Einlage der
Uebertragungs- oder Veränderungsursache.
[2, 8, § 1] 14. Zweitens, aus dem vornehmsten Endzweck alles
Rechts um Jedermänniglich das Seinige zu geben durch richterlichen Spruch und
Urtheil.
[2, 8, § 1] 15. Drittens, wegen Sicherheit gemeinen Handels
und Wandels bei fremden beweglichen Sachen durch deren mit guten Glauben aus
entgeltlicher Ursache geschehene Erwerbung.
[2, 8, § 1] 16. Viertens, wegen Gewissheit und
Verläßlichkeit des Eigenthums durch Verjährung einer mit guten Glauben
rechtmäßig an sich gebrachten sowohl beweglichen, als unbeweglichen fremden
Sache. Die erstere drei Arten werden in gegenwärtigen, die vierte aber in dem
folgenden Capitel erkläret.
§. II.
[2, 8, § 2] 17. Liegende Güter können nicht durch bloße
natürliche Uebergabe, sondern einzig und allein durch Eintragung, Einlage,
Einverleibung und ausführliche Vormerkung der Uebertragungs- oder
Veränderungsursache in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern da, wo das Gut
inlieget, erworben und übertragen werden.
[2, 8, § 2] 18. Diese Einlage oder Einverleibung hat die
Wirkung der rechtlichen Uebergabe, wodurch sogleich der rechtliche Besitz, und
folglich das Eigenthum an Denjenigen, auf dessen Namen das Gut in der
Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschrieben worden, doch nicht anderst,
als mit denen darinnen zur Zeit der Uebertragung hierauf befindlichen Haftungen
aus Macht Rechtens übergehet.
[2, 8, § 2] 19. Ohne derselben
hingegen solle nach Einführung dieses Unseren allgemeinen Rechts Niemand für
einen wahren und rechtmäßigen Besitzer eines unbeweglichen Guts gehalten
werden, der nicht die Ursach seines Besitzrechts und Eigenthums in der
Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern ordentlich vermerket und eingetragen habe.
[2, 8, § 2] 20. Durch Landtafeln, Stadt- oder Grundbücher
werden alle und jede öffentliche Bücher verstanden, welche zur Einlage,
Einverleibung, Eintragung oder Einschreibung der Erwerbungen und Aenderungen
des Eigenthums bei Landgütern, Stadt- oder Herrschaftsgründen alles Fleißes aufgerichtet
und ordentlich geführet werden.
[2, 8, § 2] 21. Darinnen hat die Vormerkung also zu
geschehen, daß daraus sattsam abgenommen werden könne, wann, von weme, aus was
für einem Recht, und
(2-129) mit was für Bedingnussen oder anderen Haftungen
Jemand das Gut, Haus oder Grund an sich gebracht habe.
[2, 8, § 2] 22. Gleichwie dahero Niemand den rechtlichen
Besitz, minder das Eigenthum eines unbeweglichen Guts anderer gestalt, als
mittelst der Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern erwerben kann, obschon ihme
dasselbe durch die natürliche Uebergabe von dem Eigenthümer eingeantwortet
worden, oder wie sonst immer auch vor noch so langer Zeit in seinen Besitz
gekommen wäre, also hat auch Niemand Fug und Macht, solange nicht seine
Erwerbung sich in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerkter
befindet, das Eigenthum oder den rechtlichen Besitz an Jemand Anderen
rechtsgiltig zu übertragen.
[2, 8, § 2] 23. Es muß demnach allemal die landtäfliche,
stadt- oder grundbücherliche Erwerbung eines unbeweglichen Guts vorhergehen,
ehe und bevor dessen Uebertragung an einen Anderen geschehen mag, und eine vor
Einverleibung der Erwerbungsursache geschlossene, auf die Uebertragung des
Eigenthums gerichtete Handlung kann nicht ehender ihre Wirkung erreichen, als
bis vorhero die Erwerbungsursache gehörig einverleibet ist.
[2, 8, § 2] 24. So wenig aber der rechtliche Besitz und das
Eigenthum unbeweglicher Güter ohne der landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einverleibung erworben werden mag, eben so wenig können solche
ohne denenselben auf was immer für Weise verloren werden, sondern Alles, was
mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern bestellet und verschrieben wird,
muß auch eben mit denenselben, und nicht anderst anwiederum aufgelöset werden.
[2, 8, § 2] 25. Es möge also ein unbewegliches Gut wie immer
durch Handlungen unter Lebenden, oder durch Erbanfall aus dem Willen des
bisherigen Eigenthümers oder aus Gewalt des Rechts mit oder ohne hinzutretender
natürlichen Uebergabe und mit oder ohne Einraumung des natürlichen Besitzes von
einem Eigenthümer an den anderen zu gelangen haben, so solle doch kein solcher
Uebergang oder Uebertragung des Eigenthums seine Wirkung haben, bevor nicht die
auf Uebertragung des Eigenthums gerichtete Handlung, oder das Erbrecht und dessen
gerichtliche Erklärung, oder der zu Rechtskräften erwachsene richterliche
Spruch und Urtheil in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen und
darinnen behörig vorgemerket ist.
[2, 8, § 2] 26. Bis dahin behält Derjenige, auf den das Gut
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben und vorgemerket ist, sein
habendes Recht ohne Aenderung mit allen Wirkungen desselben, und kann darmit
annoch nach seinem Gefallen ordnen.
[2, 8, § 2] 27. Eine solche, wiewohl spätere, lebzeitige
oder letztwillige Anordnung, wann selbe früher zur Einverleibung gelanget, hat
vor allem älteren, entweder gar nicht, oder erst darnach einverleibten Recht,
woraus das Gut an einen Anderen gelangen sollte, allemal den Vorzug, obschon
Jenem, der mit seinem älteren Recht nachstehen muß, die Erholung seines
Schadens an deme, der sich ihme verbindlich gemacht, in alle Wege bevorstehet.
[2, 8, § 2] 28. Und dieser Vorzug des früher einverleibten
späteren Rechts hat ohne Unterschied statt, obgleich das ältere ein nach seiner
Eigenschaft auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtetes, oder was immer für
anderes mit der natürlichen Uebergabe, oder mit was sonst für Bedingen,
Vorsichten und Vorbehalt außer der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
bestärktes und verwahrtes Recht wäre, wann nur bei der späteren Handlung an
Seiten des Erwerbenden keine wahre Gefährde unterlaufet.
[2, 8, § 2] 29. Damit jedoch die landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Einverleibung oder Verschreibung die Uebertragung des
Eigenthums eines liegenden Guts bewirken könne, muß der Uebertragende ein
ungezweifleter Eigenthümer desselben sein.
[2, 8, § 2] 30. Dafür solle Jedermann angesehen werden, der
das Gut durch drei
(2-130) Jahr und achtzehen Wochen mit der Landtafel, Stadt-
oder Grundbüchern ohne Widerspruch besessen hat, und Jener, der es von einem
solchen mittelst der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern überkommen, der
eigenthümlichen Erwerbung dieses Guts ohne weiters sogleich vollkommen
gesicheret sein.
[2, 8, § 2] 31. Wo aber der Uebertragende das Gut durch
obbestimmte Zeit mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht besessen
hätte, folglich noch nicht desselben ungezweifleter Eigenthümer gewesen wäre,
solle Jener, der es von ihme mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
erworben, seines Eigenthums nicht eher gesicheret sein, als bis in
Zusammenfügung seiner und seines, oder auch mehreren Vorfahreren an dem Gut,
von deren Einem auf den Anderen dasselbe rechtmäßig gediehen ist,
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Besitzzeit drei Jahre und
achtzehen Wochen verflossen, daß es von ihnen ohne Jemandens Widerspruch ruhig
besessen worden.
[2, 8, § 2] 32. Es kann dahero ein landtäflicher, stadt-
oder grundbücherlicher Besitzer binnen bemelter Zeit von einem Anderen, der an
dem Gut ein stärkeres Recht hat, als nicht sein Vorfahrer gehabt, von deme das
Gut an den Besitzer gekommen, mit der Eigenthumsklage annoch belanget, und zur
Zuruckstellung angehalten werden, doch mit ihme bevorbleibender Erholung an
seinem Vorfahrer, inwieweit als dieser ihme zur Vertretung verbunden ist.
[2, 8, § 2] 33. Ehe und bevor also ein unbewegliches Gut
durch drei Jahr und achtzehen Wochen mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern rechtsbehörig ersessen wird, wirket die landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Einverleibung oder Verschreibung bloß die Uebertragung des
rechtlichen Besitzes, wo an Seiten des Uebertragenden das Eigenthum ermanglet.
[2, 8, § 2] 34. Mithin ist auch Jener, der es auf diese Art
von Einem, der nicht dessen Eigenthümer ware, an sich gebracht, mitlerweil nur
als ein rechtlicher Besitzer anzusehen, deme jedoch alles dasjenige, was sonst
einem ungezweifleten Eigenthümer zukommet, aus dem Recht des Besitzes zustehet,
nur mit dem alleinigen Unterschied, daß er bis zur erfüllten Verjährung und andurch
erwerbenden Eigenthum den Anspruch eines Dritten, der an dem Gut ein stärkeres
Recht hat, verfänglich bleibe, wie es unten in vierundzwanzigsten Capitel,
welches von dem Recht des Besitzes und dessen Wirkungen eigends handlet, mit
Mehreren vorkommet.
§. III.
[2, 8, § 3] 35. Durch richterlichen Spruch und Urtheil, wann
solcher zu Rechtskräften erwachsen ist, wird das Eigenthum aus Macht Rechtens
in zwei Fällen übertragen, als erstens, wann eine Mehreren zu unbeschiedenen
Theilen gemeinschaftlich angehörige Sache getheilet, und Jedweden hieran sein
beschiedener Theil bestimmet wird, als in Theilung einer gemeinschaftlichen
Sache, einer mehreren Miterben angefallenen Erbschaft und in Grenzscheidungen.
[2, 8, § 3] 36. Dann durch die gerichtliche Theilung und
Ausweisung der Theilen, wann
(2-131) jedoch solche, insoweit sie liegende Güter betrifft,
behörig einverleibet worden, wird das vorhin Mehreren gemeinschaftlich
gebührende Eigenthum an der Sache in derjenigen Maß, als einem jedweden
Theilhaber für seinen Antheil hieran gebühret, bestimmet, und deren Jedem sein
ausgewiesener Theil sofort ohne weiterer Uebergabe aus Macht Rechtens erworben.
[2, 8, § 3] 37. Zweitens, wann Jemanden eine ihme aus einer
zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache angebührende gewisse Sache
durch richterlichen Spruch und Urtheil zuerkannt und zugesprochen wird.
[2, 8, § 3] 38. Dieser zu Rechtskräften erwachsene Spruch
und Urtheil hat die Wirkung, daß sogleich das Eigenthum der zugesprochenen
Sache auf den obsiegenden Theil bei Fahrnussen unmittelbar, bei liegenden
Gütern hingegen mittelst der Einverleibung des Urtheils in die Landtafel,
Stadt- oder Grundbücher, wo das zugesprochene Gut inlieget, aus Macht Rechtens
übergehe.
[2, 8, § 3] 39. Doch wird hierzu erforderet, daß nicht
allein die Ursache, wegen welcher die Sache angesprochen worden, zu
Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, sondern auch die zuerkannte Sache an
sich bestimmet sei, dann, wo aus einem Miethungs- oder Entlehnungscontract dem
Miether oder Entlehner der Gebrauch der gemietheten oder entlehnten Sache,
folglich deren Ausantwortung zu seinen Handen zuerkannt würde, wirket in
solchen Fällen der richterliche Spruch die Uebertragung oder Aenderung des
Eigenthums nicht.
[2, 8, § 3] 40. Und daferne ein gewisser Betrag oder eine
Sache nach der Gattung, und nicht nach der Gestalt zugesprochen würde, kann
ebensowenig andurch das Eigenthum übergehen, weilen vor der Uebergabe noch
allzeit von der Willkür des Schuldners abhanget, dieses oder jenes von gleicher
Güte oder Gattung abzutragen, folglich die Sache noch unbestimmet ist, an
unbestimmten Dingen aber kein Eigenthum erworben werden kann.
[2, 8, § 3] 41. Sondern in diesen Fällen giebt der zu
Rechtskräften erwachsene richterliche Spruch dem obsiegenden Theil bloß allein
ein Recht zur Sache, nicht aber auch an der Sache, außer insoweit derselbe
zugleich an dem Vermögen des Schuldners ein gerichtliches Unterpfand wirket,
wie davon seines Orts mit Mehreren gehandlet wird.
[2, 8, § 3] 42. Gleichwie dann auch in jenen Fällen, wo das
Eigenthum der eingeklagten Sache dem obsiegenden Theil schon vorhin gebühret
hätte, der richterliche Spruch demselben das Eigenthum nicht giebt, sondern
nur, daß es ihme zu Recht gebühre, erkläret.
§. IV.
[2, 8, § 4] 43. Der gute Glauben in Erwerbung einer fremden
beweglichen Sache aus entgeltlicher Ursache übertraget
deren Eigenthum an den Erwerber aus Macht
(2-132) Rechtens dergestalten, daß dieser Uebertragung weder
die Unzulänglichkeit der Uebergabe wegen ermanglenden Eigenthums an Seiten des
Uebergebenden in Wege stehen, noch auch an Seiten des Erwerbenden die
Verjährung der Sache darzu erforderlich sein solle.
[2, 8, § 4] 44. Und hinderet diese Uebertragung der üble
Glauben des Veräußerers, von deme der Besitzer mit guten Glauben die Sache an
sich erhandlet hat, keinerdings, wann gleich derselbe solche fremd zu sein
gewußt, oder sie auch selbst mit Gewalt oder diebischer Weise entwendet, und
sodann als seine eigene Sache veräußeret hätte, folglich in offenbarer Gefährde
bestellet gewesen wäre, sondern es solle lediglich auf des Erwerbers mit den
hiernach ausgemessenen Erfordernussen begleiteten guten Glauben gesehen werden.
[2, 8, § 4] 45. Wir setzen und ordnen solchemnach zur
Sicherheit des gemeinen Handels und Wandels, daß der Tadel einer unrechtmäßigen
Innenhabung der Sache, welcher nicht in die Sinnen fällt und einem Dritten
nicht wissend ist, die Sache selbst auf keinerlei Weise behaften, noch weniger
einem dritten unschuldigen Erwerber zu Schaden gereichen, sondern durch dessen
rechtmäßige Erwerbung völlig erloschen, und der Uebertragung des Eigenthums
nicht in geringsten behinderlich sein solle, wann an Seiten des Erwerbers
folgende zwei Erfordernussen, als
Erstens, sein guter Glauben, und
Zweitens, eine entgeltliche Ursache, aus der er die Sache an
sich gebracht hat, hinzustoßen.
[2, 8, § 4] 46. Bei der ersteren Erfordernuß ist an dem
gemeinen guten Glauben, daß der Erwerber zur Zeit der Erhandlung die Sache
fremd zu sein in Wahrheit nicht gewußt habe, nicht genug, sondern er muß auch
dieselbe von jemanden solchen an sich gebracht haben, von deme er vernünftiger
Weise hat glauben können, daß sie ihme gehörig seie.
[2, 8, § 4] 47. Es muß demnach das Eigenthum einer solchen
Sache, oder wenigstens die Macht solche zu veräußeren an Seiten des Veräußerers
aus den Umständen wahrscheinlicher Weise vermuthet werden können; derlei
Umstände sind dessen Hantirung, Vermögensstand und guter Leumund, als da es
dessen ordentliches Gewerb wäre mit derlei Sachen zu handlen, und sie als in-
und ausländische Kaufmannswaaren,
(2-133) oder als seine Kunst- oder Handwerksarbeiten feil zu
haben, oder ihme zum Verkauf übergebene Sachen auszutragen, und zu verhandlen.
[2, 8, § 4] 48. Oder der Veräußerer wäre in solchen
Vermögensstand, dass es von ihme nicht ungewöhnlich scheinen kann, dergleichen
Sachen in dieser Beschaffenheit und Menge eigen zu haben und nach Belieben
anzuschaffen, und auch anwiederum hintanzugeben.
[2, 8, § 4] 49. Oder wenigstens da wider ihn wegen seines
öffentlichen Ansehens und kundbaren guten Leumunds kein gegründetes Mißtrauen
sein kann, daß er sich einer fremden Sache anmaßen, solche für sein Eigen
ausgeben, und entweder den Eigenthümer, oder einen Dritten gefährlicher Weise
hintergehen sollte.
[2, 8, § 4] 50. Dahingegen ist Niemand gesicheret, der von
einem fremden derorten Ungekannten außer öffentlichen Marktzeiten, oder von
einem kenntlichen Landlaufer, oder von einem solchen etwas erkaufet, der
kundbarer Maßen keine freie Verwaltung seines Vermögens hat, oder wider den
sonst entweder wegen seines mit der Kostbarkeit der Sache nicht
übereinstimmenden Vermögenstands, oder wegen übler Gebarung mit fremden Gut,
oder sonst wegen ermanglenden guten Leumunds und Ansehens ein gegründeter
Verdacht fürwalten könnte.
[2, 8, § 4] 51. Noch weniger kann den Erwerber
sicherstellen, wann ihme von Jemanden, der die Verwaltung und Obsorge fremder
Sachen, jedoch ohne kundbarer Macht und Befugnuß solche zu veräußeren auf sich
hat, etwas verkaufet wird, aus dessen Kostbarkeit oder sonstigen Beschaffenheit
geschlossen werden mag, daß es nicht ihme, sondern seinem Herrn gehörig seie,
woferne dessen Befehl oder Gutheissung, oder das Eigenthum des Veräußerenden
nicht behörig erwiesen und bescheiniget würde.
[2, 8, § 4] 52. In Gegentheil solle Jener zum meisten gesicheret
sein, der eine öffentlich feilgebotene Sache bei gerichtlicher Versteigerung,
oder sonst bei anderen öffentlichen von Seiten des gemeinen Wesens vorzunehmen
üblichen, oder insonderheit vorkehrenden Feilbietungen und Handkaufen
erhandlet.
[2, 8, § 4] 53. Es wäre dann mit Hintergehung der Gehörde
etwas Fremdes dahin gelanget und feilgeboten worden, wovon der Kaufer, daß es
fremd seie, gute Wissenschaft gehabt hätte, und mit dessen Vorbewust die Sache
weder allda angenommen, noch weniger feilgeboten worden wäre.
[2, 8, § 4] 54. Bei der zweiten Erfordernuß solle die
Ursache der Erwerbung nicht allein an sich zur Uebertragung des Eigenthums
hinlänglich, sondern auch entgeltlich und also beschaffen sein, daß der
Erwerber dagegen etwas thue, was dem Werth der Sache beikomme, oder von dem
Seinigen etwas verliere, was er für die an sich gebrachte Sache gegeben oder
nachgelassen hat.
[2, 8, § 4] 55. Eine bloß gewinnstige Ursach hingegen, als
eine Schankung oder Vermächtnuß ist für sich allein ohne hinzutretender
Verjährung nicht genug aus bloßer Wirkung des guten Glaubens Jemanden das
Eigenthum einer fremden Sache zuzuwenden, und ihn mit Schaden der Eigenthümers
zu bereicheren.
[2, 8, § 4] 56. Solchemnach sind diese beide Erfordernussen,
nemlich der vordringende gute Glauben in der obbeschriebenen Maß, und eine auf
Veränderung des Eigenthums gerichtete entgeltliche Ursach zur Uebertragung des
Eigenthums einer fremden Sache aus Macht Rechtens dergestalten nothwendig, daß,
insolange solche nicht rechtsbehörig erwiesen werden, dem Eigenthümer sein
Anspruch auf die Sache noch allemal bevorstehet.
[2, 8, § 4] 57. Der Eigenthümer kann dahero den Besitzer
seiner Sache, insolange deren Besitz nicht verjähret ist, mittelst der
Eigenthumsklage belangen; dieser aber ist befuget, sich mit der Einwendung des
hieran aus Macht Rechtens erworbenen Eigenthums zu schützen, und die
Eigenthumsklage abzulehnen, wann er obige Erfordernussen zu erweisen im Stande
ist.
[2, 8, § 4] 58. Doch solle der gute Glauben nicht anderst,
als durch die Namhaftmachung
(2-134) seines Gewährsmanns, von deme er die Sache an sich
gebracht, und dessen rechtliche Ueberführung, im Falle er die Sach von ihme
herzurühren in Abrede stellte, oder, da die Sache zu Marktszeiten von einem
Unbekannten, der nachher nicht mehr zu erforschen wäre, erkaufet worden, durch
Zeugnuß glaubwürdiger Personen, daß die Sache auf dem Markt öffentlich
ausgefeilet worden, erwiesen werden können.
[2, 8, § 4] 59. Gleichwie dann auch zu Darthuung der
entgeltlichen Erwerbungsursache der zwischen ihnen um die Sache gepflogene
Handel erprobet werden muß, um damit zugleich Dasjenige, was er dafür gegeben,
geleistet oder nachgelassen hat, abgenommen, und dessen untadelhaftes Betragen
daraus beurtheilet werden könne.
[2, 8, § 4] 60. Wollte oder könnte aber der Besitzer nicht
anzeigen oder genugsam beweisen, von weme er die Sache an sich gebracht habe,
oder es würde befunden, daß er dieselbe von diesem zu erhandlen ein billiges
Mißtrauen hätte haben sollen, so ist die Einwendung für unstatthaft anzusehen,
und die Sache dem Eigenthümer nach der Natur der Eigenthumsklage
zuruckzustellen.
[2, 8, § 4] 61. Nicht weniger behält der Eigenthümer sein
Eigenthum, wann Beklagter nicht darzeigen oder genugsam darthuen könnte, durch
was für redliche und entgeltliche Handlung er die Sache an sich gebracht habe,
oder die anzeigende Handlung unstandhaft, verstellet, oder wegen sonstiger
Umständen als wegen außerordentlich bestrebter Heimlichkeit, sehr geringen
Preises unter dem wahren Werth der Sache, beigefügter seltsamer Bedingnussen,
oder eines anderen billigen Verdachts so beschaffen zu sein befunden würde, daß
selbst die Art der Handlung ihme ob der Redlichkeit des Veräußerers ein
Mißtrauen hätte erwecken sollen.
[2, 8, § 4] 62. In diesen Fällen, wo der Beklagte mit dem
Beweis obiger Erfordernussen aufzukommen nicht vermögete, ist der klagende
Eigenthümer bei seinem ununterbrochenen Eigenthum zu erhalten, und der Beklagte
zur Zuruckstellung der Sache zu verurtheilen.
[2, 8, § 4] 63. In Gegentheil, da der Beklagte seine
Einwendung rechtsbeständig erweisen würde, ist sodann durch richterliche
Erkanntnuß, daß er das Eigenthum aus Macht Rechtens in Kraft dieses Unseres
Gesatzes erworben habe, zu erklären, folglich derselbe von der Klage des
vorigen Eigenthümers ledig und loszuzählen.
[2, 8, § 4] 64. Wäre aber eine solche rechtmäßig erworbene
Sache vor angestrengter Eigenthumsklage dem vorigen Eigenthümer, ohne daß deren
Eigenthum aus einer neuen Ursache an ihn übertragen worden wäre, anwiederum zu
Handen gekommen, hat Jener, der solche vorstehender Maßen an sich gebracht, die
Befugnuß, dieselbe von dem vorigen Eigenthümer, dessen Eigenthum gleich damals,
als es von dem Anderen aus Macht Rechtens erworben worden, erloschen ist,
mittelst der Eigenthumsklage abzuforderen.
[2, 8, § 4] 65. Da jedoch die Sache auf vorbeschriebene Art
und Weis der Erwerbung aus Macht Rechtens auf einen dritten Besitzer gediehen
wäre, so kann derselbe nicht allein sich der Einwendung des auf ihn aus Macht
Rechtens übertragenen Eigenthums sowohl wider den ersteren Eigenthümer, als
wider den nachherigen Erwerber, wann er von deren Einem oder Anderen belanget
würde, gebrauchen, sondern auch, wann einer aus ihnen außer einer neuen
Uebertragungsursache die Sache wieder zu Handen bekommen hätte, Denjenigen, bei
deme sie vorfindlich ist, mit der Eigenthumsklage zu deren Zuruckstellung
belangen.
[2, 8, § 4] 66. Dahingegen, wo der neue Besitzer die
vorerwähnte Erfordernussen der rechtmäßigen Erwerbung nicht zu erweisen
vermögete, solle derselbe weder gegen dem früheren Erwerber, noch gegen dem
vormaligen Eigenthümer gesicheret sein, sondern, da beide zusammentreffen, die
Sache vorzüglich Jenem, der deren
(2-135) rechtmäßige Erwerbung mit vorbemelten Umständen zu
erweisen im Stande ist, und in dessen Ermanglung dem sich hervorthuenden
Eigenthümer zuerkannt werden.
[2, 8, § 4] 67. Die Sache aber möge Einem oder dem Anderen
zugesprochen werden, so bleibet doch der Namhaftgemachte und dessen geständiger
Gewährsmann für den Werth der Sache Demjenigen, welcher deren verlustig wird,
verfänglich, also zwar, daß er von deme, welcher die Sache unmittelbar von ihme
an sich gebracht, wann ihme solche aberkannt wird, auch in Ermanglung eines
anderen Bedings aus der Natur der Handlung, von dem vorigen Eigenthümer aber
aus einer Folge des Eigenthumsrechts hierum belanget werden könne.
[2, 8, § 4] 68. Doch stehet auch dem belangten Gewährsmann
frei, sich wider die Klage des Eigenthümers auf gleiche Art zu schützen, daß er
seinen weiteren Gewährsmann anzeige, und die Redlichkeit der mit ihme
gepflogenen Handlung erweise, welches fortan soweit gehet, bis daß man auf
einen solchen Veräußerer gelange, welcher keinen weiteren Gewährsmann, minder
die Rechtmäßigkeit der Erwerbung der von ihm weiters veräußerten Sache zu
erweisen im Stande seie.
[2, 8, § 4] 69. Dieser, wann er sich keiner Gefährde bei der
Ansichbringung oder weiteren Veräußerung verfänglich gemacht, ist dem
Eigenthümer zu nichts Mehreren verbunden, als was er von dem weiteren Besitzer
dafür erhalten, oder was sonst für ein Vortheil und Nutzen aus Anlaß der Sache
bei ihme vorhanden ist.
[2, 8, § 4] 70. Wo aber seinerseits eine Gefährde
unterloffen zu sein erweislich wäre, ist er dem Eigenthümer den höchsten Werth
nach eigener Vorliebe auf vorhergehende richterliche Mäßigung mit allen von der
Sache behobenen Nutzungen und verursachten Schäden zu erstatten schuldig.
(2-136) Caput IX.
Von Verjährungen.
Inhalt:
§. I. Von Erfordernussen der Verjährung. §. II. Von
Fähigkeit der Personen, welche ein Ding oder Recht durch Verjährung ersitzen
können. §. III. Von Sachen und Rechten, welche nicht verjähret
werden mögen. §. IV. Von Verjährung beweglicher Sachen. §. V. Von Verjährung
liegender Güter. §. VI. Von Verjährung unkörperlicher Dingen, als Rechten und
Forderungen. §. VII. Von Verjährungen durch undenkliche Besitzzeit. §. VIII.
Von Rüglung oder Unterbrechung der Verjährungszeit.
§. I.
[2, 9, § 1] Num. 1. Die Erwerbung fremder Sachen aus Macht
Rechtens ohne Verlauf der zu Ersitzung fremden Guts sonst erforderlichen
Zeitfrist ist nur wegen Sicherheit des gemeinen Handels und Wandels bei
fahrenden Dingen allein in Hinzutretung der in gleich vorhergehenden Capitel
ausgemessenen, und von dem Besitzer je und allezeit zu erweisen habenden
Erfordernussen verstattet.
(2-137) [2, 9, § 1] 2. Es erheischet aber auch das gemeine
Wohl sowohl bei anderen Sachen, wie da sind liegende Güter, Rechten und
Forderungen, als bei beweglichen Dingen selbst, wo mehrerwähnte Erfordernussen
zur alsbaldigen Uebertragung des Eigenthums nicht beistoßen, die Gewißheit und
Verläßlichkeit dereinstens herzustellen, und anstatt die Strittigkeiten
hierüber zu verewigen, solche vielmehr binnen einem gewissen Zeitraum
einzuschränken, folglich sie nach dessen Verlauf gänzlich abzuschneiden und
aufzuheben.
[2, 9, § 1] 3. In dieser Absicht haben Wir für nothwendig
angesehen nach Verschiedenheit der Dingen gewisse Zeitfristen zu bestimmen,
durch deren ruhigen und ununterbrochenen Verlauf sowohl das Eigenthum einer mit
den hiernach vorgeschriebenen Erfordernussen besessenen Sache sofort auf den
Besitzer aus Macht Rechtens übertragen, als auch allerlei Gerechtsamen
erworben, und alle Forderungen und Rechtsklagen verjähret und verschwiegen sein
sollen.
[2, 9, § 1] 4. Die Verjährung ist dahero nach ihrem
Gegenstand zweierlei, als der Sachen und Rechten; die Verjährung der Sachen ist
eine Uebertragung des Eigenthums einer fremden Sache aus Macht Rechtens,
mittelst deren durch die verordnete Zeit fürwährenden Besitzes, und theilet
sich anwiederum in die Verjährung beweglicher und unbeweglicher Dingen.
[2, 9, § 1] 5. Die Verjährung der Rechten ist eine Art und
Weis mittelst des bestimmten Zeitlaufs aus Macht Rechtens entweder eine
Gerechtsame an dem Gut des Anderen zu erwerben, oder die Befreiung von dem
Recht und Forderung des Anderen zu bewirken.
[2, 9, § 1] 6. Welche ein Recht zueignet, giebt die Klage
und Rechtsforderung zur Behauptung und verstattender ungestörten Ausübung der
durch die Verjährung erworbenen Gerechtsame; jene hingegen, die von der
Verfänglichkeit befreiet, giebt die rechtsbeständige Einwendung wider die
Forderungen des Anderen.
[2, 9, § 1] 7. Beide Arten aber haben nach dem Unterschied,
ob sie landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Rechten und
Forderungen betreffen oder nicht, eine unterschiedene Eigenschaft und Wirkung,
wie es unten erkläret wird.
[2, 9, § 1] 8. Nach dem Zeitmaß ist die Verjährung entweder
bestimmet oder unbestimmet; die bestimmte ist nach der ausgesetzten Zeit
abgemessen, die unbestimmte
(2-138) hingegen hat nur damals statt, wann deren Anfang
über Menschengedenken hinaus reichet, und durch
undenkliche Zeit seine andere Bewandtnuß wissend ist.
[2, 9, § 1] 9. Zur Verjährung, wodurch das Eigenthum fremder
Sachen, oder eine Gerechtsame an des Anderen Gut erworben wird, müssen folgende
fünf Erfordernussen hinzustoßen, in deren Abgang, wann gleich nur eine einzige
ermanglete, keine Verjährung statthaben solle.
[2, 9, § 1] 10. Diese Erfordernussen sind: Erstens, der gute
Glauben, zweitens, eine rechtmäßige Ursache, aus welcher die Sache oder das
Recht auf den Verjährenden gediehen ist, drittens, eine von allem Tadel oder
Verfänglichkeit befreite Sache, wegen welcher solche entweder gar nicht, oder
doch nicht in der gemeinen Verjährungszeit verjähret werden kann, viertens, der
fürwährende ununterbrochene Besitz, und endlich fünftens, der ausgemessene
Zeitlauf.
[2, 9, § 1] 11. Der gute Glauben an Seiten des Verjährenden
als die erste Haupterfordernuß zur Verjährung ist eine ungezweiflete Meinung,
nach welcher er die an sich gebrachte Sache für sein Eigen hält, und
Denjenigen, von deme er solche auf rechtmäßige Art und Weis bekommen, deren
wahren Eigenthümer gewesen zu sein glaubet, oder wo es um ein Recht auf eines
Anderen Gut zu thun ist, sich dessen zu gebrauchen befugt zu sein achtet.
[2, 9, § 1] 12. Dann die Inhabung einer fremden Sache, oder
Anmaßung eines ungebührenden Rechts kann nichts Anderes rechtfertigen, als die
untadelhafte Unwissenheit eines fremden Guts, oder des Unfugs, in welchem der
Anmaßende bestellet ist.
[2, 9, § 1] 13. Was dahero die Unwissenheit tadelhaft und
sträflich macht, und dem Irrenden oder Unwissenden selbst auf was immer für
Weise zu Schulden gehet, als ein gegründeter Zweifel, ein Irrthum oder
Unwissenheit in deme, was ihme zu wissen obgelegen wäre, kann mit dem guten
Glauben und aufrechten Meinung in keinerlei Wege bestehen.
[2, 9, § 1] 14. Ein bloßer Zweifel an dem Eigenthum oder an
der Befugnuß des Uebertragenden, er möge vor oder nach der Erwerbung
hinzustoßen, hinderet zwar für sich allein den Lauf der Verjährung nicht, wann
nicht zugleich dem verjähren Wollenden eine Schuld beigemessen werden kann, daß
er sich eines vor oder währender dieser Zeit ihme wohlwissenden Umstands
halber, welcher ihme ein billiges Bedenken hätte erwecken sollen, zu belehren
unterlassen habe.
[2, 9, § 1] 15. Inwieweit aber Jemand seinen guten Glauben
bei einem vor erfüllter Verjährungszeit über die Rechtmäßigkeit der Erwerbung
entstehenden Zweifel zu rechtfertigen vermöge, bleibet seinem eigenen Gewissen
überlassen.
[2, 9, § 1] 16. Dann Wir seind keineswegs gemeinet, die
Vorenthaltung fremden Guts und unrechtmäßige Besitzungen durch den alleinigen
Zeitlauf zu begünstigen, sondern Jedermann, der das innehabende Gut fremd zu
sein weiß, oder es aus seiner Schuld, da er es wissen können, geflissentlich
nicht wissen wollen, ist und bleibet auch zu allen Zeiten zu dessen
Zuruckstellung verbunden.
[2, 9, § 1] 17. Wann demnach Jemand ein Anderes, als
derselbe vermeinet, hätte wissen sollen, als da er entweder Dasjenige, was
Unsere Gesetze ausmessen, oder was er selbst gesehen, gehöret oder gethan,
nicht zu wissen, und darinnen geirret zu haben vorschützete, ein solcher
vorgeblicher Irrthum oder Unwissenheit des Rechts oder der eigenen That
schließet allen guten Glauben aus.
[2, 9, § 1] 18. Am allermeisten aber widerstehet dem guten
Glauben die ausdrückliche Wissenschaft des Widerspiels, und wer wissentlich
eine fremde Sache von Jemanden, deme er sie nicht gehörig zu sein weiß, an sich
bringt, oder auch wissentlich sich eines fremden Dings oder Gerechtsame auf
eines Anderen Gut, worzu er kein Recht hat, anmaßet, kann eine solche Sache
oder Gerechtsame zu keiner Zeit verjähren.
[2, 9, § 1] 19. Nicht weniger wird die Verjährung
unterbrochen, sobald als der Inhaber die Wissenschaft des fremden Eigenthums an
einer obschon Anfangs mit
(2-139) guten Glauben an sich gebrachten Sache vor
vollendeter Verjährungszeit überkommet.
[2, 9, § 1] 20. Dann der gute Glauben wird nicht nur allein
gleich zur Zeit der Erwerbung und Uebergabe, da Jemand den Besitz der Sache
erlanget oder ein Recht an des Anderen Gut auszuüben anfanget, sondern auch
währender ganzen Verjährungszeit bis zu deren völligen Erfüllung erforderet,
also zwar, daß, wo der Besitzer binnen dieser Zeit auch in dem letzten
Augenblick in üblen Glauben versetzet worden wäre, die obschon rechtmäßig
angefangene Verjährung ihren Lauf und Kraft verliere.
[2, 9, § 1] 21. Deme aber, welcher bereits die ganze
Verjährungszeit mit guten Glauben ordentlich erfüllet hat, schadet die nachher
erlangende Wissenschaft einer vorhin fremden Sache oder Gerechtsame nicht,
sondern derselbe ist sodann des aus Macht Rechtens erworbenen Eigenthums oder
Gerechtsame in kraft Unserer Gesetzen vollkommen gesicheret, und solle nach
rechtmäßig vollstreckter Verjährungszeit von dem üblen Glauben weiter keine
Frage sein.
[2, 9, § 1] 22. Der gute Glauben solle bei Personen von
guten Namen und Leumund allemal vermuthet, folglich das Widerspiel von dem
Gegentheil erwiesen werden; es käme dann wider den Besitzer ein
rechtserheblicher Verdacht hervor, in welchem Fall derselbe zu dessen Ablehnung
auf richterliches Ermessen seinen guten Glauben mit einem körperlichen Eid zu
erhärten schuldig ist.
[2, 9, § 1] 23. Die zweite Erfordernuß ist die Anzeige
rechtmäßiger Ankunft, wodurch nichts anderst, als eine rechtmäßige Ursache
verstanden wird, aus welcher die Sache auf den verjährenden Besitzer gediehen
ist, oder Jemanden das anmaßende Recht bestellet worden.
[2, 9, § 1] 24. Diese Ursache muß an und für sich zu
Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, folglich also beschaffen sein, daß,
wann die Sache von ihrem Eigenthümer übergeben worden wäre, deren Eigenthum
anmit auf den Besitzer hätte übertragen werden können.
[2, 9, § 1] 25. Nicht weniger muß dieselbe wahr, und nicht
bloß eingebildet, noch minder verstellet sein, also zwar, daß durch
Scheinhandlungen verstellete, falsch fürgewendete, oder auch irrig vermeinte
und eingebildete Ursachen null und nichtig, und zur Verjährung nicht zureichend
sein.
[2, 9, § 1] 26. Wovon nur jener Irrthum und Unwissenheit
ausgenommen ist, worin Jemand aus der That eines Anderen versetzet und dadurch
verleitet worden zu glauben, daß er die Sache aus derjenigen rechtmäßigen
Ursache, welche er sich einbildet, an sich gebracht habe.
[2, 9, § 1] 27. Als da z. B. ein Erb das in der
Verlassenschaft seines Erblassers vorfindliche fremde Gut für des Erblassers
eigenes, folglich für ein rechtmäßig ererbtes Gut hielte, oder Jemanden von
seinem Sachwalter eine fremde Sache unter dem Vorwand eines rechtmäßig
erkauften Guts überlieferet worden wäre, oder auch Jemand ein ihme zur Ungebühr
bezahltes Geld als eine rechtmäßige Schuld angenommen hätte.
[2, 9, § 1] 28. Außer solchen Fällen aber, wo eine
unsträfliche Unwissenheit fremder That, Zustands oder Eigenschaft den Irrthum
veranlasset, kann sonst Niemand nach seinem eigenen Gefallen die wahre Ursach
seines Besitzes, Inhabung oder Anmaßung änderen, oder verwandlen, und eine
andere Ursache, als aus der die Sache oder das Recht auf ihn gediehen, zum
Schein angeben und vorwenden, sondern eine solche vorschützende falsche Ursach
bleibet immerda unrechtmäßig, folglich auch zur Verjährung ganz und gar
untüchtig.
[2, 9, § 1] 29. Wahre, rechtmäßige und zur Verjährung
hinlängliche Ursachen sind alle diejenige, welche ihrer Natur nach auf Uebertragung
des Eigenthums gerichtet sind, und wodurch solches ohngezweiflet auf den
Besitzer hätte übertragen werden können,
(2-140) wann ihme von dem Eigenthümer die Sache übergeben,
oder das Recht bestellet worden wäre.
[2, 9, § 1] 30. Es ist aber auch darinnen zwischen
beweglichen und unbeweglichen Dingen ein Unterschied, daß bei Fahrnussen an der
Rechtmäßigkeit der Erwerbungsursache genug ist, bei liegenden Gütern hingegen,
und den hierauf haftenden Rechten und Gerechtigkeiten über das erforderet werde,
daß die Ursache, wodurch der Besitzer das Gut oder das Recht an sich gebracht,
in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern da, wo das Gut inlieget, eingetragen
und vorgemerket seie.
[2, 9, § 1] 31. Dann gleichwie liegende Güter und darauf
haftende Rechten und Gerechtigkeiten nicht anderst, als mit der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern erworben und übertragen werden können, also werden sie
auch ohne denenselben zu keiner Zeit verjähret, sondern bleiben immerfort
Demjenigen, auf dessen Namen sie in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
vorgemerket und eingeschrieben sind, obgleich jemand Anderer solche besitzete,
benutzete, oder sonst innen hätte.
[2, 9, § 1] 32. Doch erstrecket sich die auf den ganzen
Inbegriff eines Guts oder Herrschaft lautende landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Ankunft auch auf alle darzu gehörige Theile, welche darunter
begriffen sind, und als Zugehörungen mit dem Ganzen zugleich besessen, folglich
auch verjähret werden, ohne daß wegen eines jedweden Theils eine besondere landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Ankunft nöthig wäre, wann sonst in
Ansehen eines solchen vorgeblichen Theils an den übrigen Erfordernussen zur
Verjährung nichts ermanglet.
[2, 9, § 1] 33. Desgleichen können keinerlei liegende Güter
behaftende Grundrechten und Grunddienstbarkeiten ohne deren landtäflicher,
stadt- oder grundbücherlichen Bestellung oder Verschreibung verjähret werden,
mit alleiniger Ausnahme derjenigen, welche nach der oben in zweiten Capitel, §.
I, num. 11 enthaltenen Ausmessung vor diesem Unseren Gesatz allschon rechtmäßig
verjähret wurden, oder deren in jenen Orten, wo vorhero keine dergleichen
Verschreibung nöthig ware, vorhin angefangene Verjährung nachhero ohne
Widerspruch erfüllet wird.
[2, 9, § 1] 34. Umsoweniger aber können die schon wirklich
in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf Jemanden vorgemerkte Rechten und
Gerechtigkeiten von irgend einem Anderen ohne
landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Verschreibung verjähret werden.
[2, 9, § 1] 35. Die Rechtmäßigkeit der Ankunft oder der nach
Gestalt der verjährenden beweglichen oder unbeweglichen Sache erforderlichen
Erwerbungsursache hat allemal Jener zu erweisen, der sich wider den Anspruch
des Anderen mit der Verjährung schützen will.
[2, 9, § 1] 36. Aus deren Beweis erwachset
die zu Recht bestehende Vermuthung für den guten Glauben des Besitzers, welche
nicht anderst, als durch den Gegenbeweis des Widerspiels entkräftet und
abgelehnet werden mag.
[2, 9, § 1] 37. Die dritte Erfordernuß zur Verjährung ist
die Untadelhaftigkeit und Unverfänglichkeit der verjähren wollenden Sache;
durch den Tadel und die Verfänglichkeit aber wird eine solche der Sache
anklebende Eigenschaft verstanden, wegen welcher dieselbe entweder gar nicht,
oder doch nicht in der gemeinen Verjährungszeit verjähret werden kann, wovon
unten in §. III mit Mehreren gehandlet werden wird.
[2, 9, § 1] 38. Die vierte Erfordernuß ist der rechtliche
Besitz der verjähren wollenden Sache, welcher durch die ganze zur Verjährung
angesetzte Zeit, fortwürig, ununterbrochen, ruhig, und über das bei liegenden
Gütern aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern offenkundig sein muß.
[2, 9, § 1] 39. Es ist dahero an dem natürlichen Besitz oder
der alleinigen Inhabung der Sache nicht genug, sondern es wird der rechtliche
Besitz darzu erforderet, welcher bei beweglichen Dingen darinnen bestehet, daß
der Besitzer die Sache für sich selbst, und als sein Eigenthum, nicht aber in
Namen eines Anderen, und
(2-141) bloß in Absicht eines daraus beziehenden Nutzens,
oder hieran gebührenden gewissen Rechts besitze.
[2, 9, § 1] 40. Dahingegen kann bei liegenden Gütern der
rechtliche Besitz nicht anderst, als mittelst der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern erworben werden, folglich ist auch zu deren Verjährung der
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Besitz dergestalten nothwendig, daß
solche ohne demselben durchaus nicht statthaben kann.
[2, 9, § 1] 41. Der Besitz muß durch die ganze
Verjährungszeit ununterbrochen fürwähren, also daß der Besitzer von Anfang bis
zu Ende dieser Zeit niemalen aus dem Besitz gesetzet worden. Der Anfang des
Besitzes aber ist bei Fahrnussen von dem Tag der Erwerbung, da nemlich der
Besitzer die Sache als sein vermeintliches Eigenthum durch Uebergabe oder
Ergreifung an sich gebracht, bei liegenden Gütern hingegen von dem Tag der
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung, oder Verschreibung
des liegenden Guts auf den Besitzer zu rechnen, von welcher Zeit die Verjährung
ihren Anfang nehmen solle.
[2, 9, § 1] 42. Die Verjährung ist demnach durchaus nach dem
Besitz abgemessen, also, daß nur so vieles verjähret werde, als erweislich
besessen worden, und wer ein aus mehreren zusammenhangenden, oder geschiedenen
Theilen bestehendes Ganzes verjähren will, muß auch alle Theile desselben besessen
haben.
[2, 9, § 1] 43. Also werden unter dem Begriff eines Guts
oder Herrschaft nur jene Theile verjähret, welche als Zugehörungen darzu
zugleich durch die ganze Verjährungszeit besessen worden.
[2, 9, § 1] 44. Desgleichen werden unter einer Herde Viehs
mittelst einerlei Verjährung nur so viele verjähret, als die Herde zur Zeit der
Erwerbung, da sie an den Besitzer gelanget, in sich begriffen, nicht aber auch
jene Stücke, die nach der Zeit darzu gekommen, sondern diese müssen besonders
verjähret werden, und sind ebenso vielerlei Verjährungen nöthig, als Theile
sind.
[2, 9, § 1] 45. Dieses leidet jedoch bei Gebäuden eine
Ausnahme, als mit welchen der Bauzeug, oder das, was erd-, niet- oder nagelfest
ist, nicht zugleich mit verjähret wird, weilen all solches, so lange das
Gebäude bestehet, mit der Eigenthumsklage nicht geforderet werden kann, und aus
der Ursache dessen Verjährung nicht ehender, als nach zerstörten Gebäude ihren
Anfang nimmt.
[2, 9, § 1] 46. Die Fortwürigkeit des Besitzes kann nicht
nur bei einer, sondern auch bei mehreren unmittelbar aufeinander folgenden
Personen bestehen, von deren Einer auf die Andere in ohnunterbrochener Reihe
die verjährende Sache gelanget, also, daß der erste Inhaber die Verjährung
anfange, die folgenden aber solche fortsetzen und endigen, mithin allemal die
Besitzzeit der Vorfahreren dem Nachfolger zu statten komme.
[2, 9, § 1] 47. Diese Vereinigung und Zusammenfügung des
vergangenen mit dem folgenden oder gegenwärtigen Besitz heißet eigentlich ein
Zugang der Zeit, wessen sich alle nachfolgende Inhabere der Sache, welche sie
rechtmäßig aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache, es
seie durch Erbfolge oder durch Handlungen zwischen Lebenden, an sich gebracht
haben, bedienen können, wann folgende Erfordernussen dabei zusammentreffen,
als:
[2, 9, § 1] 48. Erstens, daß sowohl der Vorfahrer, als der
Nachfolger in guten Glauben bestellet, und Beider Inhabung mit den zur
Verjährung nöthigen Erfordernussen versehen seie, wo in widrigen bei
tadelhafter Inhabung des Vorfahrers die Verjährung keinen rechtsbeständigen
Anfang nehmen können, und bei tadelhafter Inhabung des Nachfolgers dieselbe
sofort unterbrochen wird, und nicht weiter fortgesetzet werden mag.
[2, 9, § 1] 49. Zweitens, daß der Nachfolger in den wirklichen
Besitz der von dem Vorfahrer unmittelbar auf ihn gediehenen Sache gelange, und
wo es eine bewegliche Sache, solche durch ordentliche Uebergabe zu seinen
Handen und in seine Gewahrsame bringe, da es aber eine unbewegliche Sache,
deren landtäfliche, stadt-
(2-142) oder grundbücherliche Einverleibung und
Verschreibung auf seinen Namen erfolget seie.
[2, 9, § 1] 50. Wäre er aber nicht unmittelbar seinem
Vorfahrer in dem Besitz gefolget, sondern der Besitz in der Zwischenzeit auf
jemand Anderen gediehen, von deme die Erwerbung dieser Sache nicht abgeleitet
wird, ist auch die Verjährung sofort unterbrochen, und kann die Besitzzeit des
Vorfahrers nicht darzu gerechnet, wohl aber die Verjährung, wann sonst kein
Mangel unterwaltet, in der eigenen Person des Nachfolgers angefangen werden.
[2, 9, § 1] 51. Doch haben liegende oder unangetretene
Erbschaften die Eigenschaft, daß sie die Person des Erblassers vorstellen,
folglich auch diejenige Zeit, durch welche sie unangetreten erliegen, dem sich
nachher hervorthuenden Erben zu Ergänzung der Verjährung in Ansehen einer
darunter befindlichen fremden Sache zu guten gehe, wann die Verlassenschaft
unter dieser Zeit der Sache wegen unangefochten geblieben.
[2, 9, § 1] 52. Es hanget aber von des Nachfolgers eigenen
Willen und Gefallen ab, sich die Besitzzeit seines Vorfahrers zuzurechnen,
ansonst kann ein Erb, Kaufer, und jedweder anderer Nachfolger an der Sache die
Verjährung von seiner eigenen Besitzzeit anfangen, wann er nur in guten Glauben
bestellet ist.
[2, 9, § 1] 53. Dieser Besitz muß ferners die ganze
Verjährungszeit hindurch ruhig gewesen sein, und darf durch keinen
gerichtlichen Anspruch, noch minder durch den darzwischen kommenden üblen
Glauben unterbrochen werden.
[2, 9, § 1] 54. Der Besitz solle zwar jedesmal von Jenem
erwiesen werden, der die Verjährung für sich anführet, wer aber den
rechtmäßigen Anfang des erlangten Besitzes, und beinebst die gegenwärtige
Inhabung der Sache, oder daß er wenigstens bei erfüllter Verjährungszeit
dieselbe wirklich in Besitz gehabt, erweiset, hat auch die Vermuthung des
zwischenzeitigen rechtmäßigen Besitzes für sich, wann nicht von dem Gegentheil
das Widerspiel, oder ein sonstiger Abgang an den Erfordernussen zur Verjährung
erwiesen wird.
[2, 9, § 1] 55. Die fünfte Erfordernuß ist die zu Ersitzung
einer Sache oder Erwerbung eines Rechts durch Unsere Gesetze ausgemessene Zeit,
welche jedoch hier nicht bloß nach ihrem natürlichen Lauf, sondern in
rechtlichen Verstand betrachtet wird, und in dieser Bedeutung ist dieselbe ein
gewisser Raum, wodurch der Anfang, die Dauer und das Ende eines jedweden Rechts
und Gerechtigkeit bestimmet wird.
[2, 9, § 1] 56. Sie ist fortlaufend oder nutzlich, der Lauf
der ersteren wird durch nichts unterbrochen und aufgehalten, die letztere aber
begreifet nur jenen Zeitraum in sich, in welchen die Ansuchung des
angebührenden Rechts nicht verschränket ist, also, daß jene Zeit, in welcher
Jemand sein Recht zu suchen durch rechtmäßige Ehehaften verhinderet ware, nicht
mit eingerechnet werde.
[2, 9, § 1] 57. Es kann aber nach Verschiedenheit der Fällen
die Zeit entweder durchaus von Anfang bis zu Ende fortlaufend, oder auch von
Anfang bis zu Ende nutzlich, oder aber zu Anfang nutzlich, und in der Folge
fortlaufend sein, nachdeme es in jedem Fall von Unserem Gesatz vorgeschrieben
wird.
[2, 9, § 1] 58. Die Zeit wird in Augenblicke, Stunden, Täge,
Wochen, Monate und Jahre eingetheilet; ein Augenblick ist ein untheilbarer
Zeitpunkt, in welchem jenes zu geschehen hat, was keinen Verzug leidet, und
augenblicklich wird jenes erworben, worzu von Unseren Gesetzen kein Zeitraum
ausgesetzet ist.
[2, 9, § 1] 59. Die Stunden sind ein gleicher Zeitraum,
worein Tag und Nacht eingetheilet wird; diese endigen sich bei gerichtlichen
Handlungen mit dem Glockenschlag, also daß, wo es auf eine Stunde ankommt, mit
dem letzten Schlag der ausgesetzten Stunde das Recht verschwiegen und
verschlafen ist.
[2, 9, § 1] 60. Ein Tag begreifet einen Zeitraum von
vierundzwanzig Stunden, also daß in dem rechtlichen Verstand unter dem Tag
allemal auch die Nacht enthalten sein solle, wann in dem Gesatz oder Gebot
nichts anderes ausgedrucket, und der
(2-143) Tag nicht wortdeutlich auf die Zeit von
Sonnenaufgang bis Untergang beschränket wird.
[2, 9, § 1] 61. Eine Woche bestehet in sieben Tagen; durch
ein Monat solle insgemein eine Zeit von dreißig Tagen verstanden werden, wann
nicht der Namen eines gewissen Monats mit angedeutet wird, dann in diesem Fall
sind so viele Täge zu rechnen, als dieser Monat hat; da jedoch eine Zeitfrist
von mehreren unbenannten Monaten anberaumet wäre, solle allemal bei zweien
Monaten ein Tag darüber gerechnet werden.
[2, 9, § 1] 62. Ein Jahr hat dreihundertfünfundsechzig Täge,
wo aber ein Schaltjahr einfällt, solle der Schalttag in dem Laufe des Jahrs mit
eingerechnet, und mit dem nächsten vorhergehenden für einen Tag geachtet,
folglich das Jahr nicht ehender für verflossen gehalten werden, bis nicht
gleichfalls der Schalttag verstrichen ist; dahingegen, wo die Zeitrechnung nach
Tägen zu geschehen hat, ist der Schalttag jedesmal besonders zu rechnen.
[2, 9, § 1] 63. Die zu Verjährungen ausgesetzte Zeit, sie
möge in Tägen, Wochen, Monaten oder Jahren bestehen, solle insgemein bis auf
den letzten Augenblick des letzten Tags gerechnet werden, also daß, solange der
letzte Tag nicht gänzlich vollendet und zuruckgeleget ist, dem Gegentheil nach
allezeit bevorstehe, die Verjährung zu unterbrechen.
[2, 9, § 1] 64. Hiervon sind nur die Verjährungen liegender
Güter, dann landtäflicher, stadt- und grundbücherlicher Rechten und Gerechtigkeiten,
welche nach der unten in §. VIII folgenden Ausmessung nicht anderst, als
mittelst gerichtlicher Rüglung und Widerspruchs unterbrochen werden können, wie
nicht minder die Verjährungen jener Klagen und Rechtsforderungen, die von einer
gewissen Zeitfrist abhangen, ausgenommen, bei welchen der letzte Tag damals für
erfüllet und vollendet geachtet werden solle, wann die nach Vorschrift Unserer
Gerichtsordnung zu Einbringung gerichtlicher Eingaben ausgesetzte Stunde
verflossen ist.
[2, 9, § 1] 65. Und hierinnen bestehen die zu Verjährungen,
wodurch das Eigenthum fremder Sachen, oder eine Gerechtsame an des Anderen Gut
erworben wird, nöthige Erfordernussen; dahingegen solle bei jenen Verjährungen,
wodurch nichts erworben, sondern nur das Seinige erhalten, und die Befreiung
von dem Recht des Anderen durch Ausschließung seiner Forderung bewirket wird,
auf den alleinigen Zeitlauf gesehen werden.
[2, 9, § 1] 66. Also zwar, daß dabei von dem guten Glauben
keine Frage, sondern an dem Verlauf der zu Einbringung einer solchen
Rechtsforderung ausgesetzten Zeit genug sein solle, auf daß dieselbe nach der
Zeit verjähret und verschwiegen seie; wie viele Zeit aber zu Verjährungen
erforderlich seie, wird nach Verschiedenheit der Gegenständen, welche verjähret
werden, in nachfolgenden §§. ausgemessen werden.
[2, 9, § 1] 67. Die Verjährung der Sachen hat nicht weniger
Kraft und Wirkung, als eine jedwede andere Erwerbungsart, also, daß in dem
letzten Augenblick der geendigten Verjährungszeit andurch das Eigenthum von dem
vorigen Eigenthümer auf den Verjährenden aus Macht Rechtens übertragen, und
ihme ebenso, als ob es durch ordentliche Uebergabe an ihn gelanget wäre,
erworben werden, wessentwegen er auch nicht weiter angefochten werden kann.
[2, 9, § 1] 68. Die Verjährung der Rechten, wodurch eine
Gerechtsame erworben wird, eignet dem Verjährenden die Gerechtsame an eines
Anderen Gut in eben derjenigen Maße zu, als ob ihme solche mit Willen des
Eigenthümers auf was immer für andere rechtmäßige Art bestellet worden wäre,
gleichwie dagegen die Verjährung einer Rechtsforderung solche auf allzeit
ausschließt, und an Seiten dessen, welcher dem Kläger vorhin verbunden ware,
eine rechtsbeständige Einwendung wider dieselbe bewirket.
(2-144) §. II.
[2, 9, § 2] 69. Jedermann kann sowohl Sachen als Rechten
verjähren, der den rechtlichen Besitz und das Eigenthum einer Sache, oder das
verjähren wollende Recht zu erwerben fähig ist.
[2, 9, § 2] 70. Gleichwie dahero Kinder und Blödsinnige
wegen Mangel des Verstandes und Willens etwas zu erwerben untüchtig sind, also
können sie auch durch sich selbst keine Verjährung anfangen, wohl aber kann die
Verjährung anstatt ihrer von denen Gerhaben oder Vormünderen und Curatoren in
ihren Namen und zu ihren Handen angefangen werden.
[2, 9, § 2] 71. Wann jedoch die Verjährung einmal ihren
rechtmäßigen Anfang genommen, kann solche auch von Personen fortgesetzet
werden, die entweder sie durch sich selbst anzufangen nicht fähig gewesen
wären, oder nachhero in einen solchen Stand versetzet würden, worinnen dieselben
die Verjährung niemalen hätten anfangen können, woferne sonst an den
wesentlichen Erfordernussen der Verjährung nichts ermanglet.
[2, 9, § 2] 72. Also wird die von dem Erblasser angefangene
Verjährung nicht unterbrochen, obgleich seine Erben noch Kinder oder blödsinnig
wären, nicht weniger hat die Verjährung jegleichwohlen ihren Fortgang, obschon
der Verjährende mit einer Blödsinnigkeit befallen würde, oder ein Kind, dessen
Vormund die Verjährung angefangen, nach dessen Abgang unbevormundet bliebe.
[2, 9, § 2] 73. Waisen und andere pflegbefohlene Personen,
denen es nicht an dem Verstand und Willen, sondern nur allein an der Befugnuß
der freien Schalt- und Waltung gebricht, können insoweit durch sich selbst eine
Verjährung anfangen, als sie nach Ausmessung dessen, was in ersten Theil in der
Abhandlung von der Vormundschaft geordnet worden, das Eigenthum zu erwerben
fähig sind.
[2, 9, § 2] 74. Auch durch Andere, welche entweder unter
Jemands Gewalt befindlich, oder fremde Geschäften zu besorgen haben, kann die
Verjährung einer Sache oder Rechts angefangen werden, wann Jener, zu dessen
Handen die Verjährung laufet, davon Wissenschaft hat.
[2, 9, § 2] 75. Dann wer von der zu Handen gebrachten Sache,
oder von dem anmaßenden Recht nichts weiß, kann auch nicht in guten Glauben
bestellet sein, und solange dieser ermanglet, kann keine Verjährung statthaben.
[2, 9, § 2] 76. Zur Verjährung liegender Güter und
landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten aber wird insonderheit an
Seiten der Verjährenden die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Besitz-
und Erwerbungsfähigkeit dergestalten erforderet, daß die Verjährung nicht
ehender, als von Zeit der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Ankunft
ihren Anfang nehmen kann.
§. III.
[2, 9, § 3] 77. Alle Dinge, sie mögen fahrend oder liegend,
körperlich oder unkörperlich sein, können verjähret werden, wann sie nur
folgende Beschaffenheit haben, daß erstens sie fremd sein, zweitens, keine der
vorgeschriebenen Erfordernussen zur
(2-145) Verjährung dabei ermanglet, und drittens, dieselben
in Unserem Gesatz nicht namentlich ausgenommen worden.
[2, 9, § 3] 78. Aus Mangel der ersten Beschaffenheit können
eigene Sachen und Rechten, unhandelbare Dinge und bloß willkürliche Handlungen
niemalen verjähret werden.
[2, 9, § 3] 79. Dann was schon Jemandens ist, kann durch die
Verjährung nicht mehr sein werden, obschon von ihme ein an seiner Sache dem
Anderen gebührendes
(2-146) Recht verjähret werden mag, wodurch aber nicht die
Sache, welche schon in gewisser Maß sein eigen ist, sondern nur das Recht, was
ihme noch hieran abgehet, erworben wird.
[2, 9, § 3] 80. Unhandelbare Dinge sind in Niemandens Gut,
folglich auch ganz und gar unverjährlich, solange sie nicht die unhandelbare
Eigenschaft verlieren, und durch die gehörige Obrigkeit in Handel und Wandel
gesetzet werden.
[2, 9, § 3] 81. Dahin gehöret ein freier Mensch, welcher
durch keinerlei Verlauf der Zeit in die persönliche Unterthänigkeit gezogen
werden kann, wann er sich nicht freiwillig in jenen Landen, wo solche eingeführet
ist, derselben unterworfen hat.
[2, 9, § 3] 82. Willkürliche Handlungen sind von zweierlei
Art, die einen, welche zu thun oder zu unterlassen aus der natürlichen Freiheit
von eines Jedweden freien Willen abhanget, ohne daß ein Anderer hierauf mit Fug
und Anspruch zu machen vermöge, oder ihme aus deren Unterlassung ein Recht
erwachse.
[2, 9, § 3] 83. Als da sind die Bewandlung offener Wege und
Straßen, Besuchung öffentlicher Bäder und Schauspielen, Erhöhung eigener
Gebäuden, Beurbarung eigener Gründen, Mahlung auf fremden Mühlen, Einkehr und
Zehrung in Gast- und Schenkhäusern u. dgl.
[2, 9, § 3] 84. Derlei Handlungen sind und bleiben ihrer
Natur nach immerda unverjährlich, also zwar, daß, obgleich Jemand durch noch so
lange Zeit sein Haus nicht erhöhet, seinen Acker nicht beurbaret, in seinem
Wald nicht gejaget oder Holz gefället, Bäder und Schauspiele nicht besuchet
hätte, derselbe nichtsdestoweniger durch keinerlei Verjährung diese Befugnuß
verliere.
[2, 9, § 3] 85. Gleichwie dann auch Jener, welcher durch
noch so lange Zeit auf einer fremden Mühle immerfort gemahlet, oder in einem
Gast- oder Schenkhaus immerda eingekehret und gezehret, nachhero sich einer
anderen Mühle zu gebrauchen, oder ein anderes Gast- oder Schenkhaus vorzuwählen
nicht verhinderet werden mag.
[2, 9, § 3] 86. Doch können alle diese vorerwähnte
Handlungen verjährlich werden, wann der Eine die Ausübung einer solchen
willkürlichen Handlung verbietet und der Andere sich dem Verbot füget, und
durch die ausgesetzte Verjährungszeit, ohne dagegen etwas einzuwenden, dabei
beruhet.
[2, 9, § 3] 87. Dann in diesem Fall hören sie auf
willkürliche Handlungen zu sein, und Jener, welcher den sonst freien Gebrauch
verbietet, erlanget durch des Anderen Stillschweigen gleichsam den Besitz eines
fremden Rechts, folglich auch die Befugnuß zur Verjährung.
[2, 9, § 3] 88. Eine ganz gleiche Beschaffenheit hat es mit
allen nachbarlichen Dienst- und Freundschaftserzeugungen, welche zu keiner Zeit
verjähret werden mögen, als da ein Nachbar dem Anderen den Durchgang über seine
Gründe, die Viehweide, oder das Jagen in seinen Waldungen aus bloßer
Freundschaft und ohne einiger Verfänglichkeit verstattete.
[2, 9, § 3] 89. In solchen Fällen beruhet es auch nach einem
noch so langen Zeitlauf allemal bei der Willkür des Verstattenden die
eingestandene Wohlthat zu widerrufen und anwiederum aufzuheben, es wäre dann,
daß der Andere wider den Verbot darmit fortführe und der Verbietende durch die
ausgemessene Verjährungszeit darzu stillschwiege.
[2, 9, § 3] 90. Die willkürlichen Handlungen von der anderen
Art sind jene, welche zu thun oder zu unterlassen zwar von der eigenen Willkür
abhanget, deren Ausübung aber nicht aus der Jedermänniglich zustehenden
natürlichen Freiheit, sondern aus einem besonders hierzu erworbenen Recht herrühret.
[2, 9, § 3] 91. Diese sind jedoch ihrer Natur nach
anwiederum unterschieden, dann entweder sind selbe auf die Erlangung eines
gewissen Rechts gerichtet, als da sind die Antretung einer angefallenen
Erbschaft, und alle Rechtsklagen und Handlungen, zu deren Anbringung und
Ausübung eine gewisse Zeit ausgesetzet ist.
[2, 9, § 3] 92. Oder es wird andurch nur das aus einem
Vertrag oder sonstigen
(2-147) besonderen Befugnuß angebührende Recht ausgeübet,
als eine Dienstbarkeit, die Gerichtsbarkeit, die Bräu- und Schankgerechtigkeit
u. dgl.
[2, 9, § 3] 93. Die ersten werden durch die in Unserem
Gesatz ausgemessene Zeit verjähret, wann sie binnen solcher nicht ausgeübet
werden, folglich wird auch das Recht, welches hierdurch zu erlangen gewesen
wäre, verloren.
[2, 9, § 3] 94. Die anderen aber haben die nemliche
Eigenschaft, wie jene aus der natürlichen Freiheit herstammende willkürliche
Handlungen, also, daß selbe, wann sie auch durch eine noch so lange Zeit nicht
ausgeübet würden, durch keinerlei Verjährung ausgeschlossen und verschränket
werden können.
[2, 9, § 3] 95. Es trete dann der Verbot des Anderen, und
das Stillschweigen des Berechtigten hinzu, oder das Gebot Unserer Satz- und
Ordnungen würde nach Verschiedenheit der Fällen ein Anderes ausdrücklich ausmessen,
oder das angebührende Recht wäre von einer solchen Beschaffenheit, daß es von
selbst durch den Nichtgebrauch erlösche, wovon seines Orts gehandlet wird.
[2, 9, § 3] 96. Aus Mangel der zur Verjährung nöthigen
Erfordernussen, und zwar wegen Abgang guten Glaubens und rechtmäßiger Ankunft
kann das Wiedereinlösungsrecht eines verschriebenen oder gegebenen Unterpfands,
sowie die ohne Bestimmung einiger Zeit vorbehaltene Ablösung der zeitlichen
Behaftung eines Guts zu keiner Zeit verjähret werden.
[2, 9, § 3] 97. Desgleichen solle ein Schuldner wider seinen
Glaubiger die Schuld, es möge in dem Schuldbrief eine Aufkündigungs- oder
Zahlungszeit bedungen sein oder nicht, zu keiner Zeit verjähren können.
[2, 9, § 3] 98. Wäre aber der Schuldner verstorben, so ist
zu unterscheiden, ob die Schuld landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
vorgemerket seie oder nicht, ersteren Falls ist dieselbe unverjährlich.
[2, 9, § 3] 99. Letzteren Falls hingegen solle die Schuld
nach Verlauf sechs Jahren von dem Absterben des Schuldners, wann sie nicht
gegen dessen Erben binnen dieser Zeit (es seie gerichtlich oder gütlich)
gemahnet, oder nicht von ihnen durch Abfuhr der Zinsen, Umlage, Anweisung oder
in andere Wege anerkannt worden, verschwiegen werden.
[2, 9, § 3] 100. Es würde dann die bedungene Zahlungszeit
erst nach Absterben des Schuldners verfallen, in welchem Fall sie sechs Jahr
nicht von dem Absterben des Schuldners, sondern von der Verfallzeit gerechnet
werden sollen.
[2, 9, § 3] 101. Wegen Abgang rechtmäßiger Ankunft kann
wider die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibungen keine
Verjährung laufen, sondern gegen der landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Ankunft bleibet alle andere Erwerbungsursache ohne Kraft,
insolange dieselbe nicht entweder mit Willen des Besitzers, oder durch Recht
und Urtheil zu der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage
gelanget, und andurch die Ankunft des anderen Theils hieraus vertilget wird.
[2, 9, § 3] 102. Wer dahero wider die landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Ankunft des Anderen ein Gut oder Recht verjähren will,
muß vorerst seine zu Uebertragung des Eigenthums oder erwerben wollenden Rechts
zulängliche Ankunftsursache, wodurch die Ankunft des Anderen getilget und
aufgelöset wird, in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket haben,
ehe und bevor die Verjährung ihren Lauf anfangen kann.
[2, 9, § 3] 103. Aus dieser Ursache können liegende Güter
und hieran gebührende Rechten von Jenem, der hierzu keine landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Ankunft hat, nicht verjähret werden.
[2, 9, § 3] 104. Und überhaupt solle sowohl wider das
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich bedungene Einstandrecht, als wider
andere wie immer Namen habende mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
bekräftigte Rechten und Gerechtigkeiten
(2-148) keine Verjährung laufen, solange solche nicht mit
der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern anwiederum aufgelöset werden.
[2, 9, § 3] 105. Noch viel weniger aber kann das Eigenthum
eines liegenden Guts verjähret werden, wann die obschon landtäflich, stadt-
oder grundbücherlich vorgemerkte Ankunftsursache zu dessen Uebertragung nicht
hinlänglich ist.
[2, 9, § 3] 106. Also kann ein Glaubiger das Eigenthum eines
ihme zum Unterpfand verschriebenen Guts, obschon derselbe aus einem
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibten Beding in dessen
rechtlichen Besitz befindlich wäre, zu keiner Zeit verjähren.
[2, 9, § 3] 107. Gleichwie kann auch das Eigenthum eines
Guts, was Jemand aus dem Recht eines Leibgedings, oder der Nutznießung, oder
einer sonstigen zeitlichen Behaftung innen hat, von ihme niemalen verjähret
werden mag.
[2, 9, § 3] 108. Eben sowohl ist außer landtäflichen, stadt-
oder grundbücherlichen Verschreibungen auch bei anderen Handlungen die
Zulänglichkeit der Ankunftsursache eine wesentliche Erfordernuß zur Verjährung,
also zwar, daß ausgeliehene, vermiethete oder hinterlegte Sachen von dem
Entlehner, Miether, oder deme, zu dessen Handen sie hinterleget worden, nicht
verjähret werden können.
[2, 9, § 3] 109. Doch mögen deren Erben, wann sie derlei
Sachen durch die ausgesetzte Verjährungszeit ohne Unterbruch mit guten Glauben
als ein ererbtes Gut fortan besitzen, solche allerdings verjähren, welches aber
nur bei beweglichen Sachen statt hat, dann der Verjährung liegender Güter
stehet in solchen Fällen der Abgang der landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Ankunft entgegen.
[2, 9, § 3] 110. Wegen des die Inhabung einer Sache
behaftenden Tadels können gestohlene, entwendete, geraubte und solche Dinge,
deren Jemand mit Gewalt entsetzet worden, mit ihren davon abfallenden Nutzungen
oder sich ergebenden Zugängen in Handen des Diebs, Raubers, Vergewaltigers und
deren Erben, oder auch Jener, welche sie wissentlich mit diesem Tadel behaftet
zu sein an sich bringen, zu keiner Zeit verjähret werden.
[2, 9, § 3] 111. Es seie dann, daß die Sache von diesem
Tadel anwiederum befreiet und gleichsam gereiniget werde, welches auf zweierlei
Art geschehen kann, als:
Erstens, wann dieselbe wieder in denjenigen Stand, in
welchem sie vorhin gewesen, gesetzet, und entweder Demjenigen, deme sie
entwendet worden, oder dem Eigenthümer ohnentgeltlich eingelieferet, oder der
Beschädigte in andere Wege dieser Sache halber vollkommen befriediget wird.
[2, 9, § 3] 112. Zweitens, wann solche ein Dritter mit guten
Glauben aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache,
obgleich von dem Dieb und Rauber selbst, rechtmäßig an sich bringt.
[2, 9, § 3] 113. Welchen Falls derselbe in Hinzutretung
deren in vorgehenden achten Capitel, §. IV, ausgemessenen Umständen die sofort
aus Macht Rechtens erwirbt, ohne diesen aber die Befugnuß zur Verjährung
erlanget, woferne seinerseits an denen hierzu nöthigen Erfordernussen nichts
ermanglet.
[2, 9, § 3] 114. Diese letztere Art kann jedoch nur einem
unschuldigen Dritten, dahingegen niemalen Jenem, der in üblen Glauben bestellet
ist, und umsoweniger denen Erben eines Diebs oder Raubers vorträglich sein,
also zwar, daß ein solcher, obschon er die Sache von einem dritten rechtmäßigen
Besitzer anwiederum an sich brächte, dieselbe jegleichwohlen zu keiner Zeit
verjähren mag.
[2, 9, § 3] 115. Aus Mangel des rechtlichen Besitzes können
Dinge, welche der Inhaber nicht zu besitzen fähig ist, nicht verjähret werden;
also bleiben liegende Güter, und landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche
Rechten und Gerechtigkeiten in Ansehen dessen, welcher die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücherfähigkeit nicht hat, immerda unverjährlich, noch kann auch ein
Unterthan das volle Eigenthum seines inhabenden unterthänigen Grunds wider den
Grundherrn verjähren.
[2, 9, § 3] 116. Allein auch bei allen zusammentreffenden
Erfordernussen zur Verjährung
(2-149) wollen Wir jedoch gewisse Sachen theils aus Unserer
sonderbaren Begünstigung, theils wegen rechtmäßiger Ehehaften, wodurch Jemand
von Betreibung seines Rechts abgehalten wird, dergestalten ausgenommen haben,
daß dieselben entweder gar nicht, oder doch wenigstens nicht anderst, als in
einer über die hiernach bestimmende gemeine Verjährungszeit ausgesetzten
längeren Frist sollen verjähret werden können.
[2, 9, § 3] 117. Ganz und gar unverjährlich sind erstens
alle Dinge, welche zu Unseren landesfürstlichen Hoheiten, und unter Unsere
Kammergüter oder Gefälle gehören, aus was immer für einen Vorwand sich Jemand
Unserer Hoheiten anmaßen würde, oder aus was immer für Ursache etwas von
Unseren Kammergütern oder Gefällen aus Handen der Kammer gekommen wäre, wann
Wir dabei nicht ausdrücklich ein derlei Recht oder Gut an den Anderen
überlassen oder übertragen hätten.
[2, 9, § 3] 118. In Ansehung der Fiscalitäten hingegen
solle, wie wider einen jedweden Anderen, also auch wider Unseren Fiscum die
gemeine Verjährungszeit allerdings statthaben, und Unser Fiscus diesfalls sich
keiner absonderlichen Begünstigung zu erfreuen, sondern eines gleichen Rechts
mit Anderen zu gebrauchen haben.
[2, 9, § 3] 119. Und eben dahero können auch erblose Güter
wider den Fiscum in Beistoßung aller zur Verjährung nöthigen Erfordernussen
verjähret werden.
[2, 9, § 3] 120. Zweitens sind die Güter und Rechten der
Waisen, Minderjährigen und anderer pflegbefohlenen Personen, insolange sie in
der Unmündigkeit, Minderjährigkeit oder einem anderen Zustand, wodurch sie an
Betreibung ihres Rechts verhinderet werden, befindlich sind, insoweit
unverjährlich, daß wider sie weder eine Verjährung anfangen, noch auch die
wider ihren Vorfahrer angefangene fortgesetzet werden könne, sondern ihr Lauf
bis zu ihrer erreichten Vogtbarkeit und Großjährigkeit oder Wiedererlangung der
eigenen Verwaltungsfähigkeit ausgesetzet bleiben solle.
[2, 9, § 3] 121. Von welcher Zeit aber alsdann die
Verjährung sowohl angefangen, als fortgesetzet werden mag, also zwar, daß
jenes, was der wider ihren Vorfahrer angefangenen Verjährung zu ihrer völligen
Erfüllung annoch abgehet, von der nachfolgenden Zeit zugerechnet werden könne.
[2, 9, § 3] 122. Drittens solle wider Abwesende, dann zu
Kriegs- oder Sterbszeiten, oder bei einem sonstigen gemeinwesigen Nothstand,
wegen welchen die Rechte ihren Lauf nicht haben, sondern gesperret sind, und
überhaupt bei allen anderen fürwaltenden rechtmäßigen Ehehaften, wodurch Jemand
zu klagen verhinderet wird, als bei Entführung oder widerrechtlicher Anhaltung
keine Verjährung laufen.
[2, 9, § 3] 123. Aus eben dieser Ursache kann wider eine
liegende Verlassenschaft, die noch nicht angetreten worden, wie nicht weniger
wider ein vergantetes Vermögen, wann die Vergantung darüber ordentlich
kundgemacht worden, nichts verjähret werden, solange die Erbschaft nicht
angetreten, und der Gantproceß nicht geschlossen ist.
[2, 9, § 3] 124. Alle dergleichen Ehehaften, wann sie
rechtsgehörig erwiesen werden, verhinderen nicht nur allein den Anfang der
Verjährung, sondern halten auch für die Zeit, als die Ehehaften fürwähren,
ihren Lauf auf, also, daß diese Zeit in die Verjährung nicht miteingerechnet
werden könne, sondern nachher durch eben so viele Zeit ersetzet werden müsse.
[2, 9, § 3] 125. Für abwesend aber solle Jener gehalten
werden, der sich außer demjenigen Land, allwo wider denselben etwas von seinem
Gut verjähret werden will, befindet; doch ist zur Verhinderung der Verjährung
an der alleinigen Abwesenheit nicht genug, sondern es solle allemal auch deren
Nothwendigkeit von Jenem, der sie für sich anführet, erwiesen werden.
[2, 9, § 3] 126. Wir wollen aber unter der nothwendigen
Abwesenheit, welche die
(2-150) Verjährung zu verhinderen, oder ihren Lauf
aufzuhalten vermögete, keine andere verstanden haben, als welche aus einer
gemeinwesigen Ursache, es seie in Unseren Kriegsdiensten, oder in anderen von
Uns, oder Unseren nachgesetzten Stellen aufgetragenen Verrichtungen veranlasset
werden.
[2, 9, § 3] 127. Eine längere Frist über die hiernach
ausgemessene gemeine Verjährungszeit bestimmen Wir bei geistlichen und anderen
zu milden Stiftungen, als da sind die Unterhaltung der Armuth, Verpflegung der
Kranken und Preßhaften, Andachtsübungen und andere gottselige Werke, gehörigen
Gütern, Zinsen und Gülten, wider welche keine mindere, als eine vierzigjährige
Verjährung statthaben solle.
[2, 9, § 3] 128. Wider die zu Rechtskräften erwachsene Urtheile,
wann solche in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket und liegende
Güter darmit behaftet werden, solle keine Verjährung laufen, dahingegen Jene,
welche darinnen nicht vorgemerket worden, durch die Verjährung von sechs
Jahren, wann der obsiegende Theil unter dieser Zeit stillgeschwiegen und die
Execution nicht ergriffen, erlöschen.
[2, 9, § 3] 129. In was für einer Zeit aber die schon
ergriffene Execution, wann sie nicht fortgesetzet wird, durch die Verjährung
getilget werde, wird in vierten Theil in der Gerichtsordnung vorgeschrieben
werden.
[2, 9, § 3] 130. Bei jährlichen Renten, Zinsen oder anderen
jährlich, oder in anderen ordentlich ausgesetzten Zeitfristen gebührenden
Giebigkeiten ist zu unterscheiden, ob diese Schuldigkeit landtäflich, stadt-
oder grundbücherlich vorgemerket seie, oder nicht.
[2, 9, § 3] 131. Ersteren Falls solle wider das Recht
selbst, derlei Giebigkeiten in der gesetzten Zeit einzuforderen, keine
Verjährung statt haben, wohl aber eine jedwede Giebigkeit für sich insonderheit
durch drei Jahre und achtzehen Wochen von der Verfallzeit an zu rechnen, wann
sie unter dieser Zeit erweislich nicht eingemahnet worden, verjähret werden
können.
[2, 9, § 3] 132. Letzteren Falls hingegen solle nicht allein
eine jedwede Giebigkeit für sich vorerwähnter Maßen durch gleichbesagte Zeit,
sondern auch die ganze Schuldigkeit selbst durch dreißig Jahre von Zeit der
letzten Abfuhr, oder, da gar keine geschehen, von der Verfallzeit der ersteren,
wann diese Zeit hindurch keine Einmahnung erweislich ist, verjähret und
aufgehoben werden, diese möge an sich theilbar und untheilbar, und nur die
Abfuhr in Fristen getheilet sein.
§. IV.
[2, 9, § 4] 133. Außer denen Fällen, für welche Wir in
diesem Unseren Gesatzbuch eine längere oder kürzere Verjährungszeit
absonderlich auszumessen befunden haben, solle es in übrigen bei der hiernach
ausgesetzten Verjährungszeit nach dem Unterschied, ob es um Verjährung
beweglicher Dingen oder liegender Güter, oder unkörperlichen Dingen, als
Rechten und Gerechtigkeiten zu thun seie, sein Bewenden haben.
[2, 9, § 4] 134. Diese bestimmen Wir bei Fahrnussen oder
beweglichen Sachen auf
(2-151) ein Jahr von dem Tag der Uebergabe einer solchen
Sache, also zwar, daß nach vollendeten Jahreslauf deren Eigenthum gänzlich verjähret,
und sofort dem Besitzer mit guten Glauben aus Macht Rechtens erworben sein
solle.
[2, 9, § 4] 135. Obwohlen aber der Fall einer Verjährung bei
Fahrnussen sich seltener ergeben mag, weilen in Kraft Unseres Gesatzes der gute
Glauben schon für sich in Beitretung deren in achten Capitel, §. IV,
vorgeschriebenen Umständen die Uebertragung aus Macht Rechtens ohne Verjährung
wirket, so kann doch ein Mangel an diesen darzu erforderlichen Umständen
fürwalten, wegen welchen das Eigenthum nicht anderst, als durch die Verjährung
übertragen werden mag.
[2, 9, § 4] 136. Als da entweder die Erben dessen, welcher
die Sache an sich gebracht, den Gewährsmann ihres Erblassers nicht ausweisen
könnten, oder der Besitzer einer fremden Sache solche aus ohnentgeltlicher Ursache
bekommen hätte, in welchen Fällen die Verjährung, um das Eigenthum hieran zu
erwerben, unumgänglich nothwendig ist.
[2, 9, § 4] 137. Und überhaupt solle Jedermann nach
vollendeten Jahreslauf freistehen, ob er sich mit dem guten Glauben allein
mittelst Beweises deren hierzu nöthigen Erfordernussen, oder aber mit der
Verjährung wider den Anspruch des vorigen Eigenthümers schützen wolle.
§. V.
[2, 9, § 5] 138. Liegende Güter sollen binnen drei Jahren
und achtzehen Wochen von dem Tag deren Einverleibung in die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher verjähret, und sonach deren Eigenthum auf den landtäflichen,
stadt- oder grundbücherlichen Besitzer aus Macht Rechtens übertragen werden.
[2, 9, § 5] 139. Der Fall der Verjährung bei liegenden
Gütern waltet nur damals für, wann der Vorfahrer, von deme das Gut auf den
gegenwärtigen Besitzer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich gediehen ist,
nicht Eigenthümer desselben gewesen, noch solches vorher durch drei Jahre und
achtzehen Wochen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern eigenthumlich
ersessen hat.
[2, 9, § 5] 140. In solchen Fall ist zu Erwerbung des
Eigenthums die obbestimmte Verjährungszeit nöthig, nach deren Verlauf kein wie
immer Namen habender
(2-152) Anspruch mehr zulässig, sondern all hieran gehabtes
Recht eines Dritten, wo es unter dieser Zeit nicht durch ordentlichen
Widerspruch bei Gericht angebracht worden, gänzlich verschwiegen und
verschlafen sein solle, wann keine von denen in §. III vorerwähnten
rechtmäßigen Ehehaften erweislich sind, welche den Lauf der Verjährung
aufhalten.
§. VI.
[2, 9, § 6] 141. Landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche
Rechten und Gerechtigkeiten (worunter alle und jede Gerechtsamen verstanden
werden, welche auf liegenden Gütern landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
verschrieben sind) werden unbeweglichen Dingen verglichen, und in eben so
vieler Zeit, wie liegende Güter, nemlich durch drei Jahr und achtzehen Wochen
von dem Tag der landtäflichen, stadt-
(2-153) oder grundbücherlichen Verschreibung wider alle
Ansprüche eines Anderen verjähret.
[2, 9, § 6] 142. Ohne landtäflicher, stadt- oder
grundbücherlicher Ankunft hingegen können solche so wenig, als liegende Güter,
jemalen verjähret werden.
[2, 9, § 6] 143. Jene Rechten und Gerechtigkeiten aber,
welche in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht vorgemerket sind,
können durch keine mindere Verjährungszeit, als durch dreißig Jahre von Anfang
ihrer ruhigen und ungestörten Ausübung erworben werden.
[2, 9, § 6] 144. Doch erstrecket sich dabei die Wirkung
einer solchen Verjährung nicht über die persönliche Verfänglichkeit des
Besitzers und seiner Erben, behaftet aber keineswegs den Grund selbst, solange
ein derlei Recht oder Gerechtigkeit darauf nicht landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich vorgemerket wird.
[2, 9, § 6] 145. Ohne diese Behaftung kann dahero ein
dritter Besitzer, wann er eine solche Schuldigkeit nicht ausdrücklich auf sich
genommen, nicht verhalten werden, die Ausübung eines dergleichen obschon wider
seinen Vorfahrer verjährten Rechts, welches jedoch bei der Uebertragung des
Grunds darauf landtäflich, stadt- oder grundbücherlich nicht gehaftet, zu
gestatten.
[2, 9, § 6] 146. Dahingegen solle die Befreiung von dem
Recht eines Anderen, wann es nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
vorgemerket ist, binnen drei Jahren und achtzehen Wochen von Zeit, als der
Berechtigte bei der Weigerung oder dem Verbot des Anderen beruhet, verjähret,
und überhaupt alle Forderungen und Rechtsansprüche, welche von keinem
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Recht herrühren, in eben so vieler
Zeit, wann sie binnen solcher bei Gericht nicht angebracht worden, gänzlich
verschwiegen sein, insoferne in diesem Unseren Gesatzbuch nicht eine längere
oder kürzere Frist insonderheit erforderet wird.
§. VII.
[2, 9, § 7] 147. Von den vorbeschriebenen Arten der
Verjährung ist die unfürdenkliche Besitzzeit unterschieden, als welche schon in
sich selbst die Kraft einer rechtmäßigen Ankunft, und eines vollen Rechts und
Eigenthums dergestalten einschließt, daß Jener, welcher solche für sich
anzuführen vermag, keine andere Ankunftsursache anzuzeigen nöthig habe.
[2, 9, § 7] 148. Durch die unfürdenkliche Zeit wird ein
Zeitlauf verstanden, welcher über der Menschen Gedächtnuß hinausreichet, also,
daß Niemand sich weder des Anfangs, noch einer widrigen Bewandtnuß erinnern
könne.
[2, 9, § 7] 149. Doch muß die unfürdenkliche Besitzzeit von
Demjenigen, der solche für sich anführet, durch tüchtige Zeugen erwiesen
werden, welche eidlich zu erhärten haben, erstens, daß der allgemeine Ruf und
Meinung seie, daß die Sache sich so, wie sie angegeben wird, verhalte, und
Niemand sich des Widerspiels erinnere, zweitens, daß sie es allezeit so
gesehen, und auch von ihren Vorfahreren niemalen anderst gehöret haben,
drittens, daß ein Anderes zu keiner Zeit gesehen, noch wahrgenommen worden.
[2, 9, § 7] 150. Wer dahero seinen unfürdenklichen Besitz
auf solche Art erwiesen, hat auch das Eigenthum vollkommen erprobet, wann ihme
nicht die zu Recht verjährte landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Ankunft
des Anderen im Wege stehet, dann wider diese solle auch eine unfürdenkliche
Besitzzeit nicht die geringste Kraft haben, noch weniger deren Beweis zulässig
sein, wo aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern das Gegentheil erhellet.
Wo hingegen keine andere wie
(2-154) immer Namen habende Urkunden, welche nicht
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket sind, wann nicht zugleich
die Beobachtung des Widerspiels durch zweien Zeugen erwiesen werden mag, wider
die unfürdenkliche Zeit, wann sie rechtsbeständig dargethan worden, etwas
bewirken, noch weniger solche entkräften können.
§. VIII.
[2, 9, § 8] 151. Die Verjährung hat alsdann ihre Wirkung,
wann solche ohne Unterbruch erfüllet, und unter der Verjährungszeit das Recht
des Anderen, worwieder die Verjährung angefangen hat, nicht gerüglet wird.
[2, 9, § 8] 152. Die Verjährung liegender Güter und
landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten und Gerechtigkeiten kann
auf keine andere Art, als durch einen bei der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern, wo das verjähren wollende Gut oder Recht inlieget, eingebrachten
Widerspruch oder Verwahrung, oder eine sonstige zur wirklichen Einlage
gelangende dem Recht des Verjährenden widerstrebende Handlung unterbrochen
werden.
[2, 9, § 8] 153. Doch solle der Widersprechende binnen der
in vierten Theil in der Gerichtsordnung ausgesetzten Zeit die Ursachen seines
Widerspruchs mittelst einer ordentlichen Klage bei Gericht anbringen, und
rechtsbehörig ausführen, widrigens hat der Widerspruch keine Wirkung, und die
Verjährung nimmt ihren Lauf ohngehinderet fort.
[2, 9, § 8] 154. Eben also verlieret der Widerspruch seine
Kraft, und kann die Verjährung nicht hemmen, wann der Widersprechende
sachfällig, und der Widerspruch durch richterlichen Spruch und Urtheil
anwiederum aufgehoben, und aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
ausgelöschet wird, dann nur insoweit wird die Verjährung unterbrochen, als von
dem angesprochenen Gut durch Recht und Urtheil behauptet wird.
[2, 9, § 8] 155. Würden aber rechtmäßige Ehehaften unterwalten,
wegen welcher die Klage nicht eingebracht werden könnte, als da wegen noch
fürwährender Vergantung oder einer noch unangetreten erliegenden
Verlassenschaft Jemand sein hieran forderendes Recht nicht auszuführen
vermöchte, in solchen Fällen ist zwar an der alleinigen Verwahrung oder Rüglung
seines Rechts zur Unterbrechung der Verjährung genug.
[2, 9, § 8] 156. Es muß aber diese Verwahrung oder Rüglung
bei länger fürwährender
(2-155) Verhindernuß so oft, als es vor Auslauf der
Verjährungszeit nöthig ist, wiederholet, und sobald, als die Verhindernuß
aufhöret, die Klage eingebracht und ausgeführet werden.
[2, 9, § 8] 157. Die Verjährung der Fahrnussen und solcher
Rechten, welche nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket
sind, kann entweder natürlicher oder rechtlicher Weise unterbrochen werden.
[2, 9, § 8] 158. Natürlicher Weise wird deren Verjährung
unterbrochen, wann Jemand vor erfüllter Verjährungszeit den Besitz der Sache
verlieret, es seie durch selbsteigene Verlassung oder Entwendung, Beraubung und
Entsetzung des Anderen, nicht aber auch durch den Tod des Besitzers, oder durch
willkürliche Uebertragung des Besitzes an Andere, solche geschehe mittelst der
Erbfolge, oder mittelst Handlungen unter Lebenden, dann die Nachfolgere an der Sache
treten in das Recht ihrer Vorfahrer ein, folglich währet auch der Besitz
ohnunterbrochen fort.
[2, 9, § 8] 159. Durch den Verlust des Besitzes höret auch
die Verjährung auf, also zwar, daß, wo der Besitz der von Handen gekommenen
Sache wieder erlanget würde, die Verjährung erst von derselben Zeit zu rechnen
seie, da der Besitz wieder erlanget worden, folglich eine neue Verjährung zu
laufen anfange, ohne daß die vor verlorenen Besitz zuruckgelegte Zeit darzu
gerechnet werden möge.
[2, 9, § 8] 160. Rechtlicher Weise geschieht die
Unterbrechung der Verjährung entweder gerichtlich durch Einbringung der Klage,
oder außergerichtlich durch erweisliche Einmahnung der Schuld, oder deren
Anerkennung mittelst Abfuhr der Zinsen, oder eines Theils der Schuld, oder mittelst
Umlage, Anweisung oder Leistung der Sicherheit, oder durch einen wenigstens vor
zweien Zeugen gemachten Anspruch und Verwahrung, und überhaupt durch Alles,
wodurch der Besitzer in üblen Glauben erweislich bestellet wird.
[2, 9, § 8] 161. In dem Fall eines außergerichtlichen
Anspruchs aber solle die Klage längstens binnen sechs Wochen von dem Tag des
geschehenen Anspruchs bei Gericht eingebracht werden, widrigens laufet die
Verjährung fort, als ob niemalen ein solcher Anspruch geschehen wäre, und hat
auch hier all jenes statt, was oben sowohl wegen rechtsbehöriger Ausführung des
Anspruchs, als wegen unterwaltender Ehehaften geordnet worden.
[2, 9, § 8] 162. Die Unterbrechung der Verjährung hat so
viele Kraft, daß, wo die angesprochene Sache Zweie oder Mehrere innen hätten,
und nur Einer wegen derselben mit Recht vorgenommen würde, die Verjährung auch
sofort wider die Andere unterbrochen werde.
[2, 9, § 8] 163. Desgleichen, wo Zweie oder Mehrere
Mitschuldnere in einem Schuldbrief verschrieben wären, und nur Einer wegen der
Schuld gemahnet würde, ist auch die Verjährung wider die Uebrige unterbrochen.
[2, 9, § 8] 164. Welches nicht weniger von dem Fall, wo ein
Bürg gemahnet würde, in Ansehen des Hauptschuldners und der anderen Mitbürger,
und überhaupt von allen anderen Fällen, wo bei einer Sache, deren Verjährung
unterbrochen wird, Mehrere verfangen sind, zu verstehen ist.
[2, 9, § 8] 165. Dahingegen kommt die Unterbrechung der
Verjährung nur Jenen zu statten, die solche wirklich unterbrochen haben, nicht
aber auch denen Uebrigen, welche ihr Recht verschwiegen haben, obschon sie mit
dem Unterbrechenden an eben der Sache einen gleichen Anspruch gehabt hätten.
(2-156) Caput X.
Von der Erbfolge überhaupt.
Inhalt:
§. I. Von der Natur, Wesenheit und Wirkung der Erbfolge. §.
II. Von dem Unterschied der Erbfolge von der Nachfolge in einzlen Sachen. §.
III. Von deren Eintheilung in die letztwillige und rechtliche Erbfolge. §. IV.
Von verschiedenen Arten der letztwilligen Erbfolge. §. V. Von Ordnung der
rechtlichen Erbfolge. §. VI. Von Ordnung gegenwärtiger Abhandlung von beiderlei
Erbfolge.
§. I.
[2, 10, § 1] Num. 1. Die fünfte, und in der Ordnung
gegenwärtiger Abhandlung die letzte Erwerbungsart des Eigenthums ist die
Erbfolge sowohl aus letzten Willen, als auch rechtlicher Ordnung, welche sich
aber von den vorhergehenden in deme unterscheidet, daß durch jene eigentlich
nur einzle Sachen, durch diese hingegen ein allgemeiner Begriff von Rechten und
Gerechtigkeiten erworben werde.
(2-157) [2, 10, § 1] 2. Dann die Erbfolge ist eine Nachfolge
in alles Recht, was ein Verstorbener hinterlassen hat, maßen es eine Wirkung
des Eigenthums ist, daß Jemand nicht nur allein in Lebszeiten sein Hab und Gut
an Andere übertragen, sondern
(2-158) auch darüber durch letzten Willen nach Gefallen
ordnen und sich in Allem, was zur Zeit des Tods sein Eigen ist, einen
Nachfolger wählen könne.
[2, 10, § 1] 3. Wo aber eine letztwillige Anordnung
ermanglet, da berufen Unsere Gesetze den Nachfolger nach dem näheren Band der
Verwandtschaft, an welchen aus
(2-159) vermutheten Willen des Erblassers alles Eigenthum
und anderes Recht, so derselbe zur Zeit seines Absterbens gehabt, und mit
seinem Tod nicht erloschen ist, sofort übergehet.
(2-160) [2, 10, § 1] 4. Hieraus entstehet an Seiten dessen,
auf den der Erbanfall entweder aus letzten Willen, oder aus Anordnung des
Gesatzes gehet, das Erbrecht, welches eine Gerechtigkeit ist, vermöge welcher
alle Güter, Rechten und Gerechtigkeiten, welche der Verstorbene hinterlassen,
Jemanden zustehen und gehören.
[2, 10, § 1] 5. Der Erb erlanget dahero andurch das
Eigenthum und Besitz alles dessen, was dem Verstorbenen eigen ware und von ihme
besessen worden, ohne weiters aus Anordnung des Rechts selbst, und tritt sowohl
in alle Rechten, als Verbindungen des verstorbenen Erblassers ein.
[2, 10, § 1] 6. Und eine Erbschaft ist ein allgemeiner
Begriff aller Rechten, Gerechtigkeiten, Forderungen und Verbindungen, welche
der Verstorbene hinterlassen hat, doch mit Ausnahme Derjenigen, die mit seinem
Tod erloschen sind.
[2, 10, § 1] 7. Alles, was demnach Jemand in seinem Vermögen
hinterläßt, heißet nach seinem Tod vor erfolgter Erbsantretung eine
Verlassenschaft, nach der Erbsantretung aber eine Erbschaft; jene stellet noch
den Verstorbenen vor, und muß Alles in dessen Namen abgehandlet werden, diese
aber wird sogleich ein Eigenthum des Erben.
[2, 10, § 1] 8. Doch giebt das Erbrecht für sich selbst dem
Erben kein mehreres Recht, als was der verstorbene Erblasser gehabt hat,
sondern die Rechten sowohl an, als zu Sachen bleiben auch bei dem Erben in der
nemlichen Beschaffenheit, in welcher sich solche bei dem Erblasser befunden
haben.
§. II.
[2, 10, § 2] 9. Aus deme veroffenbaret sich der wesentliche
Unterschied der Erbfolge von der Nachfolge an einzlen Sachen, dann durch diese
erwirbt der Nachfolger kein mehreres Recht an der Sache, als auf ihn von dem
vorigen Besitzer namentlich übertragen worden, dahingegen durch die Erbfolge
auf den Erben alle Rechten des verstorbenen Erblassers auch ohne deren
namentlicher Uebertragung übergehen.
[2, 10, § 2] 10. Desgleichen tritt ein Nachfolger an einzlen
Sachen nur in jene Verbindungen ein, die zur Zeit der Uebertragung schon an der
Sache landtäflich, stadt- oder grundbücherlich gehaftet haben, nicht aber auch
in andere persönliche Verbindungen seines Vorfahrers, obschon solche der Sache
wegen eingegangen worden wären, wann er sie nicht ausdrücklich auf sich
genommen hat.
[2, 10, § 2] 11. Ein Erb in Gegentheil wird ohne Unterschied
aus der Erbfolge für alle auch bloß persönliche Verbindungen seines Erblassers
verfänglich, wann sie nicht also beschaffen waren, daß sie mit seinem Tod
erloschen.
§. III.
[2, 10, § 3] 12. Der Ursprung aller Erbfolge bestehet in dem erklärten oder vermutheten Willen des
Erblassers; die Erklärung des Willens geschieht durch letztwillige Anordnungen,
und daher rühret die letztwillige Erbfolge.
[2, 10, § 3] 13. Dann wie immer Jemand von seinem Hab und
Gut nach Zulassung Unserer Gesetzen letztwillig geordnet haben würde, dabei
solle es auch sein festes Verbleiben haben, und wo der Willen des Erblassers
ausdrücklich erkläret worden, hat dagegen keine Vermuthung statt.
(2-161) [2, 10, § 3] 14. Wo aber der Willen, wie es Jemand
nach seinem Tod gehalten haben wolle, durch letztwillige Anordnungen nicht
erkläret worden, tritt die rechtliche Vermuthung ein, daß der Erblasser sein
Hab und Gut Jenen habe zukommen lassen wollen, die ihme nach dem Blutband zum
nächsten verwandt sind.
[2, 10, § 3] 15. Nach Maß der näheren oder weiteren
Verwandtschaft wird auch die mehrere oder mindere Zuneigung des Erblassers sein
Gut Jenem, der ihme nach dem Blutband der nächste ist, zu hinterlassen
vermuthet, und in dieser Vermuthung gründet sich die aus Vorsehung Unserer
Gesetzen eingeführte Ordnung, nach welcher die näheren vor den weiteren Blutsverwandten
zur Erbschaft berufen werden, und hieraus fließet die rechtliche Erbfolge.
[2, 10, § 3] 16. Es sind demnach zwei Hauptgattungen der
Erbfolge, als die letztwillige und rechtliche; jene aus erklärten, diese
hingegen aus vermutheten Willen des Erblassers.
[2, 10, § 3] 17. Doch können auch beide bei einerlei
Verlassenschaft zusammentreffen, wann der Erblasser zwar über einen Theil
seines Vermögens letztwillig geordnet hätte, nicht aber auch von dem Uebrigen,
oder da der Erbtheil eines eingesetzten Miterbens durch dessen Abgang erlediget
würde.
§. IV.
[2, 10, § 4] 18. Die Arten der letztwilligen Erbfolge sind:
Erstens, die Erbseinsetzung.
Zweitens, die Aftererbseinsetzung oder Nachberufung des
zweiten Erben, welche sich anwiederum in die gemeine und vertrauliche theilet.
Drittens, ein Vermächtniß.
[2, 10, § 4] 19. Die letztere, nemlich die Vermächtnussen
wirken niemalen mehr als die Nachfolge an einzlen Sachen; die erstere zwei
hingegen sind entweder eine allgemeine oder einzle Nachfolge, nachdeme Jemand
entweder in einen allgemeinen Begriff von Rechten und Gerechtigkeiten, es seie
in der ganzen Erbschaft, oder einem Theil derselben, oder aber nur in einzlen
Sachen und gewissen Erbschaftsstücken, oder in einem bestimmten Betrag zum
Erben eingesetzet oder nachberufen wird.
§. V.
[2, 10, § 5] 20. Die Ordnungen der rechtlichen Erbfolge sind
fünferlei, als:
Erstens, der Absteigenden.
Zweitens, der Aufsteigenden.
Drittens, der Seitenverwandten.
Viertens, der Eheleuten.
Fünftens, Unseres Fisci.
[2, 10, § 5] 21. Die erstere drei Ordnungen fließen aus dem
Band der Verwandtschaft, die letztere zwei hingegen unmittelbar aus Anordnung
Unserer Gesetzen, und zwar in Ansehen der Eheleuten nur auf einen bestimmten
Theil, und in dem Fall des ermanglenden Heirathsbriefs, dergestalten jedoch,
daß der hinterlassene Ehegatte in dem ihme von Unseren Gesetzen ausgewiesenen
Antheil mit allen übrigen Ordnungen allemal zusammentreffe.
[2, 10, § 5] 22. Dahingegen Unser Fiscus erst nach Abgang
der drei ersteren Ordnungen eintritt, und die Verlassenschaft aus dem Uns über
erblose Güter zustehenden Recht sich zueignet.
(2-162) §. VI.
[2, 10, § 6] 23. Gleichwie nun die rechtliche Erbfolge erst
damals statt hat, wann die letztwillige ganz oder zum Theil ermanglet, also
wird zuerst in nachfolgenden eilften Capitel von der Erbfolge aus Testamenten,
von der Macht letztwillig zu ordnen, von Testamenten und Codicillen, dann denen
darzu erforderlichen mehreren und minderen Feierlichkeiten gehandlet.
[2, 10, § 6] 24. Nach erklärter äußerlichen Form der
letztwilligen Anordnungen folgen sodann die verschiedene Arten, wormit etwas
letztwillig verschaffet wird, und zwar in zwölften Capitel die Erbseinsetzung
mit Beschreibung sowohl der Eigenschaft und Unterschieds der Erben, als der
Bedingnussen der Erbseinsetzung.
[2, 10, § 6] 25. In dem dreizehenten Capitel die
After-Erbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten Erben mit deren Eintheilung
in die gemeine und vertrauliche Nachberufung, und mit besonderer Abhandlung der
Trau- oder Fideicommißgütern.
[2, 10, § 6] 26. In vierzehenten Capitel wird der
Pflichttheil der nothwendigen Erben sowohl in absteigender, als aufsteigender
Linie mit den zu dessen Erlangung und Ergänzung angebührenden Rechtsmitteln
bestimmet.
[2, 10, § 6] 27. Das funfzehente Capitel wird die
Enterbungsursachen enthalten, wegen welcher Kinder und Eltern von dem
Pflichttheil ausgeschlossen werden können.
[2, 10, § 6] 28. In sechzehenten Capitel wird von
Vermächtnussen, denen zu deren Habhaftwerdung zustehenden Rechtsmitteln, dann
von deren Widerrufung, Uebertragung und Schmälerung, insonderheit aber auch von
dem Abzug des dem Erben hiervon gebührenden Erbviertels gehandlet.
[2, 10, § 6] 29. Nach abgehandleter sowohl äußerlichen, als
innerlichen Form und Gestalt der letztwilligen Anordnungen werden alsdann in
siebenzehenten Capitel die nach Vorfindung eines letzten Willens folgende
Handlungen erkläret, als da sind die Erhebung, Eröffnung, Kundmachung und
Vollziehung letztwilliger Anordnungen.
[2, 10, § 6] 30. Das achtzehente Capitel handlet von der
Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens sowohl wegen innerlicher, als
äußerlicher Gebrechen, und das neunzehente Capitel insonderheit von Jenen, die
sich einer Erbschaft oder Vermächtnuß verlustig und unwürdig machen.
[2, 10, § 6] 31. Nach beschriebener letztwilligen folget in zwanzigsten Capitel die in deren Ermanglung
eintretende rechtliche Erbfolge nach ihren fünf Ordnungen.
[2, 10, § 6] 32. Endlich wird nach abgehandleten beiden
Erbfolgen zu Erklärung dessen geschritten, was beiden Gattungen gemein ist, als
da sind in dem einundzwanzigsten Capitel der Erbanfall, Anlegung der Sperr, die
Bedenkzeit, Uebertragung auf Erbeserben, Antretung und Ausschlagung der
Erbschaft, die Rechtswohlthat des Inventarii, die Verlassenschaftsabhandlung, Einantwortung
der Erbschaft, dann die Erbsforderung.
[2, 10, § 6] 33. In dem zweiundzwanzigsten Capitel die
Theilung der Erbschaft, in dreiundzwanzigsten Capitel aber die Ausgleichung der
Erbtheilen mit Einbringung des vorempfangenen Guts, und somit die ganze
weitläufige Abhandlung von beiderlei Erbfolge beschlossen.
(2-163) Caput XI.
Von der Erbfolge aus Testamenten.
Inhalt:
Erster Artikel:
Von letztwilligen Anordnungen überhaupt.
§. I. Von Natur und Wesenheit letztwilliger Anordnungen. §.
II. Von der Macht letztwillig zu ordnen. §. III. Von dem erforderlichen Willen
letztwillig zu ordnen.
§. I.
[2, 11, § 1] Num. 1. Die erste Hauptgattung der Erbfolge ist
jene, welche aus letztwilliger Anordnung herrühret.
Diese geschieht mit mehr oder wenigeren Feierlichkeiten, nachdeme die Gesetze
solche nach Unterschied der Fällen in größerer oder minderer Maß erheischen.
[2, 11, § 1] 2. Es sind dahero dreierlei Arten der
letztwilligen Anordnungen, als feierliche Testamenten, minder feierliche oder
befreite Testamenten, und Codicillen.
[2, 11, § 1] 3. Eine jedwede dieser drei Arten erforderet
ihre besondere Abhandlung. Zu diesem Ende wird gegenwärtiges Capitel in vier
Artikeln abgetheilet, und in dem
(2-164) ersten von letztwilligen Anordnungen überhaupt, in
denen folgenden dreien aber von jeder dieser drei Gattungen insonderheit
gehandlet.
[2, 11, § 1] 4. Ein letzter Willen überhaupt ist nichts
Anderes, als eine nach Zulassung Unserer Gesetzen
geäußerte freie und ungezwungene Willenserklärung von allen Demjenigen, was
Jemand haben will, das nach seinem Tode geschehen solle.
[2, 11, § 1] 5. Alle letztwillige Anordnungen haben dahero
nicht ehender ihre Wirkung, als nach dem Tod des Erblassers, und bleiben nach
Veränderlichkeit des Willens bis zu dem letzten Lebensabdruck immerhin
widerruflich.
[2, 11, § 1] 6. Dadurch unterscheiden sich dieselbe von
Handlungen unter Lebenden, welche sogleich aus beiderseitiger Einwilligung ihre
Bindungskraft erhalten, und von keinem Theil wider Willen des Anderen
widerrufen werden können.
§. II.
[2, 11, § 2] 7. Zu letztwilligen Anordnungen ist sowohl die
Macht, als der Willen erforderlich. Die Macht haben alle Personen beiderlei
Geschlechts, welche durch Unsere Gesetze nicht namentlich ausgenommen werden.
Ausgenommen aber sind:
(2-165) [2, 11, § 2] 8. Erstens Mannspersonen, welche das
zwanzigste, und Weibspersonen, welche das achtzehente Jahr ihres Alters noch
nicht erfüllet haben; für erfüllet aber werden sie gehalten, wann die erste
Stunde desjenigen Tags, an deme eine
(2-166) Mannsperson vor zwanzig, und eine Weibsperson vor
achtzehen Jahren geboren worden, herangekommen ist.
(2-167) [2, 11, § 2] 9. Von dieser Zeit an haben sie Macht
und Gewalt über ihr Vermögen nach Gefallen letztwillig zu ordnen, obschon
dieselben nach der in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft
enthaltenen Ausmessung bis zu gänzlicher Erfüllung des vierundzwanzigsten
Jahres ihres Alters in der freien Verwaltung ihres Vermögens durch Handlungen
unter Lebenden beschränket bleiben.
[2, 11, § 2] 10. Würde jedoch einem Unvogtbaren noch vor
erfüllten zwanzigsten Jahr aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit die
Nachsicht des Alters entweder eigends zu diesem Ende um ein letztwilliges
Geschäft zu errichten, oder aber überhaupt ohne besonderer Einschränkung auf
gewisse dabei benannte Handlungen verliehen, so erlanget er auch andurch die
Macht letztwillig zu ordnen, ansonsten aber nicht, wo die Nachsicht des Alters
nur insonderheit zu Vollziehung einer gewissen Handlung, und nicht weiter
ertheilet worden wäre.
[2, 11, § 2] 11. Zweitens, Ordensgeistliche, welche die
feierliche Ordensgelübde abgeleget haben; dahingegen wird die Macht letztwillig
zu ordnen weder durch den alleinigen Eintritt in einen geistlichen Orden, noch
auch durch den geistlichen Stand für sich ohne Ablegung der feierlichen
Ordensgelübden in mindesten verhinderet.
[2, 11, § 2] 12. Drittens, gerichtlich erklärte
Verschwender, also zwar, daß auch die von ihnen vor der gerichtlichen Erklärung
errichtete letztwillige Anordnungen nicht bestehen können.
[2, 11, § 2] 13. Wann aber die Verschwendungserklärung
anwiederum aufgehoben, und einem solchen die freie Verwaltung seines Vermögens
eingeraumet wird, erlangt er nicht nur die Macht letztwillig zu ordnen, sondern
es kommt auch das vor der gerichtlichen Erklärung rechtsgiltig errichtete
letztwillige Geschäft wieder zu Kräften, woferne es von ihme vor seinem Tod
nicht widerrufen wird, und demselben sonst nichts in Wege stehet.
[2, 11, § 2] 14. Hierunter sind jedoch Jene nicht
verstanden, welchen ohne sie für Verschwendere gerichtlich zu erklären bloß
vorsichtsweise die Verwaltung ihres Vermögens durch Einschuldigungsverbote und
Bestellung eines Curatoris oder Administratoris beschränket wird, sondern diese
behalten dessen ohnerachtet nach wie vor die Macht, letztwillig zu ordnen.
[2, 11, § 2] 15. Viertens, Unterthanen ohne obrigkeitlicher
Verwilligung in jenen von Unseren Erblanden, wo solche zur Giltigkeit des von
einem Unterthan errichteten letztwilligen Geschäfts erforderet wird; überhaupt
aber lassen Wir es diesfalls in Ansehen der Unterthanen bei einer jedweden
Landes-Verfassung gnädigst bewenden.
[2, 11, § 2] 16. Fünftens, Ausländer aus fremden, Unserer
Botmäßigkeit nicht unterworfenen Landen, in welchen Unseren Unterthanen nach
den dortländigen Gesetzen die Freiheit letztwillig zu ordnen verschränket wird,
haben aus dem Wiedervergeltungsrecht in Ansehen Desjenigen, was sie mit sich
führen, oder in Unseren Landen besitzen, gleichfalls die Macht nicht
letztwillig zu ordnen.
[2, 11, § 2] 17. Wo es aber kundbar ist oder sonst
rechtsgehörig dargethan werden mag, daß in ihrem Land Unsere Unterthanen an der
Freiheit von ihrem mit sich dahin gebrachten, oder dortlandes besitzenden
Vermögen letztwillig zu ordnen nicht verhinderet sind, haben derlei Ausländer
auch in Unseren Staaten aus dem Erwiederungsrecht einer gleichmäßigen Freiheit
zu genießen.
[2, 11, § 2] 18. Sechstens, Missethäter, auf deren
begangenes Laster die Einziehung ihrer Güter zu Handen Unserer Kammer gesetzet
ist, obgleich das letztwillige Geschäft noch vor ausgeübten Verbrechen, oder
vor erfolgten Urtheil errichtet worden wäre.
[2, 11, § 2] 19. Desgleichen haben auch andere zum Tod
verurtheilte Uebelthäter, und überhaupt alle ehrlose Leute nach Maßgebung
Unserer peinlichen Gerichtsordnung
(2-168) die Macht nicht ein feierliches Testament, sondern
bloß allein minder feierliche letztwillige Anordnungen, doch nicht über was
Mehreres, als über den vierten Theil ihres Vermögens zu errichten, und davon
Vermächtnussen nach ihrem Willen entweder für ihre Seele, oder für wenn sie
immer wollen, zu machen.
[2, 11, § 2] 20. Worüber besondere Vormerkbücher gehalten,
und derlei letztwillige Anordnungen ehrloser Leuten darin eigends eingetragen,
keineswegs aber in die ordentliche Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet
werden sollen, dahingegen fallt all ihr übriges Vermögen ihren nächsten Erben
zu.
[2, 11, § 2] 21. Doch benimmt die alleinige Anschuldigung
einer Uebelthat Niemanden die Macht letztwillig zu ordnen, sondern nur die
Verurtheilung zum Tod; wann dahero ein Uebelthäter vor erfolgten Todesurtheil
mit Hinterlassung eines Testaments verstürbe, bestehet dasselbe allerdings,
außer dem Laster des Hochverraths, wann Jemand dessen schuldig gewesen zu sein
auch nach dem Tod erkennet würde.
[2, 11, § 2] 22. Ein Selbstmörder, welche sich wegen bösen
Gewissens aus Forcht der Strafe um das Leben bringt, ist dafür anzusehen, als
ob er schon verurtheilet gewesen wäre, da aber die Unthat nicht vollbracht
worden, oder auch nicht erweislich wäre, daß die Selbstentleibung aus bösen
Gewissen geschehen seie, schadet solches der Giltigkeit des letzten Willens
nicht.
§. III.
[2, 11, § 3] 23. Der zu einer letztwilligen Anordnung
erforderliche Willen muß ernstlich, frei, vollkommen und schriftlich oder
mündlich mit den für eine jedwede Art letztwilliger Handlungen in den folgenden
Artikeln vorgeschriebenen Feierlichkeiten erkläret und veroffenbaret sein.
[2, 11, § 3] 24. Aus Mangel des Willens können dahero Jene,
denen es an gesunder Vernunft gebricht, nicht letztwillig ordnen, als da sind
Blöd- oder Unsinnige, Rasende, aberwitzige und thörichte Leute, doch bleibet
ein vor zugestossener Unsinnigkeit noch bei gesunder Vernunft errichteter
letzter Willen bei Kräften, obschon der Erblasser solchen in der Raserei für
ungiltig erkläret hätte.
[2, 11, § 3] 25. Die gesunde Vernunft wird allemal zu Recht
vermuthet, bis nicht Jemand gerichtlich für unsinnig erkläret, und der Obsorge
eines Curatoris untergeben worden; in diesem Fall aber tritt die widrige
Vermuthung für die Blödsinnigkeit ein.
[2, 11, § 3] 26. Außerdeme hat Jener, der Jemandens letzten
Willen wegen Abgangs
(2-169) gesunder Vernunft umzustoßen gedenket, die
Blödsinnigkeit des Erblassers zur Zeit des errichteten letztwilligen Geschäfts
zu erweisen.
[2, 11, § 3] 27. Käme aber gegenseits hervor, daß die
Blödsinnigkeit oder Verwirrung der Sinnen nicht beharrlich, sondern mit dem
Gebrauch der gesunden Vernunft abwechselnd gewesen seie, und der Erblasser
vernünftige Zwischenstunden gehabt habe, oder auch plötzlich vollkommen zu sich
gekommen, bald aber anwiederum in die vorige missliche Umstände verfallen seie,
in welcherlei heiteren Zwischenzeit das letztwillige Geschäft errichtet worden
zu sein vorgegeben würde, so solle diese heitere Zwischenzeit, in der das
letztwillige Geschäft errichtet worden, rechtsbehörig erwiesen werden.
[2, 11, § 3] 28. Dieser Beweis muß darzeigen können, daß der
Erblasser wenigstens einen ganzen Tag zuvor, den ganzen Tag des errichteten
letzten Willens, und einen ganzen Tag darnach, mithin drei unmittelbar aufeinanderfolgende
Täg und Nächte ungezweiflete und deutliche Kennzeichen der gesunden Vernunft
ohne Einmengung widriger Zeichen von sich verspüren lassen, es wäre dann, daß
der Erblasser noch den nemlichen Tag des errichteten Testaments verstorben
wäre, welchen Falls an deme genug sein solle, daß er durch ganze vierundzwanzig
Stunden vor errichteten Testament ohne Unterbruch Kennzeichen der gesunden
Vernunft von sich gegeben habe.
[2, 11, § 3] 29. In diesem Fall, und wann beinebst aus dem
Inhalt des letzten Willens kein Merkmal einer Verwirrung der Sinnen abzunehmen
ist, solle für dessen Giltigkeit erkennet, in Ermanglung dieses Beweises
hingegen, wann die Unsinnigkeit des Erblassers dargethan oder sonst kundbar
ist, solcher für unstatthaft angesehen werden.
[2, 11, § 3] 30. Dem Richter aber lieget ob, die
Hinlänglichkeit der erwiesenen Kennzeichen nach der gemeinsicheren Erfahrung,
und nach dem Befund der Aerzten zu beurtheilen, und hiernach für die Giltigkeit
oder Ungiltigkeit des letzten Willens auszusprechen.
[2, 11, § 3] 31. Jene hingegen, welche einmal von Gericht
aus für unsinnig erkläret worden, sollen auch bei wie immer erweislichen
zeitlichen Gebrauch ihres vollen Verstands, solange sie unter der Obsorge eines
Curatoris stehen, und ihnen nicht die eigene freie Verwaltung ihres Vermögens
wieder eingeraumet worden, anderer gestalt nicht, als vor Gericht, oder
wenigstens zweien darzu abgeordneten Gerichtspersonen letztwillig zu ordnen
befugt, und keine von ihnen auf andere Art errichtete letztwillige Anordnung
giltig sein.
[2, 11, § 3] 32. Das Gericht hat aber dabei den Bedacht zu
nehmen, damit der Zustand eines solchen Menschens von einem oder zweien darzu
beizuziehen habenden Aerzten mittelst allerhand vernünftiger Fragen geprüfet,
dann derselbe, ob es sein eigener ernstlicher Willen seie, oder ob er von
Anderen darzu überredet worden, einen letzten Willen zu errichten, deutlich
befraget, und sowohl die Fragen, als Antworten mit seinen eigenen Worten in dem
Gerichtsbuch umständlich angemerket werden, welches bei sonstiger Nichtigkeit
der letztwilligen Anordnung nicht unterlassen werden solle.
[2, 11, § 3] 33. Würde in Gegentheil Jemand, der sonst
allezeit bei gesunder Vernunft gewesen, jähling aus Gewalt der Krankheit oder
durch sonstigen Zufall der Sinnen beraubet, und währenden solchen Zufalls von
ihme ein letzter Willen errichtet worden zu sein vorgegeben, so muß dieses
Vorgehen durch solche erweisende Kennzeichen dargethan werden, welche nach
gemeiner Erfahrung, und bevorab nach dem Urtheil der Aerzten die Ohnmächtigkeit
der Sinnen zur Zeit des errichteten letzten Willens mit Gewißheit andeuten.
[2, 11, § 3] 34. Ansonsten ist bei Kranken kein Abgang des
Willens zu vermuthen, die Krankheit möge noch so heftig, gefährlich oder
schmerzhaft sein, wann sie den Leib allein, nicht aber zugleich das Gemüth bis
zur Beraubung der Sinnen behaftet.
[2, 11, § 3] 35. Eben so wenig ist bei dummen und
einfältigen Leuten ein Abgang des
(2-170) Willens zu schließen, wann sie nur so viel Licht
haben, daß sie die Wesenheit des Vorhabens ihre Habschaft Jemanden zu verlassen
begreifen.
[2, 11, § 3] 36. Ueberhaupt kann aus keinerlei Schwachheit
des Leibes, wie aus keinerlei Leidenschaft des Gemüths, als da sind Schwermuth,
Traurigkeit, Trunkenheit, Zorn, Bestürzung, und andere dergleichen
Gemüthsunruhen, eine wider die Zulänglichkeit des Willens streitende Vermuthung
erwachsen, wann nicht die völlige Entfernung der Sinnen zur Zeit des
errichteten letztwilligen Geschäfts erweislich ist.
[2, 11, § 3] 37. Bei Jenen aber, welche den Gebrauch der
gesunden Vernunft haben, muß der Willen in letztwilligen Anordnungen ernstlich,
wohlbedächtlich, frei, und von jemand Anderen Willen ganz und gar unabhängig
sein.
[2, 11, § 3] 38. Nichts ist also einem freien Willen mehr
zuwider, als Zwang, Gewalt, Forcht, listige Ueberredungen, Verstellung, Scherz
und Uebereilung; doch muß die Forcht dergestalten beschaffen sein, daß sie
widerrechtlich eingejaget worden, und derselben die Standhaftigkeit eines
Menschen, wie der Erblasser ist, nicht habe widerstehen können.
[2, 11, § 3] 39. Desgleichen muß bei vorgeblichen Betrug und
List der widrige Willen des Erblassers, wann er die Falschheit erkennet hätte,
erweislich sein, und bei Verstellung, Scherz oder Uebereilung dessen ganz
andere Gesinnung auf den Fall des Vorbedachts dargethan werden können.
[2, 11, § 3] 40. Wer dahero eine letztwillige Anordnung
wegen einer die Freiheit des Willens ausschließenden Ursache anfechten will,
deme lieget ob, solche zu erweisen, und daß der Erblasser mit freien und wohlbedächtlichen
Willen nicht also geordnet hätte, darzuthun.
[2, 11, § 3] 41. Außerdeme ist ein bloßer Rath, Anfrage,
Erinnerung, Empfehlung, Bitt oder Vorbitte, Zuschmeichlung und dergleichen
Anmuthungen, wodurch der Erblasser auf diese oder andere Weis zu ordnen bewogen
worden wäre, der Giltigkeit des letzten Willens nicht in mindesten nachtheilig,
wann sonst weder eine Zunöthigung, noch eine Arglist angewendet worden, welche
ihme die Freiheit des Willens benommen, oder ihn in einen solchen Irrthum
verleitet hätte, bei dessen Wahrnehmung er nicht also geordnet haben würde.
[2, 11, § 3] 42. Ferners muß der Willen bei einem
letztwilligen Geschäft vollkommen sein, und nicht etwan nur in einem bloßen
Vorhaben in Zukunft also ordnen zu wollen bestehen, noch auch die wirkliche
Errichtung eines letztwilligen Geschäfts durch andere darzu nicht gehörige
Handlungen unterbrochen werden.
[2, 11, § 3] 43. Endlich muß der letzte Willen schriftlich
oder mündlich erkläret, und auf die hiernach vorgeschriebene Art und Weis veroffenbaret
sein; bloße Zeichen aber sind nicht genug, und wo es an Erklärung des Willens
gebricht, ist es eben so viel, als ob der Willen selbst ermanglete, weilen
solcher nicht abgenommen werden mag.
[2, 11, § 3] 44. Stumme und Taube, welche von Natur sprach-
oder gehörlos sind, können dahero nicht letztwillig ordnen; wann jedoch ein
Tauber der Sprache mächtig, oder ein Stummer des Schreibens kundig ist, kann
Ersterer sowohl schriftlich als mündlich, Letzterer aber schriftlich seine
letztwillige Anordnung errichten.
(2-171) Zweiter Artikel.
Von feierlichen Testamenten.
§. IV. Von Wesenheit eines feierlichen Testaments, und
dessen verschiedenen Gattungen. §. V. Von dem aus landesfürstlicher
Machtsvollkommenheit bestätigten Testament. §. VI. Von dem vor Gericht
errichteten Testament. §. VII. Von schriftlichen Testament, und den darzu
erforderlichen Feierlichkeiten. §. VIII. Von mündlichen Testament und seinen
Feierlichkeiten. §. IX. Von Fähigkeit der Zeugen. §. X. Von unvollkommenen
Testamenten.
§. IV.
[2, 11, § 4] 45. Ein feierliches Testament ist ein mit allen
vorgeschriebenen Feierlichkeiten erklärter letzter Willen, wodurch Jemand in
seinem Hab und Gut einen oder mehrere Erben einsetzet, und was sonst nach
seinem Tod geschehen solle, anordnet.
[2, 11, § 4] 46. Die Erbseinsetzung ist demnach das
wesentliche Stuck eines jedweden Testaments, ohne welcher
keine letztwillige Anordnung in der Form und Gestalt eines Testaments bestehen
mag, gleichwie auch diese nicht anderst, als durch ein Testament geschehen
kann.
[2, 11, § 4] 47. Damit aber bei einem so wichtigen Geschäft,
wie der letzte Willen eines Menschen ist, alle Arglist und Unterschleif
hintangehalten, und außer allem Zweifel gesetzet werde, daß dieser der wahre
letzte Willen Desjenigen seie, um dessen Erbschaft es zu thun ist, so werden
Feierlichkeiten darzu erforderet, um den vollen Glauben von der Wahrheit des
letzten Willens darzustellen, und hierinnen bestehet die äußerliche Form und
Gestalt eines Testaments.
[2, 11, § 4] 48. Wir wollen jedoch Niemanden nur allein an
einerlei Art von Feierlichkeiten gebunden haben, sondern um die Errichtung
eines letztwilligen Geschäfts nicht zu erschweren, gestatten Wir viererlei
Arten von feierlichen Testamenten, deren jedes in seiner Art vollkommen, und
für nicht weniger feierlich als das andere gehalten werden solle.
[2, 11, § 4] 49. Diese sind:
Erstens, ein aus Unserer landesfürstlichen
Machtsvollkommenheit bestätigtes Testament.
Zweitens, ein vor Gericht bestätigtes Testament.
Drittens, ein schriftliches Testament.
Viertens, ein mündliches Testament.
§. V.
[2, 11, § 5] 50. Unsere landesfürstliche Hoheit und Ansehen
übertrifft alle äußerliche Feierlichkeit, wann Wir mit rechten Wissen von
Jemanden seinen Uns überreichten letzten Willen selbst unmittelbar annehmen,
oder gnädigst verwilligen, daß solcher
(2-172) zu Handen Unserer Hofstellen von ihme entweder in
schriftlicher Urkunde persönlich eingeleget, oder bei einer derenselben
mündlich aufgenommen werde, und hierüber Unsere höchste Beangenehmung oder
Bestätigung erfolget.
[2, 11, § 5] 51. Dadurch aber verliert ein solcher obschon
von Uns oder Unseren Hofstellen aufgenommener und bestätigter letzter Willen
seine Eigenschaft nicht, daß er nicht dessen ohnerachtet durch ein späteres
letztwilliges Geschäft, oder auf andere zulässige Weise ganz oder zum Theil
widerrufen werden könne.
§. VI.
[2, 11, § 6] 52. Nicht weniger ersetzet das gerichtliche
Ansehen alle äußerliche Feierlichkeit, wann von Jemanden
sein letzter Willen vor Gericht errichtet, und solcher entweder allda schriftlich
hinterleget, oder mündlich vorgebracht, und gerichtlich angemerket wird.
[2, 11, § 6] 53. Es muß aber Derjenige, welcher seinen
letzten Willen gerichtlich errichten will, allemal selbst in Person vor Gericht
erscheinen, allermaßen weder die Hinterlegung eines schriftlichen letzten
Willen zu Gerichtshanden, weder dessen mündliche Erklärung vor Gericht durch
jemanden Anderen, wann er gleich darzu eine besondere Vollmacht, oder ein
eigenhändiges Schreiben des Erblassers vorzuzeigen hätte, vollzogen werden mag.
[2, 11, § 6] 54. Doch kann die Errichtung eines letzten
Willens vor einem jedweden Gericht geschehen, welches eine ordentliche
Gerichtsbarkeit hat, der Ordnende möge demselben zu der Zeit unterworfen sein
oder nicht, und schadet die Unbehörigkeit der Gerichtsstelle der Giltigkeit des
letztwilligen Geschäfts nicht, sondern dieses bestehet nichtsdestoweniger wegen
Gleichmäßigkeit des gerichtlichen Glaubens ohne aller weiteren Feierlichkeit.
[2, 11, § 6] 55. Dahingegen erlangt eine unbehörige Gerichtsstelle,
welcher der Erblasser zur Zeit, als er verstorben, nicht unterworfen ware,
durch die bloße Aufnahme seines letztwilligen Geschäfts das Recht zur
Verlassenschaftsabhandlung nicht, wann ihr solche sonst nicht gebührete,
sondern sie ist schuldig, solches der hierzu befugten Stelle unversehrter
auszufolgen.
(2-173) [2, 11, § 6] 56. Einzle Gerichts- oder andere
öffentlich beglaubigte Personen aber, wann vor denenselben ein letzter Willen
aufgerichtet würde, ersetzen den Mangel der insgemein erforderlichen
Feierlichkeiten nicht, sondern sind nicht anderst, als wie andere Zeugen
anzusehen.
[2, 11, § 6] 57. Solchemnach solle die gerichtliche Aufnahme
des letzten Willens insgemein nicht anderst, als vor sitzenden Gericht
geschehen, es seie dann, daß zu dieser Zeit, da Jemand sein letztwilliges
Geschäft vor Gericht aufzurichten Vorhabens ist, das Gerichtsmittel nicht
versammlet, und ihme jegleichwohlen an dessen Nichtverschiebung gelegen, oder
derselbe durch Krankheit oder sonstige rechtmäßige Ursachen verhinderet wäre,
selbst persönlich vor Gericht zu erscheinen.
[2, 11, § 6] 58. In ersteren Fall kann diese Handlung auch
außer der ordentlichen Gerichtsstelle von dem Vorsteher des Gerichts mit
Beiziehung noch einer Gerichtsperson, oder auf dessen Veranlassung von zweien
Gerichtspersonen mit Zugebung eines beeidigten Schreibers vorgenommen werden.
[2, 11, § 6] 59. In dem zweiten Fall aber sollen auf
Begehren dessen, der seinen letzten Willen auf diese Art errichten will, zwei
Gerichtspersonen sammt einen beeidigten Schreiber zu ihme in seine Wohnung
abgeordnet, und allda von ihme seine letztwillige Anordnung aufgenommen werden.
[2, 11, § 6] 60. Doch haben so ein, als anderen Falls die
Gerichtspersonen ihren Bericht hierüber bei dem zunächst versammleten Gerichtsmittel
unverlängt abzustatten, und den aufgenommenen letzten Willen zur gerichtlichen
Anmerkung zu bringen.
[2, 11, § 6] 61. Die Errichtung des letzten Willens vor
Gericht kann entweder mit Geheimhaltung oder Offenbarung des letzten Willens
geschehen; auf die erstere Art, wann die vorhero von dem Erblasser mit seiner
Unterschrift und Petschaft bewährte Urkunde seines letzten Willens in einem mit
seinem Siegel verschlossenen Umschlag von ihme in eigener Person zu Gericht
erleget, und, damit sie allda bis zu seinem Tod aufbehalten, sodann aber
eröffnet und gehandhabet werde, gebeten wird.
[2, 11, § 6] 62. Würde sich aber nachhero bei deren
Eröffnung befinden, daß eine solche zu Gericht überreichte verschlossene
Urkunde von ihme nicht unterschrieben und besieglet seie, solle auch die
letztwillige Anordnung null und nichtig sein, und ohnerachtet der gerichtlichen
Hinterlegung nicht die mindeste Wirkung haben.
[2, 11, § 6] 63. Auf die andere Art geschieht es, wann der
Erblasser entweder seinen zu Papier gebrachten letzten Willen offener überreichet, oder solchen mündlich vor Gericht erkläret.
[2, 11, § 6] 64. Ersteren Falls solle ihme der Inhalt des
Aufsatzes deutlich und wohlverständlich vorgelesen, seine Bekanntnuß darzu
abgenommen, und was er hierbei noch erinneren oder darüber ordnen würde,
fleißig angemerket, sodann aber die Urkunde in einen Umschlag eingeschlossen,
und mit dem Gerichtsinsiegel versieglet werden.
[2, 11, § 6] 65. Desgleichen solle letzteren Falls der
mündlich vorgetragene letzte Willen durch den beeidigten Schreiber sofort zu
Papier gebracht, ihme vorgelesen, seine Bekanntnuß darzu abgenommen, und der zu
Papier gebrachte Inhalt auf die nemliche Weise eingeschlossen und versieglet
werden.
[2, 11, § 6] 66. Auf was aber für Art es immer geschehe, so
solle diese gerichtliche Handlung, nicht aber der Inhalt des letzten Willens in
dem Gerichtsvormerkbuch und zugleich auf dem versiegleten Umschlag mit der
Aufschrift Testament oder Codicill, der Namen des Erblassers, nebst Jahr, Monat
und Tag dessen gerichtlicher Hinterlegung oder Errichtung angemerket, dann der
also zu Stand gebrachte letzte Willen bis zu dem Tod des Erblassers ganz
unversehrt in amtspflichtlicher Geheim bei Gericht verwahrlich aufbehalten
werden.
[2, 11, § 6] 67. Doch hinderet weder die gerichtliche
Hinterlegung eines letzten Willens, noch dessen Errichtung vor Gericht, daß
solcher nicht durch eine spätere Anordnung
(2-174) oder sonst zu Recht bestehende Willensänderung ganz
oder zum Theil aufgehoben und widerrufen werden könne.
[2, 11, § 6] 68. Diese Widerrufung und Abänderung des
Willens aber kann aus der alleinigen bloßen Zuruckforderung oder Zurucknehmung
eines bei Gericht hinterlegten, oder vor demselben errichteten letzten Willens
nicht gefolgeret werden, wann solchen nach dem Tod des Erblassers noch ganz und
unversehrt gefunden wird, und keine spätere rechtsgiltige Anordnung zum
Vorschein kommt, es hätte dann Derselbe bei dessen Zurucknehmung die Aenderung
seines Willens zugleich vor Gericht erkläret.
§. VII.
[2, 11, § 7] 69. Außer einem Uns vorbemelter Maßen
überreichten, oder vor Gericht errichteten letztwilligen Geschäft sollen alle
andere, sowohl schriftliche als mündliche Testamenten die hiernach
vorgeschriebene Feierlichkeiten haben, deren Absicht einzig und allein dahin
abzwecket, um den ohnfehlbaren Glauben, daß dieser, welcher vorkommt, des
Erblassers eigener und wahrer letzter Willen seie, darzustellen.
[2, 11, § 7] 70. Nur allein in jenem Fall wollen Wir zu
mehrerer Erleichterung letztwilliger Geschäften die sonst erforderliche
Feierlichkeiten gnädigst nachgesehen haben, wann Jemand seinen letzten Willen
durchaus mit seiner eigenen Hand beschreibet, und mit seiner eigenhändigen
Unterschrift und gewöhnlichen Insiegel oder Petschaft bestätiget.
[2, 11, § 7] 71. Ein solches in seinem ganzen Inhalt von dem
Erblasser eigenhändig beschriebenes Testament solle für ebenso vollkommen und
rechtsbeständig gehalten werden, als ob es mit allen sonst vorgeschriebenen
Feierlichkeiten versehen wäre, wann des Erblassers eigenhändige Schrift, Unterschrift
und gewöhnliches Petschaft entweder gerichtlich bekannt und kundbar ist, oder
behörig erwiesen wird.
[2, 11, § 7] 72. Dieser Beweis solle durch glaubwürdige, die
Kanntnuß davon habende Zeugen, wie nicht minder durch Zusammenhaltung mit
anderen Schriften, Unterschriften
(2-175) und Besieglungen des Erblassers hergestellet, und
die Gewißheit erhoben werden, bevor noch zur Kundmachung des letzten Willens
geschritten werde.
[2, 11, § 7] 73. Unter dem gewöhnlichen Insiegel wird jenes
verstanden, dessen sich der Erblasser nach seinem Stand, Gewerb, oder Hantirung
sonst in seinen anderen ernstlichen Geschäften insgemein zu gebrauchen pflegte.
[2, 11, § 7] 74. Würde aber ein ungewöhnliches oder gar ein
fremdes Siegel beigedrucket, so solle dieser Umstand von dem Erblasser mit der
Anzeige, daß er in Ermanglung des seinigen ein ungewöhnliches oder fremdes
Siegel beigedrucket habe, und weme das letztere gehörig seie, bei sonstiger
Nichtigkeit des letzten Willens eigenhändig angemerket werden.
[2, 11, § 7] 75. Es sind demnach zur Giltigkeit eines
solchen Testaments drei nothwendige Stücke erforderlich, als:
Erstens, dessen durchgängige eigenhändige Beschreibung.
Zweitens, die eigene Handunterschrift, und
Drittens, die Besieglung mit dem eigenen gewöhnlichen Siegel,
oder wo in dessen Ermanglung ein ungewöhnliches oder fremdes gebrauchet würde,
die eigenhändige Anmerkung dieses Umstands.
[2, 11, § 7] 76. Daferne aber eine dieser Erfordernussen
ermanglete, als da entweder der Inhalt eines obschon eigenhändig unterschriebenen
und besiegleten Testaments von einer fremden Hand beschrieben, oder auch nur
eine fremde Handschrift darinnen eingemenget, oder das Testament zwar mit
eigener Hand beschrieben, doch aber nicht eigenhändig unterfertiget, oder mit
dem eigenen gewöhnlichen Siegel nicht besieglet, noch auch, wann ein
ungewöhnliches oder fremdes Siegel darzu gebrauchet worden, dieser Umstand
eigenhändig angemerket wäre, kann ein solches mangelhaftes Testament als ein
eigenhändig beschriebener letzter Willen nicht bestehen.
[2, 11, § 7] 77. Bei allen anderen Testamenten, welche
vorbemelte zu einem eigenhändig
(2-176) beschriebenen letzten Willen nöthige Erfordernussen
nicht haben, müssen folgende Feierlichkeiten beobachtet werden, durch die einem
letztwilligen Geschäft seine äußerliche Form und Gestalt also gegeben wird,
daß, wo diese Feierlichkeiten ermanglen,
(2-177) auch der letzte Willen in derjenigen Form und
Gestalt, welche dabei abgesehen worden, nicht bestehen mag.
[2, 11, § 7] 78. Zu einem schriftlichen Testament ist
nothwendig, daß es mit Willen des Erblassers in einer schriftlichen Urkunde
aufgesetzet, und daß dieser sein letzter Willen seie, in Gegenwart nicht
weniger als dreier eigends darzu erbetener, und von dem Vorhaben
unterrichteter, zugleich beisammen anwesender, tauglicher Zeugen erkläret, dann
von ihme unterschrieben und besieglet, wie auch gleichermaßen von diesen Zeugen
in Gegenwart des Erblassers zugleich mit ihrer Unterschrift und Petschaft
mitunterfertiget werde.
[2, 11, § 7] 79. Diese zu einem schriftlichen Testament
erforderliche Feierlichkeiten lassen sich also füglich in folgende wesentliche
vier Stücke eintheilen, als:
Erstens, den für einen letzten Willen erklärten
schriftlichen Aufsatz.
Zweitens, die Gegenwart der Zeugen.
Drittens, die eigenhändige Unterschrift und Besieglung des
Erblassers.
Viertens, die gleichmäßige Mitfertigung der Zeugen.
[2, 11, § 7] 80. Der Aufsatz des letzten Willens kann mit
eigener oder fremder Hand aus Befehl des Erblassers beschrieben sein, wann nur
derselbe diesen seinen letzten Willen zu sein vor dem Zeugen nachhero
bestätiget, und lieget auch nichts daran, zu was für einer Zeit, ob nach und
nach, oder auf einmal und in was für einer Sprach der Aufsatz des Testaments
verfasset seie, woferne nur der Erblasser derselben Sprache kundig ist, obschon
die Zeugen diese Sprache nicht verständen.
[2, 11, § 7] 81. Die Schrift muß deutlich und lesbar sein,
beinebst aber ist auch die Vorsicht anzuwenden, daß die Summen der verlassenden
Erbtheilen und Vermächtnussen ganz und buchstäblich ausgeschrieben, und nicht
bloß mit Ziffern und Zahlen angemerket werden, obschon, wann die Ziffern
kenntlich und deutlich sind, der Giltigkeit der Vermächtnuß dadurch nichts
entgehet.
[2, 11, § 7] 82. Die Feierlichkeit der Zeugen bestehet in ihrer
Anzahl, Tüchtigkeit und Unterrichtung von dem vorhabenden letztwilligen
Geschäft. Die Anzahl haben Wir bereits oben auf dreie festgesetzet, wobei es
auch außer dem unten ausgenommenen Fall eines blinden, des Schreibens
unkundigen oder nicht mächtigen Erblassers sonst insgemein ohne Unterschied,
von was Würde, Stande oder Wesen der Erblasser seie, sein Bewenden hat, und die
Tüchtigkeit der Zeugen wird in dem nachfolgenden §. IX erkläret werden.
(2-178) [2, 11, § 7] 83. Die Zeugen müssen von dem Vorhaben
des Erblassers unterrichtet, und dahero darzu eigends erbeten und berufen, oder
wenigstens Jene, welche in einer anderen Absicht, oder von ohngefähr mit dem
Erblasser zusammen kommen, von ihme hierum angesprochen, und daß der ihnen
vorzeigende sein letzter Willen seie, verständiget, wie auch ihre Mitfertigung
verlanget werden.
[2, 11, § 7] 84. Ferners sollen auch die Zeugen zu gleicher
Zeit in der Gegenwart des Erblassers eigends zu diesem Ende versammlet sein,
ihn sehen, hören, wahrnehmen, und also mit leiblichen Sinnen seinen letzten
Willen von ihme selbst vernehmen.
[2, 11, § 7] 85. Es ist dahero an deme nicht genug, daß
Jemand seinen beschriebenen letzten Willen offener oder verschlossener mit
mündlichen oder schriftlichen Ersuchen den Zeugen einzelweis in ihre Wohnungen
zuschicke, und sie zur Unterfertigung erbitten lasse, oder daß solche ihnen
außer dem Gesicht des Erblassers, obschon in seiner Wohnung vorgeleget werde,
oder auch einer nach Austritt des Anderen sich bei dem Erblasser einfinde,
sondern es müssen Alle zugleich von Anfang bis zu Ende des letztwilligen
Geschäfts beisammen gegenwärtig sein.
[2, 11, § 7] 86. Doch ist nicht allemal nothwendig, daß der
ganze Inhalt des letzten Willens den Zeugen vorgelesen werde, sondern es ist
genug daran, daß der Erblasser den ihnen vorzeigenden Aufsatz seinen letzten
Willen zu sein vor denenselben erkläre und bezeuge.
[2, 11, § 7] 87. Den denen Zeugen vorgezeigten letzten
Willen hat sofort der Erblasser entweder in ihrer Aller Gegenwart mit eigener
Hand zu unterschreiben und zu besieglen, oder falls er solchen schon vorhero
unterschrieben hätte, daß dieser sein von ihme eigenhändig unterschriebener und
besiegleter letzter Willen seie, vor den Zeugen zu erklären.
[2, 11, § 7] 88. Wäre aber Derselbe des Schreibens unkundig
oder blind, und wollte jegleichwohlen ein schriftliches Testament errichten, so
solle solches nicht anderst, als entweder gerichtlich, oder in Anwesenheit vier
hierzu erbetener Zeugen geschehen können.
[2, 11, § 7] 89. Von deren Einem, welcher hierum in
Gegenwart der übrigen Zeugen von dem zugleich mit anwesenden Erblasser ersuchet
wird, der ganze Inhalt des letzten Willens Allen insgesammt in einer ihnen
verständlichen Sprache vorgelesen, und von dem Erblasser, daß dieser sein
letzter Willen seie, bestätiget, dann der vierte Zeug von ihme, um seinen Namen
anstatt seiner zu unterschreiben, und sein Siegel beizudrucken ersuchet werden
solle.
[2, 11, § 7] 90. Welches von dem hierzu erbetenen Zeugen in
Gegenwart des Erblassers, und der übrigen dreien Zeugen also zu geschehen hat,
daß er dabei den Namen des Erblassers auf dessen ausdrückliches Ersuchen in
diesem ihnen Allen von Wort zu Wort vorgelesenen, und wohl und deutlich
verstandenen letzten Willen unterschrieben zu haben anmerke, und gleich darunter
seinen eigenen Namen und Petschaft beisetze, welches eben so giltig sein solle,
als ob es der Erblasser selbst eigenhändig unterschrieben hätte. Wäre aber der
Erblasser zwar des Schreibens kundig, doch Krankheit halber seinen Namen zu
unterschreiben außer Stand, so ist in solchen Fall die öffentliche Vorlesung
nicht nöthig, sondern es solle an deme genug sein, daß es der Erblasser in
Gegenwart vier Zeugen für sich allein ingeheim (!) lese, und diesen seinen
letzten Willen zu sein bestätige, folglich den vierten Zeugen um die
Unterschrift anstatt seiner ersuche.
[2, 11, § 7] 91. Die Besieglung hingegen muß nicht allemal
mit eigenen Händen des Erblassers geschehen, sondern kann auf sein Begehren von
Einem deren Zeugen, oder auch von einer anderen dabei anwesenden Person
verrichtet werden.
[2, 11, § 7] 92. Es lieget auch nichts daran, ob das
Testament mit dem eigenen gewöhnlichen Siegel des Erblassers, oder mit einem
ungewöhnlichen, oder auch fremden Petschaft besieglet werde, wann nur dessen
Besieglung in Angesicht der
(2-179) Zeugen entweder von dem Erblasser selbst, oder
anstatt seiner mit seinem Willen und in seinem Beisein von einem Anderen
geschieht.
[2, 11, § 7] 93. Endlichen sollen auch alle Zeugen zu
gleicher Zeit in Gegenwart des Erblassers das Testament mit ihrer eigenen Hand
unterschreiben, und mit ihren gewöhnlichen Petschaften besieglen, und ist die
eigenhändige Unterschrift der Zeugen eine so wesentliche Erfordernuß, daß
Jener, welcher des Schreibens unkundig ist, schon andurch von selbsten von der
Zeugenschaft bei einem schriftlichen Testament ausgeschlossen seie.
[2, 11, § 7] 94. Die Besieglung kann mit dem eigenen, oder
in dessen Ermanglung auch mit einem fremden Siegel, und sogar von allen drei
Zeugen mit einerlei Siegel geschehen, wann es nur von dem Zeugen dabei
eigenhändig bemerket wird, daß er aus Abgang des seinigen mit einem anderen,
und mit wessen Siegel gesieglet habe.
[2, 11, § 7] 95. Eben so wenig ist nothwendig, daß die
Besieglung mit der Zeugen eigenen Hand verrichtet werde, sondern sie kann von
Einem anstatt des Anderen, oder auch von einer anderen Person geschehen, wann
nur solche mit ihrem Willen, und in aller ihrer und des Erblassers Gegenwart
für sich gehet.
[2, 11, § 7] 96. Die Unterfertigung des Erblassers sowohl,
als der Zeugen, hat insgemein zu Ende des schriftlichen Aufsatzes zu stehen,
und wo solcher langen Inhalts, und also weitschichtig wäre, daß darmit mehrere
Blätter angefüllet worden, welche leicht von einander abgesönderet, oder andere
eingeschoben werden könnten, ist solchen Falls die Vorsicht zu gebrauchen, daß
ein Faden durch alle zusammengehefte Blätter durchgezogen, und dessen beide
Ende mit den beidruckenden Insiegeln sowohl des Erblassers, als deren Zeugen an
dem Papier befestiget werden; doch schadet die Unterlassung dieser Vorsicht der
Giltigkeit des letzten Willens nicht, wann sonst keine dabei unterwaltende
Falschheit erweislich ist.
[2, 11, § 7] 97. Wäre aber dem Erblasser die Geheimhaltung
seines letzten Willens so sehr angelegen, daß er nicht einmal den Aufsatz denen
Zeugen offener vorlegen wollte, so stehet ihme frei, solchen nach bevor in
Angesicht der Zeugen beigefügten Unterschrift und Petschaft in einen Umschlag
einzuschließen, und diesen Umschlag dort, wo er sich zusammenfüget, von den
Zeugen mit Beiruckung ihrer Unterschrift besieglen zu lassen.
[2, 11, § 7] 98. Alle vorstehende Feierlichkeiten müssen zu
einer Zeit, und auf einmal, ehe die Zeugen von einander gehen, vollbracht, und
darzwischen sonst keine andere mit dem letztwilligen Geschäft keine Gemeinschaft
habende Handlung vorgenommen werden.
[2, 11, § 7] 99. Doch benimmt ein entweder an Seiten des
Erblassers oder der Zeugen sich von ohngefähr ergebender kurzer Zwischenfall
der Giltigkeit des letztwilligen Geschäfts nicht, wann nur keine andere eigends
vorhabende fremde Handlung, welche die Aufmerksamkeit der Zeugen oder den Sinn
des Erblassers von dem letztwilligen Geschäft abwendet, darzwischen kommt.
[2, 11, § 7] 100. Die Beisetzung Jahr, Monats und Tags der
Fertigung des letzten Willens ist zwar nicht nöthig, doch aber vornehmlich zu
dem Ende nutzlich, darmit auf dem Fall, wann nach dem Tod des Erblassers
mehrere Testamenten von ungleichen Inhalt vorgefunden würden, daraus abgenommen
werden möge, welches das spätere seie, und folglich für rechtsgiltig angesehen
werden könne.
§. VIII.
[2, 11, § 8] 101. Zu einem mündlichen Testament wird
erforderet, daß der Erblasser die Namen deren, die er zu Erben haben, und denen
er etwas verlassen, und was
(2-180) er sonst in seinem letzten Willen begriffen haben
will, vor nicht weniger, als dreien, eigends hierzu erbetenen, und von dem
Vorhaben unterrichteten, zugleich versammleten, tauglichen Zeugen offentlich
bekenne und ausdrucke.
[2, 11, § 8] 102. Ein auf diese Art errichteter letzter
Willen heißet eigentlich ein ausgesprochenes Testament, oder eine letztwillige
mündliche Erklärung ohne Schrift, welche sich von einem schriftlichen Testament
wesentlich in deme unterscheidet, daß ein solches mündliches Testament ohne
Schrift bestehe, folglich auch weder Handschrift, noch Petschaft erfordere,
sondern einzig und allein von dem Glauben der Zeugen abhange.
[2, 11, § 8] 103. Alles dahero, was in dem vorigen §. von
Unterschriften und Besieglungen bei einem schriftlichen Testament erwähnet
worden, bedarf ein mündliches Testament nicht, sondern dessen wesentliche
Feierlichkeit enthaltet nur folgenden zwei Stück, als:
Erstens, die mündliche Eröffnung des letzten Willens.
Zweitens, die Gegenwart der Zeugen.
[2, 11, § 8] 104. Was aber von der nöthigen Anzahl,
Erbittung, Verständigung und Gegenwart deren zugleich versammlet sein müssenden
Zeugen sowohl, als von ohnunterbrochener Vollbringung des letztwilligen
Geschäfts oben bei schriftlichen Testamenten erinneret worden, muß nicht
weniger auch bei mündlichen ohnfehlbar beobachtet werden.
[2, 11, § 8] 105. Die mündliche Eröffnung des letzten
Willens solle gleichermaßen klar, deutlich, verständlich, folglich in einer
solchen Sprache, welcher die Zeugen mächtig sind, geschehen, und kann also
Jener bei mündlichen Testamenten einen Zeugen abgeben, der des Schreibens nicht
kundig ist, wann er nur die Sprache verstehet, in welcher der Erblasser seinen
letzten Willen erkläret.
[2, 11, § 8] 106. Mündlich kann der Erblasser seinen Willen
auf zweierlei Art erklären, als entweder, daß solcher von demselben aus seinen
eigenen Mund hergesaget,
(2-181) oder falls ein Aufsatz des letzten Willens schon
vorher zu Papier gebracht worden wäre, daß solcher auf Geheiß des Erblassers
von jemanden Anderen in Gegenwart der Zeugen vorgelesen werde, und der
Erblasser (deme anbei solchen nach Gefallen zu änderen, zuzugeben, oder
abzunehmen allerdings freistehet) sich darzu bekenne, daß dieser sein letzter
Willen seie.
[2, 11, § 8] 107. In so einem als anderen Fall haben die
Zeugen den letzten Willen des Erblassers in allen seinen Punkten mit aller
Aufmerksamkeit aufzunehmen, sonach aber, wann sie des Schreibens kundig sind,
im ersteren Fall, darmit ihrem Gedächtniß nichts davon entfalle, sobald als es
geschehen kann, den Inhalt nach ihrer allseitigen Erinnerung zu Papier zu
bringen, und hierüber eine Urkunde in der Gestalt einer förmlichen Zeugnuß mit
Beisetzung des Jahrs, Monats und Tags der ihnen geschehenen letztwilligen
Erklärung unter ihrer Handunterschrift und Petschaft auszufertigen, in
letzteren Fall hingegen diese ihre Zeugnuß auf den ihnen vorgelesenen Aufsatz
des letzten Willens beizufügen.
[2, 11, § 8] 108. Diese von ihnen ausgefertigte Urkunde
sollen sie hiernach bis zu dem Tod des Erblassers getreulich und verschwiegen
bei sich aufbehalten, oder irgendwo in sichere Verwahrung geben, nach dessen
Tod aber der behörigen Gerichtsstelle ohnverlängt übergeben.
[2, 11, § 8] 109. Doch gehöret die Ausfertigung einer
solchen Urkunde nicht zu den Feierlichkeiten eines mündlichen Testaments,
sondern dienet lediglich einerseits zu dessen Beweis und Erhaltung, im Fall die
Zeugen vor dem Erblasser versturben, und andererseits zu mehrerer Vorsicht,
darmit andurch eine gleichförmige Aussage von dem Inhalt des letzten Willens,
welchen die Zeugen damals noch in frischen Gedächtniß haben, hergestellet
werde.
[2, 11, § 8] 110. Derohalben wird auch zur Ausfertigung
einer solchen Zeugnuß nicht erforderet, daß alle Zeugen dabei zugleich anwesend
sein, und solche auch zugleich unterschreiben und besieglen sollen, wann nur
selbe bei Aufnehmung des letzten Willens zugleich gegenwärtig waren.
[2, 11, § 8] 111. Es thut auch nichts zur Sache, ob diese
Zeugnuß noch bei Lebszeiten des Erblassers, oder erst nach seinem Absterben
ausgefertiget werde, wo aber deren Ausfertigung gar unterlassen worden wäre,
oder die schon ausgefertigte Urkunde verloren ginge, solle von den Zeugen ihre
mündliche Aussage bei Gericht aufgenommen werden, wornach der letzten Willen
nur insoweit bestehen kann, als sie in der Aussage miteinander übereinstimmen,
wann sonst in dem Wesentlichen eines letzten Willens zwischen ihnen kein
Widerspruch obwaltet.
[2, 11, § 8] 112. Eine solche Urkunde aber wirket so vieles,
daß, wann selbe von allen dreien noch lebenden Zeugen zu Gericht erleget würde,
und hernach auch alle Zeugen verstorben wären, der darinnen enthaltene letzte
Willen gleichwohlen insolange bei Kräften bleibe, bis nicht dessen Falschheit
und Unbestand rechtsgenüglich erprobet werde; dahingegen in Ermanglung einer
solchen noch von allen lebenden Zeugen bei Gericht hinterlegten Urkunde
wenigstens noch zwei Zeugen am Leben sein müssen, welche den letzten Willen mit
ihrer einstimmigen eidlichen Aussage zu erhärten haben.
§. IX.
[2, 11, § 9] 113. Die Wichtigkeit einer so vielerlei
Nachstellungen und Gefährden ausgesetzten letztwilligen Handlung erheischet in
Auswahl der Zeugen eine mehrere Heiklichkeit (!), als nicht sonst insgemein zum
Beweis der Wahrheit erforderet wird.
(2-182) [2, 11, § 9] 114. Bei Zeugen zu Erhärtung der
Wahrheit ist an der gemeinen Tüchtigkeit genug, welche in dem vierten Theil in
der Abhandlung von Beweismitteln beschrieben wird; jene hingegen bei
letztwilligen Geschäften müssen folgende Eigenschaften
(2-183) haben, daß sie freie Leute, vogtbar, männlichen
Geschlechts, guten Namens und Leumunds, wohlverhalten, bei gesunder Vernunft,
ihrer Sinnen mächtig, und weder mit dem Erblasser, noch mit den Erben nächst
verwandt, oder ihnen untergeben, weder auch in dem letztwilligen Geschäft für
sich selbst, oder für eine sie nächstangehende Person vornehmlich mit begriffen
sind.
[2, 11, § 9] 115. Alle hingegen, welche vorbemelte
Eigenschaften nicht haben, werden von der Zeugnuß bei letztwilligen Handlungen
ausgeschlossen. Also können:
Erstens, Unterthanen, deren Person mit Unterthänigkeit
verstricket ist, bei letztwilligen Geschäften freier Leuten keine Zeugen
abgeben. Desgleichen
(2-184) [2, 11, § 9] 116. Zweitens, sind Ordensgeistliche zu
dieser Zeugnuß unfähig; Weltgeistliche aber werden zwar zugelassen, doch also,
daß sie bei dieser Zeugnuß sich nach Unseren Gesetzen zu achten, und hierwegen
in Erforderungsfall bei dem weltlichen Gericht zu stehen haben.
[2, 11, § 9] 117. Drittens, Unmündige vor erfüllten
zwanzigsten Jahr, sind keine taugliche Zeugen, also zwar, daß ihre Zeugnuß über
ein letztwilliges Geschäft, deme sie noch vor dem zwanzigsten Jahr beigewohnet,
auch nicht zur Zeit, da sie nachher das zwanzigste Jahr zuruckgeleget haben
oder schon mündig sind, giltig ist; welche aber das zwanzigste Jahr ihres
Alters bereits erfüllet, oder von Uns die Nachsicht des Alters erhalten haben,
können auch Zeugen in letzten Willen sein.
[2, 11, § 9] 118. Viertens, Weibspersonen, obschon dieselbe
sonst in allen anderen Fällen zur Zeugnuß zugelassen werden, sind doch bei
letztwilligen Geschäften keine taugliche Zeugen, wann es gleich um den letzten
Willen einer Weibsperson zu thun wäre.
[2, 11, § 9] 119. Fünftens, ehrlose, verdächtige, und andere
nichtswürdige Leute, als Flüchtlinge, Landstreicher und dergleichen
liederliches Gesind (!), nicht weniger die, welche wegen einer begangenen
Uebelthat abgeurtheilet worden, sind zur Zeugnuß unfähig; Fremde hingegen, die
sonst redlichen Wandels und nicht verdächtig sind, können Zeugen abgeben.
[2, 11, § 9] 120. Sechstens, andere Leute, welche zwar nach
den Rechten nicht ehrlos sind, doch aber für deren Umgang ein Abscheu getragen
wird, sollen zur Zeugnuß nicht zugelassen werden; es schadet aber der
Giltigkeit des letzten Willens nicht, wann ein solcher von den anderen Zeugen
ohne Widerrede darunter geduldet wird, und der sonst guten und redlichen
Wandels ist.
[2, 11, § 9] 121. Siebentens, gerichtlich erklärte
Verschwendere, welche nach der oben in ersten Artikel, §. II, num. 12, 13 und
14 enthaltenen Ausmessung die Macht letztwillig zu ordnen nicht haben, solange
die Verschwendungserklärung nicht aufgehoben, und ihnen die frei Verwaltung
ihres Vermögens nicht wieder eingeraumet worden, sind zur Zeugnuß unfähig.
[2, 11, § 9] 122. Achtens, blödsinnige, unsinnige,
aberwitzige und thörichte Leute, welche des Gebrauchs der gesunden Vernunft
beraubet sind, können keine Zeugen abgeben, es wäre dann erweislich, daß sie
zur Zeit, als sie dem letztwilligen Geschäft beigewohnet, heitere, vernünftige
Zwischenstunden gehabt haben, oder es erhellete nachhero aus ihrer ablegenden
Aussage, daß sie zur Zeit der Beiwohnung bei vollem Verstande waren.
[2, 11, § 9] 123. Neuntens, Stumme, Taube, Blinde sind zur
Zeugnuß unfähig, wie dann auch Jener, der des Schreibens nicht kundig ist, von
der Zeugnuß bei schriftlichen Testamenten, sowie bei mündlichen Derjenige davon
ausgeschlossen wird, welcher die Sprache nicht verstehet, in der von dem
Erblasser sein letzter Willen erkläret wird.
[2, 11, § 9] 124. Zehentens, welche dem Erblasser oder dem
Erben zunächst verwandt sind, können keine Zeugen sein, als der Mann in des
Weibs, der Vater in des Sohns oder Tochter, der Sohn in des Vaters oder Mutter,
der Bruder in des Bruders oder Schwester letzten Willen, welches ingleichen von
Großeltern, Enkeln, Stiefeltern, Stiefkindern, Schwiegereltern, Eidam und
nächsten Schwägeren zu verstehen ist.
[2, 11, § 9] 125. Nicht weniger sind alle vorbenannte
nächste Verwandten des Erben zur Zeugnuß untauglich, doch mit Ausnahme des
alleinigen Falls eines schriftlichen Testaments, dessen Inhalt vor den Zeugen
geheim gehalten worden, wessentwegen dieselbe sich auf Erforderungsfall eidlich
abzeugen müssen, den Erben nicht gewußt zu haben.
[2, 11, § 9] 126. Eilftens, die in des Erblassers oder Erben
Brod, Gold und Verpflegung stehen, als Hausgenossen und Dienstboten sind keine
tüchtige Zeugen, um
(2-185) darmit aller dieser Personen Einfluß, Ehrforcht,
Vorliebe und gleiche Absicht vermieden bleibe.
[2, 11, § 9] 127. Zwölftens, um so minder kann der Erb
selbst in demjenigen Testament, worinnen er zum Erben eingesetzet wird, einen
Zeugen abgeben, er möge von seiner Erbseinsetzung Wissenschaft haben, oder
nicht.
[2, 11, § 9] 128. Jene hingegen, welchen für sich oder für
ihre obenbenannte nächste Anverwandte in dem letztwilligen Geschäft, deme sie
als Zeugen beiwohnen, etwas vermacht oder verschaffet wird, können in
schriftlichen Testamenten Zeugen sein; in mündlichen Testamenten aber ist ihr
Zeugnuß nicht anderst giltig, als wann die zwei übrige Zeugen für sich oder
Andere, die sie zunächst angehen, von diesem letzten Willen keinen Nutzen zu
gewarten haben.
[2, 11, § 9] 129. So viel es jedoch die Codicillen
anbetrifft, diese mögen schriftlich oder mündlich errichtet werden, so sind
dieselben von der Zeugnuß dabei gänzlich ausgeschlossen; es hätte dann in
schriftlichen Codicillen entweder der Erblasser die Vermächtnuß mit seiner
eigenen Handschrift beigesetzt, oder der Zeuge könnte auf Erforderungsfall
eidlich erhärten, von dem seinem nächsten Anverwandten in dem letzten Willen
zugeschriebenen Vermächtnuß nichts gewußt zu haben, woferne hingegen das
Testament nachhero nicht als ein Testament bestehen könnte, sondern bloß als
ein Codicill erhalten würde, bleibet ihr Zeugnuß jegleichwohlen giltig.
[2, 11, § 9] 130. Verehrungen aber, welche etwan der
Erblasser den Zeugen aus Erkenntlichkeit für ihre Bemühung abreichet, benehmen
der Giltigkeit der Zeugnuß nichts, wann solche nur nicht als Vermächtnussen in
dem Inhalt des letzten Willens selbst ohne der einen oder anderen
gleichbesagten Vorsicht in Fällen, wo solche erforderet wird, mitbegriffen
sind.
[2, 11, § 9] 131. Derjenige, welcher den letzten Willen
schreibt, oder den Aufsatz hierzu verfasset und zu Papier bringt, kann zwar
auch von der Zahl der Zeugen sein, wann ihme sonst nichts im Wege stehet;
woferne er aber sich oder einem seiner nächsten Anverwandten, obschon mit
Willen und auf Geheiß des Erblassers etwas zugeschrieben hätte, wann gleich
derselbe den von ihme verfertigten Aufsatz durch jemanden Anderen schreiben
lasse, solle eine so beschaffene Zuschreibung nicht anderst giltig sein, als
wann der Erblasser dieselbe mit seinem Willen geschehen zu sein entweder in dem
letzten Willen mit seiner eigenen Handschrift oder mündlich vor den Zeugen
bestätiget.
[2, 11, § 9] 132. Wer aber ohne Wissen und Willen des
Erblassers sich oder auch einen Anderen in einem von ihme geschriebenen oder
verfaßten Testament etwas zugeschrieben zu haben, oder daß er sich es ohne
Willen des Erblassers von jemanden Anderen zuschreiben lassen, überwiesen
würde, ist außer der Nichtigkeit des Zugeschriebenen noch über das als ein
Verfälscher mit allen in Unserer peinlichen Gerichtsordnung wider die
Verfälschere ausgesetzten Strafen zu belegen.
[2, 11, § 9] 133. Mitglieder einer Gemeinde und Mittels
können bei einem letzten Willen, worinnen ihrer Gemeinde und Mittel etwas
vermacht wird, zwar Zeugen sein, wann die Verlassenschaft oder Vermächtnuß
nicht unmittelbar einem jeden einzlen Mitglied insonderheit zum Nutzen und
Vortheil gereichet, sondern der ganzen Versammlung zusammen zugedacht wird; wo
aber ihr Nutzen insonderheit unterwaltete, da ist sich nach deme zu achten, was
oben num. 128 und 129 geordnet worden.
[2, 11, § 9] 134. Umsomehr mögen geistliche und weltliche
Vorstehere der Kirchen und milden Stiftungen, doch erstere nur mit der oben
num. 116 vorgesehenen Einschränkung, bei einem letzten Willen Zeugen abgeben,
worinnen die Kirchen oder Stiftung zum Erben eingesetzet, oder mit einer
Vermächtnuß bedacht wird.
[2, 11, § 9] 135. Was bishero von der Untauglichkeit der
Zeugen gemeldet worden, verstehet sich nur von der Zeit, da sie als Zeugen zu
dem letztwilligen Geschäft beigezogen werden, wann jedoch ihre Untüchtigkeit
dem Erblasser wissend ist.
(2-186) [2, 11, § 9] 136. Dann die nach dieser Zeit erfolgte
Untauglichkeit des Zeugens schadet der Giltigkeit des letzten Willens so wenig,
als die Unwissenheit des Erblassers, wann Jemand, der zur Zeugnuß untüchtig
ware, damals insgemein für tauglich gehalten worden, oder da außer den
untüchtigen Zeugen jegleichwohlen noch die Anzahl von dreien tauglichen und
unverwerflichen Zeugen vorhanden ware.
[2, 11, § 9] 137. Ansonst ist auf den höheren oder niederen
Stand der Zeugen nicht zu sehen, noch ist auch nothwendig, daß die Zeugen
gleichen Standes mit dem Erblasser sind, sondern es ist an ehrlichen,
wohlverhaltenen Personen genug, welche die vorbeschriebene Eigenschaften haben,
und frei und ungezwungen der Errichtung des letztwilligen Geschäfts beiwohnen.
[2, 11, § 9] 138. Noch weniger ist nöthig, daß die Zeugen
dem Erblasser, oder er ihnen vorhin bekannt ware, und ist auch einerlei, ob das
letztwillige Geschäft zur Tag- oder Nachtszeit errichtet werde, wann nur das
Ort also erleuchtet ist, daß die zugleich versammlete Zeugen den Erblasser, und
er sie wohl sehen und wahrnehmen könne.
§. X.
[2, 11, § 10] 139. Die vorbeschriebene Feierlichkeiten sind
zur Wesenheit eines Testaments nach Unterschied dessen verschiedener Gattungen
dergestalten erforderlich, daß, wo etwas hieran abginge, das Testament in
derjenigen Form und Gestalt, wormit die abgängige Feierlichkeiten verbunden
sind, unvollkommen seie, folglich auch nicht in dieser Form bestehen könne,
obgleich die Wahrheit des letzten Willens, und daß solchen der Erblasser in
dieser Form zu errichten gesinnet ware, durch die eidliche Aussage der Zeugen
erhärtet werden wollte.
[2, 11, § 10] 140. Dann kein wie immer erdenklicher Beweis
solle den Abgang der durch Unser Gesatz vorgeschriebenen Feierlichkeiten
ersetzen können; Wir verstatten jedoch aus besonderer Begünstigung
letztwilliger Geschäften gnädigst, daß der in einer Gattung mangelhafte letzte
Willen nichtsdestoweniger noch in einer anderen Gattung bestehen könne, deren
wesentliche Feierlichkeiten darbei beobachtet worden.
[2, 11, § 10] 141. Also kann zwar ein schriftlich
errichteter letzter Willen in der Gestalt eines schriftlichen Testaments nicht
giltig sein, wann ein Abgang an denen zu einem schriftlichen Testament
erforderlichen wesentlichen Feierlichkeiten obwaltet, nichtsdestoweniger kann
dasselbe jegleichwohlen noch in der Gestalt eines mündlichen Testaments erhalten
werden, wann es die darzu gehörige wesentliche Feierlichkeiten hat.
[2, 11, § 10] 142. Könnte aber ein Testament in keiner von
vorbesagten Gattungen als feierlich bestehen, hätte jedoch die Erfordernussen
zu einem minder feierlichen oder befreiten Testament, und der Erblasser wäre in
solchen Umständen bestellet gewesen, daß er ein dergleichen Testament zu
errichten die Befugnuß gehabt hätte, wovon in dem gleich nachfolgenden dritten
Artikel gehandlet werden wird, so solle sein letzter Willen als ein minderfeierliches
Testament bei Kräften bleiben.
[2, 11, § 10] 143. Und dieses Alles solle statthaben, wann
auch der Erblasser sich ein solches in seinem Testament nicht vorbehalten, oder
seinen Willen ausdrücklich nicht
(2-187) dahin erkläret hätte, daß sein Testament, wo nicht
in dieser, doch in der anderen Gestalt, oder auf was immer für eine bessere Art
und Weise es nach den Rechten geschehen kann, gelten solle.
[2, 11, § 10] 144. Wir begünstigen aber die letztwilligen
Geschäfte noch weiters, daß auch, wo ein solcher Vorbehalt oder beigesetzte
Clausel in dem letzten Willen ausgedrucket worden, derselbe, wo er in keiner
vorbemelten Gattung eines rechtsgiltigen Testaments bestehen könnte, doch aber
mit den zu einem Codicill erforderlichen wesentlichen Feierlichkeiten versehen
wäre, in Kraft dieses Vorbehalts oder Beisatzes als ein Codicill nach Maß
dessen, was davon in vierten Artikel, §. XX, geordnet werden wird, bestehen und
erhalten werden solle.
Dritter Artikel.
Von minder feierlichen, oder befreiten Testamenten.
§. XI. Von den verschiedenen Gattungen befreiter
Testamenten. §. XII. Von letztwilliger Anordnung eines Vaters zwischen seinen
Kindern. §. XIII. Von Testamenten der Kriegsleuten. §.
XIV. Von den zur Pestzeit, oder in einer ansteckenden Krankheit errichteten
Testamenten.§. XV. Von gemeinschaftlichen Testamenten
der Eheleuten. §. XVI. Von Testamenten der Ausländern
und der in fremden Landen befindlichen Inländern.
§. XI.
[2, 11, § 11] 145. Minder feierliche Testamenten können nur
damals errichtet werden, wann Unsere Gesetze gewissen Personen und in gewissen
Fällen nach Erheischung der Umständen einige Nachsicht an den sonst
erforderlichen Feierlichkeiten verstatten.
[2, 11, § 11] 146. Wegen dieser Unserer besonderen
Begünstigung heißen derlei minder feierliche, letztwillige Anordnungen
eigentlich befreite Testamenten, und sind fünferlei:
(2-188) Erstens, die letztwillige Anordnung eines Vaters
zwischen seinen Kindern.
Zweitens, die Testamenten der Kriegsleuten.
Drittens, die zur Pestzeit, oder in einer ansteckenden
Krankheit errichtete Testamenten.
Viertens, die gemeinschaftliche Testamenten der Eheleuten.
Fünftens, die Testamenten der Ausländern, und der in fremden
Landen letztwillig ordnenden Inländern,
deren jedwedes in folgenden §§. insonderheit erkläret wird.
§. XII.
[2, 11, § 12] 147. Einem Vater werden in seiner
letztwilligen Anordnung zwischen eheleiblichen Kindern die Feierlichkeiten
insoweit nachgesehen, daß darzu nichts Mehreres erforderet werde, als so viel
zu Herstellung des Beweises, daß dieser sein ungezweifleter letzter Willen
seie, nöthig ist.
[2, 11, § 12] 148. Diese Nachsicht bestehet bei einem
schriftlichen Testament in deme, daß
(2-189) solches weder durchaus mit seiner eigenen Hand
geschrieben, noch auch, da es von fremder Hand zu Papier gebracht worden wäre,
von Zeugen bewähret sein darf, sondern es ist an deme genug, daß von ihme ein
mit fremder Hand beschriebenes Testament, daß dieses sein letzter Willen seie,
zu Ende mit seiner eigenen Handschrift bestätiget, und eigenhändig unterschrieben
werde, es möge sein Siegel beigedrucket sein oder nicht, wann nur seine
Handschrift ungezweiflet ist.
[2, 11, § 12] 149. Es ist ihme dahero die Beiziehung einiger
Zeugen, und alle sonst vorgeschriebene Zeugenfeierlichkeit in diesem Fall
völlig erlassen; hätte er aber jegleichwohlen solches von Zeugen unterfertigen
lassen, so solle nichtsdestoweniger ein solches von ihme mit seiner eigenen
Handschrift auf gleichbemelte Art und Weis bestätigtes Testament weder wegen
deren Untüchtigkeit, noch wegen deren minderer Anzahl, oder einer sonstigen
dabei unterlassenen Zeugenfeierlichkeit in geringsten angefochten werden
können.
[2, 11, § 12] 150. Zu einem mündlichen Testament hingegen
sind zwar Zeugen erforderlich, doch solle es an zweien genug sein, wann sie sonst
tüchtig sind, und in diesem Fall alle oben §. VIII zu einem solchen Testament
vorgeschriebene Feierlichkeiten beobachtet werden.
[2, 11, § 12] 151. Ein solches befreites Testament gilt
jedoch nur in Ansehung der eheleiblichen Kinder, sie mögen aus einer oder
mehreren Ehen sein, worunter aber auch Enkeln und Kindeskinder verstanden
werden, welche ihre Eltern vorstellen, und dahero nothwendige Erben sind.
[2, 11, § 12] 152. Diese allein, und keine fremde Personen
(wofür alle angesehen werden, die seine nothwendige Erben nicht sind) folglich
weder seine Ehegattin kann er darinnen zum Erben einsetzen, sondern die
Einsetzung eines fremden Miterben ist an sich null und nichtig.
[2, 11, § 12] 153. Vermächtnussen aber an andere Personen
haben zwar auch in diesem Testament, doch nur in folgender Maß statt, daß, wann
das Testament auf erstere Art schriftlich ohne der Feierlichkeit wenigstens von
zweien zugleich gegenwärtig gewesten tüchtigen Zeugen errichtet worden,
derselbe seiner Ehegattin, wann sie mit keinem Heirathsbrief versorget ist,
Dasjenige, was ihr ohnedeme in dem Fall der rechtlichen Erbfolge nach
Ausmessung des zwanzigsten Capitels, in fünften Artikel gebührete, nicht aber
ein Mehreres vermächtnußweise zuwenden, und über das für seine Seele, für die Armuth,
für Kindeskinder, die nicht seine nothwendige Erben sind, und endlich für seine
Bedienten mäßige Vermächtnussen machen möge; keine andere Vermächtnussen
hingegen sollen bestehen können.
[2, 11, § 12] 154. Woferne jedoch zu einem solchen
schriftlichen oder mündlichen Testament zwei tüchtige Zeugen mit Beobachtung
aller sonst darzu gehörigen Feierlichkeiten beigezogen worden, so sind auch
alle darinnen gemachte Vermächtnussen nicht weniger, als in einem anderen
feierlichen Testament oder Codicill rechtsgiltig, insoweit andurch der
Pflichttheil der Kinder nicht verkürzet wird.
[2, 11, § 12] 155. Außerdeme hat ein Vater vollen Fug und
Macht, auf die eine oder die andere Art unter seinen Kindern nach Gefallen
letztwillig zu ordnen, sie zu Erben einzusetzen oder zu enterben, und ihnen
ihre Erbtheile ohne an eine Gleichheit zwischen ihnen gebunden zu sein, nach
Willkür auszumessen, doch darf er keines von ihnen gänzlich verübergehen,
ansonst ist das Testament null und nichtig.
[2, 11, § 12] 156. Jenen aber, welche ohne rechtmäßiger
Ursach enterbet, oder in ihren Pflichttheil verkürzet worden, bleiben alle die
in solchen Fällen nach Inhalt des vierzehenten Capitels angebührende
Rechtsbehelfe bevor, wann sie gleich in die väterliche, letztwillige Anordnung
ohne von ihnen besonders ausgefertigten, namentlichen Verzicht auf den
Plichttheil eingewilliget, und solche auch mitunterschrieben hätten, gleichwie
gegentheils ihre Einwilligung und Unterschrift nicht hindert, daß der Vater
diesen seinen letzten Willen noch immer noch eigenen Gefallen änderen, und
widerrufen könne.
(2-190) §. XIII.
[2, 11, § 13] 157. Kriegsleute oder Soldaten, sie seien
Befehlshabere oder Gemeine, sind in ihren letztwilligen Anordnungen, welche sie
zu Kriegszeiten errichten, von den gemeinen Feierlichkeiten dergestalten
enthoben, daß bloß allein auf die Richtigkeit und Gewißheit ihres letzten
Willens, und auf keine Feierlichkeit dabei gesehen, sondern solcher, wann er
ungezweiflet ist, was immer sonst hieran ermanglen möge, bei Kräften erhalten
werden solle.
[2, 11, § 13] 158. Wann sie demnach ihren letzten Willen
schriftlich errichten, ist nicht nur an ihrer ungezweifleten eigenen
Handschrift genug, sie bestehe in einem Brief, Zettel, oder was sonst für einen
Aufsatz, wann nur ihr ernstlicher Willen also zu ordnen hieraus erhellet,
sondern sie können auch einen von fremder Hand geschriebenen Aufsatz mit ihrer
zu Ende eigenhändig beigefügten Erklärung, daß dieser ihr letzter Willen seie,
und zugleich mit ihrer eigenen Handunterschrift bestätigen.
[2, 11, § 13] 159. Sie bedürfen dahero in diesem Fall keiner
Zeugen, und, wann sie auch einige darzu gebrauchen, solle weder auf deren
Tüchtigkeit, weder auf die Anzahl, noch auf einige sonst erforderliche
Zeugenfeierlichkeit gesehen werden, weilen ein solches Testament vorbemelter
Maßen ohne Zeugen bestehen kann.
[2, 11, § 13] 160. Dahingegen sind zu einem mündlichen
Testament zwei tüchtige Zeugen nicht zwar als eine Feierlichkeit, sondern zu
dessen unumgänglich nöthigen Beweis erforderlich, und ist alles Dasjenige dabei
zu beobachten, was oben §. VIII von mündlichen Testamenten geordnet worden.
[2, 11, § 13] 161. Wir begünstigen aber die letztwillige
Geschäften der Soldaten zu Kriegszeiten noch außerdeme weiters dahin, daß auch
solche, wann sie wegen mangelhafter Erbseinsetzung nicht als ein Testament
bestehen können, jegleichwohlen als ein Codicill bei Kräften erhalten, und die
darinnen angeordnete Vermächtnussen insoweit der Pflichttheil derjenigen
Personen, denen solcher gebühret, nicht verkürzet wird, allemal abgestattet
werden sollen, obgleich solches der Erblasser durch einen ausdrücklichen
Beisatz der Codicillarclausel nicht verlanget hätte.
[2, 11, § 13] 162. Es wäre dann, daß der Erblasser nicht
gewußt hätte, daß ihme mittlerweil ein Kind geboren, oder seine Ehegattin
schwanger hinterlassen worden seie, in welchem Fall allein, wann das
nachgeborne Kind übergangen worden, das Testament gänzlich vernichtet sein
solle.
[2, 11, § 13] 163. Diese Freihiet beschränket sich jedoch
nur auf die fürwährende Kriegszeit, und die in wirklichen Heerzug gegen dem
Feinde befindliche Soldaten, es seie bei Schlachten, Gefechten, Ausfällen,
Verfolgung und Auskundschaftung der Feinden, Angriff und Vertheidigung der
Städten, Festungen und Verschanzungen, Hin- und Ruckmarsche, in Feld- oder
Standlagern, Ueberwinterungs- oder Erfrischungsorten,
(2-191) ausgestellten Feldwachten, Granitzbewahrungen, und
wo immer dieselben sich währenden Kriegs gegen dem Feinde gesund oder krank
befinden.
[2, 11, § 13] 164. Sie können sich auch dieser Freiheit
sowohl drei Tage vor dem Ausmarsche, als drei Tage nach ihrer Ankunft in
ruhigen Orten gebrauchen, und behalten dieselbe nichtsdestoweniger, wann sie
gleich als Geißeln oder Gefangene in Feindesgewalt geriethen.
[2, 11, § 13] 165. Dahingegen höret zu Friedenszeiten oder
auch in Kriegszeiten bei Jenen, die sich in Besatzungen oder ruhigen
Standquartieren, wo sie vom Feinde entfernet keinen gählingen und gefährlichen
Vorfällen ausgesetzet sind, diese Freiheit völlig auf, und sind dieselben alsdann
an die vorgeschriebene gemeine Feierlichkeiten gebunden.
[2, 11, § 13] 166. Der von einem Soldaten in vorerklärten
kriegerischen Umständen minder feierlich errichtete letzte Willen bestehet
solange, als er im Krieg gegen dem Feinde gebrauchet wird, wann er solchen
nicht wiederrufet.
[2, 11, § 13] 167. Da aber der Krieg geendiget, oder der
Erblasser in ruhige, keiner Feindesgefahr ausgefetzte Orte beorderet würde,
bleibet ein solches Testament nur durch ein Jahr von Zeit des geendigten
Kriegs, oder seiner Ankunft in ruhige Orte giltig, wann der Erblasser binnen
dieser Zeit verstorben; woferne er jedoch das Jahr überlebet, wird solches von
selbsten vernichtet. Es wäre dann, daß Derselbe nach Errichtung dieses
Testaments, oder auch vor dessen Widerrufung unter diesem Jahrslauf mit solchen
Gemüths- oder Leibesgebrechen behaftet worden, daß er ein anderes Testament zu
errichten außer Stande gewesen.
[2, 11, § 13] 168. Ein Gleiches verstehet sich von dem Fall,
da der Erblasser noch währenden oder nach geendigten Krieg unter diesem Jahr
der Kriegsdiensten mit Ehren entlassen worden wäre; da aber der Erblasser das
Jahr überleben, und ein anderes Testament zu errichten im Stand gewesen sein
würde, ist ein solches minder feierliches Testament ungiltig, und kann weder
als ein Codicill bestehen, wann es die hierzu nöthigen Erfordernussen nicht
hat.
[2, 11, § 13] 169. Ausreißere und schimpflich Abgeschafte
hingegen verlieren zur Stunde diese Freiheit, und wird sogleich ihr währender
Kriegsdiensten mit vorbemelter Nachsicht errichteter letzter Willen null und
nichtig.
[2, 11, § 13] 170. Andere zum Kriegsstaat gehörige, in was
immer für einem Amt oder Bedienstung bei Unseren Kriegsherren befindliche
Personen, wie auch sowohl ihre, als der Soldaten Weiber, Kinder und Dienstleute
sind in ihren letztwilligen Anordnungen dieser Unserer Begünstigung nur
insoweit theilhaftig, daß ihre zur Zeit, als sie sich bei Unseren Kriegsheeren
aufhalten, vor zweien tüchtigen Zeugen errichtete Testamenten giltig sein
sollen, wann sie entweder allda, oder aus einer sich dort zugezogenen Krankheit
oder Verwundung anderswo verstorben; so jedoch auf den Troß und anderes den
Soldaten nachziehendes liederliches Gesindel nicht zu erstrecken ist.
§. XIV.
[2, 11, § 14] 171. Zur Pestzeit, wann eine Stadt oder
Ortschaft, in welcher ein letztwilliges Geschäft errichtet wird, der Seuche
halber gesperrt, und eine Absönderung der gefunden von den verdächtigen
Gegenden veranlasset wird, der Erblasser aber
(2-192) in einer derer letzteren befindlich ist, solle die
Zeugenfeierlichkeit bis auf zwei tüchtige Zeugen erlassen sein.
[2, 11, § 14] 172. Welche Nachsicht auch Jenen angegönnet
wird, die aus einem der Pest halber verdächtigen Ort ankommen, und in den
Reinigungs- oder sogenannten Contumazhäusern eine Zeit aufgehalten worden, wann
sie darinnen versterben.
[2, 11, § 14] 173. Daferne aber der Erblasser selbst kundbar
mit diesem Uebel behaftet, oder in seinem Wohnhaus andere darmit angestecket
wären, solle es nicht nur an zweien Zeugen genug, sondern auch hierzu
Jedermann, der in anderen Beweisfällen zum rechtlichen Zeugnuß zugelassen wird,
tüchtig sein, also daß weder Geistliche noch Weibspersonen, sondern bloß Jene
hiervon in der oben in zweiten Artikel, §. IX, von num. 127 bis 129
vorgeschriebenen Maß ausgeschlossen werden, die für sich oder ihre nächste
Anverwandte aus diesem letzten Willen einen Vortheil zu gewarten haben, oder
sonst im Weg der rechtlichen Weisung zum Zeugnuß untauglich sind.
[2, 11, § 14] 174. Diese zwei Zeugen müssen nichtsdestoweniger
zu gleicher Zeit zusammen anwesend sein, von dem Erblasser selbst seinen
letzten Willen wohl verständlich vernehmen, und ihn bis zur Vollendung seiner
Willenserklärung in Gesicht behalten, oder, da der letzte Willen schon ehebevor
zu Papier gebracht, und von dem Erblasser unterschrieben und besieglet worden
wäre, solchen mit seiner ausdrücklichen Bekanntnuß, daß dieser sein letzter
Willen seie,von ihme selbst aufnehmen.
[2, 11, § 14] 175. Doch stehet ihnen frei, sich dabei aller
Vorsicht und Behutsamkeit, wie sie wollen, zu gebrauchen, und den von dem
Erblasser aufgenommen letzten Willen auch in einem anderen Zimmer oder an einem
anderen freien Ort zu unterschreiben und zu besieglen. In Ansehung eines
mündlichen Testament hingegen haben sich dieselben in Allem nach deme, was oben
§. VIII davon geordnet worden, zu verhalten.
[2, 11, § 14] 176. Könnte aber der Erblasser keine Zeugen
haben, und wäre auch nicht im Stande seinen letzten Willen durchaus eigenhändg
zu schreiben, so solle es an deme genug sein, wann er auf einem mit fremder
Hand geschriebenen Aufsatz die Anmerkung, daß dieser sein letzter Willen sei,
eigenhändig beisetzet, und solchen gleichfalls mit eigener Hand unterschreibet
und besieglet.
[2, 11, § 14] 177. Ein solcher minder feierlicher letzter
Willen solle jedoch nicht länger, als durch ein Jahr von der Zeit an zu
rechnen, da die Sperrung des Orts anwiederum auf obrigkeitliche Veranlassung
aufgehoben, und der freie Handel und Wandel mit anderen Orten hergestellet
worden, bestehen können, wann der Erblasser unter dieser Zeit versterben würde.
[2, 11, § 14] 178. Wann hingegen der Erblasser dieses Jahr
überlebet, wird das Testament null und nichtig, es wäre dann Derselbe noch vor
Ausgang dieses Jahres ohne
(2-193) solches vorhero widerrufen zu haben durch ihme
zugestossene Gemüths- oder Leibesgebrechen einen anderen letzten Willen zu
errichten erweislich verhinderet worden.
[2, 11, § 14] 179. Der einem mit der Pest selbst behafteten,
oder in einem darmit angesteckten Hause wohnenden Erblasser verstatteten
Nachsicht kann sich auch in eben der Maß ein Kranker bedienen, dessen Krankheit
nach Urtheil der Aerzten ansteckend, und aus Forcht der Ansteckung die
erforderliche Anzahl der Zeugen nicht zusammenzubringen wäre.
[2, 11, § 14] 180. Welchen Falls ein solches minder
feierlich errichtetes Testament giltig ist, wann der Erblasser in dieser
Krankheit verstirbt, ansonsten verlieret es nach sechs Wochen von Zeit, als
nach Urtheil der Aerzten die Gefahr der Ansteckung aufgehöret, seine Kraft,
wann der Erblasser auch unter dieser Zeit außer Stand gesetzet worden, ein
anderes zu errichten.
§. XV.
[2, 11, § 15] 181. Die gemeinschaftlichen Testamenten der
Eheleuten werden von Uns besonders in deme begünstiget, daß sowohl Mann als
Weib in einem Aufsatz und mit einerlei Feierlichkeiten ihr beiderseitiges
letztwilliges Geschäft errichten können, welches außer ihnen keinen einander
auch noch so nahe verwandten Personen verstattet sein solle.
[2, 11, § 15] 182. Doch wird an den vorgeschriebenen
gemeinen Feierlichkeiten dabei nichts nachgesehen, wann nicht sonst ein Fall
fürwaltet, worinnen ein minder feierliches oder befreites Testament bestehen
kann.
[2, 11, § 15] 183. Beide dahero, und zwar jedweder Theil für
sich insonderheit, müssen vor den Zeugen, daß dieser ihr letzter Willen seie,
erklären, und solle Alles nach dem Unterschied, ob das letztwillige Geschäft
schriftlich oder mündlich errichtet werde, dabei beobachtet werden, was
insgemein zu einem feierlichen schriftlichen oder mündlichen Testament
erforderet wird.
[2, 11, § 15] 184. Sie haben auch nicht weniger, als wie in
einem für sich besonders erichteten Testament, die volle Freiheit nach Gefallen
zu ordnen, und entweder sich untereinander, oder ihre beiderseitige Kinder und
Verwandten, oder auch Fremde zu Erben einzusetzen, oder ihnen Vermächtnussen
zuzuwenden, insoweit als Jene, denen nach Unseren Gesatzen ein bestimmter
Antheil verlassen werden muß, andurch nicht verkürzet werden.
[2, 11, § 15] 185. Ein solches, obschon in einem Aufsatz und
mit einerlei Feierlichkeiten errichtetes Testament solle aber
nichtsdestoweniger nicht anderst, als für zwei unterschiedene Testamenten
angesehen werden, folglich behält auch jeder Theil Fug und Macht, solches für
seine Person nicht nur in Beider Lebszeiten, sondern auch nach des Anderen
Absterben aufzuheben und zu widerrufen, ohne daß die Anordnung des anderen
Theils, wann solche nicht gleichfalls von ihme widerrufen wird, dadurch
enkräftet würde.
[2, 11, § 15] 186. Diese Freiheit der willkürlichen
Widerrufung erstrecket sich jedoch nicht auf die zwischen Eheleuten ordentlich
errichtete Bedinge und Verschreibungen, insoweit sie nach Zulassung Unserer
Gesetzen bestehen mögen, sondern diese können von keinem Theil ohne
Einwilligung des Anderen widerrufen werden, wie davon in ersten Theil in der
Abhandlung von ehegattlichen Vermögen das Mehrere vorkommt.
(2-194) §. XVI.
[2, 11, § 16] 187. Ausländer, welche aus dem
Erwiederungsrecht die Macht haben, in Unseren Landen letztwillig zu ordnen,
können ihr letztwilliges Geschäft nach den in ihrem Lande erforderlichen
Feierlichkeiten errichten, wann sie nicht zugleich in diesem Landen aus Unserer
Vergünstigung liegende Güter eigenthumlich besitzen, dann über diese sind sie
nicht befugt anderst, als nach Vorschrift Unserer Gesetzen letztwillig zu
ordnen.
[2, 11, § 16] 188. Desgleichen sollen Unsere in auswärtigen
Landen ihrem Gewerb oder Geschäften zeitweilig nachgehende, oder in
Verrichtungen dahin verschickte Unterthanen dieser Nachsicht überhaupt
genießen, daß ihr nach den Feierlichkeiten desjenigen Orts, wo selbe sich zu
dieser Zeit aufhalten, errichtetes Testament giltig sein solle, wann sie allda
versterben.
[2, 11, § 16] 189. Von der Zeit aber, als sie in Unsere
Länder zuruckkehren, solle ein solches auswärts errichtetes Testament, wann es
nicht mit so vielen Feierlichkeiten, als in diesem Unserem Gesatz
vorgeschrieben werden, versehen ist, nur durch sechs Wochen bestehen können;
nach sechs Wochen hingegen von Zeit der Ruckkehr
(2-195) verlieret es seine Kraft und Giltigkeit, woferne der
Erblasser nicht unter dieser Zeit erweislich verhinderet worden, ein anderes zu
Stand zu bringen.
[2, 11, § 16] 190. Dieser Nachsicht haben sich jedoch Jene
nicht zu erfreuen, die sich wider Unseren Verbot in
fremde Länder begeben haben, oder Verbrechens halber, oder sonst aus
unredlichler Absicht dahin entwichen sind.
Vierter Artikel.
Von Codicillen.
§. XVII. Von Wesenheit der Codicillen, und deren zweierlei
Gattungen. §. XVIII. Von den darzu erforderlichen Feierlichkeiten. §. XIX. Von
Bestand oder Unbestand der Codicillen. §. XX. Von Wirkung der codicillarischen
Clausel.
§. XVII.
[2, 11, § 17] 191. Ein Codicill ist nichts Anderes, als eine
minder feierliche letztwillige Anordnung von deme, was außer der Erbseinsetzung
nach dem Tod des Erblassers geschehen solle.
[2, 11, § 17] 192. Hierinnen bestehet der wesentliche
Unterschied zwischen einem Codicill und Testament, daß dieses den allgemeinen
Begriff der ganzen Verlassenschaft zum
(2-196) Gegenstand habe, in einem Codicill hingegen weder
die Erbseinsetzung, noch eine andere wie immer Namen habende den allgemeinen
Begriff einer Erbschaft betreffende Anordnung, sondern einzig und allein
Vermächtnussen einzler Sachen, und andere einen Begriff des Erbrechtes nicht
enthatende Verordnungen geschehen können.
[2, 11, § 17] 193. Die Codicillen sind von zweierlei
Gattung, dann entweder werden sie neben einem Testament errichtet, oder sie
können auch ohne Testament bestehen, also daß der nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge berufene Erb andurch verbunden werde, dasjenige zu erfüllen, was der
Erblasser in dem Codicill geordnet hat.
[2, 11, § 17] 194. Jene, welche neben einem Testament
errichtet werden, erhalten ihre Kraft und Giltigkeit von dem Testament, ohne
daß darzu erforderet werde, darmit sich eins auf das andere ausdrücklich
beziehe.
[2, 11, § 17] 195. Sie können zugleich mit dem Testament,
oder zuvor oder auch darnach errichtet werden, und sind als ein Theil desselben
anzusehen, wann anderst das Testament, neben dem sie bestehen, rechtsgiltig
ist.
[2, 11, § 17] 196. Welche zu gleicher Zeit mit dem Testament
errichtet worden, werden durch ein späteres Testament völlig aufgehoben,
obschon sie in diesem letzteren ausdrücklich nicht widerrufen würden, wann
solche nicht namentlich darinnen anwiederum bestätiget werden.
[2, 11, § 17] 197. Die aber zwischen einem früheren und
späteren Testament zu Stand kommen, werden durch das spätere nicht aufgehoben,
wann der widrige Willen des Erblassers nicht daraus abzunehmen ist, umsoweniger
werden die vor einem Testament errichtete dadurch entkräftet, wann sie nicht
ausdrücklich darinnen widerrufen werden, oder dessen Inhalt den widrigen Willen
des Erblassers anzeiget.
[2, 11, § 17] 198. Alles Andere hingegen, was ein anfangs
rechtsgiltiges Testament in der Folge dergestalten zerrüttet, daß es weder in
der Gestalt eines Codicills erhalten werden mag, entkräftet auch die neben
demselben bestandene Codicillen gänzlich.
[2, 11, § 17] 199. Könnte aber das mangelhafte Testament
jegleichwohlen als ein Codicll angesehen werden, oder dasselbe wäre aus Abgang
der innerlichen oder äußerlichen Feierlichkeit gleich anfangs unstatthaft, oder
die Codicillen würden erst nach schon zerrütteten Testament errichtet, so
bestehen solche für sich allein, weilen sie nicht als ein Theil dessen, was null
und nichtig ist, geachtet werden können.
[2, 11, § 17] 200. In Codicillen hat weder die
Erbseinsetzung, noch die Aftererbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten
Erben statt, also daß solche weder in der Gestalt einer Vermächtnuß, noch auch
einer vertraulichen Erbsnachberufung bestehen kann, sondern die Verlassenschaft
in Ermanglung eines rechtsbeständigen Testaments dem nächsten Erben nach
Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufällt.
[2, 11, § 17] 201. Ueberhaupt kann darinnen weder eine
Erbschaft gegeben, noch benommen, folglich auch nothwendige Erben nicht
enterbet werden, sondern alles dieses ist ungiltig, und für nicht geordnet zu
achten.
[2, 11, § 17] 202. Wohl aber mögen in Codicillen dunkle und
zweideutige Worte des Testaments, wann sie gleich die Erbseinsetzung oder
Aftererbseinsetzung betreffen, erkläret werden, ohne jedoch darinnen der
Erbseinsetzung oder Aftererbseinsetzung eine Bedingnuß, auf deren Erfolg oder
Nichterfolg die Erbschaft dem Eingesetzten benommen sein solle, beifügen, oder
die in dem Testament beigefügte erlassen zu dürfen, allermaßen eine solche
Beifügung oder Erlassung für nicht geordnet zu halten ist.
[2, 11, § 17] 203. Auch nicht einmal die bloße Ernennung des
in dem Testament unbestimmt gelassenen Erbens solle in einem Codicill anderer
gestalt giltig sein, als wann der Codicill entweder von dem Erblasser selbst
durchaus eigenhändig
(2-197) geschrieben, oder vor den nemlichen Zeugen, die dem
Testament beigewohnet, errichtet worden.
[2, 11, § 17] 204. Desgleichen können in keinen andern, als
entweder von dem Erblasser selbst durchaus eigenhändig beschriebenen, oder vor
den Testamentszeugen errichteten Codicillen vertrauliche, oder
fideicommissarische Erbsnachberufungen, sie mögen die ganze Erbschaft oder
einen Theil derselben unter einem allgemeinen Begriff des Erbrechts betreffen,
gemacht werden, widrigen Falls sind solche für nicht geordnet anzusehen.
[2, 11, § 17] 205. Welches in gleicher Maß von dem
Nießbrauch oder der Nutznießung einer ganzen Erbschaft oder eines Erbtheils und
überhaupt von allen einen allgemeinen Begriff des Erbrechts betreffenden
Anordnungen zu verstehen ist.
[2, 11, § 17] 206. Dahingegen sind in Codicillen
Nachberufungen zu einzlen Sachen, Vermächtnussen, Absönderung des Nießbrauchs
von dem Eigenthum in einzlen Gütern oder Gründen, und alle andere einen
allgemeinen Begriff des Erbrechts nicht enthaltende Anordnungen, als die
Benennung der Vormünderen, Anordnung des Begräbnisses, und dergleichen giltig,
es möge der Erb, oder Jener, deme ein Vermächtniß zugewendet worden, darmit
beschweret werden.
[2, 11, § 17] 207. Und hat der Erblasser eben sowohl in
Codicillen, als in einem Testament Fug und Macht nach Gefallen Vermächtnussen
zu machen, insoweit als der gewissen Personen nach Unseren Gesetzen gebührende
Antheil, und das dem Erben zu statten kommende Erbviertel andurch nicht
geschmälert wird, wie nicht weniger das in dem Testament Verschaffte ganz oder
zum Theil zu widerrufen, an Andere zu übertragen, zu verminderen, mit
Bedingnussen zu beschränken, oder wie sonst immer zu beschweren.
§. XVIII.
[2, 11, § 18] 208. Die Codicillen können eben sowohl, als
die Testamenten, entweder schriftlich oder mündlich errichtet werden. Die
schriftlichen müssen entweder von dem Erblasser durchaus eigenhändig
geschrieben, oder vor nicht weniger als zweien Zeugen zu Stand gebracht werden.
(2-198) [2, 11, § 18] 209. Desgleichen erforderen die
mündlichen wenigstens zwei Zeugen; sie mögen aber in einer schriftlichen
Urkunde oder durch mündliche Erklärung errichtet werden, so müssen doch so bei
einem wie bei den anderen außer der bis auf zweie erlassenen Zeugenanzahl alle
übrige oben zu Testamenten vorgeschriebene Feierlichkeiten und die nemliche
Zeugentüchtigkeit beobachtet werden.
[2, 11, § 18] 210. Nur jene Fälle sind davon ausgenommen,
worinnen nach Inhalt des dritten Artikels minder feierliche oder befreite
Testamenten zu errichten verstattet ist, dann die in solchen Fällen den
Testamenten vergünstigte Nachsicht hat um so mehr in eben der Maß bei
Codicillen statt.
[2, 11, § 18] 211. Es müssen demnach die Codicillen ihre
Feierlichkeit für sich selbst haben, und kann die Feierlichkeit des Testaments
sich nicht darauf erstrecken, sie wären dann mit dem Testament zugleich in
unzertrennter Handlung, und in einerlei Aufsatz vor den nemlichen Zeugen
errichtet worden, welchen Falls sie als ein wesentlicher Theil desselben zu
achten sind.
[2, 11, § 18] 212. Ohne dieser Feierlichkeit hingegen kann
kein letzter Willen als ein Codicill bestehen, noch weniger in der Gestalt
eines Briefs, Befehls, Verzeichnisses, Anmerkung, Zettels, oder was immer für
anderer Willensandeutung giltig sein, wann die erforderliche Feierlichkeit
darbei ermanglet.
[2, 11, § 18] 213. Hierdurch unterscheiden sich die
Codicillen von anderen Urkunden, worauf sich in dem Testament, oder auch in
einem Codicill zu mehrerer Andeutung, Erklärung oder Ausführung dessen, wovon
die wesentliche Anordnung in dem Testament oder Codicill allschon enthalten
ist, bezogen wird.
[2, 11, § 18] 214. Derlei Urkunden, sie bestehen in Zetteln,
Briefschaften oder anderen Schriften, bedürfen keiner Feierlichkeit, sondern
sollen also angesehen werden, als ob deren Inhalt in dem Testament oder
Codicill, in welchem sich darauf bezogen wird, buchstäblich ausgedrucket wäre,
wann nur ungezweiflet ist, daß die vorkommende eben diejenige Schrift oder
Urkunde seie, worauf sich bezogen worden.
§. XIX.
[2, 11, § 19] 215. In Ermanglung der vorgeschriebenen
Feierlichkeiten sind die Codicillen gleich anfangs null und nichtig; wiewohlen
aber dieselben ordentlich errichtet worden wären, so können sie deme
ohnerachtet anwiederum durch die entweder eigenhändig oder wenigstens vor
zweien Zeugen erklärte Willensänderung des Erblassers, oder durch deren
Zerreißung, Auslöschung oder sonstige Vernichtung von ihme widerrufen werden.
(2-199) [2, 11, § 19] 216. Inwieweit jedoch dieselben durch
ein späteres Testament aufgehoben, oder wegen eines das Testament zerrüttenden
Mangels mit demselben entkräftet werden, ist bereits in §. XVII, von num. 196
bis 199 erkläret worden.
[2, 11, § 19] 217. Dahingegen wird ein Codicill durch den
anderen nicht umgestoßen, wann einer mit dem anderen ohne Widerspruch bestehen
kann, oder der frühere in dem späteren nicht ausdrücklich widerrufen wird, dann
ansonst bringt der spätere Willen allemal dem früheren vor.
[2, 11, § 19] 218. Es schadet auch der Giltigkeit des
Codicills nicht, wann gleich solchen der Erblasser ein Testament benennet
hätte, und ist nicht auf die irrige Benamsung und Gesinnung des Erblassers,
sondern auf die wesentliche Form und Gestalt eines letzten Willens zu sehen,
also daß solcher allemal in derjenigen Form und Gestalt giltig sein solle, in
welcher derselbe nach Unseren Gesetzen bestehen kann.
[2, 11, § 19] 219. Ist in einer letztwilligen Anordnung ein
Erb eingesetzt und sonst dabei alle zu einem Testament erforderliche
Feierlichkeit beobachtet worden, so bestehet solche als ein Testament, obschon
der Erblasser diesen seinen letzten Willen einen Codicill benamset hätte, und
auch nichts Anderes, als ein Codicill zu errichten gesinnet gewesen wäre.
[2, 11, § 19] 220. Gleichwie in Gegentheil, wann eine
letztwillige Anordnung keine Erbseinsetzung enthielte, oder sonst wegen Abgangs
der Testamentsfeierlichkeiten als ein Testament nicht bestehen könnte, doch
aber mit der codicillarischen Clausel und den zu einem Codicill nöthigen
Erfordernussen versehen wäre, dieselbe jegleichwohlen als ein Codicill bei
Kräften erhalten wird, obschon der Erblasser ein Testament errichten wollen,
und auch diesen seinen letzten Willen ein Testament genennet hätte.
§. XX.
[2, 11, § 20] 221. Die codicillarische Clausel ist nichts
Anderes, als ein insgemein zu Ende des Testaments angehängter Beisatz, daß,
wann dieser letzte Willen von Rechtswegen nicht als ein zierliches Testament
bestehen könnte, derselbe jegleichwohlen als ein Codicill, oder wie er sonst
nach den Rechten am kräftigsten gelten kann oder mag, giltig und kräftig sein
solle.
(2-200) [2, 11, § 20] 222. Diese Clausel hat die Wirkung,
daß, da ein Testament aus Abgang der darzu erforderlichen Feierlichkeiten, oder
eines sonst bei der Erbseinsetzung obwaltenden Mangels als ein Testament nicht
bestehen könnte, dasselbe in Kraft dieser Clausel in einen Codicill verwandlet,
und jegleichwohlen in der Form und Gestalt eines Codicills erhalten werde.
[2, 11, § 20] 223. Auf daß aber diese Clausel die Erhaltung
eines in seiner Art mangelhaften Testaments wirken könne, ist nothwendig, daß
einerseits dasselbe mit den zu einem Codicill vorgeschriebenen Feierlichkeiten
versehen seie, und andererseits diese Clausel darinnen ausdrücklich beigesetzet
werde, wo in widrigen solche niemalen und unter keinerlei Vorwand
stillschweigend verstanden sein solle.
[2, 11, § 20] 224. Hätte hingegen ein solches mangelhaftes
Testament die zu einem Codicill erforderliche Feierlichkeiten nicht, so kann es
auch, ob schon diese Clausel beigesetzet wäre, weder als ein Codicill bestehen,
sondern ist ganz und gar null und nichtig.
[2, 11, § 20] 225. Wann es aber auch in Hinzutretung
obermelter Feierlichkeiten aus Kraft dieser Clausel als ein Codicill erhalten
wird, so hat dasselbe jegleichwohlen keine mehrere Wirkung, als ein für sich
selbst ohne einem Testament bestehender Codicill, also daß keine andere
darinnen enthaltene Anordnungen giltig sein sollen, als welche der Erblasser in
einem ohne Testament bestehenden Codicill zu machen befugt gewesen wäre.
[2, 11, § 20] 226. Diese Clausel erhält demnach bloß die in
einem mangelhaften Testament deme sie beigesetzet ist, verschaffte
Vermächtnussen, und andere seinen allgemeinen Begriff des Erbrechtes
betreffenden Anordnungen bei Kräften.
[2, 11, § 20] 227. Wirket aber keineswegs den Bestand der
Erbseinsetzung oder Aftererbseinsetzung, oder auch einer allgemeinen
Nachberufung, wann entweder solche an sich selbst, oder wegen unterlassener Testamentsfeierlichkeiten
mangelhaft sind.
[2, 11, § 20] 228. Und am allerwenigsten kann solche den
Abgang des Willens ersetzen, wann ein Testament wegen Mangel des Willens
unvollkommen wäre, als da Jemand nur das Vorhaben geäußeret hätte, ein
Testament zu errichten, solches aber nicht vollzogen, oder zwar angefangen, vor
dessen Vollendung aber von dem Tod übereilet worden wäre.
[2, 11, § 20] 229 Gleichwie nun ein solches Testament in
Kraft dieser Clausel nicht anderst, als für einen ohne Testament bestehenden
Codicill angesehen werden mag,
(2-201) also folget auch hieraus, daß dasselbe, ohnerachtet
diese Clausel darinnen ausgedrucket wäre, mit einem späteren Testament niemalen
bestehen könne, sondern andurch, gänzlich vernichtet werde.
[2, 11, § 20] 230. Es seie, daß der Erblasser in dem
Testament ausdrücklich erkläret hätte, daß auch das frühere, folglich beide
zusammen giltig sein sollen, wie es in achtzehenten Capitel von Ungiltigkeit
und Entkräftung des letzten Willens §. IV mit Mehreren erkläret werden wird.
Caput XII.
Von Einsetzung der
Erben
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit der Erbeinsetzung. §. II. Von
Eigenschaft und Verschiedenheit der Erben. §. III. Von Zusammentreffung
mehrerer Erben. §. IV. Von der Art und Weis der Erbeinsetzung. §. V. Von den
Bedingnussen der Erbeinsetzung. §. VI. Von Wirkung der Erbeinsetzung.
§. I.
[2, 12, § 1] Num. 1. Nach erklärten verschiedenen Gattungen
der letzwilligen Geschäften, und den darzu erforderlichen Feierlichkeiten
folget nunmehro die Abhandlung der Arten, wormit in letztwilligen Anordnungen
etwas verlassen wird.
[2, 12, § 1] 2. Die erste ist die Erbseinsetzung, welche
nichts Anderes ist, als eine von
(2-202) dem Erblasser geschehene Benennung des künftigen
Erben oder Nachfolgers in alles Recht, was derselbe zur Zeit seines Todes
gehabt hat.
[2, 12, § 1] 3. In derselben bestehet die vornehmste
Wesenheit und innerliche Feierlichkeit eines Testaments, dessen Grundfeste sie
ist, also zwar, daß weder ein Testament ohne der Erbseinsetzung als ein
Testament giltig seie, noch auch die Erbseinsetzung anderer gestalt, als in
einem Testament geschehen kann.
[2, 12, § 1] 4. Sie wird in die erste und zweite
eingetheilet, welche letztere eine Aftererbseinsetzung oder Nachberufung des
zweiten Erben heißet, und auf den Fall des abgehenden ersten Erbens gerichtet
ist; von der ersten wird in gegenwärtigen, von der zweiten aber in gleich
nachfolgenden Capitel gehandlet.
§. II.
[2, 12, § 2] 5. Alle und jede sind zwar freiwillige Erben,
also daß es von ihrem eigenen Willen abhange, ob sie Erben sein wollen oder
nicht; in Ansehung des Erblassers hingegen sind sie entweder willkürlich oder
nothwendige Erben.
(2-203) [2, 12, § 2] 6. Nothwendige Erben sind jene
Personen, welche nothwendig und namentlich zu Erben eingesetzet, oder enterbet
werden müssen; sie werden aber nicht von darum nothwendig genennet, als ob sie
Erben zu sein gezwungen wären, sondern von der Nothwendigkeit der Pflicht des
Erblassers, welche ihme von Unseren Gesetzen auferleget wird, denenselben
denjenigen Theil seiner Beschaffenheit zuzuwenden, welcher für sie bestimmet
ist.
[2, 12, § 2] 7. Derlei nothwendige Erben sind vornemlich die
Absteigenden, und in deren Ermanglung die Aufsteigenden, denen durch Unsere
Gesetze ein gewisser Pflichttheil aus der Verlassenschaft des Erblassers
beschieden ist, welcher ihnen ohne rechtmäßiger Ursache nicht entzogen oder
geschmälert werden kann, wovon untern in vierzehnten Capitel das Mehrere
erwähnet wird.
[2, 12, § 2] 8. Die Nothwendigkeit ihrer namentlichen
Einsetzung oder Enterbung ist zur Giltigkeit eines Testaments dergestalten
erforderlich, daß, wann sie weder namentlich zu Erben eingesetzet, noch
enterbet, sondern vorbeigegangen worden, das Testament null und nichtig seie,
und weder die darinnen verschaffte Vermächtnussen bestehen können.
[2, 12, § 2] 9. Es seie dann, daß die codicillarische
Clausel beigesetzet wäre, welche das Testament in Ansehung der Vermächtnussen
als einen Codicill bei Kräften erhält, wann anderst der Erblasser nothwendige
Erben zu haben gewußt hat. In widrigen, und da er solche nicht gewußt, aber aus
Irrthum sie für verstorben gehalten zu haben erwiesen werden könnte, hat auch
die codicillarische Clausel keine Wirkung.
[2, 12, § 2] 10. Die Vorbeigehung nothwendiger Erben
bestehet in deme, wann der Erblasser ihrer in dem Testament entweder gar keine
Meldung gemacht, oder da er auch derselben gedacht hätte, ihnen gleichwohlen
nichts verschafft, oder sie namentlich nicht enterbet.
[2, 12, § 2] 11. Wo er aber ihnen etwas verließe, ohne sie
jedoch dabei namentlich zu Erben einzusetzen aber zu enterben, solle es allemal
dafür gehalten werden, als ob dieselben in dem ganzen Betrag des Pflichtheils
zu Erben eingesetzet worden wären, folglich haben sie auch die Rechtsforderung
zu Ergänzung des ihnen nach Unseren Gesetzen angebührenden Pflichttheils nach
Maß dessen, was ihnen noch an dessen Betrag erweislich abgehet.
[2, 12, § 2] 12. Würden sie hingegen ohne rechtmäßiger
Ursache enterbet, also daß entweder gar keine Enterbungsursache beigefüget,
oder die beigefügte nicht erweislich wäre, so ist das Testament unpflichtmäßig,
und wird die darinnen gemachte Erbseinsetzung aufgehoben, obschon dasselbe in
seinem übrigen Inhalt auch ohne Beisatz der codicillarischen Clausel bestehet,
insoweit andurch der Pflichttheil der nothwendigen Erben nicht verkürzet wird.
[2, 12, § 2] 13. Wann mehrere nothwendige Erben vorhanden
sind, welche sonst nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Verlassenschaft
des Erblassers berufen würden, müssen auch Alle eingesetztet oder enterbet
werden, also, daß wann auch nur Einer von ihnen vorbeigegangen worden, das
Testament nicht bestehen mag.
[2, 12, § 2] 14. Doch ist nicht nöthig, Jedweden
insonderheit mit Namen zu benennen, sondern an deme genug, wann der Erblasser
seine Kinder oder seine Eltern überhaupt zu Erben eingesetzet, und sind solchen
Falls unter den Kindern auch jene begriffen, die erst nach dem Testament oder
auch nach dem Tod des Erblassers geboren werden.
[2, 12, § 2] 15. Außer vorbemelten Personen hanget es von
der Willkür des Erblassers
(2-204) ab, wen er wolle zum Erben einzusetzen, wann dieser
nur die Erbfähigkeit hat, daß er zum Erben eingesetzet werden könne.
(2-205) [2, 12, § 2] 16. Diese Fähigkeit hat Jedermann, der
nicht als unfähig oder unwürdig von der Erbschaften
durch Unsere Gesetze ausgeschlossen wird. Die Unfähigkeit rühret
von einer Jemandens Person anklebenden Eigenschaft, die Unwürdigkeit aber von
der eigenen That her, wodurch ein sonst Fähiger sich der Erbschaft verlustig
macht. Die Unfähigen werden hier, die Unwürdigen hingegen in dem neunzehenten
Capitel beschrieben.
[2, 12, § 2] 17. Zur Erbsfähigkeit ist der Stand der
Freiheit nicht erforderlich und dahero können auch Unterthanen zu Erben
eingesetzet werden, ohne daß dadurch das Erbrecht in der ihnen angefallenen
Verlassenschaft ihrer Obrigkeit erworben werde.
[2, 12, § 2] 18. Bei Fremdlingen, welche einer auswärtigen
Botmäßigkeit unterworfen sind, ist das Erwiederungs- oder Widergeltungsrecht
zur Richtschnur zu nehmen, also, daß insoweit Unsere Unterthanen in ihrem Lande
zu Erbschaften zugelassen werden, sie auch in Unseren Staaten in eben dieser
Maß für erbsfähig gehalten werden sollen.
[2, 12, § 2] 19. Missethäter, die zum Tod verurtheilet
worden, und um so weniger Jene,
(2-206) welche ein solches Laster begangen, worauf die Einziehung
der Güter gesetzet ist, können nicht zu Erben eingesetzet weren.
[2, 12, § 2] 20. Desgleichen sind alle anderen ehrlose Leute
nach Maßgebung Unserer peinlichen Gerichtsordnung erbsunfähig, doch solle ihnen
gestattet sein, aus Jemands letztwilliger Anordnung Vermächtnisse beziehen zu
können.
[2, 12, § 2] 21. Dahingegen macht außer der von Unseren
Gesetzen zur Strafe verhängten Ehrlosigkeit keinerlei andere Ehrenmakel, sie
möge von eigener That, Treibung eines verächtlichen Gewerbs, oder unehelicher
Geburt herrühren, Jemanden erbsunfähig.
[2, 12, § 2] 22. Es giebt aber so wenig diesen, als allen
anderen zu Erben eingesetzten Personen, welche die Landtafel-, Stadt- oder
Grundbücherfähigkeit nicht haben, die Erbsfähigkeit auch zugleich die
Besitzfähigkeit in Ansehung der in einer ihnen angefallenen Verlassenschaft
befindlichen liegenden Gütern, und anderen landtäflicher, stadt- oder
grundbücherlicher Rechten, sondern diese sollen an einem anderen Fähigen
veräußeret werden, und der eingesetzte des Besitzes unfähige Erb sich mit den
dafür gelösten Geldbetrag zu begnügen haben, woferne er mittlerweil die
Besitzfähigkeit nicht erlanget hätte.
[2, 12, § 2] 23. Obwohlen aber die uneheliche Geburt für
sich selbst zur Erbseinsetzung nicht unfähig macht, so sollen doch uneheliche
Eltern nicht befugt sein, ihre unechte Kinder in ihrem letzten Willen zu Erben
einzusetzen, sie mögen ehelich erzeugte Kinder neben denenselben haben oder
nicht.
[2, 12, § 2] 24. Derlei unehelichen Kindern, die seien aus
was immer für einer verbotenen Vermischung erzeuget, gebühret aus dem Vermögen
ihrer unehelichen Eltern nichts als der Unterhalt, welchen Wir aus der
Verlassenschaft sowohl des erweislichen Vaters, als der unehelichen Mutter in
Ermanglung eheleiblicher Kinder auf den sechsten, wo aber eheleibliche Kinder
vorhanden sind, auf den zwölften Theil, es möge eines oder mehrere derlei
unechte Kinder sein, dergestalten bestimmen, daß ihnen ihre Eltern zwar weniger
zuwenden, Jenes aber, was ihnen darüber verschaffet wird, denen ehelichen
Kindern, oder in deren Abgang den sonstigen Erben zufallen solle.
[2, 12, § 2] 25. Von diesem sechsten oder zwölften Theil der
Verlassenschaft oder von deme, was ihnen darunter zugedacht wird, gehöret ihnen
das Eigenthum; sollte aber ihr Unterhalt hieraus nicht erschwungen werden
können, noch auch der noch lebende Vater oder Mutter den Abgang beizutragen im
Stande sein, so solle über das nach richterlichen Ermessen noch so vieles, als
zur Nothdurft einer gemeinen Erziehung und Forthelfung in den eigenen Nahrungsstand
erforderlich ist, aus der Ertragniß des hinterlassenen Vermögens ausgeworfen,
und mit diesem Beitrag je lange fortgefahren werde, bis sie in Stand gesetzet
sind, sich ihren Unterhalt selbst zu verschaffen.
[2, 12, § 2] 26. Wären aber außer der Ehe erzeugte Kinder
entweder durch die nach gefolgte Ehe rechtmäßig, oder aus Unserer höchsten
Machtsvollkommenheit für rechtmäßig eigends zu dem Ende, darmit sie Vater oder
Mutter erben können, erkläret worden, höret auch ersteren Falls die Erbsunfähigkeit
völlig, letzteren Falls hingegen nur in Ansehung desjenigen Eltertheils aus,
der deren Rechtmäßigkeit erwirket hat.
[2, 12, § 2] 27. Desgleichen, wo die Eltern aber deren eines
ihr unehelich erzeugtes Kind für ehelich und rechtmäßig ausgegeben hätten, und
solches auch insgemein dafür gehalten worden wäre, solle es in dem Besitz
seiner vermeinten Rechtmäßigkeit dergestalten erhalten werden, daß dessen
Erbseinsetzung in der Verlassenschaft desjenigen Theils, der dasselbe für
rechtmäßig ausgegeben, nicht angefochten werden solle, wann sonst keine
eheleiblichen Kinder vorhanden sind.
[2, 12, § 2] 28. Die Erbsunfähigkeit erstrecket sich auch
umsomehr auf jene Person mit welcher eine uneheliche Zuhaltung gepflogen
worden, wann diese Makel nicht
(2-207) nachhero durch die wirkliche Ehe getilget wird, also
zwar, daß der überlebende eine Theil aus dem letzten Willen des anderen gar
nichts zu beziehen fähig sein solle, woferne dieses Vergehen noch in Lebszeiten
des Erblassers entweder bereits gerichtlich erprobet, oder doch damals bei
Gericht angebracht und nachhero bewiesen worden, widrigens solle nach Absterben
des einen Theils die Erbseinsetzung des anderen deshalben nicht mehr
angefochten werden können.
[2, 12, § 2] 29. Wann ein Unfähiger zum Erben eingesetzet wird,
ist die Erbseinsetzung für nicht geschehen zu halten, und fallt Dasjenige, was
ihme dadurch zugedacht worden, und den oben in gewissen Fällen zu beziehen
erlaubten Betrag übersteiget, entweder dem nachberufenen Erben, oder in dessen
Ermanglung Jenen zu, die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge die nächsten
sind.
[2, 12, § 2] 30. Auf die Erbsfähigkeit ist nur zur Zeit des
Erbanfalls und der antretenden Erbschaft zu sehen, dahingegen schadet die
Erbsunfähigkeit zur Zeit des errichteten letzten Willens, oder welche sich
Jemand in der Zwischenzeit zugezogen, nichts, wann nur derselbe zur Zeit, als
ihme die Erbschaft angefallen, und er solche antritt, fähig ist, wo in widrigen
der Erbanfall sogleich auf Jene gehet, die entweder von dem Erblasser
nachberufen, aber nach der rechtlichen Erbfolge die nächsten sind.
[2, 12, § 2] 31. Doch solle die Erbsunfähigkeit eines
eingesetzten Erben nicht länger, als binnen der unten in siebenzehenten
Capitel, §. V, zur rechtskräftigen Bestätigung eines letzten Willens ausgesetzten
Zeit angebracht, nach deren Verlauf aber Niemand einer Erbsunfähigkeit halber
weiter angefochten werden können.
[2, 12, § 2] 32. Was bishero von der Erbsunfähigkeit der
eingesetzten Erben geordnet worden, hat auch bei After-Erbseinsetzungen und
Nachberufungen, wie nicht minder in seiner Maß bei Vermächtnissen statt,
insoweit als nicht oben gewissen erbsunfähigen Personen jegleichwohlen
vermächtnißweise etwas zu verschaffen ausdrücklich erlaubet wird.
§. III.
[2, 12, § 3] 33. Jedermänniglich stehet
frei, einen oder mehrere Erben einzusetzen. Ist nur ein Erb überhaupt
eingesetzet, ohne daß sein Erbtheil von dem Erblasser an einem Theil der
Verlassenschaft, oder an einer gewissen Summe, oder an einzlen Dingen bestimmet
worden wäre, erbet er auch die ganze Verlassenschaft.
(2-208) [2, 12, § 3] 34. Woferne er aber nur namentlich in
einem Theil derselben, oder in einer gewissen Summe, oder auch in einzlen
Dingen zum Erben eingesetzet wäre, erbet er nur so vieles, als ihme der
Erblasser zugewendet, und all Uebriges, worüber der Erblasser nicht geordnet
hat, fallt auf diejenige Erben, welche nach der rechtlichen Erbfolge die
nächsten sind.
[2, 12, § 3] 35. Dann Wir wollen hiemit alles Recht des
Zuwachses bei letztwilligen Erbfolgen sowohl in dem Fall, wann der Erblasser
über einen Theil seiner Verlassenschaft ordnete, und über den anderen nicht,
als auch da die letztwillige Anordnung zum Theil wegen Abgangs, Unfähigkeit
oder Unwürdigkeit des eingesetzten Miterbens oder seiner Entschlagung der
Erbschaft, oder wegen ermanglender oder von ihme nicht erfüllten Bedingnuß der
Erbseinsetzung nicht zur Wirkung käme, gänzlich aufgehoben haben, also zwar,
daß Alles, worüber die ausdrückliche Anordnung des Erblassers entweder gleich
anfangs ermanglet, oder in der Folge unwirksam wird, den nächsten Erben nach
Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufallen solle.
[2, 12, § 3] 36. Wann mehrere Erben eingesetzet sind,
gelanget auf deren keinen das Erbrecht zur Gänze, sondern an deren jedweden nur
zu einem Theil, welcher entwedern von dem Erblasser selbst, oder von dem Gesetz
bestimmet ist, wo die Ausmessung des Erblassers ermangelt.
[2, 12, § 3] 37. Um dahero mit Verläßlichkeit zu wissen, was
für ein Antheil einem jeden der eingesetzten Erben von der Verlassenschaft
angebühre, sind folgende drei Hauptfälle zu unterscheiden, als:
[2, 12, § 3] 38. Erstens, da der Erblasser einem jeden
eingesetzten Erben einen gewissen Antheil angewiesen,
Zweitens, da er keinem von ihnen einen Antheil angewiesen,
und endlich
Drittens, da er Einem oder Mehreren gewisse Antheile
angewiesen, Anderen aber nicht.
[2, 12, § 3] 39. In dem ersten Hauptfall, wann der Erblasser
einem jeden eingesetzten Erben seinen Antheil angewiesen hat, ist ein jeder in
demjenigen Antheil sein Erb, in welchem derselbe von ihme eingesetzet worden.
[2, 12, § 3] 40. Und hat der Erblasser vollkommene Freiheit,
seine Verlassenschaft in so viele Theile, als ihme gefällig, zu vertheilen, und
gleiche oder ungleiche, größere oder kleinere Theile zu machen, wie dann auch
die Einsetzung deswegen nicht angefochten werden kann, obschon die angewiesenen
Theile das Verhältniß mit dem Ganzen überschritten, oder solches nicht
erreichen.
[2, 12, § 3] 41. Würden die angewiesenen Theile das
Verhältniß mit dem Ganzen übersteigen, also daß sie zusammen gerechnet ein
Mehreres betragen, als nicht die ganze Verlassenschaft ausmacht, so solle einem
jeden Miterben nach Verhältniß seines Antheils so vieles abgezogen werden, als
ander Verlassenschaft abgehet.
[2, 12, § 3] 42. Dahingegen, wo die angewiesenen Theile
weniger ausmachen, folglich den Betrag der ganzen Verlassenschaft nicht
erreichen, gebühret den eingesetzten Erben nur Dasjenige, was ihnen von dem
Erblasser angewiesen ist, dieses bestehe in einem Theil der Verlassenschaft,
oder in einer bestimmten Summe, oder in
(2-209) einzlen Dingen; alles Uebrige aber fallt den
nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge zu, und höret nach Unserer obigen
Anordnung zwischen letztwillig eingesetzten Erben alles Recht des Zuwachses
völlig auf.
[2, 12, § 3] 43. In dem zweiten Hauptfall, wo der Erblasser
mehreren eingesetzten Erben seine Theile angewiesen, erben alle gleich, also
daß die Erbschaft in so viele Theile getheilet werde, als Personen an der Zahl
sind, welche zu Erben eingesetzet worden.
[2, 12, § 3] 44. Wo demnach die ausdrückliche Anweisung der
Theilen ermanglet, ist die Anzahl der Erben die unveränderliche Richtschnur zur
Ausmessung der Theilen, welcher ohne Unterschied, ob der Erblasser bei
Einsetzung mehreren Erben selbe zusammengefügter oder abgesönderter Weise
benennet habe, nachgegangen werden wolle.
[2, 12, § 3] 45. Dann durch die Zusammenfügung Mehrerer
allein solle der einem Jedweden nach Anzahl der Personen gebührende Antheil
weder vermehret, noch verminderet werden können, es seie dann daß entweder der
Erblasser ausdrücklich verordnet hätte, damit die Zusammengefügten nicht mehr,
als der von ihnen in der Einsetzung abgesönderte Miterb für sich allein haben
solle.
[2, 12, § 3] 46. Oder daß mehrere Erben versammlungsweise,
unter dem Begriff einerlei Eigenschaft zusammengefüget, nebst einem oder
mehreren anderen Miterben eingesetzet worden wären, als da Jemand seines Bruder
Oder Schwester Kinder mit einem Dritten, oder eine Gemeinde, Mittel, oder eine
Gesellschaft mit einer oder mehreren anderen einzlen Personen zu Erben
benennete, in welchem Fall die unter einerlei Eigenschaft Zusammengefügete für
Eine Person zu achten sind, und dahero auch für ihren Antheil zusammen nicht
mehr, als was auf einen deren einzelweise eingesetzten Miterben ausfallt, zu beziehen
haben.
[2, 12, § 3] 47. Dagegen aber wird auch in diesem Fall der
allen unter einerlei Eigenschaft Zusammengefügten zukommende Antheil dadurch
nicht geschmäleret, obschon Einige von ihnen, oder auch Alle bis auf Einen, ehe
und bevor sie zur Erbschaft gelangen, abgehen; sondern die Eigenschaft, unter
welcher sie zu Erben eingesetzet worden, folglich das darmit verknüpfte
Erbrecht bestehet auch in Einem, welcher so vieles für sich beziehet, als Alle
bekommen hätten, wann sie zur Erbschaft gelanget wären.
[2, 12, § 3] 48. Woferne aber der Erblasser haben wollte,
daß von denen unter einerlei Eigenschaft versammlungsweise Eingesetzten ein
Jeder besonders für sich einen gleichen Antheil mit denen einzelweise berufenen
Miterben haben solle, so muß solches von ihm klar und namentlich ausgedrucket
werden, daß jeder von denen also Zusammengefügten zu gleichen Theilen mit denen
einzelweise Eingesetzten Erben sein sollen.
[2, 12, § 3] 49. Und in diesem Fall behält Jeder seinen
angemessenen Theil, der nach Anzahl der zu Erben eingesetzten Personen auf ihn
ausfallt, ohne daß solcher durch Abgang anderer unter dieser Eigenschaft
begriffener Miterben vermehret werden könne, sondern die erledigte Antheile
Derjenigen, welche nicht zur Erbschaft gelangen, fallen auf die nächsten Erben
nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge.
[2, 12, § 3] 50. In dem dritten Hauptfall, da der Erblasser
Einem oder Mehreren von den eingesetzten Erben ihre Antheile angewiesen,
Anderen aber nicht, bekommen Diejenigen, die in bestimmten Theilen eingesetzet
sind, ihre angewiesene Erbtheile; was aber nach Abzug dieser angewiesenen
Theilen, es seie viel oder wenig, übrig bleibet, solle unter die, welche ohne
Theilen eingesetzet worden, dergestalten vertheilet werden, daß deren Jeder
hieran einen gleichen Antheil zu beziehen habe.
[2, 12, § 3] 51. Wann jedoch durch die angewiesenen Theile
die Verlassenschaft dergestalten erschöpfet würde, daß für die ohne Theil
Eingesetzten gar nichts übrig bliebe, solchen Falls solle es von denen durch
den Erblasser angewiesenen Theilen völlig abkommen, und die Regel des zweiten
Hauptfalls statt haben, daß so viele gleiche Theile zu machen sind, als Erben
an der Zahl eingesetzet worden, folglich deren
(2-210) Jeder ohne Unterschied, er möge in einem bestimmten
Antheil eingesetzet worden sein oder nicht, einen gleichen nach Zahl der
Personen auf ihn ausfallenden Antheil mit denen Uebrigen zu beziehen habe.
[2, 12, § 3] 52. Wobei aber auch all Jenes zu beobachten
ist, was von Mehreren unter einerlei Eigenschaft versammlungsweise
zusammengefügten Miterben oben von num. 46 bis 49 geordnet worden.
[2, 12, § 3] 53. In keinem dieser Fälle hat das Recht des
Zuwachses statt, wann gleich mehrere eingesetzte Erben entweder durch Worte,
oder an einerlei Sache, oder auch auf beiderlei Weise zusammengefüget wären,
sondern die Einsetzung mehrerer Erben, wie sie immer laute, solle gesönderet,
und also angesehen werden, als ob deren Jeder besonders für seinen Theil allein
eingesetzet worden wäre.
[2, 12, § 3] 54. Es seie dann, daß vorberührter Maßen
entweder von dem Erblasser mehreren Zusammengefügten miteinander ein gleicher
Theil mit dem besonders eingesetzten Erben angewiesen, oder Mehrere
versammlungsweise unter dem Begriff einerlei Eigenschaft, ohne deren Jedwedem
seinen besonderen Antheil zu bestimmen, zusammengefüget, oder endlich von ihme
ausdrücklich verordnet worden wäre, daß der nach einem abgehenden Miterben
erledigte Antheil einigen, oder allen übrigen Miterben zukommen solle.
[2, 12, § 3] 55. In beiden ersteren Fällen tritt der vermuthete
Willen des Erblassers ein, daß er die also Zusammengefügten für Eine Person
gehalten, folglich in Kraft einer unter dieser Zusammenfügungsart
stillschweigend begriffenen Nachberufung Dasjenige, was er Allen zugedacht, auf
deren Jedwedem für sich allein, wann die Uebrigen nicht zur Erbschaft gelangen
sollen, und um so mehr das, was durch Abgang des Einen oder Anderen erlediget
wird, denen übrigen Zusammengefügten habe zuwenden wollen.
[2, 12, § 3] 56. In dem dritten Fall hingegen gebühren die
durch Abgang eines oder mehreren eingesetzten Erben erledigte Theile Jenem,
welchen solche der Erblasser ausdrücklich auf diesen Fall zugedacht, nicht aus
dem Recht des Zuwachses, sondern aus der gemeinen Aftererbseinsetzung oder
Nachberufung, wovon in dem folgenden Capitel gehandlet wird.
[2, 12, § 3] 57. Außer diesen Fällen einer unten dem obigen
Ausdruck der Zusammenfügung stillschweigend verstandenen, oder ausdrücklich von
dem Erblasser geordneten Nachberufung trifft in deme, worüber von demselben
weder namentlich, noch überhaupt geordnet worden, oder worinnen dessen
Anordnung in der Folge unwirksam wird, allemal die rechtliche Erbfolge mit der
letztwilligen zusammen.
[2, 12, § 3] 58. Doch also, daß der letzte Willen, wann er
sonst an sich nicht mangelhaft ist, bei vollen Kräften verbleibe, und Alles,
was von dem Erblasser darinnen angeordnet worden, abgestattet werden müsse, auf
die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretenden nächsten Erben hingegen
nur Jenes von der Verlassenschaft gelange, was nach vollständiger Erfüllung des
letzten Willens hieran erübriget wird.
[2, 12, § 3] 59. Es sind demnach zwei Fälle, worinnen die
nach der rechtlichen Erbfolge sonst berufenen nächsten Erben mit den
letztwillig eingesetzten Erben in einerlei Verlassenschaft zusammentreffen,
als:
[2, 12, § 3] 60. Erstens, wann der Erblasser über einen
Theil seiner Verlassenschaft weder namentlich, noch überhaupt geordnet, sondern
hieran nach Abzug der den eingesetzten Erben angewiesenen Antheilen, und der
Vermächtnissen etwas, es seie viel oder wenig, übrig bleibt.
[2, 12, § 3] 61. Zweitens, wann ein eingesetzter Miterb
ermanglet, als da derselbe zur Zeit des Tods des Erblassers, oder der
Erbsantretung unfähig oder unwürdig wäre, oder sich der Erbschaft entschlüge,
oder dessen Erbseinsetzung wegen ermanglender oder nichterfüllter Bedingniß
erlöschete, und auf den Fall des abgehenden eingesetzten Miterbens keine
Nachberufung eines zweiten Erbens gemacht worden, noch solche in der
Einsetzungsart selbst stillschweigend enthalten wäre.
(2-211) [2, 12, § 3] 62. Alles dieses wachset nicht den
Theilen der letztwilligen Erben zu, sondern gehet auf die nächsten Erben nach
der rechtlichen Erbfolge, dergestalten, daß wo er eingesetzte Erb auch zugleich
einer von den nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge wäre,
derselbe gleichfalls seinen Antheil, welcher ihme nach der rechtlichen Erbfolge
zuzukommen hat, mit denen Anderen erhalte, und wie die Vortheile, so die
Erblasten nach Maß dessen, was deren Jedweder für seinen Antheil aus der
Erbschaft beziehet, sowohl zwischen den letztwilligen, als den aus der
rechtlichen Erbfolge eintretenden Erben getheilet werden.
[2, 12, § 3] 63. Da aber die letzteren zugleich nothwendige
Erben wären, welchen der Pflichttheil aus Vorsehung Unserer Gesetzen gebührete,
diesen hingegen das, was sie aus der Verlassenschaft beziehen, nicht
erreichete, solchen Falls haben die anderen Miterben von ihren Antheilen zu
dessen Ergänzung so vieles beizutragen, als noch hieran erweisliche abgehen
würde.
[2, 12, § 3] 64. Zu den Erblasten haben jedoch Jene, welche
in einzlen Sachen oder gewissen Summen eingesetzet worden, insgemein nichts
beizutragen, sondern eine derlei Erbseinsetzung ist Vermächtnissen gleich zu
achten, welche zu den Erblasten nicht ehender beigezogen werden sollen, als da
die übrige Verlassenschaft zu deren Abtrag nicht hinreichend ist, wie solches
in dem sechzehenten Capitel von Vermächtnissen mit Mehreren erkläret werden
wird.
§. IV.
[2, 12, § 4] 65. Mit was immer für Worten, und an was für
einer Stelle des Testaments, es seie zu Anfang, in der Mitte oder zu Ende
seines Inhalts die Erbseinsetzung geschehe, solle selbe giltig und
rechtsbeständig sein, wann nur der
(2-212) Erb ausdrücklich, klar, verständlich und
dergestalten, daß man ihn erkennen kann, dann freiwillig und ohne Gefährde
darinnen benennet und beschrieben wird.
[2, 12, § 4] 66. Es muß dahero erstens der eingesetzte Erb
entweder aus seiner Benamsung oder anderen ungezweifleten Kennzeichen gewiß und
bestimmet sein, damit kein Irrthum wegen der Person des Erbens entstehe, bei
wessen Unterwaltung die Erbseinsetzung null und nichtig ist.
[2, 12, § 4] 67. Dahingegen, wo bloß allein in dem Namen
oder in der Eigenschaft, oder sonstigen Beschreibung des eingesetzten Erben
geirret würde, schadet solches der Giltigkeit der Erbseinsetzung nicht, wann
aus anderen Umständen die Person des Erbens, welchen der Erblasser vermeinet,
ungezweiflet erhellet.
[2, 12, § 4] 68. Es würde dann in einer solchen Eigenschaft
geirret, in deren Ermanglung der Erblasser denselben sonst nicht zum Erben
eingesetzet hätte, als da der Erblasser Jemanden als seinen Sohn oder Bruder
für seinen Erben ernennet hätte, der es aber nicht wäre, welchen Falls die
Erbseinsetzung aus Mangel des Willens, der sich lediglich auf die irrig vermeinte
Eigenschaft bezogen hat, nicht bestehen kann.
[2, 12, § 4] 69. Desgleichen, wo Jemand zum Erben benennet
würde, den Niemand kennet, und der nach aller eingezogenen Nachricht nicht
ausfindig gemacht werden kann, ist die Erbseinsetzung null und nichtig.
[2, 12, § 4] 70. Nicht weniger verlieret
die Erbseinsetzung ihre Wirkung, wann der Erblasser mehrere Freunde einerlei
Namens hätte, und man nicht wissen könnte, welchen er gemeinet habe.
[2, 12, § 4] 71. Doch ist nicht nothwendig, daß der
eingesetzte Erb beim Erblasser vorhero von Person bekannt gewesen seie, sondern
es ist an deme genug, daß dieser von ihme gewußt habe, obschon er ihn bei
Lebszeiten niemalen gesehen hätte.
[2, 12, § 4] 72. Die Person des eingesetzten Erben muß
dahero entweder in dem Testamen selbst bestimmet, oder doch in der Folge aus
einer ausdrücklichen, oder doch in der Natur der Sache stillschweigend
enthaltenen Beziehung auf etwas Anderes, woraus derselbe kennbar seie,
bestimmet werden können.
[2, 12, § 4] 73. Durch die ausdrückliche Beziehung wird der
Erb bestimmet, wann der Erblasser in seinem schriftlichen oder mündlichen
Testament sich auf einen von ihme eigenhändig geschriebenen Zettel dergestalten
beziehet, daß Jener sein Erb sein solle, welcher in diesem Zettel benennet ist,
wann nur kein Zweifel fürwaltet, daß der angezeigte Zettel eben derjenige seie,
worauf sich von dem Erblasser bezogen worden.
[2, 12, § 4] 74. Stillschweigend hingegen ist die Beziehung
in der letztwilligen Anordnung enthalten, wann der Erblasser Jene zu Erben
einsetzet, welche nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge die nächsten sind; dann
in diesem Fall solle dafür gehalten werden, daß er sich der Ausmessung Unserer
Gesetzen gefüget habe.
[2, 12, § 4] 75. Also da Jemand seine Kinder überhaupt zu
Erben einsetzete, sind auch die Enkeln der verstorbenen Söhnen und Töchtern
darunter verstanden, welche aus
(2-213) dem Vorstellungsrecht in die Stelle ihrer
vorgestorbenen Eltern eintreten, nicht aber auch die Enkeln der noch lebenden
Kindern, weilen solche durch ihre Eltern von der großväterlichen oder
großmütterlichen Erbschaft ausgeschlossen werden.
[2, 12, § 4] 76. Eben also, da Jemand seine Befreundten
überhaupt zu Erben benennete, werden nur Jene zur Erbschaft zugelassen, die
nach der rechtlichen Erbfolge hierzu das nächste Recht haben, dergestalten, daß
der nähere allemal den weiteren ausschließe.
[2, 12, § 4] 77. Da aber der Erblasser seinen Willen dahin
erkläret hätte, daß alle seine Befreundte zusammen erben sollen, solchen Falls
gebühret auch Jedwedem, welcher von der Freundschaft ist, ohne Rücksicht aus
die nähere oder weitere Verwandtschaft, ein Erbtheil, und ist mit der
Verlassenschaft auf eben diejenige Art und Weis, wie es auf dem Fall, wo der
eingesetzte Erb zur Zeit nicht bekannt ist, unten in dem einundzwanzigsten
Capitel geordnet werden wird, zu verfahren, folglich davon so viele Theile zu
machen, als Personen von der Freundschaft des Erblassers zu sein in der
ausgesetzten Zeit rechtsbehörig erweisen werden.
[2, 12, § 4] 78. Ein jeder Erblasser hat zwar die
vollkommene Freiheit so viele Erben einzusetzen und zu benennen, als ihme
gefällig ist, doch muß die Menge weder so unbeschränkt, noch auch so übermäßig
sein, daß nicht abgenommen werden möge, was für eine Gattung oder Anzahl der
Personen derselbe habe einsetzen wollen, aber daß es unthunlich seie, die
Erbschaft unter so viele Menschen, als in der Erbseinsetzung begriffen sind, zu
vertheilen.
[2, 12, § 4] 79. Wann dahero Jemand alle Menschen oder alle
Einwohnere eines Landes zu Erben einsetzen würde, ist die Einsetzung null und
nichtig, weilen solche wegen der unbeschränkten und übermäßigen Menge der
Eingesetzten keinen Ausgang haben kann.
[2, 12, § 4] 80. Dieses leidet jedoch in jenen Fällen eine
Ausnahm, wann die Rücksicht des gemeinen Besten, oder die Gunst milder Dingen
unterwaltete, als da Soldaten, Gelehrte, Künstler, Burger einer Stadt oder
Markts, Unterthanen aus einem oder mehreren Gütern, Arme, Gefangene zu Erben
eingesetzet worden wären.
[2, 12, § 4] 81. Derlei Einsetzung ist allerdings rechtsgiltig,
und solle in solchen Fällen vor Allem über die Verlassenschaft zur Betretung
der Eingesetzten ein Curator bestellet, beinebst aber allemal darauf gesehen
werden, ob aus dem Inhalt der Einsetzung der Sinn und die Meinung des
Erblassers verläßlich abgenommen werden möge oder nicht.
[2, 12, § 4] 82. Ersteren Falls solle ohne weiters hiernach
fürgegangen, letzteren Falls aber die Bestimmung von der Behörde eingeholet
werden, was für einer Anzahl und Gattung der Eingesetzten, und zu was für einem
Ziel und Ende die Erbschaft zu überlassen und auszufolgen seie.
[2, 12, § 4] 83. Um so mehr können Gott, die Heiligen, die
eigene und Anderer Seelen, und was sonst eine geistliche Wesenheit hat, wie
nicht minder sittliche Personen, als da sind geistliche und weltliche Stände,
Orden, Stiftungen, Gemeinden, Mitteln, und andere Versammlungen der Menschen,
welche von Uns bestätiget, oder in Unseren Staaten geduldet sind, zu Erben
eingesetzet werden.
[2, 12, § 4] 84. Auch unbelebte Sachen sind der
Erbseinsetzung fähig, wann solche zur Ehre Gottes, Hilfe des Nächsten, zu
gemeinen Besten, und wie sonst immer zu einem löblichen Endzweck abzielet,
welchen Falls, wann ein Zweifel unterwaltete, wie der Willen des Erblassers in
Erfüllung zu bringen seie, jedesmal die Bestimmung von der vorgesetzten Gehörde
einzuholen ist.
[2, 12, § 4] 85. Dahingegen ist die Erbseinsetzung der
Thiere nicht zu dulden, sondern, da sie von Jemanden, der sonst bei gesunder
Vernunft wäre, geschehe, es seie, daß die Thiere selbst, oder ein Mensch mit
den Beding, daß er solche aus der Erbschaft erhalte, pflege oder sonst etwas
thue, dessen Auferlegung eine unmäßige
(2-214) Neigung gegen das Thier zur Ursach hätte,
eingesetzet würden, ist dieselbe null und nichtig.
[2, 12, § 4] 86. Verstorbene Leute können nicht zu Erben
eingesetzet werden, sondern wann der ernannte Erb zur Zeit der Einsetzung schon
todt gewesen, oder vor dem Erblasser verstorben, hat die Erbseinsetzung keine
Wirkung, noch weniger kann selbe den Erben des Verstorbenen, oder sonst Jemanden
zu statten kommen, welcher nicht von dem Erblasser auf dem Fall des
ermanglenden eingesetzten Erbens nachberufen worden.
[2, 12, § 4] 87. Noch nicht Geborene hingegen können zu
Erben eingesetzet werden, wann der Eingesetzte schon zur Zeit des Tods des
Erblassers empfangen ist, welchen Falls derselbe unter der Bedingniß für schon
geboren gehalten wird, daß er lebendig und in menschlicher Gestalt zur Welt
gelange.
[2, 12, § 4] 88. Es ist auch kein Unterschied, ob der
Nachgeborene nach Errichtung des Testaments, oder nach dem Tod des Erblassers
zur Welt komme, oder ob er von seiner Nachkommenschaft oder Verwandtschaft,
oder fremd seie, wann er nur binnen dem zehenten Monat nach Absterben des
Erblassers in menschlicher Gestalt geboren wird.
[2, 12, § 4] 89. Die Ungewißheit, ob und was zur Welt kommen
werde, benimmt der Giltigkeit der Erbseinsetzung nichts, sondern in dieser
Zwischenzeit ist das Recht des Eingesetzten mittelst Bestellung eines Curatoris
zu verwahren.
[2, 12, § 4] 90. Diese Ungewißheit höret aber sofort auf,
sobald als die Geburt erfolget oder die Zeit vorüber ist, binnen welcher sie
hätte erfolgen sollen, oder aber eine Mißgeburt an das Taglicht kommt; doch ist
Jener für keine Mißgeburt zu halten, der ungestalt geboren wird, sondern deme die
menschliche Gestalt nach Urtheil der Aerzten ermanglet.
[2, 12, § 4] 91. Sobald hingegen der Eingesetzte binnen den
ob ausgemessenen zehen Monaten, es seie zu rechter Zeit, oder auch durch
fruhzeitige Geburt, oder gar durch einen Schnitt aus Mutterleibe lebendig und
in menschlicher Gestalt zur Welt gekommen, hat sogleich die Erbseinsetzung ihre
Wirkung, aus welcher das Erbrecht auf den Nachgebornen übergehet, wann dieser
auch nur einen Augenblick gelebet, und ohne eine Stimme von sich zu geben
anwiederum verschieden wäre, insoferne man durch andere ohnfehlbare Kennzeichen
seines nach der Geburt gehabten Lebens versicheret ist.
[2, 12, § 4] 92. Wann aber der eingesetzte Erb bei Absterben
des Erblassers noch nicht empfangen wäre, kann zwar dessen Einsetzung nicht als
die erste und unmittelbare Erbseinsetzung, wohl aber als eine
After-Erbseinsetzung und vertrauliche Erbsnachberufung dergestalten bestehen,
daß, wo eine Hoffnung seiner erfolgen mögenden Geburt übrig ist, der letzte
Willen bei Kräften verbleibe; dahingegen in Ermanglung einer anderen
letztwilligen Vorsehung die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge zur Erbschaft zugelassen, und in deren Genuß bis zur Geburt des
eingesetzten Nacherbens erhalten werden sollen.
[2, 12, § 4] 93. Zweitens, muß die Erbseinsetzung freiwillig
geschehen, und von des Erblassers eigenen freien und ungezwungenen Willen
herrühren; woferne aber Jemand auf Befragen, ob er diesen oder jenen zum Erben
haben wolle, solches bloß bejahet, ist es keine Erbseinsetzung.
[2, 12, § 4] 94. Gleichergestalten ist die Erbseinsetzung
null und nichtig, da der Erblasser die Ernennung des Erbens der Willkür eines
Dritten überlassen hätte, obschon solches stillschweigend aus der Natur einer
beigefügten Bedingniß, deren Erfüllung von der Willkür des Dritten abhanget,
geschehen, oder auch die Auswahl eines Erbens unter mehreren von dem Erblasser
benannten Personen einem Dritten aufgetragen werden mag, ohne daß die auf eine
oder andere Art gemachte Erbseinsetzung deshalben angefochten werden könne.
[2, 12, § 4] 95. Endlich drittens muß die Erbseinsetzung
redlich und ohne Gefährde
(2-215) sein; für gefährlich aber wird jene gehalten, die
aus unerlaubter Absicht geschieht des Anderen Erbschaft an sich zu ziehen, als
da Einer den Anderen ausdrücklich mit dem Beding zum Erben einsetzet, wann er
ihn dagegen zum Erben einsetzen werde, oder also ordnet, daß der Andere so
vieles von ihme erben solle, als mit so vielem er dagegen von Jenem bedacht
werden würde.
[2, 12, § 4] 96. Derlei Erbseinsetzungen sind null und
nichtig, worunter aber jene nicht zu zählen ist, welche entweder aus Zuneigung
Eines gegen dem Anderen, gleichwie unter Eheleuten, wechselweise geschieht,
oder aus dankbarem Gemüthe herrühret, weilen Jemand von dem Anderen zum Erben
eingesetzet worden, und also auf die vergangene oder gegenwärtige Zeit lautet,
sondern solche Erbseinsetzungen sind allerdings rechtsgiltig.
§. V.
[2, 12, § 5] 97. Die Erbseinsetzung kann unbedingt oder
bedingt geschehen. Bedingt ist jene, welcher eine Bedingniß oder eine
Zeitfrist, oder eine gewisse Art und Weis, die von dem Erben erfüllet werden
solle, beigefüget wird.
(2-216) [2, 12, § 5] 98. Die Bedingniß ist ein Anhang eines noch ungewissen
künftigen Zufalls, von dessen Ereigniß die Wirkung der Handlung abhanget. Diesemnach bestehet das Wesentliche einer
Bedingniß darinnen, daß sie auf einen künftigen noch ungewissen Erfolg
gerichtet seie.
[2, 12, § 5] 99. Was aber einen
gegenwärtigen oder schon vergangenen Zufall andeutet, ist keine Bedingniß,
sondern die Erbseinsetzung ist an sich unbedingt, und sogleich entweder giltig,
wann der angehängte Zufall sich ereignet hat, oder ungiltig, wann solcher
ermanglet, obschon dem Erblasser der Erfolg nicht bekannt gewesen wäre, dann
die Unwissenheit allein kann der Wahrheit der Sache nichts benehmen.
[2, 12, § 5] 100. Woferne hingegen
der Anhang zwar auf die künftige Zeit lautet, der anmit abgesehene Erfolg aber
keiner Ungewißheit unterlieget, sondern sich nothwendig ergeben muß, ist
derselbe für eine beigefügte Zeit zu halten, welche nur damals die Wirkung
einer Bedingniß hat, wann der Erfolg an der Person eines Dritten, nicht aber
des eingesetzten Erbens selbst abgewartet werden muß, wie unten davon das
Mehrere folgen wird.
[2, 12, § 5] 101. Desgleichen sind
stillschweigende Bedingnissen, welche entweder nach Ausmessung Unserer Gesetzen
oder aus der Natur der Sache schon unter der Anordnung des Erblassers begriffen
sind, für keine Bedingniß zu halten, obschon sie mit ausdrücklichen Worten
beigefüget würden.
[2, 12, § 5] 102. In Gegentheil
gehet aus einer so gefaßten Erbseinsetzung der Erbanfall sammt dem Erbrecht
sogleich auf den eingesetzten Erben; es seie dann, daß der Erblasser
wortdeutlich geordnet hätte, darmit eine stillschweigende Bedingniß die Natur
einer ausgedruckten haben solle.
[2, 12, § 5] 103. Alle Bedingnisse
sind entweder möglich oder unmöglich. Die möglichen sind entweder zufällig oder
willkürlich, oder theils zufällig oder theils willkürlich.
[2, 12, § 5] 104. Die Erfüllung
der zufälligen hanget nicht von der Willkür des eingesetzten Erbens, sondern
entweder von einem bloßen Zufall, oder von dem Willen eines Dritten ab, maßen,
wo der Erblasser die Bedingniß auf den Willen eines Dritten aufsetzet, der Erb
deren Erfüllung abzuwarten schuldig ist.
[2, 12, § 5] 105. Willkürliche
Bedingnissen sind jene, welche zu erfüllen bloß allein in des eingesetzten
Erbens Macht und Willen stehet. Diese lauten entweder dahin, daß der
eingesetzte Erb etwas thue, oder daß derselbe etwas nicht thue.
[2, 12, § 5] 106. Theils zufällige,
theils willkürliche, oder aus beiden Arten vermischte Bedingnissen sind, welche
zum Theil von dem Willen des Erbens, und zum Theil von einem Zufall, oder von
dem Willen eines Dritten abhangen, also, daß allemal
(2-217) dasjenige, was in die Willkür eines Dritten
gestellet wird, in Ansehen dessen, deme eine solche Bedingniß beigefüget wird,
für zufällig zu achten ist.
[2, 12, § 5] 107. Alle vorbemelte Gattungen möglicher
Bedingnissen können auf zweierlei Art gefasset werden, als entweder, daß die
Wirkung der Erbseinsetzung bis zu dem Ausgang der beigefügten Bedingniß verschoben bleibe.
[2, 12, § 5] 108. Oder aber, daß solche zwar gleich ihre
Wirkung haben, und das Erbrecht auf den eingesetzten Erben übergehen,
dahingegen bei Ausgang der angehängten Bedingniß dasselbe anwiederum aufgelöset
sein, und die Erbschaft deme, welchen der Erblasser auf diesen Fall berufen,
oder den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge zufallen solle.
[2, 12, § 5] 109. Unter allen Arten möglicher Bedingnissen
kann der Erblasser Jemanden zum Erben einsetzen, oder auch zum zweiten Erben
nachberufen. Nur allein nothwendige Erben sind in Ansehung des ihnen
gebührenden Pflichttheils ausgenommen, welcher mit keinerlei auch noch so
leichter Bedingniß oder Anhang einiger Zeitfrist, oder auch einer Art und Weis,
oder was sonst immer für erdenklichen Beisatz beschweret werden mag, sondern
alle dergleichen Bedingnisse, Anhänge und Beisätze sind, so viel es den
Pflichttheil belanget, für nicht beigefüget zu achten.
[2, 12, § 5] 110. Wann demnach ein Erblasser seine
nothwendige Erben unter einer Bedingniß oder sonstigen Anhang einsetzet, gilt
dieser Beisatz bloß in Ansehung der übrigen Verlassenschaft, so viel hieran
nach Abzug des Pflichttheils vorhanden ist, der Pflichttheil aber muß ihnen
rein, unbedingt, und ohne aller Belastung zufallen.
[2, 12, § 5] 111. Willkürlichen Erben hingegen kann der
Erblasser nach Gefallen was immer für Bedingnissen beifügen, deren seie eine
oder mehrere, entweder zusammen, also daß deren aller Erfolg oder Erfüllung
abgewartet werden müsse, oder wechselweise, daß eine oder die andere erfolgen
oder erfüllet werden solle.
[2, 12, § 5] 112. Eine verschiebende oder aufziehende
Bedingniß, unter welcher die Erbseinsetzung geschehen, verschiebt deren Wirkung
bis zu ihrem Ausgang dergestalten, daß bis dahin der Erbanfall und der
Uebergang des Erbrechts auf den eingesetzten Erben andurch verhinderet werde,
folglich auch, wann derselbe vor Ausgang dieser Bedingniß verstirbt oder sonst
erbsunfähig wird, die Erbseinsetzung zerfalle und hieraus kein Recht auf seine
Erben übertragen werden könne, obgleich die Bedingniß nach seinem Absterben
erfolgete.
[2, 12, § 5] 113. Es muß also der Ausgang einer zufälligen
Bedingniß erwartet, und die willkürliche in der bestimmten Zeit, Maß und Weis
erfüllet, bis dahin aber über die Verlassenschaft ein Curator bestellet werden,
der solche mittlerweil verwalte, besorge und vertrete.
[2, 12, § 5] 114. Doch solle dessen ohnerachtet die
Verlassenschaftsabhandlung jegleichwohlen ihren Fortgang haben, und wo mehrere
Miterben ohne Bedingniß eingesetzet worden, oder die nächsten Erben nach
Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintreten, ihnen ihre Erbtheile ausgefolget
werden.
[2, 12, § 5] 115. Wie nicht minder sind in dem Fall, wo das
Testament auch bei ermanglender Bedingniß entweder aus der zu ihrer Wirkung
gelangenden unbedingten Einsetzung eines anderen Miterben, oder in Kraft der
beigefügten codicillarischen Clausel bestehen würde, die Vermächtnissen in der
Maß, wie es unten im sechzehenten Capitel geordnet werden wird, abzustatten,
und nur allein der auf den unter einer Bedingniß eingesetzten Miterben
ausfallende Erbtheil bis zu deren Ausgang bei Gericht aufzubehalten.
[2, 12, § 5] 116. Wobei aber demselben unbenommen ist,
vorsichtsweise seine auf dem Fall der erfolgenden Bedingniß ihme zustehende
Gerechtsamen sowohl wider die anderen Miterben, als Alle und Jede, welche an
der Verlassenschaft einige Forderungen stellen, zu verfechten und zu
vertheidigen.
[2, 12, § 5] 117. Erfolget nun die Bedingniß, so wird deren
Ausgang auf die Zeit der
(2-217) Erbseinsetzung zuruckgezogen, und dem eingesetzten
Erben gebühret die Erbschaft oder sein Erbtheil mit allen von Zeit des Todes
des Erblassers sich hieran ergebenen Zuwachs.
[2, 12, § 5] 118. Von welcher Zeit an desselben Erbrecht
sofort auch auf seine Erben übergehet, er möge von dem Ausgang der zufälligen
Bedingniß gewußt haben oder nicht, wann nur dieselbe noch bei seinen Lebszeiten
erfolget ist.
[2, 12, § 5] 119. Ermanglet aber die Bedingniß, so zerfallet
die Erbseinsetzung, und ist für nicht geschehen zu achten, folglich gehet
sodann die Erbfolge entweder auf Jenen, den der Erblasser in Abgang des
eingesetzten Erbens zum zweiten Erben nachberufen hat, oder auf die nächsten
Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge.
[2, 12, § 5] 120. Doch erstrecket sich die der
Erbseinsetzung beigefügte Bedingniß keineswegs auch auf die
After-Erbseinsetzung oder Erbsnachberufung, wann solche der Erblasser nicht
gleichfalls bei dieser ausdrücklich wiederholet, und
den zweiten Erben unter eben derselben Bedingniß nachberufen hat.
[2, 12, § 5] 121. Eine der Erbseinsetzung angehängte
auflösende Bedingniß hält zwar deren Wirkung nicht auf, noch weniger
verhinderet dieselbe den Erbanfall oder den Uebergang der Erbrechts auf des Erbens
Erben; wo sie aber einmal ihren Ausgang gewonnen, wird sofort die
Erbseinsetzung und das daher rührende Erbrecht dergestalten aufgelöset, daß die
Erbschaft deme, welcher auf diesen Fall berufen worden, oder den nächsten Erben
nach der rechtlichen Erbfolge überantwortet werden müsse.
[2, 12, § 5] 122. Dem also eingesetzten Erben hingegen
gebühret bis dahin der mittlerweilige volle Genuß der Erbschaft, wann hierüber
von dem Erblasser nicht anderst geordnet worden, und was in Ansehung des
eingesetzten ersten Erben eine auflösende Bedingniß ist, hat bei dem auf deren
Erfolg nachberufenen zweiten Erben die Wirkung einer aufziehenden Bedingniß,
vor deren Ausgang derselbe kein Recht zur Erbschaft hat.
[2, 12, § 5] 123. Der Ausgang oder Erfolg der Bedingniß ist
sowohl nach der Art und Weis, als nach der Zeit, wie und wann solche erfüllet wird, zu beurtheilen. Wo mehrere Bedingnissen
zusammen beigefüget worden, müssen auch alle in Erfüllung gehen, also daß auch
nur in Abgang einer einzigen der Willen des Erblassers nicht erreichet werde.
[2, 12, § 5] 124. Es seie dann, daß eine derselben giltig,
die andere aber ungiltig, und wie weiter unten folgen wird, für nicht
beigesetzet zu achten wäre, welchen Falls es an Erfüllung der giltigen genug
ist, oder der Erblasser hätte einerlei Sache an mehreren Stellen seines
Testaments jeden Orts mit einer verschiedenen Bedingniß wiederholet, in welchen
Fall die Erbseinsetzung bestehet, wann nur eine dieser Bedingnissen erfolget.
[2, 12, § 5] 125. Wo aber mehrere Bedingnissen wechselweise,
das ist diese oder jene beigesetzet worden, ist genug, wann nur eine erfolget
oder erfüllet wird, woferne nicht aus dem letzten Willen ein Anderes
ausdrücklich erhellet, daß der Erblasser alle, oder welche insonderheit
erfüllet haben wolle.
[2, 12, § 5] 126. Gleichergestalten, wo mehrere Erben unter
einer Bedingniß eingesetzet worden, welche nicht getheilet werden kann, sondern
von deren Jedwedem eine leibliche That erforderet, muß auch solche von deren
Jedwedem insonderheit erfüllet werden, also daß die Erfüllung des Einen dem
Anderen nichts nutze, wann er nicht auch seinerseits erfüllet hat.
[2, 12, § 5] 127. Da aber die Bedingniß zwischen Mehreren
füglich getheilet werden kann, wofür alle diejenigen zu achten sind, wodurch
Jemanden etwas zu geben auferleget worden, wird solche nur für Eine gehalten,
welche von Allen zusammen nach eines jeden Antheil, oder auch von Einem anstatt
des Anderen erfüllet werden mag.
[2, 12, § 5] 128. Ueberhaupt kann eine jede Bedingniß,
welche auf etwas zu geben
(2-219) lautet, auch durch Andere in Namen und anstatt
dessen, welchen solche beigefüget worden, in Erfüllung gehen, wann nur dem
Willen des Erblassers vollkommenes Genügen geschieht; dahingegen können
Bedingnissen, die eine leibliche That erheischen, nicht anderst, als von
Demjenigen selbst, welchem sie auferleget worden, vollbracht werden, wann es
nicht eine solche That ist, die auch durch jemanden Anderen nach dem Sinn und
Willen des Erblassers vollzogen werden mag.
[2, 12, § 5] 129. Dann die Bedingnissen müssen in der Maß
und auf die Weis, wie es der Erblasser angeordnet, erfüllet werden, also daß
insgemein an einer gleichgiltigen That nicht genug ist, es wäre dann die
Erfüllung in der vorgeschriebenen Art und Weis unmöglich, und der Willen des
Erblassers könnte nicht weniger auf eine andere Art erreichet werden, welches
in zweifelhaften Fällen durch richterliches Ermessen zu entscheiden ist.
[2, 12, § 5] 130. Es giebt aber auch Fälle, worinnen nicht
zu erfüllen mögende Bedingnissen, welche entweder ganz von eigener, oder zum
Theil auch von fremder Willkür abhangen, jegleichwohlen für erfüllet geachtet
werden, wann Derjenige, deme sie auferleget worden, solche zwar zu erfüllen
bereit ist, allein ohne seiner Schuld an deren Vollzug verhinderet wird.
[2, 12, § 5] 131. Als da die Erfüllung der Bedingniß von
Jenem, in dessen Person selbe erfüllet werden sollte, oder deme daran gelegen
ist, daß solche nicht erfüllet werde, verhinderet wird; also, da Jemand zum
Erben mit dem Beding eingesetzet worden, wann er einem Dritten eine gewisse
Summe auszahlen, oder eine gewisse Person heirathen würde, und der Erb zwar
hierzu bereit wäre, der Dritte aber die Summe nicht annehmen, oder die Person
ihn nicht ehelichen wollte, ist die Bedingniß für erfüllet zu halten.
[2, 12, § 5] 132. In Ansehung eines Zufalls hingegen,
wodurch der Ausgang oder Erfüllung einer Bedingniß verhinderet
wird, ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Gattungen der Bedingnissen
zu bemerken.
[2, 12, § 5] 133. Bei Bedingnissen, welche bloß allein in
der Macht und Willen dessen stehen, deme sie auferleget worden, ist an was
immer für einem Zufall, oder durch wen immer gemachten Hinderniß genug, daß
dieselbe für erfüllet geachtet werden, wann nur an Seiten dessen, der solche zu
vollziehen hat, keine Schuld oder Saumsal unterwaltet, daß sie nicht erfüllet
worden.
[2, 12, § 5] 134. Und hat in diesem Fall, wo eine derlei
Bedingniß in der vorgeschriebenen Art und Weis zu vollziehen unmöglich wird,
der Richter zu bestimmen, auf was für andere fügliche Art und Weis der Willen
des Erblassers zu erreichen seie.
[2, 12, § 5] 135. Jene Bedingnissen aber, welche zum Theil
von fremder Willkür mit abhangen, werden nicht für erfüllet geachtet, wann
gleich ein Zufall darzwischen kommt, welcher deren Vollzug verhinderet, als da
in dem oben num. 131 gegebenen Beispiel die Person, welche der eingesetzte Erb
nach Ordnung des Erblassers hätte zur Ehe nehmen sollen, vor der wirklichen
Verehelichung verstorben wäre. In diesem Fall ermanglet die Bedingniß, folglich
ist auch die Erbseinsetzung null und nichtig.
[2, 12, § 5] 136. Umsomehr erforderen jene Bedingnissen,
welche ganz allein von fremder Willkür abhangen, den ohnfehlbaren Ausgang,
also, daß wo solche aus was immer für Ursache nicht erfolget, oder auch
Derjenige, auf dessen Willen es ankommt, sie nicht vollziehen wollte, selbe
nicht für erfüllet geachtet werden können, weilen es der Erblasser lediglich in
seine Willkür gestellet hat.
[2, 12, § 5] 137. Eben also sind zufällige Bedingnissen
nicht anderst für erfüllet zu halten, als wann sich der bedingte Zufall
wirklich so, wie es der Erblasser gewollt, ergeben hat, wann gleich deren
Ausgang durch einen Dritten verhinderet würde.
[2, 12, § 5] 138. Woferne aber der Ausgang einer solchen
zufälligen Bedingniß durch einen Dritten gefährlicher Weise zum Schaden und
Nachtheil dessen, welchem unter
(2-220) dieser Bedingniß etwas verschenket ist, verhinderet
worden wäre, solchen Falls kann sich Derjenige, welcher wegen ermanglender
Bedingniß der Erbschaft oder des Vermächtnisses verlustig wird, seines Schadens
halber an denselben erholen.
[2, 12, § 5] 139. Ein Anderes wäre, wann Jener, welcher den
Ausgang der Bedingniß verhinderet, sich hierinnen seines Rechts bedienete, oder
es vorbesagter Maßen dabei auf seine Willkür ankäme, welchen Falls er in
Gebrauch seines Rechts Niemanden eine Unbill zufüget.
[2, 12, § 5] 140. Es ist aber an deme genug, daß die
beigefügte Bedingniß einmal ihren Ausgang genommen habe, obschon solche nachher
anwiederum ermanglete, wann von dem Erblasser deren fürwährende Dauer oder
öftere Wiederholung nicht ausdrücklich vorgeschrieben worden.
[2, 12, § 5] 141. Die Bedingnissen müssen auch in der Zeit,
welche von dem Erblasser bestimmet worden, erfüllet werden, also daß, wo diese
Zeit nicht beobachtet worden, die Bedingniß ermangle, obgleich solche darnach
erfüllet werden wollte.
[2, 12, § 5] 142. Wo aber keine Zeit bestimmet worden,
können zufällige, oder auch solche Bedingnissen, welche theils von eigener,
theils von fremder Willkür abhangen, zu allen Zeiten, es seie noch im Leben
oder nach Absterben des Erblassers in Erfüllung gehen.
[2, 12, § 5] 143. Dahingegen ist bei jenen Bedingnissen,
welche lediglich in Desjenigen Macht und Willen stehen, deme sie auferleget
worden, der Unterschied zu bemerken, ob sie von solcher Natur sind, daß sie
füglich wiederholet werden mögen oder nicht.
[2, 12, § 5] 144. Ersteren Falls muß solche nach dem Tod des
Erblassers erfüllet werden, wann gleich Derjenige, deme sie auferleget worden,
noch bei Lebszeiten des Erblassers eben dasselbe gethan hätte; es wäre dann der
Willen des Erblassers durch die vorhergehende That schon vollkommen erreichet
worden. Letzteren Falls aber kann dieselbe zu was immer für einer Zeit auch im
Leben des Erblassers in Erfüllung gehen.
[2, 12, § 5] 145. Lautete die Bedingniß dahin, daß von
Demjenigen, welcher in dem letzten Willen bedacht wird, etwas nicht gethan
werden solle, und die Gewißheit dessen, daß es nicht geschehen werde, könnte
noch bei seinen Lebzeiten erreichet werden, so ist in diesem Fall der Ausgang
abzuwarten.
[2, 12, § 5] 146. Würde aber die Gewißheit, daß es nicht
mehr geschehen könne, vor Absterben Desjenigen, welchem eine solche Bedingniß
auferleget worden, nicht zu erhalten sein, so solle der Ausgang nicht
abgewartet, sondern demselben sein Erbtheil oder Vermächtniß gegen Bestellung
einer von dem Richter auszumessen habenden hinlänglichen Sicherheit ausgefolget
werden, daß er, woferne von ihme dem Willen des Erblassers zuwider gehandlet
würde, das Empfangene mit allen davon erhobenen Früchten und Nutzungen
Demjenigen, welchem solches bei ermanglender Bedingniß zuzukommen hat,
zuruckzustellen schuldig sein wolle und solle.
[2, 12, § 5] 147. Da er hingegen diese Sicherheit nicht
leisten könnte oder wollte, so solle der unter einer solchen Bedingniß
verschaffte Betrag mittlerweil in gerichtlichen Beschlag aufbehalten, und
sodann, wann er bis in seinem Tod dem Willen des Erblassers nachgekommen,
seinen Erben oder deme, welchem er denselben zugewendet haben würde,
ausgefolget werden, gleichwie in Gegentheil, wo er demselben zuwider handlete,
die Bedingniß sofort ermanglet, und die Erbschaft oder Vermächtniß deme,
welchem sie auf diesem Fall gebühret, ohne weiters auszuantworten ist.
[2, 12, § 5] 148. Unmögliche Bedingnissen sind, welche der
Natur, Unseren Gesetzen, den guten Sitten und der Ehrbarkeit widerstreben, oder
sonst etwas Lächerliches oder Widersprechendes in sich enthalten.
[2, 12, § 5] 149. Welche der Natur nach unmöglich sind, oder
etwas, was durch Unsere Gesetze verboten ist, oder wider die guten Sitten und
Ehrbarkeit laufet, oder an sich lächerlich und unnütz ist, zu thun auferlegen,
werden für nicht beigefügt, folglich
(2-221) die Erbseinsetzung oder Vermächtniß für unbedingt
und also geachtet, als ob keine Bedingniß beigesetzet
worden wäre.
[2, 12, § 5] 150. Es könnte dann aus anderen Gründen
dargethan werden, oder würde aus dem übrigen Inhalt des letzten Willens
erhellen, daß der Erblasser zur Zeit, als er solchen errichtet, nicht bei
Sinnen gewesen seie, welchen Falls die ganze letztwillige Anordnung null und
nichtig ist.
[2, 12, § 5] 151. Dahingegen jene Bedingnissen, welche
dergestalten widersprechend und verwirret sind, daß der eigentliche Sinn und
Willen des Erblassers daraus nicht abgenommen werden möge, die Erbseinsetzung
oder Vermächtniß selbst entkräften, und derselben alle Wirkung benehmen.
[2, 12, § 5] 152. Die Bedingnissen aber, welche an sich zwar
nicht unmöglich, sondern bloß in Ansehen der Person, welcher sie auferleget
werden, oder der Zeit, des Orts, oder anderer Umständen entweder ganz und gar
unthunlich sind, oder doch sehr schwer oder mit vieler Gefahr vollzogen werden
mögen, behalten die Natur einer wahren Bedingniß, und verhinderen die Wirkung
der letztwilligen Anordnung, welcher sie beigefüget worden, solange sie nicht
wenigstens auf eine andere thunliche Art, wodurch nach richterlicher Erkanntniß
der Willen des Erblassers erreichet werden kann, in wirkliche Erfüllung gehen.
[2, 12, § 5] 153. Wann sie jedoch in keinerlei Wege möglich
sind, ist auch die also bedingte Anordnung null und nichtig, gleichwie in
Gegentheil, wo die Bedingniß also gefasset würde, daß, was
unmöglich oder verboten ist, nicht geschehen oder gethan
werden solle, die Anordnung für unbedingt zu halten ist, und gleich ihme
Wirkung hat.
[2, 12, § 5] 154. Außerdeme ist der eingesetzte Erb oder
Jener, deme etwas verschaffet wird, alle ihme auferlegte mögliche und erlaubte
Bedingnissen bei Verlust der Erbschaft oder des Verschafften zu erfüllen und zu
vollziehen schuldig, obschon er hierdurch in seiner natürlichen Freiheit,
Willkür oder Auswahl seines Berufs und Standes beschränket würde, wann nur
dabei eine erhebliche Ursache, welche den Erblasser zu einer solchen
Beschränkung bewogen haben mag, wahrscheinlicher Weise abgenommen werden kann.
[2, 12, § 5] 155. Dahingegen, wo eine solche einschränkende
Bedingniß zur offenbaren Verächtlichkeit und Geringschätzung eines sonst
zulässigen, dem gemeinen Wesen nutzlichen und von Uns gut geheißenen Standes
gereichete, welches allemal dafür zu halten ist, wann gar keine vernünftige
Ursache abgesehen werden kann, warumen der Erblasser Jemanden von einem solchen
Stand abhalten wollen, sollen in diesem Fall derlei Bedingnissen, doch allemal
mit vorgehender richterlicher Erkanntniß, für nicht beigesetzt gehalten und somit
erlassen sein.
[2, 12, § 5] 156. Wie unter Bedingnissen, also auch mit
Anhang einer Zeitfrist können Erbseinsetzungen geschehen, entweder daß dem
eingesetzten Erben die Erbschaft nach Ablauf einer gewissen Zeit zugewendet,
oder nur auf eine gewisse Zeit gelassen werde.
[2, 12, § 5] 157. In dem ersteren Fall ist zu unterscheiden,
ob die bestimmte Zeit gewiß oder ungewiß seie; ist dieselbe gewiß, so gehet
zwar der Erbanfall sogleich auf den eingesetzten Erben, die Erbschaft aber ist
ihme nicht ehender, als zur bestimmten Zeit auszufolgen, und inmittelst bis zur
Ankunft dieser Zeit, wann der Erblasser deshalben keine andere Vorsehung
gemacht hätte, den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge zum Genuß zu
überlassen.
[2, 12, § 5] 158. Der zu einer gewissen Zeit berufene Erb,
wann er inzwischen verstürbe, überträgt solchemnach das Erbrecht auch auf seine
Erben, woferne der Erblasser nicht namentlich auf dem Fall, da der Erb zu
dieser Zeit nicht mehr am Leben sein sollte, Andere eingesetzet hätte.
[2, 12, § 5] 159. Ungewiß kann die angehängte Zeit auf
dreierlei Art sein, als entweder ob und wann dieselbe sich ereignen werde, z.
B. der Erfolg eines ungewissen
(2-222) Zufalls, oder daß man zwar wisse, wann, doch aber
nicht ob er sich ergeben werde, z. B. die Erreichung des vogtbaren Alters, oder
endlich, daß zwar der Erfolg ungezweiflet seie, wann aber, nicht wissend sein
kann, z. B. Jemandens Tod.
[2, 12, § 5] 160. Beide erstere Arten ungewisser Zeit haben
die Natur und Wirkung einer wahren verschiebenden oder aufziehenden Bedingniß,
bei letzterer aber kommt es darauf an, ob solche auf die Person eines Dritten,
oder dessen, welcher zum Erben eingesetzet wird, gerichtet seie.
[2, 12, § 5] 161. Lautet solche auf einen Dritten, ist es
eine wahre Bedingniß, vor deren Erfolg dem eingesetzten Erben kein Recht zur
Erbschaft gebühret, dahingegen, wo sie auf die Person des eingesetzten Erben
gerichtet ist, als da Jemand, wann er sterben würde, zum Erben eingesetzet
worden, gehet der Erbanfall sogleich auf den benannten Erben und seine Erben,
die Erbschaft aber ist indessen, wie in dem Fall einer gewissen Zeit den
nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge in Ermanglung einer
anderen von dem Erblasser für diese Zwischenzeit gemachten Vorsehung zu
überlassen.
[2, 12, § 5] 162. In dem zweiten Fall, wo Jemand bis auf
eine gewisse Zeit zum Erben eingesetzet worden, gehet zwar das Erbrecht, wann
er unter dieser Zeit verstürbe, auch auf seine Erben; nach dieser Zeit aber
wird dasselbe aufgelöset, und die Erbschaft fallt entweder Jenen, die der
Erblasser nachberufen hat, oder in deren Abgang den nächsten Erben nach der
rechtlichen Erbfolge zu.
[2, 12, § 5] 163. Endlich ist die Art und Weis, unter
welcher Jemand zum Erben eingesetzet, oder Jemanden etwas verschaffet wird, ein
Anhang, welcher dasjenige anzeiget, was der Erblasser nach überkommener
Erbschaft oder Vermächtniß dagegen zu verrichten und zu thun auferleget.
[2, 12, § 5] 164. Diese Auflage verschiebt die Wirkung der
Erbseinsetzung oder Vermächtniß nicht, sondern so eine, als die andere kann
sogleich geforderet werden; der Erb aber, oder Jener, deme etwas
solchergestalten verschaffet wird, ist alsdann schuldig, dasjenige, was ihme
auferleget worden, zu erfüllen und zu vollziehen.
[2, 12, § 5] 165. Doch solle derselbe verbunden sein, auf
Erforderen eine hinlängliche Sicherheit zu bestellen, daß er allem deme, was
ihme der Erblasser auferleget, getreulich nachkommen, oder, da er deme
zuwiderhandlete, das Empfangene mit allen Früchten und Nutzungen zuruckstellen
wolle.
[2, 12, § 5] 166. Es gereichete dann die Auflage lediglich
zu seinem eigenen Nutzen, ohne daß dem Erblasser, dem Erben, oder auch einem
Dritten etwas daran gelegen wäre, welchen Falls es keiner Sicherstellung
bedarf, sondern von seinem eigenen Gefallen abhanget, solcher nachzukommen oder
nicht.
[2, 12, § 5] 167. Würde aber der Auflage, welche nicht bloß
den eigenen Vortheil dessen, deme sie beigesetzet worden, zur Absicht hat, kein
Genügen geleistet, so wird auch alsdann die Erbseinsetzung oder die Vermächtniß
aufgelöset, und kann entweder die Zuruckstellung des Empfangenen, oder die
Erfüllung der Auflage anverlanget werden.
[2, 12, § 5] 168. Ist hingegen die Vollziehung der Auflage
unmöglich, oder diese enthielte etwas, was Unseren Gesetzen, guten Sitten und
der Ehrbarkeit zuwider, oder an sich lächerlich und unnütz wäre, so solle
solche für nicht beigesetzt geachtet werden, und Jener, welchem sie beigefüget
worden, weder zu deren Erfüllung noch minder zur Sicherstellung verbunden sein.
[2, 12, § 5] 169. Wo aber der Vollzug des Auferlegten, ohne
Schuld dessen, deme die Auflage geschehen, in der Folge unmöglich würde, kommt
es auch von einer solchen Auflage völlig ab, und kann derselbe nicht nur zu
keiner Sicherstellung verhalten, sondern, wo er sie anfangs geleistet hätte,
muß ihme solche erlassen werden.
[2, 12, § 5] 170. Ueberhaupt bestehet der Unterschied von
einer Bedingniß in deme, daß deren Erfüllung vorhero abgewartet werden müsse,
ehe und bevor ein Recht zu
(2-223) dem Verschafften erwachsen könne, in Gegentheil aber
bei auferlegter Weise das Recht darzu gleich angebühre, und der Vollzug des
Auferlegten erst nachzufolgen habe, wie dann bei vorfallenden Zweifel durch die
Worte wann, im Fall, nachdeme, bis (eine Bedingniß, gleichwie durch die Worte
darmit daß, oder um) die Auflage einer Art und Weis angedeutet wird.
§. IV.
[2, 12, § 6] 171. Die Erbseinsetzung wirket nach dem
vorerwähnten Unterschied, ob sie unbedingt, oder bedingt seie, entweder gleich
mit dem Tod des Erblassers, oder nach Ausgang der Bedingniß, den Erbanfall und
die Nachfolge in alles Recht, was der Erblasser zur Zeit seines Tods gehabt
hat.
[2, 12, § 6] 172. Niemand ist aber für einen Erben zu
achten, auf den aus dessen Einsetzung kein Recht nach dem Verstorbenen
dergestalten übergehet, daß bei ihme etwas von der Verlassenschaft verbleibe,
oder wessen Einsetzung keine Wirkung hat, oder der in der Wahrheit kein Erb
ist.
[2, 12, § 6] 173. Also ist Jener für keinen Erben zu halten,
der zwar von dem Erblasser eingesetzet, doch zugleich beschweret worden, die
Erbschaft einem Anderen sofort zuruckzustellen, ohne für sich den mindesten
Nutzen und Vortheil davon zu behalten.
[2, 12, § 6] 174. Einem solchen solle der eitle Namen eines
Erbens weder was nutzen, noch schaden, sondern vielmehr der nachberufene
Aftererb sogleich für den rechten Erben angesehen werden, und befugt sein, die
Erbschaft unmittelbar selbst anzutreten.
[2, 12, § 6] 175. Noch weniger kann Jener für einen Erben
gehalten werden, der wegen Unfähigkeit oder Unwürdigkeit nicht Erb sein kann,
oder welcher sich der Erbschaft ausdrücklich entschlägt, oder die Erbserklärung
in der bestimmten Zeit einzubringen unterläßt, in welchen Fällen die
Erbseinsetzung ohne Wirkung bleibet.
[2, 12, § 6] 176. Eben also solle auch Niemand wegen eigenmächtiger
Einmischung in die Erbschaft für einen Erben geachtet, noch weniger deshalben
zu den Erblasten über die Kräften der Erbschaft verbunden, sondern, wann die
Einmischung ohne Gefährde geschehen, und sonst untadelhaft ist, bloß für einen
Sachwalter angesehen werden, und nicht weiter, als nach der Natur der
Sachwaltung verfänglich sein.
[2, 12, § 6] 177. Da aber Jemand sich fälschlich rühmete Erb
zu sein, und dadurch, daß er sich als einen Erben aufführe, den rechtmäßigen
Erben oder sonst einem Dritten Schaden und Nachtheil zufügete, ist derselbe
über allen Ersatz annoch willkürlich zu bestrafen.
[2, 12, § 6] 178. Endlich ist auch Jener für keinen Erben zu
achten, der es nicht in der Wahrheit ist, obschon er mit gutem Glauben sich
dafür ausgeben und auch von Anderen dafür gehalten würde, sondern der Irrthum
muß jederzeit der Wahrheit weichen, insolange denselben keine rechtmäßige
Verjährung schützen mag.
[2, 12, § 6] 179. Inwieweit jedoch ein solcher
vermeintlicher Erb den hervorkommenden wahren Erben verbindlich seie, ist nach
deme zu beurtheilen, was oben im dritten Capitel von Eigenthum, §. III, nach
dem Unterschied des guten oder üblen Glaubens geordnet worden, und unten bei
Erklärung der Erbsforderung wiederholet werden wird.
(2-224) Caput XIII.
Von After-Erbseinsetzung, oder Nachberufung des zweiten
Erben.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von der gemeinen After-Erbseinsetzung.
§. I. Von der Natur und Wesenheit der gemeinen
After-Erbseinsetzung. §. II. Von der Art und Weis der gemeinen
After-Erbseinsetzung. §. III. Von deren Wirkung. §. IV. Von deren Entkräftung
und Erlöschung.
§. I.
[2, 13, § 1] Num.1. Die zweite Art, womit in letztwilligen
Anordnungen etwas verlassen wird, ist die After-Erbseinsetzung oder
Nachberufung des zweiten Erben, wodurch der Erblasser Jemanden anstatt des
zuerst eingesetzten Erbens auf einen gewissen Fall zur Erbschaft nachberufet.
(2-225) [2, 13, § 1] 2. Die Fälle, worauf die
After-Erbseinsetzung gerichtet werden kann, sind zweierlei, als erstens, wann
die Erbseinsetzung unwirksam würde, also daß der zuerst eingesetzte Erb gar
nicht zur Erbschaft gelangete, entweder weilen er nicht kann oder will Erb
sein.
[2, 13, § 1] 3. Diese heißet
eigentlich die gemeine After-Erbseinsetzung, wofür eine jedwede Nachberufung
des zweiten Erbens, wann darbei nichts anderst ausgedrucket wird, gehalten
werden solle.
[2, 13, § 1] 4. Zweitens, wann der Erblasser die Erbschaft
mittelst des eingesetzten ersten Erbens, und von dessen Hand binnen einer
gewissen Zeit, oder nach seinem Tod auf den nachberufenen zweiten Erben
gelangen lassen will, und diese ist die vertrauliche Erbsnachberufung; erstere
wirket also nur in Abgang des eingesetzten Erbens, und erlöschet sofort, wann
die Erbschaft von ihme angetreten worden, letztere hingegen hat ihre Wirkung,
wann der eingesetzte Erb die Erbschaft angetreten hat.
[2, 13, § 1] 5. Wiewohlen aber bishero in Unseren deutschen
Erblanden nach den gemeinen Rechten noch eine andere Art der
After-Erbseinsetzung üblich ware, Kraft welcher ein Vater seinen unmündigen
oder auch beide Eltern ihren blödsinnigen Kindern auf dem Fall, daß sie in der
Unmündigkeit oder Blödsinnigkeit verstürben, nicht allein in dem von ihnen
herrührenden, sondern auch in der Kinder eigenen Gut einen Erben geben und
benennen können, so sind Wir jedoch in Betrachtung sowohl der hieraus
erwachsenen unzähligen Strittigkeiten, als der andurch dem nächsten
Anverwandten, welchem die Erbschaft der in der Unmündigkeit oder Blödsinnigkeit
versterbenden Kindern nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge angebühret, zugefügten
Unbill und Verkürzung gnädigst bewogen worden, derlei After-Erbseinsetzungen
nach unmündigen oder blödsinnigen Kindern in derjenigen Maß, wie solche nach
den vorigen Gesetzen haben geschehen können, hinfüro von Zeit dieses Unseren
eingeführten neuen Gesatzes nicht mehr zu gestatten, sondern solche, gleichwie
es hiermit geschieht, gänzlich abzuschaffen.
[2, 13, § 1] 6. Wollen, ordnen und gebieten demnach, daß in
Zukunft die After-Erbseinsetzungen nach unmündigen oder blödsinnigen Kindern
keine mehrere Wirkung, als die gemeine oder vertrauliche After-Erbseinsetzung
haben, folglich sich auch nicht weiter, als auf das von dem Erblasser
herrührende eigene Gut (doch allemal mit Ausnahme des Pflichttheils) und
keineswegs auf der Kinder eigenes Gut, welches sie von anderwärts her ererbet
oder erworben haben, erstrecken sollen.
[2, 13, § 1] 7. Dahingegen gehen dieses der Kinder eigenes
Gut sowohl, als der nach Maß der väterlichen oder mütterlichen Verlassenschaft
auf sie ausfallende Pflichttheil auf ihre nächste Anverwandte nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge mit Ausschließung des nachberufenen Erbens, welchem nichts
Mehreres zukommen solle, als was von der väterlichen oder mütterlichen
Verlassenschaft nach Abzug des Pflichttheils übrig bleibet.
[2, 13, § 1] 8. Es hat dahero hinkünftig weder Vater noch
Mutter, oder ein sonstiger Aufsteigender bei den After-Erbseinsetzungen oder
Erbsnachberufungen nach unmündigen oder blödsinnigen Kindern eine mehrere
Macht, als ein jedweder anderer fremder Erblasser, in dem von ihme herrührenden
Gut den zweiten Erben einzusetzen und nachzuberufen.
[2, 13, § 1] 9. In Gegentheil sind Jene noch weiters dahin
beschränket, daß sie den ihren hinterlassenen Kindern angebührenden
Pflichttheil von aller vertraulichen
(2-226) After-Erbseinsetzung oder Erbsnachberufung frei und
ledig lassen müssen, woran ein fremder nicht gebunden ist.
[2, 13, § 1] 10. In deme aber ist kein Unterschied, die
After-Erbseinsetzung nach unmündigen Kindern geschehe von Eltern oder einem
fremden Erblasser, daß der dabei ausgedrückte Fall, wann sie in der
Unmündigkeit verstürben, sofort aufhöre und erlösche, sobald die Kinder
diejenige oben in eilften Capitel, ersten Artikel, §. II, num. 8, ausgemessene
Jahre erfüllet haben, worinnen sie ein letztwilliges Geschäft zu errichten
fähig sind, obschon sie nach diesen erfüllten Jahren ohne Testament verstürben.
[2, 13, § 1] 11. Es seie dann, daß der Erblasser eine solche
After-Erbseinsetzung namentlich auf weitere Jahre, oder auch noch über die
Minderjährigkeit hinaus erstrecket hätte, welches in der gegenwärtigen
Vorsehung, daß eine solche After-Erbseinsetzung keine mehrere Wirkung, als eine
gemeine oder vertrauliche Erbsnachberufung habe, Niemanden zu thun verwehret
sein solle.
[2, 13, § 1] 12. Dahingegen wird durch die vor gänzlicher
Erfüllung deren zur Fähigkeit letztwillig zu ordnen erforderlichen Jahren einem
noch Unvogtbaren von Uns verliehene Nachsicht des Alters die auf das Absterben
des unmündigen Erben gerichtete Erbsnachberufung nicht aufgehoben, sondern nur
die Befugniß gegeben, über jenes Vermögen eine letztwillige Anordnung zu
errichten, worauf sich die Erbsnachberufung nicht beziehen kann.
[2, 13, § 1] 13. Desgleichen kommt die After-Erbseinsetzung
nach blödsinnigen Kindern nicht zur nicht zur Wirkung, wann es erweislich ist,
daß sie nach dem Tod des Erblassers zum vollkommenen gesunden Verstand gelanget
sind, obschon von ihnen kein Testament errichtet worden wäre.
[2, 13, § 1] 14. Würde aber ein solcher, der von der
Blödsinnigkeit genesen, nachhero anwiederum in die vorige mißliche Umstände
verfallen, so ist zu unterscheiden, ob er in der vernünftigen Zwischenzeit ein
Testament errichtet habe oder nicht, dann durch ein nach ihr vorgefundenes
ordentliches Testament, welches nach den oben in eilften Capitel, ersten
Artikel, §. III, enthaltenen Maßregeln zu Recht bestehen kann, wird die
After-Erbseinsetzung aufgehoben, widrigens bleibt dieselbe bei Kräften.
[2, 13, § 1] 15. So viel es jedoch die in den vor Einführung
dieses Unseren neuen Gesetzes bereits kundgemachten Testamenten enthaltene
After-Erbseinsetzungen und Nachberufungen nach unmündigen oder blödsinnigen
Kindern anbelanget, so wollen Wir gnädig geschehen lassen, daß solche, wann
ihnen sonst nichts Anderes in Wege stehet, bei Kräften erhalten, und nach den vormaligen
Gesatzen beurtheilt werden mögen, obschon der Fall, worauf sie gerichtet sind,
sich erst nach diesem Unseren eingeführten Gesatz ergeben würde.
[2, 13, § 1] 16. Es sind demnach nur zweierlei Gattungen der
After-Erbseinsetzung, nemlich die gemeine und vertrauliche Erbsnachberufung,
nach welchen gegenwärtiges Capitel in zwei Artikeln abgetheilet, und in dem
ersten von der gemeinen After-Erbseinsetzung, in dem zweiten aber von der
vertraulichen Erbsnachberufung gehandlet wird.
[2, 13, § 1] 17. Die gemeine After-Erbseinsetzung ist nichts
Anderes, als eine Einsetzung des zweiten Erben nach Abgang des eingesetzten
ersten Erben auf dem Fall, wann dieser nicht Erb sein würde, welche von einem
jedwedem Erblasser nach einem jedem eingesetzten Erben ohne Unterschied gemacht
werden kann.
[2, 13, § 1] 18. Der nachberufene Erb wird dahero nach der
Ordnung der Erbfolge der zweite Erb genannt, weilen er nicht anderst, als nach
Abgang des ersten Erben zur Erbschaft gelangen kann; aus der alleinigen Ordnung
der Benennung hingegen, welcher sich der Erblasser bei Einsetzung mehrerer
Erben gebrauchet, da er Einen nach den Anderen benennet, folget noch keine
After-Erbseinsetzung, sondern alle sowohl Vor- als Nachbenannte sind gleiche
zuerst eingesetzte Miterben, wann nicht
(2-227) von dem Erblasser Einer nach dem Abgang des Anderen
entweder ausdrücklich, oder aus dem wesentlichen Verstand der Einsetzungsworten
nachberufen worden.
[2, 13, § 1] 19. Doch bleibet der Nachberufene allemal der
zweite Erb, obschon der Erblasser mehrere Grade oder Staffeln der gemeinen
After-Erbseinsetzung gemacht hätte, und der dritte, vierte oder noch weitere
Nachberufene zur Erbschaft käme, weilen diese Art der After-Erbseinsetzung nur
einmal zur Wirkung gelangen kann, und obwohl alle vorhergehende Grade, die
durch Abgang der Nachberufenen erloschen, als auch alle nachfolgende, wann die
Erbschaft einmal angetreten worden, unwirksam bleiben.
[2, 13, § 1] 20. Die gemeine After-Erbseinsetzung geschieht
entweder ausdrücklich, wann der Erblasser mit deutlichen Worten den zweiten
nach dem ersten Erben nachberufet, oder
stillschweigend, wann solche nur aus dem Willen des Erblassers vermuthet wird.
[2, 13, § 1] 21. Eine stillschweigende gemeine
After-Erbseinsetzung ist entweder in dem wesentlichen Verstand der Einsetzungsworten, oder in der vertraulichen
Erbsnachberufung enthalten. Aus den Worten der Einsetzung wird solche in dreien
Fällen geschaffen, als:
[2, 13, § 1] 22. Erstens, wann der Erblasser in der
Einsetzung einerseits mehrere Miterben zusammenfüget, und andererseits noch
einen anderen Miterben abgesönderet einsetzet, denen Zusammengefügten aber
miteinander einen gleichen Theil mit dem abgesönderten Miterben dergestalten
anweiset, daß sie Zusammengefügten aus der Erbschaft nichts Mehreres zu bekommen
haben, als der abgesönderte Miterb für sich allein beziehet, in welchem Fall
aus dem Willen des Erblassers unter denen also Zusammengefügten eine gemeine
After-Erbseinsetzung stillschweigend vermuthet wird, daß, gleichwie der
Erblasser die Zusammengefügten durch diese Einsetzungsart für Eine Person
gehalten, also auch das, was er Allen zugedacht, deren Jedwedem für sich allein
in Abgang der Uebrigen habe zukommen lassen wollen.
[2, 13, § 1] 23. Zweitens, wann der Erblasser mehrere
Miterben versammlungsweise unter dem Begriff einerlei Eigenschaft, ohne deren
Jedwedem seinen besonderen Antheil zu bestimmen, zusammenfüget, in welchem Fall
derselbe aus der so gearteten Einsetzung auch in Abgang des Einen die Uebrigen
in dem erledigten Theil nachberufen zu haben vermuthet wird, wie diese beide
Fälle oben in zwölften Capitel, § . III, num. 54 und
55, mit Mehreren erkläret worden.
[2, 13, § 1] 24. Drittens, wann der Erblasser mehrere
Miterben sammt und sonders einsetzet, dann in diesem Fall gehet der durch Abgang
des einen Miterben erledigte Antheil aus der unter den Einsetzungsworten
mitbegriffenen After-Erbseinsetzung oder Nachberufung auf die übrigen Miterben,
welche Art der After-Erbseinsetzung, wodurch die eingesetzten Erben
untereinander nachberufen werden, die kürzeste ist, und eigentlich eine
wechselweise und erwiederliche Nachberufung heißet.
[2, 13, § 1] 25. Endlich ist unter der vertraulichen
Erbsnachberufung, wodurch der eingesetzte Erb die Erbschaft dem nachberufenen
Erben zuruckzustellen verbunden wird, allemal auch die gemeine
After-Erbseinsetzung auf dem Fall stillschweigend begriffen, wann der
eingesetzte Erb nicht zur Erbschaft gelangete, entweder weilen er nicht kann,
oder nicht will Erb sein, also, daß sofort der nachberufene Erb aus der darunter
verstandenen gemeinen After-Erbseinsetzung zur Erbschaft zugelassen werde, doch
zu keinem größeren Theil, als welcher ihme durch die vertrauliche
Erbsnachberufung zugedacht worden.
[2, 13, § 1] 26. Niemalen aber solle im Gegentheil die
vertrauliche Erbsnachberufung unter der gemeinen After-Erbseinsetzung
verstanden, noch weniger diese Art auf was immer für erdenkliche Weise für eine
ordentliche Weise für eine vertrauliche Erbsnachberufung ausgedeutet werden
können, wann der ausdrückliche Willen des Erblassers gebricht, und der auf dem
Fall des ermanglenden ersten Erbens eingesetzte zweite Erb nicht zugleich
(2-228) auch wortdeutlich auf einen gewissen Fall, da jener
nach angetretener Erbschaft Erb zu sein aufhörte, nachberufen worden.
§. II.
[2, 13, § 2] 27. Gemeine After-Erbseinsetzungen kann
jedweder Erblasser machen, der die Macht hat, letztwillig zu ordnen; gleichwie
dann auch jedermänniglich zum zweiten Erben nachberufen werden mag, dem keine
Erbsunfähigkeit im Wege stehet.
[2, 13, § 2] 28. Doch solle die gemeine After-Erbseinsetzung
nicht anderst, als in einem förmlichen und rechtsbeständigen Testament
geschehen können, also zwar, daß, wo das Testament wegen innerlicher oder
äußerlicher Gebrechen ungültig wäre, auch andurch die darinnen enthaltene After-Erbseinsetzung
gänzlich vernichtet werde, und weder als eine vertrauliche Erbsnachberufung
bestehen könne, obschon das Testament in Kraft der beigefügten codicillarischen
Clausel als ein Codicill erhalten würde.
[2, 13, § 2] 29. Uebrigens aber stehet Einem jedweden
Erblasser frei, so viele Grade oder Staffeln der gemeinen After-Erbseinsetzung
zu machen, als ihme gefällig, weilen doch allemal nur in Einem Grad die gemeine
After-Erbseinsetzung zur Wirkung gelangen kann.
[2, 13, § 2] 30. Wo mehrere Grade der After-Erbseinsetzung
gemacht werden, ist derjenige, welcher nach einem weiters Eingesetzten
nachberufen worden, auch allzeit nach dem zuerst eingesetzten Erben
nachberufen, wann die darzwischen Berufenen in Abgang des Ersten nicht Erben
sein können, folglich tritt jedesmal der weiters Nachberufene in die Stelle des
abgehenden Vorhergerufenen ein.
[2, 13, § 2] 31. Es können auch statt Eines Mehrere, oder
anstatt Mehrerer Einer, oder Mehrere anstatt Mehrerer, oder insonderheit
anstatt eines Jedweden ein Anderer, oder endlich auch die Erben untereinander
nachberufen werden, und in allen vielen Fällen haben die Nachberufenen niemalen
einen größeren Antheil von der Erbschaft, als welcher entweder aus der
Bestimmung des Erblassers, oder des Gesatzes Jenen zugekommen wäre, denen die
nachgesetzet worden.
[2, 13, § 2] 32. Wie aber unter mehreren Nachberufenen die
Theilung zu geschehen habe, ist anförderist aus deme zu entnehmen, was
der Erblasser deswegen geordnet hat, welchen Falls jene Maßregeln die
Richtschnur enthalten, welche oben im zwölften Capitel, §. III: Von
Zusammentreffung mehrerer Erben, ausgemessen worden. Wären aber keine Theile
von dem Erblasser bestimmt worden, so sind die gleich vorberührte Fälle zu
unterscheiden.
[2, 13, § 2] 33. In dem ersten Fall, wo Mehrere anstatt
Eines nachberufen worden, haben Alle nach Anzahl der
Personen gleiche Theile von Demjenigen, was ihnen nach Abgang des eingesetzten
Erben zugefallen ist.
[2, 13, § 2] 34. In dem zweiten Fall, wo Einer nach Mehreren
nachberufen worden, kann zwar von einer Theilung keine Frage sein, doch ist
dabei zu merken, daß, nachdeme Wir das Recht des Zuwachses zwischen mehreren
Miterben gänzlich aufgehoben haben, solchemnach der Nachberufene sofort an die
Stelle des abgehenden Miterbens eintrete, folglich der erledigte Antheil des
Einen nicht denen übrigen Miterben, sondern dem Nachberufenen zukomme, wann
nicht, wie oben erwähnt worden, schon unter den Einsetzungsworten selbst eine
stillschweigende Nachberufung mehrerer Miterben untereinander enthalten ist.
[2, 13, § 2] 35. In dem dritten Fall, wo Mehrere anstatt
Mehrerer zugleich und überhaupt nachberufen worden, ohne insonderheit, nach
weme Jedweder zu folgen habe, dabei auszudrucken, haben Alle sowohl nach Abgang
des Einen in dessen erledigten Antheil, als auch nach Abgang aller zuerst
Eingesetzten in dem Ganzen gleiche Theile, obschon die eingesetzten ersten
Erben mit ungleichen Theilen bedacht worden wären.
[2, 13, § 2] 36. In dem vierten Fall, wo nach einem jedweden
Miterben insonderheit ein Anderer nachberufen worden, bekommt deren jeder
denjenigen Antheil, welchen
(2-229) jener bezogen haben würde, deme er nachgesetzt
worden; die Theile der Einsetzung mögen gleich oder ungleich sein.
[2, 13, § 2] 37. Endlich in dem fünften Fall, wo die eingesetzten
ersten Erben auch untereinander nachberufen worden, solle allemal darfür
gehalten werden, daß in der Nachberufung eben diejenige Theile wiederholet
seien, welche in der Erbseinsetzung ausdrücklich gemeldet worden, weilen in
diesem Fall vermuthet wird, daß, weme der Erblasser in der Erbseinsetzung ein
Mehreres gegeben, demselben auch in der After-Erbseinsetzung ein Mehreres habe
zuwenden wollen.
[2, 13, § 2] 38. Sind sie demnach zu gleichen Theilen
eingesetzet, haben sie auch an dem ihnen zufallenden Antheil des ermanglenden
Miterbens gleiche Theile; sind ihnen aber in der Einsetzung ungleiche Theile
angewiesen, theilen sie auch in eben dieser ungleichen Maß den ledigen Antheil
des abgehenden Miterbens.
[2, 13, § 2] 39. Es wäre dann ein Dritter, der nicht zum
Erben miteingesetzet ist, mit denen eingesetzten Erben nachberufen worden, in
welchem Fall der widrige Willen des Erblassers vermuthet wird, daß er unter
denen Nachberufenen eine gleiche Theilung beobachtet wissen wollte, obschon von
ihme in der ersten Einsetzung ungleiche Theile angewiesen worden wären.
[2, 13, § 2] 40. Die Form und Gestalt der gemeinen
After-Erbseinsetzung bestehet in deme, daß solche die wesentliche Bedingniß
enthalte, wann der Eingesetzte nicht Erb sein wird, welche, wann auch dieser
Fall nicht wortdeutlich ausgedrucket wird, allemal unter der Nachberufung
verstanden ist.
[2, 13, § 2] 41. Doch beschränket sich diese Bedingniß
lediglich auf die letztwillige Erbfolge, wann nämlich der Eingesetzte aus dem
Testament nicht Erb sein wird; dann obgleich der Eingesetzte zugleich nach
Ordnung der rechtlichen Erbfolge der nächste Erb wäre, so ist
nichtsdestoweniger, wann er die Erbschaft aus dem Testament nicht antreten
wollte, der Fall der gemeinen After-Erbseinsetzung vorhanden, und der nachberufene
zweite Erb tritt an seine Stelle ein.
[2, 13, § 2] 42. Wann demnach der Erblasser Jemanden zum
zweiten Erben nachberufet, ohne dabei den Fall, wann derselbe zur Erbschaft
gelangen solle, zu bestimmen, und ohne aus dem Inhalt des letztwilligen Geschäfts
abnehmen zu mögen, daß er eine vertrauliche Erbsnachberufung habe machen
wollen, so ist eine dergleichen Nachberufung allemal für eine gemeine
After-Erbseinsetzung zu achten, und nicht weiter, als auf den oberwähnten Fall,
wann der eingesetzte Erb nicht sein wird zu erstrecken.
[2, 13, § 2] 43. Diese Bedingniß aber, wann der Eingesetzte
nicht Erb sein wird, begreifet alle Fälle, wo derselbe entweder nicht kann,
oder nicht will Erb sein, folglich sowohl den Fall der Unvermögenheit zur
Erbschaft zu gelangen, als den Fall der freiwilligen Entschlagung der
Erbschaft.
[2, 13, § 2] 44. Erb kann er nicht sein, wann er vor dem
Erblasser verstorben, oder erbsunfähig ist, oder die ihm beigesetzte Bedingniß
ermanglet. Nicht will er Erb sein, wann er sich der Erbschaft entweder
ausdrücklich, oder durch die in der ausgesetzten Zeit verabsäumte Erbserklärung
stillschweigend entschlaget.
[2, 13, § 2] 45. Auf alle diese Fälle ist die gemeine
After-Erbseinsetzung gerichtet, also, daß, welcher sich immer ergebe, worinnen
der Eingesetzte nicht Erb wird, sofort der Nachberufene zur Erbschaft
zugelassen werde.
[2, 13, § 2] 46. Es hätte dann der Erblasser namentlich
einen gewissen Fall ausgedruckt, dessen Erstreckung unter keinerlei Vorwand des
vermutheten Willens auf einen gleichen Fall gestatte, sondern die
After-Erbseinsetzung einzig und allein auf den bestimmten Fall beschränket,
folglich, da der Eingesetzte in einem andern, als dem ausgedruckten Fall nicht
Erb sein würde, die auf einen anderen Fall gemachte Nachberufung sogleich
erloschen sein, und die Erbschaft den nächsten Erben nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge zufallen solle.
(2-230) §. III.
[2, 13, § 3] 47. Die gemeine After-Erbseinsetzung hat
solchemnach ihre Wirkung, wann sich der Fall ergiebt, daß der eingesetzte Erb
nicht zur Erbschaft kommt, wo alsdann der Erbanfall sogleich auf den
nachberufenen zweiten Erben gehet, und dieser zur Erbschaft zugelassen wird.
[2, 13, § 3] 48. Ermanglet aber dieser Fall, und der
eingesetzte erste Erb hätte die Erbschaft aus dem Testament angetreten,
verlieret auch die gemeine After-Erbseinsetzung alle ihre Kraft und Wirkung,
und das Erbrecht kann nicht mehr auf den nachberufenen zweiten Erben gelangen,
sondern bleibt bei dem eingesetzten ersten Erben.
[2, 13, § 3] 49. Kommt hingegen die gemeine
After-Erbseinsetzung einmal zu ihrer Wirkung, so wird andurch die rechtliche
Erbfolge in dem auf den nachberufenen zweiten Erben gelangenden Erbtheil
ausgeschlossen, welche ansonst im Fall des abgehenden Erbens, wann nach ihme
Niemand nachberufen worden wäre, auch bei Zusammentreffung anderer
letztwilligen Miterben einzutreten hätte.
[2, 13, § 3] 50. Gleichwie jedoch die dem eingesetzten
ersten Erben beigefügte Bedingnisse und sonstige Auflagen den nachberufenen
zweiten Erben nicht betreffen, wann solche bei ihme nicht ausdrücklich
wiederholet worden, also hat auch derselbe an denen dem eingesetzten ersten
Erben zum voraus verschafften Vermächtnissen, oder anderen ihme außer der
Erbseinsetzung zugedachten Vortheilen keinen mehreren Antheil, als der ihme
hieran nach Maß seines Erbrechts gebühret, wann ihme solche nicht auch
namentlich von dem Erblasser zugewendet, oder von diesem nicht hierüber auf
diesen Fall anderst geordnet worden.
§. IV.
[2, 13, § 4] 51. Die gemeine After-Erbseinsetzung erlöschet entweder aus der Person des eingesetzten ersten
Erbens, oder aus der Person des nachberufenen zweiten Erbens. Aus der Person
des eingesetzten ersten Erbens wird dieselbe auf zweierlei Art vernichtet, als
erstens durch Antretung der Erbschaft, und zweitens durch Uebertragung des
Erbrechts auf die Erbenserben.
[2, 13, § 4] 52. Nach angetretener Erbschaft aus dem
Testament höret die gemeine After-Erbseinsetzung völlig und dergestalten auf,
als ob solche niemalen gemacht worden wäre, wovon jedoch der Fall ausgenommen
ist, wann dieselbe nach mehreren eingesetzten Erben geschehen, deren Einer zwar
zur Erbschaft gelangete, der Andere aber nicht.
[2, 13, § 4] 53. In welchem Fall die gemeine
After-Erbseinsetzung bloß in Ansehung des von dem einen Miterben angetretenen
Erbtheils zwar aufhöret, der erledigte Antheil aber wachset nicht dem Miterben
zu, sondern dieser hat dem nachberufenen zweiten Erben zuzukommen, woferne
nicht schon unter den Einsetzungsworten selbst eine stillschweigende
Nachberufung der eingesetzten Erben untereinander enthalten ist.
[2, 13, § 4] 54. Durch die Uebertragung des Erbrechts auf
die Erbenserben wird die gemeine After-Erbseinsetzung aufgehoben, wann der
eingesetzte erste Erb nach dem Erblasser vor oder nach eröffnetem Testament in
der zu Recht ausgesetzten Bedenkzeit vor Antretung der Erbschaft verstirbt,
welchen Falls derselbe sein Erbrecht auf seine sowohl eheleibliche, als fremde
Erben übertraget.
[2, 13, § 4] 55. Und dieses hat ohne Unterschied statt, die
eingesetzten ersten Erben mögen fremde oder eheleibliche Kinder des Erblassers
sein; letztere aber haben aus dem Recht des Geblüts noch dieses zum Voraus,
daß, wann sie auch vor dem Erblasser versterben, dieselben jegleichwohlen ihr
Erbrecht auf ihre eheleiblichen Erben übertragen, welche vor dem nachberufenen
zweiten Erben den Vorzug zur Erbschaft haben.
[2, 13, § 4] 56. Doch wird in diesen Fällen, wo das Erbrecht
auf des eingesetzten Erbens
(2-231) Erben übergehet, der nachberufene zweite Erb nicht
anderst ausgeschlossen, als wann von ihnen die Erbschaft aus dem Testament
wirklich angetreten worden, widrigens hat die gemeine After-Erbseinsetzung auch
ohnerachtet dieses Uebergangs noch allzeit ihre Wirkung.
[2, 13, § 4] 57. In der Person des nachberufenen zweiten
Erben erlöschet die gemeine After-Erbseinsetzung:
Erstens, wann er entweder noch vor dem Erblasser oder auch
nach demselben, jedoch vor dem eingesetzten ersten Erben, ehe und bevor dieser
die Erbschaft angetreten hätte, oder vor Ausgang der Bedingniß, unter welcher
er nachberufen worden, verstirbt, ohne dass von ihme ein Recht zur Erbschaft,
welches er bei noch hangender Bedingniß nicht hat, auf seine Erben übertragen
werden könne, obschon nachhero der eingesetzte erste Erb sich der Erbschaft
entschlagen, oder sonst darzu nicht gelangen würde.
[2, 13, § 4] 58. Zweitens, wann die Bedingniß ermanglet,
welche der After-Erbseinsetzung besonders angehänget worden. Und diese sind die
Fälle, worinnen die gemeine After-Erbseinsetzung auch bei zu Recht bestehenden
Testament entkräftet wird; dahingegen, wo das Testament selbst zerfallet,
allemal auch sowohl die Erbseinsetzung, als die After-Erbseinsetzung null und
nichtig ist.
Zweiter Artikel.
Von der vertraulichen Erbsnachberufung.
§. . Von der Natur, Wesenheit und Unterschied der vertraulichen
Erbsnachberufung. §. VI. Von der Art und Weis der vertraulichen
Erbsnachberufung. §. VII. Von Fähigkeit der nachberufenen Erben. §. VIII. Von
Wirkung der vertraulichen Erbsnachberufung an Seiten des zur Zuruckstellung der
Erbschaft verbundenen Erbens. §. IX. Von deren Wirkung an Seiten des
nachberufenen Erben. §. X. Von Errichtung, Erhaltung und Erlöschung
geschlechtlicher Trau- oder Stammgüter.
§. V.
[2, 13, § 5] 59. Der andere Fall, worauf eine
After-Erbseinsetzung gerichtet werden kann, ist, wann der Erblasser die
Erbschaft aus der Hand des eingesetzten ersten Erbens auf einem gewissen Fall
an Jemanden gelangen lassen will, und dahero den eingesetzten Erben zu deren
Zuruckstellung verbindet.
(2-232) [2, 13, § 5] 60. Diese Art der After-Erbseinsetzung
wird wegen des in den ersten Erben von dem Erblasser gesetzten Vertrauens eine
vertrauliche Erbsnachberufung genannt, welche sich von der gemeinen
After-Erbseinsetzung andurch unterscheidet, daß jene nur in Ermanglung des
eingesetzten ersten Erbens, die vertrauliche Erbsnachberufung hingegen,
nachdeme der erste Erb zur Erbschaft gelanget ist, zur Wirkung komme.
[2, 13, § 5] 61. Sie hat solchemnach dieses Besondere, daß,
da in dem Fall der gemeinen After-Erbseinsetzung beide, nemlich die Erbseinsetzung
und After-Erbseinsetzung niemalen zusammen ihren Ausgang nehmen können, sondern
allzeit eine ohne Wirkung bleibe, in Gegentheil bei der vertraulichen
Erbsnachberufung beide, sowohl die Erbseinsetzung, als die Erbsnachberufung
ihre Wirksamkeit behalten.
[2, 13, § 5] 62. Woraus folget, daß beide, der Eingesetzte
und Nachberufene Erben bleiben; jener zwar nach Maß dessen, was er von der
Erbschaft in Handen behält, dieser aber nach dem Antheil, der ihme
zuruckgestellet wird.
[2, 13, § 5] 63. Derjenige, deme die Zuruckstellung der
Erbschaft anvertrauet wird, heißet der vertrauliche Erb, deme aber die
Zuruckstellung zu geschehen hat, der nachberufene Erb, und Dasjenige, was
zuruckstellet werden muß, ein Traugut oder Fideicommiß.
[2, 13, § 5] 64. Ein Fideicommiß ist entweder allgemein,
welches die ganze Erbschaft oder einen Theil derselben unter einem allgemeinen
Begriff des Erbrechts enthaltet, oder einzel, welches
nur in beschiedenen einzlen Sachen, Gütern oder Summen bestehet.
§. VI.
[2, 13, § 6] 65. Mit was für Worten, es seie bitt- oder
befehlweise, der Erblasser die Zuruckstellung der Erbschaft oder eines Theils
derselben, oder einzler Sachen oder Summen auferleget, hat es seine vollkommene
Bündigkeit, wann nur der ungezweiflete Willen des Erblassers, eine vertrauliche
Nachberufung machen zu wollen, daraus erhellet.
[2, 13, § 6] 66. Aus bloßen Muthmaßungen hingegen, sie mögen
noch so vielen Grund haben, wann die Worte an sich nicht klar sind, solle kein
Fideicommiß gefolgeret werden können, sondern, da zwar die Worte eine
Nachberufung andeuteten, anbei aber zweifelhaft wäre, was für eine
Nachberufung, ob eine gemeine oder vertrauliche, von dem Erblasser gemeinet
worden, ist solche allemal für eine gemeine Nachberufung zu achten.
[2, 13, § 6] 67. Es wäre dann entweder aus der Natur der
angehängten Bedingniß abzunehmen, daß der Erblasser die Erbschaft oder das
beschiedene Gut mittelst des eingesetzten Erbens oder Desjenigen, deme er es
zuerst zugedacht, auf den Nachberufenen
(2-233) berufenen gelangen lassen wollen, oder die Absicht
des Erblassers wäre offenbar, das Gut durch viele Nachberufung bei seinem
Geschlecht zu erhalten, wann die übrigen hiernach beschriebenen Erfordernissen
zu geschlechtlichen Trau- oder Stammgütern hinzutreten.
[2, 13, § 6] 68. Dahingegen wirket der alleinige
Veräußerungsverbot noch kein Fideicommiß, wann zu dem Gut, welches der
Erblasser zu veräußeren verboten hat, Niemand nachberufen worden, sondern in
solchem Fall ist der Veräußerungsverbot ohne alle Kraft und Wirkung, inwieweit
aber derselbe mit der vertraulichen Nachberufung bestehe, wird unten in §.
VIII. erkläret werden.
[2, 13, § 6] 69. Allgemeine vertrauliche Erbsnachberufungen,
welche die ganze Erbschaft oder einem Theil derselben betreffen, und also einen
Begriff des Erbrechts enthalten, können nicht anderst, als in einem
rechtsgiltigen Testament oder solchen Codicillen, welche, entweder von dem
Erblasser durchaus eigenhändig geschrieben, oder von den nemlichen
Testamentszeugen errichtet worden, gemacht werden.
[2, 13, § 6] 70. Einzle vertrauliche Nachberufungen aber in
einzlen Sachen, Gütern oder Summen, es möge der Erb, oder jemand Anderer, deme
etwas verschaffet worden, darmit beschweret werden, können, entweder durch
letztwillige Anordnungen in Testament oder Codicillen, oder durch Handlungen
unter Lebenden mittelst einer ausgefertigten Beschreibungsurkunde, oder endlich
auch außer einem förmlichen Testament oder Codicill durch die bloße
Willenserklärung des Erblassers ohne aller Feierlichlichkeit geschehen.
[2, 13, § 6] 71. Zu dieser letzteren Art wird jedoch
erforderet, daß Derjenige, deme der Erblasser die Zuruckstellung auferleget,
und solche seinem Trauen und Glauben überläßt, dabei gegenwärtig seie und den
Willen des Erblassers aus dessen Mund vernehme, was, wann, und weme er
zuruckzustellen habe, wann auch gar kein Zeug dabei anwesend wäre.
[2, 13, § 6] 72. Was nun der Erblasser von seinem Gut also
angeordnet hat, deme ist auch Derjenige, wessen Gewissen bei Zuruckstellung
überlassen worden, in Allem nachzukommen schuldig, woferne aber eine solche
Auflage des Erbens oder Desjenigen, deme die Zuruckstellung angemuthet wird,
eigenes Gut beträfe, ist an dessen alleiniger Gegenwart nicht genug, sondern es
ist seine ausdrückliche Einwilligung hierzu nothwendig, in deren Ermanglung er
zu nichts verbunden ist.
[2, 13, § 6] 73. Würde hingegen Jener, der auf solche Art
mit der Zuruckstellung beschweret worden, diese ihme gemachte Auflage in Abrede
stellen, stehet dem Anderen, deme die Zuruckstellung zu geschehen hat, frei,
dieselbe entweder durch Zeugen, wann einige Umstehende den Willen des
Erblassers mit angehöret haben, zu erweisen, oder dem Beklagten nach vorher
abgelegten Eid der Gefährde, daß er dieses nicht gefährlicher Weise beginne,
den körperlichen Eid aufzutragen, Kraft wessen er sich eidlich abzuzeugen hat,
nichts dergleichen von dem Erblasser vernommen zu haben, ohne daß er dagegen
befugt seie, dem Kläger den Eid anwiederum zuruckzuschieben.
[2, 13, § 6] 74. Wollte oder könnte aber Derselbe diesen
Abzeugungseid nicht leisten, oder würde, da er anfangs die Auflage durchaus
gelaugnet, nachhero gleichwohl etwas, obschon nicht so vieles, als Kläger
verlanget verlassen worden zu sein eingestehen, ist er sofort ohne Zulassung
eines weiteren Gegenbeweises den ganzen Gegenbeweises den ganzen eingeklagten
Betrag zu erstatten schuldig.
[2, 13, § 6] 75. Wäre jedoch Derjenige, deme der Erblasser
die Zuruckstellung eines jemanden Andereren beschiedenen Guts auferlegen
wollte, abwesend, kann er hierzu nicht anderst, als durch ein förmliches
Testament oder Codicill, oder durch eine ordentliche Schankung oder
Verschreibung verbunden werden.
[2, 13, § 6] 76. Eben also, wo Mehrere, die an einerlei
Sache Theil haben, mit der Zuruckstellung eines Guts an jemanden Anderen
beschweret worden, deren Einige dabei gegenwärtig, die Anderen aber abwesend
gewesen wären, sind nur die dabei gegenwärtig Gewesten für ihren Antheil, nicht
aber auch die Abwesenden in
(2-234) Ermanglung einer solchen in dem Testament oder
Codicill enthaltenen Anordnung, oder einer durch Zeugen oder Verschreibung
erweislichen Schankung hieraus verfänglich.
[2, 13, § 6] 77. Eine allgemeine vertrauliche
Erbsnachberufung geschieht entweder in der ganzen Erbschaft, oder einem
bestimmten Theil derselben, also daß alle Güter und Rechten, welche sich unter
dieser Erbschaft oder dem beschiedenen Theil derselben befinden, darunter
begriffen sind.
[2, 13, § 6] 78. Einzle Nachberufungen hingegen erstrecken
sich nicht weiters, als auf Dasjenige, worauf sich dieselben namentlich und
ausdrücklich beziehen, und kann in allen, sowohl beweglichen, als unbeweglichen
Dingen ein Fideicommiß bestellet werden.
[2, 13, § 6] 79. Auch fremdes, dem Erblasser nicht
angehöriges Gut kann zu einem Fideicommiß in demjenigen Verstand verschaffet
werden, wie solcher unten in sechzehenten Capitel von Vermächtnissen fremder
Sachen erkläret werden wird.
[2, 13, § 6] 80. Doch ist dabei allemal der Pflichttheil der
nothwendigen Erben ausgenommen, welcher unter keinerlei Vorwand mit einem
Fideicommiß beschweret werden mag, sondern frei und ohne aller Belastung Jenen,
denen solcher gebühret, verlassen, widrigens so vieles, als derselbe beträgt,
von der mit einer vertraulichen Erbsnachberufung beschwerten Erbschaft
abgezogen werden solle.
[2, 13, § 6] 81. Uebrigens stehet zwar jedwedem Erblasser
frei, so viele Grade der vertraulichen Nachberufung zu machen, als ihme
gefällig ist, doch nur zu dem Ende, daß wo auf dem Fall der Zuruckstellung der
zunächst Berufene nicht mehr am Leben wäre, der weitere Nachberufene zu dem beschiedenen
Gut gelangen, und also die vertrauliche Nachberufung einmal ihre Wirkung haben
möge.
[2, 13, § 6] 82. Damit aber alle Grade der vertraulichen
Nachberufung zur Wirkung kommen, und ein Nachberufener nach dem Anderen
immerfort nachfolgen könne, hierzu ist Unsere höchste Einwilligung unumgänglich
nothwendig.
[2, 13, § 6] 83. Ohne dieser hingegen solle kein
Fideicommiß, die vertrauliche Nachberufung seie allgemein oder einzel, weiter
als in Einem Grad, der zur Wirkung kommt, bestehen, sondern, wann es von dem
zuerst Berufenen auf den Nachfolgenden einmal gelanget ist, sofort erloschen
sein, und diesem darmit so, wie mit seinem freieigenen Gut zu schalten und zu
walten bevorstehen.
[2, 13, § 6] 84. Doch ist keinem Erblasser verwehret, dem
Einen den Nießbrauch oder Genuß seines Guts auf lebenslang zu lassen, und den
Anderen in dem Eigenthum zum Erben einzusetzen, sonach aber den Dritten
fideicommißweise nachzuberufen, welchen Falls beide Einsetzungen in dem
Nießbrauch und dem Eigenthum zusammen nur für einen, und zwar den ersten Grad
der Einsetzung angesehen werden können.
[2, 13, § 6] 85. Wo aber mehrere Grade der vertraulichen
Nachberufung, es seie durch Handlungen unter Lebenden oder durch letztwillige
Anordnungen, gemacht werden wollen, solle jedesmal Unsere höchste
landesfürstliche Einwilligung hierzu angesuchet, und folgende drei wesentliche
Stücke dabei beobachtet werden.
[2, 13, § 6] 86. Erstens, daß Derjenige, welcher ein
Fideicommiß errichten will, da er nothwendige Erben hätte, anförderist den
ihnen gebührenden Pflichttheil ausweise, welchen er denenselben frei und ohne
aller Belastung zu verlassen hat.
Zweitens, daß die zu einem Fideicommiß gewidmete liegende
Güter nach landesbräuchlicher Schätzung den Werth von viermalhunderttausend
Gulden rheinisch nicht übersteigen.
Drittens, daß von ihme die vollständige Art und Ordnung der
Nachfolge Aller von oder auch außer seinem Geschlecht, die er zu dem
Fideicommiß berufen haben will, deutlich angezeiget werde.
[2, 13, § 6] 87. Nur allein die in öffentlichen Fundis
Unserer Staaten, welche Wir derzeit dafür erkläret haben, oder noch in Zukunft
dafür erklären werden, anliegende Gelder sind von Uns besonders dahin befreiet,
daß darüber, auch ohne die
(2-235) Auswirkung Unserer höchsten Einwilligung hierzu
nöthig zu haben, von Jedermänniglich, deme diese Gelder eigenthumlich
zugehören, nach seiner eigenen Willkür so vile Grade der vertraulichen oder
fideicommissarischen Nachberufung, als ihme gefällig, rechtsgiltig gemacht
werden mögen, doch allemal mit Ausnahm des seinen nothwendigen Erben davon
zuzukommen habenden Pflichttheils, wann solcher aus dem übrigen Vermögen nicht
richtig gestellet werden kann.
[2, 13, § 6] 88. Damit aber die in öffentlichen Fundis
angelegte Gelder mit der Eigenschaft eines Fideicommißguts wirklich behaftet
werden mögen, ist nothwendig, daß entweder die in Lebszeiten hierüber
ausgefertigte Errichtungsurkunde, oder die letztwillige fideicommissarische
Anordnung des Erblassers bei denenjenigen Landesstellen, wo die öffentlichen
Fundi, in welchen die zum Fideicommiß bestimmte Gelder anliegen, befindlich
sind, förmlich vorgemerket, und davon denen öffentlichen Fundis Abschriften
ertheilet, mithin solchergestalten die nöthige Ordnung hierbei beobachtet
werde.
[2, 13, § 6] 89. Einzle vertrauliche Nachberufungen, welche
sich nicht weiter, als auf einen Grad erstrecken, sind in Allem Vermächtnissen
gleich zu achten, wo sie aber auf mehrere Grade lauten, haben selbe auch eine
von Vermächtnissen ganz unterschiedene Natur und Eigenschaft, wie es in der
Folge mit Mehreren dargezeiget werden wird.
[2, 13, § 6] 90. Ueberhaupt aber können sowohl allgemeine,
als einzle vertrauliche Nachberufungen entweder unbedingt oder bedingt mit
Beifügung einer Bedingniß, Zeit oder Weis geschehen, wie alles dieses bereits
oben in zwölften Capitel, §. V. ausführlich erkläret worden.
[2, 13, § 6] 91. Doch hat die vertrauliche Nachberufung nach
Absterben eheleiblicher Kinder dieses Besondere, daß darunter allezeit die
Bedingniß, wann der zuerst Berufene ohne eheleiblichen Kindern versterben
würde, stillschweigend verstanden werde, wann gleich solche von dem Erblasser
wortdeutlich nicht ausgedrucket worden, woferne nur folgende Umstände
beitreten.
[2, 13, § 6] 92. Erstens, daß eheleibliche Kinder, als
Söhne, Töchter, Enkeln, oder auch weitere Absteigende von ihren Eltern,
Großeltern oder weiteren Aufsteigenden mit einem Fideicommiß beschweret worden.
[2, 13, § 6] 93. Zweitens, daß Derjenige, welcher die
vertrauliche Nachberufung gemacht hat, wahrscheinlicher Weise auf die nach seinem
Tod geborne Kinder des mit dem Fideicommiß Beschwerten nicht gedacht, weder
auch seinen widrigen Willen, daß er solche von der Nachfolge in dem Fideicommiß
ausgeschlossen haben wolle, erkläret habe, noch die Anordnung selbst also
beschaffen seie, daß der ausschließende Willen daraus mit Grund vermuthet
werden könne.
[2, 13, § 6] 94. Es kann dahero nicht gesagt werden, daß er
auf die Kinder des mit dem Fideicommiß Beschwerten nicht gedacht habe, wann
solche schon bei seinen Lebszeiten geboren waren, außer es wäre erweislich, daß
derselbe von dieses Kindern nichts gewußt, oder, da sie erst nach errichtetem
Fideicommiß geboren worden, die Macht nicht mehr gehabt habe, seinen Willen zu
änderen.
[2, 13, § 6] 95. Umsomehr schließet der ausgedruckte widrige
Willen des Erblassers als Vermuthung einer vorzüglichen Liebe und Zuneigung
gegen seine eigene Nachkommenschaft, worinnen sich diese Vorsehung Unserer
Gesetzen lediglich gründet, gänzlich aus, wann er wortdeutlich auf dem Fall, da
der Beschwerte Kinder hinterlassen würde, einen Dritten zu dem Fideicommiß
berufen hätte.
[2, 13, § 6] 96. Es läßt sich aber auch dieser widrige
Willen aus der Anordnung des Erblassers selbst vermuthen, wann deren Inhalt
dahin lautet, daß hieraus eine anderweite Absicht des Erblassers mit Bestand
geschlossen werden mag.
[2, 13, § 6] 97. Eine derlei widrige Vermuthung hat bei
allen von Jemanden zur Erhaltung seines eigenen
Geschlechts errichteten Fideicommissen in Ansehung der weiblichen
Nachkommenschaft statt, es mögen weibliche Nachkommen von zuerst
(2-236) berufenen Söhnen, oder männliche Nachkommen von
zuerst berufenen Töchtern sein, welche allemal auf dem Fall der nachberufenen
eigenen männlichen Geschlechtsverwandten ausgeschlossen bleiben, weilen durch
selbe die abgezielte Erhaltung des Geschlechts nicht bewirket werden mag.
[2, 13, § 6] 98. Nicht weniger sind die Kinder des mit einem
Fideicommiß Beschwerten für ausgeschlossen zu halten, wann Jemand allemal den
Aeltesten seines Geschlechts zu dem Fideicommiß berufet, weilen Derselbe
andurch die Errichtung eines geschlechtlichen Aelterguts oder Seniorats zur
Absicht gehabt, wobei nicht die Ordnung der Abstammung, sondern das mehrere
Alter von Jahren in Betrachtung kommt.
[2, 13, § 6] 99. Die nemliche Beschaffenheit hat es, wann Jener,
der ein Fideicommiß errichtet, zur Fähigkeit darinnen nachzufolgen eine gewisse
Eigenschaft dergestalten erforderet, daß in deren Ermanglung Alle, die solche
nicht haben, davon ausgeschlossen sein sollen, wodurch dann auch die eigene
Nachkommenschaft, welche diese Eigenschaft nicht hat, von dem Fideicommiß
ausgeschlossen bleibt.
[2, 13, § 6] 100. Drittens, daß die dem zuerst Berufenen
nachgeborne Kinder aus einer rechtmäßigen Ehe erzeuget, oder durch die
nachgefolgte Ehe rechtmäßig worden, und den zuerst Berufenen überleben; dann,
wo sie anwiederum vor seiner verstürben, erlöschet die Bedingniß eben sowohl,
als ob solche wirklich ausgedrucket worden wäre, und das Fideicommiß fallet
sofort auf den Nachberufenen.
[2, 13, § 6] 101. Was von Erlöschung dieser Bedingniß auf
dem Fall der vorgestorbenen Kinder gemeldet worden, hat auch damals statt, wann
selbe sich durch Ablegung feierlicher Ordensgelübden einem geistlichen
Ordensstand widmen, und also der Welt abstürben, wodurch sie alles Recht zu dem
Fideicommiß verlieren, die Bedingniß möge ausdrücklich beigesetzet oder
stillschweigend verstanden sein, worunter aber Weltgeistliche nicht zu
verstehen sind, wann sie nicht namentlich ausgeschlossen werden.
[2, 13, § 6] 102. Wann nun alle vorbemelte Umstände hinzustoßen,
daß nemlich eheleibliche Kinder nach ihrem Tod mit einem Fideicommiß
beschweret, und auf deren Nachkommenschaft von Demjenigen, der das Fideicommiß
errichtet, nicht gedacht, noch auch von ihme ein Widriges geordnet, und endlich
von ihnen nach ihrem Absterben eheleibliche Kinder hinterlassen worden,
schließen dieselbe in Kraft dieser unter der Nachberufung stillschweigend
verstandenen Bedingniß den Nachberufenen von dem Fideicommiß aus.
[2, 13, § 6] 103. Und dieses zwar ohne Unterschied, ob der
Nachberufene ein Fremder, oder auch von der eheleiblichen Nachkommenschaft
Desjenigen seie, welcher das Fideicommiß errichtet hat, weilen eben dieselbe
Zuneigung, welche der Erblasser dem zuerst Eingesetzten durch dessen Vorsetzung
vor dem Anderen erzeiget hat, auch gegen dessen Nachkommen vermuthet wird.
[2, 13, § 6] 104. Ob aber solchen Falls die Nachkommenschaft
des mit dem Fideicommiß beschwerten Erbens aus der fideicommissarischen
Anordnung nachfolge, und der Nachberufene ihr blos nachzustehen habe, also daß
er nach deren Abgang gleichwohlen noch zu dem Fideicommiß gelangen möge, oder
ob die Kinder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintreten, und somit die
commissarische Anordnung gänzlich erlösche, folglich die Nachberufenen für
allezeit davon ausgeschlossen bleiben, ist nach Unterschied der Fideicommissen
zu unterscheiden.
[2, 13, § 6] 105. Bei geschlechtlichen Fideicommissen solle
in Fällen, wo die Bedingniß, wann der zuerst Berufene ohne eheleiblichen
Kindern versterben würde, entweder ausdrücklich beigesetzet, oder vorbesagter
Maßen stillschweigend verstanden wird, die Nachkommenschaft des zuerst
Berufenen allemal für nachberufen gehalten werden, folglich dieselbe nicht nach
der rechtlichen Erbfolge, sondern aus der fideicommissarischen Anordnung in dem
Fideicommiß nachfolgen, und somit denen Nachberufenen, welche lediglich
nachzustehen haben, nach deren Abgang ihr Recht zu dem Fideicommiß vorbehalten
bleiben.
(2-237) [2, 13, § 6] 106. Dahingegen erlöschet bei allen
anderen Fideicommissen, welche nicht die Erhaltung des Geschlechts zur Absicht
haben, in vorberührten Fällen, wo eheleibliche Kinder hinterlassen worden, die
Nachberufung und das Fideicommiß gänzlich, und die Kinder gelangen nach der
rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft, von welcher die Nachberufenen, weilen sie
nur unter dieser Bedingniß, wann keine Kinder hinterbleiben würden, berufen
worden, ein für allemal ausgeschlossen bleiben, obschon der mit dem Fideicommiß
Beschwerte nichtsdestoweniger wegen Ungewißheit der Bedingniß darmit frei zu schalten
und zu walten verhinderet, und solches seinen Kindern zu lassen schuldig ist.
§. VII.
[2, 13, § 7] 107. Vertrauliche Nachberufungen oder
Fideicomissen (!) kann Jedermann machen, der Fug und Macht hat, über sein
Vermögen letztwillig, oder durch Handlungen unter Lebenden frei zu ordnen, und,
wo das Fideicommiß sich auf mehrere Grade erstreckete, zu deren Giltigkeit
Unsere höchste Einwilligung erwirket hat.
[2, 13, § 7] 108. Mit Fideicommissen können sowohl die
eingesetzten, als die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretenden Erben,
wie nicht weniger Diejenigen, denen etwas verschaffet, oder auf den Todesfall
geschenket und übergeben wird, und überhaupt Alle, denen etwas mit dieser
Auflage zugedacht wird, beschweret werden.
[2, 13, § 7] 109. Jene aber, welche mit nichts bedacht
werden, mögen auch zu keiner Zuruckstellung verbunden werden, und da Jemanden
ein Mehreres, als er aus der Verlassenschaft nicht empfangen hat,
zuruckzustellen auferleget würde, bestehet das Fideicommiß nur nach Maß des Empfangenen,
und ist derselbe zu nichts Mehreren verfänglich.
[2, 13, § 7] 110. Zu einem Fideicommiß können Alle berufen
werden, welche die Erbsfähigkeit haben; zugelassen aber werden nur Jene, welche
in der fideicommissarischen Anordnung begriffen sind, und diejenige Eigenschaft
auf sich haben, welche darinnen zur Nachfolge ausdrücklich erforderet wird.
[2, 13, § 7] 111. Wer demnach aus einer vertraulichen
Nachberufung die Nachfolge in einem Fideicommiß anverlanget, deme lieget ob,
sowohl die Eigenschaft eines Fideicommißguts, als seine eigene Eigenschaft,
welche ihn zur Nachfolge fähig macht, durch rechtsgenügliche Beweismitteln zu
erproben.
[2, 13, § 7] 112. Der zuerst Berufene ist zwar allemal ein
vertraulicher Nachfolger, weilen ihme die Zuruckstellung an den Nachberufenen
anvertrauet worden, dieser in Gegentheil kann in verschiedener Absicht ein
nachberufener oder vertraulicher Nachfolger zugleich sein.
[2, 13, § 7] 113. Ein Nachberufener wegen der ihme nach dem
zuerst Eingesetzten gebührenden Nachfolge, ein vertraulicher Nachfolger aber in
Rücksicht des weiteren Nacheingesetzten, der nach ihme zu dem Fideicommiß
berufen ist, und deme er es folgsam wieder zuruckzustellen hat.
[2, 13, § 7] 114. Wann hingegen Jener, der das Fideicommiß
innen hat, oder auf den der Fideicommißanfall gelanget, sich eines solchen
Verbrechens schuldig gemacht hätte, worauf die Einziehung seines Hab und Guts
zu Handen Unserer Kammer ausgesetzet wäre, in solchen Fall tritt zwar Unser
Fiscus an die Stelle eines solchen Verbrechers in dem vollen Genuß des
Fideicommißguts ein, welchen er solange behält, als Jener sich am Leben
befindet, oder es sonst zu genießen hätte; das Fideicommiß aber höret deswegen
nicht auf, wann sich dasselbe auf mehrere Grade erstrecket, sondern Unser
Fiscus solle nach Ableben des Verbrechers, oder zu der
(2-238) gesetzten Zeit, wann dessen Recht hierzu aufhöret,
das Gut dem Nächstberufenen abzutreten schuldig sein. Es wäre dann ein so
beschaffenes Verbrechen, wodurch nach Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung
das Fideicommißgut auf allzeit verwirket würde.
§. VIII.
[2, 13, § 8] 115. Die vertrauliche Erbsnachberufung hat an
Seiten des vertraulichen Erbens, wofür ein Jedweder anzusehen ist, der zur
Zuruckstellung verbunden wird, vornehmlich viererlei Wirkungen, als: Erstens,
das auf ihn gelangende Erbrecht, zweitens, die Verbindlichkeit zur
Zuruckstellung, drittens, die Haftung für Schuld und Gefährde, viertens, die
Unveräußerlichkeit des zum Fideicommiß bestimmten Guts.
[2, 13, § 8] 116. Das Erbrecht, welches der vertrauliche Erb
durch Antretung der Erbschaft erwirbt, behält derselbe bis zur Zuruckstellung
in Ansehung der ganzen Erbschaft unzertheilt, nach der Zuruckstellung hingegen
nur für denjenigen Theil, welcher davon bei ihme verbleibet; wo er aber zur Zuruckstellung
der ganzen Erbschaft verbunden wäre, gehet auch mittelst deren Zuruckstellung
alles Erbrecht auf den nachberufenen Erben.
[2, 13, § 8] 117. Doch kann derselbe nicht gezwungen werden
die Erbschaft anzutreten, sondern, wann er nicht kann oder will Erb sein,
übergehet sofort das Erbrecht in Kraft der unter einer jedweden vertraulichen
Erbsnachberufung stillschweigend enthaltenen gemeinen After-Erbseinsetzung auf
den nachberufenen Erben für denjenigen Theil, der ihme in der vertraulichen
Nachberufung zugedacht worden.
[2, 13, § 8] 118. Das Uebrige hingegen, was dem
vertraulichen Erben von der Verlassenschaft zugekommen wäre, fallt
den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge
(2-239) zu, woferne deshalben von dem Erblasser keine
ausdrückliche Vorsehung gemacht worden wäre.
[2, 13, § 8] 119. Das Nemliche hat auch in dem Fall statt,
wo der vertrauliche Erb vor Antretung der Erbschaft verstürbe; dann auch damals
bleibt dem Nachberufenen sein Recht zu dem ihme beschiedenen Gut allzeit bevor.
[2, 13, § 8] 120. Zu der übrigen Verlassenschaft aber,
soviel hiervon dem vertraulichen Erben zu verbleiben hätte, übertragt derselbe
das Erbrecht auf seine Erben, woferne er nach dem Erblasser in der zur
Antretung der Erbschaft ausgesetzten Bedenkzeit verstorben.
[2, 13, § 8] 121. In Gegentheil, wo der Nachberufene vor dem
vertraulichen Erben verstürbe, ist zu unterscheiden, ob die vertrauliche
Nachberufung in mehrere Grade, oder nur in einem Grad bestehe.
[2, 13, § 8] 122. Wo mehrere Grade derselben gemacht worden,
gehet der Erbanfall sofort auf den nach Abgang des ersten zunächst Berufenen
mit Ausschließung der Erben des Ersten, wann sie nicht ausdrücklich berufen
worden; wo aber nur Einer allein, und außer ihme niemand Anderer nachberufen
worden wäre, überträgt derselbe nicht weniger, als gleich bevor von dem
vertraulichen Erben gemeldet worden, das Erbrecht zu dem ihme beschiedenen Gut
auf seine Erben, wann er den Erblasser überlebet, obschon er vor dem
eingesetzten vertraulichen Erben verstorben.
[2, 13, § 8] 123. Es seie dann, daß der Erblasser auf diesen
Fall ausdrücklich ein Anderes geordnet, und die Erben des Nachberufenen
ausgeschlossen, oder denselben unter einer beigesetzten Bedingniß berufen
hätte, vor deren Ausgang ihme kein Erbrecht gebühret, folglich auch keines auf
seine Erben übertragen werden kann, wann er vor dem Erfolg der Bedingniß
verstirbt.
[2, 13, § 8] 124. Sobald aber der vertrauliche Erb die
Erbschaft angetreten, so erwachset auch seinerseits die Verbindlichkeit zur
Zuruckstellung des dem Nachberufenen beschiedenen Guts in derjenigen Maß, wie
solches diesem Letzteren von dem Erblasser zugedacht worden.
[2, 13, § 8] 125. Die Zuruckstellung an den Nachberufenen
solle in derjenigen Zeit geschehen, welche der Erblasser bestimmet hat, und wo
keine von ihme benennet, noch angeordnet worden wäre, daß solche gleich nach
seinem Absterben befolget werden solle, hat der vertrauliche Erb lebenslänglich
in dem Genuß des dem Nachberufenen beschiedenen Guts zu verbleiben, und nach
seinem Tod treten dessen Erben in die Verbindlichkeit ein, das Fideicommißgut
in demjenigen Stand, in welchem es von ihme angetreten worden, dem
Nachberufenen zuruckzustellen.
[2, 13, § 8] 126. Doch muß der Willen und die Gesinnung des
Erblassers ungezweifelt sein, daß er eine vertrauliche Nachberufung wirklich
machen wollen, dann wo derselbe den Erben lediglich vermächtnißweise beschweret
hätte, Jemanden etwas zu geben oder abzustatten, ohne dabei einige Grade der
Nachberufung auszusetzen, so ist solches für kein Fideicommiß zu achten,
sondern eine bloße Vermächtniß, wobei sich nach deme gerichtet werden solle,
was unten in sechzehenten Capitel von Abstattung der Vermächtnissen geordnet
werden wird.
[2, 13, § 8] 127. Das Fideicommiß muß an den Nachberufenen
in dem nemlichen Betrag, Stand und Beschaffenheit, wie es der Erblasser
angeordnet, und wie solches auf den vertraulichen Erben gediehen, ohne allem
Abzug, Vorbehalt oder Schmälerung zuruckgestellet werden, doch mit der Ausnahme
einzler nur binnen einem Grad bestehender Fideicommissen, welche nach Inhalt
des sechzehenten Capitels, §.XXX, eben so wie andere Vermächtnissen dem Abzug
des Erbviertels unterliegen.
[2, 13, § 8] 128. Dem vertraulichen Erben bleibet
demnach von der Verlassenschaft nichts Mehreres, als was durch die Anordnung
des Erblassers mit der Eigenschaft eines Fideicommißguts nicht befangen ist.
Was aber unter dem Fideicommiß begriffen worden, dieses Alles fallt dem
nachberufenen Erben zu.
[2, 13, § 8] 129. Belangend hingegen die mittlerweil von dem
Fideicommiß eingehobene
(2-240) Nutzungen, so gehören zwar Jene, welche noch vor der
von dem vertraulichen Erben angetretenen Erbschaft eingegangen, zu dem
Fideicommiß; welche aber derselbe nach angetretener Erbschaft bis zur
bestimmten Zeit der Zuruckstellung behoben hat, bleiben ihme ohne Widerspruch.
[2, 13, § 8] 130. Es seie dann, daß der Erblasser
ausdrücklich verordnet hätte, darmit alle inmittelst eingegangene Früchten und
Nutzungen, oder ein Theil derselben dem Nachberufenen zukommen, oder zu dem
Betrag des Fideicommiß geschlagen werden sollen.
[2, 13, § 8] 131. Außer deme hat der nachberufene Erb
lediglich auf die von Zeit des ihme zugefallenen Fideicommißguts hiervon
eingegangene Früchten und Nutzungen den Anspruch; gleichwie ihme dann auch alle
zu dieser Zeit noch hangende Früchten, nicht minder die auch noch zur Zeit der
Innhabung des vertraulichen Erbens sich zu dem Grund durch natürlichen Zuwachs
ergebene Zugänge sammt allen zu dem Gut gewidmeten Zugehörungen ausgebühren.
[2, 13, § 8] 132. Hätte hingegen der vertrauliche Erb einige
Kosten und Auslagen Zeit seiner Inhabung auf das Fideicommiß aufgewendet, so
hat er zwar jene Kosten, die er auf die Erzeugung und Einsammlung der Nutzungen
für die Zeit, als er solche zu genießen hat, ausgeleget, selbst zu tragen.
[2, 13, § 8] 133. All übriger erweislicher, nothwendiger und
nutzlicher Aufwand aber, welcher zur Erhaltung oder Verbesserung der Sache
selbst gereichet, ist ihme in eben der Maß, wie es oben in dritten Capitel, §.
III, von dem Besitzer mit gutem Glauben geordnet worden, zu ersetzen, außer
insoweit ein solches bei geschlechtlichen Traugütern nach mehreren Ausweis des
hiernach folgenden §. X einen Abfall leidet.
[2, 13, § 8] 134. Aus der Verbindlichkeit das Fideicommiß in
demjenigen Stand, in welchem es angetreten worden, anwiederum zuruckzustellen,
fließet die anderweite Schuldigkeit des vertraulichen Erbens und eines jeden
Fideicommißinhabers mit dem Fideicommiß so, wie es einem guten Hausvater
geziemet, zu gebahren, dasselbe in guten Stand zu erhalten, und allen Schaden
und Nachtheil zu verhüten, noch weniger aber solches selbst zu schmälern und
auf was immer für Weise zu verminderen.
[2, 13, § 8] 135. Er ist dahero für allen aus Gefährde oder
großer Schuld verursachten Schaden verfüglich, und sowohl zu des Nachberufenen,
als seiner eigenen Sicherheit noch vor Antretung des Fideicommiß ein
gerichtliches Inventarium über Alles, was zu dem Fideicommiß gehöret, errichten
zu lassen schuldig.
[2, 13, § 8] 136. Mit Errichtung des Inventarii solle bei
einem jedweden Fideicommißanfall unnachbleiblich fürgegangen, und der
Nachberufene nicht ehender, als bis das Inventarium zu Stand gekommen, zu dem
Besitz des Fideicommiß zugelassen werden.
[2, 13, § 8] 137. Würde aber von dem Erblasser oder
Demjenigen, der das Fideicommiß errichtet, die Nothwendigkeit eines
gerichtlichen Inventarii erlassen worden sein, so solle zwar diese Erlassung,
wann kein Fall obwaltet, in welchem solches nach der unten in einundzwanzigsten
Capitel, §. VII, folgenden Ausmessung aus anderweiter Ursache gleichwohlen
vorgenommen werden muß, die Nachsicht des gerichtlichen Inventarii wirken.
[2, 13, § 8] 138. Nichtsdestoweniger bleibet Derjenige, deme
das Fideicommiß angefallen, verbunden, eine getreuliche und verläßliche
Beschreibung aller Fideicommißstücken in Gegenwart zweier untadelhafter Zeugen
zu verfassen, und solche unter seiner Handunterschrift und Siegel mit
gleichmäßiger Unterfertigung der Zeugen bei Gericht zu erlegen, welchem jedoch
noch allezeit bevorstehet, auf dem Fall, daß diese Beschreibung unrichtig
befunden würde, mit dem gerichtlichen Inventarii fürzugehen.
[2, 13, § 8] 139. Dieses Inventarium ist solchemnach die
Richtschnur, nach welcher die
(2-241) Zuruckstellung des Fideicommiß an den Nachberufenen
zu geschehen hat, was also zur Zeit der Zuruckstellung an deme, so in dem
vorhergegangenen Inventario vermerket ist, abgehet, ist der Vorfahrer an dem
Fideicommiß oder seine Erben zu ersetzen schuldig; es wäre dann von ihnen
erweislich, daß solches ohne seiner Schuld zu Grund gegangen, oder sonst von
dem Fideicommiß hinweggekommen seie.
[2, 13, § 8] 140. Gleichwie in Gegentheil, wo der
Nachberufene auf etwas, so in dem vorhergehenden Inventario nicht enthalten
wäre, an den Vorfahrer oder dessen Erben eine Forderung stellete, demselben zu
erweisen oblieget, daß dieses zu dem Fideicommiß gehörig, und auch wirklich zu
Handen des Vorfahrers gediehen, oder von ihme, da er es wohl thun können und
sollen, zu dem Fideicommiß beizubringen aus seiner Schuld vernachlässiget
worden seie; in Entstehung dieses Beweises aber sind der Vorfahrer und dessen
Erben mit dem Inventario hinlänglich geschützet.
[2, 13, § 8] 141. Uebringens ist der vertrauliche Erb außer
der vorbesagten Nothwendigkeit eines gerichtlichen Inventarii insgeheim zu
keiner anderweiten Sicherstellung des Fideicommisses verbunden, solange
derselbe darmit getreulich gebaret, und keine Gefahr einer Schmälerung oder
Verringerung desselben vorhanden ist. Es wäre dann solche ausdrücklich von dem
Erblasser, oder von deme, welcher das Fideicommiß errichtet, einem jeweiligen
Nachfolger in dem Fideicommiß auferleget worden.
[2, 13, § 8] 142. Wäre aber in der fideicommissarischen
Anordnung eine solche Sicherstellung erforderet worden, so ist auch der
Nachfolger in dem Fideicommiß dieselbe in derjenigen Maß, wie sie darinnen
vorgeschrieben worden, zu leisten schuldig, wo er es thun im Stande ist.
[2, 13, § 8] 143. Wann jedoch erweislicher Maßen seine
Vermögensumstände nicht zureicheten die anverlangte Sicherstellung
aufzubringen, und er sonst eines guten Wandels wäre, daß sich keiner Gefahr zu
ihme zu versehen seie, solle derselbe mittlerweil, bis daß er in den Stand
gelange, der Auflage Genügen zu thun, gegen eidlicher Angelobung und
Verstrickung, daß er das Fideicommiß in guten Stand erhalten, und solches auf
keinerlei Weise schmälern, noch weniger etwas davon veräußeren wolle, zu dem
Fideicommiß zugelassen werden.
[2, 13, § 8] 144. Würde in Gegentheil sein
verschwenderisches Betragen oder überhäufte Schuldenlast eine billige Beisorge
erwecken, ihme die eigene Verwaltung des Fideicommisses schlechterdings
anzuvertrauen, so solle solchen Falls nach richterlichem Ermessen über das
Fideicommiß ein Curator bestellet, und ihme, solange er zu dessen Genuß das
Recht hat, die Einkünften davon verabfolget werden, wann in der
fideicommissarischen Anordnung auf diesen Fall keine anderweite maßgebige
Vorsehung enthalten wäre.
[2, 13, § 8] 145. Was aber für Rechtsmitteln in jenem Fall,
da ein Fideicommißinhaber übel gebarete, und eine gegründete Gefahr der
Verkürzung des Fideicommisses anscheinete, den Fideicommißanwarteren zur
Erhaltung und Sicherstellung des Fideicommisses angebühren, wird in dem
gleichnachfolgenden §. IX gezeiget werden.
[2, 13, § 8] 146. Was zu einem Fideicommiß gewidmet ist, und
von einer mit dieser Eigenschaft behafteten Verlassenschaft nach Abzug der
Schulden und des Pflichttheils derjenigen Personen, denen solcher gebühret,
übrig bleibet, ist seiner Natur nach dergestalten unveräußerlich, daß nichts
davon ohne Unserer besonderen höchsten Einwilligung verkaufet, vertauschet oder
sonst veräußeret, noch auch mit einer beharrlichen Behaftung eines bestellenden
oder verschreibenden Unterpfands, einer Grunddienstbarkeit oder eines anderen
dinglichen Rechts beschweret, und überhaupt weder durch lebszeitige, noch durch
letztwillige Handlungen hierüber in geringsten geordnet werden könne, der
Verbot der Veräußerung möge in der fideicommissarischen Anordnung ausdrücklich
begriffen sein oder nicht.
(2-242) [2, 13, § 8] 147. Nur der alleinige Fall ist davon
ausgenommen, wann der Erblasser Jemanden zu deme, was nach Absterben des
eingesetzten ersten Erbens von der Verlassenschaft übrig bleiben wird,
nachberufen hätte, weilen in Kraft dieser Anordnung der Erblasser den
vertraulichen Erben in Veräußerung desjenigen, was er von der Verlassenschaft
zu seiner Nothdurft und Nutzen verwendet, nicht gehemmet, sondern das
Fideicommiß erst in dem nach dessen Absterben erübrigenden Betrag hergestellet
wissen will.
[2, 13, § 8] 148. Obschon aber derselbe diesen Betrag nicht
bestimmet, sondern solchen dem Trauen und Glauben des eingesetzten Erben
lediglich überlassen hat, so wollen Wir jedoch in diesem Fall aus billigen
Anbetracht der dem Nachberufenen zugedachten Wohlthat, welcher derselbe
leichtlich durch unmäßige Eigennützigkeit des vertraulichen Erben ganz und gar
verlustig werden könnte, und zu Abschneidung aller hieraus entstehen mögenden
Streitigkeiten hiermit gnädigst verordnet haben, daß nach Ausweis des über die
Verlassenschaft gerichtlich zu errichten kommenden Inventarii, und nach der
gerichtlichen Schätzung die Erbschaft in vier gleiche Theile abgetheilet, und
drei Theile davon dem eingesetzten Erben zu seiner freien Schalt- und Waltung
als ein freieigenes Gut überlassen, der vierte Theil hingegen dem Nachberufenen
in der Eigenschaft eines Fideicommisses auf Absterben des vertraulichen Erbens
unverruckt vorbehalten bleiben, und diesem bloß allein der lebenslängliche
Genuß solchen vierten Theils ohne Macht etwas davon zu veräußeren oder zu
beschweren zustehen solle.
[2, 13, § 8] 149. Hätte hingegen der Stifter des
Fideicommisses selbst einige Fälle ausgenommen, worinnen er die Belastung des
Fideicommisses oder auch gar die Veräußerung eines Theils desselben gestattete,
so bedarf es zwar in einem solchen ausgedruckten Fall hierzu Unserer
Einwilligung nicht, und die Beschwerung oder Veräußerung geschieht auch ohne
derselben giltig.
[2, 13, § 8] 150. Doch solle allemal bei Nichtigkeit der
Handlung die richterliche Erkanntniß vorherzugehen haben, ob der von dem
Stifter des Fideicommisses vergünstigte Beschwerungs- oder Veräußerungsfall
wirklich vorhanden seie, ob die verstattete Maß nicht überschritten werden
wolle, und im Fall derselbe zugleich die Wiederbefreiung oder Ergänzung des
Fideicommisses angeordnet hätte, durch was für Mitteln so eine als die andere
ohnfehlbar zu bewirken seie.
[2, 13, § 8] 151. Findet nun der Richter den angezeigten
Fall und die Maß der Beschwerung oder Veräußerung mit der fideicommissarischen
Anordnung übereinstimmend zu sein, so hat er solche ohne weiters zuzulassen;
wäre aber in Gegentheil ein Zweifel an der Aehnlichkeit des Falls oder an dem
Verhältniß der Maß, oder an Zulänglichkeit der vorgeschriebenen
Wiederbefreiungs- oder Ergänzungsmitteln, solle derselbe sofort die
Einvernehmung der gesammten Fideicommißanwarteren hierüber veranlassen, und die
Sache an Uns mit ihrer beigebrachten allseitigen Erklärung zu Unserer höchsten
Entschließung einberichten.
[2, 13, § 8] 152. Außerdeme ist keine wie immer Namen
habende Veräußerung oder beharrliche Belastung eines Fideicommißguts weder
durch Handlungen unter Lebenden, noch durch letztwillige Anordnungen gestattet.
Es ist aber hierinfalls zwischen unbeweglichen und beweglichen Traugütern der
Unterschied zu beobachten.
[2, 13, § 8] 153. Die Veräußerung liegender Güter und
landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten und Forderungen, welche
mit der Eigenschaft eines Fideicommisses landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich behaftet sind, ist allzeit null und nichtig, also daß kein auf
deren Veräußerung oder beharrliche Beschwerung abzielender Vertrag, Contract
oder Verschreibung bei Gericht angenommen, und da in einem letztwilligen
Geschäft etwas dergleichen vorkäme, solches für nicht geordnet geachtet werden
solle.
[2, 13, § 8] 154. Wo aber die Eigenschaft eines
Fideicommisses in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern noch nicht darauf
vorgemerket wäre, bestehet zwar deren Veräußerung
(2-243) oder Beschwerung, wann an Seiten dessen, der solche
an sich bringt, oder deme hierauf ein Recht verschrieben wird, keine Gefährde
unterwaltet; der Veräußerer hingegen ist schuldig Jenen, welchen daran gelegen,
allen erweislichen Schaden zu ersetzen, und das Fideicommiß an anderen Gütern
in dem nemlichen Betrag herzustellen.
[2, 13, § 8] 155. Doch erstrecket sich die
Unveräußerlichkeit des Fideicommißguts selbst keineswegs auf die davon
abfallende Früchten und Nutzungen, sondern, wo der Fideicommißinhaber den
vollen Genuß hat, ist er auch für die Zeit seiner Inhabung befugt darmit, so
viele hieran ohne Schmälerung des Fideicommisses behoben werden mögen, als mit
seinem freieigenen Gut zu schalten und zu walten, solche zu verpfänden, zu
verschreiben, und an Andere zu überlassen, deren Recht aber mit Erlöschung des
Rechts des Inhabers gänzlich erlöschet.
[2, 13, § 8] 156. Ein Gleiches hat bei denen in öffentlichen
Fundis, oder anderstwo angelegten Geldern statt, welche, so lange die ihnen
beigelegte Eigenschaft eines Fideicommisses denen öffentlichen Fundis, oder
Privatschuldnern, bei denen sie anliegen, nicht gehöriger Maßen erinneret
worden, sicher hinausbezahlet, und an Andere übertragen werden können. Sobald
aber diese Erinnerung geschehen, können solche ohne Unserer höchsten
Einwilligung nicht mehr erhoben, noch weniger an Andere übertragen werden.
[2, 13, § 8] 157. Dem Schuldner bleibet jedoch in alle Wege
frei, das Capital aufzukünden, und sich von der Schuld zu entledigen, in
welchem Fall der Fideicommißinhaber in der Zeit das Ort, wo er solches wiederum
sicher anlegen wolle, anzuzeigen, und Unsere höchste Einwilligung hierüber
einzuholen hat, in deren Ermanglung der Schuldner sich von der Schuld nicht
anderst, als durch deren gerichtlichen Erlag befreien mag, gleichwie dann die
Schuldbriefe allemal bei Gericht wohlverwahrlich aufbehalten werden sollen.
[2, 13, § 8] 158. Dahingegen kann ein jeweiliger
Fideicommißinhaber mit denen von derlei Fideicommißgeldern abfallenden Zinsen,
wann er solche nach der fideicommissarischen Anordnung zu beziehen hat, für die
Zeit seiner Inhabung als mit seinem freieigenen Gut nach Gefallen schalten und
walten.
[2, 13, § 8] 159. Bewegliche Sachen können zwar mit der
Eigenschaft eines Fideicommisses solchergestalten nicht behaftet werden, daß
ein Dritter, der solche mit gutem Glauben, und ohne diese Eigenschaft zu wissen
an sich gebracht, deshalben angefochten werden möge; doch bleibet der
Veräußerer allemal in der Verbindlichkeit den durch die Veräußerung derlei
Sachen dem Fideicommiß zugefügten Schaden in vollem Werth aus seinen
anderweiten Mitteln zu ersetzen.
[2, 13, § 8] 160. Um damit nun über den Betrag des Werths
solcher veräußerten zum Fideicommiß gehörigen Fahrnissen aller Stritt
vermieden, und ein dritter Besitzer mit gutem Glauben deswegen nicht behelligt
werde, so verordnen Wir gnädigst, daß je und allezeit in Fällen, wo Fahrnisse
zum Fideicommiß gewidmet werden, dieselben noch vor deren Ausantwortung an den
berufenen Erben gerichtlich geschätzet, und deren geschätzter Werth in dem
Inventario zugleich eingetragen werden solle, auf daß in dem Fall, wo sich
solche bei Abtretung des Fideicommisses an den weiteren Nachberufenen nicht
vorfinden würden, sogleich verläßlich wissend sein könne, was dafür aus dem
freieigenen Gut des Vorfahrers dem Fideicommiß zu ersetzen seie; es könnte dann
erwiesen werden, daß selbe ohne Gefährde und Schuld des Vorfahrers zu Grund
gegangen, oder durch den Gebrauch abgenutzet worden.
[2, 13, § 8] 161. Was immer aber für Fälle sich ergeben
mögen, worinnen die Beschwerung, oder Veräußerung eines Fideicommisses
nothwendig, oder nutzlich zu sein anscheinet, so solle jedesmal Unsere höchste
Einwilligung darzu angesuchet, und hierbei Folgendes beobachtet werden:
[2, 13, § 8] 162. Erstens, daß die unausweichliche
Nothdurft, oder der augenscheinliche
(2-244) Nutzen des Fideicommisses dargezeiget werde,
wessentwegen dessen Beschwerung, oder Veräußerung erforderlich, oder
vorträglich seie.
[2, 13, § 8] 163. Die Nothdurft zur zeitlichen Beschwerung
kann damals fürwalten, wann der Wirthschaftstrieb des Fideicommißguts durch
Zufälle, als durch gänzlichen Mißwachs, allgemeinen Viehunfall, große
Feuersbrünsten, Ueberschwemmungen, Wetterschäden, feindliche Verheerungen, und
dergleichen dergestalten zerrüttet worden, daß dessen Wiederherstellung aus den
eigenen Kräften des Fideicommisses nicht erschwungen werden mag, oder wann in
gemeinwesigem Nothstand das Wohl des Staats außerordentliche Anlagen, oder
Darlehen von den Besitzern liegender Güter erheischet, welche aus den
Einkünften des Fideicommisses nicht füglich bestritten werden könnten.
[2, 13, § 8] 164. Der Nutzen muß in einer offenbaren
Verbesserung des Fideicommisses bestehen, als da ein minder erträgliches
Fideicommißgut gegen ein anderes anständiges, und besser benutzt werden
mögendes Gut vertauschet, oder gegen dessen Ankaufung verkaufet, oder ein von
dem Fideicommißgut abgekommenes nutzbares Stuck wiederum eingelöset, oder
Fideicommißgelder zu Anschaffung eines liegenden Guts verwendet, oder dagegen
ein liegendes Fideicommißgut in ein Fideicommißcapital mit Nutzen verwandlet
werden wolle, welchen Falls das eingetauschte, oder verwandlete allemal die
Eigenschaft Desjenigen auf sich nimmt, was dagegen von dem Fideicommiß
veräußert worden.
[2, 13, § 8] 165. Wir wollen aber den Fall der Nothdurft bei
geschlechtlichen Trau- oder Stammgütern noch weiters auch auf die Versicherung
des Heiratsbriefs und darin enthaltener mäßiger Gegenverschreibungen für die
Ehegattinnen jeweiliger Fideicommißinhaberen dergestalten erstrecket haben,
daß, wo der Stifter des Fideicommisses dieserwegen keine Vorsehung gemacht, und
dem Fideicommißinhaber es an einem freieigenen Gut gebrechete, um hierauf den
Heiratsbrief versicheren zu können, demselben verstattet sein solle, um Unsere
höchste Einwilligung anzulangen, solchen auf dem Fideicommiß versicheren zu
dürfen.
[2, 13, § 8] 166. Doch solle in diesem Fall das Fideicommiß
nur zur Aushilfe insoweit haften, daß, was aus dem über kurz oder lang
erwerbenden, oder ererbenden freieigenem Gut des Fideicommißinhabers nicht
erholet werden kann, von dem Fideicommiß genommen werden möge.
[2, 13, § 8] 167. Zu welchem Ende das Gericht von amtswegen
den Bedacht dahin zu nehmen hat, daß diese Haftung auf des Fideicommißinhabers
etwan schon damals habenden, oder nachher erwerbenden freieigenem Gut da, wo es
nöthig, vorgemerket, und andurch das Fideicommiß sichergestellet werde, doch
ohne Schaden und Nachtheil sowohl Derjenigen, welche an einem solchen
freieigenen Gut schon vorher ein früheres Recht mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern erworben haben, als auch der auf dem Fideicommiß versicherten
Ehegattin, wann die vorangeordnete Vorsicht von Gericht aus anzuwenden
unterlassen worden.
[2, 13, § 8] 168. Zweitens, daß der angebliche Fall der
Nothwendigkeit, oder des Nutzens, welcher von dem Fideicommißinhaber
vorgeschützet wird, durch die Gehörde verläßlich untersuchet, und Uns der
Befund angezeiget werde.
[2, 13, § 8] 169. Drittens, daß alle Fideicommißanwartere
hierüber vernommen, und bei geschlechtlichen Trau- oder Stammgütern der
künftigen Nachkommenschaft zu ihrer Vertretung ein Curator bestellet werde, welcher
ihr dabei unterwaltendes Recht in acht zu nehmen hat.
[2, 13, § 8] 170. Viertens, daß die Beschwerung, oder
Veräußerung des Fideicommisses nur in derjenigen Maß, wie solche von Uns
verstattet worden, und nicht weiter bei Strafe der Nichtigkeit dessen, was
übermäßig ist, zugelassen, und die von Uns ausgemessene Wiederbefreiungs- oder
Ergänzungsfristen ohnfehlbar eingehalten, worauf die Gehörde von amtswegen
fürdenken solle.
[2, 13, § 8] 171. Würde aber die Wiederbefreiung, oder
Ergänzung des Fideicommisses
(2-245) in den vorgeschriebenen Fristen nicht befolget
werden, so solle die Gehörde längstens in drei Monaten nach der Verfallzeit
einer solchen Frist die Einkünften des Fideicommisses in gerichtlichen Beschlag
nehmen, und darmit so lange fortfahren, bis die verfallene Fristen gänzlich
getilget worden.
[2, 13, § 8] 172. Und da sich ereignete, daß der
Fideicommißinhaber vor Tilgung der Zeit seiner Inhabung verfallenen Fristen
verstürbe, kann zwar dieses denen auf dem Fideicommiß mit Unserer höchsten Einwilligung
versicherten Glaubigern zu keinem Nachtheil gereichen.
[2, 13, § 8] 173. Der Nachfolger an dem Fideicommiß aber hat
Fug und Macht sich an des Vorfahrers hinterlassenem wo
immer befindlichen freieigenen Gut für denjenigen Betrag zu halten, welchen
derselbe für die Zeit seiner Inhabung abzuführen schuldig gewesen wäre. Er
hätte dann von Uns eine weitere Nachsicht und Erstreckung der Fristen
ausgewirket, oder es wäre erweislich, daß er durch Zufälle die Fristen
einzuhalten verhinderet worden.
[2, 13, § 8] 174. Die Unveräußerlichkeit eines
Fideicommißgutes währet so lange, als dasselbe mit der
Eigenschaft eines Fideicommisses behaftet ist. Sobald aber diese aufhöret, es
seie, daß die Bedingniß der weiteren Nachberufung ermangle, oder der einzige
Nachberufene vor dem Erblasser verstorben, oder bei geschlechtlichen Traugütern
alle Nachberufenen ausgestorben, so hat der letzte Fideicommißinhaber vollen
Fug und Macht sowohl durch lebzeitige als letztwillige Anordnungen hierüber
nach Gefallen zu ordnen.
§. IX.
[2, 13, § 9] 175. An Seiten des nachberufenen Erben sind die
Wirkungen der vertraulichen Erbsnachberufung nach dreierlei Zeitpunkten zu
unterscheiden, als: Erstens zur Zeit der Anwartung, zweitens zur Zeit der
Nachfolge, drittens zur Zeit der Inhabung.
[2, 13, § 9] 176. Die Anwartung fängt gleich nach Absterben
des Erblassers an, und dauert die ganze Zwischenzeit bis zur wirklichen
Nachfolge in dem Fideicommiß fort, also daß nach dem Tod des Erblassers aus
einer vertraulichen Erbsnachberufung der Erbanfall nicht weniger auf den
nachberufenen Erben, als aus einer mit beigefügter gewissen Zeit gemachten
Erbseinsetzung auf den eingesetzten Erben gehe, obschon Einer so wenig, als der
Andere die Erbschaft vor der gesetzten Zeit forderen mag.
[2, 13, § 9] 177. Der Erbanfall wirket aber so viel, daß, wo
der Nachberufene vor der Zeit der Nachfolge, oder der wirklichen
Zuruckstellung, doch nach dem Erblasser verstürbe, derselbe das ihme aus der
vertraulichen Erbsnachberufung gebührende Erbrecht auf seine Erben übertrage.
[2, 13, § 9] 178. Dieser Uebergang auf die Erben des
Nachberufenen wird jedoch auf zweierlei Art verhinderet, als da entweder die
Nachberufung unter einer beigesetzten Bedingniß geschehen, vor deren Ausgang
der Nachberufene kein Recht hat, welches er auf seine Erben übertragen könnte,
oder da der Erblasser ausdrücklich ein Anderes geordnet hätte, es seie, daß er
die Erben des Nachberufenen namentlich ausgeschlossen, oder mehrere Grade der
Nachberufung gemacht habe.
(2-246) [2, 13, § 9] 179. Dann, wo Mehrere nacheinander
nachberufen worden, ist der Wille des Erblassers, daß nur Jene, welche berufen
worden, zu dem Fideicommiß gelangen, ihre Erben aber ausgeschlossen bleiben,
wann sie nicht mitberufen sind.
[2, 13, § 9] 180. Wann dahero ein Nachberufener vor Erfolg
der Bedingniß, oder von mehreren nacheinander Nachberufenen Jener, der zur
Nachfolge der Nächste wäre, vor der Zeit der wirklichen Nachfolge verstirbt,
erlöschet die vertrauliche Nachberufung in seiner Person, ohne daß auf seine
Erben ein Erbrecht übertragen würde.
[2, 13, § 9] 181. Indessen hat jegleichwohlen der unter
einer Bedingniß Nachberufene, oder welcher unter mehreren Nachberufenen der
Nächste ist, ein bedingtes Recht zu dem Fideicommiß also, daß er nicht weniger,
wie ein jedweder anderer Nachberufener, auf den aus einer unbedingten
Nachberufung der Erbanfall gegangen, Fug und Macht habe, Alles, was die
Erhaltung und Sicherstellung des Fideicommisses erforderet, anzukehren.
[2, 13, § 9] 182. Es ist demnach ein jeder Anwarter
berechtiget, nicht nur auf die Gebarung des Inhabers acht zu tragen, und allen
Schaden und Nachtheil durch Schmälerung, Abödung, oder Veräußerung des
Fideicommisses vorzukommen, sondern auch, wo ein Schaden geschehen wäre, auf
dessen Ersatz und Wiederherstellung des Fideicommisses in den vorigen Stand
anzudringen.
[2, 13, § 9] 183. Wo aber eine so üble Verwaltung des
Fideicommißinhabers erweislich wäre, daß selbes Gefahr liefe, merklich
geschmäleret und verkürzet zu werden, stehet dem Anwarter frei, solche bei
Gericht anzuzeigen, welches nach vorläufiger Untersuchung der Sache nicht
allein den Inhaber zum Ersatz des erweislich zugefügten Schadens zu verhalten,
sondern auch ihme bei befundener Gefahr die Verwaltung zu benehmen, und sie
einem über das Fideicommiß eigends bestellenden Curatori unter der Verrechnung
aufzutragen, dem Inhaber aber lediglich die abfallenden Einkünften für die Zeit
seiner Inhabung zu verabfolgen hat.
[2, 13, § 9] 184. Wann jedoch der Inhaber der gerichtlichen
Auflage des zu leisten habenden Ersatzes kein Genügen leisten wollte oder
könnte, so sind auch die Einkünften für die Zeit seines Besitzes so lange
zuruckzuhalten, und darzu anzuwenden, bis daß hiervon das Fideicommiß völlig
entschädiget worden.
[2, 13, § 9] 185. Da aber der Fideicommißinhaber von dem
Fideicommiß etwas veräußerete, was schon vorhin mit dieser Eigenschaft
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich behaftet wäre, hat der Anwarter die
Befugniß solches von einem jedweden dritten Besitzer unentgeltlich
zuruckzuforderen, und wo er es behauptete, auch noch vor Erfolg der Zeit, auf
welche er zu dem Fideicommiß berufen worden, sogleich für sich selbst zu
genießen.
[2, 13, § 9] 186. Dahingegen, wo von dem Inhaber etwas, es
seie an Fahrnissen, oder an liegenden Gütern, was zwar zum Fideicommiß
gewidmet, doch aber zur Zeit mit dieser Eigenschaft landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich nicht behaftet wäre, veräußert worden, kann zwar der Anwarter
deshalben wider einen dritten Besitzer keine Forderung stellen, wann
seinerseits keine Gefährde unterwaltet.
[2, 13, § 9] 187. Er hat aber Fug und Macht, den Veräußerer
zur Wiederherstellung des Fideicommisses, oder zum Erlag des Vollwerths
anzuhalten, und sogleich in den Genuß des wieder beigebrachten Guts, oder
erlegten Werths, welcher als ein Fideicommißgeld anzusehen werden solle,
einzutreten, dessen der Inhaber zur Strafe billig zu entsetzen, und nebst deme
alle auf die Wiederergänzung des Fideicommisses erweislich aufgewendete Schäden
und Unkosten zu vergüten schuldig ist.
[2, 13, § 9] 188. Das Nemliche hat auch in dem Fall statt,
wann der Anwarter selbst etwas dergleichen, was von dem Fideicommiß veräußeret
worden, zu dessen Wiederergänzung von einem Dritten einlösete, in welchem Fall
er nicht allein den Genuß des Wiedereingelösten in der Eigenschaft eines
Fideicommisses für sich behält, sondern auch den Veräußerer oder dessen Erben
um den Ersatz des erweislich ausgelegten Werths zu belangen berechtiget ist.
(2-247) [2, 13, § 9] 189. Ueber das hat eine unbedingte
vertrauliche Erbsnachberufung, oder auch eine anfangs bedingte nach Erfolg der
Bedingniß die Wirkung, daß sie allemal eine gemeine After-Erbseinsetzung auf
dem Fall, wann der zuerst Eingesetzte nicht Erb sein will oder kann,
stillschweigend in sich begriffe, woraus der Nachberufene auch damals, wann die
Erbseinsetzung wegen nicht angetretener Erbschaft unwirksam wird, zu dem ihme
beschiedenen Gut gelanget.
[2, 13, § 9] 190. Wo aber der erste Eingesetzte zur
Erbschaft gelanget, und die von dem Erblasser bestimmte Zeit der Zuruckstellung
an den Nachberufenen herangekommen, so ist zu unterscheiden, ob der erste
Eingesetzte noch in dem Besitz des Fideicommisses befindlich seie oder nicht.
[2, 13, § 9] 191. Ersteren Falls gebühret dem Nachberufenen
die aus der fideicommissarischen Anordnung, sie bestehe in einem letztwilligen
Geschäft oder einer lebzeitigen Verschreibung, entspringende Rechtsforderung
wider den Inhaber zur Zuruckstellung des Fideicommisses in derjenigen Maß, wie
es der Stifter desselben angeordnet hat, mit allen seinen Zugängen,
Zugehörungen, und von der Zeit der zu befolgen gehabten Zuruckstellung davon
behobenen Früchten und Nutzungen.
[2, 13, § 9] 192. Letzteren Falls aber, wo das Fideicommiß
durch Abgang des Vorfahrers erledigt ist, bedarf es keiner Rechtsforderung,
sondern der Nächstberufene, wann er das ihme hierzu gebührende Nachfolgrecht
gehörig erweiset, kann solches selbst gerichtlich antreten, und da etwas davon
in Handen der Erben des Vorfahrers befindlich wäre, dieselben zu getreulicher
Ausfolgung alles dessen, was nach Ausweis des Inventarii zum Fideicommiß
gehöret, verhalten.
[2, 13, § 9] 193. Nach diesem Inventario ist allemal die
Absönderung des Fideicommisses von dem freieigenen Gut des Vorfahrers
vorzunehmen, und was von dem Fideicommiß erweislich abgehet,
sind die Erben des Vorfahrers aus dessen freieigenen Gut anwiederum dahin zu
ersetzen schuldig.
[2, 13, § 9] 194. Was aber bei einem Auflauf der Glaubiger
über die Verlassenschaft des Vorfahrers der Forderung des
Fideicommißnachfolgers wegen verwendeten oder verkürzten Fideicommißguts für
ein Vorrecht an dem freieigenen Gut des Vorfahrers zustehe, wird nach dem
Unterschied, ob das anforderende Fideicommißgut in der Verlassenschaft noch
wirklich vorhanden oder schon verthan seie, in dem vierten Theil bei der Gant-
oder Crida-Ordnung bestimmet werden.
[2, 13, § 9] 195. Nach überkommenen und angetretenen
Fideicommiß gehen auch in der Maß Desjenigen, was ihme von der Erbschaft aus
der vertraulichen Erbsnachberufung zugekommen, alle Erbsforderungen und
Erbslasten auf den nachberufenen Erben, und da dieser von dem Erblasser zur
weiteren Zuruckstellung nicht verhalten worden, oder von weiteren Nachberufenen
keiner mehr vorhanden, sondern derselbe der letzte Berufene wäre, kann er
darmit ebenso, als mit seinem freieigenen Gut schalten und walten.
[2, 13, § 9] 196. In Gegentheil, wo derselbe zur weiteren
Zuruckstellung verbunden und mehrere Grade der Nachberufung gemacht worden
wären, die noch nicht erloschen sind, ist er für einen vertraulichen Erben
anzusehen, und sowohl seine Befugniß als Verbindlichkeit nach deme abgemessen,
was davon in dem gleich vorhergehenden §. VIII geordnet worden.
§. X.
[2, 13, § 10] 197. Wann vertrauliche, in mehreren Graden
bestehende Nachberufungen die Erhaltung eines Geschlechts zum Endzweck haben, heißet ein solches Fideicommiß
(2-248) eigentlich ein geschlechtliches Trau- oder Stammgut,
weilen die Absicht des Stifters dahin abzielet, daß sein Gut immerfort bei
seinem Geschlecht verbleiben solle.
[2, 13, § 10] 198. Derlei geschlechtliche Traugüter bestehen
insgemein in liegenden Gütern, welchen aber diese Eigenschaft nicht anderst,
als mit Unserer höchsten Einwilligung beigeleget werden kann, und solle bei
deren Errichtung Alles beobachtet werden, was oben in §. VI bei denen auf
mehrere Grade gerichteten vertraulichen Nachberufungen vorgeschrieben worden.
[2, 13, § 10] 199. Diese Unsere Einwilligung muß entweder
von dem Stifter eines geschlechtlichen Trauguts noch bei Lebszeiten angesuchet,
oder wenigstens von ihme der eingesetzte Erb in seinem letzten Willen zu deren
Auswirkung verbunden werden. Wo aber der Erb dieser Auflage kein Genügen
leisten wollte, kann zwar derselbe von den Nachberufenen hierzu verhalten
werden, oder sie auch selbst hierum einkommen; doch hanget es allemal von
Unserer Willkür ab, solche nach
(2-249) Gestalt der Sachen zu ertheilen oder abzuschlagen,
ohne daß vor deren Erfolg den Nachberufenen das mindeste Recht gebührete.
[2, 13, § 10] 200. Würde nun solchen Falls Unsere
Einwilligung versaget, so kommt es darauf an, ob der Erblasser die Grade der
Nachberufung, oder die Ordnung der Nachfolge bereits selbst gemacht, oder deren
Einrichtung dem eingesetzten Erben überlassen habe.
[2, 13, § 10] 201. Ersteren Falls bestehet auch in Abgang
Unserer Einwilligung die fideicommissarische Anordnung gleichwohlen noch in
einem Grad, welcher zunächst zur Wirkung kommt, dahingegen dieselbe in dem
letzteren Fall für nicht geordnet zu halten ist, und der eingesetzte Erb hat
die Macht, mit dem zum Fideicommiß gewidmeten Gut als mit seinem freieigenen
Gut zu schalten und zu walten.
[2, 13, § 10] 202. Es muß ferners das errichten wollende
geschlechtliche Traugut des Stifters freieigenes Gut, und niemand Anderen mit
Haftungen und anderen hieran gebührenden Forderungen verfangen sein; maßen Wir
keineswegs gemeinet sein, durch Unsere Einwilligung Jemanden an seinem habenden
Recht zu verkürzen.
[2, 13, § 10] 203. In Gegentheil solle Jedermänniglich
ohnerachtet Unserer Einwilligung zu Errichtung eines Fideicommisses freistehen,
seine an dem hierzu gewidmeten Gut gebührende Rechten und Ansprüche nach wie
vor auszuführen und zu betreiben.
[2, 13, § 10] 204. Und da es sich ergebete, daß dieses Gut,
es seie wegen des einem Dritten hierauf zustehenden Rechts, oder wegen des
verkürzten Pflichttheils nothwendiger Erben, oder auch Schulden halber, wann
die übrige Verlassenschaft zu deren Abstattung nicht zureichend wäre,
veräußeret werden müßte, so von dem Kaufschilling so vieles, als hieran nach
Abstoßung der Forderungen erübriget würde, zu einem Fideiecommiß-Capital sicher
anzulegen.
[2, 13, § 10] 205. Die Ordnung der Nachfolge in
geschlechtlichen Traugütern kann ein jeder Stifter derselben nach eigener
Willkür bestimmen, doch solle solche allemal bei Ansuchung Unserer Einwilligung
zugleich zu Unserer Bestätigung mit angezeiget werden.
[2, 13, § 10] 206. Der Stifter ist hierinnen keinerdings an
die von Uns in freieigenen Gütern vorgeschriebene gemeine Ordnung der Erbfolge
gebunden, sondern, nachdeme er den Pflichttheil seinen nothwendigen Erben ohne
Verkürzung ausgewiesen, kann derselbe zu seinem übrigen Vermögen, wen er immer
wolle, berufen, und in eben derjenigen Ordnung, in welcher Einer nach dem
Anderen gesetzt und berufen wird, folgt auch Einer dem Anderen nach.
[2, 13, § 10] 207. Insgemein sind dreierlei Arten der
Nachfolge bei geschlechtlichen Traugütern gebräuchlich, als entweder nach der
Ordnung der Erstgeburt, oder nach dem Alter von Jahren, oder endlich nach der
näheren Verwandtschaft.
[2, 13, § 10] 208. Jedwede dieser drei Arten hat ihre
besondere hiernach erklärende Maßregeln, wornach sich in der Ordnung der
Nachfolge zu richten ist, ohne daß jedoch der Stifter beschränket wäre, sich
lediglich an diese Arten zu halten, sondern derselbe kann die Ordnung der
Nachfolge auf was immer für eine ihme gefällige Weise bestimmen, und ist
hierinnfalls bloß allein dem buchstäblichen Inhalt der fideicommissarischen
Anordnung nachzugehen.
[2, 13, § 10] 209. Wo der Stifter eines geschlechtlichen
Trauguts die Nachfolge nach der Ordnung der Erstgeburt festgesetzet hat, gehet
dieselbe von dem Erstgebornen auf den von ihme absteigenden Erstgeborenen und
so weiter in der Reihe oder Linie des zunächst berufenen Erstgebornen
ohnunterbrochen fort, solange einer von männlichen Stammen in dieser Reihe
vorhanden ist.
[2, 13, § 10] 210. Wann demnach der berufene Erstgeborne vor
oder nach erlangtem Besitz des Fideicommisses verstirbt, und männliche
Leibeserben hinterläßt, schließen dieselben je und allezeit aus dem der Linie
des Erstgebornen zustehenden Vorrecht ihres Vaters Bruder aus, dessen Reihe
oder Linie nicht ehender zur
(2-250) Nachfolge gelangen kann, als bis die männliche Linie
des Erstgebornen völlig erloschen ist.
[2, 13, § 10] 211. Stirbt hingegen der Inhaber eines nach
Ordnung der Erstgeburt errichteten geschlechtlichen Trauguts ohne männlichen
Leibeserben, so tritt diejenige Reihe oder Linie ein, welche nach der
erloschenen die nächste ist, und wer in dieser der Erstgeborne männlichen
Stammes ist, kommt zur Nachfolge, also daß in der zunächst eintretenden Linie
weder auf den näheren Grad, noch auf das Alter von Jahren, sondern einzig und
allein auf das Vorrecht der Geburt und das aus solchem sich auf alle
Absteigende fort und fort erstreckende Vorstellungsrecht gesehen werden solle.
[2, 13, § 10] 212. Um aber die nächste Linie auszufinden,
ist nicht allemal nöthig, auf den gemeinen Stammvater zuruckzugehen, wann sich
unter demselben mehrere Nebenlinien untertheilen, sondern es solle nach Ausgang
einer Linie in der Stammtafel von dem letztverstorbenen Inhaber zuruck hinaufgeschritten
werden, bis daß man auf den nächsten Aufsteigenden gelange, von deme die
Untertheilung der Hauptlinie anfängt, und welche von denen Nebenlinien der
erloschenen Hauptlinie nach dem Vorrecht der Geburt die nächste ist, hat auch
das nächste Recht zur Nachfolge.
[2, 13, § 10] 213. Wann alle männliche Abkömmlinge des
Stifters eines geschlechtlichen Trauguts ausgegangen, und von ihme auf diesen
Fall keine andere Vorsehung gemacht worden wäre, gebühret dessen etwan noch
vorhandenen Aufsteigenden oder Seitenverwandten von seinem Namen und Stammen
kein Recht zur Nachfolge, woferne sie von ihme nicht ausdrücklich berufen
worden, sondern nach dem letzten Inhaber aus den Absteigenden des Stifters
tritt die rechtliche Erbfolge ein, wann dieser darmit nicht anderst geordnet
hätte.
[2, 13, § 10] 214. Wäre aber von dem Stifter auf dem Fall
seiner ausgehenden männlichen Nachkommen seine Seitenverwandtschaft oder auch
ein anderes Geschlecht berufen worden, so solle nicht weniger in der Linie des
Nachberufenen eben also die Ordnung der Erstgeburt, wie bei seiner eigenen
Nachkommenschaft statt haben, wann der Stifter keine andere Art der Nachfolge
vorgeschrieben hätte.
[2, 13, § 10] 215. Dahingegen ist Niemand zur Nachfolge in
einem geschlechtlichen Traugut zuzulassen, der nicht ausdrücklich darzu berufen
worden, oder doch von der berufenen Linie abstammet, obschon derselbe übrigens
von eben diesem Geschlecht, und mit dem Stifter oder mit dem letzten Inhaber
noch so nahe verwandt wäre.
[2, 13, § 10] 216. Die zweite Art der Nachfolge nach dem
Alter in Jahren ist der ersteren schnurgrad entgegen gesetzet, und da der
Stifter eines geschlechtlichen Trauguts also geordnet hätte, daß darinnen je
und allezeit der Aelteste von dem Geschlecht nachfolgen solle, wird weder auf die
nähere Linie, noch auf den näheren Grad der Verwandtschaft gesehen, sondern wer
zur Zeit des erledigten Fideicommisses von dem Geschlecht der Aelteste in
Jahren ist, kommt darinnen zur Nachfolge.
[2, 13, § 10] 217. Es hat solchemnach bei diesen Fideicommissen
die Regel nicht statt, daß die Nachfolge fortan bei der eingetretenen Linie
fürwähre, und so lange Jemand von dieser Linie übrig ist, die anderen Linien
ausgeschlossen bleiben, sondern das Recht zur Nachfolge gehet immerda von einer
Linie zur anderen auf Jenen, welcher der Aelteste in Jahren ist, in was immer
für einer Linie sich derselbe befinde, wann nur seine Linie in der
fideicommissarischen Anordnung mit enthalten ist.
[2, 13, § 10] 218. Noch weniger kann in derlei
Fideicommissen ein Vorstellungsrecht unter denen Absteigenden Platz greifen,
wann selbe gleich von dem Aeltesten abstammeten, sondern das alleinige Alter in
Jahren, und der einzige Zeitpunkt der früheren Geburt wirket das Vorrecht zur
Nachfolge, welches sich an keinen Vorzug der Linie, oder eines näheren Grads
bindet.
[2, 13, § 10] 219. Endlich da der Stifter eines
geschlechtlichen Trauguts, ohne Jemanden
(2-251) insonderheit zu benennen, je und allezeit den
Nächsten von der Verwandtschaft seines Namens und Stammes darzu berufen hätte,
kommt Jener zur Nachfolge, welcher von männlichen Stammen nach Ordnung der
gemeinen Erbfolge dem letztverstorbenen Inhaber der Nächste ist, wann jedoch
dieser von dem Geschlecht ware.
[2, 13, § 10] 220. Widrigens, und da der Erblasser Jemanden,
der nicht von dem Mannsstammen seines Geschlechts wäre, vorgesetzet, und nach
ihme den Nächsten von seiner Verwandtschaft berufen hätte, ist darauf zu sehen,
welcher dem Erblasser zum nächsten verwandt seie, und wer von dem Mannsstammen
ihme zur Zeit seines Absterbens zum nächsten verwandt ware, dieser hat auch das
nächste Recht zur Nachfolge.
[2, 13, § 10] 221. Wann mehrere von Mannsstammen in gleichen
Grad zusammentreffen, und von dem Erblasser der Vertheilung des Fideicommisses
durch eine anderweite Vorsehung nicht vorgebogen worden, kommen auch diese
zugleich zur Nachfolge, und hat solchen Falls bei der Nachfolge in
geschlechtlichen Traugütern das Vorstellungsrecht, kraft wessen die
Absteigenden an die Stelle ihrer verstorbenen Eltern eintreten, in eben
derjenigen Maß statt, in welcher solches bei gemeinen Erbfolgen eingeführet
ist, wornach also die Nachfolge in die Stämme, und nicht in die Häupter gehet.
[2, 13, § 10] 222. In geschlechtlichen Traugütern gelangen
nur die Verwandten nach dem männlichen Stammen zur Nachfolge, und zwar nach
derjenigen Ordnung, in der sie von dem Stifter hierzu berufen worden, ohne daß
dabei zwischen Vollbürtigen von einerlei Vater und Mutter, und denen
Einbürtigen von dem Vater allein ein Unterschied fürwalte, sondern es ist bloß
auf die Verwandtschaft nach dem Mannsstammen zu sehen, worzu das mütterliche
Band nichts beiträgt.
[2, 13, § 10] 223. Welche hingegen nach dem weiblichen
Stammen verwandt sind, und um so mehr die Weiber
selbst, und ihre sowohl männliche als weibliche Absteigende haben in derlei
Gütern kein Recht zur Nachfolge, wann sie nicht ausdrücklich darzu berufen
worden.
[2, 13, § 10] 224. Wo sie aber der Stifter nach Ausgang des
Mannsstammes mittelst mehrerer Graden berufen hätte, ohne daß in Ansehung ihrer
von demselben eine gewisse Art der Nachfolge vorgeschrieben worden wäre, folgen
sie in der nemlichen Ordnung, welche derselbe für seine männliche
Nachkommenschaft festgesetzet hat, und überhaupt ist die in den vorhergehenden
Graden der Nachberufung bestimmte Ordnung der Nachfolge auch die Richtschnur
für alle Nachgesetzte, wann der Stifter keine andere ausgedrucket hat.
[2, 13, § 10] 225. Doch bleiben die Weiber und ihre
Nachkommen außer deren namentlicher Nachberufung von der Nachfolge in
geschlechtlichen Traugütern nur insolange ausgeschlossen, als der berufene Mannsstammen fürwähret. Nach dessen Erlöschung
aber, und da weder der Stifter auf solchem Fall weitere Grade der Nachberufung
gemacht, noch der letzte Inhaber anderst darmit geordnet hätte, gehet auch ein
solches Gut in der Eigenschaft eines freieigenen Guts auf jene weibliche
Verwandte, welche dem letzten Inhaber nach Ordnung der gemeinen Erbfolge die
nächsten sind.
[2, 13, § 10] 226. Wer immer aber zu einem geschlechtlichen
Fideicommiß berufen ist, muß die Fähigkeit zur Nachfolge haben, widrigens ist
derselbe davon ausgeschlossen. Die Unfähigkeit rühret
entweder von unechter Geburt, oder von Erwählung eines mit der Absicht des
Stifters nicht vereinbarlichen Standes, oder von einem Verbrechen, oder von der
selbsteigenen Ausschließung des Stifters her, welche in der
fideicommissarischen Anordnung enthalten ist.
[2, 13, § 10] 227. Unehelich erzeugte Kinder, und ihre
obschon rechtmäßige Abkömmlinge sind, wie aller anderen Rechten der
Verwandtschaft, also auch der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern gänzlich
unfähig, welche aber durch die nachgefolgte
(2-251) Ehe rechtmäßig worden, werden nicht weniger zur
Nachfolge in Fideicommissen wie in freieigenen Gütern zugelassen.
[2, 13, § 10] 228. Es seie dann, daß der Stifter die außer
der Ehe geborne oder erzeugte Kinder, wann sie gleich durch die nachgefolgte
Ehe rechtmäßig würden, ausdrücklich von der Nachfolge in Fideicommiß
ausgeschlossen hätte, deren Ausschließung einem jeden Stifter geschlechtlicher
Traugüter zu Erhaltung der Reinigkeit seines Geschlechts zugelassen sein solle.
[2, 13, § 10] 229. In welchem Fall, und da Jemandes
Rechtmäßigkeit wegen früherer oder späterer Geburt in Zweifel gezogen würde,
sich nach denenjenigen Maßregeln zu richten ist, welche in ersten Theil in der
Abhandlung von dem Stand der Menschen vorgeschrieben worden.
[2, 13, § 10] 230. Wo aber auch unehelich erzeugte, und
nachhero ehelich gemachte Kinder von dem Stifter nicht ausgeschlossen würden,
so bleibt doch der Fall allemal ausgenommen, wann durch deren Zulassung das aus
der früheren ehelichen Geburt allschon erworbene Recht eines Anderen, ehelich
Erzeugten bekränket würde.
[2, 13, § 10] 231. Also da es um die Nachfolge in ein nach
Ordnung der Erstgeburt errichtetes Fideicommiß zu thun wäre, und zur Zeit der
Rechtmäßigung bereits vorhero ehelich erzeugte Söhne vorhanden sein würden,
kann der erst nachhero durch die darauf gefolgte anderte Ehe ehelich gemachte,
obschon vor jenen außer der Ehe früher erzeugte Sohn sich des Rechts der
Erstgeburt nicht anmaßen, sondern er muß allen seinen vor der Zeit seiner
Rechtmäßigung ehelich erzeugten Brüdern nachstehen, und kann nicht ehender zur
Nachfolge gelangen, als bis sie und ihre männliche Abkömmlinge erloschen sind.
[2, 13, § 10] 232. Gleichergestalten, wo die Nachfolge in
ein Fideicommiß nach dem Alter von Jahren festgesetzet wäre, haben alle
Diejenigen von dem Geschlecht, welche vor der Zeit seiner Rechtmäßigung
allschon ehelich geboren sind, vor seiner das Vorrecht zur Nachfolge, und kann
sein Alter, wann das Erbfolgerecht davon abhanget, nicht von der Zeit seiner
Geburt, sondern von der Zeit seiner Rechtmäßigung, um den Vorzug zur Nachfolge
vor Anderen zu haben, gerechnet werden.
[2, 13, § 10] 233. Jene unehelich Erzeugte hingegen, welche
Wir aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit für rechtmäßig erklären, bleiben
zur Nachfolge in Fideicommissen allzeit unfähig, wann Wir selbe nicht
ausdrücklich zugleich darzu fähig machen, und der Inhalt Unseres Gnadenbriefs
solches nicht wortdeutlich besaget.
[2, 13, § 10] 234. Belangend aber Diejenigen, welche aus
einer zwar an sich ungiltigen, jedoch entweder von beiden Theilen, oder
wenigstens von dem Vater mit guten Glauben für giltig gehaltenen Ehe erzeuget,
und insgemein ehelich und rechtmäßig zu sein vermeinet worden, diese sind nur
damals zur Nachfolge in das Fideicommiß fähig, wann sie bis zur Zeit der auf
sie gelangenden Nachfolge durch die allgemeine Vermuthung für ehelich und
rechtmäßig geachtet werden. Dahingegen woferne noch vor dieser Zeit die Giltigkeit
der Ehe, aus der sie erzeuget worden, angefochten, und solche nachher für
ungiltig erkennet würde, haben dieselben kein Recht zur Nachfolge.
[2, 13, § 10] 235. Wegen Erwählung eines mit der Absicht des
Stifters nicht vereinbarlichen Standes werden von der Nachfolge in
geschlechtlichen Traugütern Ordensgeistliche ausgeschlossen, welche durch
Ablegung feierlicher Ordensgelübden sich dem Klosterleben widmen, und andurch
der Welt absterben.
[2, 13, § 10] 236. Weltgeistliche in Gegentheil sind in eben
der Maß, wie alle andere Anverwandte weltlichen Standes zur Nachfolge in
geschlechtlichen Fideicommissen allerdings fähig, wann sie von dem Stifter
nicht besonders davon ausgeschlossen worden, welches zu thun ihme ohne
Widerrede freistehet.
[2, 13, § 10] 237. Uebrigens sind alle Andere, welche zur
Erbfolge in freieigenen Gütern unfähig sind, oder sich darzu durch Verbrechen
unwürdig machen, auch von der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern
ausgeschlossen.
(2-253) [2, 13, § 10] 238. Endlich können auch Jene darinnen
nicht zur Nachfolge gelangen, welche die von dem Stifter erforderte Eigenschaft
nicht haben, oder bei welchen die Bedingniß, unter welcher sie berufen worden,
ermanglet.
[2, 13, § 10] 239. Weme aber von den Berufenen weder die
allgemeine Ausschließung Unseres Gesatzes, noch die besondere Ausschließung
entgegen stehet, dieser ist zur Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern fähig,
und, da der Fideicommißanfall auf ihn gelanget, tritt derselbe in alle Rechten
eines Nachberufenen so wie in alle Verbindlichkeiten eines vertraulichen Erbens
ein, welche so eine als die anderen oben in §. VIII und IX beschrieben worden.
[2, 13, § 10] 240. Es hat demnach ein jeder Inhaber eines
geschlechtlichen Trauguts hieran nur ein beschränktes Eigenthum, welches ihme
zwar allen davon abfallenden Nutzen und Vortheil für die Zeit seiner Inhabung
zueignet, dahingegen keine beharrliche Belastung, Veräußerung oder Schmälerung
des Guts selbst gestattet.
[2, 13, § 10] 241. Alle für die Zeit der Inhabung
eingehobene Nutzungen gehören dahero dem Vorfahrer,
sowie dagegen alle zur Zeit des Anfalls noch hangende Früchten dem Nachfolger.
[2, 13, § 10] 242. Die Erben des Vorfahrers sind jedoch
allemal verbunden, dem Nachfolger bis zur Zeit der neuen Fechsung so vieles an
Wirthschaftserfordernissen beizulassen, als zu dem mittlerweiligen
Wirthschaftstrieb nach dem jedweden Orts üblichen Landesgebrauch, wie es oben
in ersten Capitel, §. VII, mit Mehreren ausgemessen worden, nöthig ist.
[2, 13, § 10] 243. Gleichwie aber solchergestalten der
antretende Inhaber die eingerichtete Wirthschaft erhalten, also können in
Gegentheil seine Erben bei Abtretung des Fideicommißguts von dem Nachfolger
wegen der zu dieser Zeit noch hangenden Früchten für den Samen, und andere auf
deren Erzeugung gemachte Auslagen keinen Ersatz anforderen.
[2, 13, § 10] 244. Bei ausständigen Zinsen, Pacht- und
Bestandgeldern, dann Frohndiensten oder Roboten, macht der Sterbtag des
Inhabers den Abschnitt, also daß so vieles, als hieran bis zu diesem Tag
verfallen ist, den Erben des Vorfahrers zu guten gehe, dahingegen der von
diesem Tag an laufende weitere Betrag dem Nachfolger allein gebühre.
[2, 13, § 10] 245. Hiervon sind aber die Erbgrundzinsen,
welche zur Anerkanntniß der Grundherrlichkeit abgereichet werden, wie nicht weniger
die Veränderungsgebühren und sogenannte Pfundgelder ausgenommen, maßen hierbei
lediglich auf deren Verfallzeit zu sehen ist, dergestalten, daß solche
keineswegs getheilet werden, sondern deme ganz zuzukommen haben, unter wessen
Besitz sie verfallen sind.
[2, 13, § 10] 246. Nicht weniger leidet obige Regel bei
Bestand-, Mieth- oder Pachtzinsen, für Aecker, Gärten, Weinberge, Wiesen,
Teiche und dergleichen Dinge, welche keinen steten Nutzen tagtäglich, sondern
nur zu einer gewissen Jahrszeit abwerfen, einen Abfall, wobei sich nur nach der
Fechsungs- und Einsammlungszeit zu richten ist, also daß Demjenigen der
ganzjährige Zins allein gebühret, unter wessen Besitz die Nutzungen, wofür der
Zins bezahlet wird, eingesammlet worden.
[2, 13, § 10] 247. Wann hingegen der Pacht- oder Bestandzins
für ein aus Dingen von beiderlei Art, welche theils von steter, theils nur von
einstweiliger Nutzung sind, bestehendes Ganzes überhaupt bedungen worden, ohne
die Stücke dabei besonders anzuschlagen, also daß wieviel an Zins für eine oder
die andere Gattung gebühre, sich nicht abnehmen lasse, solchen Falls hat es bei
der ersten Regel sein Bewenden, daß dieser Zins nach Maß der beiderseitigen
Besitzzeit getheilet werden solle.
[2, 13, § 10] 248. Aller von dem Fideicommißgut eingehender
Nutzen gebühret zwar dem Inhaber, insoweit als von dem Stifter keine
Einschränkung deswegen geschehen, doch hat sich derselbe in dessen Behebung
also zu betragen, daß er solchen nicht völlig erschöpfe, und dem Nachfolger das
leere Nachsehen lasse, sondern wie es einem
(2-254) guten Haushalter geziemet, das Fideicommiß in
jeweiligen gleich nutzbaren Stand erhalte.
[2, 13, § 10] 249. Was dahero von einem erschöpflichen
Nutzen ist, als Waldungen, Erzgruben, Steinbrüche und dergleichen, davon ist er
nicht befugt, sich ein Mehreres zuzueignen, als was nach dem ordentlichen
Wirthschaftstrieb in einem jedweden Jahrgang zur eigenen Nothdurft oder zum
Verkauf verwendet zu werden pfleget.
[2, 13, § 10] 250. Wo aber von ihme diese Maß überschritten
würde, hat all Uebriges, wo es noch vorhanden, bei dem Fideicommiß zu
verbleiben, oder da es schon verthan wäre, ist dessen Werth dem Nachfolger zu
ersetzen.
[2, 13, § 10] 251. Ein Gleiches ist von übermäßigen
Windbrüchen zu verstehen, welche der Fideicommißinhaber nur in derjenigen Maß
zu seinem Nutzen verwenden kann, als der jährliche Holzschlag beträgt. Was aber
diesen übersteiget, gehöret dem Nachfolger.
[2, 13, § 10] 252. Noch weniger aber kann ein
Fideicommißinhaber die zu dem Fideicommißgut sich ergebende Zugänge, welche
dasselbe vermehren und erträglicher machen, für sein freieigenes Gut ansehen,
sondern Alles, was auf solche Art dem Fideicommiß, es seie durch eigene
Mitwirkung des Inhabers, oder von Ohngefähr zuwächst, hat bei dem Fideicommiß
zu bleiben, obschon dem Inhaber der Nutzen davon zukommt.
[2, 13, § 10] 253. Die Erhaltung eines geschlechtlichen
Trauguts ist also die vorzügliche Schuldigkeit eines jedweden Inhabers, woraus
folget, daß die Erben des Vorfahrers keine wie immer Namen habende nothwendige
Auslagen, sie mögen auf die laufende Wirthschaftsausgaben, oder auf die
Beibehaltung Dach und Fachs oder auf die beharrliche Erhaltung des Guts selbst
verwendet worden sein, von dem Nachfolger zuruckforderen können, sondern ein
jeder Inhaber solche selbst zu tragen schuldig seie, wiewohlen insgemein bei
anderen zeitlichen Fideicommissen außer geschlechtlichen Traugütern nach der
oben §. VIII enthaltenen Ausmessung das Gegentheil statt hat.
[2, 13, § 10] 254. Wann dahero ein geschlechtliches Traugut
von einem Dritten ansprüchig gemacht wird, ist der jeweilige Inhaber die auf
den Rechtsstritt zu verwenden bemüßigte Kosten nicht weniger als jene Auslagen,
welche auf den Beweis des strittigen Erbfolgrechts, oder der in Anstand
gezogenen näheren Verwandtschaft aufgehen, ohne einigen Ersatz selbst zu
bestreiten schuldig.
[2, 13, § 10] 255. Dahingegen, wo der nächste Anwarter das
in Handen eines Dritten unter der Eigenschaft eines freieigenen Guts
befindliche Fideicommiß, oder einen darzu gehörigen Theil durch einen
Rechtsstritt auf seine Gefahr und Unkosten auszufechten bemüßiget gewesen wäre,
sind ihme billig die erweislich ausgelegte Kosten nach richterlicher Mäßigung
auf sein oder seiner Erben Anlagen von dem Betrag des Fideicommisses zu
ersetzen, obschon dasselbe durch diesen Abzug verminderet würde.
[2, 13, § 10] 256. Was aber die von einem Inhaber zu
Verbesserung des Fideicommisses gemachte nutzliche Auslagen anbelanget, woraus
dem Nachfolger ein mehrerer Nutzen zufließet, diese sind allerdings von dem
Nachfolger seinen Erben in derjenigen Maß zu vergüten, wie es oben in dritten
Capitel, §. III, in Ansehung eines Besitzers mit guten Glauben vorgeschrieben
worden, gleichwie dann auch ihnen allthunliche Absönderung lustbringender
Kosten nicht verwehret werden mag.
[2, 13, § 10] 257. Die geschlechtlichen Traugüter erlöschen
so wie alle andere Fideicommissen entweder mit dem Untergang der Sache, welche
mit dem Fideicommiß behaftet ist, oder mit Willen des Stifters, oder mit Abgang
der Nachberufenen oder mit ihrem Willen.
[2, 13, § 10] 258. Der Untergang der Sache muß sich
zufällig, oder doch ohne Gefährde und großer Schuld des Inhabers ergeben,
widrigens bleibet die Eigenschaft des Fideicommisses in dem Werth dessen, um
was dasselbe aus seiner Schuld
(2-255) verkürzet worden, haften, zu wessen Ersatz er
verbunden ist. Gehet aber ein Theil des Fideicommisses zufälliger Weise zu
Grund, so wird dasselbe nichtsdestoweniger in dem noch übrigen Theil erhalten.
[2, 13, § 10] 259. Aus dem Willen des Stifters erlöschet das
Fideicommiß durch seine Widerrufung, welche ihme bei letztwilligen Anordnungen
bis zu dem letzten Lebensabdruck freistehet, obschon er Unsere Einwilligung zu
Errichtung eines Fideicommisses bereits erwirket hätte; wo aber das Fideicommiß
in Lebzeiten durch eine ordentliche Verschreibung errichtet worden wäre, kann
dasselbe, wann sonst an Seiten des Stifters keine vorhergegangene
Verbindlichkeit unterwaltet, nur aus solchen Ursachen, welche nach Ausweis des
siebenten Capitels zur Aufhebung der Schankungen hinlänglich sind, widerrufen
werden.
[2, 13, § 10] 260. Nicht weniger ist das Fideicommiß mit
Willen des Stifters aufgehoben zu achten, wann die Bedingniß, unter welcher es
errichtet worden, ermanglet, oder die Zeit auf welche es gestiftet worden,
verflossen ist.
[2, 13, § 10] 261. An Seiten der Nachberufenen erlöschet das
Fideicommiß erstens, wann Alle ausgegangen und Niemand mehr vorhanden ist,
welcher darzu berufen wäre, welchen Falls der letzte Inhaber zwar bei
Lebzeiten, solange noch die Hoffnung eines nachgeboren werden mögenden
Anwarters anscheinet, zu dessen Erhaltung verbunden bleibt, auf den Todesfall
aber darmit nach Gefallen ordnen, und es auf seine Erben übertragen kann.
[2, 13, § 10] 262. Zweitens, durch Verzicht der
Nachberufenen, sie geschehe ausdrücklich oder stillschweigend mittelst
Einwilligung in eine Handlung, welche auf die Aufhebung des Fideicommisses
abzielet, wann zu einer solchen ausdrücklichen oder unter der Handlung
stillschweigend enthaltenen Verzicht Unsere höchste Bestätigung hinzutritt.
[2, 13, § 10] 263. Ohne dieser Unserer Bestätigung aber
stehet zwar jedwedem Anwarter frei, welcher großjährig ist, und die eigene
Verwaltung seines Vermögens hat, sich seines aus der fideicommissarischen
Anordnung angebührenden Rechts zu verzeihen und zu begeben, doch schadet eine
solche Verzicht nur ihme allein und niemanden Anderen, wann gleich dieser von
ihme abstammete.
[2, 13, § 10] 264. Dahingegen, darmit aus einer solchen
Verzicht oder Handlung auch alle in Hinkunft nachkommende Anwartere verbunden,
und von dem Recht zur Nachfolge ausgeschlossen, oder das Fideicommiß andurch
ganz oder zum Theil aufgehoben werden möge, hierzu ist allemal nach vorläufiger
Vertretung der Nachkommenschaft durch einen eigends derselben zu bestellen
habenden Curatoren Unsere höchste Einwilligung nothwendig, ohne dieser aber die
Verzicht oder Handlung denen Nachkommenden ganz und gar ohnnachtheilig.
[2, 13, § 10] 265. Drittens, durch die Veräußerung des
Fideicommisses, wann solche mit Genehmhaltung aller Anwarteren und des der
Nachkommenschaft zu bestellen habenden Curatoris, dann mit Beitretung Unserer
höchsten Einwilligung geschieht; woferne aber ein Fideicommißinhaber
eigenmächtig etwas davon veräußerete, wird derselbe über die Verbindlichkeit
das Fideicommiß wieder zu ergänzen zur Strafe des Genusses von Demjenigen
verlustig, was von ihme veräußeret worden, welches sogleich dem nächsten
Anwarter zukommt.
[2, 13, § 10] 266. Viertens, durch richterlichen Spruch und
Urtheil, wann anmit das Fideicommiß für ein freieigenes Gut erkennet wird,
dahingegen wo durch den Spruch die Eigenschaft eines Fideicommißguts nicht
geändert, sondern solches nur dem einen Anwarter ab, und dem anderen in eben
dieser Eigenschaft zugesprochen würde, schadet solches dem Fideicommiß nicht.
[2, 13, § 10] 267. So oft aber die Eigenschaft eines
Fideicommißguts bestritten, und dasselbe von einem Dritten als sein freieigenes
Gut oder sonst wegen einer hieran forderenden Haftung ansprüchig gemacht wird,
sollen allemal gesammte Fideicommißanwartere belanget, und von Gericht aus zur
Vertretung der berufenen künftigen
(2-255) Nachkommenschaft ein Curator bestellet werden,
widrigens ist das ohne dieser Vorsicht ergangene Urtheil null und nichtig.
[2, 13, § 10] 268. Alle andere Ursachen, wegen welcher ein
Anwarter zur Nachfolge in Fideicommiß unfähig ist, oder sich sonst darzu
unwürdig macht, schließen zwar seine Person davon aus, das Fideicommiß aber
währet bei den übrigen Nachberufenen, welche darzu fähig sind, noch immer fort,
solange Einer von ihnen vorhanden ist. Es wäre dann das Verbrechen,
wessentwegen Jemand des Fideicommisses verlustig wird, also beschaffen, daß
andurch nach Maßgebung Unserer peinlichen Gerichtsordnung das Fideicommiß
selbst verwirket würde.
Caput XIV.
Von dem Pflichttheil.
Inhalt:
§. I. Von der Wesenheit des Pflichttheils §. II. Von dem
Pflichttheil der Absteigenden. §. III. Von dem Pflichttheil der Aufsteigenden.
§. IV. Von der Art und Weis den Pflichttheil zu verlassen. §. V. Von Berechnung
des Pflichttheils. §. VI. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung und
Ergänzung des Pflichttheils. §. VII. Von Verlustigung des Pflichttheils und
dessen Verminderung oder Beschwerung.
§. I.
[2, 14, § 1] Num. I. Die Freiheit eines Erblassers nach
eigener Willkür Erben einzusetzen, andere nachzuberufen, und überhaupt mit
seinem Hab und Gut nach Gefallen letztwillig zu ordnen, erstrecket sich nur so
weit, als der für die nothwendige Erben, wann er deren einige hätte, hiernach
bestimmende Pflichttheil andurch nicht verkürzet wird.
(2-257) [2, 14, § 1] 2. Der Pflichttheil ist ein Theil des
Vermögens, welchen der Erblasser aus Anordnung Unserer Gesetzen
seinen nothwendigen Erben zu verlassen schuldig ist. Nothwendige Erben aber
sind die Kinder, und wann keine vorhanden, sodann die Eltern Desjenigen, um dessen
Erbschaft es zu thun ist.
[2, 14, § 1] 3. Dieser Theil der Verlassenschaft wird von
darumen ein Pflichttheil genennet, weilen die Gesetze selbst dem Erblasser
diese Pflicht auferlegen, welcher sich derselbe in keinerlei Wege entschütten
kann, die Kinder oder Eltern mögen eigenes Vermögen haben oder nicht.
[2, 14, § 1] 4. Er ist allemal als ein Theil der Erbschaft
anzusehen, und begreifet nach Maß seines Betrags alle Erbrechte, welche sonst
einem Erben gebühren, doch mit dem Unterschied von anderen letztwillig
angewiesenen Erbtheilen, daß er nicht wie jene, von dem Erblasser beschweret
werden mag.
[2, 14, § 1] 5. Es stehet dahero nicht in der Macht des
Erblassers etwas, was es immer seie, zur Verkürzung des Pflichttheils zu
veranlassen, noch weniger solchen mit Beifügung einer Bedingniß, Zeit oder
sonstigen Auflage auf was immer für Weise zu beschweren.
[2, 14, § 1] 6. In Gegentheil ist derselbe schuldig, solchen
von seinem ganzen Vermögen, wie es zur Zeit seines Tods gewesen, frei und
ungemindert zu verlassen, wo aber von ihme etwas beigesetzet würde, was zu
dessen Beschwerung gereichete, ist solches für nicht geordnet zu halten.
§. II.
[2, 14, § 2] 7. Die Ersten, welchen der Pflichttheil
gebühret, sind die Kinder und Absteigenden des Erblassers überhaupt, welche
nach der Ordnung der rechtlichen
(2-258)Erbfolge zu der Erbschaft die Nächsten sind, also daß
in der nemlichen Linie der Nähere den Weiteren, mithin der Sohn den von ihme
abstammenden Enkel ausschließe.
(2-259) [2, 14, § 2] 8. Dahingegen die von den
vorgestorbenen Söhnen und Töchtern hinterlassene Enkeln, so wie alle weitere
Absteigende durch das Vorstellungsrecht in die Stelle ihrer verstorbenen Eltern
eintreten, und für ihren Antheil so vieles zu empfangen haben, als ihre Eltern
wann sie am Leben wären, bekommen hätten.
[2, 14, § 2] 9. Dieses Vorstellungsrecht hat in der Reihe
der Absteigenden immerfort statt, dergestalten, daß wo in einer Linie dieser
Ordnung der Absteigende keinen Näheren vor seiner hat, derselbe, obschon Nähere
von anderen Linien in eben dieser Ordnung vorhanden sind, jegleichwohlen mit
ihnen zu einem solchen Antheil zugelassen werde, welcher Demjenigen, den er in
seiner Linie vorstellet, zugekommen wäre, wie all dieses unten in zwanzigsten
Capitel von der rechtlichen Erbfolge mit Mehreren erkläret wird.
[2, 14, § 2] 10. Den Pflichttheil der Absteigenden bestimmen
Wir für allgemein auf die Halbscheide des gesammten liegend und fahrenden,
klaren, frei vererblichen Vermögens ohne Unterschied der Zahl oder Geschlechts
der Kinder, es mögen eines, oder mehrere, Söhne oder Töchter sein.
[2, 14, § 2] 11. Ist nur ein Sohn oder Tochter vorhanden,
gebühret denselben allein der ganze Pflichttheil, sind aber mehrere Kinder
ersten Grads, das ist Söhne oder Töchter, so kommt ihnen der Pflichttheil zu
gleichen Theilen nach den Häuptern oder nach der Zahl ihrer Personen zu,
dergestalten, daß hiervon so viele Theile gemacht werden sollen, als Personen
sind.
[2, 14, § 2] 12. Desgleichen, wo keine Söhne oder Töchter
mehr am Leben, sondern nur ein Enkel von vorgestorbenen Sohn oder Tochter
vorhanden ist, hat dieser allein den ganzen Pflichttheil zu beziehen, welches
in eben dieser Maß von allen weiteren Absteigenden zu verstehen ist.
[2, 14, § 2] 13. Da aber Enkeln von vorgestorbenen Söhnen
oder Töchtern mit noch lebenden Kindern ersten Grads zusammentreffen, gelangen
Jene aus dem Vorstellungsrecht mit diesen zu dem Pflichttheil nicht nach den
Häuptern, sondern nach ihren Stämmen.
[2, 14, § 2] 14. Deme gemäß sollen von dem Pflichttheil so
viele Kindstheile gemacht werden, als Kinder ersten Grads an der Zahl wären,
wann sich noch alle am Leben befänden, und die Enkeln eines jeden
vorgestorbenen Sohns oder Tochter zusammen bekommen denjenigen Kindstheil,
welcher auf ihren vorgestorbenen Vater oder Mutter ausgefallen wäre.
[2, 14, § 2] 15. Eben also treten die Urenkeln in die Stelle
des vorgestorbenen Enkels, und so fortan allzeit die Weiteren in die Stelle der
Näheren, dergestalten, daß eine jedwede absteigende Person allemal ihren
vorgestorbenen Vater oder Mutter vorstelle, und von dem Pflichttheil so vieles
erhalte, als was ihrem Vater oder Mutter, wann sie noch am Leben wären,
gebühret hätte.
[2, 14, § 2] 16. Sind keine Söhne oder Töchter, sondern
lauter Enkeln von einem vorgestorbenen Sohn oder Tochter vorhanden, so ist der
Pflichttheil unter ihnen nach den Häuptern, oder nach der Zahl ihrer Personen
zu vertheilen, welches ingleichen
(2-260) in dem Fall statt hat, wann weder Kinder ersten
Grads noch Enkeln, sondern lauter Urenkeln von einem vorgestorbenen Enkel
vorhanden sind.
[2, 14, § 2] 17. Wann es aber Enkeln von mehreren Kindern,
oder Urenkeln von mehreren Enkeln sind, erben sie den Pflichttheil ohnerachtet
der zwischen ihnen fürwaltenden Gleichheit des Grads nach den Stämmen, und
bekommen ohnangesehen ihrer mehr oder minderen Zahl nicht mehr, als ihr Vater
oder Mutter, wann sie am Leben wären, erhalten hätten.
[2, 14, § 2] 18. Was jedoch auf einen Stammen an dem
Pflichttheil ausfällt, ist unter denen, welche von diesem Stammen unmittelbar
in ersten Grad absteigen, nach den Häuptern, unter Jenen aber, welche davon in
weiteren Grad absteigen, oder aus dem Vorstellungsrecht mit Näheren, als
Urenkeln mit Enkeln zusammentreffen, nach den Stämmen zu vertheilen.
[2, 14, § 2] 19. Ueberhaupt ist bei Theilungen nach den
Stämmen eine ohnfehlbare Richtschnur, daß so vielerlei Absteigungen bei einem
Stammen vorkommen, auch so vielerlei Untertheilungen des Stammtheils zu machen
sind, und zwar in dem ersten Grad der Absteigung von diesem Stammen nach den
Häuptern; in allen weiteren Graden aber, sie mögen allein oder mit Näheren
zusammentreffen, nach den Stämmen, folglich bei einem jedweden Grad der
Pflichttheil umso minder ausfalle, je öfter derselbe untertheilet wird.
[2, 14, § 2] 20. Die Haupttheilung geschieht allemal nach
der Zahl der Stämmen, das ist nach der Anzahl aller sowohl lebenden, als
vorgestorbenen Kindern ersten Grads, also daß so viele Stämme sind, als Söhne
oder Töchter.
[2, 14, § 2] 21. Was nun auf einen Stammen ausfällt, wird
unter die Enkeln der Vorgestorbenen zuerst
untertheilet. Wo aber mit ihnen Urenkeln von vorgestorbenen Enkeln
zusammentreffen, geschieht unter diesen die zweite Untertheilung desjenigen
Theils, welcher auf einen Enkel ausgefallen, und eben also ist auch die dritte
und weitere Untertheilung des einem Urenkel gebührenden Theils zu machen, wann
von ihme Ururenkeln oder noch weitere Absteigende, so sich zwar seltsam
ereignet, vorhanden wären.
[2, 14, § 2] 22. Solchergestalten gebühret dieser
obausgemessene Pflichttheil den Absteigenden beiderlei Geschlechts für
allgemein ohne Unterschied nach Vater und Mutter, väterlichen und mütterlichen
Groß- und Ureltern, und hat der Erblasser nur die Macht, mit der anderen
Halbscheide seines Vermögens letztwillig zu ordnen.
[2, 14, § 2] 23. Nur allein wollen Wir bei Personen Herren-
und Ritterstandes,
(2-261) welche in einem Unserer deutschen Erblanden das
Recht der Landmannschaft wirklich erworben haben, den Mannsstammen besonders
dahin begünstigen, daß nach dem
(2-262) Vater und väterlichen Groß- oder Urgroßvater die
Halbscheide des gesammten sowohl liegend als fahrenden frei vererblichen
Vermögens den Söhnen und den von ihnen hinterlassenen Enkeln allein zufallen
solle.
(2-263) [2, 14, § 2] 24. Diese Halbscheide ist dahero nach
den oben vorgeschriebenen Maßregeln zwischen den Söhnen, Enkeln und Urenkeln,
oder weiteren männlichen Absteigenden
(2-264) von Söhnen allein zu vertheilen, also daß, wo nach
einem vorgestorbenen Sohn lauter Enklinnen, Urenklinnen oder weitere weibliche
Absteigende hinterblieben wären,
(2-265) dieselben ebenso, wie die Töchter und ihre sowohl
männliche als weibliche Absteigende von dieser Halbscheide gänzlich
ausgeschlossen bleiben.
(2-266) [2, 14, § 2] 25. Wo aber nach einem vorgestorbenen
Sohn theils Enkeln, theils Enklinnen oder Urenkeln und Urenklinnen vorhanden
wären, haben von seinem Stammentheil die männlichen Absteigenden für sich drei
Theile, die weiblichen hingegen nur einen, folglich den vierten Theil zu
bekommen.
[2, 14, § 2] 26. Es wäre dann, daß in vorbemerkten Fall
wegen ungleich größerer Zahl der männlichen Absteigenden auf deren Jedweden ein
geringerer Theil, als auf eine der weiblichen Absteigenden ausfiele, als da
vier Enkeln und eine Enklin wäre, welchen Falls zur Vermeidung dieser
Ungleichheit der Stammentheil des vorgestorbenen Sohns unter alle, sowohl
männliche als weibliche Absteigende gleich zu vertheilen ist, damit widrigens
Unsere zu Gunsten des Mannsstammens gemachte Vorsehung demselben zu keiner
Verkürzung gereiche.
[2, 14, § 2] 27. Dahingegen, wo Töchter oder Enkeln und
Enklinnen, oder weitere sowohl männliche als weibliche Absteigende von Töchtern
oder von Söhnen allein hinterlassene Enklinnen mit Söhnen, Enkeln oder weiteren
männlichen Absteigenden von vorgestorbenen Söhnen zusammentreffen, ist der
Vater, Groß- oder Urgroßvater schuldig, denenselben die Hälfte der anderen noch
übrigen Halbscheide, oder den vierten Theil seines sammentlichen beweg- und
unbeweglichen Vermögens zu einem besonderen Pflichttheil zu verlassen, folglich
kann derselbe in diesem Fall über nichts Mehreres, als über den vierten Theil
seines Vermögens nach Gefallen letztwillig ordnen.
[2, 14, § 2] 28. Diesen vierten Theil theilen die Töchter,
die Enkeln und Enklinnen, oder Urenkeln und Urenklinnen von vorgestorbenen
Töchtern, dann die von Söhnen allein hinterlassene Enklinnen unter sich nach
den Stämmen, und wird in Ansehung dieser letzteren dafürgehalten, als ob sie
von weiblichen Stammen absteigen, wann vorbesagter Maßen lauter Enklinnen nach
einem Sohn sind; dann wo ein oder mehrere männliche Absteigende von ihme
zugleich vorhanden wären, haben die weiblichen an diesem vierten Theil keinen
Anspruch, sondern bekommen ihren obfestgesetzten Antheil von dem Stammtheil des
Sohnes.
[2, 14, § 2] 29. Gleichwie demnach die eine Halbscheide
lediglich für den Mannsstammen mit dem alleinigen Einbegriff deren mit Enkeln
zusammentreffenden Enklinnen eines Sohns gehöret, also gebühret auch insgemein
die Hälfte von der anderen Halbscheide, oder der vierte Theil des ganzen
Vermögens für die weiblichen Absteigenden, wobei es auch sein Verbleiben haben
solle, obschon auf einen männlichen
(2-267) Stammtheil von der Halbscheide nicht mehr, als von
dem Viertel auf einen weiblichen Stammtheil ausfiele, welches sich in dem Fall
ereignet, wann die Zahl der männlichen Stämmen noch einmal so groß ist, als der
weiblichen.
[2, 14, § 2] 30. Woferne aber die Zahl der männlichen
Stämmen die weiblichen soweit übertrifft, daß von der Halbscheide auf einen
männlichen Stammtheil weniger ausfiele, als von dem Viertel auf einen
weiblichen Stammtheil, welches sich damals ergeben kann, wann die Anzahl der
männlichen Stämmen mehr, als noch einmal größer ist, dann der weiblichen, als
da drei Söhne und eine Tochter, oder fünf oder sechs Söhne und zwei Töchter
vorhanden wären, in solchem Fall, wo die weiblichen Stämme wegen ihrer weit
minderen Anzahl einen größeren Antheil, als nicht die männlichen Stämme zu
beziehen hätten, sollen alle drei Theile des ganzen Vermögens unter alle,
sowohl männliche als weibliche Absteigende zu gleichen Stammtheilen vertheilet,
folglich in diesem Fall allein die weiblichen den männlichen zwar gleich
geachtet, niemalen aber besser gehalten werden.
[2, 14, § 2] 31. In Rucksicht dieses den weiblichen
Absteigenden aus dem väterlichen, groß- oder urgroßväterlichen Vermögen hiermit
zuwendenden eigenen Pflichttheils höret auch für alle künftige Fälle, worinnen
sie zu dem Bezug dieses Pflichttheils gelangen werden, an Seiten der Söhnen und
männlichen Absteigenden die nach den vorigen Gesetzen und Gewohnheiten ihnen
obgelegene standesmäßige Unterhaltung und Ausstattung derselben völlig auf.
[2, 14, § 2] 32. Keineswegs aber sollen sie in Ansehung
jener weiblichen Absteigenden, die nach den vorigen Gesetzen von der Erbschaft
nach ihrem Vater, Groß- oder Urgroßvater bereits ausgeschlossen worden und noch
unversorgt sind, von dieser Schuldigkeit enthoben sein, sondern solcher in
derjenigen Maß, wie es die vorigen Gesetze oder jeden Landes wohlhergebrachte
Gewohnheit erheischen, nach wie vor nachzukommen haben.
[2, 14, § 2] 33. Belangend hingegen jene Töchter, Enklinnen
oder weitere weibliche Absteigende, welche von ihrem Vater, Groß- oder
Urgroßvater allschon vor Einführung dieses Unseres Gesetzes entweder durch eine
anständige Heirath, oder durch Eintritt in ein Kloster versorget worden, oder
sonst aus lebzeitigen oder letztwilligen Handlungen nach den vorigen Gesetzen
und Gewohnheiten ihre standesmäßige Ausstattung erhalten haben, diese sollen
weder für sich, noch weniger die Kinder der Ausgeheiratheten an der
väterlichen, groß- oder urgroßväterlichen Verlassenschaft da, wo männliche
Absteigende vorhanden sind, des Pflichttheils halber einen Anspruch zu machen
vermögen.
[2, 14, § 2] 34. Und da sich anbei ergeben würde, daß einige
Töchter vor diesem neuen Gesatz allbereits versorget worden wären, Andere oder
sich noch nach diesem Gesatz unversorgt befänden, so solle den noch
unversorgten Töchtern zu ihrem Pflichttheil nichts Mehreres gebühren, als was
von dem vierten Theil auf ihren Antheil ausfällt. Dahingegen die Theile, welche
davon auf die schon Versorgten gelanget wären, den
Erben verbleiben, wann der Erblasser darüber nicht anderst geordnet hätte.
[2, 14, § 2] 35. Mit diesem Pflichttheil sollen die Töchter,
Enklinnen, und die von ihnen absteigen, von der väterlichen, groß- oder
urgroßväterlichen Verlassenschaft, wann männliche Absteigende von Mannsstammen
vorhanden sind, gänzlich abgefertiget und ausgeschlossen sein.
[2, 14, § 2] 36. Sie können sich dahero keines
Ruckschreitungsrechts zu der Verlassenschaft ihres Vaters, väterlichen Groß-
oder Urgroßvaters auf dem Fall des ausgehenden Mannsstammes anmaßen, sondern
dieses wollen Wir hiermit derorten, wo es noch in Uebung ware, von nun an
völlig eingestellet und aufgehoben haben.
[2, 14, § 2] 37. In dessen Folgen solle dann ein Jedweder
von Mannsstammen mit dem auf ihn gediehenen Vermögen, wann er keine nothwendige
Erben hat, die vollkommene Freiheit haben, nach Willkür zu ordnen.
(2-268) [2, 14, § 2] 38. Wo er aber darüber letztwillig
nicht ordnete, fällt das Vermögen ohne Rucksicht auf die bereits abgefertigte
weibliche Absteigende der vorigen Erblasseren Jenen zu, welche ihme nach
Ordnung der rechtlichen Erbfolge die Nächsten sind.
[2, 14, § 2] 39. Alles, was bishero von dem Pflichttheil
nach Personen Herren- und Ritterstandes geordnet worden, beschränket sich blos
allein auf Jene, welche vorbesagter Maßen in einem Unserer deutschen Erblanden
das Recht der Landmannschaft oder Incolats wirklich erworben haben, ohne diesem
hingegen macht die alleinige Vorzüglichkeit des höheren Standes in dem
Pflichttheil keinen Unterschied, sondern es ist auch bei solchen adeligen
Personen sich nach deme zu achten, was oben von dem Pflichttheil für allgemein
ohne Unterschied des Geschlechts vorgeschrieben worden.
[2, 14, § 2] 40. Da aber Jemand, welcher schon Kinder hätte,
neuerlich die Landmannschaft oder das Incolat in dem Herren- oder Ritterstand
erlangete, solle zwischen seinen vor und nach Erlangung des Rechts der
Landmannschaft oder Incolats erzeugten Kindern kein Unterschied gemacht werden,
sondern so Einen als Anderen derjenige Pflichttheil gebühren, welcher für die
Kinder der Landleuten oben ausgemessen worden, doch allemal ohne Nachtheil und
Schmälerung ihres vor Erhaltung der Landmannschaft durch Heirathsverträge oder andere
rechtsbeständige und unwiderrufliche Verschreibungen erworbenen Rechts.
[2, 14, § 2] 41. Wann hingegen nach einem Vater, Groß- oder
Urgroßvater höheren Standes seine Söhne oder Enkeln, und weitere männliche
Absteigende von Söhnen, sondern lauter Töchter oder Enkeln und Enklinnen, und
weitere Absteigende von Töchtern oder Enklinnen, und weitere weibliche
Absteigende von Söhnen vorhanden sind, gebühret ihnen allein die für allgemein
zum Pflichttheil bestimmte Halbscheide nach den Häuptern oder Stämmen, nachdeme
sie in ersten oder weiteren Graden zusammentreffen.
[2, 14, § 2] 42. Der Vorzug des männlichen Stammens vor dem
weiblichen hat nur in der Erbfolge nach dem Vater, väterlichen Groß- und
Urgroßvater höheren Standes, der zugleich Landmann ist, statt. Dahingegen höret
solcher nach der Mutter, mütterlichen Groß- und Urgroßeltern, dann der
väterlichen Groß- und Urgroßmutter völlig auf, nach welchen den Söhnen und
Töchtern, und ihren beiderseitigen, sowohl männlichen als weiblichen
Absteigenden ohne Unterschied die Halbscheide des Vermögens als ein
Pflichttheil in die Häupter oder Stämme, so wie es oben für allgemein
festgesetzet worden, zuzukommen hat.
§. III.
[2, 14, § 3] 43. Die zweiten nothwendigen Erben, welchen der
Pflichttheil gebühret, sind die Aufsteigenden, wann
der Erblasser seine Kinder, noch Kindskinder nach sich verläßt.
(2-269) [2, 14, § 3] 44. Unter Aufsteigenden werden die
Eltern, nemlich Vater und Mutter, und in deren Abgang beiderseitige Großeltern,
als der väterliche Großvater und Großmutter, dann der mütterliche Großvater und
Großmutter, und endlich, wann auch diese vorgestorben wären, die Urgroßvater
und Urgroßmutter, und allenfalls noch weitere Aufsteigende sowohl von
väterlicher als mütterlicher Seiten verstanden.
[2, 14, § 3] 45. Für diese wollen Wir zum Pflichttheil
hiermit den dritten Theil des gesammten beweg- und unbeweglichen frei
vererblichen Vermögens dergestalten bestimmet haben, daß, wo noch beide Eltern
am Leben sind, solcher ihnen zu gleichen Theilen zukomme. Ist aber ein Theil
der Eltern vorgestorben, so schließt der noch lebende Vater oder Mutter alle
weitere Aufsteigende aus.
[2, 14, § 3] 46. Wann beide Eltern vorhergestorben, so
gelangen die Großeltern, und
(2-270) in deren Ermanglung die weiteren Aufsteigenden zu
dem Pflichttheil, also daß allemal die Weiteren in dem Grad von den Näheren
ausgeschlossen werden.
[2, 14, § 3] 47. Sind Mehrere nur von einer Seiten in
einerlei Grad am Leben, gebühret ihnen der Pflichttheil ebenfalls zu gleichen
Theilen, als da nur der väterliche Großvater oder Großmutter am Leben wären.
[2, 14, § 3] 48. Falls hingegen Mehrere von beiden, das ist
von väterlicher und mütterlicher Seiten in einerlei Grad zusammentreffen, so
fällt die eine Halbscheide des Pflichttheils der väterlichen, und die andere
Halbscheide der mütterlichen Seiten zu gleicher Vertheilung zu, ohne
Unterschied, ob auf dieser oder jener Seiten mehrere oder wenigere Personen
befindlich sind.
[2, 14, § 3] 49. Diesen Pflichttheil beziehen die
Aufsteigenden für sich allein, obschon nebst ihnen leibliche Geschwistere des
Verstorbenen vorhanden wären, welches überhaupt ohne Unterschied des
Geschlechts oder Standes nach Söhnen und Töchtern, Enkeln und Enklinnen statt
hat, sie mögen das Recht der Landmannschaft und Incolats haben oder nicht.
[2, 14, § 3] 50. Außer den Absteigenden und Aufsteigenden
aber gebühret sonst Niemanden, weder Brüdern noch Schwestern, noch weniger
weiteren Seitenverwandten des Verstorbenen ein Pflichttheil, sondern, wo weder
Absteigende noch Aufsteigende vorhanden sind, kann der Erblasser sein gesammtes
Vermögen, weme er immer wolle, verlassen, wann gleich derselbe leibliche Brüder
und Schwestern hätte.
§. IV.
[2, 14, § 4] 51. Bei Verlassung des Pflichttheils kommt es
nicht so viel auf die Worte, wie und auf was Art solcher verlassen werde, als
vielmehr und vornehmlich auf die Sache selbst an, daß derselbe ganz und frei
von aller Beschwerde Jenen, welchen er vorerklärter Maßen gebühret, zukommen
müsse.
[2, 14, § 4] 52. Es liegt dahero nichts daran, ob der
Pflichttheil unter dem Titel der Erbseinsetzung, oder vermächtnis- oder
schenkungsweise, oder mit was sonst für Worten verlassen werde, maßen
allbereits oben in zwölften Capitel, §. II, num. 11 geordnet worden, daß, wo
die nothwendigen Erben in dem Testament nur mit etwas bedacht werden, es
allemal darfürgehalten werden solle, als ob sie in dem ganzen Betrag des
Pflichttheils zu Erben eingesetzet worden wären.
[2, 14, § 4] 53. Die Worte mögen also lauten wie sie immer
wollen, so änderen solche doch die Natur des Pflichttheils, die ihme von
Unseren Gesetzen beigeleget wird, nicht, sondern dieser ist allemal für einen
Erbtheil anzusehen, mithin kleben auch demselben alle Erbvortheile dergestalten
an, daß, was immer für einen Zuwachs die Erbschaft erhalte, andurch auch der
Pflichttheil vermehret werde, obschon solcher von dem Erblasser auf eine einzle
Sache oder Summe beschränket worden wäre.
[2, 14, § 4] 54. Dann, was den nothwendigen Erben aus
Vorsehung Unserer Gesetzen zuzukommen hat, kann mit Willen des Erblassers weder
verringeret, weder beschweret, noch weniger ohne rechtmäßiger Ursache ihnen
entzogen werden, sondern, wo etwas dergleichen geschehen würde, gebühren
denenselben dagegen jene Rechtsmitteln, welche unten in §. VI vorgeschrieben
werden.
(2-271) §. V.
[2, 14, § 5] 55. Der Pflichttheil ist nach dem Vertrag des
sammentlichen beweg- und unbeweglichen Vermögens, was der Erblasser zur Zeit
seines Tods hinterlassen, dergestalten zu berechnen, daß Alles und Jedes, was
unter das frei vererbliche Vermögen gehöret, nach dem gerichtlich geschätzten
Werth zu Geld angeschlagen, in eine Hauptsumme gebracht, und hiernach der
Pflichttheil ausgemessen werde.
[2, 14, § 5] 56. Wobei es auf dreierlei Gegenstände ankommt,
als: Erstens, was vor dem Pflichttheil von der Verlassenschaft abzuziehen seie,
zweitens, was in die Verlassenschaft einzuziehen seie und den Pflichttheil
vermehre, und endlich drittens, was in dem Pflichttheil einzurechnen seie.
[2, 14, § 5] 57. Erstens sind vor Allem von der
Verlassenschaft die Schulden abzuziehen, nicht zwar durch deren wirkliche
Hinauszahlung, sondern durch Abschlag von der Summe des Vermögens, um darmit
hieraus erhelle, wie viel an klaren Vermögen übrig bleibe, wovon der
Pflichttheil gebühret.
[2, 14, § 5] 58. Sind Jene, welchen der Pflichttheil
zukommt, zu Erben eingesetzet, haben sie nicht weniger nach Maß ihres Antheils,
wie fremde Miterben für die Schulden zu haften, und können nur von deme den
Pflichttheil forderen, was nach Abzug der Schulden von der Verlassenschaft
erübriget wird.
[2, 14, § 5] 59. Sind sie aber nicht zu Erben eingesetzet,
so haften zwar die eingesetzten Erben allein für die Schuldforderungen der
Gläubiger nach Kräften der Erbschaft, diese sind aber dagegen befugt, die
Schulden auch von dem Pflichttheil nach Maß seines Verhältnisses gegen dem
ganzen Vermögen abzuziehen, und überhaupt Alles, wodurch die Verlassenschaft
verringert wird, verringeret auch den Pflichttheil.
[2, 14, § 5] 60. Welches nicht minder in dem Fall statt hat,
wann gleich der Pflichttheil von dem Erblasser in einer bestimmten Sache oder
Summe angewiesen worden wäre, dann so wenig ein Erblasser den Betrag des
Pflichttheils zum Nachtheil Jener, welchen solcher nach Unseren Gesetzen
gebühret, verminderen kann, so wenig hat derselbe Fug und Macht, ihn mit Verkürzung
seiner treuherzigen Glaubiger zu vergrößeren.
[2, 14, § 5] 61. Es ist dahero auch in diesem Fall der
Pflichttheil in keinem anderen
(2-272) Betrag anzuschlagen, als der nach Maß des über Abzug
der Schulden verbleibenden klaren Vermögens hieran ausfällt, obschon der
Erblasser einen höheren Betrag angesetzet hätte; bleibet aber an dem
Verschafften über Abzug der Schulden und des Pflichttheils etwas übrig,
gebühret es als eine Vermächtni?, oder als ein angewiesener Erbtheil.
[2, 14, § 5] 62. Unter den Schulden, welche vor dem
Pflichttheil in Abzug zu bringen sind, werden nicht allein jene, welche ein
Dritter zu forderen hat, sondern auch sowohl der eingesetzten als nothwendigen
Erben eigene an der Verlassenschaft habende Forderungen verstanden.
[2, 14, § 5] 63. Dann an Seiten des eingesetzten Erben hat
die Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person, und die
hieraus entstehende Vermengung der Schuld und Forderung nur in Ansehung dessen
statt, was ihme erblich zufallt, nicht aber auch in deme, was er aus der
Verlassenschaft an Andere hinauszuzahlen hat, sondern er ist nichtsdestoweniger
berechtiget, seine Forderung vor dem Pflichttheil von der Verlassenschaft
abzuziehen, weilen das, was nicht ihme, sondern einem Dritten zukommt, mit deme,
was er an der Verlassenschaft zu forderen hat, nicht vermenget werden mag.
[2, 14, § 5] 64. Gleichwie auch an Seiten eines nothwendigen
Erben jenes, was ihme nicht aus Willkür des Erblassers, sondern aus Anordnung
des Gesetzes gebühret, sich mit deme, was ihme der Erblasser vorhin schuldig
gewesen, in keine Vergeltung oder Vermengung bringen läßt, sondern ihme stehet
nicht weniger frei, seine Forderung vor dem Pflichttheil von dem Betrag der
Verlassenschaft abzuziehen.
[2, 14, § 5] 65. Dagegen aber sind anwiederum sowohl die
eingesetzten, als nothwendigen Erben verbunden, Dasjenige in die
Verlassenschaft einzubringen, was sie hinein schuldig sind, wodurch nach Maß
der anmit vermehrten Verlassenschaft auch der Pflichttheil vergrößert wird.
[2, 14, § 5] 66. Doch wo die nothwendigen Erben etwas
einzubringen haben, sind sie keine baare Zahlung zu leisten schuldig, insoweit
die Schuld den Pflichttheil nicht übersteiget, sondern die Ausgleichung Eines
mit dem Anderen kann sonach also geschehen, daß jenes, was in die
Verlassenschaft einzubringen ist, in den Pflichttheil eingerechnet, und darauf
um so viel weniger aus der Verlassenschaft hinausgezahlet werde, als dagegen
hineinzubringen gewesen wäre.
[2, 14, § 5] 67. All Vorstehendes ist nur von wahren und
ungezweifleten Schulden des Erblassers zu verstehen. Strittige und zweifelhafte
Schuldposten hingegen können nicht in Abzug gebracht werden, so lange sie nicht
rechtsbehörig dargethan und für richtig erkennet worden.
[2, 14, § 5] 68. Doch solle inmittelst bei Berechnung des
Pflichttheils auf allen Fall so vieles aus der Verlassenschaft außer dem
Anschlag des klaren Vermögens gelassen werden, als zu Hintanfertigung dieser
Schulden nöthig wäre, wann sie für richtig erkennet würden.
[2, 14, § 5] 69. Werden sie aber nachhero unrichtig zu sein
befunden, so solle nichtsdestoweniger von dem außer Anschlag Gebliebenen das,
was davon noch auf den Pflichttheil ausfällt, hinausbezahlet werden, wo
inzwischen einem jedweden Theil, deme daran gelegen ist, auf mittlerweilige
Sicherstellung des abgesönderten Betrags fürzudenken unbenommen bleibt.
[2, 14, § 5] 70. Dahingegen macht die alleinige Bekanntniß
des Erblassers zur Schuld solche noch nicht richtig, wo es um die Verkürzung
des Pflichttheils zu thun ist, wann die Ursach der Einschuldung nicht durch
Urkunden, Zeugen oder sonstige rechtsgiltige Verschreibungen erweislich ist,
deren Darthuung allemal Demjenigen, der die Forderung stellet, oblieget.
[2, 14, § 5] 71. Zweitens kommen vor dem Pflichttheil die
Begräbnißunkosten in Abzug, welche dem Stande und Vermögen des Erblassers gemäß
sind, und den in der
(2-273) Stolatax-Ordnung ausgesetzten Betrag nicht
übersteigen, wann der Verstorbene selbst einen mehreren Aufwand nicht
angeordnet hätte.
[2, 14, § 5] 72. Hierunter sind nicht nur die auf des
Erblassers eigene Beerdigung ausgegangene, sondern auch für die Begräbnissen
seines Weibs und Kinder etwan noch ausständige Unkosten, wie nicht weniger nach
der allgemeinen Gewohnheit die Trauerkleider für Weib und Kinder, dann auch
Jenes, was der Verstorbene für seine Seele an mäßigen Almosen unter die Armen,
und auf heilige Messen auszulegen befohlen hat, begriffen.
[2, 14, § 5] 73. Drittens ist nicht allein alles fremde Gut,
was einem Dritten eigenthumlich zugehöret, sondern auch dasjenige, was der
Verstorbene mit der Verbindlichkeit zur Zuruckstellung innen gehabt, und was
sonst seinen Kindern nicht aus seiner Wohlthat, sondern aus Vorsehung der
Voreltern oder Gunst eines Anderen zukommt, als da sind Trau- und Lehengüter,
von dem frei vererblichen Vermögen völlig abzusönderen, und in Berechnung des
Pflichttheils außer allem Anschlag zu lassen.
[2, 14, § 5] 74. Viertens sind die Heirathssprüche des
hinterlassenen Ehegattens, insoweit solche den in ersten Theil, in der
Abhandlung von Ehebindnissen ausgemessenen Betrag nicht überschritten, oder in
Ermanglung eines Heirathsbriefs der einem Ehegatten auf Ueberlebungsfall unten
in zwanzigsten Capitel bestimmte Antheil vor dem Pflichttheil von der
Verlassenschaft abzuziehen.
[2, 14, § 5] 75. Leibgedinge aber, und was zum wittiblichen
Unterhalt gewidmet ist, oder wovon sonst dem überlebenden Ehegatten nach Inhalt
des Heirathsbriefs nur die Nutznießung oder der Fruchtgenuß zustehet, sind zwar
bei Berechnung des Pflichttheils so, wie all anderes mit zeitlichen Haftungen
beschwertes Gut außer dem Anschlag des klaren Vermögens zu lassen.
[2, 14, § 5] 76. Wo aber ein solches Leibgeding oder
wittiblicher Unterhalt durch Absterben oder anderweite Vereheligung der Wittib
aufhöret und der Verlassenschaft anheimfallet, oder sonst das Gut von der
zeitlichen Haftung in andere Wege befreiet wird, gebühret den nothwendigen
Erben hiervon so viel, als auf ihren Pflichttheil nach dem Verhältniß gegen
diesem Theil des Vermögens ausfallt.
[2, 14, § 5] 77. Nach Abschlag dessen, was vorerwähnet
worden, solle der Pflichttheil vor allen angewiesenen Erbtheilen und
Vermächtnissen, obgleich solche zu milden Dingen gewidmet wären, wie nicht
weniger vor allem Demjenigen, was aus bloßer Freigebigkeit des Erblassers (es
seie durch Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall, oder durch Schankungen
unter Lebenden) an Andere abzustatten wäre, abgezogen werden.
[2, 14, § 5] 78. Dahingegen kommt all Anderes, was der
Erblasser aus entgeltlichen Handlungen, Käufen, Täuschen u. dgl. an Andere noch
zu entrichten schuldig ist, vor dem Pflichttheil in Abzug.
[2, 14, § 5] 79. Und hat die Bekanntniß des Erblassers
sowohl zu deme, worzu er sich aus einer solchen Handlung dem Anderen annoch
verbunden zu sein erkläret, als auch in Ansehung dessen, was er dagegen von dem
Anderen empfangen zu haben bestätiget, vollkommenen Glauben, woferne von den
nothwendigen Erben, daß dieses aus Gefährde zu Verkürzung des Pflichttheils
geschehen, nicht erwiesen werden mag.
[2, 14, § 5] 80. Wann dahero der Erblasser z. B. sein Haus
Jemanden verkaufet, und den Preis dafür bekommen zu haben bekennet, können die
nothwendigen Erben bei Berechnung des Pflichttheils das Haus, obschon es dem
Kaufer noch nicht übergeben worden wäre, nicht in Anschlag des Vermögens
bringen, noch das Kaufgeld von dem Kaufer forderen, sondern das Haus ist ihme
ohne Anstand aus der Verlassenschaft auszufolgen, wann aus der Geständniß des
Erblassers erhellet, daß er seinerseits dem Kauf volles Genügen geleistet hat.
[2, 14, § 5] 81. Da aber in der Verlassenschaft über Abzug
der angewiesenen Erbtheilen,
(2-274) Vermächtnissen und Schankungen nicht so viel
erübriget würde, als zu Abstattung des Pflichttheils erforderlich wäre, so hat
ein Jedweder, deme etwas aus Freigebigkeit des Erblassers zugedacht worden,
nach Maß des ihme zukommenden Betrags davon zu Ergänzung des Pflichttheils so
vieles beizutragen, als noch erweislich hieran abgehet.
[2, 14, § 5] 82. Wie jedoch bei Schankungen, wodurch der
Pflichttheil verkürzet worden, solcher zu berechnen,
und was darbei in acht zu nehmen seie, ist bereits oben in siebenten Capitel
vorgeschrieben worden.
[2, 14, § 5] 83. In die Verlassenschaft ist Alles
einzurechnen, was immer zu dem Vermögen des Erblassers gehöret, es möge
wirklich vorhanden oder ausständig sein, wann er es nur rechtmäßig zu forderen
hat, und es keine verlorene oder uneinbringliche Schuld ist. Ansprüche aber und
Forderungen, welche nicht richtig sind, bleiben außer Anschlag, bis sie in
Richtigkeit gebracht werden.
[2, 14, § 5] 84. Alles demnach, was zu der Verlassenschaft
auch nach dem Tod des Erblassers zuwachst, wann die Ursache des Zuwachses noch
von seinen Lebszeiten herrühret, ist in Anschlag des Vermögens zu bringen, als
da ein Rechtsstritt nach seinem Tod ausginge, worinnen ihme etwas zugesprochen
würde, oder sich nach dem Tod eine Erbschaft ergebete, die ihme noch in
Lebszeiten auch ohne seinen Wissen zugefallen wäre.
[2, 14, § 5] 85. Wessen Zuwachs aber erst angehoffet wird,
als da der Rechtsstritt, in welchem es verwickelt ist, noch nicht ausgemacht,
oder der Ausgang einer Bedingniß, unter welcher es gebühret, noch hangend und
ungewiß, oder die Zeit, zu welcher es dem Vermögen zuzufallen hat, noch nicht
herangekommen wäre, wie z. B. ein Leibgeding, wittiblicher Unterhalt, und
Alles, was mit dem jemanden Anderen hieran bestellten Fruchtgenuß beschweret
ist, alles dieses kann nicht ehender in Anschlag des klaren Vermögens gebracht
werden, als bis entweder der wirkliche Zuwachs erfolget ist, oder die zeitliche
Behaftung aufgehöret hat, wo sonach der Pflichttheil hiervon abzuziehen ist.
[2, 14, § 5] 86. Dahingegen ist in Anbetracht desjenigen
nach dem Tod des Erblassers sich ergebenden Zuwachses, dessen Ursache nicht von
seinen Lebszeiten herrühret, sondern sich von Ohngefähr ereignet, auf die Zeit
zu sehen, wann sich ein dergleichen Zuwachs ergiebt.
[2, 14, § 5] 87. Geschieht solcher noch vor Richtigstellung
des Pflichttheils, kommt ein derlei Zuwachs allerdings in Anschlag des
Vermögens und vermehret den Pflichttheil, gleichwie in Gegentheil derselbe,
wann er nach Abfertigung des Pflichttheils erfolget, dem überhaupt eingesetzten
Erben oder Jenem, deme das Gut verschaffet worden, worzu sich der Zuwachs
ergeben hat, allein zu Guten gehet.
[2, 14, § 5] 88. Nicht weniger kommen auch Veräußerungslehne
sowohl, als Jenes in Anschlag des Vermögens, was der Erblasser zu Erkaufung
eines neu erworbenen Lehens oder Erbzinsgrunds für seine Söhne von seinem
freivererblichen Vermögen aufgewendet hat, wann jedoch nicht der Erblasser
selbst, sondern seine Söhne zuerst mit dem Lehen belehnet worden; dahingegen
diejenigen Lehen, worüber der Erblasser zu seinen eigenen Handen die Lehne
empfangen, außer Anschlag bleiben.
[2, 14, § 5] 89. Von dem solchergestalten in Anschlag
gebrachten, und nach dem Geldwerth geschätzten klaren Vermögen solle der
Pflichttheil abgezogen werden, doch allemal mit Vorbehalt dessen, was von deme,
so wegen Unrichtigkeit, Uneinbringlichkeit, oder zeitlicher Behaftung noch
außer Anschlag gelassen worden, auf den Pflichttheil seiner Zeit, wann es in
Richtigkeit gesetzet oder von der Haftung befreiet wird, nachzutragen kommt.
[2, 14, § 5] 90. Dagegen solle insgemein in den Pflichttheil
alles Dasjenige eingerechnet werden, was Jenem, welcher den Pflichttheil zu
forderen hat, aus dem Vermögen des Erblassers durch letztwillige oder
lebzeitige ohnentgeltliche Handlungen zugekommen
(2-275) ist, oder noch ohnfehlbar zuzukommen hat, wann
solches von der Nothwendigkeit der Einrechnung hiernach nicht besonders
befreiet ist.
[2, 14, § 5] 91. Ausgenommen aber ist Jenes, wessen
Einrechnung entweder von dem Erblasser ausdrücklich erlassen worden, oder doch
solche von ihme stillschweigend erlassen zu sein von dem Gesatz dafürgehalten
wird, wann sein widriger Willen nicht ausgedrucket worden.
[2, 14, § 5] 92. Diese stillschweigende Erlassung wird
vermuthet, erstens in Demjenigen, was derselbe seinen nothwendigen Erben zum
voraus zugewendet haben will, als da sind Endlegate oder vorzügliche
Vermächtnissen, mäßige Schankungen, sie geschehen aus bloßer Freigebigkeit oder
Vergeltung, wann der Willen zu schenken sonst ungezweiflet ist, dann der
Aufwand auf Erlernung Künsten und Wissenschaften.
[2, 14, § 5] 93. Zweitens in deme, was mit einer Beschwerde
verschaffet oder verlassen wird, als da sind von dem Erblasser selbstgestiftete
Traugüter, welche der nothwendige Erb einem Anderen zuruckzustellen verbunden
ist, obgleich ihme der mittlerweilige Fruchtgenuß bis zur Zeit der
Zuruckstellung davon zuzukommen hat.
[2, 14, § 5] 94. Von gleicher Art ist Dasjenige, was dem
nothwendigen Erben zu Erfüllung einer beigesetzten Bedingniß oder sonstigen
Auflage verschaffet wird, wie auch ein von dem
Erblasser für sich neuerworbenes und empfangenes Lehen. Umsomehr aber sind die
nicht von dem Erblasser, sondern von Anderen herrührende Trau- oder Lehengüter
von der Einrechnung in den Pflichttheil befreiet.
[2, 14, § 5] 95. Dahingegen, wo von dem Erblasser ein neues
Lehen zu Handen seiner Söhnen erkaufet, und auch diese zuerst darmit belehnet
worden wären, ist der dafür ausgelegte Werth in dem Pflichttheil allerdings
einzurechnen, nicht weniger kommt all Jenes, was der nothwendige Erb aus der
gemeinen After-Erbseinsetzung oder aus dem Anfall der rechtlichen Erbfolge an
deme, worüber der Erblasser nicht letztwillig geordnet, oder dessen Anordnung
in der Folge unwirksam wird, beziehet, so wie das unter einer zufälligen
Bedingniß Verschaffte, nach Ausgang derselben in die Berechnung des
Pflichttheils.
[2, 14, § 5] 96. Drittens hat die Einrechnung in den
Pflichttheil bei demjenigen Aufwand nicht statt, welchen der Erblasser aus der
ihme obliegenden Pflicht auf seine nothwendige Erben zu machen schuldig
gewesen. Von dieser Art sind die Erziehungs-, Unterhaltungs- und
Heilungsunkosten, solange sie in seiner Verpflegung stehen, und keine eigene Mitteln haben.
[2, 14, § 5] 97. Dahin gehören auch die auf ein
vorgestorbenes Kind ausgelegte Begräbnißunkosten, wann Enkeln nach ihme
vorhanden sind, welche den Pflichttheil ganz oder zum Theil zu forderen haben.
All dieser nöthiger Aufwand ist von der Einrechnung in den Pflichttheil
dergestalten ausgenommen, daß die nothwendigen Erben auch durch ausdrückliche
Anordnung des Erblassers hierzu nicht verhalten werden können.
[2, 14, § 5] 98. Obwohlen aber Eltern und Großeltern zu
Ausstattung ihrer Töchter und Enklinnen verbunden sind, so sollen jedoch derlei
Ausstattungen und Heirathgut nicht anderst, als für einen Erbtheil angesehen,
folglich auch je und allezeit in den Pflichttheil mit eingerechnet werden, wann
nichts Widriges dabei ausbedungen oder von dem Erblasser verfüget worden.
[2, 14, § 5] 99. Wann demnach der Großvater die Enklin eines
noch lebenden Sohns, welcher es aus eigenen Mitteln zu thun außer Stande wäre,
ausgestattet hätte, ist ihre Ausstattung in den Pflichttheil des Sohns
einzurechnen, gleichwie in Gegentheil die Einrechnung für erlassen zu achten,
und die Ausstattung für ein bloßes Geschenk anzusehen ist, wann der Vater
damals eigene Mitteln gehabt hätte, die standesmäßige Ausstattung seiner
Tochter davon zu erschwingen, der Großvater aber solche ohne Vorbehalt
hergegeben hätte.
[2, 14, § 5] 100. Alles, was von Ausstattung und Heirathgut
der Töchter und Enklinnen geordnet worden, ist auch von der Widerlage, welche
die Eltern und Großeltern
(2-276) für ihre Söhne und Enkeln in dem Heirathsbrief anweisen,
in seiner Maß zu verstehen.
[2, 14, § 5] 101. Viertens ist Jenes von der Einrechnung
frei, was die Eltern aus väterlicher oder mütterlicher Liebe auf die Kinder,
oder diese dagegen aus kindlicher Liebe auf ihre Eltern aufgewendet haben, als
da der Vater den Sohn, oder der Sohn den Vater aus der feindlichen
Gefangenschaft ausgelöset hätte, oder ihme sonst in seinem Nothstand und Elend
beigesprungen wäre.
[2, 14, § 5] 102. Darunter ist jedoch Dasjenige nicht
begriffen, was die Eltern an den von ihren Kindern gemachten Schulden, oder
dagegen die Kinder für ihre eingeschuldete Eltern bezahlen, wann gleich der
Schuldner anmit aus dem Gefängniß befreiet würde.
[2, 14, § 5] 103. Desgleichen erstrecket sich die Erlassung
nicht auf jene Kosten, welche die Eltern für ihren Sohn zu Ueberkommung eines
Amts, Kriegs- oder bürgerlichen Bedienstung, oder der Doctorats- und sonstigen
persönlichen Würde auf hohen Schulen ausgeleget haben, sondern alles dieses ist
in den Pflichttheil einzurechnen.
[2, 14, § 5] 104. Belangend aber denjenigen Aufwand, welchen
ein Vater oder Großvater mit erweislicher merklicher Schmälerung seines frei
vererblichen Vermögens zu namhafter Verbesserung eines seinem Sohn oder Enkel
eigenthumlich zustehenden oder hinterlassenden Trau- oder Lehenguts gemacht
hat, so ist zwar solcher, insoweit als dargethan werden mag, daß über die aus
dem Trau- oder Lehengut selbst behobene Einkünften von frei vererblichen
Vermögen zu dessen offenbarer Verbesserung hinein verwendet worden, mit
Beobachtung folgenden Unterschieds in den Pflichttheil einzurechnen:
[2, 14, § 5] 105. Daß, wo der Aufwand der Kosten die
wirkliche mehrere Benutzung und Verbesserung übersteiget, nur das, was
verbesseret worden, dahingegen, wo die Verbesserung mehr als der Aufwand
beträgt, nur das, was aufgewendet worden, in Anschlag komme, folglich allemal
der erzeugte mehrere Nutzen zu Capital gerechnet, und mit dem Kostenbetrag
gegen einander gehalten, somit aber allzeit das Mindere in den Pflichttheil
eingerechnet werden solle.
[2, 14, § 5] 106. Was also nach Einrechnung dessen, so der
nothwendige Erb aus dem Vermögen des Erblassers vorhinein empfangen, oder ihme
aus der Erbschaft sonst zuzukommen hat, an dem Pflichttheil annoch abgehet,
dieses ist ihme aus der Verlassenschaft zu Ergänzung seines Pflichttheils
nachzutragen. Wo aber derselbe ein Mehreres, als sein Pflichttheil beträgt,
bekommen hätte, ist er solches einzubringen nicht schuldig, wann andere
nothwendige Miterben an ihrem Pflichttheil hierdurch keine Verkürzung erleiden.
§. VI.
[2, 14, § 6] 107. Die denen nothwendigen Erben zu Erlangung
des ihnen von dem Erblasser entzogenen oder verkürzten Pflichttheils
angebührende rechtliche Hilfsmitteln sind nach dem Unterschied der Fällen verschieden.
(2-277) [2, 14, § 6] 108. Wann in dem Testament von ihnen
gar keine Meldung geschieht, und sie mit nichts bedacht, noch auch namentlich
enterbet worden, ist das Testament null und nichtig, und sie sind befugt, die
Nichtigkeitslage wider dasselbe anzustrengen, darmit es für ungiltig erkläret,
und ihnen die Erbschaft nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge ausgefolget
werde.
[2, 14, § 6] 109. Wäre jedoch in einem solchen Testament die
codicillarische Clausel beigesetzet, so bestehen jegleichwohlen die darinnen
enthaltene Vermächtnissen, insoweit als der Pflichttheil andurch nicht
verkürzet wird; es hätte dann der Erblasser Notherben zu haben nicht gewußt,
oder sie aus Irrthum für verstorben gehalten, welchen Falls auch die
codicillarische Clausel keine Wirkung hat.
[2, 14, § 6] 110. Würden aber die nothwendigen Erben ohne
rechtmäßiger Ursache enterbet, also, daß entweder gar keine Enterbungsursache
beigefüget, oder die beigefügte nicht erweislich wäre, solchen Falls ist das
Testament unpflichtmäßig, und ihnen gebühret darwider die Klage der Unpflichtmäßigkeit.
[2, 14, § 6] 111. Diese Klage ist eine den widerrechtlich
enterbten nothwendigen Erben wider die eingesetzten Erben zu Vernichtung der in
dem Testament begriffenen Erbseinsetzung zustehende Rechtsforderung, darmit die
Erbseinsetzung für unpflichtmäßig, folglich für nichtig, sie aber für
rechtmäßige Erben erkläret und zur Erbschaft nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge zugelassen werden.
[2, 14, § 6] 112. Es wird daher durch diese Klage bloß
allein die Erbseinsetzung aufgehoben, dahingegen bestehen die Vermächtnissen
auch ohne Beisatz der codicillarischen Clausel, insoweit als der Pflichttheil
andurch keinen Abbruch leidet.
[2, 14, § 6] 113. Doch solle diese Klage nicht anderst
zulässig sein, als wann der Enterbte kein anderes rechtliches Hilfsmittel hat,
wodurch er zu seinem völligen Recht gelangen mag, als da derselbe wegen Mangel
der Feierlichkeit das Testament umstoßen könnte, dann, wo das letztwillige
Geschäft selbst null und nichtig wäre, ist vergeblich sich über den Bestand
oder Unbestand der darinnen angegebenen Enterbungsursache aufzuhalten.
[2, 14, § 6] 114. Es kann auch solche wider den eingesetzten
Erben nicht ehender angebracht werden, als bis derselbe die Erbschaft
angetreten hat. Wo aber derselbe vor oder danach verstürbe, gehet
sie gleichfalls wider seine Erben, auf die er sein Erbrecht übertragen hat.
[2, 14, § 6] 115. Gleichwie auch gegentheils der Enterbte,
wann er noch vor eingebrachter Klage, ohne sich derselben ausdrücklich oder
stillschweigend durch Anerkennung des letzten Willens oder Verabsaumung der
hierzu ausgesetzten Zeit verziehen zu haben, verstirbt, dieselbe auf seine
Erben übertragt.
[2, 14, § 6] 116. Diese Rechtsforderung erstrecket
sich aber auf keinen mehreren Betrag, als welcher dem Kläger für seinen Antheil
nach der rechtlichen Erbfolge an der Erbschaft gebühret, wann Mehrere, die mit
ihme ein gleiches Erbrecht haben, vorhanden sind.
[2, 14, § 6] 117. Würde dahero unter mehreren Enterbten nur
von Einem geklaget, so kann ihnen die von dem Einem behauptete Klage so wenig
nutzen, als dessen
(2-278) Sachfälligkeit oder Verzicht schaden, sondern
gleichwie sie in ersterem Fall für ihre Antheile eine besondere Klage
einzubringen haben, also bleibet ihnen in dem anderen Fall ihr Recht, wann sie
sich darmit aufzukommen getrauen, noch allemal bevor.
[2, 14, § 6] 118. Dieses verstehet sich jedoch nur von
Jenen, welche mit Klägern ein gleiches Erbrecht haben, als Geschwister und die
von vorgestorbenen Geschwister nachgebliebene Kinder, oder in der Ordnung der
Aufsteigenden die Mutter mit dem Vater, die Großmutter mit dem Großvater u. s.
w.
[2, 14, § 6] 119. Dahingegen kann Anderen, welche entweder
in einer weiteren Ordnung, oder zwar auch in der nemlichen Ordnung, aber in
weiteren Grad befindlich sind, die Ausschließung, Sachfälligkeit oder Verzicht
des Einen niemalen den Weg zur Klage eröffnen, sondern sie bleiben allzeit
ausgeschlossen, weilen ihnen, so lange ein Näherer nach Ordnung der Reihe oder
des Grads vorhanden ist, kein Recht zur Erbfolge, und somit auch kein
Pflichttheil gebühret.
[2, 14, § 6] 120. Also da der enterbte Sohn sich der Klage
begeben würde, kann weder der Vater des Erblassers, noch der von dem enterbten
Sohn absteigende Enkel klagen, weilen so Einer wie der Andere in der Ordnung
der rechtlichen Erbfolge durch den Sohn von der Erbschaft ausgeschlossen
werden.
[2, 14, § 6] 121. Sind aber Mehrere, welche ein gleiches
Erbrecht haben, enterbet worden, so wird der Antheil dessen, welcher rechtmäßig
enterbet oder sachfällig worden, oder sich der Klage begeben hat, von der
Erbschaft abgezogen, und die Uebrigen, welche die Klage behaupten, bekommen nur
so viel, als sie nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge auf ihre Antheile
erhalten hätten, wann Jener mit ihnen zur Erbschaft gelanget wäre.
[2, 14, § 6] 122. Diese Klage hat jedoch nicht statt,
erstens, wann vorbesagter Maßen der Enterbte ein anderes Rechtsmittel hat, um
zur Erbschaft zu gelangen, als da er das Testament wegen Mangels der
erforderlichen Feierlichkeiten umzustoßen vermögete.
Zweitens, wann die hiernach zu deren Einbringung
ausgemessene Zeit verflossen ist.
[2, 14, § 6] 123. Drittens, wann der Enterbte den letzten
Willen ausdrücklich oder stillschweigend anerkennet, als da er sich hierüber
mit dem eingesetzten Erben vergleichen, oder auf die Klage Verzicht thun, oder
das, was ihme in dem Testament verschaffet worden. anverlangen, oder ohne
Vorbehalt annehmen, oder sonst durch was immer für eine Handlung den
Eingesetzten für einen rechtmäßigen Erben anerkennen würde.
[2, 14, § 6] 124. Wo aber der Enterbte noch bei Lebszeiten
des Erblassers ohne besonderer namentlichen Verzicht auf den Pflichttheil in
die Enterbung eingewilliget, oder ein Vermächtniß nicht für sich, sondern in
Namen und anstatt eines Anderen zu dessen Handen als Vormund oder Gerhab, oder
Befehlshaber anbegehret oder angenommen hätte, schadet derselbe andurch seinem
Recht nicht.
[2, 14, § 6] 125. Hätte hingegen der Erblasser seine
nothwendige Erben zwar eingesetzet oder doch wenigstens ohne namentlicher
Enterbung sie mit etwas bedacht, dabei aber selbe in dem Pflichttheil
verkürzet, so können sie zwar das Testament, wann es sonst rechtsgiltig ist,
nicht anfechten, sie haben jedoch die Rechtsforderung zu Ergänzung des
Pflichttheils sowohl wider die eingesetzten Erben, als Jene, welchen mit
Schmälerung des Pflichttheils in dem letzten Willen etwas verschaffet worden,
darmit Dasjenige, was noch hieran erweislich abgehet, von ihnen beigetragen
werde.
[2, 14, § 6] 126. Diese Rechtsforderung gehet vorzüglich
wider die überhaupt eingesetzte Erben, und wann der Pflichttheil aus der
übrigen Verlassenschaft erholet werden kann, haben Jene, welche in einzlen
Sachen oder Summen eingesetzet worden, sowie die Vermächtnissen zu Ergänzung
des Pflichttheils keinen Abzug zu leiden.
[2, 14, § 6] 127. Da aber die übrige Verlassenschaft nicht
zureichend wäre, ist sodann erst das, was noch abgehet,
von den in einzlen Sachen oder Summen angewiesenen
(2-279) Erbtheilen und Vermächtnissen abzuziehen, welche
noch über dieses dem Abzug des Erbviertels in Ansehung der eingesetzten Erben
nach Maß dessen, was davon unten in sechzehenten Capitel geordnet werden wird,
unterliegen.
[2, 14, § 6] 128. Wann hingegen keine andere Erben überhaupt
eingesetzet, sondern der Pflichttheil bloß allein durch die in einzlen Sachen
oder Summen angewiesene Erbtheile und Vermächtnissen geschmälert worden wäre,
ist diese Rechtsforderung zu Ergänzung des Pflichttheils sogleich wider die
einzlen Erben, und Jene, welche mit Vermächtnissen bedacht worden,
anzustrengen.
[2, 14, § 6] 129. Uebrigens, und da der Pflichttheil allemal
für einen Theil der Erbschaft anzusehen ist, mit was immer für Worten derselbe
verlassen werde, kommen auch Jenen, denen solcher gebühret, zu dessen Erlangung
alle rechtliche Hilfsmittel zu statten, welche sonst denen Erben zu Erhaltung
ihrer Erbtheilen zustehen.
[2, 14, § 6] 130. Wiewohlen aber der Pflichttheil nicht
ehender, als nach dem Tod des Erblassers gebühret, und Jedermann bei Lebszeiten
mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt ist, so gestatten Wir
jedoch gnädigst, um darmit die Vorsehung Unserer Gesetzen nicht vereitlet
werden möge, daß die Kinder zu Steuerung der übermäßigen Verschwendung ihrer
Eltern die gerichtliche Hilfe ansuchen mögen, auf daß nach vorläufiger
Untersuchung der Sache bei Befund der angebrachten Verschwendung von Gericht
aus zum Besten der Kinder die nöthige Vorsicht angekehret werde.
§. VII.
[2, 14, § 7] 131. All Vorstehendes hat insolange statt, als
die nothwendigen Erben sich des ihnen angebührenden Pflichttheils nicht ganz
oder zum Theil entweder aus eigener Schuld, oder aus ihrer freien Willkür
verlustig machen.
[2, 14, § 7] 132. Aus eigener Schuld machen sie sich dessen
unwürdig, wann eine deren in dem gleich nachfolgenden fünfzehenten Capitel
ausgesetzten rechtmäßigen Enterbungsursachen unterwaltet, wegen welcher sie von
der Erbfolge nach dem Erblasser ausgeschlossen zu werden verdienen.
[2, 14, § 7] 133. Aus freien Willen begeben sie sich des
Pflichttheils, wann sie entweder hierauf ausdrückliche Verzicht thun, oder das
Testament, worinnen sie vorbeigegangen oder widerrechtlich enterbet, oder sonst
in dem Pflichttheil verkürzet worden, ohne demselben binnen drei Jahren und
achtzehen Wochen gerichtlich zu widersprechen, in seine volle Rechtskräften
erwachsen lassen, oder auch im Fall ihrer Enterbung den Willen des Erblassers
auf die in vorhergehenden §. num. 123 bemelte Art für bündig und giltig
anerkennen.
[2, 14, § 7] 134. Dieses verstehet sich jedoch nur von
solchen Notherben, welche zur Zeit der geleisteten Verzicht
bereits großjährig und Verbindungen einzugehen fähig waren; dann Minderjährigen
kann so wenig eine ausdrückliche Verzicht, als die Verjährung an ihrem Recht
schaden.
[2, 14, § 7] 135. Die Verzicht, wann sie für sich allein
ohne Hinzutretung obiger Verjährungszeit und außer dem Fall der Enterbung die
Ausschließung von dem Pflichttheil wirken solle, muß allemal deutlich, und
entweder überhaupt auf die ganze Erbschaft, oder insonderheit auf den
Pflichttheil gerichtet sein.
[2, 14, § 7] 136. Wann demnach ein Kind noch in Lebszeiten
des Vaters oder Mutter etwas zu seiner Abfertigung erhält, ist nicht sofort
hieraus eine Verzicht auf den Pflichttheil zu folgeren, woferne solche nicht
wortdeutlich dabei ausgedrucket worden,
(2-280) sondern das Kind bleibt noch allezeit berechtiget, Dasjenige,
was es weniger empfangen als sein Pflichttheil beträgt, aus der Verlassenschaft
anzuforderen.
[2, 14, § 7] 137. Um so weniger aber kann aus deme allein
eine stillschweigende Verzicht auf die Ergänzung des verkürzten Pflichttheils
geschlossen werden, daß der Notherb den Willen des Erblassers in anderen
Punkten anerkennet, das ihme Verschaffte ohne Vorbehalt angenommen oder die
Erbschaft angetreten habe.
[2, 14, § 7] 138. Es wäre dann von ihme die Antretung der
Erbschaft ohne der Rechtswohlthat des gerichtlichen
Inventarii geschehen, in welchem Fall die ohnableinliche rechtliche Vermuthung
eintritt, daß der Pflichttheil ganz und unverkürzet seie.
[2, 14, § 7] 139. Woferne hingegen ein Kind sich mit der
erhaltenen Abfertigung dergestalten begnügete, daß es auf alle weitere
Erbschaft oder Anforderung des Pflichttheils halber eine ausdrückliche Verzicht
thun würde, so hat es auch weiter keinen Anspruch auf den Pflichttheil an der
Verlassenschaft desjenigen Theils der Eltern, von deme es solchergestalten
abgefertiget worden.
[2, 14, § 7] 140. Gleichwie dann auch auf dem Fall, wo noch
andere unabgefertigte Notherben vorhanden sind, derjenige Antheil, welcher auf
den Pflichttheil des Abgefertigten, wann er keine Verzicht gethan hätte,
gediehen wäre, von dem Pflichttheil der Uebrigen abzuziehen ist, welchen nichts
Mehreres hieran gebühret, als ihre Antheile betragen hätten, wann Jener, der
hierauf Verzicht gethan hat, mit ihnen zur Theilung gelanget wäre, dessen
Antheil somit dem Erblasser zu seiner freien Anordnung verbleibet.
[2, 14, § 7] 141. So wenig aber der Pflichttheil ohne
Einwilligung der Notherben verminderet werden kann, eben so wenig kann solcher
ohne ihrem eigenen Willen beschweret werden, sondern die Beschwerde ist
insgemein für nicht beigesetzet zu achten.
[2, 14, § 7] 142. Nur allein in Fällen, wo die beigefügte
Beschwerde den selbsteigenen Nutzen des Notherbens zur Absicht hat, solle
dieselbe bestehen können, als da der Erblasser wegen kundbarer Verschwendung
oder Blödsinnigkeit seines Notherbens denselben in der freien Verwaltung des
ihme zugewendeten Erbtheils zu beschränken nöthig zu sein finden würde.
[2, 14, § 7] 143. Oder da der Erblasser seinem Notherben ein
Mehreres, als ihme nicht zum Pflichttheil gebührete, mit einer beigefügten
Beschwerde dergestalten verschaffete, daß, wo er sich seinem Willen nicht fügen
und der Auflage nicht Genügen leisten wollte, ihme der bloße Pflichttheil
zukommen, das Uebrige aber benommen sein solle.
[2, 14, § 7] 144. In diesem Fall hat der Notherb die Auswahl,
entweder den beschwerten größeren Erbtheil anzunehmen oder sich dessen zu
entschlagen, und mit dem alleinigen Pflichttheil zu begnügen. Hätte er aber
ersteren vorgewählet, kann er sich auch der darmit verknüpften Last nicht
entledigen, welche nach dem Willen des Erblassers von dem beziehenden mehreren
Vortheil unzertrennlich ist.
(2-281) Caput XV.
Von Enterbung nothwendiger Erben.
Inhalt:
§. I. Von der Art und Weis der Enterbung. §. II. Von
rechtmäßigen Ursachen zu Enterbung der Kinder. §. III. Von rechtmäßigen
Ursachen zu Enterbung der Eltern. §. IV. Von Wirkungen der Enterbung.
§. I.
[2, 15, § 1] Num. 1. Die Schuldigkeit denen Notherben den
Pflichttheil zu verlassen, höret damals auf, wann sie durch ihr gegenseitiges
pflichtwidriges Betragen sich dieser ihnen von Unseren Gesetzen zugedachten
Wohlthat unwürdig machen, und wegen ihrer üblen Aufführung von der Erbschaft
des Erblassers ausgeschlossen, und somit enterbet zu werden verdienen.
[2, 15, § 1] 2. Die Enterbung ist demnach eine in dem
Testament aus rechtmäßiger Ursach ausgedruckte Ausschließung der nothwendigen
Erben von der Erbschaft des Erblassers, wodurch dieselbe sich von der
Vorbeigehung nothwendiger Erben unterscheidet, welche zwar an sich eine
stillschweigende Enterbung ist, doch aber keine Ausschließung wirket, sondern
das Testament null und nichtig macht.
[2, 15, § 1] 3. Nur nothwendige Erben, als die Absteigenden
und Aufsteigenden, welchen der Pflichttheil von Unseren Gesetzen beschieden
ist, werden eigentlich enterbet, alle Andere aber, welche zu Erben einzusetzen
von der Willkür des Erblassers abhanget, können nicht enterbet werden, weilen
ihnen kein Recht zur Erbschaft gebühret.
[2, 15, § 1] 4. Es müssen auch die absteigende Notherben,
welche enterbet werden, nicht allein zur Zeit des errichteten Testaments schon
geboren sein, sondern auch die Jahre der Kindheit überschritten, und den
vollkommenen Gebrauch des Verstands gehabt haben, daß von ihnen die Fähigkeit
die angezeigte Enterbungsursache begangen zu haben vermuthet werden möge.
[2, 15, § 1] 5. Dahero können noch Ungeborene, Kinder und
Blödsinnige, wann sie vor der ihnen zugestoßenen Blödsinnigkeit keine Ursach
zur Enterbung gegeben haben, nicht enterbet werden, sondern, da sie
jegleichwohlen enterbet würden, ist solches für eine Vorbeigehung zu halten,
und das Testament null und nichtig.
[2, 15, § 1] 6. Die Enterbung gereichet allemal zum
Nachtheil der Enterbten, und Wir finden unnöthig, jene in dem gemeinen Recht
erbrachte Enterbungen, welche aus guter Absicht zum Besten des Erben, um den
widrigens von seiner Einsetzung befahrenden Schaden andurch abzuwenden
eingeführet worden, in Unseren Staaten zuzulassen, sondern wollen solche
hiermit gänzlich aufgehoben haben, maßen Unsere Gesetze genugsame Mitteln an
Hand lassen, wodurch der eingesetzte Erb sich vor Schaden und Nachtheil sicher
stellen kann.
(2-282) [2, 15, § 1] 7. Darmit jedoch die Enterbung bestehen
könne, muß dieselbe erstens namentlich geschehen, also daß daraus wissend sein
könne, wer enterbet worden, widrigens ist es für eine Vorbeigehung zu halten.
[2, 15, § 1] 8. Zweitens kann dieselbe nicht anderst, als in
einem rechtsgiltigen Testament verfüget werden, dann wo das Testament null und
nichtig ist, hat auch die darinnen begriffene Enterbung so wenig, als da solche
in einem Codicill, oder auch gar in einer Handlung zwischen Lebenden geschehen
wäre, einige Wirkung, sondern sie ist für nicht geordnet zu achten.
[2, 15, § 1] 9. Drittens muß sie aus einer rechtmäßigen
Ursache geschehen, und diese Ursach in dem Testament wortdeutlich und
insonderheit ausgedrucket werden, außerdeme, da ein Notherb ohne Benennung der
Ursach enterbet worden wäre, ist das Testament unpflichtmäßig, und solle kein
Beweis einer Ursache, wann gleich solche erweislich wäre, zulässig sein.
[2, 15, § 1] 10. Viertens muß auf Erforderungsfall die
nemliche von dem Erblasser insonderheit ausgedruckte Ursach von dem
eingesetzten Erben erwiesen werden können, widrigens wird in Entstehung des
Beweises seine Erbseinsetzung durch die Klage der Unpflichtmäßigkeit aufgehoben.
[2, 15, § 1] 11. Uebrigens stehet dem Erblasser frei, wo
eine rechtmäßige Ursach vorhanden ist, seinen Notherben entweder von der ganzen
Erbschaft, oder nur von einem Theil derselben also auszuschließen, daß er ihme
hiervon weniger, als Anderen zuwende, oder auch ihme Fremde vorziehe, und ihn
nur mit einer Vermächtniß bedenke, oder auch lediglich auf eine Zeit enterbe,
doch ist in dem Fall, wo Jemand nicht gänzlich enterbet wird, zu unterscheiden,
ob die Enterbung alle vorerwähnte Erfordernissen habe oder nicht.
[2, 15, § 1] 12. Ist sie giltig und rechtmäßig, so hat sich
der Enterbte mit deme, was ihme zugedacht worden, zu begnügen, und kann nichts
mehr anforderen. Ist aber die Enterbung unrechtmäßig, so kann er zwar das
Testament, in welchem er gleichwohlen mit etwas bedacht worden, der
Unpflichtmäßigkeit halber nicht anfechten, doch ist auch derselbe an die
Anordnung des Erblassers nicht gebunden, sondern kann die Ergänzung seines
verkürzten Pflichttheils ansuchen.
§. II.
[2, 15, § 2] 13. Damit aber auch die Willkür der Erblasseren
in Enterbung ihrer Notherben nicht allzuweit gehe, haben Wir derselben gewisse
Schranken zu setzen,
(2-283) und die Ursachen, welche zur Enterbung rechtmäßig
sein sollen, durch dieses Unser Gesatz zu bestimmen für nöthig angesehen.
[2, 15, § 2] 14. Die Ursachen, wegen welcher die Eltern ihre
Kinder enterben können, sind folgende: Erstens, wann ein ungerathenes Kind
seine Eltern freventlich geschlagen oder gewaltsame Hand an sie angeleget, oder
sie durch Andere auf sein Angeben oder Anrathen mißhandlen lassen, oder wie
sonst immer darzu behilflich gewesen, oder, wo es in seiner Macht gestanden,
das seinen Eltern bevorstehende üble Verfahren nicht abgewendet, oder sie
wenigstens in der Zeit davor nicht gewarnet hätte. So auch von jenem Fall
verstanden sein solle, wann zwar die Kinder sich an ihren Eltern nicht wirklich
vergriffen, doch aber aus Frevel, Bosheit und Muthwillen auf sie zu schlagen,
zu hauen, zu stechen oder zu schießen gedrohet haben.
[2, 15, § 2] 15. Zweitens, wann Kinder ihrer Eltern Ehre und
guten Leumund mit harten Schmäh- und Schimpfworten antasten, ihnen übel
nachreden, sie verleumden, oder auf sie schelten und fluchen.
[2, 15, § 2] 16. Drittens, wann Kinder ihre Eltern einer
Missethat beschuldigen, und sie deswegen bei Gericht angeben, oder sich
freiwillig zu Zeugen oder Anwälten in einer peinlichen Anfertigung wider sie
gebrauchen lassen. Es wären dann solche Verbrechen, welche auch Kinder wider
ihre Eltern anzubringen nach Aussatz Unserer peinlichen Gerichtsordnung
schuldig sind.
[2, 15, § 2] 17. Viertens, wann Kinder ihre Eltern aus dem
Gefängniß, in welches diese Schulden oder Verbrechen halber gerathen, wo sie
bereits großjährig, und es auch nach ihren Vermögensumständen ohne eigenen
merklichen Nachtheil zu thun im Stande sind, auf deren Ersuchen, es seie durch
Bezahlung der Schuld oder durch Verbürgung in Fällen, wo solche zulässig, nicht
entlediget und befreiet haben.
[2, 15, § 2] 18. Fünftens, wann großjährige Kinder für ihre
alterlebte, kranke oder auch blödsinnige Eltern keine Sorgfalt getragen, noch
sie nach Zulassung ihres Vermögens unterhalten und gepflogen haben, oder durch
Andere pflegen lassen, sondern sie verabsaumet, verlassen oder gar verstoßen
haben, obschon sie mit einer ansteckenden Krankheit, oder auch mit der Pest
behaftet gewesen wären.
[2, 15, § 2] 19. Sechstens, wann Kinder ihren Eltern
gefährlicher Weise nach dem Leben streben, es seie durch Vergebung mit Gift
oder sonstige Ermordung, oder auch nur einen solchen boshaften Anschlag
auszuführen vorgehabt, obgleich die wirkliche That nicht erfolget wäre.
[2, 15, § 2] 20. Siebentens, wann Kinder ihre Eltern
boshafter Weise verrathen und angeben, andurch aber ihnen an ihren Leib, Ehre
oder Gut großen Schaden und Nachtheil verursachen.
[2, 15, § 2] 21. Achtens, wann großjährige Kinder ihre
Eltern aus der feindlichen
(2-284) Gefangenschaft oder Sclaverei, wo sie von deren
Zustand benachrichtiget, und es entweder ohne ihrem sonderlichen Nachtheil aus
ihrem eigenen oder ihrer Eltern zuruckgelassenen Vermögen zu thun im Stande
sind, nicht erlöset und frei gemacht haben.
[2, 15, § 2] 22. Neuntens, wann ein Kind seine Eltern, es
seie durch Abhaltung der Zeugen, Verschränkung der Gelegenheit, Drohungen,
Gewalt oder Arglist verhinderete und wehrete, von ihrem Gut letztwillig zu
ordnen, oder die vorhin letztwillige Anordnung abzuänderen, und der Erblasser
jegleichwohlen nachhero ein Testament zu Stand brächte, kann er ein solches
Kind deshalben enterben.
[2, 15, § 2] 23. Zehentens, wann Kinder sich zur liederlichen
Gesellschaft geschlagen, als da sie sich zu Diebs- und Rauberbanden geselleten,
um mit ihnen Böses zu thun, nicht aber, wo sie von Ohngefähr unter dieselbe
gerathen wären.
[2, 15, § 2] 24. Eilftens, wann wohlverhaltener Eltern
Kinder wider deren Willen mit ehrlosen und liederlichen Gesindel Gemeinschaft
gemacht, mit demselben herumgezogen, und sich genähret, wovon die Eltern Schand
und Spott hätten.
[2, 15, § 2] 25. Zwölftens, wann ein Sohn mit seiner
Stiefmutter, oder eine Tochter mit ihrem Stiefvater sich fleischlich
vermischet, kann der Vater den Sohn, und die Mutter ihre Tochter enterben.
[2, 15, § 2] 26. Dreizehentens, wann ein Kind von dem
christlichen Glauben abgefallen, oder sich zu einer solchen Irrlehre bekennet
hätte, welche nach der Verfassung desjenigen Lands, worinnen die väterliche
oder mütterliche Erbschaft befindlich ist, erbsunfähig macht, und ihre Anhänger
von der Erbschaft ausschließt.
[2, 15, § 2] 27. Vierzehentens, wann eine Tochter der
Hurerei nachhinge, oder sonst das unehrliche dem ehrlichen Leben vorgezogen
hätte. Deswegen aber, daß ein Sohn oder Tochter wider Willen ihrer Eltern
geheirathet, können sie von ihnen nicht enterbet werden, es seie dann, daß die
Ursach, wegen welcher die Eltern sich der Heirath widersetzet haben, von
Gericht erheblich zu sein befunden worden wäre.
§. III.
[2, 15, § 3] 28. Dagegen sind auch die Kinder befugt, ihre
Eltern aus folgenden Ursachen zu enterben: Erstens, wann die Eltern ihre Kinder
außer jenen Fällen, wo sie es nach Ausmessung Unserer peinlichen
Gerichtsordnung zu thun schuldig sind, wegen einer Missethat, welche das Leben
verwirket hätte, bei Gericht angegeben, oder freiwillige Zeugnuß in solchen
Fall wider sie abgeleget.
[2, 15, § 3] 29. Zweitens, wann sie den Kindern durch Gift
oder andere Wege nach dem Leben gestellet, obgleich der Anschlag nicht
ausgeführet worden, sondern es bei der bloßen Bestrebung solchen auszuführen
geblieben wäre.
[2, 15, § 3] 30. Drittens, wann die Eltern ihre Kinder
verhinderen, von dem ihnen eigenthumlich angehörigen Gut letztwillig zu ordnen,
oder die schon errichtete letztwillige
(2-285) Anordnung abzuänderen, und sie gleichwohl hernach
ein Testament zu Stand brächten.
[2, 15, § 3] 31. Viertens, wann sie mit ihrer Kinder
Ehegatten, als der Vater mit seiner Schwiegertochter, oder die Mutter mit ihrem
Schwiegersohn Blutschande getrieben, kann der Vater von seinem Sohn, und die
Mutter von ihrer Tochter enterbet werden.
[2, 15, § 3] 32. Fünftens, wann ein Theil der Eltern dem
anderen nach dem Leben gestrebet, kann der Schuldige von seinem Kind enterbet
werden.
[2, 15, § 3] 33. Sechstens, wann die Eltern ihre Kinder in
Armuth, Elend, Krankheit oder Blödsinnigkeit verlassen, oder gar verstoßen, und
sie nicht mit dem benöthigten Unterhalt, wo sie es thun können, versorget, noch
durch Andere pflegen und warten lassen.
[2, 15, § 3] 34. Siebentens, wann die Eltern ihr in die
feindliche Gefangenschaft oder Sclaverei gerathenes Kind, wo sie von dessen
Zustand benachrichtiget, und es entweder aus eigenen oder des Kinds seinem Vermögen
zu thun im Stande sind, nicht auslösen und befreien.
[2, 15, § 3] 35. Achtens, wann die Eltern von dem
christlichen Glauben abgefallen, oder eine solche Irrlehre angenommen hätten,
deren Anhänger nach der Verfassung desjenigen Lands, worinnen die Erbschaft
nach einem Kind befindlich ist, von der Erbfolge ausgeschlossen werden.
§. IV.
[2, 15, § 4] 36. Wiezumalen aber nicht alle Fälle in dem
buchstäblichen Inhalt eines Gesatzes also erschöpfet werden können, daß nicht
noch einige erübrigen, welche eine gleiche Vorsehung erheischen, so wollen Wir
dahero keineswegs die Enterbung der Notherben auf die vorbeschriebene Ursachen
dergestalten beschränken, daß solche nicht auch aus anderen, obschon in deren
wörtlichen Verstand nicht ausgedruckten, doch aber in der Sache selbst darunter
begriffenen gleich wichtigen, aber auch wichtigeren Ursachen bestehen könne,
wann selbe der Richter erheblich und hinlänglich zu sein befunden hat.
[2, 15, § 4] 37. Die Ursach muß allemal von dem eingesetzten
Erben erwiesen werden, wann das Testament von dem Enterbten angefochten wird,
widrigens, und da solche von ihme nicht erwiesen werden könnte, wird die
Enterbung aufgehoben, und der ohne erprobter rechtmäßigen Ursach Enterbte
gelanget zu demjenigen Erbtheil, der ihme von Unseren Gesetzen nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge beschieden ist.
[2, 15, § 4] 38. Würde aber die Ursach von dem eingesetzten
Erben zwar erwiesen, von dem Enterbten hingegen die nach der Enterbung mit dem
Erblasser erfolgte Versöhnung eingewendet, so solle durch eine solche
Einwendung die Enterbung nicht
(2-286) anderst entkräftet werden können, als wann der
Erblasser sich schriftlich oder auch mündlich entweder vor Gericht, oder
wenigstens vor zweien Zeugen erkläret hätte, daß er die Enterbung anwiederum aufhebe.
[2, 15, § 4] 39. Es ist solchemnach an alleiniger Nachsicht
und Erlassung der Beleidigung nicht genug, wann gleich kündig wäre, daß der
Enterbte mit dem Erblasser nachhero in einem Haus oder in guter Vertraulichkeit
gelebet, sondern die Enterbung muß auf vorstehende eine oder die andere Art
ausdrücklich aufgehoben und widerrufen werden.
[2, 15, § 4] 40. Wo aber der Erblasser eine andere
Willensmeinung nicht erkläret hätte, uns die in dem Testament enthaltene
rechtmäßige Ursach zu Recht erwiesen würde, bleibt der Enterbte von der
Erbschaft gänzlich ausgeschlossen. Doch gehet diese Ausschließung nicht weiter,
als auf den Erbanfall nach dem Erblasser, welcher ihn enterbet hat, nicht aber
auch auf den weiteren Erbanfall, der sich in der nemlichen Erbschaft nach dem
eingesetzten Erben, es seie aus einem Testament, oder aus der Ordnung der
rechtlichen Erbfolge, nachher an ihn ergeben würde.
Caput XVI.
Von Vermächtnissen.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Vermächtnissen überhaupt.
§. I. Von der Natur, Wesenheit und Unterschied der Vermächtnissen. §. II. Von Fähigkeit jener Personen, denen
etwas verschaffet werden kann. §. III. Von Zusammentreffung Mehrerer, denen
einerlei Sache verschaffet worden. §. IV. Von der Art und Weis, wie
Vermächtnissen verschaffet werden. §. V. Von Bedingnissen der Vermächtnissen. §. VI. Von Beschreibung der vermachten
Sachen, oder dessen, deme etwas verschaffet wird. §. VII. Von Beisetzung der
Bewegursache des Erblassers zur Vermächtniß. §. VIII. Von Vorschrift der Weis,
was und wie für die Vermächtniß zu leisten seie.
§. I.
[2, 16, § 1] Num. 1. Die dritte Art, womit in letztwilligen
Anordnungen Jemanden etwas zugedacht wird, sind Vermächtnissen, welche sich von
denen vorbeschriebenen beiden Arten der Erbseinsetzung und After-Erbseinsetzung
in deme unterscheiden, daß mittelst dieser das Erbrecht selbst übertragen,
durch Vermächtnissen aber nur einzle Sachen verlassen und verschaffet werden.
(2-287) [2, 16, § 1] 2. Bei diesen sind vornehmlich ihre
gleichförmige Natur überhaupt, weiters aber deren aus dem Unterschied der anmit
verschafften Dingen entstehende verschiedene Gattungen, dann deren Wirkung, und
endlich auch die Arten, wodurch sie anwiederum entkräftet, widerrufen,
übertragen und geschmälert werden, zu betrachten.
[2, 16, § 1] 3. Es wird dahero gegenwärtiges Capitel in vier
Artikeln abgetheilet, und in deren ersten von Vermächtnissen überhaupt, in dem
zweiten von Sachen, welche verschaffet werden können, in dem dritten von
rechtlichen Hilfsmitteln zu deren Erlangung, und endlich in dem vierten von
deren Entkräftung, Widerrufung, Uebertragung und Schmälerung gehandlet.
[2, 16, § 1] 4. Ein Vermächtniß überhaupt ist nichts
Anderes, als eine letztwillige, von dem Erblasser Jemanden zugedachte
Freigebigkeit, welche von seinem Erben geleistet werden muß.
[2, 16, § 1] 5. Hieraus erhellet der bereits oben in
siebenten Capitel, in zweiten Artikel, §. VII, von num. 112 bis 114 gezeigte
Unterschied von Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall, welche auch außer
einer letztwilligen Anordnung bestehen, und durch Annehmung des Geschenknehmers
noch bei Lebszeiten des Schenkenden unwiderruflich werden, wohingegen
Vermächtnissen nach der Natur letztwilliger Handlungen bis auf den letzten
Lebensabdruck widerruflich bleiben.
[2, 16, § 1] 6. Die Vermächtnissen gründen sich demnach
lediglich in der Anordnung und dem klar und deutlich erklärten letzten Willen
des Erblassers, mithin kann auch kein Vermächtniß durch bloße Zeichen oder
durch Winken verschaffet werden.
[2, 16, § 1] 7. Gleichwie aber der letzte Willen des
Erblassers auf keine andere rechtsbeständige Art und Weis, als in einem
Testament oder Codicill erkläret werden mag, also können auch Vermächtnissen
auf keine andere Art, als durch ein Testament oder Codicill rechtsgiltig
verlassen werden.
[2, 16, § 1] 8. Doch haben dieselben dieses Besondere, daß,
wo ein letzter Willen als ein bündiges Testament zu Recht nicht gelten könnte,
und dabei mit der codicillarischen Clausel versehen wäre, sie
nichtsdestoweniger aus Wirkung dieser Clausel, welche das unstandhafte
Testament in einen Codicill verwandlet, bei Kräften erhalten werden, und auch
ohne einem Testament in dem Fall der alleinigen rechtlichen Erbfolge bestehen
können, wann der Erblasser kein Testament, sondern nur einen oder mehrere
Codicillen errichtet hätte.
§. II.
[2, 16, § 2] 9. Vermächtnissen können Jedermänniglichen
verschaffet werden, der die Fähigkeit hat, aus letztem Willen etwas zu
beziehen; welche aber unfähig sind,
(2-288) ist bereits in zwölften Capitel, §. II, erkläret
worden, und welche als unwürdig ausgeschlossen werden, wird unten in
neunzehenten Capitel angezeiget.
[2, 16, § 2] 10. Doch muß auch bei Vermächtnissen die Person
Desjenigen, deme etwas verschaffet wird, nicht weniger, wie es oben in
vorbemelten Capitel, §. IV, bei Erbs-Einsetzungen von der Person des Erbens
geordnet worden, gewiß und bestimmet sein, oder doch in der Folge auf die
alldort vorgeschriebene Art und Weis bestimmet werden können.
[2, 16, § 2] 11. Nur bei Jenen, welche zur Zeit des
errichteten letzten Willens noch nicht geboren sind, bedarfen die
Vermächtnissen nicht so viele Gewißheit, wie die Erbseinsetzungen, dann obschon
die Erbseinsetzung eines noch Ungebornen in der Gestalt und Kraft der ersten
Einsetzung nicht anderst bestehen kann, als wann der Eingesetzte schon zur Zeit
des Tods des Erblassers empfangen ist, so wird doch dieses bei Vermächtnissen
nicht erforderet, sondern dieselben können auch an Jene rechtsgiltig geschehen,
welche zur Zeit des Tods des Erblassers noch nicht empfangen waren, und erst künftig
erzeuget werden.
[2, 16, § 2] 12. Wir begünstigen aber die Nachgeborenen über
das noch weiters dahin, daß, wo ein Erblasser seinen, oder jemands Anderen
Kindern, Söhnen oder Töchtern, Enklen oder Enklinnen überhaupt, ohne sie
insonderheit mit Namen zu benennen, etwas verschaffet hätte, auch Jene an dem
Vermächtniß mit ihren Geschwistern einen gleichen Antheil haben sollen, welche
erst nach errichteten letzten Willen, oder nach Absterben des Erblassers
geboren werden, wann nicht sein widriger Willen anzunehmen ist, daß er das
Vermächtniß lediglich denen schon damals Erzeugten beschieden haben wolle.
[2, 16, § 2] 13. Ein Gleiches hat auch in dem Fall statt,
wann der Erblasser ein künftig erzeugendes Kind mit etwas bedacht hätte, und
nachhero Mehrere, es seie zugleich, oder nach und nach erzeuget würden, welchen
Allen an dem Verschafften ein gleicher Antheil gebühret, woferne nicht aus dem
Inhalt der letztwilligen Anordnung erhellete, daß er das zunächst Erzeugende,
und kein anderes gemeinet habe.
[2, 16, § 2] 14. Es hat dahero der Erblasser vollkommene
Freiheit, wen er immer wolle, mit Vermächtnissen zu bedenken, wann dieser nur
dazu fähig ist. Doch kann dem Erben, wann er keine Miterben hat, mit Bestand
kein Vermächtniß verlassen werden, weilen ihme in solchem Fall ohnedies die
ganze Erbschaft außerdeme, was er davon an Andere zu entrichten hat, aus dem
Erbrecht zufallt.
[2, 16, § 2] 15. Wo aber einem von mehreren Miterben, diese
mögen aus der letztwilligen oder rechtlichen Erbfolge, oder aus beiden zugleich
zusammentreffen, etwas zum voraus verschaffet worden wäre, bestehet das
Vermächtniß nur insoweit, als die übrigen Miterben nach Maß ihrer Erbtheilen
darzu beizutragen haben, seinen Antheil hingegen beziehet derselbe aus dem
Erbrecht.
[2, 16, § 2] 16. Deme gemäß stehet dem mit einem Vermächtniß
bedachten Miterben frei entweder vor der Theilung solches aus der gemeinen
Erbschaft zum voraus zu nehmen, oder wo es vorher nicht schon abgezogen worden
wäre, nach der Theilung von den übrigen Miterben den nach Maß ihrer Erbtheilen
auf sie ausfallenden Betrag anzuforderen.
[2, 16, § 2] 17. Es wäre dann ein Erb nur in einer gewissen
Sache oder bestimmten Betrag eingesetzet, und ihme nebstdeme noch ein
Vermächtniß zugedacht worden, oder der Erblasser hätte die anderen Miterben
verbunden, das dem Einen verschaffte Vermächtniß von ihren Antheilen allein zu
leisten, in welchen Fällen dieselbe das ganze Vermächtniß nach dem Willen des
Erblassers aus der übrigen Verlassenschaft abzutragen schuldig sind.
[2, 16, § 2] 18. Außerdeme hat es bei dem Grundsatz sein
festes Bewenden, daß ein Erb nicht weiter, als nach Maß seines Erbtheils zu
Leistung der Vermächtnissen verbunden seie, und die Erblasten jederzeit nach
den Erbvortheilen abgemessen
(2-289) werden, wann der Erblasser nicht ausdrücklich einen
Miterben vor dem anderen mehr beschweret hätte.
§. III.
[2, 16, § 3] 19. Einerlei Vermächtniß kann auch Mehreren
dergestalten verschaffet werden, daß entweder einem Jedweden hieran sein
Antheil angewiesen werden, oder dasselbe Allen zusammen ohne Anweisung der
Theileu (= Theilen) zukommen solle, und haben in Theilung einerlei an Mehrere
vermachten Sache eben diejenige Maßregeln statt, welche oben in zwölften
Capitel, §. III, von num. 36 bis 52 bei mehreren eingesetzten Erben vorgeschrieben
worden.
[2, 16, § 3] 20. Es möge aber einerlei Sache an Mehrere mit
oder ohne Anweisung der Theilen verschaffet werden, so solle nicht weniger, als
es oben an gleichberührter Stelle von mehreren Miterben geordnet worden, das
Recht des Zuwachses zwischen ihnen gänzlich aufgehoben sein.
[2, 16, § 3] 21. Solchemnach wachst der erledigte Antheil
nach dem Einen, welcher entweder vor dem Erblasser, oder vor Ausgang der
beigefügten Bedingniß verstorben, oder wegen seiner Unfähigkeit oder
Unwürdigkeit nicht zum Vermächtniß gelangen kann, oder sich dessen selbst
entschlagen hat, nicht denen Anderen zu, welche mit ihme in dem Vermächtniß, es
seie durch Worte, oder an einerlei Sache allein, oder auf beiderlei Weise
zugleich zusammengefüget worden, sondern derselbe solle denen Erben nach Maß
ihrer Erbtheilen zufallen, wann der Erblasser wegen dieses ledigen Antheils
nicht ausdrücklich eine andere Vorsehung gemacht hätte.
[2, 16, § 3] 22. Nur folgende drei Fälle sind ausgenommen,
worinnen der ledige Antheil eines an Mehrere verschafften Vermächtnisses denen
Uebrigen nicht zwar aus dem Recht des Zuwachses, sondern aus einer entweder
schon in den Worten des Vermächtnisses stillschweigend begriffenen, oder
wortdeutlich ausgedruckten Nachberufung zuzukommen hat.
[2, 16, § 3] 23. Der erste Fall ist, wann von dem Erblasser
einerlei Sache an Mehrere dergestalten vermacht worden wäre, daß er dem Einen
seinen Antheil hieran abgesönderter verschaffet, denen übrigen Zusammengefügten
aber miteinander einen gleichen Antheil mit dem von ihnen Abgesönderten an eben
derselben Sache angewiesen hätte, welche in dem ihnen zusammen zugedachten
Antheil für eine Person zu halten sind, und dahero fallt der durch Abgang des
Einen aus ihnen entledigte Antheil denen Uebrigen zu, woferne der Erblasser
nicht ein Widriges angeordnet hätte, wie es an mehrbemelter Stelle von num. 45
bis 49 erkläret worden.
[2, 16, § 3] 24. Der zweite Fall ist, wann der Erblasser
einerlei Sache Mehreren versammlungsweise unter dem Begriff einerlei
Eigenschaft, ohne deren Jedweden seinen besonderen Antheil hieran zu bestimmen,
als einer Gemeinde, Mittel, oder Gesellschaft, oder seines Bruder, oder
Schwester Kindern überhaupt vermacht hätte, wovon auch nur Einer, der zur Zeit
des anfallenden Vermächtnisses übrig wäre, für sich allein das Ganze erhält,
was von dem Erblasser Allen zusammen zugedacht worden.
[2, 16, § 3] 25. Hätte hingegen der Erblasser die Theile
einem Jeden besonders angewiesen, und wie viel ein Jedweder zu beziehen habe,
bestimmet, folglich sie andurch abgesönderet, so tritt die Hauptregel ein, daß
die ledige Antheile nicht denen Uebrigen zukommen, sondern in der Erbschaft
zuruckbleiben.
[2, 16, § 3] 26. Was einem Mittel, Gemeinde oder sonstigen
Versammlung, welche ein gemeines Vermögen haben, verlassen wird, bleibt
insgemein dem gesammten Mittel selbst, und ist nicht unter die einzle
Mitglieder desselben zu vertheilen, wann es der Erblasser nicht ausdrücklich
also angeordnet hätte, oder die Verfassung des Mittels nicht mit sich brächte,
daß Dasjenige, was einkommt, sogleich unter die Mitglieder vertheilet werden
solle.
[2, 16, § 3] 27. Welchen Falls nur Jene an dem zu
vertheilenden Vermächtniß einen
(2-290) Anspruch haben, die zur Zeit des Absterbens des
Erblassers am Leben, und schon von diesem Mittel waren, nicht aber auch die
Erben deren, welche vor dem Erblasser verstorben, wann sie nicht selbst
Mitglieder dieses Mittels sind, noch weniger Jene, die erst nach seinem Tod in
dieses Mittel aufgenommen werden.
[2, 16, § 3] 28. Der dritte Fall ist, wann der Erblasser
wortdeutlich verordnet hätte, daß der nach Abgang des Einen erledigte Antheil
der Mehreren zusammen verschafften Sache denen Uebrigen entweder allen, oder
einigen aus ihnen zufallen solle, welche sonach aus der wortdeutlichen
Nachberufung des Erblassers die ledige Antheile bekommen.
§. IV.
[2, 16, § 4] 29. Was immer für Worten der Erblasser sich bei
Vermächtnissen gebrauchet, sind solche giltig, und haben einerlei Kraft, die
Worte mögen an den, welchem etwas vermacht wird, oder an den Erben, oder an
einen Dritten, welcher mit etwas bedacht worden, gerichtet sein, wann nur der
Willen des Erblassers hieraus deutlich erhellet.
[2, 16, § 4] 30. Dann Alle, auf die durch Absterben des
Erblassers aus der Erbschaft, es seie aus dessen ausdrücklicher letztwilliger
Anordnung, oder aus stillschweigender Beilassung Desjenigen, was er ihnen zu
entziehen Fug und Recht gehabt hätte, etwas gelanget, können auch mit
Abstattung der Vermächtnissen an Andere beschweret werden, insoweit als die
Beschwerde den genießenden Vortheil nicht übersteiget.
[2, 16, § 4] 31. Es können dahero sowohl die eingesetzte,
als die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretende Erben, die durch
gemeine oder vertrauliche After-Erbseinsetzung nachberufene zweite Erben, die
Erbenserben nach Maß des Jenen zugekommenen Erbtheils, und endlich auch die,
welchen etwas mit diesem Beding vermacht, oder durch Uebergabe auf den
Todesfall geschenket worden, dahin verbunden werden, daß sie einem Dritten das,
was sie bekommen, entweder ganz oder zum Theil abstatten sollen.
[2, 16, § 4] 32. Weiter aber als auf das, was Jemand
empfangen, kann sich die Beschwerde nicht erstrecken, sondern, wo weniger
empfangen und mehr vermacht worden, bestehet das Vermächtniß nur nach Maß des
Empfangenen, und das Mehrere entfallet, wann solches der Erblasser nicht
ausdrücklich an seiner übrigen Verlassenschaft angewiesen hätte, oder das
Mehrere nicht ein von der vermachten Sache selbst herrührender Zuwachs wäre,
als eingehende Zinsen von einem Capital, oder einhebende Früchten und Nutzungen
von einem verschafften Gut.
[2, 16, § 4] 33. Umsoweniger mögen Jene mit Vermächtnissen
belastet werden, die von dem Erblasser gar nicht bedacht worden, und aus der
Erbschaft keinen Vortheil bezogen, sondern derlei Vermächtnissen sind null und
nichtig, folglich ist auch der Erb keineswegs schuldig, solche zu entrichten.
[2, 16, § 4] 34. Wollten aber Jene, welche mit
Vermächtnissen an Andere beschweret sind, das, was ihnen dagegen von dem
Erblasser zugewendet worden, nicht annehmen, sondern sich viel lieber dessen
entschlagen, oder sie könnten auch etwan nicht darzu gelangen, so werden die,
welche hierauf angewiesen sind, der ihnen zugedachten Wohlthat deswegen nicht
verlustig, sondern sie können das ihnen Angewiesene, insoweit es den den Anderen
verschafften Betrag nicht übersteiget, aus der Verlassenschaft jegleichwohlen
forderen.
[2, 16, § 4] 35. Hätte hingegen der Erblasser Niemanden
namentlich mit den verschafften Vermächtnissen beschweret, so sind
nichtsdestoweniger die Erben aus der Natur der Sache nach Maß ihrer Erbtheilen
verbunden, solche abzustatten.
[2, 16, § 4] 36. Und da in diesem Fall aus Abgang des
eingesetzten ersten Erben der nachberufene zweite Erb, oder wo keiner
nachberufen worden, die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge
bei bestehenden Testament zur Erbschaft gelangeten, treten auch dieselben in
diese Verbindlichkeit ein, mit alleiniger Ausnahm
(2-291) derjenigen Auflagen, welche namentlich dem
eingesetzten ersten Erben aufgebürdet worden, woran der nachberufene zweite
Erb, wann solche bei ihme nicht wiederholet worden, nicht gebunden ist.
[2, 16, § 4] 37. Uebrigens ist gleichgiltig, ob die
Vermächtnissen in einem Testament vor, nach oder zwischen den Erbeinsetzungen
stehen, und haben nur die einem Erben verschaffte Vermächtnisse dieses
Besondere, daß sie vor Theilung der Erbschaft zum voraus von der
Verlassenschaft abgezogen werden.
[2, 16, § 4] 38. Der wesentliche Unterschied bestehet bei
Vermächtnissen in deme, ob sie unbedingt oder bedingt sind; die unbedingten
haben keinen Beisatz, denen bedingten hingegen ist entweder eine Bedingniß oder
Zeit, oder eine Beschreibung der vermachten Sache, oder der Person Desjenigen,
deme etwas verschaffet wird, oder eine Bewegursache zum Vermächtniß, oder
endlich eine Auflage dessen, was der Erblasser will, dass dagegen geleistet
werden solle, beigefüget, wie alle diese verschiedene Arten von Beisätzen in
der Folge erkläret werden.
§. V.
[2, 16, § 5] 39. Die Wesenheit und Verschiedenheit der
Bedingnissen ist bereits oben im zwölften Capitel, §. V, ausführlich
beschrieben worden, und was alldort von Bedingnissen überhaupt bei
Erbseinsetzungen geordnet wird, hat auch bei Vermächtnissen statt.
[2, 16, § 5] 40. Nicht weniger ist eben allda der
Unterschied zwischen einer beigefügten gewissen oder ungewissen Zeit sammt
deren dreierlei Arten und ihren verschiedenen Wirkungen angezeiget worden.
[2, 16, § 5] 41. Jene Zeit, deren Erfolg zwar ungezweiflet,
dabei aber ungewiß ist, wann sich solche ergeben werde, als da ist Jemandens
Tod, hat eben also bei Vermächtnissen, wie bei Erbseinsetzungen, wann sie auf
das Absterben dessen, der das Vermächtniß abzustatten hat, oder eines Dritten
gerichtet ist, die Wirkung einer wahren, ausziehenden oder verschiebenden
Bedingniß, vor deren Erfolg kein Recht zum Vermächtniß gebühret, folglich auch
selbes erlöschet, wann Derjenige, deme es verschaffet worden, ehender
verstirbt.
[2, 16, § 5] 42. Woferne aber das Vermächtniß auf den
Todesfall dessen, der damit bedacht worden, lautete, ist es keine Bedingniß,
sondern das Recht hierzu gebühret ihme gleich, welches er sofort auf seine
Erben übertraget, obschon es von ihme bei Lebzeiten nicht geforderet werden
mag. Ueberhaupt hat die angehängte Zeit nur damals die Wirkung einer Bedingniß,
wann sie der Verbindlichkeit selbst beigesetzet, nicht aber, wann nur andurch
die Abfuhr oder Zahlung verschoben wird.
[2, 16, § 5] 43. Desgleichen ist bei Vermächtnissen, welche
in Jemands Willkür gestellet werden, der Unterschied zu bemerken, ob selbe der
Willkür dessen, der solche abzustatten hat, oder der Willkür Desjenigen, der
damit bedacht worden, oder aber der Willkür eines Dritten überlassen werden.
[2, 16, § 5] 44. Ist das Vermächtniß in die Willkür
Desjenigen, der darmit beschweret worden, gestellet, so ist abermalen zu
unterscheiden, ob ihme nur die Zeit dasselbe abzustatten, wann es ihme bequem
und gelegen sein werde zu zahlen, oder die Abstattung selbst freigelassen
worden.
[2, 16, § 5] 45. Ersteren Falls kann zwar Derselbe, so lange
er lebet, zur Zahlung nicht verhalten werden, wann er sich darzu nicht
besonders verbindlich gemacht hat; nach seinem Tod hingegen haben es seine
Erben ohne weiteren Verzug zu entrichten, woferne Derjenige, deme es
verschaffet worden, nicht vor seiner verstorben wäre, dann ein so gestaltetes
Vermächtniß hat die nemliche Natur wie jenes, welches auf den Tod des darmit
Beschwerten gerichtet ist.
[2, 16, § 5] 46. Letzteren Falls aber, wo die Abstattung
selbst seinem freien Willen überlassen worden, ist er darzu nicht in geringsten
verbunden, und das Vermächtniß
(2-292) hat nicht die mindeste Kraft und Wirkung, wann sich
Derselbe zu dessen Leistung nicht gutwillig verstehen.
[2, 16, § 5] 47. Ist das Vermächtniß lediglich in die
Willkür dessen, deme es verschaffet worden, gestellet, hat Derselbe, solange er
sich es annehmen zu wollen nicht erkläret, kein Recht darzu, und wann er vor
dieser Erklärung verstirbt, erlöschet das Vermächtniß, weilen es mit der
Bedingniß der zu machen habenden Erklärung verschaffet worden.
[2, 16, § 5] 48. Wann es aber bloß in die Willkür eines
Dritten gestellet worden, ist das Vermächtniß null und nichtig, es seie dann,
daß solches stillschweigend aus der Natur einer beigefügten Bedingniß, deren
Erfüllung von der Willkür des Dritten abhanget, geschehe, oder die Auswahl
einer von mehreren von dem Erblasser benannten Personen, welcher das
Vermächtniß zukommen solle, einem Dritten ausgetragen werde.
[2, 16, § 5] 49. Nicht weniger ist der Fall ausgenommen,
wann Jemanden nicht das Vermächtniß selbst in freie Willkür gestellet, sondern
nur die Beurtheilung der Umständen, nach welchen der Betrag des Abzuführenden,
oder die Zeit, oder die Weis der Abfuhr abzumessen seie, überlassen worden.
[2, 16, § 5] 50. Welchen Falls, da dieser, deme der Auftrag
geschehen, sich hierzu nicht verstehen wollte oder könnte, der Richter von
amtswegen Dasjenige, was er billig zu sein finde, zu ermessen hat, und wann
auch Jener, der auf solche Art bedacht worden, ehender verstirbt, übertraget er
das Vermächtniß jegleichwohlen auf seine Erben.
§. VI.
[2, 16, § 6] 51. Die Beschreibung ist nichts Anderes, als
ein Beisatz gewisser vergangener oder gegenwärtiger Umständen, wodurch die
gemeinte Sache oder Person angedeutet wird.
[2, 16, § 6] 52. Diese ist nothwendig oder überflüssig.
Durch die nothwendige wird jene verstanden, ohne welcher die Sache oder Person,
welche vermeinet wird, nicht erkennet werden kann, und diese muß allemal wahr
sein, widrigens ist das Vermächtniß null und nichtig, weilen ansonst der Willen
des Erblassers nicht wissend sein kann,
[2, 16, § 6] 53. Ueberflüssig hingegen ist die Beschreibung,
welche der Sache oder Person beigefüget wird, die schon ohne derselben genugsam
bekannt ist, und bei dieser hat die Regel statt, daß eine irrige und falsche
Beschreibung das Vermächtniß nicht ungiltig mache, wann sonst der Willen des
Erblassers, und die Sache oder die Person, welche er vermeint hat, deutlich
erhellet.
[2, 16, § 6] 54. Es bestehet dahero das Vermächtniß, wann
der Erblasser eine gewisse bestimmte Sache obschon mit einer irrigen Beschreibung
verschaffet hätte, als eine goldene Kette, die im Kasten verwahret ist, oder
ein Roß, welches er von seinem Bruder erkaufet, obgleich die Kette nicht im
Kasten, sondern an einem anderen Ort gefunden würde, und wohl ein Roß im Stall,
keines aber, welches von seinem Bruder erkaufet worden, vorhanden wäre.
[2, 16, § 6] 55. Doch muß die verschaffte Sache, in deren
Beschreibung geirret worden, in der Verlassenschaft vorfindlich sein, widrigens
ist das Vermächtniß null und nichtig, als da in dem gegebenen Beispiel keine
goldene Kette und kein Roß in der Verlassenschaft zu finden wäre.
[2, 16, § 6] 56. Desgleichen, wo der Erblasser Jemanden
einen gewissen Betrag mit der Beziehung auf ein von ihme benanntes Behältniß,
als hundert Gulden, welche er im Kasten hat, verschaffet hätte, und nicht so
viel darinnen gefunden würde, gilt das Vermächtniß nur für den Betrag, welcher
darin vorhanden ist. Da
(2-293) aber nichts davon im Kasten gefunden würde, ist auch
das ganze Vermächtniß ungiltig.
[2, 16, § 6] 57. Auf eben diese Art ist der Fall zu
entscheiden, wann Jemanden eine Schuld mit irriger Benennung der Summe vermacht
worden wäre, die er oder ein Dritter beim Erblasser schuldig ist, dann wo die
Schuld sich nicht so hoch belauft, als vermacht worden, bestehet das
Vermächtniß nur für den schuldigen Betrag, und wo der Erblasser gar nichts zu
forderen hätte, ist auch das Vermächtniß null und nichtig.
[2, 16, § 6] 58. Eine andere Bewandtniß hat es, wann
Jemanden eine Summe verschaffet worden wäre, die ihme der Erblasser schuldig zu
sein angiebt, welche er aber ihme nicht schuldig ist, dann dessen ohnerachtet
bleibt das Vermächtniß bei Kräften, obschon der Umstand der Schuld irrig
beigesetzet worden wäre.
[2, 16, § 6] 59. Mit der irrigen Beschreibung hat eine
irrige und falsche Benamsung der vermachten Sache gleiche Beschaffenheit, wann
sonst die Sache, welche der Erblasser vermeint hat, kennbar ist. Also da Jemand
in dem eigenen Namen seines Hauses oder Guts irrete, und doch nur ein Gut oder
Haus hätte, worüber er in andere Wege nicht geordnet hat, ist das Vermächtniß
giltig.
[2, 16, § 6] 60. Eben also, wo der Erblasser Jemanden
hundert Ducaten, welche er im Kasten hat, verschaffet hätte, und sich darinnen
keine, aber nicht so viele Gold sondern lauter, oder mehrere Silbermünzen
befänden, gebühret ihme von Silbermünzen so viel, als hundert Ducaten in Werth
betragen, wann so viel an Geld in dem angezeigten Kasten ware.
[2, 16, § 6] 61. Nicht weniger ist der Irrthum in Benamsung
oder Beschreibung der Person Desjenigen, deme etwas verschaffet wird, ganz
unschädlich, wann nur die Person, welche der Erblasser gemeint hat, aus anderen
Umständen gewiß und ungezweiflet ist.
[2, 16, § 6] 62. Also da der Erblasser Desjenigen, deme er
das Vermächtniß zugedacht, irrig seinen Gönner und Wohlthäter nennet, oder ihme
ein Amt, Würde oder Eigenschaft, die er nicht hat, beileget oder denselben mit
einem anderen Vornamen benennet, ist das Vermächtniß nichtsdestoweniger giltig,
woferne sonst an der Person kein Zweifel ist.
[2, 16, § 6] 63. Es waltete dann der Irrthum in einer
solcher vermeinten Eigenschaft für, in deren Ermanglung der Erblasser ihme das
Vermächtniß nicht verschaffet haben würde, und der Erb könnte die so
beschaffene Willensmeinung des Erblassers erweisen, welchen Falls das Vermächtniß
gänzlich entkräftet wird.
[2, 16, § 6] 64. Von dieser Art sind alle Eigenschaften,
welche von einem vermeinten Blutband herrühren, als da der Erblasser Jemanden
für sein Kind, Bruder oder Anverwandten gehalten, und das Widerspiel nicht
gewußt hätte, sondern bis zu seinem Ableben in diesem Irrthum beharret wäre.
[2, 16, § 6] 65. Ein Anderes ist demnach, wann dem Erblasser
das Gegentheil wohl wissend ware, und er jegleichwohlen aus Zuneigung gegen der
Person, die er in seinem letzten Willen bedacht hat, sie sein Kind, seinen
Vater oder Mutter, seinen Bruder oder Schwester genennet hätte.
[2, 16, § 6] 66. So wenig aber eine irrige Beschreibung das Vermächtniß insgemein entkräftet, so wenig kann auch aus
einer irrigen Beschreibung ein Vermächtniß gefolgeret werden. Als da der
Erblasser Jemanden von seinem Gut, welches er einem Dritten verschaffet zu
haben irrig angiebt, eine gewisse Summe vermacht hätte, und nun diesem in der
Wahrheit das Gut von ihme nicht verschaffet worden wäre, so kann auch Derselbe
solches nicht forderen, wohl aber ist der Andere befugt, die ihme hierauf
angewiesene Summe von Jenem, deme das Gut aus der Erbschaft zukommt,
anzuverlangen.
§. VII.
(2-294) [2, 16, § 7] 67. Der Beisatz der Bewegursache zeiget
denjenigen Umstand an, welcher den Erblasser der von ihme bedachten Person das
Vermächtniß zu hinterlassen bewogen, und Gelegenheit darzu gegeben hat.
[2, 16, § 7] 68. Die Ursache kann entweder von einem
vergangenen oder künftigen Erfolg hergeleitet werden, als da der Erblasser
Jemanden etwas vermacht hätte, weilen dieser ihme seine Geschäften besorget
hat, oder solche in Zukunft besorgen wird.
[2, 16, § 7] 69. Gleichwie aber ein Vermächtniß aus bloßer
Freigebigkeit, und freien ungezwungenen Willen des Erblassers herrühret,
folglich keiner Ursache bedarf, also wird auch, dasselbe durch den Beisatz
einer falschen Ursache nicht entkräftet, diese möge schon vorhin falsch gewesen
sein, oder in der Folge nicht in Erfüllung gehen.
[2, 16, § 7] 70. Also da der Erblasser Jemanden ein
Vermächtniß hinterließe, weilen dieser ihn aus einer Lebensgefahr befreiet,
oder weilen er selbst nicht mehr heirathen werde, bleibt das Vermächtniß
gleichwohl giltig, obschon die darmit bedachte Person an der Befreiung des
Erblassers keinen Theil gehabt hätte, oder der Erblasser jedennoch sich
verheirathen würde.
[2, 16, § 7] 71. Diese Regel leidet jedoch einen zweifachen
Abfall, als erstlich, wann aus den Umständen erhellet, daß der Beisatz kein
bloßer Beweggrund, sondern eine wahre Endursache seie, bei deren eingesehener
Falschheit der Erblasser das Vermächtniß nicht verlassen haben würde.
[2, 16, § 7] 72. Eine so beschaffene Willensmeinung solle in
folgenden Fällen vermuthet werden: Wo zur Ursache ein vermeintes Blutband
angegeben wird, und dem Erblasser das Widerspiel nicht wissend war; wann der
Erblasser ausdrücklich zu erkennen giebt, daß er das Verschaffte einzig und
allein aus der angegebenen Ursache und in keiner anderen Absicht, oder
lediglich zu den angezeigten Ziel und Ende verlasse; wann derselbe Jemanden
eine Verbindlichkeit aus der Ursache erlässt, weilen er solche aus Irrthum für
bereits geleistet gehalten, und der Irrthum hernach erweislich wäre.
[2, 16, § 7] 73. So in diesen, wie in allen anderen Fällen
hat allemal Jener, der mit dem Vermächtniß beschweret worden, den Irrthum und
die Besinnung des Erblassers zu erweisen, dass, wo er die Falschheit der
beigesetzten Ursache gewußt hätte, derselbe nichts verschaffet haben würde.
[2, 16, § 7] 74. Wessen Beweis er außer vorberührten dreien
Fällen, wo ihme die rechtliche Vermuthung zu statten kommt, entweder durch
Zeugen, vor welchen der Erblasser diese seine Besinnung also erkläret, oder aus
dem Inhalt des letzten Willens selbst, wann der Erblasser darinnen wortdeutlich
zu erkennen gegeben, daß er lediglich und einzig und allein aus der vermeinten
Ursache das Vermächtniß verlassen habe, verführen kann.
[2, 16, § 7] 75. Der zweite Abfall von der Regel ist, wann
der Erblasser die Ursache als eine Bedingniß durch die Worte, wann, woferne da,
beigesetzet hätte. In diesem Fall, wann sich solche auf die vergangene oder
gegenwärtige Zeit beziehet, ist da Vermächtniß sogleich giltig oder ungiltig,
nachdeme der beigefügte Umstand wahr oder falsch ist.
[2, 16, § 7] 76. Beziehet sich aber der Beisatz auf die
künftige Zeit, hat solcher die Natur einer wahren Bedingniß, von deren Erfolg
die Giltigkeit des Vermächtnisses abhanget, würde jedoch der Beisatz als eine
Auflage dessen, was für die Vermächtniß geleistet werden solle, durch die Worte
darmit, oder auf dass, gefasset werden, ist es eine Art und Weis, von der
hiernach gehandlet wird.
[2, 16, § 7] 77. So wenig aber der Beisatz einer irrigen und
falschen Ursache das Vermächtniß entkräftet, so wenig wird durch solche die
Widerrufung und Aufhebung
(2-295) eines Vermächtnisses verhinderet, sondern sie bleibt
noch allezeit giltig, obschon die Ursache, aus welcher sie geschehen, falsch zu
sein befunden würde.
[2, 16, § 7] 78. Also da ein Vater seinem Sohn bloß allein
den Pflichttheil verlassen und von der übrigen ihme Anfangs zugedachten
Erbschaft aus der beigefügten Ursache ausgeschlossen hätte, weilen er ein
Verschwender, oder sonst von üblen Lebenswandel wäre, kann der Sohn
jegleichwohlen über den Pflichttheil nichts Mehreres anforderen, obschon er die
angegebene Ursache falsch zu sein erweisen könnte.
§. VIII.
[2, 16, § 8] 79. Endlich ist der Beisatz einer Art und Weis,
unter welcher ein Vermächtniß verlassen wird, und deren Unterschied von einer
Bedingniß allschon oben in zwölften Capitel, §. V, von num. 163 bis 170 umständlich
erkläret worden, wobei nur noch anzumerken ist, daß, wo der Erblasser die dem
Einem gemachte Auflage widerrufen, und solche einem Anderen auftragen würde,
andurch auch das mit dieser Auflage verschaffte Vermächtniß dem Ersten
benommen, und auf den Anderen übertragen sein solle, wann der Erblasser nicht
ausdrücklich anderst geordnet hat.
[2, 16, § 8] 80. Dahingegen wird durch die alleinige
Widerrufung der Auflage, wann solche niemanden Anderen aufgetragen wird, das
Vermächtniß nicht aufgehoben, sondern dieses bestehet nicht weniger, als da
eine vorhin beigefügte Bedingniß nachhero erlassen worden wäre.
Zweiter Artikel.
Von Sachen, welche verschaffet werden können.
§. IX. Von Beschaffenheit der Dingen,
welche verschaffet werden können. §. X. Von Vermächtniß unkörperlicher Dingen,
und insonderheit von Vermächtniß jährlicher Renten und Einkünften. §. XI. Von
Vermächtniß persönlicher Dienstbarkeiten. § XII. Von Vermächtniß der
Grunddienstbarkeiten. §. XIII. Von verschafften Heirathgut oder Brautschatz. §.
XIV. Von verschaffter Auswahl eines von mehreren Dingen. §. XV. Von
verschaffter Schuld, oder Befreiung von der Schuld. §. XVI. Von Vermächtniß
körperlicher Dingen und insonderheit jener, welche in Gewicht, Zahl oder Maß
bestehen. §. XVII. Von Vermächtniß der Zugehörungen zu einer Sache. §. XVIII.
Von vermachten Speis- oder Kellervorrath. §. XIX. Von vermachten Hausrath. §.
XX. Von vermachten Unterhalt, oder täglicher Kost. §. XXI. Von vermachten Gold-
oder Silberwerk, Barschaft, Aufputz, Geschmuck und Kleidern.
§. IX.
[2, 16, § 9] 81. Allerlei Dinge, sowohl Sachen als Werke,
können vermacht werden, also kann ein Erblasser seinem Erben anbefehlen, daß er
Jemandes baufälliges Haus ausbesseren, oder ihme ein Gut oder Haus kaufen, oder
ihn von seinen Schulden befreien solle.
(2-296) [2, 16, § 9] 82. Doch müssen die verschaffte Werke
weder unvernünftig, noch schädlich oder unerlaubt, sondern so beschaffen sein,
dass der Erblasser solche anzuordnen Fug und Macht habe, und Jenem, deme sie
vermacht worden, ein Nutzen hieraus zugehe, folglich sie einer Schätzung oder
Anschlags des Werths fähig sind, welchen der Erb, oder Jener, welcher von dem
Erblasser darzu verbunden worden, auf dem Fall, da er sie selbst nicht leisten
könnte oder wollte, oder solche von einem Dritten geleistet werden sollen,
dafür zu erlegen hat.
[2, 16, § 9] 83. Alle Vermächtnissen rühren entweder
unmittelbar oder mittelbar aus der Erbschaft her; unmittelbar, wann das
verschaffte Gut in der Verlassenschaft wirklich vorhanden ist, und aus solcher
hergenommen werden mag, mittelbar aber, wann Jemanden mit der Auflage etwas
verlassen wird, dass er dagegen einem Dritten was Anderes, so er aus seinem
eigenen Vermögen herzugeben, oder von anderwärts beizuschaffen hat, leiste oder
thue.
[2, 16, § 9] 84. Dinge, welche vermacht werden, müssen in
der Natur und Wesenheit der Sachen schon wirklich ihr Dasein haben, oder doch
wenigstens möglicher Weise angehoffet werden können, nebst deme auch handelbar,
und also beschaffen sein, dass der Erblasser darüber zu ordnen Macht habe, und
Demjenigen, welcher mit dem Vermächtniß bedacht wird, andurch ein wirklicher
Nutzen und Vortheil zugewendet werde.
[2, 16, § 9] 85. Es ist dahero ein Vermächtniß dessen, was
weder in der Natur und Wesenheit der Sachen vorhanden ist, noch auch möglicher
Weise angehoffet werden mag, ganz und gar null und nichtig, also daß weder der
Werth einer solchen Sache gebühre.
[2, 16, § 9] 86. Wessen Wesenheit aber möglicher Weise
angehoffet werden mag, als da sind künftig erzeugende Früchten, abfallende
Zinsen, Wolle und Lämmer von Schafen, Kälber und Kühen, Fohlen und Stuten, und
überhaupt Alles, was erst in Zukunft erwartet wird, kann rechtsgiltig
verschaffet werden.
[2, 16, § 9] 87. Derlei Vermächtnissen sind zwar an sich
selbst insoweit unbedingt, daß wann auch Derjenige, auf den sie lauten, ehe und
bevor das Verschaffte erzeuget oder eingehen würde, verstürbe, derselbe das
Recht darzu auf seine Erben übertrage; dahingegen hanget die Verbindlichkeit zu
Leistung des Verschafften, folglich auch die Forderung selbst von dem Erfolg
ab, daß etwas erzeuget werde.
[2, 16, § 9] 88. Dann die Vermächtnissen anhoffender Dingen
haben allemal die stillschweigende Bedingniß in sich, wann das Angehoffte
erzeuget, und zu seiner Wesenheit kommen wird, bis dahin Jener, welcher mit dem
Vermächtniß beschweret worden,
(2-297) zu dessen Abstattung in nichten verbunden ist, doch
kann derselbe mittlerweil auf Erforderen zur Sicherstellung des Verschafften
verhalten werden.
[2, 16, § 9] 89. Es ist aber dabei zu unterscheiden, ob die
erzeugende Früchten von einem Grund überhaupt, oder nur ein gewisser Betrag
davon vermacht worden. Ersteren Falls gebühret das, was darauf erzeuget wird,
es seie viel oder wenig, und da gar nichts erzeuget würde, kann auch nichts
geforderet werden, und ist die inmittelst geleistete Sicherstellung anwiederum
zu erlassen.
[2, 16, § 9] 90. Letzteren Falls hingegen, wo der Erblasser
einen gewissen Betrag der von dem benannten Grund erzeugenden Früchten
angewiesen und bestimmet hätte, als z. B. zehn Eimer Wein von der nächsten
Weinlese aus seinem Weinberg, oder zehn Metzen Getreid von der nächsten
Fechsung aus seinem Acker, gebühret nur der ausgewiesene Betrag, wann so viel
erzeuget wird. Wo aber nicht so viel erzeuget würde, als angewiesen worden,
darf auch Derjenige, welcher mit diesem Vermächtniß beschweret worden, ein
Mehreres nicht, als erzeuget worden, abstatten, wann der Erblasser den Nachtrag
des Abgangs nicht ausdrücklich angeordnet hätte, oder nicht aus eigener Schuld
des Erbens oder des darmit Beschwerten geschehen wäre, daß nichts oder weniger
gewachsen seie.
[2, 16, § 9] 91. Ferners müssen die Sachen, welche vermacht
werden, handelbar sein, dann wo sie nach ihrer Wesenheit, oder nach der
denenselben von Unseren Gesetzen beigelegten Eigenschaft ganz und gar
unhandelbar wären, gebühret nicht einmal der Werth dessen, was verschaffet
worden.
[2, 16, § 9] 92. Wo aber die vermachte Sache nur in gewisser
Maß, es seie in Absicht auf den Erblasser oder Erben, oder Denjenigen, deme sie
verschaffet wird, unhandelbar wäre, ist in beiden ersteren Fällen die Sache,
wann sie zu haben ist, oder deren Werth, wo sie nicht zu bekommen wäre, in dem
letzteren Fall aber allemal der Werth derselbe zu erstatten, wann auch solches
der Erblasser nicht ausgedrucket hätte.
[2, 16, § 9] 93. Auch in wirklichen Rechtsstritt hangende
Sachen, obschon deren Veräußerung durch Handlungen unter Lebenden insgemein
untersaget ist, können rechtsgiltig vermacht werden, und tritt solchen Falls
Derjenige, deme diese Sache verschaffet worden, in das Recht des Erblassers
ein, folglich hat er auch selbst den Stritt auf seine eigene Unkosten, und auf
seinen Gewinn und Verlust auszuführen, und wo diese Sache Mehreren verschaffet
worden, haben Alle darzu beizutragen.
[2, 16, § 9] 94. Der Erb aber ist keineswegs zu dessen
Ausführung, noch minder zum Ersatz dessen, was nicht behauptet wird, verbunden,
wann ihme solches von dem Erblasser nicht ausdrücklich auferleget
worden. Es hätte dann der Erblasser nur einen Theil Desjenigen, was durch den
Stritt behauptet werden wird, verschaffet, und das Uebrige dem Erben belassen,
welchen Falls dieser den Stritt auf seine Unkosten fortzusetzen hat, wo aber
nicht so viel behauptet würde, als angewiesen worden, ein Mehreres nicht, als
was hieran zugesprochen worden, abzustatten schuldig ist.
[2, 16, § 9] 95. Doch ist Demjenigen, welcher mit einer in
Stritt hangenden Sache oder einem Theil derselben bedacht worden, nicht
verwehret, in Fällen, wo der Erb den Stritt auszuführen hat, in solchem selbst
einzukommen, und sein Recht zu betreiben.
[2, 16, § 9] 96. Wo aber aus erweislicher Schuld oder
Gefährde des Erbens die Sache dem Gegentheil zugesprochen, oder von ihme durch
Vertrag oder Vergleich demselben überlassen worden wäre, bleibt er
jegleichwohlen verfänglich den Werth dessen, was verschaffet worden, abzutragen
und zu ersetzen.
[2, 16, § 9] 97. Handelbare Sachen sind entweder des
Erblassers eigenes, oder fremdes Gut. Von ganz eigenen Sachen bestehet das
Vermächtniß, der Erblasser möge solche sein Eigen zu sein gewußt, oder für
jemandens Anderen, oder auch Desjenigen, deme sie verschafft worden, sein
Eigenthum gehalten haben.
(2-298) [2, 16, § 9] 98. Sind sie aber ihme nur zum Theil
eigen und mit Anderen gemein, gilt das Vermächtniß nur für denjenigen Antheil,
der dem Erblasser hieran zugestanden; es hätte dann Derselbe noch vor seinem
Tod die übrigen Theile der Sache, welche er schon damals, als ihme nur ein
Theil hieran zugestanden, ganz vermacht, an sich gebracht, oder den Erben
ausdrücklich verbunden, die übrigen Theile einzulösen und abzustatten.
[2, 16, § 9] 99. Desgleichen, wo der Erblasser einen Grund
vermachen würde, woran ihme nur das nutzbare Eigenthum, oder ein Erbzinsrecht,
oder ein sonstiges dingliches Recht gebührete, wird anmit nur dasjenige Recht,
was er hieran gehabt, für vermacht gehalten.
[2, 16, § 9] 100. Wo aber der Erblasser seine eigene Sache
vermacht hätte, welche einem Dritten verpfändet, oder bei ihme versetzet wäre,
ist das Vermächtniß zwar giltig, dahingegen der Erb das Pfand einzulösen nicht
schuldig, sondern die Sache gehet mit ihrer Haftung auf Jene, deme sie vermacht
worden, wann der Erblasser nicht ausdrücklich angeordnet hätte, daß das
vermachte Pfand aus seiner übrigen Verlassenschaft eingelöset werden solle.
[2, 16, § 9] 101. Eben also gehet ein vermachter Grund mit
allen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich darauf versicherten
Pfandverschreibungen und anderen Haftungen auf Jene, welchem solcher
verschaffet worden, ohne daß der Erb oder die übrige Verlassenschaft den Grund
davon zu befreien verfänglich wäre, wann solches von dem Erblasser nicht
wortdeutlich vorgesehen worden.
[2, 16, § 9] 102. Sind die vermachten Sachen fremdes Gut, so
ist der Unterschied zu beobachten, ob sie Demjenigen, der mit Abstattung des
Vermächtnisses beschweret worden, oder schon vorhin deme, welchem sie zugedacht
werden, oder aber einem Dritten angehörig sind.
[2, 16, § 9] 103. Gehören sie Jenem, welchem gegen deme, daß
er aus der Erbschaft etwas beziehet, die Leistung des Vermächtnisses auferleget
worden, so ist das Vermächtniß in der oben §. IV vorgeschriebenen Maß allemal
giltig, wann gleich der Erblasser sie für sein Eigen gehalten hätte.
[2, 16, § 9] 104. Doch wo mehrere Erben eingesetzet, und nur
die Sache des einen Miterben vermacht worden wäre, ist er zwar schuldig die
vermachte Sache zu leisten, kann aber den Werth derselben in Anschlag bringen,
und nach Abzug dessen, was hiervon auf seinen Antheil ausfallt, den Beitrag des
Uebrigen von den Antheilen der anderen Miterben anbegehren.
[2, 16, § 9] 105. Wäre hingegen die vermachte Sache
Demjenigen, welchem sie verschaffet wird, schon zur Zeit des errichteten
letzten Willens zuständig, so ist das Vermächtniß null und nichtig, also daß
nicht einmal der Werth dafür gebühre, obschon der Erblasser dieselbe für sein
Eigen gehalten, oder Derjenige, deme sie verschaffet worden, sie noch Lebzeiten
des Erblassers veräußeret hätte.
[2, 16, § 9] 106. Es hätte dann Derselbe nur ein zeitliches
und widerrufliches Recht hieran, oder die Sache wäre mit dem Recht eines Dritten
befangen, und der Erblasser hätte ausdrücklich angeordnet, daß ihme das völlige
Eigenthum verschaffet, oder die Sache von dem hieran habenden Recht eines
Dritten befreiet, oder da die Sache von ihme veräußeret, oder sonst aus Handen
kommen, und also sein zu sein aufhören würde, von dem Erben wiederum zu dessen
Handen eingelöset werden solle, welcherlei Vermächtnissen allerdings giltig
sind.
[2, 16, § 9] 107. Außer diesen Fällen hingegen ist das
Vermächtniß einer Sache, welche bereits zur Zeit des errichteten letzten
Willens Demjenigen, deme sie verschaffet wird, mit dem vollen Eigenthum
zugehöret, unnütz und nichtig; wo aber derselbe die ihme verschaffte Sache erst
nach schon errichteten letzten Willen an sich gebracht, und nachhero bei
Lebzeiten des Erblassers anwiederum veräußeret hätte, kommt das Vermächtniß zu
Kräften, insoweit als das Vermächtniß einer fremden Sache nach der folgenden
Ausmessung bestehen mag.
(2-299) [2, 16, § 9] 108. Daferne ihme jedoch die nach
errichteten letzten Willen an sich gebrachte Sache zur Zeit des Absterbens des
Erblassers noch zuständig wäre, ist zu unterscheiden, ob er solche entgeltlich
oder unentgeltlich erworben habe.
[2, 16, § 9] 109. Hat er solche entgeltlich bekommen, als
durch Kauf, Tausch, oder auch als ein ihme verschriebenes Heirathgut, kann er
aus dem letztem Willen noch den Werth dafür anforderen, welches gleichfalls von
dem Fall zu verstehen ist, wann derselbe die ihme unter einer Bedingniß
vermachte Sache bei noch hangender Bedingniß entgeltlich überkommen hätte, und
die Bedingniß hernach erfolgte.
[2, 16, § 9] 110. Hat aber derselbe die ihme verschaffte
Sache mittlerweil ohnentgeltlich und aus einer anderen gleichmäßigen
gewinnstigen Ursache, z. B. durch Schankung oder Vermächtniß aus einem anderen
Testament erworben, gebühret ihme auch nicht der Werth dafür. Wann er jedoch
nur einen Theil der Sache unentgeltlich bekommen, hat er noch das Uebrige zu
forderen, und da derselbe die Sache zum Theil entgeltlich, und zum Theil
unentgeltlich an sich gebracht hätte, ist ihme der Werth nur für denjenigen
Theil zu leisten, welcher ihme entgeltlich zugekommen ist.
[2, 16, § 9] 111. Da Jemanden einerlei Sache von zweien
Erblasseren vermacht worden wäre, kann das Vermächtniß nicht zweimal verlanget
werden, und wann er aus dem einen letzten Willen die Sache oder den Werth
bereits erhalten, ist er nicht befugt, aus dem anderen das Vermächtniß zu
forderen, es seie dann, daß er dagegen aus dem Seinigen etwas zu geben, oder zu
thun beschweret, oder in dem einem letzten Willen die Sache, und in dem anderen
der Werth derselben namentlich vermacht worden wäre.
[2, 16, § 9] 112. Ein Anderes ist, wann Jemanden von zweien
Erblasseren einerlei Summe oder Betrag verschaffet worden, dann ein Betrag ist
so oft, als er vermacht worden, zu leisten, wann nicht erhellet, daß der andere
Erblasser den nemlichen und eben denselben Betrag, welchen der erste Erblasser
schon vermacht hat, gemeinet habe, als da ein kurz nach seinem Vater
versterbender Sohn in seinem letzten Willen die Abstattung eines noch
unbezahlten Vermächtnisses anordnete, welches sein Vater verlassen hat.
[2, 16, § 9] 113. Wo von einem Erblasser in seinem letzten
Willen, es seie in einem Testament oder Codicill an mehreren Stellen, oder erst
in Testament, und sonach anwiederum in Codicill Jemanden einerlei Sache,
Summe oder Betrag zweimal, oder auch öfters vermacht worden wäre, kann das
Verschaffte nur einmal geforderet werden, und ist die öftere Meldung einerlei
Sache oder Summe für eine bloße Wiederholung, und keineswegs für eine
Vervielfältigung des Vermächtnisses zu halten, wann der Erblasser das
Widerspiel nicht klar ausgedrucket, daß sowohl die Sache als der Werth, oder
die verschaffte Summe mehr, als einmal entrichtet werden solle.
[2, 16, § 9] 114. Ist endlich die vermachte Sache einem
Dritten gehörig, und der Erblasser würde den Erben verbinden dieselbe zu kaufen
oder einzulösen, und Demjenigen, welchen er darmit bedacht hat, einzuantworten,
so bestehet das Vermächtniß, und der Erb ist schuldig, diese Sache, wann sie
feil ist, zu Handen dessen, welchem sie vermacht worden, zu erkaufen, oder da
selbe von dem Inhaber um einen billigen Preis nicht hintan gegeben werden
wollte, ihme den gerichtlich geschätzten Werth dafür zu erlegen.
[2, 16, § 9] 115. Es hätte dann der Erblasser den Betrag der
Kauf- oder Einlösungssumme, welche dafür gegeben werden solle, selbst
bestimmet, welchen Falls, wann die Sache um diesen Preis nicht zu haben wäre,
der Erb genug thut, wann er den von dem Erblasser bestimmten Werth entrichtet.
[2, 16, § 9] 116. Woferne aber der Erblasser eine ganz
fremde Sache ohne dem Beisatz der zu leisten habenden Einlösung vermacht hätte,
solle allemal dafür gehalten werden, daß derselbe solche sein Eigen zu sein
geglaubet habe, folglich auch kein
(2-300) Beweis der widrigen Wissenschaft zulässig, sondern
das Vermächtniß null und nichtig sein.
[2, 16, § 9] 117. Die Sachen können entweder unter einem
allgemeinen Begriff von Rechten und Gütern, oder einzelweise vermacht werden.
Würde aber Jemanden die ganze Erbschaft, oder ein dem Betrag nach unbestimmter
Theil derselben, als z. B. die Hälfte, ein Drittel, Viertel, Fünftel oder
Sechstel verschaffet, so solle ein so beschaffenes Vermächtniß für eine
Erbseinsetzung gehalten, und Derjenige, welche also bedacht worden, es möge neben
ihme noch Andere, oder keine Miterben benannt worden sein, in dem ihme
beschiedenen Antheil für einen wahren Erben angesehen, folglich auch nach Maß
dieses seines Antheils, so die Erblasten, wie die Erbvortheile mit ihme
getheilet werden.
[2, 16, § 9] 118. Und dieses solle auch damals verstanden
werden, wann der Erblasser Jemanden sein ganzes Vermögen, oder einen dem Betrag
nach unbestimmten Theil desselben vermacht hätte, somit also hierinnen, ob er
das Vermächtniß einen Theil der Erbschaft, oder des Vermögens benennet habe,
kein Unterschied, sondern diese Art des Vermächtnisses in einen Weg, wie den
anderen eine Erbseinsetzung sein, und dafür geachtet werden.
[2, 16, § 9] 119. Auch mehrere einzle Sachen können unter
einem allgemeinen Begriff vermacht werden, als da der Erblasser all seine
Fahrnissen, oder all sein fahrendes Hab und Gut verschaffen würde. Unter diesem
Vermächtniß ist all Jenes begriffen, was nach dem oben in ersten Capitel, §.
VII und VIII erklärten Verstand von Fahrnissen oder beweglichen Gut
darunter gehöret, außer deme jedoch, was der Erblasser
hiervon namentlich ausgenommen hat.
[2, 16, § 9] 120. Desgleichen können mehrere Sache zusammen
von einerlei oder verschiedener Gattung mit Beziehung auf ein angezeigtes
Behältniß, worinnen sie befindlich sind, als ein benanntes Zimmer mit aller
darinnen vorhandenen Einrichtung, ein Cabinet, Schranken oder Kasten mit Allem,
was darinnen verwahret ist, vermacht werden.
[2, 16, § 9] 121. In diesem Fall sind alle Sachen, welche
zur Zeit des Todes des Erblassers an dem angezeigten Ort befindlich sind, unter
dem Vermächtniß begriffen, doch mit Ausnahm der etwan darinnen aufbewahrten
Schuldscheinen, Schuldverschreibungen, Wechselbriefen,
Contracten und anderer schriftlichen Urkunden, welche zum
Beweis eines angebührenden Rechts oder Forderung andienen.
[2, 16, § 9] 122. Und obwohlen in dem Fall, wo nichts
Anderes, als Schuld- oder Wechselbriefe darinnen vorfindlich, und mithin das
Vermächtniß ohne solchen ganz und gar unnütz wäre, auch diese, sie mögen in der
Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet sein oder nicht, darunter
begriffen werden, so solle sich doch ein solches Vermächtniß auch damals auf
die etwan darunter befindliche Kauf-, Bestand- und anderen Contracten oder
Urkunden, diese mögen einverleibet sein oder nicht, keineswegs erstrecken,
sondern sich bloß allein auf die Schuld- und Wechselbriefe beschränken.
[2, 16, § 9] 123. Ferners mögen einzle Sachen nicht allein
nach ihrer Gestalt und stuckweis, sondern auch nach der Art und Gattung vermacht
werden, doch muß die Gattung entweder von der Natur, dem gemeinen Gebrauch,
oder dem Erblasser dergestalten bestimmet sein, damit aus dem Vermächtniß
entnommen werden möge, was für eine Sache derselbe hierunter verstanden habe.
[2, 16, § 9] 124. Ist die Gattung also unbestimmt, daß nicht
abzunehmen seie, was oder wie viel der Erblasser gemeinet habe, als da ein
Thier, ein Ding, oder auch Wein und Getreid überhaupt ohne Benennung der Maß
vermacht worden wäre, so ist auch das Vermächtniß unnütz und nichtig. Ein
Gleiches verstehet sich, wann ein Haus oder Grund verschaffet,
und der Erblasser keine Häuser und Gründe hinterlassen würde. Wo er aber eines
oder mehrere verließe, bestehet das Vermächtniß
(2-301) gleichwohlen aus der stillschweigenden Beziehung auf
jene Häuser oder Gründe, so in seiner Verlassenschaft befindlich sind.
[2, 16, § 9] 125. Ist hingegen die verschaffte Gattung
entweder von der Natur, als ein Pferd, Ochs, Schaf, oder von dem gemeinen
Gebrauch, als die gewöhnliche Kleidung, oder von dem Erblasser, es seie an sich
selbst, oder durch Beziehung auf ein Behältniß, worinnen die Dinge von der
vermachten Art verwahret werden, oder auf andere Umstände, woraus die gemeinte
Gattung kennbar wird, bestimmet, so ist das Vermächtniß giltig, und Derjenige,
deme es verschaffet worden, befugt solches zu forderen, der Erblasser möge
Sachen von dieser Art verlassen haben oder nicht, woferne das Vermächtniß nicht
lediglich auf seine Sachen beschränket worden, als auf ein Pferd aus seinen
Stall, welchen Falls, wann er keine eigenen Pferde hinterlassen, auch das
Vermächtniß nichtig ist.
[2, 16, § 9] 126. Wo also mehrere eigene Sachen des
Erblassers von derselben Art und Gattung, welche vermacht worden, in der
Verlassenschaft vorhanden sind, hat insgemein Derjenige, deme eine von dieser
Gattung verschaffet wird, die Auswahl, doch darf derselbe weder das Beste
wählen, noch ist er schuldig, sich mit dem Schlechtesten abfertigen zu lassen,
sondern er muß sich mit dem Mittelmäßigen begnügen.
[2, 16, § 9] 127. Es bestünde dann die Auswahl nur unter
zweien Sachen, wovon er sich mit der schlechtesten zufrieden stellen muß, außer
sie wäre ganz unnütz und von gar keinem Werth oder Gebrauch, welchen Falls dem
Erben freistehet, entweder die bessere Sache hintan zu geben, oder den Werth,
was eine mittelmäßige Sache von dieser Gattung kosten würde, zu bezahlen. Wann
hingegen nur eine Sache von dieser Gattung in der Verlassenschaft vorfindlich
wäre, gebühret auch diese allein, sie möge gut oder
schlecht sein.
[2, 16, § 9] 128. In jenen Fällen aber, wo entweder der
Erblasser dem Erben die Auswahl überlassen, oder ihme die Abstattung des
Vermächtnisses von der angezeigten Gattung aufgetragen, oder einen gewissen
Betrag von Getreid, Wein u. drgl., ohne die Eigenschaft zu bestimmen vermacht
hätte, oder endlich keine Sachen von der vermachten Art und Gattung in der
Verlassenschaft vorhändig wären, sondern erst von dem Erben angeschaffet werden
müßten, gebühret die Auswahl und Bestimmung des Verschafften dem Erben.
[2, 16, § 9] 129. Allein auch dieser ist weder schuldig das
Beste, noch befugt, das Schlechteste herzugeben, sondern hat nur eine solche
Sache abzustatten, die nicht mangelhaft, sondern zu dem Genuß oder Gebrauch,
worzu sie gewidmet ist, tauglich, und keinem Anspruch eines Dritten verfänglich
seie.
[2, 16, § 9] 130. Was wegen der Auswahl bei Vermächtnissen
nach der Gattung geordnet worden, hat auch in dem Fall statt, wann Jemanden
mehrere Sachen wechselweise, das ist eine oder die andere vermacht worden, dann
auch damals gebühret von diesen nur eine, und die Auswahl nach dem obigen
Unterschied der Fällen entweder Demjenigen, welcher damit bedacht worden, oder
dem Erben, wo aber die Wahl einmal geschehen, hat es dabei sein Bewenden, und
kann der Willen nicht mehr geänderet werden, woferne dabei kein erweislicher
Betrug, Arglist und Gefährde, oder rechtmäßiger Irrthum unterloffen wäre.
§. X.
[2, 16, § 10] 131. Nicht allein körperliche, sondern auch
unkörperliche Dinge sind ein Gegenstand der Vermächtnissen, also können allerlei
Rechten und Gerechtsamen, dann wider einen Dritten gebührende Rechtsforderungen
verschaffet werden.
[2, 16, § 10] 132. Dahin gehören in gewisser Maß das
Vermächtniß jährlicher Renten und Einkünften, insoweit die alljährlich hierzu
entstehende Verbindlichkeit Dessen, welcher mit deren Abreichung beschweret
worden, betrachtet wird, wie nicht weniger das Vermächtniß sowohl persönlicher,
als Grunddienstbarkeiten, des Heirathguts,
(2-302) der Auswahl eines von mehreren Dingen, und endlich
das Vermächtniß ausstehender Schulden, oder der Erlassung der Schuld oder einer
sonstigen Verbindlichkeit, wovon in diesem und den folgenden §§. gehandlet
wird.
[2, 16, § 10] 133. Jährliche, monatliche, wochentliche, oder
auch tägliche Vermächtnissen sind, wann der Erblasser Jemanden in jedwedem
Jahr, Monat, Wochen oder Tag etwas Gewisses abzureichen befiehlt und anweiset.
[2, 16, § 10] 134. Hierbei ist aber wohl zu unterscheiden,
ob der Erblasser nur jene Summe vermacht und deren Abstattung in gewisse
Fristen eingetheilet, oder derselbe einerlei Summe in gewissen ordentlich
wieder zuruckkommenden Fristen verschaffet, und das Vermächtniß
solchergestalten mit jedweder Frist vervielfältiget habe, ohne alle einzle
Fristen in eine Hauptsumme zusammenzuziehen.
[2, 16, § 10] 135. Ersteren Falls, als da z. B. der
Erblasser Jemanden tausend Gulden vermacht hätte, wovon ihme jährlich hundert
Gulden bezahlet werden sollen, ist es nur ein Vermächtniß, welches nach dem Tod
des Erblassers sogleich gebühret, und wann auch Derjenige, welcher damit
bedacht worden, die Zahlungsfristen nicht erlebete, übertraget er solches
jegleichwohlen auf seine Erben.
[2, 16, § 10] 136. Doch ist der Erb, oder Jener, welcher mit
dessen Abfuhr beschwert worden, die Zahlung nicht anderst, als jedesmal in der
von dem Erblasser ausgemessenen Zeit, und auch nicht ehender, als zu Ende
derselben zu leisten schuldig.
[2, 16, § 10] 137. Letzteren Falls hingegen, als da z. B.
der Erblasser Jemanden alljährlich hundert Gulden vermacht hätte, sind mehrere
Vermächtnissen, und deren so viele, als Jahre, Monate, Wochen, Tage oder
Zeitfristen, in welchen die vermachte Summe angewiesen ist, Derjenige erlebet,
welchem ein dergleichen Vermächtniß verschaffet worden.
[2, 16, § 10] 138. Die erste Frist eines so beschaffenen
Vermächtnisses ist zwar an sich ganz unbedingt, wann sonst keine ausdrückliche
Bedingniß beigesetzet worden, und gebührt dahero sogleich mit dem Tod des
Erblassers, folglich wird solche auch auf die Erben des damit Bedachten
übertragen; die weiteren Fristen aber enthalten die stillschweigende Bedingniß
in sich, wann sie derselbe erleben wird.
[2, 16, § 10] 139. In einer jedweden Frist, die er erlebet, gebühret ihme auch die verschaffte Summe gleich zu
Anfang, und in dem ersten Augenblick der herangekommenen Frist, obschon er
deren Ausgang und gänzlichen Verlauf nicht überleben würde.
[2, 16, § 10] 140. Es seie dann, daß von dem Erblasser der
Zeitpunkt der Abfuhr in jedweder Frist selbst bestimmet, oder Demjenigen,
welcher also bedacht worden, etwas, was dieser vorhero zu erfüllen hätte,
auferleget worden. In welchen Fällen das Vermächtniß nicht ehender, als bis zur
Ankunft der benannten Zeit, oder nach erfüllter Auflage gebühret.
[2, 16, § 10] 141. Eine jährliche Vermächtniß wird auch
damals verstanden, wann gleich das Wort jährlich dabei nicht ausgedrucket wäre,
doch aber die Willensmeinung des Erblassers auf eine auf weitere Zeiten sich
hinaus erstreckende Dauer ungezweiflet abzielete, als da z. B. der Erblasser
einer ledigen Person, bis sie sich nicht verheirathen werde, oder Jemanden, so
lange er in des Erbens Diensten bleiben wird, funfzig Gulden vermacht hätte, in
welchen Fällen bis zu erfolgender Heirath, oder Austretung aus dem Dienst die
angewiesene Summe alljährlich zu bezahlen ist.
[2, 16, § 10] 142. Von gleicher Art ist das Vermächtniß,
wann der Erblasser Jemanden ein Jahr um das andere eine gewisse Summe
verschaffet; dann obschon ein solches Vermächtniß nicht in einem jedweden Jahr,
sondern allzeit in dem zweiten nach demjenigen Jahr, worinnen die Abfuhr geschehen,
gebühret, so hat es doch die Natur jährlicher Vermächtnissen.
[2, 16, § 10] 143. Eben diese Beschaffenheit hat es mit dem
Vermächtniß jährlicher Einkünften von einem angewiesenen Grund, doch mit dem
Unterschied, daß, wo alle
(2-303) Einkünften eines Grunds verschaffet werden, auch
Alles gebühre, was davon einkommt, und in welchem Jahr nichts erzeuget wird,
auch nichts abzustatten seie.
[2, 16, § 10] 144. Wo aber ein gewisser Betrag von den
Einkünften eines Grunds jährlich angewiesen worden wäre, als zwei Eimer Wein
aus einem Weinberg, vier Metzen Getreid aus einem Acker, gebühret der
angewiesene Betrag auch in diesem Jahr, wo nichts erzeuget worden, wann ein
Vorrath von vorigen Jahren vorhanden ist, woraus das Verschaffte abgestattet
werben könne. In keinem dieser Fälle hingegen erstrecket sich das Vermächtniß
auf den Grund selbst, worauf die Anweisung auch aller Einkünften geschehen,
sondern, wo der Erblasser über das Eigenthum des Grunds nicht besonders
geordnet hätte, bleibt solches bei dem Erben.
[2, 16, § 10] 145. Das Vermächtniß jährlicher Einkünften
unterscheidet sich von dem vermachten Fruchtgenuß, oder Nutznießung eines
Grunds vornehmlich in deme, daß, wo Derjenige, deme der Fruchtgenuß verschaffet
worden, vor Einhebung der obwohlen bereits zeitigen Früchten verstirbt,
derselbe hiervon auf seine Erben nichts übertrage, sondern der Fruchtgenuß mit
seinem Tod erlösche.
[2, 16, § 10] 146. Dahingegen die Erben dessen, deme die
jährliche Einkünften vermacht worden, das Vermächtniß noch für jenes Jahr,
dessen Anfang ihr Erblasser erlebet, obschon die Früchten zur Zeit seines
Absterbens nicht gezeitiget, noch weniger eingehoben waren, zu forderen befugt
sind.
[2, 16, § 10] 147. Desgleichen unterscheidet sich ein
solches Vermächtniß von denen aus Handlungen unter Lebenden gebührenden
jährlichen Abgaben; dann bei diesen erlöschet die Verbindlichkeit durch den
Tod des einen oder anderen Contrahenten nicht, sondern es gehet solche auf die
Erben des Schuldners, wie das Forderungsrecht auf die Erben des Gläubigers,
wann zwischen ihnen nichts Anderes bedungen worden.
[2, 16, § 10] 148. Derlei jährliche Vermächtnissen erlöschen
aber mit dem Absterben Desjenigen, deme sie verschaffet worden, doch mit
Ausnahm der letzten Frist, in welcher er verstirbt, und deren Anfang derselbe
erlebet hat, für welche vorbesagtermaßen das Vermächtniß auf seine Erben
übertragen wird; außer dieser letzten hingegen haben sie an den weiteren
Fristen keinen Anspruch, wann der Erblasser solche auch ihnen nicht namentlich
zugedacht hat.
[2, 16, § 10] 149. Doch kann ein solches jährliches
Vermächtniß aus der Eigenschaft des damit Bedachten, gegenstands (!) wann
dieser niemahlen abstirbt, beharrlich und immerwährend sein, als da es einem
Mittel, oder Gemeinde, einer Kirchen, oder zu milden Sachen, welche allzeit
fürdaueren, verschaffet worden, ohne eine Zeit zu bestimmen, wie lange es
abgereichet werden solle.
[2, 16, § 10] 150. Ein Gleiches verstehet sich von dem Fall,
da zu einem gewissen Gut, Haus, Garten oder anderem Grund ein jährliches Vermächtniß
gewidmet würde, ohne es auf die Person dieses oder jenen Besitzers zu
beschränken; dann gleichwie Grund und Boden allzeit bleibet, also nimmt auch
das Vermächtniß kein Ende. Wie aber die jährlichen Vermächtnissen durch
Verjährung aufhören, ist oben in neunten Capitel, §. III, von 130 bis 132
erkläret worden.
§. XI.
[2, 16, § 11] 151. Die persönlichen Dienstbarkeiten werden
unten in achtundzwanzigsten Capitel eigends beschrieben, und bestehen
vornehmlich in dreierlei Gattungen, als indem Nießbrauch, in dem Gebrauch einer
Sache und in der Wohnung.
[2, 16, § 11] 152. Alle diese Arten persönlicher
Dienstbarkeiten können vermacht werden, und stehet einem jedweden Erblasser
frei seine eigene Sachen, mit welchen er nach Willkür zu schalten und zu walten
befugt ist, darmit zu behaften, und dem Einem das Eigenthum, dem Anderen aber
eine von diesen Dienstbarkeiten zu verlassen.
[2, 16, § 11] 153. Weme der Nießbrauch eines Guts, welcher
auch anderst der Fruchtgenuß,
(2-304) die Nutznießung, das Leibgeding oder die Leibsucht
(= Leibzucht) genannt wird, verschaffet worden, beziehet die sammtlichen
Früchten davon, hat aber das Eigenthum des Guts nicht, sondern dasselbe bleibet
dem Erben, wann der Erblasser es niemanden Anderen ausdrücklich zugedacht hat.
[2, 16, § 11] 154. Gleichergestalten wird unter dem
Vermächtniß der Früchten oder der jährlichen Früchten eines Guts bloß allein
der Nießbrauch verstanden, wann der Erblasser die Abreichung der Früchten nicht
dem Erben selbst aufgetragen hätte, dann in diesem Fall ist es nur ein
Vermächtniß jährlicher Einkünften.
[2, 16, § 11] 155. Wo aber Jemanden ein Gut um solches zu
nutzen und zu genießen, ohne über das Eigenthum desselben in andere Wege zu
ordnen, verschaffet würde, ist zu unterscheiden, ob der Erblasser dieses
Vermächtniß auf eine Zeitfrist oder auf lebenslang beschränket habe oder nicht?
Ersteren Falls gebühret lediglich der Fruchtgenuß,
letzteren Falls hingegen das volle Eigenthum des Guts.
[2, 16, § 11] 156. Wann dem Einen das Gut, dem Anderen der
Nießbrauch davon, oder so das Nemliche ist, das Leibgeding hierauf vermacht
würde, hat der Erste das Eigenthum, der Andere die Nutznießung allein.
Desgleichen, wo dem Einen der Nießbrauch des samentlichen Hab und Guts, und dem
Anderen ein gewisses Gut insonderheit verschaffet worden, hat letzterer das
volle Eigenthum des Guts, und ersterer an dem Nießbrauch desselben keinen
Anspruch; dann es solle allemal vielmehr auf den Willen des Erblassers, als auf
die gekünstelte Ausdeutung der Worten gesehen werden.
[2, 16, § 11] 157. Wann Mehreren der Nießbrauch eines Guts
zusammen, und dem Dritten das Eigenthum an eben demselben verschaffet worden,
erwirbt dieser nach Abgang des Einen den Nießbrauch für denjenigen Antheil,
welcher dem Abgegangenen hieran gebühret hat, außer jenen Fällen, welche oben
in ersten Artikel §. III. ausgenommen worden.
[2, 16, § 11] 158. Da aber Jemanden der Nießbrauch eines
Guts auf gewisse Jahre mit der Auflage das Gut nach Verlauf dieser Zeit an
einen Anderen zuruckzustellen vermacht worden wäre, welcher vor Ausgang dieser
Zeit verstürbe, fallt der Nießbrauch desselben für die noch übrige Zeit dem
Erben zu, welcher das Gut vor Verlauf der bestimmten Zeit dem Nachberufenen
zuruckzustellen nicht schuldig ist.
[2, 16, § 11] 159. Unter dem vermachten Nießbrauch des
samentlichen Hab und Guts werden alle Güter, körperliche und unkörperliche,
fahrende und liegende, allschon erworbene und künftig nach errichteten letzten
Willen erwerbende oder ererbende, und überhaupt Alles, was bei Absterben des
Erblassers in seinem Vermögen gewesen, verstanden.
[2, 16, § 11] 160. Es ist auch nicht darauf zu sehen, ob und
was von den darunter befindlichen Sachen von Zeit des errichteten letzten
Willens mittlerweil in eine andere Gestalt verwandlet worden, wann es nur vorhanden
ist und genutzet, oder gebrauchet werden kann.
[2, 16, § 11] 161. Also da ein Haus, welches darunter
begriffen ware, noch bei Lebzeiten des Erblassers abgebronnen oder abgebrochen
worden, gebühret jegleichwohlen noch der Nießbrauch des Grund und Bodens,
worauf es gestanden ist, weilen auch dieser zu dem Vermögen gehöret;
dahingegen, wo der Nießbrauch eines nach errichteten letzten Willen
abgebronnenen oder zerstörten Hauses insonderheit vermacht worden wäre, kann
der Nießbrauch des Grund und Bodens, worauf es gestanden, nicht geforderet
werden.
[2, 16, § 11] 162. Gleichwie aber Jener, welchem der
Nießbrauch des ganzen Vermögens verschaffet worden, alle Vortheile zu genießen
hat, also ist er auch schuldig die Lasten zu tragen, mithin müssen die Schulden
und Vermächtnissen, welche auf diesem Vermögen haften, oder davon abzustatten
kommen, hieraus abgezahlet und richtig gestellet, wie nicht minder bis zu deren
Abtilgung die Zinsen von den
(2-305) Früchten und Nutzungen abgeführet werden, und von
deme, was übrig bleibt, gebühret sodann erst der Nießbrauch.
[2, 16, § 11] 163. Dagegen aber gehören auch die zur Zeit
des Absterbens des Erblassers noch hangende Früchten unter den verschafften
Nießbrauch, wann Derjenige, deme solcher vermacht worden, deren wirkliche
Einsammlung erlebet, obschon er zur Zeit der Einsammlung noch nicht in dem
Besitz gewesen wäre, mithin hat der Eigenthümer hieran keinen Anspruch.
[2, 16, § 11] 164. Doch werden unter dem vermachten
Nießbrauch des gesammten Hab und Guts jene Dinge nicht verstanden, worüber der
Erblasser letztwillig zu ordnen nicht befugt ware, als da sind der Pflichttheil
der Kinder, der ehegattliche Antheil, Lehen- und Fideicommißgüter.
[2, 16, § 11] 165. Obschon aber der Erblasser auch des
Erbens eigene Sachen beschweren mag, wann er dieses wortdeutlich ausdrucket, so
solle doch eine solche Anordnung ein Fideicommiß, welches der Erblasser aus
Vorsehung und Anordnung des Stifters dem Erben zuruckzustellen hat, in
keinerlei Weis behaften, sondern nur einen Anspruch und Forderung an dem
verlassenen freieigenen Gut des Erblassers zu Leistung dessen, was derselbe
angeordnet hat, mit nichten aber wider einen dritten Fideicommißbesitzer, noch
weniger wider das Fideicommiß selbst wirken können.
[2, 16, § 11] 166. Von dem vermachten Nießbrauch des
samentlichen Vermögens ist der verschaffte Nießbrauch eines Hauses mit Allem,
was darinnen ist, wohl zu unterscheiden, maßen unter diesem letzteren Jenes,
was nicht zum Gebrauch, sondern zum Verkauf gewidmet ist, als Korn auf dem Boden,
Wein im Keller, Wolle in dem Gewölb, und andere Feilschaften, womit der
Erblasser zu handlen pflegen, nicht verstanden wird.
[2, 16, § 11] 167. Umsomehr ist das Vermächtniß der
jährlichen Einkünften eines Guts, wovon in dem gleich vorhergehenden §. gemeldet
worden, von dem Nießbrauch unterschieden, dann in dem Fall der verschafften
Einkünften beziehet der Erb die Nutzungen selbst, welche er nach Abzug der
erweislichen Kosten und Auslagen dem Anderen abzureichen hat, und wo der
Erblasser deren Betrag auf eine gewisse Summe bestimmet, ist er nicht mehr, als
den ausgesetzten Betrag zu leisten schuldig, obschon das Gut mehr abgeworfen
hätte, wie dann auch derselbe, wann er diesen Betrag sicherstellet, das Gut
selbst verkaufen kann.
[2, 16, § 11] 168. Noch weniger ist er verbunden Demjenigen,
welchem die Einkünften eines Guts verschaffet worden, die Wohnung auf diesem
Gut einzuraumen. Wo aber die Wohnung bei Lebzeiten des Erblassers einige
Einkünften getragen hätte, müssen ihme solche gleichfalls verrechnet werden,
wann alle Einkünften vermacht worden. Doch ist überhaupt nach dem rechtlichen
Verstand in dem Vermächtniß der Einkünften allemal
weniger, als in dem verschafften Nießbrauch.
[2, 16, § 11] 169. Wären jährliche Einkünften zu einem
gewissen Ziel und Ende vermacht worden, dessen Bewirkung nicht erfolgen könnte,
entweder weilen solche in der Folge nicht möglich oder zulässig wäre, so solle
das Vermächtniß nicht dem Erben zu Guten gehen, sondern nach obrigkeitlichen
Ermessen zu einem anderen löblichen Gebrauch verwendet werden.
[2, 16, § 11] 170. Wie der Nießbrauch eines Guts, also kann
auch der Gebrauch einer Sache verschaffet werden, was aber unter dem bloßen
Gebrauch verstanden werde, und in was für Sachen sowohl einer, als der andere
bestellet werden könne, dann auf was Art beide anwiederum aufhören, wird unten
in achtundzwanzigsten Capitel gezeiget werden.
[2, 16, § 11] 171. Bei dem Vermächtniß der Wohnung sind die
mannigfaltige Arten der Ausdrücken, welcher sich der Erblasser zur Erklärung
seiner Willensmeinung bedienet, wohl zu unterscheiden, ob nemlich ein Haus zur
Wohnung, oder die Wohnung in einem Hause, oder der Gebrauch eines Hauses zur
Wohnung, oder endlich nur der Aufenthalt und das Unterkommen im Hause
verschaffet werde.
(2-306) [2, 16, § 11] 172. Wird ein Haus zur Wohnung
vermacht, so ist das Eigenthum des Hauses selbst vermacht, wann der Erblasser
davon nicht anderst geordnet hat. Ist aber nur die Wohnung in einem Hause
verschaffet worden, so gebühret auch nur die Wohnung im Hause allein, und das
damit verknüpfte Recht entweder das ganze Haus selbst zu bewohnen, oder
dasselbe an Andere mieth-, pacht- oder bestandweise zu überlassen; es hätte
dann der Erblasser die Wohnung nur auf einen Theil des Hauses beschränket,
welchen Falls solche nicht auf das ganze Haus erstrecket werden kann.
[2, 16, § 11] 173. Dahingegen giebt der verschaffte Gebrauch
eines Hauses zur Wohnung die Befugniß nicht dasselbe durch Andere entgeltlich
oder unentgeltlich bewohnen zu lassen, wann Derjenige, deme der Gebrauch einer
Behausung vermacht worden, sie nicht selbst mitbewohnet.
[2, 16, § 11] 174. Endlich wirket der verschaffte Aufenthalt
oder das Unterkommen im Hause nur so viel, daß der Eigenthümer desselben
Demjenigen, welcher aus Anordnung des Erblassers darinnen zu bleiben hat, nur
diejenige Wohnung, die er entweder schon bei Lebzeiten des Erblassers in dem
Hause gehabt, oder welche er zu seiner und der Seinigen Nothdurft bedarf, nicht
aber das ganze Haus einraume.
[2, 16, § 11] 175. Wann der Erblasser mehrere Häuser hat,
und Jemanden von seinen Angehörigen die Wohnung überhaupt, ohne ein Haus zu
benennen, vermacht, wird jenes Haus verstanden, worinnen derselbe zur Zeit
seines Absterbens die beständige Wohnung gehabt hat, obschon er außer demselben
verstorben wäre.
[2, 16, § 11] 176. Wo er aber Demjenigen, welchem er die
Wohnung vermacht, die Auswahl derselben unter seinen Häusern ausdrücklich
überlassen, so kann dieser ein Haus zur Wohnung wählen, welches ihme anständig
ist, wann es auch das beste wäre. Wann jedoch der Erblasser also ordnete, daß
er die Wohnung in einem seiner Häuser haben solle, hat dieser zwar die Auswahl,
darf aber nicht das beste wählen, sondern muß sich mit
dem mittelmäßigen begnügen.
[2, 16, § 11] 177. Hätte in Gegentheil der Erblasser keine
Häuser verlassen, und doch Jemanden eine Wohnung vermacht, ist der Erb
schuldig, ihme irgendwo eine seinem Stand gemäße Wohnung zu verschaffen, und
den Zins dafür zu bezahlen. Wann aber der Erblasser den jährlichen Zinsbetrag
selbst angewiesen hätte, muß der Erb solchen in denenjenigen Fristen, wo
solcher zu erlangen ist, jedesmal richtig abführen.
[2, 16, § 11] 178. Es kann auch die Wohnung stillschweigend
vermacht werden, wann der Erblasser Jemanden bei Lebszeiten die unentgeltliche
Wohnung gegeben, oder den Zins für ihn bezahlet hätte, und in seinem letzten
Willen anordnete, daß ihme alles dieses auch nach seinem Tod abgereichet werden
solle, was er Demselben bei seinen Lebzeiten zu geben gepflogen hat.
[2, 16, § 11] 179. Wäre eine Wohnung mit aller darzu gehörigen
Einrichtung vermacht worden, gebühret auch die zur Zeit des Absterbens des
Erblassers allda vorfindliche Einrichtung darzu, und wo etwas hieran
ermanglete, oder die Wohnung nicht eingerichtet wäre, so ist der Erb schuldig,
die nöthige Einrichtung nach standesmäßiger Erforderniß des Bewohnenden
anzuschaffen. Außer deme aber ist unter dem Vermächtniß der Wohnung keine
Einrichtung, sondern bloß allein die Herstellung des Hauses in wohnbaren
Stande, soferne etwas hieran gebräche, verstanden.
[2, 16, § 11] 180. Dieses Vermächtniß erlöschet, wie alle
andere Dienstbarkeiten mit Abgang dessen, deme sie gebühren, wann es der
Erblasser nicht auf eine kürzere Zeit gesetzet hat, und wo die Wohnung Mehreren
zusammen verschaffet worden wäre, hat bei Abgang des Einen das Nemliche statt,
was oben num. 157 geordnet worden.
§. XII.
[2, 16, § 12] 181. Wie die persönlichen, also können auch
allerhand Grunddienstbarkeiten, wovon unten das neunundzwanzigste Capitel
eigends handlet, vermacht werden, doch von niemanden
Anderen, als von dem Herrn des Grunds, und auch an keinen
(2-307) Anderen, als an den Herrn des benachbarten Grunds,
und zu dessen Nutzen und Vortheil.
[2, 16, § 12] 182. Wann demnach ein Erblasser Jemanden auf
einem fremden Grund eine Grunddienstbarkeit in seinem letzten Willen vermacht
hätte, kann ein solches Vermächtniß den Grund nicht behaften, sondern, wo
allenfalls der Grund dem Erben, oder einem Anderen, welcher in dem letzten
Willen bedacht worden, zugehörete, giebt dieses lediglich einen persönlichen
Anspruch wider den Eigenthümer des Grunds, wann dieser seinerseits den letzten
Willen anerkennet, damit die vermachte Grunddienstbarkeit in Folge der
letztwilligen Anordnung hierauf bestellet werde.
[2, 16, § 12] 183. Da aber eine derlei Grunddienstbarkeit an
einem ganz fremden Grund vermacht würde, ist zu unterscheiden, ob der Grund
schon vorhin damit behaftet gewesen, und diese Dienstbarkeit dem Erblasser
dergestalten, daß er solche erblich übertragen könne, gebühret habe oder nicht.
Ersteren Falls giebt zwar dieses Vermächtniß, wann der herrschende Grund nicht
zugleich verschaffet worden, keinen Anspruch an der Dienstbarkeit, sondern bloß
allein die Forderung wider den Erben oder Denjenigen, auf welchen der
herrschende Grund aus dem letzten Willen gediehen ist, zu Leistung des Werths
für den aus dieser Dienstbarkeit genießenden Vortheil.
[2, 16, § 12] 184. Letzteren Falls hingegen ist das
Vermächtniß ganz und gar unnütz, es seie dann, daß der Erblasser den Erben
dabei verbunden hätte, Jemanden diese Dienstbarkeit auf dem fremden Grund
auszuwirken, welchen Falls der Erb, wann sich der Eigenthümer des Grunds
solches zu thun weigerte, den gerichtlich geschätzten Werth des demselben
andurch entgehenden Vortheils zu erlegen schuldig ist.
[2, 16, § 12] 185. Desgleichen, wo der Erblasser Jemanden,
welcher keinen benachbarten Grund hat, ein gewisses Recht etwas auf seinem
Grund zu thun vermacht hätte, ist dieses Recht für keine Grunddienstbarkeit,
sondern für eine bloße persönliche Gerechtsame anzusehen, welche insgemein mit
der Person dessen, deme sie zugedacht worden, erlöschet, wann der Erblasser
solche nicht ausdrücklich weiter erstrecket hat.
[2, 16, § 12] 186. Eine Grunddienstbarkeit kann auch
stillschweigend in zweierlei Fällen vermacht werden, als erstens, wann Jemanden
ein Grund verschaffet wird, welchem der benachbarte Grund dienstbar ist, dann
in diesem Fall gehet auch ohne ausdrücklicher Willenserklärung die
Dienstbarkeit sammt dem herrschenden Grund, welchem sie anklebet, auf Jenen,
deme dieser vermacht worden.
[2, 16, § 12] 187. Zweitens, wann das Vermächtniß ohne der
Dienstbarkeit des benachbarten Grunds ganz und gar unnütz wäre, als da der
Erblasser Einem sein Haus, dem Anderen aber den daran gelegenen Garten, in den
kein anderer Eingang, als durch das Haus wäre, vermacht hätte, in welchem Fall
der Eigenthümer des Hauses dem Eigenthümer des Gartens den freien Zu- und
Ausgang durch das Haus dahin zu verstatten schuldig ist, obschon es der
Erblasser wortdeutlich nicht angeordnet hätte.
[2, 16, § 12] 188. Das Vermächtniß einer Grunddienstbarkeit
höret mit dem Tod Desjenigen nicht auf, welcher damit bedacht worden, sondern
diese währet immer fort, und gehet auf einen jedweden Besitzer des herrschenden
Grunds, wann solche nicht von dem Erblasser auf eine gewisse Zeit, oder die
Lebenstage einer Person beschränket worden wäre.
§. XIII.
[2, 16, § 13] 189. Es kann auch ein Ehemann seinem Eheweib
das ihme zugebrachte Heirathgut oder den Brautschatz (es möge ein Heirathsbrief
darüber errichtet worden sein oder nicht) rechtsgiltig vermachen, wobei
umsoweniger Anstand ist, wann nach Inhalt des Heirathsbriefs das Heirathgut den
Erben des Manns zu verbleiben hätte, weilen durch das Vermächtniß dieses Beding
anwiederum aufgehoben wird.
[2, 16, § 13] 190. Allein auch in dem gemeinen Fall, wo das
Zugebrachte nach Absterben
(2-308) des Manns an das Weib zuruckfallt, ist gleichwohlen
dessen Vermächtniß rechtskräftig, weilen doch solche Umstände unterwalten
können, worinnen der Wittib das Vermächtniß mehreren Nutzen schaffet, als nicht
die bloße Anforderung des Zugebrachten.
[2, 16, § 13] 191. Dann erstens werden durch dieses
Vermächtniß alle in dem Heirathsbrief vorgesehene, der Wittib beschwerliche
oder nachtheilige Bedinge aufgehoben und erlassen, wann der Erblasser zugleich
nicht ausdrücklich ordnet, daß es dabei kein Bewenden haben solle.
[2, 16, § 13] 192. Zweitens, wo das Heirathgut oder
Zugebrachte in einem liegenden Gut, oder außer baaren Geld in anderen Dingen
bestanden, und der Erblasser hieran Verbesserungen gemacht hätte, kann der
Aufwand nutzlicher Kosten von dem vermachten Heirathgut oder Zugebrachten nicht
abgezogen werden, sondern alle Forderung höret deswegen auf.
[2, 16, § 13] 193. Drittens, wann der Heirathsbrief den
Betrag des Heirathguts ausweiset, wird die Wittib durch dessen Vermächtniß von
dem ihr sonst obliegenden Beweis der wirklichen Zubringung völlig enthoben, und
haben die Erben das Widerspiel, daß nichts zugebracht worden seie, zu erweisen.
[2, 16, § 13] 194. Viertens, wann auch die Erben wirklich zu
erweisen vermögen würden, daß nichts zugebracht worden seie, und der Erblasser
hätte das Zugebrachte nicht überhaupt, sondern was und wie viel zuruckzustellen
seie, angewiesen, gebühret gleichwohlen das Vermächtniß, obschon der Erblasser
hieran weniger oder gar nichts empfangen hätte, woferne keine Verkürzung des
Pflichttheils nothwendiger Erben dabei unterwaltet.
[2, 16, § 13] 195. Dahingegen, wo der Erblasser das
Zugebrachte nur überhaupt, ohne was und wie viel zu benennen, zuruckvermacht
hätte, und die Wittib würde entweder in Ermanglung eines Heirathsbriefs, oder
anderer zulänglicher Beweismitteln, was und wie viel sie zugebracht, nicht zu
erweisen vermögen, oder die Erben, daß das verschriebene Heirathgut nicht
zugebracht worden, darzuthun im Stande sein, ist das Vermächtniß null und
nichtig.
[2, 16, § 13] 196. Eben also wird das Vermächtniß in der
Folge ungiltig, und die Erben von dessen Erstattung enthoben, wann das
zugebrachte Heirathgut nach der Hand ohne Schuld des Erblassers verloren gehet,
als da das ausstehende Capital uneinbringlich, oder das zugebrachte Haus oder
Gut von einen Dritten ansprüchig gemacht, und in Weg Rechtens behauptet würde,
es seie dann, daß der Erblasser den Werth des Guts oder Hauses zuruckzustellen
sich in dem Heirathsbrief verbunden, und solchen vermacht hätte, welchen die
Erben auch in diesem Fall abzutragen schuldig sind.
[2, 16, § 13] 197. Woferne aber nach Absterben des Manns das
Heirathgut nicht der Wittib, sondern zu Handen eines Dritten, deme solches in
dem Heirathsbrief ausdrücklich bedungen worden, zuruckzufallen, und der
Erblasser dasselbe jegleichwohlen seiner Ehegattin vermacht hätte, schadet
dieses Vermächtniß dem Recht eines Dritten nicht, und die Erben können nicht
verhalten werden, das Heirathgut abzustatten, sondern sie sind lediglich zu
dessen einfachen Abtrag an Jenen, deme es nach Ausweis des Heirathsbriefs
zuzukommen hat, verbunden, wann der Erblasser nichts Anderes ausdrücklich
geordnet hat.
[2, 16, § 13] 198. Dann überhaupt, wo der Erblasser nichts
Anderes vorgesehen, sind die Erben bloß allein schuldig, das Heirathgut in
demjenigen Stand, in welchem es zugebracht worden, zuruckzustellen, keineswegs
aber solches von denen Haftungen, mit welchen es schon zur Zeit der Zubringung
befangen ware, zu befreien.
[2, 16, § 13] 199. Würde jedoch der Erblasser seiner
hinterlassenden Ehegattin etwas vermachen, ohne dabei auszudrucken, daß es auf
das Heirathgut oder Zugebrachte gemeinet seie, so kann die Wittib beides,
sowohl das Heirathgut, als das Vermächtniß forderen, und die Erben sind nicht
befugt, eine Ausgleichung oder
(2-309) Vergeltung des Verschafften mit dem Zugebrachten
einzuwenden, wann sonst durch das Vermächtniß der Pflichttheil nicht verkürzet
worden.
[2, 16, § 13] 200. Gleichwie der Mann dem Weib, also kann auch
dieses ihrem Mann das verschriebene Heirathgut in zweien Fällen vermachen, als
erstens, wann die Zuruckstellung des zugebrachten Heirathguts nach Absterben
des Weibs an ihre Erben bedungen, und zweitens, wann ihme solches zwar
verschrieben, aber nicht wirklich zugebracht worden.
[2, 16, § 13] 201. In erstem Fall hat das Vermächtniß die
Wirkung, daß der Mann von der bedungenen Zuruckstellung enthoben werde, und
ihme das Heirathgut eigenthümlich verbleibe; in letzteren Fall aber werden die
Erben des Weibs in die Verbindlichkeit gesetzet, ihme dasselbe mit allen von
derjenigen Zeit, in welcher die Abfuhr hätte geschehen sollen, davon
verfallenen Zinsen, oder behobenen Nutzungen abzustatten.
[2, 16, § 13] 202. Von dem Vermächtniß des Heirathguts,
womit sich die Eheleute untereinander betreuen, ist jenes unterschieden,
wodurch ein Dritter ein Heirathgut, oder etwas zur Ausstattung verschaffet.
Dieses Vermächtniß an freiledige Personen führet allemal die stillschweigende
Bedingniß in sich, wann die Ehe wirklich erfolget, vor deren Vollzug dasselbe
nicht gebühret, noch weniger geforderet, oder erblich übertragen werden kann,
sondern, wo die damit bedachte Person vor ihrer Verehelichung verstürbe,
erlöschet das Vermächtniß.
[2, 16, § 13] 203. Es seie dann, daß der Erblasser in der
letztwilligen Anordnung ein Anderes wortdeutlich vorgesehen, oder nur den
wirklichen Erlag des Vermächtnisses, nicht aber das Vermächtniß selbst auf die
Zeit der erfolgenden Ehe verschoben hätte, oder das Heirathgut einer Notherbin,
welche den ihr gebührenden Pflichttheil außerdeme nicht empfangen, vermacht
worden wäre, in welchem letzteren Fall dasselbe sogleich herausgebühret, es
möge die Ehe erfolgen oder nicht.
[2, 16, § 13] 204. Doch solle die Vermächtniß eines mäßigen
Heirathguts allemal auch auf dem, obschon darinnen nicht ausgedruckten Fall
verstanden sein, wann die damit bedachte Person sich durch Ablegung feierlicher
Ordensgelübden dem Klosterleben widmet, woferne deshalben von dem Erblasser
keine Ausnahme geschehen, oder das Vermächtniß nicht lediglich auf die Heirath
mit einer gewissen von ihme benannten Person beschränket worden, in welchem
Fall dasselbe erlöschet, wann die Heirath mit dieser Person nicht vollzogen
wird.
§. XIV.
[2, 16, § 14] 205. Wann Jemanden ausdrücklich die Auswahl
eines von mehreren Dingen, es seie von einerlei oder verschiedener Gattung,
vermacht worden, kann derselbe das beste und anständigste wählen, wodurch sich
diese Art des Vermächtnisses von einem vermachten Ding nach der Gattung
unterscheidet, maßen in diesem Fall nur die Mittelgattung gewählet werden kann.
[2, 16, § 14] 206. Es möge aber der damit Bedachte auch vor
der gemachten Auswahl versterben, so gehet doch das Recht zu wählen auf seine
Erben, wann er nur den Erblasser überlebet hat, und da die Dinge, wovon die
Wahl zu geschehen hätte, vor der Auswahl bis auf eines zu Grund gingen, höret
zwar die Wahl, nicht aber das Vermächtniß auf, welches noch in dem einem
übrigen Ding bestehet.
[2, 16, § 14] 207. Wann die Auswahl eines Dings Mehreren
verschaffet worden, haben Alle zusammen die Auswahl dergestalten, daß die
Auswahl des Einen dem Anderen keinen Nachtheil bringt, wann dieser nicht
mitgewählet hat; wo sich aber dieselben in der Wahl nicht einigen könnten, gilt
die Mehrheit der Stimmen.
[2, 16, § 14] 208. Da jedoch die Stimmen gleich wären, haben
sie die Wahl einem Schiedsmann aufzutragen, und wann sie auch in Erkiesung des
Schiedsmanns nicht übereinkommen könnten, die Auswahl dem Richter zu
überlassen, wobei anstatt Jener, welche noch minderjährig sind, oder sonst die
freie Verwaltung ihres
(2-310) Vermögens nicht haben, ihre Vormündere oder
Gerhaben, und Curatores zu wählen haben.
[2, 16, § 14] 209. Damit aber die Wahl rechtsgiltig
geschehe, ist der Erb schuldig, alle Stücke, worüber die Auswahl zustehet, dem
Wählenden vorzuzeigen und darzustellen, also daß wo nur deren eines von ihme
hinterhalten würde, der Wählende bei dem Ausgewählten zu beharren nicht
verbunden, sondern gegentheils berechtiget seie, eine neue Wahl anzustellen.
[2, 16, § 14] 210. Ansonst, wo alle Stücke vorgezeiget und
die Wahl ordnungsmäßig vollzogen worden, kann der Wählende nicht noch einmal
wählen, sondern muß sich mit dem Ausgewählten begnügen.
[2, 16, § 14] 211. Uebrigeus ist die Wahl durch eine jedwede
auch außergerichtliche Willenserklärung, sie geschehe mündlich oder
schriftlich, was für eine Sache angenommen werden wolle, für vollbracht zu
halten, wovon nicht mehr abgegangen werden kann. Wo aber Jener, welcher zu
wählen hat, in Vornehmung der Wahl saumig wäre, stehet dem Erben frei, von
Gericht aus die Anberaumung einer gesetzten Zeitfrist zur Auswahl anzubegehren,
nach deren Verlauf der also Bedachte das Wahlrecht verlieret, und sich mit deme
zufrieden stellen muß, was ihme der Erb von den mit der Freiheit der Auswahl vermachten
Stücken abreichet, wann es auch das schlechteste von allen wäre.
[2, 16, § 14] 212. Hätte hingegen der Erblasser Jemanden ein
Ding nach der Gattung, oder wechselweise dieses oder jenes vermacht, welches
ein Dritter wählen würde, und dieser könnte oder wollte nicht wählen, kommt in
solchem Fall dem Richter zu, Dasjenige, was der Erb an dem Vermächtniß
abzustatten schuldig ist, anzumessen.
§. XV.
[2, 16, § 15] 213. Ausständige Schulden werden von dem
Gläubiger entweder einem Dritten, oder dem Schuldner selbst vermacht. Ersteren
Falls heißet es eigentlich ein Vermächtniß einer
Schuldforderung, letzteren Falls aber ein Vermächtniß der Befreiung von der
Schuld.
[2, 16, § 15] 214. Wird Jemanden eine bei dem Dritten
ausständige Schuld vermacht, erlangt derselbe diese Schuldforderung, ohne eine
besondere Abtretung des Erbens hierzu nöthig zu haben; doch muß er die aus
letzten Willen auf ihn geschehene Uebertragung der Schuldforderung dem
Schuldner ankünden und bedeuten, um andurch die Zahlung an den Erben einzustellen,
dann nach dieser Ankündung zahlt er dem Erben auf seine Gefahr.
[2, 16, § 15] 215. Würde aber derselbe vor dieser ihme
zugekommenen Ankündung dem Erben die Schuld ganz oder zum Theil abgeführet
haben, kann er zwar zur zweiten Zahlung nicht angehalten werden, der Erb
hingegen wird andurch verbindlich für Dasjenige, was er hieran eingenommen hat,
zu haften.
[2, 16, § 15] 216. Es ist auch einerlei, ob der Erblasser
die bei einem Dritten ausständige Schuld überhaupt, oder mit Benennung der
schuldigen Summe, oder auch nur den Schuldschein, die Schuldverschreibung oder
den Wechselbrief, welchen er von dem Schuldner in Handen hat, vermache. In
allen diesen Fällen gebühren nebst der Hauptsumme auch die davon bei Lebszeiten
des Erblassers vertagte Zinsen, wann derselbe hierüber
nicht anderst geordnet hätte.
[2, 16, § 15] 217. Nicht weniger ist der Erb schuldig die in
der Verlassenschaft befindliche auf die vermachte Schuld lautende
Schuldscheine, und zum Beweis derselben dienende Urkunden, wie auch die dafür
eingelegte Pfänder Demjenigen, welchem die Schuld vermacht worden, auszufolgen,
und wo dieselbe mit Bürgen versicheret worden wäre, bleiben auch die Bürgen
verstricket, wann sie die Bürgschaft entweder für die Schuld überhaupt, oder zu
Handen eines jeden getreuen Briefinhabers geleistet haben.
[2, 16, § 15] 218. Ist die vermachte Schuldforderung
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
(2-311) versicheret, kann Derjenige, welchem sie vermacht
worden, die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Ankunft hierzu sammt dem
verschriebenen Unterpfand nicht anderst erwerben, als durch Vormerkung
desjenigen Absatzes aus dem letzten Willen, worinnen ihme solche verschaffet
worden, oder durch eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Abtretung
des Erbens.
[2, 16, § 15] 219. Die vermachte Schuld muß aber richtig und
einbringlich sein, widrigens ist das Vermächtniß nur insoweit giltig, als die
Schuld einbringlich ist, und der Erb ist keineswegs für das, was hieran
uneinbringlich ist, zu haften verbunden, wann von dem Erblasser solches nicht
ausdrücklich angeordnet worden. Ueberhaupt hat ein solches Vermächtniß in
Ansehung des Schuldners keine mehrere Wirkung, als eine bei Lebzeiten gemachte
Abtretung, wobei dem Schuldner alle Rechtsbehelfe, welche ihme wider den
Abtretenden gebühret haben, auch wider den Uebernehmenden bevorbleiben.
[2, 16, § 15] 220. Umsoweniger bestehet das Vermächtniß,
wann die Schuld ganz und gar unrichtig oder falsch zu sein befunden würde, oder
noch bei Lebzeiten des Erblassers von ihme eingetrieben, an jemand Anderen
abgetreten, angewiesen oder sonst getilget worden wäre, obgleich derselbe die
erhobene Summe anwiederum anderswo angeleget, wann er nach der Zeit seine
Willensmeinung nicht anderst erkläret hätte.
[2, 16, § 15] 221. Wie einzle Schulden insonderheit, also
können auch alle ausständige Schulden und Forderungen überhaupt vermacht
werden, unter welcherlei Vermächtniß Alles, was der Erblasser zur Zeit seines
Absterbens aus was immer für einer Ursache persönlicher Verbindungen zu forderen
hat, es möge gleich, oder auf den Erfolg einer Zeit oder Bedingniß gebühren und
schon verfallen sein, oder erst in Zukunft verfallen, begriffen ist, nur mit
alleiniger Ausnahme dessen, was bei einem Dritten versetzet, hinterleget, zum
zeitlichen Gebrauch gelehnet oder vermiethet worden, oder was ein Dritter aus
geführter Verwaltung in die Verlassenschaft abzutragen oder zu ersetzen
schuldig ist, wann es nicht namentlich vermacht worden.
[2, 16, § 15] 222. Wird dem Schuldner selbst die Schuld
vermacht, so wird er andurch von der Schuld befreiet, und wo Bürgen vorhanden,
werden auch diese von der Bürgschaft anmit entlediget; es ist ihme dahero von
dem Erben sowohl der in Handen habende Schuld- oder Wechselbrief, als auch das
dafür eingesetzte Pfand zurückzustellen, wie nicht weniger die Quittung
auszufertigen.
[2, 16, § 15] 223. Dahingegen bedarf es bei landtäflichen,
stadt- oder grundbücherlich versicherten Schuldforderungen keiner besonderen
Quittirung des Erbens, sondern dem durch letzten Willen davon befreiten
Schuldner stehet frei, mittelst Vormerkung desjenigen Absatzes aus dem letzten
Willen, worinnen ihme die Schuld erlassen worden, deren Auslöschung zu
bewirken, durch dessen Einlage die Schuld von selbsten getilget wird.
[2, 16, § 15] 224. Die Erlassung der Schuld durch letzten
Willen kann ausdrücklich oder stillschweigend, ganz oder zum Theil, auf immer,
oder nur auf eine gewisse Zeit, mit völliger Nachsicht der Schuld, oder nur mit
Befreiung einer von mehreren dabei verstrickten Personen geschehen, also daß
noch gleichwohlen die übrigen verbunden bleiben.
[2, 16, § 15] 225. Ausdrücklich wird nicht nur der Schuldner
befreiet, wann ihme der Erblasser in seinem letzten Willen die Schuld erlassen
oder vermacht hat, sondern auch damals, wann von dem Erblasser dem Erben die
Schuld einzuforderen untersaget, oder die Quittung hierüber auszustellen
befohlen worden.
[2, 16, § 15] 226. Stillschweigend wird die Befreiung von
der Schuld vermacht, wann der Erblasser dem Schuldner den Schuldbrief
verschaffet, oder dem Erben dessen Zurückstellung auferleget, nicht aber auch;
wo der Erblasser bloß allein das Pfand zurückzustellen anbefiehlt, oder die
Bürgschaft erlasset, dann in diesen Fällen wird nur die bestellte Sicherheit,
nicht aber die Schuld selbst nachgesehen, und dieses
(2-312) Vermächtniß wirket nur so viel, daß der Schuldner
noch vor Bezahlung der Schuld das Pfand zurückfordern, und die Bürgen die
Entledigung von der Bürgschaft ansuchen können.
[2, 16, § 15] 227. Desgleichen wirket die alleinige Entbindung
von der obhabenden Verwahrungsschuldigkeit die Nachsicht dessen nicht, was bei
Demjenigen, welcher hierzu verbunden ware, von dem verwalteten Gut des
Erblassers befindlich ist, und er noch herauszugeben, oder wegen seiner
erweislichen Gefährde oder Schuld zu ersetzen hat, wann der Erblasser ihn nicht
zugleich von aller Forderung ledig und losgesprochen hat.
[2, 16, § 15] 228. Außerdeme bleibet Derselbe ohnerachtet
der ihme erlassenen Rechnungslegung noch allzeit schuldig, das ihme anvertraute
Gut, und was er sonst herauszugeben hat, in die Verlassenschaft
zurückzustellen, oder dessen rechtmäßige Verwendung aus den geführten
Rechnungen darzuzeigen, oder den zufälligen Untergang zu erweisen.
[2, 16, § 15] 229. Ganz ist die Schuld für erlassen zu
achten, wann der Erblasser keine mindere Summe, als die Schuld beträgt, sondern
entweder die eben schuldige ganze Summe, oder auch die Schuld überhaupt
benennet; dahingegen, wo der Erblasser weniger, als die Schuld betragt,
ausgedrucket hätte, ist nur so viel hieran erlassen, als ausgedrucket worden.
[2, 16, § 15] 230. Auf immer und allzeit ist der Schuldner
von der Schuld befreiet, wann von dem Erblasser ein Widriges nicht geordnet
worden, also daß der Schuldner andurch für sich und seine Erben von der Schuld
frei, ledig und los seie, obschon er noch vor dem Erblasser verstürbe.
[2, 16, § 15] 231. In Gegentheil, wo der Erblasser
wortdeutlich beiruckete, daß die Schuld nur bei Lebzeiten des Schuldners, der
binnen einer gesetzten Zeit nicht geforderet werden solle, bleiben sowohl die
Erben des Schuldners in beiden Fällen, als auch in letzterem Fall der Schuldner
selbst nach Verlauf der Zeit annoch verfänglich, welchem außer der ihme andurch
verstatteten Zahlungsfrist hieraus nur dieser Vortheil zugehet, daß er für diese
Zeit von den
widrigens aus Saumsal laufenden Zinsen, nicht aber auch von
jenen, die aus der Verschreibung gebühren, enthoben werde.
[2, 16, § 15] 232. Doch ist solchen Falls der Schuldner,
wann er nicht will, an die von dem Erblasser gesetzte Zahlungszeit nicht
gebunden, sondern er kann sich auch ehender von der Schuld entledigen, und der
Erb ist schuldig die Zahlung anzunehmen, wann sie nur contractmäßig geleistet
wird.
[2, 16, § 15] 233. Sind mehrere Mitschuldner für einerlei
Schuld verstricket, und der Erblasser würde die Schuld überhaupt erlassen, oder
die Zurückstellung des von allen zusammen ausgestellten Schuldbriefs an einen
aus ihnen ohne Vorbehalt wider die übrigen anordnen, werden auch anmit alle von
der Schuld befreiet.
[2, 16, § 15] 234. Gegentheils wo der Erblasser nur Einem
von ihnen die Schuld erließe, ist zu unterscheiden, ob sie mit geschiedener
oder ungeschiedener Hand verbunden sind. Ersteren Falls wird nur der, welchem
die Schuld erlassen worden, für seinen Antheil befreiet, und die Uebrigen
bleiben jedweder für seinen Antheil verbunden; letzteren Falls aber nutzet die
dem Einen gemachte Erlassung auch denen Uebrigen, wann der Erblasser die
Forderung wider sie für ihre Antheile nicht ausdrücklich vorbehalten hat. Ein
Anderes aber ist, wann der
Erblasser einem von mehreren Mitverbundenen die Schuld
vermacht, dann solchen Falls wird er nicht nur für seinen Antheil befreiet,
sondern er kann auch die Antheile der übrigen forderen, sie mögen mit
geschiedener oder ungeschiedener Hand verstricket sein.
[2, 16, § 15] 235. Würde Jemanden die Befreiung von einer
Schuld vermacht, die er entweder gar nicht schuldig, oder welche schon vorhin
bezahlet oder getilgt wäre, so hat das Vermächtniß gar keine Wirkung, und kann
der Schuldner das in Lebzeiten des Erblassers hieran Bezahlte nicht mehr
zurückforderen.Wo er aber nach
(2-313) dem Tod des Erblassers ohne von der ihme vermachten
Erlassung der Schuld etwas zu wissen, solche aus Irrthum dem Erben ganz oder
zum Theil bezahlet hätte, muß ihme von dem Erben das zur Ungebühr Bezahlte auf
sein Verlangen zurückgestellet werden.
[2, 16, § 15] 236. Ergebe sich hingegen, daß die entweder
dem Schuldner selbst, oder auch einem Dritten ohne Benennung der Summe und ohne
ausdrücklicher Beschränkung auf die vergangene oder gegenwärtige Zeit vermachte
Schuld nach der Zeit des errichteten letzten Willens in dem Capital vermehret
würde, und der Erblasser nachhero seine Willensmeinung nicht anderst erkläret
hätte, so gebühret die ganze Capitalsumme, welche die Schuld zur Zeit des
Absterbens des Erblassers betragen hat. Gleichwie dann auch in jenem Fall, wann
der Erblasser allen seinen Schuldneren überhaupt und auf vorbemelte Art
Dasjenige, was sie ihme schuldig sind, in seinem letzten Willen erlassen hätte,
hierunter auch jene begriffen werden, die erst nach der Zeit des errichteten
letzten Willens seine Schuldnere worden.
[2, 16, § 15] 237. Endlich kann auch der Schuldner seinem
Gläubiger die Schuld vermachen, und hat das
Vermächtniß seine Wirkung, wann dem Gläubiger durch dasselbe mehr Vortheil
verschaffet wird, als er aus der alleinigen Schuldforderung nicht gehabt haben
würde. Dieser Vortheil kann entweder
in einem mehreren Betrag, besserer Münze, anständigeren Zahlungsort,
ergiebigerer Sicherheit und Bedeckung, früherer Zeit, und endlich in der
Verzicht der allenfalls wider die Schuld habenden Einwendungen bestehen.
[2, 16, § 15] 238.
Umsomehr aber ist das Vermächtniß giltig, wann der Erblasser gar nichts
schuldig wäre, obschon er in seinem letzten Willen gemeldet hätte, daß er die
von ihme benannte Summe Demjenigen, welchem er sie vermacht, schuldig seie, in
welchem Fall das Vermächtniß durch den falschen Beisatz einer vorgeblichen
Schuld nicht entkräftet wird.
[2, 16, § 15] 239.
Doch ist die Schuld nur damals für vermacht zu halten, und das Vermächtniß auf
die Schuld anzurechnen, wann der Erblasser ein solches wortdeutlich ausdrucket;
ansonsten und ohne diesem Ausdruck kann keine Vergeltung der Schuld vermuthet
werden, sondern der Gläubiger ist befugt, beides, sowohl die Schuld, als das
Vermächtniß zu forderen, obgleich die Schuld sich eben so hoch, als die
vermachte Summe beliefe.
[2, 16, § 15] 240.
Es seie dann, daß die Schuld bloß aus Freigebigkeit und guten Willen, als aus
einer Verheißung oder Zusage, oder Vergeltung geleisteter Diensten, oder auch
nicht aus einer willkürlichen Einschuldung, sondern aus einer nothwendigen, dem
Erblasser von Unseren Gesetzen auferlegten Schuldigkeit, als da sind der
Pflichttheil, die Ausstattung der Töchter und der ehegattliche Antheil, herrührete,
in welche das Vermächtniß allerdings einzurechnen ist, und wo das Vermächtniß
sich eben so hoch, oder noch höher beliefe, die Schuld anmit getilgt wird.
§ XVI.
[2, 16, § 16] 241.
Bei Vermächtnissen körperlicher Dingen, welche in Gewicht, Zahl und Maß
bestehen, als Getreid, Wein, Wolle u. dgl., kommt es darauf an, ob der
Erblasser was, wieviel, und von was für Eigenschaft hiervon abzustatten seie,
benennet, oder zwar wie viel von der benannten Gattung, nicht aber von was für
Eigenschaft und Beschaffenheit ausgedrucket, oder auch zwar die Eigenschaft,
nicht aber den Betrag bestimmet, oder endlich nur allein die bloße Gattung, und
weder den Betrag, noch die Eigenschaft, nemlich wieviel und von was für
Beschaffenheit abzugeben seie, erwähnet habe.
[2, 16, § 16] 242.
In erstem Fall, wo sowohl der Betrag, als die Eigenschaft der vermachten
Gattung von dem Erblasser bestimmet worden, gebühret das Verschaffte in der
angewiesenen Güte, Zahl, Maß und Gewicht, es möge sich so vieles von der
beschriebenen Güte und Betrag in der Verlassenschaft vorfinden oder nicht.
(2-314) [2,
16, § 16] 243. Es hätte dann der Erblasser dabei wortdeutlich
ausgedrucket, daß es von dem Seinigen hergegeben werden solle, in welchem Fall,
wo nicht so viel, als der Erblasser vermacht, oder nicht in so guter
Beschaffenheit von seinem Eigenen vorhanden wäre, der Erb nicht mehr, als was
davon in der Verlassenschaft befindlich ist, es seie gut oder schlecht,
abzustatten schuldig, und wo gar nichts da wäre, auch das Vermächtniß null und
nichtig ist.
[2, 16, § 16] 244.
Hätte aber der Erblasser den Betrag mit Beziehung auf einen gewissen Grund oder
auf ein Behältniß vermacht, als alles Getreid, was auf seinen Acker, oder alles
Obst, was in seinem Garten wachsen würde, oder alle Körner, die auf seinem
Boden liegen, gebühret hieran so viel, als in dem Jahr seines Absterbens auf
dem Acker an Getreid, oder in dem Garten an Obst gewachsen, oder zur Zeit
seines Tods auf dem Boden an Körnern vorfindlich ist, und wo nichts gewachsen
oder vorhändig wäre, höret auch das Vermächtniß auf.
[2, 16, § 16] 245.
Dahingegen, wo der Erblasser nebst besonderer Auswerfung des Betrags zugleich
den Grund oder das Behältniß, woraus solcher genommen werden solle, angewiesen
hätte, gebühret nicht mehr, als von ihme vermacht worden, obgleich von dem
Grund mehr erzeuget, oder in dem Behältniß mehr befunden würde.
[2, 16, § 16] 246.
Woferne aber auf dem angewiesenen Grund weniger, als vermacht worden, erzeuget,
oder in dem angezeigten Behältniß von dem Verschafften weniger vorfindlich
wäre, darf der Erb nur so viel abstatten, als erzeuget, oder alldort gefunden
wird.
[2, 16, § 16] 247.
Und da gar nichts allda erzeuget oder gefunden worden, ist Derselbe außer dem
Fall verschaffter, jährlicher Abgaben, wovon oben §. X gehandlet worden, auch
nicht schuldig, etwas zu leisten, sondern ein solches Vermächtniß solle
jederzeit mit der Einschränkung auf den angewiesenen Grund, oder auf das
angezeigte Behältniß verstanden werden, wann der Inhalt des letzten Willens
nichts Anderes besaget.
[2, 16, § 16] 248.
In dem zweiten Fall, wo von dem Erblasser zwar der Betrag der vermachten
Gattung, nicht aber deren Eigenschaft und Beschaffenheit bestimmet worden, hat
der Erb die Auswahl, in was für einer Eigenschaft derselbe das Vermachte
abführen wolle, wann es nur so beschaffen ist, daß es genutzet und gebrauchet
werden könne.
[2, 16, § 16] 249.
In dem dritten Fall, da der Erblasser zwar die Eigenschaft der vermachten
Gattung, nicht aber den Betrag ausgemessen hätte, gebühret Alles, was der
Erblasser nach seinem Tod von der vermachten Gattung in der bemelten
Eigenschaft hinterlassen hat, und da er nichts davon verließe, ist auch das
Vermächtniß null und nichtig, wo jedoch die Gattung, aber von schlechterer
Eigenschaft vorhanden wäre, muß sich Derjenige, welchem das Vermächtniß
geschehen, mit dieser begnügen.
[2, 16, § 16] 250.
Ein Gleiches hat in dem vierten Fall statt, wann der Erblasser nur allein die
Gattung, und weder die Eigenschaft, noch den Betrag benennet hätte, welcherlei
Vermächtniß Alles unter sich begreifet, was nach dem Landesgebrauch, oder nach
der Gewohnheit des Erblassers unter der bemelten Gattung verstanden wird, und
davon in der Verlassenschaft vorräthig ist.
[2, 16, § 16] 251.
Also da Jemanden alles Getreid vermacht würde, gebühren ihme alle vorräthige
Arten des Getreids, welche nach eines jeden Landes Gewohnheit unter dieser
Benamsung verstanden werden, sie mögen in Körnern oder noch in Geströh sein;
dahingegen ist unter den vermachten Körnern oder dem Getreid auf dem Boden das Getreid
in Geströhe nicht begriffen.
[2, 16, § 16] 252.
Noch weniger verstehet sich unter dem verschafften Getreid das Mehl und Malz,
oder auch jenes, was von Körnern zum Verkauf, zur Aussaat, zur Brodung, oder
zum eigenen Gebrauch oder Genuß von dem Erblasser für sich und seine
Hausgenossen, Dienstleute und Beamten zur Zeit seines Tods allschon
(2-315)
eingefasset, und von dem Uebrigen abgesönderet gefunden wird, oder was bereits
bei seinen Lebzeiten verkaufet worden, obschon es noch zur Zeit seines Tods unabgesönderet
auf dem Boden läge, wie dann auch das Vermächtniß des Getreids sich keineswegs
auf dasjenige erstrecket, was zur Zeit des Absterbens auf dem Felde stehet, und
noch nicht geschnitten ist.
[2, 16, § 16] 253.
Ein ganz ähnliches Beispiel ist in dem Fall, wo der Erblasser Jemanden alle
seine Weine vermacht hätte, worunter nicht allein die auf seinem eigenen
Weinberg gewachsene, sondern auch die von anderwärts herbeigeschaffte in- und
ausländische Weine, und überhaupt Alles, was der Erblasser für Wein zu halten
gepflogen, begriffen wird, keineswegs aber auch Bier, Essig, Branntwein,
gebrannte Wässer, Meth und anderes Getränk, welches von Wein unterschieden ist.
[2, 16, § 16] 254.
Weme die Weine vermacht worden, gebühren auch die Gefäße, Geschirre, Krüge und
Flaschen, in welchen dieselben aufbehalten worden, wann der Erblasser solche
nicht ausdrücklich ausgenommen hat, nicht aber auch die leeren Fässer, oder
jene große Gefäße, welche zum beständigen Gebrauch des Kellers dahin gewidmet
worden, und woraus der Wein in andere kleinere Gefäße abgezapfet zu werden
pfleget, wann gleich der Erblasser die Weine sammt dem Gefäß vermacht hätte.
Ein Anderes aber ist, wann derselbe nebst den Weinen insonderheit auch alles
vorhändige Gefäß und Geschirr verschaffet haben würde, welchenfalls das Gefäß
nicht sowohl für eine Zugehörung zu denen Weinen, als vielmehr für ein
besonderes Vermächtniß anzusehen ist.
[2, 16, § 16] 255.
Hätte der Erblasser seine alten Weine vermacht, werden hierunter alle fertige
Weine begriffen, wann nicht erweislich ist, was derselbe unter alten Weinen zu
verstehen gepflogen habe; gleichwie in Gegentheil, wann Jemandem neue, junge
oder heurige Weine vermacht worden, ihme wider Willen keine alte aufgedrungen
werden können.
[2, 16, § 16] 256.
Unter dem Vermächtniß der Weinen werden keineswegs die noch an Stock hangende
Trauben, weder der Most unter der Presse, noch auch jener Wein, welcher schon
bei Lebzeiten des Erblassers verkaufet worden, obschon solcher zur Zeit seines
Tods noch im Keller befindlich wäre, oder welcher zum Verkauf verführet worden,
obgleich derselbe zur Zeit seines Absterbens noch nicht verkaufet wäre,
begriffen.
§. XVII.
[2, 16, § 17] 257.
Was für Zugehörungen mit der vermachten Sache aus der Natur des Vermächtnisses
selbst gebühren, wann gleich von dem Erblasser davon keine Erwähnung geschehen,
wird unten in §. XXIII erkläret werden. Es kann aber auch der Erblasser die
Zugehörungen namentlich mit verschaffen.
[2, 16, § 17] 258.
Wobei überhaupt die Regel statt hat, daß unter vermachten Zugehörungen zu einer
Sache alles das begriffen seie, was darunter nach der allgemeinen Gewohnheit,
oder nach dem besonderen Gebrauch des Erblassers, welcher es für beständig
darzu gewidmet hat, verstanden wird. Also da Jemanden ein Reitpferd mit der Zugehörung
vermacht würde, gebühret ihme auch Sattel und Zeug.
[2, 16, § 17] 259.
Doch kommt es allemal vornehmlich darauf an, wie der Erblasser seine
Willensmeinung wegen der Zugehörungen erkläret, ob er nemlich Demjenigen,
welchen er bedacht hat, hieran mehr, oder weniger zuwenden wollen. Es ist
dahero bei liegenden Gütern wohl zu unterscheiden, ob ein Grund überhaupt, oder
mit aller Zugehörung oder Einrichtung, oder wie er liegt und stehet, vermacht
worden.
[2, 16, § 17] 260.
Ist des Grunds nur überhaupt gedacht, so erstrecket sich das Vermächtniß nicht
weiter, als auf Grund und Boden und auf das, was erd-, niet- und nagelfest ist.
Da hingegen, wo der Grund mit aller Zugehörung oder Einrichtung vermacht
worden, ist auch Alles darunter begriffen, was der Erblasser Zeit seines
Absterbens an Vieh, Getreid, Hausrath, Geräthschaften und Einrichtungen
(2-316) für
beständig sowohl zur Bestellung der Wirthschaft, als zu seinem täglichen
Gebrauch dahin gewidmet gehabt.
[2, 16, § 17] 261.
Davon ist aber Jenes ausgenommen, was nicht zur Bestellung der Wirthschaft und
dem beständigen Gebrauch dahin bestimmet ist, sondern entweder zum Verkauf oder
verwahrungsweise allda aufbehalten wird, oder von Ohngefähr, ohne es als eine
Zugehörung oder Einrichtung zu dem Grund zu widmen, dahin gebracht worden.
[2, 16, § 17] 262.
Also sind alle Wirthschaftsvorräthe an Getreid, Wein und anderen Feilschaften,
so viel hieran über Abzug der Wirthschaftserfordernisse erübrigt wird, das
baare Geld, Kleinodien und Dasjenige, was der Erblasser aus einem anderen Ort,
wo er es sonst aufzubehalten pflegen, zu einem zeitlichen Gebrauch, oder zur
Verwahrung dahin gebracht, unter den Zugehörungen nicht begriffen, wohl aber
Jenes, was zum beständigen Gebrauch dahin gewidmet, und nur auf eine zeitlang
an ein anderes Ort gebracht, oder in dieser Absicht zu dem Grund erkaufet, und
angeschaffet worden, obwohlen es zur Zeit des Absterbens noch nicht allda
befindlich wäre.
[2, 16, § 17] 263.
Endlich, wo der Erblasser den Grund, wie er liegt und stehet, vermacht hätte,
gebühret Alles darzu, was zur Zeit seines Absterbens an Fahrnissen auf dem
Grund befindlich ist, nichts davon ausgenommen und ohne Unterschied, es möge
zum beharrlichen oder zeitlichen Gebrauch, zur Bestellung der Wirthschaft oder
zum Verkauf gewidmet, und für beständig, oder einstweilig allda aufbehalten,
oder auch von Ohngefähr, und in was immer für Absicht dahin gebracht worden
sein.
§. XVIII.
[2, 16, § 18] 264.
Wann der Erblasser Jemanden seinen Speis- und Kellervorrath verschaffet, wird
Alles darunter verstanden, was derselbe zu seiner und der Seinigen Nothdurft an
Eß- und Trinkwaaren gesammlet hat, sammt denen Gefäßen und Geschirren, worinnen
solche aufbehalten werden; der Vorrath möge an einem Ort beisammen, oder in
verschiedenen Orten vertheilet sein. Dahingegen ist Jenes, was nicht zum
eigenen Genuß, sondern zum Verkauf gewidmet ware, nicht darunter begriffen.
[2, 16, § 18] 265.
Ein Anderes ist, wann der Erblasser alle seine Eß- und Trinkwaaren, mit welchen
er zu handlen pflegen, vermacht hätte; dann in diesem Verstand erstrecket sich
das Vermächtniß auch auf denjenigen Vorrath, welchen der Erblasser zum feilen
Kauf gesammlet hat.
§. XIX.
[2, 16, § 19] 266.
Unter dem vermachten Hausrath werden alle Fahrnisse verstanden, welche zur
gemeinen Einrichtung eines Wohnhauses gehören, und von dem Erblasser zu seinem
und der Seinigen täglichen Gebrauch, es sei zur Nothdurft, Bequemlichkeit oder
auch zur Lust angeschaffet worden, als alle Zimmereinrichtung, Spaliere, Bilder
und Gemälde, Teppiche, Tische, Bänke, Sesseln, Stühle, Stock- und Hanguhren,
Spiegeln, Gläser, Leuchter, gewöhnliches Tischzeug, Messer, Gabeln, Löffeln,
welche zum täglichen Gebrauch bestimmet sind, Kästen, Schranken, Bettstätte,
Matratzen, Betten sammt dem gewöhnlichen Bettgewand, nicht weniger alle
Kuchelgeräthschaften von Kupfer, Zinn, Messing, Eisen, Holz und Erden, dann
Wägen, Kutschen, Sänften, Pferdegeschirr und was zum Stall gehöret.
[2, 16, § 19] 267.
Davon sind aber ausgenommen die kostbareren Spaliere, Teppiche, Decken und
Ueberzüge, welche nicht für beständig zum gemeinen Gebrauch gewidmet, sondern
nur unterweilen zur Zierde aufgemacht werden, wie nicht weniger Bilder und
Gemälde, die nicht zur Einrichtung gehören, sondern als Kunststücke einzelweise
ausgehangen, oder auch zusammen in besonderen Cabineten und Gallerien verwahret
werden.
(2-317) [2,
16, § 19] 268. Desgleichen sind
silberne Service, Nachtzeuge, Gold- und silberne Geschirre, welche nicht zum
täglichen Gebrauch bestimmet sind, Ringe, Schmuck und Juwelen, Sackuhren,
Tabatieren, baares Geld, Früchten, Weine und andere Eß- und Trinkwaren,
Kleider, Wäsche sammt den darzu gehörigen Kästen und Schranken, Pferde und
anderes Vieh in Ställen, Bücher und Bücherschranken, Gewehr, Handwerkzeug und
was zum beständigen Gebrauch des Hauses gehöret, als Feuergeräthe,
Doppelfenster, Fliegengatter und dergleichen unter dem Hausrath nicht
begriffen.
§. XX.
[2, 16, § 20] 269.
Wann Jemanden der Unterhalt vermacht wird, ist zu unterscheiden, ob ein- für
allemal ein Capital oder Gut zu seinem Unterhalt verschaffet, oder ob demselben
ein gewisser jährlicher oder monatlicher, oder anderer zeitfristlicher Betrag
zu seinem Unterhalt ausgeworfen, oder ob dabei ein Grund oder Gut, woraus der
Unterhalt hergenommen werden solle, angewiesen, oder endlich ob der Unterhalt
überhaupt ohne Bestimmung eines Betrags, was und wie viel abgereichet werden
solle, vermacht worden.
[2, 16, § 20] 270.
In dem ersten Fall, wann jemanden ein Capital oder ein Gut zu seinem Unterhalt
vermacht worden, ist es nicht sowohl ein Vermächtniß des Unterhalts, als des
Capitals und Guts selbst, welches sowie als Anderes aus letztem Willen von
Jenem, welcher damit bedacht worden, eigenthumlich erworben und auch auf seine
Erben übertragen wird.
[2, 16, § 20] 271.
In dem zweiten Fall, wo Jemanden ein gewisser Betrag jährlich, monatlich,
wochentlich oder täglich zu seinem Unterhalt ausgeworfen wird, ist es ein
Vermächtniß jährlicher oder anderer zeitfristlicher Einkünften, wovon oben §. X
gehandlet worden.
[2, 16, § 20] 272.
In dem dritten Fall, wo ein Grund oder Gut, woraus der verschaffte Unterhalt
hergenommen werden solle, angewiesen und darauf nichts, oder weniger erzeuget
worden, ist sich nach deme zu richten, was eben allda num. 143 und 144 geordnet
wird.
[2, 16, § 20] 273.
Endlich in dem vierten Fall, wo der Unterhalt überhaupt ohne Bestimmung des
Betrags verschaffet worden, ist anförderist darauf zu sehen, was der Erblasser
bei seinen Lebzeiten der bedachten Person zu ihrem Unterhalt abzureichen
pflegen, in welcher Maß auch die Erben damit fortzufahren verbunden sind, wann
der Erblasser solchen nicht auf einen minderen Betrag bestimmet hat.
[2, 16, § 20] 274.
Wäre aber solches nicht bekannt, oder der Verstorbene hätte bei seinen
Lebzeiten nichts Gewisses abgereichet, so muß auf den Stand der zu unterhalten
kommenden Person, und auf die Kräften der Verlassenschaft, was ohne Nachstand
anderer zu bestreiten habenden Erblasten füglich davon erschwungen werden
könne, die Rucksicht genommen, und der damit bedachten Person hienach so viel
an Unterhalt, als ihrem Stand gemäß ist, und die Kräften der Verlassenschaft
zureichen, ausgeworfen werden; wobei sich jedoch von selbsten verstehet, daß
der Unterhalt nach Maß des zunehmenden Alters, und der damit verknüpften
mehreren Bedürfnissen vermehret werden müsse, wessen eine erwachsene Person
mehr erforderet, als nicht ein Knab oder Kind.
[2, 16, § 20] 275.
Unter dem Unterhalt ist Alles begriffen, was zu Erhaltung des menschlichen
Lebens nöthig ist, als die Kost, Kleidung, Wohnung, Bett, Holz und Licht, das
nöthige Hausgeräth, Arzneien, und auch die nach Standesgebühr erforderliche
Bedienung, nicht aber Wagen und Pferd, Begräbnißkosten und der Aufwand zur
Unterrichtung in Wissenschaften, Künsten und Handwerken.
[2, 16, § 20] 276.
Es wäre dann, daß der Erblasser den Unterhalt einer solchen Person verschaffet
hätte, welcher derselbe noch in seinen Lebzeiten dergleichen Unterricht geben
zu lassen angefangen, oder welcher er aus Pflicht die standesgemäße
(2-318) Erziehung
zu geben schuldig gewesen wäre, oder doch derselbe Jemanden ausdrücklich die
Auferziehung vermacht hätte.
[2, 16, § 20] 277.
Dann das Vermächtniß der Auferziehung erstrecket sich über den abzureichen
habenden Unterhalt auch auf die nöthige Unterweisung in solchen Wissenschaften,
Künsten oder Handwerken, welche dem Stande und Beruf der bedachten Person gemäß
sind, höret aber auf, sobald als dieselbe in eigenen Nahrungsstand gesetzet
ist, wann der Erblasser nicht besonders ihre Unterhaltung weiter hinaus
angewiesen, oder zugleich ihre Versorgung anbefohlen hätte, welchen Falls der
Unterhalt so lange fürdauert, bis derselben eine anständige Versorgung
verschaffet wird.
[2, 16, § 20] 278.
Weit geringer ist das Vermächtniß der täglichen Kost, aus welchem außer Speis
und Trank, nichts Anderes, folglich weder die Kleidung, noch Wohnung gebühret,
und hat sich der damit Bedachte mit derjenigen Kost zu begnügen, mit welcher
sich Jener, bei deme sie angewiesen worden, seinem Stande nach zu verkösten
pfleget, wann der Erblasser nicht ausdrücklich ein Anderes verordnet hätte.
[2, 16, § 20] 279.
Derlei Vermächtnissen des Unterhalts, der Erziehung, Versorgung und Verköstung
können auch Erbsunfähigen verschaffet werden, wann sie nur denjenigen Betrag,
welcher gewissen erbsunfähigen Personen nach Maßgebung des zwölften Capitels §.
II zu verlassen erlaubet ist, nicht übersteigen, widrigens ist die Uebermasse
für nicht vermacht zu halten, und fallt den Erben zu.
[2, 16, § 20] 280.
Alle diese Vermächtnissen müssen in derjenigen Maß, und auf die Art und Weis,
wie solche der Erblasser angeordnet, abgereichet, und kann weder der damit
bedachten Person ein Anderes wider Willen aufgedrungen, noch auch der Erb zu
Leistung eines Anderen, als von dem Erblasser vorgeschrieben worden, verhalten
werden, wann er sich diesfalls keinen Saumsal zu schulden kommen lassen.
[2, 16, § 20] 281.
Das Vermächtniß der Erziehung währet vorerwähnter
Maßen so lange, bis die erzogene Person in den Stand gelanget, sich die eigene
Nahrung zu suchen. Das Vermächtniß der Versorgung hingegen, bis daß die
versorgen habende Person auf standesgemäße Art dergestalten untergebracht wird,
daß sie der ihr zugedachten Beihilfe nicht mehr bedarf.
[2, 16, § 20] 282.
Das Vermächtniß des Unterhalts sowie der Verköstung, wo es aus einer Ursache,
oder auf eine Zeit geschehen, höret mit Erlöschung der in dem letzten Willen
ausgedruckten Ursache, oder mit Verlauf einer bestimmten Zeit auf, wann der
damit Bedachte nicht ehender verstirbt.
[2, 16, § 20] 283.
Ist aber der Unterhalt, oder die Verköstung ohne Benennung einiger Zeit
vermacht worden, gebühren solche auf lebenslang, obschon selbe einem Kind, oder
Minderjährigen zugedacht worden, wann nicht ausdrücklich beigesetzet wäre, daß
sie bis zur erreichten Großjährigkeit abgegeben werden sollen, in welchem Fall
dieselben bis zu dem letzten Augenblick des erfüllten vierundzwanzigsten Jahrs
geforderet werden können; es wäre dann die Nachsicht des Alters, folglich die
Erklärung der Großjährigkeit vor der Zeit ausgewirket worden.
[2, 16, § 20] 284.
In deme kommen jedoch alle diese Vermächtnissen überein, daß sie mit dem Tod
Desjenigen, deme sie gebühren, wann dieser auch vor der gesetzten Zeit
verstürbe, gänzlich aufhören und erlöschen, folglich keineswegs für die Zukunft
auf seine Erben übertragen werden, obschon von ihnen für das Vergangene der
Werth dessen, was dem Verstorbenen hätte geleistet werden sollen, gefordert
werden mag.
[2, 16, § 20] 285.
Dieser Ersatz für die verflossene Zeit kann aber damals nicht anbegehret
werden, wann der hierzu Verbundene die Gebühr zwar abzureichen bereit wäre, der
Andere hingegen solche nicht angenommen, oder sich durch Entfernung,
Ausbleiben, oder anderweites Unterkommen des natürlichen Genusses einstweilig,
oder für allzeit freiwillig entschlagen hätte.
[2, 16, § 20] 286.
Derlei Vermächtnissen können demnach für die künftige Zeit die Kinder des damit
Bedachten nicht anderst theilhaftig werden, als wann der Erblasser dieselben
ausdrücklich auch auf sie erstrecket hat, welchenfalls ihnen ihr darzu habendes
(2-319) Recht
durch Verzicht, Vertrag oder Vergleich ihres Vaters oder Mutter in keinerlei
Wege geschmäleret werden kann, wann nicht die gerichtliche Bestätigung
hinzutritt.
[2, 16, § 20] 287.
Dahingegen bleiben nach Absterben des mit einem solchen Vermächtniß Beschwerten
auch seine Erben zu dessen fortwährender Abreichung noch allezeit verbunden. Ob
und wie aber derlei Gebührnissen durch Vergleiche und Verträge verminderet,
oder gar erlassen werden können, wird in dritten Theil, in zweiten Capitel,
dritten Artikel, §. XXI erkläret.
§. XXI.
[2, 16, § 21] 288.
Unter dem vermachten Gold- und Silberwerk ist Alles begriffen, was der
Erblasser an Gold und Silber hinterlassen hat, es möge roh oder verarbeitet,
zerbrochen oder noch in der Arbeit, zur Zeit seines Absterbens ausgeliehen,
oder vorhändig, und zu was immer für einen Gebrauch gewidmet sein.
[2, 16, § 21] 289.
Darunter gehöret auch das vergoldete Silber, in Gold oder Silber zu dessen
Auszierung eingefasste oder eingemachte Edelgesteine oder Münzen, obschon sie
davon füglich abgesönderet werden könnten, wie nicht minder goldene und
silberne Besteck, Spiegelrahmen, Uhren und Tabatieren, nicht aber das
Geschmuck, Ringe und Juwelen, obgleich solche in Gold oder Silber gefasst sind,
weder das, was nur vergoldet oder versilberet ist, oder auch zum Zierath einen
Beisatz von Gold oder Silber hat, noch weniger das baare Geld und Schaumünzen
oder Medaillen.
[2, 16, § 21] 290.
Wann jedoch nur das brauchbare oder verarbeitete Silber vermacht wird, ist das
rohe und Bruchsilber nicht mitbegriffen, und wo der Erblasser Jemanden das
Silber, was er zu seinem täglichen Gebrauch gehabt, verschaffet hätte, gebühret
nur jenes, was er nach Zeugniß seiner Hausleuten täglich gebrauchet hat;
desgleichen wo das Tafelsilber vermacht worden wäre, ist Alles hierunter
begriffen, was zum Gebrauch der Tafel gehöret.
[2, 16, § 21] 291.
Wäre aber Jemanden nur Silber überhaupt nach einem bestimmten Gewicht, als z.
B. 20 Mark vermacht worden, gebühret ihme entweder so viel Silber, oder der
Werth dafür, was so viele Mark nach der Probe des Orts an Geld betragen.
[2, 16, § 21] 292.
Es hätte dann der Erblasser nebst dem Gewicht zugleich eine gewisse Gestalt des
Silbers benennet, als einen Nachtzeug oder Tafelservice von so viel Mark,
welchen Falls es an dem Werth des Gewichts allein nicht genug ist, sondern das
Vermachte sowohl in der bestimmten Gestalt, als Gewicht abgestattet werden muß.
[2, 16, § 21] 293.
Wann der Erblasser Jemanden sein baares Geld oder die Barschaften vermacht,
wird Alles darunter begriffen, was zur Zeit seines Tods an baaren Geld
vorhanden ist, keineswegs aber die ausstehende Schulden, weder die Medaillen
und rare Münzen, welche der Erblasser nicht unter seiner Barschaft, sondern in
einem Eigenen besonderen Behältniß zu verwahren pflegen, noch auch diejenigen
Gelder, welche erweislich zu einem schon geschlossenen, oder doch wenigstens
angestoßenen Ankauf, oder zur verzinslichen Anlegung bestimmet waren, und von
anderen Barschaften abgesönderet gefunden werden.
[2, 16, § 21] 294.
Wenn ein gewisser Geldbetrag in einer Münze vermacht worden, deren Werth nach
errichteten letzten Willen gestiegen, oder gefallen ist, muß derjenige Werth
abgestattet werden, welchen sie zur Zeit des Absterbens des Erblassers gehabt
hat.
[2, 16, § 21] 295.
Unter dem vermachten Aufputz wird alles verstanden, was zum Frauenputz gehöret,
als Putzwäsche, Spitzen, Bänder, falsches Geschmuck, Ohrgehänge, welche nicht
mit Edelsteinen besetzet sind, und dergleichen Kleinigkeiten, nicht aber gutes
Geschmuck, Leibwäsche und Kleider.
[2, 16, § 21] 296.
Unter dem vermachten Schmuck werden alle Edelgesteine, Perlen, Juwelen, sie
mögen ledig oder gefasst, oder in der wirklichen Fassung sein, wie auch alles
(2-320) Gold- und
Silbergeschmeid, was um sich zu schmucken gebrauchet wird, als goldene Ketten,
Ohrgehänge, Armbänder, Ringe, Leibgürteln und Schnallen begriffen, wovon jedoch
die Petschier- und Trau- oder Eheringe ausgenommen sind; wo aber nur die
Juwelen und Kleinodien allein vermacht worden, werden nur Edelgesteine und
Perlen, und nichts Anderes darunter verstanden.
[2, 16, § 21] 297.
Unter die vermachte Kleider gehöret Alles, was der Erblasser zu seiner Kleidung
gebrauchet oder darzu gewidmet hat, und zur Zeit seines Tods vorhanden ist, wie
auch das zur Kleidung zugeschnittene, nicht aber noch in ganzen Stuck
befindliche Tuch oder Zeug; eben dieses ist auch in dem Vermächtniß der
sogenannten Garderobe enthalten, sowie als anderen Falls aber die Wäsche,
Spitzen und Weißzeug, nicht weniger Degen und Stock ausgenommen.
[2, 16, § 21] 298.
Von vermachten Kleidern ist das Vermächtniß der Kleidung, wann nemlich der
Erblasser Jemanden zu kleiden befohlen, ganz unterschieden; dann in diesem Fall
gebühret ihme nur die Kleidung, welche er vonnöthen hat, und zwar ein für
allemal, wann der Erblasser nicht anderst ausdrücklich geordnet hat.
[2, 16, § 21] 299.
Ueberhaupt ist bei Vermächtnissen, welche einen allgemeinen Begriff von
mehreren Sachen in sich enthalten, darauf zu sehen, was unter einem solchen
Ausdruck nach der Gewohnheit eines jeden Orts, und nach dem selbsteigenen
Gebrauch des Erblassers verstanden werde.
[2, 16, § 21] 300.
Allein auch diese Regel leidet einen Abfall, wann der Erblasser entweder
ausdrücklich etwas davon ausgenommen und damit anderst geordnet, oder
gegentheils das Vermächtniß über den gemeinen Verstand, es seie namentlich,
oder mit dem Beisatz, wie es liegt und stehet, erstrecket hätte, welchen
letzteren Falls nur auf das, was zur Zeit seines Tods allda liegt und stehet,
die Rucksicht genommen werden solle, dieses möge sonst unter der Benamsung,
welcher sich der Erblasser bedienet, verstanden sein, oder nicht.
Dritter Artikel.
Von rechtlichen
Hilfsmitteln zu Erlangung der Vermächtnissen.
§. XXII. Von der
Zeit, wann Vermächtnisse zu gebühren anfangen, und wann solche gefordert werden
können. §. XXIII. Von Verbindlichkeit des Erbens zu Abführung der Vermächtnissen. § XXIV. Von Sicherstellung der von künftigen
Erfolg abhangenden Vermächtnissen. §. XXV. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu
Erlangung der Vermächtnissen.
§. XXII.
[2, 16, § 22] 301.
Bei Vermächtnissen sind die zweierlei Zeitpunkte wohl zu unterscheiden, wann
sie nemlich zu gebühren anfangen, und wann sie geforderet werden können, dann
obschon solche gebühren, und auch auf die Erben des damit Bedachten übertragen
werden, so können sie gleichwohlen nicht ehender geforderet werden, als bis die
Zeit herangekommen, wo selbe abzustatten sind.
(2-321) [2, 16, § 22] 302. Die alleinige Gebührniß des
Vermächtnisses wirket demnach nicht allemal auch dessen alsbaldige Forderung,
sondern nur das Recht an oder zu demselben, und dessen erbliche Uebertragung,
wann der damit Bedachte vor dessen Erlangung verstürbe, und es kein solches
Vermächtniß wäre, was mit seiner Person erlöschet.
[2, 16, § 22] 303. Um aber zu wissen, wann Vermächtnissen zu
gebühren anfangen, ist darauf zu sehen, ob sie einen die Gebühr des
Vermächtnisses in die Zukunft verschiebenden Beisatz einer Bedingniß oder Zeit
haben, oder nicht.
[2, 16, § 22] 304. Nicht alle Beisätze haben die Kraft
Vermächtnisse zu verschieben, sondern nur der Anhang einer Bedingniß und Zeit
allein. Wohingegen eine beigefügte Beschreibung, Bewegursache, oder Art und
Weis nach Maßgebung dessen, was davon in ersten Artikel, §§. VI, VII und VIII
geordnet worden, die Wirkung des Vermächtnisses nicht aufhalten.
[2, 16, § 22] 305. Jene Vermächtnissen, welche keinen
vorerwähnten verschiedenen Beisatz haben, fangen mit dem Tag des Absterbens des
Erblassers an zu gebühren, wann
(2-322) der damit Bedachte auch nur einen einzigen
Augenblick den Erblasser überlebet, von welcher Zeit an derselbe das an oder zu
dem Vermächtniß erworbene Recht auf seine Erben übertraget, wovon nur die
persönlichen Vermächtnissen ausgenommen sind, welche mit seiner Person
aufhören.
[2, 16, § 22] 306. Die erbliche Uebertragung eines solchen
Vermächtnisses wird andurch nicht verhindert, wann gleich der Erb unter einer
Bedingniß eingesetzet, oder auch Demjenigen, welcher mit dem Vermächtniß
beschweret ist, Dasjenige, wovon solches abgestattet werden solle, unter einer
Bedingniß verlassen worden, vor deren Erfolg Derjenige, deme das Vermächtniß
zugedacht worden, verstirbt; dann auch in diesem Fall gehet die Hoffnung des
bei Erfolg der Bedingniß erlangenden Vermächtnisses auf seine Erben.
[2, 16, § 22] 307. Wiewohlen aber der Erb nicht ehender, als
nach angetretener Erbschaft zu Abstattung der Vermächtnissen verbunden ist, so
wird doch in dem rechtlichen Verstand wie das Recht zur Erbfolge, also auch die
damit verknüpfte Verbindlichkeit zu den Erblasten auf die Zeit des Absterbens
des Erblassers zuruckgezogen und dafürgehalten, als ob in dem Augenblick des
Hinscheidens der Erb dem Verstorbenen nachgefolget wäre, welcher dahero von
dieser Zeit an wie die Vortheile zu genießen, also auch die Lasten zu tragen
hat.
[2, 16, § 22] 308. Die Antretung der Erbschaft ist
solchemnach derjenige Zeitpunkt, in welchem die Vermächtnissen, welche keinen
verschiebenden Beisatz haben, geforderet werden können, und zwar jene, womit
des Erblassers eigene, und in der Verlassenschaft vorhändige Sachen nach ihrer Gestalt
vermacht, oder ein dingliches Recht hieran bestellet worden, sogleich, und ohne
allen weiteren Aufzug.
[2, 16, § 22] 309. Alle übrige Vermächtnissen hingegen
sollen nicht ehender, als nach Verlauf eines Jahres und sechs Wochen von dem
Tag des Absterben des Erblassers an zu rechnen geforderet werden mögen; es seie
dann, daß derselbe anderst geordnet, und entweder einen längere oder kürzere
Abstattungsfrist gesetzet hätte, oder das Vermächtniß aus der Natur der Sache
eine andere Zeit zur Abfuhr mit sich brächte, als da Früchte von einem Grund
vermacht worden, welche zugleich abzustatten sind, sobald sie zur Reife
gekommen und eingesammelt worden.
[2, 16, § 22] 310. Welchen Vermächtnissen aber eine
verschiedene Bedingniß beigesetzet ist, diese fangen nicht ehender an zu
gebühren, als von Zeit der erfolgten Bedingniß, also daß wo der auf diese Art
Bedachte vor Ausgang derselben, obschon nach dem Erblasser verstürbe, er das
Vermächtniß keineswegs auf seine Erben übertragt, wann gleich nach seinem Tod
die Bedingniß erfolgen würde.
[2, 16, § 22] 311. Doch ist derjenige künftige Erfolg für
keine Bedingniß zu halten, wovon die Giltigkeit des Vermächtnisses entweder aus
der Natur der Sache, oder aus Anordnung Unserer Gesetzen abhanget, und welcher
allschon stillschweigend unter dem Vermächtniß verstanden wird, wann solcher
auch ausdrücklich beigesetzet wäre, als da Jemanden die Früchte eines Grunds
vermacht worden, wann etwas darauf wachsen würde, aber dem Vermächtniß die
Bedingniß beigefüget wäre, wann so viel in der Verlassenschaft nach Bezahlung
der Schulden erübriget werden würde.
[2, 16, § 22] 312. Derlei Vermächtnissen sind an sich
unbedingt, und gebühren von dem Tag des Absterbens des Erblassers, folglich
gehen sie auch von dieser Zeit an auf die Erben, obschon sie anwiederum
erlöschen, wann das, wovon sie abhangen nicht erfolget, als da an verschafften
Früchten auf dem angewiesenen Grund nichts gewachsen, oder in der
Verlassenschaft nach Abzug der Schulden nichts übrig geblieben wäre.
[2, 16, § 22] 313. Nicht minder erlangen jene Vermächtnissen
ihre Kraft gleich von dem Tod des Erblassers, welchen eine unmögliche,
ärgerliche oder lächerliche Bedingniß, oder das Widerspiel derselben angehänget
worden; umsomehr aber kann auch ein bedingtes Vermächtniß auf die Erben des
damit Bedachten übertragen werden, wann es
(2-323) der Erblasser auch ihnen ausdrücklich auf den Fall
der erfolgenden Bedingniß zugedacht hat.
[2, 16, § 22] 314. Desgleichen gehet ein bedingtes
Vermächtniß auf die Nachfolgere, wann es beim Landesfürsten, oder einer
Gemeinde, Mittel, welches niemalen abstirbt, oder einer gewissen bekleidenden
Würde oder Amt, das an sich beharrlich ist, verschaffet worden, und ist bei
fürwaltenden Zweifel allemal darauf zu sehen, ob der Erblasser die Würde sammt
dem Namen der dieselbe bekleidenden Person, oder nur die Würde und das Amt
allein ausgedrucket habe. Ersteren Falls ist das Vermächtniß der Person, wann
der Nachfolgeren dabei nicht wortdeutlich gedacht worden, und letzteren Falls
der Würde oder dem Amt ohne Rucksicht der dasselbe bekleidenden Person, wann
auch von Nachfolgeren keine Meldung geschehen, zugedacht zu halten.
[2, 16, § 22] 315. Ist dem Vermächtniß eine Zeit beigefüget,
so kommt es darauf an, ob dieselbe nach denen oben in ersten Artikel, §. V,
erklärten Maßregeln eine Bedingniß wirke oder nicht. Wirket dieselbe eine
Bedingniß, so fangt auch das Vermächtniß nicht ehender an zu gebühren, als wann
der damit Bedachte deren Erfolg erlebet, gleichwie in Gegentheil solches
erlöschet, wann dieser vorgestorben ist.
[2, 16, § 22] 316. Wo aber die angehängte Zeit keine
Bedingniß wirkete, sondern lediglich die Abstattung des Vermächtnisses
verschiebete, gebühret dasselbe sofort von dem Tod des Erblassers, und wird
auch gleich unbedingten Vermächtnissen von dieser Zeit an auf die Erben des
damit Bedachten übertragen, obschon solches vor Ankunft dieser Zeit nicht
geforderet werden kann.
[2, 16, § 22] 317. Ist nun bei bedingten Vermächtnissen die
Bedingniß in ihre Erfüllung gegangen und die Erbschaft angetreten worden,
können auch solchen in eben der Maß, wie es oben num. 308 und 309 von
unbedingten Vermächtnissen gemeldet worden, geforderet werden, wo aber die
Bedingniß vor angetretener Erbschaft erfüllet worden wäre, ist mit der
wirklichen Forderung des obschon gleich nach Erfolg der Bedingniß gebührenden
Vermächtnisses bis nach deren Antretung zuzuwarten.
[2, 16, § 22] 318. Nur jährliche, oder andere zeitfristliche
Vermächtnissen haben nach mehreren Inhalt des §. X dieses Besondere, daß bloß
allein die erste Frist eines solchen Vermächtnisses unbedingt, in allen weiter
folgenden Fristen aber die Bedingniß stillschweigend begriffen seie, wann der
damit Bedachte solche erleben wird, folglich ihme auch nur jene Frist gebühre,
und auf seine Erben übertragen werden, deren Anfang derselbe erlebet hat.
§. XXIII.
[2, 16, § 23] 319. Die Wirkung gleich Anfangs unbedingter,
oder in der Folge durch Erfüllung der Bedingniß oder Ankunft der Zeit unbedingt
gewordener Vermächtnissen bestehet an Seiten des Erben in der Verbindlichkeit
zu deren Abstattung, gleichwie an Seiten des damit Bedachten in dem Recht
solche zu forderen, und in denen ihme zu dem Erbe angebührenden Hilfsmitteln.
[2, 16, § 23] 320. Die Verbindlichkeit des Erbens zu
Abstattung gleich erwähnter Vermächtnissen erwachset aus der Antretung der
Erbschaft, doch allemal erst nach Abzug aller von dem Erblasser hinterlassenen
Schulden, vor deren Abführung oder hinreichender Bedeckung kein Vermächtniß
gebühren kann.
[2, 16, § 23] 321. Dahingegen zahlt der Erb vor Richtigstellung
der Schulden des Erblassers die Vermächtnissen allemal auf seine Gefahr, also
daß wo hernachmals die Erbschaft zu Tilgung der Schulden unzulänglich zu sein
befunden, oder unvorgesehene Schulden hervorbrechen würden, der Erb
jegleichwohlen noch den Glaubigeren des Erblassers nach dem Unterschied, ob er
sich der Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii bedienet habe oder nicht,
entweder im ersten Fall nach
(2-324) Kräften der Erbschaft, oder in letzteren Fall für
den ganzen Betrag der Schulden verbunden bleibe.
[2, 16, § 23] 322. Die Verbindlichkeit mehrerer Miterben zu
Abstattung der Vermächtnissen wird insgemein zwischen ihnen nach Maß ihrer
Erbtheilen getheilet, also daß deren Jedweder nur nach dem Verhältniß seines
Erbtheils, Keiner aber für den Anderen zu haften habe, wann der Erblasser nicht
ausdrücklich Einem vor den Anderen eine mehrere Verbindlichkeit auferleget,
oder auch sie bei ungleicher Einsetzung zu gleichen Theilen, oder Alle sammt
und sonders hierzu verbunden hätte.
[2, 16, § 23] 323. Jene Erben aber, welche nur in einzlen
Sachen oder Summen eingesetzet worden, sind von diesen ihnen angewiesenen
einzlen Erbtheilen keine Vermächtnissen abzustatten schuldig, wann sie nicht
namentlich damit beschweret worden, sondern derlei einzle Erbtheile selbst
werden Vermächtnissen gleich gehalten.
[2, 16, § 23] 324. Die Verbindlichkeit zur Abstattung der
Vermächtnissen ist nach dem Unterschied, ob von dem Erblasser etwas zu thun,
oder etwas zu geben verordnet worden, unterschieden; lautet das Vermächtniß auf
ein zu Jemandens Nutzen und Vortheil auszuführen habendes Werk oder That, so
kann der Erb sich durch Erlag des gerichtlich geschätzten Werths für Dasjenige,
was der Erblasser zu vollziehen anbefohlen, von der Verbindlichkeit entledigen,
und ist dessen Werth allemal nach der Größe des für den damit Bedachten hieraus
erwachsen mögenden ohnfehlbaren Nutzens zu schätzen.
[2, 16, § 23] 325. Lautete aber das Vermächtniß auf etwas zu
geben, so muß auch die vermachte Sache in der von dem Erblasser bestimmten Gestalt,
Gattung und Betrag, Maß, Zahl und Gewicht mit allen ihren Zugehörungen und
Nutzungen in der gesetzten Zeit und an gehörigen Ort abgestattet werden.
[2, 16, § 23] 326. Unter den Zugehörungen wird nicht allein
Jenes verstanden, was der Erblasser ausdrücklich als eine von ihme zu der
vermachten Sache gewidmete Zugehörung verschaffet hat, sondern auch alles
Andere, was wegen seines Zusammenhangs mit der Sache, oder beharrlichen
Anwendung zu derselben entweder nach der Natur selbst, oder nach der allgemeinen
Gewohnheit, oder nach der besonderen Widmung des Erblassers einen Theil der
Sache, oder eine für allzeit darzu bestimmte Zugehörung ausmachet, insoferne
von dem Erblasser hierüber namentlich nicht anderst geordnet worden.
[2, 16, § 23] 327. Wann demnach ein aus mehreren Theilen
bestehendes Ganzes vermacht wird, sind mit demselben auch alle Theile, woraus
das Ganze bestehet, für vermacht zu achten, obschon dieselben erst nach
errichteten letzten Willen darzu gekommen wären; also da eine Heerde Viehs verschaffet
worden wäre, sind auch jene Stücke unter dem Vermächtniß begriffen, welche nach
der Zeit, es seie durch eigene Erzeugung, oder durch anderweite Beischaffung
des Erblassers zu der Heerde zugewachsen.
[2, 16, § 23] 328. Desgleichen, wo eine Handlung oder der
Antheil an einer Gesellschaft vermacht worden, gebühret Alles, um was sich
nachher die Handlung oder der gesellschaftliche Antheil, es seie durch mehrere
Einlage des Erblassers, oder durch den nach der Zeit hieraus erwachsenen Nutzen
und Gewinn vermehret hat.
[2, 16, § 23] 329. Ueberhaupt ist bei solchen Sachen, welche
ihrer Natur nach einer Zu- oder Abnahme fähig sind, allemal auf den Stand zu
sehen, in welchem dieselben sich zur Zeit des Ablebens des Erblassers befinden,
also zwar, daß wie durch ihre Zunahme das Vermächtniß vermehret, also auch
durch ihre Abnahme dasselbe verringeret werde.
[2, 16, § 23] 330. Eben also, da ein liegendes Gut
verschaffet wird, ist auch Alles mit verschaffet, was nach Ausweis der
Grundbücher oder Urbarien darzu gehörig ist, obgleich solches erst nach
errichteten letzten Willen darzu gekommen oder beigeschaffet worden wäre, wann
es nur von dem Erblasser als ein Theil und Zugehörung zu dem
(2-325) vermachten Gut bestimmet und demselben einverleibet,
nicht aber für ein besonderes davon unterschiedenes Ganzes gehalten worden.
[2, 16, § 23] 331. Desgleichen werden mit einem vermachten
Grund und Boden alle wie immer Namen habende demselben anklebende Rechten und
Gerechtigkeiten, wie auch alle angebührende Dienstbarkeiten, wann gleich der
Erb selbst solche zu leisten schuldig wäre, auf Jenen, deme dieser Grund und
Boden vermacht worden, übertragen, woferne der Erblasser nichts insonderheit
davon ausgenommen und hierüber anderst geordnet hat.
[2, 16, § 23] 332. Auch Alles, was in einem vermachten Grund
und Boden zur Zeit des Absterbens des Erblassers sich eingebauet, eingepflanzet
und eingesäet befindet, folglich alle zu dieser Zeit noch hangende Früchten,
und überhaupt Alles, was erd-, niet- und nagelfest ist, folget dem Grund.
[2, 16, § 23] 333. Dahingegen, was von dem vermachten Grund
und Boden zur Zeit des Absterbens des Erblassers allschon abgesönderet worden,
als das schon geschnittene Getreid, die eingesammleten Früchten, der Wein in
Keller u. dgl., dieses ist unter dem Vermächtniß nicht begriffen, wann es der
Erblasser nicht anderst geordnet hat.
[2, 16, § 23] 334. Wann ein Behältniß verschaffet wird,
welches auch für sich ohne dem darinnen Enthaltenen eines Gebrauchs fähig ist,
ist Jenes nicht mit verschaffet, was zur Zeit des Absterbens des Erblassers
darinnen aufbehalten wird, woferne der Erblasser davon keine ausdrückliche
Meldung gemacht, also da ein Weinkeller oder Weingefäße vermacht werden, ist
der Wein nicht darunter verstanden.
[2, 16, § 23] 335. Es wäre dann das Behältniß von dem
Ganzen, mit deme es zusammenhänget, unabsönderlich, folglich das Vermächtniß an
sich allein betrachtet von gar keinem Nutzen, als da der Erblasser Jemanden ein
Zimmer, Cabinet, oder einen in seinem Hause befindlichen Keller, ohne zu was Ende
auszudrucken vermacht hätte, welchen Falls das Vermächtniß von deme, was in dem
Zimmer, Cabinet oder im Keller aufbewahret wird, zu verstehen ist, wann sonst
der Erblasser keine andere für den damit Bedachten nutzbare Absicht dabei
ausgedrucket hätte, als das Zimmer zur Wohnung, den Keller zu Hinterlegung
dessen eigener Weinen.
[2, 16, § 23] 336. Gleichergestalten, wo das Enthaltene
vermacht wird, ist das Behältniß nicht mit vermacht, also wo im Boden Getreid,
oder im Keller Wein verschaffet worden, gehöret der Boden und Keller nicht zu
dem Vermächtniß; nur allein die Gefäße leiden eine Ausnahme, wann das darinnen
Enthaltene überhaupt und ohne eine gewisse Maß davon zu bestimmen, vermacht
wird, als des Erblassers alle seine Weine, welchen Falls auch die Gefäße,
worinnen die Weine aufbehalten werden, und welche nicht zu dem Keller selbst,
um für allzeit allda zu bleiben gewidmet sind, mit dem vermachten Wein
gebühren.
[2, 16, § 23] 337. Da aber eine gewisse Maß vermacht worden
wäre, als z. B. sechs Fässer oder Eimer Wein, gehöret das Gefäß nicht darzu,
wann vom dem Erblasser nicht namentlich diese oder jene Fässer benennet worden,
welche über die verschaffte Maß nichts Mehreres enthalten.
[2, 16, § 23] 338. Endlich sind nebst dem Vermächtniß auch
alle dasselbe betreffende schriftliche Urkunden auszufolgen, wovon aber der Erb
zu seiner Nothdurft Abschriften in Handen behalten, oder auch allenfalls da, wo
es seine erweisliche eigene Bedürfniß erheischet, sich der Urkunden selbst,
doch unter der Verbindlichkeit solche nach gemachten nöthigen Gebrauch
zuruckzustellen, bedienen mag.
[2, 16, § 23] 339. Wie die Zugehörungen, also gebühren auch
alle Früchten und Nutzungen von einer vermachten, gewissen dem Erblasser
angehörigen, und in der Verlassenschaft vorfindlichen Sache, welche zur Zeit
des Tods noch hangend sind, oder von dieser Zeit an eingehoben und eingesammlet
worden. Ein Gleiches verstehet sich bei diesem oder jenem namentlich
verschafften Capital von den davon bei Lebzeiten des Erblassers vertagten, und
zur Zeit seines Todes noch ausständigen Zinsen, woferne der Erblasser so ein,
als anderen Falls nicht anderst geordnet hätte.
(2-326) [2, 16, § 23] 340. Von allen übrigen, keine gewisse
des Erblassers eigene Sache enthaltenden Vermächtnissen hingegen hat der Erb
oder Jener, welcher mit deren Abstattung beschweret worden, wann in dem letzten
Willen dieserhalben nichts Anderes vorgesehen ist, nicht ehender einige Zinsen
und Nutzungen zu entrichten, als vor Zeit des ihme in Abstattung der
Vermächtnissen zu Schulden gehenden Saumsals, welcher erst nach Verlauf der zu
deren Leistung ausgesetzten Zeit seinen Anfang nimmt.
[2, 16, § 23] 341. Diese Zeit ist entweder von dem Erblasser
bestimmet, oder in Ermanglung seiner ausdrücklichen Vorsehung durch Unser
Gesatz oben auf ein Jahr und sechs Wochen von dem Tag des Absterbens des
Erblassers festgesetzet, vor deren Ablauf das Vermächtniß nicht verzinset
werden darf, noch weniger einige bis dahin behobene Nutzungen in Anschlag
kommen.
[2, 16, § 23] 342. Ferners muß auch das
Vermächtniß an demjenigen Ort abgestattet werden, wo es der Erblasser zu
leisten befohlen hat. Wäre aber im letzten Willen keine Erwähnung des Orts
geschehen, so wird allemal das Ort, wo die Verlassenschaft gelegen, oder, da
solche an mehreren Orten vertheilet wäre, wo die Sache zur Zeit des Tods des
Erblassers befindlich ware, verstanden.
[2, 16, § 23] 343. Würde aber die vermachte Sache aus Schuld
oder Gefährde des Erbens zu Grund gegangen, oder sonst zu Schaden gekommen
sein, so ist er zu Erstattung des Werths derselben verbunden, und zwar bei
unterwaltender Schuld nach der gemeinen Schätzung; dahingegen bei begangener
Gefährde nach eigener eidlichen Schätzung dessen, deme die Sache aus letzten
Willen gebühret hätte; doch muß wenigstens allemal eine leichte Schuld des
Erbens oder dessen, welcher mit dem Vermächtniß beschweret worden, unterwalten.
[2, 16, § 23] 344. Umso weniger kann ein bloßer Zufall dem
Erben, oder Demjenigen, welcher mit dem Vermächtniß beschweret worden, einige
Verbindlichkeit zuziehen, sondern dieser schadet insgemein Jenen, deme die
solchergestalten zufällig untergangene, oder verdorbene Sache zugedacht worden.
[2, 16, § 23] 345. Es seie dann, daß der Saumsal des hierzu
Verbundenen vor einem solchen Zufall vorhergegangen wäre, wodurch die vermachte
Sache bei Jenem, deme sie hätte zukommen sollen, nicht zu Grund gegangen sein
würde, aber daß das Vermächtniß auf eine gewisse Gattung, Betrag oder
wechselweise auf diese oder jene Sache lautete, in welchen Fällen der Zufall
von der Verbindlichkeit zu Leistung des Vermächtnisses nicht entlediget, wann
dasselbe nicht bloß allein auf des Erblassers eigene Dinge beschränket wäre,
welche insgesammt durch den Zufall zu Grund gegangen, oder verdorben worden.
[2, 16, § 23] 346. Würde aber die auf das Vermächtniß
abgeführte Sache von einem Dritten ansprüchig gemacht, so solle der Erb nur in
dem einzigen Fall zur Leistung der Gewähr verbunden sein, wann keine gewisse
Sache nach ihrer Gestalt insonderheit, sondern eine an sich unbestimmte Sache
überhaupt nach der Gattung verschaffet worden, und der Erb eine fremde, oder
sonst dem Recht eines Dritten verfangene Sache von dieser Gattung abgestattet,
oder zur Auswahl vorgeleget und dargestellet hätte, welche nachher durch
richterliches Urtheil ganz, oder zum Theil, dem Dritten zuerkennet würde.
[2, 16, § 23] 347. Dahingegen, wo eine gewisse Sache nach
ihrer Gestalt, und nicht bloß gattungsweise vermacht worden, welche von einem
Dritten aus einer nicht von dem Erben selbst, sondern noch von Lebzeiten des Erblasser
herrührenden Ursach angesprochen würde, in solchem Fall höret alle
Verbindlichkeit zur Gewährsleistung an Seiten des Erben auf, der Erblasser möge
von dem einem Dritten hieran zustehenden Recht gewußt haben oder nicht, obschon
Jenem, deme diese Sache zugedacht worden, freistehet sich allenfalls desjenigen
Gewährsmanns zu halten, welcher dem verstorbenen Erblasser verstricket ware.
[2, 16, § 23] 348. Dann die in gewissen an sich bestimmten
Sachen bestehende Vermächtnissen gehen mit allen Haftungen und Ansprüchen,
womit sie einem Dritten
(2-327) verfangen sind, und überhaupt in demjenigen Stand
und Eigenschaft, worinnen dieselben zur Zeit des Absterbens des Erblassers
bestellet waren, auf Denjenigen, deme sie vermacht worden, ohne daß der Erb
solche hiervon zu befreien schuldig wäre, wann es der Erblasser nicht
ausdrücklich verordnet hat.
§. XXIV.
[2, 16, § 24] 349. Bedingte und bis zum Erfolg einer
beigefügten Bedingniß, oder einer angehängten Zeit ausgesetzte Vermächtnissen
ist zwar der Erb vor Ausgang und Erfüllung der Bedingniß, oder herangekommener
Zeit zu leisten nicht schuldig; doch ist auch dem damit Bedachten nicht
verwehret die mittlerweilige Sicherstellung des Vermächtnisses auf allen Fall
anzusuchen, welche derselbe nach Verschiedenheit der Vermächtnissen auf
verschiedene Art erlangen kann.
[2, 16, § 24] 350. Bestehet das Vermächtniß an solchen
fahrenden Dingen, welche sich ohne besorglichen Schaden aufbehalten lassen, so
sind solche bei Gericht zu hinterlegen, und allda bis zum Ausgang, oder Ermanglung
der Bedingniß, oder bis zu Ankunft der bestimmten Zeit zu verwahren.
[2, 16, § 24] 351. Könnten sie aber ohne Schaden, oder
Verringerung ihres Werths nicht füglich aufbehalten werden, so sollen derlei
Sachen nach vorläufiger Schätzung mittelst gerichtlicher Versteigerung an den
Meistbietenden verkaufet, und der dafür gelöste Werth auf gleiche Art bei
Gericht hinterleget werden.
[2, 16, § 24] 352. Dieses so ein, als anderes solle auch in
jenem Fall beobachtet werden, wo das Vermächtniß auf die Gattung, oder eine von
mehreren in der Verlassenschaft vorfindlichen Sachen lautete, und die Auswahl
entweder dem Erben, oder dem damit Bedachten zueignete, welche sogleich nach
angetretener Erbschaft auch bei noch hangender Bedingniß vorzunehmen, und mit dem
Gewählten auf vorerwähnte Weise zu verwahren ist.
[2, 16, § 24] 353. Ist ein liegendes Gut, oder ein
landtäflich stadt- oder grundbücherlich versichertes Capital, oder ein Recht an
einem liegenden gut unter einer Bedingniß oder beigefügten Zeit vermacht worden,
so bedarf der damit Bedachte keiner anderen Sicherstellung, als daß er den
Inhalt der letztwilligen Anordnung, worinnen ihme dieses Gut, Recht oder
Capital
verschaffet worden, hierauf landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich vormerken lasse, welches so viel wirket, daß dieses Gut oder
Capital mittlerweil an Niemanden anderst, als mit diesem Beding, und allemal
mit Vorbehalt seines hierauf habenden bedingten Rechts übertragen werden möge.
[2, 16, § 24] 354. Würde jedoch von ihme die gegründete
Gefahr einer vorhabenden Verwüstung oder Abödung des Guts erwiesen werden
können, so ist er über das befugt, von dem Erben eine hinlängliche Bürgschaft,
daß er den Grund in guten Stand zu erhalten, und allen hieran erweislich
zufügenden Schaden zu vergüten schuldig sein wolle und solle, abzuheischen, und
da dieser solche nicht leisten könnte oder wollte, bis zum Erfolg der
Bedingniß, oder Ankunft der Zeit das Gut in gerichtlichen Beschlag nehmen zu
lassen.
[2, 16, § 24] 355. Wäre eine Summe Gelds unter einer Bedingniß
oder angehängten Zeit vermacht worden, oder das Vermächtniß lautete auf eine
nicht in die Verlassenschaft gehörige, sondern erst anzuschaffen habende Sache,
oder auf Leistung eines Werks, so ist der auf solche Art Bedachte befugt, sich
ein in die Verlassenschaft gehöriges Gut auszuwählen, und hierauf zu seiner
Sicherheit den Inhalt der letztwilligen Anordnung, welcher das Vermächtniß in
sich begreifet, in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vormerken zu lassen,
folglich anmit ein Unterpfand oder Hypothek zu erwerben.
[2, 16, § 24] 356. Würde aber in der Verlassenschaft nichts
vorhanden sein, worauf derselbe eine genugsame landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Sicherheit erlangen könnte, so solle die Erbschaft dem Erben
nicht ehender eingeantwortet werden, als bis derselbe für den entweder in dem
letzten Willen bestimmten, oder gerichtlich
(2-328) zu schätzen kommenden Werth des Vermächtnisses eine
hinreichende und anständige Bürgschaft gestellet, oder einen gleichen Betrag in
Baaren, oder annehmlichen Schuldbriefen bei Gericht hinterleget haben wird.
[2, 16, § 24] 357. Gehet nun die Bedingniß in Erfüllung,
oder kommt die Zeit, wo das Vermächtniß abgestattet werden solle, so ist
solches Demjenigen, welcher damit bedacht worden, sobald derselbe den Erfolg
der Bedingniß rechtsbehörig erweiset, ohne Anstand auszufolgen, doch bleiben
die mittlerweil behobene Zinsen und Nutzungen dem Erben, wann in dem letzten
Willen nichts Anderes geordnet ward.
[2, 16, § 24] 358. Würde in Gegentheil der Erb die Ermanglung
der Bedingniß, oder den widrigen Erfolg darzeigen, so solle ihme nach
Unterschied der Fällen entweder das Hinterlegte ohne weiters ausgeantwortet,
oder die geleistete Bürgschaft erlassen, oder die vorsichtsweise bewirkte
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Vormerkung auf sein Anlangen
ausgelöschet werden.
§. XXV.
[2, 16, § 25] 359. Nach der Verbindlichkeit des Erbens zu
Leistung der Vermächtnissen ist auch das Recht dessen, welcher damit bedacht
worden, abgemessen; dieses ist aber nach Verschiedenheit der Vermächtnissen in
seiner Wesenheit und Wirkung stärker oder schwächer.
[2, 16, § 25] 360. Sind gewisse allschon vorhandene, dem
Erblasser angehörige Sachen verschaffet worden, so erwirkt der damit Bedachte
bei unbedingten Vermächtnissen sogleich von dem Augenblick des Absterbens des
Erblassers, bei bedingten hingegen von dem Erfolg der Bedingniß oder Ankunft
der Zeit deren Eigenthum mit allen demselben anklebenden Vortheilen und
Wirkungen, insoferne solche von dem Erblasser nicht beschränket worden, obschon
das Vermächtniß selbst vor angetretener Erbschaft nicht geforderet werden mag.
[2, 16, § 25] 361. Dieses verstehet sich jedoch bei
unbeweglichen Dingen nicht anderst, als wann der damit Bedachte des Besitzes
fähig ist, und allemal mit der Nothwendigkeit der vorläufigen landtäflichen,
stadt- oder grundbücherlichen Einlage desjenigen Absatzes aus der letzwilligen
Anordnung, worinnen das Vermächtniß enthalten ist, weilen ohne dieser Einlage
keine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Güter und Rechten erworben und
übertragen werden können.
[2, 16, § 25] 362. Ohnerachtet aber des solchergestalten
erworbenen Eigenthums ist der damit Bedachte gleichwohlen nicht befugt, bei
Strafe des Verlusts des Vermächtnisses den Besitz der vermachten Sache, sie
seie fahrend oder liegend, eigenmächtig für sich zu ergreifen, sondern er ist
schuldig zu Erlangung des rechtlichen Besitzes, wo es um ein liegendes Gut zu
thun wäre, die behörige Einführung, oder, da das Vermächtniß in Fahrnissen
bestände, und ihme solches nicht gutwillig ausgefolget werden wollte, um deren
Einantwortung bei Gericht einzukommen.
[2, 16, § 25] 363. Es bedarf dahero in solchen Fällen zu
Erlangung des Vermächtnisses niemalen einer besonderen Rechtsforderung, außer
die vermachte Sache würde von dem Erben, oder von einem Dritten aus einem
hieran machenden Rechtsanspruch vorenthalten, und deren Ausfolgung verweigeret,
welchen Falls dem damit Bedachten eben diejenige Rechtsforderung zustehet,
welche einem jedweden Eigenthümer wider einen dritten Besitzer seines Guts zu
dessen Behauptung gebühret.
[2, 16, § 25] 364. Desgleichen, da Jemanden von dem
Erblasser auf einem liegenden Grund ein dingliches Recht, Dienstbarkeit oder
Unterpfand vermacht worden, wird dieses Recht sofort durch Vormerkung des Inhalts
der letztwilligen Anordnung auf demjenigen Gut, worin dasselbe verschaffet
worden, erworben, und für bestellet geachtet, mithin ist auch die aus der Natur
eines solchen bestellten Rechts herrührende Rechtsforderung nur damals
nothwendig, wann von dem Erben oder einem Dritten dessen Ausübung verhinderet,
oder nicht gestattet werden wollte.
[2, 16, § 25] 365. Außer vorbemelten Vermächtnissen
gewisser, dem Erblasser selbst
(2-329) angehörigen Sachen, oder von ihme hieran
bestellenden dinglichen Rechten hat in allen übrigen der damit Bedachte bloß
einen persönlichen Anspruch aus dem letzten Willen wider den Erben, oder Jenen,
welcher mit Abstattung des Vermächtnisses beschweret worden, sobald als die
Erbschaft angetreten, und die Zeit, in welcher das Vermächtniß abgeführet
werden solle, herangekommen ist.
[2, 16, § 25] 366. Obwohlen aber nebst deme nach Vorschrift
der gemeinen Rechten zur Sicherheit der Vermächtnissen auch noch ein
stillschweigendes Unterpfand, oder Hypothek an allen in die Verlassenschaft
gehörigen Gütern verstattet ware, so wollen Wir jedoch derlei, stillschweigende
Hypotheken hiemit gänzlich aufgehoben und abgestellet haben.
[2, 16, § 25] 367. Dagegen aber solle Jedermänniglich,
welcher mit einem Vermächtniß gedacht worden, freistehen, daß derselbe seine
Sicherheit auf einem sich selbst auswählenden in die Verlassenschaft des
Erblasser gehörigen Gut mittelst landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher
Vormerkung desjenigen Absatzes aus der letztwilligen Anordnung, worinnen ihme
das Vermächtniß zugedacht worden, bei Gericht ansuchen, und andurch eine zu
Recht bestehende sonderheitliche Hypothek erlangen möge.
[2, 16, § 25] 368. Solchemnach solle in Hinkunft von Zeit
dieses Unseren eingeführten neuen Gesatzes die alleinige landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Einverleibung eines Testaments oder Codicills zu
Bedeckung der Vermächtnissen für sich allein keine Hypothek bewirken können,
sondern der mit einem Vermächtniß Bedachte, wann er sich mit einer Hypothek
versehen will, um die Vormerkung des betreffenden Absatzes besonders
einzukommen, und das Gut, worauf er seine Bedeckung haben wolle, namentlich
anzuzeigen, folglich seine Forderung hierauf auszeichnen zu lassen.
[2, 16, § 25] 369. Was von Vermächtnissen geordnet worden,
hat auch bei denen in einem Testament, oder Codicill namhaft gemachten, und zur
Zahlung angewiesenen Schuldposten, welche vorhin mit keiner Hypothek versehen
waren, in eben dieser Maß statt, daß denen darinnen benannten Glaubigern die
alleinige Einverleibung des Testaments oder Codicills, worinnen sie benennet
sind, noch keine sonderheitliche Hypothek zueigne, sondern von ihnen zu deren
Erlangung die besondere Auszeichnung ihrer Schuldforderungen auf einem von
ihnen namentlich anzuzeigen habenden Gut des Erblassers anverlanget werden
müsse.
[2, 16, § 25] 370. Diese besondere Auszeichnung giebt denen
Glaubigeren das Vorrecht an ihrer solchergestalten erworbenen Hypothek vor
allen später angemeldeten Forderungen, denen Vermächtnissen aber vor denen
Glaubigeren des Erblassers nicht den mindesten Vorzug; sondern diesen bleibet
noch in alle Wege bevor aus denen Verlassenschaftsgütern ohnerachtet der darauf
vorgemerkten Vermächtnissen ihre Befriedigung anzusuchen.
[2, 16, § 25] 371. Was hingegen sowohl den Glaubigeren des
Erblassers, als den Vermächtnissen vor den bei einem Auflauf zusammentreffenden
Glaubigern des Erbens für ein Vorrecht gebühre, wird in vierten Theil in der
Gant- oder Cridaordnung ausgemessen werden.
[2, 16, § 25] 372. Wo aber vor diesem Unseren neuen Gesatz bishero
die Auszeichnung deren in einem letzten Willen enthaltenen Vermächtnissen, und
zur Zahlung angewiesenen Schuldposten von amtswegen habe veranlasset zu werden
pflegen, und andurch auf dem Gut, worauf die Auszeichnung geschehen, eine
Hypothek erworben worden, derorten lassen Wir es auch in Ansehung der allschon
vorhero in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf diese Art
ausgezeichneten Forderungsposten hierbei gnädigst bewenden.
(2-330) Vierter Artikel
Von Entkräftung, Widerrufung, Uebertragung und Schmälerung
der Vermächtnissen.
§. XXVI. Von Untergang oder Verwandlung er vermachten Sache.
§. XXVII. Von Erlöschung der Vermächntissen aus Unbestand des letzten Willens.
§. XXVIII. Von Erlöschung der Vermächtnissen aus der Person dessen, deme etwas
verschaffet worden. §. XXIX. Von Aufhebung der Vermächtnissen
aus widrigen Willen des Erblassers. §. XXX. Von Schmälerung der Vermächtnissen durch das Erbviertel.
§. XXVI.
[2, 16, § 26] 373. Die Vermächtnissen erlöschen ganz oder
zum Theil vornehmlich auf viererlei Art, als: Erstens aus Untergang oder
Verwandlung der vermachten Sache, zweitens aus Unbestand des letzten Willens,
worinnen sie verschaffet worden, drittens aus der Person dessen, der damit in
letzten Willen bedacht worden, viertens aus widrigen Willen des Erblassers,
welcher seinen ersten Willen nachher geänderet hat.
(2-331) [2, 16, § 26] 374. Alle diese Arten der Entkräftung
werden in diesem, und denen folgenden Paragraphen beschrieben, schließlich aber
auch von Schmälerung der Vermächtnissen durch Abzug des aus Vorsehung Unserer
Gesetzen in gewissen Fall eingeführten Erbviertels eigends gehandlet.
[2, 16, § 26] 375. Wann die vermachte Sache, es seie noch
bei Lebzeiten des Erblassers, oder auch nach seinem Tod, doch in diesem
letzteren Fall ohne Schuld, oder Saumsal des Erbens oder des damit Beschwerten
untergehet und verloren wird, erlöschet das Vermächtniß.
[2, 16, § 26] 376. Was aber davon übrig ist, kann noch
geforderet werden, und gebühren dem damit Bedachten alle diejenigen
Rechtsforderungen, welche dem Erblasser wider Jenen, der an Verderbung oder
Verlust der Sache Schuld trägt, zugestanden wären.
[2, 16, § 26] 377. Dieses ist jedoch nur in jenem Fall zu
verstehen, wann eine gewisse bestimmte Sache nach ihrer Gestalt und stuckweis
vermacht worden: dann wo eine unbestimmte Sache von einer gewissen Gattung
verschaffet worden wäre, erlöschet das Vermächtniß nicht, obschon ein und
anderes von dieser Gattung zu Grund gegangen wäre, so lange noch etwas von der
benannten Gattung übrig ist, wann der Erblasser nicht bloß eine von seinen
eigenen Sachen gemeinet hat, welche alle ohne Schuld des Erbens zu Grund
gingen. In diesem Fall höret das Vermächtniß auf, obwohlen noch gleiche, doch
in die Verlassenschaft nicht gehörige Sachen von dieser Sache zu haben wären.
[2, 16, § 26] 378. Eben also bestehet ein wechselweise auf
diese oder jene Sache lautendes Vermächtniß ohnerachtet einer davon
untergegangenen Sache gleichwohlen noch in der anderen, woferne nicht beide
ohne Schuld oder Saumsal des Erbens zu Grund gehen.
[2, 16, § 26] 379. Desgleichen erlöschet das Vermächtniß,
wann die vermachte Sache noch bei Lebzeiten des Erblassers ohne dessen Wissen
und Willen in eine andere Gestalt auf eine solche Art verwandlet würde, daß die
vorige Gestalt in brauchbaren Stand nicht mehr hergestellet werden könnte.
[2, 16, § 26] 380. Wo aber die Sache füglich in ihre vorige
Gestalt gebracht werden mag, bleibt da Vermächtniß bei Kräften, und ist die
Sache Jenem, welchem sie verschaffet worden, auszufolgen. Von jener Verwandlung
hingegen, welche entweder von dem Erblasser selbst, oder doch mit seinem Wissen
und Willen geschieht, wird unten in §. XXIX gehandlet werden.
§. XXVII.
[2, 16, § 27] 381. Aus Unbestand des letzten Willens sind
die Vermächtnissen entweder gleich Anfangs ungiltig, oder werden in der Folge
entkräftet, nachdeme die letztwilligen Anordnungen entweder schon Anfangs wegen
Mangels der erforderlichen Feierlichkeiten, oder wegen Vorbeigehung
nothwendiger Erben null und nichtig sind, oder nachgehends nach mehreren Ausweis
des folgenden achtzehenten Capitels zerrüttet, entkräftet oder erblos werden.
[2, 16, § 27] 382. In allen Fällen aber, wo entweder das
Testament in Kraft der beigesetzten codicillarischen Clausel als ein Codicill
erhalten, oder auch ohne dieser Clausel wegen unrechtmäßiger Enterbung nur die
Erbseinsetzung aufgehoben, oder endlich nach der unten in gleichbemelten
Capitel folgenden Ausmessung die Erbschaft aus Macht Unserer Gesetzen für
angetreten gehalten wird, bestehen gleichwohlen
(2-332) noch die Vermächtnissen,
insoweit der Pflichttheil der Notherben andurch nicht verkürzet wird.
§. XXVIII.
[2, 16, § 28] 383. Aus der Person dessen, welchem etwas
verschaffet worden, erlöschet das Vermächtniß auf verschiedene Art, als:
Erstens durch sein Vorsterben vor dem Erblasser, oder vor Erfolg der
beigefügten Bedingniß, obgleich Jemanden etwas für sich und seine Erben
vermacht worden wäre, wann das Vermächtniß nicht ausdrücklich dahin lautete,
daß es auch auf dem Fall seines Vorsterbens dessen Erben zufallen solle.
[2, 16, § 28] 384. Zweitens wegen dessen Unfähigkeit oder
Unwürdigkeit, deren erstere bereits oben in ersten Artikel, §. II, beschrieben,
und letztere unten in neunzehenten Capitel erkläret werden wird.
[2, 16, § 28] 385. Drittens durch freiwillige Entschlagung
des Vermächtnisses, wodurch auch das an der vermachten Sache allenfalls gleich
nach dem Tod des Erblassers erworbene Eigenthum anwiederum also aufgelöset
wird, als ob es niemalen an den damit Bedachten übertragen worden wäre.
[2, 16, § 28] 386. Doch ist Niemand befugt, einerlei
Vermächtniß zum Theil anzunehmen, und zum Theil auszuschlagen, noch auch aus
mehreren in einerlei letzten Willen zugedachten Vermächtnissen, deren eines vor
dem anderen mehr beschweret wäre, sich des vortheilhafteren anzumaßen, und das
beschwerlichere fahren zu lassen, sondern wer den letzten Willen in Einem, was
ihme vortheilhaft ist, anerkennet, dieser muß sich auch dem Anderen, was ihme
beschwerlich, unterziehen, widrigens wird derselbe alles ihme darinnen
zugedachten Vortheils verlustig.
[2, 16, § 28] 387. Viertens durch Nichterfüllung der
beigefügten Bedingniß, Entstehung der Endursache oder dessen, was ihme dagegen
auferleget worden, oder durch Ermanglung einer angehängten zufälligen
Bedingniß.
[2, 16, § 28] 388. Fünftens durch gewinnstige Erwerbung der
vermachten Sache nach Maßgebung dessen, was von diesem Fall oben in zweiten
Artikel, §. IX, von num. 107 bis 112 geordnet worden.
§. XXIX.
[2, 16, § 29] 389. Aus widrigen Willen des Erblassers
erlöschet das Vermächniß entweder an sich durch dessen Widerrufung, oder in
Ansehen der Anfangs damit bedachten Person durch dessen Uebertragung an
jemanden Anderen, maßen der Erblasser vollkommene Freiheit hat, seinen letzten
Willen bis zu dem Lebensabdruck nach Gefallen zu änderen.
[2, 16, § 29] 390. Es ist dahero ohne Anwendung einiger
Feierlichkeiten an der bloßen Willensänderung genug, wann nur solche
ungezweiflet ist, sie erhelle aus den Worten oder aus einer That, woraus der
widrige Willen nothwendig geschlossen werden muß. Mit Worten kann die
Widerrufung entweder mündlich oder schriftlich geschehen; doch wo sie mündlich
geschieht, solle solche wenigstens durch zwei Zeugen erwiesen werden.
[2, 16, § 29] 391. Es seie dann, daß der Erblasser dem Erben
nur mündlich ohne Beisein einiger Zeugen nach seinem Tod an Jemanden etwas
abzustatten aufgetragen hätte, welchen Falls auch zu dessen Widerrufung keine
Zeugen nöthig sind, sondern es an dem gegen dem Erben geäußerten widrigen
Willen genug ist, wann die geschehene Widerrufung von ihme auf Erforderen
eidlich erhärtet werden kann.
[2, 16, § 29] 392. Schriftlich kann das Vermächtniß entweder
in dem nemlichen Testament oder Codicill, oder in einen später errichteten
Codicill, oder auch in einem von dem Erblasser eigenhändig geschriebenen
Zettel, wann dessen Handschrift unlaugbar ist, widerrufen werden, und ist
einerlei, ob die Widerrufung voran, in der
(2-333) Mitte, am Ende, oder auch am Rande der letztwilligen
Anordnung geschrieben werde.
[2, 16, § 29] 393. Dahingegen bedarf es in einem späteren zu
Recht bestehenden Testament keiner ausdrücklichen Widerrufung der in dem
früheren Testament verschafften Vermächtnissen, weilen der ganze Inhalt des
ersteren durch das letztere aufgehoben wird, insoweit solcher in dem späteren
nicht neuerlich bestätiget worden.
[2, 16, § 29] 394. Uebrigens mögen die Worte, deren sich der
Erblasser bedienet, entweder deutlich auf die Einziehung und Aufhebung des
Vermächtnisses gerichtet sein, oder auch nur seine Reue und widrigen Willen an
Tag legen, als da er nachher Demjenigen, welchen er bedacht hat, einen
gottlosen, oder undankbaren, oder ihme aufsäßigen und gehässigen Menschen
genennet hätte, so solle doch das Vermächtniß allemal für widerrufen gehalten
werden.
[2, 16, § 29] 395. Aus einer That wird die Widerrufung des
Vermächtnisses geschlossen, wann solche entweder unmittelbar auf dessen
Aufhebung abzielet, oder doch mittelbar den widrigen
Willen des Erblassers an Tag leget. Unmittelbar geschieht solches, wann der
Erblasser in dem zu Stand gebrachten letzten Willen den Inhalt des
Vermächtnisses mit Vorbedacht durchstreichet, oder auch nur den Namen dessen,
deme es verschaffet worden, auslöschet, nicht aber, wo es ohne Vorsatz, oder
nur zufälliger Weise geschehen, und der Inhalt gleichwohlen noch lesbar geblieben
wäre.
[2, 16, § 29] 396. Wo sich dahero in einem Testament oder
Codicill ein dergleichen durchstrichener oder ausgelöschter Punkt befände,
solle zwar allemal vermuthet werden, daß es von dem Erblasser mit Vorbedacht,
oder auf sein Geheiß und mit seinem Willen geschehen seie; dem Anderen aber,
welchen es betrifft, bleibet nichtsdestoweniger bevor, wo er es zu thun im
Stande ist, daß es von Ohngefähr und zufälliger Weise geschehen, zu erweisen.
[2, 16, § 29] 397. Mittelbar wird der widrige Willen des Erblassers
vermuthet, erstens, wann von ihme das vermachte Stuck veräußeret wird, es
geschehe aus Noth oder freiwillig, wann auch die Veräußerung an sich null und
nichtig, oder das Veräußerte noch nicht übergeben, oder gegen eine andere
obschon gleiche Sache vertauschet, oder um das dafür gelöste Kaufgeld eine
andere angeschaffet, oder die nemliche Sache anwiederum neuerdings von ihme
eingelöset oder erworben worden wäre.
[2, 16, § 29] 398. Die alleinige Verpfändung, oder
Verpachtung und Vermiethung der vermachten Sache hingegen, obgleich diese auf
eine noch so lange Zeit lautete, hebet das Vermächtniß nicht auf, sondern die
Sache wird dessen ohnerachtet mit ihrer Haftung, womit sie einem Dritten
verfangen ist, auf Denjenigen, welcher damit bedacht worden, übertragen, und
die Miethe oder Pachtung hinderet nach Ausweis dessen, was davon in dritten
Theil, in zwölften Capitel, §. X, von num. 186 bis 189 folget,
den Uebergang des Eigenthums nicht.
[2, 16, § 29] 399. Zweitens, wann der Erblasser Jemanden
eine bei dem Dritten ausstehende Schuld vermacht, und solche nachher noch bei
Lebszeiten eingetrieben, oder sie dem Schuldner erlassen hat, obschon er
ersteren Falls das Geld anwiederum anderswo angeleget hätte.
[2, 16, § 29] 400. Es seie dann, daß die Schuld von dem Schuldner
selbst aufgekündiget, oder die Zahlung angeboten, oder der Erblasser wegen
besorglicher Zahlungsunfähigkeit, oder nicht richtig eingehaltenen Zinsen
solche erweislicher Maßen einzutreiben bemüßiget, oder überhaupt eine gewisse
Summe vermacht, und nur eine ausständige Schuld, woraus diese Summe abgestattet
werden solle, angewiesen, solche aber von dem Erblasser nach der Hand
eingeforderet worden wäre, in welchen Fällen das Vermächtniß ebensowenig als
damals, wann der Erblasser vor wirklicher Heimzahlung der gerichtlich oder
außergerichtlich betriebenen Schuld verstorben wäre, für widerrufen zu halten
ist.
[2, 16, § 29] 401. Drittens, wann zwischen dem Erblasser und
Jenem, welcher von ihme mit einem Vermächtniß bedacht worden, nachhero eine
Hauptfeindschaft entstehet
(2-334)
welche Leben, Ehre oder einen beträchtlichen Theil des
Vermögens betrifft, obschon der Erblasser Ursach darzu gegeben hätte, als da
der Bedachte den Erblasser bei Gericht wegen einer Missethat angeben, ihn
schimpfen und lästern, schlagen oder mit Schlägen bedrohen, oder sonst ihme an
Leib oder Gut einen Schaden, oder seinem Hause eine Unehre zufügen, oder auf
was immer für Weise sich gegen ihn undankbar erzeigen, und der Erblasser diese
Beleidigung zu Gemüth ziehen würde, woferne vor seinem Tod zwischen ihnen keine
erweisliche Versöhnung erfolget wäre.
[2, 16, § 29] 402. Dahingegen solle wegen bloßen Zankens,
Zwiespalts und Uneinigkeit, wodurch das Vertrauen und der Umgang zwischen ihnen
aufgehoben wird, das Vermächtniß keineswegs für widerrufen gehalten werden,
wann vorbesagter Maßen zwischen ihnen keine Hauptfeindschaft erwachset.
[2, 16, § 29] 403. Viertens, wann Dasjenige, was von dem
Vermächtniß geleistet oder bewerkstelliget werden solle, und welches eine
Endursache ist, warum das Vermächtniß verschaffet worden, von dem Erblasser
eingestellet und untersaget wird, ist auch das Vermächtniß selbst für
aufgehoben zu achten, als da der Erblasser Jemanden eine Summe Gelds angewiesen
hätte, um ihme davon ein Grabmal errichten zu lassen, nachhero aber die
Errichtung dieses Grabmals einstellete, so ist andurch gleichfalls das
Vermächtniß widerrufen; wo jedoch nur ein Theil der Auflage erlassen würde,
leidet deswegen das Vermächtniß keinen Abbruch, wann der Erblasser solches
nicht auch ausdrücklich verminderet hätte.
[2, 16, § 29] 404. Gleichergestalten, wo die beigesetzte
Auflage keine Endursache des Vermächtnisses enthielte, sondern Jemanden etwas
vermacht wäre, welches er ganz oder zum Theil dem Anderen zu geben und
zuzustellen, oder sonst etwas dafür zu thun oder zu leisten hätte, diese
Auflage aber nachhero von dem Erblasser widerrufen und erlassen würde, bleibt
nichtsdestoweniger das Vermächtniß bei Kräften; es erhelle dann aus dem Inhalt
der ungezweiflete Willen des Erblassers, daß er Denjenigen, welchem er die
Auflage gemacht, bloß allein für den Ausspender des Vermächtnisses oder
Vollstrecker seines Willens habe gebrauchen, ihme selbst aber hiervon nichts
zuwenden wollen.
[2, 16, § 29] 405. Fünftens, wann der Erblasser die
vermachte Sache verzehret, oder deren Form dermaßen veränderet, daß sie nicht
in ihre vorige Gestalt gebracht werden kann, also wo das vermachte Haus von dem
Erblasser niedergerissen oder zerstöret würde, erlöschet das Vermächtniß, nicht
aber, wo es von ihme auch mit Aufwand noch so vieler Kosten nur ausgebesseret,
oder ein anderes Haus auf eben demselben Platz erbauet würde.
[2, 16, § 29] 406. Wäre hingegen nur ein Theil der
vermachten Sache auf vorbemelte Weise von dem Erblasser veräußeret, verzehret,
oder in eine andere Gestalt veränderet, oder ein Theil der ausständigen Schuld
eingetrieben worden, so gebühret gleichwohlen noch das Uebrige, gleichwie in
dem Fall, wo Sachen unter einem allgemeinen Begriff oder nach der Gattung
vermacht worden, wovon der Erblasser nach der Hand etwas veräußeret, verzehret
oder veränderet, oder auch besonders ausgenommen hätte, das Vermächtniß noch in
deme, was davon übrig ist, bestehet.
[2, 16, § 29] 407. Es kann auch eine Sache anstatt der
anderen vermacht, und deme was Anfangs unbedingt verlassen worden, nachhero
eine Bedingniß beigesetzet, oder die Anfangs angehängte Bedingniß nachgehends
erlassen, oder in eine andere Bedingniß verwandlet werden, welchenfalls nur auf
die zweite Bedingniß zu sehen ist.
[2, 16, § 29] 408. Wann der Erblasser bei einem Mehreren
zusammen verschafften Vermächtniß nach der Hand einen davon ausschließt, und
den ihme zugedachten Antheil wiederum benimmt, hat wegen seines anmit
erledigten Antheils das Nemliche statt, was deshalben oben in ersten Artikel,
§. III, festgesetzet worden, wann der Erblasser hierüber nicht anderst geordnet
hätte.
[2, 16, § 29] 409. Die Uebertragung der Vermächtnissen von
einer Person, welche Anfangs damit bedacht worden, an die andere, ist in
Ansehung des damit zuerst Bedachten,
(2-335) eine Widerrufung, und zugleich in Anbetracht des
Anderen, an welchen es übertragen wird, eine Zuwendung des nemlichen
Vermächtnisses.
[2, 16, § 29] 410. Von dieser Uebertragung ist jene wohl zu
unterscheiden, wo der Anfangs bedachten Person das Vermächtniß belassen und nur
die Person, welche es abzustatten hat, geänderet wird, weilen andurch nicht der
Vortheil, sondern bloß allein die Verbindlichkeit zur Abführung des
Vermächtnisses von Einem auf den Anderen übergehet.
[2, 16, § 29] 411. Die Uebertragung muß allemal in einem zu
Recht bestehenden Testament oder Codicill geschehen; widrigens hat dieselbe nur
die Wirkung einer Widerrufung an Seiten des Ersten, nicht aber auch der
Zuwendung des Vermächtnisses an Seiten des Anderen, also daß keiner von beiden
zu dem Vermächtniß gelange; nicht der zuerst Bedachte, weilen der Erblasser
ihme solches benommen und widerrufen, worzu an seiner bloßen wie immer
erklärten Willensänderung genug ist, auch nicht der Andere, weilen es diesem
nicht rechtsgiltig verschaffet worden.
[2, 16, § 29] 412. Eine ganz gleiche Bewandtniß hat es, da
das dem Einem benommene Vermächtniß einem anderen Unfähigen zugewendet würde;
dann auch in diesem Fall bekommt es weder der Erste wegen der Widerrufung des
Erblassers, noch der Andere wegen seiner persönlichen Unfähigkeit.
[2, 16, § 29] 413. Wann aber das dem Einem zugedachte
Vermächtniß auf den Anderen unter einer beigesetzten Bedingniß übertragen wird,
ist dasselbe an Seiten des Ersten nicht ehender für widerrufen zu halten, als
bis die dem Anderen beigefügte Bedingniß in Erfüllung gehet; woferne hingegen
dieselbe ermanglete, behält der Erste das Vermächtniß, wann der Erblasser nicht
deutlich erkläret, daß er gänzlich von seiner ersten Willensmeinung abgehe.
[2, 16, § 29] 414. In Gegentheil, wo das dem Einem unter
einer Bedingniß, oder sonstigen Auflage zugedachte Vermächtniß von dem
Erblasser an den Anderen ohne deren ausdrücklicher Wiederholung übertragen
worden wäre, wird nichtsdestoweniger eben dieselbe Bedingniß oder Auflage,
welche dem Ersten angehänget ware, gleichfalls bei dem Anderen für wiederholt
gehalten.
[2, 16, § 29] 415. Es wäre dann von dem Erblasser anderst
verfüget, oder bei dem Zweiten eine andere von der ersten unterschiedene
Bedingniß, oder Auflage namentlich beigefüget worden, oder die Auflage beträfe
lediglich die Person des Ersten, also daß solche mit dem Stand und
Eigenschaften des Zweiten gar nicht vereinbarlich wäre, in welchem letzteren
Fall das Vermächtniß an Seiten des Zweiten, auf den es übertragen worden, ganz
unbedingt ist.
[2, 16, § 29] 416. Damit jedoch der Willen des Erblassers,
daß er das Vermächtniß dem Ersten gänzlich zu benehmen, und solches dem Anderen
zuzuwenden gemeinet ware, ungezweiflet erhelle, so muß derselbe deutlich
ausdrucken, daß er Dasjenige, was er dem Einen verschaffet, dem Anderen zuwende
und vermache; dann, wo er ohne diesem Ausdruck eben dieselbe Sache, welche er
dem Einem verschaffet, auch dem Anderen vermachen würde, ist dieses keine
Uebertragung, sondern eine Zusammenfügung Mehrerer an einerlei Sache, und
gebühret dahero das Vermächtniß Beiden zusammen.
§. XXX.
[2, 16, § 30] 417. Auch unwiderrufene und zu Recht
bestehende Vermächtnissen leiden aus Anordnung Unseres gleich hienach folgenden
Gesatzes in jenem Fall eine Schmälerung, wann die Verlassenschaft dergestalten
mit Vermächtnissen erschöpfet wird, daß die Erben über drei Viertel der
Erbschaft beschweret sind, und somit ihnen hiervon nach Bezahlung der
Vermächtnissen nicht einmal der vierte Theil übrig bleibet.
[2, 16, § 30] 418. Damit nun aber in solchen Fällen die
Erben wegen des ihnen aus einer so beschwerten Erbschaft zugehenden sehr
wenigen, oder auch gar keinen Vortheils nicht Ursach haben mögen, sich der
Erbschaft viel lieber zu entschlagen, und
(2-336) andurch die Verlassenschaft erblos, und die
letztwillige Anordnung unwirksam zu machen, als sich denen überhauften
Erblasten zu unterziehen, so haben Wir zu Erhaltung derlei letzten Willens, und
um denen Erblasseren, deren Einbildung nicht selten die wahren Kräften ihres
nachgelassenen Vermögens übertrifft, nach Billigkeit zu Hilf zu kommen, für
nothwendig angesehen, denen über drei Viertel der Erbschaft beschwerten Erben
gnädigst zu verstatten, daß sie den vierten Theil der ganzen Erbschaft von
allen und jeden Vermächtnissen abziehen, und für sich innenbehalten mögen.
[2, 16, § 30] 419. Diese Rechtswohlthat des Erbviertels
betraget demnach den vierten Theil des gesammten Hinterlassenen in was immer
bestehenden Hab und Vermögens, welcher dem über neun Theile, oder drei Viertel
der Erbschaft beschwerten Erben nach dem Erbrecht gebühret, und von den
Vermächtnissen abzuziehen ist.
[2, 16, § 30] 420. Die Befugniß das Erbviertel abzuziehen
kommt allen sowohl durch letzten Willen eingesetzten, als nach der rechtlichen
Erbfolge eintretenden Erben zu statten, diese letztere mögen für sich allein
nachfolgen, oder mit denen aus letzten Willen berufenen Erben zusammentreffen.
[2, 16, § 30] 421. Nur die Notherben, welchen allschon der
Pflichttheil von Unseren Gesetzen beschieden ist, können sich keiner zweifachen
Wohlthat anmassen, sondern haben sich mit dem Pflichttheil allein zu begnügen,
ohne noch darüber ein besonderes Erbviertel abziehen zu dürfen.
[2, 16, § 30] 422. Es ist auch in der Zahl der Erben kein
Unterschied, deren möge Einer oder mehrere Miterben sein, also daß deren jeder
oder welcher mit Vermächtnissen über die Gebühr beschweret worden, hiervon so
Vieles abziehen mag, als ihme an seinem Antheil von diesem unter alle Miterben
nach Maß der ihnen zufallenden Erbtheilen zu vertheilen kommenden Erbviertel
abgehet.
[2, 16, § 30] 423. Ist aber ein Erb nur in einer gewissen
von dem Erblasser benannten Sache oder Summe eingesetzet, und dabei mit
Vermächtnissen über drei Viertel der verlassenen Summe, oder des wahren Werths
der Sache beschweret worden, so hat er nur damals die Befugniß das Erbviertel
nicht zwar von der ganzen Erbschaft, sondern bloß allein von der ihme
angewiesenen Summe oder Sache abzuziehen, wann er keine zugleich eingesetzte
Miterben hätte, von denen die Erbschaft angetreten worden.
[2, 16, § 30] 424. Widrigens, und da nur ein Miterb die
Erbschaft angetreten hätte, kann der andere Miterb, der nur in einer bestimmten
Sache oder Summe eingesetzet worden, hiervon wegen der ihme aufgelasteten
Vermächtnissen kein Erbviertel weiter abziehen.
[2, 16, § 30] 425. Desgleichen hat ein vertraulicher Erb,
die Macht nicht, von einem allgemeinen auch nur auf einen Grad lautenden, oder
einem sonderheitlichen auf mehrere Grade oder Staffeln errichteten Traugut oder
Fideicommiß, welches er an den Nachberufenen zuruckzustellen verbunden ist, das
Erbviertel abzuziehen, wohl aber von jenem Betrag der Verlassenschaft, welcher
ihme zu verbleiben hat, woferne dieser mit Vermächtnissen dergestalten
beschweret worden, daß nicht der vierte Theil davon für ihn erübriget würde.
[2, 16, § 30] 426. Und wiezumalen der nachberufene Erb,
welcher das ihme zugefallene Traugut an die weitere Berufene zuruckzustellen
hat, in Rucksicht dieser nicht anderst, als für einen vertraulichen Erben zu
achten ist, so kann er auch so wenig, als der Erstere von deme, was er weiter
zuruckzustellen schuldig ist, das Erbviertel abziehen.
[2, 16, § 30] 427. Dahingegen stehet ihme sowohl in Ansehung
jener Vermächtnissen, welche er von deme, was er aus der vertraulichen
Erbsnachberufung für sich ohne Verbindlichkeit der weiteren Zuruckstellung an
Andere erhalten, abzustatten hat, als auch in dem Fall, da er zugleich aus
einer gemeinen After-Erbseinsetzung in die Stelle des über drei Viertel dessen,
was nicht mit der obigen Eigenschaft eines
(2-337) Trauguts oder Fideicommisses behaftet ist,
beschwerten vertraulichen Erbens eintreten würde, der Abzug des Erbviertels
allemal bevor, wann die Vermächtnissen sich über drei Viertel dessen, was ihme
zu verbleiben hat, belaufen.
[2, 16, § 30] 428. Umsomehr kommt dahero auch diese
Rechtswohlthat sowohl allen anderen durch die gemeine After-Erbseinsetzung
nachberufenen zweiten Erben, als denen Erbenserben, wann die ersteren Erben
unter der Zeit, als sie diesen Abzug noch forderen könnten, verstorben wären,
zu statten.
[2, 16, § 30] 429. Jene aber, welche nur mit Vermächtnissen,
oder einzlen sonderheitlichen sich über einen Grad nicht erstreckenden
Traugütern bedacht worden, können sich von deme, was sie ganz oder zum Theil an
Andere abzustatten, oder zuruckzustellen gehalten sind, in keinem Fall eines
Abzugs des Erbviertels anmaßen, obschon ihnen von deme, wovon sie die
Abstattung oder Zuruckstellung zu leisten haben, gar nichts übrig bliebe.
[2, 16, § 30] 430. Diesem Abzug unterliegen alle in einem
Testament, oder Codicill verschaffte Vermächtnissen, sie mögen aus der
Verlassenschaft des Erblassers selbst, oder aus dem Vermögen des Erbens oder
eines anderen in dem letzten Willen Bedachten angewiesen sein, wie nicht
weniger die jenen ganz gleichkommende einzle nur aus einer in die andere Hand,
und nicht weiter gehende Fideicommissen, wann so eine, als die anderen neun
Theile, oder drei Viertel der Verlassenschaft, oder desjenigen Betrags, welcher
dem beschwerten Erben zu verbleiben hat, übersteigen, nicht aber auch
allgemeine obschon nur in einem Grad bestehende, oder sonderheitliche auf
mehrere Grade errichtete Fideicommissen, noch weniger Schankungen, sie
geschehen unter Lebenden, oder auf den Todesfall.
[2, 16, § 30] 431. Um jedoch mit Bestand zu wissen, ob eine
wirkliche Beschwerde über drei Viertel der Erbschaft unterwalte, solle allemal
auf Anlangen der sich übermäßig beschweret zu sein angebenden Erben sowohl der
Betrag der Verlassenschaft, als der Betrag der Vermächtnissen verläßlich
erhoben, und gegeneinander berechnet werden.
[2, 16, § 30] 432. Der Grund dieser Berechnung ist auf der
einen Seite, das über die Verlassenschaft gerichtlich errichtete Inventarium,
woraus der beiläufige Ueberschlag der Kräften der Erbschaft gegen denen davon
zu bestreiten habenden Erblasten füglich entnommen werden mag, gleichwie
dagegen auf der anderen Seite der Inhalt der letztwilligen Anordnung den Betrag
der abzustatten habenden Vermächtnissen ausweiset.
[2, 16, § 30] 433. Würde nun der Erb aus deren Gegeneinanderhaltung
bei der betreffenden Abhandlungsbehörde eine drei Viertel der Erbschaft
übersteigende Beschwerde darzeigen können, so sollen Jene, welchen die dem
klagenden Erben aufgebürdete Vermächtnissen zuzukommen haben, hierüber
vernommen, sonach aber vor Allem zwischen denen Parten eine gütliche
Vergleichshandlung versuchet werden.
[2, 16, § 30] 434. Und da wegen Abzug des Erbviertels ein
gütliches Abkommen unter ihnen bewirket würde, hat es auch bei deme, was ein
Jedweder an seinem Vermächtniß fahren lassen zu wollen sich erkläret, wann sich
der Erb damit begnüget, ohne einiger Rucksicht des Verhältnisses gegen andere
Vermächtnissen sein festes Bewenden.
[2, 16, § 30] 435. Wo aber sich Dieselben nicht einigen
würden, solle ohne Anstand mit der gerichtlichen Abschätzung der in die
Verlassenschaft gehörigen Habseligkeiten sowohl, als mit gerichtlicher
Veranschlagung des Werths der Vermächtnissen fürgegangen, und so eine, wie die
andere denen Parten zu ihrer Nachricht, und weiteren Nothdurftshandlung
hinausgegeben werden.
[2, 16, § 30] 436. Wären jedoch einige von den
Vermächtnissen so beschaffen, daß sie in keinen Anschlag eines bestimmten
Werths wegen ihrer unsicheren Dauer gebracht werden mögen, als da sind
jährliche Renten und Einkünften, oder zeitlicher Unterhalt, so ist in solchen
Fällen der jährliche Betrag zu Capital mit fünf von Hundert
(2-338) anzuschlagen; also da jährlich hundert Gulden
vermacht worden wären, ist das Vermächtniß auf ein Capital von zweitausend
Gulden anzusetzen.
[2, 16, § 30] 437. Auf gleiche Art, wo Jemanden der
Fruchtgenuß, oder die Nutznießung eines Grunds oder Capitals vermacht worden,
ist der Betrag des Capitals, oder der Werth des Grunds anzusetzen; also daß in
diesen Fällen Derjenige, welcher mit jährlichen Renten und Einkünften, oder dem
Fruchtgenuß bedacht worden, hieran jährlich um so viel weniger zu empfangen
haben werde, als so viel die von dem durch Abzug des Erbviertels verminderten
Capitalsanschlag abfallende zu fünf von Hundert gerechnete Zinsen weniger
abwerfen. Wo aber Einer in der Nutznießung, und der Andere in dem Eigenthum zu
Erben eingesetzet worden wären, kann der Erb des Eigenthums an den
nutznießenden Erben des Erbviertels halber keinen Anspruch machen.
[2, 16, § 30] 438. Endlichen da außer deme noch andere Vermächtnissen
vorkämen, an deren eigentlichen Werth ein gegründeter Zweifel fürwalten könnte,
so sollen solche nach vernünftigen Ermessen des Richters in einem billigmäßigen
Betrag geschätzet und in Anschlag gebracht werden.
[2, 16, § 30] 439. Bei Berechnung der Verlassenschaft ist
allemal auf die Zeit des Tods des Erblassers zu sehen, und deren Werth und
Betrag nach demjenigen Stand, in welchem sich solche zu dieser Zeit befunden,
zu schätzen.
[2, 16, § 30] 440. Gleichwie dahero aller nach dieser Zeit
sich von Ohngefähr hieran ergebender Zuwachs außer Anschlag bleibt, und dem
Erben allein zu guten gehet, also gereichet auch der sich darnach eräußerende
Schaden ihme allein zum Nachtheil.
[2, 16, § 30] 441. Wann demnach aus einem in die
Verlassenschaft gehörigen Gewerb nach dem Tod des Erblassers ein so
beträchtlicher Gewinn erworben worden wäre, welcher sich noch höher, als auf
den vierten Theil der Verlassenschaft belaufen würde, so kommt solcher
gleichwohlen nicht in Anschlag, sondern dem Erben gebühret nichtsdestoweniger
noch über dieses das Erbviertel nach demjenigen Stand der Verlassenschaft, in
welchem sich selbe zur Zeit des Tods befunden hat.
[2, 16, § 30] 442. Wie in Gegentheil, wann die
Verlassenschaft nachhero, es seie aus eigener Schuld des Erbens, oder durch
Unfälle dergestalten verminderet würde, daß nach Abstattung der Vermächtnissen
dem Erben an dem Erbviertel wenig oder nichts übrig bliebe, derselbe solches
abzuziehen nicht mehr befugt ist, wo ihme zur Zeit des Tods wenigstens so viel,
als das Erbviertel damals betragen, von der Verlassenschaft übrig geblieben
wäre; widrigens kann er nur so viel abziehen, als ihme hieran nach dem
damaligen Stand der Sachen abgegangen sein würde.
[2, 16, § 30] 443. Alles dieses jedoch verstehet sich nur
von demjenigen Zuwachs und Abnahme, welche sich ohne einer
noch von Lebzeiten des Erblassers herrührenden Ursache an der
Verlassenschaft ereignen. Dahingegen wie der von dieser Zeit herrührende
Zuwachs, als z. B. eine nach dem Tod des Erblassers eingehende Erbschaft, welche
ihme bei Lebzeiten zugefallen, die Verlassenschaft vermehret, also wird solche
gegenseits durch den daherrührenden Schaden, als z. B. durch Verlust eines von
dem Erblasser geführten Rechtsstritts verminderet.
[2, 16, § 30] 444. Nach dergestalten berechneter, und zu
Geld geschlagener Verlassenschaft ist von dem ausgefallenen Betrag des frei
vererblichen Vermögens anförderist Folgendes abzuziehen, als: Erstens alle
Schulden, womit die Verlassenschaft behaftet ist, auch jene, welche der Erb
hieran zu forderen hat; gleichwie dagegen das, was der Erb hinein schuldig ist,
zur Vermehrung der Verlassenschaft eingerechnet werden muß.
[2, 16, § 30] 445. Zweitens, die dem Stand und Vermögen des
Erblassers gemäße, oder von ihme selbst angeordnete Begräbnißunkosten in
derjenigen Maß, wie solche oben in vierzehenten Capitel, §. V, num. 71 und 72,
bei Berechnung des Pflichttheils bestimmet worden.
[2, 16, § 30] 446. Drittens, der ehegattliche Antheil, oder
was der überlebende Ehegatte
(2-339) aus den Heirathssprüchen zu forderen hat, insoweit
dieses den in ersten Theil in der Abhandlung von Ehebündnissen ausgemessenen
Betrag nicht übersteiget. Wovon jedoch vermöge Heirathsberednissen dem
überlebenden Ehegatten ein Leibgeding, wittiblicher Unterhalt oder die
Nutznießung gebühret, und was an den Erben seinerzeit anwiederum zuruckzufallen
hat, dieses solle zwar zur Zeit der Berechnung ebenfalls abgeschlagen,
mittlerweil aber das, was von den Vermächtnissen abgezogen worden, hierauf
versicheret werden.
[2, 16, § 30] 447. Wann nun der Ruckfall an den Erben
erfolget ist, so solle dessen Werth zu dem Vermögen geschlagen, und in das
Erbviertel eingerechnet, somit aber von Demjenigen, was über Abschlag des also
berechneten Erbviertels übrig bleibet, soweit solches zureichet, Jenen, welche
von ihren Vermächtnissen einen Abzug gelitten, nach dem unter ihnen bestehenden
Verhältniß geleistet, und auf gleiche Art mit Allem, dessen Einbringung in die
Verlassenschaft unsicher, oder auf ungewisse Zeit hinausgesetzet ist, verfahren
werden.
[2, 16, § 30] 448. Wohingegen das Eigenthum dessen, wovon
dem überlebenden Ehegatten das Leibgeding, der wittibliche Unterhalt oder die
Nutznießung gebühret, einem Anderen verschaffet worden wäre, folglich dasselbe
an den Erben nicht zuruckzufallen hätte, so ist das Capital, oder der Werth
eines solchen Guts von dem Vermögen nicht in Abzug zu bringen, sondern unter
die Vermächtnissen anzusetzen, worauf dem Erben das. was ihme hieran zu
Ergänzung seines Erbviertels zustehet, auf dem Fall des beendigten Leibgedings
oder wittiblichen Unterhalts versicheret werden solle.
[2, 16, § 30] 449. Viertens ist von der Verlassenschaft der
Pflichttheil der Notherben, und endlich fünftens alles das, was von
Vermächtnissen nach der gleich unten folgenden Ausmessung von dem Abzug des
Erbviertels besonders befreiet ist, abzuschlagen.
[2, 16, § 30] 450. Was solchemnach über Abzug alles Obigen
an der Verlassenschaft ausfallen wird, solle gegen dem Anschlag der
Vermächtnissen gehalten werden, um hieraus mit Bestand ermessen zu können, ob
dem Erben nach Abschlag der Vermächtnissen so viel, als der vierte Theil der
also berechneten Verlassenschaft betraget, zu guten bleibe.
[2, 16, § 30] 451. Doch ist in das Erbviertel alles
Dasjenige einzurechnen, was der Erb aus dem Erbrecht, es seie aus letzten
Willen, oder aus dem Erbanfall nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge von der
Erbschaft beziehet, nicht weniger das, was aus seiner Gefährde, Schuld oder
Saumsal zu Grund gegangen oder verloren worden, dann jene Vermächtnissen,
welche wegen Abgangs, Unfähigkeit oder Unwürdigkeit dessen, der damit bedacht
worden, dem Erben anheimfallen, und endlich sowohl die mittlerweil aus der
Verlassenschaft eingehobene Früchten und Nutzungen, als was er hinein zu
entrichten schuldig ist.
[2, 16, § 30] 452. Jenes aber, was der Erb aus einem
Vermächtniß oder aus einer vertraulichen Erbsnachberufung, oder aus einer
Schankung entweder unter Lebenden, oder auf den Todesfall, oder auch sonst mit
einer Auflage etwas dagegen zu leisten erhalten, wird in das Erbviertel nicht
eingerechnet, obschon ein dem Erben verschafftes Vermächtniß ebenso wie andere,
dem Abzug des Erbviertels unterlieget, und somit der Erb hieran um so viel
weniger bekommet, als der in seinem Verhältniß hieran ausfallende Beitrag zu
Ergänzung des Erbviertels ausmachet.
[2, 16, § 30] 453. Wann nun mit Einrechnung alles dessen,
was nach der vorstehenden Ausmessung in das Erbviertel einzuziehen kommt, dem
Erben nicht so viel übrig bleibt, als der vierte Theil der Verlassenschaft
betraget, so haben zu Ergänzung dessen, was noch davon abgehet, alle und jede
Vermächtnissen nach ihrem Verhältniß untereinander den Abzug zu leiden, und ist
die Vertheilung des ausfallenden Abgangs auf die Vermächtnissen dergestalten
einzutheilen, daß, weme mehr vermacht worden, dieser ein Mehreres, gleichwie
Jener, welcher mit Wenigerem bedacht worden, hierzu auch weniger beizutragen
habe.
[2, 16, § 30] 454. Wo jedoch ein Vermächtniß an sich
untheilbar wäre, als da es in
(2-340) einem selbstständigen Körper oder in einem dinglichen
Recht bestände, solchen Falls ist zwar das Vermächtniß ganz abzustatten, Jener
aber, deme es zuzukommen hat, ist schuldig, dem Erben den Werth desjenigen
Betrags, welcher nach dem Schätzungsanschlag auf ihn ausfallen wird, zu
entrichten.
[2, 16, § 30] 455. Von bedingten Vermächtnissen hingegen
solle zwar der Abzug gleich geschehen können, obschon der Erfolg oder Ausgang
der Bedingniß noch ungewiß wäre, doch ist auf dem Fall, daß bei ermanglender
verschiebender, oder ausgehender, auflösender Bedingniß das übrige Vermächtniß
dem Erben anheimfiele, von ihme denen Anderen, welche einen Abzug gelitten, die
Sicherheit zu leisten, daß ihnen hiervon, soweit es zulanget, eben nach
demjenigen Verhältniß, nach welchen der Abzug geschehen, die Vergütung geleistet
werden solle.
[2, 16, § 30] 456. Ein Gleiches ist mit Jenem zu beobachten,
was nach Endigung einer zeitlichen Behaftung dem Erben anwiederum anheimfallet,
als das Capital von vermachten jährlichen Renten und Einkünften, oder das Gut,
oder Haus, wovon jemanden Anderen die Nutznießung verschaffet worden, wann
derlei Haftungen aufhören.
[2, 16, § 30] 457. Der Erb bedarf zu Erhaltung des
Erbviertels insgemein keiner besonderen Rechtsforderung, sondern, wo er die
Erbschaft mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten hätte, und sich über
drei Viertel der Erbschaft mit Vermächtnissen beschweret zu sein fände, so
solle derselbe binnen sechs Wochen von dem Tag des ihme gerichtlich
zugefertigten Inventarii seine vermeinte übermäßige Beschwerung bei dem Abhandlungsgericht
anzeigen, und um die gerichtliche Schätzung der Verlassenschaft, dann um
Veranschlagung der Vermächtnissen einkommen.
[2, 16, § 30] 458. Bis dahin ist er nicht schuldig, einige
wie immer Namen habende Vermächtnissen, welche dem Abzug des Erbviertels
unterliegen, auszufolgen oder auszuzahlen, obschon der Erblasser deren
alsbaldige Entrichtung angeordnet hätte.
[2, 16, § 30] 459. Es seie dann, daß sich dagegen zu
Leistung einer annehmlichen Sicherstellung anerboten würde, daß so viel, als
von dem ehender auszufolgen anverlangten Vermächtniß zu Ergänzung des
Erbviertels beizutragen nöthig sein würde, anwiederum zuruckgestellet werden
wolle.
[2, 16, § 30] 460. Würde sich nun aus der auf oben
vorgeschriebene Art und Weis vorgenommenen Berechnung der Verlassenschaft in
Entgegenhaltung der Vermächtnissen zeigen, daß hiervon der dem Erben
angebührende vierte Theil nicht erübriget werde, so sind die auf die Schätzung
und Berechnung aufgegangene Gerichtsunkosten unter denen Schulden von dem
Vermögen abzuziehen, welche widrigens, da keine übermäßige Beschwerung
befunden, oder der Erb aus denen gleich unten berührenden Ursachen zum Abzug
des Erbviertels nicht berechtiget sein würde, der Erb allein zu tragen hat.
[2, 16, § 30] 461. Woferne aber die sechswochentliche Frist
von dem Tag des hinausgegebenen gerichtlichen Inventarii verstrichen wäre, ist
der Erb mit der Anforderung des Erbviertels nicht weiter zu hören; es kämen
dann nach der Zeit vorhin unbekannt geweste Schulden und Ansprüche hervor,
wodurch die Verlassenschaft dermaßen erschöpfet würde, daß nach deren
Hintanfertigung über Abzug der Vermächtnissen ihme der vierte Theil der
Erbschaft nicht übrig bleibe.
[2, 16, § 30] 462. In welchem Fall Derselbe auch nach dieser
Zeit auf oberwähnte Weise fürzugehen, und da bereits einige Vermächtnissen
hinausbezahlet worden wären, mittelst der zur Wiedererstattung des zur Ungebühr
Bezahlten zustehenden Rechtsforderung die Zuruckstellung dessen, was zur
Ergänzung des Erbviertels hiervon beizutragen kommt, anzusuchen berechtiget
ist, wovon den Gegentheil nichts, als der erweisliche ungefähre Zufall, wodurch
das Vermächtniß mittlerweil zu Grund gegangen oder verloren worden, entbinden
kann.
[2, 16, § 30] 463. Der Abzug des Erbviertels aber höret aus
dreierlei Ursachen auf, als:
(2-341) Erstens, aus dem widrigen Willen des Erblassers,
zweitens, aus der Person des Erben, und drittens, aus der Eigenschaft des
Vermächtnisses selbst.
[2, 16, § 30] 464. Aus dem widrigen Willen des Erblassers
erlöschet die Befugniß zu dem Abzug des Erbviertels, wann er solchen entweder
ausdrücklich oder stillschweigend durch gleichgeltende Worte verboten. Derlei
gleichgeltende Worte sind, wann er die Vermächtnissen ganz, für voll, und ohne
Abzug abzustatten anbefohlen hätte.
[2, 16, § 30] 465. Doch erstrecket sich ein solcher Verbot
nicht von einem Vermächtniß auf das andere, sondern dem Erben stehet
nichtsdestoweniger frei, von denen anderen Vermächtnissen, welchen ein
dergleichen Verbot nicht beigefüget ist, das was sie zu Ergänzung des Erbviertels
für ihren Theil beizutragen haben, anzuforderen.
[2, 16, § 30] 466. Wo aber der Abzug überhaupt, oder bei
allen Vermächtnissen insonderheit verboten wäre, solle dieser Verbot nur damals
seine Wirkung haben, wann dem Erben gleichwohlen noch ein Vortheil aus der
Erbschaft übrig bleibt; widrigens und da er gar keinen Nutzen davon zu haben
erweisen könnte, hat derselbe ohnerachtet des Verbots Fug und Macht, das
Erbviertel abzuziehen.
[2, 16, § 30] 467. Aus der Person des Erbens höret der Abzug
des Erbviertels auf, erstens, wann er die Erbschaft ohne der Rechtswohlthat des
Inventarii angetreten, wodurch derselbe sich auch über die Kräften der
Erbschaft zu denen Erblasten verbindlich macht, und die ohnableinliche
rechtliche Vermuthung vordringet, daß sie zu deren Erschwingung zureichend
seie.
[2, 16, § 30] 468. Zweitens, wann er gefährlicher Weise zu
Verkürzung der Vermächtnissen aus der Erbschaft etwas vertuschete oder
entwendete, und sich oder denen Seinigen zueignete, und dieses auf ihn erwiesen
werden könnte.
[2, 16, § 30] 469. Drittens, wann er binnen der zur
Antretung der Erbschaft unten in einundzwanzigsten Capitel ausgesetzten Zeit
die Erbschaft nicht angetreten, sondern sich derselben entweder ausdrücklich
oder stillschweigend durch Verlauf der anberaumten Zeit entschlagen hätte.
[2, 16, § 30] 470. Viertens, wann er auf den Abzug des
Erbviertels entweder ausdrückliche oder stillschweigende Verzicht thut. Diese
stillschweigende Verzicht geschieht auf zweierlei Art, als eines Theils durch
Verlauf der zur Forderung des Erbviertels oben ausgemessenen Zeit, und anderen
Theils durch Anerkennung des letzten Willens mittelst vollständiger
Hinauszahlung der Vermächtnissen, wann auch nur deren eines ganz mit guten
Wissen ohne beistoßenden Irrthum, und ohne Vorbehalt des Erbviertels von ihme
abgestattet worden wäre.
[2, 16, § 30] 471. Wo aber nur ein Theil des Vermächtnisses,
oder einige von mehreren einer Person verschafften Sachen auch ohne allem
Vorbehalt abgeführet worden wären, kann hieraus noch keine Verzicht auf das
Erbviertel gefolgeret werden, sondern dem Erben stehet noch allzeit frei, sich
deshalben auch für das schon Ausgefolgte an dem noch Uebrigen zu halten.
[2, 16, § 30] 472. Allein auch damals, wo die Vermächtnissen
ganz und ohne Vorbehalt hinausbezahlet worden, bleibet jegleichwohlen der Fall
allezeit ausgenommen, wann nach der Hand Schulden, welche zur Zeit der
abgeführten Vermächtnissen nicht wissend waren, hervorbrechen würden, welche
die Erbschaft erschöpfeten.
[2, 16, § 30] 473. Aus der Eigenschaft des Vermächtnisses
selbst wird der Abzug des Erbviertels durch dieses Unser Gesatz untersaget,
erstens von allgemeinen oder auch einzlen sich auf mehrere Grade erstreckenden
Trau- oder Fideicommißgütern, zweitens, von dem Pflichttheil der Notherben,
wann gleich derselbe ihnen vermächtnißweise verlassen worden wäre.
[2, 16, § 30] 474. Drittens, von Entlassungen aus der
persönlichen Unterthänigkeit, nicht aber auch von Nachsicht ausständiger
unterthäniger Giebigkeiten und Schuldigkeiten, sondern diese unterliegen nach
landesbräuchlicher Schätzung dem Abzug des Erbviertels.
(2-342) [2, 16, § 30] 475. Viertens, von einer Schuld,
welche der Schuldner seinem Glaubiger vermacht, außer insoweit das Vermächtniß
den Betrag der Schuld übersteiget.
[2, 16, § 30] 476. Fünftens, von jenen milden
Vermächtnissen, welche der Erblasser für seine Seele auf Almosen für die
Armuth, und auf heilige Messen verschaffet hat; dahingegen sind alle andere
milde Vermächtnissen, obschon sie zu Klöstern, Spitälern oder anderen
Stiftungen gewidmet wären, dem Abzug des Erbviertels unterworfen.
[2, 16, § 30] 477. Sechstens, von vermachten Heirathgut,
welches der Mann seinem hinterlassenen Eheweib zuruckverschaffet, wie auch von
deme, was die Eltern oder Großeltern ihren Töchtern oder Enklinnen zur
Ausheirathung und Aussteuerung vermachen, insoweit in dem Vermächtniß nichts
Mehreres, als was ersteren Falls nach dem Heirathsbrief, und in letzterem Fall
zum Pflichttheil gebühret, begriffen ist; was aber darüber ist, hat sowohl, als
das einer Person, welcher aus der Verlassenschaft kein Pflichttheil zuzukommen
hat, vermachte Heirathgut oder Aussteuerung dem Abzug des Erbviertels zu
unterliegen.
[2, 16, § 30] 478. Wo aber das Erbviertel entweder aus der
Eigenschaft des Vermächtnisses, oder wegen besonderen Verbots des Erblassers
nicht abgezogen werden darf, sind deshalben die anderen Vermächtnissen, welche
dem Abzug verfänglich sind, nichts Mehreres, als wie viel nach ihrem Verhältniß
auf deren jedwedes zu Ergänzung des Erbviertels ausfallet, beizutragen
schuldig, sondern der Erb hat den Entgang von denen befreiten Vermächtnissen
selbst zu tragen.
[2, 16, § 30] 479. Würde in Gegentheil der eingesetzte Erb
ohnerachtet der ihme durch dieses Unser Gesatz eingestandenen Wohlthat des
Erbviertels sich jegleichwohlen der Erbschaft entschlagen, so solle derselbe
denen nachberufenen zweiten Erben, und wo deren keine berufen worden wären,
oder dieselben sich gleichfalls darzu nicht verstehen wollten, denen nächsten
Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufallen, welche gegen der ihnen in
gleicher Maß vergünstigten Wohlthat des Erbviertels die Vermächtnissen
abzutragen schuldig sein sollen.
[2, 16, § 30] 480. Woferne aber auch diese sich der
Erbschaft entschlügen, sollen dessen ohnerachtet die Vermächtnissen bei Kräften
erhalten, und denen allenfalls von dem Erblasser ernannten Vollstreckeren
seines letzten Willens, oder in deren Ermanglung einem eigends von Gericht aus
zu dem Ende zu bestellen habenden Curatori die Erfüllung der letztwilligen
Anordnung auferleget, Jenes aber, was sonst denen Erben entweder aus dem Willen
des Erblassers, oder aus Vorsehung Unseres Gesatzes durch Eintretung der
rechtlichen Erbfolge sowohl, als durch Abzug des Erbviertels hätte zukommen
sollen, zu Handen Unserer Kammer eingezogen werden.
(2-343) Caput XVII.
Von Eröffnung, Kundmachung und Vollziehung des letzten
Willens.
Inhalt:
§. I. Von Erhebung des letzten Willens. §. II. Von dessen
Eröffnung. §. III. Von Bewährung der Zeugen. §. IV. Von gerichtlicher
Kundmachung des letzten Willens. §. V. Von dessen Einverleibung und
Bestätigung. §. VI. Von Vollziehung des letzten Willens.
§. I.
[2, 17, § 1] Num. 1. Nachdeme bishero all Jenes, was ein
Erblasser bei Errichtung letztwilliger Anordnungen zu beobachten habe, sammt
den dazu erforderlichen Feierlichkeiten und den verschiedenen Arten, womit in
letzten Willen etwas verlassen werden kann, ausführlich beschrieben worden, so
folget auch nunmehro in gegenwärtigen Capitel die Ausmessung dessen, wie mit
denen schon errichteten letztwilligen Anordnungen nach Absterben des Erblassers
zu verfahren seie.
[2, 17, § 1] 2. Hierbei kommen mehrfältige Handlungen vor,
welche ihrer natürlichen Ordnung nach folgende sind, als: Erstens, die Erhebung
des letzten Willens,
(2-344) zweitens, dessen Eröffnung, drittens, die Bewährung
der Zeugen, viertens, die gerichtliche Kundmachung des letzten Willens,
fünftens, dessen Einverleibung, sechstens, dessen rechtliche Bestätigung, und
endlich siebentens, dessen Vollziehung, welche alle in diesem und denen
folgenden §§. erkläret werden.
[2, 17, § 1] 3. Durch die Erhebung des letzten Willens wird
nichts Anderes verstanden, als dessen getreue Einantwortung und Niederlegung zu
Gericht, von welcher es zwar damals abkommet, wann ein Testament oder Codicill
vor demjenigen Gericht, dessen Gerichtsbarkeit der Erblasser damals unterworfen
ware, errichtet, und allda noch bei Lebzeiten des Erblassers hinterleget
worden, folgsam sich bei seinem Absterben schon in Gerichtshanden befindet.
[2, 17, § 1] 4. Dahingegen, wo demjenigen Gericht, bei
welchem der letzte Willen hinterleget worden, keine Gerichtsbarkeit über
denselben zustände, hat dasselbe solchen dem hierzu befugten Gerichtsstand
gleich nach dem Tod des Erblassers unversehrter auszufolgen.
[2, 17, § 1] 5. Vornehmlich aber kommt es auf die Erhebung
des letzten Willens an, wo solcher von dem Erblasser außergerichtlich
verfasset, und entweder in seiner Verlassenschaft aufbewahret, oder zu
Jemandens getreuen Handen anvertrauet worden.
[2, 17, § 1] 6. Es solle demnach einem jedweden Richter,
unter wessen Gerichtsbarkeit Jemand verstirbt, von amtswegen obliegen, sogleich
nach dem in Erfahrniß gebrachten Ableben sich alles Fleißes, ob ein Testament
oder Codicill vorhanden seie, bei den Hausleuten und in anderen dienlichen
Orten zu erkundigen, bevorab aber bei Vornehmung der Sperr, ob ein letzter
Willen vorhanden seie, in den Kästen und Schreibtisch des Verstorbenen
nachzusuchen, und da einer gefunden würde, solchen herauszunehmen und bei
Gericht zu hinterlegen.
[2, 17, § 1] 7. Hätte jedoch der Erblasser seinen letzten
Willen Jemanden in die Verwahrung gegeben, oder dieser wäre sonst auf was immer
für Art in eines Anderen Hände gerathen, so solle Derjenige, in dessen Handen
sich der letzte Willen befindet, denselben sobald, als ihme das Absterben des
Erblassers zu Ohren kommt, dem Gericht ohnverweilt, und ohne aller Ausflucht
und Verweigerung auszufolgen schuldig sein.
[2, 17, § 1] 8. Würde aber Jemand eines Anderen letzten
Willen, welchen er in Handen hat, binnen nächsten sechs Wochen von dem Tag des
Absterbens des Erblassers muthwilliger Weise, und ohne erweislichen erheblichen
Ehehaften dem Gericht nicht einantworten, so solle ein solcher, auf den die
geflissentliche Vorenthaltung des letzten Willens dargethan werden könnte,
alles dessen, was ihme darinnen zugedacht und verschaffet worden, zur Strafe
verlustig, oder sonst mit einer anderen Strafe nach Gestalt der Sachen
unnachläßlich beleget werden.
[2, 17, § 1] 9. Zu dem Ende mag nicht allein
Jedermänniglich, deme hieran gelegen ist, den Inhaber des letzten Willens
mittels Anrufung der gerichtlichen Hilfe um dessen alsbaldige Ausantwortung
belangen, sondern es erheischet auch ohnerachtet des Anrufens die Amtspflicht
des Richters selbst, wann er sonst von der Vorenthaltung des letzten Willens
begründete Anzeigen hat, denselben hierzu durch rechtliche Zwangsmitteln zu
verhalten.
[2, 17, § 1] 10. Würde aber Derjenige, welcher den letzten
Willen in Handen hat, solchen gefährlicher Weise und in Absicht die darinnen
Bedachten um ihre Gerechtigkeit zu bringen verschweigen und vertuschen, oder,
da er um dessen Ausfolgung belanget worden, denselben in Handen zu haben
laugnen und in Abrede stellen, so haben Jene, welchen daran gelegen ist, den
Beweis zu führen, daß ihme der letzte Willen anvertrauet worden, aber sonst zu
Handen gekommen seie, wobei mit Abschneidung alle Weitläufigkeiten auf das
Schleunigste zu verfahren ist.
[2, 17, § 1] 11. Wo nun der Belangte dessen überwiesen
würde, solle er nicht allein zur Ausantwortung des vertuschten letzten Willens
angehalten, sondern auch wegen dieses seines betrüglichen Vorhabens über
Verlust des ihme allenfalls darinnen
(2-345) Verschafften nach richterlicher Erkanntniß
bestrafet, und zum Ersatz aller denen darunter leidenden Theilen verursachten
Schäden und Unkosten verurtheilet werden.
[2, 17, § 1] 12. Da sich aber ergebe, daß er den letzten
Willen vorsätzlich zerrissen oder sonst vernichtet hätte, solle er durch
richterlichen Spruch und Urtheil für ehrlos erkläret, und mit einer der Schwere
des Verbrechens angemessenen Strafe beleget werden.
[2, 17, § 1] 13. Wobeinebst derselbe noch über das allen
Denenjenigen, welche wegen eines solchen vernichteten oder unterdruckten
letzten Willens etwas verloren oder zu Schaden gekommen, alle erweisliche
Schäden und Unkosten aus seinem eigenen Vermögen zu ersetzen schuldig ist.
[2, 17, § 1] 14. Da aber der Werth seines Guts sich nicht so
weit erstreckete, daß Denenjenigen, welche in dem von ihme zerrissenen,
vernichteten oder unterdruckten letzten Willen bedacht worden, hieraus der
vollständige Ersatz alles dessen, was ihnen andurch entgangen zu sein entweder
durch glaubwürdige Zeugen, oder aus dem noch lesbaren Inhalt des zerrissenen an
sich sonst rechtsgiltigen letzten Willens erweislich wäre, geleistet werden
könnte, so solle alsdann Jenes, was noch hieran abgehet, nicht weniger, als ob
der letzte Willen ganz unverletzt vorgefunden worden wäre, aus der
Verlassenschaft des Erblassers abgestattet werden.
[2, 17, § 1] 15. Doch also, daß sich allemal vorhero an dem
Gut Desjenigen, welcher den letzten Willen unterdrucket gehalten, und nur
sodann erst Jenes, was von demselben nicht erholet werden mag, aus der
Verlassenschaft des Erblassers hergenommen werde.
[2, 17, § 1] 16. Gleichergestalten, wo der Erblasser seinen
letzten Willen nur mündlich vor Zeugen erkläret hätte, haben diese nicht
weniger, wie Jener, deme ein schriftliches Testament oder Codicill anvertrauet
worden, eben die Verbindlichkeit solchen alsobald nach dem Tod des Erblassers
bei Gericht ausführlich anzuzeigen und auszusagen. Wo sie aber hierinnen ohne
rechtserheblicher Ursache saumig wären, sind wider dieselben gleichfalls alle
vorerwähnte Zwangsmitteln, und allenfalls auch bei erweislicher Gefährde und
Arglist gestalter Dingen nach die nemlichen Strafen zu verhängen.
[2, 17, § 1] 17. Die Erhebung des letzten Willens hat
insgemein von jenem Richter zu geschehen, wessen Gerichtsbarkeit der Erblasser
bei Lebzeiten unterworfen ware, und wo derselbe verschiedenen
Gerichtsbarkeiten verfänglich gewesen wäre, von demjenigen
Gerichtsstand, welchem die Kundmachung des letzten Willens zustehet.
[2, 17, § 1] 18. Diesfalls ist zwischen Personen höheren und
niederen Standes ein Unterschied zu beobachten. Nach Personen höheren Standes,
welche wegen des obhabenden Rechts der Landmannschaft ihr eigenes Gericht
haben, kommt die Erhebung und Kundmachung des letzten Willens diesem Gericht
allein zu.
[2, 17, § 1] 19. Wo aber eine solche Person höheren Standes
verstürbe, welche in mehreren Ländern das Recht der Landmannschaft hätte, und
in dieser Rucksicht mehreren Gerichtsbarkeiten unterworfen wäre, solchenfalls
gehöret die Erhebung und Kundmachung des letzten Willens dem Gericht desjenigen
Lands zu, in welchem derselbe nach dem Tod des Erblassers gefunden wird, ohne
daß dessen wiederholte Kundmachung in dem anderen Lande nöthig wäre, sondern
das in einem Lande kundgemachte Testament oder Codicill ist lediglich dem
Gericht des anderen Landes, wo der Verstorbene zugleich Landmann ware, und ein
Theil der Verlassenschaft gelegen ist, zur Einverleibung, und der weiters
erforderlichen Vorkehrung zuzuschicken.
[2, 17, § 1] 20. Ein Gleiches solle beobachtet werden, wo
eine solche Standesperson auch in einem anderen Land entweder wegen ihres allda
beständig gehabten Wohnsitzes, oder wegen eines dort bekleideten Amts der
Gerichtsbarkeit desjenigen Lands verfänglich gewesen, und allda mit Nachlassung
eines letzten Willens verstorben wäre, welchenfalls dessen Erhebung und
Kundmachung, ohnerachtet der in dem anderen Land ob sich gehabten Landmannschaft,
diesem Gerichtsstand zustehen solle.
(2-346)
[2, 17, § 1] 21. Woferne hingegen eine Standesperson in
einem anderen Land, wo sie das Recht der Landmannschaft nicht hat, irgendwo auf
der Reise, oder im Durchzug versterben, und ein letzter Willen allda nach ihr
vorgefunden würde, hat die Gerichtsstelle desselben Orts, obschon ihr der
Verstorbene sonst innichten verfangen gewesen wäre, solchen zu erheben und
kundzumachen, sonach aber denselben an dasjenige Gericht, deme die
Verlassenschafts-Abhandlung zustehet, zur weiteren Vorkehrung zuzuschicken.
[2, 17, § 1] 22. Welche Personen höheren Standes das Recht
der Landmannschaft in einem Unserer deutschen Erblanden nicht haben, deren
letztwillige Verordnungen sind von demjenigen Gerichtsstand, deme sie sonst mit
ihrer Person zur Zeit ihres Tods unterworfen waren, zu erheben und
kundzumachen, doch allemal mit Ausnahme des Falls, wo sie auf der Reise oder im
Durchzug anderswo verstürben, und allda ihren letzten Willen nachließen.
[2, 17, § 1] 23. Nach Personen niederen Standes gehöret die
Erhebung und Kundmachung ihres letzten Willens demjenigen Gerichtsstand zu,
deme sie entweder wegen des obgehabten Burgerrechts, oder wegen besonderer
Befreiung, aber wegen ihres beständigen Wohnsitzes unterworfen waren.
[2, 17, § 1] 24. Da aber bei einer Person mehrere
Gerichtsbarkeiten zusammentreffen, hat allzeit der aus einer besonderen
Befreiung angebührende Gerichtsstand vor denen anderen, und der burgerliche
Gerichtsstand vor demjenigen des Wohnsitzes den Vorzug, wann diese beide Letztere in dem Umfang einer Stadt oder Markts
befindlich sind.
[2, 17, § 1] 25. Woferne hingegen der Verstorbene außer
derjenigen Stadt oder Markt, wo er das Burgerrecht gehabt, seinen beharrlichen
Wohnsitz aufgeschlagen hätte, solle die Erhebung und Kundmachung des letzten
Willens von derjenigen Gerichtsbarkeit vorgenommen werden, unter welcher
derselbe nach seinem Tod gefunden wird.
[2, 17, § 1] 26. Ohnangesehen aber eine Person, sie seie
höheren oder niederen Standes, einer Gerichtsstelle wegen eines bei derselben
bekleidenden Amts oder Bedienstung untergeben gewesen wäre, so solle
nichtsdestoweniger ihr nachgelassener letzter Willen von demjenigen
Gerichtsstand in eben demselben Land erhoben und kundgemacht werden, deme sie
außer dem von ihr bekleideten Amt oder Bedienstung bei Lebzeiten sonst
unterworfen gewesen.
[2, 17, § 1] 27. Da es sich jedoch zutrüge, daß eine Person
niederen Standes irgendwo auf der Reise oder im Durchzuge Todes verfahren, und
alldort eine letztwillige Anordnung nachlassen würde, solle es damit auf
gleiche Art, wie es oben num. 21 bei höheren Standespersonen vorgesehen worden,
gehalten werden.
[2, 17, § 1] 28. Dahingegen setzet die bloße Erhebung und
Kundmachung eines letzten Willens diejenige Gerichtsstelle, von welcher dieselbe
vorgenommen worden, noch nicht in die Befugniß sich in die
Verlassenschaftsabhandlung einzulassen, wann sich sonst ihre Gerichtsbarkeit
hierauf nicht erstrecket, sondern es wird unten in einundzwanzigsten Capitel,
§. VIII, die Ausmessung folgen, weme die Verlassenschaftsabhandlung zustehe.
§. II.
[2, 17, § 2] 29. Die letztwilligen Anordnungen sollen ganz
und verschlossener zu Gericht abgegeben werden. Niemand dahero darf sich bei
sonst sich zuziehender schweren
(2-347) Ahndung und Strafe anmaßen, einen verschlossenen
letzten Willen eigenmächtig zu eröffnen, sondern dieses stehet allein
demjenigen Gericht zu, welchem dessen Kundmachung nach der vorstehenden
Ausmessung gebühret.
[2, 17, § 2] 30. Die Eröffnung des letzten Willens solle
demnach nirgendwo anderst, als bei Gericht, und zwar sogleich, als derselbe
nach dem Tod des Erblassers allda hinterleget worden, wenigstens in Gegenwart
zweier Gerichtspersonen geschehen.
[2, 17, § 2] 31. Wobei der Tag der gerichtlichen
Hinterlegung auf dem Testament oder Codicill vorgemerket, und hiernächst sowohl
der Tag der Eröffnung, als, da mehrerlei letztwillige Anordnungen eben
desselben Erblassers vorkämen, oder einige Zetteln und Beilagen dem letzten
Willen beigeschlossen wären, deren Anzahl, damit nichts davon verloren gehe, in
dem Gerichtsbuch oder Protokoll fleißig und getreulich eingeschrieben werden
solle.
[2, 17, § 2] 32. Es ist auch bei der Eröffnung selbst alle
Vorsicht und Behutsamkeit anzuwenden, damit die Siegeln nicht verletzet, noch
weniger das Testament oder Codicill auf einerlei Weis beschädiget, zerrissen
oder unlesbar gemacht werde. Wo aber nichtsdestoweniger unter wirklicher
Eröffnung von Ohngefähr sich ein Schaden oder Verletzung hieran ergeben hätte,
ist solches alsobald in dem Gerichtsbuch, was und wie es geschehen
seie, umständlich anzumerken.
[2, 17, § 2] 33. Nicht weniger hat das Gericht den Bedacht
darauf zu nehmen, damit, wann der Inhalt des eröffneten letzten Willens sich
auf Codicillen, Zetteln oder anderen Beilagen beziehen würde, welche zu Gericht
noch nicht erlediget worden wären, solche ehebaldigst erhoben, und zu
Gerichtshanden gebracht werden mögen.
[2, 17, § 2] 34. Nach eröffneten letzten Willen solle zwar
sogleich sowohl dem eingesetzten Erben seine Erbseinsetzung, als auch
Denenjenigen, welchen die Sorge der Beerdigung des Erblassers oblieget, das,
was derselbe wegen seiner Begräbniß und für seine Seele geordnet hat, bedeutet,
Keinem aber, wer er auch immer seie, auch nicht einmal dem Erben selbst den
Inhalt des letzten Willens einzusehen, oder Abschriften davon zu nehmen vor
dessen gerichtlicher Kundmachung zugelassen werden.
[2, 17, § 2] 35. Es haben dahero jene Gerichtspersonen,
welche den letzten Willen eröffnet (!), solchen an dem nächst darauf folgenden
Gerichtstag mit umständlicher Anzeige der von ihnen vorgenommenen Eröffnung bei
Gericht zu hinterlegen, wie auch ihren Bericht in dem Gerichtsbuch oder
Protokoll vormerken zu lassen.
§. III.
[2, 17, § 3] 36. Der solchergestalten bei Gericht
hinterlegte letzte Willen ist allda bis zu dessen erfolgender gerichtlicher
Kundmachung wohlverwahrlich aufzubehalten, dahingegen ist nicht allemal
nothwendig die Zeugen, welche den letzten Willen mit unterfertiget haben, zur
Anerkennung und Bewährung ihrer Handschrift und Petschaft vorzuberufen, sondern
dieses solle nur in folgenden zweien Fällen nöthig sein, als:
(2-348) [2, 17, § 3] 37. Erstens, wann ein gegründeter
Verdacht eines arglistig unterschobenen Testaments oder Codicills, oder einer
sonst dabei vorgegangenen Gefährde vorhanden ist, oder wo gerichtlich fündig
wäre, daß die Handschrift oder Petschaft nicht des Zeugens eigene Hand oder
Siegel seie, noch dabei mit eigener Hand angemerket worden, daß der Zeug in
Abgang des eigenen sich eines fremden Siegels bedienet habe.
[2, 17, § 3] 38. Zweitens, in dem Fall eines mündlich
erklärten letzten Willens, dessen Wesenheit und Giltigkeit einzig und allein
von der einstimmigen Aussage der Zeugen abhanget, folglich auch solche
nothwendig vor dessen Kundmachung allemal vorgehen muß, wie es oben in elften
Capitel, zweiten Artikel, §. VIII, verordnet worden.
[2, 17, § 3] 39. Außer diesen Fällen stehet allzeit die
rechtliche Vermuthung für die Wahrheit der eigenen Handschrift und Petschaft
der Zeugen, solange das Widerspiel nicht erwiesen wird, dessen Beweis aber
Jedermänniglichen, deme hieran gelegen ist, nach kundgemachten letzten Willen
in der unten §. V hierzu ausgesetzten Zeit auch allenfalls mit eidlicher
Abhörung der Zeugen zu verführen freistehet.
[2, 17, § 3] 40. Doch solle in keinem Fall denen Zeugen ihre
Vorladung und Bestellung zu Gericht zum Schaden und Nachtheil gereichen,
sondern wo sie in denen angezeigten zweien Fällen auf selbsteigene Veranlassung
des Gerichts einberufen werden, sind ihnen ihre erweislichen Versaumnissen und
Kosten aus der Verlassenschaft, widrigens aber von Jenem, welcher sie abhören
lässt, zu ersetzen.
§. IV.
[2, 17, § 4] 41. Die gerichtliche Kundmachung eines letzten
Willens solle derorten, wo solche über die gerichtliche Eröffnung nach
wohlhergebrachter Gewohnheit noch besonders erforderlich ist, längstens binnen
acht Tagen von dessen Einantwortung zu Gerichtshanden, oder da solcher schon
vorhero bei Gericht hinterleget gewesen wäre, von der erhaltenen Nachricht des
Absterbens des Erblassers, oder, da eben zu dieser Zeit Gerichtsferien
eingefallen wären, den nächsten Gerichtstag nach geendigten Ferien (es möge
solche verlanget werden oder nicht) vorgenommen, und
(2-349) unter keinerlei Vorwand der etwan dafür nicht
erlegten Gebühr weiter hinaus verschoben werden, sondern diese kann das Gericht
entweder sich aus der Verlassenschaft abziehen, oder die Einantwortung
derselben bis zu deren leistenden Erlag in Anstand lassen.
[2, 17, § 4] 42. Die Kundmachung aber hat also zu geschehen,
daß nach vorläufiger Vorladung der eingesetzten Erben, wann sie in diesem Ort
gegenwärtig sind, widrigens auch ohne deren Vorladung, an der gewöhnlichen
Gerichtsstelle bei offenen Thüren der ganze Inhalt des letzten Willens von Wort
zu Wort mit allseitigen Unterschriften des Erblassers und der Zeugen deutlich
und wohlverständlich vorgelesen, und dabei Jedermänniglichen solchen anzuhören
und zu vernehmen verstattet werde.
[2, 17, § 4] 43. Doch solle das Gericht vorhero wohl
untersuchen, ob der ihme zu Handen gekommene letzte Willen mit einem solchen
sichtbaren Mangel, welcher denselben ganz und gar entkräftete, behaftet seie
oder nicht; dann, wo dem Gericht ein derlei wesentliches Gebrechen in die Augen
fiele, ist dessen Kundmachung zu unterlassen, und ein dergleichen mangelhafter
letzter Willen für ungiltig und null und nichtig mit deutlicher Anerkennung der
Ursachen, warumen er nicht zu Recht bestehen könne, zu erklären, auch sofort
diese Erklärung Jenen, welche etwas daraus zu beziehen gehabt hätten, von
Gericht aus zu erinneren.
[2, 17, § 4] 44. Diese sichtbare Mängeln bestehen aber nur
allein in dem Gebrechen einer zwar äußerlichen, doch zur Giltigkeit des letzten
Willens von Unseren Gesetzen wesentlich vorgeschriebenen Eigenschaft, als da
die nach einer jeden Art letztwilliger Anordnungen erforderliche
Feierlichkeiten bei dem vorkommenden Aufsatz in seiner Art abgängig, oder
derselbe zerrissen oder durchschnitten, oder aber dessen Inhalt entweder ganz,
oder bei einem mit der codicillarischen Clausel nicht versehenen Testament die
Erbseinsetzung, als dessen wesentlicher Theil durchstrichen oder ausgelöschet
wäre.
[2, 17, § 4] 45. Nichtsdestoweniger solle Niemanden, deme
hieran gelegen ist, verwehret sein, einen solchen für null und nichtig
erklärten letzten Willen einzusehen und Abschriften davon zu erheben, noch
weniger, wann er sich durch die Nichtigkeitserklärung beschweret zu sein
findet, hierwegen in der gesetzten Zeit den ordentlichen Zug an den oberen
Richter zu nehmen.
[2, 17, § 4] 46. Würde aber der Richter zur Kundmachung
eines sichtbaren mangelhaften letzten Willens jegleichwohlen fürgeschritten
sein, trägt die Kundmachung zu dessen Giltigkeit nichts bei, sondern die
dagegen angebührende Behelfe können deme ohnerachtet in der hierzu
ausgemessenen Zeit bei Gericht angebracht werden, und wo sonach derselbe durch
Spruch und Urtheil wegen eines sichtbaren Mangels null und nichtig zu sein
erkennet würde, kann das Gericht nicht allein für dessen Kundmachung nichts
abforderen, sondern ist auch die etwan schon dafür abgenommene Gebühr
anwiederum zuruckzustellen schuldig.
[2, 17, § 4] 47. Wann mehrere Aufsätze eines letzten Willens
von einerlei Tag und von ganz gleichstimmigen Inhalt
vorkämen, ist an Kundmachung eines genug. Wo sie aber von unterschiedenen
Tägen, oder auch zwar alle von einem Tag, doch aber verschiedenen Inhalts
wären, so solle darauf gesehen werden, ob erstens der frühere durch den
späteren letzten Willen widerrufen und entkräftet werde, oder aber zweitens, ob
der Erblasser gewollt, daß beide miteinander bestehen sollen, oder drittens, ob
wenigstens aus dem späteren die Widerrufung und Aufhebung des früheren letzten
Willens nicht abzunehmen seie.
[2, 17, § 4] 48. In dem ersten Fall ist nur der spätere
letzte Willen allein kundzumachen, weilen durch diesen der frühere aufgehoben
und widerrufen worden, in dem zweiten und dritten Fall hingegen ist mit
Kundmachung alle Aufsätzen fürzugehen.
[2, 17, § 4] 49. Desgleichen, wo nebst einem Testament ein
oder mehrere Codicillen, Zetteln oder Beilagen, worauf sich in demselben
bezogen wird, vorhanden wären,
(2-350) sind auch alle auf gleiche Art kundzumachen, und stehet Jedermann frei, nach der Kundmachung die
letztwilligen Anordnungen auf geziemendes Ansuchen selbst einzusehen und
Abschriften davon zu nehmen.
[2, 17, § 4] 50. Das Gericht hat jedoch dabei acht zu
tragen, daß, wo in einer letztwilligen Anordnung etwas zu Jemandens
Beschimpfung, Schmähung oder Beleidigung enthalten wäre, solches nicht allein
nicht öffentlich mit abgelesen, noch weniger dessen Einsicht zugelassen, oder
in Abschrift herausgegeben, sondern auch aus dem übrigen Inhalt mit der
Vorsicht ausgelöschet werde, damit von den anderweiten Anordnungen nichts
durchstrichen werde. Nur allein die Enterbungsursachen nothwendiger Erben haben
also stehen zu bleiben, wie sie von dem Erblasser gefasset worden.
§. V.
[2, 17, § 5] 51. Sobald als ein letzter Willen auf
vorbeschriebene Art und Weis gerichtlich kundgemacht worden, ist solcher sofort
mit allen seinen darzu gehörigen Theilen, als Codicillen, Zetteln und Beilagen,
worauf sich derselbe beziehet, in die Landtafel, Stadt- oder eigends dazu
gewidmete Gerichtsbücher nach jeden Orts wohlhergebrachter Gewohnheit von Wort
zu Wort mit jedesmaliger Anmerkung des Tags, wann die Einschreibung geschehen,
einzutragen und einzuverleiben.
[2, 17, § 5] 52. Zu dem Ende sollen derorten, wo die
Einverleibung letztwilliger Anordnungen in besondere Bücher bis anhero nicht
gebräuchlich ware, von Zeit dieses Unseren eingeführten neuen Gesatzes eigene
Bücher hierzu bestimmet und gehalten werden.
[2, 17, § 5] 53. Von dem Tag dieser Einverleibung sind sechs
Wochen abzuwarten, ob sich nicht Jemand hervorthue, welcher den letzten Willen
anfechte, und einen Widerspruch darwider bei Gericht einbringe.
[2, 17, § 5] 54. Würde sich nun unter dieser Zeit über die
Giltigkeit und den Bestand des letzten Willens ein Rechtsstritt erheben, so ist
die Verlassenschaft bis zu dessen Austrag oder richterlichen Entscheidung dem
Erben nicht einzuantworten, sondern bis dahin in gerichtlichen Beschlag zu
halten.
[2, 17, § 5] 55. Woferne jedoch durch den Anspruch des
Klägers nicht die Giltigkeit des letzten Willens oder der Erbseinsetzung
angefochten, sondern nur etwan der Pflichttheil oder dessen Ergänzung, ohne
übrigens den letzten Willen selbst umstoßen zu wollen, anverlanget würde, so
ist nur so viel, als eingeklaget worden, in Beschlag zu nehmen, der Ueberrest
aber kann dem eingesetzten Erben nach Verlauf der sechs Wochen, wann die
Erbschaft von ihme angetreten worden, ausgefolget werden, insoweit nicht die
hervorgekommene Schulden und Vermächtnissen eine anderweite Vorsicht
erheischen.
(2-351) [2, 17, § 5] 56. Umsomehr solle in jenem Fall, da
unter dieser Zeit von sechs Wochen sich Niemand angemeldet, der wider den
letzten Willen etwas eingewendet hätte, und vorhero die Sicherheit der Schulden
und Vermächtnissen halber in der unten in einundzwanzigsten Capitel, §. VIII,
vorgeschriebenen Maß hergestellet sein würde, nach deren Verlauf denen
eingesetzten Erben auf ihr Verlangen nach angetretener Erbschaft die
Verlassenschaft ohne weiters eingeantwortet werden.
[2, 17, § 5] 57. Deme ohnerachtet aber bleibet
jegleichwohlen noch Jedermänniglichen, welcher wider den Bestand und die
Giltigkeit der letztwilligen Anordnung einen Widerspruch zu regen vermeinet,
sein Recht durch drei Jahr und achtzehn Wochen von dem Tag ihrer Einverleibung
bevor, um solchen binnen dieser Zeit der Ordnung nach bei Gericht dagegen
anbringen zu mögen.
[2, 17, § 5] 58. Nach Verlauf dieser drei Jahren und
achtzehn Wochen hingegen erwachset die letztwillige Anordnung in ihre volle
Rechtskräften, also daß nach dieser Zeit kein wie immer erdenklicher
Widerspruch darwider mehr zugelassen, sondern Alles, was dagegen auch mit Recht
einzuwenden gewesen wäre, gänzlich verschwiegen und verjähret sein solle.
§. VI.
[2, 17, § 6] 59. Gleichwie aber der Erb durch Einantwortung
der Erbschaft in den Genuß aller Erbvortheilen gesetzet wird, also ist er auch
dagegen verbunden, alle Erblasten nach Maß seines Erbtheils zu tragen, und dem
Willen des Erblassers auf das Genaueste nachzukommen.
[2, 17, § 6] 60. Zu dessen Erfüllung ihme außer jenen
Vermächtnissen, welche nach der oben in sechzehenten Capitel, dritten Artikel,
§. XXII, gleich nach eingetretener Erbschaft abzustatten sind, überhaupt ein
Jahr und sechs Wochen von dem Tag des Ablebens des Erblassers anberaumet sein
solle, wann in dem letzten Willen keine längere oder kürzere Zeitfrist
ausgemessen ist, oder der Erb sonst durch rechtmäßige Ehehaften hieran nicht
verhinderet wird.
[2, 17, § 6] 61. Würde sich aber derselbe hierinnen saumig
erzeigen, so solle das Gericht nicht nur allen Denenjenigen, welchen aus dem
letzten Willen etwas zuzukommen hat, auf ihr Anrufen wider ihn alle gebührende
Rechtshilfe und Beistand leisten, sondern auch von amtswegen den Bedacht
nehmen, damit nicht weniger all Jenes, so der Erblasser sonst geordnet hat, und
an sich unmittelbar zu Niemands Nutzen gereichet, erfüllet und in Vollzug
gebracht werde.
[2, 17, § 6] 62. Es hat solchemnach die von dem Erblasser
ernannte Vollstreckere seines letzten Willens zur Betreibung des Erbens mit
allem Ernst zu verhalten, und da seine ernennet worden wären, oder die
Ernannten sich dieses Auftrags entschlagen würden, einen Curatoren zu
bestellen, welcher die Erfüllung des letzten Willens sich alles Fleißes
angelegen halte.
[2, 17, § 6] 63. Inmittelst aber, und bis daß Jenes, was von
dem Erblasser geordnet worden, in gehörigen Vollzug gesetzet werde, hat das
Gericht von amtswegen die Sicherheit an der Verlassenschaft für so Vieles, als
zu dessen Bewirkung erforderlich, herzustellen.
(2-352) [2, 17, § 6] 64. Doch sind sowohl die Vollstreckere
des letzten Willens, als der allenfalls hierzu angestellte Curator schuldig,
die zu Bewerkstelligung des Angeordneten, es seie auf Anweisung des Erblassers
oder des Gerichts empfangene Kosten dem Erben ordentlich zu verrechnen, und wo
sie weniger ausgegeben, als empfangen haben, das Uebrige in die Verlassenschaft
zuruckzuzahlen, wann sie nicht ausdrücklich von dem Erblasser davon entbunden
worden.
[2, 17, § 6] 65. Gleichwie dagegen ihnen Dasjenige, was sie
über den angewiesenen Betrag nothwendiger Weise mehr ausgeleget zu haben
darthun würden, anwiederum von dem Erben vergütet, und überhaupt in Ansehung
ihrer ein Gleiches, wie bei allen Anderen, welche fremde Geschäften zu besorgen
haben, beobachtet werden muß.
Caput XVIII.
Von Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens.
Inhalt:
§. I. Von denen Gebrechen eines letzten Willens überhaupt.
§. II. Von Unbestand des letzten Willens wegen mangelhaften Anfangs. §. III.
Von Zerrüttung eines Anfangs giltigen Testaments in der Folge durch Nachgeburt
ehelicher Leibeserben. §. IV. Von dessen Zerrüttung durch Widerrufung und
Aenderung des Willens. §. V. Von der Art und Weis der Widerrufung. §. VI. Von
Entkräftung eines Anfangs giltigen Testaments aus nachherigen
Verlust des Rechts letztwillig zu ordnen. §. VII. Von
erblosen Testament. §. VIII. Von Erhaltung und Auslegung eines an sich
giltigen letzten Willens. §. IX. Von Wirkung der von dem Erblasser verhängten
Verlustigung dessen, was verschaffet worden, auf den Fall der Anfechtung seines
letzten Willens. §. X. Von denen in letzten Willen angeordneten
Straffälligkeiten.
§. I.
[2, 18, § 1] Num. 1. Letztwillige Geschäfte und Anordnungen
kommen nur damals zu ihrer Wirkung, wann sie zu Recht bestehen können;
unstatthafte hingegen sind, welche entweder schon Anfangs ungiltig waren, oder,
wann sie gleich Anfangs giltig und rechtmäßig gewesen, aus einem widrigen
Zufall nachhero entkräftet werden.
[2, 18, § 1] 2. Gleich Anfangs mangelhafte und ungiltige
werden nichtige, unvollkommene
(2-353) und widerrechtliche Testamenten genennet, dahingegen
werden Anfangs giltige Testamenten entweder durch das Recht selbst, oder durch
das Amt des Richters auf Anrufen des andurch verkürzten Theils aufgehoben und
umgestoßen.
[2, 18, § 1] 3. Durch das Recht selbst wird ein zu Anfang
giltiges und rechtsbeständiges Testament auf dreierlei Art aufgehoben, wann
nemlich dasselbe nachhero erstens zerrüttet, zweitens unkräftig, oder drittens
erblos wird.
[2, 18, § 1] 4. Zerrüttet wird ein Anfangs rechtmäßiges
Testament auf zweierlei Art, als erstens durch Nachgeburt eines oder mehrerer
eheleiblicher Kinder, deren darinnen nicht gedacht worden, und zweitens durch
Widerrufung und Aenderung des letzten Willens.
[2, 18, § 1] 5. Ungiltig wird ein Anfangs rechtsgiltiges
Testament, wann der Erblasser nach dessen Errichtung durch Verlust der Macht
unfähig wird, letztwillig zu ordnen.
[2, 18, § 1] 6. Erblos wird ein zwar an sich zu Recht
bestehen mögendes Testament, wann der darinnen eingesetzte Erb nicht will oder
nicht kann Erbe sein, entweder weilen er sich der Erbschaft freiwillig
entschlägt, oder zur Erbfolge unfähig oder zur Zeit des Absterbens des
Erblassers nicht mehr am Leben ist.
[2, 18, § 1] 7. Durch das richterliche Amt werden sonst an
sich giltige Testamenten entkräftet, wann von denen widerrechtlich enterbten
nothwendigen Erben die Klage der Unpflichtmäßigkeit dargegen erhoben wird.
[2, 18, § 1] 8. Von dieser letzteren Entkräftungsart aber
ist allschon oben in vierzehenten Capitel, §. VI, eigens gehandlet worden,
mithin werden hier nur die übrigen Arten in denen folgenden §§. erkläret, und
schließlichen sowohl die zu Erhaltung und Auslegung eines letzten Willens
dienliche Maßregeln, als auch die Wirkung deren in einem letzten Willen angeordneten
Verlustigungen und Straffälligkeiten beschrieben.
§. II.
[2, 18, § 2] 9. Gleich Anfangs ist ein Testament ungiltig
(welches auch in seiner Maß von Codicillen zu verstehen ist) aus dreierlei
Ursache, als erstens, wegen Mangels der Macht letztwillig zu ordnen, wann es
nemlich von Jemanden errichtet worden,
(2-354) welcher die Macht nicht gehabt hat, ein
letztwilliges Geschäft zu machen, und dieses wird eigentlich ein
widerrechtliches oder unbefugtes Testament genennet.
[2, 18, § 2] 10. Diese Macht letztwillig zu ordnen muß dem
Erblasser nicht allein zur Zeit der Errichtung des letzten Willens, als zu
welcher die Handlung ihren Anfang genommen, sondern auch zur Zeit seines Tods,
zu welcher die Handlung ihre Wirkung hat, zugestanden haben; welchen aber diese
Macht nicht gebühre, ist oben in elften Capitel, ersten Artikel, §. II,
gemeldet worden.
[2, 18, § 2] 11. Auf die Zwischenzeit hingegen ist nicht zu
sehen nöthig, sondern, wann der Erblasser die nach errichteten letzten Willen
verlorene Macht nachhero anwiederum vor seinem Tod erworben, bestehet
jegleichwohlen das Anfangs mit Fug und Recht gemachte letztwillige Geschäft
auch ohne neuer Willenserklärung.
[2, 18, § 2] 12. Da aber Derselbe solche vor seinem Tod
nicht mehr erlangen würde, bleibt das Testament unkräftig, von welchem Fall
unten in §. VI gehandlet werden wird, gleichwie dann auch ein zur Zeit
errichtetes Testament, zu welcher der Erblasser die Macht letztwillig zu ordnen
nicht gehabt hat, nicht mehr zu Kräften kommt, obschon er nachher vor seinem
Tod diese Macht erworben hätte, wann er nicht nach deren Erlangung bei diesem
seinem letzten Willen beharren zu wollen mit Beobachtung der vorgeschriebenen
Feierlichkeiten neuerdings erkläret.
[2, 18, § 2] 13. Zweitens, wegen Mangels des Willens oder
dessen genugsamer Erklärung ist ein Testament gleich Anfangs ungiltig, wann es
an dem Willen ein letztwilliges Geschäft zu machen, oder an dessen
hinlänglicher Erklärung gänzlich gebricht, und dieses heißet insonderheit ein
nichtiges Testament, obschon die Nichtigkeit überhaupt alle Gebrechen
letztwilliger Anordnungen, wegen welcher sie entweder gleich Anfangs ungiltig
sind, oder in der Folge ungiltig werden, in sich begreifet.
[2, 18, § 2] 14. Der gänzliche Abgang des Willens oder
dessen genugsamer Erklärung rühret von der Gemüthsentfernung oder Unmächtigkeit
der Sinnen des Erblassers her, diese möge nach mehreren Inhalt dessen, was
davon oben in elften Capitel, ersten Artikel, §. III, geordnet worden, offenbar
oder rechtlich vermuthet, und entweder aus einer wahren Verruckung der Sinnen,
oder aus Trunkenheit, Forcht, Schrecken, oder anderen allzu heftigen
Leidenschaften, welche den Verstand betäuben, entstanden sein.
[2, 18, § 2] 15. Wann es nun rechtsgenüglich erwiesen, oder
in Entstehung des Gegenbeweises rechtlich vermuthet wird, daß der Erblasser zur
Zeit des errichteten letzten Willens nicht bei Sinnen gewesen seie, oder ihme
der freie Willen ermanglet habe, ist solchen Falls das letztwillige Geschäft in
seinem ganzen Inhalt null und nichtig.
[2, 18, § 2] 16. Wäre aber der Abgang des Willens, oder der
Mangel genugsamer Erklärung nur in einem oder anderen Stuck des letztwilligen
Geschäfts, so vernichtet eine derlei Verwirrung, Zunöthigung, Betrug, List oder
Irrthum nur jenen Theil, welcher darmit behaftet ist, gleichwie der Mangel
einer genugsamen Erklärung nur denjenigen Theil des letztwilligen Geschäfts
nichtig macht, in wessen Ansehung der Willen des Erblassers nicht abgenommen
werden kann, nicht aber auch den übrigen Inhalt, woraus der freie und ernstliche
Willen des Erblassers verläßlich erhellet.
[2, 18, § 2] 17. Der anfängliche Abgang des Willens kann
eben so wenig, als der anfängliche Mangel der Macht letztwillig zu ordnen
nachhero ersetzet werden; sondern obgleich der Erblasser nachmals ohne Anwendung
der erforderlichen Feierlichkeiten seinen anfänglich mangelhaften letzten
Willen gutheißen würde, bleibt solcher jegleichwohlen nichtig, wann es zur Zeit
der Errichtung an dem Willen oder dessen genugsamer Erklärung gemanglet hat.
[2, 18, § 2] 18. Wann aber zur Zeit der Errichtung hieran
kein Mangel gewesen wäre, so schadet es der Giltigkeit des schon zu Stand
gebrachten letztwilligen Geschäfts
(2-355) nichts, obgleich der Erblasser nachhero in
Unmächtigkeit der Sinnen verfallen, oder seinen Willen ferners zu erklären
außer Stand gesetzet worden wäre.
[2, 18, § 2] 19. Umsoweniger kann ein Abgang des Willens
hieraus gefolgeret werden, wann der Erblasser das angefangene letztwillige
Geschäft in seinem ganzen Inhalt nicht vollendet hat, woferne es nur mit denen
nach seiner Art darzu erforderlichen Feierlichkeiten versehen ist.
[2, 18, § 2] 20. Also da er einen Theil seines letzten
Willens mit Beobachtung der nöthigen Feierlichkeiten schriftlich aufgesetzet
und den übrigen nachzutragen sich vorbehalten, solches aber nicht bewirket,
oder auch seinen letzten Willen vor denen Zeugen mündlich zu erklären
angefangen hätte, an dessen gänzlicher Vollendung aber durch den Tod,
zugestoßene Sprachlosigkeit oder Verruckung der Sinnen verhinderet worden wäre,
so solle nichtsdestoweniger so viel, als er von seinem letzten Willen
schriftlich oder mündlich eröffnet hat, und durch die mit denen erforderlichen
Feierlichkeiten versehene schriftliche Urkunde, oder durch die vorgeschriebene
Anzahl der Zeugen gerichtlich beglaubiget wird, in jener Art, deren
Feierlichkeiten darzu angewendet worden, allerdings bestehen.
[2, 18, § 2] 21. Drittens, wegen Abgangs der erforderlichen
Feierlichkeiten ist ein letztwilliges Geschäft gleich Anfangs ungiltig, wann
dabei nicht alle nach Unterschied jedweder Gattung vorgeschriebene
Feierlichkeiten beobachtet worden, und dieses wird eigentlich ein
unvollkommenes Testament genennet.
[2, 18, § 2] 22. Die abgängigen Feierlichkeiten können zwar
nicht mehr nachgetragen werden, doch kommt ein solches mangelhaftes Testament
als ein neu errichtetes zu Kräften, sobald nachmals alle Feierlichkeiten mit
Macht und Willen hinzutreten.
[2, 18, § 2] 23. Widerrechtliche, oder unbefugte und
nichtige Testamenten, wobei es entweder an der Macht oder an dem Willen
manglet, bleiben durchaus ungiltig, und können in keiner wie immer Namen
habenden Art bestehen, wann gleich die codicillarische Clausel beigesetzet
wäre, wovon jedoch die alleinige letztwillige Anordnungen zum Tod verurtheilter
und ehrloser Leuten ausgenommen sind, welche jegleichwohlen in der oben in
eilften Capitel, ersten Artikel, §. II, von num. 19 bis 21 bestimmten Maß kraft
der codicillarischen Clausel als minderfeierliche letztwillige Geschäfte
erhalten werden können.
[2, 18, § 2] 24. Dahingegen bestehen unvollkommene
Testamenten, welche wegen Abgangs der Feierlichkeiten in ihrer Art ungiltig
sind, nichtsdestoweniger noch in einer anderen minder feierlichen Art, mit
deren Feierlichkeiten sie versehen sind, oder auch als ein Codicill, wann in
Hinzutretung deren darzu nöthigen Feierlichkeiten die codicillarische Clausel
beigesetzet ist.
[2, 18, § 2] 25. Also ist ein Testament ohne der Einsetzung
eines Erbens, oder worinnen die Notherben vorbeigegangen worden, wegen Abgangs
der wesentlichen Feierlichkeit an sich ganz unvollkommen; wann aber demselben
die codicillarische Clausel beigefüget worden, bestehet es jegleichwohlen noch
als ein Codicill, insoferne in dem letzteren Fall nicht erweislich ist, daß der
Erblasser Notherben zu haben nicht gewußt, oder aus Irrthum sie für verstorben
gehalten habe.
[2, 18, § 2] 26. Wir wollen aber noch weiters auch ohne
Rucksicht auf die codicillarische Clausel jene Testamenten, welche wegen
gänzlicher Vorbeigehung nothwendiger Erben anfangs ungiltig sind, damals zu
ihren vollen Kräften kommen lassen, wann die darinnen vorbeigegangene Notherben
entweder vor dem Erblasser verstorben, und also zur Zeit seines Todes nicht
mehr vorhanden sind, oder sich bei seinen Lebzeiten durch ordentliche Verzicht
ihres Erbrechts begeben, oder sich nach seinem Tod der Erbschaft freiwillig
entschlagen haben.
(2-356) §. III.
[2, 18, § 3] 27. Anfangs giltige, und zu Recht bestehende
Testamenten werden in der Folge auf zweierlei Art zerrüttet, als erstens durch
Nachgeburt ehelicher Leibeserben, wann dem Erblasser nach schon verfertigten
Testament, es seie noch bei seinen Lebzeiten, oder nach seinem Tod, ein Kind
ehelich geboren wird, wessen darinnen gar nicht gedacht worden.
[2, 18, § 3] 28. Es wird aber darzu erforderet, daß ein
solches ehelich nachgebornes Kind zur rechten Zeit, lebendig, in menschlicher
Gestalt zur Welt komme, und noch bei Absterben des Erblassers am Leben seie,
welches in dem Testament mit nichts bedacht worden.
[2, 18, § 3] 29. Für die rechte Zeit ehelicher Geburt solle
geachtet werden, wann ein Kind in dem siebenten Monat nach angetretener Ehe,
und längstens in dem zehenten Monat nach des Vaters Tod, oder von seiner
Abwesenheit zu rechnen, geboren wird.
[2, 18, § 3] 30. Dahingegen hat Jener, welcher vor dem
siebenten Monat nach Antritt der Ehe, oder nach dem zehenten von des Vaters Tod
oder Abwesenheit geboren worden, die Vermuthung wider sich, daß er nicht
ehelich erzeuget worden.
[2, 18, § 3] 31. Das nach der Geburt gehabte Leben muß aus
unfehlbaren Kennzeichen erhellen, und ist in dem Fall, wann das Kind nach dem
Tod des Erblassers geboren wird, an deme genug, wann es auch nur einen
Augenblick nach der Geburt
(2-357) gelebet hat, und mit der menschlichen Gestalt
begabet ware; wo aber des Lebens oder der Gestalt halber ein Zweifel
fürwaltete, da ist dem Urtheil der Aerzten zu folgen.
[2, 18, § 3] 32. Wohingegen in dem anderen Fall, wo das Kind
noch bei Lebzeiten des Erblassers geboren worden wäre, über das erforderet
wird, daß es auch denselben, obschon nur einen Augenblick überlebe, widrigens
wo es vor seiner verstürbe, bleibt das Testament bei Kräften.
[2, 18, § 3] 33. Es muß jedoch des Nachgebornen in dem
Testament gar nicht, und weder für sich insonderheit, noch überhaupt gedacht,
folglich derselbe weder zum Erben miteingesetztet, noch ihme etwas vermacht
worden sein, wann durch seine Geburt das vorhin verfertigte Testament zerrüttet
werden solle.
[2, 18, § 3] 34. Woferne demnach derselbe darinnen
namentlich bedacht worden, kann er über keine Vorbeigehung klagen, und da der Erblasser
in solchem aller seiner Kinder oder Absteigenden überhaupt gedacht hätte, ohne
deren jeden insonderheit zu benennen, ist der Nachgeborne auch mit darunter
begriffen, folglich bestehet das Testament, obschon ihme nicht verwehret ist,
wann er an seinem Pflichttheil verkürzet worden, so ein als anderen Falls
dessen Ergänzung anzusuchen.
[2, 18, § 3] 35. Widrigens, und da der Nachgeborne, dessen
Geburt alle vorerwähnte Erfordernissen hat, in dem Testament mit nichts bedacht
worden, wird dasselbe sammt denen anbei errichteten Codicillen gänzlich und
dergestalten zerrüttet, daß nicht einmal die Vermächtnissen hieraus gebühren,
und nichts von allem deme, was immer der Erblasser in einen solchen Testament
und Codicillen geordnet, die mindeste Kraft und Bündigkeit habe.
[2, 18, § 3] 36. Nur die codicillarische Clausel allein, wo
sie einem solchen Testament beigefüget ist, erhält dasselbe als einen Codicill
sammt denen miterrichteten Codicillen in Ansehung jener Anordnungen, welche
sonst in einem Codicill zu machen erlaubet sind, und dieses zwar in dem
einzigen Fall, wann der eheliche Leibeserb noch bei Lebzeiten des Erblassers
geboren worden, und dagegen nicht erwiesen werden kann, daß er von dessen
Geburt nichts gewußt, oder damals seinen Willen zu änderen und zu widerrufen
nicht mehr im Stande ware.
[2, 18, § 3] 37. Wo aber der eheliche Leibeserbe erst nach
dem Tod des Erblassers geboren worden oder erweislich wäre, daß der Erblasser
von seiner Geburt nichts gewußt, oder nach derselben sich nicht mehr im Stande
befunden, seinen Willen zu änderen, in solchen Fällen hat die codicillarische
Clausel gar keine Wirkung, sondern das Testament wird sammt denen mit demselben
errichteten Codicillen in allem seinen Inhalt gänzlich vernichtet.
[2, 18, § 3] 38. Belangend hingegen jene Codicillen, welche
ohne einem Testament für sich selbst errichtet worden, diese werden durch die
Nachgeburt eines ehelichen Leibeserbens keineswegs zerrüttet, sondern, wer
immer nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft gelanget ist das
darinnen Angeordnete zur befolgen schuldig, insoweit der Pflichttheil andurch
nicht verkürzet wird.
[2, 18, § 3] 39. Was von der Nachgeburt eines ehelichen
Leibeserben geordnet worden, hat auch in allen ähnlichen Fällen statt, wann
Derjenige, welcher zur Zeit des errichteten Testaments nicht der nächste
Notherb gewesen, er möge vor oder nach demselben geboren sein, nachhero der
Nächste wird, und in dem Testament gar nicht bedacht worden.
[2, 18, § 3] 40. Dieses kann sich sowohl in der absteigenden
als aufsteigenden Reihe oder Linie ergeben. In der absteigende, wann z. B. vor
einem vorgestorbenen Sohn oder Tochter Enkel vorhanden sind (sie mögen bei
Lebzeiten des Erblassers schon geboren sein, oder nach seinem Tod geboren
werden), deren Vater oder Mutter in dem Testament gar nicht bedacht worden,
widrigens, und da diese bedacht worden wären, wird das Testament durch ihr
Vorsterben nicht zerrüttet, sondern die Kinder der Bedachten treten in das
Recht und an die Stelle ihrer Eltern ein.
(2-358) [2, 18, § 3] 41. In der aufsteigenden hingegen, wann
entweder nach Vorsterben der Absteigenden ein aufsteigender Notherb des
Erblassers vorhanden ist, oder auch in Ermanglung der Absteigenden ein
Aufsteigender, welcher zur Zeit des errichteten Testaments nicht der Nächste
ware, nachher durch Vorsterben des Näheren der Nächste wird, dessen in dem
Testament nicht gedacht worden.
[2, 18, § 3] 42. Eine ganz gleiche Wirkung, welche der
Nachgeburt ehelicher Leibeserben von Unseren Gesetzen zugeeignet wird, hat auch
die Rechtmäßigung unehelich erzeugter Kinder durch die nachgefolgte Ehe, also
daß nicht weniger durch diese wie durch jene, das vorhin errichtete Testament
ihrer Aufsteigenden, deren nächste Notherben sie werden, in der oben erklärten
Maß zerrüttet werde.
[2, 18, § 3] 43. Jene Rechtmäßigung hingegen, welche aus
Unserer Machtsvollkommenheit unehelichen Kindern ertheilet wird, hat diese
Wirkung nicht, außer insoferne in Unserem Rechtsmäßigungsbrief einem solchen
rechtmäßig gemachten Kind das Erbfolgrecht nach dem hierum einkommenden
Elterntheil wortdeutlich verliehen wird.
[2, 18, § 3] 44. Noch viel weniger hat die Annehmung oder
Anwünschung an Kindesstatt die Kraft, ein vorhin ordentlich errichtetes
Testament zu zerrütten, sondern ein Wahlkind hat sich nach Maßgebung dessen,
was davon in ersten Theil in der Abhandlung von der väterlichen Gewalt
vorgesehen worden, lediglich mit demjenigen Antheil zu begnügen, welcher ihme
aus dem Vermögen des Wahlvaters ausgemessen worden.
§. IV.
[2, 18, § 4] 45. Die zweite Art, wodurch Anfangs giltige und
zu Recht bestehende letztwillige Anordnungen in der Folge zerrüttet werden, ist
die Widerrufung und Aenderung des Willens des Erblassers.
[2, 18, § 4] 46. Dann keinerlei letztwillige Anordnung ist
vor dem Tod des Erblassers von einiger Kraft und Wirkung, sondern gegentheils
hat Jedermänniglich bis zu dem letzten Augenblick seines Lebens vollkommene
Macht und Freiheit, seinen Willen zu änderen und zu widerrufen, er möge sich
diese Freiheit vorbehalten oder nicht, oder wohl gar sich derselben durch
Verzicht, Vertrag oder Vergleich begeben, und dabei mit noch so bündigen
Ausdrücken erkläret haben, daß dieser sein letzter Willen unverbrüchlich
gehalten, und alle spätere Willensänderung oder Widerrufung ungiltig und
nichtig sein solle.
[2, 18, § 4] 47. Vielmehr sind alle wie immer lautende
Verzichten auf die künftige Widerrufung und Willensänderung, oder auch über die
künftige Erbschaft mit anderen eingegangene Verträge und Vergleiche, welche auf
die Ausschließung und Begebung dieser natürlichen Freiheit unmittelbar
abzielen, ganz und gar ungiltig, und null und nichtig.
[2, 18, § 4] 48. Es seie dann, daß durch derlei Verträge und
Vergleiche dem Anderen schon bei Lebszeiten des Erblassers auf dessen Vermögen
ganz oder zum Theil durch Handlungen unter Lebenden, als durch Schankungen,
Verschreibungen oder Contracten
(2-359) ein Recht erworben worden, welchen Falls sich von
selbsten verstehet, daß der Erblasser über Jenes, was er bereits bei seinen
Lebzeiten an Andere übertragen hat, nicht mehr anderst zu ordnen vermöge.
[2, 18, § 4] 49. Außerdeme stehet Jedermann frei, seinen
Willen, wann und wie er will, nach Gefallen zu änderen, wann gleich dieser zu
Unserem selbsteigenen Vortheil oder zum Nutzen des gemeinen Wesens, oder zu was
immer für milden Sachen gemeinet gewesen wäre.
[2, 18, § 4] 50. Doch muß der Erblasser zur Zeit seiner
Willensänderung des freien Willens fähig sein; dahero können Jene, welche nach
der Zeit in eine Blödsinnigkeit oder Wahnwitz verfallen, oder sich durch
Ablegung feierlicher Ordensgelübden einem geistlichen Klosterstand gewidmet
haben, ihren vorhin errichteten letzten Willen nicht mehr änderen, weilen sie
eben andurch des freien und eigenen Willens unfähig werden.
§. V.
[2, 18, § 5] 51. So wenig Wir aber Jemanden die Freiheit
seinen letzten Willen nach Gefallen zu änderen und zu widerrufen auch in
mindesten zu beschränken gemeinet sind, so sehr finden Wir gegentheils
nothwendig die Art und Weis, wie ein letzter Willen rechtsbeständig geänderet
und widerrufen werden könne, zu Hintanhaltung aller dabei unterlaufen mögender
Gefährde und Arglist hiermit gesatzgebig zu bestimmen.
[2, 18, § 5] 52. Diesemnach solle die Widerrufung und
Aufhebung eines errichteten letztwilligen Geschäfts nicht anderst, als durch
eine spätere rechtsgiltige letztwillige Anordnung, oder wo solche außer
derselben durch Worte oder eine That des Erblassers, woraus sein widriger
Willen ohnfehlbar geschlossen werden mag, geäußeret werden wollte, nur allein
mit Beobachtung der hiernach vorgeschriebenen Erfordernissen geschehen können.
[2, 18, § 5] 53. Durch ein späteres Testament wird das
frühere gänzlich zerrüttet und aufgehoben, obschon in dem letzteren des
früheren gar nicht gedacht, noch auch von dem Erblasser dasselbe aufheben zu
wollen ausgedrucket worden wäre.
[2, 18, § 5] 54. Es hätte dann der Erblasser in dem später
errichteten sich auf das frühere ausdrücklich berufen, und dabei deutlich
erkläret, daß beide bestehen sollen, welchen Falls sowohl dasjenige, worauf
sich bezogen wird, als das andere, welches sich auf das erstere beziehet,
zusammen für ein einziges Testament zu halten sind, mithin auch eines durch das
andere nicht aufgehoben wird, insoweit beide miteinander bestehen können.
[2, 18, § 5] 55. Sie können aber nur soweit zusammen
bestehen, insoferne sie einander nicht widersprechen, widrigens, und da der
Inhalt des einen dem Inhalt des
(2-360) anderen widerspricht, als da z. B. der in dem ersten
Testament eingesetzte Erb in dem anderen von der Erbschaft namentlich
ausgeschlossen würde, wird derjenige Punkt , in welchem der Widerspruch
obwaltet, aufgehoben, und der übrige Inhalt des ersten Testaments aus dem
ausdrücklichen Willen des Erblassers, welcher beide zusammen bestehen lassen
will, erhalten.
[2, 18, § 5] 56. Wann hingegen sich zwischen beiden kein
offenbarer Widerspruch zeiget, und doch der Willen des Erblassers ausdrücklich
dahin gehet, daß beide bestehen sollen, so müssen sie auch, so viel es möglich,
dergestalten vereinbaret und verstanden werden, damit beide zur Wirkung kommen.
[2, 18, § 5] 57. Also da in solchem Fall in dem früheren
Testament ein Anderer, und in dem letzteren wiederum ein Anderer zu Erben
eingesetztet worden wären, ist der Eine ein Miterb des Anderen, und gelangen
Beide gleichsam aus einem einzigen Testament entweder zu gleichen oder zu
ungleichen Theilen zur Erbschaft, nachdeme von dem Erblasser die Theile
angewiesen worden oder nicht.
[2, 18, § 5] 58. Damit aber ein früheres Testament durch das
spätere aufgehoben werde, muß dieses letztere rechtsgiltig sein, und dabei kein
Mangel an der Macht letztwillig zu ordnen, weder an dem freien Willen des
Erblassers, noch an denen in seiner Art darzu erforderlichen Feierlichkeiten
unterwalten. Wo demnach das spätere Testament wegen Abgangs einer oder der
anderen dieser wesentlichen Erfordernissen ungiltig
wäre, wird das frühere Testament andurch nicht zerrüttet und aufgehoben.
[2, 18, § 5] 59. Doch ist nicht nöthig, daß das spätere
Testament eben so feierlich seie, wie das frühere, sondern auch ein vorhin
feierlich errichtetes wird durch ein späteres minder feierliches zerrüttet und
aufgehoben, wann dieses nur mit denen in seiner Art erforderlichen
Feierlichkeiten versehen ist.
[2, 18, § 5] 60. Diese Kraft haben aber die Codicillen
nicht, daß anmit das früher errichtete Testament aufgehoben und zerrüttet
werde, maßen in solchen weder eine Erbschaft gegeben, noch benommen werden
kann.
[2, 18, § 5] 61. Sie bestehen demnach nicht allein mit dem
vorhergegangenen Testament, sondern auch mit anderen vor oder darnach
errichteten Codicillen, obgleich der Erblasser nicht ausgedrucket hätte, daß
alle zusammen bestehen sollen. Doch können die in dem früheren Testament oder
Codicillen enthaltene Vermächtnissen und andere keinen allgemeinen Begriff der
Erbschaft betreffende Anordnungen in denen späteren Codicillen widerrufen
werden.
[2, 18, § 5] 62. Dahingegen werden die mit einem früheren
Testament errichtete Codicillen durch ein späteres rechtsgiltiges Testament
zerrüttet und aufgehoben, wann solche darinnen nicht namentlich bestätiget
werden; wo aber Codicillen ohne einem vorherigen Testament errichtet worden,
werden solche durch das nachfolgende Testament nicht anderst aufgehoben, als
wann sie darinnen ausdrücklich widerrufen werden.
[2, 18, § 5] 63. Ein durch die spätere letztwillige
Anordnung zerrüttetes Testament kommt nicht mehr zu Kräften, obgleich das
spätere Testament nachhero zerrüttet, unkräftig oder erblos würde.
[2, 18, § 5] 64. Es seie dann, daß entweder der Erblasser
durch eine neue Willenserklärung, welche in ihrer Art alle erforderliche
Feierlichkeiten hat, das erstere anwiederum ausdrücklich bestätigen würde, oder
diese seine Willensmeinung, daß das erste gelten solle, aus untrüglichen
Kennzeichen ohnfehlbar geschlossen werden können.
[2, 18, § 5] 65. Diese Kennzeichen sind, wann der Erblasser
das spätere Testament vernichtet oder zerreißt, und das erstere nach seinem Tod
unverletzt gefunden wird, oder wann derselbe durch erweislichen Betrug, List,
Zwang wessentwegen das spätere Testament ungiltig wäre, zu seiner
Willensänderung verleitet worden, oder endlich, wann er die Endursache, wegen
welcher er seine erste Anordnung widerrufen und aufgehoben, in dem späteren
Testament ausgedrucket, und diese nachher falsch zu sein befunden würde.
[2, 18, § 5] 66. Ohne einem späteren
Testament kann ein letzter Willen entweder mit
(2-361) Worten, oder mit einer That des Erblassers, welche
seinen widrigen Willen anzeiget, widerrufen und aufgehoben werden.
[2, 18, § 5] 67. Wo die Widerrufung mündlich oder
schriftlich geschieht, muß sie allemal mit eben so vieler Beglaubigung
begleitet sein, als zu Errichtung einer letztwilligen Anordnung in ihrer Art
erforderlich ist.
[2, 18, § 5] 68. Ein Testament, oder die in demselben
enthaltene Erbseinsetzung kann demnach mit nicht wenigerer Beglaubigung
widerrufen werden, als zu dessen Errichtung und zu denen einen allgemeinen
Begriff der Erbschaft betreffenden Anordnungen vorgeschrieben wird; dahingegen
ist zur Widerrufung der Codicillen Vermächtnissen und anderer auf das Erbrecht
nicht abgesehenen Anordnungen keine mehrere Beglaubigung nöthig, als zu
Erprobung des widrigen Willens genug ist.
[2, 18, § 5] 69. Durch die selbsteigene That des Erblassers
wird ein letztwilliges Geschäft widerrufen, wann er solches mit Willen und
Vorsatz es aufzuheben zerreißet, auslöschet, durchstreichet oder sonst
vernichtet, oder durch jemand Anderen auf sein Geheiß und Befehl vernichten
läßt, obschon das Durchstrichene oder Ausgelöschte noch lesbar geblieben wäre.
[2, 18, § 5] 70. Dieser Willen und Vorsatz des Erblasses
wird zwar allemal vermuthet, wo ein zerissener, ausgelöschter oder
durchstrichener letzter Willen vorgefunden wird, doch stehet denen darinnen
Bedachten frei, das Widerspiel zu erweisen, wann sie mit dem Beweis aufzukommen
im Stand sind.
[2, 18, § 5] 71. Durch die Zerreißung, Auslöschung und
Durchstreichung wird nicht allein eine schriftliche letztwillige Anordnung,
sondern auch ein mündlich erklärtes Testament oder Codicill widerrufen und
aufgehoben, wann dieses von denen Zeugen in eine schriftliche Urkunde verfasset,
und diese nachhero von dem Erblasser zerrissen, durchstrichen oder ausgelöschet
worden.
[2, 18, § 5] 72. Nicht aber eine jede Auslöschung oder
Durchstreichung zerrüttet die ganze letztwillige Anordnung, sondern wo das
ganze Testament oder Codicill andurch aufgehoben sein solle, muß auch dessen
ganzer Inhalt, oder doch dessen wesentliche Feierlichkeit, als da ist die
Unterschrift des Erblassers und der Zeugen, oder in einem Testament die
Erbseinsetzung durchstrichen und ausgelöschet sein.
[2, 18, § 5] 73. Widrigens ist nur so viel widerrufen, als
ausgelöschet oder durchstrichen worden, das Uebrige aber bleibet bei Kräften,
und wann gleich in einem mit der codicillarischen Clausel versehenen Testament
die Namen aller Erben ausgelöschet, und somit die ganze Erbseinsetzung
aufgehoben worden wäre, ohne daß ein späteres Testament errichtet würde,
bestehen jegleichwohlen die Vermächtnissen und andere Anordnungen, welche in
Codicillen zu machen verstattet ist.
[2, 18, § 5] 74. Umsoweniger schadet die Auslöschung des einen
Erben denen übrigen Miteingesetzten, sondern diese gelangen deme ohnerachtet zu
denen ihnen zugedachten Erbtheilen.
[2, 18, § 5] 75. Wann von einem Testament oder Codicill
mehrere ganz gleichlautende mit denen erforderlichen Feierlichkeiten versehene
Aufsätze vorhanden sind, deren einige von dem Erblasser zerrissen, ausgelöschet
oder durchstrichen, andere aber, oder auch nur einer davon ganz und unverletzt
nachgelassen worden, wird nichtsdestoweniger das letztwillige Geschäft bei
Kräften erhalten.
[2, 18, § 5] 76. Es könnte dann in andere Wege
rechtsbeständig dagegen dargethan werden, daß die Vernichtung einiger
gleichlautender Aufsätzen einzig und allein in der Absicht und mit Willen das
Testament oder Codicill aufzuheben geschehen seie.
[2, 18, § 5] 77. Desgleichen kann aus der alleinigen
Entsieglung oder Eröffnung eines verschlossen gewesten letztwilligen Geschäfts,
oder aus dessen Abforderung und Erhebung von danne, wo es hinterleget ware,
keine Willensänderung geschlossen werden, wann solche anderer Gestalt nicht
erweislich ist, und die entsieglete oder zu sich genommene Urkunde nach dem Tod
des Erblassers ganz und unversehrt gefunden wird.
(2-362) [2, 18, § 5] 78. Noch weniger wird ein letztwilliges
Geschäft an sich selbst durch die Veräußerung oder Verminderung des Vermögens,
diese geschehe von dem Erblasser nothgedrungen oder geflissentlich, widerrufen
und aufgehoben, obschon dessen Wirkung vereitlet wird, wann nichts übrig
bleibt, woran die Erbschaft bestehen könne. Ein Anderes aber hat bei anderen
Vermächtnissen statt, maßen diese durch Veräußerung der vermachten Sache
widerrufen werden, wie es oben in sechzehenten Capitel, vierten Artikel, §.
XXIX, erkläret worden.
[2, 18, § 5] 79. Würde hingegen in einem Testament oder
Codicill sich anstatt des Ausgelöschten oder Durchstrichenen etwas Anderes
darüber oder darunter, oder auch auf der Seiten geschrieben finden, so ist zu
unterscheiden, ob es des Erblassers eigene ungezweiflete Handschrift seie oder
nicht.
[2, 18, § 5] 80. Was nicht mit des Erblassers eigener
Handschrift geschrieben worden, hat nicht die mindeste Giltigkeit, sondern
wirket gegentheils die Vermuthung wider die Auslöschung selbst, daß solche
nicht mit Willen und Wissen des Erblassers geschehen sei, wann nicht entweder
durch die erforderliche Anzahl der Zeugen, oder durch des Erblassers
eigenhändigen Anmerkung bestätiget wird, daß die Auslöschung und Zuschreibung
auf sein Geheiß geschehen.
[2, 18, § 5] 81. Was aber mit ungezweifleter eigener
Handschrift des Erblassers darzu geschrieben worden, ist allerdings giltig,
wann nur das letztwillige Geschäft diejenige Feierlichkeit hat, welche nach
Gestalt des Beisatzes in seiner Art erforderet werden.
[2, 18, § 5] 82. Es wäre dann dagegen erweislich, daß es an
dem freien Willen des Erblassers gemanglet habe, und derselbe zu diesem Beisatz
durch Betrug, List, Zwang oder Irrthum verleitet worden seie.
[2, 18, § 5] 83. Woferne hingegen ein Testament oder
Codicill ohne Willen und Vorsatz des Erblassers, sonder von Ohngefähr ganz oder
zum Theil zerrissen, durchschnitten, ausgelöschet oder sonst verletztet, oder
auch gar verbrennet oder auf andere Weise vertilget worden, bestehet der letzte
Willen nichtsdestoweniger in seinem ganzen Inhalt, wann dieser entweder annoch
leserlich, und die Handschrift und Botschaft des Erblassers und der Zeugen
kenntlich ist, oder durch die dabei geweste Zeugen ausgesaget und beglaubiget
werden kann.
[2, 18, § 5] 84. Falls aber der letzte Willen weder aus der
unleslich gemachten Urkunde, noch auch aus der Aussage der Zeugen genugsam und
ungezweifelt erwiesen werden mag, so kann auch derselbe, obschon er an sich
rechtsgiltig wäre, wegen Mangel des Beweises nicht bestehen, und ist für gar
nicht errichtet zu achten.
§. VI.
[2, 18, § 6] 85. Unkräftig werden Anfangs giltige letztwillige
Anordnungen, wann der Erblasser vor seinem Tod die Macht letztwillig zu ordnen
aus seiner Schuld verlieret, welches in allen denenjenigen Fällen geschieht,
wann er in einem solchen Stand versetzet wird, worinnen er nach Maßgab dessen,
was davon in eilften
(2-363) Capitel, ersten Artikel, §. II, geordnet worden,
gleich Anfangs kein rechtsgiltiges Testament oder Codicill hätte errichten
können.
[2, 18, § 6] 86. Dieses kann sich aus mehrerlei Ursachen
ergeben, als da der Erblasser erstens für einen Verschwender gerichtlich
erkläret, zweitens einer Missethat, worauf die Einziehung aller Güter gesetzet
ist, schuldig erkennet, drittens zum Tod verurtheilet, viertens durch
richterlichen Spruch und Urtheil für erblos erkläret würde, oder endlich
fünftens derselbe sich wegen erweislichen bösen Gewissens aus Forcht der Strafe
selbst entleibet hätte.
[2, 18, § 6] 87. In allen diesen Fällen verlieret der vorhin
rechtsgiltig errichtete letzte Wille alle seine Kraft und Wirkung, und wird
dergestalten vernichtet, als ob solcher niemalen zu Stand gekommen wäre,
folglich gelanget auch die Erbschaft außer dem Fall, wo der Erblasser all sein
Hab und Gut verwirket hätte, nicht auf die eingesetzten, sondern auf die nach
Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretende nächste Erben.
[2, 18, § 6] 88. Doch sind davon sowohl die vorhin
errichtete minderfeierliche letztwillige Anordnungen, als auch die feierliche
Testamenten der zum Tod verurtheilten oder ehrlosen Leuten, wann diese letztere
mit der codicillarischen Clausel versehen sind, insoweit ausgenommen, daß diese
in Kraft dieser Clausel als Codicillen, wie jene an sich selbst für denjenigen
Antheil des Vermögens bestehen, worüber denenselben minder feierlich zu ordnen
nach der an obangeführter Stelle enthaltenen Ausmessung verstattet wird.
[2, 18, § 6] 89. Auch daueret diese Entkräftung
letztwilliger Anordnungen nur für die Zeit der fürwährenden Hinderniß, also
zwar, daß wo solche bei gerichtlich erklärten Verschwendern nach wieder
eingeraumten freien Schalt- und Waltung mit ihrem Gut, oder bei zum Tod
verurtheilten Uebelthätern und ehrlosen Leuten durch die erfolgte Begnadigung
und Wiederherstellung zu vorigen Ehren aufhöret, der vorhin zur Zeit der
Fähigkeit errichtete letzte Willen von selbsten ohne einer neuen Willenserklärung
anwiederum zu Kräften komme.
[2, 18, § 6] 90. Und es ist nicht darauf zu sehen, ob der
Erblasser in der Zwischenzeit seiner Unfähigkeit solchen seinen letzten Willen
geänderet oder widerrufen habe, maßen er damals so wenig Macht hat, einen
ordentlich errichteten letzten Willen zu widerrufen, als ein dergleichen zu
Stand zu bringen, sondern es solle an deme genug sein, daß nach seinem Tod die
Anfangs rechtsgiltig errichtete letztwillige Anordnung ganz und unversehrt
gefunden, und solche zur Zeit, als er die Macht anwiederum erworben, von ihme
nicht widerrufen worden.
§. VII.
[2, 18, § 7] 91. Erblos werden Anfangs zu Recht bestehende
Testamenten, wann die darinnen geordnete Erbseinsetzung gänzlich unwirksam
wird, also daß Niemand aus einem solchen Testament Erb seie, welches damals
geschieht, wann der Eingesetzte nicht kann oder nicht will Erbe sein, und auf
diesen Fall entweder von dem Erblasser gar keine After-Erbseinsetzung gemacht
worden, oder wann auch diese
(2-364) vorgesehen wäre, jedennoch der nachberufene zweite
Erb gleichfalls nicht Erb sein könnte oder wollte.
[2, 18, § 7] 92. Nicht kann er Erb sein, wann er vor dem
Erblasser verstorben, oder die ihme beigesetzte Bedingniß, unter welcher, und
nicht anderst derselbe zum Erben eingesetzet worden, ermanglet, oder wann er
zur Zeit des Todes des Erblassers erbsunfähig ist, oder sich der Erbfolge
unwürdig gemacht hat.
[2, 18, § 7] 93. Nicht will er Erbe sein, wann er sich der
Erbschaft entweder ausdrücklich oder durch die in der ausgesetzten Zeit verabsaumte
Erbserklärung stillschweigend entschlaget, wie alles dieses bereits oben in
dreizehenten Capitel, ersten Artikel, §. II, num. 43 und 44 bemerket worden.
[2, 18, § 7] 94. In Fällen der Unvermögenheit zur Erbschaft
zu gelangen wird durch die Erblosigkeit nicht allein die Erbseinsetzung,
sondern auch das ganze Testament sammt denen mit demselben bestehenden
Codicillen dergestalten völlig entkräftet, daß weder die Vermächtnissen hieraus
gebühren, sondern die ganze Verlassenschaft denen nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge eintretenden nächsten Erben zufalle.
[2, 18, § 7] 95. Es wäre dann das Testament mit der
codicillarischen Clausel verwahret, welche so viel wirket, daß die sowohl in
einem solchen Testament, als in denen miterrichteten Codicillen verschaffte
Vermächtnissen, insoweit sie das denen nächsten Erben gebührende Erbviertel
nicht übersteigen, und andere keinen allgemeinen Begriff des Erbrechts
betreffende Anordnungen bei Kräften erhalten werden, obschon die
Erbseinsetzung, und was dahin gehörig, vernichtet wird.
[2, 18, § 7] 96. In Fällen aber, wo das Testament wegen
freiwilliger Entschlagung der Erbschaft erblos wird, ist nur die alleinige
Erbseinsetzung, und was darunter begriffen ist, aufgehoben; die Vermächtnissen
hingegen bestehen auch ohne Beisatz der codicillarischen Clausel in der in
sechzehenten Capitel, vierten Artikel, §. XXX,. bestimmten Maß.
[2, 18, § 7] 97. Die Codicillen können demnach an und für
sich selbst niemalen erblos werden, weilen durch selbe keine Erbschaft gegeben
werden mag; wo aber auch Einige, welche in Codicillen bedacht worden, zu denen
ihnen angewiesenen Vermächtnissen nicht gelangen könnten, oder sich deren
freiwillig entschlügen, bleiben nichtsdestoweniger die übrigen giltig.
[2, 18, § 7] 98. Doch schadet die Erblosigkeit des
Testaments in dem Fall der Unvermögenheit des eingesetzten Erbens zur Erbschaft
zu gelangen, wann dasselbe mit der codicillarischen Clausel nicht versehen ist,
auch denen mit demselben errichteten Codicillen, welche andurch mit dem
erblosen Testament gänzlich aufgehoben und vernichtet werden.
§. VIII.
[2, 18, § 8] 99. Auch an sich giltige letzwillige
Anordnungen, welchen weder Anfangs, noch in der Folge eines von obbeschriebene
Gebrechen entgegen stehet, können ganz oder zum Theil ohne Wirkung bleiben,
wann entweder die Worte so dunkel,
(2-365) verwirrt oder zweideutig gefaßt sind, daß der Willen
des Erblassers, was und wen derselbe gemeinet habe, daraus nicht abgenommen
werden mag, oder wann in dem Fall, da der Erblasser und Jener, welcher von ihme
bedacht worden, miteinander zugleich versterben, an der Ordnung der Natur ein
Zweifel fürwaltet, wer von beiden vor- oder nachgestorben seie.
[2, 18, § 8] 100. Diesemnach bestehen die Zweifeln bei
letztwilligen Unordnungen entweder an den Verstand der Worten, welche an sich
nicht genug klar und deutlich sind, daß der Sinn und Willen des Erblassers
daraus erhelle, oder an der Ordnung der Natur.
[2, 18, § 8] 101. Bei zweifelhaften Worten ist zur
Richtschnur zu nehmen, daß, wann der Sinn und Willen des Erblassers aus denen
Umständen oder gegründeten Anzeigen und Muthmaßungen erkläret werden mag,
allemal die Auslegung und Ausdeutung des letzten Willens für dessen Erhaltung
also geschehen solle, womit derselbe vielmehr bestehe als zerfalle.
[2, 18, § 8] 102. Zu diesem Ende muß anförderist auf die
eigentliche Bedeutung und Eigenschaft der Worten gesehen werden, wann es nicht
offenbar ist, daß der Erblasser etwas Anderes darunter verstanden habe.
[2, 18, § 8] 103. Würde aber der Zweifel daraus nicht
behoben werden können, so solle die Rucksicht auf die allgemeine oder besondere
Gewohnheit des Erblassers, was derselbe hiermit zu verstehen pflegen, oder auf
den Landesbrauch, was andurch insgemein verstanden wird, genommen werden.
[2, 18, § 8] 104. Wann jedoch auch hieraus nichts Gewisses
geschlossen, und der Zweifel in der Sache selbst weder aus denen
vorhergehenden, weder aus denen beiwaltenden noch aus denen nachfolgenden
Umständen erläuteret werden könnte, so ist die letztwillige Anordnung in
demjenigen Theil, in welchem sie unverständlich, verwirrt oder zweideutig ist,
null und nichtig.
[2, 18, § 8] 105. Bei zweifelhafter Ordnung der Natur, wo
ungewiß ist, welche von mehreren zu gleicher Zeit verstorbenen Personen vor-
oder nachgestorben seie, solle in Fällen, wo die Giltigkeit des letzten
Willens, oder des darinnen Beschafften von der Frage, ob der Erblasser, oder
der von ihme Bedachte vorgestorben seie, abhanget, allemal dafür gehalten
werden, daß beide zu einer Zeit, und in einem Augenblick zusammen verstorben sein,
folglich Keiner den Anderen überlebet habe, und dieses ohne Unterschied, sie
mögen an Geschlecht und Jahren einander gleich sein oder nicht.
[2, 18, § 8] 106. Wann dahero nicht erweislich ist, daß der
Erb oder Jener, welcher mit einem Vermächtniß bedacht worden, den Erblasser
überlebet habe, sollen deren Erben an der Verlassenschaft des Erblassers nichts
forderen können, sondern diese fallt entweder denen nachberufenen zweiten
Erben, oder in deren Ermanglung seinen nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge zu, das Vermächtniß aber erlöschet.
[2, 18, § 8] 107. Einen gleichen Beweis haben Jene zu
verführen, die aus der Person dessen, welchem von dem Erblasser auf
Ueberlebungsfall etwas zugedacht worden, das Verschaffte, oder Verschriebene
anforderen, in dessen Entstehung das Vermächtniß oder die Verschreibung
zerfallet.
[2, 18, § 8] 108. Und überhaupt solle auch außer dem Fall
der letzwilligen Erbfolge, wo es um die Erbschaft nach mehreren zugleich
verstorbenen Personen, deren eine die andere sonst nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge geerbet hätte, zu thun ist, wann, welche die andere überlebet, nicht
erwiesen werden kann, die Vermuthung statt haben, daß beide zusammen in einem
Zeitpunkt verstorben sein, und somit eines Jedweden nächste Erben in der nach
ihme hinterbliebenen Verlassenschaft nachfolgen,
(2-366)
ohne die Erbschaft des anderen Mitverstorbenen in Anspruch ziehen zu können,
wann sie nicht auch zugleich hierzu die Nächsten sind.
[2, 18, § 8] 109.
Es bestehet aber die Vorsicht Unserer Gesetzen zu nur immer möglicher Erhaltung
letztwilliger Anordnungen, welche sonst an sich rechtsgiltig sind, nicht nur
allein in deme, damit solche nicht wegen eines jeden auch noch so geringen, und
leicht beheben mögenden Zweifels oder Anstands sofort entkräftet werden mögen,
sondern Wir gestatten noch über das denen Erblassern selbst hierwegen in der
nachfolgenden Maß eine Vorsehung zu treffen, um ihren letzten Willen andurch
für dessen gänzlichen Umsturz zu bewahren, und dessen Wirkung desto bündiger und
ohnfehlbarer zu machen.
[2, 18, § 8] 110.
Die Absicht kann sowohl durch den Beisatz der codicillarischen Clausel, wovon bereits
oben in eilften Capitel, vierten Artikel, §. XX, eigends gehandlet worden, als
auch durch die auf dem Fall der Anfechtung oder Uebertretung des letzten
Willens verhängte Verlustigung des Zugedachten, dann durch die auf dem Fall,
das dem letzten Willen zuwider gehandlet würde, angeordnete Straffälligkeiten
erreichet werden.
§. IX.
[2, 18, § 9] 111. Die von den Erblasser beigesetzte Clausel
der auf dem Fall, daß der Bedachte seinen letzten Willen zu widersprechen, oder
denselben umzustoßen, oder sonst darwider zu handlen sich unterstehen würde,
verhängten Verlustigung des zugedachten Erbtheils oder Vermächtnisses kann nur
an Jenem ihre Wirkung haben, dessen Zuwendung von der Willkür des Erblassers
abhanget.
[2, 18, § 9] 112. Nicht aber auch an deme, was derselbe an
Jemanden zu verlassen durch Unsere Gesetze verpflichtet und schuldig ist, als
den Pflichttheil der Kindern und Eltern, und den ehegattlichen Antheil, sondern
all dieses gebühret auch auf Uebertretungsfall einen Weg wie den anderen, der
Erblasser möge die Verlustigung verfüget haben oder nicht.
[2, 18, § 9] 113. Es waltete dann sonst an Seiten dieser
Personen eine solche in Unseren Gesetzen ausgemessene Ursache für, wegen
welcher sie enterbet, und von dem ihnen angewiesenen Antheil ausgeschlossen zu
werden verdienen, in welchem Fall sie auch das, was ihnen in den letzten Willen
zugedacht worden, wann sie sich darnieder setzen, in Kraft dieser Clausel
verlieren.
[2, 18, § 9] 114. Allein, wo sie auch in Ermanglung einer
dergleichen Enterbungs- oder Ausschließungsursache den ihnen von Unseren
Gesetzen beschiedenen Antheil behaupten, verlieren sie jedennoch in Kraft
dieser Clausel das, was besagten Antheil übersteiget, und ihnen hieran Mehreres
in dem letzten Willen, deme sie zuwider gehandlet, zugewendet worden.
[2, 18, § 9] 115. Außerdeme hat bei allen übrigen Personen,
welchen der Erblasser etwas zu geben von Unseren Gesetzen nicht verbunden ist,
die Clausel der Verlustigung des Zugedachten ohne Unterschied statt.
[2, 18, § 9] 116. Die Fälle aber, worauf sich solche
erstrecket, sind zweierlei, als: Erstens, wann dem letzten Willen
widersprochen, und zweitens, wann demselben auch ohne Widerspruch zuwider
gehandlet würde.
[2, 18, § 9] 117. In dem ersten Fall wird Derjenige, welcher
dem letzten Willen widerspricht, und solchen aus was immer für Ursachen
umzustoßen vermeinet, darnach aber sachfällig, und der letzte Willen für
rechtsgiltig erkläret wird, des ihme unter dieser Clausel Zugedachten
verlustig, er hätte dann noch vor erfolgter richterlicher
(2-367) Erkanntniß von dem Widerspruch abgelassen, und sich
dem Willen des Erblassers gefüget.
[2, 18, § 9] 118. In dem zweiten Fall ist zu unterscheiden,
ob das, was der Erblasser unter der Clausel der Verlustigung zu thun oder nicht
zu thun auferleget, wider Unsere Gesetze und gute Sitten laufe, oder sonst was
Unmögliches und Unthunliches enthalte, und die Auflage wird für nicht beigesetzet
geachtet, folglich kommt auch die verhängte Verlustigung nicht zur Wirkung.
[2, 18, § 9] 119. Oder ob dasselbe nicht allein möglich und
thunlich, sondern auch von Rechtswegen nicht verboten seie, und in diesem Fall
verlieret Jener, welcher darwider handlet das, was ihme auf solche Art
verlassen worden.
[2, 18, § 9] 120. Alles hingegen, wessen der Bedachte auf
dem Fall des Widerspruchs oder Zuwiderhandlung verlustig wird, fallt Jenem zu,
welchem es der Erblasser auf diesem Fall angewiesen, oder da von ihme seine
ausdrückliche Anweisung vorhanden wäre, nach Unterschied der Fällen denen
eingesetzten, nachberufenen oder nächsten Erben zu.
§. X.
[2, 18, § 10] 121. Nicht weniger haben die von dem Erblasser
auf dem Fall der Uebertretung seines letzten Willens, und dagegen bezeigenden
Ungehorsams angeordnete Straffälligkeiten, wodurch der Bedachte, deme dafür
etwas zu thun oder nicht zu thun auferleget worden, zu Erfüllung des letzten
Willens verbunden wird, ihre vollkommene Giltigkeit, wann folgende Erfordernissen
hinzutreten, als:
[2, 18, § 10] 122. Erstens, daß sie denjenigen gesatzmäßigen
Antheil, welcher gewissen Personen angebühret, nicht beschweren, widrigens sind
selbe, insoweit als sie diesem zur Last gereichen, für nicht beigesetzet zu
achten.
[2, 18, § 10] 123. Zweitens, daß sie Dasjenige, was der
Erblasser aus eigener freier Willkür zugedacht, hat, nicht übersteigen, weilen
ansonst die Uebermasse ungiltig ist, um welche sie dass Verschaffte
übertreffen.
[2, 18, § 10] 124. Drittens, daß sie nichts erhalten, was
Unseren Gesetzen und guten Sitten zuwider, oder an sich unmöglich, und ganz und
gar unthunlich ist; dann in solchem Fall sollen sie für nicht geordnet gehalten
werden, folglich der darmit Belegte davon entbunden sein.
[2, 18, § 10] 125. Und wiezumalen Wir auf vorbemelte Art und
Weis dem Erblasser sattsame Mittel und Wege an Handen lassen, sich des gewissen
Erfolgs seiner letztwilligen Anordnungen zu versicheren, so wollen Wir in
Gegentheil gleichwie überhaupt, also auch insonderheit bei letztwilligen
Geschäften alle wider die christliche Liebe und Sanftmuth laufende
Vermaledeiungen, Verwünschungen und Verfluchungen Jener, die darwider handeln
würden, gänzlich und bei Strafe der Nichtigkeit des letztwilligen Geschäfts, in
welchem sie einkommen, hiermit auf das Schärfeste verboten und untersaget
haben.
[2, 18, § 10] 126. Wir setzen, ordnen und gebieten demnach
allen Unseren nachgesetzten Richtern und Obrigkeiten, derlei Testamenten und
Codicillen nicht einmal kund zu machen, sondern sogleich als sie zu Gerichtshanden
gelangen, von amtswegen hiervon die Anzeige an den oberen Richter zu erstatten,
und nach dessen eingeholten Befund dieselben sofort zu unterdrucken und zu
vertilgen, folgsam die Erbschaft jenen nächsten Erben nach der Ordnung der
rechtlichen Erbfolge, welche sich hierzu rechtsbehörig ausgewiesen haben
werden, auszufolgen.
(2-368) [2, 18, § 10] 127. Dahingegen jener Richter, der
wider diesen Unseren Verbot in dergleichen Testament oder Codicill (obschon mit
Vertuschung deren darinnen enthaltenen Flüchen und Verwünschungen)
jegleichwohlen kund zu machen, oder gar denen in denselben Bedachten einige
Gerichtshilfe oder Beistand zu leisten sich vermessen würde, noch über die
Nichtigkeit des Veranlaßten auf das Empfindlichste bestrafet werden solle.
Caput XIX.
Von denen, die sich einer Erbschaft oder Vermächtnisses
verlustig und unwürdig machen.
Inhalt:
§. I:. Von den Ursachen der Verlustigung des Zugedachten,
und der Unwürdigkeit überhaupt. §. II. Von Unwürdigkeit wegen Undankbarkeit
gegen den Erblasser. §. III. Von Unwürdigkeit wegen Behinderung, Verfälschung,
Anfechtung und Uebertretung des letzten Willens. §. IV. Von Unwürdigkeit aus
Verbrechen.
§. I.
[2, 19, § 1] Num. 1. Unter die äußerliche Gebrechen, wodurch
ein letzter Willen unwirksam wird, gehöret die Unfähigkeit oder Unwürdigkeit
dessen, welcher darinne bedacht worden, zu dem ihme Zugedachten zu gelangen.
[2, 19, § 1] 2. Er möge aber unfähig oder unwürdig sein, so
ist doch in der Wirkung der Unfähigkeit oder Unwürdigkeit insgemein kein Unterschied,
sondern beide ziehen den Verlust dessen, was einem solchen aus der
letztwilligen Anordnung hätte zukommen sollen, nach sich, welches nach
Verschiedenheit der Fällen entweder denen Nachberufenen oder Eingesetzten, oder
denen nächsten Erben zugehet.
(2-369) [2, 19, § 1] 3. Nur in dem alleinigen Fall der aus
einem nach der Zeit, als die Erbschaft oder das Vermächtniß gebühret,
begangenen Verbrechen, worauf die Einziehung der Güter gesetzet ist,
herrührenden Unwürdigkeit solle das Zugedachte zu Handen Unserer Kammer
eingezogen werden, wo aber die Unwürdigkeit schon zur Zeit des Todes des
Erblassers fürwaltete, hat Unsere Kammer auf das, was dem Verbrecher zugedacht
worden, keinen Anspruch.
[2, 19, § 1] 4. Es ist auch in deme zwischen der Unfähigkeit
und Unwürdigkeit kein Unterschied, daß wie eine, so die andere nur insolange,
als binnen der oben in siebzehnten Capitel, §. V, ausgesetzten Zeit der letzte
Willen nicht zu seiner rechtskräftigen Bestätigung gediehen, angebracht, und
das Zugedachte widerrufen werden könne.
[2, 19, § 1] 5. Nach Verlauf dieser Zeit aber solle Niemand
so wenig wegen der Unwürdigkeit, als bereits oben in zwölften Capitel, §. II,
der Unfähigkeit halber geordnet worden, angefochten werden können, außer die
Unwürdigkeit wäre aus einem Verbrechen entstanden, wegen welcher das Zugedachte
solange widerrufen werden mag, als die Anfertigung des Verbrechens nach
Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung nicht verjähret und verschwiegen
ist.
[2, 19, § 1] 6. Welche und in was für einer Maß sie unfähig
sind, ist allschon oben an gleichbemelter Stelle angezeiget worden, mithin
werden hier nur noch die Fälle der Unwürdigkeit erkläret. Diese entstehet aus
dreierlei Ursachen, als: Erstens wegen Undankbarkeit gegen den Erblasser,
zweitens wegen Behinderung, Verfälschung, Anfechtung und Uebertretung des
letzten Willens, drittens wegen Verbrechen.
§. II.
[2, 19, § 2] 7. Gegen den Erblasser kann sich Jemand, der in
dem letzten Willen bedacht worden, auf verschiedene Arten vor oder nach dessen
Tod undankbar erzeigen, und sich andurch des ihme angewiesenen Erbtheils oder
Vermächtnisses verlustig machen, als da er sich an seinem Leib, Leben, Ehre
oder Gut, oder an seinen Eltern, Kindern oder Ehegatten vergreifet.
[2, 19, § 2] 8. An Leib und Leben, wann er ihn vorsätzlich,
oder aus großer Schuld um das Leben bringen, oder durch Andere auf sein Geheiß,
Anrath, oder mit seiner Zuthat und Beihilfe darum bringen lassen, denselben
muthwilliger Weise schlagen, verwunden, oder durch Andere mißhandlen, ihme nachstellen,
ihn in seiner
(2-370) äußersten Noth, Krankheit verlassen und
verwahrlosen, andurch aber seinen Tod verursachen, oder auch sich gegen dessen
Eltern, Kinder oder Ehegatten auf vorbemelte Weise vergehen würde.
[2, 19, § 2] 9. An der Ehre, wann er den Erblasser schimpfet
und lästert, seinem Hause eine Schande und Unehre zufüget, seinen Stand und
Vorzüge bestreitet, oder wegen einer Missethat fälschlich angiebt, oder sich
auch freiwillig zur Zeugenschaft in der wider denselben angestrengten
peinlichen Verfahrung anbietet.
[2, 19, § 2] 10. An dem Gut, wann er denselben wegen eines
Verbrechens fälschlich angiebt, worauf die Einziehung des Vermögens gesetzet
ist, oder wann er ihme an dessen Gut gefährlicher Weise Schaden und Nachtheil
zuziehet, als sein Haus anzündet, seine Gründe verheeret, ihn bestiehlt oder
ausraubet, oder ihme einen beträchtlichen Theil seines Vermögens strittig
macht.
[2, 19, § 2] 11. In allen diesen Fällen aber, wo die
Undankbarkeit bei Lebzeiten des Erblassers begangen worden, welcher seinen
letzten Willen, worinnen er den Undankbaren bedacht, wo er es zu thun im Stande
ware, nicht widerrufen hätte, muß zu dessen Ausschließung erweislich sein, daß
der Erblasser die ihme widerfahrene Beleidigung zu Gemüth gezogen habe.
[2, 19, § 2] 12. Es könnte dann von dem Bedachten dagegen
die mit dem Erblasser von dessen Absterben erfolgte vollkommene Versöhnung
dargethan werden, welchen Falls die Beleidigung für erloschen, und die
Beharrung des Erblasser bei dem vorigen Willen rechtsbeständig zu vermuthen
ist.
§. III.
[2, 19, § 3] 13. Gegen dem letzten Willen und die Freiheit
letztwillig zu ordnen kann sich mehrfältig vergangen werden, als: Erstens, wann
Jemand durch List oder
(2-371) eingejagte Forcht den Erblasser verhinderet seinen
letzten Willen zu errichten, oder den errichteten zu änderen, dieses geschehe
durch Abhaltung der Zeugen, Verschränkung der Gelegenheit, gefährliche
Bedrohung, oder auf was sonst immer für Weise.
[2, 19, § 3] 14. In diesem Fall verlieret Jener, welcher den
Erblasser also verhinderet hat, das, was ihme in dem letzten Willen, dessen
Aenderung derselbe verhinderet hat, zugedacht worden, oder wo der nächste Erb
dem Erblasser einen letzten Willen zu errichten verhinderet hätte, seinen ihme
sonst nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zukommenden Erbtheil, und kann über
das nicht allein von Denenjenigen, welchen hierdurch erweislich ein Vortheil
entgangen, um dessen vollständigen Ersatz belanget werden, sondern ist beinebst
noch nach Schwere des Verbrechens zu bestrafen.
[2, 19, § 3] 15. Seine Misshandlung aber schadet denen
übrigen Mitbedachten nicht, welchen nichtsdestoweniger ihre angewiesenen
Erbtheile und Vermächtnissen hinaus gebühren, wann sonst die letztwillige
Anordnung, welche der Erblasser zu ändern verhinderet worden, an sich
rechtsgiltig ist.
[2, 19, § 3] 16. Zweitens, wann Jemand den Erblasser zu
Errichtung eines letzten Willens entweder durch List, Betrug und Gefährde
einführet, oder hierzu mit Gewalt zwinget; in so einem als anderen Fall ist ein
solcher letzter Willen, wann die Gefährde oder der Zwang erwiesen werden mag,
null und nichtig, und die Erbschaft fallt denen nächsten Erben nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge, oder da diese sich der Gefährde, oder des Zwangs
verfänglich gemacht hätten, Denenjenigen zu, welche nach ihnen die Nächsten
sind.
[2, 19, § 3] 17. Doch muß die angebliche Gefährde, oder
Gewalt und Zwang allemal rechtsbehörig erwiesen werden, und ist zu Vernichtung
eines solchen erschlichenen oder erzwungenen letzten Willens genug, wann der
Erblasser hernachmals entweder mit eigener Handschrift, oder mündlich vor
Zeugen bewähret, daß er zu Verfertigung seines letzten Willens gezwungen, oder,
durch List und Betrug eingeführet worden.
[2, 19, § 3] 18. Wer aber einer dergleichen Thathandlung
überwiesen wird, ist über Verlust des solchergestalten ausgebrachten, oder
erzwungenen Erbtheils oder Vermächtnisses noch besonders mit einer dem
Verbrechen angemessenen Strafe zu belegen.
[2, 19, § 3] 19. Drittens, wann Jemand sich oder denen
Seinigen in eines Anderen Testament oder Codicill etwas zugeschrieben, und der
Erblasser weder mit seiner eigenen Handschrift, noch vor denen Zeugen mündlich
erkläret hätte, daß es mit seinem Willen und auf sein Geheiß geschehen seie,
welchen Falls ein solcher über Verlust des Zugeschriebenen denen auf die
Verfälschere in Unserer peinlichen Gerichtsordnung ausgesetzten Strafe
unterlieget.
[2, 19, § 3] 20. Viertens, wann Jemand einen ihme
anvertrauten, oder sonst zu Handen gekommenen letzten Willen wissentlich über
sechs Wochen nach der von dem Absterben des Erblassers erhaltenen Kundschaft
ohne erheblichen Ursachen bei sich vorenthalten, und dem Gericht nicht
ausgefolget, oder solchen gar vertuschet, unterdrucket und zu vernichten
unternommen hätte, und dieses hernach auf ihn erwiesen würde.
[2, 19, § 3] 21. Fünftens, wann der in einem letzten Willen
Bedachte solchen für sich und zu seinem eigenen Vortheil, nicht aber etwan für
Andere, deren Vertretung ihme von amtswegen oblieget, mittelst der Klage der
Nichtigkeit oder Unpflichtmäßigkeit umzustoßen trachtet, und hernach sachfällig
würde, insoferne er vor der richterlichen Erkanntniß von dem Rechtsstritt nicht
ehender abließe, obschon der Erblasser aus diesem Fall die Clausel der
Verlustigung nicht beigesetzet hätte.
[2, 19, § 3] 22. Sechstens, wann der Bedachte den letzten
Willen übertritt, und deme,
(2-372) was ihme darinnen auferleget worden, nicht
nachkommt, sondern sich ungehorsam und widerspänstig erzeiget.
§. IV.
[2, 19, § 4] 23. Andere Verbrechen machen Jemanden des ihme
Zugedachten unwürdig, wann sie also beschaffen sind, daß sie die Todesstrafe,
die Ehrlosigkeit, oder den Verlust Hab und Guts nach sich ziehen, weswegen der
Bedachte, ehe und bevor ihme noch die Erbschaft oder das Vermächtniß
angebühret, angefertiget worden.
[2, 19, § 4] 24. Wo aber die Anfertigung wegen eines
Verbrechens, welches Jemanden sonst unwürdig machte, erst nach schon
zugefallener Erbschaft oder Vermächtniß erfolgete, wirket das hernach ergehende
Urtheil die Unwürdigkeit nicht mehr, obschon in dem Fall der verhängten
Einziehung seiner Güter auch das, was ein solcher Uebelthäter aus einem letzten
Willen zu beziehen hätte, an Unsere Kammer verfallt.
(2-373)
Caput XX.
Von der rechtlichen Erbfolge.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von der rechtlichen Erbfolge überhaupt.
§. I. Von der Natur und Eigenschaft der rechtlichen
Erbfolge, und wann solche statt habe. §. II. Von denen Grundsätzen der
verschiedenen Ordnungen der rechtlichen Erbfolge. §. III. Von der Art und Weis
der rechtlichen Erbfolge bei Zusammentreffung mehrerer nächsten Erben. §. IV.
Von dem Eintretungsrecht der Kinder an Platz ihrer verstorbenen Eltern.
§. I.
[2, 20, § 1] Num 1. Die zweite Hauptgattung der Erbfolge ist
die rechtliche, welche in Ermanglung der letztwilligen aus Vorsehung Unserer
Gesetzen eintritt, und von daher die rechtliche Erbfolge genennet wird, weilen
sie nicht, wie die letztwillige aus Anordnung des Erblassers, sondern
unmittelbar aus Anordnung des Rechts selbst entspringet.
[2, 20, § 1] 2. Sie hat demnach nur damals statt, wann die
letztwillige Erbfolge ganz oder zum Theil ermanglet.
Ganz ermanglet dieselbe, wann der Erblasser gar kein Testament aufgerichtet
hätte, oder das aufgerichtete entweder gleich Anfangs null und nichtig, oder
doch in der Folge entkräftet und vernichtet worden wäre, wie alle diese Fälle
oben in dem achtzehenten Capitel beschrieben worden.
(2-374) [2, 20, § 1] 3. Zum Theil ermanglet die letztwillige
Erbfolge, wann zwar ein rechtsgiltiges Testament vorhanden wäre, dieses aber
entweder sich nur auf einen Theil der Verlassenschaft erstreckete, oder zum
Theil wegen Abgangs, Unfähigkeit oder Unwürdigkeit des eingesetzten Miterbens,
oder wegen seiner Entschlagung der Erbschaft, oder wegen ermanglender Bedingniß
nicht zur Wirkung käme.
[2, 20, § 1] 4. In diesen Fällen trifft bei einerlei
Verlassenschaft die rechtliche mit der letztwilligen Erbfolge zusammen, und
Alles, worüber die ausdrückliche Anordnung des Erblassers entweder gleich
Anfangs ermanglet, oder in der Folge unwirksam wird, fallt in der oben in
zwölften Capitel, §. III, bestimmten Maß denen nächsten Erben nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge zu.
[2, 20, § 1] 5. Der Fall der letztwilligen Erbfolge setzet
allemal das Dasein eines rechtsgiltigen Testaments voraus, welches niemalen
vermuthet wird, sondern jederzeit rechtsbehörig erwiesen werden muß, in dessen
Entstehung die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur
Erbschaft zuzulassen sind, so lange kein zu Recht bestehendes letztwilliges
Geschäft hervorkommet.
[2, 20, § 1] 6. Die rechtliche Erbfolge begreift fünf
Ordnungen, als: Erstens der Absteigenden, zweitens der Aufsteigenden, drittens
der Seitenverwandten, viertens der Eheleuten, fünftens Unserer Kammer, wornach
gegenwärtiges Capitel in sechs Artikeln abgetheilet, und in diesem ersten von
allen diesen Ordnungen überhaupt, in denen fünf folgenden aber von deren
jedweder insonderheit gehandlet wird.
§. II.
[2, 20, § 2] 7. Diese fünf Ordnungen rühren aus zweierlei
Ursachen her, und zwar die drei ersteren aus dem Recht des Geblüts, und dem
darinnen sich gründenden vermutheten Willen des Erblassers, daß er sein Hab und
Gut, worüber derselbe seinen gegentheiligen Willen nicht rechtsbehörig
erkläret, ober der erklärte unwirksam wird, nach seinem Tod Denjenigen habe
zukommen lassen wollen, die ihme nach dem Blutband zum nächsten verwandt sind.
[2, 20, § 2] 8. Gleichwie dahero zwischen Verschwägerten
keine Blutsverwandtschaft fürwaltet, also kann auch bei denenselben dieser
vermuthete Willen nicht statt haben, und giebt somit die Schwägerschaft kein
Recht zur Erbfolge, sondern nur das Blutband allein.
[2, 20, § 2] 9. Die zwei letzteren Ordnungen hingegen haben
bloß die aus einer erheblich befundenen Ursache herfließende Vorsehung Unserer
Gesetzen zum Grund; als die Erbfolge der Eheleuten die Rucksicht der Billigkeit
und Anständigkeit, damit ein bei Lebzeiten, oder durch letzten Willen
unversorgter Ehegatt aus der Verlassenschaft des Anderen versorget, und nicht
zum Spott und Schande des Verstorbenen in Noth und Elend zu schmachten bemüßigt
werde; endlich aber in Abgang all anderer Erben tritt Unsere Kammer aus dem Uns
über erblose Güter zustehenden Recht an Erbens statt ein.
(2-375) [2, 20, § 2] 10. In denen drei Ordnungen der
Blutsverwandtschaft solle allemal zuerst auf die nähere Reihe oder Linie, und
hernachmals, wo mehrere Personen in einerlei Ordnung oder Linie einkommen, auf
die nähere Staffel oder Grad der Verwandtschaft gesehen werden. Was aber durch
Linien oder Reihen sowohl, als durch Grade oder Staffeln verstanden werde, und
wie vielerlei Linien in dem ganzen Begriff der Verwandtschaft vorkommen, dann
wie die Nähe oder der Abstand der Verwandtschaft zu berechnen seie, dieses
alles ist bereits oben im ersten Theil, in der Abhandlung von der
Verwandtschaft ausführlich erkläret worden.
[2, 20, § 2] 11. Unter allen die erste und nächste ist die
Reihe oder Ordnung der Absteigenden, welche, solange Jemand aus derselben
vorhanden ist, alle Aufsteigende und Seitenverwandten ausschließt, und sonst
Niemanden, als den hinterlassenen unversorgten Ehegatten in dem ihme von
Unseren Gesetzen angewiesenen Antheil zur Erbschaft mit zuläßt.
[2, 20, § 2] 12. Nach dieser folget die zweite Reihe oder
Ordnung der Aufsteigenden, welchen die Erbschaft in Abgang der Absteigenden mit
denen Brüdern und Schwestern des Verstorbenen, und des vorgestorbenen
Geschwisters nachgelassenen eheleiblichen Kindern ersten Grads zufallt.
[2, 20, § 2] 13. Sind aber weder Absteigende noch
Aufsteigende vorhanden, so gehet der Erbanfall auf die dritte Reihe oder
Ordnung der Seitenverwandten ohne Unterschied, sie mögen nach dem Manns- oder
Weibsstammen verwandt sein.
[2, 20, § 2] 14. Die vierte Ordnung der Eheleuten ist nur
auf einen gewissen unten ausgemessenen Antheil des Vermögens beschränket, und
trifft nicht allein mit denen vorhergehenden dreien Ordnungen, sondern auch bei
erbloser Verlassenschaft mit Unserer Kammer, und sogar mit der letztwilligen
Erbfolge dergestalten zusammen, daß allemal dem nachgebliebenen unversorgten
Ehegatten in Ermanglung eines Heirathsbriefs der ihme von Unseren Gesetzen
bescheidene Antheil hinausgebühre, die Erbschaft möge weme immer zufallen.
[2, 20, § 2] 15. Endlich, wo der Erblasser weder
Absteigende, weder Aufsteigende, noch Seitenverwandten hinterlassen, oder die
Hinterlassenen zur Erbschaft nicht gelangen könnten oder wollten, und also
seine Verlassenschaft erblos ist, solle solche zu Handen Unserer Kammer
eingezogen werden, welche aber, so lange ein erbsfähiger Anverwandter, der sich
der Erbschaft annehmen will, vorhanden ist, ausgeschlossen bleibt.
[2, 20, § 2] 16. Doch allemal mit Vorbehalt des von der
Verlassenschaft abzuziehen kommenden Abschaff- oder Abfahrtgelds, welche die
Erben in denen nach Inhalt Unserer bestehenden anderweiten Satz- und Ordnungen
bestimmten Fällen Uns oder Jenen, welche von Uns hierzu besonders berechtiget
sind, zu entrichten haben.
§. III.
[2, 20, § 3] 17 Wann mehrere Personen von einer Linie oder
Ordnung, welche zur Erbfolge die nächste ist, vorhanden sind, solle allemal
darauf gesehen werden, welche vor dem Anderen in dieser Linie dem Erblasser zum
nächsten verwandt ist, also daß in der nemlichen Linie der Nähere den Weiteren
außer dem Vorstellungsrecht, wodurch die Weiteren an die Stelle der Näheren
eintreten, allzeit ausschließe, folgsam der nähere Grad der Verwandtschaft auch
ein vorzüglicheres Recht zur Erbfolge wirke.
[2, 20, § 3] 18. Der Nächste aber ist jedesmal der, welchem
Niemand vorgehet, obschon derselbe in einem weiteren Grad, als in dem ersten
verwandt, aber auch nach ihme kein weiterer Befreundter am Leben wäre, woferne
nur derselbe Keinen vor seiner hat, welcher dem Erblasser näher befreundt ist.
[2, 20, § 3] 19. Unter den Nächsten werden nicht nur allein
diese verstanden, welchen an und für sich selbst kein Näherer vorgehet, sondern
auch aus dem vorbesagten Vorstellungs- oder Eintretungsrecht die Kinder jener
Vorgestorbenen, welche mit denen Lebenden dem Erblasser in gleichen Grad
derjenigen Linie oder Ordnung verwandt
(2-376) waren, worinnen Wir dasselbe nach der in dem gleich
nachfolgenden §. gebenden Richtmaß platzgreifen
lassen.
[2, 20, § 3] 20. Die Nähe der Verwandtschaft kann jedoch in
keinem anderen Zeitpunkt als des auf die nächsten Erben gehenden Erbanfalls
beurtheilet werden, Diese Zeit ist in Ermanglung eines rechtsgiltigen
Testaments, oder auch bei dessen Dasein in Ansehung desjenigen Theils der
Verlassenschaft, worüber der Erblasser nicht geordnet hat, der Augenblick
seines Absterbens.
[2, 20, § 3] 21. Dahingegen in dem Fall eines vorhandenen an
sich zwar rechtsgiltigen, doch wegen Erbsunfähigkeit oder Ausschlagung des
eingesetzten Erbens erblos gewordenen, folglich ganz oder zum Theil unwirksamen
Testaments derjenige Zeitpunkt, in welchem der Erbtheil des eingesetzten Erbens
erlediget worden.
[2, 20, § 3] 22. Es kann sich demnach in diesem letzteren
Fall ergeben, daß, wer zur Zeit des Tods des Erblassers als ein weiterer
Anverwandter von der Erbfolge durch einen Näheren ausgeschlossen gewesen wäre,
nachhero gleichwohlen bei erblosen Testament nach mittlerweiligen Abgang des
Näheren zur Erbschaft gelange.
[2, 20, § 3] 23. Dann der Erbanfall aus der rechtlichen
Erbfolge kann nicht ehender auf die nächsten Erben gehen, als bis nicht die
Ermanglung der letztwilligen Erbfolge gewiß und verläßlich ist. Diese kann aber
nicht gewiß sein, solange noch das Testament bestehet.
[2, 20, § 3] 24. Sind mehrere Personen von der nächsten
Linie in gleichem Grad vorhanden, also daß von ihnen keine näher und keine
weiter, sondern alle dem Erblasser gleich verwandt wären, so erben sie alle
nach denen Häuptern, das ist nach der Anzahl der Personen, dergestalten, daß
von der Erbschaft so viele Theile gemacht werden, als Personen sind.
[2, 20, § 3] 25. Doch bleibt von dieser Regel der unten
seines Orts berührte alleinige Fall ausgenommen, wo mehrere Absteigende
weiteren gleichen Grads von verschiedenen Stämmen zur Erbschaft eines
Aufsteigenden gelangen, als da lauter Enkeln von mehreren vorgestorbenen Söhnen
und Töchtern ihre Großeltern oder lauter Urenkeln von mehreren vorgestorbenen
Enkeln ihre Urgroßeltern, und so weiters erben.
[2, 20, § 3] 26. In diesem Fall sowohl, als auch da mehrere
Personen von ungleichen Grad in der Erbfolge zusammentreffen, welches durch das
gleich hiernach erklärende Eintretungs- oder Vorstellungsrecht geschieht,
wodurch die Weiteren an die Stelle der vorgestorbenen Näheren, von welchen sie
abstammen, eintreten, und den Grad der Vorgestorbenen vorstellen, erben sie
nach den Stämmen, also daß die Vorstellenden nicht mehr bekommen, als Jener,
den sie vorstellen, auf seinen Antheil erhalten hätte, wann er an Leben wäre.
§. IV.
[2, 20, § 4] 27. Dieses Eintretungs- oder Vorstellungsrecht
ist eine in der Billigkeit gegründete Vorsehung Unserer Gesetze, wodurch die
Kinder an die Stelle ihrer vorgestorbenen Eltern eintreten, und aus dem Recht
und der Person ihrer Eltern mit Jenen, die dem Verstorbenen mit diesen in
gleichem Grad verwandt waren, zu demjenigen Erbtheil, welcher ihren Eltern
angebühret hätte, zugelassen werden.
[2, 20, § 4] 28. Damit aber dieses Eintretungs- oder
Vorstellungsrecht statthaben könne, erforderet es allemal die Zusammentretung
näherer Verwandten mit weiteren, deren Eltern mit jenen gleich nahe verwandt
waren, widrigens, und da Alle in weiteren Grad gleich verwandt wären, bedarf es
keiner Eintretung am Platz des näheren, weilen solchergestalten alle aus ihrem
eigenen Recht, und nicht aus dem Recht des Anderen erben.
[2, 20, § 4] 29. Es hat jedoch auch diese Vorsehung ihr Ziel
und Maß, und bestehet nur allein in der Reihe und Ordnung der Absteigenden ohne
einiger Beschränkung fort und fort, also daß wo in einer Linie dieser Ordnung
der Absteigende keinen
(2-377) Näheren vor seiner hat, derselbe jeglichwohlen (!) 8=
jegleichwohlen= mit denen Näheren von anderen Linien zu einem solchen Antheil
gelange, welcher Jenem, den er in seiner Linie vorstellet, zugekommen wäre.
[2, 20, § 4] 30. Dahingegen hat dieses Recht in der Reihe
oder Ordnung der Aufsteigenden niemahlen statt, maßen es wider die Natur liefe,
daß der Vater seinen Sohn vorstellen solle. In der Reihe oder Ordnung der
Seitenverwandten aber hat es allein bei denen Bruders- oder Schwesterkindern
ersten Grads, wann sie mit denen Brüdern oder Schwestern ihrer verstorbenen
Eltern zusammentreffen, und nicht weiter seine Wirkung.
Zweiter Artikel.
Von der Erbfolge der Absteigenden.
§. V. Von der Erbfolge eheleiblicher Kinder. §. VI. Von
Zusammentreffung mehrerer Absteigenden von ungleichen Staffeln oder Graden. §.
VII. Von der Erbfolge angewunschener Kinder. §. VIII. Von der Erbfolge der
unehelichen Kinder. §. IX. Von der Erbfolge der außer der Ehe erzeugten,
nachher aber rechtmäßig gemachten Kinder. §. X. Von Ausschließung der
Absteigenden von der Erbfolge.
§. V.
[2, 20, § 5] 31. Die erste Ordnung der rechtlichen Erbfolge
ist der Absteigenden oder eheleiblichen Kindern, als Söhnen, Töchter, Enkeln
und Urenkeln, und so fort, so lange Jemand in dieser Linie vorhanden ist,
welche zu der Verlassenschaft ihrer Eltern, als Vaters, Mutter, Großvaters oder
Aehns, Urgroßvaters oder Urähns, und so weiter den ersten und nächsten
erblichen Zutritt haben.
(2-378) [2, 20, § 5] 32. Und dieses ohne Unterschied der
Geburt, sie mögen bei Absterben des Erblassers schon geboren sein, oder erst
nach seinem Tod in der rechten Zeit geboren werden, auch insgemein ohne
Unterschied des Geschlechts, sie mögen Söhne und Enkeln, oder Töchter und
Enklinnen sein.
[2, 20, § 5] 33. Nicht weniger ohne Unterschied der Voll-
oder Halbbürtigkeit, ob sie nämlich von einerlei Vater und Mutter, oder nur von
einem Vater, nicht aber von einer Mutter, oder gegentheils nur von einer
Mutter, nicht aber von einem Vater sind, wann nur derjenige Elterntheil,
welchen sie erben, ihr allseitiger gemeiner Aufsteigender ist, sie mögen unter
sich zweibändige oder einbändige Geschwister sein.
[2, 20, § 5] 34. Ferners ohne Unterschied des Grads, sie
mögen Absteigende im ersten oder weiteren Grad, oder was eben so viel sagen
will, Söhne oder Enkeln, Töchter oder Enklinnen sein, wann nur ihnen in ihrer
Linie Niemand vorgehet; widrigens werden in der nämlichen Linie die Weiteren
von denen Näheren ausgeschlossen.
(2-379) Also schließt der Sohn den von ihm erzeugten Enkel
von der Verlassenschaft seines Vaters aus.
[2, 20, § 5] 35. Um so mehr
schließen dieselben alle andern Linien, sowohl der Aufsteigenden, als der
Seitenverwandten ihrer verstorbenen Eltern gänzlich aus, und die gesammte
Verlassenschaft fallt außer dem hiervon dem nachgebliebenen unversorgten
Ehegatten beschiedenen Antheil ihnen allein zu.
[2, 20, § 5] 36. Ist nur ein Sohn oder eine Tochter
vorhanden, ohne daß Absteigende weiteren Grads von vorgestorbenen Söhnen oder
Töchtern hinterlassen worden wären, so gebühret auch
dem Sohn oder der Tochter die ganze Erbschaft allein.
[2, 20, § 5] 37. Sind aber mehrere Kinder ersten Grads, das
ist Söhne und Töchter, so erben sie insgemein das frei vererbliche, liegende
und fahrende, in was immer bestehende Vermögen zu gleichen Theilen nach den
Häuptern, oder nach der Zahl ihrer Personen, also daß von der Erbschaft so
viele Theile gemacht werden sollen, als Personen sind.
[2, 20, § 5] 38. Nur allein bei Personen Herren- und
Ritterstandes, welche in einem Unserer deutschen Erblanden das Recht der
Landmannschaft wirklich erworben haben, bestehet die bereits oben in dem
vierzehenten Capitel, von dem Pflichttheil, §. II erwähnte besondere
Begünstigung des absteigenden Mannsstammes vor dem weiblichen, daß nach dem
Vater, väterlichen Groß- und Urgroßvater, und weiteren väterlichen männlichen
Aufsteigenden von ihrer Verlassenschaft denen Söhnen und ihren hinterlassenen
Enkeln und Urenkeln ein größerer Theil vor denen Töchtern, Enklinnen und
Urenklinnen zuzukommen habe.
[2, 20, § 5] 39. Wir wollen und ordnen daher, daß, wo nach
einer Mannsperson höheren Standes, welche in einem Unserer deutschen Erblanden
das Recht der Landmannschaft gehabt hat, Absteigende von beiderlei Geschlecht,
entweder ersten oder auch weiteren Grads von Manns- und Weibsstammen
hinterlassen worden, das gesammte frei vererbliche, liegende und fahrende
Vermögen in vier gleiche Theile getheilt werden solle.
[2, 20, § 5] 40. Hiervon gebühren denen Söhnen, einem oder
mehreren, und denen von ihnen hinterlassenen Enkeln oder Urenkeln drei Theile;
denen Töchtern aber, einer oder mehreren, und denen von ihnen nachgebliebenen
Enkeln und Enklinnen, oder auch denen alleinigen Enklinnen nach Söhnen nur ein
Theil, folglich das Viertel der ganzen Erbschaft.
[2, 20, § 5] 41. Sind demnach Söhne und Töchter vorhanden,
so erben sowohl die Söhne ihre drei Theile, als die Töchter ihren vierten Theil
miteinander zu gleichen Theilen nach denen Häuptern, oder nach Anzahl ihrer
Personen, dergestalten jedoch, daß, gleichwie die drei Theile lediglich denen
Söhnen, also auch der vierte Theil einzig und allein denen Töchtern angebühre,
und somit ein jeder Antheil in eine besondere Theilung gelegt werden müsse.
[2, 20, § 5] 42. Dieser Antheil der Töchter wird nicht
vermehret, wann gleich noch so viele Töchter wären, unter welchen solcher zu
vertheilen käme; gleichwie dann auch derselbe nicht verminderet werden solle,
obschon wegen ungleich größerer Anzahl der Söhnen auf eines Sohnes Antheil von
denen drei Vierteln nicht mehr, sondern eben so viel, als von dem einem Viertel
auf einer Tochter Antheil ausfiele, welches sich allzeit damals ereignet, wann
die Anzahl der Söhnen dreimal so groß ist, als die Anzahl der Töchter, wie z.B.
da nur eine Tochter und drei Söhne wären.
[2, 20, § 5] 43. Wohl aber kommt es in jenem Fall von dem
sonst für die Töchter eines Landmannes allein gewidmeten Viertel ab, wann die
Anzahl der Söhne jene der Töchter mehr dann dreimal überstiege, also daß von
denen drei Vierteln auf den Antheil eines Sohnes nicht so viel ausfiele, als
von dem einen Viertel auf den Antheil einer Tochter, als da vier Söhne und eine
Tochter wären. In solchem Fall solle die für allgemein eingeführte
Erbfolgsordnung statt haben,
(2-380) und sowohl Söhne als Töchter, ohne Unterschied des
Geschlechts zu gleichen Theilen erben.
[2, 20, § 5] 44. Desgleichen hat es auch damals bei dieser
allgemeinen Erbfolgsordnung nach einem Landmann sein Bewenden, wann nach ihme
nur Kinder einerlei Geschlechts, als nur ein oder mehrere Söhne, oder nur eine
oder mehrere Söhne, oder nur eine oder mehrere Töchter allein hinterblieben.
§. VI.
[2, 20, § 6] 45. Wann Jemand neben Kindern ersten Grads, das
ist neben Söhnen und Töchtern, auch Enkeln oder Enklinnen von vorgestorbenen
Söhnen oder Töchtern hinterließe, treten dieselbe aus dem Vorstellungsrecht an
Platz und die Stelle ihres verstorbenen Vaters oder Mutter, und erben nach den
Stämmen so viel, als ihrem Vater oder Mutter, wann sie den Erbfall erlebet,
gebühret hätte.
[2, 20, § 6] 46. Auf gleiche Art solle es mit den Urenkeln
gehalten werden, also daß, wo der Erblasser Söhne und Töchter an einem, und von
vorgestorbenen Söhnen und Töchtern Urenkeln am anderen Theil verließe, in
diesem Fall die Urenkeln ebenmäßig in die Stelle, und das Recht ihres
vorgestorbenen Großvaters oder Großmutter eintreten, und zusammen nicht mehr
und nicht weniger erben, als ihr Großvater oder Großmutter, wann sie noch am
Leben wären, bekommen hätten.
[2, 20, § 6] 47. Dieses Vorstellungsrecht hat auch damals
statt, wann neben einem noch lebenden Sohn oder Tochter von dem anderen Enkeln,
und von dem dritten Urenkeln, oder auch allein Enkeln von einem Sohn oder
Tochter, und von dem anderen Urenkeln vorhanden wären, in welchen Fällen die
Theilung nicht nach Anzahl der Personen, sondern nach denen Stämmen, das ist
nach dem Stammrecht zu geschehen hat.
[2, 20, § 6] 48. Verläßt Jemand keine Söhne und Töchter,
sondern allein Enkeln oder allein Urenkeln von einem Sohn oder Tochter, so
erben dieselben nach den Häuptern oder nach Anzahl der Personen.
(2-381) [2, 20, § 6] 49. Sind aber allein Enkeln oder allein
Urenkeln von mehreren Söhnen und Töchtern nachgeblieben, obschon sie alle in
gleichen Grad sind, so erben sie doch nicht nach der Zahl der Personen, sondern
nach dem Stammrecht, wornach die Erbschaft in so viele gleiche Stammtheile
getheilt wird, als von so vielen Stämmen die Enkeln oder Urenkeln herrühren,
ohne Rucksicht, ob von einem Stamme mehrere, und von dem anderen wenigere
vorhanden sind. Was aber solchergestalten auf einen Stammtheil ausfallt, wird
unter Jene, die von diesem Stammen in gleichen Grad absteigen, gleich
vertheilet.
[2, 20, § 6] 50. Und dieses solle auch bei allen weiteren
ehelichen Leibeserben in absteigender Linie fort und fort, soweit sich dieselbe
erstrecket, auf gleiche Weise gehalten, und wo sie von einerlei Stammen in
gleichen Gad herrühren, die Erbschaft nach den Häuptern, oder nach der Anzahl
ihrer Personen, wo sie aber von mehrerlei Stämmen in gleichen oder ungleichen
Grad absteigen, nach denen Stämmen oder dem Stammrecht unter ihnen getheilet,
und hierbei in denen von ihren Eltern verlassenden Gütern kein Unterschied,
woher und wie dieselben erworben oder gewonnen worden, gemacht werden.
[2, 20, § 6] 51. Doch hat bei Personen Herren- und
Ritterstandes, welche zugleich in einem Unserer deutschen Erblande Landleute
sind, nach dem Vater, väterlichen Groß- und Urgroßvater, und weiteren
männlichen Aufsteigenden von des Vaters Seiten die dem Mannsstammen oben in
Ansehung der Söhnen vor dem Weibsstammen zugewendete Begünstigung auch bei
denen von Söhnen hinterlassenen Enkeln, Urenkeln und weiteren männlichen
Absteigenden statt.
[2, 20, § 6] 52. Solchemnach soll es zwar auch, so viel es
diese Personen insonderheit anbelanget, in folgenden dreien Fällen bei der
vorgeordneten gemeinen Erbfolge sein gänzliches Bewenden haben, als: Erstens,
wo Söhne und männliche Absteigende von Mannsstammen allein erben, als neben
Söhnen lauter Enkeln oder Urenkeln von Söhnen, oder Enkeln von Söhnen entweder
allein, oder mit Urenkeln von anderen Söhnen, oder auch diese allein.
[2, 20, § 6] 53. Zweitens, wo Töchter und Absteigende von
Weibsstammen, sie seien männlich oder weiblich, allein nachgeblieben, als neben
Töchtern lauter Enkeln und Enklinnen, oder Urenkeln und Urenklinnen von
Töchtern, oder Enkeln und Enklinnen von Töchtern entweder allein, oder mit
Urenkeln und Urenklinnen von anderen Töchtern, oder auch diese allein.
[2, 20, § 6] 54. Drittens, wo weibliche Absteigende von
Mannsstammen entweder allein vorhanden sind, als Enklinnen oder Urenklinnen von
Söhnen oder mit Töchtern, und denen vorbenannten Absteigenden von Weibsstammen
zusammentreffen.
[2, 20, § 6] 55. Allein wo männliche Absteigende von
Mannsstammen mit Töchtern, und Absteigenden von Weibsstammen, oder auch
männliche von einem und weibliche Absteigende von anderen Mannsstammen
zusammentreffen, gebühren denen männlichen Absteigenden von Mannsstammen
allemal drei Viertel, denen weiblichen Absteigenden hingegen, diese mögen von
Mannsstammen oder Weibsstammen herrühren, nur ein Viertel der ganzen
Verlassenschaft.
[2, 20, § 6] 56. Als da nach einem Landmann einerseits ein
oder mehrere Söhne oder Enkeln, oder Urenkeln von Söhnen allein, oder zusammen,
und andererseits eine oder mehrere Töchter, oder Enkeln und Enklinnen, oder
Urenkeln und Urenklinnen von Töchtern, oder lauter Enklinnen und Urenklinnen
von Söhnen allein oder zusammen hinterlassen worden.
[2, 20, § 6] 57. Dann in diesem letzteren Fall, wo auf einer
Seite Söhne oder männliche Absteigende von Söhnen, und auf der anderen Seite
lauter weibliche Absteigende von Söhnen mit oder ohne Töchtern, und
Absteigenden von Töchtern zusammentreffen, solle in Ansehung der alleinigen
Enklinnen oder Urenklinnen von Söhnen allemal dafürgehalten werden, als ob sie
von einer Tochter, folglich von Weibsstammen absteigen.
(2-382) [2, 20, § 6] 58. Desgleichen wo von einem
Mannsstammen männliche und weibliche Absteigende, das ist Enkeln und Enklinnen,
oder Urenkeln und Urenklinnen von Söhnen vorhanden sind, ohne daß mit ihnen ein
anderer Manns- oder Weibsstammen zusammentreffe, bekommen die Enkeln und
Urenkeln von Sohn für sich drei Viertel, die Enklinnen und Urenklinnen von eben
diesem Sohn aber ein Viertel der Erbschaft.
[2, 20, § 6] 59. Diese drei Viertel gebühren denen
männlichen Absteigenden von Mannsstammen, sie mögen unter sich nach denen
Stämmen, oder nach denen Häuptern erben, obschon wegen dreimal so großer Anzahl
der Mannsstämmen auf deren einen von denen drei Theilen nicht mehr, sondern
eben so viel, als von dem Viertel auf einen Weibsstammen ausfiele.
[2, 20, § 6] 60. Dahingegen wo die Anzahl der Mannstämmen
mehr, dann dreimal größer wäre, als die Anzahl der Weibsstämmen, also daß einem
männlichen Stammtheil von denen drei Vierteln nicht so viel, folglich weniger
zukäme, als von dem Viertel einem weiblichen Stammtheil, solle in solchem Fall
die ganze Erbschaft unter denen männlichen und weiblichen Absteigenden zu
gleichen Stammtheilen vertheilet werden.
[2, 20, § 6] 61. Und diese gleiche Vertheilung solle auch
damals nicht zwar nach den Stämmen, sondern nach den Häuptern beobachtet
werden, wann nur allein von einem Sohn männliche und weibliche Absteigende in
gleichen Grad vorhanden sind, deren Ersteren Anzahl die Zahl der Letzteren mehr
dann dreimal überstiege.
[2, 20, § 6] 62.Wo aber einerseits von einem Mannsstammen
männliche und weibliche Absteigende, das ist Enkeln und Enklinnen, oder
Urenkeln und Urenklinnen von Söhnen, und andererseits andere Manns- oder
Weibsstämmen zusammentreffen, solle der männliche Stammtheil der ersteren
ebenmäßig in viel gleiche Theile geleget, und hiervon denen Enkeln und Urenkeln
drei Viertel, denen Enklinnen und Urenklinnen aber ein Viertel zugetheilet
werden, obgleich wegen dreimal so großer Anzahl der männlichen als der
weiblichen Absteigenden ein Enkel oder Urenkel von denen drei Vierteln nicht
mehr überkäme, als von dem Viertel einer Enklin oder Urenklin.
[2, 20, § 6] 63. Wann hingegen die Anzahl der männlichen
Absteigenden von einem Sohn mehr dann dreimal größer wäre, als die Anzahl der
weiblichen Absteigenden von eben demselben, und somit ein Enkel von denen drei
Vierteln des Stammtheils auf seinen Antheil weniger erhielte, als eine Enklin
von dem einem Viertel, so ist nicht minder, wie es bereits oben num. 60 in ganz
gleichen Fall verordnet worden, der ganze Stammtheil unter alle, sowohl
männliche als weibliche Absteigende, welche von diesen Stämmen herrühren, nach
dem Unterschied des gleichen oder ungleichen Grads entweder nach denen
Häuptern, oder nach denen Stämmen gleich zu vertheilen.
[2, 20, § 6] 64. Außerdeme, wo vorgedachter Maßen von einem
Mannsstammen männliche und weibliche Absteigende herrühren, wird sowohl der
männliche Stammtheil unter männlichen Absteigenden, als der weibliche
Stammtheil unter Töchtern, und von ihnen hinterlassenen männlichen und
weiblichen Absteigenden, dann von Söhnen allein nachgebliebenen weiblichen
Absteigenden nach denen oben festgesetzten gemeinen Regeln entweder, wo sie von
einerlei Stammen in gleichen Grad herrühren, nach denen Häuptern, das ist nach
Anzahl ihrer Personen, oder wo sie von mehrerlei Stämmen in gleichen oder
ungleichen Grad absteigen, nach denen Stämmen oder nach dem Stammrecht
vertheilet.
[2, 20, § 6] 65. Dadurch aber, daß von einem männlichen
Stammtheil durch dessen Untertheilung zwischen mehreren von diesem Stammen
absteigenden Personen ein männlicher Absteigender auf seinen Theil weniger
bekommt, als von dem weiblichen Stammtheil ein weiblicher Absteigender, leidet
deswegen der weibliche Stammtheil keinen Abbruch, sondern es hat
nichtsdestoweniger bei dem darzu obausgemessenen vierten Theil sein Verbleiben,
solange solcher das Verhältniß der männlichen Stammtheilen nicht übersteiget.
(2-383) [2, 20, § 6] 66. Gleichwie nun Wir solchergestalten
denen Töchtern und weiblichen Absteigenden der Landleuten auch in dem Fall, wo
Söhne und männliche Absteigende von Mannsstammen vorhanden sind, aus der
väterlichen, groß- und urgroßväterlichen Verlassenschaft, wovon sie nach denen
bisherigen Gesetzen und Gewohnheiten ausgeschlossen waren, einen besonderen
Erbtheil hiermit eigends zuwenden und anweisen, also wollen Wir in Gegentheil
für alle künftige Fälle, wo sie zu diesem ihren Erbtheil gelangen, die Söhne
und ihre männlichen Absteigende von der ihnen sonst nach eben diesen vorigen
Gesetzen und Landesbräuchen obgelegenen standesmäßigen Unterhaltung und
Ausstattung derselben völlig entbunden, und auf allzeit ledig und losgezählet
haben.
[2, 20, § 6] 67. Wohingegen sie in Ansehung jener noch
unversorgten weiblichen Absteigenden, die vor Einführung dieses Unseren neuen
Gesetzes nach denen vorherigen Rechten von der Erbschaft ihres Vaters, Groß-
oder Urgroßvaters gänzlich ausgeschlossen, und für verziehen gehalten worden,
dieser Schuldigkeit nach Maß und Vorschrift der vorigen Gesetzen und
Landesgewohnheiten nach wie vor nachzukommen haben.
[2, 20, § 6] 68. Belangend aber die von ihrem Vater, Groß-
oder Urgroßvater allschon vor diesem neuen Gesatz (es seie durch eine
anständige Heirath, oder durch Eintritt in ein Kloster oder sonst durch
lebzeitige oder letztwillige Handlungen) nach denen vorigen Gesetzen und
Gewohnheiten standesgemäß versorgte und ausgestattete Töchter, Enklinnen oder
Urenklinnen, diese sollen an der väterlichen, groß- oder urgroßväterlichen
Verlassenschaft da, wo Söhne oder männliche Absteigende von Söhnen vorhanden
sind, auch nach diesem neuen Gesatz nichts mehr anzuforderen haben.
[2, 20, § 6] 69. Und da eine oder mehrere Töchter oder
Enklinnen vor diesem neuen Gesatz allbereits versorget worden wären, andere
aber sich noch nach diesem neuen Gesatz unversorgt befänden, so solle denen
noch unversorgten Töchtern und Enklinnen in Zusammentreffung des Mannsstammens
gleichwohlen für ihren Erbtheil nichts Mehreres gebühren, als was von dem
vierten Theil, wann die Versorgten miterbeten, auf ihren Antheil ausfällt, das
Uebrige aber, so viel nemlich der Antheil der schon Versorgten beträgt, gehet
denen Söhnen und denen männlichen Absteigenden von Söhnen zu Guten.
[2, 20, § 6] 70. Mit diesem vierten Theil sollen die nach
Landleuten hinterlassene Töchter, Enklinnen und die von ihnen absteigen, wann
männliche Absteigende vorhanden sind, von der Erbschaft ihres Vaters,
väterlichen Groß- und Urgroßvaters dergestalten abgefertigt sein, daß sie weder
an deren Verlassenschaft etwas Mehreres anzusuchen, weder von denen Söhnen und
deren männlichen Absteigenden einige Unterhaltung und Ausstattung anzuforderen,
noch auch sich eines Ruckschreitungsrechts zu besagter Verlassenschaft auf dem
Fall des ausgehenden Mannsstammens anzumaßen befugt sind, als welches Recht Wir
bereits oben in vierzehnten Capitel, §. II, von num. 36 bis 38 gänzlich
eingestellet und aufgehoben haben.
[2, 20, § 6] 71. Es ist auch hierbei zwischen denen vor oder
nach Erwerbung der Landmannschaft erzeugten Kindern kein Unterschied, sondern
so eine, als die anderen erben nach der oben nach Landleuten vorgeschriebenen
Erfolgsordnung (!) (= Erbfolgsordnung).
[2, 20, § 6] 72. Dahingegen hat nach Standespersonen, welche
vorbesagter Maßen keine wirkliche Landleute sind, und das Recht der
Landmannschaft oder des sogenannten Incolat in keinem Unserer deutschen
Erblanden erworben haben, kein Unterschied zwischen dem Manns- und
Weibsstammen, sondern die gemeine Erbfolgsordung statt.
[2, 20, § 6] 73. Desgleichen höret auch bei Landleuten nach
der Mutter, mütterlichen Groß- und Urgroßeltern, dann der väterlichen Groß- und
Urgroßmutter, und allen weiblichen Aufsteigenden von der Vatersseite diese
besondere Begünstigung der männlichen Absteigenden vor denen weiblichen völlig
auf, und erben ohne Unterschied alle gleich nach der gemeinen Erbfolgsordung
entweder nach den Häuptern, oder nach den Stämmen.
(2-384) [2, 20, § 6] 74. Es ist solchemnach lediglich auf
die Eigenschaft des Vaters oder der väterlichen Aufsteigenden zu sehen, ob er
Landmann gewesen seie oder nicht, folglich ob nach ihme die allgemeine oder
besondere Erfolgsordnung statt habe, nicht aber auf die Eigenschaft der Güter,
sondern diese mögen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich sein, so solle
doch nach einem Landmann in allen Gütern ohne Unterschied, ob sie beweglich
oder unbeweglich, und in demjenigen Land, wo der verstorbene Landmann ware,
oder in einem anderen Land gelegen sind, die für die Landleute in der
absteigenden Linie eingeführte besondere Erbfolgsordnung, gleichwie nach Jenen,
die keine Landleute sind, die gemeine Erbfolgsordung beobachtet werden.
§. VII.
[2, 20, § 7] 75. Die angewunschene, oder an Kindesstatt
angenommene Kinder haben an der Verlassenschaft ihres Wahlvaters außer dem
ihnen nach Maßgebung dessen, was davon im ersten Theil, in der Abhandlung von
der väterlichen Gewalt geordnet worden, von demselben zur Zeit ihrer
Anwünschung oder Annehmung an Kindesstatt ausgewiesenen Antheil keinen
Anspruch.
[2, 20, § 7] 76. Wann demnach der Wahlvater ohne letzten
Willen verstirbt, verbleibt nur dieser Antheil dem Wahlkind, seine übrige
Verlassenschaft aber fallt denen nächsten Erben nach dem Band der
Blutsverwandschaft zu, gleichwie gegentheils dieser dem Wahlkind aus dem
Vermögen des Wahlvaters bei dessen Anwünschung bestimmte Antheil nicht
vermindert wird, obschon der Wahlvater nachhero eheleibliche Kinder überkommen
hätte.
[2, 20, § 7] 77. Dieses und kein mehreres Recht, als zu
diesem Antheil haben auch die von einem Wahlkind nachgebliebenen Kinder,
Enkeln, Urenkeln, und weitere Absteigende an der Erbschaft des Wahlvaters, wann
solchen ihr Vater, Groß- oder Urgroßvater nicht schon bei Lebzeiten bekommen
hätte.
[2, 20, § 7] 78. Umsomehr ist ein Wahlkind mit allen seinen
Absteigenden von der Erbschaft sowohl der Aufsteigenden seines Wahlvaters, als
der Wahlmutter und ihrer Aufsteigenden, dann beiderlei Seitenverwandten
gänzlich ausgeschlossen, dahingegen behält dasselbe alle Rechten seines eigenen
Geschlechts und Verwandtschaft.
§. VIII.
[2, 20, § 8] 79. Uneheliche Kinder sind gänzlich von der
Erbfolge sowohl nach ihrem natürlichen Vater, als nach ihrer natürlichen Mutter
ausgeschlossen, aus deren jedweden Verlassenschaft ihnen nichts Mehreres, als
der Unterhalt gebühret, welcher oben in zwölften Capitel, §. II, num. 24 in
Ermanglung eheleiblicher Kinder auf den sechsten, wo aber eheleibliche Kinder
vorhanden sind, auf den zwölften Theil der gesammten Verlassenschaft bestimmet
worden, wann ihnen nicht etwas Wenigeres
(2-385) von dem Verstorbenen, es seie bei Lebzeiten, oder
durch letzten Willen angewiesen worden wäre.
[2, 20, § 8] 80. Und dieses ohne Unterschied, ob die Ehe
zwischen ihren natürlichen Eltern habe bestehen können, oder ob sie aus einem
Ehebruch, Blutschande, oder aus was immer für einer verbotenen Vermischung
erzeuget worden.
[2, 20, § 8] 81. Diese Schuldigkeit zur Unterhaltung derlei
unehelicher Kinder erstrecket sich jedoch nicht weiter, als auf die natürliche
Mutter, und den erweislichen natürlichen Vater, keineswegs aber auf die eine
oder anderseitige weitere Aufsteigende, als welchen durch das Vergehen ihrer
Kinder keine Last und Bürde zugezogen werden kann.
§. IX.
[2, 20, § 9] 82. Unehelich erzeugte, nachhero aber durch die
nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordene Kinder werden in dem Erbfolgrecht nach
ihren Eltern und weiteren Aufsteigenden denen ehelich geborenen Kindern
vollkommen gleichgehalten.
(2-386) [2, 20, § 9] 83. Aus einer vermeintlichen, und mit
guten Glauben wenigstens des einen Eltertheils für rechtmäßig gehaltenen Ehe
erzeugte Kinder haben nur damals das Erbfolgrecht nach ihren Eltern, wann sie
zur Zeit des Erbanfalls insgemein für ehelich und rechtmaßig geachtet werden,
und sonst keine andere rechtmäßige eheleibliche Kinder vorhanden sind, welche
ihnen solches bestreiten.
[2, 20, § 9] 84. Dahingegen, wo entweder noch vor Zeit des
Erbanfalls die Giltigkeit der Ehe, woraus sie erzeugt worden, angefochten, und
solche nachher für ungiltig erkennet, oder auch nach der Zeit des Erbanfalls
ihre unrechtmäßige Geburt von denen nachgebliebenen rechtmäßigen eheleiblichen
Kindern erwiesen würde, haben selbe außer dem in gleichvorhergehenden §. für
uneheliche Kinder ausgemessenen Unterhalt an der Erbschaft ihrer Eltern nichts
zu fordern, obschon nach dem Tod des einen Eltertheils oder auch beider Eltern
die Hinderniß, wegen welcher zwischen ihnen die Ehe nicht bestehen können,
durch die geistige Gewalt auch aus der Wurzel gehoben würde.
(2-387) [2, 20, § 9] 85. Auch jene unehelich erzeugte
Kinder, welche von Uns aus höchster Machtsvollkommenheit für rechtmäßig
erkläret werden, erhalten anmit kein Recht zur Erbfolge nach ihren Eltern, wann
ihnen solches in Unserem Rechtmäßigungsbrief nicht wortdeutlich verliehen
worden; außerdeme gebühret ihnen aus der Verlassenschaft ihrer Eltern lediglich
der Unterhalt.
[2, 20, § 9] 86. Wo aber auch die von Uns erwirkte
Rechtmäßigung derlei unehelicher Kinder ihnen das Erbfolgrecht nach einem oder
beiden Elterntheilen ausdrücklich zueignete, so ist doch solches über den
buchstäblichen Inhalt Unseres Gnadenbriefs auf die weitere Aufsteigende und
Seitenverwandten nicht zu erstrecken.
§. X.
[2, 20, § 10] 87. Nur allein denen ehelich erzeugten, oder
durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordenen Kindern gebühret des Recht der
Erbfolge nach ihren Aufsteigenden ohne Unterschied, wann sie sonst hierzu nicht
unfähig sind, oder sich derselben nicht unwürdig gemacht haben.
[2, 20, § 10] 88. Wegen der Unfähigkeit hat es überhaupt bei
deme sein Bewenden, was davon oben in zwölften Capitel, §. II, geordnet worden;
unwürdig aber machen sich dieselbe der rechtlichen Erbfolge nur aus einer
solchen gegen ihre Eltern begangenen Undankbarkeit, welche sie zu ahnen, und
ihr undankbares Kind zu enterben nicht mehr im Stande waren.
[2, 20, § 10] 89. Als da ein ungerathenes Kind seinen Vater,
oder Mutter, oder weiteren Aufsteigenden, um dessen Erbfolge es zu thun ist, um
das Leben bringt, oder durch andere darum bringen läßt, oder sie in ihrer
Unsinnigkeit oder einem solchen Zustand, worinnen sie ein letztwilliges
Geschäft zu errichten nicht vermögen, verläßt und verwahrloset.
[2, 20, § 10] 90. Ferners wo ein Kind seine Eltern oder
weitere Aufsteigende ihren letzten Willen zu errichten, oder den schon
errichteten zu änderen, gefährlicher oder gewaltthätiger Weise verhinderet,
oder sie zu Errichtung eines letzten Willens durch List einführet, oder mit
Gewalt zwinget.
[2, 20, § 10] 91. Außer denen vorerwähnten sind alle übrige
in dem fünfzehnten Capitel, §. II, angeführte Enterbungsursachen, welche der
Freiheit letztwillig zu ordnen, und somit das undankbare Kind zu enterben keine
Hinderniß in Weg legen, und wo nach deren Begehung noch Zeit und Gelegenheit
sie zu ahnden erübriget, an sich nicht hinreichend, ein Kind von der
rechtlichen Erbfolge nach denen Eltern und weiteren Aufsteigenden auszuschließen.
[2, 20, § 10] 92. Dann wo der Erblasser ein undankbares Kind
hätte enterben können und solches gleichwohlen nicht gethan, wird die Unbild
für erlassen geachtet, obschon dieselbe rechtskundig und gerichtlich erwiesen
wäre, in welchem Fall jedoch der Obrigkeit keineswegs die Hände gebunden sind,
ein solches ungehorsames Kind zu bestrafen.
(2-388) Dritter Artikel.
Von der Erbfolge der Aufsteigenden.
§. XI. Von der Erbfolge der alleinigen Aufsteigenden nach
eheleiblichen Kindern. §. XII. Von deren Zusammentreffung mit des Verstorbenen
Geschwister, oder Bruders- und Schwesterkindern. §. XIII. Von der Erbfolge der
Aufsteigenden nach unehelichen Kindern. §. XIV. Von der Erbfolge der
Aufsteigenden nach rechtmäßig gemachten Kindern. §. XV. Von Ausschließung der Aufsteigenden
von der Erbfolge nach ihren Kindern.
§. XI.
[2, 20, § 11] 93. Die zweite Ordnung der rechtlichen
Erbfolge ist der Aufsteigenden, welche alsdann erst eintritt, wann von dem
Verstorbenen Niemand in absteigender Linie hinterlassen worden. Unter Aufsteigenden
werden Vater, Mutter, Groß- und Urgroßeltern sowohl von Vater- als Mutterseite
verstanden.
[2, 20, § 11] 94. Diese gelangen zur Erbschaft nach ihren
eheleiblichen Kindern entweder allein, oder mit des Verstorbenen eheleiblichen
Geschwister, oder Bruders- und
(2-389) Schwesterkindern ohne Unterschied, ob sie männliche
oder weibliche Aufsteigende sind, oder ob nach einem Sohn oder Tochter, nach
einem Enkel oder Enklin geerbet werde, oder ob sie Landleute sind oder nicht.
[2, 20, § 11] 95. Es solle auch hierbei in den Gütern kein
Unterschied gemacht werden, sie mögen liegend oder fahrend, von Vaters oder
Mutterseite herrührend, ererbet, oder wie sonst immer sein, wann sie nur frei
vererblich sind.
[2, 20, § 11] 96. In der Ordnung der Aufsteigenden ist
einzig und allein auf die Nähe des Grads oder der Staffel zu sehen, und hat
hierbei die Regel ohnabänderlich statt, daß je und allzeit der Nähere den
Weiteren ausschließe, und wer näher am Blut, auch näher am Blut seie, ohne daß
in dieser Ordnung jemahlen das Vorstellungsrecht Platz greifen, und hieraus der
Vater oder Mutter an die Stelle des vorgestorbenen Sohnes oder Tochter
eintreten könne.
[2, 20, § 11] 97. Wann demnach Jemand ohne Kinder verstirbt,
und verläßt Vater und Mutter, erben sie beide die ganze Erbschaft zu gleichen
Theilen, weilen sie dem Verstorbenen gleich nahe sind, mit Ausschließung aller
weiteren etwan noch lebenden Aufsteigenden.
[2, 20, § 11] 98. Lebt aber der Vater allein, erbet auch
dieser allein, und schließt alle noch lebenden Aufsteigende von der Mutterseite
aus, gleichwie dann auch, wo nur die Mutter allein lebet, diese allein erbet,
und alle Aufsteigende von des Vaters Seite ausschließet.
[2, 20, § 11] 99. Eben also, wo weder Vater noch Mutter,
sondern nur allein der Großvater, oder nur allein die Großmutter von Vaters
oder Mutter-Seite vorhanden ist, gebühret dem Großvater oder der Großmutter
allein die ganze Erbschaft, welche auch in Ermanglung der Eltern und Großeltern
einem Urgroßvater oder Urgroßmutter von einer oder der anderen Seite allein
zufallt.
[2, 20, § 11] 100. Leben mehrere Aufsteigende in gleichen
Grad von einerlei Linie, das ist entweder von der väterlichen oder mütterlichen
Seite, so erben sie alle gleich nach denen Häuptern, oder nach Anzahl ihrer
Personen, also da Jemand weder Vater noch Mutter, sondern nur Großeltern
entweder von väterlicher oder mütterlicher Seite verläßt, erben diese zu
gleichen Theilen, und schließen die noch lebende Urgroßeltern sowohl von einer
als der anderen Seite aus.
[2, 20, § 11] 101. Sind weder Vater noch Mutter, noch
Großeltern, sondern allein Urgroßeltern von väterlicher oder mütterlicher
Seiten am Leben, bekommen sie ebenmäßig gleiche Theile.
[2, 20, § 11] 102. Wären aber mehrere Aufsteigende in
einerlei Grad von verschiedenen Linien, nemlich sowohl väterlicher als
mütterlicher Seite vorhanden, so erben sie nach denen Linien, also daß eine
Linie so vieles erhalte wie die andere, ohne Rucksicht auf die Anzahl der
Personen, ob deren Mehrere oder Wenigere in dieser
(2-390) oder jener Linie befindlich sind, was aber auf eine
Linie fällt, wird unter die Aufsteigende von dieser Linie, welche in einerlei
Grad sind, gleich vertheilet.
[2, 20, § 11] 103. Wann dahero weder Vater noch Mutter,
sondern nur Großeltern von beiden Seiten (es seie von deren jedweder Großvater
und Großmutter, oder beide von einer und nur einer von der anderen, oder auch
von jeder Seiten nur einer) vorhanden sind, so solle die Hälfte der Erbschaft
denen väterlichen Großeltern, einem oder beiden, und die andere denen mütterlichen
Großeltern, einem oder beiden zukommen. Ein Gleiches hat in Ermanglung der
Eltern und Großeltern bei Urgroßeltern, und so fort bei allen weiteren
Aufsteigenden, soweit das menschliche Leben zureichet,
statt, und wird eine jedwede Halbscheide unter die, welche von dieser Linie
sind, gleich vertheilet.
[2, 20, § 11] 104. Dieses ist jedoch bloß allein von der
Erbfolge nach eheleiblichen Kindern zu verstehen, dann nach einem
angewunschenen, oder an Kindsstatt angenommenen Kind hat der Wahlvater, wann er
nicht sonst nach dem Blutband der nächste Erb ist, kein Recht zur Erbfolge,
sondern dieses bleibet dessen natürlichen Eltern, Aufsteigenden und
Seitenverwandten ohnerachtet der Anwünschung allzeit bevor.
§. XII.
[2, 20, § 12] 105. Die Seitenverwandten des Verstorbenen
werden zwar insgemein von denen Aufsteigenden in der Ordnung der Erbfolge
ausgeschlossen. Hiervon aber sind doch die zweibändige Geschwister, das ist
Brüder und Schwester des Verstorbenen, und deren hinterlassene eheleibliche
Kinder ersten Grads ausgenommen, welche mit denen Aufsteigenden allemal zur
Erbschaft zuzulassen sind.
[2, 20, § 12] 106. Wann demnach jemand verstirbt, und
verläßt Vater, Mutter, dann zweibändige Brüder und Schwestern, wird die
Erbschaft unter alle nach denen Häuptern, oder nach Anzahl der Personen
dergestalten getheilet, daß keiner mehr, sondern einer ebensoviel wie der
Andere bekomme.
[2, 20, § 12] 107. Diese gleiche Theilung nach den Häuptern
ist auch damals zu beobachten, wann der Vater allein, oder die Mutter allein,
oder in Abgang der Eltern die Großeltern, oder in deren Abgang die Urgroßeltern
von väterlicher oder mütterlicher Seite, oder von beiden Seiten, alle oder
einige von ihnen mit zweibändigen Brüdern und Schwestern des Verstorbenen
zusammentreffen, und hat die oben angeordnete Theilung nach denen Linien unter
denen Aufsteigenden nur allein in jenem Fall statt, wann sie untereinander
allein ohne Brüdern und Schwestern des Verstorbenen erben.
[2, 20, § 12] 108. Sind nebst zweibändigen Geschwister auch
von zweibändigen Brüdern und Schwestern Kinder ersten Grads vorhanden, so
treten diese aus dem Vorstellungsrecht an die Stelle ihres vorgestorbenen
Vaters oder Mutter, und erben ohne Unterschied des Geschlechts, und ohne darauf
zu sehen, ob sie untereinander zweibändig oder einbändig sind, mit denen
Aufsteigenden, und ihres Vaters oder Mutter Brüdern und Schwestern nach denen
Stämmen oder nach dem Stammrecht, das ist eben so viel, als ihr Vater oder
Mutter bekommen hätte, wann sie am Leben wären.
[2, 20, § 12] 109. Was aber ein Stammtheil betragt, wird
unter die, welche von diesem Stammen sind, gleich vertheilet, dahingegen erben
die Aufsteigende, dann die Brüder und Schwestern allzeit nach den Häuptern,
oder nach Anzahl ihrer Personen.
[2, 20, § 12] 110. Desgleichen, wo nebstdenen Aufsteigenden
nur allein Kinder ersten Grads von zweibändigen Brüdern und Schwestern
vorhanden wären, erben auch diese nach dem Stammrecht, und Aufsteigende nach
den Häuptern.
[2, 20, § 12] 111. Dieses Vorstellungsrecht und die hieraus fließende
Erbfolge kommt jedoch nur allein denen Kindern ersten Grads nach vorgestorbenen
zweibändigen Brüdern und Schwestern zu statten, da in Gegentheil alle ihre
Absteigende
(2-391) weiteren Grads, als Enkeln und Urenkeln von denen
Aufsteigenden, Brüdern und Schwestern, und deren Kindern ersten Grads gänzlich
ausgeschlossen bleiben.
[2, 20, § 12] 112. Einbändige Brüder und Schwestern, und
umsomehr deren Kinder werden insgemein von denen Aufsteigenden (diese mögen
allein oder mit dem zweibändigen Geschwister und ihren Kindern zugleich erben)
ausgeschlossen.
[2, 20, § 12] 113. Nur allein bei höheren Standespersonen,
welche zugleich in einem Unserer deutschen Erblanden Landleute sind, sollen die
einbändige Brüder von Vater nach den Häuptern, und deren Söhne nach den Stämmen
nebst denen Aufsteigenden (diese mögen allein oder mit dem zweibändigen
Geschwister, und deren Kinder zugleich erben) nach einem zweibändigen oder
einbändigen Bruder von Vater zu einem gleichen Erbtheil zugelassen werden.
[2, 20, § 12] 114. Dahingegen hat es auch bei derlei
Standespersonen in Anlehnung der einbändigen Schwestern von Vater oder Mutter,
wie auch der Töchter von einbändigen Brüdern von Vater, und der einbändigen
Brüdern von der Mutter bei ihrer oben für allgemein festgesetzten Ausschließung
sein gänzliches Verbleiben.
§. XIII.
[2, 20, § 13] 115. Gleichwie die unehelichen Kinder von der
Erbfolge ihrer natürlichen Eltern, außer dem ihnen gebührenden Unterhalt,
gänzlich ausgeschlossen sind, also haben auch dagegen weder der natürliche
Vater, noch die natürliche Mutter, und umsoweniger die weiteren Aufsteigenden
das mindeste Recht zur Erbfolge nach ihren natürlichen Kindern.
[2, 20, § 13] 116. Nur allein der Mutter, wann sie arm ist,
solle aus der Verlassenschaft ihres ohne Hinterlassung eheleiblicher Kinder
verstorbenen natürlichen Sohns oder Tochter der Unterhalt, welchen jedesmal der
Richter nach Kräften der Verlassenschaft, und nach Maß der Bedürfniß, doch
nicht weniger, als auf ein Sechstel der Verlassenschaft zu bestimmen hat, abgereichet
werden.
[2, 20, § 13] 117. Die übrige Verlassenschaft aber nach
einem unehelichen Kind, wann nach ihme keine eheliche Leibeserben vorhanden,
solle zu Handen Unserer Kammer, als ein erbloses Gut eingezogen werden.
§. XIV.
[2, 20, § 14] 118. Nach unehelich erzeugten, und durch die
nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordenen Kindern, wann sie ohne Hinterlassung
ehelicher Leibeserben versterben, erben die Aufsteigenden mit des Verstorbenen
zweibändigen Geschwister, und Bruders und Schwester Kindern ebensowohl, und auf
ganz gleiche Art, wie nach ehelich erzeugten Kindern.
[2, 20, § 14] 119. Eben diese Erbfolge hat auch nach denen
aus einer vermeintlichen mit guten Glauben für rechtmäßig gehaltenen Ehe
erzeugten Kindern statt, wann bis zur Zeit des Erbanfalls die Ehe insgemein für
rechtmäßig geachtet, und deren Giltigkeit bis dahin von Niemanden angestritten
worden.
[2, 20, § 14] 120. Nach jenen unehelich gebornen Kindern
aber, welche aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit für rechtmäßig erkläret
werden, erbet aus dem wechselweisen Erbfolgrecht nur derjenige Eltertheil, nach
welchem dagegen in Unserem Rechtmäßigungsbrief dem für rechtmäßig erklärten
Kind das Recht zur Erbfolge verliehen worden.
[2, 20, § 14] 121. Nicht aber auch der andere Eltertheil,
dessen in dem Rechtmäßigungsbrief gar nicht gedacht worden, noch weniger die
weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten, sondern, wo ein derlei unehelich
gebornes Kind verstirbt und etwas verläßt, kann nach ihme nur allein derjenige
Eltertheil erben, nach welchem dagegen das Kind zur Erbfolge fähig gemacht
worden.
[2, 20, § 14] 122. Wo aber auch dieser Eltertheil vor dem
Kind verstorben, oder in dem Rechtmäßigungsbrief von der Erbsfähigkeit nichts
enthalten wäre, fällt die Verlassenschaft
(2-392) eines solchen unehelichen, obschon von Uns für
rechtmäßig erklärten Kinds nach Abzug des seiner etwan noch
lebenden armen Mutter hieraus gebührenden Unterhalts als ein erbloses Gut
Unserer Kammer anheim.
§. XV.
[2, 20, § 15] 123. Das denen Auffsteigenden nach ihren Kindern
zustehende Recht zur Erbfolge höret damals auf, wann sie entweder erbsunfähig
sind, oder sich hierzu aus ihrer Schuld unwürdig gemacht haben.
[2, 20, § 15] 124. Die Ursachen der Unwürdigkeit müssen eben
also beschaffen sein, wie es oben im zweiten Artikel, §. X, von denen
Ausschließungsursachen der Kinder von der Erbfolge nach ihren Aufsteigenden
geordnet worden, daß ein Kind solche zu ahnden, und seinen Eltern zu enterben
nicht mehr im Stande ware, folglich sind auch diese die nemlichen, welche die Kinder
von der Erbfolge nach ihren Eltern ausschließen, und bereits an gleichbemelter
Stelle mit Mehreren angeführet worden.
[2, 20, § 15] 125. Außer diesen Ursachen aber solle noch
besonders die Mutter, welche in ihren Wittibstand die Vormundschaft über ihre
verwaiste Kinder erlanget, und nachhero zur anderen Ehe geschritten, ohne die
Vormundschaft bei denjenigen Gericht, von welchem ihr solche aufgetragen
worden, aufgegeben, noch die Rechnungen über das Waisengut erleget zu haben,
von der Erbfolge nach ihren Kindern gänzlich ausgeschlossen sein, wann diese in
ihrer Unmündigkeit, ehe und bevor von der Mutter ein solches befolget, oder
Unsere ausdrückliche höchste Verwilligung, die Vormundschaft ohnerachtet ihrer
anderweiten Vereheligung jegleichwohlen fortführen zu dörfen, von ihr
ausgewirket worden, versterben.
Vierter Artikel.
Von der Erbfolge der Seitenverwandten.
§. XVI. Von der Erfolge des vollbürtigen Geschwisters, und
vollbürtiger Brüder- und Schwester-Kinder. §. XVII. Von der Erbfolge des
halbbürtigen Geschwisters von Vater- oder Mutterseiten allein. §. XVIII. Von
Zusammentreffung Brüder und Schwestern mit Bruders- und Schwester-Kindern. §.
XIX. Von der Erbfolge nach unehelichen Geschwister. §.
XX. Von der Erbfolge der weiteren Seitenverwandten. §. XXI. Von Ausschließung
der Seitenverwandten von der Erbfolge.
§. XVI.
[2, 20, § 16] 126. Die dritte Ordnung der rechtlichen
Erbfolge ist der Seitenverwandten, welche also genennet werden, weil Keiner von
den Anderen abstammet, sondern sie einander wegen gemeinsamer Absteigung von
einerlei Stammen nach der Seiten befreundt sind.
[2, 20, § 16] 127. Hierunter werden Brüder, Schwestern,
Geschwisterkinder, Geschwisterkindskinder,
(2-393) und alle weiteren Verwandten sowohl vom Manns- als
Weibsstammen ohne Unterschied, sie seien männlichen oder weiblichen
Geschlechts, verstanden.
[2, 20, § 16] 128. Diese Ordnung der Seitenverwandten trifft
nicht allein in Ansehung der zweibändigen Brüdern und Schwestern und ihrer
Kinder, dann insonderheit unter Landleuten auch in Ansehung einbändiger Brüder
von Vater, und ihrer Söhnen vorbesagter Maßen mit der Ordnung der Aufsteigenden
zusammen, sondern auch, wo weder Absteigende noch Aufsteigende vorhanden sind,
erben die Seitenverwandten ohne Unterschied der Güter allein.
(2-394) [2, 20, § 16] 129. Doch solle unter Landleuten in
der Erbfolge nach männlichen Seitenverwandten von Mannsstammen, sowie in der
Ordnung der Absteigenden nach dem Vater, väterlichen Großvater und Urgroßvater,
und in der Ordnung der Aufsteigenden nach einem Sohn oder Enkel des Sohns,
allemal denen männlichen von Mannsstammen der Vorzug in liegenden Gütern vor
denen Weiblichen von Mannsstammen und jenen von Weibsstammen dergestalten
gebühren, daß sie solche in dem zur Zeit der Abtheilung habenden Werth behalten,
und denen weiblichen Verwandten von Mannsstammen, oder jenen von Weibsstammen
ihren Erbtheil in Geld herausgeben können.
[2, 20, § 16] 130. Unter denen Seitenverwandten hat
insgemein die Nähe des Grads oder der Staffel das Vorrecht zur Erbfolge, und
wer der Nächste am Blut ist, derselbe ist auch der Nächste am Gut; sind aber
mehrere von gleichen Grad vorhanden, sie mögen von Manns- oder Weibsstammen
herrühren, so erben sie Alle zu gleichen Theilen nach denen Häuptern.
[2, 20, § 16] 131. Nur allein die Bruders- und
Schwesterkinder ersten Grads werden mit ihres verstorbenen Vaters- und
Mutterbrüdern und Schwestern aus dem Vorstellungsrecht nach denen Stämmen zur
Erbschaft zugelassen, kraft wessen sie in das Recht und die Stelle ihres
verstorbenen Vaters oder Mutter eintreten und eben so viel bekommen, als ihr
Vater oder Mutter geerbet hätte, wann sie am Leben wären; so sich jedoch auf
die Geschwisterkindskinder nicht erstrecket, sondern diese bleiben von des
verstorbenen Erblassers Brüdern und Schwestern, und Geschwisterkindern allzeit
ausgeschlossen.
[2, 20, § 16] 132. Aber auch unter Brüdern und Schwestern
haben die Vollbürtigen von beiden Banden, das ist von Vater und Mutter, und
ihre Kinder insgemein den Vorzug vor denen halbbürtigen Geschwister von einem
Band, das ist nur von Vater oder Mutter allein, außer bei Landleuten, wo nach
einem zweibändigen oder einbändigen Bruder von Vater die einbändige Brüder von
Vater, und deren Söhne mit dem zweibändigen Geschwister zugleich erben.
[2, 20, § 16] 133. Dahingegen erstrecket sich dieser Vorzug
der Vollbürtigkeit nicht auch auf die weitere Seitenverwandten, sondern diese
Alle, wann sie gleich im Grad sind, sie mögen dem Verstorbenen von beiden
Banden, oder nur von einem Band verwandt sein, erben ohne Unterschied zu gleichen
Theilen.
[2, 20, § 16] 134. Selbst unter Geschwisterkindern ersten
Grads macht die Vollbürtigkeit oder Halbbürtigkeit untereinander, sie mögen von
einerlei Vater und Mutter, oder nur von einem Vater, oder nur von einer Mutter
herrühren, keinen Unterschied, sondern bloß allein die Absteigung von des
Verstorbenen vollbürtigen Bruder oder Schwester allein giebt den Vorzug vor dem
einbändigen Geschwister und ihren Kindern.
[2, 20, § 16] 135. Wann demnach Jemand weder Kinder, noch
Eltern, sondern einen oder mehrere zweibändige Brüder und Schwestern verläßt,
erben diese zu gleichen Theilen nach denen Häuptern mit Ausschließung des
vorhändigen einbändigen Geschwisters.
[2, 20, § 16] 136. Wären aber nebst zweibändigen
Geschwisteren auch eheleibliche Kinder von vorgestorbenen zweibändigen Brüdern
und Schwestern vorhanden, so erben diese mit jenen in die Stämme, das ist, sie
bekommen so viel, als ihr Vater oder Mutter geerbet hätte, wann sie am Leben
wären.
[2, 20, § 16] 137. Sind keine zweibändige Brüder und Schwestern,
sondern nur zweibändiger Geschwister Kinder, das ist ein oder mehrere Söhne und
Töchter von einem oder mehreren zweibändigen Brüdern und Schwestern am Leben,
so erben diese nach denen Häuptern ohne Ansehung ihrer ungleichen Stammzahl,
und schließen die einbändige Geschwister und ihre Kinder aus.
[2, 20, § 16] 138. Nur bei höheren Standespersonen, welche
zugleich Landleute sind, ist der Fall ausgenommen, wo es die Erbfolge nach
einem zweibändigen oder einbändigen
(2-395) Bruder von Vater anbetrifft, nach welchem auch die
einbändigen Brüder von Vater und deren Söhne mit dem zweibändigen Geschwister
und zweibändigen Geschwisterkindern zur Erbschaft zugelassen werden.
[2, 20, § 16] 139. Und zwar die Geschwister allein, oder die
Geschwisterkinder unter sich allein nach den Häuptern, oder nach der Anzahl
ihrer Personen, diese letztere aber mit ihres verstorbenen Vaters oder Mutter
Brüdern und Schwestern in die Stämme, oder nach dem Stammrecht.
[2, 20, § 16] 140. In Gegentheil bleiben auch unter Landleuten
nicht allein die einbändigen Schwestern von Vater oder Mutter und ihre Kinder,
dann die einbändigen Söhne von der Mutter und ihre Kinder, wie nicht minder die
Töchter der einbändigen Söhnen von Vater überhaupt, sondern auch die
einbändigen Söhne von Vater selbst, und ihre Söhne von der Erbschaft der
Schwestern durch die zweibändige Geschwistere und ihre Kinder ausgeschlossen.
§. XVII.
[2, 20, § 17] 141. Verließe Jemand keine zweibändige
Geschwistere, noch deren Kinder, sondern allein ein oder mehrere halbbürtige
Geschwistere, das ist einbändige Brüder und Schwestern von Vater oder Mutter,
so erben diese ohne Unterschied, das Gut möge von Vater oder von der Mutter
herrühren, zu gleichen Theilen nach denen Häuptern oder der Anzahl ihrer
Personen.
[2, 20, § 17] 142. Wären aber nebst dem Halbgeschwister auch
Söhne und Töchter von vorgestorbenen einbändigen Brüdern und Schwestern
vorhanden, so erben sie mit jenen in die Stämme oder nach dem Stammrecht.
[2, 20, § 17] 143. Sind nur allein Kinder von vorgestorbenen
einbändigen Brüdern und Schwestern verlassen worden, so erben sie ohne
Unterschied, deren mögen Viele oder Wenige von einem Stammen sein, nach denen
Häuptern, und bekommt Jedweder so viel, als der Andere.
§. XVIII.
[2, 20, § 18] 144. Ueberhaupt ist in der Erbfolge der
Geschwisterkindern eine unveränderliche Richtschnur, daß sie mit ihres
verstorbenen Vaters oder Mutter Brüdern und Schwestern aus dem
Vorstellungsrecht nach denen Stämmen, wo sie aber allein sind, miteinander nach
denen Häuptern zur Erbschaft gelangen.
[2, 20, § 18] 145. Wo sie dahero allein sind, erben sie als
die Nächsten im Grad aus eigenem Recht, und nicht aus dem Recht und der Person
ihrer verstorbenen Eltern, folglich bedörfen sie auch keiner Aushilfe durch das
Vorstellungsrecht um in die Stelle der Näheren vorzurucken, weilen kein
Näherer, der sie ausschließen könnte, vor ihnen vorhanden ist.
[2, 20, § 18] 146. Doch kommt ihnen gleichwohlen die aus dem
Vorstellungsrecht denenselben sonst zufließende Begünstigung
auch in diesem Fall insoweit zu statten, daß, wo sie allein sind,
nichtsdestoweniger des verstorbenen Erblassers Vaters- oder Mutterbruder und
Schwester (obschon diese mit ihnen in gleichen Grad sind) von ihnen
ausgeschlossen bleiben, gleichwie diese von denenselben damals nothwendig
ausgeschlossen sind, wann sie aus dem Vorstellungsrecht mit ihres verstorbenen
Vaters oder Mutter Brüdern und Schwestern zur Erbschaft gelangen.
[2, 20, § 18] 147. Dieses Vorstellungsrecht haben sich aber
die Geschwisterkindskinder nicht zu erfreuen; gegentheils werden diese nicht
allein von des verstorbenen Erblassers Brüdern und Schwestern, und
Geschwisterkindern, sondern auch in deren Abgang von des verstorbenen
Erblassers Vater- oder Mutterbruder und Schwester als Näheren im Grad
ausgeschlossen.
[2, 20, § 18] 148. Sie erben dahero mit denen Kindern von
des verstorbenen Erblassers Vaters- oder. Mutterbruder und Schwester zu
gleichen Theilen, weilen sie dem Verstorbenen miteinander in gleichen Grad
verwandt sind.
(2-396) §. XIX.
[2, 20, § 19] 149. Uneheliche Geschwistere haben weder
untereinander, weder nach eheleiblichen Geschwister, noch auch dieses nach
jenen ein Recht zur Erbfolge, weilen die uneheliche Geburt keine Rechten der
Verwandtschaft wirket.
[2, 20, § 19] 150. Wohl aber hat das durch die nachgefolgte
Ehe rechtmäßig gewordene Geschwister mit denen ehelich erzeugten Brüdern und
Schwestern, und ihre beiderseitige Kinder untereinander ein gleiches Recht zur
Erbfolge. Dahingegen giebt die von Uns ausgewirkte Rechtmäßigung kein Recht der
Verwandtschaft, folglich auch kein Recht zur Erbfolge in der Seitenlinie, wann
solches Unser ertheilter Rechtmäßigungsbrief nicht ausdrücklich besaget.
§. XX.
[2, 20, § 20] 151. Wann weder Brüdern und Schwestern, noch
Geschwisterkinder ersten Grads vorhanden sind, kommen die nächsten
Seitenverwandten sowohl von Manns- als Weibsstammen ohne Unterschied der Linie,
ob solche der Reihe der Aufsteigenden oder der Absteigenden näher seie, und
ohne Rucksicht auf die Zweibändigkeit oder Einbändigkeit in allen beweglichen
und unbeweglichen wo immer herrührenden Gütern nach der Nähe des Grads zur
Erbschaft.
[2, 20, § 20] 152. Wer also der Nächste im Grad ist, dieser
ist auch der Nächste zur Erbfolge, und wo Mehrere gleich im Grad sind, erben
auch diese insgesammt nach denen Häuptern, oder nach Anzahl ihrer Personen.
[2, 20, § 20] 153. Doch erstrecket sich das Erbfolgrecht an
frei vererblichen Vermögen in der Seitenlinie nicht über den zehenten Grad der
Verwandtschaft, sondern wo nach dem Erblasser weder Absteigende, noch Aufsteigende,
noch auch Seitenverwandten bis auf den zehenten
Grad mit Einbegriff desselben weder von Manns- noch Weibsstammen vorhanden
sind, so solle die gesammte in was immer bestehende frei vererbliche
Verlassenschaft über Abzug des hiervon dem überlebenden unversorgten Ehegatten
allemal gebührenden Antheils, als ein erbloses Gut Unserer Kammer anheimfallen.
[2, 20, § 20] 154. Wer die Erbschaft aus dem Recht der
Blutsverwandtschaft anforderet, muß jedes Mal diese sowohl, als die Nähe des
Grads, daß er zur Erbfolge der Nächste seie, erweisen; wie aber dieser Beweis
zu verführen seie, ist im ersten Theil in der Abhandlung von der Verwandtschaft
geordnet worden.
§. XXI.
[2, 20, § 21] 155. Die Seitenverwandten werden nicht
weniger, wie es oben von denen ersten zwei Ordnungen gemeldet worden, des
Rechts zur Erbfolge verlustig, wann sie erbsunfähig sind, oder sich aus denen
eben allda angeführten Ursachen dessen unwürdig gemacht haben.
[2, 20, § 21] 156. Außer diesen allgemeinen
Ausschließungsursachen macht sich ein Seitenverwandter noch besonders der
Erbschaft seines unmündigen Verwandten unwürdig, über welchen derselbe die ihme
aufgetragene Vormundschaft auf sich zu nehmen ohne rechtserheblicher Ursache
verweigeret hat, wann dieser nachher in der Unwürdigkeit verstirbt, obschon der
Verwandte zur Zeit des Auftrags noch nicht der Nächste gewesen, sondern erst
zur Zeit des Erbanfalls der Nächste worden wäre. Wo aber der Wais nachher zur
Großjährigkeit gelangete, und ohne näheren Erben verstürbe, höret
diese Ausschließung auf.
(2-397) Fünfter Artikel.
Von der Erbfolge der Eheleuten.
§. XXII. Von dem Erbtheil des überlebenden Ehegattens aus
der Verlassenschaft des anderen. §. XXIII. Von Ausschließung der Eheleuten von der Erbfolge.
§. XXII.
[2, 20, § 22] 157. Die vierte Ordnung der rechtlichen
Erbfolge ist der Eheleuten, nicht zwar, daß selbe einander, wie die
vorhergehende drei Ordnungen der Absteigenden, Aufsteigenden und
Seitenverwandten, in dem gesammten hinterlassenen Hab und Gut erbeten, sonder
weilen von diesem Unseren Gesatz dem überlebenden unversorgten Ehegatten ein
gewisser Antheil aus der Verlassenschaft des Verstorbenen beschieden wird.
(2-398) [2, 20, § 22] 158. Diese Ordnung der Eheleuten tritt
solchemnach in der Erbfolge niemalen für sich allein ein, weilen sie
vorbesagter Maßen nur auf einen gewissen bestimmten Antheil beschränket ist,
sondern sie trifft allzeit mit einer von denen vorerklärten drei Ordnungen,
welcher die übrige Verlassenschaft erblich zufallt, oder auch, da keine dieser
drei Ordnungen vorhanden, und somit die Verlassenschaft erblos wäre, mit
Unserer Kammer in Ansehung dieses Antheils zusammen, wann die hiernach erwähnte
Erfordernissen hinzustoßen.
[2, 20, § 22] 159. Diesen ehegattlichen Antheil bestimmen
Wir auf den vierten Theil des gesammten hinterlassenen frei vererblichen
Vermögens, welcher aber nur allein damals gebühren solle, wann zwischen dem
verstorbenen und überlebenden Ehegatten kein Heirathsbrief errichtet worden.
[2, 20, § 22] 160. Wann dahero der überlebende Theil
vorgeben würde, daß keine Eheberedniß zwischen ihme und dem Verstorbenen zu
Stand gekommen, oder die errichtete anwiederum mit beiderseitiger
Einverständniß aufgehoben worden seie, und solchergestalten derselbe dieses
vierten Theils genießen wollte, in Gegentheil aber ein erheblicher Verdacht,
daß ein Heirathsbrief vorhanden seie, fürwaltete, so solle dieser hinterlassene
Ehegatt in Erforderungsfall sein Vorgeben eidlich bestätigen, widrigens zu dem
ehegattlichen Antheil nicht zugelassen werden.
[2, 20, § 22] 161. Wäre aber ein Heirathsbrief vorhanden, so
hat sich der Ueberlebende mit deme, was ihme darinnen verschrieben worden, zu
begnügen, und auf den ehegattlichen Antheil keinen Anspruch.
[2, 20, § 22] 162. Nur allein wollen Wir eine hinterlassene
mittellose Wittib dahin besonders begünstigen, daß wo ihre in dem Heirathsbrief
ausgemessene Versorgung so gering wäre, daß sie weder hier, noch aus eigenen
Mitteln die den Stand ihres verstorbenen Ehegattens gemäße nöthige Unterhaltung
erschwingen könnte, derselbe so viel, als hierzu nach richterlichen Ermessen
erforderlich ist, doch niemalen mehr, als der Fruchtgenuß des vierten Theils
beträgt, aus der Verlassenschaft des Verstorbenen ausgeworfen, und ihr für die
Zeit ihres Wittibstands oder bis sie zu mehreren Mitteln gelanget, von denen
Erben des Verstorbenen alljährlich abgereichert werden solle.
[2, 20, § 22] 163. In Ermanglung eines Heirathsbriefs
hingegen fällt dieser vierte Theil sowohl dem Mann, als dem Weib eigenthumlich
zu, ohne Rucksicht des höheren oder niederen Standes, und ohne Unterschied, ob
mehrere oder wenigere, oder gar keine eheleiblichen Kinder vorhanden sind, noch
auch, ob der hinterlassene Ehegatt reich oder arm sei.
[2, 20, § 22] 164. Doch muss zwischen dem verstorbenen und
dem überlebendem Ehegatten eine rechtsgiltige Ehe bestanden, und die
priesterliche Trauung vorhergegangen
(2-399) sein, obschon der eine Theil gleich nach der
priesterlichen Zusammengebung noch vor der wirklichen Beiwohnung verstorben
wäre.
[2, 20, § 22] 165. Auch eine vermeintliche Ehe, wann der
überlebende Theil selbe mit guten Glauben für rechtmäßig gehalten, giebt das
Recht zu diesem ehegattlichen Antheil, woferne solche bis zur Zeit des Tods des
anderen Theils insgemein für rechtmäßig geachtet, und bis dahin von Niemanden
gerichtlich angestritten worden.
[2, 20, § 22] 166. Wäre aber die Giltigkeit der Ehe noch vor
dieser Zeit angefochten, und entweder bei Lebszeiten beider Theilen, oder nach
dem Tod des einen für unrechtmäßg erkennet worden, so gebühret zwar dem
Ueberlebenden dieser Antheil nicht, wohl aber dem hinterlassenen vermeintlichen
Eheweib allein, wo sie im guten Glauben bestellet waren, und sonst mittellos
ist, aus der Verlassenschaft des Verstorbenen solange sie nicht zu einer
anderen Ehe schreitet, oder nicht mittlerweil eigene hinreichende Mitteln
überkommt, die standesmäßige nöthige Unterhaltung.
[2, 20, § 22] 167. Zu Erlangung dieses Antheils hat der
überlebende Ehegatt in Beitritt vorbeschriebener Erfordernissen die sonst eine
jedweden anderen Erben zu Habhaftwerdung seines Erbtheils gebührende
Erbsforderung, und bestehet solcher in dem vierten Theil des gesammten
hinterlassenen freivererblichen Vermögens, welches auf ganz gleiche Art, wie es
oben in vierzehenten Capitel, §. V, von dem Pflichttheil geordnet worden, zu
berechnen ist, und was hieran über Abzug der Schulden, Begräbnißkosten und
fremden oder solchen Guts, so der Erblasser mit der Verbindlichkeit der
Zuruckstellung an Andere innen gehabt, erübriget wird, hiervon gebühret der
vierte Theil dem überlebenden Ehegatten.
[2, 20, § 22] 168. Er ist solchemnach noch vor dem
Pflichttheil der Notherben abzuziehen, doch solle in dessen Betrag Alles
eingerechnet werden, was der Ueberlebende von dem Verstorbenen sowohl bei
Lebszeiten durch Schankungen, Beschreibungen oder Uebergaben auf dem Todesfall
allschon empfangen hat oder noch zu empfangen haben würde, als auch was ihme in
letzten Willen zugedacht und verschaffet worden.
[2, 20, § 22] 169. Was demnach über Einrechnung alles dessen
an dem vierten Theil annoch abgehet, ist aus der Verlassenschaft des
Verstorbenen nachzuholen und zu ersetzen, wozu sowohl die Erben, als Jene,
welche mit Vermächtnissen bedacht worden, in ganz gleicher Maß, wie oben in
vierzehenten Capitel, §. VI, von num. 126 bis 128 von Ergänzung des Pflichttheils
geordnet worden, beizutragen haben.
[2, 20, § 22] 170. Kein Erblasser hat dahero Fug und Macht,
diesen gesatzmäßigen Antheil ohne rechtserheblichen gleich
hiernach erklärenden Ursachen in seiner letztwilligen Anordnung zu
verminderen. Wohl aber stehet ihme frei solchen zu vermehren, und die
Versorgung seines hinterlassenden Ehegattens durch letzten Willen insoweit zu
verbesseren, als der obausgemessene Pflichttheil seiner nothwendigen Erben
andurch nicht verkürzet wird; was hingegen zu dessen Verringerung oder
Beschwerung gereichet, kann nicht bestehen, wann es gleich dem leiblichen Vater
oder der leiblichen Mutter der Notherben zugedacht worden wäre.
§. XXIII.
[2, 20, § 23] 171. Dieses gesatzmäßigen Antheils wird eine
Ehegatt entweder aus eigenen freien Willen, oder aus seiner Schuld verlustig.
Aus freien Willen nicht nur damals, wann vorbemelter Maßen ein Heirathsbrief
mit dem Verstorbenen errichtet worden, sondern auch, wann derselbe hierauf,
obschon kein Heirathsbrief vorhanden wäre, ausdrückliche Verzicht gethan, zu
deren Giltigkeit aber erforderet wird, daß er zur Zeit seiner Verzicht
großjährig und Verbindungen einzugehen fähig gewesen seie.
[2, 20, § 23] 172. Aus eigener Schuld wird der überlebende
Ehegatt von diesem Antheil ausgeschlossen, wann er sich durch sein
ungeziemendes Betragen gegen dem Verstorbenen
(2-400) dessen unwürdig gemacht hat. Diese
Ausschließungsursache aber werden hiermit auf folgende bestimmet:
[2, 20, § 23] 173. Erstens, wann der Ueberlebende ohne
hinlänglicher von der Obrigkeit für rechtmäßig erkannter Ursach von dem
Verstorbenen entwichen ist, oder ihn von sich gestoßen, oder durch sein hartes
und boshaftes Verfahren zur Trennung Ursach gegeben hat.
[2, 20, § 23] 174. Zweitens, wann er dem Verstorbenen nach
dem Leben getrachtet, oder ihn gar umgebracht, oder umbringen lassen; drittens,
wann er ihme an seinem Gut einen namhaften Schaden boshafter Weise verursachet;
viertens, wann er ihn mit Unrecht eines Ehebruchs gerichtlich beschuldiget,
oder wegen eines anderen Lasters fälschlich angegeben hat.
[2, 20, § 23] 175. Fünftens, wann er dem Verstorbenen in
Noth und Elend nicht beigesprungen, oder ihn vor gefänglichen Verhaft, wo er es
ohne merklichen Abbruch seines Vermögens hätte thun können, nicht befreiet hat.
[2, 20, § 23] 176. Sechstens, wann er einen Ehebruch oder
ein anderes die Todesstrafe oder die Ehrlosigkeit nach sich ziehendes Laster
begangen hat, weswegen derselbe noch bei Lebzeiten des verstorbenen Ehegattens
gerichtlich angefertiget worden.
[2, 20, § 23] 177. Wo aber die Anfertigung erst nach seinem
Tod angestrenget würde, wird er des ehegattlichen Antheils nicht verlustig,
obschon nachher das Urtheil wider ihn auf die Todesstrafe oder die Ehrlosigkeit
ausfiele.
[2, 20, § 23] 178. In allen diesen Fällen aber, worinnen dem
verstorbenen Ehegatten von dem überlebenden eine Unbild zugefüget worden, ist
zu dessen Ausschließung von dem ehegattlichen Antheil erforderlich, daß schon
der Verstorbene selbst, wo er sie gewußt, und es seine Lebensfrist noch
gestattet hat, solche zu beleidigten Gemüth gezogen habe, und zwischen ihnen
keine Aussöhnung erfolget seie.
[2, 20, § 23] 179. Ansonsten, und wo entweder die
Beleidigung von dem Verstorbenen, da er sie gewußt, und solche zu ahnden noch
im Stande ware, gleichgiltig angesehen worden, oder auch wo nach seiner darob
bezeugten Empfindlichkeit die nachher erfolgte Aussöhnung erweislich ist, solle
des Begangenen halber wider den Ueberlebenden nichts mehr gereget, und um so
minder derselbe von dem ehegattlichen Antheil ausgeschlossen, sondern die
Beleidigung für erlassen geachtet werden.
[2, 20, § 23] 180. Außer vorstehenden Ursachen ist sonst
keine andere hinreichend den überlebenden Ehegatten seines Antheils verlustig
zu machen, und wo eine Wittib nach dem Tod ihres Manns ein unzüchtiges Leben
führete, verlieret sie zwar den wittiblichen Unterhalt, und Alles, was sie
annoch aus der Verlassenschaft des Manns zeitweilig zu genießen hat, nicht aber
auch den ehegattlichen Antheil und was dieselbe bereits wirklich erhalten und
unwiderruflich erworben hat.
(2-401) Sechster Artikel.
Von Erbanfällen zu Handen Unserer Kammer.
§. XXIV. Von Einziehung erbloser Güter. §. XXV. Von Abfahrt-
oder Abschaffgeld von denen hinausziehenden Verlassenschaften.
§. XXIV.
[2, 20, § 24] 181. Endlich, wo weder Absteigende, weder
Aufsteigende, noch Seitenverwandten binnen dem zehenten Grad vorhanden sind,
tritt die fünfte und letzte Ordnung der rechtlichen Erbfolge ein, und die
Verlassenschaft fallt als ein erbloses Gut (doch mit Abzug des hiervon dem
überlebenden Ehegatten, wo einer hinterlassen worden, ihn Ermanglung eines
Heirathsbriefs gebührenden obausgemessen Antheils) Unserer Kammer anheim,
welche in Allem an Erbens statt gehalten werden, und so die Erbvortheile zu
genießen, wie die Erblasten zu tragen haben solle.
[2, 20, § 24] 182. Dieses Recht über erblose Güter stehet
insgemein als eine Wirkung der Landeshoheit Uns allein zu, und darf sich dahero
Niemand dessen anmaßen, wer nicht zu derlei Erfälligkeiten entweder durch
Unsere ausdrückliche Befreiungen oder durch unfürdenkliche rechtmäßig
hergebrachte Gewohnheit besonders berechtiget ist, in welchen Fällen jedoch
nicht weniger dem überlebenden Ehegatten der ihme von Unseren Gesetzen
beschiedene Antheil in Ermanglung eines Heirathsbriefs vorbehalten bleiben
solle.
(2-402) [2, 20, § 24] 183. Gleichwie Wir aber Niemanden
durch Unsere landeshoheitliche Befugnissen von seinem Recht zu verdringen
gemeinet sein, also wollen Wir auch, daß bei Einziehung erbloser Güter jedesmal
ordnungsmäßig verfahren, und wo sich ein solcher Fall ereignet, durch
öffentliche Kundmachung eine hinlängliche Zeitfrist wenigstens von einem Jahr
und sechs Wochen zu dem Ende anberaumet werden solle, damit binnen solcher
Jedermann, wer an dieser Verlassenschaft aus was immer für Ursachen etwas zu
forderen vermeinet, seine Sprüche und Forderungen anbringen und solche behörig
ausführen möge.
[2, 20, § 24] 184. Inmittelst solle über die Verlassenschaft
ein Curator bestellet, die sich Anmeldende gehöret, ihre Ansprüche nach
Vernehmung Unseres Fisci erörteret, und wo sich binnen dieser Zeit Niemand
gemeldet, oder der sich Meldende einen näheren Erbsanspruch, wie zu Recht
erforderlich, nicht dargethan hätte, die Verlassenschaft als ein erbloses Gut
durch richterliche Erkanntniß Unserer Kammer zuerkannt und überantwortet
werden.
[2, 20, § 24] 185. Wobei Unserer Kammer wider Jene, welche
zur Verlassenschaft gehörige Güter und Habseligkeiten unrechtmäßiger Weise
innen haben, alle diejenigen Rechtsbehelfe und Rechtsforderungen, welche sonst
einem jedwedem anderem Erben gebühren, zu statten kommen sollen.
[2, 20, § 24] 186. Dagegen aber kann sich auch dieselbe der
mitverknüpften Erblasten nicht entschütten, sondern sie hat solche in eben
derjenigen Maß, wie es die Verbindlichkeit eines jedweden anderen Erben mit
sich bringt, ohnweigerlich abzustatten, und dahero sowohl die auf der
Verlassenschaft haftende Schulden, als auch die etwan von dem Verstorbenen
durch Codicillen oder durch ein mit der codicillarischen Clausel versehenes
Testament verschaffte Vermächtnissen, doch diese letztere allenfalls mit der
Rechtswohlthat des Erbviertels, hintanzufertigen.
[2, 20, § 24] 187. Dieser Erbanfall zu Handen Unserer Kammer
hat nicht nur damals statt, wann kein Seitenverwandter des Verstorbenen binnen
dem zehenten Grad vorhanden, sondern auch, wo Derjenige, welcher dem
Verstorbenen binnen diesem Grad verwandt wäre, entweder erbsunfähig, oder als
ein Ausländer aus dem Wiedervergeltungsrecht, weilen Unsere Unterthanen in
seinem Vaterland zu Erbschaften nicht zugelassen werden, von der Erbfolge
ausgeschlossen ist, und sonst kein anderer Erbsfähiger binnen diesem Grad sich
hervorthut.
[2, 20, § 24] 188. Es solle demnach keinem Ausländer eine
ihme, es seie aus letzten Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge,
in Unseren deutschen Erblanden zugefallene Erbschaft ausgefolget werden, er
habe sich dann noch vor der Zeit des Erbanfalls zu einem Unserer deutschen
Erblanden schon fähig gemacht, oder durch glaubwürdige Zeugnissen erwiesen, daß
in seinem Vaterland gleicher Maßen Unsere Unterthanen aus diesen Landen zu
Erbschaften zugelassen werden.
[2, 20, § 24] 189. Wo aber derselbe weder die eine noch die
andere dieser Erfordernissen darzuthun vermögete, solle ihme die etwan erst
nach dem Erbanfall erwirkte Landesfähigkeit in einem Unserer deutschen
Erblanden nichts fürtragen können, sondern er gleichwohlen von der ihme vorhero
zugefallenen Erbschaft ausgeschlossen bleiben, und hierzu die in Unseren Landen
befindliche obschon weitere, doch binnen dem zehenten Grad verwandte
Blutsfreunde zugelassen werden, widrigens fallt in deren Abgang die Erbschaft
Unserer Kammer anheim.
[2, 20, § 24] 190. Wo jedoch ein solcher Ausländer schon zur
Zeit des Erbanfalls in einem Unserer deutschen Erblanden die Landesfähigkeit
erworben gehabt hätte, so ist derselbe für einen Inländer zuachten, folglich
höret auch die Ausschließungsursache auf, obschon er, um zu dem Besitz
liegender Güter gelangen zu können, sich noch insonderheit zu demjenigen Land,
worinnen selbe gelegen, der Erforderniß nach fähig zu machen hat.
(2-403) §. XXV.
[2, 20, § 25] 191. Ohnerachtet aber eine in Unseren
Erblanden zugefallene Erbschaft aus dem Erwiederungsrecht außer Landes
verabfolget wird, so unterlieget solche gleichwohlen dem überhaupt von allen
aus Unseren Erblanden hinausziehenden Gut ausgemessenen Abfahrt- oder
Abschoßgeld in derjenigen Maß, wie es nach Unterschied der Länder sowohl, als
der sich ergebenden Fällen Unsere deshalben erlassene anderweite Satz- und
Ordnungen breiteren Inhalts bestimmen.
[2, 20, § 25] 192. Uebrigens solle bei Erbschaften, welche
Ausländern, die aus dem Erwiederungsrecht zu erben fähig sind, in Unseren
Erblanden zugefallen, nicht auf die Gesetze ihres Landes, sondern einzig und
allein auf die von Uns vorgeschriebene obstehende Ordnung der rechtlichen
Erbfolge gesehen, und die Erbschaft Demjenigen zugesprochen werden, welcher
nach dieser Ordnung hierzu das nächste Recht hat, obgleich derselbe nach denen
Gesetzen seines Lands von dem etwan alldort gelegenen Theil der Verlassenschaft
ausgeschlossen worden wäre.
(2-404) Caput XXI.
Von Antretung der Erbschaft.
Inhalt:
§. I. Von dem Erbfall. §. II. Von dem richterlichen Amt bei
Verlassenschaften, und insonderheit von Anlegung der gerichtlichen Sperr. §.
III. Von der denen Erben zu statten kommenden Bedenkzeit. §. IV. Von erblicher
Uebertragung der angefallenen Erbschaft auf die Erbenserben. §. V. Von
Antretung der Erbschaft. §. VI. Von Entschlagung der Erbschaft. §. VII. Von der
Rechtswohlthat des Inventarii. §. VIII. Von Verlassenschaftsabhandlungen. §.
IX. Von Eröffnung der gerichtlichen Sperr, und Einantwortung der Erbschaft. §.
X. Von Wirkung des Erbrechts, und denen daherrührenden Rechtsforderungen.
§. I.
[2, 21, § 1] Num. 1. Eine gemeinsame Wirkung beider
Erbfolgen, sowohl der letztwilligen, als der rechtlichen, ist das Erbrecht,
welches andurch erlanget wird;
(2-405) in was aber solches bestehe, ist bereits oben in
zehenten Capitel, §. I, erkläret worden.
[2, 21, § 1] 2. Hier erübriget nur noch dessen
Anfallerwerbung und Theilung zwischen mehreren Erben in diesem und denen
folgenden zweiundzwanzigsten und dreiundzwanzigsten Capiteln zu beschreiben, um
somit die ganze weitläufige Abhandlung von der Erbfolge zu beschließen.
[2, 21, § 1] 3. Bei Erwerbung des Erbrechts kommen mehrere
Handlungen in Betrachtung, deren jedwede eine besondere Erklärung erheischet,
als: Erstens, der Erbanfall; zweitens, das Amt des Richters bei ledigen
Verlassenschaften, und insonderheit die gerichtliche Sperr; drittens, die
Bedenkzeit; viertens, die Uebertragung auf Erbenserben; fünftens, die
Antretung, und sechstens, die Ausschlagung der Erbschaft; siebentens, die
Rechtswohlthat des Inventarii; achtens, die Verlassenschaftsabhandlung;
neuntens, die Einantwortung der Erbschaft, und endlich zehntens, die
Erbsforderung.
[2, 21, § 1] 4. Vor Allem ist der vorhergehende Erbanfall
erforderlich, damit eine Erbschaft erworben werden könne; dieser ist nichts
Anderes, als eine Uebertragung oder Verstattung des Rechts alle Güter, Rechten
und Gerechtigkeiten, welche der Verstorbene hinterlassen hat, zu erwerben.
[2, 21, § 1] 5. Dann gleichwie die Uebergabe des Eigenthums
einer Sache in der Ueberlieferung und Abtretung an Seiten des Einen, und in der
wirklichen Annehmung an Seiten des Anderen bestehet, also ist auch bei
Erbschaften der Erbanfall anstatt der Uebertragung und die darauf folgende
Antretung anstatt der Annehmung der angefallenen Erbschaft.
[2, 21, § 1] 6. Wiewohlen aber diese zwei Handlungen an der
Zeit, in welcher eine und die andere für sich gehet, von einander merklich
unterschieden sind, so werden doch beide in dem rechtlichen Verstand
dergestalten vereiniget, daß die Wirkung der Erbsantretung auf die Zeit des
Erbanfalls zuruckgezogen, folglich dafürgehalten werde, daß das Erbrecht gleich
zur Zeit des Erbanfalls erworben worden seie.
[2, 21, § 1] 7. Es ist daher in der Zwischenzeit das
hinterlassene Gut zwar ledig, und heißet eigentlich
eine Verlassenschaft, gleichwie nach der Erbsantretung eine Erbschaft, welche,
solange sie nicht angetreten wird, die Person des verstorbenen Erblassers
vorstellet. Alles aber, um was mittlerweil eine solche ledige Verlassenschaft
zu- oder abnimmt, gehet in Rucksicht der künftigen Erbsantretung auf Gewinn und
Verlust des Erbens.
[2, 21, § 1] 8. Doch hat eine ledige Verlassenschaft diese
besondere Begünstigung, daß, solange die Erbsantretung nicht erfolget, wider
die selbe keine Verjährung ihren Lauf anfangen, noch die bei Lebzeiten des
Erblassers angefangene solchen fortsetzen könne, sondern dieser für die Zeit,
als die Verlassenschaft ledig ist, ausgestellet bleibe.
[2, 21, § 1] 9. Der Erbanfall geschieht nach Unterschied der
Erbfolge aus zweierlei Ursache, als entweder aus letzten Willen durch Anordnung
des Erblassers, oder aus der rechtlichen Erbfolge unmittelbar durch Anordnung
des Rechts selbst.
[2, 21, § 1] 10. Es kann aber einerlei Erbschaft aus beiden
Ursachen zugleich anfallen, als da über einen Theil der Verlassenschaft von dem
Erblasser letztwillig geordnet worden, und diese Anordnung zur Wirkung kommt,
dahingegen über dem anderen die letztwillige Anordnung ermanglet, oder in der
Folge unwirksam, und somit der Weg zur rechtlichen Erbfolge eröffnet wird.
[2, 21, § 1] 11. Und ist hierinnen kein Unterschied, ob
beiderlei Erbanfälle sowohl aus der letztwilligen, als aus der rechtlichen
Erbfolge auf verschiedene, oder auf einerlei Person gehen, wann nemlich im
ersten Fall ein Anderer zum Erben eingesetzet, und ein Anderer der Nächste ist,
in anderem Fall aber der eingesetzte Erb zugleich nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge der Nächste ist.
(2-406) [2, 21, § 1] 12. Die Zeit, zu welcher sich der
Erbanfall ergiebt, ist insgemein der Augenblick des Hinscheidens des
Erblassers, wovon jedoch die bedingten Erbseinsetzungen ausgenommen sind, als
woraus der Erbanfall nicht ehender, als von dem Ausgang der Bedingniß auf den
eingesetzten Erben gehen kann, obschon dieser nachgehends auf die Zeit des Tods
zuruckgezogen wird, und von dieser Zeit an der Erbanfall seine Wirkung hat.
[2, 21, § 1] 13. Eine solche Bedingniß klebt der rechtlichen
Erbfolge schon nach ihrer Natur selbst stillschweigend an, daß selbe nicht
ehender statt haben könne, als bis nicht die letztwillige Erbfolge ganz oder
zum Theil ermangle.
[2, 21, § 1] 14. So lange demnach der Stritt über die
Giltigkeit eines letzten Willens annoch obschwendet, oder nicht gewiß ist, ob
und über was die letztwillige Anordnung gleich Anfangs ermangle, oder in der
Folge unwirksam worden, kann kein Erbanfall der rechtlichen Erbfolge Platz
greifen, bis nicht der Abgang der letztwilligen Erbfolge entschieden ist.
[2, 21, § 1] 15. Nach dessen Entscheidung aber wird die
Wirkung des Erbanfalls aus der rechtlichen Erbfolge nicht weniger, wie bei
bedingten Erbseinsetzungen, doch nur insoweit, als die letztwillige Anordnung
ermanglet oder unwirksam worden, auf die Zeit des Tods des Erblassers
zurückgezogen.
§. II.
[2, 21, § 2] 16. Da Jemand verstirbt, solle von Gericht aus
sogleich, als dasselbe sein Absterben in Erfahrniß bringt, ohne Zeitversaumniß
dessen Verlassenschaft in die gerichtliche Sperr genommen werden.
(2-407) [2, 21, § 2] 17. Wovon insgemein nichts Anderes, als
was seine Beschaffenheit nach keine Sperr leidet, wie nicht weniger Jenes, was
zur täglichen nothdürftigen Unterhaltung Derjenigen, welche der Verstorbene zu
ernähren schuldig ware, dann zur Begräbniß oder zum Wirthschaftstrieb
erforderlich ist, der Wittib, Kindern und Beamten oder anderen vertrauten
Leuten, die sonst bei Lebzeiten des Verstorbenen seine Wirthschaft besorget
haben, und zwar wo es nöthig befunden würde, unter einer eigends hierüber
gefertigten Beschreibung in Handen, und außer der Sperr zu lassen ist.
[2, 21, § 2] 18. Da aber die Verlassenschaft kundbarer Maßen
in mehreren Landen vertheilet wäre, hat das Gericht desjenigen Landes, in
welchem der Erblasser verstorben, auch der Gerichtsstelle des anderen Landes,
unter deren Gerichtsbarkeit die übrige Verlassenschaft gelegen ist, sein
erfolgtes Ableben schleunig zu bedeuten, darmit nicht weniger derorten mit der
gerichtlichen Sperranlegung fürgegangen werden möge.
[2, 21, § 2] 19. Die Anlegung der Sperr stehet
insgemein demjenigen Gericht zu, welchem die Person des Verstorbenen bei
Lebzeiten unterworfen ware.
[2, 21, § 2] 20. Wohingegen in Ansehung der unter einer
anderen Gerichtsbarkeit gelegenen Gütern und hinterlassenen Vermögens Wir es
bei eines jedweden Landes wohlhergebrachter Verfassung gnädigst bewenden
lassen.
[2, 21, § 2] 21. Die Sperr einer Verlassenschaft solle
allemal in Gegenwart der Hausleuten, wann deren einige allda befindlich sind,
und wo sie von Stadt- oder Marktgerichten angeleget wird, von dreien
geschwornen Gerichtspersonen vorgenommen werden.
[2, 21, § 2] 22. Welche über deren Vollzug dem gesammten
Gericht auf den nächst darauf folgenden Gerichtstag die umständliche Anzeige zu
erstatten haben, damit dieser Fürgang in dem Gerichtsbuch vorgemerket, und wo
es nöthig, auch alsobald denen anderen Gerichtsstellen, worunter der
Verstorbene einige Güter hinterlassen hat, zu gleichmäßiger Vorkehrung die
ohnverweilte Nachricht gegeben werden möge.
[2, 21, § 2] 23. Bei Vornehmung der Sperr haben die darzu
Abgeordnete sich alles Fleißes zu erkundigen, ob der Verstorbene ein Testament
oder Codicill, und ob, und wie viele Kinder hinterlassen habe, ob selbe schon
alle großjährig, oder einige noch minderjährig, ob alle anwesend, oder welche
abwesend, und welcher Orten befindlich sind.
[2, 21, § 2] 24. Wie aber mit Erhebung eines sich
vorfindenden letzten Willens fürzugehen, ist allschon oben in siebenzehenten
Capitel, §. I, und was für eine Vorsicht in Ansehung der minderjährigen oder
abwesenden Kindern zu treffen seie, im ersten Theil in der Abhandlung von der
Vormundschaft geordnet worden.
[2, 21, § 2] 25. Die an der Verlassenschaft angelegte Sperr
ist ohne erheblicher Ursach nicht ehender, als bis bei
Einantwortung der Erbschaft zu eröffnen.
[2, 21, § 2] 26. Wo aber eine nothdringliche Ursache zu
unterwalten befunden würde, daß unter dieser Zeit etwas aus der Verlassenschaft
erhoben werde, solle zwar die Sperr auf gleiche Art und mit aller derjenigen
Vorsicht, welche oben bei der Anlegung vorgeschrieben worden, eröffnet, und das
Benöthigte herausgenommen, sodann aber solche anwiederum angeleget werden.
[2, 21, § 2] 27. Wie es jedoch mit Verlassenschaften nach
Kauf- und Handelsleuten zu
(2-408) halten seie, giebt Unsere Mercantilordnung Ziel und
Maß, welcher hierinfalls nachzugehen ist.
[2, 21, § 2] 28. Nach angelegter Sperr hat insgemein das
Gericht mit der Verlassenschaftsabhandlung bis nach Verlauf der dem Erben in
dem gleich nachfolgenden §. verstatteten Bedenkzeit zuzuwarten, wann solche der
Erb nach inmittelst mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetretener
Erbschaft nicht ehender anverlangen, oder der hervorbrechende Schuldenlast,
oder der unterwaltende Nutzen der Waisen, oder die kundbare längere Abwesenheit
des Erbens selbe nicht noch vor Verfließung dieser Zeit erheischen würde.
[2, 21, § 2] 29. Wären jedoch unter der Sperr so beschaffene
Dinge befindlich, welche sich ohne Gefahr ihrer ohnfehlbaren Verderbung oder
merklicher Abwürdigung nicht aufhalten ließen, so solle das Gericht, auch ohne
die sich etwan länger hinaus verziehende Erbsantretung, oder den Verlauf der
Bedenkzeit abzuwarten, dieselbe ordentlich beschreiben, und nach vorläufiger
Abschätzung mittelst der gerichtlichen Versteigerung an den Meistbietenden verkaufen.
[2, 21, § 2] 30. Das erlöste Geld aber indessen in die
gerichtliche Verwahrung nehmen, und bei vorsehenden längeren Verzug in
Auseinandersetzung der Erbssprüchen und Forderungen nach Maßgebung Unserer
anderweiten Verordnungen verzinslich anlegen.
[2, 21, § 2] 31. Wann die anberaumte Bedenkzeit verflossen,
ohne daß sich ein Erb
(2-409) angemeldet, noch auch, wer der Erb seie, wissend
wäre, hat das Gericht sofort über die Verlassenschaft einen Curatoren zu
bestellen, das gerichtliche Inventarium zu verfertigen, und durch öffentliche
Kundmachung eine Zeitfrist von einem Jahr
(2-410) und sechs Wochen zu bestimmen, binnen welcher Alle
und Jede, welche an dieser Verlassenschaft aus was immer für Ursachen etwas
anzuforderen vermeinen, zu Anbringung und Ausführung ihrer angeblichen
Forderungen mit dem Beisatz, daß widrigens dieselbe nach Verlauf dieser Zeit
darmit nicht mehr angehöret werden würden, vorgeladen werden sollen.
[2, 21, § 2] 32. Gleichwie dann auch, im Fall sich unter
dieser Zeit kein Erb hervor thäte, oder der sich hervorthuende sein
Erbfolgrecht, wie es sich zu Recht geziemet, nicht erweisen würde, die
Verlassenschaft sodann als ein erbloses Gut nach der in gleich vorhergehenden
Capitel, sechsten Artikel, §. XXIV, enthaltenen Vorschrift Unserer Kammer
zuerkannt und eingeantwortet werden solle.
[2, 21, § 2] 33. Wäre hingegen der Erb zwar bekannt, sein
Aufenthalt aber, oder ob derselbe noch am Leben seie, nicht wissend, in solchen
Fällen hat das Gericht den Aufenthalt des Erbens, und ob derselbe noch am Leben
oder todt seie, durch öffentliche Kundmachung der ihme zugefallenen Erbschaft
sorgfältig zu erforschen.
[2, 21, § 2] 34. Inmittelst aber die Verlassenschaft zu
beschreiben, dem Abwesenden einen Curatoren zu bestellen, mit der Abhandlung
fürzugehen, und wo mehrere Miterben, welche ihr Erbfolgrecht gehörig erwiesen,
vorhanden sind, mit ihnen die ordentliche Erbtheilung pflegen zu lassen.
[2, 21, § 2] 35. Was nun auf den Erbtheil des Abwesenden
ausfallt, dieses ist, wo es in Fahrnissen bestehet, nach vorhergehender
Schätzung mittelst gerichtlicher Versteigerung an den Meistbietenden zu
verkaufen, das dafür gelöste Geld aber, sowie die liegende Güter, oder der aus
deren etwan bemüßigten gerichtlichen Veräußerung erhaltene Werth denen
vorhandenen nächsten Blutsfreunden des abgeleibten Erblassers, welchen sonst in
Abgang des Abwesenden das Gut zugefallen wäre, gegen Leistung genugsamer
Bürgschaft und Sicherheit, daß sie, zu was Zeit hernach über kurz oder lang der
Abwesende, oder andere nähere Erben hervorkämen, dem oder denenselben diesen
ihnen zu getreuen Handen anvertrauten Erbtheil sammt allen mittlerweil davon
behobenen Nutzungen wieder erstatten wollen, eingeantwortet werden.
[2, 21, § 2] 36. Wollten oder könnten aber die nächste
Befreundte keine annehmliche Sicherheit leisten, so solle die Barschaft in
gerichtliche Verwahrung genommen, und verzinslich angeleget werden.
[2, 21, § 2] 37. Die liegende Güter hingegen einem Curatori
zu getreuer Verwaltung unter Verrechnung anvertrauet, und mit dem hiervon alljährlich
abfallenden Nutzen auf gleiche Art, wie mit der Barschaft verfahren werden.
[2, 21, § 2] 38. Nach dergestalten hergestellter Sicherheit
des einem Abwesenden zugefallenen Erbtheils sind dreißig Jahre von dem Tag des
Absterbens des Erblassers zu rechnen abzuwarten, ob binnen solchen seine
Ruckkehr erfolgen, oder von seinem Leben oder Tod eine sichere und verläßliche
Nachricht zu erhalten sein werde.
[2, 21, § 2] 39. Wo nun derselbe binnen dieser Zeit
zuruckkommt, oder nach seinem inmittelst erfolgten Absterben sich Erben nach
ihme hervorthun würden, welche ihr Erbfolgrecht wie erforderlich erweisen
könnten, ist ihme, oder ihnen sein Erbtheil mit allen davon behobenen Nutzungen
getreulich auszufolgen, und von Jenen, welche solchen bis dahin verwaltet, auf
Erforderen hierüber ordentliche Rechnung zu legen.
[2, 21, § 2] 40. Gleichwie gegentheils, wo die vorhandene
anderweite Blutsfreunde unter dieser Zeit sein noch vor dem Erblasser erfolgtes
Ableben, oder auch, wo er nach dem Erblasser erweislich verstorben wäre, das
ihnen nach demselben gebührende nächste Erbfolgrecht erproben würden, ihnen
sein Erbtheil ohne weiters einzuantworten, oder wo solcher ihnen schon vorhin
obstehender Maßen zur Verwaltung übergeben worden wäre, die geleistete
Sicherstellung zu erlassen ist.
[2, 21, § 2] 41. Da aber der Abwesende unter dieser Zeit
zwar selbst nicht zuruckkehrete, doch jegleichwohlen sein Aufenthalt in
Erfahrniß gebracht würde, so solle ihme nach Beschaffenheit seiner Entfernung
oder anderer etwan fürwalten mögender Ehehaften
(2-411) eine durch richterliches Ermessen selbst verfügende,
insgemein aber außer dem Fall ganz besonderer Hindernissen, welche ihn an dem
Ort, wo er ist, zuruckhalten, sich nicht über ein Jahr und sechs Wochen
erstreckende Zeitfrist, um sich binnen solcher einzufinden, und zu seinem
Erbtheil rechtsbehörig auszuweisen, anberaumet, und diese Verfügung ihme durch
das hierum eigends zu ersuchen habende dortige Gericht bedeutet werden.
[2, 21, § 2] 42. Wo jedoch derselbe auf diese ihme bedeutete
Vorladung weder selbst, noch durch einen von ihme hierzu genugsam
Bevollmächtigten in der anberaumten Frist erschiene, und sein Ausbleiben mit
keinen rechtserheblichen Ehehaften entschuldigen könnte, dahingegen das Gericht
der ihme geschehenen Kundmachung dieser Vorladung versicheret wäre, so ist nach
Verlauf dieser Zeit sein Ausbleiben für eine Entschlagung der Erbschaft
anzusehen, und sein Erbtheil denen nächsten Blutsfreunden des Erblassers,
welche nach ihme hierzu das nächste Recht haben, ohne weiteren Anstand mit
Ausschließung seiner zuzusprechen.
[2, 21, § 2] 43. Würden hingegen diese dreißig Jahre völlig
verstreichen, ohne daß er unter dieser Zeit weder selbst zuruckkehrete, noch
von seinem Leben oder Tod eine sichere Nachricht zu erhalten gewesen wäre, so
ist derselbe auf Anlangen Jener, welchen hieran gelegen ist, von Gericht aus
für verstorben zu erklären, und sein Erbtheil Denenjenigen, welchen solcher zur
Zeit des Absterbens des Erblassers angebühret hat, oder ihren ungezweifleten
Erben einzuantworten, oder wo die Einantwortung schon vorher gegen Bürgschaft
geschehen, die geleistete Sicherheit zu erlassen.
[2, 21, § 2] 44. Wo es sich aber ergäbe, daß es nicht um die
Erbschaft nach einem Dritten, sondern um die Erbschaft nach einem Abwesenden
selbst zu thun wäre, welcher über dreißig Jahre ausbliebe, ohne daß sein
Aufenthalt, Leben oder Tod unter dieser Zeit in Erfahrniß zu bringen sein
würde, in diesem Fall ist zwar mit mittlerweiliger Sicherstellung seines
ruckgelassenen Vermögens auf gleiche Art zu verfahren, dieses jedoch seinen
nächsten Blutsfreunden ohne hinlänglicher Bürgschaft nicht ehender
einzuantworten, als bis sie erwiesen haben werden, daß der Abwesende nebst
seiner dreißigjährigen Abwesenheit ein Alter von siebzig Jahren zuruckgeleget habe.
[2, 21, § 2] 45. In so einem als anderen Fall hingegen
bleiben nichtsdestoweniger auch nach Verlauf der dreißig Jahren dem abwesend
Gewesten, und seinen hinterlassenen eheleiblichen Kindern, wann von ihnen
erwiesen werden mag, daß sie diese Zeit ohne ihrem Verschulden verstreichen
lassen, alle Rechtswohlthaten bevor, kraft deren sie ihr Gut von Jenen, zu
deren Handen es eingeantwortet worden, und ihren Erben, soviel noch von dem Gut
in deren Handen vorhändig oder an Werth dafür ihnen zugekommen zu sein von
denen Zuruckkehrenden ausgewiesen werden mag, zuruckforderen können.
[2, 21, § 2] 46. Auf das aber, was nach der gerichtlichen
Zusprechung von den mittlerweiligen Inhaberen davon veräußeret worden, haben
sie wider einen Dritten, welcher es rechtmäßig an sich gebracht, keinen
Anspruch, noch auch sind die Inhabere selbst wegen deren von Zeit der
gerichtlichen Zusprechung bis zu der gerichtlichen Klage behobenen und
verzehrten Nutzungen Rechenschaft zu geben schuldig.
§. III.
[2, 21, § 3] 47. Mit Erbschaften gehen nicht allein die
Vortheile, sondern auch alle Erblasten auf den Erben, welcher sich derselbe
durch Antretung der Erbschaft verfänglich macht. Wiezumahlen jedoch zum öfteren
die Lasten den Vortheil übersteigen, folglich dem Erben aus einer übermäßig
belasten (!) Erbschaft mehr Schaden und Nachtheil, als Nutzen und Gewinn
zugehen würde, solchemnach wollen Wir hiermit einem jeden Erben eine
hinlängliche Bedenkzeit gnädigst gestatten, unter
(2-412) welcher derselbe sich wegen der Beschaffenheit der Erbschaft
erkundigen, und ob er solche anzunehmen oder fahren zu lassen fürträglicher zu
sein finde, sich entschließen möge.
[2, 21, § 3] 48. Diese Bedenkzeit bestimmen Wir, wann der
Erb im Lande, wo die Erbschaft gelegen, anwesend ist, auf eine dreimonatliche,
und wo er außer Landes abwesend, auf eine sechsmonatliche Frist von dem Tag des
Absterbens des Erblassers, war wo ein Testament vorhanden, von dem Tag des
kundgemachten Testaments, oder bei bedingten Erbseinsetzungen von Ausgang der
Bedingniß zu rechnen.
[2, 21, § 3] 49. Wann jedoch solche erhebliche Ehehaften
fürwalteten, daß der Erb binnen dieser Zeit sich nicht erklären könnte, so
erlauben Wir weiters, daß derselbe noch vor deren Verlauf mit Anzeigung und
Belegung der Ursachen um eine Erstreckung bei demjenigen Gericht, wo von ihme
seine Erbserklärung einzubringen wäre, geziemend einkommen möge, welches aber
solche niemalen auf eine längere Zeit, als auf sechs Wochen von dem Verlauf der
obanberaumten Bedenkzeit zu verwilligen hat.
[2, 21, § 3] 50. Wo aber der Erb sich unter der obbestimmten
Bedenkzeit weder erbserklären, noch auch vorbemelter Maßen eine Erstreckung
ansuchen würde, solle derselbe nach deren Verlauf ein für allemal von der
Erbschaft ausgeschlossen sein, und dafür geachtet werden, daß er sich der
Erbschaft freiwillig entschlagen habe; er könne dann erweisen, daß diese Zeit
ohne seinem Verschulden verstrichen seie.
[2, 21, § 3] 51. Außer einer solchen rechtsbewährten
Entschuldigung gehet widrigens der Erbanfall sofort im Fall einer letztwilligen
Anordnung auf die nachberufene Erben, oder in deren Ermanglung auf die weitere
Befreundte, welchen von dem Tag der verflossenen ersten Bedenkzeit oder der
erhaltenen Erstreckung eine gleichmäßige Bedenkzeit zu laufen anfängt; wo aber
auch diese zweite Bedenkzeit verstreichen würde, ohne daß sich Jemand von ihnen
angemeldet hätte, sind dieselben nicht weniger ausgeschlossen, und ist die
Erbschaft als ein erbloses Gut Unserer Kammer zuzusprechen.
[2, 21, § 3] 52. Dieses hat in allen Fällen statt, wo der
Erbanfall unstreitig, die Erben mündig, und wer Erb, und wo derselbe seie,
bekannt ist, da aber die Erbschaft von mehreren Erbswerberen strittig gemacht
würde, folglich auch Keiner vor Beendigung des Rechtsstritts zur Erbsantretung
zugelassen werden kann, so hat die Bedenkzeit erst von dem Tag des zu
Rechtskräften erwachsenen richterlichen Spruchs ihren Anfang zu nehmen.
[2, 21, § 3] 53. Gleichergestalten solle der Saumsal des
Vormunds einem minderjährigen Erben nichts beschaden können, sondern wo das Gericht
bei der Verlassenschaftsabhandlung ihn andurch gefährdet zu sein wahrnehmen
würde, so hat dasselbe dem minderjährigen Erben einen anderen Vormund oder
Curatoren zu bestellen, welchem ohnerachtet der verflossenen Bedenkzeit die
Erbschaft in Namen, und anstatt des minderjährigen Erben anzutreten noch
allzeit freistehen solle.
[2, 21, § 3] 54. Endlich wo von dem Erben gar nichts
wissend, oder der Erb zwar bekannt, doch ob er am Leben sei, oder wo er sich
aufhalte, nicht bewußt wäre, in solchen Fällen ist auf die in gleich
vorhergehenden §. vorgeschriebene Art und Weis zu verfahren.
§. IV.
[2, 21, § 4] 55. Wann der Erb nach angefallener Erbschaft
währender Bedenkzeit oder auch noch vor deren Anfang verstirbt, ohne solche
angetreten oder sich derselben ausdrücklich entschlagen zu haben, überträgt
derselbe sein Erbrecht auf seine sowohl
(2-413) letztwillig eingesetzte, als nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge berufene eheleibliche oder fremde Erben ohne Unterschied,
ob er von dem Erbanfall gewußt habe, oder nicht.
[2, 21, § 4] 56. Diesen kommt demnach diejenige Frist,
welche von der Bedenkzeit noch übrig ist, dergestalten zu statten, daß sie
binnen derselben aus dem auf sie übertragenen Erbrecht die ihrem verstorbenen
Erblasser zugefallene Erbschaft antreten können, und andurch die nachberufene
oder nächste Erben des abgelebten ersten Erblassers, welche sonst in Abgang des
Uebertragenden den nächsten erblichen Zutritt zu dessen Erbschaft gehabt
hätten, davon ausschließen.
[2, 21, § 4] 57. Gegentheils, wo die Erbenserben die noch
übrige Bedenkzeit ohne sich behörig erbszuerklären, oder ihren Saumsal mit
rechtmäßigen Ehehaften entschuldigen zu können, verstreichen ließen, sind sie
ausgeschlossen, und der Erbanfall gehet alsdann auf die von dem ersten
Erblasser Nachberufene, oder seine nächste Erben, welche nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge das nächste Recht hierzu haben.
[2, 21, § 4] 58. In jenen Fällen aber, wo gewissen Personen
ein von Unseren Gesetzen beschiedener Antheil von der Verlassenschaft ohne
aller Belastung, folglich auch ohne Einschränkung der hierzu gebührenden
Forderung auf einige Bedenkzeit zuzukommen hat, als den Kindern und Eltern der
Pflichttheil, dem unversorgten Ehegatten der ehegattliche Antheil, übertragen
diese Personen ihr zu solchem Antheil habendes Recht solange auf ihre Erben,
als diese ihre Forderung nicht verjähret und erloschen ist.
[2, 21, § 4] 59. Desgleichen, wo gegen Ungewißheit des
Erbens die Bedenkzeit nicht laufen kann, daueret die Uebertragung auf die
Erbenserben nach Maßgebung dessen, was davon oben in §. II geordnet worden,
durch dreißig Jahre. Nur allein die eheleibliche Kinder des abwesenden Erben
ausgenommen, welchen auch nach dreißig Jahren das ihrem Vater oder Mutter, oder
weiteren Aufsteigenden angefallene, und auf sie übertragene Erbrecht
vorbehalten bleibt, wann sie diese Zeit ohne ihrem Verschulden verflossen zu
sein erweisen mögen, und wo eine Erbschaft strittig wäre, wird auch das
strittige Erbrecht auf die Erbenserben übertragen.
[2, 21, § 4] 60. Damit aber die Uebertragung auf die
Erbenserben statt haben könne, müssen folgende Erfordernissen hinzustoßen, als:
Erstens, daß auf den Verstorbenen der Erbanfall wirklich gediehen seie; wann
dahero derselbe vor dem Erblasser, oder vor Ausgang der Bedingniß verstorben oder
erbsunfähig, oder der Erbschaft unwürdig wäre, kann er auch kein Erbrecht,
welches er selbst nicht hat, auf seine Erben übertragen.
[2, 21, § 4] 61. Nur allein ist der einzige Fall
ausgenommen, wo der Erblasser seine Kinder in seinem letzten Willen bedacht
hätte, welche vor seiner mit Nachlassung eheleiblicher Leibeserben verstorben
wären, dann diese treten aus dem Recht des Geblüts in das Recht und an die
Stelle ihrer vorgestorbenen Eltern, ohnerachtet dieselben den wirklichen
Erbanfall nicht erlebet hätten.
[2, 21, § 4] 62. Zweitens, daß der Verstorbene noch zur Zeit
der Uebertragung das Erbrecht gehabt habe; wo er sich aber der Erbschaft
ausdrücklich entschlagen oder verziehen hätte, oder die Bedenkzeit verflossen,
oder sein Recht sonst erloschen wäre, kann solches nicht mehr auf seine Erben
übertragen werden.
[2, 21, § 4] 63. Drittens, daß der Erblasser nicht ein
Anderes ausdrücklich geordnet habe, als da er eine vertrauliche
Erbsnachberufung gemacht, oder die Erbenserben wortdeutlich ausgeschlossen hätte,
in welchen Fällen der eingesetzte Erb wegen entgegenstehenden widrigen Willen
des Erblassers auf seine Erben nichts übertragen kann.
(4-414) [2, 21, § 4] 64. Viertens, daß das Erbrecht also
beschaffen seie, daß dasselbe seiner Natur nach auf Andere übertragen werden
möge, und nicht mit der Person des eingesetzten Erben erlösche. Also da Jemand
lediglich in dem Fruchtgenuß allein zum Erben eingesetzet worden wäre,
überträgt derselbe solchen als ein bloßes persönliches Recht nicht auf seine
Erben, sondern dieser erlöschet sogleich mit seiner Person, und wird ohne
weiters mit dem Eigenthum des Guts, woran er bestellet ware, vereiniget, wann
der Erblasser deshalben nichts Anderes geordnet hätte.
§. V.
[2, 21, § 5] 65. Eine zugefallene Erbschaft kann nicht anderst,
als durch deren wirkliche Antretung erworben werden, diese aber auf keine
andere Weis, als durch die bei Gericht eingebrachte Erbserklärung geschehen.
[2, 21, § 5] 66. Und solle in der Art der Erbserklärung
zwischen nothwendigen und willkürlichen Erben kein Unterschied fürwalten,
sondern wie die einen, so die anderen auf ganz gleiche Art und Weis, wann sie
anderst zur Erbschaft gelangen wollen, ihre Erbserklärung bei Gericht
einzubringen haben, obschon Wir es in Ansehung der minderen oder mehreren Gerichtsgebühren
bei den Unterschied zwischen nothwendigen und willkürlichen Erben derorten, wo
solcher bishero beobachtet worden, noch fernershin gnädigst bewenden lassen.
[2, 21, § 5] 67. Die Antretung der Erbschaft ist demnach
eine deutliche Willenserklärung des Erbens, deme die Erbschaft (es seie aus
letzten Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge) zugefallen, daß er
solche annehmen wolle.
[2, 21, § 5] 68. Diese Erbserklärung solle nicht anderst,
als ausdrücklich in der hiernach beschriebenen Form geschehen, keineswegs aber
aus was immer für Thathandlungen des Erbens stillschweigend geschlossen werden
können, sondern hinfüro eine derlei stillschweigende Erbserklärung mit allen
ihren sonst denen gemeinen Rechten nach gehabten Wirkungen gänzlich aufgehoben
sein.
[2, 21, § 5] 69. Wie hingegen ein solcher, der sich
eigenmächtig ohne vorhergehender gerichtlicher Erbserklärung in die
Erbschaftsgeschäfte einmischet, anzusehen seie, ist in zwölften Capitel, §. VI,
num. 176 angezeiget worden.
[2, 21, § 5] 70. Die Erbserklärung muß allemal schriftlich
verfasset und bei Gericht eingebracht werden, damit solche nach deren
verwilligter Annehmung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher nach
beschaffener Lage der Erbschaft eingetragen werden möge.
[2, 21, § 5] 71. Sie ist vorzüglich, bei derjenigen
Gerichtsstelle, welcher die Verlassenschaftsabhandlung zustehet, einzureichen;
wo aber die Erbschaft unter mehreren Gerichtsbarkeiten vertheilet wäre, so hat
auch der Erb sich allenthalben, wo etwas von der Verlassenschaft gelegen ist,
nach dem Herkommen eines jeden Landes erbszuerklären, und diese seine
Erbserklärung daselbst vormerken und einverleiben zu lassen. Wären hingegen
einige in einem anderen Land landtäflich, stadt- oder
(2-415) grundbücherlich versicherte Forderungen in die
Verlassenschaft Unserer Unterthanen gehörig, so bedarf es auch allda, wo der
Erblasser nicht Landmann ware, keiner besonderen Erbserklärung, sondern es ist
an Beibringung und Einverleibung einer von der Abhandlungsinstanz ausgefertigten
gerichtlichen Urkunde zur erforderlichen Legitimation genug.
[2, 21, § 5] 72. Sie muß ferners also beschaffen sein, daß
darinnen der freie, ungezwungene und ausdrückliche Willen die Erbschaft so, wie
sie angefallen, anzunehmen, ohne Einschränkung auf einige Zeit oder Bedingniß
deutlich an Tag geleget, und darbei, wessen Verlassenschaft, und ob aus letztem
Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge angetreten werde, dann ob
solche mit oder ohne Bedingniß, ganz oder was für ein Theil, freivererblich oder
vertraulicher Weise, das Eigenthum, oder nur der Fruchtgenuß allein zugefallen
seie, klar, und namentlich ausgedrucket werde.
[2, 21, § 5] 73. Damit aber die Erbserklärung ihre
rechtliche Wirkung haben möge, ist erforderlich: Erstens, daß der Erb fähig
seie die Erbschaft anzutreten, worzu nicht an der Erbsfähigkeit, welche in
zwölften Capitel, §. II, bestimmet worden, allein genug ist, sondern es muß
beinebst auch die Fähigkeit seinen Willen zu erklären, und Verbindungen
einzugehen hinzutreten.
[2, 21, § 5] 74. Zu dieser Fähigkeit wird Willen und Macht
erforderet; welche dahero entweder aus Mangel des Verstands ihren Willen zu
erklären nicht mächtig sind, als Kinder und Blödsinnige, oder wegen
beschränkter freier Verwaltung ihres Vermögens sich in Verbindungen einzulassen
die Macht nicht haben, als Unvogtbare und gerichtlich erklärte Verschwendere,
diese können sich auch nicht erbserklären, sondern anstatt und in Namen ihrer
werden Jene zugelassen, welche sie durch das Gesatz vorstellen, als Eltern, Vormündere
oder Gerhaben, und Curatores.
[2, 21, § 5] 75. Von Jenen aber, welche Willen und Macht
haben, kann auch durch Andere in Namen und anstatt ihrer, und zu ihren Handen
die Erbserklärung eingebracht werden, wann diese darzu durch eine eigends
hierauf ausgestellte besondere Vollmacht begewaltiget sind, welche allemal mit
der Erbserklärung zugleich mit vorgemerket und einverleibet werden solle, ohne
daß jedoch aus deren alleiniger Ausfertigung und Zustellung die wirkliche
Antretung der Erbschaft gefolgeret werden könne, noch weniger der Aussteller
derselben sich anmit die mindeste Verfänglichkeit in Ansehung der Erblasten
zuziehe, wann nicht die Erbserklärung selbst in der gehörigen Zeit erfolget.
[2, 21, § 5] 76. Zweitens, daß die Erbschaft, welche angetreten
werden will, dem sich hierzu Erbserklärenden wirklich zugefallen seie, und
Alles, was und wie es ihme zugefallen, nicht aber nur ein Theil davon, oder auf
eine andere Art, als der Erbanfall vermag, folglich wo derselbe in einem
bestimmten Betrage oder einer gewissen Sache zum Erben eingesetzet worden, auch
nur diese Sache, oder dieser Betrag, und nichts Mehreres oder Wenigeres, oder
anderer Gestalt angetreten werde; dann wer den Willen des Erblassers in Einem
anerkennet, muß sich auch eben demselben in dem Anderen fügen, und Niemand kann
aus einerlei letzten Willen zu dem ihme zugedachten Vortheil gelangen, wann er
nicht auch die ihme auferlegten Erblasten übernehmen will.
[2, 21, § 5] 77. Solchemnach können auch nothwendige Erben
den ihnen sonst angebührenden Pflichttheil nicht begehren, wann sie sich der
übrigen Erbschaft entschlagen, in welcher sie zu Erben eingesetzet worden,
obschon die Last, insoweit solche den Pflichttheil betrifft, für nicht
beigesetzet geachtet wird, sondern dieser ihnen auch nach angetretener
Erbschaft ganz und unbeschwert zuzukommen hat.
[2, 21, § 5] 78. Wo sie aber sich der Erbschaft nicht
unterziehen wollen, sondern sich derselben entschlagen, verlieren sie auch den
Pflichttheil, doch behalten in solchem Fall die Kinder das, was sie von ihren
Eltern in Lebzeiten bekommen haben, insoweit andurch der Pflichttheil der
Uebrigen nicht verkürzet wird, widrigens sind
(2-416) sie schuldig von dem vorhinein Empfangenen so viel
einzubringen und herauszugeben, als denen Anderen an ihrem Pflichttheil
abgehet.
[2, 21, § 5] 79. Desgleichen bleibet ihnen auch bei
ausgeschlagener väterlicher Erbschaft Dasjenige, worzu sie nicht aus dem Willen
des Vaters, sondern aus Vorsehung und Bestimmung ihrer Voreltern, Verwandten
oder anderer Stifteren berufen werden, als zu Lehen- und Fideicommißgütern,
welche dahero ohne Anstand ein Sohn zu behalten, und die andere freivererbliche
Verlassenschaft seines Vaters auszuschlagen befugt ist.
[2, 21, § 5] 80. Drittens, daß, wo das Erbfolgrecht von dem
Beweis der Kindschaft, Verwandtschaft und Nähe des Grads abhanget, dieser
sogleich in der Erbserklärung mit beigebracht, oder wo darmit aus erheblichen
Ehehaften nicht alsobald aufgekommen werden könnte, mit deren Anzeigung um
diesen Beweis nachtragen zu können eine Erstreckung angesuchet werde, welche
das Gericht auf eine nach Befund der Umständen selbst ermessende hinlängliche
Frist zu verwilligen, bis dahin aber, und so lange dieser Beweis nicht
rechtsgenüglich verführet ist, die Erbserklärung nicht anzunehmen hat.
[2, 21, § 5] 81. Viertens, daß die Erbserklärung insgemein
noch vor Verlauf der obausgemessenen Bedenkzeit eingebracht werde, widrigens
wird der Erb außer jenen Fällen, wo oben erwähnter Maßen die Bedenkzeit nicht
laufet, nach deren Verfließung für ausgeschlossen gehalten.
[2, 21, § 5] 82. Unter dieser Zeit aber kann die
Erbserklärung in dem Fall der letztwilligen Erbfolge zwar gleich nach
eröffneten und kundgemachten Testament, gleichwie im Fall der rechtlichen
Erbfolge alsbald nach dem Tod des Erblassers eingebracht, und auch, wo die
Ursache des angebenden Erbrechts hinlänglich erwiesen worden, von Gericht, wann
sich zur Zeit noch kein Widersacher gemeldet, und sonst dem Gericht Niemand,
welcher ein näheres Erbrecht hätte, bekannt ist, ohne Anstand angenommen, und
da, wo nöthig vorgemerket werden.
[2, 21, § 5] 83. Allein dessen ohnerachtet bleibet
gleichwohlen Jenem, welcher nach der Zeit ein näheres Erbfolgrecht zu erweisen
vermögete, sein Recht durch drei Jahr und achtzehen Wochen von dem Tag der
einverleibten Erbserklärung noch allzeit bevor, binnen welcher Zeit derselbe
der Erbserklärung des Anderen gerichtlich widersprechen und seine Rechtsbehelfe
ausführen kann.
[2, 21, § 5] 84. Nach Verlauf dieser drei Jahren und
achtzehen Wochen aber kann die Erbserklärung außer dem Fall rechtmäßiger
Ehehaften, wodurch der Saumsal des Widersachers entschuldiget werden mag, nicht
mehr angefochten werden.
[2, 21, § 5] 85. Dahingegen, wo zu gleicher Zeit sich
mehrere Erbswerbere hervorthäten, deren Jeder vor dem Anderen ein näheres
Erbrecht zu haben vermeinete, hat das Gericht von deren Keinem eine
Erbserklärung zur Einverleibung anzunehmen, ehe und bevor nicht der Stritt
zwischen ihnen ausgemacht ist.
[2, 21, § 5] 86. Die Wirkung der Antretung der Erbschaft
bestehet in deme, daß der Erb andurch das Erbrecht an der ganzen Erbschaft
erlange, und in alle Rechten, Gerechtigkeiten und Verbindlichkeiten des
verstorbenen Erblassers, welche nicht mit seinem Tod erloschen, eintrete,
folglich sich in der unten in §. VII erklärenden Maß sowohl für alle auf der
Erbschaft haftende Forderungen, als für die Vermächtnissen,
und überhaupt für Alles, was der Erblasser geordnet hat, verfänglich mache.
§. VI.
[2, 21, § 6] 87. Es hanget also von der freien Willkür eines
jedweden Erben ab, die Erbschaft anzutreten, oder sich derselben zu
entschlagen. Die Entschlagung der
(2-417) Erbschaft ist demnach eine deutliche
Willenserklärung Desjenigen, deme die Erbschaft durch letzten Willen, oder nach
Ordnung der rechtlichen Erbfolge zugefallen, daß er solche nicht annehmen
wolle.
[2, 21, § 6] 88. Diese kann ausdrücklich oder
stillschweigend geschehen; auf die erstere Art muß solche schriftlich
verfasset, bei Gericht eingebracht, und da, wo nöthig, vorgemerket werden.
[2, 21, § 6] 89. Stillschweigend geschieht dieselbe in
Fällen, wo die Bedenkzeit laufet, durch deren gänzlichen Verlauf ohne
eingebrachter Willenserklärung des Erbens, welcher alsdaun (= alsdann), wann er
seinen Saumsal mit keinen rechtmäßigen Ehehaften entschuldigen mag, von der
Erbschaft eben also ausgeschlossen ist, als ob er sich derselben ausdrücklich
entschlagen hätte.
[2, 21, § 6] 90. Wann dahero der Nachberufene, oder der
weitere Erb sich zur Erbschaft anmeldet, solle Jener, welcher die Bedenkzeit
vorbesagter Maßen verstreichen lassen, auf deren Anlangen für ausgeschlossen
gerichtlich erkläret, und diese Erklärung gehöriger Orten vorgemerket werden.
[2, 21, § 6] 91. Wer die Macht hat die Erbschaft anzutreten,
hat auch die Macht, sich derselben zu entschlagen; gleichwie aber die ganze
Erbschaft ohne Ausnahme angetreten werden muß, also ist sich auch nicht weniger
der ganzen Erbschaft ohne allem Vorbehalt des mindesten Erbrechts zu
entschlagen.
[2, 21, § 6] 92. Wer sich einer angefallenen Erbschaft
einmal entschlagen, hat zu derselben keinen Zutritt mehr, sondern verlieret
anmit das Erbfolgrecht, und kann solches auf seine Erben nicht übertragen;
gegentheils gehet dasselbe sofort auf die nachberufene zweite Erben, oder Jene,
welche dem Erblasser nach ihme die Nächsten sind.
[2, 21, § 6] 93. Es solle auch nicht in der Macht des
letztwillig eingesetzten Erben stehen, wann er zugleich nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge der Nächst wäre, die ihme aus dem letzten Willen
zugefallene Erbschaft auszuschlagen, und eben dieselbe nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge anzutreten.
[2, 21, § 6] 94. Sondern, wo derselbe die Erbschaft aus
letzten Willen nicht antreten wollte, solle er auch von der rechtlichen
Erbfolge ausgeschlossen, und entweder der nachberufene zweite Erb, wo deren
einer vorhanden, oder in dessen Abgang der weitere Befreundte, welcher dem
Erblasser nach Jenem, der sich der Erbschaft entschlagen hat, der Nächste ist,
zur Erbschaft zugelassen werden.
[2, 21, § 6] 95. Doch kann geschehen, daß die nemliche
Erbschaft hinwiederum eben Demselben, der sich solcher entschlagen hat, nach
einer dazwischen eingetretenen Person, welche hierzu gelanget ist, zufalle; es
seie, daß er von dieser zum Erben eingesetzet, oder ihr nach Ordnung der
rechtlichen Erbfolge zum nächsten verwandt wäre.
[2, 21, § 6] 96. Hieraus ergiebt sich auf ihn ein neuer
Erbanfall, folglich stehet ihme auch frei, die nemliche Erbschaft, welcher er
sich nach dem ersten Erblasser entschlagen, alsdann nach dem anderen Erblasser
noch gleichwohlen anzutreten, und wessen unmittelbarer Erb derselbe nicht sein
wollen, nachgehends mittelbar dessen Erb zu werden.
[2, 21, § 6] 97. Die Entschlagung der Erbschaft hat die
Wirkung, daß wie der sich Entschlagende von allen Erbvortheilen ausgeschlossen,
also auch von allen Erblasten entlediget bleibe; sie schadet jedoch nur allein
deme, welche sich der Erbschaft entschlagen hat, und Denenjenigen, auf die
sonst vor ihme sein Erbrecht hätte übertragen werden können, wo sie nicht
zugleich aus eigenem Recht zur Erbfolge die Nächsten sind.
[2, 21, § 6] 98. Nicht aber auch denen übrigen Miterben,
wann durch die Entschlagung des Einen ihr Erbrecht geschmälert würde, sondern
dieses solle ihnen gleichwohlen
(2-418) in eben derjenigen Maß unbekränkt verbleiben, in
welcher es ihnen bei Zusammentreffung des sich Entschlagenden angebühret hätte.
[2, 21, § 6] 99. Wann demnach z. B. in Zusammentreffung
eines Bruders mit zweier Geschwister Kindern, deren mehrere von Einem, als von
dem Anderen sind, der Bruder sich der Erbschaft entschlüge, hätten die
Geschwisterkinder allein unter sich nach der Anzahl ihrer Personen zu erben,
wodurch aber die Wenigere von dem einem Geschwister in ihrem Erbtheil verkürzet
würden, weilen sie in Zusammentreffung des Bruders nach dem Stammen geerbet
haben würden; um damit ihnen also durch die Entschlagung des Bruders keine
Verkürzung zugefüget werde, so solle es auch solchen Falls bei der Erbfolge
nach denen Stämmen sein Bewenden haben, und die ganze Erbschaft unter
beiderseitige Geschwisterkinder nach dem Stammrecht vertheilet werden.
[2, 21, § 6] 100. Dann es ist eine standhafte Regel, daß,
wie der Erbanfall, also auch die Erbfolge sein müsse, folglich hat es jederzeit
bei derjenigen Art der Erbfolge, nach welcher der Erbanfall sich ergeben hat,
sein Verbleiben, ohne daß solche durch die darzwischen kommende Zufälle sich
veränderen lasse, wo mithin, wann auch bei Zusammentreffung des Bruders mit
Geschwisterkindern der Bruder nach dem Erbanfall unter der Bedenkzeit verstürbe
und Kinder hinterließe, die Erbtheilung nichtsdestoweniger zwischen allseitigen
Geschwisterkindern nach denen Stämmen geschehen muß, weilen die Erbschaft nach
dem Stammrecht angefallen ist. Ein Anderes wäre, wann der Bruder vor dem
Erbanfall verstorben, oder zur Zeit des Erbanfalls erbsunfähig oder unwürdig,
mithin solcher schon damals auf die Geschwisterkinder allein gegangen sein
würde.
§. VII.
[2, 21, § 7] 101. Damit aber der Erb in Antretung der
Erbschaft vor Schaden und Nachtheil desto gesicherter sein möge, und nicht
etwan durch die erst hernach
(2-419) hervorbrechende, anfangs nicht allemal vorzusehen
geweste Schuldenlast über die Kräften der Erbschaft verfänglich werden, so
wollen Wir ihme die Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii in der Maß
angedeihen lassen, daß, wo er sich solcher gebrauchen will, derselbe andurch zu
denen Erblasten nicht weiter verbindlich werde, als die in dem gerichtlichen
Inventario beschriebene Mitteln der Verlassenschaft zu erschwingen vermögen.
[2, 21, § 7] 102. Das Inventarium, welches auch anderst ein
Erbregister oder ein Fundbuch benamset wird, ist eine gerichtliche Beschreibung
aller zur Verlassenschaft gehörigen Dingen.
[2, 21, § 7] 103. Insgemein stehet es zwar in der Willkür
des Erbens sich dieser Rechtswohlthat theilhaftig zu machen, folglich die
Veranlassung einer solchen gerichtlichen Beschreibung anzuverlangen oder nicht;
doch sind auch Fälle, worinnen das Gericht von amtswegen, der Erb möge solches
begehren oder nicht, ein Inventarium über die gesammte Verlassenschaft noch vor
deren Einantwortung zu verfassen hat.
[2, 21, § 7] 104. Diese Fälle sind: Erstens, wann alle oder
einige Erben, oder auch deren nur Einer noch unvogtbar oder minderjährig, oder
also bestellet ist, daß er die freie Verwaltung seines Vermögens nicht habe.
[2, 21, § 7] 105. Zweitens, wann der Erb oder auch ein
Miterb abwesend, und sein Aufenthalt nicht bekannt, oder doch seine Zuruckkunft
nicht sobald anzuhoffen wäre.
[2, 21, § 7] 106. Drittens, wann sich nach dem Verstorbenen
ein Auflauf der Glaubigeren eräußeret, oder die Verlassenschaft wahrscheinlicher
Weise mit Vermächtnissen erschöpfet wäre, und von denen Glaubigeren oder
Legatarien die Inventur verlanget wird.
[2, 21, § 7] 107. Viertens, wann entweder die Kinder oder
Eltern ihren Pflichttheil oder der hinterlassene Ehegatt seinen Antheil, noch
ehe und bevor die Erbschaft
(2-420) dem eingesetzten Erben eingeantwortet worden,
gerichtlich anforderen, oder über dessen Verkürzung klagen, oder sonst die
Erbschaft zwischen mehreren Erbswerberen noch vor der wirklichen Einantwortung
strittig, und der Stritt sich länger hinaus verziehen würde.
[2, 21, § 7] 108. In allen diesen Fällen hat das Gericht
unter eigener Darfürhaftung zur gerichtlichen Beschreibung der Verlassenschaft
fürzuschreiten, wann auch der Erb selbst oder der Miterben Einer sich
darwidersetzten, und die Erbschaft ohne der Rechtswohlthat des Inventarii
angetreten hätten.
[2, 21, § 7] 109. Und dieses zwar in denen ersteren zweien
Fällen ohne Ausnahme, in beiden letzteren Fällen aber kann von dem Erben die
Veranlassung des Inventarii nur andurch vermieden werden, wann er ein mit allen
Denenjenigen, welche an die Verlassenschaft Forderungen stellen, getroffenes
vollständiges Abkommen erweisen mag, oder dieselben in die ihme machende
Einantwortung der Erbschaft ohne vorgängigen Inventario einwilligen.
[2, 21, § 7] 110. Außer diesen Fällen beruhet es einzig und
allein bei dem eigenen Willen großjähriger Erben, welche in freier Verwaltung
ihres Vermögens nicht beschränket sind, die Erbschaft mit oder ohne der
Rechtswohlthat des Inventarii anzutreten, also daß es weder in der Macht des
Erblassers stehe, ihnen solche zu verwehren, sondern eine derlei Verfügung für
nicht geordnet gehalten werden solle.
[2, 21, § 7] 111. Wann sie aber dieser Rechtswohlthat
genußbar werden wollen, müssen sie das Inventarium gleich bei Antretung der
Erbschaft anbegehren, widrigens und da die Erbschaft von ihnen ohne Vorbehalt
des Inventarii angetreten worden, haben sie sich dieser Rechtswohlthat für
allzeit begeben, ohne sich mehr darauf berufen, noch weniger den Abgang des Inventarii
mit einer noch so beglaubten, und allenfalls auch eidlich bestätigen wollenden
außergerichtlichen Beschreibung ersetzen zu können.
[2, 21, § 7] 112. Wo aber der Erb die Erbschaft mit der
Rechtswohlthat des Inventarii angetreten, hat das Gericht, deme die
Verlassenschaftsabhandlung zustehet, solches sogleich und noch vor
Einantwortung der Erbschaft vorzunehmen, und wo die Verlassenschaft unter
mehreren Gerichtsbarkeiten vertheilet wäre, hat auch der Erb allerorten, wo er
sich erbserkläret, die Inventur anzuverlangen, wann er dieser Wohlthat nicht
verlustig sein will.
[2, 21, § 7] 113. Die Beschreibung oder Inventur hat allemal
von dreien geschwornen Gerichtspersonen zu geschehen, worzu jedoch die
Gegenwart des Erbens, oder Jener, die an der Verlassenschaft Sprüche und
Forderungen haben, nicht nothwendig ist, obschon weder denen Erben, oder Jenen,
die sie vertreten, weder dem allenfalls zu Handen der Glaubigeren aufgestellten
Curatori, noch auch sonst Jemanden, deme erweislich daran gelegen ist, und sich
dabei einfindet, der Zutritt hierzu verwehret sein solle, wann es nur Personen
eines ehrbaren Wandels sind, wider die kein Verdacht einer besorglichen
Entfremdung fürwaltet.
[2, 21, § 7] 114. Die Beschreibung ist mit aller nur
möglichen Verläßlichkeit zu verfassen, und darinnen Alles klar und deutlich
anzumerken, was immer in die Verlassenschaft gehöret, nichts davon ausgenommen,
solches bestehe in liegenden oder fahrenden Dingen, Rechten und
Gerechtigkeiten, Zugehörungen, versicherten oder unversicherten, verbrieften
oder unverbrieften Ansprüchen und Forderungen sammt allen Urkunden, Rechnungen,
Auszügeln, Quittungen und allen anderen zum Gebrauch und Nutzen des Erbens,
oder dessen, welcher die Verlassenschaft zu vertreten hat, dienlichen
Schriften.
[2, 21, § 7] 115. Bei Fahrnissen muß die Gestalt, Gattung,
Gewicht, Zahl, Maß und der Werth getreulich beigerucket, und zu dem Ende
eigends hierzu beeidigte, des Werths der Sachen kundige Leute beigezogen
werden, nach deren Schätzung der Werth einer jedweden Sache mitanzumerken ist.
[2, 21, § 7] 116. Auch fremde Sachen, die unter der
Verlassenschaft vorfindlich sind, sie
(2-421) mögen hinterlegungs-, entlehnungs- oder pfandweise,
oder auf was sonst immer für andere Art zu Handen des Verstorbenen gekommen
sein, sollen mit der Vormerkung, was es darmit für eine Beschaffenheit habe, in
die Beschreibung eingezogen und solange in der Verlassenschaft aufbehalten
werden, bis sich der angebliche Eigenthümer hierzu rechtsbehörig ausgewiesen,
oder sie von der Haftung, womit sie dem Verstorbenen befangen waren, entlediget
haben wird.
[2, 21, § 7] 117. Endlich müssen nicht weniger alle
Haftungen der Verlassenschaft, und alle sowohl versicherte, als unversicherte,
verbriefte oder unverbriefte Schulden, so viel deren zur Zeit wissend sind,
oder in Erfahrniß gebracht werden können, insgesammt in der Beschreibung
angemerket werden, um den ganzen Vermögens- und Schuldenstand, so viel als
möglich, daraus abnehmen zu mögen, ohne daß jedoch die Einziehung in das
Inventarium Jemanden ein Recht gebe, noch die Auslassung solches benehme,
sondern der Bestand oder Unbestand einer Forderung hanget allemal von dem
künftig zu verführen habenden Beweis ab.
[2, 21, § 7] 118. Bei der Beschreibung selbst sollen die
Gerichtspersonen sich aller Redlichkeit, Emsigkeit und Achtsamkeit befleißen,
die Inventur ohne Noth nicht durch längere Zeit als nöthig, verzögeren, nichts
von Allem, was in die Verlassenschaft gehörig ist, unter was immer für einen
Vorwand geflissentlich auslassen, sich aller schändlichen Eigennützigkeit
enthalten, und bei schärfester Ahndung sich nicht unterstehen, etwas, was es
immer seie, aus der Verlassenschaft sich für ihre Mühewaltung zuzueignen, wann
es auch gegen Bezahlung des geschätzten Werths, oder auf Abschlag der Gerichtsgebühren
geschehen wollte.
[2, 21, § 7] 119. Wäre aber wider die Wittib, Erben,
Miterben, oder sonst Jemanden ein gegründeter Verdacht vorhanden, daß sie
einige in die Verlassenschaft gehörige Habseligkeiten vertuschen, zuruckhalten
oder unterschlagen, so sollen dieselben auf Anlangen Jener, denen hieran
gelegen ist, mittelst des ihnen auftragenden Offenbarungseids zur getreulichen
Anzeige, und Auslieferung der vertuschten oder zuruckgehaltenen Sachen
ohnnachsichtlich angehalten werden.
[2, 21, § 7] 120. Sobald nun das Inventarium
solchergestalten verfasset, und in das Reine gebracht worden, solle dessen
Vollzug in dem Gerichtsbuch vorgemerket, das Inventarium selbst aber bei
Gericht wohlverwahrlich aufbehalten, und dem Erben davon eine Abschrift mit
Anmerkung des Tags der Zustellung hinausgegeben werden, maßen ihme von diesem
Tag an die oben in sechzehenten Capitel, vierten Artikel, §. XXX bestimmte
sechswochentliche Frist zur Anforderung des Erbviertels, wann er sich mit
übermäßigen Vermächtnissen beschweret zu sein glaubet, zu laufen anfängt.
[2, 21, § 7] 121. Nicht weniger sind den Vormünderen oder
Gerhaben und Curatoren der Erben, wie auch allenfalls dem über die
Verlassenschaft aufgestellten Curatori, und überhaupt Jedermänniglichen,
welcher an der Verlassenschaft Sprüche und Forderungen hat, auf Verlangen
Abschriften von dem Inventario hinauszugeben.
[2, 21, § 7] 122. Die Wirkungen eines gerichtlich verfaßten
Inventari, und die für den Erben hieraus fließende Wohlthaten bestehen in
Folgenden: Erstens, daß derselbe zu den Erblasten nicht weiter, als sich die
Kräften der Erbschaft erstrecken, verbindlich werde, und wo sich noch vor
Einantwortung der Erbschaft eine so überhäufte Schuldenlast hervorthäte, daß zu
deren Tilgung die Erbschaft nicht hinreichend wäre, er ohnerachtet der
Antretung noch allzeit sich derselben zu begeben, und mittelst anverlangender
Ausschreibung einer ordentlichen Vergantung oder Cridä solche denen Glaubigeren
zu überlassen befugt seie.
[2, 21, § 7] 123. Zweitens, daß er für die ohne seiner
Schuld aus der Verlassenschaft verlorene, oder sonst durch Zufall zu Grund
gegangene, oder schadhaft gewordene Sachen zu haften nicht schuldig, noch auch,
wo er die Erbschaft an einen Nachberufenen ganz oder zum Theil zuruckzustellen,
oder gewisse bestimmte Dinge nach ihrer Gestalt oder Gattung aus der
Verlassenschaft zu leisten hätte, solche in einer
(2-422) besseren oder anderen Gestalt, oder mehreren Betrag,
als das Inventarium ausweiset, abzustatten verbunden seie.
[2, 21, § 7] 124. Drittens, daß in diesem Fall in Ansehung
der wechselweisen Sprüchen und Forderungen die Vermischung des Schuldners und
Glaubigers in einer Person durchaus nicht statt habe, folglich sowohl dem Erben
alle seine Rechten, Ansprüche und Forderungen, welche er an dem Verstorbenen
gehabt, als auch dagegen der Verlassenschaft jene, welche dem Erblasser an dem
Erben gebühret haben, wider ihn bevorbleiben, wann eine und die anderen also
beschaffen sind, daß sie mit dem Tod des Erblassers nicht erloschen.
[2, 21, § 7] 125. Viertens, daß der Erb alle nothwendige
Kosten, welche er auf die Begräbniß, Kundmachung des letzten Willens, die
Erbserklärung, Errichtung des Inventarii, Vertretung und Verwaltung der
Erbschaft aufgewendet, vor denen Schulden und Vermächtnissen abziehen möge.
[2, 21, § 7] 126. Fünftens, daß in dem Fall, wo der Notherb
an seinem Pflichttheil verkürzet, oder ein anderer Erb mit übermäßigen
Vermächtnissen beschweret ist, ersterer die Ergänzung seines Pflichttheils, und
letzterer das Erbviertel nach Maßgebung dessen, was davon in sechzehenten
Capitel, vierten Artikel, §. XXX geordnet worden, anforderen könne.
[2, 21, § 7] 127. Sechstens, daß der Erb nach der ihme
geschehenen Einantwortung der Erbschaft die Schulden und Vermächtnissen ohne an
die Beobachtung einer Zahlungsordnung, wann ihme solche bei Einantwortung der
Erbschaft nicht eigends vorgeschrieben worden, gebunden zu sein eine vor der
anderen, wie es ihme anständiger und nützlicher dünket, hinausbezahlen und
hintanfertigen könne.
[2, 21, § 7] 128. Es haben solchemnach jene Glaubigere, die
erst nach der dem Erben geschehenen Einantwortung hervorkommen, sich sebst (=
selbst) beizumessen, daß sie sich zu spät angemeldet, wann nach der Zeit die
übrige Erbschaft zu ihrer Befriedigung nicht hinreichend ist.
[2, 21, § 7] 129. Dann wiewohlen sie das, was an
Vermächtnissen hinausbezahlet worden, von Jenen, die es empfangen, oder von
deren Erben zuruckzuforderen befugt sind, so können sie doch weder den Erben
über die Kräften der Erbschaft, noch weniger die vor ihnen abgefertigte
Glaubigere weiter anfechten; was aber der Erb vor Einantwortung der Erbschaft
hinausbezahlet, zahlet er auf seine Gefahr.
[2, 21, § 7] 130. In Gegentheil, wo der Erb die Erbschaft
ohne der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten hätte, wird die
Zulänglichkeit der Erbschaft dergestalten ohnableinlich vermuthet, daß er für
alle Erblasten ohne Ausnahme, und ohne einen Beweis des Widrigen dagegen
zuzulassen, zu haften habe, anbei auch alle an dem Erblasser gehabte Ansprüche
und Forderungen verliere, keine wie immer Namen habende Kosten abziehen, und
weder die Ergänzung des Pflichttheils, noch das Erbviertel anforderen könne.
[2, 21, § 7] 131. In jenen Fällen aber, worinnen nach der
oben von num. 104 bis 109 enthaltenen Ausmessung auch ohnerachtet der von dem
Erben ohne der Rechtswohlthat des Inventarii geschehenen Antretung der
Erbschaft dieses jegleichwohlen von amtswegen veranlasset würde, solle zwar
dasselbe dem Erben zu keinem Gewinn und Vortheil gereichen, folglich er weder
die Ergänzung des Pflichttheils, noch das Erbviertel anzuforderen befugt sein.
[2, 21, § 7] 132. Doch wirket das auch von amtswegen
errichtete Inventarium so vieles, daß er andurch für Schaden bewahret seie, und
nicht über die Kräften der Erbschaft verbunden werde, annebst auch
beiderseitige Ansprüche und Forderungen, welche sowohl dem Erben an der
Verlassenschaft, als dieser an jenem zustehen, aufrecht verbleiben; es wäre
dann erweislich, daß der Erb sich noch vor der Inventur in die Erbschaft
eigenmächtig eingemischet, und sich ein und anderes, was in die Verlassenschaft
gehörig, zugeeignet habe.
(2-423) §. VIII.
[2, 21, § 8] 133. Nach vollbrachter Inventur hat das Gericht
ohngesaumt zur weiteren Verlassenschaftsabhandlung fürzuschreiten, wodurch
nichts Anderes verstanden wird, als die Erörterung und Berichtigung aller an
der Erbschaft habenden Sprüchen und Forderungen.
[2, 21, § 8] 134. Hierunter sind alle von der gerichtlichen
Sperr anzufangen, bis zur wirklichen Einantwortung der Erbschaft bei einer
Verlassenschaft vorgehende gerichtliche Handlungen begriffen, vornehmlich aber
bestehet solche in Untersuchung der Kräften der Erbschaft, und in
Auseinandersetzung sowohl der Erbsansprüchen, als der an die Verlassenschaft
stellenden Forderungen.
[2, 21, § 8] 135. Sie stehet insgemein demjenigen Gericht
zu, unter dessen Gerichtsbarkeit die Verlassenschaft befindlich ist, und wo
solche unter mehreren Gerichtsbarkeiten vertheilet wäre, hat auch jedwedes
Gericht über den unter seiner Gerichtsbarkeit gelegenen Theil die Abhandlung zu
pflegen.
[2, 21, § 8] 136. Diese Regel solle für allgemein in
Bestimmung der Grenzen verschiedener Gerichtsbarkeiten, wie weit sich eine und
die andere erstrecken möge, statt haben, außer jenen Orten, wo es durch eine
anderweite von Uns besonders vorgeschriebene Richtschnur, oder durch eine
rechtmäßig hergebrachte und mittelst beständiger ohnunterbrochener Uebung
bewährte Gewohnheit hiervon abgekommen ist.
[2, 21, § 8] 137. Die Verlassenschaftsabhandlung ist, außer
jenen Orten, wo solche in allen Erbfällen ohne Unterschied durchgängig
hergebracht ist, in folgenden Fällen
(2-424) ohnausweichlich vorzunehmen: Erstens, wo nach der
Landesverfassung von dem Betrag der Verlassenschaft eine Sterbtax abgenommen zu
werden pfleget; zweitens, wo eine letztwillige Anordnung vorhanden, in welcher
Vermächtnissen verschaffet worden; drittens, wo sich Glaubigere des
Verstorbenen anmelden; viertens, wo Erben noch minderjährig sind, oder die
freie Verwaltung ihres Vermögens nicht haben; fünftens, wo der Erb oder ein
Miterb abwesend ist; sechstens, wo die Erbschaft zwischen mehreren Erbswerberen
strittig ist, oder über Verkürzung des Pflichttheils oder des ehegattlichen
Antheils geklaget wird.
[2, 21, § 8] 138. Die Abhandlung hat das Gericht nach
Möglichkeit zu beschleunigen, und die sich saumig erfinden lassende Parteien
mit denen rechtlichen Zwangsmitteln zur Ausführung ihrer Ansprüchen und
Forderungen anzuhalten, hauptsächlich aber dabei die Sicherheit der
Glaubigeren, Vermächtnissen und der Erben selbst, wo sie noch minderjährig oder
abwesend, oder sonst in der eigenen Verwaltung ihres Vermögens beschränket
sind, nach aller Thunlichkeit herzustellen.
[2, 21, § 8] 139. Zu diesem Ende solle dasselbe in dem Fall,
wo nach dem Verstorbenen Schulden hervorkommen, vor Allem die Kräften der
Erbschaft wohl untersuchen, ob sie zu deren Bezahlung zulänglich seie oder
nicht; wird selbe hinreichend zu sein befunden, so ist die Behandlung mit dem
Erben, wie er die Sicherheit und Befriedigung der Glaubigeren ausweisen könne
und wolle, anzustoßen.
[2, 21, § 8] 140. Wäre aber die Verlassenschaft nicht
zureichend die Tilgung der Schuldenlast zu erschwingen, so ist eine förmliche
Crida oder Vergantung auszuschreiben, und auf die im vierten Theil in der Gant-
oder Cridaordnung vorgeschriebene Art und Weis zu verfahren.
[2, 21, § 8] 141. Wo sich nach einem Verstorbenen nebst dem
freieigenen Gut auch von ihme inngehabte Fideicommiß- oder Lehengüter vorfinden
würden, solle sogleich deren Absönderung, und zwar der ersteren nach Ausmessung
dessen, was hiervon im dreizehenten Capitel, zweiten Artikel, §. X geordnet
worden, der letzteren aber nach denen jeden Orts üblichen Lehenrechten und
Gewohnheiten vorgenommen werden.
[2, 21, § 8] 142. Nach Abzug der Schulden und dessen, was
der Verstorbene mit der Verbindlichkeit der Zuruckstellung innen gehabt, ist
sodann weiters auch von dem übrigen frei vererblichen Vermögen der Pflichttheil
der Notherben, und der ehegattliche Antheil in dem Fall, wo solcher dem
hinterlassenen Ehegatten gebühret, auszumessen, und die Sicherstellung so des
Einen, als des Anderen zu bewirken.
[2, 21, § 8] 143. Nicht weniger solle das Gericht bei einer
nachgelassenen letztwilligen Anordnung auf die darinnen verschaffte
Vermächtnissen den erforderlichen Bedacht nehmen, und jene, welche ohnverweilt
abzustatten sind, alsbald nach angetretener Erbschaft aus der Verlassenschaft
berichtigen, die anderen aber, deren Abfuhr sich weiter hinaus verziehet, von
dem Erben nach der im sechzehenten Capitel, dritten Artikel, §. XXIV
enthaltenen Maßgebung genüglich versicheren lassen, und wo der Erb von den
Vermächtnissen das Erbviertel anforderete, auf die in gleichbemelten Capitel,
vierten Artikel, §. XXX vorgeschriebene Art fürgehen, und endlich all
Dasjenige, was von dem Erblasser angeordnet worden, nach Ausmessung des
siebenzehenten Capitels §. VI in Vollzug zu setzen trachten.
[2, 21, § 8] 144. Wo noch minderjährige, abwesende oder
sonst sich selbst nicht vertreten mögende Erben vorhanden sind, hat das Gericht
denenselben sogleich Vormündere oder Gerhaben, und Curatores zu bestellen, und
dabei in Ansehung der Waisen all jenes zu beobachten, was davon im ersten Theil
in der Abhandlung von der Vormundschaft geordnet ist, wie aber das Gericht in
dem Fall abwesender Erben weiters fürzugehen habe, ist bereits oben §. II
vorgesehen worden.
[2, 21, § 8] 145. Wann endlich die Erbschaft strittig wäre,
ist das Strittige von dem Unstrittigen abzusönderen, und jenes bis zu Ausgang
des Stritts in gerichtlichen Beschlag aufzubehalten, dieses aber, deme es
gebühret, auszufolgen.
(2-425) [2, 21, § 8] 146. Damit aber Diejenige, welche an
dem Verstorbenen Sprüche und Forderungen gehabt, durch eine voreilige
Abhandlung der Verlassenschaft, ehe und bevor ihnen das Absterben des
Erblassers bekannt wird, nicht in Schaden und Nachtheil versetzet werden mögen,
so solle in Fällen, wo es das Gericht nöthig findet, und mit Grund die
Verlassenschaft fremden Ansprüchen verfangen zu sein vermuthen kann, vor
wirklicher Einantwortung der Erbschaft an den angeblichen Erben, und vor Hinausbezahlung
der angemeldeten Schulden und Vermächtnissen das Absterben des Erblassers durch
die Zeitungsblätter, und sonst gewöhnlicher Maßen öffentlich kund gemacht, und
Alle und Jede, welche an seiner Verlassenschaft Sprüche und Forderungen haben,
unter einer Frist von sechs Wochen, oder auch einer längeren der Beschaffenheit
der Umständen nach dem vernünftigen Urtheil des Richters angemessenen, niemalen
aber über ein Jahr und sechs Wochen sich erstreckenden Zeit vorgeladen und
zusammenberufen werden.
[2, 21, § 8] 147. Welche sich nun in der gesetzten Zeit
anmelden, mit denen solle auch ohne Rucksicht auf die Ausbleibende die
Richtigkeit gepflogen, und die Verlassenschaftsabhandlung sofort beschlossen
werden; die sich später Anmeldende hingegen haben den etwan erleidenden Schaden
sich selbst beizumessen, wann die noch übrige Verlassenschaft zu ihrer
Befriedigung nicht mehr zureichend ist.
[2, 21, § 8] 148. Die Fälle, worinnen insgemein mit einer
dergleichen öffentlichen Kundmachung und Zusammenberufung fürgeschritten werden
solle, können z. B. folgende sein, wann der Erblasser in dem Ort, wo er
verstirbt, fremd, oder seine Verlassenschaft in Rucksicht seines getriebenen
Gewerbs und Hantierung, oder der obgehabten Verwaltung fremden Guts, wegen
verborgener Schuldenlast verdächtig, oder bei Auflauf der Glaubigeren die
Ausschreibung der Cridä nothwendig, oder die Erben und ihr Aufenthalt nicht
bekannt wären, oder die öffentliche Zusammenberufung von dem Erben selbst, oder
Jenen, welchen an Berichtigung der Erbssprüchen erweislich gelegen ist,
anverlanget worden, und überhaupt alle andere Umstände, die dem Gericht zu
deren Veranlassung erheblich zu sein scheinen.
§. IX.
[2, 21, § 9] 149. Die Verlassenschaftsabhandlung endiget
sich in dem Fall, wo hieran nach Tilgung und Bedeckung der Erblasten etwas
erübriget wird, mit Einantwortung der Erbschaft an den oder diejenigen Erben,
welche ihr Erbrecht hierzu rechtsgenüglich erwiesen haben.
[2, 21, § 9] 150. Diese aber solle bei eigener Haftung des
Gerichts niemalen anderst geschehen können, als wann entweder sowohl die
Miterben, als alle Andere, welche an der Verlassenschaft etwas zu forderen
haben, einwilligen, oder der Erb selbe
(2-426) von ihme abgefertiget, oder in andere Wege
befriediget, oder doch hinlänglich versicheret worden zu sein erweisen mag.
[2, 21, § 9] 151. Woferne jedoch Niemand vorhanden wäre, der
mit Fug und Recht die Einantwortung der Erbschaft aufhalten könnte, ist
zwischen der letztwilligen und rechtlichen Erbfolge nachstehender Unterschied
zu beobachten:
[2, 21, § 9] 152. Wo die Erbschaft aus letzten Willen
angefallen, ist die gerichtliche Sperr nicht ehender zu eröffnen, und die
Erbschaft dem eingesetzten Erben einzuantworten, als bis nicht die im
siebenzehenten Capitel, §. V, obausgemessene Zeit von sechs Wochen von dem Tag
der Einverleibung des letzten Willens verflossen, und binnen solcher kein
Widerspruch entgegen dem letzten Willen hervorgekommen ist.
[2, 21, § 9] 153. In dem Fall der rechtlichen Erbfolge
hingegen ist mehrmalen zwischen der Ordnung der
Absteigenden, und denen übrigen Ordnungen ein Unterschied zu bemerken.
Eheleiblichen Kindern und weiteren Absteigenden, wann sie alle großjährig,
gegenwärtig, und sonst an der freien Verwaltung nicht behinderet sind, und nach
dem Verstorbenen weder Schuldforderungen angemeldet, noch etwan von ihme durch
Codicillen Vermächtnissen hinterlassen worden, solle die Erbschaft gleich den
Tag nach Beerdigung des Erblassers, wann sie sich vorhero rechtsbehörig
erbserkläret haben, eingeantwortet werden.
[2, 21, § 9] 154. Bei allen übrigen nächsten Erben hingegen,
sie mögen Aufsteigende oder Seitenverwandten sein, sind sechs Wochen von dem
Tag des Absterbens des Erblassers abzuwarten, binnen welchen ihnen jedoch frei
stehet sich erbszuerklären, und ihr Erbrecht zu erweisen.
[2, 21, § 9] 155. Dieses Alles aber hat nur in dem Fall
statt, wo keine öffentliche Zusammenberufung nöthig ist, dann ansonst solle
nicht allein die anmit anberaumte Zeitfrist abgewartet, sondern auch die
Eröffnung der Sperr und Einantwortung der Erbschaft solange verschoben werden,
bis nach Verlauf dieser Zeit die Verlassenschaftsabhandlung in der
obvorgeschriebenen Maß völlig beendiget sein wird.
§. X.
[2, 21, § 10] 156. Gleichwie der Erb durch den Erbanfall,
und die nachgefolgte Erbserklärung das Erbrecht erwirbt, also wird derselbe
durch die Einantwortung der Erbschaft in dem wirklichen Genuß aller
Erbvortheilen gesetzet.
[2, 21, § 10] 157. Diesemnach sind die Wirkungen des
Erbrechts vor und nach Einantwortung der Erbschaft wohl zu unterscheiden, dann
nach eingeantworteter Erbschaft hat der Erb hieran das volle Eigenthum,
folglich auch alle Befugnissen eines wahren Eigenthümers, insoferne er nicht
hierinnen durch die Anordnung des Erblassers beschränket ist.
[2, 21, § 10] 158. In dessen Folge stehen ihme nicht allein
alle und jede Forderungen
(2-427) zu, welche dem verstorbenen Erblasser gebühret
haben, und mit seinem Tod nicht erloschen sind, sondern er hat auch die
Eigenthumsklage wider einen jedweden dritten Besitzer, welcher ein in die
Erbschaft gehöriges Gut vorenthält.
[2, 21, § 10] 159. Vor Einantwortung der Erbschaft hingegen
hat derselbe darmit noch keine Schalt- und Waltung, sondern bloß allein die
ihme angebührende Erbsforderung wider Jenen, der die Erbschaft ganz oder zum
Theil als ein vermeintlicher Erb, oder sonst die ganze Erbschaft aus was immer
für einem angeblichem Ankunftstitel innen hat, zu deren Antretung und
Ausfolgung mit allen ihren Zugehörungen, Zugängen und Nutzungen.
[2, 21, § 10] 160. Die Erbsforderung kann demnach nur in dem
Fall des strittigen Erbrechts Platz greifen, maßen, wo dieses unstrittig ist,
bedarf der Erb keiner Erbsforderung wider die Besitzere der in die Erbschaft
gehörigen Güter, sondern mag nach von ihme angetretener Erbschaft wider
dieselbe die Eigenthumsklage oder andere nach Gestalt der Sachen von dem
Erblasser auf ihn gediehene Rechtsforderungen anstrengen.
[2, 21, § 10] 161. Es ist aber bei der Erbsforderung nach
Verschiedenheit der Fällen, ob nemlich das Erbrecht gleich Anfangs, ehe und
bevor noch Jemandens Erbserklärung bei Gericht angenommen worden, zwischen
mehreren Erbswerberen strittig seie, oder ob das Erbrecht des Einen erst nach
schon angetretener, oder bereits eingeantworteter Erbschaft von dem Gegentheil
angestritten werde, in der Verfahrungsart ein Unterschied.
[2, 21, § 10] 162. Dann, wo zur Zeit, da die Verlassenschaft
noch ledig, und von Niemanden angetreten worden ist, sich mehrere Erbswerbere
hervorthun, deren Jedweder ein näheres, ausschließendes, oder auch ein gleiches
von dem Anderen nicht anerkennen wollendes Erbrecht hieran zu behaupten
vermeinet, ist von deren Keinem die Erbserklärung insolange anzunehmen, bis
nicht der Stritt durch die zu Rechtskräften erwachsene richterliche Erkanntniß
entschieden ist.
[2, 21, § 10] 163. Zu diesem Ende sollen die Erbswerbere
untereinander über die von ihnen zu Darthuung ihres angeblichen Erbrechts
beigebrachte Behelfe vernommen, hierbei schleunig verfahren, und alsdann
darüber, was Rechtens ist, erkennet werden.
[2, 21, § 10] 164. Wäre aber die Erbserklärung des Einen
noch ehender, als sich ein Anderer angemeldet, allschon zu Gericht angenommen,
folglich die Erbschaft bereits angetreten, allein noch nicht eingeantwortet
worden, und der Andere käme alsdann noch vor deren Einantwortung hervor,
welcher ein näheres, oder auch gleiches Erbrecht zu haben vorgiebt, so hat
dieser wider die Erbserklärung des Ersten einen ordentlichen Widerspruch
einzulegen, und darauf anzutragen, womit solche aus der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern ausgelöschet, und ihme die Erbschaft zuerkennet werde.
[2, 21, § 10] 165. In einem, wie in dem anderen Fall hat das
Gericht mit Einantwortung der in Stritt verfangenen Erbschaft bis zu Ausgang
des Rechtsstritts zuzuwarten, und die unmündige, abwesende, oder sich sonst
nicht vertreten mögende Erbswerbere mit Vormünderen oder Gerhaben, und
Curatoren zu versehen.
[2, 21, § 10] 166. Inzwischen aber, und wo der Stritt sich
länger hinaus verziehen würde, solle dasselbe gleichwohlen mit der
Verlassenschaftsabhandlung fürschreiten, über solche einen Curatoren bestellen,
das Strittige von dem Unstrittigen absönderen, dieses Denenjenigen, welchen es
gebühret, ausfolgen lassen, jenes hingegen in gerichtlichen Beschlag nehmen,
und was davon in Barschaften bestehet, nach Maßgebung Unserer anderweiten
Verordnungen verzinslich anlegen.
[2, 21, § 10] 167. Währenden Rechtsstritts hat der
angestellte Curator die Verlassenschaft in Allem zu vertreten, und sowohl
Jenen, welche hieran Sprüche und Forderungen haben, mit Einvernehmung der
Erbswerberen Red und Antwort zu geben, als auch alle dem Verstorbenen
zugestandene Rechtsforderungen anzustrengen, und die
(2-428) in die Verlassenschaft gehörige Schulden und
Ausstände einzutreiben, dann so lange der Erb sich mit der gerichtlichen
Verwilligung der ihme einzuantworten kommenden Erbschaft nicht ausweisen kann,
zahlen ihme die Schuldner des Verstorbenen auf ihre eigene Gefahr.
[2, 21, § 10] 168. Wo aber der Widerspruch wider die
Erbserklärung des Einen nach schon eingeantworteter Erbschaft eingebracht
würde, ist zwar gleichermaßen der Rechtsstritt hierüber ordentlich abzuführen,
der Beklagte hingegen bleibet in dem Besitz und Genuß der ihme einmal
eingeantworteten Erbschaft, bis daß derselbe durch die erfolgende richterliche
Erkanntniß aus dem Besitz gesetzet werde.
[2, 21, § 10] 169. Doch ist derselbe nicht befugt, vor
Ausgang des Rechtsstritts etwas von der strittigen Erbschaft eigenmächtig zu
veräußeren, und dem Kläger ist unbenommen, wo er eine Gefahr besorglicher
Versplitterung, oder Verringerung der Erbschaft zu erweisen vermag, den
Beklagten zu Leistung einer hinlänglichen und annehmlichen Bürgschaft, daß
mittlerweil nichts davon veräußeret oder verthan werden solle, anzuhalten.
[2, 21, § 10] 170. Könnte oder wollte aber der Beklagte die
Bürgschaft nicht leisten, so ist über die Erbschaft ein Curator zu bestellen,
und mit solcher inmittelst, wie mit einer ledigen Verlassenschaft auf die in
num. 166 und 167 vorgeschriebene Art und Weis zu verfahren.
[2, 21, § 10] 171. Desgleichen kann Kläger bei Jenen, welche
in die Erbschaft etwas schuldig sind, die an den Beklagten leistende Zahlung
gerichtlich verbieten, welche alsdann vor Wiederaufhebung des Verbots sich von
der Schuld nicht anderst, als durch deren gerichtlichen Erlag entledigen
können.
[2, 21, § 10] 172. Dahingegen sind Jene, welche an der
Erbschaft zu forderen haben, nicht verbunden, den Ausgang des Rechtsstritts
abzuwarten, sondern sie können dessen ohnerachtet ihre Befriedigung
anverlangen, und sind über ihre Forderungen beide Theile, sowohl der Beklagte,
als der Kläger zu vernehmen.
[2, 21, § 10] 173. Wer die Erbsforderung anstrenget, muß das
ihme entweder aus letztem Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge
ganz oder zum Theil angefallene, oder auf ihn übertragene, oder ihme von dem
Erben abgetretene und überlassene Erbrecht, und im Fall der rechtlichen
Erbfolge zugleich, daß er oder Jener, von deme es auf ihn übertragen, oder ihme
abgetreten worden, den nächsten ausschließenden, oder doch einen mit denen
übrigen Erbswerberen gleichen erblichen Zutritt habe, erweisen.
[2, 21, § 10] 174. Anstatt unwürdiger, oder gar noch
ungeborner, abwesender, oder sich nicht zu vertreten fähiger Erben muß die
Erbsforderung von Jenen angebracht werden, welche sie zu vertreten haben; in
was aber für einer Maß dieselbe im Fall der letztwilligen Erbfolge denen noch
Ungebornen zu statten kommen könne, ist bereits in zwölften Capitel, §. IV, von
num. 87 bis 92, und in achtzehenten Capitel, §. III, erkläret worden.
[2, 21, § 10] 175. Zur rechtlichen Erbfolge hingegen wird
ein noch Ungeborner nicht anderst zugelassen, als wann derselbe in dem Fall, wo
er aus eigenem Recht zu der Erbschaft zu gelangen hätte, schon zur Zeit des
Absterbens des Erblassers, oder doch längstens zur Zeit des wegen noch
unentschiedener letztwilligen Erbfolge sich etwan hinausverziehenden
Erbanfalls, in dem Fall aber, wo das Erbrecht von dem unmittelbaren Erben auf
ihn übertragen wird, zur Zeit des Absterbens des Uebertragenden wirklich im
Mutterleibe empfangen gewesen, widrigens haben Jene, welche erst nach dieser
Zeit empfangen werden, an der Erbschaft keinen Anspruch, obschon sie mit denen
anderen Erben, wann sie damals schon empfangen gewesen wären, ein gleiches
Erbrecht gehabt haben würden.
[2, 21, § 10] 176. Wann demnach zur Zeit des unmittelbaren
oder mittelbaren Erbanfalls der Erb, welcher zur ganzen Erbschaft das nächste
ausschließende Recht hätte, noch nicht geboren, doch aber schon im Mutterleibe
empfangen wäre, ist die gesammte
(2-429) Verlassenschaft bis auf die Zeit seiner zu erfolgen
habenden Geburt in gerichtlichen Beschlag aufzubehalten, und inmittelst zu
derselben Vertretung ein Curator anzustellen.
[2, 21, § 10] 177. Hätte aber der anhoffenden Geburt nur ein
Theil der Erbschaft mit anderen gleich nahes Recht habenden Erben zuzufallen,
so ist zu unterscheiden, ob der Geburt ein Stammtheil nach dem Stammrecht, oder
aber ein Haupttheil nach der Anzahl der Personen zuzukommen habe.
[2, 21, § 10] 178. Im ersten Fall, wo derselben entweder aus
dem Vorstellungsrecht, oder aus dem auf sie übertragenen Recht ein bestimmter
Stammtheil, dessen Betrag durch die mehrere oder mindere Anzahl der
Nachgeborenen weder vermehret, noch verminderet werden mag, zuzufallen hätte,
als da z. B. nach einem Eltertheil nebst lebenden Kindern das Eheweib eines
vorgestorbenen Sohns schwanger hinterlassen worden wäre, oder auch ein Sohn
erst nach dem Eltertheil, ehe und bevor er sich erbserkläret, mit Hinterlassung
eines schwangeren Eheweibs verstürbe, können denen übrigen Erben ihre
Erbtheile, wann sonst keine Hinderniß unterwaltet, nicht vorenthalten werden,
sondern die Theilung ist auf deren Anlangen ohne weiters vorzunehmen, dabei
aber zur Vertretung der erwartenden Geburt ein Curator zu bestellen, und
lediglich der ihr zufallende Erbtheil für dieselbe aufzubehalten.
[2, 21, § 10] 179. Wo jedoch bei der Erbfolge nach
Landleuten in der Ordnung der Absteigenden die Ausmessung des Stammtheils von
dem noch ungewissen Geschlecht des Ungebornen abhangen würde, solle allemal so
viel in gerichtlichen Beschlag aufbehalten werden, als auf einen männlichen
Stammtheil ausfiele; da aber nachhero ein Miterb weiblichen Geschlechts zur
Welt käme, ist das Mehrere, was dessen Antheil übersteiget, denen anderen
Miterben nach dem Verhältniß ihrer Erbtheilen auszufolgen.
[2, 21, § 10] 180 Im zweiten Fall hingegen, wo die Geburt
einen Haupttheil zu forderen hätte, mithin die Theilung nach Anzahl der
Personen vorzunehmen wäre, als da der Erblasser nebst lebenden Kindern sein
Eheweib schwanger verließe, folglich noch ungewiß ist, ob ein oder mehrere
Miterben, welche ein gleiches Erbrecht nach den Häuptern mit denen schon
Lebenden haben würden, zur Welt kommen werden, solle die ganze Erbschaft bis
zur Geburt in gerichtlichen Beschlag aufbehalten, und mittlerweil zu deren
Vertretung ein Curator angestellet werden.
[2, 21, § 10] 181. Darmit aber ein zur
Zeit des Erbanfalls noch in Mutterleibe befindlicher Miterb zur
Erbschaft gelangen möge, ist erforderlich, daß derselbe lebendig, in
menschlicher Gestalt, und zur rechten Zeit zur Welt komme, wie alles dieses an
vorbemelten Stellen mit Mehreren erkläret worden.
[2, 21, § 10] 182. Das Gericht hat demnach, wann mittlerweil
das Gegentheil der angeblichen Schwangerschaft nicht erhellet, oder sonst die
Hoffnung der Geburt nicht ehender verschwindet, nur diese Zeit abzuwarten, nach
deren Verlauf aber die Erbschaft ohne weiters denen anderen Erben
einzuantworten.
[2, 21, § 10] 183. Kommt hingegen das Kind lebendig zur
Welt, und lebet auch nur einen Augenblick, so überträgt es sein Erbrecht auf
Jene, die ihme nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zum nächsten verwandt
sind; wo es aber am Leben bliebe, ist solches mit einem Vormund oder Gerhaben
zu versorgen.
[2, 21, § 10] 184. Mittlerzeit, wo Jemand sein Eheweib
schwanger verließe, ist derselben aus der Verlassenschaft der standesgemäße
Unterhalt nicht allein währender Schwangerschaft, sondern auch bis sechs Wochen
nach der Niederkunft abzureichen, und sind nicht weniger die
Niederkunftsunkosten daraus zu bestreiten.
[2, 21, § 10] 185. Die sich schwanger zu sein ausgiebt, hat
in Ermanglung sichtbarer Zeichen, oder da sonst ein Zweifel fürwaltete, ihre
Schwangerschaft durch das Zeugniß geschworner Wehmütter oder Hebammen zu
bewähren, und wo auch deren Meinungen nicht übereinstimmend wären, ist allemal ehender
für die Schwangerschaft,
(2-430) als wider dieselbe die Vermuthung, solange das
Widerspiel nicht offenbar erhellet, oder die
Unrechtmäßigkeit der künftigen Geburt nicht erwiesen wird.
[2, 21, § 10] 186. Würde jedoch eine Schwangerschaft
gefährlicher Weise fälschlich angegeben, die nachher sich in der That nicht
zeigen würde, und die Angeberin könnte einer darbei gebrauchten Gefährde
überwiesen werden, so ist eine solche Person über den Ersatz des mittlerweil
zur Ungebühr bezogenen Unterhalts Denenjenigen, welche andurch verkürzet
worden, allen erweislichen Schaden zu vergüten schuldig, und noch beinebst nach
Gestalt der Gefährde zu bestrafen.
[2, 21, § 10] 187. Die Erbsforderung kann vorerwähnter Maßen
nur wider Jene, welche entweder die Erbschaft als vermeintliche Erben innen
haben, oder sich deren Besitzes aus was immer für einen angeblichen
Ankunftstitel angemaßet, wie nicht weniger wider deren Erben, oder auch
Diejenige, auf welche von ihnen durch Handlungen unter Lebenden der
anmassentliche Besitz übertragen worden, angestrenget werden.
[2, 21, § 10] 188. Kläger hat dahero allemal den Besitz des
Beklagten, wo solcher von ihme in Abrede gestellet würde, zu beweisen. Für
Besitzere aber werden auch Jene nach der im dritten Capitel, §. III, von num.
48 bis 57 erklärten Maß gehalten, welche sich entweder aus Gefährde zur
geflissentlichen Verkürzung des Klägers des Besitzes entäußeret haben, oder, da
sie wissentlich nicht in dem Besitz gewesen, sich jegleichwohlen für Besitzere
ausgegeben, und mit dem Kläger, der sie für solche hält, sich in die
Rechtfertigung einlassen.
[2, 21, § 10] 189. Wider Besitzere einzler Erbschaftstücken
hingegen, welche selbe aus keinem anmaßentlichen Erbrecht, sondern aus einem
anderen Ankunftstitel innen haben, hat nicht die Erbsforderung, sondern die
Eigenthumsklage oder sonstige nach Verschiedenheit der Fällen angebührende
Rechtsforderung statt.
[2, 21, § 10] 190. Dann der Gegenstand der Erbsforderung ist
einzig und allein der allgemeine Begriff des Erbrechts, nachdeme solches dem
Kläger ganz oder zum Theil zugefallen ist, folglich kann auch anmit nur der
Begriff der gesammten Erbschaft, wie solche sowohl die Erbvortheile, als die
Erblasten in sich einschließt, ganz oder zum Theil mit allen ihren
Zugehörungen, Zugängen und Nutzungen geforderet werden; einzle Erbschaftsstücke
hingegen kommen darbei nicht insonderheit, sondern nur insoweit in Betrachtung,
als sie Theile des Ganzen sind.
[2, 21, § 10] 191. In diesem Verstand sind auch fremde Dinge
unter dieser Klage enthalten, insoferne sie der Erbschaft, oder diese für selbe
verfangen ist, als da sie dem Erblasser geliehen, vermiethet oder verpfändet,
oder bei ihme hinterleget worden.
[2, 21, § 10] 192. Um damit aber Kläger Jenes, worinnen die
Erbschaft eigentlich bestehet, wissen möge, ist derselbe befugt, wann er seine
Klage noch vor Einantwortung der Erbschaft eingebracht, die gerichtliche
Beschreibung der Verlassenschaft wo sie noch nicht geschehen, anzuverlangen.
[2, 21, § 10] 193. Da er aber erst nach deren ohne
vorgängigen Inventario erfolgter Einantwortung hervorkäme, kann er den Besitzer
zur Ausfertigung einer verläßlichen Beschreibung der gesammten Erbschaft, und
zu deren eidlicher Bestärkung anhalten, wobei ihme noch unbenommen bleibt zu
erweisen, daß ein Mehreres, als von dem Besitzer angegeben worden, in der
Verlassenschaft vorhanden gewesen seie.
[2, 21, § 10] 194. Uebrigens hat die Erbsforderung sowohl in
Ansehung des Ersatzes dessen, was inmittelst davon abgekommen, als wegen
Zuruckstellung der mittlerweiligen Zugängen und Nutzungen, wie nicht weniger
wegen Vergütung des erweislichen Aufwands eine ganz gleiche Natur und
Eigenschaft mit der Eigenthumsklage, folglich ist auch Alles darbei zu
beobachten, was im bemelten dritten Capitel, §. III, von num. 72 bis 89 nach Unterschied
des guten und üblen Glaubens davon geordnet worden.
[2, 21, § 10] 195. Wofür aber Kläger von dem Beklagten den
Ersatz erhalten, dieses kann er von einem dritten Besitzer nicht mehr
anforderen, doch stehet ihme die
(2-431) Auswahl frei, ob er den Ersatz von dem Beklagten
annehmen, oder die Sache von dem dritten Besitzere, wo dieser sie nicht schon
aus Macht Rechtens eigenthumlich erworben hätte, abforderen wolle.
[2, 21, § 10] 196. In diesem letzteren Fall kann zwar die
Eigenthumsklage bei noch unentschiedener Erbsforderung von ihme wider den
dritten Besitzer vorsichtsweise eingebracht, und die angesprochene Sache
mittlerweil mit dem Veräußerungsverbot auf sein Anlangen beleget werden; die
Ausführung der Klage aber solle wegen des noch ungewissen Erfolgs, ob ihme das
eingeklagte Erbrecht zuerkannt werden wird oder nicht, bis zu Ausgang des
Hauptstritts über die Erbsforderung verschoben bleiben.
[2, 21, § 10] 197. Wäre die Erbschaft unter mehreren
Gerichtsbarkeiten vertheilet, so hat zwar Kläger die Erbsforderung bei allen
Gerichtsstellen, worunter etwas von der Erbschaft gelegen ist, anzubringen, den
Stritt aber nur an einem Ort und zwar bei jenem Gericht, wo die Verlassenschaft
abgehandlet worden, oder da auch solche mehreren Gerichten zustünde, bei demjenigen,
wo er sich zuerst gemeldet, auszuführen, und nur allein bei denen anderen
Gerichten sich des alldort anhängig gemachten Rechtsstritts halber auszuweisen.
[2, 21, § 10] 198. Welchen Falls der von einem Gericht
ergangene, und in seine Rechtskräften erwachsene Spruch auch bei allen übrigen
Gerichten ein gleiches Recht in Zulassung oder Abweisung des Klägers ohne einer
neuen Rechtstheidigung wirket, wann derjenige Theil, für welchen der Spruch
ausgefallen, dessen ordnungsmäßige Andeutung von dem Gericht, von welchem
solcher geschöpfet worden, an die übrige Gerichte, bei denen zugleich die
Erbsforderung angemeldet worden, ausgebracht, um darmit dieser Spruch auch
allda, wo es nöthig vorgemerket werden möge.
[2, 21, § 10] 199. Die Befugniß, die Erbsforderung
anzustrengen, währet insgemein durch drei Jahre und achtzehen Wochen, welche
Zeitfrist in dem Fall, wo ein Testament angefochten würde, von dem Tag der
Einverleibung desselben, in dem Fall der rechtlichen Erbfolge hingegen, wo die
Erbserklärung eines vorgekommenen Erbswerbers angestritten werden will, von dem
Tag der einverleibten Erbserklärung zu rechnen ist, nach deren Verlauf aber
solle die Erbsforderung gänzlich verjähret und verschwiegen sein.
[2, 21, § 10] 200. Es wäre dann um das Erbrecht eines Abwesenden
zu thun, dessen Leben und Aufenthalt nicht bekannt ist, in wessen Ansehung die
ordentliche Verjährungszeit nicht laufen kann, sondern Jenes statt hat, was
deshalben oben §. II geordnet worden.
(2-432)
Caput XXII.
Von Theilungen der Erbschaften.
Inhalt:
§. I. Von Erbtheilungen überhaupt. §. II. Von der zur
Theilung der Erbschaft angebührenden Rechtshülfe. §. III. Von der Art und Weis
der Erbtheilungen. §. IV. Von Sachen, welche in die Theilung zu legen sind. §.
V. Von Wirkung der Erbtheilung. §. VI. Von der Rechtslage wegen Ungleichheit
der Theilen.
§. I.
[2, 22, § 1] Num. 1.Wann mehrere Erben in letzten Willen
eingesetzet, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft berufen
werden, beruhet es insgemein bei ihrer selbsteigenen Willkür, ob sie zusammen
in der Gemeinschaft der Erbschaft beharren, oder sich von einander abtheilen
wollen.
[2, 22, § 1] 2. Sie wären dann Alle noch minderjährig,
abwesend, oder sonst der eigenen Verwaltung unfähig, in welchen Fällen Wir dem
vernünftigen Ermessen des Richters nach Befund der Umständen und Beschaffenheit
der Verlassenschaft die Bestimmung überlassen haben wollen, ob die Erbschaft
ungetheilt zu ihren Handen durch die aufgestellte Vormündere oder Gerhaben, und
Curatores bis zu ihrer Großjährigkeit, Zuruckkunft oder Erlangung der freien
Verwaltung besorgen zu lassen, oder aber die Theilung vorzunehmen für selbe
nutzlicher und fürträglicher sein möge.
[2, 22, § 1] 3. Wann jedoch der Miterben einige großjährig,
gegenwärtig, und der eigenen Verwaltung fähig, andere hingegen noch
minderjährig, abwesend, oder an der eigenen Verwaltung beschränket sind, solle
das Gericht allemal zur Sicherheit dieser letzteren noch vor Einantwortung der
Erbschaft die Theilung vornehmen, und zu dem Ende jene, welche sich selbst
nicht vertreten mögen, mit Vormünderen oder Gerhaben, und Curatoren versehen.
Es wäre dann, daß nach Befund des Richters die Gemeinschaft der Erbschaft für
Letztere nutzlicher angesehen würde, und auch die Großjährigen dabei beharren
wollten.
[2, 22, § 1] 4. Die Erbtheilung an sich selbst betrachtet,
und insoweit sie in denen einem jeden Erben zukommenden Erbtheilen bestehet,
ist eine Wirkung des entweder von dem Erblasser, oder von dem Gesatz unter
Mehrere vertheilten Erbrechts; wo aber die Erben in der Gemeinschaft der
Erbschaft verblieben, erwachset hieraus
(2-433) eine dem Gesellschaftscontract gleichende Handlung,
woraus Einer dem Anderen noch besonders zu Erstattung der allseitigen
Gebührnissen verbunden wird.
[2, 22, § 1] 5. Doch hinderet die einmal beliebte, und auch
noch so lange fürgewährte Gemeinschaft keineswegs, daß nicht gleichwohlen ein
jedweder Miterb, deme die Gemeinschaft nicht länger anständig ist, aus
derselben nach Gefallen austreten, und die Theilung der Erbschaft anverlangen
könne.
[2, 22, § 1] 6. Vielmehr stehet einem jeden Miterben frei,
zu allen Zeiten vor oder nach Einantwortung der Erbschaft über kurz oder lang
die Theilung anzubegehren, wann gleich selbe sich anfangs untereinander eines
Anderen, und daß sie in der Gemeinschaft beharren wollen, verglichen, oder auch
der Erblasser in seinem letzten Willen die Theilung für allzeit verboten hätte.
[2, 22, § 1] 7. Noch weniger kann wider dieselbe eine
Verjährung laufen, weilen in dem ungetheilten Besitz ein Jeder den Anderen für
einen Miterben anerkennet, folglich die Haupterfordernissen der Verjährung,
nemlich sowohl der gute Glauben, als der Ankunftstitel in Ansehung der übrigen
hinausgebührenden Erbtheilen darbei ermanglen.
[2, 22, § 1] 8. Mittelbar aber kann durch Verjährung der Erbsforderung
auch das Recht zur Theilung verschwiegen werden, wann ein Miterb allein zum
Besitz der ganzen Erbschaft gelanget, und die übrigen Miterben in der gesetzten
Zeit ihre Erbsforderung einzubringen unterlassen, nach deren Verjährung sie
auch keine Theilung mehr anzuverlangen befugt sind.
§. II.
[2, 22, § 2] 9.Wer die Theilung der Erbschaft anverlanget,
bedarf keiner besonderen Rechtsforderung, sondern wo die Miterben sich
untereinander der Theilung halber nicht selbst vergleichen würden, oder wo wegen
Minderjährigkeit, Abwesenheit, oder beschränkten eigenen Verwaltung der anderen
Miterben die Theilung gerichtlich geschehen müßte, kann derselbe bei Gericht
einkommen, um binnen einer anzuberaumen habenden Zeitfrist die übrigen Miterben
zur Vornehmung der Theilung anzuhalten.
[2, 22, § 2] 10. Diese Zeitfrist hat das Gericht auf sechs
Wochen von dem Tag der zugestellten Auflage zu bestimmen; wo aber die übrigen
Miterben rechtserhebliche Ehehaften, warumen sie unter dieser Zeit nicht gefaßt
sein können, entweder weilen die Erbschaft allzu weitschichtig, zerstreuet oder
verwirret, oder sie sonst rechtmäßig verhinderet sind, beibringen, und um eine
Erstreckung ansuchen würden, kann solche das Gericht auf andere sechs Wochen
von dem Tag der ausgegangenen ersten Frist verlängeren.
[2, 22, § 2] 11. Wer von denen Miterben hingegen dieser
gerichtlichen Auflage keine
(2-434) Folge leisten, und sich entweder zur Theilung gar
nicht bequemen wollte, oder sich hierinnen saumig erzeugen würde, derselbe
solle durch rechtliche Zwangsmitteln darzu mit Nachdruck verhalten, und wo auch
diese nichts verfingen, die Theilung von amtswegen vorgenommen werden.
[2, 22, § 2] 12. Wider die anverlangende Theilung hat keine
wie immer Namen habende Einwendung statt, wann sonst das Erbrecht des sie
ansuchenden Miterbens ungezweiflet ist, und dieser sich vorhero behörig
erbserkläret hat; wo aber sein Erbrecht angestritten würde, ist vorerst dieser
Rechtsstritt auszumachen, ehe und bevor derselbe einen Erbtheil anzubegehren
befugt ist.
[2, 22, § 2] 13. Nichtsdestoweniger sind die anderen
Miterben, deren Recht unstrittig ist, nicht schuldig, mit der Theilung bis zu
Ausgang dieses Stritts zuzuwarten, sondern sie können solche gleichwohlen
vornehmen, und was auf den strittigen Erbtheil ausfallt, ist inzwischen in
gerichtlichen Beschlag aufzubehalten.
[2, 22, § 2] 14. Noch weniger solle die Theilung aus dem
Vorwand habender Gegenforderungen, oder noch nicht aufgenommener, oder
erledigter Rechnungen, welche ein Miterb dem anderen etwan zu legen schuldig
ist, verweigeret werden können, sondern die Theilung gleichwohlen ihren
Fortgang haben, und alsdann erst die Gegenforderungen und Rechnungen erörtert
werden.
[2, 22, § 2] 15. Zu diesem Ende stehet einem jedweden
Miterben frei, welcher an dem anderen einige Forderungen hat, sich an dessen
Antheil zu versicheren, oder, wo er ihme nach Ausweis der Theilung etwas
herauszugeben hätte, sich hieran so lange zu halten, bis daß
er seiner erweislichen Forderungen halber vergnüget seie.
[2, 22, § 2] 16. Durch die anverlangte Theilung wird zwar
Jener, von welchem solche verlanget worden, für einen unstrittigen Miterben
anerkannt, wann der Anverlangende sich dagegen nicht ausdrücklich verwahret,
und seine Rechtsbehelfe wider das anmaßentliche Erbrecht des Anderen nicht
vorbehalten hat.
[2, 22, § 2] 17. Wo er aber noch währenden
Theilungsgeschäft, oder auch nach schon vollbrachter Theilung, ehe und bevor
das Erbrecht des Anderen durch die Verjährung, es seie, daß das Testament,
worinnen er zum Erben eingesetzet worden, oder seine Erbserklärung zu
Rechtskräften erwachsen, bestätigt ist, seinen Irrthum erweisen, und neue,
vorhin nicht bei Handen gehabte Behelfe beibringen könnte, so ist ihme,
ohnerachtet der mit dem Gegentheil vorgehabten Theilung, bis dahin ohnverwehret
seinen Widerspruch wider das anmaßentliche Erbrecht des Anderen der Ordnung
nach auszuführen.
§. III.
[2, 22, § 3] 18. Die Erbtheilung kann gerichtlich oder
außergerichtlich geschehen; wo aber minderjährige, abwesende, oder sonst der
eigenen Verwaltung nicht fähige Miterben sind, oder das Erbrecht des einen
Miterben noch strittig ist, und die Anderen, die ein ungezweifletes Recht
haben, auf die Theilung andringen, solle solche allemal gerichtlich vorgenommen
werden.
(2-435) [2, 22, § 3] 19. Sie geschehe jedoch gerichtlich
oder außergerichtlich, so kann dieselbe auf zweierlei Art vollzogen werden, als
entweder durch ordentliche sogenannte Theilungszetteln oder Theillibell, oder
durch einen mit Einverständniß aller Miterben errichteten Erbtheilungsvergleich,
dieser möge entweder außergerichtlich durch selbsteigenes gutwilliges
Einvernehmen der Miterben, oder gerichtlich durch Vermittlung der hierzu
beorderten Gerichtspersonen zu Stand kommen.
[2, 22, § 3] 20. Die Theile sind in derjenigen Maß zu
machen, nach welcher das Erbrecht entweder von dem Erblasser, oder von dem
Gesatz bei der letztwilligen oder rechtlichen Erbfolge unter mehreren Miterben
vertheilet ist; wo aber die Theile nach ihrem Ertrag, was und wieviel ein jeder
Miterb zu bekommen habe, schon von dem Erblasser bestimmet worden, ist keine
Erbtheilung nöthig, weilen ein Jedweder seinen bereits angewiesenen Erbtheil
hat.
[2, 22, § 3] 21. In der Erbfolge nach Aufsteigenden, wann
zwischen Kinder einerlei oder beiderlei Geschlechts eine Theilung vorzunehmen
ist, hat allemal der älteste Bruder oder Schwester, oder Jene, die aus dem
Vorstellungsrecht an die Stelle des ältesten Geschwisters eintreten, die
Theilung zu machen, das jüngere Geschwister aber, oder die an dessen Stelle
eintreten, zu wählen.
[2, 22, § 3] 22. Solchemnach hat der ältere Bruder, oder die
ältere Schwester so viele Theilungszettel oder Theillibell, als Erben an der
Zahl sind, zu verfassen, und solche bei Gericht zu erlegen, welche sofort dem
jüngeren Geschwister auf eine von dem Richter nach Beschaffenheit der Umständen
auszumessen kommende, niemalen aber über sechs Wochen sich zu erstrecken
habende Bedenkzeit zugestellet werden sollen.
[2, 22, § 3] 23. Unter dieser Zeitfrist haben die jüngeren
Geschwistere der Ordnung nach zu wählen, also daß zuerst der Jüngste, sodann
der Nächste im Alter nach ihme, und sofort jederzeit der Jüngere vor dem
Aelteren die Wahl habe, welcher Theil aber nach vollbrachter Wahl des jüngeren
Geschwisters übrig bleibt, mit diesem hat sich der Aelteste als Theilleger zu
begnügen.
[2, 22, § 3] 24. Bei dieser Art der Theilung hat es auch
damals sein vollkommenes Bewenden, wann gleich sowohl Jener, der die Theilung
zu machen hat, als die zu wählen haben, noch unmündig, abwesend, oder sonst der
eigenen Verwaltung nicht fähig wären, dann in solchen Fällen haben ihre
Vormündere oder Gerhaben und Curatores anstatt ihrer Pflegebefohlenen sowohl
die Theilung zu machen, als die Theile zu wählen.
[2, 22, § 3] 25. Doch also, daß wo mehrere unmündige
Geschwistere, unter welchen die Theilung vorzunehmen ist, nur mit Einem
Gerhaben bevormundet wären, diesem bei dem Theilungsgeschäft die Vertretung nur
eines Miterbens allein, es seie des Theillegers, oder eines Wählenden
überlassen, dahingegen einem Jedwedem der übrigen Miterben zu dieser Handlung
ein besonderer Curator zugegeben werden solle.
[2, 22, § 3] 26. Nicht weniger ist die Theilung auf
vorstehende Art vorzunehmen, obschon der Aelteste vor der Theilung mit Tod
abgegangen, und ein Kind nachgelassen hätte, welches an Jahren jünger wäre, als
die übrige Geschwistere seines Vaters oder Mutter; dann ohnerachtet dessen
sollen doch diese vor jenem die Wahl haben, und dasselbe, ob es gleich jünger,
als das lebende Geschwister seines Vaters oder Mutter ist, jegleichwohlen
entweder selbst, wo es mündig, oder wo es noch unmündig ist, durch seinen
Vormund oder Gerhaben die Theilung machen.
[2, 22, § 3] 27. Wann aber nebst noch lebenden Kindern
mehrere Kindskinder eines Stammes, die an dessen Stelle eintreten, vorhanden
sind, und diese sich der Theilung halber, es seie in Legung der Theilzetteln
oder Theillibell, wann sie die Theilung selbst zu machen hätten, oder in der
Wahl ihres Antheils, untereinander nicht vergleichen könnten, solle das Gericht
die Theile selbst ausmessen, und solche zwischen denen Erben durch das Loos
auswählen lassen.
[2, 22, § 3] 28. Der Stammtheil hingegen, welcher auf die
Kindskinder eines Stammes ausfallt, ist auf ganz gleiche Weis, wie die Theile
unter Kindern ersten Grads,
(2-436) unter Jene, die von diesem Stammen sind,
dergestalten zu vertheilen, daß allemal der Jüngere vor dem Aelteren die Wahl
habe.
[2, 22, § 3] 29. Würde jedoch einer von denen Jüngeren,
denen die Wahl zustehet, in der ihme anberaumten Zeitfrist nicht wählen,
sondern sich hierinnen saumig erzeigen, so verlieret derselbe das Wahlrecht,
und muß sich mit demjenigen Theil zufrieden stellen, welchen ihme die Anderen,
welche in der Zeit gewählet, übrig lassen.
[2, 22, § 3] 30. Wären aber die von dem Aeltesten gelegte
Theilzettel oder Theillibell so mangelhaft und ungleich verfasset worden, daß
die Wählenden einen Schaden und Nachtheil hieraus mit Grund zu befahren hätten,
so stehet ihnen frei, in der bestimmten Bedenkzeit ihre dagegen habende
Beschwerden bei Gericht einzubringen, und eine billige Ausgleichung der Theilen
anzubegehren, worüber mit Vernehmung des Theillegenden schleunig zu verfahren,
und nach Erwägung beiderseitiger für sich angeführter Behelfen durch
richterliche Erkanntniß, was und wie in die Theilung zu bringen seie,
auszumessen ist.
[2, 22, § 3] 31. Und dieses ist bei Theilungen zwischen
Kindern nach ihren Eltern für insgemein zu beobachten. Nur bei Herren- und
Ritterstandspersonen, welche zugleich Landleute sind, gebühret nach männlichen
Aufsteigenden von Mannsstammen denen Töchtern, oder Jenen, welche an deren
Stelle eintreten, wie nicht minder denen weiblichen Absteigenden von Söhnen,
wann so Eine als die Anderen mit Söhnen, und deren männlichen Stämmen
zusammentreffen, weder die Theilung zu machen, noch die Auswahl zu haben,
sondern so ein als anderes Vorrecht stehet allein den Söhnen, und ihren
männlichen Stämmen bevor, folglich haben sich die Miterben weiblichen
Geschlechts, oder die einen Weibsstammen vorstellen, lediglich mit deme zu
begnügen, was der Theilleger mit Einverständniß der übrigen männlichen Miterben
auf ihren Antheil ausgewiesen hat, wann es nur richtig und sicher ist.
[2, 22, § 3] 32. Dahingegen hat es sowohl in dem Fall, wo
nach männlichen Aufsteigenden von Mannsstammen lauter weibliche Absteigende
allein vorhanden sind, als auch nach weiblichen Aufsteigenden von Mannsstammen,
und nach allen Aufsteigenden von Weibsstammen zwischen Söhnen und Töchtern, und
ihren Absteigenden ohne Unterschied des Geschlechts bei der allgemeinen
Theilungsart sein Verbleiben.
[2, 22, § 3] 33. Wo die Wittib neben den Kindern entweder
den ehegattlichen Antheil erbete, oder mit ihnen zur Erbin eingesetztet worden
wäre, hat sie weder die Theilung zu machen, noch einen Antheil zu wählen,
sondern sie muß sich mit dem ihr richtig und sicher ausgewiesenen Antheil
befriedigen lassen, und dieses ohne Unterschied, ob sie die leibliche Mutter
seie oder nicht.
[2, 22, § 3] 34. Wo aber der leibliche Vater oder väterliche
Großvater mit seinen Kindern die Mutter oder Großmutter erbete, hat dieser die
Theilung zu machen, wann er von allen Miterben insgesammt der gemeinsame Vater
oder Großvater ist, woferne aber derselbe zu allen, oder auch nur einigen
Miterben ein Stiefvater oder Stiefgroßvater wäre, hat sowohl in Ansehung
seiner, als der väterlichen Großmutter, und der mütterlichen Großeltern das
Nämliche statt, was gleich vorher von der Mutter geordnet worden.
[2, 22, § 3] 35 Wäre eine Erbschaft nicht zwischen Kindern
und Kindskindern, sondern zwischen anderen Erben, als da sind aufsteigende
Geschwistere oder weitere Seitenverwandte des verstorbenen Erblassers, oder gar
zwischen fremden Erben zu theilen, oder es wäre auch neben denen eheleiblichen
Kindern ein Dritter zum Erben eingesetztet worden, und die Erben könnten sich
selbst untereinander über die Theilung nicht vergleichen, so hat das Gericht
auf Anlangen des Einen oder Anderen aus seinem Mittel taugliche Personen zu
verordnen, welche zwischen ihnen einen gütlichen Erbtheilungsvergleich zu
bewirken trachten sollen.
[2, 22, § 3] 36. Wo aber auch deren Vermittlung nichts
verfinge, sind die Theile von Gericht auszumessen, und was für ein Theil deren
Jedwedem zuzukommen habe,
(2-437) durch das Loos zu bestimmen, wornach auch ein Jeder
mit demjenigen Theil, der ihme durch das Loos zugefallen, sich begnügen zu
lassen schuldig ist.
§. IV.
[2, 22, § 4] 37. In die Theilung ist alles nach dem
verstorbenen Erblasser hinterbliebene Hab und Gut, sowohl liegendes als
fahrendes, Schulden und Forderungen, Sprüche und Schuldigkeiten, Rechten und
Gerechtigkeiten getreulich zu bringen, und nichts, was in die Erbschaft
gehörig, auszulassen.
[2, 22, § 4] 38. Was seiner Beschaffenheit und Eigenschaft
nach sich nicht füglich theilen läßt, solle gerichtlich geschätzet, und
demjenigen Miterben, welcher das Meiste dafür angeboten, in dem angetragenen
Werth überlassen, um was es aber seinen Antheil übersteiget, dafür von ihme die
Ablösung mit Geld denen anderen Miterben hinausgegeben werden.
[2, 22, § 4] 39. Wollten es jedoch mehrere Erben ablösen,
und Keiner mehr als der Andere dafür geben, so solle Jener den Vorzug haben,
welcher den größten Theil an der Erbschaft hat; wann hingegen Alle gleiche
Theile hätten, und deren Jeder die Ablösung begehrete, doch Keiner mehr als der
Andere dafür anbieten wollte, auch sonsten Keinem von ihnen ein besonderes
Vorzugsrecht hieran zustünde, so ist durch das Loos zu entscheiden, weme es auf
seinen Theil zufallen solle.
[2, 22, § 4] 40. Woferne aber Keiner die Ablösung verlangen
würde, oder der ablösen Wollende für den herauszugeben habenden Betrag keine
annehmliche Sicherheit leisten könnte oder wollte, ist eine solche an sich
untheilbare Sache durch die gerichtliche Versteigerung zu verkaufen, und das
erlöste Geld unter die Erben auszutheilen.
[2, 22, § 4] 41. Der Anschlag der in die Erbschaft gehörigen
Sachen solle nicht überhaupt, oder nach eines oder des anderen Erben Gutdünken,
sondern bei liegenden Gütern nach dem in jedem Lande gebräuchlichen
Schätzungswerth, und bei Fahrnissen nach Schätzung der hierzu beeidigten, des
Werths der Sachen kundigen Leuten verfasset, und Alles mit richtiger und
verläßlicher Verzeichniß in die Theilzetteln oder Theillibell eingetragen
werden.
[2, 22, § 4] 42. Auch sollen keinem Theil allein Güter, und
dem Anderen allein Geld, noch weniger Einem lauter kostbare, und dem Anderen
lauter geringschätzige Dinge wider Willen zugetheilet werden, sondern in so
Einem, als Anderen alle nur mögliche Gleichheit nach dem Verhältniß der
Theilen, soviel es die Beschaffenheit der Erbschaft und die Umstände zulassen,
unter den Theilenden beobachtet, jedoch was zu einem Gut gehörig, oder darzu
bestimmet worden, nicht leichtlich davon abgesönderet werden.
[2, 22, § 4] 43. Wann dahero dem einen Theil ein größeres
untheilbares Gut, und dem Anderen ein geringeres zufiele, ist der Abgang mit
anderen liegenden und fahrenden Gütern, oder auch im Geld auszugleichen.
[2, 22, § 4] 44. In liegenden Gütern haben unter Landleuten
nach einem Erblasser von
(2-438) Mannsstammen die männlichen Verwandten von
Mannsstammen in der im zwanzigsten Capitel, vierten Artikel, §. XVI., num. 129 bestimmten Maß vor denen weiblichen den
Vorzug, doch nicht anderst, als in dem Werth, welchen zur Zeit der Abtheilung
das Gut hat, oder welchen die anderen Miterben dafür anbieten.
[2, 22, § 4] 45. Außer bei Erbtheilungen nach Landleuten
haben zwar weder die männlichen vor denen weiblichen, noch auch die Befreundten
vor fremden Miterben einigen Vorzug, noch sind sie befugt auf die Ablösung
eines Jenen zugetheilten Guts zu dringen, wann sie keinen höheren Werth dafür
anbieten.
[2, 22, § 4] 46. Wann jedoch ein Miterb ein auf seinen
Antheil zugefallenes liegendes Gut, oder einen Theil davon an einen Dritten,
welcher sein Miterb ist, veräußeren wollte, haben die anderen Miterben auf die
in dritten Theil, im neunten Capitel, §. XVII erklärte Art und Weis das
Einstandrecht.
[2, 22, § 4] 47. Sind in einer Verlassenschaft schädliche,
und dem verstorbenen Erblasser zu haben nicht erlaubte Dinge, als Gift,
verbotene Bücher u. dgl. vorfindlich, so sollen solche nicht in die Theilung
geleget, sondern sogleich vertilget werden.
[2, 22, § 4] 48. Es seie dann, daß derselbe nach
Beschaffenheit seines Gewerbs derlei Dinge nicht hätte entübriget sein können,
welchen Falls sie entweder an den Miterben, der das Gewerb auf sich nimmt, oder
an jemand Anderen, der ein gleiches Gewerb führet, in dem geschätzten Werth zu
überlassen, und was insonderheit die verbotenen Bücher anlanget, darmit nach
Maßgebung Unserer anderweiten Verordnungen zu verfahren ist.
[2, 22, § 4] 49. So viel es aber die Schulden und andere
Erblasten anbetrifft, so sollen zwar solche insgemein noch vor der Theilung
hintangefertiget, und nur das reine Vermögen in die Theilung gebracht werden.
[2, 22, § 4] 50. Wann jedoch zwischen den Theilenden wegen
deren Uebernehmung, was und wie viel hiervon auf einen jeden Antheil zu fallen
habe, verglichen und verabredet wurde, verbindet zwar ein solcher Vertrag die
Theilenden untereinander, nicht aber auch Jene, welche an der Erbschaft zu
forderen haben, wann sie nicht auch ihres Orts in einen solchen Vertrag
ausdrücklich einwilligen, sondern ihnen stehet noch allzeit bevor, die gesammte
Erbschaft anzusprechen, folglich auch alle Miterben nach Maß ihrer Antheilen zu
belangen.
[2, 22, § 4] 51. Noch weniger kann ein Glaubiger von seiner
bereits vorhin erworbenen Hypothek durch die nachgefolgte Theilung, worinnen
derselbe von denen Theilenden auf ein anderes Gut übertragen und angewiesen
würde, wider Willen verdrungen werden, sondern zur Ablassung von der einmal
erlangten Hypothek ist seine ausdrückliche Einwilligung nöthig.
[2, 22, § 4] 52. Ebensowenig solle in Zukunft einem noch
unversicherten Glaubiger eine Hypothek durch die obschon einverleibte
Theilungszetteln, Theillibell oder Erbtheilungsvergleich bloß hieraus erworben
werden können, wann er darinnen auf einem liegenden Gut zur Zahlung angewiesen
und übernommen wird, ohne daß ihme zugleich hierauf namentlich eine Hypothek
von dem Uebernehmenden landtäflich, stadt- oder grundbücherlich bestellet
worden.
[2, 22, § 4] 53. Wo aber vor diesem Unserem neuen Gesatz
bisanhero die bloße und alleinige Zahlungsanweisung und Uebernahme auf einem
liegenden Gut in denen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen
Einverleibung gediehenen Theilungszetteln, Theillibellen oder
Erbtheilungsvergleichen eine Hypothek ohne deren namentlicher Bestellung
bewirket hat, derorten lassen Wir es auch für die vergangene Fälle bei dem auf
solche Art allschon erworbenen Pfandrecht gnädigst bewenden.
[2, 22, § 4] 54. Die brieflichen Urkunden, welche zu jeden
Erbens erwählten und zugetheilten Gütern insonderheit gehörig sind, sollen auch
demjenigen Erben, welchem
(2-439) das Gut, so sie betreffen, zugefallen, oder welchen
sie allein angehen, ausgefolget und überlassen werden.
[2, 22, § 4] 55. Gemeinsame Urkunden hingegen, welche die
gesammte Erbschaft oder alle Erben zusammen betreffen, sind, wann sich die
Erben hierüber nicht gutwillig vergleichen könnten, Jenem, welcher den größten
Theil der Erbschaft hat, oder da Alle gleiche Theile hätten, Demjenigen,
welcher unter ihnen der Aelteste ist, oder da dieser nicht im Lande verbliebe,
oder sonst erhebliche Bedenken wider ihn fürwalteten, dem Nächsten im Alter
nach ihme gegen einer ordentlichen von ihme mit Handschrift und Petschaft zu
bewähren habende Verzeichniß in die Verwahrung zuzustellen.
[2, 22, § 4] 56. Doch sollen die Geschlechtsurkunden ohne
Rucksicht des zufallenden größeren oder minderen Erbtheils allemal bei dem
ältesten Bruder oder Vettern, oder da wider diesen ein gegründetes Bedenken
vorhanden wäre, bei dem Nächsten im Alter nach ihme (er möge Miterb sein oder
nicht) aufbehalten werden, wann gleich die Schwestern oder Muhmen älter in
Jahren wären.
[2, 22, § 4] 57. So oft aber ein Miterb derlei gemeinsamer
Urkunden bedürftig ist, so sollen ihme auf sein Anlangen jedesmal davon
glaubwürdige Abschriften, oder auch im Fall der Nothdurft die Urkunde selbst
gegen seiner Bescheinigung ausgefolget werden, welche er alsdann nach davon
gemachten Gebrauch anwiederum ohnweigerlich zuruckzustellen hat.
[2, 22, § 4] 58. Wäre die Erbschaft bis zur wirklichen
Theilung von einem oder mehreren Miterben sowohl für sich, als zu Handen der
übrigen, oder auch von allen zusammen gemeinschaftlich verwaltet worden, so
sind sie beinebst auch über die Theilung der Erbschaft einander zur Leistung
und Ausgleichung allseitiger Gebührnissen, welche der Verwaltung halber Einer
an dem Anderen zu forderen hat, verbunden.
[2, 22, § 4] 59. Diese bestehen sowohl in gleichem Genuß
aller aus der Verwaltung der Erbschaft bezogenen Vortheilen und Nutzungen, als
in gleicher Tragung der erweislich aufgewendeten nothwendigen und nutzlichen
Kosten, und endlich in Vergütung des aus Schuld oder Gefährde des Einen denen
anderen Miterben verursachten Schadens.
[2, 22, § 4] 60. Doch solle die Ausgleichung dieser Gebührnissen
die Theilung nicht aufhalten, sondern denen Miterben untereinander noch allzeit
bevorstehen das, was sie hieran zu forderen haben, gleichwohlen hernachmals
durch eine besondere Rechtsforderung anzusuchen.
§. V.
[2, 22, § 5] 61. Ueber die vollbrachte Theilung sollen
ordentliche schriftliche Urkunden ausgerichtet, und von allen Theilenden
unterschrieben und besiegelt, wie nicht minder, wo sie liegende Güter oder
andere landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten betreffen, mit denen
zur Einverleibung nöthigen Erfordernissen versehen, und in die Landtafel,
Stadt- oder Grundbücher, wohin die abgetheilten Güter gehörig, eingetragen
werden.
[2, 22, § 5] 62. Eben also sind auch die über die in der
Güte nicht zu bewirken mögende Theilung ergehende richterliche Ausmessungen,
sobald sie zu Rechtskräften erwachsen, da wo nöthig, einzuverleiben.
[2, 22, § 5] 63. Die vollzogene Theilung wirket so viel, daß
andurch in dem getheilten Gut die Gemeinschaft der Erbschaft aufgehoben, und
ein jedweder Erb vollkommener Eigenthümer seines erhaltenen Antheils werde,
welcher ihme entweder durch gütlichen Vergleich, oder durch Ausmessung des
Richters zugefallen ist, wann jedoch selbe in Ansehung liegender Güter und
landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten und Gerechtigkeiten
vorhero zur behörigen Einlage gediehen ist.
[2, 22, § 5] 64. Die Bestimmung der Theilen geschieht auf
zweierlei Art, als entweder tauschweise, wann einem Miterben das eine, und dem
Anderen ein anderes Gut
(2-440) für seinen Antheil angewiesen wird, oder aber kauf-
und ablösungsweise, wann Einem das Gut überlassen, und dem Anderen der Werth
für den Betrag seines Antheils hinausbezahlet wird.
[2, 22, § 5] 65. Die Ausgleichung der Theilen geschehe aber
auf eine oder die andere Art, so sind doch die Miterben Einer den Anderen der
zugetheilten Güter wegen, wann sie ganz oder zum Theil von einem Dritten
ansprüchig würden, zu schirmen, und einander die Gewähr zu leisten schuldig,
insoferne unter ihnen nicht ein Anderes verglichen worden.
[2, 22, § 5] 66. Dann obwohlen die Erblasten und
Verbindlichkeiten ebenso, wie die Rechten und Forderungen zwischen mehreren
Miterben schon von dem Gesatz selbst dergestalten vertheilet sind, daß kein Erb
für ein Mehreres, als nach Maß seines Erbtheils verfangen seie, so hat es doch
mit den Haftungen eines Guts eine ganz andere Bewandtniß, als welche mit dem
Gut, auf dem sie haften, auf einen jedweden Besitzer übertragen, und wider
Willen des Glaubigers nicht getheilet werden können.
[2, 22, § 5] 67. Wann dahero mit Uebernehmung eines vorhin
behafteten, oder aus einer noch vor der Zeit seines Besitzes herrührenden
Ursache nachher ansprüchig gemachten Guts einem Erben mehrere Erblasten
zufallen, als derselbe nach Maß seines Erbtheils zu tragen schuldig ist, oder
hieran ausdrücklich mit übernommen hätte, sind die übrigen Miterben für die
Uebermasse ihme zur Schirmung und Gewährleistung allerdings verbunden, damit
der Uebernehmer eines solchen ansprüchigen Guts an seinen Antheil nicht
verkürzet werde.
[2, 22, § 5] 68. Diese Schuldigkeit zur Schirmung oder
Gewährleistung höret aber auf, wo der Erblasser selbst die Güter, welche einem
jedweden Erben auf seinen Antheil zuzukommen haben, namentlich bestimmet hat,
welchen Falls ein Jeder sowohl die auf dem ihme zugedachten Gut schon vorhin
haftende, oder von dem Erblasser angewiesene Erblasten selbst zu tragen, als
auch für die hierauf hervorkommende Ansprüche gerecht zu werden hat, woferne
nicht ein Notherb an seinen Pflichttheil andurch verkürzet worden wäre, zu
wessen Ergänzung die anderen Erben auch wider den ausdrücklichen Willen des
Erblassers gleichwohlen verbunden bleiben.
§. VI.
[2, 22, § 6] 69. Wann einer von denen Miterben in der
Theilung verkürzet worden, also daß er eine merkliche Ungleichheit zwischen
seinem und denen übrigen Theilen, welche von ihme damals, als er diesen Theil
gewählet, nicht eingesehen worden, erweisen könnte, kommt ihme solchen Falls
die Rechtshilfe zur Aufhebung der Theilung und zu billiger Ausgleichung der
erweislich unterwaltenden Ungleichheit zu statten.
[2, 22, § 6] 70. Es ist aber hierinnen zwischen einer
außergerichtlichen Theilung, welche durch selbsteigene gutwillige
Einverständniß der Erben untereinander vollzogen worden, und zwischen jener,
die durch gerichtliche Ausmessung der Theilen erfolget, ein Unterschied.
[2, 22, § 6] 71. Die durch richterliche Erkanntniß in
Bestimmung der Theilen zugefügte Verkürzung kann nicht anderst, als durch den
an den oberen Richter in der hierzu ausgesetzten rechtlichen Zeitfrist
einzuwenden habenden Zug aufgehoben und abgeleinet
(2-441) werden, widrigens erwachset die Ausmessung zu
Rechtskräften, worwider alsdann keine weitere Einwendung mehr zugelassen wird.
[2, 22, § 6] 72. Wann aber auch noch vor Verlauf der zur
rechtlichen Bekräftigung einer richterlichen Erkanntniß ausgemessenen Zeit die
Erben die von dem Richter bestimmte Theile gutwillig angenommen, oder darum
gelooset, folglich sich anmit der richterlichen Entscheidung unterzogen haben,
hat es bei einer solchen richterlichen Ausmessung der Theilen sein
ohnabänderliches Bewenden.
[2, 22, § 6] 73. Woferne hingegen die Theile durch
selbsteigene Einverständniß der Erben untereinander bestimmet worden, solle der
sich hernachmals dagegen beschwerende Miterb nicht länger, als durch drei
Monate, welche, wo die Theilung allein Fahrnissen betroffen, von dem Tag der
geschlossenen Theilung, wo aber auch liegende Güter, und landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Rechten vertheilet worden, von dem Tag der Einverleibung
der Theilungsurkunde zu rechnen sind, mit seiner Klage oder Widerspruch
angehöret, nach dieser Zeit aber die Theilung nicht mehr angefochten werden
können.
[2, 22, § 6] 74. Diese dreimonatliche Frist beschränket sich
jedoch lediglich auf das, was in die Theilung einkommt, und bloß allein auf die
Erben untereinander, nicht aber auch auf Jenes, was noch nicht getheilet, oder
darinnen übergangen worden, noch weniger auf einen Dritten, dessen Rechte etwan
in der Theilung zu nahe getreten worden.
[2, 22, § 6] 75. Was dahero noch nicht getheilet worden, es
seie, daß es mit allseitiger Einverständniß der Erben zwischen ihnen in fernere
Gemeinschaft gelassen, oder von dem Theillegenden verschwiegen, oder aus
Unwissenheit übergangen worden, oder sonst erst hernach hervorkommet, dessen
Theilung kann noch allzeit über kurz oder lang mittelst einer besonderen
Rechtsforderung anverlanget werden, solange dem Gegentheil keine rechtmäßige
Verjährung zu statten kommt.
[2, 22, § 6] 76. Desgleichen kann die Schirmung oder
Gewährleistung wider die bei der Theilung nicht vorgesehene Ansprüche eines
Dritten von denen anderen Miterben solange anverlanget werden, als der belangte
Miterb sich gegen dem Dritten mit der Verjährung nicht schützen mag.
[2, 22, § 6] 77. Dann einem Dritten kann aus der ohne seiner
Zuthat und Bestimmung unter denen Erben vorgenommenen Theilung anderer Gestalt
kein Nachtheil, als durch Verlauf der oben in neunten Capitel nach Unterschied
fahrender und liegender Güter ausgemessenen ordentlichen Verjährungszeit an
seinem Recht erwachsen.
(2-442) Caput XXIII:
Von Einbringung des vorempfangenen Guts in gemeine Theilung.
Inhalt:
§. I. Von der Schuldigkeit der Miterben zur Einbringung des
Vorempfangenen in gemeine Theilung. §. II. Von jenen, welche zur Einbringung
verbunden sind. §. III. Von Sachen, welche einzubringen sind. §. IV. Von der
Art und Weis der Einbringung. §. V. Von Wirkung der Einbringung und von denen
darzu gebührenden geltenden rechtlichen Hilfsmitteln. §. VI. Von Fällen,
worinnen die Einbringung aufhöret.
§. I.
[2, 23, § 1] Num. 1. Das Richtmaß aller Erbtheilungen ist
die zwischen den Erben, so viel als nur immer möglich, zu beobachten habende
Gleichheit nach dem Verhältniß ihrer Erbtheilen untereinander, welche zwar
insgemein nur nach demjenigen Stand der Verlassenschaft abzumessen ist, in dem
sich dieselbe zur Zeit des Absterbens des Erblassers befindet, und kommt Jenes
dabei nicht in Anschlag oder Aufrechnung, was ein oder der andere Miterb
allschon bei Lebzeiten des Erblassers ohnentgeltlich empfangen hat.
[2, 23, § 1] 2. Ganz anderst aber verhält es sich in
Ansehung der eheleiblichen Kinder, und der an ihre Stelle eintretenden weiteren
Absteigenden; dann gleichwie dieselbe schon bei Lebzeiten ihrer Eltern ein von
der Natur ihnen zukommendes gleiches Recht zu deren Gut haben, also würde auch
unter ihnen keine Gleichheit erreichet werden können, wann deren Eines das, was
es bei Lebzeiten von dem verstorbenen Eltertheil zum voraus empfangen, für sich
zu behalten, und gleichwohlen noch über das mit denen Uebrigen einen gleichen
Antheil von der Erbschaft anzuforderen befugt sein sollte.
[2, 23, § 1] 3. Gegentheils wird aus der Gleichheit des
Rechts, so die Kinder zu dem Gut ihrer Eltern haben, auch der Willen der
Eltern, wo sie solchen nicht anderst erklären ein Kind dem anderen hierinnen
gleichzuhalten vermuthet, und keineswegs
(2-443) andurch ausgeschlossen, daß sie noch in Lebzeiten
einem Kind vor dem anderen zu dessen Nutzen und Bedürfniß mehr zugewendet
haben.
[2, 23, § 1] 4. Vielmehr fließet hieraus an Seiten der
Kinder die Schuldigkeit zur Einbringung des vorempfangenen Guts in die gemeine
Theilung, damit andurch sowohl zwischen ihnen die Gleichheit in der Erbfolge
hergestellet, als auch dem bei ermanglender widriger Erklärung nicht anderst,
als für die Gleichhaltung aller Kinder vermuthen mögenden Willen der Eltern
Genügen geleistet werde.
[2, 23, § 1] 5. Diese Einbringung ist demnach nichts
Anderes, als eine denen ihre Eltern erbenden Kindern, oder an ihre Stelle
eintretenden weiteren Absteigenden obliegende Beitragung dessen, was sie oder Jene,
die sie bei der Erbfolge vorstellen, von dem Gut des Verstorbenen noch bei
dessen Lebzeiten zum voraus empfangen haben, in die gemeine Erbschaft zu dem
Ende, auf daß solches unter alle nach Maß ihrer Erbtheilen gleich vertheilet
werde.
[2, 23, § 1] 6. Die Einbringung in die gemeine Theilung ist
dahero von der Einrechnung in den Pflichttheil wohl zu unterscheiden, dann das
Eingebrachte kommt in gleiche Theilung unter allen Miterben; was aber einen
Notherben in den Pflichttheil eingerechnet wird, hieran haben die Uebrigen
keinen Anspruch, wann es gleich den Pflichtheil überstiege, insoferne andurch
ihr Pflichttheil nicht verkürzet wird.
[2, 23, § 1] 7. Ferners wird nach Ausmessung dessen, was
davon in vierzehnten Capitel, §. V, geordnet worden, den Kindern in den
Pflichttheil Alles eingerechnet, was sie von dem verstorbenen Eltertheil sowohl
in Lebzeiten, als aus letzten Willen bekommen haben; eingebracht hingegen wird
nur Jenes, was sie in Lebzeiten empfangen, nicht aber auch das, was ihnen durch
letzten Willen zugewendet worden.
[2, 23, § 1] 8. Hieraus folget, dass die Einrechnung in den
Pflichttheil sich zwar nach ihrem Gegenstand weiter als nicht die Einbringung
in die gemeine Theilung erstrecke, und mehr eingerechnet als nicht eingebracht
werde, nach ihrer Wirkung aber in Absicht auf die anderen Miterben enger
beschränket seie, weilen das Eingerechnete nicht so, wie das Eingebrachte unter
sie vertheilet, und somit zwar Alles, was in die gemeine Theilung einzubringen
ist, in den Pflichttheil eingerechnet, nicht aber auch gegentheils Alles, was
in den Pflichttheil einzurechnen ist, in die gemeine Theilung eingebracht wird.
§. II.
[2, 23, § 2] 9. Die Schuldigkeit zur Einbringung des
vorempfangenen Guts in die gemeine Theilung hat nur in der Erbfolge nach Eltern
unter ihren eheleiblichen Kindern, oder Jenen, die an ihrer Stelle eintreten,
statt, sie mögen entweder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge oder aus
letztem Willen zur Erbschaft gelangen.
[2, 23, § 2] 10. Und dieses zwar bei der rechtlichen Erbfolge
ohne Unterschied, ob sie in Haupt- oder Stammtheile gehen, bei der
letztwilligen hingegen nur damals, wann der Erblasser solche ausdrücklich
auferleget hat, außerdeme aber solle die Einbringung des Vorempfangenen für
erlassen geachtet werden.
[2, 23, § 2] 11. Es ist auch kein Unterschied, welchen
Elterntheil sie erben, wann es nur um desjenigen Erbschaft zu thun ist, von
deme sie das einzubringen Habende in Lebzeiten empfangen, und ob sie Alle des
ersten oder weiteren Grads sein, oder ob die weiteren absteigenden aus dem
Vorstellungsrecht mit dem Näheren zusammentreffen.
[2, 23, § 2] 12. Um aber zur Einbringung des Vorempfangenen
verbunden zu sein, wird ohnumgänglich erforderet, daß sie nicht allein
wirkliche Erben desjenigen Eltertheils sind, von deme das einzubringen habende
Gut herrühret, sondern auch daß sowohl Jenem, der was einzubringen hat, als
denen Anderen, welchen es eingebracht werden solle, zusammen zu eben dieser
Erbschaft ein gleiches Erbrecht gebühre, also daß ihnen miteinander auch ohne ausdrücklichen
Willen des Erblassers die Erbschaft zugefallen wäre.
(2-444) [2, 23, § 2] 13. Wer dahero nicht zum Erben
eingesetzet worden, oder sonst nicht Erb sein will, ist Jenes, was er von dem
Erblasser in dessen Lebzeiten empfangen, einzubringen nicht schuldig, obgleich
derselbe in dem letzten Willen mit einem Vermächtníß bedacht worden wäre.
[2, 23, § 2] 14. Doch bleibet dessen ohnerachtet denen
anderen Miterben, wann sie durch das, was Jenem entweder in Lebzeiten, oder aus
letzten Willen des Erblassers zugewendet worden, an ihrem Pflichttheil
verkürzet sind, die ihnen zu dessen Ergänzung angebührende Forderung wider ihn
noch allzeit bevor.
[2, 23, § 2] 15. Dahingegen so oft Enkeln oder weitere
Absteigende aus dem Vorstellungsrecht mit ihres verstorbenen Vaters oder Mutter
Brüdern und Schwester nach einem gemeinsamen Eltertheil zusammentreffen, sind
sie eben also, wie die Kinder ersten Grads alles Dasjenige, was sowohl sie
selbst, als Jener, den sie vorstellen, und an dessen Stelle sie eintreten, von
dem verstorbenen Erblasser bei dessen Lebzeiten empfangen, einzubringen
schuldig.
[2, 23, § 2] 16. Von dieser Regel wollen Wir jedoch den im
zwanzigsten Capitel, zweiten Artikel, §. VI, num. 56 und 57 angemerkten Fall
unter Herren- und Ritterstandspersonen, welche zugleich Landleute sind,
besonders ausgenommen haben, wann in der Erbfolge nach dem Vater oder
väterlichen Großvater von einem vorgestorbenen Sohn allein hinterlassene eine
oder mehrere Enklinnen mit anderen Mannsstämmen, das ist mit Söhnen oder Enkeln
von Söhnen zusammentreffen, dann gleichwie sie in diesem Fall nach der dortigen
Ausmessung nicht an die Stelle ihres verstorbenen Vaters eintreten, sondern
einen Weibsstammen vorstellen, folglich sich mit einem weiblichen Stammtheil zu
begnügen haben, also sollen sie auch von der Einbringung dessen, was ihr
verstorbener Vater von dem Erblasser in dessen Lebzeiten empfangen, gänzlich
enthoben sein.
[2, 23, § 2] 17. Doch bleiben sie gleichwohlen nicht allein
zur Einbringung Desjenigen, was sie etwan selbst von ihrem Großvater in dessen
Lebzeiten empfangen, sondern auch, wann durch das ihrem verstorbenen Vater
zugewendete großväterliche Gut die anderen Miterben an ihrem Pflichttheil
verkürzet worden, und sie ihren Vater geerbet, oder außerdeme etwas davon empfangen
haben, nichtsdestoweniger zu dessen Ergänzung nach Kräften der auf sie
gediehenen väterlichen Erbschaft, oder nach Maß dessen, was ihnen sonst davon
zugekommen, verbunden.
[2, 23, § 2] 18. Wo aber nebst Enklinnen zugleich Enkeln von
einem vorgestorbenen Sohn hinterlassen worden, welche in der Erbfolge mit
anderen Stämmen zusammentreffen, sind auch in diesem Fall die Enklinnen ebenso,
wie die Enkeln nach Maß ihrer Antheilen das von ihrem verstorbenen Vater aus
dem großväterlichen Gut Vorempfangene einzubringen schuldig, weilen sie
zusammen an seine Stelle eintreten, und seinen Stammtheil erben.
[2, 23, § 2] 19. Desgleichen wo lauter Enkeln und Enklinnen
von mehreren vorgestorbenen Söhnen und Töchtern nach Großeltern erben, obschon
in solchem Fall in Ermanglung eines ihm Grad näheren Miterbens das
Vorstellungsrecht keinen Platz greifet, sind sie jegleichwohlen sowohl das, was
sie selbst, als auch was ihre verstorbene Väter oder Mütter von dem Erblasser
in Lebzeiten empfangen, einzubringen verbunden, maßen sie auch in diesem Fall
in die Stämme erben, und soviel bekommen, als ihr verstorbener Vater oder
Mutter, wann sie am Leben wären, erhalten hätten.
[2, 23, § 2] 20. Doch sind die Enkeln und Enklinnen das von
ihrem verstorbenen Vater oder Mutter aus dem großväterlichen Gute Empfangene
nur insoweit einzubringen schuldig, als sie ihren Vater oder Mutter geerbt
haben, oder sonst etwas davon auf die gediehen ist, wo sie aber sich der
Erbschaft nach ihrem Vater oder Mutter entschlagen, noch sonst in andere Wege
von dem Vorempfangenen etwas erweislicher Maßen bekommen haben, sind sie auch
davon nichts einzubringen schuldig.
(2-445) [2, 23, § 2] 21. Aufsteigende, Seitenverwandte,
Eheleute und fremde Erben haben nichts einzubringen, gleichwie ihnen auch
dagegen nichts eingebracht wird.
[2, 23, § 2] 22. Obschon der Pflichttheil der Aufsteigenden
und der ehegattliche Antheil, wo Einer oder der Andere verkürzet worden wäre,
ergänzet werden muß.
[2, 23, § 2] 23. Solchemnach bestehet sowohl das Recht die
Einbringung des Vorempfangenen zu forderen, als die Schuldigkeit einzig und
allein zwischen Absteigenden, welche zusammen aus gleichem Erbrecht zu der
Erbschaft des Verstorbenen gelangen.
[2, 23, § 2] 24. Sowohl das Recht die Einbringung zu
forderen, als die Schuldigkeit solche zu leisten, wird mit dem Erbrecht selbst
auf was immer für Erben übertragen, wann die Absteigenden, ehe und bevor sie
zur Erbschaft gelangen, oder sich solcher entschlagen haben, versterben, und
somit ihren hinterlassenen Erben aus dem auf sie übertragenen Erbrecht der
erbliche Zutritt eröffnet wird.
§. III.
[2, 23, § 3] 25. Eingebracht muss Alles werden, was die
Kinder von demjenigen Eltertheil, den sie erben, in Lebzeiten bekommen haben,
wann ihnen diese Verbindlichkeit nicht besonders entweder von dem Gesatz, oder
von dem Erblasser nachgesehen und erlassen worden.
[2, 23, § 3] 26. Jenes aber, was die Kinder entweder von dem
anderen Erbtheil, um dessen Erbschaft es zur Zeit nicht zu thun ist, bekommen
oder ererbet, oder sonst wo immer her erworben haben, oder was ihnen auch von
demjenigen Eltertheil, welchen sie erben, aus letztem Willen zugewendet worden,
sind sie nicht einzubringen schuldig.
[2, 23, § 3] 27. Allein auch von demjenigen vorempfangenen
Gut, was der Erblasser seinen Kindern in Lebzeiten zugeeignet, wollen Wir durch
dieses Unser Gesatz von der Einbringung in die gemeine Theilung Folgendes
namentlich befreiet und ausgenommen haben, als:
[2, 23, § 3] 28. Erstens, was die Eltern aus der ihnen
obliegenden Pflicht auf ihre Kinder zu verwenden schuldig waren, als das ist
der Aufwand auf die Erziehung, Unterhaltung, Unterricht in Künsten und
Wissenschaften, Reisen, hohe Schulden, Heilungs- und Begräbnißkosten, welches
Alles dergestalten ausgenommen sein solle, daß der Erblasser weder die Befugniß
habe seine Kinder zu dessen Einbringung, wann er auch solche ausdrücklich
anordnete, zu verbinden, obschon ihme unbenommen ist, denen Jüngeren vor denen
Aelteren einen größeren Erbtheil zu verschaffen, folglich andurch die auf die
Aelteren verwendete Kosten unter Allen auszugleichen, insoweit durch die
Verbesserung des Erbtheils der Einen der Pflichttheil der Anderen nicht
verkürzet wird.
[2, 23, § 3] 29. Zweitens, was von dem Erblasser aus
sonderbarer Zuneigung gegen ein oder anderes Kind demselben zum voraus
zugewendet worden zu sein vermuthet wird; von dieser Art sind mäßige Gaben und
Schankungen, sie geschehen aus bloßer Freigebigkeit, oder aus Vergeltung
vorzüglicher Verdiensten, wann keine andere Erklärung von ihme vorhanden ist,
und der Pflichttheil der Uebrigen andurch nicht verkürzet wird.
[2, 23, § 3] 30. Drittens, was von dem Erblasser aus
natürlicher Liebe der Eltern gegen ihre Kinder ausgeleget worden, als da Vater
oder Mutter das Kind aus der feindlichen Gefangenschaft ausgelöset, oder ihme
sonst in seinem Noth und Elend hilfliche Hand geboten hätte.
[2, 23, § 3] 31. Worunter jedoch weder das, was für ein
eingeschuldetes Kind an Schulden
(2-446) bezahlet worden, obschon es anmit aus dem Gefängniß
befreiet würde, noch auch die zur Erlangung eines Amts kriegs- oder
bürgerlichen Bedienstung, Lehramts auf hohen Schulen, und sonstiger
persönlicher Würde, ausgelegte Kosten begriffen sind, sondern alles dieses
solle in die gemeine Theilung eingebracht werden.
[2, 23, § 3] 32. Viertens, was ein Vater in das eigene
anderwärts her ererbete oder erworbene Gut der Kinder, dessen Nutznießung
demselben zugestanden, verwendet hat, obschon erweislicher Maßen der Aufwand
die eingehobene Ertragniß überstiege.
[2, 23, § 3] 33. Wo aber Vater oder Mutter nur allein die
bloße Verwaltung des eigenen Guts der Kinder gehabt hätte, sind die zum Nutzen
der Kinder aus der Eltern eigenen Vermögen hinein verwendete Kosten und
Auslagen dergestalten zu berechnen, daß wo der Aufwand der Kosten die anmit
erzeugte mehrere Benutzung und Verbesserung übersteiget, nur das, was
verbesseret worden, dahingegen wo die Verbesserung mehr, als der Aufwand
beträgt, nur das, was erweislicher Maßen aus dem eigenen Vermögen der Eltern
aufgewendet worden, in die gemeine Theilung einzubringen seie.
[2, 23, § 3] 34. Alles Vorstehendes, was von der Einbringung
ausgenommen worden, ist für eine freiwillige Gabe und Schankung der Eltern zu
achten, folglich hat auch solches den Kindern zum voraus zu verbleiben, solange
der Eltertheil, von deme es herrühret, und um dessen Erbschaft es zu thun ist,
seinen widrigen Willen nicht ausdrücklich erkläret, daß er es in die gemeine
Theilung eingebracht haben wolle, doch mit Ausnahme dessen, was oben num. 28
der widrigen Anordnung des Erblassers ohnerachtet davon befreiet bleibet.
[2, 23, § 3] 35. Dahingegen solle alles anderes von
demjenigen Eltertheil, nach welchem geerbet wird, Vorempfangenes, was oben
nicht namentlich ausgenommen worden, in die gemeine Theilung eingebracht
werden; dahin gehöret das Heirathgut, die Widerlag oder Gegenvermächtniß,
Brautbetreuung, der wittibliche Unterhalt, häusliche Einrichtung, Aushilfe und
Beisteuer zur Haushaltung, und überhaupt Alles, was zur Aussteuer und
Ausstattung der Kinder verwendet wird, es seie in der Heirathsberedniß ausdrücklich
enthalten oder nicht, mit alleiniger Ausnahme des Hochzeitsmahls und
Hochzeitsgeschenken, dann der Morgengabe, welche von den Eltern aus ihrem
freien Willen, und ohne Vorbehalt oder gegen Verwahrung hergegeben worden.
[2, 23, § 3] 36. Von allem diesem aber, was solchergestalten
in die gemeine Theilung einzubringen ist, kommen weder Nutzungen, noch Zinsen,
welche mittlerweil davonbehoben worden, in Anschlag, außer von der Zeit der
gerichtlichen Belangung zur Einbringung.
§. IV.
[2, 23, § 4] 37. Die Einbringung des Vorempfangenen hat zur
Zeit der Theilung ohnweigerlich zu geschehen, weilen ansonst die Theile
eigentlich nicht bestimmet werden können, bis nicht das, was einzubringen ist,
mit in die gemeine Theilung geleget wird.
[2, 23, § 4] 38. Wo aber auch ein Miterb aus Irrthum ohne
vorheriger Einbringung, und ohne deren ausdrücklichen Vorbehalt zur Theilung
zugelassen worden wäre, und nach der Hand hervorkäme, daß er mit Einrechnung
des vorempfangenen Guts auf seinen Antheil mehr, als ihme nicht gebühret,
empfangen, folglich die übrigen Miterben verkürzet habe, steht denenselben
ohnerachtet der vollzogenen Theilung noch allzeit bevor, ihn binnen der in
gleich vorhergehenden Capitel, §. VI., zur Klage wegen
erweislicher Verkürzung ausgemessenen Zeit zur Einbringung des Vorempfangenen
anzuhalten, und bis dahin von ihme eine hinlängliche Sicherheit deshalben
anzubegehren.
[2, 23, § 4] 39. Die wirkliche Einbringung geschieht auf
zweierlei Art, als entweder durch thätige und leibliche Beitragung des einzubringen
habenden Guts, oder
(2-447) Zuzahlung des Werths dafür in die gemeine Theilung,
oder mit kurzer Hand dadurch, daß Jener, welcher etwas einzubringen schuldig
ist, einem Jedwedem seiner Miterben auch so viel bevorlasse, oder selbst auf
seinen Antheil um so viel weniger empfange, als das einzubringen Habende an
Werth beträgt.
[2, 23, § 4] 40. Wer demnach etwas in die gemeine Theilung
einzubringen schuldig ist, hat die Auswahl, ob er solches auf die eine oder
andere Art einbringen wolle, der Werth ist aber allemal nach demjenigen Stand
zu schätzen, in welchem sich das vorempfangene Gut zur Zeit des Absterbens des
Erblassers befindet, dieses möge mittlerweil in Werth gestiegen, oder ohne
Schuld dessen, welcher es einzubringen hat, gefallen sein.
[2, 23, § 4] 41. Es wäre dann das Gut in einem geschätzten
Werth ausdrücklich auf Abschlag des künftigen Erbtheils gegeben worden, welchen
Falls lediglich der geschätzte Werth, in welchem es mit diesen Beding gegeben
worden, in Anschlag zu bringen ist, dieser möge nachhero zu- oder abgenommen
haben.
[2, 23, § 4] 42. Desgleichen da das vorempfangene Gut aus
vorsätzlicher Gefährde oder großer Schuld des Einbringenden in Werth
verringeret worden, hat dieser denjenigen Werth anzubringen, welchen es zur Zeit, als er es zu seinen Handen bekommen, gehabt hat.
[2, 23, § 4] 43. Nicht weniger hat derselbe die mittlerweil
von ihme gemachte Behaftungen und Einschuldigungen des Guts allein zu tragen;
für jene Haftungen und Ansprüche hingegen, welche schon zur Zeit als es ihme
gegeben worden, einem Dritten hierauf gebühret haben, sind alle Miterben
verfänglich.
[2, 23, § 4] 44. Doch ist er befugt die nothwendigen und
nutzlichen auf das einzubringen habende Gut verwendeten Auslagen und Kosten,
insoweit sie erweislich die mittlerzeit behobene gesammte Ertragniß
übersteigen, von dem einbringenden Werth sich zu Guten abzuziehen, oder wo er
das Gut selbst in die gemeine Theilung beigetragen, deren Ersatz von den
übrigen Miterben anzuforderen.
[2, 23, § 4] 45. Wäre aber zur Zeit der Theilung, was und
wieviel einzubringen seie, noch nicht in das Klare gesetzet oder sonst
strittig, und die anderen Miterben würden gleichwohlen auf die Theilung
andringen, so solle zwar solche wegen verweigerter oder verzögerter Einbringung
nicht aufgehalten werden.
[2, 23, § 4] 46. Jener Miterb aber, welcher zur Einbringung
belanget worden, ist schuldig, auf Begehren der Anderen entweder von seinem
Erbtheil so viel, als sie an ihme anforderen, bis zur Austrag der Sache in
gerichtlichen Beschlag zuruckzulassen, oder für einen der an ihn gestellten
Forderung gleichkommenden Betrag eine hinlängliche Sicherheit, es seie mittelst
annehmlicher Bürgen, oder mittelst genugsamen Unterpfands zu leisten.
§. V.
[2, 23, § 5] 47. Die Einbringung des Vorempfangenen macht
das Eingebrachte unter allen Miterben gemein, welches andurch ein Theil der
Erbschaft wird, und zwischen
(2-448) allen Erben mit Einbegriff des Einbringenden nach
Maß ihrer Erbtheilen dergestalten zu vertheilen ist, daß deren Jeder davon so
viel als nach dem Verhältniß seines angebührenden Erbtheils ihme hieran
zuzukommen hat, erhalte, und die Gleichheit in der Vertheilung nach Maß der
Erbtheilen, und nicht nach Anzahl der erbenden Personen bestimmet werde.
[2, 23, § 5] 48. Aus der Verbindlichkeit zur Einbringung
hingegen, und dem damit übereinstimmenden Recht der Anderen solche zu forderen,
erwachsen die rechtlichen Hilfsmitteln Jenen, welcher zur Einbringung des
Vorempfangenen verbunden ist, darzu zu verhalten.
[2, 23, § 5] 49. Wobei zu unterscheiden ist, ob der zur
Einbringung verbundene Miterb selbst die Theilung anbegehre, oder ob derselbe
von denen Anderen um die Theilung der Erbschaft belanget werde; ersteren Falls
sind die Anderen wider Willen zur Theilung zu schreiten nicht schuldig, bis daß
er nicht das Vorempfangene in die gemeine Theilung eingebracht hat.
[2, 23, § 5] 50. Wo sie aber jegleichwohlen noch ehender
sich zur Theilung mit Vorbehalt des einzubringen habenden Guts einverstehen
wollten, ist er auf ihr Anlangen die oben in vorigen §. num. 46 vorgeschriebene hinlängliche Sicherheit auf eine oder die
andere Art zu bestellen verbunden.
[2, 23, § 5] 51. Anderen Falls hingegen, wo der zur
Einbringung verbundene Miterb um die Theilung belanget würde, und dieser sich
das Vorempfangene einzubringen weigerte, stehet denen anderen Miterben frei,
entweder ihn noch vor der Theilung durch Anrufung des richterlichen Amts hierzu
zu verhalten, oder wo sie mit Vorbehalt des einzubringen Habenden
jegleichwohlen die Theilung vornehmen wollten, sich an seinem Erbtheil bis zur
Austrag der Sache zu versicheren.
[2, 23, § 5] 52. Wäre zwar außer Zweifel, dass ein Miterb
von dem verstorbenen Erblasser etwas bei Lebzeiten empfangen, das er
einzubringen schuldig seie, was und wieviel aber anderer Gestalt nicht
erweislich, so sind die anderen Miterben befugt, in Ermanglung eines anderen
Beweises demselben zur Anzeigung und Offenbarung des Vorempfangenen einen
körperlichen Eid aufzutragen, welcher er bei Verlust seines Erbtheils zu
leisten schuldig ist.
§. VI.
[2, 23, § 6] 53. Die Verbindlichkeit zur Einbringung des
Vorempfangenen höret auf: Erstens, mit Verlust und Untergang der einzubringen
habenden Sache, wann solcher ohne Gefährde und großer Schuld Desjenigen,
welcher hierzu verbunden ware, erfolget ist.
[2, 23, § 6] 54. Für Zufall und geringe Schuld hingegen ist
derselbe nicht verfänglich, es sei dann, daß das Vorempfangene in baarem Geld
bestanden, oder die einzubringen habende Sache in einem geschätzten Werth mit
dem ausdrücklichen Beding, daß dieser Werth von dem künftigen Erbtheil
abgeschlagen und, solchergestalten in die gemeine Theilung eingebracht werden
solle, gegeben werden wäre.
[2, 23, § 6] 55. Wo er aber das mit oder ohne diesem Beding
Vorempfangene veräußeret, verthan oder verzehret hätte, bleibt derselbe,
ohnerachtet die Sache nicht mehr vorhanden, jegleichwohlen den Werth dafür,
welchen sie zur Zeit, als er sie empfangen, gehabt, in die gemeine Theilung
einzubringen schuldig, er möge sich anmit bereicheret haben oder nicht.
[2, 23, § 6] 56. Dieses Alles ist jedoch nur von demjenigen
Fall allein zu verstehen,
(2-448) wann die Kinder zur Zeit,
als das Vorempfangene von ihnen verthan oder verzehret worden, oder das mit
ausbedungener Einbringung des geschätzten Werths Gegebene in Verlust gerathen
oder zu Schaden gekommen, schon großjährig gewesen.
[2, 23, § 6] 57. Gegentheils, wo einem noch Minderjährigen
von seinen Eltern in Lebzeiten etwas auch mit dem ausdrücklichen Beding des
künftigen Abschlags gegeben worden wäre, welches von ihme noch währender
Minderjährigkeit ganz oder zum Theil verthan oder verzehret würde, oder sonst
auch aus seiner eigenen Schuld in Verlust geriethe, oder zu Schaden käme, ist
er nur soviel einzubringen verbunden, als derselbe andurch erweislich
bereicheret, und davon zu seinen Nutzen verwendet worden, oder zur Zeit der
erreichten Großjährigkeit noch davon vorhanden ware, wann er von Einbringung
dessen nicht in andere Wege nach der Hand befreiet worden.
[2, 23, § 6] 58. Deme gemäß wird auch eine Tochter oder
Enklin von Einbringung des in Lebzeiten der Eltern vorempfangenen Heirathguts,
welches ihr Ehemann währender ihrer Minderjährigkeit mit oder ohne ihrer Zuthat
vertan und verzehret hat, entlediget, weil nicht ihr, sondern ihren Eltern, daß
sie für dessen Versicherung nicht Sorge getragen, die Schuld beizumessen ist.
[2, 23, § 6] 59. Zweitens wird ein Kind von der
Verbindlichkeit zur Einbringung des vorempfangenen Guts losgezählet, wann
derjenige Eltertheil von deme dasselbe herrühret,
solche ausdrücklich oder stillschweigend erlassen hat.
[2, 23, § 6] 60. Ausdrücklich geschieht diese Erlassung,
entweder, wann das Kind von Einbringung des Vorempfangenen namentlich enthoben,
oder wann denen Anderen solche von jenem anzubegehren verboten wird.
[2, 23, § 6] 61. Stillschweigend wird die Einbringung durch
gleichgeltende Worte erlassen, wann sie so beschaffen sind, daß der Willen des
Erblassers hieraus ungezweifelt erhelle, als da er deutlich ausgedrucket, daß
ein Kind Jenes, was es von ihme bei seinen Lebzeiten empfangen, zum voraus
haben solle, oder da er dem anderen Kind etwas zum voraus verschaffet, oder
dessen Erbtheil aus der beigefügten Ursache vermehret, weilen das Andere bei
seinen Lebzeiten bereits eben so viel, oder ein Mehreres empfangen, oder von
ihme auf selbes eben so viel verwendet worden.
[2, 23, § 6] 62. Eine solche stillschweigende Erlassung wird
auch aus deme vermuthet, wann der Erblasser seine Kinder in dem Testament
bedacht hat, ohne dieselben dabei zur Einbringung des Vorempfangenen
ausdrücklich zu verbinden.
[2, 23, § 6] 63. Uebrigens hanget es von der Willkür des
Erblassers ab, die Einbringung des Vorempfangenen ganz oder zum Theil zu
erlassen, wo aber dieselbe namentlich nur an gewissen Sachen oder an einer
bestimmten Summe nachgesehen worden wäre, ist die Erlassung über die benannte
Summe oder Stücke, und was darzu gehörig auf andere, welche nicht benennet
worden, nicht zu erstrecken.
[2, 23, § 6] 64. Die Erlassung der Einbringung kann entweder
im Testament oder Codicill, oder in einem von dem Erblasser eigenhändig
geschriebenen Zettel, oder vor Zeugen geschehen, wann nur der Willen des
Erlassenden ungezweiflet am Tag lieget.
[2, 23, § 6] 65. Drittens wird Jener, welcher sonst das
Vorempfangene in die gemeine Theilung einzubringen schuldig gewesen wäre, von
dieser Verbindlichkeit enthoben, wann er sich der Erbschaft desjenigen
Eltertheils, von welchem das Vorempfangene herrühret, entschlagen hat.
[2, 23, § 6] 66. Wo aber durch das Vorempfangene der
Pflichttheil der anderen Notherben, eine Verkürzung erlitte, bleibt derselbe
jenen ohnerachtet seiner Entschlagung jegleichwohlen zu dessen Ergänzung
verbunden.
[2, 23, § 6] 67. Um jedoch in solchem Fall die Verkürzung
des Pflichttheils eigentlich abzunehmen, solle das Vorempfangene mit dem
hinterlassenen Vermögen in eine
(2-450) Summe zusammengerechnet, somit nach dem Betrag
dieser Summe der angebührende Pflichttheil ausgemessen, und was weniger in der
Verlassenschaft befindlich ist, als der ausfallende Pflichttheil des anderen
Notherben beträgt, von dem Vorempfangenen ersetzet und ergänzet werden.
[2, 23, § 6] 68. Also da z. B. der Vater einer von zweien
Töchtern zehntausend Gulden zum Heirathgut gegeben oder verschrieben hätte,
nachher aber sein Vermögen dergestalten geschmäleret würde, daß zur Zeit seines
Tods in seiner Verlassenschaft nur zweitausend Gulden übrig blieben, folglich
die ausgestattete Tochter, um die Einbringung des bei Lebzeiten des Vaters von
ihme empfangenen Heirathguts zu vermeiden, sich der väterlichen Erbschaft
entschlüge, in Gegentheil aber die andere Tochter über Verkürzung ihres
Pflichttheils klagete, so ist das Vorempfangene, oder durch Verschreibung
versicherte Heirathgut zu dem vorfindlichen Verlassenschaftsbetrag
zuzuschlagen, folglich die ganze Verlassenschaft auf zwölftausend Gulden
anzusetzen, hiervon die Halbscheide zum Pflichttheil mit sechstausend Gulden in
zwei gleiche Theile auszumessen, und somit die sich der Erbschaft entschlagende
Tochter zur Herausgebung des der anderen Tochter an ihrem Pflichttheil noch
abgängigen einen Tausends zu verhalten.
[2, 23, § 6] 69. Viertens erlöschet die Schuldigkeit zur
Einbringung des Vorempfangenen nach vollbrachter Theilung durch Verlauf der im
vorhergehenden Capitel, §. VI zur Klage über Ungleichheit der Theilung
anberaumten Zeit, wann dieselbe binnen solcher nicht anverlanget,
oder bei der Theilung nicht ausdrücklich vorbehalten worden.
(2-451) Caput XXIV.
Von dem Recht des Besitzes.
Inhalt:
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Besitzrechts. §. II.
Von der Besitzfähigkeit. §. III. Von Sachen, welche besessen werden mögen. §.
IV. Von Erwerbung des Besitzes, und der darzu gebührenden Rechtshilfe. §. V.
Von Wirkung des Besitzrechts. §. VI. Von den zu Handhabung des Besitzes zu
statten kommenden Rechtsmitteln. §. VII. Von Verlust des Besitzes. §. VIII. Von
rechtlichen Hilfsmitteln zu Wiedererlangung des verlorenen Besitzes.
§. I.
[2, 24, § 1] Num. 1. Alle dingliche Rechten sind oben in
zweiten Capitel, §.II, num. 25, in zwei Hauptgattungen, benanntlich in das
Recht über das eigene Hab und Gut, und in das Recht an fremden Gut
eingetheilet, und bishero von deren ersterem, welches das Eigenthum ist, dann
von dessen verschiedenen Erwerbungsarten gehandlet worden.
[2, 24, § 1] 2. Es folget demnach die zweite Hauptgattung,
nemlich das Recht an
(2-452) fremden Sachen, welches nach Inhalt des vorbemelten
zweiten Capitels, §. III in fünferlei Gattungen bestehet, wie solche in
gegenwärtigem, und den nachkommenden Capiteln beschrieben werden.
[2, 24, § 1] 3. Die erste dieser fünf Gattungen, und welche
in ihrer Wirkung dem Eigenthum zunächst beikommt, ist das Recht des Besitzes,
insoweit als solches an fremden Sachen mit Zug angebühren kann.
[2, 24, § 1] 4. Dann der Besitz eigener Sachen ist kein von
dem Eigenthum unterschiedenes Recht, sondern eine Wirkung des schon hieran
zustehenden Eigenthums; in Gegentheil aber ist des Besitzrechts an fremden
Sachen vornehmste Wirkung die Befugniß zu deren Verjährung, und die hieraus
erfolgende Erwerbung des Eigenthums.
[2, 24, § 1] 5. Wiewohlen aber der Besitz einer Sache an
sich selbst betrachtet lediglich in deren leiblicher Inhabung bestehet, so ist
doch derselbe in Rucksicht auf dem ihme von den Gesetzen zugeeignete besondere
Wirkungen ein dingliches Recht, das an der Sache haftet.
[2, 24, § 1] 6. Der bloße Besitz ist dahero von dem Recht
des Besitzes wohl zu unterscheiden, weilen Eines ohne dem Anderen füglich
bestehen kann; also hat ein Dieb und Rauber den Besitz des gestohlenen und
geraubten Guts, nicht aber auch hieran das Recht des Besitzes, gleichwie in
Gegentheil Derjenige, deme sein Gut gestohlen und geraubet wird, das Recht des
Besitzes behält, obschon er des leiblichen Besitzes entsetzet worden.
[2, 24, § 1] 7. Nicht weniger sind auch die Wirkungen des
bloßen Besitzes von jenen des Besitzrechts unterschieden, dann obschon auch
einem Dieb und Rauber zur einsweiligen Behauptung des Besitzes wider die
unrechtmäßige Anmaßung eines Dritten die rechtliche Hilfsmitteln zu statten
kommen, so wirket doch der bloße Besitz oder die Inhabung einer Sache für sich
allein ohne dem beistoßenden Besitzrecht keineswegs die Befugniß zur
Verjährung, zum Gewinn der Nutzungen, und zur Zuruckforderung der Sache selbst
von einem dritten, hierzu entweder gar nicht, oder doch weniger berechtigten
Inhaber, sondern alles dieses sind dem Besitzrecht nur allein eigene Wirkungen.
[2, 24, § 1] 8. Der Besitz ist also nichts Anderes, als die
Inhabung einer Sache in eigenem Namen und in Meinung und Absicht solche für
sich zu behalten; das Besitzrecht aber die Befugniß eine Sache innen zu haben
in der Meinung, solche für sich zu behalten, und allen daraus fließenden
Vortheil und Nutzen zu genießen.
[2, 24, § 1] 9. Hierzu wird keineswegs eine stete leiblich
Inhabung der Sache erforderet, sondern es ist an der Gemüthsmeinung und dem
Willen genug, dieselbe für sich zu behalten, obschon ein Anderer in Namen des
Besitzers sich in dem leiblichen Besitz der Sache befände, oder sie auch gar
ohne leiblicher Inhabung gelassen würde.
[2, 24, § 1] 10. Doch muß die Inhabung einer Sache also
beschaffen sein, daß selbe in eigenen Namen, und in der Meinung sie für sich zu
behalten, besessen werde; welche aber Sachen in Namen eines Anderen
verwaltungs-, verwahrungs- oder gebrauchswegen innen haben, allen diesen
gebühret hieran kein Besitz, sondern nur die bloße Innenbehaltung der Sache.
[2, 24, § 1] 11. Von dieser Art sind Sachwaltere, Vormündere
oder Gerhaben, Curatoren, Befehlshabere und Jene, welchen Sachen zu getreuen
Handen anvertrauet, zum Gebrauch geliehen, vermiethet, verpachtet, oder
bittweise verstattet worden.
[2, 24, § 1] 12. Welche Alle zwar die Sache innen haben, und
in Namen Desjenigen, von dessen Handen sie selbe bekommen, in Besitz sind,
nicht aber auch solche in ihrem eigenen Namen besitzen, um sie für sich selbst
zu behalten, sondern bloß ihrem eigenen Namen besitzen, um sie für sich selbst
zu behalten, sondern bloß allein um solche zu verwalten, zu verwahren, zu
gebrauchen, oder zu genießen.
[2, 24, § 1] 13. Der Besitz ist in Rucksicht auf die Dinge,
welche besessen werden, auf den Ankunftstitul oder die Erwerbungsursache, wo solcher
herrühret, auf die
(2-453) Gemüthsbeschaffenheit des
Besitzers, und endlich auf die Art und Weis, wie etwas besessen werde,
verschiedentlich zu betrachten.
[2, 24, § 1] 14. Nur körperliche
Dinge, die leiblich berühret und gegriffen werden können, sind des wahren
Besitzes fähig; unkörperliche Dinge hingegen, als Rechten, Gerechtigkeiten und
Dienstbarkeiten werden bloß gleichnißweise besessen, also daß, wiewohlen deren
Ausübung sich durch leibliche und sichtbare Thaten äußeret, nichtsdestoweniger
der Besitz des Rechts selbst nur in dem rechtlichen Verstand besteht.
[2, 24, § 1] 15. Nach dem
Ankunftstitul ist der Besitz gerecht oder ungerecht. Gerecht, wann die in
Besitz habende Sache aus einem zu deren Uebertragung an sich sonst
hinlänglichen Ankunftstitul, als durch Kauf, Tausch, und dergleichen Handlungen
erworben worden; ungerecht aber, wann ein rechtmäßiger Ankunftstitul gänzlich
ermanglet, als da Jemand sich in den Besitz mit Gewalt eingedrungen, oder
solchen mit List erschlichen hätte, welcher eigentlich ein mangelhafter und
widerrechtlicher Besitz benamset wird.
[2, 24, § 1] 16. Nach der
Gemütsbeschaffenheit (!) des Besitzers ist der Besitz entweder mit guten oder
mit üblen Glauben begleitet. Der Besitz mit guten Glauben erforderet an Seiten
des Besitzers die untadelhafte Unwissenheit, daß die in Besitz habende Sache
fremdes Gut seie, und die ungezweiflete Meinung, daß sie sein Eigen seie,
gleichwie gegentheils die Wissenschaft fremden Guts den Besitzer in üblen
Glauben bestellet, und so, wie den Besitz mangelhaft, auch ihn aller Vortheilen
des Besitzrechts verlustig macht.
[2, 24, § 1] 17. Doch lässt sich
so wenig aus der Rechtmäßigkeit des Ankunftstituls der gute Glauben, wie wenig
aus dessen Unrechtmäßigkeit der üble Glauben folgeren, dann es kann zwar der
Ankunftstitul an sich rechtmäßig, der Besitzer aber jedoch in üblen Glauben
befangen sein, wann er die obschon durch eine aufrechte Handlung an sich
gebrachte Sache fremd zu sein weiß, gleichwie gegentheils der Ankunftstitul
unrechtmäßig, und der Besitzer jegleichwohlen in guten Glauben bestellet ist,
wann dieser den Anderen aus dem Besitz einer ganz ungezweiflet für sein Eigen
haltenden Sache eigenmächtig verstoßen und verdrungen hat.
[2, 24, § 1] 18. Nach der Art und
Weis zu besitzen wird der Besitz einer Sache in den natürlichen und rechtlichen
unterschieden. Der natürliche Besitz erforderet allemal die leibliche Inhabung
der Sache mit der Meinung und dem Willen solche für sich zu behalten; der
rechtliche Besitz hingegen bestehet auch ohne leiblicher
Inhabung in dem alleinigen Willen und Meinung die Sache für sich zu
behalten.
[2, 24, § 1] 19. Dieser rechtliche
Besitz erheischet bei Fahrnissen oder beweglichen Dingen außer einem
rechtmäßigen Ankunftstitul, wodurch die Sache auf den Besitzer gediehen, sonst
nichts Anderes; allein bei liegenden Gütern, landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Rechten und Gerechtigkeiten kann deren rechtlicher Besitz auf
keine andere Art, als durch die Einverleibung des Ankunftstituls in die
Landtafel, Stadt- oder Grundbücher erworben werden, noch weniger ohne derselben
der bloße Besitz einige Vortheile des Besitzrechts bewirken.
[2, 24, § 1] 20. Der rechtliche
Besitz ist nach seiner Gestalt anwiederum zweierlei; dann entweder besitzet
Jemand ein Gut als sein Eigenthum, und in der ungezweifleten Meinung, daß es
sein Eigen seie, gleichwie der Herr eines Guts, oder ein Besitzer mit gutem
Glauben, und diesem Besitz kommen alle Wirkungen des Besitzrechts zu.
[2, 24, § 1] 21. Oder Jemand
besitzet das einem Anderen eigenthumlich zustehende Gut zwar für sich, nicht
aber in der Meinung, daß es sein Eigen seie, sondern weilen wegen eines ihme
hieran bestellten dinglichen Rechts der Besitz mit Vorbehalt des Eigenthums auf
ihn übertragen worden.
[2, 24, § 1] 22. Einen so beschaffenen
Besitz hat Jener, welcher die Nutznießung oder Fruchtgenuß eines Guts, oder
hieran das Recht der Oberfläche hat, ein Erbzinsmann, ein Glaubiger, der das
Pfand innen hat, und endlich auch Derjenige, deme der Besitz einsweilig
bittweise verstattet worden.
(2-454) [2, 24, § 1] 23. Alle diese haben zwar das Besitzrecht, wann jedoch bei
liegenden Gütern der Besitz landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf sie
übertragen worden, nicht aber in der Maß, wie ein Eigenthümer oder Besitzer mit
guten Glauben, weilen ihr Besitz wegen Offenkündigkeit fremden Guts niemalen
die Befugniß zur Verjährung, folglich die Erwerbung des Eigenthums wirken kann.
[2, 24, § 1] 24. Ohnerachtet aber
Jemand in den Besitz der Sache auf eine Art gelanget, wird andurch der Andere des
ihme auf eine andere Art hieran zustehenden Besitzes gleichwohlen nicht
verlustig, dann es hinderet nichts, daß nicht der Besitz an einerlei Sache
Mehreren auf verschiedene Art, und in verschiedener Absicht zustehen könne;
also bleibt der Schuldner in dem rechtlichen Besitz des gegebenen Unterpfands
als Eigenthümer, der Glaubiger hingegen besitzet solches zur Sicherheit, oder
allenfalls, wann es solchergestalten zwischen ihnen bedungen worden, auch zu
seinem Genuß auf Abschlag der Schuld.
§. II.
[2, 24, § 2] 25. Des Besitzes ist
Jedermann fähig, der nicht von der Natur, oder durch das Gesatz hieran
verhinderet wird. Von der Natur sind zwar Jene, welche den Gebrauch des
Verstandes nicht haben, als Aberwitzige, Blödsinnige und Kinder, etwas für sich
selbst mittelst leiblicher Inhabung zu besitzen aus Mangel des Willens unfähig,
doch kann von Anderen in ihrem Namen und zu ihren Handen nicht allein der
Besitz erworben, sondern auch der schon erworbene erhalten und fortgesetzet
werden.
[2, 24, § 2] 26. Desgleichen
können auch Unwissende, welche von der in ihrer Gewahrsame befindlichen Sache
keine Wissenschaft haben, solche nicht besitzen, wohl aber durch Andere in
ihrem Namen und zu ihren Handen den Besitz auch unwissend erwerben und
erhalten, wann nur nachher ihre Gutheißung erfolget.
[2, 24, § 2] 27. Gemeinden und
Mitteln sind zwar in dem Verstand einer sittlichen Person betrachtet von dem
rechtlichen Besitz nicht ausgeschlossen, für sich selbst aber der leiblichen
Inhabung, folglich des natürlichen Besitzes einer Sache unfähig, doch können
sie solchen entweder durch ihre einzle Mitglieder, oder auch durch Andere in
ihrem Namen und zu ihren Handen erwerben, und den erworbenen fortsetzen.
[2, 24, § 2] 28. Durch das Gesatz
werden Jene verhinderet, welchen, wie es oben in dritten Capitel, §. II von
Eigenthum erwähnet worden, die Erwerbung gewisser Sachen untersaget ist,
insonderheit aber sind von dem rechtlichen Besitz liegender Güter Alle und Jede
ausgeschlossen, die nach eines jeden Landes hergebrachter Verfassung solche zu
besitzen nicht fähig sind.
[2, 24, § 2] 29. Unvogtbare und
andere pflegbefohlene Personen, welche zwar den Gebrauch des Verstandes haben,
doch aber in der freien Schalt- und Waltung beschränket sind, können nur
insoweit den Besitz einer Sache ohne Zuthat und Einwilligung ihrer Vormünderen
oder Gerhaben und Curatoren erwerben, als sie anmit ihren Zustand verbesseren,
und an ihrem Vermögen nicht gefährdet werden.
§. III.
[2, 24, § 3] 30. Sachen, welche
eigentlich besessen werden können, müssen folgendermaßen beschaffen sein:
Erstens, körperlich, deren Wesen und Gestalt in die Sinnen fällt, folglich
gegriffen und innenbehalten werden mag; unkörperliche Dinge hingegen, als
Rechten, Gerechtigkeiten und Dienstbarkeiten werden nur nach dem rechtlichen Verstand
gleichnißweise besessen.
[2, 24, § 3] 31. Zweitens,
handelbar; dann unhandelbare Dinge sind des Besitzes nicht fähig. Welche aber
unhandelbar sind, ist oben in ersten Capitel, §. I erkläret worden.
[2, 24, § 3] 32. Drittens, an sich
gewiß und bestimmt; maßen an noch ungewissen Sachen, wann nicht wissend ist,
was und wieviel es seie, kein Besitz bestehen mag. Eine Sache aber kann ganz
oder zum Theil, mit geschiedener oder ungeschiedener Hand besessen werden.
[2, 24, § 3] 33. Beschiedene
Theile fallen für sich als ein Ganzes in die Sinnen, folglich sind sie auch des
wahren Besitzes fähig; dahingegen können noch unbeschiedene Theile, weilen sie
nur nach dem rechtlichen Verstand als Theile begriffen werden mögen, und an
sich von dem Ganzen nicht abgesönderet sind, auch nicht als Theile, wohl aber
das Ganze in der Gemeinschaft besessen werden.
[2, 24, § 3] 34. Viertens, ledig
von dem Besitz eines Anderen, welcher die Sache mit gleicher Meinung und in
eben der Absicht innen habe; also können nicht Zweie einerlei Sache ganz, und
mit ausschließendem vollem Eigenthum besitzen.
[2, 24, § 3] 35. Wohl aber kann
eine Sache von Mehreren in verschiedener Absicht besessen werden, wie es oben
§. I, num. 24 erkläret worden; also besitzet ein Nutznießer oder Erbzinsmann das
Gut, Ersterer zu seinem Genuß, und der Andere zu seinem nutzbaren Eigenthum,
der Eigenthümer aber das Grundeigenthum.
[2, 24, § 3] 36. Desgleichen hat
der Kaufer an einem obschon ihme mittelst körperlicher Uebergabe eingeraumten,
aber noch nicht auf ihn einverleibten liegenden Gut den natürlichen; der
Verkaufer hingegen, solange es mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf
den Kaufer nicht übertragen wird, behält hieran den rechtlichen Besitz.
§. IV.
[2, 24, § 4] 37. Gleichwie der
natürliche Besitz einer Sache in deren leiblicher Inhabung mit der Meinung und
Willen solche für sich zu behalten bestehet, also kann auch derselbe nicht
anderst, dann mit leiblicher Zuthat und dem Gemüth zugleich erworben werden.
[2, 24, § 4] 38. Die leibliche
Zuthat beruhet in der Ergreifung einer Sache entweder
durch sich selbst, oder durch Andere in Namen und zu Handen des Erwerbenden;
die Beiwirkung des Gemüths aber in dem Willen, Meinung und Absicht, die
ergriffene Sache sich eigen machen zu wollen.
[2, 24, § 4] 39. Die Ergreifung
geschieht entweder durch wesentliche und leibliche That, oder durch
gleichgiltige Arten, welche auf die Zueignung der Sache oder des Rechts, warum
es zu thun ist, gerichtet sind; erstere hat nur bei körperlichen Dingen statt,
also daß einzle bewegliche Dinge mit Händen gegriffen, und in die Gewahrsame
(2-456) des Erwerbenden gebracht,
der Besitz an liegenden Gütern aber durch deren Betretung mit der Meinung und
Willen solche für sich innenzuhalten erworben werde.
[2, 24, § 4] 40. Doch ist nicht
erforderlich, daß zu Erlangung des Besitzes von einem liegenden Gut alle zu
demselben gehörige Gründe und alle dessen Theile betreten werden müssen,
sondern es ist an Betretung des einen genug in der Absicht sich das ganze Gut
zuzueignen, wann nur die übrigen Gründe, welche nicht betreten worden, von dem
Besitz eines Anderen, welcher sie in eben dieser Absicht innen hat, ledig sind.
[2, 24, § 4] 41. Desgleichen, wo
der Besitz eines aus mehreren selbstständigen Stücken bestehenden Ganzen
erworben werden will, als einer Heerde Viehs, ist zu Erlangung aller an
Ergreifung einen Stucks genug, wann alle an Ort und Stelle zugleich befindlich
sind, und der Ergreifende die Macht hat, alle in seine Gewahrsame zu bringen;
wo sie aber nicht beisammen, sondern abgesönderet, und an verschiedenen Orten
zerstreuet wären, müssen auch jene, deren der Ergreifende noch nicht habhaft
worden, besonders ergriffen werden.
[2, 24, § 4] 42. Durch
gleichgiltige Arten wird etwas in dem Verstand Rechtens für ergriffen gehalten,
wann aus einer That, oder sonstigen Kennzeichen der ungezweiflete Willen sich
die Sache zueignen zu wollen geschlossen werden mag; diese Art der Ergreifung
kommt zwar nur unkörperlichen Dingen, welche nicht in die Sinnen fallen,
eigends zu; sie hat aber auch bei körperlichen Dingen zu Vermeidung unnöthiger
Umständen in der hiernach erklärenden Maß ihre gute Anwendung.
[2, 24, § 4] 43. Bei
unkörperlichen Dingen ist zwischen den einem erwerbenden Grund anklebenden
Rechten und Gerechtigkeiten, und zwischen jenen, welche an fremden Gut erworben
werden wollen, in der Art des zu erlangenden Besitzes ein Unterschied zu
bemerken; der Besitz der einem Grund anklebenden Rechten und Gerechtigkeiten
wird andurch, daß der Grund in Besitz genommen werde, zugleich erworben, als die
Gerichtsbarkeit, das Jagd- und Forstrecht, und dergleichen.
[2, 24, § 4] 44. Bei jenen Rechten
und Gerechtigkeiten hingegen, welche an fremden Gründen erworben werden wollen,
und eigentlich Dienstbarkeiten heißen, kommt es darauf an, ob sie also beschaffen
sind, daß sie die Befugniß geben etwas auf fremden Grund zu thun, oder aber ob
sie den Besitzer des fremden Grunds beschränken zu Behuf des herrschenden
Grunds etwas nicht zu thun, was er sonst nach der natürlichen Freiheit zu thun
befugt wäre.
[2, 24, § 4] 45. Der Besitz deren
von ersterer Art wird durch die Einführung in den dienstbaren Grund, durch den
Gebrauch des Rechts, und durch die Ausübung der dahin abzielenden Handlungen
erworben, als da sind die Einhebung des Zehentes, das Jagen, Wasserleiten,
Viehtreiben und derlei andere Befugnissen auf fremden Grund und Boden.
[2, 24, § 4] 46. Bei denen von der
anderen Gattung hingegen kann der Besitz eines solchen Rechts anderer Gestalt
nicht erlanget werden, als einerseits durch den Verbot und Widerspruch des
einen Theils, welcher dieses Recht erwerben will, und durch die Duldung des
anderen Theils, welcher sich dem Verbot füget, und darbei beruhet; von solcher
Art ist die Dienstbarkeit nicht höher zu bauen.
[2, 24, § 4] 47. Es kann aber
nicht aus ein und anderer dergleichen Thathandlung allein sofort auch der
Besitz eines solchen von dem Gegentheil widersprechenden Rechts oder
Dienstbarkeit behauptet werden, wann nicht zugleich nach Unterschied der
anmaßenden Rechten und Dienstbarkeiten auf fremden Grund entweder ein
angemessener Zeitraum, oder eine mehrfältige, öffentliche, ruhige, dem
Gegentheil bewußte, und durch dessen Widerspruch und Gegenverwahrung nicht
gestörte Ausübung hinzutritt, wie alle diese Erfordernissen in dem vierten
Theil, wo das beschleunigte Verfahren in Entscheidung des einsweiligen Besitzes
beschrieben werden wird, umständlicher erkläret werden.
[2, 24, § 4] 48. Ueberhaupt müssen
derlei Thathandlungen also beschaffen sein, daß sie
(2-457) ihrer Natur nach auf die
Ausübung des anforderenden Rechts oder Dienstbarkeit abzielen, nicht aber etwan
bloß mit Gewalt durchgesetzet, oder heimlich mit List erschlichen, oder bloß
aus guten Willen und Freundschaft des Anderen verstattet worden sein.
[2, 24, § 4] 49. Wo es aber nicht
um den alleinigen Besitz, sondern um die unwiderrufliche Erwerbung eines
solchen Rechts selbst zu thun ist, müssen hierzu auch jene Erfordernissen
beistoßen, welche oben in neunten Capitel zu rechtmäßigen Verjährungen
vorgeschrieben werden.
[2, 24, § 4] 50. Bei körperlichen
Dingen sind dreierlei Arten der gleichgiltigen Ergreifung, als entweder mit
langer Hand, oder mit kurzer Hand, oder durch Kennzeichen.
[2, 24, § 4] 51. Mit langer Hand
geschieht die Ergreifung, wann die Sache von dem Einem mit Willen und Absicht
dieselbe zu übergeben dem Anderen, der solche in Besitz nehmen will, in
Gegenwart vor Augen geleget und ausgewiesen, oder da die Sache nicht an Ort und
Stelle vor Augen gegenwärtig wäre, von dem Uebergeber gestattet wird, daß der
Uebernehmer solche auszeichne, versiegle, bewahre, oder dieses durch Andere in
seinem Namen, und zu seinen Handen bewerkstelligen lasse.
[2, 24, § 4] 52. Wiezumahlen aber
bei dieser Art der Ergreifung des Besitzes die beiderseitige Einwilligung
sowohl des Uebergebenden als Uebernehmenden beistoßen muß, so folget auch
hieraus, daß solche nur bei Uebergaben aus einer Hand in die andere, nicht aber
auch bei Dingen, welche von dem Besitz eines Anderen ledig sind, statt haben
können, sondern hierbei zu Erlangung des Besitzes die leibliche Ergreifung
nöthig seie.
[2, 24, § 4] 53. Mit kurzer Hand
kann der Besitz ergriffen werden, wann zu Vermeidung mehrerer Umständen mit
beiderseitiger Einwilligung entweder der Besitz einer Sache Demjenigen, welcher
sie schon vorhero in Handen hat, überlassen, und also die bloße Innenbehaltung
in das Besitzrecht verwandlet, oder aber die Sache in Handen dessen, welcher
sie vorhero besessen, belassen, der Besitz hingegen auf den Anderen ohne
leiblicher Uebergabe übertragen, und somit die Sache von dem vorigen Besitzer
nicht mehr in seinem, sondern des Anderen Namen fortan innenbehalten, folglich
der vorhin hieran zugestandene Besitz in eine bloße Innenbehaltung abgeänderet
wird, wie sowohl eine als die andere Art oben in sechsten Capitel, §. I, von
num. 15 bis 19 mit Mehreren erkläret worden.
[2, 24, § 4] 54. Die letztere Art,
wodurch von dem vorigen Besitzer der Besitz auf den Anderen übertragen, und die
Sache gleichwohlen in Handen des Uebertragenden, doch im Namen des
Uebernehmenden behalten wird, heißet eigentlich eine Bestellung des
Besitzrechts, welche nichts Anderes ist, als eine Handlung, wodurch der
Besitzer einer Sache solche in Hinkunft zu Handen und im Namen eines Anderen
besitzen zu wollen sich verbindet, und somit den Besitz auf Jenen mit kurzer
Hand überträgt.
[2, 24, § 4] 55. Zur Giltigkeit
dieser Bestellung ist erforderlich, daß nicht allein der Bestellende die Sache
zur Zeit des abtretenden Besitzes in wirklichen Besitz habe, von dieser Zeit
aber solche weiters in seinem eigenem Namen zu besitzen aufhöre, und bloß in
Namen des Anderen, deme die Sache auf diese Art übergeben worden, im Besitz
bleibe, sondern daß auch an Seiten des Uebernehmenden seine Einwilligung und
Genehmhaltung, wie nicht weniger eine zu Uebertragung der Sache
rechtsgenügliche Ursache, dann bei liegenden Gütern zur Einraumung des
rechtlichen Besitzes die Einverleibung einer solchen Bestellung in die
Landtafel, Stadt- oder Grundbücher hinzutrete.
[2, 24, § 4] 56. Diese Bestellung
des Besitzrechts kann entweder ausdrücklich, wann der Abtretende oder
Uebergebende sich deutlich erkläret, daß er in Zukunft das Gut im Namen und zu
Handen des Anderen, auf den er den Besitz übertragen, besitzen wolle, oder
stillschweigend geschehen, wann der abtretende Besitzer sich auch ohne dieser
Erklärung von dem Uebernehmenden die fernere Innenbehaltung der Sache,
(2-458) es seie mieth-, pacht-,
entlehnungs-, pfand- oder bittweise ausbedingt, oder sie verwaltungs- oder
hinterlegungsweise in Handen behalten zu wollen sich verbindet.
[2, 24, § 4] 57. Ist aber die
Handlung, woraus der Besitz übertragen wird, bedingt, also daß deren Bündigkeit
erst von dem Erfolg der Zeit, oder dem noch ungewissen Ausgang einer
beigesetzten Bedingniß abhange, so ist auch die beigeruckte Bestellung des
Besitzrechts für bedingt zu achten, und hat nicht ehender ihre Wirkung, als bis
nicht die Handlung, welcher sie beigefüget worden, zur Wirksamkeit gelanget.
[2, 24, § 4] 58. Die Wirkung einer
solchen Bestellung bestehet in deme, daß andurch der Besitz auf den
Uebernehmenden eben also, als ob die Sache mit leiblicher Zuthat ergriffen
worden wäre, nach der Natur der Handlung, wegen welcher der Besitz dem Anderen
bestellet wird, oder nach Inhalt des beigefügten Bedings entweder auf
Widerrufen, oder auch unwiderruflich übertragen werde.
[2, 24, § 4] 59. Desgleichen
wirket an Seiten des Bestellenden der sich darbei ausbedungene Vorbehalt nichts
Mehreres, als was das beiderseits beliebte Beding besaget, oder in dessen
Ermanglung die Natur der Handlung, aus welcher derselbe die Sache innenbehält,
mit sich bringt.
[2, 24, § 4] 60. Durch Kennzeichen
wird der Besitz ergriffen, wann Jemand dem Anderen ein die übergeben wollende
Sache mit beiderseitiger Einverständniß andeutendes Zeichen mit Willen und
Absicht die Sache selbst zu übergeben behändiget, und der Andere dieses Zeichen
in der Absicht die Sache sich zuzueignen annimmt, wie solches in dem
vorbemelten sechsten Capitel, §. I, von num. 20 bis 22 beschrieben worden.
[2, 24, § 4] 61. Endlich ist eine
sowohl unkörperlichen, als körperlichen Dingen gemeine
gleichgiltige Ergreifungsart des Besitzes der erbliche Uebergang des
Besitzrechts von dem verstorbenen Erblasser auf dessen Erben aus Anordnung des
Gesatzes selbst.
[2, 24, § 4] 62. Der rechtliche
Besitz bei beweglichen Dingen wird zwar auch auf gleiche Art erworben, wann
eine zu dessen Uebertragung hinlängliche Ursache hinzutritt; bei liegenden
Gütern, landtäflichen, stadt- und grundbücherlichen Rechten und Gerechtigkeiten
hingegen ist über das die Einverleibung der Ursache in die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher zu Erlangung des rechtlichen Besitzes nothwendig, ohne welcher
derselbe nicht übertragen, noch minder erworben werden kann.
[2, 24, § 4] 63. Alle Ursachen
aber sind zu Erlangung und Uebertragung des Besitzes hinlänglich, welche eine von
Unseren Gesetzen nicht verbotene Handlung enthalten, wodurch Jemanden eine
Sache um solche für sich, und in seinem Namen innenzuhaben übergeben wird.
[2, 24, § 4] 64. Doch ist Niemand
befugt die Ursache des erlangten Besitzes für sich allein eigenwillig zu
änderen, und in eine andere, als nicht jene ist, wodurch er zu dem Besitz
gelanget ist, zu verwandlen, wann nicht eine neue Ursache, oder eine neue
Handlung darzwischen gekommen, aus welcher das Ende des vorigen, und der Anfang
des neuen Besitzes hergeleitet werden mag.
[2, 24, § 4] 65. Also kann ein
Glaubiger das in Handen habende Pfand sich eigenmächtig nicht zueignen,
folglich aus eigenem Willen dasselbe niemalen als sein Eigenthum besitzen; wohl
aber kann eine verpfändete Sache des Glaubigers Eigenthum werden, wann ihme
solche von dem Schuldner käuflich, oder an Zahlungsstatt überlassen, oder von
Gericht aus zugesprochen wird, wodurch der Besitz aus dem Pfandrecht aufhöret,
und der Besitz aus dem Kauf seinen Anfang nimmt.
[2, 24, § 4] 66. Was bishero von
Ergreifung des Besitzes geordnet worden, hat nur bei jenen Dingen statt, welche
entweder schon vor deren Ergreifung von dem Besitz eines Anderen ledig sind,
oder doch bei der wirklichen Ergreifung mit Willen des Uebergebenden davon
erlediget werden.
[2, 24, § 4] 67. Allein wo ein
Anderer sich in dem Besitz einer Sache oder Guts befände, welcher hieraus nicht
weichen wollte, noch dessen Ergreifung zulassen würde, ist Niemandem erlaubet,
sich in den Besitz mit Gewalt einzudringen, und den
(2-459) Anderen eigenmächtig
daraus zu vertreiben, sondern um in den Besitz einer von dem Anderen
widerrechtlich vorenthaltenden Sache zu gelangen, muß je und allezeit die
richterliche Hilfe angerufen werden.
[2, 24, § 4] 68. Der Anrufende hat
aber nichts Anderes nöthig, als die Ursache seines angeblichen Besitzrechts,
welche jedoch bei liegenden Gütern vorhero allemal landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich einverleibet sein muß, zu erweisen, worüber nach schleuniger
Vernehmung des Gegentheils die richterliche Auflage an den Gegentheil zur
Raumung des Besitzes und Ausfolgung des Sache, oder die Verwilligung der
gerichtlichen Einführung zu ergehen hat.
[2, 24, § 4] 69. Wäre hingegen
Kläger, welcher die Besitzeinraumung bei einem liegenden Gut anbegehret,
entweder mit keiner zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage
eingerichteten Urkunde versehen, oder es stünde deren Einverleibung eine
ältere, schon darinnen befindliche Ankunftsursache des Gegentheils entgegen, so
bleibt ihme nichts Anderes übrig, als mittelst anzustrengen habender
Rechtsklage, oder seines einzubringenden Widerspruchs wider den noch nicht
verjährten Ankunftstitul des Gegentheils in dem ordentlichen Weg Rechtens zu
verfahren.
[2, 24, § 4] 70. Damit also das
Gericht auf Anrufen des einen Theils wider den anderen mit Ertheilung der
Auflage zur Raumung des Besitzes, oder mit Verwilligung der gerichtlichen
Einführung fürgehen könne, ist bei liegenden Gütern allemal an Seiten des
Klägers ein in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibter und zur
Zeit nicht strittiger Ankunftstitul zu dem Gut, dessen Besitzeinraumung von
ihme angesuchet wird, und bei beweglichen Dingen der Beweis einer
vorhergegangenen hinlänglichen und unstrittigen Erwerbungsursache erforderlich.
[2, 24, § 4] 71. Wo aber diese
Ursache strittig wäre, oder der Gegentheil sonst erhebliche Einwendungen wider
die Forderung des Klägers hätte, ist vorerst der Stritt zu entscheiden, ehe und
bevor derselbe zur Ausfolglassung der Sache verhalten werden mag.
[2, 24, § 4] 72. Gleichwie dann
auch in dem Fall der dem Kläger in ein liegendes Gut verwilligten Einführung
dem Gegentheil alle seine dagegen habende Rechtsbehelfe unbenommen bleiben, wie
es im vierten Theil seines Orts mit Mehreren angeführet werden wird.
§. V.
[2, 24, § 5] 73. Die Wirkungen des
erworbenen Besitzrechts bestehen in besonderen Vortheilen, welche die Gesetze
einem Besitzer entweder in Ansehung seiner selbst, oder
(2-460) wider den Eigenthümer,
oder auch wider einen Dritten zueignen; diese sind folgende:
[2, 24, § 5] 74. Erstens hat ein
Besitzer in Ansehung seiner selbst Fug und Macht, die besitzende Sache nach
Gefallen zu gebrauchen, zu genießen, und nicht weniger, als ein Eigenthümer mit
seinem Eigenthume darmit zu schalten und zu walten, insoweit derselbe nicht durch
das Gesatz, Vertrag, oder letzten Willen in dieser Freiheit beschränket ist.
[2, 24, § 5] 75. Zweitens wird
derselbe durch den mit gutem Glauben aus einer zu Uebertragung des Eigenthums
hinlänglichen Ursache erlangten Besitz in die Befugniß gesetzet, das besitzende
Gut zu verjähren, und anmit das unwiderrufliche Eigenthum hieran zu erwerben.
[2, 24, § 5] 76. Drittens wird ein
Besitzer liegender Güter, welcher sie als sein Eigenthum innen hat, da, wo eine
Bürgschaft sich zu Gericht zu gestellen erforderet wird, von deren Leistung
insgemein enthoben; es wäre dann das Gut schon vorhero von einem Dritten
ansprüchig, oder so sehr behaftet, daß die nöthige Sicherheit hieran nicht
erholet werden könnte.
[2, 24, § 5] 77. Viertens, wider
den Eigenthümer hat ein Besitzer mit gutem Glauben den Vortheil, daß er alle
für die Zeit seines Besitzes eingehobene und verzehrte Früchten, Einkünften und
Nutzungen in der oben im dritten Capitel, §. III, von num. 83 bis 85 bestimmten
Maß gewinne, und sich eigen mache, nicht minder
[2, 24, § 5] 78. Fünftens, nach
der eben allda von num. 86 bis 89 enthaltenen Ausmessung die auf das besessene
Gut erweislich aufgewandten Kosten abzuziehen, und das Gut so lange, bis ihme
nicht deren Vergütung geleistet worden, innenzubehalten berechtiget seie.
[2, 24, § 5] 79. Sechstens, daß er
sich wider die eigenmächtige Anmaßungen des Eigenthümers selbst, insolange
dieser sein ihme an dem Gut zustehendes Eigenthum nicht, wie es sich zu Recht
geziemet, dargethan und ausgeführet, auf alle zulässige Art und Weis schützen
und vertheidigen könne, umsomehr
[2, 24, § 5] 80. Siebentens stehet
ihme wider einen jedweden Dritten die natürliche Befugniß zu, Gewalt mit Gewalt
abzutreiben, insoferne dabei die Maß der rechtmäßigen Vertheidigung nicht
überschritten wird, und die unbeschuldete Nothwehr nicht in eine sträfliche
Beleidigung und Vergewaltigung ausschlägt; wo aber
[2, 24, § 5] 81. Achtens das Gut
von einem Dritten gerichtlich angesprochen würde, kann der Besitzer insolange
seines Besitzes nicht entsetzet werden, bis nicht der Gegentheil ein stärkeres
Recht zu dem angesprochenen Gut erwiesen haben wird, und dem Besitzer dessen
Ausantwortung durch Urtheil und Recht auferleget worden, obschon dem
Gegentheil, wann die Gefahr der Veräußerung, Verringerung oder Abänderung
erweislich wäre, die mittlerweilige Sicherstellung anzusuchen unverwehret ist;
hieraus folget
[2, 24, § 5] 82. Neuntens, daß
kein Besitzer die Erwerbungsursache, oder den Ankunftstitul zu der in Besitz
habenden Sache zu erweisen schuldig, sondern bei Fahrnissen an deme, daß er sie
in seiner Gewahrsame habe, und bei liegenden Gütern an der auf ihn lautenden
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung genug seie, solange
von dem Gegentheil kein ihme hieran gebührendes stärkeres Recht erwiesen wird.
[2, 24, § 5] 83. Bei dieser Regel
hat es in Ansehung liegender Güter sein unabänderliches Bewenden, bei
Fahrnissen hingegen leidet sie damals einen Abfall, wann die Person des
Inhabers, oder die Sache selbst mit einem rechtmäßigen Verdacht der Entfremdung
befangen ist; außer diesen Fällen hingegen
[2, 24, § 5] 84. Zehentens ist der
Besitzer keinen Beweis zu verführen schuldig, sondern, wann er seinerseits auch
nichts erwiesen, in dem Besitz zu schützen und handzuhaben, maßen derselbe
schon andurch, daß er das Gut besitzet, hierzu mehr Recht hat,
(2-461)als ein Anderer, der nicht
in dessen Besitz ist, und kein stärkeres Recht darzuthun vermag.
[2, 24, § 5] 85. Eilftens gebühren
dem Besitzer nicht allein wider die unrechtmäßige Eingriffe, Störung und
Beeinträchtigung eines Dritten alle im nachfolgenden §. VI beschriebene
Rechtsmitteln zu Handhabung des Besitzes, sondern auch
[2, 24, § 5] 86. Zwölftens, wo er
der leiblichen Inhabung der Sache entsetzet worden wäre, die hiernach in §.
VIII zu erwähnende rechtliche Hilfsmitteln zu Wiedererlangung des verlorenen
Besitzes.
§. VI.
[2, 24, § 6] 87. Der einmal
erlangte Besitz wird leichter erhalten, als nicht erworben, maßen dessen
Erhaltung keiner steten leiblichen Inhabung bedarf, sondern hierzu an dem Gemüth
und Willen solchen behalten zu wollen genug ist, solange das Gut von dem
ausschließenden Besitz eines Anderen ledig bleibt, und dem Besitzer die
Befugniß bevorstehet, wann und so oft er will, den Besitz mit leiblicher That
auszuüben.
[2, 24, § 6] 88. Diese Befugniß
behält derselbe so lange, als Fahrnissen unter seiner Gewahrsame zu sein nicht
aufhören, und bei liegenden Gütern ihme nicht verwehret wird solche zu
betreten, bei so einen, wie anderen aber überhaupt so lange, als sie von Jenen,
welche unter seiner Gewalt, oder in seinem Brod, Gold oder Dienst sind, als
Kindern, Beamten und Bedienten, oder auch von Anderen in seinem Namen
innenbehalten werden.
[2, 24, § 6] 89. Dieses jedoch ist
bei liegenden Gütern nur von dem natürlichen Besitz zu verstehen, dahingegen
wird deren rechtlicher Besitz solange erhalten, als ein Gut auf Jemanden
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben ist, und diese
Verschreibung nicht ausgelöschet, oder das Gut von ihme auf einen Anderen mit
der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht übertragen worden.
[2, 24, § 6] 90. Zu Handhabung des
Besitzes stehet einem jedweden Besitzer die Gewaltsklage wider die unbefugte
Störung, Beeinträchtigung, Anmaßung und Vergewaltigung eines Anderen zu,
mittelst welcher derselbe nicht allein auf die Bestrafung des Vergewaltigers
nach Maßgebung dessen, was davon im dritten Theil, im einundzwanzigsten
Capitel, dritten Artikel, §. XVI, von num. 125 bis 128 geordnet wird, sondern
auch darauf antragen kann, damit er als rechtmäßiger Besitzer erkläret, und der
Störende sowohl für das Vergangene zum Ersatz aller verursachten Schäden und
Unkosten, als zur hinlänglichen Sicherstellung vor aller weiterer
Beeinträchtigung für das künftige verhalten werde.
[2, 24, § 6] 91. Wie aber sowohl
über die einsweilige, als ordentliche Besitzklage zu verfahren, und wie der
Besitz zu erweisen, dann wie der Gegenbeweis zu verführen seie, wird im vierten
Theil in der Gerichtsordnung ausgemessen werden.
[2, 24, § 6] 92. Unter die zu
Handhabung des Besitzes gebührende rechtliche Hilfsmitteln gehöret auch die
Rechtsklage über die zwischen Besitzeren benachbarter Gründen der Grenzen
halber entstandenen Irrungen, welche dahin gerichtet ist, damit die Grenzen
ordentlich bestimmet und ausgesetzet, und alle verursachte Schäden und Unkosten
vergütet werden.
[2, 24, § 6] 93. Jener, der zuerst
einkommt, ist für den Kläger, und der Andere für den Beklagten anzusehen,
obschon deren Jedwedem seinen an dem Anderen stellenden Anspruch zu erweisen
oblieget, wo aber der Besitz einsweilig bestimmet, und der andere Theil zu dem
ordentlichen Weg Rechtens verwiesen worden, muß auch dieser alsdann Kläger
werden, und der Andere, welcher den Besitz einsweilig behauptet, wird der
Beklagte.
[2, 24, § 6] 94. In
Granitzstrittigkeiten hat das Gericht schleunig, und nach eben denenjenigen
Maßregeln fürzugehen, welche im vierten Theil bei dem beschleunigten Verfahren
über den einsweiligen Besitz vorgeschrieben sind.
(2-462) [2, 24, § 6] 95. Vor Allem aber ist die Einnehmung des Augenscheins an
dem strittigen Ort und Stelle durch eigends darzu abgeordnete Gerichtspersonen
in Gegenwart beider Theilen, welche hierzu eigends vorzuladen sind, und zwar,
wo es nöthig, mit Zuziehung eines geschworenen Land- oder Feldmessers zu
veranlassen, wobei die Parten mit ihren beiderseitigen Behelfen gegen einander
vernommen, das strittige Erdreich abgemessen, die allenfalls vorgefundene Mark-
und Granitzzeichen deutlich bemerket, und mittelst Gegeneinanderhaltung
beiderseitiger Ansprüchen die Parten, so viel es immer möglich, zu einem
gütlichen Vergleich zu vermögen getrachtet werden solle.
[2, 24, § 6] 96. Würde nun ein
Vergleich zwischen ihnen bewirket, so hat in solchem Fall das Gericht nach Maß
und Inhalt des getroffenen Abkommens an den strittig gewesten Orten ordentliche
Mark- und Grenzzeichen aussetzen, die verfallenen oder verruckten erneueren,
hierüber eine von beiden Theilen unterfertigte Vergleichsurkunde errichten,
darinnen die Grenzen nach dem ganzen Granitzzug von Ort zu Ort klar und
ausführlich beschreiben, dann den Vergleich selbst in die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher, wo die abgemarkten Güter inliegen, einverleiben zu lassen.
[2, 24, § 6] 97. Wann hingegen
kein Vergleich zu erhalten, die Strittsache aber also beschaffen wäre, daß
selbe nicht an Ort und Stelle entschieden werden könnte, solle von dem
geschworenen Landmesser über das strittige Erdreich eine ordentliche Mappe
verfertiget, darinnen die von beiden Theilen angegebenen Grenzen mit besonderer
Anzeige der vorgefundenen Mark- und Granitzzeichen deutlich bemerket, das
strittige von dem unstrittigen Erdreich mit Farben unterschieden und diese
Mappam sowohl von dem Landmesser, als denen streitenden Theilen unterschrieben
und besiegelt, dann von denen zu Einnehmung des Augenscheins abgeordneten
Commissarien mit denen verhandleten Nothdurften und dem darüber verführten,
gleichfalls von allen streitenden Theilen unterschriebenen Protokoll und ihrem
beinebst zu erstatten habenden Bericht an das Gericht eingeschickt und
übergeben werden.
[2, 24, § 6] 98. Findet nun das
Gericht die Sache noch nicht also vorbereitet zu sein, daß ohne Veranlassung
einer schriftlichen Nothdurftshandlung und ohne weiters nöthigen Beweisführung
mit dem endlichen Ausspruch fürgegangen werden könne, so hat dasselbe nach denen
im vierten Theil in der Abhandlung von der Besitzklage vorgeschriebenen
Maßregeln den einsweiligen Besitz mittelst deutlicher Bestimmung der Grenzen,
wie weit sich eines Jeden Besitzgerechtigkeit bis auf weitere Erkanntniß zu
erstrecken habe, auszumessen, und die Parten zu dem ordentlichen Verfahren in
Weg Rechtens anzuweisen.
[2, 24, § 6] 99. Inwieweit alsdann
der eine oder andere Theil seinen Anspruch ausführet, und die angebliche
Grenzen erweiset, insoweit ist derselbe auch durch richterlichen Spruch und
Urtheil dabei zu erhalten, der Gegentheil aber zu Wiederherstellung der etwan
aus seiner Schuld verfallenen, oder von ihme geflissentlich verruckten Grenzen,
und zu Erstattung deren sowohl mittlerweil aus des Anderen Grund zur Ungebühr
eingehobenen, und nach dem Unterschied seines üblen oder guten Glaubens
zurückzustellen habenden Nutzungen, als verursachten Schäden und Unkosten, wie
auch im Fall einer seinerseits unterlaufenden gewaltsamen Thathandlung, oder
vorsätzlichen und boshaften Verruckung und Aushebung der Grenz- und Markzeichen
zu der seines Orts ausgesetzten Strafe zu verurtheilen, sodann aber nach dem in
seine Rechtskräften erwachsenen Spruch die wirkliche Ausmarkung und Berainung
vorzunehmen.
[2, 24, § 6] 100. Woferne hingegen
kein Theil seine angegebene Grenzen erweisen könnte, oder die alte Lage so
unordentlich eingerichtet wäre, daß abermalige Irrungen zu besorgen stünden, so
ist das Gericht befugt, nach Gutbefund des geschworenen unpartheiischen
Landmessers, wie es am billigsten und zu Erhaltung der Ruhe
(2-463) zwischen Nachbarn am zuträglichsten scheinet, neue und richtigere Grenzen auszusetzen.
[2, 24, § 6] 101. Wobei dasselbe alle nur mögliche
Gleichheit zu beobachten, und sich, soviel es die Lage und Beschaffenheit des
strittigen Erdreichs zulasset, an die gerade Linie von einem Granitzzeichen bis
zum anderen zu halten, folglich keinem Theil mehr, als dem Anderen von dem
strittigen Erdreich zuzueignen, wo aber durch die Ausmarkung in dem Granitzzug
dem einen Grund an einem Ort nothwendig etwas entzogen, und dem anderen
zugeschlagen werden müßte, dem ersteren den Entgang hinwiederum in einem
billigen Werth oder an einem anderen Ort durch Zumarkung eines gleichen Stucks
ersetzen zu lassen, und somit die Ausgleichung zu treffen hat.
[2, 24, § 6] 102. Die gerichtliche Ausmessung der Grenzen,
wann der Gegentheil durch seine Schuld oder Gefährde hierzu nicht Anlaß
gegeben, hat allemal auf Unkosten aller Theilen, deren Gründe dabei abgemarket
werden, zu geschehen, und ist der Beitrag nach Maß des an diesen Gründen
besitzenden mehreren oder minderen Antheils zu bestimmen.
[2, 24, § 6] 103. Die Setzung deren Mark- und Granitzzeichen
selbst aber solle niemalen anderst, als im Beisein aller darbei verfangenen
Theilen, und in Gegenwart mehrerer eigends darzu berufener alter und junger
Leuten vorgenommen werden.
[2, 24, § 6] 104. Wann hingegen Jemand außergerichtlich eine
neue Ausgrenzung oder Ausmarkung vornehmen, oder auch nur ein verfallenes oder
verrucktes Grenz- und Markzeichen erneuern oder ausbessern wollte, so ist
solches Niemand für sich allein zu thun befugt, sondern Jener, deme hieran
gelegen ist, jederzeit der anderen mitangrenzenden Nachbarn, deren Grund und
Boden es mitbetrifft, Einwilligung und Gegenwart einzuholen schuldig.
[2, 24, § 6] 105. Widrigens ist ein solches Beginnen für
eine eigenmächtig erschlichene und zu Recht nicht den mindesten Behuf bewirken
mögende Thathandlung anzusehen, worwider dem Gegentheil, wann ihme andurch auf
seinem Grund und Boden Eintrag geschehen, alle zu Handhabung seines Besitzes
gebührende Rechtsbehelfe bevorstehen.
[2, 24, § 6] 106. Die Grenzen der Gründen bestehen entweder
in natürlichen Marken, als Spitzen der Bergen und Felsen, Flüssen, Bächen,
Seen, Heer- und Landstraßen, Fahrwegen, Fußsteigen und dergleichen Dingen,
welche von den Besitzeren zur Scheidung ihrer Gründen mit beiderseitiger
Einwilligung angenommen worden, oder aber in eigends dahingesetzten und mit
Menschenhand gemachten Mark- und Grenzzeichen, als Steinen, Pfählen, Säulen,
gezeichneten Bäumen, Gräben, Rainen und aufgeworfenen Erd- oder sogenannten
Leberhaufen (!).
[2, 24, § 6] 107. Erstere machen für sich keinen Beweis aus,
wann nicht entweder aus alten glaubwürdigen Schriften und Urkunden, oder aus
der einstimmigen Aussage untadelhafter Zeugen erhellet, daß die Grenzen sich
bis dahin erstrecken, oder insoferne dieses nicht durch ältere ohne des
Gegentheils Störung und Widerrede ausgeübte mehrfältige Besitzgerechtsamen
bewähret werden mag.
[2, 24, § 6] 108. Letztere hingegen können nur damals einen
Beweis der Grenzen bewirken, wann nach aller Wahrscheinlichkeit geschlossen
werden mag, daß sie nicht von Ohngefähr oder erst neuerlich, und in einer
anderen Absicht, sondern einzig und allein zur Andeutung der Grenzen vorlängst
dahin gesetzet oder darzu bestimmet worden, und von dem Gegentheil das
Widerspiel nicht erwiesen werden mag.
[2, 24, § 6] 109. Dieses mit Bestand abnehmen zu können,
müssen untrügliche Zeichen und Umstände beitreten, welche den Gegentheil seiner
davon gehabten Wissenschaft und aus deren durch lange Zeit nicht
widersprochener Duldung nothwendig erfolgen müssenden Anerkennung für wahre
Granitzzeichen überführen.
[2, 24, § 6] 110. Derlei Kennzeichen sind bei Steinen, wann
sie nicht in ihrem rohen Wesen, sondern mit Menschenhand in einer den
Granitzzeichen ähnlichen Form gestaltet, aufrechtstehend mit eingehauenen
Wappen, Buchstaben oder Kreuzen, oder
(2-464) mit darunter, oder darneben eingegrabenen mehreren
kleineren Steinen, Ziegeln, Eisenschlacken oder Kohlen in der Erde wohl und
also befestiget vorgefunden werden, daß die Erde und das Gras herum nicht
zusammengewachsen, folglich andurch alle widrige Vermuthung, als ob der Stein
erst frisch eingegraben worden wäre, abgeleinet werde.
[2, 24, § 6] 111. Ein Gleiches ist bei Pfählen und Säulen
erforderlich, und bei gezeichneten Bäumen muß der Baum alt und das Zeichen
nicht erst frisch eingeschnitten oder eingeätzet, sondern in dem Baum schon
eingewachsen sein. Bei Gräben, Rainen und Erdhaufen hingegen ist zur
Herstellung des Beweises die Bewährung der Zeugen nothwendig, daß über
Menschengedenken andurch zweierlei Gründe geschieden gewesen.
[2, 24, § 6] 112. Ueberhaupt sind bei Granitzirrungen, wo
kein Theil einen älteren ruhigen Besitz für sich anführen kann, auch
unvollkommene Beweise zulänglich, als der von alten Zeiten her bestehende Ruf,
daß es also und nicht anderst gewesen seie, Zeugen von Hörensagen, alte, nicht
zwischen denen streitenden Theilen oder ihren Vorfahreren, sondern zwischen
dritten Personen errichtete Urkunden, worinnen eine Meldung von den strittigen
Grenzen zufällig einkommt und dergleichen wahrscheinliche Anzeigen und
Vermuthungen mehr; wo aber der eine Theil einen älteren, ruhigen rechtmäßigen
Besitz, ehe und bevor derselbe von dem anderen darinnen gestöret worden,
erproben mag, haben dagegen keine andere als vollkommene Beweise statt.
[2, 24, § 6] 113. Die Zeugen können bei Granitzirrungen
nicht nur allein, wie sonst in allen anderen Beweisfällen, über ihre eigene
Wissenschaft, daß sie die Granitzzeichen an dem strittigen Ort selbst gesehen,
und daß dieser oder jener Theil bis an die angezeigte Stelle seine Besitzrechte
durch mehrfältige Handlungen ausgeübet habe, sondern auch über das, was sie von
Anderen sagen gehöret, verführet werden.
[2, 24, § 6] 114. Doch muß letzteren Falls ihre Aussage also
beschaffen sein, daß sie nicht allein von Dingen, welche vor einer, das
Menschenalter übersteigenden Zeit geschehen, Zeugniß geben, sondern auch das,
was sie bezeugen, von glaubwürdigen Leuten, und zwar von mehreren einstimmig
also und nicht anderst gehöret haben.
[2, 24, § 6] 115. Es ist aber an deme nicht genug, daß die
Zeugen ohne vorheriger Vorzeigung des strittigen Orts nur lediglich über die
ihnen vorgelegte Fragestücke, oder auch über die bloße aufgenommene Mappam
abgehöret werden, sondern es solle ihnen jedesmal vorher an dem strittigen Ort
selbst Alles, worauf der Stritt ankommt und worüber sie Zeugenschaft zu geben
haben, klar und deutlich erkläret und erinneret werden, obschon hernachmals,
wann die Umstände allenfalls deren Abhörung an Ort und Stelle nicht füglich
gestatten, ihre Aussage auch an einem anderen Ort aufgenommen werden kann.
[2, 24, § 6] 116. Die Rechtsforderung zu Wiederherstellung
der Grenzen erlöschet eben sowohl wie alle andere Rechtsansprüche durch die
rechtmäßige Verjährung und zwar nach dem Unterschied, ob die Grenzen in einem
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibten Contract oder
Verschreibung, wodurch das Gut auf den Besitzer gediehen, ausdrücklich
bestimmet sind oder nicht; ersteren Falls in einer Zeit von drei Jahren und
achtzehen Wochen, letzteren Falls aber nicht anderst als mit Verlauf von
dreißig Jahren, doch allemal in Hinzutretung deren zur rechtmäßigen Verjährung
vorgeschriebenen Erfordernissen.
[2, 24, § 6] 117. Gleichwie das Besitzrecht dem Besitzer die
Mitteln an die Hand giebt sich wider die Anmaßungen und Beeinträchtigungen
eines Anderen in dem Besitz zu schützen und zu vertheidigen, also setzt es ihn
auch in die Befugniß, den aus dem Beginnen eines Anderen seinem besitzenden Gut
bevorstehenden Schaden in der Zeit abzuwenden, woferne die Gefahr des ihme
ohnfehlbar daraus erwachsenden Nachtheils erweislich ist.
[2, 24, § 6] 118. Wann demnach Jemand ein neues Werk oder
einen neuen Bau
(2-465) aufzuführen, oder ein altes Werk oder Gebäu
niederzureißen unternehmen würde, woraus der Andere einen erweislichen Schaden
und Nachtheil zu befahren hätte, gebühret diesem Letzteren die Verkündigung
oder der Verbot eines neuen Werkes oder Baues zu dem Ende, damit der ihme schädliche
Bau alsbald ab- und eingestellet werde.
[2, 24, § 6] 119. Dieser Verbot und Untersagung muß in
Städten und Märkten, wo die Gerichte an der Hand sind, allemal gerichtlich
geschehen, und solle in diesen Orten eine außergerichtlich und eigenmächtig
unternommene Einstellung nicht die mindeste Kraft und Wirkung haben, sondern
Jener, deme eine solche außergerichtliche Verkündigung geschehen,
nichtsdestoweniger in dem Bau fortzufahren befugt sein, so lange ihme solcher
nicht gerichtlich untersaget wird.
[2, 24, § 6] 120. Auf dem Lande hingegen kann zwar die
Verkündigung eines neuen Werkes oder Baues wegen Entlegenheit der gehörigen
Gerichtsstelle auch außergerichtlich, doch niemalen anderst, als in Gegenwart
zweier dem Verkündiger weder verwandten, noch untergebenen Zeugen, die sonst
eines untadelhaften Wandels sind, veranlasset werden, und heißet eigentlich
eine Warnung vor dem weiteren Bau.
[2, 24, § 6] 121. So eine, als die andere Verkündigungsart
hat die Wirkung, daß Derjenige, welchem die Verkündigung geschehen, alsogleich
von der ferneren Arbeit abzulassen, und darmit bis zum gerichtlichen oder
gütlichen Austrag der Sachen stillzustehen, widrigens aber Alles, was nach dem
Verbot gemacht und gebauet worden, auf seine eigene Unkosten anwiederum
niederzureißen und Alles in demjenigen Stand, wie es zur Zeit des Verbots oder
der Warnung gewesen, herzustellen schuldig seie.
[2, 24, § 6] 122. Es ist aber nicht nothwendig, daß der
Verbot oder Warnung allemal dem Eigenthümer oder Besitzer selbst bedeutet
werde, sondern wo derselbe nicht gegenwärtig wäre, ist auch an deme genug, daß
solche den Bauleuten, Arbeitern, seinem Hausgesinde, Beamten und Bedienten
angezeigt werde, und da hernach jegleichwohlen in dem Bau fortgefahren würde,
gehet es auf seine eigene Gefahr, worwider keinerlei Entschuldigung statt haben
solle.
[2, 24, § 6] 123. Dahingegen ist der klagende Theil
schuldig, wo die Einstellung des Baues gerichtlich geschehen, gleich den nächst
darauffolgenden Gerichtstag oder, wo wegen Entlegenheit der Gerichtsstelle eine
außergerichtliche Warnung obvorgeschriebenermaßen veranlasset worden, von dem
Tag dieser gemachten Warnung binnen vierzehn Tagen seine wider den Bau habende
Beschwerde bei Gericht einzubringen und auszuführen.
[2, 24, § 6] 124. Der Verbot muß
nicht zu voreilig und auch nicht zu spät, noch weniger zur Ungebühr geschehen.
Voreilig würde der Verbot sein, wenn Jemand auf bloßes Verlauten, daß der
Andere etwas, so ihme schädlich sein könnte, bauen oder niederreißen wolle,
ohne noch hierzu die mindeste Anstalt gemacht oder Hand an das Werk geleget zu
haben, solchen bewirkete; sondern damit derselbe platzgreifen könne, müssen
wenigstens die Zubereitungen zu dem vorhabenden Bau geschehen und die nöthigen
Bauerfordernissen an Ort und Stelle beigeschaffet sein.
[2, 24, § 6] 125. Zu spät und ohne Wirkung ist der Verbot,
wann solcher erst nach schon vollendetem Werk und nach gänzlich aufgeführtem
Gebäu erlassen werden wollte; dann wo der Gegentheil das neue Werk weder
gewaltsamer, noch heimlicher und gefährlicher Weise aufgeführet und der Andere
solches wissentlich ohne Widerspruch und ohne es einzustellen, wo er es thun
können, gestattet und zugegeben hätte, kann Jener nicht mehr zu dessen
Niederreißung oder Abthuung verhalten werden, wann gleich der dem Anderen hierdurch
zugehende Schaden offenbar wäre.
[2, 24, § 6] 126. Zur Ungebühr geschieht der Verbot eines
neuen Werks, wann entweder die Thathandlungen des Anderen nicht auf die
Ausführung eines neuen, dem Grund und Boden beharrlich eingebauten Werks oder
Gebäudes, sondern nur durch vorübergehende Anmaßungen auf die Störung des
gegentheiligen Besitzes,
(2-466) als z. B. mittelst Umhauung der Bäume, Abmähung des
Grases, Abschneidung der Feldfrüchten und dergleichen
Beschädigungen gerichtet sind.
[2, 24, § 6] 127. Oder wann das Werk oder Gebäu, worüber
geklaget worden, entweder an sich ganz unschädlich befunden wird, oder doch in
der vorigen Maß und Gestalt verbleibt, ohne etwas Mehreres hinzuzusetzen oder
etwas abzunehmen, oder auch die vorhin gehabte Gestalt in ihrer Höhe, Tiefe und
Breite zu ändern, als da Jemand das vorhin schon gestandene Gebäu bloß
ausbesseret und erneueret oder verzieret, oder, wo es den Einsturz drohet,
unterstützet.
[2, 24, § 6] 128. Dann gleich wie im ersten Falle dem in
seinem Besitz beeinträchtigten Inhaber des Guts die Gewaltsklage wider die
unbefugte Thathandlungen des Anderen gebühret, also stehet im Gegentheil in dem
letzteren Fall Jedermänniglichem die natürliche Freiheit zu, auf seinem Grund
und Boden Alles das zu thun, was Niemandem zum Schaden, ihm aber selbst zum
Nutzen, Lust, Bequemlichkeit oder Verhütung eines besorglichen Nachtheiles
gereichet.
[2, 24, § 6] 129. Insgemein ist zwar die Verkündigung eines
neuen Werks nur zur Einstellung eines schädlichen Baues auf fremdem, nicht aber
auf eigenem Grund und Boden nothwendig, sondern wo Jemand auf des Anderen Grund
und Boden etwas eigenmächtig erbauen wollte, hat der Eigenthümer oder Besitzer
für sich selbst die Befugniß den Bau zu verwehren, und Gewalt mit Gewalt
abzutreiben; wo derselbe jedoch sich der Gerichtshilfe und dessen Einstellung
zu bedienen bemüßiget wäre, wird er deshalben seines Besitzrechts nicht
verlustig, sondern dieses bleibet ihme noch allzeit bevor.
[2, 24, § 6] 130. Ein neues Werk kann nicht allein ein jeder
Eigenthümer oder Besitzer des Grunds, deme solches nachtheilig, sondern auch
ein jedweder Anderer, dem hieran ein dingliches Recht gebühret, einstellen,
wann er die ihme andurch widerfahrende Beeinträchtigung und Schmälerung seines
Rechts erweisen kann.
[2, 24, § 6] 131. Sowohl durch sich selbst, als auch durch
Andere, kann im Namen und zu Handen dessen, deme daran gelegen ist, ein
schädliches Werk eingestellet werden, wann diese entweder ihn durch das Gesaz
(!) vorstellen, als Vormündere oder Gerhaben und Curatoren, oder von ihme
hierzu Befehl und Vollmacht haben, oder auf Erforderen eine hinlängliche
Sicherheit seiner erfolgenden Gutheißung leisten.
[2, 24, § 6] 132. Auch wider den Eigenthümer und Besitzer
des Grunds selbst kann sich Jener, deme hieran ein dingliches Recht zustehet,
an dessen Genuß oder Ausübung derselbe durch das von dem Eigenthümer
aufführende neue Werk verhindert würde, aus der Natur der ihme zu Behauptung
seines dinglichen Rechts gebührenden Rechtsforderung der Einstellung
gebrauchen, oder den Ersatz dessen, was ihme hierdurch erweislich entgehet,
anbegehren.
[2, 24, § 6] 133. Gleichwie aber in der Fall, wo der Grund
und Boden, zu dessen Benachtheiligung ein neues Werk aufgeführt werden will,
Mehreren angehörig ist, die von Einem gemachte Einstellung allen Anderen zum
Nutzen und Vortheil gereichet, also hingegen, wo der Grund und Boden, worauf
gebauet wird, Mehreren zustünde, wird auch durch die dem Einem angekündigte
Einstellung der Bau allen Uebrigen untersaget, obschon Jener, der hernachmals
wider den Verbot handelt, allein verfänglich ist.
[2, 24, § 6] 134. Sobald nun Jemand wider ein von dem
Anderen zu seinem Schaden angefangenes neues Gebäu oder Werk bei Gericht
beschwersam einkommt, solle dasselbe sogleich durch eigends hierzu beorderte Commissarien
den Augenschein an Ort und Stelle einnehmen lassen, und nach aller Möglichkeit
einen gütlichen Vergleich zwischen den streitenden Theilen versuchen.
[2, 24, § 6] 135. Wäre aber kein Vergleich zu Stand zu
bringen, und Kläger bestünde auf die Einstellung des Baues, so sollen die
Commissarien alsobald den Verbot
(2-467) des weiteren Bauens verfügen, und die Parten auf den
nächstfolgenden Gerichtstag für Gericht vorladen.
[2, 24, § 6] 136. An diesem Tag haben anförderist die
Commissarien über die vorgenommene Besichtigung und den erhobenen Befund ihren
Bericht zu erstatten, das Gericht aber beide Parten mit ihren Nothdurften
gegeneinander zu vernehmen, und wo sich der eine oder andere Theil auf Zeugen,
oder andere nicht gleich bei Handen habende Beweise beziehen würde, ihme hierzu
eine kurze Erstreckungsfrist zu verstatten; wann sich hingegen kein Theil auf
eine weitere Beweisführung berufen hätte, sogleich mit der rechtlichen
Erkanntniß fürzugehen, und in Sachen schleunig ohne Gestattung einiger Aufzügen
zu verfahren.
[2, 24, § 6] 137. Würde aber Kläger sich an dem ihme
bestimmten Tag bei Gericht nicht einfinden, oder sich sonst in Verlauf des
Rechtshandels saumig erzeigen, ohne eine rechtserhebliche Entschuldigung seines
Ausbleibens oder Saumsals beibringen zu können, so solle auf Anlangen des
Beklagten ohne weiters der Verbot anwiederum aufgehoben, und ihme die
ohngehinderte Fortsetzung des Baues verstattet werden.
[2, 24, § 6] 138. Wann jedoch der Stritt also beschaffen
wäre, daß solcher nicht alsobald abgethan werden könnte, sondern allem Anschein
nach sich weiter hinaus verziehen müsse, da hingegen dem Beklagten aus
Unterbleibung des Baues ein großer Schaden und Nachtheil bevor stünde, und er
deshalben eine genugsame und annehmliche Sicherheit zu leisten bereit wäre,
daß, wann erkannt würde, daß er widerrechtlich zum Schaden des Klägers gebauet
habe, er alsdann das Gebäu wiederum einreißen, wegräumen und Alles in den
vorigen Stand setzen wolle, so solle nach Vernehmung des Klägers ihme gegen
dieser geleisteten Sicherheit die Fortsetzung des Baues zugelassen werden,
insoferne Kläger nicht dagegen einen alsogleich dadurch erleidenden namhaften
Schaden darzuthun vermag, wofür er durch die nachherige Niederreißung nicht
entschädiget würde.
[2, 24, § 6] 139. Woferne hingegen die Klage ungegründet und
muthwillig zu sein befunden würde, ist Kläger in alle dem Gegentheil durch die
unbefugte Einstellung des Gebäudes verursachte Schäden und Unkosten zu
verurtheilen, und wo der Beklagte wider den Verbot ohne den Austrag der Sache
abzuwarten mit dem Bau fortgefahren wäre, welcher nachhero unschädlich zu sein
erkennet würde, kann ihme zwar die Niederreißung nicht auferleget, wohl aber
derselbe wegen Verachtung und Uebertretung des gerichtlichen Gebots zur Strafe gezogen
werden.
[2, 24, § 6] 140. Sowie ein Besitzer dem aus einem neu
aufführendem Werk oder Gebäu befahrenden Schaden durch die vorbemelte
Einstellung des Baues vorkommen kann, so ist derselbe auch nicht weniger
befugt, die aus einem schon stehendem Werk oder Gebäu, dessen Einsturz oder
sonstige hieraus sich ergeben mögende Beschädigung besorget wird, angedrohete
Gefahr des Schadens von seinen Gründen abzuwenden, und zu dem Ende den Besitzer
des schadhaften Gebäudes bei Gericht zu belangen, damit er die Gefahr entweder
alsogleich ableine, oder eine hinlängliche und anständige Sicherheit für den
Ersatz des erfolgen mögenden Schadens leiste, worzu ihn das Gericht nach
erhobenem Befund der angezeigten Gefahr ohnnachsichtlich durch die rechtliche
Zwangsmitteln zu verhalten hat.
§. VII.
[2, 24, § 7] 141. Der natürliche Besitz wird entweder mit
oder ohne Willen des Besitzers verloren; mit seinem Willen, wann er solchen
freiwillig Anderen überläßt
(2-468) und einräumt, die Sache in Absicht sich derselben zu
entäußeren hinwegwirft, vernichtet, oder aus seiner Gewahrsame läßt, oder von
dem Grund, um sich des Besitzes zu entschlagen austritt, und solchen in eben
dieser Absicht öd und ungebauet erliegen läßt.
[2, 24, § 7] 142. Ohne seinem Willen, wann die Sache
zufällig untergehet, vernichtet und vertilget wird, und insonderheit bei
fahrenden Dingen, wann er sie aus seiner Gewahrsame verlieret, oder ihme solche
entfremdet oder geraubet werden, bei liegenden Gütern aber, wann er, oder Jene,
welche sie in seinem Namen innengehabt, von einem Anderen des Besitzes
entsetzet, und er andurch der Freiheit, dieselbe nach Willkür zu betreten
verlustig wird.
[2, 24, § 7] 143. Dadurch aber, daß Jene, welche eine Sache
im Namen und zu Handen des Besitzers innen haben, solche aus Fahrlässigkeit
oder Gefährde verlassen, gehet der Besitz nicht verloren, solange solcher von
einem Anderen nicht ergriffen wird, und der Besitzer die Befugniß behält, ein
fahrendes Ding anwiederum in seine Gewahrsame zu bringen, oder ein liegendes
Gut nach Willkür zu betreten.
[2, 24, § 7] 144. Der rechtliche Besitz hingegen, und das
anmit verknüpfte Besitzrecht wird nicht anderst verloren, als wann bewegliche
Dinge aus einem hinlänglichen Ankunftstitul entweder mit Willen des vorigen
Besitzers, oder auch ohne seinem Willen aus Macht Rechtens, und liegende Güter,
oder andere darauf haftende Rechte mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
auf einen Anderen übertragen werden.
[2, 24, § 7] 145. Durch den Tod höret zwar der Besitz an
Seiten des Verstorbenen von selbsten auf, er gehet aber sogleich auf den Erben,
wann dieser sein Erbrecht behörig ausgewiesen, und die Erbschaft angetreten
hat, obschon er in der freien Schalt- und Waltung mit der Erbschaft bis nach
deren erfolgter Einantwortung beschränket bleibet.
§. VIII.
[2, 24, § 8] 146. Zu Wiedererlangung des unrechtmäßig
verlorenen Besitzes gebühren nach dem Unterschied, ob der Inhaber selbst der
Dieb, Rauber, Mitgehilf, oder ein wissentlicher Verhehler seie, oder ob ihme
sonst die Sache ohne Gefährde zu Handen gekommen, verschiedene Rechtsmitteln.
(2-469) [2, 24, § 8] 147. Im ersten Fall, wo der Inhaber
selbst die Sache entwendet, geraubet, oder den Besitzer aus dem Besitz seines
liegenden Guts, oder von dem Gebrauch seines Rechts verdrungen, entsetzet,
verstoßen und vertrieben, oder die That befohlen, angerathen, gutgeheißen, die
Sache willentlich verhehlet, vorenthält, oder auf was immer für Weise hierzu
hilfliche Hand geleistet hat, kann der entsetzte Besitzer wider denselben und
dessen Erben die Entsetzungsklage zu Wiedererstattung der Sache mit allen ihren
Nutzungen und erweislichen Schäden und Unkosten, oder da das entwendete oder
geraubte Gut nicht mehr vorhanden wäre, zum Ersatz des Werths mit den Zinsen
von dem Tag der Entwendung oder Entsetzung anstrengen.
[2, 24, § 8] 148. Hierbei solle schleunig auf die im vierten
Theil zur Entscheidung des einsweiligen Besitzes vorgeschriebene Art verfahren,
und der entsetzte Besitzer sogleich anwiederum durch richterliche Hilfe in den
vorigen Besitz eingesetzt werden.
[2, 24, § 8] 149. Doch muß Kläger vorhero sowohl seinen
Besitz, als die erfolgte Entsetzung, und daß Beklagter hieran Theil genommen
habe, rechtsbehörig erweisen, dann wo er freiwillig aus dem Besitz gewichen,
und solchen dem Anderen überlassen, kann er über keine Entsetzung klagen.
[2, 24, § 8] 150. Es leidet aber die Einsetzung in den
vorigen Besitz in folgenden Fällen einen Anstand: Erstens, wann der Entsetzende
sein an der Sache habendes Eigenthum allsogleich durch überzeugende Beweise
darthun kann, wo aber dessen Erprobung von dem erst zu verführen habenden
Beweis abhinge, hält die Einwendung des Eigenthums die Widererstattung nicht
auf.
[2, 24, § 8] 151. Zweitens, wann der Entsetzte ein kundbarer
Dieb und Rauber, oder sonst in einem gegründeten Verdacht verfangen wäre,
welchen derselbe sogleich von sich abzuleinen nicht vermögete.
[2, 24, § 8] 152. Drittens, wann bei noch unentschiedener
Entsetzungsklage sich ein Dritter meldet, der an der Sache das Eigenthum, oder
sonst ein Recht zu haben angiebt, und dessen Beweis verführen will, welcher vor
Ausfolglassung der Sache an den Entsetzten mit seinen Behelfen zu hören, und
die Sache so in diesem, wie in dem gleich vorberührten Fall bis zum Austrag des
Stritts in gerichtlichen Beschlag zu nehmen ist.
[2, 24, § 8] 153. Wo aber eine Sache, deren Besitz Jemand
unrechtmäßiger Weise verloren, sich in Handen eines Dritten befindet, der an
der Entfremdung oder Entsetzung auf keinerlei Weise einen Theil hat, sondern
deme sie entweder zufällig, oder aus einer sonst zu Uebertragung des Besitzes
an sich hinlänglichen Ursache, doch nicht von Jenem, der solchen zu übertragen
Macht hat, zu Handen gekommen, hat der vorige Besitzer, wann er schon vorhero
das Eigenthum hieran erworben, die Eigenthumsklage, solange das Eigenthum auf
den gegenwärtigen Besitzer aus Macht Rechtens nicht übertragen worden.
[2, 24, § 8] 154. Hätte hingegen der vorige Besitzer das
Eigenthum hieran noch nicht erworben, sondern wäre zur Zeit, als er den Besitz
verloren, nur in der Befugniß dasselbe aus Macht Rechtens durch rechtmäßige
Verjährung zu erwerben bestellet gewesen, so gebühret ihme als Besitzern mit
gutem Glauben wider einen jedweden dritten Inhaber, welcher weder das
Eigenthum, noch ein stärkeres oder gleiches Recht an der Sache erworben zu haben
erweisen mag, die der Eigenthumsklage in ihrer Natur und Wirkung vollkommen
gleichende Rechtsforderung, damit hieran sein Besitzrecht erkläret, und ihme
die Sache mit allen ihren Zugängen und Nutzungen zuruckgestellet werde.
[2, 24, § 8] 155. Kläger muss demnach allemal die Erwerbung
der Sache, warum es zu thun ist, mittelst wirklicher Uebergabe aus einer zu
deren Uebertragung hinlänglichen Ursache erweisen, Beklagter aber dagegen keine
eben dergleichen rechtmäßige Erwerbung darzuthun im Stande sein, dann, wo
dieser ein stärkeres, oder doch gleiches Recht an der Sache erweisen mag, hat
diese Rechtsforderung nicht statt,
(2-470) sondern jederzeit Jener an der Sache den Vorzug, der
hieran entweder ein stärkeres Recht, oder doch den wirklichen Besitz aus gleichem
Recht für sich anführen kann.
[2, 24, § 8] 156. Ein stärkeres Recht hat allemal der
Eigenthümer vor Jenem, der das Eigenthum nicht hat, und das ältere Eigenthum
wird von dem jüngeren rechtmäßig erworbenen Eigenthum allzeit ausgeschlossen.
Außer des Eigenthums hat an einem liegenden Gut, oder einer darauf haftenden
Gerechtigkeit Derjenige, deme dieses Gut oder diese Gerechtigkeit landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich verschrieben worden, ein stärkeres Recht vor Jenem,
der keinen dergleichen einverleibten Ankunftstitul hat, wann gleich derselbe
durch leibliche Uebergabe in den natürlichen Besitz des Guts gesetzet worden
wäre.
[2, 24, § 8] 157. In Ermanglung eines einverleibten
Ankunftstituls hingegen hat sowohl bei liegenden Gütern, als überhaupt bei allen
fahrenden Dingen Derjenige, deme das Gut, oder die Sache aus einer zur
Uebertragung hinlänglichen Ursache von Jenem, der die Macht zu übertragen
gehabt, übergeben worden, ein stärkeres Recht vor dem Anderen, an den die
Uebergabe nicht geschehen ist.
[2, 24, § 8] 158. Ansonst, wo Beide die Uebergabe von
einerlei Besitzer für sich anführen können, hat Jener den Vorzug, deme sie
zuerst geschehen, wann die Sache nicht wiederum von diesem in der Zwischenzeit
auf den vorigen Besitzer übertragen worden; wäre aber eine bewegliche Sache von
zweierlei unterschiedenen Besitzeren Beiden übergeben worden, hat nach
Ausmessung dessen, was im achten Capitel, §. IV geordnet worden, Jener hieran
ein stärkeres Recht, welcher seinen Gewährsmann, und einen rechtmäßigen Ankunftstitul
ausweisen kann, vor dem Anderen, der entweder keines von beiden, oder zwar nur
den Gewährsmann, aber nicht einen hinlänglichen Ankunftstitul, oder auch diesen
allein ohne Ausweisung des Gewährsmanns darzuthun vermag.
[2, 24, § 8] 159. Wann jedoch beide sowohl den Gewährsmann,
als den hinlänglichen Ankunftstitul ausweisen können, und Beide in guten
Glauben bestellet sind, hat Jener ein stärkeres Recht, welcher die Sache
zuletzt an sich gebracht, weilen er in Hinzutretung der an gleichbemelten Ort vorgeschriebenen
Erfordernissen hieran das Eigenthum aus Macht Rechtens erworben.
[2, 24, § 8] 160. Woferne hingegen Keiner seinen
Gewährsmann, Beide aber einen sonst an sich rechtmäßigen und hinlänglichen
Ankunftstitul, doch ohne erfüllter Verjährung erweisen können, haben Beide ein
gleiches Recht, mithin gebühret auch Jenem der Vorzug, der sich in dem
wirklichen Besitz der Sache mit gutem Glauben aus einem sonst rechtmäßigen
Ankunftstitul befindet, außer deme jedoch muß der jüngere Besitz dem älteren, welcher
sich in einem rechtmäßigen Ankunftstitul gründet, weichen.
(2-471) Caput XXV.
Von dem Erbzinsrecht.
Inhalt:
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Erbzinsrechts. §. II.
Von den Erwerbungsarten des Erbzinsrechts. §. III. Von Wirkungen des
Erbzinsrechts. §. IV. Von Erlöschung und Endigung des Erbzinsrechts.
§. I.
[2, 25, § 1] Num. 1. Die zweite Gattung des Rechts an
fremden Sachen ist das Erbzinsrecht. Dieses ist eine an einem Grund
angebührende Befugniß und Gerechtigkeit, welche dem Inhaber dessen völlige
Nutzung und das nutzbare Eigenthum gegen der Verbindlichkeit, solchen in
baulichen Wesen zu erhalten und einen gewissen bedungenen Zins zur Erkanntniß
der Grundherrlichkeit jährlich dafür abzureichen, zueignet.
(2-472) [2, 25, § 1] 2. Die Eigenschaften des Erbzinsrechts
sind folgende: Erstens, daß in Ermanglung eines anderen ausdrücklichen Bedings
dasselbe seiner Natur nach auf die Erben des Erbzinsmannes vererbet werde.
[2, 25, § 1] 3. Zweitens, daß selbes dem Erbzinsmann das
nutzbare Eigenthum des Grunds, folglich nicht nur allein dessen völligen Genuß,
Gebrauch und Nutzen, sondern auch die Macht in gewisser Maß darmit zu schalten
und zu walten, und solchen von einem jedweden unrechtmäßigen Inhaber
abzuforderen, zueigne.
[2, 25, § 1] 4. Drittens, daß es den Erbzinsmann verbinde,
den Grund allzeit in baulichen Stand zu erhalten und auf keinerlei Weise zu
schmäleren, folglich auch derselbe keine hieran gemachte Verbesserungen bei
Heimfälligkeit des Grunds an den Grundherrn zurückforderen könne, wann auf diesen
Fall nichts Anderes bedungen worden.
[2, 25, § 1] 5. Viertens, daß es von dem Erbzinsmann die
Abreichung eines jährlichen Erbzinses zur Erkanntniß der Grundherrlichkeit
erheische, welcher nicht, wie bei Mieth- und Pachtcontracten nach dem Gebrauch
und Genuß des vermietheten oder verpachteten Grunds abgemessen ist, sondern
einzig und allein zur Erkanntniß der Grundherrlichkeit gebühret und auf den
Grund haftet.
[2, 25, § 1] 6. Fünftens, daß der Erbzinsmann zur
Veräußerung des Erbzinsgrunds die Einwilligung des Grundherrn nach einer jeden
Landesverfassung einzuholen und der antretende Erbzinsmann die Erneuerung des
Erbzinscontracts bei dem Grundherrn geziemend anzusuchen und ihme die
Lehenwaare zur Erkenntlichkeit für seine Aufnahme zu entrichten schuldig seie.
§. II.
[2, 25, § 2] 7. Das Erbzinsrecht kann entweder durch
Contracten, oder aus letzten Willen oder auch durch Verjährung erworben werden;
doch ist in beiden ersteren Fällen die grundbücherliche Verschreibung, und im
letzteren Fall die Beitretung aller zur
(2-473) Verjährung eines dinglichen Rechts vorgeschriebenen
Erfordernissen nöthig, damit ein Grund mit dem Erbzinsrecht behaftet werden
möge.
[2, 25, § 2] 8. Ohne der grundbücherlichen Verschreibung
hingegen kann außer einer vorherigen schon erfüllten, oder doch angefangenen
und nach Einführung dieses Gesatzes ununterbrochen vollbrachten rechtmäßigen
Verjährung in Zukunft kein Erbzinsrecht bestehen, sondern die darauf gerichtete
Handlung wirket bloß allein, die ihrer Natur nach gebührende Rechtsforderung zu
Leistung dessen, worzu Einer dem Anderen verbindlich worden.
[2, 25, § 2] 9. Ist aber das Erbzinsrecht einmal ordentlich
erworben worden, so kann solches auch von dem Erbzinsmann, sowohl durch
Handlungen unter Lebenden, als aus letztem Willen an Andere übertragen werden,
wann der Erbzinsmann hierinnen durch kein besonderes ausdrückliches Beding
gebunden ist.
[2, 25, § 2] 10. Dann die Befugniß der Veräußerung, ist
allemal nach dem Inhalt der mehr oder weniger beschränkten Verleihung
abgemessen, wie solches in drittem Theil, in dreizehentem Capitel, erstem
Artikel, §. V. ausführlich erkläret wird.
§. III.
[2, 25, § 3] 11. Die Wirkungen des bestellten Erbzinsrechts
bestehen an Seiten des Erbzinsmannes in Folgendem: Erstens, daß derselbe an dem
Erbzinsgrund das nutzbare Eigenthum mit der vollen Macht solchen auf was immer
für Art und Weis zu benutzen und zu genießen erlange.
[2, 25, § 3] 12. Zweitens giebt es ihme die Befugniß in
gewisser Maß mit dem Erbzinsgrund nach Gefallen zu schalten und zu walten, insoweit
andurch derselbe nicht geschmäleret und das grundherrliche Recht nicht
beeinträchtiget wird, oder auch der Erbzinsmann sonst nicht durch besondere
Bedinge gebunden ist.
[2, 25, § 3] 13. Drittens hat derselbe nicht allein das
Recht, sich sowohl wider einen jeden Dritten, als wider den Grundherrn selbst,
wann ihme von diesem ein Eintrag geschieht, in dem Besitz des Erbzinsgrunds zu
schützen und zu behaupten, sondern auch solchen, wann er davon widerrechtlich
verdrungen worden wäre, von einem jedwedem unrechtmäßigen Besitzer und von dem
Grundherrn selbst mittelst der nutzbaren Eigenthumsklage zurückzuforderen.
[2, 25, § 3] 14. Viertens ist derselbe berechtiget, wann von
einem Dritten das Eigenthum des Erbzinsgrunds angesprochen wird, von dem
Grundherrn die Vertretung, Schirmung und Gewährleistung anzuverlangen.
[2, 25, § 3] 15. Dagegen ist er verbunden, den Erbzins dem
Grundherrn jährlich zur Anerkennung der Grundherrlichkeit richtig abzuführen,
bei Veräußerung des Grunds die Einwilligung des Grundherrn geziemend
einzuholen, und bei dessen Antretung die Erneuerung des Contracts anzusuchen,
wie nicht minder zur Erkenntlichkeit für seine Aufnahme die Lehenwaare zu
entrichten, übrigens aber den Grund gut zu pflegen und in baulichen Stand zu
erhalten, und alle davon gebührende Steuern und Anlagen abzutragen.
[2, 25, § 3] 16. Gegentheils ist der Grundherr schuldig, dem
Erbzinsmann das nutzbare Eigenthum des Grunds zu überlassen, und ihn in dessen
vollen Gebrauch und Genuß in keinerlei Wege weder selbst zu stören und zu
behinderen, noch, daß solches durch Andere geschehe, zu gestatten, sondern ihn
nach Erforderniß wider alle Ansprüche eines Dritten zu vertreten und zu
schirmen.
[2, 25, § 3] 17. Der Grundherr aber behält
nichtsdestoweniger alle übrige der Grundherrlichkeit anklebende
Eigenthumsrechte außer dem davon getrennten, an den Erbzinsmann überlassenen
nutzbaren Eigenthum.
[2, 25, § 3] 18. Hieraus fließen die Eigenthumsklage und
alle sonstige rechtliche Hilfsmitteln zu Behauptung der Grundherrlichkeit wider
einen Dritten, die Heimfälligkeit des von dem Erbzinsmann verwirkten oder sonst
von dem Erbzinsrecht erledigten Grundes, die Macht, die Grundherrlichkeit
ohnbeschadet des auf dem
(2-474) Grund haftenden Erbzinsrechts nach Gefallen an einen
Dritten zu veräußern, und endlich das Vorkaufsrecht an dem von dem Erbzinsmann
feilgebotenen Erbzinsgrund, wie alle diese verschiedene Wirkungen des
Erbzinsrechts, sowohl an Seiten des Erbzinsmannes, als an Seiten des Grundherrn
in vorbemeltem Capitel §. IV. mit Mehreren beschrieben werden.
§. IV.
[2, 25, § 4] 19. Das Erbzinsrecht endiget sich: Erstens,
durch den gänzlichen Untergang des Grundes, welcher darmit behaftet war. Wo
aber auch nur der mindeste Theil davon erübriget,
welcher noch benutzet werden könnte, so währet hieran das Erbzinsrecht fort.
[2, 25, § 4] 20. Zweitens, durch beiderseitige Einwilligung,
wann der Erbzinsmann mit Willen des Grundherrn den Grund freiwillig heimsaget,
welchen er hingegen wider Willen des Grundherrn nicht aufgeben kann, insoferne
von ihme kein anderer tauglicher Nachfolger dargestellet wird.
[2, 25, § 4] 21. Drittens, durch rechtmäßige Verjährung,
wann entweder der Erbzinsmann, wo derselbe sonst der Grundherrlichkeit fähig
ist, oder der Grundherr das volle Eigenthum verjähret.
[2, 25, § 4] 22. Viertens, durch Verlauf der Zeit, auf
welche das Erbzinsrecht verliehen worden. Fünftens, durch Absterben derjenigen
Personen, auf welche die Verleihung des Erbzinsgrundes beschränket ware.
[2, 25, § 4] 23. Sechstens, durch geflissentliche Verderbung
und Abödung des Erbzinsgrundes, wann solche beträchtlich und also beschaffen
ist, daß sie zu dessen beharrlicher Schmälerung und Benachtheiligung gereiche.
[2, 25, § 4] 24. Siebentens, durch Ausübung des
grundherrlichen Einstandrechts, wann der Grund von dem Erbzinsmann an einen
Dritten käuflich hintangegeben werden will, und der Grundherr in die nämliche
Bedingnisse des Kaufs eintritt.
[2, 25, § 4] 25. Achtens, durch vorsätzliche Nichteinhaltung
in Abfuhr des schuldigen Erbgrundzinses, wann solcher auf Einmahnen des
Grundherrn durch drei aufeinander folgende Jahre von dem Erbzinsmann nicht
abgereichet worden. Von allen diesen Erlöschungsarten, und was bei
Heimfälligkeit oder Verwirkung des Erbzinsgrunds zu beobachten seie, wird das
Mehrere im dritten Theil, in obgedachtem dreizehenten Capitel, erstem Artikel,
§. VI. geordnet.
(2-475) Caput XXVI.
Von dem Recht der Oberfläche.
Inhalt:
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Rechts der Oberfläche.
§. II. Von dessen Erwerbungsarten. §.III. Von dessen Wirkungen und daher
gebührenden Rechtsforderungen. §. IV. Von dessen Erlöschung.
§. I.
[2, 26, § 1] Num. 1. Die dritte Gattung des Rechts an
fremden Sachen ist das Recht der Oberfläche, welches auch anderst das
Platzrecht oder Bodenzinsrecht genannt wird. Durch die Oberfläche aber wird nur
Jenes verstanden, was über der Erden ist.
[2, 26, § 1] 2. Das Recht der Oberfläche ist dahero nichts
Anderes, als eine auf fremden Grund und Boden angebührende Befugniß und
Gerechtigkeit, welche dem Inhaber das nutzbare Eigenthum alles dessen, was über
der Erden ist, zueignet.
[2, 26, § 1] 3. Unter diesem Recht wird demnach nur Jenes
begriffen, was über der Erden ist, nicht aber auch Grund und Boden, sondern
dieser bleibt ohnerachtet des darauf haftenden Rechts der Oberfläche dem Grundeigenthümer.
Hierdurch unterscheidet sich dasselbe von dem Grundeigenthum, welches sich auf
die Grenzweite, Länge, Höhe und Tiefe des zugehörigen Erdreichs, folglich auch
auf Alles, was unter der Erden ist, erstrecket.
[2, 26, § 1] 4. Es erlanget aber Derjenige, deme das Recht
der Oberfläche bestellet wird, das nutzbare Eigenthum nicht zwar von Grund und
Boden selbst, sondern bloß allein von dessen Oberfläche, und in dieser
Rucksicht ist erdeutes (!) Recht von allen anderen Arten dinglicher Rechten unterschieden,
welche Jenem, deme sie zustehen, entweder weniger oder mehr Befugniß geben, als
nicht aus dem Recht der Oberfläche gebühret, alle aber, nicht nur die
Oberfläche, sondern Grund und Boden selbst behaften.
[2, 26, § 1] 5. Weniger Befugniß geben einzle den Gebrauch
und Genuß des ganzen Grunds nicht erschöpfende Dienstbarkeiten; in Gegentheil
mehrere Befugniß das Erbzinsrecht und der Nießbrauch oder Fruchtgenuß, weilen
durch das erstere das nutzbare Eigenthum von dem Grund selbst und durch den
letzteren der völlige Genuß und Gebrauch des Grunds überlassen wird.
[2, 26, § 1] 6. Und wiewohlen das Recht der Oberfläche in
seiner Art einer Miethe, Pachtung oder Bestand zum nächsten beikommt, so giebt
doch die Miethe nur ein persönliches, keineswegs aber ein dingliches, den Grund
selbst behaftendes Recht.
[2, 26, § 1] 7. Dieses Recht der Oberfläche kann nicht
anderst, als auf einem Grund bestellet werden, und muß Jenes, worauf es haftet,
mit dem Grund und Boden
(2-476) einen festen Zusammenhang haben, also, daß es
eingebauet, eingewurzlet, eingepflanzet oder eingesäet sei.
[2, 26, § 1] 8. Dann was nur auf die Erde hingeleget,
gestellet oder sonst hingesetzet worden, so anwiederum leicht hinweggeraumet
werden mag, als Hütten und Buden, dieses ist unter dem Recht der Oberfläche
nicht begriffen.
§. II.
[2, 26, § 2] 9. Das Recht der Oberfläche kann sowohl durch
lebzeitige, als letztwillige Handlungen bestellet und auch durch eine
rechtmäßige Verjährung erworben werden. Damit es aber die Wirkung eines
dinglichen Rechts habe, und den Grund selbst behafte, ist allemal die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung da, wo der Grund,
woran es gebühret, inlieget, erforderlich.
[2, 26, § 2] 10. Ohne dieser
Einverleibung hingegen wirket es bloß allein ein Recht zur Sache und die daraus
fließende persönliche Rechtsforderung wider Jenen, der etwas dergleichen auf
seinem Grund und Boden zu gestatten verbunden ist.
[2, 26, § 2] 11. Um so weniger kann durch die bloße Miethe
oder Pachtung, wann auch ein hierauf abzielendes Beding ausdrücklich beigefüget
worden wäre, das Recht der Oberfläche erzeuget werden, so lange nicht die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage eines solchen Bedings
hinzutritt.
[2, 26, § 2] 12. Dieses Recht zu bestellen hat nur der Grundherr
Fug und Macht, der sonst in der freien Verwaltung seines Vermögens nicht
beschränket ist. Uebrigens aber kann es auf immer und allzeit, oder
zeitfristlich auf eine kurze oder lange Zeit, mit Beschränkung auf gewisse
bekannte Personen, oder ganz unbeschränkt und frei vererblich überlassen
werden.
[2, 26, § 2] 13. Wann jedoch der Verleihung weder eine Zeit-
noch sonstige Beschränkung auf diese und keine andere Personen beigesetzet
worden, ist dieses Recht allezeit für frei vererblich zu achten, also daß
Derjenige, deme es zustehet, solches nicht allein auf seine Erben zu
übertragen, sondern auch bei Lebzeiten, an wen er immer wolle, veräußern könne.
[2, 26, § 2] 14. Die Bestellung kann entgeltlich oder
unentgeltlich geschehen. Entgeltlich, wann entweder überhaupt etwas dafür
entrichtet, oder zeitweilig für den Gebrauch und Genuß des Grunds die
Abreichung eines gewissen Zinses bedungen wird.
[2, 26, § 2] 15. Dieser Zins heißet eigentlich ein Bodenzins
oder Grundzins, und wo solcher mit bedungen worden, haftet er nicht weniger,
wie oben in gleich vorhergehendem Capitel von dem Erbzins geordnet worden, auf
den Grund selbst.
§. III.
[2, 26, § 3] 16. Die Wirkungen des Rechts der Oberfläche
bestehen an Seiten dessen, deme solches gebühret, in Folgendem: Erstens, daß
derselbe den Besitz und das nutzbare Eigenthum der Oberfläche erlange, diese
nach Gefallen brauchen, nutzen und genießen, folglich darein bauen, pflanzen
und säen könne. Was aber nach geendigtem Recht der Oberfläche sich darein
gebauet, gepflanzet und gesäet befindet, gehöret aus dem Grundrecht dem
Grundeigenthümer.
[2, 26, § 3] 17. Zweitens, daß er volle Macht und Freiheit
habe, wann er nicht durch besondere Bedinge hierinnen gebunden ist, mit der
Oberfläche nach eigenem Belieben zu schalten und zu walten, solche für die Zeit
seiner Inhabung Anderen in Bestand zu geben, oder auf was immer für Art zu
überlassen, Dienstbarkeiten darauf zu bestellen und sie zu verpfänden, doch
also, daß mit Erlöschung seines Rechts auch das Recht des Anderen, welches dieser
von ihme hieran erworben hat, erlösche.
[2, 26, § 3] 18. Er kann ferners die Oberfläche, sowohl
durch lebzeitige, als letztwillige Handlungen an wen er immer wolle,
veräußeren, ohne daß derselbe die grundherrliche Einwilligung, noch auch
Derjenige, an den dieses Recht veräußeret wird, wie es sonst bei erbzinsbaren
Gründen hergebracht ist, die Erneuerung des Contracts
(2-477) von dem Grundherrn anzusuchen minder eine Lehenwaare
zu bezahlen schuldig seie, wann solches nicht anfänglich ausbedungen worden, obschon
ein jeder Nachfolger an diesem Recht seinen Ankunftstitel in der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern einverleiben lassen, und die für eine solche Einlage
ausgesetzte Gebühren entrichten muß.
[2, 26, § 3] 19. Drittens, daß ihme alle aus dem nutzbaren
Eigenthum fließende rechtliche Hilfsmitteln zu Behauptung seines Rechts, sowohl
wider einen jeden Dritten, als wider den Grundherrn selbst zu statten kommen,
und er sich in dem Besitz nicht weniger wie der Grundeigenthümer schützen und
erhalten könne.
[2, 26, § 3] 20. Dagegen ist derselbe verbunden, alle von
dem Grund gebührende Steuern und Anlagen abzutragen, die Oberfläche mit den
darauf befindlichen Gebäuden in gutem Bau auf seine eigene Kosten zu erhalten,
und solche nach geendigtem Recht in demjenigen Stand, in welchem sie ihme
übergeben worden, anwiederum zuruckzustellen, für die Zeit seiner Inhabung aber
den jährlichen Grundzins, wann einer bedungen worden, dem Grundherrn richtig zu
bezahlen und überhaupt alles Dasjenige zu erfüllen, zu deme sich derselbe in
dem Contract anheischig gemacht hat.
[2, 26, § 3] 21. Der Grundherr hingegen behält das
Grundeigenthum, und alle außer dem davon abgetretenen nutzbaren Eigenthum der
Oberfläche darmit verknüpfte Grundrechte, als da sind die Eigenthumsklage, die
Behelfe des rechtlichen Besitzes, die Forderungen des bedungenen Grundzinses
und aller sonstigen Schuldigkeiten, worzu sich der Inhaber verbunden hat.
[2, 26, § 3] 22. Und wiezumahlen das Recht der Oberfläche
sich nicht weiter als auf das, was über der Erden ist, erstrecket, so bleiben
auch dem Grundeigenthümer alle Nutzungen und Vortheile, welche von dem Grund
unter der Erden erzeuget werden, oder daher behoben werden können, als Erze,
vergraben Schätze und dergleichen bevor.
§. IV.
[2, 26, § 4] 23. Das Recht der Oberfläche erlöschet:
Erstens, durch den gänzlichen Untergang der Sache, worauf dasselbe haftet, ohne
daß der mindeste Theil davon übrig bliebe, als da das Gebäude, woran es
bestellt worden, von Grund aus zerstöret und abgetragen würde. Ohnerachtet aber
der Grundherr ein neues Gebäu hinsetzete, bleibt das Recht der Oberfläche
jegleichwohlen erloschen, wann solches nicht namentlich auch auf die neu
aufführende Gebäude mit erstrecket worden.
[2, 26, § 4] 24. Zweitens, durch die Vereinigung des
nutzbaren Eigenthums mit dem Grundeigenthum durch Vererbung, käufliche
Ueberlassung, freiwillige Abtretung oder Verjährung.
[2, 26, § 4] 25. Drittens, durch Verlauf der Zeit, auf
welche dieses Recht verliehen worden, oder durch Abgang der Personen, die es
nur namentlich für sich bekommen haben.
[2, 26, § 4] 26. Dahingegen wird dieses Recht wegen Saumsals
in Bezahlung des bedungenen jährlichen Grundzinses nicht verwirket, sondern der
Grundherr hat zu dessen Eintreibung die ihme aus dem beigefügten Beding
angebührende Rechts-Forderung wider den Inhaber der Oberfläche.
(2-478) Caput XXVII.
Von Dienstbarkeiten überhaupt.
Inhalt:
§. I. Von Natur und Wesenheit der Dienstbarkeiten. §. II.
Von Verschiedenheit der Dienstbarkeiten. §. III. Von Fähigkeiten deren, welche
eine Dienstbarkeit bestellen können. §. IV. Von Bestellungsarten der
Dienstbarkeiten. §. V. Von deren Wirkungen und daher rührenden
Rechtsforderungen. §. VI. Von deren Verlustigung.
§. I.
[2, 27, § 1] Num.1.Die vierte Gattung des Rechts an fremden
Sachen ist das Recht der Dienstbarkeit. Hierunter wird aber nicht jene
Dienstbarkeit verstanden, womit eine Person der anderen verpflichtet oder
untergeben ist, sondern eine Gerechtigkeit an fremden
Gut, Kraft welcher dasselbe dem anderen dienstbar ist.
(2-479) [2, 27, § 1] 2. In dieser Bedeutung ist es ein
dingliches Recht, weilen es aus der Sache haftet, welches nichts Anderes ist,
als eine auf fremden Grund angebührende Befugniß und Gerechtigkeit, Kraft
welcher dessen Eigenthümer in dem seinigen zum Nutzen eines Anderen, oder
dessen Grunds etwas zu leiden und zu dulden, oder zu unterlassen schuldig ist.
[2, 27, § 1] 3. Dienstbarkeiten gebühren nur an fremden Gut,
dann keine eigene Sache kann ihrem Herrn selbst dienstbar sein, sondern Alles,
was Jemand aus dem Recht der Dienstbarkeit auf fremden Grund zu thun befugt
ist, hat der Eigenthümer Macht, aus dem Recht des Eigenthums an seinem eigenen
Gut auszuüben.
[2, 27, § 1] 4. Sie müssen ferners zur Nothdurft und Nutzen
Desjenigen, deme sie bestellet werden, gereichen. Unter dem Nutzen aber wird
nicht allein der gegenwärtige, sondern auch der künftige Vortheil und alle
Lust, Bequemlichkeit und Gemächlichkeit nach dem Gebrauch und Absicht dessen,
deme die Dienstbarkeit gebühret, verstanden. Was hingegen weder jetzt, weder in
Zukunft Nutzen, noch auch eine Lust oder Bequemlichkeit schaffen mag, hierinnen
kann auch keine Dienstbarkeit bestehen.
[2, 27, § 1] 5. Die Nothdurft und Nutzlichkeit ist dahero
der Endzweck aller Dienstbarkeiten und um diesen zu erreichen, ist der Herr des
dienstbaren Grunds schuldig, entweder etwas zu leiden, was der Andere aus dem
Recht der Dienstbarkeit auf solchen zu thun berechtiget ist, oder etwas nicht
zu thun, was derselbe sonst aus dem Recht des Eigenthums und nach der
natürlichen Freiheit auf dem seinigen zu thun befugt gewesen wäre.
[2, 27, § 1] 6. Insgemein ist zwar der Herr des dienstbaren
Grunds aus der Natur der Dienstbarkeit nicht verbunden, zu des Anderen Nutzen
etwas zu thun, wann er sich nicht hierzu durch ein besonderes Beding ausdrücklich
verpflichtet hat, außer der alleinigen Hausdienstbarkeit der Lasttragung des
Gebäudes, welche die Schuldigkeit mit sich bringt, daß der Herr des dienstbaren
Hauses das baufällige Gemäuer, welches die Last des nachbarlichen Gebäudes
trägt, auf seine eigene Kosten herzustellen, oder solches dem Nachbarn zu
überlassen gehalten seie.
[2, 27, § 1] 7. Ansonsten ist die Verbindlichkeit etwas zu
thun oder zu leisten eigentlich für keine Dienstbarkeit, sondern bloß für eine
persönliche Gerechtigkeit anzusehen, wann nicht der Grund selbst durch die
Landtafel, Stadt- oder Grundbücher auf immer und allzeit dergestalten damit
behaftet wird, daß diese Schuldigkeit mit dem Grund auf dessen jedweden
Besitzer übergehe, aber wann nicht ein solches Recht durch rechtmäßige Verjährung
an dem dienstbaren Grund hergebracht worden, wie unten seines Orts davon ein
Mehreres, bei den sogenannten Bann- und Zwangrechten auf nachbarlichen Gründen
vorkommen wird.
§. II.
[2, 27, § 2] 8. Die Dienstbarkeiten sind in Rucksicht des
Gegenstandes, deme sie gebühren, zweierlei, als entweder persönliche oder
Grunddienstbarkeiten. Die persönlichen sind jene, welche nicht zum Nutzen eines
Grunds, sondern zum Nutzen einer Person bestellet
werden, wovon in dem nachfolgenden achtundzwanzigsten Capitel gehandlet werden
wird. Grunddienstbarkeiten aber sind, welche zum Nutzen eines fremden Grunds bestellet und unten im neunundzwanzigsten Capitel eigends
beschrieben werden.
[2, 27, § 2] 9. Die persönlichen Dienstbarkeiten sind
entweder nach ihrer Natur und Eigenschaft,
(2-480) oder aus dem Beding und der Bestellungsart
persönlich. Der Natur und Eigenschaft nach sind nur drei Gattungen persönlicher
Dienstbarkeiten, als der Nießbrauch oder Fruchtgenuß, der Gebrauch eines Dings
und die Wohnung.
[2, 27, § 2] 10. Aus einem Beding oder der Bestellungsart
aber können auch alle Grunddienstbarkeiten persönlich sein, wann sie nicht zum
Nutzen eines Grunds, sondern zum Nutzen der Person bestellet worden, als da
Jemand dem Anderen für dessen Person den Durchgang über seinen Grund
verstattet.
[2, 27, § 2] 11. Um also mit Bestand beurtheilen zu können,
ob die angebührende Gerechtigkeit eine persönliche oder eine Grunddienstbarkeit
seie, ist allemal darauf zu sehen, ob sie einer Person oder einem Grund
angebühre; dann von Verschiedenheit dieses zweifachen herrschenden Gegenstands
nimmt auch die Dienstbarkeit ihre Natur und Eigenschaft an.
[2, 27, § 2] 12. Die Grunddienstbarkeiten sind nach dem
Unterschied, ob sie einem Haus und Gebäude, oder aber einem Feld- und Landgut
gebühren, zweierlei, als Hausdienstbarkeiten und Felddienstbarkeiten.
[2, 27, § 2] 13. Beide sind anwiederum in ihrer Wirkung
unterschieden; dann einige verbinden den Herrn des dienstbaren Grunds etwas aus
dem seinigen zu leiden und zu dulden, als da sind die Dienstbarkeiten der
Lasttragung des Gebäudes, das Tramrecht, das Recht des Durchgangs, der
Viehtrift und dergleichen.
[2, 27, § 2] 14. Dahin gehören auch jene, welche den Herrn
des dienstbaren Grunds etwas zu thun verbindlich machen, was er sonst nach der natürlichen
Freiheit zu unterlassen berechtiget gewesen wäre. Von dieser Art sind die
Dienstpflichtigkeit nachbarlicher Gründen und die auf solchen gebührende Zwang-
und Bannrechte.
[2, 27, § 2] 15. Andere hingegen verpflichten denselben,
etwas auf dem seinigen zu unterlassen und nicht zu thun, was er doch außerdeme
zu thun befugt gewesen wäre, als die Dienstbarkeit, sein Haus nicht höher
aufzuführen, dem Nachbarn das Licht und die Aussicht nicht zu benehmen, das
Regenwasser nicht abzuleiten u. s. w.
[2, 27, § 2] 16. Alle Grunddienstbarkeiten müssen zwar eine
beständige Ursach haben, welche in der Nothdurft oder dem Nutzen des
herrschenden Grunds, deme dieselben gebühret, bestehet. Sie sind aber nicht
alle von einem steten und ununterbrochenen Gebrauch, sondern einige werden nur
zu gewissen Zeiten genutzet, als es die Nothdurft, Nutzen, Lust oder
Bequemlichkeit erheischet, z. B. die Dienstbarkeit des Durchgangs, das Trauf-
oder Rinnenrecht und überhaupt alle Felddienstbarkeiten.
[2, 27, § 2] 17. Bei Anderen hingegen wird der Gebrauch
niemals unterbrochen, als bei der Dienstbarkeit der Lasttragung des Gebäudes,
dem Tramrecht, dem Licht- und Aussichtrecht u. dgl. mehreren. Und nach diesem
Unterschied des ununterbrochenen oder unterbrochenen Gebrauchs sind sie entweder
stete oder unstete Dienstbarkeiten.
§. III.
[2, 27, § 3] 18. Die Dienstbarkeiten werden entweder von dem
Gesatz oder von dem Richter, oder willkürlich Einem von dem Anderen bestellet.
Von dem Gesatz wird die Dienstbarkeit des Nießbrauchs einem Vater aus dem Recht
der väterlichen Gewalt am dem Gut seiner unmündigen Kinder nach Maßgebung
dessen, was davon im ersten Theil in der Abhandlung von der väterlichen Gewalt
geordnet worden, zugeeignet.
[2, 27, § 3] 19. Von dem Richter können Dienstbarkeiten nur
bei Theilungen der Erbschaften und gemeinschaftlicher Güter auferleget werden,
wann die Theilung zwischen den Theilhaberen anderer Gestalt nicht bewirket oder
der dem Einem zugefallene Antheil ohne einer auf des Anderen Antheil bestellten
Dienstbarkeit nicht genutzet werden könnte.
[2, 27, § 3] 20. In keinem anderen Fall hingegen steht dem
Richter die Macht zu,
(2-481) Jemandem wider Willen an seinem Gut Dienstbarkeiten
aufzulasten, sondern ihme kommt nur zu, wo das an dem Grund des Anderen
angebührende Recht einer schon bestellten Dienstbarkeit strittig ist, solches
zu erklären, oder Denjenigen, welcher sich zur Verstattung einer Dienstbarkeit
auf seinem Grund gegen dem Anderen verbindlich gemacht, zu deren wirklicher
Bestellung zu verurtheilen.
[2, 27, § 3] 21. Wo aber Jemand willkürlich auf seinem Grund
eine Dienstbarkeit bestellen wollte, muß derselbe freier, uneingeschränkter,
alleiniger, vollkommener und unwiderruflicher Eigenthümer des dienstbar machen
wollenden Grunds sein.
[2, 27, § 3] 22. Wer dahero in der freien Verwaltung seines
Guts eingeschränket ist, kann keine Dienstbarkeit bestellen, als Minderjährige
und Pflegbefohlene; noch sind auch die Vormündere oder Gerhaben und Curatoren
befugt, die Gründe ihrer Pflegbefohlenen, ohne vorheriger richterlicher
Erkanntniß und Begenehmigung mit einiger Dienstbarkeit zu beschweren.
[2, 27, § 3] 23. Einem gemeinschaftlichen Grund kann von
keinem Theilhaber für sich allein wider Willen der Anderen eine Dienstbarkeit
auferleget werden, sondern zur Giltigkeit der Bestellung ist entweder Aller
vorhergehende Einstimmung oder nachherige Gutheißung erforderlich.
[2, 27, § 3] 24. Der Bestellende muß beinebst das volle
Eigenthum des Grunds, welchen er mit der Dienstbarkeit behaften will, haben.
Solchemnach kann der Grundherr oder bloße Eigenthümer auf einem Grund, woran
dem Anderen entweder das nutzbare Eigenthum aus dem Erbzinsrecht oder aus dem
Recht der Oberfläche, oder der Nießbrauch, oder Fruchtgenuß zustehet, keine
Dienstbarkeit bestellen, welche zur Schmälerung des nutzbaren Eigenthums oder
des Nießbrauchs gereichete.
[2, 27, § 3] 25. Ebensowenig ist Jener, welcher an einem
Grund das nutzbare Eigenthum, aber den Nießbrauch hat, befugt, solchen mit
einer beharrlichen Dienstbarkeit wider Willen des Grundherrn oder Eigenthümers
zu behaften, obschon die von ihme hieran bestellte Dienstbarkeit für die Zeit
seiner Inhabung zu bestehen hat, insoferne durch deren Ausübung dem
Grundeigenthum, und anderen dem Grundherrn angebührenden Grundrechten nicht
geschadet wird.
[2, 27, § 3] 26. Endlich muß der Bestellende auch
unwiderruflicher Eigenthümer des Grunds sein, widrigens ist mit Widerrufung und
Erlöschung seines Grundeigenthums auch das von ihme hieran bestellte Recht des
Anderen erloschen.
[2, 27, § 3] 27. Also kann die von einem vertraulichen
Erben, oder von einem Besitzer mit gutem Glauben, oder von einem jedweden
anderen zeitlichen Inhaber bestellte Dienstbarkeit nur insolange bestehen, als
das Traugut nicht auf den Nachberufenen gelanget, oder der hervorkommende
Eigenthümer sein Gut mittelst der Eigenthumsklage nicht behauptet, oder
dasselbe nicht einem Nachfolger, welcher sein Recht hierzu nicht von dem
Bestellenden, sondern von einem Dritten ableitet, zufallt.
[2, 27, § 3] 28. Jedermänniglichem hingegen können Dienstbarkeiten
bestellet werden, der sonst etwas zu erwerben, und des Rechts fähig ist, was
durch die Dienstbarkeit in Ausübung gebracht wird, er möge das volle, oder nur
das Grundeigenthum, oder das nutzbare Eigenthum allein, oder auch das Eigenthum
ohne Nießbrauch, oder diesen ohne Eigenthum, oder auch nur ein widerrufliches
Eigenthum des Grunds haben, zu dessen Nutzen die Dienstbarkeit bestellet wird.
[2, 27, § 3] 29. Nicht allein durch sich selbst, sondern
auch durch Andere kann Jemand Dienstbarkeiten erwerben, wann entweder diese ihn
durch das Gesetz vorstellen, als Vormündere oder Gerhaben, und Curatoren, oder
von ihme hierzu begewaltiget werden, oder seine Gutheißung erfolget.
[2, 27, § 3] 30. Also kann sich Jemand für sich und seinen
Nachbarn, oder auch zum Nutzen eines gemeinschaftlichen Guts ein Theilhaber für
sich und die andere Theilhabere Dienstbarkeiten rechtsgiltig bestellen lassen,
welche auch denen Anderen erworben werden, wann sie nur das Veranlaßte
gutheißen.
(2-482) §. IV.
[2, 27, § 4] 31. Die Dienstbarkeiten können sowohl aus
lebzeitigen, als letztwilligen Handlungen, wie nicht weniger durch rechtmäßige
Verjährung erworben werden, doch ist bei allen in Zukunft nach Einführung
dieses Unseren Gesatzes bestellenden Dienstbarkeiten nach der oben im zweiten
Capitel von dinglichen Rechten überhaupt §. I enthaltenen Ausmessung zur
wirklichen Behaftung des dienstbaren Grunds insgemein die landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Einverleibung und Vormerkung der angebührenden
Dienstbarkeiten auf die eben allda erklärte Art und Weis erforderlich.
[2, 27, § 4] 32. Wovon nur allein jene stete
Hausdienstbarkeiten ausgenommen sind, welche aus einem von dem Nachbarn ohne
Widerspruch zu vollführen verstatteten neuen Bau entstehen, wann derselbe die
seinem Grund erwachsende Dienstbarkeit wohl gewußt, und den Bau jegleichwohlen
ohne Widerrede ausführen lassen; dann durch seine wissentliche Duldung wird die
Dienstbarkeit ohne Weiters auf seinen Grund bestellet, und der Eigenthümer des
herrschenden Grunds kann nicht mehr zur Niederreißung des ausgeführten Gebäudes
verhalten werden.
[2, 27, § 4] 33. Mit keinen anderen Dienstbarkeiten hingegen
kann der Grund ohne vorbesagter Einverleibung behaftet werden, wann er nicht
schon vor Einführung dieses Unseren Gesatzes darmit behaftet, und die
Dienstbarkeit hierauf wirklich bestellet ware.
[2, 27, § 4] 34. Es ist dahero die Handlung, womit sich
Jemand zur Verstattung einer Dienstbarkeit auf seinem Grund gegen dem Anderen
verbindlich macht, von der wirklichen Bestellung selbst wohl zu unterscheiden;
dann die erstere wirket nur ein Recht zur Sache, woraus die Rechtforderung
wider den Anderen zur Erfüllung und Gewährung, worzu er sich verbunden hat,
entstehet, ohne daß noch dadurch der Grund selbst behaftet würde.
[2, 27, § 4] 35. Die Bestellung aber, welche außer dem oben
num. 32 ausgenommenen Fall in Hinkunft nicht anderst, als durch eine
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung solle geschehen
können, giebt ein Recht an der Sache, behaftet den dienstbaren Grund, und macht
einen jedweden dritten Besitzer desselben verfänglich Dasjenige zu leiden, zu
thun oder zu unterlassen, was das dem Anderen zustehende Recht der
Dienstbarkeit mit sich bringt.
[2, 27, § 4] 36. Auch die nach Einführung dieses Unseren Gesatzes ihren Lauf anfangende Verjährung der
Dienstbarkeiten erforderen zur Behaftung des Grunds eine landtäfliche, stadt -
oder grundbücherliche Verschreibung.
[2, 27, § 4] 37. Der Fall der Verjährung einer landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich verschriebenen Dienstbarkeit kann sich auf
zweierlei Art ergeben, als entweder, wann solche mit dem herrschenden Grund,
deme sie anklebet, als eine Zugehörung verjähret wird, oder wann sie von
Jemanden, welcher zur Zeit der Verschreibung noch nicht Eigenthümer des
dienstbaren Grunds gewesen, sondern solcher erst durch die Verjährung werden
muß, verschrieben worden; im ersten Fall wird die Dienstbarkeit in der
nemlichen Zeit, wie der herrschende Grund selbst verjähret; im zweiten Fall
hingegen wird die Verjährung der Dienstbarkeit gegen dem Dritten, welcher das
Eigenthum des dienstbaren Grunds ansprechen könnte, in eben so vieler Zeit, als
die Verjährung des dienstbaren Grunds selbst, gegen dem sie Verschreibenden,
oder Andere aber binnen drei Jahren und achtzehen Wochen von dem Tag der
Verschreibung erfüllet.
[2, 27, § 4] 38. Dahingegen kann ohne der landtäflichen,
stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung (mit alleiniger Ausnahme der steten
Hausdienstbarkeiten) keine Dienstbarkeit anderst, als durch dreißig Jahr, und
zwar nur wider jenen Besitzer und dessen Erben, wider welchen die Verjährung
erfüllet wird, verjähret, nicht aber ein
(2-483) dritter Besitzer andurch verbunden, noch weniger der
Grund selbst behaftet werden.
[2, 27, § 4] 39. Eine solche Verjährung wirket demnach nicht
das Recht der Dienstbarkeit selbst, sondern nur die persönliche Verbindlichkeit
und Verfänglichkeit dessen, welcher deren Ausübung durch dreißig Jahr ohne
Unterbruch gestattet hat, zu deren landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher
Bestellung und Verschreibung, ohne welcher in seine Verbindlichkeit zwar dessen
Erben eintreten, keineswegs aber ein dritter Besitzer verfänglich wird, wann er
nicht die wider seinem Vorfahrer angefangene Verjährung wider sich erfüllen
lassen, und durch die noch übrige Zeit ohne die Verjährung zu unterbrechen
nicht stillgeschwiegen, oder die Dienstbarkeit nicht ausdrücklich auf sich
genommen hat.
[2, 27, § 4] 40. Zu dergleichen Verjährungen bedarf es
keines besonderen Ankunftstituls, sondern dieser bestehet bei jenen Dienstbarkeiten,
welche den Herrn des dienstbaren Grunds etwas darauf zu dulden verpflichten, in
seiner ohnunterbrochen dreißigjährigen Geduld und Stillschweigen, gleichwie da,
wo er etwas zu thun schuldig ist, in seiner dreißigjährigen ohnwidersprochenen
freiwilligen Leistung und Befolgung; in allen anderen Dienstbarkeiten aber,
welche ihn in dem Seinigen etwas nicht zu thun oder zu unterlassen verbinden,
ist an deme genug, daß der Andere dieses zu thun verboten, und er durch dreißig
Jahre sich dem Verbot gefüget, und ohne Widerrede darbei beruhet habe.
§. V.
[2, 27, § 5] 41. Die Wirkung einer ordentlich bestellten
Dienstbarkeit bestehet in deme, daß erstens, Derjenige, deme oder dessen Grund
sie bestellet worden, in den wirklichen Besitz, Genuß und Gebrauch des ihme
durch die bestellte Dienstbarkeit an dem dienstbaren Grund verstatteten Rechts
gesetzt werde, folglich
[2, 27, § 5] 42. Zweitens, sich der Dienstbarkeit nach ihrer
Art und Natur, oder nach Vorschrift des Bedings zu gebrauchen befugt seie; doch
darf er die Maß in dem Gebrauch nicht überschreiten, weder die Dienstbarkeit
mehr erschweren oder erweiteren, noch deren Gebrauch an Andere überlassen, wann
solches bei Bestellung der Dienstbarkeit nicht ausdrücklich vorgesehen worden.
[2, 27, § 5] 43. Drittens, daß derselbe alles Dasjenige thun
könne, ohne welchem die Dienstbarkeit nicht füglich gebrauchet und genutzet
werden kann, als bei der Dienstbarkeit des Durchgangs oder Wegs, Stege und Wege
ausbesseren, und bei der Dienstbarkeit der Wasserleitung über den dienstbaren
Grund Gräben ziehen, solche ausraumen, darein Röhren legen, wann nur der
angebührende Gebrauch nicht geänderet wird, sondern in seiner Maß beschränket
bleibt.
[2, 27, § 5] 44. Viertens, daß Derjenige, deme oder dessen
Grund eine Dienstbarkeit bestellet wird, andurch an dem dienstbaren Grund ein
dingliches Recht erlange, in dessen Ausübung sich derselbe nicht allein
mittelst aller zur Handhabung des Besitzes angebührenden rechtlichen
Hilfsmitteln schützen und erhalten, sondern auch, wo das Recht der
Dienstbarkeit selbst bestritten würde, wider den Besitzer des dienstbaren
Grunds, und einen Jeden, der ihn hierinnen störet und hinderet, die
Rechtsforderung zu Behauptung der ihme an dem dienstbaren Grund zustehenden
Dienstbarkeit und deren ungestörten Gebrauchs anstrengen kann.
[2, 27, § 5] 45. Dieser Rechtsforderung kann sich sowohl der
Grundeigenthümer, als auch Jener, der an dem herrschenden Grund nur das
nutzbare Eigenthum, oder den Nießbrauch hat, wie nicht minder, wo die
Dienstbarkeit Mehreren gemein wäre, ein jeder Theilhaber bedienen, wann er in
dem Gebrauch der diesem Grund angebührenden Dienstbarkeit verhinderet wird.
[2, 27, § 5] 46. Kläger hat aber zu beweisen, daß ihme oder
dem Grund, den er in Besitz hat, die Dienstbarkeit bestellet worden, und
zugleich, wo er sich nicht in Besitz des Grunds befindet, daß ihme das Grund-
oder nutzbare Eigenthum, oder
(2-484) der Nießbrauch des herrschenden Grunds zustehe, dann
daß er in dem Gebrauch der Dienstbarkeit von dem Beklagten verhinderet werde.
[2, 27, § 5] 47. Wird nun dieses rechtsgenüglich von ihme
erwiesen, so hat der Richter zu erkennen und auszusprechen, daß dem Kläger die
eingeklagte Dienstbarkeit an dem dienstbaren Grund gebühre, folglich Beklagter
sich aller unbefugten Störung und Hinderniß in dem Gebrauch dieser
Dienstbarkeit zu enthalten, und solche unweigerlich zu verstatten, beinebst
aber dem Kläger alle durch seine widerrechtliche Störung und Weigerung
verursachte erweisliche Schulden und Unkosten zu ersetzen schuldig sein solle.
[2, 27, § 5] 48. Wäre jedoch nicht so viel das Recht der
Dienstbarkeit selbst, als vielmehr die Art und Weise des Gebrauchs strittig, so
hat das Gericht die rechte Maß des Gebrauchs entweder nach Inhalt der
Verschreibung, wo eine vorhanden ist, welche Ziel und Maß setzet, oder in deren
Ermanglung nach der Natur einer jedweden Dienstbarkeit zu bestimmen, solche
aber keineswegs über die Gebühr zu erweiteren, und nach befindender Erforderniß
entweder den einen Theil, daß er die ihme vorgeschriebene Maß in dem Gebrauch
nicht überschreite, oder den anderen, daß er jenen in der Ausübung seines
Rechts nicht störe, mittelst Abheischung einer hinlänglichen Sicherheit oder
angemessener Pönfällen zu verstricken.
[2, 27, § 5] 49. Wann in Gegentheil einem an sich freien Grund
eine Dienstbarkeit zur Ungebühr angemuthet, oder die hieran gebührende
widerrechtlich erweiteret werden wollte, so kommt dem Herrn des Grunds, oder
Jenen, welchen hieran ein Recht zustehet, die aus der natürlichen Freiheit
entspringende der ersteren entgegengesetzte Rechtsforderung wider Denjenigen,
der sich auf dem Grund des Gebrauchs einer unbefugten Dienstbarkeit anmaßet,
oder diesen eigenmächtig erweiteret, zu statten, damit der Grund von dieser
Dienstbarkeit frei erkläret, oder deren Gebrauch in die gehörige Schranken
gesetzt, und dem Beklagten alle weitere widerrechtliche Anmaßung unter einer
nach Beschaffenheit der Umstände aufzuerlegen habender Leistung hinlänglicher
Sicherheit eingestellet, er aber beinebst zu Erstattung aller erweislichen Schäden
und Unkosten verhalten werde.
[2, 27, § 5] 50. Diese Rechtsforderung ist nur damals
nothwendig, wann entweder die anmaßende Dienstbarkeit noch landtäflich, stadt-
oder grundbücherlich auf dem Grund zur Ungebühr haftet, oder der Andere sich in
dem wirklichen Besitz und Gebrauch einer ihme gar niemalen zugestandenen, oder
nach der Zeit erloschenen Dienstbarkeit befindet; außerdeme aber mag ein jeder
Besitzer eines freien Grunds sich wider die unbefugte Anmaßungen eines Dritten
mit allen zu Behauptung des Besitzes hergebrachten Rechtsmitteln schützen, und
wider Gewalt vertheidigen.
§. VI.
[2, 27, § 6] 51. Die Dienstbarkeiten erlöschen auf mehrerlei
Art; die persönlichen durch den Tod der Person, welcher sie bestellet worden,
durch deren Unfähigkeit solche weiters zu genießen, durch Verlauf der Zeit,
oder Erfolg der Bedingniß, bis dahin solche verliehen worden, durch
Ueberschreitung der vorgeschriebenen Maß, und endlich durch deren Abtretung und
Ueberlassung an einen Dritten, wie alles dieses in dem gleich nachfolgenden
Capitel ausführlicher erkläret werden wird.
[2, 27, § 6] 52. Die gemeine, beiden sowohl persönlichen als
Grunddienstbarkeiten zukommende Beendigungsarten sind an Seiten des dienstbaren
Grunds: Erstens, die Auflösung und Erlöschung des Rechts des Bestellenden,
welches er an dem Grund gehabt, worauf von ihme die Dienstbarkeit bestellet
worden.
[2, 27, § 6] 53. Zweitens, die Vermischung des Herrschenden
und Dienenden in einer Person, wann Derjenige, deme oder dessen Grund die
Dienstbarkeit gebühret, den dienstbaren, oder der Herr dieses letzteren
entweder die darauf haftende persönliche Dienstbarkeit, oder den herrschenden
Grund eigenthumlich an sich bringt, und
(2-485) obschon er einen als den anderen Grund nachhero
anwiederum veräußerte, so bleibt doch die Dienstbarkeit erloschen, wann solche
nicht neuerdings bestellet wird.
[2, 27, § 6] 54. Doch ist darzu erforderlich, daß sowohl der
dienstbare als der herrschende Grund einerlei Herrn ganz und unwiderruflich und
zwar mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern zugefallen seie.
[2, 27, § 6] 55. Widrigens wo auch nur ein Theil des
herrschenden oder dienstbaren Grunds erübrigen würde, der nicht einerlei Herrn
zugehörete, bleibt die Dienstbarkeit gleichwohlen noch dem übrigen Theil
ankleben, und da nur ein widerrufliches Eigenthum hieran erworben worden wäre,
wird auch nach dessen Auflösung die Dienstbarkeit anwiederum hergestellet,
obschon sie für die Zeit der Inhabung des Grunds ruhet.
[2, 27, § 6] 56. Endlich kann kein landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich verschriebenes Recht anderst, als anwiederum mit der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern aufgehoben werden. So lange dahero der dienstbare
Grund auf den Herrn des herrschenden, oder dieser auf den Herrn des dienstbaren
Grunds nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibet ist, haftet
die Dienstbarkeit auf dem Grund noch allzeit fort.
[2, 27, § 6] 57. Drittens, der gänzliche Untergang des
herrschenden oder dienstbaren Grunds, also daß gar nichts davon erübrige.
Widrigens klebet die Dienstbarkeit auch dem mindesten Theil an, und wo ein
zerstörtes oder abgebranntes Haus oder anderes Gebäude, deme die Dienstbarkeit
gebühret, oder welches dem anderen dienstbar ist, anwiederum aufgebauet wird,
lebet die vorige Dienstbarkeit auf, gleichwie nicht weniger dieselbe durch
Ueberschwemmung des Grunds nicht erlöschet, sondern bei dessen Erledigung in
den vorigen Stand wieder hergestellet wird.
[2, 27, § 6] 58. An Seiten des herrschenden Grunds erlöschet
die Dienstbarkeit viertens, durch deren ausdrückliche oder stillschweigende
Erlassung, wann der Herr des herrschenden Grunds den dienstbaren deutlich davon
befreiet, oder aber auf demselben wissentlich etwas geschehen läßt und ohne
Vorbehalt oder Gegenverwahrung erlaubet, was dem Gebrauch der Dienstbarkeit
zuwider ist, und ohne Einwendung dabei beruhet, woferne er nur vollkommener und
uneingeschränkter Eigenthümer des herrschenden Grunds ist; widrigens kann er
durch seine Nachsicht nur sich allein, nicht aber einem Anderen schaden, und wo
mehrere Dienstbarkeiten auf einen Grund gebühren, werden durch Erlassung der
einen die übrigen nicht aufgehoben.
[2, 27, § 6] 59. Fünftens, durch den Nichtgebrauch der
Dienstbarkeit binnen der gleich hiernach ausgemessenen Zeit. Unter dem
Nichtgebrauch aber wird nicht allein die wirkliche Unterlassung der Ausübung,
wann der Herr des herrschenden Grunds, oder deme die Dienstbarkeit gebühret,
sich derselben gar nicht gebrauchet, sondern auch der widrige Gebrauch
verstanden, da er nämlich solche nicht in der vorgeschriebenen Maß oder nach
ihrer Natur und Eigenschaft ausübet.
[2, 27, § 6] 60. Es ist jedoch zwischen den landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich verschriebenen und ohne Beschreibung bestellten
Dienstbarkeiten ein Unterschied. Erstere können durch den bloßen Nichtgebrauch
überhaupt niemalen verloren gehen, weilen wider die Landtafel, Stadt- und
Grundbücher keine Verjährung laufet, sondern das Recht muß so lange bestehen,
als nichts Widriges, was dasselbe tilgen könnte, in die Landtafel, Stadt- oder
Grundbücher einkommt.
[2, 27, § 6] 61. Obschon die Art und Weis des Gebrauchs,
oder auch die Befreiung eines Theils des dienstbaren Grunds verjähret werden
mag, wann in der Verschreibung weder die Maß des Gebrauchs, noch wie weit sich
die Dienstbarkeit zu erstrecken habe, namentlich enthalten ist.
[2, 27, § 6] 62. Dahingegen jene Dienstbarkeiten, welche mit
der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht verschrieben sind, nach dem
Unterschied, ob sie ihrer Natur nach eines steten oder unsteten Gebrauchs sein,
durch den Nichtgebrauch erlöschen.
[2, 27, § 6] 63. Und zwar die steten Dienstbarkeiten, wann
sich derselben durch zehen
(2-486) Jahre, die unsteten Dienstbarkeiten hingegen, wann
sich ihrer durch dreißig Jahre niemahlen weder durch sich selbst, noch durch
Andere, welche den herrschenden Grund im Namen des Grundeigenthümers immer
haben, gebrauchet worden.
[2, 27, § 6] 64. Dieses verstehet sich jedoch allein von dem
bloßen Nichtgebrauch, dann wo ein erweislicher ausdrücklicher Verbot und
Weigerung des Herrn des dienstbaren Grunds hinzutritt, und der Herr des
herrschenden Grunds, oder deme diese Dienstbarkeit gebühret, ohne Widerrede
durch drei Jahr und achtzehen Wochen dabei beruhet, ist die Dienstbarkeit,
welche nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket ist,
erloschen und für erlassen zu achten. Jene Dienstbarkeit hingegen, welche in
der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschrieben ist, erlöschet zwar durch
die alleinige Verjährungszeit nicht, sondern diese giebt bloß dem Herrn des
dienstbaren Grunds die Befugniß, deren Auslöschung und die Befreiung seines
Grunds, so lange der herrschende Grund in Handen dessen, welcher bei dem Verbot
beruhet, befindlich ist, anzusuchen. Wo aber der herrschende Grund vor der
bewirkten Auslöschung an einen Dritten veräußert würde, bleibt die
Dienstbarkeit nach wie vor auf dem dienstbaren Grund haften, und kann die
Vergänglichkeit des vorigen Besitzers nur ihme selbst und seinen Erben, nicht
aber einem dritten Besitzer schaden.
[2, 27, § 6] 65. Wo aber der Herr des herrschenden Grunds,
oder Jener, welchem das Recht der Dienstbarkeit zukommt, etwas wissentlich auf
dem dienstbaren Grund erbauen oder geschehen ließe, wodurch er für allzeit von
dem Gebrauch der Dienstbarkeit ausgeschlossen würde, ohne dagegen etwas
einzuwenden, bedarf es zur Verlustigung dieses seines Rechts der Dienstbarkeit
gar keines Zeitlaufs, sondern die wissentliche Verstattung und Erlaubniß eines
solchen den Gebrauch der Dienstbarkeit für allzeit ausschließenden Werks
begreift in sich deren stillschweigende Erlassung, wann auch solche auf dem
dienstbaren Grund noch wirklich vorgemerket wäre.
[2, 27, § 6] 66. Damit jedoch eine Dienstbarkeit durch deren
Nichtgebrauch verloren werden möge, muß Derjenige, deme sie angebühret, im
Stande sie zu gebrauchen, und nicht etwan durch länger anhaltenden Nothfall,
oder sonstige aus höherer Gewalt herrührende Ehehaften hieran verhinderet
gewesen sein, und beinebst auch die Macht gehabt haben, sein Recht vergeben zu
können.
(2-487) Caput XXVIII.
Von persönlichen Dienstbarkeiten.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von dem Nießbrauch.
§. I. Die Bestellung des Nießbrauchs. §. II. Von Dingen,
woran der Nießbrauch bestellet werden könne. §. III. Von Wirkungen des
Nießbrauchs. §. IV. Von Beendigung des Nießbrauchs.
§. I.
[2, 28, § 1] Num. 1. Die ordentliche persönliche
Dienstbarkeiten, welche ihrer Natur und Eigenschaft nach nur zum Nutzen der
Person bestellet werden, sind dreierlei, als: Erstens der Nießbrauch, zweitens
der Gebrauch eines Dings, drittens die häusliche Wohnung. Nach diesen drei
Gattungen wird gegenwärtiges Capitel in drei Artikel abgetheilet, und in deren
ersteren von dem Nießbrauch, in denen folgenden zweien aber von denen übrigen
zweien Gattungen gehandlet.
[2, 28, § 1] 2. Der Nießbrauch wird auch anderst der
Fruchtgenuß, die Nutznießung, das Leibgeding oder die Leibzucht genannt, und
ist eine Befugniß und Gerechtigkeit
(2-488) fremde Sachen zu gebrauchen und zu genießen, ohne
daß jedoch deren Wesen geschmäleret und verminderet
werde.
[2, 28, § 1] 3. Diese Art der persönlichen Dienstbarkeit
giebt demnach Demjenigen, welchem sie gebühret, die Macht alle und jede Nutzung
von dem Gut, woran sie bestellet worden, zu seiner Nothdurft, Nutzen, Lust und
Bequemlichkeit einzuheben, zu genießen, und sich des Guts nach Wohlgefallen zu
gebrauchen, wann nur dessen Wesenheit nicht geänderet, geschmäleret und
verringeret wird.
[2, 28, § 1] 4. In dieser seiner Wirkung kommt zwar der
Nießbrauch mit dem nutzbaren Eigenthum überein, unterscheidet sich aber von
solchem hauptsächlich darinnen, daß dem Nutznießer an dem Gut, woran er den
Nießbrauch hat, gar kein Eigenthum gebühre, sondern dieses einzig und allein
dem Eigenthümer verbleibe, folglich auch, wo das Gut von einem Dritten
ansprüchig würde, der Eigenthümer allein mit der Eigenthumsklage verfahren, der
Nutznießer hingegen bloß mit der aus der Natur aller Dienstbarkeiten
entspringenden Rechtsforderung, und nicht wie ein nutzbarer Eigenthümer
mittelst der nutzbaren Eigenthumsklage, sein Recht suchen und behaupten könne.
[2, 28, § 1] 5. Ferners gehet das nutzbare Eigenthum seiner
Natur nach auf die Erben, wann solches nicht namentlich auf die Person, welcher
es verliehen worden, beschränket wird; in Gegentheil erlöschet der Nießbrauch
mit der Person dessen, welchem solcher bestellet wird, wann dessen Vererbung
nicht ausdrücklich verstattet oder ausbedungen worden.
[2, 28, § 1] 6. Der Nießbrauch wird nach Maßgebung dessen,
was davon in gleich vorhergehendem Capitel, §. III. geordnet worden, entweder
von dem Gesatz, oder von dem Richter, oder willkürlich Einem von dem Anderen
bestellet, wann dieser das volle, freie, unwiderrufliche, und in der Verwaltung
uneingeschränkte Eigenthum des Guts hat.
[2, 28, § 1] 7. Die Bestellung kann sowohl durch lebzeitige,
als letztwillige Handlungen geschehen, wie nicht weniger der Nießbrauch durch
rechtmäßige Verjährung erworben werden, doch auf liegenden Gütern, und hieran
haftenden Rechten niemalen anderst, als mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern; widrigens wirket dieselbe nur eine persönliche Verbindlichkeit
des Bestellenden, keineswegs aber ein dingliches Recht, noch weniger die
Behaftung des Grunds.
[2, 28, § 1] 8. Wie der Nießbrauch durch letztwillige
Anordnungen bestellet werde, ist allschon oben in sechzehenten Capitel, zweiten
Artikel, §. XI. ausführlich erkläret worden, wobei nur noch dieses anzumerken
ist, daß der verschaffte Nießbrauch und auch die anderen persönlichen
Dienstbarkeiten, wann sie keinen verschiebenden Beisatz haben, nicht weniger
wie alle andere unbedingte Vermächtnissen von dem Tag des Absterbens des
Erblassers gebühren, mithin deswegen von der gemeinen Regel, welche in
vorbemeltem Capitel, drittem Artikel, §. XXII, festgesetzet worden, kein Abfall
statt habe.
§. II.
[2, 28, § 2] 9. Der Nießbrauch kann an allen Dingen
bestellet werden, welche im Handel und Wandel sind, und durch den Gebrauch
nicht verthan und verzehret werden, sie mögen beweglich oder unbeweglich,
körperlich oder unkörperlich sein.
[2, 28, § 2] 10. An jenen Dingen hingegen, welche durch den
Gebrauch verthan und verzehret werden, kann kein Nießbrauch bestehen, sondern
wo jegleichwohlen derselbe hieran bestellet würde, ist die Handlung nach dem
Unterschied, ob davon ebensoviel, oder der angeschlagene Werth zuruckzustellen
bedungen oder auferleget worden, ersteren Falls für ein Darlehen, und letzteren
Falls für einen Kauf zu achten.
[2, 28, § 2] 11. Woferne aber der Nießbrauch des gesammten
Hab und Vermögens Jemanden verschaffet worden wäre, worunter sich solche Dinge
befände, die sich nicht aufbehalten ließen, sondern durch den Gebrauch verthan
und verzehret würden,
(2-489) solchen Falls sollen dieselbe durch die gerichtliche
Versteigerung veräußeret, das erlöste Geld sicher angeleget, und die davon
abfallende Zinsen dem Nutznießenden zum Gebrauch überlassen werden.
[2, 28, § 2] 12. Auf liegenden Gütern, und hieran
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich haftenden Rechten kann der Nießbrauch
vorbesagter Maßen nicht anderst, als mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern bestellet werden.
[2, 28, § 2] 13. Gebühret der Nießbrauch von einem Recht, so
hat der Nutznießende lediglich dessen Ausübung, und den Gebrauch und Genuß der
damit verknüpften Vortheilen, das Recht selbst aber bleibet bei deme, welchem
es eigenthumlich zukommt, und wo Jemand die Nutznießung von einem Capital hat,
so gehören ihme die Zinsen davon, das Capital aber dem Eigenthümer.
[2, 28, § 2] 14. Wann der Nießbrauch an Fahrnissen und
beweglichen Sachen verschaffet würde, sollen dieselbe je und allzeit vor deren
Ausantwortung an den Nutznießenden gerichtlich beschrieben, geschätzet, und
deren Werth in dem Inventario zugleich angemerket werden, um damit bei Endigung
des Nießbrauchs ohne Anstand wissend sein könne, was und wie viel, oder was für
ein Werth für das Abgängige dem Eigenthümer zuruckzustellen seie; was aber
davon durch den mäßigen Gebrauch abgenutzet worden, dafür ist der Nutznießer
oder dessen Erben nicht verfänglich, wann seine Schuld dabei nicht unterwaltet.
[2, 28, § 2] 15. Wo aber durch lebzeitige Handlungen der
Nießbrauch an beweglichen Dingen bestellet würde, solle es der eigenen Willkür
des Eigenthümers überlassen bleiben, wie er sich des Eigenthums halber
sicherstellen wolle.
[2, 28, § 2] 16. Niemalen hingegen solle ein dritter
Besitzer, welcher eine solche bewegliche Sache mit guten Glauben, und ohne von
dem fremden Eigenthum etwas zu wissen, durch eine aufrechte Handlung an sich
gebracht, deshalben angefochten werden können, sondern dem Eigenthümer seine
Entschädigung an dem Nutznießenden allein zu suchen bevorstehen.
[2, 28, § 2] 17. Insgemein ist der Nutznießende zu keiner
Sicherstellung des Guts, woran ihme der Nießbrauch gebühret, verbunden, wann
solche von dem Erblasser nicht auferleget, oder von dem Bestellenden
ausbedungen worden, welchen Falls dieselbe so und nicht anderst, als wie sie vorgeschrieben
worden, von ihme zu leisten ist, wobei es dann auch bei lebzeitigen
Bestellungen sein ohnabänderliches Bewenden hat.
[2, 28, § 2] 18. Wäre aber Jener, deme der Nießbrauch eines
Guts durch letzten Willen verschaffet worden, erweislicher Maßen nicht im
Stande die von dem Erblasser anverlangte Sicherstellung aufzubringen, und sonst
keine Gefährde zu besorgen, so ist demselben mittlerweil, und bis daß er zu
Kräften gelange der Auflage Genügen zu thun, gegen eidlicher Angelobung und
Verstrickung, daß er sich des Guts wirthschaftlich gebrauchen, und selbes nach
geendigtem Nießbrauch in guten Stand zuruckstellen wolle, der Nießbrauch zu
verstatten.
[2, 28, § 2] 19. Würde in Gegentheil wegen dessen
unwirthlichen Betragen, oder wegen überhäufter Schuldenlast ein gegründetes
Bedenken fürwalten ihme das Gut ohne aller Sicherheit anzuvertrauen, so solle
hierüber ein Sequester unter der Verrechnung bestellet, und ihme für die Zeit
des fürwährenden Nießbrauchs die Einkünften davon verabfolget werden.
[2, 28, § 2] 20. Auch außer dem Fall einer ausdrücklich
auferlegten oder ausbedungenen Sicherstellung stehet dem Eigenthümer des Guts
allzeit frei, wann er die aus der üblen Verwaltung des Nutznießers
bevorstehende Gefahr der Schmälerung und Verkürzung des Guts erweisen kann, den
Nutznießer deshalben sowohl um den Ersatz des bereits an dem Gut erweislich
zugefügten Schadens, als um die Sicherstellung für das Künftige zu belangen.
[2, 28, § 2] 21. Wo aber von ihme weder das Eine, noch das
Andere zu erhalten wäre, solle demselben die eigene Verwaltung benommen, und
solche einem eigends aufstellenden Sequester unter der Verrechnung anvertrauet,
aus den abfallenden Einkünften
(2-490) der verursachte Schaden ersetzet, und das, was
hieran erübriget wird, dem Nutznießer für die Zeit seines fürwährenden
Nießbrauchs verabfolget, widrigens aber, wo der Schaden so beträchtlich wäre,
daß solcher aus einjährigen Einkünften nicht ersetzet werden könnte, der
Nießbrauch verwirket, und sofort mit dem Eigenthum vereinbaret werden.
[2, 28, § 2] 22. Uebrigens kann der Nießbrauch eines Guts
ganz oder zum Theil, oder auch an einem Gut Mehreren zusammen zu ungeschiedenen
Theilen bestellet werden, in welchem letzteren Fall zwar das Recht selbst
untheilbar ist, die Nutzungen aber unter Alle vertheilet werden.
§. III.
[2, 28, § 3] 23. Die Wirkungen des an liegenden Gütern und
hieran haftenden Rechten mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, und an
beweglichen Dingen mittelst der Uebergabe ordentlich bestellten Nießbrauchs
bestehen an Seiten des Nutznießenden sowohl in den daherrührenden Vortheilen,
als den damit verknüpften Schuldigkeiten.
[2, 28, § 3] 24. Die Vortheile betreffen viererlei
Gegenstände, als: Erstens den Besitz des nutznießenden Guts, zweitens die
Behelfe, ohne welchen die Nutznießung nicht in Ausübung gebracht werden kann,
drittens die völlige Nutzung des Guts, viertens die daher gebührende
Rechtsforderungen und rechtliche Hilfsmitteln wider die Beeinträchtigung eines
Anderen.
[2, 28, § 3] 25. Das einmal bestellte Recht des Nießbrauchs
stehet dem Nutznießer eigenthumlich zu, nicht aber das Gut, woran ihme dasselbe
gebühret; folglich besitzet er zwar das Recht des Nießbrauchs eigenthumlich an
dem nutznießenden Gut, hingegen hat er nur jenen rechtlichen Besitz, welcher
nicht mit der Absicht und Meinung solches als sein Eigen innen zu haben
verknüpfet ist.
[2, 28, § 3] 26. Er ist dahero befugt Alles das zu thun und
zu veranstalten, ohne welchem er dieses sein Recht nicht ausüben, und das Gut
nicht nutzen und genießen kann, als Scheunen und Speicher zu Verwahrung der
Früchten, und andere nöthige Wirthschaftsgebäude zu errichten, Gärten und
Teiche anzulegen, und überhaupt Alles vorzukehren, wodurch der Nutzen
vermehret, das Eigenthum des Grunds aber nicht geschmäleret und verringeret wird.
[2, 28, § 3] 27. Dahingegen ist ihme nicht erlaubet außer
jenen Gebäuden, welche zu dem Wirthschaftstrieb unumgänglich erforderlich sind,
andere Wohn- und Lustgebäude wider Willen des Eigenthümers zu bauen, oder den
bei Antritt des Nießbrauchs vorgefundenen noch unvollkommenen Bau auszuführen,
oder ein gebautes Haus zu änderen.
[2, 28, § 3] 28. Was aber von ihme eingebauet wird, folget
dem Grundeigenthum, und kann er oder dessen Erben nicht nur für das, was er
ohne Noth auf die Gebäude verwendet, nach geendigtem Nießbrauch keinen Ersatz
der Kosten von dem Eigenthümer anforderen, sondern derselbe ist gegentheils
verbunden, wann das neue Gebäu oder die geänderte Gestalt des alten dem
Eigenthümer nicht anständig ist, solches auf eigene Unkosten anwiederum
abzutragen und hinwegzuraumen, oder die vorige Gestalt herzustellen, wie nicht
weniger allenfalls den dem Grund andurch zugefügten erweislichen Schaden zu
vergüten.
[2, 28, § 3] 29. Er hat ferners die Macht das Gut, woran
ihme der Nießbrauch zustehet, vollkommen zu nutzen und zu genießen, folglich
alle wie immer Namen habende Nutzungen, sie bestehen in Früchten, Zinsen,
Pacht- und Bestandgeldern, Zöllen, Zehenten, Renten, Fischfang, Waidwerk,
Forst- und Waldnutzen, Steinbrüchen, Ausbeuten aus den, es sei vor oder erst
nach bestelltem Nießbrauch, entdeckten Bergwerken, oder in was sonst immer für
anderen Einkünften selbst, oder durch Andere einzuheben, zu genießen, zu
verkaufen, zu verpfänden, zu verpachten, und in Bestand zu lassen, oder zu
verschenken.
[2, 28, § 3] 30. Wo aber auf dem nutznießenden Gut ein
Schatz gefunden würde, hat
(2-491) er hieran keinen Antheil, außer in dem Fall, da er
solchen selbst gehoben hätte, in der oben in vierten Capitel, §. V, num. 97
angeordneten Maß.
[2, 28, § 3] 31. Wann hingegen das nutznießende Gut durch
einen Zugang oder Zuwachs vermehret und verbesseret worden wäre, kann er zwar
auch diesen Zuwachs in seiner Art benutzen und genießen, dessen Eigenthum aber
bleibet dem Grundeigenthümer vorbehalten.
[2, 28, § 3] 32. Desgleichen kann er alle dem nutznießenden
Gut anklebende Grunddienstbarkeiten, und die hieran haftende Rechten ausüben,
als da sind die Gerichtsbarkeit, das Verleihungsrecht der Pfarren, das Jagd-
und Forstrecht, und überhaupt alle wie immer Namen habende dem Gut zustehende
Gerechtigkeiten.
[2, 28, § 3] 33. Endlich kann er nicht allein das Gut sowohl
zu seiner Nothdurft und Nutzen, als zur Lust und Bequemlichkeit selbst
gebrauchen, wann es andurch nicht verschlimmeret wird, sondern auch in eben
dieser Maße die Macht solches ganz oder zum Theil zu nutzen, zu genießen und zu
gebrauchen für die Zeit seiner Inhabung an Andere kauf-, pacht- oder
schankungsweise, oder auf was immer für andere Art überlassen.
[2, 28, § 3] 34. Das Recht des Nießbrauchs aber selbst ist
er nicht befugt an Andere abzutreten und zu veräußeren, sondern, wo er sich
dessen unterfinge, wirket die Veräußerung oder Abtretung sofort die
Verlustigung des Nießbrauchs an Seiten des Nutznießers, und dessen
Anheimfallung an den Grundeigenthümer.
[2, 28, § 3] 35. Woferne jedoch derselbe in dem Gebrauch und
Genuß seines Rechts gestöret oder beeinträchtiget würde, gebühren ihme nicht
nur alle aus dem rechtlichen Besitz fließende Hilfsmitteln, sondern auch die
aus der Natur aller Dienstbarkeiten herrührende, in vorigen Capitel, §. V, von
num. 44 bis 48 beschriebene Rechtsforderung zur Behauptung und Erhaltung seines
Rechts.
[2, 28, § 3] 36. Dagegen ist der Nutznießer schuldig:
Erstens, das nutznießende Gut in seinem Wesen und Gestalt so, wie er es
angetreten, ohne Schmälerung und ungeänderet zu belassen, folglich das Gut zu
keinem anderen Gebrauch, als es sonst von dem Eigenthümer gebrauchet und
genossen worden, oder seiner natürlichen Beschaffenheit nach genutzet werden
mag, anzuwenden.
[2, 28, § 3] 37. Er ist dahero nicht befugt, zum Schaden
Aecker in Wiesen, oder diese in Aecker zu verwandlen, Wälder auszuhauen, Teiche
auszutrocknen, und sonst etwas dergleichen zu thun, wodurch die vorige Gestalt
geänderet würde, obschon ihme nicht verwehret ist Oedungen anzubauen, und auf
was immer für eine dem Grundeigenthum unschädliche Art in nutzbaren und
fruchtbringenden Stand zu setzen.
[2, 28, § 3] 38. Zweitens, das Gut in dessen Gebrauch und
Benutzung nicht zu schmäleren und zu verringeren, sondern dasselbe in guten Stand
zu erhalten, die Aecker, Gärten und Weinberge wirthschaftlich zu bestellen,
alle zu dem Anbau, Fechsung und Erhaltung in baulichen Stande nöthige Kosten
selbst zu tragen, die baufälligen Gebäude mit eigenen Aufwand herzustellen, das
beigelassene Vieh in seiner Gattung und vollzähliger Zahl, in welcher er solche
angetreten, zu erhalten, mithin den Abgang aus dem Zuwachs zu ersetzen, wie
nicht weniger anstatt der umgestandenen fruchttragenden Bäumen neue von eben
dieser Art und Eigenschaft, oder doch wenigstens von nicht geringerer
Nutzbarkeit auszusetzen.
[2, 28, § 3] 39. Wo aber die ganze Heerde Viehs durch Seuche
oder sonstigen Zufall ohne seiner oder der Seinigen Schuld umkäme, oder
Obstbäume von der Gewalt des Winds ausgerissen oder abgebrochen würden, dafür
ist er keineswegs verfänglich.
[2, 28, § 3] 40. Drittens, in dem Gebrauch und Genuß des
Guts sich, wie es einem guten Haushalter geziemet, zu betragen, folglich den
Nutzen nicht völlig zu erschöpfen, und dem Eigenthümer das leere Nachsehen zu
lassen.
[2, 28, § 3] 41. Er ist demnach nicht berechtiget sich von
deme, was von einem erschöpflichen Nutzen ist, als Waldungen, Erzgruben,
Steinbrüche u. dgl., ein Mehreres zuzueignen, als was nach dem ordentlichen
Wirthschaftstrieb in einem jedwedem
(2-492) Jahrgang zur eigenen Nothdurft oder zum Verkauf
verwendet zu werden pfleget; was aber diese Maß übersteiget, dieses ist dem
Eigenthümer zu ersetzen.
[2, 28, § 3] 42. Eben also kann der Nutznießer von
übermäßigen Windbrüchen nur so viel zu seinem Nutzen verbrauchen, als der
gewöhnliche jährliche Holzschlag beträgt; was aber nach geendigten Nießbrauch
noch davon vorhanden ist, gehöret dem Eigenthümer, und was währenden
Nießbrauchs hiervon über die Gebühr verwendet worden, ist demselben zu
vergüten.
[2, 28, § 3] 43. Viertens, ist der Nutznießer verbunden in
der Verwaltung des nutznießenden Guts allen gebührenden Fleiß, wie es einem
sorgfältigen Haushalter zustehet, anzukehren, und so viel bei ihme stehet,
Schaden und Nachtheil abzuwenden, folgsam auch für allen aus seiner Gefährde,
großen oder leichten Schuld an dem Gut erwachsenen Schaden zu haften; für
Unglücksfälle hingegen wird derselbe nicht verantwortlich.
[2, 28, § 3] 44. Fünftens, alle von dem nutznießenden Gut
gebührende sowohl ordentliche als außerordentliche Steuern und Anlagen zu
tragen und zu entrichten; es würden dann bei vorfallender Staatserforderniß so
große außerordentliche Gaben oder Darlehen von dem Gut geforderet, welche die
jährliche Nutzungen größtentheils erschöpfeten oder gar überstiegen, in welchem
Fall der Eigenthümer solche abzutragen, der Nutznießer hingegen die Zinsen von
der abgestatteten Summe zu bezahlen hat.
[2, 28, § 3] 45. Sechstens, desgleichen hat derselbe alle
andere auf dem Gut haftende, oder nach der Zeit aus obrigkeitlicher Anordnung
demselben aufliegende Abgaben zu entrichten, und überhaupt sowohl alle
Haftungen, als auch die zu dem Wirthschaftstrieb erforderliche Kosten zu
tragen.
[2, 28, § 3] 46. Siebentens, wo vor dem angetretenen
Nießbrauch Schulden auf dem Gut hafteten, wird das Recht des Nießbrauchs
lediglich auf das, was nach Abzug der Schulden und der davon gebührenden Zinsen
erübriget, beschränket, also zwar, daß er nicht allein die Zinsen aus den
Einkünften zu bezahlen, sondern auch zu gestatten schuldig seie, daß, wo der
Glaubiger auf die Bezahlung des Capitals andringet, so viel, als zu dessen
Befriedigung nöthig ist, von dem Gut selbst veräußeret werde.
[2, 28, § 3] 47. Achtens, alle Gerichtsunkosten auf die
Vertheidigung des von einem Dritten ansprüchig gemachten Nießbrauchs fallen dem
Nutznießer allein zur Last, gleichwie im Gegentheil, wo das Eigenthum ganz oder
zum Theil angestritten würde, dem Eigenthümer allein oblieget, die Unkosten zu
tragen, obschon dem Nutznießer aus dem behaupteten Eigenthum ein mehrerer
Nutzen und Vortheil zugehet.
[2, 28, § 3] 48. An Seiten des Eigenthümers wirket das einem
Anderen bestellte Recht des Nießbrauchs die Verbindlichkeit, daß er nichts thun
könne, wodurch der Nutznießer in dem vollen Gebrauch und Genuß des Guts
gehinderet und gestöret würde, sondern gegentheils Alles, ohne welchem das Gut
nicht genutzet werden könnte, zu verstatten, sowie Jenes, wodurch der Gebrauch
gehinderet wird, aus dem Weg zu raumen schuldig seie, doch nur in derjenigen
Maß, wie das Gut vor bestelltem Nießbrauch genutzet worden, oder seiner
damaligen Beschaffenheit nach genutzet werden können.
[2, 28, § 3] 49. Nicht weniger ist er verbunden das Gut
wider die auf das Eigenthum machende Ansprüche eines Dritten auf eigene
Unkosten zu verfechten und zu vertheidigen, folglich den Rechtsstritt
auszuführen, ohne deshalben an dem Nutznießer einigen Ersatz der Unkosten
anforderen zu können.
[2, 28, § 3] 50. Dahingegen ist demselben nicht verwehret
das Eigenthum des Guts, worauf der Nießbrauch haftet, auch ohne Einwilligung
des Nutznießers nach Gefallen zu veräußeren und zu verpfänden, jedoch allemal
ohne Nachtheil und Verkürzung des Nutznießers, also und dergestalten, daß
währendem Nießbrauch weder
(2-493) der Kaufer sich an dem Gut eines mehreren Rechts,
als der Verkaufer gehabt, anmaßen, noch der hierauf versicherte Glaubiger sich
hieran wegen Bezahlung der Schuld oder der Zinsen, so lange der vor seiner
Versicherung bestellte Nießbrauch daueret, halten könne.
§. IV.
[2, 28, § 4] 51. Der Nießbrauch erlöschet: Erstens, durch
Absterben der Person, welcher er bestellet worden, obschon dieselbe noch
ehender verstorben, ehe und bevor sie zu dem wirklichen Genuß gelanget, oder
die Zeit, bis dahin der Nießbrauch fürzuwehren gehabt hätte, noch nicht
verflossen wäre. Doch gehören die Früchten und Nutzungen, welche nach
bestelltem Nießbrauch noch bei Lebzeiten des Nutznießers eingehoben und
eingesammlet worden oder verfallen sind, ehe und bevor er zu dem Besitz des
Nießbrauchs gelanget, seinen Erben.
[2, 28, § 4] 52. Es seie dann, daß der Nießbrauch
ausdrücklich auch denen Erben verliehen worden wäre, welchen Falls dieselben
zwar in den Nießbrauch, nicht aber aus einem von dem Erblasser auf sie
übertragenen Recht, sondern aus der Nachberufung des Verleihenden eintreten.
[2, 28, § 4] 53. Wo aber in der Verleihung und Bestellung
des Nießbrauchs nicht namentlich der Personen der Erben, sondern ihrer nur
überhaupt gedacht würde, solle solche nur von denen ersten Erben des
Erwerbenden verstanden werden, und nach deren Abgang der Nießbrauch sofort dem
Eigenthümer anheimfallen; wann doch Jemand in der Bestellung des Nießbrauchs
mehrere Grade der Nachberufung, welche alle zu ihrer Wirksamkeit kommen sollen,
machen wollte, ist derselbe an Beobachtung alles dessen gebunden, was oben von der
vertraulichen Erbsnachberufung im dreizehenten Capitel, zweiten Artikel, §. VI,
num. 85 und 86 geordnet worden.
[2, 28, § 4] 54. Ist der Nießbrauch Mehreren zusammen
verliehen worden, deren Einer abginge, so hat in Ansehung der Anderen kein
Recht des Zuwachses statt, sondern der erledigte Theil der Nutzung fallt dem
Eigenthümer anheim, außer jenen Fällen, welche im sechzehenten Capitel, ersten
Artikel, §. III ausgenommen sind.
[2, 28, § 4] 55. Wäre hingegen der Nießbrauch einem Mittel
oder Gemeinde, welche niemalen abstirbt, ohne Bestimmung einer Zeit, wie lang
solcher fürzuwähren habe, bestellet worden, währet derselbe auch so lange, als
die Gemeinde fort; wo aber diese erlöschen oder aufgelöset würde, hat auch der
Nießbrauch sein Ende, und fallt an das Eigenthum zuruck.
[2, 28, § 4] 56. Zweitens, durch die Unfähigkeit des
Nutznießers das Gut weiters zu besitzen und zu genießen, welche sich andurch
ereignet, wann derselbe durch Ablegung feierlicher Ordensgelübden sich des
Besitzes zeitlicher Güter unfähig macht, oder ein Verbrechen begehet, worauf
die Einziehung der Güter zu Handen Unserer Kammer ausgesetzet ist.
[2, 28, § 4] 57. Drittens, durch Verlauf der Zeit oder
Erfolg der Bedingniß, bis dahin der Nießbrauch verliehen worden; viertens,
durch Uebertretung der vorgeschriebenen Maß, wann andurch der Nutznießer dem
Gut einen solchen erweislichen Schaden zufüget, zu wessen Ersatz die gesammten
Einkünften eines Jahrs nicht zureichend, noch auch er Denselben aus anderweiten
Mitteln zu vergüten im Stande ist, oder wann er dagegen Demjenigen nicht
Genügen leistet, was ihme in Ansehung des verliehenen Nießbrauchs zu thun oder
zu leisten auferleget worden.
[2, 28, § 4] 58. Fünftens, durch Abtretung und Veräußerung
des Nießbrauchs an einen Dritten, wann nemlich der Nutznießer das Recht des
Nießbrauchs selbst an eine in der Verleihung nicht mitbegriffene Person
überläßt, obschon er den Nutzen und die Früchten an Andere verkaufen,
verpfänden, verpachten, verschenken, und solche durch Andere in seinem Namen,
wiewohlen zu ihren Handen einheben lassen kann.
[2, 28, § 4] 59. Sechstens, durch alle diejenige allen
Dienstbarkeiten gemeine Beendigungsarten,
(2-494) welche in gleichvorhergehenden siebenundzwanzigsten
Capitel, §. VI beschrieben worden.
[2, 28, § 4] 60. Durch Veränderung des Eigenthümers aber
höret der Nießbrauch nicht auf, sondern das Eigenthum möge an wen immer
veräußeret oder vererbet werden, so währet doch der Nießbrauch allzeit fort, es
wäre dann, daß an den Nutznießer selbst das Eigenthum des Guts, woran ihme der
Nießbrauch zugestanden, gelangete, welchen Falls das Recht des Nießbrauchs
durch die Vereinbarung mit dem Eigenthum erlöschet.
[2, 28, § 4] 61. In allen vorbemerkten Fällen kehret der
Nießbrauch zu dem Eigenthum zuruck, und der abtretende Nutznießer oder dessen
Erben sind schuldig, das Gut, woran die Nutznießung gebühret hat, mit allen
seinen Zugehörungen und Beilässen in demjenigen Stand, in welchem es von dem
Nutznießer angetreten worden, dem Eigenthümer zuruckzustellen, und um was
solches aus Schuld des Nutznießers verringeret worden, demselben zu vergüten.
[2, 28, § 4] 62. Was aber an schon eingehobenen und
eingesammleten Früchten und Nutzungen vorhändig ist, gehöret dem abtretenden
Nutznießer oder seinen Erben, worunter Alles begriffen wird, was schon von dem
Erdboden abgesönderet ist, obschon es noch nicht eingeführet und wirklich
eingebracht worden. Dahingegen hat weder er noch seine Erben an denen zur Zeit des geendigten Nießbrauchs noch hangenden Früchten
einigen Anspruch, sondern, gleichwie der Nutznießer die zur Zeit des
angetretenen Nießbrauchs hangende Früchten gewinnet, also ist er auch solche
bei dessen Endigung dem Eigenthümer zu überlassen schuldig.
[2, 28, § 4] 63. Doch müssen in solchem Fall dem abtretenden
Nutznießer oder dessen Erben alle in dem letzten Jahrgang auf die Bestellung
der Aecker, Gärten und Weinbergen und dem sonstigen Wirthschaftstrieb, wovon
der Nutzen erst erwartet wird, erweislich ausgelegte nöthige Kosten, welche
nicht von dem Gut selbst, sondern mit eigenem Aufwand bestritten worden, von
dem Eigenthümer vergütet werden.
[2, 28, § 4] 64. So viel es hingegen die ausständigen
Zinsen, Pacht- und Bestandgelder, dann Frohndiensten oder Roboten anbelanget,
so gehören solche bis auf den Tag des geendigten Nießbrauchs dem Nutznießer
oder dessen Erben, von diesem Tag aber anzufangen gebühren sie dem Eigenthümer,
und hat hierbei überhaupt jene Abtheilung statt, welche oben im dreizehenten
Capitel, zweiter Artikel, §. X von num. 244 bis 247 bei der Nachfolge in Trau-
oder Fideicommißgütern vorgeschrieben worden.
[2, 28, § 4] 65. An denen auf das Gut selbst verwendeten
Kosten kann der abtretende Nutznießer oder dessen Erben nur jene
zuruckforderen, welche derselbe aus erweislicher Nothwendigkeit zur
beharrlichen Erhaltung des Guts auszulegen bemüßiget ware; jene hingegen,
welche auf dessen zeitweilige Pflegung und Erhaltung auch nothwendig
aufgewendet worden, hat er selbst zu tragen.
[2, 28, § 4] 66. Noch weniger kann er oder dessen Erben den
Ersatz des zu seinem mehreren Nutzen oder zur Lust gemachten Aufwands
zuruckforderen, sondern ihme stehet bloß frei, das, was ohne Beschädigung des
Grund füglich hiervon abgesönderet werden kann, mit sich hinwegzunehmen, was
aber ohnabsönderlich ist, hat bei dem Grund zu verbleiben, ohne Verfänglichkeit
eines Ersatzes.
(2-495) Zweiter Artikel.
Von dem Gebrauch eines Dings.
§. V. Von Unterschied des bloßen Gebrauchs von dem
Nießbrauch. §. VI. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung des Gebrauchs.
§. V.
[2, 28, § 5] 67. Die zweite ordentliche persönliche
Dienstbarkeit ist der Gebrauch eines Dings oder Guts, welcher nichts Anderes
ist, als eine Befugniß und Gerechtigkeit, sich eines fremden Guts zu seiner
täglichen Nothdurft ohne dessen Schmälerung und Verringerung zu gebrauchen.
[2, 28, § 5] 68. Diese Dienstbarkeit kommt zwar in ihrer
Bestellungs- und Beendigungsart mit dem Nießbrauch vollkommen überein, sie
unterscheidet sich aber von diesem in der Art und Weis des Gebrauchs, und in
ihrer Wirkung.
[2, 28, § 5] 69. Dann der Gebrauch begreift seiner Natur und
Eigenschaft nach weniger Nutzen in sich, als der Nießbrauch; maßen dieser
überhaupt alle aus dem Gut erzeugende Nutzungen, wann gleich solche die
tägliche Nothdurft weit übertreffen, dem Nutznießenden zueignet.
[2, 28, § 5] 70. Dahingegen der bloße Gebrauch einzig und
allein auf die tägliche Nothdurft des Gebrauchenden, und der Seinigen
beschränket ist; was aber über die tägliche Nothdurft an Nutzungen erübriget
wird, gehöret dem Eigenthümer.
[2, 28, § 5] 71. Es ist dahero allemal darauf zu sehen, ob
in der Bestellung oder Verleihung der Gebrauch oder der Nießbrauch erwähnet
werde; die Worte zu seiner Nothdurft oder zur täglichen Nothdurft mögen darbei
ausgedrucket worden sein, oder nicht.
[2, 28, § 5] 72. Nachdeme also der Verleihende die dem Anderen
an seinem Gut verstattete Dienstbarkeit einen Gebrauch oder Nießbrauch nennet,
hiernach ist auch dessen Recht und Befugniß abzumessen, und solle weder der
Beisatz zur Nothdurft die aus der Natur der bestellten Dienstbarkeit
angebührende Gerechtigkeit des Anderen verminderen, noch dessen Auslassung
solche in ihrer Art erweiteren können, obschon dem Verleihenden unbenommen ist,
durch deutlichere Erklärung dieselbe nach Willkür einzuschränken oder
auszudehnen.
§. VI.
[2, 28, § 6] 73. Die Dienstbarkeit des Gebrauchs wird auf
die nemliche Art und Weis, und an eben denenjenigen Dingen, wie in
vorhergehendem Artikel, §§. I und II von dem Nießbrauch geordnet worden,
bestellet und erworben.
(2-496) [2, 28, § 6] 74. Ihre Wirkung bestehet in deme, daß
Jener, welchem der Gebrauch eines Guts verliehen worden, sich deren davon
abfallenden Früchten und Nutzungen zu seiner und der Seinigen täglichen
Nothdurft gebrauchen könne, doch darf der Gebrauch die Maß der Nothdurft für
sich und die Seinigen nicht überschreiten.
[2, 28, § 6] 75. Es bleiben dahero nicht allein jene
Nutzungen, deren er nicht bedarf, sondern auch von diesen, welche er zu seiner
Nothdurft brauchet, das Ueberflüssige, was er nicht bedarf, dem Eigenthümer.
[2, 28, § 6] 76. Also, da Jemanden der Gebrauch einer Heerde
Viehs verstattet wird, kann er von der Milch, Butter und Käs nicht mehr, als er
zu seiner und der Seinigen täglichen Nahrung hiervon nöthig hat, genießen, und
von der Mistung so viel, als er zur Düngung seiner Aecker und Gründen bedarf,
gebrauchen, das Uebrige aber so, wie die Kälber, Lämmer, Wolle und Felle oder
Häute gehören dem Eigenthümer.
[2, 28, § 6] 77. Hat Jemand den Gebrauch von Zugvieh, als
Ochsen oder Pferden, so kann er sich deren sowohl zum Pflügen, als zu seinem
anderen nöthigen Fuhrwesen gebrauchen; gehören aber die Pferde nur zum Reiten
und nicht im Zug, so darf er sie auch nicht zum Zug anwenden.
[2, 28, § 6] 78. Bei verliehenen Gebrauch eines Gartens kann
der hierzu Berechtigte Alles, was in den Garten wächst, zu seiner täglichen Nothdurft
daraus nehmen, und sich davon über Winter einen Vorrath sammlen, wie nicht
weniger das Gartengebäu selbst bewohnen, und des Gartens auch zu seiner und der
Seinigen Lust genießen, nicht aber die Pflanzen oder das Obst auf den Bäumen
verkaufen, oder Anderen überlassen.
[2, 28, § 6] 79. Bei dem Gebrauch eines Hauses ist der
Gebrauchende befugt nicht allein das Haus zu bewohnen, sondern sich auch aller
darzu gehörigen Nutzbarkeiten, als der darauf haftenden Bräugerechtigkeit, des
darbei befindlichen Gartens und Grundstücken, wann solche Zugehörungen zu dem
Hause sind, wie auch aller dem Hause anklebenden Dienstbarkeiten zu seiner
Nothdurft zu bedienen.
[2, 28, § 6] 80. Ist Einem der Gebrauch eines ganzen Guts
verliehen worden, so kann derselbe nebst der Wohnung auf dem Gut von allen
Nutzungen so vieles nehmen und forderen, als er zu seiner Haushaltung, und
seinen und der Seinigen täglichen Auskommen nöthig hat.
[2, 28, § 6] 81. Die Maß des täglichen Gebrauchs ist nach
dem Stand und Würde des Gebrauchenden abzumessen, und erstrecket
sich solcher nicht allein auf sein Weib und Kinder, sondern auch auf die
nöthigen Dienstboten und Hausgesinde, deren derselbe zu seiner Haushaltung
unumgänglich bedarf.
[2, 28, § 6] 82. Wird die Nothdurft und Bedürfniß nach der
Zeit größer, als z. B. durch die Verehelichung, Zuwachs mehrerer Kinder,
Krankheit und Gebrechlichkeit des Alters, und deshalben nöthige mehrere
Pflegung, so kommt ihme auch der mehrere Gebrauch in seiner Art, soweit als
solcher aus dem Gut, woran er gebühret, erholet werden mag, zu statten, welcher
nach Maß der Bedürfniß zu- oder abnimmt, wann nicht ein Anderes bedungen, oder
von dem Verleihenden nicht schon eine gewisse Maß festgesetzet worden.
[2, 28, § 6] 83. Er darf aber keineswegs den Gebrauch nach eigenem
Belieben und Wohlgefallen durch Aufnehmung Kostgänger oder mehrerer
Dienstboten, als er nach seinem Stand nicht nöthig hat, oder durch Aushaltung
seiner Verwandten, welchen er den Unterhalt abzureichen nicht verbunden ist,
vermehren.
[2, 28, § 6] 84. Dahingegen wird auch der Gebrauch andurch
nicht verminderet, wann gleich der Gebrauchende anderweite Mitteln hätte, wovon
er sich seine Bedürfnissen anzuschaffen vermögete, oder obschon ihme ein
dergleichen Gebrauch von einem Anderen verliehen worden wäre, sondern der
Gebrauch ist allemal also auszumessen, als ob der Gebrauchende einzig und
allein von daher seine Bedürfnissen herzuholen nöthig hätte.
(2-497) [2, 28, § 6] 85. Wiewohlen aber derselbe jene
Nutzungen, die er zu seinem Gebrauch und Genuß erhält, entweder selbst
verzehren, oder Anderen verkaufen oder verschenken kann, so ist derselbe doch
nicht berechtiget, von denen Nutzungen, welche über seine Nothdurft erübrigen,
etwas zu verkaufen oder zu verschenken, noch weniger den Gebrauch selbst auf was
immer für Weise an Andere abzutreten oder zu überlassen, oder solchen mit
Anderen zu theilen.
[2, 28, § 6] 86. Es seie dann, daß entweder es dem
Eigenthümer ganz und gar unschädlich seie, oder der Gebrauchende anderer
Gestalt davon keinen Nutzen haben könnte, also da Jemandem der Gebrauch eines
Hauses verliehen worden, kann derselbe, wann er das Haus selbst bewohnet, einen
Anderen, es seie entgeltlich oder unentgeltlich, zu sich in die Wohnung
einnehmen; ohne aber das Haus selbst zu bewohnen, darf er die Wohnung darinnen
niemandem Anderem vermiethen, oder auch umsonst zukommen lassen.
[2, 28, § 6] 87. Desgleichen, wo einem Fuhrmann wissentlich,
daß er das Fuhrwesen treibe, der Gebrauch eines Zugpferds verstattet wird,
stehet ihme frei, solches an Andere zu verdingen, und das Fuhrlohn zu seiner
Nothdurft anzuwenden.
[2, 28, § 6] 88. Eben also, wo Jemand den Gebrauch eines
weit entlegenen Walds hat, woraus er das Holz mit Vortheil nicht nutzen könnte,
hat er die Macht das nach Maß seiner Nothdurft benöthigte Holz zu verkaufen,
doch allemal mit Beobachtung des ordnungsmäßigen Holzschlags.
[2, 28, § 6] 89. Wird der Gebrauchende in seinem Recht
gestöret und behinderet, so gebühret ihme die zu Behauptung aller
Dienstbarkeiten überhaupt hergebrachte Rechtsforderung, und wo über die Maß des
Gebrauchs ein Stritt entstünde, hat solche der Richter nach Billigkeit und also
zu bestimmen, daß weder der Gebrauchende in seiner täglichen Nothdurft
verkürzet, noch auch der Gebrauch über die Gebühr zum Nachtheil des Eigenthümers
erweiteret, sondern in denen gemessenen Schranken, welche die Natur dieser
Dienstbarkeit mit sich bringt, erhalten werde, wann der Verleihende solche
nicht ausdrücklich weiter erstrecket hat.
[2, 28, § 6] 90. Dagegen hat der Gebrauchende in Erhaltung
und Pflegung der Sache oder des Guts, woran ihme der Gebrauch zustehet, die
nemliche Verbindlichkeit, welche einem Nutznießer oblieget, nur mit dem
alleinigen Unterschied, daß er die Steuern, Anlagen und andere auf dem Grund
haftende Beschwerden, sowie den nöthigen Aufwand zum Anbau der Gründen und zur
Erhaltung der Gebäuden in baulichen Stande nur damals allein zu tragen habe,
wann der Gebrauch allen Nutzen des Guts erschöpfet, also daß dem Eigenthümer
nichts davon übrig bleibt, woraus er diese Lasten bestreiten könnte.
[2, 28, § 6] 91. Außerdeme hat sie zwar insgemein der
Eigenthümer zu tragen, deme all übriger Nutzen über die Bedürfniß des
Gebrauchenden zugehet; wo aber der Eigenthümer nicht mehr oder gar weniger
Nutzen, als der Gebrauchende von dem Gut hätte, haben auch Beide, sowohl der
Gebrauchende, als der Eigenthümer jeder nach Maß des beziehenden Nutzens darzu
beizutragen.
[2, 28, § 6] 92. Der Gebrauch wird auf die nemliche Art und
Weis, wie es oben im ersten Artikel, §. IV von dem Nießbrauch ausgemessen
worden, geendiget, und ist in der Erlöschung dieser zwei Dienstbarkeiten gar
kein Unterschied.
(2-498) Dritter Artikel.
Von der häuslichen Wohnung.
§. VII. Von dem Unterschied der Wohnung von dem Gebrauch
eines Hauses. §. VIII. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung der Wohnung.
§. VII.
[2, 28, § 7] 93. Die dritte ordentliche persönliche
Dienstbarkeit ist die häusliche Wohnung, welche nichts Anderes ist, als eine
Gerechtigkeit die Wohnung eines fremden Hauses zu nutzen.
[2, 28, § 7] 94. Sie enthält weniger als der Nießbrauch
eines Hauses, begreift aber mehr als die Dienstbarkeit des bloßen Gebrauchs.
Wer den Nießbrauch eines Hauses hat, kann allen davon sowohl aus der Wohnung,
als aus denen Böden, Kellern, Gewölben, Hausgründen, Bräu-, Schank- und anderen
demselben anklebenden Gerechtigkeiten abfallenden Nutzen beziehen, und das Haus
auch außer dessen Bewohnung zu was immer für einen anderen nutzbaren Gebrauch,
als zur Waarenniederlag, zu Fabriken u. dgl. anwenden.
[2, 28, § 7] 95. Dahingegen beschränket sich die
Dienstbarkeit der Wohnung auf die bloße Bewohnung und den hieraus fließenden
Nutzen, also daß Jener, deme solche gebühret, sich weder des Gebrauchs der
darzu gehörigen Hausgründen, noch deren dem Hause anklebenden Gerechtigkeiten
anmaßen, um so minder aber das Haus anderst, als zur Wohnung gebrauchen könne.
[2, 28, § 7] 96. Der Gebrauch des Hauses giebt bloß allein
die Befugniß dasselbe zu bewohnen, und die übrigen Nutzbarkeiten nach Maß der
Nothdurft zu genießen, nicht aber auch dasselbe an Andere zu vermiethen und zu
verlassen, wann es der Gebrauchende nicht selbst mitbewohnt; die Dienstbarkeit
der Wohnung aber berechtiget Denjenigen, welchem sie bestellet worden, das Haus
auch an Andere, doch zu keinem anderen Gebrauch, als zur Wohnung zu vermiethen
und zu verlassen, wann gleich derselbe solches nicht mitbewohnete.
§. VIII.
[2, 28, § 8] 97. In der Bestellungsart kommt diese
persönliche Dienstbarkeit mit denen beiden anderen gänzlich überein, also daß
auch selbe nicht weniger wie jene, um die Wirkung eines den Grund selbst
behaftenden dinglichen Rechts zu haben, die Einverleibung in die Landtafel,
Stadt- oder Grundbücher erheische.
[2, 28, § 8] 98. Die Wohnung kann Jemandem entweder in dem
ganzen Hause, oder in einem Theil desselben bestellet werden, welchen Falls
solche nur in diesem benannten, und keinem anderen Ort des Hauses gebühret.
[2, 28, § 8] 99. Worinnen aber die Wohnung verstattet wird,
diesen Ort kann der hierzu Berechtigte nicht allein mit seinem Weib, Kindern,
Dienstboten und allen Anderen, welche er zu sich in die Wohnung einnimmt, wann
sie sonst eines ehrbaren Wandels sind, selbst bewohnen, sondern auch die
Wohnung in eben der Maß, wie sie ihme gebühret, an Andere mieth-, pacht- oder
bestandweise, oder auch ohne Bezahlung verlassen.
[2, 28, § 8] 100. Dahingegen ist er nicht befugt das Recht
der Wohnung selbst an Andere abzutreten und zu überlassen, noch weniger wegen
zunehmender Bedürfniß
(2-499) eine größere Wohnung, als ihme verliehen worden,
anzubegehren, oder sich anderer Nutzungen aus dem Hause, als welche die Wohnung
abwirft, anzumaßen, sondern diese bleiben dem Eigenthümer.
[2, 28, § 8] 101. Er darf auch nicht das Haus zu einem
anderen Gebrauch, als lediglich zur Wohnung anwenden, folglich weder die Böden
um fremdes Getreid darauf zu schütten, noch die Keller um fremde Weine darein
zu legen, an Andere vermiethen.
[2, 28, § 8] 102. Ebensowenig stehet ihme zu, an dem Hause
einige Aenderungen vorzunehmen, neue Gebäude aufzuführen, oder die angefangenen
zu vollenden, die Zimmer zu erhöhen, Thüren und Fenster zu vergrößeren, oder
sonst etwas ab- oder einzubrechen, wann gleich das Haus andurch verbesseret
würde, sondern, wo etwas dergleichen von ihme unternommen worden wäre, thut er
es auf seine Gefahr, und kann nicht allein dafür keinen Ersatz von dem
Eigenthümer anforderen, sondern ist noch über das auf dessen Verlangen Alles in
den vorigen Stand auf seine Unkosten herzustellen schuldig.
[2, 28, § 8] 103. Was er aber ohne wesentlicher Aenderung
des Gebäudes, es seie zur Zierde oder zu seiner mehreren Bequemlichkeit hinein
verwendet, als da er neue Oefen setzen, Doppelthüren oder Winterfenster
anschaffen, oder die Zimmer austafeln ließe, alles dieses ist ihme der
Eigenthümer bei Abtretung der Wohnung entweder abzulösen, oder dessen Hinwegnehmung
zu verstatten verbunden.
[2, 28, § 8] 104. Ueberhaupt hat Derjenige, deme die
Dienstbarkeit der Wohnung gebühret, zu Erhaltung des Hauses im Dach und Fach,
und zur Tragung der hiervon zu entrichten kommenden Steuern, Anlagen und
anderen darauf haftenden Beschwerden nach dem Unterschied des dem Eigenthümer
aus dem Hause erübrigenden mehreren oder minderen Nutzens eben dieselbe
Verbindlichkeit, welche nach der oben im zweiten Artikel, §. VI, num. 90 und 91
enthaltenen Ausmessung Demjenigen, welchem der Gebrauch eines Guts verliehen
worden, zukommt.
[2, 28, § 8] 105. Der Eigenthümer hingegen darf nichts thun
oder unternehmen, wodurch der Inwohner in dem Gebrauch und Genuß der Wohnung
gestöret oder gehinderet würde, wo aber demselben jegleichwohlen ein Eintrag
geschähe, hat er die allen Dienstbarkeiten gemeine Rechtsforderung zu
Behauptung seines Rechts, doch ist er die vorfallende nöthige Ausbesserungen
unweigerlich zu verstatten, und auch erheischenden Falls für die Zeit, als
solche vorgenommen werden, die Wohnung zu raumen schuldig.
[2, 28, § 8] 106. Umsoweniger kann er dem Eigenthümer die
Nachsicht im Hause, und die Anstellung und Haltung eines Hausmeisters oder
Hausaufsehers verwehren, wann sonst vorhin einer im Hause gewohnet hat;
übrigens wird diese Dienstbarkeit auf gleiche Art, wie die beiden anderen
persönlichen Dienstbarkeiten geendiget.
(2-500) Caput XXIX.
Von Grunddienstbarkeiten.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Grunddienstbarkeiten überhaupt.
§. I. Von der Natur und Eigenschaft aller Grunddienstbarkeiten.
§ II. Von deren Eintheilung in Hausdienstbarkeiten in Hausdienstbarkeiten und
Felddienstbarkeiten. § III. Von deren Bestellungsart. § IV. Von den
Erfordernissen zur Bestellung der Grunddienstbarkeiten. § V. Von deren Wirkung.
§. I.
[2, 29, § 1] Num. 1. Die Grunddienstbarkeiten unterscheiden
sich von denen persönlichen, welche in gleich vorhergehendem Capitel
abgehandlet worden, in deme, daß sie nicht, wie jene zum Nutzen der Person,
sondern zum Nutzen des benachbarten Grunds bestellet werden, folglich auch
nicht mit der hierzu berechtigten Person erlöschen, sondern mit dem Grund, deme
sie ankleben, auf einen jedweden Besitzer übergehen.
[2, 29, § 1] 2. Weilen aber nach Verschiedenheit der
Gründen, denen sie angebühren, andere Hausdienstbarkeiten und andere
Felddienstbarkeiten sind, als wird gegenwärtiges Capitel in drei Artikeln
abgetheilet, und in deren ersteren Jenes, was beiden Arten der
Grunddienstbarkeiten gemein ist, ausgeleget, sonach aber werben in dem zweiten
die Hausdienstbarkeiten, und endlich in dem dritten die Felddienstbarkeiten
beschrieben.
[2, 29, § 1] 3. Eine Grunddienstbarkeit ist eine auf fremden
Grund angebührende Gerechtigkeit, kraft welcher dessen Besitzer zum Nutzen des
benachbarten Grunds in dem seinigen etwas zu leiden oder zu unterlassen
schuldig ist.
[2, 29, § 1] 4. Sie müssen ihrer Natur nach also beschaffen
sein, daß sie nicht allein dem Grund, welchem sie gebühren, zum Nutzen
gereichen, sondern auch sowohl das Recht dem herrschenden, als die Schuldigkeit
dem dienstbaren Grund unzertrennlich
(2-501) anklebe, und so das eine wie die andere mit dem
Grund auf einen jedweden Besitzer übertragen werde.
[2, 29, § 1] 5. Insgemein sind zwar die Grunddienstbarkeiten
so wie die Nothdurft oder der Nutzen des Grunds, deme sie angebühren, nach
ihrer Eigenschaft allzeit fortwährend; es hinderet aber nicht, daß nicht auch
ihre Dauer in der Bestellung aber aus einem nachherigen Beding auf eine gewisse
Zeit eingeschränket werden möge.
[2, 29, § 1] 6. Die Dienstbarkeiten müssen allemal erwiesen werden,
dann ein jedweder Grund wird an sich selbst für frei und undienstbar vermuthet,
solange das Widerspiel nicht dargethan wird, und wo über die Maß des Gebrauchs
der Dienstbarkeit ein Zweifel fürwaltete, ist dieselbe überhaupt also
auszudeuten, daß solche dem Eigenthümer des dienstbaren Grunds am wenigsten
schädlich sei.
§. II.
[2, 29, § 2] 7. Nachdeme die Grunddienstbarkeiten einem
Haus- und Wohngebäude, oder aber einem Feld- und Landgut angebühren, davon
nehmen sie auch ihre Benamsung an, und heißen die ersteren eigentlich
Hausdienstbarkeiten, die letzteren aber Felddienstbarkeiten.
[2, 29, § 2] 8. Von beiden Arten werden die gemeineren in
den folgenden zwei Artikeln angeführet und erkläret werden, ohne jedoch alle zu
erschöpfen, weilen je und allzeit nach dem erheischenden Nutzen der Gründen
andere Befugnissen und Gerechtigkeiten bestellet werden können, welche sich
aber aus deme, was hier überhaupt von Grunddienstbarkeiten geordnet wird,
leicht beurtheilen lassen.
[2, 29, § 2] 9. Doch kann die nemliche Grunddienstbarkeit in
ihrer Art nach dem Unterschied, ob sie einem Haus- und Wohngebäude, oder einem
Feld- und Landgut bestellet worden, ersteren Falls eine Hausdienstbarkeit, und
letzteren Falls eine Felddienstbarkeit sein.
[2, 29, § 2] 10. Also ist die Dienstbarkeit des Wegs über
fremden Grund zu des Nachbarn Acker oder Wald eine Felddienstbarkeit, wo aber
der Weg zu des Nachbarn Wohnhaus führet, eine
Hausdienstbarkeit.
§. III.
[2, 29, § 3] 11. Die Bestellungs- und Erwerbungsarten der
Dienstbarkeiten sind sammt der Fähigkeit der Bestellenden und Erwerbenden
bereits oben in siebenundzwanzigstem Capitel, §. 3 und 4 ausführlich erkläret
worden.
[2, 29, § 3] 12. Sie können bedingt oder unbedingt, von und
bis zu einer gewissen Zeit, wann sie nemlich ihren Anfang oder ihr Ende zu
nehmen haben, oder auch zu was für einer Zeit sich derselben gebrauchet werden
könne, wie nicht weniger unter einer beigefügten Art und Weis bestellet werden.
[2, 29, § 3] 13. Wird eine Dienstbarkeit Mehreren zusammen
bestellet, so ist darauf zu sehen, ob der Nutzen getheilet werden mag oder
nicht. Ersteren Falls kann Jeder nur für seinen Antheil die Dienstbarkeit
ausüben, letzteren Falls aber ist dieselbe untheilbar, und kann Jeder sich
deren in voller Maß gebrauchen; also, da zweien verschiedenen Gründen die
Dienstbarkeit des Wegs über des Nachbarns Gründe gebührete, kann auch ein jeder
Besitzer dieser Gründen sich des Wegs in ungetheilter Maß bedienen.
§. IV.
[2, 29, § 4] 14. Zur Bestellung einer jedweden
Grunddienstbarkeit sind allemal zwei benachbarte Gründe zweierlei Herren
erforderlich; dann die Dienstbarkeiten sind Rechten und Eigenschaften der
Gründen, folglich muß auch der Grund ehender bestehen, ehe solcher mit einer
Dienstbarkeit behaftet, oder ihme ein Recht der Dienstbarkeit zugeeignet werden
kann.
[2, 29, § 4] 15. Wo aber eine Dienstbarkeit einem noch nicht
wirklich besitzenden, sondern
(2-502) erst künftig erwerbenden Grund auserleget werden
wollte, ist es eine Zusage oder Verheißung der künftig verstatten wollenden
Dienstbarkeit, aber noch keine Bestellung.
[2, 29, § 4] 16. Es sind auch zwei Gründe nothwendig, deren
einer, deme das Recht die Dienstbarkeit auf dem anderen auszuüben zustehet, der
herrschende und der andere, welcher die Dienstbarkeit zu leiden und zu verstatten
hat, der dienstbare Grund benamset wird.
[2, 29, § 4] 17. Diese Gründe müssen zweierlei Herren
zugehören, deren einer diene, und dem anderen gedienet werde; dahingegen
Niemandem seine eigene Sache diene, folglich auch keiner, wann er schon zwei
Güter besäße, auf dem einen zum Behuf des anderen eine Dienstbarkeit bestellen
kann, so lang er beide Güter im Besitz hat. Wo er aber deren eines veräußerete,
stehet ihme sodann frei, entweder das behaltende Gut
zum Nutzen des veräußerten anderen Guts mit einer Dienstbarkeit zu belegen,
oder sich solche an diesem zum Behuf des behaltenen Guts auszubedingen.
[2, 29, § 4] 18. Endlich müssen die Gründe auch benachbart
sein, weilen der herrschende Grund ansonst ohne der Nachbarschaft des
dienstbaren Grunds aus der Dienstbarkeit seinen Nutzen schöpfen kann, die
Nachbarschaft aber wird hier nicht nach der zusammenhangenden Lage der Gründen,
sondern nach dem Nutzen und Gebrauch, welchen ein auch entferneter Grund dem
anderen verschaffen mag, verstanden.
[2, 29, § 4] 19. Diesen Nutzen kann ein Grund von dem
anderen auch weiter entlegenen Grund erholen, wann nur darzwischen kein anderer
Grund gelegen ist, welcher den Nutzen und Gebrauch der Dienstbarkeit
verhinderet. Solange dahero von dem darzwischen befindlichen Grund nichts
geschieht, wodurch der Gebrauch der Dienstbarkeit verhinderet würde, kann
solche auch zwischen entferneten Gründen bestehen; sobald aber, als der
darzwischen gelegene Grund sich seiner natürlichen Freiheit bedienet und etwas
thut, was dem Gebrauch der Dienstbarkeit hinderlich wäre, erlöschet auch die
Dienstbarkeit des entferneten Grunds, weilen sie nichts mehr nutzen kann.
[2, 29, § 4] 20. Also kann die Dienstbarkeit der
Wasserleitung von einem entferneten Gut auf das andere bestehen, solange das
darzwischen gelegene Gut die Leitung über seine Gründe verstattet; nicht
weniger kann ein entfernetes Haus dem anderen mit der Dienstbarkeit nicht höher
bauen zu dörfen, um diesem die Aussicht nicht zu benehmen verfangen sein, so
lange das zwischen beiden gelegene niedrige Gebäu nicht erhöhet, und dem
herrschenden Grund die Aussicht andurch nicht verbauet wird.
[2, 29, § 4] 21. Diesen Gründen kleben die hierauf bestellte
Dienstbarkeiten als unzertrennliche Eigenschaften an, welche wie an Seiten des
herrschenden Grunds eine Gerechtigkeit, also an Seiten des dienstbaren Grunds
eine Dienstbarkeit sind.
[2, 29, § 4] 22. Ohne dem Grund hingegen kann keine
Grunddienstbarkeit bestehen, sondern wo Jemand sein Gut mit Vorbehalt der
demselben auf dem benachbarten Grund gebührenden Dienstbarkeit veräußerete,
höret diese von selbsten auf, weilen solche in Hinkunft weder der Kaufer, noch
der Verkaufer weiter ausüben kann; nicht der Kaufer, weilen ihme diese
Dienstbarkeit mit dem Grund nicht überlassen worden, nicht auch der Verkaufer,
weilen er sich der Dienstbarkeit ohne Grund nicht gebrauchen kann. Doch ist
nicht verwehret mit Einverständniß beider Theilen eine Grunddienstbarkeit in
eine persönliche zu verwandlen, wann es also zwischen ihnen bedungen wird.
§. V.
[2, 29, § 5] 23. Die allen Dienstbarkeiten gemeinen
Wirkungen sind allschon oben im siebenundzwanzigsten Capitel, §. V überhaupt
berühret worden. Bei Grunddienstbarkeiten aber ist noch insonderheit
anzumerken, daß wo deren Bestellung ohne dabei zu bestimmen und auszumessen,
wie weit sich solche zu erstrecken haben, geschehen, der Besitzer des Grunds
sich derselben an allen Orten des dienstbaren Grunds
(2-503) gebrauchen könne, folglich der dienstbare Grund in
seiner ganzen Strecke mit der Dienstbarkeit befangen seie.
[2, 29, § 5] 24. Doch verstehet sich von selbsten, daß
dieser Gebrauch leidlich und pfleglich, mithin also geartet sein müsse, wie
solcher dem Besitzer des dienstbaren Grunds am wenigsten beschwerlich und
schädlich sein möge; es ist dahero in der Dienstbarkeit des Wegs oder
Durchgangs dem Herrn des herrschenden Grunds nicht erlaubt über die Feld- oder
Gartenfrüchten, Aecker und Wiesen des dienstbaren Grunds zu gehen, zu reiten
oder zu fahren, sondern er ist schuldig sich der ordentlichen Stegen und Wegen
zu halten.
[2, 29, § 5] 25. Erhält das dienstbare Gut durch Anwurf des
Erdreichs einen Zuwachs, wird auch die Dienstbarkeit bis dahin erweiteret,
keineswegs aber auf die zu dem dienstbaren Gut zugekaufte oder sonst von neuem
darzu erworbene freie Gründe erstrecket.
[2, 29, § 5] 26. Dadurch hingegen, daß die Bedürfniß des
herrschenden Grunds, es seie durch Zuwachs des Erdreichs, Ankauf und Erwerbung
mehrerer Gründen, oder aus was sonst immer für einer zur Zeit der bestellten
Dienstbarkeit nicht schon bestehenden Ursache zugenommen, wird die
Dienstbarkeit nicht vermehret, sondern deren Gebrauch hat allzeit in derjenigen
Maß zu verbleiben, welche die Nothdurft oder der Nutzen des herrschenden Grunds
zur Zeit der Bestellung nach seinem damaligen Stand erheischet hat, wann durch
ein ausdrückliches Beding nichts Anderes vorgesehen worden.
[2, 29, § 5] 27. Woferne ein Gut, welchem auf des Anderen
Grund eine Dienstbarkeit zustehet, stuckweis verkaufet, oder von zweien Gütern,
welchen zusammen eine Dienstbarkeit bestellet ist, eines an jemanden Anderen
veräußeret worden, kann der neue Besitzer des an sich gebrachten Guts
gleichfalls die Dienstbarkeit ausüben, wann nur die vorige Maß nicht
überschritten, und der Gebrauch der Dienstbarkeit unter mehreren Besitzeren des
herrschenden Guts nicht beschwerlicher gemacht wird, als solcher vor deme unter
Einem Besitzer gewesen.
[2, 29, § 5] 28. Der Besitzer des herrschenden Grunds kann
sich der seinem Grund angebührenden Dienstbarkeit sowohl selbst, als auch durch
andere Personen, als Hausgenossen, Dienst- und Arbeitsleute, Beamten u. dgl.
Nach Gestalt und Beschaffenheit einer jeden Dienstbarkeit, wie solche zur
Nothdurft und Nutzen des herrschenden Grunds ausgeübet und gebrauchet werden
mag, bedienen, wann sonst in der Bestellung keine Einschränkung enthalten ist;
an Andere aber ist er nicht befugt den Gebrauch, noch minder das Recht der
Dienstbarkeit selbst ohne dem Grund, deme sie gebühret, zu überlassen.
[2, 29, § 5] 29. Umsoweniger kann derselbe auf dieser seinem
Grund zustehenden Dienstbarkeit jemandem Anderen eine Dienstbarkeit bestellen.
Also mag die Nutznießung oder die Dienstbarkeit des Gebrauchs an einer
Dienstbarkeit unmittelbar nicht bestehen, mittelbar aber kann mit dem Grund
selbst auf dessen Inhaber der Gebrauch der diesem Grund zukommenden
Dienstbarkeit übertragen werden; also hat ein Nutznießer des herrschenden
Grunds den Gebrauch aller diesem Grund gebührenden Dienstbarkeiten.
[2, 29, § 5] 30. Der Besitzer des dienstbaren Grunds kann
jedoch wegen der darauf haftenden Dienstbarkeit nicht verhinderet werden sein
Gut, an wen er immer wolle, mit dieser Haftung zu veräußeren; noch weniger ist
ihme verwehret auf seinem Grund sich der nemlichen Befugniß, welche dem Anderen
als eine Dienstbarkeit zustehet, aus dem Recht seines Eigenthums oder Besitzes
zu bedienen, insoweit er andurch dem Anderen in dem Gebrauch seiner
Dienstbarkeit nicht hinderlich fällt.
(2-504) Zweiter Artikel.
Von Hausdienstbarkeiten.
§. VI. Von dem Recht der Bürde oder Lasttragung der Gebäude.
§. VII. Von dem Tramrecht §. VIII. Von dem Recht Erker oder Ausgebäu, Fürdächer
oder Wetterdächer zu haben. §. IX. Von dem Recht die höhere Aufführung
nachbarlicher Gebäuden zu verwehren. §. X. Von dem Lichtrecht. §. XI. Von dem
Recht der Aussicht. §. XII. Von dem Trauf- oder Rinnenrecht. §. XIII. Von dem
Recht der Senkgruben oder Ausgusses. §. XIV. Von dem Recht der Rauchfängen.
§. VI.
[2, 29, § 6] 31. Unter den Hausdienstbarkeiten sind die
gemeineren: Erstens, die Bürde oder Lasttragung der Gebäude, welche eine
Hausdienstbarkeit ist, kraft welcher ein Gebäu die Last des benachbarten
Gebäudes zu tragen hat.
[2, 29, § 6] 32. Aus der Natur dieser Dienstbarkeit fließt
die Schuldigkeit an Seiten des Herrn des dienstbaren Gebäudes, nicht allein
dasselbe allzeit in tragbaren Stand zu erhalten, sondern auch, wo es baufällig
würde, auf seine eigene Unkosten anwiederum herzustellen, wovon er sich
anderst, als durch dessen Abtretung und eigenthümliche Ueberlassung an den
Herrn des herrschenden Gebäudes entledigen kann.
[2, 29, § 6] 33. Diesem aber liegt dagegen ob, sein Gebäu
währender Ausbesserung und Herstellung des dienstbaren Gebäudes auf seine
eigene Unkosten zu unterstützen und vor dem Einsturz zu bewahren.
[2, 29, § 6] 34. Wo aber der Herr des dienstbaren Gebäudes
sich weder zu dessen Ausbesserung, noch zur Ueberlassung an den Anderen
verstehen wollte, und die höchste Gefahr des Einsturzes vorhanden wäre, kann
der Herr des herrschenden Gebäudes, insoweit als es nothwendig ist das
dienstbare Gemäuer in tragbaren Stand herzustellen, die Ausbesserung selbst
vornehmen, und das, was er erweislich hierauf verwendet, anwiederum von dem
Herrn des dienstbaren Gebäudes zuruckforderen.
[2, 29, § 6] 35. Wann er jedoch auch diesen Aufwand
vorzuschießen nicht zuträglich zu sein finden würde, sondern viel lieber das
Gebäu eingehen ließe, schadet ihme solches an seinem Recht nichts, sondern wann
über kurz oder lang das dienstbare Gebäu anwiederum hergestellet wird, ist er
befugt die Last auf eben dieselbe Mauer und in eben der Maß zu legen, wie und
wo solche vorhin gelegen ist, ohne daß ihme andurch, weilen er sich aus Schuld
des Anderen auch durch noch so lange Zeit seines Rechts zu bedienen verhinderet
ware, ein Nachtheil zugehen könne.
[2, 29, § 6] 36. Dahingegen ist außer einer solchen bestellten
Dienstbarkeit Niemandem erlaubet auf seines Nachbarn Mauer, Dach oder Gewölb
eine Last zu legen, oder etwas in seines Nachbarn Grund einzubauen, sondern ein
jeder Besitzer ist berechtiget
(2-505) das,,was in seinem Grund wider seinen Willen
heimlich oder offentlich eingebauet wird, selbst abzunehmen und niederzureißen,
wann nicht nebst seiner Wissenschaft des vorgehabten Baues auch seine Geduld
und Stillschweigen durch die oben im siebenundzwanzigsten Capitel, §. IV, num.
40 ausgemessene Verjährungszeit hinzutritt.
§. VII.
[2, 29, § 7] 37. Zweitens, das Tramrecht; dieses ist eine
Hausdienstbarkeit, welche die Befugniß giebt die Träme oder Balken eines
Gebäudes in die Mauer des anstoßenden benachbarten Gebäudes einzuschieben, um
darinnen zu ruhen.
[2, 29, § 7] 38. Sie unterscheidet sich von der gleich
vorhergehenden, daß bei der ersteren auf die dienstbare Mauer gebauet, bei
dieser letzteren aber bloß allein der Tram oder Balken in die dienstbare Mauer
des Nachbarn eingeschoben werde, folglich hat auch der Herr des herrschenden
Gebäudes die Ausbesserungs- und Herstellungsunkosten, soviel als zur
Befestigung des Trams und zum Behuf seines Gebäudes nöthig ist, selbst zu
tragen.
[2, 29, § 7] 39. Wo aber die Mauer des Nachbarn, in welche
der Tram eingeschoben worden, ganz zusammenfiele, muß der Herr des dienstbaren
Gebäudes solche auf seine Unkosten aufführen, oder dem Nachbarn die Mauer
eigenthumlich überlassen, und hat dabei alles Dasjenige statt, was in vorigen §., num. 34 und 35 geordnet worden.
[2, 29, § 7] 40. Außerdem ist Niemandem verstattet
eigenmächtig in des Nachbarn Mauer Träme und Balken zu legen, sondern der
Nachbar hat Fug und Macht solches zu verhinderen und sogleich abzustellen. Wer
dahero an seines Nachbarn Haus ein Gebäude aufführen will, deme stehet frei
sich neben seines Nachbarn Mauer eine eigene Mauer zu erbauen, und sodann die
Träme seines Gebäudes darauf zu legen, jedoch Alles ohne Abbruch und Schaden
des benachbarten Gebäudes.
[2, 29, § 7] 41. Und da sich zum Oefteren ergibt, daß wegen
einer zwischen zweien benachbarten Häusern gelegenen Wand oder Mauer ein Stritt
vorfalle, weme dieselbe zugehöre, weilen entweder ein Jeder sich solche
zueignen, oder sich deren entäußeren will, so solle in Ermanglung anderer
zulänglicherer Beweisen das Eigenthum der Mauer aus solchen vorfindlichen
Kennzeichen entschieden werden, welche wahrscheinlicher Weise von niemandem
Anderen, als von dem Eigenthümer der Mauer herrühren können.
[2, 29, § 7] 42. Derlei Kennzeichen sind die nicht erst
neuerlich, sondern schon vorlängst in die Mauer eingelassene, oder darauf
gelegte Träme und Balken des einen Gebäudes, die gegen der Seiten des einen
Gebäudes von der Mauer vorfindliche Wandpfeiler, Erker, Wetterdächer,
herabhangende Ziegeln oder Taschen, und somit auf der einen Seiten
herabrinnende Dachtropfen, Mauerlöcher, Blindfenster, Blindfällen, Schwibbögen,
umsomehr aber ganze durch die Wand gehende Fenster von jener Seiten, von
welcher sie geöffnet werden.
[2, 29, § 7] 43. Desgleichen auf der einen Seiten der Wand
sichtbare alte In- und Aufschriften von weme solche gebauet worden, aufgemalte
oder eingehauene Wappen oder Namen von den vorigen oder gegenwärtigen
Besitzeren des einen Gebäudes, in die Wand eingemauerte Rauchfänge, Schläuche
oder daran befestigte Rinnen zur Abführung der Unsauberkeiten, und des
Regenwassers aus dem einem Hause, auf der Seite des einen Hauses eingemauerte
eiserne Ringe, Laternen, Hangstangen, Tragsteine u. dgl., vornehmlich aber der
Zusammenhang der strittigen Wand mit der unstrittigen des einen Gebäudes, wann
beide von gleicher Höhe, Tiefe und Dicke sind, welchen Falls beide für eine
Mauer zu halten sind, und die strittige eben demselben, welcher Eigenthümer der
unstrittigen ist, zugehörig zu sein vermuthet wird.
[2, 29, § 7] 44. Wann hingegen derlei sichtbare Kennzeichen
auf beiden Seiten der
(2-506) Mauer vorfindlich wären, solle das Gericht mit
Zuziehung geschworner Bauverständigen die Wand genau besichtigen, und nöthigen
Falls auch ein Stuck davon einbrechen lassen, um andurch zu erkennen, ob die
Mauer ganz oder zusammengefüget, und weme sie zuständig seie.
[2, 29, § 7] 45. Würde nun selbe eine ganze Mauer zu sein
befunden, und keiner der Nachbarn könnte deren Eigenthum erweisen oder von sich
ableinen, so ist die Mauer zwischen beiden Nachbarn für gemeinschaftlich zu
halten, und hat deren jeder sowohl den Vortheil davon zu genießen, als die
darmit verknüpfte Last mit dem Anderen gemeinschaftlich zu tragen.
[2, 29, § 7] 46. Doch darf deren Keiner wider Willen des
Anderen etwas thun oder bauen, was dieser gemeinschaftlichen Mauer schädlich
oder abbrüchig wäre, noch weniger zum Nachtheil des Nachbars deren Gestalt
änderen, oder solche höher aufführen, oder einen Theil davon abtragen, oder
neue Fenster einbrechen, oder neue Rauchfänge durchführen, oder die schon
bestehende Fenster vergrößeren, sondern ein Jeder ist gehalten solche in ihrem
Stand, wie sie gewesen, zu belassen, und sie zu keinem anderen Gebrauch, als
worzu selbe mit beiderseitiger Einstimmung bishero gewidmet ware, fortan
anzuwenden.
§. VIII.
[2, 29, § 8] 47. Drittens, das Recht Erker oder Ausgebäu,
Fürdächer oder Wetterdächer zu haben; dieses ist eine Hausdienstbarkeit, welche
die Befugniß giebt einen Theil des Gebäudes in des Nachbarn Grund also
hinausreichend zu haben, daß derselbe jedoch niemalen auf dem benachbarten
Gebäude ruhe.
[2, 29, § 8] 48. Ohne dieser Dienstbarkeit aber hat Niemand
Fug und Macht in des Nachbarn Hof oder Garten einen Erker, Altane oder
sonstiges Ausgebäu aufzuführen; inwieweit aber derlei Erker, Ausgebäu und Wetterdächer
gegen die gemeinen Gassen, Straßen und Plätze zu haben gestattet werden möge,
diesfalls lassen Wir es bei der jeden Orts eingeführten Bauordnung gnädigst
bewenden, wornach sich jedermänniglich, der an diesen Orten bauet,
ohnabweichlich zu richten hat.
§. IX.
[2, 29, § 9] 49. Viertens, das Recht die höhere Aufführung
nachbarlicher Gebäuden zu verwehren, welches eine Hausdienstbarkeit ist,
wodurch der Nachbar verbunden ist zum Behuf des benachbarten Gebäudes sein Haus
in einer gewissen Maß erniedriget zu halten, und solches nicht höher
aufzuführen.
[2, 29, § 9] 50. Ansonst kann jedermänniglich außer dieser
bestellten Dienstbarkeit nach der natürlichen Freiheit auf seinem Grund und
Boden in die Höhe bauen, und in die Tiefe graben, wie er will, wann nur andurch
seinem Nachbarn kein Schaden und Nachtheil zugefüget wird, oder nicht durch
besondere Bauordnungen eine gewisse im Bauen zu halten habende Maß
vorgeschrieben ist, welche nicht überschritten werden darf.
[2, 29, § 9] 51. Damit aber ein Nachbar über Schaden und
Nachtheil mit Fug klagen könne, muß ihme wirklich an seinem Grund oder Haus
durch das benachbarte Gebäu ein erweislicher Abbruch oder Eintrag geschehen;
dahingegen obschon andurch, daß der Nachbar auf seinem eigenem Grund und Boden
sich seines Rechts bedienet, dem Anderem ein Vortheil, Lust oder Bequemlichkeit
entginge, kann sich derselbe darüber mit Bestand nicht beschweren.
[2, 29, § 9] 52. Es wäre dann der Bau des Nachbarn also
beschaffen, daß solcher nicht in Absicht sich einen Nutzen zu schaffen, sondern
einzig und allein zur Beeinträchtigung und Beschränkung seines Nachbarn
unternommen würde, bei wessen Befund derselbe für einen Neidbau geachtet,
folglich auch durchaus nicht geduldet, sondern überhaupt im Bauen sich der
Billigkeit gefüget, und Alles, was dem Einem
(2-507) nicht nutzet, dem Anderen aber Schaden und Nachtheil
bringt, vermieden und unterlassen werden solle.
§. X.
[2, 29, § 10] 53. Fünftens, das Lichtrecht. Hieraus
entstehen zweierlei Hausdienstbarkeiten; eine daß der Nachbar in des anderen
Nachbarn Hof oder Garten Fenster haben, und das Licht daher bekommen könne, die
andere, daß ein Nachbar dem anderen das Licht verbauen dörfe.
[2, 29, § 10] 54. Niemandem ist erlaubet gegen seines
Nachbarn Hof oder Garten weder in seiner eigenthumlichen, noch weniger in einer
gemeinen oder fremden Mauer neue Fenster, welche an diesem Ort vorhin nicht
gewesen, zu bauen oder die alten Fenster zu vergrößeren, sondern der Nachbar
hat Fug und Macht entweder bei Gericht auf deren Vermauerung oder
Wiederherstellung in den vorigen Stand anzudringen, oder aber die ihme zum
Nachtheil neu erbaute Fenster mit einer aufführenden Mauer, oder mit Brettern
oder Balken zu verfinsteren, oder wie immer zu vermachen und zu verlegen.
[2, 29, § 10] 55. Damit also Jemand das Recht erlange, in
seines Nachbarn Hof oder Garten Fenster haben zu dörfen, ohne daß dieser sich
deme widersetzen möge, ist die Bestellung einer besonderen Hausdienstbarkeit
nothwendig, mittelst welcher ein Nachbar gegen dem anderen seinen Grund
verfänglich mache, die neuen Fenster gegen seinem Hof oder Garten leiden zu
wollen.
[2, 29, § 10] 56. Doch ist dabei wohl in acht zu nehmen, was
für eine Art von Fenstern verstattet worden, welche in keine andere verwandlet
werden darf; dann entweder sind die Fenster bloß auf den Einfall des Lichts
gerichtet, ohne eine Aussicht dabei zu haben, oder aber geben sie nebst dem
Licht auch die Aussicht. Wird das Recht in des Nachbarn Grund Fenster zu haben
überhaupt verstattet, so können solche sowohl zu dem Einfall des Lichts, als
auch zur Aussicht gerichtet werden, und ist in diesem Fall das Lichtrecht von
dem Recht der Aussicht nicht unterschieden.
[2, 29, § 10] 57. Woferne hingegen die Fenster mit der
ausdrücklichen Einschränkung auf den alleinigen Einfall des Lichts erlaubet
worden, kann sich der Besitzer des herrschenden Gebäudes derselben nicht zur
Aussicht gebrauchen, sondern ist schuldig die Fenster dergestalten von dem
Boden erhöhet zu halten, daß Niemand sich der Aussicht bedienen könne.
[2, 29, § 10] 58. So ein als anderen Falls aber hat derselbe
die Verbindlichkeit auf sich für allen dem Nachbarn aus diesen Fenstern
entstehen mögenden Schaden, dessen Abwendung in seiner Macht gestanden, zu
haften, folglich die Fenster zur Verhütung des Einsteigens oder sonstiger
Gefahr mit eisernem Gegitter wohl zu verwahren, und sich in Allem der ihme
verstatteten Dienstbarkeit also und in keiner mehreren Maß, als es ihme
erlaubet worden, zu gebrauchen, gleichwie dagegen der Besitzer des dienstbaren
Grunds in dem seinigen nichts thun darf, was dem Licht und der Aussicht des
Nachbarn hinderlich fallen könnte.
[2, 29, § 10] 59. Wann in Gegentheil Jemand allschon gegen
einer Seite, wo vorhin gar kein, oder doch kein so hohes, das Licht oder die
Aussicht benehmendes Gebäu gestanden wäre, Fenster hätte, ist nicht erlaubet
mit neuen Gebäuden dieselben zu verfinsteren, und dem Nachbarn das Licht oder
die Aussicht zu benehmen, wann das neue Gebäu von dem alten nicht in einer
solchen Breite entfernet ist, in welcher nach der jeden Orts hergebrachten
Gewohnheit frei und ungehinderet zu bauen zugelassen wird.
[2, 29, § 10] 60. Binnen dieser aber kann ein Nachbar dem
anderen das Licht oder die Aussicht nicht anderst benehmen, als durch eine von
diesem ausdrücklich bestellte Dienstbarkeit, doch nur in derjenigen Maß, in
welcher es ihme erlaubet worden.
(2-508) §. XI.
[2, 29, § 11] 61. Sechstens, das Recht der Aussicht, welches
eine Hausdienstbarkeit ist, wodurch dem Nachbarn verwehret wird seinem Nachbarn
die Aussicht aus dessen Gebäu zu verhinderen.
[2, 29, § 11] 62. Die Aussicht kann entweder bloß allein auf
ein gewisses Ort oder Gegend beschränket, oder aber auf alle bei dem
herrschenden Gebäu herum liegende Gegenden erstrecket werden; nach jener Maß
also, in welcher dieselbe verstattet worden, hat sich auch der Besitzer des
dienstbaren Grunds zu verhalten, folglich nichts zu thun, was die Aussicht dem
herrschenden Gebäu benehmen, oder auch in ihrer Freiheit und Annehmlichkeit
verminderen könnte.
[2, 29, § 11] 63. Diese Dienstbarkeit kommt zwar in gewisser
Maß mit der gleich vorhergehenden überein, wann das Lichtrecht ohneingeschränkt
verstattet wird; von dem eingeschränkten Lichtrecht hingegen unterscheidet sich
dieselbe in deme, daß das Licht allzeit von oben komme, die Aussicht aber auch
auf die Erde gehe.
[2, 29, § 11] 64. Es kann dahero Jener, welcher das bloße
Lichtrecht hat, dem Nachbarn die Aufführung solcher Gebäuden, welche mit ihrer
Höhe nicht bis an die Fenster reichen, nicht verwehren, wohl aber Derjenige,
deme zugleich das Recht der Aussicht gebühret, wann ihme dieselbe anmit
verminderet oder gar benommen würde.
§. XII.
[2, 29, § 12] 65. Siebentens, das Trauf- oder Rinnenrecht,
welches zweierlei Hausdienstbarkeiten enthält; die eine, wodurch Jemand leiden
muß, daß seines Nachbarn Dachtropfen auf sein Haus oder Grund fallen, oder das
Regenwasser aus seines Nachbarn Haus in seinen Grund oder Rinnen geleitet
werde, die andere, welche aber seltsamer, und nur an Orten, welche Mangel an
Wasser haben, üblich ist, wann Jemand leiden muß, daß die Dachtropfen oder das
Regenwasser aus seinem Hause auf seines Nachbarn Grund geleitet werde.
[2, 29, § 12] 66. Außer einer eigends hierwegen bestellten
Dienstbarkeit hat Niemand Fug und Macht das Regenwasser von seinem Dach in des
Nachbarn Hof oder Grund abzuleiten, sondern ein Jeder ist schuldig solches auf
seinen Hof, oder wohin es sonst nach der jeden Orts vorgeschriebenen
Polizeiordnung geleitet werden solle, abzuführen.
[2, 29, § 12] 67. Und obschon Jedermänniglichem freistehet
das Regenwasser aus seinem Grund zur eigenen Nothdurft zu leiten und zu führen,
wie und wohin er will, so darf er jedoch keine solche Aenderung darmit
vornehmen, wodurch seinem Nachbarn an dessen Grund einiger Schaden und
Nachtheil zugefüget würde.
[2, 29, § 12] 68. Um also das Regenwasser auf des Nachbarn
Grund leiten zu mögen ist hierzu die Bestellung einer besonderen Dienstbarkeit
nöthig, und wie von altersher das Wasser immerfort auf des Nachbarn Grund ohne
Widerspruch seinen Abfall gehabt, dabei solle es auch fernershin sein Bewenden
haben.
[2, 29, § 12] 69. Doch darf der Besitzer des herrschenden
Grunds zur Beschwerniß des dienstbaren diese Dienstbarkeit keinerdings
vermehren, und weder das Dach oder die Rinnen in des Nachbarn Grund weiter
hinaus erstrecken, noch weniger außer des zufälligen Regenwassers andere
Unsauberkeiten dahin abführen; vornehmlich aber ist er gehalten bei
einfallenden Thauwetter den auf seinem Dach liegenden Schnee zeitlich
hinwegzuraumen und abzuwerfen, damit durch das Eindringen des aus dem
zerschmolzenen Schnee angehäuften Gewässers der Grund des Nachbarn keinen
Schaden leide.
[2, 29, § 12] 70. Dahingegen ist auch der Besitzer des
dienstbaren Grunds schuldig den Abfall des Regenwassers auf seinen Grund
unweigerlich zu leiden und darwider nichts zu thun, wodurch dieser Abfall
verhinderet und von seinem auf des Nachbarn Grund abgewendet werde, wiewohlen
ihme unverwehret ist das abfallende Wasser
(2-509) auf seinem Grund zu sammeln, und solches, wohin er
will, ohne Schaden des Nachbarn abzuleiten.
[2, 29, § 12] 71. Insgemein hat Derjenige, welcher den
Abfall des Wassers von des Nachbarn Gebäu auf seinen Grund zu leiden hat, zu
den Kosten des Rinnenlegens sowohl, als zu deren Ausbesserung nichts
beizutragen, wann er solche nicht ausdrücklich ganz oder zum Theil auf sich
genommen hat, oder die Rinnen nicht auf einer gemeinen Wand, oder zwischen
beiden Dächern gelegen sind, welchen Falls beide Theile die Kosten gleich zu
tragen haben, woferne nichts Anderes verabredet worden.
[2, 29, § 12] 72. Die Cisternen, Röhr- und Wasserkästen
hingegen, worinnen das abfallende Wasser gesammlet wird, wie nicht weniger die
Röhren zu dessen Ableitung hat Jener mit eigenen Aufwand machen und ausbessern
zu lassen, in dessen Grund sie geleget sind.
[2, 29, § 12] 73. In der anderen Dienstbarkeit, wodurch
Jemand die Sammlung und Ableitung des Regenwassers aus seinem in des Nachbarn
Grund gestatten muß, hat der Besitzer des dienstbaren Grunds sich also zu
betragen, daß der Herr des herrschenden Grunds in dem Gebrauch und Ausübung
dieser seiner Gerechtigkeit auf keinerlei Art und Weis beirret und
beeinträchtiget werde.
[2, 29, § 12] 74. Dagegen aber lieget diesem ob alle
Unkosten zur Legung der Rinnen, Röhren und Wasserkästen selbst zu tragen, und
die ihme verstattete Maß der Dienstbarkeit nicht zu überschreiten, noch weniger
dem dienstbaren Grund über das, was der Gebrauch dieser Dienstbarkeit entweder
nach Inhalt des Bedings, oder nach deren Natur und Eigenschaft mit sich bringt,
auf einigerlei Weis beschwerlicher zu fallen.
§. XIII.
[2, 29, § 13] 75. Achtens, das Recht der Senkgruben oder des
Ausgusses. Dieses ist eine Hausdienstbarkeit, wodurch ein Nachbar berechtiget ist den Unrath, Mist und andere Unsauberkeiten
aus seinem in des Nachbarn Grund abzuführen oder auszugießen.
[2, 29, § 13] 76. Nicht nur allein in fremden, sondern auch
auf eigenen Grund ist nicht erlaubet nahe an des Nachbarn Haus, Hof oder Garten
neue Senk- oder Mistgruben und heimliche Gemächer anzurichten, wann solche von
des Nachbarn Grund nicht so weit entfernet und also vermaueret sind, daß aller
daherrührender Gestank, Beschädigung seines Gemäuers, und alle sonst daraus
entstehen mögende Ungemächlichkeit von demselben abgewendet werde.
[2, 29, § 13] 77. Es ist dahero Jedermänniglich schuldig
sich hierwegen nach der jeden Orts üblichen Bauordnung zu richten, umsoweniger
aber befugt an des Nachbarn Mauer oder auf dessen Grund Mist oder anderen
Unrath zu legen, dahin zu werfen oder Unreinigkeiten auszugießen, wann ihme
hierzu keine besondere Dienstbarkeit bestellet worden.
§. XIV.
[2, 29, § 14] 78. Neuntens, das Recht der Rauchfängen,
welches eine Hausdienstbarkeit ist, welche dem Nachbarn Fug und Macht giebt den
Rauch aus seinem Haus in des Nachbarn Rauchfang zu leiten, oder seinen
Rauchfang durch des Nachbarn Mauer, oder dessen Grund zu führen.
[2, 29, § 14] 79. Was aber den Rauch von denen gemeinen
Herdstätten, oder von der gewöhnlichen Beheitzung anbelanget, der durch die
ordentliche Feueressen oder Rauchfänge seinen Ausgang hat, solchen ist ein
Nachbar von dem anderen auch ohne einer Dienstbarkeit zu ertragen bemüßiget,
obschon ihme andurch entweder wegen des zufälligen widrigen Zugs der Luft, oder
wegen der niedrigeren Lage des benachbarten Gebäudes einige Ungemächlichkeit
verursachet würde.
(2-510) [2, 29, § 14] 80. Dahingegen ist Niemand schuldig
einen außerordentlichen Rauch, welcher ihme zum Ungemach gereichete, als aus
Röhren, Löchern und anderen ungeziemenden Oeffnungen, oder auch von
Bräuhäusern, Schmieden, Backöfen, Seifensiedereien, Büttnerwerkstätten und
dergleichen derorten, wo solche vorhin gestanden, zu leiden, es seie dann
irgendwo Herkommens, daß solches auf vorläufige Anzeige mit obrigkeitlicher
Bewilligung auch ohne Vernehmung der Nachbarschaft verstattet zu werden pflege.
Dritter Artikel.
Von Felddienstbarkeiten
§. XV. Von dem Recht eines Fußpfads, Stegs oder Durchgangs.
§. XVI. Von dem Triftrecht oder Viehtrieb. §. XVII. Von der Weggerechtigkeit.
§. XVIII. Von dem Recht der Wasserleitung. §. XIX. Von dem Recht der
Wasserschöpfung. §. XX. Von dem Recht der Viehtränke. §. XXI. Von dem Recht der
Hutweide und Koppelweide. §. XXII. Von Dienstpflichtigkeit des nachbarlichen
Guts. §. XXIII. Von Zwangrechten auf nachbarlichen Gründen. §. XXIV. Von
verschiedenen anderen Felddienstbarkeiten überhaupt.
§. XV.
[2, 29, § 15] 81. Von den Felddienstbarkeiten sind die
gemeineren: Erstens, das Recht eines Fußpfads, Stegs oder Durchgangs, welches
eine Felddienstbarkeit ist, kraft welcher ein Nachbar über des anderen Grund
hin- und herzugehen berechtiget ist.
[2, 29, § 15] 82. Aus der Natur dieser Dienstbarkeit kann
nicht allein der Herr des herrschenden Grunds für sich, sondern auch alle
dessen Hausgenossen, Dienst- und Arbeitsleute, wie nicht weniger Fremde, welche
ihn besuchen, oder in dessen Geleitschaft gehen, sich des Durchgangs über des
Nachbarn Grund bedienen.
[2, 29, § 15] 83. Der Durchgang kann sowohl zu Fuß, als zu
Pferd, oder auch in einem Tragsessel, nicht aber mit einem Wagen geschehen,
noch weniger darf über diesen Weg das Vieh getrieben werden.
[2, 29, § 15] 84. Doch hat der Herr des herrschenden Grunds
die Befugniß Alles, was zu dem freien und gemächlichen Durchgang nöthig ist,
anzukehren, auf seine Kosten Brücken und Stege zu bauen und den Weg
auszubessern.
[2, 29, § 15] 85. Ohne dieser Dienstbarkeit hingegen ist
Niemand schuldig jemandem Anderem außer öffentlichen Stegen und Wegen den
Durchgang über seinen Grund und Boden zu verstatten, es unterwalte dann eine
solche dem Anderen angelegene Ursache, wegen welcher die unschädliche Betretung
des nachbarlichen Grunds auf vorläufige Begrüßung der Billigkeit nach nicht
versaget werden kann.
§. XVI.
[2, 29, § 16] 86. Zweitens, das Triftrecht oder das Recht
des Viehtriebs; dieses ist eine Felddienstbarkeit, welche die Befugniß giebt
das Vieh über des Nachbarn Grund und Boden zu treiben.
(2-511) [2, 29, § 16] 87. Diese Dienstbarkeit schließt zwar
ihrer Natur nach insgemein jene des Durchgangs in sich ein, also daß, wer das
Recht hat über des Anderen Grund und Boden sein Vieh zu treiben, nicht allein
den Durchgang mit dem Vieh, sondern auch solchen ohne demselben habe, wann die
Dienstbarkeit nicht namentlich auf den Viehtrieb allein beschränket, und der
Durchgang ohne dem Vieh ausgeschlossen worden.
[2, 29, § 16] 88. Unter dem Vieh werden Pferde, Rinder, Schafe
und Schweine verstanden, wann die Dienstbarkeit nicht für eine oder die andere
Gattung insonderheit bestellet worden, keineswegs aber wird auch das Federvieh
darunter begriffen, noch darf der Herr des herrschenden Grunds derorten, wo
ihme auf des Nachbarn Grund der Viehtrieb zustehet, Steine, Bäume oder andere
schwere Lasten führen oder schleifen, oder etwas tragen lassen, wodurch der
dienstbare Grund an den Früchten oder an der Trift Schaden leiden könnte.
[2, 29, § 16] 89. Er ist auch nicht befugt daselbst zu
fahren, oder sich darüber eines Fuhrwerks zu gebrauchen, wann ihme solches
nicht ausdrücklich miterlaubet worden, oder nicht derorten schon vorhin ein Fahrweg befindlich ware.
[2, 29, § 16] 90. Von der Viehtrift ist das Recht der
Hutweide allerdings unterschieden; folglich
giebt auch das Triftrecht allein die Befugniß nicht das Vieh daselbst zu hüten
und ruhen zu lassen. Was aber das Vieh in währendem Trieb von der Grasung des
Orts, worüber es getrieben wird, genießen mag, kann der Herr des dienstbaren
Grunds nicht verwehren, wann nur dabei der ordentliche Trieb gehalten, und das
Vieh außer demselben nicht aus Muthwillen oder Fahrlässigkeit in seine nahe
angelegene Aecker, Gärten oder Wiesen eingelassen wird.
§. XVII.
[2, 29, § 17] 91. Drittens, die Weggerechtigkeit, welche
eine Felddienstbarkeit ist, wodurch ein Nachbar über des anderen Grund zu
fahren, und alle Lasten darüber führen oder schleifen zu lassen berechtiget
ist; diese Befugniß ist nicht von öffentlichen Heer- und Landstraßen, oder auch
von ortschaftlichen Wegen zu verstehen, welche Jedermänniglichem offen stehen,
sondern von eigens verstatteten sonderheitlichen Wegen über nachbarliche
Gründe, deren Gebrauch außer einer bestellten Dienstbarkeit zu verwehren der
Besitzer dieser Gründe Fug und Macht hat.
[2, 29, § 17] 92. Die Weggerechtigkeit begreift sowohl die
Dienstbarkeit des Durchgangs, als die Dienstbarkeit des Viehtriebs in sich
(wann solche nicht durch ein ausdrückliches Beding davon getrennet sind) also
daß, wem die Gerechtigkeit zustehet über des Nachbarn Grund zu fahren, derselbe
auch darüber gehen, reiten und sein Vieh treiben lassen könne.
[2, 29, § 17] 93. Sie erstrecket sich aber in dem weiter,
als nicht die beiden vorigen, daß der Weg nicht allein in seiner Breite und
Weite die nöthige Maß, sondern auch in der Höhe so viel Raum haben müsse, daß
mit hochbeladenen Heu-, Korn- oder Wollwägen ohne Hinderniß darauf gefahren
werden könne, wann die Art eines gewissen Fuhrwerks nicht in der Bestellung der
Dienstbarkeit bestimmet worden, dahingegen sowohl der Durchgang, als der
Viehtrieb keine mehrere, als eine der gemeinen Länge einer Person angemessene
Höhe erheischet.
[2, 29, § 17] 94. Die bisher beschriebenen drei
Dienstbarkeiten haben dieses besondere, daß sie auch mehreren Nachbarn an
einerlei Ort, insoweit als es ohne Eintrag Jener, welche ihr Recht hierzu
früher erworben haben, geschehen mag, bestellet werden können, welchen Falls
aber dieselben sich also zu betragen haben, daß keiner den Anderen in dem
Gebrauch der Dienstbarkeit über die Gebühr verhindere oder beeinträchtige.
[2, 29, § 17] 95. Würde ein Zweifel über die Breite und
Weite des Fußpfads, der Trift oder des Wegs vorfallen, so solle solche jedes
Mal nach dem gemeinen Landesbrauch
(2-512) und insonderheit der Weg nach Erforderniß des
üblichen Fuhrwerks ausgemessen werden.
[2, 29, § 17] 96. Wo aber der Gebrauch einer solchen
Dienstbarkeit durch Ueberschwemmung oder andere Zufälle an dem Ort, wo sie
bisher ausgeübet worden, verhinderet, oder der Weg gar unwandelbar würde, in
solchen Fällen ist der Herr des dienstbaren Grunds schuldig an einem anderen
gelegenen Ort den nöthigen Platz oder Raum darzu herzugeben, zu öffnen und zu
widmen, bis der vorige Weg anwiederum in wandelbaren Stand hergestellet ist.
[2, 29, § 17] 97. Es wäre dann die Dienstbarkeit bloß allein
an einer gewissen benannten Stätte oder Bezirk, welcher ganz überschwemmet oder
sonst unwandelbar würde, bestellet worden, welchen Falls der Herr des
dienstbaren Grunds keinerdings darzu angehalten werden kann, dieselbe auf ein
anderes Ort zu verlegen.
[2, 29, § 17] 98. Außerdeme aber haftet zwar die überhaupt
bestellte Dienstbarkeit den ganzen Grund, also daß, wo deren Gebrauch an einem
Ort verhinderet wird, solche an einem anderen hierzu gleich bequemen Ort ausgeübet
werden könne; der Gebrauch hingegen erstrecket sich nur auf solche fügliche
Orte, an welchen dessen Ausübung dem dienstbaren Grund nicht zum merklichen
Schaden gereiche, mithin ist auch niemalen erlaubet über die Feld- und
Gartenfrüchten, oder über das auf denen Wiesen stehende Gras zu gehen, zu
reiten, zu fahren oder das Vieh zu treiben.
[2, 29, § 17] 99. Es ist aber nicht allein denen, welche die
Weggerechtigkeit über fremde Gründe aus dem Recht der Dienstbarkeit ausüben,
sondern auch allen Anderen, welche auf öffentlichen oder ortschaftlichen
Straßen und Wegen wandlen, ernstlich untersaget, denen anstoßenden
fruchttragenden Gründen einigen Schaden zuzufügen, und ihr Zug- oder anderes
einhertreibendes Vieh in denen an dem Weg gelegenen Äckern, Gärten, Wiesen oder
Triften zu hüten oder zu weiden, oder ohne Noth außer dem Weg darüber zu gehen,
zu reiten oder zu fahren.
[2, 29, § 17] 100. Dahingegen haben auch Jene, deren Gründe
an gemeine Landstraßen, oder an ortschaftliche Wege anstoßen, die Verbindlichkeit
auf sich, wann die Straßen und Wege durch Wolkenbrüche und große Wasserfluthen
eingerissen und gänzlich unwandelbar gemacht wurden, von ihren Gründen so viel
Platz und Raum, als zu einem Fahrweg nöthig ist, insolange abzutreten, bis die
verderbte Straße anwiederum in wandelbaren Stand hergestellet sein wird.
[2, 29, § 17] 101. Was hier oben von der mehreren Nachbarn
zuständigen sonderheitlichen Weggerechtigkeit geordnet worden, ist auch auf
gemeinen Wegen und Straßen zu beobachten, daß von denen darauf Wandelnden
keiner dem Anderen hinderlich falle, sondern, gleichwie Jedermänniglichem zu
dem Gebrauch der öffentlichen Wegen und Straßen ein gleiches Recht gebühret,
also haben sich auch alle dergestalten zu betragen, daß keiner den Anderen
beirre oder verhindere.
[2, 29, § 17] 102. Es hat daher nach der allgemein üblichen
Gewohnheit der Fußgänger dem Reitenden, ein Reiter dem Wagen, ein leerer oder
leichter Wagen dem beladenen, dahingegen auch dieser dem befreiten Fuhrwerk
auszuweichen, und wer zuerst auf eine Brücke kommt, deren Raum nicht mehrere
Wägen nebeneinander fasset, ist auf derselben vorzufahren befugt, der Andere
aber vor der Brücke so lange zu warten schuldig, bis Jener hinübergefahren ist.
Ein Gleiches hat auch bei Ueberfahrten und anderen engen Pässen statt, durch
welche nicht mehr als ein Wagen nach dem anderen fahren kann.
[2, 29, § 17] 103. Daferne aber zwei Wägen in einem hohlen
Weg einander begegneten, ist Derjenige, so zuerst mit gegebenen Zeichen oder
Rufen den Weg eingenommen, fortzufahren berechtiget, der Andere hingegen
wiederum zurückzuschieben gehalten.
[2, 29, § 17] 104. Wann jedoch Jener bergauf und der Andere
bergab führe, ist der Erstere anwiederum zurückzuweichen schuldig und kann dem
Anderen bergaufwärts zurückzuschieben nicht zugemuthet werden. Welchem Allem um so unverbrüchlicher
(2-513) nachgelebet werden solle, als widrigens Jener, der
durch seine Widersetzlichkeit dem Anderen einen Schaden zufügte, solchen
unnachsichtlich zu ersetzen hat.
§. XVIII.
[2, 29, § 18] 105. Viertens, das Recht der Wasserleitung.
Dieses ist eine Felddienstbarkeit, welche die Befugniß giebt, Wasser von
fremden, benachbarten Grund oder durch denselben auf den seinigen zur eigenen
Bedürfniß zu leiten.
[2, 29, § 18] 106. Diese Dienstbarkeit kann auf mehrerlei
Art bestehen; als da entweder Jemand das Wasser von und durch des Nachbarn
Grund in seinen, oder aber von einem dritten Ort nur durch des Nachbarn Grund,
oder des Nachbarn Wasser, ohne solches durch dessen Grund zu führen, in den
seinigen leitet, oder endlich das überflüssige Wasser aus dem seinigen durch
des Nachbarn Grund abführet.
[2, 29, § 18] 107. In Fällen, wo der Besitzer des
herrschenden Grunds das Wasser von oder durch des Nachbarn zu seiner Nothdurft
zu leiten berechtiget ist, darf er diese nemliche Leitung weder zum Behuf
seiner anderen Gründen, denen diese Dienstbarkeit nicht bestellet worden,
gebrauchen, noch solche Anderen zukommen lassen, obschon er das Wasser, welches
durch diese Leitung auf seinen Grund kommt, von dannen anwiederum ohne Schaden
und Nachtheil seiner Nachbarn ableiten mag, wohin er will, wann nur andurch die
Maß der ihm gebührenden Dienstbarkeit nicht überschritten wird.
[2, 29, § 18] 108. Dagegen darf auch der Herr des
dienstbaren Grunds nichts unternehmen, wodurch der Gebrauch dieser
Dienstbarkeit beirret und verhinderet würde, wiewohlen ihme nicht verwehret
ist, eben dasselbe Wasser aus dem nemlichen Fluss, Bach, See, Teich, Brunnen
oder Quelle, wann davon ein Ueberfluß vorhanden, und insoweit Alles ohne
Eintrag dessen, deme dieses Recht zuerst bestellet worden, geschehen mag, auch
Anderen zu verstatten.
[2, 29, § 18] 109. In jenem Fall aber, wo Jemand das Recht
hat, das Wasser aus dem seinigen durch fremde Gründe abzuführen, darf derselbe
aus keinem anderen Grund das Wasser geflissentlich sammlen und zu mehrerer
Beschwerniß des dienstbaren Grunds dahin ableiten, wann solches nicht schon
seinen natürlichen Ablauf auf dessen Grund hätte.
[2, 29, § 18] 110. Weme das Recht der Wasserleitung
zustehet, deme liegt auch ob, die Röhren, Rinnen, Gruben und Dämme auf seine
eigene Unkosten zu legen, zuzurichten, auszuräumen und, was hieran mangelhaft
ist, auszubesseren, wozu der dienstbare Grund nichts beizutragen hat, wann es
nicht ausdrücklich mitbedungen worden.
[2, 29, § 18] 111. Der Herr des dienstbaren Grunds hingegen
ist schuldig, nicht allein die nöthigen Zurichtungen und Ausbesserungen ohne
Hinderniß geschehen zu lassen, sondern auch zur Dahinbringung der
erforderlichen Geräthschaften die freie Zufuhr, sowie den Arbeitsleuten den
freien Durchgang, so oft es die Nothdurft erheischet, über freien Grund
unweigerlich zu verstatten.
[2, 29, § 18] 112. Die Maß dieser Dienstbarkeit ist allemal
nach Inhalt der Verabredung, oder wo dieselbe nichts Gewisses ausmessen würde,
nach dem bisherigen ungestörten Gebrauch, und wo auch dieser zweifelhaft wäre,
nach Billigkeit mit Rücksicht auf die Bedürfniß des herrschenden Grunds und die
mindere Beschwerung des dienstbaren Grunds zu bestimmen.
[2, 29, § 18] 113. Mit dieser kommt auch jene Dienstbarkeit
überein, wodurch sich ein Nachbar gegen den anderen verbindet, das aus dem
seinigen in den Grund des letzteren, durch seinen natürlichen Lauf abfließende
Wasser nicht abzufangen, abzugraben oder abzuleiten.
[2, 29, § 18] 114. Dann die auf eigenem Grund und Boden
entspringende Quellen, obschon sie noch so lange Zeit in des Nachbarn Grund
geflossen, kann der Eigenthümer des Grunds außer einer dem Anderen hierwegen
verstatteten Dienstbarkeit, oder außer einer den unveränderten Lauf
erheischenden gemeinwesigen Ursache nach
(2-514) Gefallen zu seiner eigenen Nothdurft gebrauchen,
benutzen, abgraben, austrocknen, verstopfen oder Anderen zukommen lassen.
§. XIX.
[2, 29, § 19] 115. Fünftens, die
Wasserschöpfungsgerechtigkeit, welche eine Felddienstbarkeit ist, kraft welcher
Jemand das Recht hat, zu seiner Nothdurft aus des Nachbarn Bach oder Brunnen
Wasser zu schöpfen.
[2, 29, § 19] 116. Doch ist derselbe nicht befugt, wie in
der gleich vorher beschriebenen Dienstbarkeit, das Wasser durch Röhren, Rinnen
oder Gräben auf seinen Grund zu leiten, sondern bloß allein so viel, als er
bedarf oder die Verleihung besaget, in Fässern, Flaschen oder Krügen daraus zu
holen.
[2, 29, § 19] 117. Wer das Recht hat, aus des Nachbarn
Brunnen Wasser zu schöpfen, hat auch den freien Zugang zu dem Brunnen, nicht
aber auch die freie Zufuhr mit Wägen über des Nachbarn Grund, wann solche nicht
ausdrücklich mit verstattet worden, oder doch nicht wenigstens aus der Größe
der in der Verleihung benamsten Gefäßen, welche nicht getragen zu werden
pflegen, nothfolglich geschlossen werden mag.
[2, 29, § 19] 118. Dadurch aber, daß der Brunnen auf einige
Zeit vertrocknete, erlöschet die Dienstbarkeit nicht, wenn derselbe nachhero
anwiederum zu quellen anfangt, obschon das Wasser durch noch so lange Zeit
ausgeblieben und somit der Gebrauch dieser Dienstbarkeit unterlassen worden
wäre.
§. XX.
[2, 29, § 20] 119. Sechstens, das Recht der Viehtränke,
welches eine Felddienstbarkeit ist, wodurch ein Nachbar berechtiget ist, sein
Vieh über des Anderen Grund zur Tränke zu treiben.
[2, 29, § 20] 120. Bei dieser Dienstbarkeit ist die Gattung
und die Anzahl des Viehs, wie auch die Art und Weis des verstatteten Triebs
genau zu beobachten, welche übrigens eine ganz gleiche Natur mit der oben
beschriebenen Triebgerechtigkeit hat, wiewohlen sie in deme weiter gehet, daß
dabei nebst dem Trieb über fremden Grund auch die Tränke aus fremden Wasser
verstattet werde.
§. XXI.
[2, 29, § 21] 121. Siebentens, das Recht der Hutweide und
Koppelweide. Die Hutweide ist eine Felddienstbarkeit, sein Vieh auf fremden
Grund zu hüthen und zu weiden. Diese Dienstbarkeit erstrecket sich auf alles
Vieh, welches heerdweis gefüttert wird, wann sie nicht insonderheit auf eine
oder die andere Gattung des Viehs allein beschränket worden, wovon aber in
waldigten Gegenden die Ziegen allzeit ausgenommen sind.
[2, 29, § 21] 122. Wann jedoch die Hutweide nur für eine
gewisse benannte Gattung des Viehs verstattet worden, darf keine andere
Gattung, als welche die Verleihung besaget, dahin getrieben, noch auch die
Anzahl des Viehs, welche entweder in der Verleihung ausgemessen, oder in
Ermanglung einer ausdrücklichen Bestimmung zu Zeit der bestellten Dienstbarkeit
vorhanden gewesen, oder auf dem herrschenden Grund nach dessen damaligen Stand
füglich ausgehalten werden können, überschritten werden.
[2, 29, § 21] 123. Da aber diese Dienstbarkeit durch
Verjährung erworben worden wäre, kann nur allein diejenige Gattung und Anzahl
von Vieh dieser Hutweide genießen, welche zu der Zeit, als die Verjährung
erfüllet worden, allda gehüthet wurde.
[2, 29, § 21] 124. Ist keine gewisse Gegend oder Bezirk zur
Hutweide ausgewiesen worden, so gebühret solche an allen Orten, wo sonst der
Herr des dienstbaren Grunds sein Vieh zu hüten pflegte; übrigens ist die Maß und
Zeit des Gebrauchs der Hutweide nach der Verabredung, oder wo diese nichts
Gewisses besagete, nach eines
(2-515) jeden Landes Gewohnheit zu bestimmen, solcher aber
auf fruchttragenden Gründen zu keinen als zu offenen Zeiten und nachdeme die
Früchte schon eingesammlet worden, zu verstatten.
[2, 29, § 21] 125. An diesen entweder durch Verträge oder
durch das Herkommen bestimmten Gebrauch ist der Herr des herrschenden Grunds
dergestalten gebunden, daß er solchen keineswegs überschreiten, noch solchen
auf einigerlei Weis erschweren darf.
[2, 29, § 21] 126. Umsoweniger ist er befugt, Vieh von einem
anderen Gut, dem diese Dienstbarkeit nicht zustehet, oder in größerer als der
sonst erlaubten Anzahl dahin auf die Weide zu treiben, oder gar fremdes Vieh
allda zu hüthen, oder die Hutweide an andere mieth- oder bestandweise, oder aus
Freundschaft ohne dem herrschenden Grund, deme diese Dienstbarkeit anklebet, zu
überlassen. Mit dem Grund aber kann auch die Hutweide an Andere überlassen
werden, wann nur der Pachter, Mieth- und Bestandmann, oder der sonstige Inhaber
des herrschenden Grunds die dabei vorgeschriebene Maß nicht überschreitet.
[2, 29, § 21] 127. Wo aber die Dienstbarkeit der Hutweide
nicht einem Grund, sondern einer Person bestellet worden wäre, ist zu unterscheiden,
ob die Bestellung in Anbetracht eines von ihr besitzenden Guts, deme es sonst
an der nöthigen Trift und Hüthung gebräche, oder aber ohne dieser Rücksicht zu
selbstgefälligen Gebrauch der Person geschehen?
[2, 29, § 21] 128. Ersteren Falls kann kein anderes und
nicht mehreres Vieh gehüthet werden, als auf dem Gut, in wessen Ansehung beim
derzeitigen Besitzer die Hutweide verliehen worden, erhalten zu werden pfleget;
letzteres Falls hingegen stehet dem hierzu Berechtigten frei, nicht allein eigenes,
sondern auch fremdes Vieh allda zu hüthen, wie nicht weniger die Hutweide
Anderen mieth- und bestandweise, oder unentgeltlich zukommen zu lassen, wann
nur die Weide mit der Menge des Viehs nicht dergestalter übertrieben wird, daß
andurch dem Eigenthümer des dienstbaren Grunds alle Weide für sein eigenes Vieh
entzogen werde.
[2, 29, § 21] 129. Es stehet auch dem Herrn des herrschenden
Grunds nicht zu, die Dienstbarkeit in einen anderen Gebrauch zu verwandeln, und
wann er kein Vieh hielte, das Gras abzumähen oder sonst sich des dienstbaren
Grunds zu einem anderen Gebrauch, als zur Hutweide seine Viehs zu bedienen.
[2, 29, § 21] 130. Dahingegen darf auch der Herr des
dienstbaren Grunds nichts thun und unternehmen, wodurch die Hutweide geminderet
und beeinträchtiget würde. Er ist daher nicht befugt, der Orten, welche zur
Hutweide gewidmet sind, den Grund umzureißen, oder Äcker, Gärten, Weinberge,
Wiesen, oder Teiche daraus zu machen, oder Bäume auszusetzen; es seie dann, daß
derselbe dafür andere, gleich wohl gelegene und nicht weniger anständige Felder
zur Weide liegen lasse.
[2, 29, § 21] 131. Er kann auch nicht den zur Hutweide
gewidmeten Grund mit Mauern, Zäunen, Hecken oder Gräben einschließen, obschon
ihme unbenommen ist, fruchttragende Orte zur Zeit der geschlossenen Feldern,
binnen welcher kein Vieh dahin getrieben werden darf, einzuzäunen oder sonst zu
verwahren.
[2, 29, § 21] 132. Noch weniger ist dem Herrn des
dienstbaren Grunds verwehret, sein eigenes Vieh mit dahin zu treiben, wann er
sich in der Bestellung der Dienstbarkeit dieser Freiheit nicht ausdrücklich
begeben und verziehen hat, oder der ausschließende Gebrauch des Anderen nicht
erweislich ist. Wo aber die Weide für beider Herren Vieh nicht ausreichete und
sie sich untereinander deshalben nicht vergleichen könnten, solle das Gericht
eine gleiche Anzahl, wie viel ein jeder allda zu weiden hat, nach
Zulänglichkeit der Hutweide ausmessen.
[2, 29, § 21] 133. Die Koppelweide überhaupt betrachtet ist
eine mehreren Herren zuständige gemeinschaftliche Weide ihres Viehs entweder
auf eines Herrn Grund allein, oder auf beider Herren Gründen zusammen, oder
auch auf eines Dritten Grund. Eigentlich aber ist die Koppelweide eine mit
gemeinsamer Einverständniß mehrerer
(2-516) Nachbarn sich untereinander verstattete Befugniß,
ihr Vieh auf ihren allseitigen Gründen gemeinschaftlich zu weiden.
[2, 29, § 21] 134. Nachdeme nun dieselbe entweder aus
Freundschaft oder nachbarlichem guten Willen, oder aus Schuldigkeit verstattet
wird, in dieser Maß ist auch solche entweder eine nach Gefallen des
Verstattenden widerrufliche Befugniß, oder eine beharrliche Dienstbarkeit.
[2, 29, § 21] 135. Solchemnach kann aus deme allein, daß
Jemand durch noch so lange Zeit sein Vieh mit des Nachbarn seinem an einerlei
Ort gemeinschaftlich geweidet, noch keine Dienstbarkeit gefolgeret werden,
sondern so Einem, als dem Anderen stehet noch allzeit frei, des Anderen Vieh
von seinen Gründen auszuschließen und sein Vieh darauf besonders zu weiden.
[2, 29, § 21] 136. Es seie dann, daß die Bestellung einer
Dienstbarkeit oder die wider den Verbot des Einen gleichwohlen durch die
Verjährungszeit ohngestört fortgesetzte Ausübung, oder die ohnausweichliche
Nothwendigkeit wegen vermischter Lage beiderseitiger Gründen, auf deren keinen
ohne Betreibung des anderen zu gelangen ist, erweislich wäre, oder die
Landesverfassung und Gewohnheit ein Anderes mit sich brächte.
[2, 29, § 21] 137. Wie Wir es dann überhaupt in Ansehung der
gemeinen Hutweiden, Triften und sogenannten Blumensucht bei dem bisherigen Herkommen,
Gebräuchen, und Gewohnheiten nach eines jeden Landes Verfassung außer deme, was
in diesem Unserem Gesatz ausdrücklich anderst geordnet worden, gnädigst
bewenden lassen.
[2, 29, § 21] 138. Es möge aber die besondere oder
gemeinschaftliche Hutweide aus Nachbarschaft oder aus einer Dienstbarkeit
verstattet worden sein, so solle doch Keiner dem Anderen weder mit übermäßiger
Anzahl des Viehs, noch mit krankem und ungesundem Vieh, wovon eine Ansteckung
zu befahren ist, beschwerlich fallen; widrigens ist der Herr des dienstbaren
Grunds, oder wer sonst zur Weide mitberechtiget ist, befugt, nicht allein das
überzählige oder schadhafte Vieh abzutreiben, sondern auch den Ersatz des an
seinem Vieh andurch zugefügten erweislichen Schadens an den Anderen einzufordern.
§. XXII.
[2, 29, § 22] 139. Achtens, die Dienstpflichtigkeit der
nachbarlichen Gründen. Diese ist eine Felddienstbarkeit, wodurch ein
benachbartes Gut dem anderen zu Leistung gewisser Frohndiensten verpflichtet
ist.
[2, 29, § 22] 140. Die Art, Maß und Zeit der zu leisten
habenden Diensten ist aus dem Vertrag oder dem langwierigen, steten und
ununterbrochenen Gebrauch und Uebung zu entnehmen; übrigens gehet sowohl das
Recht, die Dienste zu forderen, auf einen jedweden Besitzer des herrschenden,
wie die Schuldigkeit solche zu leisten auf einen jeden Besitzer des dienstbaren
Grunds, wann das Recht oder die Verbindlichkeit nicht namentlich nur auf die
Personen lautet.
§. XXIII.
[2, 29, § 23] 141. Neuntens, die Zwang- oder Bannrechte auf
nachbarlichen Gründen. Diese bestehen in einer Art Dienstbarkeit, wodurch der
Herr oder die Unterthanen eines Guts verbunden sind, gewisse Bedürfnissen
nirgends anderst woher, als von dem benachbarten Gut zu nehmen, als z. B. in
keiner anderen als des Nachbarn Mühle zu mahlen, aus keiner als des Nachbarn
Schenke Wein, Bier und Branntwein zu holen und dergleichen.
[2, 29, § 23] 142. Wo ein Herr sein Gut oder eine Gemeinde
sich zu einem solchen Zwang gegen dem benachbarten Gut verbindlich gemacht hat,
da gehet auch diese Dienstbarkeit auf alle nachfolgende Besitzere des Guts und
auf alle Nachkömmlinge der Gemeinde fort, es wäre dann solche nur auf gewisse
Zeiten oder Personen beschränket worden. Dadurch aber, daß Jemand durch noch so
lange Zeit seine
(2-517) Bedürfnissen nirgends anderst, als von einem
gewissen Ort hergeholet, wird in Ermanglung einer ausdrücklichen Verbindung
noch keine Dienstbarkeit bestellet.
§ XXIV.
[2, 29, § 24] 143. Außer denen vorbeschriebenen giebt es
noch verschiedene Arten von Felddienstbarkeiten, nachdeme solche der Nutzen
oder die Bedürfniß eines Grunds von dem anderen erheischet.
[2, 29, § 24] 144. Dahin gehören: Das Recht auf fremden
Grund Kalk zu brennen, Sand und Lehm zu graben, aus fremden Wald Hopfenpfähle,
Zaun- und Weinstecken, Dachschindeln zu holen, darinnen Eicheln, Nüsse,
Schwämme, Eichenzapfen oder Knoppern zu klauben, dürres Holz und Reisig zu
brechen, Holz zu fällen, Kohlen zu brennen, zu jagen und Waidwerk zu treiben,
in fremden Wässern zu fischen, auf fremden Feldern Lerchen zu streichen, in des
Nachbarn Bräuhaus zu brauen, in fremder Presse Wein zu pressen, in fremder
Scheuer zu dreschen, die Wagendeichsel in fremden Grund auszustrecken, und
dergleichen unzählig andere.
[2, 29, § 24] 145. Desgleichen das Zehentrecht auf fremden
Gründen in allen seinen nach denen Verträgen und Gebräuchen jeden Orts
hergebrachten verschiedenen Arten, wobei es dann auch für das Künftige sein
gänzliches Verbleiben haben solle.
[2, 29, § 24] 146. Nur ist bei allen Arten der
Dienstbarkeiten darauf zu sehen, ob selbe einem Gut oder einer Person bestellet
worden. Dann ersteren Falls sind sie beharrlich, letzteren Falls aber erlöschen
sie mit der Person dessen, deme sie verliehen worden. Wann jedoch ein Zweifel
fürwaltete, ob die verliehene Gerechtigkeit eine Grunddienstbarkeit oder eine
persönliche Dienstbarkeit seie, ist solche für persönlich zu halten, wofern in
der Verleihung keine Meldung des Guts einkommet, daß demselben die
Dienstbarkeit bestellet werde.
[2, 29, § 24] 147. Woferne aber Jemandem aus Freundschaft
und guten Willen derlei Befugnissen ein- oder auch öftere Mal verstattet
würden, folget hieraus noch keine Verbindlichkeit, sondern sie bleiben zu allen
Zeiten nach Wohlgefallen des Verstattenden widerruflich.
(2-518) Caput XXX.
Von dem Pfandrecht.
Inhalt:
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Pfandrechts. §. II.
Von verschiedenen Gattungen des Pfandrechts. §. III. . Von Erwerbungsarten des
Pfandrechts. §. IV. Von dem stillschweigenden Pfandrecht. §. V. Von den
Wirkungen des Pfandrechts, und den daraus entspringenden Rechtsforderungen. §.
VI. Von Erlöschung und Aufhebung des Pfandrechts.
§. I.
[2, 30, § 1] Num. 1. Die fünfte, und in der Ordnung
gegenwärtiger Abhandlung die letzte Gattung des Rechts an fremden Sachen ist
das Pfandrecht, welches an Pfandschaften gebühret, die, insoweit solche aus
Contracten entspringen, in dem dritten Theil, in siebenten Capitel von
Pfandcontracten eigends beschrieben werden.
[2, 30, § 1] 2. Hier wird nur das aus Pfandschaften
entstehende Pfandrecht erkläret; dieses ist ein dingliches Recht, welches ein
Glaubiger an dem Gut seines Schuldners oder auch eines Dritten für diesen durch
die Bestellung oder Verschreibung eines Unterpfands zur Sicherheit seiner
Schuldforderung erwirbt.
[2, 30, § 1] 3. Gleichwie aber ein Unterpfand zu keinem
anderen Ziel und End, als zur Sicherheit des Glaubigers bestellet wird, also
ist auch zur Wesenheit des Pfandrechts erforderlich, daß eine Schuld oder
sonstige Verbindlichkeit vorhergehe, ohne welcher dasselbe nicht bestehen kann,
sondern, wo diese ermanglet oder unstatthaft ist, erlöschet auch das
Pfandrecht.
[2, 30, § 1] 4. Es kann jedoch sowohl eine eigene, als
fremde Verbindlichkeit sein, wofür ein Unterpfand bestellet wird, woferne selbe
nur nach unseren Gesetzen zulässig ist, und zu Recht bestehen mag; in
Gegentheil, wann für Jene, welche Verbindungen einzugehen unfähig sind,
entweder von ihnen selbst, oder auch von einem Dritten für sie Pfandschaften
bestellet werden, sind dieselbe null und nichtig, und geben dem vermeintlichen
Glaubiger kein Pfandrecht.
[2, 30, § 1] 5. Wo aber von einem Weib für ihren Ehemann,
oder auch für einen Dritten ohne Begebung ihrer weiblichen Gerechtigkeit eine
Pfandschaft bestellet würde, bestehet diese nur insoweit, als ihre Bürgschaft
nach Inhalt dessen, was davon im dritten Theil, im achten Capitel von
Bürgschaften, § II geordnet wird, giltig ist.
[2, 30, § 1] 6. Wer und weme, und an was für Sachen das
Pfandrecht bestellet werden könne, wird in gleichgedachtem dritten Theil, in
siebenten Capitel von Pfandcontracten,
(2-519)in ersten Artikel, §§. II und III, dann im zweiten
Artikel, §§. X und XI ausführlich erkläret.
§. II.
[2, 30, § 2] 7. Die Pfandschaften werden auf zweierlei Art
bestellet, als entweder durch die wirkliche Uebergabe der verpfändeten Sache
oder durch die Verschreibung und Behaftung einer Sache zum Unterpfand; erstere
heißen eigentlich ein Pfand, Unterpfand, Versatz, letztere aber eine
Pfandsverschreibung oder Hypothek.
[2, 30, § 2] 8. Ein Pfand kann nur an beweglichen Dingen
mittelst der wirklichen Uebergabe, eine Hypothek hingegen insgemein nur in
liegenden Gütern, und bloß allein in gewissen, in dritten Theil, in siebenten
Capitel von Pfandcontracten, in zweiten Artikel, §. XI bestimmten Fällen auch
an fahrenden Habschaften mittelst gerichtlicher Verschreibung oder Behaftung
erworben werden.
[2, 30, § 2] 9. Obschon aber diese beide Gattungen sowohl
nach deren jeder besonderen Bestellungsart, als nach der Verschiedenheit des
Gegenstandes, den sie behaften, unterschieden sind, so kommen sie jegleichwohlen
in ihrer Wirkung überein, daß so aus einer, wie aus der anderen das Pfandrecht
entstehe, welches die zum Unterpfand gegebene Sache, wie das zur Hypothek
verschriebene oder angewiesene Gut in ganz gleicher Maß behaftet.
[2, 30, § 2] 10. Dieses ist demnach an sich selbst, und in
seiner Wirkung ganz einfach, in Rücksicht aber auf die verschiedene
Bestellungsart dreierlei, dann entweder wird dasselbe durch beiderseitige
ausdrückliche Vereinigung der Contrahenten nach eigener freier Willkür
bestellet, und heißet ein willkürliches Unterpfand.
[2, 30, § 2] 11. Oder es wird von richterlichen Amts wegen
an dem Gut des Schuldners auch wider seinen Willen verhänget, und ist ein
gerichtliches Unterpfand, oder endlich in gewissen von Uns besonders
ausgedrückten Fällen aus Anordnung des Gesatzes stillschweigend erworben, und
ist ein rechtliches oder stillschweigendes Unterpfand.
[2, 30, § 2] 12. Das aus Willkür der Contrahenten bestellte
Pfandrecht ist entweder allgemein oder sonderheitlich; mit dem allgemeinen wird
das gesammte Hab und Gut des Schuldners behaftet, das sonderheitliche hingegen
nur an einer gewissen benannten Sache oder Gut bestellet. Inwieweit aber eine
allgemeine Hypothek zu Recht bestehen, und zur Wirkung gebracht werden könne,
wird in dritten Theil an der oben num. 8 bemerkten Stelle
umständlich erkläret.
§. III.
[2, 30, § 3] 13. Das willkürliche Pfandrecht entspringet aus
Pfandcontracten, oder aus Bestellung einer von dem Schuldner, oder von einem
Dritten für diesen dem Glaubiger zur Sicherheit seiner
Forderung verschriebenen Hypothek.
(2-520) [2, 30, § 3] 14. Es wird aber zur Erzeugung des
Pfandrechts bei Pfändern die wirkliche Uebergabe der verpfändeten Sache, und
bei Hypotheken die gerichtliche Verschreibung in die Landtafel, Stadt- oder
Grundbücher, wo das verschriebene Gut inlieget, zu Handen des Glaubigers
dergestalten unumgänglich erforderet, daß so wenig ein Pfand ohne der
Uebergabe, als eine Hypothek ohne der Einverleibung in die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher bestehen kann, wie alles dieses in dritten Theil in
oftermelten siebenten Capitel, ersten Artikel §. IV, und in zweiten Artikel, §.
XII ausführlich erkläret wird.
[2, 30, § 3] 15. Das gerichtliche Pfandrecht wird durch
richterliche Verordnung von amtswegen in denen im vierten Theil in der
Abhandlung von der Gerichtsordnung ausgemessenen Fällen bestellet; doch ist
auch bei dieser Art des Pfandrechts zu Behaftung liegender Güter die
Einverleibung der dasselbe verhängenden richterlichen Verordnung in die
Landtafel, Stadt- oder Grundbücher nothwendig, ohne welcher auch gerichtliche
Verfügungen an liegenden Gütern kein Pfandrecht bewirken können.
[2, 30, § 3] 16. Wo aber an Fahrnissen ein gerichtliches
Unterpfand bestellet würde, kann dasselbe hieran auf keine andere Art bestehen,
als wann solche entweder in gerichtlichen Beschlag genommen, oder mit
Einwilligung des Schuldners dem Glaubiger zu seiner Sicherheit ausgeantwortet
werden.
§. IV.
[2, 30, § 4] 17. Das rechtliche oder stillschweigende
Pfandrecht rühret unmittelbar aus Anordnung der Gesetzen selbst her, welche dem
Glaubiger in gewissen Fällen ohne
(2-521) einer ausdrücklichen Bestellung ohne Verabredung ein
stillschweigendes Unterpfand an dem Gut des Schuldners zueignen.
[2, 30, § 4] 18. Derlei Fälle waren bishero nach den
gemeinen Rechten und vorhin bestandenen Gesetzen mehrfältig; wiezumahlen aber
diese stillschweigende Hypotheken mit dem öffentlichen Trauen und Glauben und
der davon abhangenden Sicherheit des Handels und Wandels keineswegs
vereinbarlich, sondern dem abgezielten heilsamen Endzweck der Landtafeln
schnurgerad zuwider sind, so haben wir dahero für nöthig befunden, für das
Künftige alle stillschweigende Hypotheken, welche sonst nach den vorigen
Gesetzen angebühret haben mögen, mit alleiniger Ausnahm nachstehender zweier
Fällen hiermit gänzlich aufzuheben und abzustellen.
[2, 30, § 4] 19. Es solle demnach in Zukunft das
stillschweigende Pfandrecht oder Hypothek nur in folgenden zweien Fällen nach
wie vor statt haben, als: Erstens, wegen der ausständigen Steuern und Landesanlagen,
Erb- und Grundzinsen, der Lehenwaare oder sogenannten Ehrungen, jedoch nur auf
demjenigen Grund, auf dem sie haften, und von welchem sie abzutragen sind,
keineswegs aber auf einem anderen obschon dem nemlichen Eigenthümer zugehörigen
Gut, mit dem in vierten Theil in der Gant- oder Cridaordnung ausgemessenen Vorrecht vor anderen minderbefreiten
Forderungen.
[2, 30, § 4] 20. Zweitens solle dem Vermiether, Verpachter
oder Bestandgeber für den schuldigen Mieth-, Pacht- oder Bestandzins, wie nicht
minder für den allenfalls an dem gemietheten Gut zugefügten erweislichen
Schaden an allen von dem Miether, Pachter oder Bestandmann in das gemiethete
oder gepachtete Gut, Haus, Hof, Wohnung, Boden, Keller oder Gewölb gebrachten,
und ihme eigenthumlich zuständigen Fahrnissen, wie auch an denen von dem
gepachteten oder bestandenen Gut erzeugten Vorräthen, welche von so einen als
anderen zur Zeit der angelegten gerichtlichen Sperr allda vorfindlich sind, in
Ermanglung eines ausdrücklich bestellten Unterpfands, aber bei dessen
Unzulänglichkeit ein stillschweigendes Pfandrecht oder Hypothek angebühren.
[2, 30, § 4] 21. Unter dieser stillschweigenden Hypothek
jedoch ist keinerdings begriffen, was von dem Miether, Pachter oder Bestandmann
schon vorhin davon veräußeret worden, noch auch Jenes, was ihme nicht
eigenthumlich zugehöret, obschon so ein wie anderes unter seinen übrigen
Fahrnissen gefunden würde.
[2, 30, § 4] 22. Desgleichen erstrecket sich diese
stillschweigende Hypothek nicht auf Schuld- oder Wechselbriefe, oder andere
Urkunden, welche zum Beweis einer Forderung oder sonstigen Rechts andienen,
noch weniger auf Dasjenige, was zur Zeit der Sperr nicht mehr allda vorhändig
ist, sondern schon ehender von dannen hinweggebracht worden, obgleich solches
noch dem Miether oder Pachter angehörig wäre.
[2, 30, § 4] 23. Um so minder werden die Habseligkeiten
Jener, welche bei dem Miether,
(2-522) Pachter oder Bestandmann ihren Aufenthalt haben, als
seines Weibs, Kinder und Hausgenossen, oder auch Anderer, die von ihme ohnentgeltlich
in die gemiethete Wohnung genommen worden, mit einer stillschweigenden Hypothek
behaftet, und ist dahero der Vermiether oder Verpachter sich hieran zu halten
nicht befugt.
[2, 30, § 4] 24. Woferne aber der Miether, Pachter oder
Bestandmann das gemiethete oder gepachtete Gut, Haus oder Wohnung anwiederum
weiters an jemanden Anderen ganz oder zum Theil vermiethet, verpachtet oder in
Bestand gelassen hätte, so sind die dahin gebrachten eigenthümlichen Fahrnissen
des Afterpachters oder Afterbestandmanns für den von ihme schuldigen Mieth-,
Pacht- oder Bestandzins, und für die allenfalls zugefügte Beschädigungen in
eben der vorbestimmten Maß sowohl dem zweiten als dem ersten Vermiether,
Verpachter oder Bestandgeber mit dem stillschweigenden Pfandrecht verfangen,
doch für keinen höheren Betrag, als welcher bei dem Afterpachter oder
Afterbestandmann ausständig ist.
[2, 30, § 4] 25. Es darf aber der Vermiether, Verpachter
oder Bestandgeber hierinnen nicht eigenmächtig fürgehen, noch weniger sich
selbst aus denen vorgefundenen Fahrnissen bezahlt machen, sondern, wo die
Bezahlung des verfallenen Zinses, oder die angebührende Entschädigung durch
gütliche Ermahnung nicht zu erlangen, und er dahero sich an denen
Habseligkeiten des Miethers, Pachters oder Bestandmanns zu halten bemüßiget
wäre, hat derselbe die gerichtliche Sperr und Beschreibung anzuverlangen.
[2, 30, § 4] 26.Worauf zu deren gerichtlicher Abschätzung
und Veräußerung auf die im dritten Theil, in siebenten Capitel, zweiten
Artikel, §. XIII. vorgeschriebene Art und Weis fürgeschritten, und aus dem
erlösten Geld der Vermiether oder Verpachter mit so viel, als er aus dem Mieth-
oder Pachtcontract rechtmäßig zu forderen zu haben erweisen wird, befriediget
werden solle.
[2, 30, § 4] 27. Bis dahin aber hat derselbe Fug und Macht
bei wahrnehmender Gefährde alle Verschleppung, Vertuschung, und öffentliche
oder heimliche Hinwegtragung der Fahrnissen auf alle thunliche Weise zu
verwehren und zu verhinderen.
[2, 30, § 4] 28. Außer diesen zweien Fällen sollen in Hinkunft
nach Kundmachung dieses Unseren Gesatzes alle andere, wie immer Namen habende,
von den vorigen Gesetzen eingeführte stillschweigende Pfandgerechtsamen hiermit
gänzlich aufgehoben sein, und hinfüro nicht die mindeste Wirkung haben.
[2, 30, § 4] 29. Soviel es aber die nach den vorigen
Gesetzen allschon bestehende, allein noch nicht zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Vormerkung gebrachte stillschweigende Hypotheken anlanget, so
sollen Wir allen und jeden Glaubigeren, welchen eine solche vorhin erworbene
stillschweigende Hypothek gebühret, eine ganze Jahresfrist von dem Tag der
Kundmachung dieses Unseren Gesatzes anzurechnen, hiermit gnädigst verstattet
und bestimmet haben, um sich binnen dieser Zeit mit ihnen auf einem liegenden
Gut aus einem stillschweigenden Pfandrecht habenden Sprüchen bei denen
Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern um so gewisser vormerken zu lassen, als
nach Verfließung dieser Jahresfrist ihr stillschweigendes Pfandrecht gänzlich
erloschen sein, und ihre Sprüche nach dieser Zeit in Ermanglung einer anderweit
sich vorgesehenen ausdrücklichen Hypothek für bloße chirographarische
Schuldforderungen angesehen werden sollen.
[2, 30, § 4] 30. Welches nicht weniger auch in Ansehung
deren unter der Vormundschaft oder fremden Obsorge stehenden Personen, wie auch
der milden Stiftungen statt haben, diesen aber auf dem Fall, daß hierunter
etwas verabsaumet würde, bevorstehen solle, sich des daher ihnen zuwachsenden
Schadens halber an Jenen, die sie zu vertreten haben, und auch allenfalls an
dem Gericht selbst, welchem deren Obsorge anvertrauet ist, zu erholen.
[2, 30, § 4] 31. Jedoch erwerben die stillschweigende
Hypotheken, welche sich binnen der obanberaumten Jahresfrist vormerken lassen,
durch diese Vormerkung kein neues
(2-528) besonderes Vorrecht weder eine vor der anderen unter
sich, noch vor denen früher vorgemerkten ausdrücklichen Hypotheken, sondern
eine jede Pfandgerechtsame verbleibet allerdings in ihrem vorigen Stand, und
deren jedweder ihr etwan nach denen vorhinigen Gesetzen angebührendes Vorrecht
vor der anderen vorbehalten, welches ein Glaubiger gegen dem anderen seiner
Zeit, wo es die Nothdurft erheischet ihre Behelfe und Gegenbehelfe gegen
einander auszuführen, in Weg Rechtens behaupten mag.
[2, 30, § 4] 32. Dahingegen solle die binnen der Jahresfrist
befolgte Vormerkung der vorhin erworbenen stillschweigenden Hypotheken das
Vorrecht vor allen später angemeldeten ausdrücklichen Hypotheken von dem Tag
ihrer Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher bewirken, dem
Schuldner aber anbeinebst seine wider die Richtigkeit der angegebenen Forderung
habende Behelfe und Einwendungen entweder sogleich, oder doch in der zum
gerichtlichen Widerspruch ausgesetzten Zeit anzubringen unverwehret sein.
§. V.
[2, 30, § 5] 33. Das ordentlich erworbene Pfandrecht giebt
nicht nur allein dem Glaubiger die Sicherheit wegen seiner Forderung, für die
es bestellt worden, sondern es behaftet auch die zum Unterpfand gegebene Sache,
aber das zur Hypothek gerichtlich verschriebene Gut dergestalten, dass diese
Haftung, so lange sie nicht getilget wird, mit der Sache oder mit dem Gut auf
einen jedweden dritten Besitzer übergehe.
[2, 30, § 5] 34. Hieraus entstehen an Seiten des Glaubigers
viererlei Befugnissen, als: Erstens das Recht der Abforderung von einem
jedweden Besitzer, zweitens das Recht der Innenhaltung, drittens das Recht des
Vorzugs vor anderen Glaubigern, viertens das Recht der Veräußerung.
[2, 30, § 5] 35. Von dem Recht des Vorzugs wird in vierten
Theil bei der Gant- oder Cridaordnung eigends gehandlet, das Recht der
Veräußerung aber, und die dabei zu beobachten habende Art und Weis in Ansehung
der zum Pfand gegebenen beweglichen Sachen, im dritten Theil, in siebenten
Kapitel, zweiten Artikel, §. XIII und in Betracht der zur Hypothek
verschriebenen liegenden Gütern in vierten Theil bei der Executionsordnung
umständlich beschrieben.
[2, 30, § 5] 36. Es erübrigt also nur sowohl das Recht der
Abforderung, als das Recht der Innenhaltung, welche beide die vornehmsten
Wirkungen eines dinglichen
(2-529) Rechts sind, hier zu erklären; doch ist auch bei dem
ersteren zwischen den an liegenden Gütern gerichtlich verschriebenen
Hypotheken, und zwischen eigentlichen Pfändern ein Unterschied zu machen.
[2, 30, § 5] 37. Gleichwie der Glaubiger, ehe und bevor die
ihme verschriebene Hypothek landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf dem
darzu angewiesenen liegenden Gut einverleibet worden, noch hieran kein Recht
hat, und somit auch das Gut, wann es vor der darauf einverleibten Hypothek an
einen Dritten veräußeret worden, nicht mehr in Anspruch nehmen kann, also
hingegen bedarf derselbe, nachdeme die Hypothek landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich darauf vorgemerket worden, keiner besonderen Rechtsforderung,
sondern das Pfandrecht bleibt hierauf haften, das Gut möge an wen immer
veräußeret werden.
[2, 30, § 5] 38. Wann dahero der Glaubiger sich seiner
Hypothek halten, und die Bezahlung hieraus erholen will, hat er nichts Anderes
nöthig, als die ihme aus der Pfandsverschreibung angebührende Execution nach
Maßgebung dessen, was davon in viertem Theil bei der Executionsordnung
ausgesetzet ist, zu verführen, und dieses ohne Unterschied, ob das Gut, worauf
die Hypothek haftet, sich in Handen des Schuldners oder eines Dritten befinde.
[2, 30, § 5] 39. Dahingegen hat der Glaubiger in Ansehung
der ihme zum Pfand oder in Versatz gegebenen
beweglichen Sachen, wann sie ihme wider seinen Willen aus Handen gekommen oder
widerrechtlich vorenthalten werden, die aus dem Pfandrecht entspringende ihme
und seinen Erben wieder einen jedweden Besitzer der verpfändeten Sache
angebührende Rechtsforderung zur Ausfolgung des Pfands mit allen seinen
Zugehörungen und Nutzungen in derjenigen Maß, wie solche weiter unten bestimmet
wird.
[2, 30, § 5] 40. Dann keinem Glaubiger ist erlaubet, sein
Pfand dem Besitzer eigenmächtig hinwegzunehmen, sondern er muß dessen
Wiedererlangung mittelst vorbemelter
Rechtsforderung nach Ordnung Rechtens ansuchen, wobei ihme zu erweisen
oblieget, dass nicht allein das Pfand seine Richtigkeit habe, sondern auch
Beklagter sich in dem wirklichen Besitz der verpfändeten Sache befinde.
[2, 30, § 5] 41. Hätte nun Kläger so ein als anderes
rechtsbehörig erwiesen, so hat der Richter das ihme an der Sache zustehende
Pfandrecht zu erklären, und den Beklagten zu deren Ausfolgung an den Kläger zu
verurtheilen.
[2, 30, § 5] 42. Es könnte dann dagegen der Beklagte
darthun, dass er die Sache in guten Glauben, ohne von der darauf haftenden
Pfandschaft etwas zu wissen, aus einem rechtmäßigen Ankunftstitul mit Ausweisung
seines Gewährsmanns an sich gebracht, oder ohne eines üblen Glaubens überführt
werden zu mögen, die Sache durch die zur Verjährung beweglicher Dingen oben in
neunten Kapitel, §. IV ausgemessene Verjährungszeit besessen, folglich hieran
das Eigenthum aus Macht Rechtens erworben habe, oder dass ihme die Sache
ehender, als dem Kläger in Versatz gegeben worden, oder dass das Pfandrecht des
Klägers bereits erloschen, oder endlich, dass die Sache zur Zeit, als sie dem
Kläger ohne seinem Wissen und Willen verpfändet worden, sein Eigenthum gewesen,
und bis nun zu ohnverändert geblieben, und dieses dem Kläger wohl wissend
gewesen seie, in welchen Fällen der Beklagte von der Klage ledig und
losgezählet werden solle.
[2, 30, § 5] 43. Dadurch aber, dass der Beklagte aus
geflissentlicher Gefährde zur Verkürzung des Klägers sich des Besitzes der
angesprochenen Sache entäußeret, oder sich fälschlich für einen Besitzer
ausgegeben, da er doch wissentlich nicht in dem Besitz der Sache gewesen, wird
er von der wider ihn angestrengten Klage nicht enthoben, sondern es ist hierbei
all Jenes zu beobachten, was oben im dritten Kapitel, §. III. von der
Eigenthumsklage in ganz gleichen Fällen geordnet worden.
[2, 30, § 5] 44. Würde jedoch die Sache zwar zur Zeit der
erhobenen Klage in Handen des Beklagten befindlich gewesen, währenden
Rechtsstritt aber verloren, oder sonst zu Grund gegangen sein, so ist zu
unterscheiden, ob der Verlust oder Untergang der
(2-525)Sache durch Zufall oder aus Schuld des Beklagten,
oder aus dessen geflissentlicher Gefährde erfolget seie.
[2, 30, § 5] 45. Ersteren Falls wird er durch den zufälligen
Verlust oder Untergang der Sache von allen weiteren Anspruch des Klägers
entlediget, bleibet aber jegleichwohlen verbunden, das was von den Zugehörungen
zur Sache oder davon behobenen Nutzungen etwan noch in seinen Handen befindlich
ist, dem Kläger zu verabfolgen.
[2, 30, § 5] 46. Im zweiten Fall hingegen, wo seine
erweisliche Schuld mit unterlaufet, hat er den Werth der Sache nach der
gemeinen Schätzung, oder wie solchen Kläger in Ermanglung eines anderen
Beweises gewissenhaft beschwören kann, dafür zu bezahlen.
[2, 30, § 5] 47. In dem dritten Fall aber, wo seine
geflissentliche Gefährde erweislich ist, hat er denjenigen Werth zu entrichten,
welchen Kläger nach eigener Schätzung und Anständigkeit eidlich bewähren, und
der Richter nach vorläufiger Mäßigung bestimmen wird.
[2, 30, § 5] 48. Jedoch ist in so einem als anderen Fall, wo
der Werth für die verpfändete Sache von dem Beklagten erleget wird, dem Kläger
hiervon nur so viel, als seine erweisliche Schuldforderung mit Zinsen, Schäden
und Unkosten betraget, auszufolgen, das Uebrige aber, bis dass sich Jener,
welcher die Sache in Versatz gegeben, hierum meldet, in gerichtlichen Beschlag
aufzubehalten.
[2, 30, § 5] 49. Gleichwie dann auch auf dem Fall, wo
Beklagter ein Abkommen oder Verständniß wegen des Uebrigen mit Jenem, der das
Pfand eingeleget, erweisen würde, derselbe dem Kläger zu nichts Mehreren, als
dem Betrag seiner Schuldforderung mit Zinsen, Schäden und Unkosten verbunden
ist.
[2, 30, § 5] 50. Zur Erstattung der mittlerweil behobenen
Nutzungen kann Beklagter nur damals verhalten werden, wann solche dem Kläger
ausdrücklich mitverpfändet worden, aber die Sache an sich zur hinlänglichen
Sicherstellung und Befriedigung des Klägers nicht zureichend ist, ansonst hat
der Kläger an denen Nutzungen keinen Anspruch.
[2, 30, § 5] 51. Das andere gleichfalls dem Glaubiger
zustehende Recht der Innenhaltung giebt ihme die Befugniß sich seines ihme
verschriebenen oder gegebenen Unterpfands solange zu halten, bis dass derselbe
mit seiner Forderung nebst allen Zinsen, Schäden und Unkosten vollständig
befriediget werde.
[2, 30, § 5] 52. Dieses Recht der Innenhaltung gebühret zwar
bei landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf liegenden Gütern
verschriebenen Hypotheken nicht weiter, als nur lediglich für diejenige
Forderung, für welche die Hypothek namentlich bestellt worden, nicht aber auch
für andere, obschon an dem nemlichen Schuldner habende, doch mit dieser
Hypothek nicht versicherte Schuldforderungen.
[2, 30, § 5] 53. Allein bei Pfändern kann ein Glaubiger sich
des Rechts der Innenhaltung an dem nemlichen Pfand auch für andere aus was
immer für Ursache herrührende an eben demselben Schuldner habende Forderungen,
wofür das Pfand namentlich nicht eingeleget worden, gebrauchen, es wäre dann
mit dem Schuldner ausdrücklich bedungen worden, dass das gegebene Pfand nur für
die eine Schuld, nicht aber auch für die anderen haften solle.
§. VI.
[2, 30, § 6] 54. Das Pfandrecht erlöschet mit Auflösung der
Pfandschaft; wie aber die an beweglichen Sachen bestellte Pfandschaften
beendiget werden, wird im dritten Theil, in siebenten Kapitel, ersten Artikel,
§. VIII und auf was Art eine
(2-526) auf liegenden Gütern landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
verschriebene Hypothek getilget werde, in eben diesem Kapitel, zweiten Artikel,
§. XV beschrieben.
[2, 30, § 6] 55. Hierinnen bestehen nun die in dieser
Abhandlung erklärte fünf gemeinere Gattungen dinglicher Rechten an fremden Gut;
wodurch Wir aber keineswegs alle andere Grundrechten, die nach denen
verschiedenen Landesverfassungen jeden Orts hergebracht sind, und hier nicht
besonders beschrieben worden, auszuschließen und abzustellen gemeinet sind.
[2, 30, § 6] 56. Wir wollen vielmehr nicht allein solche bei
ihrer Kraft und Bündigkeit bestehen lassen, sondern auch Jedermänniglichem
freigestellt haben, sein Gut mit was immer für einer Verfänglichkeit, welche in
Unseren Gesetzen nicht verboten ist, zu behalten, wann nur bei liegenden Gütern
das dem Anderen heran eingestandene Recht landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich auf dem Gut da, wo dasselbe inlieget, einverleibet und
vorgemerket wird.
[2, 30, § 6] 57. Widrigens kann ohne dieser Einverleibung
und Vormerkung in Hinkunft kein dingliches Recht auf liegenden Gütern bestehen,
noch minder dieselbe behaften, sondern derlei dahin abzielende Handlungen
wirken ohne solcher bloß allein persönliche Verbindungen, zu deren Beschreibung
in dem gleich nachfolgenden dritten Theil geschritten wird.
(2-527) Inhalt.
Zweiter Theil. Von Sachen und dinglichen Rechten. Seite
Caput I. Von Unterschied der Sachen. n. 1-220 3
§. I. Von Natur, Eigenschaft und Verschiedenheit der Sachen
in Absicht auf die darauf gebührende Rechten. n. n. 1-15 3
§. II. Von Gott geheiligten Sachen. n. 16-42 5
§. III. Von Sachen, deren Gebrauch allen Menschen gemein
ist. n. 43-46 12
§. IV. Von Sachen eines Staats oder Landes. n. 47-125
14
§. V. Von Sachen der Gemeinden. n. 126-155 25
§. VI. Von Sachen einzler Personen. n. 156-162 28
§. VII. Von beweg- und unbeweglichen Sachen. n.
163-204 29
§. VIII. Von unkörperlichen Dingen. n. 205-220 34
Caput II. Von dinglichen Rechten überhaupt. n. 1-34 37
§. I. Von Natur, Wesenheit und Unterschied dinglicher
Rechten. n. 1-21 37
§.II. Von deren Eintheilung in das Recht über das eigene Hab
und Gut, und das Recht an fremden Sachen. n. 22-26 39
§. III. Von verschiedenen Gattungen des Rechts an
fremden Sachen. n. 27-32 40
§. IV. Von der Ordnung dieses zweiten Theils, nach welcher
alle Gattungen dinglicher Rechte abgehandlet werden. n. 33-35 40
Caput III. Von Eigenthum n. 1-100 41
§. I. Von Natur, Wesenheit und Eigenschaft des Eigenthums.
n. 1-8 41
§. II. Von Erwerbungsarten des Eigenthums. n. 9-20 44
§. III. Von Wirkungen des Eigenthums. n. 21-94 47
§. IV. Von Erlöschung und Beendigung des Eigenthums. n.
95-100 59
Caput IV. Von Erwerbungsarten des Eigenthums, und
insonderheit von der Ergreifung. n. 1-105 60
§. I. Von Rechtmäßigkeit der Ergreifung einer Sache. n.
1-20 60
§. II. Von Verschiedenheit der Ergreifungsarten. n. 21,
22 63
§. III. Von Bemächtigung einer Sache. n. 23-55 63
§. IV. Von Findung einer Sache. n. 56-71 68
§. V. Von Hebung eines Schatzes. n. 72-105 71
Caput V. Von Zugang oder Zuwachs. n. 1-160 76
Erster Artikel. Von natürlichen Zuwachs. 1-41 76
§. I. Von verschiedenen Gattungen des natürlichen Zuwachses
überhaupt. n. 1-3 76
§. II. Von der Thierzucht. n. 4-6 76
§. III. Von Anwurf oder Anspülung des Erdreichs durch den
Strom. n. 7-18 77
§. IV. Von Entstehung eines Werders oder Insel. n.
19-29 79
§. V. Von dem verlassenen Flussbett oder Rinnsal. n.
30-41 80
Zweiter Artikel. Von dem Zugang theils von der Natur, theils
durch menschliche Zuthat. n. 42-63 82
§. VI. Von Einpflanzung und Einsäung fremder Pflanzen und Samens
in eigenen Boden. n. 42-52 82
§. VII. Von Einpflanzung und Einsäung eigener Pflanzen und
Samens in fremden Boden. n. 53-60 83
§. VIII. Von Einpflanzung und Einsäung fremder Pflanzen in
fremden Boden. n.61-63 84
(2-528) Dritter Artikel. Von dem Zugang durch alleinige
menschliche That. n. 64-160 85
§. IX. Von Gestaltung eines fremden Zeugs. n. 64-85 85
§. X. Von Beifügung eines Dings zu dem anderen. n.
86-102 88
§. XI. Von der Zusammengießung und Vermengung. n.
103-120 90
§. XII. Von Einbau fremden Zeugs in eigenen Boden. n.
121-128 92
§. XIII. Von Einbau eigenen Zeugs in fremden Boden. n.
129-134 94
§. XIV. Von Einbau fremden Zeugs in fremden Boden. n.
135-140 94
§. XV. Von Beschreibung fremden Papiers und von Bemahlung
fremden Zeugs. n. 141-145 95
§. XVI. Von Zugang der Früchten und Nutzungen aus fremden Gut wegen guten Glaubens. n. 146-160 96
Caput VI. Von willkürlicher Uebertragung des Eigenthums, und
insonderheit von der Uebergabe. n. 1-46 98
§. I. Von verschiedenen Arten der Uebergabe. n. 1-22
98
§. II. Von Fähigkeit der Uebergebenden und Erwerbenden. n.
23-26 100
§. III. Von Erfordernussen zur rechtmäßigen Uebergabe. n.
27-42 101
§. IV. Von Wirkungen der Uebergabe. n. 43-46 103
Caput VII. Von Schankungen. n. 1-156 104
Erster Artikel. Von Schankungen unter Lebenden. n. 1-104 104
§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit der Schankungen
unter Lebenden n. 1-18 104
§. II. Von Fähigkeit des Geschenkgebenden
und Annehmenden. n. 19-28 106
§. III. Von Sachen, welche geschenket werden mögen. n.
29-34 107
§. IV. Von gerichtlicher Anmeldung der unmäßigen
Schankungen. n. 35-50 108
§. V. Von Wirkungen der Schankungen. n. 51-60 111
§. VI. Von Widerrufung und Entkräftung der Schankungen. n.
61-104 113
Zweiter Artikel. Von Schankungen und Uebergaben auf den
Todesfall. n. 105-156 118
§. VII. Von der Natur und Unterschied der Schankungen und
Uebergaben auf den Todesfall. n. 105-124 118
§. VIII. Von Fähigkeit deren auf den Todesfall Uebergebenden
und Annehmenden. n. 125-128 121
§. IX. Von Wirkung der Schankungen und Uebergaben auf den
Todesfall. n. 129-142 121
§. X. Von deren Widerrufung und Entkräftung. n.
143-156 123
Caput VIII. Von Uebertragung des Eigenthums aus Macht
Rechtens. n. 1-70 126
§. I. Von den Arten der rechtlichen Uebertragung des
Eigenthums überhaupt. n. 1-16 126
§. II. Von Uebertragung des Eigenthums durch landtäfliche,
stadt- oder grundbücherliche Einlagen liegender Güter. n. 17-34 128
§. III. Von Uebertragung des Eigenthums durch richterlichen
Spruch und Urtheil. n. 35-42 130
§. IV. Von Uebertragung des Eigenthums durch rechtmäßige
Erwerbung fahrender Dingen mit guten Glauben. n. 43-70 131
Caput IX. Von Verjährungen. n. 1-165 136
§. I. Von Erfordernussen der Verjährung. n. 1-68 136
§. II. Von Fähigkeit der Personen, welche ein Ding oder
Recht durch Verjährung ersitzen können. n. 69-76 144
§. III. Von Sachen und Rechten, welche nicht verjähret werden mögen. n. 77 bis 132 144
§. IV. Von Verjährung beweglicher Sachen. n. 133-137
150
§. V. Von Verjährung liegender Güter. n. 138-140 151
§. VI. Von Verjährung unkörperlicher Dingen, als Rechten und
Forderungen. n. 141-146 152
§. VII. Von Verjährung durch undenkliche Besitzzeit. n.
147-150 153
§. VIII. Von Rüglung oder Unterbrechung der Verjährungszeit.
n. 151-165 154
Caput X. Von der Erbfolge überhaupt. n. 1-33 156
§. I. Von der Natur, Wesenheit und Wirkung der Erbfolge. n.
1-8 156
§. II. Von dem Unterschied der Erbfolge von der Nachfolge in
einzlen Sachen. n. 9-11 160
§. III. Von deren Eintheilung in die letztwillige und rechtliche
Erbfolge. n. 12 bis 17 160
(2-529) §. IV. Von verschiedenen Arten der letztwilligen
Erbfolge. n. 18,19 161
§. V. Von Ordnung der rechtlichen Erbfolge. n. 20-22
161
§. VI. Von Ordnung gegenwärtiger Abhandlung von beiderlei
Erbfolge. n. 23-33 162
Caput XI. Von der Erbfolge aus Testamenten. n. 1-230
163
Erster Artikel. Von letztwilligen Anordnungen überhaupt. n.
1-44 163
§. I. Von Natur und Wesenheit letztwilliger Anordnungen. n.
1-6 163
§. II. Von der Macht letztwillig zu ordnen. n. 7-22 164
§. III. Von dem erforderlichen Willen letztwillig zu ordnen.
n. 23-44 168
Zweiter Artikel. Von feierlichen Testamenten. n.
45-144 171
§. IV. Von Wesenheit eines feierlichen Testaments, und
dessen verschiedenen Gattungen. n. 45-49 171
§. V. Von dem aus landesfürstlicher Machtsvollkommenheit
bestätigten Testament. n. 50, 51 171
§. VI. Von dem vor Gericht errichteten Testament. n.
52-68 172
§. VII. Von schriftlichen Testament und den darzu
erforderlichen Feierlichkeiten. n. 69-100 174
§. VIII. Von mündlichen Testament und seinen
Feierlichkeiten. n. 101-112 179
§. IX. Von Fähigkeit der Zeugen. n. 113-138 181
§. X. Von unvollkommenen Testamenten. n. 139-144 186
Dritter Artikel. Von minder feierlichen oder befreiten
Testamenten. n. 145-190 187
§. XI. Von den verschiedenen Gattungen befreiter
Testamenten. n. 145, 146 187
§. XII. Von letztwilliger Anordnung eines Vaters zwischen
seinen Kindern. n. 147-156 188
§. XIII. Von Testamenten der Kriegsleuten.
n. 157-170 190
§. XIV. Von den zur Festzeit oder in einer ansteckenden
Krankheit errichteten Testamenten. n. 171-180 191
§. XV. Von gemeinschaftlichen Testamenten der Eheleuten. n. 181-186 193
§. XVI. Von Testamenten der Ausländern und der in fremden
Landen befindlichen Inländern. n. 187-190 194
Vierter Artikel. Von Codicillen. n. 191-230 195
§. XVII. Von Wesenheit der Codicillen und deren zweierlei
Gattungen. n. 191 bis 207 195
§. XVIII. Von den darzu erforderlichen Feierlichkeiten. n.
208-214 197
§. XIX. Von Bestand oder Unbestand der Codicillen. n.
215-220 198
§. XX. Von Wirkung der codicillarischen Clausel. n.
221-230 199
Caput XII. Von Einsetzung der Erben. n. 1-179 201
§. I. Von Wesenheit der Erbseinsetzung. n. 1-4 201
§. II. Von Eigenschaft und Verschiedenheit der Erben. n.
5-32 202
§. III. Von Zusammentreffung mehrerer Erben. n. 33-64
207
§. IV. Von der Art und Weis der Erbseinsetzung. n.
65-95 211
§. V. Von den Bedingnissen der Erbseinsetzung. n.
97-170 215
§. VI. Von Wirkung der Erbseinsetzung. n. 171-179 223
Caput XIII. Von After-Erbseinsetzung oder Nachberufung des
zweiten Erben. n. 1-268 224
Erster Artikel. Von der gemeinen After-Erbseinsetzung. n.
1-58 224
§. I. Von der Natur, Wesenheit der gemeinen
After-Erbseinsetzung. n. 1-26 224
§. II. Von der Art und Weis der gemeinen After-Erbseinsetzung.
n. 27-46 228
§. III. Von deren Wirkung. n. 47-50 230
§. IV. Von deren Entkräftung und Erlöschung. n. 51-58
230
Zweiter Artikel. Von der vertraulichen Erbsnachberufung. n.
59-268 231
§. V. Von der Natur, Wesenheit und Unterscheid der vertraulichen
Erbsnachberufung. n. 59-64 231
§. VI. Von der Art und Weis der vertraulichen
Erbsnachberufung. n. 65-106 232
§. VII. Von Fähigkeit der nachberufenen Erben. n. 107-114
237
§. VIII. Von Wirkung der vertraulichen Erbsnachberufung an
Seiten des zur Zurückstellung der Erbschaft verbundenen Erbens. n.
115-174 238
§. IX. Von deren Wirkung an Seiten des nachberufenen Erben.
n. 175-196 245
§. X. Von Errichtung, Erhaltung und Erlöschung
geschlechtlicher Trau- oder Stammgüter. n. 197-268 247
(2-530) Caput XIV. Von dem Pflichttheil. n. 1-144 256
§. I. Von der Wesenheit des Pflichttheils. n. 1-6 256
§. II. Von dem Pflichttheil der Absteigenden. n. 7-42
257
§. III. Von dem Pflichttheil der Aufsteigenden. n.
43-50 268
§. IV. Von der Art und Weis den Pflichttheil zu verlassen.
n. 51-54 270
§. V. Von Berechnung des Pflichttheils. n. 55-106 271
§. VI. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung und
Ergänzung des Pflichttheils. n. 107-130 276
§. VII. Von Verlustigung des Pflichttheils und dessen
Verminderung und Beschwerung. n. 131-144 279
Caput XV. Von Enterbung nothwendiger Erben. n. 1-40
281
§. I. Von der Art und Weis der Enterbung. n. 1-12 281
§. II. Von rechtmäßigen Ursachen zu Enterbung der Kinder. n.
13-27 2 82
§. III. Von rechtmäßigen Ursachen zu Enterbung der Eltern.
n. 28-35 284
§. IV. Von Wirkungen der Enterbung. n. 36-40 285
Caput XVI. Von Vermächtnissen. n. 1-480 286
Erster Artikel. Von Vermächtnissen überhaupt. n. 1-80
286
§. I. Von der Natur, Wesenheit und Unterschied der Vermächtnissen. n. 1-8 286
§. II. Von Fähigkeit jener Personen, denen etwas verschaffet
werden kann. n. 9-18 287
§. III. Von Zusammentreffung Mehrerer, denen einerlei Sache
verschaffet worden. n. 19-28 289
§. IV. Von der Art und Weis, wie Vermächtnisse verschaffet werden. n. 29-38 290
§. V. Von Bedingnissen der Vermächtnissen.
n. 39-50 291
§. VI. Von Beschreibung der vermachten Sachen oder dessen,
deme etwas verschaffet wird. n. 51-66 292
§. VII. Von Beisetzung der Bewegursache des Erblassers zur
Vermächtniß . n. 67-78 294
§. VIII. Von Vorschrift der Weis, was und wie für die
Vermächtniß zu leisten sei. n. 79, 80 295
Zweiter Artikel. Von Sachen, welche verschaffet werden
können. n. 81-300 295
§. IX. Von Beschaffenheit der Dingen,
welche verschaffet werden können. n. 81-130 295
§. X. Von Vermächtniß unkörperlicher Dingen, und
insonderheit von Vermächtniß jährlicher Renten und Einkünften. n.
131-150 301
§. XI. Von Vermächtniß persönlicher Dienstbarkeiten.
n. 151-180 303
§. XII. Von Vermächtniß der Grunddienstbarkeiten. n.
181-188 306
§. XIII. Von verschaften Heirathsgut oder Brautschatz. n.
189-204 307
§. XIV. Von verschafter Auswahl eines von mehreren Dingen.
n. 205-212 309
§. XV. Von verschafter Schuld oder Befreiung von der Schuld.
n. 213-240 310
§. XVI. Von Vermächtniß körperlicher Dingen und
insonderheit jener, welche in Gewicht, Zahl und Maß bestehen. n. 241-256
313
§. XVII. Von Vermächtniß der Zugehörungen zu einer
Sache. n. 257-263 315
§. XVIII. Von vermachten Speis- oder Kellervorrath. n. 264,
265 316
§. XIX. Von vermachten Hausrath. n. 266-268 316
§. XX. Von vermachten Unterhalt oder täglicher Kost. n.
269-287 317
§. XXI. Von vermachten Gold- oder Silberwerk, Barschaft,
Aufputz, Geschmuck und Kleidern. n. 288-300 319
Dritter Artikel. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung
der Vermächtnissen. n. 301-372 320
§. XXII. Von der Zeit, wann Vermächtnisse zu gebühren
anfangen, und wann solche gefordert werden können. n. 301-318 320
§. XXIII. Von Verbindlichkeit des Erbens zur Abführung der Vermächtnissen. n. 319-348 323
§. XXIV. Von Sicherstellung der von künftigem Erfolg
abhangenden Vermächtnissen. n. 349-358 327
§. XXV. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung der Vermächtnissen. n. 359-372 328
Vierter Artikel. Von Entkräftung, Widerrufung, Uebertragung
und Schmälerung der Vermächtnissen. n. 373-480 330
§. XXVI. Von Untergang oder Verwandlung der vermachten
Sache. n. 373-380 330
(2-531) §. XXVII. Von Erlöschung der Vermächtnissen
aus Unbestand des letzten Willens. n. 381, 382 331
§. VXVIII. Von Erlöschung der Vermächtnissen aus der Person
dessen, deme etwas verschaffet worden. n. 383-388 332
§. XXIX. Von Aufhebung der Vermächtnissen
aus widrigen Willen des Erblassers. n. 389-416 332
§. XXX. Von Schmälerung der Vermächtnissen
durch das Erbviertel. n. 417-480 335
Caput XVII. Von Eröffnung, Kundmachung und Vollziehung des
letzten Willens. n. 1-65 343
§. I. Von Erhebung des letzten Willens. n. 1-28 343
§. II. Von dessen Eröffnung. n. 29-35 346
§. III. Von Bewährung der Zeugen. n. 36-40 347
§. IV. Von gerichtlicher Kundmachung des letzten Willens. n.
41-50 348
§. V. Von dessen Einverleibung und Bestätigung. n.
51-58 350
§. VI. Von Vollziehung des letzten Willens. n. 59-65
351
Caput XVIII. Von Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens.
n. 1-127 352
§. I. Von denen Gebrechen eines letzten Willens überhaupt.
n. 1-8 352
§. II. Von Unbestand eines letzten Willens wegen
mangelhaften Anfangs. n. 9-26 353
§. III. Von Zerrüttung eines Anfangs giltigen Testaments in
der Folge durch Nachgeburt ehelicher Leibeserben. n. 27-44 356
§. IV. Von dessen Zerrüttung durch Widerrufung und Änderung
des Willens. n. 45-50 358
§. V. Von der Art und Weis der Widerrufung. n. 51-84
359
§. VI. Von Entkräftung eines Anfangs giltigen Testaments aus
nachherigen Verlust des Rechts letztwillig zu ordnen.
n. 85-90 362
§. VII. Von erblosen Testament. n.
91-98 363
§. VIII. Von Erhaltung und Auslegung eines an sich giltigen
letzten Willens. n. 99-110 364
§. IX.Von Wirkung der von dem Erblasser verhängten Verlustigung
dessen, was verschaffet worden, auf den Fall der Anfechtung seines letzten
Willens. n. 111-120 366
§. X. Von denen in letzten Willen angeordneten
Straffälligkeiten. n. 121-127 367
Caput XIX. Von denen, die sich einer Erbschaft oder
Vermächtnisses verlustig und unwürdig machen. n. 1-24 368
§. I. Von denen Ursachen der Verlustigung des Zugedachten
und der Unwürdigkeit überhaupt. n. 1-6 368
§. II. Von Unwürdigkeit wegen Undankbarkeit gegen den
Erblasser. n. 7-12 369
§. III. Von Unwürdigkeit wegen Behinderung, Verfälschung,
Anfechtung und Uebertretung des letzten Willens. n. 13-22 370
§. IV. Von Unwürdigkeit aus Verbrechen. n. 23, 24 372
Caput XX. Von der rechtlichen Erbfolge. n. 1-192 373
Erster Artikel. Von der rechtlichen Erbfolge überhaupt. n.
1-30 373
§. I. Von der Natur und Eigenschaft der rechtlichen
Erbfolge, und wann solche statt habe. n. 1-6 373
§. II. Von denen Grundsätzen der verschiedenen Ordnungen der
rechtlichen Erbfolge. n. 7-16 374
§. III. Von der Art und Weis der rechtlichen Erbfolge bei
Zusammentreffung mehrerer nächsten Erben. n. 17-26 375
§. IV. Von dem Eintretungsrecht der Kinder an Platz ihrer
verstorbenen Eltern. n. 27-30 376
Zweiter Artikel. Von der Erbfolge der Absteigenden. n.
31-92 377
§. V. Von der Erbfolge eheleiblicher Kinder. n. 31-44
377
§. VI. Von Zusammentreffung mehrerer Absteigenden von
ungleichen Staffeln oder Graden. n. 45-74 380
§. VII. Von der Erbfolge der angewunschenen Kinder. n.
75-78 384
§. VIII. Von der Erbfolge der unehelichen Kinder. n. 79-81
384
§. IX. Von der Erbfolge der außer der Ehe erzeugten, nachher
aber rechtmäßig gemachten Kindern. n. 82-86 385
§. X. Von Ausschließung der Absteigenden von der Erbfolge.
n. 87-92 387
(2-532) Dritter Artikel. Von der Erbfolge der Aufsteigenden.
n. 93-125 388
§. XI. Von der Erbfolge der alleinigen Aufsteigenden nach
eheleiblichen Kindern. n. 93-104 388
§. XII. Von deren Zusammentreffung mit des Verstorbenen
Geschwister oder Bruders- und Schwesterkindern. n. 105-114 390
§. XIII. Von der Erbfolge der Aufsteigenden nach unehelichen
Kindern. n. 115-117 391
§. XIV. Von der Erbfolge der Aufsteigenden nach rechtmäßig
gemachten Kindern n. 118-122 391
§. XV. Von der Ausschließung der Aufsteigenden von der
Erbfolge nach ihren Kindern. n. 123-125 392
Vierter Artikel. Von der Erbfolge der Seitenverwandten. n.
126-156 392
§. XVI. Von der Erbfolge des vollbürtigen Geschwisters und
vollbürtiger Bruder- und Schwester-Kinder. n. 126-140 392
§. XVII. Von der Erbfolge des halbbürtigen Geschwisters von
Vater oder Mutter Seiten allein. n. 141-143 395
§. XVIII. Von Zusammentreffung Brüder und Schwestern mit
Bruders- und Schwester-Kindern. n. 144-148 395
§. XIX. Von der Erbfolge nach unehelichen
Geschwister. n. 149, 150 396
§. XX. Von der Erbfolge der weiteren Seitenverwandten. n.
151-154 396
§. XXI. Von Ausschließung der Seitenverwandten von der
Erbfolge. n. 155,156 396
Fünfter Artikel. Von der Erbfolge der Eheleuten. n.
157-180 397
§. XXII. Von dem Erbtheil des überlebenden Ehegattens. n.
157-170 397
§. XXIII. Von Ausschließung der Eheleuten
von der Erbfolge. n. 171-180 399
Sechster Artikel. Von Erbanfällen zu Handen unserer Kammer.
n. 181-192 401
§. XXIV. Von Einziehung erbloser Güter. n. 181-190 401
§. XXV. Von Abfahrt- oder Abschoßgeld von denen hinausgehenden
Verlassenschaften. n. 191, 192 403
Caput XXI. Von Antretung der Erbschaft. n. 1-200 404
§. I. Von dem Erbanfall. n. 1-15 404
§. II. Von dem richterlichen Amt bei Verlassenschaften, und
insonderheit von Anlegung der Sperr. n. 16-46 406
§. III. Von der denen Erben zu statten kommenden Bedenkzeit.
n. 47-54 411
§. IV. Von erblicher Uebertragung der angefallenen Erbschaft
auf die Erbens-Erben. n. 55-64 412
§. V. Von Antretung der Erbschaft. n. 65-86 414
§. VI. Von Entschlagung der Erbschaft. n. 87-100 416
§. VII. Von der Rechtswohlthat des Inventarii. n.
101-132 418
§. VIII. Von Verlassenschaftsabhandlungen. n. 133-148
423
§. IX. Von Eröffnung der gerichtlichen Sperr und
Einantwortung der Erbschaft. n. 149-155 425
§. X. Von Wirkung des Erbrechts und denen daher rührenden
Rechtsforderungen. n. 156-200 426
Caput XXII. Von Theilungen der Erbschaften. n. 1-77
432
§. I. Von Erbtheilungen überhaupt. n. 1-8 432
§. II. Von der zur Theilung der Verlassenschaft
angebührenden Rechtshilfe. n. 9-17 433
§. III. Von der Art und Weis der Erbtheilungen. n.
18-36 434
§. IV. Von Sachen, welche in die Theilung zu legen sind. n.
37-60 437
§. V. Von Wirkung der Erbtheilung. n. 61-68 439
§. VI. Von der Rechtsklage wegen Ungleichheit der Theilen.
n. 69-77 440
Caput XXIII. Von Einbringung des vorempfangenen Guts in
gemeine Theilung. n. 1-69 442
§. I. Von der Schuldigkeit der Miterben zur Einbringung des
Vorempfangenen in gemeine Theilung. n. 1-8 442
§. II. Von Jenen, welche zur Einbringung verbunden sind. n.
9-24 443
§. III. Von Sachen, welche einzubringen sind. n. 25-36
445
§. IV. Von der Art und Weis der Einbringung. n. 37-46
446
§. V. Von Wirkung der Einbringung, und von denen darzu
gebührenden rechtlichen Hilfsmitteln. n. 47-52 447
§. VI. Von Fällen, worinnen die Einbringung aufhöret. n.
53-69 448
(2-533) Caput XXIV. Von dem Recht des Besitzes. n.
1-160 451
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Besitzrechtes. n.
1-24 451
§. II. Von der Besitzfähigkeit. n. 25-29 454
§. III. Von Sachen, welche besessen werden mögen. n.
30-36 454
§. IV. Von Erwerbung des Besitzes und der darzu gebührenden
Rechtshilfe. n. 37-72 455
§. V. Von Wirkung des Besitzrechts. n. 73-86 459
§. VI. Von den zu Handhabung des Besitzes zu statten
kommenden Rechtsmitteln. n. 87-140 461
§. VII. Von Verlust des Besitzes. n. 141-145 467
§. VIII. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Wiedererlangung des
verlorenen Besitzes. n. 146-160 468
Caput XXV. Von dem Erbzinsrecht. n. 1-25 471
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Erbzinsrechts. n.
1-6 471
§.II. Von den Erwerbungsarten des Erbzinsrechts. n.
7-10 472
§. III. Von Wirkungen des Erbzinsrechts. n. 11-18 473
§. IV. Von Erlöschung und Endigung des Erbzinsrechts. n.
19-25 474
Caput XXVI. Von dem Recht der Oberfläche. n. 1-26 475
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Rechts der Oberfläche.
n. 1-8 475
§. II. Von dessen Erwerbungsarten. n. 9-15 476
§. III. Von dessen Wirkungen und daher gebührenden
Rechtsforderungen. n. 16-22 476
§. IV. Von dessen Erlöschung. n. 23-26 477
Caput XXVII. Von Dienstbarkeiten überhaupt. n. 1-66
478
§. I Von Natur und Wesenheit der Dienstbarkeiten. n. 1-7 478
§. II. Von Verschiedenheit der Dienstbarkeiten n. 8-17
479
§. III. Von Fähigkeit deren, welche eine Dienstbarkeit
bestellen können. n. 18-30 480
§. IV. Von Bestellungsarten der Dienstbarkeiten. n.
31-40 482
§. V. Von deren Wirkungen und daher rührenden
Rechtsforderungen. n. 41-50 483
§. VI. Von deren Verlustigung. n. 51-66 484
Caput XXVIII. Von persönlichen Dienstbarkeiten. n.
1-106 487
Erster Artikel. Von dem Nießbrauch. n. 1-66 487
§. I. Von Bestellung des Nießbrauchs. n. 1-8 487
§. II. Von Dingen, woran der Nießbrauch bestellt werden
könne. n. 9-22 488
§. III. Von Wirkungen des Nießbrauchs. n. 23-50 490
§. IV. Von Beendigung des Nießbrauchs. n. 51-66 493
Zweiter Artikel. Von dem Gebrauch eines Dings. n.
67-92 495
§. V. Von Unterscheid des bloßen Gebrauchs von dem
Nießbrauch. n. 67-72 495
§. VI. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung des Gebrauchs.
n. 73-92 495
Dritter Artikel. Von der häuslichen Wohnung. n. 93-106
498
§. VII. Von dem Unterscheid der Wohnung von dem Gebrauch
eines Hauses. n. 93-96 498
§. VIII. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung der Wohnung.
n. 97-106 498
Caput XXIX. Von Grunddienstbarkeiten. n. 1-147 500
Erster Artikel. Von Grunddienstbarkeiten überhaupt. n.
1-30 500
§. I. Von der Natur und Eigenschaft aller
Grunddienstbarkeiten. n. 1-6 500
§. II. Von deren Eintheilung in Hausdienstbarkeiten und
Felddienstbarkeiten. n. 7-10 501
§. III. Von deren Bestellungsart. n. 11-13 501
§. IV. Von den Erfordernissen zur Bestellung der
Grunddienstbarkeiten. n. 14-22 501
§. V. Von deren Wirkung. n. 23-30 502
Zweiter Artikel. Von Hausdienstbarkeiten. n. 31-80 504
§. VI. Von dem Recht der Bürde oder Lasttragung der Gebäude.
n. 31-36 504
§. VII. Von dem Tramrecht. n. 37-46 505
§. VIII. Von dem Recht Erker oder Ausgebäu, Fürdacher oder
Wetterdächer zu haben. n. 47, 48 506
(2-534) §. IX. Von dem Recht, die höhere Ausführung
nachbarlicher Gebäuden zu verwehren. n. 49-52 506
§. X. Von dem Lichtrecht. n. 53-60 507
§. XI. Von dem Recht der Aussicht. n. 61-64 508
§. XII. Von dem Trauf- oder Rinnenrecht. n. 65-74 508
§. XIII. Von dem Recht der Senkgruben oder Ausgüssen. n.
75-77 509
§. XIV. Von dem Recht der Rauchfängen.
n. 78-80 509
Dritter Artikel. Von Felddienstbarkeiten. n. 81-147
510
§. XV. Von dem Recht eines Fußpfads, Stegs oder Durchgangs.
n. 81-85 510
§. XVI. Von dem Triftrecht oder Viehtrieb. n. 86-90
510
§. XVII. Von der Weggerechtigkeit. n. 91-104 511
§. XVIII. Von dem Recht der Wasserleitung. n. 105-114
513
§. XIX. Von dem Recht der Wasserschöpfung. n. 115-118
514
§. XX. Von dem Recht der Viehtränke. n. 119, 120 514
§. XXI. Von dem Recht der Hutweide oder Koppelweide. n.
121-138 514
§. XXII. Von der Dienstpflichtigkeit des nachbarlichen Guts.
n. 139, 140 516
§. XXIII. Von Zwangrechten auf nachbarlichen Gründen. n.
141, 142 516
§. XXIV. Von verschiedenen anderen Felddienstbarkeiten
überhaupt. n. 143-147 517
Caput XXX. Von dem Pfandrecht. n. 1-57 518
§. I. Von der Natur und Wesenheit des Pfandrechts. n.
1-6 518
§. II. Von verschiedenen Gattungen des Pfandrechts. n.
7-12 519
§. III. Von Erwerbungsarten des Pfandrechts. n. 13-16
519
§. IV. Von dem stillschweigenden Pfandrecht. n. 17-32
520
§. V. Von den Wirkungen des Pfandrechts und den daraus
entspringenden Rechtsforderungen. n. 33-53 523
§. VI. Von Erlöschung und Aufhebung des Pfandrechts. n.
54-57 525
(3-1) Dritter Theil.
Von persönlichen Verbindungen.
(3-2)
(3-3) Caput I.
Von Verbindungen insgemein.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit und Unterschied der Verbindungen. §. II.
Von Fähigkeit deren sich Verbindenden. §. III. Von Verbindungen Mehrerer gegen
Einen, oder Eines gegen Mehrere. §. IV. Von Verbindung aus der Handlung eines
Anderen. §. V. Von erblicher Uebertragung der Verbindungen. §. VI. Von Dingen
und Werken, worüber Verbindungen eingegangen werden mögen. §. VII. Von Art und
Weis, wie Verbindungen getroffen werden. §. 8VIII. Von Verschiedenheit deren
verbindlichen Handlungen. §. IX. Von Wirkung der Verbindungen, und Haftung für
Gefährde, Schuld und Zufall. §. X. Von Verwandlung, Uebertragung und Tilgung
der Verbindungen.
§. I.
[3, 1, § 1] Num. 1. Nachdeme in dem zweiten Theil die
dingliche Rechte beschrieben worden, so wird nunmehro in diesem dritten Theil
zur Abhandlung des Rechts zur Sache geschritten, welches aus persönlichen
Verbindungen entsteht.
(3-4) [3, 1, § 1] 2. Dann gleichwie jene bloß aus Anordnung
des Gesatzes, welches Jemanden ein Recht in der Sache zueignet, ohne einiger
Verstrickung der Person herrühren,
(3-5) also gründet sich hingegen dieses in einer
vorhergehenden Handlung, welcher die Kraft der persönlichen Verbindlichkeit von
dem Gesatz beigeleget wird.
[3, 1, § 1] 3. Die persönliche Verbindung ist dahero ein
rechtliches Band, wodurch Jemand etwas zu leisten verstricket ist. Hieraus
entspringet an Seiten des Glaubigers, oder dessen, gegen deme man sich zu etwas
verpflichtet, das Recht zur Sache, weilen der Andere ihme Dasjenige, zu deme er
sich durch seine Handlung verbunden hat, zu leisten schuldig ist.
[3, 1, § 1] 4. Alle Verbindungen haben zwar ihre Kraft von
den Gesetzen, doch mit dem Unterschied, daß man zu gewissen Schuldigkeiten
schon durch das Gesatz ohne
(3-6) eigener Zuthat sich verbunden befinde, zu anderen aber
nicht anderst, als mittels eigener Zuthat und Einwilligung verbunden werde.
[3, 1, § 1] 5. Jene, welche alleinig aus dem Gesatz selbst
ohne eigener Zuthat herfließet, heißet die Unmittelbare, und wirket nach den
verschiedenen Ständen und Eigenschaften der Menschen; diese hingegen, welche
die eigene Zuthat und Einwilligung erheischet und aus willkürlichen Handlungen
entstehet, wird die Mittelbare genannt, und machet jenes nachhero zur
Nothwendigkeit, was Anfangs aus freier Willkür beliebet worden.
[3, 1, § 1] 6. Also entspringet die Verbindlichkeit der
Eltern ihre Kinder zu ernähren, zu erhalten, denenselben Pflichttheil zu
lassen, und überhaupt alle aus dem verschiedene Stand der Menschen, oder aus
der natürlichen Billigkeit herrührende Verbindlichkeit aus dem Gesatz selbsten; dahingegen wird Niemand zu
Haltung einer Zusage, Vertrags, Contracts, oder zur Strafe des Verbrechens
verbunden, wann nicht seine eigene Zuthat und Einwilligung vorhergegangen,
mittelst welcher etwas verheißen, ein Vertrag oder Contract geschlossen, oder
das Verbrechen ausgeübt worden.
§. II.
[3, 1, § 2] 7. Unmittelbar durch das Gesatz wird Jedermann
verbunden, wann er gleich der eigenen Einwilligung nicht fähig ist, und keinen
Gebrauch der Vernunft hat; durch willkürliche Handlung aber kann Niemand seine
Person zu was verbinden, deme entweder der Verstand und die Kenntniß dessen,
was gehandelt wird, oder der Willen, oder auch die Macht Verbindungen
einzugehen, ermangelt.
[3, 1, § 2] 8. Alle Diejenigen sind dahero zu persönlichen
Verbindungen untüchtig, denen es an der Vernunft und Willen gebricht; doch ist
nothwendig zu unterscheiden, ob der Mangel des Verstandes von der Natur
herrühre, oder durch einen Zufall verursachet, oder durch eigene Schuld
zugezohen worden.
[3, 1, § 2] 9. Jene, bei denen das Gebrechen des Verstandes
von der Natur herkommet, als Kinder, Blödsinnige und
Wahnwitzige von der Geburt, sind überhaupt zu allen Verbindungen unfähig.
[3, 1, § 2] 10. Bei denen aber, welche den Gebrauch ihres
Verstandes durch einen Zufall verloren, bleiben zwar die vorhero bei gesunder
Vernunft getroffene Verbindungen insoweit in ihrer Kraft und Wirkung, als an
deren Erfüllung der erfolgte Zufall nicht behinderlich ist, welcher dieselbe
nur bis zur Wiedereinfindung der Vernunft aussetzet; dahingegen sind nach
verlorenen Verstand alle nachherige währender Sinnlosigkeit vornehmende
Handlungen ungiltig.
[3, 1, § 2] 11. Wann jedoch ein solcher zugestoßener
Wahnwitz oder Blödsinnigkeit nicht beständig anhaltet, sondern abwechslend ist,
und zu Zeiten den Gebrauch des Verstandes gestattet, in diesem Fall lieget
Demjenigen ob, der wegen eines zufälligen Wahnwitzes eine Verbindung entkräften
will, zu erweisen, daß dieselbe von ihme in der Sinnlosigkeit eingegangen
worden; es seie dann, daß ein solcher Wahnwitziger mit einem gerichtlich
bestellten Curatore versehen, und ihme andurch die freie Verwaltung seines
Vermögens beschränket seie, in welchen Fall er auch bei vernünftigen
Zwischenstunden ohne Zuthat des Curatoris sich zu was zu verbinden nicht
vermag.
[3, 1, § 2] 12. Nicht weniger ist ein Wahnwitziger, welcher
bei abwechslenden vernünftigen Stunden genugsame Erkantnuß hat, daß er in dem
ihn befallenden Wahnwitz Anderen zu schaden pflege, alle Mitteln, um die
Beschädigung Anderer zu verhüten,
(3-7) zum voraus vorzukehren schuldig, in dessen
Unterlassung aber zu dem Ersatz des verursachten Schadens verbunden.
[3, 1, § 2] 13. Welche aus eigener Schuld durch übermäßige
Trunkenheit ihren Verstand betäuben, werden zwar aus Zusagen, Verträgen und
Contracten, die sie im Rausch eingehen, nicht verbunden, wann sie zu erweisen
vermögen, daß sie zu dieser Zeit aus Trunkenheit ihrer Sinnen beraubet waren;
doch ist ein Berauschter für Alles, was er zu seinem Gebrauch oder Genuß
verwendet, und für allen zufügenden Schaden, wie auch aus Verbrechen, welche er
im Rausch begehet, zur Strafe verbunden, obschon solche nach Gestalt der
Umständen gelinderet zu werden pfleget.
[3, 1, § 2] 14. Daferne aber Jenes, was bei
abwechslenden Wahnwitz, oder in der Trunkenheit verabredet und geschlossen
worden, nachhero bei gesunder Vernunft gut geheißen und beangenehmet wird, so
entstehet daraus eine ebenso rechtskräftige Verbindung, als ob solche gleich
Anfangs mit gutem Verstand eingegangen worden wäre.
[3, 1, § 2] 15. Aus Mangel der Macht können alle Diejenige
keine Verbindungen treffen, denen durch das Gesatz die freie Gebahrung mit
ihrem Vermögen benommen ist, als Unmündige, Minderjährige und gerichtlich
erklärte Verschwendere; aus Verbrechen aber werden Dieselbe in alle Wege,
sowohl zu Ersetzung des verursachten Schadens, als zur Strafe verbunden,
obschon das unmündige Alter insgemein von der ordentlichen Strafe enthebet.
[3, 1, § 2] 16. In gewisser Maß werden Einige entweder durch
eine ihrer Person anklebenden Eigenschaft, oder aus Anordnung des Gesatzes
Verbindungen einzugehen verhinderet, als die Unterthanen zum Nachtheil der
Obrigkeit nach Verschiedenheit einer jeden Landes Verfassung, worauf diesfalls
zu gehen ist, die Weiber für jemand Anderen ohne vorheriger Erinnerung und
Begebung ihres Rechtes, Unsere landesfürstliche Städte und Märkte in
Veräußerungs- oder Einschuldigungsfällen ohne Unserer höchsten Einwilligung.
[3, 1, § 2] 17. Außer diesen kann Jedweder männlichen oder
weiblichen Geschlechts, der bei gesunder Vernunft ist, und die freie Schalt-
und Waltung mit seinem Vermögen hat, nach Gefallen erlaubte Verbindungen
eingehen, er möge gleich blind, taub oder stumm sein, wann er nur durch
deutliche Zeichen seine Einwilligung auszudrucken und sich verständlich zu
machen vermögend ist.
[3, 1, § 2] 18. Daß aber die Verbindung zu ihrer Wesenheit
gelange, ist nicht an der Verheißung und Gelobung des einen Theils genug,
sondern es wird auch an Seiten des Anderen, deme etwas verheißen wird, darzu
erforderet, daß die Verbindung entweder von ihme selbst, oder von einem Anderen
in Namen und anstatt seiner angenommen werde, und er des hieraus erwachsenden
Rechts zur Sache, zu deren Leistung sich Jemand verbunden, fähig seie.
§. III.
[3, 1, § 3] 19. Nicht nur Einer allein, sondern auch Mehrere
können sich in einerlei Handlung zu einerlei Sache oder Summe gegen Jemanden
verbinden, obgleich der Eine mit, der Andere ohne Bedingnuß die Verbindung
eingegangen, oder auch deren Jeder eine verschiedene Zahlungszeit oder Ort
bestimmet.
[3, 1, § 3] 20. Lautet die Verbindung mehrerer
Mitschuldneren ausdrücklich dahin, daß Einer für Alle und Alle für Einen, sammt
und sonders, unverschieden, unzertheilt, mit ungeschiedener und gesammter Hand
für die ganze Schuld haften wollen, so ist zwar ein Jeder insonderheit zu dem
völligen Abtrag der ganzen Schuld verbunden; doch kann der Glaubiger solche nur
einmal einforderen, und wann er sie von Einem empfangen, werden die übrige
Mitschuldnere andurch von allen weiteren Ansprüchen dieser Schuld wegen
befreiet.
[3, 1, § 3] 21. Es hat aber der gemeinsame Glaubiger die
freie Auswahl, ob er der ungetheilten Verbindung ohnerachtet die Schuld von
Allen zusammen eintreiben,
(3-8) und die Zahlung solchergestalten zwischen ihnen
theilen, oder die ganze Schuld von Einem allein einmahnen, und welchen von denen
Mitschuldnern er hierum belangen wolle, in welchem letzteren Fall der Belangte
weder die Vorladung und Betretung deren anderen Mitschuldneren, noch die
Vertheilung der eingeklagten Schuld unter dieselbe anbegehren kann.
[3, 1, § 3] 22. Doch begebet sich der Glaubiger durch
Belangung des einen Mitschuldners keineswegs seines Rechts das Uebrige, was er
von dem Belangten nicht erhaltet, von den anderen Mitschuldneren nachzuholen.
[3, 1, § 3] 23. Und wann gleich derselbe von einem
Mitschuldner einen Theil der Schuld annimmt, so wird doch andurch die
Verbindung unter denen Uebrigen nicht getheilet, sondern Derjenige, welcher
einen Theil der Schuld abgeführet, bleibet noch allemal zu dem ganzen Abtrag
verbunden, wann ihme solcher von dem Glaubiger nicht eigends erlassen wird.
[3, 1, § 3] 24. Woferne aber einer deren Mitschuldneren
entweder die ganze Schuld, oder hieran mehr als auf seinen Antheil ausfiele,
bezahlet, so kann er die Anderen zur Leistung ihres Beitrags nach Maß der
untereinander obwaltenden Verbindung, oder in deren Ermanglung zu gleichen
Theilen anhalten.
[3, 1, § 3] 25. Bei Abmessung dieses Beitrags ist allemal
darauf zu sehen, wie vieles dem gemeinsamen Glaubiger mit Recht gebühret hat,
und was ihme hieran bezahlet worden, denn hat der Mitschuldner mehr bezahlet,
als dem Glaubiger gebühret, oder auch sonst unnöthige Schäden und Unkosten
verursachet, so sind die Anderen ihme das über die Gebühr Bezahlte zu erstatten
nicht schuldig.
[3, 1, § 3] 26. Gleichwie in Gegentheil, wann mit Wenigeren
die Schuld getilget worden, der Beitrag deren Uebrigen nach Maß des Bezahlten,
und nicht nach Größe der Schuld zu bestimmen ist; es hätte dann der Glaubiger
wegen der ganz oder zum Theil erlassenen Schuld dem einem Mitschuldner seine
habende Sprüche eigends zu dem Ende abgetreten und übergeben, um solche von
denen Uebrigen einzutreiben, in welchem Fall diesem das Recht zustehet, nach
Abschlag seines Antheils, welchen er zu bezahlen gehabt hätte, von ihnen ihre
Antheile einzuforderen.
[3, 1, § 3] 27. Würde aber die von Mehreren obgleich in
einerlei Handlung oder Verschreibung und zu einerlei Sache eingegangene
Verbindung den obigen Ausdruck, daß Einer für Alle und Alle für Einen haften
wollen, nicht enthalten, so ist diese Verbindung zwischen ihnen für getheilet zu
achten, und kann der Glaubiger die ganze Schuld nicht anderst, als mit
Belangung Aller, ansonsten aber von Jedem absonderlich nur seinen Antheil,
welchen er schuldig ist, eintreiben.
[3, 1, § 3] 28. Auch aus einem von Mehreren ausgeübten
Verbrechen sind alle Mitschuldige dergestalten verbunden, daß sie den Schaden,
wann solcher aus wahrer und vorsäzlicher Gefährde zugefüget worden, sammt und
sonders, wann er aber nur aus einer unterwaltenden Schuld herrühret, zu
gleichen Theilen zu ersetzen schuldig sind; die Strafe hingegen ist wider einen
Jeden insonderheit nach Maß seines Verschuldens zu verhängen.
[3, 1, § 3] 29. Gleichwie Mehrere gegen Einem also kann sich
auch Einer gegen Mehrere in einerlei Handlung, und zu einerlei Sache sammt und
sonders verbinden, in welchem Fall zwar ein Jeder deren Mitglaubigeren die
Schuld zu forderen befugt, der gemeinsame Schuldner aber solche nur einmal zu
entrichten schuldig ist, und wird derselbe nach deren an Einen geleisteten
völligen Bezahlung von der Verbindung gegen den Anderen gänzlich entlediget.
[3, 1, § 3] 30. Welcher aber aus ihnen die Schuld
eingehoben, ist dem anderen Mitglaubiger den ihme gebührenden Antheil
herauszugeben schuldig, welcher, wann nichts Anderes unter denenselben bedungen
worden, allzeit von einem gleichen Theil zu verstehen ist.
[3, 1, § 3] 31. Dahingegen, wann sich der Schuldner gegen
mehrere Gläubigere sammt
(3-9) und sonders ausdrücklich nicht verbunden, kann von
Jedem insonderheit nur der ihme hieran gebührende erweisliche Antheil, die
Bezahlung der ganzen Schuld, aber nicht anderst, als von Allen zugleich
geforderet werden.
§. IV.
[3, 1, § 4] 32. Auch durch Andere kann Jemand sowohl
verbunden, als ihme aus Verbindungen ein Recht erworben werden, wann sie
entweder die Person dessen, welchen die Handlung betrifft, durch das Gesatz
vorstellen, als die Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder von ihme einen
Befehl, Gewalt und Vollmacht zu gewissen Geschäften haben, als Befehlshabere,
Bevollmächtigte, Handlungsvorgesetzte, Sachwalter, oder wann sie Jemands Gewalt
und Obsorge untergeben sind und ihre zu eines Dritten Nachtheil gereichende
Handlungen der Schuld dessen, deme sie untergeben, beigemessen werden mögen.
[3, 1, § 4] 33. Jemands Nutzen kann zwar durch fremde
Handlungen ohne seinem Vorwissen beförderet, und sein Zustand verbesseret, aber
nicht ohne seiner eigenen Schuld und Einwilligung verschlimmeret werden, woraus
folget, daß Jemanden aus der Handlung des Anderen ein Recht zugeeignet, aber
keine Verbindlichkeit außer mit seinem Willen ober aus seiner Schuld zugezohen
werden könne.
[3, 1, § 4] 34. Unmündigen und Anderen, welche, wie oben
erwähnet worden, wegen Schwachheit des Alters, oder wegen Gebrechen des
Verstandes ihren Willen zu erklären nicht fähig sind, werden von den Gesetzen
zu ihrer Vertretung Personen zugeordnet, die anstatt ihrer Verbindungen
eingehen können. Inwieweit aber die Vormündere oder Gerhaben und Curatores
ihren Pflegbefohlenen durch ihre Handlungen eine Schuldigkeit auflasten oder
ein Recht erwerben mögen, ist bereits in dem ersten Theil, in der Abhandlung
von der Vormundschaft erkläret worden.
[3, 1, § 4] 35. Mit eigenen Willen wird Jemand aus fremden
Handlungen verbindlich gemacht, wann er solche befohlen oder gutgeheißen, und
was Einer durch Andere verrichtet, hat nicht mindere Kraft, als ob er es selbst
vollzohen hätte; doch kann durch Bevollmächtigte, Befehlshabere und Sachwaltere
dem Befehlgeber keine größere Verbindlichkeit zugezohen werden, als insoweit
deren Handlung mit dem Auftrag übereinstimmet, und sie die Grenzen des Befehls
nicht überschritten, oder insoweit das Vollzohene gutgeheißen worden, dann die
nachfolgende Gutheißung wirket nicht weniger, als der vorhergegangene Befehl.
[3, 1, § 4] 36. Ein Recht aber mag Jemanden durch Andere
auch ohne ausdrücklichen Befehl erworben werden, wann nur hienach die
Gutheißung und Beangenehmung der fürgewesten Handlung erfolget, wie alles
dieses unten seines Orts mit Mehreren ausgeführet wird.
[3, 1, § 4] 37. Aus Schuld wird Jemand für den durch
Handlungen deren seiner Gewalt, oder Pflege und Obsorge untergebenen Personen
zugefügten Schaden verfänglich, wann er durch dieselbe zu Nachtheil etwas
geschehen läßt, was zu verhüten in seiner Macht gestanden, oder ihnen etwas zu
verrichten anbefiehlt, was zu des Anderen Beschädigung ausschlägt, oder auch
wissentlich sich in seinen Verrichtungen böser Leuten bedienet, die Anderen zu
schaden gewohnet sind.
[3, 1, § 4] 38. Außer diesen Fällen, und wann man sich
fremder Handlungen weder mit eigenen Willen noch aus Schuld theilhaftig machet,
ist weder der Mann für das Weib, weder der Vater für den Sohn, weder der Herr
für seine Unterthanen und Dienstboten, noch jemand Anderer für seine
Untergebene zu haften schuldig.
§. V.
[3, 1, § 5] 39. Aus denen ordentlich eingegangenen
Verbindungen wird sowohl an Seiten des Verbundenen die Schuldigkeit, als an
Seiten des Anderen das ihme hieraus erwachsene Recht zur Sache auf die Erben
übertragen, wobei aber der Unterschied
(3-10) zwischen Verbindungen, welche aus Verträgen, und
jenen, die aus Verbrechen entstehen, zu bemerken ist.
[3, 1, § 5] 40. Aus Verträgen gehet das Recht ohne Ausnahm
auf die Erben, wann gleich deren ausdrücklich in dem Vertrag nicht gedacht
worden, es seie dann, daß dabei ein Anderes beliebet worden, oder daß es um
eine bloßes persönliches Recht zu thun seie, welches auf die Erben nicht
übertragen werden könne.
[3, 1, § 5] 41. Ingleichen werden die Erben aus Verträgen
ihrer Erblasseren verbunden, obschon darinnen von ihnen keine Erwähnung
geschehen. Hiervon aber sind folgende Fälle ausgenommen: Erstlich, wann die
Schuldigkeit lediglich auf die Person des Verbundenen eingeschränket, und
dieses in dem Vertrag deutlich ausgedrucket wird, in welchem Fall die Erben von
der Leistung des Künftigen, nicht aber auch von deme, was in Folge dieser
Verbindung von dem Verstorbenen bei seinen Lebszeiten hätte geleistet werden
sollen, entlediget werden, - andertens, wann die Verbindung aus bloßer
Freigebigkeit herrühret, und die Zusage nicht von solcher Beschaffenheit ist,
welcher die Kraft auch die Erben zu verbinden in dem gleichfolgenden Capitel
beigeleget wird, - drittens, wann die Dauer der Verbindung von dem Willen des
Verbundenen abhanget, so erlöschet diese mit dessen Absterben, als in
Gesellschafts- und Befehlscontracten, wann bei letzteren die Sache sich noch in
ihrer Gänze befindet, und die Erben bleiben nur zu jenem verbunden, was ihr
Erblasser aus der vorhergegangenen Ursache zu leisten schuldig ware, zu
Fortsetzung des Contracts aber können sie nicht angehalten werden.
[3, 1, § 5] 42. Aus Verbrechen sind auch die Erben des
Beleidigten berechtiget, sowohl die Ersetzung des zugefügten Schadens, als die
Bestrafung des Schuldigen anzusuchen, mit alleiniger Ausnahm der Ehrenhändeln,
als die mit dem Tod des Beschimpften aufgehoben sein sollen, woferne nicht noch
bei seinen Lebszeiten darüber bei Gericht Klage angebracht worden, welche
dessen Erben auszuführen freistehet.
[3, 1, § 5] 43. Verbunden hingegen sind die Erben aus
Verbrechen ihres Erblassers bloß allein zu Ersetzung des Schadens, nicht aber
zur Strafe, als welche nur den Thäter allein betrifft; es seie dann, daß solche
in einer dem Beleidigten gebührenden Geldbuße bestünde, und dieser hätte noch
bei Lebszeiten des Schuldigen derowegen Klage erhoben, oder das Verbrechen zöhe
die Verwirkung des Vermögens zu Handen Unserer Kammer nach sich.
[3, 1, § 5] 44. Wann mehrere Erben vorhanden sind, so werden
sowohl die Schuldigkeiten, als die Rechtsansprüche, welche mit der Erbschaft an
sie übertragen werden, zwischen ihnen dergestalten getheilet, daß deren
Jedweder nur insoweit, als er Erb ist, und nach Maß seines Erbtheils für die
Schuld zu haften, und gleichergestalten die Erbschaftsforderungen einzutreiben
hat.
§. VI.
[3, 1, § 6] 45. Durch Verträge werden Verbindungen getroffen
entweder über Dinge und Güter, oder über Thun und Lassen, daß nemlich etwas
geschehe oder nicht geschehe, die Verbrechen aber verbinden über den schuldigen
Ersatz des zugefügten Schadens auch zur Strafe, wovon gehörigen Orts gehandlet
wird.
[3, 1, § 6] 46. Ueber alle Dinge und Güter, sie mögen
körperlich oder unkörperlich, gegenwärtig oder zukünftig sein, können
Verbindungen geschlossen werden, wann solche nur wahrscheinlicher Weise
angehoffet werden mögen, und sonst handelbar, auch nicht besonders durch das
Gesatz ausgenommen sind. Die unhandelbare Sachen sind schon zu Anfang des
zweiten Theils beschrieben worden, und die ausgenommene werden hienach bei
jeder Gattung der verbindlichen Handlungen bemerket.
[3, 1, § 6] 47. Das Thun und Lassen, worzu sich Jemand
verbindet, muß also beschaffen sein, daß es von Natur möglich, in Rechten nicht
verboten seie, und von eigener Bewirkung des Verbundenen abhange.
[3, 1, § 6] 48. Von unmöglichen Dingen bestehet keine
Verbindung, wo eine wahre
(3-11) Unmöglichkeit unterwaltet; dahingegen eine scheinbare
Unmöglichkeit die Handlung nicht entkräftet, wann solche in Ernst gemeinet, und
die zur Zeit der Verbindung unmöglich scheinende Sache nachhero möglich wird.
[3, 1, § 6] 49. Zur Giltigkeit der Handlung ist an deme
genug, daß die Sache zur Zeit der Verbindung möglich seie, obgleich deren
Leistung nachher unmöglich wird; dann rühret die erfolgte Unmöglichkeit von der
Schuld des Verbundenen her, so bleibet derselbe verpflichtet, den Werth der aus
seiner Schuld verlustigten Sache sammt allen derowegen verursachten Schäden zu
erstatten; entstehet aber die Unmöglichkeit aus einem Zufall, so wird die
Verbindung andurch aufgehoben.
[3, 1, § 6] 50. Verbotene und unerlaubte Handlungen sind,
welche wider Unsere Gesetze, gute Sitten und die Ehrbarkeit laufen, und dahero
keine Verbindungskraft haben, sondern Jene, sie sich solche einlassen, der
Strafe unterwerfen.
[3, 1, § 6] 51. Von fremden Thun und Lassen kann keine
Verbindung getroffen werden, und wird andurch weder dem Dritten eine
Verbindlichkeit zugezohen, noch Derjenige, welcher eines Dritten Thun und
Lassen verheißen, aus einer solchen Handlung verfänglich.
[3, 1, § 6] 52. Es seie dann, daß Derselbe sich ausdrücklich
anheischig gemacht hätte, den Dritten zu solchen Thun oder Lassen zu vermögen,
und daß es geschehe, auszuwirken, in welchem Fall er allen Fleiß anzuwenden,
und da er es hieran erwinden lassen, des Anderen andurch erleidenden Schaden zu
vergüten schuldig, wann aber der Erfolg mit seiner Bestrebung nicht
übereinstimmet, zu nichts Weiteren verbunden ist, außer er nähme dessen
Ausrichtung auf seine eigene Gefahr, oder verpflichtete sich bei dessen
Unterbleibung zu einem gewissen Pönfall, oder der Dritte, um dessen Thun und
Lassen gehandelt wird, wäre seiner Gewalt untergeben.
§. VII.
[3, 1, § 7] 53. Die Verbindungen aus Verträgen geschehen
entweder mit einem Anhang gewisser Bedingnussen, Zeitfristen und der Art und
Weis, unter welcher sich Jemand verpflichtet, oder ohne demselben.
[3, 1, § 7] 54. Welche ohne einem solchen Anhang oder Ausnahm
eingegangen werden, erlangen ohne Weiters ihre Kraft, und erwachset alsbald
hieraus nicht allein die Schuldigkeit an Seiten des Verbundenen, sondern auch
an Seiten des Anderen die Befugnuß der unverzüglichen Einforderung.
[3, 1, § 7] 55. Bei jenen Verbindungen aber, denen ein
dergleichen Anhang beigefüget wird, ist die Wirkung nicht allemal einerlei,
sondern nach Gestalt des beigeruckten Bedings oder der Ausnahme, verschieden.
[3, 1, § 7] 56. Die Bedingnussen sind von zweierlei Gattung,
dann entweder wird andurch die Bündigkeit der Handlung bis zu deren künftigen
ungewissen Ausgang dergestalten verschoben, daß eine solche Handlung erst bei
Erfolg der Bedingnuß zu Kräften kommen, dahingegen in Abgang derselben
völlig erlöschen solle, oder die ordentlich errichtete und vollzohene Handlung
wird bei Ausgang der Bedingnuß anwiederum aufgelöset.
[3, 1, § 7] 57. Beide hangen entweder von alleiniger Willkür
und Macht dessen, deme sie auferleget werden, oder von fremder Willkür und
bloßen Zufall ab, oder sie sind theils willkürlich, theils zufällig zugleich.
[3, 1, § 7] 58. Doch kann die eigene bloße Willkür des
Verbundenen zu keiner Bedingnuß gesetzet werden, sondern eine solche Handlung
ist insolange unkräftig, bis daß nicht die wirkliche Einwilligung in die Verbindung
erfolge, woferne aber eine obschon an der alleinigen Willkür des Verbundenen
beruhende That bedungen wird, so bestehet die Handlung, und hat den Verstand,
daß hieraus die Verbindung von der Zeit, wann die bedungene That geschehen
würde, ihren Anfang zu nehmen habe.
[3, 1, § 7] 59. Ansonsten können alle ehrbare, mögliche und
billige Bedingnussen den Handlungen beigerucket werden, und ist Jener, deme sie
auferleget worden, solche
(3-12) zu halten, und auf die bestimmte Art und Weis zu
erfüllen schuldig, dahingegen alle andere Bedingnussen, welche den Gesetzen und
guten Sitten widerstreben, die Handlung, der sie beigefüget werden,
dergestalten gänzlich entkräften, daß daraus weder eine Verbindlichkeit, noch
weniger ein Recht erwachse, wovon in dem zweiten Theil umständlicher gehandlet
wird.
[3, 1, § 7] 60. Eben also benehmen unmögliche Bedingnussen,
sie mögen es von Natur sein, oder gleich allen in Rechten verbotenen Handlungen
von den Gesetzen dafür gehalten werden, einer Handlung, der solche angehänget werden,
alle Wirkung. Wann aber eine unmögliche Bedingnuß dergestalten gefasset wird,
daß, was unmöglich geschehen kann, nicht geschehe, aber Dasjenige, was
möglicherweise nicht unterbleiben kann, geschehen solle, so ist die Handlung
für unbedingt zu halten, und kommet gleich zu Kräften.
[3, 1, § 7] 61. Eine jede Bedingnuß muß einen künftigen
ungewissen Ausgang haben; dann ist solcher also gewiß, daß er nothwendig
erfolgen muß, obschon die Zeit des Erfolgs ungewiß wäre, so ist es keine
Bedingnuß, sondern die Handlung wird gleich verbindlich, und nur die Leistung
der Schuld bis zu dem sich ergebenden Erfolg verschoben.
[3, 1, § 7] 62. Würde aber bei Handlungen eine gegenwärtige
oder vergangene Ereignuß ausbedungen, wann gleich diese denen sich verbindenden
Theilen nicht bekannt wäre, so hat jedoch ein solcher Zusatz keinerdings die
Kraft und Wirkung einer Bedingnuß, sondern machet die Handlung alsobald
entweder rechtskräftig, wann er wahr, oder null und nichtig, wann er falsch zu
sein befunden wird.
[3, 1, § 7] 63. Gleichergestalten wird durch jene
Bedingnussen, welche schon in der Verheißung selbst, entweder aus Natur und
Eigenschaft der Sache, oder aus Anordnung des Gesatzes gleichsam
stillschweigend begriffen sind, obgleich solche auch ausdrücklich erwähnet wurden,
die Verbindung nicht verschoben, sondern nur die Leistung der Schuld bis zu
deren Erfolg ausgesetzet.
[3, 1, § 7] 64. Eine wahre die Handlung aufziehende
Bedingnuß hat nach dem Unterschied, ob deren Erfolg noch in der Ungewißheit
schwebe, oder sie in Erfüllung gegangen, oder aber solche ermanglet habe,
verschiedene Wirkung; ist ihr Ausgang noch ungewiß, folglich selbe noch
hangend, so ist vor deren Erfüllung weder der unter einer solchen Bedingnuß
Verbundene die zugesagte Sache zu leisten schuldig, noch der Andere sie zu
forderen befugt, sondern es entstehet aus einer so bedingten Handlung bloß die
Hoffnung, daß bei Ausgang der Bedingnuß ihme die Schuld gebühren werde.
[3, 1, § 7] 65. Diese Hoffnung aber wirket bei Verträgen
soviel, daß der Andere ein Glaubiger genennet, das künftige Recht zu der ihme
unter einer Bedingnuß verheißenen Sache, als sein eigenes Gut angesehen, und
ihme andurch nicht allein die Macht solches an Andere zu übertragen und zu
veräußeren, sondern auch die Befugnuß bei wahrnehmender Gefährde an dem
Vermögen des Schuldners seine Sicherheit zu suchen eingeraumet werde, zudeme
auch kein Theil von einer so bedingten Handlung ohne Einwilligung des Anderen
abweichen könne, und sowohl die in der Erwartung stehende Schuldigkeit eines, und
das anhoffende Recht anderen Theils auf beiderseitige Erben übertragen werde;
es wäre dann, daß die beigesetzte Bedingnuß die Person des Verstorbenen allein
betreffe, mit welcher auch alle Hoffnung erlöschet, und der Fall nicht anderst
betrachtet werden kann, als daß die Bedingnuß völlig ermangle.
[3, 1, § 7] 66. Damit also eine bedingte Handlung ihre
Verbindungskraft erlangen möge, ist nothwendig, daß bei zufälligen Bedingnussen
der Ausgang erwartet, und die willkürliche in der bestimmten Maß und Weis erfüllet
werden. Woferne aber die Erfüllung einer der Willkür des Anderen
anheimgestellten Bedingnuß aus Schuld des Gegentheils, der solche beigesetzet,
behinderet wird, ist dieselbe für erfüllet zu achten; dahingegen zufällige
Bedingnussen in Verträgen niemalen für
(3-13) erfüllet zu halten sind, wann sie ihren Ausgang nicht
gewinnen, außer die Vollziehung Desjenigen, was dabei zum Theil willkürlich
wäre, würde bei sich ergebenden bedungenen Zufall aus Schuld des Gegentheils
gehemmet. Wie es aber in dem Fall zu halten seie, wann die Erfüllung der
Bedingnuß durch Gefährde oder Schuld eines Dritten verhinderet würde, wird
seines Orts ausgemessen.
[3, 1, § 7] 67. Erfolget nun die zufällige Bedingnuß, oder
die willkürliche gehet in ihre Erfüllung, so gebühret diesen Augenblick die
Schuld, und kann auch ohne weiterem Verzug eingeforderet werden; der Ausgang
der Bedingnuß aber wird auf die Zeit der geschlossenen Handlung zuruckgezohen,
und diese eben so geachtet, als ob sie gleich zu Anfang ohne aller Bedingnuß eingegangen
worden wäre, folglich hat das aus einer solchen Handlung angebührende Recht
nicht von der Zeit der erfolgten Bedingnuß, sondern von der Zeit der
geschlossenen Handlung seine Kraft und Wirkung.
[3, 1, § 7] 68. Wären aber mehrere Bedingnussen zusammen
beigesetzet, ist deren aller Erfolg und Erfüllung abzuwarten, dahingegen, wo
mehrere wechselweise, oder eine um die andere, das ist entweder diese oder jene
angehänget worden, ist an Erfüllung einer oder der anderen genug, daß die
Schuld gebühren und eingeforderet werden möge.
[3, 1, § 7] 69. Doch auf Dasjenige, was zur Bedingnuß
gesetzet worden, kann bei deren Ausgang von dem Glaubiger kein Anspruch
gemachet werden, wann es nicht ausdrücklich in die Verbindung mit einbezohen
worden, oder ihme nicht sonst hieran ein Recht gebühret. Ermanglet aber die
Bedingnuß also, daß keine Hoffnung ihres jemaligen Erfolgs übrig seie, so
entfallet auch die ganze Handlung, und ist von keiner weiteren Giltigkeit.
[3, 1, § 7] 70. Die Bedingnussen von der anderen Gattung, welche
die Bündigkeit der Handlung nicht verschieben, sondern bei ihren Erfolg
anwiederum auflösen, hinderen nicht, daß die verheißene Sache allsogleich
gebühre und geforderet, wie auch nach Gestalt der Handlung das Eigenthum
derselben an den Anderen übertragen werden könne, und dieser die Befugnuß
erlange, damit als mit seinem eigenen Gut nach Gefallen zu schalten und zu
walten.
[3, 1, § 7] 71. Gehet aber diese Bedingnuß in Erfüllung, so
wird sowohl die Handlung, als das durch selbe an den Anderen übertragene Recht
und Eigenthum aufgelöset; doch ist dabei der Unterschied in acht zu nehmen, ob
die Auflösung für die Zeit der getroffenen Verbindung, und dergestalten, daß
die Handlung für niemals geschlossen geachtet werden solle, ausbedungen, oder
ob die Auflösung nur für die Zeit der erfolgten Bedingnuß beliebet worden.
[3, 1, § 7] 72. Ersteren Falls wird bei Ausgang der
Bedingnuß die fürgeweste Handlung völlig und also aufgehoben, als ob solche
niemals geschlossen worden wäre, und fallet die hieraus empfangene Sache nicht
allein in demjenigen Stand, wie sie zur Zeit der Handlung an den Anderen
übertragen, sondern auch mit allen inmittelst eingehobenen Früchten, Nutzungen
und Zugängen ohne weiters anwiederum zuruck.
[3, 1, § 7] 73. Letzteren Falls hingegen ist zwar der
Besitzer schuldig die Sache in demjenigen Stand, wie er sie empfangen,
anwiederum zuruckzustellen, doch gebühren ihme die bis zu Ausgang der Bedingnuß
für die Zeit des Besitzes davon erhobene Früchten und Nutzungen. Wann aber ein
Zweifel vorfiele, ob die Auflösung oder der Ruckfall auf diese oder jene Art
bedungen worden, so ist es allezeit von der letzteren Art zu verstehen.
[3, 1, § 7] 74. Jedoch in so ein als anderen Fall lieget
Demjenigen ob, der sich den Ruckfall ausgenommen, den Erfolg der Bedingnuß zu
erweisen, und die ruckfällige Sache in der in zweiten Theil bestimmten
Verjährungszeit zuruckzuforderen, wo im Widrigen er des Ruckfalls verlustig,
und dem Anderen ein unwiderrufliches Recht erworben wird.
(3-14) [3, 1, § 7] 75. Soviel es aber die von dem
mittlerweiligen Besitzer mit Anderen dieser Sache wegen getroffene Handlungen
anbelangt, als da er indessen vor Ausgang der Bedingnuß solche verpfändet,
veräußeret, oder sonst Jemanden hieran ein Recht zugeeignet hätte, so bleiben
zwar solche insolange bei Kräften, als die Bedingnuß nicht erfolget; nach
Ausgang der Bedingnuß hingegen ist zu unterscheiden, ob es um eine bewegliche
oder unbewegliche Sache zu thuen seie.
[3, 1, § 7] 76. Betrifft es eine bewegliche Sache, so kann
ein Dritter, der solche rechtmäßig an sich gebracht, hierwegen nicht
angefochten werden; es seie dann, daß ihme der bedungene Ruckfall wohl wissend
gewesen, und er sich gleichwohlen der Sache angemaßet hätte, auch, daß er es
gewußt, auf ihn dargethan werden könne, in welchem Fall das hieran erworbene
Recht zugleich mit dem Recht dessen, von deme er solches erhalten, aufgelöset
wird, und ist die Sache Demjenigen, der sich deren Ruckfall bedungen,
zuruckzustellen. Könnte aber die Wissenschaft des ausgenommenen Ruckfalls auf
ihn nicht erwiesen werden, so bleibet sein Recht bei
Kräften, und der Andere ist schuldig, dem Kläger dafür gerecht zu werden.
[3, 1, § 7] 77. Ist hingegen der Ruckfall einer
unbeweglichen Sache ausbedungen worden, so kann solcher wider einen dritten
Besitzer nur damals wirken, wann derselbe in der Landtafel, oder in den Stadt-
oder Grundbüchern, wohin der Grund, um deme es zu thun ist, gehöret, ordentlich
vorgemerket ist, wodurch bei Ausgang der Bedingnuß auch des Dritten obgleich
mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern hieran erworbenes Recht entkräftet
wird.
[3, 1, § 7] 78. Ist aber der Ruckfall darinnen nicht
vorgemerket, so hat der Kläger solchenfalls nur persönliche Sprüche wider
Demjenigen, mit deme er den Ruckfallsvertrag errichtet; dann alle Bedingnusse,
welche den Handlungen und Verträgen über unbewegliche Dinge angehänget werden,
können die Sache selbst nicht anderst behaften, als wann sie mit den Handlungen
und Verträgen, in denen sie einkommen, in die Landtafel, Stadt- oder
Grundbücher, wohin die Sache gehörig, eingetragen werden.
[3, 1, § 7] 79. Die bei Handlungen und Verträgen bestimmende
Zeitfristen sind entweder in dem Vertrag schon begriffen, als da Jemand an
einem gewissen Ort die Zahlung zu leisten verspräche, wodurch ihme auch
zugleich so viele Zeit eingeraumet wird, binnen welcher er dahin gelangen, oder
das Geld übermachen könne, oder die Zeitfristen werden ausdrücklich beigefüget.
[3, 1, § 7] 80. Dieses geschieht entweder zu dem Ende, um
die Bezahlung zu vervielfältigen, und den Betrag der Schuld in mehrere Fristen
einzutheilen, als da durch mehrere Jahr eine gewisse Summe jährlich zu zahlen
verheißen wird, und in diesem Fall leidet die Verbindung keinen Aufschub,
sondern die Schuld fanget gleich an für alle Jahre zu gebühren, die jährliche
Zahlung aber kann nicht ehender, als mit Ende eines jeden Jahres geforderet
werden, wann nichts Anderes bedungen worden.
[3, 1, § 7] 81. Oder die Zeit wird als das Ende der
Verbindung beigerucket, mit deren Verlauf solche dergestalten erlöschet, daß
für das Künftige nichts, wohl aber Jenes, was für das Vergangene gebühret hat,
geforderet werden kann, außer die also beigesetzte Zeit enthielte zugleich eine
Bedingnuß, deren Ausgang auf diese Zeit ausdrücklich dahin beschränket würde,
daß, wann solcher binnen derselben nicht erfolget, der Zusager zu nichts
verbunden sein wolle.
[3, 1, § 7] 82. Oder es werden nur Zahlungsfristen
ausgewiesen, welche nicht der Verbindung, sondern bloß allein der Zahlung und
Einforderung einen Aufschub geben, daß die Schuld vor der ausgesetzten Zeit
nicht eingemahnet werden kann, und diese, insoferne nichts Anderes beliebet
worden, kommen dem Schuldner ganz und also zu statten, daß vor deren
Verfließung die Schuld nicht eingetrieben werden darf.
[3, 1, § 7] 83. Bei Zeitfristen ist zu unterscheiden, ob der
bestimmte Tag gewiß, oder
(3-15) ungewiß seie. Ist der bestimmte Tag gewiß, so fanget
die Schuld gleich an zu gebühren, kann aber vor Verlauf dieses Tags nicht
eingemahnet und geforderet werden.
[3, 1, § 7] 84. Ungewiß ist der Tag auf dreierlei Art, dann
entweder ist nicht wissend, ob und wann er sich ereignen werde, als zum
Beispiel der Tag eines ungewissen Zufalls, oder man weiß zwar wann, aber nicht
ob er erfolgen werde, als z. B. die Erreichung des vogtbaren Alters, oder es ist
zwar ungezweiflet, daß er erfolge, allein unwissend, wann solcher kommen werde,
als z. B. Jemands Tod.
[3, 1, § 7] 85. In beiden ersteren Fällen wird eine so
beschaffene ungewisse Zeit für eine Bedingnuß gehalten, bis zu deren Erfolg die
Bündigkeit der Handlung verschoben wird, woferne aus dem Vertrag nicht ein
Anderes deutlich entnommen werden mag, daß ein solcher ungewisser Tag nicht zum
Aufzug der Verbindung, sondern bloß zum Aufschub der Zahlung beigesetzet
worden. In dem letzteren Fall hingegen entstehet die
Verbindlichkeit gleich, und bleibet nur die Zahlung bis dahin ausgesetzet.
[3, 1, § 7] 86. Sind aber die beigefügte Bedinge also
gefasset, daß sich Jemand unter einer gewissen Art und Weis, und aus der
Endursache verbinde, damit dagegen von dem Anderen etwas geschehe oder nicht
geschehe, so wird weder die Bündigkeit der Handlung, noch die Einforderung der
Schuld aufgeschoben, sondern wann das Bedungene nicht erfüllet wird, muß das
Empfangene anwiederum zuruckgestellet, und kann allenfalls, wann Gefahr
vorhanden, auch wegen Erfüllung des Bedings genugsame Sicherheit anbegehret,
und bis daß solche geleistet wird, das Verheißene zuruckgehalten werden.
§. VIII.
[3, 1, § 8] 87. Die Handlungen, woraus eine persönliche
Verbindung entspringet, sind entweder erlaubet oder ohnerlaubet. Die erlaubte rühren entweder aus bloßer Freigebigkeit her, oder geschehen
in Absicht einer verpflichtenden Ursache; welche aus bloßer Freigebigkeit
herstammen, werden Zusagen, Gelübde und Verheißungen genennet.
[3, 1, § 8] 88. Jene aber, welche eine verpflichtende
Ursache zum Grund haben, geschehen entweder durch beiderseitige Einwilligung
und Vereinigung über die Schuldigkeit etwas zu leisten und heißen Verträge,
oder sie wirken auch ohne Vertrag aus natürlicher Billigkeit.
[3, 1, § 8] 89. Die Verträge erlangen entweder ihre
Verbindlichkeit aus der alleinigen Vereinigung beider Theilen, ohne daß einer
solchen Handlung von den Gesetzen eine eigene Gestalt vorgeschrieben, und ein
gewisser Namen beigeleget werde, welche
(3-16) insgemein Verträge, oder auch unbenannte Contracten,
oder wann selbe eine strittige oder zweifelhafte Sache betreffen, Vergleiche
benamset werden, oder sie enthalten Handlungen, welche noch über die Kraft der
beiderseitigen Vereinigung von den Gesetzen eine eigene vorgeschriebene Gestalt
und Namen haben, und werden in der eigentlichen Bedeutung Contracten genennet.
[3, 1, § 8] 90. Die Contracten werden entweder durch eine
wahre und ausdrückliche, oder auch stillschweigende Vereinigung oder
Einwilligung beider Theilen über die Schuldigkeit etwas zu geben oder zu thun
geschlossen, und diese sind wahre Contracten, oder sie bestehen auf keiner
ausdrücklichen, sondern einer durch das Gesetz vermutheten oder dafür
gehaltenen Einwilligung eines oder auch beider Theilen, wodurch die denen
Contracten gleichkommende Handlungen verstanden werden.
[3, 1, § 8] 91. Die ohnerlaubte Handlungen wirken die
Verbindlichkeit aus einer Schuld oder Gefährde. Diese Schuld haftet entweder an
der Person dessen, welcher das Verbrechen ausgeübet, und ist eine wahre Schuld,
woraus die wahre und eigene Verbrechen entstehen, oder sie wird von den
Gesetzen Jemanden, der zwar das Verbrechen nicht ausgeübet, in dessen Macht es
aber gestanden solches zu verhüten, beigemessen, welche nur eine beigemessene
Schuld ist, und derlei Handlungen sind keine wahre Verbrechen, sondern werden
nur für Verbrechen geachtet.
[3, 1, § 8] 92. Es sind demnach sechserlei Gattungen deren
Handlungen, welche die persönliche Verbindung wirken, und nach der
hiernachstehenden Ordnung in den folgenden Capiteln erkläret werden, als:
Erstens, Zusagen, Verträge und Vergleiche; zweitens, benannte Contracten;
drittens, denen Contracten gleichkommende Handlungen; viertens, aus bloßer
natürlicher Billigkeit verbindende Handlungen; fünftens, Verbrechen; sechstens,
für Verbrechen geachtete Handlungen.
§. IX.
[3, 1, § 9] 93. Die aus vorbemelten Handlungen entstehende
Verbindungen wirken an Seiten dessen, gegen weme Jemand verbunden wird, die
Erwerbung des Rechts zur Sache, die ihme aus der Verbindung gebühret, woraus
die rechtliche Forderung, und aus dieser deren Betreibung und Ausführung
entspringet, an Seiten des Verbundenen aber die Nothwendigkeit Dasjenige, was
er andurch schuldig worden, zu leisten, und beiderseits nach Verschiedenheit
der Handlungen die mehr oder mindere Verfänglichkeit für den durch Arglist,
Schuld oder Zufall verursachten Schaden.
[3, 1, § 9] 94. Bestehet die Verbindlichkeit in der
Schuldigkeit etwas zu geben, so kann Derjenige, wer solches zu geben verbunden,
sich von der Verbindlichkeit anderer gestalt nicht, als durch die wirkliche
Entrichtung des schuldigen Dings oder Guts, insolange er es in seinem Vermögen
hat, entledigen.
[3, 1, § 9] 95. Verbindet sich Jemand zur Leistung mehrere
Dingen zusammen, ist derselbe auch alle zu geben schuldig; lautete aber die
Verbindung wechselweise auf diese oder jene Sache, so erstrecket sich zwar die
Verbindung auf beide, also daß, wann eine in Verlust gehet, jedennoch die
andere gebühre. Es ist aber an Leistung einer genug, und hat der Schuldner die
Auswahl, welche er davon hergeben wolle, wann solche auswählen zu mögen nicht
ausdrücklich dem Glaubiger eingestanden, oder die wechselweise Schuldigkeit nur
zu seiner mehreren Sicherheit, also daß, wann das vorzüglich Bedungene nicht erstattet
werden könnte, anstatt dessen das Andere gebühren solle, beigesetzet worden.
Eine gleiche Bewandtnuß hat es, wann die Schuld eine unbestimmte Sache von
einer gewissen Gattung betrifft, als z. B. ein Schaf oder Rind aus der Heerde;
dessen Auswahl stehet dem Schuldner zu.
(3-17) [3, 1, § 9] 96. Dahingegen, wann die Verbindlichkeit
in der Schuldigkeit etwas zu thuen bestehet, muß zwar der Verbundene das
versprochene Werk leisten, solange er es zu machen fähig, und der dadurch
abgezielte Nutzen des Anderen, deme es verheißen worden, erreichet werden kann;
hörete aber dessen Thunlichkeit aus seiner Schuld auf, oder der Vollzug
erfolgete nicht zur gesetzten Zeit, so ist derselbe dem Anderen sowohl den ihme
entgangenen Vortheil, als den wegen Nachbleibung des versprochenen Werks
erleidenden Schaden zu erstatten schuldig.
[3, 1, § 9] 97. Die Verfänglichkeit zum Ersatz des
verursachten Schadens rühret entweder aus gebrauchter Arglist, oder begangener
Schuld, oder erfolgten Zufall her, und ist nach Gestalt der Handlungen, und
nach Maß der getroffenen Verbindungen bald größer, bald minder.
[3, 1, § 9] 98. Die Arglist oder Betrug ist eine
vorsetzliche Gefährde, wodurch Jemand wissentlich dem Anderen einen Schaden
zufüget, und diese ist in keinerlei Handlung zu dulden, noch weniger ein
Vertrag giltig, worinnen dem Anderen Jemanden zu betrügen und vorsätzliche
Bosheit zu verüben erlaubet wird, sondern ein Betrug wird bei allen Handlungen
für ausgenommen gehalten, obschon darauf eine ausdrückliche Verzicht gemacht worden
wäre; einen schon begangenen Betrug hingegen können die Parten bei Schluß der
Handlung einander erlassen.
[3, 1, § 9] 99. Eine Gefährde oder Betrug wird bei Verträgen
niemalen vermuthet, sondern muß von Demjenigen, der solchen vorschützet,
erwiesen werden, und hat der beschädigte Theil die Auswahl, ob er die gänzliche
Vernichtung der Handlung anbegehren, oder ob er gleichwohlen dabei beharren,
und sich nur mit Vergütung des Schadens begnügen wolle.
[3, 1, § 9] 100. Es wäre dann in dem Vertrag ausdrücklich
bedungen worden, daß, wann ein Theil durch Betrug zu solcher Handlung verleitet
worden wäre, diese nicht sofort null und nichtig seie, sondern dem beleidigten
Theil den Ersatz des zugefügten Schadens zu forderen freibleiben, und die
Handlung im Uebrigen bestehen solle. In diesem Fall behält zwar die Handlung
ihre Giltigkeit, der Schaden aber muß vergütet werden, und wird auch der Beweis
des Betrugs nicht verschränket, wann gleich der gewöhnliche Beisatz, daß Alles
getreulich und ohne Gefährde geschlossen worden, in der Handlung deutlich
beigerucket wäre.
[3, 1, § 9] 101. Eine Schuld wird begangen, wann aus
Jemandens Unachtsamkeit, Fahrlässigkeit, Unvorsichtigkeit oder Unverstand dem
Anderen ein Schaden entstehet, welcher sonst durch vernünftige Vorsicht, Fleiß
und Vorsorge hätte verhütet werden können; diese bestehet entweder in der
Ausübung, da Jemand etwas solches thut, was sich nicht geziemet, oder in der
Unterlassung dessen, was ihme zu thun obgelegen wäre.
[3, 1, § 9] 102. Alle Schuld kommet
demnach aus Unterlassung des gehörigen Fleißes her. Gleichwie aber bei
menschlichen Handlungen dreierlei Grade oder Stufen der Befleißung sind, als
nemlich ein gemeiner Fleiß, welcher allen Menschen gleichsam angeboren ist, und
aus keiner Scharfsinnigkeit, sondern aus gemeinem Verstand herrühret, und von
allen auch minder fleißigen Leuten in ihren Sachen auf gleiche Art angewendet
zu werden pfleget, ein besonderer Fleiß, welcher über die gemeine Bestrebung
noch eine besondere Achtsamkeit erforderet, und von einem jeden guten,
fleißigen und vorsichtigen Hausvater in seinen Geschäften insgemein beobachtet
wird, und endlich der ausbündigste und genaueste Fleiß, dessen sich nicht alle
auch sonst fleißigere Leute, sondern nur die allervorsichtigste und
allersorgfältigste Hausväter in ihren Handlungen gebrauchen; also giebt es auch
nach Maß des unterlassenen mehr oder minderen Fleißes dreierlei Gattungen der
Schuld, als die große, die leichte und die geringste.
[3, 1, § 9] 103. Eine große Schuld geschiehet damals, wann
weder der gemeine Fleiß angewendet, sondern Dasjenige unterlassen wird, was
insgemein alle vernünftige Menschen in acht nehmen, oder auch etwas gethan
wird, dessen sich insgemein
(3-18) alle vernünftige Menschen enthalten, als z. B. Jemand
ließe die Hausthüre zur Nachtszeit offen, oder verwahrete ein ihme anvertrautes
Gut nicht, sondern ließe es an einem freien Ort stehen, oder unternähme ein
Werk oder Hantierung, die er nicht verstehet, und dergleichen mehr.
[3, 1, § 9] 104. Diese Schuld kommet einer vorsätzlichen
Gefährde am nächsten bei, und wird dahero ihrer Wirkung nach in allen
denenjenigen Fällen, wo es um Ersetzung des andurch zugefügten Schadens zu thun
ist, derselben gleichgeschätzet, wohingegen wann es auf Verhängung der Strafe
ankommt, selbe miteinander nicht verglichen werden mögen, sondern Jener,
welcher aus vorsätzlicher Gefährde gesündiget, ist härter zu bestrafen, als der
keinen Vorsatz zu sündigen gehabt, sondern nur aus Unachtsamkeit oder
Unverstand in ein Verbrechen verfallen.
[3, 1, § 9] 105. Eine leichte Schuld ist, wann jener
besondere Fleiß und Achtsamkeit, welche alle fleißige Hausväter in ihren Sachen
zu gebrauchen pflegen, unterlassen, oder etwas vorgekehret wird, was deme
entgegen ist, als z. B. Jemand ließe ein bei sich eingelegtes Pfand von Mäusen
zerfressen, oder schlöße die höhere Fenster von einem Behältnuß, worinnen
fremdes Gut verwahret wird, nicht zu, und solches würde daraus entwendet.
[3, 1, § 9] 106. Wiewohlen aber in fremden Geschäften kein
geringerer Fleiß, als in seinen eigenen angewendet werden darf, so enthebet
doch ein solcher in fremden, wie in eigenen Geschäften angewendeter gleicher
Fleiß nicht allemal von der Verfänglichkeit einer Schuld, wann dabei jenes
außer acht gelassen worden, was sonst andere fleißige und sorgfältige Hausväter
zu beobachten pflegen. Also wird ein Vormund von der Schuld des verwahrlosten
Waisenguts nicht entlediget, wann gleich er solches, wie sein eigenes besorget,
dabei aber jenes vorzukehren unterlasset, was andere fleißige Leute in derlei Fällen
zu thun gewohnet sind.
[3, 1, § 9] 107. Im Gegentheil machet sich auch Jener einer
leichten Schuld verfänglich, welcher in seinen Sachen fleißiger und
sorgfältiger ist, als Andere, woferne er fremde Geschäften nicht mit gleichem
Fleiß, wie seine eigene besorget, obschon derselbe den auch Anderen gemeinen
Fleiß angewendet hätte. Also ist ein Gesellschafter für den Schaden zu haften
schuldig, wann er die Gesellschaftsgeschäften zu Handen seiner
Mitgesellschafter, mit minderen Fleiß, als zu seinem eigenen Nutzen betreibet,
obgleich er Dasjenige gethan, was andere Leute in ihren eigenen Sachen mit
keiner größeren Sorgfalt in acht nehmen. Es ist dahero in Abmessung der
leichten Schuld bei Nachläßigen allemal das Beispiel Anderer, und bei Fleißigen
die Besorgnuß eigener Geschäften zur Richtschnur zu nehmen.
[3, 1, § 9] 108. Die leichteste Schuld wird begangen, wann
der ausbündigste und genaueste Fleiß nicht angewendet, und etwas
vernachläßiget, oder mit widrigem Erfolg veranstaltet wird, was der
allerfleißigste und allersorgfältigste Hausvater nicht vernachläßiget, oder
vorsichtiger veranstaltet hätte, als z. B. die Fenster wären mit eisernem
Gegitter nicht befestiget worden, wodurch die Diebe eingebrochen.
[3, 1, § 9] 109. Um nun zu wissen, für was für einen Grad
der Schuld bei Verträgen und Contracten Einer dem Anderen gerecht werden müsse,
ist förderist darauf zu sehen, ob derowegen etwas ausdrücklich bedungen worden
oder nicht. Ersteren Falls giebt der Vertrag Ziel und Maß, und stehet denen Contrahenten frei, nach Gefallen sich mehr oder
minder gegeneinander zu verbinden.
[3, 1, § 9] 110. Wäre aber wegen der Haftung für die Schuld
in der Handlung ausdrücklich nichts vorgesehen worden, so ist die Bestimmung
des Grads der Schuld, wofür Einer dem Anderen zu haften hat, aus der Natur und
Eigenschaft der Handlungen herzuholen, welche überhaupt mit sich bringet, daß
nach Maß des Jemanden daraus zugehenden mehreren oder minderen Nutzens auch die
größere oder mindere Verfänglichkeit abgemessen werde.
[3, 1, § 9] 111. Wann dahero die Handlung des Gebenden
Nutzen allein betrifft, so ist der nehmende Theil nur für die große, der
gebende aber auch für die geringste
(3-19) Schuld zu haften schuldig, als z. B. in Hinterlegung
eines Guts zu getreuen Handen, welche insgemein zu dem alleinigen Vortheil des
Gebenden oder Hinterlegenden abzielet, und dahero hat Derjenige, bei deme das
Gut hinterleget wird, nur für die große Schuld; der Hinterlegende hingegen auch
für die geringste Schuld zu haften.
[3, 1, § 9] 112. Diese Regel aber leidet einen Abfall bei
jenen Handlungen, worinnen die Besorgnuß fremder Geschäften entweder
willkürlich, als in Befehlscontract und Sachwaltung, oder aus gerichtlicher
Auflage als in Vormundschaften oder Gerhabschaften und Curatelen übernommen
wird; dann diese Uebernehmung wirket bei einem Befehlshaber, Sachwalter,
Vormund und Curatore (obschon sie davon keinen Nutzen zu gewarten haben)
zugleich auch die Verbindung zu einem besonderen Fleiß, folglich die mit dessen
Ermanglung übereinstimmende Haftung für die leichte Schuld.
[3, 1, § 9] 113. Wann hingegen die Handlung zu des nehmenden Theils Nutzen allein gereichet, ist derselbe
für die geringste Schuld, der Gebende aber nur für die große Schuld
verfänglich, als z. B. wann Jemanden etwas zu seinem Gebrauch unentgeltlich
geliehen wird.
[3, 1, § 9] 114. Zielete aber die Handlung auf beider
Theilen Nutzen ab, so sind auch beide einander für die leichte Schuld zu haften
schuldig, als in Kauf und Verkauf, in Pachtungs-, Pfand- und
Gesellschaftscontracten, und dergleichen mehreren zu beiderseitigen Vortheil
gereichenden Verträgen.
[3, 1, § 9] 115. Wann jedoch über die vorangeführte
Maßregeln annoch ein Zweifel entstünde, so kommet es dabei jedesmal auf die
Beurtheilung eines vernünftigen Richters hauptsächlich an, um zu entscheiden,
was sowohl für eine Verfänglichkeit aus der so verschiedenen Gestalt der
Handlungen erwachse, als in was für einem Grad die unterwaltende Schuld nach
Beschaffenheit der Contrahenten anzusehen seie; dann, da die Natur und
Eigenschaft der Handlungen theils durch die beisetzende Nebenverträge, theils
durch die betreffende Gegenstände zum öfteren geänderet zu werden pfleget, und
auch die Beschaffenheit der Contrahenten nicht allemal einerlei ist, sondern
was Einem zur geringsten Schuld beigemessen wird, dem Anderen kaum zur leichten
gerechnet werden kann, so lassen sich keine beständige, und durchgehends
gleiche Regeln hierinfalls vorschreiben.
[3, 1, § 9] 116. Wann aber Jemand bei einer Handlung sich
zur Haftung für die Schuld verbindet, ohne jedoch dabei den Grad derselben zu
bestimmen, oder Jemand gelobete die Verwendung seines Fleißes überhaupt an, so
ist es allemal von der leichten Schuld, und von dem mittleren Fleiß zu
verstehen, außer die Natur und Eigenschaft der Handlung erforderete einen
größeren, oder bestünde auf einem minderen Grad, maßen die Ausdeutung allezeit
nach der Natur des Geschäfts zu machen ist, wann die klare Worte nichts Anderes
vermögen. Wer aber dem Anderen eine Schuld zumuthet, ist solche zu erweisen
schuldig.
[3, 1, § 9] 117. Ein ungefährer und unvermutheter Zufall
ist, welcher durch keinen menschlichen Fleiß, Witz und Vorsicht hat verhütet
werden mögen, und entweder wegen zufälliger stärkerer Gewalt, als daß derselben
ein ausgiebiger Widerstand entgegengestellet werden könnte, oder wegen billiger
und untadelhafter Unwissenheit auch dem Fleißigsten, Sorgfältigsten und
Vorsichtigsten widerfahren kann.
[3, 1, § 9] 118. Von ersterer Gattung sind Wetterschäden,
Mißwachs, übermäßige Tröckene, Wassergüsse und Ueberschwemmungen, Erdbeben,
außerordentliche Kälte und Auswinterung des Getreids, heftige Winde, unheilbare
Seuchen unter Vieh und Menschen, Heuschrecken, häufige die Saaten größtentheils
verderbende Würmer, Erdmäuse in ungewöhnlicher Menge, feindliche Einfälle und Verheerungen,
gewaltsame Beraubung, in dem benachbarten Haus entstandene jähe Feuersbrunst,
und andere derlei Ereignussen, welche aus keinerlei Art und Weis von
Demjenigen, deme ein solcher Zufall zustoßet, haben verhinderet werden können.
[3, 1, § 9] 119. Zu der anderen Gattung gehören alle
diejenige Fälle, welchen zwar,
(3-20) wann deren Erfolg vorzusehen gewesen wäre, durch
menschliche Gewalt hätte vorgebogen werden können, doch aber aus einer solchen
Ursache herrühren, die man auch mit Anwendung alles Fleißes weder erfahren
mögen, noch zu erforschen schuldig wäre, als die Entweichung der Dienstboten,
Unterthanen, oder anderen Untergebenen, wann deren Bewachung und Beobachtung
von der Obrigkeit nicht ausdrücklich angeordnet ist, oder selbe vorhero zu ihrer
Verwahrung und Versicherung keine Ursach gegeben haben, ein Diebstahl, wann
alle gehörige Sorgfalt in Verwahrung des entwendeten Guts vorgekehret worden,
eine in Jemands Behausung weder aus eigener, noch seiner Hausgenossen Schuld
angelegte, oder sonst ausgekommene Feuersbrunst, und überhaupt alle aus der
That eines Dritten entstehende Beschädigungen sind in Absicht auf den Leidenden
zufällig, wann er den Schaden nicht verhüten kann, obschon es in seiner Gewalt
gestanden wäre, wann er die That vorgesehen hätte, solche zu verhinderen.
[3, 1, § 9] 120. Kann aber der daraus erfolgende Schaden mit
geringer Mühe verhütet werden, und dessen Abwendung würde vernachlässiget, so
ist solcher keinem Zufall, sondern der Schuld dessen, welcher die dienliche
Hilfs- und Rettungsmitteln anzukehren außer acht gelassen, beizumessen, als z.
B. das in des Nachbars Haus aufgehende Feuer würde in Zeiten wahrgenommen, und
könnte leicht gedämpfet werden, solches aber würde unterlassen, oder man
verabsaumete sich eines Diebs, Raubers oder Flüchtigen zu versicheren, da man
ihn in seiner Gewalt gehabt, auf der Flucht ertappet, und das Entfremdete ihme
abnehmen können.
[3, 1, § 9] 121. Um so minder ist ein Schaden, welcher aus
eigener That erfolget, für einen Zufall zu halten, sondern allemal auf die
Ursach, welche den Schaden veranlasset, und nicht auf den Erfolg zu sehen, als
z. B. Jemand schießet auf einen Vogel oder Tauben, und zündet andurch das Haus
an, oder schießet auf ein Ort, wo Leute zu gehen pflegen, und Einer würde
verwundet oder entleibet, oder das Heu würde nasser erliegen gelassen, daß es
sich nachhero entzünde, und eine Feuersbrunst verursache.
[3, 1, § 9] 122. Für einen wahren Zufall ist bei Handlungen
Niemand zu haften schuldig, sondern wann immer ein fremdes Gut bei Jemanden
durch Zufall in Verlust gehet, wird dieser dadurch nicht verfänglich, und der
Eigenthümer hat den Schaden zu tragen; also, wann ein zum Gebrauch geliehenes,
zu getreuen Handen hinterlegtes, verpfändetes, anvertrautes, oder sonst in
Jemands Händen auf rechtmäßige Weise befindliches fremdes Gut durch Zufall
verloren oder verdorben wird, hat der Herr dieses Guts den Schaden zu leiden.
[3, 1, § 9] 123. Durch ein fremdes Gut wird hier nicht
allein jenes verstanden, dessen Eigenthum einem Anderen zugehöret, sondern auch
dasjenige, dessen Eigenthum an jemand Anderen zu übertragen verheißen worden,
obschon es noch zur Zeit des Zufalls bei dem Zusager befindlich ist, als in
Schankungen, Kauf- und Verkauf- und Tauschcontracten, in welchen Fällen der
Zusager oder Verkaufer durch den zufälligen Verlust der schuldigen Sache von
aller weiteren Schuldigkeit entbunden wird, und dieser schadet dem Kaufer oder
Demjenigen, deme solche gebühret hat.
[3, 1, § 9] 124. Wann aber keine gewisse bestimmte Sache
zugesaget oder verkaufet worden, sondern der Vertrag betreffe nur ein
unbestimmtes Ding von einer gewissen Gattung oder Betrag, so bleiben doch der
Zusager oder Verkaufer in der Verbindlichkeit, wann gleich einige Dinge von der
vorerwähnten Gattung oder Betrag daraufgingen.
[3, 1, § 9] 125. Sobald aber das Eigenthum durch die
wirkliche Uebergab an den Anderen übertragen worden, als bei einem Darlehen, so
hat die erste Regel statt, daß der Zufall dem Eigenthümer allein schade, und
der Schuldner, wann gleich das vorgestreckte Darlehen in Verlust ginge, von der
Schuld nicht befreiet werde, sondern seinem Glaubiger noch in alle Wege
verbunden bleibe.
[3, 1, § 9] 126. Diese Regel, daß für zufälligen Schaden bei
Verträgen und Contracten
(3-20) Niemand dem Anderen verfänglich werde, leidet jedoch
in folgenden Fällen eine Ausnahm, als da entweder Jemand die schuldige Sache
ausdrücklich auf seine eigene Gefahr übernommen, oder die sich ergeben mögende
Zufälle zu tragen sich anheischig gemacht hätte, in welchem Fall die
Verbindlichkeit nur für jene Zufälle, welche in dem Vertrag ausdrücklich
angedeutet, oder da keine benennet, für Alle ohne Ausnahm zu verstehen ist.
[3, 1, § 9] 127. Oder der Zufall erfolgete aus einer
vorhergehenden Schuld des Verbundenen, für welche derselbe entweder nach der
Eigenschaft der Handlung, oder nach Maß seiner eigenen Verpflichtung zu haften
hat, oder der Verbundene hätte die schuldige Sache, welche durch Zufall in
Verlust gehet, aus geflissentlichem Saumsal und Verzug unrechtmäßiger Weise bei
sich vorenthalten, außer der Zufall wäre von solcher Beschaffenheit, daß die
Sache auch bei dem Anderen, deme sie gebühret, verloren oder verdorben worden
wäre, in welchem Fall zwar der Verbundene von Erstattung des Werths der
verlorenen Sache enthoben wird, jegleichwohlen aber den mittlerweil durch deren
Vorenthaltung dem Anderen zugefügten Schaden und entgangenen Nutzen zu ersetzen
schuldig ist.
[3, 1, § 9] 128. Oder endlich Jemand hätte ein fremdes Gut
in dem beigefügten Schätzungswerth mit dem Beding ausdrücklich übernommen, daß
er entweder die Sache zuruckstellen, oder den bedungenen Werth bezahlen wolle,
welches Beding die Verbindlichkeit für allen zufälligen Schaden nach sich
ziehet. Woferne aber dieses ausdrückliche Beding der Handlung nicht beigesetzet
worden, wirket die alleinige Schätzung einer übernommenen Sache die Haftung für
den Zufall nicht, sondern dieselbe hat solchenfalls keinen anderen Verstand,
als daß sie den Werth der übernommenen Sache ausweise und bestimme, wann solche
aus Schuld, für welche der Uebernehmer sonst zu haften hätte, in Verlust
gerathen sollte.
§. X.
[3, 1, § 10] 129. Die Verbindungen erlöschen entweder in
Absicht auf die Personen, die hieraus verbunden, oder denen ein Recht zur Sache
erworben worden, durch deren Erneuerung, Verwandlung und Uebertragung an
Andere, oder in Absicht auf sich selbst durch deren gänzliche Tilgung, oder
durch die dagegen gebührende rechtsbewährte Einreden und Einwendungen.
[3, 1, § 10] 130. In eine andere Gestalt verwandlet, und an
Andere übertragen werden dieselbe auf viererlei Art, als: Erstens, durch
Erneuerung oder Umlage der Schuld; zweitens, durch Anweisung des Schuldners;
drittens, durch Abtretung oder Uebergab der Schuld; viertens, durch Uebernahm
der Schuld.
[3, 1, § 10] 131. Mittelst des Rechts selbst werden sie
gänzlich getilget: Erstens, nach vollständiger Befriedigung des Glaubigers,
als: 1. durch Zahlung der Schuld, 2. durch Erlassung oder Ledigsprechung, 3.
durch Gegenforderung, 4. durch gerichtlichen Erlag der Schuld, 5. durch
Vermengung oder Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person;
zweitens, durch beiderseitige Willkür; drittens, durch Untergang der schuldigen
Sache; viertens, durch Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen; fünftens,
durch Verlauf der Zeit, Verjährung und Abgang der beigefügten Bedingnuß;
sechstens, in gewissen Fällen durch Absterben des Verbundenen.
[3, 1, § 10] 132. Durch Einreden oder Einwendungen werden
sie aufgehoben, wann zwar dem Glaubiger die Rechtsforderung gebühret, der
Schuldner aber solche durch eine rechtsbewährte Einrede abzuleinen vermögend
ist, und diese von dem Richter für erheblich anerkannt worden. Es wird aber von
einer jeden dieser Tilgungsarten insonderheit zu Ende dieses dritten Theils
ausführlicher gehandlet werden.
(3-22)Caput II.
Von Zusagen, Verträgen und Vergleichen.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Zusagen.
§. I. Von Verschiedenheit der Zusagen. §. II. Von den zur
Ehre Gottes, zu milden Sachen, oder zu gemeinem Besten gemachten Verheißungen.
§. III. Von Wirkung dieser letzteren. §. IV. Von Verbindlichkeit der Jemanden
insonderheit gemachten Zusagen.
§. I.
[3, 2, § 1] Num. 1. Die erste Gattung verbindlicher
Handlungen sind alle unbenannten Verträge, welche von den Gesetzen weder Namen,
noch eine besondere Form und Gestalt haben, sondern solche nach Willkür der
Parten aus beiderseitiger Vereinigung erlangen, und in dieser Bedeutung werden
alle Zusagen, Verträge und Vergleiche darunter begriffen, welche wegen ihrer
unbestimmten Gestalt keinem benannten Contract beigezählet werden mögen. Es
wird dahero dieses Capitel in drei Artikeln abgetheilet, und in dem ersten von
Zusagen, im zweiten von Verträgen, und im dritten von Vergleichen gehandlet.
[3, 2, § 1] 2. Eine Zusage ist eine bedachtsame gutwillige,
aus bloßer Freigebigkeit herrührende Verpflichtung Jemanden etwas zu geben oder
zu thun, wodurch der Zusager das Versprochene zu leisten verbunden, und dem
Anderen das Recht solches zu forderen erworben wird.
[3, 2, § 1] 3. Es wird aber darzu erforderet, daß eine
Zusage mit Bedacht und ausdrücklichem Willen sich für gegenwärtig zu verbinden
geschehe, und solche auch von dem anderen Theil angenommen werde, wann es nicht
Fälle betrifft, wo sie schon durch die Gesetze selbst für angenommen gehalten
wird.
[3, 2, § 1] 4. Dann, woferne etwas nur aus Scherz oder
Uebereilung verheißen worden, ist der Zusager zu nichts verbunden, wann
derselbe die Zusage in Scherz oder aus Uebereilung geschehen zu sein erweisen
kann, als dessen Beweis ihme oblieget.
[3, 2, § 1] 5. Lautete aber die Zusage auf künftige Zeiten,
so ist wohl zu unterscheiden, ob andurch der Willen sich zu verbinden in
Zukunft verschoben, oder ob die Zeit bloß zum Aufschub der Verabfolgung und
Uebergab der verheißenen Sache beigesetzet werde. Ersteren Falls, und da die
Zusage also gefasset wäre, daß sie mehr eine Vertröstung oder Neigung etwas
geben oder thun zu wollen, als den ernstlichen Willen sich darzu wirklich zu
verpflichten andeutete, hat eine so beschaffene Zusage keine Verbindungskraft,
sondern es stehet dem Zusager noch allemal frei, auch wann er die Aeußerung
seines Willens auf eine gesetzte Zeit bestimmet hätte, vor und nach der Zeit
seinen Sinn zu änderen.
[3, 2, § 1] 6. Dahingegen, woferne der Zusage eine bestimmte
Zeit zu dem Ende beigesetzet wird, daß zwar der Zusager gleich hieraus
verbunden sein wolle, die verheißene Sache aber nicht ehender als zu der
gesetzten Zeit geforderet werden solle, hat dieselbe ihre vollständige Kraft
und Wirkung.
[3, 2, § 1] 7. Wäre aber die beigefügt Zeit ungewiß, oder
auch eine Bedingnuß der
(3-23) Zusage beigerucket, und der Zusager äußerte dabei
seinen ernstlichen Willen das Versprechen nach Ausgang der Zeit, oder nach
Erfolg der Bedingnuß zu erfüllen, so wird zwar bis dahin die Verbindlichkeit,
nicht aber der Willen verschoben, und ist eine solche Zusage nicht weniger
rechtskräftig, als eine jede andere bedingte Handlung.
[3, 2, § 1] 8. Die Zusagen sind nach Verschiedenheit
Desjenigen, deme etwas versprochen wird, zu unterscheiden. Geschiehet das
Versprechen einer Privatperson, so heißet es eigentlich eine Zusage, wird aber
etwas zur Ehre Gottes, zu milden Sachen, oder zu gemeinem Nutzen angelobet, so
wird solches ein Gelübde oder Verheißung genennet.
§. II.
[3, 2, § 2] 9. Wann etwas zur Ehre Gottes, zu milden Sachen,
oder zu gemeinem Nutzen versprochen wird, bedarf eine solche Verheißung keiner
ausdrücklichen Annehmung, sondern dieselbe wird, sobald sie geschiehet, schon
für angenommen gehalten, und erlanget sogleich ihre Kraft und Wirkung.
[3, 2, § 2] 10. Entweder rühret sie aus bloßer Freigebigkeit
her ohne Absicht eines davon für den Zusager gewartenden Nutzens, oder sie
geschiehet aus Ursache eines sich dagegen bedingenden Vortheils; erstere ist
eben so bündig, als eine jede andere Zusage, wann nur der ernstliche Willen
sich zu etwas zu verpflichten geäußeret wird, letztere aber nimmt die
Eigenschaft eines Vertrags an, sobald dafür der abgezielte Vortheil
eingestanden wird.
[3, 2, § 2] 11. Der ernstliche Willen sich zu verbinden wird
daraus geschlossen, wann die Verheißung entweder bei Gericht oder den
Vorsteheren des gemeinen Wesens oder der milden Sachen geschiehet, oder wann
der Anfang gemachet wird, solche wirklich zu erfüllen. Würden aber die
Vorstehere ohne erheblicher Ursache das Verheißene nicht annehmen wollen,
sondern die Verbindung erlassen, so kann zwar der Zusager derowegen nicht
weiter angefochten werden, die Vorstehere hingegen sind schuldig für den
solchergestalten entgangenen, oder auch sonst durch ihren Saumsal
vernachlässigten Nutzen die Vergütung zu leisten.
[3, 2, § 2] 12. Eine Verheißung kann auf eben die Art und
Weis, wie eine jedwede andere verbindliche Handlung mit oder ohne beigefügter
Zeit, oder erlaubter Bedingnuß geschehen. Ein widerrechtliches aber und dem
gemeinen Wesen oder der milden Sache nachtheiliges Beding entkräftet die
Verheißung nicht, sondern dieses wird für nicht beigesetzet geachtet, und die
Verheißung bestehet in ihrer Giltigkeit.
[3, 2, § 2] 13. Wann aber eine aus bloßer Freigebigkeit
herrührende Verheißung dergestalten übermäßig wäre, daß andurch der Pflichttheil
derenjenigen Personen, welchen solcher nach diesem Unseren Gesatz gebühret,
verkürzet würde, so ist dieselbe insoweit, als die Verkürzung erweislich wäre,
unkräftig, und bestehet nur für das Uebrige.
§. III.
[3, 2, § 3] 14. Eine Verheißung wirket dahero die
Verbindlichkeit an Seiten des Zusagers und dessen Erben das Versprochene zu
leisten, und andererseits das Recht
(3-24) dasselbe zu forderen und einzutreiben; doch kann
weder etwas Mehreres, weder was Anderes, was verheißen worden, geforderet, noch
weniger Jener, der etwas zu thun versprochen, und solches in der gehörigen Zeit
zu vollziehen bereit ist, anstatt dessen zum Erlag einer Geldsumme angehalten
werden.
[3, 2, § 3] 15. Ereignete es sich aber, daß nach gemachter
Verheißung vor deren wirklichen Vollstreckung der Zusager in einen solchen
Verfall seines Vermögens geriethe, daß, wann er das Versprochene leisten
sollte, ihme der unvermeidliche Nothstand bevorstünde, und der unentbehrliche
Lebensunterhalt gebräche, in solchem Fall, und daferne die Verheißung lediglich
aus seinem guten Willen und freigebigen Gemüth herkäme, ist sich zwar seines
Vermögens, insoweit sich die Verheißung erstrecket, zu versicheren, ihme aber
der Genuß davon lebenslänglich zu belassen.
[3, 2, § 3] 16. Hätte hingegen die Verheißung eine Ursache
des dem Zusager dafür zugehenden Vortheils zum Grund, welche ganz oder zum
Theil schon erfüllet wäre, so ist zwar das Verheißene, insoweit es mit dem
Betrag der schon erfüllten, oder noch zu erfüllen kommenden Ursache übereinstimmet,
nicht anderst, als eine jede andere aus einem Vertrag gebührende Schuldigkeit
anzusehen, folglich auch so Vieles, als sich dieser Betrag erstrecket, aus dem
Vermögen des Zusagers herzunehmen, der Ueberschuß hingegen indessen zu
versichern; dem Zusager aber gehet der Genuß von diesem Ueberschuß auf
lebenslang zu Guten.
§. IV.
[3, 2, § 4] 17. Die einer Privatperson machende Zusagen sind
von den Verheißungen hauptsächlich in deme unterschieden, daß sie die wirkliche
Annehmung Desjenigen, deme sie geschehen, zu ihrer Wesenheit erforderen, und
insolange die Annehmung nicht erfolget, von dem Zusager nach Gefallen
widerrufen werden können; doch lieget ihme der Beweis ob, solche vor deren
Annehmung widerrufen zu haben. Sobald aber die Annehmung der Zusage von dem
anderen Theil geschiehet, höret auch sogleich an
Seiten des Zusagers die Macht auf, solche zu widerrufen.
[3, 2, § 4] 18. Die Annehmung einer Zusage kann entweder von
Demjenigen, deme etwas verheißen worden, selbst, oder auch von Anderen in Namen
und anstatt seiner geschehen, und wann diese entweder seine Person durch das
Gesatz vorstellen, als Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder von ihme
hierzu einen ausdrücklichen Befehl und Vollmacht haben, hat ihre Annehmung eben
die Kraft, als ob sie von ihme selbst geschehen wäre.
[3, 2, § 4] 19. Nehme aber ein Dritter die Zusage für
Jemanden an, dessen Person er weder aus Befehl, noch aus Macht des Gesatzes
vertritt, so hat diese Annehmung keine Wirkung, wann nicht noch bei Lebszeiten
des Zusagers von demselben die Gutheißung und Beangenehmung der geschehenen
Zusage erfolget, und stehet bis dahin dem Zusager frei, seine Zusage zu
widerrufen; doch muß er solchenfalls vor
(3-25) deren Annehmung entweder deme, gegen welchem er sich
mit dieser einem Anderen gemachten Zusage geäußeret, oder Demjenigen, den die
Zusage betrifft, die Aenderung seines Willens bedeuten.
[3, 2, § 4] 20. Dann würde die Zusage von dem Letzteren auf
davon erhaltene Nachricht ehender beangenehmet werden, ehe und bevor dem Einem
oder dem Anderen die Widerrufung derselben bedeutet worden, so fruchtet die
spätere Widerrufung nichts, sondern die Zusage erhält ihre Verbindlichkeit,
sobald sie beangenehmet worden.
[3, 2, § 4] 21. Verstürbe aber der Zusager ehender, als das
Versprechen zu des Anderen Wissenschaft gelangen, und solches von ihme
angenommen würde, so erlöschet die Zusage, und die Erben des Zusagers sind zu
nichts verbunden; es betreffe dann die Zusage die Erlassung einer Schuld oder
sonstigen Verbindlichkeit, welche sogleich für angenommen zu halten ist, wann
nur dieselbe entweder durch die eigene Handschrift des Zusagers, oder
wenigstens durch zwei untadelhafte Zeugen, vor denen er seinen Willen deutlich
erkläret hat, erprobet werden mag.
[3, 2, § 4] 22. Nicht weniger verlieret die Zusage ihre
Kraft, wann Derjenige, den sie betrifft, verstirbt, ehe und bevor ihme die
Nachricht davon überbracht, und solche von ihme angenommen worden, in welchem
Fall die Erben kein Recht zu der versprochenen Sache haben, woferne nicht von
dem Zusager das Versprechen gegen dieselbe erneueret wird.
[3, 2, § 4] 23. Desgleichen würde Jener, der den Auftrag
gehabt, eine mündliche Zusage dem Anderen zu hinterbringen, vor Ausrichtung
derselben mit Tod abgehen, so wird die Zusage durch dessen Absterben
vernichtet, wann gleich Derjenige, deme sie hinterbracht werden sollen, solche
von einem Dritten, deme sie von dem Verstorbenen angezeiget worden, in
Erfahrnuß gebracht hätte.
[3, 2, § 4] 24. Wäre aber eine schriftlich verfaßte Zusage
entweder in einer Urkunde, oder in einem Schreiben Jemanden aufgegeben worden,
um solche an den Anderen zu bestellen oder zu überbringen, so solle die Zusage
gleichwohlen bestehen, obschon Derjenige, deme die Zustellung aufgetragen
worden, vor Ueberlieferung des Schreibens verstorben, und selbes durch jemand
Anderen übergeben worden wäre, insoferne die Zusage vor dessen Einhändigung
nicht widerrufen worden.
[3, 2, § 4] 25. Die Annehmung einer Zusage geschiehet
entweder ausdrücklich durch mündliche, schriftliche, oder sonst mit anderen
deutlichen Zeichen geäußerte Erklärung, oder stillschweigend in jenen Fällen,
worinnen Jemands Einwilligung auch aus seinem Stillschweigen geschlossen wird,
und welche hiernach mit Mehreren erkläret werden.
[3, 2, § 4] 26. Eine ausdrückliche Annehmung geschiehet
nicht nur damals, wann das Versprechen wirklich angenommen, oder die Danksagung
dafür erstattet wird, sondern eine Zusage ist auch für angenommen zu halten,
wann einerseits das bittliche Belangen vorhergegangen, und andererseits dessen
Gewährung mit dem Verlangen vollkommen übereinstimmet.
[3, 2, § 4] 27. Würde aber ein Mehreres oder Wenigeres, oder
auch anderer Gestalt, als gebeten worden, versprochen, so ist erforderlich,
damit die wirkliche Annehmung des mehr oder minder, oder auf andere Weis
Eingestandenen erfolge. Annebst muß bei Zusagen alles Dasjenige, was in dem
zweiten Theil von Schankungen verordnet wird, sowohl wegen gerichtlicher
Anmeldung des den bestimmten Ansatz übersteigenden mehreren Betrags, als wegen
der zu vermeiden habenden Schmälerung des Pflichttheils beobachtet werden.
[3, 2, § 4] 28. Wird die Zusage von dem anderen Theil
angenommen, so ist der Zusager das Versprechen in der bestimmten Art und Weis
zu erfüllen schuldig, und kann nach dessen Annehmung demselben weder etwas
benehmen, noch ein Beding beisetzen, außer es wäre darinnen zum Vortheil eines
Dritten etwas enthalten, welches der Zusager ehe und bevor es von diesem
angenommen worden, widerrufen kann.
(3-26) [3, 2, § 4] 29. Ein Jeder, deme etwas versprochen
worden, solle noch bei Lebszeiten des Zusagers die versprochene Sache
einforderen, und in Weigerungsfall ihn hierum bei Gericht belangen, welches
denselben zur Vollziehung seiner Zusage anzuhalten hat.
[3, 2, § 4] 30. Würde er aber dieses bei Lebszeiten des
Zusagers verabsaumen, so sollen dessen Erben zu Erfüllung der Zusage nicht
anderst verbunden sein, als wann die vollständige Richtigkeit des Versprechens
entweder durch die eigene Handschrift des Verstorbenen, oder durch die eidliche
Aussage zweier dabei zu gleicher Zeit zusammen gegenwärtig gewesten Zeugen
erwiesen werden kann, oder wann die Zusage auf dem Gut des Erblassers noch bei
seinen Lebszeiten landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket, und
darauf versicheret worden wäre, deren Verbindlichkeit mit dem behafteten Gut
auf einen jeden Besitzer übertragen wird.
[3, 2, § 4] 31. Dieses jedoch ist alleinig von ohnbedingten,
oder auch solchen Zusagen zu verstehen, bei welchen die angehängte Zeit, oder
beigefügte Bedingnuß noch bei Lebszeiten des Zusagers ausgegangen und erfüllet
worden. Dahingegen alle andere Zusagen, denen entweder eine Zeit angehänget,
oder sonstige Bedingnuß beigerucket worden, wann die Zeit oder Bedingnuß erst
nach Absterben des Zusagers ihren Ausgang gewinnet, mit dessen Tode erlöschen,
woferne nicht er auch seine Erben ausdrücklich darzu verbunden, oder das
Versprechen auf seinem Gut versicheren lassen,
oder die Zusage wortdeutlich auf den Todfall des Zusagers gerichtet worden.
Zweiter Artikel.
Von Verträgen.
§. V. Von Wesenheit und verschiedenen Gattungen der Verträgen. §. VI. Von Eintheilung der Verträgen in ein- und
zweibündige. §. VII. Von dem Unterschied zwischen Verträgen und Contracten. §.
VIII. Von unbenannten Verträgen. §. IX. Von den bei Contracten vorkommenden
Berednussen. §. X. Von Fähigkeit der sich durch Verträge verbindenden Personen.
§. XI. Von Ausdruck der Einwilligung bei Verträgen. §. XII. Von Dingen und
Werken, worüber Verträge getroffen werden mögen. §. XIII. Von Wirkung des
Vertrags wegen Nichtveräußerung einer gewissen Sache. §. XIV. Von Verträgen
über die Erbschaft eines Lebenden. §. XV. Von Verbindlichkeit der Verträgen. §. XVI. Von Auslegung oder Ausdeutung der Verträgen.
§. V.
[3, 2, § 5] 32. Ein Vertrag ist eine mit zweier oder
mehrerer Personen Vereinigung ausgerichtete Handlung, woraus Einer dem Andern
etwas zu leisten verpflichtet wird, und in diesem Verstand kann die Benamsung
eines Vertrags allen durch beiderseitige Einwilligung eingegangenen
verbindlichen Handlungen, sie mögen Zusagen, Vergleiche, benannte oder unbenannte
Contracten sein, beigeleget werden.
[3, 2, § 5] 33. Die Verträge werden entweder durch
ausdrückliche mündlich oder schriftlich, oder auch mit deutlichen Zeichen
erklärte Vereinigung, oder durch stillschweigende
(3-27) Einwilligung geschlossen, wann diese in gewissen
Fällen aus einer auf die unterwaltende Handlung gerichteten That, oder aus
sonstiger Ursache von dem Gesatz vermuthet oder darfürgehalten wird als ob die
Einwilligung ausdrücklich geäußeret worden wäre, welche Fälle in dem
hienachfolgenden §. XI mit Mehreren angedeutet werden.
[3, 2, § 5] 34. Sowohl ausdrückliche als stillschweigende
Verträge verstricken entweder die Personen der sich über etwas vereinigenden
Theilen allein, oder sie gehen auch auf ihre Erben oder behaftende Sache
selbst, um welche es zu thuen ist; jene von ersterer Art werden persönliche
Verträge, und diese, welche auf die Erben übertragen werden, oder die Sache
selbst behaften, dingliche oder sächliche Verträge genennet. Welcherlei
Verträge aber mit der Person erlöschen, und welche hingegen auch auf die Erben
gehen, ist bereits in Capitel I, §. V, erkläret worden.
[3, 2, § 5] 35. Doch kommen beiderlei Verträge in der Folge
auch Anderen zu statten, wann das hieraus erworbene Recht an selbe überlassen
wird, oder wann deren Recht oder Verbindlichkeit mit dem Recht der sich
vertragenden Person entweder untheilbar verknüpfet ist, oder ohne demselben
nicht bestehen kann, als z. B. die für einen gegen Mehrere stammt und sonders
verbundenen gemeinsamen Schuldner einem Mitglaubiger geleistete Bürgschaft
nutzet auch denen übrigen Mitglaubigeren, weilen deren Recht mit dem Recht des
Anderen untheilbar verknüpfet ist, und die von dem Glaubiger dem Schuldner
gemachte Erlassung der Schuld, befreiet auch den Bürgen, weilen seine Bürgschaft
ohne der Hauptverbindlichkeit des Schuldners bestehen kann.
[3, 2, § 5] 36. Bewegliche Sachen können durch Verträge
nicht also behaftet werden, daß ein dritter Besitzer, der solche auf
rechtmäßige Weis an sich gebracht, derowegen angefochten werden möge;
unbewegliche Dinge hingegen werden darmit nicht anderst behaftet, als wenn der
Vertrag in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wo die betreffende Sache
gelegen ist, einverleibet, und darauf vorgemerket worden, in welchem Fall das
aus einem also einverleibten Vertrag auf der Sache haftende Recht oder
Verbindlichkeit an einen jeden Besitzer mit derselben übertragen wird.
[3, 2, § 5] 37. Alle diese Gattungen der Verträgen bewirken
entweder die Verbindlichkeit etwas zu leisten, und heißen verpflichtende Verträge,
oder sie zielen auf die Erlassung einer vorherigen Verbindung ab, und werden
befreiende Verträge benamset, obgleich der Andere zu wirklichen Vollzug der
Erlassung daraus verpflichtet wird.
§. VI.
[3, 2, § 6] 38. Durch Verträge wird entweder nur ein Theil
allein, oder beide Theile gegeneinander verbunden, woraus der Unterschied
zwischen einbündigen und zweibündigen Verträgen entstehet, dann obschon zur
Schließung eines Vertrages allemal wenigstens zwei Personen erforderlich sind,
so werden doch nicht allezeit Beide daraus verbindlich.
[3, 2, § 6] 39. Die zweibündige Verträge sind von zweierlei
Art, dann entweder werden beide Theile schon zu Anfang der Handlung in gleicher
Maß wegen der Hauptsache selbst, um die es dabei zu thuen ist, gegeneinander
verbunden, oder es wird ein Theil Anfangs in der Hauptsache, und der andere
nachhero aus natürlicher Billigkeit verpflichtet.
[3, 2, § 6] 40. Eine gleichmäßige Verbindlichkeit in der Hauptsach selbst erwachset damals auf beiden Seiten,
wann ein jeder Theil dem anderen etwas Gewisses und Bestimmtes, warum es sich
gleich Anfangs bei dem Vertrag gehandlet hat, zu leisten schuldig wird.
[3, 2, § 6] 41. Dahingegen wann aus dem Vertrag nur ein
Theil dem anderen etwas zu geben oder zu thuen verstricket ist, dabei aber nach
Gestalt und Eigenschaft des Geschäfts die natürliche Billigkeit erforderet,
damit auch der andere Theil dagegen für allen aus seiner Schuld verursachten
Schaden zu haften habe, so wird
(3-28) zwar der erstere in der Hauptsache, der andere in der
Folge zur gebührenden Entschädigung verbunden.
[3, 2, § 6] 42. In allen denjenigen Verträgen aber, wo nur
von einem Theil dem anderen etwas gegen der Verbindlichkeit den nämlichen
Betrag anwiederum zuruckzustellen gegeben, oder auch etwas ohnentgeltlich zu
geben verheißen wird, ist nur Jener allein verbunden, welcher die Sache unter
dieser Verbindlichkeit empfangen, oder wer das Versprechen gethan, und höret
hiebei die Frage von aller Ruckverbindlichkeit auf.
§. VII.
[3, 2, § 7] 43. Wiewohlen oben §. V, num. 32, erinneret
worden, daß ein Vertrag in seinem weitesten Bestand alle Zusagen, Vergleiche,
benannte und unbenannte Contracten in sich begreife, so sind doch die Verträge
in ihrer eigentlichen Bedeutung nichts Anderes, als unbenannte Contracten, und
von allen übrigen Gattungen ihrer Wesenheit nach unterschieden.
[3, 2, § 7] 44. Dieser Unterschied ist bereits im ersten
Capitel, §. VIII, bemerket worden, daß nämlich die Zusagen aus bloßer
Freigebigkeit herrühren, die Verträge hingegen eine verpflichtende Ursache zum
Grund haben, die Vergleiche eine zweifelhafte und strittige Sache, folglich
eine vorhergehende noch ungewisse Verbindlichkeit betreffen, die Verträge aber
über unstrittige und gewisse nach freier Willkür beider Theilen ausmessende
Schuldigkeiten eingegangen werden.
[3, 2, § 7] 45. Ingleichen unterscheiden sich die Verträge
von benannten Contracten in deme, daß diese über die Kraft der beiderseitigen
Vereinigung von den Gesetzen eine eigene vorgeschriebene Gestalt und Namen
haben, an welche Gestalt die Contrahenten dergestalten gebunden sind, daß sie
ohne Beibehaltung derselben den vorhabenden Contract nicht schließen können,
sondern, wann solche nicht beobachtet wird, das Geschäft die Gestalt eines
anderen benannten oder unbenannten Contracts, deme es in dem Wesentlichen
beikommet, an sich nimmt.
[3, 2, § 7] 46. Dahingegen hanget die Gestalt der Verträgen
von der alleinigen Willkür Derjenigen ab, von welchen selbe getroffen werden,
auf was immer für eine Art und Weis solche zu errichten es denenselben gefällig
ist, wann nur darinnen nichts wider Unsere Gesetze und gute Sitten enthalten;
außerdeme ist ein Jedeweder dieses, zu was er sich durch erlaubte Verträge
verbunden, zu halten und zu erfüllen schuldig.
§. VIII.
[3, 2, § 8] 47. Es sind demnach alle Verträge, welchen wegen
nicht zu bestimmen möglicher Verschiedenheit deren in Handel und Wandel
vorkommenden Geschäften keine gewisse Gestalt und Benamsung von den Gesetzen
beigeleget wird, unbenannte Contracten, welche auf viererlei Art geschehen,
als:
[3, 2, § 8] 48. Erstens, wann Einer dem Anderen etwas giebt,
daß ihme dagegen etwas Anderes gegeben werde; zweitens, wann Einer dem Anderen
etwas giebt, daß dieser ihme dafür etwas thue oder mache; drittens, wann Jemand
dem Anderen etwas thuet oder machet, daß er ihme dagegen etwas gebe; viertens,
wann Jemand dem Anderen etwas thuet, daß ihme dagegen hinwiederum etwas gethan
werde, und unter diesen viererlei einfachen Gattungen sind auch alle
vermischten Arten begriffen, als da Jemand etwas giebt und machet, daß der
Andere ihme anwiederum etwas gebe und mache.
[3, 2, § 8] 49. Derlei unbenannte Verträge haben mit denen
benannten einerlei Wirkung, und erlangen ihre Bindungskraft sogleich aus der
Vereinigung beider Theilen, also, daß sobald nur Beider Einwilligung vorhanden,
auch schon Einer dem Anderen daraus verbindlich werde, wann gleich weder die
ein- noch anderseitige Erfüllung vorhergegangen ist.
(3-29) [3, 2, § 8] 50. Doch kann kein Theil dem anderen zur
Erfüllung belangen und anhalten, insolange er selbst seinerseits dem Vertrag
nicht nachgekommen und solchen erfüllet hat; außer es wäre dabei ausdrücklich
vorgesehen worden, welcher Theil mit dessen Erfüllung den Anfang zu machen
habe, in welchem Fall aber dieser, wann wegen etwan geänderten Umständen bei gegenseitiger
Erfüllung eine Gefahr unterwaltet, deshalben eine hinreichende Sicherheit
anzusuchen, und bis zu deren Leistung mit Erfüllung des Vertrags innenzuhalten
befugt ist.
[3, 2, § 8] 51. Es ist auch keinem Theil erlaubet ohne
Einwilligung des anderen von einem solchen Vertrag abzuweichen, insolange
dieser Dasjenige, zu was er sich verbunden, zu leisten bereit und vermögend
ist. Würde aber Derjenige, deme etwas gegeben oder gethan worden, seinerseits
den Vertrag nicht erfüllen wollen, oder aus seiner Schuld nicht erfüllen
können, und es auf die gerichtliche Klage ankommen lassen, so stehet dem
anderen Theil frei, entweder die Erfüllung des Vertrags, oder die Ersetzung des
wegen Nichterfüllung ihme verursachten Schadens anzubegehren, oder aber das
Gegebene zuruckzuforderen, oder die geleistete That eine hinlängliche
Genugthuung anzusuchen.
§. IX.
[3, 2, § 9] 52. Diese unbenannte Verträge werden entweder
für sich allein als eine besondere Handlung, ohne sich auf eine andere zu
beziehen, geschlossen, oder sie geschehen in Absicht und wegen einer vor-,
nach- oder mitzugleich errichteten Handlung oder Contracts, welche dahero
Nebenverträge genannt, und hierunter eigentlich die bei Contracten vorkommende
Berednussen verstanden werden.
[3, 2, § 9] 53. Die einer Handlung oder Contract vorgehenden
Berednussen, Vorschläge und Punctationen, worinnen die Contrahenten auf dem
Fall, wann sie in der Hauptsache übereinkommen würden, sich untereinander über
gewisse Bedinge vergleichen, erhalten erst ihre Kraft und Wirkung von dem
Erfolg des Contracts so wie eine jede andere bedingte Handlung von dem Ausgang
der Bedingnuß, und wann sich der Contract zerschlaget, verbinden sie auch
weiter zu nichts; es wäre dann, daß die Contrahenten einer solchen
einverständich getroffenen Berednuß oder Punctation die
Kraft eines bündigen Contracts ausdrücklich
beilegen würden.
[3, 2, § 9] 54. Bei jenen Nebenverträgen aber, welche mit
der Haupthandlung oder Contract zu gleich mitgeschlossen, und demselben
einverleibet werden, ist zu unterscheiden, ob sie die von den Gesetzen
vorgeschriebene wesentliche Gestalt und Form des Contracts abänderen oder
nicht. Wird solche dadurch nicht geänderet, so sind sie als Theile des Contract
selbst anzusehen, und haben die nemliche Kraft und Wirkung, wie der Contract
selbst, deme sie angehänget worden; wird aber das Wesentliche darmit geänderet,
so geben sie ihme die Gestalt desjenigen Geschäfts, deme sie beikommen.
[3, 2, § 9] 55. Nicht weniger sind zwar auch die nach
geschlossener Handlung oder Contract demselben hinzufügende Nebenverträge
allemal bündig; doch werden solche nach ihrer verschiedenen Beschaffenheit,
Absicht und Gesinnung der Contrahenten entweder für einen Theil des
vorhergegangenen Contracts, oder für eine besondere mit demselben nicht zusammenhangende
Handlung, oder auch für eine Erneuerung der ersten Verbindlichkeit geachtet.
§. X.
[3, 2, § 10] 56. Von allen Personen können Verträge
getroffen werden, welche sich zu was zu verbinden, und aus Verbindungen Anderer
ein Recht zu erwerben fähig sind, wie in dem ersten Capitel, §. II, angedeutet
worden, doch mit Ausnahm gewisser Fällen, worinnen denenselben ein Verbot des
Gesatzes entgegenstehet.
[3, 2, § 10] 57. Also ist keinem Rechtsfreund oder Anwalt
erlaubet mit seiner Partei um die Sache, die er bei Gericht führet, sich in
eine Gemein- oder Gesellschaft
(3-30) einzulassen, oder sich an derselben, wann sie
ausgeführet oder gewonnen würde, einen gewissen Antheil vorzubehalten und
auszudingen, noch weniger sich mit dem Gegentheil um eine gewisse Summe Gelds,
oder sonstigen Gewinn, die Sache schlage aus, wie sie wolle, einzuverstehen und
zu vergleichen, wo im Widrigen derlei unzulässige Verträge null und nichtig
sein, und die sich also vergehenden Rechtsfreunde mit denen seines Orts darauf
ausgesetzten Strafen beleget werden sollen.
[3, 2, § 10] 58. Inwieweit aber die Verträge deren unter
väterlicher Gewalt befindlichen Kindern bestehen, wird in dem ersten Theil in
der Abhandlung von der väterlichen Gewalt erkläret, und wienach Unmündige,
Minderjährige, gerichtlich erklärte Verschwendere und andere Personen, denen
die freie Schalt- und Waltung mit ihrem Vermögen durch das Gesatz benommen ist,
aus Verträgen ihren Zustand verbesseren, und sich Andere verbindlich machen
können, ist eben daselbst in der Abhandlung von Vormundschaften und Curatelen
ausgemessen worden.
[3, 2, § 10] 59. Nicht nur allein für sich, sondern auch für
Andere kann Jemand Verträge eingehen, und ihnen ein Recht daraus erwerben, wann
er darzu entweder durch ausdrücklichen Befehl, oder aus Macht des Gesatzes
begewaltiget ist, oder die Gutheißung und Beangenehmung dessen, welchen der
Vertrag betrifft, erfolget, wie davon im ersten Capitel, §. IV, ausführlicher
gehandlet worden.
[3, 2, § 10] 60. Es ist aber dabei der Unterschied wohl zu
beachten, ob ein Dritter in den Vertrag zu dem Ende eingezohen worden, damit
ihme ein Recht daraus erworben werde, oder ob nur darinnen an eine dritte
Person im Namen und anstatt des einen contrahirenden Theils die Leistung und
Entrichtung der Schuld angewiesen seie.
[3, 2, § 10] 61. Ersteren Falls wirket der Vertrag an Seiten
eines Dritten nur insoweit, als seine vor- oder nachgehende Einwilligung damit
übereinstimmet, letzteren Falls hingegen wird der Vertrag nicht entkräftet,
wann gleich die Einwilligung des Dritten ermanglen, oder derselbe auch sich
Dasjenige, was ihme aus dem Vertrag auf Anweisung des Anderen geleistet werden
sollen, anzunehmen ausdrücklich entschlagen würde, sondern dem anweisenden
Theil bleibet solchenfalls das Recht noch allemal bevor die Schuld selbst
einzuforderen.
§. XI.
[3, 2, § 11] 62. Alle Verträge erhalten ihre Kraft und
Bündigkeit von beiderseitiger Einwilligung, welche entweder durch deutliche den
Willen genüglich erklärende Kennzeichen ausgedrucket, oder stillschweigend zu
erkennen gegeben wird.
[3, 2, § 11] 63. Derlei deutliche Kennzeichen sind Worte,
Sendschreiben, schriftliche Urkunden, mündliche Botschaften, Handschläge,
Deutungen. Augenwinke, Nicken mit dem Haupt, oder was immer für eine Art Jemand
seine Einwilligung zu dem vorhabenden Geschäft ausdrücklich veroffenbaret.
[3, 2, § 11] 64. Die Worte müssen klar, deutlich, und auf
die vornehmende Handlung gerichtet sein, und ist sich bei Verträgen aller
Wortspielen, Zweideutigkeiten, Verdrehungen, und sonstiger ohnerlaubten Kunstgriffen
zu enthalten; wo im Widrigen
(3-31) bei entstehenden Zweifel die Worte in keinen anderen
Verstand und Bedeutung, als welche denenselben insgemein in der menschlichen
Gesellschaft beigeleget wird, auszudeuten sind, wann nicht aus der Handlung
erhellet, daß die Contrahenten einverstanden waren, davon einen anderen
Gebrauch machen zu wollen.
[3, 2, § 11] 65. Dem Vertrag entgehet auch nichts von seiner
Bündigkeit, die Contrahenten mögen in einerlei oder zweierlei Sprachen ihre
Einwilligung ausdrucken, obschon der eine Theil der Sprache des anderen
unkündig wäre, wann nur in diesem Fall ihme der Sinn und Verstand der
anderseitigen Aeußerung getreulich verdolmetschet, oder dessen Einwilligung
durch andere Kennzeichen an Tag geleget wird.
[3, 2, § 11] 66. Wie durch Worte mündlich, also kann auch
die Einwilligung in den Vertrag schriftlich entweder durch Sendschreiben und
Handbriefe, oder durch eigends darüber verfaßte Urkunden erkläret werden. Damit
aber ein Vertrag durch ein Sendschreiben, Brief oder Zettel für geschlossen
geachtet werden könne, ist nothwendig, daß die Handschrift, oder wenigstens die
Unterschrift dessen, der seine Einwilligung auf diese Art erkläret,
ungezweiflet seie, wie auch das Schreiben dem Anderen, an den es abgesendet
wird, noch bei seinen Lebszeiten zukomme, und dieser ingleichen seinerseits
entweder vor oder nach dessen Empfang seine Einwilligung hierzu von sich
gegeben.
[3, 2, § 11] 67. Würde aber Derjenige, an den die
schriftliche Aeußerung des Anderen gerichtet ist, vor Erhaltung des Briefs mit
Tod abgehen, und seine Einwilligung in den vorseienden Vertrag nicht
vorhergegangen sein, so zerfallet das ganze Geschäft, und ist auch Derjenige,
der seinen Willen also erkläret, hieraus zu nichts verbunden; dahingegen wann
der Verstorbene schon vorhero in den Vertrag eingewilligt hätte, bleiben auch
die Erben in der Verbindlichkeit, obschon die anderseitige Einwilligung erst
nach dem Tod dessen, an den der Brief gesendet worden, eingelanget wäre.
[3, 2, § 11] 68. Ingleichen, woferne Jener, der seine
schriftliche Einwilligung an den Anderen abschicket, vor Zustellung des
Schreibens verstürbe, ist zu unterscheiden, ob ihme die anderseitige
Einwilligung vorhero zugekommen oder nicht. Ersteren Falls hat der Vertrag
seine vollständige Richtigkeit, und gehet hieraus sowohl das Recht, als die
Verbindlichkeit auf dessen Erben, letzteren Falls aber erlöschet die Handlung
eben also, als ob der Verstorbene deshalben dem Anderen niemalen zugeschrieben
hätte.
[3, 2, § 11] 69. Durch schriftliche Urkunden kann zwar auch
die Einwilligung erkläret werden, die Verträge aber pflegen mehr zum Beweis der
geschlossenen Handlung zu Papier gebracht zu werden, als daß der schriftliche
Aufsatz zu deren Wesenheit erforderet würde, es wäre dann, daß die Contrahenten
ausdrücklich dahin übereinkämen, den Vertrag nicht anderst, als schriftlich
schließen, und sich auch anderer Gestalt nicht gegeneinander verbinden zu
wollen, in welchem Fall vor Ausfertigung des schriftlichen Aufsatzes kein Theil
dem anderen verbindlich wird, noch weniger hierzu angehalten werden kann,
sondern bis dahin stehet deren jedem frei, von seiner so beschaffenen Handlung
abzugehen.
[3, 2, § 11] 70. Bei jenen Verträgen, welche Veräußerung,
Uebertragung und Behaftung liegender Gründen, oder anderer landtäflicher,
stadt- und grundbücherlicher Rechten betreffen, wird sich zwar des
schriftlichen Aufsatzes insgemein bedienet, es ist aber dabei zu unterscheiden,
ob beide Theile schon vor Verfassung des schriftlichen Contracts sich über die
Sache selbst geeiniget haben oder nicht.
[3, 2, § 11] 71. Ersteren Falls verbindet der Vertrag auch
vor Verfassung des schriftlichen Contracts beide Theile dergestalten, daß
Keiner ohne Einwilligung des Anderen davon abweichen, sondern Einer den Anderen
zur Ausfertigung des Contracts anhalten könne, obschon die Sache oder das Recht
selbst, warumen sich
(3-32) in den Vertrag handlet, nicht ehender, und auch nicht
anderst, als durch die wirkliche Einverleibung des Contracts übertragen, oder
behaftet werden mag.
[3, 2, § 11] 72. Letzteren Falls hingegen, wann die
beiderseitige Einwilligung nicht vorhergegangen, sondern die angestoßene
Handlung nur in bloßen zur Zeit unverfänglichen Berednussen und Vorbereitungen
des vorhabenden Contracts bestünde, und also die Sache sich noch in ihrer Gänze
befände, ist keinem Theil verwehret, vor Ausfertigung des schriftlichen
Contracts die Handlung abzubrechen, doch ist der abweichende Theil schuldig,
dem anderen alles Dasjenige, was er etwan in Absicht auf den abgezielten
Contract zu seinen Handen empfangen, anwiederum zu erstatten.
[3, 2, § 11] 73. Ist aber ein schriftlicher Aufsatz über den
Vertrag einmal ausgefertiget worden, und dieser würde nachhero verloren, so
beschadet dieses der Giltigkeit und Bündigkeit des Vertrags im Geringsten nichts,
wann nur die daraus gebührende Schuldigkeit durch andere rechtsbeständige
Beweismitteln dargethan und erprobet werden mag.
[3, 2, § 11] 74. Die über Verträge errichtende schriftliche
Urkunden sind nach Gestalt der Handlungen von verschiedener Beschaffenheit,
dann entweder werden sie nur von den Contrahenten unter sich ohne Anwendung
einiger Feierlichkeit verfasset, oder von einem Notario ausgefertiget, oder
aber zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage eingerichtet.
[3, 2, § 11] 75. Erstere erforderen keine absonderliche
Feierlichkeit, wann dieselbe nur sowohl die Sache, um welche es zu thuen ist,
als die Einwilligung des Ausstellers klar ausdrucken, und von ihme eigenhändig
unterschrieben sind, es möge sein Siegel beigedrucket sein oder nicht. Bei
jenen aber, welche von öffentlichen Notarien aufgerichtet werden, muß die gehörigen Orts vorgeschriebene Form und Gestalt
beobachtet werden.
[3, 2, § 11] 76. Die zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einlage eingerichtete Urkunden werden eigentlich
Verschreibungen genennet, und erheischen nach Verschiedenheit der Handlungen
bald mehrere, bald mindere Feierlichkeiten, welche hienach bei jeder Gattung
verbindlicher Handlungen besonders bemerket werden. Ueberhaupt aber lassen Wir
es in Betreff deren grundbücherlichen Einverleibungen nach eines jeden Landes
wohlhergebrachter Verfassung bei der bisherigen Beobachtung gnädigst bewenden.
Was aber die landtäflichen und stadtbücherlichen Einlagen der Orten, wo solche
eingeführet sind, anbelanget, diesfalls ist bei allen zur Einverleibung
bringenden Urkunden erforderlich: Erstens, daß solche mit eigenhändiger
Unterschrift und Petschaft deren ausstellenden Theilen versehen seie; zweitens,
daß darinnen das Gut, Grundstuck oder Recht, welches durch den Vertrag
veräußeret oder behaftet werden sollen, deutlich angedeutet und benennet werde;
drittens, daß die Befugnuß, womit eine solche Verschreibung mit Bewilligung des
Amts der Landtafel, oder des Gerichts, auch ohne Beisein eines oder des anderen
Theils einverleibet werden könne, in derselben ausdrücklich enthalten seie;
viertens, daß derlei Verschreibungen, wann sie zur wirklichen Einlage gelangen
sollen, von zweien Zeugen mit ihrer Handunterschrift und Petschaft
mitgefertiget werden.
[3, 2, § 11] 77. Ermanglete aber eine dieser Erfordernussen,
so kann zwar eine solche Verschreibung, insolange sie nicht in die gehörige
Form gebracht, und die abgängige Erfordernuß nachgetragen wird, nicht
einverleibet werden, jedoch entgehet andurch der Giltigkeit des Vertrags
nichts, wann sonst die beiderseitige Vereinigung ihre Richtigkeit hat, sondern
den Parten stehet bevor die Verschreibung umzufertigen, und das Mangelhafte zu
verbesseren, worzu sie einander anzuhalten berechtiget sind.
[3, 2, § 11] 78. Es ist auch nicht nöthig, daß die Zeugen
bei Schließung des Vertrags, oder bei Ausfertigung der Verschreibung
gegenwärtig sein sollen, sondern es ist an deme genug, daß sie auch nach der
Zeit von einem oder dem anderen Theil, oder von einem Dritten in des einen oder
anderen Namen zur Mitfertigung der
(3-33) Verschreibung erbeten werden, wann dieselbe nur zur
Zeit der anbegehrenden Einlage unterschrieben sind.
[3, 2, § 11] 79. Würde aber eine Verschreibung, welche sonst
alle übrigen Erfordernussen hätte, nur allein die Befugnuß der ansuchen
mögenden Einverleibung nicht enthalten, und dieser Abgang von den Parten nicht
mehr ersetzet werden können, so solle solche ohne Unsere höchsten
landesfürstlichen Verwilligung nicht einverleibet werden.
[3, 2, § 11] 80. Wäre jedoch diese Befugnuß zwar beigefüget,
dabei aber nicht ausgedrucket, daß die Einverleibung auch ohne Beisein des
einen oder anderen Theils vollzohen werden möge, in diesem Fall solle vorhero
auf Anlangen desjenigen Theils, welcher die Einlage ansuchet, der andere Theil
von Gericht aus hierüber vernommen, und eine solche Verschreibung ohne dessen
Einwilligung nicht einverleibet werden. Würde aber derselbe hierein nicht
willigen wollen, so hat das Gericht über den Bestand oder Unbestand der
vorgebrachten Weigerungsursachen zu erkennen, und nach Befund entweder die
Einverleibung für sich gehen zu lassen, oder solche abzuschlagen.
[3, 2, § 11] 81. Durch mündliche Botschaften wird die
Einwilligung des einen Theils dem anderen beigebracht, wann ein Dritter, deme
von Jemanden aufgetragen worden über Treffung eines Vertrags seinen Willen dem
Anderen zu hinterbringen, Demjenigen, an welchen er abgesandt worden, die
aufgetragene Botschaft ausrichtet und bedeutet.
[3, 2, § 11] 82. Wann nun dieser gleichfalls hierein
gewilliget, so ist alsobald in dem nemlichen Ort, wo die Botschaft ausgerichtet
worden, der Vertrag eben für so rechtsbündig geschlossen zu halten, als ob
solcher in Gegenwart beider Theile getroffen worden wäre, ohne daß vorerst
nöthig seie abzuwarten, bis daß dem absendenden Theil die Einwilligung des
anderen einberichtet werde.
[3, 2, § 11] 83. Es ist auch zur Giltigkeit der Handlung
einerlei, ob der einem Dritten gemachte Auftrag
mündlich oder schriftlich geschehen. Woferne aber entweder die Richtigkeit der
Botschaft selbst, oder deren Inhalt in Zweifel gezohen und wiedersprochen
würde, so muß in solchen Fällen der Beweis entweder durch Vorzeigung des
schriftlichen Auftrags, oder da keiner vorhanden, durch Zeugen, und zwar über
die Aussage dessen, deme der mündliche Auftrag geschehen, wann ihme sonst
nichts Rechtserhebliches im Wege stehet, noch wenigstens mit einem darmit
übereinstimmenden tüchtigen Zeugen, oder in andere rechtsbeständige Wege
verführet werden.
[3, 2, § 11] 84. Hätte aber Derjenige, welcher die Ausrichtung
der Botschaft auf sich genommen, dabei nicht getreulich gehandlet, und andurch
einen oder den anderen Theil in Schaden und Nachtheil eingeführet, so ist
derselbe solchen zu ersetzen schuldig, jedoch außerdeme, und wann der Vollzug
mit dem Auftrag gänzlich übereinstimmet, zu nichts verbindlich.
[3, 2, § 11] 85. Durch einen Handschlag wird bei Verträgen
die Einwilligung eben so bündig und kräftig, als durch mündliche oder
schriftliche Ausdrücke erkläret, und hat eine solchergestalten bestätigte
Handlung ihre vollkommene Giltigkeit.
[3, 2, § 11] 86. Aus dem bloßen Deuten aber, es geschehe mit
dem Haupt, Augen oder Händen, kann die Einwilligung nicht anders geschlossen
werden, als wann die Handlung nach allen Umständen also beschaffen ist, daß
beiderseits eine ernstliche Einwilligung vermuthet werden möge, und nebstdeme
der Deutende entweder der Sprache nicht mächtig seie oder der anderseitigen
Gesinnung, da er es thuen könnte, nicht widerspreche, sondern durch die Deutung
seine Beistimmung zu erkennen gebe.
[3, 2, § 11] 87. Eine stillschweigende Einwilligung
geschiehet bei Verträgen damals, wann solche durch keine zu Erklärung des
Willens in Handel und Wandel zu gebrauchen pflegende äußerliche Zeichen
ausgedeutet, sondern entweder aus Stillschweigen in jenen Fällen, wo das Gesatz
einen ausdrücklichen Widerspruch erheischet, oder aus
(3-34) einer auf die Handlung gerichteten That gefolgeret,
oder auch sonst gleichwie bei allen den Contracten gleichkommenden Handlungen
von dem Gesatz entweder vermuthet oder dafür gehalten wird, als ob eine
ausdrückliche Einwilligung geäußeret worden wäre.
[3, 2, § 11] 88. Vermuthet wird eine stillschweigende
Einwilligung nur allein bei jenen Personen, welche sonst ihre Einwilligung
ausdrücken können. Für Einwilligende aber werden Diejenigen gehalten, die ihren
Willen zu erklären nicht fähig sind, wann die natürliche Billigkeit erforderet, daß sie für Einwilligende anzusehen seien.
[3, 2, § 11] 89. Damit aber bei Verträgen aus bloßem
Stillschweigen eine Einwilligung gefolgeret werden könne, ist zu unterscheiden,
ob die fürwaltende Handlung lediglich zum Vortheil und Nutzen des Schweigenden
gereiche, oder ob solche auf dessen Verbindlichkeit oder sonstige
Verfänglichkeit, oder auch Begebung und Entsagung eines Rechts abziele.
[3, 2, § 11] 90. Ersteren Falls wird aus dem Stillschweigen,
wann der Schweigende gegenwärtig und Wissenschaft von deme hat, was gehandlet
wird, ohne weiters die Einwilligung vermuthet; also ist eine Zusage oder
Schankung für angenommen zu halten, sobald Derjenige, deme dies geschiehet,
gegenwärtig ist und darzu stillschweiget, oder auch der Abwesende auf davon
erhaltene schriftliche Nachricht oder mündliche Botschaft nicht widerspricht,
und solche vor Zustellung des Schreibens oder Ausrichtung der Botschaft von dem
Zusager nicht widerrufen wird.
[3, 2, § 11] 91. Eine gleiche Beschaffenheit hat es, wann
Jemand sein Geld in eines Anderen Namen mit dessen Vorwissen ausleihet, dann in
diesem Fall wird der Schuldner Demjenigen, in dessen Namen es ausgeliehen
worden, verbunden, oder wann Jemand in seiner Gegenwart oder mit seinem Wissen
gestattete, daß ein Anderer für ihn gutspreche, so ist er den Bürgen zu
entschädigen schuldig.
[3, 2, § 11] 92. Letzteren Falls hingegen, und wo die
Handlung zum Nachtheil des Schweigenden ausschlüge, ist außer denjenigen denen
Contracten gleichkommenden Handlungen, wo schon durch das Gesatz dem
Stillschweigen die Kraft der Verbindlichkeit zugeeignet wird, zu einer aus
bloßen Stillschweigen folgeren mögenden Einwilligung erforderlich:
[3, 2, § 11] 93. Erstens, daß eine so beschaffene
verbindliche Handlung vorhergehe, welche durch ausdrücklichen Widerspruch zu
entkräften in der Macht des Schweigenden stünde, ansonst aber dieselbe
seinerseits außer der bloßen Einwilligung keine weitere Zuthat erheische, und
ohne seiner Verbindlichkeit, oder Begebung seines Rechts ganz und gar fruchtlos
und von keiner Wirkung wäre.
[3, 2, § 11] 94. Andertens, daß der darzu Schweigende die
vollkommene Wissenschaft und Kanntnuß dessen, was gehandlet wird, habe, und
nicht allein, wann er sonst wollte, zu widersprechen vermögend wäre, sondern
auch von Aeußerung seines Widerspruchs aus keiner erheblichen Ursache
verhinderet und abgehalten werde. Drittens, daß er die Verbindung, warum es
sich handlet, einzugehen oder seinem Recht zu entsagen fähig seie.
[3, 2, § 11] 95. Also wann Jemand seine eigenthümliche Sache
von einem Anderen wissentlich verkaufen, veräußeren oder verpfänden läßt und
nicht widerspricht, kann er die mit seinem Wissen und Willen also veräußerte Sache
nicht mehr zurückforderen, oder wann ein Gläubiger wissentlich zugiebt, daß
sein Unterpfand von dem Schuldner verkaufet, und von demselben der ganze
Kaufschilling eingehoben werde, wird er seiner Pfandrechte verlustig.
[3, 2, § 11] 96. Ingleichen, wann ein Pächter oder
Bestandmann über Verlauf der bedungenen Miethzeit länger in den Pacht oder
Bestand beharret, und der Verpächter oder Bestandgeber nicht widerspricht, wird
andurch der Pacht- oder Bestand-Contract stillschweigend erneueret.
[3, 2, § 11] 97. Dahingegen, wann eine der obbemelten
Erfordernussen ermanglet, kann aus dem Stillschweigen keine Einwilligung
vermuthet werden, als da die
(3-35) fürwaltende Handlung weder an sich verbindlich noch
auch ohne Zuthat des Schweigenden etwas zu bewirken vermögend wäre, wie z. B.
ein Jemanden gemachter Antrag zu einem Kauf, Darlehen, Pachtung, oder sonstigen
Contract oder Vertrag, wann gleich dieser darzu stillschweiget, kann zu nichts
verbinden.
[3, 2, § 11] 98. Also da Jemand einem Anderen etwas befähle,
und dieser darzu stillschwiege, wird derselbe daraus zu Vollziehung des Befehls
keinerdings verbunden, weilen über dessen Einwilligung auch seine Zuthat
erforderet wird, und ein bloßer Auftrag, wann er nicht ausdrücklich angenommen
wird, zu nichts verstricken mag; obschon im Gegentheil das Stillschweigen
Desjenigen, wessen Geschäfte zu besorgen sich Jemand anerbietet, ihn zu der aus
dem Befehlscontract gebührenden Schuldigkeit verbindlich machet, maßen an
seiner Einwilligung genug ist, und diese Handlung zu seinem Nutzen abzielet.
[3, 2, § 11] 99. Desgleichen, wann die Handlung auch ohne
Verfänglichkeit des Schweigenden ihre Wirkung haben kann, bringet das
Stillschweigen einen Nachtheil, als da Jemand wissentlich ein liegendes Gut,
woran er eine Hypothek, Fruchtgenuß, Dienstbarkeit, oder sonstiges Recht
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben hatte, von dem
Eigenthümer veräußeren ließe, bleibet ihme allemal sein Recht vorbehalten,
außer es handlete sich dabei ausdrücklich um das ihme hieran gebührende Recht,
in welchem Fall sein Vorwissen und Stillschweigen für eine Einwilligung und
Begebung dieses Rechts zu achten ist.
[3, 2, § 11] 100. Um so mehr ist das Stillschweigen ganz und
gar unverfänglich, wann der Schweigende von der vorgehenden Handlung entweder
ganz und gar keine Wissenschaft hat, oder ihme etwas Anderes vorgespieglet,
oder er durch Betrug, Gewalt oder rechtmäßige Forcht der Handlung zu
widersprechen abgehalten wird, oder aber wegen Schwachheit des Alters, oder
Gebrechen des Verstandes sich zu etwas verbinden oder seines Rechts zu begeben
nicht vermögend ist; dann überhaupt können alle Diejenige, welche keine
Verbindungen mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung einzugehen fähig sind, sich
auch in keinerlei Handlung stillschweigend verbinden, wann sie nicht aus
natürlicher Billigkeit von dem Gesatz selbst verbunden werden.
[3, 2, § 11] 101. Aus einer That des Schweigenden kann bei
Verträgen die Einwilligung anderst nicht gefolgeret werden, als wann nebst der
Kanntnuß und Wissenschaft der vorgehenden Handlung und der Verbindungsfähigkeit
des Schweigenden die That dergestalten beschaffen und auf die unterwaltende
Handlung gerichtet ist, daß, wann solche nicht als ein Kennzeichen der
Einwilligung angesehen würde, sie sonst ganz und gar vergeblich wäre, und
durchaus nichts Anderes bewirken könnte, oder daß derselben von dem Gesatz die
Wirkung der Einwilligung beigeleget werde.
[3, 2, § 11] 102. Also, wann ein Gläubiger seinem Schuldner
den Schuldschein zuruckstellet, oder solchen zerreißet, wird die Schuld andurch
erlassen, und der Schuldner befreiet, weilen diese That außer der Nachsicht der
Schuld sonst keine Wirkung haben würde. Könnte aber eine andere Ursache mit
Grund vermuthet werden, wegen welcher der Schuldschein zuruckgestellet oder
zerrißen worden, als da der Gläubiger mehrere urschriftliche Schuldscheine über
die nemliche Schuld in seinen Handen hätte, und sich dahero deren überflüssigen
entledigen wollte, so kann daraus die Befreiung des Schuldners nicht
geschlossen werden, und lieget solchenfalls diesem der Beweis ob, daß der
Glaubiger andurch ihme die Schuld nachzusehen gemeinet gewesen seie.
[3, 2, § 11] 103. Eben also, wann dem Schuldner das Pfand
zurückgestellet, oder der Bürg von der Bürgschaft entlediget wird, ist nur das
Pfand oder die Bürgschaft, nicht aber auch die Schuld für erlassen zu achten;
dann die Verbindung aus einem Pfandcontract oder aus einer Bürgschaft ist von
jener zur Hauptschuld unterschieden, und dahero kann die Erlassung der ersteren
ohne Befreiung von der anderen ihre Wirkung erreichen.
(3-36) [3, 2, § 11] 104. Eine die Einwilligung gleichmäßig
wirkende That ist die Unterschreibung einer Urkunde oder sonstigen Schrift,
worinnen etwas zum Nachtheil des Unterschriebenen enthalten ist, dessen
Eingeständniß, Beangenehmung und Einwilligung in alles Dasjenige, was der
Inhalt der Schrift besaget, sofort aus seiner Unterschrift vermuthet wird.
[3, 2, § 11] 105. Diese Muthmaßung aber entfallet, wann er
solche entweder in eines anderen Namen, den das Geschäft betrifft, als
Bevollmächtigter, Anwalt, oder Sachwalter, oder von obhabenden Amts wegen als
Vormund, oder Curator unterschrieben, oder den Inhalt der Schrift nicht gewußt,
als da es ein Testament oder Codicill wäre, oder wenigstens denselben nicht
gewußt zu haben erweisen könnte, in welchem letzteren Falle jedoch, wann er aus
seiner eigenen Schuld den Inhalt nicht gewußt, da er solchen wissen können,
derselbe gegen einem Dritten, der wegen einer solchen Unterschrift in seinem
Recht verkürzet wird, sich mit seiner Unwissenheit nicht entschuldigen kann.
[3, 2, § 11] 106. Oder wann sein Recht darinnen ausdrücklich
verwahret würde, und daß seine Unterschrift ihme zu keinem Nachtheil gereichen
solle, beigefüget wäre, oder es um eine erst nach der Zeit ihme aus der Person
eines in der Handlung nicht miteinkommenden Dritten zufallende Gerechtsame zu
thun seie, auf welchen Anfall zur Zeit seiner Unterschrift weder gedacht
worden, noch auch solcher damals vorgesehen werden können.
[3, 2, § 11] 107. Dahingegen kann aus der bloßen Annehmung
einer Schrift, Briefs oder Urkunde, worinnen dem Annehmenden eine
Verbindlichkeit oder Verfänglichkeit angemuthet wird, keine Einwilligung,
Eingeständnuß und Bestätigung des Inhalts gefolgeret werden, obgleich derselbe
hierauf sich mit keiner Antwort oder Widerspruch äußerete.
[3, 2, § 11] 108. Es wären dann solche Fälle, in welchen
oberwähntermaßen auch das bloße Stillschweigen die Einwilligung wirket, oder wo
das Gesatz einen ausdrücklichen Widerspruch erforderet, als da der Grundherr
auf die ihme von dem Erbzinsmann zukommende Bedeutung, daß er den Grund an
jemanden Anderen veräußeren Wolle, in der gesetzten Zeit nicht antwortete, so
wird sein Stillschweigen für eine Einwilligung angesehen.
[3, 2, § 11] 109. Vom dem Gesatz wird einer That die Wirkung
der Einwilligung in eine Verbindung hauptsächlich in jenen Fällen zugeeignet,
wann aus dessen Anordnung zu Versicherung des aus der vorhergehenden Handlung
Jemanden angebührenden Rechts ein stillschweigendes Unterpfand, da wo nach
diesem Unseren Gesatz derlei stillschweigende Unterpfänder zugelassen sind, an
einer gewissen Sache verliehen wird; also sind alle von einem Bestandmann,
Pachter oder Inwohner in die gemiethete Wohnung eingeführte und dahin gebrachte
Fahrnussen zur Sicherheit des Bestandgelds, Hauszinses, oder Pachtschillings
mit einem stillschweigenden Unterpfand behaftet.
[3, 2, § 11] 110. Daß aber sowohl die ausdrückliche als
stillschweigende Einwilligung in einen Vertrag eine Verbindlichkeit wirken
könne, muß solche wissentlich und bedächtlich ohne Irrthum und Verstellung oder
Scheinhandlung, getreulich, ohne Betrug und Gefährde und frei von aller Forcht,
Zwang und Gewalt sein.
[3, 2, § 11] 111. Ein Irrthum ist eine üble gefaßte Meinung,
welche das Falsche für wahr, oder das Wahre für falsch haltet. Dieser schließet
entweder alle Einwilligung dergestalten gänzlich aus, daß, wann der
Einwilligende den Irrthum vorhero anerkannt und eingesehen hätte, seine
Einwilligung niemalen erfolget wäre, oder er streitet wenigstens nur insoweit
mit dem Willen, daß, wann solcher vorgesehen worden wäre, die Handlung zwar
nicht unterblieben, doch aber die Einwilligung auf eine andere Art und Weis,
als es nicht geschehen, geäußeret worden sein würde.
[3, 2, § 11] 112. Nach diesem Unterschied des Irrthums wird
die Handlung entweder ganz oder zum Theil entkräftet. Doch ist nicht an deme
genug, daß der Irrthum
(3-37) nur etwan die Bewegursache, welche den Einwilligenden
zur Schließung der Handlung verleitet, betreffe, wann solche nicht ausdrücklich
zur Bedingnuß der Einwilligung gesetzet worden, sondern, daß eine Handlung aus
Irrthum entkräftet werden möge, wird erforderet, daß entweder in der Gattung
der Handlung selbst, oder in der Person des einen oder anderen Contrahenten,
oder in der Sache, um welche es sich handlet, geirret werde.
[3, 2, § 11] 113. Betrifft der Irrthum die Gattung der
Handlung, als da der eine Theil die Sache miethungs- oder bestandweise zu
überlassen, der andere aber solche kaufweise an sich zu bringen gedächte, ist
die Handlung nichtig, und bestehet weder die Miethe noch der Kauf.
[3, 2, § 11] 114. Wird aber in der Person des einen oder
anderen Contrahenten geirret, daß Jemand für einen Anderen, der er nicht ist,
angesehen werde, so beschadet dieser Fehler der Handlung an ihrer Giltigkeit
sonst nicht, als wann erweislich ist, daß solche mit niemanden Anderen, als mit
derjenigen Person, für welche der Andere gehalten worden, habe geschlossen
werden wollen. Um so mehr bleibet die Handlung bei
Kräften, wann etwan nur in der Eigenschaft, oder auch im Namen der Person ein
Irrthum unterliefe.
[3, 2, § 11] 115. Ist hingegen der Irrthum in der Sache, um
welche gehandlet wird, so ist zu unterscheiden, ob der Irrthum also geartet
seie, daß über eine ganz andere Sache, als der eine oder der andere Contrahent
gemeinet gewesen, die Handlung geschlossen worden, oder ob beide Theile in der
Sache selbst zwar übereinkommen, doch aber in ihrer Wesenheit und
Beschaffenheit ganz oder zum Theil geirret werde, oder ob der Fehler nur einige
Nebendinge betreffe.
[3, 2, § 11] 116. Wann in der Sache selbst dergestalten
geirret wird, daß die geschlossene Handlung auf eine ganz unterschiedene Sache
von derjenigen, worüber sich geeiniget worden, abgesehen ware, ist die Handlung
null und nichtig. Wäre aber der Irrthum ein oder anderer Seits in der ganzen
Wesenheit der obschon von beiden Theilen beliebten Sache, als da Kupfer für
Gold, Blei oder Zinn für Silber, Glas für Edelgestein angesehen würde, so ist
der Unterschied zu beobachten, ob eine solche für etwas anderes gehaltene Sache
ohnentgeltlich übertragen, oder dagegen anwiederum etwas gegeben werde.
Ersteren Falls bestehet die Handlung, in dem letzteren
Fall aber ist dieselbe ungiltig.
[3, 2, § 11] 117. Eine gleiche Bewandtnuß hat es, wann
gleich die Sache etwas von der vermeinten Wesenheit hätte, größtentheils aber
also beschaffen wäre, daß sie für Dasjenige nicht ausgegeben werden könne, für
was dieselbe gehalten worden, als da ein für Gold behandletes Gefäß oder
Geschmeid, zwar einen wenigen Zusatz von Gold hätte, größtentheils aber von
Kupfer wäre, also, daß es für kein Gold ausgegeben werden möge.
[3, 2, § 11] 118. In allen diesen Fällen, wo die ganze
Handlung wegen Irrthums entkräftet wird, es möge gleich ein oder der andere,
oder auch beide Theile in Irrthum befangen gewesen sein, solle nicht allein
alles Dasjenige, was ein Theil von dem anderen in Absicht dieser Handlung
empfangen, zurückgestellet werden, sondern, wann ein Theil den unterwaltenden
Mangel gewußt und den anderen also wissentlich hintergangen, ist derselbe auch
ihme noch über Zuruckstellung des Empfangenen allen durch Erhandlung der
mangelhaften Sache erleidenden Schaden zu erstatten schuldig, und beinebst nach
Gestalt des verübten Betrugs zu bestrafen.
[3, 2, § 11] 119. Hätte aber die erhandlete Sache größtentheils
die von den Contrahenten abgezielte Wesenheit, und nur der wenigste Theil
derselben wäre von einer anderen Beschaffenheit, also daß sie dessen
ohnerachtet noch allezeit für Dasjenige ausgegeben werden kann, für was sie
angesehen worden, als das Gold hätte einen Zusatz von Kupfer, oder der Mangel
ergäbe sich an der Reinigkeit, oder dafür gehaltenen besseren Eigenschaft der
Sache, als das Gold wäre nicht von der vermeinten Feinigkeit, oder auch an
Nebendingen, als das Gefäß, worinnen Wein
(3-38) erkaufet worden, wäre mangelbar, so wird die
Handlung, im Fall der Mangel von Demjenigen, der im Irrthum ware, nicht hat
vorgesehen werden können, nur insoweit, als geirret worden, entkräftet,
bestehet aber im Uebrigen und ist Jener, der eine mangelhafte Sache dem Anderen
verhandlet, die Entschädigung in dem Maß zu leisten schuldig, wie in dem
hienachfolgenden neunten Capitel hiervon das Mehrere geordnet wird.
[3, 2, § 11] 120. Eine Verstellung oder Scheinhandlung ist,
wann auf den Schein durch äußerliche Zeichen von beiden Contrahenten ein
anderes Geschäft vorgespieglet wird, als sie nicht zu schließen gemeinet sind.
Diese geschiehet entweder in der Gesinnung gar nichts zu schließen, noch
weniger sich gegeneinander zu etwas verbinden zu wollen, oder in der Absicht
unter Vorspieglung einer vorgeblichen Handlung in der Wahrheit eine davon ganz
unterschiedene Verbindung einzugehen.
[3, 2, § 11] 121. Ersteren Falls ist aus Mangel der
ernstlichen Einwilligung die Handlung an sich null und nichtig, und erwachset
hieraus nicht nur denen also handlenden Theilen keine Verbindlichkeit, sondern
es kann auch andurch einem Dritten weder ein Recht erworben, noch ein Schaden
oder Nachtheil zugezohen werden.
[3, 2, § 11] 122. Würde aber eine solche Scheinhandlung in
Absicht einem Dritten zu schaden getroffen, und erfolgete dessen wirkliche
Verkürzung, oder es würde sich auch nur von einem Contrahenten zu Hintergehung
des anderen einer Verstellung bedienet, so ist eine solche Verstellung für
einen Betrug anzusehen, und machen sich die hieran Theilhabende sowohl zum
Ersatz des verursachten Schadens, als zur Strafe verfänglich.
[3, 2, § 11] 123. Und obschon die Scheinhandlungen von der
letzteren Art eine ernstliche Einwilligung beider Theilen zum Grund haben
mögen, so wollen Wir doch gnädigst hiemit verordnet haben, daß zu Erhaltung
Treu und Glaubens, und zu Steuerung aller sowohl für die Contrahenten selbst,
als für einen Dritten aus derlei Scheinhandlungen entstehen mögenden
Verkürzungen bei Verträgen sich aller Verstellungen, Kunstgriffen und
Verkleisterungen enthalten, sondern dabei klar, aufrecht und getreulich zu Werk
gegangen werde.
[3, 2, § 11] 124. Wir erklären solchemnach alle
Scheinhandlungen gänzlich und dergestalten für kraftlos, unbündig und null und
nichtig, daß weder eine Gerichtshilfe darauf ertheilet, noch weniger selbe
irgendwo zur Einverleibung angenommen, sondern das Gut, worüber eine
Scheinhandlung getroffen worden, zu Handen Unserer Kammer eingezohen, und noch
überdas die Uebertretere dieses Unseres Gesatzes nach Beschaffenheit der
Umständen und der dabei gebrauchten Arglist mit einer körperlichen Strafe
beleget werden sollen.
[3, 2, § 11] 125. Ingleichen wird die Freiheit der
Einwilligung durch Betrug, rechtmäßige Forcht, Gewalt und Zwang verhinderet,
und dahero sind auch alle Handlungen, worinnen solche unterlaufen, an Seiten
dessen, welcher hintergangen, oder deme etwas widerrechtlich abgeschrecket,
oder abgenöthiget worden, ganz und gar kraftlos, wie von dem Betrug bereits in
dem ersten Capitel, §. IX, von num. 98 bis 100, erwähnet worden, und von der
Forcht, Gewalt und Zwang in dem einundzwanzigsten Capitel von Verbrechen mit
Mehreren ausgeführet werden wird.
[3, 2, § 11] 126. Ein Jeder jedoch, welcher wegen
vorschützenden Irrthums, Verstellung, Betrugs, eingejagter Forcht, Gewalt oder
Zwangs eine Handlung zu entkräften vermeinet, muß sein Vorgeben erweisen. Würde
aber derselbe nach erkannten Irrthum oder eingesehenen Betrug, oder nachdeme er
vor aller Forcht, Gewalt und Zwang gesicheret ist, die vorgegangene Handlung
entweder mündlich oder schriftlich, oder auch durch eine den Vollzug der
eingestehenden Verbindlichkeit anzeigende That mit gutem Wissen und freiem und
wohlbedächtlichem Willen gutheißen und beangenehmen, wie auch sich dabei die
Ersetzung des ihme zugefügten Schadens nicht vorbehalten, so erlanget zwar die
Handlung ihre vollkommene Giltigkeit und ist dieser nachhero mit seiner
Einwendung nicht mehr zu hören, doch bleibet Derjenige,
(3-39) welcher sich dabei unerlaubter Künsten bedienet,
dessen ohnerachtet der Strafe allemal unterworfen.
§. XII.
[3, 2, § 12] 127. Ueber alle Dinge und Werke können Verträge
getroffen werden, welche nach Ausmessung des ersten Capitels, §. VI den
Gegenstand einer Verbindung auszumachen vermögen. Ueberhaupt aber sind jene Dinge
davon ausgenommen, welche weder in der Natur und Wesenheit der Sachen wirklich
vorhanden, noch möglicher Weise angehoffet werden können, oder aber welche nach
ihrer Wesenheit, oder der denenselben von den Gesetzen beigelegten Eigenschaft
völlig, oder auch nur in gewisser Maß unhandelbar sind, oder worüber Verträge
einzugehen insonderheit verboten ist.
[3, 2, § 12] 128. Betrifft der Vertrag die Uebertragung oder
Erwerbung solcher Sachen, welche zwar an sich handelbar, doch aber zur Zeit der
abgeschlossenen Handlung nicht mehr vorhanden waren, und auch natürlicherweise
in Zukunft nicht angehoffet werden können, so ist solchenfalls, wann der noch
vor Abschluß der Handlung sich ereignete Untergang der Sache von Demjenigen,
der solchen angiebt, rechtsgenüglich erwiesen wird, der Vertrag null und
nichtig, und wird kein Theil dem anderen hieraus zu etwas verbunden, sondern es
ist Alles in denjenigen Stand herzustellen, als ob niemalen ein Vertrag darüber
getroffen worden wäre, es möge der Verlust der Sache auch gleich einem, oder
beiden Contrahenten bekannt oder unbekannt gewesen sein.
[3, 2, § 12] 129. Außer dieselben kämen ausdrücklich dahin
überein, daß auf dem Fall, da die Sache in Verlust gegangen wäre, deren Werth
oder ein gewisser Pönfall entrichtet werden solle, wann sonst hierbei keine
allschon oben verbotene Scheinhandlung unterwaltete, sondern Derjenige, der
sich den Werth der untergangenen Sache oder den Pönfall ausbedungen, darzeigen
könne, daß ihme wirklich an deren Habhaftwerdung gelegen ware, oder dieses
sonst aus der Beschaffenheit der Handlung erhellete.
[3, 2, § 12] 130. Wäre aber die Sache nicht ganz, sondern
nur großen Theils und also, daß sie eine andere Gestalt oder Beschaffenheit an
sich nähme, vor Abschluß der Handlung untergangen, und verdorben worden, als da
das Haus vor geschlossenen Kauf abbrennete, so hat Derjenige, an welchen diese
Sache durch den Vertrag übertragen werden solle, wegen deren mittlerweil
geänderter Gestalt die Auswahl, ob er von dem Vertrag abgehen, oder dessen ohnerachtet
jegleichwohlen dabei beharren wolle.
[3, 2, § 12] 131. Doch ist in diesem letzteren Fall
Dasjenige, was dafür gegeben oder zu geben verheißen worden, nach gerichtlichem
Ermessen auf einen der Verminderung des Werths gleichkommenden Betrag
herabzusetzen; es wäre dann, daß derselbe schon vorhero diesen Umstand wohl
gewußt, und sich jedennoch hierum in eine Handlung eingelassen hätte, in
welchem Fall er den Vertrag nach seinem ganzen Inhalt zu erfüllen hat.
[3, 2, § 12] 132. Ein Zufall hingegen, welcher nur einen
wenigen Theil der in den Vertrag einkommenden Sache betroffen, ohne daß weder
ihre Gestalt, noch Beschaffenheit merklich geänderet worden, entkräftet die
Handlung nicht, sondern es ist nur so vieles, als sie in ihrem Werth nach
billigen Befund andurch verringeret worden, an deme, was dafür bedungen wird,
nachzulassen, wann dem die
(3-40) Sache an sich handlenden Theil vor errichteten
Vertrag dieser Zufall nicht bekannt ware.
[3, 2, § 12] 133. Auch über künftige oder solche Dinge,
deren Wesenheit oder Erlangung möglicher Weise angehoffet werden mag, können
Verträge eingegangen werden, als da Jemand die künftig wachsende Früchte, oder
jenes, was an Wild von einer Jagd, oder an Ausbeute aus einem Bergwerk
eingebracht, oder an Vögeln oder Fischen gefangen werden würde, erhandlet,
wobei sowohl auf den Erfolg, ob etwas gewachsen, eingebracht oder gefangen
worden oder nicht, als auch auf die Art und Weis der Handlung, ob solche
überhaupt in Pausch und Bogen oder nur über einen bestimmten Betrag getroffen worden,
zu sehen ist.
[3, 2, § 12] 134. Ist etwas, viel oder wenig, eingebracht
oder gefangen und die Handlung überhaupt um Alles, was solchergestalten
eingebracht werden würde, geschlossen worden, so ist auch alles Dasjenige, was
dafür zu geben bedungen worden, ohne Verminderung zu erstatten, wann gleich
noch so wenig, daß es deme gar nicht beikäme, hieran eingegangen wäre. Würde
aber die Handlung auf einen gewissen Betrag in der Zahl, Maß oder Gewicht
gerichtet worden sein, so ist die Gebühr des dafür Bedungenen nur nach Maß des
Eingebrachten abzumessen.
[3, 2, § 12] 135. Wäre aber nichts eingebracht oder gefangen
worden, zerfallet die Handlung und entstehet hieraus nicht nur keine
Verbindlichkeit, sondern es kann auch das Darangegebene anwiederum zuruckgeforderet
werden; es wäre dann, daß Jemand die wirklich noch in Saaten oder Blüthen
stehende Früchten in dem Stand, in welchem sie zur Zeit des Vertrags befindlich
sind, überhaupt, oder auch nur die bloße Hoffnung der künftigen Ertragnuß oder
Ereignuß erhandlete, in welchen Fällen die Handlung bei Kräften bleibet, und
das dafür Bedungene zu entrichten ist, obschon nichts gewachsen, gefangen oder
eingegangen wäre.
[3, 2, § 12] 136. Es solle jedoch der Handel auf bloße
Hoffnung geschlossen zu sein in keinem anderen Fall verstanden werden, als wann
dieses in dem Vertrag deutlich ausgedrucket, oder der ganze Betrag dessen, was
für die künftige Sache zu geben bedungen worden, ohne allem Vorbehalt vorhinein
bezahlet, oder der Handel nur über die That, und anderseitige Mühewaltung,
wodurch etwas zu erlangen gehoffet wird, als z. B. über das Jagen, Fischen,
Vogelstellen getroffen worden wäre.
[3, 2, § 12] 137. Würde hingegen aus Schuld des anderen
Contrahenten an der erhandleten Sache nichts oder weniger, als wahrscheinlicher
Weise gehoffet werden können, eingebracht werden, so ist dieser Demjenigen,
welcher die Sache erhandlet, den erleidenden Schaden nach dem billig
geschätzten Werth zu vergüten schuldig und nach Gestalt der Umständen entweder
das voraus Empfangene ganz oder wenigstens so vieles, als aus seiner Schuld
minder hieran eingegangen, zuruckzustellen schuldig.
[3, 2, § 12] 138. Gleichwie aber jener, der künftige Dinge
überhaupt, oder die Hoffnung ihrer gewärtigenden Ereignuß erhandlet, den
zufälligen Schaden zu tragen hat, also gebühret ihme auch aller davon
erhaltende Nutzen und Vortheil, wann gleich das Eingegangene den zweifachen
Werth des dafür Bedungenen übersteigen sollte, woferne nur die eingebrachte
Sache von der nemlichen Gattung, Art und Beschaffenheit ist, worüber die
Handlung eingegangen und worauf von beiden Contrahenten die Absicht getragen
worden; dann behandlete Jemand den Zug eines Netzes, in Absicht zu fischen und
würde damit was Anderes als Fische aus dem Wasser herausgebracht, so hat er hierauf
keinen Anspruch, wann ihme aus sonstiger Ursache kein Recht darzu gebühret.
[3, 2, § 12] 139. Sachen, welche ihrer Wesenheit nach, oder
wegen ihrer ob sich habenden Eigenschaft ganz und gar unhandelbar sind, können
keinen Gegenstand der Verträgen ausmachen, außer auf diejenige Art und Weis,
wie solches in dem zweiten Theil, im ersten Capitel erkläret worden.
[3, 2, § 12] 140. Ueber jene Dinge hingegen, welche nur in
gewisser Maß entweder
(3-41) wegen ihrer eigenen Beschaffenheit, oder in Ansehung
einiger Personen unhandelbar sind, ist nicht verwehret auf andere zulässige und
von den Gesetzen nicht verbotene Arten Verträge zu treffen; also können über
eine in Rechtsstritt hangende Sache die streitenden Theile sich untereinander
nach Gefallen vertragen und vergleichen, obschon die einseitige Veräußerung
derselben an einen Dritten untersaget ist; ingleichen kann Jemand das Recht zu
einer Sache, zu deren Besitz derselbe unfähig ist, an einen anderen Fähigen
übertragen, obgleich ihme solche für sich zu erwerben nicht erlaubet ist.
[3, 2, § 12] 141. Ansonst können über alle handelbare
Sachen, wann deme weder ein Verbot des Gesatzes, noch eine Privatanordnung
entgegenstehet, Verträge eingegangen werden; doch ist bei jenen Handlungen,
wodurch das Eigenthum einer Sache an jemanden Anderen übertragen wird,
erforderlich, damit diese Sache dem Uebertragenden eigenthümlich zugehöre, oder
der Eigenthümer hierein willige, oder wenigstens, wann es eine bewegliche Sache
betrifft, der Andere solche auf rechtmäßige Weise mit guten Glauben an sich
bringe.
[3, 2, § 12] 142. Wäre aber der Vertrag auf eigenthümliche
Uebertragung einer fremden Sache an jemand Anderen gerichtet, und ermanglete
dabei eine oder die andere dieser Erfordernussen, so ist die Handlung null und
nichtig, und muß nicht nur allein die Sache dem sich ausweisenden Eigenthümer
ohnentgeltlich zurückgestellet, sondern auch derjenige Theil, welcher mit guten
Glauben für eine fremde Sache etwas gegeben, von dem Anderen vollständig
entschädiget werden.
[3, 2, § 12] 143. Alle anderen über fremde Sachen getroffene
Verträge hingegen, welche ohne Uebertragung des Eigenthums zu ihrer Wesenheit
gelangen, wirken zwar die Verbindlichkeit der Contrahenten untereinander,
beschaden aber dem Eigenthümer der Sache, wann er der Handlung mit seiner
Einwilligung nicht beigetreten, im geringsten nichts, sondern sein Recht
bleibet ihme allemal bevor.
[3, 2, § 12] 144. Hiernächst ist derjenige contrahirende
Theil, welcher eine fremde Sache, er möge es gewußt haben oder nicht, in den
Vertrag eingebracht, dem anderen sowohl das dafür Empfangene zuruckzustellen,
als auch für allen andurch veranlaßten Schaden die Vergütung zu leisten
schuldig, welche aber damals nicht statt hat, wann auch dem anderen Theil
bekannt ware, daß die Sache einem Dritten zugehöre und auf dem Fall, da seine
Einwilligung nicht erfolgete, keine Entschädigung bedungen worden.
[3, 2, § 12] 145. Gehörete eine Sache Mehreren eigenthümlich
zu, welche noch ungetheilet und in der Gemeinschaft wären, so kann zwar ein
Jeder seinen ihme hieran gebührenden Antheil an einen Dritten veräußeren und
übertragen, wie auch hierüber solche Verbindungen eingehen, welche denen
anderen Theilhaberen keinen Nachtheil bringen. Würde aber die ganze
gemeinschaftliche Sache von deren Einem veräußeret, so schadet dieses denen
Anderen nicht, sondern sie behalten in Betreff ihrer Antheilen das nemliche
Recht, was jedem Anderen an seinen Eigenthum gebühret.
[3, 2, § 12] 146. Wäre der Veräußerende zwar Eigenthümer der
Sache, jemand Anderer aber hätte ein Recht hieran, als des Fruchtgenusses,
Dienstbarkeit, Hypothek oder Unterpfands, so hat zwar der Vertrag seine
Giltigkeit, doch ist zu unterscheiden, ob die veräußerte Sache ein liegendes
Gut, oder ein bewegliches Ding seie. Ist es ein liegendes Gut und das einem
Anderen hieran gebührende Recht wäre mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern verschrieben, so gehet das behaftete Gut mit der also darauf
verschriebenen Schuldigkeit auf einen jeden Besitzer.
[3, 2, § 12] 147. Ermanglete aber die landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Verschreibung, so erlöschet das Recht des Anderen und
bleiben ihme nur die persönlichen Sprüche wider den Veräußerer bevor, welches
Letztere auch bei beweglichen Dingen statt hat, als in deren Ansehung kein
dritter Besitzer angefochten werden kann, außer da er Denjenigen, von deme er
die Sache bekommen, nicht ausweisen
(3-42) könnte, oder das einem Anderen hieran zustehende
Recht gewußt und solche jegleichwohlen an sich gebracht hätte.
[3, 2, § 12] 148. Würde durch Verträge ein dem Veräußerer
auf Widerrufen zuständiges Eigenthum oder Recht eines liegenden Guts an
Jemanden übertragen, so bestehet zwar der Vertrag für die Zeit des dauernden
Rechts des Veräußerers, mit dessen Auflösung aber wird auch das Recht dessen,
der es von ihme an sich gebracht, aufgelöset.
[3, 2, § 12] 149. Da es sich aber ergäbe, daß Jemand über
einerlei Sache mit Zweien verschiedene Verträge errichtete, so ist zu
unterscheiden, ob Beider dadurch erworbene Rechte, ohne daß die Ausübung des
Einen von dem Anderen beeinträchtiget würde, miteinander bestehen können oder
nicht. Sind sie von solcher Beschaffenheit, daß Beide zusammen ohne Beirrung
des Einen oder Anderen ihre Wirkung erreichen mögen, so sind auch beide
Verträge giltig; also kann auf dem nämlichen Gut Einem eine gewisse
Dienstbarkeit und dem Anderen eine Hypothek oder Unterpfand verschrieben, nicht
weniger Einem der Fruchtgenuß, dem Anderen das Eigenthum überlassen werden.
[3, 2, § 12] 150. Würde aber ein Recht mit dem anderen nicht
bestehen können, so ist darauf zu sehen, wessen Recht stärker seie als das
andere; denn das Schwächere muß dem Stärkeren weichen. Dahero wird ein bloßes
Recht zur Sache durch die dinglichen Rechte entkräftet, wann deren Wirkung
durch dasselbe verhinderet würde, weilen dieses schwächer ist als jenes; also
gehet Kauf vor Miethen, und der Pachter oder Bestandmann muß dem Kaufer
weichen.
[3, 2, § 12] 151. Ueberhaupt ist ein in der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern verschriebenes Recht stärker als jenes, welches
darinnen nicht einverleibet ist. Solchemnach, wann das Eigenthum einerlei Sache
an Zweie übertragen und veräußeret würde, ist bei liegenden Gütern Derjenige,
welchen den Veräußerungsvertrag in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
ehender eingeleget, so wie bei beweglichen Dingen Jener, deme die veräußerte
Sache ehender übergeben und eingeantwortet worden, obgleich der Vertrag mit
ihme später geschlossen worden wäre, dem Anderen vorzuziehen, weilen dieser nur
ein Recht zur Sache, jener aber durch die wirkliche Einverleibung und Uebergabe
hieran ein dingliches, und also ein weit stärkeres Recht erworben hat.
[3, 2, § 12] 152. Es wäre dann, daß er von dem erstern Kauf
oder sonstigen Uebertragung gute Wissenschaft gehabt zu haben überwiesen werden
könnte, in welchem Fall ihme sein Betrug zum Nachtheil des Anderen nicht zu
statten kommen kann, sondern wann er auch die frühere Einverleibung bewirket
hätte, ist nach verführten Beweis der gehabten Wissenschaft seine Einlage aus
der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auszulöschen, und er beinebst nach
Gestalt der Umständen so wie Derjenige, welcher einerlei Sache wissentlich an
Zweie veräußeret, verkaufet oder sonst übertraget, und dafür von zweien Seiten
den Werth empfanget, als ein Betrüger mit einer dem Verbrechen gemäßen Strafe zu
belegen.
[3, 2, § 12] 153. Wären hingegen beide Rechte von gleicher
Stärke, als da beide auf Uebertragung des Eigenthums gerichtet, und keines vor
dem anderen einverleibet wäre, sondern beide zugleich bei Begehrung der Einlage
zusammentreffen würden, oder auch beide nur eine bloße Befugnuß zur Sache
enthielten, so gebühret Jenem der Vorzug, mit deme der Vertrag ehender
geschlossen worden zu sein entweder nach Anzeige des Tags des Contracts, oder
in andere Wege erweislich ist.
[3, 2, § 12] 154. Es verlieret aber der Erstere den Vorzug,
wann er den späteren Vertrag mit dem Anderen ohne Widerspruch vollziehen
lassen, als da eine Sache Zweien in Bestand gelassen und der Erstere zugeben
würde, daß der Andere in den Bestand wirklich eingeführet, oder von ihme die
Wohnung bezogen werde. Wie es jedoch bei Zusammentreffung mehrerer Gläubiger,
welche zu gleicher Zeit die Einverleibung ihrer verschriebenen Hypothek
bewirken, im Fall des Schuldners Vermögen zu
(3-43) ihrer allseitigen Bedeckung unzulänglich wäre, zu halten
seie, wird in der Gant- oder Crida-Ordnung ausgemessen werden.
[3, 2, § 12] 155. In allen diesen Fällen, wo das schwächere
oder spätere Recht dem stärkeren oder früheren zu weichen hat, bleibet
nichtsdestoweniger Derjenige, welcher eine Sache an Zweie übertragen oder
darüber mit Zweien einen Vertrag eingegangen, in der Verbindlichkeit dem
Anderen, welcher nachgesetzet wird, nicht allein das darauf Empfangene
zurückzustellen, sondern auch die vollkommene Entschädigung zu leisten.
[3, 2, § 12] 156. Würde Jemand aus Irrthum verleitet werden,
eine schon vorhero ihme ganz oder zum Theil eigenthümlich zugehörige Sache
durch Vertrag an sich zu bringen, so ist zu unterscheiden, ob die Sache ihme
dergestalten eigen seie, daß kein mehreres Recht, als er bereits vorhin hieran
gehabt, an ihm übertragen werde, oder ob derselbe ein mehreres Recht hieran
erwerbe. Ersteren Falls ist die Handlung null und nichtig, und stehet ihme
frei, nach erwiesenen Irrthum den zur Ungebühr dafür bezahlten oder gegebenen
Werth zurückzuforderen; letzteren Falls hingegen, und da er ein mehreres Recht
oder einen größeren Antheil, als er vorhin an der Sache nicht gehabt, durch den
Vertrag erwirbt, bestehet die Handlung nach Maß dessen als er mehr erlanget,
und ist der dafür bedungene oder bezahlte Werth hienach zu mässigen.
[3, 2, § 12] 157. Außerdeme, daß eine durch Verträge
veräußeren wollende Sache von der bishero beschriebenen Beschaffenheit sein
müsse, ist auch zur Giltigkeit des Vertrags erforderlich, daß solcher weder
durch das Gesatz, noch durch eine vorhergehende Privatanordnung verboten seie;
also werden durch Unser obstehendes Gesatz alle nur auf Scheinhandlungen
gerichtete Verträge untersaget.
[3, 2, § 12] 158. Wir erklären aber noch ferners erstens,
alle diejenige Verträge gänzlich für kraftlos, welche die Veräußerung einer in
wirklichem Rechtsstritt hangenden Sache betreffen, deren Eigenthum angesprochen
wird, und worüber die gerichtliche Vorladung oder Beschickung bereits ergangen
und dem Belangten zugekommen ist, in welchem Fall Derjenige, der eine solche
Sache wissentlich, daß sie strittig seie, an sich gebracht, dieselbe sogleich
ohnentgeltlich zu Gerichtshanden auszufolgen schuldig, und die Sache sofort in
gerichtlichen Beschlag zu nehmen ist. Hätte er aber, ohne von dem obschwebenden
Rechtsstritt etwas zu wissen, die Sache mit guten Glauben erhandlet, und diese
Sache wäre ein unbewegliches Gut, so ist zwar der Vertrag nichtig, doch kann
sich derselbe an den Veräußerer seines Schadens halber erholen. Dahingegen wann
Jemand eine strittige bewegliche Sache mit guten Glauben an sich gebracht, so
ist dieser zwar derowegs nicht mehr anzufechten, dem Gegentheil stehet aber
bevor, wann ihme diese Sache von Gericht zugesprochen würde, seine
Entschädigung an den Veräußerer zu suchen.
[3, 2, § 12] 159. Derjenige aber, welcher wissentlich eine
solche strittige Sache erhandlet, verlieret alles Dasjenige, was er dafür
gegeben oder bedungen, und ist solches zu Handen Unserer Kammer einzuziehen.
Nicht weniger wird Jener, welcher eine strittige Sache wissentlich veräußeret,
im Fall ihme solche durch rechtlichen Spruch zuerkannt werden sollte, derselben
verlustig, und fallet sie Unserer Kammer anheim, oder da selbe nicht mehr
beizubringen wäre, oder dem anderen Theil zugesprochen würde, ist der Werth
derselben, wie solcher gerichtlich geschätzet wird, zur Strafe für Unsere
Kammer von ihme einzutreiben, und über das bleibet er verbunden, dem
obsiegenden Gegentheil, anstatt der etwan nicht mehr vorhandenen Sache den
ebenmäßigen Werth derselben zu erstatten.
[3, 2, § 12] 160. Andertens entkräften Wir ingleichen alle
Wetten, Spielschulden und die darüber treffende Verträge insoweit, daß hierauf
durchaus keine Gerichtshilfe ertheilet und über das die in verbotenen bloßen
Glückes- oder sogenannten Hazardspielen betretende Spielere nach Maßgabe
Unserer anderweiten Verordnungen bestrafet werden sollen. Ueberhaupt aber sind
alle Verträge ungiltig, welche nach Verschiedenheit der Handlungen in diesem
Unserem Gesatzbuch untersaget werden.
(3-44) §. XIII.
[3, 2, § 13] 161. Die Privatanordnungen, wodurch die
Veräußerung gewisser Sachen beschränket wird,
geschehen entweder durch letzten Willen, oder durch Handlungen unter Lebenden,
und bestehen insoweit, als denenselben die Kraft der Verbindlichkeit von dem
Gesatz nicht genommen wird.
[3, 2, § 13] 162. Von der Wirkung derlei letztwilligen
Anordnungen ist bereits im zweiten Theil gehandlet worden. Belangend aber die
Handlungen unter Lebenden, wo durch Verträge die Veräußerung gewisser Dinge
verboten wird, ist dabei zu unterscheiden, ob selbe
unbewegliche oder bewegliche Sachen betreffen.
[3, 2, § 13] 163. Bei unbeweglichen Dingen ist darauf zu
sehen, ob ein solcher Vertrag in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
einverleibet worden oder nicht. Ersteren Falls behaftet derselbe die Sache
selbst, und kann diese nicht allein von einem jeden dritten Besitzer, an den
sie wider den Vertrag veräußeret worden, zurückgeforderet werden, sondern es
ist auch der Veräußerer schuldig, sowohl Demjenigen, an den er die Sache veräußeret,
als dem Anderen, mit deme er wegen deren Nichtveräußerung den Vertrag
eingegangen, allen deshalben erleidenden Schaden zu ersetzen.
[3, 2, § 13] 164. Ist aber ein dergleichen Vertrag nicht
einverleibet, oder auch die betreffende Sache ein bewegliches oder fahrendes
Ding, so wird zwar die Sache dadurch nicht behaftet, noch deren Veräußerung
verhinderet, der Veräußerer aber bleibet jegleichwohl in der Verbindlichkeit
dem Anderen, mit welchem er diesen Nichtveräußerungsvertrag getroffen, allen
hieraus erwachsenden erweislichen Schaden zu vergüten.
§. XIV.
[3, 2, § 14] 165. Gleichwie über alle andere Sachen, also
auch über bereits angefallene Erbschaften können Verträge eingegangen werden
und haben solche ihre vollkommene Giltigkeit, wann die sich hierüber
vertragende Theile Verbindungen zu treffen fähig sind, und in derlei Verträgen
sonst nichts wider Unsere Gesetze enthalten ist.
[3, 2, § 14] 166. Dahingegen wollen Wir alle über die
Erbschaft eines Lebenden aufrichtende Verträge, es mögen solche die Erbschaft
eines Dritten, oder auch eines oder auch beider sich also vertragenden Theilen,
oder sogenannte Erbsvereinigungen betreffen, und entweder auf die Erwerbung
oder Verzicht der Erbschaft lauten, welche ohne Unserer höchsten Einwilligung
und Bestätigung getroffen werden, hiemit gänzlich für kraftlos und ungiltig
erkläret haben.
[3, 2, § 14] 167. Wovon jedoch folgende Fälle ausgenommen
sind: Erstens, wann es sich um den Erbanfall nach einer ungewissen Person
handlete, als da z. B. zwei Gesellschaftere oder auch Eheleute über die
Vertheilung dessen, was von einem oder dem anderen Theil in Hinkunft ererbet
werden würde, sich untereinander vergleichen; zweitens, wann zwischen Eheleuten
die künftige wechselweise Erbfolge nach Maß dessen, was davon im ersten Theil,
in fünften Capitel unter der Abhandlung von ehegattlichen Vermögen geordnet
worden, festgesetzet wird; drittens, wann ein großjähriger Sohn, Tochter oder
Enkel nach der von Vater, Mutter oder Großeltern erhaltenen Abfertigung auf die
weitere Erbfolge eine gerichtliche Verzicht leistet, wovon im zweiten Theil, in
der Abhandlung von dem Pflichttheil das Mehrere erwähnet wird.
[3, 2, § 14] 168. Außer welchen Fällen sonst zur Giltigkeit
aller wie immer Namen haben mögenden Erbsverträgen, Erbsvereinigungen oder
Verzichten, die eine künftig anhoffende Erbschaft betreffen, die vorläufige
Auswirkung Unserer höchsten landesfürstlichen Einwilligung und Bestätigung
überhaupt erforderlich ist, und zu dem Ende Uns jedesmal die umständliche
Beschaffenheit der Sache mit verläßlicher Anzeige sowohl des Betrags einer
solchen Erbschaft, als der vorhandenen Erbsanwarteren
(3-45) und deren Bedingnussen, mit welchen eine dergleichen
Erbvereinigung aufgerichtet werden will, vorgebracht werden solle.
§. XV.
[3, 2, § 15] 169. Alle zu Recht bestehende Verträge haben
die nemliche Kraft und Bündigkeit wie ein jeder anderer benannter Contract, und
verbinden nicht allein die sich vertragende Theile, sondern auch ihre Erben zu
Leistung dessen, was in dem Vertrag beliebet worden, wann es nicht solche in
dem ersten Capitel, §. V, num. 41, bemerkte Fälle betrifft, worinnen auch aus
Verträgen die Verbindlichkeit mit der Person des Verbundenen erlöschet.
[3, 2, § 15] 170. Demnach ist Jedermann Dasjenige zu halten
und zu erfüllen schuldig, zu was er sich durch einen rechtmäßigen Vertrag
verbunden, und stehet dem anderen Theil das Recht zu, in Weigerungsfall
denselben hierum gerichtlich zu belangen, deme sofort alles Dasjenige, was ihme
aus dem Vertrag zu gebühren erwiesen werden kann, nebst allen verursachten
Schäden und Unkosten zuzusprechen ist.
§. XVI.
[3, 2, § 16] 171. Bei allen Verträgen muß vornehmlich auf
Treue und guten Glauben gesehen, und dahero bei Erhebung der Klage von dem
Richter Dasjenige verfüget, und so einem als anderen Theil zuerkennet werden,
was der Billigkeit gemäß ist, obgleich solches unter den Contrahenten nicht
verabredet, und wörtlich gesaget und ausgedrucket worden, woferne es nur mit
der Natur und Eigenschaft der fürwaltenden Handlung übereinstimmet, und es
insgemein bei dergleichen Handlungen also zu halten von den Gesetzen geordnet
wird.
[3, 2, § 16] 172. Entstünde aber über den Sinn und Verstand
der Verträge ein Zweifel, so ist bei Auslegung derenselben sich förderist dahin
zu bestreben, damit entweder aus der Bedeutung der Worten, oder aus anderen
Umständen und Anzeigen die wahrscheinliche Willensmeinung der Contrahenten
ergründet werden möge.
[3, 2, § 16] 173. In Auslegung der Worten ist zu beobachten,
daß, wann aus der Handlung eine andere Gesinnung der Contrahenten nicht
ausdrücklich erhellet, selbe allemal in der wahren und eigentlichen Bedeutung,
welche ihnen insgemein in Handel und Wandel beigeleget zu werden pfleget, zu
nehmen und zu verstehen sind.
[3, 2, § 16] 174. Wären es aber besondere in gemeinen Handel
und Wandel nicht gebräuchliche Kunstworte, und beide contrahirende Theile der
nemlichen Kunst kündig, so sind solche bei vorfallenden Zweifel nach Bestimmung
und Aussage anderer, wenigstens zweier unparteiischer und glaubwürdiger
Kunstverständigen auszudeuten. Wohingegen wann der eine oder andere Contrahent
in dieser Kunst nicht erfahren ist, in solchem Fall solle getrachtet werden den
eigentlichen Sinn und Verstand aus dem Inhalt des Vertrags, oder aus anderen
Umständen zu erforschen.
[3, 2, § 16] 175. Würden aber die Worte also zweifelhaft
sein, daß der eigentliche Sinn deren Contrahenten daraus nicht zu entnehmen
wäre, so sind andere Anzeigen, woraus solcher wahrscheinlich geschlossen werden
kann, zu Hilfe zu nehmen. Derlei Anzeigen sind die Natur und Eigenschaft des
Geschäfts, dessen Folge und Wirkung, und endlichen die damit verknüpfte vor-,
bei- oder nachgehende Umstände.
(3-46) [3, 2, § 16] 176. Ueberhaupt ist die Natur und
Eigenschaft einer Handlung, welche ihr von dem Gesatz zugeeignet wird, in Auslegung
der Verträgen die sicherste Richtschnur, wann die Worte nichts Anderes
ausdrucken.
[3, 2, § 16] 177. Kann aber der Zweifel auch daraus nicht
behoben werden, und die Lage der Worten wäre von solcher Beschaffenheit, daß,
wann selbe in der gemeinsten Bedeutung genommen werden sollten, sie entweder
gar keine, oder eine wider die Ehrbarkeit und Wohlanständigkeit streitende
Wirkung und Folge haben würden, so ist von der gemeineren Bedeutung
abzuweichen, und die Handlung in einem solchen Verstand zu nehmen, nach welchem
sie die abgezielte Wirkung haben könne.
[3, 2, § 16] 178. Nicht weniger können die vor-, bei- oder
nachgehende Umstände, als der Landesbrauch, und rechtmäßig hergebrachte
Gewohnheiten, die Gestalt und Beschaffenheit der Sachen, der Stand und Eigenschaft
der Contrahenten, und andere mehrere derlei mit der Handlung verknüpfte
Nebendinge zu Entwicklung der Dunkelheit eines Vertrags andienen, wann daraus
nach vernünftigen und billigen Ermessen des Richters die wahrscheinliche
Gesinnung deren Contrahenten abgenommen werden mag.
[3, 2, § 16] 179. Dann Treue und Glauben erheischet, daß ein
ernstlich und bedächtlich geschlossener Vertrag nach Thunlichkeit bei Kräften
erhalten, und bei bemüßigter Auslegung der Verträgen allemal die Billigkeit vor
Augen genommen, erst aber damals, wann sonst auf keinerlei Art die Klarheit und
Gewißheit zu erreichen ist, die Ausdeutung der Worten wider jenen Theil
gemachet werde, in dessen Macht es gestanden, sich verständlicher und
deutlicher auszudrucken.
Dritter Artikel.
Von Vergleichen
§. XVII. Von Wesenheit und Unterschied der Vergleichen. §. XVIII. Von Fähigkeit deren sich
Vergleichenden. §. XIX. Von denen in Namen und anstatt eines Dritten
eingehenden Vergleichen. §. XX. Von Dingen, worüber Vergleiche geschlossen werden.
§. XXI. Von Vergleichen über Nahrungsmittel und Unterhaltsgelder. §. XXII. Von
Vergleichen über Verbrechen. §. XXIII. Von Verbindlichkeit der Vergleichen. § XXIV. Von Entkräftung und Vernichtung der
Vergleichen.
§. XVII.
[3, 2, § 17] 180. Ein Vergleich ist eine durch Vereinigung
beider Theilen über zweifelhafte und strittige Sachen mit Nachsicht und
Erlassung der habenden Rechtsansprüchen getroffene gütliche Handlung, welches
insoweit solche von dem Gesatz keine gewisse vorgeschriebene Gestalt und Benamsung
hat, den unbenannten Verträgen zwar beigezählet wird, doch aber sich davon in
deme unterscheidet, daß ein Vergleich bloß
(3-47) allein zweifelhafte und strittige Sachen zum
Gegenstand habe, und eine schon vorhergegangene noch ungewisse Verbindlichkeit
voraussetze, wie solches bereits oben §. VII, num. 44, bemerket worden.
[3, 2, § 17] 181. Es müssen demnach die Vergleiche ganz
freiwillig und ungezwungen sein, und obschon dem richterlichen Amt zukommet in
gewissen Fällen, welche in vierten Theil bei Vorschrift der Gerichtsordnung
bestimmet werden, auch ohne Verlangen der Parten Vergleichshandlungen
anzustellen, so darf jedoch kein Richter dieselbe zu Eingehung eines Vergleichs
zwingen, noch weniger ihnen solchen aufdringen, sondern wo ein Zwang unterlaufet,
ist der Vergleich null und nichtig.
[3, 2, § 17] 182. Beinebst wird auch zur Wesenheit eines
Vergleichs erforderet, erstlich, daß die Sache, worüber solcher getroffen wird,
zweifelhaft, und entweder schon wirklich strittig seie, oder wenigstens der Stritt
bevorstehe; andertens, daß der Vergleich nicht ohnentgeltlich geschehe, sondern
daß dagegen etwas gegeben, verheißen oder zuruckgehalten werde, dann ansonst,
wo eine oder die andere dieser Erfordernussen ermanglet, bestehet zwar
Dasjenige, worüber die Parten sich vereiniget, in der Gestalt eines Vertrags,
nicht aber in jener eines Vergleiches.
[3, 2, § 17] 183. Die Vergleiche geschehen entweder
gerichtlich oder außergerichtlich; jene werden auf Veranlassung des Richters
über die bereits bei Gericht anhängige Strittigkeiten, diese aber ohne
richterlicher Zuthat aus eigenem freien Antrieb der Parten entweder über die
bei Gericht schon hangende, oder auch nicht anhängige strittige Sachen
geschlossen.
[3, 2, § 17] 184. Die Vergleiche werden entweder überhaupt
über alle zwischen denen sich vergleichenden Parten fürwaltende Ansprüche, An-
und Gegenforderungen von verschiedenen Arten und Gattungen, oder aber über
mehrere an sich zwar unterschiedene Ansprüche doch von einerlei Art und
Gattung, oder endlich nur über eine gewisse Strittigkeit insonderheit
eingegangen.
[3, 2, § 17] 185. Wann ein Vergleich überhaupt über alle
Ansprüche und Forderungen, wo sie immer herrühren, und was für Namen sie haben
mögen, ohne Ausnahm getroffen wird, so sind auch alle dadurch getilget und
aufgehoben, welche zur Zeit des geschlossenen Vergleiches dem einen oder
anderen Theil hätten gebühren können; auf die künftige Ansprüche aber mag ein
solcher Vergleich nicht ausgedeutet werden, welche aus einer erst nach dessen
Zustandbringung sich ergebenen, oder wenigstens bei dessen Abschluß noch nicht
bekannten Ursache neuerlich entspringen, und woran folglich zur Zeit des also
eingegangenen Vergleiches nicht gedacht worden.
[3, 2, § 17] 186. Wird aber ein Vergleich zwar über mehrere
Strittigkeiten, welche jedoch alle von einerlei Gattung sind, und insgesammt
aus einer Ursache herstammen,
(3-48) errichtet, als da z. B. ein zur Großjährigkeit
gelangter Wais mit seinem Vormund oder Gerhaben über alle wegen verwalteter
Vormundschaft an ihn machende Forderungen, oder auch ein Gesellschafter mit dem
anderen, ein Herr mit seinem Befehlshaber, Sachwalter oder unverraiteten Diener
sich überhaupt über alle strittige Punkten vergleichet, so werden alle unter
dieser Gattung begriffene, und aus der zur Zeit des Vergleiches fürgewalteten
Ursache herrührende Ansprüche andurch behoben, obgleich selbe erst nach
Abschluss des Vergleiches hervorkämen; es wäre dann, daß die künftig in
Erfahrnuß bringende Forderungen ausdrücklich davon ausgenommen würden, oder ein
erweislicher Irrthum, oder eine geflissentliche Gefährde des Gegentheils dabei
unterliefe.
[3, 2, § 17] 187. Ein sonderheitlicher Vergleich hingegen,
welcher über eine Strittsache namentlich allein geschlossen wird, kann auf
andere darinnen nicht einkommende Strittigkeiten nicht erstrecket werden,
sondern es ist jedem Theil noch allezeit unverwehret derowegen sein Recht zu
suchen, wann auch solche ausdrücklich in dem sonderheitlichen Vergleich nicht
vorbehalten worden wären.
[3, 2, § 17] 188. Wie die Parten sich untereinander
vergleichen, also muß es auch gehalten werden, und ist darinnen kein
Unterschied, ob der Vergleich schriftlich oder mündlich geschlossen werde,
sondern er hat in alle Wege seine Giltigkeit, wann solcher nur von Jenem, der
sich darauf beziehet, rechtsbehörig erwiesen werden mag.
§. XVIII.
[3, 2, § 18] 189. Vergleiche können von Jedermann getroffen
werden, der nach Ausweis des ersten Capitels, §. II, Verbindungen einzugehen,
oder solche zu erlassen fähig ist; es werden dahero alle Diejenigen
ausgeschlossen, welche entweder wegen Gebrechen des Verstands, oder wegen
beschränkter Schalt- und Waltung mit ihrem Gut sich zu etwas zu verbinden nicht
vermögen.
[3, 2, § 18] 190. Auch von Gesellschafteren, Miterben,
gemeinschaftlichen Besitzeren eines noch ungetheilten Guts, oder mehreren
Theilhaberen an einem Rechtsstritt kann ein Jeder für seinen Antheil Vergleiche
schließen, wann die Sache füglich getheilet werden kann, und denen übrigen
Mitgenossen daraus kein Schaden erwachset.
[3, 2, § 18] 191. Wäre aber die Sache, um die es sich
handlet, untheilbar, oder ein solcher einseitiger Vergleich gereichete denen
anderen Mitverwandten zum Nachtheil, so wirket zwar dieser Vergleich an Seiten
des sich also Vergleichenden die Begebung seines Rechts nach Maß der mit dem
Gegentheil eingegangenen Verbindung, in Ansehen deren Uebrigen aber ist
derselbe ganz und gar unverfänglich, und ihrem Recht unabbrüchig.
§. XIX.
[3, 2, § 19] 192. Nicht nur für sich, sondern auch für
Andere kann Jemand Vergleiche eingehen, wann er entweder durch das Gesatz, als
die Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder durch ausdrücklich aufhabenden
Befehl und Vollmacht, als die Befehlshabere und bevollmächtigte Anwälte darzu
begewaltiget ist, oder wenigstens als ein Sachwalter die Beangenehmung dessen,
welchen er vertritt, nachtraget, und ist die Befugnuß der Vormünderen und
Curatorum für ihre Pflegebefohlene Vergleiche zu treffen bereits im ersten
Theil, in der Abhandlung von Verwaltung der Vormundschaft erkläret worden.
[3, 2, § 19] 193. Daß aber ein Anwalt, Bevollmächtigter oder
Sachwalter für jemanden Anderen entweder gerichtlich, oder außergerichtlich
einen zu Recht bestehenden Vergleich schließen könne, ist erforderlich, damit
der sich hierzu Angebende entweder eine absonderliche auf die anstoßende
Vergleichshandlung gerichtete Vollmacht, oder einen uneingeschränkten Befehl
mit vollkommener Gewalt und Freiheit nach eigenen Gutbefund zu schalten und zu
walten vorzeige, oder wenigstens eine dem Gegentheil
(3-49) annehmliche Bürgschaft leiste, daß er die Gutheißung der von ihme vertretenden Part verschaffen wolle.
[3, 2, § 19] 194. Kann sich nun der in einen Vergleich
einlassende Anwalt mit einer hinlänglichen Vollmacht ausweisen, oder die
Gutheißung beibringen, so wird der Gewaltgeber durch einen solchergestalten von
seinem Anwalt oder Sachwalter getroffenen Vergleich ebenso rechtskräftig
verbunden, als ob er denselben in eigener Person eingegangen hätte.
[3, 2, § 19] 195. Würde aber der Anwalt oder Sachwalter die
Grenzen seiner Vollmacht überschreiten, und die von ihme angesicherte
Gutheißung nicht verschaffen können, so wird zwar Derjenige, dessen Person er
vertreten, aus einem solchen Vergleich, insoweit dieser mit der gegebenen
Vollmacht nicht übereinstimmet, nicht verfänglich; der Anwalt oder Sachwalter
aber ist schuldig, dem Gegentheil allen aus Zerschlagung eines auf seine Gefahr
getroffenen Vergleichs entstehenden erweislichen Schaden zu vergüten.
[3, 2, § 19] 196. Die Gemeinvorstehere können zwar auch in
Namen und anstatt der ganzen Gemeinde in denen dieselbe betreffenden
Strittigkeiten Vergleiche eingehen, doch wollen Wir bei Unseren
landesfürstlichen Städten und Märkten hiemit gnädigst verordnet haben, daß in
Fällen, wo der abschließende Vergleich auf Veräußerung deren Gemeingütern, oder
Begebung ihrer Rechten, oder auf Einschuldigung der Gemeinde, oder sonst auf
eine derselben für beständig zuziehende Schuldigkeit abzielete, allemal vorhero
der Vergleich Uns, oder derjenigen Stelle, welcher Wir diesfalls die Macht
einraumen, mit allen sowohl vor als wider die Gemeinde streitenden Behelfen zur
Einsicht vorgeleget, und darüber Unsere höchste Bestätigung eingeholet werde,
wo im Widrigen in deren Ermanglung ein solcher Vergleich von gar keiner
Bündigkeit sein solle. Soviel es aber die obrigkeitliche und unterthänige
Gemeinden anbelanget, dießfalls bleibet es bei der Verfassung eines jeden
Landes.
[3, 2, § 19] 197. Ferners entkräften Wir auch aus dem Uns
zustehenden höchsten vogtherrlichen Recht bei geistlichen Stiftern, Klöstern und
anderen milden Stiftungen alle ohne Unserer Einsicht und Bestätigung treffende,
und auf die Veräußerung liegender Güter abzielende Vergleiche; ingleichen
sollen Unsere Kammerprocuratores in Fällen, wo es um Unsere eigene höchste
Rechten zu thuen ist, ohne Unserer Beangenehmung keine Vergleiche einzugehen
befugt sein.
[3, 2, § 19] 198. Nicht weniger sind die Besitzere der
Fideicommißgüter schuldig, über die von ihnen treffende Vergleiche, wann es
hiebei auf die Veräußerung, Schmälerung oder Beschwerung des Fideicommißi
ankäme, nach veranlaßter Vernehmung gesammter Anwarteren Unsere Bestätigung
auszuwirken, ohne welcher derlei Vergleiche zu Recht nicht bestehen können.
§. XX.
[3, 2, § 20] 199. Ansonst können über alle handelbare Dinge,
die zweifelhaft und strittig sind, Vergleiche errichtet werden, wo aber kein
Zweifel oder Stritt ist, hat auch kein Vergleich statt, sondern über gewisse
und unzweifelhafte Schuldigkeiten wird die Vereinigung beider Theilen für einen
Vertrag geachtet, wie bereits oben num.182 erwähnet worden.
[3, 2, § 20] 200. Davon sind jedoch die aus einem
schriftlichen oder mündlichen Testament oder Codicill herrührende
Strittigkeiten, oder darinnen verschaffte Vermächtnussen ausgenommen, worüber,
insolange eine solche letztwillige Anordnung nicht behörig eröffnet, und
gerichtlich kund gemachet worden, kein Vergleich, Vertrag oder sonstige
Verzicht giltig ist.
§. XXI.
[3, 2, § 21] 201. Künftig zu entrichten habende
Nahrungsmitteln und Unterhaltsgelder, sie mögen aus letztwilliger Anordnung, oder
aus einem Contract, Vertrag, oder
(3-50) aus bloßer Zusage gebühren, können ohne vorläufiger
gerichtlicher Erkanntnuß und Erwägung der Umständen durch Vergleiche nicht
geschmäleret oder verminderet, noch weniger erlassen, wohl aber ohne aller
richterlicher Zuthat entweder in dem Betrag, oder in der Weis und Zeit der
Abfuhr verbesseret und vermehret werden.
[3, 2, § 21] 202. Dahingegen ist Jedermänniglich, der sonst
Verbindungen einzugehen fähig ist, unverwehret, über die schon vertagte oder
verfallene Nahrungs- und Unterhaltsgelder nach Gefallen Vergleiche zu treffen;
desgleichen stehet einer Wittib frei, wann sie sonst wegen minderjährigen
Alters sich durch Verträge zu verbinden nicht verhinderet wird, über ihr
Leibgeding oder wittiblichen Unterhalt auch mit dessen Verringerung oder
gänzlicher Erlassung Vergleiche zu errichten.
§. XXII.
[3, 2, § 22] 203. Ueber Verbrechen können zwar auch
Vergleiche getroffen werden, so viel es die Privatgenugthuung des Beleidigten
wegen des ihme zugefügten Schadens oder Schimpfs anbelanget, und hat ein
solcher Vergleich die Wirkung, daß von Demjenigen, welcher sich also
verglichen, des Verbrechens halber nicht mehr geklaget werden könne.
[3, 2, § 22] 204. Die öffentliche Genugthuung aber wird
andurch nicht aufgehoben, sondern der Obrigkeit, oder dem betreffenden Gericht
lieget noch allemal ob, ohnerachtet des Vergleiches mit dem beleidigten Theil
wider den beinzichtigten Missethäter nach Ordnung der peinlichen Rechten zu
verfahren, und nach Befund die verwirkte Strafe zu verhängen; es wäre dann, daß
der Vergleich nach Erwägung aller Umständen von Uns ohne allem weiteren
Vorbehalt gutgeheißen und bestätiget würde, in welchem alleinigen Fall das
Verbrechen andurch für gänzlich abgethan, und für vollkommen erloschen zu achten
ist.
[3, 2, § 22] 205. Ansonst wirket ein dergleichen Vergleich
eine die That wahrscheinlich machende Anzeige, woraus zur besonderen
Untersuchung wider den Missethäter fürgeschritten werden kann, und der
beleidigte oder beschädigte Theil, welcher sich verglichen, ist dessen
ohnangesehen schuldig, auf jedesmaliges Erforderen der Obrigkeit das Corpus
delicti oder die Gewißheit der Missethat nach Vorschrift der peinlichen
Gerichtsordnung zu bewähren.
[3, 2, § 22] 206. Doch solle Demjenigen, welcher sich wegen einer
ihme angeschuldeten Missethat mit dem Kläger vergleichet, hieraus an seinen
Ehren und guten Leumund kein Nachtheil oder Mackel erwachsen, insolange er
nicht durch Urtheil und Recht eines begangenen, die Ehrlosigkeit nach sich
ziehenden Verbrechens überführet, und für schuldig erkennet worden.
§. XXIII.
[3, 2, § 23] 207. Ordentlich geschlossene zu Recht
bestehende Vergleiche haben nicht nur dieses mit allen Verträgen gemein, daß
die sich vergleichende Theile Dasjenige, zu was sich dieselbe darinnen gegeneinander
verbunden, zu leisten und zu erfüllen schuldig sind, und sie durch rechtliche
Zwangsmittel darzu angehalten werden können, sondern sie sind noch besonders
über das gleicher Wirkung mit einem rechtskräftigen Urtheil.
[3, 2, § 23] 208. Dann ein Rechtsstritt wird durch Vergleich
nicht weniger, als durch Urtheil und Recht entschieden, und ist dahero Jener,
welcher wegen einer bereits verglichenen Sache anwiederum belanget wird, sich
auf das Eingeklagte nicht mehr einzulassen schuldig, sondern die Einrede des
schon durch Vergleich geendigten Rechtsstritts eben sowohl vorzuwenden befugt,
als ob solcher durch richterliches Urtheil ausgemachet worden wäre.
[3, 2, § 23] 209. Es muß demnach auf Vorzeigung eines
Vergleiches schleunige Rechtshilfe ertheilet werden, und kann Niemand von dem
einmal getroffenen Vergleich abweichen, weder solchen aus dem Vorwand
widerrufen, daß die vermeinte Ursach der
(3-51) Verbindlichkeit nicht vorhanden gewesen, oder
daß der sich dabei vorgesetzte und abgezielte Endzweck mißlungen und verfehlet
worden, oder daß neue vorhin nicht bei Handen gehabte Urkunden und Behelfe sich
vorgefunden, außer sie wären so beschaffen, daß hieraus ein neuer, bevor nicht
vorgesehener Anspruch und Rechtsforderung entstünde.
[3, 2, § 23] 210. Noch weniger aber kann das aus dem
Vergleich Gegebene oder Verheißene als etwas Ungebührliches zurückgeforderet
werden, obgleich der andere Theil seinerseits den Vergleich noch nicht erfüllet
hätte; es wäre dann in Vergleich ausdrücklich vorgesehen, daß solchenfalls,
wann ein Theil demselben nicht nachleben würde, der andere Theil daran ferner
nicht gebunden, sondern ihme freistehen solle, sofort seine vorige
Rechtsansprüche zu verführen, als ob niemalen ein Vergleich getroffen worden
wäre.
[3, 2, § 23] 211. Wann aber die aus dem Vergleich gebührende
Schuldigkeit zur gesetzten Zeit nicht geleistet wurde, ist der andere Theil
befugt, Dasjenige anzusuchen, um was er wegen Verzögerung und Saumsal des
Gegentheils verkürzet und beschädiget worden, und ist den Parten dabei
unverwehret auf den Nichteinhaltungsfall entweder solches sogleich zu
bestimmen, oder anstatt dessen eine mäßige den weiter unten in dem neunten
Capitel ausgemessenen Betrag nicht überschreitende Geldbuße beizusetzen.
[3, 2, § 23] 212. Wie dann auch denenselben freistehet,
untereinander auszudingen, daß der nicht Einhaltende oder dem Vergleich zuwider
Handelnde alles Dasjenige, was ihme darinnen erlassen worden, für voll zu
bezahlen schuldig, dahingegen nicht befugt sein solle von dem Gegentheil, welcher
seinerseits in Beobachtung des Vergleiches keinen Verzug begangen, ein Mehreres
zu forderen, als er vermöge des Vergleiches zu geben versprochen.
[3, 2, § 23] 213. Doch solle nicht erlaubet sein, den
Vergleich also zu fassen, daß jenes, was auf die verglichene Schuldigkeit
bezahlet worden, bei einem in der weiteren Abfuhr sich ereignenden Verzug
verfallen sein solle, sondern wo sich ein solcher Beisatz finden würde, ist
hierauf gar keine Rücksicht zu tragen, und dem anderen Theil gebühret über den
verglichenen Betrag nichts Mehreres, als was ihme durch Saumsal des Gegentheils
geschadet worden zu sein erweislich ist. Würde aber ein dergleichen Zusatz bei
verglichenen Geldsummen beigerucket werden, so ist der Vergleich für eine
wucherliche Handlung anzusehen, und wider Denjenigen, der sich solchen
ausbedungen, mit den darauf ausgesetzten Strafen zu verfahren.
[3, 2, § 23] 214. Wann ein Vergleich über die Hauptsache zu
Stand gekommen, kann wegen der bis dahin schuldigen Nebengebührnussen, als
Zinsen, Schäden und Unkosten etc. keine weitere Forderung erreget werden,
sondern solche werden für erlassen und nachgesehen geachtet, woferne derowegen
in dem Vergleich kein Vorbehalt bedungen worden.
[3, 2, § 23] 215. Die Pfand- und Bürgschaften hingegen
werden durch den über die Hauptsumme, wofür sie eingeleget worden, getroffenen
Vergleich nicht aufgehoben, wann sie nicht ausdrücklich erlassen worden; jedoch
ist es dem Bürgen ganz unnachtheilig, wann der Schuldner gegen seinem Glaubiger
sich in dem Vergleich zu etwas Mehreren, was die Bürgschaft nicht enthält,
verbindet, sondern der Bürg ist nur für jenes, für was er gutgestanden, zu
haften schuldig.
§. XXIV.
[3, 2, § 24] 216. Nur in folgenden Fällen kann ein
getroffener Vergleich anwiederum aufgehoben werden, als da erstens, mit
beiderseitiger Einwilligung davon abgegangen und was Anderes beliebet wird, in
welchem Fall Alles, was ein Theil von dem Anderen des Vergleiches halber
erhalten, hinwiederum zuruckzustellen ist, woferne nichts Anderes bedungen
worden.
[3, 2, § 24] 217. Zweitens wird ein Vergleich durch alles
Dasjenige entkräftet, was die freie Einwilligung verhinderet und ausschließet,
als da Jemand durch Betrug,
(3-52) Arglist und Gefährde, rechtmäßige Forcht, oder
unbefugten Zwang zu einem Vergleich verleitet worden, in dessen Willkür es
beruhet, entweder von dem Vergleich abzugehen, oder dabei zu beharren.
[3, 2, § 24] 218. Drittens hat es eine gleiche
Beschaffenheit, da Jemanden durch offenbaren Muthwillen aus eitler Forcht eines
erregenden Rechtsstritts der Vergleich abgenöthiget worden zu sein erweislich
wäre, als da ein Schuldner zu Verkürzung seiner treuherzigen Glaubigeren
muthwilliger und betrügerischer Weis den größten Theil seines Vermögens
vertuschete, und andurch von ihnen einen Nachlaß der Schuld durch Vergleich
erhielte, ist solcher nach erwiesenen Betrug null und nichtig.
[3, 2, § 24] 219. Viertens zerfallet der Vergleich, wann
diejenige Urkunden, worüber er geschlossen worden, nachhero falsch zu
sein befunden werden, nach Maß der entdeckten Falschheit, oder wann ein
erweislicher Rechnungsverstoß unterwaltet, woferne nicht über diesen
Rechnungsverstoß selbst wegen Dunkelheit und Verwirrung der Raitungen als über
eine zweifelhafte Sache der Vergleich eingegangen worden.
[3, 2, § 24] 220. Außer diesen Fällen solle ein ordentlich
errichteter Vergleich weder wegen vorschützenden Irrthums, noch wegen
vorgeblicher übermäßiger Verkürzung widerrufen werden können, sondern
Derjenige, welcher durch den getroffenen Vergleich eine Verkürzung erleidet,
hat sich selbst beizumessen, daß er sich also verglichen habe.
Caput III.
Von benannten Contracten insgemein.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft der benannten
Contracten. §. II. Von Unterschied der ein- und zweibündigen Contracten. §.
III. Von Eintheilung der Contracten in wahre, und die denen Contracten
gleichkommende Handlungen. §. IV. Von der Eintheilung in Real- und
Consensualcontracten. §. V. Von Gattungen der Realcontracten. §. VI. Von
Gattungen der Consensualcontracten. §. VII. Von Gattungen der denen Contracten
gleichkommenden Handlungen. §. VIII. Von dem Unterschied zwischen dem
Wesentlichen, Natürlichen und Zufälligen bei einem Contract. §. IX. Von dem
Unterschied zwischen einem angefangenen, errichteten und vollbrachten Contract.
§. I.
[3, 3, § 1] Num. 1. Die zweite Gattung verbindlicher
Handlungen sind die benannte Contracten, worunter jene Verträge verstanden
werden, welche über die Kraft der beiderseitigen Vereinigung von den Gesetzen
eine besondere vorgeschriebene Form und Gestalt, und einen eigenen Namen haben.
(3-53) [3, 3, § 1] 2. Andurch werden dieselbe sowohl von
unbenannten Verträgen oder Contracten, welche wegen unendlicher Verschiedenheit
bürgerlicher Handlungen in ihrer gemeinen und unbeschränkten Gestalt ohne eigentlicher Benennung gelassen werden müssen, als auch
untereinander unterschieden.
[3, 3, § 1] 3. Ein benannter Contract ist solchemnach eine
mit beiderseitiger Vereinigung geschlossene verbindliche Handlung, welche ihre
eigene durch die Gesetze besonders bestimmte Gestalt und Benamsung hat,
gleichwie in Gegentheil die unbenannte Verträge und Contracten ihre Form und
Gestalt nicht von dem Gesatz, sondern von der alleinigen Willkür der
Contrahenten erlangen, wie solches bereits in zweiten Capitel, §§. VII und VIII
erkläret worden.
[3, 3, § 1] 4. Es bestehet dahero das Wesentliche eines
jeden benannten Contracts in dieser sonderheitlichen Form und Gestalt also
unzertrennlich, daß ohne deren Beobachtung der vorhabende Contract nicht
erzielet werden mag, sondern die Handlung die Form jenen Geschäfts annimmt, mit
deme ihr Wesentliches übereinstimmet, wie aus der folgenden Abhandlung mit
Mehreren erhellen wird.
§. II.
[3, 3, § 2] 5. Die benannte Contracten werden ebensowohl,
als von denen unbenannten in zweiten Capitel, §. VI, gemeldet worden, in
einbündige und zweibündige eingetheilet. Jene werden also benamset, weilen nur
ein Theil dem anderen daraus verbunden wird, diese hingegen, weilen beide
Theile entweder schon Anfangs der Handlung wegen der Hauptsache in gleicher
Maß, oder aber der eine Theil in Anfang hauptsächlich, und der andere nachhero
mit der aus natürlicher Billigkeit entspringenden Ruckverbindlichkeit
gegeneinander verpflichtet werden.
[3, 3, § 2] 6. Die Einbündige wirken nur allein eine
Rechtsforderung wider den verbundenen Theil, dahingegen gebühret aus
zweibündigen, welche beide Theile gleich Anfangs gegeneinander hauptsächlich
verbinden, jedem Theil wider den anderen eine gleichmäßige Rechtsforderung. Aus
jenen Zweibündigen aber, die erst in der Folge den anderen Theil von Billigkeitswegen
ruckverbindlich machen, entstehet nur die Hauptforderung wider den
hauptsächlich Verbundenen, und die Ruck- und Gegenforderung wider Jenen, der
ruckverbindlich worden.
(3-54) [3, 3, § 2] 7. Einbündige Contracten sind das Leihen
oder Borgen, der Zinscontract, die Bürgschaft, wie nicht weniger folgende
denenselben gleichkommende Handlungen, als Zahlung aus Irrthum, Antretung der
Erbschaft, Aufladung auf ein Schiff oder Wagen, oder Abladung in einen Gasthof,
aus welchen nur allein der Schuldner oder Zinsmann, der Bürg, der Annehmer der
ungebührlichen Zahlung, der Erb und der Schiffer, Fuhrmann oder Gastwirth
verbunden wird, und dahero auch nur eine Rechtsforderung wider dieselbe allein
gebühret.
[3, 3, § 2] 8. Alle übrige Contracten sind zwar zweibündig,
doch nach dem obbemerkten Unterschied, daß aus einigen beide Theile gleich
Anfangs in der Hauptsache verbunden werden, folglich auch zweierlei
Hauptforderungen gegeneinander daraus entstehen, als in Kauf und Verkauf,
Tausch-, Miethungs-, Erbzins-, Gesellschafts- und Gewährungs- oder
Versicherungscontract, sowie in nachstehenden den Contracten gleichkommenden
Handlungen, als in Gemeinschaft eines Guts, Gemeinschaft der Erbschaft,
Grenzscheidung und Befestigung des Kriegs.
[3, 3, § 2] 9. Aus anderen aber nur einer hauptsächlich, und
der andere Theil in der Folge ruckverbindlich werde, und dahero einerseits nur
die Hauptforderung, und andererseits die Ruck- oder Gegenforderung gebühre, als
in Leihen zum Gebrauch, Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts, Pfand-,
Schätzungs- und Befehlscontract, dann in denen zweien ihnen gleichkommenden
Handlungen, als in Verwaltung fremder Geschäften, und Verwaltung der
Vormundschaft.
[3, 3, § 2] 10. Die Hauptforderung aus der letzteren Gattung
der zweibündigen Contracten kommet allemal Jenem zu, welcher aus dem Contract
hauptsächlich nicht verbunden wird, sondern deme der Andere verstricket ist, zu
Erlangung dessen, was ihme aus der wesentlichen Schuldigkeit des Contracts
gebühret, dahingegen hat Derjenige die Ruck- oder Gegenforderung, welcher aus
dem Contract hauptsächlich verbunden ist, zu Habhaftwerdung dessen, was ihme
außer dem Wesentlichen des Contracts zu seiner Entschädigung nach natürlicher
Billigkeit erstattet werden muß.
§. III.
[3, 3, § 3] 11. Ein Contract in dem weitesten Verstand
begreifet sowohl die Handlungen, welche mit ausdrücklicher Verabredung und
wahrer Einwilligung beider Theilen getroffen werden, und dahero wahre und
eigentliche Contracten sind, als auch jene, die ohne vorhergehender Abrede oder
Vereinigung aus einer That entstehen, welcher die Gesetze auch außer einem
ausdrücklichen Vertrag aus einer vermutheten oder darfürgehaltenen Einwilligung
die Kraft der Verbindlichkeit zueignen, und diese werden denen Contracten
gleichkommende Handlungen genannt, wovon in dem hienachfolgenden neunzehenten
Capitel gehandlet wird.
[3, 3, § 3] 12. Die wahre Contracten bestehen entweder für
sich allein ohne Beitritt eines anderen, als Leihen, Kaufen, Miethen und
dergleichen, oder sie erforderen zu ihrer Wesenheit eine vorhergehende
Verbindlichkeit aus einem Vertrag oder Contract, deme dieselbe als eine Folge
beitreten, als Verpfänden und Verbürgen, vor deren so einem, als anderen die
Schuldigkeit, derhalben ein Unterpfand gegeben, oder eine Bürgschaft geleistet
wird, nothwendig vorherzugehen hat.
[3, 3, § 3] 13. Unter wahren Contracten sind ferners einige,
die aus ihrer Natur und Eigenschaft die Uebertragung des Eigenthums ganz oder
zum Theil wirken, wann die Uebergab der Sache hieraus erfolget, als das Darleihen,
Verkaufen, Vertauschen, der Schätzungs-, Erbzins- und Gesellschaftscontract.
[3, 3, § 3] 14. Alle übrige benannte Contracten sind zwar
ihrer Natur nach auf Uebertragung des Eigenthums nicht gerichtet, es kann ihnen
aber ein Beding beigefüget werden, kraft dessen das Eigenthum übertragen wird,
als da Jemanden aus einem solchen Contract ein fremdes Gut in dem beigeruckten
Anschlag oder Schätzungswerth mit dem ausdrücklichen Beding übergeben würde,
daß entweder die Sache
(3-55) zuruckgestellet, oder der bedungene Werth darfür
bezahlet werden solle, oder da auch die Uebergab gegen der Verbindlichkeit
geschehe, daß nicht dieselbe Sache, welche übergeben worden, sondern eine
andere von der nemlichen Gattung zuruckerfolget werde.
[3, 3, § 3] 15. Außer dem Beisatz eines solchen Bedings wird
durch derlei Contracten entweder nur der Besitz als in Verpfändung einer Sache,
oder der Gebrauch als in Vermiethen und Leihen zum Gebrauch überlassen, oder
die Besorgnuß und Verwahrung der Sache, oder die Verwaltung der Geschäften
aufgetragen, als bei Hinterlegung eines Guts und in Befehlscontract, oder
endlich nur eine Sicherheit bestellet, als in Bürgschaften, und dem Gewährungs-
oder Versicherungscontract. In allen diesen Handlungen bleibet der übergebende
Theil auch nach vollzohener Uebergabe noch allezeit Eigenthümer der Sache, und
behält alle aus dem Eigenthum herrührende Rechte, insoweit er sich deren in dem
Contract nicht begeben hat, außer denen letzteren zweien Contracten, wobei es
auf keine Uebergabe, sondern nur auf die Zahlung des schuldigen Betrags
ankommet.
§. IV.
[3, 3, § 4] 16. Die benannte Contracten unterscheiden sich
ferner in deme, daß einige durch bloße Einwilligung beider Theilen, andere
hingegen nicht anderst, als durch Uebergebung der Sache, warum es sich handlet,
ihre vollständige Wesenheit erlangen, welche letztere sächliche oder
Realcontracten, erstere aber Verwilligungs- oder Consensualcontracten genannt
werden.
[3, 3, § 4] 17. Dann obschon alle Verträge oder Contracten
ohne Ausnahm die Kraft der Verbindlichkeit aus der Einwilligung der
Contrahenten erhalten, so sind doch einige, welche weder die abgezielte
Verbindlichkeit wirken, noch in der von den Contrahenten vorhabenden Form und
Gestalt geschlossen werden können, wann nicht zugleich die wirkliche Uebergab
der Sache, welche die Handlung betrifft, erfolget; also kann ein
Darlehenscontract niemalen zu seiner Vollständigkeit gelangen, insolange nicht
das Darlehen wirklich gereichet oder zugezählet wird, und wiewohlen beide
Theile wegen eines Darlehens durch ihre Einwilligung übereinkommen, so wird
zwar der eine zu dessen Reichung, nicht aber auch der Andere zu dessen
Ruckzahlung als zu der dem Darlehenscontract eigends zukommenden Schuldigkeit
verbunden, bis daß nicht das Darlehen wirklich gereichet worden.
[3, 3, § 4] 18. Gleichwie in Gegentheil jene Contracten,
welche in alleiniger Einwilligung der Contrahenten bestehen, zwar zu ihrem
Vollzug und Erfüllung die Uebergab der Sache erforderen, dahingegen aber schon
ehe und bevor noch die Sache übergeben worden, ihre vollständige Wesenheit
erhalten, und die ihnen eigene Verbindlichkeit bewirken, also wird aus
Kaufcontracten sowohl der Kaufer als Verkaufer verbunden, ehe noch das
verkaufte Gut übergeben, oder der bedungene Werth bezahlet worden.
[3, 3, § 4] 19. Es ist demnach bei Realcontracten die
Uebergab der Sache nebst der Einwilligung der Contrahenten die wirkende Ursach
der contractmäßigen Verbindlichkeit, oder wenigstens eine wesentliche
Bedingnuß, ohne welcher diese nicht bestehen kann, dahingegen ist bei
Consensualcontracten die Uebergab der Sache eine Folge der schon vorhero aus
dem Contract erwachsenen Schuldigkeit.
[3, 3, § 4] 20. Dahero wird in Realcontracten die Sache
übergeben, damit der nehmende Theil verbunden werde, aus Consensualcontracten aber
geschiehet die Uebergabe, daß der gebende Theil von der schon eingegangenen
Verbindlichkeit befreiet und enthoben werde; also hat der Verkaufer das
verkaufte Gut erfolgen zu lassen, damit er sich von der contractmäßigen
Verbindlichkeit entledige, der Glaubiger hingegen strecket dem Schuldner das
Darlehen vor, damit er sich diesen verbindlich mache.
(3-56) §. V.
[3, 3, § 5] 21. Die Realcontracten, welche vorbesagter Maßen
zu ihrer Wesenheit entweder eine wahre, oder auch nur dafür geachtete Uebergab
der Sache erheischen, sind viererlei, als erstens, das Leihen oder Borgen;
zweitens, das Leihen zum Gebrauch; drittens, die Hinterlegung eines Guts zu
getreuen Handen; viertens, das Verpfänden.
[3, 3, § 5] 22. Alle diese vier Contracten haben zwar die
Sache, warum es sich handlet, zum Gegenstand, doch in verschiedener Absicht;
dann in dem ersten wird der nehmende Theil zum Eigenthümer der dargeliehenen
Sache gemachet, und ebenso vieles von der nemlichen Gattung, Betrag und
Eigenschaft zuruckzustellen verbunden, in dem zweiten aber nur der Gebrauch des
gelehnten Dings überlassen, in dritten die Verwahrung des hinterlegten Guts
aufgetragen, und endlich in dem vierten die Sicherheit an der verpfändeten
Sache bestellet.
§. VI.
[3, 3, § 6] 23. Deren Consensualcontracten sind zehnerlei
Gattungen, als erstens, die Bürgschaft; zweitens, der Kauf und Verkauf;
drittens, der Tausch; viertens, der Schätzungscontract; fünftens, das Miethen
und Vermiethen; sechstens, der Erbzinscontract; siebentens, die Gesellschaft;
achtens, der Befehlscontract; neuntens, der Gewährungs- und
Versicherungscontract; zehentens, der Wechsel, wovon aber in einer besonderen
Wechselordnung gehandlet wird.
[3, 3, § 6] 24. Obwohlen aber einige dieser Contracten
mündlich, andere schriftlich geschlossen zu werden pflegen, so entstehet doch
hieraus kein wesentlicher Unterschied, und haben weder die Worte, noch die
Schrift die Kraft einiger Verbindlichkeit, sondern gleichwie die ganze
Wesenheit dieser Contracten aus der Einwilligung der Contrahenten herfließet,
also unterscheiden sich dieselbe lediglich nach der verschiedenen Form und
Gestalt der Handlungen, welche ihnen das Gesatz beileget, und wird sich dabei
sowohl der Worten, als der Schrift in keiner anderen Absicht bedienet, als daß
dadurch entweder die Einwilligung ausgedrucket, oder auch der Beweis der
Handlung hergestellet werde.
§. VII.
[3, 3, § 7] 25. Deren den Contracten gleichkommenden
Handlungen sind neun Gattungen, als erstens, die Verwaltung fremder Geschäften;
zweitens, die Verwaltung der Vormundschaft; drittens, die Zahlung aus Irrthum;
viertens, die Gemeinschaft eines Guts; fünftens, die Gemeinschaft der
Erbschaft; sechstens, die Grenzscheidung; siebentens, die Antretung der
Erbschaft; achtens, die Aufladung auf ein Schiff oder Wagen, oder Abladung in
einen Gasthof; neuntens, die Befestigung des Kriegs.
[3, 3, § 7] 26. Gleichwie jedoch diese Handlungen sich von
wahren Contracten in deme unterscheiden, daß sie nicht wie jene, aus wahrer,
sondern nur aus einer von dem Gesatz vermutheten, oder dafürgehaltenen
Einwilligung entstehen, und ihre Form und Gestalt aus der Aehnlichkeit, die sie
mit einem oder dem anderen wahren Contract haben, herleiten, also wird auch die
Beschreibung der wahren Contracten vorhergehen, und sodann erst, wie bereits oben
num. 11 erwähnet worden, die Erklärung dieser ihme gleichkommenden Handlungen
folgen.
§. VIII.
[3, 3, § 8] 27. Bei jedwedem Contract ist das Wesentliche,
Natürliche und Zufällige wohl zu unterscheiden. Durch das Wesentliche wird
jenes verstanden, welches zur Wesenheit eines jeden Contracts dergestalten
erforderet wird, daß solcher in dessen Ermanglung nicht bestehen, noch auch
dieses durch beigefügte Nebenverträge mit
(3-57) Bestand des Contracts davon abgesönderet oder
abgeänderet werden kann, sondern wo durch einen sonst an sich zulässigen
Nebenvertrag, deme etwas zuwider entweder mit Beisätzen oder Abfällen bedungen
wird, verlieret die Handlung die Gestalt des Contracts, und nimmt die Form
desjenigen Geschäfts an, mit deme das beigeruckte Beding übereinkommet.
[3, 3, § 8] 28. Das Wesentliche ist von zweierlei Art; dann
entweder bestimmet es die Wesenheit des Contracts
selbst, oder es ist als dessen wesentliche und nothwendige Folge und Wirkung
anzusehen. Beides ist entweder allen Contracten von einerlei Gattung gemein,
oder kommet einem jeden Contract nach seiner Art
insonderheit zu. Also bestehet die Wesenheit aller
Consensualcontracten überhaupt in beiderseitiger Einwilligung der Contrahenten,
der Realcontracten aber noch über dieses in der wirklichen Uebergab der Sache.
Eben also ist eine wesentliche Folge aller Contracten die Haftung für Betrug,
Arglist, und Gefährde, welche vorhinein durch keinen Nebenvertrag erlassen
werden kann.
[3, 3, § 8] 29. Die sonderheitliche Wesenheit jedweden
Contracts wird seines Orts bei Abhandlung einer jeden Gattung besonders mit
Mehreren erkläret werden. Also erheischet z. B. die
Wesenheit des Darlehencontracts, daß eine genußbare, in Gewicht, Zahl und Maß
bestehende Sache dargeliehen werde, und dessen wesentliche Folge ist die
Uebertragung des Eigenthums. Bei Kauf und Verkauf bestehet die sonderheitliche
Wesenheit in der Waare und dem Werth, und dessen wesentliche Wirkung in
Erfolgung der einen, und Zuzählung des anderen.
[3, 3, § 8] 30. Das Natürliche bei Contracten ist, was nach
Eigenschaft eines jeden Contracts schon aus Anordnung des Gesatzes darinnen
enthalten ist, obgleich solches von den Contrahenten nicht ausgedrucket wird,
doch aber mit beiderseitiger Einverständnuß ohnbeschadet der Wesenheit des
Contracts durch beigedruckte Nebenverträge davon hinweggelassen, oder
abgeänderet werden kann, wie solches bei jedem Contract insonderheit bemerket
werden wird.
[3, 3, § 8] 31. Also ist die mehr oder mindere
Verfänglichkeit für die Schuld eine natürliche Eigenschaft aller Contracten
nach eines jeden besonderer Art und Beschaffenheit, gleichwie bei Kauf und
Verkauf die Leistung der Gewähr, und doch kann durch Nebenverträge die sonst
aus der Natur des Contracts herrührende Haftung für die Schuld auf einen
minderen Grad herabgesetzet, oder auf einen größeren erhöhet, oder auch so, wie
die Leistung der Gewähr gar nachgesehen, und erlassen werden; dann denen
Contracten geben die Verträge Ziel und Maß, wann nur deren Wesentliches dadurch
nicht beirret wird.
[3, 3, § 8] 32. Das Zufällige bei Contracten ist jenes, was
über die wesentliche, oder auch wider die natürliche Eigenschaft des Contracts
durch besondere Nebenverträge aus Willkür der Contrahenten demselben
beigesetzet, niemalen aber, wann es nicht ausgedrucket worden, darunter
verstanden oder vermuthet wird; dergleichen sind bei Kauf und Verkauf das
Haftgeld, der Reukauf, der Ruckfall, der Wiederkauf, bei Miethen und Vermiethen
die vorhinein bedungene Zahlung des Zinses oder Pachtgelds.
§. IX.
[3, 3, § 9] 33. Ein jeder Contract hat dreierlei
Zeitpunkten, als da die Handlung angefangen, geschlossen und vollbracht wird.
Für angefangen ist eine Handlung insolange zu halten, als die vorläufige
Verabredung gepflogen, und kein endlicher Schluß gefasset wird; bis dahin auf
keiner Seite einige Verbindlichkeit, noch weniger eine Rechtsforderung
erwachset, sondern jedem Theil stehet frei die angestoßene Handlung
abzubrechen, als da um Erkaufung einer Sache gehandlet wird, ohne noch in dem
Werth derselben übereinzukommen.
[3, 3, § 9] 34. Sobald aber beide Theile einig sind, und
ihre beiderseitige Einwilligung gegeneinander erklären, ist ein
Consensualcontract sofort errichtet und geschlossen,
(3-58) wovon keinem Theil mehr abzuweichen erlaubet ist,
sondern es entstehen hieraus allsogleich die contractmäßige Verbindlichkeit,
und die daher gebührende Rechtsforderung, als da der Verkaufer schlüssig
worden, die Waare in den behandleten Werth hintanzulassen.
[3, 3, § 9] 35. Dahingegen erforderet ein Realcontract zu
seiner Vollständigkeit noch über die beiderseitige Einwilligung die wirkliche
Uebergab der Sache, warum es sich gehandlet hat; also ist hieran nicht genug,
daß die Contrahenten über die Vorstreckung eines Darlehens oder Hinterlegung
eines Guts sich einverstehen, sondern ein Darlehens- oder Hinterlegungscontract
wird erst damals geschlossen, wann das Darlehen zugezählet, oder das Gut
wirklich hinterleget worden, vor dessen Zuzählung oder Hinterlegung weder die
contractmäßige Verbindlichkeit, noch die damit übereinstimmende Rechtsforderung
bewirket werden kann.
[3, 3, § 9] 36. Endlich wird ein errichteter und
geschlossener Contract vollbracht, wann von einem Theil dem anderen Dasjenige
geleistet wird, zu was er vermöge des Contracts verbunden ist, als da der
Verkaufer die Waare erfolget, und der Kaufer den Werth dafür erleget, der
Schuldner die Schuld bezahlet, und Derjenige, in dessen Verwahrung das Gut
hinterleget worden, solches zuruckstellet.
Caput IV.
Von sächlichen oder Realcontracten, und insonderheit von
Leihen und Borgen.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des
Darlehencontracts. §. II. Von Fähigkeit der Personen, welche ein Darlehen geben
oder nehmen mögen. §. III. Von Sachen, die zum Darlehen gegeben werden können.
§. IV. Von Verbindlichkeit des Schuldners. §. V. Von der Rechtsforderung des
Darleihers oder Glaubigers. §. VI. Von Schuldbriefen, Schuldscheinen und
Schuldverschreibungen. §. VII. Von landtäflichen und stadtbücherlichen
Schuldverschreibungen, und deren Erfordernussen. §. VIII. Von der Klage oder Einwendung
der nichtgeschehenen Zuzählung.
§. I.
[3, 4, § 1] Num. 1. Unter sächlichen oder Realcontracten ist
der erste das Leihen oder Borgen, welches in seiner weitesten Bedeutung
zweierlei an sich unterschiedene Handlungen und Contracten begreifet, als erstens,
da Einer dem Anderen bewegliche Sachen, die im Handel und Wandel nicht nach
ihrer Gestalt, sondern an ihrem Betrag, nach Gewicht, Zahl oder Maß geschätzet
werden, gegen deme leihet, um ihme hernach so viel in gleicher Güte und Werth
wiederzugeben.
(3-59) [3, 4, § 1] 2. Andertens, wann Einer dem Anderen ein
bewegliches Gut ohnentgeltlich zu einem zeitlichen Gebrauch gegen der
Verbindlichkeit leihet, damit solches darnach ihme anwiederum unverletzt und
unverringeret zuruckgestellet werde, und in diesem letzteren Verstand können
alle Sachen, sie mögen die Schätzung nach ihrer Gestalt, oder nach ihrem Betrag
annehmen, ausgeliehen werden, wann nur das Beding dahin eingegangen wird, daß
die nämliche Sache, welche erborget worden, in ihrer Gestalt wiedergegeben
werde.
[3, 4, § 1] 3. In dem ersteren Verstand hingegen kann man
nur jene Sachen ausleihen, deren Schätzung in Gewicht, Zahl oder Maß bestehet,
und welche also beschaffen sind, daß selbe ordentlicher Weise nicht anderst
gebrauchet werden können, als daß sie durch ihren Gebrauch verthan oder
verzehret werden, und obschon nicht mehr das entlehnte Stuck, doch aber
ebensoviel von der nemlichen Gattung, so der erborgten Sache, an Gewicht, Zahl
oder Maß ganz gleich ist, wiedergegeben werden könne.
[3, 4, § 1] 4. Es wird dahero das Leihen von ersterer Art
eigentlich ein Darlehen, das von letzterer Art aber Leihen zum Gebrauch
benamset, und von dem ersteren in gegenwärtigen, von dem letzteren aber in
hienachfolgenden Capitel gehandlet. Ein Darlehenscontract ist demnach eine
verbindliche Handlung, wodurch ein Betrag von gewissen Dingen Jemanden geliehen
wird, daß dagegen von ihme ebensoviel in gleicher Gattung von der nemlichen
Güte und Werth zuruckgegeben werde.
[3, 4, § 1] 5. Gleichwie nun die Wesenheit eines Darlehens
darinnen bestehet, daß solches in der Absicht geschehe, damit das vorleihende
Gut von dem nehmenden Theil verbrauchet, und ein anderes doch von der nemlichen
Gattung zuruckgestellet werde, Niemand aber eine fremde Sache, wann er nicht
Eigenthümer derselben wird, zu verthuen und zu verzehren befugt ist, also
enthält auch der Darlehenscontract eine wahre Veräußerung der vorleihenden
Sache, deren Eigenthum andurch auf den Entlehner übertragen wird.
[3, 4, § 1] 6. Hieraus erhellet der Unterschied von anderen
sächlichen Contracten, in welchen allen die nemliche Sache, die entweder zum
Gebrauch, oder zur Verwahrung, oder zur Sicherheit Jemanden gegeben worden,
anwiederum dem Gebenden in ihrer unverletzten und unverringerten Gestalt
zuruckgestellet werden muß, folglich auch andurch deren Eigenthum nicht
veräußeret, noch von dem nehmenden Theil erworben wird.
[3, 4, § 1] 7. Nicht weniger unterscheidet sich der
Darlehenscontract von dem Tauschcontract; dann obwohlen auch in diesem
letzteren eine Sache für die andere gegeben wird, so ist doch nicht nöthig, daß
beide von gleicher Gattung und von nemlichen Werth und Güte seie, sondern es
werden meistens Sachen von verschiedener Gattung gegeneinander vertauschet.
Nebstdeme erreichet der Tauschcontract durch die bloße Verwilligung der
Contrahenten seine Vollständigkeit, sobald dieselbe wegen des Tausches
übereinkommen, der Darlehenscontract hingegen nicht anderst, als durch die
wirkliche Uebergab der verleihenden Sache.
[3, 4, § 1] 8. Wiewohlen aber ein Darlehen nicht anderst,
als durch Veräußerung des vorleihenden Guts geschehen kann, so ist doch
deshalben weder das Hab und Vermögen des Darleihers für verminderet, noch
dasjenige des Entlehners für
(3-60) vermehret zu achten, sondern gleichwie jener anstatt
der vorgeliehenen Sache die persönliche Rechtsforderung wider den Schuldner
daraus erwirbt, also hat hingegen dieser nicht mehr in seinem Vermögen, als was
nach Abzug der Schulden hievon erübriget wird, weilen der Glaubiger das
Darlehen mit dem Beding giebt, daß er so viel zuruckbekomme, der Schuldner aber
mit der Verbindlichkeit nimmt, daß er ebensoviel wiedergebe.
[3, 4, § 1] 9. Es wird dahero ein erborgtes Geld oder Gut
mit Recht ein fremdes Geld oder Gut benamset, nicht zwar in dem Verstand, als
ob dessen Eigenthum von dem Entlehner nicht erworben, und er etwan solches zu
verthuen und zu verzehren verhinderet würde, sondern weilen derselbe ebensoviel
von seiner Habschaft wiederzugeben schuldig ist.
[3, 4, § 1] 10. Obgleich aber eben dasselbe vorgeliehene
Geld oder Gut in seiner unveränderten Gestalt, in welcher es der Schuldner
empfangen, dem Glaubiger wiedergegeben wird, so entgehet doch andurch der
Wesenheit des Darlehencontracts nichts, sondern es ist an deme genug, daß es in
der Absicht vorgeliehen worden, um es zu verbrauchen und zu verwenden, obschon
der Schuldner zufälliger Weise sich dieser Befugnuß nicht bedienet hat; dann
bei Contracten ist allemal auf den Anfang, und nicht auf den Ausgang zu sehen,
welcher wegen unvorgesehener Zufällen nicht allemal mit der Absicht der
Contrahenten übereinstimmen kann.
[3, 4, § 1] 11. Damit also ein Darlehenscontract für
geschlossen geachtet werden könne, sind zwei Dinge erforderlich, erstens, die
beiderseitige freie Einwilligung in die Darreichung und Annehmung des Darlehens,
dann wo ein Irrthum dabei unterliefe, und der eine Theil etwas aus anderer
Ursache geben, und der andere solches aus anderer Ursache nehmen würde, da
bestehet auch kein Contract.
[3, 4, § 1] 12. Also wann der eine Theil dem anderen eine
Summe Gelds in der Absicht solche bei ihme zu hinterlegen giebt, der andere
aber diese als ein Darlehen annimmt, ist eine solche Handlung weder ein
Hinterlegungs- noch Darlehenscontract, sondern dem gebenden Theil stehet frei,
das Gegebene zuruckzuforderen. Wann hingegen von dem einen Theil etwas
schankungsweise, und in der Ansicht solches nicht mehr wiederforderen zu wollen
gegeben worden, obgleich der andere dasselbe als ein Darlehen empfangen, so
bleibet dessen ohnerachtet das Gegebene dem nehmenden Theil, wann dieser nach
erkannter Willensmeinung des Gebenden die Schankung angenommen hat.
[3, 4, § 1] 13. Es kann jedoch in jenen Fällen ein
Darlehenscontract in der Folge zu Stand kommen, wann beide Theile nach
eingesehenen und erkannten Irrthum einwilligen, womit das Gegebene bei dem
nehmenden Theil als ein Darlehen verbleibe, obgleich Anfangs es in einer
anderen Gesinnung gegeben, oder in anderer Gesinnung empfangen worden.
[3, 4, § 1] 14. Andertens wird zur Wesenheit des
Darlehencontracts die wirkliche Uebergab der vorleihenden Summe oder Sache
erforderet, ohne welcher ansonst aus bloßer Einwilligung nur eine Zusage oder
Vertrag über Vorstreckung des Darlehens, nicht aber ein wirklicher
Darlehenscontract entstehet.
[3, 4, § 1] 15. Hieraus wird zwar Jener, der solches zu geben
versprochen, zu dessen Darreichung verbunden, der Andere aber, welcher das
Darlehen angesuchet, solches anzunehmen nur in jenem Fall verpflichtet, wann er
dagegen dasselbe annehmen zu wollen ausdrücklich versprochen, und aus dessen
Nichtannehmung dem Glaubiger ein erweislicher Schaden erwachsete, als da
derselbe andurch der mittlerweiligen Zinsen verlustiget würde, welche ihme der
sich weigerende Theil für die Zeit, daß die erborgen gewollte Summe anderswo
mit Sicherheit gegen gleichen Zinsen nicht angeleget werden können, billig zu
ersetzen hat.
[3, 4, § 1] 16. Die Uebergab eines Darlehens geschiehet
entweder durch wirkliche und körperliche Einantwortung von einer Hand in die
andere mit Zuzählung, Vorwiegung oder Vormessung des vorleihenden Betrags, oder
es wird auch ohne wahrer
(3-61) Behändigung eine Uebergab durch das Gesatz für
vollzohen geachtet in Fällen, wo Derjenige, deme die vorleihende Sache zu
behändigen wäre, solche entweder schon vorhin in Handen hat, oder aus anderer
Ursache zu deren Leistung verbunden ist, oder solche nachhero von einem Anderen
zu empfangen hat.
[3, 4, § 1] 17. Es wird demnach eine dafürgeachtete Uebergab
des Darlehens von den Gesetzen damals verstanden, wann zu schleunigerer
Ausrichtung der Geschäften von mehreren durch wirkliche Behändigung zu
vollziehen habenden Handlungen eine oder die andere ausgelassen, und das
Geschäft gleichsam mit kurzer Hand zu Stand gebracht wird.
[3, 4, § 1] 18. Als da Jemanden ein ihme anvertrautes oder
in seine Verwahrung hinterlegtes Geld mit Einwilligung des Eigenthümers als ein
Darlehen in Handen gelassen würde, durch welche Handlung das Eigenthum des
Gelds auf den Entlehner eben sowohl übertragen wird, als ob von ihme das
anvertraute oder hinterlegte Geld dem Anderen ausgefolget, und von diesem
anwiederum ihme als ein Darlehen durch wirkliche Zuzählung überantwortet worden
wäre.
[3, 4, § 1] 19. Eine gleiche Wirkung hat die Handlung, wann
mit beiderseitiger Einverständniß Jemanden Waaren zum Verkauf mit dem Beding
behändiget werden, damit derselbe das daraus gelöste Geld als ein Darlehen
behalten möge, insoferne die Waaren nicht höher, als wirklich dafür gelöset
wird, angeschlagen, noch als ein ohnerlaubter Zuschlag in das Geld-Darlehen
eingemischet werden, und sonst keine wucherliche Bedinge dabei unterwalten,
oder wann Jemand eine dem Anderen vorleihende Summe bei seinem Schuldner
anwiese, und solche wirklich erhoben würde, oder da Jemand sein Geld in eines
Anderen Namen ausleihet, welches ebensoviel ist, als ob es erstlich deme, in
wessen Namen es ausgeliehen worden, zugezählet, und sodann von diesem weiters
dem Anderen vorgestrecket worden wäre, wie dann auch der Schuldner nicht deme,
welcher es ihme zugezählet, sondern Demjenigen, in dessen Namen das Darlehen
gereichet worden, verbunden wird.
[3, 4, § 1] 20. Durch derlei von dem Gesatz dafürgeachtete
Uebergab kann ein Darlehenscontract ebensowohl zu Stand kommen, als ob solche
körperlich vollzohen worden wäre. Gleichwie aber eine natürliche Uebergab in
Darreichung des einen, und Uebernehmung des anderen Theils bestehet, also
erhält auch eine dafürgehaltene Uebergab erst damals ihre Kraft, wann der
nehmende Theil den dargeliehenen Betrag entweder schon vorhero in Handen hat
oder nachhero wirklich empfanget.
[3, 4, § 1] 21. Dahero in denen obbemelten Fällen, wann
etwan die zum Verkauf behändigte Waaren nicht an Mann zu bringen, oder die
angewiesene Schulden nicht eintreiblich wären, auch hieraus kein
Darlehenscontract entstehet, weilen der Empfang des Darlehens nicht erfolget,
sondern der übernehmende Theil ist lediglich zur Zuruckstellung der Waaren oder
der Schuldscheinen verbunden. Im Fall aber eine wucherliche Handlung dabei
vorgegangen wäre, unterliegt der gebende Theil allen darauf ausgesetzten
Strafen.
[3, 4, § 1] 22. Eine andere Bewandtnuß hat es hingegen, wann
Jemanden die bei einem Dritten ausstehende richtige und eintreibliche Schulden
zu seinem Eigenthum abgetreten und dabei ausbedungen worden, daß er den dafür
bestimmten Werth als ein Darlehen in seinen Handen behalten solle, in welchem
Fall ein wahres Darlehen unterwaltet, zu dessen Ruckzahlung der Uebernehmer,
weilen er das Geliehene schon vorhero in seinen Handen hat, verbunden ist, er
möge wenig oder nichts an den abgetretenen und an sich gelösten Schulden
eingebracht haben.
[3, 4, § 1] 23. Ein Darlehen hat ferners die Eigenschaft,
daß es ohnentgeltlich seie, und dahero auch davon keine Zinsen gebühren, sie
seien dann ausdrücklich bedungen worden, oder der Schuldner begienge in der
Ruckzahlung einen Saumsal, wie solches unten in siebenzehenten Capitel mit
Mehreren erkläret wird.
[3, 4, § 1] 24. Wiewohlen aber dem Glaubiger unverwehret
ist, die Schuld ganz oder zum Theil nachzulassen, und sich an der Ruckzahlung
weniger, als geliehen worden,
(3-62) auszubedingen, so ist doch derselbe nicht befugt den
Schuldner zu was Mehreren, als was die vorgeliehene Summe mit denen davon nach
Unserem hienach folgenden Gesatz gestatteten Zinsen betraget, zu verbinden,
sondern wo hieran ein Mehreres ausbedungen oder entrichtet worden zu sein
befunden würde, ist solches für eine wucherliche allen darauf ausgesetzten
Strafen unnachsichtlich unterliegende Handlung anzusehen.
§. II.
[3, 4, § 2] 25. Ein Darlehen kann Jedermann geben, der mit
seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt ist. Würde aber
jegleichwohlen von einem solchen, deme durch Unsere Gesetze diese Macht
beschränket wird, ohne Wissen und Willen seiner Vorgesetzten, Vormünderen oder
Gerhaben und Curatorum Jemanden eine Summe Gelds geliehen, oder an etwas
Anderen ein Darlehen vorgestrecket, so wird andurch kein Darlehenscontract
geschlossen, noch auch das Eigenthum des Gelds auf den, so es empfangen,
übertragen, sondern derselbe ist schuldig solches, wann es noch wirklich bei
ihme vorhanden, anwiederum herzugeben.
[3, 4, § 2] 26. Wäre es hingegen schon verwendet und
ausgegeben, kann der vorgeliehene Betrag zu allen Zeiten ohne die etwan von
einer solchen zu contrahiren unfähigen Person eingestandene Zahlungsfristen
abzuwarten, und ohne die sonst gewöhnliche Aufkündung vorhergehen zu lassen,
mit allen bis dahin verfallenen landesbräuchlichen Zinsen, Schäden und Unkosten
zuruckgeforderet werden.
[3, 4, § 2] 27. Nicht weniger können alle Diejenige ein
Darlehen aufnehmen, welche Verbindungen einzugehen fähig, und hieran durch
Anordnung Unseres Gesatzes nicht verhinderet sind, als Unsinnige, Wahnwitzige,
Kinder, Unmündige, Minderjährige und gerichtlich erklärte Verschwendere, die
alle ohne Zuthat ihrer Vormünderen und Curatorum aus einem Darlehenscontract in
keinerlei Wege verbunden, noch auch nach erlangter freien Verwaltung ihres
Vermögens die zur Zeit ihrer Unfähigkeit gemachte Schulden zu bezahlen
angehalten werden mögen.
[3, 4, § 2] 28. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit denen
unter väterlichen Gewalt stehenden Kindern, welche
ohnehin wegen ihres unvogtbaren Alters Schulden zu machen nicht vermögend sind.
Inwieweit aber der Vater hieraus verbindlich werden könne, ist bereits im
ersten Theil, in siebenten Capitel von dem väterlichen Gewalt erkläret worden.
[3, 4, § 2] 29. Ferners wollen Wir auch alle
Einschuldigungen Unserer landesfürstlichen Städten und Märkten, wie auch
überhaupt aller Spitäler und anderer zum Unterhalt der Armuth geordneten milden
Stiftungen ohne Unserer vorläufiger höchsten Einwilligung oder Genehmhaltung
der von Uns mit diesfälliger Macht versehenen Stelle hiermit gänzlich
entkräftet haben, wo übrigens in Betreff der obrigkeitlichen Städten, Märkten
und anderer Gemeinden es bei eines jeden Landes bisherigen Beobachtung sein
Bewenden hat.
[3, 4, § 2] 30. Würde aber dessen ohnerachtet Jemand ohne
Auswirkung Unserer mittelbaren oder unmittelbaren Genehmhaltung den
Gemeinvorsteheren Unserer landesfürstlichen Städten und Märkten, oder auch den
Vorstehern der Spitäler und anderer derlei milden Stiftungen ein Darlehen vorschießen,
so bleibet ihme zwar die Rechtsforderung wider die Vorstehere, mit denen er
contrahiret, allezeit bevor, welche ihme aus eigenen Säckel dafür zu haften
schuldig sind.
[3, 4, § 2] 31. Dahingegen die gemeine Stadt, Markt, Spital
oder Stiftung selbst nur in dem alleinigen Fall hieraus verbunden werden kann,
wann erstlich eine so dringende Bedürfnuß oder offenkündige Nutzbarkeit von
Ohngefähr vorfiele, wo Gefahr auf den Verzug haftete, und es also die Zeit
nicht gestattete, hierüber vorhero die Einwilligung einzuholen, und andertens
zugleich erweislich wäre, daß die vorgeliehene Summe wirklich zu Nutzen der
gemeinen Stadt, Markts, Spitals
(3-63) oder Stiftung verwendet worden, welches jedoch
solchenfalls jedesmal Uns umständlich angezeiget, und darüber Unsere höchste
Entschließung abgewartet werden solle.
[3, 4, § 2] 32. Wo aber einmal die Einwilligung von Uns oder
der darzu begewaltigen Stelle erfolget, ist der Glaubiger auf alle Fälle
andurch hinlänglich gesicheret, es möge das dargeliehene Geld zu Guten der
gemeinen Stadt oder Stiftung verwendet worden sein oder nicht, maßen lediglich
die Vorstehere die ungebührliche Gebahrung zu verantworten und dafür zu haften
haben.
[3, 4, § 2] 33. Außer vorbemelten durch das Gesatz
verhinderten Personen ist sonst Jedermänniglich unverwehret nach Gefallen
Darlehen zu geben oder aufzunehmen, es geschehe solches durch sich selbst oder
durch Andere, als durch Sachwaltere, Befehlshabere, Vormündere und Curatores,
von deren letzteren Macht und Befugnuß bereits im ersten Theil ausführlicher
gehandlet worden.
§. III.
[3, 4, § 3] 34. Zum Darlehen werden insgemein Sachen
gegeben, deren Betrag in Handel und Wandel anderer Gestalt nicht, als nach der
Zahl, Gewicht oder Maß bestimmet wird, und die folglich also beschaffen sind,
daß die Gleichheit in der Zahl, Gewicht und Maß auch die Gleichheit des
geliehenen Betrags bewirke, also wird nach der Zahl das Geld, nach Gewicht
Gold, Silber, Brod, nach der Maß Getreid, Wein, Bier u. dgl. ausgeliehen.
[3, 4, § 3] 35. Doch kann auch über andere Dinge, welche man
sonst in Handel und Wandel nach ihrer Gestalt und stuckweis schätzet, ein
Darlehenscontract getroffen werden, wann die Contrahenten dahin übereinkommen,
daß nicht die nemliche Sache, welche geliehen worden, sondern eine andere von gleicher
Gattung in eben demselben Werth und Güte wiedergegeben werden solle, als
worinnen eigentlich die von anderen Contracten sich unterscheidende Wesenheit
eines Darlehens bestehet.
[3, 4, § 3] 36. Auf diese Art können Fische, Rinder, Schafe,
allerhand Eßwaaren, Tuch, Zeug, Bücher und andere derlei Dinge, deren mehrere
von einerlei Gattung entweder die Natur, oder der menschliche Fleiß hervorbringet, zum Darlehen gegeben werden.
[3, 4, § 3] 37. Ueberhaupt aber ist zur Giltigkeit des
Darlehencontracts erforderlich, daß der Glaubiger entweder Eigenthümer der
darleihenden Sache seie, oder solche in seinem Namen mit Willen des
Eigenthümers, oder auch von einem Anderen in Namen des Eigenthümers zum
Darlehen gegeben werde. Da aber Jemand fremdes Geld oder Gut ohne Wissen und
Willen des Eigenthümers in seinem oder eines Dritten Namen ausleihen würde, ist
der Unterschied zu beobachten, ob der Entlehner solches mit guten Glauben in
der Meinung, daß es dem Darleiher eigenthumlich zugehöre, erborget, oder aber
ob derselbe es fremd zu sein gewußt habe.
[3, 4, § 3] 38. Ersteren Falls gilt zwar das Darlehen wegen
des unterwaltenden guten Glaubens, letzteren Falls hingegen ist der Contract
null und nichtig, und obschon dem Eigenthümer in beiden Fällen bevorstehet,
sich der dargeliehenen Summe zu halten, und solche mit gerichtlichen Kummer und
Verbot zu belegen, so ist doch der Unterschied in deme, daß im ersteren Fall
derselbe nach erwiesenen Eigenthum auf richterliche Erkanntnuß in die Stelle
des Darleihers eintritt, folglich auch an
(3-64) alle zwischen diesem und dem Entlehner sowohl in
Betreff der Zinsen, als der Zahlungsart eingegangene Bedinge gebunden, und
mithin von dem Entlehner nicht mehr, als was dieser dem Darleiher zur Zeit des
gelegten Kummers schuldig ware, und dann weiters an Zinsen bis zur Zeit der
Ruckzahlung schuldig wird, zu forderen befugt ist.
[3, 4, § 3] 39. Wegen des Uebrigen aber, was er entweder an
landesbräuchlichen Zinsen, oder auch an der Hauptsumme weniger von dem
Schuldner einbringet, wie auch wegen aller verursachten Schaden und Unkosten
bleibet ihme der Anspruch wider Denjenigen, welcher das Geld oder Gut entwendet
oder unterschlagen, allezeit bevor.
[3, 4, § 3] 40. Dahingegen in dem letzteren Fall, wo die
Wissenschaft des Entlehners, daß das Erborgte ein fremdes Geld oder Gut seie,
erweislich, folglich der Darlehenscontract null und nichtig ist, wird der
Eigenthümer an die zwischen dem Darleiher und Entlehner getroffene Bedinge
nicht gebunden, sondern derselbe kann solchenfalls aus dem ihme zustehenden
Eigenthumsrecht sein bei dem Entlehner etwan noch vorfindiges Geld oder Gut
zuruckforderen, oder, da es schon verthan wäre, so wider Einen als den Anderen
dergestalten verfahren, daß nicht nur der Darleiher für das Ganze, sondern auch
der Entlehner für die empfangene Summe mit allen von Zeit des Empfangs bis zu
den Tag der Ruckzahlung davon anwachsenden landesbräuchlichen Zinsen, er möge
dem Darleiher hierauf was abgeführet haben oder nicht, wie auch für alle
Schäden und Unkosten zu haften schuldig ist, und also Dasjenige, was hieran von
Einem nicht erholet, von dem Anderen eingetrieben werden mag.
§. IV.
[3, 4, § 4] 41. Wiewohlen aber ein Darlehen nicht anderst,
als mit Einwilligung beider Theilen zu Stand kommen kann, so wird doch nur der
Entlehner oder Schuldner dem Glaubiger daraus verbindlich, den nemlichen Betrag
in gleicher Gattung, Güte und Werth zur gesetzten Zeit und an den bestimmten
Ort zu bezahlen, wovon demselben kein wie immer beschaffen sein mögender Zufall
entledigen kann, wann gleich die geliehene Sache auch ohne deren mindester
Benutzung auf was immer für Art und Weis zu Grund gegangen wäre.
[3, 4, § 4] 42. Es erforderet demnach die aus dem
Darlehenscontract entspringende
(3-65) Verbindlichkeit des Schuldners erstlich, daß der
nemliche Betrag, welcher zum Darlehen empfangen worden, dem Glaubiger
anwiederum erstattet werde, der zwar entweder durch Nachlaß des Glaubigers,
oder durch einige dem Schuldner gebührende Gegenforderungen verminderet,
niemalen aber in der Hauptsumme bei Strafe wucherlicher Handlungen dergestalten
vergrößert werden kann, daß hieran ein Mehreres, als geliehen worden,
zuruckgezahlet oder auch nur zuruckzuzahlen bedungen werden möge.
[3, 4, § 4] 43. Doch kann der schuldige Betrag durch
Nebengebührnussen, als Zinsen, Schäden und Unkosten vermehret werden, wann
einerseits entweder erlaubte Zinsen davon bedungen worden, oder solche aus
Saumsal des Schuldners angewachsen sind, und wann andererseits der Glaubiger
theils durch Sicherstellung und Eintreibung der Schuld, theils durch
Nichterstattung der abzuführen angelobten Gattung oder auch durch Verabsaumung
der gesetzten Zeit und des Orts der Zahlung in Schäden und Unkosten versetzet
worden.
[3, 4, § 4] 44. Zweitens erheischet die Verbindlichkeit des
Schuldners, daß die Zahlung in gleicher Gattung geschehe, und kann dahero dem
Glaubiger wider seinen Willen, keine andere von der geliehenen unterschiedene Gattung aufgedrungen werden. Doch ist dabei
der Unterschied zwischen baaren Geld und anderen Sachen zu beobachten; dann bei
Barschaften wird insgemein nur auf den Werth, bei allen anderen Dingen aber auf
die Gleichheit der Gattung gesehen. Also ist der Glaubiger z. B. weder Getreide
für geborgten Wein, oder Wein für Getreide, noch weniger den Werth für die
geliehene Sache anzunehmen schuldig, so lange der Schuldner die Abfuhr in
gleicher Gattung zu leisten vermögend ist.
[3, 4, § 4] 45. Dahingegen, gleichwie bei Gelddarlehen, wann
nichts Anderes ausbedungen worden, bloß der Werth der zugezählten Münze
geliehen worden zu sein verstanden wird, also thuet auch der Schuldner seiner
Verbindlichkeit Genügen, wann er gleich die Schuld nicht in der ihme
dargeliehenen, sondern in einer anderen Gattung guter und gangbarer Münze
abtraget, und andurch der Werth des empfangenen mit dem Werth des abführenden
Betrags ausgeglichen wird, welchen Verstand alle Schuldverschreibungen haben,
worinnen die Zahlung lediglich in guter gangbarer Währung gelobet wird.
[3, 4, § 4] 46. Diese Regel aber leidet einen zweifachen
Abfall. Erstens, wann insonderheit eine gewisse und bestimmte Gattung der Münze
zuruckzuzahlen bedungen wird, als da Stuck für Stuck, oder gewisse Gold- oder
Silberspecies wiederzugeben verschrieben wurde; andertens, wann dem Glaubiger
aus der zuruckzahlender Gattung der Münze eine offenbare Verkürzung erwachsen
möchte, als da eine größere in grober Münz vorgeliehene Geldsumme in kleiner
Schiedmünze zuruckgezahlet werden wollte.
[3, 4, § 4] 47. Ersteren Falls ist der Schuldner in der
leistenden Zahlung an die verschriebene Gattung der Münze dergestalten
gebunden, daß obschon sonst dem Schuldner freistehet die nemliche ihme
geliehene Sache anwiederum zuruckzustellen, er doch in diesem Fall in keiner
anderen, als in der verheißenen Gattung zu zahlen befugt ist; letzteren Falls
aber ist der Glaubiger an der Schiedmünze nicht mehr anzunehmen schuldig, als
was unten in dem letzten Capitel bei der Abhandlung von Zahlungen ausgemessen
werden wird.
[3, 4, § 4] 48. Drittens ist nöthig, daß die
wiedererstattende Gattung mit der empfangenen von gleicher Güte seie, und ist
weder der Schuldner eine schlechtere, als er empfangen, wiederzugeben, noch
auch der Glaubiger eine bessere, als er gegeben, zuruckzuforderen befugt, wann
gleich zwischen ihnen derohalben ausdrücklich nichts ausgemachet worden wäre,
sondern dieses ist schon aus der Natur des Darlehencontracts darunter
verstanden.
[3, 4, § 4] 49. Hieraus folget, daß, obgleich der Schuldner
die nemliche Sache, die ihme geliehen worden, zuruckgeben wollte, solche jedoch
der Glaubiger nicht anzunehmen
(3-66) schuldig ist, wann sie nicht zur Zeit der Zuruckgabe
von eben der Güte ist, wie selbe zur Zeit des Darlehens gewesen, also kann der
nemliche Wein, oder das nemliche Getreid, welches geliehen worden, nicht mehr
zuruckgegeben werden, wann es mittlerweil verdorben, noch weniger die
Ruckzahlung in den empfangenen Geldsorten geschehen, wann solche nach der Zeit
gänzlich verrufen und aus den Umlauf gesetzet worden.
[3, 4, § 4] 50. Es ist jedoch dem Glaubiger unverwehret die
Güte der Sache, die ihme wiedergegeben werden solle, sich auszudingen, wann
gleich solche die Güte des geborgten Dings überträfe oder derselben auch nicht
beikäme, also kann weißer für rothen, junger für alten Wein und dagegen
bedungen werden, woferne nur die ausbedungene Güte des wiederzugeben Habenden
den Werth des Geliehenen schon zur Zeit dieses beigefügten Bedings nicht
dergestalten übersteiget, daß mit Grund eine wucherliche Handlung daraus
geschlossen werden möge.
[3, 4, § 4] 51. Dann außer baaren Geld ist bei allen anderen
Sachen einzig und allein auf die innerliche Güte und nicht auf den äußerlichen
Werth zu sehen. Es möge dahero die geliehene Sache zur Zeit der Zuruckgabe in
ihrem Werth gefallen oder gestiegen sein, so gereichet ebensowohl dessen Abfall
einzig und allein zum Schaden des Glaubigers, wie dessen Erhöhung zu seinem
Nutzen, obschon der Werth des Zuruckgebenden den Werth des Empfangenen auch
vierfach übersteigete, also da der Metzen des geborgten Getreids zur Zeit des
Darlehens nur zwei Gulden und darunter gegolten hätte, zur Zeit der Zuruckgabe
aber vier und mehrere Gulden gelten würde, gebühret der Nutzen dem Glaubiger,
gleichwie er dagegen, wann es in Preis abgefallen wäre, den Schaden allein zu
tragen hätte.
[3, 4, § 4] 52. Daß also die Handlung aus dem Beding ungleicher
Güte für wucherlich geachtet werden könne, muß das wiederzugeben Bedungene
schon zur Zeit des Contracts in seiner innerlichen Güte und in gewissen keiner
Veränderung unterworfenen Werth, wann es zu Geld gerechnet würde, den Betrag
des Darlehens sammt denen davon zu nehmen erlaubten Zinsen übersteigen, als da
für so viele Eimer heurigen Weines ebensoviele Eimer alten guten Weins
wiederzugeben bedungen würde.
[3, 4, § 4] 53. Dahingegen unterwaltet in folgenden Fällen
keine wucherliche Absicht, wann entweder zur Zeit des getroffenen Contracts die
innerliche Güte des wiederzugeben Bedungenen mit dem Gegebenen gleich ist, als
da Korn für Korn, Weizen für Weizen zu geben beliebet wird, obschon zur Zeit
der Zuruckgabe dessen Preis ungleich höher gestiegen wäre.
[3, 4, § 4] 54. Oder da die Güte und der Werth des
wiederzugeben Bedungenen zur Zeit des Contracts noch ungewiß wäre, als da für
so viele heuer geborgte Eimer jungen Weins ebensoviele von künftigen Jahr
bedungen würden, obschon diese jene von vorigen Jahr in der Güte und Werth bei
Weitem übertreffen würden, obschon diese jene von vorigen Jahr in der Güte und
Werth bei Weitem übertreffen würden, oder endlich da das an übertreffender Güte
oder auch an dem Betrag mehr Bedungene die erlaubte Zinsen nicht überstiege,
wann es zu Geld angeschlagen wird, als da für zwanzig geliehene Metzen Getreid
oder Eimer Wein einundzwanzig wiederzugeben bedungen würde.
[3, 4, § 4] 55. Ganz eine andere Bewandtnuß aber hat es bei
baaren Geld, welches nicht allein nach seinem innerlichen Gehalt und Gewicht,
oder nach Schrott und Korn, sondern auch nach der äußerlichen Würdigung oder
Währung geschätzet wird, und dahero ist erforderlich, damit der dargeliehene
Geldbetrag sowohl nach seiner innerlichen als äußerlichen Güte und Werth, in
welchen solches gegeben worden, anwiederum zuruckgezahlet werde.
[3, 4, § 4] 56. Weme aber der mittlerweilige Abfall der
Währung zu Schaden gereiche oder dagegen deren Erhöhung zu Nutzen gehe,
folglich nach was für einer Zeit der Währung, ob nemlich nach der Zeit des
Contracts, oder ob nach der Zeit der
(3-67) Zahlung der Werth des Gelds zu bestimmen seie, wird
nach Unterschied der Fällen in dem letzten Capitel bei Abhandlung von Zahlungen
erkläret werden.
[3, 4, § 4] 57. Endlich viertens erheischet die Verbindlichkeit
des Schuldners die Schuld zur gesetzten Zeit und an bestimmten Ort zu bezahlen,
wie davon sowohl in dem Fall, wo Zeit und Ort der Zahlung ausgesetzet, als in
jenem, wo deren keines bedungen worden, unten an gleich vorbemelter Stelle mit
Mehreren gehandlet werden wird.
[3, 4, § 4] 58. In gewissen Fällen hat jedoch die
Entrichtung des Werths der geborgten Sache statt, wann nemlich dieselbe nicht
mehr zu haben wäre, oder der Glaubiger wegen seiner aus Weigerung und Saumsal
des Schuldners dabei erleidenden Verkürzung solche nicht annehmen wollte,
sondern auf Bezahlung des Werths bestehen würde, und ist in einem wie dem
anderen Fall bei Bestimmung des Werths jedesmal auf Zeit und Ort zu sehen, wann
und wo die wiederzugeben schuldige Sache hätte abgestattet werden sollen.
[3, 4, § 4] 59. Ist nun unter den Contrahenten derowegen
etwas verabredet worden, so ist dieses bei Schätzung des Werths zur Richtschnur
zu nehmen, welcher aber bei des Schuldners unterwaltenden Saumsal in der Abfuhr
auf jenen Betrag zu erhöhen ist, was die Sache von der Verfallzeit an bis zur
richterlichen Ausmessung an dem benannten Ort zum meisten gegolten hat.
[3, 4, § 4] 60. Woferne aber wegen Zeit und Orts der
Zuruckgabe in dem Contract nichts ausgemacht worden wäre, so ist ersteren
Falls, und da der Entlehner an den Untergang der wiederzugeben habenden Sache
keine Schuld traget, der Werth derselben nach der Zeit und nach dem Ort des
Contracts, wann und wo dieselbe ausgeliehen worden, zu schätzen, letzteren
Falls hingegen, und wo dessen Saumsal und Verzug in der Zahlung unterlaufet,
ist der Werth nach dem höchsten Preis, wie solcher von dem Tag der erhobenen
Klage bis zum Erfolg der richterlichen Erkanntnuß an dem Ort des Contracts
gewesen, zu bestimmen; was aber für Maßregeln bei veranlassender Schätzung
einer aus Vertrag oder Contract schuldigen Sache überhaupt zu beobachten sind,
wird unten in siebenzehenten Capitel vorgeschrieben werden.
§. V.
[3, 4, § 5] 61. Aus dieser Verbindlichkeit entspringet die
dem Glaubiger wider den Schuldner zustehende Rechtsforderung zu Bezahlung der
Schuld mit allen contractmäßigen Nebengebührnussen, welche bei Gelddarlehen in
denen entweder aus Beding, oder aus Saumsal bis auf den Tag der Zahlung
schuldigen erlaubten Zinsen, bei anderen dargeliehenen Dingen aber in dem
Zuwachs des wegen Verzugs der Zahlung nach dem mittlerweiligen höchsten Preis
zu schätzen kommenden Werths, dann so ein als anderen Falls in denen
verursachten Schäden und Unkosten bestehen.
[3, 4, § 5] 62. Dem Glaubiger lieget
aber ob, nicht allein die Schuld und deren Betrag, sondern auch die Ursach der
Einschuldigung oder den Ursprung der Schuld zu erweisen. Derlei Beweismitteln
sind die Handschrift und Bekanntnuß des Schuldners, Zeugen und ordentlich
geführte Handlungsbücher, wovon in dem vierten Theil bei Vorschrift der
Gerichtsordnung in der Abhandlung von Führung des Beweises das Mehrere erwähnet
werden wird.
[3, 4, § 5] 63. Würde jedoch der Glaubiger den Ursprung der
Schuld oder die Ursach der Einschuldigung nicht zu erweisen vermögen, so ist
die Klage aufzuheben und der Beklagte von allen Anspruch ledig und
loszusprechen, daferne aber die angebliche Ursach der Einschuldigung falsch zu
sein befunden würde, so ist dabei von Gericht genau Obacht zu tragen, ob
hierunter kein Wucher oder sonstige ohnerlaubte Scheinhandlung verstecket seie,
nach deren Wahrnehmung mit denen darauf ausgesetzten Strafen unnachsichtlich
verfahren werden solle.
(3-68) [3, 4, § 5] 64. Woferne aber die Schuld und deren
Ursprung an sich zwar erweislich, deren Betrag hingegen strittig wäre, und der
Beweis des Klägers hierüber entweder nicht vollständig verführet, oder durch
die Gegenbeweise des Beklagten geschwächet und geminderet würde, so ist zu
Ergründung der Wahrheit demjenigen Theil die Eidesleistung aufzutragen, welcher
stärkere Vermuthungen und bewährtere Behelfe für sich hat.
§. VI.
[3, 4, § 6] 65. Den stärkesten Beweis der Schuld machet die
eigene Handschrift des Schuldners, zu welchem Ende vornehmlich über die
Gelddarlehen insgemein von
(3-69) den Schuldneren Schuldscheine, Schuldbriefe oder
Schuldverschreibungen ausgestellet zu werden pflegen. Deren sind viererlei
Gattungen, als erstens, gemeine Schuldscheine und Schuldbriefe; zweitens,
Wechseln oder Wechselbriefe; drittens, ordentliche zur landtäflichen oder
stadtbücherlichen Einlage eingerichtete Schuldverschreibungen; viertens, leere
mit Handschrift und Petschaft des Schuldners zur Ausfüllung ausgestellte
Papiere, welche sonst Blanquets oder Carte bianche genannt werden.
[3, 4, § 6] 66. Die gemeine Schuldscheine und Schuldbriefe,
welche ohne aller Feierlichkeit unter der alleinigen Handunterschrift des
Schuldners mit oder ohne Beidruckung seine Siegels ausgefertiget werden,
bestehen in bloßer Bekanntnuß des empfangenen und zugezählten Darlehens, und in
der Angelobung der zu leisten schuldigen Zahlung mit oder ohne Beiruckung der
Zeit, wann solche zu geschehen habe.
[3, 4, § 6] 67. Diese wirken nichts Mehreres, als den Beweis
der Schuld, und hat dahero der Glaubiger zu Erlangung seiner Befriedigung keinen
anderen Weg, als daß er wider den saumseligen Schuldner die gebührende
Rechtsforderung bei der Behörde nach Ordnung der Rechten anstrengen möge.
[3, 4, § 6] 68. Doch solle bei Gericht auf Brief und Siegel,
wann der Beklagte seine Handschrift nicht der Abrede stellet, schleunig und
ohne sonstigen Feierlichkeiten des ordentlichen Proceß verfahren werden, auch
keine andere Einwendung, als welche allsobald erweislich ist, zulässig sein,
mit alleiniger Ausnahm der Einrede wegen nicht geschehener Zuzählung, wann die
zu deren Vorbringung hienach ausmessende Zeit noch nicht verflossen ist.
[3, 4, § 6] 69. Es stehet aber dem Beklagten frei, die
Vorzeigung des Schuldbriefs zu Ersehung und Erkanntnuß seiner Handschrift in
der in der Gerichtsordnung hierzu ausgesetzten Frist anzubegehren, obgleich
sich darinnen dieser Befugnuß ausdrücklich begeben worden wäre. Würde er nun
seine Handschrift mißkennen, und Kläger deren Richtigkeit in andere Wege als
durch Zeugen oder Gegenhaltung anderer Handschriften des Schuldners nicht zu
erweisen vermögen, so ist dem Beklagten die eidliche Abzeugung aufzuerlegen,
kraft welcher derselbe zu erhärten hat, daß es nicht seine eigene Handschrift
seie.
[3, 4, § 6] 70. Würde er aber ein solches nicht abschwören
wollen oder können, oder auch die Ersehung seiner Handschrift in der
anberaumten Zeit anzuverlangen unterlassen, oder nach deren Ersehung sich
hierzu bekennet haben, und hätte sonst keine allsobald erweisliche Einwendung,
weder die von dem Gesatz besonders begünstigte Einrede wegen nicht geschehener
Zuzählung wider die Richtigkeit der Schuld vorzubringen, so solle ohne allen
weiteren Umtrieb die gerichtliche Auflage der Zahlung nach Vorschrift der
Gerichtsordnung ergehen.
[3, 4, § 6] 71. Ueber das ist noch Derjenige, welcher nach
Ersehung seiner Handschrift solche zu laugnen sich vermessen, und hernach
jegleichwohlen des Widerspiels überwiesen würde, zur Strafe über Entrichtung
der Schuld in dem einfachen Betrag der schuldigen Hauptsumme Uns verfallen,
oder da er soviel nicht in Vermögen hätte, mit Gefängnuß auf eine nach
richterlichen Befund bestimmende Zeit zu bestrafen.
[3, 4, § 6] 72. Wann jedoch der Beklagte einige auf längere
Beweisführung sich hinaus verziehende Gegenforderung oder sonstige Behelfe
wider den Kläger hätte, so ist er zwar dessen ohnerachtet schuldig der
gerichtlichen Auflage nachzukommen und das Geld zu erlegen; es ist ihme aber
dabei unverwehret, entweder von dem Kläger eine hinlängliche und anständige
Verbürgung für den Betrag der bezahlenden Summe, oder wann der Kläger damit
nicht aufkommen könnte, die gerichtliche Hinterlegung des eingeklagten Betrags
bis zu Austrag der Strafe anzubegehren, dagegen ist er aber auch schuldig
seinen Gegenbeweis in der in der Gerichtsordnung bestimmten Zeit zu verführen.
[3, 4, § 6] 73. Würde also der Beklagte seine
Gegenforderungen oder Behelfe, wie es sich zu Recht gebühret, darthuen und
erproben, so ist derselbe befugt, wegen des
(3-70) ihme zugesprochenen Betrags sich der geleisteten
Bürgschaft zu halten, oder da das Geld bei Gericht hinterleget wäre, ist ihme
davon so vieles, als demselben hieran zuerkannt worden, auszufolgen.
[3, 4, § 6] 74. Wohingegen wann der Beklagte mit seinem
Gegenbeweis nicht aufkäme, oder von dessen Verführung abstünde, ist nicht
allein die von Kläger eingelegte Bürgschaft zu erlassen, oder demselben das bei
Gericht hinterlegte Geld sogleich einzuantworten, sondern auch der Beklagte zum
Ersatz aller Schäden und Unkosten, und über dieses in letzteren Fall, da das
Geld bei Gericht todt erliegend geblieben, zur Vergütung deren für diese Zeit
hiervon benutzet werden mögenden landesüblichen Zinsen zu verhalten.
[3, 4, § 6] 75. Die Wechseln oder Wechselbriefe
unterscheiden sich von anderen Schuldscheinen sowohl in der Verfassungsart, als
in ihrer Wirkung, und sind wegen der ihnen zu Begünstigung des Handels
beigelegen sonderheitlichen Eigenschaft nicht nach diesem gemeinen Recht,
sondern nach der eigends vorgeschriebenen Wechselordnung zu beurtheilen.
[3, 4, § 6] 76. Die ordentliche zur landtäflichen oder
stadtbücherlichen Einlage besonders eingerichtete Schuldverschreibungen müssen
über den Inhalt gemeiner Schuldbriefen noch beinebst die Verschreibung eines
Unterpfands oder Hypothek auf ein liegendes Gut des Schuldners in sich
begreifen, und mit denen in nachfolgenden §. ausgemessenen Erfordernussen
versehen sein.
[3, 4, § 6] 77. Diese werden wegen ihrer besonderen
Feierlichkeit auch Hauptschuldbriefe benamset, erreichen aber die ihnen eigends
zukommende Wirkung nicht ehender, als bis daß sie in die Landtafel oder Stadtbücher
auf das verschriebene Unterpfand wirklich eingeleget und einverleibet worden,
in dessen Entstehung sie keine mehrere Kraft als andere gemeine Schuldbriefe
haben.
[3, 4, § 6] 78. Nach vollzohener Einlage hingegen behaften
sie nicht allein das verschriebene Gut des Schuldners mit dem sächlichen Recht
eines Unterpfands oder Hypothek, und bewirken den Vorzug vor allen später
einverleibten Beschreibungen, sondern sie entheben auch den Glaubiger von der
Nothwendigkeit der Rechtsführung, und geben ihme die Macht bei nicht
erfolgender Zahlung sich des ihme verschriebenen Unterpfand oder Hypothek zu
halten, und sich darein gerichtlich einführen zu lassen.
[3, 4, § 6] 79. Die leere, mit Handschrift und Petschaft des
Schuldners ausgestellte, und insgemein Blanquets oder Carte bianche genannte
Papiere erforderen zu ihrer Giltigkeit, daß auf der umgeschlagenen Seiten des
Blatts, welches jenseits die Unterschrift des Ausstellers enthält, Folgendes
mit seiner eigenen Handschrift sich angemerket befinde: Erstens, der Betrag der
Schuld, worauf die Schuldverschreibung aufgesetzet werden solle; zweitens, der
Ursprung der Schuld nebst dem Namen des Glaubigers; drittens, der Betrag der
Zinsen, wann deren einige bedungen worden; viertens, die Zeit der leistenden
Zahlung; fünftens, die Benennung des sonderheitlichen Unterpfands oder
Hypothek, wann es eine landtäfliche oder stadtbücherliche Verschreibung sein
solle; sechstens, das Ort, Jahr, Monat und Tag, wo und wann die Ausstellung
geschehen.
[3, 4, § 6] 80. Vornehmlich aber ist die eigene Unterschrift
und Siegluug des Schuldners, dann die Andeutung des Betrags und Ursprungs der
Schuld, wie auch des Namens des Glaubigers, und sowohl des Orts, als der Zeit
der Ausstellung mit der eigenen Handschrift des Ausstellers dergestalten
erforderlich, daß wo auch nur deren Eines ermanglete, die Carta bianca weder
bei Gericht angenommen, noch weniger eine Rechtshilfe darauf ertheilet werden
solle.
[3, 4, § 6] 81. Ueber das ist annoch nothwendig, damit eine
Carta bianca, wann sie sonst auf Ausfertigung einer landtäflichen oder
stadtbücherlichen Schuldverschreibung gerichtet ist, vorhero und ehe sie zur
wirklichen Einverleibung gebracht wird,
(3-71) ausgefüllet, und der Aufsatz in der behörigen Form
und Gestalt einer landtäflichen oder stadtbücherlichen Verschreibung verfasset
werde.
[3, 4, § 6] 82. Doch muß der Aufsatz, womit die Carta bianca
ausgefüllet wird mit der eigenhändigen Anmerkung des Ausstellers in Allem
vollständig übereinstimmen, also zwar, daß wann entweder darinnen der Namen des Glaubigers veränderet, oder der Betrag der Schuld oder
der Zinsen höher angesetzet, oder wo sich deren keine bedungen befinden,
solche sich verschrieben, oder der Ursprung der Schuld, oder die Zeit, oder das
Ort der Zahlung anderst angegeben, oder eine andere Hypothek ausgewiesen würde,
als in der Anmerkung ausgedrucket worden wäre, eine solche Carta bianca nicht
nur allein weder irgendwo einverleibet noch bei Gericht angenommen, sondern
auch wider den Vorzeiger derselben mit der genauesten Untersuchung der dabei
verübten Falschheit fürgegangen werden solle.
[3, 4, § 6] 83. Welches umsomehr in jenem Fall statt hat, da
bei der vorzeigenden Carta bianca die Anmerkung von einer von jener des
Ausstellers unterschiedenen Hand, folglich von fremder Handschrift befunden
würde, es wäre dann, dass der Aussteller sich vor Gericht zu dem Inhalt des
Aufsatzes ausdrücklich bekännte.
[3, 4, § 6] 84. Woferne aber bei Vorzeigung eines
Schuldbriefs der Aussteller seine Handschrift zwar anerkennen, dabei aber
vorschützen würde, dass er eine ohne beigefügter Anmerkung ausgefertigte Carta
bianca dem Kläger zu einem anderen Ziel und Ende, als zu dem darauf gesetzten
Inhalt zugestellet, folglich dieser davon einen anderen Gebrauch gemacht habe,
so lieget ihme ob, dieses sein Vorgeben behörig zu erweisen, bis dahin der
Schuldbrief für richtig zu halten ist, und er sich selbst beizumessen hat, dass
er die Anmerkung, in was für einer Absicht die Carta bianca von ihme
ausgestellet worden, nicht beigerucket, noch sich mit einem Gegenschein von dem
Anderen vorgesehen habe.
[3, 4, § 6] 85. Könnte er nun solches allsogleich nicht
erproben, so ist die eingeklagte Schuldsache derowegen nicht aufzuhalten,
sondern auf eben diese Art, wie bereits oben in dem Fall einer sich länger
hinaus verziehenden Beweisführung geordnet worden, zu verfahren; da er aber mit
dem Beweis nicht aufzukommen vermögete, ist wider ihn die nemliche Strafe,
welche wider Jenen, der seine Handschrift laugnet, oben ausgemessen worden, zu
verhängen.
[3, 4, § 6] 86. Alle vorbemelte Gattungen der Schuldbriefen
erforderen überhaupt zu ihrer Wesenheit die eigene Handunterschrift des
Schuldners dergestalten, dass obgleich ein mit Jemands eigener Hand
geschriebener Aufsatz bei Gericht vorgezeiget würde, darinnen aber dessen Handunterschrift
ermanglete, solcher an und für sich selbst nichts zu erweisen vermöge, woferne
Kläger keine andere Rechtsbehelfe für sich vorzubringen hätte.
[3, 4, § 6] 87. Könnte aber Jemand wegen Unkündigkeit oder
Schwachheit selbst nicht schreiben, so ist ihme zwar nicht verwehret seinen
Namen von einem Anderen, welcher hierzu eigends von ihme erbeten worden,
unterschreiben zu lassen. Wir wollen aber zur Vorbeugung alles dabei
besorglichen Unterschleifs hiermit gnädigst verordnet haben, dass ein solcher
Schuldbrief anderst nicht giltig seie, noch bei Gericht angenommen werden
solle, als wann Folgendes dabei beobachtet worden, dass nemlich der Aussteller
in Gegenwart zweier zugleich anwesender und sich mitunterschreibender Zeugen
die Urkunde anstatt seiner Namensunterschrift, wann er es zu thun vermögend
ist, mit Kreuzeln oder sonstigen Kennzeichen seiner Einwilligung eigenhändig
bezeichne, und darunter seinen Namen von dem einem eigends hierum zu ersuchen
habenden Zeugen unterschreiben lasse, dieses auch der Zeug, dass er hierum von
ihme ersuchet worden, mit seiner eigenen Handschrift dabei anmerke.
[3, 4, § 6] 88. Würde nun ein also gefertigter Schuldbrief
bei Gericht vorkommen, hat solcher nicht weniger Kraft und Wirkung, als ob
derselbe von dem Aussteller eigenhändig unterschrieben worden wäre, und
entgehet ihme auch an seiner Giltigkeit
(3-72) nichts, wann gleich ein Zeug, ehe und bevor die
Schuld eingeklaget worden, mittlerweil verstorben wäre, sondern es ist in
solchem Fall genug, dass die obbeschriebene Fertigung von dem einem noch
lebenden Zeugen bestätigt werde, woferne sonst wider seine Person nichts
Rechtserhebliches eingewendet würde, welches ihn von der Zeugenschaft
auszuschließen vermögete. Im Fall aber beide Zeugen verstürben, und die Schuld
von dem durch fremde Hand Unterzeichneten widersprochen würde, hat der Richter
in Ermanglung anderen Beweises demjenigen Theil die Eidesleistung aufzutragen,
für den stärkere Behelfe streiten.
[3, 4, § 6] 89. Die Beidruckung des Siegels ist zwar zur
Giltigkeit eines Schuldbriefs nicht erforderlich, wann sonst die Unterschrift
ihre Richtigkeit hat, und kann dahero entweder das eigene, oder ein fremdes,
oder auch gar kein Petschaft beigesetzet werden. Es hat jedoch die Sieglung
eine dreifache Wirkung, als erstlich, daß hierdurch ein stärkerer Beweis
hergestellet werde, und aus der Richtigkeit des Siegels auch für die
Richtigkeit der Unterschrift die rechtliche Vermuthung erwachse, folglich der
Beklagte den Beweis, dass es seine Unterschrift nicht seie, zu verführen habe.
[3, 4, § 6] 90. Dahingegen, wann es nicht des Ausstellers
eigenes, sondern ein fremdes Siegel wäre, und dabei ausdrücklich nicht
angedeutet worden, dass in Ermanglung seines eigenen Petschafts ein fremdes
beigedrucket worden, entstehet auch wider die Unterschrift die Vermuthung, und
lieget Klägern ob, deren Richtigkeit zu erweisen.
[3, 4, § 6] 91. Andertens wirket die Beidruckung des
Petschafts die schleunige Rechtshilfe, welche auf Brief und Siegel
obverordneter Maßen allemal zu ertheilen; wo aber das Siegel ermanglet, in den
ordentlichen Weg Rechtens zu verfahren, und dem Beklagten alle auch einen
längeren Beweis erforderende Einreden einzuwenden gestattet ist. Drittens ist
die Beidruckung des Siegels bei landtäflichen und stadtbücherlichen Schuldverschreibungen
eine nothwendige Erfordernuß, in deren Ermanglung kein Schuldbrief einverleibet
werden kann.
[3, 4, § 6] 92. Ferners wird auch bei allen Schuldbriefen
und Verschreibungen, sie mögen auf die landtäfliche oder stadtbücherliche
Einverleibung gerichtet sein oder nicht, unumgänglich erforderet, daß die wahre
und rechte Ursach, woraus die Schuld, darüber der Schein oder Verschreibung
ausgestellet worden, herrühret, ausdrücklich miteingesetzet werde.
[3, 4, § 6] 93. Wo aber dieser Ausdruck in einer
Schuldverschreibung nicht begriffen wäre, so solle solche weder gerichtlich
vorgemerket, weder irgendwo einverleibet, noch weniger die vorgedachte
schleunige Rechtshilfe hierauf ertheilet, sondern Derjenige, welcher die
Forderung stellet, vorhero zur Darthuung der Schuld Ursprung angewiesen, und
nach Vernehmung des Schuldners darüber mit ordentlicher Erkanntnuß verfahren
werden.
[3, 4, § 6] 94. Ingleichen, wo eine Schuldverschreibung
dergestalten gefasset wäre, daß selbe sich ausdrücklich auf eine vorhergehende
Urkunde bezöhe, ist der Kläger schuldig auf Verlangen des Beklagten die erstere
Urkunde vorzuzeigen; es wäre dann bei der späteren Verschreibung eine
Erneuerung der Schuld zwischen den Parten vorgegangen, wodurch die erstere
Urkunde vernichtet, und dieses darinnen ausgedrucket, oder sonst die
Nothwendigkeit der Vorzeigung erlassen worden, oder auch die Ursach, aus
welcher die Schuld herrühret, in andere Wege erweislich.
[3, 4, § 6] 95. Würde die ausgestellte Schuldverschreibung
bei dem Glaubiger verloren, verbrunnen, oder durch sonstige Zufälle versehret,
so erlöschet die Schuld keineswegs, sondern gleichwie der Schuldner noch
allezeit verbunden bleibet, also stehet auch dem Glaubiger, wann er die Schuld
auf andere Art zu erweisen vermag, seine Rechtsforderung wider den Schuldner
bevor.
[3, 4, § 6] 96. Und dieses hat auch sogar in jenem Fall
statt, da der verlorene Schuldbrief zu Handen des Schuldners gekommen wäre,
wann nur der Glaubiger dessen zufälligen Verlust, und die Richtigkeit der
Schuld durch andere Beweismitteln darzuthun im Stande ist.
(3-73) [3, 4, § 6] 97. Würde aber eine verlorene
Schuldverschreibung in die Hände eines Dritten gerathen, und dieser hätte
dessen Inhabung dem Schuldner bedeutet, oder auch ihn um Bezahlung der Schuld
angemahnet, ohne jedoch die Ursach, aus welcher der Schuldbrief zu seinen
Handen gediehen, wie behörig aufweisen zu mögen, so ist der Schuldner weder dem
Inhaber der Schuldverschreibung, noch seinem Glaubiger die Zahlung insolange zu
leisten schuldig, bis nicht durch richterliche Erkanntnuß ausgemacht wird, weme
solche zu geschehen habe. Würde er aber dessen ohnerachtet vor Austrag der
Strittsache Einem oder dem Anderen die Schuld abführen, so thuet er solches auf
seine Gefahr, und hat sich selbst beizumessen, wann er die Zahlung nochmahlen
dem Anderen, deme die Forderung nachhero zuerkannt wird, leisten muß.
[3, 4, § 6] 98. Solange hingegen wegen eines verlorenen
Schuldbriefes von einem dritten Inhaber an den Schuldner kein Anspruch der
Schuld halber gereget wird, ist der Glaubiger befugt, obbemelter Maßen von dem
Schuldner entweder die Zahlung, oder da die Verfallzeit noch nicht gekommen
wäre, eine anderweite dem von ihme zu erweisen habenden Inhalt der ersteren
gleichlautende Schuldverschreibung abzuforderen.
[3, 4, § 6] 99. Dagegen ist derselbe jedoch gehalten dem
Schuldner einen Abtödtungs- oder Amortisationsschein über die erstere in
Verlust gerathene Schuldverschreibung zu dem Ende auszustellen, damit dieser
gesicheret sein möge, daß die Zahlung von ihme nicht wiederholt geforderet
werden könne.
[3, 4, § 6] 100. Dann ein solcher Abtödtungs- oder
Amortisationsschein hat die Wirkung, daß diejenige Schuldverschreibung, worüber
solcher ausgestellet worden, andurch dergestalten gänzlich entkräftet und
vernichtet werde, daß obgleich solche hernach über kurz oder lang in Handen
eines Dritten zum Vorschein käme, der Schuldner derowegen nicht mehr
angefochten werden könne, woferne seinerseits keine Gefährde dabei unterlaufet,
sondern dem dritten Inhaber eines solchen Schuldbriefs bleibet allenfalls sein
Recht wider Denjenigen bevor, von deme er denselben an sich gebracht hat.
§. VII.
[3, 4, § 7] 101. Die zur landtäflichen oder
stadtbücherlichen Einlage eingerichtete Schuldverschreibungen erfordern noch
insonderheit über all Vorgehendes erstens, daß ein besonderes Unterpfand oder
Hypothek an einem liegenden Gut des Schuldners namentlich und ausdrücklich
darinnen verschrieben werde, in dessen Abgang keine Schuldverschreibung, wann
gleich der Schuldner sein samentliches Hab und Vermögen überhaupt, ohne jedoch
ein besonderes Unterpfand dabei auszudrucken, darinnen verpfändet hätte,
irgendwo einverleibet werden solle.
[3, 4, § 7] 102. Zweitens, daß der Beisatz, womit eine
solche Verschreibung mit Bewilligung des Amts der Landtafel oder des
betreffenden Gerichts, worunter die verschriebene Hypothek gelegen, auch ohne
Beisein des Schuldners einverleibet werden könne, in
derselben deutlich enthalten seie. Wie aber auf dem Fall, daß darinnen dieser
Beisatz nicht ausgedrucket wäre, zu verfahren seie, ist bereits in zweiten
Capitel, §. XI, num. 79 und 80 geordnet worden.
[3, 4, § 7] 103. Drittens, daß die Schuldverschreibung, wann
sie zur wirklichen Einlage gelangen solle, mit eigenhändiger Unterschrift und
Petschaft zweier Zeugen versehen seie, wie solches überhaupt bei allen
landtäflichen und stadtbücherlichen Verschreibungen an vorbemelter Stelle num.
76. und 78 erforderet wird.
[3, 4, § 7] 104. Die Einlage derlei Schuldverschreibungen
hat allemal auf alleinige Unkosten des Schuldners zu geschehen, er möge sich
darinnen hierzu ausdrücklich verbunden haben oder nicht, woferne keine andere
Verabredung zwischen den Parten getroffen worden. Der Glaubiger ist dahero
befugt, die indessen vorgeschossene Einverleibungsgebühr
(3-74) von dem Schuldner bei Bezahlung der Schuld anwiederum
einzuforderen, oder bei entstehender Zahlung an der ihme verschriebenen
Hypothek einzutreiben.
[3, 4, § 7] 105. Dem Glaubiger aber lieget ob, die
diesfällige in der Taxordnung ausgemessene Gebühr um so gewisser noch dem
nemlichen Tag der verwilligten Einverleibung gehöriger Orten baar abzuführen,
als im Widrigen er des durch die bewilligte Einverleibung erworbenen Vorrechts
verlustig, und allen bis auf den Tag des wirklichen Erlags der Gebühr obschon
nach ihme später eingekommenen Glaubigeren, welche solche vor seiner entrichtet
haben würden, nachgesetzet werden solle.
§. VIII.
[3, 4, § 8] 106. Da es sich ergäbe, daß Jemand einen
Schuldschein oder Schuldverschreibung in Hoffnung des erhaltenden Darlehens zum
voraus von sich geben würde, ohne das Geld hierauf empfangen zu haben, so hat
der Aussteller von dem Tag des ausgefertigten Schuldbriefs eine zweimonatliche
Frist, binnen welcher ihme die von Uns besonders dahin begünstigte Einwendung
der nicht geschehenen Zuzählung zu statten kommet, daß dem Inhaber des
Schuldbriefs die Verführung des Beweises oblieget das in der Verschreibung
begriffene Geld wirklich zugezählet zu haben.
[3, 4, § 8] 107. Wir wollen aber diese ausgemessene
zweimonatliche Frist in dem Fall, wo der Aussteller binnen denen zweien Monaten
verstürbe, zu guten der Erben, welche zu Erforschung der
Erbschaftsangelegenheiten eine längere Zeit bedürfen, auf ein Jahr von dem Tag
der Ausstellung gnädigst erstrecket haben.
[3, 4, § 8] 108. Diese begünstigte Einwendung der nicht
geschehenen Zuzählung kann auf zweierlei Art vorgebracht werden, als erstlich,
in Gestalt einer Einrede, wann der Aussteller oder dessen Erben von dem Inhaber
des Schuldbriefs hieraus zu Bezahlung der Schuld in der obausgesetzten Zeit gerichtlich
belanget werden, oder auch andertens, als eine Klage, wann der Aussteller oder
dessen Erben die Schuldverschreibung wegen nicht erfolgter Zuzählung des Gelds
in eben dieser Frist zuruckforderen.
[3, 4, § 8] 109. Würde aber in dieser Begünstigungszeit
weder der Inhaber eines solchen Schuldbriefs den Aussteller belangen, noch auch
dieser wider jenen entweder wegen Abwesenheit oder sonstiger Verhindernuß die
Klage erheben können, so gestatten Wir in solchen Fällen gnädigst, daß der
Aussteller oder dessen Erben, wann sie die unterwaltende Ehehaften zu erweisen
vermögen, noch vor Verlauf dieser Zeit bei jener Stelle, deren Gerichtsbarkeit
sie unterworfen sind, eine Verwahrung ihrer Gerechtsame einbringen, und bei
Gericht vormerken lassen mögen.
[3, 4, § 8] 110. Diese Verwahrung solle jedoch die
begünstigte Einwendung auf keine längere Zeit, als auf vier Wochen über die
verflossene zweimonatliche oder einjährige Frist zu erstrecken vermögend sein,
binnen welcher der, oder die sich also Verwahrende um so gewisser die Klage
einzureichen haben, als im Widrigen die begünstigte Einwendung der nicht
geschehenen Zuzählung nicht mehr zugelassen sein solle. Der Inhaber des
Schuldbriefs aber ist in dem Fall, wann er deshalben belanget
wird, bei der Behörde des Ausstellers auf die eingebrachte Klage eben sowohl
Red und Antwort zu geben schuldig, als ob er den Aussteller klagbar daselbst
belanget hätte.
[3, 4, § 8] 111. Könnte nun der Inhaber des Schuldbriefs die
geschehene Zuzählung nicht erweisen, so ist der Aussteller oder dessen Erben
von der vermeinten Schuld ledig und loszusprechen, und der Inhaber zur
Zuruckstellung des empfangenen Schuldbriefs sowohl, als des etwan darauf
erhaltenen Unterpfands, wie auch zu Erstattung aller Schäden und Unkosten zu
verhalten.
[3, 4, § 8] 112. Würde hingegen die Zuzählung des Geldes,
worauf die Verschreibung lautet, von dem Inhaber des Schuldbriefs rechtsbehörig
erwiesen werden, und die
(3-75) richterliche Erkanntnuß hierauf erfolgen, ist ihme
sofort zu Eintreibung der Schuld bei deren Verfallzeit die schleunigste
Rechtshilfe zu ertheilen, und der Gegentheil nicht allein in alle verursachte
Schäden und Unkosten zu verurtheilen, sondern noch über das bei wahrnehmender
geflissentlicher Gefährde des Schuldners, als da er von dem Empfang des Gelds
gute Wissenschaft gehabt zu haben überzeuget würde, derselbe zur Strafe des
muthwilligen Aufzugs in einen einfachen Betrag der verschriebenen Summe an Uns
verfallen.
[3, 4, § 8] 113. Diese begünstigte Einwendung aber erlöschet
erstlich, mit Verlauf der Zeit, wann die hierzu nach Unterschied der Fällen
anberaumte zweimonatliche oder einjährige Frist verstrichen, und binnen solcher
entweder keine Verwahrung eingebracht, oder doch in den nächst darauffolgenden
vier Wochen nicht geklaget worden.
[3, 4, § 8] 114. Nach welcher Zeit zwar dem Aussteller die
gemeine Einwendung der nicht geschehenen Zuzählung noch bevorstehet, doch hat
er den Beweis zu verführen, daß er Dasjenige, was er in dem Schuldbrief
bekommen zu haben bekennet, nicht empfangen habe, und hat auch diese gemeine
Einwendung die Wirkung nicht, wie jene, daß sie die Schuldsache selbst
aufziehe, sondern ohnerachtet derselben ist nach obiger Ausmessung des §. VI
auf Brief und Siegel mit schleuniger Rechtshilfe fürzugehen, und der Beklagte
mit seiner Beweisführung zum ordentlichen Proceß zu verweisen.
[3, 4, § 8] 115. Zweitens höret sowohl die begünstigte als
nichtbegünstigte Einwendung auf, wann nach ausgestellten Schuldbrief die Schuld
entweder ausdrücklich durch eine nach der Zeit gethane Geständnuß des
Schuldners, oder stillschweigend durch Zahlung der Zinsen, oder eines Theils
der Hauptsumme, oder auch durch nachherige Bestellung oder Behändigung eines
Unterpfands anerkennet, oder hernach auf diese Einwendung eine besondere
Verzicht vor oder außer Gericht gemacht worden.
[3, 4, § 8] 116. Eine derlei Geständnuß oder Verzicht muß
aber nach der Zeit des ausgestellten Schuldbriefs geschehen, dann, wo solche in
der Schuldverschreibung selbst enthalten wäre, oder zu gleicher Zeit der
Ausstellung vorgebracht würde, so wird andurch die begünstigte Einwendung nicht
ausgeschlossen; es wäre dann, daß in der Schuldverschreibung eine vorherige vor
der Zeit der Ausstellung schon fürgewaltete Ursach der Schuld angedeutet würde,
als da Jemand in dem Schuldschein bekennet vor einem Jahr die verschriebene
Summe empfangen zu haben, in welchem Fall die vergünstigte Einwendung
ebensowenig, als bei allen anderen Handlungen, wobei es auf keine Zuzählung des
Darlehens ankommet, statt hat.
(3-76) Caput V.
Von Leihen zum Gebrauch.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des
Entlehnungscontracts. §. II. Von Sachen, welche zum Gebrauch ausgeliehen werden
können. §. III. Von Erfordernussen des Entlehnungscontracts. §. IV. Von
Verbindlichkeit des Entlehners, und von der wider ihn daraus entspringenden
Klage. §. V. Von Gegenverbindlichkeit des Ausleihers, und von der wider ihn
daher entstehenden Klage. §. VI. Von Haftung für Schuld und Gefährde.
§. I.
[3, 5, § 1] 1. Der zweite sächliche oder Realcontract ist
das Leihen zum Gebrauch, welches an sich nichts Anderes ist, als eine
verbindliche Handlung, wodurch Jemanden ein Ding ohnentgeltlich zum gewissen
Gebrauch verliehen wird, damit eben dasselbe nach dessen Beendigung
wiedergegeben werde.
(3-77) [3, 5, § 1] 2. Es ist dahero zur Vollständigkeit
dieses Contracts nicht an der bloßen Einwilligung der Contrahenten genug,
sondern es wird beinebst, wie bei allen anderen sächlichen Contracten, die
wirkliche Uebergab der entlehnenden Sache darzu erforderet.
[3, 5, § 1] 3. Gleichwie aber nach
der Wesenheit dieses Contracts die Uebergab der entlehnenden Sache lediglich in
der Absicht geschiehet, damit eben dieselbe nach vollendeten Gebrauch, zu deme
sie geliehen worden, anwiederum zuruckgestellet werde, also erhellet auch
hieraus, daß durch diese Uebergab weder das Eigenthum, noch der Besitz der
Sache auf den Entlehner übertragen, sondern ihme einzig und allein deren
Gebrauch verstattet werde, beides hingegen, sowohl das Eigenthum als der
Besitz, bei dem Ausleiher verbleibe.
[3, 5, § 1] 4. Leihen und entlehnen kann Jedermann, der
sonst Verbindungen einzugehen fähig ist, und weilen diese Handlung lediglich
aus gutem Willen des Ausleihers herrühret, welcher insgemein dabei keine andere
Absicht hat, als durch ohnentgeltliche Darleihung eines Dings dem Entlehnenden
eine Wohlthat zu erzeigen, und dessen Nutzen zu beförderen, als wird dieser
Contract denen gutthätigen Handlungen beigezählet.
[3, 5, § 1] 5. Es gibt aber doch Fälle, worinnen die
Handlung entweder des Ausleihenden alleinigen, oder beider Contrahenten
gemeinsamen Nutzen zum Endzweck hat, als da Jemand dem Anderen ein Pferd
leihet, um ihn auf der Reise zu begleiten, oder Einer dem Anderen zu einem mit
gemeinsamen Kosten bereitenden Gastmahl sein Silbergeschirr leihet.
[3, 5, § 1] 6. Dieses änderet jedoch die Wesenheit des
Contracts nicht, weilen es nur die Natur des Geschäfts also mit sich bringet,
daß, wo die Beschaffenheit der Umständen, oder der Inhalt des Vertrags nichts
Anderes andeutet, es allemal für eine auf den alleinigen Nutzen des abgesehene
Handlung zu halten seie.
(3-78) §. II.
[3, 5, § 2] 7. Alle Sachen können auf diese Art ausgeliehen
werden, sie mögen körperlich oder unkörperlich, fahrend oder liegend sein, wann
sie nur also beschaffen sind, daß sie durch den Gebrauch, zu deme sie entlehnet
worden, nicht verthan oder verzehret, sondern nach vollbrachten Gebrauch in
ihrer unverringerten Gestalt anwiederum zuruckgestellet werden mögen.
[3, 5, § 2] 8. Also kann ein Haus, Garten oder ein anderer
Grund ebensowohl, als ein jedes bewegliches Ding zu einem gewissen Gebrauch,
nicht weniger eine Dienstbarkeit, als der Fruchtgenuß eines Guts, die Wohnung
in einem Haus, die Durchfahrt oder der Durchgang über Jemands Grund auf eine
bestimmte Zeit lehnungsweise ohnentgeltlich hintangelassen werden.
[3, 5, § 2] 9. Desgleichen können Geld und andere derlei
genußbare Sachen, die sonst durch ihren wahren und ordentlichen Gebrauch
verthan oder verzehret werden, mit dem Beding zu einem außerordentlichen
Gebrauch ausgeliehen werden, daß sie in ihrer unverletzten Gestalt anwiederum
zuruckgegeben werden sollen, als da Jemand dem Anderen goldene Münzen leihete,
um solche bei seinem Glaubiger zu verpfänden, oder auch einen anderen Gebrauch
davon zu machen, wodurch sie nicht verthan werden.
[3, 5, § 2] 10. Sowohl eigene als fremde Sachen können auch
ohne Willen des Eigenthümers ausgeliehen werden, nicht nur, insoweit dem
Ausleiher hieran ein Recht zustehet, sondern auch, wann er keines hat; dem
Eigenthümer aber bleibet die Befugnuß bevor entweder nach erloschenen Recht des
Ausleihers, oder auch, wo dieser keines hat, sogleich die Sache mittelst der
Eigenthumsklage anwiederum zuruckzufordern, wann gleich der Gebrauch, zu deme
sie entlehnet worden, nicht vollendet wäre.
[3, 5, § 2] 11. Es wirket dahero der über eine fremde Sache
eingegangene Entlehnungscontract so viel, daß der Entlehner die entlehnte Sache
zuruckzustellen schuldig, und der Ausleiher solche nach vollendeten Gebrauch,
woferne sich der Eigenthümer bis dahin nicht gemeldet hätte, zuruckzuforderen
befugt seie, dagegen aber auch den vor der Zeit durch den Eigenthümer des
Gebrauchs der Sache entsetzten Entlehner, im Fall dieser sie zur Zeit der
Entlehnung fremd zu sein nicht gewußt, oder da es ihme wissend ware, sich auf
den Fall der früheren Zuruckforderung eine Entschädigung bedungen hätte,
schadlos zu halten verbindlich werde.
§. III.
[3, 5, § 3] 12. Diesemnach bestehet die von allen anderen
Handlungen sich unterscheidende Wesenheit des Entlehnungscontracts in deme, daß
die Sache zu einem gewissen und unentgeltlichen Gebrauch mit dem Beding
übergeben werde, damit solche nach dessen Beendigung in ihrer unveränderten
Gestalt wieder zuruckgestellet werde.
[3, 5, § 3] 13. Es ist dahero zur Wesenheit dieses Contracts
erforderlich: Erstens, daß die Sache zum Gebrauch gegeben werde, wodurch sich
dieser Contract von allen übrigen sächlichen Contracten, als von Darlehen,
Hinterlegung eines Guts, und von der Verpfändung unterscheidet; dann bei
Darlehen wird das Eigenthum der geliehenen Sache übertragen, und bei
Hinterlegung eines Guts die Verwahrung, bei Verpfändungen aber der Besitz und
die Sicherheit überlassen.
[3, 5, § 3] 14. Andertens, daß der Gebrauch, zu deme die
Sache geliehen wird, entweder durch ausdrückliche oder stillschweigende
Beifügung der Zeit bestimmet werde. Es wird aber für eine stillschweigende
Bestimmung der Zeit gehalten, wann die Sache zu einem gewissen Gebrauch
ausgeliehen wird, welcher eine Zeitfrist erforderet, als da Jemanden ein Buch
zum Durchlesen oder Abschreiben geliehen würde, so wird es auch auf so viele
Zeit geliehen zu sein geachtet, als das Durchlesen oder Abschreiben nöthig hat.
(3-79) [3, 5, § 3] 15. Hierdurch wird der
Entlehnungscontract von der bittweise geschehenden Ueberlassung des Gebrauchs
einer Sache unterschieden, wann nemlich Jemanden eine Sache zu einem
unbestimmten Gebrauch bittweise dergestalten vergünstiget wird, daß sie nach
Gefallen des Gebenden zu jeder Zeit widerrufen und zuruckgeforderet werden
möge, wo mithin der Gebende die Beendigung des Gebrauchs abzuwarten nicht
gebunden ist, sondern es von seiner Willkür immerhin abhanget, die Sache
zuruckzubegehren.
[3, 5, § 3] 16. Dahingegen kann bei einem
Entlehnungscontract der Ausleiher vor Beendigung des Gebrauchs, worzu die Sache
geliehen worden, solche nicht zuruckforderen, sondern er ist schuldig die
bestimmte Zeit oder den bedungenen Gebrauch abzuwarten; wo aber wegen der
ausdrücklich nicht beigeruckten Zeit des Gebrauchs ein Stritt entstünde, hat
die Ausmessung der Zeit nach Beschaffenheit der Umständen durch richterlichen
Befund zu geschehen.
[3, 5, § 3] 17. Woferne jedoch der Ausleiher aus einem zur
Zeit der Entlehnung nicht vorgesehenen ungefähren Zufall der ausgeliehenen
Sache selbst unumgänglich bedärfen, und durch deren längere Entbehrung in
Schaden versetzet würde, oder auch die Gefahr zu erweisen vermögend wäre, daß
die Sache bei dem Entlehner verderben und zu Grund gehen würde, in solchen
Fällen ist er an die Zeit des Gebrauchs nicht gebunden, sondern die Sache noch
vor dessen Vollendung abzuforderen befugt.
[3, 5, § 3] 18. Gegentheils ist auch der Entlehner schuldig,
sowohl die ausgemessene Zeit, als die bedungene Art und Weis des Gebrauchs zu
beobachten, und dahero, im Fall er die geborgte Sache über die bestimmte Zeit
länger behalten, oder zu einem anderen Gebrauch anwenden, oder etwan gar
weiters an einen Dritten ausleihen würde, für allen daraus entstehenden Schaden
zu haften verpflichtet.
[3, 5, § 3] 19. Wann aber die Zeit einmal verstrichen, ist
derselbe die entlehnte Sache sogleich zuruckzustellen schuldig, obschon er sich
solcher zu gebrauchen durch Zufall verhinderet, oder auch der Gebrauch, worzu
die Sache auf eine bestimmte Zeit ausgeliehen worden, mit deren Verlauf noch
nicht vollendet wäre.
[3, 5, § 3] 20. Drittens erforderet das Wesentliche dieses
Contracts, daß der Gebrauch ohnentgeltlich seie, folglich die Sache ohne allem
Entgelt ausgeliehen werde, dann wo eine Bezahlung dafür bedungen wird, ist die
Handlung eine Vermiethung oder Verlassung, und keine Entlehnung.
[3, 5, § 3] 21. Nichtsdestoweniger wann ohne vorhergehenden
Beding von dem Entlehner nicht zur Vergeltung des Gebrauchs, sondern zu einiger
Erkenntlichkeit und Dankbarkeit etwas dagegen verheißen oder gegeben wird,
änderet solches die Wesenheit des Contracts nicht.
[3, 5, § 3] 22. Endlich viertens, daß die Ausleihung mit dem
Beding geschehe, damit eben dasselbe, was entlehnet worden, in seiner Gestalt,
und nicht wie bei einem Darlehen eben dergleichen von gleicher Gattung und
Betrag zuruckgestellet werde.
§. IV.
[3, 5, § 4] 23. Der Entlehnungscontract ist seiner
Eigenschaft nach zweibündig, woraus eine zweifache Verbindlichkeit entstehet,
doch also daß der Entlehner gleich Anfangs dem Ausleiher in der Hauptsache zur
Wiedergebung des entlehnten Dings verbunden, der Ausleiher hingegen nachhero
aus natürlicher Billigkeit zur Entschädigung des allenfalls durch diese
Handlung verkürzten Entlehners ruckverbindlich werde.
[3, 5, § 4] 24. Aus der hauptsächlichen Verbindlichkeit des
Entlehners entspringet die Hauptforderung, welche dem Ausleiher oder dessen
Erben wieder den Entlehner und seine Erben zur Zuruckstellung der geliehenen
Sache gebühret, wobei Klägern die wirkliche Ausleihung sammt dem Verlauf der
Zeit, oder der Beendigung des Gebrauchs, worzu sie geliehen worden, zu erweisen
oblieget.
[3, 5, § 4] 25. Wann eine Sache Mehreren geliehen worden,
kann solche von Jenem
(3-80) allein zuruckgeforderet werden, bei deme sie zur Zeit
der erhobenen Klage befindlich ist; daferne aber Kläger Denjenigen, in dessen
Handen seine Sache wäre, nicht auszuweisen vermögete, oder aber die Klage auf
den Ersatz des an der entlehnten Sache geschehenen Schadens gerichtet wäre, ist
zu unterscheiden, ob sich Alle für Einen und Einer für Alle zur Zuruckstellung
der entlehnten Sache ausdrücklich verbunden haben oder nicht.
[3, 5, § 4] 26. Ersteren Falls ist ein Jeder insonderheit
für das Ganze dergestalten zu haften schuldig, daß was hieran von dem Einen
nicht eingetrieben worden, von dem Anderen erholet, und dahero ein Jeder
besonders nach Willkür des Klägers hierum belanget werden mag, welcher jedoch
Dasjenige, was er von Einem hierauf empfangen, von denen Uebrigen anzubegehren
nicht befugt ist.
[3, 5, § 4] 27. Letzteren Falls aber, und wo keine
ungetheilte Verbindung ausdrücklich eingegangen worden, hat die Handlung
jederzeit den Verstand, daß die Sache auf gemeinsame Gefahr geliehen worden, wo
mithin ein Jeder nur für seinen Antheil den Ersatz zu leisten hat, folglich
auch ein Jeder nur um den schuldigen Antheil, Alle zusammen aber um den ganzen
Betrag belanget werden müssen.
[3, 5, § 4] 28. Und dieses hat auch statt, obgleich an dem
Untergang oder Verderbung der entlehnten Sache nur Einer allein Schuld träge,
dann dieses hebet die Verbindlichkeit der Uebrigen gegen dem Ausleiher nicht
auf, sondern machet bloß Denjenigen, dessen Schuld dabei unterwaltet, denen
Anderen zur Wiedererstattung ihres daher erleidenden Schadens verfänglich; es
wäre dann, daß der Ausleiher sich seiner allein halten, und die Beweisführung
über seine unterlaufende Schuld auf sich nehmen würde.
[3, 5, § 4] 29. Ein Gleiches ist nicht weniger in jenem Fall
zu beobachten, wann nach dem Entlehner mehrere Erben vorhanden sind, welche
nicht anderst, als zu gleichen Theilen nach Maß des auf einen Jeden gediehenen
Erbantheils für die entlehnte Sache zu haften haben, und dahero auch Alle
zusammen um den ganzen Betrag belanget werden müssen, woferne nicht entweder
die Sache selbst von einem Miterben allein in dessen Handen solche befindlich,
zuruckgeforderet, oder ein Miterb allein wegen seiner unterwaltenden eigenen
Schuld belanget würde.
[3, 5, § 4] 30. Es ist demnach der Entlehner die entlehnte
Sache nach vollendeten Gebrauch in ihrer Gänze und unveränderten Gestalt mit
allen davon behobenen Früchten, Nutzungen und Zugängen in dem Ort, wo selbe ausgeliehen,
oder welches sonst bestimmet worden, auf seine alleinige Unkosten
zuruckzustellen schuldig.
[3, 5, § 4] 31. Der Gebrauch muß aber vollendet sein; es
wäre dann, daß obbemelter Maßen entweder der Ausleiher aus einem unvorgesehenen
Zufall der Sache ohne seinem Schaden nicht entbehren zu können, oder die Gefahr
des Untergangs derselben bei dem Entlehner fürzuwalten, oder solche von ihme zu
einem anderen, als dem bestimmten Gebrauch angewendet zu werden zu erweisen
vermögete, in welchen Fällen er auch vor Verlauf der bestimmten Zeit die Sache
zuruckzuforderen berechtiget ist.
[3, 5, § 4] 32. Woferne jedoch der Entlehner die Sache über
die gesetzte Zeit bei sich länger aufhalten, und solche auf Begehren des
Ausleihers nicht allsogleich zuruckerfolgen, oder sie zu einem anderen, als dem
bedungenen Gebrauch angewendet zu haben überwiesen würde, hat derselbe nicht
allein für allen dem Ausleiher hierdurch erweislich zugefügten Schaden zu
haften, sondern auch, wo sich keiner ergeben hätte, nichtsdestoweniger ihme auf
Verlangen eine für die Zeit der längeren Vorenthaltung, oder nach
Beschaffenheit des contractwidrigen Gebrauchs nach richterlichen Befund
ausmessende billige Vergeltung dafür zu leisten.
[3, 5, § 4] 33. Die entlehnte Sache ist in ihrer Gänze und
unveränderten Gestalt unverringeret und unverletzet zuruckzustellen, wann aber
ein Schaden aus Schuld oder Saumsal des Entlehners hieran geschehen, sind
folgende drei Fälle zu unterscheiden, als nemlich: Erstens, ob die beschädigte
Sache jegleichwohlen noch zu gebrauchen
(3-81) seie, oder andertens, ob solche gänzlich zu Grund
gegangen, oder dergestalten verdorben worden, daß sie gar nicht mehr zu
gebrauchen, sondern ganz und gar unnütz seie, oder ob endlich drittens die
Sache zwar aus Handen des Entlehners gekommen, doch aber deren Wiedererhaltung
nicht unmöglich seie.
[3, 5, § 4] 34. Ersteren Falls kann der Ausleiher sich nicht
entschlagen die entlehnte Sache anwiederum zuruckzunehmen, der Entlehner
hingegen ist schuldig so vieles, als dieselbe an ihrem durch gerichtliche
Schätzung bestimmenden Werth verringeret worden, daraufzugeben; hätte aber der
Ausleiher die Sache zuruckgenommen, ohne sich wegen des etwan dabei
hervorkommenden Schadens sogleich entweder vor Zeugen, oder durch eine von dem
Entlehner deshalben ausstellende schriftliche Verbindung zu verwahren, oder
auch, da er sich solchergestalten verwahret hätte, bei beweglichen Dingen
binnen denen nächsten dreien Tagen, oder bei liegenden Gütern binnen vier
Wochen von dem Tag der Zuruckstellung seine Klage bei Gericht nicht angebracht,
ist ihme der Entlehner weiter zu nichts verbunden.
[3, 5, § 4] 35. In dem zweiten Fall hingegen kann dem
Ausleiher weder die gänzlich verdorbene, noch weniger eine andere dem
entlehnten Ding gleichkommende Sache aufgedrungen werden, sondern der Entlehner
ist schuldig den gerichtlich geschätzten Werth ohnweigerlich zu entrichten.
[3, 5, § 4] 36. Welches zwar gleichergestalten in dem
dritten Fall statt hat, dabei aber ist doch der Unterschied zu bemerken, ob der
Entlehner arglistiger und betrügerischer Weis die entlehnte Sache selbst
verstoßen habe, oder ob solche ohne seiner geflissentlichen Gefährde, doch aber
aus seiner Schuld vermisset worden seie.
[3, 5, § 4] 37. Unterwaltete seine eigene Arglist und
Betrug, als da er solche selbst verkaufet, oder sonst veräußeret hätte, ist er
den Werth, wie solche Kläger mittelst eidlicher Schätzung bestimmen wird, mit
allen von dem Tag der Veräußerung hiervon laufenden landesüblichen Zinsen, und
allen Gerichtsschäden und Unkosten zu erlegen verpflichtet.
[3, 5, § 4] 38. Wo aber kein Betrug, sondern nur die Schuld
des Entlehners unterliefe, als da etwan die Sache aus seiner Verwahrlosung
entfremdet worden wäre, ist zwar auch der Werth derselben von dem Kläger zu
beschwören, wann solcher in andere Wege nicht erweislich ist, doch solle der
Eid nicht auf willkürliche Schätzung des Klägers erstrecket, sondern nur auf
den wahren Betrag des Werths, wie er denselben gewissenhaft angeben kann,
beschränket werden, welchen der Beklagte mit denen Zinsen von dem Tag, wann die
Zuruckstellung zu leisten gewesen wäre, und allen erweislichen Gerichtsschäden
und Unkosten zu erstatten hat. Dagegen aber solle der Ausleiher schuldig sein,
wann er die Sache, wofür er den Werth empfangen, aus keiner neuen das Eigenthum
übertragenden Ursache durch die Eigenthumsklage oder auch sonst anwiederum zu
Handen bringen würde, dieselbe dem Entlehner entweder eigenthumlich zu
überlassen, oder den bezahlten Werth wieder zuruckzugeben.
[3, 5, § 4] 39. Die Eigenthumsklage kann jedoch bei
beweglichen Dingen wider einen dritten Besitzer nur insoweit angestrenget
werden, als Kläger zu erweisen vermag, daß er solche fremd zu sein gewußt habe,
oder der Beklagte seinen Gewährsmann nicht ausweisen könnte; dann wo ein
Dritter in Meinung und guten Glauben, daß es des Veräußerers eigene Sache seie,
dieselbe rechtmäßig an sich gebracht und also aus Macht des Gesatzes deren
Eigenthum erworben hätte, höret auch die Eigenthumsklage auf, wie dieses
bereits in dem zweiten Theil mit Mehreren erkläret worden.
[3, 5, § 4] 40. Wann aber an der entlehnten Sache ohne
Schuld des Entlehners von Ohngefähr ein Schaden geschähe, oder auch dieser von
dem Gebrauch selbst, zu deme die Sache geliehen worden, herrührete, ohne daß
dabei die gehörige Maß überschritten worden wäre, hat solchen der Ausleiher und
nicht der Entlehner zu
(3-82) tragen. Für was aber für einen Grad der Schuld der
Entlehner verfänglich seie, wird hiernach in §. VI ausgemessen werden.
[3, 5, § 4] 41. Ferners ist die entlehnte Sache mit allen
davon behobenen Früchten, Nutzungen und Zugängen zuruckzustellen, insoweit
solche dem Entlehner in dem Vertrag nicht überlassen worden; dann nach
natürlicher Eigenschaft dieses Contracts wird in Ermangelung eines darüber
eingegangenen Bedings nur der bloße Gebrauch der Sache dem Entlehner
vergünstiget, und dahero gehören die Nutzungen dem Ausleiher, obgleich deren in
dem Vertrag ausdrücklich nicht gedacht worden. In jenen Fällen aber, wo der
Werth der Sache zu erstatten ist, gebühren auch hiervon die landesübliche
Zinsen von dem Tag, wann die Zuruckstellung zu geschehen hätte.
[3, 5, § 4] 42. Ingleichen muß die Zuruckstellung der
entlehnten Sache entweder an dem bestimmten Ort, oder da keines benennet worden
wäre, an dem Ort, wo die Sache geliehen worden, befolget werden. Diesemnach
kann der Ausleiher an einem anderern Ort zur Zurucknehmung der Sache nicht
verhalten werden, außer der Entlehner wäre bereit, die Unkosten zugleich
mitabzutragen, welche die Ueberlieferung der Sache an das gehörige Ort erfordern
würde.
[3, 5, § 4] 43. Nicht weniger hat der Entlehner die
Zuruckstellung der entlehnten Sache auf seine alleinige Unkosten zu bewirken;
als da solche ihme entwendet, und irgendwo versetzet worden wäre, ist er
dieselbe auszulösen schuldig, welches auch von jenem Fall zu verstehen ist,
wann Jemand etwas zum Versatz für des Entlehners eigene Schuld hergeliehen
hätte.
§. V.
[3, 5, § 5] 44. Gleichwie aus diesem zweibündigen Contract
die Hauptverbindlichkeit an Seiten des Entlehners entstehet, also wird auch dagegen
der Ausleiher diesem nachhero zu seiner Entschädigung ruckverbindlich, wann
ihme wegen der entlehnten Sache mit oder ohne Zuthat des Ausleihers ein
erweislicher Schaden widerfahren ist.
[3, 5, § 5] 45. Mit Zuthat des Ausleihers kann dem Entlehner
ein Schaden zugefüget werden erstens, durch voreilige Zuruckforderung der
geliehenen Sache vor vollendeten Gebrauch, oder durch dessen geflissentliche
Verhinderung, wann es nicht solche oben angeregte Fälle betrifft, wo derselbe
die Sache noch vor der Zeit zuruckzunehmen befugt ist; zweitens, durch
wissentliche Verleihung einer mangelhaften Sache, wodurch der Entlehner in
Schaden versetzet wird; drittens, durch ungebührlichen Gewinnst des Ausleihers,
wann nemlich derselbe sowohl den Werth der verlorenen Sache von dem Entlehner,
als auch hernach die Sache selbst aus dem vorhin hierangehabten Eigenthumsrecht
wieder erhaltet.
[3, 5, § 5] 46. In dem ersteren Fall ist der Ausleiher
verbunden, die nach richterlichen Ermessen für den vor der Zeit entzohenen oder
gestörten Gebrauch bestimmende Schadloshaltung dem Entlehner zu leisten, in dem
zweiten aber ihme alle erweislich daherrührende Schäden zu vergüten, und
endlich in dem dritten entweder die Sache oder den Werth zuruckerfolgen zu
lassen; dagegen aber ist in diesem letzteren Fall auch der Entlehner schuldig,
ihme alle auf Behauptung der Sache erweislich verwendete Unkosten zu ersetzen,
wann er solche von dem dritten Besitzer nicht hätte erholen können.
[3, 5, § 5] 47. Ohne Zuthat des Ausleihers kann der
Entlehner zu Schaden kommen, wann er auf die geliehene Sache außerordentliche
Kosten aus Nothwendigkeit aufzuwenden dergestalten bemüssiget wird, daß ihme
ohne solchem Aufwand die Sache zu dem verstatteten Gebrauch ganz unnütz sein
würde, welche ihme dahero der Ausleiher aus natürlicher Billigkeit zu vergüten
schuldig ist.
[3, 5, § 5] 48. Wohingegen der Entlehner geringe, oder die
nach der Natur und Eigenschaft der Sache zu deren gegenwärtiger Erhaltung
aufzuwenden habende Auslagen, als z. B. die Stall-, Fütterungs- und
Beschlagsunkosten für das entlehnte Pferd
(3-83) selbst zu tragen hat. Was aber den zwar an sich nicht
nothwendigen, doch nutzlichen und zur Besserung oder beharrlicher Erhaltung der
Sache gemachten Aufwand anbetrifft, davon wird die Ausmessung unten in
siebenzehenten Capitel, §. XII, folgen.
[3, 5, § 5] 49. Aus dieser Ruckverbindlichkeit des
Ausleihers erwachset die Ruck- oder Gegenforderung, welche dem Entlehner und
seinen Erben wider dem Ausleiher und dessen Erben zu Erlangung der ihme aus
natürlicher Billigkeit gebührenden Entschädigung zustehet, und entweder für
sich allein als eine besondere Klage, oder aber als eine Gegenklage oder
Einrede wider die Forderung des Ausleihers angebracht werden mag.
[3, 5, § 5] 50. Als eine besondere Klage kann sie jedoch
anderer Gestalt nicht angestrenget werden, außer entweder vor Zuruckstellung
der entlehnten Sache, oder es hätte sich der Entlehner bei der Zuruckstellung
derowegen auf gleichmäßige Art verwahret, wie oben §. IV, num. 34 von dem
Ausleiher geordnet worden, dann wann die Zuruckstellung ohne Vorbehalt
geschehen, oder auch nach der Verwahrung die obbestimmte Zeit verstrichen wäre,
erlöschet die Gegenforderung des Entlehners.
[3, 5, § 5] 51. Wo aber solche als eine Gegenklage oder
Einrede wider die Hauptforderung des Ausleihers eingewendet wird, hat der
Richter so eine als die andere in einem Spruch zu entscheiden, maßen dem
Entlehner, insolange er nicht entschädiget, oder die Entschädigungsforderung
ihme aberkennet wird, sowohl das Recht der Innenhaltung der entlehnten Sache,
als auch, wo es auf Erstattung des Werths dafür ankommet, das Recht der
Gegenvergeltung zustehet.
[3, 5, § 5] 52. Dahingegen kann derselbe wegen anderer aus
diesem Contract nicht herrührenden, obschon sonst an sich klaren und ungezweifleten
Forderungen die entlehnte Sache nicht innenhalten, noch sich deshalben etwas
davon abziehen; woferne er aber den Werth dafür zu entrichten hätte, als da die
Sache mit seiner Schuld verdorben oder verloren worden wäre, hat die
Gegenvergeltung allerdings in jener Maß statt, wie es in letzten Capitel, §.
III, welcher eigends von Gegenvergeltungen handlet,
mit Mehreren angedeutet wird.
§. VI.
[3, 5, § 6] 53. Die Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde
ist bei dem Entlehnungscontract nach denen oben in ersten Capitel, §. IX,
festgesetzten Maßregeln zu bestimmen; gleichwie nun die Entlehnung einer Sache
insgemein auf den Nutzen des Entlehners allein abzielet, also hat derselbe auch
solchen Falls für die geringste Schuld, der Ausleiher aber nur für die große Schuld
zu haften.
[3, 5, § 6] 54. Woferne aber die Entlehnung auf
beiderseitigen Nutzen, oder auch nur zum Vortheil des Ausleihers allein
abgesehen gewesen wäre, ist der Entlehner im ersteren Fall für die leichte, und
im letzteren Fall nur für die große Schuld verfänglich.
[3, 5, § 6] 55. Dahingegen hat einen ohngefähren ohne aller
Schuld des Entlehners an der entlehnten Sache sich ereignenden Zufall, wodurch
solche beschädiget, verdorben oder zu Grund gerichtet würde, der Ausleiher
allein zu tragen, und ist in diesem Fall der Entlehner ihme dafür eine
Vergütung zu leisten nicht schuldig, außer er hätte die Gefahr der Sache auf
eine von denen in ersten Capitel, §. IX, num. 126 bis 128, erwähnten Arten auf
sich genommen.
[3, 5, § 6] 56. Doch ist der Entlehner verbunden in
Verwahrung und Erhaltung der zu seinem alleinigen Nutzen entlehnten Sache den
genauesten, und nicht nur gleichen, sondern einen noch größeren Fleiß, als in
seinen eigenen Sachen anzuwenden, also zwar, daß bei bevorstehender Gefahr des
Verlusts ihme oblieget, die entlehnte Sache mit Hintanlassung seiner eigenen zu
retten, und in Sicherheit zu bringen.
[3, 5, § 6] 57. Würde er aber in Rettung seiner eigenen die
entlehnte Sache der Gefahr ausgesetzet lassen, und selbe zu Grund gehen, so ist
er dem Ausleiher den Werth
(3-84) derselben zu erstatten schuldig, es mögen seine in
Sicherheit gebrachte Sachen kostbarer oder geringschätziger, als die entlehnte,
gewesen sein.
[3, 5, § 6] 58. Gleichwie in Gegentheil die Billigkeit
erheischet, daß, wann der Entlehner zu erweisen vermögend ist, wegen Rettung
der entlehnten Sache seine eigene, da er sie in Sicherheit bringen können,
nicht gerettet, sondern zuruckgelassen zu haben, der Ausleiher ihme solchen
Falls den Werth der geretteten entlehnten Sache, wann seine zu Grund gegangene
Sachen kostbarer waren, oder seiner eigenen verlorenen Sachen, wann solche
geringschätziger gewesen, zu entrichten habe.
[3, 5, § 6] 59. Dahingegen, wo ohne aller Schuld des
Entlehners der größere Theil seiner eigenen sammt der entlehnten Sache zu Grund
gienge, und er obbemelter Maßen die Gefahr nicht auf sich genommen hätte, kann
der Ausleiher an ihm derowegen keine Forderung stellen, sondern der Zufall
schadet ihme allein, wann er von dem Entlehner rechtsbehörig erwiesen wird.
[3, 5, § 6] 60. Desgleichen, wann die entlehnte Sache bei
einem Boten, oder einem Dritten, deme deren Ueberlieferung aufgetragen worden,
zu Schaden käme, oder solche gar entfremdet, geraubet oder verloren würde, ist
zu unterscheiden, ob der Ausleiher diesem Boten oder Ueberbringer die Sache
aufzugeben anbefohlen oder gutgeheißen habe, oder ob die Sache nach eigener
Auswahl und Gefallen des Entlehners aufgegeben worden. Ersteren Falls hat der
Ausleiher den Schaden selbst zu leiden, letzteren Falls aber ist der Entlehner
dafür zu haften schuldig, er erweise dann, daß es eine solche sichere
Gelegenheit gewesen, an deren Verläßlichkeit und Richtigkeit nicht gezweiflet,
noch weniger der widrige Zufall habe vorgesehen werden mögen.
Caput VI.
Von Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts zu getreuen
Handen.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des
Hinterlegungscontracts. §. II. Von Sachen, welche zu getreuen Handen hinterleget werden können. §. III. Von Erfordernussen des
Hinterlegungscontracts. §. IV. Von Verbindlichkeit des Aufnehmers oder
Desjenigen, zu wessen Handen ein Gut hinterleget wird, und der daraus wider ihn
gebührenden Klage. §. V. Von Gegenverbindlichkeit des Anvertrauenden oder
Hinterlegenden, und der daher wider ihn entstehenden Klage. §. VI. Von beiderseitiger
Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde. §. VII. Von Beschlag einer strittigen
Sache.
§. I.
[3, 6, § 1] 1. Der dritte sächliche oder Realcontract ist
die Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts zu getreuen Handen. Diese ist
eine verbindliche Handlung, wodurch Jemanden ein Ding zu getreuen Handen
ohnentgeltlich in seine Verwahrung mit dem Beding anvertrauet wird, damit eben
dasselbe dem Hinterlegenden anwiederum auf jedesmaliges Begehren
zuruckgestellet werde.
(3-85) [3, 6, § 1] 2. Zur Vollständigkeit dieser Handlung
ist so wie bei allen anderen sächlichen Contracten nicht allein die
Einwilligung der Contrahenten, sondern auch die wirkliche Uebergab der
hinterlegenden Sache dergestalten erforderlich, daß in Ermanglung der einen
oder anderen der Hinterlegungscontract nicht zu Stand kommen kann.
[3, 6, § 1] 3. Also obgleich beide Theile wegen Verwahrung
einer hinterlegen wollenden Sache unter sich übereinkämen, ohne daß solche in
die wirkliche Verwahrung übergeben worden wäre, ist es jedennoch kein
Hinterlegungscontract, sondern ein bloßer Vertrag, welchen zwar Derjenige, der
die Sache in seine Verwahrung nehmen zu wollen zugesaget, zu vollziehen
schuldig, nicht aber auch hieraus der Andere dieselbe wirklich zu hinterlegen
verbunden wird, es erweise dann der Uebernehmenwollende, daß ihme an
Habhaftwerdung der bei ihme zu hinterlegen versprochenen Sache gelegen seie,
als da zugleich wegen verstattenden Gebrauchs der hinterlegenden Sache die
Verbindung eingegangen worden wäre.
[3, 6, § 1] 4. Desgleichen, wann der Eine seine Sache in des
Anderen Haus oder Wohnung, obschon mit dessen Wissen und Stillschweigen
zuruckließe, ohne seinen Willen, daß es hinterlegungsweise geschehe, dabei zu
eröffnen, ist es keine Hinterlegung, und der Andere auch dafür zu haften nicht
schuldig, woferne ohne seiner Zuthat hieran ein Schaden geschähe, oder sie gar
verloren gienge, sondern der Zurucklassende hat es seiner eigenen Unachtsamkeit
beizumessen.
[3, 6, § 1] 5. Es wäre dann Derjenige, bei deme die Sache
zuruckgelassen worden, eine solche Person, die ihres treibenden Gewerbs halber
auf Alles, was in ihre Gewahrsame gebracht wird, auch ohne ausdrücklicher
Angelobung der Verwahrung
(3-86) obacht zu tragen verpflichtet ist, wovon unten in
neunzehenten Capitel, §. VIII, mit Mehreren gehandlet wird.
[3, 6, § 1] 6. Woferne aber der Hinterlegende ausdrücklich
dabei erklärete, daß er dem Anderen die in seinem Haus oder Wohnung lassende
Sache in seine Verwahrung zu getreuen Handen anvertraue und übergebe, und
dieser würde nicht allein deren Dahinbringung oder Zurucklassung wissentlich
gestatten, sondern auch dieser Erklärung nicht widersprechen, und die
hinterlegte Sache sofort nicht wieder zuruckgeben, so ist derselbe für
einwilligend zu halten, und hat der Hinterlegungscontract seine Richtigkeit,
obgleich der Andere ausdrücklich nicht eingewilliget hätte.
[3, 6, § 1] 7. Durch die Uebergab der hinterlegenden Sache
wird bloß allein die Verwahrung derselben dem Uebernehmer anvertrauet, und
weder deren Eigenthum, noch der Besitz an ihn übertragen, sondern ein so
Anderes behält der Hinterlegende, wodurch diese Handlung sich von allen übrigen
sächlichen Contracten unterscheidet, als die entweder die Uebertragung des
Eigenthums oder des Besitzes, oder die Verstattung des Gebrauchs zu ihrem
Gegenstand haben.
[3, 6, § 1] 8. Es ist dahero der Uebernehmer nicht befugt
von der hinterlegten Sache einen Gebrauch zu machen, außer es werde ihme
solcher von dem Hinterlegenden ausdrücklich verstattet, wodurch aber das
Hinterlegungsgeschäft nach Beschaffenheit der Sache, deren Gebrauch
vergünstiget wird, entweder gleich Anfangs, oder auch darnach die Natur und
Eigenschaft einer anderen Handlung auf sich nimmt.
[3, 6, § 1] 9. Dann, woferne die Sache also geartet ist, daß
sie durch den verstatteten Gebrauch verthan und verzehret werde, als da Jemand
eine Summe Gelds dem Anderen mit dem Beding anvertrauete, daß er sich deren,
bis sie wieder geforderet werden würde, gebrauchen möge, und der Andere sie
auch auf diese Weis übernehme, ist es kein Hinterlegungs-, sondern ein
Darlehenscontract, und der Uebernehmer wird Eigenthümer der unter einem solchen
Beding empfangenen Summe.
[3, 6, § 1] 10. Wohingegen, wann eine andere durch den
ordentlichen Gebrauch in ihrer Gänze und Gestalt nicht abnehmende Sache, als z.
B. ein Buch oder eine Uhr bei Jemanden hinterleget, und ihme dabei deren
Gebrauch verstattet würde, wird eine so beschaffene Hinterlegung in einem
Entlehnungscontract verwandlet, und ist in diesem Fall all Jenes zu beobachten,
was in gleich vorhergehenden Capitel von der zu beiderseitigen Vortheil
gereichenden Entlehnung geordnet worden.
[3, 6, § 1] 11. Würde aber der Uebernehmer ohne Wissen und
Willen des Hinterlegers oder Eigenthümers sich der hinterlegten Sache zu
gebrauchen anmaßen, und dieses könnte auf ihn dargethan werden, so ist derselbe
nicht allein für allen hieran entstehenden Schaden, solcher möge aus seiner
Schuld, oder auch nur durch Zufall geschehen, zu haften, sondern auch, da er
solche zu seinem Nutzen verwendet, oder sonst veräußeret hätte, deren Werth
nach eigener eidlichen Schätzung des Hinterlegers mit denen von Tag der
Verwendung anrechnenden landesüblichen Zinsen zu entrichten schuldig.
[3, 6, § 1] 12. Die Sachen, welche hinterleget werden, sind
entweder unstrittig oder strittig; bei ersteren wird die Handlung eigentlich
eine Hinterlegung, bei denen in Stritt Verfangenen aber ein gerichtlicher
Beschlag genannt, von welchem letzteren unten in §. VII besonders gehandlet
wird.
[3, 6, § 1] 13. Die eigentliche Hinterlegung geschieht
entweder willkürlich aus eigenen freien Willen des Hinterlegers, oder aus
Nothwendigkeit der bevorstehenden augenscheinlichen Gefahr zur Zeit einer
Feuersbrunst, Wassersnoth, Schiffbruchs, Aufruhrs, Einsturz des Gebäudes, oder
sonstigen Nothfalls, welche auch anderst eine bemitleidenswerthe Hinterlegung
genannt wird.
[3, 6, § 1] 14. Hinterlegen kann Jedermänniglich, wann er
gleich zu anderen verbindlichen Handlungen nach diesem Unseren Gesatz nicht
fähig ist, woferne er nur nicht von der Natur sich in eine Handlung einzulassen
verhinderet wird, und hat diese Hinterlegung die Wirkung, daß zwar ein solcher
sich Denjenigen, deme er sein Gut
(3-87) anvertrauet, verbindlich mache, er aber
jegleichwohlen demselben nicht ruckverbindlich werde, außer insoweit ihme ein
Vortheil oder Nutzen aus der Handlung erweislich erwachsen wäre; dahingegen
können nur Jene zu getreuen Handen Sachen übernehmen, denen Verbindungen
einzugehen in diesem Unseren Gesatz nicht verwehret wird.
§. II.
[3, 6, § 2] 15. Alle Sachen, welche von einem Ort zum
anderen beweglich sind, können ohne Ausnahm, sie mögen leblose oder belebte
Dinge sein, eigentlich hinterleget und in Verwahrung gegeben, die liegende
Güter aber zwar auch in gerichtlichen Beschlag genommen, jedoch aus eigener
freier Willkür der Contrahenten nicht anderst, als befehlsweise anvertrauet
werden, und ist dahero die solchergestalten darüber getroffene Handlung allemal
für einen Befehls- und keinen Hinterlegungscontract zu achten.
[3, 6, § 2] 16. Nicht nur eigene, sondern auch fremde Sachen
können mit oder ohne Wissen und Willen des Eigenthümers zu getreuen Handen
hinterleget werden, und ist bei fremden Sachen nur darauf zu sehen, ob dieselbe
im Namen des Eigenthümers, oder in eigenen Namen des Hinterlegers Jemanden
anvertrauet werden. Ersteren Falls sind solche nur dem Eigenthümer, in dessen
Namen sie hinterleget worden, letzteren Falls aber dem Hinterlegenden
zuruckzustellen, wann sie der Eigenthümer mittelst der Eigenthumsklage, ehe und
bevor selbe von dem Hinterleger wiederbegehret werden, nicht zuruckforderet.
[3, 6, § 2] 17. Wann aber Jemand seine eigene Sache von dem
Anderen in die Verwahrung nähme, er möge es gleich Anfangs gewußt, oder erst
nachhero in Erfahrnuß gebracht haben, daß ihme solche zugehöre, wird derselbe
hieraus zur Zuruckstellung nicht verbunden; es wäre dann, daß dem
Hinterlegenden ein Recht hieran gebührete, als da z. B. bei einem unversehenen
Nothfall der Glaubiger dem Schuldner das von ihme eingelegte Pfand in seine
Verwahrung gäbe.
[3, 6, § 2] 18. Hätte eine hinterlegte Sache Zugehörungen,
welche mit derselben in die Verwahrung gegeben werden, als z. B. ein Roß mit
Sattel und Zeug, so ist auch alles dieses in dem Hinterlegungscontract
begriffen, und die Sache muß mit allen deme, was damit zu getreuen Handen
anvertrauet worden, anwiederum auf Begehren zuruckgestellet werden.
[3, 6, § 2] 19. Desgleichen, wann ein Kasten, Truhen oder
sonstiges Behältnuß bei Jemanden hinterleget wird, sind ihme auch andurch alle
darinnen enthaltene Sachen in seine Verwahrung anvertrauet, obgleich solche
demselben nicht Stuck für Stuck vorgezeiget worden; doch ist der Unterschied
dabei in acht zu nehmen, ob das Behältnuß uneröffneter, unverletzter, ohne
aller Beschädigung, und in demjenigen Stand, wie es empfangen worden,
zuruckgestellet werde, oder ob solches sich bei der Zuruckstellung aufgemacht,
veränderet, oder auch das Siegel dabei abgerissen befinde, oder sonst ein
Kennzeichen angewendeter Gewalt daran wahrzunehmen seie.
[3, 6, § 2] 20. Ersteren Falls ist der Uebernehmer für die
allenfalls daraus vermißte Sachen Red und Antwort zu geben nicht schuldig; es
erweise dann der Hinterleger, daß solche sich zur Zeit der
Hinterlegungsübergabe wirklich darinnen befunden haben, und daß von dem
Uebernehmer in deren Entwendung eine Arglist oder große Schuld begangen worden
seie. Letzteren Falls hingegen bei sichtbarer Veränderung oder Verletzung ladet
der Uebernehmer den Verdacht auf sich, wann er solchen durch Erprobung eines
ungefähren Zufalls entweder wegen schlechter Versperrung des Behältnusses, oder
wegen Feuers- oder Wassersnoth oder sonstiger Gefahr von sich abzuleinen nicht
vermögend ist; in dessen Ermanglung ist der Hinterleger zur eidlichen Erhärtung
Desjenigen, was er hieran sowohl in dem Betrag, als in dem Werth angiebt, wann
ihme sonst keine widrige Vermuthung entgegenstehet, zuzulassen, und der
Uebernehmer zu dem Ersatz des beschworenen Betrags zu verurtheilen. Würde aber
wider den Hinterleger eine gegründete Vermuthung fürwalten,
(3-88) oder auch der Anspruch von dessen Erben gereget werden,
so solle der Eid dem Uebernehmer aufgetragen werden, daß weder von ihme, noch
von Jemand Anderen aus seiner Schuld etwas davon entwendet, sondern das
hinterlegte Gut von ihme getreulich verwahret worden.
§. III.
[3, 6, § 3] 21. Das Wesentliche dieses Contracts bestehet in
folgenden Erfordernussen, als: Erstlich, daß die Sache gleich Anfangs lediglich
in der Absicht übergeben werde, damit der Andere solche in seine Verwahrung
nehme. Woferne aber über die bloße verwahrliche Aufbehaltung der übergebenen
Sache noch eine mehrere Obsorge aufgetragen würde, so wird andurch ein
Befehlscontract geschlossen, welcher zwar bei anvertrauten Sachen in seinem
Umfang allemal die Verbindlichkeit des Hinterlegungscontracts zugleich
mitbegreifet, doch aber eine mehrere Verfänglichkeit wirket, und eben dahero
eine von jenem in ihrer Wesenheit unterschiedene Handlung ist.
[3, 6, § 3] 22. Zweitens, daß die Verwahrung der
hinterlegten Sache ohnentgeltlich übernommen werde; dann, wo ein Lohn oder
Vergeltung dafür bedungen würde, ist es ein Miethungs- und kein
Hinterlegungscontract, obschon zur Erkenntlichkeit aus bloßer Freigebigkeit des
Hinterlegenden etwas dafür gegeben oder verheißen werden kann, ohne daß die
Wesenheit des Contracts andurch geänderet würde.
[3, 6, § 3] 23. Es ist dahero der Uebernehmer nicht befugt
für die Verwahrung der Sache zu seiner Vergeltung sich etwas davon abzuziehen,
oder derowegen dieselbe innenzuhalten, oder bei der Ausantwortung eine
Forderung zu stellen, wann deshalben zum voraus nichts bedungen worden; da aber
dem Hinterleger jegleichwohlen mit Verweigerung der Zuruckstellung etwas, worzu
er weder aus einem vorhergehenden Beding, noch aus der Natur des Contracts
verbunden ist, dafür abgenöthiget würde, stehet ihme nachhero frei, das zur
Ungebühr Bezahlte oder Gegebene anwiederum zuruckzuforderen, obgleich er vor
Ausantwortung der hinterlegten Sache sich dieser Ruckforderung ausdrücklich zu
begeben verleitet worden wäre.
[3, 6, § 3] 24. Drittens, daß die Sache mit dem Beding
übergeben werde, damit solche der Uebernehmer auf jedesmaliges Begehren des
Hinterlegenden anwiederum ausantworte, und wiewohlen eine Zeit bestimmet wird,
wie lang die Sache verwahrlich aufbehalten werden solle, so wird doch andurch
nur der Uebernehmer verbunden, solche durch die gesetzte Zeit zu verwahren,
nicht aber auch der Hinterlegende sie in des Anderen Verwahrung zu belassen,
sondern er kann selbe ohne den Verlauf der Zeit abzuwarten, wann es ihme
gefällig, zuruckforderen.
[3, 6, § 3] 25. Viertens, daß die Verbindlichkeit dahin
eingegangen werde, eben dasselbe Ding, welches hinterleget worden, wieder
auszuantworten; dann, woferne bedungen worden, eben dergleichen, oder eben so
vielen, oder eine andere Sache, oder den Werth dafür wiederzugeben, verlieret
die Handlung die wesentliche Eigenschaft einer Hinterlegung, und ist nach
Verschiedenheit des Vertrags und Beschaffenheit der Sache entweder ein
Darlehens-, oder Tausch-, oder Kauf-, oder Schätzungscontract.
§. IV.
[3, 6, § 4] 26. Der Hinterlegungscontract ist gleich dem vorigen
seiner Natur und Eigenschaft nach eine in der Folge zweibündige Handlung,
woraus gleich Anfangs in der Hauptsache Derjenige, welcher etwas zu getreuen
Handen annimmt, zu dessen verwahrlicher Aufbehaltung und Wiederausantwortung
verpflichtet, der Hinterlegende aber erst nachhero dem übernehmenden Theil aus
natürlicher Billigkeit zu dessen Entschädigung ruckverbindlich wird.
[3, 6, § 4] 27. Aus der hauptsächlichen Verbindlichkeit des
Uebernehmers entstehet die Hauptforderung, welche dem Hinterleger und seinen
Erben wider den Uebernehmer und dessen Erben gebühret, um die hinterlegte Sache
in ihrer unveränderten und
(3-89) unverletzten Gestalt mit allen ihren Zugehörungen,
Nutzungen, und sonstigen Zugängen an dem gehörigen Ort anwiederum
zuruckzustellen.
[3, 6, § 4] 28. Wann Mehrere eine Sache hinterleget haben,
und dabei nicht ausdrücklich bedungen worden, daß solche deren Jedwedem
insonderheit ganz zuruckgestellet werden möge, so kann nur ein Jeder seinen
Antheil forderen, doch mit dem Unterschied, daß wann das hinterlegte Gut
theilbar ist, dem Zuruckforderenden davon nicht mehr, als was sein erweislicher
Antheil beträgt, ausgefolget werden möge, und woferne ihme hieran ein Mehreres,
oder auch das Ganze obschon gegen sattsamer Verbürgung ausgeantwortet würde,
der Uebernehmer jegleichwohlen denen Uebrigen für ihre Antheile verbindlich
bleibe, wann dieselbe sich sonst an dem Erhebenden nicht halten wollen.
[3, 6, § 4] 29. Wobei der Uebernehmer in acht zu nehmen hat,
daß, wann etwan die hinterlegte Sache in einem versperrten oder versiegelten
Behältnuß ihme übergeben worden wäre, derselbe solchenfalls, um allen widrigen
Verdacht von sich abzuleinen, das Behältnuß nicht anderst, als vor Gericht,
oder vor zweien untadelhaften Zeugen eröffnen, den darinnen befindlichen Betrag
gestalter Dingen nach abzählen, abwiegen oder abmessen, dann nach Abzug des
auszufolgen habenden Antheils mit Bemerkung des Herausgenommenen das Uebrige
anwiederum in dem Behältnuß aufbewahren, und dasselbe entweder von Gericht aus,
oder von denen dabei gegenwärtigen Zeugen neuerdings versieglen lasse.
[3, 6, § 4] 30. Wäre aber die hinterlegte Sache untheilbar,
ist selbe auch Einem gegen Leistung hinlänglicher Bürgschaft auszuantworten,
und der Uebernehmer wird von allem Anspruch der Uebrigen dadurch entlediget,
wie ihme dann auch solchenfalls freistehet, wann er deshalben einen Stritt zu
befahren hätte, die ihme anvertraute Sache bei Gericht zu hinterlegen.
[3, 6, § 4] 31. Alles, was von mehreren Theilhaberen an
einer hinterlegten Sache bisher geordnet worden, hat ebenermaßen in jenem Fall
statt, wann der Hinterlegende mehrere Erben hinterlasset, deren Jedem nach Maß
seines Erbtheils die Forderung an der hinterlegten Sache gebühret, und dahero
nicht weniger der Unterschied zwischen theilbaren und untheilbaren Dingen zu
beobachten ist.
[3, 6, § 4] 32. Würde aber Einer von mehreren Miterben oder
Theilhaberen an dem hinterlegten Gut seinen Antheil erheben, und sonach das
Uebrige bei deme, wo es verwahrlich aufbehalten wird, zu Grund gehen, so ist
derselbe denen anderen Theilhaberen oder Miterben von seinem noch zu rechter
Zeit erhobenen Antheil etwas mitzutheilen nicht schuldig, außer sie wären
zusammen Gesellschaftere auf gemeinen Gewinn und Verlust, und an Seiten des
Zurucklassenden unterwaltete kein solcher Grad der Schuld, wofür auch ein
Gesellschafter dem anderen zu haften hat.
[3, 6, § 4] 33. Es hat dahero allemal Derjenige, welcher die
Sache hinterleget, die Befugnuß solche nach Gefallen zuruckzuforderen, sie möge
ihm eigenthumlich zugehören oder nicht, und stehet dem Uebernehmer nicht zu,
den Abgang des Eigenthums wider die Klage des Hinterlegers einzuwenden, noch
weniger befreiet sich derselbe von der Verbindlichkeit, wann er die Sache einem
Dritten ausfolget, welcher durch einen von dem Hinterleger erhaltenen Befehl
oder Anweisung hierzu nicht berechtiget ist.
[3, 6, § 4] 34. Die Befugnuß der Zuruckforderung höret aber
in folgenden Fällen auf, als: Erstens, wann der Eigenthümer mittelst der
Eigenthumsklage die hinterlegte Sache zuruckforderet; zweitens, wann des
Hinterlegers Hab und Vermögen, oder auch die hinterlegte Sache insonderheit
Unserer Kammer verfallen ist, und für ein verfallenes Gut erkläret worden;
drittens, wann der Hinterleger nach der Zeit in einen Zustand gerathete,
wodurch er der freien Verwaltung seines Vermögens entsetzet worden, daß ihme
keine Zahlung geleistet werden möge; viertens, wann Derjenige, in dessen
Verwahrung die anvertraute Sache befindlich, vorsähe, daß davon ein übler und
widerrechtlicher Gebrauch gemacht werden würde, als
(3-90) da Jemand den hinterlegten Degen in Zorn
zuruckbegehrete, um den Anderen damit anzufallen.
[3, 6, § 4] 35. In allen diesen Fällen kann nicht allein der
Bewahrer der hinterlegten Sache solche dem Hinterlegenden nicht ausfolgen,
sondern wann er jedennoch ihme dieselbe ausantworten würde, ist derselbe in
denen ersteren dreien Fällen dafür zu haften, und Demjenigen, der die Sache
zuruckzuforderen befugt ist, den Ersatz zu leisten schuldig, in dem letzteren
Fall aber für allen daraus entstehenden Schaden verfänglich.
[3, 6, § 4] 36. Würde aber die Sache in eines Dritten Namen,
der nicht Eigenthümer ist, hinterleget, so hat sowohl dieser, als auch der
Hinterlegende die Befugnuß solche zuruckzubegehren, und ist selbe Demjenigen
auszuantworten, welcher von Beiden sie ehender forderen wird; entstünde
hingegen über die hinterlegte Sache eine Strittigkeit, so ist der Uebernehmer
nicht gehalten, deren Ausgang abzuwarten, sondern kann die Sache zu
Gerichtshanden erlegen.
[3, 6, § 4] 37. Wann eine Sache Mehreren zu getreuen Handen
anvertrauet worden, oder nach dem Uebernehmer mehrere Erben vorhanden sind, ist
mit Zuruckforderung der hinterlegten Sache auf gleiche Weis zu verfahren, wie
es oben in vorhergehenden Capitel, §. IV, num. 25 bis 29, bei einem von
Mehreren entlehnten Ding ausgemessen worden.
[3, 6, § 4] 38. Da aber der Bewahrer des hinterlegten Guts
solches weiters einem Dritten in die verwahrliche Aufbehaltung übergeben würde,
tritt der erste Hinterleger in das Recht des zweiten ein, und kann es nicht
allein mittelst der Eigenthumsklage, sondern auch mittelst der contractmäßigen
Forderung von dem zweiten Uebernehmer zuruckbegehren, doch dergestalten, daß er
bei verweigerender Ausantwortung ersteren Falls das Eigenthum, in zweitem Fall
aber die von ihme bei dem Ersten, und sofort von diesem bei dem Zweiten
beschehene Hinterlegung zu erweisen hat.
[3, 6, § 4] 39. Die hinterlegte Sache muß dem Hinterleger in
ihrer unveränderten und unverletzten Gestalt zuruckgestellet werden, und ist
dahero der Uebernehmer für allen hieran aus seiner Schuld nach dem unten, §.
VI, bestimmenden Grad der contractmäßigen Verfänglichkeit entstehenden Schaden
zu haften schuldig.
[3, 6, § 4] 40. Nicht weniger hat er den ganzen Werth, der
aus seiner Schuld verlorenen, oder auch von ihme veräußerten Sache zu
entrichten, wie solchen der Hinterleger erweisen, oder in Ermanglung eines
anderen Beweises eidlich bewähren würde, welcher jedoch dagegen schuldig ist,
in Fall er die Sache, wofür ihme der Werth einmal bezahlet worden, hinwiederum
ohne deren Eigenthum aus einer neuen Ursache an sich zu bringen, zu seinen
Handen bekäme, dem Anderen, der den Werth dafür abgestattet, nach selbsteigener
Auswahl entweder die Sache, oder den empfangenen Werth auszufolgen.
[3, 6, § 4] 41. Wo aber die Sache aus Nothwendigkeit wegen
bevorstehender Gefahr einer Feuersbrunst, Wassersnoth u. dgl. Unfällen Jemanden
zu getreuen Handen anvertrauet worden wäre, und derselbe würde die Hinterlegung
arglistiger Weise bei Gericht laugnen, oder solche auszufolgen aus
unstandhaften Ursachen verweigeren, dessen aber jegleichwohlen überführet
werden, so ist er zur Strafe über Erstattung des hinterlegten Guts noch in
einen einfachen Betrag des gerichtlich geschätzten Werths, oder da die Sache
schon verthan wäre, in dessen zweifachen Betrag, wie solchen Kläger beschwören
würde, nebst allen Schäden und Unkosten zu Handen des Klägers zu verurtheilen,
dessen Erben hingegen, wann sie ihrerseits sich hierbei keiner Gefährde
gebrauchen, sind nur für den einfachen Betrag verfänglich; es wäre kann, daß
die Klage schon wider den Erblasser erhoben, und von ihme die Hinterlegung
gelaugnet worden.
[3, 6, § 4] 42. Ferners muß die hinterlegte Sache mit allen
ihren Zugehörungen, Nutzungen und Zugängen ausgehändiget werden, wessentwegen der
Uebernehmer nicht allein alle von der hinterlegten Sache zu seinen Handen
einbehobene Nutzungen,
(3-91) sondern auch, da er die Sache zu seinem eigenen
Gebrauch verthan und verzehret hätte, sie möge in Barschaft oder anderen Dingen
bestanden sein, hiervon nach Maß des zu seinem Nutzen verwendeten Betrags, oder
des hernach gerichtlich schätzenden oder beschwörenden Werths die von dem Tag
der Verwendung laufende landesübliche Zinsen zu erstatten verbunden ist.
[3, 6, § 4] 43. Wohingegen, da die Sache nicht durch
eigenmächtige Verwendung, sondern in andere Wege aus seiner Schuld verloren,
oder auf Zuruckforderen nicht sogleich zuruckgestellet worden wäre, hat
derselbe von dem Geld- oder Werthsbetrag die Zinsen nur von dem angesetzten Tag
der Zuruckstellung, oder da keiner bestimmet worden wäre, oder das hinterlegte
Gut auch ehender zuruckgeforderet würde, von dem Tag der erhobenen Klage zu
bezahlen, sowie bei Zuruckstellung der hinterlegten Sache selbst alle von
dieser Zeit an wegen deren Vorenthaltung erlittene erweisliche Schäden zu
vergüten, wobei sich jedoch der Hinterleger wegen Vorbehaltung aller
vorerwähnten contractmäßigen Nebengebührnussen auf gleiche Art zu verhalten
hat, wie es oben in fünften Capitel, §. IV, num. 34, von entlehnten Sachen
geordnet worden.
[3, 6, § 4] 44. Desgleichen muß auch die Zuruckstellung an
dem bestimmten Ort, oder da in dem Vertrag keines benennet ist, an dem Ort, wo
die Sache hinterleget worden, geschehen, wobei allemal der Hinterleger die
Unkosten zu tragen hat, außer es hätte solche der andere Theil ausdrücklich auf
sich genommen, oder aber dieser wollte die Sache an einem anderen Ort, als
beliebet, oder wo solche hinterleget worden, ausantworten, deren Dahinlieferung
er solchenfalls auf seine eigene Unkosten zu bewirken hat.
[3, 6, § 4] 45. Woferne aber der Uebernehmer aus der bei
ihme hinterlegten Barschaft, oder für den aus der anvertrauten Sache gelösten
Werth sich ein liegendes oder fahrendes Gut anschaffen würde, so kann sich der
Hinterleger hieran keines Eigenthumsrechts anmaßen, noch sich dessen halten,
wann ihme der Uebernehmer aus anderen Mitteln den Ersatz zu leisten bereit ist,
doch stehet ihme frei, sich zu seiner Sicherheit mittelst gerichtlicher
Behaftung darauf zu verwahren, welche aber wieder aufzuheben ist, sobald er
anderergestalten zu seiner vollständigen Befriedigung gelanget.
[3, 6, § 4] 46. Obschon der Uebernehmer einer hinterlegten
Sache gemäß seiner eingegangenen Verbindlichkeit die anberaumte Zeit der
verwahrlichen Aufbehaltung abzuwarten, und dieselbe bis auf Zuruckforderen des
Hinterlegers zu verwahren schuldig ist, so kann er jedoch in folgenden Fällen
die anvertraute Sache ohne Abwartung der bestimmten Zeit, oder der
anderseitigen Abforderung dem Hinterleger zuruckstellen, und da dieser solche anzunehmen
verweigerete, sie auf dessen Unkosten in gerichtliche Verwahrung übergeben,
wann nemlich entweder aus einem zur Zeit der Hinterlegung nicht vorgesehenen
Zufall derselbe des Orts, wo die fremde Sache aufbehalten ist, unumgänglich zur
Verwahrung seiner eigenen Sache bedärfen, oder das Ort dergestalten beschädiget
würde, daß die hinterlegte Sache der unvermeidlichen Gefahr des Verlusts oder
Verderbens darinnen ausgesetzet, und er mit keinem anderen tauglichen Ort
versehen, oder auch sonst eine bei ihme bevorstehende Gefahr des Untergangs
erweislich, oder endlich die bedungene Zeit der Verwahrung verflossen wäre.
[3, 6, § 4] 47. Da nun Jemand wegen geflissentlicher
Veruntreuung des hinterlegten Guts durch richterlichen Spruch verurtheilet, und
diese darinnen ausgedrücket würde, ist ein solcher für einen ehrlosen Menschen
zu halten, und aus aller Gemeinschaft burgerlicher Rechten und Freiheiten
auszuschließen; woferne aber in dem Urtheil von einer Veruntreuung keine
Meldung geschehe, ist ihme solches an seiner Ehre und guten Namen
unnachtheilig, obschon in dem Urtheil keine ausdrückliche Ehrenverwahrung
enthalten wäre.
[3, 6, § 4] 48. Es solle jedoch mit der Erkanntnuß über
Hinterlegungsangelegenheiten,
(3-92) wann der Beklagte der Hinterlegung geständig ist,
oder solche sonst entweder durch Zeugen, oder durch Brief und Siegel klar
erprobet wird, schleunig verfahren, und dem Beklagten keine andere Einwendung
oder Einrede, als welche sogleich erweislich ist, gestattet werden, noch
weniger an der hinterlegten Sache das Recht der Innenhaltung oder
Gegenvergeltung wegen anderer Forderungen, als welche ihme nach Inhalt des
gleichfolgenden §. aus der Natur des Contracts gebühren, zulässig sein.
§. V.
[3, 6, § 5] 49. Die Eigenschaft aller gutthätigen
Handlungen, worunter auch der Hinterlegungscontract als eine lediglich zu
Nutzen des Hinterlegenden gereichende Handlung zu zählen ist, erheischet aus
natürlicher Billigkeit, welche nicht gestattet, daß Jemand wegen erzeigender
Wohlthat zu Schaden komme, die Ruckverbindlichkeit Desjenigen, deme die
Wohlthat erwiesen wird, zur Vergütung des daher erleidenden Schadens.
[3, 6, § 5] 50. Aus diesem Grundsatz fließet die
Ruckverbindlichkeit des Hinterlegers, woraus die Ruck- oder Gegenforderung
hergeleitet wird, welche dem Bewahrer des anvertrauten Guts und seinen Erben
wider den Hinterleger und dessen Erben zum Ersatz des wegen der hinterlegten
Sache erleidenden erweislichen Schadens zustehet.
[3, 6, § 5] 51. Ein Schaden kann mit oder ohne Zuthat des
Hinterlegers geschehen, als mit dessen Zuthat entweder durch Hinterlegung einer
wissentlich mangelhaften Sache, wodurch deren Bewahrer ohne seiner Schuld in
Schaden versetzet wird, oder durch ungebührlichen Gewinnst des Hinterlegers, da
derselbe sowohl den Werth der verlorenen hinterlegten Sache von dem Uebernehmer
empfangen, als auch hernach die Sache selbst anwiederum aus dem vorigen
Eigenthumsrecht zu Handen bekäme, und hat so ein als anderen Falls von dem
Hinterleger die Erstattung des Schadens in eben derjenigen Maß, wie es in vorigen
Capitel, §. V, num. 46, bei dem Entlehnungscontract in gleichen Fällen geordnet
worden, zu geschehen.
[3, 6, § 5] 52. Ohne Zuthat des Hinterlegers kann der
Bewahrer der anvertrauten Sache einen Schaden erleiden, wann er hierauf
Unkosten aufzuwenden bemüssiget wird, der Aufwand möge wenig oder viel
betragen, und entweder auf die gegenwärtige oder beharrliche Erhaltung der
Sache abzielen, wann nur dessen Nothwendigkeit erweislich ist, welchen dahero
ebenermaßen der Hinterleger zu ersetzen hat; von dem nutzbaren Aufwand aber
wird in siebenzehenten Capitel, §. XII, gehandlet werden.
[3, 6, § 5] 53. Diese Ruck- oder Gegenforderung kann auf
gleiche Art, wie es in vorigen Capitel, §. V, num. 50 und 51, bei dem
Entlehnungscontract gemeldet worden, entweder als eine besondere Klage in der
alldort hierzu anberaumten Zeitfrist, oder als eine Gegenklage oder Einrede
wider die Hauptforderung angebracht werden, und stehet gleichfalls dem
Uebernehmer für alles das, was ihme aus dieser Forderung gebühret, sowohl das Recht
der Innenhaltung der hinterlegten Sache, als im Fall, wo deren Werth zu
entrichten ist, hieran das Recht der Gegenvergeltung zu.
[3, 6, § 5] 54. Wegen anderer obschon klar erweislichen
Forderungen hingegen kann der Uebernehmer sich unter keinerlei Vorwand weder
der Innenhaltung der in seine Verwahrung gegebenen Sache, noch der
Gegenvergeltung an dem dafür etwan zu bezahlen habenden Werth anmaßen, außer es
wäre die Sach ausdrücklich zur Sicherheit und Bedeckung seiner Forderung
hinterleget, oder von ihme hierauf deshalben ein gerichtlicher Kummer und
Verbot in Fällen, wo solcher nach Vorschrift der Gerichtsordnung zugelassen
wird, ausgewirket worden, welcher jedoch nicht ehender bewilliget werden solle,
als bis die hinterlegte Sache zu Gerichtshanden ausgefolget worden.
§. VI.
[3, 6, § 6] 55. Aus der Natur des Hinterlegungscontracts hat
nach denen oben in ersten Capitel, §. IX, angeführten Grundsätzen der
Uebernehmer einer zu getreuen
(3-93) Handen anvertrauten Sache lediglich für die Gefährde
und große Schuld allein, der Hinterleger hingegen, als dessen alleiniger
Vortheil und Nutzen insgemein dabei unterwaltet, auch für die leichteste
Schuld, woraus dem Uebernehmenden ein Schaden widerfahren, zu haften.
[3, 6, § 6] 56. Es ist dahero der Bewahrer einer hinterlegten
Sache nicht verbunden, bei gemeinsamer Gefahr, als z. B. einer entstandenen
Feuersbrunst, Ueberschwemmung, Einsturz des Gebäudes, und dergleichen Unfällen,
solche mit Hinterlassung seiner eigenen zu retten und in Sicherheit zu bringen,
wann die Zudringlichkeit der Gefahr beider Rettung nicht gestattet, und kann
folglich der Hinterleger, wann gleich alle des Bewahrers eigene Sachen
gerettet, und nur das hinterlegte Gut allein zu Grund gegangen wäre, an
denselben deshalben keinen Anspruch machen; er wäre dann zu erweisen vermögend,
daß in Rettung des Bewahrers eigener Sachen dasselbe füglich der Gefahr hätte
entzohen werden können.
[3, 6, § 6] 57. Doch giebt es Fälle, wo der Uebernehmer des
hinterlegten Dings auch für die leichte Schuld verfänglich wird, als da er sich
ausdrücklich zu einem ausbündigeren Fleiß anheischig gemacht, oder sich selbst
die Sache in Verwahrung zu nehmen angetragen und anverboten, oder für deren
verwahrliche Aufbehaltung etwas zur Erkenntlichkeit bekommen, oder sonst daraus
einen Nutzen bezohen hätte.
[3, 6, § 6] 58. Für einen ohngefähren Zufall aber hat der
Uebernehmer einer zu getreuen Handen hinterlegten Sache niemalen zu haften,
außer er hätte die Gefahr auf eine solche Art, wie es oben in ersten Capitel,
§. IX, num. 126 bis 128 gemeldet worden, auf sich genommen, oder sich der Sache
ohne Wissen und Willen des Hinterlegers gebrauchet, dieselbe möge unter dem
wirklichen Gebrauch, oder auch hernach durch Zufall zu Grund gegangen sein,
dann der einmal angemaßte eigenmächtige Gebrauch eines anvertrauten Guts
übertraget auf ihn für allezeit, so lang es in seinen Handen befindlich ist,
die Verfänglichkeit für die Gefahr.
[3, 6, § 6] 59. Also, da Jemand die bei ihme hinterlegte
Sache arglistiger Weise versetzen oder verkaufen, und solche nach der Hand, da
sie von ihme anwiederum eingelöset, und in seine Verwahrung genommen worden,
durch Zufall zu Grund gehen würde, ist er wegen der einmal begangenen Arglist,
obgleich der Fehltritt der Veruntreuung durch die nachherige Wiedereinlösung
verbessert worden, jegleichwohlen dafür zu haften schuldig.
[3, 6, § 6] 60. Desgleichen, wann eine Sache auf des
Uebernehmenden eigenes Ersuchen zu seinem alleinigen Nutzen mit dem Beding, daß
deren Eigenthum in dem Fall der Bedürfnuß auf denselben übertragen werde,
hinterleget wird, ist er für allen sich hieran ergebenden Zufall verbunden,
wann gleich der Fall nicht erfolget ist, worauf die Uebertragung des Eigenthums
bedungen ware, als z. B. da Jemand den Anderen um Vorstreckung eines Darlehens
zu Erkaufung eines Hauses ersuchete, und dieser ließe eine Summe Gelds bei ihme
indessen in Verwahrung, um sich derselben, wann der Kauf zu Stand käme,
gebrauchen zu mögen, so bleibet auch das Geld auf die Gefahr des
Uebernehmenden, der Kauf möge für sich gehen, oder nicht.
[3, 6, § 6] 61. Wann aber Jemand eine bei sich hinterlegte
Sache weiters dem Anderen in Verwahrung gäbe, ist er ebenfalls nur insoweit
verbindlich, als des anderen Uebernehmers Gefährde oder große Schuld
unterwaltet, außer es wäre einer von obbemerkten Fällen, worinnen er auch für
die leichte Schuld, oder gar für den Zufall sich verfänglich gemacht hätte;
doch bleibet ihme der Anspruch wider den anderen Uebernehmer allemal bevor.
[3, 6, § 6] 62. Die Schuld muß allezeit von dem Hinterleger,
der angebliche Zufall aber von dem Uebernehmer erwiesen werden, deme bei
offenkündigen Unfällen als Feuersbrünsten u. dgl. mit klaren und offenbaren
Proben solchen darzuthuen oblieget, bei heimlichen Zufällen hingegen, als
Diebstählen und Beraubungen,
(3-94) ist auch an gegründeten Anzeichen und Vermuthungen
genug, und kann sowohl in Ansehen des Zufalls selbst, als daß die ihme
anvertraute Sache auf eine oder die andere Art dadurch entwendet, oder zu Grund
gegangen seie, zur Herstellung der Vollständigkeit des Beweises der
Uebernehmer, wann er sonst eine wohlverhaltene Person ist, zur eidlichen
Bestätigung zugelassen werden.
§. VII.
[3, 6, § 7] 63. Die Hinterlegung strittiger Sachen heißet
eigentlich ein gerichtlicher Beschlag, und ist eine Handlung, wodurch eine
strittige Sache mit dem Beding entweder bei Gericht, oder bei einem Dritten
hinterleget wird, daß selbe nach Austrag des Stritts dem obsiegenden Theil
ausgehändiget werde.
[3, 6, § 7] 64. Diese geschieht auf zweierlei Art, als
entweder mit beiderseitiger Einwilligung der streitenden Theilen, oder auf
richterliches Geheiß und Anordnung aus erheblicher Ursach auch wider Willen des
einen oder anderen Theils; jene wird ein willkürlicher, diese aber ein
nothwendiger oder eigentlich ein gerichtlicher Beschlag genannt.
[3, 6, § 7] 65. Alle Sachen, sie mögen beweglich oder
unbeweglich sein, können in gerichtlichen Beschlag genommen werden, doch mit
dem Unterschied, daß bei unbeweglichen Dingen insgemein über deren bloße
Verwahrung auch die Verwaltung und Obsorge unter der Verrechnungsschuldigkeit
aufgetragen zu werden pflege.
[3, 6, § 7] 66. Mit beiderseitiger Willkür und Vereinigung
der Parten kann der gerichtliche Beschlag in allen Fällen ohne Ausnahm
veranlasset, dahingegen wider Willen des Besitzers auf gerichtliche Anordnung
nicht anderst, als aus erheblicher Ursache und nur in gewissen Fällen verhänget
werden, welche in der Gerichtsordnung ausgemessen sind, woselbst auch die Art
und Weis, wie ein gerichtlicher Beschlag zu bewirken ist, und was sowohl der
Richter bei dessen Verfügung zu beobachten habe, als inwieweit sich die
Befugnuß des die Sache in Beschlag Habenden erstrecke, und was dessen
Amtsobliegenheit erfordere, vorgeschrieben wird.
[3, 6, § 7] 67. Ist aber der Stritt durch rechtlichen
Ausspruch, oder durch Vergleich geendiget worden, so hat der obsiegende Theil
entweder, wann es ein von richterlichen Amts wegen verhängter Beschlag ware, um
dessen Aufhebung bei Gericht einzukommen, oder wann es ein willkürlicher
Beschlag gewesen, und ihme die behauptete Sache in der Güte nicht ausgefolget
werden wollte, den mittlerweiligen Bewahrer derselben um deren Einantwortung zu
belangen.
[3, 6, § 7] 68. Dieser ist nicht nur allein zu allen deme,
was die Eigenschaft des Hinterlegungscontracts mit sich bringet, verbunden,
sondern auch, daferne ihme beinebst die Verwaltung der in Beschlag gegebenen
Sache aufgetragen worden, für das, was ein jeder anderer Befehlshaber nach
Erfordernuß des Befehlscontracts zu beobachten hat, verfänglich; dagegen aber
gebühret ihme auch zu seiner Entschädigung die Ruck- oder Gegenforderung wegen
aller daher erweislich erlittenen Schäden und gemachten Aufwands.
(3-95) Caput VII.
Von Pfandcontracten.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Pfändern.
§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Verschiedenheit des
Pfandcontracts. §. II. Von Fähigkeit des Pfandgebers und Pfandnehmers. §. III.
Von Sachen, welche verpfändet werden können. §. IV. Von Art und Weis eines
bestellenden Unterpfands. §. V. Von der aus dem Pfandcontract entstehenden
Verbindlichkeit des Pfandnehmers, und der daher wider ihn gebührenden Klage. §.
VI. Von Gegenverbindlichkeit des Pfandgebers, und der wider ihn daraus
entspringenden Klage. §. VII. Von Verfänglichkeit Beider gegeneinander für
Schuld und Gefährde. §. VIII. Von Erlöschung und Auflösung des Unterpfands.
§. I.
[3, 7, § 1] Num. 1. Der vierte sächliche oder Realcontract
ist die Verpfändung. Diese ist eine verbindliche Handlung, wodurch der
Schuldner, oder auch für diesen ein Dritter dem Glaubiger eine Sache zur
Versicherung der Schuld mit dem Beding übergiebt, oder ein Gut verschreibet,
damit eben dieselbe Sache nach bezahlter Schuld anwiederum zuruckgestellet,
aber das Gut von der Verschreibung befreiet werde.
[3, 7, § 1] 2. Der Pfandcontract erforderet demnach zu
seiner Wesenheit eine vorhergehende Schuld, oder sonstige Verbindlichkeit,
welcher derselbe als eine Folge beitritt,
(3-96) und ohne solcher nicht bestehen kann, obschon er an
und für sich eine besondere von anderen in seinem Wesentlichen unterschiedene
Handlung ist.
[3, 7, § 1] 3. Er wird auf zweierlei Art errichtet, als
durch die wirkliche Uebergab der verpfändeten Sache, oder durch die
Verschreibung eines Unterpfands, welches jegleichwohlen in Handen des
Schuldners verbleibet. Erstere heißet eigentlich ein Pfand, Unterpfand, Versatz,
letztere aber eine Pfandverschreibung oder Hypothek.
[3, 7, § 1] 4. Beide Gattungen sind zwar in dem weitesten
Verstand einer Pfandschaft begriffen, und dahero wird auch das darauf gelehnte
Geld so ein als anderen Falls ein Pfandschilling genennet. In der eigentlichen
Bedeutung hingegen unterscheiden sich dieselbe sowohl nach dem Gegenstand, den
sie behaften, als nach deren jeder besonderen Bestellungsart.
[3, 7, § 1] 5. Dann ein Pfand kann nur an beweglichen Dingen
mittelst deren wirklicher Uebergab, eine Hypothek hingegen insgemein nur an
unbeweglichen Gütern, und lediglich in gewissen unten berührenden Fällen auch
an fahrenden Habschaften mittelst gerichtlicher Verschreibung bestellet werden,
obschon beide einerlei Absicht und Wirkung haben.
[3, 7, § 1] 6. Es wird dahero gegenwärtiges Capitel in zwei
Artikeln abgetheilet, und in deren ersterem von Pfändern, in zweiten von
Pfandsverschreibungen, sonach aber von beider gemeinsamen Wirkung, und den
daher entspringenden Rechten gehandlet.
[3, 7, § 1] 7. Eine Pfandschaft hat dreierlei Bedeutungen,
dann entweder wird dadurch in gemeinen Begriff die Sache, welche verpfändet
wird, oder das Recht, welches dem Glaubiger hieran gebühret, oder der Contract
oder Vertrag selbst, wodurch ein Unterpfand bestellet wird, verstanden. Das
Pfandrecht ist in zweiten Theil erkläret worden, hier aber wird die Pfandschaft
nur in dem letzteren Verstand, insoweit solche die contractmäßige
Verbindlichkeit des Pfandnehmers und Pfandgebers gegeneinander wirket,
ausgeleget.
[3, 7, § 1] 8. Ein Unterpfand wird entweder willkürlich oder
gerichtlich bestellet. Das Willkürliche geschieht mit freier Vereinigung beider
Theilen, das Gerichtliche hingegen wird von richterlichen Amts wegen auch wider
Willen des Schuldners entweder zur Genugthuung des in Rechtskräften erwachsenen
Urtheils, oder zur Sicherheit des Glaubigers verhänget, dessen Beschreibung in
vierten Theil bei Abhandlung der Gerichtsordnung folget.
[3, 7, § 1] 9. Es ist aber auch bei willkürlichen
Verpfändungen nicht an der bloßen Vereinigung der Contrahenten genug, sondern
es wird noch über das, wie bei allen anderen sächlichen Contracten, die
wirkliche Uebergab der verpfändeten Sache erforderet, wodurch erst der
Pfandcontract seine Vollständigkeit erlanget.
[3, 7, § 1] 10. Diesemnach bestehet die Wesenheit des
Pfandcontracts in Folgenden: Erstens, damit die Sache zur Sicherheit der
Schuldforderung in Versatz übergeben werde, wodurch dieser Contract sich sowohl
von den übrigen sächlichen Contracten, als auch von den Pfandsverschreibungen
unterscheidet, als wobei der Schuldner in dem Besitz des zum Unterpfand
verschriebenen Guts verbleibet.
[3, 7, § 1] 11. Durch diese Uebergabe wird bloß der
natürliche Besitz der verpfändeten Sache auf den Glaubiger übertragen, das
Eigenthum aber behält der Pfandgeber, und hat der Glaubiger die Befugnuß nicht,
sich derselben zu gebrauchen, wann ihme der Gebrauch nicht von jenem entweder
ausdrücklich oder stillschweigend verstattet worden, wie solches unten, §. XIV,
mit Mehreren erkläret wird.
[3, 7, § 1] 12. Würde sich aber der Glaubiger ohne Wissen
und Willen des Pfandgebers des Gebrauchs der verpfändeten Sache anmaßen, ist
derselbe nicht allein alle davon behobene Nutzungen zu erstatten, oder sich von
dem Pfandschilling abziehen zu lassen schuldig, sondern er ladet auch die
Gefahr der Sache auf sich, und ist für allen hieran entstehenden Schaden, wann
solcher gleich durch Zufall geschehen, worzu der Gebrauch den Anlaß gegeben,
wie solchen der Pfandgeber nach eigener
(3-97) Schätzung beschwören wird, verfänglich, dieser aber
den beschworenen Betrag sich von der Schuld abzuziehen befugt.
[3, 7, § 1] 13. Zweitens erheischet die Wesenheit des
Pfandcontracts, damit eine Schuld oder sonstige Verbindlichkeit vorhergehe,
wegen welcher ein Unterpfand bestellet wird, es möge eine eigene oder fremde,
bedingte oder unbedingte, klar erweisliche, oder erst von richterlicher
Erkanntnuß abhangende Schuld sein; dann auch für fremde Schulden kann Jemand
ein Unterpfand bestellen, und ist der Glaubiger sich dessen ebensowohl, als ob
es des Schuldners eigenes Gut wäre, zu halten berechtiget.
[3, 7, § 1] 14. Daferne aber die Schuld, wofür ein Pfand
eingeleget wird, bedingt, oder erst in Weg Rechtens auszumachen wäre, so
erlanget das Pfandrecht seine volle Wirksamkeit von Ausgang der Bedingnuß, oder
von gerichtlicher Erkanntnuß der Richtigkeit der Schuld, wie desgleichen in dem
Fall, wo für eine künftige Schuld etwas in Versatz gegeben würde, der
Pfandcontract erst damals zu Stand kommet, wann das Darlehen, worauf das Pfand eingesetzet
wird, wirklich gereichet worden, obschon der Erfolg der Bedingnuß, oder der
richterlichen Erkanntnuß, oder des zugezählten Darlehens auf die Zeit des
eingelegten oder verschriebenen Unterpfands zuruckgezohen wird, und dahero dem
Glaubiger von dieser Zeit an das Vorrecht vor Anderen hieran gebühret.
[3, 7, § 1] 15. Drittens ist zur Wesenheit des
Pfandcontracts erforderlich, damit die Pfandsübergabe mit keinem anderen Beding
geschehe, als daß nach bezahlter Schuld eben dasselbe, was in Versatz gegeben
worden, anwiederum zuruckgestellet werde, obgleich in der Folge der Glaubiger
berechtiget ist, wann der Schuldner mit Abfuhr der Schuld zur gesetzten Zeit
nicht einhält, das Pfand nach der seines Orts vorgeschriebenen Art und Weis
gerichtlich zu veräußeren, und sich aus dem dafür gelösten Werth bezahlt zu
machen, folglich dem Schuldner von dem Werth nur so vieles, als nach Abzug der
Schuld hieran erübriget wird, erfolgen zu lassen.
[3, 7, § 1] 16. Woferne aber gleich Anfangs bedungen würde,
daß der Glaubiger, ohne die Zahlung abzuwarten, das Pfand sich zueignen oder
veräußeren möge, ist es kein Pfandcontract, sondern eine andere Handlung nach
Beschaffenheit des dabei eingegangenen Bedings. Obwohlen aber ein Wiederkauf
gleichermaßen dahin geschlossen wird, daß eben dasselbe Gut für den nemlichen
Werth anwiederum zuruckgegeben werden solle, so unterscheiden sich doch beide
Handlungen in deme, daß bei dem Beding des Wiederkaufs das Eigenthum übertragen
werde, und die behobene Nutzungen dem Kaufer verbleiben, dahingegen bei
Verpfändungen der Glaubiger nur den Besitz erlanget, und die empfangene Nutzung
in dem Pfandschilling einzurechnen verpflichtet ist.
§. II.
[3, 7, § 2] 17. Verpfänden kann Jedermann, der die freie
Verwaltung seines Vermögens hat, und dem kein besonderer Verbot des Gesatzes
entgegenstehet; dahero können Unmündige, Minderjährige, Blödsinnige oder
Wahnwitzige und gerichtlich erklärte Verschwendere von ihrem Vermögen nichts
verpfänden, weilen ihnen die freie Gebarung verschränket ist.
[3, 7, § 2] 18. Es kann aber Jemand nicht nur allein für
sich selbst, sondern auch durch Andere eine Pfandschaft einlegen, wann dieselbe
entweder von dem Gesatz als Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder durch
ausdrücklichen Befehl und Vollmacht des Eigenthümers als Befehlshabere und
Bevollmächtigte darzu begewaltiget sind. Welchergestalten jedoch den
Vormünderen und Curatoren von dem Vermögen ihrer Pflegebefohlenen etwas zu
verpfänden verstattet werde, ist in ersten Theil, in der Abhandlung von
Vormundschaften und Curatelen geordnet worden.
[3, 7, § 2] 19. Ein Befehlshaber oder Bevollmächtigter
hingegen kann von den seiner Absorge anvertrauten Sachen nichts verpfänden,
außer er habe darzu einen eigends
(3-98) hierauf lautenden besonderen Befehl, oder es wäre ihme
die Verwaltung des anvertrauten Guts mit freier und unbeschränkter Gewalt und
Vollmacht aufgetragen worden.
[3, 7, § 2] 20. Würde er aber, ohne hierzu auf eine oder die
andere Art berechtiget zu sein, etwas von den ihme anvertrauten Habschaften in
Namen des Befehlgebers versetzen, so leihet der Pfandgeber das Geld auf seine
Gefahr, und bestehet der Pfandcontract nur insoweit, als von dem darauf
gelehnten Geld zu Nutzen des Befehlgebers verwendet worden zu sein, oder daß
dessen Gutheißung erfolget seie, von dem Pfandinhaber erweislich ist.
[3, 7, § 2] 21. Könnte jedoch dieser Eines oder das Andere
nicht erweisen, ist er das Pfand dem Befehlgeber ohnentgeltlich auszufolgen
schuldig, und bleiben ihme seine Ansprüche nur wider Denjenigen, welcher die
Sache in Versatz gegeben, bevor; gleichwie in Gegentheil, wann dieser hierzu
begewaltiget ware, der Befehlsgeber dem Pfandnehmer verbunden bleibet, obgleich
der Bevollmächtigte das darauf erborgte Geld verthan, und zu seinem eigenen
Nutzen verwendet hätte.
[3, 7, § 2] 22. Woferne aber der Sachwalter oder
Befehlshaber die ihme anvertraute Sache in seinem eigenen Namen Jemanden in
Versatz geben würde, ist es eben also zu halten, wie von Verpfändung fremder
Sachen hiernach ausgemessen wird.
[3, 7, § 2] 23. Aus besonderer Anordnung des Gesatzes ist
denen Weibern insoweit verwehret, ohne vorheriger Erinnerung und Begebung ihres
weiblichen Rechts, sowohl für ihre Männer, als für jemand Anderen etwas von
ihrem Gut zu verpfänden, als ihre leistende Bürgschaften in dem gleichnachfolgenden
achten Capitel entkräftet werden; obschon sie für ihre eigene contrahirte
Schulden Pfandschaften einlegen mögen, wann nur das Geld zu ihren Handen und
auf ihren eigenen Namen darauf gelehnet wird.
[3, 7, § 2] 24. Gleichergestalten kann Jedermänniglichen ein
Pfand gegeben werden, der sich Jemanden verbindlich zu machen fähig ist, und an
Jenem eine Forderung hat, von dem, aber auch für den von einem Dritten das
Pfand eingeleget wird. Es muß dahero der Pfandnehmer allemal ein Glaubiger
sein, die Schuld möge aus was immer für einer zu Recht
bestehenden Ursache herrühren.
§. III.
[3, 7, § 3] 25. Ein Pfand kann nur an beweglichen Sachen
bestellet werden; unbewegliche Güter aber werden zum Unterpfand oder Hypothek
verschrieben, worinnen obangeregter Maßen der hauptsächliche Unterschied
zwischen Verpfändungen und Pfandsverschreibungen bestehet.
[3, 7, § 3] 26. Diese bewegliche
Sachen müssen handelbar, und in Vermögen des Bestellenden, wie auch von solcher
Beschaffenheit sein, daß deren Veräußerung von den Gesetzen nicht verboten
werde. Was für Sachen aber unhandelbar sind, ist bereits in zweiten Theil, in
ersten Capitel erkläret worden.
[3, 7, § 3] 27. Es ist dahero Niemand befugt, fremde Sachen
ohne Wissen und Willen des Eigenthümers zu verpfänden. Da aber jegleichwohlen
eine fremde Sache irgendwo versetzet würde, ist zu unterscheiden, ob der
Pfandnehmer oder Glaubiger die Sache fremd zu sein gewußt habe oder nicht.
Ersteren Falls wirket der Pfandcontract nur die Verbindlichkeit des
Pfandgebers; der Glaubiger hingegen erwirbt hieran kein Recht, sondern ist
schuldig solche dem Eigenthümer ohnentgeltlich zuruckzustellen, obschon er
dieselbe, da sie ihme entwendet würde, von einem dritten unrechtmäßigen
Besitzer, oder auch von dem Schuldner selbst zuruckzuforderen befugt ist,
insolange sich der Eigenthümer hierum nicht gemeldet hat.
[3, 7, § 3] 28. In gewissen Fällen jedoch erlanget der
Glaubiger an einer obschon wissentlich verpfändeten fremden Sache auch gegen dem Eigenthümer selbst das Pfandrecht, wann dem Pfandgeber
hieran ein Recht zustehet, oder die Verpfändung
(3-99) mit Wissen und Willen des Eigenthümers geschieht,
oder der Pfandgeber das Eigenthum der verpfändeten Sache nachhero erwirbt.
[3, 7, § 3] 29. Hat der Pfandgeber ein Recht an der
verpfändeten Sache, so bestehet das Pfand nach Maß des ihme hieran gebührenden
Rechts, und mit dessen Erlöschung wird auch das Pfand aufgelöset; also kann
Jemand eine ihme mit Mehreren gemeinschaftlich zustehende Sache nur für seinen
Antheil verpfänden, und ein Glaubiger kann zwar das bei ihme eingelegte Pfand
weiters an einen Anderen versetzen, jedoch um keine größere Summe, noch unter
härteren Bedingnussen, als wofür und worunter solches bei ihme in Versatz
befindlich ist.
[3, 7, § 3] 30. Es muß aber solchenfalls der andere
Pfandinhaber, wann ihme die Pfandseigenschaft an der Sache bekannt ist, dem
Schuldner des ersteren Glaubigers den bei ihme geschehenen weiteren Versatz
entweder durch eine geschworene Gerichtsperson, oder durch zwei Zeugen
bedeuten, und andurch die dem ersteren Glaubiger leisten mögende Zahlung
einstellen; dann von Zeit dieser Bedeutung wird der Schuldner für denjenigen
Betrag, welchen er seinem ersteren Glaubiger damals noch schuldig ist, dem
anderen verbindlich, und leistet sonach dem ersteren die Zahlung auf seine
Gefahr.
[3, 7, § 3] 31. Würde hingegen der andere Pfandinhaber ein
solches verabsaumen, und der Schuldner dem ersteren Glaubiger die Zahlung
geleistet haben, kann er sich wegen des bis zu der erfolgten Bedeutung
hinausbezahlten Betrags an dem Pfand nicht halten sondern ist schuldig das
Pfand entweder für diejenige Summe, die der Schuldner bis zur Zeit der
Bedeutung dem ersten Glaubiger noch schuldig ware, oder da solche bis dahin
schon völlig getilget wäre, gar ohnentgeltlich auszufolgen; doch stehet ihme
seine Forderung wider den ersten Glaubiger allemal bevor.
[3, 7, § 3] 32. Woferne jedoch das Pfand für einen größeren
Pfandschilling, oder auch unter schwereren Bedingnussen, als es bei dem ersten
Glaubiger in Versatz gegeben worden, weiters bei dem anderen verpfändet würde,
kommet es ebenfalls darauf an, ob dem anderen Pfandnehmer die Pfandseigenschaft
an der ihme verpfändeten Sache wissend gewesen oder nicht.
[3, 7, § 3] 33. Ersteren Falls bestehet das Pfand nur für
diejenige Summe, welche der Schuldner zur Zeit des ihme erinnerten weiteren
Versatzes dem ersten Glaubiger schuldig ware, und kann derselbe auch zu keinen
härteren Bedingnussen, als welche er mit dem ersten Pfandinhaber eingegangen,
verhalten werden.
[3, 7, § 3] 34. Letzteren Falls aber und da der andere
Pfandinhaber mit guten Glauben und in ungezweifleter Meinung, daß es des
Pfandgebers eigenthumliches Gut seie, etwas darauf geliehen hätte, kann der
Schuldner solches nicht anderst, als gegen Erlag der nemlichen Summe, welche
dem ersten Glaubiger darauf vorgestrecket worden, und gegen Erfüllung eben
desjenigen Bedings, unter welchen das Pfand bei dem zweiten eingeleget worden,
zuruckforderen, und hat derselbe sich wegen des Mehrbezahlten an den ersten
Glaubiger zu erholen.
[3, 7, § 3] 35. Doch ist der andere Pfandinhaber nicht
befugt das Pfand wegen anderer an den ersten Glaubiger habenden Forderungen,
als lediglich dieser Schuld halber, wofür das Pfand versetzet worden,
zuruckzuhalten, und da allenfalls solche den Werth der verpfändeten Sache
überstiege, ist er dieselbe gegen Erlag des gerichtlich geschätzten Werths dem
Eigenthümer auszuhändigen schuldig, dahingegen bleibet ihme für den übrigen
Betrag der zweite Pfandgeber verstricket.
[3, 7, § 3] 36. Nicht weniger kann eine wissentlich fremde
Sache mit Einwilligung des Eigenthümers verpfändet werden, wann die Verpfändung
entweder mit dessen ausdrücklicher Genehmhaltung oder Gutheißung, oder auch mit
dessen stillschweigender Einwilligung geschieht, als da er bei der Verpfändung gegenwärtig
wäre, auch die vorgehende Handlung wohl wüßte und nicht widerspräche, sondern
die wirkliche Uebergab seiner Sache an den Pfandnehmer gestattete.
(3-100) [3, 7, § 3] 37. Ferners erlanget auch der Glaubiger
nach der Zeit an einer verpfändeten wissentlich fremden Sache das Pfandrecht,
obschon ihme solches Anfangs hieran nicht gebühret hat, wann nemlich der
Schuldner das Eigenthum derselben nachhero durch Kauf, Erbschaft, Schankung
oder sonst in andere Wege an sich bringt, und hieran sonst Niemanden vor deren
erworbenen Eigenthum ein früheres Recht zustehet, welches mit dem Pfandrecht
des Anderen nicht vereinbarlich wäre.
[3, 7, § 3] 38. Eine andere Bewandtnuß hingegen hat es, wann
der Eigenthümer der verpfändeten Sache die Schuld, wofür selbe versetzet
worden, übernimmt, oder dafür bürge, oder auch des Schuldners Erbe wird, dann
in diesem Fall ist zu unterschieden, ob der Glaubiger zur Zeit des in die
Verbindlichkeit eintretenden Eigenthümers annoch in wirklichen Besitz der
verpfändeten Sache seie oder nicht.
[3, 7, § 3] 39. Hat er den Besitz derselben verloren, kann
er auch hieran keinen weiteren Anspruch machen, noch ein Pfandrecht erwerben,
wann ihme solche nicht neuerdings verpfändet wird. Ist er aber zu dieser Zeit
noch in dem Besitz der Sache, so kommet das Pfandrecht zu Kräften; es wäre
dann, daß mittlerweil die Sache von dem Eigenthümer an einen Dritten veräußeret
worden, oder sich ergäbe, daß wo derselbe des Schuldners Erbe würde, die
Verlassenschaft des Schuldners zu Bezahlung der Schulden nicht zulänglich, und
die Erbschaft von dem Eigenthümer als Erbe mit der Rechtswohlthat des
Inventarii angetreten worden wäre, in welchen Fällen der Glaubiger an der
verpfändeten Sache kein Pfandrecht erwerben kann.
[3, 7, § 3] 40. Wann aber der Glaubiger, bei deme eine
fremde Sache versetzet wird, solche fremd zu sein nicht gewußt, sondern mit
guten Glauben dem Vorgeben des Schuldners, daß es seine eigenthumliche Sache
seie, in Hinzutretung der übrigen in zweiten Theil ausgemessenen Erfordernussen
getraut hat, und beinebst seinen Gewährsmann ausweisen kann, so erwirbt
derselbe aus Macht des Gesatzes hieran auch gegen dem Eigenthümer selbst das
Pfandrecht für diejenige Summe, welche er darauf geliehen hat, und ist sie
demselben anderer Gestalt nicht auszufolgen schuldig, als gegen Bezahlung
dessen, was erweislich darauf gelehnet worden; dieser hat aber dagegen seine
Entschädigung an Denjenigen zu suchen, der die Sache wider seinen Willen
verpfändet hat.
[3, 7, § 3] 41. Es ist jedoch zur Bestellung eines Pfandes
nicht allein an deme genug, daß die verpfändende Sache dem Pfandgeber
eigenthumlich zugehöre, oder demselben sonst ein verpfändliches Recht hieran
zustehe, sondern es wird noch über das erforderet, daß deren Veräußerung von
den Gesetzen nicht verboten seie; dann was nicht veräußeret werden kann, darf
auch nicht verpfändet werden. Was aber für Sachen durch Verträge und Contracten
zu veräußeren verboten seie, ist bereits in zweiten Capitel, §. XII und §.
XIII, bemerket worden.
[3, 7, § 3] 42. Unter die bewegliche Dinge, welche
verpfändet werden mögen, gehören auch Schuldbriefe, Schuldscheine und
Schuldverschreibungen, wobei aber zu unterschieden ist, ob solche in der
Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet sind oder nicht.
[3, 7, § 3] 43. Dann obschon das aus einer landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich einverleibten Schuldverschreibung an dem damit
behafteten Gut des Schuldners erworbene Recht und die daraus gebührende
Forderung nach diesem Unserem Gesatz den unbeweglichen Sachen beigezählet wird,
so bleibet doch der Schuldbrief oder die Schuldverschreibung an sich selbst ein
bewegliches Gut, welches an einen Dritten in Versatz gegeben werden kann.
[3, 7, § 3] 44. Ist nun die in Pfand gegebene
Schuldverschreibung in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet, so
kann der Glaubiger oder Pfandnehmer hiervon anderer Gestalt nicht ein
Pfandrecht erlangen, außer der Pfandgeber würde ihme diese Forderung
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich zu einem Unterpfand ausweisen oder
verschreiben, oder der Pfandinhaber hätte einen gerichtlichen in der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern vorzumerken kommenden Verbot an den
(3-101) Schuldner des Pfandgebers dahin ausgewirket, daß
dieser demselben keine Zahlung leisten solle.
[3, 7, § 3] 45. Würde aber weder Eines, noch das Andere
erfolgen, und der Pfandgeber hätte ohnerachtet der bei einem Dritten versetzten
Schuldverschreibung diese Forderung an jemand Anderen landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich abgetreten, oder über die empfangene Zahlung den Schuldner
quittiret, oder ihme sonst die Schuld erlassen, und diese Quittung oder
Erlassung wäre in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket, so kann
der Pfandinhaber an den Schuldner keinen weiteren Anspruch machen, sondern hat
seine Entschädigung an den Pfandgeber zu suchen.
[3, 7, § 3] 46. Wäre hingegen die zum Unterpfand gegebene
Schuldverschreibung irgendwo einverleibet, so erwirbt zwar der Pfandinhaber
hieran das Pfandrecht, er muß aber an den Schuldner des Pfandgebers einen
gerichtlichen Verbot auswirken, und die Zahlung an den Pfandgeber dadurch
einstellen; dann in Widrigen, wann dieser gerichtliche Verbot verabsaumet, und
die Schuld dem Pfandgeber bezahlet würde, erlöschet auch hieran das Pfandrecht
des Pfandnehmers.
[3, 7, § 3] 47. Nicht nur an den verpfändeten Sachen selbst,
sondern auch an allen ihren zur Zeit des Versatzes entweder schon dabei
befindlichen, oder sich nachher hieran ergebenden Zugängen und Zugehörungen
bestehet das Pfandrecht, also da eine Stute versetzet würde, ist auch das zur
Zeit der Pfandinhabung von ihr gefallene Follen (!) mit dem Pfandrecht
behaftet, wann sonst deshalben nichts Anderes bedungen worden.
§. IV.
[3, 7, § 4] 48. Ein willkürliches Pfand wird entweder durch
letztwillige Anordnung, oder durch die Vereinigung beider Theilen, und die
sonach erfolgende wirkliche Pfandsübergabe mit oder ohne Beifügung einer Zeit
oder Bedingnuß bestellet, deren Ausgang alsdann auf die Zeit der Bestellung
zuruckzuziehen ist, und das Pfandrecht gleich von dieser Zeit an erworben wird.
[3, 7, § 4] 49. Also kann ein Erblasser in seinem Testament
oder Codicill zur Sicherheit der darum geordneten Vermächtnuß an seinen Sachen
ein Pfand bestellen, welches der Erb nach Antretung der Erbschaft auszufolgen
schuldig ist; wann aber derselbe an dem Gut des eingesetzten Erbens ein Pfand
bestellete, so erwachset hieraus nicht ehender ein Pfandrecht, als da der Erb
die Verlassenschaft ohne rechtlicher Wohlthat des Inventarii angetreten, und
andurch den Willen des Erblassers anerkannt hätte, in welchem Fall er zur
Aushändigung der von dem Erblasser verpfändeten Sache angehalten werden kann.
[3, 7, § 4] 50. Eine gleiche Bewandtnuß hat es, da Jemanden
etwas mit dem Beding verschaffet würde, daß er an seinem Gut einem Dritten ein
Pfand bestellen solle, welches nicht ehender zu Kräften kommet, als bis die
Vermächtnuß von ihme wirklich angenommen worden.
[3, 7, § 4] 51. Es kann aber ein Pfand entweder an einer
Sache allein, oder auch an mehreren einzelweis, oder in einem Ganzen zusammen
für die ganze Forderung, oder nur für einen Theil derselben bestellet werden,
und gebühret hieran das Pfandrecht nicht nur allein für den Betrag der darauf
gelehnten Hauptsumme, sondern auch für alle davon vertagte Zinsen, Schäden und
Unkosten.
[3, 7, § 4] 52. Ein Pfand pfleget dahero insgemein von einem
höheren Werth zu sein, als die Forderung, wofür es eingeleget wird, welches
jedoch von der Willkür der Contrahenten abhanget. Daferne aber arglistiger
Weise Sachen von minderen Werth in einen höheren versetzet werden, als da Kupfer
für Gold zum Pfand gegeben würde, so bestehet jegleichwohlen der Pfandcontract,
wann hiemit der Glaubiger auch nur zum Theil seiner Forderung bedecket wird;
obschon ihme unbenommen ist, in alle Wege seine hinlängliche Sicherheit an den
Schuldner anzusuchen,
(3-102) welcher noch über das wegen des dabei begangenen
Betrugs nach richterlichen Ermessen zu bestrafen ist.
§. V.
[3, 7, § 5] 53. Der Pfandcontract ist seiner Eigenschaft
nach in der Folge zweibündig; dann gleichwie in der Hauptsache schon Anfangs
der Glaubiger oder Pfandnehmer dem Schuldner oder Pfandgeber zur Zuruckstellung
der verpfändeten Sache nach Erlöschung des hieran gehabten Pfandrechts
verstricket ist, also wird hingegen dieser dem Anderen nachhero aus natürlicher
Billigkeit zu seiner Entschädigung ruckverbindlich, wann er des Pfands halber
zu Schaden gekommen wäre.
[3, 7, § 5] 54. Aus der Hauptverbindlichkeit des Glaubigers
oder Pfandnehmers entspringet die Hauptforderung, welche nach bezahlter oder
erlassener Schuld, oder sonst aufgelösten Pfandrecht, dem Schuldner oder
Pfandgeber und seinen Erben wider den Glaubiger oder Pfandinhaber und dessen
Erben zur Wiedererlangung der verpfändeten Sache zustehet.
[3, 7, § 5] 55. Dann obschon die contractmäßige
Verbindlichkeit zur Zuruckgabe des Pfands gleich Anfangs bei Schließung des
Contracts hergestellet wird, so kann doch die daher rührende Hauptforderung
nicht ehender angestrenget werden, als bis das Pfandrecht vollkommen getilget
und ausgelöset worden, wie davon unten, §. VIII, das Mehrere folgen wird.
[3, 7, § 5] 56. Diese Rechtsforderung kommet nicht allein
dem Schuldner oder Pfandgeber und seinen Erben, sondern auch Demjenigen zu, an
welchem das Eigenthum der verpfändeten Sache von dem Pfandgeber entweder
schankungs- oder kaufweise, oder sonst in andere Wege übertragen worden, wann
er einerseits diese Uebertragung, und andererseits die Erlöschung des
Pfandrechts zu erweisen vermögend ist.
[3, 7, § 5] 57. Insolange aber der Pfandinhaber seiner
Forderung halber nicht befriediget, oder das Pfandrecht sonst aufgelöset ist,
kann ein Dritter, der erst nach der Verpfändung das Eigenthum der Sache an sich
gebracht, hieran keinen Anspruch machen. Wollte jedoch ein Dritter den
Pfandschilling bezahlen, und ohne sich zu dem erworbenen Eigenthum rechtsbehörig
ausweisen zu mögen, die verpfändete Sache mit Einwilligung des Pfandinhabers
andurch an sich bringen, so erlanget er hieran kein Mehreres, als das bloße
Pfandrecht, und tritt in die Stelle des ersten Glaubigers ein.
[3, 7, § 5] 58. Desgleichen gehet diese Rechtsforderung
sowohl wider den ersten Glaubiger oder Pfandnehmer und dessen Erben, als auch
wider den anderen Pfandinhaber, an den das Pfand weiters versetzet worden, nach
dem oben §. III, von num. 29 bis 35 bemerkten Unterschied, wie nicht weniger
wider einen jeden dritten Besitzer, welcher nicht das Eigenthum der Sache auf
rechtmäßige Weise an sich gebracht zu haben darzeigen kann.
[3, 7, § 5] 59. Es ist dahero der Pfandinhaber nach
aufgelösten Pfandrecht schuldig, die verpfändete Sache mit allen Zeit der
Inhabung davon behobenen Früchten und Nutzungen, wann ihme der Genuß oder
Gebrauch der Sache nicht zugleich mit verstattet worden, sammt dem Ersatz aller
aus seiner Schuld oder Saumsal hieran verursachten Schäden und Unkosten
zuruckzustellen, und obschon dieselbe nicht dem Pfandgeber, sondern einem
Dritten zugehörig wäre, so kann doch der Glaubiger gegen dem Pfandgeber den
Mangel des Eigenthums nicht einwenden, noch die Sache unter diesem Vorwand
vorenthalten, wann der Eigenthümer sich hierum nicht gemeldet hat.
[3, 7, § 5] 60. Nur in folgenden Fällen kann der
Pfandinhaber die Ausfolgung des Pfands mit Fug verweigeren, als da erstens
derselbe nachhero das Eigenthum der Sache an sich gebracht, oder sonst hieran
ein Recht erworben hätte; dann wo gleich Anfangs die Sache sein Eigen gewesen
wäre, da bestehet auch schon von Anbeginn kein Pfandcontract.
(3-103) [3, 7, § 5] 61. Zweitens, wann er außer der
bezahlten Schuld an den Schuldner noch andere Forderungen hätte, sie mögen
wegen des Pfandes selbst, oder aus anderen Ursachen herrühren, so gebühret ihme
hieran bis zu seiner vollständigen Befriedigung das Recht der Innenhaltung,
woferne das Pfand nicht mit dem ausdrücklichen Beding versetzet worden wäre,
daß es lediglich nur zur Sicherheit der einen Schuld allein haften, und nicht
auch auf die andere Schuld erstrecket werden solle.
[3, 7, § 5] 62. Drittens, wann der Glaubiger auf die
verpfändete Sache einen nothwendigen Aufwand zu machen bemüssiget worden wäre,
oder deren Benutzung erweislich verbesseret hätte, so stehet ihme gleichfalls
hieran das Recht der Innenhaltung für denjenigen Betrag der ausgelegten
Unkosten zu, auf den sich die Parten untereinander vergleichen, oder welchen
der Richter zuerkennen wird; was aber bei ausmessenden Ersatz des Aufwands zu
beobachten seie, wird unten seines Orts erkläret werden.
[3, 7, § 5] 63. Woferne aber die verpfändete Sache aus
Schuld des Pfandinhabers verloren, entwendet, verdorben oder sonst zu Grund
gegangen wäre, so ist zu unterscheiden, ob seinerseits ein geflissentlicher
Betrug oder Arglist, oder eine sonstige die contractmäßige Verfänglichkeit
wirkende Schuld oder Saumsal dabei unterlaufe.
[3, 7, § 5] 64. Ersteren Falls ist er den Werth nach
demjenigen Betrag, wie solchen Kläger nach eigener Schätzung beschwören wird,
sammt denen von dem Tag der Veräußerung davon laufenden landesüblichen Zinsen
zu erstatten schuldig, letzteren Falls hingegen hat derselbe nur denjenigen
Werth, welchen Kläger zu erweisen, oder in Ermanglung eines anderen Beweises
mittelst des Eides der Wahrheit gewissenhaft zu bewähren im Stande ist, sammt
den von Zeit der erhobenen Klage hiervon tagenden Zinsen zu ersetzen; doch ist
so in einem als anderen Fall der Pfandschilling mit allen Nebengebührnussen von
dem Betrag des Werths abzuziehen.
[3, 7, § 5] 65. Dann insolange der Schuldner in Abführung
der Schuld keinen Saumsal begehet, ist der Glaubiger oder Pfandinhaber nicht
befugt das Pfand zu verkaufen oder zu veräußeren; woferne aber der Schuldner
die bedungenen Zahlungsfristen nicht einhielte, und die Verfallzeit verstrichen
wäre, kann zwar der Glaubiger zur Veräußerung des Pfands, doch nicht anderst,
als gerichtlich und mit Beobachtung der hienach bestimmenden Feierlichkeiten
fürschreiten, und ist solchenfalls dem Schuldner oder Pfandgeber von dem dafür
gelösten Werth nur so vieles auszufolgen, was nach Abzug der Schuld sammt den
davon vertagten Zinsen, und allen Schäden und Unkosten hieran erübriget wird.
§. VI.
[3, 7, § 6] 66. Aus der Ruckverbindlichkeit des Schuldners
oder Pfandgebers entstehet die Ruck- oder Gegenforderung, welche dem Glaubiger
oder Pfandinhaber und dessen Erben wider den Schuldner oder Pfandgeber und
dessen Erben zu Erlangung der Vergütung für allen wegen des ingehabten Pfands
Zeit des fürgewährten Versatzes erweislich erlittenen Schaden zukommet.
[3, 7, § 6] 67. Dieser Schaden kann sich aus viererlei
Ursachen ergeben, als erstens, wegen übler Beschaffenheit der verpfändeten
Sache, da nemlich dieselbe fremd wäre, oder hieran jemand Anderen ein
gegründeter Anspruch gebührete, und der Pfandnehmer diese Eigenschaft wüßte,
oder auch eine mangelhafte Sache in Versatz gegeben würde, der Pfandgeber möge
so eine als andere Beschaffenheit gewußt haben oder nicht; woferne er aber sich
dessen wissentlich oder boshafter Weise zu Hintergehung des treuherzigen
Glaubigers vermessen würde, ist derselbe noch über das auf richterlichen Befund
nach Gestalt des verübten Betrugs zu bestrafen.
[3, 7, § 6] 68. Zweitens, durch die verpfändete Sache selbst
aus Schuld des Pfandgebers, als da ein mit einem heimlichen Mangel behaftetes
Roß versetzet würde, welches des Pfandsinhabers eigene Pferde ansteckete;
drittens, wann das Pfand ohne Willen und Zuthat des Glaubigers in die Hände des
Schuldners oder Pfandgebers
(3-104) Pfandgebers gekommen, oder ihme dessen Gebrauch von
dem Glaubiger bittweise verstattet worden wäre, und endlich
[3, 7, § 6] 69. Viertens, wegen des auf das Pfand gemachten
nothwendigen Aufwands. Dann die nothwendige Unkosten ist der Glaubiger gegen
künftigen Ersatz aufzuwenden, oder wenigstens in der Zeit die zudringende
Bedürfnuß dem Pfandgeber zu erinneren, widrigens aber für den daherrührenden
Schaden zu haften schuldig; doch lieget ihme ob, die Nothwendigkeit der
gemachten Auslagen zu erweisen.
[3, 7, § 6] 70. So viel es aber den nicht aus Nothwendigeit,
sondern zu mehrerer Nutzbarkeit und Verbesserung der verpfändeten Sache
geschehenen Aufwand anbetrifft, so ist solchen der Schuldner oder Pfandgeber
anderergestalt nicht zu ersetzen verbunden, als da er ausdrücklich hierein
gewilliget, oder denselben nachher gutgeheißen hätte, aber auch dessen
Nutzbarkeit klar erweislich wäre, und zugleich die Auslösung des Pfands andurch
nicht dermaßen erschweret würde, daß er zu dessen Abstattung das Pfand zu
veräußeren, oder hintanzulassen bemüßiget wäre.
[3, 7, § 6] 71. Es hat daher der Richter dabei allemal auf
die Billigkeit zu sehen, damit in Ermanglung ausdrücklicher Einwilligung oder
Gutheißung des Pfandgebers weder dieser mit Aufrechnung eines übermäßigen
Aufwands beschweret, noch auch der Pfandinhaber durch Verweigerung des billig
findenden Ersatzes verkürzet werde, wie ihme dann auch freistehet, die von dem
Pfandgeber nicht ablösen wollende Verbesserungen, wann sie von der verpfändeten
Sache füglich und ohne deren Beschädigung abgesönderet werden mögen, davon
wegzunehmen, und sich anmit schadlos zu halten.
[3, 7, § 6] 72. Wegen aller dieser Schäden aber, deren
Ersatz ein Theil an dem anderen aus dem Pfandcontract entweder durch die
Hauptforderung, oder durch die Ruck- oder Gegenforderung anzubegehren befugt
ist, solle sich nach der in fünften Capitel, §. IV, num. 34, und §. V, num. 50
und 51 vorgeschriebenen Weis verhalten, und solche in der alldort bestimmten
Zeitfrist eingeklaget werden, dann wann einmal der Pfandgeber das Pfand ohne
dem daselbst vorgesehenen Vorbehalt zuruckgenommen, oder der Pfandinhaber
solches ohne gleichmäßigen Vorbehalt ausgefolget, höret, auch alle weiter
Forderung dieser Schäden halber gegeneinander auf.
§. VII.
[3, 7, § 7] 73. Der Pfandcontract ist seiner Natur und Eigenschaft
nach auf beider Contrahenten Nutzen gleich gerichtet, als einerseits auf den
Nutzen des Pfandgebers, damit er um so leichter ein Darlehen erhalte, und
andererseits auf den Nutzen des Pfandnehmers, damit seine Forderung andurch
sichergestellt, und nicht allein der Schuldner aus Begierde seiner Sache
anwiederum habhaft zu werden, zu Bezahlung der Schuld von selbsten angetrieben
werde, sondern auch der Glaubiger, wann damit nicht eingehalten wurde, die
Zahlungsmitteln selbst in Handen habe.
[3, 7, § 7] 74. Dieser beiderseits gleich abgezielte nutzen
wirket auch die gleichmäßige Verfänglichkeit beider Contrahenten für Schuld und
Gefährde gegeneinander, welche sich aber nach den in ersten Capitel, §. IX,
festgesetzten Maßregeln nicht weiter, als auf die große, und mittlere oder
leichte Schuld erstrecket.
[3, 7, § 7] 75. Hieraus fließet, daß der Pfandnehmer keine
mindere Sorgfalt in Verwahrung der verpfändeten Sache, als in seinen eigenen
anzuwenden, folglich dieselbe getreulich bei sich aufzubehalten, und gleich
denen seinen für Schaden und Verringerung zu verwahren, in Widrigen aber den
durch seine auch nur der leichten Schuld beigemessen werden mögende
Hinlässigkeit hieran entstehenden Schaden zu ersetzen verpflichtet seie.
[3, 7, § 7] 76. Einen größeren Fleiß und Sorgfalt aber, als
in seinen eigenen Sachen ist derselbe bei dem Pfand nicht anzuwenden, weder
solches bei gemeinsamer Gefahr seinen Habschaften vorzuziehen, noch weniger für
die leichteste Schuld, oder unversehene Zufälle zu haften schuldig; sondern das
Pfand ohne seiner Schuld
(3-105) oder Verwahrlosung durch Unfall bei ihme
Schaden nähme, oder auch gar umkäme, kann er dessen ohnerachtet sein Geld
wieder fordern.
[3, 7, § 7] 77. In gewissen Fällen jedoch ladet der
Glaubiger die Verfänglichkeit so für die leichteste Schuld, als für den Zufall
auf sich, wann er nemlich entweder erstens auf eine von denen an gleich
bemelten Ort obbeschriebenen vier Arten die Gefahr auf sich genommen, oder
zweitens, sich an der Sache außer jenen Fällen, wo nach der weiter hiernach
folgenden Ausmessung die Pfändungen zugelassen sind, selbst eigenmächtig
gepfändet, oder endlich drittens, sich ohne Verstattung des Pfandgebers des
Gebrauchs der verpfändeten Sache angemaßet hätte, und dieselbe andurch zu
Schaden gekommen sein würde.
[3, 7, § 7] 78. Desgleichen hat der Pfandgeber für allen von
wegen der verpfändeten Sache aus seiner auch nur leichten oder mittleren Schuld
dem Glaubiger in den in gleich vorhergehenden §. berührten Fällen zugefügten
Schaden zu stehen, und gleichwie derjenige Theil, welcher dem anderen eine
begangene Schuld zumuthet, solche zu erweisen hat, also ist auch Jener, der
einen unversehenen Zufall vorschützet, hierüber den Beweis zu verführen
schuldig.
§. VIII.
[3, 7, § 8] 79. Eine Pfandschaft erlöschet entweder durch
Tilgung der Hauptschuld, wofür solche eingeleget worden, oder auch bei noch
fürwährender Verbindlichkeit des Schuldners durch Auflösung des Unterpfands
selbst. Durch die erstere Art wird die Pfandschaft aufgehoben, wann die Schuld bezahlet, erlassen, oder die Verbindlichkeit des Schuldners
in andere Wege getilget worden.
[3, 7, § 8] 80. Es muß aber der Glaubiger nicht allein wegen
der Hauptschuld, sondern auch wegen der Zinsen, Schäden und Unkosten vollkommen
befriediget worden sein; dann das einmal erworbene Pfandrecht ist untheilbar,
und haftet auch für alle Nebengebührnussen, welche von der Hauptschuld
herrühren.
[3, 7, § 8] 81. Ingleichen muß der Glaubiger außer
derjenigen Schuld, wofür das Pfand gegeben worden, keine andere Forderungen an
den Pfandgeber haben, wo er aber deren einige hätte, gebühret ihme hierwegen
das Recht der Innenhaltung an der verpfändeten Sache, insolange er nicht der
andern Forderung halber vergnüget wird.
[3, 7, § 8] 82. Dahero wird auch durch Erneuerung der vorigen
Schuld oder Verbindlichkeit das dafür eingelegte Pfand nicht aufgelöset, wann
dasselbe nicht ausdrücklich dabei erlassen worden, es möge gleich die
Erneuerung willkürlich durch Vergleich, oder aus Gewalt des Rechts durch
richterlichen Spruch und Urtheil geschehen, oder auch die Schuld andurch
verminderet oder vergrößeret werden, dann das Pfand bleibet nicht weniger für
einen Theil, als für die ganze Forderung haften.
[3, 7, § 8] 83. Ohne Tilgung der Hauptschuld wird die
Pfandschaft für sich selbst auf dreierlei Art aufgelöset, als erstens, aus dem
mit beiderseitiger Vereinigung eingegangenen Beding, zweitens, aus eigener
Willkür des Glaubigers, drittens, aus einem an der verpfändeten Sachen sich
ereignenden Zufall.
[3, 7, § 8] 84. Nach Maß des beigefügten Bedings erlöschet
das Pfand, wann es auf eine gewisse Zeit versetzet worden, nach deren Verlauf
der Glaubiger, obgleich derselbe noch nicht befriediget worden wäre, solches
zuruckzugeben schuldig ist. Woferne aber der Schuldner in der bestimmten Zeit mit
der Zahlung nicht einhielte, und der Glaubiger hätte zur gerichtlichen
Veräußerung des Pfands zu schreiten angefangen, so bleibet jegleichwohlen das
Pfandrecht bei Kräften, obschon mittlerweil die Zeit, auf welche das Pfand
gegeben worden, verstrichen wäre.
[3, 7, § 8] 85. Aus eigener Willkür des Glaubigers wird die
Pfandschaft aufgelöset, wann er die Pfandsverbindlichkeit entweder ausdrücklich
oder stillschweigend durch Zuruckstellung des Unterpfands oder Einwilligung in
dessen Veräußerung erlasset.
(3-106) Diese Erlassung aber wirket lediglich die Nachsicht
des Pfandrechts, und nicht auch die Nachsicht der Hauptschuld, zu deren Abtrag
der Schuldner dessen ohnerachtet verbunden bleibet.
[3, 7, § 8] 86. Damit aber aus gestattender Veräußerung der
Unterpfands eine stillschweigend Erlassung des Pfandrechts geschlossen werden
möge ist Folgendes zu beachten: Erstlich, daß der in die Veräußerung
einwilligende Glaubiger mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten
befugt, folglich sich seines Rechts zu begeben fähig seie.
[3, 7, § 8] 87. Zweitens, daß derselbe ausdrücklich entweder
mündlich oder schriftlich, und ohne allem Vorbehalt seines Pfandrechts, oder
der ihme von dem Kaufschilling zu leisten habenden Bezahlung in die Veräußerung
einwillige. Die bloße Wissenschaft der Veräußerung aber, wann er gleich dazu
stillschwiege, machet ihn seines Pfandrechts nicht verlustig; es wäre dann, daß
er dabei seinen Willen durch eine That, woraus die Einwilligung nothwendig
gefolgeret werden müßte, geäußert, oder den Anderen arglistiger Weise
hintergangen hätte, als da von ihme die Veräußerungsurkunde mit unterschrieben
worden, oder die Veräußerung in seiner Gegenwart oder auf vorhergegangene
gerichtliche Kundmachung geschehen, und von ihme die Hinauszahlung des Kauf- oder
Pfandschillings an den Schuldner ohne Widerrede gestattet worden wäre.
[3, 7, § 8] 88. Drittens, damit die Veräußerung auf keine
andere nachtheiligere Art, als worzu der Glaubiger seine Einwilligung gegeben,
geschehe, und auch wirklich in der That und ohne aller Scheinhandlung erfolge,
wann er auch nur dem Schuldner zugelassen hätte, die bei ihme versetzte Sache
an einen Dritten zu verpfänden; dann auch durch die gestattete Verpfändung an
einen Dritten erlöschet das Pfandrecht des ersten Glaubigers, wann er sich
solches nicht ausdrücklich vorbehalten hat.
[3, 7, § 8] 89. Woferne aber derselbe in die Verschenkung
der verpfändeten Sache einwilligen würde, ist er auch in deren Verkaufung oder
Verpfändung für einwilligend zu halten, wann die verwilligte Schankung nicht
einer gewissen Person namentlich zugedacht worden; dahingegen wann er solche
verkaufen oder zu verpfänden gestattet hätte, verlieret er sein Pfandrecht
nicht, da solche verschenket, und Derjenige, deme sie geschenket worden, die
Eigenschaft des Pfand wissen würde.
[3, 7, § 8] 90. Es hat aber die einmal ohne Vorbehalt
gegebene Einwilligung in die Veräußerung des Pfands die Kraft, daß obgleich die
nemliche Sache aus was immer für Ursachen vor Tilgung der Schuld anwiederum zu
Handen des Schuldners gelangen würde, jedennoch das vorige Pfandrecht hieran
nicht mehr auflebet, sondern für allezeit gänzlich erloschen ist, woferne nicht
neuerdings an dieser Sache ein Unterpfand bestellet wird.
[3, 7, § 8] 91. Umso mehr aber höret die Pfandschaft auf,
wann die verpfändete Sache von dem Glaubiger selbst veräußeret wird, worzu aber
derselbe nicht ehender, als da der Schuldner in der bestimmten Frist mit der
Zahlung nicht eingehalten, und auch nicht anderst, als auf die hienach
vorschreibende Art und Weis berechtigt ist.
[3, 7, § 8] 92. Aus einem an der verpfändeten Sache sich
ergehenden Zufall wird das Pfandrecht auf zweierlei Art aufgelöset, als da
entweder die Sache zu Grund gienge, oder das Recht des Pfandgebers aus einer
der Pfandschaft vorgehenden und dem Pfandnehmer wissentlichen Behaftung
erlöschete; dahingegen wo der Pfandgeber solche aus einer erst nach der
Verpfändung entspringenden Ursache an einen Dritten veräußerete, verlieret der
Glaubiger hieran sein Pfandrecht nicht.
[3, 7, § 8] 93. Durch Untergang der verpfändeten Sache aber
erlöschet das Pfandrecht nicht anderst, als da solche völlig zu Grund gehet,
dann wo auch nur der mindeste Theil davon übrig bleibet, welcher dem Glaubiger
einige Sicherheit verschaffen kann, da bestehet auch hieran das Pfandrecht,
also da eine Heerd Schafe verpfändet
(3-107) würde, obgleich der größte Theil darauf gienge,
haftet doch die Pfandschaft an den übrigen.
[3, 7, § 8] 94. Woferne jedoch die Wesenheit der
verpfändeten Sache nicht vernichtet, sondern nur veränderet würde, ist zu
unterscheiden, ob sie durch diese Veränderung eine ganz andere von der ersteren
unterschiedene Gestalt annehme, oder ob selbe die vorige Gestalt behalte, und
bloß andurch in sich vermehret oder verminderet werde. Ersteren Falls erlöschet
das Pfandrecht, als da das verpfändete Holz verbauet oder verschnitzlet, oder
die verpfändete Wolle verarbeitet würde.
[3, 7, § 8] 95. Letzteren Falls hingegen bleibet das
Pfandrecht noch allezeit bei Kräften, die Wesenheit der Sache möge vermehret
oder verminderet werden, welches in allen denenjenigen Fällen zu beobachten
ist, da ein aus mehreren, halb zu-, halb abnehmenden Theilen bestehendes
Ganzes, als z. B. eine Handlung verpfändet wird, wobei das Pfandrecht sich
nicht allein auf die zur Zeit des Versatzes darinnen vorhandene, sondern auch
auf die statt der verschleißenden aus den Mitteln der Handlung nachlassende
Waaren erstrecket.
[3, 7, § 8] 96. Ansonsten kann eine Pfandschaft auf keine
andere Art, als welche bisher angedeutet worden, aufgehoben, noch weniger das
Recht das versetzte Pfand anwiederum einzulösen durch das immer für einen
Zeitlauf wider den Schuldner verjähret werden, sondern es bleibet ihme durchaus
frei und unbenommen, mittels Bezahlung des Pfandschillings das Pfand wieder an
sich einzulösen.
Zweiter Artikel.
Von Pfandsverschreibungen.
IX. Von Wesenheit und unterschiedener Eigenschaft der
Pfandsverschreibungen. §. X. Von Fähigkeit der Verschreibenden, und deren,
welchen eine Hypothek verschrieben wird. §. XI. Von Sachen, welche zur Hypothek
verschrieben werden können. §. XII. Von Art und Weis der Pfandverschreibungen.
§. XIII. Von Wirkungen des Pfandrechts in Ansehen des Glaubigers. §. XIV. Von
den bei Pfandcontracten beizufügen pflegenden Bedingen. §. XV. Von Tilgung und
Auflösung der Pfandverschreibungen oder Hypotheken.
§. IX.
[3, 7, § 9] 97. Die zweite Gattung des Pfandcontracts sind
die Pfandverschreibungen, welche insgemein Hypotheken genannt werden; dann die
Pfandverschreibung oder Hypothek ist eine verbindliche Handlung, wodurch der Schuldner
oder für denselben ein Dritter dem Glaubiger ein Gut zur Versicherung der
Schuld mit dem Beding vorschreibet, daß er bei nicht erfolgender Zahlung sich
hieran halten, und seine Befriedigung daraus erholen möge.
(3-108) [3, 7, § 9] 98. Es unterscheidet sich dahero die
Pfandsverschreibung oder Hypothek von einem Pfand hauptsächlich in deme, daß
bei diesem die wirkliche Uebergab und Aushändigung der verpfändeten Sache an
dem Glaubiger erfordert werde, ohne welcher es niemalen zu seiner Wesenheit
gelangen kann, dahingegen bei Pfandsverschreibungen das zur Hypothek
verschriebene Gut mit dem Pfandrecht behaftet werde, ohnerachtet das Gut dem
Glaubiger nicht überantwortet wird, sondern in Handen des Schuldners
verbleibet.
[3, 7, § 9] 99. Wiewohlen aber also eine Pfandsverschreibung
in ihrer Bestellungsart mit den bloßen Verwilligungs- oder
Consensualcontracten, welche zu ihrer Wesenheit keine Uebergabe der Sache, um
die es sich handle, erheischen, übereinzukommen scheinet, so ist doch dieselbe
ihrer Natur und Eigenschaft nach vielmehr den sächlichen oder Realcontracten
beizuzählen, weilen andurch, obschon das verschriebene Gut nicht selbst
übergeben, jegleichwohlen aber hieran durch die Einverleibung in die Landtafel,
Stadt- oder Grundbücher ein dingliches Recht, nemlich das Pfandrecht bestellet,
und dem Glaubiger angewiesen wird, welches eine der Natur der
Consensualcontracten nicht zukommende Wirtung (!) (= Wirkung) anzeiget, als die
bloß ein Recht zur Sache, nicht aber auch an der Sache erzielen.
[3, 7, § 9] 100. Eine Pfandsverschreibung setzet nicht
weniger als die Pfandsübergabe einer vorhergehende Verbindlichkeit zum voraus,
ohne welcher solche nichts verfanget, und gleichwie bereits oben §. I, num. 7,
von dem Pfand gemeldet werden, also hat auch eine Hypothek dreierlei
Bedeutungen, als des Guts, welches zum Unterpfand verschrieben, oder des
Rechts, welches aus der Verschreibung erworben, oder des Contracts und der
Handlung selbst, wodurch eine Hypothek bestellet wird. Von dem mit der
Pfandsübergabe gleich wirkenden Pfandrecht ist schon in zweiten Theil gehandlet
worden, dahero wird hier nur der Pfandsverschreibungscontract erkläret.
[3, 7, § 9] 101. Eine Pfandsverschreibung oder Hypothek ist
von dreierlei Art; dann entweder wird solche durch beiderseitige ausdrückliche
Vereinigung der Contrahenten nach eigener freier Willkür bestellet, oder in
gewissen Fällen aus Anordnung des Gesatzes stillschweigend erworben, oder von
richterlichen Amt an dem Gut des Schuldners auch wider seinen Willen verhänget.
Die erstere Gattung heißet die willkürliche, die
zweite die rechtliche oder stillschweigende, und die dritte gerichtliche
Hypothek.
[3, 7, § 9] 102. Beide letztere Gattungen sind bereits in
dem zweiten Theil beschrieben worden, und wird noch insonderheit von der
gerichtlichen Hypothek in dem vierten Theil bei Abhandlung der Gerichtsordnung
des Mehreren erwähnet werden; es erübrigt demnach hier bloß die willkürliche
Pfandsverschreibung oder Hypothek auszulegen.
[3, 7, § 9] 103. Diese ist entweder allgemein oder sonderheitlich.
Eine allgemeine Hypothek wird an dem ganzen Hab und Vermögen des
Schuldner bestellet; eine sonderheitliche hingegen ist, wann nur ein Gut
des Schuldner in sonderheit damit behaftet wird.
§. X.
[3, 7, § 10] 104. Sein Gut kann jedermann zum Unterpfand
verschreiben, der sonst nach Ausmessung des §. II von seinem Vermögen etwas zu
versetzen oder zu verpfänden
(3-109) fähig ist. Er muß aber noch über das Eigenthümer des
zum Unterpfand verschreibenden Guts sein, und sowohl dessen rechtlichen Besitz durch
die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worinnen das verschreibende Gut
inlieget, an sich gebracht, als auch die Fähigkeit zu landtäflichen, stadt-
oder grundbücherlichen Handlungen nach eines jeden Landes Verfassung erlanget
haben.
[3, 7, § 10] 105. Dahero kann kein Erb an dem ererbten
Vermögen eine Hypothek bestellen, insolange er nicht nach Verschiedenheit der
Landesverfassungen in dessen rechtlichen Besitz gelanget, noch weniger kann ein
Kaufer das erkaufte Gut zum Unterpfand verschreiben, bis nicht der Kaufcontract
in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worunter das Gut gehörig,
einverleibet worden, als wodurch er erst dessen rechtlichen Besitz erwirbt.
[3, 7, § 10] 106. Wiewohlen aber solchemnach die von
unfähigen, oder aus Mangel des rechtlichen Besitzes dazu unbefugten Personen
ausgestellte Pfandsverschreibungen Zeit der noch fürwährenden Unfähigkeit oder
Unbefugnuß durchaus bei keiner Gerichtsstelle angenommen werden sollen, so
gestatten wir doch gnädigst, daß wann der Aussteller einer solchen
Pfandsverschreibung nach deren Ausstellung mitlerweil die Fähigkeit, oder den
rechtlichen Besitz des verschrieben Guts erworben hat, und zur Zeit der
ansuchenden Einverleibung die fürgeweste Hindernuß behoben ist, derlei
Pfandsverschreibung zu Kräften kommen und bestehen mögen, woferne selbe nicht
schon zur Zeit der Ausstellung durch einen besonderen Verbot des Gesatzes
entkräftet sind, als da der Aussteller noch Minderjährig gewesen, oder darinnen
sonst eine unzulässige Handlung enthalten wäre.
[3, 7, § 10] 107. Auch durch Andere kann Jemands Gut mit
Pfandsverschreibungen behaftet werden, wann sie, wie bereits oben von
Verpfändungen §. II, num. 18, erwähnet worden, hierzu entweder von dem Gesatz,
als Gerhaben oder Vormündere und Curatores, oder von dem Eigenthümer Gewalt und
Vollmacht haben, bei Bevollmächtigten aber muß die Vollmacht ausdrücklich die
Befugnuß der aufstellen mögenden Pfandsverschreibung enthalten, und zugleich
mit dieser in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet werden, zu
welchem Ende eine solche Vollmacht mit allen zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einlage sonst erforderlichen Feierlichkeiten versehen, in
Widrigen aber keine in Namen und anstatt eines Anderen gefertigte
Pfandsverschreibung ohne einer solchen auf gleich vorbeschriebene Art und Weis
gefertigten Vollmacht einverleibet werden solle.
[3, 7, § 10] 108. So viel es aber die Gemeinvorstehere
sowohl Unserer landesfürstlichen, als obrigkeitlichen Städten und Märkten, wie
auch die Verwaltere der milden Stiftungen anbelanget, diesfalls ist jenes zu
beobachten was wegen deren Einschuldung in vierten Capitel, §. II, num. 29,
geordnet worden.
[3, 7, § 10] 109. Gleichwie bei dem verschreibenden
Schuldner, also wird auch an Seiten des Glaubigers, deme ein Gut zum Unterpfand
verschrieben wird, die Fähigkeit zu Erwerbung landtäflicher, stadt- oder
grundbücherlicher Rechten nach eines jeden Landes Verfassung dergestalten
erforderet, daß deme, welcher derlei Rechten nicht fähig ist, auch keine
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Hypothek verschrieben werden könne.
[3, 7, § 10] 110. Diese Fähigkeit wirket nach Unterschied
der Personen bald ein stärkeres, bald ein schwächeres Pfandrecht, dann entweder
ist sie also beschaffen, daß der Glaubiger, auf den die Pfandsverschreibung
lautet, zu Erwerbung landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Güter eine
ohneingeschränkte Befugnuß habe, und in diesem Fall hat das Pfandrecht seine
vollkommene Wirkung dergestalten, daß derselbe hieraus bei nicht erfolgender
Bezahlung nicht allein zum Besitz des ihme verschriebenen
(3-110) Guts gelangen, sondern auch durch die ausgemessene gerichtliche Betreibungsmitteln dessen
Eigenthum unwiderruflich an sich bringen kann.
[3, 7, § 10] 111. Oder der Glaubiger ist zwar zum Besitz derlei
Güter fähig, doch aber ohne Unserer landesfürstlichen Verwilligung mehrere zu
erwerben nicht berechtiget, und solchenfalls ist ihme zwar unbenommen sich
seiner Hypothek zu halten, und in deren Besitz zu kommen, er kann aber ohne
Unserer höchsten Einwilligung das unwiderrufliche Eigenthum des verschriebenen
Guts auf keinerlei Weise erwerben, sondern ein jeder anderer Landesfähiger ist
solches zu allen Zeiten gegen Erlag der Summe, in der es demselben zugeschätzet
worden, abzulösen befugt.
[3, 7, § 10] 112. Oder endlich der Glaubiger ist an sich des
Besitzes liegender Güter unfähig, und nur aus Unserer höchsten Gnad insoweit
befreiet, daß er seiner Schuldforderung halber eine landtäfliche, Stadt oder
grundbücherliche Sicherheit erlangen möge, in welchem Fall das Pfandrecht
nichts Mehreres, als die bloße Sicherheit und das Vorrecht vor späteren
Haftungen wirket, und der Glaubiger kann hieraus an dem verschriebenen Gut in
keinerlei Wege ein anderes dingliches Recht erwerben, sondern derselbe ist zwar
befugt bei entstehender Zahlung seine Hypothek zu exequiren, doch aber auf dem
Fall, wo es auf die Erlangung des Besitzes von dem verschriebenen Gut ankäme,
schuldig, sein Recht an einen anderen Landesfähigen abzutreten, oder sich zu
dem Besitz fähig zu machen.
§. XI.
[3, 7, § 11] 113. Eine sonderheitliche Hypothek kann nur an
unbeweglichen, dem Verschreibenden eigenthumlich zugehörigen, und in der
Landtafel, Stadt oder Grundbüchern
(3-111) inliegenden Gütern bestellet werden. Insolange
dahero das zum Unterpfand verschriebene Gut auf den Verschreibenden
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich nicht vorgemerket ist, hat auch die
Pfandsverschreibung keine Wirkung, und kann nicht zur Einverleibung gelangen.
[3, 7, § 11] 114. Eine allgemeine an dem gesammten Hab und Vermögen
verschreibende Hypothek hingegen begreifet zwar alle sowohl beweglich als
unbewegliche, gegenwärtig habende und künftig erwerbende unter der
Gerichtsbarkeit der jenigen Stelle, wo solche einverleibet wird, befindliche
Güter in sich, doch können daraus die Fahrnussen mit dem Pfandrecht
anderergestalt nicht behaftet werden, als da nach der gleich hiernach
erklärenden Art und Weis die Hypothek in Ermanglung anderer hinlänglichen
Sicherheit hierauf namentlich und besonders erstrecket, und solche zugleich
entweder in gerichtlichen Beschlag genommen, oder dem Glaubiger zur Sicherheit
von dem Schuldner ausgehändiget werden.
[3, 7, § 11] 115. Außer diesem Fall kann an beweglichen
Dingen keine willkürliche Hypothek bestellet werden. Eine rechtliche oder stillschweigende
Hypothek hingegen hat auch hieran in denjenigen in diesem Gesatzbuch
ausgedruckten Fällen statt, worinnen solche aus Anordnung des Gesatzes
verhänget wird.
[3, 7, § 11] 116. Wir verordnen aber noch ferners, daß keine
Pfandsverschreibung, welche nur bloß eine allgemeine Hypothek ohne namentlichen
Ausdruck des Guts, worauf die Schuldforderung insonderheit zu haften habe,
enthält, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher angenommen, sondern eine so
beschaffene Beschreibung lediglich für einen gemeinen Schuldbrief angesehen und
gedacht werden solle.
[3, 7, § 11] 117. Es muß dahero in der Verschreibung nebst
der allgemeinen allemal auch eine sonderheitliche Hypothek zugleich
mitbestellet werden, daß dieselbe in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
eingetragen werden möge, wodurch aber die allgemeine Hypothek die Wirkung noch
nicht erlanget, daß selbe außer dem mit der sonderheitlichen Hypothek
verfangenen Gut des Schuldners auch seine übrige allda inliegende Güter mit
einigem Pfandrecht behafte, und das Vorrecht sammt anderen Vorzüglichkeiten vor
den wiewohlen später auf die übrige Güter des Schuldners einverleibten
sonderheitlichen Hypotheken habe.
[3, 7, § 11] 118. Woferne jedoch der Glaubiger durch die
ihme verschriebene und einverleibte sonderheitliche Hypothek nicht zulänglich
bedecket, und genugsam gesicheret zu sein glaubete, so solle ihme freistehen,
um auch wegen der ihme mit verschriebenen allgemeinen Hypothek das Vorrecht vor
den auf die übrige Güter des Schuldners später einverleibet werden mögenden
sonderheitlichen Hypotheken genießen zu können, diese allgemeine Hypothek zu
mehrerer Sicherheit auf andere ihme namentlich nicht verschriebene Güter des
Schuldners jedoch mit Vorbehalt des denen vorhin schon darauf haftenden
sonderheitlichen Hypotheken gebührenden Vorrechts durch die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher erstreckenden, und solche darauf sonderheitlich vormerken zu
lassen.
[3, 7, § 11] 119. Er muß aber diese sonderheitliche
Erstreckung und Vormerkung bei Gericht ordentlich einkommen, und diejenige
Güter des Schuldners, worauf derselbe diese Erstreckung und sonderheitliche
Vormerkung verlanget, namentlich anzeigen, wodurch er von dem Tag der
beschehenen Erstreckung dieser allgemeinen Hypothek an jenen Gütern des
Schuldners, worauf diese Erstreckung vollzogen worden, das Vorrecht vor
denenjenigen Glaubigeren, welche ihre sonderheitliche Hypotheken hierauf später
einverleiben lassen, erwirbt; die früher einverleibte sonderheitliche
Hypotheken aber Behalten den Vorzug.
(3-112) [3, 7, § 11] 120. Solchemnach kann die allgemeine
Hypothek nicht anderst, als in Hinzufügung einer sonderheitlichen bestehen, und
erlanget ihre Kraft erst damals, wann dieselbe auf ein sonderheitliches Gut des
Schuldners vorbesagter Maßen erstrecket worden, wobei sie jedoch keine mehrerer
Wirkung als eine jede andere sonderheitliche Hypothek hat, und außer demjenigen
Gut, worauf sie erstrecket worden, nichts Anderes behaftet.
[3, 7, § 11] 121. Woferne aber der Glaubiger dieser zu
seiner mehreren Sicherheit ihme verstatteten Wohlthat sich nicht bedienete,
sondern die Erstreckung der allgemeinen Hypothek auf die übrige Güter des
Schuldners anzubegehren unterließe, so kann weder von demselben vor denen
später einverleibten sonderheitlichen Hypotheken sich eines Vorrechts
angemaßet, noch die Kaufer oder Erben, oder sonst ein dritter Besitzer eines
von dem Schuldner an sich gebrachten oder ererbten Guts, worauf seine Forderung
sonderheitlich nicht vorgemerket ist, derowegen mehr angefochten werden.
[3, 7, § 11] 122. Eine sonderheitliche Hypothek kann aber
von einem Gut auf das andere nach Gefallen des Glaubigers nicht erstrecket oder
übertragen werden, sondern wirket lediglich an jenem Gut das Pfandrecht,
welches ihme zur sonderheitlichen Hypothek verschrieben worden.
[3, 7, § 11] 123. Also da der Schuldner an dem ihme
zugehörigen Theil eines mit Mehreren gemeinschaftlichen Guts die Hypothek
bestellet, und nach der Zeit auch den anderen Theil des Guts an sich gebracht
hätte, so bleibet dessen ohnerachtet nur der verschriebene eine Theil mit der
Hypothek behaftet, weilen nur ein Theil und nicht das Ganze zum Unterpfand
verschrieben worden.
[3, 7, § 11] 124. Doch sind bei einem zur sonderheitlichen
Hypothek verschriebenen Gut alle unbewegliche Zugehörungen, sie mögen schon zur
Zeit der Verschreibung dabei befindlich sein, oder nachhero darzu kommen, nicht
weniger, als das Gut selbst mit dem Pfandrecht verstricket.
[3, 7, § 11] 125. Dahingegen von darzu gehörigen Fahrnussen,
und aus dem Gut erzeugten Früchten und Nutzungen nur jene, welche zur Zeit der
von dem Glaubiger auf das verschriebene Gut verführenden Execution allda
vorhanden und sonst an niemanden Anderen vorhero schon veräußeret sind, dem
Pfandrecht insoweit unterliegen, daß dem obbemelten exequirenden Glaubiger
hieran vor späteren Forderungen das Vorrecht gebühre, nicht aber auch daß ein
Dritter, an den solche veräußeret werden, derowegen angefochten werden könne,
sondern der Schuldner behält mit Fahrnussen und Nutzungen die freie Schalt- und
Waltung bis daß nicht ein gerichtlicher Beschlag hierauf ausgewirket, oder
derselbe durch die Execution aus dem Besitz des verschriebenen Guts gesetzet
werde.
§. XII.
[3, 7, § 12] 126. Die Pfandsverschreibungen müssen allemal
bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, worinnen das verschreiben wollende
Gut inlieget, vollzogen werden, und erlangen erst durch die Einverleibung die
Wirkung des Pfandrechts. Ehe und bevor aber dieselbe einverleibet werden, haben
sie keine mehrere Kraft, als andere gemeine Schuldbriefe, und behaften das darinnen
verschriebene Gut des Schuldners nicht, sondern diesem stehet frei, solches vor
Einverleibung der ausgestellten Pfandsverschreibung nach Gefallen zu veräußern,
oder mit anderen Haftungen zu beschweren, ohne daß der darauf nicht vorgemerkte
Glaubiger hieran den mindesten Anspruch zu machen befugt wäre.
[3, 7, § 12] 127. Es kann aber die Bestellung einer Hypothek
auf zweierlei Art geschehen, als entweder erstens, mittelst persönlicher
Bekanntnuß des Schuldners vor dem Amt der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern,
oder derjenigen Gerichtsstelle, worunter das verschreiben wollende Gut gelegen
ist, wann nemlich der Schuldner in persönlichen Verstand sich zu der Schuld
bekennet, und sein gut zur Hypothek
(3-113) einsetzet, wobei jedoch all jenes, was in zweiten
Theil von Art und Weis der Uebertragung landtäflicher, stadt- oder
grundbücherlicher Rechten geordnet worden, zu beobachten ist, oder
[3, 7, § 12] 128. Zweitens, durch eine schriftliche mit
denen oben Capitel IV, §. VII, vorgeschriebenen Feierlichkeiten versehene, und
auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage gerichtete Urkunde,
oder so genannte Hauptschuldverschreibung; doch lassen Wir es in Betreff der
grundbücherlichen Verschreibungen bei eines jeden Landes wohlhergebrachter Verfassung
gnädigst bewenden, es möge aber die Hypothek auf die eine oder die andere Art
bestellet werden, so ist doch die wirkliche Einverleibung dergestalten
erforderlich, daß ohne solcher keine Hypothek bestehen kann.
§. XIII.
[3, 7, § 13] 129. Ein Unterpfand, solches möge durch
wirkliche Uebergabe, oder durch Verschreibungen bestellet werden, giebt nicht
nur allein dem Glaubiger die Sicherheit wegen seiner Forderung, sondern es
wirket auch die Behaftung der verpfändeten oder verschriebenen Sache, woraus
das Pfandrecht entstehet.
[3, 7, § 13] 130. Dieses enthält viererlei dem Glaubiger an
der verpfändeten Sache zueignende Befugnussen, als erstens das Recht der
Abforderung von einem jedweden Besitzer, zweitens das Recht der Innenhaltung,
drittens das Recht des Vorzugs vor anderen Glaubigern, viertens das Recht der
Veräußerung.
[3, 7, § 13] 131. Sowohl das Recht der Abforderung, als der
Innenhaltung sind eigentliche Wirkungen eines dinglichen Rechts, welche daher0
bereits in zweiten Theil, bei Abhandlung von Pfandrecht erkläret worden, und
von dem Recht des Vorzugs, welches eine landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich verschriebene Hypothek von dem Tag der Einverleibung vor allen
auf dem nemlichen Gut entweder später, oder auch gar nicht einverleibten, noch
besonders befreiten Forderungen wirket, wird in vierten Theil bei der Gant-
oder Cridaordnung gehandlet werden.
[3, 7, § 13] 132. Das Recht der Veräußerung aber gebühret dem Glaubiger erst damals, wann der Schuldner in
der bedungenen Zeit mit der Zahlung nicht eingehalten hat. Wir verordnen jedoch
zu Steuerung aller dabei unterlaufenen mögenden wucherlichen Handlungen, daß
der Glaubiger mit Veräußerung der zu Unterpfand gegebenen oder verschriebenen
Sache auf keine andere, als die gleich hiernach ausmessende Art und Weis
fürzugehen befugt, und obgleich der Schuldner ihme die freie und eigenmächtige
Veräußerung entweder nach eigener Willkür, oder auch in einem bestimmten Werth
ausdrücklich gestattet hätte, jedennoch ein solches Beding von gar keiner Kraft
und Bündigkeit sein solle.
[3, 7, § 13] 133. Diese Veräußerung kann nicht anderst, als
mit Zuthat des Gerichts geschehen, wobei aber die Veräußerungsart der liegenden
zur Hypothek verschriebenen Gütern von jener deren Pfand gegebenen beweglichen
Dingen unterschieden ist. Erstere wird in vierten Theil der Gerichtsordnung
beschrieben werden, bei Veräußerung der Pfänder aber hat sich der Glaubiger
folgender Gestalt zu verhalten:
[3, 7, § 13] 134. Anförderist lieget ihme ob, wann er den
saumseligen Schuldner nicht länger nachzuwarten, sondern zur Veräußerung des
Pfands fürzuschreiten gedenket, demselben durch eine Gerichtsperson die
Erinnerung machen zu lassen, daß er das Pfand auslösen, oder bei weiteren
Anstand dessen Veräußerung gewärtig sein solle.
[3, 7, § 13] 135. Würde nun der Schuldner innerhalb
vierzehen Tagen von der ihme
(3-114) zugekommenen gerichtlichen Erinnerung die Zahlung
nicht leisten, oder sich in andere Wege mit dem Glaubiger nicht abfinden, so
stehet diesem frei nach Bescheinigung der vorläufig gemachten Erinnerung die
Abschätzung des Pfands anzubegehren, worauf von Gericht aus die Abschätzung mit
Fürladung des Schuldners durch die beeidigte Abschätzere zu veranlassen, und
das Pfand, woferne der Schuldner dasselbe dem Glaubiger nicht etwan lieber in dem
abgeschätzten Werth überlassen, oder dieser solches nicht annehmen wollte, oder
mehrere Glaubiger vorhanden wären, die ihre Befriedigung hieran ansuchen,
gewöhnlicher Maßen mit Anberaumung einer Zeit von acht Tagen zum öffentlichen
Verkauf feil zu bieten ist, binnen welcher ausgemessenen Zeit aber annoch dem
Schuldner zugelassen sein solle, das Pfand nebst Erstattung der verursachten
Gerichts- und Schätzungsunkosten auszulösen.
[3, 7, § 13] 136. Wo aber derselbe auch diese Zeit
verstreichen lassen würde, ohne den Glaubiger zu befriedigen, so ist das Pfand
ohne weiters durch die in derlei Fällen gebräuchliche Versteigerung gerichtlich
zu verkaufen, und dem Meistbietenden gegen alsbaldigen Erlag der dafür
angebotenen Summe hintanzulassen, wobei jedoch sowohl den Schuldner, wann er
sogleich so viele Baargeldmitteln aufzuweisen im Stande ist, als dem Glaubiger
unverwehret sein solle, einen Anbot darauf zu legen, und es als meistbietende
käuflich an sich zu bringen, welchen Falls der Erstere, wann sich sonst keine
andere Glaubigere hierauf bei Gericht gemeldet haben, nur den Betrag der
Schuld, wofür das Pfand versetzet ware, mit allen Gerichtsunkosten, der andere
aber nur so vieles als der dafür angebotene Werth seine weisliche Forderung
übersteiget, herauszugeben hat.
[3, 7, § 13] 137. Wann hingegen den Glaubiger oder auch
einen dritten Meistbietenden das Pfand einmal käuflich hintangelassen worden,
verlieret der Schuldner das Eigenthum, und stehet ihme weiter hieran kein
Ablösungsrecht zu, sondern demselben ist von den dafür gelösten Werth nur so
vieles auszufolgen, als nach Abstoßung der hierauf haftenden Forderung des
Glaubigers und aller Gerichtsunkosten hiervon erübrigt wird; es wäre dann, daß
vor der Ausfolgung auch andere Glaubigere auf diesen Ueberrest greifen würden.
[3, 7, § 13] 138. Wäre aber der Schuldner abwesend, und
dessen Aufenthalt nicht zu erforschen, oder gar rechtsflüchtig oder auch
dergestalten verschuldet verstorben, daß Niemand sich seiner Verlassenschaft
annehmen wollte, in solchen Fall bedarf es keiner vorläufigen Erinnerung,
sondern der Glaubiger kann nach der Verfallzeit sogleich zu der gerichtlichen
Veräußerung des Pfands auf die obausgemessene Art und Weis fürschreiten, und
hat das Gericht zu Vertretung des Schuldners einen Curatorem zu bestellen,
beinebst aber den von dem dafür gelösten Werth nach Bezahlung des Glaubigers
und der Gerichtsunkosten sich ergebenden Ueberschuss zu Guten der anderen
Glaubigeren, oder da deren keiner sonst hervorgekommen wäre, bis auf Anmelden
des Schuldners in gerichtliche Verwahrung zu nehmen.
[3, 7, § 13] 139. Hätte jedoch der Glaubiger bei Veräußerung
des Pfands die gleich vorgeschriebene Feierlichkeiten nicht beobachtet, sondern
solches eigenmächtig verkaufet, so ist zu unterscheiden, ob der Kaufer die Eigenschaft
des Pfands gewußt habe oder nicht. Ware ihme solche wissend, und das Pfand wäre
noch bei ihme vorhanden, so ist der Schuldner befugt, gegen Erlag der Schuld
dasselbe anwiederum zuruckzuforderen.
[3, 7, § 13] 140. Hätte aber der Kaufer die Sache mit gutem
Glauben ohne die Pfandseigenschaft gewußt zu haben an sich gebracht, oder
dieselbe wäre auch nicht mehr in seinen Handen, in diesem Fall ist der
Glaubiger dem Schuldner denjenigen Betrag des Werths, wie dieser solchen mit
eidlicher Schätzung angeben wird, mit allen von dem Tag der Veräußerung haben
laufenden Zinsen nach Abzug der Schuld zu ersetzen verpflichtet.
(3-115) §. XIV.
[3, 7, § 14] 141. Bei Pfandcontracten pflegen zu mehrerer
Verbindlichkeit des Schuldners Bedinge beigesetzet zu werden, welche insoweit
darinnen nichts Gesatzwidriges enthalten ist, ihre vollkommene Kraft und
Bündigkeit haben, dahingegen andere nur in gewisser Maß zulässig, andere aber,
worunter meistens ein ohnerlaubter Wucher verstecket ist, gänzlich verboten und
null und nichtig sind.
[3, 7, § 14] 142. Also hat jenes Beding, daß der Glaubiger
bei nicht einhaltender Zahlung das ihme zur Hypothek verschriebene gut
eigenmächtig in Besitz nehmen möge, nur damals seine Wirkung, wann der
Schuldner ihme den Besitz gutwillig abtritt, woferne er aber solchen zu raumen
sich weigeren würde, kann der Glaubiger hierzu nicht anderst, als nach
rechtlicher Ordnung mittelst der gerichtlichen Einführung gelangen, und da er
den Schuldner eigenmächtig mit Gewalt davon verdränge, verlieret derselbe sein
Pfandrecht, und ist noch über das wegen des auf ihn erwiesenen Gewalts mit der
seines Orts darauf ausgesetzten Strafe zu belegen.
[3, 7, § 14] 143. Von gleicher Beschaffenheit ist das
Beding, wann der Schuldner sogleich in der Verschreibung den rechtlichen Besitz
des zur Hypothek bestellten Guts an den Glaubiger dergestalten übertraget, daß
er entweder gleich von nun an, oder nach der Verfallzeit solches nicht in
seinem, sondern des Glaubigers Namen besitzen zu wollen sich verbindet; dann
auch in diesem Fall kann der Glaubiger auf keine andere Art, als entweder mit
gutwilliger Abtretung des Schuldners, oder durch die gerichtliche Einführung
den wirklichen Besitz erwerben, und ist die selbsteigene Eindringung ebenso,
wie in ersteren Fall, als eine eigenmächtige Thathandlung unter vorbemelten
Strafen verboten.
[3, 7, § 14] 144. Dieses Beding aber wirket doch so vieles,
daß der Schuldner das damit verfangene Gut, insolange er es durch Bezahlung der
Schuld von dieser Verbindlichkeit nicht befreiet, an Niemanden zu veräußeren
befugt seie, sondern der Glaubiger hieran ein widerrufliches Eigenthum erwerbe,
welches aber durch Abführung der Schuld anwiederum aufgelöset wird.
[3, 7, § 14] 145. Ingleichen solle das Beding, daß der
Glaubiger anstatt der Zinsen das verpfändete Gut zu nutzen und zu gebrauchen
Macht habe, nicht anderst, als nach vorhergehender richterlicher Erkanntnuß und
Verwilligung zulässig, und dem Glaubiger sich an Früchten und Nutzungen,
dieselbe mögen in standhaften oder ungewissen Einkünften bestehen, anstatt der
Zinsen nicht mehr, als was die landesübliche Verzinsung betraget, zuzueignen
gestattet, das hieran Mehrempfangene aber derselbe von der Hauptforderung
abzuziehen schuldig sein.
[3, 7, § 14] 146. Dieses Beding kann auch stillschweigend
eingegangen werden, und zwar entweder bei beweglichen Dingen, wann nemlich der
Schuldner eine an sich nutzbare oder fruchtbringende, oder auch sonst
brauchbare Sache dem Glaubiger für ein ohne bedungener Verzinsung gereichtes
Darlehen verpfändet, ohne sich die Nutzungen davon vorzubehalten, oder deren
Gebrauch entweder ausdrücklich, oder mit Versieglung und Versperrung derselben
zu verbieten, welche Handlung den Bestand hat, daß der Glaubiger zu Vergeltung
der dem Schuldner in Reichung des Darlehens erzeigten Wohlthat anstatt der
Zinsen die verpfändete Sache nutzen und gebrauchen möge, insoweit dieselbe die
landesbräuchliche Zinsen nicht übersteigen; der Ueberschuß ist aber von der
Hauptforderung abzurechnen.
[3, 7, § 14] 147. Oder bei liegenden Gütern, wann der
Schuldner den Besitz des zur Hypothek verschriebenen Guts dem Glaubiger
einraumet, wobei jedoch die Zinsen ausdrücklich mit verschrieben oder bedungen,
oder aus Saumsal des Schuldners
(3-116) verwirket worden sein müssen; dann wo deren keine
weder aus der Verschreibung, noch aus Saumsal gebühren, sind die behebende
Nutzungen lediglich auf Abschlag der schuldigen Hauptsumme anzurechnen, weilen
das Gut für das, was hierauf nicht verschrieben worden, oder nicht aus der
Natur der Handlung zu erstatten ist, nicht zu haften hat.
[3, 7, § 14] 148. Bei beweglichen Dingen bedarf zwar die
stillschweigende Ueberlassung der Benutzung in dem vorbemelten Fall keiner
richterlichen Erkanntnuß, bei liegenden Gütern hingegen, es möge der
Fruchtgenuß ausdrücklich oder stillschweigend dem Glaubiger eingeraumet werden,
solle solche zur Giltigkeit des Bedings allemal vorhergehen, obschon der
Richter nicht auch leicht und nicht anderst, als bei Fürwaltung erheblicher
Ursachen ein dergleichen Beding gestatten solle.
[3, 7, § 14] 149. Das Beding aber möge ausdrücklich oder
stillschweigend über bewegliche oder unbewegliche Pfandschaften eingegangen
werden, so ist der Glaubiger allezeit verpflichtet, über die behobene Früchten
und Nutzungen Rechnung zu legen, wann gleich ihme die Verrechnung von dem
Schuldner ausdrücklich erlassen worden wäre, und solle diese Erlassung von gar
keiner Kraft und Wirkung sein.
[3, 7, § 14] 150. Die Rechnung solle also gefasset werden,
daß von der jährlichen Ertragnuß nach Abschlag der erweislichen Auslagen und
Verbesserungskosten zuförderist der gebührende Betrag der Zinsen abgezohen, und
alsdann der Ueberrest der Ertragnuß von der schuldigen Hauptsumme abgerechnet,
auch somit von Jahr zu Jahr bis zu gänzlichen Abtrag der Schuld verfahren
werde. Es hat jedoch der Glaubiger nicht allein die wirklich behobene, sondern
auch die beheben mögende und aus seiner Schuld vernachlässigte Nutzungen in
behörigen Empfang zu bringen.
[3, 7, § 14] 151. Da nun aber ein Anstand der Ertragnuß
halber vorfiele, ist solcher bei liegenden Gütern aus den vorigen wenigstens
dreijährigen Rechnungen von Zeit des Schuldners eigenen Besitzes und bei
beweglichen Dingen nach Art und Weis, wie der Schuldner selbst die Sache sonst
benutzet oder genossen, zu erörteren, wegen des Aufwands und der
Verbesserungskosten aber jenes zu beobachten, was oben §. VI, num. 69 bis 71
ausgemessen worden.
[3, 7, § 14] 152. Woferne aber hervorkäme, daß der Glaubiger
sich an Nutzungen schon zur Zeit der Verschreibung oder des gereichten
Darlehens ein Mehreres über die erlaubte landesbräuchliche Zinsen unter was
immer für einen Vorwand ausbedungen, oder auch nach der Zeit sich hieran
zuzuwenden angemaßet hätte, so verfällt derselbe in alle auf die wucherliche
Handlungen ausgesetzte Strafen.
[3, 7, § 14] 153. Gänzlich verbotene Bedinge bei
Pfandcontracten sind alle diejenige, welche der Wesenheit des Contracts zuwider
sind, oder wodurch dem Glaubiger ein Mehreres, als er an der Hauptsumme und den
landesüblichen Zinsen zu forderen hat, verheißen oder zugewendet, und also eine
wucherliche Handlung bemäntlet wird, sie mögen sogleich bei dem Contract
selbst, oder nach der Zeit eingegangen werden.
[3, 7, § 14] 154. Hierunter gehöret vornehmlich das Beding
der Heimfälligkeit des Pfands, wann der Schuldner mit dem Glaubiger dahin
übereinkommet, daß das Pfand, wann es innerhalb der bestimmten Zeit nicht
eingelöset wird, auf das darauf geliehene Geld dem Glaubiger verfallen oder
verwirket sein solle. Solche Bedinge sollen nicht nur allein an sich null und
nichtig sein, sondern auch wider den Glaubiger, der sie eingegangen, mit der
Strafe des Wuchers unnachsichtlich verfahren werden.
[3, 7, § 14] 155. Jene Bedinge hingegen, welche also
gefasset werden, daß der Glaubiger bei ausbleibender Zahlung das Pfand um einen
billigen Preis behalten möge, oder daß solches der Schuldner ihme käuflich,
oder an Zahlungsstatt zu überlassen gehalten sein solle, sind zwar an sich
nicht verboten, sondern können ihre
(3-117) Wirkung erreichen, wann sonst kein Nachtheil der
übrigen Glaubigeren dabei unterwaltet.
[3, 7, § 14] 156. Doch ist der Glaubiger bei Strafe des
Wuchers nicht befugt sich das Pfand anderer Gestalt, als nach dessen
vorhergehender gerichtlichen Abschätzung zuzueignen, welche er binnen den
nächsten acht Tagen von der Verfallzeit mit Vorladung des Schuldners
anzubegehren schuldig ist, wo in Widrigen, oder da sich mehrere Glaubigere
hervorthäten, das Beding von selbsten erlöschet, und mit Veräußerung eines
solchen Pfands, wie mit einem jeden anderen zu verfahren ist.
[3, 7, § 14] 157. Das Beding der Unablöslichkeit der
Pfandschaft ist zwar an Seiten des Schuldners als ein der Wesenheit eines
Pfands widerstrebender Beisatz von gar keiner Wirkung, sondern es stehet
demselben allzeit frei, obschon er auf die Einlösung eine ausdrückliche
Verzicht gethan hätte, das Pfand gegen Erlag der Schuld auszulösen, den
Glaubiger aber verbindet ein solches Beding dergestalten, daß, insolange ihme
die Zinsen von der schuldigen Hauptsumme richtig abgeführet werden, er weder
die Bezahlung der Schuld einmahnen, noch weniger zur Veräußerung der
Pfandschaft fürschreiten darf.
[3, 7, § 14] 158. Desgleichen verbindet das Beding der
Nichtveräußerung des Pfands zwar den Glaubiger, so lange der Schuldner in
Abtrag der bedungenen Zahlungsfristen nicht säumig ist, nicht aber auch den
Schuldner, sondern dieser behält die Freiheit, solches nach Gefallen zu
veräußeren, doch also, daß dem Pfandrecht des Glaubigers hierdurch nichts
beschadet werde.
§. XV.
[3, 7, § 15] 159. Gleichwie eine Hypothek nicht anderst, als
durch die wirkliche Einverleibung der Pfandsverschreibung in die Landtafel,
Stadt- oder Grundbücher bestellet wird, also kann dieselbe auch nur durch die
daraus bewirkende Auslöschung getilget und aufgelöset werden, woferne solche
nicht auf eine gewisse Zeit beschränket worden wäre, als mit deren Verlauf sie
auch von selbsten erlöschet.
[3, 7, § 15] 160. Es wäre dann, daß der Glaubiger noch vor
Ausgang dieser Zeitfrist die ihme verschriebene Hypothek zu exequiren
angefangen hätte, wodurch sein Pfandrecht bis zu seiner Befriedigung hierauf
fortwähret, gleichwie das Nemliche in gleichen Fall bei Pfändern oben §. VIII,
num. 84, geordnet worden.
[3, 7, § 15] 161. Wo aber keine gewisse Zeit, wie lang die
Pfandsverschreibung fürzudaueren hat, bestimmet worden wäre, kann die Tilgung
nur auf dreierlei Art geschehen, als erstlich, durch die landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Quittirung, wovon in letzten Capitel von Aufhebung der
Verbindungen mit Mehreren gehandlet werden wird; zweitens, durch einen in Rechtskräften
erwachsenen richterlichen Spruch und Urtheil, worinnen die Hypothek vernichtet
und aufgehoben, oder der Schuldner von der Schuld ledig und losgesprochen wird;
drittens, durch Einlage einer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen
Urkunde, in welcher entweder die Hypothek erlassen und davon abgegangen, oder
solche an jemand Anderen abgetreten, oder das Eigenthum des verhypothecirten
Guts von dem Glaubiger erworben wird.
[3, 7, § 15] 162. Ansonsten und außer vorbemelter Art und
Weis kann eine landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebene Hypothek
durch keine wie immer Namen haben mögende außergerichtliche Handlung getilget
und aufgelöset werden, wann gleich anmit die Schuld bezahlet, erneueret oder
erlassen worden wäre, obschon dem Schuldner solchenfalls sowohl die Einrede der
geschehenen Zahlung oder Erlassung der Schuld, als das Recht den Glaubiger zur
Quittirung zu verhalten zu allen Zeiten zustehet.
(3-118) [3, 7, § 15] 163. Desgleichen, obwohlen der
Glaubiger in die Veräußerung des ihme verhypothecirten Guts eingewilliget, und
die in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibte Veräußerungsurkunde
auch selbst ohne allem Vorbehalt mit unterschrieben hätte, erlöschet die
Hypothek andurch nicht, wann darinnen nicht ausdrücklich davon abgegangen, oder
nicht andere ihme nachgehende Glaubigere auf den Kaufschilling ausgewiesen
würden, sondern außerdeme gehet die Behaftung des Guts mit demselben auf
jedweden Besitzer.
[3, 7, § 15] 164. Wann er aber einen solchen zur
Einverleibung gelangten Ausweis ohne Vorbehalt seines Vorrechts unterschrieben
hätte, und dagegen nicht etwan einen dabei unterlaufenden Irrthum oder Verstoß
binnen der in zweiten Theil ausgesetzten Verjährungszeit erproben könnte, hat
er sich andurch seiner Hypothek begeben, und kann hierauf weiter keinen
Anspruch machen.
[3, 7, § 15] 165. Durch Zufall kann eine Hypothek an
liegenden Gütern zwar unzulänglich gemacht, niemalen aber gänzlich getilget und
vernichtet werden, solange etwas von Grund und Boden, worauf sie haftet, übrig
bleibet; dahingegen bei beweglichen Dingen eben Dasjenige statt hat, was oben
§. VIII, num. 93, 94 und 95, von Pfändern ausgemessen worden.
[3, 7, § 15] 166. Wo aber das Recht des Schuldners an einem
verhypothecirten Gut aus einer vor der Pfandsverschreibung in der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern vorgemerkten, oder auch sonst vor seinem Besitz schon
vorhergegangenen Ursache erlöschete, als da der Schuldner ein widerrufliches
Eigenthum, oder auch nur den Fruchtgenuß des verschriebenen Guts hätte, oder
ein vermeintlicher Erbe zum Besitz der Erbschaft gelangete, und ein
darzugehöriges Gut Jemanden zum Unterpfand verschrieben, deme aber nachhero
sein Erbrecht abgesprochen würde, da erlöschet auch die Hypothek, wann gleich
der Glaubiger in der wirklichen Execution begriffen, oder auch gar bereits in
dessen Besitz befindlich wäre.
Caput VIII.
Von Bürgschaften.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit und Natur der Bürgschaft, und von
Verschiedenheit der Bürgen. §. II. Von Fähigkeit der Bürgen. §. III. Von
Handlungen, worinnen Bürgen einkommen mögen. §. IV. Von Art und Weis der
Verbürgungen. §. V. Von Verbindlichkeit der Bürgen, und der wider sie
gebührenden Rechtsforderung. §. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Schuldners,
und der wider ihn denen Bürgen zustehenden Rechtshilfe. §. VII. Von
Rechtswohlthaten der Bürgen. §. VIII. Von Aufhebung und Erlöschung der
Bürgschaft.
§. I.
[3, 8, § 1] Num. 1. Nach Abhandlung der sächlichen oder
Realcontracten folgen nunmehro die in dritten Capitel, §. VI, bemerkte bloße
Verwilligungs- oder Consensualcontracten, welche aus alleiniger Einwilligung
beider Theilen, ehe und bevor noch die Uebergabe der Sache, um die es sich
handlet, erfolget, schon die contractmäßige Verbindlichkeit wirken.
(3-119) [3, 8, § 1] 2. Unter diese Gattung gehöret die Bürgschaft, welche eine verbindliche Handlung
ist, wodurch Jemand eine fremde Schuld zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers
dergestalten auf sich nimmt, daß zugleich der Hauptschuldner verbunden bleibe.
[3, 8, § 1] 3. Die Bürgschaft ist ihrer Natur und Eigenschaft
nach eine der vorhergehenden Verbindlichkeit eines Anderen in der Folge
beitretende, obschon an und für sich selbst in ihrem Wesentlichen
unterschiedene und besondere Handlung, wobei der Selbstschuldner schon
hauptsächlich verbunden ist, der Bürge aber andurch in der Folge verbindlich
wird.
[3, 8, § 1] 4. Sie erforderet
demnach zu ihrer Wesenheit, erstens, daß eine fremde Schuld vorhergehe, wofür
Jemand Bürge wird. Hierdurch unterscheidet sich ein Bürge sowohl von Jenem,
welcher Jemanden befiehlt dem Anderen ein Darlehen zu geben, weilen
solchergestalten der Befehl der Verbindlichkeit des Selbstschuldners vorgehet,
als auch von einem Mitschuldner, welcher keine fremde Schuld auf sich nimmt,
sondern sich zugleich mit dem Anderen zum Selbstschuldner bestellet, wie nicht
minder von einem Zusager, welcher sich insgemein zu Leistung seiner eigenen,
und keiner fremden Schuldigkeit verpflichtet.
[3, 8, § 1] 5. Zweitens, daß der Hauptschuldner zugleich
verbunden bleibe; dann wo Jemand eine fremde Schuld dergestalten übernähme, daß
er sich zum freiwilligen Selbstschuldner machen, und den Anderen andurch von
allem Anspruch des Glaubigers gänzlich befreien würde, ist es keine Bürgschaft,
sondern eine Uebernehmung der Schuld, deren Wirkung in dreiundzwanzigsten
Capitel von Verwandlung und Uebertragung der Verbindungen an Andere beschrieben
wird.
[3, 8, § 1] 6. Drittens, daß die Handlung zu mehrerer
Sicherheit des Glaubigers abziele, obgleich derselbe nachhero die angehoffte
Sicherheit dabei nicht findet, dann die Pfand- und Bürgschaften sind in
bürgerlichen Handlungen die festesten Bande Treu und Glaubens, und darum werden
Bürgen genommen, damit man der Schuld halber desto gesicherter sein möge.
[3, 8, § 1] 7. Die Bürgschaften werden entweder bei Gericht,
oder außer Gericht geleistet. Jene, welche vor Gericht geleistet wird, heißet sonst ein Fürstand, die außergerichtliche aber
eigentlich eine Bürgschaft. Von der ersteren wird in vierten Theil bei der
Gerichtsordnung gehandlet werden.
[3, 8, § 1] 8. Die Bürgen werden ferners in Hauptbürgen,
Ruckbürgen und Schadlosbürgen eingetheilet. Der Hauptbürge verbindet sich
gleich auf allen Fall zur Zahlung, wann der Glaubiger von dem Selbstschuldner
nicht befriediget wurde.
[3, 8, § 1] 9. Der Ruckbürge hingegen wird von dem Hauptschuldner
nicht zur Sicherheit des Glaubigers, sondern zur Sicherheit des Hauptbürgens zu
dem Ende bestellet, damit dieser Dasjenige, was er für den Hauptschuldner etwan
zu bezahlen bemüßiget sein dörfte, anwiederum von dem Ruckbürgen erholen möge, weshalben
der Anspruch an den Ruckbürgen niemalen dem Glaubiger, wohl aber dem
Hauptbürgen gebühret, als gegen deme allein derselbe verstricket ist.
[3, 8, § 1] 10. Und endlich ein Schadlosbürge ist jener, der
sich gegen den Glaubiger
(3-120) nur insoweit verbindet, als er von dem
Selbstschuldner und dem Hauptbürgen das Seinige entweder ganz, oder zum Theil
nicht erhalten mag, und mithin von dem Glaubiger niemalen ehender, als erst
nach gerichtlicher Belangung des Schuldners und Hauptbürgens angegangen werden
kann.
[3, 8, § 1] 11. Es ist dahero zu einem Schadlosbürgen
erforderlich, daß er die Schuld nicht, wie ein Hauptbürge, gleich Anfangs in
allen Fall auf sich nehme, und mit dem Selbstschuldner für die ganze Schuld
haften wolle, sondern daß er ausdrücklich unter der Bedingnuß und nur auf jenen
Fall gutspreche, daß wann der Glaubiger von dem Selbstschuldner und dem
Hauptbürgen nicht befriediget werden könnte, er alsdann ohne Schaden sein, und
von ihme die Bezahlung zu forderen haben solle.
[3, 8, § 1] 12. Wo aber in der Bürgschaft ein solches, oder
daß der Bürge nur ein Schadlosbürge sein wolle, wortdeutlich nicht ausgedrucket
wäre, sondern selbe etwan nur dahin lautete, daß wann der Schuldner nicht
zahlt, der Bürge zahlen wolle, oder auch sonst der Inhalt der Bürgschaft
zweifelhaft, und daraus nicht klar zu entnehmen wäre, ob er sich zum
Hauptbürgen oder Schadlosbürgen verbinden wollen, ist er allemal für einen
Hauptbürgen, und nicht für einen Schadlosbürgen zu halten, und sogleich, als
der Selbstschuldner mit der Zahlung säumig ist, ohne dessen vorheriger
Belangung die Schuld, für die er gutgestanden, abzutragen schuldig.
§. II.
[3, 8, § 2] 13. Alle und jede, die für sich selbst
Verbindungen einzugehen fähig sind, können sich auch für Andere als Bürgen
verpflichten, wann sie nicht durch einen besonderen Verbot des Gesatzes davon
ausgeschlossen werden; also sind Kinder, Sinnlose und Wahnwitzige eben sowohl
zu Bürgschaften, als zu selbsteigenen Verbindungen schon von Natur aus Mangel
des Verstandes unfähig.
[3, 8, § 2] 14. Von dem Gesatz hingegen werden folgende
Personen zu Leistung der
(3-121) Bürgschaft nicht zugelassen, als erstens, die in
wirklichen Kriegsdiensten befindliche Soldaten, insoweit sie andurch ihre
Person verstricken oder ihren Sold behaften; woferne sie aber außer ihrem Sold
ein sonstiges Vermögen besitzen, ist denenselben unverwehret darmit eine
Bürgschaft zu bestellen, und für einen Anderen die Sicherheit hierauf zu
verschreiben.
[3, 8, § 2] 15. Zweitens, Unvogtbare oder Minderjährige ohne
Zuthat und Einwilligung ihrer Vormünderen oder Gerhaben und Curatorum nach Maß
dessen, was davon in ersten Theil, in der Abhandlung von der Vormundschaft
geordnet worden.
[3, 8, § 2] 16. Drittens können die Weibspersonen, sie seien
ledig oder verheirathet, ohne vorläufiger gerichtlicher Erinnerung und Verzicht
ihrer weiblichen Gerechtigkeit keine Bürgschaft weder für einen Fremden, noch
für ihren eigenen Ehemann rechtskräftig leisten, die Verbürgung möge nur auf
ihre persönliche Verbindung, oder auch auf Verpfändung oder Verschreibung ihres
Guts gerichtet sein.
[3, 8, § 2] 17. Es geschehe gleich solches durch bloße
Bürgschaft oder mittelst selbsteigener Uebernehmung einer fremden Schuld, als
da ein Weib sich für jemand Anderen zur Selbstschuldnerin bestellete, oder auch
befehlsweise, da auf Geheiß eines Weibs der Glaubiger einem Dritten Geld
borgete, oder auf was immer für Art und Weis ein Weib eine fremde Schuld auf
sich nähme, so wird doch das Weib aus einer solchen Verbürgung oder
Verschreibung nicht verbunden, und dem Glaubiger gebühret wider sie kein
Anspruch.
[3, 8, § 2] 18. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann
gleich das Weib sich mit ihrem Ehemann in einerlei Schuldverschreibung als
Selbstschuldnerin mit ungeschiedener oder getheilter Hand einließe, und ihr
eigenes Gut darinnen verschriebe; dessen ohnerachtet solle sie eine solche
Verschreibung nicht binden, wann sie nicht vorhero vor Gericht nach vorläufiger
Erinnerung ihrer weiblichen Gerechtigkeit sich zu dieser Schuld ausdrücklich
bekennet hätte.
[3, 8, § 2] 19. In Uebrigen aber ist keinem Weib verwehret
für sich selbst, und ohne Zuthat ihres Manns oder eines Curatoris nach ihrem
Willen allerlei ehrbare Contracten und Handlungen zu schließen und
aufzurichten, wann sie nur dadurch keine fremde Schulden auf sich nimmt.
[3, 8, § 2] 20. Allein in diesem Fall ist die vorhergehende
Erinnerung der weiblichen Gerechtigkeit zur Giltigkeit der Handlung
dergestalten erforderlich, daß, obschon das Weib sich mit deren Abgang nicht
schützen würde, der Richter jegleichwohlen von amtswegen hierauf den Bedacht
nehmen, und keine Verschreibung, wann gleich die Verzicht des weiblichen Rechts
ausdrücklich darinnen enthalten wäre, ohne dieser Erinnerung kräftig sein, noch
weniger solche irgendwo zur Einverleibung angenommen werden solle.
[3, 8, § 2] 21. Diese Erinnerung hat allemal von Gericht,
und an ordentlicher Gerichtsstelle in persönlicher Gegenwart des Weibes zu
geschehen, und solle anstatt ihrer kein Anwalt oder Bevollmächtigter zugelassen
werden, sondern da dieselbe etwan Krankheit halber vor Gericht zu erscheinen
verhinderet wäre, sind solchen Falls auf ihr Verlangen zwei Gerichtspersonen
nebst einem Actuario zu Vollziehung der Erinnerung und Abnehmung ihrer Verzicht
in ihre Behausung abzuordnen.
[3, 8, § 2] 22. Wann es um sächliche oder solche
Verbürgungen zu thuen ist, wobei das Weib dem Glaubiger ein landtäfliches,
stadt- oder grundbücherliches Gut für einen Anderen zur Sicherheit
verschreibet, solle die Erinnerung von jenem Gericht, worunter das mit der
Bürgschaft behaften wollende Gut des Weibs gelegen ist, veranlasset, und die
hierauf gethane gerichtliche Verzicht und Bekanntnuß des Weibs bei der
Verschreibung in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket werden.
[3, 8, § 2] 23. Es wäre dann, daß zu dieser Zeit das Weib
außer dem Ort desjenigen Gerichtsstands, worunter das Gut gelegen ist, abwesend
wäre, welchen Falls die Erinnerung und Verzicht auch bei der Gerichtsstelle
jenen Orts, wo selbe sich
(3-122) damals aufhält, vorgenommen, und nach deren vorläufiger
Vormerkung in das Gerichtsbuch dem anderen Gerichtsstand, worunter das
verschreiben wollende Gut gelegen ist, durch ein rechtliches Zuschreiben
bedeutet werden kann.
[3, 8, § 2] 24. Wo es aber auf keine sächliche, sondern nur
auf eine persönliche Verbürgung ankäme, hat die Erinnerung und Verzicht bei
derjenigen Gerichtsstelle zu geschehen, der das Weib sonst mit ihrer Person
entweder nach dem Stand ihres Manns, oder nach ihrem eigenen, oder aus Ursach
ihres Aufenthalts untergeben ist, außer sie wollte sich freiwillig zu einem
anderen Gericht gestellen, und daselbst die Verzicht leisten, doch muß
allenthalben eine derlei vorgegangene Handlung in den Gerichtsbüchern
eingetragen werden.
[3, 8, § 2] 25. Nur in folgenden Fällen kann die Bürgschaft
eines Weibs zu Recht bestehen, und sie in die Verbindung eines Anderen
eintreten, als erstlich, wann sie auf vorläufige gerichtliche Erinnerung sich
ihrer weiblichen Gerechtigkeit ausdrücklich begeben und verziehen hat.
[3, 8, § 2] 26. Zweitens, wann sie den Glaubiger arglistiger
und betrügerischer Weise, welche derselbe erweisen muß, zu Darreichung eines
Darlehens verleitet und anführet, als da selbe ihre eigene Sachen unter dem
Vorwand, daß solche dem Schuldner angehören, bei dem Glaubiger für Jemanden
versetzete, oder die Zahlung für einen Anderen bei ihr als Schuldnerin anweisen
ließe, und die Anweisung ohne Widerspruch annähme, oder sich sonst einer
ohnerlaubten Scheinhandlung dabei gebrauchete.
[3, 8, § 2] 27. Da aber ein Ehemann seines Weibs Sachen ohne
ihrer ausdrücklichen Einwilligung verpfänden, und der Glaubiger, daß solche
nicht ihme, sondern dem Weib angehören, wissen würde, verlieret sie ihre
weibliche Gerechtigkeit nicht, sondern der Glaubiger ist ihr dieselbe
ebensowohl, als in jenem Fall, da sie dabei ohne Begebung ihres Rechts mit
selbsteigener Verpfändung ihrer Sachen eine fremde Schuld verbürget hätte,
ohnentgeltlich zuruckzustellen schuldig.
[3, 8, § 2] 28. Drittens wann der Glaubiger erweisen kann,
daß das Geld zu des Weibs Nutzen verwendet worden, oder sie wenigstens durch
die Bürgschaft keinen Schaden erleide, als da selbe das geborgte Geld zu ihren
Handen empfangen, obschon solches von ihr gleich einem Anderen geliehen oder
geschenket worden wäre, oder sie sonst an der Sache einen Theil, oder künftig
daraus eine sicheren Gewinn zu gewarten hätte, oder derselben Kleider,
Geschmuck, Geschmeid u. dgl. Dinge zu ihrem Gebrauch davon angeschaffet, oder
ihre Schulden darmit bezahlet worden, oder auch sie für ihren Glaubiger
gutgestanden wäre, oder ihr Glaubiger die Zahlung einer bei ihr ausstehenden
Schuldforderung jemanden Anderen angewiesen, oder die Forderung abgetreten
hätte, wann nur selbe dadurch von ihrem Glaubiger befreiet worden.
[3, 8, § 2] 29. Viertens, wann sie den Werth derjenigen
Summe, wofür dieselbe gutgesprochen, empfangen, oder dieserhalben Geld, oder
andere Schankungen angenommen hätte, in welchen Fall sie nach Maß dessen, was
ihr hierauf gegeben worden, aus ihrer Bürgschaft verbindlich wird.
[3, 8, § 2] 30. Fünftens, wann das Weib ein Gewerb oder
Kaufhandel in ihrem Namen und auf eigenen Gewinn und Verlust entweder allein,
oder auch gemeinschaftlich mit ihrem Mann führet, und in dieser Eigenschaft
eine fremde Schuld verbürget.
[3, 8, § 2] 31. Sechstens, wann sie ohne vorhergehender Bürgschaftsleistung
entweder für ihren Mann, oder auch für einen Dritten die wirkliche Zahlung
leistet, oder solche bei ihrem Schuldner anweiset, oder eine Forderung an
Zahlungsstatt abtritt.
[3, 8, § 2] 32. Siebentens, wann das Weib die Summe, für
welche sie gutgesprochen, oder die sie in andere Wege auf sich genommen,
nachgehends frei- und gutwillig weder aus Forcht des bedrohenden
Gerichtszwangs, noch aus sonstiger Zudringlichkeit oder listiger Ueberredung,
sondern lediglich wegen Treu und Glaubens bezahlete, kann sie das Bezahlte
nicht mehr zuruckforderen, da aber dieselbe aus
(3-123) Forcht, Gewalt oder List darzu verleitet worden
wäre, hat sie allemal die Befugnuß die ungebührliche Zahlung zuruckzubegehren.
[3, 8, § 2] 33. Achtens, wann sie Jemanden, ohne eine
vorhergehende fremde Verbindlichkeit auf sich zu nehmen, die Schadloshaltung
verheißet, daß er etwas thuen oder lassen solle, woraus er dem Anderen
verbindlich werde, als da selbe Jemanden die Entschädigung einer That wegen
versprechen würde, welche dem Dritten zu Schaden gereichete; um so viel weniger
kann sie in jenen Fällen sich von der Verbindlichkeit entledigen, worinnen
selbe entweder aus eigener Einwilligung, oder aus ihrer Schuld für die
Handlungen Anderer zu haften hat.
[3, 8, § 2] 34. Außer vorbemelten Fällen kann ein Weib sich
für jemanden Anderen auf keinerlei Weise rechtskräftig verbinden, sondern wo
sie auch mit einem anderen Mitbürgen eine fremde Schuld auf sich genommen
hätte, ist ihr ein solches unnachtheilig, und der andere bleibet entweder für
die ganze Schuld allein, wann er sich dafür mit ungetheilter und gesammter Hand
verschrieben, oder da dieses nicht ausgedrucket worden wäre, nur für seinen
Antheil verpflichtet.
[3, 8, § 2] 35. Wann aber ein Weib sich mit einem Anderen
außer ihrem Ehemann in einer sie Beide gemeinschaftlich betreffenden Sache zur
Selbstschuldnerin sammt und sonders ausdrücklich bestellet hätte, kann selbe
jegleichwohlen ihrerseits niemalen um einen höheren Betrag, als um ihren
Antheil belanget werden, woferne selbe sich nicht ihrer weiblichen
Gerechtigkeit auf die oben vorgeschriebene Art und Weis ausdrücklich begeben
hat, oder der Glaubiger die Verwendung der ganzen Summe zu ihrem alleinigen
Nutzen zu erweisen nicht im Stande ist.
[3, 8, § 2] 36. Diese Gerechtigkeit kommet auch des Weibs
Erben zu statten, außer dieselbe hätte ihnen in ihrem letzten Willen geboten
die Schuld zu bezahlen, oder sie hätten sich freiwillig und ungezwungen zu der
Zahlung verstanden, oder da es großjährige männliche Erben wären, die Richtigkeit
der Schuld in andere Wege anerkannt, oder da sie hierum gerichtlich belanget
würden, sich mit dieser Einrede zu schützen unterlassen; maßen der Richter in
solchem Fall, insoweit es diese allein, und keine Erben weiblichen Geschlechts
mitbetrifft, von amtswegen hierauf fürzudenken nicht befugt ist.
[3, 8, § 2] 37. Ohnerachtet aber dem Glaubiger
solchergestalten seine Anforderung wider das Weib vereitlet wird, so verbleiben
ihme doch dagegen auf der anderen Seite seine Ansprüche wider den Schuldner aufrecht
und bei vollkommener Kraft, und wird Alles in denjenigen Stand versetzet, als
ob das Weib niemalen die Bürgschaft geleistet, oder sonst die Schuld auf sich
genommen hätte.
[3, 8, § 2] 38. Welches hingegen sich auf die vorhin gehabte
Bürgen und Pfandschaften nicht verstehet, die etwan der Glaubiger gegen
Eintretung des Weibs erlassen hätte, sondern dieser hat sich selbst
beizumessen, daß er eine wahre und standhafte für eine leere Sicherheit fahren
lassen; wo aber das Weib wegen geleisteter Bürgschaft von dem Schuldner einige
Pfandschaften empfangen hätte, oder zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers ein
Schadlosbürge bestellet worden wäre, ist das Weib schuldig, die Pfandschaften
dem Glaubiger auszufolgen, und der Schadlosbürge bleibet anstatt des Weibs für
denjenigen Betrag der Schuld, welchen der Glaubiger von dem Schuldner nicht
erholen könnte, verfangen.
§. III.
[3, 8, § 3] 39. Bei Bürgschaften kommen drei unterschiedene
Personen vor, als der Glaubiger, welcher die Bürgschaft annimmt, der Bürge, der
solche leistet, und der
(3-124) Schuldner, von deme die Bürgen gestellet werden, und
obschon ein Ruckbürge nicht zu Guten des Glaubigers, sondern des Hauptbürgens
gegeben wird, so ist doch gedachter Hauptbürge in Absicht dessen, was er für
den Schuldner zu bezahlen bemüssiget ist, auch sein Glaubiger. Es kann dahero
Jedermann, der Jemanden zum Schuldner hat, folglich ein Glaubiger ist, ohne
Unterschied sich Andere aus Bürgschaften verbindlich machen; wann auch gleich
ein Ehemann für seines Weibs Heirathgut Bürgen stellen
würde.
[3, 8, § 3] 40. Von dem Schuldner geschehen die Verbürgungen
entweder freiwillig, oder aus Nothwendigkeit einer gerichtlichen Auflage, und
kann sowohl von mehreren Schuldneren zusammen, als auch in dem Fall, wo Jemand
ausdrücklich zu Stellung mehrerer Bürgen verpflichtet wäre, nur ein Bürge
bestellet werden, wann die verbürgte Summe andurch hinlänglich bedecket wird.
[3, 8, § 3] 41. Es stehet also in dem letzteren Fall nicht
in der Macht des Glaubigers eine sichere Bürgschaft zu verwerfen; es würde dann
die in der Verbindung angelobte Art und Weis der Verbürgung dabei nicht
beobachtet, als da der Schuldner eine sächliche Bürgschaft verheißen hätte, und
nachgehends bloß eine persönliche leisten wollte.
[3, 8, § 3] 42. Sonsten aber, wo wegen der Verbürgungsart
nichts Besonderes bedungen worden, hat sich der Glaubiger auch mit persönlicher
Bürgschaft, wann sie nur genugsam sicher ist, zu begnügen, und da über
Zulänglichkeit der leistenden Bürgschaft ein Stritt entstünde, hat der Richter sogleich
ohne Gestattung eines rechtlichen Verfahrens deren Beschaffenheit verläßlich zu
untersuchen, und darüber auf das Schleunigste zu erkennen.
[3, 8, § 3] 43. Es muß demnach allezeit eine fremde
Verbindlichkeit vorhergehen, für die Jemand Bürge wird, und insolange solche
nicht zu Stand kommet, hat auch die Bürgschaft keine Wirkung, sondern erhält
sie erst damals, wann die Verbindung des Anderen wirklich eingegangen worden.
[3, 8, § 3] 44. Doch ist erforderlich, daß es eine wahre,
zulässige und zu Recht bestehende Verbindlichkeit seie; dann woferne es eine
ohnerlaubte, und von den Gesetzen verbotene Handlung wäre, gilt auch die dafür
geleistete Bürgschaft nicht, sondern der Bürge machet sich noch über das
gestalter Dingen nach zur Strafe verfänglich.
[3, 8, § 3] 45. Also da Jemand für die von einem unter
väterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt stehenden ohne Zuthat des Vaters
oder Vormunds gemachte Schuld gutsprechen würde, ist die Bürgschaft null und
nichtig, und hat nicht allein der Glaubiger an den Bürgen keinen Anspruch,
sondern der Bürge ist mit Verfällung der nemlichen Summe, für die er
gutgestanden, zu Handen Unserer Kammer zu bestrafen.
[3, 8, § 3] 46. Wo aber bei der von einem Weib ohne Begebung
ihrer Gerechtigkeit, mithin ungiltig geleisteten Bürgschaft noch ein Anderer
als Bürge bestellet würde, ist zu unterscheiden, ob derselbe zugleich mit ihr
als Hauptbürge, oder zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers als Schadlosbürge,
oder zu des Weibs eigener Entschädigung als Ruckbürge einkomme.
[3, 8, § 3] 47. Inwieweit sowohl der Hauptbürge, als
Schadlosbürge daraus verbindlich werde, ist in gleich vorhergehenden §., num. 34 und 38, erwähnet worden, bei dem Ruckbürgen aber
ist darauf zu sehen, ob das Weib sich ihrer Gerechtigkeit nicht bedienen wolle,
und gleichwohlen gutwillig zahle, oder ob sie mit Vorschützung der ihr
zustehenden Rechtswohlthat die Zahlung verweigere. Ersteren Falls bleibet ihr
der Ruckbürge verbunden, um Dasjenige, was sie bezahlet, anwiederum von ihme
erholen zu mögen, letzteren Falls aber wird derselbe seiner Bürgschaft
entlediget,
(3-125) und kann der Glaubiger, als gegen deme er sich
niemalen verstricket, sich seiner nicht halten.
[3, 8, § 3] 48. In peinlichen Sachen können zwar auch für
die dem beschädigten Theil gebührende Genugthuung ohne Anstand Bürgen gestellet
werden; inwieweit aber die Bürgschaft in jenen Fällen, wo es auf Verhängung
einer verwirkten Leibes- oder an Uns verfallenen Geldstrafe ankommet,
zugelassen, und ein Uebelthäter ausgebürget werden möge, diesfalls giebt die
peinliche Gerichtsordnung Ziel und Maß.
§. IV.
[3, 8, § 4] 49. Die Bürgschaft kann entweder mündlich oder
schriftlich, oder auch durch Zeichen, welche die Einwilligung auszudrucken
hinlänglich sind, geleistet werden, wann nur die Worte oder Zeichen die ungezweiflete
Willensmeinung sich als Bürgen für jemand Anderen zu verbinden klar und
verständlich andeuten.
[3, 8, § 4] 50. Es ist dahero einerlei, ob Jemand sich
ausdrücklich einen Bürgen nenne, und unter dieser Benamsung sich für den
Anderen verstricke, oder ob er dem Glaubiger verspreche, daß derselbe an seiner
Schuldforderung nichts verlieren solle, oder daß er es gutmachen, oder das Geld
schaffen, oder dafürstehen, oder Gut oder Mann dafür sein wolle, oder daß er es
auf seine Gefahr nehme, oder sein Wort gebe, daß die Zahlung richtig folgen
werde.
[3, 8, § 4] 51. Wohingegen, wann Jemand lediglich gelobete,
daß er dafür sorgen wolle, kann keine Bürgschaft daraus gefolgeret werden,
sondern derselbe wird nur andurch verbunden allen seinen Fleiß, soviel an ihme
lieget, anzuwenden, damit der Glaubiger von dem Schuldner befriediget werde.
Stimmet aber der Ausgang mit seiner Bestrebung nicht überein, ist er auch von
aller weiteren Verbindlichkeit ledig.
[3, 8, § 4] 52. Desgleichen, da Jemand sich anheischig machte,
er wolle sich zu Leistung der Bürgschaft vermögen oder gebrauchen lassen, wird
er dadurch noch nicht Bürge, und ladet auch keine Verbindlichkeit auf sich,
insolange er sich nicht zum Bürgen bestellet; noch weniger entstehet aus deme
eine Verfänglichkeit, wann Einer den Anderen lobet und anrühmet, daß er gut,
oder ein wohlhabender Mann seie, und ihme getrauet werden könne, insoferne
sonst seinerseits hierbei keine Gefährde und Arglist unterwaltet.
[3, 8, § 4] 53. Es kann auch entweder in einerlei Urkunde
sich sowohl der Schuldner, als der Bürge verschreiben,
oder eine besondere Verbürgungsurkunde ausgefertiget werden. Wo aber Jemand
eine Schuldverschreibung mit dem Selbstschuldner unterschreiben würde, ohne
dabei die Eigenschaft eines Bürgens auszudrucken, ist aus dem Inhalt der
Verschreibung abzunehmen, ob derselbe sich für einen Bürgen, oder für einen
Mitschuldner mit ungeschiedener, oder mit vertheilter Hand verbinden wollen.
[3, 8, § 4] 54. Bei vorfallenden Zweifel aber ist er allemal
als ein Mitschuldner nicht zwar für den ganzen Betrag, sondern nur für seinen
Antheil zu halten; woferne jedoch in dem ganzen Inhalt der Verschreibung von
Demjenigen, der solche mit
(3-126) dem Schuldner unterschrieben, gar keine Erwähnung
geschehen, so wirket die bloße Unterschrift keine
Verfänglichkeit, sondern der Unterschriebene ist bloß für einen Zeugen zu
achten.
[3, 8, § 4] 55. Ein Bürge verstricket entweder lediglich
seine Person, und solchenfalls ist es eine persönliche Bürgschaft, oder er
behaftet auch sein Gut zur Sicherheit des Glaubigers, und zwar entweder mit
Verpfändung der Fahrnussen, oder mit wirklicher landtäflicher, stadt- oder
grundbücherlicher Verschreibung eines liegenden Guts, und so ein als anderen
Falls ist es eine sächliche oder Realverbürgung.
[3, 8, § 4] 56. Diese erheischet jedoch alle die zu einer
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung oben in vierten
Capitel, §. VII, ausgemessene Erfordernussen, und insonderheit auch an Seiten
des Bürgens den ausdrücklichen Beisatz der geschehen mögenden Einverleibung,
also zwar, daß obgleich der Bürge sich mit dem Schuldner in einerlei von Seiten
des Schuldners mit allen diesen Erfordernussen versehenen Schuldverschreibung
verbunden hätte, dieselbe jegleichwohlen auch von Seiten des Bürgens noch
besonders wiederholet werden müssen.
[3, 8, § 4] 57. Wann dahero eine solche von dem Schuldner
und Bürgen zugleich mitgefertigte Urkunde zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einlage gelangen würde, obschon darinnen der Bürge sein Gut
zur Hypothek namentlich eingesetzet, doch aber in die Einverleibung
ausdrücklich nicht gewilliget hätte, so wird zwar das Gut des Schuldners, nicht
aber auch das Gut des Bürgens darmit behaftet.
[3, 8, § 4] 58. Die Bürgschaft möge aber persönlich oder
sächlich bestellet werden, so kann solche zwar auf eine mindere, niemalen aber
auf eine größere Summe, als nicht die Hauptschuld ist, bestehen, und daferne
der Bürge sich zu etwas Mehreren, als worauf sich die Hauptschuld belaufet,
verbinden würde, wo es aus erweislichen Irrthum geschähe, gilt die Bürgschaft
nur nach dem Betrag der Hauptschuld; wann aber eine wucherliche Absicht dabei
fürwaltete, unterlieget die Handlung allen darauf ausgesetzten Strafen.
[3, 8, § 4] 59. Noch weniger kann sich ein Bürge unter einem
härteren Beding, als zu deme der Hauptschuldner nicht verbunden ist,
verstricken, also da für eine von ungewissen Ausgang der Bedingnuß abhangende
Schuld eine ohnbedingte Bürgschaft geleistet würde, wird der Bürge doch nicht
ehender, als nach Ausgang der Bedingnuß daraus verbunden. Dahingegen kann auch
für ohnbedingte Schulden eine bedingte Bürgschaft gestellet werden, und hanget
in diesem Fall die Wirksamkeit der Bürgschaft von dem Erfolg der Bedingnuß ab.
[3, 8, § 4] 60. In der Art der Verbindung aber ist keinen
Bürgen verwehret, sich zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers fester und
ausgiebiger, als nicht der Hauptschuldner verstricket ist, zu verpflichten,
also kann ein Bürge an seinem Gut durch Verpfändungen oder
Pfandsverschreibungen, wann auch solche in ihrem Werth den Betrag der Schuld
übersteigen, dem Glaubiger eine Sicherheit bestellen, obschon dieser an den
Hauptschuldner nur einen persönlichen Anspruch gehabt hätte, oder sich auch
unter der bereitesten Betreibung oder Execution verbinden, obwohlen sonst der
Schuldner hierzu nicht gehalten gewesen wäre.
[3, 8, § 4] 61. Doch solle sich dabei weder an Seiten der
Bürgen, noch der Schuldneren einiger ehrenrührischen Verbindungen gebrauchet
werden, sondern sowohl diese, als auch die Verstrickungen zum Einlager, zur
Leistung, oder zur Geiselschaft sind bei Strafe der Nichtigkeit der Handlung
gänzlich eingestellet und verboten.
[3, 8, § 4] 62. Es können auch für einerlei Summe mehrere
Bürgen bestellet werden, wobei auf den Inhalt der Verbürgung zu sehen ist, dann
wo selbte (!) sich sammt und sonders, oder Einer für Alle und Alle für Einen
verbunden haben, haftet auch deren Jeder für die ganze Schuld, ansonsten aber,
und wann dieses darinnen nicht ausgedrucket ist, wird Jeder nur für seinen
Antheil verpflichtet.
(3-127) §. V.
[3, 8, § 5] 63. Die Bürgschaft ist ihrer Natur nach ein
einbündiger Contract, woraus der Bürge dem Glaubiger verstricket wird; dann die
Verbindlichkeit des Schuldners gegen dem Bürgen rühret nicht aus diesem,
sondern aus dem Befehlscontract oder einer demselben gleichkommenden Handlung
her, wie es in dem gleich nachfolgenden §. VI mit Mehreren erkläret wird.
[3, 8, § 5] 64. Die geleistete Bürgschaft wirket dahero an
Seiten des Bürgens die Verbindlichkeit entweder für die ganze Schuld, oder für
denjenigen Theil der schuldigen Summe, für welchen er gutgesprochen hat, und
giebt dem Glaubiger das Recht, den Bürgen zu Leistung der Zahlung anzuhalten
nach Maß des Betrags, zu deme er sich in der Verbürgung verbunden hat.
Gleichwie aber dreierlei Gattungen der Bürgen sind, als Hauptbürgen, Ruckbürgen
und Schadlosbürgen, also ist auch nach Beschaffenheit der Verbürgung deren
Verbindlichkeit unterschieden.
[3, 8, § 5] 65. Bei dem Hauptbürgen ist auf den Inhalt der
Bürgschaft zu sehen, ob derselbe lediglich für eine gewisse Summe, oder
überhaupt, oder ausdrücklich für die ganze Schuld gutgesprochen habe. In ersten
Fall ist er nur zu derjenigen Summe, wofür er gutgestanden, mit allen davon
vertagten Zinsen und Gerichtsunkosten, und zu nichts Mehreren verbunden; in
beiden letzteren Fällen aber haftet derselbe für die ganze Schuld mit allen
davon nicht allein zur Zeit der geleisteten Bürgschaft schon verfallenen,
sondern noch weiter bis zu dem Tag der Zahlung aus Saumsal des Schuldners
anwachsenden Nebengebührnussen.
[3, 8, § 5] 66. Der Ruckbürge hingegen ist dem Hauptbürgen
insgemein für Dasjenige verpflichtet, was dieser dem Glaubiger für den
Schuldner erweislich bezahlet hat, und der Schadlosbürge bleibet dem Glaubiger
nur für so vieles verstricket, als dieser an seiner Forderung weniger sowohl
von dem Schuldner, als Hauptbürgen einbringen mögen; woferne nicht so ein wie
anderen Falls die Bürgschaft ausdrücklich auf einen minderen Betrag eingegangen
worden.
(3-128) [3, 8, § 5] 67. Aus Bürgschaften werden nicht allein
die Bürgen für sich selbst, sondern auch ihre Erben verbunden, wann es gleich
nur eine persönliche Bürgschaft, und deren Erben dabei ausdrücklich nicht
gedacht worden wäre. Diese Verbindlichkeit wird jedoch in dem Fall, wo mehrere
Erben sind, zwischen ihnen dergestalten getheilet, daß deren jeder nur nach Maß
seines Erbantheils, und nicht weiter dafür zu haften habe.
[3, 8, § 5] 68. Es seie dann, daß die Bürgschaft
wortdeutlich mit Ausschließung der Erben bloß allein auf die Person des Bürgen
beschränket, oder dabei namentlich vorgesehen worden wäre, daß nach Absterben
des Bürgen anstatt seiner ein anderer Bürge von dem Schuldner oder den übrigen
Mitbürgen gestellet werden solle.
[3, 8, § 5] 69. Obschon aber dem Glaubiger sowohl der
Schuldner aus der Hauptverbindung, als der Bürge aus der beitretenden
Verbindlichkeit verstricket sind, und er dahero die Auswahl hat, wen von Beiden
derselbe bei entstehender Zahlung belangen wolle, so hat er doch hierinfalls
folgende Ordnung zu beobachten:
[3, 8, § 5] 70. Und zwar solle derselbe auf dem Fall, wo
ihme nebst der Bürgschaft von dem Schuldner zugleich ein Pfand in Versatz
gegeben, oder eine Hypothek verschrieben worden, vor Allem sich seines
Unterpfands halten, und nach der in siebenten Capitel, §. XIII, enthaltenen
Vorschrift zu dessen Veräußerung fürschreiten; wo inmittelst der Bürge
jegleichwohlen verfangen bleibet, insolange der Glaubiger seiner Forderung
halber hieraus nicht vollständig vergnüget wird.
[3, 8, § 5] 71. Ehender aber ist derselbe den Bürgen
anzugehen nicht befugt, als bis daß er aus dem für das Unterpfand gelösten
Werth seine Befriedigung nicht erhalten könnte, oder aber an Exequirung seines
Unterpfands oder Hypothek durch rechtmäßige Ehehaften entweder wegen des von
einem Dritten an das Eigenthum des verpfändeten Guts geregten Anspruchs, oder
wegen ausgebrochener Crida, oder aus sonstigen erheblichen Ursachen gehemmet
würde, oder das Pfand ohne seiner Schuld oder Zuthat in eines Dritten Hände
gerathen wäre.
[3, 8, § 5] 72. Wollte jedoch der Bürge noch vor Veräußerung
des Unterpfands sich sogleich gutwillig zur Zahlung einverstehen, so ist
dagegen der Glaubiger schuldig, ihme entweder das inhabende Pfand auszufolgen,
oder die verschriebene Hypothek abzutreten und zu überlassen.
[3, 8, § 5] 73. Wo aber nebst der Verbürgung keine
Pfandschaft eingeleget worden wäre, hat der Glaubiger allemal anförderist den
Hauptbürgen, wann er sich der Bürgschaft halten will, vor dem Schuldner zu
belangen, und kann dieser sich darwider weder mit einiger Rechtswohlthat
schützen, noch weniger mit Gestellung des Schuldners von der Verbindlichkeit
entledigen.
[3, 8, § 5] 74. Dahingegen, wann der Schuldner zuerst vor
dem Hauptbürgen von dem Glaubiger der Zahlung halber gerichtlich besprochen
würde, so wird andurch der Hauptbürge sogleich ohneweiters von der Bürgschaft
befreiet, woferne nicht ein Widriges besonders ausbedungen worden.
[3, 8, § 5] 75. Wären für einerlei Schuld mehrere Bürgen
bestellet worden, welche sich sammt und sonders oder Einer für Alle, und Alle
für Einen verbunden hätten, kann der Glaubiger deren Jeden um die ganze Schuld
belangen, doch also, daß er Dasjenige, was er hieran von dem Einen empfangen,
von dem Anderen nicht mehr einzumahnen befugt ist; daferne sie aber sich unter
diesem Ausdruck nicht verstricket hätten, mag er einen Jeden nur für seinen
Antheil, Alle aber um die ganze Schuld besprechen.
[3, 8, § 5] 76. Den Schadlosbürgen hingegen ist der
Glaubiger nicht ehender berechtiget anzugehen, als bis er nicht darzeigen kann,
daß er weder von dem Schuldner, noch von dem Hauptbürgen, da einer mitbestellet
worden wäre, seine vollständige Befriedigung habe erhalten können.
[3, 8, § 5] 77. Er muß dahero nothwendig zu Begründung
seiner Forderung wider den Schadlosbürgen die Unvermögenheit so des Einen, wie
des Anderen vorhero
(3-129) erweisen; dann solange bei Jenen die Zahlungsmitteln
vorhanden sein, kann der Schadlosbürge, der sich bloß allein unter dieser
Bedingnuß verbunden, hierzu nicht verhalten werden; doch ist dem Glaubiger
ohnbenommen bei vorfallender Gefahr auf allen Fall auch an dem Vermögen des
Schadlosbürgen seine Bedeckung zu suchen.
[3, 8, § 5] 78. Wider eine Ruckbürgen aber hat der Glaubiger
gar keinen Anspruch, sondern dieser ist bloß dem Haupt- oder Schadlosbürgen für
Dasjenige, was sie für den Schuldner erweislich bezahlet haben, verpflichtet;
gleichwie nun diese andurch in die Stelle des Glaubigers eintreten, also müssen
selbe auch sich des nemlichen Rechts wider den Ruckbürgen gebrauchen, und ihn
vor dem Schuldner besprechen, wo ansonst derselbe durch gerichtliche Belangung
des Schuldners ebenso, wie oben von Hauptbürgen geordnet worden, von aller
Verbindlichkeit entlediget wird.
[3, 8, § 5] 79. Es kommen jedoch einem jedweden Bürgen alle
die Einreden und Rechtsbehelfe zu statten, welche dem Schuldner wider die
Anforderung des Glaubigers in der Sache selbst zustehen; in der Art und Weis
der Betreibung aber ist auf Jenes zu sehen, zu deme sich der Bürge verbunden
hat; dann wo er sich zu einer festeren oder ergiebigeren oder wirksameren
Betreibungsart, als nicht der Schuldner, verpflichtet, hat er sich der
diesfalls dem Schuldner etwan gebühren mögenden Rechtswohlthaten nicht zu
erfreuen.
[3, 8, § 5] 80. Würde aber der Glaubiger aus dem Vermögen
des Bürgens nicht bezahlet werden können, bleibet ihme jegleichwohlen der
Schuldner für das Uebrige verstricket, wann er gleich zu dieser Zeit außer
Zahlungsstand gesetzet wäre; sondern solchen Falls stehet dem Glaubiger, da der
Schuldner künftig zu Mitteln käme, seine Forderung wider ihn allezeit bevor.
§. VI.
[3, 8, § 6] 81. Die Bürgschaft, insoweit sie als ein
Geschäft zwischen dem Bürgen und Schuldner betrachtet wird, ist nichts Anderes,
als entweder ein Befehlscontract, wann der Schuldner ausdrücklich oder
stillschweigend in die Leistung der Bürgschaft einwilliget, oder doch eine
demselben gleichkommende, und in die Verwaltung fremder Geschäften
einschlagende Handlung, da solche für einen abwesenden Schuldner ohne seinem
vorläufigen Befehl oder Auftrag geleistet wird.
[3, 8, § 6] 82. Gleichwie nun die natürliche Billigkeit
erheischet, daß ein Befehlshaber oder Sachwalter von dem Anderen, dessen
Geschäften er besorget, schadlos gehalten werde, damit ihme seine Wohlthat
nicht zum Nachtheil ausschlage, also wird auch aus diesem Grundsatz der Schuldner
so ein als anderen Falls zur Entschädigung des Bürgens für Alles, was ihme der
Bürgschaft halber an seinem Hab und Gut entgangen, ruckverbindlich.
[3, 8, § 6] 83. Woraus die dem Bürgen und seinen Erben wider
den Schuldner und dessen Erben gebührende Ruck- oder Gegenforderung
entspringet, welche auf Habhaftwerdung dessen, was der Bürge dem Glaubiger für
den Schuldner erweislich bezahlet hat, mit denen von dem Tag der geschehenen
Zahlung laufenden landesüblichen Zinsen, und allen Gerichtsschäden und Unkosten
abzielet, also zwar, daß alles Dasjenige, was der Bürge für den Schuldner
sowohl an Capital, als an Zinsen, Schäden und Unkosten entrichtet hat, in eine
Summe zusammengezohen, und diese ganze Summe von dem Schuldner verzinset werden
müsse.
[3, 8, § 6] 84. Es lieget dahero dem Bürgen ob, zweierlei
Sachen zu erweisen, als erstlich, daß er mit Einwilligung oder Genehmhaltung
des Schuldners für die Schuld gutgesprochen habe; dann wo ihme der Schuldner
die Bürgschaft zu leisten
(3-130) ausdrücklich verboten und untersaget hätte, stehet
ihme diese Ruck- oder Gegenforderung nicht zu.
[3, 8, § 6] 85. Derselbe aber hat in diesem Fall nur
insoweit wider den Schuldner einen Anspruch, als ihme von dem Glaubiger die
Schuld abgetreten oder angewiesen worden, folglich stehen ihme nicht allein
alle diejenige Einreden und Einwendungen, welche der Schuldner wider den
Glaubiger hätte, entgegen, sondern es gebühren demselben auch die Zinsen nur
nach Maß der Verschreibung, oder der gegen dem Glaubiger, als in dessen Stelle derselbe
eingetreten, eingegangenen Verbindlichkeit, und nicht, wie in dem
vorhergehenden Fall einer wahren Bürgschaft, von der ganzen hinausbezahlten
Summe.
[3, 8, § 6] 86. Andertens, daß er den Glaubiger wirklich
vergnüget und befriediget habe, es seie durch Leistung der Zahlung oder
Uebergabe an Zahlungsstatt, oder gerichtlichen Erlag der Schuld, oder durch
Umlage, Anweisung oder Gegenvergeltung, oder daß ihme der Glaubiger die Schuld
ganz oder zum Theil geschenket oder abgetreten habe, in welchem Fall jedoch
diese Rechtsforderung auf keine mehrere Nebengebührnussen erstrecket werden
kann, als welche der Glaubiger an dem Schuldner anzusuchen berechtiget gewesen
wäre.
[3, 8, § 6] 87. Es höret aber diese Ruck- oder
Gegenforderung wider den Schuldner entweder aus willkürlicher Begebung, oder
aus begangener Schuld des Bürgens in folgenden Fällen auf, obgleich derselbe
die Zahlung für den Schuldner wirklich geleistet hätte, als erstens, wann er
lediglich zu Guten des Glaubigers, ohne die Einwilligung oder Genehmhaltung des
Schuldners einzuholen, für die Schuld gutgestanden, und ohne sich solche von
dem Glaubiger abtreten zu lassen, die Zahlung geleistet.
[3, 8, § 6] 88. Zweitens, wann er diejenige Summe, für die
er gutgesprochen, dem Glaubiger in seinem letzten Willen verschaffet, ohne
seinen Erben das Recht, solche von dem Schuldner zuruckforderen zu mögen, dabei
vorzubehalten, welche dahero selbe von dem Schuldner nicht mehr anzuverlangen
befugt sind, sondern dieser wird andurch von der Schuld ganz oder zum Theil
nach Maß der Vermächtniß befreiet.
[3, 8, § 6] 89. Drittens, wann derselbe sich für eine
ohnerlaubte und in Unseren Gesetzen verbotene Einschuldigung zum Bürgen
wissentlich gebrauchen lassen, und auch wirklich die Schuld abgeführet hätte,
hat er wider den Schuldner keinen Anspruch, sondern ist noch über das nach der
in num. 44 enthaltenen Ausmessung zu bestrafen.
[3, 8, § 6] 90. Viertens, wann durch die von dem Bürgen
geleistete Zahlung der Schuldner jegleichwohlen von dem Glaubiger nicht
befreiet worden wäre, als da der Bürge einem Anderen, als dem Glaubiger auf
Vorzeigung einer falschen Abtretung, oder Anweisung, oder Vollmacht gezahlet
hätte, welchen Falls er nicht nur wider den Schuldner keine Rückforderung hat,
sondern derselbe bleibet auch gegen dem Glaubiger in der Verbindlichkeit der
Bürgschaft verfangen, und kann lediglich von Jenem, der die Zahlung empfangen,
oder wer sonst an dem Betrug theilgenommen, das Bezahlte wieder begehren.
[3, 8, § 6] 91. Fünftens, wann er aus Irrthum zur Ungebühr
mehr, als die Schuld betraget, oder auch vor der Verfallzeit zahlete, ist ihme
der Schuldner für das mehr Bezahlte zu haften, oder einige Zinsen vor der
Verfallzeit, wann deren keine bis dahin bedungen worden, zu entrichten nicht
schuldig; doch kann der Bürge das zur Ungebühr Bezahlte von dem Glaubiger
zuruckforderen.
[3, 8, § 6] 92. Sechstens, wann der Bürge eine wider die
Forderung des Glaubigers gebührende rechtsbeständige Einrede oder Einwendung
vorzuschützen unterlassen, wodurch jene hätte entkräftet werden mögen;
weshalben der Bürge zu seiner Sicherheit, wann ihn der Glaubiger um die Zahlung
angehet, noch ehe und bevor er dieselbe leistet, solches dem Schuldner entweder
schriftlich, oder durch eine Gerichtsperson
(3-131) bedeuten, oder da er von dem Glaubiger gerichtlich
besprochen würde, den Schuldner noch vor Befestigung des Kriegs oder Einlassung
auf die Klage zur Vertretung vorladen lassen solle.
[3, 8, § 6] 93. Wendet nun der Schuldner weder ein noch
anderen Falls wider den Anspruch des Glaubigers etwas ein, oder wollte sich
auch gar nicht auf die Vorladung zu Gericht gestellen, so kann er dem Bürgen
keine Schuld beimessen, sondern er möge eine noch so erhebliche Einrede oder
Einwendung wider dem Glaubiger gehabt haben, ist derselbe dessen ohnerachtet den
Bürgen zu entschädigen schuldig.
[3, 8, § 6] 94. Siebentens, wann der von Gericht ohnerachtet
der von ihme vorgeschützten rechtserheblichen Einwendung zur Zahlung
verurtheilte Bürge wider den richterlichen Spruch eine rechtmäßige Berufung an
den oberen Richter, oder Appellation oder Revision einzuwenden unterließe,
welches aber nur von jenem Fall zu verstehen ist, wann der Bürge ohne
anbegehrter Vertretung des Schuldners sich in den Rechtsstritt eingelassen,
dieser aber nachhero eine erhebliche Ursach der Appellation darzuthuen
vermögete; dann wo der Schuldner auf die Vorladung nicht erschienen, oder da er
auch erschienen wäre, seinerseits selbst die Appellation einzuwenden
verabsaumet, ist es seine eigene, und nicht des Bürgens Schuld.
[3, 8, § 6] 96. Achtens, wann der Bürge aus seiner eigenen
Schuld sachfällig worden, als da wegen seines Ungehorsams wider ihn ein
erstandenes Recht ergangen, oder in contumaciam verfahren, oder von ihme die
rechtlichen Fallfristen verschlafen worden wäre, ist ihme der Schuldner die aus
seiner Schuld verursachte Unkosten zu ersetzen nicht schuldig, und kann weder
die Schuld zuruckgeforderet werden, soferne der Schuldner eine rechtserhebliche
Einwendung, wodurch der Anspruch des Glaubigers hätte entkräftet werden mögen,
zu erproben im Stande ist.
§. VII.
[3, 8, § 7] 97. Außer deme, daß die Bürgen ihre
Entschädigung von dem Schuldner erholen mögen, gebühren denenselben noch
besondere Rechtswohlthaten, welche dahin abzielen, damit ihnen theils die
Zahlung erleichteret, theils desto sicherer zu ihrer Schadloshaltung verholfen,
theils in gewissen Fällen die Befreiung von der Bürgschaft verschaffet werde.
[3, 8, § 7] 98. Von ersterer Gattung ist sowohl die
Rechtswohlthat der vorzüglichen Belangung und Betreibung des Schuldners, als die
Rechtswohlthat der Eintheilung der Zahlung unter die anderen Mitbürgen. Erstere
kommet jedoch lediglich dem alleinigen Schadlosbürgen, und sonst keinen anderen
Bürgen zu statten, als welche
(3-132) durch gerichtliche Besprechung des Schuldners nach
obiger Ausmessung sogleich von der Bürgschaft entlediget werden; dahingegen der
Schadlosbürge aus der Natur der Sache nur für jenes zu haften hat, was von dem
Schuldner und Hauptbürgen in keinerlei Wege erhalten werden kann, folglich auch
diese nothwendig allemal vor dem Schadlosbürgen belanget werden müssen.
[3, 8, § 7] 99. Der Rechtswohlthat der unter die andere
Mitbürgen eintheilenden Zahlung kann ein Bürge sich nur in jenem Fall
gebrauchen, wann mit ihme mehrere Bürgen ohne gesammter und ungetheilter Hand
für die Schuld gutgestanden haben, dann wo dieselbe sich sammt und sonders
verbunden hätten, mag wider die Forderung des Glaubigers diese Wohlthat der
Eintheilung nicht eingewendet werden, sondern Derjenige, welcher von dem
Glaubiger besprochen worden, hat solchenfalls die ganze Schuld abzutragen.
[3, 8, § 7] 100. Es solle aber auch bei getheilter
Verbindlichkeit der belangte Bürge noch ehe und bevor er sich auf die Klage des
Glaubigers bei Gericht eingelassen, diese Eintheilung und die Vertretung der
übrigen Mitbürgen anbegehren, welches soviel wirket, daß er nur für seinen
Antheil verpflichtet bleibe, die andere Mitbürgen mögen zu dieser Zeit sich in
Zahlungsstand befinden oder nicht. Würde hingegen derselbe den Krieg für sich
allein befestigen, und die Vertretung der übrigen Mitbürgen ehender nicht
anverlangen, so kann er die Wohlthat der Eintheilung nicht mehr vorschützen.
[3, 8, § 7] 101. Zur zweiten Gattung gehöret einerseits die
Rechtswohlthat der Erholung an den Mitbürgen, und andererseits die Rechtswohlthat
der auf Verlangen des zu zahlen bereitfertigen Bürgens von dem Glaubiger zu
leisten schuldigen Abtretung und Ueberlassung aller sowohl an den Schuldner,
als an den Mitbürgen habenden Rechten und Ansprüchen.
[3, 8, § 7] 102. Erstere ist in der Natur einer
gemeinschaftlichen Verbindlichkeit gegründet, ohne dabei einer vorläufigen
Abtretung des Glaubigers nöthig zu haben, und hat damals statt, wann Einer von
mehreren mit gesammter, oder mit getheilter Hand verbundenen Mitbürgen die
ganze Schuld allein abgeführet hat, welchen Falls ihme das Recht zustehet,
einen jeden deren Uebrigen um Erstattung seines Antheils anzugehen; dann
gleichwie mehrere Mitbürgen nicht anderst, als für so viele in einerlei Sache
Mitverbundene angesehen werden können, also hat sich auch der allein zahlende
Mitbürge mit Recht der nemlichen Wohlthat wider seine Mitbürgen zu erfreuen,
welche oben in ersten Capitel, §. III, einem allein zahlenden Mitschuldner
überhaupt zugeeignet worden.
[3, 8, § 7] 103. Er muß aber die Mitbürgen ehender, als den
Schuldner besprechen, welche in Widrigen durch die frühere Belangung des
Schuldners von aller weiteren Verfänglichkeit so gegen ihme, wie gegen dem
Glaubiger, wann von diesem der Schuldner ehender besprochen würde, befreiet
werden; doch gebühren auch in diesem Fall den Mitbürgen alle und jede Einreden
und Einwendungen, welche der Schuldner wider den zahlenden Bürgen vorzubringen
befugt wäre.
[3, 8, § 7] 104. Die Rechtswohlthat der von dem Glaubiger
anbegehren mögenden Abtretung seiner Rechten und Ansprüchen hat nur in dem
alleinigen Fall ihre Wirkung, wann dem Glaubiger entweder von dem Schuldner,
oder von den übrigen Mitbürgen zu mehrerer Sicherheit Pfänder übergeben, oder
eine Hypothek bestellet worden, oder derselbe sonst eine Bedeckung an dem Gut
des Einen oder der Anderen erworben hätte, bei welcher der Sachen Bewandtnuß
der belangte Bürge die Zahlung nicht ehender zu leisten schuldig ist, als bis
ihme von dem Glaubiger die Pfänder zu seinen Handen ausgefolget, oder die
Hypothek oder sonstige Bedeckung abgetreten worden.
[3, 8, § 7] 105. Es lieget auch nichts daran, ob die
Abtretung vor oder nach geleisteter Zahlung geschehe, wann nur dieselbe vor
Quittirung der Schuld bewirket wird. Hätte aber der Glaubiger bereits
quittiret, und der Bürge die Quittung ohne
(3-133) Vorbehalt angenommen, oder da es um eine Hypothek
oder anderes dingliches Recht zu thuen wäre, die Quittung einverleiben lassen,
so ist die spätere Abtretung ungiltig und ohne aller rechtlichen Wirkung,
weilen der Glaubiger kein Recht mehr hat, welches er an jemand Anderen abtreten
könnte.
[3, 8, § 7] 106. Außer diesem Fall aber bedarf der zahlende
Bürge keiner Abtretung des Glaubigers, sondern ihme sind sowohl der Schuldner
zur Entschädigung, als die Mitbürgen zur Leistung ihres Beitrags vorbesagter
Maßen schon aus der Natur der Handlung verbunden, und der Glaubiger ist
ohnedies nicht vermögend, auf den zahlenden Bürgen wider die andere Mitbürgen
ein mehreres Forderungsrecht, als was auf eines jeden Antheil kommet, zu
übertragen.
[3, 8, § 7] 107. Von der dritten Gattung ist die
Rechtswohlthat der anverlangen mögenden Befreiung von der Bürgschaft, deren
sich ein Bürge in gewissen Fällen wider den Glaubiger, und dagegen in anderen
wider den Schuldner bedienen kann. Von dem Glaubiger kann der Bürge nur in
zweien Fällen die Erlassung der Bürgschaft anbegehren, nemlich:
[3, 8, § 7] 108. Erstens, wann er Dasjenige, zu was er sich
in der Bürgschaft anheischig gemacht, erfüllet; als da Jemand für den Anderen,
daß er ihn zu Gericht stellen, und auf den Fall, wann er denselben nicht
stellen würde, das Recht für ihn ausstehen wolle, angelobet hätte, und stellete
nachhero denselben vor Gericht, so ist er befugt die fernere Bürgschaft
aufzusagen und zu begehren, daß der Glaubiger ihn davon ledig lasse, und sich
des Ausgebürgten in andere Wege vergewissere, welches auch dieser zu thuen
schuldig ist.
[3, 8, § 7] 109. Es wäre dann, daß der Bürge sich
ausdrücklich dahin verbunden hätte, dem Ausgebürgten so oft und vielmal, als es
der Glaubiger verlangen würde, zu Gericht zu gestellen, oder Dasjenige, was zu
Recht erkennet werden würde, für den Schuldner zu bezahlen. Würde er aber seine
Entledigung von der Bürgschaft nicht begehren, bleibet derselbe ferners in der
Verbindlichkeit verfangen.
[3, 8, § 7] 110. Zweitens, wann der Glaubiger nach
verstrichener Zahlungszeit den Bürgen, oder wann es ein Schadlosbürge wäre, den
Schuldner zu belangen geflissentlich verzögerete, oder die bereits erhobene
Klage auszuführen unterließe, und dem Bürgen eine rechtserhebliche Einwendung
zustünde, wodurch er sich von der eingegangenen Verbindlichkeit zu befreien
getrauete, oder ihme sonst aus längeren Verzug, als etwan wegen besorglichen
Vermögensverfall der anderen Mitbürgen oder seines Ruckbürgens ein ohnfehlbarer
Schaden bevorstünde.
[3, 8, § 7] 111. In diesem Fall ist zwar der Bürge nicht
berechtiget seine Befreiung platter Dings anzuverlangen, sondern derselbe kann
bei demjenigen Gericht, deme er sonst unterworfen, oder wo der Rechtsstritt mit
dem Schuldner oder Mitbürgen bereits anhängig ist, den Glaubiger belangen, und
dabei anbegehren, damit diesem eine nach Beschaffenheit der Umständen
abmessende Fallfrist zu Einreichung oder Betreibung seiner Klage bei Auflage
des ewigen Stillschweigens anberaumet werde.
[3, 8, § 7] 112. Findet nun das Gericht das Gesuch des
Bürgens gegründet, so solle dasselbe die gebetene Verfügung an den Glaubiger
erlassen, oder da dessen Aufenthalt nicht zu erforschen wäre, solche
gewöhnlicher Maßen öffentlich kund machen; würde aber der Glaubiger ohne sich
zu melden, oder aus erheblichen Ehehaften eine Erstreckung anzusuchen, diese
Zeitfrist verstreichen lassen, so ist er wider den Bürgen mit seiner Forderung
nicht mehr zu hören, sondern dieser von der Bürgschaft sofort enthoben.
[3, 8, § 7] 113. Gegentheils kann der Bürge von dem
Schuldner noch vor geleisteter Zahlung die Befreiung von der Bürgschaft in
folgenden Fällen anverlangen, als erstens, wann der Schuldner sich gegen dem
Bürgen anheischig gemacht hätte nach Verlauf einer gewissen bestimmten Zeit ihn
von der Bürgschaft zu entledigen; zweitens, wann der Schuldner nach der
bedungenen Verfallzeit über ein Jahr anstünde, mit dem Glaubiger die
Richtigkeit zu pflegen.
(3-134) [3, 8, § 7] 114. Drittens, wann nach der Zeit der
geleisteten Bürgschaft das Vermögen des Schuldners durch Verschwendung oder
Unglücksfälle abnähme, oder gar wider ihn ein gegründeter Verdacht, daß er sich
dem Gerichtsstand entziehen und rechtsflüchtig werden wolle, obhanden wäre, in
welchen Fällen der Bürge den Schuldner um Enthebung von der Bürgschaft bei
Gericht belangen und begehren kann, daß er dem Glaubiger eine andere Sicherheit
oder Verbürgung ausweisen, und ihn davon ledig machen solle.
[3, 8, § 7] 115. Das Gericht aber hat nach Erweisung eines
von vorbemelten Umständen den Schuldner zu Bestellung einer anderweiten
zureichenden Sicherheit zu verhalten, und in Weigerungsfall zu deren Ausfindung
auf Anlangen des Bürgens die Execution in des Schuldners Gut, oder wider seine
Person zu verwilligen, sofort über die von ihme aufgebrachte Sicherheit den
Glaubiger schleunig zu vernehmen, und daferne derselbe sich damit begnügen,
oder nichts Erhebliches dagegen einwenden, sondern solche nach richterlichen
Befund für zulänglich erkennet werden würde, den Bürgen von der Bürgschaft ledig
und loszusprechen.
[3, 8, § 7] 116. Viertens, wann der Bürge von Gericht zur
Zahlung für den Schuldner bereits verurtheilet worden, oder mit wirklicher
Execution entweder an seinem Gut, oder an seiner Person hierzu angehalten
würde, stehet ihme frei, auch noch ehe und bevor er den schuldigen Betrag
abgeführet, den Schuldner zu Beischaffung der Zahlungsmitteln anzugehen, ohne
daß jedoch der Glaubiger in der wider ihn ergriffenen Execution andurch auf
einigerlei Weise gehemmet und aufgehalten werden möge.
§. VIII.
[3, 8, § 8] 117. Die Bürgschaft endiget sich entweder mit
Tilgung der Hauptschuld, oder auch für sich selbst, obschon der Hauptschuldner
noch verbunden bleibet. Auf die erstere Art erlöschet
dieselbe, wann die Schuld bezahlet, erlassen, verjähret, oder auf was immer für
Weise der Glaubiger vergnüget, oder die Verbindlichkeit des Schuldners
aufgehoben worden. Würde jedoch die Verjährung der Hauptschuld durch Mahnung
des Schuldners unterbrochen, so kann der Bürge sich auf die Verjährung nicht
beziehen, obgleich derselbe nicht gemahnet worden.
[3, 8, § 8] 118. Durch bloße Erneuerung der Hauptschuld
hingegen wird die Bürgschaft nicht aufgelöset, wann die Personen des Schuldners
und Glaubigers dabei nicht geänderet werden; es wäre dann, daß die Bürgschaft
dabei ausdrücklich erlassen, oder von dem Glaubiger eine anderweite Sicherheit,
als eine Pfandschaft, oder
(3-135) Hypothek, oder auch eine andere Bürgschaft ohne
Vorbehalt der ersteren angenommen worden wäre, ansonsten bleibet der Bürge
ohnerachtet der Erneuerung nach Maß seiner eingegangenen Verbindung
verstricket, ohne jedoch für das Mehrere, zu was etwan der Schuldner sich bei
der Erneuerung der Schuld verbunden hätte, ohne seiner eigenen ausdrücklichen
Einwilligung verpflichtet zu werden.
[3, 8, § 8] 119. Wo aber bei der Erneuerung der Schuld
entweder die Person des Glaubigers, als bei Abtretung oder Ueberlassung der
Schuld an einen Dritten, oder die Person des Schuldners, als bei Anweisung
eines anderen Schuldners, welchen der Glaubiger ohne Vorbehalt angenommen,
geänderet würde, ist die Bürgschaft sofort aufgehoben, und der Bürge von aller
weiteren Verfänglichkeit entbunden; außer derselbe verstricket sich anwiederum
besonders für den neuen Schuldner, oder gegen dem neuen Glaubiger, welchem
letzteren er auch in jenem Fall verbindlich wird, wann er gleich Anfangs gegen
einem jeden getreuen Briefsinhaber, oder auch ohne Benennung eines Glaubigers
überhaupt für die Schuld gutzustehen gelobet, oder ein Pfand oder Hypothek
bestellet hat.
[3, 8, § 8] 120. Desgleichen, obschon der Bürge oder
Schuldner bei Gericht von der Forderung des Glaubigers los und ledig
gesprochen, und der Kläger, ehe noch das Urtheil zu Rechtskräften erwachsen, in
der hierzu ausgesetzten Zeit sich auf den oberen Richter berufen, oder die
Appellation oder Revision einwenden würde, wird nichtsdestoweniger der Bürge
insolange von seiner Verbindlichkeit nicht entlediget, bis nicht dieses Urtheil
von dem oberen Richter bestätiget und zu Kräften erkennet worden; es wäre dann,
daß Jemand lediglich für das, was bei dieser namentlichen Gerichtsstelle zu
Recht erkennet werden würde, und nicht weiter gutgesprochen hätte.
[3, 8, § 8] 121. Für sich selbst erlöschet die Bürgschaft
bei noch fürdaurender Verbindlichkeit des Hauptschuldners, erstens, nach
Verlauf der Zeit, worauf die Bürgschaft beschränket worden, wobei jedoch
viererlei Fälle zu unterscheiden sind, als
1. ob der Bürge sich auf eine gewisse Zeit also, und mit der
ausdrücklichen Verwahrung verpflichtet, daß er längerhin in der Bürgschaft nicht
stehen wolle, oder
2. ob die Zeit nur zu dem Ende beigesetzet worden, daß die
Zahlung nicht ehender eingemahnet werden könne, oder
3. ob die Zahlung der Hauptschuld schon auf eine gewisse
Zeit festgesetzet seie, oder
4. ob der Hauptschuldner ohne Bestimmung einer Zeit
verbunden, und ihme nachgehends von dem Glaubiger eine Zahlungsfrist verstattet
werde.
[3, 8, § 8] 122. In ersten Fall wird nach Verlauf der Zeit
der Bürge befreiet, obschon die Hauptschuld, wofür die Bürgschaft eingeleget
worden, länger hinaus währete, außer es hätte der Glaubiger noch vor
Verfließung dieser Zeit den Bürgen, oder da dieser ein Schadlosbürge wäre, den
Schuldner um die Zahlung gerichtlich belanget, oder der Bürge in die weitere
Fristung ausdrücklich gewilliget.
[3, 8, § 8] 123. In zweiten und dritten Fall hingegen
bleibet der Bürge jegleichwohlen verbunden, obgleich der Glaubiger ohne
Einwilligung des Bürgens dem Schuldner eine weitere Zeitfrist zur Zahlung
verstattet hätte; doch ist solchenfalls der Bürge für die von der Verfallzeit
laufende weitere Zinsen zu haften nicht schuldig, wann er in die Erstreckung
der Zahlungszeit nicht miteingewilliget hat.
[3, 8, § 8] 124. In vierten Fall endlich währet die
Verbindlichkeit des Bürgens sowohl für die Hauptschuld, als für die weiters
tagende Zinsen fort, wiewohlen dem Schuldner mehrere Fristen auch ohne
Miteinwilligung des Bürgens von dem Glaubiger vergönnet worden wären.
[3, 8, § 8] 125. Zweitens wird die Bürgschaft für sich
selbst aufgelöset, wann der Glaubiger nach dem Tod des Bürgens dessen Erben von
dem Tag des Absterbens des Bürgens, oder wann die Verfallzeit erst nach seinem
Tod ausgienge, von dieser
(3-136) Zeit an zu rechnen, durch drei Jahr weder
gerichtlich belanget, weder sich auf dem Gut des Bürgens entweder bei seinen Lebszeiten,
oder nach seinem Tod landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret,
weder einige Pfandschaften von dem verstorbenen Bürgen in Handen hat, noch auch
von den Erben des Bürgens unter dieser Zeit die Bürgschaft erneueret, oder
sonst durch ihre eigene Zuthat anerkannt worden.
[3, 8, § 8] 126. Drittens, wann der Glaubiger mit
Vorbeigehung des Bürgens den Hauptschuldner um die Zahlung derjenigen Summe,
wofür der Bürge gutgestanden, vor Gericht ladet, oder die Execution entweder
wider seine Person, oder auf sein Gut ergreifet, welches jedoch lediglich von
dem Hauptbürgen und Ruckbürgen, und nicht von dem Schadlosbürgen zu verstehen
ist.
[3, 8, § 8] 127. Dadurch aber, daß der Glaubiger
außergerichtlich die Zahlung von dem Schuldner einmahne, oder auch einen Theil
der Schuld von ihme einhebe, oder sich ohne einer dabei vornehmenden Erneuerung
der Schuld auf dem Gut des Schuldners versichere, oder zu mehrerer Bedeckung
ein Pfand annehme, wird der Bürge von seiner Verbindlichkeit nicht entlediget.
[3, 8, § 8] 128. Viertens höret die Bürgschaft für sich
selbst auf, wann der Bürge des Glaubigers oder des Schuldners Erbe, oder diese
dagegen des Bürgens Erben werden. Wann jedoch der Bürge den Glaubiger, oder
dieser den Bürgen erbet, erlöschet zwar die Verbindlichkeit des Bürgens, nicht
aber die Hauptverbindlichkeit des Schuldners; gleichwie wann in Gegentheil der
Bürge des Schuldners oder dieser des Bürgens Erbe wird, die Hauptschuld andurch
nicht getilget ist, wie dann auch in diesem Fall, da dem Glaubiger von dem
Bürgen ein Pfand gegeben, oder eine Hypothek verschrieben worden wäre,
ohnerachtet der durch den Erbanfall erfolgenden Vermischung der
Hauptverbindlichkeit des Schuldners mit der Nebenverbindlichkeit des Bürgens,
das hieran erworbene Pfandrecht bei Kräften verbleibet.
[3, 8, § 8] 129. Die Aufhebung der Bürgschaft gehet aber
nicht weiter, als nach Maß des überkommenen Erbrechts, also, da nach dem
Glaubiger nebst dem Bürgen mehrere Miterben wären, wird er nur für seinen
Erbantheil befreiet, und bleibet den anderen Miterben für ihre Antheile
verstricket.
[3, 8, § 8] 130. In Gegentheil, wann der Glaubiger mit
mehreren Miterben den Bürgen erbete, erlöschet die Bürgschaft nur für seinen
Antheil, und die Miterben bleiben ihme nach dem Betrag ihrer Erbtheilen
verbunden, wo aber der Bürge den Schuldner zum Theil geerbet hätte, bleibet
derselbe für die Theile der übrigen Miterben Bürge; gleichwie dagegen, wann der
Schuldner den Bürgen zum Theil erbete, die Miterben nach Maß ihrer Erbtheilen
für ihn mit der Bürgschaft zu haften haben.
[3, 8, § 8] 131. Desgleichen wirket die Vermengung durch das
Erbrecht die Auflösung der Bürgschaft zum Nachtheil eines Dritten nicht; also
da der Bürge den Glaubiger oder den Schuldner erbete, und deren Verlassenschaft
wäre zu Bezahlung der darauf haftenden Forderungen nicht zulänglich, kann noch
allezeit auf das eigene Vermögen des Bürgen gegriffen werden.
[3, 8, § 8] 132. Noch weniger hat diese Vermengung statt,
wann die Erbschaft mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten worden;
also da der Glaubiger die durch fremde Forderungen erschöpfte Erbschaft des
Bürgens mit dieser Wohlthat angetreten hätte, kann derselbe auch sich als
Glaubiger hieran halten, gleichwie in jenem Fall, da von dem Schuldner die
Erbschaft des Bürgens auf vorbemelte Weis angetreten worden, solche dem
Glaubiger mit der Verbindlichkeit der Bürgschaft verfänglich bleibet.
Dahingegen wird durch das Absterben des Schuldners die Bürgschaft nicht
aufgelöset, wann dieses nicht ausdrücklich dabei ausbedungen worden.
(3-137) Caput IX.
Von Kauf und Verkauf.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des Kauf-
und Verkaufcontracts. §. II. Von Fähigkeit der Contrahenten. §. III. Von
Sachen, welche gekaufet und verkaufet werden mögen. §. IV. Von obrigkeitlicher
Macht den Kauf und Verkauf gewisser Sachen zu gebieten, oder zu verbieten. §.
V. Von ausschließenden Verkauf, und dem Vor- oder Aufkauf. §. VI. Von Kaufgeld.
§. VII. Von Art und Weis den Kauf- und Verkaufcontract zu schließen. §. VIII.
Von Verbindlichkeit des Verkaufers, und von der dem Kaufer wider ihn
gebührenden Rechtsforderung. §. IX. Von Gegenverbindlichkeit des Kaufers, und
von der dem Verkaufer wider ihn zustehenden Rechtsklage. §. X. Von
beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde. §. XI. Von Schaden und Nutzen
der verkauften Sache. §. XII. Von Leistung der Gewähr oder Schirmung. §. XIII.
Von den bei Kauf- und Verkaufcontracten einkommenden Bedingen, und insonderheit
von Haftgeld. §. XIV. Von Reukauf oder Reugeld. §. XV. Von Beifügung eines gewissen
Tags, Bedingnuß, und Art und Weis. §. XVI. Von Wiederkauf. §. XVII. Von
gedingten Einstandrecht, Vor- oder Näherkauf oder Losung. §. XVIII. Von rechtlichen Einstand. §. XIX. Von Beschränkung des Kaufs
auf einen bestimmten Tag. §. XX. Von bedungenen
Ruckfall der verkauften Sache. §. XXI. Von Aufhebung und Vernichtung des Kauf-
und Verkaufcontracts. §. XXII. Von Verkürzung über die Hälfte des rechten
Werths. §. XXIII. Von der Rechtshilfe wegen unvorgesehener
heimlicher Mängeln. §. XXIV. Von Dunkelheit und Ausdeutung der
Kaufcontracten.
§. I.
[3, 9, § 1] Num. 1. Der Kauf- und Verkaufcontract erhält
seine Wesenheit aus bloßer Verwilligung der Contrahenten, und ist eine
gutwillige Vereinigung wegen Uebergebung einer gewissen Sache um einen gewissen
bedungenen Werth.
[3, 9, § 1] 2. Wiewohlen aber Kaufen und Verkaufen zweierlei
an sich unterschiedene Benennungen sind, wodurch sowohl der Unterschied der
contrahirenden Personen, als die Verschiedenheit ihrer Verbindlichkeiten, und
der daraus wider deren jedweden entstehenden besonderen Rechtsforderung
angedeutet wird, so ist es doch nur ein Contract, und eine beide Theile gleich
verbindende in ihrem Wesentlichen dergestalten unzertrennliche Handlung, daß
weder das Kaufen ohne Verkaufen, noch dieses ohne jenem bestehen kann.
[3, 9, § 1] 3. Es werden demnach zu diesem Contract
nothwendig zwei Personen erforderet, als der Kaufer, welcher den Werth oder das
Kaufgeld anbietet und bezahlet,
(3-138) und der Verkaufer, welcher die Sache oder Waare
feilbietet und übergiebt, woraus die hierzu gehörige wesentliche drei Stücke
erhellen, als erstens, die beiderseitige Einwilligung und Vereinigung;
zweitens, die angefeilte Sache oder Waare; drittens, das dafür bedungene
Kaufgeld.
[3, 9, § 1] 4. Die beiderseitige Einwilligung muß also
beschaffen sein, daß selbe die gegenwärtige Willensmeinung den Kauf und Verkauf
zu schließen ausdrucke, obgleich der Vollzug des Kaufs und Verkaufs auf die
künftige Zeit hinausgesetzet werden mag. Wo aber die Verbindlichkeit selbst
etwas zu kaufen oder zu verkaufen erst in Zukunft verschoben wird, ist eine so
gestaltete Handlung entweder nur eine bloße unverfängliche Vorbereitung oder
Verabredung wegen des vorhabenden Kaufs, oder auch zwar ein Vertrag, welcher
aber die Verbindlichkeit nicht ehender wirket, als bis nicht die beiderseitige
Vereinigung über den Werth erfolget ist.
[3, 9, § 1] 5. Diese Einwilligung muß ferners einerseits auf
die Uebertragung, und andererseits auf die Erwerbung des Eigenthums der
behandlenden Sache abzielen, obschon so ein als anderes in der Folge nicht
allemal erreichet wird. Nichtsdestoweniger klebet doch
diese abgezielte Wirkung dem Kauf- und Verkaufcontract dergestalten
unabsönderlich an, daß das Verkaufen schon in seiner wesentlichen Bedeutung die
Uebertragung des Eigenthums, sowie das Kaufen dessen Erwerbung einschließe.
[3, 9, § 1] 6. Wann dahero der Verkaufer sich das Eigenthum
der verkaufenden Sache dabei ausdrücklich vorbehielte, oder der Kaufer nur
deren Gebrauch oder Genuß an sich bringen wollte, ist es kein Kauf- und
Verkaufs-, sondern ein Mieth- und Vermiethungscontract.
[3, 9, § 1] 7. Die angefeilte Sache, welche in beweglichen
Dingen eigentlich eine Waare genennet wird, muß entweder schon an sich selbst,
durch deren eigene Ausweisung gewiß und bestimmet sein, oder doch wenigstens
durch Beziehung auf Ort, Zeit, Eigenschaft, Betrag, Zahl, Gewicht oder Maß ihre
ungezweiflete Bestimmung erhalten können; weshalben, insolange die Sache, warum
es sich handlet, nicht auf eine oder die andere Art ausweislich ist, auch kein
Kauf zu Stand kommen mag.
[3, 9, § 1] 8. Wo aber eine Sache gattungs- oder
wechselweise, d. i. ein Stuck von einer gewissen Gattung, als z. B. ein Schaf
aus der Heerde, oder diese oder jene Sache, als z. B. dieses oder jenes Roß aus
dem Stall verkaufet würde, hat der Verkaufer die Auswahl, was für eine Sache
derselbe dem Kaufer übergeben wolle, wann diesem die Auswahl nicht ausdrücklich
eingestanden worden, oder sonst aus den Nebenumständen nicht deutlich
abzunehmen ist, daß nur dieses und kein anderes Stuck von den Contrahenten
gemeinet worden.
[3, 9, § 1] 9. Nicht weniger muß das bedungene Kaufgeld in
einer gewissen Summe baaren Gelds bestehen, obschon dem Verkaufer nachhero
unverwehret ist, andere Sachen an Zahlungsstatt anzunehmen. Woferne aber gleich
Anfangs Gut für Gut, oder Waaren für Waaren zu geben bedungen würde, ist es
kein Kauf und Verkauf, sondern ein Tauschcontract.
[3, 9, § 1] 10. Dann Kaufen heißet
eigentlich Geld für die Waare geben, wodurch der kennbare Unterschied zwischen
dem Kaufer und Verkaufer hergestellet wird. Wohingegen in Tauschcontract nicht
zu unterscheiden ist, welcher Theil Kaufer, und welcher Verkaufer seie, sondern
deren Jeder vertritt nach Verschiedenheit des bei dieser Handlung vorkommenden
zweifachen Gegenstands Beider Stelle zugleich, als des Kaufers in Absicht auf
die eintauschende, und des Verkaufers in Absicht auf die vertauschende Sache.
[3, 9, § 1] 11. Die Uebergabe der verkauften Sache wird zwar
zur Erfüllung der contractmäßigen Verbindlichkeit, nicht aber zur Vollständigkeit
des Kauf- und Verkaufcontracts erforderet, sondern
dieser gelanget nach Eigenschaft aller Consensualcontracten
(3-139) sogleich zu seiner vollkommenen Wesenheit, sobald
die Contrahenten in der Handlung untereinander schlüssig worden.
[3, 9, § 1] 12. Die Käufe und Verkäufe geschehen entweder
gerichtlich mittelst öffentlicher Feilbietung und anderer dabei gebrauchender
Feierlichkeiten, und werden eigends Subhastationen benamset, wovon in vierten
Theil bei der Gerichtsordnung gehandlet wird, oder außergerichtlich, wann
solche ohne Zuthat des Gerichts unter Privatpersonen geschlossen werden.
[3, 9, § 1] 13. Es können aber die Kauf- und
Verkaufcontracten entweder mündlich oder schriftlich, oder durch andere die
Willensmeinung der Contrahenten genüglich erklärende Zeichen errichtet werden,
und ist dahero der schriftliche Aufsatz niemalen zu deren Wesenheit
erforderlich, sondern selbe pflegen insgemein nur besseren Beweises halber zu
Papier gebracht zu werden.
[3, 9, § 1] 14. Es wäre dann, daß die Contrahenten
ausdrücklich dahin übereingekommen wären, daß sie nicht anderst, als
schriftlich den Kaufcontract schließen, und sich anderergestalt nicht verbinden
wollen, in welchen Fall die Handlung, insolange die schriftliche Urkunde nicht
ausgefertiget, und von ihnen unterschrieben ist, auf keiner Seite eine
Verbindlichkeit wirket.
[3, 9, § 1] 15. Nach dem Gegenstand, worüber Käufe und
Verkäufe geschlossen werden, ist der Unterschied zwischen beweglichen und
unbeweglichen Dingen zu bemerken; die Käufe beweglicher Sachen werden
ohneweiters einerseits durch Bezahlung des Kaufgelds, und andererseits durch
die Uebergab der verkauften Sache vollbracht und erfüllet.
[3, 9, § 1] 16. Bei Kaufen unbeweglicher Dingen und
liegender Güter hingegen wird zu ihrer Erfüllung die Kaufsverschreibung, oder
die Einverleibung des Kaufcontracts in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher,
worunter das verkaufte Gut gelegen ist, also unumgänglich erheischet, daß ohne
solcher der Kauf nicht vollzohen, noch der Kaufer in andere Wege das Eigenthum
und den rechtlichen Besitz erlangen mag, sondern beides bei dem Verkaufer
verbleibet, bis nicht die wirkliche Kaufsverschreibung oder Einverleibung
erfolget ist.
§. II.
[3, 9, § 2] 17. Kaufen und Verkaufen kann Jedermann entweder
durch sich selbst, oder durch Andere, der sich sonst durch Contracten zu
verbinden fähig, und mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt
ist, wann er nicht durch die Gesetze besonders davon ausgeschlossen wird.
[3, 9, § 2] 18. Also sind erstens alle der landmannschaftlichen
und burgerlichen Rechten in einem Land oder Stadt unfähige Personen nicht
befugt allda liegende Güter käuflich an sich zu bringen, wie es in ersten
Theil, in zweiten Capitel unter der Abhandlung von bürgerlichen Stand mit
Mehreren erkläret worden.
[3, 9, § 2] 19. Zweitens ist den Vormünderen oder Gerhaben
und Curatoren verboten die unbewegliche Güter ihrer Pflegbefohlenen
anderergestalt zu kaufen und zu verkaufen, als mit Zuthat des Gerichts, und mit
vorgehender richterlicher Erkanntnuß nach Maß dessen, was davon in ersten
Theil, in achten Capitel unter der Abhandlung von Verwaltung der Vormundschaft
geordnet worden.
[3, 9, § 2] 20. Drittens, die Kirchen, milde Stiftungen,
Prälaten, Capiteln, Klöster, geistliche und andere Gemeinden und Bruderschaften,
wie auch alle Unsere landesfürstliche Städte und Märkte können ohne Unserer
höchsten Einwilligung weder die ihnen angehörige liegende Güter verkaufen, noch
derlei andere käuflich erwerben; wegen der obrigkeitlichen Städten und Märkten
hingegen lassen Wir es bei eines jeden Landes derzeitiger Verfassung gnädigst
bewenden.
(3-140)
§. III.
[3, 9, § 3] 21. Alle Sachen, welche handelbar sind, können
gekaufet und verkaufet werden, sie mögen körperliche oder unkörperliche,
fahrende oder liegende, gegenwärtige oder zukünftige, des Verkaufers eigene
oder fremde Dinge sein, wovon das Geld selbst, insoweit es nach seinem Gehalt,
oder nach einer äußerlichen Eigenschaft als eine neue oder schöne Münze
betrachtet wird, nicht ausgenommen ist.
[3, 9, § 3] 22. Also können alle Rechten, Forderungen,
Erbschaften, Dienstbarkeiten, und wie immer Namen haben mögende Gerechtsamen
verkaufet werden, mit alleiniger Ausnahm derjenigen, welche entweder einer
Person also unzertrennlich ankleben, daß sie von niemand Anderen ausgeübet
werden mögen, oder aber auf einen Grund dergestalten haften, daß weder das
Recht ohne dem herrschenden Grund erworben, noch die Schuldigkeit ohne dem
dienstbaren Grund geleistet, mithin auch weder ein noch anderes ohne dem Grund,
worauf es haftet, veräußeret werden kann.
[3, 9, § 3] 23. Diese Käufe und Verkäufe derlei
unkörperlicher Dingen werden eigentlich Abtretungen genennet, der Kaufer aber
erwirbt andurch kein mehreres Recht, als dem Verkaufer gebühret hat, also zwar,
daß wann das Recht des Verkaufers auf eine gewisse Zeit oder Bedingnuß, oder
nur auf seine Person beschränket ware, mit dessen Erlöschung auch das Recht des
Kaufers erlösche.
[3, 9, § 3] 24. Es ist jedoch erforderlich, daß die Sache,
worüber ein Kauf- und Verkaufcontract geschlossen wird, entweder wirklich
vorhanden seie, oder doch möglicher Weise angehoffet werden könne; dann woferne
solche vor zu Stand gebrachten Kaufcontract ganz oder zum Theil zu Grund
gegangen wäre, oder auch der Kauf künftige Dinge betreffete, ist all jenes zu
beobachten, was diesfalls oben in zweiten Capitel, §. XII, von num. 128 bis 138
ausgemessen worden.
[3, 9, § 3] 25. Bei Käufen liegender Güter muß deren
Eigenthum, oder das hieran haftende Recht, welches an Jemand abgetreten oder
veräußeret wird, dem Verkaufer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
verschrieben sein, wo im Widrigen kein Kaufcontract in die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher einverleibet werden solle.
[3, 9, § 3] 26. Dahingegen bei Käufen beweglicher Sachen
nicht allemal nöthig ist, daß sie des Verkaufers Eigen sind, sondern auch über
fremde Sachen kann ein Kaufcontract zu Recht bestehen, und die contractmäßige
Verbindlichkeit unter den Contrahenten wirken.
[3, 9, § 3] 27. Das Eigenthum aber kann durch die Uebergabe
an den Kaufer nicht anderst übertragen werden, als wann entweder der
Eigenthümer hierein williget, oder die in zweiten Theil, in der Abhandlung von
Uebertragung des Eigenthums vorgeschriebene Erfordernussen dabei unterwalten.
[3, 9, § 3] 28. Ueberhaupt ist bei Kaufcontracten über
fremde Sachen sowohl, als auch in denen Fällen, wo die verkaufte Sache ein dem
Verkaufer mit Anderen gemeines, oder des Kaufers ganz oder zum Theil eigenes
Gut wäre, auf jenes zu sehen,
(3-141) was deshalben in zweiten Capitel, §. XII, von num.
142 bis 156 geordnet worden.
[3, 9, § 3] 29. Ganz und gar unhandelbare Dinge können nur
insoweit in Kaufcontracten einkommen, als solches in zweiten Theil, in ersten
Capitel auf die daselbst erklärte Art und Weis zugelassen wird; es giebt jedoch
gewisse Sachen, welche, obschon sie an sich und ihrer Natur nach handelbar
sind, jegleichwohlen wegen ihrer ob sich habenden Beschaffenheit zu kaufen und
zu verkaufen verboten ist, als
[3, 9, § 3] 30. Erstens, gestohlenes Gut, wann es der Kaufer
gestohlen zu sein weiß; zweitens, Sachen, deren Eigenthum in wirklichen
Rechtsstritt ansprüchig ist, nach Maß dessen, was deshalben in zweiten Capitel,
§. XII, von num. 158 und 159 verordnet ist.
[3, 9, § 3] 31. Drittens, Sachen, welche mit einem
Fideicommiß behaftet sind, oder auch deren Veräußerung durch Bedinge oder
letztwillige Anordnung verboten worden, jedoch mit Beobachtung des Unterschieds
zwischen unbeweglichen und beweglichen Dingen, also zwar, daß jene, wann die
Eigenschaft des Fideicommißi, oder der Veräußerungsverbot in der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket ist, niemalen rechtsgiltig verkaufet
werden können, bei beweglichen Dingen aber, insoweit sie mit vorbesagter
Eigenschaft behaftet werden mögen, der Kauf nur damals entkräftet werde, wann
dem Kaufer solche wissend ist.
[3, 9, § 3] 32. Viertens, schädliches Gift; fünftens,
verbotene Bücher, worinnen etwas wider die Religion, gute Sitten, oder den
Staat enthalten ist; sechstens, öffentliche Aemter und Bedienstungen bei
Städten und Märkten; siebentens, Montursstücke und Gewehr von Ausreißeren aus
Unseren Kriegsdiensten, und zwar alles dieses unter denen sowohl in der
peinlichen Gerichtsordnung als in Unseren anderweiten Satzungen hierauf
ausgesetzten Strafen.
§. IV.
[3, 9, § 4] 33. Außer vorbemelten Sachen sind noch über das
die Obrigkeiten eines jeden Orts nicht allein befugt, sondern auch ihres
obhabenden Amts wegen verpflichtet, den Kauf und Verkauf anderer Feilschaften
nach Beschaffenheit der Umständen, wann es die Wohlfahrt des gemeinen Wesens,
oder die Abwendung eines gemeinschädlichen Uebels also erheischet, entweder
überhaupt oder in gewisser Maß zu verbieten, und sich diesfalls Unseren in
Polizei- und Gesundheitssachen ergangenen Verordnungen auf das Genaueste
nachzuachten.
[3, 9, § 4] 34. In Gegentheil, obschon sonst insgemein das
Kaufen und Verkaufen von Jedermanns freier Willkür abhanget, giebt es jedoch
gewisse Fälle, worinnen dem obrigkeitlichen Amt oblieget, theils wegen
unterwaltender Privatgerechtsamen, theils wegen gemeinsamer Wohlfahrt die Untergebene
zum Kauf oder Verkauf zu zwingen.
[3, 9, § 4] 35. Also erforderet die Privatgerechtsame, daß,
da ein Erb aus letztwilliger Anordnung des Erblassers etwas zu kaufen oder zu
verkaufen verbunden worden, oder da die Herrschaft mit ihren Unterthanen allzuhart
und wider die Gebühr verfahren, und keine Ermahnung bei derselben fruchten
würde, oder da es zum Nutzen des Waisen zu gereichen befunden wird, das
Waisengut zu verkaufen oder eines zu erkaufen, in allen diesen Fällen der Erb,
die Herrschaft, und der Vormund oder Gerhab zum Kauf oder Verkauf verhalten
werde.
[3, 9, § 4] 36. Ebenso kommet aus gemeinnützlicher Absicht
denen Ortsobrigkeiten zu,
(3-142) alle Aufmerksamkeit dahin zu tragen, damit dem
Mangel der ohnentbehrlichen Lebensmitteln nach Thunlichkeit gesteueret, solche
in dem ausgesetzten Preis verkaufet, keine Kornwucherei und eigenmächtige
Vertheuerung gestattet, sondern zu Erhaltung der Wohlfeilkeit all jenes
angekehret werde, was derowegen in Unseren Polizeiordnungen vorgeschrieben ist.
§. V.
[3, 9, § 5] 37. Gleichwie dem gemeinen Wesen nichts
schädlicher ist, als die Anmaßung eines ausschließenden Verkaufs, oder eines
gewinnsüchtigen Auf- und Vorkaufs, also sollen auch die Obrigkeiten derlei
unerlaubte und eigennützige Handlungen durchaus nicht gestatten.
[3, 9, § 5] 38. Es wäre dann, daß Jemand entweder durch
Unsere höchste Befreiung und Begünstigung, oder durch ein seiner Person, oder
seinem Haus anklebendes bürgerliches Gewerb oder Hantierung zu einem derlei
ausschließenden Handel in Absicht auf Jene, welche diese Gerechtsame nicht
haben, besonders berechtiget wäre.
[3, 9, § 5] 39. Unter dem Verbot des ausschließenden
Verkaufs aber sind alle jene Handlungen, Verträge, und wie immer Namen haben
mögenden Einverständnussen begriffen, wodurch Einer, oder auch Mehrere in eine
Gesellschaft zusammentretende, oder einerlei Gewerb Treibende einen gewissen
Handel, oder den Verkauf gewisser Waaren eigenmächtig mit Ausschließung aller
Anderer zu ihrem eigenen Nutzen und Gewinn allein an sich ziehen, oder auch
unter sich die Verabredung pflegen, daß Keiner die feilhabende Waaren in einem
geringeren Werth als der Andere verkaufen solle.
[3, 9, § 5] 40. Und nachdeme der Auf- und Vorkauf gleichsam
den Weg zu dem ersteren bahnet, welcher in sich nichts Anderes ist, als eine
unzulässige Sammlung gewisser zur menschlichen Nothdurft unentbehrlichen
Feilschaften, um den Handel damit alleinig treiben, und solche zu Bevortheilung
Anderer nach eigener Willkür vertheueren zu können, als solle auf derlei
gemeinschädliches Beginnen von den Obrigkeiten ein obachtsames Aug getragen,
und wider die hierinnen Betretende, nach Maßgebung Unserer peinlichen
Gerichtsordnung mit aller Schärfe verfahren werden.
§. VI.
[3, 9, § 6] 41. Die dritte wesentliche und diese Handlung
von anderen hauptsächlich unterscheidende Erfordernuß bei Kaufen und Verkaufen
ist das Kaufgeld, worunter nichts Anderes verstanden wird, als der Preis oder
Werth, welchen der Kaufer für die angefeilte Sache zu geben verheißet.
[3, 9, § 6] 42. Es erheischet aber die Eigenschaft des
Kaufpreises erstlich, daß solcher in Geld bestimmet werde; dann woferne gleich
Anfangs die Contrahenten übereingekommen wären für die Sache etwas Anderes, als
Bargeld zu geben, oder zu thuen, ist es kein Kauf, sondern ein Tausch oder ein
anderer unbenannter Contract, obschon die dagegen zu geben versprochene Sache
in einem gewissen Werth angeschlagen worden wäre.
[3, 9, § 6] 43. Wo aber zu Anfang der Handlung zum Theil ein
gewisses Kaufgeld, und zum Theil eine Sache zu geben verheißen, und dabei die
Willensmeinung der Contrahenten erhellen würde, daß sie einen Kauf und Verkauf
schließen wollen, da bestehet auch der Kaufcontract, und die nebst dem Kaufgeld
miteinkommende Sache wird als eine Zugabe geachtet.
(3-143) [3, 9, § 6] 44. Wann jedoch die Gesinnung der
Contrahenten deutlich nicht abzunehmen wäre, was selbe eigentlich für einen
Contract eingehen wollen, so ist die Handlung, wann derselben sonst nichts
entgegenstehet, für einen zwar unbenannten, doch rechtsgiltigen Vertrag zu
halten.
[3, 9, § 6] 45. Zweitens, daß das Kaufgeld wahrhaft
versprochen und angelobet, und nicht nur etwan bloß zum Schein vorgewendet
werde, als da das bedungene Kaufgeld so gering wäre, daß es dem Werth der Sache
gar nicht in Mindesten beikäme, oder solches alsobald anwiederum erlassen, und
also in der That unter dem Vorwand eines Kaufs ein anderes davon ganz
unterschiedenes Geschäft entweder zu Bemäntlung wucherlicher Absichten, oder zu
sonstiger Bevortheilung eines Dritten vollzohen würde, welcherlei Scheinhandlungen
unter denen oben darauf ausgesetzten Strafen null und nichtig sind.
[3, 9, § 6] 46. Wovon jedoch ein Freundschaftkauf
ausgenommen ist, wann nemlich eine Sache aus Freundschaft schankungs- und
verehrungsweise dem Anderen um einen geringen Werth hintangelassen wird, welche
Handlung allerdings rechtsgiltig ist, wann die Umstände so beschaffen sind, daß
auch die Schankung bestehen kann.
[3, 9, § 6] 47. Drittens, daß das Kaufgeld entweder an sich
selbst, oder doch wenigstens durch verläßliche und unfehlbare Beziehung auf
andere Umstände, woraus dessen Gewißheit hergeholet werden könne, bestimmet
werde.
[3, 9, § 6] 48. Eine derlei Beziehung kann entweder auf das
Vergangene, als da eine Sache um denjenigen Preis verkaufet wird, wofür sie
erweislich erkaufet worden, oder auf das Gegenwärtige, als da für eine Sache so
vieles Geld zu geben bedungen wird, als in dem Sack oder Kasten aufbehalten
ist, oder auch da die Sache schon für sich selbst ihren markgängigen (!) Preis
hätte, oder endlich auf das Künftige, als da eine Sache für so vieles verkaufet würde, wie sie dieser oder jener schätzen wird.
[3, 9, § 6] 49. In beiden ersteren Fällen kommet die
Handlung gleich zu Kräften, wann es wirklich an deme ist, daß die Sache
erkaufet worden, oder das Geld in dem Sack oder Kasten vorfindig seie, wo aber
dieses oder jenes ermanglete, ist der Kauf null und nichtig.
[3, 9, § 6] 50. In dem letzteren Fall hingegen ist die
Handlung für einen bedingten Kauf anzusehen, dessen Bestand von Ausgang der
Bedingnuß abhanget, also zwar, daß wann Jener, dessen Willkür die Schätzung der
Sache überlassen worden, den Werth nicht bestimmen könnte oder wollte, das
ganze Geschäft zerfalle.
[3, 9, § 6] 51. Der Kaufer aber ist in allen diesen Fällen
die unter einem dergleichen nachhero ermanglenden Beding etwan schon zu seinen
Handen gebrachte Sache, wann sich des Preises halber nicht neuerdings geeiniget
wird, anwiederum zurückzugeben, oder da er sie bereits verthan hätte, den von
dem Verkaufer mittelst des Eides der Wahrheit zu bewähren habenden Werth zu
erstatten schuldig.
[3, 9, § 6] 52. Es ist jedoch erforderlich, daß dieser, deme
die Schätzung der dergestalten verkauften Sache mit Einwilligung beider Theilen
aufgetragen wird, entweder durch Benennung seiner Person, oder wenigstens durch
Andeutung der ihme zukommenden Eigenschaft bestimmet und kenntlich gemacht
werde; also bestehet der Kauf, wann die Schätzung kunsterfahrener oder
handlungsverständiger Leuten bedungen wird, obschon selbe mit Namen nicht
genennet worden.
[3, 9, § 6] 53. Desgleichen ist der Kauf giltig, obgleich
die Bestimmung des Preises der Willkür des Verkaufers anheimgestellet wird,
welches überhaupt von allen denjenigen Fällen zu verstehen ist, wo Waaren, ohne
solche zu behandlen, ausgenommen werden.
[3, 9, § 6] 54. Dahingegen kann von der alleinigen Willkür
des Kaufers die Bestimmung des Preises nicht abhangen, sondern eine solche
Handlung ist insolange unkräftig, bis die Einigung des Preises halber nicht
erfolget ist.
[3, 9, § 6] 55. Daferne aber der gewählte Schätzer die Sache
all zu hoch, oder all zu gering halten, oder auch der Verkaufer den Preis
übermäßig ansetzen würde, also
(3-144) daß eine offenbare Verkürzung daraus erhellete, so
stehet dem andurch beschwerten Theil frei, die richterliche Erkanntnuß darüber
anzusuchen, wodurch das Kaufgeld auf einen billigen Betrag ausgemessen werde.
[3, 9, § 6] 56. Wann hingegen die Bestimmung und Gewißheit
des Preises auf keinerlei Art zu erforschen wäre, kann auch der Kauf nicht zu
Stand kommen; doch ist an deme genug, wann nur zur Zeit des geschlossenen
Contracts ein Theil des Kaufgelds gewiß und bestimmet ist, obwohlen der noch
ungewisse Betrag des Uebrigen erst in der Folge ausgemacht werden müßte, als da
Jemand sein Gut um einen geringen Werth mit dem Beding verkaufet, daß der Kaufer
seine Schulden anbeinebst übernehmen und bezahlen solle.
[3, 9, § 6] 57. Viertens, daß das Kaufgeld billig seie, und
dem Werth der verkauften Sache gleichkomme; dann durch die Billigkeit des
Preises wird nichts Anderes, als dessen rechtmäßige Verhältniß mit dem wahren
Werth der Sache verstanden.
[3, 9, § 6] 58. Welche auf zweierlei Art erreichet werden
kann, als entweder durch obrigkeitlichen Aussatz des Preises, oder aber nach
gewöhnlichen und gemeinen Anschlag, wie die Sache von Kennern ihrer Beschaffenheit
und Eigenschaft in Handel und Wandel insgemein geschätzet zu werden pfleget.
[3, 9, § 6] 59. Der obrigkeitlich ausgesetzte Preis lasset
sich weder vermehren, noch verminderen, sondern sowohl die Uebermaß, als der
Abzug, wann dieser oder jene nicht aus eigenen guten Willen geschieht, sind
unbillig, und dem verkürzten Theil ist unbenommen, sich bei der Behörde zu
beklagen, obgleich der Schaden viel oder wenig betrage.
[3, 9, § 6] 60. Der gemeine Werth der Sachen hingegen leidet
allerdings theils wegen Verschiedenheit der Umständen, theils wegen nicht
allemal möglicher Herstellung der genauesten Gleichheit zwischen dem Preis und
dem Werth der Sache eine Vermehrung oder Verminderung, nachdeme die
Contrahenten in dessen Bestimmung untereinander übereinkommen; doch muß
dieselbe also beschaffen sein, daß andurch die Billigkeit nicht verletzet
werde.
[3, 9, § 6] 61. Es ist dahero der Werth einer jeden Sache in
seiner Erstreckung dreierlei, als der geringste, der mittlere und der höchste
Anschlag. Insolange aber die Grenzen des höchsten oder des geringsten Anschlags
ein- oder andererseits nicht überschritten werden, hat kein Theil sich über die
Unbilligkeit des Preises zu beschweren Ursach.
[3, 9, § 6] 62. Allein auch in jenem Fall, wann schon der
höchste oder geringste Anschlag überschritten wird, wollen Wir jegleichwohlen
zur Vermeidung unzähliger Strittigkeiten, wodurch Handel und Wandel gestöret
würde, dem beschwerten Theil nur damals eine Rechtshilfe angedeihen lassen,
wann die aus der Ungleichheit des Preises erwachsende Verkürzung so übermäßig
ist, daß sie die Hälfte des wahren Werths übersteiget.
[3, 9, § 6] 63. Die Verkürzung aber über die Hälfte zeiget
sich daraus, wann entweder der Verkaufer oder der Kaufer nicht die Hälfte
dessen empfangen, was der Eine oder der Andere dafür gegeben hat, wobei jedoch
allemal sowohl bei dem Verkaufer, als bei dem Kaufer der Mittelanschlag der
verkauften Sache zur Richtschnur zu nehmen, deren Werth aber nicht etwan nach
der selbsteigenen Neigung oder Anständigkeit des einen oder des anderen
Contrahenten, sondern nach der gemeinen Schätzung mit Rucksicht auf die Zeit
und das Ort des Contracts abzumessen ist.
[3, 9, § 6] 64. Also da z. B. der Verkaufer eine Sache, die
nach dem Mittelanschlag 100 fl. werth ist, unter 50 fl. verkaufete, oder der
Kaufer für eine Sache, welche in dem Mittelanschlag nicht mehr als 100 fl.
gilt, über 200 fl. gäbe, hat der solchergestalten verkürzte Theil die Befugnuß,
den Ersatz des Abgangs, oder die Wiedererstattung der Uebermaß zu forderen, wie
solches unten §. XXII mit Mehreren erkläret wird. Wo aber weder ein Theil, noch
der andere über die Hälfte des rechten Werths zu Schaden kommet,
sondern der Verkaufer in ersteren Fall nicht(3-145) unter 50 fl. erhalten, oder
der Kaufer in letzteren Fall nicht über 200 fl. gegeben hätte, da höret auch
alle Klage wegen eines Abgangs oder einer Uebermaß auf, und der Contract
bleibet bei Kräften.
§. VII.
[3, 9, § 7] 65. Die Käufe und Verkäufe können zwar nach
Willkür der Parten entweder mündlich oder schriftlich geschlossen werden, doch
müssen selbe bei unbeweglichen Gütern allemal auf solche Weis geschehen, wie es
nach jedweder Landesverfassung, um in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
einverleibet werden zu können, erforderlich ist.
[3, 9, § 7] 66. Die Einverleibung kann auf zweierlei Art
bewirket werden, als entweder durch persönliche Gegenwart und Geständnuß beider
Contrahenten vor der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, worinnen der
verkaufte Grund inlieget, oder durch Ueberreichung eines schriftlich verfaßten
Kaufcontracts, wie solches bereits in zweiten Theil, in der Abhandlung von
Uebertragung des Eigenthums mit Mehreren erkläret worden.
[3, 9, § 7] 67. Daß aber ein schriftlich verfaßter
Kaufcontract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet werden
möge, muß derselbe nicht allein überhaupt mit allen denjenigen in zweiten
Capitel, §. XI, von num. 76 bis 80 beschriebenen Erfordernussen einer auf die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage gerichteten Urkunde versehen
sein, sondern es ist noch insonderheit dabei nöthig, daß darinnen die verkaufte
Sache, das bedungene Kaufgeld und die Zeit und der Ort des Contracts deutlich
ausgedrucket und angezeiget werde, wo widrigens in Ermanglung einer dieser
Erfordernussen kein Kaufcontract zur Einverleibung angenommen werden solle.
[3, 9, § 7] 68. Die übrige in schriftlichen Kaufcontracten
insgemein vorzukommen pflegende Beisätze, als die Beschreibung der An- und
Zugehörungen, die Zahlungsfristen, die Quittirung über das ganz oder zum Theil
empfangene Kaufgeld, der Vorbehalt des Unterpfands wegen des noch schuldigen
Kaufschillings, die Beifügung verschiedener Bedingen, und die Angelobung der
Gewähr oder Schirmung sind zu dessen wesentlicher Form und Gestalt nicht
nothwendig, sondern hangen von beiderseitiger Einverständnuß der Parten ab, und
wird unten besonders angezeiget werden, was deren jeder Beirückung oder
Hinweglassung für Wirkungen nach sich ziehe.
[3, 9, § 7] 69. Belangend aber die Art und Weis der
Anfeilung selbst, so ist solche dreierlei, als entweder durch die Steigerung,
wann nemlich der Werth der Sache von mehreren Kauflüstigen gesteigeret, und der
Kauf mit dem Meistbietenden geschlossen wird, oder überhaupt in Pausch und
Bogen, wann mehrere Dinge von ungleichen Werth und ungewisser Zahl, Gewicht
oder Maß nicht einzelweis, sondern in einem Ganzen zusammen, als z. B. ein
ganzes Waarenlager, eine ganze Hauseinrichtung, ein Keller Wein u. dgl.
gekaufet werden, oder endlich durch besondere Behandlung einer oder auch
mehreren einzlen Sachen.
[3, 9, § 7] 70. Allein auch einzele Sachen, sie mögen
fahrend oder liegend sein, können anwiederum auf zweierlei Art verkaufet
werden, als erstens, nach dem Augenschein oder durch augenscheinliche Anzeigung
der verkauften Sache ohne deren Maß, Gewicht oder Zahl in einer anderen Absicht
dabei auszudrucken, als nur lediglich zu dem Ende, um dieselbe desto deutlicher
andurch auszuweisen, nicht aber um den Kauf auf die angezeigte Maß, Gewicht
oder Zahl zu schließen. Ein derlei Verkauf ist, wann z. B .
Jemanden ein Acker nach seinen ausgewiesenen Rainen und Grenzen verkaufet wird,
obschon die Anzahl der Joch oder Hueben, welche solcher enthält, dabei
mitangedeutet würde.
(3-146) [3, 9, § 7] 71. Zweitens, nach dem Anschlag, oder
nach der Anzahl, Maß oder Gewicht, wann der Preis nach dem Betrag der
verkauften Sache dergestalten bestimmet wird, daß der Verkaufer nicht mehr und
nicht weniger dafür zu geben schuldig ist, als der behandlete Betrag ausmachet,
wiewohlen zugleich bei liegenden Gütern der Rainen oder Grenzen gedacht werde,
welches die Handlung nicht änderet, daferne nur die Hauptabsicht der
Contrahenten dabei auf die Maß, und nicht auf den Augenschein gerichtet ist.
[3, 9, § 7] 72. Von dieser Art sind alle Käufe wobei der
Preis entweder ausdrücklich oder stillschweigend auf einen jeden Theil des
ganzen Betrags gesetzet wird, als
z. B. Jemand kaufete zehen Joch oder Hueben des in den
benannten Rainen und Grenzen gelegenen Ackers das Joch um 100 fl., oder auch
alle zehen Joch zusammen um 1000 fl., oder so viele Eimer Wein, so viele Pfund
Oel, so viele Metzen Getreids, so viele Ellen Tuchs, so viele Stuck Schaff u.
dgl. in einem nach dem Eimer, Pfund, Metzen, Ellen und Stuck behandleten Preis.
[3, 9, § 7] 73. In ersteren Fall, wo der Kauf nach dem
Augenschein, oder auch überhaupt in Pausch und Bogen geschlossen worden, wird
Alles für verkaufet geachtet, was in dem Bezirk oder Umkreis der beschriebenen
Rainen oder Grenzen enthalten ist, obgleich die dabei erwähnte Maß nicht
zutreffen, und sich hieran ein Ueberschuß oder ein Abgang ergeben würde,
sondern so Einer, als der Andere gehet auf Gewinn und Verlust des Kaufers, ohne
daß deshalben das bedungene Kaufgeld zu vermehren oder zu verminderen seie.
[3, 9, § 7] 74. In zweiten Fall hingegen, wo die Sache nach
dem Anschlag, oder nach der Maß behandlet wird, ist hauptsächlich auf deren
Betrag zu sehen, weilen auf diese Weis nicht sowohl das Ganze, als dessen
einzle Stücke insonderheit verkaufet werden; dahero, wann sich hieran über den
behandleten Betrag ein Mehreres befinden würde, ist der Ueberschuß in dem Kauf
nicht einbegriffen, sondern solchen der Verkaufer zu behalten befugt, oder der
Kaufer nach Maß des Mehrbefundenen das Kaufgeld zu vermehren und nachzutragen
schuldig; gleichwie in Gegentheil, woferne sich weniger, als behandlet worden,
zeigete, der Verkaufer den Abgang zu ersetzen, oder von dem behandleten Preis
so vieles, als die Sache weniger betraget, nachzulassen hat.
[3, 9, § 7] 75. Bei Vermehrung und Verminderung des Preises
aber ist zu beobachten, daß, wann ein gleicher Preis für alle Theile ohne
Unterschied ihrer Güte und Eigenschaft bedungen worden, auch bei den
überflüssigen oder abgängigen Theilen auf ihre Güte oder Eigenschaft keine
Rucksicht genommen werden darf; wohingegen, da ein verschiedener Preis nach
verschiedener Beschaffenheit oder Güte der Theilen behandlet worden, so ist der
Preis nach derjenigen Güte und Eigenschaft zu vermehren oder zu verminderen,
von welcher die überflüssige Theile sind, oder die abgängige hätten sein
sollen.
[3, 9, § 7] 76. Ein Kauf, welcher nach dem Anschlag oder
nach der Maß getroffen wird, verbindet zwar sogleich beide Theile dergestalten,
daß Keiner ohne Einwilligung des Anderen davon abweichen kann, die also
verkaufte Sache aber bleibet insolange auf Gefahr des Verkaufers, bis nicht
dieselbe wirklich abgemessen, abgezählet oder abgewogen worden, wie davon unten
§. XI mit Mehreren gehandlet wird.
[3, 9, § 7] 77. Es solle jedoch jene Maß dabei gebrauchet
werden, welche entweder von den Contrahenten festgesetzt worden, oder da sie
derowegen ausdrücklich nichts bedungen hätten, welche in demjenigen Ort, wo die
verkaufte Sache gelegen ist, oder wo deren Uebergabe und Aushändigung an den
Kaufer zu geschehen hat, üblich ist, welches ingleichen von Gewicht verstanden
werden solle.
[3, 9, § 7] 78. Wann aber ein Kauf nach dem Augenschein oder
nach dem Anschlag geschlossen zu sein geachtet werden solle, ist anförderist
aus dem Inhalt des Contracts zu entnehmen, und da deshalben ein Zweifel
vorfiele, sind die Käufe aller unbeweglicher, oder auch einzler beweglicher
Sachen nach dem Augenschein, dahingegen jene
(3-147) deren aus mehreren besonderen Theilen oder Stücken
bestehenden beweglichen Dingen nach dem Anschlag, oder nach der Maß für
getroffen zu halten.
§. VIII.
[3, 9, § 8] 79. Der Kauf- und Verkaufcontract ist seiner
Natur nach in der Hauptsache zweibündig, woraus schon Anfangs beide Theile
gegeneinander gleich verbunden werden, als einerseits der Verkaufer zur
Uebergabe und Ausantwortung der verkauften Sache, und andererseits der Kaufer
zu Bezahlung des bedungenen Kaufgelds. Von der Verbindlichkeit des ersteren
wird in gegenwärtigen, und von der Verbindlichkeit des anderen in nachfolgenden
§. gehandlet.
[3, 9, § 8] 80. Dann sobald der Verkaufer mit dem Kaufer
wegen Überlassung der angefeilten Sache um den bedungenen Preis einig worden,
ist die Handlung geschlossen, wovon kein Theil ohne Einwilligung des anderen
abweichen kann, sondern deren jedwedem lieget ob, die auf sich genommene
contractmäßige Verbindlichkeit zu erfüllen.
[3, 9, § 8] 81. Diese bestehet an Seiten des Verkaufers in
deme, daß er die verkaufte Sache mit dem ledigen Besitz, auf die bedungene Art
und Weis, in der behörigen Eigenschaft, in der sie verkaufet worden, ganz,
ohnverringeret, und frei von allen
(3-148) Mängeln und Haftungen, wie auch mit allen ihren An-
und Zugehörungen zur gesetzten Zeit, und an bestimmten Ort dem Kaufer übergebe,
wann es in seiner Macht stehet, dieselbe übergeben zu können, ohne daß er sich
solchenfalls unter was immer für erdenklichen Vorwand durch Anerbietung der
Entschädigung hiervon entledigen möge, woferne dieses nicht ausdrücklich
beliebet worden.
[3, 9, § 8] 82. Damit solchemnach der Verkaufer seiner
Schuldigkeit genug thue, ist erforderlich: Erstens, daß der ledige Besitz der
verkauften Sache dem Kaufer eingeraumet werde; dieser aber ist nicht ledig,
wann Jemand die Sache besitzet, deme sie verhaftet ist, folglich hieran ein
stärkeres Recht, als nicht dem Kaufer gebühret.
[3, 9, § 8] 83. Obschon also das verkaufte Gut zur Zeit des
geschlossenen Contracts vermiethet oder verpachtet, oder auch solches einem
Glaubiger zum Unterpfand verschrieben wäre, hinderet doch gleichwohlen weder
ein noch anderes die Uebertragung des Besitzes an den Kaufer, weilen der
Miether, Pachter oder Bestandmann, obgleich er in dem Besitz ist, jedennoch
kein Recht an der Sache hat, und dahero von dem Kaufer aus der Miethung, Pacht
oder Bestand gesetzet werden kann, wie solches in zwölften Capitel erkläret
wird, der darauf versicherte Glaubiger hingegen, obwohlen ihme die Sache
verhaftet ist, mithin hieran ein stärkeres Recht, als nicht dem Kaufer
zustehet, in deren Besitz nicht befindlich ist.
[3, 9, § 8] 84. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es dahero,
wann der Glaubiger nebst der Behaftung des Grunds zugleich entweder aus einem
in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibten Vertrag, oder durch
den Weg der gerichtlichen Execution in dessen Besitz gelanget ist, als welchen
Falls dessen früher erworbenes Recht dem Recht des Kaufers vorgehet, und insolange
derselbe nicht befriediget, folglich das Gut von dieser Haftung nicht befreiet
worden, oder er etwan nicht selbst gutwillig aus dem Besitz weichen würde, kann
der Kauf- und Verkaufcontract zur Einverleibung nicht angenommen werden; wie es
aber zu halten seie, wann einerlei Sache an Zweie verkaufet wird, ist bereits
oben in zweiten Capitel, §. Xll, von num. 150 bis 155, geordnet worden.
[3, 9, § 8] 85. Zweitens, damit die verkaufte Sache auf die
bedungene Art und Weis, nemlich nach der oben erklärten Verschiedenheit des
geschlossenen Kaufs entweder in den beschriebenen Rainen oder Grenzen, oder in
derjenigen Maß, Zahl oder Gewicht, wie es Anfangs beliebet worden, übergeben,
und beinebst von dem Verkaufer Alles auf das Genaueste erfüllet werde, worzu er
sich in dem Contract anheischig gemacht hat.
[3, 9, § 8] 86. Drittens muß die Sache in der gehörigen
Eigenschaft, in welcher sie verkaufet worden, ganz, ohnverringeret, und frei
von allen Mängeln und Haftungen, welche zur Zeit des geschlossenen Kaufs deren
Werth verminderen, wodurch entweder ihr Gebrauch oder Genuß ganz oder zum Theil
verhinderet, oder solche einem Dritten verfänglich gemacht würde, dem Käufer
überantwortet werden; dann widrigens ist der Verkaufer nach Verschiedenheit der
Fällen, welche unten eigends beschrieben sind, entweder die verkaufte Sache
gegen Wiedererstattung des empfangenen Kaufschillings zurückzunehmen, oder dem
Kaufer den Abgang zu ersetzen, oder an dem Kaufgeld zu vergüten schuldig.
[3, 9, § 8] 87. Es hat aber der Verkaufer nur für diejenige
Eigenschaften zu haften, welche er in dem Contract angegeben und gewähret; es
seie, daß entweder der Kauf lediglich auf diese und keine andere Eigenschaft
der Sache geschlossen, oder dieselbe in dem Inhalt des Contracts ausgedrucket,
oder sich darinnen auf eine besonders verfaßte Beschreibung der verkauften
Sache wortdeutlich bezohen, oder endlich von dem Verkaufer für die angerühmte
Eigenschaft stehen zu wollen verheißen worden.
88. Wann jedoch derselbe die verkaufte Sache bloß lobet und
herausstreichet, um sie desto ehender, oder mit mehreren Vortheil an Mann
bringen zu können,
(3-149) ist er für die abgängige Eigenschaften nicht
verfänglich, sondern der Kaufer hat sich selbst beizumessen, daß er nicht mit
mehrerer Vorsicht gehandlet, und sich bei dem Kauf nicht ausdrücklich die
angerühmte Eigenschaft von dem Verkaufer gewähren lassen; es wäre dann der
Mangel einer natürlichen Eigenschaft, ohne welcher der Gebrauch der Sache ganz
oder zum Theil unnütz wäre, so verborgen gewesen, daß ihn der Kaufer nicht
vorsehen können, wie unten davon ausführlicher gehandlet werden wird.
[3, 9, § 8] 89. Unter Haftungen werden Dienstbarkeiten,
womit der verkaufte Grund einem Dritten verfangen ist, versessene Steuern,
Zinsen und Verpfändungen verstanden. Bei Dienstbarkeiten ist so wie bei Zinsen
zu unterscheiden, ob der Grund in dem Kaufcontract für frei ausgegeben, oder
solcher ohne diesem besonderen Ausdruck verkaufet worden.
[3, 9, § 8] 90. Ersteren Falls ist der Verkaufer, er möge
derlei Haftungen gewußt haben oder nicht, den Kaufer schadlos zu halten
schuldig, letzteren Falls aber kommet es darauf an, ob die Haftungen also
beschaffen sind, daß der Kaufer dieselbe leichtlich durch Einsicht der
Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, oder durch eingenommenen Augenschein hätte
in Erfahrnuß bringen können, und der Verkaufer ist ihme derowegen zu nichts
verbunden, oder ob solche dergestalten verborgen waren, daß sie ohne
sonderbarer Anzeige nicht haben erforschet werden mögen, und in diesem Fall ist
der Verkaufer, es mögen ihme diese Haftungen bekannt gewesen sein oder nicht,
vorbemeltermaßen dafür zu stehen verpflichtet.
[3, 9, § 8] 91. Die Steueren aber kleben dem Grund
unabsönderlich an, und gehen mit solchen auf einen jedweden Besitzer. Es ist
dahero der Kaufer solche abzutragen schuldig, es mögen laufende oder
versessene, vorhin schon gewöhnliche oder neu angelegte Steuern sein; obgleich
der Verkaufer die Versteuerung ausdrücklich auf sich genommen, oder auch den
Grund für frei von allen wie immer Namen haben mögenden Haftungen ausgegeben
hätte, dessen ohnerachtet sind die Steuern hierunter nicht begriffen, sondern
deren Entrichtung lieget dem Kaufer allemal ob.
[3, 9, § 8] 92. Es ist jedoch dem Kaufer dagegen unbenommen,
die für den Verkaufer bezahlte Steuern von ihme zuruckzuforderen, oder sich von
dem Kaufgeld abzuziehen, worinfalls entweder der Inhalt des Contracts, wann
wegen der Zeit der von einem oder dem anderen Theil abzuführen habenden Steuern
ein ausdrückliches Beding eingegangen worden, oder in dessen Ermanglung der Tag
des geschlossenen Kaufs zur Richtschnur zu nehmen ist, also daß wann nichts
Anderes bedungen wird, bis dahin der Verkaufer die Steuern zu bezahlen hat.
[3, 9, § 8] 93. Dahingegen von diesem Tag an zu rechnen hat
der Kaufer keinen Anspruch mehr der Steueren halber an den Verkaufer, wann
dieser letztere nicht deren Abfuhr gegen einem sonstigen sich bedungenen
Vortheil noch weiters über diese Zeit auf sich genommen hätte, noch weniger
aber kann der Verkaufer wegen der vorhin nicht gebräuchlichen auf dem
verkauften Grund neu angelegten Steuern angefochten werden.
[3, 9, § 8] 94. Die Verpfändungen behaften zwar die Sache
selbst, jedoch mit Beobachtung des Unterschieds zwischen beweglichen und
unbeweglichen Dingen. Dann gleichwie einerseits bei Fahrnussen, wann der Kaufer
die Eigenschaft des dem Inhaber von Handen gekommenen Pfands nicht weiß,
sondern solches mit guten Glauben an sich bringet, daß Pfandrecht hieran
erlöschet, und er deshalben nicht mehr angegangen werden kann, andererseits
aber, wann er diese Eigenschaft weiß, sich selbst zuzuschreiben hat, daß er
eine dergestalten behaftete Sache erkaufet, also gebühret ihme auch so in
einem, als anderen Fall derowegen kein Anspruch wider den Verkaufer; es wäre
dann, daß dieser das Pfand auszulösen, und da es nicht geschehe, den Kaufer zu
entschädigen angelobt hätte.
[3, 9, § 8] 95. Auf liegenden Gütern aber können keine
Pfandsverschreibungen anderer Gestalt, als mit der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern haften, und gehen dahero
(3-150) mit dem erkauften Grund auf den Kaufer, welcher
jedoch entweder sich solche an dem Kaufschilling ausweisen zu lassen, oder
hieran so vieles als sie betragen, innenzuhalten, oder deren hinausbezahlten
Betrag davon abzuziehen, oder, da er das Kaufgeld schon entrichtet hätte, das
hierauf Bezahlte von dem Verkaufer zuruckzuforderen, oder da er diese Haftungen
nicht übernehmen wollte, denselben zur Befreiung des verkauften Grunds
anzuhalten berechtiget ist.
[3, 9, § 8] 96. Viertens, muß die verkaufte Sache mit allen
Früchten und Nutzungen, wie auch mit allen ihren An- und Zugehörungen dem
Kaufer übergeben werden, und solle wegen so ein, als anderer wegen vornehmlich
auf Jenes gesehen werden, wessen sich die Contrahenten deshalb untereinander
verglichen haben.
[3, 9, § 8] 97. Da aber wegen der mit zu erstatten habenden
Früchten und Nutzungen ein ausdrückliches Beding ermanglete, ist aus der
natürlichen Eigenschaft der Handlung, welche nach einmal geschlossenen Kauf
allen aus der verkauften Sache entspringenden Nutzen, so wie den sich nachhero
hieran ergebenden Schaden dem Kaufer zuwendet, die Entscheidung herzuholen, was
für Nutzungen dem einen, und welche dagegen dem anderen Theil gebühren.
[3, 9, § 8] 98. Nach dieser Maßregel verbleiben die vor dem
getroffenen Kauf erzeugte und eingehobene Früchten und Nutzungen dem Verkaufer,
woran der Kaufer, wann derohalben nichts Besonderes bedungen worden, nicht den
mindesten Anspruch hat; also da eine Kuhe, woran noch ein Kalb saugete,
verkaufet wird, bleibet das Kalb dem Verkaufer.
[3, 9, § 8] 99. Dahingegen gebühren alle erst nach dem
geschlossenen Kauf erzeugte Früchten und Nutzungen dem Kaufer, obschon solche
von dem Verkaufer vor der Uebergabe eingehoben worden wären; doch sollen in
solchem Fall die nach dem Kauf hierauf erweislich gemachte Auslagen demselben
vergütet werden.
[3, 9, § 8] 100. Belangend aber die zwar vor dem
geschlossenen Kauf erzeugte, allein noch nicht eingehobene, sondern bei der
verkauften Sache noch vorhandene, oder noch hangende Früchten und Nutzungen,
als das Obst auf den Bäumen, das Gras auf der Wiesen, das Getreid auf dem Feld,
die Zinsen aus dem Hause u. dgl., so ist der Unterschied zwischen deren
dreierlei Gattungen zu beobachten.
[3, 9, § 8] 101. Jene Früchten und Nutzungen, welche die
Natur von sich selbst ohne menschlicher Zuthat, oder doch ohne Mitwirkung eines
sonderbaren Fleißes hervorbringet, sind als ein Theil der verkauften Sache
anzusehen, und gehören dahero dem Kaufer, wann sie nicht ausdrücklich von dem
Verkaufer ausgenommen und vorbehalten worden, also ist mit den Schafen die
darauf befindliche Wolle, mit dem Garten das noch an den Bäumen hangende Obst,
mit der Wiesen das Gras, mit der trächtigen Stuten oder Kuhe das Follen oder
Kalb verkaufet.
[3, 9, § 8] 102. Diejenige Früchten und Nutzungen aber,
deren Erzeugung nebst der Wirksamkeit der Natur einen besonderen menschlichen
Fleiß und Zuthat als die Beurberung, die Aussaat, der Anbau oder die Pflanzung
erforderet, sind eben als ein Theil der verkauften Grunds, deme sie ankleben,
anzusehen, und gebühren dahero zwar auch dem Kaufer, obschon sie erst nach dem
Kauf zu ihrer Reife gelangen, woferne der Verkaufer dich dieselbe nicht
ausdrücklich ausbedungen hätte; doch ist der Kaufer schuldig dagegen die nach
dem Kauf hierauf erweislich gemachte Auslagen dem Verkaufer zu ersetzen, also
da ein besäeter Acker, oder ein angebauter Weinberg verkaufet wird, gehöret das
Getreid und der Wein gegen Vergütung deren nach dem Kauf auf die Beurberung und
Pflegung ausgelegten Unkosten dem Kaufer.
[3, 9, § 8] 103. Bei der dritten Gattung der Nutzungen,
welche nicht von der Natur aus der Sache selbst erzeuget werden, sondern bloß
allein wegen derselben durch Wirkung des menschlichen Fleißes aus den hierüber
eingegangenen Verträgen entspringen, als Bestandzinse, Pachtgelder, oder der
Lohn für ausgelehnte Dinge, ist zu unterscheiden, ob der Zins für die schon vor
geschlossenen Kauf geendigte
(3-151) Miethung oder Pacht noch ausständig seie, und in
diesem Fall gebühret der ganze Zins dem Verkaufer, oder ob die Miethung oder Pachtung
zur Zeit des getroffenen Kaufs annoch fortdauere, und bei solcher Bewandtnuß
kommet es darauf an, ob der Gebrauch der Sache und die Nutzungen, wofür der
Zins oder Lohn bezahlet wird, fortan fürwähren, und alltäglich eingehoben
werden, oder ob selbe nur zu einer gewissen Jahreszeit eingehen.
[3, 9, § 8] 104. Ersteren Falls, als da ein vermiethetes
Haus, oder ein ausgelehntes Roß, oder anderes Ding verkaufet würde, ist der
Betrag des dafür bedungenen Zinses dergestalten zu theilen, daß solcher bis auf
den Tag des geschlossenen Kaufs dem Verkaufer, von diesem Tag aber der weiters
laufende dem Kaufer gebühre, insolange der Bestandhaber oder Pachter von ihme
in der Miethung gelassen wird, und obschon der ganze Zins oder Lohn dem
Verkaufer vorhinein abgeführet worden wäre, so ist dieser doch schuldig von dem
Tag des getroffenen Contracts den Betrag des Zinses dem Kaufer zuruckzustellen.
[3, 9, § 8] 105. Letzteren Falls aber, wo die Nutzungen,
wofür der Zins erstattet wird, nur einmal zu einer gewissen Jahreszeit
eingesammlet werden, als die Feld-, Baum- und Gartenfrüchten ist auf die
Fechsungs- oder Einsammlungszeit zu sehen, ob solche sich vor oder nach dem
Kauf ergebe. Dann sind die Nutzungen nach dem Kauf einsammlet worden, so ist
auch dem Kaufer der ganze Zins dafür abzureichen, wann er bei dem Miethungs-
oder Bestandcontract beharret; für diejenige hingegen, welche schon vor dem
Kauf eingesammlet worden, bleibet der Zins dem Verkaufer, wann gleich solcher
erst nach geschlossenen Kauf entrichtet würde.
[3, 9, § 8] 106. Wann jedoch ein ganzes Gut, Meierhof oder
eine Wirthschaft zur Zeit des fürwährenden Pachts oder Bestands verkaufet, und
deshalben nichts Besonderes verabredet würde, wobei sich der überhaupt für das
Ganze bedungene Zins nach verschiedener Beschaffenheit der Nutzungen nicht
füglich abtheilen und zergliederen lasset, so solle in diesem Fall dessen
Vertheilung mit Rucksicht auf den Tag des Contracts vorgenommen werden, und
solcher bis dahin dem Verkaufer verbleiben, von diesem Tag aber dem Kaufer
gebühren, deme hingegen freistehet, nach vollzohener Uebergabe den Bestand oder
Pachtcontract fortzusetzen, oder denselben abzubrechen.
[3, 9, § 8] 107. Woferne aber der Verkaufer in Uebergebung
der verkauften Sache sich säumig erzeugen, und solche dem Kaufer vorenthalten
würde, so ist er verbunden nicht nur diejenige nach dem Verkauf eingehobene
Nutzungen, welche vorerwähnter Maßen dem Kaufer zu Guten gehen, sondern auch
jene, die er aus seiner Schuld einzuheben unterlassen, demselben zu vergüten.
[3, 9, § 8] 108. Die An- und Zugehörungen der verkauften
Sache gebühren entweder aus einem besonderen über den Beilaß und die Ausnahm
von den Contrahenten eingegangenen Beding, oder aus der Natur der Handlung; in
Ansehen der ersteren giebt die beiderseitige Verbindung Ziel und Maß, nach
welcher sowohl der Verkaufer Alles, was er an Zugehörungen zu verabfolgen
angelobet, dem Kaufer beizulassen, oder den Abgang zu ersetzen schuldig, als
auch dieser auf Jenes, was der Verkaufer sich namentlich ausgenommen, keinen Anspruch
zu machen befugt ist, wann es gleich noch so eine genaue Verknüpfung oder
Zusammenhang mit der verkauften Sache hätte.
[3, 9, § 8] 109. Wo aber derowegen nichts bedungen worden,
und dahero auf die Natur der Handlung zuruckgesehen werden muß, ist zu
unterscheiden, ob die Zugehörungen erst nach geschlossenen Kauf darzukommen,
oder schon zur Zeit des errichteten Contracts bei der verkauften Sache
vorhanden waren, und gleichsam einen Theil derselben ausmachen.
[3, 9, § 8] 110. Diejenige von ersterer Art, welche entweder
aus keiner dem Kauf vorhergehenden, sondern aus einer sich neu ergebenden
Ursach, als z. B. durch Zuwachs
(3-152) des Erdreichs entstehen, oder welche erst nach dem
geschlossenen Kauf verfallen, als Zinsen, Frohndienste oder Robotten bei einem
Gut, gehören dem Kaufer.
[3, 9, § 8] 111. Wohingegen derselbe zu denen aus einer noch
vor dem Kauf sich ereigneten Ursach herrührenden, oder vor dem Kauf schon
verfallenen, obschon noch ausständigen Zugehörungen, als z.B. zu denen vor dem
Verkauf schuldigen Zinsen oder Frohndiensten kein Recht hat, sondern diese
bleiben dem Verkaufer.
[3, 9, § 8] 112. Bei letzteren aber, die zur Zeit des
Contracts schon dabei vorhanden sind, sollen folgende Maßregeln beobachtet
werden, als erstens, wann ein aus mehreren Theilen bestehendes Ganzes verkaufet
wird, sind mit demselben auch alle Theile, welche dieses Ganze ausmachen, für
verkaufet zu achten; also da ein liegendes Gut verkaufet wird, sind auch alle
darzu gehörige Felder, Wiesen, Hutweide, Teiche, Waldungen, Mühlen, Bräuhäuser,
Schäflereien, und überhaupt Alles, was nach Ausweis der Grundbücher oder
Urbarien darzu gehörig ist, mitverkaufet, obgleich deren jedes namentlich nicht
ausgedrucket wird.
[3, 9, § 8] 113. Zweitens werden mit einem verkauften Grund
alle demselben anklebende Rechte, als das Verleihungsrecht der Pfarren, die
hohe und niedere Gerichtsbarkeit, das Zehentrecht u. dgl., wie auch alle dem
verkauften Grund gebührende Dienstbarkeiten auf den Kaufer übertragen, obschon
solche in dem Contract nicht benennet werden.
[3, 9, § 8] 114. Drittens, Alles, was mit der verkauften
Sache einen so beschaffenen Zusammenhang hat, daß es als eine An- und
Zugehörung darzu gewidmet seie, gehöret dem Kaufer; also ist mit einem
verkauften Hause zugleich auch Alles, was erd-, niet- und nagelfest ist,
verkaufet, obgleich solches in dem Contract nicht ausgedrucket wäre.
[3, 9, § 8] 115. Viertens, der alleinige Zusammenhang aber
machet Sachen nicht zu An- und Zugehörungen, wann nicht solche entweder aus dem
Willen und der Absicht des Besitzers, der dieselbe zum beständigen Gebrauch
dahin gewidmet, oder aus der allgemeinen Gewohnheit dafürgehalten werde; also
ist mit einem Roß der Zaun (!) verkaufet, nicht aber auch der Sattel und übrige
Zeug, wann solcher nicht ausdrücklich mitüberlassen wird, desgleichen sind bei
einem verkauften Gut die Fische in Teichen, die Meierpferde, und das Vieh in
Höfen und Schaflereien, nicht aber auch die Fische in Behälteren, und die
herrschaftliche Roß in Ställen miterkaufet.
[3, 9, § 8] 116. Fünftens, umsoweniger aber sind jene Dinge
in Kauf begriffen, welche von Grund und Boden entweder zum Verschleiß, oder zum
eigenen Gebrauch des Verkaufers allschon vor dem Kauf abgesönderet worden, als
das Getreid in Stadeln, die Körner in Speichern, das gefällte Holz in
Waldungen, worunter auch die Windbrüche verstanden werden, der Wein in Keller,
die schon gebrochene Steine in Steinbrüchen u. dgl. mehrere, wovon der
Verkaufer, wann nichts Anderes ausbedungen worden, dem Kaufer nur so vieles,
als nach dem jeden Orts beobachtenden Landsbrauch gemäß der verschiedenen
Beschaffenheit der verkauften Sache der Wirthschaftstrieb erheischet, mit allen
vorhändigen zu einer eingerichteten Wirthschaft gehörigen Geräthschaften und
Erfordernussen beizulassen schuldig ist.
[3, 9, § 8] 117. Sechstens, wann ein Behältnuß verkaufet
wird, ist Jenes nicht mitverkaufet, was darinnen enthalten ist; also da Jemand
einen Keller oder Weingefäß kaufet, ist der Wein nicht mitverkaufet, der etwan
zur Zeit des geschlossenen Kaufs darinnen befindlich ware, woferne nicht
entweder aus der Verabredung der Contrahenten, oder aus dem Betrag des
bedungenen Kaufgelds ein Anderes erhellete.
[3, 9, § 8] 118. Siebentens, gleichwie dagegen das Behältnuß
mit dem darin Enthaltenen nicht verkaufet wird, als da Jemand Wein kaufet,
bleiben nichtsdestoweniger die Fässer dem Verkaufer, wann das Widrige nicht
besonders ausgedrucket worden.
[3, 9, § 8] 119. Achtens, alle schriftliche Urkunden, welche
die verkaufte Sache betreffen, ist der Verkaufer schuldig dem Kaufer
auszuhändigen, doch kann derselbe zu seiner
(3-153) Nothdurft Abschriften davon in Handen behalten; es
wäre dann, daß derselbe eine billige Ursach darzeigen könnte, warum er die
Urkunde selbst zu seinem eigenen Gebrauch bedärfe, in welchem Fall er jedoch
solche nach vollendetem Gebrauch, oder auch, da es sonst die Noth erforderete,
dem Kaufer zuzustellen verbunden bleibet.
[3, 9, § 8] 120. Wo aber wegen der An- und Zugehörungen
zwischen dem Kaufer und Verkaufer ein Stritt vorfiele, hat insgemein der Kaufer
den Beweis entweder aus der selbsteigenen Bestimmung und Widmung des
Verkaufers, oder aus der Gemeinkündigkeit, oder aus dem Zusammenhang mit der
verkauften Sache, oder aus dem Betrag des Kaufgelds oder aus der Lage der
Dingen, oder aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, Handfesten, Urbarien
und Steuerbüchern, oder endlich aus dem Landsbrauch zu verführen.
[3, 9, § 8] 121. Fünftens, muß die verkaufte Sache zur
gesetzten Zeit und an bestimmten Ort dem Kaufer überantwortet werden, wo im
Widrigen der Verkaufer für allen dem Kaufer durch seinen Saumsal verursachten
erweislichen Schaden zu haften hat.
[3, 9, § 8] 122. Diese Uebergabe ist ihrer Wesenheit nach
auf die Uebertragung des Eigenthums dergestalten gerichtet, daß andurch auf den
Kaufer die Befugnuß die verkaufte Sache von männiglich ohngehinderet als sein
Eigen halten und besitzen zu mögen übertragen, oder in Widrigen der Verkaufer
aus der Natur des Contracts zur Gewährleistung verstricket werde, woraus
seinerseits die Verbindlichkeit entstehet, nicht nur den Kaufer wider alle
Ansprüche eines Dritten zu schirmen und zu vertreten, sondern auch, daferne die
verkaufte Sache durch richterlichen Spruch dem Kaufer entzohen würde, allen
dahero erleidenden Schaden ihme zu vergüten, wie es in §. XII ausführlicher
erkläret werden wird.
[3, 9, § 8] 123. Es ist aber der Verkaufer nicht ehender
gehalten die verkaufte Sache dem Kaufer zu übergeben, bis nicht von diesem das
Kaufgeld erleget, oder ihme der Bezahlung halber von dem Verkaufer getrauet,
und Glauben gegeben worden, dann insolange ein oder anderes nicht erfolget,
stehet der Forderung des Kaufers allemal die Einwendung des nichtbezahlten
Kaufgelds entgegen.
[3, 9, § 8] 124. Daferne aber jegleichwohlen die Uebergabe
von dem Verkaufer vor Bezahlung des Kaufgelds, und ohne daß solches dem Kaufer
von ihme geborget würde, vollzohen worden, so sollen zwischen unbeweglichen
Gütern und beweglichen Dingen folgender Unterschied beobachtet werden.
[3, 9, § 8] 125. Bei liegenden Gütern erwirbt zwar sogleich
der Kaufer das Eigenthum, sobald die Kaufverschreibung in die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher einverleibet worden, es möge das Kaufgeld bezahlet oder
geborget worden sein, oder nicht.
[3, 9, § 8] 126. Dahingegen ist der Verkaufer einerseits
insolange nicht schuldig aus dem natürlichen Besitz des verkauften Guts zu
weichen, bis daß nicht das Kaufgeld erleget, oder von ihme dem Kaufer geborget
worden, und andererseits ist ihme unverwehret sich wegen des nicht bezahlten
Kaufschillings in dem Contract zu seiner Sicherheit mit einer ausdrücklichen
Pfandsverschreibung vorzusehen, maßen Wir kein stillschweigendes Unterpfand an
dem verkauften Gut wegen des rückständigen Kaufschillings in Hinkunft weiters
gestatten, sondern solches hiermit der Orten, wo es bishero eingeführet
gewesen, für die künftige Fälle von nun an gänzlich abstellen.
[3, 9, § 8] 127. Bei Fahrnussen aber wirket die bloße
Uebergabe der verkauften Sache insolange nicht die Uebertragung des Eigenthums
an den Kaufer, bis daß nicht das Kaufgeld entrichtet, oder von dem Verkaufer
geborget worden, sondern dieser behält bis dahin das Recht bei gebrechenden
Zahlungsmitteln die verabfolgte Waaren und Fahrnussen, wann sie noch bei dem
Kaufer vorfindig sind, als sein Eigenthum zuruckzuforderen; wiewohlen ein Dritter,
der solche von dem Kaufer mit guten Glauben rechtmäßig an sich gebracht,
derowegen von dem Verkaufer nicht angefochten werden kann.
(3-154) [3, 9, § 8] 128. Damit aber auch alle
Weitläufigkeiten über die Frage, wann das Kaufgeld für geborget zu achten seie
oder nicht, so viel als möglich vermieden werden, so solle die Borgung des
Kaufgelds nur in folgenden zweien Fällen verstanden sein, als erstens, wann dem
Kaufer Zahlungsfristen verstattet, oder von ihme ein Theil des Kaufgelds
angenommen worden, und zweitens, wann der Verkaufer die unter anhaftender
Zahlung dem Kaufer verabfolgte Waaren oder Fahrnussen binnen den nächsten acht
Tagen, von dem Tag der Lieferung an zu rechnen, nicht zuruckgeforderet, oder,
da er solche auf sein Verlangen nicht zuruckerhalten könnte, sich hierowegen
binnen dieser Zeit bei Gericht durch ansuchende Rechtshilfe nicht verwahret
hätte.
[3, 9, § 8] 129. Woferne jedoch aus des Verkaufers eigener
Schuld in seiner Macht nicht stünde, die verkaufte Sache an den Kaufer zu
übergeben, so ist derselbe nebst Wiedererstattung des empfangenen Kaufgelds mit
allen von Zeit seines Saumsals davon vertagten landesüblichen Zinsen noch über
das dem Kaufer für den ihme andurch entgehenden Nutzen und entstehenden Schaden
den achten Theil des bedungenen Werths zu erlegen schuldig, und außerdeme in
dem Fall, daß seinerseits eine geflissentliche Gefährde unterwaltete, nach
richterlichen Befund zu bestrafen.
[3, 9, § 8] 130. Aus dieser Verbindlichkeit des Verkaufers
entspringet die dem Kaufer und seinen Erben wider den Verkaufer und dessen
Erben zu Erlangung der verkauften Sache mit allen ihren Nutzungen und
Zugehörungen gebührende Rechtsforderung, welche bei Käufen beweglicher Dingen
in Fall der an Seiten des Verkaufers ermanglenden contractmäßigen Erfüllung
ohnausweichlich ist, sondern von dem Kaufer allemal angestrenget werden muß.
[3, 9, § 8] 131. Bei liegenden Gütern hingegen hat der
Kaufer insgeheim zu Habhaftwerdung des verkauften Grunds diese Rechtsforderung
nicht nöthig, wann er einen mit denen zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einlage gehörigen Erfordernussen versehenen Contract in
Handen hat, sondern er bedarf nur solchen einverleiben zu lassen, wodurch er
das Eigenthum und den rechtlichen Besitz des verkauften Grund erwirbt, und nach
vollzohener Einverleibung des Contracts ohneweiters sich, wann das Kaufgeld
bezahlet, oder von dem Verkaufer ihme geborget worden, in dessen natürlichen
Besitz setzen kann; woferne aber der Verkaufer hieraus nicht weichen wollte,
ist ihme zu dessen Erlangung auf sein Ansuchen und auf Vorzeigung des
einverleibten Contracts die schleunige Rechtshilfe zu ertheilen.
[3, 9, § 8] 132. So viel es aber die Leistung der übrigen
contractmäßigen Schuldigkeiten anbelanget, stehet dem Kaufer frei, sich an dem
noch herauszugeben habenden Kaufgeld zu halten, und nach Verschiedenheit des
eingegangenen Bedings, ob solches gleich, oder in einer bestimmten Frist zu
bezahlen seie, entweder ersteren Falls dasselbe zu Gericht mit dem Verbot zu
erlegen, daß es dem Verkaufer nicht ausgefolget werde, oder letzteren Falls, um
zu verhinderen, damit hieran nicht etwan ein anderer Glaubiger des Verkaufers
vor seiner ein früheres Recht erwerbe, solches zu verkümmeren, bis daß er
seiner Forderung halber vergnüget werde.
[3, 9, § 8] 133. Dahingegen, wann das Kaufgeld schon
hinausbezahlet, oder der hinter dem Kaufer befindliche Ruckstand zu Bedeckung
seiner Forderung nicht hinlänglich wäre, bleibet dem Kaufer solchenfalls kein
anderes Mittel übrig, als mit der obbeschriebenen Rechtsforderung wider den
Verkaufer zu verfahren.
[3, 9, § 8] 134. Wie dann ingleichen in jenem Fall, da noch
kein auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage gerichteter
Contract ausgefertiget, beide Theile aber jegleichwohlen in dem Kauf eines
liegenden Guts entweder mündlich, oder durch einen Handstreich, oder durch
Errichtung eines sogenannten Interimcontracts schlüssig worden, diese
Rechtsforderung statt hat, um den Verkaufer zur Ausfertigung des förmlichen
Contracts, und zu Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeit zu verhalten;
woferne aber die Handlung nur angestoßen, und in bloßen vorbereitlichen
(3-155) Berednussen, ohne in der Sache einen Schluß zu
fassen, bestanden wäre, wirket selbe auch keine Verfänglichkeit, und gebühret
hieraus keinem Theil eine Rechtsforderung.
§. IX.
[3, 9, § 9] 135. Die Verbindlichkeit des Kaufers hingegen
bestehet in deme, daß er das Kaufgeld mit denen davon entweder ausdrücklich
bedungenen, oder aus Saumsal von dem Tag der Verfallzeit, oder da keine
Zahlungsfrist bestimmet worden wäre, von dem Tag der gerichtlichen Belangung
verwirkten Zinsen bezahle, und alles Dasjenige erfülle, was er in dem Contract
zu leisten gelobt hat.
[3, 9, § 9] 136. Er wird auch von der schuldigen Verzinsung
des Kaufgelds keineswegs enthoben, obgleich derselbe eine rechtmäßige Ursach
hätte, solches zu seiner Sicherheit innenzuhalten, als da die verkaufte Sache
von einem Dritten angesprochen würde; sondern dessen ohnerachtet ist er die
Zinsen insolange davon zu entrichten verbunden, bis daß er der Sache durch
richterliches Urtheil verlustiget werde.
[3, 9, § 9] 137. Doch solle in der Verzinsung des Kaufgelds
die unten seines Orts bestimmende Maß der landesüblichen Zinsen unter keinerlei
Vorwand einer vorgeblichen Entschädigung bei Strafe wucherlicher Handlungen
überschritten werden.
[3, 9, § 9] 138. Gleichwie aber dem Verkaufer oblieget, wann
er sich sonst der contractmäßigen Schuldigkeit entledigen will, das Eigenthum
der verkauften Sache an den Kaufer zu übertragen, also ist nicht weniger dieser
verbunden, das bezahlende Kaufgeld dergestalten des Verkaufers Eigen zu machen,
daß solches von Niemanden als sein eigenes Gut zuruckgeforderet werden möge.
[3, 9, § 9] 139. Es wird jedoch nach denen in zweiten Theil
festgesetzten Maßregeln der Verkaufer sogleich Eigenthümer des Kaufgelds,
alsbald er es mit guten Glauben, und in ungezweifleter Meinung, daß es dem
Kaufer angehöre, zu seinen Handen bekommen hat, obschon es nicht des Kaufers
eigenes, sondern ein fremdes Geld gewesen wäre.
[3, 9, § 9] 140. Woferne aber der Verkaufer das bezahlte
Kaufgeld fremd zu sein gewußt, und solches jegleichwohlen wissentlich
angenommen zu haben überwiesen werden könnte, so behält der Eigenthümer des
Gelds das Recht solches von dem Verkaufer zuruckforderen zu mögen, und der
Kaufer bleibet in der Verbindlichkeit, dem Verkaufer den bedungenen Werth mit
anderen Geld zu erstatten.
[3, 9, § 9] 141. In Gegentheil, wann der Verkaufer die
Eigenschaft des fremden Gelds nicht gewußt, kann auch solches von ihme nicht
mehr zuruckbegehret werden; sondern der Eigenthümer desselben hat sich seines
Schadens halber an den Kaufer, oder an Demjenigen, welcher ihme das Geld
entwendet oder unterschlagen, zu erholen.
[3, 9, § 9] 142. Wann er aber auf diese Art zu seiner
Entschädigung nicht gelangen könnte, so stehet ihme anbeinebst frei, auf die
von seinem Geld erkaufte Sache, wann sie noch bei dem Verkaufer, oder bei dem
Kaufer, oder auch bei einem Dritten an dem Betrug theilhabenden Besitzer
vorhändig wäre, greifen, und sich hieraus bezahlt machen zu können, in welchem
Fall aber, und da er sich der erkauften Sache halten wollte, derselbe dem
Verkaufer das etwan zum Theil noch
(3-156) ausständige Kaufgeld zu bezahlen schuldig,
dahingegen einen dritten Besitzer, welcher die Sache auf rechtmäßige Weise an
sich gebracht, anzugehen nicht befugt ist, außer insoweit, als dieser dem
ersten Kaufer hierauf etwas herauszugeben hätte.
[3, 9, § 9] 143. Damit jedoch der Verkaufer das bedungene
Kaufgeld mit Fug forderen möge, muß derselbe auch seines Orts den Contract
erfüllet, und alles Dasjenige vollzohen haben, oder zu vollziehen bereit sein,
zu wessen Leistung er sich in dem Contract verbunden hat; dann ansonsten stehet
seiner Forderung die Einwendung wegen noch nicht befolgter Uebergabe, oder
seinerseits ermanglender Erfüllung des Contracts entgegen.
[3, 9, § 9] 144. Es wäre dann, daß die verkaufte Sache vor
deren Uebergabe durch Zufall, und ohne seiner Schuld oder Saumsal bei ihme
verloren oder zu Grund gegangen wäre, in welchen Fall es eben also zu halten
ist, als ob solche an dem Kaufer übergeben worden wäre, weilen den zufälligen
Schaden der Kaufer allein zu tragen hat.
[3, 9, § 9] 145. Desgleichen muß die verkaufte Sache zur
Zeit des forderenden Kaufgelds von allen darauf machenden Ansprüchen eines Dritten
frei sein, in Widrigen aber, und da der Kaufer derowegen von einem Dritten
allschon gerichtlich belanget worden, und also die Gefahr des Verlusts der
Sache vorhanden wäre, ist derselbe befugt, den Kaufschilling bis zu Austrag des
Stritts innenzuhalten, oder eine hinlängliche Verbürgung auf dem Fall, wann
ihme durch Recht und Urtheil die Sache abgesprochen werden sollte, von dem
Verkaufer abzuforderen, woferne nicht schon in dem Contract selbst diesfalls
eine den Kaufer genüglich bedeckende Vorsehung geschehen wäre.
[3, 9, § 9] 146. Ferners muss auch keine rechtliche Ursach
unterwalten, wegen welcher der Kaufer die Zernichtung des Contracts, oder die
Verminderung des bedungenen Werths mit Grund anbegehren könnte, als da er über
die Hälfte des rechten Werths verkürzet worden wäre, oder ein heimlicher Mangel
hervorkäme, der die Sache ganz oder zum Theil unbrauchbar machte, dann all
Jenes, was dem Kaufer ein Recht giebt, an dem Verkaufer zu forderen, giebt ihme
auch das Recht sich wider dessen Forderung zu schützen.
[3, 9, § 9] 147. Doch ist der Kaufer in allen diesen Fällen,
wo ihme die Befugnuß das Kaufgeld innenzuhalten zukommet, verbunden, entweder
dem Verkaufer eine hinlängliche und ihme anständige Sicherheit des Kaufgelds
halber auszuweisen, und solches von der Verfallzeit an bis zu Austrag der Sache
zu verzinsen, oder in Ermanglung der Sicherheit dasselbe bei Gericht zur
mittlerweiligen sicheren verzinslichen Ausleihung zu erlegen.
[3, 9, § 9] 148. Aus der Verbindlichkeit des Kaufers
entspringet die wider denselben und seine Erben dem Verkaufer und dessen Erben
gebührende Rechtsforderung zu Bezahlung des Kaufschillings mit denen davon
vertagten Zinsen, und allen erweislich verursachten Schäden und Unkosten, und
überhaupt zu Erfüllung der contractmäßigen Verbindlichkeit.
[3, 9, § 9] 149. Es ist aber auch bei dieser Rechtsforderung
der Unterschied zwischen Käufen beweglicher Dingen, und jenen der liegenden
Güter zu beobachten; in ersteren hat der Verkaufer bei entstehender Zahlung
kein anderes Mittel, als diese Rechtsforderung, um zu seiner Befriedigung zu
gelangen.
[3, 9, § 9] 150. Bei liegenden Gütern hingegen hat der
Verkaufer diese persönliche Rechtsforderung nur in jenen Fällen nöthig, wann
entweder der Kaufer nach geschlossenen Contract solchen in der gehörigen Form
auszufertigen sich weigeret, oder da solcher auch schon ausgefertiget und
einverleibet wäre, die darinnen zur Bedeckung des schuldigen Kaufgelds
verschriebene ausdrückliche Hypothek zu seiner Befriedigung nicht zureichen
würde.
(3-157) §. X.
[3, 9, § 10] 151. Gleichwie der Kauf- und Verkaufcontract
auf beider Theilen Nutzen gleich abzielet, also erwachset auch hieraus auf
beiden Seiten eine gleichmäßige Verfänglichkeit für die Gefährde, dann für die
große und mittlere oder leichte Schuld.
[3, 9, § 10] 152. Es ist dahero der Verkaufer in
Aufbehaltung und Verwahrung der verkauften Sache bis zu deren Uebergabe einen
gleichen, und keinen größeren Fleiß und Sorgfalt, als in seinen eigenen Sachen
anzuwenden schuldig, für die leichteste Schuld aber nur in jenen Fällen zu
halten verbunden, wann er sich entweder ausdrücklich anheischig gemacht, oder
sonst die Gefahr der Sache auf eine deren in hiernach folgenden §.
beschriebenen Arten auf sich genommen hat.
[3, 9, § 10] 153. Dahingegen, wann der Kaufer sich saumig
erzeigete das Kaufgeld zu entrichten, oder die verkaufte Sache von dem
Verkaufer abzunehmen, wird dieser Letztere durch den Saumsal des Ersteren von
der Verfänglichkeit für die leichte oder mittlere Schuld enthoben, und bleibet
nur für die Gefährde und große Schuld verstricket.
§. XI.
[3, 9, § 11] 154. Den an der verkauften Sache vor deren
Uebergabe ohne Schuld des Verkaufers sich ergebenden zufälligen Schaden, er
bestehe gleich in Verringerung, oder Verlust oder Untergang derselben, hat der
Kaufer allein zu tragen, sobald der Kauf mit beiderseitiger Einwilligung also
beschlossen worden, daß aus der Handlung erhelle, was und wieviel, und um was
für einen Werth verkaufet worden seie.
[3, 9, § 11] 155. Diese Regel hat sowohl bei beweglichen,
als unbeweglichen Dingen in allen denjenigen Fällen statt, wo eine gewisse
bestimmte Sache ohne Beifügung einer die Bündigkeit der Handlung bis zu ihrem
Ausgang verschiebenden Bedingnuß verkaufet, oder auch der Kauf über mehrere
Sache überhaupt und in Pausch und Bogen, oder nach dem Augenschein getroffen
wird, wann gleich der Verkaufer sich das Eigenthum der verkauften Sache bis
nach Bezahlung des Kaufgeldes, oder deren Heimfälligkeit auf einen gewissen
Fall vorbehalten hätte, oder auch eine bestimmte Zeitfrist zur Uebergabe der
Sache, oder zum Erlag des Kaufgeldes angesetzet worden wäre.
[3, 9, § 11] 156. Es ist dahero der Kaufer ohnerachtet die
verkaufte Sache auch ganz und gar durch Zufall in Verlust gienge, oder
entwendet würde, oder sonst zu Schaden käme, jegleichwohlen das bedungene
Kaufgeld zu bezahlen schuldig; dagegen aber tritt derselbe nach dessen
Entrichtung in das Recht des Verkaufers dergestalten ein, daß er die etwan noch
ausfindig machende Sache von einem jedweden unrechtmäßigen Besitzer zuruckforderen,
oder von Demjenigen, aus dessen Schuld oder Zuthat dieselbe beschädiget worden,
den Ersatz des erweislichen Schadens anbegehren kann.
[3, 9, § 11] 157. Dieses jedoch leidet in folgenden Fällen
eine Ausnahm, in welchen der Verkaufer allein den zufälligen Schaden zu tragen
hat, und der Kaufer nicht allein von Bezahlung des Kaufgeldes enthoben, sondern
auch, da er es schon erleget hätte, solches anwiederum zurückzuforderen
berechtiget ist, als erstens, da der Verkaufer durch ein ausdrückliches Beding
die Gefahr der Sache bis zu deren Uebergabe auf sich genommen hätte; zweitens,
wann der Zufall aus einer vorhergehenden Gefährde, oder großen, oder auch
leichten Schuld des Verkaufers erfolget wäre.
(3-158) [3, 9, § 11] 158. Drittens, wann der Verkaufer in
Uebergebung der Sache, sich einen Saumsal zu Schulden kommen ließe, nach
Maßgebung dessen, was davon im ersten Capitel, §. IX, num. 127, geordnet
worden; es wäre dann, daß der Verkaufer durch die nachfolgende Anbietung der
Sache seinen vorhergegangenen Saumsal von sich abgeleinet, der Kaufer aber
solche anzunehmen verweigeret hätte, in welchem Fall der sich nachhero durch
Zufall ergebende Verlust der Sache dem Kaufer zu Schaden gehet, weilen allemal
auf den letzteren Saumsal zu sehen ist, woferne bei dem ersteren keine
geflissentliche Gefährde mitunterwaltet.
[3, 9, § 11] 159. Viertens, wann die Sache schon zur Zeit
des geschlossenen Kaufs mit einem heimlichen dem Kaufer nicht angezeigten,
folglich ihme unbekannten Mangel behaftet gewesen wäre, wovon dieselbe vor oder
bald nach der Uebergabe zu Grund gegangen. Also da bei einem verkauften Roß
oder anderen Vieh der Mangel nachhero von denen der Sache erfahrenen Leuten,
oder demjenigen Amt, deme die diesfällige Erkanntnuß oblieget, auf die in der
hierunter bestimmenden Zeit bei der Gehörde davon zu machen habende Anzeige
befunden würde, und solches binnen dreien Tagen von dem geschlossenen Kauf, es
seie noch bei dem Verkaufer, oder auch schon bei dem Kaufer, umstünde, ist die
rechtliche Vermuthung wider den Verkaufer, daß dessen Umfall aus dem
vorhergehenden Mangel erfolget, woferne von ihme nicht das Widerspiel erwiesen
werden kann.
[3, 9, § 11] 160. Fünftens, wann eine Sache nicht stuck-,
sondern gattungsweise verkaufet wird, als z. B. ein Roß aus dem Stall oder Gestüt,
ein Schaf aus der Heerde etc., ohne das Stuck besonders zu bestimmen; es wäre
dann, daß mit Genehmhaltung des Verkaufers von dem Kaufer ein Stuck ausgewählet
und bezeichnet, folglich schon an sich bestimmet worden wäre, dann die
Bezeichnung wirket soviel, als die Uebergabe, oder daß es auch sonst aus den
Umständen erhellete, daß die Handlung auf ein gewisses Stuck, und nicht auf die
Gattung geschlossen worden.
[3, 9, § 11] 161. Sechstens, wann Sachen wechselweise, daß
(!) ist diese oder jene von Mehreren verkaufet worden, und eine davon vor der
beschehenen Auswahl, diese möge entweder nach der oben §. I, num. 8,
enthaltenen Ausmessung dem Verkaufer, oder aus einem besonderen Beding dem
Kaufer gebühren, darauf gegangen wäre, so ist der Verkaufer nichtsdestoweniger
schuldig, die andere noch übrige Sache dem Kaufer auszufolgen.
[3, 9, § 11] 162. Wo aber beide vor der Auswahl, oder auch
darnach die eine Ausgewählte durch Zufall zu Grund gienge, und in dem Fall, da
die Auswahl dem Verkaufer zukäme, solche dem Kaufer vor dem sich ereigneten
Zufall bedeutet worden wäre, so hat der Kaufer den Schaden zu tragen, und da
beide vor der Auswahl vermisset wurden, das Kaufgeld für jene zu entrichten,
welche zuletzt darauf gegangen.
[3, 9, § 11] 163. Siebentens, wann der Contract noch nicht
zu seiner Vollständigkeit gelanget, sondern etwan nur ein Vertrag wegen des
erst in Zukunft schließen wollenden Kaufs eingegangen, oder auch die Handlung
also angestoßen worden, daß selbe nicht ehender bündig sein solle, bis nicht der
Contract in einen schriftlichen Aufsatz gebracht, und von beiden Theilen
ausgefertiget worden, die Sache aber noch vor Ausfertigung des Contractes
verdorben, verloren, oder daraufgehen würde.
[3, 9, § 11] 164. Achtens, wann der Kauf unter einer
ungewissen Bedingnuß geschlossen wird, und die Sache vor Ausgang der Bedingnuß
verdorben, oder vernichtet wurde, ist der Schaden des Verkaufers; da sie aber
nicht ganz, sondern nur zum Theil verdorben, und in ihrem Werth verringeret
worden wäre, hat die nemliche Ausmessung statt, welche oben in zweiten Capitel,
§. XII, von num. 130 bis 132, wegen einer noch vor Abschluß der Handlung zum
Theil verdorbenen Sache vorgeschrieben worden.
(3-159) [3, 9, § 11] 165. Neuntens, wann Sachen nach ihrem
Betrag, das ist nach der Maß, Zahl und Gewicht verkaufet werden, hat den hievon
vor deren Abmessung, Abzählung, oder Abwiegung sich ergebenden zufälligen
Schaden der Verkaufer zu tragen, wann gleich dieselbe von dem Kaufer verkostet
oder bezeichnet worden wären.
[3, 9, § 11] 166. Es seie dann, daß entweder der Kaufer die
Gefahr der Sache durch ein besonderes Beding auf sich genommen hätte, oder der
Kauf überhaupt in Pausch und Bogen, als z. B. über einen Keller Wein, ein
Waarenlager etc., ohne auf einen jeden Theil dieses Ganzen einen besonderen
Preis zu bestimmen, geschlossen, oder die erkaufte Sache vor deren Abmessung,
Abzählung, oder Abwiegung dem Kaufer übergeben, oder dieselbe nicht in sich
selbst verdorben, sondern nur im Preis herabgefallen, mithin in ihrem Werth
vermindert, oder endlich die zur vornehmenden Abmessung, Abzählung oder
Abwiegung angesetzte, oder von dem Verkaufer erinnerte Zeit von dem Kaufer
verabsaumet worden wäre, welchen letzteren Falls der Verkaufer nur für die
Gefährde und große Schuld verfänglich bleibet.
[3, 9, § 11] 167. Da aber in die Zwischenzeit von dem
geschlossenen Kauf und der Uebergabe eine von Uns etwan vorzunehmen nöthig
findende Aenderung der Maß, oder des Gewichts einfiele, ist allemal auf die zur
Zeit des Contracts üblich geweste Maß oder Gewicht zu sehen, also, daß weder
der Verkaufer einen mehreren Betrag, als welcher nach der vorigen Maß oder
Gewicht ausfallet, abzureichen, noch der Kaufer einen minderen anzunehmen
schuldig ist.
[3, 9, § 11] 168. Zehentens, wann Getränke oder Eßwaaren unter
dem ausdrücklichen Beding der vorherigen Verkostung gekaufet worden, kann der
Kaufer, wann er solche bei der Verkostung ihme nicht anständig zu sein findet,
noch allezeit von dem Kauf abstehen; umsomehr dahero fallet der vor deren
Verkostung sich hievon eräußernde Schaden dem Verkaufer zu Last, obgleich die
Fässer von dem Kaufer bezeichnet worden wären.
[3, 9, § 11] 169. Dahingegen nach dem bei der Verkostung
einmal beangenehmten Kauf, hat der Kaufer die Gefahr der Eigenschaft oder
Beschaffenheit zu tragen, als da der verkostete Wein nachhero sauer oder
kamicht wurde; sowie andererseits der Verkaufer, da der Kauf zugleich nebst dem
Beding der Verkostung, auch nach der Maß verabredet worden, ohnerachtet der von
dem Kaufer genommenen Kost jegleichwohlen für den Verlust des Betrags bis zur
erfolgten Zumessung zu stehen schuldig ist.
[3, 9, § 11] 170. Gleichwie aber außer vorbemelten
ausgenommenen Fällen der Schaden dem Kaufer allein zu Last gehet, also gebühret
ihme in Gegentheil auch alle aus der verkauften Sache von dem Tag des
geschlossenen Kaufs abfallende wie immer Namen haben mögende Benutzung mit
alleiniger Ausnahm derjenigen Nutzungen, welche nach dem obigen Aufsatz in §.
VIII, von num. 96 bis 107, dem Verkaufer zu verbleiben haben; doch ist der Kaufer
dagegen verbunden, dem Verkaufer alle nach geschlossenen Kauf auf die verkaufte
Sache gemachte nothwendige und nutzliche Auslagen und Unkosten zu vergüten
§. XII.
[3, 9, § 12] 171. Aus der Natur des Kauf- und
Verkaufcontracts, welcher seiner Wesenheit nach eine entgeltliche Handlung ist,
entspringet ferners an Seiten des
(3-160) Verkaufers die Verbindlichkeit zu Leistung der
Gewähr, welche nichts Anderes ist, als eine Verpflichtung zu Ersetzung des
Schadens, welchen der Besitzer eines von
(3-161) Jemanden aus entgeltlicher Ursache an sich
gebrachten Guts daher leidet, daß ihme solches wegen des einem Dritten daran
zustehenden Rechts durch richterlichen Ausspruch ganz oder zum Theil entzohen
worden.
[3, 9, § 12] 172. Die Schuldigkeit zur Leistung der Gewähr
entstehet entweder aus einem besonders eingegangenen Beding oder Vertrag,
wodurch Jemand sich darzu verbunden, oder wann auch derowegen ausdrücklich
nichts bedungen worden, schon gleichsam stillschweigend aus der Natur und
Eigenschaft gewisser Handlungen, worinnen die Billigkeit erforderet, daß
Derjenige, der einer entgeltlich erworbenen Sache ohne seiner Schuld aus einer
vorhergehenden Behaftung verlustiget wird, von dem Anderen derohalben schadlos
gehalten werde.
[3, 9, § 12] 173. Von dieser Art sind alle entgeltliche
Handlungen, wodurch Jemand Sachen gegen deme an sich bringet, daß er dafür
hinwiederum etwas gebe, oder thue, als in Kaufen und Verkaufen, in
Tauschcontract, in Annehmung an Zahlungs statt, in Theilungen der Erbschaften
oder anderen gemeinen Gütern, in Mieth- und Pachtungen, in Erbzins-Contracten
oder Handfesten, in Vergleichen und überhaupt in allen anderen Verträgen,
worinnen eine Sache auf Jemanden entgeltlich übertragen wird.
[3, 9, § 12] 174. Dahingegen hat die Leistung der Gewähr in
allen unentgeltlichen Handlungen, als in Schankungen und Vermächtnissen
insgemein nicht statt; es seie dann, daß die Schankung aus einer
vorhergegangenen, oder künftigen Ursache einer von dem Schenkenden sich dagegen
ausbedungenen Gegenvergeltung geschehe, oder die geschenkte Sache zum
Heirathgut gegeben, oder die Gewährleistung von dem Schenkenden ausdrücklich
versprochen, oder auch wissentlich eine fremde Sache geschenket und der Andere,
deme diese Beschaffenheit nicht bekannt ware, andurch in Schaden und Unkosten
versetzet worden wäre. In welchen Fällen aber bei Vermächtnussen die Gewähr zu
leisten seie, ist bereits in zweiten Theil seines Orts erwähnet worden.
[3, 9, § 12] 175. Wem dahero ein aus entgeltlicher Ursache
an sich gebrachtes Gut von einem Dritten angestritten, und durch rechtliches
Urtheil abgesprochen wird, hat sowohl für sich, als für seine Erben die
Befugnuß den Anderen, von deme dasselbe unmittelbar auf ihn übertragen worden,
um die Gewährsleistung zu belangen, niemalen aber den ersten Verkaufer oder
Veräußerer derowegen anzufechten; woferne ihme nicht von dem zweiten Verkaufer,
dessen an dem ersten habende Ansprüche namentlich abgetreten und überlassen
worden.
[3, 9, § 12] 176. Jene in Gegentheil, welche ein Gut an
jemanden Anderen verkaufen, oder aus einer von obermelten entgeltlichen
Handlungen veräußeren, sind für sich und ihre Erben zur Gewährleistung
verbunden, und wird ein solcher in Absicht auf den Besitzer des angestrittenen
Guts eigentlich der Gewährsmann genennet; wo aber nach ihme mehrere Erben
vorhanden, sind zwar alle zur Vertretung oder Schirmung vorzuladen, zur
Schadloshaltung hingegen deren jeder nur nach Maß seines Erbantheiles
verpflichtet.
[3, 9, § 12] 177. Es ist jedoch zur Gewährsverbindlichkeit
erforderlich, daß der Verkaufer oder sonstige Veräußerer in seinem eigenen und
keines Dritten Namen die Handlung abgeschlossen, und die Sache übergeben habe,
dann wo es in Namen und anstatt eines Dritten geschehen wäre, lieget diesem und
nicht dem Uebergebenden die Gewährleistung ob.
[3, 9, § 12] 178. Also da auf Anlangen der Glaubigeren ein
verhypothecirtes Gut verkaufet wird, sind nicht die Glaubigere, sondern der
Schuldner die Gewähr zu leisten schuldig, wann jene solche nicht ausdrücklich
auf sich genommen haben; desgleichen können die Vormündere oder Gerhaben und
Curatores, die Befehlshabere und Bevollmächtigte, und die Richtere bei
öffentlichen Ausfeilungen in ihrem eigenen Namen wegen der Gewährleistung nicht
besprochen werden, wann ihrerseits keine Gefährde oder Arglist bei der Handlung
unterlaufet.
(3-162) [3, 9, § 12] 179. Nicht weniger sind die
Gewährsbürgen, wann deren einige gestellet worden, und ihre Erben zur
Gewährsleistung verbunden, in welchem Fall zwar der Verkaufer oder Veräußerer
zur Vertretung oder Schirmung vorzuladen; um den Ersatz des Schadens aber,
welchen der Kaufer durch Verlust der einem Dritten zuerkannten Sache erleidet,
allemal die Bürgen oder deren Erben vor dem Verkaufer oder Veräußerer zu
belangen sind, woferne dieselbe sich nicht bloß allein zu Schadlosbürgen
bestellet hätten.
[3, 9, § 12] 180. Diese Verbindlichkeit ab Seiten der
Gewährsbürgen erstrecket sich soweit, daß, wann sie auch wirklich eine obschon
vor der Bürgschaft nicht vorgesehene rechtsgegründete Forderung an dem
veräußerten Gut, dessen Gewähr dieselbe verbürget haben, von einem Dritten
überkämen, sie jegleichwohlen den Kaufer oder Besitzer, deme von ihnen die
Bürgschaft geleistet worden, derowegen anzufechten nicht befugt sind, sondern
sich ihres Schadens halber an den Verkaufer oder Veräußerer, für den sie
gutgestanden, zu erhohlen haben.
[3, 9, § 12] 181. Welches auch von denen Erben der
Gewährsbürgen in jenem Fall zu verstehen ist, wann die Ansprüche an dem
verkauften Gut durch Erbanfall von denen Bürgen auf sie gediehen wären, nicht
aber, da denenselben solche aus eigenem Recht zuständen, dann solchen Falls ist
ihnen zwar nicht verwehret, ihre Ansprüche auf das verkaufte Gut auszuführen,
nichtsdestoweniger aber bleiben sie in der Verbindlichkeit den Kaufer wegen
Verlust der Sache nach Kräften der Erbschaft zu entschädigen, doch allemal mit
Vorbehalt der Wiedererhohlung an den Verkaufer.
[3, 9, § 12] 182. Umsoweniger kann der Verkaufer, oder
dessen Erben, oder auch ein Anderer, auf welchen eine derlei Forderung
übertragen worden wäre, wegen eines nach der Hand hervorkommenden, oder von
weme immer erwerbenden Anspruchs das einmal verkaufte Gut anstreiten, sondern
es stehet ihme jederzeit die Einrede des verkauften und übergebenen Guts
entgegen; dann Derjenige, von deme die Gewährsleistung geforderet werden kann,
wird umsomehr mit seinem Anspruch an dem verkauften Gut durch diese Einrede
abgewiesen.
[3, 9, § 12] 183. Es wäre dann, daß er das Gut nicht in
seinem, sondern eines Dritten Namen verkaufet, oder daß er es zwar in seinem
Namen verkaufet hätte, bei dem von einem Dritten erregenden Anspruch aber
solchen in dessen Vollmacht verführen wollte, oder auch, daß demselben eine aus
der Kaufhandlung selbst entspringende Befugnuß gebührete, das verkaufte Gut
zuruckzuhalten, oder zuruckzuforderen, als da das Kaufgeld weder bezahlet, noch
geborget, oder wegen nicht bezahlten Kaufgelds, die Heimfälligkeit des
verkauften Guts bedungen worden, oder sonst der Kauf an sich null und nichtig
wäre.
[3, 9, § 12] 184. Da aber außer diesen Fällen der Verkaufer
einen Anspruch an dem verkauften Gut machen würde, so stehet dem Kaufer frei,
ob er sich mit der obigen Einwendung schützen, oder gegen der ihme aus der
Gewährsverbindlichkeit zu leisten habenden vollkommenen Entschädigung das Gut
fahren lassen wolle.
[3, 9, § 12] 185. Die Leistung der Gewähr hat insgemein nur
bei unbeweglichen und unkörperlichen Dingen, nicht aber auch bei beweglichen
Sachen statt; dann entweder bringet Jemand eine fremde bewegliche Sache durch
entgeltliche Handlung mit guten Glauben auf rechtmäßige Art an sich, und
solchen Falls kann er derowegen nicht mehr angefochten werden, oder er weiß
dieselbe fremd zu sein, und könnte auch dieser Wissenschaft halber überführet
werden, und in diesem Fall hat er sich auf seine eigene Gefahr in die Handlung
eingelassen, woferne der Gewährsmann sich nicht ausdrücklich zur Entschädigung
verpflichtet hätte.
[3, 9, § 12] 186. Bei liegenden Gütern hingegen kann die
Gewährsleistung in allen denenjenigen Fällen geforderet werden, wann das
verkaufte Gut von einem Dritten ganz oder zum Theil, oder auch ein solches
Recht an demselben angestritten wird, ohne welchem der Besitzer zu dem vollen
Eigenthum nicht gelangen könnte, oder welches in dem Contract namentlich
mitverkaufet worden.
(3-163) [3, 9, § 12] 187. Dahero ist der Gewährsmann für die
dem verkauften Gut von den nachbarlichen Grund Zeit seines Besitzes geleistete
Dienstbarkeiten zu stehen nicht verbunden, wann er solche nicht ausdrücklich
mitverkaufet hat, wohl aber ist derselbe für die dem verkauften Gut aufbürden
wollende Dienstbarkeiten die Gewähr zu leisten schuldig, wann solches von ihme
für frei verkaufet worden.
[3, 9, § 12] 188. Dieses verstehet sich jedoch nur von
denenjenigen Rechten, welche aus Handlungen deren Privatpersonen gebühren; dann
so viel es die Uns von dem verkauften Gut zu entrichten kommende Steuern
anbetrifft, sie mögen schon vorhin gewöhnlich gewesen sein, oder erst neu
angeleget werden, so höret derowegen alle Gewährleistung auf, wann gleich das
Gut für steuerfrei verkaufet worden wäre.
[3, 9, § 12] 189. Desgleichen kann die Gewährsleistung bei
einen bloß nach dem Augenschein in seinen Rainen und Grenzen ohne Anschlag des
Betrags verkauften Gut in jenem Fall nicht angesuchet werden, wann die Rainen
und Grenzen nachhero angestritten werden; es seie dann, daß solche von dem
Verkaufer ordentlich ausgewiesen, oder auch ein Anschlag, worauf der Contract
geschlossen worden, verabfasset worden wäre.
[3, 9, § 12] 190. Was aber dem Kaufer an denen ihme von dem
Verkaufer in dem Contract zugesagten Zugehörungen abgehet, zu dessen Erlangung
bedarf er keiner Gewähr, sondern es ist schon die aus dem Contract gebührende
Forderung hierauf gerichtet, dann die Gewähr kann nur damals anbegehret werden,
wann das übergebene Gut ganz oder zum Theil von einem Dritten angesprochen
wird; inwieweit sich aber bei unkörperlichen Dingen, als Rechten und
Forderungen die Verbindlichkeit zur Gewährsleistung erstrecke, wird in
dreiundzwanzigten Capitel, §. IV, abgehandlet werden.
[3, 9, § 12] 191. Die Gewährsverbindlichkeit hat zweierlei
Wirkungen, als erstens, daß der Gewährsmann den Besitzer wider die Ansprüche
eines Dritten bei Gericht auf eigene Unkosten vertreten, schirmen und
vertheidigen müsse, und zweitens, daß derselbe, wann ohnerachtet seiner
vorgebrachten Behelfen die angestrittene Sache einem Dritten zugesprochen
würde, den Besitzer schadlos zu halten schuldig seie.
[3, 9, § 12] 192. Damit aber der Gewährsmann zu Leistung so
des Einen, wie des Anderen mit Fug angegangen werden möge, müssen nachfolgende
Erfordernussen hinzutreten, als erstens, daß der Kaufer die wegen des
verkauften Guts von einem Dritten erhobene Klage binnen vierzehen Tägen von der
ihme zugekommenen Ladung oder Beschickung dem Verkaufer gerichtlich ankündige,
und auf ihn eine Ladung zu dem Ende auswirke, damit er ihn bei Gericht wider
Klägers Anspruch vertrete, die Klage möge auf das Eigenthum, oder auch nur auf
den Besitz gerichtet sein.
[3, 9, § 12] 193. Ingleichen ist diese Ankündigung in jenem
Fall nothwendig, wann zwar kein Rechtsstritt des verkauften Guts halber
erreget, sondern wegen einer darauf haftenden an dem Kaufschilling nicht
ausgewiesenen Forderung von einem Dritten die Execution in das verkaufte Gut
verführet würde.
[3, 9, § 12] 194. Welchen Falls der Kaufer gleichermaßen binnen
vierzehen Tagen von dem ausgewirkten ersten Grad der Execution dem Verkaufer
dessen Ankündigung zu thuen hat; daferne aber der Verkaufer binnen denen
nächsten vierzehen Tagen von der ihme zugestellten Ankündigung weder etwas
Rechtserhebliches wider die angestrengte Execution einbringen, noch das Gut von
der Forderung befreien würde, ist zu unterscheiden, ob der Kaufer noch einige,
auf keine sonderheitlich ausgedruckte Gewährsfälle, weder sonst zu irgend einer
anderen Verwendung ausgewiesene, dem Verkaufer hinauszuzahlen habende
Kaufgelder, welche zu Abstoßung dieser Schuld hinreichend wären, in Handen habe
oder nicht.
[3, 9, § 12] 195. Ersteren Falls lieget ihme ob, die auf dem
verkauften Gut haftende Schuld abzutragen, und andurch die weitere Execution abzuwenden,
das Hinausbezahlte aber an dem Kaufgeld abzurechnen, wo in Widrigen, und da
derselbe wegen verzögerter Zahlung es auf den letzten Grad der Execution
ankommen ließe,
(3-164) und dadurch des Guts verlustiget würde, er den
Verlust des Guts seiner eigenen Schuld beizumessen hat, daß er Dasjenige nicht
vorgekehret habe, was in seiner Macht gestanden, um das Gut zu erhalten;
letzteren Falls aber ist ihme der Verkaufer die vollkommene Entschädigung, wie
in einem jedweden anderen Gewährsfall zu leisten schuldig.
[3, 9, § 12] 196. Wiewohlen aber also ein Gewährsmann
insgemein nur zur Vertheidigung und Vertretung des Kaufers, nicht aber selbst
den Kläger abzugeben verpflichtet ist, so ist jedoch der Fall davon
ausgenommen, wann die Vertheidigung auf keine andere Art, als durch die
Nothwendigkeit zu klagen bewirket werden kann, als da es sich ergäbe, daß ein
Dritter wegen seines Anspruchs an dem verkauften Gut den Kaufer nicht klagen
wollte, sondern ihn nur außergerichtlich durch Thathandlungen in dem Besitz
beunruhigen, oder auch gar aus dem Besitz setzen würde, also zwar, daß der
Kaufer selbst zu klagen bemüßiget wäre.
[3, 9, § 12] 197. In diesem Fall ist der Kaufer ebensowohl,
als ob er selbst geklaget würde, befugt, dem Verkaufer die bevorstehende
Nothwendigkeit der einzubringen habenden Klage anzukündigen, und hierinnen
seinen ihme zu leisten schuldigen Beistand anzubegehren.
[3, 9, § 12] 198. Die Ankündigung hat die Wirkung, daß der
Gewährsmann den Kaufer bei derjenigen Gerichtsstelle, wo die Klage angebracht
wird, zu vertreten, oder da er eine rechtserhebliche Ursache, wegen welcher
derselbe von der Gewährsverbindlichkeit enthoben zu sein vermeinete, dagegen
einzuwenden hätte, solche binnen denen nächsten vierzehen Tägen von der ihme
zugestellten Ankündigung bei eben diesem Gerichtsstand einzubringen schuldig
seie, worüber das Gericht auf das Schleunigste zu verfahren, und ob ein
Gewährsfall vorhanden seie oder nicht, zu erkennen hat.
[3, 9, § 12] 199. Indessen jedoch, und bis diese Erkanntnuß
nicht erfolget, oder der Gewährsmann sonst die Vertretung nicht gutwillig auf
sich genommen, solle die Strittsache zwischen dem Dritten und dem Kaufer
allwegs ihren ohnausgesetzten Fortgang haben, und der Kaufer in denen
anberaumten Fallfristen seine Nothdurftshandlung zu verführen, folglich das Gut
nach Möglichkeit auf Gefahr des Verkaufers wider die Ansprüche des Dritten zu
vertheidigen gehalten sein.
[3, 9, § 12] 200. Sobald aber, als der Gewährsmann die
Vertretung des Beklagten auf sich genommen, und sich auf die Klage eingelassen,
ist der Beklagte von aller weiteren Rechtstheidigung enthoben, und der
Verkaufer allein schuldig, in eigenen Namen, und auf seine Unkosten den
Rechtsstritt auszuführen.
[3, 9, § 12] 201. Doch stehet ihme die nemliche Befugnuß,
wie dem letzteren Kaufer zu, den wider das Gut erhobenen Anspruch anwiederum
seinem Gewährsmann, da er einen hätte, anzukündigen, und dessen Vertretung
abzuheischen, also daß sich allemal der nachfolgende Besitzer des
vorhergegangenen zu halten hat, wann dieser nach Beschaffenheit der Handlung,
oder selbsteigenen Verbindung zur Gewährleistung verpflichtet, und diese noch
nicht verjähret, oder sonst in andere Wege aufgehoben ist, folglich man
gleichsam stufenweis bis auf jenen deren vorigen Besitzeren gelangen kann, von
dessen Besitzzeit der Anspruch eines Dritten hergeleitet wird.
[3, 9, § 12] 202. Würde aber der Gewährsmann keine zu Recht
bestehende Entschuldigungsursache, warumen er von der Gewährleistung befreiet
zu sein glaubete, bei Gericht einbringen, oder die Vertretung gar verweigeren,
und dergestalten den Kaufer in Vertheidigung des Guts hilflos und ohne Beistand
lassen, in solchen Fall muß zwar der Kaufer den Rechtsstritt wider Klägern, so
gut er kann, fortsetzen; der Gewährsmann hingegen bleibet in der Verbindlichkeit,
nicht allein den Kaufer, da er sachfällig wurde, nach der hier unten folgenden
Ausmessung schadlos zu halten, sondern auch auf dem Fall, da er das Gut
behauptete, ihme die auf den Rechtsstritt ausgelegte erweisliche Unkosten, wann
deren Vergütung in der richterlichen Erkanntnuß dem sachfälligen Theil nicht
auferleget worden wäre, zu ersetzen.
[3, 9, § 12] 203. Dem Gewährsmann bleibet
hingegen unverwehret, solange die in Unserer
(3-165) Gerichtsordnung zur Beweisführung und
Nothdurftshandlung vorgeschriebene Zeit annoch fürwähret, und ehe und bevor die
in Sachen verhandlete beiderseitige Acten geschlossen werden, in den
Rechtsstritt einzutreten, und die Vertheidigung der Sache in denjenigen Stand,
worinnen sich der Rechtsstritt zur Zeit seiner Eintretung befindet, auf sich zu
nehmen; nach geschlossenen Acten aber ist derselbe nicht mehr zuzulassen.
[3, 9, § 12] 204. Zweitens wird zur Gewährsverbindlichkeit
erforderet, daß dem Kaufer das Gut ganz oder zum Theil durch Urtheil und Recht
aberkannt, und entweder bereits abgenommen, oder doch wenigstens aus dem in
Rechtskräften erwachsenen Urtheil die andringende Execution zu besorgen seie.
Dahero kann der Kaufer keine Gewähr suchen, wann er das Gut vor dem Urtheil
freiwillig hingegeben, oder sich mit Klägern darüber verglichen, oder dasselbe
sonst durch willkürliche Erwählung einer schiedsrichterlichen Erkanntnuß, oder
durch Unglücksfälle, oder durch eine größere Gewalt verloren hätte; dann wider
Gewalt ist Niemand zu gewähren schuldig.
[3, 9, § 12] 205. In jenem Fall aber, da ein Gut von Uns
eingezohen würde, ist zu unterscheiden, ob dessen Einziehung aus einem Uns
hieran schon vor dem Kauf gebührenden Rechtsanspruch, oder aber aus
landesfürstlicher Machtsvollkommenheit, da es die gemeinsame Wohlfahrt des
Staats erforderete, verhänget worden. Ersteren Falls sein Wir gnädigst gemeinet
Unsere eigene Rechtsansprüche auf die Güter Unserer Unterthanen, wo deshalben
keine besondere Ausnahm geordnet ist, nach diesen unseren Gesetzen beurtheilen
zu lassen, folglich hat die Gewähr ebensowohl statt, als ob das verkaufte Gut
von jedweden Anderen angesprochen worden wäre; letzteren Falls hingegen ist der
Verkaufer von der Schuldigkeit der Gewährleistung befreiet.
[3, 9, § 12] 206. Es wäre dann, daß derselbe sich auf diesen
Fall ausdrücklich darzu verbunden hätte, oder seinerseits eine geflissentliche
Gefährde unterwaltete, als da ihme vor der abgeschlossenen Handlung die
bevorstehende Einziehung wohl bekannt gewesen wäre, oder daß endlich auch der
verkaufte Grund zwar nach getroffenen Kauf, aber noch vor dessen Uebergabe
eingezohen würde, welchen Falls jedoch der Verkaufer bloß allein zur
Zuruckstellung des empfangenen Kaufschillings, und außerdeme zu keiner mehreren
Schadloshaltung des Kaufers verpflichtet ist.
[3, 9, § 12] 207. Drittens ist erforderlich, daß das Gut dem
Kaufer aus einer vor seinem Besitz vorhergegangenen Ursache abgesprochen werde;
dann die künftige nach dem geschlossenen Kauf sich ergebende Fälle schaden dem
Kaufer und nicht dem Verkaufer. Es muß aber diese Ursache aus einer
verbindlichen Handlung des Letzteren, oder eines weiteren Gewährsmannes,
wodurch er das Gut einem Dritten verfänglich gemacht hat, und nicht etwan aus
einer ohne Schuld des Verkaufers dem Gut anklebenden Eigenschaft ihren Ursprung
herleiten.
[3, 9, § 12] 208. Dahero, wann das verkaufte Gut aus
freundschaftlichen Einstandsrecht, oder einem sonstigen, Jemanden gebührenden
rechtlichen Näherkauf von einem Dritten an sich gezohen wird, oder da ein in
brüderlicher Theilung übernommenes Lehen nach Abgang des Besitzers auf die
rechtmäßige Lehenserben zuruckfiele, ist der Verkaufer oder der andere Miterb
zu keiner Gewährleistung verbunden, insoferne derselbe nicht ausdrücklich das
Gut von einer solchen Eigenschaft frei zu sein gewähret, oder auf einen
dergleichen sich ergebenden Fall die Gewährleistung namentlich angelobet hätte.
[3, 9, § 12] 209. In Gegentheil hat die Gewährleistung
statt, wann das Gut aus einem zwar vor geschlossenen Kauf bedingten, aber noch
vor Einverleibung des Kaufcontracts in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
gediehenen Näherkauf oder Wiederkauf angestritten würde; dann gleichwie
solchenfalls die Ursache des Anspruchs aus der Verbindung des Gewährsmanns
ihren Ursprung hat, also ist auch dieser mit der Gewähr allerdings dafür zu
haften schuldig.
(3-166) [3, 9, § 12] 210. Viertens ist nothwendig, daß der
Kaufer aus dem stärkeren Recht des Klägers, und nicht aus seiner selbsteigenen
Schuld sachfällig werde; es machet sich aber Beklagter einer Schuld auf
zweierlei Art verfänglich, nemlich einerseits in der Ausübung, als da er ein
Gut wider den Verbot Unserer Gesetze erkaufet, oder das Gut vor dem Kauf fremd
oder behaftet zu sein wohl gewußt, oder den Verkaufer durch ein ausdrückliches
Beding von der Gewährleistung losgezählet, oder auch dem Kläger selbst
willkürlich den entscheidenden Eid aufgetragen, oder endlich zur Klage selbst
den Anlaß gegeben hätte.
[3, 9, § 12] 211. Und andererseits in der Unterlassung
dessen, was ihme zu thuen obgelegen wäre, als da derselbe die erhobene Klage
seinem Gewährsmann nicht angekündiget, oder da auch auf die geschehene
Ankündigung der Gewährsmann sich zur Vertretung nicht würde haben verstehen
wollen, eine ihme wohlbekannte rechtserhebliche Einrede wider die Klage
einzuwenden, oder von der auf den oberen Richter mittelst der Appellation oder
Revision, welche er jedoch einzuwenden nicht schuldig ist, angemeldeten
Berufung ohne Ursach abgelassen, oder wegen seines Ungehorsams wider sich ein
erstandenes Recht ergehen, oder die rechtlich ausgesetzte Fallfristen
verstreichen lassen, und überhaupt Dasjenige nicht beobachtet hätte, was die
rechtliche Ordnung in Vertheidigung der Sache vorzukehren erheischet.
[3, 9, § 12] 212. Bei Zusammentreffung aller dieser
vorbeschriebenen Erfordernussen hat die Gewährsverbindlichkeit, sie möge aus
einem Beding, oder aus der Natur der Handlung gebühren, ihre vollkommene
Wirkung, und verpflichtet den Gewährsmann zur gänzlichen Entschädigung des
Besitzers, welcher auf gleichbemelte Art und Weis des auf ihn übertragenen Guts
verlustiget worden.
[3, 9, § 12] 213. Diese Schadloshaltung bestehet so ein als
anderen Falls nicht allein in Wiedererstattung des Werths, sondern noch darüber
in dem achten Theil dessen, was die verlorene Sache zur Zeit des Contracts
gegolten hat, nebst Ersetzung aller durch den Rechtsstritt verursachten
erweislichen Gerichtsschäden und Unkosten.
[3, 9, § 12] 214. Der Werth, wann solcher nicht, wie bei
Käufen, schon an sich gewiß und bestimmet ist, solle bei anderen entgeltlichen
Handlungen allemal in Rucksicht auf die Zeit des Contracts ausgemessen, und
entweder mittelst gerichtlicher Schätzung, oder da die Gestalt der Sachen sich
von Zeit des Contracts also geänderet hätte, daß der damalige Werth durch den
Weg der Schätzung nicht verläßlich erforschet werden könnte, mittelst des Eides
der Wahrheit erwiesen werden.
[3, 9, § 12] 215. Der achte Theil aber, welchen der
Gewährsmann über Erlag des Werths mit allen Gerichtsschäden und Unkosten zu
entrichten schuldig ist, gebühret zur Vergeltung des durch Verlust der Sache
dem Besitzer entgangenen Nutzens und entstandenen Schadens dergestalten, daß
darüber keine weitere Beweisführung, noch eine mehrere Forderung deshalben
zugelassen werden solle, sondern der Besitzer sich darmit zu begnügen hat, wann
gleich das Beding der Gewähr auf einen höheren Betrag eingegangen worden wäre;
doch ist denen Contrahenten unverwehret, die Gewährsschuldigkeit auf eine
mindere Summe herabzusetzen.
[3, 9, § 12] 216. Diese Entschädigung muß in Ermanglung
eines besonderen Bedings mit der nemlichen Rechtsforderung, welche aus
demjenigen Contract gebühret, wodurch das verlustigte Gut übertragen worden,
gesuchet werden, und daferne der gewährsuchende Theil entweder das Kaufgeld,
oder sonst etwas, was derselbe dem Gewährsmann aus dem Contract zu leisten
schuldig gewesen wäre, annoch in Händen hätte, kann derselbe es zuruckhalten,
und wann der Contract schon einverleibet wäre, sich mittelst eines
gerichtlichen Kummer und Verbots bis zu Austrag der Sache hieran verwahren.
[3, 9, § 12] 217. Wo aber die Gewährleistung in dem Contract
ausdrücklich bedungen worden wäre, ist zu unterscheiden, ob darinnen gewisse
Gewährsgelder zur Sicherheit ausgewiesen, und dem Besitzer in Handen gelassen,
wie auch beinebst auf dem
(3-167) Fall der Verlustigung des Guts eine besondere
Hypothek, woran sich des Schadens halber zu erholen wäre, verschrieben worden
oder nicht.
[3, 9, § 12] 218. Ersteren Falls, wann der Contract
einverleibet ist, bedarf der gewährsuchende Theil keiner Rechtsforderung,
sondern derselbe kann nach vorläufiger Darzeigung oder Liquidirung des ihme aus
der Gewährsverbindlichkeit nach obiger Ausmessung gebührenden Betrags, worüber
mit der richterlichen Erkanntnuß schleunig fürzugehen ist, sofort die
gerichtliche Einweisung deren ihme in Handen gelassenen Gewährsgeldern,
insoweit solche zu seiner Befriedigung zureichen, anbegehren, und dergestalten
durch die Gegenvergeltung seine Entschädigung erlangen, wegen des übrigen
Betrags hingegen die Execution in die ihme verschriebene Hypothek verführen.
[3, 9, § 12] 219. Letzteren Falls aber, oder wo auch der
Contract zur Einverleibung nicht gelanget wäre, hat er kein anderes Mittel, als
nach Maß des getroffenen Bedings die ihme hieraus zukommende persönliche
Rechtsforderung wider den Gewährsmann anzustrengen, und andurch seine
Entschädigung zu erhalten.
[3, 9, § 12] 220. Die Gewährsverbindlichkeit, welche aus der
Natur der Handlung entstehet, daueret so lang, als sich das Gut bei dem
Besitzer, auf den es übertragen worden, nicht verjähret hat, wann sie von denen
Contrahenten nicht namentlich auf eine kürzere Zeit beschränket worden. Nach
vollendeter Verjährungszeit aber ist der Gewährsmann von allem Anspruch der
Gewähr halber frei und ledig; was jedoch für eine Zeit zur Verjährung eines
Guts nach Verschiedenheit der Fällen erforderet werde, ist bereits in zweiten
Theil erkläret worden.
[3, 9, § 12] 221. Dieses aber ist lediglich von jenem Fall
zu verstehen, wann der Besitzer unter dieser Zeit nicht angefochten worden,
obgleich derselbe wider die erst nach erfüllter Verjährungszeit erhobene Klage
sich mit der Verjährungseinrede zu schützen unterlassen hätte; dahingegen
woferne vor Ausgang der Verjährung der Gewährsfall sich ereignen, und er binnen
drei Jahren von dem Tag des in Rechtskräften erwachsenen Urtheils seinen
Gewährsmann der Gewähr halber nicht vornehmen würde, erlöschet die
Gewährsverbindlichkeit.
[3, 9, § 12] 222. Eine gleichmäßige Zeitfrist von drei
Jahren setzen Wir auch für die bedungene Gewährleistung dergestalten aus, daß
nach Verlauf dieser Zeit von dem Tag des einverleibten Contracts weder die
ausgewiesene Gewährgelder länger zuruckgehalten, noch an der verschriebenen
Hypothek ein weiteres Recht gesuchet werden könne, sondern gleichwie diese nach
verflossenen drei Jahren ohneweiters von selbsten erlöschet, also ist auch der
Gewährsmann befugt die zurückgelassene Gewährsgelder einzuforderen.
[3, 9, § 12] 223. Es wäre dann, daß der unter dieser Zeit
erhobene Rechtsstritt über das Gut noch nicht geendiget, oder die wirkliche
Gewährsforderung schon vor Ausgang dieser drei Jahren rechtsanhängig gemacht
worden wäre; Wir gestatten jedoch gnädigst, daß wo zu Verjährung eines Guts
eine längere, als die obbestimmte dreijährige Zeit erforderlich wäre, auch nach
Erlöschung der bedungenen die aus der Natur der Handlung zustehende
Gewährleistung jegleichwohlen noch allemal statthaben solle.
§. XIII.
[3, 9, § 13] 224. Bei Käufen und Verkäufen pflegen nach
Willkür deren Contrahenten allerlei Bedinge oder Nebenverträge beigesetzet zu
werden, welche, insoferne sie
(3-168) nichts wider Unsere Gesetze enthalten, ebenso giltig
und rechtsbündig sind, als der Contract sel(b)st.
[3, 9, § 13] 225. Diese Bedinge sind von zweierlei Gattung;
dann entweder sind sie mit dem Wesentlichen des Contracts vereinbarlich, und
erhalten den Contract bei seiner Eigenschaft, oder sie änderen dessen Wesenheit
ab, und geben ihme die Gestalt desjenigen Geschäfts, deme sie in ihrer Art
beikommen. Als da bedungen würde, daß kein Kaufgeld, sonderen etwas Anderes für
die Waare gegeben, oder daß das Eigenthum der verkauften Sache bei dem
Verkaufer verbleiben solle, ist es kein Kauf, sondern ein Tausch-, Miethungs-,
oder ein anderer unbenannter Contract.
[3, 9, § 13] 226. Die mit der Wesenheit des Kaufcontracts
vereinbarliche Bedinge sind von dreierlei Art; dann entweder sind dieselbe auf
die Bestätigung und Gestaltung des Contracts gerichtet, als das Beding der
Gewährleistung, wovon in dem gleichvorhergehenden §. bereits gehandlet worden,
das Haftgeld, der Reukauf oder das Reugeld, die Beifügung eines gewissen Tags,
einer Bedingnuß oder der Weis, wann und wie der Kaufcontract zu seiner
Erfüllung gelangen solle.
[3, 9, § 13] 227. Oder sie zielen auf die Errichtung eines
neuen Contracts ab, als das Beding des Wiederkaufs, des Einstandrechts, oder
Vor- oder Näherkaufs, oder aber auf die gänzliche Auflösung und Vernichtung der
geschlossenen Handlung, als die Beschränkung des Kaufs auf einen gewissen
bestimmten Tag, das Beding des Ruckfalls der verkauften Sache, und überhaupt
alle diejenige Bedinge, wodurch mit beiderseitiger Willkür von dem
geschlossenen Kauf anwiederum abgegangen wird.
[3, 9, § 13] 228. Die auslösende Bedinge haben nach
verschiedener Gesinnung deren Contrahenten zweierlei Wirkung; dann entweder
wird andurch die Handlung für die Zeit des getroffenen Contracts dergestalten
ausgelöset, daß solche auf den bedungenen Fall für niemals geschlossen zu
achten seie, und die Sache in denjenigen Stand, wie selbe zur Zeit der
angefangenen Handlung gewesen, versetzet werde, folglich auch beide
Contrahenten die vollkommene Wiedererstattung alles dessen, was Einer von dem
Anderen von Zeit des errichteten Contracts empfangen, einander zu leisten
haben.
[3, 9, § 13] 229. Oder die Handlung wird durch das
beigeruckte Beding nur für die Zeit des bestimmten Erfolgs ausgelöset, und in
diesem Fall behält der Kaufer alle aus der verkauften Sache bis dahin behobene
Früchten und Nutzungen, sowie andererseits der Verkaufer die von dem
empfangenen Kaufgeld bis auf den Tag der Auflösung abfallende Zinsen.
[3, 9, § 13] 230. Von ersterer Art ist das Beding der
Beschränkung des Kaufs auf einen bestimmten Tag, und des Ruckfalls der
verkauften Sache, von letzterer Art aber alle diejenige Bedinge, wodurch der
geschlossene Kauf mit beider Contrahenten gutwilliger Vereinigung anwiederum
aufgehoben wird, wann sonst nicht ausdrücklich dabei verabredet worden, daß die
Auflösung auf die erstere Art geschehen solle. Von allen diesen Bedingen wird
ein jedes insonderheit hier und in folgenden §§. erkläret werden.
[3, 9, § 13] 231. Unter denen auf die Bestätigung und
Gestaltung des Contracts gerichteten Bedingen ist das erste das Haftgeld.
Dieses ist eine freiwillige Angabe, welche entweder zur Zeugniß des festen
Willens und Vorsatzes den Contract zu schließen, oder zu mehrerer Bekräftigung
des schon geschlossenen Contracts, und der beiderseitigen gutwilligen
Vereinigung über die vorgehabte Handlung abgereichet wird.
[3, 9, § 13] 232. Solches pfleget zwar insgemein von dem
Kaufer dem Verkaufer gegeben zu werden, es ist aber auch diesem unverwehret,
ein Haftgeld dem Kaufer zu
(3-169) reichen, und hat dasselbe überhaupt bei allen
Contracten und Verträgen statt, woraus ein Theil dem anderen etwas zu leisten
hat.
[3, 9, § 13] 233. Es kann entweder in baarem Geld, oder auch
in anderen handelbaren Dingen und nach Gefallen deren Contrahenten in einem
mehreren oder wenigeren Betrag bestehen, wann nur auf dem Fall der sich
zerschlagenden Handlung Dasjenige, was der eine Theil dabei verlieret, und der
andere gewinnet, den achten Theil des Werths der Sache, um die es sich handlet,
nicht übersteiget.
[3, 9, § 13] 234. Wäre ein Haftgeld bedungen worden, und der
darzu verpflichtete Theil würde in dessen Entrichtung saumig sein, kann solches
der andere auch noch vor zu Stand gebrachten Contract von ihme einforderen; ist
es aber wirklich abgereichet, und die Handlung hierauf geschlossen worden, so
heißet es eigentlich ein Angeld, und ist in den Kaufschilling, oder die
sonstige aus dem Contract zu leisten schuldige Gebühr einzurechnen, woferne
deshalben nichts Anderes verabredet worden wäre.
[3, 9, § 13] 235. Dann vornehmlich ist auch jenes zu sehen,
wessen sich die Contrahenten des Haftgelds halber auf diesen oder jenen Fall
untereinander verglichen haben. Daferne aber zwischen ihnen derowegen nichts
ausgemacht worden, und der Schluß der Handlung, wegen welcher ein Haftgeld
gegeben worden, erfolgte nicht, so ist zu unterscheiden, ob die Handlung aus
Zufall, oder mit beiderseitiger Einverständnuß, oder aus Schuld des einen oder
anderen Theils unterbrochen werde.
[3, 9, § 13] 236. Zerschlaget sich dieselbe durch Zufall,
oder mit beider Theilen Willen, so ist das Haftgeld dem Gebenden
zuruckzustellen. Unterliefe aber ein oder anderseitige Schuld, oder ein Theil
wollte sonst die angestoßene Handlung abbrechen, so verlieret der abweichende
Dasjenige, was er zum Haftgeld gegeben; gleichwie dagegen, wann er ein Haftgeld
genommen, derselbe über die Wiedererstattung des Empfangenen noch zur Strafe
einen einfachen Betrag dem anderen Theil zu erlegen schuldig ist.
[3, 9, § 13] 237. Doch verstehet es sich allemal dahin, daß
weder das dem Nehmenden anheim fallende Haftgeld, noch das, was über
Zuruckstellung des Empfangenen dem Gebenden hinausbezahlet wird, sich über den
achten Theil des Werths der Sache, warum es sich gehandelt hat, belaufen solle,
sondern da das gegebene Haftgeld solchen übersteigen würde, ist ersteren Falls
die Uebermaß herauszugeben, letzteren Falls aber der eine zur Strafe zu erlegen
schuldige einfache Betrag hienach abzumessen.
[3, 9, § 13] 238,. Wann hingegen das Haftgeld nach schon
geschlossener Handlung gegeben würde, kommet es auf den Unterschied an, ob es
zu mehrerer Bekräftigung und Festhaltung des getroffenen Contracts als ein
Angeld, oder aber in der Gestalt und Eigenschaft eines Reukaufs oder Reugelds
in der Absicht gereichet worden, daß mit dessen Verlust von dem Contract
abzugehen freistehen solle.
[3, 9, § 13] 239. Ist es bloß ein Angeld, wofür es allemal
angesehen werden solle, wann das Widrige nicht ausgedrucket worden, so ist nach
einmal ordentlich geschlossenen Contract keinem Theil mehr erlaubet auch mit
dessen Verlust davon abzuweichen, sondern dasselbe solle entweder in die
contractmäßige Gebührnuß eingerechnet, oder zu der von denen Parten
verabredeten Bestimmung verwendet werden, wie denn solches in jenem Fall, da es
zum Behuf der Armuth, oder anderen milden Sachen gewidmet wäre, ein
Gottespfennig genennet wird; wäre aber dem Haftgeld namentlich die Eigenschaft
eines Reukaufes oder Reugelds beigelegt worden, so ist es also damit zu halten,
wie in dem gleich nachfolgenden §. geordnet wird.
[3, 9, § 13] 240. Und da auch beinebst in manchen Orten der
Mißbrauch eingeschlichen, daß bei verabredenden oder abschließenden Handlungen,
und insonderheit bei Käufen auf Unkosten des einen oder anderen, oder auch
beider Theilen Gastereien, Mahlzeiten und Zechen angestellet werden, welche
insgemein der Weinkauf genennet zu werden pflegen, so wollen Wir doch solche in
Hinkunft gänzlich und dergestalten abgestellet haben, daß hieran kein Theil an dem
anderen, die Handlung möge zu
(3-170) Stand kommen oder abgebrochen werden, eine Forderung
zu stellen befugt sein, noch weniger eine Rechtshilfe hierauf ertheilet,
sondern ein solches Beding für unkräftig, und der Aufwand für eine freiwillige
unter die contractmäßige Gebührnussen nicht gehörige Auslage angesehen werden
solle.
§. XIV.
[3, 9, § 14] 241. Zweitens gehöret unter diese Gattung von
Bedingen der Reukauf oder das Reugeld, welches ein bedungenes Strafgeld ist, so
Jener zu erlegen verspricht, welcher von dem geschlossenen Kauf oder sonstigen
Vertrag ohne rechtmäßiger Ursache abweichen würde.
[3, 9, § 14] 242. Dann nur in diesem Fall allein, wo sich
die Freiheit der Reue oder des Abstands von dem getroffenen Kauf oder einem
anderen Contract vorbehalten wird, solle das Beding eines Strafgelds zulässig
sein, welches so viel wirket, daß demjenigen Theil, der sich auf dem Fall der
Reue zum Erlag des Strafgelds verbunden, freistehe, entweder dasselbe zu
entrichten, oder den Contract zu erfüllen.
[3, 9, § 14] 243. Niemalen aber solle ein Beding, wodurch
Jemand sich nebst Leistung der contractmäßigen Schuldigkeit zugleich auch zu
einem Strafgeld als zu einem Zwangs- oder Betreibungsmittel verpflichtet, es
seie auf dem Fall, daß er seiner Verbindung nicht gutwillig nachkommen, oder
daß er mit der Zahlung in der gesetzten Zeit nicht einhalten würde, gestattet,
noch weniger der andere Theil berechtiget sein, beides zusammen zu forderen,
sondern ihme blos allein die Auswahl zustehen, ob er sich mit dem Strafgeld
begnügen, und von weiterer Forderung abstehen, oder mit dessen Zurucklassung
auf die Erfüllung des Contracts andringen wolle, in welchem Fall ihme nichts
Mehreres, als die von dem schuldigen Betrag aus Saumsal des Schuldners vertagte
erlaubte Zinsen gebühren.
[3, 9, § 14] 244. Gegentheils giebt das bedingte Reugeld dem
gelobenden Theil die Auswahl, ob er seine eingegangene Verbindung halten, oder
gegen Erlag des Reugelds sich davon entledigen wolle. Die Freiheit der Reue
daueret aber nur insolange, als die Handlung sich noch in ihrer Gänze befindet,
und der Contract ein- oder andererseits nicht erfüllet, oder mit dessen
Erfüllung angefangen worden; dann sobald die Uebergabe der erkauften Sache,
oder die Bezahlung auch nur eines Theils des Kaufschillings erfolget, hat keine
Reue mehr statt, wann sie nicht ausdrücklich weiter hinaus vorbehalten worden.
[3, 9, § 14] 245. Es seie aber ein auf dem Fall der Reue,
oder auf dem Fall der Nichteinhaltung bedungenes Strafgeld, so solle jedoch
solches sich niemalen höher, als auf den achten Theil des Werths der Sache,
warum es zu thun ist, belaufen, also zwar, daß die Uebermaß durchaus ungiltig
sein, und der wiewohlen eine größere Summe gelobende Theil zu nichts Mehreren,
als zu dem Betrag dieses achten Theils verhalten werden solle.
[3, 9, § 14] 246. Doch muß der abweichende Theil, wann
anderst das Reugeld verwirket werden solle, keine rechtmäßige Ursach des
Abstands haben, dann wo es mit beiderseitiger Vereinigung von der Handlung
abkäme, oder die Schuld oder Gefährde des anderen Theils hierzu Anlaß gäbe, hat
dieser auf das Reugeld keinen Anspruch.
[3, 9, § 14] 247. Ein Gleiches ist in dem Fall einer bei
Schließung des Contracts unter dem Beding des Reugelds vorhinein bezahlten
Angabe zu beobachten. Dann in Abweichungsfall bleibet das Reugeld dem
Nehmenden; gleichwie dagegen solches, daferne aus Schuld des Nehmenden die
Handlung sich zerschlüge, oder mit Beider Willen aufgehoben würde, dem Gebenden
zuruckzustellen, und nach erfolgter Erfüllung des Contracts ebenso, wie oben
von Haftgeld erwähnet worden, in die contractmäßige Gebührnuß einzurechnen ist,
wann die genommene Abrede nichts Anderes vermag.
(3-171) §. XV.
[3, 9, § 15] 248. Drittens sind unter diese Art von Bedingen
alle Beisätze der Zeitfristen, Bedingnussen und der Weis, worunter ein Kauf
getroffen wird, zu zählen; dann die Käufe können nicht weniger, als alle übrige
Verträge entweder bedingt oder unbedingt nach Willkür deren Contrahenten
geschlossen werden, wobei alles Dasjenige zu beobachten ist, was oben in ersten
Capitel, §. VII, von der verschiedenen Natur und Wirkung einer angehängten
Bedingnuß, Zeit und Weis mit Mehreren erwähnet worden.
[3, 9, § 15] 249. Es sind aber die bedingte Käufe in der Maß
ebenso rechtsbündig, wie die unbedingte, daß so wenig von den einen, wie von
den anderen abgegangen werden könne, wann die Freiheit der Reue oder des
Abstands nicht namentlich dabei vorbehalten worden, sondern es muß der Ausgang,
oder die Erfüllung der beigesetzten Bedingnuß abgewartet werden.
[3, 9, § 15] 250. Dahingegen die Zeit oder ein gewisser Tag
entweder als er Anfang zu Leistung der contractmäßigen Verbindlichkeit
beigesetzet wird, als da der Kauf dergestalten geschlossen würde, daß nach
einem Monat die Uebergabe erfolgen solle, und in diesem Fall wird nicht die
Verbindlichkeit, sondern nur die Forderung aufgeschoben, oder die Zeit wird zum
Ausgang oder Auflösung der Handlung beigefüget, als da eine Sache Jemanden auf
ein Jahr verkaufet würde, und solchen Falls hat zwar die Handlung ihre
vollkommene Wirkung, nach Ausgang der Zeit aber wird solche aufgelöset.
§. XVI.
[3, 9, § 16] 251. Viertens gehöret unter die Gattung deren
auf Errichtung eines neuen Contracts abzielenden Nebenverträgen das Beding des
Wiederkaufs, wodurch der Verkaufer sich die Befugnuß vorbehält, oder auch sich
gegen dem Kaufer verbindet, die verkaufte Sache hinwiederum gegen
Zuruckstellung des Kaufgelds abzulösen, und sich zu bringen.
[3, 9, § 16] 252. Dieses Beding wird entweder zu des
Verkaufers, oder zu des Kaufers alleinigen, oder zu beiderseitigen Vortheil
dergestalten eingegangen, daß wie dem Verkaufer die Ablösung, also dem Kaufer
die Wiederanbietung und Zuruckstellung der verkauften Sache freistehen solle,
welches aus dem Inhalt des Bedings abzunehmen, und bei vorkommenden Zweifel dasselbe
jedesmal auf den alleinigen Vortheil des Verkaufers auszudeuten ist; es möge
aber auf was immer für eine Art gefasset werden, so ist es in alle Wege
rechtskräftig, wann sonst andurch keine Scheinhandlung oder wucherliche Absicht
bemäntlet wird.
[3, 9, § 16] 253. Es kann auch mit oder ohne angehängter
Zeit, wann oder wie lang solches seine Wirkung haben solle, getroffen werden,
und in dem Fall, wo keine Zeit bestimmet wird, stehet dem Verkaufer allemal
frei, nach Gefallen die Sache anwiederum einzulösen, sowie nach Unterschied des
Bedings dem Kaufer dieselbe wieder anzubieten und anheimzusagen; dann dieses
Recht verjähret sich zu keiner Zeit, insolang die Sache in Handen des Kaufers
und seiner Erben befindlich ist.
(3-172) [3, 9, § 16] 254. Sobald aber als die Sache an einen
Dritten veräußeret worden, erlöschet das Recht der Anheimsagung an Seiten des
Kaufers, sowie das Recht des Wiederkaufs oder der Wiedereinlösung an Seiten des
Verkaufers, wann nicht das Beding auf einem liegenden Gut, das es beträfe, landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich vorgemerket wäre, in welchem Fall zwar dasselbe mit
der Verbindlichkeit des Wiederkaufs auf einen jeden Besitzer übertragen wird;
es fanget aber von dem Tag der in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
einverleibten Veräußerung an einen Dritten wider dieses Recht die hienach
ausgemessene Verjährung an zu laufen.
[3, 9, § 16] 255. Eine gewisse Zeit kann dem Beding des
Wiederkaufs auf zweierlei Art beigefüget werden, als entweder, daß erst nach
Verlauf einer bestimmten Zeit das verkaufte Gut anwiederum eingelöset werden
möge, welchen Falls der Verkaufer zwar das Gut binnen dieser Zeit nicht wieder
forderen kann, allein, wann solche verflossen, zu dem Wiederkauf zuzulassen
ist.
[3, 9, § 16] 256. Oder aber, daß innerhalb einer gewissen
Frist, oder auch zur gesetzten Zeit das Gut eingelöset werden, nach dieser Zeit
hingegen der Verkaufer das Gut einzulösen nicht mehr Macht haben solle, und in
diesem Fall erlöschet das Wiederkaufsrecht mit Verkauf der bestimmten Zeit.
Gleichergestalten kann auch dem Beding der Anheimsagung eine Zeitfrist sowohl
auf eine, als die andere Art angehänget werden.
[3, 9, § 16] 257. Durch das Beding des Wiederkaufs wird
insgemein die Sache selbst nicht behaftet, und kann dahero ein dritter
Besitzer, an welchen sie veräußeret worden, derowegen nicht angefochten werden;
es wäre dann oberwähnter Maßen das Beding mit dem Contract in die Landtafel,
Stadt- oder Grundbücher, worinnen das betreffende Gut inlieget, einverleibet
worden, wodurch zwar dieses Beding auch wider einen dritten Besitzer seine
Wirkung erlanget, deme aber dagegen das Verjährungsrecht gebühret, wann nicht
schon der Wiederkauf an sich selbst auf eine bestimmte Zeit beschränket worden
wäre.
[3, 9, § 16] 258. Ohnerachtet aber auch ein solches Beding
in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket wäre, so fallet doch das
wiederkäufliche Gut, wann gleich eine Zeit bestimmet sein würde, nicht für sich
selbst an den Verkaufer zuruck, sondern, gleichwie es in seiner Willkür
beruhet, sich des vorbehaltenen Wiedereinlösungrechts zu bedienen, oder von dem
Kaufer abhanget, das Heimsagungsrecht zu gebrauchen, also ist auch eine
besondere Handlung erforderlich, wodurch das ein- oder andererseits
ausbedungene Recht in die wirkliche Ausübung gesetzt werde.
[3, 9, § 16] 259. Es erwachset dahero aus diesem Beding dem
Verkaufer, insoweit es auf dessen Vortheil abzielet, und seinen Erben, oder
auch einem Dritten, deme dieses Recht abgetreten und überlassen worden, die
Rechtsforderung wider den Kaufer und dessen Erben, oder auch, im Fall des auf
dem Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebenen
Wiederkaufsrecht, wider einen dritten Besitzer zu Abtretung und
Wiedereinantwortung des verkauften Guts gegen Zuruckstellung des
Kaufsschillings.
[3, 9, § 16] 260. Wäre aber das Gut von Mehreren mit
gesammter Hand verkaufet, und von ihnen Allen zusammen ohne Benennung des einen
Jeden zukommenden Theils sich der Wiederkauf vorbehalten worden, oder auch nach
dem Verkaufer mehrere Erben vorhanden, und Einer aus ihnen wollte nur seinen
Theil einlösen, so ist der Kaufer nicht schuldig den Kauf zu theilen.
[3, 9, § 16] 261. Wohingegen wann derselbe gegen Anerbietung
des ganzen Kaufgelds das verkaufte Gut wieder einlösen wollte, und die Andere
sich hierum nicht melden würden, so ist der Kaufer gegen Leistung einer von dem
Einlösenden für die Theile deren Uebrigen zu stellen habenden hinlänglichen
Bürgschaft verbunden, die
(3-173) Wiedereinlösung zu gestatten, ohne daß er derowegen
von denen Uebrigen weiter angefochten werden könne, sondern diese haben sich
ihres Anspruchs halber an den Einlösenden zu erholen. Desgleichen, wo zwar
Mehrere, jedoch ein Jeder seinen Theil insonderheit wiederkäuflich verkaufet
hätten, mag deren Jeder seinen Theil wieder einlösen.
[3, 9, § 16] 262. Es ist aber der Verkaufer schuldig,
entweder das auf dem Fall des Wiederkaufs bedungene Kaufgeld, oder da keines
bedungen worden wäre, den dafür empfangenen Werth, und zwar wann des Erlags
halber nichts Anderes ausgemacht worden wäre, auf eben diejenige Weis, wie
dessen Entrichtung bei dem ersten Kauf verabredet worden, entweder auf einmal,
oder in denen nemlichen Fristen und Tagzeiten anwiederum zuruckzuzahlen, und
beinebst auch dem Kaufer nicht allein des Kaufs halber gehabte, sondern auch
die auf beharrliche Erhaltung und Verbesserung der Sache aufgewendete
erweisliche Unkosten zu vergüten.
[3, 9, § 16] 263. Dagegen ist der Kaufer verbunden die Sache
in eben demjenigen Stand, wie solche ihme bei dem ersten Kauf übergeben worden,
mit denen nemlichen An- und Zugehörungen wieder auszuantworten; doch bleiben
ihme nicht allein die inmittelst eingehobene Früchten und Nutzungen eigen,
sondern es muß demselben gleichfalls der Zeit seines Besitzes sich ergebene
Zuwachs, wodurch die Sache verbesseret worden, an Werth ersetzet und abgelöset
werden.
[3, 9, § 16] 264. Die nach angemeldeten Wiederkauf und
zuruck angebotenen Kaufgeld erzeugte Früchten und Nutzungen aber gehören dem
ersten Verkaufer; dahingegen in Betreff deren zwar vor dem Wiederkauf erzeugten,
allein noch hangenden Früchten kommt es darauf an, ob dem ersten Kaufer das Gut
mit denen noch hangenden Früchten, oder ohne denenselben übergeben worden,
[3, 9, § 16] 265. Ersteren Falls ist derselbe gehalten, das
Gut gleichermaßen anwiederum dergestalten abzutreten, ohne auf die hangende
Früchten einigen Anspruch machen zu können, letzteren Falls aber sind solche
zwischen Beiden gleich zu theilen, wann deshalben in dem Beding nichts Gewisses
vorgesehen worden.
[3, 9, § 16] 266. Bei denen von dem Kaufer durch die Zeit
seines Besitzes auf dem wiederkäuflichen Gut landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich verschriebenen Haftungen, als Zinsen, Hypotheken u. dgl. ist zu
unterscheiden, ob das Beding des Wiederkaufs auf dem Gut in der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern einverleibet seie oder nicht.
[3, 9, § 16] 267. Ersteren Falls werden solche mit dem
wiedereinlösenden Gut nicht weiter an den Verkaufer übertragen, als nach Maß
des auf dem Fall des Wiederkaufs bedungenen Kaufschillings; insoweit aber
solcher nicht zureichet, haben die übrige unbedeckte Glaubigere keinen Anspruch
an den Einlösenden, sondern müssen sich deshalben an ihren Schuldner in andere
Wege erholen.
[3, 9, § 16] 268. Letzteren Falls hingegen wird derselbe für
alle auf dem wiedereinlösenden Gut versicherte Haftungen verbindlich, das
Kaufgeld möge zu deren Tilgung zulänglich sein oder nicht, und bringt dieses
zwischen dem Kaufer und Verkaufer verabredete Beding, wann es nicht ehender zur
Einverleibung gelanget, denen auf dem Gut versicherten Glaubigeren keinen
Nachtheil, sondern denenselben ist unbenommen ihre Hypothek zu exequiren, und
die gerichtliche Ausfeilung des Guts auszuwirken.
[3, 9, § 16] 269. Woferne aber die wiederkäufliche Sache bei
dem Kaufer durch Zufall zu Grund gienge, und der Wiederkauf noch nicht
angemeldet worden wäre, hat den Schaden der Kaufer zu tragen, und kann dahero
kein Theil an den anderen aus diesem Beding eine weitere Forderung stellen, in
Gegentheil, wann die Sache nach angetragener Wiedereinlösung vor deren Zuruckstellung
durch Zufall vernichtet, oder sonst beschädiget würde, und dem Kaufer weder ein
Saumsal, noch eine sonstige Schuld beigemessen werden könnte, ist der Verkaufer
jegleichwohlen das bedungene Kaufgeld zu erlegen schuldig; dann Alles, was von
Käufen oben geordnet worden, hat auch bei Wiederkäufen statt.
(3-174) [3, 9, § 16] 270. Hätte jedoch ein an Seiten des
Kaufers unterwaltender Saumsal oder Schuld, es seie vor oder nach angemeldeten
Wiederkauf, doch binnen der hierzu anberaumten Zeit, zum Verlust der Sache
Anlaß gegeben, ist derselbe dem Verkaufer für den ihme daraus erwachsenden
Schaden und entgehenden Nutzen den achten Theil des bedungenen wiederkäuflichen
Werths zu bezahlen verbunden, welches auch von jenem Fall zu verstehen ist, da
die Sache von ihme an einen Dritten veräußeret, und das Beding des Wiederkaufs
nicht einverleibet worden wäre.
[3, 9, § 16] 271. Da aber solches in der Landtafel, Stadt-
oder Grundbüchern auf dem wiederkäuflichen Gut vorgemerket worden sein würde,
hat der Verkaufer in dem Fall dieses an einen Dritten veräußerten Guts die
Auswahl, ob er den Wiederkauf gegen dem dritten Besitzer anmelden, und sich
seines Wiedereinlösungsrecht gebrauchen, oder ob er von dem Kaufer den
oberwähnter Maßen verwirkten achten Theil forderen wolle. Beide
Rechtsforderungen aber ist derselbe nicht befugt anzustrengen.
[3, 9, § 16] 272. Doch verordnen Wir gnädigst, daß in
solchem Fall dem eintretenden Kaufer freistehen solle, dem Verkaufer, welcher
sich den Wiederkauf vorbehalten, die gerichtliche Ankündung des vorhabenden,
oder auch schon geschlossenen Kaufs zu machen, worauf dieser von dem Tag der
ihme zugekommenen Ankündung, wann er in Land anwesend, binnen sechs Wochen, wo
er aber außer Landes abwesend wäre, binnen drei Monaten den Wiederkauf bei
Gericht um so gewisser anzumelden hat, als in Widrigen und nach Verkauf dieser
Zeitfrist das Recht des Wiederkaufs gegen dem dritten Besitzer verschwiegen und
gänzlich erloschen sein solle. Woferne aber der Kaufer diese Ankündung zu thuen
unterließe, kann das Recht des Wiederkaufs durch keine andere, als die in
zweiten Theil ausgemessene, von dem Tag der Einverleibung des Contracts zu
laufen anfangende ordentliche Verjährungszeit getilget werden, es wäre dann,
daß in dem neu einverleibten Beding ausdrücklich eine sich länger
hinausziehende Zeit zu dem Wiederkauf bestimmet worden sein würde, welchen
Falls, es möge die Ankündung geschehen oder nicht, der Ausgang dieser
abgewartet werden muß.
[3, 9, § 16] 273. Alles was bishero von dem zum Vortheil des
Verkaufers eingegangenen Beding der Wiedereinlösung geordnet worden, hat auch
in seiner Maß bei dem auf den Nutzen des Kaufers abgezielten Beding der
Anheimsagung statt, außer mit dem alleinigen Abfall, daß, wann der Kaufer das
Gut an einen Dritten veräußeret, das Beding der Heimsagung ohne aller
Verjährungszeit sogleich von selbsten erlösche, weilen er sich andurch alles an
dem Verkaufer habenden Rechts begeben, das Beding möge einverleibet sein oder
nicht.
[3, 9, § 16] 274. Es sollen aber die Richtere bei derlei
vorkommenden Bedingen von amtswegen jedesmal genau untersuchen, ob sein Wucher
darunter verborgen seie, und bei dessen Wahrnehmung mit denen darauf
ausgemessenen Strafen unnachsichtlich fürgehen, auch zu dessen desto gewisserer
Vorbeugung keine Verschreibungen, worinnen derlei Bedinge enthalten sind,
ehender zu Gericht annehmen, oder deren Einlage verwilligen, als bis daß
dieselbe nach veranlaßter Untersuchung aufrecht und rechtsgiltig zu sein
befunden worden.
§. XVII.
[3, 9, § 17] 275. Das fünfte bei Käufen und Verkäufen
vorkommende, und die Errichtung eines neuen Contracts zur Absicht habende
Beding ist das Einstandrecht,
(3-175) welches sonst auch ein Vor- oder Näherkauf,
Einspruch, Nähergeltung oder Losung genannt wird.
[3, 9, § 17] 276. Dieses rühret entweder aus einem unter
denen Contrahenten getroffenen Beding, genommener Abrede und Einwilligung, oder
aber aus Anordnung des Gesatzes her. Das erstere heißet eigentlich ein
gedingter Einstand, wodurch sich Jemand gegen den Anderen verbindet, daß, wann
er sein Gut verkaufen würde, dasselbe ihme um dasjenige Kaufgeld, was ein
Dritter dafür geben werde, verkaufet werden solle.
[3, 9, § 17] 277. Der Unterschied zwischen diesem und dem
Beding des Wiederkaufs bestehet hauptsächlich in deme, daß einerseits bei dem
Wiederkauf Derjenige, welcher sich solchen ausbedungen, den Erfolg des
Verkaufes an einen Anderen, gleichwie es bei dem Einstandrecht erforderlich
ist, abzuwarten nicht gehalten seie, sondern entweder in der gesetzten Zeit,
oder da keine bestimmet worden wäre, je und allezeit nach seinem Belieben die
Sache wieder einlösen könne.
[3, 9, § 17] 278. Andererseits aber, daß bei dem Wiederkauf
insgemein sowohl der Zustand deren Contrahenten, als der Betrag des Kaufgelds
und die Beschaffenheit deren Bedingnussen mit dem vorigen Kauf einerlei bleibe,
dahingegen bei dem Einstandrecht oder Näherkauf so Eines, wie das Andere nach
Maß des letzteren mit dem Dritten getroffenen Contracts sich zuweilen
verbessere und zuweilen verschlimmere, als welcher allemal bei dem Näherkauf,
gleichwie die erstere Verbindung bei dem Wiederkauf zur Richtschnur deren
einander zu leisten habenden Gebührnussen zu nehmen ist.
[3, 9, § 17] 279. In deme kommen jedoch beide Bedinge
überein, daß das eine so wenig als das andere die Sache selbst behafte, wann
sie nicht auf einem liegenden Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
vorgemerket sind. Außer deme wirket der gedingte Einstand bloß an Seiten
dessen, welcher sich darzu verfänglich gemacht, die Verbindlichkeit Demjenigen,
der sich solchen ausbedungen, den vorhabenden Verkauf mit dem Betrag des mit
einem Dritten behandleten Preises anzukünden.
[3, 9, § 17] 280. Dieser aber ist dagegen schuldig bei
beweglichen Dingen noch den nemlichen Tag der ihme zugekommenen Ankündung, oder
bei liegenden Gütern längstens binnen vierzehen Tägen sich zu erklären, ob er
sich des Einstandrechts gebrauchen wolle oder nicht, und da er in den Kauf
eintreten wollte, das nemliche von einem Dritten angebotene Kaufgeld nach Maß
der mit diesem getroffenen Behandlung entweder gleich, oder in denen
ausgesetzten Fristen zu erlegen, wann nicht etwa schon zum voraus auf dem Fall
des Einstands des Kaufgelds halber eine anderweite Verabredung gepflogen worden
wäre.
[3, 9, § 17] 281. Würde hingegen derselbe auf die ihme gethane
Ankündung sich entweder in der bestimmten Zeit nicht erklären, oder die mit dem
Dritten behandlete Bedingnussen nicht eingehen, oder seine auf dem Fall des
Einstands gemachte Verheißungen nicht erfüllen wollen, ist der Eigenthümer der
angefeilten Sache länger nicht nachzuwarten gehalten, sondern die Sache, wann,
wie und an wen er immer wolle, zu veräußern befugt, ohne daß wegen des
Einstands ein weiterer Anspruch gereget werden möge.
[3, 9, § 17] 282. Soferne aber der Eigenthümer die Ankündung
zu thun unterließe, oder auch die ausgesetzte Zeit der Erklärung nicht
abwartete, sondern den Kauf mit einem Dritten abgeschlossen hätte, kann zwar
der Einstand noch ehe und bevor die Uebergabe einer beweglichen Sache erfolget,
oder der Contract über ein liegendes
(3-176) Gut zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen
Einlage gelanget, bei Gericht angemeldet werden, und der Dritte muß in dem Kauf
nachstehen.
[3, 9, § 17] 283. Sobald jedoch ein bewegliches Ding
übergeben, oder der Contract über ein liegendes Gut einverleibet worden, kann
wegen des gedingten Einstands kein dritter Besitzer angefochten werden, sondern
der Veräußerer ist schuldig Demjenigen, deme das Einstandrecht
aus dem Beding gebühret hätte, den achten Theil des dafür
empfangenen oder vorhero auf den Fall des Einstands bedungenen Werths zu
erlegen, welches auch in jenem Fall statt hat, wann der Veräußerer zu dessen
Nachtheil arglistiger Weise mit einem Dritten nur eine Scheinhandlung
aufgestoßen oder falsche Bedingnussen des Kaufs zu Abwendung des Einstands
vorgegeben hätte, wobei noch über das die an dem Betrug Theilnehmende allen auf
die Scheinhandlung ausgesetzten Strafen unterliegen.
[3, 9, § 17] 284. Wann aber das Beding des Einstands auf
einem liegenden Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket und
die vorläufige Ankündung von dem Veräußerer unterlassen worden, hat der sich
des Einstandrechts gebrauchen Wollende ebenso, wie oben von dem Wiederkauf
geordnet worden, die Auswahl, ob er seine Forderung wider den Veräußerer auf ersagten
achten Theil stellen, oder sein Einstandrecht wider den dritten Besitzer
geltend machen wolle.
[3, 9, § 17] 285. Doch muß derselbe, wann er im Lande
gegenwärtig binnen sechs Wochen, oder da er außer Landes abwesend wäre, binnen
drei Monaten von dem Tag der Einverleibung des mit einem Dritten geschlossenen
Contracts den Einstand gerichtlich anmelden, und in dem Kauf unter denen etwa
schon vorhin in dem einverleibten Beding ausgemachten, oder denen nemlichen mit
dem Dritten behandleten Bedingnussen eintreten.
[3, 9, § 17] 286. Nach Verlauf dieser Zeit hingegen ist das
Einstandrecht gegen dem dritten Besitzer gänzlich verschwiegen, und bleibet
lediglich die obgemelte Forderung auf den achten Theil des Werths wider den
Veräußerer und dessen Erben bevor.
[3, 9, § 17] 287. Dieses Recht gehet auch auf die Erben und
einen jedweden Anderen, an den es übertragen und abgetreten wird, woferne es
nicht ausdrücklich nur allein dieser und keiner anderen Person angestanden
worden wäre, und all jenes, was bishero von gedingtem Einstand erwähnet worden
wäre, muß auch bei dem aus letztwilliger Anordnung eines Erblassers herrührenden
Einstand beobachtet werden.
[3, 9, § 17] 288. Gleichwie aber der Einstehende das
nemliche Kaufgeld, was ein Dritter geben würde, und nicht mehr noch weniger zu
bezahlen schuldig ist, wann zum voraus nichts Anderes beliebet worden, also muß
auch dagegen der Veräußerer dem Einstehenden eben die Bedingnussen des Kaufs
halten, welche er mit dem Dritten behandlet hat, dergestalten, daß der Einstehende
weder bessere anzubegehren befugt, noch schlechtere anzunehmen verbunden ist.
§. XVIII.
[3, 9, § 18] 289. Sechstens ist das aus Anordnung des
Gesatzes herrührende Einstandrecht gleichsam ein stillschweigendes Beding und
heißet der rechtliche Einstand
(3-177) oder Nähergeltung, welcher jedoch nur auf
unbewegliche, keineswegs aber auch auf bewegliche Dinge gehet, und ist ein
Vorzug, der von dem Gesatz gewissen Personen zugeeignet wird, daß, wann ein
Grund zum Verkauf kommet, solcher denenselben um dasjenige Kaufgeld, was ein
Dritter dafür geben würde, verkaufet werden müsse.
[3, 9, § 18] 290. Dieser Einstand entspringet entweder aus
dem Eigenthumsrecht oder
(3-178) aus der Gemeinschaft eines Guts, oder aus Gunst der
Befreiung von einer Haftung, womit der Grund verfangen ist oder aus dem Recht
der Verwandtschaft. Außer diesen Fällen aber solle kein anderer Einstand,
welcher nicht namentlich in diesem Unserem Gesatzbuch gestattet wird, zulässig
sein, was immer für ein Gebrauch oder Gewohnheit dafür angezogen werden möge.
[3, 9, § 18] 291. Aus dem Eigenthumsrecht gebühret dem
Erbzinsherrn oder Grundherrn der Einstand in den zinsbaren Grund, wann der
Erbzinsmann oder Grundhold solchen an einen Dritten ohne grundherrlicher
Einwilligung veräußeret, wie davon seines Orts mit Mehreren gehandlet werden
wird.
[3, 9, § 18] 292. Gleichergestalten giebt die Gemeinschaft
eines Guts dem einen Mitbesitzer, welcher schon hieran einen Antheil hat, den
Vorkauf an den Antheil des anderen Mitbesitzers, wann er solchen an einen Dritten
veräußern will, also daß ihme in den Kauf einzutreten unbenommen ist.
[3, 9, § 18] 293. Aus besonderer Begünstigung der Befreiung
von einer sich länger hinausziehenden Haftung gestatten Wir dem Eigenthümer
eines auf unverzinsliche Nachfristen, Tag- oder Jahrgelder, oder sogenannte
Währungen erkauften Grunds das Einstandrecht, wann der Verkaufer derlei ihme
auf das Kaufgeld noch ruckständige Fristgelder einem Dritten um eine Summe
baaren Gelds verhandlen wollte, als da Jemand einen Grund um hundert Gulden auf
Jahrgelder dergestalten erkaufet hätte, daß er alle Jahr hierauf zehen Gulden
unverzinslich bezahlen wolle, der Verkaufer aber die ganze Kaufsumme um ein
Tauschgeld an einen Dritten verhandlen würde, in welchem Fall der Eigenthümer
des Grunds, woferne ihme die Ablösung nicht ehender angeboten, und der Anbot
von demselben nicht ausgeschlagen worden, die Befugniß hat, gegen Erlag der
nemlichen Summe, die ein Dritter dafür geben würde, in den Kauf einzutreten.
[3, 9, § 18] 294. Das Recht der Verwandtschaft ist die
Quelle des freundschaftlichen Einstands, welcher denen nächsten Blutsfreunden
in denen von ihren Ur- oder Großeltern väterlicher oder mütterlicher Seite
herstammenden Gütern vor fremden oder auch in einem weiteren Grad verwandten
Kauferen gebühret.
[3, 9, § 18] 295. Es sind aber zu Ausübung des
freundschaftlichen Einstandrechts zwei Dinge erforderlich, als erstens, daß das
veräußeren wollende Gut wenigstens von denen väterlichen oder mütterlichen
Großeltern des Veräußerers herrühre und bis auf denselben durch ununterbrochene
und niemalen aus der von dem ersten Erwerber absteigenden Linie gegangene
Anfälle gediehen seie, es möge der erste Besitzer solches ererbet oder erworben
haben, welcherlei Güter eigentlich Stammgüter genannt werden.
[3, 9, § 18] 296. Hieraus folget, daß in denen von Vater
oder Mutter, oder auch von einem Seitenverwandten des Veräußerers ursprünglich
herkommenden Gütern das Einstandrecht nicht statt habe, wann gleich der
einstehen Wollende ein Enkel oder Urenkel des ersten Erwerbers wäre, dann die
Eigenschaft eines Stammguts muß allemal in Absicht auf den Veräußerenden und
nicht auf den Einstehenden bestimmt werden können.
[3, 9, § 18] 297. Desgleichen wird dieses Einstandrecht
nicht mehr zugelassen, wann in dem Zwischenraum von dem Besitz des Veräußerers,
und jenem seiner Großeltern das Gut an einen Fremden, welcher nicht aus der
absteigenden Linie des ersten Erwerbers ware, übertragen worden, obgleich der
Vater des Veräußerers solches anwiederum an sich gebracht hätte; es wäre dann,
daß schon sein Großvater oder Großmutter dasselbe wieder eingelöset haben
würde. Dahingegen wird durch die unter Brüdern oder Geschwistern vornehmende
Erbtheilungen, so wie durch die unter denen von dem ersten Erwerber
absteigenden Verwandten von einem an den andern fürgehende
Veräußerungen dem Einstandrecht nichts beschadet.
[3, 9, § 18] 298. Zweitens ist nöthig, daß der einstehen
Wollende von dem ersten Erwerber des Guts in gerader Linie abstamme, er möge
mit dem Veräußerer durch ein
(3-179)
zweifaches oder auch nur durch ein einfaches Blutband verwandt sein, wann das
Gut von dem gemeinsamen Stammen, wovon ihre Verwandtschaft hergeleitet wird,
herkommet, wodurch aber alle Seitenverwandte des ersten Erwerbs von dem
Einstand ausgeschlossen sind.
[3, 9, § 18] 299.
Wo mehrere von dem ersten Erwerber des Guts absteigende Blutsfreunde vorhanden
sind, gebühret der Einstand Demjenigen, welcher dem Verkaufer in nächsten Grad
verwandt ist, die Verwandten mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts sein.
Jener aber ist der Nächste zum Einstand, welcher der Nächste zur Erbfolge wäre;
dann allemal ist das Recht zum Einstand nach dem Recht zur Erbfolge abzumessen.
[3, 9, § 18] 300.
Da jedoch Mehrere in gleichem Grad oder Staffel der Sippschaft dem Verkaufer
verwandt wären, sind auch Alle zu dem Einstand zuzulassen, wann dieselbe sich
in der unten ausgesetzten Zeit hierum gemeldet haben.
Würde sich aber nur Einer anmelden, und die Uebrige die Einstandszeit
verstreichen lassen, sind sie auch davon ausgeschlossen, und können keinen
Theil an dem Einstand nehmen, sondern der sich Anmeldende ist nur allein
befugt, das Gut an sich zu ziehen, wann er das ganze Kaufgeld dafür erleget;
wohingegen in Fall er nur seinen ausfallenden Urtheil des ganzen ausgefeilten
Guts einlösen wollte, ist der Verkaufer solches zuzugeben nicht schuldig.
[3, 9, § 18] 301.
Würde aber der nächste Verwandte sich des Einstandrechts entweder
stillschweigend, da er sich in der gehörigen Zeit nicht gemeldet, oder auch
ausdrücklich zu Gunsten des Anderen entschlagen, so können sodann die weitere
Befreundte, welche sich in der bestimmten Zeit gemeldet haben, doch allezeit in
der Maß darzu gelassen werden, daß welcher nach Abstand Derenjenigen, denen es
sonst gebühret hätte, der Nächste zur Erbfolge wäre, auch der Nächste zum
Einstand seie und die weitere Befreundte davon ausschließe.
[3, 9, § 18] 302.
Dann der Nächste kann zwar einem weiteren Verwandten das Einstandrecht
dergestalten abtreten und überlassen, daß es dem allenfalls darzwischen
befindlichen näheren Befreundten an seinem Recht, wann er sich dessen
gebrauchen will, nichts beschade; dahingegen kann an einen Fremden diese
lediglich dem Geblüt anklebende Befugnuß niemalen rechtsgiltig abgetreten
werden. Für Fremde aber werden in Absicht auf das Einstandrecht alle Diejenige
gehalten, welche nicht von dem ersten Erwerber des Guts abstammen, sie mögen
entweder dem Veräußerer oder dem einstandsberechtigen Befreundten von einer
anderen Seite noch so nahe verwandt sein.
[3, 9, § 18] 303.
Wann dahero ein Anverwandter sich des Einstandrechts nicht für sich und zu
seinem Nutzen, sondern zu Handen eines Fremden aber auch sonst zu Bevortheilung
des Kaufers, mit List und Betrug gebrauchen würde und dieses hernach auf ihn
erwiesen werden könnte, so ist das Gut dem ersten Kaufer auszuantworten, er
aber nicht allein alle durch den freventlich angemeldeten Einstand so einem,
als anderem Theil verursachte erweisliche Schäden und Unkösten zu ersetzten
schuldig, sondern es solle auch das von ihme, oder unter dessen Namen von einem
Dritten dafür angebotene Kaufgeld zu Handen Unserer Kammer verfallen sein.
[3, 9, § 18] 304.
Dieses freundschaftlichen Einstands kann der nächste Anverwandte sich nicht
allein wider fremde Kaufere, sondern auch wider einen weiteren Befreundten, deme
das Gut verkaufet würde, bedienen, und obgleich dasselbe noch während der
Einstandzeit von dem Kaufer anwiederum weiter verkaufet, oder auf was immer für
eine Art sonst an jemand Anderen veräußeret würde, hat je gleichwohlen der
nächste Anverwandte die Befugnuß das Einstandrecht wider einen jeden Besitzer
gegen Erlag des bei dem ersten Kauf bedungenen Werths geltend zu machen, wann
er nur solches in der behörigen Zeit von dem ersten Kauf an zu rechnen
angemeldet hat. Wo aber das Gut einem von dem ersten Erwerber absteigenden
(3-180) mit
ihme in gleichen Grad Verwandten verkaufet würde, kann er sich des
Einstandrechts nicht anmaßen.
[3, 9, § 18] 305.
Desgleichen, wann der Verkaufer das Gut dem nächsten Verwandten um den
nämlichen Preis und mit eben denen Bedingungen, wie er es einem Fremden
verkaufen will, angeboten, und dieser solches ausgeschlagen, oder binnen denen
nächsten vierzehn Tägen von der gemachten Ankündung an dem Kaufgeld so vieles,
als der Fremde angetragen, nicht erleget, und die übrigen Bedingnussen
einhalten zu wollen, sich nicht erkläret hätte, erlöschet das Einstandrecht an
Seiten dessen, deme der Anbot geschehen; doch solle der Verkaufer keineswegs zu
dieser Ankündung verbunden, noch wegen deren Unterlassung in etwas verfänglich
sein, sondern denen Verwandten lieget ob, selbst ihre Gerechtsame in acht zu
nehmen.
[3, 9, § 18] 306.
Wer dahero sich in denen obstehenden Fällen des rechtlichen Einstands
gebrauchen will, muß, wann er im Lande gegenwärtig, binnen vier Wochen, oder da
er außer Landes abwesend wäre, binnen drei Monaten von dem Tag der
Einverleibung des mit einem Dritten geschlossenen Contracts den Einstand
gerichtlich mit Darzeigung seines hierzu habenden Rechts anmelden, und zugleich
binnen dieser Zeit ebenso, wie bei dem bedingten Einstand, das von dem Kaufer
schon hinaus bezahlte Kaufgeld oder die hieran verfallene Fristen baar erlegen,
die übrigen aber richtig einhalten und in alle Bedingungen des Kaufs eintreten,
wie nicht weniger die des Kaufs halber gehabte Unkösten und die etwan
immittelst zu beharrlicher Erhaltung oder Verbesserung des Guts erweislich
verwendete Auslagen dem Kaufer vergüte.
[3, 9, § 18] 307.
Wann mehrere Anverwandte das freundschaftliche Näherrecht ausüben wollen, muß
deren jeder ohne Unterschied, ob er näher oder weiter befreundet seie, binnen
dieser Zeit sich hierzu anmelden, und seine Einstandsbefugnuß nach dem Grad der
Anverwandtschaft erweisen, auch hierüber die richterliche Erkanntnuß, wer von
ihnen hierzu ein näheres Recht habe, abwarten, womit in derlei Fällen auf das
Schleunigste zu verfahren ist; in Widrigen aber sind nach Verlauf dieser Zeit
alle Diejenige, welche die Anmeldung verabsaumet haben, ausgeschlossen, obschon
nachhero Jener, der sich gemeldet an wiederum hiervon abließe.
[3, 9, § 18] 308.
Der Kaufer dagegen ist schuldig, das Gut in demjenigen Stand, wie ihm solches
übergeben worden mit allen von Zeit des angemeldeten Einstands mittlerweile
davon eingehobenen Nutzungen und darnach sich hieran ergebenen Zugängen dem
Einstehenden abzutreten. Würde aber dieser das schon bezahlte oder verfallene
Kaufgeld binnen der obausgemessenen Zeit nicht erlegen oder sein Einstandrecht,
wie erforderlich, nicht erweisen, oder auch die bei dem Kauf verabredete
Bedingungen nicht annehmen wollen, ist er mit seinem Einspruch abzuweisen; es
wäre, dann daß er die Kaufbedingnussen anderst, als sie angegeben werden, in
der That geschlossen worden zu sein, und also eine auf seine Bevortheilung
abgesehene Scheinhandlung fürzuwalten dar zeigen könnte.
[3, 9, § 18] 309.
Sowohl der gedingte, als rechtliche Einstand, wann ersterer nicht ausdrücklich
weiter erstrecket worden, hat einzig und allein bei Kaufen oder solchen
Handlungen statt, wo das Gut für einen gewissen Werth angeschlagen und
hintangelassen wird; wohingegen so ein anderer bei Schankungen Vermächtnussen,
Erbtheilungen, Vertauschungen, Vergleichen und anderen Veräußerungsfällen, wo
rinnen für das Gut kein Werth an Geld bedungen wird, nicht zulässig ist.
[3, 9, § 18] 310.
Bei gerichtlichen Feilbietungen aber sogenannten Subhastationen aber kann das
Einstandrecht nur insolange angemeldete werden, als dem Schuldner das Recht der
Einlösung des feilgebotenen Guts annoch hervorstehet; sobald jedoch dasselbe
aufhöret, wird auch aller weiterer Einstand dadurch aufgehoben.
[3, 9, § 18] 311.
Gleicher gestalten erlöschet das Einstandrecht, wann in der zu dessen Anmeldung
anberaumten Zeit die ob vorgeschriebene Erfordernussen nicht beobachtet, oder
auch an Seiten des darzu Berechtigten in den mit einem Dritten geschlossenen
(3-181)
Kauf, es seie durch eine ausdrückliche Verzicht, oder durch Unterschreibung des
Kaufcontracts oder sonstige Zuthat gewilliget worden. Also da zwei Brüder oder
Blutsfreunde ein gemeinschaftliches Gut mit einander verkaufen, kann keiner aus
ihnen den Antheil des anderen durch Einspruch an sich ziehen, weilen er in
dessen Verkauf einmal gewilliget hat; die alleinige Wissenschaft und
Stillschweigen des Verwandten aber beschränket ihme sein Einstandrecht nicht,
wann er es nur in der ausgemessenen Zeit anmeldet.
[3, 9, § 18] 312.
Bei dem freundschaftlichen Einstand aber ist zu merken, daß, obschon der nähere
Anverwandte in den Verkauf des Guts an einen anderen von dem ersten Erwerber
abstammenden weiteren Befreundten ausdrücklich oder stillschweigend, es seie
durch seine Zuthat oder unterlassende Anmeldung, willigete, oder auch selbst
solches an ihn verkaufete, dessen unerachtet ihme der Vorzug vor einem Fremden
noch allemal vorbehalten bleibe, also daß auf den Fall, da das Gut an einen
Fremden weiter verkaufet werden würde, er jegleichwohlen noch das Einstandrecht
ausüben könne.
[3, 9, § 18] 313.
Und die Verzicht des einen schadet dem andern Anverwandten an seinem Recht
nicht, wann er gleich des verzeihenden Sohn oder Erbe wäre, woferne er sich nur
in der Zeit hierzu gemeldet, und sonst sich kein näherer Befreundter
hervorgethan hat, weilen dieses Recht nicht aus Erbanfällen, sondern aus der
einem jeden Anverwandten dem Geblüt nach zustehenden eigenen Befugnuß gebühret.
[3, 9, § 18] 314.
Aus dieser Ursache gehet das freundschaftliche Nähergeltungsrecht auf keine
fremde Erben, obgleich der nächste Anverwandte noch binnen der Enstandzeit
verstürbe; es wäre dann, daß er in dieser Zeit den Einstand angemeldet, und
alle vorgeschriebene Erfordernussen erfüllet hätte, sonach aber mit Tod
abgienge, in welchem Fall der Einstand schon für vollzohen zu halten ist, und
dahero das Gut seinen Erben mit Ausschließung aller weiteren Verwandten
zufallet.
[3, 9, § 18] 315.
Wann der Kauf noch vor Einverleibung des Contracts mit beiderseitiger Willkür
zuruckgehet, und aufgehoben wird, höret auch das
Einstandrecht auf. Woferne aber der Contract einmal einverleibet, und der
Einstand gerichtlich angemeldet worden, alsdann können die Contrahenten zum
Nachtheil des Einstehenden von dem Kauf nicht mehr abweichen, wann sie gleich
ausdrücklich untereinander bedungen hätten, daß auf den Fall des Einstands der
Kauf null und nichtig sein solle.
[3, 9, § 18] 316.
Der Kaufer wird demnach von dem Contract insolange nicht entbunden, als dem
Einstehenden das Gut nicht überantwortet, oder der richterliche Spruch, wodurch
diesem die Nähergeltung zuerkannt worden, nicht in Rechtskräften erwachsen ist,
bis dahin der Einstehende noch allezeit die Freiheit behält von dem Einstand
abzulassen, doch gegen deme, daß er alle des Einspruchs halber dem Gegentheil
verursachte erweisliche Schäden und Unkösten vergüte.
§. XIX.
[3, 9, § 19] 317.
Siebentens folget das Beding der Beschränkung des Kaufs auf einen bestimmten
Tag, wodurch der Verkaufer sich die Macht vorbehält, binnen einer gewissen
gesetzten Zeit einen besseren Kauf zu treffen, und die Sache einem
(3-182)
Dritten, der in dieser Zeit ein Mehreres dafür geben würde, käuflich
hintanzulassen.
[3, 9, § 19] 318.
Dieses Beding kann auf zweierlei Art beigesetzet werden, als entweder in der
Gestalt einer aufziehenden Bedingnuß, daß, wann binnen einer gewissen Zeit
Niemand mehr geben wollte, sodann der Kauf geschlossen sein solle, oder als
eine auflösende Bedingnuß, daß wann innerhalb der gesetzten Zeit ein Anderer mehr
geben würde, der Kauf aufgehoben sein solle.
[3, 9, § 19] 319.
In ersterem Fall hat dasselbe keine mehrere Wirkung, als eine jede andere unter
einer aufziehenden Bedingnuß getroffene Handlung, also zwar, daß der Erfolg der
Bedingnuß abgewartet werden müsse, und vor deren Ausgang der Kaufer, obgleich
ihme die Sache zugestellet worden wäre, jegleichwohlen weder den Nutzen davon
zu beziehen, noch die Gefahr zu tragen habe, sondern erst damals, wann unter
dieser Zeit Niemand mehr dafür angeboten hätte, der Kauf zu Stand komme, und
dem Kaufer von dem Tag des Contracts alle davon abgefallene Nutzungen gebühren;
dahingegen, wann innerhalb dieser Zeit von einem Anderen mehr gegeben, und von
dem Verkaufer angenommen worden, die erstere Handlung dergestalten zerfalle,
als ob sie niemalen eingegangen worden wäre.
[3, 9, § 19] 320.
In dem zweiten Fall aber gehöret es unter diejenige auflösende Bedinge, deren
Eigenschaft oben §. XIII, num. 228, beschrieben worden, und welche die Wirkung
und Verbindlichkeit der Handlung nicht aufschieben, sondern den einmal
ordentlich geschlossenen Contract bei Erfolg der Bedingnuß dergestalten
aufheben, als ob niemalen ein Kauf getroffen worden wäre.
[3, 9, § 19] 321.
Dieses Beding hinderet dahero nicht, daß nicht durch die Uebergabe das obschon
bei erfolgender Bedingnuß widerrufliche Eigenthum der verkauften Sache auf den
Kaufer übertragen werde, und ihme nicht allein von dem Tag des geschlossenen
Contracts aller Nutzen davon gebühre, sondern auch die Gefahr zu Last falle,
doch also, daß nach aufgelösten Contract er mit der Sache alle davon behobene
Nutzungen nach Abzug deren darauf verwendeten nothwendigen Auslagen, sowie
dagegen der Verkaufer das Kaufgeld mit denen davon vertagten Zinsen nebst
Vergütung aller des Kaufs halber gehabten Unkösten zurückzustellen schuldig
ist; wohingegen bei ermanglender Bedingnuß die Sache dem Kaufer unwiderruflich
eigen bleibet.
[3, 9, § 19] 322.
Gehet aber die Sache unter dieser Zeit ohne Schuld des Kaufers zu Grund, hat
dieser zwar den Schaden zu tragen, und das allenfalls darauf noch rückständige
Kaufgeld dem Verkaufer zu erlegen; wegen dessen aber, was etwan von einem
Dritten dafür mehr angeboten worden, kann nur damals eine Forderung an ihn
gestellet werden, wann seinerseits an den Verlust der Sache eine Schuld oder
Gefährde unterwaltet.
[3, 9, § 19] 323.
Bei Käufern, sowohl beweglicher als unbeweglicher Dingen kann zwar dieses
Beding beigefüget werden; Wir ordnen und wollen aber, daß über liegende Güter
kein unter einem solchen Beding gefertigter Contract, es möge in der Gestalt
einer aufziehenden oder auflösenden Bedingnuß gefasset werden, ehender zur
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung angenommen werden
solle, bis daß derselbe nicht nach Verlauf der bestimmten Zeit, und nach ermanglender
Bedingnuß zu vollständigen Kräften gelanget, und in eine unwiderrufliche
Verbindlichkeit erwachset.
[3, 9, § 19] 324.
Es wird auch die Sache selbst andurch nicht behaftet, und kann dahero ein
Dritter, welcher unter dieser Zeit dieselbe mit gutem Glauben rechtmäßig an
sich gebracht hätte, von dem ersten Verkaufer derowegen nicht mehr angegangen
werden. Wo aber ein Kauf oder Vertrag wissentlich, daß ein solches Beding
beigerucket worden, hierüber zu Stand käme, ist zwar der Kauf oder Vertrag bis zum
Erfolg der Bedingnuß giltig, sonach aber erlöschet mit dem Recht des Kaufers
auch das Rechts eines Dritten, so er von jenem bekommen hat.
(3-183) [3,
9, § 19] 325. Und wird nicht
allein mehr gegeben zu sein geachtet, wann eine größere Summe Gelds dafür
angeboten, sondern auch wann die Bezahlung ehender und in kürzeren Fristen
versprochen, oder ein besser gelegener Ort der Bezahlung bestimmet, oder andere
dem Verkaufer leidlichere Gedinge beliebet worden, und überhaupt solle jenes
für einen besseren Kauf gehalten werden, was zu des Verkaufers mehreren Nutzen
gereichet.
[3, 9, § 19] 326.
Doch ist zu deme, daß die Bedingnuß in wirkliche Erfüllung gehe, nicht an dem
alleinigen Anbot genug, sondern es wird auch erforderet, daß der Verkaufer
solchen annehme, und binnen der bestimmten Zeit dem ersten Kaufer bedeute.
[3, 9, § 19] 327.
Wann nun dieser die nemliche Bedinge, die ein Dritter angetragen, eingehen, und
eben das, was jener dafür geben zu wollen, sich sogleich erklären würde, hat er
allemal aus dem Recht des ersten Anbots den Vorzug, wovon in vierten Theil
seines Orts mit Mehreren gehandlet werden wird.
[3, 9, § 19] 328.
Dem Verkaufer aber ist allemal unverwehret, insolange er mit dem Anderen den
Kauf nicht geschlossen, den besseren Anbot auszuschlagen, und es bei dem ersten
Kauf bewenden zu lassen, wann nicht das Beding zum Vortheil des ersten Kaufers
beigesetzet worden, oder nicht etwan sonst das Recht eines Dritten darunter
leiden würde.
§. XX.
[3, 9, § 20] 329.
Achtens pfleget bei Käufen, sowohl beweglicher als unbeweglicher Sachen der
Ruckfall des verkauften Guts bedungen zu werden, welches gleich dem vorigen ein
die Handlung auflösendes Beding ist, wodurch beide Theile übereinkommen, daß,
wann zur gesetzten Zeit das Kaufgeld nicht bezahlet würde, der Kauf gänzlich
aufgehoben, und die verkaufte Sache dem Verkaufer wiederum anheimgefallen sein
solle.
[3, 9, § 20] 330.
Dieses Beding beirret die Verbindlichkeit der Handlung nicht, sondern löset nur
dieselbe bei entstehender Zahlung anwiederum auf, und hat mit dem in gleich
vorhergehenden Paragraph beschriebenen Beding in deme einerlei Wirkung, daß,
sobald der Kauf geschlossen, so der Nutzen, wie die Gefahr auf den Kaufer gehe,
und durch die Uebergabe das Eigenthum der verkauften Sache auf ihn übertragen werde,
welches er unwiderruflich erwirbt, wann er in denen bestimmten Fristen mit der
Abfuhr des Kaufgeldes richtig einhält.
[3, 9, § 20] 331.
Wann aber der Kaufer die Zahlung in der gesetzten Zeit nicht leistete, wird in
Kraft dieses Bedings der
Contract dergestalten aufgelöset, als ob solcher niemalen geschlossen worden
wäre und das Gut fallet an den Verkaufer mit allen mittlerweil davon behobenen
Nutzungen zurück, welcher dahero von dieser Zeit an so den Nutzen davon zu
beziehen, wie die Gefahr zu tragen hat, und ohneweiters die Einantwortung des
Guts gegen Wiedererstattung des Angelds mit denen davon vertagten Zinsen zu
begehren berechtiget ist, obschon nachhero der Käufer das übrige Kaufgeld zu
erlegen bereit wäre, der noch dazu das gegebene Haftgeld, und den allenfalls
bedungenen Reukauf verwirket.
[3, 9, § 20] 332.
Vor Verlauf dieser Zeit hingegen ist der Verkaufer nicht befugt, das Kaufgeld
einzumahnen; der Kaufer aber ist schuldig, solches binnen dieser Zeit
anzubieten, wann er den Ruckfall des Guts vermeiden will. Dafern aber der
Verkaufer hernachmals das von dem Kaufer angebotene Kaufgeld annähme, oder auch
den Kaufer hierum belangete, kann er auf den Rückfall nicht mehr andringen.
(3-184) [3,
9, § 20] 333. Dann ihme stehet
auch nach der Verfallzeit noch immer die Auswahl frei, ob er von dem Contract
abgehen, oder dabei beharren wolle. Wo er aber das Eine gewählet, hat er nicht
mehr Fug, das Andere anzubegehren, wann der Kaufer nicht gutwillig sich dazu
einverstünde.
[3, 9, § 20] 334.
Wäre das Beding des Rückfalls mit dem Contract zur landtäflichen stadt- oder
grundbücherlichen Einverleibung gediehen, behaftet es das Gut selbst, welches
von dem Kaufer an einen Dritten nicht anderst, als unter dieser Bedingnuß
verpfändet und veräußeret werden kann, also zwar, daß, wann das Recht des
Kaufers erlöschet, auch das Recht dessen, welcher es von ihme erworben,
aufgehoben werde. Da aber dasselbe auf dem Gut nicht vorgemerket wäre, ist
dabei eben jenes zu beobachten, was schon oben in vorigen Paragraph, num. 324,
in gleichen Fall geordnet worden.
[3, 9, § 20] 335.
Dieses Beding des Ruckfalls kann nicht allein bei Käufen, sondern auch bei
anderen Verträgen und Contracten, als bei Tauschen, Miethen und dergleichen
beigesetzet werden, wann es nur keine wucherliche Absicht enthält, und beide
Theile außer dem Haft- oder bedungenen Reugeld einander alles Dasjenige
zurückstellen, was Einer von dem Anderen des Contracts halber empfangen hat,
welches jedoch bei Miethen sich auf das schon verfallene Miethgeld, oder
Bestandzins nicht verstehet; wofern es aber auf einen Wucher hinausliefe, als
bei Pfandcontracten, ist solches ganz und gar verboten, und nicht von der
mindesten Bindigkeit.
[3, 9, § 20] 336.
Es kann auch noch weiters dahin erstrecket werden, daß nicht nur das verkaufte
Gut dem Verkaufer anwiederum anheimfallen, sondern auch der Kaufer so vieles,
als weniger gelöset werden würde, erlegen solle, wann dieses nur mit Einbegriff
des verwirkten Haftgelds und Reukaufs den achten Theil des bedungenen Werths
nicht übersteiget.
[3, 9, § 20] 337.
Außer denen vorbeschriebenen giebt es bei Kaufen noch andere Bedinge, wodurch
entweder der Verkaufer noch vor der Uebergabe sich das Eigenthum der verkauften
Sache bis zu gänzlichem Abtrag des Kaufgelds, oder auf eine gewisse Zeit vorbehält,
oder zwar das Eigenthum auf den Kaufer übertragen, doch aber in gewisser Maß
eingeschränket wird, daß er damit nach Gefallen zu schalten und zu walten
gebunden ist, als da Jemanden ein Grund mit dem Beding verkauft würde, um
darauf entweder gar nicht, oder nur in einer bestimmten Höhe zu bauen, oder
auch solcher nicht weiter zu veräußeren.
[3, 9, § 20] 338.
Beide sind zwar rechtsgiltig, doch solle kein Contract unter einem Beding von
ersterer Art zur Einverleibung ehender angenommen werden können, bis das Beding
nicht entweder durch Verlauf der Zeit, oder durch Bezahlung des Kaufgelds
erloschen ist. Die Bedinge von letzterer Art aber, wann sie auf dem verkauften
Gut vorgemerket worden, behaften das Gut, und machen alle dagegen unternehmende
nachherige Handlungen null und nichtig; dahingegen, woferne sie darauf nicht
vorgemerket werden, wirken sie und die persönliche Verbindlichkeit des Kaufers,
und entkräften die darwider vornehmende Handlungen nicht.
§. XXI.
[3, 9, § 21] 339.
Wann der Kauf einmal ordentlich geschlossen worden, welches geschiehet, da von
beiden Theilen einerseits in die Ueberlassung und andererseits in die
Uebernehmung der angefeilten Sache um den bestimmten Werth die unbedingte
Einwilligung erfolget, kann kein Theil wider Willen des anderen davon
(3-185)
abstehen, woferne nicht die Freiheit der Reue sich ein- oder andererseits, als
in dem Fall eines bedungenen Reugelds, oder der bedingten Heimfälligkeit der
verkauften Sachen ausdrücklich vorbehalten worden.
[3, 9, § 21] 340.
Außer diesem Vorbehalt sind die Contrahenten nach der Natur und Eigenschaft
aller Verträgen an den getroffenen Kauf und Verkauf dergestalten gebunden, daß
keinem Theil ohne Einwilligung des anderen, auch gegen Erlag des zweifachen
Werths der verkauften Sache, oder aus dem Vorwand der nicht eingehaltenen
contractmäßigen Schuldigkeit davon abzuweichen erlaubet ist, sondern jedem
Theil stehet frei, Dasjenige, um was er aus Schuld oder Saumsal des anderen
verkürzet worden, mit der aus dem Contract gebührenden Rechtsforderung
anzusuchen.
[3, 9, § 21] 341.
Es giebt aber jegleichwohlen rechtmäßige Ursachen, wegen welcher der
geschlossene Kauf anwiederum ganz oder zum Theil aufgehoben und vernichtet
werden kann. Diese Ursachen sind: Erstens, die beiderseitige Willkür; zweitens,
dabei gebrauchte Gefährde und Betrug; drittens, unbefugte Gewalt und
widerrechtlich eingejagte Furcht; viertens, wesentlicher Irrthum; fünftens,
übermäßige Verkürzung; sechstens, unvorgesehene heimliche Mängeln; siebentens,
unverständliche Dunkelheit und Zweideutigkeit des Contracts.
[3, 9, § 21] 342.
Mit beiderseitiger Willkür kann von dem geschlossenen Kaufcontract abgegangen
werden, insolange die Handlung sich noch in ihrer Gänze befindet und der
Contract weder einerseits mit Uebergebung der Sache, noch andererseits mit
Zuzählung des Kaufgelds erfüllet, oder da der Kauf liegende Güter beträfe, der
Contract nicht einverleibet worden; dahingegen hinderet das daran gegebene
Haftgeld nicht, daß noch allezeit von dem unerfüllten Contract abgestanden
werden möge.
[3, 9, § 21] 343.
Sobald aber, als der ein- oder anderseitige Vollzug der contractmäßigen
Verbindlichkeit erfolget, oder bei Käufen liegender Güter der Contract
einverleibet worden, ist zu Aufhebung der Handlung an beiderseitiger
Einwilligung nicht genug, sondern es muß auch alles das, was einem Theil von
dem andern der sich nachhero zerschlagenden Handlung halber geleistet worden,
einander zuruckgestelltet, und noch besonders bei liegenden Gütern, worüber der
Kaufcontract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingeleget worden wäre,
der spätere Vertrag, wodurch der erstere Kauf aufgehoben wird, zur
Einverleibung gebracht werden.
[3, 9, § 21] 344.
Wegen Gefährde und Betrugs, worunter auch die Scheinhandlungen und arglistige
Verstellungen begriffen sind, wie nicht minder wegen Gewalt, Furcht und Irrthum
wird ein Kaufcontract ebensowohl als wie ein jeder anderer Vertrag vernichtet
und aufgehoben, in welcherlei Fällen all jenes statt hat, was von Verträgen
überhaupt allschon oben in ersten Capitel, §. IX, num. 98 bis 100 und in
zweiten Capitel, §. XI, num. 110 bis 126, geordnet worden, und noch besonders
von Gewalt und Furcht unten in einundzwanzigsten Capitel ausgemessen werden
wird.
§. XXII.
[3, 9, § 22] 345.
Eine übermäßige Verkürzung in dem wahren Werth der verkauften Sache ereignet
sich damals, wann entweder der Verkaufer oder der Kaufer nicht
(3-186) die
Hälfte dessen empfangen, was der Eine oder der Andere dafür gegeben hat, wie
solches oben §. VI, num. 63 und 64 erkläret worden.
[3, 9, § 22] 346.
Wir wollen jedoch die Rechtshilfe wegen derlei Verkürzungen nur allein bei
liegenden Gütern und jenen beweglichen Dingen verstatten, deren wahrer Werth
sich auf einhundert Gulden Rheinischer Währung und darüber belaufet.
Dahingegen keine Klage oder Einwendung einer Verkürzung halber bei anderen
geringschätzigen Sachen von minderem Werth zugelassen sein solle; außer es
könnte dabei ein offenbarer Betrug oder ein heimlicher dem Kaufer nicht
entdeckter Mangel dargezeiget werden.
[3, 9, § 22] 347.
Da es um ein liegendes Gut zu thun wäre, kann diese Rechtsforderung bei keiner
anderen Gerichtsstelle, als unter deren Gerichtsbarkeit das Gut gelegen ist,
und zwar binnen dreien Jahren von dem Tag der Einverleibung des Contracts an zu
rechnen angestrenget, in Betreff beweglicher Dingen aber bei was immer für
einen Gerichtsstand, dessen Gerichtszwang der Beklagte untergeben ist, doch
nicht länger als binnen sechs Wochen von Tag der Uebergabe der verkauften Sache
angebracht werden, wann es nicht solche Sachen sind, worüber die Erkanntnuß nur
einer gewissen Gerichtsstelle mit Ausschließung anderer eingeräumet ist.
[3, 9, § 22] 348.
Diese Rechtsforderung gebühret sowohl dem Kaufer als dem Verkaufer und deren
Erben, nicht aber auch einem dritten Besitzer, der die Sache mittlerweil an
sich gebracht hätte, wann nicht auch er vorerwähnter Maßen über die Hälfte
dabei verkürzet worden wäre, und gehet dieselbe wider denjenigen Theil und
dessen Erben, welcher den anderen über die Hälfte verkürzet hat.
[3, 9, § 22] 349.
Woferne aber der Kaufer die unter der Hälfte des rechten Werths erhandlete
Sache an einen Dritten veräußerte, und da es ein liegendes Gut wäre, zur Zeit
der erhobenen Klage der mit einem Dritten darüber geschlossene Contract schon
einverleibet, oder, da es eine bewegliche Sache, solche bereits an den Dritten
übergeben sein würde, so kann der dritte Besitzer, wann er an dem Betrug keinen
Theil genommen, deshalben nicht angefochten werden.
[3, 9, § 22] 350.
Dem dabei verkürzten ersten Verkaufer aber ist unverwehret, seinen Anspruch auf
den Ersatz des abgängigen Werths wider den Kaufer auszuführen, und sich
allenfalls zu seiner Sicherheit an dem von einem Dritten noch herauszugeben habenden Kaufgeld zu halten.
[3, 9, § 22] 351.
Es hat auch diese Rechtsforderung einerlei Wirkung, obgleich dieselbe als eine
Klage angebracht, oder als eine Einrede eingewendet werde, welche letztere
Gestalt sie annehmen kann, da der verkürzte Theil noch binnen der
obausgemessenen Zeit um die Erfüllung des Contracts belanget wird; nach Verlauf
dieser Zeit aber ist auch diese Einrede erloschen.
[3, 9, § 22] 352.
Wer dahero wegen einer über die Hälfte des wahren Werths erlittenen
(3-187)
Verkürzung Klage erheben, oder solche als eine Einrede einwenden will, muß
dieselbe aus dem Verhältnuß des dafür gegebenen oder empfangenen Kaufgelds mit
dem wahren Werth er Sache erproben, und zu dem Ende nicht allein das dafür
bedungene Kaufgeld durch den Kaufbrief, Zeugen, Eidesauftrag oder sonstige
zureichende Beweismitteln, sondern auch den um die Hälfte übersteigenden, oder
minder betragenden wahren Werth der Sache durch Auswirkung der gerichtlichen
Schätzung erweisen.
[3, 9, § 22] 353.
Es solle demnach der verkürzte Theil gleich bei Einreichung der Klage oder
Vorschützung der Einrede unter Einem die gerichtliche Abschätzung der
verkauften Sache anverlangen, hierüber aber der Gegentheil mit seinen
Einwendungen gehöret, und da er nichts Rechtserhebliches dagegen vorbringen
könnte, die wirkliche Schätzung in seinem Beisein, wofern er auf die an ihn
ergangene Ladung dabei erscheinet, nach folgenden Maßregeln vorgenommen werden.
[3, 9, § 22] 354.
Erstens muß dabei der wahre Werth allemal nach dem Mittelanschlag bestimmet,
und nicht nach der selbsteigenen Neigung und Anständigkeit deren Contrahenten
oder auch eines Dritten, sondern nach der gemeinen Schätzung, und zwar bei
liegenden Gütern nach der vorgeschriebenen Abschätzungsordnung der Orten, wo
solche eingeführet ist, in deren Ermanglung aber nach dem gemeinen Landpreis
ausgemessen werden.
[3, 9, § 22] 355.
Bei denen Häusern hingegen, und jenen beweglichen Sachen, worauf sich diese
Rechtshilfe erstrecket, kann der wahre Werth nicht anderst, als durch die
hierzu eigends beeidigte, der Sachen erfahrene Schätzere erforschet werden. Es
ist jedoch bei Häusern der Bedacht darauf zu nehmen, damit nicht allein das
Gebäu an sich selbst, sondern auch die Bequemlichkeit der Wohnungen, die
Benutzung der Zinsen, die einem Haus anklebenden Gerechtsamen, und überhaupt
Alles, was entweder wegen seiner Bequemlichkeit oder Nutzbarkeit einer gemeinen
Schätzung fähig ist, in Anschlag gebracht werde.
[3, 9, § 22] 356.
Zweitens solle auf die Zeit und Ort des Contracts gesehen, und die Sache nach
deme, was sie zur Zeit, und an dem Ort des Contracts gegolten hat, nicht aber
nach dem vor oder darnach gestiegenen oder gefallenen Werth, oder nach dem an
einem anderen Ort gängigen höheren oder minderen Preis geschätzet werden; dann
was nach geschlossenen Kauf dem Werth der Sache zugehet oder abfället,
gereichet zum Nutzen oder Schaden des Kaufers.
[3, 9, § 22] 357.
Es kann dahero über seine Verkürzung geklaget werden, wann der Preis der Sachen
durch zeitliche und zufällige Ursachen, als wegen Hungersnoth, Feindesgefahr
und dergleichen fallet oder steiget, obschon dieselbe sonst zu einer anderen
Zeit, nach ihrem ordentlichen Werth auch zweimal höher anzubringen, oder weit
unter der Hälfte des dermaligen Preises zu haben gewesen wäre.
[3, 9, § 22] 358.
Drittens muß der Werth nach dem zur Zeit der Handlung fürgewesten Stand der
Sachen, und nicht nach dem sich nachhero ergebenen ungewissen Erfolg geschätzet
werden. Also da Jemand Leibrenten erhandlete, können weder einerseits des
Kaufers Erben, wann gleich derselbe bald nach geschlossener Handlung verstürbe,
noch auch andererseits der Verkaufer über eine Verkürzung klagen, obschon das
hieran Bezahlte den dafür gegebenen Werth weit übertreffen würde, welches
überhaupt von allen Handlungen über künftige ungewisse Dinge in derjenigen Maß
zu verstehen ist, wie solche oben Capitel II, §. XII, von num. 133 bis 138, des
Mehreren erkläret worden.
[3, 9, § 22] 359.
Viertens ist nothwendig, daß Jener, welcher sich über eine Verkürzung
beschweren will, zur Zeit der geschlossenen Handlung den rechten Werth der
Sache nicht gewußt, oder auch keine Verbindlichkeit ob sich gehabt habe, die
Sache in diesem und keinem höheren Preis zu verkaufen, oder in diesem und
keinem minderen Preis zu erkaufen.
[3, 9, § 22] 360.
Dann wo Jemand mit gutem Wissen und Willen außer einem erweislichen
(3-188)
Nothfall für eine Sache mehr, als sie nicht werth ist, geben, oder eine viel
kostbarere Sache um einen minderen Preis hintanlassen würde, widerfahret ihme
keine Unbild, sondern es ist darunter seinerseits die Ausübung einer
Freigebigkeit zu vermuthen, wann die Wissenschaft des rechten Werths von dem
Gegentheil erprobet wird.
[3, 9, § 22] 361.
Desgleichen schließet die letztwillige Anordnung eines Erblassers in jenem Fall
die Verkürzungsklage aus, wann der Erb von ihme dahin besonders verbunden
worden, eine Sache in dem bestimmten Werth einer gewissen Person abzukaufen,
oder an solche zu verkaufen, dieselbe möge von einer noch so hohen oder
geringen Werthschaft sein.
[3, 9, § 22] 362.
Wann nun durch die mit Beobachtung aller vorbemelten Erfordernussen veranlaßte
Schätzung eine Verkürzung über die Hälfte des rechten Werths wirklich befunden
wird, so ist zu unterscheiden, ob auf den verkürzenden Theil eine seinerseits
dabei begangene geflissentliche Arglist und Gefährde erwiesen werden könne,
oder ob die Verkürzung bloß aus einer übertriebenen Klugheit in Handel
herrühre.
[3, 9, § 22] 363.
Wäre die Verkürzung durch Betrug und Gefährde zugefüget worden, hat der
beschädigte Theil die Auswahl, ob er gegen beiderseitige Wiedererstattung des
Empfangenen die gänzliche Vernichtung der Handlung, oder nur die Vergütung des
Schadens anverlangen wolle; doch solle der Betrug noch über die dem andurch
verkürzten Theil zu leisten schuldige Genugthuung nach richterlichem Ermessen
bestrafet werden.
[3, 9, § 22] 364.
Wo aber keine Gefährde erweislich wäre, gebühret die Auswahl dem Beklagten, er
möge Kaufer oder Verkaufer sein, ob er von dem Contract abweichen, und gegen
Zuruckstellung des Empfangenen das Gegebene anwiederum zurucknehmen, oder die
Ersetzung der Ungleichheit in Werth leisten wolle.
[3, 9, § 22] 365.
Also da der Verkaufer über die Hälfte verkürzet worden wäre, hat der Kaufer zu
wählen, ob er die Vergütung leisten, und den Abgang des rechten Werths, wie
solcher gerichtlich geschätzet worden, ersetzen, oder gegen Zuruckstellung des
gegebenen Kaufgelds die erkaufte Sache dem Verkaufer zuruckstellen wolle.
[3, 9, § 22] 366.
So wie gegentheils, wann der Kaufer eine Verkürzung über die Hälfte darzeigen
kann, dem Verkaufer die Wahl zustehet, ob er die über den rechten Werth an dem
Kaufgeld empfangene Uebermaß dem Kaufer hinaus zahlen oder gegen Entrichtung
des ganzen erhaltenen Kaufschillings die verkaufte Sache zurucknehmen wolle;
wobeinebst jedoch allemal der sachfällige Theil die verursachte Gerichtsschäden
und Unkösten dem anderen Theil zu ersetzen schuldig ist.
[3, 9, § 22] 367.
Diese Auswahl kann auch dem Beklagten auf keinerlei Art und Weis, und nicht
einmal durch richterlichen Spruch entzohen werden, wann gleich Kläger seine
Klage nur auf Eines, oder auf das Andere, und nicht wechselweise auf beides
gestellet hätte; es wäre dann, daß durch ein vorhergegangenes Beding die
Freiheit der Wahl beschränket, oder der Zustand der Sachen in eine solche
Gestalt versetzet worden wäre, daß nur deren Eines in Erfüllung gebracht werden
könne.
[3, 9, § 22] 368.
Würde nun der Kaufer den Ersatz des abgängigen rechten Werths leisten wollen,
oder der Verkaufer sich zur Hinauszahlung der Uebermaß verstehen, so muß
ersteren Falls der Kaufer hieran so vieles nachtragen, als die gerichtliche
Schätzung ausweiset, sowie in dem zweiten Fall der Verkäufer so vieles
herausgeben, als er über den gerichtlich geschätzten Betrag des rechten Werths
an dem Kaufgeld empfangen. In beiden Fällen aber sind die Zinsen von dem Tag
der erhobenen Klage von der hinauszahlenden Summe zu erstatten.
[3, 9, § 22] 369.
In Gegentheil, woferne der beklagte Kaufer oder Verkaufer viel lieber von dem
Contract abweichen, und der Erstere die Sache zuruckstellen, oder der Andere
sie zurucknehmen wollte, wird die Handlung nach dergestalten aufgehobenen
Contract in denjenigen Stand versetzet, als ob sie niemalen geschlossen worden
wäre, folglich hat der Verkaufer das Kaufgeld mit allen von Zeit des Empfangs
(3-189)
davon vertagten Zinsen, der Kaufer aber die Sache mit allen von Zeit der
Uebergabe eingehobenen Nutzungen, ihren Zugehörungen und mittlerweil hieran
sich ergebenen Zugängen zuruckzustellen.
[3, 9, § 22] 370.
Doch hat der Kaufer die Befugnuß, die auf beharrliche Erhaltung der Sache
gemachte erweisliche Auslagen, sowie die von dem Grund bezahlte Steuern und andere
Haftungen an denen zuruckzustellen habenden Nutzungen abzuschlagen, oder da
diese nicht hinlänglich wären, deren Vergütung von dem Verkaufer zu forderen.
[3, 9, § 22] 371.
Dagegen aber ist auch der Verkaufer berechtiget die aus erweislicher Schuld des
Kaufers einzuheben unterlassene Nutzungen, so viel er hieran darthun kann, an
denen von dem Kaufgeld zu erstatten schuldigen Zinsen, oder da diese nicht
zureicheten, von der Kaufsumme selbst abzurechnen. Wohingegen die sowohl auf
Zustandbringung und Einverleibung des Contracts aufgegangene, als auf dessen
Auslöschung weiters auflaufende Unkosten Beide zu gleichen Theilen zu tragen
haben, wann wegen so einer, als anderen, nichts Besonderes verabredet worden.
[3, 9, § 22] 372.
Daferne jedoch der Kaufer die Sache mittlerweil versetzet, oder pfandweise
verschrieben, oder sonst in andere Wege behaftet hätte, beschadet die Aufhebung
des Contracts dem von einem Dritten hieran erworbenen Recht nichts, sondern die
Sache gehet mit der darauf haftenden Verbindlichkeit auf den Verkaufer zuruck.
[3, 9, § 22] 373.
Diesem aber stehet frei zu seiner Bedeckung von dem wieder hinauszuzahlen
habenden Kaufgeld so vieles, als die Summe, wofür die Sache zur Hypothek
verschrieben oder versetzet, oder sonst behaftet worden, betraget,
innenzuhalten, oder da solches nicht zulänglich, oder auch noch keines erleget
worden wäre, den Kaufer um die Befreiung der Sache zu belangen, bis zu dessen
Bewirkung er dieselbe zuruckzunehmen nicht schuldig, sondern da es der Kaufer
nicht thun wollte oder könnte, mit Verschränkung der Auswahl lediglich auf die
Ergänzung des rechten Werths anzubringen befugt ist.
[3, 9, § 22] 374.
Wann hingegen der Kaufer unter die Zeit der Sache gar an einen Dritten
veräußeret, oder sonst zu derselben Untergang aus seiner Schuld oder Saumsal
Anlaß gegeben hätte, so kommet es dabei auf den Unterschied an, wer in dem
Handel verkürzet worden; ist der Kaufer der verkürzende Theil, so verlieret er
in allen diesen Fällen das Recht der Auswahl, und bleibet gleichwohlen in der
Verbindlichkeit den Abgang des rechten Werths, wie solcher von dem Verkaufer
durch andere rechtsbeständige Proben dargethan werden mag, zu ersetzen.
[3, 9, § 22] 375.
Gegentheils aber, da dem Kaufer selbst die Verkürzung widerfahren wäre, hat er
derowegen an dem Verkaufer keinen weiteren Anspruch, sondern den Verlust seines
Rechts seiner eigenen Schuld beizumessen; gleichwie dann auch derselbe in dem
Fall, da die Sache bei ihme ganz zufälliger Weise, und ohne seiner Schuld zu
Grund gienge, der Verkürzung halber von dem Verkaufer nicht mehr geklaget
werden kann, wohl aber kann er, wann ihme die Verkürzung zugefüget worden,
unerachtet des zufälligen Untergangs der Sache jegleichwohlen die erweisliche
Uebermaß des rechten Kaufgelds von dem Verkaufer zuruckforderen.
[3, 9, § 22] 376.
Alles was bishero von Verkürzung über die Häfte des rechten Werths bei Kaufen
und Verkaufen geordnet worden, hat auch in allen anderen entgeltlichen
Handlungen statt, wodurch beide Theile einander etwas zu leisten verstricket
werden, folglich auch die Billigkeit eine Gleichheit zwischen dem Gegebenen und
Empfangenen erheischet, als in Tauschcontract, Miethen und Vermiethen,
Uebergabe an Zahlungs statt, Theilungen gemeinschaftlicher oder erblicher
Güter, und dergleichen außergerichtlichen Contracten und Verträgen.
[3, 9, § 22] 377.
Dahingegen höret die Klage wegen einer Verkürzung in allen folgenden Fällen
auf, als erstens, in gerichtlich geschlossenen Handlungen, als in gerichtlichen
Ausweisen, Theilungen und Subhastations- oder Steigerungscontracten.
(3-190) [3,
9, § 22] 378. Zweitens, in
allen ganz oder zum Theil unentgeltlichen Handlungen, als in Schankungen,
Vermächtnussen, Freundschaftskaufen, oder da sonst wissentlich für die Sache
mehr, als sie werth ist, gegeben, oder solche in einem viel geringeren Preis
hintangelassen wird.
[3, 9, § 22] 379.
Drittens, in Vergleichen, sie mögen gerichtlich oder außergerichtlich getroffen
werden; viertens, in Käufen künftiger Dingen, wann die Verkürzung sich erst aus
der erfolgenden ungewissen Ereignuß zeiget, und nicht schon zur Zeit der
Handlung offenbar ist.
[3, 9, § 22] 380.
Fünftens, in Kaufen in Pausch und Bogen, als da eine ganze Erbschaft kauflich
überlassen würde, oder da auch mehrere Dinge von ungleicher Güte dergestalten
verkaufet werden, daß auf deren jedes insonderheit ein gewisser Preis gesetzt
seie; dann obschon einige Stücke darunter vieles über oder unter der Hälfte des
rechten Werths betragen, so wird doch Eines mit dem Anderen vergolten.
[3, 9, § 22] 381.
Sechstens, wann der Verkürzte sich dieser Klage besonders und ausdrücklich
verziehen hat; durch eine allgemeine Verzicht aller Rechtswohlthaten aber wird
diese Klage nicht ausgeschlossen. Siebentens, wann die zu Anstrengung dieser
Forderung obausgesetzte Zeit verstrichen, und endlich
[3, 9, § 22] 382.
Achtens, wann die Sache von dem Kaufer veräußeret worden, oder aus seiner
Schuld bei ihme zu Grund gegangen, erlöschet auch seinerseits diese Klage,
nicht aber an Seiten des Verkaufers, wann dieser verkürzet worden, sondern ihme
wird die Klage nur allein durch den bei dem Kaufer sich ergebenden blos
zufälligen Untergang verschränket, welchen jedoch der Kaufer zu erweisen hat.
§. XXIII.
[3, 9, § 23] 383.
Wegen unvorgesehener heimlicher Mängeln wird ein Kaufcontract ganz oder zum
Theil aufgehoben, wann sich der Abgang einer natürlichen, oder von dem
Verkaufer gewährten Eigenschaft an der verkauften Sache nachhero veroffenbaret,
und der Mangel also beschaffen ist, daß solcher deren Gebrauch oder Genuß ganz
oder zum Theil verhindere, und folglich ihren Werth verringere.
[3, 9, § 23] 384.
In diesen Fällen kommet dem Kaufer nach Unterschied des Mangels eine zweifache
Rechtshilfe zu statten, als erstens die Widerrufungsklage, wann der Mangel so
groß ist, daß solcher die Sache ganz und gar unbrauchbar oder ungenußbar mache,
folglich bei dessen Vorsehung der Kaufer dieselbe niemalen gekaufet haben
würde.
[3, 9, § 23] 385.
Andertens die Gering- oder Minderschätzungsklage, wann der Mangel den Gebrauch
oder Genuß der Sache nur zum Theil verhinderet, und der Kaufer
(3-191) mit
Vorwissen diese Fehlers solche zwar gekaufet, nicht aber so viel dafür gegeben
hätte.
[3, 9, § 23] 386.
Damit aber sowohl eine als die anderere Klage zu Recht bestehen könne, ist
dabei erforderlich: Erstens, daß es ein Mangel der natürlichen, oder von dem
Verkaufer in der Contractsabrede besonders gewährten und verheißenen
Eigenschaft seie; dann wegen des etwan abgängigen Betrags an der verkauften
Sache bedarf der Kaufer dieser Rechtsklagen nicht, sondern hat nach
Verschiedenheit der Fällen die schon aus dem Contract selbst gebührende
Rechtsforderung entweder zu Erfüllung des Contracts, oder zur Gewährleistung,
wann ihme hieran durch den von einem Dritten hierauf geführten Anspruch etwas
entgienge.
[3, 9, § 23] 387.
Zweitens, daß dieser Mangel dergestalten verborgen gewesen seie, daß er auch
mit genauer Besichtigung der Sache nicht habe entdecket werden können, der
Verkaufer möge solchen gewußt haben oder nicht, oder auch sich überhaupt
ausdrücklich dahin verwahret haben, daß er für keinen Mangel stehen wolle. Wo
aber der Mangel offenbar, oder auch leicht durch den Augenschein zu erforschen
gewesen wäre, hat es der Kaufer seiner eigenen Schuld zuzuschreiben, daß er in
dem Handel nicht mehrere Vorsicht gebrauchet.
[3, 9, § 23] 388.
Daferne hingegen der Mangel zwar nicht offenbar, aber doch auch nicht so
heimlich wäre, daß er durch genaue Nachforschung nicht entdecket werden könnte,
und der Verkaufer hätte die Sach von diesem Mangel frei zu sein gewähret, oder
auch sich zu Bevortheilung des Kaufers arglistiger und unerlaubter Kunstgriffen
bedienet, so machet er sich andurch jegleichwohlen dieser Rechtsklagen
verfänglich, obschon an Seiten des Kaufers eine Schuld der unterlassenen
mehreren Vorsicht mit unterliefe.
[3, 9, § 23] 389.
Drittens muß der Mangel von solcher Wichtigkeit und Beharrlichkeit sein, daß er
entweder gar nicht, oder doch mit vieler Beschwerlichkeit und Aufwand großer
Kosten geheilet, oder verbesseret werden möge; dann für geringe zeitliche
Mängeln, welche hinwiederum entweder für sich selbst vergehen, oder wovon doch
die Sache mit leichter Mühe befreiet werden kann, ist der Verkaufer zu stehen
nicht schuldig.
[3, 9, § 23] 390.
Viertens hat der Kläger zu erweisen, daß die Sache schon zur Zeit des Contracts
mit diesem Mangel behaftet gewesen seie; dann die nach geschlossenen Contract
sich ergebende Mängeln und Zufälle gereichen zu dem alleinigen Schaden des
Kaufers.
[3, 9, § 23] 391.
Wo aber der Mangel gleich nach dem Contract bemerket würde, oder ein erkauftes
Roß oder anderes Vieh binnen drei Tägen nach getroffenen Kauf, es seie vor oder
nach der wirklichen Uebergabe, umstände, und der Mangel nachhero bei
Besichtigung des Eingeweids befunden worden wäre, ist die rechtliche Vermuthung
wider den Verkaufer, daß selbes schon zur Zeit des Contracts damit behaftet
ware, wenn das Widerspiel von ihme nicht erwiesen wird.
[3, 9, § 23] 392.
Beide diese Rechtsklagen gebühren dem Kaufer und seinen Erben wider den
Verkaufer und dessen Erben, also zwar, daß wo Mehrere eine Sach erkaufet oder
verkaufet hätten, auch von Allen wider Alle zusammen geklaget werden müsse.
[3, 9, § 23] 393.
Erstere, nemlich die Widerrufungsklage ist auf die gänzliche Vernichtng und
Aufhebung des Contracts gerichtet, wodurch die Handlung in denjenigen Stand
versetzet wird, als ob sie niemalen geschlossen worden wäre, und ist dahero
Kläger die verkaufte Sache mit allen ihren Nutzungen, Zugehörungen, der
beklagte Verkaufer aber das Kaufgeld mit allen von Zeit des Empfangs vertagten
Zinsen sammt Vergütung deren etwan auf die beharrliche Erhaltung der Sache
gemachten erweislichen Auslagen, dann Schäden und Unkosten zuruckzustellen, und
noch über das, wann die Wissenschaft des Mangels, folglich die geflissentliche
Bevortheilung
(3-192) des
Kaufers auf ihn erwiesen werden könnte, wegen seines Betrugs ihn völlig
schadlos zu halten schuldig.
[3, 9, § 23] 394.
Diese Entschädigung bestehet solchenfalls insgemein nach obiger Ausmessung in
dem achten Theil des bedungenen Kaufgelds; woferne aber der Kaufer sich nicht
damit begnügen wollte, sondern seinen erlittenen Schaden auf eine weit höhere
Summe klar darzeigen könnte, als da durch ein verkauftes mangelhaftes Roß seine
eigene Pferde angestecket worden wären, so ist auch der Verkaufer allen
erweislichen Schaden zu ersetzen verbunden.
[3, 9, § 23] 395.
Desgleichen hat die Widerrufungsklage auch in jenem Fall statt, wann mehrere
Sachen entweder zusammen überhaupt, oder auch um einen auf jedes Stuck
insonderheit ausgesetzten Preis verkaufet worden, doch mit dem Unterschied, daß
ersteren Falls, wann auch nur ein Stuck darunter mangelhaft befunden würde,
alle insgesammt, letzteren Falls aber nur das mangelhafte allein
zuruckgestellet werden könne.
[3, 9, § 23] 396.
Es wäre dann, daß mehrere Sachen in Pausch und Bogen, so wie sie liegen und
stehen, verkaufet worden wären, wodurch das Gute mit dem Schlechten und
Mangelhaften unter einem angebracht, und also das Eine mit dem Anderen ersetzet
wird, folglich auch deshalben keine Klage zulässig ist, woferne nicht eine
gewisse Eigenschaft aller Stücken ausdrücklich gewähret worden.
[3, 9, § 23] 397.
Hätte aber der Kaufer die mangelhafte Sache mittlerweil versetzet, oder zur
Hypothek verschrieben, so ist der Verkaufer solche nicht ehender
zuruckzunehmen, und das Kaufgeld herauszugeben schuldig, als bis nicht die
Sache durch den Kaufer von dieser Haftung anwiederum gänzlich befreiet worden.
[3, 9, § 23] 398.
Die Gering- oder Minderschätzungsklage hingegen hebet den Contract nicht ganz
auf, sondern der Kaufer behält die verkaufte Sache, und ist nur befugt, die
Verminderung des Kaufgelds auf jenen Betrag anzuverlangen, wie viel weniger
derselbe dafür gegeben haben würde, wann er den Mangel vorgesehen hätte.
[3, 9, § 23] 399.
Der Verkaufer ist demnach schuldig, wann er das Kaufgeld schon empfangen, die
Uebermaß dessen, um was die Sache geringer des Mangels halber nach dem
Verhältnuß des bedungenen Preises gerichtlich geschätzet werden wird, mit denen
von Zeit des Empfangs hiervon laufenden Zinsen dem Kaufer wieder zu erstatten,
oder da das Kaufgeld noch in Handen des Kaufers wäre, diese Uebermaß
zuruckzulassen, und sich mit dem gerichtlich geschätzten Werth zu begnügen,
beinebst aber in so ein als anderen Fall alle Schäden und Unkosten zu ersetzen.
[3, 9, § 23] 400.
Es ist jedoch der Unterschied zwischen unbeweglichen und beweglichen Dingen zu
beobachten; bei liegenden Gütern kann sehr seltsam zur Widerrufungsklage
geschritten werden, weilen nicht leicht ein das ganze Gute behaftender Mangel
sich ergeben wird, welcher nicht durch fleißige Nachforschung in der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern, oder durch Beaugenscheinung des Grunds vorhergesehen
werden möge.
[3, 9, § 23] 401.
Nichtsdestoweniger aber können sich dabei jegleichwohlen Fälle eräußeren, wo
dem Kaufer diese Rechtshilfe nicht füglich versaget werden mag, als da der
Verkaufer eine gewisse gute Eigenschaft des Grunds in dem Contract ausdrücklich
gewähret, wo nachhero sich das Widerspiel zeigete.
[3, 9, § 23] 402.
Oder da der Grund als landtäflich verkaufet, sonach aber solcher stadt- oder
grundbücherlich, oder auch lehenbar zu sein befunden würde, und der Kaufer
etwan wegen dessen Vermischung mit anderen Gründen auch durch Einsicht der
Landtafel die wahre Beschaffenheit nicht hätte in Erfahrnuß bringen können.
[3, 9, § 23] 403.
Oder endlich da bald nach dem Contract von einem Dritten hieran eine klar
aufgelegte und unwiderrufliche Rechtsforderung geregelt würde, wobei der Kaufer
den wirklichen Gewährsfall abzuwarten nicht schuldig ist.
[3, 9, § 23] 404.
In diesen und anderen derlei Fallen solle zwar auch bei unbeweglichen Dingen
die Widerrufungsklage zugelassen sein, jedoch aber nicht länger, als binnen
(3-193) einem Jahr von Tag der Einverleibung des Contracts
angestrenget werden können, nach dessen Verlauf der Kaufer damit nicht mehr zu
hören ist.
[3, 9, § 23] 405. Gleichergestalten hat die
Geringschätzungsklage auch bei liegenden Gütern in jenen Fällen statt, wo nur
ein Theil des Grunds mit dem Mangel einer von dem Verkaufer gewährten
Eigenschaft behaftet oder sonst ansprüchig wäre, der Kaufer aber auch bei
vorgesehenen Mangel das Gut jegleichwohlen erkaufet hätte.
[3, 9, § 23] 406. Doch muß dieselbe in eben der Zeit, welche
gleich bevor zu der Widerrufungsklage ausgesetzet worden, angebracht, und so
eine wie die andere Rechtsklage nirgend anderstwo, als bei derjenigen
Gerichtsstelle, unter deren Gerichtsbarkeit der Grund gelegen ist, verführet
werden.
[3, 9, § 23] 407. Dem Kaufer aber stehet in dem Fall der
ihme gebührenden Widerrufungsklage die Auswahl zu, ob er mit dieser, oder mit
der Geringschätzungsklage verfahren wolle; wo in Gegentheil, wann nur der Fall
der Geringschätzungsklage vorhanden wäre, kann er sich der Widerrufungsklage
nicht bedienen, noch auch solchen Falls der Verkaufer anstatt der herauszugeben
habenden Uebermaße die Aufhebung des Contracts anbegehren.
[3, 9, § 23] 408. Dahingegen sind bei beweglichen Sachen
diese Rechtsklagen nicht so seltsam, wann nur die oben ausgemessene
Erfordernussen hinzutreten, und beruhet bei der Willkür des Kaufers ohne
Unterschied, der Mangel möge die Sache ganz oder zum Theil unbrauchbar machen,
mit welcher er fürgehen wolle.
[3, 9, § 23] 409. Würde er nun mittelst der
Geringschätzungsklage auf die Verminderung des Preises antragen, gebühret
dagegen auch dem Verkaufer die Auswahl, ob er viel lieber die Sache gegen
Wiedererstattung, oder Zurucklassung des Kaufgelds zurucknehmen, und also den
Contract aufheben, oder aber nur die gerichtlich befundene Uebermaße
hinauszahlen, oder an dem noch rückständigen Kaufschilling erlassen wolle.
[3, 9, § 23] 410. Wir setzen jedoch zu Einbringung so einer
als der anderen Klage bei Fahrnussen eine Zeit von acht Tägen von dem Tag der
an den Kaufer geschehenen Uebergabe der Sache aus, nach welcher keine derlei
Klage mehr zugelassen sein sollte.
[3, 9, § 23] 411. Und obwohlen in Ansehung fahrender Dingen
diese Klagen bei einem jeden Gerichtsstand, deme der Verkaufer mit seiner
Person unterworfen ist, angebracht werden können, so sind jedoch die Mängeln
deren Rossen und anderen Viehs derorten davon ausgenommen, wo von Uns besondere
Aemter angestellet sind, denen die ausschließende Erkanntnuß hierüber
eingeraumet ist.
[3, 9, § 23] 412. Diese Rechtsklagen können nicht minder in
allen anderen entgeltlichen Handlungen, als Tauschen, Theilungen, Uebergaben an
Zahlungsstatt, nicht aber auch in Miethen und Vermiethen, und jenen Contracten,
woraus die Rechtshilfe schon aus der Natur des Contracts selbst entspringet,
noch weniger in Vergleichen und denen unentgeltlichen Handlungen, als
Schankungen und Vermächtnussen gebrauchet werden.
[3, 9, § 23] 413. Beide aber erlöschen: Erstens, durch
Verlauf der obbestimmten Zeit, also daß sie darnach weder mehr als eine Einrede
wider die Forderung des Verkaufers eingewendet werden können; zweitens, durch
ausdrückliche Verzicht des Kaufers; drittens, wann die Sache mittlerweil aus
Handen des Kaufers gekommen, oder mit oder ohne seiner Schuld zu Grund gegangen
wäre; viertens, wann die Gestalt der Sache merklich veränderet worden wäre.
[3, 9, § 23] 414. Fünftens, wann der Verkaufer die Sache
außergerichtlich bereits zuruckgenommen hätte, in welchen Fall der Kaufer auch
nach verstrichener obbestimmten Frist noch allemal die Zuruckstellung des
Kaufschillings mit denen von dem Tag der gerichtlichen Belangung laufenden
Zinsen zuruckzuforderen befugt ist.
[3, 9, § 23] 415. Dann sobald der Verkaufer die ihme eines
Mangels halber von dem Kaufer zuruckgestellte Sache ohne seinem vor zweien
Zeugen ausdrücklich einlegenden
(3-194) Widerspruch, daß dieses in keiner anderen Absicht,
als sie vor Schaden und Untergang zu bewahren, geschehe, anwiederum zu seinen
Handen zurucknimmt; oder auch, da er sich solchergestalten verwahret hätte, dem
Kaufer binnen denen nächsten acht Tägen die Sache nicht gerichtlich oder
außergerichtlich vor Zeugen zuruckstellet, ist die Vermuthung wider ihn, daß er
den Mangel erkannt, und in die Aufhebung des Contracts gewilliget habe.
§. ХХІV.
[3, 9, § 24] 416. Endlichen machet die Dunkelheit und
Zweideutigkeit den Kaufcontract gänzlich kraftlos, wann solche dergestalten
beschaffen ist, daß das Wesentlich des Contracts selbst daraus nicht zu
entnehmen seie, als da nicht bestimmet werden könnte, ob die Contrahenten
eingewilliget, welche Sache verkaufet, oder was für ein Kaufgeld bedungen
worden.
[3, 9, § 24] 417. In allen diesen Fällen, wo wegen
Dunkelheit und Zweideutigkeit der Worten der eigentliche Sinn und Verstand des
in dem Wesentlichen des Contracts nicht erreicht werden kann, ist bei
fürwaltender Ungewißheit des Willens deren Contrahenten keine Auslegung
zulässig, sondern die Handlung null und nichtig.
[3, 9, § 24] 418. Wo aber die Dunkelheit oder Zweideutigkeit
nicht das Wesentliche, sondern nur Nebendinge beträfe, ist die Auslegung nach
denen in zweiten Capitel, §. ХVІ, vorgeschriebenen Maßregeln zu
machen, doch also, daß allemal vornemlich die Natur des Contracts dabei zur
Richtschnur genommen werde, weilen in Zweifelsfällen zu vermuthen ist, daß die
Contrahenten sich allezeit der Natur desjenigen Geschäfts, welches sie
abgeschlossen haben, fügen wollen, wann ihre Worte nichts Anderes deutlich
ausdrucken.
(3-195) Caput Х.
Von Tauschcontract.
Inhalt:
§. І. Von der Natur und Aehnlichkeit des
Tauschcontracts mit dem Kaufen und Verlaufen. §. ІІ. Von dessen
Unterschied. §. ІІІ. Von Verbindlichkeit deren Tauschenden
gegeneinander und der daher gebührenden Rechtshilfe. §. ІV. Von
beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde, dann von Schaden und Nutzen der
vertauschten Sache.
§. І.
[3, 10, § 1] Num. 1. Die meiste Aehnlichkeit mit dem Kaufen
und Verkaufen hat der Tauschcontract, welcher nicht weniger, als jener seine
Wesenheit aus bloßer Einwilligung der Contrahenten erhält, und nichts Anderes
ist, als eine gutwillige Bereinigung wegen Uebergebung einer gewissen Sache um
eine andere.
[3, 10, § 1] 2. Hieraus ergiebt sich der wesentliche Unterschied
des Tauschcontracts von anderen sowohl unbenannten, als benannten Verträgen und
Contracten. Dann bei unbenannten Contracten wird auch eine That für eine
gegebene Sache geleistet oder zu leisten versprochen, oder dagegen für eine
geleistete That eine Sache gegeben, oder zu geben verheißen, oder auch nur um
einerlei Sache gehandlet; in Tauschen aber wird allemal erforderet, daß eine
Sache für die andere gegeben oder zu geben gelobet werde.
[3, 10, § 1] 3. Von benannten Contracten hingegen hat keiner
diese Eigenschaft, daß eine Sache für die andere gegeben werde, wie es aus der
gegeneinander haltenden Wesenheit deren bishero beschriebenen, und noch weiters
unten beschreibenden Contracten von selbsten erhellet.
[3, 10, § 1] 4. Und obschon eine wechselweise Schankung dem
Tauschcontract in deme beizukommen scheinet, daß dabei eine Sache für die
andere geben werde, so rühret doch solche aus keiner contractmäßigen
Verbindlichkeit, sondern aus einer bloßen Freigebigkeit und wiedervergeltlichen
Gesinnung her, wodurch diese Handlung sich von dem Tauschcontract zu Genüge
unterscheidet.
[3, 10, § 1] 5. Ein Tausch geschieht entweder aus einer
besonderen auf die eingetauschte Sache gerichteten Neigung, ohne dabei auf die
Gleichheit des Werths der dagegen vertauschten Sache zu sehen, oder aber in
Absicht auf eine gleiche Verhältnuß des Werths zwischen der eingetauschten und
vertauschten Sache.
[3, 10, § 1] 6. Bei ersterer Art wird keine Gleichheit
zwischen dem Gegebenen und Empfangenen erforderet, folglich auch keine Klage
einer Verkürzung halber zugelassen, wohl aber ist bei letzterer die nemliche
Gleichheit, wie bei Kaufen, und Verlaufen zu beobachten, und dahero kann der
Abgang des Werths bei einer oder der anderen Sache mit der Zulage an Geld
ersetzet werden, um die gleiche Verhältnuß des Werths zwischen denen
vertauschenden Sachen herzustellen.
(3-196) [3, 10, § 1] 7. Damit jedoch ein Tausch in der
letzteren Art geschlossen worden zu sein verstanden werden möge, ist
nothwendig, daß in dem Contract die vertauschende Sachen in einem gewissen
Werth angeschlagen, oder aber die Zulage an Geld ausdrücklich bedungen, oder
auch die gleiche Verhältnuß des Werths als eine Bedingnuß der Handlung deutlich
vorausgesetzet werde, wo ansonst ein derlei Contract allemal für einen Tausch
von ersterer Art gehalten werden solle, wobei nur auf die eigene Neigung des
Tauschenden, und nicht auf die Gleichheit des Werths gesehen worden.
[3, 10, § 1] 8. Ansonsten hat das Tauschen außer dem
vorbemelten wesentlichen Unterschied, daß nicht die Waare für Geld, sondern
Sache für Sache überlassen werde, mit dem Kaufen und Verkaufen einerlei Natur
und Eigenschaft, also daß nicht weniger, wie bei Kaufen der Tausch beweglicher
Dingen durch die bloße Einwilligung beider Theilen zu Stand komme, und durch die
wechselweise Uebergabe vollzohen werde, bei unbeweglichen Dingen aber die
wirkliche Einverleibung des Contracts in die Landtafel, Stadt- oder
Grundbücher, worunter die vertauschende Güter gelegen sind, erfordert werde,
wie es in vorgehenden Capitel, §. І, num. 15 und 16 vorgeschrieben
worden.
[3, 10, § 1] 9. Tauschen kann Jedermann, deme nach Inhalt
des vorigen Capitels, §. ІІ, zu kaufen und zu verkaufen nicht
verwehret ist, wie dann auch alle Sachen vertauschet werden können, die nach
Ausweis des §. ІІІ zu verkaufen nicht verboten sind.
[3, 10, § 1] 10. Desgleichen ist die Art und Weis
Tauschcontracten zu schließen mit jener bei Kaufcontracten einerlei, wie solche
eben allda §. VІІ, von num. 65 bis 68 erkläret worden, außer daß
kein Kaufgeld dabei einkomme, als insoweit die Uebermasse des Werths der einen
gegen der anderen Sache mit einer Geldzulage ausgeglichen wird.
[3, 10, § 1] 11. Nicht minder können, wie bei Kaufen, Sachen
entweder nach dem Augenschein, oder nach dem Anschlag, oder auch überhaupt in Pausch
und Bogen gegen einander vertauschet werden, und ist nach Verschiedenheit
dieser Fällen alles Dasjenige dabei zu beobachten, was in gleichbesagten §. von
num. 70 bis 78 ausgemessen worden.
[3, 10, § 1] 12. Gleichwie aber ein jeder Tauschender in Betreff
der austauschenden Sache für einen Verkaufer anzusehen ist, also sind auch die
Tauschende einander nicht weniger, als der Verkaufer dem Kaufer nach Maßgebung
des §. ХІІ aus der Natur des Contracts zur Gewährleistung
verbunden.
[3, 10, § 1] 13. Ebenso können bei Tauschcontracten, wie bei
Kaufen ein Haftgeld, Reugeld, eine gewisse Zeit, eine ungewisse Bedingnuß, die
Bestimmung der Vollziehungsart, und überhaupt alle andere zulässige Bedinge,
als des Wiederkaufs, Einstandsrechts, Beschränkung des Tausches auf einen
gewissen Tag, und des Ruckfalls der vertauschten Sache beigesetzet werden, wie
solche von §. ХІІІ bis ХХ beschrieben
worden.
[3, 10, § 1] 14. Wann der Tauschcontract einmal durch
beiderseitige Einwilligung ordentlich zu Stand gekommen, ist die nachherige
Reue oder der willkürliche Abstand ein- oder andererseits ebenso wenig, als bei
Kaufen erlaubet, und kann von dem geschlossenen Tauschcontract aus keiner
anderen Ursache, als welche bei Kaufen in §. ХХІ für
rechtserheblich geachtet wird, abgewichen, noch weniger solcher anderer gestalt
entkräftet werden.
[3, 10, § 1] 15. Es hat dahero bei Tauschcontracten, wann
selbe nach dem oben num. 5, 6, 7 bemerkten Unterschied auf ein gleiches
Verhältniß des Werths zwischen denen vertauschenden Sachen abzielen, die in §.
ХХІІ beschriebene Klage wegen Verkürzung über die
Hälfte des rechten Werths, ansonst aber auch, wann die eingetauschte Sache
mangelhaft wäre, die in §. ХХІІІ ausgesetzte
Wiederrufungs-
(3-197) und Geringschätzungsklage ebenso wohl, und in der
nemlichen Maß, wie bei Kaufen statt.
§. ІІ.
[3, 10, § 2] 16. Dahingegen bestehet der wesentliche Unterschied
zwischen einem Tausch- und Kaufcontract in deme: Erstens, daß bei Kaufen
nothwendig allemal ein gewisser Preis oder Kaufgeld behandlet werden müsse,
wofür die Sache oder Waare hintangelassen wird, in Tauschen aber eine Sache für
die andere gegeben, oder zu geben verheißen werde.
[3, 10, § 2] 17. Zweitens, daß bei Kaufcontracten ein
Anderer der Kaufer, welcher das Kaufgeld bezahlet, und ein Anderer der
Verkaufer seie, welcher die Sache übergiebt, deren Jeder eine besondere von
einander ganz unterschiedene Verbindlichkeit auf sich hat; in den Gegentheil
bei Tauschen so einer, wie der andere Theil Beider Stelle zugleich in
verschiedener Absicht vertrete, als des Kaufers in Anbetracht der
eintauschenden, und des Verkaufers in Rucksicht der vertauschenden Sache,
folglich auch Beide zu einerlei Schuldigkeit gegeneinander verbunden sind.
[3, 10, § 2] 18. Drittens, daß bei Kaufen allemal auf das
gleiche Verhältniß zwischen dem Werth der verkauften Sache, und dem bedungenen
Preis gesehen werde, insoferne aus dessen Ungleichheit eine übermäßige
Verkürzung entstünde, bei Tauschen aber nur damals, wann nach Maßgebung des
vorigen §. die Handlung in der Absicht auf ein gleiches Verhältniß des Werths
zwischen der eingetauschten und vertauschten Sache getroffen worden.
§. ІІІ.
[3, 10, § 3] 19. Aus der bishero angedeuteten Eigenschaft
des Tauschcontracts erhellet, daß derselbe seiner Natur nach in der Hauptsache
zweibündig seie, woraus beide Theile schon Anfangs bei Schluß der Handlung zur
Uebergabe und Ausfolgung der vertauschten Sache gegen einander gleich verbunden
werden.
[3, 10, § 3] 20. Gleichwie aber Jeder deren Tauschenden in
Absicht auf die vertauschende Sache als ein Verkaufer, und in Absicht auf die
eintauschende als ein Kaufer zu betrachten ist, also treten auch Beide wegen
der ersteren in alle Verbindlichkeit des Verkaufers, und wegen der letzteren in
alle Rechten des Kaufers ein, wie so eine, als die andere in vorigen Capitel,
§. VІІІ und ІХ erkläret worden.
[3, 10, § 3] 21. Ein jeder Tauschender ist demnach ebenso,
wie nach der in gleichgedachten §. VІІІ, von num. 81 bis 121
enthaltenen Ausmessung der Verkaufer das verkaufte Gut, schuldig die
vertauschte Sache mit dem ledigen Besitz, auf die bedungene Art und Weis, in
der behörigen Eigenschaft, in der sie vertauschet worden, ganz, ohnverringeret,
und frei von allen Mängeln und Haftungen, wie auch mit allen ihren Früchten,
Nutzungen, An- und Zugehörungen zur gesetzten Zeit, und an bestimmten Ort dem
Anderen zu übergeben.
[3, 10, § 3] 22. Diese Uebergabe ist nicht weniger, als bei
Kaufcontracten auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtet, und die
Tauschenden sind aus der Natur dieses Contracts bei Anstreitung des Eigenthums
der vertauschten Sache zur Gewährleistung verstricket.
[3, 10, § 3] 23. Desgleichen wird, wie in Kaufen, das
Eigenthum bei liegenden Gütern durch die Einverleibung des Tauschcontracts, und
bei Fahrnussen durch die Uebergabe sogleich übertragen, ohne, wie bei Kaufen,
darauf zu sehen, ob von dem Anderen der Contract auch bereits erfüllet, oder
ihme der Erfüllung halber getrauet, und die dagegen zu leisten schuldige Sache
geborget worden, oder nicht.
[3, 10, § 3] 24. Keiner deren Tauschenden aber ist gehalten
die vertauschte Sache dem Anderen ehender auszuantworten, insolange nicht ihme
von diesem die eingetauschte Sache ausgefolget, und der Contract erfüllet
worden. Wer also den Anderen um die Leistung der contractmäßigen Schuldigkeit belanget, muß seinerseits den Contract
(3-198) vollzohen haben, oder solchen zu vollziehen bereit
sein, wann die genommene Abrede nichts Anderes vermag.
[3, 10, § 3] 25. Daferne jedoch aus des einen Tauschenden
eigener Schuld in seiner Macht nicht mehr stünde die vertauschte Sache dem
Anderen zu übergeben, als da solche aus seiner Verwahrlosung verloren, oder zu
Grund gegangen wäre, so ist derselbe nebst Wiedererstattung der eingetauschten
Sache, wann er sie schon vorhero empfangen, mit allen davon behobenen
Nutzungen, oder da auch solche schon verthan, oder von ihme veräußeret sein
würde, nebst Erlegung des mittelst des Eides der Wahrheit von Klägern
erwiesenen Werths mit denen von Zeit seines Saumsals davon vertagten
landesüblichen Zinsen noch über das den achten Theil des Werths zu entrichten
schuldig, und außerdem sein etwan dabei unterlaufender Betrug, oder
geflissentliche Gefährde nach richterlichen Ermessen zu bestrafen.
[3, 10, § 3] 26. Wäre aber in dem Tauschcontract zur
Ausgleichung des Werthes der Sachen beinebst eine Geldzulage bedungen worden,
so ist alles Dasjenige dabei zu beobachten, was wegen Schuldigkeit des zu
bezahlen habender Kaufgeldes im vorigen Capitel, §. ІХ verordnet
worden.
[3, 10, § 3] 27. Aus der beiderseitigen gleichen
Verbindlichkeit deren Tauschenden gegen einander einspringet auch auf beiden
Seiten eine gleiche, einem wider den anderen Theil zu Erlangung der
eingetauschten Sache mit allen ihren Nutzungen und Zugehörungen, und zu
Leistung der übrigen contractmäßigen Schuldigkeit gebührende Hauptforderung,
welche auch auf ihre Erben und wider dieselbe gehet.
[3, 10, § 3] 28. Es bedarf aber der Tauschende bei liegenden
Gütern dieser Rechtsforderung so wenig, als in Kaufen, weilen er sogleich durch
Einverleibung des Contractes das Eigenthum und den rechtlichen Besitz der
eingetauschten Sache erwirbt, sondern dieselbe ist nur in jenem Falle
nothwendig, wo die Handlung über bewegliche Dinge geschlossen, oder auch in
Betreff liegender Güter ein auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche
Einlage gerichteter Contract noch nicht ausgefertiget worden, wie es in
gleichen Fällen von denen aus Kaufcontracten gebührenden Rechtsforderungen der
§. VІІІ, von num. 130 bis 134, und der §. ІХ, von
num. 148 bis 150 ausweisen.
§. ІV.
[3, 10, § 4] 29. Die Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde
ist bei Tauschcontracten unter denen Contrahenten einerlei, wie bei Kaufen,
also daß all jenes in Tauschcontracten statt hat, was in §. Х von Kaufen
gemeldet worden.
[3, 10, § 4] 30. Desgleichen gehet nach geschlossenen
Tauschcontract die bloß zufällige Gefahr der vertauschten Sache demjenigen
Theil zu Schaden, sowie der Nutzen davon zu dessen Vortheil, welchem sie zu
geben verheißen worden, doch mit Ausnahm derenjenigen Fällen, worinnen nach Inhalt
des §. ХІ der Verkaufer die Gefahr zu tragen hat, welche dahero
gleichermaßen bei Tauschcontracten in solchen Fällen dem gebenden, und nicht
dem nehmenden Theil zur Last fallet.
(3-199) Caput ХІ.
Von Schätzungscontract.
Inhalt:
§. І. Von Natur und Wesenheit des Schätzungscontracts,
und von Verschiedenheit deren Schätzungsarten. §. ІІ. Von der
diesem Contract eigenen Schätzungsart, und dessen daher rührenden Unterschied
von anderen Handlungen. §. ІІІ. Von der Verbindlichkeit des
Nehmers, und von Gegenverbindlichkeit des Gebers, dann von der gegen einander
hieraus entstehenden Haupt- und Ruckforderung. §. ІV. Von Haftung für
Gefährde, Schuld und Zufall.
§. І.
[3, 11, § 1] 1. Ferners gehöret
unter die Consensualcontracten der Schätzungscontract. Dieser ist eine
verbindliche Handlung, wodurch Jemanden eine Sache in dem angeschlagenen Preis
mit dem Beding zu verkaufen gegeben wird, daß er entweder dieselbe Sache
unschadhaft und unverletzt wieder zuruckstelle, oder den bedungenen Werth, wie
solcher angeschlagen worden, dafür bezahle.
[3, 11, § 1] 2. Dieser Contract betrifft nur bewegliche
Dinge, welche handelbar, und einer Schätzung fähig sind, und kann von allen
Denenjenigen eingegangen werden, die kaufen und verkaufen mögen. Ueberhaupt hat
derselbe mit dem Kauf-, Dingungs- und Befehlscontract viele Aehnlichkeit, und
zwar mit dem ersteren wegen Anschlag und Bestimmung des Preises, wofür die
geschätzte Sache überlassen wird, mit dem zweiten, weilen auch dabei ein
gewisser Lohn bedungen werden kann, und endlich mit dem dritten, weilen andurch
die Ausrichtung eines fremden Geschäfts auf sich genommen wird.
[3, 11, § 1] 3. Es giebt jedoch verschiedene Arten der
Schätzung, wodurch aber nicht allemal der Schätzungscontract erzielet wird, als
erstens geschieht die Schätzung einer Sache in Absicht eine andere Handlung,
als einen Kauf-, Tausch-, Gesellschaftscontract aber dergleichen zu schließen,
welcherlei Schätzung nur eine bloße Vorbereitung zu einem anderen Geschäft ist,
und dahero auch, wann solches nicht zu Stand kommet, auf seiner Seiten einige
Verbindlichkeit wirket.
[3, 11, § 1] 4. Zweitens wird eine Sache um einen gewissen
Preis zu dem Ende geschätzet, damit deren Werth sowohl für jetzt, als in
Zukunft ausgewiesen, und geschätzet, damit deren Werth sowohl für jetzt, als in
Zukunft ausgewiesen, und bestimmet seie, im Fall dieselbe aus einem der Natur
des abgeschlossenen Geschäfts beikommenden Grad der Schuld etwan in Verlust
oder Schaden gerathen würde.
[3, 11, § 1] 5. Aus dieser Schätzung aber entstehet weder ein
Kauf- und Verkauf-, noch ein Schätzungscontract, sondern solche ist lediglich
ein anderen Handlungen mit beiderseitiger Einwilligung beigefügtes Beding,
woraus der nehmende Theil zu Erstattung des angeschlagenen Werths, in deme er
die Sache übernommen, verbunden wird, wann dieselbe aus seiner Schuld, wofür er
sonst nach der Natur des Geschäfts zu haften hätte, verloren oder zu Grund
gegangen wäre.
[3, 11, § 1] 6. Drittens wird eine Sache in einen gewissen
Werth zum Verkauf angeschlagen, und dieses kann anwiederum auf dreierlei Art
geschehen, als entweder, daß dieselbe dem Nehmenden alsogleich um den bestimmte
Preis verkaufet sein solle, welche Handlung ein wahrer Kauf und Verkauf ist,
sobald als die beiderseitige Vereinigung über den Preis erfolget, obschon dabei
bedungen würde, daß
(3-200) wann das Kaufgeld in der gesetzten Zeit nicht
entrichtet würde, die Sache dem Verkaufer anheimfallen solle.
[3, 11, § 1] 7. Oder daß die Sache in dem angeschlagenen
Werth zum Verkauf gegeben werde, damit der Nehmende wisse, um was für einen
Preis er solche anzubringen habe, und eine so beschaffene Handlung ist
insgemein ein Befehlscontract, wobei der Gebende noch allemal Eigenthümer der
Sache, insolange sie nicht an einen Dritten veräußeret wird, verbleibet, und
ihme sowohl der Nutzen an dem daraus gelösten mehreren Kaufgeld zu Guten, als
die zufällige Gefahr der Sache zu Schaden gehet; wo aber zugleich ein Lohn für
die Bemühung in Ausbringung der Sache oder die Theilung des Gewinns bedungen
würde, ist es ein Dingungs- oder Gesellschaftscontract.
[3, 11, § 1] 8. Oder endlich, daß die Sache in dem
angeschlagenen und geschätzten Werth dergestalten übernommen werde, daß der
Nehmende entweder die Sache zuruckzustellen, oder den bestimmten Preis dafür zu
bezahlen gelobe, wodurch derselbe sowohl sich den Gewinn von dem über den
Anschlag gelösten mehreren Kaufgeld zueignet, als auch die Verbindlichkeit für
allen an der Sache entstehenden zufälligen Schaden auf sich ladet.
§. ІІ.
[3, 11, § 2] 9. Diese letztere Art allein ist nur dem
Schätzungscontract eigen, woraus dessen Gestalt und Wirkung ihre von anderen
Handlungen sich unterscheidende Bestimmung erhält; als da Jemand einem Anderen
seine feilhabende Sache in einem angeschlagenen Werth mit dem Beding übergiebt,
daß er solche zu Geld mache, und ihme entweder den bestimmten Preis dafür
bezahle, oder die Sache zuruckstelle, und wird die wesentliche Wirkung des
Contracts nicht geänderet, obgleich der Gebende den Nehmenden, oder dieser
jenen hierum ersuche, wann nur die Uebernahm unter gleichgedachten Beding
erfolget.
[3, 11, § 2] 10. Sobald nun der Andere die Sache auf diese
Weis in dem angeschlagenen Werth übernommen, wird er andurch zu einer
wechselweisen Schuldigkeit verbunden, als entweder die Sache zuruckzustellen,
oder den bedungenen Preis dafür zu bezahlen, also zwar, daß wann auch die Sache
durch Zufall zu Grund gienge, er jegleichwohlen noch den geschätzten Werth, in
welchem ihme die Sache angeschlagen worden, zu erlegen verstricket bleibe.
[3, 11, § 2] 11. Dagegen aber gebühret ihme nicht allein von
Zeit der Uebergabe alle aus der Sache behobene Nutzung, wann von ihme der
angeschlagene Preis dafür entrichtet worden, sondern auch der Ueberschuß des
Kaufgelds, was er mehr über den Aufschlag daraus gelöset bleibe.
[3, 11, § 2] 12. Nichtsdestoweniger, wiewohlen
solchergestalten der Nehmende die Sache gegen Erlag des angeschlagenen Werths
für sich selbst behalten, und sich zueignen mag, so erwirbt er doch hieran das
Eigenthum nicht ehender, als wann von ihme, wie es oben von Käufen beweglicher
Dingen in neunten Capitel, §. VІІІ, num. 127 und 128 geordnet
ist, entweder das Kaufgeld bezahlet, oder dieses ihme von dem Gebenden auf die
allda erklärte Art und Weis geborget worden.
[3, 11, § 2] 13. Der Gebende hat demnach die Befugnuß die Sache,
insolange sie in Handen des Nehmenden befindlich ist, wann dieser den
bestimmten Werth dafür nicht erlegen wollte oder könnte, und ihme solcher nicht
etwan geborget worden, als sein Eigenthum zuruckzuforderen; ein Dritter aber,
welcher die Sache entweder kauf- oder versatzweise, oder durch eine sonstige
entgeltliche Handlung rechtmäßig an sich gebracht, kann derowegen von demselben
nicht angesprochen werden, außer insoweit hierauf noch etwas an dem Kaufgeld,
oder über Abzug des Pfandschillings heraus gebührete.
[3, 11, § 2] 14. Es wird dahero zur Wesenheit des
Schätzungscontracts erforderet: Erstlich, daß die Sache in einem gewissen Werth
angeschlagen, und in diesem Anschlag
(3-201) übernommen werde, wodurch diese Handlung sich von
jenem Geschäft unterscheidet, darinnen eine Sache Jemanden ohne Bestimmung
eines Werths, sondern nur um einen billigen Preis, oder auch, wie immer
dieselbe an Mann gebracht werden könne, zum Verkauf gegeben wird, welches ein
bloßer Befehlscontract, oder wo dabei ein gewisser Lohn verabredet würde, ein
Dingungscontract ist.
[3, 11, § 2] 15. Zweitens, daß der Nehmende sich verbinde,
entweder die Sache wieder zu geben, oder den bestimmten Preis zu bezahlen,
woraus der Unterschied von einem Kauf und Verkauf erhellet, in welchen die
Sache dem Kaufer sogleich verkaufet, und dieser lediglich das bedungene
Kaufgeld dafür zu bezahlen verpflichtet wird, ohne die Auswahl zu haben, ob er
viel lieber die Sache zuruckstellen, oder das Kaufgeld dafür erlegen wolle.
[3, 11, § 2] 16. Drittens, daß der Gebende sich mit dem
bestimmten Preis begnüge, und dem Nehmenden allein das über den Aufschlag mehr
Gelöste zu Guten, wie das Wenigere zu Schaden gehe; dann woferne der Gewinn und
Schaden dem Gebenden allein zu Theil würde, ist es ein Befehlscontract, oder wo
die Theilung des Gewinns bedungen werden wäre, ein Gesellschaftscontract.
[3, 11, § 2] 17. Viertens, daß das Eigenthum der in dem
angeschlagenen Werth übergebenen Sache auf den Nehmenden übertragen werde, wann
nemlich der bestimmte Preis von demselben dafür bezahlet, oder solcher ihme
geborget worden; da aber der Gebende sich das Eigenthum vorbehielte, ist es
kein Schätzungs-, sondern ein Befehlscontract.
[3, 11, § 2] 18. Solchemnach bestehet die ganze Wesenheit
des Schätzungscontracts in dem Beding, daß der Nehmende entweder die ihme in
dem angeschlagenen Werth übergebene Sache anwiederum zuruckzustellen, oder den
geschätzten Werth, in welchem er dieselbe übernommen, dafür zu bezahlen
schuldig sein solle.
[3, 11, § 2] 19. Würde aber die Handlung unter einem anderen
Beding eingegangen, wodurch diese vorgeschriebene Form des Schätzungscontracts
abgeänderet worden, ist die hieraus gebührende Schuldigkeit nach der Natur
desjenigen Geschäfts abzumessen, deme das Beding in seinem Inhalt beikommet.
[3, 11, § 2] 20. Dahingegen nimmt der Schätzungscontract
durch das alleinige Beding eines Lohns keine andere Gestalt an, wann nicht der
Nehmende sich dabei ausdrücklich verwahret hätte, daß er für die Gefahr der
Sache nicht stehen wolle, aber sonst das Beding also beschaffen wäre, daß es
mit dem Wesentlichen des Schätzungscontracts nicht vereinbaret werden könnte,
als da entweder gar kein gewisser Werth angeschlagen, oder das über den
Anschlag Mehrlösende von dem Gebenden sich vorbehalten, und nur ein gewisser Theil
des Kaufgelds dem Nehmenden zum Lohn seiner Mühe belassen würde.
§. ІІІ.
[3, 11, § 3] 21. Der Schätzungscontract ist in der Folge
zweibündig, woraus der Nehmende gleich Anfangs in der Hauptsache verpflichtet,
der Gebende aber nur nachhero zur Entschädigung des Nehmenden aus natürlicher
Billigkeit ruckverbindlich wird.
[3, 11, § 3] 22. Diese Handlung hat jedoch die mit dem
Befehlscontract übereinstimmende besondere Eigenschaft, daß obgleich wegen
Uebernehmung der Sache in dem angeschlagenen Werth die beiderseitige
Einwilligung und Vereinigung erfolget, nichtsdestoweniger, insolange die Sache
nicht wirklich übergeben, oder der Werth dafür erleget worden, noch allemal
jedwedem Theil freistehet die Handlung abzubrechen, und von dem geschlossenen
Contract abzuweichen.
[3, 11, § 3] 23. Sobald aber als die Sache in dem angeschlagenen
Werth übernommen worden, wird der Nehmende dadurch in der Hauptsache verbunden,
woraus die dem Gebenden und dessen Erben wider den Nehmenden und seine Erben
gebührende
(3-202) Hauptforderung, entweder zur
Zuruckstellung der Sache mit allen davon eingehobenen Nutzungen, oder zur
Bezahlung des bestimmten Werths entspringet.
[3, 11, § 3] 24. Es hat also der Beklagte die Auswahl, ob er
die Sache mit denen mittlerweil abgefallenen Nutzungen zuruckgeben, oder den
angeschlagenen Werth, in welchem er sie übernommen, dafür bezahlen wolle,
insolange nemlich die Sache noch ganz und unverletzt in seinen Handen
befindlich ist.
[3, 11, § 3] 25. Wäre hingegen die Sache schon von ihme
veräußeret, verthan, oder sonst beschädiget worden, ist derselbe lediglich zu
Entrichtung des geschätzten Werths verbunden, und kann dem Kläger nicht
aufgedrungen werden, die zu Schaden gekommene Sache anwiederum zuruckzunehmen.
[3, 11, § 3] 26. Mit dieser Hauptforderung aber kann nicht
ehender verfahren werden, als bis die Zeit, worauf die Sache zum Verkauf
gegeben worden, verstrichen, und da keine längere oder kürzere Zeit ausgemessen
worden wäre, solle dem Nehmenden wenigstens eine Frist bis auf den dritten Tag
nach der Uebergabe verstattet sein, sich um einen anständigen Kaufer bewerben
zu können; es wäre dann, daß der Gebende eine unvermeidliche Gefahr seiner
Verkürzung oder Bevortheilung zu erweisen vermögete, in welchem Fall ihme
freistehet, die Sache oder den Werth noch den nemlichen Tag der Uebergabe
zuruckzuforderen.
[3, 11, § 3] 27. Dagegen wird der Gebende in der Folge zur
Entschädigung des Nehmenden aus natürlicher Billigkeit ruckverbindlich, wann
diesem wegen der zum Verkauf gegebenen Sache ein Aufwand verursachet, oder
sonst ein erweislicher Schaden zugefüget worden.
[3, 11, § 3] 28. Hieraus entstehet an Seiten des Nehmenden
und seiner Erben wider den Gebenden und dessen Erben die Ruck- oder
Gegenforderung zu Wiedererstattung deren aufgewandten Unkosten, und des der
Sache halber erlittenen Schadens.
[3, 11, § 3] 29. Diese Ruckforderung aber hat aus dem
Schätzungscontract nur damals statt, wann die Sache selbst zuruckgestellet
wird, und ist dabei eben Dasjenige sowohl in der Zeit, als in der Art der
Anbringung in acht zu nehmen, was oben in fünften Capitel, §. V, von der Ruckforderung
aus dem Entlehnungscontract geordnet worden.
[3, 11, § 3] 30. Wohingegen in dem Fall, da die Sache nicht
mehr vorhanden wäre, oder auch solche der Nehmende für sich behalten, und den
bestimmten Werth dafür bezahlen wollte, kann er sich dieser Ruckforderung nicht
gebrauchen, weilen er andurch selbst Eigenthümer der Sache worden, wann nicht
die Ersetzung des allenfalls bis zum Verkauf machenden Aufwands besonders
ausbedungen, oder die Handlung in einer von dem Schätzungscontract
unterschiedenen Gestalt, wodurch das Eigenthum nicht übertragen wird,
geschlossen worden wäre.
§. ІV.
[3, 11, § 4] 31. Gleichwie diese Handlung auf Nutzen und
Vortheil beider Contrahenten gerichtet ist, als des Gebenden, damit er seine
ausgefeilte Sache desto leichter an Mann bringe, und des Nehmenden, damit er
aus diesem Handel einen Gewinn beziehe, also sind auch Beide einander für
Arglist und Gefährde, dann die große und leichte, oder mittlere Schuld
verfänglich.
[3, 11, § 4] 32. Die zufällige Gefahr der Sache aber hat bis
zu der Uebergabe Derjenige, welcher die Sache dem Anderen zum Verkauf zu geben
verheißen, nach der Uebergabe hingegen, wann die Handlung in der
obbeschriebenen Form und Gestalt eines Schätzungscontracts getroffen worden,
allemal jener Theil zu tragen, welcher sie in dem geschätzten Werth übernommen
hat.
[3, 11, § 4] 33. Wann jedoch ein Zweifel entstünde, ob der
Anschlag des Werths in Absicht einen Schätzungscontract, oder irgend einen anderen Vertrag zu schließen beigefüget worden,
ist jederzeit auf die Verbindungsart des Nehmenden zu sehen, ob nemlich
derselbe nur allein den bestimmten Werth zu bezahlen gelobet, und
(3-203) also den Gewinn und Schaden auf sich genommen, oder
aber, ob er den ganzen Geldbetrag, welcher dafür gelöset werden würde, es seie
viel oder wenig, abzuführen versprochen habe.
[3, 11, § 4] 34. Das erstere Beding ist ein wahrer
Schätzungscontract, und wirket die Uebertragung der Gefahr auf den Nehmenden,
in dem letzteren aber hat der Gebende den zufälligen Schaden zu leiden, wann
nicht der Nehmende sich hierzu ausdrücklich verfänglich gemacht hätte.
Caput ХІІ.
Von Mieth-, Pacht-, Bestand- oder Dingungscontract.
Inhalt:
§. І. Von Natur, Eigenschaft und Unterschied des
Mieth-, Pacht-. Bestand- oder Dingungscontracts. §. ІІ. Von
Fähigkeit zu miethen und zu vermiethen. §. ІІІ. Von Sachen
und Werken, welche vermiethet oder verdinget werden mögen. §. ІV. Von
Zins-, Lohn-, Mieth-, Bestand- oder Pachtgeld, oder Pachtschilling. §. V. Von
Art und Weis den Mieth- oder Pachtcontract zu schließen. §. VІ. Von
Verbindlichkeit des Vermiethers, Verpachters oder Bestandgebers, und der wider
ihn gebührenden Rechtsforderung. §. VІІ. Von Verbindlichkeit des
Miethers, Pachters oder Bestandmannes, und der wieder ihn daraus entstehenden
Klage. §. VІІІ. Von beiderseitiger Verständlichkeit für
Schuld und Gefährde. §. ІХ. Von ungefähren Zufällen. §. Х.
Von Erlöschung und Aufhebung des Mieth-, Pacht- oder Dingungscontracts.
§. І.
[3, 12, § 1] Num. 1. Nach dem Kaufen und Verkaufen ist unter
denen Einwilligungscontracten in Handel und Wandel der gemeinste das Miethen
und Vermiethen. Dieses ist eine gutwillige Vereinigung wegen Ueberlassung des
Gebrauchs einer Sache, oder auch wegen Leistung persönlicher Diensten und
Arbeiten um einen gewissen Zins oder Lohn.
[3, 12, § 1] 2. Das Miethen und Vermiethen begreifet in
seinem Umfang alle diejenige Handlungen, welche zwar nach Mannigfaltigkeit
deren Gegenständen, die sie betreffen, mit verschiedenen Worten, als
verpachten, arrendiren, für Geld ausleihen, in Verstand geben, admodiren und
dergleichen Benennungen abgedeutet werden, doch aber an sich wahre Miethungscontracten
sind, und einerlei Natur und Eigenschaft haben.
[3, 12, § 1] 3. Dann eigentlich werden Häuser, Wohnungen und
andere unbewegliche Dinge, wovon nur der Gebrauch, und nicht der Fruchtgenuß
überlassen wird, vermiethet,
(3-204) liegende Güter, und fruchtbringende Gründe, sowie
abfallende Renten, Gefälle und Einkünften verpachtet oder arrendiret,
bewegliche Sachen zum Gebrauch für Geld ausgeliehen, persönliche Dienste und
Arbeiten verdinget, gewinnstige Gewerbe, als z. B. Mühlen, Meiereien, Wirths-
und Branntweinhäuser, Wein- und Bierschank u. dgl. in Bestand gegeben, und
endlich heißen die wegen Uebernehmung deren Lieferungen und Verpflegungen
Unserer Kriegsheere, oder auch wegen Ausführung gemeinnutzlicher oder
nothwendiger Werken mit Unserer Kammer, oder denen Ständen eines Landes
schließende Contracten insgemein Admodiationen.
[3, 12, § 1] 4. Der Miethungscontract kommet mit dem Kaufen
und Verkaufen in Vielen überein, dann beide erhalten aus bloßer Einwilligung
deren Contrahenten ihre Wesenheit, und gleichwie in Kaufen das Eigenthum der
Sache um einen gewissen Werth überlassen wird, also wird auch in Miethen der
Gebrauch der Sache um einen bedungenen Zins verstattet, oder persönliche
Dienste und Arbeiten für einen verabredeten Lohn geleistet.
[3, 12, § 1] 5. Indeme sind doch beide unterschieden, daß
bei Kaufen das Eigenthum der verkauften Sache auf den Kaufer übertragen, in
Miethen aber nur der Gebrauch der Sache dem Miether zugewendet werde, und das
Eigenthum aus der Natur des Miethungscontract allemal bei dem Vermiether
verbleibe, wann solches nicht durch einen besonderen Vertrag oder Beding dem
Miether überlassen, und andurch das Geschäft in eine andere Gattung von
Contracten verwandlet wird.
[3, 12, § 1] 6. Es hat auch das Miethen und Vermiethen nicht
weniger, als das Kaufen und Verkaufen zweierlei Benennungen, wodurch der
Unterschied deren contrahirenden Personen, und die Verschiedenheit ihrer
Verbindlichkeiten angedeutet wird; der Contract aber ist an sich ebenso, wie
das Kaufen nur eine beide Theile gleich verbindende in ihrem Wesentlichen
unabsönderliche Handlung.
[3, 12, § 1] 7. Diesemnach bestehet die Wesenheit des
Miethungs- oder Dingungscontracts in folgenden dreien Stücken, als: Erstens, in
beiderseitiger Einwilligung und Vereinigung; zweitens, in der vermietheten
Sache, oder verdingten Diensten und Arbeiten; drittens, in dem dafür bedungenen
Zins oder Lohn.
[3, 12, § 1] 8. Nach diesem zweifachen Gegenstand, nemlich
deren Sachen und Diensten oder Arbeiten theilet sich der Miethungscontract in
zweierlei Gattungen, als in die Miethung der Sachen, und in die Verdingung
persönlicher Diensten und Arbeiten. Bei der ersteren ist allemal der eine
contrahirende Theil, welcher die Sache ausleihet, oder
deren Gebrauch verstattet, der Vermiether und der andere der Miether, welcher
den Zins dafür entrichtet.
[3, 12, § 1] 9. Die andere hingegen ist anwiederum
zweierlei, als erstlich die Verdingung bloßer unbestimmter persönlicher
Diensten, ohne die Ausführung oder Herstellung eines gewissen Werks auf sich zu
nehmen, und in dieser ist Jener der Verdingende, welcher dem Anderen die
Dienste leistet, und der Andere der Dingende, deme die Dienste geleistet
werden, und welcher den Lohn dafür bezahlet.
[3, 12, § 1] 10. Oder zweitens die Verdingung einer bestimmten
Arbeit, wodurch die Verfertigung eines gewissen Werks übernommen wird, und bei
dieser Handlung ist in verschiedener Absicht auf die Arbeit, oder das Werk ein
jeder Theil der Verdingende und Dingende zugleich.
[3, 12, § 1] 11. Als in Absicht auf die Arbeit ist Jener der
Verdingende, welcher solche leistet, und den Lohn dafür empfängt, und der
Dingende, deme sie geleistet, und von deme der Lohn bezahlet wird. In Absicht
auf das Werk aber ist Jener der Dingende, welcher solches auszuführen
übernommen, und der Verdingende, welcher es dem Anderen in die Arbeit gegeben
hat, also daß jederzeit, sobald als die Arbeit gedinget, zugleich auch das Werk
verdinget wird, wie z. B. bei einem Hausbau der Bauherr die Arbeit dinget, den
Bau aber dem Baumeister verdinget.
(3-205) [3, 12, § 1] 12. Diese zweifache Absicht hat ihre
Wirkung in deme, daß in derlei Handlungen ein jeder Theil beide contractmäßige
Verbindlichkeiten des Miethers und Vermiethers zugleich auf sich habe. Also hat
Jener, welcher die Arbeit dinget, und das Werk verdinget,
einerseits die Verbindlichkeit des Miethers, daß er den bedungenen Lohn
bezahle, und andererseits die Verbindlichkeit des Vermiethers, daß er das
verdingte Werk ausführen lasse.
[3, 12, § 1] 13. Gleichwie in Gegentheil der Andere, welcher
die Arbeit verdungen, und das Werk gedungen hat, als Vermiether der Arbeit
solche zu leisten, und das Werk zu vollführen, als Miether des Werks aber für
allen durch ihn, oder seine Leute hieran entstehenden Schaden zu haften
schuldig ist.
[3, 12, § 1] 14. Nach der Art und Weis den Miethungscontract
zu schließen ist derselbe zweierlei, als entweder eine wahre Miethung, deren
Natur und Eigenschaft durch keine Nebenbedinge geänderet wird, sondern eben
dieselbe Sache nach vollendeter Miethzeit anwiederum zuruckgestellet werden
muß.
[3, 12, § 1] 15. Oder aber eine von ihrer Natur abweichende
Miethung, wann dabei bedungen wird, daß nicht eben dasselbe, was vermiethet
worden, sondern nur eben so vieles von gleicher Gattung zuruckgestellet werde,
welches insgemein bei dem in Bestand gebenden nutzbaren Vieh zu geschehen
pfleget, und die Wirkung hat, daß die Gefahr auf den Bestandhaber übertragen
werde.
§. II.
[3, 12, § 2] 16. Miethen und Vermiethen kann Jedermann, der
Verbindungen einzugehen, und der eigenen Verwaltung seines Vermögens fähig ist,
wann ihme sonst kein Verbot des Gesatzes entgegen stehet.
[3, 12, § 2] 17. Inwieweit aber die Vormündere oder Gerhaben
und Curatores Miethungs-, Pacht- oder Bestandcontracten über die Güter ihrer
Pflegbefohlenen schließen können, ist bereits in ersten Theil in der Abhandlung
von der Vormundschaft erkläret worden.
[3, 12, § 2] 18. Unsere landesfürstliche Städte und Märkte
sind nicht befugt ohne Unserer oder derjenigen Stelle, welcher von Uns die
Obsicht hierüber eingeraumet ist, vorhergehenden Einwilligung und Beangenehmung
die der Gemeinde angehörige Güter, Rechten oder Gefälle zu vermiethen, zu
verpachten, oder in Bestand zu lassen.
[3, 12, § 2] 19. Welchen Verbot Wir auch auf die Vorstehere
der Spitäler und anderen milden Stiftungen hiermit erstrecken; so viel es aber
die obrigkeitliche Städte und Märkte anbetrifft, lassen Wir es bei einer jeden
Landes Verfassung gnädigst bewenden.
[3, 12, § 2] 20. Wir verordnen desgleichen, daß in Städten
denen Schmieden, Faßbindern, Bäcken, Bierbrauern und dergleichen
Handwerksleuten, welche ihre Hantierung entweder mit starken Getös, oder mit
besorglicher Feuersgefahr treiben, ohne besonderer Einwilligung deren
Magistraten an keinen anderen Orten, als welche zu derlei Hantierungen schon vorhin
gewidmet waren, oder wo solche durch mehrere Jahre ohne Widerspruch deren
Nachbarn getrieben worden, Häuser, Wohnungen oder Plätze zu Errichtung ihrer
Werkstätten zu miethen gestattet sein solle.
(3-206) §. III.
[3, 12, § 3] 21. Die Miethungs- und Dingungscontracten haben
zu ihren Gegenstand einerseits den Gebrauch der Sachen, oder die Leistung
persönlicher Diensten und Arbeiten, und andererseits den dafür bedungenen Zins
oder Lohn. Von Ersteren wird in gegenwärtigen, von dem anderen aber in nachfolgenden
§. gehandlet.
[3, 12, § 3] 22. Alle Sachen, welche handelbar sind, und
durch den Gebrauch nicht verthan werden, sondern in ihrer unverringerten
Wesenheit anwiederum zuruckgestellet werden mögen, können vermiethet und
gemiethet werden, sie mögen körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder
unbewegliche, des Vermiethers eigene oder fremde Dinge sein.
[3, 12, § 3] 23. Also können nicht allein alle Rechten und
Befugnussen, sondern auch die persönliche Dienstbarkeiten, als der Nutznießung
und der Bewohnung vermiethet oder verpachtet werden, wann solche nicht
ausdrücklich auf die Person des Berechtigten allein beschränket sind. Inwieweit
aber die Jemanden zustehende persönliche Dienstbarkeit des Gebrauchs einer
Sache an Andere miethweise überlassen werden möge, ist bereits in zweiten Theil
ausgemessen worden.
[3, 12, § 3] 24. Dahingegen können die sächliche
Dienstbarkeiten, welche dem herrschenden Grund unzertrennlich ankleben, ohne
diesem nicht vermiethet werden, obschon solche miethweise, und gegen gewisse
Zinsen erworben und bestellet werden mögen; wann sie aber schon bestellet sind,
können dieselbe nicht mehr an Andere ohne dem Grund, deme sie gebühren,
vermiethet werden.
[3, 12, § 3] 25. Desgleichen ist bei körperlichen Dingen
kein Unterschied, ob sie gleich fahrend oder liegend sind, also können von
ersterer Art Pferde, Rinder, Schafe, Geflügel, Kleider, Bücher, Schiffe, Wägen,
und überhaupt alle Dinge, welche ohne Verringerung ihrer Wesenheit einen
Gebrauch oder Genuß gestatten, in Bestand gegeben, oder für Geld ausgeliehen,
von letzterer Art aber Häuser, Güter, Felder, Wiesen, Teiche, Wälder, Gärten,
Keller, Mühlen und dergleichen vermiethet oder verpachtet werden.
[3, 12, § 3] 26. Es lieget auch nichts daran, ob die
vermiethete oder verpachtete Sache des Vermiethers Eigen oder fremd seie; unter
eigenen aber werden nicht allein die Sachen verstanden, deren Eigenthum dem
Vermiether zugehöret, sondern auch jene, worinnen ihme ein Recht gebühret. Also
kann ein Miether oder Bestandmann die ihme vermiethete, oder in Bestand
gegebene Sache hinwiederum einem Anderen zu dem nemlichen Gebrauch, und auf
eben die Zeit, auf welche er sie gemiethet, mieth- oder bestandweise
überlassen, so eigentlich ein Afterbestand genennet wird; woferne der
Vermiether sich nicht ausdrücklich ausbedungen hätte, daß kein Afterbestand
zulässig sein solle.
[3, 12, § 3] 27. Eben diese Befugnuß hat Derjenige, deme aus
einem Beding, oder aus letztwilliger Anordnung die Nutznießung eines Guts, oder
die Wohnung in einem Hause gebühret, oder auch ein Glaubiger, der in den Besitz
eines ihme zur Hypothek verschriebenen Guts gelanget ist, jedoch nur auf jene,
und keine längere Zeit, als die eigene Miethung, oder das an der Sache habende
Recht des Vermiethers fürwähret, mit dessen Erlöschung auch der Afterbestand
erlöschet.
[3, 12, § 3] 28. Der Afterbestandmann ist dahero ohne
Weiters die Wohnung zu raumen, und die gemiethete Sache dem Eigenthümer oder
Demjenigen, welcher in das Recht des Aftervermiethers eintritt, sogleich
zuruckzustellen schuldig; dagegen aber bleibet ihme unbenommen des etwan früher
abgebrochenen Contracts halber, wann er von Seiten des Aftervermiethers durch
Gefährde oder Arglist zu dieser Miethung verleitet worden wäre, die Vergütung
seines erweislichen Schadens an demselben anzusuchen.
(3-207) [3, 12, § 3] 29. Fremde, oder solche Sachen, woran
dem Vermiether gar kein Recht zustehet, werden entweder mit Wissen und Willen
des Eigenthümers, oder ohne demselben vermiethet. Ersteren Falls, wann seine
Einwilligung überhaupt, und ohne aller Beschränkung darzu gegeben worden,
bestehet der Contract nach seinem ganzen Inhalt, wie solcher eingegangen
worden, außer deme aber nur in derjenigen Maß, und auf die Zeit, wie weit der
Eigenthümer eingewilliget hat.
[3, 12, § 3] 30. Letzteren Falls hingegen, wo die
Einwilligung des Eigenthümers ermanglet, bestehet der Contract nur insolange,
als der Eigenthümer seine Sache nicht zuruckforderet, welche ihme auf Verlangen
sogleich zu erfolgen ist, die Miethzeit möge verflossen sein oder nicht, und hat
nebst deme der Miether oder Bestandmann, wann er die Sache fremd zu sein
gewußt, den Zins für die Zeit seiner Inhabung dem Eigenthümer zu bezahlen, wann
er gleich solchen dem Vermiether schon abgeführet hätte.
[3, 12, § 3] 31. Woferne jedoch der Miether die Sache mit
guten Glauben bestanden hätte, kann zwar von ihme der dem Vermiether schon
bezahlte Zins nicht wieder geforderet werden; der Vermiether aber ist anderer
gestalt nicht befugt, den empfangenen Zins zu behalten, oder den noch
rückständigen einzuforderen, als da er sich der Vermiethung der Sache mit guten
Glauben, und in ungezweifleter Meinung, daß er das Recht hierzu habe, angemaßet
hätte. Ansonsten hat sowohl der Miether den noch rückständigen, als der
unbefugte Vermiether den schon eingehobenen Zins dem Eigenthümer zu entrichten.
[3, 12, § 3] 32. Des Miethers eigene Sachen können ihme
nicht anderst vermiethet oder in Bestand gegeben werden, als da vorhero
entweder das Eigenthum, oder ein anderes den Gebrauch der Sache wirkendes Recht
auf den Vermiether übertragen worden wäre, also kann der Kaufer dem Verkaufer
auch noch vor der körperlichen Uebergabe die verkaufte Sache, der Nutznießer
dem Eigenthümer das nutznießende Gut, der Glaubiger dem Schuldner seine in
Besitz habende Hypothek vermiethen, oder in Bestand lassen.
[3, 12, § 3] 33. Gleichergestalten können alle persönliche
Dienste und Arbeiten verdinget, und gedinget werden, welche nicht wider die
Ehrbarkeit und Unsere Gesatze laufen, anbei aber so beschaffen sind, daß sie um
Geld geschätzet werden mögen, und zum Nutzen des Dingenden gereichen.
[3, 12, § 3] 34. Dahero kann kein Dingungscontract über
unerlaubte Handlungen zu Recht bestehen, noch weniger solle einem oder dem
anderen Theil eine Rechtshilfe hierauf ertheilet, sondern beide nach Beschaffenheit
des Verbrechens zur verwirkten Strafe gezogen werden.
[3, 12, § 3] 35. Jene Arbeiten und Verrichtungen hingegen,
welche durch die Kräften des Verstandes und Witzes, und nicht durch körperliche
Wirksamkeit ausgeübet werden, können wegen ihrer Würde und Erhabenheit über
andere Handarbeiten keine eigentliche Schätzung annehmen, folglich auch keinen
Gegenstand deren Dingungscontracten abgeben, sondern die darüber eingegangene
Verbindlichkeit bestehet nur in der Gestalt eines unbenannten Vertrags oder
Befehlcontracts, und jenes, was dafür zu geben bedungen worden, heißet zum
Unterschied eines Hand- oder Liedlohns eigends eine Besoldung, Bestallung,
Verehrung oder Vergeltung; von dieser Art sind die Verrichtungen deren zu der
Rechtspflege bestallten Personen, wie nicht minder eines Lehrers, Anwalts,
Arztes u. dgl.
[3, 12, § 3] 36. Nicht nur aber eigene, sondern auch fremde
Diensten und Arbeiten können rechtsgiltig verdinget werden, wann dem Verdinger
das Recht zustehet, derlei Dienste und Arbeiten von dem Anderen zu forderen,
und der Dingende nicht besonders den selbsteigenen Fleiß und persönliche Zuthat
des Verdingers erkoren hat.
(3-208) §. IV.
[3, 12, § 4] 37. Der Zins oder Lohn, als das dritte
wesentliche Stuck des Miethcontracts ist nichts Anderes, als der für den
Gebrauch der vermietheten Sache, oder für die verdingte Diensten und Arbeiten
verheißende Preis oder Werth, welcher nach Verschiedenheit des Gegenstands bei
Miethungen deren Sachen eigentlich ein Hauszins, Mieth- oder Pachtgeld, oder
auch Pachtschilling, bei Verdingung unbestimmter Diensten aber ein Liedlohn,
und bei Verdingung bestimmter Arbeiten ein Hand-, Tag-, Werk- oder Arbeitlohn
genannt wird.
[3, 12, § 4] 38. Dessen Eigenschaft ist mit jener des
Kaufgelds einerlei, und wird dahero zu seiner Wesenheit erforderet: Erstens,
daß solcher in Geld bestimmet werde, wo ansonsten, wann gleich Anfangs dafür
etwas Anderes, als Bargeld zu geben bedungen worden wäre, das Geschäft für
keine Miethung, sondern für einen unbenannten Vertrag, oder auch für einen
anderen benannten Contract, deme es in seiner Art beikommet, anzusehen ist.
[3, 12, § 4] 39. Also da für verdingte Dienste und Arbeiten
etwas Anderes, als baares Geld zu geben versprochen wird, bestehet die Handlung
in der Gestalt des unbenannten Vertrags, daß der Eine etwas leiste oder thue,
damit der Andere dafür etwas gebe, gleichwie in solchem Fall bei Miethung deren
Sachen es darauf ankommet, ob Dasjenige, was anstatt baaren Geldes dafür zu
geben verheißen wird, nach der Zahl, Gewicht oder Maß, oder aber nur nach
seinem Betrag bestimmet worden.
[3, 12, § 4] 40. Hat es seine Bestimmung nach der Zahl, Maß
oder Gewicht, als da für einen gepachteten Acker eine gewisse Anzahl Strich
oder Metzen Getreid zu geben bedungen würde, ist die Handlung ein unbenannter
Vertrag, daß der Eine etwas gebe, damit er von dem Anderen dafür etwas
empfange.
[3, 12, § 4] 41. Dahingegen, woferne das Bedungene nach dem
ungewissen Betrag bestimmet worden, als da für einen gepachteten Acker die
Hälfte oder das Drittel der Fechsung abzureichen gelobet würde, ist es ein
Gesellschaftscontract, weilen diese Handlung demselben zum nächsten beikommet.
[3, 12, § 4] 42. Doch kann mit beiderseitiger Einwilligung
sowohl gleich in Anfang bei Schließung des Mieth- oder Dingungscontracts der
Zins oder Lohn zum Theil in baaren Geld, und zum Theil in anderen Sachen
ausgemessen, als auch in der Folge anstatt des bedungenen baaren Geldes eine
andere in einem gewissen Werth angeschlagene Sache gegeben werden, ohne daß die
Natur des Mieth- oder Dingungscontracts dadurch geänderet würde, wann nur die
Verabredung des Contracts ganz oder zum Theil auf Geld gelautet hat, und dabei
die Willensmeinung deren Contrahenten deutlich erhellet, daß sie einen Mieth-
oder Dingungscontract einzugehen gesinnet waren.
[3, 12, § 4] 43. Nicht weniger müssen zur Wesenheit des
Zinses oder Lohns alle übrige Erfordernussen des Kaufgelds in derjenigen Maß
hinzutreten, wie solche oben in neunten Capitel, §. VI, erkläret worden; −
als zweitens, daß der Zins oder Lohn wahrhaft versprochen und angelobet, und
nicht nur etwan bloß zum Schein vorgewendet werde.
[3, 12, § 4] 44. Drittens, daß dessen Betrag entweder an
sich selbst, oder doch wenigstens durch verläßliche und unfehlbare Beziehung
auf andere Umstände, woraus dessen Gewißheit hergeholet werden könne, bestimmet
werde, als da Jemand ein Haus
(3-209) für eben den Zins miethete, welcher vorhero dafür
bezahlet worden; viertens, daß der Zins oder Lohn billig seie, und dem Werth
des Gebrauchs oder Genusses der vermietheten Sache, oder deren leistenden
Diensten und Arbeiten gleichkomme.
§. V.
[3, 12, § 5] 45. Der Mieth- oder Dingungscontract kann
entweder ohnbedingt, oder mit beigefügter Bedingnuß schriftlich oder mündlich
geschlossen, und dabei ebenso, wie bei allen anderen Contracten ein Haftgeld,
Reugeld, und was immer sonst für ein zulässiger Nebenvertrag bedungen werden,
wann nur solcher mit der Wesenheit dieses Contracts vereinbarlich ist.
[3, 12, § 5] 46. Die Miethungen deren Sachen geschehen
entweder zu einem gewissen zeitlichen Gebrauch, oder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit. Lautet die Miethe auf einen
zeitlichen Gebrauch, als das Rosse zur Reise ausgeliehen, oder ein Saal zur
Gasterei oder zu einer anderen Lust gemiethet würde, so ist auch solche mit
dessen Vollendung erloschen, ohne daß darzu ein oder andererseits eine
vorhergehende Aufkündung erforderet würde, wann solche nicht ausdrücklich
ausbedungen worden, es beträfe gleich bewegliche oder unbewegliche Dinge.
[3, 12, § 5] 47. Desgleichen, wo eine gesetzte Zeit
bestimmet worden, höret auch nach deren Verlauf die Miethung von selbsten auf,
ohne daß eine Aufkündung nöthig wäre, woferne solche nicht wortdeutlich in dem
Contract vorgesehen worden, und lieget nichts daran, ob die Zeit kurz oder lang
seie, dann auch durch die längste Zeit wird das Eigenthum der vermietheten
Sache auf den Miether oder Pächter nicht übertragen.
[3, 12, § 5] 48. Auf immerwährende Zeiten aber kann
ausdrücklich keine Miethung geschlossen werden, sondern aus einer solchen
Handlung entstehet ein wahrer Erbzins-Contract, wodurch der Miether oder
Pachter das nutzbare Eigenthum der ihme auf allzeitigen Gebrauch oder Genuß
überlassenen Sache erwirbt; dahingegen kann stillschweigend eine Miethe auf immerda
fortwähren, solange aus beiderseitiger Willkür bei dem Contract beharret wird.
(3-210) [3, 12, § 5] 49. Ist die Miethe auf eine unbestimmte
Zeit eingegangen worden, so ist entweder die ein oder anderseitige Aufkündung
dabei ausbedungen worden oder nicht. Ersteren Falls währet die Miethe so lang,
als solche von einem oder dem anderen Theil nicht aufgekündet wird; letzteren
Falls hingegen ist aus der Natur der Handlung allemal das Beding darunter
verstanden, daß der Contract solang fürzudaueren habe, als einem oder dem
anderen Contrahenten davon abzugehen nicht gefällig sein werde.
[3, 12, § 5] 50. Dieser willkürliche Abstand aber erstrecket
sich keineswegs so weit, daß einem oder dem anderen Contrahenten nach
jeweiligen Belieben zu allen Zeiten den Contract abzubrechen freistünde,
sondern so Ein als Anderer ist schuldig, bei verpachteten Landwirthschaften
oder Gefällen, oder in Bestand genommenen Gewerben durch einen Jahreslauf von
dem Tag der angefangenen Pachtung oder Bestands in dem Contract zu stehen, und
noch über das vor Ausgang des Jahrs die landesgewöhnliche Aufkündung
vorhergehen zu lassen; bei Miethung deren Häusern und Wohnungen in Städten und
Märkten hingegen die nach jeden Landes Gebrauch und rechtmäßiger Gewohnheit
hergebrachte Aufkündungszeit abzuwarten.
[3, 12, § 5] 51. Dann die Aufkündung muß bei allen Mieth-
und Pachtungscontracten, worinnen selbe entweder ausdrücklich vorgesehen, oder
aber kein zeitlicher Gebrauch oder keine gewisse Zeit, mit deren Verlauf die
Miethe von selbst erlöschet, bestimmet worden, der wirklichen Aufhebung des
Contracts um so unnachbleiblicher vorhergehen, als in Widrigen, und insolange
diese nicht ordentlich geschiehet, die Miethe fortgesetzet wird, wann gleich
der vorhabende Abstand in andere Wege auf was immer erdenkliche Art und Weis
geäußeret worden.
[3, 12, § 5] 52. Damit aber über den Beweis der
vorgegangenen Aufkündung alle Weitläufigkeiten vermieden bleiben mögen, so
ordnen und wollen Wir, daß keine Aufkündung anderst, als entweder schriftlich
oder gerichtlich geschehen, folglich zu Erprobung der vorangegangenen
Aufkündung kein anderer Beweis zugelassen sein solle, als entweder die
schriftliche Bekanntnuß des anderen Theils, daß er die Aufkündung angenommen,
oder die Bescheinigung einer beeidigten Gerichtsperson, daß durch selbe auf
Ersuchen des einen dem anderen Theil die Aufkündung bedeutet worden.
[3, 12, § 5] 53. Es ist jedoch zur Giltigkeit der Aufkündung
nicht an der ordnungsmäßigen Art und Weis allein genug, sondern es muß auch
dabei diejenige Zeit, in der sie zu geschehen habe, beobachtet werden, wie
solche entweder in dem Contract ausgedrucket, oder in Ermanglung eines
dergleichen Bedings jeden Orts nach Landesbrauch üblich ist, wo in Widrigen der
andere Theil zu Annehmung einer zur Unzeit gemachten Aufkündung nicht verhalten
werden kann.
[3, 12, § 5] 54. Wann nun die Aufkündung sowohl in der Zeit,
als in der Art und Weis ordentlich geschehen ist, hebet zwar solche für sich
sogleich die Miethe nicht auf, sondern diese währet durch die Frist, bis auf welche
sich die Aufkündung entweder nach Inhalt des Contracts, oder nach Landesbrauch
erstrecket, in dem einmal eingegangenen Beding noch immerfort, und die
Aufkündung wirket nur so vieles, daß nach Verlauf dieser Frist jedem Theil von
dem Contract abzuweichen freistehe, wann solcher nicht etwan nachhero durch
ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung beider Theilen anwiederum
erneueret worden. Hätte aber jener Theil, deme aufgekündet worden, wider die
ihme gerichtlich zugekommene Aufkündung etwas einzuwenden, warumen er solche
anzunehmen nicht schuldig zu sein glaubete, so solle derselbe längstens binnen
vier Wochen, wann sonst keine kürzere Frist in einem oder anderen Ort schon
vorhin bestimmet wäre, von dem Tag der Aufkündung diese seine Ursachen bei
Gericht anbringen, wobei auf das schleunigste zu verfahren, nach Verlauf dieser
Frist aber Kläger nicht mehr zu hören ist.
[3, 12, § 5] 55. Persönliche Dienste und Arbeiten werden
entweder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit, oder auch blos bis zu Herstellung
eines gewissen Werks
(3-204) vermiethet, liegende Güter, und fruchtbringende
Gründe, sowie abfallende Renten, Gefälle und Einkünften verpachtet oder
arrendiret, bewegliche Sachen zum Gebrauch für Geld ausgeliehen, persönliche
Dienste und Arbeiten verdinget, gewinnstige Gewerbe, als z. B. Mühlen,
Meiereien, Wirths- und Branntweinhäuser, Wein- und Bierschank u. dgl. in
Bestand gegeben, und endlich heißen die wegen Uebernehmung deren Lieferungen
und Verpflegungen Unserer Kriegsheere, oder auch wegen Ausführung
gemeinnutzlicher oder nothwendiger Werken mit Unserer Kammer, oder denen
Ständen eines Landes schließende Contracten insgemein Admodiationen.
[3, 12, § 1] 4. Der Miethungscontract kommet mit dem Kaufen
und Verkaufen in Vielen überein, dann beide erhalten aus bloßer Einwilligung
deren Contrahenten ihre Wesenheit, und gleichwie in Kaufen das Eigenthum der
Sache um einen gewissen Werth überlassen wird, also wird auch in Miethen der
Gebrauch der Sache um einen bedungenen Zins verstattet, oder persönliche
Dienste und Arbeiten für einen verabredeten Lohn geleistet.
[3, 12, § 1] 5. Indeme sind doch beide unterschieden, daß
bei Kaufen das Eigenthum der verkauften Sache auf den Kaufer übertragen, in
Miethen aber nur der Gebrauch der Sache dem Miether zugewendet werde, und das
Eigenthum aus der Natur des Miethungscontract allemal bei dem Vermiether
verbleibe, wann solches nicht durch einen besonderen Vertrag oder Beding dem
Miether überlassen, und andurch das Geschäft in eine andere Gattung von
Contracten verwandlet wird.
[3, 12, § 1] 6. Es hat auch das Miethen und Vermiethen nicht
weniger, als das Kaufen und Verkaufen zweierlei Benennungen, wodurch der
Unterschied deren contrahirenden Personen, und die Verschiedenheit ihrer
Verbindlichkeiten angedeutet wird; der Contract aber ist an sich ebenso, wie
das Kaufen nur eine beide Theile gleich verbindende in ihrem Wesentlichen
unabsönderliche Handlung.
[3, 12, § 1] 7. Diesemnach bestehet die Wesenheit des
Miethungs- oder Dingungscontracts in folgenden dreien Stücken, als: Erstens, in
beiderseitiger Einwilligung und Vereinigung; zweitens, in der vermietheten
Sache, oder verdingten Diensten und Arbeiten; drittens, in dem dafür bedungenen
Zins oder Lohn.
[3, 12, § 1] 8. Nach diesem zweifachen Gegenstand, nemlich
deren Sachen und Diensten oder Arbeiten theilet sich der Miethungscontract in
zweierlei Gattungen, als in die Miethung der Sachen, und in die Verdingung
persönlicher Diensten und Arbeiten. Bei der ersteren ist allemal der eine
contrahirende Theil, welcher die Sache ausleihet, oder
deren Gebrauch verstattet, der Vermiether und der andere der Miether, welcher
den Zins dafür entrichtet.
[3, 12, § 1] 9. Die andere hingegen ist anwiederum
zweierlei, als erstlich die Verdingung bloßer unbestimmter persönlicher Diensten,
ohne die Ausführung oder Herstellung eines gewissen Werks auf sich zu nehmen,
und in dieser ist Jener der Verdingende, welcher dem Anderen die Dienste
leistet, und der Andere der Dingende, deme die Dienste geleistet werden, und
welcher den Lohn dafür bezahlet.
[3, 12, § 1] 10. Oder zweitens die Verdingung einer
bestimmten Arbeit, wodurch die Verfertigung eines gewissen Werks übernommen
wird, und bei dieser Handlung ist in verschiedener Absicht auf die Arbeit, oder
das Werk ein jeder Theil der Verdingende und Dingende zugleich.
[3, 12, § 1] 11. Als in Absicht auf die Arbeit ist Jener der
Verdingende, welcher solche leistet, und den Lohn dafür empfängt, und der
Dingende, deme sie geleistet, und von deme der Lohn bezahlet wird. In Absicht
auf das Werk aber ist Jener der Dingende, welcher solches auszuführen
übernommen, und der Verdingende, welcher es dem Anderen in die Arbeit gegeben
hat, also daß jederzeit, sobald als die Arbeit gedinget, zugleich auch das Werk
verdinget wird, wie z. B. bei einem Hausbau der Bauherr die Arbeit dinget, den
Bau aber dem Baumeister verdinget.
(3-205) [3, 12, § 1] 12. Diese zweifache Absicht hat ihre
Wirkung in deme, daß in derlei Handlungen ein jeder Theil beide contractmäßige
Verbindlichkeiten des Miethers und Vermiethers zugleich auf sich habe. Also hat
Jener, welcher die Arbeit dinget, und das Werk verdinget,
einerseits die Verbindlichkeit des Miethers, daß er den bedungenen Lohn
bezahle, und andererseits die Verbindlichkeit des Vermiethers, daß er das
verdingte Werk ausführen lasse.
[3, 12, § 1] 13. Gleichwie in Gegentheil der Andere, welcher
die Arbeit verdungen, und das Werk gedungen hat, als Vermiether der Arbeit
solche zu leisten, und das Werk zu vollführen, als Miether des Werks aber für
allen durch ihn, oder seine Leute hieran entstehenden Schaden zu haften
schuldig ist.
[3, 12, § 1] 14. Nach der Art und Weis den Miethungscontract
zu schließen ist derselbe zweierlei, als entweder eine wahre Miethung, deren
Natur und Eigenschaft durch keine Nebenbedinge geänderet wird, sondern eben
dieselbe Sache nach vollendeter Miethzeit anwiederum zuruckgestellet werden
muß.
[3, 12, § 1] 15. Oder aber eine von ihrer Natur abweichende
Miethung, wann dabei bedungen wird, daß nicht eben dasselbe, was vermiethet
worden, sondern nur eben so vieles von gleicher Gattung zuruckgestellet werde,
welches insgemein bei dem in Bestand gebenden nutzbaren Vieh zu geschehen
pfleget, und die Wirkung hat, daß die Gefahr auf den Bestandhaber übertragen
werde.
§. II.
[3, 12, § 2] 16. Miethen und Vermiethen kann Jedermann, der
Verbindungen einzugehen, und der eigenen Verwaltung seines Vermögens fähig ist,
wann ihme sonst kein Verbot des Gesatzes entgegen stehet.
[3, 12, § 2] 17. Inwieweit aber die Vormündere oder Gerhaben
und Curatores Miethungs-, Pacht- oder Bestandcontracten über die Güter ihrer
Pflegbefohlenen schließen können, ist bereits in ersten Theil in der Abhandlung
von der Vormundschaft erkläret worden.
[3, 12, § 2] 18. Unsere landesfürstliche Städte und Märkte
sind nicht befugt ohne Unserer oder derjenigen Stelle, welcher von Uns die
Obsicht hierüber eingeraumet ist, vorhergehenden Einwilligung und Beangenehmung
die der Gemeinde angehörige Güter, Rechten oder Gefälle zu vermiethen, zu
verpachten, oder in Bestand zu lassen.
[3, 12, § 2] 19. Welchen Verbot Wir auch auf die Vorstehere
der Spitäler und anderen milden Stiftungen hiermit erstrecken; so viel es aber
die obrigkeitliche Städte und Märkte anbetrifft, lassen Wir es bei einer jeden
Landes Verfassung gnädigst bewenden.
[3, 12, § 2] 20. Wir verordnen desgleichen, daß in Städten
denen Schmieden, Faßbindern, Bäcken, Bierbrauern und dergleichen
Handwerksleuten, welche ihre Hantierung entweder mit starken Getös, oder mit
besorglicher Feuersgefahr treiben, ohne besonderer Einwilligung deren Magistraten
an keinen anderen Orten, als welche zu derlei Hantierungen schon vorhin
gewidmet waren, oder wo solche durch mehrere Jahre ohne Widerspruch deren
Nachbarn getrieben worden, Häuser, Wohnungen oder Plätze zu Errichtung ihrer
Werkstätten zu miethen gestattet sein solle.
(3-206) §. III.
[3, 12, § 3] 21. Die Miethungs- und Dingungscontracten haben
zu ihren Gegenstand einerseits den Gebrauch der Sachen, oder die Leistung
persönlicher Diensten und Arbeiten, und andererseits den dafür bedungenen Zins
oder Lohn. Von Ersteren wird in gegenwärtigen, von dem anderen aber in
nachfolgenden §. gehandlet.
[3, 12, § 3] 22. Alle Sachen, welche handelbar sind, und
durch den Gebrauch nicht verthan werden, sondern in ihrer unverringerten
Wesenheit anwiederum zuruckgestellet werden mögen, können vermiethet und
gemiethet werden, sie mögen körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder
unbewegliche, des Vermiethers eigene oder fremde Dinge sein.
[3, 12, § 3] 23. Also können nicht allein alle Rechten und
Befugnussen, sondern auch die persönliche Dienstbarkeiten, als der Nutznießung
und der Bewohnung vermiethet oder verpachtet werden, wann solche nicht
ausdrücklich auf die Person des Berechtigten allein beschränket sind. Inwieweit
aber die Jemanden zustehende persönliche Dienstbarkeit des Gebrauchs einer
Sache an Andere miethweise überlassen werden möge, ist bereits in zweiten Theil
ausgemessen worden.
[3, 12, § 3] 24. Dahingegen können die sächliche
Dienstbarkeiten, welche dem herrschenden Grund unzertrennlich ankleben, ohne
diesem nicht vermiethet werden, obschon solche miethweise, und gegen gewisse
Zinsen erworben und bestellet werden mögen; wann sie aber schon bestellet sind,
können dieselbe nicht mehr an Andere ohne dem Grund, deme sie gebühren,
vermiethet werden.
[3, 12, § 3] 25. Desgleichen ist bei körperlichen Dingen
kein Unterschied, ob sie gleich fahrend oder liegend sind, also können von
ersterer Art Pferde, Rinder, Schafe, Geflügel, Kleider, Bücher, Schiffe, Wägen,
und überhaupt alle Dinge, welche ohne Verringerung ihrer Wesenheit einen
Gebrauch oder Genuß gestatten, in Bestand gegeben, oder für Geld ausgeliehen,
von letzterer Art aber Häuser, Güter, Felder, Wiesen, Teiche, Wälder, Gärten,
Keller, Mühlen und dergleichen vermiethet oder verpachtet werden.
[3, 12, § 3] 26. Es lieget auch nichts daran, ob die
vermiethete oder verpachtete Sache des Vermiethers Eigen oder fremd seie; unter
eigenen aber werden nicht allein die Sachen verstanden, deren Eigenthum dem
Vermiether zugehöret, sondern auch jene, worinnen ihme ein Recht gebühret. Also
kann ein Miether oder Bestandmann die ihme vermiethete, oder in Bestand
gegebene Sache hinwiederum einem Anderen zu dem nemlichen Gebrauch, und auf
eben die Zeit, auf welche er sie gemiethet, mieth- oder bestandweise
überlassen, so eigentlich ein Afterbestand genennet wird; woferne der
Vermiether sich nicht ausdrücklich ausbedungen hätte, daß kein Afterbestand
zulässig sein solle.
[3, 12, § 3] 27. Eben diese Befugnuß hat Derjenige, deme aus
einem Beding, oder aus letztwilliger Anordnung die Nutznießung eines Guts, oder
die Wohnung in einem Hause gebühret, oder auch ein Glaubiger, der in den Besitz
eines ihme zur Hypothek verschriebenen Guts gelanget ist, jedoch nur auf jene,
und keine längere Zeit, als die eigene Miethung, oder das an der Sache habende
Recht des Vermiethers fürwähret, mit dessen Erlöschung auch der Afterbestand
erlöschet.
[3, 12, § 3] 28. Der Afterbestandmann ist dahero ohne
Weiters die Wohnung zu raumen, und die gemiethete Sache dem Eigenthümer oder
Demjenigen, welcher in das Recht des Aftervermiethers eintritt, sogleich
zuruckzustellen schuldig; dagegen aber bleibet ihme unbenommen des etwan früher
abgebrochenen Contracts halber, wann er von Seiten des Aftervermiethers durch
Gefährde oder Arglist zu dieser Miethung verleitet worden wäre, die Vergütung
seines erweislichen Schadens an demselben anzusuchen.
(3-207) [3, 12, § 3] 29. Fremde, oder solche Sachen, woran
dem Vermiether gar kein Recht zustehet, werden entweder mit Wissen und Willen
des Eigenthümers, oder ohne demselben vermiethet. Ersteren Falls, wann seine
Einwilligung überhaupt, und ohne aller Beschränkung darzu gegeben worden,
bestehet der Contract nach seinem ganzen Inhalt, wie solcher eingegangen
worden, außer deme aber nur in derjenigen Maß, und auf die Zeit, wie weit der
Eigenthümer eingewilliget hat.
[3, 12, § 3] 30. Letzteren Falls hingegen, wo die
Einwilligung des Eigenthümers ermanglet, bestehet der Contract nur insolange,
als der Eigenthümer seine Sache nicht zuruckforderet, welche ihme auf Verlangen
sogleich zu erfolgen ist, die Miethzeit möge verflossen sein oder nicht, und
hat nebst deme der Miether oder Bestandmann, wann er die Sache fremd zu sein
gewußt, den Zins für die Zeit seiner Inhabung dem Eigenthümer zu bezahlen, wann
er gleich solchen dem Vermiether schon abgeführet hätte.
[3, 12, § 3] 31. Woferne jedoch der Miether die Sache mit
guten Glauben bestanden hätte, kann zwar von ihme der dem Vermiether schon
bezahlte Zins nicht wieder geforderet werden; der Vermiether aber ist anderer
gestalt nicht befugt, den empfangenen Zins zu behalten, oder den noch
rückständigen einzuforderen, als da er sich der Vermiethung der Sache mit guten
Glauben, und in ungezweifleter Meinung, daß er das Recht hierzu habe, angemaßet
hätte. Ansonsten hat sowohl der Miether den noch rückständigen, als der
unbefugte Vermiether den schon eingehobenen Zins dem Eigenthümer zu entrichten.
[3, 12, § 3] 32. Des Miethers eigene Sachen können ihme
nicht anderst vermiethet oder in Bestand gegeben werden, als da vorhero
entweder das Eigenthum, oder ein anderes den Gebrauch der Sache wirkendes Recht
auf den Vermiether übertragen worden wäre, also kann der Kaufer dem Verkaufer
auch noch vor der körperlichen Uebergabe die verkaufte Sache, der Nutznießer
dem Eigenthümer das nutznießende Gut, der Glaubiger dem Schuldner seine in
Besitz habende Hypothek vermiethen, oder in Bestand lassen.
[3, 12, § 3] 33. Gleichergestalten können alle persönliche
Dienste und Arbeiten verdinget, und gedinget werden, welche nicht wider die
Ehrbarkeit und Unsere Gesatze laufen, anbei aber so beschaffen sind, daß sie um
Geld geschätzet werden mögen, und zum Nutzen des Dingenden gereichen.
[3, 12, § 3] 34. Dahero kann kein Dingungscontract über
unerlaubte Handlungen zu Recht bestehen, noch weniger solle einem oder dem
anderen Theil eine Rechtshilfe hierauf ertheilet, sondern beide nach
Beschaffenheit des Verbrechens zur verwirkten Strafe gezogen werden.
[3, 12, § 3] 35. Jene Arbeiten und Verrichtungen hingegen,
welche durch die Kräften des Verstandes und Witzes, und nicht durch körperliche
Wirksamkeit ausgeübet werden, können wegen ihrer Würde und Erhabenheit über
andere Handarbeiten keine eigentliche Schätzung annehmen, folglich auch keinen
Gegenstand deren Dingungscontracten abgeben, sondern die darüber eingegangene
Verbindlichkeit bestehet nur in der Gestalt eines unbenannten Vertrags oder
Befehlcontracts, und jenes, was dafür zu geben bedungen worden, heißet zum
Unterschied eines Hand- oder Liedlohns eigends eine Besoldung, Bestallung,
Verehrung oder Vergeltung; von dieser Art sind die Verrichtungen deren zu der
Rechtspflege bestallten Personen, wie nicht minder eines Lehrers, Anwalts,
Arztes u. dgl.
[3, 12, § 3] 36. Nicht nur aber eigene, sondern auch fremde
Diensten und Arbeiten können rechtsgiltig verdinget werden, wann dem Verdinger
das Recht zustehet, derlei Dienste und Arbeiten von dem Anderen zu forderen,
und der Dingende nicht besonders den selbsteigenen Fleiß und persönliche Zuthat
des Verdingers erkoren hat.
(3-208) §. IV.
[3, 12, § 4] 37. Der Zins oder Lohn, als das dritte
wesentliche Stuck des Miethcontracts ist nichts Anderes, als der für den
Gebrauch der vermietheten Sache, oder für die verdingte Diensten und Arbeiten
verheißende Preis oder Werth, welcher nach Verschiedenheit des Gegenstands bei
Miethungen deren Sachen eigentlich ein Hauszins, Mieth- oder Pachtgeld, oder
auch Pachtschilling, bei Verdingung unbestimmter Diensten aber ein Liedlohn,
und bei Verdingung bestimmter Arbeiten ein Hand-, Tag-, Werk- oder Arbeitlohn
genannt wird.
[3, 12, § 4] 38. Dessen Eigenschaft ist mit jener des
Kaufgelds einerlei, und wird dahero zu seiner Wesenheit erforderet: Erstens,
daß solcher in Geld bestimmet werde, wo ansonsten, wann gleich Anfangs dafür
etwas Anderes, als Bargeld zu geben bedungen worden wäre, das Geschäft für keine
Miethung, sondern für einen unbenannten Vertrag, oder auch für einen anderen
benannten Contract, deme es in seiner Art beikommet, anzusehen ist.
[3, 12, § 4] 39. Also da für verdingte Dienste und Arbeiten
etwas Anderes, als baares Geld zu geben versprochen wird, bestehet die Handlung
in der Gestalt des unbenannten Vertrags, daß der Eine etwas leiste oder thue,
damit der Andere dafür etwas gebe, gleichwie in solchem Fall bei Miethung deren
Sachen es darauf ankommet, ob Dasjenige, was anstatt baaren Geldes dafür zu
geben verheißen wird, nach der Zahl, Gewicht oder Maß, oder aber nur nach
seinem Betrag bestimmet worden.
[3, 12, § 4] 40. Hat es seine Bestimmung nach der Zahl, Maß
oder Gewicht, als da für einen gepachteten Acker eine gewisse Anzahl Strich oder
Metzen Getreid zu geben bedungen würde, ist die Handlung ein unbenannter
Vertrag, daß der Eine etwas gebe, damit er von dem Anderen dafür etwas
empfange.
[3, 12, § 4] 41. Dahingegen, woferne das Bedungene nach dem
ungewissen Betrag bestimmet worden, als da für einen gepachteten Acker die
Hälfte oder das Drittel der Fechsung abzureichen gelobet würde, ist es ein
Gesellschaftscontract, weilen diese Handlung demselben zum nächsten beikommet.
[3, 12, § 4] 42. Doch kann mit beiderseitiger Einwilligung
sowohl gleich in Anfang bei Schließung des Mieth- oder Dingungscontracts der
Zins oder Lohn zum Theil in baaren Geld, und zum Theil in anderen Sachen
ausgemessen, als auch in der Folge anstatt des bedungenen baaren Geldes eine
andere in einem gewissen Werth angeschlagene Sache gegeben werden, ohne daß die
Natur des Mieth- oder Dingungscontracts dadurch geänderet würde, wann nur die
Verabredung des Contracts ganz oder zum Theil auf Geld gelautet hat, und dabei
die Willensmeinung deren Contrahenten deutlich erhellet, daß sie einen Mieth-
oder Dingungscontract einzugehen gesinnet waren.
[3, 12, § 4] 43. Nicht weniger müssen zur Wesenheit des
Zinses oder Lohns alle übrige Erfordernussen des Kaufgelds in derjenigen Maß
hinzutreten, wie solche oben in neunten Capitel, §. VI, erkläret worden; −
als zweitens, daß der Zins oder Lohn wahrhaft versprochen und angelobet, und
nicht nur etwan bloß zum Schein vorgewendet werde.
[3, 12, § 4] 44. Drittens, daß dessen Betrag entweder an
sich selbst, oder doch wenigstens durch verläßliche und unfehlbare Beziehung
auf andere Umstände, woraus dessen Gewißheit hergeholet werden könne, bestimmet
werde, als da Jemand ein Haus
(3-209) für eben den Zins miethete, welcher vorhero dafür
bezahlet worden; viertens, daß der Zins oder Lohn billig seie, und dem Werth
des Gebrauchs oder Genusses der vermietheten Sache, oder deren leistenden
Diensten und Arbeiten gleichkomme.
§. V.
[3, 12, § 5] 45. Der Mieth- oder Dingungscontract kann
entweder ohnbedingt, oder mit beigefügter Bedingnuß schriftlich oder mündlich
geschlossen, und dabei ebenso, wie bei allen anderen Contracten ein Haftgeld,
Reugeld, und was immer sonst für ein zulässiger Nebenvertrag bedungen werden,
wann nur solcher mit der Wesenheit dieses Contracts vereinbarlich ist.
[3, 12, § 5] 46. Die Miethungen deren Sachen geschehen
entweder zu einem gewissen zeitlichen Gebrauch, oder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit. Lautet die Miethe auf einen
zeitlichen Gebrauch, als das Rosse zur Reise ausgeliehen, oder ein Saal zur
Gasterei oder zu einer anderen Lust gemiethet würde, so ist auch solche mit
dessen Vollendung erloschen, ohne daß darzu ein oder andererseits eine
vorhergehende Aufkündung erforderet würde, wann solche nicht ausdrücklich
ausbedungen worden, es beträfe gleich bewegliche oder unbewegliche Dinge.
[3, 12, § 5] 47. Desgleichen, wo eine gesetzte Zeit
bestimmet worden, höret auch nach deren Verlauf die Miethung von selbsten auf,
ohne daß eine Aufkündung nöthig wäre, woferne solche nicht wortdeutlich in dem
Contract vorgesehen worden, und lieget nichts daran, ob die Zeit kurz oder lang
seie, dann auch durch die längste Zeit wird das Eigenthum der vermietheten
Sache auf den Miether oder Pächter nicht übertragen.
[3, 12, § 5] 48. Auf immerwährende Zeiten aber kann
ausdrücklich keine Miethung geschlossen werden, sondern aus einer solchen
Handlung entstehet ein wahrer Erbzins-Contract, wodurch der Miether oder
Pachter das nutzbare Eigenthum der ihme auf allzeitigen Gebrauch oder Genuß
überlassenen Sache erwirbt; dahingegen kann stillschweigend eine Miethe auf immerda
fortwähren, solange aus beiderseitiger Willkür bei dem Contract beharret wird.
(3-210) [3, 12, § 5] 49. Ist die Miethe auf eine unbestimmte
Zeit eingegangen worden, so ist entweder die ein oder anderseitige Aufkündung
dabei ausbedungen worden oder nicht. Ersteren Falls währet die Miethe so lang,
als solche von einem oder dem anderen Theil nicht aufgekündet wird; letzteren
Falls hingegen ist aus der Natur der Handlung allemal das Beding darunter
verstanden, daß der Contract solang fürzudaueren habe, als einem oder dem
anderen Contrahenten davon abzugehen nicht gefällig sein werde.
[3, 12, § 5] 50. Dieser willkürliche Abstand aber erstrecket
sich keineswegs so weit, daß einem oder dem anderen Contrahenten nach
jeweiligen Belieben zu allen Zeiten den Contract abzubrechen freistünde,
sondern so Ein als Anderer ist schuldig, bei verpachteten Landwirthschaften
oder Gefällen, oder in Bestand genommenen Gewerben durch einen Jahreslauf von
dem Tag der angefangenen Pachtung oder Bestands in dem Contract zu stehen, und
noch über das vor Ausgang des Jahrs die landesgewöhnliche Aufkündung
vorhergehen zu lassen; bei Miethung deren Häusern und Wohnungen in Städten und
Märkten hingegen die nach jeden Landes Gebrauch und rechtmäßiger Gewohnheit
hergebrachte Aufkündungszeit abzuwarten.
[3, 12, § 5] 51. Dann die Aufkündung muß bei allen Mieth-
und Pachtungscontracten, worinnen selbe entweder ausdrücklich vorgesehen, oder
aber kein zeitlicher Gebrauch oder keine gewisse Zeit, mit deren Verlauf die
Miethe von selbst erlöschet, bestimmet worden, der wirklichen Aufhebung des
Contracts um so unnachbleiblicher vorhergehen, als in Widrigen, und insolange
diese nicht ordentlich geschiehet, die Miethe fortgesetzet wird, wann gleich
der vorhabende Abstand in andere Wege auf was immer erdenkliche Art und Weis
geäußeret worden.
[3, 12, § 5] 52. Damit aber über den Beweis der
vorgegangenen Aufkündung alle Weitläufigkeiten vermieden bleiben mögen, so
ordnen und wollen Wir, daß keine Aufkündung anderst, als entweder schriftlich
oder gerichtlich geschehen, folglich zu Erprobung der vorangegangenen
Aufkündung kein anderer Beweis zugelassen sein solle, als entweder die
schriftliche Bekanntnuß des anderen Theils, daß er die Aufkündung angenommen,
oder die Bescheinigung einer beeidigten Gerichtsperson, daß durch selbe auf
Ersuchen des einen dem anderen Theil die Aufkündung bedeutet worden.
[3, 12, § 5] 53. Es ist jedoch zur Giltigkeit der Aufkündung
nicht an der ordnungsmäßigen Art und Weis allein genug, sondern es muß auch
dabei diejenige Zeit, in der sie zu geschehen habe, beobachtet werden, wie
solche entweder in dem Contract ausgedrucket, oder in Ermanglung eines
dergleichen Bedings jeden Orts nach Landesbrauch üblich ist, wo in Widrigen der
andere Theil zu Annehmung einer zur Unzeit gemachten Aufkündung nicht verhalten
werden kann.
[3, 12, § 5] 54. Wann nun die Aufkündung sowohl in der Zeit,
als in der Art und Weis ordentlich geschehen ist, hebet zwar solche für sich
sogleich die Miethe nicht auf, sondern diese währet durch die Frist, bis auf welche
sich die Aufkündung entweder nach Inhalt des Contracts, oder nach Landesbrauch
erstrecket, in dem einmal eingegangenen Beding noch immerfort, und die
Aufkündung wirket nur so vieles, daß nach Verlauf dieser Frist jedem Theil von
dem Contract abzuweichen freistehe, wann solcher nicht etwan nachhero durch
ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung beider Theilen anwiederum
erneueret worden. Hätte aber jener Theil, deme aufgekündet worden, wider die
ihme gerichtlich zugekommene Aufkündung etwas einzuwenden, warumen er solche
anzunehmen nicht schuldig zu sein glaubete, so solle derselbe längstens binnen
vier Wochen, wann sonst keine kürzere Frist in einem oder anderen Ort schon
vorhin bestimmet wäre, von dem Tag der Aufkündung diese seine Ursachen bei
Gericht anbringen, wobei auf das schleunigste zu verfahren, nach Verlauf dieser
Frist aber Kläger nicht mehr zu hören ist.
[3, 12, § 5] 55. Persönliche Dienste und Arbeiten werden
entweder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit, oder auch blos bis zu Herstellung
eines gewissen Werks
(3-211) verdinget, und ist in keinerlei Fall eine Aufkündung
nöthig, wann solche nicht bedungen worden, sondern die Verdingung währet so
lange fort, bis daß die bestimmte Zeit oder Arbeit vollendet, oder bei
unbestimmten Diensten der eine Theil dem anderen seinen Abstand von dem
Contract bedeutet.
[3, 12, § 5] 56. Der Mieth- und Dingungscontract kann sowohl
Anfangs mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung beider Theilen
geschlossen, als auch nachhero bei Ausgang der bedungenen Miethzeit
stillschweigend durch Fortsetzung der Miethe an Seiten des Miethers und dessen
wissentliche Duldung an Seiten des Vermiethers auf weitere Zeiten erneueret
werden.
[3, 12, § 5] 57. Diese stillschweigende Erneuerung des
Mieth- oder Dingungscontract geschiehet auf zweierlei Art, als erstlich, wann
die bedungene Aufkündung in der gesetzten Zeit weder ein- noch andererseits
erfolget, und andertens, wann nach verflossener Mieth- oder Dingungszeit, oder
auch nach geschehener ein- oder anderseitiger Aufkündung die Miethe
jegleichwohlen von dem Miether fortgesetzet, und dieses von dem Vermiether mit
guten Wissen gestattet, oder auch die Leistung deren verdingten Diensten und
Arbeiten von dem anderen Theil über die gesetzte Zeit ohne Widerrede angenommen
wird.
[3, 12, § 5] 58. Auf daß aber kein Zweifel erübrige, was
sowohl für eine Zeitfrist, um hieraus eine stillschweigende Erneuerung zu
schließen, erforderet, als auch auf was für eine Zeit die vorige Miethe oder
Dingung hierdurch verlängeret werde, als verordnen Wir hiermit, daß bei Miethen
zu einem zeitlichen Gebrauch, oder auf eine gesetzte Zeit ohne dem Beding einer
Aufkündung durch den längeren Gebrauch die Miethe auf so lang, als sich der
Miether der vermietheten Sache über die Anfangs bestimmte Zeit gebrauchet, für
erstrecken zu halten seie.
[3, 12, § 5] 59. Wannenhero dem Vermiether der Zins für die
überschrittene Miethzeit über den Anfangs verabredeten Betrag nach Maß des
längeren Gebrauchs gebühret, welches auch bei Verdingungen persönlicher
Diensten und Arbeiten statt hat, wofür der ausgesetzte Lohn solange abzureichen
ist, als solche mit beiderseitigen Wissen und Willen geleistet werden.
[3, 12, § 5] 60. Wohingegen bei jenen Mieth- oder
Pachtungen, in denen eine Aufkündung bedungen, oder doch solche oberwähnter
Maßen wegen unbestimmter Zeit aus der Natur der Handlung erheischet wird, eine
stillschweigende Erneuerung nicht anderst gefolgeret werden solle, als da
entweder die Aufkündung in der gesetzten Zeit von keinem Theil geschehen, oder
da auch solche vorhergegangenen wäre, nach verstrichener Aufkündungsfrist der
Miether oder Pachter über die ihme nach Inhalt des Contracts, oder nach
Landesbrauch zustehende Auszieh- oder Raumungszeit durch vierzehen Tage von dem
Vermiether oder Verpachter in der Mieth- oder Pachtung wissentlich und ohne
Widerrede ruhig belassen würde.
[3, 12, § 5] 61. Durch derlei stillschweigende Erneuerung
aber werden die Contrahenten nicht auf die nemliche Zeit, worauf die erste
Verabredung bei Schließung des Contracts gelautet hat, gebunden, es wäre dann
in demselben ausdrücklich vorgesehen worden, daß woferne die bestimmte Mieth-
oder Pachtzeit stillschweigend verlängeret würde, diese Erneuerung sich auf
eben so viele Zeit, als in der ersteren Abrede beliebet worden, erstrecken
solle.
[3, 12, § 5] 62. Außerdeme gehet die erneuerte Mieth- oder
Pachtung nicht weiter als jene, welche nach dem oben bemerkten Unterschied
gleich Anfangs auf eine unbestimmte Zeit eingegangen worden, nemlich bei
verpachteten Landwirthschaften und Gefällen, oder in Bestand genommenen
Gewerben auf einen Jahreslauf, doch allemal mit der Verbindlichkeit der vor
dessen Ausgang zu machen habenden landesbräuchlichen Aufkündung, bei Miethungen
deren Häusern und Wohnungen in Städten und Märkten hingegen bis zur
nächstfolgenden gewöhnlichen Aufkündungszeit, in welcher jedem Theil freistehet
sich mittelst der Aufkündung von weiterer Verbindlichkeit des Contracts zu
entledigen.
(3-212) [3, 12, § 5] 63. Doch bleibet auch bei
stillschweigender Erneuerung der vorige Contract in seinem ganzen Inhalt und
allen seinen Punkten sowohl wegen des bedungenen Zinsbetrags, als aller anderen
Nebenbedingen mit alleiniger Ausnahm der Mieth- oder Pachtzeit bei Kräften,
also zwar, daß woferne von einem Theil zur Sicherheit des anderen ein
Unterpfand bestellet oder verschrieben worden, auch dieses ohne neuer
Bestellung von selbsten fortwähre, und auf die erneuerte Mieth- oder Pachtung
erstrecket werde.
[3, 12, § 5] 64. Jene Nebenbedinge aber, welche von einem
Dritten wegen des Mieth- Pacht- oder Dingungcontracts eingegangen worden,
werden durch deren Contrahenten stillschweigende Erneuerung ohne dessen neuer
Einwilligung nicht verlängeret, sondern erlöschen mit Verlauf der Zeit, auf
welche die Verbindlichkeit lautet; also da ein Dritter zur Sicherheit des
Contracts eine Bürgschaft eingeleget hätte, höret solche mit Ausgang des
Contracts auf, obgleich dieser von denen Contrahenten stillschweigend oder auch
ausdrücklich erneueret worden wäre.
[3, 12, § 5] 65. Es müssen jedoch alle dem Mieth- oder
Dingungscontract beifügende Bedinge also beschaffen sein, daß sie die Wesenheit
des Contracts in keine andere Gestalt verwandlen; dahero ist es kein
Dingungscontract, wann bedungen wird, daß ein Künstler oder Werkmeister aus
seinem eigenen Zeug eine gewisse Arbeit verfertige, sondern in allen derlei
Fällen, wo die Sache, warum es zu thun ist, oder das Zeug, welches verarbeitet
werden solle, an den anderen Theil veräußeret wird, unterwaltet ein wahrer Kauf
und Verkauf, und nur in jenen Fällen eine Miethe oder Dingung, wo die Sache
oder das Zeug des Vermiethers oder Verdingers Eigenthum bleibet.
[3, 12, § 5] 66. Obwohlen aber ansonst denen Contrahenten
freistehet, unter was für Bedingen, welche der Wesenheit dieses Contracts nicht
zuwider sind, die Miethe oder Dingung einzugehen, so wollen Wir jedoch bei
denen über die sowohl Unseren landesfürstlichen, als auch obrigkeitlichen
Städten und Märkten, wie nicht minder denen Kirchen, Spitälern und anderen zum
Unterhalt der Armuth gewidmeten milden Stiftungen angehörige Güter und Gefälle
abschließenden Verpachtungen nachfolgende Erfordernussen also gewiß beobachtet
haben, als in deren Ermanglung der Contract null und nichtig sein solle, und
zwar:
[3, 12, § 5] 67. Erstens ist vor Allen nothwendig, damit
wann ein derlei Gut, oder sonstiges steigend und fallendes Gefäll verpachtet
werden will, über dessen Ertragnuß aus sechsjährigen Rechnungen ein standhafter
Anschlag mit all möglicher Verläßlichkeit verfasset, und dieser nach
vorläufiger Gutheißung und Bestätigung der Behörde zum Grund des bedingenden
Pachtschillings genommen, dann denen sich anmeldenden Pachtlustigen zu ihrer
Einsicht hinausgegeben, wie nicht minder denenselben auf ihr Verlangen die
Ersehung in denen Rechnungen verstattet werde.
[3, 12, § 5] 68. Zweitens sollen dergleichen Verpachtungen
nicht anderst, als mittelst einer jederzeit veranlassenden Versteigerung
getroffen werden können, worzu der Tag durch die gewöhnliche Kundmachung in
einer zu dem Ende anberaumenden hinlänglichen Frist anzusetzen, sodann zwischen
denen sich angebenden mehreren Pachtlustigen die Steigerung vorzunehmen, und
wann der Anbot sich über den Anschlag erstrecket, oder wenigstens demselben
beikommet, darüber aber ein Mehreres zu erhalten nicht angehoffet werden mag,
mit dem Meistbietenden der Contract bis zu Einlangung der von Uns oder von der
mit diesfälliger Macht von Uns versehenen nachgesetzten Stelle einzuholen
habenden Beangenehmung, niemalen aber länger, als auf sechs Jahre abzuschließen
ist.
[3, 12, § 5] 69. Drittens, woferne jedoch sich an dem zur
Steigerung bestimmten Tag nur Ein Pachtlustiger einfinden, oder da auch deren
mehrere wären, kein dem Anschlag gleichkommender Anbot zu bewirken sein würde,
solle nichts geschlossen, sondern die Anzeige hiervon an die Behörde erstattet,
und der weitere Verhaltungsbefehl hierüber abgewartet werden.
(3-213) [3, 12, § 5] 70. Viertens wird solchen Falls die
Behörde alle unterwaltende Umstände genau zu erwägen, und hauptsächlich wohl zu
überlegen haben, ob bei so beschaffenen Dingen die Ertragnuß mittelst einer gut
zu bestellen habenden Verwaltung nicht höher, als durch die Verpachtung hinauf
zu bringen wäre, wo sonach Dasjenige vorgekehret werden solle, was das
Gedeihlichste zu sein befunden worden.
[3, 12, § 5] 71. Fünftens ist kein derlei Gut anderer
Gestalt in Pacht zu lassen, als daß der Pächter einerseits mittelst einer
entweder durch Verschreibung eines genüglichen Unterpfands, oder durch
annehmliche Bürgschaft zu leisten habenden Sicherheit gewähre, das Gut in demjenigen
Stand, in deme es ihme übergeben worden, und mit eben dem Beilaß, so er
empfangen, anwiederum unverringeret und ungeschmäleret abtreten zu wollen, und
andererseits den bedungenen Pachtschilling alle Vierteljahr vorhinein
abzuführen angelobe.
[3, 12, § 5] 72. Sechstens, damit aber wegen des Beilasses,
welchen der Pachter bei seiner Abtretung anwiederum zu überantworten hat, keine
Irrungen entstehen mögen, so solle entweder solcher in dem Contract deutlich
angemerket, oder auch hierüber zu Anfang der Pachtung gleich bei der Uebergabe
eine genaue Beschreibung in zweierlei Urkunden verfasset, solche von beiden
Theilen unterschrieben, und gegen einander ausgewechslet werden.
§. VI.
[3, 12, § 6] 73. Der Mieth- oder Dingungscontract ist seiner
wesentlichen Natur nach zweibündig, woraus schon Anfangs in der Hauptsache
sowohl der Vermiether oder Verdinger, als der Miether oder Dingende
gegeneinander gleich verbindlich werden, und zwar Ersterer in Vermiethungen zu
Verstattung des Gebrauchs oder Genusses der vermietheten Sache, und in
Verdingungen zu Leistung deren verheißenen Diensten und Arbeiten, der Andere
aber zu Bezahlung des bedungenen Zinses oder Lohnes, und überhaupt Beide zu
Erfüllung alles dessen, zu was sich dieselbe in dem Contract verbunden haben.
[3, 12, § 6] 74. Es bestehet demnach bei Vermiethungen die
Schuldigkeit des Vermiethers in Folgenden: Erstlich, daß er die vermiethete
Sache dem Miether mit allen denenjenigen darzu gewidmeten Zugehörungen
übergebe, welche zu deren Gebrauch unumgänglich nothwendig sind, als ein
vermiethetes Haus mit denen Schlüsseln, ein ausgeliehenes Roß mit Sattel und
Zeug, wann die Abrede nichts Anderes vermag.
[3, 12, § 6] 75. Dahingegen ist bei Verpachtungen liegender
Güter der Verpachter an Zugehörungen nichts Mehreres zu übergeben schuldig, als
was dem Pachter zum Beilaß ausdrücklich gewähret worden, also daß dieser weder
den Samen, noch die zum Ackerbau und sonstigen Wirthschaftstrieb gehörige
Geräthschaften anzuforderen befugt ist, wann er sich solche in dem Contract
nicht ausbedungen hat.
[3, 12, § 6] 76. Welches ingleichen von allen einem
liegenden Gut anklebenden Rechten und Gerechtigkeiten, als z. B. von der
Gerichtsbarkeit, dem Verleihungsrecht deren Pfarreteien, der Jagdbarkeit u.
dgl. zu verstehen ist, deren Ausübung dem Pachter
(3-214) nicht zustehet, woferne ihme solche nicht namentlich
überlassen, oder das Gut nicht ausdrücklich mit allen Recht und
Gerechtigkeiten, so wie es der Eigenthümer selbst besessen oder besitzen
könnte, verpachtet worden.
[3, 12, § 6] 77. Durch diese Uebergabe aber wird weder das
Eigenthum, weder der Besitz, noch ein anderes dingliches Recht an der
vermietheten Sache, sondern lediglich nur die natürliche Innenhaltung mit der
Befugnuß, die Sache durch die Mieth- oder Pachtzeit zu gebrauchen oder zu
genießen, auf den Miether übertragen, wann gleich die Miethe auf eine noch so
lange Zeit geschlossen worden wäre.
[3, 12, § 6] 78. Zweitens, daß die Sache in einem solchem
Stand übergeben werde, damit der Miether dieselbe zu dem bestimmten Gebrauch
anwenden könne; also ist bei einer vermietheten Wohnung der Vermiether schuldig
die mangelbare Fenster, Thüren und Oefen in brauchbaren Stand herzustellen;
drittens, daß der Miether in dem Gebrauch oder Genuß der Sache auf keinerlei
Weise verhinderet werde, wobei zu unterscheiden ist, ob die Verhindernuß von
dem Vermiether selbst, oder ohne desselben Schuld oder Zuthat aus einer
sonstigen Ursach herrühre.
[3, 12, § 6] 79. Käme die Verhindernuß aus Schuld oder
Zuthat des Vermiethers her, ohne daß er hierzu eine von denen in nachfolgenden
§. X beschriebenen rechtmäßigen Ursachen hätte, als da derselbe eine
wissentlich fremde Sache vermiethet hätte, deren Gebrauch nachhero dem Miether
von dem Eigenthümer entzohen (!) würde, oder er den Miether von dem Gebrauch
der vermietheten Sache mit Gewalt abhielte, oder den Miether vor geendigter
Miethzeit hinaus triebe, oder durch Verkauf oder sonstige Veräußerung aus der
Miethung setzete, oder auch die dem Miether von Anderen zufügende
Bedrängnussen, wo er es thun könnte, nicht abstellete, so ist er dem Miether
nebst Wiedererstattung des allenfalls für die noch übrige Zeit vorhinein
empfangenen Zinses allen ihm wegen des nicht gehaltenen Contracts entgehenden
Nutzen und erleidenden Schaden mit allen erweislichen Gerichtsunkosten zu
ersetzen schuldig.
[3, 12, § 6] 80. Auf daß aber die Bestimmung dieser
Entschädigung in keine Weitläufigkeit erwachse, so wollen Wir hiermit solche
für alle derlei Fälle auf den Betrag des für die abgebrochene Miethzeit sonst
zu bezahlen gehabten Zinses ausgemessen haben, welchen der Vermiether dem von
ihme unrechtmäßiger Weise verhinderten Miether zu seiner Schadloshaltung zu
bezahlen verbunden sein solle.
[3, 12, § 6] 81. Hätte hingegen der Vermiether eine von
denen unten an gleichbemelter Stelle ausgesetzten rechtmäßigen Ursachen die
Miethung abzubrechen, worzu der Miether keinen Anlaß gegeben, so ist derselbe
zu nichts Mehreren, als zum Nachlaß des Zinses, oder wo er ihn schon zum voraus
empfangen, zu dessen Zuruckgabe für die noch übrige Miethzeit gehalten.
[3, 12, § 6] 82. Woferne aber der Vermiether aus Schuld des
Miethers, oder auch aus einer an Seiten des Miethers sich ergebenden zufälligen
Ursache von dem Contract abzugehen veranlasset würde, ist nicht nur der
Vermiether an Zins nichts nachzulassen oder herauszugeben, sondern gegentheils
der Miether auch für die übrige Zeit, welche die Miethung noch fortzudaueren
gehabt hätte, den ganzen Zins zu entrichten schuldig.
[3, 12, § 6] 83. Entstünde aber die Verhindernuß aus einem
sonstigen Zufall ohne Schuld des Vermiethers, so wird unten in §. IX
ausgemessen werden, was für Zufälle dem Vermiether, und welche hingegen dem
Miether zu Schaden gereichen.
[3, 12, § 6] 84. Viertens, daß der Miether der gemietheten
Sache halber schadlos gehalten werde. Diese Schadloshaltung begreifet in sich
zweierlei Gegenstände, als einerseits die Vergütung aller dem Miether durch
Gefährde oder Schuld des Vermiethers aus der gemietheten Sache widerfahrnen
Beschädigung, und andererseits den Ersatz deren von ihme auf beharrliche
Erhaltung, oder zu mehrerer sich über die Miethzeit hinaus erstreckenden
Benutzung der Sache gemachten erweislichen Auslagen.
[3, 12, § 6] 85. Wann dahero der Miether wegen eines aus der
gemietheten Sache
(3-215) erlittenen Schadens an dem Vermiether einen Anspruch
erregen will, muß dessen unterwaltende Gefährde, oder wenigstens ein in §. VIII
hiernach ausmessender, mit der Natur des Contracts übereinstimmender, oder
durch ausdrückliche Abrede bedungener Grad der Schuld erwiesen werden, als da
ein krankes Roß, oder mangelhafte Gefäße ausgeliehen, und durch das erstere des
Miethers eigene Pferde angestecket, aus letzteren aber die Weine ausrinnen,
oder andurch verdorben würden.
[3, 12, § 6] 86. Es hat dahero der Miether in derlei Fällen
zu erproben, daß der Vermiether entweder gute Wissenschaft des Mangels gehabt
habe, oder solchen doch hätte wissen sollen, als da er die ausgeliehene Sache
durch eine längere Zeit vorhero besessen, oder ein Gewerb damit getrieben
hätte, oder ihme sonst seiner Hantierung halber die Beschaffenheit der Sache
hätte wohl bekannt sein sollen. Da nun solches auf ihn dargethan würde, hat
derselbe dem Miether nebst gänzlichen Nachlaß des bedungenen, oder
Wiedererstattung des schon empfangenen Zinses oder Lohnes den Schaden in
derjenigen Maß zu vergüten, wie solchen der Miether erweisen, oder in
Ermanglung eines anderen Beweises mittelst des Eides der Wahrheit beschwören
wird; woferne hingegen dieses auf den Vermiether nicht erwiesen würde, der
verursachte Schaden aber doch seine Richtigkeit hätte, gebühret dem Miether
bloß der Nachlaß oder die Zuruckgabe des schon empfangenen Zinses oder Lohns
ohne weiterer Schadensvergütung.
[3, 12, § 6] 87. Wo aber dem Miether ohne Schuld des
Vermiethers ein Schaden geschähe, als da ihme seine Sachen aus der gemietheten
Wohnung entwendet oder gestohlen würden, ist ihme der Vermiether für nichts
verantwortlich, wann er nicht dafür zu stehen ausdrücklich gewähret, oder sich
einer Fahrlässigkeit oder Verwahrlosung verfänglich gemacht, oder nach
Beschaffenheit seines Gewerbs oder des vermietheten Orts die Obliegenheit die
darinnen aufbehaltene Sachen zu verwahren auf sich hätte.
[3, 12, § 6] 88. Von denen in die gemiethete Sache gemachten
Auslagen und Verbesserungen wird in siebzehenten Capitel, §. XI und XII eigends
gehandlet, und welche dem Miether zu ersetzen sind oder nicht, nebst der Maß
und Weis des Ersatzes, dann denen deshalben zu statten kommenden Rechtshilfen
allda erkläret werden.
[3, 12, § 6] 89. Bei Verdingungen persönlicher Diensten und
Arbeiten ist der Verdinger verbunden die versprochene Dienste und Arbeiten in
der bedungenen Maß und Weis zu leisten, und wo die Ausführung eines bestimmten
Werks verdinget worden, solches in demjenigen Stand, wie die Abrede gelautet,
herzustellen.
[3, 12, § 6] 90. Würde aber derselbe durch Zufall ohne
seiner Schuld an Leistung deren verdingten Diensten und Arbeiten, oder an
Ausführung des Werks verhinderet, gebühret demselben der bedungene Lohn nur für
die Zeit der Dienstleistung, oder nach Maß der verfertigten Arbeit, und ist
derselbe schuldig, den übrigen Lohn nachzulassen, oder die Uebermaße des schon
empfangenen Betrags anwiederum herauszugeben.
[3, 12, § 6] 91. Also da Jemand sich auf ein Schiff oder
Wagen verdungen hätte, und das Schiff wegen widriger Winde, oder der Wagen
wegen ausgetretener Gewässer oder feindlichen Ueberzugs, oder sonstiger nicht
vorhergesehener Ursache an das Ort der Bestimmung nicht gelangen könnte, ist
der Schiffer oder Fuhrmann nicht befugt, die ganze Summe des bedungenen Schiff-
oder Fuhrlohns anzuforderen, sondern ihme ist hieran nur so vieles abzureichen,
als derselbe nach billiger Erkanntnuß für seine Mühe und Arbeit verdienet hat.
[3, 12, § 6] 92. Desgleichen gebühret denen Dienstboten,
wann sie Krankheit oder anderer Ursachen wegen außer Dienststand gesetzet
werden, der Lohn nur für die Zeit, als sie ihre Dienste verrichtet haben, und
obwohlen dem Herrn nicht auferleget werden kann die Unkosten auf ihre Heilung
und Genesung aufzuwenden, so erheischet doch die Menschlichkeit und Liebe des
Nächsten, getreuen und fleißigen Dienstboten in
(3-216) ihren Bedürfnussen nach Thunlichkeit beizuspringen,
und selbe nicht sogleich wegen einer kurzen Unpässlichkeit zu verstoßen.
[3, 12, § 6] 93. Umsoweniger aber können die Erben des Verdingers,
welcher unter der Dingungszeit, oder vor gänzlich verfertigter Arbeit
verstorben, einen mehreren Lohn, als für die Zeit deren geleisteten Diensten,
oder nach Maß der verrichteten Arbeit anbegehren, und wann sie solchen zum
voraus empfangen haben, sind sie schuldig die Uebermasse herauszuzahlen; es
wäre dann, daß bei einem verdingten gewissen Werk aus selbst eigener Schuld
dessen, welcher des Verstorbenen Arbeit gedungen, deren Vollendung verzögeret
worden wäre, in welchen Fall denen Erben des Verdingers der ganze Lohn
gebühret.
[3, 12, § 6] 94. Unterliefe hingegen an Seiten des
Verdingers seine eigene Schuld, wegen welcher die ausgesetzte Dingungszeit
abgebrochen, oder das verdingte Werk unausgeführet bleiben würde, so ist der
aus seiner Schuld dem Contract nicht nachkommende Verdinger nicht nur für die
schon geleistete Diensten und Arbeiten keinen Lohn anzuforderen befugt, sondern
auch den voraus Empfangenen herauszugeben, und dem Dingenden seinen daraus
erweislich entstehenden Schaden zu vergüten schuldig.
[3, 12, § 6] 95. Wo aber die Verhindernuß, daß die
Dingungszeit nicht ausgehalten, oder das verdingte Werk nicht ausgeführet
werde, von dem Dingenden selbst herrührete, ist dem Verdinger der ganze Betrag
des bedungenen Lohns eben so hinaus zu zahlen, als ob die contractmäßige Zeit
erfüllet, oder das Werk vollendet worden wäre.
[3, 12, § 6] 96. Es würde dann zu erweisen sein, daß der
Verdinger sich unter der Zeit anderwärts verdungen, oder einen eben so
einträglichen Verdienst erworben hätte, in welchem Fall ihme der Lohn nur nach
Maß der Dienstzeit oder gefertigten Arbeit gebühret; wie solches ingleichen von
jenen Dingungscontracten zu verstehen ist, welche ohne Ausmessung einiger Zeit
auf ganz unbestimmte Diensten und Arbeiten lauten, und wovon jedem Theil nach
Belieben abzugehen freistehet.
[3, 12, § 6] 97. Ueberhaupt aber enthält die Schuldigkeit
des Vermiethers oder Verdingers, so bei Vermiethungen, als Verdingungen die
Erfüllung alles dessen, was sowohl die Natur des Mieth- oder Dingungscontracts
mit sich bringet, als zu was derselbe sich gegen dem Miether oder Dinger
anheischig gemacht hat.
[3, 12, § 6] 98. Aus dieser Verbindlichkeit entstehet die
dem Miether oder Dinger und dessen Erben gebührende Rechtsforderung wider den
Vermiether oder Verdinger und seine Erben zu Leistung alles dessen, worzu er
aus dem Mieth- oder Dingungscontract verbunden ist.
§. VII.
[3, 12, § 7] 99. Gegentheils erheischet die Verbindlichkeit
des Miethers oder Dingers: Erstens, daß der bedungene Zins oder Lohn in der gesetzten
Zeit von ihme dem Vermiether oder Verdinger bezahlet werde. Wo aber keine
gewisse Zahlungszeit bestimmet worden, ist bei Miethungen auf den Landesbrauch
zu sehen, oder da auch dieser nichts Gewisses besagete, gebühret der Zins
insgemein nach vollendeten Gebrauch der gemietheten Sache, oder nach Ausgang
der Miethzeit.
[3, 12, § 7] 100. Woferne jedoch ein Gut oder Haus auf
mehrere Jahre, ohne zur Abfuhr des Zinses eine Zeit zu benennen, verpachtet
oder vermiethet wird, ist zu bemerken, ob der Zins für ein jedes Jahr
besonders, oder für alle Jahre zusammen ausgemessen worden; ersteren Falls muß
die Zahlung zu Ende jeden Jahrs geschehen, letzteren Falls aber kann solche
nicht ehender, als nach Verlauf der ganzen Pacht- oder Miethzeit geforderet
werden.
[3, 12, § 7] 101. Desgleichen ist bei Dingungen persönlicher
Diensten und Arbeiten in Bezahlung des Lohn sich anförderist nach der
gepflogenen Abrede, oder da diese
(3-217) deshalben nichts enthielte, nach dem Landesbrauch,
und der wohlhergebrachten Gewohnheit zu richten.
[3, 12, § 7] 102. Außerdeme gebühret der Lohn nicht ehender,
als nach vollbrachten Diensten und Arbeiten, oder nach vollführten Werk; es
wäre dann der Lohn nach Maß der verfertigenden Arbeit, oder tagweis bedungen
worden, in welcherlei Fällen solcher, insoweit er in das Verdienen gebracht
worden, auch noch vor Vollendung des Werks mit Fug anverlanget werden kann.
[3, 12, § 7] 103. Gleichergestalten, wann die Verfertigung
eines verdingten Werks große Auslagen und Unkosten erforderete, und der
Verdinger der Arbeit sich zu deren Bestreitung ausdrücklich nicht verbunden
hätte, ist derselbe solche aus seinem Eigenen herzuschießen nicht schuldig,
obschon deren Betrag unter der Summe des verabredeten Lohns mitbegriffen wäre.
[3, 12, § 7] 104. Wie dann auch in jenem Fall, da der
Verdinger aus kundbarer Gebrechung deren Mitteln das übernommene Werk
auszuführen außer Stande gesetzet wäre, oder die Arbeit sich auf eine lange
Zeit hinausziehete, der Dinger ihme auf sein Begehren den Lohn nach Maß der verrichtenden
Arbeit nach und nach hinauszuzahlen, widrigens aber die Unterbleibung der
Arbeit sich selbst beizumessen hat.
[3, 12, § 7] 105. Nicht weniger ist bei Dingungen, welche
sich auf mehrere Jahre hinaus erstrecken, eben Jenes zu beobachten, was in dem
vorhergehenden num. 100 von derlei so beschaffenen Miethungen verordnet worden.
[3, 12, § 7] 106. Da aber der Miether oder Dinger in der
gehörigen Zeit mit der Zahlung des Zinses oder Lohnes nicht einhielte, sondern
durch seinen Saumsal zum gerichtlichen Anspruch Anlaß gäbe, so hat er beinebst
von dem Tag der gerichtlichen Belangung die landesübliche Zinsen davon mit
allen Schäden und Unkosten zu erstatten, und wird unten in §. X die Zeit des
Saumsals in der Abfuhr des Zinses ausgemessen werden, welche den Vermiether
berechtiget auch noch vor Ausgang der bedungenen Miethzeit den Contract
abzubrechen.
[3, 12, § 7] 107. Zweitens, daß der Miether in Gebrauch der
gemietheten Sache sich als ein guter Hausvater betrage, wie nicht weniger der
Dinger eines in die Arbeit genommenen Werks alle gehörige Sorgfalt anwende, und
so Ein als Anderer, den aus seiner Schuld hieran verursachten Schaden nach Maß
der gerichtlichen Schätzung ersetze; in was für einen Grad der Schuld aber
derselbe aus diesem Contract verfänglich seie, wird in dem gleich nachfolgenden
§. VIII erkläret werden.
[3, 12, § 7] 108. Drittens, daß er nach geendigter Miethe
oder verfertigten Werk die gemiethete, oder in die Arbeit übernommene Sache in
ihrer Gestalt unverletzt und unverringeret anwiederum zuruckstelle; wo aber
solche aus seiner Schuld nicht mehr zuruckgegeben werden könnte, als da sie von
ihme verloren, veräußeret oder sonst zu Grund gegangen wäre, kommet es auf die
Erstattung des Werths nach Maß des oben in fünften Capitel, §. IV, num. 37 und
38 bemerkten Unterschieds an, ob nemlich seine geflissentliche Gefährde, oder
nur seine Schuld die Zuruckgabe unmöglich gemacht habe.
[3, 12, § 7] 109. Ersteren Falls ist die Vergütung des
Werths, wie solcher durch den Eid der willkürlichen Schätzung bestimmet wird,
mit denen von dem Tag der Veräußerung oder geflissentlichen Vernichtung der
Sache vertagten Zinsen, letzteren Falls aber, wie dieser behörig erwiesen, oder
durch den Eid der Wahrheit gewissenhaft erhärtet wird, mit denen Zinsen von dem
Tag der zu thun gehabten Zuruckgabe, dann in beiden Fällen mit allen
Gerichtsschäden und Unkosten abzutragen, ohne daß jedoch, wo es eine bewegliche
Sache wäre, ein dritter Besitzer, der solche mit guten Glauben rechtmäßig an
sich gebracht, deshalben angefochten werden möge.
[3, 12, § 7] 110. Daferne aber der Vermiether die verlorne
Sache, wofür er den Werth bereits empfangen, anwiederum aus dem vorigen
Eigenthumsrecht über kurz oder
(3-218) lang zu seinen Handen bekäme, ist er schuldig dem
Miether entweder dieselbe eigenthumlich zu überlassen, oder den bezahlten Werth
wieder zuruckzugeben.
[3, 12, § 7] 111. Diese dem Miether oder Dinger obliegende
Schuldigkeit der Zuruckstellung der gemietheten oder gedingten Sache ist auch
so bündig, daß weder die Einwendung des an Seiten des Vermiethers hieran
ermanglenden Eigenthums dagegen statt hat, sondern dessen ohnerachtet ihme die
Sache auszuantworten ist, außer es könnte der Miether oder ein Dritter das ihme
hieran zustehende Eigenthum sogleich klar erweisen, oder da es um eine
bewegliche Sache zu thun wäre, der Vermiether keine genügliche Sicherheit
aufzuzeigen vermöchte, in welchem Fall die Sache bis zu Ausgang des
Rechtsstritts in gerichtlichen Beschlag genommen werden solle.
[3, 12, § 7] 112. Viertens, erheischet gleichfalls überhaupt
die Verbindlichkeit des Miethers oder Dingers nicht allein Dasjenige, was
ohnedies der Natur des Contracts gemäß ist, sondern auch Jenes, zu was er sich
durch Nebenbedinge verbunden hat, zu erfüllen, woraus die dem Vermiether oder
Verdinger und dessen Erben wider den Miether oder Dinger und seine Erben
zustehende Rechtsforderung zu Leistung alles dessen, was ihme aus dem Contract
gebühret, herfließet.
§. VIII.
[3, 12, § 8] 113. Der Mieth- oder Dingungscontract zielet
auf beider Contrahenten Nutzen gleich ab, als des Vermiethers oder Verdingers,
daß er seine Sache benutze, oder sich einen Verdienst erwerbe, dann des
Miethers oder Dingers, damit er den Gebrauch oder Genuß der Sache, oder die
Dienste und Arbeiten, deren er bedürftig ist, erlange; mithin sind auch Beide
für Gefährde, die große und leichte Schuld einander verfänglich.
[3, 12, § 8] 114. Der Miether oder Dinger ist dahero
schuldig in Verwahrung und Erhaltung der gemietheten Sache, oder bei dem
gedingten Werk einen ausbündigen und gleichen Fleiß, wie in seinen eigenen
Sachen anzuwenden, und allen Schaden so viel in seiner Macht stehet, sorgfältig
zu verhüten.
[3, 12, § 8] 115. Also da Jemand ein Roß gedungen, und
solches durch übermäßige Beladung oder Uebertreibung zu Schaden gekommen wäre,
oder ein Dienstbot etwas zerbräche, oder ein Handwerksmann das in die Arbeit
genommene Zeug aus Unvorsichtigkeit oder Unerfahrenheit verderbete,
verwechslete oder befleckete, oder von Mäusen und Schaben zerbeißen ließe, hat
der Entlehner oder Dinger des Werks den Schaden nach Maß der gerichtlichen
Schätzung zu ersetzten.
[3, 12, § 8] 116. Desgleichen, wo aus Schuld des Miethers
oder Pächters in einem gemietheten Haus oder gepachteten Gut eine Beschädigung
geschähe, als da er dem Haus oder Gut von dem Nachbarn eine Dienstbarkeit
auferlegen ließe, oder eine dem Grund zustehende Dienstbarkeit vergäbe, die
Waldungen ausödete, gefährliche oder verdächtige Leute in das Haus einnähme,
oder sonst etwas begienge oder außer acht ließe, woraus dem Vermiether oder
Verpachter ein Schaden entstünde, ist er dafür zu haften verbunden.
[3, 12, § 8] 117. Nicht nur aber für die von ihme selbst,
sondern auch durch Andere zufügende Beschädigungen wird der Miether oder Dinger
insoweit verantwortlich, als er hierzu Anlaß gegeben, oder in seiner Macht
gestanden, solche zu verhüten; also da ein Dritter aus Feindschaft gegen ihme
die gemiethete Sache verderbete oder sonst beschädigete, muß er dem Vermiether
dafür gerecht werden, wann er den Schaden abzuwenden vermocht hat.
[3, 12, § 8] 118. Eben also hat derselbe für den durch seine
Dienstleute verursachten Schaden zu haften, wann er entweder wider den
sonstigen Gebrauch etwas zu verrichten befiehlt, woraus der Schaden erfolget
oder die Beschädigung hätte verhinderen können, oder auch sich wissentlich
böser und nachlässiger Leuten bedienet, die Anderen zu schaden gewohnt sind.
(3-219) [3, 12, § 8] 119. Außerdeme ist Niemand für die
durch seine Dienstboten widerfahrende Schäden verfänglich, wann er solche nicht
durch ein ausdrückliches Beding auf sich genommen hat; also da aus
Nachlässigkeit oder auch aus Bosheit eines Dienstboten Feuer im Haus auskäme,
fallet der Schaden des Eigenthümers dem Miether nicht zur Last, wann ihme sonst
keine Schuld beigemessen werden kann.
[3, 12, § 8] 120. Zu dem ausbündigsten Fleiß hingegen, und
zu der aus dessen Unterlassung entstehenden Verfänglichkeit für die leichteste
oder geringste Schuld ist zwar insgemein der Miether oder Dinger nicht
verbunden; in jenen Fällen aber hat er auch für allen Unfleiß und
Verwahrlosung, obgleich solche nur aus leichtester Schuld geschähe, zu haften,
wann entweder die Natur und Eigenschaft der Sache den ausbündigsten Fleiß
erforderet, als z. B. die Versetzung oder Fassung eines Edelgesteins, oder die
Verführung leicht gebrechlicher Waaren, oder derselbe sich hierzu besonders
anheischig gemacht, oder wegen seiner treibenden Kunst, Gewerb oder Hantierung
gleich allen Künstleren und Werkmeisteren hierzu verpflichtet ist, oder endlich
eigends für die Verwahrung der Sache einen Lohn bekommen oder bedungen hat.
[3, 12, § 8] 121. Nicht weniger hat der Vermiether für allen
dem Miether aus seiner Gefährde, großer und leichter Schuld widerfahrenden
Schaden zu stehen, wie davon oben §. VI, num. 85 und 86 Beispiele angeführet
worden. Weiter aber ist derselbe nicht verbunden, wann er sich nicht besonders
zu was Mehreren erboten hat.
[3, 12, § 8] 122. Die Schuld muß allemal von jenem Theil
erwiesen werden, welcher solche dem anderen beimesset. Gleichwie dahero der
Miether den zufälligen Schaden zu erproben hat, also lieget in Gegentheil dem
Vermiether ob, die Schuld des Miethers darzuthun.
[3, 12, § 8] 123. Es muß aber dabei die Ereignuß deren
Zufällen wohl unterschieden werden, ob sie so beschaffen sind, daß sie wegen
stärkerer Gewalt unvermeidlich waren, oder ob dieselbe von solcher Art sind,
daß sie durch Fleiß und Sorgfalt hätten verhütet werden können.
[3, 12, § 8] 124. Bei ersterer Gattung, als da sind
feindliche Einfälle, Einsturz deren Gebäuden, Wetterschläge, Wassergüsse u.
dgl., ist an Erprobung des Zufalls genug, und muß derjenige Theil, welcher die
Sache an dem anderen forderet, das Widerspiel darzeigen.
[3, 12, § 8] 125. Bei der anderen Gattung hingegen, als
Feuersbrünsten und Diebstählen hat Jener, welcher die zuruckgeforderte Sache in
seiner Gewahrsame gehabt, über den Beweis des Zufalls noch darzuthun, daß er
den nach der Natur und Eigenschaft des Contracts, oder gemäß seiner
eingegangenen Verbindung anzuwenden gehabten Fleiß und Sorgfalt zu Erhaltung
der Sache angewendet habe, mithin solche ohne seiner Schuld und Fahrlässigkeit
zu Grund gegangen, oder zu Schaden gekommen seie.
§. IX.
[3, 12, § 9] 126. Bei zufälligen
Schaden ist in Mieth- und Pachtungen vornehmlich darauf zu sehen, ob solche
sich an der Sache oder an Früchten ergeben haben.
(3-220) Gehet die vermiethete Sache durch Zufall ganz oder
zum Theil zu Grund, oder würde sonst unbrauchbar gemacht, hat den Schaden der
Vermiether als Eigenthümer zu tragen, und der Miether ist an dem bedungenen
Zins nichts Mehreres, als so viel auf die Zeit des gehabten Gebrauchs oder
Genusses, oder für den noch übrigen brauchbaren Theil ausfallet, zu entrichten
schuldig.
[3, 12, § 9] 127. Diese Regel leidet aber in folgenden
Fällen eine Ausnahm: Erstens, wann des Miethers oder Pachters vorhergegangene
Schuld oder Saumsal zu dem darauf erfolgten zufälligen Schaden Anlaß gegeben,
als da aus seiner Schuld das gemiethete Haus abbrennete, fallet ihme der
Schaden zur Last.
[3, 12, § 9] 128. Zweitens, wann der Miether oder Pachter
die Gefahr der Sache durch ein ausdrückliches Beding auf sich genommen, oder
nicht eben daßelbe, was er gemiethet oder bestanden, sondern eben so vieles von
gleicher Güte und Werthschaft zuruckzustellen sich verbunden hätte, wobei
jedoch in ersteren Fall nicht an deme genug ist, daß von demselben überhaupt
alle sich ereignen mögende Unfälle übernommen worden, als welche nach der Natur
und Eigenschaft des Contracts bloß allein von jenen zu verstehen sind, die an
Früchten, nicht aber an der Sache geschehen, sondern es ist erforderlich, daß
er namentlich die Gefahr des Untergangs oder der Verderbnuß der Sache zu tragen
sich anheischig mache.
[3, 12, § 9] 129. Mit welcherlei Beding insgemein die Art
des Contracts, der sonst eisernes Vieh genannt wird, geschlossen zu werden pfleget,
worinnen Jemand eine gewisse Anzahl Kühe, Schafe oder anderes nutzbares Vieh
mit dem Beding miethet und in Bestand nimmt, daß er jedesmal anstatt des
Umstehenden ein anderes Stuck an dessen Stelle schaffen, und also nach Endigung
der Mieth- oder Bestandzeit die völlige Anzahl ohne Abgang wieder lieferen
wolle, wodurch er in die Verbindlichkeit gesetzet wird, für die übernommene
Stücke zu haften.
[3, 12, § 9] 130. Dieses Beding aber übertraget das
Eigenthum auf den Miether oder Bestandnehmer nicht, wann ihme solches nicht
ausdrücklich von dem Vermiether oder Bestandgeber überlassen, oder der
bedungene jährliche Zins nicht auf dem Grund versicheret worden.
[3, 12, § 9] 131. Drittens, wann die vermiethete Sache von
solcher Beschaffenheit ist, daß sie ihrer Natur nach einen Zuwachs oder Abnahm
leide, als z. B. eine in Bestand genommene Heerde Schafe, wobei zu
unterscheiden ist, ob der Abgang hinwiederum aus dem sich währender Bestandzeit
ergebenen Zuwachs habe ersetzet werden können, oder ob der Abgang so beträchtlich
seie, daß solcher durch den Zuwachs in der Mieth- oder Bestandzeit nicht habe
wieder hergestellet werden mögen.
[3, 12, § 9] 132. Ersteren Falls gehet dem Miether oder
Bestandmann so der Abgang zu Schaden, wie der Zuwachs zu Nutzen, und der Schaden
wird mit der vor- oder nachgehenden Fruchtbarkeit vergolten; letzteren Falls
aber hat den Schaden der Vermiether oder Bestandgeber zu leiden, und der
Miether kann zu Ergänzung der in Bestand genommenen Anzahl nicht verhalten
werden.
[3, 12, § 9] 133. Viertens, wann der Miether oder Pachter
schon aus einer vorhergegangenen Handlung für die Gefahr der gemietheten oder
gepachteten Sache verfänglich ist; als da der Kaufer die erkaufte Sache
insolange, als nicht der Kaufschilling bezahlet wird, von dem Verkaufer
miethete, und die Sache währender Miethe zu Grund gienge, hat der Kaufer
jegleichwohlen das bedungene Kaufgeld zu bezahlen.
(3-221) [3, 12, § 9] 134. Ereignet sich aber der Unfall an
denen Früchten, so ist der Unterschied zu beobachten, ob die Früchten zur Zeit
des Unfalls schon eingesammlet und eingehoben, oder noch auf dem Felde
befindlich sind; es sollen jedoch, wann um den Nachlaß des Pachtschillings
wegen derlei an denen Früchten sich ereignenden zufälligen Beschädigungen die
Frage ist, in diesem Fall allein die Früchten nicht anderst für eingesammlet
und eingehoben geachtet werden, als wann sie nicht allein geschnitten,
abgemähet, oder sonst von dem Grund abgesönderet, sondern auch bereits von dem
Feld weg, und in die gewöhnliche Behältnussen eingeführet worden.
[3, 12, § 9] 135. Was nun immer für Schaden sich an denen
vorbemelter Maßen schon eingehobenen und eingesammleten Früchten aus Zufall
ergiebt, hat solchen der Pachter ebenso, als wie an anderen ihme eigenthumlich
zugehörigen Sachen zu leiden.
[3, 12, § 9] 136. Daferne aber der Unfall die entweder auf
dem Feld noch stehende, oder zwar von dem Grund schon abgesönderete, doch aber
noch nicht eingeführte, sondern auf dem Feld liegende, oder die noch an Bäumen
hangende Früchten beträfe, und keine Schuld des Pachters mit unterliefe, so ist
anförderist auf den Ursprung des Unfalls die Rucksicht zu nehmen, dann wo die
Unergiebigkeit des Nutzens aus einem innerlichen Mangel oder schlechten
Beschaffenheit des Grunds herrührete, gereichet solche dem Pachter zu Schaden,
als welcher sich beizumessen hat einen dergleichen schlechten Grund gepachtet
zu haben; außer es hätte der Verpachter in dem Anschlag eine bessere
Beschaffenheit des Grunds, oder eine ergiebigere Benutzung, als von dem Grund
niemalen zu gewarten ist, ausdrücklich gewähret, in welchem Fall derselbe den
Pachtschilling nach Maß der minderen Ertragnuß nachzulassen schuldig ist.
[3, 12, § 9] 137. Welches ingleichen auch von jenen zwar
äußerlichen, allein in der Gegend des gepachteten Grunds, oder zu gewissen
Jahreszeiten derorten sonst insgemein sich zu ergeben pflegenden Unfällen zu
verstehen ist, als da ein Grund oder Acker seiner niedrigen Lage halber öfteren
Ueberschwemmungen und Wassergüssen ausgesetzet wäre, so sich ebenfalls der
Pachter allein zuschreiben muß.
[3, 12, § 9] 138. Dahingegen, wo die Beschädigung oder
Mißwachs von einem äußerlichen und ungewöhnlichen Unfall, als von Schauer,
Hagel, ungemeinen Ergießungen der Gewässer, großer Dürre oder Auswinterung,
ungewöhnlichen Würmern, außerordentlicher Menge Feldmäusen oder Heuschrecken,
feindlichen Einfällen und Verheerungen und dergleichen Ursachen entstünde,
kommet es darauf an, ob alle Früchten oder deren größter Theil, oder aber nur
wenige verdorben worden.
[3, 12, § 9] 139. Wann nun der Mißwachs sich an allen, oder
doch dem größten Theil deren Früchten ergeben, ist der Verpachter verbunden,
nach Maß des Schadens dem Pachter einen Nachlaß an dem Pachtgeld einzugestehen,
woferne jedoch folgende Erfordernussen hinzutreten, als:
[3, 12, § 9] 140. Erstens, damit keine Schuld des Pachters
weder in der Ausübung dessen, was den Unfall veranlasset, noch in Unterlassung
desjenigen, wodurch solcher hätte vermieden werden können, vorhergegangen seie,
wann er nemlich etwas gethan, was gute Wirthe derorten unterlassen haben
würden, oder aber etwas verabsaumet hätte, was insgemein bei dem
Wirthschaftstrieb nach Beschaffenheit der Lage und Eigenschaft des Grunds
beobachtet zu werden pfleget.
[3, 12, § 9] 141. Zweitens, daß er die sich ereignen mögende
Unfälle nicht ausdrücklich auf sich genommen, oder überhaupt auf allen aus was
immer für Ursachen zu forderen haben mögenden Nachlaß des Pachtgelds keine
Verzicht geleistet habe, wobei aber auf die Art der Verbindung gesehen werden
muß; dann, daferne nur gewisse Zufälle namentlich ausgedrucket worden wären,
gehen ihme nur die benannte zu Schaden, wo er sich aber überhaupt für alle ohne
Ausnahm verfänglich gemacht, oder sich alles Nachlasses verziehen hätte, muß er
auch alle Unfälle tragen, sie mögen noch so ungewöhnlich, oder noch so wenig
vorzusehen gewesen sein.
[3, 12, § 9] 142. Drittens, damit der Schaden groß und
unleidlich seie. Es muß aber
(3-222) Bei dessen Bestimmung sowohl auf den Betrag deren
Nutzungen, als auf deren Werthschaft zur Zeit der Fechsung die Rucksicht
getragen werden, also zwar, daß ein unleidlicher Schaden, wessentwegen ein
Nachlaß an Pachtgeld von dem Pachter mit Fug geforderet werden könne, nur
allein daraus gefolgeret werden möge, wann die ganze aus dem gepachteten Gut
behobene Nutzung nicht die Hälfte der sonstigen Ertragnuß erreichet, und
zugleich deren Werth nach dem zur Zeit der Fechsung gängigen Preis nicht auf
die Hälfte des bedungenen Pachtgelds hinaufsteiget.
[3, 12, § 9] 143. Wiewohlen dahero die Nutzungen die Hälfte
der sonstigen Ertragnuß nicht abwerfen, deren Werth aber zu dieser Zeit sich
auf die Halbscheide des Pachtgelds belaufen würde, oder da gegentheils zwar die
Nutzungen auf die Hälfte der sonstigen Ertragnuß behoben worden wären, deren
Preis aber auf das halbe Pachtgeld nicht hinanstieg, so hat doch weder ein noch
anderen Falls ein Nachlaß an Pachtgeld statt.
[3, 12, § 9] 144. Es solle auch in Schätzung des Schadens
nicht auf die mindere Ergiebigkeit einer Gattung von Früchten allein, sondern
auf die gesammte aus dem gepachteten Gut gezogene Nutzung gesehen werden; also
da der Pachter zwar an Getreid wenig oder nichts gefechset, dahingegen an
anderen Nutzungen so vieles erhalten hätte, daß die Hälfte der sonstigen
Ertragnuß erreichet würde, kann sich derselbe über keinen unleidlichen Schaden
beschweren.
[3, 12, § 9] 145. Damit aber in Erforschung sowohl der
sonstigen Ertragnuß, als des Werths deren behobenen Früchten eine sichere
Richtschnur festgestellet werde, so solle einerseits die mindere Ergiebigkeit
weder nach der höchsten Benutzung eines fruchtbaren Jahrs, noch auch nach dem
geringsten Abwurf eines Mißjahrs, sondern wo der Pachtcontract über einen
ordentlich verfassten Anschlag geschlossen worden, aus dem Verhältnuß mit dem
Anschlag, oder in dessen Ermanglung aus Gegeneinanderhaltung mit dem wenigstens
aus denen nächstvorhergegangenen dreijährigen Rechnungen gezogenen verläßlichen
Mittel, oder wo auch diese nicht zu haben wären, durch drei unparteiische
Wirthschaftskündige geschätzet, und andererseits die Werthschaft allemal nach
dem zur Zeit der Fechsung in dieser Gegend marktgängigen Preis bestimmet
werden.
[3, 12, § 9] 146. Viertens, damit nicht für mehrere Jahre,
oder für mehrere Gründe zusammen in einem Contract ein Pachtzins, obgleich
solcher für jedes Jahr, oder für jeden Grund besonders ausgemessen wäre,
bedungen worden; dann bei einem auf diese Art getroffenen Pachtcontract wird
die Unergiebigkeit des einen Jahrs oder Grunds mit der Fruchtbarkeit des
anderen vergolten, und gleichsam ausgeglichen, wessenthalben nur in jenem Fall
ein Nachlaß gebühret, wann weder die durch alle Pachtjahre eingehobene
Nutzungen zusammen die Hälfte des Anschlags, noch deren Werth das halbe für
alle Jahre ausgesetzte Pachtgeld erreichen.
[3, 12, § 9] 147. Wo aber ein Pachtcontract in jedem Jahr
erneueret, oder besondere Contracten über mehrere Gründe dergestalten
eingegangen worden, daß das Pachtgeld für einen jeden Jahreslauf, oder für
einen jeden Grund besonders abgetheilet ist, solle auch in Schätzung des
Schadens nur auf die Unergiebigkeit des einen Jahrs oder Grunds gesehen werden,
ohne solche mit der Fruchtbarkeit deren vorhergegangenen oder folgenden
Pachtjahren oder deren anderen Gründen vergelten zu mögen.
[3, 12, § 9] 148. Es solle aber der Pachter, wo er wegen
Mißwachses oder anderer Beschädigungen an denen Feldfrüchten einen Nachlaß des
Pachtschillings forderen zu mögen vermeinet, sobald als der Befund des Schadens
erhoben werden kann, solches zeitlich, und solange die Früchten noch auf dem
Feld befindlich sind, dem Verpachter zu dem Ende bedeuten, damit er der
Besichtigung und Schätzung des Schadens entweder selbst beiwohne, oder in
seinem Namen Jemanden darzu abordne.
[3, 12, § 9] 149. Es möge jedoch der Verpachter in der
gesetzten Zeit dabei erscheinen oder nicht, so ist zwar der Pachter wegen
seines Außenbleibens mit der Fechsung
(3-223) und Einsammlung deren Früchten länger nachzuwarten
nicht schuldig, die Besichtigung und Schätzung des Schadens aber solle allemal
derorten, wo die Gerichte, unter deren Gerichtsbarkeit der Grund gelegen ist,
an Handen sind, durch zwei Gerichtspersonen, oder wann keine Gerichte an der
Stelle sind, durch drei untadelhafte benachbarte Wirthschaftserfahrene
vorgenommen werden.
[3, 12, § 9] 150. Woferne hingegen der Pachter mit dessen
Außerachtlassung die Feldfrüchten eingeführet hätte, solle derselbe eines
vorgeblichen Schadens halber nicht mehr gehöret werden.
[3, 12, § 9] 151. Wäre nun aber der Schaden auf vorbemelte
Weis ordentlich erhoben worden, und der Verpachter wollte sich zu keinem
Nachlaß gutwillig einverstehen, so solle der Pachter solchen längstens bis zu
der nächstfolgenden Abfuhrszeit des Pachtzinses um so gewisser bei Gericht
ansuchen, als ansonst nach deren Verlauf die Forderung gänzlich verschwiegen
ist.
[3, 12, § 9] 152. Der Nachlaß hat allemal nach Maß des
geschätzten Schadens zu geschehen, also daß, wo die Beschädigung nicht viel
über die Hälfte der sonstigen Benutzung betraget, auch nur die Hälfte des
Pachtschillings, wo aber solche weit über die Hälfte hinausliefe, hieran nach
billigen Befund ein Mehreres, oder, da gar nichts an Nutzungen eingehoben
worden wäre, der ganze Pachtschilling nachzusehen ist.
[3, 12, § 9] 153. Wann hingegen nur ein weniger Theil deren
Früchten beschädiget worden wäre, also daß der Schaden auf die Hälfte der
sonstigen ganzen Benutzung nicht hinanstiege, kann kein Nachlaß des Pachtzinses
begehret werden.
[3, 12, § 9] 154. Dann gleichwie wegen außerordentlich
größerer Fruchtbarkeit der Zins nicht erhöhet wird, also mag auch wegen etwas
geringerer Ergiebigkeit solcher nicht verminderet werden, sondern der Pachter
hat in Rucksicht des ihme vergönnenden mehreren Nutzens auch den wenigen
Schaden billig zu tragen.
[3, 12, § 9] 155. Daferne aber Jemand mit dem Anderen einen
Acker oder Gut zur Hälfte oder auf ein Drittel, oder auf einen sonstigen dem
Betrag nach noch ungewissen Antheil der künftigen Fechsung oder Benutzung
bestellet hätte, kann wegen zufälliger Schäden kein Nachlaß geforderet werden,
sondern derselbe theilet nach dem Gesellschaftsrecht den Gewinn und Verlust mit
dem Eigenthümer zugleich.
[3, 12, § 9] 156. Wohingegen da ein gewisser Betrag an
Getreid oder anderen Früchten anstatt Gelds zu geben bedungen worden wäre, hat
ebener Maßen alles Dasjenige statt, was bei Pachtcontracten des Nachlasses
halber bishero geordnet worden, weilen ein derlei unbenannter Vertrag nach der
Natur des Mieth- oder Pachtcontracts, als mit deme er die meiste Aehnlichkeit
hat, zu beurtheilen ist.
[3, 12, § 9] 157. Bei Verdingungen schadet der Zufall an dem
zur Verarbeitung gegebenen Zeug insgemein dem Verdinger des Werks oder
Eigenthümer des Zeugs, welcher noch beinebst den bedungenen Lohn nach Maß der
verfertigten Arbeit zu bezahlen hat, ohnerachtet das Zeug in der Verarbeitung
zufälliger Weise zu Grund gegangen wäre, wann nur dem Dinger des Werks oder
Arbeiter hierbei keine Verwahrlosung oder Unerfahrenheit zu Schulden gehet, als
da ein Stück Tuch dem Schneider zur Verfertigung eines Kleids gegeben, und
solches durch eine zufällige Feuersbrunst verbrennen würde.
[3, 12, § 9] 158. Es wäre dann, daß der Dinger des Werks auf
alle Fälle dafür zu stehen gelobet hätte, oder das Zeug ihme dergestalten
gegeben worden wäre, damit entweder aus diesem, oder einem anderen das Werk
verfertiget werde, als da einem Goldarbeiter auf solche Art Gold zur
Verarbeitung gegeben würde. In derlei Fällen schadet der Zufall dem Dinger des
Werks oder Arbeiter, welcher noch allezeit verbunden bleibet das verdingte Werk
zu lieferen, und sich an dem Preis oder Lohn so vieles abziehen zu lassen, als
das daran empfangene Zeug in seinem Werth betraget.
[3, 12, § 9] 159. Ereignet sich aber der Zufall an der Form
und Gestalt des Werks,
(3-224) als da Jemand eine Mauer, Keller oder dergleichen
Werk zu verfertigen übernommen hätte, und dasselbe hernach eingienge, so ist zu
unterscheiden, ob der Unfall aus höherer Gewalt, als Erdbeben, feindlicher
Verwüstung, oder wegen mangelbarer Arbeit herrühre. Wird das Werk durch höhere
Gewalt eingerissen, hat der Bauherr den Schaden zu leiden, und über das die
Arbeit, soweit solche verfertiget worden, zu bezahlen.
[3, 12, § 9] 160. Wo es hingegen wegen mangelbarer Arbeit
einstürzete, so kommet es darauf an, ob das Werk überhaupt, oder nach einer
gewissen Maß, als ellen- und klafterweis, oder aber nach dem Taglohn verdinget
worden. Ersteren Falls muß der Arbeiter so lange dafür stehen, bis das Werk
oder der Bau verfertiget und von dem Bauherrn gutgeheißen worden; wann jedoch
dieser einmal zufrieden gewesen, ist der Arbeiter weiter für nichts
verfänglich.
[3, 12, § 9] 161. In anderen Fall aber hat der Arbeiter
solange dafür zu haften, bis das Werk zugemessen worden, nach dessen Zumessung
hingegen ist er nicht mehr verantwortlich; und endlich in dem dritten Fall ist
der Arbeiter nur für die Arbeit desjenigen Tags, an welchem solche einstürzet,
und nicht weiter zu stehen verbunden, sondern der Bauherr hat sich selbst
beizumessen, warum er den Arbeiter, wann ihme die Arbeit nicht angestanden,
nicht sofort abgeschaffet hat.
[3, 12, § 9] 162. Daferne es aber gegentheils sich ergäbe,
daß die Verfertigung des überhaupt verdingten Werks aus einem außerordentlichen
und unvorgesehenen Zufall viel beschwerlicher gemacht, und weit mehrere Mühe
und Arbeit, als bei dem anfänglichen Zustand der Sache nicht erforderlich
gewesen wäre, erheischen würde, so ist auch billig, daß der bedungene Lohn nach
Maß der vermehrten Arbeit erhöhet werde.
§. X.
[3, 12, § 10] 163. Der Mieth-, Pacht- oder Bestandcontract
endiget sich erstens, durch Vollendung des Gebrauchs, worzu die Sache geliehen
oder vermiethet worden, zweitens, durch Verlauf der Zeit, auf welche die Sache
gemiethet oder gepachtet worden, drittens, wo keine Zeit ausgemessen ist, durch
den Abstand des einen oder anderen Theils, wann solcher dem anderen in der
gehörigen Zeit durch die gewöhnliche Aufkündung auf die in §. V, num. 52
vorgeschriebene Art und Weis bedeutet worden.
[3, 12, § 10] 164. Dahingegen kann vor Ausgang der
bedungenen Mieth-, Pacht- oder Bestandzeit, oder vor vorhergehender
gewöhnlichen Aufkündung kein Theil ohne Einwilligung des anderen von dem
Contract abweichen, außer er hätte darzu eine von denen hiernach ausgesetzten
rechtmäßigen Ursachen, deren einige den Vermiether oder Verpachter berechtigen
den Miether, Pachter oder Bestandmann vor der Zeit hinaus zu treiben, andere
aber dem Miether, Pachter oder Bestandmann die Befugnuß geben vor der Zeit
auszuziehen, oder den Bestand aufzugeben.
(3-225) [3, 12, § 10] 165. Die erste Ursach an Seiten des
Vermiethers oder Verpachters ist des Miethers oder Pachters Saumsal in
Abführung des bedungenen Zinses, Pachtschillings oder Bestandgelds, also zwar,
daß wo die Miethe, Pachtung oder der Bestand auf mehrere Jahre geschlossen
worden wäre, und der Miether oder Pachter mit Bezahlung des Zinses durch ein
Jahr zuruckbliebe, der Vermiether oder Verpachter nicht länger nachzuwarten
schuldig ist, sondern denselben ohne vorgängiger Aufkündung aus der Miethe oder
Pachtung hinaustreiben, dabei aber an Zins nicht mehr, als für die Zeit der
Inhabung anforderen mag.
[3, 12, § 10] 166. Doch ist dem Vermiether oder Verpachter
nicht verwehret, im Fall kürzere Zahlungsfristen bestimmet, oder die Abfuhr
vorhinein verabredet worden wäre, auch noch unter dieser Jahreszeit die
Sicherstellung des rückständigen Zinses anzusuchen, und sich allenfalls nach
der Verfallzeit entweder des zur Sicherheit bestellten Unterpfands, oder in
dessen Ermanglung oder Unzulänglichkeit deren in der gemietheten Wohnung oder
gepachteten Gut befindlichen Fahrnussen und Vorräthen des Miethers oder
Pachters aus dem ihme hieran zustehenden Recht eines stillschweigenden
Unterpfands zu halten, wie solches bereits in zweiten Theil erkläret worden.
[3, 12, § 10] 167. Wo aber der Mieth- oder Pachtcontract auf
eine unbestimmte Zeit lautete, bedarf der Vermiether oder Verpachter der
Hinaustreibung des Miethers nicht, sondern er hat das Mittel der gewöhnlichen
Aufkündung an Handen, wodurch er sich des in der Zahlung säumigen Miethers oder
Pachters entledigen kann.
[3, 12, § 10] 168. Die zweite Ursach ist die unumgängliche
Nothwendigkeit das vermiethete Haus zu bauen oder auszubesseren, wann der Bau
nicht anderst füglich geschehen könnte, als daß die baufällige Behausung
geraumet werden müsse, in welchem Fall der Miether auch ohne vorläufiger
Aufkündung auszuziehen schuldig, der Vermiether aber den Zins nur für die Zeit
der innengehabten Wohnung anzubegehren befugt ist.
[3, 12, § 10] 169. Der Contract aber wird an Seiten des
Vermiethers dadurch nicht abgebrochen, sondern dieser bleibet jegleichwohlen
noch in der Verbindlichkeit, wann der Bau währender Anfangs bedungenen
Miethzeit vollendet wird, den Miether auf dessen Verlangen anwiederum um den
vorhin bestimmten Zins einzunehmen, und bis zu Ausgang der contractmäßigen Zeit
in der Miethe zu dulden; dahingegen kann der einmal hinausgetriebene Miether
nicht mehr angehalten werden, die Miethe fortzusetzen.
[3, 12, § 10] 170. Wann jedoch der vorhabende Bau oder
Ausbesserung nicht nothdringlich wäre, sondern bloß aus Willkür und Gefallen
des Vermiethers unternommen werden wollte, ist der Miether nicht schuldig, die
Wohnung zu raumen, gleichwie er auch gegentheils nicht befugt ist, die Miethung
abzubrechen, wann die Ausbesserung ohne Raumung des Hauses, wiewohlen mit
seiner einigmäßigen geringen Ungelegenheit geschehen kann, woferne ihme andurch
keine sonderliche Hindernuß verursachet würde.
[3, 12, § 10] 171. Die dritte Ursach ist der üble Gebrauch
des Miethers oder Pachters, welcher zum Schaden der vermietheten Sache oder
verpachteten Guts gereichete, wann nemlich derselbe darinnen schädlich,
üppiglich und ärgerlich Haus hielte, als da er auf einem gepachteten Gut die
Waldungen abtriebe, die Teiche austrocknete, oder was sonst immer zum
unverwindlichen Schaden des Wirthschaftstriebs ausübete, oder in einem
gemietheten Haus die Gemäuer untergrübe, Gebäude einriße, liederliches Gesindel
einnähme und beherbergete, oder auch selbst darinnen ein ärgerliches Leben
führete.
[3, 12, § 10] 172. Welchen Falls der Vermiether oder
Verpachter die Befugnuß hat, ihn nicht allein vor der Zeit hinauszutreiben,
sondern auch, woferne er nicht das Haus oder Gut auf die Zeit des Contracts um
eben den Zins anwiederum an jemand Anderen vermiethen oder verpachten könnte,
den ganzen Zins für die noch übrige Zeit, welche der Contract fürzuwähren
gehabt hätte, oder wenigstens die Erstattung
(3-226) dessen, um wie viel weniger an den Zins für die Zeit
des Contracts einzuheben sein würde, nebst Ersetzung des erweislichen Schadens
von dem Miether oder Pachter zu forderen.
[3, 12, § 10] 173. Alle diese Ursachen bestehen auch damals,
wann gleich die Contrahenten sich gegeneinander mit einem ausdrücklichen Beding
verbindlich gemacht hätten, daß sie aus keinerlei Ursach von dem Contract
abgehen wollen; maßen allemal die stillschweigende Bedingnussen aus der Natur
der Handlung darunter verstanden sind, daß der Mieth- oder Pachtcontract nicht
anderst bestehen könne, als wann der Zins bezahlet, der Gebrauch durch Zufall
nicht verhinderet, und die gemiethete Sache aus Schuld oder Mißbrauch des
Miethers nicht verderbet werden würde.
[3, 12, § 10] 174. Es ist jedoch der Vermiether oder
Verpachter bei Strafe gewaltsamer Thathandlungen nicht befugt, aus vorerwähnten
Ursachen den Miether oder Pachter eigenmächtig hinauszutreiben, sondern
demselben lieget ob, in derlei Fällen die Gerichtshilfe anzubegehren, mittelst
welcher der Miether oder Pachter, wann er sich zur Raumung nicht selbst
gutwillig bequemen wollte, aus der Miethe oder Pachtung zu setzen ist.
[3, 12, § 10] 175. Diese Hilfe solle dem Vermiether oder
Verpachter auf sein Anrufen nicht allein aus denen vorbeschriebenen Ursachen,
wann er solche behörig erwiesen hat, sondern auch auf dem Fall, da der Miether
oder Pachter über die ihme verstattete landesgewöhnliche Ausziehungszeit mit
der Raumung länger verweilete, nach Darzeigung der geschehenen Aufkündung auf
das schleunigste ertheilet, und damit dergestalten verfahren werden, daß sofort
der Miether oder Pachter durch das Gericht mit Hinwegschaffung aller seiner
Fahrnussen ohne weiteren Anstand hinausgewiesen werde, worwider sich derselbe
eines ihme andurch widerfahrenden Schadens halber nicht beklagen darf.
[3, 12, § 10] 176. Die eigene Bedürfnuß der vermietheten
Sache aber ist keine zureichende Ursach, den Miether oder Pachter vor der Zeit
hinauszutreiben, sondern, sie möge gleich noch so dringend sein, so bleibet
doch der Vermiether verbunden, die contractmäßige Zeit auszuwarten, oder, wo
keine bestimmet worden wäre, die gewöhnliche Aufkündung vorhergehen zu lassen.
[3, 12, § 10] 177. An Seiten des Miethers oder Pachters ist
jeden den Gebrauch der gemietheten Sache ohne von ihme hierzu gegebenen Anlaß
verhinderender Zufall, es seie mit oder ohne Schuld des Vermiethers, eine
rechtmäßige Ursach vor der Zeit auszuziehen; als da bei einer gemietheten
Wohnung das Licht durch ein von dem Nachbarn aufführendes Gebäu benommen, und
von dem Vermiether keine Abhilfe verschaffet, oder auch die Bewohnung wegen
Feindesgefahr, ansteckender Seuche, Baufälligkeit und dergleichen Ereignussen
unsicher gemacht, und das Haus von dem Vermiether nicht in wohnbaren Stand hergestellet
würde.
[3, 12, § 10] 178. Es ist jedoch dabei zu unterscheiden, ob
die Verhindernuß nur auf eine kurze Zeit fürwähre, oder sich weiter hinaus
verziehe; ersteren Falls, wann währender contractmäßigen Miethzeit die
Hindernuß gehoben wird, bleibet der Miether oder Pachter verbunden, durch die
noch übrige Mieth- oder Pachtzeit den Contract fortzusetzen, und solle nur an
dem Zins der Betrag für diejenige Zeit abgeschlagen werden, durch welche der
Gebrauch verhinderet gewesen ware.
[3, 12, § 10] 179. Es wäre dann in der Macht des Vermiethers
oder Verpachters gestanden, die Hindernuß sogleich abzustellen, und er hätte
sich auf das an ihn gemachte Belangen hierzu nicht verstehen wollen, welchen
Falls der Miether oder Pachter in den Contract wieder einzutreten nicht
angehalten werden kann, sondern an Zins nur so viel zu entrichten schuldig ist,
als für die Zeit der wirklichen Inhabung hieran gebühret, wann gleich nachhero
der Vermiether noch vor Ausgang der Miethzeit die Sache in brauchbaren Stand
hergestellet hätte.
[3, 12, § 10] 180. Letzteren Falls aber, wo die Verhindernuß
über die Zeit des Contracts hinausdaueret, wird auch der Contract völlig
abgebrochen, und solle der Zins nur
(3-227) nach Maß des gehabten zeitlichen Gebrauchs bezahlet
werden, doch solle der Miether oder Pachter in so einen als anderen Fällen,
wann es die Umstände zulassen, die vorgefallene Verhindernuß noch vor
Verlassung der Miethe dem Vermiether oder Verpachter bedeuten, um entweder, wo
es in dessen Macht stünde, die nöthige Abhilfe zu verschaffen, oder wenigstens
zu Abwendung größeren Schadens die Vorsehung zu treffen.
[3, 12, § 10] 181. Wohingegen da solches von ihme, wo er es
hätte thuen können, geschehen zu sein nicht erwiesen werden könnte, und dem
Vermiether durch Verlassung der gemietheten Sache ein Schaden widerfahren wäre,
welchen derselbe bei zeitlich davon bekommener Nachricht hätte vermeiden
können, so ist der Miether oder Pachter schuldig den daher erlittenen
erweislichen Schaden zu ersetzen, obschon ihme der Nachlaß an Zins, wann die
wirkliche Verhindernuß dargezeiget werden mag, nach dem obigen Unterschied
deren Fällen billig zu Guten kommet.
[3, 12, § 10] 182. Würde aber der Miether ohnerachtet der
sich eräußerten rechtmäßigen Ausziehungsursach jegleichwohlen in der Miethe
beharren, kann er keinen Nachlaß an Zins anbegehren, außer er würde in dem
bestimmten Gebrauch der Sache verhinderet, in welchem Fall, obschon er für
seine Person in der Miethe verbleibet, ihme jedennoch nach Maß des erleidenden
Schadens, wann die oben in §. IX beschriebenen Erfordernussen hinzutreten, der
Zins nachgesehen werden solle.
[3, 12, § 10] 183. Bei Beendigung der Mieth- oder Pachtzeit,
wann der Contract nicht weiter verlängeret wird, ist der Miether oder Pachter
sofort die gemiethete Wohnung oder das gepachtete Gut zu raumen, und in
denjenigen Stand, wie solcher bei seinem Antritt ware, anwiederum herzustellen
schuldig.
[3, 12, § 10] 184. Doch solle ihme hierzu eine nach jeden
Landes Brauch übliche mäßige Ausziehungszeit vergönnet sein, binnen welcher er
seine Fahrnussen gemächlich fortbringen möge, wobei aber auch derselbe dem
nachfolgenden Inwohner längstens in der Hälfte dieser Zeit ein dienliches Ort
einzuraumen hat, daß derselbe unter eben dieser Zeit dahin einziehen könne,
worzu er in Weigerungsfall durch Hilfe des Gerichts verhalten, und da er über
den letzten Tag der vergünstigten Ausziehungszeit sich noch in der Miethe
betreten lassen würde, ohne weiters hinausgewiesen werden solle.
[3, 12, § 10] 185. Durch Absterben des Vermiethers oder
Miethers wird die Miethe oder Pachtung nicht aufgelöset, sondern beiderseitige
Verbindlichkeit gehet auch auf die Erben; es seie dann, daß die Miethe oder
Pachtung nur auf Lebenszeit oder Wohlgefallen des einen oder anderen Theils
eingegangen, oder das an der vermietheten Sache gehabte Recht des Vermiethers
durch seinen Tod erloschen, oder in der zu Erbsantretungen ausgesetzten Zeit
der Erbe des Miethers oder Pachters nicht ausfindig zu machen, oder auch dessen
Verlassenschaft mit solchen Schuldenlast behaftet wäre, daß sich Niemand
derselben annehmen würde.
[3, 12, § 10] 186. Wo aber das Eigenthum oder der
Fruchtgenuß eines vermietheten Hauses oder verpachteten Guts währender Mieth-
oder Pachtzeit von einem Dritten, es geschähe gleich mit Willen des Vermiethers,
als durch Kauf, Tausch, Schankung, Vermächtnuß und andere dergleichen
willkürliche Ueberlassungen, oder auch aus Macht Rechtens, als durch
richterlichen Spruch, Lehens- oder Fideicommißanfälle, Erlöschung der
Nutznießung, und andere derlei nothwendige Uebertragungen erworben würde, so
heißet es sodann Kauf gehet vor Miethe, und ist weder der Dritte, welcher die
Sache auf rechtmäßige Art und Weis an sich gebracht, noch auch der Miether oder
Pachter schuldig, den Contract fortzusetzen, sondern jedem Theil stehet frei
nach vorläufiger landesbräuchlichen Aufkündung die Miethe oder Pachtung
abzubrechen.
[3, 12, § 10] 187. Daferne jedoch der Miether oder Pachter
wider seinen Willen vor der contractmäßigen Zeit aus der Miethe oder Pachtung
verdrungen würde, hat er wider den Vermiether oder Verpachter und seine Erben,
wann entweder die Ueberlassung
(3-228) an einen Dritten aus dessen Willkür geschehen, oder
von demselben die ihme wohlbewusste Eigenschaft der Sache, wegen welcher die
nothwendige Uebertragung nachhero erfolget, geflissentlich verschwiegen worden,
die Rechtsforderung nicht allein zur Wiedererstattung des etwan für die noch
übrige Zeit schon vorhinein bezahlten Zinses, sondern auch zum Ersatz alles
ihme des früher abgebrochenen Contracts halber zugehenden erweislichen
Schadens.
[3, 12, § 10] 188. In Gegentheil, wo die Uebertragung aus
Macht Rechtens wegen einer kündigen, oder dem Vermiether zur Zeit des Contracts
nicht bekannten Ursach geschehen, kann der Miether oder Pachter weiter nichts,
als den vorhinein abgeführten Zins für die noch übrige Zeit nebst Vergütung
dessen, was er in die Sache erweislich hineingestecket, von ihme
zuruckforderen.
[3, 12, § 10] 189. Es daueret aber die Mieth- oder Pachtung
auch ohngehinderet der erfolgten Uebertragung der Sache an einen Dritten in
folgenden Fällen noch immer fort, als erstens, wann Jemanden die vermiethete
Sache mit dem ausdrücklichen Beding überlassen wird, daß er den Miether oder
Pachter durch die Zeit des Contracts dulden solle, oder auch von ihme stillschweigend
durch angenommene Anweisung deren Zinsen hierein gewilliget, oder auch schon
für die Zeit seines Besitzes der Zins, ohne vorhero aufgekündet zu haben,
angenommen worden.
[3, 12, § 10] 190. Zweitens, wann ein Gut von Unserer Kammer
an Jemanden auf was immer für Weise übertragen wird, solle dieses Beding
allemal darunter verstanden sein, wann es gleich nicht ausgedrucket worden
wäre.
[3, 12, § 10] 191. Drittens, wann ein Glaubiger in den
Besitz eines ihme zum Unterpfand verschriebenen Hauses oder Guts gelanget, ist
er an den von seinem Schuldner vorhero eingegangenen Mieth- oder
Pachtungscontract gebunden, solange er hieran das Eigenthum nicht erwirbt.
[3, 12, § 10] 192. Umsomehr hat es bei denen Mieth- oder
Pachtungscontracten jener Schuldneren sein Bewenden, deren Vermögen annoch in
ihren Lebszeiten bei Auflauf deren Glaubigeren in gerichtlichen Beschlag
genommen wird, maßen sodann die Glaubigere in alle Rechten und
Verbindlichkeiten des Schuldners eintreten, er seie gleich Miether oder Vermiether.
[3, 12, § 10] 193. Die Dingungen persönlicher Diensten und
Arbeiten hören auf, erstens, wann die bestimmte Diensten und Arbeiten geleistet
worden, zweitens, mit Verlauf der Zeit, auf welche der Contract eingegangen
worden, nicht aber auch nach Verfließung jener Zeit, welche zu Herstellung und
Vollführung eines bedungenen Werks ausgemessen worden; dann obschon solches
binnen dieser Zeit nicht verfertiget worden wäre, bleibet der Dinger des Werks
jegleichwohlen noch in der Verbindlichkeit dasselbe auszuführen, wiewohlen der
Verdinger länger nachzuwarten nicht gezwungen werden kann.
[3, 12, § 10] 194. Drittens, wo keine Zeit ausgesetzet ist,
bei unbestimmten Diensten und Arbeiten durch willkürlichen Abstand des einen
oder anderen Theils; viertens, mit ein- oder anderseitigen Todesfall, wann der
Contract nicht ausdrücklich auf die Erben lautete, es mögen unbestimmte oder
bestimmte Diensten und Arbeiten verdinget worden sein; doch solle allemal der
Lohn, soweit er in das Verdingen gebracht worden, hinausgezahlet werden.
(3-229) Caput XIII.
Von Erbzins- und anderen Zinscontracten.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Erbzinscontract.
§. I. Von Wesenheit und Natur des Erbzinscontracts. §. II.
Von Art und Weis einen Erbzinscontract zu errichten. §. III. Von Erb- oder Grundzins.
§. IV. Von Verbindlichkeit des Grundherrn und Gegenverbindlichkeit des
Erbzinsmanns, dann von der Einem wider den Anderen
zustehenden Rechtsforderung. §. V. Von Veräußerung eines Erbzinsgrunds, und der
dem Grundherrn dafür gebührenden Lehenwaare. §. VI. Von Erlöschung und
Auflösung des Erbzinscontracts.
§. I.
[3, 13, § 1] 1. Deren Zinscontracten sind zweierlei
Gattungen, welche nicht weniger als die bishero beschriebene Contracten ihre
Wesenheit aus der bloßen Einwilligung beider Theilen erhalten. Die eine heißet eigentlich ein Erbzinscontract, wodurch das nutzbare
Eigenthum eines Grunds für einen gewissen bedungenen jährlichen Zins übertragen
wird.
[3, 13, § 1] 2. Die andere aber wirket die Uebertragung des
nutzbaren Eigenthums nicht, sondern der Zinsmann behält das volle Eigenthum,
und wird nur zu einem
(3-230) gewissen Zins von seinem Grund oder Gewerk
verpflichtet, welche dahero zum Unterschied der ersteren schlechthin ein
Zinscontract genennet wird.
[3, 13, § 1] 3. Beide Gattungen, obschon sie von dem so bei
einer, wie der anderen einkommenden Zins einerlei Namen haben, sind jedoch in
ihrer Art, Eigenschaft und Wirkung so sehr unterschieden, daß beide zusammen
nicht füglich in einer Abhandlung erkläret werden können; dahero wird
gegenwärtiges Capitel in zwei Artikeln abgetheilet, und in deren ersteren der
Erbzinscontract, in dem zweiten aber der der bloße Zinscontract beschrieben.
[3, 13, § 1] 4. Der Erbzinscontract ist eine gutwillige
Vereinigung wegen erblicher Ueberlassung des nutzbaren Eigenthums eines Grunds
gegen der Verbindlichkeit solchen, wo es nöthig, zu verbesseren, und einen
gewissen bedungenen Zins zur Erkanntnuß der Grundherrlichkeit jährlich dafür
abzureichen.
[3, 13, § 1] 5. Die erbliche Ueberlassung aber ist hier
nicht also zu verstehen, als ob zur Wesenheit dieses Contracts erforderet
würde, daß solcher allemal hierauf lauten müsse, sondern nur die Natur der
Handlung bringet mit sich, daß, wann nichts Anderes bedungen worden, das
dergestalten überlassene nutzbare Eigenthum vererbet werde; ansonsten kann
durch diese Handlung nach Gefallen deren Contrahenten das nutzbare Eigenthum
eines Grunds an Jemanden auch nur auf Lebszeiten, oder auf gewisse Jahre
überlassen werden.
[3, 13, § 1] 6. Desgleichen erstrecket sich die
Verbindlichkeit der Verbesserung nicht soweit, daß die wesentliche Schuldigkeit
des Erbzinsmanns darinnen bestünde, den Grund zu verbesseren, woferne dieses
nicht ausdrücklich ausbedungen worden wäre, sondern dadurch wird nur so viel
angedeutet, daß einerseits der Erbzinsmann den Grund allezeit in guten Stand zu
erhalten verpflichtet seie, und solchen in keinerlei Wege verderben oder
schmäleren dörfe, andererseits aber bei Heimfälligkeit des Grunds an den
Grundherrn auch alle daran gemachten Verbesserungen ihme aus der Natur des
Contracts zufallen, wann Anfangs auf diesen Fall nichts Anderes verabredet
worden.
[3, 13, § 1] 7. Die Wesenheit dieses Contracts erforderet
demnach erstlich, die beiderseitige Einwilligung, zweitens, den Grund, dessen
nutzbares Eigenthum übertragen wird, und drittens, den dagegen zur Erkanntnuß
der Grundherrlichkeit abzureichen bedungenen jährlichen Erbzins.
[3, 13, § 1] 8. Der erste Erfordernuß ist allen
Consensualcontracten gemein; sobald aber als die Uebergabe aus diesem Contract
erfolget, wirket solche das dingliche Recht des nutzbaren Eigenthums; wovon
bereits in zweiten Theil gehandlet worden. Die beide andere
Erfordernussen hingegen machen den wesentlichen Unterschied des
Erbzinscontracts von anderen Handlungen.
[3, 13, § 1] 9. Also unterscheidet denselben die
Uebertragung des nutzbaren Eigenthums nicht allein von Kaufen und Verkaufen,
worinnen das volle Eigenthum der verkauften Sache auf den Kaufer übertragen
wird, sondern auch von anderen Zinscontracten, in denen nach Verschiedenheit
der Bestellungsart des Zinses der Zinsmann das volle Eigenthum des zinsbaren
Grunds entweder behält, oder erwirbt.
[3, 13, § 1] 10. Nicht weniger wird durch den zur Erkanntnuß
der Grundherrlichkeit bedungenen Zins der Erbzinscontract sowohl von Miethen
und Vermiethen, worinnen der Zins zur Vergeltung des Gebrauchs oder Genusses
bezahlet wird, als auch von Lehen unterschieden, bei denen das nutzbare
Eigenthum unter dem Beding der Treue, und insgemein für die zu leisten
schuldige persönliche Dienste überlassen zu werden pfleget.
§. II.
[3, 13, § 2] 11. Nur über wahre unbewegliche Dinge, als
liegende Güter, Häuser und andere Gründe kann ein Erbzinscontract eingegangen
werden; gleichwie aber diese Handlung die Grundherrlichkeit voraussetzet, also
kann auch Niemand, der solche
(3-231) nicht hat, ein Erbzinsrecht auf einem Grund
bestellen, sondern die Grundherren haben nur alleine die Befugnuß Gründe
erbzinslich hintanzulassen, wann sie sonst sich zu verbinden fähig sind.
[3, 13, § 2] 12. Dahingegen kann Jedermann, der sich
rechtsgiltig verbinden mag, Gründe erbzinslich an sich bringen, wann er gleich
die Fähigkeit des Besitzes landtäflicher aber stadtbücherlicher Gründen nicht
auf sich hätte, woferne er nur sonst entweder durch die Landesverfassung, oder
aus einer rechtmäßigen Ursach, wegen welcher der Grundherr dessen Aufnahme mit
Fug verweigeren kann, hiervon nicht ausgeschlossen wird.
[3, 13, § 2] 13. Wiewohlen aber dieser Contract sowohl
mündlich als schriftlich eingegangen werden mag, so erforderet doch solcher zu
seiner Erfüllung, und damit hieraus das nutzbare Eigenthum auf den Erbzinsmann
übertragen werde, entweder die Ausfertigung eines darauf lautenden offenen
Briefs unter des Grundherrn eigenhändiger Unterschrift und Petschaft, welcher
insgemein eine Handveste, Gewährsbrief oder Erbzinsbrief genennet wird, oder
die Verschreibung in die Grundbücher.
[3, 13, § 2] 14. Dann nur durch derlei Handvesten,
Gewährsbriefe oder grundbücherliche Verschreibungen allein, und auf keine
andere Art kann das Erbzinsrecht bestellet werden, und wessen sich der
Grundherr und Erbzinsmann darinnen gegeneinander vergleichen, demselben sind
sie auch in Allem nachzukommen schuldig, maßen alle erlaubte Bedinge diesem
Contract beigesetzet werden mögen, welche mit seiner Wesenheit vereinbarlich
sind.
§. III.
[3, 13, § 3] 15. Der Erbzins, welchen der Erbzinsmann dem
Grundherrn abzureichen hat, ist nichts Anderes, als eine zur Erkanntnuß der
Grundherrlichkeit von dem Erbzinsmann dem Grundherrn jhährlich zu bezahlen
schuldige, durch ein Beding ausgemessene, und auf dem Grund haftende Gebühr.
[3, 13, § 3] 16. Dieser hat mit jenen Zinsen, welche
entweder aus anderen bloßen Zinscontracten von einem Grund abgeführet, oder
auch bei Mieth- und Pachtungen für den verstatteten Gebrauch oder Genuß einer Sache
entrichtet, oder von Gelddarlehen bedungen werden, nicht die mindeste
Aehnlichkeit, sondern gebühret einzig und allein zur Erkanntnuß der
Grundherrlichkeit.
[3, 13, § 3] 17. Er erforderet dahero durchaus keine
Gleichheit mit dem Betrag der von dem Erbzinsgrund abfallenden Benutzung,
sondern kann auch in der geringsten Sache, als z. B. nur in einem Stuck
gewisser Münze, einer Henne, einem gewissen Betrag Wachses, oder einer Gattung
von Früchten bestimmet werden, ohne daß solcher allemal in baaren Geld zu
bestehen hätte.
§. IV.
[3, 13, § 4] 18. Aus dem Erbzinscontract entstehet gleich
Anfangs in der Hauptsache eine wechselweise Verbindlichkeit beider Theilen
gegeneinander, als an Seiten des Grundherrn zur Uebergabe der Grunds und
Üeberlassung desselben nutzbaren Eigenthums, und an Seiten des Erbzinsmanns zur
Besorgnuß und Pflegung des Grunds, dann zur Bezahlung des zur Anerkennung der
Grundherrlichkeit gebührenden jährlichen Erb- oder Grundzinses.
[3, 13, § 4] 19. Diese beiderseitige Verbindlichkeit wirket
die jedem Theil und seinem Erben wider den anderen und dessen Erben zustehende
Rechtsforderung zu Leistung alles dessen, zu was Einer dem Anderen aus dem
Erbzinscontract verbunden ist.
[3, 13, § 4] 20. Außer denen nach Willkür deren Contrahenten
beigefügten Nebenbedingen bestehet die aus der Natur des Contracts herfließende
Schuldigkeit des Grundherrn darinnen: Erstlich, daß er dem Erbzinsmann den
Grund übergebe, und dessen nutzbares Eigenthum überlasse; zweitens, daß er
denselben wider die Ansprüche eines Dritten schütze, und die Gewähr leiste,
wann das Eigenthum des Grunds
(3-232) von ihme angestritten wird; drittens, daß er ihn in
der vollkommenen Benutzung des Grunds und dem Genuß aller davon haben mögenden
Bequemlichkeit in keinerlei Wege störe und behindere.
[3, 13, § 4] 21. Der Erbzinsmann ist dahero nicht alleine
berechtiget den Grund auf was immer für Art und Weis zu benutzen und zu
genießen, sondern derselbe hat auch nebst deme in gewisser Maß eine insoweit
beschränkte Befugnuß mit solchem nach Gefallen zu schalten und zu walten, als
solcher andurch nicht geschmäleret, und das Recht des Grundherrn nicht
beeinträchtiget wird, aber auch der Erbzinsmann sonst nicht durch besondere
Bedinge gebunden ist.
[3, 13, § 4] 22. Also kann derselbe den Erbzinsgrund an
jemanden Anderen verpachten und in Bestand lassen, wie auch solchen zum
Unterpfand oder Hypothek verschreiben und Schulden darauf versichereren, ohne
daß der Grundherr etwas darwider einzuwenden vermögte, wann nicht schon Anfangs
ein Anderes bedungen worden.
[3, 13, § 4] 23. Doch hat er die Macht nicht zu Schmälerung
und beharrlicher Belastung des Grunds einige Dienstbarkeiten hierauf zu
bestellen, noch weniger aus Abgang der Grundherrlichkeit den Grund weiters an
einen Dritten aftererbzinslich zu überlassen; inwieweit er aber solchen an
jemand Anderen zu veräußeren befugt seie, wird in folgenden §. erkläret werden.
[3, 13, § 4] 24. Ferners giebt ihme das nutzbare Eigenthum
gleich jedwedem anderen Eigenthümer das Recht, nicht allein sich sowohl wider alle
Ansprüche eine Dritten, als wider den Grundherrn selbst, wann er seinerseits
die contractmäßige Schuldigkeit erfüllet, in dem Besitz des erbzinslichen
Grundes zu schützen und zu behaupten, sondern auch solchen, wann er davon
widerrechtlich verdrungen worden wäre, von einem jedweden unrechtmäßigen
Besitzer, es seie ein Dritter, oder der Grundherr selbst, mittels der nutzbaren
Eigenthumsklage zuruckzuforderen.
[3, 13, § 4] 25. Dagegen aber ist der Erbzinsmann außer
jenen Schuldigkeiten, welche derlei erbzinslichen Gründen nach einer jeden
Landesverfassung ankleben, aus der Natur dieses Contracts verbunden, erstens,
daß er den bedungenen Erbzins jährlich zu Anerkennung der Grundherrlichkeit
bezahle, und dem Grundherrn ohne Abwartung seiner vorläufigen Einmahnung
richtig abführe, wovon ihn weder ein Mißwachs noch ein sonstiger an dem Grund
sich ereignender Zufall, wann dieser andurch nicht gänzlich untergehet,
befreien kann, woferne derowegen Anfangs nichts Anderes ausgemachet worden.
[3, 13, § 4] 26. Wo aber auf diesem Fall ein Nachlaß an dem
Erb- oder Grundzins ausdrücklich ausbedungen, oder solcher, wie bei Mieth- und
Pachtungen, nach dem Betrag der Benutzung abgemessen oder auch wortdeutlich nur
in gewissen von dem Erbzinsgrund erzeugenden Früchten bestimmet worden wäre,
ist sowohl wegen Verschiedenheit deren Zufällen, als wegen Ausmessung des
Nachlasses all Jenes dabei in acht zu nehmen, was in vorhergehenden Capitel, §.
IX, deshalben geordnet worden.
[3, 13, § 4] 27. Zweitens, daß er bei Veräußerung des Grunds
vorhero die Einwilligung des Grundherrn nach der in folgenden §. beschriebenen
Art und Weis einhole, der antretende Erbzinsmann aber die Erneuerung des
Erbzinscontracts geziemend ansuche, und die Lehenwaare dafür entrichte.
[3, 13, § 4] 28. Drittens, daß er den Grund, wie es sich
einem guten Hausvater geziemet, pflege und anbaue, Schaden und Nachtheil
abwende, und solchen in keinerlei Wege schmälere, verwüste oder verderbe.
[3, 13, § 4] 29. Viertens, daß er alle von dem Grund
gebührenden Steuern und Anlagen entrichte; doch hat er in dem Fall, wo er die
von seinem Vorfahrer versessene Steuern bezahlete, das Recht, denjenigen
Betrag, welchem er für den vorigen Besitzer erweislich abgeführet, wann gleich
der Grundherr selbst den Grund benutzet hätte, von ihme und dessen Erben
zurückzuforderen.
[3, 13, § 4] 30. Der Grundherr aber behält jegleichwohlen
alle Eigenthumsrechte, außer
(3-233) insoweit das nutzbare Eigenthum durch die
erbzinsliche Ueberlassung davon getrennet ist, und kann dahero derselbe nicht
allein die von einem Dritten anmaßende Grundherrlichkeit mittelst der
Eigenthumsklage abforderen, und den Grund dem Erbzinsmann selbst, wann er
solchen aus einer von denen unten in §. VI bemerkten Ursachen verwirket hätte,
abnehmen und einziehen, sondern auch die Grundherrlichkeit ohnerachtet des auf
dem Grund haftenden Erbzinsrechts nach Gefallen an einen Dritten veräußeren,
doch also, daß der nachfolgende Grundherr nicht weniger, als es der vorige
gewesen, an dem Erbzinscontract gebunden bleibe.
[3, 13, § 4] 31. Nebst deme hat noch die Grundherrlichkeit
die besondere Wirkung, daß dem Grundherrn auf dem Fall, da der Erbzinsgrund von
dem Erbzinsmann feilgeboten würde, das Vorkaufsrecht gebühre, wodurch er das
nutzbare mit dem Grundeigenthum wieder vereinigen kann, wie solches in dem
gleichnachfolgenden §. mit Mehreren erkläret wird.
§. V.
[3, 13, § 5] 32. Das Erbzinsrecht kann sowohl aus Verträgen,
als aus letztwilligen Anordnungen, wie auch durch Verjährungen erworben werden,
doch also, daß in beiden ersteren Fällen allemal die wirkliche Uebergabe
erfolge, und in letzteren Fall alle diejenige Erfordernussen hinzutreten,
welche zu rechtlicher Verjährung eines dinglichen Rechts in zweiten Theil
ausgemessen worden.
[3, 13, § 5] 33. Wann aber das Erbzinsrecht einmal
ordentlich erworben worden, behält solches der Erbzinsmann nicht allein für
sich, sondern es gehet auch auf seine Erben, und kann sowohl durch Handlungen
unter Lebenden, als durch letzten Willen von ihme auf Andere übertragen werden,
wann diese Befugnuß nicht durch ein besonderes Beding beschränket worden.
[3, 13, § 5] 34. Es ist dahero allemal auf die Art und Weis
zu sehen, wie das Erbzinsrecht verliehen worden, dann wo die Verleihung nur auf
eine gewisse bestimmte Zeit lautete, erlöschet solches mit deren Verlauf, und
das nutzbare Eigenthum fällt an den Grundherrn zuruck; binnen dieser Zeit aber
kann solches vererbet und sonst mit Einwilligung des Grundherrn veräußeret
werden, obschon, außer einer neuen Verleihung, auf keine längere Zeit, als das
erstere Beding ausmesset.
[3, 13, § 5] 35. Gleichergestalten, wo das Erbzinsrecht nur
auf Lebszeiten des Erbzinsmann allein, oder ihme und seinen eheleiblichen
Kindern verliehen worden, wird ersteren Falls gar keine Erbfolge zugelassen,
und letzteren Falls wird der Erbzinsgrund nur von seinen Kindern allein,
worunter auch alle fortan von ihme abstammende verstanden werden, nicht aber
auf die Seitenverwandten, noch weniger auf Fremde vererbet, wie dann auch der
Erbzinsmann den Grund an Niemanden veräußeren darf.
[3, 13, § 5] 36. Wo aber ein Grund Jemanden für sich und
seine Erben, oder auch überhaupt ohne Benennung deren Erben, und ohne aller
sonstiger Beschränkung auf gewisse Personen erbzinslich überlassen worden,
gehet derselbe sowohl aus letztwilliger Anordnung, als nach der rechtlichen
Erbfolge auf alle seine Erben ohne Unterschied, sie mögen männlichen oder
weiblichen Geschlechts, eheleibliche Kinder, Seitenverwandte, oder auch Fremde
sein.
[3, 13, § 5] 37. Es ist jedoch ein jeder Erb schuldig in der
zu Recht ausgesetzten Zeit seine Erbsbefugnuß bei denen Grundbüchern
beizubringen, und sein Erbrecht behörig darzuthun, annebst aber auch die durch
rechtmäßige Gewohnheit hergebrachte Veränderungsgebühr, welche sonst auch das
Sterblehen genannt wird, wie es jeden Orts Herkommens ist, dem Grundherrn zu
bezahlen.
[3, 13, § 5] 38. Woferne hingegen der Grundherr eine von
denen gleich unten ausgesetzten rechtmäßigen Ursachen, wegen welcher er sonst
einen Dritten von dem Kauf des Erbzinsgrunds ausschließen könnte, wider den
Erben hätte, so ist er zwar nicht schuldig denselben für einen beständigen
Erbzinsmann anzunehmen, doch solle er
(3-233) ihme eine Jahresfrist von dem Tag der beigebrachten
Erbsbefugnuß verstatten, binnen welcher er einen dem Grundherrn anständigen Kaufer
ausfindig machen möge.
[3, 13, § 5] 39. Da jedoch derselbe solches binnen diesem
Jahreslauf nicht bewirken könnte oder wollte, so ist der Grundherr befugt,
selbst den Grund mittelst öffenlicher Feilbietung durch die gewöhnliche
Versteigerung an den Meistbietenden zu verkaufen, und das erlöste Kaufgeld dem
Erben oder seinen auf den Grund versicherten Glaubigeren hinauszuzahlen, doch
hat der Grundherr so ein als anderen Falls das Recht des Vorkaufs, wann er eben
so vieles, als ein Anderer dafür angeboten, erleget.
[3, 13, § 5] 40. Nicht nur aber kann ein solcher Grund,
welchen der Erbzinsmann ganz unbeschränkt für sich und seine Erben erhalten,
erblich übertragen werden, sondern der Erbzinsmann hat auch die Macht,
denselben mit Einwilligung des Grundherren, es seie durch entgeltliche oder
unentgeltliche Handlungen unter Lebenden, an wen er immer wolle, zu veräußeren,
ohne daß seine Kinder, wann ihrer gleich in der unbeschränkten Verleihung
ausdrücklich gedacht worden wäre, diese Handlung verhinderen oder widerrufen
könnten.
[3, 13, § 5] 41. Er ist aber verbunden, die Einwilligung des
Grundherrn mit Namhaftmachung der Person dessen, an wen er den Grund veräußeren
will, und da es auf einen Verkauf ankäme, zugleich mit Anzeige des dafür
angebotenen Kaufschillings einzuholen, und wo mehrere Grundherrn wären, auch
alle darumen anzugehen.
[3, 13, § 5] 42. Dagegen ist der Grundherr schuldig, binnen
vier Wochen von der ihme zugekommenen Ankündung des Erbzinsmanns sich zu
erklären, ob er den neuen Erbzinsmann annehmen, oder sich des ihme zustehenden
Vorkaufrechts bedienen wolle, oder sonst eine rechtmäßige Ursach habe die
Annehmung des neuen Erbzinsmanns zu verweigeren.
[3, 13, § 5] 43. Derlei rechtmäßige Ursachen sind erstens,
die Unfähigkeit des Besitzes nach einer jeden Landesverfassung, zweitens, die
Unvermögenheit oder Unsicherheit den Erb- oder Grundzins, oder auch die
Lehenwaare zu bezahlen, als da er ein gerichtlich erklärter Verschwender, oder
sonst kundbarerer Maßen tief verschuldet wäre, drittens, die Ehrlosigkeit oder
sonst ein übel berüchtigter Namen, viertens, eine billige Abneigung des
Grundherrn gegen ihme, als da zwischen ihnen eine große Feindschaft oder
schwerer Rechtshandel fürwaltete, oder derselbe schon vorhero aus seiner Schuld
von diesem oder einem anderen Grund üblen Betragens halber ausgeboten und
abgestiftet worden
[3, 13, § 5] 44. Wann nun der Grundherr sich binnen dieser
Zeit gar nicht erklärete, und der Erbzinsmann die ihme wirklich geschehene
Ankündung der vorhabenden Veräußerungen entweder durch eine darüber erhaltene
schriftliche Bescheinigung oder durch Zeugen erweisen könnte, solle die
Veräußerung ohneweiters ihren Fortgang haben, und der Grundherr für
einwilligend gehalten werden, folglich den neuen Erbzinsmann ohne Weigerung anzunehmen
schuldig sein.
[3, 13, § 5] 45. Ein Gleiches hat auch in jenem Fall statt,
wann der Grundherr zwar unter dieser Zeit den Einstand für sich angemeldet
hätte, dabei aber die von dem Kaufer angebotene Kaufbedinge nicht eingehen,
oder nicht so vieles, als dieser angetragen, dafür geben, oder auch das
Kaufgeld nicht in denen von dem Kaufer beliebten Fristen erlegen wollte oder
könnte.
[3, 13, § 5] 46. Woferne aber derselbe sich zwar in der Zeit
erklären würde den neuen Erbzinsmann nicht annehmen zu wollen, dahingegen keine
rechtmäßige Ursach, warumen er dessen Annehmung verweigere, beibringen könnte,
so ist dem Erbzinsmann unverwehret, den Grundherrn bei jenem Gerichtsstand,
worunter der Erbzinsgrund gelegen ist, zu belangen, und ihn zu Annehmung des
neuen Erbzinsmanns durch rechtliche Zwangsmittel zu verhalten.
[3, 13, § 5] 47. Der aufgenommene neue Erbzinsmann ist
dagegen verbunden bei dem Grundherrn die Erneuerung des Erbzinsrechts
anzusuchen, und nicht allein den
(3-235) Contract, Schankung oder Verschreibung, wodurch er
den Grund an sich gebracht, sammt der grundherrlichen Einwilligung in die
Grundbücher einzulegen, sondern auch, wo es vorhin gewöhnlich ware, die
Ausfertigung einer neuen Handveste, Erbzinsbriefs oder Gewährbriefs
auszuwirken, und beinebst dem Grundherrn die gebührende Lehenwaare zu bezahlen.
[3, 13, § 5] 48. Die Lehenwaare wird auch sonst ein
Lehengeld, Ehrschatz oder Handlohn genannt, und ist nichts Anderes, als eine
dem Grundherrn bei Veräußerung des Erbzinsgrunds von dem antretenden Erbzinsmann
zur Erkenntlichkeit für seine Aufnahme abzureichen schuldige, und nach dem
Betrag des Kaufgelds, oder dem Werth des Grunds abgemessene Gebühr.
[3, 13, § 5] 49. Diese wird entweder bei ursprünglicher
Bestellung des Erbzinsrechts durch ein besonderes Beding bestimmet, oder ist
schon durch rechtmäßige Gewohnheit hergebracht. Ersteren Falls, oder da ein
heimgefallener erbzinslicher Grund von Neuen verliehen wird, stehet dem
Grundherrn frei, wie hoch er die Lehenwaare aussetzen wolle; es seie dann, daß
dieselbe auch bei neuen Verleihungen durch die Landesverfassungen schon auf
einen gewissen Betrag bestimmet wäre, und sind alle nachfolgende Erbzinsleute
solche unweigerlich zu entrichten schuldig, an der Ausssatz entweder schon
vorhin in denen Grundbüchern, oder denen vorigen Handvesten vorgemerket worden.
[3, 13, § 5] 50. Letzteren Falls hingegen darf der Grundherr
den gewöhnlichen Betrag nicht überschreiten, und da der Erbzinsmann sich
dardurch beschweret zu sein vermeinete, kann er solches bei Gericht anbringen,
welches die Forderung des Grundherrn, wann er hierzu berechtiget zu sein nicht
erwiesen würde, nach dem Landesbrauch mäßigen, und auf die Billiges herabsetzen
solle.
[3, 13, § 5] 51. Die Lehenwaare hat allemal der antretende
Erbzinsmann zu entrichten, obschon er sich derowegen mit dem Abtretenden nach
Belieben vergleichen kann; doch ist der Grundherr an diese unter denenselben
eingegangene Bedinge nicht gebunden, sondern er kann sich des Antretenden
allein halten, und ihn insolange von dem Besitz des Grund ausschließen, oder
auch die Nutzungen auf so viele Zeit in Beschlag nehmen, bis er der Lehenwaare
halber vollständig befriediget worden.
[3, 13, § 5] 52. Woferne aber mehrere Veräußerungen mit
Einwilligung des Grundherrn für sich gegangen wären, wofür die Lehenwaare noch
ausständig sein würde, kann der Grundherr auch diese Ausstände von dem zuletzt
antretenden Erbzinsmann einforderen, dagegen aber ist dieser befugt, das hieran
für seine Vorfahrere Bezahlte von ihnen oder ihren Erben einzutreiben, insoweit
solche nicht an dem Kaufgeld schon ausgewiesen worden.
[3, 13, § 5] 53. Diese Lehenwaare oder Veränderungsgebühr
haftet nicht weniger, als der Erb- oder Grundzins auf dem Grund selbst,
weshalben auch die Lehenwaare allen auf dem Grund versicherten Glaubigeren vorgehet.
[3, 13, § 5] 54. So wenig aber der Grundherr die Lehenwaare
über den schon vorhin entweder durch Beding, oder durch rechtliches Herkommen
bestimmten Betrag nach Gefallen zu erhöhen befugt ist, ebensowenig kann
derselbe dem antretenden Erbzinsmann härtete Bedingnussen aufdringen als jene
sind, mit welchen der Grund dem Abtretenden erbzinslich überlassen worden; es
wäre dann, daß der Grund dem Grundherrn anheimgefallen wäre, welchen Falls ihme
freistehet, bei der neuen Verleihung sich, was immer gefällig, auszubedingen,
wann es sonst denen Rechten nach erlaubet ist.
§. VI.
[3, 13, § 6] 55. Das Erbzinsrecht erlöschet aus folgenden
Ursachen: Erstlich, durch gänzlichen Untergang des Grunds, also daß nichts
davon übrig bleibe, was benutzet werden, und worauf das Erbzinsrecht forthaften
könnte, als da der Grund durch Erdbeben
(3-236) verschlungen, oder durch Wasserfluthen und
Ueberschwemmungen vernichtet, oder von Uns aus gemeinnutzlicher oder
nothwendiger Ursache eingezogen würde.
[3, 13, § 6] 56. Wo aber auch nur der mindeste Theil davon
noch vorhanden wäre, welcher einen Nutzen schaffen könnte, währet das
Erbzinsrecht fort; also da gleich ein erbzinsliches Haus völlig abbrennete,
bleibet jegleichwohlen das Erbzinsrecht noch auf dem Grund haften.
[3, 13, § 6] 57. Zweitens, durch beiderseitige Einwilligung,
wann der Erbzinsmann mit Willen des Grundherrn den Grund freiwillig heimsaget;
wider Willen des Grundherrn aber kann der einmal aufgenommene Erbzinsmann, wann
er keinen anderen demselben anständigen Nachfolger darstellet,
den Grund nicht aufgeben.
[3, 13, § 6] 58. Drittens, durch rechtmäßige Verjährung,
wann entweder an Seiten des Erbzinsmanns, der das volle Eigenthum des Grund
sonst zu besitzen fähig ist, mittelst Verweigerung des Erbzinses, und
Zufriedenheit, dann Stillschweigen des Grundherrn, oder an Seiten des
Grundherrn mittelst selbsteigener Besitzung und Benutzung des Grunds ohne
Widerrede des Erbzinsmanns durch die in zweiten Theil ausgemessene Zeit mit
Hinzutretung deren übrigen Erfordernussen das volle Eigenthum verjähret wird.
[3, 13, § 6] 59. Viertens, durch Verlauf der Zeit, worauf
das Erbzinsrecht verliehen worden; fünftens, durch Absterben derenjenigen
Personen, auf welche die Verleihung des Grunds beschränket worden.
[3, 13, § 6] 60. Sechstens, durch Verderbung und Beschäbigung des Erbzinsgrunds, wann solche
nicht alleine entweder aus geflissentlicher Gefährde, oder großer, oder doch
wenigstens leichter Schuld des Erbzinsmanns herrühret, sondern auch der Schaden
beträchtlich und also beschaffen ist, daß derselbe zu beharrlicher Schmälerung
des Grunds gereiche, als das die Waldungen abgetrieben, nutzbare Teiche
abgegraben und ausgetrocknet, Flüsse und Bäche zum Nachtheil des Grunds
abgeleitet, Obst- und Weingärten ausgeschlagen, oder sonstige Verödungen
unternommen würden.
[3, 13, § 6] 61. In welchen Fällen der Erbzinsmann, wann von
dem Grundherrn eine so beschaffene Beschädigung erwiesen wird, den Grund
verwirket, und lieget nichts daran, ob die Beschädigung an dem ganzen Grund,
oder an einen Theil desselben geschehen, wann solche nur von Beträchtlichkeit
ist.
[3, 13, § 6] 62. Daferne aber entweder nur die leichteste
Schuld des Erbzinsmanns, oder auch ein bloßer Zufall unterwaltete, oder die
Beschädigung sehr gering und von gar keiner Erheblichkeit wäre, oder endlich
andurch nur der Nutzen verminderet, und nicht der Grund geschmäleret würde, als
da er solchen der Erfordernuß nach nicht pflegete oder anbauete, die Teiche
nicht besetzete, oder das nöthige Vieh nicht einschaffete, wird der Grund
deshalben nicht verwirket.
[3, 13, § 6] 63. Siebentens, durch Ausübung des
grundherrlichen Einstandrechts, wann der Grund von dem Erbzinsmann an einen
Dritten käuflich überlassen werden will, wie solches in gleich vorhergehenden
§. beschrieben worden.
[3, 13, § 6] 64. Zu Anmeldung des Vorkaufs hat der Grundherr
nicht allein die alldort ausgesetzte Frist deren vier Wochen von dem Tag der
ihme von dem Erbzinsmann gemachten Ankündung des vorhabenden Verkaufs, sondern
auch, soferne ihme keine Ankündung vorhero geschehen wäre, noch eben so viele
Zeit von dem Tag des zur grundbücherlichen Verschreibung eingelegten
Kaufcontracts.
[3, 13, § 6] 65. Wann aber der Grundherr einmal seine
Einwilligung in die Veräußerung des Grund von sich gegeben, oder diese vier
Wochen entweder von dem Tag der ihme gethanen Ankündung, oder der angesuchten
grundbücherlichen Einlage des Kaufcontracts verstrichen wären, kann derselbe
den Einstand nicht mehr anmelden, sondern der Kauf solle seinen Fortgang haben.
(3-237) [3, 13, § 6] 66. Desgleichen, wo die Veräußerung an
eine solche Person geschähe, welche entweder nach Ordnung der rechtlichen
Erbfolge zu dem Erbzinsgrund das nächste Erbrecht hätte, oder sonst schon den
Grund mit dem Veräußerer gemeinschaftlich besäße, als da solchen der Vater an
seinen Sohn, oder ein noch ungetheilter Miterb an den anderen verkaufen würde,
höret das grundbücherliche Einstandrecht auf.
[3, 13, § 6] 67. Wo mehrere Grundherren wären, können auch
alle den Vorkauf ausüben; da aber nur deren Einer in den Kauf einstehen wollte,
ist zu unterscheiden, ob der Grund in mehreren, oder nur in einerlei
Grundbüchern inliege. Ersteren Falls kann der Eine ohne dem Anderen den unter
seine Grundherrlichkeit gehörigen Antheil, wann solcher ohne Nachtheil des Erbzinsmanns
von dem anderen abgesönderet werden mag, durch den Einstand an sich ziehen;
letzten Fall hingegen ist der Erbzinsmann den Kauf zu theilen nicht schuldig,
sondern der eine einstehen wollende Grundherr muß entweder in den ganzen Kauf
eintreten, oder von dem Einstand ablassen.
[3, 13, § 6] 68. Da jedoch der Erbzinsmann arglistiger Wiese
um den Grundherrn von Anmeldung des Einstands abzuhalten einen höheren
Kaufanbot oder härtere Bedingnusse vorgegeben hätte, als nicht jene waren,
worauf der Kaufcontract mit dem Dritten geschlossen worden, so ist derselbe dem
Grundherrn in dem achten Theil des empfangenen Werths zur Strafe verfallen, und
wo der Kaufer an dem Betrug Theil genommen, machen sich Beide über das deren
auf die Scheinhandlungen ausgesetzten Strafen verfänglich.
[3, 13, § 6] 69. Was von Veräußerung des ganzen Grunds
bishero geordnet worden, hat nicht weniger auch bei Veräußerung eine Theils
desselben statt, also daß der Grundherr ebensowohl einen Theil, als den ganzen
Grund durch den Einstand an sich bringen kann.
[3, 13, § 6] 70. Ansonsten wird ein Erbzinsgrund wegen
dessen Veräußerung nicht verwirket, wann gleich die Einwilligung des
Grundherrn, ehe und bevor der Contract geschlossen worden, nicht angesuchet
worden wäre, sondern gleichwie eine solche Handlung nicht anderst, als durch
die grundbücherliche Verschreibung zu Kräften kommen kann, also bleibet auch
dem Grundherrn die Befugnuß noch allezeit bevor, entweder den Grund durch das
Vorkaufsrecht selbst an sich zu ziehen, oder den neuen Erbzinsmann aus
rechtmäßiger Ursach auszuschließen, oder da der Grund ganz oder zum Theil
heimlicher und gefährlicher Weise zum Nachtheil deren grundherrlichen Rechten
als ein freier Grund an einem Dritten veräußeret worden wäre, solchen
ohnentgeltlich zuruckzuforderen, in welchem letzteren Fall nicht allein die
Handlung an sich null und nichtig, sondern auch der Erbzinsmann so vieles, als
er an Kaufgeld dafür empfangen, dem Grundherrn zur Strafe des Betrugs zu
erlegen schuldig ist.
[3, 13, § 6] 71. Damit jedoch die grundherrliche Rechten
wider derlei unbefugte Anmaßungen deren Erbzinsleuten gesicheret sein mögen, so
setzen und ordnen Wir hiermit, daß nicht nur in Hinkunft kein auf erbliche
Uebertragung lautendes Erbzinsrecht ohne grundbücherlicher Verschreibung auf
bloße Handvesten oder Erbzinsbriefe rechtsgiltig bestellet werden könne,
sondern auch derlei schon vor diesem Unserem Gesatz ausgefertigte Handvesten
und Erbzinsbriefe da, wo es noch nicht geschehen, in die Grundbücher eingeleget
werden sollen.
[3, 13, § 6] 72. Woferne hingegen der Erbzinsmann, obgleich
derselbe die grundherrliche Einwilligung zur Besitzung des Grunds, oder einen
darüber gefertigten Erbzinsbrief oder Handveste vorzeigen könnte, auf des
Grundherrn vorläufige Erinnerung in der von demselben hierzu anberaumten Zeit
den Grund bei denen Grundbüchern auf sich einschreiben zu lassen verabsaumete,
weder aus erheblichen Ursachen eine Erstreckung dieser Frist anbegehrete, noch
seinen Saumsal mit rechtmäßigen Ehehaften
(3-238) entschuldigen könnte, ist der Grundherr befugt den
Grund öffentlich feilzubieten und an den Meistbietenden zu verkaufen; der dafür
erlöste Werth aber solle dem Erbzinsmann herausgegeben werden.
[3, 13, § 6] 73. Welches ingleichen bei erblichen
Uebertragungen statt hat, wann der in dem Erbzinsgrund nachfolgende Erb auf
vorhergehende grundherrliche Erinnerung in der gesetzten Zeit die Ausweisung
seines Erbrechts bei denen Grundbüchern einzubringen unterließe; wo aber nach
Ableben des Erbzinsmanns sich gar kein Erb in der zu Recht ausgemessenen Zeit
hervorthäte, und andurch der Grund erblos würde, fallet solcher dem Grundherrn
anheim.
[3, 13, § 6] 74. Achtens, durch vorsätzliche Nichteinhaltung
in Abfuhr des Erb- oder Grundzinses, wann solcher auf Einmahnung des Grundherrn
durch drei Jahre von dem Erbzinsmann nicht abgereichet worden; damit aber der
Grund deshalben verwirket werde, ist erforderlich, daß der Grundherr jedes
Jahr, folglich durch dreimal den ruckständigen Erb- oder Grundzins bei dem
Erbzinsmann insonderheit eingemahnet und geforderet zu haben erweisen könne,
und wann auf die dritte Erinnerung binnen denen nächsten vierzehen Tägen dessen
Entrichtung nicht erfolget, den Grund verwirket und verfallen zu sein erkläre,
wie auch diese seine Erklärung dem Erbzinsmann ordentlich bedeute.
[3, 13, § 6] 75. Würde aber der Erbzinsmann, noch ehe und
bevor ihme diese Erklärung zugekommen, den schuldigen Erb- oder Grundzins
vollständig abführen, oder seinen Saumsal mit rechtmäßigen Ehehaften, als wegen
eines über die Eigenschaft der Erbzinsbarkeit oder sonst des Grunds halber mit
dem Grundherrn unter dieser Zeit fürgewesten Stritts, oder wegen Kriegs- oder
Pestzeiten, oder wegen Beklemmigkeit der Münze, in welcher der Zins zu
entrichten ist, entschuldigen, oder daß der Grundherr unter dieser Zeit einen
Theil des Zinses angenommen, oder auch die schon verwirkte oder erklärte
Heimfälligkeit des Grund durch wiederholte Einforderung oder Annehmung des Erb-
oder Grundzinses ihme nachgesehen habe, erweisen können, so ist sonach der
Grundherr nicht mehr befugt, den Grund einzuziehen, außer der Erbzinsmann ließe
sich neuerdings einen so beschaffenen Saumsal zu Schulden gehen.
[3, 13, § 6] 76. In allen diesen Fällen, wo der Grund
verwirket wird, und dem Grundherrn anheimfallet, kann derselbe auf hiernach
vorgeschriebene Art und Weis aus eigener Macht den Erbzinsmann hinausweisen.
[3, 13, § 6] 77. Doch solle er jedesmalen vor der wirklichen
Hinausweisung derorten, wo es also eingeführet ist, ordentliche Grundrechten
halten, von diesen den Grund für heimfällig mit Beiruckung der Ursache
schriftlich erkläret, und diese Erklärung dem Erbzinsmann zustellen lassen.
[3, 13, § 6] 78. Deme aber stehet frei, wann er dagegen eine
erhebliche Einwendung hätte, und von dem Grund widerrechtlich verdrungen worden
zu sein vermeinete, entweder von der grundrechtlichen Erkanntnuß den Zug an den
oberen Richter zu nehmen, oder wo die Besetzung deren Grundrechten nicht üblich
ist, seine Klage wider den Grundherrn auf die Wiedereinraumung des Besitzes mit
Erstattung aller indessen behobenen Früchten und Nutzungen, dann verursachten
Schäden und Unkosten bei demjenigen Gerichtsstand anzubringen, worunter die
Herrschaft oder das Gut, zu deme der Erbzinsgrund gehörig, gelegen ist.
[3, 13, § 6] 79. Wann jedoch der Erbzinsgrund dem Grundherrn
aus was immer für Ursach anheimfallet, gehen auch alle in denen Grundbüchern
darauf vorgemerkete Pfandsverschreibungen nach dem Betrag des Werths des Grunds
auf denselben, und ist er verbunden, entweder die darauf versicherte Glaubigere
zu befriedigen, oder den Grund durch die gewöhnliche Versteigerung erbzinslich
veräußeren zu lassen; über den daraus erlösten Werth aber ist er denen
Glaubigeren zu nichts weiter gehalten.
(3-239) [3, 13, § 6] 80. Dagegen gehet demselben all Jenes,
was der Erbzinsmann zu Verbesserung des Grunds aufgewendet oder
hineingestecket, zu Guten, und kann weder der Erbzinsmann, noch dessen Erben
hieran eine Anforderung stellen; die Nutzungen aber, welche der Erbzinsmann bis
zu dem Tag der erklärten Verwirkung oder Anheimfallung des Grunds daraus
behoben, und etwan noch vorräthig sind, ist der Grundherr ihme und seinen Erben
auszufolgen schuldig.
Zweiter Artikel
Von bloßen Zinscontracten
§. VII. Von Natur und Eigenschaft des Zinscontracts, und
dessen verschiedenen Gattungen. §. VIII. Von Beschaffenheit des bedungenen oder
verschriebenen Zinses. §. IX. Von Verbindlichkeit des Zinsmanns, und der dem
Zinsherrn wider ihn gebührenden Rechtshilfe. §. X. Von Erlöschung des
Zinsrechts. §. XI.Von Unterschied des Erneuerungscontracts von Zinscontracten
§. VII.
[3, 13, § 7] 81. Der Zinscontract ist eine gutwillige
Vereinigung wegen Bezahlung eines gewissen jährlichen Zinses von Jemands
eigenen Grund oder Gewerb. Hierdurch unterscheidet sich derselbe sowohl von
Erbzins-, als von Mieth- Pacht- oder Bestandcontract; dann in Erbzinscontracten
wird der Zins von einem fremden Grund, welcher erbzinslich überlassen worden,
wie nicht weniger bei Mieth- Pacht- oder Bestandcontracten für den
verstattetetn Gebrauch eines fremden Grus oder Gewerbs, bei Zinscontracten
hingegen von eigenen Grund oder Gewerb bezahlet.
[3, 13, § 7] 82. Wann aber der Zins um ein gewisses dafür
gegebenes Hauptgeld bestellet wird, so kommet dieser Contract mit dem Kaufen
und Verkaufen fast in Allen überein, also daß solchen Falls nicht nur allein
Derjenige, welcher für die empfangene Summe sich zu Bezahlung des Zinses
verbunden, der Verkaufer des Zinses, und Jener, welcher solchen an sich
gelöset, der Kaufer des Zinses genannt wird, folglich der Zins nicht anderst,
als für eine angefeilte Waare anzusehen, sondern auch bei einer so beschaffenen
Handlung all Jenes zu beobachten ist, was in neunten Capitel von Kaufen und
Verkaufen geordnet worden.
[3, 13, § 7] 83. Die Zinsen heißen auch sonst Gülten,
jährliche Renten, und sind ihrer Natur nach zweierlei, als entweder dingliche
oder persönliche. Die dingliche werden
(3-240) auf einen fruchtbringenden Grund, als einem Gut,
Acker, Weinberg, Wiesen oder Haus bestellet; die persönliche aber sind jene, zu
deren Bezahlung Jemand bloß seine Person verstricket, ohne solche von einem
Grund anzuweisen, und welche mit dessen Absterben aufhören, wann die Verbindung
nicht ausdrücklich auch auf die Erben lautet.
[3, 13, § 7] 84. Es können aber einerlei Zinsen sowohl für
dingliche, als für persönliche in verschiedener Betrachtung geachtet werden,
wann nemlich bei Verschreibung dinglicher Zinsen nebst der Behaftung des Grunds
auch die persönliche Verbindung hinzutritt, oder zur Sicherheit persönlicher
Zinsen ein Grund zum Unterpfand oder Hypothek verschrieben wird.
[3, 13, § 7] 85. Die dingliche Zinsen werden auf zweierlei
Art bestellet, als entweder durch Uebertragung des Zinsrechts, oder durch
dessen Vorbehalt. Auf die erstere Art geschiehet es, wann von dem Eigenthümer
eines Grunds Jemanden das Recht durch Verkauf, Schankung, oder in andere Wege
zugeeignet wird, von diesem seinem Grund einen jährlichen Zins einzuheben, und
durch Vorbehalt, wann der Veräußerer eines Grunds sich davon einen jährlichen
Zins vorbehält.
[3, 13, § 7] 86. Beide sowohl dingliche, als persönliche
Zinsen sind nach ihrer Dauer entweder zeitliche oder immerwährende. Die
zeitliche gebühren entweder auf eine gewisse bestimmte Anzahl von Jahren, oder
auf Lebzeiten des Verkaufers oder Kaufers, oder eines Dritten; diese letztere aber,
welche auf Lebzeiten des Kaufers oder dessen, deme sie bedungen worden, oder
auch eines Dritten lauten, heißen eigentlich Leibrenten, weilen sie mit dessen
Person erlöschen.
[3, 13, § 7] 87. Die immerwährende Zinsen, welche ohne
Bestimmung einer Zeit verschrieben oder bestellet werden, gehen auf die Erben,
und wann sie dingliche sind, auf einen jedweden Besitzer des Grunds; diese sind
entweder wiederkäufliche, oder unablösliche Zinsen. Für wiederkäufliche werden
sie allezeit gehalten, wann das Beding der Unablöslichkeit nicht ausdrücklich
beigefüget worden, und das dafür gegebene Kaufgeld sonst erweislich ist.
[3, 13, § 7] 88. Unablösliche Zinsen aber sind jene, wobei
bedungen worden, daß solche zu keiner Zeit abgelöset werden mögen, oder welche
auch in Ermanglung dieses ausdrücklichen Bedings von unfürdenklichen Zeiten
fortan abgereichet worden, ohne eine jemals dafür bezahlte Kaufsumme darthun zu
mögen.
[3, 13, § 7] 89. Das Ablösungs- oder Wiederkaufsrecht
gebühret allemal dem Verkaufer des Zinses, oder jenem, der den Zins zu bezahlen
schuldig ist, und dessen Erben, oder auch einem jedem nachfolgenden Besitzer
des Grunds, worauf derlei wiederkäufliche Zinsen haften, nicht aber dem Kaufer
oder Demjenigen, der den Zins einzuheben hat.
[3, 13, § 7] 90. Gegentheils ist dieser Letztere nicht
einmal befugt durch ein Beding auch auf dem Fall, da der Zinsmann in Abfuhr des
Zinses säumig wäre, sich die Zuruckforderung des bezahlten Kaufgelds
vorzubehalten, sondern ein solches Beding solle für unkräftig, null und nichtig,
und daferne an Zinsen ein Mehreres über den sonst von einer dargeliehenen Summe
zu nehmen erlaubten Betrag bedungen worden, für wucherlich geachtet werden.
[3, 13, § 7] 91. Es wäre dann, daß der Verkaufer den Zins
auf einen fremden Grund bestellet hätte, welcher nachhero dem Eigenthümer
zuerkannt würde, oder sonst sein an dem Grund gehabtes Recht, und mit diesem
auch das darauf bestellte Zinsrecht erlöschete, oder bei persönlichen Zinsen
sich dessen Unvermögenheit zu deren weiterer Bezahlung ergäbe, als da er
zahlflüchtig würde.
[3, 13, § 7] 92. In welchen Fällen dem Kaufer des Zinses
unbenommen ist, auch ohne allem vorgängigen Beding die dafür gegebene Summe
zuruckzuforderen, und sich an dem anderweiten Vermögen des Verkaufers zu
erholen, oder sich des ihme allenfalls zur Versicherung persönlicher Zinsen
verschriebenen Unterpfands, oder gestellten Bürgens zu halten.
(3-241) §. VIII.
[3, 13, § 8] 93. Die dingliche oder Grundzinsen können nur
auf unbeweglichen Gütern mittelst landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher
Einverleibung dergestalten bestellet werden, daß zugleich der Grund, worauf sie
angewiesen worden, zum Unterpfand oder Hypothek verschrieben werden müsse, in
dessen Ermanglung solche den Grund nicht behaften, noch über die persönliche Verbindlichkeit
des Zinsmanns ein Mehreres bewirken.
[3, 13, § 8] 94. Die persönliche Zinsen hingegen können auch
wegen beweglicher Sachen, oder wegen eines Gewerbs, oder wegen sonstiger
Ursache bestellet werden. Sie bekommen aber die Wirkung dinglicher Zinsen, wann
sie auf einem Grund landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret
worden, obschon dieselbe insoweit die Natur persönlicher Zinsen behalten, daß
auch die Person des Zinsmanns zu deren Entrichtung verbunden bleibe.
[3, 13, § 8] 95. Die Zinsen werden entweder in gewissen
Gattungen von Früchten, oder in Geld bestellet; erstere heißen Getreid-, Korn-
oder Sackzinsen, letztere aber Pfenning- oder Geldzinsen. Beide jedoch müssen
in derjenigen Gattung und Gestalt abgeführet werden, welche Anfangs beliebet
worden, ohne daß es in der Willkür des Zinsmanns stehe, etwas Anderes dafür zu
geben, als Geld für Getreid, oder dagegen Getreid für Geld, wann es gleich in
Werth einerlei wäre.
[3, 13, § 8] 96. Bei dem Betrag deren ablöslichen Zinsen
solle auch allemal darauf gesehen werden, ob solche um eine dafür gegebene
Summe erkaufet, oder ohne Beding eines Kaufgelds aus irgend
einer anderen Ursache bestellet worden. Ersteren Falls darf deren
Betrag, bei Strafe wucherlicher Handlungen, die sonst nach diesem Unseren
Gesatz von einem Darlehen zu nehmen erlaubte Zinsen in Verhältnuß auf die dafür
bezahlte Summe nicht übersteigen, sie mögen in Geld oder Früchten bestehen.
[3, 13, § 8] 97. Dann auch bei erkauften Fruchtzinsen muß
eben dasselbe Verhältniß beobachtet werden, daß nemlich deren Werth, wie
solcher zur Zeit des Contracts in dem marktgängigen Preis ware, den Betrag
deren rechtmäßigen Darlehenszinsen nicht übertreffe, wo in Widrigen die
Handlung für wucherlich zu achten ist.
[3, 13, § 8] 98. Außer es wäre ein noch ungewisser Theil
deren erfechsenden Früchten, als z. B. das Drittel, Viertel oder Fünftel und
dergleichen zum Zins bedungen worden, in welchem Fall wegen der Ungewissheit
des künftigen Betrags das Verhältniß mit denen erlaubten Darlehenszinsen nicht
erforderet wird, wann nur auch in denen Mitteljahren der Betrag eines solchen
Fruchtzinses gegen der dafür gegebenen Kaufsumme nach sonst zur Zeit des
Contracts gewöhnlicher Ertragnuß des Grunds nicht allzu übermäßig, oder sonst
kein Wucher darunter verstecket ist.
[3, 13, § 8] 99. Woferne aber für die Zinsen kein Kaufgeld
gegeben, sondern solche aus anderen Ursachen bestellet, oder auch unablöslich
gemacht worden, so stehet es zwar bei denen Contrahenten deren Betrag nach
eigener Willkür zu bestimmen, doch solle sich dabei aller wucherlichen
Absichten um so gewisser enthalten werden, als in Widrigen, und da andurch ein
Wucher bemäntlet worden wäre, mit denen darauf ausgesetzten Strafen
unnachsichtlich zu verfahren ist.
§. IX.
[3, 13, § 9] 100. Einen Zins kann Jedermann bestellen, der
seine Person zu verbinden, oder sein Vermögen zu behaften fähig ist, und wird
jener, welcher den Zins zu bezahlen schuldig ist, der Zinsmann, der aber
solchen einzunehmen berechtiget ist, der Zinsherr benamset.
[3, 13, § 9] 101. Dieser Contract ist seiner Natur nach nur
einbündig, woraus allein der Zinsmann zu Bezahlung des jährlichen Zinses
entweder zu bestimmter Abfuhrszeit, oder da keine ausgesetzet worden wäre, zu
Ende jeden Jahrs, oder da der
(3-242) Zins auf Vierteljahre oder Monate eingetheilet wäre,
zu Ende eines jeden Vierteljahrs oder Monats verbunden wird.
[3, 13, § 9] 102. Aus dieser Verbindlichkeit erwachset
gegentheils dem Zinsherrn das Zinsrecht, und die hieraus entstehende
Rechtsforderung wider den Zinsmann zu Abreichung des Zinses, und zu Leistung
alles dessen, was ihme aus dem Zinscontract gebühret.
[3, 13, § 9] 103. Dieser Rechtsforderung aber bedarf der
Zinsherr nur bei persönlichen Zinsen, welche auf keinem Grund mit einer
besonderen Hypothek versicheret worden; dann bei dinglichen oder auch jenen
persönlichen Zinsen, welche auf einem Grund landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich verschrieben sind, kann er sich, wann der Zinsmann in Abfuhr
des Zinses saumig ist, ohneweiters des ihme verschriebenen Grunds mittelst der
gerichtlichen Execution halten.
[3, 13, § 9] 104. Und hat solchen Falls der Zinsherr nicht
nöthig den Ursprung, woher sein Zinsrecht rühre, zu erweisen, sondern er thut
an deme genug, wann von ihme dargezeiget werden kann, daß er sich in dem Besitz
dieses Rechts befinde.
[3, 13, § 9] 105. Der Beklagte muß dahero, wann er sich von
dieser Schuldigkeit entledigen will, den Grund von dem anforderenden Zinsrecht
frei zu sein entweder einwendungsweise, wann er belanget wird, oder durch die
eigends anzustrengen habende Verneinungsklage, welche in der Abhandlung von
Dienstbarkeiten mit Mehreren erkläret worden, rechtsgenüglich erproben.
§. X.
[3, 13, § 10] 106. Das Zinsrecht höret auf, erstens, bei
dinglichen Zinsen mit zufälligen Untergang des ganzen Grunds, worauf sie
haften; wo aber noch ein Theil davon übrig bleibet, währet auch das Zinsrecht
ohne einigen Abbruch deren Zinsen immer fort.
[3, 13, § 10] 107. Zweitens, bei persönlichen Zinsen mit
Absterben der Person, welche darzu verbunden ware, obschon solche auf einem
Grund landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret wären, wann die
Verbindlichkeit nicht namentlich auf die Erben mit erstrecket, oder nicht etwan
außer der Sicherheit auch die entweder auf allzeit, oder bis zur Ablösung
lautende Behaftung des Grunds mitbedungen, und dergestalten denen persönlichen
zugleich die Eigenschaft dinglicher Zinsen beigeleget worden.
[3, 13, § 10] 108. Drittens, mit Verlauf der Zeit, auf
welche die Zinsen bedungen worden, oder mit Ausgang der Bedingnuß, unter der
sich der Zinsmann nach Gestalt der genommenen Abrede verbunden hat.
[3, 13, § 10] 109. Viertens, durch rechtliche Verjährung,
wann der Zinsmann auf Einmahnung des Zinsherrn den Zins zu bezahlen
verweigeret, und dieser durch die in zweiten Theil ausgesetzte Zeit hierbei
beruhet und schweiget.
[3, 13, § 10] 110. Fünftens, mit Absterben derjenigen
Person, auf deren Lebzeiten die Schuldigkeit der Verzinsung beschränket ware.
Also erlöschen die Leibrenten mit dem Tod dessen, auf wessen Namen sie gelautet
haben, obgleich Jener, der die Summe auf einem fremden Namen dafür eingeleget,
noch am Leben wäre.
[3, 13, § 10] 111. Sechstens, mit willkürlicher Erlassung
dieser Verbindlichkeit, oder auch mit Ablösung deren Zinsen, wann sie
wiederkäuflich sind, wofür solche allemal in dem oben §. VII, num. 87 bis 92
erklärten Verstand angesehen werden sollen, wann die dafür gegebene Summe
erweislich ist, oder die Unablöslichkeit nicht ausdrücklich bedungen worden.
[3, 13, § 10] 112. Wegen nicht bezahlter Zinsen aber wird ein
Zinsgrund nicht verwirket, sondern der Zinsherr hat nur allein die Befugnuß die
ruckständige Zinsen nach Inhalt der Verschreibung mittelst ansuchender
Gerichtshilfe einzutreiben.
[3, 13, § 10] 113. Da jedoch wegen Länge der Zeit, oder auch
aus Dunkelheit der Verschreibung ein Zweifel vorfiele, ob der Grund, wovon die
Zinsen entrichtet werden,
(3-243) nur blos für zinsbar, oder aber für erbzinslich zu
halten seie, so ist allemal darauf zu sehen, ob der Grund, wovon die Zinsen
gebühren, unter der Gerichtsbarkeit des Zinsherrn gelegen, und in seinen
eigenen Grundbüchern eingetragen seie, oder ob solcher in der Landtafel, Stadt-
oder fremden, und nicht des Zinsherrn eigenen Grundbüchern inliege.
[3, 13, § 10] 114. Ersteren Falls ist der Grund für
erbzinslich zu achten, und kann der Zinsherr, wann er zugleich Grundherr ist,
wegen verweigerter Zinsabfuhr nach Maß dessen, was von erbzinslichen Gründen in
vorigen Artikel, §. VI, in dem 74. und folgenden num. geordnet worden, den
Grund zu seinen Handen einziehen und behalten, woferne von dem Zinsmann die
widrige Eigenschaft des Grunds nicht erwiesen wird; letzteren Falls aber solle
der Grund lediglich für zinsbar angesehen, und in keinerlei Wege zu Handen des
Zinsherrn verwirket werden können.
§. XI.
[3, 13, § 11] 115. Mit denen Zinscontracten kommet der
Erneuerungscontract einiger Maßen überein, wodurch Jemanden ein liegendes Gut
mit dem Beding kauflich überlassen wird, daß er dafür alljährlich einen mäßigen
Zins bezahle, und den Contract zu gesetzten Zeiten anwiederum mit Entrichtung
eines bestimmten Kaufgelds jedes Malen erneuere.
[3, 13, § 11] 116. Dieser Contract gereichet insgemein dem
Kaufer zum Vortheil, als deme zu Guten, wann er mit der ganzen Kaufsumme auf
einmal nicht aufkommen kann, ein derlei Beding beigesetzet zu werden pfleget,
wodurch ihme hinreichende Zahlungsfristen eingestanden werden.
[3, 13, § 11] 117. Es solle aber ein solcher Contract
anderer Gestalt nicht zulässig sein, als wann einerseits alle bedungene
Zahlungsfristen zusammen gerechnet mit Einbegriff dessen, was schon vorhero
hierauf erleget worden, die Hälfte des rechten Werths, und andererseits die
jährlich abzuführen habende Zinsen in Verhältniß gegen der noch ruckständigen
Kaufsumme den erlaubten Betrag nicht übersteigen.
[3, 13, § 11] 118. Wo im Widrigen, und da eine Verkürzung
über die Hälfte des rechten Werths dabei unterwaltete, dem Kaufer die daher
entstehende Klage unbenommen ist. Daferne aber die jährliche Zinsen den
erlaubten Betrag übertreffen, so solle eine solche Handlung nicht anderst, als
für wucherlich geachtet werden.
[3, 13, § 11] 119. Ansonsten ist der Kaufer alles das in
Erfüllung zu bringen schuldig, worzu er sich in diesem Contract verbunden hat;
dahingegen, wann er in Abführung deren Zinsen oder Fristgeldern zuruckbliebe,
wird der Grund derowegen nicht verwirket, woferne dessen Heimfälligkeit nicht
ausdrücklich bedungen worden.
[3, 13, § 11] 120. Welche jedoch nicht anderst gestattet
wird, als daß der Verkaufer gegen Zurucknehmung des Grunds alles das, was er an
Kaufgeld empfangen, wieder herauszahle, und also beiderseits eine vollkommene
Wiedererstattung erfolge, wie solches in neunten Capitel, §. XX, erkläret
worden.
[3, 13, § 11] 121. Von fast gleicher Beschaffenheit ist jene
Handlung, wo Gemeinden, oder derlei Besitzere, die niemalen absterben, mit
Unserer landesfürstlichen Einwilligung grund- oder stadtbücherliche Gründe
unwiderruflich an sich bringen, in welchen Fällen denen Grundherrn und
Magistraten erlaubet ist, wegen deren ihnen andurch entgehenden Veränderungsgebühren
entweder zu gewissen gesetzten Zeiten die jedesmalige Erneuerung des grund-
oder stadtbücherlichen Besitzrechts gegen
(3-244) Bezahlung der ausgemessenen Gebühr auszubedingen
oder gegen Annehmung einer angebotenen Pauschsumme diese Erneuerungsschuldigkeit
für allzeit zu erlassen; daferne jedoch keine gewisse Zeit zur Erneuerung
bedungen worden wäre, solle der Besitzer solche alle zehen Jahre anzusuchen
schuldig sein.
[3, 13, § 11] 122. Wo aber die Erneuerung der stadt- oder
grundbücherlichen Verschreibung in der bestimmten Zeit nicht angesuchet würde,
ist zwar dem Grundherrn oder Magistrat nicht gestattet den Grund deshalben
einzuziehen; sie haben aber die Macht, wann die vorläufige Ermahnung nicht
fruchtete, den Grund in gerichtlichen Beschlag zu nehmen, und sich aus denen
einhebenden Nutzungen bezahlt zu machen.
Caput XIV.
Von Gesellschaftscontract.
Inhalt:
§. I. Von Natur, Wesenheit und Verschiedenheit des
Gesellschaftscontracts. §. II. Von Art und Weis einen Gesellschaftscontract zu
errichten. §. III. Von Dingen, worüber eine Gesellschaft eingegangen werden
könne. §. IV. Von gemeinschaftlichen Beitrag in die
Gesellschaft. §. V. Von Theilung des Gewinns und Verlusts. §. VI. Von
Verbindlichkeit deren Gesellschafteren gegen einander, und der daraus Einem
wider den Anderen gebührenden Rechtsforderung. §. VII. Von der denen
Gesellschafteren zu statten kommenden Rechtswohlthat. §. VIII. Von Haftung für
Schuld und Gefährde. §. IX. Von denen aus Handlungen mit Anderen denen
Gesellschafteren zugehenden Rechten und Verbindungen. §. X. Von Aufhebung und
Erlöschung des Gesellschaftscontracts.
§. I.
[3, 14, § 1] 1. Der Gesellschaftscontract wird auch anderst
Mascopey genannt, und ist eine gutwillige Vereinigung von Zweien oder Mehreren
ihr Geld, Waare und Güter, oder auch Mühe und Arbeit auf gemeinen Gewinn und
Verlust zusammen zu tragen.
(3-245) [3, 14, § 1] 2. Dieser Contract kommt nicht weniger,
als andere Consensualhandlungen durch bloße Einwilligung deren Contrahenten zu
Stande, und wird durch wirkliche Leistung des verwilligten Beitrags vollbracht,
dieser bestehe gleich in Geld oder Gut, oder aber in Anwendung persönlicher
Mühe und Arbeit zu Beförderung des gemeinschaftlichen Besten.
[3, 14, § 1] 3. Die Wesenheit dieses Contracts erforderet
demnach erstens, die Einwilligung deren Contrahenten in die Gesellschaft,
zweitens, den gemeinschaftlichen Beitrag Gelds, Guts, oder der Mühe und Arbeit,
drittens, die Vertheilung des Gewinns.
[3, 14, § 1] 4. Die erste Erfordernuß unterscheidet diesen
Contract von der Gemeinschaft eines Guts, welche insgemein aus dessen
gemeinschaftlicher Erwerbung entspringet, als da eine Sache von Zweien
erkaufet, oder Zweien vermachet oder geschenket würde, wie solche unten in
neunzehenten Capitel, §. IV, beschrieben werden wird.
[3, 14, § 1] 5. Die Zweite machet den wesentlichen
Unterschied des Gesellschaftscontract von einer Schankung, dann wo der Beitrag
nur von einem Theil geschähe, von dem anderen hingegen weder Geld noch Gut,
weder Mühe und Arbeit beigetragen würde, ist es keine Gesellschaft, sondern
eine Schankung.
[3, 14, § 1] 6. Endlich ist die dritte Erfordernuß von
solcher Nothwendigkeit, daß wo bei Gemeinschaft deren Gütern die Absicht auf
gemeinen Gewinn ermanglet, ein solches Geschäft zwar für eine aus anderen
Endzweck eingegangene Gemeinschaft, niemalen aber für einen
Gesellschaftscontract anzusehen seie.
[3, 14, § 1] 7. Doch ist dabei nicht nöthig, daß allemal
auch der Verlust zwischen denen Theilhaberen gemein seie, und mit denen
bestimmten Theilen des Gewinns ein gleiches Verhältnuß habe, sondern es kann
hieran mehr oder weniger nach Maß der getroffenen Verabredung auf die
Theilhabere ausgewiesen, und sogar der ganze Verlust von Einem allein
übernommen, der Andere aber davon völlig enthoben werden, wie es unten §. V mit
Mehreren erkläret wird.
[3, 14, § 1] 8. Es sind dahero zweierlei Gattungen der
Gesellschaft, als die zufällige und bedungene. Erstere entstehet vorbemelter
Maßen ohne besonderer Einwilligung in eine
Gesellschaft aus gemeinschaftlicher Erwerbung eines Guts, und ist die Folge und
Wirkung der schon vorhero bestehenden Gemeinschaft eines Guts oder Erbschaft,
weswegen solche unter die denen Contracten gleichkommende Handlungen gezählet
wird.
[3, 14, § 1] 9. Letztere hingegen kommt nur durch
ausdrückliche Einwilligung deren Contrahenten in eine Gesellschaft zu Stande,
und wirket die Gemeinschaft deren Gütern, welche in Folge dieser Vereinigung in
die Gesellschaft beigetragen, und darinnen erworben werden.
[3, 14, § 1] 10. Diese bedungene Gesellschaft, in welcher
die Theilhabere nicht durch zufällige Gemeinschaft einer Sache, sondern durch
ihre allseitige Einwilligung vereiniget werden, ist ein wahrer Contract, und
wird entweder nur über einerlei Sache, und über ein gewisses Gewerb, oder über
mehrere Sachen und Gewerbe eingegangen.
[3, 14, § 1] 11. Sie möge aber auf eine oder die andere Art
geschlossen werden, so solle jedoch niemalen unter dem Beitrag an Geld oder Gut
ein Mehreres verstanden werden, noch die Verbindlichkeit des Beitrags sich auf
etwas Anderes erstrecken können, als was in die Gesellschaft beizutragen
ausdrücklich verabredet worden.
[3, 14, § 1] 12. Wie dann auch die Gemeinschaft des Gewinns
zwischen denen Theilhaberen nur in jenem bestehet, was mit dem in die
Gesellschaft beigetragenen Geld oder Gut, oder durch das gemeinschaftlich
angestellte Gewerb erworben worden, nicht aber auch in deme, was sonst in
andere Wege, und nicht durch die Gesellschaft einem oder dem anderen Theilhaber
zugegangen ist, als da ihme eine Erbschaft zugefallen wäre, oder er sonst aus
einem für sich besonders treibenden Gewerb etwas gewonnen hätte.
(3-246) [3, 14, § 1] 13. Dahingegen sollen die allgemeinen
Gesellschaften über das gesammte sowohl wirklich schon besitzende, als künftig
aus was immer für Ursachen erwerbende oder ererbende Hab und Vermögen gänzlich
eingestellet und unkräftig sein, außer insoweit solche nur unter Eheleuten in
dem ersten Theil, in fünften Capitel von Ehebindnussen bei der Abhandlung von
ehegattlichen Vermögen nach denen alldort festgesetzten Maßregeln zugelassen
werden.
§. II.
[3, 14, § 2] 14. Der Gesellschaftscontract kann von
Jedermann eingegangen werden, der sich zu verbinden fähig ist, und die freie
Verwaltung seines Vermögens hat. Doch kann Niemand einen Dritten ohne von ihme
hierzu habender ausdrücklichen Gewalt und Vollmacht zur Gesellschaft verbinden,
wann es gleich sein Notherbe wäre, sondern die Verbindlichkeit eines
Gesellschafters ist von seiner Person dergestalten unzertrennlich, daß weder
der Gesellschafter des einen Theilhabers sofort auch der Gesellschafter des
anderen sein könne, solange nicht zugleich von ihme in dessen Aufnahme
eingewilliget worden.
[3, 14, § 2] 15. Die Einwilligung in einen
Gesellschaftscontract kann entweder ausdrücklich oder stillschweigend
geschehen. Zu dieser letzteren aber wird erforderet, daß schon die Gemeinschaft
eines Guts oder Erbschaft, als die ohnfehlbare Richtschnur der Vertheilung des
Gewinns und Verlusts vorhergehe; als da Zweie in der Gemeinschaft einer
zusammen erkauften Sache, oder mehrere Erben in dem ungetheilten Besitz einer
ihnen zugefallenen Erbschaft in Absicht auf gemeinen Gewinn und Verlust
verbleiben.
[3, 14, § 2] 16. Welchen Falls die Richtschnur der
Vertheilung des Gewinns und Verlusts nach Maß desjenigen Antheils zu nehmen
ist, der bei Theilung eines gemeinschaftlich besessenen Guts oder Erbschaft auf
deren Jeden ausfallet, und also auch ein wahrer Gesellschaftscontract unter
ihnen bestehen kann.
[3, 14, § 2] 17. Wo aber diese Richtschnur ermanglet, und
der von Einem und dem Anderen geleistete Beitrag nicht erweislich ist, da kann
auch keine stillschweigende Einwilligung in eine Gesellschaft gefolgeret
werden, wann gleich noch so starke Anzeichen zu einer Gesellschaft vorhanden
wären.
[3, 14, § 2] 18. Also obgleich eine Sache auf Zweier Namen
erkaufet, oder die Handlungsbücher oder Waaren, und Kaufmannsgüter mit Beider
Namen bezeichnet, oder einerlei Handlungsvorgesetzter in Beider Namen
bestellet, oder auch sogar der beiderseitige Gewinn unter einander vertheilet
worden wäre, ist es jedennoch keine Gesellschaft, wann nicht der
gemeinschaftliche Beitrag in Absicht auf gemeinsamen Gewinn dargethan werden
mag.
(3-247) [3, 14, § 2] 19. Ein Gesellschaftscontract kann auf
Lebzeiten deren Theilhaberen, oder mit Bestimmung einer gewissen Zeit, als
entweder, wann die Gesellschaft ihren Anfang zu nehmen, oder wie lange dieselbe
fürzuwähren habe, geschlossen werden. Dieses Beding wirket so vieles, daß vor
Verlauf dieser Zeit Keiner wider Willen des Anderen ohne hierzu habender
rechtmäßigen Ursach aus der Gesellschaft austreten könne.
[3, 14, § 2] 20. Und obwohlen die Erben zu Fortsetzung der
Gesellschaft wider ihren Willen nicht verbunden werden mögen, so ist doch das
Beding allerdings giltig, daß der überlebende Theilhaber die Erben des
Verstorbenen, wann sie wollen, bis zum Ablauf deren bestimmten Jahren in der
Gesellschaft zu behalten, und ihnen den zukommenden Antheil des Gewinns
herauszugeben schuldig sein solle.
[3, 14, § 2] 21. Nicht weniger kann ein
Gesellschaftscontract, wie alle andere Handlungen, entweder ohnbedingt, oder
mit beigefügter verschiebenden oder auflösenden Bedingnuß getroffen werden,
obgleich deren Ausgang noch so ungewiß ist. Wo aber deren Erfolg ungezweiflet
wäre, hat es damit eben diese Bewandtnuß, wie gleich vorhero von Beiruckung einer
bestimmten Zeit gemeldet worden.
[3, 14, § 2] 22. Es sind auch alle erlaubte Bedinge bei
diesem Contract zulässig, welche entweder die Art und Weis des
gemeinschaftlichen Beitrags, oder der Vertheilung des Gewinns und Verlusts,
oder der Verwaltung deren gemeinsamen Geschäften, oder endlich auch die
Festhaltung des Contracts betreffen, wann solche nur mit der Wesenheit des
Contracts vereinbarlich sind, und das etwan auf den Fall des Abstands von dem
Contract bedungene Strafgeld den achten Theil des versprochenen oder
geleisteten Beitrags nicht übersteiget.
§. III.
[3, 14, § 3] 23. Gesellschaften werden über alle handelbare
Dinge und erlaubte Gewerbe oder Geschäften dergestalten getroffen, daß entweder
von beiden Seiten Geld und Gut, oder aber nur von einem Theil Geld und Gut, und
von dem anderen seine Arbeit und Mühewaltung, oder auch von beiden Theilen
sowohl Gut, als Mühe und Arbeit beigetragen werden.
[3, 14, § 3] 24. Ueber unerlaubte Dinge hingegen kann nicht
nur keine Gesellschaft bestehen, sondern es darf auch kein Gesellschafter
Dasjenige, was er auf unrechtmäßige Weise, obschon mit gemeinschaftlichen Gut
erworben, in die Gesellschaft einbringen oder in die Theilung legen.
[3, 14, § 3] 25. Wo aber jedennoch ein unrechtmäßiges Gut
eingeleget würde, wird es zwar zwischen allen Theilhaberen gemein, doch bleibet
dem Eigenthümer das Recht allemal vorbehalten sein Gut, oder, da es schon
verthan wäre, den Werth dafür zu forderen, welcher sammt der allenfalls
verwirkten Geldstrafe, wann die Unrechtmäßigkeit des in die Gesellschaft
eingelegten Guts denen übrigen Theilhaberen bekannt war, auch von allen,
ansonst aber diese letztere nur von dem Antheil des Einlegenden erstattet
werden solle.
§. IV.
[3, 14, § 4] 26. Zu was für einem Beitrag ein Gesellschafter
sich in dem Gesellschaftscontract verbunden, es sei an Geld und Gut, oder an
Mühe und Arbeit, solchen ist er auch wirklich einzubringen und zu leisten
schuldig, und bleibet die Wesenheit des Contracts einerlei, die Einlage möge
zwischen denen Gesellschafteren gleich oder ungleich sein. Es wird aber darzu
erforderet:
[3, 14, § 4] 27. Erstens, daß dieser Beitrag von allen
Theilhaberen geschehe, dann wo Jemand ohne allem Beitrag in die Gesellschaft
aufgenommen, und zur Theilnehmung an den Gewinn zugelassen würde, ist eine
solche Handlung vorerwähntermaßen eine Schankung, und kein
Gesellschaftscontract.
[3, 14, § 4] 28. Zweitens, daß dabei der gemeinsame Gewinn
zum Endzweck der Handlung
(3-248) genommen werde, außerdeme entstehet zwar aus dem in
einer anderen Absicht, als wegen gemeinsamen Gewinns leistenden Beitrag eine
Gemeinschaft des zusammengelegten Guts, nicht aber auch eine Gesellschaft.
[3, 14, § 4] 29. Drittens, daß die bedungene Einlage
wirklich geleistet, und in die Gesellschaft eingebracht werde, es seie von
beiden Theilen an Geld oder Gut, und Mühe und Arbeit zugleich, oder nur von
einem Theil an Geld oder Gut, und von dem anderen an Mühe und Arbeit allein.
[3, 14, § 4] 30. Diese Einlage kann auf zweierlei Art
geschehen; dann entweder wird Geld oder Gut nur zur gemeinschaftlichen
Benutzung oder Gebrauch mit Vorbehalt des Eigenthums beigetragen, oder es wird
auch das Eigenthum des eingelegten Guts zwischen allen Gesellschafteren gemein
gemacht.
[3, 14, § 4] 31. Welches letztere jedoch bei liegenden
Gütern, und denen darauf haftenden Rechten und Forderungen nicht anderst, als
durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung des mit denen
darzu gehörigen Erfordernussen versehenen Gesellschaftscontracts, und bei
ausständigen Schulden nur mittelst ordentlicher Abtretung oder Anweisung
bewirket werden kann.
[3, 14, § 4] 32. Ersteren Falls, wo der Einlegende sich das
Eigenthum des in die Gesellschaft eingebrachten Guts vorbehält, nimmt derselbe
bei Endigung der Gesellschaft das Eingelegte zuvor heraus, und nur der damit
erworbene Gewinn wird in die Theilung geleget. Er hat aber auch die Gefahr des
durch Zufall in Verlust gehenden Guts allein zu tragen, woferne solche von
denen übrigen Gesellschafteren zum Theil nicht mit übernommen worden.
[3, 14, § 4] 33. Letzteren Falls hingegen, wo das
eingebrachte Gut unter allen Theilhaberen gemein gemacht worden, wird deren
jeder sowohl des Hauptguts, als des Gewinns nach Maß des ihme laut der
genommenen Abrede zufallenden Antheils theilhaftig, und, da es durch Zufall zu
Grunde gienge, hat auch deren jeder den Schaden nach seinem Antheil zu büßen.
[3, 14, § 4] 34. Ob aber der Beitrag auf eine, oder die
andere Art geschehen, ist aus dem Inhalt des Contracts zu entnehmen. Da jedoch
dieser nichts deutlich besagete, solle auf die Gestalt und Beschaffenheit der
Handlung gesehen werden, ob nemlich von einem Theil Geld und Gut, und von dem
anderen nur seine Mühe und Arbeit, oder ob von beiden Theilen Geld oder Gut
beigetragen worden?
[3, 14, § 4] 35. Wo der Beitrag einerseits an Geld oder Gut,
und andererseits nur in Mühe und Arbeit bestünde, bleibet das Eigenthum des
eingelegten Gelds oder Guts dem Einlegenden allemal vorbehalten, wann in dem
Gesellschaftscontract nichts Anderes ausgemacht worden, und hat dahero der
Andere, welcher blos seine Mühe und Arbeit angewendet, an dem Hauptgut keinen
Anspruch, sondern dieses gebühret dem Einlegenden zum voraus, und kommt nur der
daraus verschaffte Gewinn in die Theilung.
[3, 14, § 4] 36. Also da Einer dem Anderen auf gemeinen
Gewinn ein Feld zu bestellen, oder eine Sache in dem gesetzten Werth zum
Verkauf geben würde, bleibet dem Gebenden das Eigenthum des Felds oder der
Betrag des gesetzten Werths der Sache allzeit bevor, und ist derselbe lediglich
die Fechsung, oder den über den Werth erlösten Gewinn mit dem Anderen zu
theilen schuldig.
[3, 14, § 4] 37. Dahingegen, wo von beiden Seiten Geld und
Gut in die Gesellschaft eingebracht worden, ist bei vorfallenden Zweifel
insgemein die Handlung in dem Verstand zu nehmen, daß auch das Eigenthum des
von einem Jeden eingelegten Guts oder Gelds unter allen Theilhaberen gemein
gemacht worden.
[3, 14, § 4] 38. Wannenhero auch bei Zertrennung der
Gesellschaft deren Keiner hieran etwas zum voraus hat, sondern sowohl das
Eingebrachte, als Gewonnene ist unter Alle entweder nach Maß der Einlage, oder
nach der genommenen Abrede zu vertheilen, wie nicht minder die Einbuß in eben
dieser Maß von Allen zu tragen.
[3, 14, § 4] 39. Also da von einem Gesellschafter 2000 fl.
und von dem anderen 1000 fl.
(3-249) eingeleget, bei Ende der Gesellschaft aber nur 2400
fl. erübriget würden, kann der Erstere, wann er es sich nicht ausdrücklich
ausbedungen hat, die von ihme eingelegte 2000 fl. zum voraus nicht
herausnehmen, sondern ein Jeder hat die Einbuße nach Maß der Einlage zu leiden,
und zwar der Erstere mit zwei Dritteln oder 400 fl.,
der Andere aber mit einem Drittel oder 200 fl., wo mithin auf den Theil des
Ersten nur 1600 fl. und auf den Anderen 800 fl. ausfallen.
[3, 14, § 4] 40. Hiervon ist jedoch der Fall auszunehmen,
wann aus der Absicht deren Contrahenten das Widerspiel geschlossen werden mag,
als da von Mehreren Sachen zum Verkauf zusammengetragen werden, wie z. B. wann
Jemand sein Pferd hergäbe um es mit des Anderen seinen Rossen zu verkaufen, und
ihme den dafür erlösten Werth herauszuzahlen. In diesem Fall bleibet
einem Jeden das Eigenthum seiner zum Verkauf hergegebenen Sache, und da solche
aus Zufall in Verlust gienge, kann er keinen Theil des Ersatzes von dem Anderen
forderen.
§. V.
[3, 14, § 5] 41. Was nun mit der gemeinschaftlichen Einlage
in einer Gesellschaft erworben worden, wird unter allen Gesellschafteren
gemein. Gleichwie aber sie insgesammt des Gewinns theilhaftig werden, also
haben sie auch den Verlust zu leiden, wann von der Einlage wenig oder nichts
herauskommet, oder gar der Schaden sich noch über die Einlage erstrecket.
[3, 14, § 5] 42. Unter dem Gewinn wird all Jenes verstanden,
was nach Abzug aller Schäden und Unkosten über die Einlage erübriget wird, wie
dagegen ein Verlust sich nur damals ergiebt, wann mit Einbegriff alles
Erworbenen von der Einlage nicht so vieles herausfallet, als in die
Gesellschaft beigetragen worden.
[3, 14, § 5] 43. Es muß dahero, um den Gewinn und Verlust
verläßlich zu wissen, auf einer Seite Alles, was in die Gesellschaft
eingeleget, und darinnen erworben worden, mit allen ausständigen richtigen
Forderungen und auf der anderen Seite aller Aufwand und Verlust, mit denen
Schulden der Gesellschaft in eine Summe zusammgerechnet, beide Summen
gegeneinander gehalten, und die mindere von der größeren abgezogen werden,
woraus sich sofort der Gewinn oder Verlust zeigen wird, also zwar, daß, was
nach Abzug des Schuldenstands den Betrag der Einlage übersteiget, für den
Gewinn, und was in Gegentheil nach Abzug des Vermögenstands der Einlage
abgehet, für den Verlust zu halten seie.
[3, 14, § 5] 44. In dem Vermögenstand (!) der Gesellschaft
ist nebst der Einlage Alles einzuziehen, was durch das gemeinsame Gewerb, oder
wegen der Sache, worüber die Gesellschaft bestehet, erworben worden, nicht aber
auch Dasjenige, was ein oder anderer Theilhaber, obschon aus Gelegenheit der
Gesellschaft, jedoch nicht unmittelbar durch dieselbe für sich gewonnen hat,
als da derselbe von Jemanden für einen ihme obschon in Betreibung des
gemeinschaftlichen Gewerbs ohne Nachtheil des gesellschaftlichen Nutzens
erwiesenen Dienst eine Verehrung oder Vermächtnuß für sich erhielte, oder zum
Erben eingesetzet würde.
[3, 14, § 5] 45. Wann nur dabei von ihme das
gemeinschaftliche Beste zu Beförderung seines eigenen Nutzens nicht bei Seiten
gesetzet worden, maßen er ansonst so vieles, als der Gesellschaft andurch
erweislich entgangen, von seinem Gewinn in dieselbe einzuwerfen schuldig ist,
als da er in Rucksicht einer Verehrung die gemeinschaftliche Waaren wohlfeiler,
als er sie sonst hätte ausbringen können, hintangelassen hätte.
[3, 14, § 5] 46. Desgleichen sind unter den Schuldenstand
der Gesellschaft nebst deme, was dieselbe hinauszuzahlen hat, nur diejenige
Schäden zu rechnen, welche ohne Schuld des Gesellschafters entweder an dem
gemeinschaftlichen Gut, oder auch an des Gesellschafters eigenen Sachen, jedoch
aus nothwendigen Zusammenhang mit denen gesellschaftlichen Geschäften
verursachet worden.
[3, 14, § 5] 47. Jene Schäden hingegen können der
Gesellschaft nicht angerechnet werden,
(3-250) welche aus Schuld des Gesellschafters an dem
gemeinschaftlichen Gut, oder auch an des Gesellschafters eigenen Sachen außer
dem nothwendigen Zusammenhang mit dem gemeinsamen Gewerb, wiewohlen solches
Gelegenheit darzu gegeben hätte, entstehen, als da ein Gesellschafter wegen
Besorgnuß gemeinschaftlicher Geschäften seine eigene vernachlässiget, oder
einer ihme zugedachten Erbschaft oder Vermächtniß, oder sonstigen zu erwarten
gehabten Nutzens verlustiget worden wäre.
[3, 14, § 5] 48. Wohl aber gehören unter dem Schuldenstand
der Gesellschaft alle Auslagen und Unkosten, welche auf das gemeinschaftliche
Gewerb entweder mit Willen aller Theilhaberen, oder auch nur von Einem allein
aus unumgänglicher Nothwendigkeit verwendet worden; dahero müssen einem
Gesellschafter die auf unternommene nothwendige Reisen, Anschaffung deren zu
dem gemeinsamen Gewerb erforderlichen Waaren, Pflegung des nöthigen
Briefwechsels, und andere derlei unumgängliche Gesellschaftsgeschäften
ausgelegte Unkosten aus dem gemeinschaftlichen Gut ersetzet und vergütet
werden.
[3, 14, § 5] 49. Bei Vertheilung des Gewinns und Verlusts
muß allemal eine genaue Gleichheit beobachtet werden. Diese aber ist in
verschiedener Betrachtung dreierlei, als entweder deren Theilen unter sich nach
Anzahl deren theilnehmenden Personen, oder deren Theilen mit der Einlage, oder
endlich deren Theilen des Gewinns mit denen Theilen des Verlusts unter sich.
[3, 14, § 5] 50. Die erstere Art der Gleichheit, wann
nemlich das gemeinschaftliche Gut nach Anzahl deren Theilhaberen ohne
Rucksicht, ob von einem mehr oder weniger in die Gesellschaft eingeleget
worden, unter sie dergestalten gleich vertheilet wird, daß Keiner mehr oder
weniger, als der Andere hieran beziehe, hat nur bei der einzig und allein
zwischen Eheleuten gestatteten allgemeinen Gesellschaft des sammentlichen Hab
und Vermögens statt, wann nichts Anderes ausdrücklich ausbedungen worden.
[3, 14, § 5] 51. Die zweite Art hingegen, wann die Theile
des Gewinns und Verlusts nach dem Betrag der Einlage abgemessen werden, ist der
Natur deren besonderen Gesellschaftscontracten über einzle Sachen oder Gewerbe
eigen, also zwar, daß, wann die Gesellschafter sich keines Anderen
untereinander verglichen haben, auf deren Jeden so viele Theile des Gewinns und
Verlusts ausfallen, als mehr oder weniger seine Einlage gegen der Einlage des
Anderen betraget.
[3, 14, § 5] 52. Endlich ist die dritte Art der Gleichheit
in Uebereinstimmung deren Theilen des Gewinns mit denen Theilen des Verlusts
unter sich insoweit die wesentliche Erfordernuß eines jeden
Gesellschaftscontracts, daß solche ohne rechtmäßiger Ursache nicht
überschritten, noch weniger dem Einem der ganze Gewinn zugeeignet, und dem
Anderen der ganze Verlust aufgelastet werden darf, sondern ein solches Beding
solle für null und nichtig, und die ganze Handlung für wucherlich geachtet
werden.
[3, 14, § 5] 53. Wo aber die hienach beschriebene
rechtmäßige Ursachen einer Ungleichheit zwischen denen Theilen des Gewinns und
Verlusts vorhanden sind, können zwar Einem mehrere Theile des Gewinns und
mindere des Verlusts, oder dagegen mehrere von diesem, und mindere von jenem,
oder auch gar keine des Verlusts zugeleget werden; doch solle der Gewinn
niemalen anderst gerechnet werden können, als was nach Abzug aller Schäden
übrig bleibet, wann gleich in einem Theil des gemeinschaftlichen Gewerbs nur
Schaden, in dem anderen hingegen ein Gewinn sich ergeben hätte.
[3, 14, § 5] 54. Nach diesen vorausgesetzten Maßregeln
geschieht die Vertheilung des Gewinns und Verlusts bei allen besonderen
Gesellschaftscontracten entweder aus der Natur der Handlung oder aus Vorschrift
des beigefügten Bedings.
[3, 14, § 5] 55. Die Vertheilung aus der Natur der Handlung
hat allemal statt, wann von denen Gesellschafteren keine Theile bestimmet
worden, und muß dabei sowohl die Gleichheit deren Theilen des Gewinns und
Verlusts mit eines Jeden Einlage,
(3-251) als die Gleichheit deren Theilen des Gewinns mit
denen Theilen des Verlusts unter sich in acht genommen werden.
[3, 14, § 5] 56. Sind nun die Einlagen allerseits gleich,
haben auch die Einlegende gleiche Theile zu empfangen, als da von zweien
Gesellschafteren ein jeder 100 fl. in die Gesellschaft eingebracht hätte, und
damit 60 fl. gewonnen worden wären, gebühren hiervon zu gleichen Theilen einem
jeden 30 fl. Wäre aber die Einlage von Einem mit 100 fl. und von dem Anderen
mit 50 fl. geleistet worden, hätte der Erstere von 60 fl. Gewinn zwei Drittel
mit 40 fl. und der Andere ein Drittel mit 20 fl. zu beziehen, und in
Gegentheil, wann von der Einlage etwas eingebüßet worden wäre, ein Jeder hieran
so vieles zu verlieren, als ihme an Gewinn zugegangen wäre.
[3, 14, § 5] 57. Die Einlage ist nicht nur damals gleich,
wann von Jedem gleich vieles an Geld oder Gut in die Gesellschaft eingebracht worden,
sondern sie ist auch in jenem Fall für gleich zu halten, wann nur von Einem
Geld oder Gut, und von dem Anderen hieran nichts, sondern blos seine Mühe und
Arbeit beigetragen wird; dann diese ist in Rucksicht des damit beschafften
Nutzens allemal der Einlage an Geld oder Gut gleich zu schätzen, wann von denen
Contrahenten nichts Anderes ausdrücklich beliebet worden.
[3, 14, § 5] 58. Woferne jedoch die Einlage zwar beiderseits
an Geld oder Gut entweder gleich oder ungleich geschehen, von Einem aber viel
mehrere Mühe, Fleiß und Arbeit, als nicht von dem Anderen, oder solche auch nur
von dem Einem und von dem Anderen gar keine dabei angewendet worden wäre, so
ist dessen ohnerachtet der Gewinn und Verlust nach Maß der Einlage unter sie zu
vertheilen, und kommt die Mühe und Arbeit in keine Betrachtung, sondern
derjenige Theilhaber, welcher solche beigetragen, hat sich selbst beizumessen,
daß er sich keinen mehreren Gewinn oder minderen Verlust ausbedungen hat.
[3, 14, § 5] 59. Aus Vorschrift des beigefügten Bedings wird
der Gewinn und Verlust vertheilet, wann ohne Rucksicht auf die mehrere oder
wenigere Einlage gleich Anfangs der Handlung bestimmet worden, was für Theile
einem jeden Gesellschafter zufallen sollen. Diese Bestimmung kann auf zweierlei
Art geschehen, als entweder mit Beobachtung der Gleichförmigkeit zwischen denen
Theilen des Gewinns und Verlusts oder ohne derselben.
[3, 14, § 5] 60. Die erstere Art ist allerdings an sich
zulässig, obschon die Einlage dessen, welchem mindere Theile zugeleget werden,
mit des Anderen seiner gleich gewesen wäre; also können Einem zwei Theile des
Gewinns und Verlusts und dem Anderen der dritte Theil von beiden zugewendet
werden, wiewohlen von so Einem, als Anderen gleich vieles in die Gesellschaft
beigetragen worden wäre.
[3, 14, § 5] 61. Und hat dieses Beding wegen des
untheilbaren Zusammenhangs von Gewinn und Verlust die Wirkung, daß, wann auch
nur die Theile des Gewinns ohne jenen des Verlusts, oder dagegen diese ohne
jenen bestimmet worden wären, eben dergleichen Theile des nicht ausgedruckten
Gewinns oder Verlusts darunter verstanden werden.
[3, 14, § 5] 62. Die zweite Art des Bedings hingegen,
worinnen von der Gleichheit zwischen denen Theilen des Gewinns und jenen des
Verlusts dergestalten abgewichen wird, daß Einem mehrere Theile des Gewinns und
mindere des Verlusts, und dagegen dem Anderen mehrere von diesem und mindere
von jenem oder auch von Verlust gar keine zugeeignet werden, solle nicht
anderst gestattet sein, als wann diese Ungleichheit durch eine erweisliche
hinlängliche Ursach gerechtfertiget werden mag, in deren Abgang dieses Beding
für null und nichtig zu achten, und die Vertheilung ebenso, als ob keine
Bestimmung deren Theilen vorhergegangen wäre, aus der Natur des Contracts nach
Maß der Einlage vorzunehmen ist.
[3, 14, § 5] 63. Derlei rechtmäßige Ursachen der
Ungleichheit zwischen Gewinn und Verlust sind entweder eine mehrere Einlage auf
einer, als nicht auf der anderen Seite,
(3-252) oder eine besondere Mühewaltung, welche eine größere
Belohnung verdienet, oder die Uebernehmung größerer Gefahr oder mehreren
Aufwands, oder endlich eine sowohl aus Freigebigkeit, als aus Vergeltung oder
Erkenntlichkeit herrührende Schankung.
[3, 14, § 5] 64. Also kann z. B. ein Beding getroffen
werden, daß Jener, welcher Geld oder Gut eingeleget, zwei Theile des Gewinns
und einen des Verlusts und der Andere, welcher nur seine Mühe und Arbeit
beigetragen, zwei Theile des Verlusts, und einen des Gewinns haben, oder
dagegen dieser für seinen Fleiß mehreren Gewinn genießen und minderen Verlust
tragen solle.
[3, 14, § 5] 65. Desgleichen ist Jener, welcher mehr
eingeleget, befugt, sich einen gewissen Betrag des ungewissen Gewinns
auszubedingen, und das Uebrige, was darüber erworben würde, dem Anderen zu
überlassen, in welchem Fall aber dieser zu nichts Mehreren verbunden wird, als
was an dem Gewinn erhalten worden, wann gleich nicht so vieles, als bestimmet
worden, gewonnen würde.
[3, 14, § 5] 66. Dagegen ist auch das Beding giltig,
worinnen Jener, welcher in der Gesellschaft seine Mühe und Arbeit beigetragen,
auf dem Fall, da die Mascopei unglücklich abliefe, sich zum Wenigsten einen
jährlichen Lohn oder Besoldung ausbedungen hat.
[3, 14, § 5] 67. Nicht weniger kann auch Jener, welcher
seine Mühe und Arbeit beiträgt, die Gefahr des Verlusts der Einlage des Anderen
nicht nur zum Theil, sondern auch ganz übernehmen, wann ihme nur dagegen auch
ein größerer Antheil des sich ergebenden Gewinns vorbehalten worden.
[3, 14, § 5] 68. Und überhaupt kann ein Gesellschafter dem
anderen seine Einlage auf dem Fall des Verlusts gewähren und versicheren, wann
er entweder sich größere Theile des Gewinns ausbedungen, oder weniger, oder
auch gar nichts eingeleget, dann solchen Falls ist die übernommene Gefahr der
Einlage für einen wirklichen Beitrag zu achten.
[3, 14, § 5] 69. Ebenso können zwar Schankungs halber
Jemanden in einer Gesellschaft bessere Bedingnussen eingestanden, niemalen aber
Einem allein der ganze Gewinn zugetheilet werden, noch weniger mit Jemanden,
der gar nichts beigetragen, wegen bloßer Schankung ein Gesellschaftscontract
bestehen.
[3, 14, § 5] 70. Dahingegen ist nicht erlaubet, daß ein
Gesellschafter dem anderen seine Einlage sammt dem Gewinn gewähre und
versichere, welches Gewährungsbeding für null und nichtig, und wann nach Beschaffenheit
der Handlung der Gewinn die erlaubte Zinsen übersteigen würde, für wucherlich
gehalten werden solle.
[3, 14, § 5] 71. Die Theile des Gewinns und Verlusts werden
nicht nur allein von denen Gesellschafteren gleich Anfangs der Handlung
bestimmet, sondern sie können auch untereinander dahin übereinkommen, daß nach
geendigter Gesellschaft entweder einer von ihnen, oder auch ein Dritter,
welcher mit ihrer allseitigen Einwilligung zum Schiedsmann erkieset worden, die
Theile legen solle.
[3, 14, § 5] 72. Dieser Gesellschafter oder Schiedsmann,
welcher die Theile zu legen hat, darf jedoch nicht nach eigener Willkür und
Gefallen in der Theilung fürgehen, sondern derselbe ist dabei an die ihme mit
Einverständniß aller Theihaberen (= Theilhaberen) vorgelegte Richtschnur, oder
in deren Ermanglung an die Natur des Contracts gebunden, nach welcher er die
Theilung vorzunehmen hat; inwieweit aber dem andurch verkürzten Theil wider den
schiedsrichterlichen Ausspruch eine Rechtshilfe zu statten komme, wird unten in
achzehenten Capitel, wo eigends von Schiedsmännern gehandlet wird, erkläret
werden.
[3, 14, § 5] 73. Ereignete es sich hingegen, daß der
erkieste Theilleger noch vor wirklicher Bestimmung deren Theilen verstürbe, so
ist zu unterscheiden, ob die Gesellschaft schon durch die geleistete Einlage
und Treibung des Gewerbs ihren Anfang genommen oder nicht, sondern die Sache
sich noch in ihrer Gänze befinde.
[3, 14, § 5] 74. Ersteren Falls bestehet nichtsdestoweniger
der Contract bei Kräften, und
(3-253) die Theilung hat nach der Natur der Handlung eben
also zu geschehen, als ob dieses Beding niemalen beigesetzet worden wäre,
letzteren Falls aber zerfallet die Handlung aus Abgang der Bedingnuß, unter
welcher sie geschlossen worden.
§. VI.
[3, 14, § 6] 75. Der Gesellschaftscontract ist seiner Natur
nach zweibündig, woraus alle Theilhabere schon Anfangs in der Hauptsache gegen
einander gleich verbunden werden. Diese Verbindlichkeit enthaltet drei
wesentliche Stücke, als:
[3, 14, § 6] 76. Erstens, die Leistung oder Erlag des
gemeinschaftlichen Beitrags in die Gesellschaft in derjenigen Maß, wie deren
Jeder sich hierzu bei Errichtung des Contracts anheischig gemacht hat;
zweitens, die Theilung des Gewinns und Verlusts nach denen in
gleichvorhergehenden §. vorgeschriebenen Maßregeln, und endlich
[3, 14, § 6] 77. Drittens, die Verwaltung des
gemeinschaftlichen Guts, mit welcher folgende Schuldigkeiten verknüpfet seind,
daß derjenige Gesellschafter, deme die Verwaltung und Besorgnuß des
gemeinschaftlichen Gewerbs anvertrauet ist, vor Allem eine verläßliche
Beschreibung oder Inventarium sowohl aller in die Gesellschaft gehörigen Güter,
Habschaften und Forderungen, als deren Schulden in Beisein und mit Zuziehung
aller übrigen Theilhaberen verfasse.
[3, 14, § 6] 78. Würde er aber ohne Errichtung eines
Inventarii sich in die Verwaltung einlassen, so ist er nicht allein für Alles,
was die übrige Theilhabere an dem gemeinschaftlichen Gut zur Zeit der von ihme
angetretenen Verwaltung vorhanden gewesen zu sein erweisen würden, Red und Antwort
zu geben, und für das Abgängige zu haften, sondern auch, da sie ein Mehreres,
als er nicht angegeben, anderer Gestalt nicht zu erweisen vermöchten, sein
Angeben auf jedesmaliges Erforderen mit einem körperlichen Eid, daß nichts
Mehreres vorhanden ware, zu bestärken schuldig.
[3, 14, § 6] 79. Nicht weniger lieget ihme ob über seine
Verwaltung ordentliche und richtige Rechnungen entweder nach Kaufmannsgebrauch,
oder doch wenigstens mit Beobachtung deren allgemeinen zur Rechnungsrichtigkeit
nothwendigen Erfordernussen, wie es die Verschiedenheit deren zu besorgen
habenden Geschäften mit sich bringet, also daß er solche jederzeit mit guten
Gewissen beschwören möge, zu führen, und nicht allein denen anderen
Theilhaberen zu allen Zeiten die freie Einsicht hierein zu gestatten, sondern
auch selbe, wann und so oft es begehret wird, zu ihren Handen zu erlegen.
[3, 14, § 6] 80. In diese Rechnungen muß die Einnahme und
Ausgabe getreulich eingetragen, von dem Empfang nichts unterschlagen, noch
etwas in Ausgab geleget werden, was nicht erwiesen werden kann, und überhaupt
ist jeder Gesellschafter schuldig in Verwaltung deren gesellschaftlichen
Geschäften einen gleichen Fleiß und Sorgfalt, wie in seinen eigenen Sachen
anzuwenden, und für allen aus seiner Gefährde oder Schuld verursachten Schaden
zu haften.
[3, 14, § 6] 81. Es ist ihme dahero nicht erlaubet die durch
seine Schuld zugefügte Schäden der Gesellschaft anzurechnen, noch weniger
solche mit dem andererseits von ihme verschafften Gewinn auszugleichen und zu
vergelten, sondern der Schaden
(3-254) solle von ihme denen übrigen Gesellschafteren
entweder mittelst Abzugs an seinem Antheil, oder mit baaren Ersatz vergütet
werden, wann er denjenigen Fleiß nicht angewendet, zu deme er aus der Natur des
Contracts verbunden ware.
[3, 14, § 6] 82. Er hätte dann mit dem gemeinschaftlichen
Gut über die genommene Abrede ein besonderes Gewerb auf seine Gefahr
angestoßen, wodurch derselbe zwar auf einer Seite eingebüßet, auf der anderen
aber einen so beträchtlichen Gewinn erworben hätte, daß hieran über Abzug des
Verlusts noch so vieles erübriget würde, als nicht sonst von dem Anfangs der
Handlung verabredeten Gewerb zu erwarten gewesen wäre. In diesem Fall allein
ist es billig, daß der Schaden, wiewohlen er aus Schuld des Gesellschafters
geschehen, der Gesellschaft angerechnet, und vorher von dem Gewinn abgezohen
werde, ehe solcher unter die Gesellschaft vertheilet wird.
[3, 14, § 6] 83. Dagegen aber müssen dem verwaltenden
Gesellschafter alle zu Beförderung des gemeinsamen Nutzens gemachte nothwendige
Auslagen, und die auch an seinen eigenen Sachen aus unmittelbaren Zusammenhang
mit der Gesellschaft erlittene Schäden, als z. B. sein ihme auf einer zum
Nutzen der Gesellschaft unternommenen nothwendigen Reise geraubtes Gut, so viel
hieran erweislich ist, aus dem gemeinsamen Gut ersetzet, und überhaupt jedem
Gesellschafter all Jenes geleistet werden, zu was sich dieselbe untereinander
verbunden haben, oder was die Natur des Contracts erforderet.
[3, 14, § 6] 84. Aus dieser Verbindlichkeit erwachset die
einem jeden Gesellschafter und seinen Erben wider den Anderen und dessen Erben
zustehende Rechtsforderung zu Leistung alles dessen, was ihme entweder aus der
Natur des Contracts, oder aus der genommenen Abrede gebühret.
[3, 14, § 6] 85. Dann wiewohlen die Erben eines
Gesellschafters zu Fortsetzung der Gesellschaft nicht verhalten werden mögen,
so treten sie doch sowohl in die Rechten, als in die Verbindlichkeit ihres
Erblassers insoweit ein, daß sie nicht allein alles Dasjenige, was ihme aus der
Gesellschaft bis zu seinem Absterben hinauszuzahlen gewesen, anzuforderen
befugt, sondern auch, was derselbe in die Gesellschaft zu ersetzen gehabt, zu
leisten schuldig sind.
[3, 14, § 6] 86. Diese Rechtsforderung kann entweder bei
noch bestehenden Gesellschaftscontract, oder nach dessen Endigung angestrenget
werden, und zwar ersteren Falls zu Leistung des versprochenen Beitrags, zu
Ergänzung des durch Schuld oder Gefährde verringerten, oder zu Beischaffung des
vorenthaltenen gemeinsamen Guts, zu Ersetzung deren wegen gemeinsamen Nutzens
gemachten erweislichen Auslagen und erlittenen Schäden, zu Legung deren
Gesellschaftsrechnungen, und zu Erfüllung alles dessen, zu was die
Gesellschaftere sich wegen Verwaltung deren gemeinschaftlichen Geschäften untereinander
verglichen haben.
[3, 14, § 6] 87. Letzteren Falls aber über alles dieses auch
zu Vertheilung des Gewinns und Verlusts; solange hingegen der
Gesellschaftscontract fürwähret, kann die Vertheilung des Gewinns und Verlusts
nicht anbegehret, noch weniger von einem Gesellschafter wider Willen des
anderen von dem Gewinn etwas herausgezogen werden.
[3, 14, § 6] 88. Es seie dann, daß schon Anfangs die Zeit
gesetzet worden, wann jedesmal die Ausgleichung oder Bilanz gezogen, und der
Gewinn vertheilet werden solle, oder daß der Zustand deren Theilhaberen solches
erheischete, als da sie Bauersleute, Handwerker oder sonstige arme Personen
wären, die sich von ihrem täglichen Verdienst ernähren müssen.
[3, 14, § 6] 89. Oder auch daß der eine Gesellschafter ausdrücklich,
oder stillschweigend hierein willigte, als da er dem Anderen etwas aus der
Gesellschaft herauszunehmen wissentlich und ohne Widerrede gestattete, in
welchem Fall aber gleichermaßen ihme eben so vieles herauszuziehen nicht
verwehret werden kann, oder daß endlich ein
(3-255) Gesellschafter nach der Zeit in einen solchen
Nothstand verfiele, woraus ihme in andere Wege nicht geholfen werden könnte.
[3, 14, § 6] 90. Wo aber die Theilung des Gewinns
vorgenommen würde, und entweder noch einige unabgestattete Schulden der
Gesellschaft vorhanden, oder einem Gesellschafter außer deme, was er empfangen,
etwas nach Erfolg einer noch hangenden Bedingnuß hinaus gebührete, oder von
ihme an Ausständen, oder an dem zu leisten habenden Ersatz in die Theilung
nachzutragen wäre, oder sonst eine noch zu gewärtigen habende gemeinschaftliche
Einbuße oder Auslage bevorstünde, sind jene Gesellschaftere, welche auf diese
Fälle denen Anderen etwas zu erstatten hätten, für so vieles, als auf eines
Jeden Antheil hieran ausfiele, eine hinlängliche Bürgschaft einzulegen, oder so
viel von ihrem Antheil indessen zuruckzulassen schuldig.
§. VII.
[3, 14, § 7] 91. Der von seinem Mitgesellschafter aus diesem
Contract belangte Gesellschafter hat die Rechtswohlthat der Selbstbedürfnuß,
oder des ihme zu belassen habenden nothdürftigen Unterhalts, wann derselbe
nicht so viel in Vermögen hätte den Kläger seiner Forderung halber vollständig
zu vergnügen, oder doch sein nach Abstattung des eingeklagten Betrags
erübrigendes Vermögen zu seinen ohnentbehrlichen Lebensunterhalt nicht
zureichend wäre.
[3, 14, § 7] 92. Damit aber der beklagte Gesellschafter sich
dieser Rechtswohlthat erfreuen möge, ist erforderlich, erstens, daß Kläger mit
seiner Einlage vollkommen befriediget worden, oder da er nur seine Mühe und
Arbeit beigetragen, an der Einlage nichts zu forderen hätte, und es also blos
um Beziehung des Gewinns zu thun seie.
[3, 14, § 7] 93. Zweitens, daß Beklagter ein Gesellschafter
zu sein nicht boshafter Weise gelaugnet, weder sich dieser Rechtswohlthat
begeben, noch sich zu Verkürzung des Klägers einer geflissentlichen Gefährde
schuldig gemacht habe, sondern der Ersatz lediglich wegen einer seinerseits
unterwaltenden Schuld zu leisten seie.
[3, 14, § 7] 94. Drittens, daß seine Unvermögenheit kundbar,
oder doch rechtsbehörig erwiesen werde, und von dem Kläger die Mitteln, woraus
er ohne Abbruch des bedürftigen Unterhalts für den Beklagten seine Befriedigung
erholen könnte, nicht ausgewiesen werden mögen.
[3, 14, § 7] 95. Wann nun alle diese Erfordernussen
zusammentreffen, so ist Kläger von dem ihme zuerkannten Gewinnsantheil so
vieles, als zu des Beklagten Mitgesellschafters nothdürftigen Lebensunterhalt
nach Beschaffenheit seines Standes durch richterliche Ausmessung bestimmet
werden wird, dergestalten zuruckzulassen schuldig, daß dem Beklagten lediglich
auf Lebszeiten, und bis daß er nicht zu besseren Vermögensumständen gelangen
würde, der Genuß davon gebühren, das Eigenthum aber ihme Klägern versicheret
bleiben solle.
[3, 14, § 7] 96. Diese Rechtswohlthat aber erstrecket sich
über die Person des Mitgesellschafters nicht, und kann weder dessen Erb, noch
Bürge, noch auch der Gesellschafter wider die Ruckforderung des Bürgens solche
vorschützen.
§. VIII.
[3, 14, § 8] 97. Aus Absicht des gemeinschaftlichen Nutzens
aller Theilhaberen, worauf der Gesellschaftscontract abzielet,
erwachset ihre allseitige Verfänglichkeit gegeneinander
(256) für Gefährde, dann die große und leichte oder mittlere
Schuld, welche aber nicht nach dem anderen Leuten sonst gemeinen Fleiß und
Sorgfalt, sondern nach demjenigen Grad des Fleißes abzumessen ist, welchen ein
Gesellschafter in seinen eigenen Geschäften anzuwenden pfleget.
[3, 14, § 8] 98. Was also der Gesellschaft aus Gefährde,
dann großen oder leichten Schuld des Gesellschafters entgehet, ist derselbe zu
ersetzen schuldig, und da er in dem richterlichen Urtheil eine vorsätzliche
Veruntreuung des gesellschaftlichen Guts ausgedrucket würde, solle ein solcher
Gesellschafter für ehrlos gehalten werden.
[3, 14, § 8] 99. Ansonsten aber, wann derselbe in dem
Urtheil keiner Veruntreuung schuldig zu sein erkannt würde, ist ihme der zu
leisten auferlegte Ersatz, wozu er verurtheilet wird, an seiner Ehre und guten
Namen unschädlich, obgleich in dem Urtheil keine ausdrückliche Ehrenverwahrung
enthalten wäre.
[3, 14, § 8] 100. Für zufällige Schäden hingegen, wozu die
Verwahrlosung und Fahrlässigkeit des Gesellschafters keinen Anlaß gegeben, ist
kein Gesellschafter dem anderen zu haften schuldig, sondern diese sind von
Allen nach Maß des entweder aus der Natur des Contracts, oder aus dem
getroffenen Beding auf deren jeden ausfallenden Antheils zu tragen, woferne
solche nicht von Einem oder Mehreren allein übernommen worden wären, oder sich
nur an der Einlage dessen ereigneten, welcher sich deren Eigenthum vorbehalten
hat, in welchem Fall auch dieser allein die sich hieran ohne Schuld des Anderen
ergebende Einbuße zu leiden hat.
§. IX.
[3, 14, § 9] 101. Aus dem Band der Gesellschaft fließen
nicht nur allein die Rechten und Verbindlichkeiten deren Gesellschafteren
untereinander, sondern dieses wirket auch so viel, daß ein Dritter aus einer
mit der Gesellschaft geschlossenen Handlung derselben verbunden werde, und
dagegen sich solche verbindlich mache.
[3, 14, § 9] 102. Es sind aber dabei die mannigfältige Fälle
wohl zu unterscheiden, ob nemlich die Handlung mit einem Dritten von allen
Gesellschafteren mit gemeinsamer Einwilligung, oder von deren Einigen, oder nur
von Einem allein entweder in Namen der Gesellschaft, oder für sich zu seinen
eigenen Handen eingegangen worden.
[3, 14, § 9] 103. Geschieht solches mit gemeinsamer
Einwilligung aller Gesellschafteren, es seie gleich durch sich selbst, oder
durch einen gemeinschaftlich bestellten Handlungsvorgesetzten, wann dieser die
Vollmacht nicht überschreitet, so werden sie auch Alle nach Maß ihres in der
Gesellschaft habenden Antheils dem Dritten verbunden, und machen sich auch
diesen dagegen verbindlich, also zwar, daß Alle zusammen denselben um die ganze
Schuld, ein Jeder insonderheit aber nur für seinen Antheil belangen, und
hingegen auch wiederum von ihm in eben dieser Maß belanget werden können.
[3, 14, § 9] 104. Es seie dann, daß Alle sich sammt und
sonders gegen dem Dritten, oder dieser sich gegen dieselbe mit ungetheilter
Hand verbunden hätte, in welchem Fall der Dritte von einem Jeden, und dagegen
deren Jeder von dem Dritten die ganze Schuld einforderen kann, wie es in ersten
Capitel, §. III, mit Mehreren erkläret worden.
[3, 14, § 9] 105. Oder daß ein Dritter von allen
Gesellschafteren, oder diese von Jenem durch Gefährde und Arglist verkürzet
worden wären, welchen Falls, wann die Gefährde erweislich ist, auch deren Jeder
von dem Dritten so wie dieser
(3-257) von einem jeden Gesellschafter um den ganzen Betrag
des Schadens besprochen werden mag.
[3, 14, § 9] 106. Die Verbindlichkeit gegen einem Dritten
gehet aber sowohl in vorstehenden, als folgenden Fällen nicht auf den Betrag
der Einlage allein, sondern wann gleich diese zu Abstattung der Schuld nicht
hinlänglich wäre, auch auf deren Theilhaberen übriges Hab und Vermögen, was in
die Gesellschaft nicht eingebracht worden, also daß das Verhältniß deren
gebührenden Antheilen nur die Maß der von einem Jeden zu leisten habenden
Zahlung bestimme, nicht aber die Forderung eines Dritten auf die Einlage allein
beschränke.
[3, 14, § 9] 107. Wäre aber die Handlung nur von einigen
Gesellschafteren ohne Zuthat deren Uebrigen in Namen der Gesellschaft mit einem
Dritten geschlossen worden, werden zwar diese, welche die Handlung eingegangen,
gegen dem Dritten, und dieser gegen dieselbe hieraus verbindlich, doch kann
denen Uebrigen weder ein Recht wider den Dritten, noch eine Verbindlichkeit
gegen demselben aus einer solchen Handlung erwachsen, wann sie nicht entweder
ausdrücklich übereinsgekommen, das was von Einem veranlasset, auch von allen
Uebrigen genehm gehalten, oder die Gesellschaft von ihnen sammt und sonders
betrieben werden solle, oder sie denen Anderen hierzu die Vollmacht entweder
ausdrücklich oder stillschweigend gegeben haben.
[3, 14, § 9] 108. Eine solche stillschweigende Vollmacht
wird vermuthet, wann ein jeder Gesellschafter insonderheit einen verschiedenen
Theil deren Geschäften besorget, als Einer den Waarenhandel, der Andere den
Geldwechsel, oder auch einerlei Geschäften in verschiedenen Orten, als Einer zu
Wien, der Andere zu Prag, in welchen Fällen der Eine auch aus der Handlung des
Anderen mit einem Dritten nach Maß seines Antheils verbindlich wird, wann nicht
ausdrücklich bedungen worden, daß Keiner ohne Wissen und Willen deren Anderen in
Namen der Gesellschaft etwas vorzunehmen befugt sein solle.
[3, 14, § 9] 109. Wo aber ein solches Beding eingegangen
worden, oder sonst keiner von vorerwähnten Umständen unterwaltete, werden weder
die übrige Gesellschaftere aus der Handlung Anderer dem Dritten, noch dieser
ihnen verbindlich, außer insoweit derselbe das Seinige zum Nutzen der
Gesellschaft verwendet worden zu sein, oder diese, daß die an ihme zu forderen
habende Schuld ein gesellschaftliches Gut seie, zu erweisen vermögen.
[3, 14, § 9] 110. Würde hingegen die Handlung nur von einem
Gesellschafter allein in Namen der Gesellschaft mit einem Dritten eingegangen,
so wird dieser dem Dritten für den ganzen Betrag der Schuld, wann gleich solche
seine in der Gesellschaft habende Einlage weit überstiege, verbindlich,
gleichwie er auch dagegen von dem Dritten für sich allein Alles, was er aus
dieser Handlung zu erstatten schuldig ist, einforderen kann.
[3, 14, § 9] 111. Bei seinen
Mitgesellschafteren aber ist darauf zu sehen, ob derselbe von ihnen zu Besorgung
deren gemeinschaftlichen Geschäften vorgesetzet, oder ihme auf die oben in num.
107 und 108 erklärte Weis ausdrücklich oder stillschweigend die Vollmacht
hierzu gegeben worden, oder nicht.
[3, 14, § 9] 112. Ersteren Falls werden sie aus der Handlung
ihres Mitgesellschafters, wann er sich der ihme aufgetragenen Vollmacht gemäß
verhält, und solche nicht überschreitet, nur nach Maß ihrer in der Gesellschaft
habenden Antheilen, und gegentheils der Dritte ihnen in eben dieser Maß
verbunden, außer es wäre unter ihnen ausgemacht worden, daß sie Alle für derlei
Handlungen sammt und sonders haften wollen, oder der Dritte sich gegen alle
Gesellschaftere mit ungeschiedener Hand verstricket hätte.
[3, 14, § 9] 113. Außer diesem Beding hat der Dritte die
Auswahl, ob er denjenigen Gesellschafter, der die Handlung mit ihme
eingegangen, um den ganzen Betrag der Schuld belangen, oder solche von einem
jeden Mitgesellschafter nach Maß seines in der Gesellschaft habenden Antheils
einforderen wolle.
(3-258) [3, 14, § 9] 114. Erwählet er das Erstere, und das
Vermögen des Beklagten wäre nicht hinlänglich ihn seiner Forderung halber zu
vergnügen, so bleibet ihme noch allemal bevor, das Uebrige von den anderen
Mitgesellschafteren zu erholen, obschon solches des vorgesetzten Mitgesellschafters
Antheil übertreffen würde, dann die gegebene Vollmacht wirket so vieles, daß
Jenes, was von dem Bevollmächtigten nicht erholet werden kann, denen Theilen
deren Befehlsgebere zuwachse.
[3, 14, § 9] 115. Letzteren Falls aber, wo der mit einem
Dritten, wiewohlen in Namen der Gesellschaft, eine Handlung schließende
Mitgesellschafter von denen Uebrigen weder eine ausdrückliche, noch
stillschweigende Vollmacht hierzu bekommen, weder auch ein Beding eingegangen
worden, welches sie hieraus verbindlich machen könnte, gehet ihnen aus derlei
Handlung weder ein Recht, noch Verbindlichkeit zu, außer insoweit der Dritte
sein Geld oder Gut zum Nutzen der Gesellschaft verwendet worden zu sein, oder
dagegen die Gesellschaftere, daß die Schuld ein gesellschaftliches Gut seie,
erweisen könnten.
[3, 14, § 9] 116. Desgleichen, wo ihme die Vollmacht nur von
Einigen, und nicht von Allen ertheilet worden wäre, werden nur Jene, welche die
Vollmacht gegeben, nicht aber auch die Andere hieraus verbindlich, wann nicht
die Verwendung zu ihrer Aller gemeinschaftlichen Nutzen erweislich ist.
[3, 14, § 9] 117. Ebensowenig kann denen übrigen
Gesellschafteren eine Verbindlichkeit aus derlei Handlungen erwachsen, wann der
Vorgesetzte oder bevollmächtigte Mitgesellschafter seine Vollmacht oder das
Beding der Gesellschaft überschreitet, als da er die Handlung in einem anderen
Ort, oder mit einer anderen Gattung von Waaren, als nicht in dem
Gesellschaftscontract beliebet, oder in der Vollmacht ausgemessen worden,
eigenwillig treiben würde.
[3, 14, § 9] 118. Noch weit minder aber können jene
Handlungen, welche von einem Mitgesellschafter für sich allein zu seinen
Handen, und nicht in Namen der Gesellschaft mit einem Dritten eingegangen
werden, und wofür alle zu halten sind, worinnen von der Gesellschaft keine
ausdrückliche Meldung geschieht, die übrige Gesellschaftere in die
Verbindlichkeit mit einziehen.
[3, 14, § 9] 119. Und dieses hat auch statt, wann gleich der
Dritte ohne Einwilligung deren Anderen von ihme zu seinem Mitgesellschafter
aufgenommen, oder die gemeinsame Verbindlichkeit aller Gesellschafteren für
Alles, was Einer von ihnen in Namen der Gesellschaft unternehmen würde,
bedungen, oder der für sich eine Verbindung treffende Mitgesellschafter zu
Besorgnuß deren gemeinschaftlichen Geschäften vorgesetzet und bestellet worden
wäre, oder auch die Sache selbst, welche die Verbindung betrifft, ein in die
Gesellschaft gehöriges Gut gewesen wäre.
[3, 14, § 9] 120. Es könnte dann der Dritte darzeigen, daß
das beim Mitgesellschafter zu seinen Handen gegebene Geld oder Gut in die
Gesellschaft eingebracht, oder zu ihrem Nutzen verwendet worden, in welchem
Fall auch Alle nach Maß ihrer Antheilen dafür verfänglich sind.
§. X.
[3, 14, § 10] 121. Die Gesellschaft endiget sich auf
viererlei Art, als erstens, durch Absterben eines Gesellschafters, wann gleich
die Zeit, wie lang dieselbe fürzuwähren habe, bestimmet gewesen wäre, und
derselbe binnen solcher verstürbe; andurch aber wird die Gesellschaft nicht nur
an Seiten des Verstorbenen, sondern auch an Seiten deren überlebenden
Mitgesellschafteren unterbrochen, wann sie nachhero nicht
(3-259) durch ausdrückliche oder stillschweigende
Einwilligung von ihnen wieder erneueret wird, oder die Gesellschaftere nicht
schon Anfangs dahin übereingekommen, daß auch nach Ableben eines Theilhabers
die Gesellschaft gleichwohlen noch unter denen Uebrigen fortdaueren solle.
[3, 14, § 10] 122. Die Erben des Verstorbenen können dahero,
obschon es Anfangs von ihme also bedungen worden wäre, nicht wider ihren Willen
zu Fortsetzung der Gesellschaft, wohl aber zu Leistung dessen, was ihr
Erblasser in die Gesellschaft einzubringen schuldig ware, angehalten werden,
gleichwie ihnen auch alles Dasjenige gebühret, was der Verstorbene aus der
Gesellschaft bis auf dem Tag seines Ablebens rechtmäßig zu forderen hatte.
[3, 14, § 10] 123. Da aber der Erblasser in seinem letzten
Willen die Erben dahin verbunden hätte, bei Verlust der Erbschaft die
Gesellschaft fortzuführen, sind sie zwar den Willen ihres Erblassers zu
erfüllen, und in die Gesellschaft einzutreten schuldig, wann sie der Erbschaft
nicht verlustig sein wollen; die Mitgesellschaftere des Verstorbenen hingegen
können deswegen nicht gezwungen werden, wann sie nicht wollen, die Erben in die
Gesellschaft einzunehmen, woferne dieselbe nicht schon durch ein vorheriges
Beding sich hierzu anheischig gemacht haben.
[3, 14, § 10] 124. Ergäbe sich jedoch, daß die überlebende
Theilhabere noch ehe und bevor ihnen der Todsfall ihres Mitgesellschafters
bekannt würde, die gemeinschaftliche Geschäften fortgeführet hätten, so sind
die Erben des Verstorbenen auch alle hierauf verwendete Auslagen, und die sich
ereignete Schäden eben sowohl nach Maß des auf sie ausfallenden Antheils
mitzutragen, als dagegen die übrige Theilhabere den Gewinn mit ihnen zu theilen
schuldig.
[3, 14, § 10] 125. Um damit also die Erben von aller
weiteren Verfänglichkeit sich entledigen mögen, müssen sie den Todsfall ihres
Erblassers denen übrigen Theilhaberen bedeuten, gleichwie in Gegentheil diese,
wann sie fernershin mit Jenen den Gewinn nicht theilen wollen, denenselben ihre
aus der Gesellschaft hinaus gebührende Antheile auszufolgen haben, dann solange
mit dem denen Erben angehörigen Gut das gemeinschaftliche Gewerb ohne ein- oder
anderseitigen Widerspruch fortgetrieben wird, nehmen sie Theil an Gewinn und
Verlust.
[3, 14, § 10] 126. Was von Absterben eins Mitgesellschafters
gemeldet worden, verstehet sich auch von allen Fällen, worinnen ein
Mitgesellschafter die freie Verwaltung seines Vermögens verlieret, oder in
einem solchen Zustand versetzet wird, in welchem die Gesellschaft gleich
Anfangs mit ihme nicht hätte bestehen können, als da er die feierliche
Ordensgelübde ablegete oder Schulden halber sein Vermögen in gerichtlichen
Beschlag genommen, oder wegen Verbrechens zu Handen Unserer Kammer eingezogen,
oder er des Landes verwiesen, oder für ehrlos erkläret würde.
[3, 14, § 10] 127. Zweitens höret die Gesellschaft auf durch
willkürlichen Abstand entweder aller Gesellschafteren, oder auch nur eines
allein, maßen Niemand wider seinen Willen in einer Gesellschaft zu verharren
gezwungen werden kann, wann nur der Abstand nicht zur Unzeit geschieht, und
denen übrigen Mitgesellschafteren ordentlich bedeutet wird.
[3, 14, § 10] 128. Zur Unzeit aber tritt ein Gesellschafter
aus, wann er entweder aus Gefährde zur vorsätzlichen Benachtheilung deren
übrigen Mitgesellschafteren sich von der Gesellschaft absönderet, als etwan um
sich den Gewinn allein zuzueignen, oder den ganzen Schaden denen Anderen
aufzulasten, oder da die Gesellschaft auf eine bestimmte Zeit eingegangen
worden wäre, ein Gesellschafter vor deren Verlauf ohne rechtmäßiger Ursach
davon abstehen wollte.
[3, 14, § 10] 129. In diesen Fällen wirket ein solcher
unzeitiger Abstand die Auflösung der gesellschaftlichen Verbindlichkeit nur an
Seiten deren übrigen Mitgesellschafteren, nicht aber auch an Seiten des
Abstehenden, also daß von dieser Zeit an diese von ihme, nicht aber er von
jenen befreiet werde, sondern derselbe von den nachherigen
(3-260) Schaden allein zu tragen, den Gewinn aber noch
allemal in die Theilung zu legen verbunden bleibe.
[3, 14, § 10] 130. Die rechtmäßige
Ursachen eines vor der Zeit erlaubten Abstands von der Gesellschaft sind nicht
nur alle diejenige, welche oben num. 126 erwähnet worden, sondern auch alles
das, was aus Schuld des anderen Mitgesellschafters die Betreibung des
gemeinschaftlichen Gewerbs verhinderet, als da derselbe seinerseits die
contractmäßige Verabredung nicht erfüllet, oder sich fahrläßig oder unruhig
betragen, oder sonst zu einem befahrenden beträchtlichen Schaden seines
Mitgesellschafters Anlaß gegeben hätte.
[3, 14, § 10] 131. Wo aber Jemandens Austritt aus der
Gesellschaft dem abwesenden Mitgesellschafter bedeutet würde, währet die
gesellschaftliche Verbindung auf beiden Seiten unter dieser Zeit so lange fort,
bis daß der Abwesende des Anderen Gesinnung in Erfahrnuß gebracht hat.
[3, 14, § 10] 132. Drittens erlöschet die Gesellschaft mit
Beendigung deren Geschäften, oder Verlust deren Sachen, wegen welcher dieselbe
geschlossen worden, also daß nichts erübrige, womit das gemeinschaftliche
Gewerb betrieben werden könne.
[3, 14, § 10] 133. Viertens mit Verlauf der Zeit, worauf die
Gesellschaft eingegangen worden, wann gleich das angefangene Geschäft noch
nicht bis dahin vollbracht worden wäre; es seie dann, daß die Gesellschaft
entweder ausdrücklich oder stillschweigend von denen Theilhaberen erneueret
würde, als da alle insgesammt ohne Jemands Widerrede die gesellschaftliche
Geschäften gemeinschaftlich entweder selbst fortführeten oder doch fortführen
ließen.
[3, 14, § 10] 134. Auf was immer für Art aber die
Gesellschaft beendiget würde, stehet sonach jedem Theilhaber frei die Theilung
des gemeinschaftlichen Guts mit der unten in neunzehenten Capitel, §. IV,
beschriebenen Rechtsforderung anzubegehren.
(3-261) Caput XV.
Von Befehlscontract.
Inhalt:
§. I. Von der Natur und Eigenschaft des Befehlscontracts. §.
II. Von der Art und Weis Befehle aufzutragen. §. III. Von der Afterbestellung.
§. IV. Von Beschaffenheit deren anbefohlenen Geschäften. §. V. Von
Verbindlichkeit des Befehlshabers oder Gewalttragers, und der wider ihn
gebührenden Hauptforderung. §. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Befehlenden
oder Macht- und Gewaltgebers, und der wider ihn entstehenden Ruckforderung. §.
VII. Von Verständlichkeit für Schuld und Gefährde gegeneinander. §. VIII. Von
Aufhebung und Erlöschung des Befehls.
§. I.
[3, 15, § 1] Num. 1. Der Befehlscontract ist eine gutwillige
Vereinigung, wodurch Jemand ein ihme von dem Anderen aufgetragenes Geschäft umsonst
auszurichten auf sich nimmt.
[3, 15, § 1] 2. Dieser Contract kommt nicht weniger, als
alle vorherbeschriebene durch bloße Einwilligung beider Theilen zu Stand, also
daß, sobald als der Eine dem Anderen etwas anstatt seiner, und in seinen Namen
zu verrichten aufträgt oder befiehlt, und dieser solches aus Freundschaft und
guten Willen zu verrichten verspricht und über sich nimmt, der Befehlscontract
schon geschlossen ist, und heißet sodann der Auftrag, wann ihn der Andere
übernommen, ein Befehl, Gewalt und Vollmacht.
[3, 15, § 1] 3. Es ist dahero diese Handlung ihrer Natur
nach an sich ganz ohnentgeltlich, wodurch dieselbe sich von einem
Dingungscontract unterscheidet, worinnen für die Verrichtung fremder Geschäften
ein Lohn bedungen wird, wohingegen in dem Befehlscontract die Ausrichtung des
aufgetragenen Geschäfts umsonst und ohnentgeltlich übernommen werden muß.
[3, 15, § 1] 4. Die Wesenheit des Contracts wird aber
andurch nicht geänderet, wann gleich nach vollbrachter Ausrichtung eine
Belohnung, Verehrung oder Vergeltung zur Dankbarkeit abgereichet, oder auch
gleich Anfangs etwas dafür zu geben versprochen, oder endlich ohne vorherigen
Beding von jenen Personen, die von Betreibung einer gewissen Gattung Geschäften
ihren Unterhalt suchen, als da sind
(3-262) die Rechtsfreunde, Notarien, Unterhändler u. dgl.,
etwas für ihre Bemühung geforderet wird.
[3, 15, § 1] 5. Desgleichen ist der Unterschied eines
Befehls sowohl von Anempfehlung einer gewissen Person oder Geschäfts, als von
einem blos ertheilten Rathe wohl zu bemerken; dann eine Anempfehlung geschieht
nicht in Absicht sich daraus verbinden zu wollen, und Lobworte sind keine
Bindworte, sondern Derjenige, welchem von dem Anderen empfehlungsweise eine
Person oder Geschäft gelobet und angerühmet wird, behält noch allzeit die freie
Willkür es zu thun oder nicht, ohne daß der Andere gesinnet wäre, wann dieser
es gleich thäte, und ihme ein Schaden daraus entstünde, dafür verfänglich zu
werden.
[3, 15, § 1] 6. Ebenso macht ein bloßer Rath den Rathgeber
nicht verbindlich, wann gleich solcher zu Schaden dessen, der demselben
gefolget, ausschlüge; dann ein Rath erforderet nur Ueberlegung, verbindet aber
nicht zur Folge, sondern es hanget noch allemal von dem Willen Desjenigen ab,
deme der Rath gegeben worden, demselben zu folgen oder nicht, welcher sich
dahero den widrigen Ausschlag selbst zuschreiben muß, wann er ohne die Sache
genugsam erwogen zu haben sich auf den ihme ertheilten Rath eingelassen hat.
[3, 15, § 1] 7. Beide aber, sowohl die Empfehlung, als die
Rathsertheilung können an Seiten des Empfehlenden oder Rathgebenden verbindlich
werden, wann entweder eine vorsätzliche Gefährde und Arglist seinerseits dabei
unterwaltet, oder derselbe die Grenzen einer bloßen Empfehlung oder Rathgebung
überschreitet.
[3, 15, § 1] 8. Doch läßt sich die Gefährde und Arglist bei
Ertheilung eines Raths, oder bei Anempfehlung einer Sache nicht bloß aus dem
Erfolg schließen, dann auch der beste Rath kann die übleste Folge haben, ohne
daß der Rathgeber hieran Schuld trüge, sondern es muß der Vorsatz und Willen
dem Anderen zu schaden erwiesen werden, als da Jemand einen wissentlich
boshaften und untreuen Menschen dem Anderen um ihme sein Gut anzuvertrauen,
oder in seine Dienste zu nehmen anrühmete und empfehlete, oder eine Sache mit
boshafter Verschweigung der Gefahr zu unternehmen anrathete, die schon vorhero
ihme selbst übel ausgeschlagen wäre.
[3, 15, § 1] 9. Die Grenzen eines Raths oder Empfehlung
werden überschritten, wann Jemand es bei bloßer Anrühmung oder Anrathung nicht
bewenden ließe, sondern den Anderen durch allerlei Ueberredungen, fälschliche
Eingebungen und sonstige Zudringlichkeiten wider seinen Willen zu etwas
verführete, oder die Genugthuung für den daraus entspringenden Schaden
ausdrücklich verheißen, oder die Gefahr des Ausgangs dessen, was er anempfohlen
oder angerathen, auf sich genommen, oder endlich Jemand, der sich einer Kunst
oder Hantierung kündig zu sein ausgäbe, aus Unerfahrenheit einen schädlichen
Rath ertheilet hätte.
[3, 15, § 1] 10. In allen diesen Fällen, wo dem Anderen ein
Schaden hieraus erwachsete, und er an dem Betrug keinen Theil nähme, ist der
Empfehlende oder Rathgebende dafür zu stehen schuldig; wo aber der Andere in
dem auf die Benachtheiligung eines Dritten abzielenden Betrug mit verflochten wäre,
und dabei zu Schaden käme, kann er zwar an dem Rathgeber keinen Ersatz
anforderen, dahingegen sind Beide dem Dritten insoweit, als er andurch
verkürzet worden, verfänglich.
[3, 15, § 1] 11. Ein Befehl wird entweder ausdrücklich oder
stillschweigend aufgetragen, wann Jemand wissentlich und ohne Widerrede seine
Geschäften durch den Anderen verrichten läßt; durch bloßes Stillschweigen
hingegen wird kein Befehl übernommen, wann nicht die wirkliche Zuthat dessen,
deme solcher aufgetragen worden, hinzutritt, wie es in zweiten Capitel, §. XI,
num. 98 erkläret worden, oder Derjenige, deme der Befehl aufgetragen worden,
ein Amt auf sich hätte, welches zu Besorgung derlei Geschäften gewidmet wäre,
und er dem Auftrag nicht in der Zeit widerspräche.
[3, 15, § 1] 12. Nach Verschiedenheit des Gegenstands ist
eine Vollmacht entweder
(3-263) allgemein auf alle wie immer Namen habende
Geschäften, oder sonderheitlich nur auf ein oder mehrere bestimmte Geschäften
allein.
[3, 15, § 1] 13. Beide werden entweder mit freier Macht und
Gewalt nach eigenem Gutbefund zu schalten und zu walten aufgetragen oder nicht.
Der auf erstere Art lautende Befehl giebt dem Befehlshaber die Befugnuß alles
Dasjenige zu verrichten, worzu sonst eine absonderliche Vollmacht erforderlich
wäre, nicht aber der andere.
[3, 15, § 1] 14. Ferners werden die Vollmachten in
gerichtliche und außergerichtliche eingetheilet, nach deme sie gerichtliche
oder außergerichtliche Handlungen betreffen; von gerichtlichen Vollmachten wird
in vierten Theil bei der Gerichtsordnung gehandlet werden.
[3, 15, § 1] 15. Die außergerichtlichen sind entweder
zeigbar oder geheim, und nur blos zu des Bevollmächtigten seinem eigenen
Unterricht; erstere verbinden den Befehlenden auch gegen Demjenigen, mit deme
die Handlung geschlossen wird, letztere aber wirken nur die Verbindlichkeit
zwischen dem Befehlsgeber und Befehlshaber allein.
§. II.
[3, 15, § 2] 16. Befehle, sowohl auftragen, als annehmen
kann Jedermann, der Verbindungen zu treffen fähig ist, außer insoweit gewissen
Personen in vierten Theil in der Gerichtsordnung die Uebernehmung gerichtlicher
Vollmachten untersaget wird.
[3, 15, § 2] 17. Derjenige, welcher dem Anderen einen Befehl
aufträgt, wird der Befehls-, Macht- oder Gewaltgeber, und der Andere, welcher
dessen Ausrichtung auf sich nimmt, der Befehlshaber, Gewaltträger,
Bevollmächtigter oder Bestellter, und bei gerichtlichen Handlungen eigends der
Anwalt benamset.
[3, 15, § 2] 18. Ein Befehl zielet entweder nur auf Eines
oder auf Mehrerer Nutzen ab, und zwar nur zu Nutzen des Einen allein auf
zweierlei Art, als entweder auf den alleinigen Nutzen des Befehlenden, wann
derselbe die Besorgnuß seiner eignen Geschäften dem Anderen aufträgt, oder ihn
für sich zum Bürgen stellet, oder auf den alleinigen Nutzen eines Dritten, wann
Jemand dem Anderen befiehlt die Geschäften eines Dritten zu besorgen, oder für
ihn Bürgschaft zu leisten.
[3, 15, § 2] 19. Dahingegen kann kein Befehlscontract zum
alleinigen Nutzen dessen, deme der Befehl gegeben wird, bestehen, noch weniger
eine Verbindlichkeit wirken, sondern dieses ist bloß ein Rath und kein Befehl,
wann dabei nicht wenigstens mittelbar auf den Nutzen entweder des Befehlenden,
oder eines Dritten die Absicht gerichtet ist.
[3, 15, § 2] 20. Zum Nutzen Mehrerer kann ein Befehl auf
dreierlei Art gereichen, als entweder erstens, zum beiderseitigen Nutzen sowohl
des Befehlsgebers, als Befehlshabers, wann z. B. ein Schuldner seinem Gläubiger
auftrüge sich mit einer bei dem Dritten ausständigen Schuld bezahlt zu machen,
oder zweitens, zu Nutzen des Befehlsgebers und eines Dritten, wann z. B. Jemand
seine eigene, und eines Dritten Geschäften zugleich von dem Anderen besorgen
läßt, oder ihn für sich und einen Dritten zum Bürgen stellet, oder endlich
drittens, zum Nutzen des Befehlshabers und eines Dritten, wann z. B. Jemand dem
Anderen befiehlt einem Dritten Geld auf Zinsen vorzuleihen.
[3, 15, § 2] 21. In allen diesen Fällen aber, wo der Befehl
gleich Anfangs nicht mit auf den Nutzen des Befehlenden, sondern eines Dritten
abzielet, wird der Befehlsgeber jegleichwohlen in der Folge sowohl dem
Befehlshaber, wann diesem wegen des vollzogenen Befehls eine Rückforderung
gebührete, als auch dem Dritten, wann dessen Geschäften von dem Befehlshaber
nicht getreulich verwaltet worden, für den erweislichen Schaden zu haften
verbunden.
[3, 15, § 2] 22. Außergerichtliche Befehle können Einem nur
allein, oder auch Mehreren dergestalten aufgetragen werden, daß entweder Allen
sammt und sonders die
(3-264) anbefohlene Geschäften zu verrichten gestattet, oder
solche zwischen ihnen getheilet, oder aber ausdrücklich mit beigesetzet werde,
daß Keiner ohne dem Anderen etwas vorzunehmen befugt sein solle.
[3, 15, § 2] 23. Vollmachten können entweder mündlich oder
schriftlich ertheilet werden; es hat aber sowohl der nur mündlich
Bevollmächtigte, als Jener, welcher sich mit ihme ohne Vorzeignug einer
schriftlichen Vollmacht eingelassen, sich nachhero selbst beizumessen, wann sie
auf Erforderungsfall mit dem Beweis des mündlichen Auftrags nicht aufzukommen
vermögen.
[3, 15, § 2] 24. Eine schriftliche Vollmacht ist dahero
sowohl für den Befehlshaber selbst, als für den Dritten, welcher mit ihme zu
thun hat, allemal sicherer, um damit von dem Befehlgeber nicht allein jener
keiner Ueberschreitung des Befehls beschuldiget, sondern auch die mit diesem
geschlossene Handlung aus Vorwand der abgängigen Gewalt nicht entkräftet werden
möge.
[3, 15, § 2] 25. Zur Giltigkeit einer schriftlich
aufgesetzten Vollmacht wird erforderet, daß solche sowohl den Namen des
Befehlsgebers, als Befehlshabers, dann das Geschäft, welches zu verrichten
aufgetragen wird, entweder mit Vorschrift der Vollziehungsart, oder mit dem
ausdrücklichen Beisatz der versicherten Beangenehmung und Schadloshaltung, daß
nemlich der Befehlsgeber alles das, was der Befehlshaber in Sachen thun und
verrichten würde, ebenso als wann er es selbst gethan hätte, genehm halten, und
denselben in Allen schadlos halten wolle, und endlich die eigenhändige
Unterschrift und Petschaft des Ausstellers, wie nicht weniger Jahr und Tag der
Ausstellung deutlich enthalte.
[3, 15, § 2] 26. Dann wiewohlen die Schuldigkeit der
Genehmhaltung und Schadloshaltung, wann der Befehlshaber die Vollmacht nicht
überschreitet, schon aus der Natur der Handlung in einer jeden Vollmacht, wann
sie auch darinnen nicht ausgedrucket worden, verstanden wird, so ist doch
dieser Beisatz sowohl zur Sicherheit des Befehlshabers, als des Dritten, der
sich mit ihme eingelassen, in jenem Fall unumgänglich nothwendig, wo die Weise
des Vollzugs in dem Auftrag nicht mit vorgeschrieben worden.
[3, 15, § 2] 27. Und obschon jedem Aussteller freistehet
eine förmlich aufgesetzte Vollmacht auszufertigen, oder auch nur ein Blanquet
oder Carta bianca zu deren Aufsetzung unter seiner Handschrift und Petschaft
von sich zu geben, so müssen doch auch in einem solchen Blanquet alle obbemelte
Erfordernussen auf der umgeschlagenen Seiten des Blatts, worauf jenseits die
Unterschrift befindlich ist, mit eigener Hand des Ausstellers also gewiß
vermerket werden, wie im Widrigen eine solche Vollmacht ganz und gar ungiltig
sein solle.
[3, 15, § 2] 28. Wo aber Jemand eine zwar auf seinen Namen,
doch unter Fertigung seines Bevollmächtigten ausgestellte Urkunde in die
Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einzulegen hätte, ist über all Obiges noch
nöthig, daß die Vollmacht mit denen zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einverleibung ausgemessenen Erfordernussen versehen, und
neben der Urkunde zugleich in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
eingetragen werde.
[3, 15, § 2] 29. Es ist jedoch dabei nicht erforderlich, daß
zu einer jeden solchen Urkunde allemal eine absonderliche Vollmacht
ausgestellet werde, sondern da Jemand mehrere derlei auf landtäfliche, stadt-
oder grundbücherliche Verschreibungen gerichtete Geschäften auszuführen hätte, kann
derselbe eine Vollmacht auf alle bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern
vorkommende Fälle ausfertigen, und solche zum Voraus einverleiben lassen, wo
sonach der auf diese Art bestellte Befehlshaber ein landtäflicher, stadt- oder
grundbücherlicher Bevollmächtigter heißet, und Alles bei der Landtafel, Stadt-
oder Grundbüchern in Namen seines Befehlsgebers zu verrichten begewaltiget
wird, worauf sich die alldort einverleibte Vollmacht erstrecket.
[3, 15, § 2] 30. Wann aber der Aussteller außerhalb des Landes,
in welchem die Einverleibung einer von seinem Bevollmächtigten gefertigten
Urkunde vorgenommen
(3-265) werden solle, befindlich ist, muß noch über das die
Vollmacht mit dem Insiegel und Zeugnuß desjenigen Gerichts, unter welchem der
Aussteller sich zur Zeit der Ausstellung aufhaltet, beglaubiget worden sein.
§. III.
[3, 15, § 3] 31. Derjenige, welcher ein ihme aufgetragenes
außergerichtliches Geschäft zu verrichten auf sich genommen, kann solches
entweder selbst vollziehen, oder es durch einen Dritten, den er anstatt seiner
bestellet, ausführen lassen, wann ihme solches von dem Befehlsgeber nicht
ausdrücklich untersaget worden. Inwieweit aber ein gerichtlicher Befehlshaber
oder Bevollmächtigter anstatt seiner jemand Anderen bestellen könne, wird in vierten
Theil bei der Gerichtsordnung ausgemessen werden.
[3, 15, § 3] 32. Ein solcher weiterer Auftrag des
aufhabenden Befehls an einen Dritten heißet eine Afterbestellung, und Jener,
der ihn von dem Befehlshaber übernimmt, ein Afterbestellter; es ist aber dabei
zu unterscheiden, ob der Befehlsgeber dem Bevollmächtigten die Gewalt
ausdrücklich eingeraumet habe einen Anderen statt seiner zu bestellen oder
nicht.
[3, 15, § 3] 33. Ersteren Falls ist der Bevollmächtigte für
die Handlung des Afterbestellten in nichten verfänglich; es wäre dann, daß er
einen solchen Menschen, dessen Untreue, übler Namen, liederliche Gebahrung, und
Unkündigkeit des aufgetragenen Geschäfts, oder Unfähigkeit dasselbe zu
verrichten kundbar wäre, bestellet, oder in der Afterbestellung die Grenzen
seiner Vollmacht überschritten hätte, oder sonst auch seinerseits eine Schuld
oder Gefährde dabei unterliefe, oder endlich von ihme nicht Derjenige, welcher
von dem Befehlsgeber namentlich bestimmet worden, sondern ein Anderer zum
Afterbestellten ernennet worden wäre.
[3, 15, § 3] 34. In allen diesen Fällen bleibet der
Bevollmächtigte ebenso, als wie in jenem Fall, wann ihme von dem Befehlgeber
die Befugnuß anstatt seiner jemand Anderen zu bestellen nicht gegeben worden
wäre, noch allezeit in der Verbindlichkeit für die Handlung des Afterbestellten
Red und Antwort zu geben, wie dann die Schuld oder Gefährde des Afterbestellten
auch ihme zur Last fallet, und der Befehlsgeber sich deshalben seiner zu halten
berechtiget ist, obschon dieser sich anwiederum an dem Afterbestellten erholen
mag.
[3, 15, § 3] 35. Bei landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Vollmachten hingegen hat der Bevollmächtigte diese Befugnuß
nicht, wann ihme solche in der Vollmacht nicht wortdeutlich eingestanden
worden; woferne aber die Gewalt einen Anderen zu bestellen darinnen
ausgedrucket wäre, solle bei der Afterbestellung, wann es auf die Einverleibung
einiger von dem Afterbestellten gefertigten Urkunden ankäme, alles dieses
beobachtet werden, was von derlei Vollmachten selbst in dem gleich
vorhergehenden §. geordnet worden.
§. IV.
[3, 15, § 4] 36. Alle erlaubte
Verrichtungen können befehlsweise aufgetragen werden, wann sie nur ein
gewisses, und an sich zulässiges Geschäft betreffen. Hierinnen bestehet der
wesentliche Unterschied zwischen einem Befehl und einer Gutheißung; dann
zukünftige Handlungen werden befohlen, vergangene aber gutgeheißen, obschon
sowohl der vorhergegangene Befehl als die nachfolgende Gutheißung einerlei
Wirkung haben, und Denjenigen, in dessen Namen das Geschäft vollzohen worden,
in gleicher Maß verbinden.
[3, 15, § 4] 37. Das befehlsweise aufgetragene Geschäft muß
entweder an sich, oder doch wenigstens durch Beziehung auf ohnfehlbare Umstände
wornach der Befehlshaber seinen Verhalt zu nehmen hat, gewiß und bestimmet
sein, widrigens ist der Befehl von keiner Giltigkeit; also da jemand dem
Anderen auftrüge für ihn ein Haus oder Gut zu kaufen, muß von ihme entweder das
Haus oder Gut, welches erkaufet
(3-266) werden solle, namentlich angezeiget, oder doch
wenigstens der Werth oder die Kaufsumme, worein sich der Befehlshaber einlassen
möge, benennet werden.
[3, 15, § 4] 38. Desgleichen muß die aufgetragene
Verrichtung erlaubet sein, dann der Auftrag unzulässiger Handlungen wirket gar
keine Verbindlichkeit weder an Seiten des Befehlshabers zu dessen Vollzug, noch
an Seiten des Befehlsgebers zur Schadloshaltung des Befehlshabers, wohl aber
werden Beide nicht allein zum Ersatz des einem Dritten andurch zugefügten
Schadens, sondern auch zur Strafe nach Gestalt des Verbrechens verbunden.
[3, 15, § 4] 39. Es können auch in einer Vollmacht entweder
mehrere, oder überhaupt alle den Befehlenden angehende Geschäften, oder aber
nur eins allein aufgetragen werden, doch giebt es gewisse Geschäften, welche in
einer allgemeinen Vollmacht nicht mitbegriffen werden, sondern entweder in
derselben den ausdrücklichen Beisatz der dem Bevollmächtigten eingeraumten
freien Macht und Gewalt nach eigenem Gutbefund zu schalten und zu walten, oder
aber eine besondere Vollmacht erheischen.
[3, 15, § 4] 40. Von dieser Eigenschaft sind alle
Schankungen, Veräußerungen, Vergleiche, Einschuldigungen, Erlassungen,
Abtretungen und Anweisungen einer Schuld, und überhaupt alle Handlungen, welche
die Verminderung des Vermögens des Befehlenden nach sich ziehen; wo es aber
dabei auf landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Handlungen ankäme, wird
bei der Vollmacht über das noch jenes erforderet, was oben im §. II ausgemessen
worden.
§. V.
[3, 15, § 5] 41. Ein Befehlscontract kann insgemein auf zweierlei
Art betrachtet werden, nemlich erstens als eine zwischen dem Befehlsgeber und
Befehlshaber allein bestehende Handlung, dann andertens insoweit hieraus Beide
gegen einem Dritten, welcher sich mit dem Befehlshaber auf die Vollmacht
eingelassen, und dieser gegen jene verbunden werden.
[3, 15, § 5] 42. Doch entspringet diese letztere
Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber und Befehlshaber auf einer, und einem
Dritten auf der anderen Seiten nicht aus dem Befehlscontract selbst, sondern
aus derjenigen Handlung, welche in Folge der Vollmacht von dem Befehlshaber in
Namen des Befehlenden mit einem Dritten geschlossen worden; dahero wird solche
unten in achtzehenten Capitel eigends erkläret, hier aber nur von der aus dem
Befehlscontract unmittelbar entstehenden Verbindlichkeit des Befehlshabers und
Befehlsgebers gegeneinander gehandlet werden.
[3, 15, § 5] 43. Der Befehlscontract ist seiner Natur nach
in der Folge zweibündig, woraus gleich Anfangs der Befehlshaber dem
Befehlsgeber in der Hauptsache zu getreulicher Vollziehung des ihme
aufgetragenen Befehls, und zu Erstattung alles dessen, was ihme des
anbefohlenen Geschäfts halber zugekommen, verbunden, dagegen aber auch diesem
der Befehlsgeber nachhero zu seiner Schadloshaltung ruckverbindlich wird.
[3, 15, § 5] 44. Der getreuliche Vollzug des aufgetragenen
Befehls bestehet darinnen, daß, sobald der Befehlshaber solchen angenommen,
derselbe das anbefohlene Geschäft mit aller Treue und Redlichkeit verrichte,
hierbei allen Fleiß, wie in seinen eigenen Sachen anwende, Schaden und
Nachtheil verhüte, und die vorgeschriebene Maß des Befehls nicht überschreite,
noch darwider handle, oder etwas dagegen vornehme, sondern sich deme, so ihme
befohlen worden, in Allen gemäß verhalte.
[3, 15, § 5] 45. Woferne aber der Befehlshaber, nachdeme er
den Befehl übernommen, solchen nicht vollziehen wollte, noch auch denselben in
der Zeit, da die Sache sich noch in ihrer Gänze befunden, aufgesaget hätte, und
der Befehlsgeber deshalben zu Schaden käme, so ist der Befehlshaber schuldig
ihme den erweislichen Schaden zu ersetzen.
[3, 15, § 5] 46. Er könnte dann dessen Unterlassung mit
einer rechtmäßigen Ursach, als
(3-267) Krankheit, feindlicher Ueberziehung, oder sonstiger
Zufall, wodurch er in Verrichtung seiner selbsteigenen Geschäften verhinderet
worden wäre, entschuldigen.
[3, 15, § 5] 47. Ein Gleiches verstehet sich von jenem Fall,
wo bei Vollziehung des Befehls aus Schuld des Befehlshabers durch
Ueberschreitung des Befehls, oder dessen sonstige Fahrlässigkeit dem
Befehlenden ein Schaden zugefüget worden; in was für einen Grad der Schuld aber
der Befehlshaber verfänglich werde, wird in nachfolgenden §. VII ausgemessen
werden.
[3, 15, § 5] 48. Ueberschritten wird ein Befehl, wann die
darinnen vorgeschriebene Maß nicht beobachtet wird, und dem Befehlenden hieraus
ein Nachtheil entstehet; wo aber keine gewisse Maß zum Nachverhalt des
Befehlshabers vorgeschrieben worden wäre, kann auch ein solcher an sich
unbeschränkter Befehl überschritten werden, wann der Befehlshaber entweder in
dessen Verrichtung etwas verabsaumet, oder Widriges unternimmt, was zum Schaden
und Nachtheil des Befehlsgebers gereichet.
[3, 15, § 5] 49. Dahero muß allemal entweder der Schaden des
Befehlenden, oder eines Dritten, zu dessen Nutzen der Befehl gegeben worden, oder
wenigstens die Verfehlung der von dem Befehlenden dabei gehegten Absicht
erweislich sein, wann wegen Ueberschreitung des Befehls geklaget wird, dann wo
der Erfolg zu des Einen oder Anderen mehreren Nutzen ausschlüge, oder die
Absicht des Befehlenden auch auf eine andere Art, als nicht vorgeschrieben
ware, jegleichwohlen erreichet würde, kann der Befehlshaber keiner
Ueberschreitung beschuldiget werden.
[3, 15, § 5] 50. Als da Jemand den Befehl hätte eine Sache
in dem gesetzten Preis zu erkaufen oder zu verkaufen, er aber dieselbe
wohlfeiler verkaufen oder theuerer verkaufen würde, überschreitet er den Befehl
nicht, wohl aber, wann er die Sache über den bestimmten Preis theuerer
erkaufet, oder darunter wohlfeiler hintangelassen hätte, weilen ersteres zum Nutzen,
letzteres hingegen zum Schaden des Befehlenden gereichet.
[3, 15, § 5] 51. Ebensowenig ist es eine Ueberschreitung des
Befehls, wann Jener, der für den Anderen Bürgschaft zu leisten ersuchet worden
wäre, ein Pfand für ihn einlegen, oder auch einen Dritten statt seiner zum
Bürgen stellen würde, weilen es dem Befehlenden einerlei sein muß, ob dem
Schuldner auf diese oder jene Art getrauet, und zu dem benöthigten Darlehen
verholfen werde.
[3, 15, § 5] 52. Es wäre dann, daß aus denen darmit
verknüpften Nebenumständen oder unmittelbaren Folgen dem Befehlsgeber ein
Nachtheil erwachsete, als da in dem zuerst gegebenen Beispiel wegen des
wohlfeileren Einkaufs die Verkaufere, oder wegen des vertheuerten Preises die
Abnehmere abgewendet worden wären, und dem Befehlsgeber andurch ersteren Falls
die Anschaffung deren benöthigen Waaren, und letzteren Falls der Verschleiß
seiner Feilschaften erschweret würde.
[3, 15, § 5] 53. Ferners muß auch die Ueberschreitung also
beschaffen sein, daß der Schaden nicht erfolget wäre,
wann der Befehlshaber sich der Vorschrift gemäß verhalten hätte. Wo aber auch
bei Erfolgung der vorgeschriebenen Maß der Schaden gleichwohlen ohnfehlbar
geschehen wäre, wird der Befehlshaber deswegen nicht verfänglich; also da
Jemand den Befehl bekommen hätte eine Sache durch die hierzu benannte Person
abzuschicken, und er gäbe solche einem Anderen auf, Beide aber würden unterwegs
ausgeraubet, ist der Befehlshaber den Schaden zu ersetzen nicht schuldig.
[3, 15, § 5] 54. Doch können sich gewisse Fälle ergeben, wo
der Befehlshaber auch bei Beobachtung der Vorschrift eine Verantwortung auf
sich ladet, und dahero solche zu überschreiten schuldig ist, wann er nemlich
vernünftiger Weise vorsiehet, daß die Befolgung der vorgeschriebenen Maß wegen
eines dem Befehlsgeber zur Zeit des Auftrags unbekannten Umstands demselben zum
ohnfehlbaren Nachtheil gereichen würde.
[3, 15, § 5] 55. Als da die in einem bestimmten Werth zum
Verkauf gegebene Waaren in dem Ort des Verschleißes nach dem durchgängigen
Preis viel höher an Mann
(3-268) gebracht werden könnten, oder der von Jemanden zu
Abholung Gelds oder Guts Abgefertigte von dem Befehlshaber in einer offenbaren
Untreue betreten worden wäre.
[3, 15, § 5] 56. Der Vollzug des aufgetragenen Befehls ist
dahero allemal nach dem Erfolg zu beurtheilen, ob solcher zum Nutzen oder
Schaden des Befehlsgebers ausschlage, und dessen Absicht dadurch erreichet
worden seie oder nicht; ist es das erstere, so lieget nichts daran, ob der
Befehlshaber den Befehl nach der vorgeschriebenen oder einer anderen Art
vollzohen habe, wann nur nicht etwan durch Außerachtlassung der Vorschrift ein
größerer Nutzen entgangen wäre.
[3, 15, § 5] 57. Ist es aber das letztere, und die
Vorschrift wäre von dem Befehlshaber nicht beobachtet, oder sonst nicht getreulich
gehandlet worden, so hat dieser den erweislichen Schaden zu ersetzen; ob und
inwieweit jedoch der Befehlsgeber sowohl, als der Befehlshaber aus einer
vorschriftswidrigen Handlung gegen einem Dritten verfänglich werde, wird in
achzehenten Capitel erkläret werden.
[3, 15, § 5] 58. Damit aber ein Befehlshaber das Beste des
Befehlsgebers in acht zu nehmen aus Abgang der Gewalt nicht außer Stand
gesetzet werde, so wird überhaupt unter dem Befehl alles Dasjenige verstanden,
ohne deme solcher nicht vollzohen werden kann; also hat Jener, deme befohlen
worden etwas zu verkaufen, auch die Macht das Kaufgeld dafür einzuheben, und
deme aufgetragen worden eine Schuld einzunehmen, ist auch begewaltiget solche
einzutreiben, und die Quittung darüber auszustellen, wann gleich solches in der
Vollmacht nicht mitausgedrucket worden wäre.
[3, 15, § 5] 59 Die zweite wesentliche Schuldigkeit eines
Befehlshabers ist die Wiedererstattung alles dessen was ihme des aufgetragenen
Geschäfts wegen zu Handen gekommen ist, mit allen davon aus Saumsal vertagten
Zinsen, Schäden und Unkosten, wann gleich derselbe dabei wider den Willen des
Befehlenden, oder auch außer der Vorschrift des Auftrags gehandelt hätte.
[3, 15, § 5] 60. Also da Jemand eine Summe Gelds zur
Erkaufung einer Sache empfangen und solche, ehe sich die Gelegenheit des
Ankaufs ergeben, auf Zinsen ausgeliehen hätte, darf er sich die Zinsen nicht
zueignen. Desgleichen, da er die Sache wohlfeiler erkaufete oder eine andere
theuerer verkaufete, als ihme nicht befohlen worden, ist derselbe nicht befugt,
das erübrigte oder erlöste mehrere Kaufgeld für sich zu behalten, sondern ist
schuldig, solches dem Befehlenden getreulich auszufolgen, woferne nicht etwan
ihme der Gewinn unter oder über dem angeschlagenen Werth durch ein ausdrückliches
Beding zur Vergeltung seiner Mühe oder in anderer Absicht überlassen worden.
[3, 15, § 5] 61. Zu welchem Ende der Befehlshaber, wann es
die Nothdurft nach Beschaffenheit deren aufgetragenen Geschäften erforderet,
nicht nur allein über das ihme anvertraute Gut ordentliche Rechnung zu führen,
sondern auch solche auf jedesmaliges Verlangen des Befehlshabers zu legen
verbunden ist.
[3, 15, § 5] 62. Daferne aber ein Befehlshaber sich soweit
vergienge, das ihme anvertraute Gut des Befehlsgebers wider dessen Willen zu
seinem eigenen Gebrauch zu verwenden oder zu unterschlagen, so wird derselbe
über Zuruckstellung des Gelds oder Guts nicht allein zu Bezahlung deren Zinsen
von dem Tag der eigenmächtigen Verwendung oder Unterschlagung verbunden,
sondern er verfallet auch zugleich in die Ehrlosigkeit, wann in dem
richterlichen Urtheil der Veruntreuung ausdrücklich gedacht wird.
[3, 15, § 5] 63. Aus dieser Verbindlichkeit des
Befehlshabers entspringet die dem Befehlgeber und seinen Erben wider den
Befehlshaber und dessen Erben gebührende Hauptforderung zu Leistung alles
dessen, worzu dieser gegen jenem aus dem Befehlscontract verbindlich ist.
[3, 15, § 5] 64. Wo aber Jemands Geschäften Mehreren
zugleich aufgetragen worden wären, ist zu unterscheiden, ob die Verrichtungen
von dem Befehlgeber selbst unter
(3-269) sie vertheilet worden oder nicht; ersteren Falls ist
deren Jeder nur für die ihme aufgetragene Verrichtung verbunden und Keiner für
den Anderen verfänglich, wann er nicht an dessen Betrug oder Gefährde mit Theil
genommen hat.
[3, 15, § 5] 65. Letzteren Falls hingegen ist darauf zu
sehen, ob die mehrere Befehlshabere sich zu der anbefohlenen Verrichtung sammt
und sonders anheischig gemacht haben oder nicht; dann, wo die Verrichtung des
Geschäfts ausdrücklich mit gesammter Hand von ihnen übernommen worden wäre, ist
auch deren jeder für den ganzen Betrag des Schadens verbunden, sie mögen gleich
die Verrichtung unter sich getheilet haben oder nicht, doch also, daß der
Befehlshaber Dasjenige, was er hieran an dem Einen erholet, an dem Anderen
nicht mehr anforderen kann, und was Einer über seinen Antheil bezahlet, dieser
an denen Uebrigen anzusuchen berechtiget ist, welche sich mit ihme in gleicher
Schuld finden.
[3, 15, § 5] 66. Wann jedoch die Verbindung nicht mit
gesammter Hand eingegangen worden wäre, solle der Ersatz zwischen ihnen gleich
getheilet werden und Keiner für ein Mehreres, als auf seinen Antheil ausfallet,
verfangen sein, woferne er nicht in dem Betrug des Anderen mit verflochten
wäre, welcher jeden hieran Theilhabenden für den ganzen Betrag des Schadens
verbindlich machet. So ein als anderen Falls aber stehet ihnen unter sich frei,
das Bezahlte von Denenjenigen zurückzufordern, welche an dem verursachten
Schaden die Schuld allein tragen.
§. VI.
[3, 15, § 6] 67. Der Befehlscontract gehet allemal auf
Gewinn und Verlust des Befehlenden allein; folglich erforderet auch die
natürliche Billigkeit, daß der Befehlshaber wegen Desjenigen, was ihme des
verrichteten Geschäfts halber an seinem Gut entgangen ist und etwan sonst aus
einem Nebenbeding gebühret, von dem Befehlsgeber vollkommen entschädiget werde.
[3, 15, § 6] 68. Aus diesem Grundsatz fließet demnach die
Rückverbindlichkeit des Befehlenden zur schuldigen Schadloshaltung des
Befehlshabers, welche sich auf folgende drei Gegenstände, als nemlich auf den
Ersatz des erweislichen Aufwands, dann die Vergütung der durch Vollziehung des
aufgetragenen Geschäfts verursachten oder die Entledigung des noch ohnfehlbar
daraus zu gewarten habenden Schadens, und endlich die Entrichtung der
verheißenen oder sonst nach Eigenschaft der Person angebührenden Vergeltung
erstrecket.
[3, 15, § 6] 69. Wiewohlen aber das übernommene Geschäft
ohne Schuld des Befehlshabers nicht zu Ende gebracht und vollzogen worden wäre,
oder auch gar einen widrigen Ausgang gehabt hätte, so bleibet der Befehlsgeber
jegleichwohlen noch zur Schadloshaltung des Befehlshabers ruckverbindlich,
weilen dieser nur für die gehörige Besorgniß des Geschäfts, nicht aber für den
Erfolg zu haften hat.
[3, 15, § 6] 70. Unter dem schuldigen Ersatz des Aufwands
sind alle Auslagen begriffen, welche der Befehlshaber auf die Verrichtung der
aufgetragenen Geschäfte entweder aus Nothwendigkeit oder zum Nutzen des
Befehlsgebers ohne Gefährde erweislich verwendet hat, obgleich der Befehlende
selbst die Sache mit minderen Kosten hätte berichtigen können, dann in diesem
Fall hat er sich beizumessen, daß er in dem Auftrag die Maß des Aufwands nicht
bestimmet habe.
[3, 15, § 6] 71. Es wären dann die zuruckforderende Auslagen
zum Theil allzu übermäßig, oder unnöthig, oder unnütz, welche allerdings nach richterlichen Befund auf ein Billiges gemäßiget werden
sollen. Die verheißene oder auch gegebene Vergeltung hingegen enthebet den Befehlsgeber von Ersatz deren Auslagen
keineswegs, sondern solche wird blos allein für die Mühewaltung abgereichet,
wann sonst nichts Anderes bedungen woren.
[3, 15, § 6] 72. Der Befehlshaber ist auch nicht schuldig
mit dem Ersatz deren Auslagen bis zur Vollendung des Geschäfts zuzuwarten, wann
der Verzug nicht aus seiner Schuld herrühret, und da es der Befehlsgeber auf
die gerichtliche Klag ankommen
(3-270) ließe, kann er auch insgemein die von Zeit der
gerichtlichen Belangung davon vertagte Zinsen anforderen. In welchen Fällen
aber ihme die Zinsen davon von dem Tag der Auslage gebühren, wird unten in
siebenzehenten Capitel erkläret werden.
[3, 15, § 6] 73. Nicht weniger sind dem Befehlshaber
diejenige Schäden zu vergüten, welche ihme an seinem Gut wegen Ausrichtung des
anbefohlenen Geschäfts auch aus leichtester Schuld des Befehlsgebers
widerfahren, nicht aber auch jene, welche aus ungefähren Zufall entstehen oder
worzu seine selbsteigene Schuld Anlaß gegeben hätte.
[3, 15, § 6] 74. Also da Jemanden befohlen worden wäre, eine
gewisse Person bei sich zu beherbergen und der Befehlshaber würde von derselben
ohne einer seinerseits unterlaufenden Fahrlässigkeit bestohlen, ist der
Befehlsgeber den Werth des gestohlenen Guts zu ersetzen schuldig, weilen ihm
zur Schuld beizumessen ist, daß er sich um die Eigenschaften dieser Person
nicht genugsam erkundiget habe.
[3, 15, § 6] 75. Dahingegen, da Jemand ersuchet worden wäre
für den Anderen einen tauglichen Dienstboten zu verschaffen, ohne eine gewisse
Person zu benennen, und der Befehlshaber suchte einen aus, von deme er Zeit des
ihme bei sich gegebenen Aufenthaltes bestohlen würde, ist der Befehlsgeber für
nichts verfänglich, sondern es unterwaltet dabei des Befehlshabers eigene
Schuld, daß er in Auswählung der Person nicht fürsichtiger gehandlet.
[3, 15, § 6] 76. Umso minder können zufällige Schäden,
welche der Befehlshaber in Ausrichtung des aufgetragenen Geschäfts an seinem
Gut erleidet, dem Befehlsgeber zur Last gehen, wann seinerseits dabei keine
Schuld unterlaufet, noch auch etwan zum voraus dem Befehlshaber die Schadloshaltung
für derlei Zufälle verheißen worden; also da Jemand auf der zu Ausrichtung des
Befehls unternommenen Reise ausgeraubet würde, hat er den Schaden allein zu
büßen.
[3, 15, § 6] 77. Es wäre dann die Gefahr dem Befehlsgeber
wohl bekannt gewesen und der Befehlshaber von ihme nicht gewarnet, sondern das
aufgetragene Geschäft von diesem, ohne etwas Arges zu vermuthen, mit guten
Glauben auf sich genommen worden, oder dieser hätte die Ausrichtung des Befehls
nicht willkürlich, sondern aus schuldigen Gehorsam gegen den Befehlsgeber
übernommen, in welchen Fällen der Befehlsgeber den auch durch bloßen Zufall an
dem Gut des Befehlshabers widerfahrenen Schaden, wann solcher sonst bei nicht
aufgetragenen Befehl vermieden worden wäre, billig zu ersetzen hat.
[3, 15, § 6] 78. In dieser aus der natürlichen Billigkeit
fließenden Schuldigkeit zur Schadloshaltung des Befehlshabers gründet sich die
in achten Capitel, von Bürgschaften, §. VI. beschriebene dem Bürgen wider den
Schuldner gebührende Ruckforderung, welche nicht nur allein auf die
Wiedererlangung dessen, was er für den Schuldner erweislich bezahlet, sondern
auch in denen in gleichbemelten Capitel, §. VII, von num. 113 bis num. 116
erklärten Fällen auf die Befreiung von der Bürgschaft, folglich auf die Abwendung
des erst bevorstehenden Schadens abzielet und auch außer der
Bürgschaftsleistung in allen andern Handlungen, worinnen der Befehlshaber für
den Befehlsgeber mit einem Dritten eine Verbindung eingegangen, zu dem Ende
angestrenget werden kann, damit derselbe hievon befreiet werde.
[3, 15, § 6] 79. Endlich ist auch der Befehlsgeber verbunden
dem Befehlshaber diejenige Belohnung oder Verehrung abzureichen, welche
demselben entweder von ihme zur Vergeltung seiner Bemühung versprochen worden,
oder sonst auch außer einer ausdrücklichen Verheißung nach Eigenschaft deren
sich zur entgeltlichen Betreibung gewisser Geschäften widmenden Personen
gebühret.
[3, 15, § 6] 80. Wo aber in diesem letzteren Fall, oder da
auch eine Belohnung nur überhaupt, ohne die Summe zu bestimmen, versprochen
worden wäre, der Befehlsgeber und Befehlshaber sich über die Gebühr nicht
einigen könnten, hat solche der
(3-271) Richter nach Erwägung der gehabten Mühe,
Beschaffenheit der Person, des Geschäfts und anderer Umständen auszumessen.
[3, 15, § 6] 81. Aus dieser Rückverbindlichkeit des
Befehlsgebers entstehet die dem Befehlshaber und seinen Erben wider ihn und
dessen Erben zu seiner völligen Schadloshaltung gebührende Ruckforderung,
welche aber nur insoweit statt hat, als der Befehlshaber sich der Vorschrift
des Befehls gemäß verhalten hat.
[3, 15, § 6] 82. Dann, insoferne der Befehl überschritten
und der Befehlshaber durch diese Ueberschreitung zu Schaden gekommen wäre, ist
ihme der Befehlsgeber solchen zu ersetzen nicht schuldig, wann er nicht etwan
die Ueberschreitung entweder ausdrücklich oder stillschweigend gutgeheißen
hätte, als da er eine von dem Befehlshaber über den bestimmten Preis theuerer
erkaufte Sache wissentlich ohne Widerrede annähme, welchen Falls er auch das
ganze Kaufgeld, was dieser dafür ausgeleget, ihme wieder zu erstatten hat.
[3, 15, § 6] 83. Diese Ruckforderung aus dem Befehlscontract
kann nicht weniger, als in anderen Handlungen, worinnen dem Hauptverbundenen
wider den anderen Theil eine Ruckforderung gebühret, entweder als eine
besondere Klage, oder als eine Gegenklage oder Einrede wider die Hauptforderung
des Anderen angebracht werden und hat ingleichen der Befehlshaber wegen dessen,
was ihme der Befehlsgeber seiner Rückforderung halber zu ersetzen hat, an deme,
was er diesem dagegen herauszugeben hätte, sowohl das Recht der Innehaltung als
das Recht der Gegenvergeltung.
[3, 15, § 6] 84. Doch sollen alle diese auf den ein- oder
anderweitigen Ersatz gerichtete Forderungen, welche ein Theil an den anderen
aus dem Befehlscontract zu stellen Willens ist, binnen der in fünften Capitel,
von Leihen zum Gebrauch, §. IV, num. 34 und §. V num. 50 und 51 ausgemessenen
Zeitfrist bei Gericht eingeklaget und auf die daselbst vorgeschriebene Art und
Weis erörteret, widerigens aber nach Verlauf dieser Zeit von dem Tag der an
Seiten des Befehlsgebers ohne Verwahrung erfolgten Annehmung oder der an Seiten
des Befehlhabers ohne Vorbehalt geleisteten Ausfolgung verschwiegen werden,
wovon die alleinige Ruckforderung des Bürgens an den Schuldner auszunehmen ist,
welche nicht anderst, als durch die in zweiten Theil bestimmte Zeit verjähret
wird.
§. VII.
[3, 15, § 7] 85. Aus dem Befehlscontract hat zwar insgemein
der Befehlshaber wenig oder gar keinen Nutzen; nichtsdestoweniger wirket doch
seinerseits die Uebernehmung fremder Geschäften auch die Verbindlichkeit zu
demjenigen Grad des Fleißes, welchen Treu und Glauben bei Verrichtung eines
fremden Geschäfts von ihme nicht weniger als in seinen eigenen Sachen
erforderet.
[3, 15, § 7] 86. Der Befehlshaber ist dahero aus der
willkürlichen Uebernehmung eines fremden Geschäfts so wie der Befehlsgeber
wegen seines dabei vorzüglich unterwaltenden Nutzens für die Gefährde, die
große und leichte Schuld zu haften schuldig.
[3, 15, § 7] 87. Es wäre dann das Geschäft von solcher
Beschaffenheit, daß es keinen besonderen Fleiß erheische, als z. B. die
Leistung einer Bürgschaft, welchen Falls der Befehlshaber auch nur für die
Gefährde und große Schuld verfänglich wird.
[3, 15, § 7] 88. Für bloße Zufälle hingegen wird Keiner dem
Anderen verbindlich, sondern Jeder hat den Schaden, welcher an seinem Gut durch
Zufall geschieht, selbst zu leiden, wann solche nicht durch ein ausdrückliches
Beding übernommen worden, oder sonst eine von denen in ersten Capitel, §. IX,
von num. 126 bis num. 128 beschriebenen Ursachen unterwaltete, welche auch für
bloße Zufälle verfänglich machet.
[3, 15, § 7] 89. Wann demnach die dem Befehlshaber
anvertraute Sachen des Befehlsgebers zufälliger Weise zu Grund giengen, kann
dieser an jenem so wenig, als
(3-272) gegentheils jener an diesen einen Ersatz forderen,
wann etwan er in Ausrichtung des aufgetragenen Geschäfts an seinen Sachen einen
zufälligen Schaden erlitten hätte.
§. VIII.
[3, 15, § 8] 90. Der Befehlscontract erlöschet
entweder durch beiderseitige Willkür oder durch Abstand oder Todsfall des einen
oder anderen Theils. Durch beiderseitige Willkür kann der Befehlscontract zu
allen Zeiten aufgehoben werden, die Sache möge sich in ihrer Gänze befinden
oder nicht, wann nur letzteren Falls die vollständige Wiedererstattung alles
dessen, was beide Theile des Contracts halber einander schuldig worden,
erfolget und kein Nachtheil eines Dritten, deme zu dem Vollzug des
aufgetragenen Befehls ein Recht gebühret, aus der Aufhebung erwachset.
[3, 15, § 8] 91. Dahingegen kann der einseitige Abstand nur
insolange den abstehenden Theil von der Verbindlichkeit entledigen, als die
Sache sich noch in ihrer Gänze befindet und dieser Abstand heißet an Seiten des
Befehlsgebers die Widerrufung und an Seiten des Befehlshabers die Aufsagung des
Befehls.
[3, 15, § 8] 92. Dem Befehlsgeber stehet dahero frei den
ertheilten Befehl bis dahin zu widerrufen, solange der Befehlshaber das
übernommene Geschäft noch nicht zu verrichten angefangen, weder von ihme einige
Unkosten aufgewendet, noch auch ihme durch die Widerrufung sein bei Schließung
des Contracts vorzüglich mitabgesehener Nutzen entzogen wird.
[3, 15, § 8] 93. Es ist aber an der Widerrufung des
Befehlsgebers allein nicht genug, sondern es solle auch solche dem Befehlshaber
bedeutet und kund gemacht werden; dann ansonsten ist nicht allein alles
Dasjenige, was dieser vor der erhaltenen Wissenschaft der Widerrufung nach
Vorschrift des Befehls unternimmt, giltig und bündig, sondern es bleibet ihme
auch der Befehlsgeber ebenso verbunden, als ob er den Befehl in der Zeit nicht
widerrufen hätte.
[3, 15, § 8] 94. Hierdurch unterscheidet sich ein Bot oder
Jener, deme eine mündliche Botschaft dem Anderen zu überbringen aufgetragen
worden, von einem Befehlshaber; dann, wann gleich der Bot die Widerrufung
später erfahret, als er die Botschaft ausgerichtet, ist jegleichwohlen das
Ausgerichtete von keiner Giltigkeit, wann der Aufgeber solches vor der
Ausrichtung widerrufen hat, obschon die Widerrufung dem Boten erst nach der
Ausrichtung zu seiner Wissenschaft gelanget.
[3, 15, § 8] 95. Wäre aber die Sache zur Zeit der
Widerrufung in ihrer Gänze nicht mehr befindlich, so kann zwar nach
widerrufenen Befehl von dem Befehlshaber in der Verrichtung des aufgetragenen
Geschäfts nicht weiter fortgeschritten werden, es bleiben aber Beide für das,
was noch vor der kundgemachten Widerrufung hieran verrichtet worden oder
verrichtet werden sollen, aus dem Befehlscontract einander verbindlich.
[3, 15, § 8] 96. Eine verheißene Belohnung oder Vergeltung
hinderet jedoch nicht, daß der Befehl von dem Befehlsgeber widerrufen werden
könne, sondern solchen Falls gebühret dem Befehlshaber hieran nur so vieles,
als er bis zu der ihme bedeuteten Widerrufung für seine Mühe erweislich
verdienet hat.
[3, 15, § 8] 97. Desgleichen kann der Befehlshaber den
übernommenen Befehl aufsagen, solange dem Befehlsgeber nichts daran lieget, ob
solcher durch diesen oder jemand Anderen vollzogen werde; wo er aber nach
übernommenen Befehl solchen zur Unzeit aufsagen und der Befehlsgeber deshalben
zu Schaden kommen würde, so ist er nicht allein solchen demselben zu ersetzen
schuldig, sondern kann auch, wann dem Befehlsgeber daran gelegen ist, zum
Vollzug des übernommenen Geschäfts verhalten werden.
[3, 15, § 8] 98. Er hätte dann eine
rechtmäßige Ursach den Befehl aufzusagen, als da sind Krankheit oder
Veränderung seines Zustandes, wodurch er zu Verrichtung des aufgetragenen
Geschäfts unfähig oder unvermögend gemacht würde, ein große,
(3-273) zwischen ihme und dem Befehlsgeber ausgebrochene
Feindschaft, vorgefallene nothwendige Reise und überhaupt alle Zufälle, welche
gleich Anfangs die Annehmung des Befehls verhinderet haben würden.
[3, 15, § 8] 99. In welchen Fällen jedoch derselbe dem
Befehlsgeber, damit dieser in der Zeit eine andere Vorsehung machen könne,
sogleich, als er es zu thun im Stand ist, hiervon Nachricht zu geben und
insolange, als diesem die Aufsagung nicht zukommt, für allen aus
Vernachlässigung des Geschäfts entstehenden Schaden, insoweit er solchen abzuwenden
vermögend ware, zu haften schuldig ist.
[3, 15, § 8] 100. Durch Absterben des Befehlsgebers wird der
Befehl, wann solcher noch nicht zu verrichten angefangen worden, sondern die
Sache sich in ihrer Gänze befindet, dergestalten aufgehoben, daß weder der
Befehlshaber solchen zu vollziehen, noch auch die Erben des Befehlsgebers, wann
gleich der Befehlshaber wohl wissend, daß jener verstorben seie, sich in die
Verrichtung des Geschäfts eingelassen hätte, zu seiner Schadloshaltung weiter
verbunden sind, als der ihnen andurch verschaffte Nutzen erweislich ist.
[3, 15, § 8] 101. Es wäre dann das aufgetragene Geschäft
also beschaffen, daß es nicht ehender, als nach dem Tod des Befehlsgebers
verrichtet werden könnte, als z. B. die Erbauung eines Grabmals, die Ausfolgung
einer Vermächtniß und dergleichen, oder der Befehlshaber hätte zur Zeit des
verrichteten Geschäfts von dem Tod des Befehlsgebers keine Wissenschaft gehabt,
oder endlich das aufgetragene Geschäft gereichete auch hauptsächlich mit zum
Nutzen des Befehlshabers, als da die gegebene Vollmacht dahin lautete eine bei
dem Dritten angewiesene Summe für sich selbst einzutreiben.
[3, 15, § 8] 102. Woferne aber die Verrichtung des Geschäfts
bei Absterben des Befehlsgebers schon angefangen gewesen wäre, oder doch
vorhero ihren Anfang hätte nehmen sollen, bleibet zwar die Verbindlichkeit für
das schon Verrichtete oder verrichtet worden sein Sollende auf beiden Seiten;
doch kann und darf der Befehlshaber ohne einer neuen Vollmacht deren Erben in
der Sache weiter nichts vornehmen; es habe dann das noch zu verrichten Uebrige
mit dem Vorhergegangenen einen so unzertrennlichen Zusammenhang, daß aus dessen
Unterlassung die Erben selbst verkürzet würden, oder einem Dritten schon aus
der vorgegangenen Handlung ein Recht zu deren Vollzug erwachsen wäre.
[3, 15, § 8] 103. Also kann ein Befehlshaber für die von
ihme bei Lebszeiten des Befehlsgebers verkaufte Sachen auch nach dessen
Absterben das ausständige Kaufgeld ohne einer neuen Vollmacht einforderen, wie
auch ein Handlungsvorgesetzter nach Absterben des Eigenthümers die Handlung
fortführen, nicht weniger ist Jener, bei deme die Auszahlung einer Summe an
einen Dritten angewiesen worden, wann er die Anweisung bei Lebszeiten des
Befehlsgebers einmal angenommen auch nach dessen Absterben solche dem Dritten
hinauszuzahlen schuldig.
[3, 15, § 8] 104. Gleichergestalten erlöschet der Befehl
durch Absterben des Befehlshabers, wann die Sache sich noch in ihrer Gänze
befindet, und sind dessen Erben weder befugt noch minder schuldig das dem
Verstorbenen aufgetragene Geschäft zu verrichten.
[3, 15, § 8] 105. Da jedoch die Ausrichtung des Geschäfts
von dem Verstorbenen schon angefangen oder von ihme zum Schaden des
Befehlsgebers hierinnen etwas vernachlässiget worden wäre, währet nicht nur für
das schon Verrichtete oder Verabsaumte so ein- als anderseitige Verbindlichkeit
fort, sondern die Erben, wann sie es zu thun fähig sind, und nicht etwan die
Wahl des abgelebten Befehlshabers auf seine Kündigkeit und Geschicklichkeit
besonders gerichtet ware, können auch zu dessen Ausführung und Vollendung
verhalten werden.
(3-274) Caput XVI.
Von Gewährungs- oder Versicherungscontract.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Gewährungs- oder
Versicherungscontracts. §. II. Von Art und Weis der Gewährung oder
Versicherung. §. III. Von Verbindlichkeit des Gewährenden oder Versicherenden,
und der Gegenverbindlichkeit dessen, deme gewähret wird, und von der
gegeneinander habenden Rechtsforderung. §. IV. Von Aufhebung und Erlöschung des
Gewährs- oder Versicherungscontracts.
§. I.
[3, 16, § 1] Num. 1. Die Gefahren, welchen die Versendung
deren Waaren besonders zu Wasser unterworfen ist, haben unter Handelsleuten zu
Erfindung einer Art von Contracten Anlaß gegeben, wodurch der Eigenthumer deren
versendeten Waaren wegen des dabei besorgenden Verlusts von dem Anderen, der
die Gefahr auf sich nimmt, gegen einer demselben dafür abgereichten Vergeltung
sicher gestellet wird.
[3, 16, § 1] 2. Dieser Contract heißet eine Gewährung oder
Versicherung und ist einer gutwillige Vereinigung wegen Uebernehmung der Gefahr
deren entweder zu Wasser oder zu Land versendeten Waaren für eine dafür nach
Größe der Gefahr abgemessene gewisse Summe Gelds.
[3, 16, § 1] 3. Er kommt nicht weniger als alle
vorbeschriebene Consensualcontracten durch die bloße beiderseitige Einwilligung
zu Stande und erforderet zu seiner Wesenheit folgende drei Stücke, als erstens,
die gutwillige Vereinigung beider Theilen, zweitens, die Uebernehmung der
Gefahr, und endlich drittens, die Vergeltung oder den Preis der übernommenen
Gefahr.
[3, 16, § 1] 4. Die Gefahr oder der Risico muß wirklich
obschweben und der Erfolg, ob die Fracht von Waaren an dem Ort ihrer Bestimmung
angekommen, noch ungewiß sein, welches jedoch nur in Absicht auf die
Contrahenten zu verstehen ist, bei denen die Gefahr so lange fortdauret, als
sie von dem Erfolg keine verläßliche Nachricht haben, wiewohlen das Schicksal
deren Waaren schon vorhero an sich gewiß wäre.
[3, 16, § 1] 5. Dahero ist an deme genug, daß die
Contrahenten zur Zeit des Contracts noch in der Ungewißheit des Erfolgs
befangen sind, obschon vor dieser Zeit die Waaren bereits an dem bestimmten Ort
abgesetzet, oder in Verlust gegangen wären; dann solchen Falls wird die
getroffene Verabredung auch auf die vergangene
(3-275) Zeit erstrecket, woferne dieselbe nicht ausdrücklich
nur auf die von Zeit des Contracts sich ereignen mögende Unfälle beschränket
wird.
[3, 16, § 1] 6. Da aber zur Zeit der Versicherung der
Eigenthümer deren Waaren von seinem erlittenen Verlust, oder der Versicherer
von deren richtigen Absetzung schon benachrichtiget gewesen wäre, und so Einer
als der Andere der bereits davon gehabten guten Wissenschaft überführet werden
könnte, so ist die Handlung an sich null und nichtig, und hat nicht nur kein Theil
dem anderen etwas hierauf zu erstatten, sondern es ist auch deren jeder befugt
das Darangegebene anwiederum zuruckzuforderen.
[3, 16, § 1] 7. Für die übernommene Gefahr wird dagegen dem
Versicherer eine Vergeltung oder ein Preis, welcher insgemein Prime genannt
wird, zu geben bedungen, dessen Betrag nach dem Gebrauch eines jeden
Handelsplatzes, oder nach Größe der Gefahr, oder sonst nach eigenem Belieben
deren Contrahenten in Verhältniß mit dem Werth deren versicherten Waaren, als
auf zwei, drei oder auch mehrere von Hundert ausgemessen werden kann. Wo aber
keine Prime bedungen wurde, ist die Handlung keine Versicherung, sondern ein
Befehlscontract oder Schenkung nach Absicht dessen, von deme die Gefahr
ohnentgeltlich übernommen worden.
[3, 16, § 1] 8. Und hierinnen bestehet der wesentliche
Unterschied zwischen einem Versicherungscontract und dem bei
Gesellschaftscontracten üblichen Versicherungsbeding, wodurch ein Theilhaber
dem anderen seine Einlage gegen einem für sich bedungenen größeren
Gewinnsantheil versicheret, ohne sich außer dem ihme nach der genommenen Abrede
gebührenden Gewinnsbetrag eine besondere Vergeltung der übernommenen Gefahr
auszubedingen.
§. II.
[3, 16, § 2] 9. Versicherungscontracten können von Jedermann
eingegangen werden, der sich zu verbinden fähig ist, und ist nicht verwehret,
daß auch einerlei Waaren oder nur ein Schiff von Mehreren, wie dagegen
verschiedene Waaren und Schiffe von Einem versicheret werden mögen.
[3, 16, § 2] 10. Wiewohlen aber dieser Contract sowohl
mündlich als schriftlich geschlossen werden kann, so solle doch hierauf keine
Gerichtshilfe ertheilet werden, wann Kläger darüber keine schriftliche
Urkunden, worinnen die Bedingungen dieses Contracts enthalten sind, und die von
dem Versicherer unterschrieben sind, aufzuzeigen vermag.
[3, 16, § 2] 11. Eine solche Urkunde wird insgemein unter
Handelsleuten Police oder Polliza genennet und solle nicht allein den Namen des
Schiffers, des Schiffs oder des Fuhrmanns, deme die Waaren zu verführen
aufgegeben worden, sondern auch den Namen des Orts, wo das Schiff oder der
Wagen befrachtet wird, und dasjenige, wohin die Fahrt gerichtet ist, wie nicht
minder die Bestimmung des Laufs des Schiffes oder des Wegs, in welchen der
Fuhrmann sich zu halten hat, oder die ausdrückliche Freiheit den Weg nach
Belieben des Schiffers oder Fuhrmanns, wie er immer wolle, nehmen zu dürfen,
deutlich enthalten.
[3, 16, § 2] 12. Diese Bedingungen wirken so vieles, daß,
woferne der Versicherte einen anderen Schiffer oder Fuhrmann, oder ein anderes
Schiff, als nicht in dem Vertrag benennet worden, zur Verführung deren Waaren
dingen, oder das Schiff oder den Wagen wider die genommene Abrede in einem
anderen Ort befrachten,
(3-276) oder an einen anderes Ort abschicken, oder endlich
der darinnen vorgeschriebene Lauf oder Weg nicht beobachtet worden sein würde,
der Versicherer zu nichts verbunden seie.
[3, 16, § 2] 13. Wo aber diese Bedingungen nicht beigesetzet
worden wären, vermag die Natur des Contracts, daß der Willkür des Versicherten
frei gestellet bleibe, durch wen, auf was Weise, von wannen, und wohin derselbe
die versicherte Waaren versenden wolle, und die Versicherung verstehet sich
solchen Falls bis auf dasjenige Ort, wo sonst die Waaren von dem Versicherten
abgesetzet zu werden pflegen.
[3, 16, § 2] 14. Nicht minder muß darinnen die Zeit, von
welcher die Versicherung anzufangen, und wie lang solche fürzuwähren habe,
ausgedrucket werden, nach deren Verlauf der Versicherer von seiner
Verbindlichkeit ledig und los ist, welche aber bei nicht ausgesetzter Zeit so
lang fortdaueret, bis die Waaren an dem Ort ihrer Bestimmung angelanget sind.
[3, 16, § 2] 15. Ferners solle in der Versicherungsurkunde
der Betrag und die Gattung deren Waaren, welche versicheret worden, mit ihrem
Werth angedeutet werden; dann in Ermanglung der vorgängigen Schätzung lieget
hernach dem Versicherten ob deren wahren Werth nach dem in dem Ort der Ladung
gängigen Preis zu erweisen.
[3, 16, § 2] 16. Gleichergestalten muß die Uebernehmung der
Gefahr oder des Risico an Seiten des Versicherers mit Anmerkung deren
besorgenden Unfällen, wofür er zu stehen gelobet, und mit Aussetzung derjenigen
Summe, worzu er sich verbunden hat, darinnen begriffen sein; ansonsten, wo von
ihme besondere Gefahren nicht erwähnet, noch auch die Summe, worauf er die
Versicherung eingegangen, ausgemessen worden, hat derselbe für alle sich immer
ereignen mögende Unfälle zu haften, und den ganzen Werth deren verlorenen
Waaren zu ersetzen.
[3, 16, § 2] 17. An Seiten des Versicherten hingegen muß
darinnen der Betrag der für die Versicherung gegebenen oder verheißenen Prime,
oder Vergeltung vermerket sein, in deren Ermanglung kein Versicherungscontract
bestehen kann; doch lieget nichts daran, ob solche gleich bei Schließung des
Contracts bezahlet, oder zu einer gesetzten Zeit zu erlegen verheißen werde.
[3, 16, § 2] 18. Endlich ist diese Urkunde, damit sie für
einen rechtsbeständigen Beweis angesehen werden könne, sowohl von dem
versicherenden, als dem versicherten Theil mit eigenhändiger Unterschrift zu
bewähren; außerdeme stehet denen Contrahenten frei was immer für Bedinge,
welche ihnen gefällig, uns sonst zulässig sind, dem Contract beizufügen.
§. III.
[3, 16, § 3] 19. Der solchergestalten errichtete
Versicherungscontract ist gleich Anfangs in der Hauptsache zweibündig, woraus
einerseits der Versicherer zu Bezahlung der auf dem Fall des Verlusts
versicherten Summe, oder da keine bestimmet worden, des ganzen Werths deren von
ihme versicherten verlorenen Waaren, andererseits aber der Versicherte zu
Erlegung der Prime der Versicherung verbunden wird.
[3, 16, § 3] 20. Hieraus entstehet die dem Einem und seinen
Erben wider den Anderen und dessen Erben gebührende beiderseitige
Hauptforderung zu Leistung Desjenigen, worzu Einer dem Anderen aus dem
Versicherungscontract verbindlich worden.
[3, 16, § 3] 21. Der Versicherer kann zwar seine Forderung
auf den Erlag der bedungenen Prime, wann sonst von ihme in der Abrede hierzu
keine längere Frist eingestanden worden, sogleich nach Schließung des Contracts
anstrengen, maßen ihme die Prime, der Unfall möge sich an denen versicherten
Waaren ereignen oder nicht, allemal gebühret.
[3, 16, § 3] 22. Gleichwie er aber sich gegen dem
Versicherten nur auf dem Fall des Verlusts verbindlich gemacht, also kann auch
dieser wider jenen seine Forderung
(3-277) nicht ehender regen, als bis daß derselbe den sich
ergebenen Unfall an denen versicherten Waaren durch glaubwürdige Beweise
darzuthun im Stande ist.
[3, 16, § 3] 23. Wann jedoch an der Vollständigkeit des
Beweises noch ein Zweifel übrig wäre, und der Versicherer um einen
hinlänglichen Zeitraum die verläßliche Kundschaft über die eigentliche
Beschaffenheit der Sache einholen zu mögen anhielte, ist ihme solcher nach
richterlichen Befund zu verstatten.
[3, 16, § 3] 24. Daferne hingegen derselbe die versicherte
Summe, oder den Werth deren für verloren angegebenen Waaren bezahlet hätte, und
der Eigenthümer nachhero etwas davon, wofür er bereits die Entschädigung
erhalten, anwiederum zu Handen brächte, so ist dieser schuldig so vieles, als
ihme hieran zugekommen, dem Versicherer von dem empfangenen Betrag
zuruckzuerfolgen.
[3, 16, § 3] 25. Um damit aber auch der Eigenthümer in
Erwartung des ungewissen Erfolgs wegen der versicherten Summe auf dem Fall, da
mittlerweil das Vermögen des Versicherers in Abnehm geriethe, gesicheret sein
möge, so solle demselben unverwehret sein nach Darzeigung der Gefahr an
demselben seine Sicherheit vorsichtsweise anzusuchen.
§. IV.
[3, 16, § 4] 26. Der Versicherungscontract endiget sich auf
verschiedene Art, als erstens mit beiderseitigen Abstand; Einer aber allein
kann ohne Willen des Anderen von dem Contract nicht abweichen, sondern da der
versicherte Theil davon abstünde, verlieret derselbe die dem Versicherer
gegebene oder verheißene Prime.
[3, 16, § 4] 27. Zweitens, mit Verlauf der Zeit, worauf die
Versicherung gelautet, oder binnen welcher die Anzeige des an denen
versicherten Waaren erlittenen Verlusts oder Schadens geschehen sollen, so
insgemein bei Verlust der Forderung dem Contract beigesetzet zu werden pfleget;
dem Versicherer aber verbleibet solchen Falls die Prime nicht weniger, als wann
der Erfolg unter dieser Zeit sich ereignet hätte.
[3, 16, § 4] 28. Drittens, durch contractwidriges Benehmen
des versicherten Theils, wann derselbe sich der Abrede gemäß in der Weis, Zeit
oder Ort nicht verhalten, oder zu dem Verlust deren versicherten Gütern aus
eigener Schuld Anlaß gegeben, als da dieselbe wegen Betretung mitgeladener
verbotener Waaren, oder von ihme überfahrenen Zolls oder Mauth, oder sonstiger
getriebenen Einschwärzung oder Schleichhandels eingezogen würden.
[3, 16, § 4] 29. Wo aber ein solcher Verlust sich aus Schuld
des Schiffers oder Fuhrmanns ohne Theilnehmung des Versicherten ergäbe, bleibet
der Versicherer jegleichwohlen dafür zu haften verbunden, gleichwie in Gegentheil
dieser, wann der Schaden sich aus Schuld des Versicherten ereignet, oder von
ihme die contractmäßige Weis nicht beobachtet worden wäre, die Prime gewinnet.
[3, 16, § 4] 30. Viertens, durch nichterfolgte Versendung
deren versicherten Waaren, als da in der bestimmten Zeit das versicherte Schiff
nicht abseglete, oder der Fuhrmann nicht abgienge, oder die Waaren vor der
Befrachtung des Schiffs oder Wagens, oder nach ihrer Ausladung an dem Ort der
Absetzung zu Grund giengen. Doch ist in diesen Fällen zu unterscheiden, ob die
Versendung deren versicherten Waaren aus Schuld oder bloßen Willen des
Versicherten, oder aber aus Zufall unterbleibe.
[3, 16, § 4] 31. Ersteren Falls behält nicht nur der
Versicherer die schon empfangene Prime, sondern er kann auch die verheißene
annoch abforderen, wann sich dabei der Versicherte deren Zuruckstellung bei
unterlassener Versendung nicht ausdrücklich ausbedungen hat; letzteren Falls
hingegen solle der Contract auf beiden Seiten gänzlich aufgehoben, und der
Versicherer die erhaltene Prime dem Versicherten zuruckzuzahlen schuldig sein,
woferne nichts Anderes verabredet worden.
(3-278) [3, 16, § 4] 32. Wo aber nicht alle versicherte
Waaren, sondern nur ein Theil derenselben versendet würde, bleibet der
Versicherer nur für den Betrag des Werths deren abgeschickten in der
Verbindlichkeit, ohne jedoch an der ihme dafür gebührenden Prime einen Abbruch
zu leiden. Ueberhaupt ist Unser Willen, daß in jenen Orten, wo besondere
Handlungsgesetze oder Mercantilordnungen vorgeschrieben sind, auch bei
Versicherungscontracten sich in Allem nach solchen geachtet werden solle.
Caput XVII.
Von Zinsen, Nutzungen und anderen aus Contracten schuldigen
Nebengebührnussen.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Zinsen.
§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit deren Zinsen oder
Interessen. §. II. Von Ursachen der Verzinsungsschuldigkeit. §. III. Von Verzug
und Saumsal. §. IV. Von rechtmäßigen Betrag deren Zinsen und von Wucher. §. V.
Von Zuschlagung deren Zinsen. §. VI. Von Erlöschung der Verzinsungsschuldigkeit.
§. I.
[3, 17, § 1] Num. 1. Die aus verbindlichen Handlungen
entspringende Schuldigkeit bestehet nicht allein in Leistung dessen, worzu
Jemand hauptsächlich verbunden ist, sondern auch in Abtrag aller
Nebengebührnussen, deren Erstattung sowohl Treu und Glauben, wann solche
mitverheißen worden, als die Billigkeit, damit Niemand an Schuld des Anderen
verkürzet, oder gegenseits mit Schaden des Anderen bereicheret werde,
erheischet, obschon deswegen keine ausdrückliche Verabredung vorhergegangen
ist.
[3, 17, § 1] 2. Diese Nebengebührnussen sind nach
Verschiedenheit deren Handlungen vielerlei, und können auch Mehrere nach
Beschaffenheit deren Umständen, und nach
(3-279) Gestalt der Hauptsache, warum es zu thun ist, bei
einer Handlung zusammentreffen.
[3, 17, § 1] 3. Sie werden dahero in folgende fünferlei
Gattungen abgetheilet, als: Erstens, Zinsen oder Interessen; zweitens,
Nutzungen oder Früchten; drittens, Zuwachs oder Zugänge; viertens, Aufwand und
Verbesserungskosten; fünftens, Schäden und Unkosten, von deren jeder in
gegenwärtigen Capitel unter besonderen Artikeln gehandlet wird.
[3, 17, § 1] 4. Die Zinsen werden in der vorliegenden
Bedeutung zum Unterschied von anderen aus Mieth-, Pacht- oder Bestand- und
Zinscontracten gebührenden Zinsungen, welche bei diesen Contracten den
hauptsächlichen Gegenstand der Verbindung ausmachen, insgemein Interessen
genannt, und sind nichts Anderes, als eine gewisse über den Hauptstamm oder das
Capital für dessen Gebrauch dem Glaubiger von dem Schuldner in Dingen von gleicher
Art, worinnen das Capital bestehet, zu entrichten schuldige Gebühr.
[3, 17, § 1] 5. Sie erforderen dahero zu ihrer Wesenheit
erstens, daß selbe schon an sich in ihrem Betrag gewiß, und nach dem Verhältnuß
der Hauptsumme bestimmet sein müssen, als z. B. fünf oder sechs von Hundert,
wodurch dieselbe sich von der Entschädigungsgebühr unterscheiden, als welche
meistens zur Zeit, wann solche geforderet wird, noch ungewiß ist, und erst
durch richterliche Ausmessung bestimmet wird.
[3, 17, § 1] 6. Zweitens, daß allemal eine Hauptsumme
vorhergehe, wovon sie für deren Gebrauch abgestattet werden, dahingegen die
übrige Nebengebührnussen aus anderen Ursachen herfließen, wie es aus denen
nachfolgenden Artikeln erhellen wird.
[3, 17, § 1] 7. Die Hauptsumme aber wird auch der
Hauptstamm, Hauptstuhl, oder das Capital genannt, und ist ein gewisser
schuldiger Betrag Gelds oder anderen in Handel und Wandel nach der Zahl,
Gewicht oder Maß geschätzten Guts, worzu Jemand hauptsächlich verbunden ist.
[3, 17, § 1] 8. Dadurch unterscheiden sich die Interessen
von denen Nutzungen, welche von anderen Dingen, die sonst in Handel und Wandel
ihrer Gestalt nach und stuckweis geschätzet werden, abfallen, und nicht als
eine Vergeltung des Gebrauchs, wie die Interessen, sondern als eine Folge und
Theil der Hauptsache gebühren.
[3, 17, § 1] 9. Drittens, daß die Interessen in gleicher Art
Dingen mit der Hauptsumme bestehen, es seie in baaren Geld, oder anderen nach
Zahl, Gewicht oder Maß geschätzten Sachen, wann sie nur von gleicher Gattung mit
der Hauptsumme sind, als z. B. von hundert Gulden sechs Gulden, von hundert
Metzen Haber sechs Metzen.
[3, 17, § 1] 10. Wiewohlen aber der Glaubiger anstatt deren
schuldigen Interessen auch andere Sachen in dem angeschlagenen Werth annehmen
mag, wann solcher den erlaubten Betrag deren Interessen nicht übersteiget, so
solle jedoch das Beding, mittelst wessen gleich Anfangs der Handlung dem
Glaubiger andere von der Art der Hauptsumme unterschiedene Sachen anstatt deren
Interessen zu geben verheißen oder verschrieben werden, nicht zulässig, sondern
null und nichtig sein, und für wucherlich geachtet werden.
[3, 17, § 1] 11. Die Zinsen oder Interessen sind erlaubt
oder unerlaubt. Die erlaubten sind, welche nach dem ausgesetzten rechtmäßigen
Betrag abgemessen sind; die unerlaubten hingegen, welche solchen übersteigen,
und deshalben eigends wucherliche Zinsen genennet werden.
[3, 17, § 1] 12. Die erlaubten sind anwiederum bedungen oder
unbedungen. Erstere gebühren aus einem ausdrücklich eingegangenen Beding, letztere
aber auch ohne Beding aus Verzug oder Saumsal des Schuldners.
(3-280) §. II.
[3, 17, § 2] 13. Die Zinsen oder Interessen gebühren dahero
entweder aus einem Beding und Verschreibung, oder aus Verzug und Saumsal des
Schuldners; die erstere Ursach der Verzinsungsschuldigkeit wird in diesem, und
die zweite in gleich folgenden §. erkläret.
[3, 17, § 2] 14. Das Beding der Verzinsung kann entweder
gleich in der Hauptverbindung eingegangen, und die Interessen mitverschrieben,
oder solches erst nach der schon bestehenden Hauptverbindung getroffen, und aus
einem Anfangs unverzinslichen Capital eine verzinsliche Schuld gemacht werden,
wann der Schuldner sich nach der Zeit hierzu verbindet; es möge aber gleich in
Anfang, oder darnach geschlossen werden, so ist es einen Weg, wie den anderen
giltig und bündig.
[3, 17, § 2] 15. Dieses einmal eingegangene Beding währet
auch bis zur vollständigen Hinauszahlung der verzinslichen Hauptsumme immer
fort, wann gleich die ausgesetzte Zeit der Zahlung verstrichen wäre; dann die Verfallzeit
hebet die Verbindlichkeit nicht auf.
[3, 17, § 2] 16. Es ist auch nicht nothwendig, daß allemal
ein ausdrückliches Beding erweislich seie, wann sonst von dem Glaubiger die von
dem Schuldner zeither unweigerlich geleistete Interessenabfuhr dargethan werden
mag.
[3, 17, § 2] 17. Damit aber aus der alleinigen
Interessenabfuhr ein stillschweigendes Verzinsungsbeding gefolgeret werden
könne, ist nothwendig, daß die Hauptverbindung des Schuldners richtig und
ungezweiflet, wie auch die Abfuhr deren Interessen von ihme wenigstens durch
dreimal in dreien auf einander folgenden Terminen freiwillig und ohne Vorbehalt
geschehen seie, woraus dann die unstrittige Verbindlichkeit auch zur künftigen
Verzinsung erwachset.
[3, 17, § 2] 18. Es wäre dann die Hauptschuld ungiltig oder
schon erloschen, oder der Schuldner durch Arglist und Zudringlichkeiten des
Glaubigers vor der Verfallzeit zur Bezahlung deren Interessen verleitet worden,
in welchen Fällen ihme noch
(3-281) allemal bevorstehet das zur Ungebühr hieran Bezahlte
zuruckzuforderen, oder an der zu entrichten habenden Hauptschuld abzuziehen.
[3, 17, § 2] 19. Um so viel weniger kann dahero Jemanden
eine auch durch die längste Zeit aus Irrthum geleistete Verzinsung für das
Künftige verfänglich machen, wann sich nachhero zeiget,
daß gar keine Hauptverbindung jemalen vorhergegangen seie.
[3, 17, § 2] 20. Gleichwie aber da, wo die Hauptverbindung
ihre Richtigkeit hat, die Verzinsungsschuldigkeit durch ein stillschweigendes
Beding hergestellet werden kann, also wird auch eine stillschweigende
Erneuerung der vorhergegangenen Verbindlichkeit in jenem Fall vermuthet, wann
der Schuldner größere Zinsen, als nicht die Verschreibung ausweiset, durch
dreimal in dreien auf einander folgenden Terminen freiwillig und ohne einigen
Vorbehalt bezahlet.
[3, 17, § 2] 21. Dieses wirket so viel, daß obgleich die
Verschreibung auf einen minderen Betrag lautete, und der Glaubiger mit dem
Beweis der ausdrücklichen Erneuerung nicht aufzukommen vermögete, der Schuldner
jegleichwohlen zu dem höheren Betrag in Zukunft verbunden bleibe, wann nur der
erhöhete Betrag die erlaubte Maß nicht übersteiget, als da fünfe von Hundert
verschrieben und sechse gezahlet worden wären, hat der Schuldner auch in
Hinkunft ohnerachtet der nur auf fünfe lautenden Verschreibung sechse zu
bezahlen, worwider weiter kein Gegenbeweis zugelassen sein solle.
[3, 17, § 2] 22. Dahingegen entstehet aus ein- oder
andermaliger Abfuhr größerer Interessen, als nicht verschrieben worden, nicht
nur allein keine Verbindlichkeit für das Künftige, sondern der Schuldner kann
auch das hieran mehr Bezahlte ebensowohl, als Dasjenige, was an der Hauptsumme
zur Ungebühr abgeführet worden wäre, entweder zuruckbegehren, oder an der
künftig leistenden Zahlung abziehen.
[3, 17, § 2] 23. In Gegentheil wird auch an Seiten des
Glaubigers ein stillschweigender Nachlaß für das Künftige vermuthet, wann von
ihme durch dreimal in dreien aufeinander folgenden Fristen mindere Interessen
unter dem verschriebenen Betrag ohne ausdrücklicher Verwahrung und Vorbehalt
des Uebrigen, und ohne in der Quittung anzumerken, daß die Zahlung auf Abschlag
geschehen, angenommen worden, und dieses von dem Schuldner durch die Quittungen
behörig erwiesen werden kann, als da sechse von Hundert verschrieben worden
wären, und der Glaubiger sich durch dreimaligen Erlag mit fünfen von Hundert
begnüget hätte.
[3, 17, § 2] 24. Die Interessen können entweder mit dem
Capital zugleich in einer Rechtsforderung eingeklaget, oder auch besonders ohne
demselben geforderet werden, wann der Glaubiger die Anheimzahlung des Capitals
zur Zeit nicht anbegehren will oder kann, als da die Verfallzeit noch nicht
herangekommen, oder noch keine Aufkündung geschehen wäre.
[3, 17, § 2] 25. Nicht weniger kommt denen Interessen eben
diejenige Sicherheit an verschriebenen oder gegebenen Unterpfand, oder an
geleisteter Bürgschaft zu statten, welche für das Capital selbst bestellet worden, woran der Gläubiger sich wegen deren
schuldigen Interessen eben so, wie wegen des Capitals zu halten befugt ist. Was
aber für ein Vorrecht denenselben bei Auflauf deren Glaubigeren gebühre, wird
in vierten Theil bei der Gant- oder Crida-Ordnung erkläret werden.
§. III.
[3, 17, § 3] 26. Die zweite Ursach,
woraus die Verzinsungsschuldigkeit entspringet, ist der Verzug oder Saumsal des
Schuldners, wodurch nichts Anderes verstanden wird, als eine unbillige und
nachtheilige Verzögerung der zu leisten schuldigen Zahlung.
[3, 17, § 3] 27. Gleichwie in Gegensatz der Verzug des
Glaubigers in widerrechtlich verweigerter Annehmung der von dem Schuldner in
gehöriger Zeit, Ort und Weis angebotenen Zahlung bestehet. Diese beiderlei
Verzüge aber haben verschiedene
(3-282) Wirkungen; dann der an Seiten des Glaubigers hebet
sofort die weitere obschon bedungene Verzinsungsschuldigkeit auf, und befreiet
nicht allein den Schuldner, wann der gerichtliche Erlag der Schuld erfolget,
von der Verbindlichkeit, sondern übertraget auch die Gefahr der zu Gericht
erlegten Schuld auf den Glaubiger, wie es unten im letzten Capitel mit Mehreren
erkläret werden wird.
[3, 17, § 3] 28. Jener an Seiten des Schuldners hingegen
wirket die Verzinsungsschuldigkeit, wann solche auch nicht bedungen worden
wäre, von der Zeit an, wo die Zahlung der schuldigen Hauptsumme hätte geleistet
werden sollen. Dieser Verzug rühret entweder aus
vorläufiger Einforderung des Glaubigers, oder aus Beschaffenheit der Schuld
selbst her.
[3, 17, § 3] 29. Durch die Einforderung des Glaubigers wird
nicht jedwede auch außergerichtliche Erinnerung und Einmahnung, sondern nur
allein die gerichtliche Belangung des Schuldners verstanden, also daß derselbe,
wann er die Schuld nicht sogleich bezahlet, noch auch die Forderung des
Glaubigers mit einer rechtsbeständigen Einwendung abzuleinen vermag, sofort
hierdurch in Verzug gesetzet, und von dem Tag der ihme zugekommenen
gerichtlichen Klage die Hauptsumme zu verinteressiren schuldig werde, obschon
kein Verzinsungsbeding vorhergegangen, wann dem Kläger solche nachhero durch
den richterlichen Spruch zuerkannt werden.
[3, 17, § 3] 30. Diese Schuldigkeit der Verzinsung währet
auch fort, wann gleich der Glaubiger vor empfangener, oder der Schuldner vor
geleisteter Zahlung verstürbe, und behalten so die Erben des Ersteren das Recht
die Zinsen wegen Verzugs einzufordern, wie die Erben des Letzteren solche zu bezahlen
schuldig verbleiben; es wäre dann der Glaubiger von der Eintreibung des
Capitals durch Verstattung längerer Zahlungsfrist anwiederum abgestanden.
[3, 17, § 3] 31. Aus Beschaffenheit der Schuld selbst ohne
vorgängiger Einmahnung des Glaubigers entsteht der Verzug durch die alleinige
Verzögerung der Zahlung, wann entweder hierzu eine gewisse Frist oder
Verfallzeit ausgesetzet worden, oder es die natürliche Billigkeit erforderet,
daß der Jemanden durch Anmaßung seines Guts entzogen, oder gegenseits ihme von
dem Anderen durch Anwendung seines eigenen Guts verschaffte Nutzen auf diese
Art ersetzet werde.
[3, 17, § 3] 32. Wann ein gewisser Tag in der Verschreibung
oder sonstigen Handlung zur Zahlung bestimmet worden, so mahnet der Tag anstatt
des Glaubigers, und wo der Schuldner nicht zahlete, wird er von diesem Tag an
ohne aller weiteren Ermahnung die Interessen von der schuldigen Hauptsumme zu
entrichten verbunden.
[3, 17, § 3] 33. Und ist einerlei, ob der Tag von denen
Contrahenten selbst ausdrücklich beigesetzet, oder stillschweigend darunter
verstanden werde, oder von dem Richter, oder auch schon von dem Gesatz selbst
bestimmet seie. Stillschweigend wird die Ansetzung des Tags in allen
denenjenigen Handlungen verstanden, worinnen die Verbindung auf die Schuldigkeit
etwas zur gehörigen Zeit zu thun abzielet; dann die Zeit, wann das Werk, oder
die That hätte vollbracht werden sollen, hat eben die Wirkung, als ob solche
ausdrücklich zur Zuruckzahlung des Empfangenen beigefügt worden wäre.
[3, 17, § 3] 34. Davon sind jedoch die unter Bedingnussen
geschlossene Handlungen ausgenommen, bei welchen der alleinige Erfolg der
Bedingnuß den Schuldner nicht sofort in den Verzug setzet, sondern nur allein
aus einer vorhin bedingten, nachhero eine unbedingte Handlung machet, wobei
aber allemal die vorhergehende Einmahnung des Glaubigers erforderlich ist, wann
nicht etwan schon zum voraus auf den Fall der erfolgenden Bedingnuß wegen der
Zahlungszeit ein Anderes vorgesehen worden.
[3, 17, § 3] 35. Nicht weniger Wirkung hat das in
Rechtskräften erwachsene richterliche Urtheil, oder sonstige gerichtliche
Auflage, als die Verabredung deren Parten selbst; dann, wann die zur
Genugthuung des Glaubigers anberaumte Zeit
(3-283) verstrichen, wird der Schuldner von dieser Zeit an
zu Zahlung deren Interessen verbunden, wann gleich solche in dem Urtheil wegen
Verzugs nicht zugesprochen worden wären.
[3, 17, § 3] 36. Desgleichen, wo das Gesatz eine Zeitfrist
ausmesset; binnen welcher die Abfuhr der Schuld geschehen solle, laufen von
solcher Zeit die Zinsen, obschon keine Einmahnung des Glaubigers
vorhergegangen; also ist der Erb schuldig von denen Geld-Vermächtnussen, bei
denen von dem Erblasser keine Zeit der Abfuhr bestimmet worden, nach Verlauf
eines Jahrs von dem Absterben des Erblassers die Zinsen zu bezahlen, wann
gleich Eine, denen sie verschaffet worden, solche nicht eingemahnet hätten.
[3, 17, § 3] 37. Aus natürlicher Billigkeit gebühren die
Interessen ohne aller vorhergesehenen Erinnerung sogleich von dem Tag der sich
zugezogenen Hauptverbindlichkeit in folgenden Fällen, erstens: Wann jemand
fremdes ihme anvertrautes Geld oder Gut zu seinem eigenen Gebrauch verwendet.
[3, 17, § 3] 38. Als da ein Befehlshaber, Anwalt,
Sachwalter, Vormund, Curator, Mitgesellschafter oder Jener, zu dessen getreuen
Handen etwas hinterleget wird, das anvertraute, oder bei ihme aufbewahrte Geld
oder Gut verthan, oder verzehret hätte, wird ein solcher gleich von dem Tag der
Verwendung zu Bezahlung deren Interessen von der verwendeten Summe, oder dem
geschätzten Werth des verzehrten Guts verbindlich, wann gleich das
unterschlagene Geld nur in eingehobenen Interessen, welche er sich eigenmächtig
zugeeignet hätte, bestanden wäre.
[3, 17, § 3] 39. Zweitens, wann von Jemanden, als z. B.
einem Befehlshaber, oder Sachwalter auf eine fremde Sache zu Guten des
Eigenthümers, der die Nutzungen davon zu beziehen hat, nothwendige oder
nutzliche Auslagen aufgewendet worden wären, gebühren hiervon die Zinsen von
dem Tag der Auslagen.
[3, 17, § 3] 40. Drittens, wann Vormündere, oder Gerhaben
und Curatores Waisengeld eigenwillig ohne gerichtlicher Beangenehmigung todt
erliegen lassen, sind dieselbe die Interessen für die Zeit, als das Geld aus
ihrer Schuld ohne Fruchtbringung geblieben, davon zu vergüten schuldig, wie es
in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft mit Mehreren angedeutet
worden.
[3, 17, § 3] 41. Viertens, wann Befehlshabere entweder
ausdrücklich befehliget sind, eine Summe Gelds auf Zinsen auszuleihen, oder das
aufgetragene Geschäft also beschaffen gewesen wäre, daß solches ohne Ausleihung
der Summe nicht habe vollbracht werden können, oder endlich ein Befehlshaber
oder Sachwalter für sich ein auf Zinsen sicher angelegtes Capital ohne aller
Noth einheben und todt erliegen lassen würden, haben dieselben die Interessen,
deren der Eigenthümer aus ihrer Schuld entbehren müssen, ihme zu ersetzen.
[3, 17, § 3] 42. Fünftens, wann fremdes Geld oder Gut
gestohlen oder geraubet, oder boshafter Weise verderbet wird, ist die
Wiedererstattung des gestohlenen oder geraubten Gelds, oder wo das Gut nicht
mehr zuruckgestellet werden könnte, der Ersatz des Werths desselben mit denen
von dem Tag des Diebstahls, Raubs, oder sonstiger Beschädigung davon laufender
Interessen zu leisten.
[3, 17, § 3] 43. Sechstens, wann der Schuldner sich
boshafter Weise verborgen hielte, oder gar zahlflüchtig würde und der Glaubiger
seine Forderung bei Gericht anmeldete, oder einen gerichtlichen Kummer, Verbot
oder Zuspruch auf das Vermögen des zahlflüchtigen Schuldners loswirkete, oder in
die ihme verschriebene Hypothek die Execution ergriffe, gebühren demselben die
Interessen von dem Tag der Anmeldung, oder der angestrengten Execution, woferne
sie nicht vorhero bedungen, oder die Hauptsumme nicht schon ehender eingeklaget
worden.
[3, 17, § 3] 44. Die bloße gegenseitige Erfüllung des
Contracts hingegen in einer zweibündigen Handlung, worinnen keine Zeit der
schuldigen Entrichtung bestimmet worden, setzet für sich allein den Schuldner
nicht in Verzug, solange nicht dessen gerichtliche Belangung erfolget, noch
weniger ziehet ihme solche die Verbindlichkeit
(3-284) der Verzinsung zu, wann sie nicht ausdrücklich
mitbedungen worden, oder nicht einer deren vorbemelten Fällen unterwaltet,
wobei die natürliche Billigkeit die Verzinsung erheischet.
[3, 17, § 3] 45. Zum Beispiel desset (!) dienet das, was
oben in neunten Capitel, §. IX, num. 135 von dem rückständigen Kaufgeld
geordnet ist, welches, obschon der Verkaufer die verkaufte Sache dem Kaufer
übergeben hätte, dieser jegleichwohlen zu verinteressiren nicht schuldig ist,
wann nicht solches vorhero in dem Contract bedungen, oder eine gewisse Zeit zu
Bezahlung des Kaufschilings bestimmet, oder der Kaufer von dem Verkaufer hierum
gerichtlich geklaget worden
[3, 17, § 3] 46. Der Verzug an Seiten des Schuldners wirket
über die Verzinsungsschuldigkeit annebst noch nicht allein für das Verfallene
die Fortwährigkeit der persönlichen oder zeitlichen Verbindlichkeit, und deren
Uebertragung auf die Erben des Schuldners, obgleich solche von der
Beschaffenheit wäre, daß sie für das Künftige mit dessen Absterben, oder mit
Verlauf der Zeit erlöschen, sondern auch die Verfänglichkeit des Schuldners für
die Gefahr der zu leisten schuldigen Sache, welche vor seinem Verzug oder
Saumsal der Glaubiger zu tragen gehabt hätte, wie es in ersten Capitel, §. IX,
num. 127 erkläret worden.
[3, 17, § 3] 47. Der Verzug des Selbstschuldners schadet
auch dem Bürgen, wann er sich nicht dagegen durch ein ausdrückliches Beding
verwahret hat, wie es in achten Capitel, §. V, num. 65 ausgemessen worden. Der
Verzug eines Mitschuldners hingegen schadet dem anderen mit ungeschiedener Hand
Mitverbundeten nur insoweit, als solcher als Beschaffenheit der Schuld selbst
herrühret, nicht aber auch jener, welcher bloß aus der Einforderung des Glaubigers
entstehet.
[3, 17, § 3] 48. Doch können rechtmäßige Ursachen oder
Ehehaften sein, welche den Verzug entschuldigen, und den Schuldner vor dessen
Wirkungen verwahren; derlei Ursachen bestehen entweder in dem eigenen Willen
des Glaubigers, oder in der Zuthat des Schuldners.
[3, 17, § 3] 49. Mit Willen des Glaubigers höret der Verzug
des Schuldners auf, wann solcher demselben von ihme durch weitere Fristung
ausdrücklich oder stillschweigend erlassen wird, als da eine Erneuerung der
vorigen Verbindlichkeit vorgenommen worden wäre, welche allemal die Erlassung
des Verzugs zugleich bewirket, wodurch zwar der Schuldner von der Verzinsung
für das Künftige, nicht aber auch für das Vergangene befreit wird, woferne
nicht auch dieses dabei ausgedrucket worden.
[3, 17, § 3] 50. Durch Zuthat des Schuldners wird der Verzug
abgeleinet, wann von ihme entweder nach der von dem Glaubiger unbillig
verweigerten Annehmung der Zahlung die Schuld bei Gericht erleget, oder die
Forderung des Glaubigers mit einer rechtsbeständigen Einrede entkräftet, oder
die Ausantwortung der schuldigen Sache aus Beschaffenheit deren Umständen
selbst verzögeret wird.
[3, 17, § 3] 51. Die erstere Art enthebet den Schuldner von
der künftigen, nicht aber auch von der bis dahin verfallenen Verzinsung; die
zweite hingegen von allen sowohl für das Künftige, als Vergangene anforderenden
Interessen und allen übrigen Wirkungen des Verzugs, und endlich die dritte,
welche nur in Fällen, wo gewisse bestimmte Dinge ihrer Gestalt und nicht dem
Betrag nach abzustatten sind, Platz greifet, lediglich von der Verfänglichkeit
für die Gefahr der Sache, als da der Verkaufer ohne seiner Schuld durch Zufall
verhinderet würde, die verkaufte Sache an den Kaufer zu übergeben.
[3, 17, § 3] 52. Dahingegen stellet die bloße Verkümmerung
einer ausstehenden Schuld den Lauf deren Interessen nicht ein, wann selbe
vorhero aus einem Beding oder Verzug gebühren, noch weniger kann solche den
Verzug entschuldigen, sondern der Schuldner bleibet dessen ohnerachtet die
Interessen, es seie aus einem Beding oder Verzug, zu bezahlen verbunden, wovon
er sich nicht anders, als durch gerichtlichen
(3-285) Erlag der Schuld entledigen kann. Wo aber vor der
erfolgten Verkümmerung keine gebühret hätten, können auch darnach wegen des
Verzugs keine zu laufen anfangen, so lange das verkümmerte Capital dem
Verbotleger nicht zugesprochen wird.
§. IV.
[3, 17, § 4] 53. Bei denen Zinsen oder Interessen kommt es
auf dreierlei Gegenstände an, als den Betrag, die Dauer, die Vermehrung.
[3, 17, § 4] 54. Den Betrag deren bedungenen Interessen
bestimmen Wir auf sechs von Hundert jährlich dergestalten, daß zwar Niemanden
sich mindere, als z. B. : fünf, vier oder auch drei von Hundert jährlich
auszubedingen verwehret, niemalen aber unter was immer für erdenklichen Vorwand
größere, als sechs von Hundert jährlich zu bedingen, noch weniger abzunehmen
bei der unten ausgesetzten Strafe des Wuchers erlaubet sein solle.
[3, 17, § 4] 55. Die aus Verzug gebührende Interessen aber
messen Wir nur auf fünf von Hundert jährlich aus, wann nicht mindere, oder
höhere schon vorhero bedungen, oder verschrieben worden wären, dann
solchenfalls hat es auch in Hinzutretung des Verzugs bei dem getroffenen Beding
sein Verbleiben; wo jedoch ein derlei Beding ermanglete, solle keinem Richter
gestattet sein aus Verzug höhere Interessen, als fünf von Hundert zuzusprechen.
[3, 17, § 4] 56. Bei denen bedungenen Interessen sind jedoch
zwei Fälle anzunehmen, worinnen solche auf einen höheren Betrag über sechs von
Hundert ansteigen können, als erstlich bei Leibrenten, welche in dreizehnten
Capitel, in zweiten Artikel, §. VII, num. 86 beschrieben worden, und worinnen
in Anbetracht des mit Absterben der Person, welche sie gebühren, in Verlust
gehenden Capitals auch größere Zinsen nach Maß ihres mehreren oder minderen
Alters gestattet werden, dann
[3, 17, § 4] 57. Zweitens, bei Handlungen zwischen Kauf- und
Handelsleuten untereinander, welche nach denen jeden Orts eingeführten
Mercantil- und Wechselordnungen
(3-286) beurtheilet werden sollen; wohingegen auch die Kauf-
und Handelsleute in jenen Handlungen, die mit einem Anderen, welcher kein Kauf-
und Handelsmann ist, geschlossen werden, den oben ausgemessenen
Interessenbetrag bei Strafe des Wuchers nicht überschreiten dürfen.
[3, 17, § 4] 58. Damit aber außer gleichbemelten zweien
Fällen der ausgseetzte Betrag deren Interessen nicht nur durch kein
ausdrückliches Beding, sondern auch nicht heimlich, und unter keinerlei Vorwand
und Deckmantel überschritten werden möge, so solle unter dem Wucher aller
entweder durch übermäßige Zinsen oder Interessen, oder durch verbotene
Zuschläge, oder durch sonstige Benachtheiligung des Entlehners von dem
Darleiher abgesehener unerlaubter Gewinn verstanden sein.
[3, 17, § 4] 59. Es wird dahero bei denen Interessen ein
offenbarer Wucher begangen, wann mehrere Zinsen, als höchstens sechs von
Hundert jährlich bedungen, obschon noch nicht angenommen, oder gegentheils
nachhero angenommen, obschon Anfangs nicht bedungen worden.
[3, 17, § 4] 60. Die Interessen, mögen in ganze, halbe oder
viertel Jahre, Monate, Wochen oder Tage eingetheilet sein oder nicht, so ist es
doch ein Wucher, wann nur die Summe für diese Zeit mehr austrägt, als die
Interessen jahrweis gerechnet zu sechs von Hundert abwerfen würden, als z. B.
monatlich, wöchentlich, oder auch wohl täglich von Gulden ein Kreuzer bedungen
oder angenommen worden wäre, so die rechtmäßige Interessen weit übersteiget.
[3, 17, § 4] 61. Nicht weniger ist eine wucherliche
Handlung, wann die Interessen von dem Capital vorhinein abgezogen, oder wohl
gar mit Außerachtlassung der im folgenden Paragraph hierbei eigends
angeordneten Vorsehung zu Capital geschlagen, und Interessen von Interessen
bedungen oder angenommen werden.
[3, 17, § 4] 62. Inwieweit aber die Benutzung eines zum
Unterpfand verschriebenen oder verpfändeten Guts für wucherlich zu halten seie,
ist bereits in siebenten Capitel, in zweiten Artikel, § XIV, von num. 145 bis
152 erkläret worden.
(3-287) [3, 17, § 4] 63. Durch Zuschläge oder sogenannten
Partiten und Sattlungen wird ein Wucher begangen, wann auf eine nur auf Bargeld
allein lautende Verschreibung nicht lauter baares Geld, sondern ganz, oder zum
Theil Waaren gegeben werden, welcherlei Zuschläge, wann über die Schuld nur
Eine Verschreibung oder Urkunde ausgefertiget worden, es möge darinnen von dem
Zuschlag eine Meldung geschehen oder nicht gänzlich verboten sein, und für
wucherlich gehalten werden sollen, ohne vorerst zu untersuchen, ob selbe dem
Entlehner schädlich sind oder nicht?
[3, 17, § 4] 64. Welches ingleichen von Waarenauszügeln,
worinnen ein vorgestrecktes baares Geld mit einkommt, zu verstehen ist, und
umsomehr bei heimlichen Zuschlägen statt hat, wann nemlich weniger an baarem
Geld, oder falls auch die Verschreibung bloß auf Waaren lautete, minder an
Waaren oder anderen Sachen, als die Verschreibung besaget, gegeben worden.
[3, 17, § 4] 65. Ueberhaupt aber solle niemalen in der
nemlichen Verschreibung Geld und andere Sachen vermischet, auch niemalen mehr
oder was Anderes, als gegeben worden, angesetzet werden, wo ansonsten es für
einen verbotenen Zuschlag, folglich für eine wucherliche Handlung angesehen
werden solle.
[3, 17, § 4] 66. Und obschon Jedermann freistehet eine
eigene ältere Schuld, die er selbst in seinem Namen bei dem Entlehner zu
forderen gehabt, in ein späteres Darlehen mitteilt einer Erneuerung
einzuschließen und beide in eine Summe zusammenzuziehen, so solle jedoch die
Makel des Wuchers, womit etwan die ältere Schuld behaftet ware, andurch nicht
ausgelöschet, sondern sowohl die alte wucherliche, als auch die neue, obschon
nicht wucherliche Schuldpost wegen der erfolgten Vermischung und zur Strafe der
andurch gesuchten Bemäntlung des wiewohlen älteren Wuchers Uns verfallen sein.
[3, 17, § 4] 67. Damit aber diese Unsere heilsame Vorsehung
durch Errichtung mehrerer über einerlei Handlung auch etwan unter anderem Namen
und Vorwand, als da sind eines Darlehens, Kaufes, oder sonstigen Deckmantels zu
Verhehlung verbotener Zuschlägen ausgefertigten Verschreibungen oder Urkunden
nicht vereitlet werde, so wollen und ordnen Wir hiemit, daß ein wucherlicher
Handel sein und bleiben solle, wann gleich in zwei oder mehreren
Verschreibungen ein wucherlicher Contract entweder unter wahrem oder unter
erdichtetem Namen an einem Tag geschlossen, oder da auch die Verschreibungen
auf verschiedene Tage lauteten, entweder alle, oder auch nur eine davon zu
Bedeckung des wucherlichen Zuschlags auf einen anderen Tag falsch gesetzet
worden, welchen Falls, wann dieses erweislich ist, die ganze obschon in
mehreren Verschreibungen enthaltene Handlung für wucherlich geachtet, und der
ganze betreffende Betrag Uns verfallen sein solle.
[3, 17, § 4] 68. Wann aber nicht erwiesen werden könnte, daß
die in verschiedenen Verschreibungen enthaltene, obschon zum Theil wucherliche
Handlungen an einem Tag gemacht worden, so solle nur die in denen wucherlich
befundenen verschriebene Summe verfallen sein, die übrigen Handlungen aber
derowegen nicht für wucherlich geachtet werden.
[3, 17, § 4] 69. Doch erwachset in dem Fall, wo eine von
mehreren von dem nemlichen Entlehner ausgestellten, obschon auf verschiedene
Täge gesetzten Verschreibungen oder Schuldbriefen wucherlich zu sein entdecket
worden, die Muthmaßung auch wegen deren übrigen wider den Darleiher, daß solche
nur erdichtet worden, und von gleicher Beschaffenheit mit jener sind, weshalben
ihme das Widerspiel zu erweisen oblieget, wann die Verschreibungen nicht von
glaubwürdigen Zeugen mitunterfertiget oder vor Gericht bestätiget worden.
[3, 17, § 4] 70. Wie dann auch jene Handlungen, in welchen
Jemand dem Anderen solche Waaren borget, die er nicht selbst führet oder
verfertiget, oder auch deren der Entlehner zu seinem Gebrauch nicht nöthig hat,
oder deren Betrag so groß und übermäßig ist, daß der Entlehner solche
(vernünftiger Weis davon zu urtheilen) nicht verbrauchen mag, oder endlich
deren Betrag und Preis gar nicht angesetzet
(3-288) worden, für wucherlich gehalten werden sollen, wann
der Darleiher deren Rechtmäßigkeit nicht darthun kann.
[3, 17, § 4] 71. Wer dahero Jemanden nebst einem baaren Gelddarlehen
auch entweder zugleich, oder vor, oder darnach vor noch zuruckgezahlten Geld,
Waaren, oder andere Sachen auf Borg geben, oder mittelst Borgung Borgung des
Preises verkaufen will, hat zu Abwendung allen Verdachts einer wucherlichen
Handlung oder unerlaubten Zuschlags, und damit er nicht die Probe des
Widerspiels auf sich zu nehmen bemüssiget sein möge, sich nicht allein mit zwei
oder mehreren Verschreibungen, sondern auch mit glaubwürdigen Zeugen zu
versehen, und von denenselben solche mit unterfertigen zu lassen, oder seinen
Contract vor Gericht zu machen, und so ein, als anderen Falls die auf Borg
gegebenen Waaren oder Sachen, wie in einem Auszügel, mit getreulicher Anzeige
ihres Betrags und Preises wohl zu beschreiben.
[3, 17, § 4] 72. Wo aber der Darleiher ein Kauf- und
Handelsmann wäre, solle derselbe schuldig sein die geborgte Waaren, in seine
Bücher ordentlich einzutragen, und wann deren Werth hundert Gulden übersteiget,
den Conto oder Auszügel entweder durch glaubwürdige Zeugen fertigen, oder vor
Gericht errichten zu lassen.
[3, 17, § 4] 73. Dann auch Kauf- und Handelsleuten solle in
denen mit einem Anderen, so kein Kauf- und Handelsmann ist, schließenden
Contracten sich deren nur unter ihnen gestatteten schon üblichen Handlungsarten
zu bedienen nicht erlaubet, sondern so wie Anderen mit Waarenzuschlag, oder
sonst wucherlich zu handlen unter denen hienach ausgemessenen Strafen verboten
sein.
[3, 17, § 4] 74. Durch sonstige Benachtheiligung des
Schuldners wird auch außer des Bezugs übermäßiger Interessen oder unerlaubter
Zuschlägen ein Wucher entweder offenbar oder heimlich verübet, wann der
Darleiher über die erlaubte Interessen, unter was immer für einem Vorwand, sich
ein Mehreres an Geld oder Waaren zuruckzuzahlen bedungen, oder von dem Entlehner
angenommen hat, als von ihme wirklich gegeben worden.
[3, 17, § 4] 75. Offenbar geschiehet solches nicht nur, wann
der Darleiher sich eine größere Summe, als er wirklich zugezählet, verschrieben
läßt, sondern auch wann er die Münzen in einem höheren Werth, als sie zur Zeit
des Darlehens gangbar gewesen, ausgeliehen, oder die geborgte Waaren in einem
viel größeren Werth, als sie damals insgemein gegolten haben, angeschlagen,
oder sich die Heimfälligkeit des etwan gegebenen Pfands bei nicht einhaltender Zahlung
ausbedungen hat.
[3, 17, § 4] 76. Ein Gleiches ist, wann der Darleiher sonst
über die zulässige Interessen, von dem Schuldner sich entweder für die
Abreichung des Darlehens, oder auch für die längere Nachfristung über die
Verfallzeit etwas, es seie an Geld oder Geldswerth, als ein Strafgeld der
Nichteinhaltung, oder zur Vergeltung und Belohnung ausbedungen oder angenommen,
obgleich der Schuldner solches selbst freiwillig zur Abwendung der Execution
anerboten hätte.
[3, 17, § 4] 77. Ein heimlicher Wucher ist, wann ein
Darlehen unter dem Namen und Gestalt einer anderen Handlung vertuschet und
bemäntlet wird. Von dieser Eigenschaft ist die Handlung, wodurch von Jemanden
Waaren auf Borg herausgenommen, demselben aber, um baares Geld zu bekommen,
gleich wiederum mittel- oder unmittelbar um einen minderen Werth verkaufet
werden.
[3, 17, § 4] 78. Dahin gehören alle zu Bedeckung des Wuchers
verstellte Kaufhandlungen, wobei der Verkaufer unter Vorspieglung eines anderen
eingegangenen Bedings oder Contracts entweder in dem Besitz der verkauften
Sache verbleibet, oder doch solche anwiederum einzulösen, oder der Kaufer
dieselbe heimzulagen sich vorbehält, wann aus der Beschaffenheit deren
Personen, dem Verhältniß des Preises gegen der dafür gegebenen Sache, und anderen
Umständen erhellet, daß in der That nichts Anderes, als ein bloßer
Darlehenscontract geschlossen, und nur zu Bemäntlung des Wuchers sich derlei
Scheinhandlungen bedienet worden.
(3-289) [3, 17, § 4] 79. Nicht weniger solle in Zukunft das
Beding für einen heimlichen Wucher angesehen werden, wodurch der Schuldner die
Entrichtung der Vermögensteuer oder sonstigen von dem Capital, oder Interessen
abzustatten kommenden Abgaben, welche der Darleiher zu bezahlen hat, ohne
solche von denen Interessen abzuziehen, auf sich nimmt, wann diese Abgaben mit
Einbegriff dessen, was an Interessen bedungen worden, den sonst erlaubten
Betrag deren Interessen übersteigen und diese Uebermaß schon zur Zeit des
eingegangenen Bedings bekannt ware; widrigens aber, wann zu jener Zeit die
Uebermaß noch nicht bekannt gewesen, bestehet das Beding nur nach dem erlaubten
Betrag deren Interessen, für Dasjenige aber um was die Abgaben solchen
übertreffen, ist dasselbe null und nichtig. Desgleichen ist ein heimlicher
Wucher, wo dem Entlehner eine zur Zeit des Darlehens schon uneintreibliche oder
sonst unrichtige, oder mit großem Verlust einbringen mögende Forderung des
Darleihers abgetreten und statt baaren Gelds in das Darlehen mit eingerechnet,
von ihme aber eine Verschreibung auf die ganze Summe, als ob solche in baaren
Geld bestünde, ausgestellet wird.
[3, 17, § 4] 80. Inwieweit aber bei Zinscontracten ein
Wucher unterlaufe, ist bereits oben in dreizehenten Capitel, zweiten Artikel,
§. VIII, erkläret worden, und da nicht möglich ist, alle Arten des Wuchers,
welche die Bosheit deren Menschen zu Bemäntlung ihrer schändlichen Gewinnsucht
erfinden mag, hier zu beschreiben, so sollen überhaupt alle Handlungen, was
immer für ein Namen oder Gestalt denenselben gegeben werde, für wucherlich gehalten
werden, in welchen der Darleiher von Demjenigen, was er vorgeliehen, über die
davon gebührende erlaubte Interessen sich unter was immer für einem dabei
gebrauchenden Vorwand einen größeren Gewinn zuzueignen anmaßet.
[3, 17, § 4] 81. In derlei auf was immer für Art
geschlossenen wucherlichen Handlungen solle Alles, was hierdurch vorgeliehen
oder vorzuleihen bedungen worden, es seie an Geld oder Waaren Uns verfallen,
und dahero der Entlehner Dasjenige, was er sonst dem Darleiher, wann keine
wucherliche Handlung unterwaltete, zuruckzuzahlen verbunden wäre, nebst denen
davon ausständigen Interessen nicht ihme, sondern zu Handen Unseres Fisci zu
erlegen und diesem von denen erborgten Waaren jenes, was noch davon vorhändig,
auszufolgen, dann für jene, welche mittlerweil verkaufet worden, den dafür
erlösten, oder für die verschenkte und verbrauchte den billig geschätzten Werth
zu ersetzen schuldig sein.
[3, 17, § 4] 82. Wohingegen in Betreff jener Sachen, welche
von dem Entlehner etwan weiters versetzet worden wären, der Fiscus in das Recht
des Entlehners einzutreten und dieselbe für das ihme darauf dargezählte Geld
auslösen zu mögen befugt sein solle.
[3, 17, § 4] 83. Welches jedoch bei jenen Personen eine
Ausnahm leidet, die für sich keinen Contract rechtsgiltig zu schließen fähig
sind, als unter väterlicher Gewalt stehende Kinder, Waisen, Minderjährige und
andere Pflegebefohlene, in deren Rucksicht es auch in dem Fall, da sie zu einer
wucherlichen Handlung verleitet worden wären, bei deme sein Verbleiben hat, was
in ersten Theil, in dem Capitel von der Vormundschaft geordnet worden, wo
mithin dem in das Recht des Darleihers eintretenden Fisco nur so vieles
heimfallet, als nach der dortigen Ausmessung dem Darleiher, wann er sich keiner
wucherlichen Handlung verfänglich gemacht hätte, hieran zuruckzuzahlen gewesen
wäre.
[3, 17, § 4] 84. Ingleichen ist der Darleiher gehalten über
den Verlust seiner schon an Uns verfallenen noch habenden Forderung jenes, was
er aus einem solchen wucherlichen Beding dem Entlehner noch zuzuzählen, oder
von diesem an Capital oder Interessen, oder sonsten überkommen, oder auch von
einem Dritten, deme etwan die wucherliche Schuldverschreibung, Wechselbriefe
oder Schuldscheine abgetreten oder überlassen worden, dafür empfangen hätte, oder
wohl gar die ganze Schuld, falls sie ihme von dem Entlehner oder einem Dritten
schon gezahlet, oder von
(3-290) ihme die verschriebene Summe dem Entlehner noch
nicht zugezählet worden wäre, dem Fisco zuruckzustellen, wobei jedoch der
Entlehner jenes, was der Darleiher über die rechtmäßige Interessen an
wucherlichen Gewinn bezogen hat, von dem Capital abschlagen mag.
[3, 17, § 4] 85. Ferners müssen auch die Unterhandler Alles,
was sie wegen des wucherlichen Contracts empfangen, wie nicht weniger die
falsche Namenträger, wissentlich hinzugetretenen Bürgen, Uebernehmer einer
solchen wucherlichen Schuld, als da sind die Giratarii und Cessionarii jenes,
was sie wegen einer solchen Namenstragung, Bürgschaft, Giro oder Cession
bekommen, dem Fisco zuruckgeben.
[3, 17, § 4] 86. Dann durch Abtretung, Giro oder Cession
einer wucherlichen Schuld an einen Dritten wird deren Bewirkung nicht
aufgehoben, sondern wo Jemand eine Schuld an sich gelöset hätte, die nachhero
wucherlich zu sein befunden würde, und derselbe sich nicht durch seine
Handlungsbücher, unverdächtigte Zeugen, oder gerichtliche Bestätigung ausweisen
könnte, daß er hierbei aufrecht gehandlet habe, so ist er durch einen
körperlichen Eid sich von dem Verdacht des Wuchers zu befreien schuldig, nach
dessen Ablegung ihme zwar seine Forderung bei dem Schuldner für den hieran
rechtmäßig gebührenden Betrag unbenommen bleibet, doch hat derselbe dem Fisco
jenes, was er dem Darleiher auf den Giro oder Cession noch hinauszuzahlen
hätte, so wie dieser Dasjenige, was er schon sowohl von dem Entlehner, als
Cessionario hierauf empfangen, zu erlegen und stehet dem Giratario oder
Cessionario sodann frei sich wegen des mehr Hinausgegebenen, als er dagegen von
dem Schuldner einzunehmen hat, an dem Abtreter, Giranten oder Cedenten zu
erholen.
[3, 17, § 4] 87. Ueber das sind sowohl der Darleiher, als
Entlehner, wann dieser solches nicht vor seiner gerichtlichen Belangung bei
Gericht anzeiget, wie auch die Unterhandlere, falsche Namensträgere und dabei
wissentlich mit verflochtene Bürgen, Giratarii und Cessionarii mit allen
denenjenigen Strafen unnachsichtlich zu belegen, welche in Unserer peinlichen
Gerichtsordnung auf wucherliche Handlungen ausgesetzet sind.
[3, 17, § 4] 88. Um damit aber diesem so ärgerlichen Unfug
desto ausgiebiger gesteueret und die Uebertretere, um so gewisser zur
wohlverdienten Strafe gezogen werden mögen, so solle dem Angeber eines solchen
wucherlichen Handels, wann es gleich der Entlehner, Unterhandler, oder sonst
eine hieran mittheilnehmende Person wäre, im Fall, da der verwirkte Betrag sich
nicht über viertausend Gulden erstreckete, die Hälfte, in jenem Fall aber, wann
die verfallene Summe sich über viertausend Gulden beliefe, das Drittel dessen,
was dem Fisco davon zukommet, abgereichet und dabei der Namen des Angebers je
und alleweil verschwiegen gehalten werden.
[3, 17, § 4] 89. Bei der Dauer deren Interessen ist
einerseits auf die Zeit, wann solche zu bezahlen sind, und andererseits auf die
Maß, wie hoch sie auch nach dem erlaubten Betrag ansteigen können, zu sehen.
Die Zeit der Zahlung erhält insgemein durch das eingegangene Beding ihre
Bestimmung, und wo gar keine gewisse Erlagszeit ausgemessen, sondern die
jährliche Interessen nur überhaupt verschrieben oder bedungen werden, können
sie mit Verlauf jeden Jahrs geforderet werden.
[3, 17, § 4] 90. Doch ist bereits oben bei Strafe
wucherlicher Handlungen verboten worden, daß solche weder vorhinein bezahlet,
noch weniger von der Hauptsumme gleich bei deren Vorstreckung zum voraus
abgezogen werden sollen, sondern, gleichwie sie nur zur Vergeltung des
Gebrauchs entrichtet werden, also gebühren sie auch nur für Zeit des Gebrauchs.
[3, 17, § 4] 91. Uebrigens sind die Zinsen oder Interessen,
insolange das Capital bei dem nemlichen Schuldner anliegen bleibet, zur gesetzten
Zeit jedes Mal richtig abzuführen und lieget nichts daran, wann gleich die nach
und nach bezahlte Interessen das Kapital weit übersteigen.
(3-291) [3, 17, § 4] 92. Woferne aber der Glaubiger in
Eintreibung deren Interessen sich saumselig bezeigte, und solche bei dem
Schuldner dermassen fort und fort anwachsen ließe, daß der Ruckstand an
Interessen die Capitalssumme übertreffen würde, so solle derselbe in jenem
Fall, wo es um den alleinigen Nachtheil des Schuldners zu thun ist, an
vertagten Interessen keine größere Summe, als welche dem Betrag des Capitals
gleichkommet, von dem Schuldner einzuforderen berechtiget sein, noch auch der
Richter, sie mögen aus einem Beding oder Verzug gebühren, hieran ein Mehreres
zusprechen können.
[3, 17, § 4] 93. Es wäre dann, daß er unter der Zeit, oder
wenigstens in dem letzten Jahr, noch ehe und bevor die ausstehende Interessen
die Summe des Capitals erreichet haben, den Schuldner hierum gerichtlich
belanget und dessen gerichtliche Betreibung fortgesetzet, folglich den Verzug
andurch von sich abgeleinet hätte.
[3, 17, § 4] 94. Dahingegen wird in jenem Fall, wobei
Auflauf deren Glaubigeren der Anwachs ausständiger Interessen von dem Capital
des ersteren zur Schmälerung und Verkürzung deren späteren Glaubigeren an ihren
Capitalien gereichete, in dem vierten Theil bei der Gant- oder Cridaordnung
ausgemessen werden, bis auf was für einen Betrag die ausständige Interessen des
Vorhergehenden den Vorzug vor denen nachfolgenden Glauberen zu genießen haben.
§. V.
[3, 17, § 5] 95. Durch die Vermehrung oder Vervielfältigung
deren Interessen wird nichts Anderes verstanden als die Erzeugung deren
Interessen von Interessen, welche bei dem nemlichen Schuldner zum Capital
geschlagen, und davon neue Interessen bedungen werden.
[3, 17, § 5] 96. Es mögen aber die Interessen auf eine noch
so große Summe angewachsen sein und gleich aus einem Beding oder aus Saumsal
herrühren, oder durch richterliches Urtheil zuerkannt, oder auch der Glaubiger
wegen verzögerter Zahlung deren Interessen zu seiner ohnausweichlichen
Bedürfnuß anderswo ein Darlehen verzinslich aufzunehmen und solchergestalten
Interessen von dem Betrag deren ihme schuldigen Interessen zu bezahlen
bemüssiget worden sein, so ist jedoch derselbe nicht befugt die Interessen zu
dem Capital zu schlagen und also von dem nemlichen Schuldner Interessen von den
ruckständigen Interessen zu forderen.
[3, 17, § 5] 97. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann
schon die Interessen von Interessen in einer Summe mit diesen zusammengezogen
den sonst erlaubten Betrag
(3-292) deren Interessen nicht übersteigen, oder auch von
dem Glaubiger die Schuld mit denen ruckständigen Interessen wiederum an seinen
Glaubiger abgetreten oder angewiesen und dabei die Interessen in das Capital
mit eingerechnet würden.
[3, 17, § 5] 98. Nur in dem alleinigen Fall solle zwischen
denen nemlichen Personen Interessen von Interessen zu bedingen und anzunehmen
erlaubet sein, wann sowohl der Glaubiger, als der Schuldner die Schuld
erneueren wollten und wenigstens zweijährige Interessen versessen sind.
[3, 17, § 5] 99. In welchem Fall denenselben freistehet mit
ihrer beiderseitigen Einwilligung sich miteinander zu berechnen und nach
solcher vorgehenden ordentlichen Abraitung die ruckständige Interessen mit dem
Capital in eine Summe zusammenzuziehen, sonach aber über diese ganze
ausfallende Summe, als über eine neue verzinsliche Schuld mit Aufhebung der
alten eine neue Schuldverschreibung auszustellen.
[3, 17, § 5] 100. Es müssen dahero bei einer so beschaffenen
Handlung, um allen widrigen Verdacht einer wucherlichen Absicht anzuwenden,
folgende wesentliche Erfordernussen beobachtet werden, als erstens, daß die
Interessen, welche zum Capital geschlagen werden wollen, nicht unter zwei
Jahren und auch nicht über den Betrag der Capitalssumme nach der in vorigen §.,
num. 92, enthaltenen Ausmessung versessen sind;
zweitens, daß die beiderseitige Einwilligung und ordentliche Berechnung
vorhergehe; dann drittens, daß eine neue Schuldverschreibung ausgestellet
werde. Wo aber nur eine dieser Erfordernussen ermanglete, ist der Zuschlag
deren Interessen für einen offenbaren Wucher anzusehen.
[3, 17, § 5] 101. Wann jedoch die Interessen von dem
Schuldner einmal abgeführet worden, ist dem Glaubiger nicht verwehret, solche
anwiederum als ein Capital auszuleihen und sich Interessen davon zu bedingen;
dann die eingehobene Interessen werden nicht mehr als Interessen, sondern als
ein wahres Capital betrachtet, welches für den von einem Anderen darlehensweise
davon gemachten Gebrauch sowohl aus einem Beding als Verzug verinteressirlich
ist.
[3, 17, § 5] 102. Also ist bereits oben §. III, num. 38
geordnet worden, daß, wann ein Vormund, Curator, Befehlshaber oder
Sachverwalter von denen Schuldneren des Waisen, Pflegbefohlenen, Befehlsgebers
oder Desjenigen, dessen Geschäften besorget werden, die Interessen erhebet und
zu seinem Gebrauch verwendet, hiervon die Interessen von dem Tag der Verwendung
zu entrichten schuldig seie.
[3, 17, § 5] 103. Gleichwie in Gegentheil, wann Jemand für
einen Anderen die Interessen aus seinem Eigenen abführet, als z.B. ein Bürge,
Befehlshaber oder Sachwalter, auch ihme von dem hierauf ausgelegten Betrag die
Interessen bezahlet werden müssen.
[3, 17, § 5] 104. Wovon aber der Fall anzunehmen ist, wann
ein Glaubiger ein bei dem Anderen von dem gemeinsamen Schuldner versetztes
Pfand, oder eine dem Anderen verschriebene Hypothek zu seiner mehreren
Sicherheit, oder zu Erlangung des Vorrechts mit Bezahlung des Capitals und
Interessen an sich löset, welcher von denen für den Schuldner bezahlten
Interessen keine Interessen zu forderen befugt ist, weilen von ihme die
Einlösung des Pfands oder die Ablösung der Hypothek nicht zum Nutzen des
Schuldners, sondern zu seinem eigenen Bestens geschehen.
[3, 17, § 5] 105. Es wäre dann, daß ein Dritter, welcher an
dem Schuldner nichts zu forderen hätte, aus Freundschaft und guten Willen und
nicht zu seiner selbsteigenen Bedeckung das Pfand einlösete, welcher solchen
Falls für einen Sachwalter anzusehen wäre, und dahero die Interessen von dem
ganzen an Capital und Interessen für den Schuldner hinausbezahlten Betrag
billig zuruckzuforderen hätte.
[3, 17, § 5] 106. Mit denen Interessen sind jedoch die aus
Zinscontracten schuldige Zinsungen nicht zu vermischen, weilen solche keine
Nebengebührnuß, sondern eine aus dem Zinscontract zu leisten kommende
Hauptgebühr sind, und ebendahero
(3-293) hiervon aus Verzug und Saumsal des Zinsmanns die
Interessen allerdings anbegehret werden mögen.
§. VI.
[3, 17, § 6] 107. Die Verinteressirungsschuldigkeit, sie
möge aus einem Beding, oder Verzug herrühren, höret auf: Erstens, mit
Erlöschung der Hauptverbindlichkeit, es seie durch Bezahlung oder gerichtliche
Erlegung der schuldigen Hauptsumme, Erlassung oder Erneuerung der Schuld, oder
sonstige Befriedigung des Glaubigers.
[3, 17, § 6] 108. Welches sich auch auf die vorhin vertagte
Interessen in jenem Fall erstrecket, wann der Glaubiger die ganze Capitalssumme
ohne Vorbehalt und Verwahrung deren noch ruckständigen Interessen von dem
Schuldner annimmt und demselben entweder die Schuldverschreibung zurückgiebt,
oder hierüber eine unbeschränkte Quittung ausstellet, wodurch die vor
Heimzahlung des Capitals versessene Interessen für nachgesehen zu halten sind
und von dem Glaubiger nicht mehr geforderet werden können.
[3, 17, § 6] 109. Zweitens, bei noch fürdaurender
Hauptverbindlichkeit durch besondere Erlassung deren Interessen, so viel
nemlich hieran dem Schuldner nachgesehen werden; drittens, durch Ansteigung
deren Interessen über den Betrag des Capitals, wann keine gerichtliche Belangung
vorhergegangen, wie solches §. IV, num. 92 und 93 erkläret worden; viertens,
durch Ausschreibung der Crida nach Maßgebung dessen, was deshalben in vierten
Theil bei der Gant- oder Cridaordnung festgesetzet werden wird.
[3, 17, § 6] 110. Fünftens, erlöschen die aus Verzug
gebührende Interessen insonderheit durch die in §. III von num. 48 bis num. 51
vorgesehene Entschuldigung des Verzugs oder Saumsals.
Zweiter Artikel.
Von Nutzungen und Früchten
§. VII. Von der Verschiedenheit deren Nutzungen. §. VIII.
Von der Erstattung deren Nutzungen mit der Hauptsache.
§. VII.
[3, 17, § 7] 111. Die zweite Gattung deren aus Contracten
schuldigen Nebengebührnussen sind die Nutzungen oder Früchten einer Sache,
worunter alle Nutzbarkeit, welche von der Schuldigen die Hauptsache abfallet, verstanden wird.
(3-294) [3, 17, § 7] 112. Diese sind nach dem bereits in
zweiten Theil erklärten Unterschied dreierlei, als: Eine, welche die Natur von
sich selbst ohne menschliche Zuthat, oder doch ohne Mitwirkung eines
sonderbaren Fleißes hervorbringet, als die Wolle auf denen Schafen, das Kalb
von der Kuhe, das Obst auf den Bäumen, das Gras auf der Wiesen etc.
[3, 17, § 7] 113. Die zweite, deren Erzeugung nebst der
Wirksamkeit der Natur einen besonderen menschlichen Fleiß und Zuthat, als die
Beurbarung, die Aussaat, den Anbau oder die Pflanzung erforderet.
Von dieser Gattung sind das Getreide, der Wein und allerhand andere Gewächse,
die mit Ankehrung besonderen Fleißes hervorgebracht werden.
[3, 17, § 7] 114. Die dritte, welche nicht von der Natur aus
der Sache selbst erzeuget werden, sondern blos allein wegen derselben durch
Wirkung des menschlichen Fleißes aus denen hierüber eingegangenen Verträgen und
Bedingen herrühren, als Bestandzinse, Pachtgelder und dergleichen.
[3, 17, § 7] 115. Alle drei Gattungen sind entweder noch
hangend und ausständig, oder schon abgesondert und eingehoben, oder aus Schuld
des Besitzers nicht mehr einbringlich; die eingehobenen aber sind entweder noch
vorhanden oder schon verthan.
§. VIII.
[3, 17, § 8] 116. Die Erstattung deren Nutzungen mit der
Hauptsache gebühret nicht allein, wann die Sache aus einem hieran haftenden
dinglichen Recht, sondern auch, wann solche aus einem Vertrag, Contract oder
sonstiger persönlichen Verbindlichkeit geforderet
wird. Von dem ersteren Fall ist allschon in zweiten Theil gehandlet worden. Es
erübriget solchem nach nur noch den zweiten Fall zu
erklären.
[3, 17, § 8] 117. Bei persönlichen Verbindungen kommen die
Nutzungen als eine aus dem Contract oder Vertrag schuldige Nebengebührnuß ein,
worzu Jemand entweder aus einem ausdrücklichen Beding oder aus dem an der
Hauptsache dem Anderen zustehenden Eigenthumsrecht, oder aus der Natur der
Handlung, oder endlich aus Saumsal verbunden ist.
[3, 17, § 8] 118. Und zwar anförderist hat es bei deme sein
festes Verbleiben, wessen sich die Contrahenten untereinander deren mit der
Hauptsache zu erstatten habenden Nutzungen halber verglichen haben, wann gleich
sonsten außerdeme das Recht des Eigenthums, oder die Natur der Handlung ein
Anderes erforderet haben würde. Also können sich der
Kaufer und Verkaufer untereinander wegen deren Nutzungen nach Gefallen
vergleichen.
[3, 17, § 8] 119. Wo aber derowegen ein ausdrückliches
Beding ermanglet, ist darauf zu sehen, ob die zuruckforderende Sache dem Kläger
schon vorhin eigenthumlich zugehöre oder nicht. Unterwaltet an Seiten des
Klägers das Eigenthum ganz oder zum Theil, obschon die Forderung aus einem
Vertrag oder Contract herrühret, gebühren ihme auch nach Maß des Eigenthums
ganz oder zum Theil alle sowohl noch hangende, als schon eingehobene,
vorräthige oder bereits verthane
(3-295) Nutzungen, für welche letztere der Werth auf
diejenige Weis zu erstatten ist, wie solche in zweiten Theil erwähnet worden.
[3, 17, § 8] 120. Davon ist jedoch jener Fall ausgenommen,
wo der Eigenthümer die Nutzungen dem Anderen ausdrücklich überlassen hat. Also
kann der Vermiether oder Verpachter, obgleich derselbe Eigenthümer des
vermietheten oder verpachteten Guts ist, die Nutzungen für die Zeit des
Contracts nicht ansprechen, weilen solche dem Miether oder Pachter für den Zins
überlassen waren.
[3, 17, § 8] 121. Dahingegen sind in Befehls-,
Hinterlegungs- und Pfandcontracten dem Befehlsgeber, Hinterleger und Schuldner
alle von dem anvertrauten, hinterlegten oder verpfändeten Gut abgefallene
Nutzungen, so wie überhaupt in allen anderen Fällen, wo die Sache als das
Eigenthum des Klägers zuruckgeforderet wird, zu erstatten, außer insoweit
solche der andere Theil ihme durch ein ausdrückliches Beding überlassen worden
zu sein erweisen mag.
[3, 17, § 8] 122. Desgleichen gebühren in
Gesellschaftscontract, in Theilung der Erbschaft oder gemeinschaftlichen Guts
die Nutzungen nur nach jenem Antheil, welcher an der Hauptsache auf den
Gesellschafter, Miterben oder Mitbesitzer in der Theilung ausfallet.
[3, 17, § 8] 123. Was jedoch die einzuheben unterlassene und
nicht mehr einbringliche Nutzungen anbelanget, so ist deren Ersatz nur nach
demjenigen Grad der Schuld abzumessen, worzu Jemand entweder aus dem Beding
oder aus der Natur der Handlung verbunden ware, deme gemäß jener, welcher aus
Mangel des nach dem Contract anzuwenden gehabten Fleißes und Sorgfalt einige
Nutzungen einzuheben verabsaumet hat, auch solche zu ersetzen schuldig ist.
[3, 17, § 8] 124. Gehörete aber die Sache dem Kläger nicht
eigenthumlich zu, so sind die Nutzungen mit der Hauptsache nach der Natur der
Handlung zu erstatten, wie solches bei jedem Contract als bei Kaufen, Tauschen
und Pachtungen bereits oben ausgemessen worden.
[3, 17, § 8] 125. Endlich, wo weder durch ein ausdrückliches
Beding, weder durch das Eigenthum der Sache, noch aus der Natur der Handlung
deren Nutzungen halber etwas Gewisses bestimmt werden kann, gebühren solche aus
dem alleinigen Saumsal in Ausfolgung der schuldigen Hauptsache, wessen sich der
Beklagte in Rücksicht deren Nutzungen auf eben die Art und Weis, wie es wegen
deren Interessen oben geordnet worden, verfänglich machet.
[3, 17, § 8] 126. In deme aber ist zwischen denen Interessen
und Nutzungen ein Unterschied, daß, obschon eine hinlängliche Entschuldigung
des Saumsals von der Verinteressirung der schuldigen Hauptsumme entheben kann,
diese jegleichwohlen den Beklagten von Erstattung deren Nutzungen nicht
entlediget, so lange er die Sache dem Kläger auszufolgen verbunden bleibet,
sondern solche sollen noch allemal dem Kläger mit der Hauptsache zugesprochen
werden.
[3, 17, § 8] 127. Weiters erlöschet auch die
Verinteressirungsschuldigkeit sowohl aus einem Beding, als aus Saumsal für das
Vergangene durch Bezahlung der Schuld, wann solche ohne ausdrücklichen
Vorbehalt deren bis dahin verfallenen Interessen angenommen worden; dahingegen
höret die Verbindlichkeit zu Erstattung deren eingehobenen Nutzungen durch die
ohne deren Vorbehalt erfolgte Annehmung der Hauptsache nur in jenem Fall allein
auf, wann solche lediglich aus Saumsal gebühren.
[3, 17, § 8] 128. Wo aber dieselbe entweder aus einem
Beding, oder aus dem Recht des Eigenthums, oder aus der Natur der Handlung mit
der Hauptsache abzustatten sind, kann aus Annehmung der Hauptsache deren Nachlaß
nicht gefolgeret, sondern solche nichtsdestoweniger noch besonders anbegehret
werden.
[3, 17, § 8] 129. Es wäre dann, daß es auf die gerichtliche
Klage ankäme, welchen Falls die Nutzungen, sie mögen aus was immer für einer
Ursache gebühren, allemal zugleich mit der Hauptsache eingeklaget werden
müssen.
(3-296) [3, 17, § 8] 130. In Widrigen und da Kläger in
seiner eingebrachten Klage die Nutzungen zugleich mit der Hauptsache
anzuforderen unterlassen hätte, und ihme hierauf in der richterlichen Erkanntnuß
nur allein die Sache ohne Nutzungen zugesprochen worden wäre, solle er in
diesem Falle solche nicht mehr anzusuchen befugt, noch weniger derowegen eine
besondere Rechtsklage weiter zugelassen sein.
Dritter Artikel.
Von Zuwachs oder Zugängen zur schuldigen Sache.
§. IX. Von dem eigentlichen Verstand des Zuwachses oder
Zugängen zur schuldigen Sache.
§. X. Von Uebergebung des Zuwachses oder Zugängen mit der
schuldigen Sache.
§. IX.
[3, 17, § 9] 131. Die dritte Gattung deren aus Contracten
schuldigen Nebengebührnussen sind der Zuwachs oder Zugänge zur schuldigen
Sache, welche in weiten Verstand alle Nebengebührnussen begreifen und entweder
unmittelbar aus der Sache wegen derselben herrühren, und eigentlich Einkünften
genannt werden, als die Interessen, Früchten und Nutzungen, wovon in denen
zweien vorhergehenden Artikeln gehandlet worden.
[3, 17, § 9] 132. Oder sie sind solche, welche der Sache
durch einen äußerlichen Zuwachs oder Zunahme zugehen, es geschehe gleich von
der Natur, als durch Anspülung oder Anwurf des Erdreichs von der Gewalt des
Stroms, oder durch menschlichen Fleiß und Arbeit, als durch den Einbau,
Einpflanzung, Einsäung oder sonstiger Zusatz, welche Zugehörungen heißen und in
gegenwärtigen Artikel erkläret werden.
§. X.
[3, 17, § 10] 133. Diese Zugehörungen zur schuldigen Sache
gebühren aus denen nemlichen Ursachen, woraus die Verbindlichkeit zu Erstattung
deren Nutzungen mit der Hauptsache entspringet, als entweder aus einem Beding
oder aus dem Recht des Eigenthums, oder aus der Natur der Handlung, oder aus
Saumsal.
[3, 17, § 10] 134. Und zwar giebt anförderist das Beding
Ziel und Maß, was für Zugehörungen mit der schuldigen Sache zu übergeben sind.
In Ermanglung eines Bedings aber ist auf das Eigenthumsrecht des Klägers zu
sehen, dann insoweit derselbe Eigenthümer der aus einem Contract oder Vertrag
anforderenden Sache ist, gebühren ihme auch alle von Zeit der von dem Anderen
eingegangenen Verbindlichkeit sich hieran ergebene Zugänge in derjenigen Maß,
wie solche in zweiten Theil in der Abhandlung von dem Eigenthum beschrieben
worden.
[3, 17, § 10] 135. Dahingegen, wo Kläger das Eigenthum der
Sache nicht hat, bestimmet die Natur der Handlung, was an Zugehörungen mit der
schuldigen Sache erfolget werden solle, als bei Kaufen und Tauschen.
[3, 17, § 10] 136. Endlichen, da auch aus der Natur der
Handlung nichts Gewisses zu entnehmen wäre, gebühren aus Saumsal in
Ausantwortung der schuldigen Sache alle diejenigen Zugehörungen, welche
derselben durch die Zeit der Vorenthaltung von der Natur selbst zugegangen
sind.
(3-297) [3, 17, § 10] 137. Bei jenen aber, welche durch
Fleiß und Arbeit hervorgebracht werden, ist zu unterscheiden, ob dieselbe sich
ohne Beschädigung der Sache davon absonderen lassen, oder nicht. Ersteren Falls
verbleiben sie Demjenigen, der sie hinzugefüget; letzteren Falls aber ist
darmit nach der in zweiten Theil enthaltenen Ausmessung fürzugehen.
Vierter Artikel.
Von Aufwand und Verbesserungskosten.
§. XI. Von Verschiedenheit des auf eine fremde Sache
gemachten Aufwands und ausgelegten Verbesserungskosten. §. XII. Von Ersatz und
Vergütung deren auf eine fremde Sache verwendeten Auslagen.
§. XI.
[3, 17, § 11] 138. Die vierte Gattung deren aus Contracten
schuldigen Nebengebührnussen sind die auf eine dem Anderen gehörige Sache
verwendete Auslagen und Verbesserungskosten, welche zwar auch, insoweit sie
durch die Ruck- oder Gegenforderung alleinig anbegehret werden, folglich den
wesentlichen Gegenstand der Ruck- oder Gegenverbindlichkeit ausmachen, als eine
gegenseitige Hauptgebührnuß angesehen werden können.
[3, 17, § 11] 139. Die Auslagen geschehen entweder nach dem
ordentlichen Wirthschaftstrieb auf Erzeugung, Einhebung und Einsammlung deren
Früchten und Nutzungen, wohin auch die Abführung deren schuldigen Steuern und
Anlagen gehöret, oder sie werden auf die Sache selbst zu deren Erhaltung,
Verbesserung oder Auszierung und Verschaffung mehrerer Lust, Bequemlichkeit,
Pracht und Ansehens verwendet.
[3, 17, § 11] 140. Diese letztere sind dahero nach ihrer
Beschaffenheit dreierlei, als die nothwendigen, welche aus Noth zu beharrlicher
Erhaltung der Sache geschehen, ohne deren Aufwand derselben Verlust, Untergang
oder sonstige Beschädigung unvermeidlich gewesen sein würde, als da sind die
Ausbesserung eines baufälligen Hauses, die Befestigung des Ufers wider die
eindringende Gewalt des Stroms und dergleichen.
[3, 17, § 11] 141. Die nutzlichen, worzu zwar keine
dringende Nothwendigkeit Anlaß giebt, doch aber andurch ein größerer Nutzen
verschaffet und die Sache merklich verbesseret wird. Diese heißen eigentlich
Verbesserung eines Grundes oder Guts, und dahin gehöret der auf bessere
Einrichtung der Wirthschaft und Vermehrung deren Einkünften gemachte Aufwand,
die Aufführung nutzlicher Wirthschaftsgebäuden, die Verwahrung und Versicherung
für einen mit Grund beförchtenden Schaden und andere mehrere.
(3-298) [3, 17, § 11] 142. Die lustbringenden, welche weder
aus Noth, weder zum Nutzen geschehen, noch die Einkünfte vermehren, sondern
blos zur Lust und Bequemlichkeit oder Auszierung gemacht werden. Von dieser Art
sind Gemälde, Bildsäulen, Erbauung prächtiger Schlösser und gemächlicher
Wohnungen, Anlegung deren Lust- und Ziergärten, Springbrunnen und Wasserkünsten
und anderer derlei Dingen, welche gar keinen Nutzen schaffen.
[3, 17, § 11] 143. Nach ihrem Betrag sind die Auslagen
entweder gering oder groß. Unter denen geringen wird insgemein der zu
gegenwärtiger Erhaltung der Sache, als des Gebäudes in Dach und Fach, oder zu
deren Bewahrung zu machen bemüssigte Aufwand verstanden. Große Auslagen aber
sind jene, welche zu beharrlicher Erhaltung oder mehrer Benutzung der Sache
gereichen.
§. XII.
[3, 17, § 12] 144. Der Ersatz deren auf eine fremde Sache
gemachten Auslagen gründet sich in der natürlichen Billigkeit, damit Niemand
mit Schaden des Anderen bereicheret werde.
[3, 17, § 12] 145. Gleichwie aber die Maßregeln, wornach der
Ersatz deren Auslagen in denen Fällen, da die Sache aus einem hieran habenden
dinglichen Recht geforderet wird, zu geschehen habe, bereits in zweiten Theil
bei Abhandlung deren dinglichen Rechten erkläret worden, also hat auch in jenen
Fällen, wo dem Kläger aus persönlicher Verbindlichkeit des Anderen das Recht
zustehet die Sache mit oder ohne denen Nutzungen anzubegehren, dagegen der
Beklagte die Befugnuß, die erweisliche Auslagen zuruckzuforderen, wobei jedoch
der Unterschied in Absicht auf die verschiedene Beschaffenheit deren Auslagen
zu beobachten ist.
[3, 17, § 12] 146. Die Auslagen auf die Nutzungen hat
allemal Jener zu tragen, der solche beziehet, für diejenige Zeit und nach derjenigen
Maß, als sie ihme gebühren; dann Früchten und Nutzungen werden nicht anderst
verstanden, als nach Abzug deren aufgewandten Kosten.
[3, 17, § 12] 147. Es wäre dann Jemand durch ein besonderes
Beding zu einem mehreren oder minderen Beitrag deren Kosten verbunden, in
welchem Fall der Ersatz deren Auslagen nicht nach dem Verhältnuß deren
Nutzungen, sondern nach Gestalt des Bedings abzumessen ist.
[3, 17, § 12] 148. Und dieses hat auch statt, obgleich
zufälliger Weise die Nutzungen, worauf die Auslagen verwendet worden, nicht
erzeuget und eingehoben worden wären, wann nur zu jener Zeit, als die Auslagen
geschehen, die Nutzungen nicht dem Inhaber der Sache, sondern dem Anderen, der
sie zu forderen hat, gebühret haben, und die Auslagen die sonst gewöhnliche Maß
nicht übersteigen.
[3, 17, § 12] 149. Desgleichen hat in allen Contracten die
nothwendigen und nutzlichen Auslagen auf die Sache, welche von Zeit der
eingegangenen Verbindlichkeit darein verwendet werden, Derjenige, der die Sache
zu forderen hat, entweder ganz oder zum Theil zu ersetzen, nachdeme ihme die
Sache ganz oder zum Theil gebühret.
[3, 17, § 12] 150. Diese Regel aber leidet in folgenden
dreien Fällen eine Ausnahme, als erstens, wann Jemand sich in dem Contract
ausdrücklich verbunden hat, Zeit seiner Inhabung der Sache gewisse Auslagen
oder Verbesserungen zu machen, als da ein Miether oder Pachter sich zu
Verbesserung des gemietheten Hauses oder gepachteten Guts anheischig gemacht,
oder ein Gesellschafter einen größeren Antheil an Kosten und einen minderen an
Gewinn auf sich genommen hätte, dann jene Auslagen und Unkosten, welche Jemand
freiwillig übernimmt, kann er nicht zuruckforderen.
[3, 17, § 12] 151. Zweitens, wann die Verbindlichkeit zu dem
Aufwand und Verbesserung der Sache aus der Natur des Contracts entspringet,
gleichwie in dem Erbzinscontract
(3-299) an Seiten des Erbzinsmanns, welcher dahero keine
Verbesserungskosten anzubegehren befugt ist.
[3, 17, § 12] 152. Nicht weniger ist in dem
Entlehnungscontract der Entlehner, so wie in Mieth- und Pachtungscontract der
Miether oder Pachter verbunden, die zu gegenwärtiger Erhaltung der Sache
aufzuwenden nöthige Auslagen, welche keine Nutzbarkeit nach Ausgang des
Contracts für den Ausleiher, Vermiether oder Verpachter zurucklassen, selbst zu
tragen, wie solches in fünften Capitel, §. V, num. 48 geordnet worden.
[3, 17, § 12] 153. Drittens, wann in Gegentheil Jemanden
ausdrücklich verboten ist, einen Aufwand zu machen, in welchen Fall zwar die
nothwendigen, nicht aber auch die nutzlichen Auslagen zu vergüten sind, sondern
mit diesen letzteren solle es eben also gehalten werden, wie es deren
lustbringenden halber gleich hienach ausgemessen werden wird.
[3, 17, § 12] 154. Der Verbot des Aufwands aber kann
entweder in allen Handlungen durch ein besonderes Beding nach Willkür deren
Contrahenten geschehen, oder aber solcher ist schon in dem Gesatz ausdrücklich
enthalten, als bei Pfandcontracten, wie davon in siebenten Capitel, §. VI, num.
69 bis 71 mit Mehreren gehandlet worden.
[3, 17, § 12] 155. Bei lustbringenden Auslagen ist zu
unterscheiden, ob sie jegleichwohlen einigen Nutzen schaffen oder durchaus
unnütz und zur bloßen Lust gewidmet sind. Für nutzbare aber können sie gehalten
werden, wann entweder der Eigenthümer der Sache solche selbst gemacht haben
würde, oder seinen Willen ausdrücklich oder stillschweigend (da er deren
Zuruckhaltung oder Absonderung, wann solche ohne Schaden füglich geschehen
könnte, nicht gestatten will) darzu gegeben hätte, oder eine feilgebotene oder
zu verlassen stehende Sache andurch in einen solchen Werth versetzet worden
wäre, daß sie um einen höheren Preis angebracht, oder um einen größeren Zins
vermiethet oder verpachtet werden könnte.
[3, 17, § 12] 156. In diesen Fällen sind auch solche wegen
des dem Eigenthümer wenigstens mittelbar daraus zugehenden Nutzens dem Inhaber
der Sache zu vergüten. Ansonst aber, da sie gar keinen Nutzen bringen, ist der
Eigenthümer nicht schuldig dieselbe abzulösen, sondern, wann er deren Vergütung
verweigeret, stehet dem Inhaber frei, solche hinwegzunehmen, insoweit sie ohne
Beschädigung der Sache davon abgesonderet werden mögen; dagegen aber bleibet
derselbe noch allzeit in der Verbindlichkeit die Sache in ihren vorigen Stand
zu setzen.
[3, 17, § 12] 157. Doch hat der Eigenthümer allemal die Auswahl,
ob er dem Inhaber den wahren Werth, wie solche nach deren Absonderung
geschätzet werden, bezahlen oder deren thunliche Absonderung leiden wolle.
[3, 17, § 12] 158. Bei Schätzung deren Auslagen ist sowohl
auf deren verschiedene Beschaffenheit, als ihren Betrag zu sehen. Nach der
Beschaffenheit sind jederzeit jene Auslagen für nothwendig zu halten, welche
der Eigenthümer selbst aufzuwenden bemüssiget gewesen wäre, doch mit Bemerkung
des Unterschieds, ob sie nur zu gegenwärtiger oder zu beharrlicher Erhaltung
der Sache gereichen; dann die von ersterer Art hat Jener zu büßen, deme für die
Zeit der Gebrauch oder Genuß der Sache aus dem Contract gebühret.
[3, 17, § 12] 159. Für nutzliche Auslagen sind jene zu
achten, woraus dem Eigenthümer oder Demjenigen, welcher die Sache zu forderen
hat, ein Nutzen erwachset, dieser möge beharrlich oder nur zeitlich sein; dann
auch nach einen zeitlichen Nutzen muß der Werth deren Auslagen, wodurch
derselbe verschaffet wird, geschätzet werden.
[3, 17, § 12] 160. Wo aber dem Eigenthümer gar kein Nutzen
verbleibet, obschon dem Inhaber Zeit seiner Inhabung hieraus der größte
Vortheil zugegangen wäre, ist Ersterer hieran nichts zu vergüten schuldig. Wie
dann auch derjenige Fleiß und Arbeit, wodurch der Inhaber, welcher die Nutzungen
selbst beziehet, als z. B. ein Miether, Pachter oder Bestandmann ohne einigen
Aufwand aus dem Seinigen die
(3-300) Einkünften vermehret und die Ertragnuß auch noch
einmal so hoch hinauf getrieben hat, in keine Betrachtung kommet.
[3, 17, § 12] 161. Dahingegen, wo die Sache sammt denen
Nutzungen dem Eigenthümer zuruckgestellet wird, als in Befehls- und
Hinterlegungscontract, erforderet die Billigkeit, daß der für die Zeit, als der
Eigenthümer die Nutzungen beziehet, angewendete Fleiß und Arbeit, wann das
Beding oder die Natur des Contract nichts Anderes vermag, nach richterlichen
Befund in Anschlag gebracht, und dessen Belohnung von denen Nutzungen abgezogen
werde.
[3, 17, § 12] 162. Die Auslagen auf die Nutzungen sind
insgemein für nothwendig anzusehen, und nur damals für nutzlich zu halten, wann
dadurch in der That ein größerer Nutzen erzeuget wird, oder doch nach dem
Wirthschaftstrieb außer ohngefähren Zufällen gewiß und ohnfehlbar zu gewarten
ist.
[3, 17, § 12] 163. Nach dem Betrag sind die nothwendigen
Auslagen in keiner anderen Maß zu schätzen, als so viel nach Gestalt der Sache
oder nach dem gemeinen Wirthschaftstrieb, Landesbrauch oder sonstiger
Gewohnheit erforderlich ware, oder so viel der Eigenthümer selbst aufzuwenden
bemüssiget gewesen, oder wenigstens aus denen vorjährigen Rechnungen von ihme
sonst aufgewendet worden zu sein erweislich wäre.
[3, 17, § 12] 164. Bei denen nutzlichen Auslagen oder
Verbesserungskosten aber, deren Betrag nicht allezeit mit jenem des darmit
verschafften Nutzens übereinstimmet, sondern sich meistens höher zu belaufen
pfleget, kann zum öfteren ein Zweifel entstehen, ob deren Ersatz nach dem
Betrag des Aufwands oder nach dem Betrag des erzeugten Nutzens und wirklicher
Verbesserung zu geschehen habe.
[3, 17, § 12] 165. Um nun hierinfalls eine gewisse
Richtschnur zu haben, ist dabei in acht zu nehmen, ob der Inhaber einer fremden
Sache zu deren Inhaltung aus dem Contract nicht berechtiget, folglich auch ihme
der Ersatz deren nutzlichen Auslagen lediglich aus natürlicher Billigkeit wegen
des andurch verschafften Nutzens zu leisten seie, oder aber ob der Inhaber aus
dem Contract die Sache innenzuhalten befugt und ihme dagegen der Eigenthümer
aus eben diesem Contract zu Vergütung des Aufwands ruck- oder gegenverbunden
seie.
[3, 17, § 12] 166. Ersteren Falls hat der Ersatz nicht nach
dem Betrag des Aufwands, sondern nach dem Betrag des wirklich verschafften
Nutzens und wesentlichen Verbesserung zu geschehen, ohne Rücksicht, ob viel
oder wenig ausgelegt worden und ob der Nutzen den Aufwand oder dieser jenen
übertreffe.
[3, 17, § 12] 167. Also da ein Uebergang der verkauften
Sache saumiger Verkaufer nach geschlossenen Kauf oder ein Pachter nach
ausgegangener Pachtzeit zweihundert Gulden aufwendete, wodurch die Sache nur um
einhundert Gulden in Werth und in der Benutzung verbesseret würde, sind ihme
hieran nur einhundert Gulden zu vergüten, also daß jedesmal der erzeugte
mehrere Nutzen zum Capital geschlagen und der ausfallende Capitalsbetrag
ersetzet werde.
[3, 17, § 12] 168. Letzteren Falls aber, wo der Eigenthümer
aus der Natur des Contracts zum Ersatz des nutzlichen Aufwands ruck- oder
gegenverbindlich ist, welches in allen Fällen geschieht, wo Jemandens Sachen
mit seiner ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung von einem Anderen
verwaltet oder besorget und verwahret werden, solle der Ersatz deren nutzlichen
Auslagen nach dem Betrag des Aufwands geleistet werden, wann gleich der
erzeugte Nutzen nicht so viel abwirft, als darein gestecket worden.
[3, 17, § 12] 169. Auf diese Art solle dem Entlehner, deme,
zu dessen getreuen Handen ein Gut anvertrauet worden, dem Miether oder Pachter,
dem Befehlshaber, Sachwalter, Vormund oder Gerhaben der nutzliche Aufwand,
welchen sie Zeit des Contracts oder der fürwährenden Vormundschaft gemacht
haben, ersetzet werden. Wovon jedoch der alleinige Pfandcontract auszunehmen
ist; dann, obschon der Schuldner hieraus zur Vergütung deren Auslagen
ruckverbindlich ist, so solle doch
(3-301) laut obiger Ausmessung der Ersatz nicht nach dem
Betrag des Aufwands, sondern nach der sich wirklich zeigenden Verbesserung
geschehen.
[3, 17, § 12] 170. Gleichergestalten hat die letztere Art
der Schätzung des Aufwands in jenen Handlungen statt, wo die Auslagen von allen
Contrahenten getragen werden müssen, als in Gesellschaftscontracten, Theilungen
der Erbschaften oder gemeinschaftlichen Güter, wobei nur auf jenes, was
wirklich ausgeleget worden, zu sehen ist.
[3, 17, § 12] 171. Es hat aber der Richter bei Untersuchung
deren nutzlichen Auslagen den Bedacht dahin zu nehmen, damit keine andere zum
Ersatz angerechnet werden, als welche unmittelbar zu Verschaffung des
abgesehenen Nutzens abgezielet und zu dessen Erzeugung nothwendig waren.
[3, 17, § 12] 172. Dann woferne mit minderen Unkosten der
nemliche Nutzen hätte verschaffet werden können, so ist auch hieran nicht mehr
zu ersetzen, als was zu Erreichung dieses Nutzens auszulegen nöthig gewesen
wäre, woferne nicht etwan der Eigenthümer selbst den größeren Aufwand
anbefohlen oder genehm gehalten hätte.
[3, 17, § 12] 173. Ferners ist nothwendig, daß die Auslagen
von Demjenigen, welcher deren Vergütung forderet, behörig erwiesen und bewähret
werden. Bei dem nothwendigen Aufwand, er geschehe auf die Nutzungen oder auf
die Sache selbst, kann der Beweis durch die Rechnungen von vorgängigen Jahren
oder durch Quittungen und Auszügeln oder durch Zeugen, oder, wann der Aufwand
noch sichtbar ist, durch Einnehmung des Augenscheines und eidliche Schätzung
deren Kunst- oder Wirthschaftserfahrenen, oder endlich in Ermanglung alles
anderen Beweises durch den Eid dessen, welcher die Auslagen gemacht hat,
hergestellet werden.
[3, 17, § 12] 174. Ueber die nutzlichen Auslagen ist der
Beweis nach dem Unterschied, ob die Vergütung nach dem Betrag des Nutzens oder
nach dem Betrag des Aufwands gebühre, zu führen, und ersteren Falls die
eidliche Schätzung deren Kunst- oder Wirthschaftserfahrenen vorzunehmen,
letzteren Falls aber auf eben die Art, wie bei denen nothwendigen Auslagen zu
verfahren.
[3, 17, § 12] 175. Unter den Ersatz sowohl des nothwendigen,
als nutzlichen Aufwands sind jedoch jene Auslagen nicht einzurechnen, welche
von dem Grund selbst bestritten werden, als Steine, Holz, Frohndienste oder
Roboten, sondern nur die Auslagen allein, welche Jemand aus seinem eigenen
Säckel aufwendet, als der denen Arbeitsleuten bezahlte Hand- oder Taglohn, der
Preis für den erkauften nöthigen Zeug und andere Erfordernussen.
[3, 17, § 12] 176. Die lustbringenden Auslagen sind in dem
Fall, wann sie der Eigenthümer ablösen will, oder deren Absonderung ohne
Schaden der Sache nicht geschehen kann, nur nach demjenigen Werth durch
Kunsterfahrene zu schätzen, was sie nach ihrer Absonderung gelten würden, nicht
aber nach dem Betrag des Aufwands oder was sie wirklich gelten, wann sie bei
der Sache verbleiben. Woferne jedoch die Auslagen mit Willen des Eigenthümers
geschehen, ist deren Ersatz allemal nach dem Betrag des Aufwands zu leisten.
[3, 17, § 12] 177. In gewissen Fällen hat auch der
Eigenthümer die Auslagen, wann er zu deren Ersatz aus dem Contract verbunden
ist und die Nutzungen zu beziehen hat oder der Aufwand auf seinen Befehl
geschehen, von dem Tag des Aufwands zu verinteressiren, wie es oben in ersten
Capitel, §. III, num. 39, ausgemessen worden. Also sind dem Entlehner, deme, zu
dessen Handen ein Gut hinterleget wird, dem Befehlshaber oder Sachwalter, dem
Vormund oder Gerhaben und Curatori die Interessen von dem Betrag deren
nothwendigen oder nutzlichen Auslagen von dem Tag des Aufwands zu bezahlen.
[3, 17, § 12] 178. Dahingegen, wo der Inhaber selbst die
Nutzungen beziehet, als bei Mieth- und Pachtungen, oder der Ersatz nur nach dem
Betrag des verschafften Nutzens zu geschehen hat, als bei Pfandcontracten, oder
es nur um Ablösung deren
(3-302) ohne Willen des Eigenthümers gemachten
lustbringenden Auslagen zu thun wäre, in solchen Fällen gebühren hievon keine
Interessen.
[3, 17, § 12] 179. Zu Wiedererlangung des gemachten Aufwands
auf eine fremde Sache sind mehrere rechtliche Hilfsmittel hergebracht, deren
einige vor Ausantwortung der Sache, andere darnach und andere vor oder nach
gebrauchet werden können.
[3, 17, § 12] 180. Vor Ausantwortung der Sache gebühret dem
Inhaber das Recht des Abzugs deren Auslagen von denen Nutzungen, wann er diese
zugleich zuruckzustellen bemüssiget ist, obschon in
dem richterlichen Urtheil des Abzugs nicht gedacht worden wäre. Was er aber
sich hieran über die Gebühr abziehen würde, ist er zuruckzustellen schuldig.
[3, 17, § 12] 181. Woferne jedoch der Aufwand die Nutzungen
übersteiget, oder er die Sache ohne Nutzungen zuruckzustellen hätte, hat er die
Macht die Sache so lange zuruckzuhalten, bis er deren erweislichen Auslagen
halber vergnüget worden.
[3, 17, § 12] 182. Die Befugnuß der Innenhaltung höret aber
auf, wann entweder der Eigenthümer eine genügliche und annehmliche Bürgschaft
für den Betrag deren Auslagen darstellete, oder aber der Inhaber der Sache die
Vergütung derenselben wider die Forderung des Klägers einzuwenden unterlassen
hätte, welchen Falls der Punkt deren Auslagen durch eine besondere
Rechtstheidigung ausgemacht und die Sache deshalben dem Eigenthümer weiter
nicht vorenthalten werden solle.
[3, 17, § 12] 183. Nach ausgeantworteter Sache muß die
Vergütung deren Auslagen durch die aus dem Contract oder Beding gebührende
Haupt- oder Ruckforderung anbegehret werden.
[3, 17, § 12] 184. Endlich hat Jener, welcher nutzliche oder
lustbringende Auslagen in eine fremde Sache verwendet, sowohl vor, als nach
deren Zuruckstellung die Macht die Verbesserungen und Auszierungen
hinwegzunehmen, wann deren Absonderung ohne Beschädigung der Sache geschehen
kann, doch mit dem Unterschied, daß, solange die Sache in seinen Handen
befindlich ist, er solche auch wider Willen des Eigenthümers, nach deren
Ausantwortung aber nicht anderst, als mit dessen Einwilligung hinwegnehmen möge,
woferne jedoch dieser deren Absonderung verweigerete, so ist er schuldig die
nach deren Unterschied oben ausgemessene Vergütung dafür zu leisten.
Fünfter Artikel.
Von Schäden und Unkosten.
§. XIII. Von Ersatz deren Schäden. §. XIV. Von Ersatz deren
Unkosten.
§. XIII.
[3, 17, § 13] 185. Die fünfte Gattung deren aus Contracten
schuldigen Nebengebührnussen sind Schäden und Unkosten, von deren ersteren in
gegenwärtigen, von denen anderen aber in gleichnachfolgenden §. gehandlet
werden wird.
[3, 17, § 13] 186. Unter denen Schäden werden hier nicht
jene verstanden, welche aus Verbrechen entstehen und weshalben nach Gestalt des
Verbrechens besondere Rechtsforderungen
(3-303) hergebracht sind, wodurch deren Ersatz als eine
vornehmlich einkommende Hauptgebühr angesuchet wird, wie solche unter in
einundzwanzigsten Capitel von Verbrechen und in zweiundzwanzigsten Capitel von
denen für Verbrechen geachteten Handlungen eigends beschrieben werden.
[3, 17, § 13] 187. Sondern unter denen Nebengebührnussen
werden nur jene Schäden begriffen, welche durch die aus Verträgen oder
Contracten zustehende Rechtsforderungen entweder anstatt der nicht mehr zu
leisten mögenden Hauptgebühr oder aber als eine Nebensache eingeklaget werden.
[3, 17, § 13] 188. Durch den Schaden wird also hier nichts
Anderes angedeutet, als was Jemanden aus Schuld oder Saumsal seines Schuldners
an seinem Vermögen entgehet, welches nicht nur damals geschieht, wann Jemand
seines zugehörigen Guts verlustiget, sondern auch, wann der ihme rechtmäßig
angebührende Nutzen von dem Anderen entzogen wird. Das erstere heißet eigentlich ein erwachsener Schaden und das andere ein
entgangener Gewinn; Beides aber gereichet zum Nachtheil und Verringerung des
Vermögens.
[3, 17, § 13] 189. Anstatt der Hauptgebühr wird der so auf
eine, als die andere Art erleidende Schaden eingeklaget, wann Dasjenige, was
Jemand zu geben oder zu thun aus dem Contract verbunden ist, aus seiner Schuld
nicht mehr geleistet werden mag, als da der Verkaufer die verkaufte Sache aus
seiner Schuld hätte zu Grund gehen lassen, oder Jener, der zur gesetzten Zeit
etwas zu thun verheißen, was nach der Zeit unnütz und vergeblich wäre, solches
zu befolgen unterließe.
[3, 17, § 13] 190. Als ein Nebenbeding aber kommt der
Schaden ein, wann zwar die Sache oder die That, warum es sich handlet, noch
geleistet werden kann, Kläger aber jegleichwohlen entweder durch Beschädigung
der Sache oder durch Verspätung oder sonstige widrige Art des Vollzugs aus
Schuld oder Saumsal des Schuldners dabei benachtheiliget worden wäre.
[3, 17, § 13] 191. Der Betrag der Entschädigung ist gewiß
oder ungewiß; gewiß ist derselbe, wann er durch das Gesatz oder Beding an sich
bestimmet ist. Wo aber solcher durch dieses Unser Gesatz bestimmet wird, solle
die von Uns vorgeschriebene Maß weder durch richterliche Ausmessung, noch durch
ein Beding deren Contrahenten unter keinerlei Vorwand überschritten werden
können.
[3, 17, § 13] 192. Also solle die Entschädigung von einer
schuldigen Summe Gelds, die Schuld möge aus einem Darlehen, oder aus was immer
für einen anderen Contract herrühren, über die Bezahlung der Hauptsumme bei
Ermanglung eines anderen Bedings in nicht mehr, als fünfen von Hundert
bestehen, und durch ein Beding zwar mindere, niemalen aber höhere Interessen
als sechs von Hundert zu verschreiben bei Strafe des Wuchers gestattet sein,
wie es bereits oben in ersten Artikel mit Mehreren erkläret worden.
[3, 17, § 13] 193. Desgleichen haben Wir oben in gewissen
Fällen, als bei Kaufen und anderen Contracten die Entschädigung über Wiedererstattung
des Empfangenen auf den achten Theil des Werths ausgesetzet, worüber dieselbe
aus keinerlei Ursache erstrecket werden darf.
[3, 17, § 13] 194. Weilen jedoch nicht in allen Handlungen
so, wie bei Kaufen, der Werth der zu leisten schuldigen oder zu Schaden
gekommenen Sache schon an sich
(3-304) bestimmet ist, sondern meistens erst durch
gerichtliche Schätzung ausgemessen werden muß, so sind jene Dinge, deren Werth
steigend und fallend ist, allemal in den höchsten Preis mit Rücksicht auf die
bedungene Zeit und Ort, was selbe bis zu der erfolgenden richterlichen
Erkanntnuß gegolten haben, nach Maßgebung dessen, was deshalben in vierten
Capitel von Darlehen, §. IV, von num. 58 bis 60 festgestellet worden,
anzuschlagen.
[3, 17, § 13] 195. Bei anderen Sachen aber solle darmit
dergestalten verfahren werden, daß, wo nur aus einer Schuld des Beklagten die
Sache in Verlust gerathen oder verdorben worden wäre, von Klägern der wahre
Werth durch ordentliche Beweise und in deren Ermanglung durch den Eid der Wahrheit,
wie er sich die Sache gewissenhaft schätzet, erprobet werden müsse.
[3, 17, § 13] 196. Wo aber eine geflissentliche Arglist und
Gefährde des Beklagten unterwaltete, und der eigentliche Werth der Sache in
andere Wege nicht dargethan werden könnte, ist Kläger zu dem Eid der
willkürlichen Schätzung so hoch, als derselbe sich solche nach seiner eigenen
Neigung und Anständigkeit gehalten, zuzulassen, dem Richter hingegen lieget
jegleichwohlen ob, wann er die Schätzung allzu übertrieben zu sein befinden
würde, solche nach Billigkeit zu mäßigen.
[3, 17, § 13] 197. Durch Bedinge können zwar die
Contrahenten ihre Entschädigung auf einen minderen, keineswegs aber auf einen
höheren Betrag, als solcher durch diese Unsere Anordnung ausgemessen worden,
untereinander festsetzen. Und überhaupt solle auch die bedungene Entschädigung
über Ersatz des Schadens den achten Theil des Werths der Sache, warum es zu
thun ist, nicht übersteigen. Woferne jedoch der Werth Desjenigen, was aus dem
Contract gebührete, weder an sich bestimmet wäre, noch eine verläßliche
Schätzung annehmen könnte, und die auf den Nichteinhaltungsfall bedungene
Entschädigung allzu übermäßig wäre, so hat der Richter die Macht auf Belangen
des beschwerten Theils nach Erwägung deren Umständen solche auf ein Billiges
herabzusetzen.
[3, 17, § 13] 198. Ungewiß ist der Betrag der Entschädigung
in allen denenjenigen Handlungen, worinnen es weder um eine gewisse Geldsumme,
noch um eine Sache, die um einen gewissen Werth geschätzet werden mag, zu thun
ist, als da Jemand dem Anderen zu einer gesetzten Zeit ein Darlehen
vorzustrecken versprochen und nachhero diese seine Zusage nicht gehalten hätte.
[3, 17, § 13] 199. In allen diesen Fällen kommet es der
richterlichen Erkanntnuß zu, den erleidenden Nachtheil nach Maß des erwachsenen
Schadens und entgangenen Nutzens zu schätzen, und dabei auf den gemeinen Werth
und Anschlag deren Sachen, nicht aber auf die besondere Zuneigung und
Werthhaltung des einen oder anderen Theils den Bedacht zu nehmen.
[3, 17, § 13] 200. Damit jedoch auf den entgangenen Nutzen
oder Gewinn die Rücksicht genommen werden möge, muß solcher also beschaffen
sein, daß derselbe einerseits rechtmäßig, gewiß, ungezweiflet und in der Macht
des verkürzten Theils, nicht aber etwan nur blos zufällig gewesen wäre, und daß
er andererseits unmittelbar aus der zu leisten schuldigen Sache oder That
hergerühret hätte.
[3, 17, § 13] 201. Also, da in dem gegebenen Beispiel Kläger
durch Anlegung der ihme vorzuleihen versprochenen Summe zehen oder zwölf von
Hundert an Interessen hätte beziehen, oder die erforderliche Auslagen zu
Erlangung einer ergiebigen Bedienstung mit dessen Verwendung bestreiten, oder
in einem mit diesem Geld erkauften Hause einen Schatz finden, oder darmit ein
ihme sehr vortheilhaftes Gewerb anstellen können, kommet der Entgang eines so
beschaffenen Gewinns in keine Betrachtung, weilen solcher in dem ersten Fall
nicht rechtmäßig, in dem zweiten nicht gewiß und ungezweiflet, in dem dritten
bloß zufällig, und endlich in dem letzteren nicht unmittelbar aus der Sache
selbst hergeflossen wäre.
[3, 17, § 13] 202. Dahingegen, woferne das Geld zu Erkaufung
gewisser Waaren vorzustrecken verheißen worden wäre, welche Kläger damals
erweislicher Maßen wohlfeiler
(3-305) oder unter dem marktgängigen Preis sich hätte anschaffen
können, nach der Zeit aber theuerer zu bezahlen bemüssiget worden wäre, hat der
Beklagte den ihme andurch entgangenen Gewinn billig zu ersetzen.
[3, 17, § 13] 203. Gleichergestalten ist bei Schätzung des
erwachsenen Schadens auf die nächste und unmittelbare, nicht aber auf die
entfernete und mittelbare Ursache zu sehen, woraus solcher entstanden ist.
[3, 17, § 13] 204. Also, da Kläger aus Mangel der Barschaft
zu Leistung bringender Zahlungen seine Sachen um ein Geringes zu verstoßen oder
sonst eine Verminderung seines Vermögens zu leiden genöthiget worden wäre, so
er vermieden haben würde, wann er das versprochene Darlehen zur gesetzten Zeit
erhalten hätte, kann er keine Vergütung des Schadens forderen, weilen solcher
nicht aus dem nicht eingehaltenen Darlehen, sondern aus seiner eigenen Schuld
entsprungen, daß er sich nicht um andere Aushilfsmitteln beworben habe.
[3, 17, § 13] 205. Wann hingegen das Darlehen zu einer
gewissen keinen Verzug leidenden Bestimmung unter dem gewöhnlichen
Interessebetrag oder auch ganz ohne Interessen vorzuleihen versprochen worden
wäre, und Kläger zu diesem Ende anderswo Geld um ein höheres Interesse, doch
binnen dem erlaubten Betrag hätte aufnehmen müssen, so ist der Beklagte
schuldig ihme das hieran erweislich mehr Bezahlte zu vergüten.
[3, 17, § 13] 206. Und in diesem unterscheidet sich die
Schätzung des erwachsenen Schadens von der Schätzung des entgangenen Gewinns,
daß kein anderer Gewinn zum Ersatz angerechnet werden könne, als welcher
unmittelbar aus der zu Schaden gekommenen oder zu leisten schuldigen Sache oder
That hergekommen wäre, bei Schäden aber auch jener zu vergüten seie, welcher
außer der gegebenen oder verheißenen Sache an dem anderweitigen Vermögen
entstehet, wann nur diese dessen nächste und unmittelbare Ursache gewesen.
§. XIV.
[3, 17, § 14] 207. Unter denen Unkosten wird entweder
überhaupt aller wegen einer Sache gemachter Aufwand verstanden, in welcher
Bedeutung auch die auf die Sache selbst verwendete Kosten darunter begriffen
sind, wovon oben in vierten Artikel gehandlet worden, oder es werden andurch
nur jene Auslagen angedeutet, welche sowohl auf die Ausfertigung und
Einverleibung des Contracts als auf die Betreibung der zu forderen habenden
Sache aufgehen.
[3, 17, § 14] 208. Und in diesem Verstand unterscheiden sich
die Unkosten von dem auf die Sache gemachten Aufwand, weilen dieser auf die
Erhaltung und Verbesserung einer fremden Sache, jene aber auf die
Sicherstellung und Betreibung der eigenen Sache ausgeleget werden.
[3, 17, § 14] 209. Diese sind entweder gerichtlich oder
außergerichtlich. Die gerichtlichen heißen eigentlich Gerichtskosten, von denen
in vierten Theil bei der Gerichtsordnung
(3-306) gehandlet werden wird; die außergerichtlichen aber
sind jene, welche außer dem gerichtlichen Verfahren auf die Sicherstellung und
Betreibung einer habenden Forderung verwendet werden.
[3, 17, § 14] 210. Hierunter sind vornehmlich die
Einverleibungsunkosten begriffen, welche für die landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Einlage des Contracts oder Vertrags entrichtet werden müssen.
[3, 17, § 14] 211. Deren Berichtigung lieget zwar allemal
Demjenigen ob, der die Einverleibung ansuchet; wegen deren Ersetzung aber ist
zu unterscheiden, ob deshalben zwischen denen Contrahenten, was hieran deren
einer oder anderer zu tragen habe, bedungen worden oder nicht.
[3, 17, § 14] 212. Ersteren Falls hat es bei dem
eingegangenen Beding sein Bewenden, und ist Einer dem Anderen Dasjenige, was er
über den auf sich genommenen Antheil hieran mehr bezahlet hat, zu ersetzen
schuldig.
[3, 17, § 14] 213. Wo aber derowegen nichts bedungen worden,
hat jener die Einverleibungsunkosten zu tragen, zu dessen Nutzen und Vortheil
der Contract oder Vertrag vornehmlich gereichet; also, da solcher nur den
Nutzen des einen Contrahenten betrifft, hat auch nur dieser die Unkosten der
Einlage zu bezahlen, als ein Schuldner, ein Befehlsgeber, ein Erbzinsmann und
Derjenige, deme etwas geschenket oder abgetreten wird.
[3, 17, § 14] 214. Welches auch statt hat, obgleich der
beigefügte Nebencontract hauptsächlich zum Nutzen und Sicherheit des anderen
Theils abzielete, als z. B. die Verschreibung einer Hypothek oder Bestellung
einer Bürgschaft, weilen nur auf die Natur und Eigenschaft des Hauptgeschäfts
zu sehen ist, also daß auch Jener die Unkosten zu tragen hat, der eine Hypothek
verschreibt oder für den eine Bürgschaft bestellet wird.
[3, 17, § 14] 215. Dahingegen, wo die Handlung auf
beiderseitigen Nutzen gleich abgesehen wäre, als in Kaufen und Verkaufen,
Tauschen, Miethen und Vermiethen, haben Beide die Einverleibungsunkosten zu
gleichen Theilen zu bestreiten.
[3, 17, § 14] 216. Bei Gesellschaften aber und
Gemeinschaften deren Gütern und Erbschaften sind diese Unkosten nach Maß des
einem Jeden hieran gebührenden Antheils zu vertheilen.
[3, 17, § 14] 217. Alle andere auf die Betreibung einer zu
forderen habenden Sache erweislich ausgelegte Unkosten hat allemal jener Theil
zu vergüten, der durch seine Schuld oder Saumsal zu deren Aufwand Anlaß
gegeben; doch stehet ihme dabei frei deren richterliche Mäßigung anzubegehren.
[3, 17, § 14] 218. Wo übrigens alle sowohl gerichtliche, als
außergerichtliche Unkosten eben diejenige Vorzüglichkeit und entweder durch
Pfandschaft oder Verbürgung bestellte Sicherheit zu genießen haben, welche der
schuldigen Hauptsumme zu statten kommen.
[3, 17, § 14] 219. Alle in diesem Capital (= Capitel)
bishero beschriebene Gattungen deren Nebengebührnussen können zwar in einer
Forderung, wann mehrerlei Dinge aus einem Contract angebühren, nach deren
verschiedener Gestalt und Beschaffenheit zusammentreffen.
[3, 17, § 14] 220. Niemalen aber sollen von einerlei Ding
die Interessen mit denen Nutzungen, noch dagegen diese mit jenen zugleich
anbegehret werden können; Schäden hingegen, insoweit sie nicht schon unter dem
Interesse enthalten sind, und Unkosten mögen mit einer jeden anderen Gattung
von Nebengebührnussen zugleich geforderet werden.
(3-307) Caput XVIII.
Von Unterhändleren, Handlungsvorgesetzten, Schiedsmännern
und anderen bei Contracten einkommenden Personen.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Unterhändleren.
§. I. Von dem Amt und Verschiedenheit deren Unterhändleren.
§. II. Von dem ihnen gebührenden Lohn. §. III. Von deren Verfänglichkeit für
den von ihnen verursachten Schaden.
§. I.
[3, 18, § 1] Num. 1. Außer denen Contrahenten kommen bei
Contracten noch verschiedene andere Nebenpersonen ein, welche theils vor,
theils in, theils nach Schließung des Contracts hinzutreten, nach deren
dreierlei Gattung gegenwärtiges Capitel in drei Artikeln eingetheilet wird.
[3, 18, § 1] 2. Vor Schließung des Contracts werden zum
öfteren Unterhändlere gebrauchet, welche dessen Zustandbringung vermittlen und
beförderen, und denen Contrahenten zu Erleichterung des Geschäfts an die Hand
gehen.
[3, 18, § 1] 3. In dem Contract selbst kommen Mittelspersonen
ein, als Befehlshabere, Bevollmächtigte und Handlungsvorgesetzte, welche den
Contract zwar selbst, aber nicht für sich, sondern in Namen eines Dritten
schließen, den sie hieraus Anderen oder Andere ihme verbindlich machen.
[3, 18, § 1] 4. Nach dem Schluß des Contracts handlen
insgemein die Schiedsmänner ihr Amt, welche aus gemeinsamen Auftrag deren
Contrahenten die aus Contracten entstehende Strittigkeiten zwischen ihnen
beilegen und auseinander setzen. Von denen Unterhändleren wird in diesem, von
denen zweien anderen Gattungen Mittelspersonen aber in folgenden zweien
Artikeln gehandlet werden.
[3, 18, § 1] 5. Die Unterhändlere heißen auch anderst nach
Gestalt des Geschäfts, wobei sie einkommen, Mäkler, Zubringer, Unterkäufer,
Sensalen und sind Personen, welche zu Beförderung eines Geschäfts ihre
Vermittlung beizutragen pflegen.
[3, 18, § 1] 6. Diese sind entweder öffentliche Personen,
welche von der Obrigkeit an einigen Orten in gewisser Anzahl bestellet und
eigends zu diesem Amt beeidiget werden, als die Wechselsensalen und geschworene
Sollicitatores, oder sie werden von denen contrahirenden Theilen selbst nach
Gefallen erwählet.
[3, 18, § 1] 7. Jene, welche von der Obrigkeit hierzu
bestellet werden, müssen die zu diesem Amt erforderliche
Eigenschaften, als Redlichkeit, Fähigkeit, Erfahrenheit und Geschicklichkeit zu
Verrichtung deren ihnen auftragenden Geschäften besitzen.
[3, 18, § 1] 8. Die aber von denen Parteien nach eigener
Willkür erwählet werden, können in einer Sache Unterhandlere abgeben, wann sie
gleich sonst einen Contract einzugehen unfähig wären, maßen die Contrahenten
sich selbst beizumessen
(3-308) haben, wann dieselbe sich minder tüchtiger
Unterhändleren bedienen und dadurch zu Schaden kommen.
[3, 18, § 1] 9. Doch sollen obrigkeitliche Personen in jene
Sachen, welche dereinstens für sie zu ihrer richterlichen Erkanntnuß gelangen
könnten, sich aller Unterhandlung zu enthalten schuldig sein und jene Richtere,
die in einer Sache, worinnen sie sich als Unterhändlere gebrauchen lassen, ihr
Amt handlen, mit allen in der Gerichtsordnung auf parteiliche Richtere
ausgesetzten Strafen beleget werden.
[3, 18, § 1] 10. Ansonsten können in allen erlaubten
Handlungen Unterhändlere einkommen, wann sich die contrahirende Theile
derenselben bedienen wollen; aus unerlaubten aber sollen sie nicht allein
keinen Gewinn beziehen, sondern auch als Mitgehilfen des Verbrechens bestrafet
werden.
§. II.
[3, 18, § 2] 11. Die Unterhändlere sollen die ihnen
aufgetragene Geschäften mit aller Treu und Redlichkeit verrichten, und dabei
den gehörigen Fleiß anwenden, wofür sie die gebührende Belohnung zu empfangen,
gleichwie dagegen für den aus ihrer Schuld verursachten Schaden zu stehen
haben.
[3, 18, § 2] 12. Die Belohnung gebühret ihnen damals, wann
durch ihren Fleiß und Zuthat das behandlete Geschäft zu Stand gebracht und
ihnen dafür einen Lohn zu geben versprochen worden, oder solcher denenselben
auch in Ermanglung einer ausdrücklichen Verheißung nach Gestalt und
Beschaffenheit ihres aufhabenden Amts oder treibenden Hantierung abzureichen
ist.
[3, 18, § 2] 13. Doch solle sich diese Belohnung in Fällen,
wo es um eine gewisse Summe Gelds, oder um Sachen von bestimmten Werth zu thun
ist, niemalen höher, als auf Eines von Hundert nach Maß der Summe oder des
Werths der Sache, welche die Handlung betrifft, erstrecken, noch weniger dem
Unterhändler darüber ein Mehreres zu nehmen, oder auch nur sich zu bedingen bei
Strafe des Wuchers gestattet sein.
[3, 18, § 2] 14. Und ob zwar ein jeder contrahirender Theil
sich seines eigenen Unterhandlers bedienen kann, folglich auch deren Jedwedem
erlaubet ist den ganzen Betrag der ausgesetzten Belohnung von demjenigen Theil,
zu dessen Handen derselbe sich gebrauchen lassen, einzuforderen, so solle
jedoch in jenem Fall, wo ein Unterhändler seine Bemühung zu Handen beider
Theilen angewendet, Dasjenige, was er von Beiden empfanget, zusammen Ein von
Hundert nicht übersteigen.
[3, 18, § 2] 15. Welches in gleichen von mehreren zu Handen
des einen Theils gebrauchten Unterhändleren zu verstehen ist, welche zusammen
an ihrer Belohnung nicht mehr, als Ein von Hundert zu nehmen befugt sind; so
sich aber auf den Wechsel- und Handelsbrauch nicht erstrecket, sondern hierbei
solle es nach wie vor sein ferneres Verbleiben haben.
[3, 18, § 2] 16. Ist es hingegen um keine gewisse Summe
Gelds zu thun, oder der Werth der Sache, um die es sich handlet, nicht
bestimmet, so hat es auch bei dem bedungenen Lohn sein Bewenden, oder, wo
keiner versprochen worden und doch nach Eigenschaft des Unterhandlers ihme eine
Belohnung gebührete, solle solche der Richter nach Beschaffenheit der Handlung
und nach Maß der dabei gehabten Bemühung ausmessen.
§. III.
[3, 18, § 3] 17. In Gegentheil, woferne die Unterhändlere
aus ihrer Schuld, Unvorsichtigkeit oder gar arglistiger und gefährlicher Weise
einem oder dem anderen Theil einen Schaden und Nachtheil zuzieheten, können
dieselbe nicht nur keine Belohnung forderen, sondern sie sind auch die schon
empfangene zuruckzugeben und den verursachten Schaden zu ersetzen schuldig, als
da sie eine wissentlich mangelhafte
(3-309) Sache anrühmeten, die Mängeln vertuscheten oder
sonst an dem Betrug theilnähmen.
[3, 18, § 3] 18. Wo aber eine durch Zuthat des Unterhandlers
mit gutem Glauben zu Stand gebrachte Handlung nachhero ohne seine Schuld und
ohne die Ursache, warum der andere Theil verkürzet worden, zuvor zu wissen,
zuruckgienge und aufgehoben würde, wird derselbe seiner Belohnung nicht
verlustiget.
Zweiter Artikel.
Von denen für andere contrahirenden Personen.
§. IV. Von Verschiedenheit deren für andere contrahirenden
Personen, als Befehlshaberen, Sachwalteren und Handlungsvorgesetzten oder
Factoren. §. V. Von deren hieraus entstehenden eigenen Verbindlichkeit. § VI.
Von des Befehlenden oder Vorsetzenden hieraus erwachsenden Recht und
Verbindlichkeit.
§. IV.
[3, 18, § 4] 19. Daß aus Handlungen Anderer Jemand sowohl
verbunden, als ihme ein Recht erworben werden könne, ist bereits in ersten
Capitel, von Verbindungen insgemein, §. IV, gemeldet worden. Gleichwie dahero
Jedermann befugt ist, den Contract durch sich selbst oder durch Andere, welchen
er die Vollmacht hierzu ertheilet, einzugehen, also kommen auch jene Personen,
die eine Handlung in Namen und anstatt eines Dritten schließen, nicht weniger
als Derjenige, zu dessen Handen solche geschlossen wird, in dem Contract selbst
ein.
[3, 18, § 4] 20. Dann ein jeder Auftrag fremder Geschäften
wirket nach der in fünfzehenten Capitel von Befehlscontract, §. V, num. 41 und
42 gemachten Anmerkung nicht nur die Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber
und Befehlshaber allein, sondern auch zwischen diesen Beiden und einem Dritten,
welcher sich auf die Vollmacht in die Handlung eingelassen hat. Die erstere ist
bereits alldort erkläret worden; mithin erübriget nur noch von der anderen
allhier zu handlen.
[3, 18, § 4] 21. Die Personen, welchen die Besorgnuß und
Verwaltung fremder Geschäften anvertrauet wird, sind
nach der Art ihrer Bestellung und nach Mannigfaltigkeit deren betreffenden
Gegenständen verschieden. Insgemein heißen dieselbe bei einzlen Geschäften und
die keine besondere Eigenschaft haben, Befehlshabere, Bevollmächtigte und
Sachwaltere.
(3-310) [3, 18, § 4] 22. Bei gewinnstigen Gewerben und
Kaufmannschaften werden sie eigends Handlungsvorgesetzte oder Factors und in
Apotheken Provisores benamset, wovon aber die Buchhaltere, Ladendiener und
Kaufmannsjungen wohl zu unterscheiden sind; maßen die Buchhaltere nur die
Handlungsbücher zu führen, dann die Ladendiener und Kaufmannsjungen die Waaren
in dem von dem Kaufmann vorgeschriebenen Preis zu verkaufen haben, Keiner
hingegen von allen diesen der Handlung vorgesetzet, noch weniger ihnen die
freie Macht das Gewerb zu führen eingeraumet ist.
[3, 18, § 4] 23. Es wird also durch einen
Handlungsvorgesetzten oder Factor nur Jener verstanden, der von dem Eigenthümer
zu Treibung eines Gewerbs oder Führung einer Handlung in Namen und anstatt
seiner bestellet und vorgesetzet wird.
[3, 18, § 4] 24. Jene dahero, welche nur zu Bewahrung eines
Waarenlagers und zu Versendung oder Verführung deren Kaufmannsgütern gebrauchet
werden, oder als Unterhändlere die Handlungsgeschäften durch ihre Vermittlung
beförderen helfen, sind keine Handlungsvorgesetzte, weilen ihnen nicht zustehet
die Handlung selbst zu führen.
[3, 18, § 4] 25. Die Macht deren Handlungsvorgesetzten
erstrecket sich entweder auf alle von dem Bestellenden treibende Gewerbe, oder
auch nur auf ein besonderes Gewerb oder einen Theil der Handlung allein,
nachdeme ihnen eine mehrere oder mindere Gewalt von dem Eigenthümer
eingestanden wird.
[3, 18, § 4] 26. Zu Handlungsvorgesetzten kann Jedermann
sowohl bestellen als bestellet werden, der sich zu verbinden fähig ist, das
Gewerb möge zu Land oder zu Wasser getrieben werden, und in was immer für einer
Handlung bestehen, wann es nur auf Kaufmannsart geführet wird, dann bei anderen
häuslichen oder Wirthschaftsgewerben giebt es keine Handlungsvorgesetzte,
sondern Verwaltere, Befehlshabere und Bevollmächtigte.
[3, 18, § 4] 27. Die Bestellung geschieht einerseits durch
den Auftrag des Vorsetzenden und anderseits durch die Annehmung des
Vorgesetzten und schlaget entweder in den Befehlscontract oder in den
Dingungscontract ein, nachdeme der Vorgesetzte die Besorgnuß der Handlung
entweder unentgeltlich oder für einen bedungenen Lohn auf sich nimmt.
[3, 18, § 4] 28. Der nun auf eine oder die andere Art der
Handlung vorgesetzet worden, kann auch weiters einen Anderen hierzu bestellen,
wann ihme solches von dem Vorsetzenden nicht ausdrücklich untersaget worden;
inwieweit aber dieser aus der Handlung des Afterbestellten verbindlich werde, wird
unten in §. VI erkäret (= erkläret) werden.
§. V.
[3, 18, § 5] 29. Aus dem Auftrag fremder Geschäften
erwachset ein dreifaches Band der Verbindlichkeit, als eines zwischen dem
Auftragenden und Jenem, von deme deren Vollziehung übernommen wird, welches nach
der Natur deren schon oben beschriebenen Befehls- oder Dingungscontracten
abzumessen ist, nachdeme die Uebernehmung des Auftrags ohnentgeltlich oder für
einen bedungenen Lohn erfolget.
[3, 18, § 5] 30. Das zweite Band der Verbindlichkeit
entstehet zwischen dem Befehlshaber oder Handlungsvorgesetzten und einem
Dritten, welcher sich auf die Vollmacht mit ihme in einen Contract eingelassen
hat, wovon in gegenwärtigen §. gehandlet wird.
[3, 18, § 5] 31. Und endlich entspringet hieraus das dritte
Band der Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber oder Jenem, der seine
Geschäften durch jemand Anderen verrichten läßt, und dem Dritten, welcher mit
dessen Befehlshaber oder Handlungsvorgesetzten eine Verbindung eingegangen, wie
es in gleich nachfolgenden §. erkläret werden wird.
(3-311)[3, 18, § 5] 32. Doch rühren die beide letztere
Verbindlichkeiten nicht unmittelbar aus dem Auftrag fremder Geschäften selbst,
sondern aus jenem Contract her, welcher in Folge des Auftrags mit einem Dritten
geschlossen wird, also daß der Auftrag nur für die veranlassende mittelbare,
nicht aber für die unmittelbar selbst wirkende Ursache anzusehen seie.
[3, 18, § 5] 33. Die zwischen dem Befehlshaber,
Handlungsvorgesetzten oder Factor und einem Dritten, welcher mit diesem
contrahiret hat, bestehende Verbindlichkeit wirket so vieles, daß so lange sein
Amt fortwähret und er die Handlung noch unter Handen hat, derselbe sowohl in
Namen des Befehlenden oder Vorsetzenden aus dem mit einem Dritten geschlossenen
Contract diesen belangen, als auch dagegen von ihme in solcher Eigenschaft
belanget werden könne, wann dieser seine Klage nicht wider den Befehlsgeber
oder Vorsetzenden selbst anstrengen will, als weswegen ihme, wie es unten
folgen wird, die Auswahl zustehet.
[3, 18, § 5] 34. Die Forderung eines Dritten aber kann sich
wider den Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor nicht weiter
erstrecken, als auf die Genugthuung aus der zu verwalten habenden Handlung und
des Befehlsgebers oder Vorsetzenden eigenthumlichen Gut.
[3, 18, § 5] 35. Dann überhaupt hat bei allen in fremden
Namen abschließenden Handlungen die Grundregel statt, daß Jener, der in Namen
eines Anderen contrahiret, die Vergnügung und Zahlung nicht aus seinem eigenen,
sondern aus dessen Gut, in wessen Namen die Handlung geschlossen worden,
verheiße und hierzu nur in dieser und keiner weiteren Maß sich verbinde, noch
weniger seine eigene Person oder Gut in etwas verstricke.
[3, 18, § 5] 36. Wann dahero das unter Handen habende Gut
des Befehlsgebers oder Vorsetzenden zu Befriedigung des Glaubigers nicht
zureichend wäre, so ist weder derselbe von dem Seinigen etwas beizutragen
schuldig, noch weniger kann wider seine Person oder Gut die Execution
angestrenget werden.
[3, 18, § 5] 37. Da jedoch derselbe freiwillig aus dem
Seinigen für den Befehlsgeber oder Vorsetzenden gezahlet hätte, kann er solches
von dem Glaubiger nicht mehr zuruckforderen, sondern hat sich lediglich
deshalben an seinem Befehlsgeber oder Vorsetzenden zu halten, wann gleich
dieser außer Zahlungsstand gesetzet wäre; es seie dann von ihme erweislich, daß
der Befehlsgeber oder Vorsetzende selbst nichts schuldig gewesen, folglich die
Zahlung wegen Unrechtmäßigkeit der Schuld zur Ungebühr geleistet worden seie.
[3, 18, § 5] 38. Nach Ablegung des Amts eines Befehlshabers,
Handlungsvorgesetzten oder Factors hingegen ist auch darmit die Eigenschaft
erloschen, unter welcher er einem Dritten oder dieser ihme verbindlich ware,
also daß derselbe darnach aus denen in Namen seines Befehlsgebers oder
Vorsetzenden geschlossenen Contracten, weder Jemanden mehr belangen, noch
selbst belanget werden kann.
[3, 18, § 5] 39. Hiervon aber sind jene Fälle auszunehmen,
worinnen er bei der Handlung mit einem Dritten seine eigene Person verbunden
hat, als erstens, da ein Befehlshaber, Handlungsvorgesetzter oder Factor in
seinem eigenen Namen contrahiret und die Eigenschaft seines aufhabenden Amts
dem Dritten, mit deme er die Handlung abgeschlossen, verschwiegen hätte,
obschon nicht allemal erforderlich ist, daß die Eigenschaft eines Befehlshabers,
Handlungsvorgesetzten oder Factors ausgedrucket werde, wann solche sonst kündig
ist.
[3, 18, § 5] 40. Zweitens, wann der Dritte, welcher sich mit
ihme in eine Handlung einläßt, sich deutlich dahin verwahrete, daß er mit
seinem Befehlsgeber oder Vorsetzenden nichts zu thun haben, sondern blos allein
mit ihme Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor contrahiren wolle und
dieser dabei beruhete.
[3, 18, § 5] 41. Drittens, wann der Befehlshaber,
Handlungsvorgesetzte oder Factor dafür gutgestanden oder selbst Zahler zu sein
versprochen oder auch sonst sich und seine Erben darzu verbunden hätte.
(3-312) [3, 18, § 5] 42. Viertens, wann er die Grenzen des
Befehls oder der Vorsetzung dabei überschreiten würde, oder sonst ohne Befehl
gehandlet hätte, nach Maßgebung dessen, was davon in fünfzehenten Capitel, von
Befehlscontract, §. V, von num. 48. bis 57 geordnet werden.
[3, 18, § 5] 43. Fünftens, wann derselbe sich fälschlich für
einen Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor ausgegeben und den
Dritten dadurch mit ihme in Namen eines Anderen zu contrahiren verleitet hätte,
ohne daß nachhero die Gutheißung und Beangenehmung des Eigenthümers hierüber
erfolget wäre.
[3, 18, § 5] 44. In allen diesen Fällen kann ein solcher
Befehlshaber, Handlungsvorgesetzter oder Factor, sowohl bei noch aufhabenden,
als nach schon niedergelegten Amt zur Zahlung aus seinem Eigenen angehalten
werden.
[3, 18, § 5] 45. Wo aber in dem mit einem Dritten
eingegangenen Contract nicht ausgedrucket worden wäre, daß solcher in Namen und
anstatt des Befehlsgebers oder Vorsetzenden geschlossen worden, und auch dem
Dritten sonst die Eigenschaft des Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder
Factors nicht bekannt gewesen sein würde, da ist allemal dafür zu halten, daß
der Contract in eigenen Namen des Befehlshabers eingegangen worden, woferne
nicht erweislich ist, daß entweder das Empfangene zum Nutzen des Befehlsgebers
verwendet worden oder dessen nachherige Gutheißung erfolget sei.
§. VI.
[3, 18, § 6] 46. Nachdem Derjenige, welcher mit einem
Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor unter dieser Eigenschaft
contrahiret, allezeit auf den Glauben dessen siehet, der es ihme geheißen und
befohlen hat, als entstehet hieraus das dritte Band der Verbindlichkeit
zwischen dem Befehlsgeber oder Vorsetzenden und einem Dritten, welcher mit
seinem Befehlshaber contrahiret hat.
[3, 18, § 6] 47. Diese Verbindlichkeit hat die Wirkung, daß
der Dritte, welcher sich mit dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder
Factor in einem Contract eingelassen, hieraus sowohl den Befehlsgeber oder
Vorsetzenden belangen, als auch dagegen von ihme belanget
werden könne.
[3, 18, § 6] 48. Damit aber wider den Befehlsgeber oder
Vorsetzenden aus dem Contract seines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder
Factors die Forderung mit Bestand gestellet werden möge, muß solche also
beschaffen sein, daß erstens, dieselbe sich nicht weiter erstrecke, als was dem
Kläger aus dem mit dessen Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor
eingegangenen Contract gebühret.
[3, 18, § 6] 49. Dann für den aus Betrug oder Schuld des
Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors einem Dritten zugefügten
Schaden hat der Befehlsgeber oder Vorsetzende nicht weiter zu haften, als
insoferne seinerseits eine von denen oben in ersten Capitel, von Verbindungen
insgemein, §. IV, num. 37, beschriebenen Ursachen unterwaltet, aus der Jemand
auch für die Schuld des Anderen verfänglich wird.
[3, 18, § 6] 50. Zweitens, daß die Forderung aus einem mit
dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor Zeit seines aufgehabten
Amts geschlossenen Contract herrühre, dann, wo schon nach Niederlegung seines
Amts mit ihme contrahiret worden wäre, wird der Befehlsgeber oder Vorsetzende
daraus zu nicht verbunden.
[3, 18, § 6] 51. Woferne aber der Befehlshaber, Handlungsvorgesetzte
oder Factor nach dem Tod des Befehlsgebers oder Vorsetzenden einen Contract
abschließete, werden jegleichwohlen die Erben des Letzteren hieraus
verbindlich, weilen durch Absterben des Befehlsgebers oder Vorsetzenden das Amt
des Ersteren nicht erlöschet, insolange die Erben ihn davon nicht abrufen, und
die von dem Verstorbenen gegebene Gewalt anwiederum aufheben.
[3, 18, § 6] 52. Drittens, daß der Contract über solche
Dinge, worüber dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor die
Verwaltung und Besorgnuß aufgetragen
(3-313) ist, und nach Maß, Gestalt und Inhalt des Auftrags,
Befehls oder der Vorsetzung geschlossen worden seie.
[3, 18, § 6] 53. Die Macht und Gewalt eines Befehlshabers,
Handlungsvorgesetzten oder Factors aber ist nicht blos nach dem buchstäblichen
Inhalt des Auftrags abzumessen, sondern solche erstrecket sich auch auf jene
Handlungen, welche zu Vollziehung des Auftrags unumgänglich nöthig oder doch
nützlich sind, und ohne welchen der Auftrag entweder gar nicht, oder doch nicht
füglich verrichtet werden könnte.
[3, 18, § 6] 54. Also, da Jemand gewisse Waaren zu erkaufen
befehliget worden wäre, ohne von dem Befehlsgeber das nöthige Geld darauf
empfangen zu haben, und dahero solches von einem Dritten hierzu auf den Namen
des Befehlsgebers ausborgete, wird dieser zu dessen Zuruckzahlung verbunden,
wann es nur ausdrücklich auf seinen Namen, zu diesem Ende, und auch nicht mehr,
als darzu nöthig ware, vorgeliehen worden.
[3, 18, § 6] 55. Desgleichen, wo Jemand, deme die Verwaltung
eines Hauses, Grunds oder Guts aufgetragen worden, zu Bestreitung deren
vorfallenden nothwendigen oder nutzlichen Auslagen, worauf derselbe weder von
dem Eigenthümer etwas empfangen, noch auch die davon eingehobene Einkünften zu
diesem Aufwand erklecklich wären, ein Darlehen aufnähme, ist der Eigenthümer
solches zuruckzuzahlen schuldig, wann das aufgenommene Geld wirklich zu dem
Ende verwendet worden.
[3, 18, § 6] 56. Und wird derselbe der sich dadurch
zugezogenen Verbindlichkeit nicht entlediget, wann gleich das von seinem
Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor in seinem des Befehlsgebers
oder Vorsetzenden Namen nach Maß des Auftrags ausgeborgte Geld nicht zu seinem,
sondern des Befehlshabers eigenen Nutzen verwendet worden wäre, woferne die Vollmacht
ausdrücklich auf die Aufnahme des Darlehens gelautet hat.
[3, 18, § 6] 57. Ueberhaupt aber solle die von einem
Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor in denen nach Maß des Auftrags
mit einem Dritten geschlossenen Handlungen begangene Gefährde, Betrug und
Arglist allemal dem Befehlsgeber oder Vorsetzenden und nicht dem Dritten,
welcher sich mit guten Glauben auf die Vollmacht eingelassen, zum Nachtheil
gereichen, woferne nicht dieser an dem Betrug mit Theil genommen hätte.
[3, 18, § 6] 58. Was hingegen ein Befehlshaber,
Handlungsvorgesetzter oder Factor außer des Auftrags, oder wider oder über die
Maß desselben unternimmt, dafür ist der Befehlsgeber oder Vorsetzende einem
Dritten nicht verbunden, und lieget dahero Jedermann ob, der mit einem
Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor contrahiret, sich nach dem
Inhalt, Gestalt und Maß des Auftrags oder Befehls wohl zu erkundigen, widrigens
aber, und da er sich darwider oder darüber in etwas eingelassen, hat derselbe
sich selbst beizumessen, wann er sich sonach, insoweit der Auftrag oder Befehl
überschritten worden, an dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor
allein zu halten bemüssiget ist.
[3, 18, § 6] 59. Es wäre dann, daß der Befehlshaber,
Handlungsvorgesetzte oder Factor mit zweierlei Vollmachten als einer zeigbaren
und geheimen versehen wäre, und derselbe dabei nur die ihme allein bekannte
Willensmeinung des Befehlsgebers oder Vorsetzenden überschreitete, sonst aber
die von ihme geschlossene Handlung mit dem Inhalt der zeigbaren Vollmacht oder
Auftrags übereinstimmete.
[3, 18, § 6] 60. In welchem Fall er zwar seinem Befehlsgeber
oder Vorsetzenden zum Ersatz des ihme andurch verursachten Schadens verbunden
wird, die geschlossene Handlung aber, wann sie dem zeigbaren Auftrag gemäß ist,
bleibet sowohl an sich giltig und bündig, als auch der Befehlsgeber oder
Vorsetzende gegen dem Dritten daraus verfänglich.
[3, 18, § 6] 61. Also, da Jemand einer fremden Handlung dem
Aeußerlichen nach ohne einiger Beschränkung vorgesetzet, und ihme dabei in
Geheim verboten würde, sich
(3-314) in diesen oder jenen Contract einzulassen, er aber
jegleichwohlen wider diesen Verbot mit einem Dritten contrahirete, wird der
Vorsetzende dessen ohnerachtet hieraus verbunden, außer er hätte solchen Verbot
ausdrücklich kund gemacht, oder der Contract wäre auf die Handlung, welche der
Vorgesetzte oder Factor zu verwalten hat, nicht gerichtet.
[3, 18, § 6] 62. Gleichergestalten, wann Jemanden ein Pfand
für eine gewisse Summe zu versetzen anvertrauet würde, und dieser solches um
eine größere Summe versetzete, bestehet das Pfand nichtsdestoweniger für die
darauf ausgenommene Summe, obschon der Eigenthümer nicht so vieles, als darauf
geliehen worden oder auch gar nichts davon empfangen hätte.
[3, 18, § 6] 63. Nicht weniger wird der Befehlsgeber oder
Vorsetzende auch bei Ueberschreitung des Befehls oder Auftrags aus der Handlung
seines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors verbindlich, wann
entweder seine ausdrückliche oder stillschweigende Gutheißung und Genehmhaltung
erfolget, als da er davon gewußt, und da er widersprechen können, nicht
widersprochen, oder jenes, worzu ein Dritter sich in einer solchen Handlung
verbunden, wissentlich eingeforderet oder angenommen hätte.
[3, 18, § 6] 64. Desgleichen wird der Befehlsgeber oder
Vorsetzende verbunden, wann der Auftrag oder die Vollmacht nur in
gleichgiltigen Nebendingen überschritten worden wäre, ohne daß ihme dadurch in
dem Wesentlichen ein Nachtheil zugezogen würde.
[3, 18, § 6] 65. Noch vielmehr aber bleibet
derselbe verfänglich, wann der Auftrag oder die Vollmacht listig und
betrügerisch gefasset und auf Hintergehung eines Dritten gerichtet worden wäre,
obschon solche überschritten würde.
[3, 18, § 6] 66. Was bishero von der Verbindlichkeit des
Befehlsgebers oder Vorsetzenden aus dem Contract seines Befehlshabers,
Handlungsvorgesetzten oder Factors gemeldet worden, erstrecket sich auch auf
die Contracten Desjenigen, welcher von dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten
oder Factor anstatt seiner hierzu bestellet worden, wann ihme die Macht jemand
Anderen statt seiner zu bestellen von dem Befehlsgeber oder Vorsetzenden
ausdrücklich eingeraumet und der Contract von dem Afterbestellten nach Maß des
Auftrags geschlossen worden.
[3, 18, § 6] 67. Wo aber demselben diese Macht nicht gegeben
worden wäre und er jegleichwohlen die ihme aufgetragene Handlung durch jemand
Anderen vollziehen ließe, wird der Befehlsgeber oder Vorsetzende ohne
Hinzutretung seiner Gutheißung und Genehmhaltung hieraus nicht verbindlich.
[3, 18, § 6] 68. Einem Dritten, welcher mit einem
Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor in Namen des Befehlsgebers oder
Vorsetzenden contrahiret hat, stehet frei, insolange der Handlungsvorgesetzte
oder Befehlshaber noch etwas von dem Gut des Vorsetzenden oder Befehlsgebers in
Handen hat, entweder den Einen oder den Anderen zu belangen, und was er von dem
Einen nicht erhalten kann, an dem Anderen nachzuholen.
[3, 18, § 6] 69. Doch solle die Execution nur an des
Befehlsgebers oder Vorsetzenden eigenen Vermögen, niemalen aber an dem Gut des
Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors verführet werden können,
außer insoweit derselbe in denen in vorigen §. erwähnten Fällen sich selbst
dabei verstricket hätte.
[3, 18, § 6] 70. Da aber ein Befehlshaber,
Handlungsvorgesetzter oder Factor von mehreren Befehlsgeberen oder Vorsetzenden
bestellet worden wäre, hat deren jeder nur nach Maß seines Antheils zu haften,
wann dieselbe sich in dem Auftrag oder der Vollmacht nicht ausdrücklich dahin
verbunden haben, für die Handlungen ihres Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten
oder Factors sammt und sonders, oder mit ungeschiedener Hand stehen zu wollen.
(3-315) Dritter Artikel.
Von Schiedsmännern.
§. VII. Von Eigenschaft und Verschiedenheit deren
Schiedsmännern. §. VIII. Von der Art und Weis ihrer Erkiesung. §. IX. Von
Fähigkeit deren Erkiesenden und Erkiesten. §. X. Von denen Fällen, in welchen
Schiedsmänner erkieset werden mögen. §. XI. Von dem
Amt und Obliegenheit deren erkiesten Schiedsmännern. §. XII. Von Verbindlichkeit
deren Erkiesenden. §. XIII. Von der wider den Ausspruch deren Schiedsmännern
gebührenden Rechtshilfe. §. XIV. Von Erlöschung und Aufhebung des
schiedsrichterlichen Amts.
§. VII.
[3, 18, § 7] 71. Da es in der Willkür deren Contrahenten
beruhet die aus Contracten entstehende Strittigkeiten, wann sie entweder sich
darüber untereinander nicht gütlich vergleichen oder nicht vor dem ordentlichen
Richter verfahren wollen, mit ihrer gemeinsamen Einwilligung durch
schiedsrichterlichen Ausspruch entscheiden zu lassen, als sind die
Schiedsmänner solche Mittelspersonen, welche insgemein nach schon geschlossenen
Contracten aus einmüthiger Erkiesung deren Contrahenten dabei einkommen.
[3, 18, § 7] 72. Die Schiedsmänner werden auch
Schiedsrichter und in gewissen Fall Obmänner genannt, und werden aus freier
Willkür deren Contrahenten entweder zur Vermittlung, Beilegung und gütlichen
Auseinandersetzung ihrer Irrungen oder aber, um solche durch rechtlichen
Ausspruch zu entscheiden, erkieset.
[3, 18, § 7] 73. Jene heißen eigentlich Schiedsmänner oder
gütliche Unterhändlere, welche ihre Vermittlung ohne Beobachtung eines
rechtlichen Verfahrens anwenden, und sich in keine richterliche Entscheidung
einzulassen vermögen, also daß denen Parten noch allemal bevorstehet, wann sie
bei ihrer Vermittlung nicht beruhen wollen, die Strittsache vor den
ordentlichen Richter zu bringen.
[3, 18, § 7] 74. Diese aber sind Schiedsrichter, welche die
ihrer Erkanntnuß überlassene Strittigkeit nach Ordnung Rechtes auszumachen
haben, und Derjenige, welcher bei Verschiedenheit deren schiedsrichterlichen
Meinungen den Ausschlag geben kann, wird besonders der Obmann genannt.
[3, 18, § 7] 75. Ein Schiedsrichter ist dahero eine mit
beiderseitiger Einwilligung zweier streitenden Theilen
zum Richter erkieste Person, welche aus eigenen freien Willen ihre
Strittigkeiten durch rechtlichen Ausspruch zu entscheiden auf sich genommen
hat.
§. VIII.
[3, 18, § 8] 76. Die Schiedsrichtere werden einerseits durch
willkürliche Erkiesung deren streitenden Theilen und andererseits durch ihre
selbst eigene freie Annehmung bestellet. Die Erkiesung eines Schiedsrichters
ist also ein willkürliches Beding, wodurch die streitende Theile Jemanden um
über ihre Strittigkeiten nach denen Rechten zu erkennen und solche zu entscheiden
erwählen, und zugleich bei seinem Ausspruch beruhen zu wollen sich
untereinander verbinden.
(3-316) [3, 18, § 8] 77. Es bestehet dahero die Erkiesung
deren Schiedsrichteren in zweien wesentlichen Punkten, als nemlich in der Wahl
deren zu Schiedrichteren erkorenen Personen und in der allseitigen Verstrickung
gegeneinander sich dem schiedsrichterlichen Ausspruch fügen zu wollen, also
daß, wo eine dieser Erfordernussen ermanglete, das Beding der
schiedsrichterlichen Erkiesung null und nichtig seie.
[3, 18, § 8] 78. Dann Beides hanget einzig und allein von
freier Willkür und einhelliger Einverständnuß aller in Stritt verfangenen
Theilen ab, also zwar daß, obschon Alle sich in der Erkiesung der Person
vereiniget, Einige aber aus ihnen dem Ausspruch Folge zu leisten nicht gelobet
hätten, oder auch dagegen dieses zwar von Allen versprochen, sich aber nicht in
der Person geeiniget worden wäre, ein solches Beding nicht die mindeste Kraft
und Bündigkeit habe, und weder der erkieste Schiedsrichter zu Verhandlung seines
Amts, noch die Parten zu Eingehung dieses Bedings wider Willen verhalten werden
können.
[3, 18, § 8] 79. Uebrigens aber kann die Bestellung deren
Schiedsrichteren entweder mündlich oder durch Handstreich oder auch schriftlich
geschehen. Doch solle kein anderer Beweis einer schiedsrichterlichen Erkiesung
bei Gericht zugelassen werden, als entweder die gerichtliche Vormerkung, daß
solche vor Gericht geschehen oder aber eine von allen strittigen Theilen unter
ihrer Handunterschrift und Petschaft gefertigte und nach obigen Erfordernussen
eingerichtete, schriftliche Urkunde.
[3, 18, § 8] 80. Es stehet auch denen Parten frei, sich
unter einem bedungenen Strafgeld dergestalten gegen einander zu verbinden, daß,
wo Einer aus ihnen von dem eingegangenen Beding nachhero abweichen oder sich
dem schiedsrichterlichen Ausspruch nicht fügen wollte, derselbe denen Anderen
einen gewissen Betrag an Geld zur Strafe des Abstands zu erlegen schuldig sein
solle, wann nur solcher den achten Theil des Werths der strittigen Sache nicht
übersteiget.
[3, 18, § 8] 81. Nicht weniger können dieselbe die
Verbindlichkeit dieses Bedings auf eine gewisse Zeit einschränken, daß, wann
binnen der gesetzten Zeit der schiedsrichterliche Ausspruch nicht erfolget, sie hieran nicht weiter gebunden sein wollen.
[3, 18, § 8] 82. Diese Zeit aber, wann nichts Anderes
beliebet worden, fangt ihren Lauf nicht von dem Tag des eingegangenen Bedings
an, sondern von dem Tag der von denen erkiesten Schiedsrichteren erfolgten
Annehmung.
[3, 18, § 8] 83. Gleichwie es jedoch von der Willkür deren
Parten abhanget Schiedsrichtere zu erkiesen, also beruhet es auch blos bei dem
freien Willen deren hierzu Erkiesten dieses Amt auf sich zu nehmen und sich dem
Auftrag zu unterziehen.
[3, 18, § 8] 84. Aus der alleinigen Wissenschaft ihrer
Erkiesung aber kann noch keine Annehmung gefolgeret werden, sondern es muß
nothwendig ihre Erklärung, daß sie dieses Amt übernehmen, oder doch ihre
wirkliche Zuthat, wodurch sie sich in die Verhandlung der Sache einlassen,
hinzutreten.
§. IX.
[3, 18, § 9] 85. In eigenen Sachen ist Niemanden verwehret
Schiedsrichtere zu erkiesen, der die freie Verwaltung seines Vermögens hat und
sich sonst zu verbinden fähig ist; in fremden Geschäften aber können
Befehlshabere ohne ausdrücklichen sonderheitlichen Befehl oder ohne der ihnen
eingeraumten freien Macht und Gewalt nach eigenen Gutbefund zu schalten und zu
walten so wenig, als die Vormündere oder Gerhaben und Curatores ohne
gerichtlicher Genehmhaltung sich in eine schiedsrichterliche Erkiesung einlassen.
[3, 18, § 9] 86. Es wird dahero allemal an Seiten deren
Erkiesenden die Verbindungsfähigkeit zur Zeit des eingegangenen Bedings
vorausgesetzet, also zwar daß, wo ein Fähiger mit einem Unfähigen
zusammentrifft, das ganze Beding ungiltig seie, wann gleich nachhero der
Unfähige zur Fähigkeit gelangete.
(3-317) [3, 18, § 9] 87. Woferne jedoch deren Erkiesenden
dreie oder mehrere wären und nur einem darunter die Fähigkeit ermanglete, so
ist zu unterscheiden, ob die Sache, warum es sich handlet, theilbar oder
untheilbar seie; ersteren Falls bestehet zwar das Beding ab Seiten deren
Fähigen, ohne daß jedoch hieraus für den Unfähigen der mindeste Nachtheil
erwachsen könne, letzteren Falls aber ist es ganz und gar null und nichtig.
[3, 18, § 9] 88. Ingleichen kann Jedermann zum
Schiedsrichter erkieset werden, deme solches nicht von der Natur oder von dem
Gesatz verwehret ist; also können aus natürlichen Gebrechen Blödsinnige,
Aberwitzige, Kinder, Stumme und Taube keine Schiedsrichtere abgeben.
[3, 18, § 9] 89. Durch dieses Unser Gesatz aber werden
Weiber, wann sie sonst keine Gerichtsbarkeit haben, Minderjährige, Ehrlose und
überhaupt alle Personen, welche von der Strittsache auf was immer für Art und
Weis einen Nutzen oder Schaden zu gewarten haben, von dem schiedsrichterlichen
Amt ausgeschlossen; um so viel weniger kann also Jemand in seiner eigenen Sache
Schiedsrichter sein.
[3, 18, § 9] 90. Auch die eigene ordentliche Richtere,
Obrigkeiten und Magistraten mögen in Sachen, die sonst unter ihre
Gerichtsbarkeit gehören, zu Schiedsrichteren erkieset werden, doch
dergestalten, daß sie zwar in der Verhandlung und Erkanntnuß an die ihnen in
dem Erkiesungsbeding vorgeschriebene Form gebunden sind, die Entscheidung aber
nicht aus einer von Willkür deren Parten herrührenden Macht, sondern aus der
denenselben ohnedies zustehenden ordentlichen Gerichtsbarkeit erfolge, und
dahero auch von ihrem Ausspruch der Zug an den oberen Richter nicht
verschränket seie, wann die Parten sich dessen in dem Beding nicht ausdrücklich
begeben haben.
[3, 18, § 9] 91. Nicht nur Einer allein, sondern auch
Mehrere können in einer Strittsache zu Schiedsrichteren entweder wechselweise,
daß dieser oder jener darüber erkennen solle, oder aber zusammen erkieset
werden. Sind sie wechselweise bestellet, gilt der Ausspruch dessen, der solchen
zuerst gefället hat, wann dieser nur darzu fähig ware, obgleich der andere
wechselweise Bestellte die Fähigkeit darzu nicht gehabt hätte oder abwesend
gewesen wäre.
[3, 18, § 9] 92. Sind aber Mehrere zusammen erkieset worden,
so müssen auch Alle fähig und bei der Entscheidung gegenwärtig sein, also daß
die Unfähigkeit oder Abwesenheit des Einen das ganze Beding vernichte. Wann
jedoch einem ganzen Mittel oder einer Gerichtsstelle die schiedsrichterliche
Erkanntnuß aufgetragen würde, so erstrecket sich die Erkiesung nur auf so viele
Mitglieder, als sonst zu Entscheidung einer Strittsache nach Ausmessung Unserer
Gerichtsordnung erforderet werden, woferne in dem Erkiesungsbeding nichts
Anderes ausgedrucket worden.
§. X.
[3, 18, § 10] 93. Schiedsrichtere können insgemein in allen
Streitfällen, sie mögen bei dem ordentlichen Gericht schon hangend sein oder
nicht, bestellet, und die Parten aus keinerlei Ursache davon abgehalten werden,
wann es nicht solche Strittsachen betrifft, die wegen ihrer Wichtigkeit
besonders ausgenommen sind.
[3, 18, § 10] 94. Es sollen aber nachfolgende von der
schiedsrichterlichen Erkanntnuß ausgenommen sein, als erstens, peinliche
Sachen, obschon nicht peinlich verfahren, sondern die Forderung nur auf
Entschädigung des Beleidigten gerichtet werde.
[3, 18, § 10] 95. Zweitens, die Strittigkeiten über den
Stand der Freiheit, die Verwandtschaft, Kindschaft und die eheliche Geburt;
drittens, des Schiedrichters eigene Streithändlen oder wobei sonst dessen Nutzen
oder Schaden mit verflochten wäre.
[3, 18, § 10] 96. Viertens, die durch richterliche
Erkanntnuß schon entschiedene Sachen, wann diese in Rechtskräften erwachsen
ist, außer es handlete sich bloß um die Schätzung oder Ausweisung der
zuerkannten Gebühr oder um sonstige von weiterer Ausmessung abhangende
Nebendinge.
(3-318) [3, 18, § 10] 97. Fünftens, die Unsere Kammer
betreffende Strittigkeiten ohne Unserer hierzu eigends ertheilten Einwilligung;
sechstens, die über gewisse Vorrechte einer ganzen Gemeinde oder Mittels
obschwebende Strittsachen.
§. XI.
[3, 18, § 11] 98. Wiewohlen Niemand wider Willen einen
Schiedsrichter abzugeben gezwungen werden mag, so können jedoch Jene, welche
einmal das schiedsrichterliche Amt auf sich genommen, zu dessen Verhandlung und
Vollendung von demjenigen Gerichtsstand, deme sie sonst untergeben sind, mit
allem Nachdruck verhalten werden.
[3, 18, § 11] 99. Es bestehet aber die Obliegenheit und das
Amt eines Schiedsrichters sowohl in der Verhandlung, als in der Entscheidung der
Strittsache. Bei der Verhandlung sind die Schiedsrichtere an diejenige Art und
Weis des Verfahrens gebunden, welche ihnen in dem Erkiesungsbeding
vorgeschrieben worden.
[3, 18, § 11] 100. Wo aber darinnen wegen einer besonderen
Verfahrungsart nichts vorgesehen wäre, sollen sie diejenige beobachten, welche
überhaupt in Unserer Gerichtsordnung nach Eigenschaft der entweder eine
ordentliche oder beschleunigte Erkanntnuß erforderenden Strittsache ausgemessen
ist; dann auch die schiedsrichterliche Verhandlungen dürfen von denen
wesentlichen Erfordernussen eines gerichtlichen Verfahrens nicht abweichen.
[3, 18, § 11] 101. Nicht weniger müssen die Schiedsrichtere
in Entscheidung der verhandleten Strittsache Unsere Gesetze vor Augen halten,
und ihren Anspruch nach allen Demjenigen einrichten, was zur Giltigkeit eines
richterlichen Urtheils in Unserer Gerichtsordnung erheischet wird.
[3, 18, § 11] 102. Könnten sich aber ihre Meinungen nicht
einigen, so gilt die Mehrheit deren Stimmen, wornach der Ausspruch gefasset werden
solle; dahingegen, woferne für zweierlei Meinungen gleiche Stimmen ausfielen,
ist darauf zu sehen, ob die Erkiesenden gleich Anfangs auf solchen Fall einen
Obmann ernennet haben oder nicht.
[3, 18, § 11] 103. Ist ein Obmann bestellet worden, so hat dieser
den Ausspruch zu fällen; wäre aber keiner bestimmet worden, so hat bei gleich
getheilten schiedsrichterlichen Meinungen das Erkiesungsbeding gar keine
Wirkung, sondern die Parten sind bei so bewandten Umständen bemüssiget,
entweder ein neues Erkiesungsbeding einzugehen oder aber ihre Strittsache bei
dem ordentlichen Gerichtsstand anzubringen.
[3, 18, § 11] 104. Um dahero die Nichtigkeit der Erkiesung
bei Gleichheit deren verschiedenen Meinungen zu vermeiden, ist nothwendig
entweder die Schiedsrichtere in ungleicher Anzahl zu erkiesen, oder gleich
Anfangs einen Obmann zu benennen, der in solchem Fall den Ausschlag geben mag.
[3, 18, § 11] 105. Doch dörfen die Schiedsrichtere ihre
Erkanntnuß nicht weiter und auf keine andere, als die ihnen aufgetragene Strittsache
erstrecken, wann sie auch mit dieser einen noch so genauen Zusammenhang hätte.
Ueber die einkommende Nebengebührnussen aber, als Interessen, Nutzungen,
Aufwand, Schäden und Unkosten können dieselben allerdings erkennen, obschon
deren in dem Erkiesungsbeding ausdrücklich nicht gedacht worden.
§. XII.
[3, 18, § 12] 106. Dagegen sind auch die erkiesenden Theile
verbunden, sowohl bei der einmal beliebten schiedsrichterlichen Verhandlung zu
beharren, als dem erfolgenden Ausspruch Genügen zu leisten. Wann dahero das
Erkiesungsbeding durch die Einwilligung deren Erkiesenden auf einer, und durch
Annehmung deren erkiesten Schiedsrichteren auf der anderen Seiten zu seiner
vollständigen Bündigkeit gediehen, kann kein Theil, wo er sich solches nicht
ausdrücklich vorbehalten, davon abweichen, noch weniger die Sache für das
Gericht ziehen, sondern Jeder ist schuldig, den schiedsrichterlichen Ausspruch
abzuwarten.
(3-319) [3, 18, § 12] 107. Würde aber dieser zur Ungebühr in
die Länge verzögeret, und ein oder anderer Theil fände sich andurch wider
Billigkeit beschweret, so ist zu unterscheiden, ob eine Zeit zur Beendigung der
Sache gleich Anfangs vorgeschrieben worden seie oder nicht.
[3, 18, § 12] 108. Ueber die bestimmte Zeit sind zwar die
Parten länger nachzuwarten nicht schuldig; doch solle der abweichen wollende
Theil nach Verlauf dieser Zeit seinen vorhabenden Abstand sowohl dem
Gegentheil, als denen Schiedsrichteren bedeuten. Wo in Widrigen, und da von
keinem Theil vor gefällten schiedsrichterlichen Ausspruch die Erklärung seines
Abstands erfolgete, durch ihr Stillschweigen das Erkiesungsbeding verlängeret,
und so Einer, als der Andere durch den auch nach Ausgang der anberaumten
Zeitfrist gefällten Ausspruch verbunden wird, woferne nicht gleich Anfangs ausdrücklich
bedungen worden, daß nach Verlauf dieser Zeit die bis dahin noch nicht
ausgemachte schiedsrichterliche Verhandlung null und nichtig sein solle.
[3, 18, § 12] 109. Wäre aber Anfangs keine gewisse Zeit
festgesetzet worden, so stehet jedem Theil frei, sich wider den unbilligen
Verzug deren Schiedsrichteren bei demjenigen Gericht, deme diese untergeben
sind, zu beschweren, und die Anfügung einer nach Beschaffenheit und Wichtigkeit
der Strittsache abgemessenen Zeitfrist zu derselben Beendigung anzusuchen, nach
deren Ablauf es eben also zu halten ist, gleichwie es vorhin in dem Fall der
schon Anfangs von denen Erkiesenden selbst bestimmten Zeit geordnet worden.
[3, 18, § 12] 110. Nach beendigter Verhandlung, und wann der
schiedsrichterliche Ausspruch gefället worden, sind die Parten schuldig all
Jenes zu leisten, was darinnen dem einem oder anderen Theil auferleget worden,
worzu derselbe entweder durch Eintreibung des auf dem Fall des Abstands oder
Ungehorsams bedungenen Strafgelds, oder aber durch die bei dem ordentlichen
Gerichtsstand von dem obsiegenden Theil aus dem Erkiesungsbeding anzustrengen
habende Rechtsforderung verhalten werden kann, bei welcher der Richter nicht
mehr in die Sache selbst hineinzugehen, sondern, wann der schiedsrichterliche
Ausspruch in Rechtskräften erwachsen ist, sofort die Execution wider den
Beklagten zu ertheilen hat.
[3, 18, § 12] 111. Und obwohlen das Erkiesungsbeding vor
ergangenen schiedsrichterlichen Ausspruch durch Absterben eines deren
erkiesenden Theilen erlöschet, wann solches nicht ausdrücklich mit auf die
Erben erstrecket worden, so gehet doch die Verbindlichkeit des Ausspruchs auch
auf die Erben, wann solcher noch bei Lebszeiten aller erkiesenden Theilen
gefället worden.
[3, 18, § 12] 112. Der schiedsrichterliche Ausspruch kommt
einem richterlichen Urtheil in seiner Wirkung vollkommen bei, obschon deren
Ursache sich zwischen beiden in deme unterscheidet, daß die Bindungskraft eines
richterlichen Urtheils aus der ordentlichen von Unserer gesatzgebenden Macht
verliehenen Gerichtsbarkeit, jene des schiedsrichterlichen Ausspruchs aber aus
der anfänglichen eigenen Willkür deren Parten herrühre.
[3, 18, § 12] 113. Gleichwie dahero kein richterliches
Urtheil ehender verbinden kann, als bis es nicht in Rechtskräften erwachsen ist,
also kann auch kein schiedsrichterlicher Ausspruch die Verbindlichkeit wirken,
solange nicht solcher entweder durch ausdrückliche Genehmhaltung und
Unterschreibung deren Parten oder durch Verlauf der in der Gerichtsordnung zu
rechtlicher Bestätigung eines Urtheils ausgemessenen Zeit zu Rechtskräften
gelanget ist.
[3, 18, § 12] 114. Nicht weniger unterbricht das
Erkiesungsbeding den Lauf der Verjährung, hebet das gerichtliche Verfahren und
die Weisung auf, und die in der schiedsrichterlichen Verhandlung verführte
Beweise machen auch bei Gericht vollkommenen Glauben, wann einmal der Ausspruch
in Rechtskräften erwachsen ist.
(3-320) §. XIII.
[3, 18, § 13] 115. Von dem schiedsrichterlichen Ausspruch
wird zwar insgemein der Zug an den ordentlichen Richter nicht zugelassen, außer
in jenen Fällen, wo derselbe mit einer offenbaren Nichtigkeit und Ungiltigkeit
behaftet wäre.
[3, 18, § 13] 116. Derlei Fälle sind: Erstens, wann das
Erkiesungsbeding entweder wegen Unfähigkeit eines erkiesten Schiedsrichters
oder eines deren Erkiesenden gleich Anfangs nicht hätte bestehen können oder
auch in der Folge vor dem Ausspruch durch einen solchen Zwischenfall entkräftet
worden wäre, welcher es schon Anfangs vernichtet haben würde.
[3, 18, § 13] 117. Zweitens, wann die Schiedsrichtere die
Grenzen ihrer Erkanntnuß, oder die ihnen in dem Erkiesungsbeding
vorgeschriebene Verfahrungsart überschritten, oder etwas hieran verabsaumet,
oder die wesentliche Erfordernussen des rechtlichen Verfahrens nicht
beobachtet, oder sonst ihr Ausspruch in der vorgeschriebenen Form ein
sichtbarliches Gebrechen enthielte.
[3, 18, § 13] 118. Drittens, wann der schiedsrichterliche
Ausspruch aus erweislicher Feindschaft, Rache, offenbarer Parteilichkeit oder
Bestechung des Gegentheils hergeflossen; viertens, wann der Ausspruch etwas
wider Unsere Gesetze oder die Ehrbarkeit und gute Sitten oder sonst eine
offenbare Ungerechtigkeit in sich begreifen würde, welche jedoch nicht anderst,
als durch die in der schiedsrichterlichen Verhandlung schon eingekommene Urkunden
sogleich ohne weiterer Rechtstheidigung erwiesen und dargethan werden muß.
[3, 18, § 13] 119. In allen diesen Fällen ist dem
beschwerten Theil unverwehret von dem schiedsrichterlichen Ausspruch den Zug an
den ordentlichen Richter, zu dessen Erkanntnuß die Sache gleich Anfangs gehörig
gewesen wäre, binnen der zu dessen rechtlichen Bestätigung ausgesetzten Zeit
und ehe und bevor er sich demselben durch seine Genehmhaltung unterzogen,
einzuwenden.
[3, 18, § 13] 120. Dem Richter aber lieget ob die sammentliche,
bei denen Schiedsrichteren verhandlete Nothdurften abzuforderen, und vor Allem
nach schleuniger Vernehmung beider Theilen über die Giltigkeit des
schiedsrichterlichen Ausspruchs zu erkennen, sonach bei dessen befundener
Ungiltigkeit eine neue Verhandlung der Strittsache nach rechtlicher Ordnung zu
veranlassen, und alsdann hierüber, was Rechtens ist, auszusprechen. Im Fall
aber der wider die Giltigkeit des schiedsrichterlichen Ausspruchs eingewandte
Zug für unstandhaft erkennet würde, solle wider denjenigen Theil, der den Zug
eingewendet, mit der auf die frevelhafte Streithändeln in der Gerichtsordnung
ausgemessenen Strafe unnachsichtlich fürgegangen werden.
§. XIV.
[3, 18, § 14] 121. Das Erkiesungsbeding erlöschet auf
verschiedene Art, als erstens, durch Absterben oder erfolgte Untüchtigkeit auch
nur eines Schiedsrichters von mehreren zusammen Erkiesten vor gefällten
Ausspruch; wo aber mehrere wechselweise erkieset worden wären, kann noch der
Ueberlebende oder tüchtig Bleibende sein Amt handlen.
[3, 18, § 14] 122. Wie dann auch, wann ein gewisses Mittel
zu Schiedsrichteren erkieset worden, das Erkiesungsbeding durch Ableben oder
Untüchtigkeit des einen oder anderen Mitglieds nicht entkräftet wird, wann nur
deren so viele übrig bleiben, als zur Entscheidung einer Strittsache erforderet
werden, oder die von denen Erkiesenden bestimmte Anzahl vorschreibet.
[3, 18, § 14] 123. Nach gefällten Ausspruch aber, obgleich
solcher noch nicht in Rechtskräften erwachsen wäre, wird durch Absterben oder
erfolgende Unfähigkeit des einen oder anderen Schiedsrichters das
Erkiesungsbeding nicht mehr beirret, wann nur wenigstens Einer übrig bleibet,
welchem in allen deme, was bei ihme verhandlet
(3-321) worden, auch ohne eidlicher Bestätigung seiner
Aussage vollkommener Glauben beigemessen werden solle.
[3, 18, § 14] 124. Zweitens, durch Absterben des einen oder
anderen Erkiesenden vor gefällten schiedsrichterlichen Ausspruch, wann das
Erkiesungsbeding nicht zugleich mit auf ihre Erben erstrecket worden;
dahingegen werden aus dem bei Lebszeiten deren Erkiesenden ergangenen Ausspruch
auch ihre Erben verbunden.
[3, 18, § 14] 125. Wo aber eine ganze Gemeinde
Schiedsrichtere erkieset hätte, bleibet das Beding jegleichwohlen bei Kräften,
obschon noch so viele Mitglieder derselben vor dem schiedsrichterlichen
Ausspruch verstorben wären.
[3, 18, § 14] 126. Drittens, durch Vernichtung der Sache,
worüber das Erkiesungsbeding getroffen worden, außer die Forderung erstreckete
sich auch auf deren Werth oder auf die Entschädigungsgebühr.
[3, 18, § 14] 127. Viertens, durch beiderseitigen
willkürlichen Abstand oder auch nur durch Abweichung des einen Theils, wann
solche Anfangs gegen Erlag eines gewissen Strafgelds ausbedungen worden.
[3, 18, § 14] 128. Fünftens, durch Verlauf der Zeit, welche
nach obiger Ausmessung dem Beding beigesetzet oder von Gericht bestimmet
worden, wann der eine oder andere Theil seinen Abstand ordentlich erkläret oder
gleich zum voraus nach Verfließung dieser Zeit die Nichtigkeit des Bedings
vorgesehen worden.
[3, 18, § 14] 129. Sechstens, höret das schiedsrichterliche
Amt durch dessen beendigte Verhandlung und Fällung des Ausspruchs auf, obschon
die Verbindlichkeit hieraus bleibet, wann solcher in Rechtskräften erwachsen
ist.
[3, 18, § 14] 130. Siebentens, durch den eingewandten Zug an
den ordentlichen Richter in jenen Fällen, wo solcher nach Inhalt des gleich
vorgehenden §. zulässig ist, und die von demselben hierauf erfolgende Erklärung
der Nichtigkeit des schiedsrichterlichen Ausspruchs.
(3-322) Caput XIX.
Von denen Handlungen, welche denen Contracten gleichkommen.
Inhalt:
§. I. Von Natur und Wesenheit deren denen Contracten
gleichkommenden Handlungen und insonderheit von Verwaltung fremder Geschäften.
§. II. Von Verwaltung der Vormundschaft. §. III. Von Zahlung aus Irrthum. §.
IV. Von Gemeinschaft eines Guts. §. V. Von Gemeinschaft der Erbschaft. §. VI.
Von der Grenzscheidung. §. VII. Von Antretung der Erbschaft. §. VIII. Von
Aufladung auf ein Schiff oder Wagen oder Abladung in einen Gasthof. §. IX. Von
Befestigung des Kriegs.
§. I.
[3, 19, § 1] Num. 1. Die dritte Gattung verbindlicher
Handlungen sind jene, welche denen Contracten insoweit gleichkommen, daß sie
zwar aus Mangel einer wahren Vereinigung unter die Contracten nicht gezählet
werden können, doch aber aus einer von dem Gesatz wegen unterwaltender
Billigkeit auf einer oder auch auf beiden Seiten vermutheten oder
dafürgehaltenen Einwilligung die Verbindlichkeit wirken.
[3, 19, § 1] 2. Sie haben zwar ihre eigene Benamsung, die
Gestalt und Form aber bekommen dieselben von ihrer Aehnlichkeit mit denen
wahren Contracten; in welcherlei Fällen jedoch die Einwilligung vermuthet, oder
Jemand für einwilligend gehalten werde, ist bereits in zweiten Capitel, von
Zusagen, Verträgen und Vergleichen in zweiten Artikel, §. XI, num. 87 und 88
erkläret worden.
[3, 19, § 1] 3. Diese Vermuthung oder Darfürhaltung
geschieht entweder nur auf einer Seiten, wann von der anderen die wahre
Einwilligung hinzutritt, als z. B. in Verwaltung fremder Geschäften und
Verwaltung der Vormundschaft, oder aber auf beiden Seiten, wann von keinem
Theil eine wahre Einwilligung geäußeret wird, als z. B. in Gemeinschaft eines
Guts oder Erbschaft und in Befestigung des Kriegs.
[3, 19, § 1] 4. Es ist demnach ein solches denen Contracten
gleichkommendes Beding eine aus der von dem Gesatz vermutheten oder
dafürgehaltenen Einwilligung verbindende Handlung, welche ihre eigene Benamsung
hat, die Gestalt aber von demjenigen benannten Contract annimmt, deme sie in
ihrer Art zum nächsten beikommt. Deren sind in dritten Capitel, von benannten
Contracten insgemein, §. VII,
(3-323) neunerlei erwähnet worden, welche nun in diesem und
denen nachfolgenden §§. beschrieben werden.
[3, 19, § 1] 5. Die Erste ist die Verwaltung fremder
Geschäften, welche nichts Anderes ist, als eine dem Befehlscontract
gleichkommende Handlung, wodurch Jemand die Besorgnuß fremder Geschäften ohne
Befehl und Vollmacht aus Freundschaft und guten Willen auf sich nimmt in
Absicht sich den Anderen, dessen Geschäften er verwaltet, zu seiner Schadloshaltung
zu verbinden.
[3, 19, § 1] 6. Dann gleichwie bei Befehlscontracten, welche
fast insgemein auf Gewinn und Verlust des Befehlsgebers abzielen, dieser zu der
dem Befehlshaber gebührenden Entschädigung durch seine wahre Einwilligung
verstricket wird, also erforderet auch nicht weniger die Billigkeit, daß, wo
Jemand ohne ausdrücklichen Auftrag der Genehmigung fremde Geschäften zu Jemands
Nutzen besorget, dieser dagegen für einwilligend gehalten, und aus seiner
vermutheten oder darfürgehaltenen Einwilligung zur Schadloshaltung des
Verwaltenden ruckverbindlich werde.
[3, 19, § 1] 7. Nur Jene, die ausdrückliche Befehle
anzunehmen fähig sind, können auch stillschweigend sich in Verwaltung fremder
Geschäften einlassen, dahingegen Jedermanns Geschäften besorget werden mögen,
wann gleich derselbe sonst Befehl und Vollmacht zu ertheilen nicht vermögend
wäre.
[3, 19, § 1] 8. Also können die Geschäften eines Waisen,
Minderjährigen, Blödsinnigen oder auch einer noch erblosen Verlassenschaft zu
ihren Nutzen besorget werden; doch sind Jene, welche sich sonst durch wahre
Contracten zu verbinden nicht fähig sind, auch aus einer solchen denenselben
gleichkommenden Handlung nicht weiter verbindlich, als andurch ihr Nutzen
erweislich vermehret worden.
[3, 19, § 1] 9. Dieser Personen Gegenwart und Wissenschaft,
welche sich durch wahre Einwilligung zu verstricken nicht vermögen, änderet die
Wesenheit dieser Handlung nicht, weilen es einerlei ist, nicht einwilligen oder
nicht einwilligen können.
[3, 19, § 1] 10. Außerdeme aber wird bei allen anderen einer
wahren Einwilligung fähigen Personen, deren Geschäften von jemand Anderen
besorget werden, entweder ihre Abwesenheit oder, wo sie auch gegenwärtig wären,
wenigstens ihre Unwissenheit von deme, was gehandlet wird, zur Wesenheit dieser
Handlung erforderet.
[3, 19, § 1] 11. Dann, wo sie es wissen und schweigen, da
sie es durch ihren Widerspruch verhinderen können, ist schon an Seiten ihrer
eine wahre Einwilligung, folglich auch ein wahrer Befehlscontract und keine
demselben nur gleichende Handlung.
[3, 19, § 1] 12. Nicht weniger müssen die Geschäften, deren
Verwaltung Jemand auf sich nimmt, fremd sein, welche auf viererlei Art einen
Anderen angehen können, als erstens, wegen deren aufhabender Besorgnuß, als da
in Abwesenheit eines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors etwas zu
verrichten vorfiele; zweitens, wegen Eigenthums der Sache selbst, als da Jemand
etwas auf die Sache des Anderen aufwendet, welche er einem Dritten gehörig zu
sein vermeinet; drittens, wegen erfolgender Gutheißung, wann Jemand das zwar zu
seinen Handen verrichtete, allein einem Dritten angehörige Geschäft als das
seinige genehmhaltet; und endlich viertens, wegen der Verwaltung selbst, wann
die Geschäften wirkliche Demjenigen angehören, zu dessen Handen sie besorget
werden.
[3, 19, § 1] 13. Wann dahero Jemand sein eigenes Geschäft in
Meinung ein fremdes zu sein besorget, so macht sich derselbe den Anderen, in
dessen Namen er solches verrichtet, daraus in keinerlei Wege verbindlich. Wie
dann auch, wann Jemand das Geschäft eines Anderen in Meinung solches einem
Dritten gehörig zu sein verwaltete, Derjenige, den das Geschäft angehet und
nicht dieser, in dessen Namen es verrichtet worden, hieraus verbunden wird;
dann in solchen Fällen dringet die Wahrheit aller Muthmaßung vor.
[3, 19, § 1] 14. Wo aber in Gegentheil Jemand fremde
Geschäften als seine eigene in seinem Namen und zu eigenem Nutzen verwaltete,
wird zwar derselbe dem Eigenthümer
(3-324) deshalben verstricket; dieser aber ihme nur damals
verbindlich, wann des Verwaltenden guter Glauben, daß er sie ungezweiflet für
die Seinige gehalten, erweislich ist oder da solcher ermanglete, nur nach Maß
dessen, als er andurch bereicheret worden.
[3, 19, § 1] 15. Ferners da Jemand gemeinsame Geschäften
ohne Auftrag in Abwesenheit deren übrigen Theilhaberen besorgete, werden diese
ihme nur nach Maß ihrer Antheilen deswegen verbindlich, obschon ein gemeinsames
Geschäft blos damals für fremd angesehen werden kann, wann der Verwaltende
seinen Antheil davon füglich absönderen können, folglich ohne einen Schaden für
sich zu befahren, deren übrigen Theilen sich anzunehmen nicht nöthig gehabt
hätte.
[3, 19, § 1] 16. Eine weitere wesentliche Erfordernuß dieser
Handlung ist, daß kein ausdrücklicher oder stillschweigender Auftrag vor
übernommener Verwaltung vorhergehe, noch weniger eine Gutheißung oder
Genehmhaltung in wirklicher Verwaltung einkomme; dann durch so Ein- als Anderes
würde eine wahre Einwilligung geäußeret, folglich auch die Handlung in einen
wahren Befehlscontract verwandlet.
[3, 19, § 1] 17. Da aber die Gutheißung oder Genehmhaltung
schon nach verrichteten Geschäften erfolgete, oder der Auftrag nicht von dem
Eigenthümer selbst, den das Geschäft angehet, sondern von einem Dritten
geschehen wäre, behält die Handlung noch allzeit ihre Gestalt, und wird sowohl
der Verwaltende dem Eigenthümer, als dieser jenem daraus verbindlich.
[3, 19, § 1] 18. Nicht minder hat die Uebernehmung fremder
Geschäften lediglich aus Freundschaft und guten Willen ohne allem
vorhergegangenen Beding oder sonstigen Schuldigkeit zu geschehen; dann, wo
solche aus einer hierzu verpflichtenden Ursache herrührete, hat die Handlung
die Gestalt eines wahren Vertrags oder Contracts.
[3, 19, § 1] 19. Endlichen muß auch die Verwaltung in
Absicht sich den Anderen verbinden zu wollen übernommen werden, folglich das
Geschäft also beschaffen sein, daß eine solche Absicht aller Wahrscheinlichkeit
nach dabei vermuthet werden möge; dann, da ein Umstand unterwaltete, woraus
eine widrige Vermuthung vordringete, oder eine andere Ursache erhellen würde,
höret derowegen alle Forderung auf.
[3, 19, § 1] 20. Also können die Eltern, was sie auf die
Ernährung, Erziehung und Ausstattung ihrer Kinder auslegen, oder ein Mann, was
er auf die Unterhaltung seines Weibs aufwendet, nicht zuruckforderen, obschon
sie jenes, was sie auf die Güter ihres Weibs und Kinder auslegen,
zuruckbegehren mögen, weilen sie zwar das erstere, nicht aber das andere zu
thun schuldig sind.
[3, 19, § 1] 21. Noch viel weniger aber kann eine solche
Absicht wider den ausdrücklichen Verbot dessen, den die Geschäften angehen,
sich durchaus nicht dareinzumengen, gefolgeret werden, sondern jener, der
solche jegleichwohlen wider den Verbot auf sich nimmt, hat wider denselben
nicht die mindeste Forderung, wann er gleich noch so vieles aus dem Seinigen
darauf verwendet hätte.
[3, 19, § 1] 22. Es wäre dann, daß ein gemeinwesiger Nutzen
die Vollstreckung eines verbotenen Geschäfts erheischete, als die Abwendung der
aus dem Einsturz eines baufälligen Hauses besorgenden Gefahr, oder die
Beerdigung einer unbestattet erliegen gelassenen Leiche und andere dergleichen
Fälle, worinnen aus unterlassenden Vollzug ein gemeinschädlicher Nachtheil
erwachsen könnte.
[3, 19, § 1] 23. Diese Handlung ist eben also, wie der
Befehlscontract selbst, in der Folge zweibündig, woraus Derjenige, welcher sich
in die Verwaltung fremder Geschäften eingelassen, gleich Anfangs in der
Hauptsumme zu getreulicher Verwaltung deren übernommenen Geschäften, wie nicht
weniger zum Erlag deren Rechnungen und zu Erstattung alles dessen, was ihme
dieser Geschäften halber zugekommen, verbunden; dagegen aber auch ihme der
Eigenthümer oder Jener, dessen Geschäften besorget worden, in der Folge zu
seiner Schadloshaltung ruckverbindlich wird.
(3-325) [3, 19, § 1] 24. Desgleichen wirket die Uebernehmung
fremder Geschäften, so wie bei Befehlscontracten, die Schuldigkeit zu Anwendung
desjenigen Fleißes, welchen die Natur und Beschaffenheit deren Geschäften
erheischet; dahero hat insgemein der Verwaltende für
Arglist, die große und leichte Schuld zu haften.
[3, 19, § 1] 25. Für die leichteste Schuld aber wird er nur
damals verfänglich, wann entweder die Natur des Geschäfts den ausbündigsten
Fleiß erforderet oder von ihme ein sonst fleißigerer Sachwalter, der diese Geschäften
zu besorgen bereit gewesen, davon verdrungen worden wäre.
[3, 19, § 1] 26. Noch weniger hat derselbe zufällige
Schäden, woran er keine Schuld trägt, zu ersetzen, außer derselbe hätte etwas
Gefährliches und was der Eigenthümer nicht hat zu thun pflegen, mit dem fremden
Gut vorgenommen, oder mit solchem wissentlich, daß es fremd seie, als mit
seinem eigenen Gut und zu seinem eigenen Nutzen geschaltet.
[3, 19, § 1] 27. Dahingegen ist derselbe in jenem Fall, wo
er die Besorgnuß einiger in größter Gefahr des Verlusts stehenden Sachen, deren
sich Niemand annehmen wollen, auf sich genommen, nur allein für die Gefährde
und große Schuld verantwortlich.
[3, 19, § 1] 28. Für diejenige Güter aber, welche er nicht
zugleich mit verwaltet, hat er gar nicht zu stehen, woferne diese mit denen
anderen keinen so genauen Zusammenhang hätten, daß ohne beider Besorgnuß die
eine unausweichlich zu Schaden kommen müssen, oder nicht etwan ein Anderer,
welcher beide zusammen besorget haben würde, von dem Verwaltenden ausgeschlossen
worden wäre.
[3, 19, § 1] 29. Aus der Verbindlichkeit des Verwaltenden
fließet die Demjenigen, dessen Geschäften besorget worden, und seinen Erben
wider ihn und dessen Erben gebührende Hauptforderung zu Erstattung alles
dessen, was derselbe der übernommenen Verwaltung wegen zu leisten schuldig ist.
[3, 19, § 1] 30. Dagegen aber ist auch der Andere, dessen
Geschäften verwaltet worden, so wie ein jeder Befehlsgeber den Verwaltenden
völlig schadlos zu halten, und ihme Alles, was er aus Nothwendigkeit oder zu
seinem Nutzen erweislich verwendet, zu ersetzen verbunden, woraus die dem
Verwaltenden und seinen Erben wider den Eigenthümer und dessen Erben zu seiner
Schadloshaltung gebührende Ruckforderung entspringet.
[3, 19, § 1] 31. Beide diese Forderungen kommen mit jenen,
welche aus dem Befehlscontract herrühren, vollkommen überein, folglich ist auch
hierbei alles Dasjenige zu beobachten, was in fünfzehenten Capitel, von
Befehlscontract, §. V und VI, geordnet worden.
[3, 19, § 1] 32. Zu der Ruckforderung aus Verwaltung fremder
Geschäften gehöret auch die Forderung wegen deren Begräbnußunkosten, welche
Jenem, der einen Verstorbenen auf seine Unkosten beerdigen lassen, wider den
Erben des Abgelebten oder seine Verlassenschaft, oder da nach ihme gar kein
Vermögen nachgeblieben wäre, wider Diejenige, denen diese Schuldigkeit sonst
obgelegen wäre, als Vater, Mutter oder Ehemann zu Wiedererstattung deren
verwendeten Unkosten gebühret, die jedoch nach dem Stand des Verstorbenen auf
den jeden Orts vorgeschriebenen Aussatz zu mäßigen seind.
§. II.
[3, 19, § 2] 33. Die zweite dem Befehlscontract
gleichkommende Handlung ist die Verwaltung der Vormundschaft, welche bereits in
ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft beschrieben worden; dann
gleichwie in Befehlscontract der Befehlshaber dem Befehlsgeber gleich Anfangs
in der Hauptsache verstricket, und dagegen dieser jenem in der Folge zu
Schadloshaltung ruckverbindlich wird, also verhält sich auch die beiderseitige
Verbindlichkeit zwischen dem Vormund und Waisen gegeneinander.
(3-326) [3, 19, § 2] 34. Weilen aber die Waisen und
Minderjährige keiner wahren verbindlichen Einwilligung fähig sind, so kann auch
diese Handlung denen wahren Contracten nicht beigezählet werden; doch
erforderet gleichwohlen die Billigkeit, daß, da solche vornehmlich zum Nutzen
deren Waisen gereichet, dieselben von dem Gesatz für einwilligend gehalten
werden.
[3, 19, § 2] 35. Aus dieser darfür gehaltenen Einwilligung
fließet die Ruckverbindlichkeit deren Waisen zur Schadloshaltung des Vormunds,
worinnen sich die ihme wider jene gebührende Ruckforderung, gleichwie
andererseits die denen Waisen wider den Vormund zustehende Hauptforderung sich
in dessen bei Uebernehmung der Vormundschaft geäußerten wahren Einwilligung
gründet und die Eigenschaft einer denen wahren Contracten gleichkommenden
Handlung bestehet.
§. III.
[3, 19, § 3] 36. Die dritte ist die Zahlung aus Irrthum,
welche eine insgemein dem Darlehenscontract gleichende Handlung ist, wodurch
Jener, deme von dem Anderen etwas, was dieser ihme nicht schuldig gewesen, in
Meinung es schuldig zu sein, bezahlet oder gegeben worden, zu dessen
Zuruckstellung verbunden wird.
[3, 19, § 3] 37. Dann, weilen der Eine das, was er bezahlet,
schuldig zu sein vermeinet und der Andere Dasjenige, was er empfanget, ihme zu
gebühren glaubet, ist keinerseits eine wahre Einwilligung zu einem Darlehen
vorhanden, folglich ermanglet auch die Wesenheit eines wahren Contracts.
[3, 19, § 3] 38. Nachdeme aber doch die Billigkeit
erheischet, daß in einem solchen Fall, wo keine Ursache einer Verbindlichkeit
an Seiten des Gebenden unterwaltet, der Nehmende nicht mit dessen Schaden
bereicheret werde, so wird von dem Gesatz auf beiden Seiten die Einwilligung
vermuthet, daß das Empfangene nur in der Absicht gegeben und angenommen worden,
damit nach Gestalt der Sache eben so vieles oder eben Dasjenige, was gegeben
worden, wieder erstattet werde.
[3, 19, § 3] 39. Diese Handlung gleichet dahero meistens dem
Darlehenscontract, wann das Gegebene in Dingen von Zahl, Gewicht oder Maß bestehet,
doch nimmt sie auch in jenem Fall die Natur eines Hinterlegungscontracts an,
wann Sachen, die ihrer Gestalt nach und stuckweis geschätzet werden, Jemanden
auf vorbemelte Art gegeben worden.
[3, 19, § 3] 40. Nach diesem Unterschied des Gegebenen wird
der Nehmende aus der von dem Gesatz vermutheten Einwilligung entweder so wie
der Schuldner aus dem Darlehenscontract eben so vieles oder aber wie Derjenige,
zu dessen getreuen Handen etwas hinterleget worden, eben Dasjenige, was er
empfangen, dem Gebenden wieder zu erstatten, verbunden.
[3, 19, § 3] 41. Jedermann, der etwas aus Irrthum bezahlet
oder giebt, kann solches zuruckforderen, die Zahlung möge in seinem eigenen
oder fremden Namen geschehen sein, als von einem Vormund oder Gerhaben,
Befehlshaber oder Bürgen und
(3-327) da von Jedem zweier mit ungeschiedener Hand
verbundenen Mitschuldneren oder von dem Schuldner und Bürgen die Zahlung der
nemlichen Schuld, und also zu zweien Malen geleistet worden wäre, kann Jener
welcher zuletzt gezahlet, das von, das von ihme Bezahlte zuruckbegehren, wann
der Glaubiger durch die erste Zahlung schon vollkommen vergnüget worden.
[3, 19, § 3] 42. Desgleichen ist Jedermann schuldig das zur
Ungebühr Empfangene auf Erforderen zuruckzustellen, er möge es in eigenen oder fremden
Namen angenommen haben; da aber ein vorhergegangener Befehl, Anweisung oder
nachgefolgte Gutheißung Desjenigen, in wessen Namen es empfangen worden,
erweislich wäre, machet sich auch dieser dafür verfänglich, wann gleich das
Empfangene von dem Nehmenden zu seinem eigenen Nutzen verzehret oder verthan
worden wäre.
[3, 19, § 3] 43. Wovon nur Jene, welche sich zu verbinden
unfähig sind, als Waisen, Minderjährige, Blödsinnige und andere Pflegbefohlene
ausgenommen werden, die zur Zuruckstellung des ihnen ohne Zuthat oder Vorwissen
ihrer Vormünderen oder Curatorum Bezahlten oder Gegebenen nur insoweit
verbunden sind, als so viel davon noch bei ihnen vorhanden ist oder zu ihrem
erweislichen Nutzen verwendet worden.
[3, 19, § 3] 44. Damit aber die Zuruckforderung des aus
Irrthum Bezahlten statt haben könne, ist nothwendig, daß erstens wirklich etwas
bezahlet oder gegeben oder was Jemand rechtmäßig zu forderen hatte, von ihme
erlassen worden.
[3, 19, § 3] 45. Zweitens, daß die Zahlung aus einer
vermeintlich vorhergegangenen verpflichtenden Ursache und nicht etwan aus einem
irrigen willkürlichen Bewegungsgrund oder sonst aus guten Willen geschehen; was
dahero Jemand freiwillig oder auch vergleichsweise und nicht aus vermeinter
Schuldigkeit zahlt oder giebt, kann er nicht zuruckforderen, obschon der
Bewegungsgrund nachhero falsch zu sein befunden würde.
[3, 19, § 3] 46. Also da Jemand dem Anderen wegen
vermeintlich von ihme empfangener Wohlthaten aus Erkenntlichkeit etwas gäbe,
kann er solches nicht mehr zurückbegehren, wann gleich der Irrthum entdecket
würde, daß keine Wohlthatserzeugung vorhergegangen.
[3, 19, § 3] 47. Drittens, daß die vermeinte verbindliche
Ursache wirklich falsch zu sein, folglich die Zahlung zur Ungebühr geleistet zu
haben, erwiesen werden könne; wobei aber der Unterschied wohl zu bemerken ist,
ob der Nehmende gar kein Recht gehabt, das Bezahlte zu forderen, oder ob ihme
zwar eine Forderung zugestanden, welche aber von dem Gebenden durch eine
rechtserhebliche Einrede oder Einwendung, deren er sich aus Irrthum nicht
bedienet, hätte entkräftet werden können.
[3, 19, § 3] 48. Ersteren Falls gebühret allemal die
Zuruckforderung des zur Ungebühr Bezahlten, wann der Irrthum oder die
Unwissenheit erweislich ist, der Zahlende möge sich in dem Recht oder in der
Sache, in der eigenen oder fremden That geirret haben, weilen der Nehmende gar
kein Recht hat, das Empfangene zu behalten.
[3, 19, § 3] 49. Also kann Jener, der eine ihme geschenkte
Sache in Meinung, daß ihme solche nur geliehen oder verkaufet worden, bezahlet,
oder ein Schuldner, der eine schon bezahlte Schuld nochmalen abführet, das
Bezahlte zuruckforderen.
[3, 19, § 3] 50. Desgleichen kann ein Erb die aus einem
unstandhaften Testament, welches er giltig zu sein vermeinet, abgestattete
Vermächtnussen, wie nicht weniger ein Notherb an denen hinausbezahlten
Vermächtnussen bei sich nachhero zeigender Verkürzung seines Pflichtheils so
vieles zuruckbegehren, als zur Ergänzung seines Pflichttheils erforderlich ist.
[3, 19, § 3] 51. Die nemliche Zurückforderung kommt auch
Demjenigen zu statten, welcher etwas bezahlet, wovon er schon durch die
Verjährung oder durch ein in Rechtskräften erwachsenes richterliches Urtheil
befreiet worden; daferne aber das Urtheil noch nicht zu Rechtskräften gediehen
wäre, und er jegleichwohlen Dasjenige,
(3-328) wovon er darinnen ledig gesprochen worden,
bezahlete, kann er solches so wenig zurückforderen, als da er es noch währenden
Rechtsstritt vor dem richterlichen Spruch vergleichsweise bezahlet hätte.
[3, 19, § 3] 52. Nichtweniger hat Jener, der unter einer
wahren Bedingnuß, deren Ausgang noch ungewiß ist, oder auf einen ungewissen
Tag, wovon nicht wissend ist, ob und wann, oder auch nur ob solcher sich
ereignen werde, etwas zu leisten verstricket ist, die Befugnuß das vor dem
Erfolg der Bedingnuß oder des ungewissen Tags aus Irrthum Bezahlte, insolange
zurückzubegehren, bis daß solcher sich nicht ergeben hat.
[3, 19, § 3] 53. Letzteren Falls aber, wo zwar dem Nehmenden
eine Forderung gebühret hätte, solche hingegen von dem Gebenden durch eine
rechtserhebliche Einwendung oder ihme sonsten zu statten kommende
Rechtswohlthat, wann er sich deren bedienet haben würde, entkräftet werden
mögen, kann insgemein das aus Irrthum Bezahlte nicht mehr zuruckgeforderet
werden.
[3, 19, § 3] 54. Also kann ein Weib, was sie ohne Begebung
ihrer weiblichen Gerechtigkeit für den Anderen freiwillig bezahlet, ein
Schadlosbürge, wann er die Rechtswohlthat der vorzüglichen Belangung des
Schuldners einzuwenden unterlassen, oder ein mit geschiedener Hand verbundener
Mitschuldner, was er ohne die Abtheilung der Zahlung zu verlangen, für seinen
Mitschuldner bezahlet, ein Schuldner, welcher sich der Rechtswohlthat der
Selbstbedürfnuß in jenen Fällen, wo ihme solche von denen Gesetzen verstattet
wird, nicht bedienet, oder auch Jener, der etwas, was ihme durch einen, obschon
unbilligen richterlichen Spruch auferlegt worden, vor dessen rechtlicher
Bestätigung zahlet, nicht mehr zuruckbegehren.
[3, 19, § 3] 55. Gleichergestalten höret die Zuruckforderung
dessen auf, was vor der Zeit, als es gebühret hätte, geleistet worden, wann der
Tag der Gebühr ungezweifelt erfolgen muß, obschon die Zeit der Ereignuß noch
ungewiß wäre; noch weniger können die mittlerweilige Interessen oder Nutzungen
von dem früher Gezahlten anverlanget werden.
[3, 19, § 3] 56. Dieses leidet jedoch in jenen Fällen eine
Ausnahme, wo zwar die Forderung an sich selbst rechtmäßig, allein in Absicht
auf die daraus verbundene Person von denen Gesetzen entkräftet und vernichtet
wäre; also kann das von Waisen, Minderjährigen, gerichtlich erklärten
Verschwendern und anderen pflegbefohlenen Personen aus ihren eingegangenen
Verbindungen Bezahlte oder Gegebene noch allzeit zuruckgeforderet werden.
[3, 19, § 3] 57. Der Unterschied, ob an Seiten des Nehmenden
eine Forderung vorhanden gewesen seie oder nicht, höret auch damals auf, wann
die ungebührliche Zahlung nicht wirklich erfolget, sondern blos aus einer
vermeintlich vorhergegangenen verpflichtenden Ursache etwas zu leisten
versprochen worden, in welchem Fall Demjenigen, der ein solches ungebührliches
Versprechen gethan, der Beweis des Irrthums noch allemal bevorstehet.
[3, 19, § 3] 58. Viertens, ist zur ungebührlichen Zahlung
erforderlich, daß der Zahlende wirklich in einem Irrthum oder Unwissenheit
befangen gewesen seie, er möge wirklich eine der Wahrheit widrige Meinung
geheget, oder an der wahren Beschaffenheit der Sache gezweifelt oder solche gar
nicht gewußt haben.
[3, 19, § 3] 59. Wo aber Jemand etwas wissentlich es nicht
schuldig zu sein bezahlete oder versprechete, kann solches von ihme nicht mehr
zuruckbegehret, noch das Versprechen widerrufen werden, sondern was freiwillig
gegeben wird, ist für ein Geschenk zu halten; also kann das vergleichsweise
Bezahlte oder Versprochene, oder was die Eltern für ihre Kinder, oder der Mann
für das Weib auslegen, oder worzu dieselbe sich für sie verstricken, nicht mehr
zurückgefordert oder widerrufen werden.
[3, 19, § 3] 60. Es wäre dann, daß deme ein Verbot des
Gesetzes entweder wegen der gegebenen oder versprochenen Sache, als bei denen
über den erlaubten Betrag
(3-329) verschriebenen oder abgeführten Zinsen, oder bei
einer den bestimmten Betrag übersteigenden, bei Gericht nicht angemeldeten
Schankung, oder wegen der Verbindungsunfähigkeit der zahlenden oder gelobenden
Person, als bei Waisen, Minderjährigen, Verschwenderen oder anderen
pflegbefohlenen Personen entgegenstünde, in derem ersterem Fall die Uebermaß,
in letzterem aber das Ganze, was gegeben oder versprochen worden, noch allzeit
zuruckgeforderet oder widerrufen werden kann.
[3, 19, § 3] 61. An Seiten des Nehmenden ist zwar zur
Wesenheit dieser dem Darlehenscontract gleichkommenden Handlung ebenmäßig der
Irrthum oder die Unwissenheit und der daherrührende gute Glauben, daß er das
Bezahlte oder Versprochene ihme wirklich zu gebühren vermeine, nicht aber zu
dem Ende erforderlich, daß, wann er es ihme nicht zu gebühren wüßte, deshalben
die Zuruckforderung des zur Ungebühr Bezahlten aufhöre; dann er möge die
Ungebührlichkeit der Zahlung wissen oder nicht, bleibet er jegleichwohlen einen
Weg, wie den anderen das Empfangene zurückzustellen schuldig.
[3, 19, § 3] 62. Der Unterschied bestehet dahero lediglich
in der Ursach der Verbindlichkeit zur Zuruckstellung, weilen, wo der Nehmende
gleichfalls in Irrthum oder Unwissenheit verfangen ware, die Vermuthung seiner
Einwilligung in die Zuruckstellung Platz greifen kann, folglich auch eine denen
wahren Contracten gleichkommende Handlung unterwaltet; dahingegen, wo er die
Zahlung wider besseres Wissen angenommen zu haben überwiesen werden könnte,
wider die Wahrheit keine widrige Vermuthung statt haben kann, sondern derselbe
machet sich eines Betrugs, folglich eines wahren Verbrechens schuldig, woraus
er zur Zuruckstellung verbunden wird.
[3, 19, § 3] 63. Wann nun alle diese Erfordernussen
zusammentreffen, so wird der Nehmende zu Wiedererstattung des Empfangenen
verbunden, woraus die dem aus Irrthum oder Unwissenheit Zahlenden und dessen
Erben wider den Nehmenden und seine Erben zur Zuruckstellung des zur Ungebühr
empfangenen zustehende Rechtsforderung entspringet.
[3, 19, § 3] 64. Der zur Ungebühr empfangene Betrag ist
solchen Falls, wie ein anderes Darlehen, wovon keine Zinsen bedungen worden,
mit denen von dem Tag der gerichtlichen Belangung, oder bei erweislicher
Gefährde des Nehmenden, von dem Tag des Empfangs an laufenden Interessen zu
erstatten; wäre aber eine gewisse Sache aus Irrthum gegeben worden, solle
solche ebenfalls, wann sie bei dem Nehmenden noch vorhanden ist, in demjenigen
Stand, in welchem er sie bekommen, mit allen ihren Zugehörungen und mittlerweil
davon behobenen Nutzungen nach Abzug dessen, was hierauf erweislich verwendet
worden, anwiederum zuruckgestellet werden.
[3, 19, § 3] 65. Dahingegen, wo die Sache etwan vor deren
Zuruckforderung an einen Dritten veräußeret worden wäre, kann zwar dieser, der
sie rechtmäßig an sich gebracht, deshalben nicht angefochten werden; Derjenige
aber, deme solche Anfangs zur Ungebühr gegeben worden, ist jenes, was er dafür
empfangen, oder da die Sache aus seiner Schuld beschädiget oder gar zu Grund
gegangen wäre, den erweislichen Werth zu ersetzen schuldig.
[3, 19, § 3] 66. Er hat jedoch lediglich für die große
Schuld allein zu haften; dahero derselbe weder für einen minderen Grad der
Schuld, noch weniger für zufälligen Schaden verfänglich ist, außer er hätte,
wohlwissend, daß ihme die Sache nicht gebühre, solche jegleichwohlen
arglistiger Weise angenommen, in welchem Fall, wann auch dieselbe durch Zufall
in Verlust gienge, er deren Werth, wie solchen der Gebende nach eigener Neigung
und Anständigkeit eidlich schätzen wird, zu erlegen hat.
[3, 19, § 3] 67. Wer aber das aus Irrthum Bezahlte oder
Gegebene zuruckforderet, dem lieget ob nicht nur allein die wirklich geleistete
Zahlung dessen, was er
(3-330) zuruckbegehret, sondern auch, daß solche aus Irrthum
oder Unwissenheit, folglich zur Ungebühr geschehen, zu erweisen.
[3, 19, § 3] 68. Doch wird Kläger von dem Beweis dieses
letzteren Punkts in folgenden Fällen enthoben, wann entweder der Beklagte die
Zahlung empfangen zu haben arglistig gelaugnet und nachhero überführet würde,
oder die Ursache, aus welcher die Zahlung geschehen, schon von dem Gesatz
entkräftet und vernichtet wäre, oder der Beklagte aus dem Beding oder aus der
Natur der Handlung zu Legung deren Rechnungen verbunden sein würde, in welchen
Fällen dieser den Beweis, daß ihme die Zahlung gebühret habe, zu verführen hat.
[3, 19, § 3] 69. Nicht weniger, da etwas zu zahlen oder zu
geben aus Irrthum oder Unwissenheit versprochen, und die Ursach der Schuld in
der Zusage oder Verschreibung ausgedrucket worden wäre, hat der Gelobende deren
Falschheit oder Unbestand zu erweisen, wann es etwan kein solcher Fall ist, wo
ihme die begünstigte Einwendung der nicht geschehenen Zuzählung annoch zu
statten käme; wo aber die Ursach der Schuld in der Zusage oder Verschreibung
nicht mitangedeutet worden wäre, hat der Gegentheil, deme etwas versprochen
oder verschrieben worden, solche zu erweisen.
[3, 19, § 3] 70. Die Zuruckforderung des zur Ungebühr
Bezahlten wird auch nicht ausgeschlossen, obschon der Zahlende oder Gebende
sich derselben ausdrücklich verziehen hätte; doch solle diese Rechtsforderung
nur insolange angestrenget werden können, als bis die in zweitem Theil für alle
Forderungen überhaupt ausgemessene Verjährungszeit nicht verstrichen ist.
§. IV.
[3, 19, § 4] 71. Die vierte denen wahren Contracten
gleichkommende Handlung ist die Gemeinschaft eines Guts, welche zwar an sich
selbst betrachtet unter die Contracten nicht gezählet werden mag, sondern ein
gemeinschaftliches Eigenthum oder ein sonstiges Mehreren zusammen an einerlei
Sache zustehendes dingliches Recht bedeutet.
[3, 19, § 4] 72. In diesem Verstand wirket dieselbe die
allseitige Verbindlichkeit zur Theilung des gemeinschaftlichen Guts, wann
solche auch nur von einem Mitbesitzer verlanget wird. Insoweit aber, als der
gemeinschaftliche Besitz eines Guts auch dessen gemeinsame Verwaltung entweder
von allen Mitbesitzeren zusammen oder zwar nur von einem, doch im Namen aller
erheischet, so entstehet hieraus eine dem Gesellschaftscontract gleichende
Handlung, wodurch ein jeder Theilhaber zu Erstattung alles dessen, was dieselbe
sich untereinander deshalben zu leisten schuldig sind, verbunden wird.
[3, 19, § 4] 73. Dann ein wahrer Gesellschaftscontract kann
nur damals bestehen, wann die wahre Einwilligung, eine Gesellschaft einzugehen,
allerseits geäußert und die Sache in Absicht auf die Gesellschaft gemein
gemacht wird; dahingegen, wo ein Gut von Mehreren ohne dieser Absicht
gemeinschaftlich erworben und verwaltet wird, ermanglet auch in solchem Fall
die wahre Einwilligung in eine Gesellschaft.
[3, 19, § 4] 74. Weilen aber doch die Billigkeit erforderet,
daß deren jeder nach Maß seines Antheils hiervon so den Nutzen zu beziehen, wie
den Schaden zu tragen habe, und Jener, der in ein gemeinschaftliches Gut etwas
verwendet, dabei die Absicht, sich den Anderen zu verbinden, heget, so wird von
dem Gesatz die Einwilligung zu Leistung allseitiger Gebührnussen nach
Beschaffenheit deren einzuwilligen fähigen oder unfähigen Personen entweder vermuthet
oder darfürgehalten, folglich eine denen wahren Contracten gleichende Handlung
hieraus gefolgeret.
(3-331) [3, 19, § 4] 75. Die Gemeinschaft eines Guts
erwachset dahero aus dessen rechtmäßiger gemeinschaftlicher Erwerbung, als da
eine Sache von Mehreren erkaufet oder Mehreren zusammen vermachet oder
geschenket wurde, und kann nur zwischen Jenen bestehen, die entweder das
Eigenthum einer Sache oder sonst hieran ein anderes dingliches Recht, als den
Fruchtgenuß oder das Pfandrecht miteinander gemein haben.
[3, 19, § 4] 76. Die Sache aber möge von Allen zusammen oder
auch nur von Einem oder wohl gar von deren Keinem, sondern von einem Dritten
besessen werden, so hindert jedoch der Mangel des Besitzes die Gemeinschaft des
Guts nicht, wann nur das gemeinsame Eigenthum oder sonstige Recht an der Sache
erweislich ist.
[3, 19, § 4] 77. Das gemeinschaftliche Eigenthum oder
sonstige dingliche Recht ist demnach die wesentliche Ursache, woraus die
Gemeinschaft des Guts entspringet, in deren Ermanglung auch diese nicht
erzeuget werden kann. Also ist zwischen Jenen, welche kein dingliches Recht an
der Sache, sondern nur aus persönlicher Verbindlichkeit eines Dritten ein Recht
zu derselben haben, als da Mehreren zusammen eine Sache ausgeliehen oder
vermiethet worden wäre, keine Gemeinschaft des Guts; noch weniger aber kann ein
Gut zwischen mehreren unrechtmäßigen Besitzeren, welche solches ohne allem
Recht an sich gezogen, gemein werden.
[3, 19, § 4] 78. Wann nun solchergestalten Mehrere zusammen
eines Dings wegen in die Gemeinschaft gerathen, so erwachset hieraus zwischen
denenselben eine zweifache Verbindlichkeit, als die eine aus dem einem Jeden
hieran gebührenden Recht zur Theilung des gemeinschaftlichen Guts, und die
andere aus der gemeinsamen Verwaltung zu Leistung deren daherrührenden
persönlichen Gebührnussen.
[3, 19, § 4] 79. Dann Niemand ist schuldig, in der
Gemeinschaft eines Guts wider seinen Willen zu beharren, also zwar, daß weder
das Beding einer immerwährenden Gemeinschaft gültig seie, noch auch ein Erblasser
seine Erben auf allzeit hierzu verbinden könne, obschon die Gemeinschaft auf
eine gewisse Zeit festgesetzet werden mag.
[3, 19, § 4] 80. Es stehet dahero Jedwedem frei, auch wider
Willen des Anderen die Theilung des gemeinschaftlichen Guts anzubegehren, und
da der Andere sich dessen weigerete, ihn hierwegen gerichtlich zu belangen.
Unmündige aber und andere pflegbefohlene Personen können die Theilung nicht für
sich selbst anbegehren, sondern ihre Vormündere oder Gerhaben und Curatores
sollen in ihren Namen hierum bei Gericht einkommen.
[3, 19, § 4] 81. Dahingegen haltet die Unmündigkeit oder
sonstige Verwaltungsunfähigkeit an Seiten deren übrigen Mitbesitzeren, welche
um die Theilung belanget werden, das Theilungsgeschäft nicht auf, sondern
dieses solle gleichwohlen seinen Fortgang haben, wann dieselbe nur mit einem
dabei keinen eigenen Antheil habenden Vormund oder Curatore hierzu versehen
sind, und die Theilung zu Abwendung alles Schadens gerichtlich vorgenommen
wird.
[3, 19, § 4] 82. Allermaßen, wo bei einer Theilung Waisen
oder andere Personen, welche der eigenen Verwaltung ihres Vermögens nicht fähig
sind, einkommen, hat solche allemal gerichtlich zu geschehen; ansonsten aber
kann dieselbe auch außergerichtlich vollbracht werden, und wessen sich die
Theilhabere unter einander gutwillig vergleichen, hierbei solle es auch sein
festes Verbleiben haben.
[3, 19, § 4] 83. Wie kann auch bei jenen gerichtlichen
Theilungen, welche unter Geschwistern oder Bruders und Schwesters Kindern
vorgehen, die nemliche Theilungsart beobachtet werden solle, welche in zweiten
Theil bei Erbtheilungen vorgeschrieben worden.
[3, 19, § 4] 84. Außer diesem Fall aber kommt es darauf an,
ob die Sache, um welche es zu thun ist, sich füglich theilen lasse oder nicht.
Ist dieselbe theilbar, hat der Richter den einem Jeden hieran gebührenden
Antheil auszumessen und zu bestimmen.
[3, 19, § 4] 85. Ließe sich hingegen die Sache ohne
Schmälerung ihres Werths nicht theilen, hat der Richter anförderist unter denen
Theilhaberen einen gütlichen
(3-332) Vergleich zu versuchen, ob dieselben sich der
Theilung halber vereinigen können; wann jedoch kein gütliches Abkommen zu
bewirken wäre, so solle der Richter die Sache nach deren vorläufiger Schätzung
mittelst öffentlicher Feilbietung gerichtlich veräußeren, und einem Jeden
seinen Antheil an dem dafür erlösten Geld herausgeben.
[3, 19, § 4] 86. Würde aber bei wirklicher Steigerung ein
Theilhaber eben so vieles, als was ein Fremder angeboten, mit denen nemlichen
Kaufbedingnussen dafür geben wollen, so ist er allerdings dem Fremden in dem
Kauf vorzuziehen. Wollten hingegen mehrere oder gar alle Theilhabere die Sache
an sich bringen, solle Jener das Vorrecht haben, deme der größte Antheil hieran
gebühret, oder da Alle gleiche Theile hätten, welcher den Einstand zuerst
angemeldet hat, welches jedoch lediglich von gemeinschaftlichen unbeweglichen
Gütern zu verstehen ist.
[3, 19, § 4] 87. Ueber die zu Stand gebrachte Theilungen
liegender Güter und anderen landtäflicher, stadt- oder grundbücherlichen Rechten
und Forderungen sollen ordentliche Urkunden unter aller Theilhaberen
Unterschrift und Petschaft mit allen zur landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Einlage gehörigen Erfordernussen ausgefertiget, und also in
die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worinnen der getheilte Grund inlieget
oder das Recht oder die Forderung haftet, eingetragen werden, bis zu dessen
Erfolg die Theilung keine rechtliche Wirkung hat, sondern die Gemeinschaft noch
immerfort bestehet.
[3, 19, § 4] 88. Die zweite aus der gemeinsamen Verwaltung
herrührende und der Natur einer denen wahren Contracten gleichkommenden
Handlung eigene Verbindlichkeit zu Leistung deren Gebührnussen zielet auf die
allseitige Ausgleichung sowohl des von dem gemeinschaftlichen Gut eingegangenen
Nutzens, als des sich hieran ergebenden Schadens ab.
[3, 19, § 4] 89. Unter dieser Ausgleichung wird nicht allein
die Vertheilung deren von Zeit der bestehenden Gemeinschaft aus dem gemeinsamen
Gut eingehobenen Nutzungen, sondern auch die Vergütung deren hierauf erweislich
verwendeten nothwendigen und nützlichen Auslagen, und der Ersatz aller aus
Gefährde, großer und leichter Schuld eines oder des anderen Theilhabers
verursachten Schäden begriffen.
[3, 19, § 4] 90. Aus dieser zweifachen Verbindlichkeit erwachset die einem jeden Theilhaber und seinen Erben wider
die andere und ihre Erben zustehende Rechtsforderung zu Theilung des
gemeinschaftlichen Guts und zu Erstattung alles dessen, was dieselben sich
untereinander deshalben zu leisten schuldig sind.
[3, 19, § 4] 91. Diese Rechtsforderung kann entweder auf
Erfüllung beider Schuldigkeiten zugleich, oder aber auch bei noch bestehender
Gemeinschaft nur auf die Leistung deren persönlichen Gebührnussen, und zwar so
oft, als entweder etwas zu theilen übrig ist oder bei noch ungetheilten Gut der
Eine dem Anderen etwas herauszugeben oder zu ersetzen schuldig wird,
angestrenget werden.
[3, 19, § 4] 92. In welchem letzteren Fall dieselbe die
Eigenschaft deren sonst aus Verwaltung fremder Geschäften gebührenden
Rechtsforderungen annimmt, folglich auch alles Dasjenige dabei statt hat, was
von diesen Rechtsforderungen bereits oben §. I geordnet worden.
§. V.
[3, 19, § 5] 93. Die fünfte denen wahren Contracten
gleichende Handlung ist die Gemeinschaft der Erbschaft, wann eine Erbschaft
mehreren Miterben zusammen anfallet und sie in deren ungetheilten Besitz
beharren, deren allseitige Einwilligung zu Leistung alles dessen, worzu ein
Miterb dem anderen aus gemeinsamer Verwaltung derselben verbunden ist, ebenso
wie bei der Gemeinschaft eines Guts von dem Gesatz vermuthet oder dafürgehalten
wird.
[3, 19, § 5] 94. Hieraus entstehet eine dem
Gesellschaftscontract gleichkommende Handlung, woraus die Miterben
untereinander zu Erstattung allseitiger Gebührnussen
(3-333) verstricket werden, deren Wirkungen bereits in
zweiten Theil in der Abhandlung von Erbtheilungen ausführlich beschrieben
worden.
§. VI.
[3, 19, § 6] 95. Die sechste denen wahren Contracten
gleichkommende Handlung ist die Grenzscheidung aus einer durch höhere Gewalt,
als da sind Ueberschwemmungen, Erdbeben und feindliche Verwüstungen oder wegen
deren durch Länge der Zeit unkenntlich gemachten Rainsteinen und Grenzmalen
vorhergegangenen Vermischung deren Grenzen; dann wo Jemand boshafter Weise die
Grenzen veränderete, ist es ein wahres Verbrechen, wovon in dem
einundzwanzigsten Capitel, vom Verbrechen gehandelt werden wird.
[3, 19, § 6] 96. Dahingegen entstehet aus einer zufälligen
Vermischung deren Grenzen zwischen denen Eigenthümern deren benachbarten
Gründen eine Art der Gemeinschaft, folglich eine dem Gesellschaftscontract
gleichende Handlung, woraus Einer dem Anderen zu Wiederherstellung deren
Grenzen, Ersetzung des Schadens und Erstattung deren von des Anderen Grund
eingehobenen Nutzungen verbunden wird.
Wie aber bei Grenzscheidungen verfahren, und was dabei zu
beobachten seie, ist allschon in zweiten Theil, in der Abhandlung von dem Recht
des Besitzes erkläret worden.
§. VII.
[3, 19, § 7] 97. Die siebente denen wahren Contracten
gleichende Handlung ist die Antretung der Erbschaft insoweit als ein Erb Jenen,
welchen von dem Erblasser etwas verschaffet worden, zu Abstattung deren
Vermächtnussen hieraus verbunden wird, wie solches in zweiten Theil, in der
Abhandlung von der Erbsantretung mit Mehreren erkläret worden.
[3, 19, § 7] 98. Dann sobald ein Erb durch Antretung der
Erbschaft den Willen des Erblassers anerkennt, wird auch seine Einwilligung zu
Vollziehung alles dessen, was dieser in seinem letzten Willen geordnet hat, von
dem Gesatz hieraus vermuthet oder dafürgehalten, und aus dieser einem
Befehlscontract gleichenden Handlung seine Verbindlichkeit zu Abführung deren
Vermächtnussen hergeleitet.
§. VIII.
[3, 19, § 8] 99. Die achte denen wahren Contracten
gleichkommende Handlung ist die Aufladung auf ein Schiff oder Wagen oder Abladung
in einem Gasthof, weilen Schiffer, Fuhrleute und Gastwirthe durch bloße
Uebernehmung deren in ihre Gewahrsame übergebenen Sachen ihres treibenden
Gewerbs halber schon von den Gesatz zu deren getreulicher Verwahrung und
Zuruckstellung verstricket sind, wann gleich dieselbe sich hierzu ausdrücklich
nicht verbunden haben.
[3, 19, § 8] 100. Aus ihrer solchergestalten von dem Gesatz
vermutheten Einwilligung gründet sich diese dem Hinterlegungscontract
gleichende Handlung, welche aber in der Verfänglichkeit noch jenen übertrifft,
und in deme bündiger ist, daß derlei Personen von schuldiger Zuruckstellung
deren in ihre Gewahrsame übernommenen Sachen nichts als ein erweislicher
ungefährer Zufall, wodurch dieselbe vermisset worden, entledigen könne, folglich
auch sie für den mindesten Grad einer ihrerseits dabei unterlaufenden
Fahrlässigkeit oder Unvorsichtigkeit und also für die leichteste Schuld zu
haften haben.
(3-334) [3, 19, § 8] 101. Diese Verfänglichkeit aber gehet
nur auf die Schiffer, Fuhrleute und Gastwirthe, deren Gewerb alle Treue und
Sorgfalt in Verwahrung deren ihnen übergebenen Sachen erforderet, nicht aber
auch auf andere Personen, die fremde Sachen in ihre Verwahrung nehmen, sondern
bei diesen wird eine wahre Einwilligung hierzu erheischet, woraus ein wahrer
Contract entstehet, nach dessen Natur und Eigenschaft ihre Verbindlichkeit
abzumessen ist.
[3, 19, § 8] 102. Doch ist an deme nicht genug, daß Sachen
auf ein Schiff oder Wagen oder in einen Gasthof auch mit Wissen deren
Schiffern, Fuhrleuten und Gastwirthen gebracht werden; sondern daß sie dafür zu
stehen haben, ist erforderlich, damit die dahin bringende Sachen von ihnen oder
ihren darzu bestellten Leuten in dieser Eigenschaft und nicht etwan aus einer
anderen Ursach oder Absicht übernommen werden, die Uebernahme möge mit oder
ohne Entgeld geschehen.
[3, 19, § 8] 103. Wann dahero die Sachen von ihnen nicht in
dieser Gewerbseigenschaft, sondern aus Freundschaft, guten Willen oder
sonstiger Ursache übernommen worden, als da Jemand einem Schiffer oder Fuhrmann
etwas nicht zum verführen, sondern blos aufzuheben, oder auch einem Gastwirth,
ohne bei ihme einzukehren, was in die Verwahrung gäbe oder verpfändete, oder in
einem Gasthof ein Gewölb zum Waarenlager oder zu Treibung des Handels, oder eine
Wohnung für einen bedungenen Zins in Bestand nähme, erstrecket sich deren
Verbindlichkeit nicht weiter als nach Maß desjenigen Contracts, dessen Gestalt
die Handlung auf sich hat.
[3, 19, § 8] 104. Desgleichen, wo die Sachen nicht von ihnen
oder ihren darzu bestellten Leuten, als Schiffmännern, Kutschern und Kellnern,
sondern von anderen, welche hierzu nicht angewiesen sind, obschon in ihren
Diensten befindlichen Personen, als Schiff-, Stall- und Hausknechten, ohne
ihrem ausdrücklichen Geheiß übernommen werden, haben sie dafür nicht zu haften,
außer insoweit durch ihre Haus- oder Dienstleute ein Schaden hieran erweislich
zugefüget worden, wie es in zweiundzwanzigsten Capitel, von denen für
Verbrechen geachteten Handlungen erkläret werden wird.
[3, 19, § 8] 105. Noch viel weniger haben sie für jene
Sachen zu stehen, die ihrer Gewahrsame nicht übergeben, sondern von dem dahin
Bringenden in seiner eigenen Verwahrung behalten werden, wann sonst ab Seiten
derenselben oder ihrer Leuten hierbei keine Schuld unterlaufet.
[3, 19, § 8] 106. Es ist aber nicht nothwendig, daß
dieselben die getreuliche Verwahrung deren übernommenen Sachen ausdrücklich
angeloben und gewähren, sondern die bloße Uebernahme wirket schon diese
Verbindlichkeit; es wäre dann, daß dieselben in der Zeit und wo die
Dahinkommenden noch eine andere Vorsehung zu treffen vermögen würden, ihnen
angedeutet hätten, daß sie nicht dafür stehen könnten.
[3, 19, § 8] 107. Eben so wenig ist nöthig, daß bei
Uebernahme eines auf ein Schiff oder Wagen aufladenden, oder in einen Gasthof
abladenden Kastens, Ballens, Fasses, Gades, Truhen oder anderer Behältnussen
dem Schiffer, Fuhrmann oder Gastwirth, was darinnen enthalten seie, oder was
solches an Maß, Zahl oder Gewicht betrage, angezeiget oder Stuck für Stuck übergeben
und vorgezählet werde. Woferne aber aus Unwissenheit des darinnen Enthaltenen
wegen unterlassener nöthigen Vorsicht hieran ein Schaden geschehen, hat sich
solchen der Uebergeber selbst beizumessen.
[3, 19, § 8] 108. Aus dieser Verbindlichkeit erwachset die
Denenjenigen, deren Sachen solchergestatlten auf ein Schiff, Wagen oder in
einem Gasthof übernommen worden, und ihren Erben wider die Schiffere,
Fuhrleute, Gastwirthe und deren Erben gebührende Rechtsforderung zur
Zurückstellung deren von diesen Letzteren übernommenen Sachen, oder da solche
vermisset worden wären, zum Ersatz ihres erweislichen Werths.
[3, 19, § 8] 109. Kläger muß dahero sowohl deren wirkliche
Dahinbringung und Uebernahme, als ihren Betrag und Werth behörig erweisen. In
Ermanglung des vollständigen
(3-335) Beweises aber ist derselbe zu dem Eid nicht anderst
zuzulassen, als da seine Redlichkeit bekannt, und daß er diejenige Sachen,
welche er angegeben, bei sich gehabt, vermuthet werden kann, folglich kein
Meineid zu besorgen ist.
[3, 19, § 8] 110. Der Beklagte hingegen kann sich von dem
schuldigen Ersatz des Werths deren übernommenen Sachen nicht anderst
entledigen, als wo er erweisen könnte, daß er entweder gleich Anfangs bei der
Uebernahme dafür nicht stehen zu können sich ausdrücklich verwahret und dieses
dem Uebergebenden bedeutet habe, oder die Sachen ohne eigener oder seiner
Leuten Schuld durch Ohngefähr, aus höherer Gewalt entstandene oder doch nicht
verhütet werden mögende Zufälle, als feindliche Bemächtigung, Schiffbruch und gewaltsamen
Raub entwendet oder zu Grund gegangen wären.
[3, 19, § 8] 111. Solche Zufälle jedoch, welche insgemein
aus menschlicher Unvorsichtigkeit und Unachtsamkeit veranlasset worden, als
heimliche Diebstähle und in dem eigenen Haus ausgekommene Feuersbrünste
entheben den Beklagten von seiner Verbindlichkeit nicht.
[3, 19, § 8] 112. Er erweise dann, daß er zu Vermeidung
eines solchen Zufalls Alles, was in seiner Macht gestanden, angekehret,
folglich weder seinerseits, noch von seinen Leuten eine Verwahrlosung dabei
fürgegangen, oder daß die Schuld an dem Uebergeber selbst oder seinen Leuten
hafte, oder daß dieser die vermißte Sache in eigener Gewahrsam gehabt, als da
er die Sachen bei sich behalten oder einen eigenen Wächter darzu gestellet
hätte.
[3, 19, § 8] 113. Dadurch aber, daß er die Schlüsseln von
dem Zimmer, Gewölb, Keller oder Stall, worinnen die entwendete Sachen
befindlich waren, zu sich genommen, wird der Gastwirth von dem Ersatz nicht
befreiet, wann die Sachen mit oder ohne Erbrechung des Behältnisses daraus
verloren gehen, außer derselbe hätte dem Gast die Schlüsseln mit der
ausdrücklichen Vewahrung, daß er nicht dafür stehen könne, übergeben.
[3, 19, § 8] 114. In Gegentheil hat auch der Schiffer,
Fuhrmann oder Gastwirth das Recht, die übernommene Sachen so lange
innenzuhalten, bis daß er wegen seiner Forderung vollständig vergnüget worden,
wie er dann auch Dasjenige, was ihme der Andere schuldig worden, von dem zu
ersetzen habenden Werth deren vermißten Sachen abzuziehen befugt ist.
§. IX.
[3, 19, § 9] 115. Die neunte, denen wahren Contracten
gleichkommende Handlung ist die Befestigung des Kriegs zwischen denen vor
Gericht streitenden Parteien; dann sobald als Kläger seine Klage bei Gericht
eingebracht und Beklagter sich hierauf eingelassen, wird von dem Gesatz ihre
beiderseitige Einwilligung vermuthet, allen Demjenigen nachzukommen, was das in
Rechtskräften erwachsene richterliche Urtheil ausmessen wird.
[3, 19, § 9] 116. Hierinnen gründet sich nun diese einen
wahren Vertrag gleichende Handlung, woraus beide Theile zur schuldigen
Befolgung und Erfüllung des zur rechtlichen Bestätigung gedeihenden
richterlichen Ausspruchs verstricket werden, wovon in vierten Theil bei der
Gerichtsordnung gehandlet werden wird.
(3-336) Caput XX.
Von denen aus bloßer natürlicher Billigkeit verbindenden
Handlungen.
Inhalt:
§. 1. Von denen Grundregeln der natürlichen Billigkeit,
woraus ohne Vertrag eine persönliche Verbindlichkeit herfließet. §. II. Von
Zuruckforderung einer Sache wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben
worden. §. III. Von Zuruckforderung einer aus ungebührlicher oder unbilliger
Ursache empfangenen Sache. §. IV. Von Zuruckforderung des ohne Ursach
vorenthaltenen fremden Guts. §. V. Von Wiedererstattung des zu Jemands Nutzen
verwendeten fremden Guts. §. VI. Von gleichen Beitrag
zu Vergütung eines in Nothfällen wegen gemeinsamer Rettung erlittenen Schadens.
§. I.
[3, 20, § 1] Num. 1. Die vierte Gattung verbindlicher
Handlungen sind jene, woraus ohne Vertrag aus bloßer natürlicher Billigkeit
eine persönliche Verbindung entstehet, maßen unzählige Fälle erübrigen, wo
weder eine wahre, noch vermuthete Einwilligung in einen Vertrag, weder ein
wahres, noch dafür geachtetes Verbrechen unterwaltet, und doch die Billigkeit
Einen dem Andern etwas zu leisten verbindet.
[3, 20, § 1] 2. Alle diese Fälle aber fassen folgende zwei
Grundregeln der Billigkeit in sich, als die eine, daß Jedermann Dasjenige thue
oder zulasse, was ohne seinen Schaden dem Andern zum Nutzen gereichen kann, und
die andere, damit Alles,
(3-337) was Jemanden von fremden Gut ohne rechtmäßige
Ursache zu Handen kommt oder zu seinem Nutzen verwendet wird, dem Eigenthümer
zurückgestellet oder ersetzet, und also Niemand mit Schaden des Andern
bereicheret werde.
[3, 20, § 1] 3. Aus der ersteren fließen mehrere
Rechtsforderungen und rechtliche Hilfsmitteln, wodurch Einer den Andern
verhalten kann, daß dieser etwas thue oder zu thun gestatte, was ihme keinen
Schaden, jenem aber Nutzen bringen oder doch vor Schaden bewahren kann.
[3, 20, § 1] 4. Von dieser Art sind die Forderungen zu
Vorlegung und Darstellung Jemands in fremden Handen befindlichen Sache und
überhaupt zu Ausübung der natürlichen Befugnuß, die Jedermänniglich zustehet,
sich Nutzen und Gemächlichkeit, worzu er berechtiget ist, ohne Schaden des
Anderen zu verschaffen, oder ohne Benachtheiligung des Anderen Schaden von
seinem Gut abzuwenden, wovon aber bereits in zweiten Theil ausführlicher
gehandlet worden.
[3, 20, § 1] 5. Aus der anderen Grundregel entspringet die
Rechtsforderung in allen Fällen, wo fremdes Gut ohne rechtmäßige Ursach zu
Jemands Handen gekommen oder zu seinem Nutzen verwendet worden, oder wo die
gemeinsame Rettung mehrerer in gleicher Gefahr befindlichen Personen zum Ersatz
des daher erlittenen Schadens auch von Allen einen gemeinsamen Beitrag
erheischet.
[3, 20, § 1] 6. Daher rühren die Zuruckforderung einer Sache
wegen nicht erfolgter Ursach, aus der sie gegeben worden, die Zurückforderung
einer aus ungebührlicher oder unbilliger Ursache empfangenen Sache, die
Zurückforderung des ohne Ursach vorenthaltenen fremden Guts, die Forderung der
Wiedererstattung dessen, was von fremdem Gut zu Jemands Nutzen verwendet
worden, und endlich die Forderung zu Leistung eines gleichen Beitrags zur
Vergütung des wegen gemeinsamer Rettung erlittenen Schadens, welche alle in den
hier folgenden Paragraphen beschrieben werden.
§. II.
[3, 20, § 2] 7. Die Zurückforderung einer Sache wegen nicht
erfolgter Ursach, aus der sie gegeben worden, hat in allen, sowohl unbenannten
als benannten Contracten und Verträgen damals statt, wann der Nehmende Jenes,
was er dagegen zu thun oder zu geben verbunden ist, entweder aus Saumsal oder
durch eigene Schuld nicht mehr leisten kann oder nicht will, oder von dem
Gebenden auf den Fall der Nichteinhaltung die Freiheit der Reue sich
ausdrücklich vorbehalten worden.
[3, 20, § 2] 8. In solchen Fällen hat der Gebende jedesmal
die Auswahl, ob er mit der aus dem Contract gebührenden Rechtsforderung da, wo
die contractmäßige Schuldigkeit noch geleistet werden kann, auf deren
Erfüllung, oder wo solche aus Schuld des Nehmenden zu bewirken wäre, auf seine
vollkommene Entschädigung anbringen, oder aber das Gegebene wegen nicht
erfolgter Ursache, aus der es gegeben worden, zuruckforderen wolle.
[3, 20, § 2] 9. Damit jedoch eine Sache auf diese Art
zuruckgeforderet werden möge, muß die Handlung folgender Gestalt beschaffen
sein: Erstens, daß wirklich etwas gegeben und auf den Nehmenden eigenthümlich
übertragen worden, es geschehe gleich durch eine körperliche Uebergabe oder
durch Erlassung, Anweisung oder Vergeltung; dahero kann in jenem Fall, wo Einer
gegen deme etwas gethan, daß der Andere ihme dafür etwas gebe oder thue, diese
Rechtsforderung nicht Platz greifen, weilen eine schon vollbrachte That nicht
mehr zuruckgezogen werden mag.
(3-338) [3, 20, § 2] 10. Zweitens, daß es aus einer
künftigen Endursach, damit dagegen anwiederum etwas geleistet werde, gegeben
und solche dabei ausgedrücket worden, oder doch wenigstens aus der Natur der
Handlung allschon stillschweigend darunter verstanden seie.
[3, 20, § 2] 11. Wann demnach etwas aus einer vergangenen,
obschon nachher falsch befundenen Ursach gegeben, oder aber die künftige
Endursach, warum es gegeben werde, dabei nicht ausgedrücket worden, kann das
Gegebene wegen nicht erfolgter Ursach nicht zuruckforderet, sondern ersteren
Falls müßte in Hinzutretung deren übrigen in neunzehenten Capitel, §. III, bei
Zahlung aus Irrthum beschriebenen Erfordernussen der unterwaltende Irrthum oder
Unwissenheit erwiesen werden, und letzteren Falls hat sich der Gebende selbst
beizumessen, daß er seine Willensmeinung nicht deutlicher erkläret habe.
[3, 20, § 2] 12. Es wäre dann vorbemelter Maßen die
Endursache, warumen etwas gegeben worden, schon aus der Natur der Handlung
stillschweigend darunter verstanden; also da Jemanden ein Heirathgut
versprochen oder gegeben worden wäre und die Heirath würde nicht erfolgen, kann
das Versprechen widerrufen oder das Gegebene wegen nicht erfolgter Ursach
zuruckbegehret werden, wiewohlen der Heirath selbst dabei nicht gedacht worden
wäre, weilen das Heirathgut nothwendig die Ursach der erfolgenden Heirath
voraussetzet.
[3, 20, § 2] 13. Drittens, daß die Ursach, wegen welcher
etwas gegeben worden, möglich, erlaubt und von denen Gesetzen nicht verboten
seie; dann wo aus ungebührlicher Ursach etwas gegeben oder genommen würde, ist
jenes zu beobachten, was in gleichnachfolgenden §. deshalben geordnet werden
wird.
[3, 20, § 2] 14. Und da die Unmöglichkeit der Befolgung dem
Gebenden gleich Anfangs bekannt gewesen wäre, wird das Gegebene für ein
Geschenk geachtet und kann nicht mehr zuruckbegehret werden; wo aber derselbe
die Unmöglichkeit Anfangs nicht eingesehen hätte, wird andurch die
Zuruckforderung des Gegebenen nicht verschränket.
[3, 20, § 2] 15. Viertens, daß die Ursach, wegen welcher
etwas gegeben worden, aus Schuld des Nehmenden nicht erfolget, noch auch von
ihme zu befolgen angefangen worden seie, und also derselbe die contractmäßige
Schuldigkeit nicht erfüllen könne oder doch nicht wolle; dann, wo er
seinerseits hierauf schon etwas abgeführet hätte, oder aber das Bedungene zu
erfüllen bereit und vermögend wäre, kann das Gegebene nicht zuruckgeforderet
werden.
[3, 20, § 2] 16. Nicht weniger höret die Zuruckforderung des
Gegebenen auf, wann die dafür zu empfangen habende Sache bei dem Nehmenden aus
Zufall, ohne durch seine Schuld oder Saumsal hierzu Anlaß gegeben zu haben, zu
Grund gienge.
[3, 20, § 2] 17. Dahingegen, wo für das Gegebene etwas zu
thun oder zu verrichten versprochen worden wäre, und der Nehmende würde auch
nur zufälliger Weise ohne aller seiner Schuld solches zu vollziehen außer Stand
gesetzet, kann das Gegebene noch allzeit zuruckgeforderet werden; woferne aber
die Verhindernuß aus Schuld oder Zuthat des Gebenden herrührete, bleibet das
Gegebene dem Nehmenden.
[3, 20, § 2] 18. Wann nun alle vorerdente (!) Erfordernussen
zusammentreffen, gebühret dem Gebenden und seinen Erben wider den Nehmenden und
dessen Erben die Rechtsforderung zur Zuruckstellung der gegebenen Sache wegen
nicht erfolgter Ursach, aus der sie gegeben worden, mit allen ihren Zugängen
und von Zeit der Uebergabe davon eingehobenen Nutzungen, oder da Geld gegeben
worden wäre, mit denen aus Saumsal vertagten Zinsen.
[3, 20, § 2] 19. Würde aber die gegebene Sache nicht mehr in
Handen des Nehmenden befindlich, sondern entweder von ihme schon an einen
Dritten weiter veräußeret oder sonst, es seie aus seiner Schuld oder aus
Zufall, zu Grund gegangen sein, kann solche auch nicht mehr zuruckgeforderet
werden.
(3-339) [3, 20, § 2] 20. Dem Gebenden jedoch bleibet solchen
Falls die aus dem Vertrag oder Contract gebührende anderweitige Rechtsforderung
entweder zu Erfüllung des Contracts, wo solches noch geschehen kann, oder in
Widrigen zu Leistung seiner völligen Entschädigung bevor.
§. III.
[3, 20, § 3] 21. Die Zuruckforderung einer aus
ungebührlicher oder unbilliger Ursach empfangenen Sache wird in jeden Fällen
gestattet, wo Jemanden etwas gegeben, versprochen oder erlassen wird, um
dagegen etwas zu thun oder zu lassen, welches er zu thun oder zu unterlassen
schon durch die Gesetze verpflichtet ist.
[3, 20, § 3] 22. Die Ungeziemlichkeit oder der Unfug muß
also allemal an Seiten des Nehmenden allein sein; als da Jemanden etwas gegeben
worden, damit derselbe sich eines Raubs, Diebstahls oder sonstigen Beleidigung
eines Anderen enthalte oder damit er das wissentlich vorenthaltende entfremdete
Gut zuruckstelle, kann das Gegebene zuruckgeforderet werden.
[3, 20, § 3] 23. Es muß jedoch lediglich wegen dieser
künftigen Endursache und nicht etwan freiwillig und aus guten Willen für das
Vergangene zu Belohnung oder Vergeltung gegeben oder versprochen worden sein;
als da Jenem, der ein gestohlenes oder verlorenes Gut zuruckbrächte oder einen
Dieb und Rauber anzeigete, etwas zur Belohnung gereichet oder versprochen würde,
kann weder das Versprechen widerrufen, noch das Gegebene zuruckbegehret werden.
[3, 20, § 3] 24. Dahingegen, wo die Ungebührlichkeit oder
der Unfug entweder an Seiten des Gebenden zugleich oder auch allein und keine
an Seiten des Nehmenden unterwaltete, wird ersteren Falls, als z. B. bei einem
Wucher oder bei Bestechung des Richters ein wahres Verbrechen begangen, und
fallt dahero nicht allein das Gegebene Unserer Kammer anheim, sondern es sind
auch Beide mit denen nach Gestalt des Verbrechens ausgemessenen Strafen zu
belegen; letzteren Falls aber wird dem Gebenden wegen Entdeckung seiner eigenen
Schand alle Rechtshilfe billig versaget.
[3, 20, § 3] 25. Wann also das Gegebene diese Beschaffenheit
hat, daß der Nehmende sich allein in dem Unfug befinde, wird er aus natürlicher
Billigkeit zur Zuruckstellung des Empfangenen verbunden, wann solches von dem
Gebenden zuruckverlanget wird, die Ursach, wegen welcher es gegeben worden,
möge erfolget sein oder nicht, und über das macht sich derselbe, wo etwan wegen
unerlaubter Zudringlichkeiten ein Verbrechen mit unterlaufet, der darauf
ausgesetzten Strafe verfänglich.
[3, 20, § 3] 26. Zu diesem Ende gebühret dem Gebenden und
seinen Erben die Rechtsforderung wider den Nehmenden und seine Erben zur
Zuruckstellung der wegen einer an Seiten des Letzteren allein unterwaltenden
ungebührlichen oder unbilligen Ursach gegebenen Sache mit allen ihren
Zugehörungen und behobenen Nutzungen, oder da Geld gegeben worden, mit denen
aus Saumsal vertagten Zinsen.
[3, 20, § 3] 27. Wäre aber die Sache bei dem Nehmenden ohne
seiner Schuld, durch Zufall zu Grund gegangen, wird zwar derselbe durch deren
Untergang von der
(3-340) Zuruckstellung befreiet, doch bleibet er
jegleichwohlen verbunden das, was etwan noch entweder von der Sache selbst oder
ihren Zugehörungen und Nutzungen in seinen Handen befindlich ist, dem Gebenden
auszufolgen; dahingegen, wo seine Schuld oder Saumsal zum Verlust der Sache
Anlaß gegeben oder er dieselbe an einen Dritten veräußeret hätte, ist er den
Werth dafür zu erlegen schuldig.
[3, 20, § 3] 28. Desgleichen kann bei Verheißungen aus
ungebührlichen oder unbilligen Ursachen das Versprochene nicht geforderet
werden; sondern, wo derlei Ursach dabei ausgedrucket oder solche sonst erprobet
würde, ist die Zusage null und nichtig, und Kläger mit seiner Forderung
abzuweisen.
§. IV.
[3, 20, § 4] 29. Ueberhaupt ist Jedermann befugt, sein in
Handen eines Anderen ohne rechtmäßiger Ursach vorenthaltendes Gut, wodurch
dieser mit seinen Schaden bereicheret würde, zuruckzuforderen, dasselbe möge
entweder gleich Anfangs aus einer ungiltigen und nichtigen Ursach ihme
zugekommen, oder die Ursach, wegen welcher es gegeben worden, seinerseits nicht
erfolget, oder solche zwar Anfangs bestanden, nachher aber erloschen sein.
[3, 20, § 4] 30. Daher entstehet die dem Eigenthümer eines
in Handen des Anderen ohne rechtmäßiger Ursach vorenthaltenden Guts wider den
Inhaber gebührende Rechtsforderung zu dessen Zuruckstellung mit allen Nutzungen
und Zugehörungen, und da es in Geld bestünde, mit denen aus Saumsal davon
vertagten Zinsen.
[3, 20, § 4] 31. Also, da Jemand über eine verlorene Wette
oder Spielschuld einen Schuldschein oder Verschreibung ausgestellet hätte, kann
dieser solche, ohne daß es seiner Ehre und guten Namen zum mindesten Nachtheil gereichen
solle, von einem jeden Inhaber mit dieser Rechtsforderung zuruckbegehren,
weilen alle Wetten und Spielschulden oben in zweiten Capitel, in zweiten
Artikel, von Verträgen §. XII, num. 160, entkräftet und darüber alle
Rechtshilfe versaget worden, folglich schon gleich Anfangs eine rechtsgiltige
Ursach hierzu ermanglet.
[3, 20, § 4] 32. Wo aber eine solche Schuld freiwillig
bezahlet worden wäre, kann zwar das Bezahlte nicht mehr zuruckgeforderet
werden; wann es jedoch verbotene Spiele wären, bleibet nichtsdestoweniger die
in Unseren anderweiten Verordnungen darauf ausgesetzte Strafe wider die
Uebertretere allemal vorbehalten.
[3, 20, § 4] 33. Eben so, da Jemand das zu Ausrichtung eines
ihme aufgetragenen Befehls, welchen er nicht übernehmen wollen oder können,
empfangene Geld oder Gut vorenthielte, kann solches zuruckgeforderet werden,
weilen die Ursach wegen welcher es gegeben worden, nicht erfolget.
[3, 20, § 4] 34. Nicht weniger, wann für eine aus Schuld des
Nehmenden in Verlust gegangene entlehnte, hinterlegte oder verpfändete Sache
dem Eigenthümer der Werth bezahlet worden, und dieser solche anwiederum
ohnverringerter zu Handen bekäme, kann der bezahlte Werth von ihme
zuruckgefordert werden, weilen die Anfangs bestandene Ursach nachhero aufhöret,
warumen er mit Schaden des Anderen den Werth dafür behalten könnte.
§. V.
[3, 20, § 5] 35. Aus eben dieser Grundregel der Billigkeit,
welche sich mit Schaden des Anderen zu bereicheren verbietet, wird Jener, zu
wessen Nutzen ein fremdes
(3-341) Gut verwendet worden, zu dessen Wiedererstattung
verpflichtet, wann gleich derselbe aus keinerlei sonstigen Ursache sich dem
Anderen verbindlich gemacht hätte, oder die zwischen ihnen fürgeweste Handlung
von denen Gesetzen dergestalten entkräftet wäre, daß keine Forderung hieraus
gebührete.
[3, 20, § 5] 36. Dessen ohnerachtet hat auch in Ermanglung
aller anderen Rechtshilfe da, wo die nützliche Verwendung erweislich ist,
Derjenige, dessen Gut zum Nutzen eines Anderen verwendet worden, und seine
Erben wider diesen und dessen Erben die Rechtsforderung zu Wiedererstattung des
verwendeten Betrags mit denen aus Saumsal davon vertagten Zinsen.
[3, 20, § 5] 37. Diese Rechtsforderung hat in zweierlei
Fällen statt, als erstens, wann aus einem mit Jemanden, der die Geschäften eines
Dritten besorget, eingegangenen Contract, worzu dieser entweder gar keine
Vollmacht hätte, oder doch die bekommene Vollmacht sich hierauf nicht
erstreckete, etwas zum Nutzen des Dritten verwendet worden.
[3, 20, § 5] 38. Wo aber der Contract der ertheilten
Vollmacht gemäß wäre, bedarf es dieser Rechtsforderung nicht, sondern der
Gläubiger kann den Befehlsgeber aus dem mit seinem Bevollmächtigten
geschlossenen Contract selbst belangen. Gleichwie dann auch in jenem Fall, wo
Jemand selbst außer eines mit dem Anderen getroffenen Contracts zum Nutzen des
Dritten etwas verwendet hätte, nicht mit dieser, sondern mit der aus Verwaltung
fremder Geschäften gebührenden Rechtsforderung zu verfahren ist.
[3, 20, § 5] 39. Zweitens wird die Rechtsforderung wegen
nutzlicher Verwendung, wann solche erweislich ist, in jenen Handlungen
verstattet, welche wegen Unfähigkeit deren contrahirenden Personen von denen
Gesetzen entkräftet und vernichtet werden; also da Jemand Waisen,
Minderjährigen oder anderen Pflegebefohlenen ohne Wissen und Willen ihrer
Vormünderen, Gerhaben und Curatoren etwas borgete, obschon die Handlung an sich
null und nichtig ist, stehet ihme doch die Rechtsforderung wegen nutzlicher
Verwendung noch allemal bevor, insoweit er das Geborgte zu ihrem Nutzen verwendet
worden zu sein erweisen mag.
[3, 20, § 5] 40. Desgleichen wo Jemand auf Bürgschaft eines
Weibs ohne Begebung ihrer Gerechtigkeit geborget hätte, hat er wider das Weib
keine Forderung, außer insoweit das Geborgte zu ihrem Nutzen verwendet worden.
[3, 20, § 5] 41. Es lieget dahero in solchen Fällen Klägern
allezeit ob, die nützliche Verwendung zu erweisen, und ist weder an der in dem
ausgestellten Schuldschein enthaltenen Bekanntnuß der Verwendung, noch auch an
der darinnen auf die Einwendung der nicht geschehenen Verwendung gemachten
Verzicht genug, sondern dessen ohnerachtet muß die wirkliche nutzliche
Verwendung erprobet werden.
[3, 20, § 5] 42. Wohingegen, da zwar die Verwendung keinem
Zweifel unterliegete, solche aber nicht zum Nutzen des Beklagten, sondern eines
Dritten gereichete, hat die Rechtsforderung nur wider Denjenigen statt, dessen
Nutzen andurch verschaffet worden.
[3, 20, § 5] 43. Da aber die Verwendung unnütz oder nur zur
Lust, Pracht und Ueppigkeit ohne Erzeugung eines Nutzens geschehen wäre, höret
auch wegen des verthanen und verzehrten Betrags diese Rechtsforderung auf; mit
Demjenigen aber, was noch davon vorhanden ist, solle es eben also, wie es in
siebenzehenten Capitel, in vierten Artikel, von Aufwand und
Verbesserungskosten, §. XII, wegen deren lustbringenden Auslagen geordnet
worden, gehalten werden.
[3, 20, § 5] 44. Desgleichen, da das wiewohlen zum Nutzen
Verwendete schon wiederum Demjenigen, der das Geld von einem Dritten ohne einer
hierzu habenden Vollmacht darauf ausgenommen, erweislich bezahlet oder in
andere Wege vergütet worden wäre, bleibet dem Glaubiger lediglich die Forderung
wider Denjenigen, mit deme er contrahiret hat, bevor.
§. VI.
(3-342) [3, 20, § 6] 45. Endlich erforderet auch die
Billigkeit, daß der in Nothfällen zu gemeinsamer Rettung verursachte Schaden
auch von Allen insgesammt getragen werde, wann die Umstände dergestalten
beschaffen sein, daß die Noth zufällig, der Untergang ohne diesem
Rettungsmittel unvermeidlich, und die Erhaltung der Uebrigen daraus ohnfehlbar
erfolget seie.
[3, 20, § 6] 46. Also, da bei augenscheinlicher Gefahr des
Schiffbruchs zu Erleichterung des Schiffs einige darauf geladene Waaren über
Bord geworfen und das Schiff andurch gerettet worden wäre, ist der Schaden
Denenjenigen, deren Güter ausgeworfen worden, von denen Anderen, deren Güter
hierdurch erhalten worden, billig zu ersetzen.
[3, 20, § 6] 47. Dabei sind sowohl die Umstände der
Auswerfung, als die Art und Wie des Beitrags zu betrachten. Jene müssen denen
oberwähnten Erfordernussen gemäß sein, also daß die Gefahr des Schiffbruchs
nicht aus Schuld, Unvorsichtigkeit oder Unerfahrenheit des Schiffers, oder
wegen schlechter Beschaffenheit des Schiffs, sondern durch bloßen Zufall, als
durch Sturm, Ungestüme der See oder aus sonstigen, nicht vermeiden mögenden
Unglück entstanden seie.
[3, 20, § 6] 48. Dann widrigens, wo die Schuld des Schiffers
erweislich wäre, können Diejenigen, deren Güter ausgeworfen worden, von denen
Andern keinen Ersatz ihres Schadens anbegehren, sondern haben solchen lediglich
an dem Schiffer, aus dessen Schuld derselbe veranlasset worden, anzusuchen; es
wäre dann derselbe den Schaden abzustatten nicht vermögend, welchen Falls für
das Uebrige noch Alle zu dem gemeinsamen Beitrag verbunden bleiben.
[3, 20, § 6] 49. Es muß auch die unvermeidliche
Nothwendigkeit der Auswerfung fürgewaltet haben, und solche entweder mit
Genehmhaltung aller oder des größten Theiles deren auf dem Schiff befindlich
gewesten Leuten, oder da diese nicht hätten darein willigen wollen, auf Gutbefinden
des Schiffers und wenigstens zweier oder dreier von seinem Schiffsvolk
geschehen sein, welche es nachher, da sie zu Lande kommen, auf Begehren
Derjenigen, die andurch Schaden erlitten, eidlich bestätigen sollen, daß es die
Noth erforderet habe. Für das hingegen, was außer einem dergleichen Nothfall
freventlich und ohne dringender Ursach in das Wasser
geworfen wird, haben die Anderen keinen Ersatz zu leisten.
[3, 20, § 6] 50. Nicht weniger muß die Erhaltung des Schiffs
und deren übrigen Waaren aus dessen Erleichterung ohnfehlbar erfolget
sein. Dann wo ohnerachtet deren ausgeworfenen Waaren in solcher anhaltenden
Noth jegleichwohlen das Schiff gescheiteret oder untergangen wäre, obschon nach
erlitttenen Schiffbruch einige Güter an das Ufer geschlagen oder sonst geberget
oder gerettet würden, in diesem Fall ist Keiner dem Anderen etwas zu ersetzen
schuldig, weilen deren Erhaltung nicht durch die Auswerfung, sondern blos
zufällig bewirket worden ; es wäre dann, daß zwar die fürgeweste Gefahr
überstanden, und das Schiff durch die Auswerfung deren Waaren erhalten,
nachhero aber durch einen anderen Unfall verunglücket wäre, in welchem Fall die
Verbindlichkeit zu dem Ersatz von denen nach dem letzteren Schiffbruch etwan
aus dem Wasser herausgezogenen oder sonst noch geretteten Gütern annoch
besteht.
(3-343) [3, 20, § 6] 51. Desgleichen, wo das Schiff durch
Sturm oder Wetterstrahl zu Schaden käme oder einige Waaren durch das
eindringende Gewässer außer dem Fall, daß andere ausgeworfen wurden,
beschädiget oder gar von dem Bord weggespület worden wären, kann von denen
Anderen kein Beitrag zum Ersatz des Schaden geforderet werden, weilen solcher
nicht zu ihrer Erhaltung geschehen, sondern diese einem bloßen Zufall
beizumessen ist.
[3, 20, § 6] 52. Bei der Auswerfung selbst, wann die
instehende Gefahr noch so viele Zeit zur Auswahl übrig läßt, solle allemal mit
Waaren von mehrerer Schwere und minderen Werth der Anfang gemacht, ansonst
aber, wo die obschwebende äußerste Noth keine Zeit gestattet, können auch noch
so kostbare Waaren, die zum nächsten an der Hand sind, ohne Unterschied des
mehreren oder minderen Werths über Bord geworfen werden, wann nur deren
Auswerfung zu Erleichterung des Schiffs etwas beiträgt.
[3, 20, § 6] 53. Eben also, da in einem solchen Nothfall zu Abwendung
der gemeinsamen Gefahr oder mit Willen deren in Schiff Befindlichen zu
Errettung des Schiffs und Guts der Mast abgehauen oder das Schiff sonst
beschädiget würde, ist der Schaden nicht weniger als das ausgeworfene Gut von
Allen zu ersetzen.
[3, 20, § 6] 54. Wann nun der Seewurf mit allen vorbemelten
Umständen begleitet ist, gehet der Schaden deren geworfenen Gütern über Schiff
und Gut, welches in dem Schiff erhalten wird, dergestalten, daß solcher sowohl
von dem Schiff als denen darauf befindlichen Waaren nach eines Jeden hieran
habenden Antheil sogleich bei Anländung in dem Hafen, wohin die Fahrt gerichtet
ware, oder wo die Güter abgeladen werden, ersetzet werden muß; doch haben auch
die Eigenthümer deren geworfenen Waaren den auf ihren Antheil ausfallenden
Verlust zu büßen.
[3, 20, § 6] 55. Der gemeinsame Beitrag zu diesem Ersatz
wird insgemein die Haverey oder das Havereyrecht benamset, und hat also zu
geschehen, daß nichts von allem deme, was vor dem Seewurf auf dem Schiff
befindlich ware, außer denen anhabenden Kleidungen, Proviant und deme, was nach
wohlhergebrachten Gewohnheiten sonst davon ausgenommen wird, von diesem Beitrag
freigelassen, sondern sowohl der Werth des Schiffes, als aller geworfener und
erhaltener Güter geschätzet werden solle.
[3, 20, § 6] 56. Es ist auch kein Unterschied dabei zu
beobachten, ob die Waaren das Schiff viel oder wenig beschweren, also daß nicht
allein das bei sich habende baare Geld, Edelgesteine und andere Kostbarkeiten,
sie mögen vor dem Seewurf angesaget worden sein oder nicht, sondern auch des
Schiffers eigene Fracht und der bedungene Schifferlohn in Anschlag gebracht
werden müsse; jene Kostbarkeiten hingegen, welche unter einer anderen Gattung
von Waaren, die ausgeworfen worden, gepacket waren, kommen nicht in Anschlag,
wann sie nicht vor dem Seewurf angesaget worden.
[3, 20, § 6] 57. In der Schätzung selbst aber sind andere
Maßregeln in Betrachtung des Schiffes und andere bei denen geworfenen und
erhaltenen Waaren zu Richtschnur zu nehmen. Den Werth des Schiffes hat der
Schiffer selbst anzusetzen, und haben die Uebrigen, welche zu dem Beitrag
verbunden sind, die Auswahl, ob sie das Schiff in dem angeschlagenen Werth
annehmen und für sich behalten, oder dem Schiffer überlassen wollen.
[3, 20, § 6] 58. Dahingegen sind sowohl die geworfene, als
die durch den Seewurf erhaltene Waaren (unter deren ersteren auch die zur Zeit
des Seewurfs von dem eingedrungenen Wasser weggespülte Waren [!] zu verstehen
seind) allemal nach dem Werth, was sie bei deren Absetzung an dem Ort ihrer
Bestimmung gelten oder gegolten haben mögen, zu schätzen.
[3, 20, § 6] 59. Es wäre dann, daß die zwar erhaltene außer
der Ereignuß eines Seewurfs sonst auf dem Schiff beschädiget worden sein
würden, in welchem Fall
(3-344) sie nach ihrer dermaligen Beschaffenheit und nicht,
was sie außer der Beschädigung gegolten hätten, angeschlagen werden sollen.
[3, 20, § 6] 60. Wo aber die Beschädigung durch den Seewurf
verursachet worden wäre, ist es mit denenselben eben also, wie mit denen
geworfenen Waaren zu halten, und der hieran erleidende Schaden in Anschlag zu
bringen, wo er sich höher, als der von dem Gut zu leisten habende Beitrag
beliefe, widrigens aber, und da der Schaden weniger beträgt, nach Abzug des
Schadens der Beitrag davon zu leisten.
[3, 20, § 6] 61. Nach der also veranlaßten Schätzung ist
einerseits der Werth des Schiffs sammt dem Schifferlohn, des Schiffers eigener
Fracht, und aller sowohl geworfener als erhaltener Waaren in eine Summe
zusammenzuziehen, doch also, daß die Unkosten, als Mauth, Zoll und der von
einem jeden Theilhaber für seinen Antheil besonders bedungene Schifferlohn
bevor davon abgeschlagen werde; auf der anderen Seiten aber ist der durch den
Seewurf erlittene Schaden gleichfalls in eine Summe zusammenzurechnen, dann
eines jeden Antheil an Schiff und Waaren, und zwar von allen ohne Unterschied
besonders anzusetzen, und der Betrag des Schadens nach denen Regeln der
Gesellschaft unter sie insgesammt einzutheilen.
[3, 20, § 6] 62. Als zum Beispiel Schiff, Lohn, Fracht und
Waaren würden nach Abzug deren Kosten, und zwar letztere nach dem Anschlag des
Preises in dem Ort der Absetzung zusammen betragen 12.000 fl. Der Schaden aber
an ausgeworfenen Gütern gleichfalls nach diesem Anschlag 4000 fl. An der
ersteren Summe hätte der Schiffer für Schiff und Lohn einen Antheil von 6000 fl., und vier Kaufleute, der Erste mit 3000 fl., der Andere
mit 1500. fl., der Dritte mit 1000 fl., und der Vierte mit 500 fl. So wäre dann
beizutragen, von des Schiffers 6000 fl. – 2000 fl.,
von des ersten Kaufmanns 3000 fl. – 1000 fl., von des
zweiten 1500 fl. – 500 fl., des dritten 1000 fl. – 333
1/3 fl., von des vierten 500 fl. – 166 2/3 fl. Summe
des ganzen Anschlags 12.000 fl., des Beitrags 4000 fl.
[3, 20, § 6] 63. Wobei aber Diejenige, deren Waaren ausgeworfen
worden, den auf ihren Antheil ausfallenden Verlust selbst mitzutragen haben,
also, daß da in dem gegebenen Beispiel ihr Antheil an dem Gut 4000 fl. oder ein
Drittel von der ganzen Summe betraget, sie dahero auch an dem Schaden ein
Drittel einbüßen, und ihnen von denen geretteten Waaren nur zwei Dritteln des
Schadens ersetzet werden, folglich sie von dem auf 4000 f. angeschlagenenen
Schaden ein Drittel mit 1333 1/3 fl. zu verlieren und nur zwei Dritteln mit
2666 2/3 von denen Uebrigen zu empfangen hätten.
[3, 20, § 6] 64. Zur Leistung dieses Beitrags gebühret
Denenjenigen, welche ihre Güter durch den Seewurf verloren haben, die
Rechtsforderung wider den Schiffer, und die Andere, deren Güter andurch
erhalten worden, welche sie sogleich, als das Schiff in dem Hafen, dahin es
seine Fahrt gerichtet, angekommen, anzustrengen, und bis daß sie deshalben
nicht vergnüget worden, sowohl auf das Schiff, als die Waaren einen
gerichtlichen Beschlag auszuwirken berechtiget sind, wobei auf das schleunigste
zu verfahren ist.
[3, 20, § 6] 65. Es stehet aber so denen Schiffsfreunden,
wie denen Eigenthümern deren Waaren frei, wann sie sich solche noch in der Zeit
versicheren lassen, Dasjenige, was sie des Seewurfs halber beigetragen, von dem
Versicherer anwiederum zuruckzuforderen.
[3, 20, § 6] 66. Was von dem Seewurf bishero geordnet
worden, hat auch in allen anderen Fällen statt, wo wegen gemeinsamer Rettung
ein Schaden geschieht, welcher billig von Allen zu tragen ist, wann nur die
Noth zufällig und die Rettung ohnfehlbar andurch erfolget; also, da ein Schiff
wegen allzuschwerer Befrachtung in den Hafen nicht einlaufen könnte, und dahero
Waaren in Booten ausgeladen würden, welche darmit zu Grund giengen, oder um das
Schiff von Seeraubern loszukaufen ein Lösgeld bezahlet würde, haben zu dem
Ersatz Alle beizutragen.
(3-345) [3, 20, § 6] 67. Ein Gleiches verstehet sich von dem
Fall, da von einer Stadt zu Abwendung der feindlichen Plünderung eine
Brandschatzung abgeführet werden müßte, worzu alle Inwohner beizusteueren
schuldig sind; dahingegen, wo der Schaden deren Einen zu der erfolgten
Erhaltung deren Anderen nichts beigetragen, als da die in Booten ausgeladene
Waaren erhalten, das Schiff aber untergangen wäre, oder nur Einer allein seine
Güter von dem Seerauber ausgelöset, oder eine Stadt oder Gegend für andere
Orte, welche der Feind noch nicht in seiner Gewalt gehabt, eine Brandschatzung
erleget hätte, kann von denen Anderen kein Ersatz des Verlusts geforderet
werden.
[3, 20, § 6] 68. Eben so wenig kann bei Feuersbrünsten Jener,
dessen Haus, um der Flamme Einhalt zu thun, niedergerissen worden, von denen
Nachbarn einen Beitrag ansuchen, weilen ihre Häuser nicht so der nächsten
Gefahr der Einäscherung, wie alle auf einem Schiff befindliche Güter der
nächsten Gefahr des Schiffsbruchs ausgesetzet sind; wohl aber mag er sich an
Jenem, durch wessen Verwahrlosung das Feuer ausgekommen, seines Schadens halber
erholen.
(3-346) Caput XXI.
Von Verbrechen.
Inhalt:
Erster Artikel.
Von Verbrechen insgemein.
§. I. Von Verschiedenheit deren Verbrechen. §. II. Von Art
und Weis wie ein Verbrechen begangen werde. §. III. Von denen wahren Verbrechen
und denen für Verbrechen geachteten Handlungen. §. IV. Von Fähigkeit deren
Verbrechenden. §. V. Von der aus Verbrechen erwachsenden Verbindlichkeit. §.
VI. Von der aus Verbrechen eines Dritten entstehenden Verbindlichkeit. §. VII.
Von Verbindlichkeit deren Erben aus Verbrechen ihres Erblassers. §. VIII. Von
Zusammentreffung des peinlichen Verfahrens mit der bürgerlichen
Rechtsforderung. §. IX. Von Erlöschung der Verbindlichkeit aus Verbrechen.
§. I.
[3, 21, § 1] Num. 1. Die verbindliche Handlungen sind nach
dem in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. VIII, num. 87 bemerkten
Unterschied in erlaubte und unerlaubte eingetheilet und bishero die viererlei
Gattungen deren erlaubten Handlungen erkläret worden; auf diese folgen nun die
unerlaubte, welche außer
(3-347) einem Vertrag Jemanden aus eigener Schuld oder
Gefährde verbinden, und dahero Verbrechen sind, wovon in diesem und in
folgenden Capitel gehandlet werden wird.
[3, 21, § 1] 2. Die fünfte Gattung verbindlicher Handlungen
sind demnach die Verbrechen, wodurch nichts Anderes verstanden wird, als eine
unerlaubte Handlung, welche freiwillig wider die Gesetze und Ehrbarkeit
begangen wird.
[3, 21, § 1] 3. Hieraus folget, daß zur Wesenheit eines
Verbrechens folgende zwei Erfordernussen zusammentreffen müssen, als erstens,
eine unzulässige That entweder in Ausübung dessen, was verboten ist, oder in
Unterlassung dessen, was Jemand zu thun schuldig ist, wodurch aber auf so eine,
als andere Art dem Anderen geschadet, oder worauf von denen Gesetzen eine
Strafe ausgesetzet wird.
[3, 21, § 1] 4. Dann, obschon eine That an sich denen
Gesetzen oder der Ehrbarkeit widerstrebete, doch hierdurch weder Jemanden geschadet,
noch hierauf von denen Gesetzen eine Strafe ausgemessen wäre, bleibet zwar
solche allemal eine ungeziemende Handlung, welche das eigene Gewissen
beschweret, ist aber dem Aeußerlichen nach noch kein Verbrechen, welches eine
Verfänglichkeit zur Strafe oder Genugthuung wirkete.
[3, 21, § 1] 5. Inwieweit aber der bloße Willen und Vorsatz
eine Missethat zu begehen, und in welcherlei Fällen für ein Verbrechen zu
halten, und mit was für einer Strafe zu belegen seie, wird in Unserer
peinlichen Gerichtsordnung mit Mehreren erkläret.
[3, 21, § 1] 6. Zweitens wird erforderert, daß die That
freiwillig entweder aus bösen Vorsatz oder doch mit guten Wissen und Willen,
oder aber aus Schuld durch Unvorsichtigkeit, Unkundigkeit oder Nachlässigkeit
geschehen, dann wo ein Schaden zufälliger Weise ohne Schuld des Anderen
verursachet würde, da ist auch kein Verbrechen.
[3, 21, § 1] 7. Die Verbrechen werden entweder als mittel-
oder unmittelbar zu Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit gereichende,
folgsam gleich für sich selbst, oder doch in der Folge gemeinschädliche
Handlungen betrachtet und in diesem Verstand eigentlich Missethaten und Laster
genennet, woraus die Verbindlichkeit zur öffentlichen Genugthuung und der
andurch verwirkten Strafe entstehet.
[3, 21, § 1] 8. Oder sie werden nur als Jemanden
insonderheit schadende Handlungen angesehen, und in diesem Verstand wirken
dieselben die Verbindlichkeit zur Entschädigung und Genugthuung dessen, welcher
andurch beleidiget worden.
[3, 21, § 1] 9. Dieser Unterschied aber bestehet nicht so
viel in der Sache selbst, als in dem verschiedenen Begriff, den man sich von
einem Verbrechen nach Verschiedenheit dieses zweifachen Gegenstands, welcher
andurch beleidiget worden, der Verfahrungsart und des Endzwecks, welcher dabei
abgesehen ist, machen kann.
[3, 21, § 1] 10. Dann durch Missethaten wird der öffentliche
Wohl- und Ruhestand mittel- oder unmittelbar gestöret, folglich hierbei
peinlich zu dem Ende verfahren, damit dem andurch beleidigten gemeinen Wesen
die öffentliche Genugthuung durch Verhängung der verwirkten Strafe verschaffet
werde.
[3, 21, § 1] 11. Insoweit aber andurch Jemanden insonderheit
geschadet worden, hat das Verbrechen beinebst auch die ihme andurch zugefügte
Verkürzung oder sonstige Beleidigung zum Gegenstand, wobei mit der ordentlichen
Rechtsforderung zur Entschädigung und Genugthuung des Beleidigten zu verfahren
ist.
[3, 21, § 1] 12. Es kann dahero einerlei Verbrechen in
diesem zweifachen Verstand betrachtet werden, wann nebst der gebührenden
Entschädigung des Beleidigten nach Schwere des Verbrechens von denen Gesetzen
zugleich auch eine öffentliche Genugthuung erheischet
wird, als z. B. in Raub oder Diebstahl.
[3, 21, § 1] 13. Dagegen giebt es auch andere Verbrechen,
welche nur in dem einen Verstand genommen werden können, als Eine, welche nur
Missethaten sind, und zur öffentlichen Genugthuung verbinden, hieraus aber
keine Verbindlichkeit zu
(3-348) Jemandens Entschädigung erwachset, weilen Niemand
insonderheit andurch beschädiget worden, als z. B. das Laster der beleidigten,
göttlichen und weltlichen Majestät.
[3, 21, § 1] 14. Die Anderen, wodurch zwar Jemand
insonderheit beleidiget wird, das Verbrechen aber so gering ist, daß die
Gesetze es bei Erstattung des Schadens oder Genugthuung des Beleidigten bewenden
lassen, ohne eine Strafe zu verhängen, als da sind Ehrenhändeln und überhaupt
die nicht aus bösen Willen, sondern aus bloßer Schuld an Jemands Gut zufügende
Beschädigungen.
[3, 21, § 1] 15. Die für Missethaten gebührende öffentliche
Genugthuung bestehet in denen daraus ausgesetzten
öffentlichen Strafen, welche sammt der peinlichen Verfahrungsart in Unserer
peinlichen Gerichtsordnung ausgemessen sind. In gegenwärtigen Capitel aber wird
nur die aus Verbrechen erwachsende persönliche Verbindlichkeit zur Entschädigung
und Genugthuung des Beleidigten und zu Abtrag der ihme zukommenden Strafe
abgehandlet.
[3, 21, § 1] 16. Gleichwie aber durch Verbrechen Jemanden
entweder an seiner Person oder an seinem Recht, Hab und Gut, oder an seiner
Ehre und guten Leumund geschadet wird, also werden auch dieselbe hier nach dem
Unterschied dieses dreifachen Vorwurfs beschrieben, und sonach gegenwärtiges
Capitel in vier Artikeln abgetheilet, deren ersterer von Verbrechen insgemein,
jeder deren drei folgenden aber von einer dieser dreierlei Gattungen
insonderheit handlet.
§. II.
[3, 21, § 2] 17. Ein Verbrechen wird von Jemanden nicht nur
allein damals verübet, wann er unmittelbar selbst die That begehet, sondern
auch, wann derselbe aus was immer für Art und Weis entweder durch sein Geheiß
oder Befehl oder durch Hilfleistung oder durch Anrathung, oder endlich durch
seine Einwilligung und Zulassung, wo es zu verhinderen in seiner Macht
gestanden wäre, dabei mitwirket.
[3, 21, § 2] 18. Also, da Jemand dem Anderen befiehlt einem
Dritten einen Schaden zuzufügen, wird dieser nicht weniger, als der
Befehlshaber daraus verbindlich, obschon er nicht die Beschädigung selbst, doch
aber etwas Unerlaubtes zu thun befohlen hätte, welches die unmittelbare und
nächste Ursach des Schadens gewesen.
[3, 21, § 2] 19. Und in diesem Fall, wo eine unerlaubte That
befohlen worden, bleibet auch der Befehlsgeber für Jenes verfänglich, worinnen
der Befehlshaber den Befehl überschritten hat, wann die befohlene That auf die
daraus entstandene Folgen gerichtet ware, als da Jemand dem Anderen befohlen
hätte, einen Dritten nur leicht zu verwunden oder aus Rachbegierde zu zeichnen,
welcher aber von dem Befehlshaber entleibet worden, oder von der empfangenen
Wunden verstorben wäre, wird der Befehlsgeber dessen ohnerachtet des
Todtschlags schuldig, wann er gleich sich ausdrücklich gegen dem Befehlshaber
verwahret hätte, für die Ueberschreitung des Befehls nicht haften zu wollen.
[3, 21, § 2] 20. Wo aber der gegebene Befehl vor
vollbrachter That widerrufen, und dieses noch in der Zeit dem Befehlshaber kund
gemacht worden, oder die befohlene That auf den erfolgten Ausgang nicht
gerichtet, oder endlich dieselbe nach Maß des Auftrags an sich erlaubt gewesen
wäre, wird der Befehlsgeber für den Ausgang nicht verfänglich.
[3, 21, § 2] 21. Als, da der Befehl dahin gelautet hätte,
Jemanden mit einem geringen Stock oder sonstigen zum Todtschlag nicht
geschickten Zeug zu schlagen oder ihme eine Maulschelle zu geben, und dieser
würde von dem Befehlshaber entleibet oder schwer verwundet, so hat der
Befehlsgeber für den Erfolg nicht zu haften, weilen der Auftrag nicht darauf
gerichtet ware.
[3, 21, § 2] 22. Desgleichen, wo Jemand dem Anderen die
Vertheidigung wider den unbefugten Angriff oder Antastung eines Dritten
befohlen hätte, wobei der Befehlshaber die Maß der unbeschuldeten Nothwehr
überschritte, kann dem Befehlsgeber
(3-349) keine Schuld beigemessen werden, weilen der Auftrag
an sich erlaubt ware, wann nicht etwan schon die vorgeschriebene Weis der
Vertheidigung sich über die Maß der unbeschuldeten Nothwehr erstrecket hat.
[3, 21, § 2] 23. Nicht nur aber der vor der That
vorhergegangene Befehl, sondern auch die nachgefolgte Gutheißung und
Genehmhaltung kann Jemanden des verübten Verbrechens theilhaftig machen, und
ihme die daraus erwachsende Verbindlichkeit zuziehen, wann er entweder die
That, als ob sie von ihme selbst oder doch mit seinem Willen und auf sein
Geheiß begangen worden wäre, ausdrücklich auf sich nimmt oder doch wissentlich
aus dem Verbrechen einen Nutzen ziehet.
[3, 21, § 2] 24. Eben also wird Jener eines Verbrechens
schuldig, der zu dessen Ausübung mit guten Wissen, vorsätzlicher Weise eine
werkthätige Hilfe leistet, diese geschehe vor-, in- oder nach begangener That,
als vor derselben, da z. B. der Eine falsche Schlüsseln oder sogenannte
Dietriche dem Anderen zum Diebstahl hergäbe, um die Thüren und Kästen darmit zu
öffnen, oder die Leiter zum Einsteigen anlegete, oder die Gelegenheit zu
Unterredungen und Berathschlagungen in Absicht auf das zu begehen vorhabende
Verbrechen wissentlich verschaffete.
[3, 21, § 2] 25. In wirklicher That selbst, da zum Beispiel
der Eine auf der Wache stünde, damit die Anderen ungestört und mit destoweniger
Scheu die That vollbringen können, oder dem Angegriffenen die Gelegenheit zu seiner
Rettung abgeschnitten und verhinderet hätte, oder sonst bei Ausübung der That,
obschon er selbst nicht Hand mit angeleget hätte, doch zu dem Ende gegenwärtig
gewesen wäre, damit solche leichter verübet und durch sein Beisein der
Angegriffene verzagter und forchtsamer, die Angreifenden hingegen um so kühner
und verwegener gemacht wurden.
[3, 21, § 2] 26. Nach der That, da z. B. Mörder, Rauber,
Diebe und dergleichen böse Leute von Jemanden verborgen, oder ihnen sonst
Unterschleif gegeben, oder die gestohlene und geraubte Sachen ihnen wissentlich
abgekaufet, verhehlet, vertuschet oder zum Verkauf ausgetragen, oder
denenselben Gelegenheit zur Flucht verschaffet würde, es seie durch Reichung
deren Kleidern, Zeigung des Wegs oder auch durch geflissentliche Unterlassung
ihrer Anhaltung oder Entdeckung, da es zu thun in seiner Macht gestanden wäre.
[3, 21, § 2] 27. Auch durch boshafte Anrathung eines
Verbrechens macht sich Jemand nicht weniger, als der Thäter selbst, dessen
verfänglich, sie geschehe gleich durch bloßes Zureden und Aneiferen oder durch
wirkliche Ueberredung, Anstiftung und Unterrichtung, wie, auf was für Art und
bei welcher Gelegenheit das Verbrechen zu vollbringen seie, wann nur die
angerathene That erfolget, obschon dabei die Maß des Raths oder Unterrichts
überschritten worden wäre.
[3, 21, § 2] 28. Obschon aber noch vor vollbrachter That das
Angerathene nachhero widerrathen, solches aber jegleichwohlen vollzogen würde,
bleibet nichtsdestoweniger der Rathgeber noch allemal mit verfangen, wann er
nicht zugleich Denjenigen, auf dessen Beschädigung oder Beleidigung der Rath
abgezielet, um sich dafür in acht zu nehmen, in der Zeit gewarnet hat.
[3, 21, § 2] 29. Endlich wird Jemand ein Mitschuldiger des
Verbrechens, wann er, da es in seiner Macht gestanden, dessen Ausübung zu
verhinderen, hierein williget und solches zu vollziehen gestattet; die
alleinige Wissenschaft des zu begehen vorhabenden Verbrechens hingegen macht
Niemanden zum Ersatz des andurch zugefügten Schadens und einer dem Beleidigten
zu leisten habenden Genugthuung verbindlich, wann sonst seinerseits auf
keinerlei Weise dabei mitgewirket worden.
[3, 21, § 2] 30. Wie aber Befehlsgeber, Mitgehilfen,
Verhehlere, Rathgebere, Beförderer und in was für Fällen auch Jene, so von der
verübten Missethat gute Wissenschaft gehabt und hiervon die Anzeige oder
Warnung in der Zeit zu machen unterlassen haben, zur öffentlichen Genugthuung
zu bestrafen seind, wird in der peinlichen Gerichtsordnung ausgemessen.
(3-350) §. III.
[3, 21, § 3] 31. Da auch Jemanden eine fremde Schuld,
wodurch ein Verbrechen begangen wird, beigemessen werden kann, wann er hierzu
Anlaß oder Gelegenheit gegeben hat, als werden die Verbrechen in wahre und die
nur für Verbrechen geachtete Handlungen eingetheilet.
[3, 21, § 3] 32. Wahre Verbrechen sind, welche aus eigener
Schuld oder Gefährde verübet werden, und in Absicht auf den Unterschied der
verwirkten Strafe anwiederum zweierlei sind, als die Einen, welche aus Bosheit
und Arglist mit Vorsatz und Willen begangen werden, und die Anderen, welche nur
aus einer Schuld durch Unvorsichtigkeit, Nachlässigkeit oder sträfliche
Unwissenheit geschehen, obschon beide zum Ersatz des andurch zugefügten
Schadens einerlei Verbindlichkeit wirken.
[3, 21, § 3] 33. Jene Handlungen hingegen werden nur für
Verbrechen geachtet, wobei in der That selbst keine eigene wahre Schuld
unterwaltet, doch aber die That Jemanden insoweit beigemessen werden kann, daß
seinerseits in deme eine Schuld unterlaufe, aus dessen Anlaß und Gelegenheit
der Schaden erfolget ist; von denen wahren Verbrechen wird in gegenwärtigen,
von denen für Verbrechen geachteten Handlungen aber in nachfolgenden
zweiundzwanzigsten Capitel gehandelt werden.
§. IV.
[3, 21, § 4] 34. Eines Verbrechens ist nur Jener fähig, der
den Gebrauch seines Verstandes hat, wann gleich die Macht sich durch Verträge
oder Contracten zu verbinden von denen Gesetzen eingeschränket ist.
[3, 21, § 4] 35. Jene dahero, welchen der Gebrauch ihrer
Vernunft und Willens entweder schon von Natur oder durch Zufall gebricht, können
weder Verbrechen begehen, noch weniger hieraus verbunden werden.
[3, 21, § 4] 36. Als da sind Kinder, Blödsinnige,
Wahnwitzige, Mondsüchtige, Schlafgänger und dergleichen, wann sie in wirklichen
Wahnwitz, Blödsinnigkeit oder Schlaf Jemanden einen Schaden zufügen; sondern
dafür haben Diejenigen zu haften, denen ihre Obsorge, Wartung und Verwahrung
oblieget, daferne ihrerseits eine Schuld unterlaufet, daß es an Anwendung der
gehörigen Absicht und Sorgfalt ermanglet habe.
[3, 21, § 4] 37. Dahingegen werden derlei Personen von der
Verbindlichkeit aus denen bei noch gesunder Vernunft verübten Verbrechen zur
Entschädigung und Genugthuung des Beleidigten durch den nachher erfolgenden
Wahnwitz nicht befreiet, obschon dieselben währenden Wahnwitzes zur öffentlichen
Genugthuung nicht bestrafet werden können; dann die Entledigung von der Strafe
wirket nicht allemal die Entbindung von der Schuld.
[3, 21, § 4] 38. Nicht weniger sind sie auch für die in dem
Schlaf oder Wahnwitz verursachende Schäden in jenem Fall verbindlich, wann sie
bei vernünftigen Zwischenstunden genugsame Einsehungskraft haben, daß sie in
derlei ihnen zustoßenden Zufällen Anderen zu schaden pflegen, und
nichtsdestoweniger zu dessen Verhütung die erforderliche Vorsicht anzukehren
unterlassen.
[3, 21, § 4] 39. Um so mehr sind jene zum Ersatz des
Schadens und Genugthuung des Beleidigten verbunden, welche aus eigener Schuld
durch übermäßige Trunkenheit ihren Verstand betauben und in der Trunkenheit
Anderen Schaden zufügen; wie aber die in der Trunkenheit begangene Verbrechen
zu bestrafen sind, wird in der peinlichen Gerichtsordnung erkläret.
[3, 21, § 4] 40. Unmündige, wann sie die Kindheit schon
überstiegen und einigen Gebrauch der Vernunft haben, daß sie das Böse von dem
Guten zu unterscheiden wissen, wie auch Minderjährige und gerichtlich erklärte
Verschwendere, obschon dieselben sich aus Contracten zu verbinden nicht fähig
sind, werden gleichwohlen aus Verbrechen sowohl zur Entschädigung, als zur
Strafe verbindlich; inwieweit aber
(3-351) die letztere wegen unmündigen Alters zu milderen
seie, messet die peinliche Gerichtsordnung aus.
§. V.
[3, 21, § 5] 41. Gleichwie ein Verbrechen in der obbemelten
verschiedenen Absicht entweder als eine Missethat oder als eine Jemanden
insonderheit schädliche Handlung betrachtet werden kann; also erwachset auch
hieraus eine zweifache Verbindlichkeit, als die eine zur öffentlichen und die
andere zur sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten.
[3, 21, § 5] 42. Die öffentliche Genugthuung bestehet in
Verhängung deren auf die Missethaten von denen Gesetzen ausgemessenen oder der
Willkür des Richters überlassenen Strafen, deren nach Schwere des Verbrechens
verschiedene Gattungen sind, als Todesstrafen, Leibesstrafen, Geld- und andere
Strafen, die nicht an Haut und Haar gehen, wie solche in der peinlichen
Gerichtsordnung auf jedes Verbrechen ausgesetzet sind.
[3, 21, § 5] 43. Die sonderheitliche Genugthuung des
Beleidigten enthaltet nicht allein die Entschädigung
oder den Ersatz des verursachten Schadens, sondern auch die dem beleidigten
Theil zukommende Strafe, und zwar nach Unterschied deren Verbrechen entweder
beide zusammen oder auch nur eine allein.
[3, 21, § 5] 44. Also ist zuweilen sowohl der Schaden zu
ersetzen, als noch darüber dem Beleidigten eine Strafe zu erlegen, wann das
Verbrechen so beschaffen ist, daß keine öffentliche Strafe darwider verhänget,
sondern die Geldbuße dem Beleidigten von denen Gesetzen zugeeignet wird;
dahingegen kommt es bei allen nur aus leichter Schuld verursachten
Beschädigungen einzig und allein auf Erstattung des Schadens an, ohne
Entgeltung einer Strafe.
[3, 21, § 5] 45. So wie in Widerspiel bei Verbrechen,
wodurch kein Schaden zugefüget wird, als z. B. in Frevel es allein an Erlegung
der in solchen Fällen dem
(3-352) Beleidigten zuerkannten Strafe genug ist, wie alles
dieses in denen nachfolgenden Artikeln, welche von jeder Gattung deren
Verbrechen insonderheit handlen, mit Mehreren erkläret wird.
[3, 21, § 5] 46. Durch Schäden wird hier alle Beschädigung
verstanden, die Jemanden aus Unbild des Anderen zugefüget worden, worunter alle
Verringerung des Vermögens oder die Verderbung und Schmälerung einer Sache
begriffen wird, welche aber von einer Beleidigung in deme unterschieden ist,
daß eigentlich diese die Person, jene aber das Gut betreffen.
[3, 21, § 5] 47. Daß jedoch eine Beschädigung aus Unbild
geschehe, muß der Schaden entweder aus Gefährde und Arglist oder wenigstens aus
großer oder leichter Schuld erfolget sein; dahingegen aus leichtester Schuld
nur damals ein Verbrechen entspringet, wann die Natur der Sache, warum es zu
thun ist, oder die Beschaffenheit der Handlung die ausbündigste Achtsamkeit,
Vorsicht und Sorgfalt erforderet.
[3, 21, § 5] 48. Um so weniger aber
kann ein rechtmäßiger Weise als in Handlung seines Amts oder in eigener
Vertheidigung, wann dabei die rechte Maß der Befugnuß oder der Nothwehr nicht
überschritten wird, oder ein durch Zufall Jemanden verursachter Schaden zum
Verbrechen gerechnet werden.
[3, 21, § 5] 49. Es wird aber, wann von Verbrechen die Rede
ist, allemal nur derjenige Schaden angedeutet, der außer einem Vertrag oder
Contract geschehen; dann wo derselbe aus Contracten entstehet, gebühret dem
beschädigten Theil die Rechtsforderung aus dem Contract und nicht aus einem
Verbrechen, noch ist auch der Beschädigende anderer Gestalt verfänglich, als
für denjenigen Grad der Schuld, worzu derselbe entweder nach der Natur der
Handlung oder nach Inhalt des Bedings verbunden ist.
[3, 21, § 5] 50. Also, da Jemand, zu dessen getreuen Handen
eine Sache hinterleget worden, solche aus leichter Schuld verderben oder zu
Grunde gehen ließe, kann ihme hierinnen kein Verbrechen angeschuldet werden,
weilen er nach der Natur der Handlung nur für die große Schuld zu haften hat.
[3, 21, § 5] 51. Die Verfänglichkeit aus Verbrechen erstrecket
sich nicht über die Personen Derenjenigen, die verbrochen haben, obschon die
Schuldigkeit zum Ersatz des Schadens auch auf ihre Erben gehet.
Da aber Mehrere zusammen eines Verbrechens schuldig wären, ist in Absicht auf
Leistung der gebührenden Genugthuung der Ersatz des Schadens von der Strafe zu
unterscheiden.
[3, 21, § 5] 52. Zum Ersatz des Schadens, wann das
Verbrechen aus boshafter Arglist und Gefährde verübet worden, sind Alle sammt
und sonders und mit ungeschiedener Hand verbunden, also daß dem Beschädigten
freistehet, welchen von ihnen derselbe um den ganzen Betrag belangen wolle;
doch was Einer hierauf bezahlet, kann von denen Uebrigen nicht mehr geforderet,
sondern nur der Abgang erholet werden.
[3, 21, § 5] 53. Wo aber das Verbrechen nicht aus Arglist,
sondern blos auch Schuld Mehrerer herrührete, so ist der Betrag der
Entschädigung unter Alle gleich zu theilen, also daß ein Jeder nur für seinen
Antheil zu haften habe, wann nicht dieselbe sich durch ein Beding mit
ungeschiedener Hand verbunden haben.
[3, 21, § 5] 54. Zur Strafe hingegen ist Jeder insonderheit
verbunden; dann so viel Verbrechere sind, so viele sind es auch Verbrechen. Und
dieses Alles hat nach dem obigen Unterschied auch in dem Fall statt, wo ein
ganzes Mittel oder Gemeinde in dieser Form und Gestalt sich eines Verbrechens
schuldig macht, wovon alle Mitglieder, welche hierein gewilliget und solches
gutgeheißen haben, für Mitschuldige zu halten sind.
§. VI.
[3, 21, § 6] 55. Aus dem vorangeführten Grundsatz, daß die
Verbindlichkeit aus Verbrechen über die Personen deren Verbrecheren nicht
hinausgehe, fließet der andere, daß Niemand aus eines Anderen Verbrechen
verbindlich werden könne; es seie
(3-353) dann, daß er dabei selbst mitgewirket und sich auf
eine von denen oben im §. II beschriebenen Arten dessen theilhaftig gemacht
habe.
[3, 21, § 6] 56. Außer diesem Fall ist Niemand auch für die
Verbrechen deren unter seiner Gewalt stehenden Personen verantwortlich; also
hat weder ein Herr für seine Knechte, Dienstboten und Unterthanen, weder der
Mann für das Weib, noch der Vater für seine Kinder zu haften.
[3, 21, § 6] 57. Es unterwalte dann einer von denen in
ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. IV.,
num. 37, ausgenommenen Fällen, wobei dessen eigene Schuld entweder in wissentlicher
Gestattung, Auftragung oder Gutheißung ihrer bösen und schädlichen Handlungen
oder in wissentlicher Haltung böser und Anderen zu schaden gewohnter Leuten mit
unterliese, welche denselben allerdings zu Leistung der gebührenden Genugthuung
verbindet.
[3, 21, § 6] 58. Ansonsten, wo kein solcher Umstand
hinzugetreten, woraus sich seinerseits eine Schuld ergäbe, obgleich die seiner
Gewalt Untergebene in der ihnen aufgetragenen an sich unschädlichen Verrichtung
durch Ueberschreitung des Befehls oder anderweite Mißhandlung verbrochen
hätten, ist derselbe dafür in nichts verfänglich.
[3, 21, § 6] 59. Doch ist der beschädigte Theil befugt,
wegen des ihme von fremden Dienstboten, Unterthanen und Kindern zugefügten
Schadens sowohl sich an dem etwan noch in Handen des Herrn befindlichen
rückständigen Lohn oder dem unter der Verwaltung des Vaters stehenden eigenen
Vermögen deren Kindern zu erholen, als auch deren Anhaltung anzubegehren.
[3, 21, § 6] 60. Würde aber der Herr oder Vater auf das ihm
gestellte Ansuchen, sie anzuhalten und zu Gerichts Handen auszulieferen,
verweigeren, oder die That gutheißen, oder ihnen, da er von dem begangenen
Verbrechen gewußt, zur Flucht oder Verhehlung beförderlich oder behilflich
sein, so ladet er andurch die Verbindlichkeit zur Entschädigung aus dem
Verbrechen auf sich.
§. VII.
[3, 21, § 7] 61. Die aus Verbrechen dem Beleidigten zu
leisten schuldige Genugthuung wird durch dessen Absterben nicht aufgehoben,
sondern solche kann nach Maßgebung dessen, was deshalben in ersten Capitel, von
Verbindungen insgemein, §. V, num. 42, geordnet worden, auch von seinen Erben
anbegehret werden, woferne es nicht blose persönliche Beschimpfungen und
Ehrenhändeln betrifft, die, wann sie nicht noch bei Lebzeiten des Beschimpften
angeklaget werden, mit seinem Tode erlöschen.
[3, 21, § 7] 62. Dahingegen bleiben die Erben des
Verbrechens nur allein zum Ersatz des Schadens, insoweit die Kräften der
Erbschaft zureichen, verbunden, es möge aus dem Verbrechen denenselben etwas
zugekommen sein oder nicht; zur Strafe aber können sie nicht verhalten werden,
wann gleich solche nur in einer blosen dem Beleidigten gebührenden Geldbuße
bestünde, außer ihr Erblasser wäre noch bei seinen Lebzeiten dieses Verbrechens
halber gerichtlich belanget worden, oder auch das Verbrechen von solcher
Beschaffenheit, daß schon durch die That selbst Hab und Gut des Verbrechers
ganz oder zum Theil verwirket worden wäre.
§. VIII.
[3, 21, § 8] 63. Nachdeme das peinliche und bürgerliche
Verfahren wider einen Verbrecher auf einen ganz unterschiedenen Endzweck
gerichtet sind, maßen jenes die öffentliche, dieses aber die sonderheitliche
Genugthuung des Beleidigten zu Absicht hat, als wird auch Eines durch das
Andere nicht ausgeschlossen, sondern es kann insgemein wider einen Verbrecher auf
beiderlei Art zugleich verfahren werden,
(3-354) wann das Verbrechen also beschaffen ist, daß es
zugleich für eine Missethat angesehen werden möge.
[3, 21, § 8] 64. Würde aber zuerst peinlich verfahren und
der Beschuldigte des Verbrechens überwiesen und verurtheilt, wirket solches den
vollkommenen Beweis in dem bürgerlichen Verfahren, also daß Kläger von aller
weiteren Beweisführung des begangenen Verbrechens halber andurch enthoben
werde, und lediglich den anforderenden Betrag der Entschädigung, wann solcher
nicht schon bei dem peinlichen Verfahren erhoben worden, darzuthun habe.
[3, 21, § 8] 65. In Gegentheil macht das wegen eines
Verbrechens vorhergegangene bürgerliche Verfahren, wann gleich der Beklagte
durch richterlichen Spruch verurtheilet und dieser in Rechtskräften erwachsen
sein würde, keinen vollständigen Beweis in dem nachherigen peinlichen
Verfahren, sondern nur eine erhebliche Inzicht zur Untersuchung, und gestalter
Dingen nach auch zur peinlichen Frage; dann bei dem peinlichen Verfahren wird eine
weit mehrere Klarheit, Verläßlichkeit und Ueberzeugung als nicht bei dem
bürgerlichen erforderet.
[3, 21, § 8] 66. Hieraus folget, daß Jener, der in dem
peinlichen Verfahren von dem angeschuldeten Verbrechen losgesprochen wird, aus
eben diesem Verbrechen mit der bürgerlichen Rechtsforderung nicht mehr belanget
werden könne.
[3, 21, § 8] 67. In Widerspiel aber kann durch das
bürgerliche Verfahren, obschon der Beklagte von der Klage losgezählet würde,
dem peinlichen kein Eintrag geschehen, wann anderweite hinreichende Inzichten
vorhanden sind.
[3, 21, § 8] 68. Doch in dem alleinigen Fall deren
Ehrenhändeln, wo die hieraus entstehende Rechtsforderung schon auf Rächung der
Unbild abzielet, so wie in jenen geringen Verbrechen, worinnen es die Gesetze
bei der sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten ohne Verhängung einer
öffentlichen Strafe bewenden lassen, kann nicht zugleich bürgerlich und
peinlich verfahren werden, sondern Kläger hat sich mit der bürgerlichen
Rechtsforderung zu begnügen.
§. IX.
[3, 21, § 9] 69. Die Verbindlichkeit aus Verbrechen zur
Entschädigung des Beleidigten erlöschet nicht anderst,
als auf diejenige Art und Weis, wodurch die Verbindungen aus Verträgen und
Contracten aufgehoben werden, wie solche unten in vierundzwanzigsten Capitel beschrieben
wird.
[3, 21, § 9] 70. Die Verbindlichkeit hingegen zu der dem
Beleidigten zukommenden Strafe wird in folgenden Fällen vernichtet, als
erstens, durch Absterben des Verbrechers, wann er nicht noch bei seinen
Lebzeiten deshalben gerichtlich belanget worden; zweitens, durch Vergleich,
Erlassung oder sonstige Verzicht des Beleidigten; drittens, durch Verlauf eines
Jahres von dem Tag des verübten Verbrechens, er wäre dann durch erweisliche,
rechtmäßige Ehehaften an Einbringung der Klage unter diesem Jahreslauf
verhinderet worden. Ob und wann aber durch Verjährung das peinliche Verfahren
ausgeschlossen werde, hierinnen giebt die peinliche Gerichtsordnung Ziel und
Maß.
(3-355) Zweiter Artikel.
Von denen an Jemands Person ausübenden Verbrechen.
§. X. Von denen verschiedenen Gattungen deren an Jemands
Person ausübenden Verbrechen §. XI. Von der Verbindlichkeit aus Todtschlägen
und Verwundungen. §. XII. Von der aus Menschenraub, gewaltsamer oder
arglistiger Entführung, widerrechtlicher Aufhaltung und eigenmächtiger
Gefängnuß entstehenden Verbindlichkeit. §. XIII. Von der Verbindlichkeit aus
Ehebruch und Nothzucht.
§. X.
[3, 21, § 10] 71. Deren wider Jemands Person begehenden
Verbrechen sind dreierlei Gattungen; dann entweder wird andurch an Leib und
Leben geschadet, oder die natürliche Freiheit beschränket,
oder die häusliche Ehre beleidiget.
[3, 21, § 10] 72. Von der ersteren Gattung sind Todtschläge
und Verwundungen; von der zweiten Menschenraub, Entführung, widerrechtliche
Anhaltung und eigenmächtige Gefängnuß; von der dritten, Ehebruch und Nothzucht,
welche alle nebst der Verfänglichkeit zur öffentlichen Strafe auch die
Verbindlichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten wirken, die
nach Gestalt eines jeden Verbrechens in den nachfolgenden §§. bestimmet wird.
§. XI.
[3, 21, § 11] 73. Ein Mörder und Todtschläger, die
Entleibung möge vorsätzlich und hinterlistig oder mit Wissen und Willen, oder
auch nur aus sträflicher Unachtsamkeit
(3-356) geschehen sein, ist über die wider ihn verhängte
öffentliche Strafe zur sonderheitlichen Genugthuung schuldig, nicht allein die
für den Stand und Würde des Entleibten geziemende Begräbnuß-Unkosten zu tragen,
sondern auch dessen nachgelassenen Weib und Kindern, wann diese Letztere noch
in seinem Brod gewesen, ihren standesgemäßen Unterhalt, welchen der Entleibte
sonst herzugeben pflegen oder worzu er verbunden ware, in derjenigen Maß, wie
solche durch richterliches Ermessen bestimmet werden wird, abzureichen.
[3, 21, § 11] 74. Zu welchem Ende so vieles aus dem Vermögen
des Todtschlägers hergenommen werden solle, als der Richter nach
Verschiedenheit des Standes hierzu genug zu sein befinden wird. Dieser Betrag
nun ist in dem Fall eines mit Vorsatz oder doch mit Wissen und Willen
begangenen Todtschlags dem Weib und Kindern zu gleichen Theilen eigenthümlich
zuzuwenden.
[3, 21, § 11] 75. Wo aber der Todtschlag nur aus sträflicher
Unachtsamkeit herrührete, gebühret von diesem Betrag bloß die Nutznießung dem
Weib für die Zeit ihres Wittibstands und denen Kindern bis zu ihrer erreichten
Großjährigkeit zu gleichen Theilen; das Eigenthum hingegen bleibet dem
Todtschläger.
[3, 21, § 11] 76. Von dieser Verbindlichkeit wird derselbe
auch nicht entlediget, obschon der Entleibte nicht gleich, sondern erst in
einiger kurzen oder längeren Zeit darnach verstorben, wann nur durch
rechtsbewährte Zeugnussen erfahrener Aerzten erprobet werden mag, daß der Tod
aus der beigebrachten Verwundung ohnerachtet einer längeren Zwischenzeit, als
sonst in der peinlichen Gerichtsordnung ausgesetzet ist, jegleichwohlen
nothwendig erfolget seie, in welchem Fall der Verwundende noch über all Obiges
die obschon vergeblich angewendete Heilungsunkosten zu erstatten hat.
[3, 21, § 11] 77. Nebstdeme solle ein Todtschläger aller
derenjenigen Wohlthaten, die ihme von dem Entleibten durch Schankung oder
Erbschaft zugeflossen oder zufließen können, unwürdig und verlustig sein, und
alles dieses denen Erben des Entleibten mit Ausschließung des Todtschlägers
zukommen.
[3, 21, § 11] 78. Da aber ein Todtschläger rechtsflüchtig
wäre, und sich auf die an ihn ergangene Ladung in der anberaumten Zeit zu
Gericht nicht gestellen würde, solle jegleichwohlen aus seinem Vermögen die
oben ausgemessene Schadloshaltung hergenommen werden; wie hingegen wider einen
solchen weiter zu verfahren sein, wird in der peinlichen Gerichtsordnung
vorgeschrieben.
[3, 21, § 11] 79. Wäre jedoch der Entleibte keine freie
Person, sondern ein Unterthan gewesen, so solle auch noch besonders die
Herrschaft wegen dieses ihr entfallenen Unterthans nach einer jeden
Landesverfassung, oder wo diese nichts Gewisses ausmäße, mit so viel als nach
richterlichen Befund die ihr andurch entgangenen Dienste geschätzet werden
mögen, aus dem Vermögen des Todtschlägers entschädiget werden.
[3, 21, § 11] 80. Desgleichen erwachset aus vorsätzlicher,
muthwilliger oder durch sträfliche Unachtsamkeit sich ereignender Verwundung
die Verbindlichkeit sowohl zu Ersetzung deren erweislich aufgewendeten
Heilungsunkosten, als auch zu Erstattung des nach richterlichen Ermessen zu bestimmen
kommenden Gewinns oder Verdienstes, dessen der Verwundete andurch beraubet
worden oder in Zukunft deswegen verlustig sein müsse.
§. XII.
[3, 21, § 12] 81. Diejenigen, welche boshafter Weise
Menschen wider ihren Willen mit Gewalt oder Arglist wegen eines Gewinns,
Nutzens oder sonstiger bösen Absicht entführen, sind über die verwirkte
öffentliche Strafe dem Entführten Alles, was er unter der Zeit, als derselbe
seiner Freiheit beraubet ware, sich hätte erweislich erwerben oder verdienen
können, nebst der durch richterliche Ausmessung zu bestimmen habenden Schätzung
der erlittenen Unbild zu ersetzen schuldig, und können außerdeme auch Jenes,
was sie dem Entführten, um ihn zur Einwilligung in seine Entführung zu bewegen,
gegeben, nicht mehr zurückforderen.
[3, 21, § 12] 82. Wo aber die Entführung mit Willen des
Entführten geschieht, hat zwar die sonderheitliche Genugthuung nicht statt,
doch bleiben Diejenigen, welche Unsere Unterthanen zu eigenmächtiger Austretung
aus Unseren Staaten verleiten, überreden, anreizen oder gar zu fremden Diensten
anwerben oder ihnen sonst hierzu Vorschub geben und beförderlich sein, der
Strafe unterworfen, die in Unserer peinlichen Gerichtsordnung wider derlei
Verführer verhänget wird.
[3, 21, § 12] 83. In Entführung wohlverhaltener
Weibspersonen, sie seien Jungfrauen, Eheweiber oder Witwen, wider Willen des
Vaters, Vormunds, Manns oder unter wessen Gewalt und Obsicht dieselben stehen,
wann die Entführung ohne ihrer Einwilligung mit Gewalt oder boshafter List
geschieht, wird sowohl der Entführer als Jener, der zu diesem Raub auf was
immer für Weise behilflich ist, außer der darauf ausgemessenen öffentlichen
Strafe des dritten Theils seines Vermögens verlustig, welcher der Beraubten
zugesprochen werden solle, sie möge von ihme geschändet worden sein oder nicht;
woferne aber die Einwilligung der Entführten in ihre Entführung erweislich
wäre, höret auch die sonderheitliche Genugthuung wegen der Entführung auf.
[3, 21, § 12] 84. Der eine freie Person wider ihren Willen
widerrechtlich aufhält oder gar ohne hierzu habender Befugnuß bei sich
eigenmächtig in Gefangnuß einschließet, ist derselben alle erweisliche
Versaumnuß sammt billigmäßiger Schätzung der zugefügten Unbild zu ersetzen
schuldig. Wegen Aufhaltung fremder Unterthanen aber lassen Wir es bei deme
bewenden, was deshalben nach einer jeden Landesverfassung hergebracht ist.
§. XIII.
[3, 21, § 13] 85. In Ehebruch verlieret nicht nur allein der
schuldige Theil zur sonderheitlichen Genugthuung des Unschuldigen Alles, was
ihme aus dem Heiratsbrief gebühret hätte, sondern er ist auch das hierauf
Empfangene zurückzustellen schuldig, und wird deren Heiratssprüchen (!) halber
Alles in denjenigen Stand versetzet, als ob durch den Tod des schuldigen Theils
die Ehe aufgelöset worden wäre.
[3, 21, § 13] 86. Es kann dahero derselbe weder aus der
Verlassenschaft des Unschuldigen den ihme in Ermanglung eines Heiratsbriefs
sonst gebührenden ehegattlichen Antheil anforderen, noch ist auch der
unschuldige Theil verbunden, ihme einen Unterhalt abzureichen; es könnte dann
der schuldige Theil erweisen, daß ihme entweder ausdrücklich oder
stillschweigend durch die nachherige eheliche Beiwohnung sein Vergehen
anwiederum erlassen worden.
[3, 21, § 13] 87. Nicht weniger wird diejenige Person, die
sich mit einem fremden Ehegatten vergangen, aller Wohlthaten verlustig, die ihr
von dem unschuldigen Theil durch Schankung oder Erbschaft zukommen oder
zukommen können.
[3, 21, § 13] 88. Denen Kindern aber schadet der Ehebruch
der Mutter an der Rechtmäßigkeit ihrer ehelichen Geburt nicht, wann nur durch
längere Abwesenheit des Ehemanns die Vermuthung der ehelichen Erzeugung nicht
ausgeschlossen werden mag; dann in diesem Fall ist das Kind für unehelich zu
halten und Derjenige, der mit einem fremden Eheweib den Ehebruch begangen,
woraus das Kind erzeuget worden, solches zu ernähren und zu unterhalten
schuldig.
[3, 21, § 13] 89. In Nothzucht wird Jener, der eine ehrliche
Jungfrau, Eheweib oder Witwe mit Gewalt schändet, des dritten Theils seines
Vermögens verlustig, welches der Geschändeten zu ihrer Genugthuung zugewendet
werden solle.
[3, 21, § 13] 90. Der aber eine ledige Weibsperson mit ihren
Willen schwächet, ist schuldig, entweder sie zu ehelichen oder ein nach dem
Stand des Vaters und nach dem Betrag, was dieser seiner Tochter sonst
mitgegeben haben würde, oder, da er arm und unbemittelt wäre, nach dem Stand
der Geschwächten durch richterlichen Befund abgemessenes Heiratsgut
abzureichen.
(3-358) [3, 21, § 13] 91. Er hat dahero insgemein die
Auswahl, ob er das Eine oder das Andere erfüllen wolle, und gehöret
der Punkt der Ehe zu dem geistlichen, die Ausmessung des Heiratsguts aber zum
weltlichen Gericht. Wo er jedoch die Ausstattung der von ihme Geschwächten
gewählet hätte, haben auch ihre Erben das Recht, solche zu forderen, obschon
dieselbe noch vor einer sich ergebenden Heirat (!) verstorben wäre.
[3, 21, § 13] 92. Die Auswahl der Ausstattung hingegen höret
auf, wann er entweder kein Vermögen besitzet oder ihr die Ehe versprochen und
die also in Hoffnung künftiger Ehe geschwächet hätte, in welchen Fällen er mit
ihr die Heirat zu vollziehen verbunden, und da er sich dessen weigerete, die
Erkanntnuß hierüber lediglich zu dem geistlichen Gericht gehörig ist.
[3, 21, § 13] 93. In Gegentheil hat die Auswahl der
Eheligung nicht statt, wo die Geschwächte schon vorhero mit einem Anderen
versprochen gewesen wäre, der sie ohnerachtet ihrer Schwächung jegleichwohlen
eheligen wollte, oder ihr Vater die Heirat mit deme, der sie geschwächet hat,
aus solchen beträchtlichen Ursachen, welche sonst zur Auflösung eines ehelichen
Versprechens denen Rechten nach zureichend wären, nicht zugeben wollte, wo dann
der Schwächende lediglich zur Ausstattung verbunden bleibet.
[3, 21, § 13] 94. Würde sich aber die Geschwächte ohne
erheblich findender Ursach weigeren, ihn zu eheligen, oder zu der Unzucht
selbst Gelegenheit gegeben, oder dafür etwas angenommen, oder ihme die
Genugthuung erlassen haben, wird er auch von aller Verbindlichkeit gegen
dieselbe entlediget.
[3, 21, § 13] 95. Doch ist derselbe noch in alle Wege
schuldig, sowohl die Kindbettsunkosten, als die Ernährung und Unterhaltung des
Kinds, wie auch, da dieses verstürbe, die Begräbnußunkosten zu bestreiten, und
da er auf die Unterhaltung oder Versorgung des Kinds eine Summe überhaupt gegeben
oder zu geben versprochen hätte, fallt solche nach Absterben des Kinds der
Mutter allein zu.
[3, 21, § 13] 96. Und diese Verbindlichkeit zu Unterhaltung
des Kinds lieget auch in allen anderen fleischlichen Verbrechen, als
Blutschand, gotteslästerlichen Schändungen und der gemeinen Hurerei, worinnen
der Geschwächten keine Genugthuung gebühret, dem erweislichen Vater ob.
Dritter Artikel.
Von denen zum Abbruch fremder Rechten und Gütern
gereichenden Verbrechen.
§. XIV. Von denen verschiedenen Gattungen deren Jemanden an
seinen Rechten, Hab und Gut schadenden Verbrechen. §. XV. Von arglistiger
Entfremdung. §. XVI. Von unrechtmäßiger Gewalt. §. XVII. Von Zufügung allerlei
Schadens. §. XVIII. Von der zu Abwendung eines befahrenden Schadens gebührenden
Rechtshilfe. §. XIX. Von Betrug und Arglist. §. XX. Von allerlei zu
Benachtheiligung fremder Gerechtsamen gereichenden Handlungen.
§. XIV.
[3, 21, § 14] 97. Die Jemanden an seinen Rechten, Hab und
Gut schadenden Verbrechen bestehen aus fünf Gattungen, als erstens, in
arglistiger Entfremdung, worunter
(3-359) Diebstähle, Entwendung des ehegattlichen Vermögens,
Beraubung der Erbschaft, Verhehlung gestohlener Sachen, Eingriffe,
Unterschlagung und Veruntreuung öffentlicher, gemeiner oder sonst auch fremder
anvertrauten Gelder begriffen sind.
[3, 21, § 14] 98. Zweitens in unrechtmäßiger Gewalt, wohin
der Raub, Beraubung deren Gräbern, gewaltsame Antastung und Ueberfall,
eigenmächtige Thathandlung und Anmaßung fremder Gerechtsamen, ungebührliche
Abschreckung und widerrechtliche Abnöthigung gehören.
[3, 21, § 14] 99. Drittens, in Zufügung allerlei Schadens,
wodurch alle entweder durch sich selbst oder durch Andere auf was immer für Art
aus Gefährde oder Schuld an fremden Gut verursachende Beschädigung angedeutet
wird.
[3, 21, § 14] 100. Viertens, in Betrug und Arglist, worunter
alle Arten von Betrügereien, Falschheiten, Gefährden und Arglistigkeiten
enthalten sind, die auf Jemands Benachtheiligung und Verkürzung abzielen.
[3, 21, § 14] 101. Fünftens, in allerlei zu Bekränkung
fremder Gerechtsamen gereichenden Handlungen, als Bestechung des Richters,
Umtriebe und Verläumdungen, Einverständnuß eines Rechtsfreunds mit dem
Gegentheil, Verhehlung deren Missethätern, verweigerte oder verzögerte
Rechtspflege, Verführung fremder Kinder, Dienstboten und anderer Jemands Gewalt
oder Obsorge untergebenen Personen.
§. XV.
[3, 21, § 15] 102. In Diebstählen muß das entfremdete Gut
dem Eigenthümer oder Jenem, der sonst hierzu eine Befugnuß hat und sich behörig
ausweiset, wann es
(3-360) noch vorhanden ist, oder da es schon verthan, oder
auch durch Zufall zu Grund gegangen wäre, dessen Werth, wie solchen derselbe
eidlich erhärtet, nebst völligem Ersatz des etwan noch sonst durch den
Diebstahl zugefügten Schadens, dann allen Zugehörungen mit denen davon noch
vorhandenen, behobenen und zu beheben unterlassenen Nutzungen, oder da es auf
Erstattung des beschworenen Werths oder entwendeten baaren Gelds ankäme, mit
denen von dem Tag der Entfremdung an laufenden Interessen zuruckgestellet
werden, wann der Dieb so vieles in Vermögen hat.
[3, 21, § 15] 103. Es bedarf auch der Beschädigte keiner
besonderen Rechtsforderung, sondern wo der begangene Diebstahl erweislich ist,
und derselbe sich zu dem gestohlenen Gut der Erfordernuß nach ausweisen kann,
ist der Richter von amtswegen schuldig, ihme zu seiner vollständigen
Entschädigung zu verhelfen, und das bei dem Dieb oder einem wissentlichen
Verhehler vorgefundene gestohlene Gut sogleich ohne allem Entgelt auszufolgen.
[3, 21, § 15] 104. Wie es aber in jenem Fall zu halten seie,
wo Derjenige, bei deme ein gestohlenes Gut betreten wird, solches rechtmäßig an
sich gebracht zu haben darzuthun vermag, ist bereits in zweiten Theil erkläret
worden.
[3, 21, § 15] 105. Zwischen Eheleuten, Eltern und Kindern
und denen nächsten Blutsfreunden bis auf den vierten Grad wird eigentlich kein
Diebstahl begangen, sondern wo unter solchen Personen Einer dem Anderen etwas
entfremdete, heißet es bloß eine Entwendung, und gleichwie solche nach Unserer
peinlichen Gerichtsordnung nicht mit der auf die Diebstähle ausgesetzten
ordentlichen, sondern nur mit einer willkürlichen Strafe beleget wird, also
können auch dergleichen Personen sich untereinander zur sonderheitlichen
Genugthuung keines Diebstahls halber anklagen, sondern
(3-361) lediglich die Zurückstellung des Entwendeten oder
dessen Ersatz nach dem erweislichen Werth anverlangen.
[3, 21, § 15] 106. Desgleichen kann ein Miterb, welcher aus
der noch ungetheilten Verlassenschaft Etwas entwendet, keines Diebstahls halber
belanget werden, sondern dieser ist schuldig, das Herausgenommene anwiederum
einzubringen, oder sich an seinem Antheil abziehen zu lassen, und da der Werth
des Entwendeten solchen überstiege, das Uebrige herauszugeben. Wo aber ein
Dritter aus einer noch unangetretenen Erbschaft etwas entfremdete, wird das
Verbrechen eigentlich eine Beraubung der Erbschaft genannt, und es ist ein
Solcher wie ein anderer Dieb anzusehen.
[3, 21, § 15] 107. In Verhehlung gestohlener Sachen ladet
der wissentliche Verhehler die Verfänglichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung
wie der Dieb selbst, doch mit dem Unterschied auf sich, daß, wo er zugleich ein
Mitgehilf des verübten Diebstahls gewesen, ebenso wie der Dieb für Alles, was
durch diesen Diebstahl entfremdet worden, ohne Rücksicht, ob er viel oder wenig
davon bekommen, zu haften, daferne er aber von dem Diebstahl ohne selbsteigener
Mitwirkung nur allein Wissenschaft gehabt hätte, lediglich Jenes, was hiervon
zu seinen Handen gekommen, zu erstatten oder zu ersetzen habe.
[3, 21, § 15] 108. Doch solle Niemanden erlaubet sein,
eigenmächtige Haussuchungen in fremden Wohnungen zu Erforschung seines
gestohlenen Guts, wann ihme solches der Hausinhaber oder Inwohner nicht
gutwillig gestattet, vorzunehmen; sondern wann Jemand sattsame Anzeigen oder
Inzichten, daß das gestohlene Gut irgendwo verhehlet seie, zu haben vermeinet,
hat er solche bei Gericht anzugeben, welchem allein zukommt, nach deren reifer
Erwägung und bei Befund, daß man sich der Missethat zu der beschuldigten Person
versehen könne, auf Gefahr des Angebers derlei Haussuchungen zu veranlassen.
[3, 21, § 15] 109. Die Entwendung öffentlicher Gelder, wann
sie von Jemanden entfremdet werden, deme sie nicht anvertrauet worden, ist wie
ein anderer Diebstahl zu achten. Wo aber solche von Jenen, denen sie auf
Verrechnung oder pachtweise übergeben und anvertrauet worden, entwendet,
unterschlagen, vorenthalten, zu eigenen oder anderen Gebrauch verwendet oder
sonsten, wie es immer geschehen möge, veruntreuet würden, schlaget eine solche
Missethat in das Laster der Untreue und gestalter Dingen nach, wann der untreue
Beamte hierzu eigends beeidet gewesen wäre, auch in den Meineid ein; doch ist
so ein- als anderen Falls der Ersatz des Entwendeten nebst denen von dem Tag
der Entwendung oder Unterschlagung davon vertagten Zinsen zu leisten.
[3, 21, § 15] 110. Es sollen aber unter öffentlichen oder
Gemeingeldern nicht allein Unsere eigene landesfürstliche Gefälle, Renten und
Einkünften, sondern auch Regiments-, ständische, kreisamtliche und unterthänige
Steuergelder, wie nicht weniger jene deren Städten und Märkten, auch anderer
Gemeinden, dann deren Gotteshäusern, Bruderschaften, Spitälern, Invaliden-,
Armen- und Waisenhäusern oder anderen dergleichen milden Stiftungen verstanden
sein.
[3, 21, § 15] 111. Nicht weniger sind Jene, deren Obsorge
fremdes Geld und Gut anvertrauet ist, als Befehlshabere, Vormundere oder
Gerhaben und Curatores, wie auch Diejenigen, bei denen etwas hinterleget oder
zum Gebrauch ausgeliehen oder verpfändet worden, nicht minder Boten, Fuhrleute
und Andere, denen was zu verführen oder zu übertragen aufgegeben worden, das
von ihnen Veruntreute oder Unterschlagene und zu eigenen oder anderen Nutzen
Verwendete mit allen davon vertagten Zinsen zu ersetzen schuldig.
§. XVI.
[3, 21, § 16] 112. Die zweite Gattung, deren Jemand an
seinen Rechten, Hab und Gut schadenden Verbrechen sind Jene, welche von
unrechtmäßiger Gewalt herrühren.
(3-362) Die Gewalt ist in diesem Verstand nichts Anderes,
als ein stärkerer Anfall, deme nicht widerstanden werden kann.
[3, 21, § 16] 113. Daß aber dieselbe für ein Verbrechen
geachtet werden könne, muß sie unrechtmäßig sein, das ist entweder von
Jemanden, der über den Anderen gar keine Gewalt hat, zugefüget, oder doch, wann
er eine hat, mißbrauchet werden. Also kann Jener, welcher durch den Zwang
Rechtens zu Bezahlung der Schuld angehalten worden, sich über keine Gewalt
beschweren; dahingegen, wo ein Richter seine Gewalt um Jemanden, was er nicht
schuldig ist, abzunöthigen, widerrechtlich mißbrauchete, ist eine solche
Thathandlung allerdings eine unrechtmäßige Gewalt.
[3, 21, § 16] 114. Rechtmäßig im Gegentheil ist die Gewalt,
welche wider einen unbefugten Anfall zu Abwendung eines zufügen wollenden
Schadens oder Beleidigung gebrauchet wird, wann man dabei die gehörige Maß der
unbeschuldeten Nothwehr nicht überschreitet; dann Jedermann ist berechtiget zu
Vertheidigung seiner Person und Guts Gewalt mit Gewalt abzutreiben. Wider die
obrigkeitliche und richterliche Gewalt aber ist keine Vertheidigung zulässig, sondern
diese wäre eine sträfliche Widersetzung.
[3, 21, § 16] 115. Die unrechtmäßige Gewalt wird in die
öffentliche und sonderheitliche eingetheilet. Jene störet
den gemeinen Ruhestand und die öffentliche Sicherheit; durch diese aber wird
nur Jemanden in Sonderheit geschadet.
[3, 21, § 16] 116. Beide verbinden in Absicht auf die
sonderheitliche Genugthuung zum Ersatz des zugefügten Schadens und
Zuruckstellung des Abgenommenen und kann einerlei Gewalt nach Beschaffenheit
deren Umständen sowohl für öffentlich als sonderheitlich geachtet werden.
Insoweit es aber eine öffentliche Vergewaltigung ist, erheischet die That noch
über das eine öffentliche Genugthuung durch Verhängung der darauf ausgesetzten
Strafe; dahingegen wird die andere, wann kein größeres Verbrechen hinzutritt,
insgemein mit einer dem Beleidigten zukommenden Geldbuße bestrafet.
[3, 21, § 16] 117. Die Arten, womit eine Gewalt verübet wird, sind sechserlei, als entweder durch Beraubung,
Entsetzung, Störung, Antastung, Beunruhigung oder Abnöthigung. Zur ersten Art
der Vergewaltigung gehöret der Raub und ist der Rauber zur sonderheitlichen
Genugthuung schuldig, das geraubte Gut mit allen Zugehörungen und Nutzungen,
oder da solches nicht mehr vorhanden wäre, dessen Werth mit denen Zinsen von
dem Tag des begangenen Raubs zu erstatten.
[3, 21, § 16] 118. Wo aber zur Zeit einer Feuersbrunst,
Wassersnoth, Schiffbruchs, Aufruhrs oder sonstigen gemeinsamen Nothstandes, wo
die Nothleidenden nur auf Rettung ihres Lebens bedacht sind, ein Raub, obgleich
ohne Vergewaltigung, verübet würde, hat es zwar bei der vorausgemessenen
sonderheitlichen Genugthuung sein Bewenden, die Strafe hingegen ist denen
Umständen nach zu verschärfen.
[3, 21, § 16] 119. Von dieser Art ist auch weiters die
Beraubung deren Gräbern, und hat Derjenige, der sich an todten Körpern vergreifet und solche beraubet, über die verwirkte
öffentliche Strafe den oben ausgemessenen vollständigen Ersatz des Geraubten zu
leisten.
[3, 21, § 16] 120. Von der zweiten Art ist die Gewalt,
wodurch Jemand von dem Besitz eines liegenden Guts entsetzet, verdrungen,
verstoßen und vertrieben wird, welcher aber sogleich anwiederum durch
richterliche Hilfe nach schleuniger Erkanntnuß der Vergewaltigung in den
vorigen Besitz eingesetzet und der Vergewaltiger zum Ersatz aller entgangenen
Nutzungen, dann erweislichen Schäden und Unkosten angehalten werden solle, wie
davon in zweiten Theil, von dem Recht des Besitzes das Mehrere geordnet worden.
[3, 21, § 16] 121. Da aber Jemand seine eigene Sachen dem
Anderen, zu dessen Handen sie auf rechtmäßige Weise gekommen, folglich der
nicht selbst der Dieb oder Rauber oder ein Mitgehilf oder ein wissentlicher
Verhehler wäre, mit Gewalt hinwegnähme oder hinwegrisse, verlieret derselbe das
Eigenthum einer solchen Sache und ist sie Demjenigen, welchem er sie mit Gewalt
abgenommen, auszuantworten schuldig.
(3-363) [3, 21, § 16] 122. Desgleichen wird ein Glaubiger,
welcher sich gewaltsamer Weise aus dem Gut seines nicht rechtsflüchtigen
Schuldners bezahlt machen will und sich dasselbe eigenmächtig zueignet, nebst
schuldiger Erstattung des Abgenommenen der Schuld verlustig.
[3, 21, § 16] 123. Eben also solle Jener, der sich in ein
liegendes Gut, dessen Eigenthum oder sonst hieran forderendes dingliches Recht
strittig ist, vor Ausgang des Rechtsstritts eigenmächtig einführet, und mit
Gewalt den Besitz ergreifet, all sein hieran habendes Recht nebst Erstattung
aller behobenen Nutzungen und erweislichen Schäden und Unkosten verlieren.
[3, 21, § 16] 124. Woferne aber Jemand aus seinem
eigenthumlichen Gut, in dessen rechtlichen Besitz sich derselbe befindet, einen
Anderen, der in solches nicht gerichtlich eingeführet worden, mit Gewalt
vertreibet, wird er deshalben des Eigenthums nicht verlustig, obschon er sich
andurch wegen gebrauchter Gewalt nach Gestalt der Sache verfänglich machet.
[3, 21, § 16] 125. Von der dritten Art ist die Störung,
Beeinträchtigung und Anmaßung fremder Gerechtsamen in der Absicht, sich solche
selbst zuzueignen. Diese Art der Vergewaltigung schlagt entweder nach
Beschaffenheit deren Umständen in die öffentliche Gewalt ein, und ist über den
Ersatz des zugefügten Schadens auch mit einer öffentlichen Strafe zu belegen,
oder sie betrifft mindere Fälle, worauf keine öffentliche Strafe ausgesetzet
ist, und welche insgemein Hochmuth oder Frevel benamset werden.
[3, 21, § 16] 126. Derlei mindere Vergewaltigungen sind z.
B. wann Jemand in des Anderen Wäldern Holz schlagen, in fremden Wiesen mähen,
in Flüssen, Bächen oder Behälteren fischen würde, oder da Einer dem Anderen
seine Gründe zu betreten verboten hätte, und derselbe, deme sie verboten wären
(außer freier Wege und Stege) solcher nicht müßig gehen wollte, oder Jemand auf
des Anderen Grund entweder selbst oder durch seine dahin abgeschickte Leute
einen Schaden zufügete, oder Jemand eines Anderen Boten schlüge oder ihme die
Briefschaften abnehmete und solche ohne billiger Ursach aufbrechete und
eröffnete.
[3, 21, § 16] 127. Ueberhaupt aber gehöret unter diese Art
der Vergewaltigung alle unbefugte Anmaßung fremder Gerechtsamen, sie mögen von
was immer für Beschaffenheit sein und in persönlichen oder dinglichen Rechten
bestehen, in welcherlei Fällen der Vergewaltiger schuldig ist, über den Ersatz
des erweislichen Schadens und aller Gerichtsunkosten dem Vergewaltigten
einhundert Gulden zur Strafe zu erlegen, gleichwie auch dagegen Kläger, wo er
die angeschuldete Gewalt nicht erweisen würde, dem Beklagten nebst Erstattung
deren Unkosten in eben so vieles verfallen sein solle, welche Geldbuße jedoch
nach Beschaffenheit deren Umständen und Personen durch richterliche Erkanntnuß
erhöhet werden kann.
[3, 21, § 16] 128. Diese Geldbuße kann jedoch in jenem Fall
nicht eingeforderet werden, wann das Verbrechen durch die hinzutretende
Umstände also erschweret wird, daß es für eine Missethat anzusehen und dahero
mit einer öffentlichen Strafe zu belegen komme, als da Todtschläge, gefährliche
Verwundungen, Befehdungen und Absagungen auf Leib und Leben, Empörungen oder
Beraubungen mit unterliefen, oder die Vergewaltigung schon für sich selbst ein
schärferes Eingehen erheischete, als da fremde Teiche oder Weiher abgegraben,
Dämme durchstochen oder Rainsteine, Grenzbäume und Merkzeichen arglistiger
Weise veränderet, verrucket, abgethan oder vernichtet würden.
[3, 21, § 16] 129. Von der vierten Art ist die gewaltsame
Antastung und Ueberfall, wodurch Jemands Person beleidiget wird, welche,
insoweit dieselbe mit Todtschlägen, Verwundungen, Befehdungen und Absagungen
vergesellschaftet ist, in das Laster der öffentlichen Gewalt einschlaget, und
nicht allein mit öffentlicher Strafe zu belegen ist, sondern auch nach Gestalt
der Beleidigung die Verbindlichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung wirket.
Außer derlei erschwerenden Umständen aber gehöret (3-364) alle andere zufügende
persönliche Unbild unter die Ehrenhändeln, wovon in
dem nachfolgenden vierten Artikel gehandelt werden wird.
[3, 21, § 16] 130. Von der fünften Art ist die Beunruhigung
in dem Besitz eines Guts oder in dem Genuß deren Jemanden angebührenden
Gerechtsamen nicht zwar um sich solche selbst zuzueignen, sondern bloß aus
Muthwillen oder Bosheit, um den Anderen zu behelligen, welche aber, da anmit
der Besitz eines liegenden Guts oder andere dingliche Rechten beeinträchtiget
würden, ebenso wie die obbeschriebene dritte Art der Vergewaltigung anzusehen
ist, insoferne hingegen andurch Jemands Person beleidiget wird, unter die
Ehrenhändeln gehöret.
[3, 21, § 16] 131. Von der sechsten Art ist endlich die
ungebührliche Abschreckung und widerrechtliche Abnöthigung, wodurch Jemand
wider seinen Willen Etwas zu thun gezwungen wird, was er mit freien Willen
niemal gethan haben würde, in welchem Fall Alles, was solcher Gestalten aus
Forcht geschieht, an sich null und nichtig ist und nicht die mindeste
Bindungskraft hat.
[3, 21, § 16] 132. Gleichwie aber die dabei gebrauchende
Gewalt an Seiten des Vergewaltigers unrechtmäßig, also muß auch dagegen die
Forcht an Seiten des Vergewaltigten rechtmäßig sein, worzu Folgendes erforderet
wird, als:
[3, 21, § 16] 133. Erstens, daß ein gegenwärtiges,
ohnfehlbar gleich bevorstehendes Uebel beforchten werde, darob sich auch der
standhafteste Mann entsetzen würde, als der Tod, Entführung, widerrechtliche
Einkerkerung, Nothzucht, Schläge, gewaltsame Mißhandlung und Verlust der Güter.
[3, 21, § 16] 134. Zweitens, daß die Forcht aus
unrechtmäßiger Ursach vom Demjenigen, deme etwas auf solche Art versprochen
oder gegeben worden, entweder durch ihn selbst oder durch Andere auf seine
Veranleitung eingejaget werde; überhaupt aber, da die Menschen nach ihren
verschiedenen Gemüthsarten mehr oder weniger schreckbar sind, lieget dem
Richter ob, nach Beschaffenheit deren Umständen zu beurtheilen, ob die
angebliche Forcht rechtmäßig seie oder nicht.
[3, 21, § 16] 135. Eine eitle Forcht ist dahero nicht
rechtmäßig, wann entweder das Uebel, was beforchten wird, nicht bevorstehet,
oder nur ein bloßer Verdacht und Argwohn eines besorglichen Uebels obhanden
ist, oder doch in der Macht des darmit Bedroheten stehet, sich damit zu
schützen und solches abzuwenden, oder der Bedrohende die Macht nicht hat, das
angedrohete Uebel zuzufügen, oder die Ursach des befahrenden Uebels rechtmäßig
ist, oder endlich Derjenige, mit dem auf Veranlassung der von einem Dritten
eingejagten Forcht die Handlung getroffen worden, an der Abschreckung gar
keinen Theil hat.
[3, 21, § 16] 136. Also sind bloße Drohworte, wann deren
Ausführung nicht mit Grund besorget werden kann, außer da wider die Gewalt des
Drohenden kein Rettungsmittel übrig wäre und dieser seine Drohungen zu
bewerkstelligen pflegete, keine hinlängliche Ursach einer rechtmäßigen Forcht,
weilen das angedrohete Uebel noch nicht bevorgestanden.
[3, 21, § 16] 137. Desgleichen, was aus Beisorge der
Uebermacht eines Anderen oder aus Ehrerbietigkeit gegen die Eltern oder seine
Vorgesetzte geschieht, kann mit keiner rechtmäßigen Forcht entschuldiget
werden, wann nicht die Uebermacht oder die Gewalt deren Eltern und Vorgesetzten
durch allzu hartes Verfahren, unerlaubten Zwang und sonstige Zudringlichkeiten
sich bis zur Ungebühr erstrecket.
[3, 21, § 16] 138. Nicht minder sind Behelligungen,
Nachstellungen, Schimpfungen und Ehrenantastungen keine hinlägliche Ursach,
weilen wider die eine sich durch gerichtliche Hilfe Ruhe und Sicherheit
verschaffet, die Ehre aber Niemanden anderst, als durch die Macht Rechtens
benommen werden kann.
[3, 21, § 16] 139. Eben so wenig kann ein Schuldner, der aus
Forcht deren angedroheten gerichtlichen Zwangsmitteln die Schuld bezahlet, sich
mit einer Forcht entschuldigen, weilen die Ursach rechtmäßig ist, wie dann auch
Jener, der aus Forcht eines feindlichen Ueberfalls seine Waaren um ein Geringes
verstoßet oder zu Bezahlung
(3-365) des von einem Rauber ihme abgenöthigten Lösegelds
solches von einem Dritten ausborget, die Waaren nicht mehr zuruckforderen oder
sich von der Schuld entledigen kann, weilen die Abnehmer oder Darleihere seine
Forcht nicht verursacht haben, folglich auch hieran keine Schuld tragen.
[3, 21, § 16] 140. Die Forcht bleibet aber doch regelmäßig,
wann gleich Demjenigen, der auf unerlaubter That, als in wirklicher Unzucht,
Ehebruch, Entfremdung und dergleichen Mißhandlungen betreten würde, etwas mit
Gewalt abgenöthiget, erpresset oder abgenommen worden wäre, dann obwohlen
Jedermann befugt ist, Lastern zu steueren und die darinnen Betretene
anzuhalten, so wird doch nicht gestattet unter diesem Vorwand unerlaubte
Erpressungen auszuüben.
[3, 21, § 16] 141. Und wird eine derlei Vergewaltigung noch um so strafbarer, wann eine obrigkeitliche Person ihr
aufhabendes Amt darzu mißbrauchet, um etwas von Jemanden widerrechtlich zu
erpressen oder sich an seinem Feind zu rächen.
[3, 21, § 16] 142. Wann nun die Forcht also beschaffen ist,
solle Alles, was aus einem solchen Zwang gehandlet worden, null und nichtig,
folglich nicht allein das aus Forcht abgenöthigte Versprechen, Zusage oder
Verschreibung ganz und gar ungiltig sein und von dem Vergewaltigten widerrufen,
sondern auch das widerrechtlich Abgenöthigte, Erpreßte oder Abgenommene mit
allen Zugehörungen, Zugängen und Nutzungen oder dessen eidlich geschätzter
Werth mit denen von dem Tag der Abnöthigung davon vertagten Zinsen
zuruckgefordert werden können.
[3, 21, § 16] 143. Es muß aber der Vergewaltigte längstens
binnen sechs Wochen von der Zeit an zu rechnen, wo er in Freiheit gesetzet
worden, die Gerichtshilfe ansuchen, seine Klage eingeben, oder da der
Vergewaltiger nicht zu Stand Rechtens zu bringen wäre, binnen dieser Zeit sich
wider alle aus einer solchen abgezwungenen Handlung über kurz oder lang wider
ihn erregen mögende Ansprüche und Forderungen bei Gericht verwahren und so ein-
als anderen Falls die ihme zugefügte Vergewaltigung und daher erleidenden
Schaden behörig erweisen; wo jedoch derselbe unter dieser Zeit verstürbe, wird
denen Erben von dem Tag seines Todes noch ein Jahr hierzu verstattet.
[3, 21, § 16] 144. Nach Verlauf dieser ausgemessenen Fristen
hingegen solle keine Gewaltsklage mehr zugelassen, sondern Alles, was aus Zwang
oder Forcht geschehen zu sein vorgegeben werden will, für freiwillig
gutgeheißen und genehmiget geachtet werden; woferne aber Jemand seine
eigenthümliche Sache dem Anderen, zu dessen Handen sie auf rechtmäßige Weise
gekommen, oder ein Glaubiger seinem Schuldner die Bezahlung der Schuld durch
derlei unerlaubte Zwangsmitteln abschrecken oder abnöthigen würde, solle es in
solchem Fall eben also gehalten werden, wie es oben num. 121 und 122 von
gewaltsamer Abnehmung eigener Sachen geordnet worden.
§. XVII.
[3, 21, § 17] 145. Die dritte Gattung deren zum Abbruch und
Schmälerung fremder Rechten, Hab und Guts gereichenden Verbrechen bestehet in
dem hieran auf was immer für Art und Weis zugefügten Schaden; was aber unter
dem Schaden überhaupt verstanden werde, ist bereits oben im ersten Artikel, von
Verbrechen insgemein, §. V, von num.46 bis 50, erkläret worden.
[3, 21, § 17] 146. In diesem weiten Begriff enthaltet zwar
der Schaden alle Arten der Beschädigung, sie geschehe durch Entfremdung,
Beraubung, Betrug oder Verletzung und Verderbung deren Sachen; hier aber wird
nur von jener gehandlet, wodurch Sachen verletzet, verdorben, verringeret oder
geschmäleret werden, und also eine besondere von denen übrigen Arten der
Beschädigung unterschiedene Gattung des Verbrechens angedeutet wird.
[3, 21, § 17] 147. Daß jedoch eine solche Beschädigung für
ein Verbrechen geachtet werden möge, ist erforderlich erstens, damit an des Anderen Gut wirklich ein Schaden
(3-366) geschehen seie; dann, wo Jemand seine eigene Sachen
beschädiget, ist er in nichts verantwortlich, außer insoweit ein Anderer hieran
ein Recht hätte, welches andurch geschmäleret würde, als da der Eigenthümer
einer Sache, wovon dem Anderen der Fruchtgenuß gebühret, solche zu dessen
Verkürzung, oder ein Fideicommißbesitzer das Gut zum Schaden deren Anwarteren,
oder ein Schuldner die verpfändete Sache zum Nachtheil des Glaubigers verdorben
hätte.
[3, 21, § 17] 148. Zweitens, daß der Schaden aus Unbill des
Beschädigenden und ohne selbst eigener Schuld des Beschädigten zugefüget worden
seie, wodurch sich dieses Verbrechen von denen Schäden, die von fremden Vieh
oder unbelebten Dingen widerfahren, unterscheidet, als welche keiner Unbill
fähig sind, und eben dahero ist eine solche Beschädigung kein wahres
Verbrechen, sondern wird nur für ein Verbrechen geachtet und hiervon in dem
folgenden zweiundzwanzigsten Capitel eigends gehandlet.
[3, 21, § 17] 149. Wo aber die selbsteigene Schuld des
Beschädigten mitunterwaltet, als da der Angreifende von dem angegriffenen Theil
verwundet würde, obschon dieser dabei die Grenzen der unbeschuldeten Nothwehr
überschritten hätte, kann er deshalben an dem Beschädigenden keinen Anspruch
zur sonderheitlichen Genugthuung machen; dann den Schaden, den Jemand aus
eigener Schuld leidet, obgleich solcher durch unerlaubte Thathandlung des
Anderen zugefügt worden, hat er billig selbst zu tragen.
[3, 21, § 17] 150. Eben also ist in jenem Fall, da der Verwundete
aus eigener Schuld und Nachlässigkeit die nöthige Heilungsmitteln anzuwenden
unterlassen und aus eigener Verwahrlosung sich den Tod zugezogen haben würde,
der Verwundende nur für die Verwundung, nicht aber für einen Todtschlag
verfänglich, wann nicht erweislich ist, daß der Tod unfehlbar von der Wunden
erfolgen müssen.
[3, 21, § 17] 151. Unter der Unbill des Beschädigenden wird
sowohl dessen Gefährde und vorsätzlicher Willen zu schaden, als dessen große
und leichte Schuld, nicht aber auch die leichteste verstanden, außer in dem
oben §. V, num. 47, bemerkten Fall, und ist bereits in ersten Capitel, von
Verbindungen insgemein, §. IX, num.101, erinneret worden, daß eine Schuld
sowohl in Ausübung dessen was sich nicht zu thun geziemet, als in Unterlassung
Desjenigen, was Jemanden zu thun oblieget, bestehe.
[3, 21, § 17] 152. Jene Schäden aber, welche rechtmäßiger
Weise oder aus ungefähren Zufall geschehen, sind keine Verbrechen. Welche
rechtmäßig sind, ist schon §. V, num. 48, erwähnet worden; für zufällig
hingegen werden alle Beschädigungen gehalten, wann deme, von welchem sie
zugefüget worden, nichts beigemessen werden kann, als da Jemanden von einem
Kind, Rasenden oder Wahnwitzigen oder von einem wilden Thier geschadet würde,
woferne nicht Diejenigen, denen die Obsorge und Verwahrung darüber obliegt,
hieran Schuld tragen.
[3, 21, § 17] 153. Eben so wenig ist der Beschädigende
verfänglich, wann der Beschädigte sich selbst der Gefahr ausgesetzet und den
Schaden aus eigener Schuld zugezogen, als da Jemand bei einer Schießstatt oder
sonst einen anderen zu Feuergewehrsübungen gewidmeten Platz zur Zeit des
Schießens, oder bei einem Haus oder Baum, wovon etwas herabgeworfen oder
abgehauen würde, ohnerachtet der Warnung und Anschreiens vorüber gienge und
verwundet, erschossen oder erschlagen würde, oder jemand sich und seine Sachen
einem wissentlich betrunkenen Fuhrmann oder Schiffer, da es noch in seiner
Macht gestanden sich einen anderen auszuwählen, anvertrauete und darüber zu
Schaden käme.
[3, 21, § 17] 154. Damit also Jemanden eine Schuld
zugemuthet werden möge, muß der Schaden aus seiner Unvorsichtigkeit,
Nachlässigkeit, sträflicher Einfalt, Unverstand oder Unerfahrenheit entstanden
sein, als z.B. aus Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit, wann Jemand aus einem
Hause auf offene Straßen, ohne die Vorübergehende zu warnen oder anzuschreien,
etwas herabwirft oder ausgießt oder ein schädliches
(3-366) Thier ohne der nöthigen Vorsicht auf der Straßen
führet oder treibet, welches die Leute beschädigen würde, oder in solchen Orten
hielte, wo es Anderen schaden könne, oder Jemand Licht und Feuer verwahrlosete,
wodurch eine Brunft auskäme.
[3, 21, § 17] 155. Aus sträflicher Einfalt und Unverstand in
Sachen, welche Alle wissen sollen, wann Jemand nach einem Vogel auf ein Haus
oder Stadel schießet und andurch das Haus oder Stadel anzündet, oder ein
Lehrmeister durch unmäßige Züchtigung seinem Lehrling schadete, oder Einer dem
Anderen in Scherz einen Schaden zufügete; dann was Jemanden zu Schaden und
Nachtheil gereichet, kann für keinen Scherz gehalten werden.
[3, 21, § 17] 156. Aus Unerfahrenheit oder Unwissenheit,
wann Jener, der sich einer Zunft oder Gewerbs kündig und erfahren zu sein
ausgiebt, solches nicht verstehet und dadurch Anderen schadet, als, da ein Arzt
dem Kranken durch seine Unwissenheit und Unerfahrenheit den Tod zuziehen oder
sonst seiner Gesundheit Nachtheil bringen, oder ein ungeschickter und
unerfahrener Wundarzt wegen seiner Unwissenheit Jemanden an denen Gliedmaßen
verstümmlen oder ein Handwerksmann das in die Arbeit übernommene Werk verderben
würde; dahingegen die Unwissenheit dessen, was Jemand zu wissen nicht schuldig
ist, noch es zu wissen ausgiebt, Niemanden verantwortlich machet.
[3, 21, § 17] 157. Es muß aber der Schaden unmittelbar aus
des Anderen Schuld und nicht etwan aus einer anderen Ursach erfolget sein.
Also, da Jemands ein Gewehr in keiner bösen Absicht frei liegen ließe, welches
der Andere in Zorn angreifete und einen Dritten darmit verwundete oder
entleibete, kann dem Ersteren dieser Erfolg nicht angeschuldet werden; wohl
aber wäre derselbe verfänglich, wann er dem Anderen das Gewehr selbst gereichet
oder gegeben hätte, um den Dritten zu verwunden oder zu entleiben.
[3, 21, § 17] 158. Wann also der Schaden auf vorbeschriebene
Art beschaffen und solcher sowohl, als die Schuld des Beschädigenden erweislich
ist, hat Jener, welcher den Schaden zugefüget, denselben zu ersetzen, und zwar
bei Todtschlägen und Verwundungen nach der in zweiten Artikel, §. XI,
enthaltenen Ausmessung; an anderen Sachen aber in derjenigen Maß, was die
beschädigte Sache in dem nächstergangenen Jahr von dem Tag der Beschädigung an
zu rechnen in dem höchsten Werth gegolten hat, mit allen davon vertagten Zinsen
und Gerichtsunkosten.
[3, 21, § 17] 159. Die Schätzung des Schadens hat allemal
also zu geschehen, daß solcher in peinlichen Fällen nach Ausmessung Unserer
peinlichen Gerichtsordnung behörig erhoben, in anderen Fällen aber, wo allein
mit der bürgerlichen Rechtsforderung verfahren wird, da wo der Schaden mittelst
Einnehmung des Augenscheins geschätzet werden mag, die Beaugenscheinigung und
Schätzung in denen Städten von denen betreffenden Gerichtsstellen, wohin die
Sache gehörig, und auf dem Lande von denen Ortsobrigkeiten, welche die
Gerichtsbarkeit haben, oder von denen Kreisämtern durch zwei entweder schon
vorhin hierzu eigends beeidigte oder doch sonach über den angebenden Befund bei
Gericht besonders zu beeidigen kommende unparteiische erfahrene Leute
vorgenommen, insoweit hingegen der Schaden nicht ersichtlich wäre, der
Beschädigte zur eidlichen Bestärkung seines Angebens jedoch allemal mit
Vorbehalt der richterlichen Mäßigung zugelassen werden solle.
[3, 21, § 17] 160. Es muß jedoch die Einnehmung des
Augenscheins, so lange der Schaden noch ersichtlich ist, angesuchet werden;
dann insoferne solches unterlassen, und die Sache sodann aus eigener Schuld des
Beschädigten eine andere Gestalt annehmen oder in einem solchen Stand versetzet
würde, daß der Schaden durch den Augenschein nicht mehr erhoben werden könnte,
solle der Beschädigte nicht weiter gehöret, noch weniger zur eidlichen
Schätzung zugelassen werden.
[3, 21, § 17] 161. Durch diese sonderheitliche Genugthuung
aber entlediget sich der Beschädigende von der öffentlichen Strafe nicht, wann
der Schaden aus bösen Vorsatz
(3-368) geschieht oder ein solches Verbrechen dabei
unterwaltet, worauf in Unserer peinlichen Gerichtsordnung eine öffentliche
Strafe ausgesetzet ist.
[3, 21, § 17] 162. Und bleibet derselbe in alle Wege
verfänglich, es möge der Schaden von ihme selbst oder durch Andere auf sein
Geheiß und mit seinem Willen zugefüget worden sein. Inwieweit aber Jemand für
die durch seine Untergebene verursachende Schäden verantwortlich werde, wird in
nachfolgenden zweiundzwanzigsten Capitel, §. V, erkläret werden.
§. XVIII.
[3, 21, § 18] 163. Niemand ist jedoch schuldig die wirkliche
Zufügung des ihme androhenden Schadens abzuwarten, wann er solchen abwenden
kann, sondern, gleichwie die selbsteigene Vertheidigung wider den unbefugten
Anfall eines Anderen in der natürlichen Billigkeit gegründet ist, also hat auch
Jedermann die Befugnuß seine Person und Güter wider die Anmaßung eines Anderen
zu schützen.
[3, 21, § 18] 164. Dahero werden zu Abwendung einer mit
Grund befahrenden Beschädigung sowohl gerichtliche, als eigenmächtige Hilfs-
und Verwahrungsmitteln nach dem Unterschied der mehr oder weniger dringenden
Gefahr verstattet, welche letztere aber, wann sie mit Verletzung des Anderen
oder sonstiger Gewaltthätigkeit begleitet sind, nur in äußersten Nothfällen, wo
die Zudringlichkeit der Gefahr die gerichtliche Hilfe anzusuchen nicht
erlaubet, in der hienach bestimmten Maß zugelassen werden.
[3, 21, § 18] 165. Dann, soferne der bevorstehende Schaden
durch Hilfe des Gerichts abgewendet werden kann, sind alle eigenmächtige Thathandlungen
verboten. Die gerichtliche Hilfsmitteln betreffen entweder die Sicherheit der
Person oder deren Gütern, von welchen letzteren, weilen dieselbe vornehmlich
aus dem Recht des Besitzes fließen, allschon in zweiten Theil bei dessen
Abhandlung ausführlichere Erwähnung geschehen.
[3, 21, § 18] 166. Wegen Sicherheit der Person aber hat
Jener, der von dem Anderen eine Beleidigung mit Grund befahrete und dieses zu
erweisen vermögete, Fug und Macht ihn bei Gericht um Leistung einer
hinlänglichen und anständigen Bürgschaft, kraft welcher er sich zu verstricken
schuldig ist, daß er Klägern nicht beleidigen wolle, zu belangen.
[3, 21, § 18] 167. Doch ist hierzu erforderlich, erstens,
daß wahre, ernstliche, aus eine gewisse Beleidigung abzielende und gefährliche
Drohungen von einer solchen Person, zu welcher man sich deren Ausübung halber
vorsehen kann, ausgestoßen worden; dann, wo nur aus Scherz, Trunkenheit,
Uebereilung, Ruhmsucht oder auch nur überhaupt, ohne auf eine gewisse
Beleidigung zu deuten, gedrohet worden wäre, als, ich will mich schon rächen,
ich will Dich wohl finden, kann deshalben keine Verstrickung geforderet werden,
wann nicht sonst aus anderen hinzutretenden Umständen der feste Vorsatz dem
Anderen zu Schaden geschlossen werden mag.
[3, 21, § 18] 168. Zweitens, daß die angegebene Drohung von
dem Kläger behörig erwiesen werde, in welchem Fall der Beklagte bei Gericht
solange arrestirlich angehalten werden solle, bis daß er entweder durch
anständige Bürgen oder Verschreibung und Einlegung eines hinlänglichen
Unterpfands eine nach richterlichen Befund zu bestimmen habende Sicherheit, daß
er sich an dem Kläger nicht vergreifen wolle, verschaffet haben wird.
[3, 21, § 18] 169. Zur eidlichen Angelobung aber ist er nur
sodann zuzulassen, wann er weder mit Bürgen, noch mit einem Unterpfand
aufkommen zu können, erweisen mag, wo beinebst derselbe noch über das nach
Beschaffenheit deren Drohungen, besonders da solche Absagungen und Befehdungen
enthielten, oder gar in Nachstellungen oder gefährliche Thathandlungen
ausgebrochen wären, der andurch verwirkten öffentlichen Strafe unterliegt.
(3-369) [3, 21, § 18] 170. Eigenmächtige Hilfsmitteln,
insoweit sie ohne Gewalt und ohne Verletzung des Anderen vorgekehret werden
können, sind zu allen Zeiten erlaubet, und stehet Jedermann frei, wie er seine
Person und Güter vor Nachstellungen und Anmaßungen böser Leuten ohne Schaden
eines Dritten verwahren und sicherstellen wolle.
[3, 21, § 18] 171. Wo aber solche gewaltthätig wären und zu
Verletzungen des Anderen gereicheten, sind selbe nur in jenem Fall zulässig, wo
die bringende Gefahr die Gerichtshilfe anzusuchen und seine Person und Gut
anderer Gestalt zu retten nicht verstattet; doch muss dabei sowohl alle
mögliche Gleichheit zwischen der Vertheidigung und Beleidigung, als auch die
rechte Maß einer unbeschuldeten Nothwehr in der Vertheidigung selbst mit
Rucksicht auf deren Ursach, Weis und Zeit beobachtet werden.
[3, 21, § 18] 172. Erstere bestehet darinnen, daß durch die
Vertheidigung dem Angreifenden kein größerer Schaden zugefüget werde, als dem
Angegriffenen durch die Beleidigung hätte widerfahren können; also ist nicht
erlaubet einen Dieb oder Rauber todtzuschlagen, wann keine Lebensgefahr
angedrohet worden, weilen der Verlust des Guts ersetzlich, jener des Lebens hingegen
unersetzlich ist, folglich hierunter keine Gleichheit fürwaltet; dagegen ist
von bewaffneten Raubern und Nachtdieben eine Lebensgefahr billig zu besorgen.
[3, 21, § 18] 173. Letztere wird in Unserer peinlichen
Gerichtsordnung bestimmet, deren Ueberschreitung zwar die öffentliche Strafe
nach sich ziehet, nicht aber auch zur sonderheitlichen Genugthuung verbindet;
sondern der Angreifende hat den an seinem Leib oder Gut erleidenden Schaden
seinem verübten Unfug selbst beizumessen.
§. XIX.
[3, 21, § 19] 174. Die vierte Gattung deren Jemanden an
seinen Rechten, Hab und Gut verkürzenden Verbrechen sind Betrug, Falschheit,
Gefährde und Arglist, wovon überhaupt bereits in ersten Capitel, von
Verbindungen insgemein, §. IX, von num. 98 bis 100, gehandlet worden.
[3, 21, § 19] 175. Dahin gehören der Meineid oder falsches
Schwören, falsche Zeugnussen, Verfälschung deren Testamenten und anderer
schriftlicher Urkunden, Gebrauch falscher und unrichtiger Maß und Gewichts,
Verfälschung der Münze und alle übrigen Arten von Falschheiten, wie solche in
Unserer peinlichen Gerichtsordnung beschrieben werden.
[3, 21, § 19] 176. Unter die Betrügereien wird gezählet, die
Einforderung einer wissentlich schon bezahlten Schuld, die Veräußerung einer in
wirklichen Rechtsstritt hangenden Sache zum Umtrieb des Gegentheils, wovon in
zweiten Capitel, zweiten Artikel, von Verträgen, §. XII, num. 158. und 159,
dann die arglistige Verlaugnung und Abneinung eines bei Jemanden zu getreuen
Handen hinterlegten Guts, wovon in sechsten Capitel, §. IV, gehandlet worden.
[3, 21, § 19] 177. Wie nicht weniger, wann ein Schuldner
arglistiger und gefährlicher Weise zu Verkürzung seiner treuherzigen
Glaubigeren seine Habseligkeiten verstoßet, vertuschet und veräußeret, wie
davon in vierten Theil bei der Gant- oder Cridaordnung ausführlichere Erwähnung
geschehen wird, und überhaupt alle Arten des Betrugs, wodurch Jemand mit seinem
Schaden hintergangen wird, welche, insoferne sie in keine besondere Gattung von
Verbrechen einschlagen, insgemein Schalkheiten oder Partiten benamset werden.
[3, 21, § 19] 178. In allen diesen Fällen hat der Betrüger
über die verwirkte öffentliche Strafe dem Betrogenen den vollständigen Ersatz
des zugefügten Schadens zu leisten, und nur allein bei boshafter Verlaugnung
einer in Nothfällen anvertrauten Sache deren zweifachen Betrag, als nemlich die
Sache mit dem Werth, oder da solche nicht mehr zu haben wäre, den doppelten
Werth zur Strafe zu erlegen, wie es oben in sechsten Capitel, §. IV, num. 41,
geordnet worden.
(3-370) §. XX.
[3, 21, § 20] 179. Unter der fünften Gattung werden alle
Jemandens Rechten nachtheilige Handlungen begriffen, welche nicht schon zu
einer von vorbemelten Gattungen gehören. Von dieser Art sind die Bestechung des
Richters, verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Umtriebe und Verläumdungen,
Einverständniß eines Rechtsfreunds mit dem Gegentheil, Verhehlung deren
Missethätern und Verführung fremder Kinder, Dienstboten und anderer
untergebenen Personen.
[3, 21, § 20] 180. Wo ein Richter sich von einer Partei
durch Schankungen, Verehrungen und Verheißungen bestechen ließe, und um Gewinn
die Gerechtigkeit gleichsam verkaufete, solle nicht nur allein Alles, was in
einer solchen Strittsache, worinnen eine Bestechung fürgegangen, vor diesem
Richter verhandlet worden, sammt dem gefällten Urtheil, wann es auch an sich
gerecht wäre, schon für sich selbst widerrechtlich und null und nichtig sein,
sondern auch ein solcher pflichtvergessener Richter über die in Unserer
peinlichen Gerichtsordnung wider ihn verhängte Strafe beim anderen Theil allen
daher erlittenen erweislichen Schaden mit denen in diesem Rechtsstritt gehabten
Unkosten zu ersetzen haben.
[3, 21, § 20] 181. Der bestechende Theil hingegen solle über
die alldort ausgemessene Bestrafung nicht allein das Gegebene nicht mehr
zuruckbegehren können, sondern auch von ihme das Verheißene zu Handen unserer
Kammer eingetrieben werden, und derselbe über das seiner obschon noch so
gerechten Sache, er seie Kläger oder Beklagter, gänzlich und dergestalten
verlustig sein, daß wo Kläger sich dieses Verbrechens schuldig gemacht hätte,
er mit seiner Klage nicht mehr gehöret, sondern Beklagter hiervon ledig und
losgezählet, wo aber dieser den Richter bestochen hätte, dessen Einrede und
Einwendung nicht mehr zugelassen werden, sondern er Alles, worauf die Klage
gestellet ware, ohneweiters dem Kläger zu leisten schuldig sein solle.
[3, 21, § 20] 182. Woferne jedoch ein Richter von beiden
Theilen Geschenke angenommen hätte, bleibet zwar das von ihme Verhandlete null
und nichtig, und denen Parteien wird nicht verwehret ihren Rechtsstritt von
Neuen anzufangen, Beide aber unterliegen jegleichwohlen der auf derlei
Bestechungen ausgesetzten Strafe.
[3, 21, § 20] 183. Wann aber ein Richter die Rechtspflege
auf Anrufen der Partei gar verweigerete, oder geflissentlich zur Ungebühr
verzögerete, und dieses auf ihn dargethan werden könnte, machet derselbe
andurch seine eigene Sache, und ist demjenigen Theil, der durch diese
Verweigerung oder Verzögerung an seinem Recht verkürzet worden, den doppelten
Werth dessen, um was er zu Schaden gekommen, mit allen Unkosten zu ersetzen
schuldig.
[3, 21, § 20] 184. Desgleichen sind Jene, welche ihren
Gegentheil aus Gefährde oder Muthwillen mit allerhand Umtrieben herumziehen und
an seinem Recht aufhalten, oder gar bei seiner Obrigkeit fälschlich angeben,
verläumden und verunglimpfen, ihme den Ersatz aller Schäden und Unkosten zu
leisten verbunden, und da dieser zugleich durch boshafte Verläumdungen an
seiner Ehre, guten Namen und Leumund angegriffen worden wäre, nicht allein zur
öffentlichen Abbitte anzuhalten, sondern auch als falsche Angebere und
Verläumdere nach dem Aussatz Unserer peinlichen Gerichtsordnung unnachsichtlich
zu bestrafen.
[3, 21, § 20] 185. Nicht weniger solle ein Rechtsfreund, der
zweien miteinander streitenden Parteien in einerlei Sache zugleich dienet, oder
mit dem Gegentheil seiner Partei öffentliche oder heimliche Einverständnuß
pfleget, und demselben die ihme von seiner Partei anvertraute Behelfe und
Geheimnussen entdecket, oder wohl gar zu Schaden seiner Partei nachtheilige
Rathschläge giebt, über die verwirkte öffentliche Strafe alle erweisliche
Schäden zu ersetzen gehalten sein.
[3, 21, § 20] 186. Wer Missethätere wissentlich verbirgt, verhehlet, ihnen Unterschleif giebt oder zur Flucht mit Rath
oder That verhilflich ist, hat nebst der Verfänglichkeit
(3-371) der öffentlichen Strafe dem Beschädigten, insoweit
er wegen dieser Verhehlung oder Beförderung an Erhohlung seines Schadens
verhinderet wird, solchen zu ersetzen.
[3, 21, § 20] 187. Würde Jemand fremde Kinder, Dienstboten
oder andere untergebene Personen zu unzulässigen Dingen und Lastern oder
Untreue verführen, derselbe ist schuldig über Verwirkung der öffentlichen
Strafe Demjenigen, deme daran gelegen, daß diese Leute nicht wären verführet
worden, allen durch deren Verführung verursachten Schaden zu vergüten, oder da
solcher nicht zu schätzen wäre, ein nach richterlichen Ermessen zu bestimmen
habende Genugthuung zu leisten.
[3, 21, § 20] 188. Eine nicht minder nachtheilige Handlung
ist jene, wann die Erfüllung einer Bedingnuß, woran dem Anderen gelegen ist,
von einem Dritten gefährlicher oder arglistiger Weise, oder doch, wann er den
aus dem Erfolg der Bedingnuß dem Anderen bevorstehenden Vortheil gewußt, aus
dessen Schuld verhinderet wird, in welchem Fall, woferne ansonst außer der
verursachten Verhindernuß deren ohnfehlbarer Erfolg ungezweiflet gewesen wäre,
derselbe dem Anderen allen wegen Ermanglung der Bedingnuß erweislich
erleidenden Schaden zu vergüten hat; es hätte dann die Erfüllung bei seiner
eigenen Willkür beruhet oder er sich sonst dabei seines Rechts bedienet,
folglich die Verhinderung von ihme mit Fug geschehen wäre.
Vierter Artikel.
Von Ehrenhändeln, Schandbriefen und anderen Jemandens Ehre
und guten Leumund antastenden Verbrechen.
§. XXI. Von Verschiedenheit deren Ehrenantastungen und
Schmähungen. §. XXII. Von der hieraus entstehenden Verbindlichkeit und der
daher gebührenden Rechtsforderung. §. XXIII. Von Erlöschung der Verbindlichkeit
aus Ehrenhändeln. §. XXIV. Von denen Jemandens Person oder Gut nachtheiligen
Berühmungen eines hieran habenden Rechts.
§. XXI.
[3, 21, § 21] 189. Unter denen Ehrenhändeln werden alle
unerlaubte aus Bosheit herrührende, zu Jemands Verachtung und Verkleinerung
gereichende Handlungen
(3-372) begriffen. Diese geschehen auf dreierlei Art, als
erstens, mit ehrenverletzenden Schimpf-, Schmäh- und Scheltworten oder
Verleumdungen und üblen Nachreden; zweitens, mit thätlicher Beleidigung, als
Schlägen, Verwundungen und anderen Jemandens Ehre nachtheiligen Thathandlungen;
drittens, schriftlich mit ehrenrührigen Schmähkarten, Schandbriefen und
Pasquillen.
[3, 21, § 21] 190. Alle diese Arten von Ehrenantastungen und
Schmähungen können nach Beschaffenheit deren Umständen, als des Orts, der Zeit,
der beschimpften Person und der That selbst mehr oder minder erschwerend sein,
und dahero bald eine mehrere, halb eine mindere Genugthuung erheischen, dessen
Beurtheilung dem richterlichen Befund überlassen wird.
(3-373) [3, 21, § 21] 191. Es muß aber die Ehrenantastung
und Schmähung aus einem boshaften Willen und Vorsatz, den Anderen zu
beleidigen, herrühren; dahero können Jene, die den Gebrauch ihrer Vernunft und
Willens nicht haben, sich dieses Verbrechens nicht schuldig machen. Es wäre
dann, dass sich das Gebrechen des Verstands aus eigener Schuld, als durch
Trunkenheit oder übereilten Zorn zugezogen worden wäre, welchen Falls zwar der
Beschimpfte gleichwohlen noch verantwortlich wird; doch aber ist mit ihme nach
Maßgebung des gleichfolgenden §. gelinder zu verfahren.
[3, 21, § 21] 192. Auch Richtere und obrigkeitliche Personen
können nicht allein für sich als Privatleute, sondern auch in Verwaltung ihres
richterlichen und obrigkeitlichen Amts dieses Verbrechens verfänglich werden,
wann selbe zu Jemands vorsätzlicher Beleidigung oder widerrechtlicher
Bekränkung ihr Amt mißbrauchen und ihme eine Unbill zufügen, welcherlei Fälle
in vierten Theil bei der Gerichtsordnung mit Mehreren erkläret werden.
[3, 21, § 21] 193. Dahingegen gereichet die Schmähung,
welche von denen Vorgesetzten wider ihre Untergebene ausgestoßen wird, diesen
an ihren Ehren zu keinem Nachtheil; also, da der Herr seine Dienstboten und
Unterthanen, der Vater seine Kinder, der Mann das Weib und der Lehrmeister
seinen Lehrling züchtiget, schmähet oder schimpfet, verfallen sie in dieses
Verbrechen nicht, wann sie die Maß der Züchtigung nicht überschreiten.
[3, 21, § 21] 194. Eine Ehrenverletzung kann entweder
unmittelbar von Jemandem selbst oder mittelbar durch Andere auf seinen Befehl,
Geheiß, Anreizen oder Anstiften verübet werden, und haben solchen Falls Beide,
der Befehlsgeber und Befehlshaber, ebenso dafür zu haften, als ob sich Mehrere
unmittelbar dessen schuldig gemacht hätten.
[3, 21, § 21] 195. Gleichwie aber an Seiten des
Beschimpfenden der böse Willen und Vorsatz, den Anderen zu beleidigen,
unterwalten muß, also ist auch an Seiten des Beschimpften erforderlich, daß er
die Schmähungen zu beleidigten Gemüth ziehe, folglich solche wider seinen
Willen geschehen, oder doch, wann er gleich keiner Einwilligung fähig wäre, von
ihme vermuthet werden könne, daß, wann er Dasjenige, was gehandlet wird,
verstünde, sich andurch beleidiget halten würde, als Kinder, Wahnwitzige und
Blödsinnige, welchen Falls der Vater, Vormund oder Gerhab und Curator die Genugthuung
für sie anzusuchen hat.
[3, 21, § 21] 196. Es muß jedoch die Schmähung auf eine
gewisse Person gerichtet und diese entweder mit Namen genennet, oder durch
Zeichen angedeutet, oder sonst aus denen Umständen erkennbar gemacht werden,
sie möge gegenwärtig oder abwesend und dem Beschimpfenden bekannt sein oder
nicht; wo aber Jemand überhaupt, ohne eine gewisse Person insonderheit zu
meinen, Scheltworte und Lästerungen ausstieße, wird er dieses Verbrechens nicht
schuldig, obschon er sonst nach Gestalt der Sache als Lästerer, Störer der Ruhe
und unfriedlicher Mensch bestrafet zu werden verdienet.
[3, 21, § 21] 197. Der erweisliche Irrthum in der Person des
Beleidigten, als da Jemand in Meinung einen Dritten vor sich zu haben, den
Anderen beschimpfete, kann dieses Verbrechen nur damals entschuldigen, wann
sonst kein Schaden an Leib und Gut darmit zugefügt worden, und eine solche
Person gemeinet ware, die ihme entweder untergeben oder sonst derlei
Begegnungen von ihme in Scherz aufzunehmen gewohnet ist.
[3, 21, § 21] 198 Widrigens aber, wo seinerseits ein
wirklicher Vorsatz jemand Anderen zu beleidigen geschlossen werden mag, ist er
schuldig, sowohl dem aus Irrthum Beleidigten, als auch Demjenigen, welchen er
beleidigen wollen, wann dieser die That auf sich gerichtet gewesen zu sein
erweisen mag, den Vertrag zu leisten.
[3, 21, § 21] 199. Die Beleidigung kann Jemanden nicht
allein unmittelbar in seiner Person selbst, sondern auch mittelbar in jenen
Personen, die seiner Gewalt und
(3-374) Schutz untergeben sind, als dem Vater in seinen
Kindern, dem Mann in der Person seines Weibs, dem Bräutigam in der Person
seiner Braut, dem Erben durch die dem verstorbenen Erblasser zufügende
Ehrenverletzung aber auch dessen Leichnam erzeugende Beschimpfungen
widerfahren, weshalben auch von allen diesen, als dem Vater, dem Mann, dem
Bräutigam und dem Erben die Genugthuung für die obgleich sie selbst nicht
unmittelbar betreffende Beleidigung geforderet werden kann.
[3, 21, § 21] 200. Dieses aber erstrecket sich auf andere
noch so nahe verwandte Personen nicht, deren keine die Beleidigung der anderen
auf sich deuten kann, außer die Beschimpfung betreffete die ganze
Verwandtschaft, wodurch auch Jedweder von dieser Verwandtschaft beleidiget
wird, und dahero die Genugthuung dafür anzubegehren berechtiget ist.
[3, 21, § 21] 201. Ebensowenig kann ein Herr oder Obrigkeit
sich durch ihre Dienstboten und Unterthanen angehende Ehrenhändeln beleidiget
halten, wann die Beschimpfung nicht offenbar auf sie selbst gerichtet ist;
also, da ein Dienstbot oder Unterthan in Verrichtung des ihme aufgetragenen
Geschäfts geschmähet, geschlagen oder sonst mißhandlet würde, gereichet diese
Beleidigung zur Verkleinerung des Herrns oder der Obrigkeit.
[3, 21, § 21] 202. Daß aber wegen einer Ehrenverletzung geklaget
werden könne, müssen folgende Erfordernisse hinzutreten, als erstens, daß nach
dem dreifachen Unterschied deren Ehrenverletzungen wirklich zu Jemands
Beleidigung etwas geredet, gethan oder geschrieben werde.
[3, 21, § 21] 203. Alles was zu Jemands Verachtung oder
Verkleinerung geschrieben wird, verletzet die Ehre und guten Namen, als da
Einer den Anderen eines Lasters bezüchtigte, welches auf denselben entweder gar
nicht erwiesen werden könnte, oder wovon er doch bereits losgesprochen und an
seinen Ehren verwahret worden, oder wider den Anderen Schimpf- und Scheltworte
ausstieße, oder sonst wider die Rechtmäßigkeit seiner Geburt, Vorzüglichkeit
des Standes, Würde und Ansehen, Ehrbarkeit und Sittsamkeit, Gesundheit des
Leibes oder die Vermögensumstände etwas Nachtheiliges vorwerfe, nachredete oder
aussprengete, was ihme bei Anderen zu Verringerung und Schmälerung seines
Ansehens, guten Namens, Trauens und Glaubens, oder zu sonstiger Verächtlichkeit
und Geringschätzung gereichen könnte.
[3, 21, § 21] 204. Durch die That wird Jemands Ehre
verletzet, nicht nur mit wirklicher Vergreifung an seiner Person, als da er
gestoßen, geschlagen, zu Boden geworfen, herumgezogen, verwundet oder sonst
mißhandlet würde, sondern auch ohne Handanlegung mittelst aller anderer zu
dessen Verachtung und Verkleinerung begehenden Thathandlungen, als da auf
Jemanden das Gewehr gezogen oder derselbe durch Aufhebung des Stocks oder der
Hand mit Schlägen bedrohet, verhöhnet, verspottet, mit Unreinigkeiten beworfen,
ihme aufgepasset und nachgestellet, anzügliche und schimpfliche Gemälde und
Zeichen ausgehangen, die Ehrbarkeit wohlverhaltener Frauenspersonen, sie seien
ledig oder verheiratet (!), durch Nachgehen, unzüchtige Reden, Geberden und
Anmuthungen wider ihren Willen angetastet, oder Jemand sonst in dem Gebrauch
seiner Rechten, Freiheiten und Vorzügen widerrechtlich aus Muthwillen,
Nachbegierde oder Hochmuth des Anderen gestöret und verhinderet würde.
[3, 21, § 21] 205. Schriftlich wird die Ehre verletzet,
sowohl wann zu des Anderen Beschimpfungen etwas Schmähliches geschrieben, als
auch insonderheit, wann ihme ein Laster oder Missethat, welche die Ehrlosigkeit
nach sich ziehet, in öffentlich angehefteten, angeschlagenen, ausgehangenen
oder ausgestreuten Schriften vorgeworfen wird.
[3, 21, § 21] 206. Die erste Art heißet eigentlich eine
schriftliche Ehrenantastung und wo der rechte Namen des Verfassers nicht
unterschrieben wäre, ein Pasquill; die letztere Art aber sind Schandbriefe und
Schmähkarten, worunter alle öffentlich angeheftete oder sonst ausgebreitete
ehrenrührische Zetteln, Gedichte, Gesänger, Gemälde
(3-375) und sonstige anzügliche Vorstellungen begriffen
sind, der Urheber möge seinen Namen beigesetzet haben oder nicht.
[3, 21, § 21] 207. Und wird dieses Verbrechens nicht nur
allein der Verfasser selbst, sondern auch jedweder Anderer schuldig, welcher
derlei Lasterschriften wissentlich weiter ausbreitet oder ausstreuet und solche
nicht allsogleich, da sie ihme zu Handen gekommen, zerreißet, vernichtet und
unterdrucket.
[3, 21, § 21] 208. Zweitens wird erfordert, daß der
wirkliche Vorsatz und Willen, den Anderen zu beleidigen, unterwalte; was dahero
aus Scherz geredet, gethan oder geschrieben wird, so lange der Andere sich
eines solchen Scherzes nicht ausdrücklich entäußeret und ihn nicht leiden zu
wollen, zu erkennen gibt, oder was zu Jemands Züchtigung geschieht, wann dem
Anderen das Recht, ihn zu züchtigen, zustehet, und die Maß der Züchtigung dabei
nicht überschritten worden, oder was zur eigenen Vertheidigung in der erlaubten
Maß angekehret wird, ist keine Ehrenverletzung, als da ein mit dem Anderen in
Rechtsstritt verfangener Theil wider die Züchtigkeit deren geführten Zeugen
etwas ihrer Ehre Nachtheiliges, um sie von der Zeugenschaft auszuschließen,
einwendete, oder den Richter einer verdächtigen Parteilichkeit oder Abneigung
anklagete, wann er so Ein als Anderes zu erweisen vermag.
[3, 21, § 21] 209. Der Willen und Vorsatz, zu beleidigen,
wird jedoch nicht vermuthet, sondern muß von Klägern erwiesen werden, insoferne
nicht schon die Handlung an sich selbst ehrenverletzend wäre; dann in diesem
Fall streitet die Vermuthung wider den Beklagten, und hat er solchem nach zu
erproben, daß er Klägern zu beleidigen nicht Willens gewesen seie.
[3, 21, § 21] 210. Denselben aber kann von der aus diesem
Verbrechen entstehenden Verbindlichkeit weder die beigefügte Ehrenverwahrung,
wann solche der Handlung zuwider ist, noch auch die Wahrheit des vorgeworfenen
Gebrechens oder Lasters entschuldigen, wann anderst der Vorsatz zu schmähen und
zu schimpfen sich aus denen Umständen veroffenbaret, es würde dann Jemand einer
Missethat bezüchtiget, deren Beweis der Vorwerfende auf sich nehmen wollte, zu
dessen Verführung er zwar allerdings zugelassen, wo er aber darmit nicht
aufkommen könnte, als ein falscher Angeber bestrafet werden solle.
[3, 21, § 21] 211. Desgleichen, wo der Vorwerfende das
vorgeruckte Laster oder die ausgestossene Schmähworte von jemanden Anderen
gehöret zu haben vorgäbe, ist zu unterscheiden, ob er sich gleich bei der
Bezüchtigung oder Antastung auf den Anderen berufen habe oder nicht. Ersteren
Falls wird dem Beklagten die Fürstellung des Gewährsmanns zugelassen; letzteren
Falls hingegen hilft ihme der Gewährsmann nicht, sondern wo dieser auch
wirklich die Schmähung auf sich nähme, hat Einer wie der Andere Klägern dafür
zu haften.
[3, 21, § 21] 212. Da aber in ersteren Fall der Beklagte
sich durch Namhaftmachung seines Gewährsmanns von der Klage befreien wollte, so
ist er schuldig, den selben bei Gericht zu stellen, oder da dieser sich
freiwillig nicht gestellen wollte, eine Ladung zur Vertretung auf ihn
auszuwirken, oder da er demjenigen Gerichtsstand nicht unterworfen wäre, ihn
durch zwei wohlerhaltene Personen, ob er sich hierzu bekenne oder nicht,
befragen zu lassen.
[3, 21, § 21] 213. Würde nun derselbe in der ertheilten
Antwort dieses von Klägern geredet oder geschrieben zu haben, eingestehen; oder
sich selbst zu Gericht gestellen und die Antastung oder Schmähung auf sich
nehmen, so wird der Beklagte durch Fürstellung seines Gewährsmanns von der
Klage ledig, und Kläger hat sich an den Gewährsmann allein zu halten.
[3, 21, § 21] 214. Woferne aber der ernannte Gewährsmann das
Vorgeben widerspräche oder keine deutliche Antwort geben wollte, stehet zwar
dem Beklagten frei, den Beweis wider ihn zu verführen, und da er solches auf
ihn darthun würde, wird er von aller Verbindlichkeit entlediget; dahingegen, wo
derselbe solches auf den Gewährsmann nicht erweisen könnte, oder sich auf einen
Verstorbenen, Abwesenden
(3- 376) oder Unbekannten, den er fürzustellen nicht
vermögend wäre, bezogen hätte, muß er selbst Klägern hierum gerecht werden.
§. XXII.
[3, 21, § 22] 215. Aus diesem Verbrechen erwachset die
Verbindlichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten, welche sowohl
in Wiedererstattung der verletzten Ehre, als auch nach Verschiedenheit der
schwereren oder leichteren Beleidigung entweder in öffentlicher Bestrafung oder
in einer dem beleidigten Theil zukommenden Geldbuße bestehet.
[3, 21, § 22] 216. Wir ordnen und wollen aber hiermit in
Kraft dieses Unseren Gesatzes, daß durch keine Ehrenantastung oder Schmähung,
sie möge beschaffen sein, wie sie wolle, Jemanden an seiner Ehre und guten
Namen etwas entzogen, sondern der Beleidigte nach wie vor, allenthalben für
einen ehrlichen und wohlverhaltenen Mann geachtet, folglich auch deshalben ihme
auch von Niemanden etwas vorgeworfen, noch weniger derselbe von Gemeinschaften,
Mitteln, Zünften und Handwerken oder anderen Zusammenkünften ausgeschlossen
werden solle.
[3, 21, § 22] 217. Woferne hingegen Jemand dieser Unserer
Satz- und Ordnung zuwider zu handeln sich jegleichwohlen vermessen, und dem
Beleidigten die Schmähung vorhalten, vorrucken, oder sich der Gemeinschaft mit
ihme, es seie in gemeinsamer Dienstleistung, Amtsverrichtung, Handwerken oder
sonstigen Mitgenossenschaften und Zusammenkünften entäußeren, oder auch gar zur
eigenmächtigen Rächung der Unbill wider den Beleidiger anreizen, aufhetzen,
anstiften oder Rathschläge geben würde, dieser solle nicht nur allein als ein Mitschuldiger
der Beleidigung angesehen und ebensowohl, wie der Beleidiger, zu dem schuldigen
Abtrag verhalten, sondern auch als ein freventlicher Uebertreter dieses Unseren
Gesatzes nach Gestalt der Sache mit allen denen in Unserer peinlichen
Gerichtsordnung wider Diejenige, welche durch Anhetzung, Anrathung oder
sonstige Anleitung zu Raufhändeln, Balg- und Schlägereien Anlaß und Gelegenheit
geben, ausgesetzten Strafen unnachsichtlich beleget werden.
[3, 21, § 22] 218. Es entgehet dahero Niemanden durch Ehrenantastung
und Schmähungen etwas an seiner Ehre, guten Namen und Ansehen, und wird demnach
hieran löblich und christlich gehandlet, wann Jemand eine ihme zugefügte Unbill
großmüthig verzeihet, nachsehet und ungerochen läßt, ohne daß hierdurch seine
Ehre, Stand, Würde und Ansehen der mindeste Abbruch oder Nachtheil zugezogen
würde.
[3, 21, § 22] 219. Weilen jedoch Jedermann Fug und Recht
hat, seine Ehre und guten Namen nicht weniger als sein Leben, Hab und Gut wider
die Bosheit deren Ehrenschändern und Verleumderen zu schützen und zu
vertheidigen, als kann auch Niemanden verwehret werden, seine durch Schmähungen
angetastete Ehre wider die andurch etwan bei Anderen von ihme erregte üble und
verächtliche Meinung und unzeitigen Verdacht unbekränkt und aufrecht zu
erhalten.
[3, 21, § 22] 220. Zu diesem Ende gebühret dem Beleidigten
wider den Beleidiger die Rechtsforderung zur Leistung des schuldigen Abtrags,
welcher allemal in der von dem Beleidiger zu leisten habenden gerichtlichen
Abbitte und beinebst nach Beschaffenheit der größeren oder minderen Beleidigung
entweder in einer verhängenden öffentlichen Strafe oder in einer Geldbuße zu
bestehen hat; doch solle dem Beklagten eine solche Abbitte an seiner Ehre ganz
und gar unnachtheilig sein.
[3, 21, § 22] 221. Die Maß der Bestrafung aber hänget von
dem richterlichen Befund ab, welche derselbe nach Verschiedenheit deren
minderen oder schwereren Ehrenhändeln auszumessen hat; in minderen, worunter
insgemein Schmäh- und Schimpfreden unter Leuten von gleichen Stande oder wo der
Beleidiger höheren und der Beleidigte niederen Standes ist, verstanden werden,
wann sonst keine erschwerende Umstände hinzustoßen, solle der Beleidiger über
die Abbitte mit Gefängnuß auf
(3-377) eine nach richterlichen Ermessen bestimmende Zeit von
drei oder weniger Monaten bestrafet werden.
[3, 21, § 22] 222. In schwereren Beleidigungen hingegen, von
welcher Art alle diejenigen sind, wobei Schlägereien, Raufhändeln und
Thätigkeiten unterlaufen, oder wo auch ohne denenselben der Beleidigte höheren
und der Beleidiger niederen Standes ist, solle über die Abbitte die Gefängnuß
auf mehrere Jahre erstrecket oder auch nach Bewandtnuß deren Umständen mit noch
schärferen Strafen fürgegangen, und wo der Beleidigte geschlagen, verwundet
oder sonst an seiner Person mißhandelt worden wäre, beinebst noch eine ihme
zukommende Geldbuße nach richterlichen Befund ausgemessen, oder da der
Beleidiger selber solche zu erlegen außer Stande wäre, die Strafe um so viel
mehr verschärfet werden.
[3, 21, § 22] 223. Doch solle der Richter in Ehrenhändeln
jedesmal gleich nach eingebrachter Klage zwischen denen streitenden Theilen
einen gütlichen Vergleich und Aussöhnung zu Stand zu bringen sich alles Fleißes
angelegen halten, und da der erste Versuch der Sühne nichts fruchtete, solche
Vergleichshandlung nochmahlen vor Ausspruch des Urtheils wiederholen, sonach
aber erst, wann die Parten durchaus nicht zu einem Vergleich zu bewegen wären,
mit Fällung des Ausspruchs fürgehen, und darinnen sowohl Klägern als Beklagten
an ihren Ehren verwahren.
[3, 21, § 22] 224. Bei Schandbriefen und Schmähkarten,
welche für die gröbste und schwereste Beleidigung zu achten sind, solle wider
die Urhebere, Verfassere, wissentlich Ausstreuere und Ausbreitere allzeit
peinlich verfahren und über die öffentliche Abbitte die in Unserer peinlichen
Gerichtsordnung ausgemessene Strafen verhänget werden, der Richter hingegen in
dem Urtheil den Geschmäheten an seiner Ehre und guten Namen wider alle
Verleumdung auf das kräftigste und ausgiebigste verwahren und handhaben.
[3, 21, § 22] 225. Da es sich aber ergeben würde, daß der
Beklagte nach eingebrachter Klage verstürbe, und also weder die Abbitte von
ihme geleistet, noch eine öffentliche Strafe wider denselben verhänget werden
könnte, solle der Richter die dem Kläger zugefügte Unbill, wann sie von ihme
rechtsbehörig erwiesen worden, mit Erwägung aller Umständen auf einen gewissen
Betrag an Geld schätzen, und solchen aus der Verlassenschaft des Verstorbenen
dem Kläger zu seiner Genugthuung zusprechen, welchen ihme die Erben
unweigerlich zu erstatten haben sollen.
§. XXIII.
[3, 21, § 23] 226. Die Verbindlichkeit und somit auch die
Rechtsforderung aus diesem Verbrechen erlöschet aus folgende Weise, als
erstens, durch Absterben des Beschimpfenden und zwar, vor der gerichtlichen
Klage gänzlich und also, daß dessen Erben hierum nicht mehr belanget werden
können.
[3, 21, § 23] 227. Nach eingebrachter Klage hingegen höret
zwar mit Absterben des Beschimpfenden die Verbindlichkeit zur Abbitte und zur
Leibesstrafe, nicht aber auch zu der nach richterlicher Schätzung der Unbill
abzumessen habenden Geldbuße auf, als worzu die Erben des Beleidigenden
verbunden bleiben, wie es in gleichvorhergehenden §. num. 225, geordnet worden.
[3, 21, § 23] 228. Zweitens, durch Absterben des Beleidigten
vor eingereichter Klage, weilen andurch die Unbill erlassen worden zu sein
vermuthet wird, wann der Beleidigte bei Lebzeiten die Genugthuung dafür
anzusuchen unterlassen hat; wo er aber nach eingebrachter Klage verstürbe,
stehet seinen Erben frei, die Rechtsführung wider den Beklagten fortzusetzen,
oder da die Unbill dem schon Verstorbenen widerfahren wäre, den Beleidigenden
deshalben klagbar zu belangen.
[3, 21, § 23] 229. Drittens, durch ausdrückliche oder
stillschweigende Nachsicht, Erlassung und Vergebung der zugefügten Beleidigung.
Die stillschweigende Erlassung wird aber aus solchen Handlungen vermuthet,
welche die Aussöhnung mit dem Beleidiger
(3-378) an Tag legen, als da der Beleidigte denselben
freundschaftlich umarmte, bei sich bewirthete, den vorigen Umgang mit ihme
freiwillig pflegete, ohne daß solchen die etwan miteinander gemeinsam
aufhabende Amtsverrichtungen oder sonstige Obliegenheiten, Mitgenossenschaft
oder auch die Wohlanständigkeit erheischeten.
[3, 21, § 23] 230. Es möge aber die erlittene Unbill
ausdrücklich durch Vergleich, Aussöhnung und freimüthige Vergebung oder
stillschweigend erlassen worden sein, so solle doch Eines so wenig als das
Andere denen sich dergestalten Vergleichenden oder Aussöhnenden an ihrer Ehre
in geringsten nachtheilig und abbrüchig sein, sondern eine solche gutwillige
Erlassung eben die Kraft und Wirkung haben, als ob beide Theile durch
richterliches Urtheil ausdrücklich an ihrer Ehre verwahret worden wären.
[3, 21, § 23] 231. Noch weniger kann die einmal erlasse
Beleidigung, wann gleich die dafür zu leisten versprochene Genugthuung nicht
eingehalten oder auch eine neue Unbill zugefüget würde, deswegen anwiederum
neuerdings erwecket und der vorigen halber Klage geführet werden, obschon die
neuere Beleidigung klagbar anzubringen nicht verwehret ist, wie dann auch in
jenem Fall, wo Mehrere beleidiget worden wären, die Erlassung des Einen dem
Anderen sein Recht nicht benimmt, die Genugthuung fur sich anzusuchen.
[3, 21, § 23] 232. Wo jedoch nebst der Ehrenantastung auch
an dem Gut des Beleidigten ein Schaden zugefüget worden wäre, kann aus
Vergebung der ersteren nicht auch die Erlassung der gebührenden Entschädigung
gefolgeret werden, wann diese letztere nicht zugleich ausdrücklich mit
nachgesehen worden; dann die Vergessenheit der Beleidigung wirket nicht auch
die Nachsicht des Schadens.
[3, 21, § 23] 233. Viertens, durch Verjährung nach Verlauf
eines Jahres von dem Tag der in Erfahrnuß gebrachten Beleidigung, wann solche
unter dieser Jahrsfrist nicht eingeklaget worden; es hätte dann der Beleidigte
unter dieser Zeit den Beleidigenden nicht zu Stand Rechtens bringen können,
welchen Falls er vor Ausgang des Jahrs eine Verwahrung bei Gericht einzubringen
hat.
[3, 21, § 23] 234. Fünftens, durch erprobte Wahrheit des
vorgeworfenen Lasters oder Missethat, wann der Bezichtigte nicht schon hiervon
losgesprochen oder von ihme die Wiedereinsetzung in vorige Ehren ausgewirket
worden; sechstens, durch Fürstellung eines Gewährsmanns nach Maßgebung dessen,
was von beiden Fällen oben in §. XXI. von num. 210 bis 214, geordnet worden.
[3, 21, § 23] 235. Siebentes, durch eigenmächtige
Ehrenrettung oder Widerschmähung, als wodurch zwar die Verbindlichkeit zur
sonderheitlichen Genugthuung aufgehoben wird, weilen der Beleidigte sich solche
selbst genommen hat; nichtsdestoweniger aber lieget dem Richter ob, sowohl den
Schmähenden als Widerschmähenden nach Beschaffenheit deren Umständen zu
bestrafen.
[3, 21, § 23] 236. Nur in dem alleinigen Fall solle die
eigenmächtige Ehrenrettung ungeahndet bleiben, wann solche wider Schmach- und
Schimpfworte gleich darauf und nach Maß der Beleidigung gebrauchet wird, also
und dergestalten, daß die Schmähung nur auf den Schmähenden zurückgeschoben
werde und die Widerschmähung nicht weiter gehe, als worauf die Schmähung
gelautet hat.
[3, 21, § 23] 237. In allen anderen Fällen hingegen, wo
diese Maß überschritten, oder es von Worten gar zu Thätigkeiten kommen, oder
die Widerschmähung erst in einer Zeit darnach geschehen würde, ist eine solche
eigenmächtige Thathandlung nach aller Schärfe zu bestrafen.
[3, 21, § 23] 238. Umsomehr aber sollen wegen Ehrenhändeln
alle Ausforderungen und Absagungen ohne Rücksicht deren Personen, von was für
einem Stand sie sein mögen, unter denen in Unserer peinlichen Gerichtsordnung
darauf ausgesetzten Strafen gänzlich eingestellet und verboten sein.
(3-379) §. XXIV.
[3, 21, § 24] 239. Denen Ehrenhändeln kommen die
nachtheilige Berühmungen eines an Jemands Person oder Gut habenden Rechts am
nächsten bei, da es sich zum öfteren ergiebt, daß Leute allerlei Sprüche und
Forderungen gegen Einem zu haben vorgeben, gleichwohlen aber aus Mangel des
Beweises sich nicht getrauen, solche vor Gericht anzubringen und auszuführen,
welches demselben nicht selten viel unerträglicher fallet, als wann er an
seiner Ehre angetastet worden wäre.
[3, 21, § 24] 240. In solchem Fall, die Berühmung möge
dingliche oder persönliche Rechten und Verbindungen betreffen, ist Derjenige,
welcher derlei Sprüche besorget, nicht gehalten, so lange zuzuwarten, bis daß
dem Berühmenden gelegen seie, seine Forderung bei Gericht anzubringen, sondern
wo er die Berühmung erweisen kann, stehet ihme frei, den Berühmenden zu
belangen, und eine gerichtliche Auflage, daß er binnen sechs Wochen seine
vorgebliche Sprüche nach rechtlicher Ordnung ausführen, oder widrigens ihme ein
ewiges Stillschweigen auferleget werden solle, wider ihn auszuwirken.
[3, 21, § 24] 241. Würde aber der Berühmende die eingeklagte
Berühmung läugnen, so hat Kläger solche, wie zu Recht erforderlich, zu erweisen,
in dessen Entstehung der Beklagte ledig und loszusprechen und Kläger in alle
Gerichtsunkosten zu verurtheilen ist.
[3, 21, § 24] 242. Dahingegen, wo der Beklagte die
angegebene Berühmung eingestünde oder solche von Klägern auf ihn erwiesen
würde, so ist er schuldig, binnen der angesetzten sechswöchentlichen Frist
seine angerühmte Gerechtigkeit in der bisherigen Form Rechtens klagbar
anzubringen, worüber sodann nach Vorschrift Unserer Gerichtsordnung so wie in
einer jeden anderen Rechtstheidigung mit beiderseitigen Nothdurftshandlungen zu
verfahren ist.
[3, 21, § 24] 243. Erweiset nun derselbe seine angerühmte
Gerechtigkeit, so ist Kläger zu Leistung alles dessen, was sich zu Recht
gebühret, nebst Erstattung aller Gerichtsunkosten zu verurtheilen; in
Gegentheil aber, da der Berühmende mit dem Beweis nicht aufkommen könnte, oder
in der ausgemessenen Zeit auf die Klage gar nichts einbringen, noch auch aus
rechtmäßigen Ehehaften die in Unserer Gerichtsordnung zulässige Auszugs- oder
Erstreckungsfristen anbegehren würde, so ist ihme der eingeklagten Sache halber
ein ewiges Stillschweigen nebst Ersetzung aller Gerichtsunkosten aufzuerlegen.
[3, 21, § 24] 244. Bei einem solchen Rechtshandel kommt es
zwar auf zweierlei richterliche Erkanntnussen an, als die eine über die
Wahrheit der eingeklagten Berühmung und die andere über die gerühmte Sache
selbst, in deren ersterer Derjenige, den die Berühmung angehet, Kläger und der
Berühmende der Beklagte, in der anderen aber der Berühmende Kläger, und Jener,
wider den die Berühmung lautet, Beklagter ist.
[3, 21, § 24] 245. Nichtsdestoweniger wollen und ordnen Wir
doch, daß, obgleich der Berühmende einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen
wäre, deshalben jegleichwohlen der Zusammenhang der Sache keineswegs getrennt,
noch weniger dieser Rechtshandel zwischen mehreren Gerichtsstellen getheilet,
sondern Beides, was sowohl die Berühmung als die berühmte Sache selbst
anbetrifft, bei demjenigen Gerichtsstand allein verhandelt werden solle, deme
sonst die Erkanntnuß über die angerühmte Forderung und Gerechtigkeit zustehet,
oder bei welchem der Berühmende den Anderen hierum zu belangen gehabt hätte.
[3, 21, § 24] 246. Welches jedoch nur von Unseren
erbländischen Gerichtsstellen zu verstehen ist; dann in Ansehung auswärtiger
Gerichten hat es bei Unseren anderweiten Satz- und Ordnungen sein festes
Verbleiben, daß keiner von Unseren Unterthanen weder wegen angeblicher
Berühmungen, noch sonst unter was immer für erdenklichen Vorwand dahin gezogen
werden könne noch solle.
(3-380) Caput XXII.
Von denen für Verbrechen geachteten Handlungen.
Inhalt:
§. I. Von Wesenheit deren für Verbrechen geachteten
Handlungen und der daraus entstehenden Verbindlichkeit. §. II. Von deren
viererlei Gattungen überhaupt. §. III. Von Unerfahrenheit eines Richters
insonderheit. §. IV. Von schädlicher Hinabwerfung, Ausgießung und gefährlicher
Aushängung aus einer Wohnung. §. V. Von Zufügung eines Schadens durch fremde Bedienten. §. VI. Von Beschädigung durch fremdes
Vieh.
§. I.
[3, 22, § 1] Num. 1. Die unerlaubte Handlungen sind in
gleich vorhergehenden Kapitel, in ersten Artikel, von Verbrechen insgemein §.
III, in wahre Verbrechen und nur für Verbrechen geachtete Handlungen
eingetheilet worden, welche letztere in gegenwärtigen Kapitel beschrieben
werden.
[3, 22, § 1] 2. Die sechste Gattung verbindlicher Handlungen
sind demnach jene, welche für Verbrechen geachtet werden, worunter nichts
Anderes verstanden wird, als eine Jemanden schädliche Handlung, welche weder
aus wahrer Arglist und Gefährde, noch aus wahrer Schuld begangen, doch aber von
dem Gesatz eine beimessentliche Schuld zu unterwalten vermuthet oder
darfürgehalten wird.
[3, 22, § 1] 3. Der Grund dieser Vermuthung oder
Dafürhaltung bestehet entweder in der Unerfahrenheit oder Nachlässigkeit
dessen, welcher zu dem Schaden Anlaß und Gelegenheit gegeben, oder in einer
schädlichen That Derenjenigen, die unter der Gewalt des Anderen stehen.
[3, 22, § 1] 4. Hieraus ergibt sich der Unterschied von
wahren Verbrechen, daß diese niemalen anderst, als aus wahrer Gefährde und
Arglist, oder aus wahrer Schuld begangen werden können, und dahero auch von dem
Beschädigten allemal die Gefährde oder Schuld erwiesen werden müsse.
[3, 22, § 1] 5. Dahingegen in denen für Verbrechen
geachteten Handlungen weder Gefährde, noch eine wahre Schuld unterlaufet, und
somit auch diese nicht, sondern nur blos allein der zugefügte Schaden erwiesen
und dargezeiget werden darf, um zu der angebührenden Genugthuung gelangen zu
mögen.
[3, 22, § 1] 6. Die Verbindlichkeit aus denen für Verbrechen
geachteten Handlungen überhaupt ist mit jener aus wahren Verbrechen einerlei,
folglich hat auch darinnen all Jenes statt, was in dem vorhergehenden Capitel,
in ersten Artikel, von Verbrechen insgemein, §. V, VII und IX, von der
Verbindlichkeit sowohl deren Verbrecheren, als ihrer Erben, dann deren
Erlöschung geordnet worden.
(3-381) §. II.
[3, 22, § 2] 7. Die für Verbrechen geachtete Handlungen
bestehen in vier Gattungen, als erstens, in Unerfahrenheit des Richters;
zweitens, in schädlicher Hinabwerfung, Ausgießung und gefährlicher Aushängung
aus einer Wohnung.
[3, 22, § 2] 8. Drittens, in Zufügung eines Schadens durch
fremde Bedienten; viertens, in Beschädigung durch fremdes Vieh, von deren jeder
insonderheit in folgenden vier §§. Gehandelt wird.
§. III.
[3, 22, § 3] 9. Ein Richter, welcher Jemanden entweder durch
das geschöpfte Urtheil und richterliche Erkanntnuß oder sonst durch einen
widerrechtlichen Fürgang an seiner Gerechtsame verkürzet, machet sich andurch
eines Verbrechens schuldig, doch mit dem Unterschied, daß, wo es vorsätzlich
aus wahrer Gefährde geschehen, auch seinerseits ein wahres Verbrechen
unterwalte, wo aber nur dessen Unerfahrenheit hierzu Anlaß gegeben, solches
blos für ein Verbrechen geachtet werde, weilen das Gesatz ihme seine Unerfahrenheit
für eine Schuld ausdeutet.
[3, 22, § 3] 10. In so einen als anderen Fall machet
derselbe seine eigene Sache daraus und wird dem verkürzten Theil für den Betrag
des erleidenden Schadens nebst dem Ersatz aller Gerichtsunkosten verfänglich;
doch ist dabei wohl zu unterscheiden, ob die Verkürzung nur durch einen bloßen
Fürgang oder Veranlassung auf einseitiges Anrufen des einen Theils, oder durch
einen förmlichen Spruch und Urtheil zugefüget worden.
[3, 22, § 3] 11. Ersteren Falls gebühret dem verkürzten
Theil die Rechtsforderung wider den Richter und seine Erben zum Ersatz des
erweislichen Schadens und Erstattung aller Gerichtsunkosten, welche er bei dem
oberen Richter, deme der beklagte untere Richter in dem Umfang seiner
Gerichtsbarkeit unterworfen ist, einzubringen hat.
[3, 22, § 3] 12. Letzteren Falls hingegen kann derselbe
seine Genugthuung nicht anderst, als durch Einwendung des ordentlichen Zugs an
den oberen Richter in der hierzu ausgemessenen Zeit mit Beobachtung aller in
der Gerichtsordnung dabei vorgeschriebenen Erfordernussen ansuchen; widrigens,
und da das obschon an sich widerrechtliche Urtheil in Rechtskräften erwachsen
wäre, höret die Frage, ob wohl oder
(3-382) übel gesprochen worden, auf, und bleibet nichts als
die Nothwendigkeit der Befolgung übrig.
[3, 22, § 3] 13. Würde aber bei ordentlich eingewandten Zug
der obere Richter die angebrachte Unbilligkeit des von dem unteren Richter
geschöpften Urtheils erkennen und die Sache durch dessen Umänderung nicht mehr
in den vorigen Stand hergestellet werden können, solle derselbe sogleich, ohne
erst eine besondere Rechtsforderung zu veranlassen, den unteren Richter zum
Ersatz des dem verkürzten Theil zugefügten Schadens nach Maß des befundenen
oder von diesen zu erweisen habenden Betrags verurtheilen.
[3, 22, § 3] 14. Doch sollen nur jene Gerichtsglieder und
ihre Erben zu gleichen Theilen dafür zu haften haben, die nach Ausweis des
Gerichtsprotokolli oder Vormerkbuchs zu dem nachtheiligen Fürgang oder Urtheil
ihre Stimme gegeben haben, nicht aber die Abwesende oder Jene, welche einer
anderen Meinung waren, und nicht mit beigestimmet haben; wohingegen, da von dem
verkürzten Theil eine wahre Gefährde und Arglist erweislich wäre, jedes
Mitglied, so hieran Theil genommen, für den ganzen Betrag dergestalten
verfänglich wird, daß, was von dem Einen nicht erholet wird, von dem Anderen
eingeforderet werden kann.
§. IV.
[3, 22, § 4] 15. Ebenso wird von dem Gesatz an Seiten
Desjenigen eine Schuld vermuthet, aus dessen Wohnung etwas auf die Gassen oder
an dem Orte, wo Leute hin- und herzugehen pflegen, hinabgeworfen oder
ausgegossen, und dem Vorübergehenden andurch an seinen Kleidern oder anderen zu
der Zeit bei sich habenden Sachen ein Schaden zugefüget, oder Jemand an Leibe
verwundet oder gar erschlagen würde.
[3, 22, § 4] 16. Für einen solchen Schaden ist allemal der
Inwohner derjenigen Wohnung, woraus der Schaden widerfahren, verantwortlich, er
möge der Hausherr selbst sein oder nicht; dann ein Jeder ist schuldig auf seine
Untergebene acht zu tragen, daß von ihnen denen vorübergehenden Leuten kein
Schaden geschehe.
[3, 22, § 4] 17. Wo aber die Wohnung von Mehreren zusammen
bewohnet würde, sind auch Alle verfänglich; es wäre dann solche zwischen ihnen
getheilet, welchen Falls nur Jener dafür zu haften hat, aus dessen Theil etwas
ausgegossen oder hinabgeworfen worden.
[3, 22, § 4] 18. Der Beschädigte darf also die Person,
welche ihme den Schaden zugefüget, in seiner Klage nicht ausweisen oder
benennen, sondern er kann sich an dem Inwohner halten und hat nichts Anderes zu
erweisen, als daß aus dessen Wohnung auf die Gassen oder an dem Orte, wo Leute
hin- und herzugehen pflegen, es seie bei Tag oder Nacht, etwas ausgegossen oder
hinabgeworfen worden, wodurch ihme ein Schaden widerfahren seie.
(3-383) [3, 22, § 4] 19. Zu dem Ende gebühret ihme und
seinen Erben die Rechtsforderung wider den Hausinwohner und dessen Erben zum
Ersatz des erweislich erlittenen Schadens mit allen Gerichtsunkosten, doch kann
er Dasjenige, was er bezahlet, von dem Thäter, wann er denselben auszuweisen
vermag, anwiederum zuruckforderen.
[3, 22, § 4] 20. Der Ersatz des Schadens, wann solcher an
Kleidern oder anderen nach ihren Werth geschätzet werden mögenden Sachen
geschehen, solle nach der in gleich vorhergehenden Capitel, in dritten Artikel,
von denen zum Abbruch fremder Rechten und Gütern gereichenden Verbrechen, §.
XVII, von num. 158 bis 160, enthaltenen Ausmessung durch richterlichen Befund
bestimmet werden.
[3, 22, § 4] 21. Woferne aber ein Vorübergehender andurch
verwundet oder erschlagen worden wäre, ist die gebührende sonderheitliche
Genugthuung nach denen in vorbemelten Kapitel, in zweiten Artikel, von denen an
Jemands Person ausübenden Verbrechen, §. XI, vorgeschriebenen Maßregeln zu
leiten und über dieses wider den Thäter, dessen Erforschung der Richter sich
möglichst angelegen zu halten hat, peinlich zu verfahren.
[3, 22, § 4] 22. Es wird demnach diese Thathandlung nur
insolange einem Verbrechen gleich geachtet, als nicht der Thäter vorgestellet
wird; da aber gegen dem Thäter selbst verfahren würde, rühret die
Rechtsforderung aus einem wahren Verbrechen her, und wo auf ihn erwiesen werde
könnte, daß die That aus Leichtfertigkeit, Muthwillen und geflissentlichen
Vorsatz Klägern zu beleidigen geschehen seie, gebühret demselben über den Ersatz
des erweislichen Schadens die in Ehrenhändeln ausgesetzte Genugthuung.
[3, 22, § 4] 23. Gleichergestalten, da etwas aus einem Haufe
ausgehangen würde, wobei die Gefahr obhanden wäre, daß durch dessen
Herabfallung ein Vorübergehender beschädigt werden könnte, ein solches solle
nicht nur jeden Orts Obrigkeit allsogleich abstellen, sondern auch die darüber
bei ihr einkommende Beschwerde den Hausinhaber zu dessen Hinwegnehmung
schleunig verhalten, und da dieser solches nicht befolgen würde, wegen seines Ungehorsams
nach Befund bestrafen.
[3, 22, § 4] 24. Wo aber durch dessen Herabfallung Jemanden
wirklich ein Schaden geschehen wäre, ist der Inwohner in eben derjenigen Maß,
wie es gleich vorhero von Ausgießung und Hinabwerfung geordnet worden, dessen
Ersatz zu leisten schuldig; es wäre dann, daß von dem Gebäu etwas herabfiele,
wofür der Hausherr zu haften hat.
§. V.
[3, 22, § 5] 25. Ferners wird unter die für Verbrechen
geachtete Handlungen jener Schaden gezählet, welcher Jemanden von denen unter
des Anderen Gewalt stehenden Personen, als Kindern, Dienstboten und anderen
Leuten, deren er sich in seinen Geschäften oder Hantierungen gebrauchet, ohne
dessen unterlaufender wahren Schuld
(3-384) zugefüget wird; dann wo sein Auftrag, Befehl,
Geheiß, Genehmhaltung oder sonstige Zuthat hinzutritt, ist seinerseits eine
wahre Schuld, folglich auch die Theilnehmung an einem wahren Verbrechen, wie
solches in dem vorigen Capitel, in ersten Artikel, von Verbrechen insgemein, §.
VI, erkläret worden.
[3, 22, § 5] 26. Dahingegen, wo derselbe die Zufügung des
Schadens wissentlich gestattete und, da es in seiner Macht stünde, nicht
verhinderete aber auch böse und Anderen zu schaden gewohnte Leute in seinen
Diensten oder sonst bei sich wissentlich aufhielte, und dieses auf ihn erwiesen
werden könnte, oder sonst seines treibenden Gewerbs oder Hantierung halber zu
dem ausbündigsten Fleiß verbunden wäre, wird es aus sothaner für ein Verbrechen
geachteten Handlung dem Beschädigten zum vollständigen Ersatz des Schadens
verbindlich, obschon er sich deshalben anwiederum an den Thäter, wann er so
vieles Vermögen hat, erholen mag.
[3, 22, § 5] 27. Weilen jedoch die Wissenschaft der
Beschädigung in jenen obbemerkten Fällen, wo solche die Verbindlichkeit wirket,
schwer zu erweisen ist, und nicht allemal das, was zwischen dem Herrn und
seinem Untergebenen in Absicht auf die That vorgegangen, dem Beschädigten
bekannt sein kann, so ist diesem unverwehret bei einer von des Anderen Leuten
widerfahrenen Beschädigung den Herrn durch eine Gerichtsperson schriftlich oder
durch zwei untadelhafte Zeugen mündlich befragen zu lassen, ob die That mit
seinem Wissen oder Willen geschehen seie.
[3, 22, § 5] 28. Würde nun derselbe hierauf eine
unverständliche oder gar keine Antwort geben, oder aber die That mit seinem
Willen oder auf seinen Befehl geschehen zu sein eingestehen oder sie gutheißen,
oder solches zwar verneinen, der Beschädigte aber das Widerspiel zu erweisen im
Stande sein, kann er um den Ersatz des Schadens belanget werden.
[3, 22, § 5] 29. Woferne hingegen derselbe die That zwar auf
sich nehmen, anbei aber hierzu befugt zu sein vorschützen würde, so ist vorhero
die Frage der Befugnuß rechtlich zu erörtern, und bis zu deren Entscheidung der
Punkt der Schadensersetzung in Anstand zu lassen.
[3, 22, § 5] 30. Nur allein Schiffer, Fuhrleute, Gastwirthe
und andere ein Gewerb oder Hantierung treibende Leute haben für den an denen
von ihnen in ihre Gewahrsame oder in die Arbeit übernommenen Sachen von ihren
Hausgenossen oder Dienstleuten zugefügten Schaden zu haften, sie mögen die That
gewußt haben oder nicht, weilen sie schon ihr treibendes Gewerb verbindet wegen
deren übernommenen Sachen die ausbündigste Sorgfalt zu tragen, um allen Schaden
abzuwenden.
§. VI.
[3, 22, § 6] 31. Endlich gehöret unter die für Verbrechen
geachtete Handlungen diejenige Beschädigung, welche durch fremdes Vieh
zugefüget wird, dieses seie wild ober zahm und der Schaden geschehe wider oder
nach dessen Art, wofür allemal der Herr des Viehs zu haften hat, weilen ihme
schon die That zur Schuld gerechnet
(3-385) wird, daß er nicht mehrere Vorsicht gebrauchet, um den Schaden zu verhüten.
[3, 22, § 6] 32. Dann wo seinerseits eine wahre Schuld
hierzu Anlaß gegeben hätte, als da derselbe ein schädliches Thier auf Jemanden
angehetzet, oder sein Vieh vorsätzlich und wissentlich auf fremden Gründen
weidete, ist es ein wahres Verbrechen; wo aber die Anhetzung von einem Dritten
geschehete oder das Vieh von Jemanden, der nicht zu dessen Hütung (!) bestellet
ist, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers auf fremde Gründe getrieben würde,
hat dieser und nicht der Herr des Viehs für den Schaden zu stehen.
[3, 22, § 6] 33. Desgleichen, wo der Beschädigte durch
Anreizung und Anhetzung fremden Viehs oder sonst durch seine Unvorsichtigkeit
den Schaden sich selbst zugezogen hätte, hat er solchen seiner eigenen Schuld
beizumessen, und ist ihme der Herr des Viehs dafür in nichts verfänglich.
[3, 22, § 6] 34. Wann dahero der Herr des Viehs zur
Entschädigung, es seie aus einem wahren Verbrechen oder aber wegen Unvorsichtigkeit
nur aus einer für ein Verbrechen geachteten Handlung verbunden sein solle, muß
die Beschädigung ohne Anhetzung oder sonstiger Zuthat eines Dritten, der zu
dessen Hütung und Bewahrung nicht bestellet ist, und ohne selbst eigener Schuld
des Beschädigten verursachet worden sein.
[3, 22, § 6] 35. Der Ersatz des Schadens ist nach dessen
Beschaffenheit also abzumessen, daß, wo Jemand von fremden Vieh verwundet oder
gar getödtet würde, die auf Verwundungen und Todtschläge ausgesetzte
sonderheitliche Genugthuung gebühre, und beinebst sowohl wider Jenen, deme
sothanes Vieh zu verwahren obgelegen oder der sonst hieran Schuld trägt, als
auch wider den Herrn des Viehs selbst, wo dessen Gefährde oder wahre Schuld
unterliefe, peinlich zu verfahren seie, wo beinebst das Vieh, welches
solchergestalten geschadet, zu Vermeidung alles weiter besorgenden Unheils aus
dem Weg geraumet werden solle.
[3, 22, § 6] 36. Wofern aber der Schaden durch fremdes Vieh
an anderen Sachen geschehen wäre, ist solcher auf die in vorigen Capitel, in
dritten Artikel, von denen zum Abbruch fremder Rechten und Gütern gereichenden
Verbrechen, §. XVII, von num. 158 bis 160, bestimmte Weise zu schätzen.
[3, 22, § 6] 37. Welches ingleichen in jenem Fall beobachtet
werden solle, wann Jemandens Vieh von eines Anderen Vieh beschädigt oder
getödtet würde; es wäre dann erweislich, daß der Angriff von dem beschädigten
oder getödteten Vieh selbst geschehen oder dieses an einen solchen Ort gekommen
seie, wo andere ihme nach ihrer Art schädliche und aufsätzige Thiere
aufbehalten oder geweidet worden.
[3, 22, § 6] 38. Widerfahrete hingegen die Beschädigung an
fremden Gründen durch Abweidung und Verwüstung deren Aeckern, Gärten, Wiesen
oder Triften, so solle der Schaden durch gewissenhafte Beurtheilung zweier
unparteischer Wirthschaftserfahrener also geschätzet werden, daß sowohl auf die
Zeit der Beschädigung, als der künftigen Ernte oder Einsammlung die Rücksicht
genommen werde, um wie viel nämlich der abgeweidete Grund weniger ertragen
würde.
[3, 22, § 6] 39. Es stehet dahero dem Beschädigten und
seinen Erben die Rechtsforderung wider den Herrn des Viehs und dessen Erben zum
Ersatz des erweislichen Schadens zu; doch ist nicht allemal nothwendig mit
dieser Rechtsforderung zu verfahren, sondern der Beschädigte hat aus dem
Grundsatze der Selbsthilfe und eigenen Vertheidigung andere erlaubte Mitteln
sowohl zur Anwendung des befahrenden, als zur Vergütung des schon geschehenen
Schadens.
[3, 22, § 6] 40. Und zwar ist Jedermann gestattet, nicht nur
allein fremdes Vieh von seinem Grund und Boden abzutreiben, sondern auch, wo
die Gefahr der Beschädigung von einem wilden Thier oder sonst zahmen, doch aber
zur Wuth gereizten Vieh Jemandens Person oder Gut bevorstünde, dasselbe
ohneweiters zu tödten und sich andurch von der Gefahr zu befreien, außer
insoweit durch unsere Jagdordnungen
(3-386) wegen des auf fremde Gründe austretenden Wilds ein
Anderes vorgesehen ist, wobei es sein festes Verbleiben haben solle.
[3, 22, § 6] 41. Zahmes Vieh hingegen ist nicht erlaubt zu
tödten, wann es nicht von solcher Art ist, daß es entweder gar keinen Nutzen
bringe, als Hunde und Katzen, oder doch schwer gefangen werden möge, als Gänse,
Tauben und anderes zahmes Geflügel. Bei jedem aber, was leichtlich gefangen
werden kann, sind Wir zwar gnädigst nicht gemeinet, die bisher durchgängig in
Betretung fremden Viehs auf eigenen Gründen übliche Pfändungen abzustellen;
doch wollen Wir hierbei folgende Maß und Ordnung beobachtet haben.
[3, 22, § 6] 42. Erstens, daß das fremde Vieh, welches Schaden
verursachet, aus eigenen Gründen betreten und allda eingefangen, keineswegs
aber bei Strafe gewaltsamer Thathandlungen auf fremden Grund und Boden
verfolget, noch weniger von dannen eingetrieben werde.
[3, 22, § 6] 43. Zweitens, daß wirklich ein Schaden entweder
zur Zeit der Betretung oder doch vorhero von dem nemlichen Vieh zugefüget
worden seie, wann solcher entweder schon vorhin auf die oben vorgeschriebene
Art und Weis geschätzet und dem Herrn des Viehs angedeutet worden, oder doch
noch sichtbar ist, daß er geschätzet werden möge.
[3, 22, § 6] 44. Außer einem zugefügten Schaden hingegen ist
zwar die Abtreibung und Warnung des Herrns des Viehs, nicht aber auch die
Anhaltung fremden, obschon auf eigenen Gründen betretenen Viehs zulässig,
sondern Jener fällt in die Strafe eigenmächtiger Gewalt, wer ohne Schaden
darzeigen zu können, fremdes Vieh pfändet, und solches dem Eigenthümer auf sein
Begehren nicht allsogleich ausfolget.
[3, 22, § 6] 45. Drittens, daß die Pfändung dem Betrag des
Schadens insoweit gleichkomme, daß solche höchstens dessen zweifachen Werth
nicht übersteige, wann mehrere Stucke Viehs gepfändet werden, in welchem Fall
der Herr des Grunds nicht mehrere Stucke anhalten solle, als zu seiner
Bedeckung für einen zweifachen Werth des Schadens genug sind, welches umsomehr
damals in acht zu nehmen ist, wann der Werth eines Stucks schon für sich den
Schaden vielfach übersteiget; dann in solchem Fall hat er an Einem allein
überflüssige Sicherheit.
[3, 22, § 6] 46. Wo aber derselbe mehrere gepfändet hätte,
als der doppelte Werth des Schadens nach der erfolgten Schätzung betragen
würde, kann er die auf Unterhaltung und Verwahrung des gepfändeten Viehs
aufgewendete Unkosten nur für so viele Stucke zuruckforderen, als zu Erreichung
dieses zweifachen Werths erforderlich waren; die übrige hingegen ist er
ohnentgeltlich zuruckzustellen schuldig.
[3, 22, § 6] 47. Viertens, daß der Pfändende sogleich den
verursachten Schaden durch zwei unparteiische Wirthschaftskündige schätzen
lasse, und den ausgefallenen Betrag mit denen auf das Vieh verwendeten Unkosten
dem Eigenthümer bedeute.
[3, 22, § 6] 48. Fünftens, daß der Gepfändete binnen acht
Tagen von Zeit der Pfändung an zu rechnen den ihme bedeuteten Betrag des
geschätzten Schadens mit allen Unkosten ohne alle weiterer Erinnerung
ohnweigerlich abführe, und durch dessen Entrichtung das gepfändete Vieh
auslöse.
[3, 22, § 6] 49. Daferne aber dieser sich hierzu nicht
bequemen würde, so ist der Pfändende nach Verlauf deren acht Tagen länger
nachzuwarten nicht schuldig, sondern hat die Befugnuß, so viele Stücke Viehs
als zu seiner Entschädigung nöthig sind, durch unparteiische Beamte oder
Dorfgerichtsleute abschätzen zu lassen, und entweder in dem geschätztem Werth
zu verkaufen und von dem erlösten Kaufschilling so viel als nöthig ist, sich
abzuziehen, oder aber auch das Vieh in dem angeschlagenen Werth für sich zu
behalten, und das übrige Kaufgeld dem Eigenthümer herauszugeben oder, da er es
anzunehmen verweigerete, bei Gericht zu hinterlegen.
[3, 22, § 6] 50. Jene Stücke des gepfändeten Viehs hingegen,
welche über Abzug des Schadens und Unkosten erübriget werden, ist er verbunden,
dem Gepfändeten ohneweiters
(3-387) zuruckzustellen und ihme wegen deren Uebernehmung
die Erinnerung zu machen.
[3, 22, § 6] 51. Da dieser jedoch solche binnen deren
nächsten dreien Tagen von der ihme zugekommenen Ankündung nicht zurücknehmen
wollte, solle auf gleich vorerwähnte Art zu deren Abschätzung und Verkaufung
geschritten, und der erlöste Werth nach Abzug deren neueren Unkosten zu Gerichts
Handen hinterleget werden.
[3, 22, § 6] 52. Sechstens, daß der Gepfändete der Pfändung
halber sich aller Gegenpfändungen, Pfandbekehrungen und anderer
Gewaltthätigkeiten bei Strafe der Gewalt enthalten solle; es wäre dann, daß
dagegen das Vieh des Pfändenden auf dem Grund und Boden des Gepfändeten in
einer Beschädigung betreten würde, als in welchem Fall allein die Gegenpfändung
nicht verwehret wird.
[3, 22, § 6] 53. Siebentens, dass, wann der Gepfändete sich
in Schätzung des Schaden beschweret zu sein findete, er zwar den geschätzten
Betrag binnen denen oben ausgemessenen acht Tagen dem Pfändenden zu erstatten
habe, ihme aber freistehe, nachgehends auf Unkosten des sachfälligen Theils die
gerichtliche Abschätzung anzusuchen, welchen Falls, da die vorige Schätzung
übertrieben zu sein befunden würde, der Pfändende das, was er hieran sich über
die Gebühr zugeeignet, mit allen Gerichtsunkosten dem Gepfändeten zuruckstellen
solle.
[3, 22, § 6] 54. Achtens, dass der Pfändende, so lange er
das gepfändete Vieh in seiner Gewahrsame behält, solches mit dem nöthigen
Futter versehe und so wie sein eigenes besorge, wo im Widrigen und da hiervon
Eines aber das Andere aus seiner Schuld umstünde, dessen Werth von dem
geschätzten Schadens- und Unkostenbetrag abgezogen oder dem Gepfändeten
hinausgezahlet werden solle; dahingegen den ohne erweislicher Schuld des
Pfändenden aus Zufall sich hieran ergebenen Schaden der Gepfändete allein zu
tragen hat.
[3, 22, § 6] 55. Insoferne aber der Pfändende zur
Veräußerung des Viehs, ohne solches vorhero dem Herrn desselben zu bedeuten und
ohne die obbestimmte Zeit abzuwarten, fürschreiten würde, verlieret er nicht
allein die ihme sonst angebührende Entschädigung, sondern er ist auch schuldig,
dem Herrn des Viehs den Werth dafür, wie er sich solchen selbst schätzen wird,
zu erstatten.
[3, 22, § 6] 56. Da jedoch dieser nicht zu erforschen wäre,
hat der Pfändende die anberaumte acht Täge abzuwarten, und wann sich unter
dieser Zeit Niemand hierum meldete, die Schätzung und Veräußerung des gepfändeten
Viehs nicht anderst als gerichtlich vornehmen zu lassen.
(3-388) Caput XXIII.
Von Verwandlung und Uebertragung deren Verbindungen an
Andere.
Inhalt:
§. I. Von denen verschiedenen Arten Verbindungen zu
erneueren und an Andere zu übertragen überhaupt. §. II. Von Erneuerung oder
Umlage der Schuld insonderheit. §. III. Von Anweisung des Schuldners. §. IV.
Von Abtretung oder Uebergab der Schuld an Andere. §. V. Von Uebernahm einer
fremden Schuld.
§. I.
[3, 23, § 1] Num. 1. Nachdeme wie bishero die verschiedene
Gattungen deren verpflichtenden Handlungen, woraus die persönliche Verbindungen
entspringen, nach ihrer Wesenheit, Eigenschaft und Wirkung beschrieben worden,
so folgen auch nunmehro die bereits in ersten Capitel, von Verbindungen
insgemein, §. X, kürzlich angemerkte Tilgungsarten, wodurch solche anwiederum
erlöschen und aufgehoben werden.
[3, 23, § 1] 2. Diese sind zweierlei; dann entweder wird
anstatt der vorigen Verbindung eine neue eingegangen, und also die alte in eine
neue verwandelt, oder aber die Verbindung gänzlich getilget und aufgehoben. Von
denen ersteren wird in diesem, und von denen anderen in dem gleich
nachfolgenden letzten Capitel gehandlet.
[3, 23, § 1] 3. Die Verwandlung deren Verbindungen wird zwar
insgemein eine Erneuerung der Schuld benamset, eigentlich aber kommt dieser
Namen nur jener Art der Verwandlung zu, welche zwischen denen nemlichen
Personen des Glaubigers und Schuldners bewirket wird; dahingegen, wo eine in
der Handlung vorhin nicht mitbegriffene dritte Person dabei einkommet, heißet
dieselbe eine Uebertragung der Verbindung von einer Person auf die andere.
[3, 23, § 1] 4. Darunter wird jedoch die erbliche
Uebertragung deren Verbindungen nicht mitverstanden, dann diese geschieht aus
Macht Rechtens also, dass der Erb mit dem Erblasser für eine Person geachtet
werde und in alle Rechten und Verbindlichkeiten des Verstorbenen eintrete,
welche in der Person des Erbens bei Kräften verbleiben.
[3, 23, § 1] 5. Es handlet sich dahero hier nur von denen
aus Willkür deren Contrahenten veranlaßten Verwandlungen und Uebertragungen
deren Verbindungen, welche auf viererlei Art geschehen, als entweder wird
zwischen den nemlichen Glaubiger und Schuldner ohne daß dabei eine dritte
Person einkomme, in Absicht die Schuld zu erneueren, die vorige Verbindung in
eine neue verwandlet, und insonderheit eine Erneuerung oder Umlage der Schuld
genennet.
[3, 23, § 1] 6. Oder es wird von dem Schuldner mit seinem
Wissen und Willen ein anderer Schuldmann bestellet, und ist eine Anweisung des
Schuldners, oder die Schuld wird ohne Wissen des Schuldners von dem Glaubiger
an einen Dritten abgetreten und überlassen, und heißet eine Abtretung oder
Uebergabe der Schuld, oder endlich wird die Schuld mit oder ohne Wissen des
Schuldners von einem Dritten als Selbstschuldner auf sich genommen, und der
Erste andurch von der
(3-389) Verbindung befreiet und ist eine Uebernahm fremder
Schuld, welche vier Gattungen in denen nachstehenden vier §§. erkläret werden.
§. II.
[3, 23, § 2] 7. Die eigentliche Erneuerung oder Umlage der
Schuld ist eine Handlung, wodurch die vorige in eine neue Verbindung zwischen
denen nemlichen Personen in Absicht, die Schuld zu erneueren, verwandelt wird,
also daß zwar die Ursach, die Art und Weis und der Gegenstand der vorigen
Verbindung veränderet werde, doch aber eben derjenige Glaubiger und Schuldner
verbleibe, welche es vorhero gewesen sind.
[3, 23, § 2] 8. In der Ursach der Verbindung geschieht die
Veränderung, wann z. B. Jemand diejenige Summe, welche er aus einem Kauf-,
Pacht- oder anderem Contract dem Anderen schuldig ist, als ein Darlehen
übernimmt, in der Art und Weis, wann der Schuldner Jenes, worzu er unter einer
Bedingnuß verbunden ware, ohnbedingt zu leisten verspricht, in dem Gegenstand,
wann durch ein nachheriges Beding, Vertrag oder Vergleich die schuldige Summe
verminderet oder erhöhet, oder auch die Gattung des schuldigen Betrags oder das
Ort und die Zeit der Zahlung veränderet wird.
[3, 23, § 2] 9. Doch ist zur Wesenheit einer Erneuerung
erforderlich, daß die Absicht und der Willen, die vorige Schuld zu erneueren,
ungezweiflet seie, folglich entweder von denen Contrahenten dabei deutlich
ausgedrucket werde, daß die vorige Verbindlichkeit gänzlich aufgehoben sein
solle, oder aber ein widriges, mit der vorigen Verbindlichkeit, nicht bestehen
mögendes Beding eingegangen werde, woraus die Vernichtung der ersteren
Verbindung erhelle; dann außerdeme ist die vorige Verbindung durch das spätere
Beding nur für vermehret oder verminderet, nicht aber für verwandlet und
erneueret zu achten.
[3, 23, § 2] 10. Wann dahero zur Sicherheit einer schon
contrahirten Schuld ein Pfand eingeleget, oder eine Hypothek verschrieben, oder
eine Bürgschaft bestellet wird, kann keine Erneuerung der vorigen
Verbindlichkeit daraus gefolgeret werden, sondern dieser bleibet noch allezeit
ihre Giltigkeit, weilen ein solches späteres Nebenbeding blos zur
Sicherstellung des Glaubigers und nicht auf eine Erneuerung der Schuld
abgesehen ist.
[3, 23, § 2] 11. Eben also, da über eine schon vorhin
bestehende Verbindlichkeit eine neue Urkunde ausgestellet wird, bleibet die
vorige Schuldigkeit, wann solche in der neuen Urkunde nicht gänzlich vernichtet
und aufgehoben wird, in allen denenjenigen Punkten bei Kräften, die nicht in
der neuen Urkunde namentlich widerrufen oder abgeänderet werden.
[3, 23, § 2] 12. Bei einer Erneuerung der Schuld müssen
allemal zwei Personen mit ihrer beiderseitigen Einwilligung zusammentreffen als
der Glaubiger, welcher die vorige Verbindung nachsieht und erlasset,
und der Schuldner, welcher anstatt der vorigen eine neue Verbindlichkeit auf
sich nimmt.
[3, 23, § 2] 13. Verbindungen erlassen können Alle, welche
die freie Verwaltung ihres eigenen oder eines fremden Vermögens haben, als
Vormündere oder Gerhaben, Curatores oder Befehlshabere, wann sie hierzu
entweder mit einem besonderen, oder doch auf die Befugnuß der freien Schalt-
und Waltung lautenden Befehl versehen sind.
(3-390) [3, 23, § 2] 14. Auch ein Mitglaubiger kann eine
Schuld, worzu der Schuldner ihme und seinen Mitglaubigeren sammt und sonders
mit ungeschiedener Hand verbunden ist, durch die Erneuerung ganz erlassen,
ansonst aber, wo der Schuldner Mehreren zusammen nicht ausdrücklich sammt und
sonders verbunden wäre, die Schuld nur für denjenigen Antheil erneueren, der
ihme hieran gebühret.
[3, 23, § 2] 15. Desgleichen können Alle eine neue
Verbindlichkeit auf sich nehmen, die Verbindungen einzugehen fähig sind,
insoweit die Erneuerung der Schuld nicht zum Nachtheil eines Dritten gereichet;
also kann weder ein Schuldner durch die Erneuerung der Schuld den Bürgen, noch
auch ein mit Mehreren sammt und sonders verstrickter Mitschuldner die Andere
weiter verbindlich machen, als sie vorhero verstricket waren, wann ihre
ausdrückliche Einwilligung in die Erneuerung nicht hinzutritt, obschon ein Mitschuldner
die Schuld für seinen Antheil erneueren mag, und der bei der Erneuerung dem
Schuldner gemachte Nachlaß auch dem Bürgen und dem mit ungeschiedener Hand
verbundenen Mitschuldner zu statten kommt.
[3, 23, § 2] 16. Alle erlaubte und zu Recht bestehende
Verbindungen, wann gleich solche von dem künftigen, gewissen oder ungewissen
Erfolg abhangen, können ebenso erneueret, wie dagegen ohnbedingte Verbindungen
in bedingte verwandlet werden, wann nur obbemelter Maßen der Willen deren
Contrahenten entweder ausdrücklich oder durch ein dem Ersteren widerstrebendes
Beding sich dahin äußeret, daß die vorige Verbindung aufgehoben sein solle.
[3, 23, § 2] 17. Ueber dieses aber wird bei Erneuerung
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten Verbindungen annoch
erheischet, daß das Beding der Erneuerung da, wo sich die erstere Verschreibung
befindet, eingetragen, und diese andurch ausgelöschet und vernichtet werde;
dann insolange die Umlage nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich
geschieht, bleibet die erstere daselbst haftende Verbindlichkeit bei ihren
vollkommenen Kräften.
[3, 23, § 2] 18. Die Wirkung der Erneuerung ist zweierlei,
als eine in Absicht auf die vorige Verbindlichkeit, daß solche andurch mit
allen ihren Nebengebührnussen, Vorzügen und Eigenschaften insoweit erlösche,
als die Contrahenten sie aufheben zu wollen ausgedrucket haben, und in Absicht
auf die neu eingetretene Verbindlichkeit, daß der Schuldner fürohin hieraus
verstricket seie. Dahingegen werden Pfandschaften, Pfandsverschreibungen und
Bürgschaften durch die Erneuerung der Schuld nicht getilget, wann dieselbe
dabei nicht ausdrücklich erlassen oder nicht eine gleich hinreichende
Sicherheit ohne Vorbehalt der ersteren von dem Glaubiger angenommen worden.
§. III.
[3, 23, § 3] 19. Die Anweisung des Schuldners ist eine
Handlung, wodurch der Schuldner den Glaubiger mit seiner Einwilligung an einen
anderen Schuldmann anweiset, also daß dabei die Person des Schuldners geänderet
werden, folglich eine in der vorigen Handlung nicht mitbegriffene dritte Person
anstatt des ersten Schuldners eintrete.
[3, 23, § 3] 20. Diese Anweisung geschieht auf zweierlei
Art, als entweder, daß der vorige Schuldner von der Schuld völlig frei und
losgezählet werde, und eine solche Handlung heißet eigentlich eine Ueberweisung
oder Anweisung anstatt Zahlung, welche die vorige Verbindlichkeit gänzlich
aufhebet, oder daß der Glaubiger jegleichwohlen noch den Anweisenden oder den
ersteren Schuldner in der Verbindlichkeit halte, insolange die Zahlung von dem
Angewiesenen nicht erfolget, und diese
(3-391) Anweisung ist keine Zahlung, noch weniger wird
andurch die vorige Verbindlichkeit getilget.
[3, 23, § 3] 21. Die erstere Anweisungsart enthaltet zwei
Handlungen, als die eine zwischen dem anweisenden ersten Schuldner einer- und
dem anweisen wollenden neuen Schuldmann andererseits, welche durch den Auftrag
des Anweisenden, die Zahlung dem Glaubiger zu leisten und durch die
Einwilligung des angewiesenen Schuldmanns zu Stand kommt, massen ohne dessen
Einwilligung, und ohne daß dieser die Verbindlichkeit auf sich nehme, der erste
Schuldner sich von der Schuld durch die Anweisung nicht entledigen kann.
[3, 23, § 3] 22. Die andere Handlung bestehet zwischen dem
angewiesenen neuen Schuldmann und dem Glaubiger, deme die Anweisung geschieht,
wodurch derselbe den Angewiesenen zu seinem Schuldner annimmt und dieser
dagegen ihme die Zahlung zu leisten verspricht und gelobet.
[3, 23, § 3] 23. Daß jedoch eine wirkliche Verwandlung und
Uebertragung der Verbindlichkeit von dem vorigen auf den neuen Schuldmann durch
die Anweisung bewirket werden möge, ist erforderlich, damit die Verbindlichkeit
des ersten Schuldners von dem Glaubiger ausdrücklich erlassen und aufgehoben
werde, in dessen Ermanglung der Glaubiger, wann er von dem angewiesenen Schuldmann
die Bezahlung nicht erhaltet, sich noch allezeit an den Anweiser oder ersten
Schuldner erholen kann.
[3, 23, § 3] 24. Die Erlassung der Verbindlichkeit des
ersten Schuldners kann entweder durch Zerreißung oder Zuruckstellung des
Schuldbriefs oder durch die Quittirung geschehen, welche aber, wann die Schuld
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket ist, nothwendig in die
Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen werden muß, weilen eine
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich haftende Verbindlichkeit nicht anderst
als auf gleiche Art, nemlich durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche
Auslöschung getilget werden kann.
[3, 23, § 3] 25. Insolange also die erste Verbindlichkeit
von dem Glaubiger nicht eindrücklich erlassen wird, befreiet die Anweisung den
anweisenden ersten Schuldner nicht, sondern dieser bleibet dem Glaubiger
verfangen, bis daß die Schuld bezahlet werde.
[3, 23, § 3] 26. Bei Anweisungen kommen allemal drei
Personen vor, als der Anweiser, der Angewiesene und der Glaubiger, deme die
Anweisung gemacht wird, welche insgesammt die freie Schalt- und Waltung mit
ihrem eigenen oder fremden Vermögen haben müssen.
[3, 23, § 3] 27. Ueber dieses aber wird annoch an Seiten des
Anweisenden erforderet, daß er ein wirklicher Schuldner, es seie für sich
selbst oder in Beitretung zur Verbindung eines Dritten, Desjenigen seie, deme
er die Anweisung machet; dann ansonsten ist es eine Schankung oder Uebergabe
und keine Anweisung. Doch ist nicht nöthig, daß der Angewiesene allemal ein Schuldner
des Anweisenden seie, wann er nur sich zu verbinden fähig ist, und in dem Fall,
daß er kein Schuldner des Anweisenden wäre, durch das Gesatz von
Bürgschaftsleistungen oder Uebernehmung fremder Schulden nicht ausgeschlossen
wird.
[3, 23, § 3] 28. Eine so beschaffen Anweisung, wodurch die
Verbindlichkeit des ersten Schuldners auf den Anderen übertragen wird, wirket
in Absicht auf den Anweisenden die Aufhebung seiner Hauptverbindlichkeit mit
allen ihren Nebengebührnussen, insoweit ihme solche erlassen wurden, also zwar,
daß er von dem Glaubiger hierum nicht mehr besprochen werden könne, obschon die
angewiesene Schuld uneinbringlich sein würde, weilen der Glaubiger, sobald als
er anstatt des vorigen einen neuen Schuldner annimmt und den ersten entlasset,
auch andurch die angewiesene Schuld für gut anerkennet und sich es dahero
selbst beizumessen hat, daß er für einen guten einen unrichtigen Schuldner
angenommen.
(3-392) [3, 23, § 3] 29. Es wäre dann, daß derselbe von dem
Schuldner durch Gefährde und Arglist hintergangen oder von diesem die
Einbringlichkeit besonders gewähret oder, wo der angewiesene Schuldmann binnen
der gesetzten Zeit nicht zahlete, die Zahlung zu leisten versprochen worden
wäre.
[3, 23, § 3] 30. Wann aber die Anweisung einmal durch Entbindung
des vorigen und Annehmung des neuen Schuldmanns zu ihrer vollständigen
Richtigkeit gelanget, hat der Anweisende nicht mehr Fug und Macht die Anweisung
zu widerrufen, noch weniger die angewiesene Schuld selbst einzumahnen und den
angewiesenen Schuldner hierum zu belangen oder auf was immer für Weise die
Zahlung an den Glaubiger zu verhinderen, außer insoweit derselbe wegen einer
sonstigen Forderung sich hieran zu halten berechtiget wäre.
[3, 23, § 3] 31. Dann eine so beschaffene Anweisung tilget
nicht allein die Verbindlichkeit, mit welcher der erste Schuldner dem
Glaubiger, sondern auch jene, womit der angewiesene Schuldner dem Anweisenden
verstricket ware, welcher letztere sich andurch alles seines Rechts wider jenen
begeben hat.
[3, 23, § 3] 32. Woferne jedoch Jemand die Zahlung einer
Summe, welcher derselbe dem Anweisenden nicht schuldig wäre, aus Freundschaft
durch Anweisung auf sich nimmt und solche bezahlet, hat er ebenso wie ein Bürge
oder anderer Uebernehmer einer fremden Schuld die Ruckforderung aus dem
Befehlscontract wider den Anweisenden zu Wiedererstattung des dem Glaubiger
hinausbezahlten Betrags.
[3, 23, § 3] 33. Dahingegen wo Jemand aus Irrthum in
Meinung, daß er die angewiesene Summe dem Anweisenden schuldig seie, solche dem
Glaubiger für ihn bezahlet hätte, und der Irrthum nachhero erwiesen werden
könnte, hat derselbe die Rechtsforderung wegen Zahlung aus Irrthum wider den
Anweisenden zu Wiedererstattung des zur Ungebühr bezahlten Betrags. Eine
Schankung aber kann nur in jenen Fällen vermuthet werden, wo die
Rechtsforderung wegen Zahlung aus Irrthum nicht statt zu haben, oben in
neunzehenten Capitel, von denen Handlungen, welche denen Contracten
gleichkommen, §. III. geordnet worden.
[3, 23, § 3] 34. In Absicht sowohl auf den angewiesenen
Schuldmann, als auf den Glaubiger, hat die Anweisung die Wirkung, daß an Seiten
des Angewiesenen eine neue Verbindlichkeit gegen dem Glaubiger, so wie an
Seiten des Glaubigers eine neue Rechtsforderung wider jenen entstehe.
[3, 23, § 3] 35. Es kann dahero der angewiesene Schuldner,
wann er die Zahlung an den Glaubiger zu leisten auf sich genommen, diejenige
Einreden und Einwendungen, welche ihme wider den Anweisenden zugestanden,
entgegen dem Glaubiger nicht mehr anbringen; sie wären dann von solcher Art,
daß sie aus der Unfähigkeit, fremde Schulden zu übernehmen, herrühreten,
folglich die sich andurch zugezogene Verbindlichkeit für sich selbst
vernichteten, als da ein Weib ohne Begebung ihrer weiblichen Gerechtigkeit oder
ein Wais und Minderjähriger ohne Zuthat seines Vormunds durch Anweisung eine
fremde Schuld übernommen hätte, welchen Falls aber, wo die Anweisung null und
nichtig ist, dem Glaubiger sein Recht wider den Anweisenden ersten Schuldner
vorbehalten bleibet.
[3, 23, § 3] 36. Die zweite Anweisungsart, wodurch vor
wirklich erfolgter Zahlung die Verbindlichkeit des Anweisenden nicht ausgelöset
wird, ist blos eine Uebertragung der Zahlung und nicht der Verbindung selbst,
sondern der Anweisende bleibet seinem Glaubiger nach wie vor verstricket, und dem
Angewiesenen gehet andurch keine neue Verbindlichkeit zu, wann er die
angewiesene Schuld nicht ausdrücklich auf sich nimmt.
[3, 23, § 3] 37. Auf diese Art kann demnach Jedermann
anweisen, der Zahlungen zu leisten fähig ist, und auch jedermänniglich eine
Anweisung gemacht werden, der die Zahlungen anzunehmen befugt ist; doch kann
kein Glaubiger dahin verhalten werden, eine Anweisung anstatt baarer Zahlung
anzunehmen, wann nicht der angewiesene Schuldmann sogleich die baare Bezahlung
anbietet, oder es nicht dem
(3-393) anweisenden Schuldner an anderen dem Glaubiger
anständigen Zahlungsmitteln gebricht.
[3, 23, § 3] 38. Es ist auch zu dieser Art von Anweisungen
die Einwilligung des angewiesenen Schuldmanns nicht nothwendig, und können alle
Forderungen und Schulden angewiesen werden, deren Abtretung und Uebergabe an
Andere nach Inhalt des gleich nachfolgenden §. zulässig ist.
[3, 23, § 3] 39. Doch solle allemal von dem Glaubiger nicht
allein die Anweisung dem angewiesenen Schuldmann binnen einem solchem Zeitraum,
unter welchem sie zu seiner Wissenschaft gelangen könne, bedeutet, sondern auch
die Zahlung zu der in der Anweisung ausgesetzten Zeit betrieben werden.
[3, 23, § 3] 40. Wo aber keine Zahlungsfrist in der
Anweisung ausgemessen worden wäre, beruhet es zwar bei der Willkür des
Glaubigers, wann und zu welcher Zeit er die Zahlung von dem angewiesenen
Schuldmann einforderen wolle, wann nur aus seinem längeren Verzug dem
Anweisenden kein Nachtheil erwachet.
[3, 23, § 3] 41. Woferne jedoch der angewiesene Schuldmann
die Zahlung zu leisten gar verweigerete, ist der Glaubiger nicht schuldig,
denselben hierum gerichtlich zu belangen, sondern noch immer befugt, sich des
anweisenden Schuldners zu halten.
[3, 23, § 3] 42. Außer er wollte selbst freiwillig die
Rechtsforderung wider den angewiesenen Schuldmann anstrengen, in welchem Fall
er hierzu nicht anderst, als in Namen und anstatt des Anweisenden entweder in
dessen Vollmacht oder gegen Leistung annehmlicher Bürgschaft wegen seiner
erfolgenden Genehmhaltung zugelassen werden solle.
[3, 23, § 3] 43. Desgleichen, wo der angewiesene Schuldner
außer Zahlungsstand gesetzet würde, gehet die Gefahr auf den Anweisenden und
nicht auf den Glaubiger, wann ihme sonst in der Eintreibung kein Verzug oder
sonstige Schuld beigemessen werden mag.
[3, 23, § 3] 44. Um nun alle Schuld von sich abzuleinen,
solle der Glaubiger den Saumsal des angewiesenen Schuldners sogleich dem
Anweisenden bedeuten, wo im Widrigen derselbe sich von Anschuldigung einer
Fahrlässigkeit in Eintreibung der Schuld nicht entledigen kann.
[3, 23, § 3] 45. Und obzwar dem Glaubiger freistehet, die
ihme angewiesene Schuld weiters an einen Dritten anzuweisen, so hat doch die
Gefahr allemal der erste Anweisende zu tragen, wann weder von dem nachfolgenden
Anweiser, noch von deme, an welchen von diesem die weitere Anweisung geschehen,
dabei etwas vernachlässiget worden.
[3, 23, § 3] 46. Dann bei Anweisungen muss die angewiesene
Schuld nicht weniger gut und einbringlich, als wahr und richtig sein, für deren
so eine als andere Eigenschaft der Anweisende zu haften hat und da einerlei
Schuld Mehreren angewiesen worden wäre, gebühret Jenem der Vorzug, deme sie
zuerst angewiesen worden; es wäre dann, daß der Anweisende ihn allsobald und
auf bessere oder doch gleiche Weise wie der angewiesene Schuldner, vergnügen
könnte, in welchem Fall auch der Anweisende selbst die Schuld von dem
angewiesenen Schuldner einforderen kann, oder es würde dem Späteren vor
Anmelden des Ersteren die Zahlung wirklich geleistet worden sein.
[3, 23, § 3] 47. Die Anweisung der Zahlung erlöschet weder
durch Absterben des anweisenden Schuldners, weder durch den Tod des Glaubigers,
noch des angewiesenen Schuldmanns, sondern sowohl die Erben des Glaubigers
können die Zahlung eintreiben, als auch solche von denen Erben des angewiesenen
Schuldners eingetrieben werden, wann die Verbindlichkeit nicht also beschaffen
ist, daß sie durch Absterben eines von diesen Dreien aufhöre.
[3, 23, § 3] 48. Was jedoch von Anweisungen bishero geordnet
worden, leidet in Wechselsachen insoweit eine Ausnahm, als hierwegen in Unserer
Wechselordnung ein Anderes vorgesehen worden wornach sich in derlei Fällen
geachtet werden solle.
(3-394) §. IV.
[3, 23, § 4] 49. Die Abtretung und Uebergabe an Andere ist
eine Handlung, wodurch ein Recht oder Forderung auch ohne Wissen und Willen des
Schuldners an einen Anderen übertragen wird, also daß zwar der nemliche
Schuldner bleibe, die Person des Glaubigers aber dabei veränderet werde, woraus
sich der Unterschied sowohl von der Anweisung der Schuld, als von Anweisung der
Zahlung ergiebt.
[3, 23, § 4] 50. Dann erstere kann nicht anderst als mit
Wissen und Willen des Schuldners geschehen, wodurch dieser von seinem ersten
Glaubiger gänzlich befreiet und statt seiner ein anderer Schuldner bestellet
wird; dahingegen wird eine Schuld auch ohne Wissen und Willen des Schuldners
abgetreten und dieser von dem Abtretenden nicht sogleich entbunden, wann nicht
die hienach ausgemessene Erfordernussen hinzutreten, welche so viel wirken, daß
anstatt des vorigen ein anderer Glaubiger eintrete.
(3-395) [3, 23, § 4] 51. Durch die andere Art der Anweisung
aber wird nur die Befugnuß, die Zahlung einzutreiben, nicht aber das Recht und
die Verbindlichkeit übertragen, mit welcher der angewiesene Schuldner dem
Anweisenden noch allezeit verfangen bleibet; wo in Gegentheil durch die
Abtretung das ganze Recht, was dem Abtretenden zugestanden,
aus einer zu Uebertragung des Eigenthums
hinreichenden Ursache dem Anderen übergeben wird.
[3, 23, § 4] 52. Abtreten kann Jedermann, wie auch Rechten
und Forderungen an Alle abgetreten werden, welche die freie Verwaltung des
Vermögens in eigenen oder fremden Namen haben, wann nur der Andere desjenigen
Rechts, welches ihme abgetreten wird, nach der Verfassung jeden Landes fähig
ist.
[3, 23, § 4] 53. Von der Macht deren Vormünderen oder
Gerhaben und Curatorum, Rechten
und Forderungen ihrer Pflegebefohlenen an Andere abzutreten oder von anderen zu
übernehmen, ist bereits in ersten Theil, in der Abhandlung von der
Vormundschaft die Ausmessung geschehen; Befehlshabere hingegen sollen allemal
mit einer besonderen Vollmacht sowohl zur Abtretung als Uebernehmung versehen
sein.
[3, 23, § 4] 54. Alle sowohl dingliche als persönliche
Rechten, Forderungen und Schulden können abgetreten werden, doch mit Ausnahm
jener Gerechtsame und Gebührnussen, welche von der Person des Berechtigten
dergestalten unzertrennlich sind, daß sie von niemand Anderen ausgeübet,
bezogen oder genossen werden mögen.
[3, 23, § 4] 55. So viel es aber die aus Verbrechen
herrührende Forderungen anbelanget, können solche nur insoweit abgetreten
werden, als sie auf die Entschädigung und die dem Beleidigten zukommende
Geldbuße gerichtet sind, keineswegs jedoch, insoweit sie auf Rächung der Unbild
oder eine öffentliche Bestrafung abzielen.
[3, 23, § 3] 56. Die Art und Weis der Abtretung oder
Uebergabe einer Forderung ist nach Verschiedenheit deren dinglichen und
persönlichen Rechten und Haftungen unterschieden; zur Abtretung deren
persönlichen ist die Einwilligung beider Theilen, als nemlich des Abtretenden
und Uebernehmenden genug.
[3, 23, § 4] 57. Damit aber der Uebernehmende die ihme
gemachte Abtretung zu erweisen im Stande sein möge, wird nebst der
Ausantwortung des Schuldscheins oder der Schuldverschreibung annoch die
Ausfertigung einer besonderen Abtretungs- oder Uebergabsurkunde oder die
Aussage zweier geschworener Zeugen erforderet, obschon die Schuldverschreibung
ausdrücklich auf alle getreue Briefsinhabere lautete; dann deren alleinige
Inhabung giebt nicht das Recht, die Schuld einzuforderen, sondern die förmliche
Abtretung, welche nicht anderst als durch eine hierüber ausgefertigte besondere
Urkunde oder Zeugen erwiesen werden kann.
[3, 23, § 4] 58. Dingliche Rechten und Haftungen hingegen,
welche auf keine andere Art als durch die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher
erworben werden mögen, können auch nicht anderst als durch die Landtafel,
Stadt- Grundbücher an Andere abgetreten und übertragen werden.
[3, 23, § 4] 59. Welches nur aus zweierlei Art geschehen
mag, als entweder durch persönlichen Vorstand und Bekanntnuß sowohl des
Abtretenden als Uebernehmenden vor der Landtafel oder derjenigen
Gerichtsstelle, welcher die Gerichtsbarkeit über diejenige Bücher, worinnen das
übertragen wollende Recht oder Forderung vorgemerket ist, zustehet, oder aber
durch eine mit eigener Handunterschrift und Petschaft des Abtretenden und
zweier untadelhafter Zeugen (es seie auf Papier oder Pergament) ausgefertigte
und mit allen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage oben in
zweiten Capitel, zweiten Artikel, von Verträgen §. XI, num. 76 vorgeschriebenen
Erfordernussen versehene Abtretungs- oder Uebergabsurkunde.
[3, 23, § 4] 60. Da aber der Abtretende selbst die Uebergabe
oder Abtretung auf eine oder andere Art persönlich nicht vollziehen wollte oder
könnte, so stehet ihme zwar frei, hierzu anstatt
seiner einen Befehlshaber mittels einer ausdrücklich auf diese Handlung
(3-396) lautenden besonderen Vollmacht zu bestellen; doch
solle eine solche Vollmacht alle zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen
Einlage ausgemessene Erfordernussen haben und mit der von dem Bevollmächtigten
abgelegten gerichtlichen Bekanntnuß oder der von ihme ausgestellten
Abtretungsurkunde zugleich einverleibet werden, ohne daß weiters nöthig seie,
nachhero die persönliche Geständnuß des Abtretenden wiederholen zu lassen.
[3, 23, § 4] 61. Wo beinebst auch in allen Abtretungen
sowohl persönlicher als dinglicher Rechten und Forderungen jedesmal die Ursach
der Abtretung, warum ein solches Recht oder Forderung auf den Anderen
übertragen werde, deutlich ausgedrucket, in Widrigen aber eine derlei
mangelhafte Abtretungsurkunde, worinnen die Ursach der Abtretung nicht mehr
enthalten ist, weder bei Gericht angenommen, noch minder irgendwo einverleibet
oder einige Gerichtshilfe hierauf ertheilet, sondern Jener, der hieraus eine
Forderung an den Anderen stellet, vorhero zum ordentlichen Beweis der Ursach
der Abtretung angewiesen und nach Vernehmung des Abtretenden hierüber mit
rechtlicher Erkanntnuß verfahren werden solle.
[3, 23, § 4] 62. Wo aber derselbe mit dem Beweis einer
rechtmäßigen Ursach nicht aufkommen und also darunter eine auf Vereitlung
Unserer Gesetzen abgesehene Scheinhandlung entdecket würde, solle nicht nur die
Abtretung null und nichtig und das abgetretene Recht oder Forderung Unserer
Kammer verfallen sein, sondern auch noch über dieses sowohl der Abtretende als
Uebernehmende nach Beschaffenheit deren Umständen bestrafet werden.
[3, 23, § 4] 63. Die Ursach muß allemal rechtmäßig und denen
Gesetzen nicht zuwider sein. Daran aber lieget nichts, die Abtretung geschehe
entgeltlich oder ohne Entgelt, wann nur letzteren Falls, da die abgetretene
Forderung den zu Verschenken zufälligen Betrag übersteiget, solche bei Gericht
behörig angemeldet wird, wie davon bei Schankungen das Mehrere geordnet worden.
[3, 23, § 4] 64. Es behält auch die Abtretung
nichtsdestoweniger ihre volle Kräften, es möge von dem Uebernehmer für die
abgetretene Forderung viel oder wenig gegeben worden sein, und ist jede
ausstehende Forderung eben also wie eine Waare zu betrachten, welche soviel
gilt, als der Abnehmer dafür geben will; dessen ohnerachtet aber bleibet der
Schuldner jegleichwohlen dem Uebernehmer in eben derjenigen Maß wie dem
Abtreter verbunden, obgleich dieser weniger dafür empfangen hätte, gleichwie er
dann auch zu nichts Mehreren verstricket wird, obschon dem Abtreter eine
Mehreres dafür bezahlet worden wäre, massen ihme das, was zwischen diesen
Beiden behandlet worden, weder zum Vortheil noch zu einigem Schaden gereichen
kann.
[3, 23, § 4] 65. Wovon einzig und allein die Abtretung
strittiger Rechten und Forderungen ausgenommen sein und folgender Unterschied
dabei beobachtet werden solle, daß, wo derlei zwar zur Zeit der Abtretung noch
nicht wirklich rechtsanhängige, doch aber wegen ihres Betrags strittige und
nicht anderst als durch richterliche Entscheidung in Richtigkeit gesetzet
werden mögende Forderungen abgetreten würden, die Abtretung zwar an sich
giltig, der Schuldner aber, wann die Forderung ganz oder zum Theil für richtig
erkennet würde, dem Uebernehmer hieran nicht mehr, als was derselbe dem
Abtreter dafür erweislich gegeben, zu bezahlen schuldig seie, obschon sonst die
Schuld ein Mehreres betragen hätte.
[3, 23, § 4] 66. Dahingegen solle die Abtretung deren
bereits eingeklagten und also in wirklichen Rechtsstritt verfangenen Rechten
und Forderungen nicht nur an sich null und nichtig sein, folglich Niemand, der
von Klägern eine solche Forderung an sich erhandlet, zu Fortsetzung des
Rechtsstritts zugelassen, sondern auch der Abtreter, welcher dieselbe
wissentlich an den Anderen übertragen, mit Verlust der Forderung, oder da
Beklagter in Weg Rechtens davon losgesprochen würde, mit Erlag des eingeklagten
Betrags zu Handen Unserer Kammer bestrafet werden.
(3-397) [3, 23, § 4] 67. Beinebst aber hat er dem
Uebernehmer einer solchen strittigen Forderung, wann dieser dieselbe mit guten
Glauben, ohne von dem Rechtsstritt etwas zu wissen, an sich gebracht, das dafür
Empfangene zuruckzustellen; wohingegen, da der Uebernehmer wissentlich wider
dieses Unser Gesatz gehandlet hätte, so soll sowohl das Gegebene, als das dafür
zu geben Verheißene zu Handen Unserer Kammer eingetrieben werden.
[3, 23, § 4] 68. Doch sollen unter strittigen Forderungen
keineswegs auch jene verstanden sein, die in wirklicher Execution stehen,
folglich deren Betrag an sich richtig und nur die Einbringung beschwerlich ist;
wie dann ingleichen vorstehendes Gesatz sich auf jene Fälle nicht erstrecket,
wo die Abtretung einer strittigen Forderung von dem Vater an den Sohn oder vom
Weib an den Mann oder dagegen, oder von einem Gesellschafter oder Miterben an
den Anderen geschieht, oder wo ein ganzer Umfang von Rechten und Forderungen,
worunter einige unrichtig oder auch schon wirklich rechtsanhängig wären,
abgetreten würde, als z. B. eine Erbschaft, Handlung oder Gewerb, oder auch ein
liegendes Gut, deme einige noch strittige Rechten anklebeten, wann nur das
abgetretene Erbrecht oder die Handlung, oder das Gewerb oder Gut an sich selbst
nicht strittig ist.
[3, 23, § 4] 69. Die Abtretung und Uebergabe eines Rechts
oder Forderung hat in Absicht auf den Abtretenden die Wirkung, daß er für die
Wahrheit oder, was eben so viel sagen will, für die Richtigkeit der Forderung
zu stehen habe; durch die Richtigkeit aber wird nichts Anderes verstanden, als
daß die Forderung für denjenigen Betrag, welcher abgetreten worden, wirklich
gebühre, und durch keine Einreden oder Einwendungen des Schuldners abgeleinet
oder entkräftet werden möge.
[3, 23, § 4] 70. Hieraus entspringet seine Verbindlichkeit
zur Gewährsleistung, wozu er nicht allein in der Maß, wie es in neunten
Capitel, von Kauf und Verkauf, §. XII, von Gewährsleistungen überhaupt geordnet
worden, verstricket wird, sondern auch, da die Unrichtigkeit der abgetretenen
Forderung noch vor Belangung des Schuldners erweislich wäre, solche
zurucknehmen und das dafür Empfangene mit allen davon vertagten Zinsen, Schäden
und Unkosten zuruckzustellen, und über das, wo ihme die Unrichtigkeit zur Zeit
der Abtretung wohl bekannt gewesen wäre, den achten Theil des dafür empfangenen
Werths zur Strafe zu erlegen schuldig ist.
[3, 23, § 4] 71. Für die Güte, das ist für die
Einbringlichkeit der abgetretenen Schuld aber hat der Abtretende nicht zu
haften, sondern der Uebernehmer sich selbst beizumessen, daß er eine schwer
oder gar nicht einbringliche Schuld an sich gelöset habe.
[3, 23, § 4] 72. Er könnte dann erweisen, daß der Abtretende
ihn zur Einlösung dieser Schuld arglistiger Weise eingeführet, oder solche gut
und einbringlich zu sein ausdrücklich gewähret, und die Zahlung zu verschaffen
gelobet hätte, in welchen Fällen dem Uebernehmer eine Jahresfrist von dem Tag
der Abtretung vergönnet wird, um binnen solcher die Forderung dem Abtretenden
zuruckzustellen, nach deren Verlauf derselbe nicht mehr angehöret werden solle.
[3, 23, § 4] 73. Umsoweniger aber wird der Abtretende
verfänglich, wann die zur Zeit der Abtretung einbringliche Forderung nachhero
ohne seiner Schuld uneinbringlich wird, sondern die Gefahr hat der Uebernehmer,
so wie ein jeder anderer Kaufer zu tragen, wann solche von dem Abtretenden
nicht ausdrücklich übernommen worden.
[3, 23, § 4] 74. Wann hingegen Jemand eine falsche oder
schon bezahlte Schuld wissentlich an einen Anderen abtreten oder dieser solche
wissentlich, daß sie schon bezahlet seie, übernehmen und den Schuldner um die
Zahlung belangen würde, solle Einer wie der Andere ihrer Ehren verlustig sein,
und über das, befindenden Umständen nach, an Leib oder Gut bestraft werden.
[3, 23, § 4] 75. Ohnerachtet aber
der Abtretung oder Uebergabe eines Rechtes oder Forderung auf den
Uebernehmenden kann jedennoch die
Verbindlichkeit des Schuldners, mit welcher derselbe dem Abtretenden verfangen
ist, andere Gestalt nicht getilget
(3-398) werden, als wann bei landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Rechten und Forderungen die Abtretungsurkunde in die
Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen oder die Abtretung persönlicher
Forderungen dem Schuldner entweder schriftlich oder durch eine geschworne
Gerichtsperson bedeutet worden.
[3, 23, § 4] 76. Solang dahero nach Verschiedenheit dieser
zweierlei Gattungen von Forderungen Eines oder das Andere nicht geschehen, kann
zwar der Abtretende die einmal gemachte Abtretung nicht mehr widerrufen, doch
bleibet er noch allezeit Eigenthümer der abgetretenen Forderung, also und
dergestalten, daß ihme bis dahin nicht allein von dem Schuldnern bei Zahlung
sicher und giltig geleistet werden möge, sondern auch der dem Schuldner hieran
gemachte Nachlaß bestehe, obschon er den Uebernehmer für das, was er an der abgetretenen
Schuld von dem Schuldner eingehoben oder demselben nachgelassen, gerecht werden
muß.
[3, 23, § 4] 77. Wann aber die Abtretung in die Landtafel,
Stadt- oder Grundbücher einverleibet oder solche bei persönlichen Forderungen
dem Schuldner bedeutet worden, hat der Abtretende hieran weiters kein Recht,
sondern alle Verbindlichkeit des Schuldners gegen ihme ist andurch für den
abtretenden Betrag gänzlich erloschen, folglich, was etwan sonach ihme an
Capital oder Interessen abgeführet wird, zahlet der Schuldner auf seine Gefahr.
[3, 23, § 4] 78. Würde jedoch einerlei Forderung an Zweie
abgetreten, so ist bei landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderung
allemal Jener, welcher die obschon später ausgestellte Abtretung ehender
einverleiben lassen, bei persönlichen Forderungen hingegen Derjenige, deme die
Abtretung erweislich zuerst geschehen, dem Anderen vorzuziehen, obgleich dieser
dem Schuldner die Abtretung ehender bedeutet hätte.
[3, 23, § 4] 79. Es wäre dann, daß der, welcher die
Abtretung zuerst einverleiben lassen oder an den sie zuerst ausgestellet
worden, zu Verkürzung des Anderen an dem Betrug mit Theil genommen zu haben
überwiesen werden könnte, oder daß der Schuldner noch vor der Einverleibung
oder vor den von dem ersten Uebernehmer ihme zugekommenen Bedeutung die Zahlung
schon geleistet hätte; dann ersteren Falls hat der Andere den Vorzug und
letzteren Falls muß der leer ausgehende Uebernehmer seine Entschädigung an den
Abtretenden suchen.
[3, 23, § 4] 80. Welcher jedoch wissentlich eine Forderung
an Zweie abtreten würde, ist so wie Jener, der eine schon wissentlich dem
Anderen abgetretene Forderung an sich löset, nach Gestalt der Sachen an Leib
oder Gut zu bestrafen, und solle über das, was von diesem Letzteren dafür
gegeben oder zu geben versprochen worden, an Unsere Kammer verfallen sein.
[3, 23, § 4] 81. In Absicht auf den Uebernehmenden wirket
die Abtretung eines Rechtes oder Forderung, daß derselbe bei landtäflichen,
stadt- oder grundbücherlichen Forderungen durch Einverleibung der Abtretung und
bei persönlichen Forderung durch die dem Schuldner gemachte Ankündung das volle
Recht hieran erwerbe und Eigenthümer der abtretenden Forderung werde, also daß
er Fug und Macht habe, damit als mit seinem eigenem Gut zu schalten und zu
walten.
[3, 23, § 4] 82. Er erwirbt aber andurch nicht allein die
Hauptforderung, sondern auch alle davon schuldige Nebengebührnussen, sowohl,
welche von dem Tag der Abtretung zu laufen anfangen, wann der Abtretende sich
etwan solche nicht namentlich vorbehalten, als welche schon vorhero vertragen
sind, insoweit ihme solche mit abgetreten worden, wie nicht weniger alle für
abtretende Schuld bestellte Sicherheit, es seie durch Pfandschaft oder
Bürgschaft, wann erstere ihme mit übergeben und letztere ohne Benennung des
Glaubigers überhaupt für die Schuld, oder gegen einem jeden getreuen
Briefsinhaber, oder auch mit Bestellung oder Einlegung eines dem Uebernehmer
mit ausgeantworteten Unterpfands geleistet worden.
[3, 23, § 4] 83. Doch ist der Uebernehmer nicht befugt, an
den Schuldner Interessen von Interessen zu forderen, obgleich bei Abtretung der
Schuld ihme solche von
(3-399) dem Abtreter zum Capital angeschlagen worden wären,
wann nicht zugleich der Schuldner sich durch eine gepflogene Erneuerung der
Schuld in der in siebenzehnten Capitel, von denen aus Contracten schuldigen
Nebengebührnussen, in ersten Artikel, von Zinsen, §. V, num. 100, erlaubten Maß
hierzu ausdrücklich verbunden hätte.
[3, 23, § 4] 84. Dann der Uebernehmer einer Forderung tritt
nur in die Stelle des vorigen Glaubigers ein, sogleich kann er sich auch keines
mehreren Rechtes wider den Schuldner anmaßen, als was Derjenige gehabt, von
deme er die Forderung übernommen, noch weniger aber persönliche Vorrechte und
Rechtswohlthaten, welche nicht aus der Eigenschaft der Schuld herstammen oder
womit die Forderung nicht schon vorhero landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich behaftet ist, zum Nachtheil des Schuldners oder anderer
Glaubiger dabei gelten machen.
[3, 23, § 4] 85. In Absicht auf den Schuldner hat die
Abtretung die Wirkung, daß sobald solche bei landtäflichen, stadt- oder
grundbücherlichen Forderung einverleibet, oder bei persönlichen demselben
angekündet worden, er von dem vorigen Glaubiger für den abgetretenen Betrag
befreiet und dagegen dem Uebernehmer in eben derjenigen Maß, als er dem
Abtretenden verstricket ware, dafür verbunden werde.
[3, 23, § 4] 86. Es bleiben ihme dahero alle Einreden und
Einwendungen, welche demselben der abgetreten Schuld halber wider den
Abtretenden gebühret hätten, auch wider den Uebernehmenden bevor, maßen er zu
nichts Wenigeren und auch zu nichts Mehreren, als was er dem Abtretenden
schuldig ware, dem Uebernehmenden verbindlich wird, woferne zwischen diesem und
ihme keine absonderliche Erneuerung der Schuld gepflogen worden, als wornach
sodann die neue Verbindlichkeit abzumessen ist.
[3, 23, § 4] 87. Außer deme bleibet die Verbindlichkeit des
Schuldners in demjenigen Stand, in welchem solche zur Zeit der Abtretung sich
befunden hat und mit erlöschenden Recht des Abtretenden erlöschet auch das
Recht des Uebernehmenden, im Falle jenes aus einer der Abtretung vorgehenden
Ursache sich endigen würde. Wo aber die Abtretung einmal ordentlich geschehen, wird solche weder durch Absterben des
Uebernehmenden, noch des Abtretenden aufgehoben.
§. V.
[3, 23, § 5] 88. Die Uebernahme einer fremden Schuld ist
eine Handlung, wodurch Jemand sich mit Willen des Glaubigers für den Anderen
zum Selbstschuldner bestellet und dessen Verbindlichkeit dergestalten auf sich
nimmt, daß jene des vorigen Schuldners andurch erlösche, wobei eine wahre
Erneuerung der Schuld unterwaltet, also daß zwar der nemliche Glaubiger bleibe,
die Person des Schuldners aber geänderet werde.
[3, 23, § 5] 89. Diese Handlung kommt einer Bürgschaft in
deme bei, daß eine wie die andere eine vorhergehende Verbindlichkeit
voraussetze, und nur von Jenen fremde Schulden übernommen werden können, welche
zu Leistung einer Bürgschaft fähig sind.
[3, 23, § 5] 90. Dahingegen bestehet der wesentliche
Unterschied zwischen einer Bürgschaft und Uebernahme fremder Schulden darinnen,
daß ein Bürge der Hauptverbindlichkeit des Schuldners ohne aller Erneuerung nur
beitrete, folglich der Schuldner dem Glaubiger noch allzeit verbunden bleibe,
die selbsteigene Uebernahme einer fremden Schuld aber die Hauptverbindlichkeit
des vorigen Schuldners durch die Eintretung des neuen, mithin durch eine wahre
Erneuerung tilge und solche auf den Uebernehmenden übertrage, wobei alles
Dasjenige statt hat, was oben in §. III, von Ueberweisung oder Anweisung des Schuldners
an Zahlungsstatt geordnet worden, von welcher die Uebernahme fremder Schulden
nur in deme unterschieden ist, daß die Ueberweisung nicht anderst, als mit
Wissen und Willen des vorigen Schuldners, die Uebernahme aber und
Selbsteinschuldigung für den Anderen auch ohne dessen Vorwissen geschehen kann.
Caput XXIV.
Von Aufhebung und Erlöschung deren Verbindungen.
Inhalt:
§. I. Von Zahlung der Schuld. §. II. Von Erlassung der
Schuld oder Ledigsprechung des Schuldners. §. III. Von Gegenforderungen. §. IV.
Von gerichtlichen Erlag der Schuld. §. V. Von
Vermengung und Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person.
§. VI. Von Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen. §. VII. Von
beiderseitiger Willkür. §. VIII. Von Untergang der schuldigen Sache. §. IX. Von
Verlauf der Zeit, Verjährung und Abgang der Bedingnuß. §. X. Von Absterben des
Schuldners. §. XI. Von Quittungen. §. XII. Von Tilgung deren Verbindungen durch
Einreden oder Einwendungen.
§. I.
[3, 24, § 1] Num. 1. Die Tilgungsarten, wodurch die
Verbindungen gänzlich erlöschen und aufgehoben werden, sind allschon in ersten
Capitel, von Verbindungen insgemein, §. X, kürzlich bemerket worden; die
Tilgung aber geschieht entweder mittelst des
(3-401) Rechts selbst oder durch die dem Verbundenen wider
die Forderung des Anderen gebührende rechtsbewährte Einreden oder Einwendungen.
[3, 24, § 1] 2. Mittelst des Rechts selbst werden die
Verbindungen vornehmlich durch die vollständige Befriedigung des Glaubigers und
die ihme geleistete Genugthuung getilget, als welcher nach Habhaftwerdung
dessen, was ihme gebühret, nichts mehr zu fordern hat, folglich auch so an
Seiten des Schuldners durch Abtrag der Schuld alle Verbindlichkeit, wie an
Seiten des Glaubigers durch seine erhaltene Vergnügung alle weitere Forderung
erlöschet.
[3, 24, § 1] 3. Die erste Tilgungsart durch Vergnügung des
Glaubigers ist die Zahlung der Schuld, welche in zweierlei Verstand genommen
werden kann, als entweder insgemein für eine jedwede Befriedigung des
Glaubigers und Entledigung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit, worunter
alle dem Glaubiger genugthuende Tilgungsarten begriffen werden, oder aber
eigentlich für den wirklichen Abtrag der Schuld, in welcher letzteren Bedeutung
dieselbe sich von anderen Tilgungen unterscheidet und nichts Anderes ist, als
die wirkliche und rechtmäßige Leistung dessen, was Jemand dem Anderen schuldig
ist, in Absicht sich von der Verbindung zu entledigen.
[3, 24, § 1] 4. Die Zahlung geschieht entweder ganz oder zum
Theil, wann nemlich entweder der ganze Betrag der Schuld oder nur ein Theil
derselben bezahlet wird; erstere wirket die völlige Befreiung von der ganzen
Schuld, letztere aber nur für denjenigen Theil, welcher bezahlet worden.
[3, 24, § 1] 5. Die Zahlung kann von jedwedem Schuldner,
welcher die freie Verwaltung seines Vermögens hat, nicht nur allein von ihme
selbst, sondern auch von jedem Anderen anstatt seiner mit oder ohne seinem
Wissen und Willen geleistet werden, welche, wann sie gleich wider seinen Willen
geschieht, die Verbindung gegen den Glaubiger jedennoch tilget und aufhebet.
[3, 24, § 1] 6. Damit aber Derjenige, welcher für einen
Anderen gezahlet hat, die Ruckforderung dessen, was er erweislich ausgeleget,
wider den Schuldner anstrengen möge, ist erforderlich, daß entweder derselbe
einen Befehl und Vollmacht zu Verwaltung deren Geschäften dessen, für den er
die Zahlung geleistet, auch sich gehabt oder ihme von dem Glaubiger die
Forderung ordentlich abgetreten und übergeben, oder von ihme die
Wiedererstattung des Bezahlen ausdrücklich vorbehalten, oder
(3-402) das Pfand eingelöset, oder die Bürgschaft gegen ihme
erneueret worden seie, oder doch eine erhebliche Ursach erwiesen werden möge,
wegen welcher ihme daran gelegen ware, die Schuld für den Anderen zu bezahlen.
[3, 24, § 1] 7. Außer deme, und da keiner von vorberührten
Umständen unterwaltete, ist eine Schankung zu vermuthen, woferne ein Widriges
nicht erwiesen wird, wie dann auch umsomehr die Ruckforderung des für einen
Anderen Bezahlten in jenem Fall aufhöret, wann dieser die Zahlung zu leisten
ausdrücklich verboten hat; es wäre dann solche auch wider Willen des Schuldners
gerichtlich auferleget oder die Forderung dem Zahlenden von dem Glaubiger
abgetreten worden.
[3, 24, § 1] 8. Wo aber ein Dritter in Meinung das, worzu
ein Anderer verbunden ist, selbst schuldig zu sein die Zahlung aus Irrthum oder
Unwissenheit in seinem eigenen Namen leistete, wird der Schuldner von seiner
Verbindlichkeit andurch nicht entlediget, sondern dem Zahlenden gebühret die
Zuruckforderung dessen, was er aus Irrthum zur Ungebühr bezahlet hat.
[3, 24, § 1] 9. Ein Mitschuldner befreiet zwar durch
Bezahlung der ganzen Schuld nicht allein sich, sondern auch den anderen mit
geschiedener oder ungeschiedener Hand Mitverbundenen von dem Glaubiger; dieser
aber bleibet nichtsdestoweniger schuldig, ihme einen gleichen oder denjenigen
Antheil, worzu er nach Ausweis der getroffenen Handlung verbunden ist,
abzustatten.
[3, 24, § 1] 10. Die Zahlung kann nur Jenem rechtsgiltig
geleistet werden, welcher solche mit Fug und Recht anzunehmen und die
Verbindlichkeit zu erlassen Macht hat, wo im Widrigen der Schuldner, welcher
die Zahlung einem Anderen, als der solche anzunehmen befugt ist, geleistet hat,
von der Verbindlichkeit gegen seinem Glaubiger nicht befreiet wird, sondern zu
Bezahlung der Schuld noch allzeit verstricket bleibet.
[3, 24, § 1] 11. Zur Annehmung der Zahlung ist dahero nur
Jener berechtiget, welcher die Schuld rechtmäßig zu forderen, und die freie
Verwaltung seines Vermögens hat. Welchen aber diese durch das Gesatz
verschränket ist, als unmündigen, blödsinnigen und anderen pflegbefohlenen
Personen, denen kann auch keine Zahlung rechtsgiltig werden, sondern solche
solle Denjenigen geschehen, welchen die Verwaltung ihres Vermögens aufgetragen
ist, als ihren Vormünderen oder Gerhaben und Curatoren.
[3, 24, § 1] 12. Was aber sowohl der Schuldner zu seiner
Sicherheit bei denen an Vormündere und Curatores leistenden Zahlung zu
beobachten habe, als inwieweit derselbe bei der an den Pflegebefohlenen selbst
gemachten Zahlung annoch in der Verbindlichkeit bleibe, ist in ersten Theil in
der Abhandlung von der Vormundschaft erkläret worden.
[3, 24, § 1] 13. Jene hingegen, welche die freie Verwaltung
ihres Vermögens haben, können Zahlungen entweder selbst oder durch Andere,
denen von ihnen die Gewalt hierzu ertheilet worden, annehmen. Einem Dritten
kann also die Zahlung rechtsgiltig nicht anderst geleistet werden, als wann der
Glaubiger entweder ihme solche bei dem Schuldner angewiesen, oder die Forderung
abgetreten, oder zur Einforderung der Schuld eine besondere Vollmacht gegeben,
oder die Verwaltung seines gesammten Vermögens aufgetragen hätte, oder endlich
wissentlich die Zahlung an ihn geschehen ließe, und da er es thun könnte, deme
nicht widerspräche, sondern dabei beruhete, oder es ausdrücklich genehm hielte.
[3, 24, § 1] 14. Demjenigen aber, der nur blos zu Besorgung
eines einzelnen Geschäfts, oder auch zu Verführung deren Rechtshändeln
bestellet ist, kann die Zahlung nicht geleistet werden, wann ihme nicht deren
Annehmung zugleich besonders aufgetragen worden, oder nicht schon in dem
anbefohlenen Geschäft der Auftrag, die Zahlung anzunehmen, stillschweigend
begriffen würde; also, da Jemanden eine Sache zum Verkauf übergeben worden, hat
derselbe auch die Macht, das Kaufgeld einzunehmen, wann solches in der
Vollmacht nicht ausdrücklich ausgenommen worden.
(3-403) [3, 24, § 1] 15. Die Macht eines solchergestalten zu
Annehmung der Zahlung begewaltigten Befehlshabers
daueret jedoch nur so lange, als solche entweder durch Widerrufung oder
Absterben des Befehlsgebers nicht anwiederum aufgehoben und dieses dem
Schuldner bedeutet, oder sonst das Absterben des Befehlsgebers kund gemacht
worden.
[3, 24, § 1] 16. Wann dahero der Schuldner nach erhaltener
Wissenschaft von Aufhebung des Befehles jegleichwohlen einem solchen
abgerufenen Befehlshaber die Schuld abführet, zahlet er auf seine Gefahr und
wird dadurch von seiner Verbindlichkeit gegen dem Glaubiger oder dessen Erben
keineswegs entlediget. Da er aber vor der ihme kund gemachten Widerrufung des
Befehls gezahlet hätte, wird er von dem Glaubiger befreiet, welcher sich selbst
beizumessen hat, daß er die Widerrufung des Befehls dem Schuldner nicht ehender
bedeutet, sowie die Erben des Glaubigers, daß sie demselben das Absterben ihres
Erblassers nicht früher zu wissen gethan haben.
[3, 24, § 1] 17. Einem Befehlshaber kommt auch Jener bei,
deme gleich in der Schuldverschreibung selbst von dem Glaubiger die Zahlung
angewiesen worden, welche Anweisung sich jedoch über seine Person nicht erstrecket,
folglich auch nicht auf seine Erben gehet und nur bis zur Widerrufung des
Glaubigers daueret, wann der Inhalt der Verschreibung nichts Anderes besaget.
[3, 24, § 1] 18.Wer aber zur Annehmung der Zahlung weder für
sich selbst, noch in Vollmacht eines Anderen berechtiget ist, deme kann auch
solche von dem Schuldner mit Sicherheit nicht geleistet werden, wann er gleich
eine ebenso vieles betragende Forderung an den Glaubiger hätte, folglich ein
Glaubiger des Glaubigers wäre; es seie dann, daß es mit Willen des Glaubigers
geschehe, oder dem Schuldner die Zahlungsleistung an dem Glaubiger seines
Glaubigers gerichtlich auferleget worden wäre.
[3, 24, § 1] 19. Ansonsten zahlet er demselben auf seine
Gefahr und kann von der Schuld nicht anderst, als mittelst der an ihn gemachten
Abtretung der Forderung und der daher rührenden Gegenvergeltung, insoweit sie
statthaben mag, befreiet werden, wobei er aber sich aller deren Einwendungen
verfänglich machet, welche dem Glaubiger wider die Forderung seines Glaubigers
gebühret hätten.
[3, 24, § 1] 20. Noch weniger giebt die alleinige Inhabung
des Schuldbriefs Jemanden das Recht, die Zahlung der Schuld anzunehmen, wann
gleich der Schuldner sich darinnen ausdrücklich gegen einem jeden dieses Briefs
getreuen Inhaber verbunden hätte, sondern es wird darzu eine Vollmacht,
Anweisung oder Abtretung des Glaubigers an den Inhaber des Schuldbriefs oder
wenigstens die Vorzeigung seiner eigenhändigen Quittung erforderet, wann
anderst der Schuldner durch die an diesen leistende Zahlung von seiner
Verbindlichkeit befreiet werden solle.
[3, 24, § 1] 21. Da ein Schuldner mehreren Mitglaubigeren
mit ungeschiedener Hand oder sammt und sonders verbunden wäre, wird er durch
die an Einen gemachte Zahlung nach Maß des abgeführten Betrags auch von dem
Anderen befreiet; wo aber die Forderung zwischen mehreren Mitglaubigeren
getheilet, folglich die Verbindung gegen Mehrere nicht sammt und sonders
eingegangen worden wäre, wird er durch die dem Einen geleistete Zahlung von den
hieran zu forderen habenden Antheil des Anderen nicht entlediget, sondern er
hat entweder Allen zusammen die ganze Schuld oder einem Jeden seinen
gebührenden Antheil abzustatten.
[3, 24, § 1] 22. Damit aber durch die Zahlung die Befreiung
des Schuldners bewirket werden möge, muß solche folgender Gestalt beschaffen
sein, daß erstens, die schuldige Sache, oder eben Dasjenige, oder eben so
vieles, was der Schuldner nach Verschiedenheit deren Handlungen zu leisten
schuldig ist, abgestattet werde; dann ein Anderes, als worzu der Schuldner sich
verbunden hat, kann dem Glaubiger wider seinen Willen nicht aufgedrungen
werden.
(3-404) [3, 24, § 1] 23. Es würde dann der Glaubiger ein
solches gutwillig annehmen, oder der Schuldner die schuldige Sache abzugeben
außer Stand gesetzet, oder von ihme das, was er zu thun verbunden ware, zur
gehörigen Zeit nicht verrichtet, in welchen Fällen zwar der Glaubiger etwas
Anderes anzunehmen bemüssiget wird; doch ist es keine eigentliche Zahlung,
sondern blos nach dem Unterschied, ob es mit guten Willen des Glaubigers oder
aus Nothwendigkeit Rechtens geschehe, entweder eine willkührliche oder
nothwendige Annehmung an Zahlungsstatt, welche die Befreiung von der
Verbindlichkeit nur insoweit wirket, als die an Zahlungsstatt angenommene
Sachen zu Befriedigung des Glaubigers hinreichen.
[3, 24, § 1] 24. Zweitens, daß eben so vieles oder der
nemliche Betrag und in der nemlichen Gattung, worzu der Schuldner sich
verbunden hat, abgeführet werde, wie solches in vierten Capitel, von Leihen
oder Borgen, §. IV, von num. 41 bis 47, mit Mehreren erkläret worden.
[3, 24, § 1] 25. Und obschon nach der alldort enthaltenen
Ausmessung bei Geldschulden und Barschaften nicht so viel auf die Gleichheit
der Münze, als den gleichen Werth derselben gesehen wird, wann der Schuldner
nicht ausdrücklich zur Abfuhr einer gewissen Gattung der Münze verstricket ist,
so wollen und befehlen Wir jedoch hiermit gnädigst, daß in Ansehung deren
Schiedmünzen, bei allen und jeden Zahlungen sich nach Unseren in Münzsachen
ergangenen und noch in Hinkunft ergehen mögenden Verordnungen auf das genaueste
geachtet werden solle.
[3, 24, § 1] 26. Es wäre dann der Schuldner ein Mehreres an
Schiedmünzen auf das Darlehen anzunehmen bemüssiget gewesen, in welchen Fall
der Glaubiger eben so vieles an derlei Schiedmünzen in der Ruckzahlung
zurucknehmen schuldig ist, als der Schuldner erweislicher Maßen von ihme hieran
empfangen hat.
[3, 24, § 1] 27. Drittens, daß der schuldige Betrag in
gleicher Güte, zu welcher sich der Schuldner verbunden hat, abgestattet werde,
und da Jemand wechselweise zu Leistung dieser oder jener Sache verstricket
wäre, gebühret ihme die Auswahl, welche er geben wolle, woferne solche nicht
dem Glaubiger vorbehalten oder eine Sache davon aus seiner Schuld zu Grund
gegangen ware; dann solchen Falls ist er lediglich die noch übrige
auszuantworten schuldig, und kann die Bezahlung des Werthes nur damals
vorwählen, wann der Untergang der Sache durch Zufall geschehen und ihme sonst
die Auswahl gebühret hat; wie aber die Güte nach Verschiedenheit deren zu
leisten schuldigen Sachen zu beurtheilen seie, ist in gleichbemelten vierten
Capitel, §. IV, von num. 48 bis 56, erwähnet worden.
[3, 24, § 1] 28. Gleichwie es jedoch bei baaren Geld nicht
allein auf die innerliche Güte oder dessen Gehalt und Gewicht nach Schrott und
Korn, sondern auch auf die äußerliche Güte oder den Werth nach dessen bald
steigender, bald fallender Würdigung oder Währung ankommt, welcher letztere
sich oftmals in der Zwischenzeit von der eingegangenen Verbindung und der zu
leisten habenden Zahlung veränderen kann; also ist dabei vornehmlich zu
unterscheiden, ob insonderheit eine gewisse und bestimmte Gattung der Münze
zuruckzuzahlen bedungen worden oder nicht.
[3, 24, § 1] 29. Ersteren Falls solle die Zahlung allemal in
derjenigen Gattung der Münze geschehen, zu welcher sich der Schuldner verbunden
hat, deren Werth möge mittlerweil erhöhet sein oder abgefallen sein, doch mit
dem Unterschied, daß, wo der innerliche Werth oder Gehalt veränderet worden
wäre, die Güte, welche zur Zeit des Contracts gewesen, zu beobachten, folglich
die Zahlung in nicht mehr und nicht weniger haltenden Stücken, als sie zur Zeit
der Verbindung gehalten haben, oder da keine von gleichen Gehalt mehr zu haben
wären, in anderen gangbaren, guten Geld nach dem Werth des zur Zeit des
Contracts gehabten Gehalts der verschiedenen Gattung zu leisten seie.
[3, 24, § 1] 30. Dahingegen bei veränderter äußerlichen
Währung der Schuldner weder wegen des erhöheten Werths sich von der Hauptsumme
etwas abzuziehen befugt,
(3-405) noch wegen des verminderten etwas zuzulegen oder ein
Aufgeld zu geben schuldig ist, wann er diesen dem Glaubiger daraus erwachsenden
Schaden nicht etwan durch ein ausdrückliches Beding auf sich genommen oder der
Glaubiger dessen Vergütung sich nicht vorbehalten hat, oder die Gattung der
Münze nicht schon in dem Contract in einen gewissen Werth angeschlagen worden.
[3, 24, § 1] 31. Davon aber sind folgende zwei Ereignussen
auszunehmen, als die eine, wann die zu bezahlen gedungene Gattung der Münze
nach der Zeit der Verbindung völlig verrufen und außer Umlauf gesetzet worden,
oder auch sonst gar nicht mehr zu haben wäre, bei welchen sich ergebenden
Umstand der Schuldner jegleichwohlen noch eben so vieles und nicht mehr und
nicht weniger, als was die verschriebene Gattung der Münze zur Zeit der
Verbindung gegolten, in einer anderen zur Zeit der Zahlung gangbaren, den Werth
der vorigen nach ihrem innerlichen Gehalt und Güte ausgleichenden Münz zu
bezahlen verbunden bleibet.
[3, 24, § 1] 32. Die andere, wann nebst der schuldigen
Hauptsumme auch andere Nebengebührnussen entweder aus einem Beding oder Saumsal
abzuführen sind, welche allerdings in anderer gangbarer Münz entrichtet werden
mögen, woferne die bedungene Gattung der Münze nicht namentlich auch darauf erstrecket
worden.
[3, 24, § 1] 33. Woferne aber die Erhöhung oder Abwürdigung
der verschriebenen Gattung der Münze erst nach der Verfallzeit geschehen würde,
kann der Schuldner aus seinem Saumsal keinen Vortheil ziehen, sondern derselbe
ist schuldig, sowohl bei deren Erhöhung nichtsdestoweniger die verschriebene
Gattung in der bedungenen Zahl nach ihrem vollen Werth abzuführen, ohne sich
den erhöheten Betrag zu Guten rechnen zu mögen, als bei deren Abwürdigung nach
Auswahl des Glaubigers entweder die Zahlung in damals gangbaren Geld nach dem
Betrag des Werths, welchen die verschriebene Gattung zur Verfallzeit gehabt, zu
leisten, oder zu der abgewürdigten Gattung der Münze so vieles Aufgeld
zuzulegen, als solche in ihrer Währung abgefallen ist.
[3, 24, § 1] 34. Letzteren Falls hingegen, da wegen
Zuruckzahlung einer gewissen Gattung der Münze nichts bedungen oder die Zahlung
überhaupt in guten, gangbaren Geld zu leisten versprochen worden, ist der
Unterschied zwischen denen aus Darlehenscontracten und jenen aus anderen
Handlungen herrührenden Schulden zu bemerken:
[3, 24, § 1] 35. In Darlehenscontracten, deren Natur
erheischet, daß eben so viel, folgsam nicht mehr, nicht weniger, als wie viel
sowohl nach dem innerlichen, als äußerlichen Werth der vorgestreckten Münze
dargeliehen worden, dem Glaubiger zuruckgestellet werde, solle allemal auf den
Werth und Güte des vorgeliehenen Gelds, welchen es zur Zeit des Darlehens
gehabt, zuruckgesehen und die Ruckzahlung hienach abgemessen werden.
[3, 24, § 1] 36. Wann dahero die Veränderung sich an der
innerlichen Güte oder Gehalt der Münze ergebete, als da ein Darlehen in
schlechter ringhaltiger Münze welche nachhero verrufen würde, vorgestrecket
worden wäre, folglich die Ruckzahlung in solchem verrufenen Geld nicht mehr geleistet
werden könnte, so solle in solchem Fall allezeit auf den innerlichen Werth
derlei ringhaltiger Münzen, wie dieser in Verhalt gegen guten Geld nach dem
damaligen Wechselcours zur Zeit des Darlehens gewesen, die Rucksicht genommen,
und nach solchem das in schlechten Geld dargeliehene Capital auf gutes Geld
herabgesetzt, somit aber der Hauptstuhl bestimmet, und nach dessen Betrag die
Ruckzahlung in guten, gangbaren Geld geleistet werden.
[3, 24, § 1] 37. Also da hundert Gulden an schlechter
vorgeliehener Münze in dem damaligen Verhalt gegen gutes Geld nach ihrem
innerlichen Gehalt nur funfzig Gulden Werth gewesen wären, ist auch der
Schuldner nicht mehr als funfzig Gulden an guten Geld zuruckzuzahlen verbunden.
[3, 24, § 1] 38. Ingleichen sind nach eben diesen Maßregeln
die von dem Tag der Verrufung laufende Interessen auszumessen und hieran nicht
mehr, als was nach dem
(3-406) auf gutes Geld herabgesetzten Hauptstuhl ausfallet,
zu entrichten; also würden in dem gegebenen Beispiel von dem in hundert Gulden
an schlechten Gelde vorgeliehenen, nachhero aber in den Verhalt gegen guten
Geld auf funfzig Gulden herabgesetzten Capital die Interessen nur von funfzig
Gulden zu bezahlen sein; wohingegen es bei denen schon abgeführten Interessen
sein Bewenden hat, gleichwie dann auch die bis zur Verrufung versessene
Interessen zur Strafe des Saumsals für voll abgestattet werden müssen.
[3, 24, § 1] 39. Daferne aber in Gegentheil ein in besserer
Münze vorgestrecktes Darlehen in schlechterer, ehe solche noch verrufen würde,
zuruckgezahlet worden wäre, so solle in dem Fall, wo der Schuldner sich zu
keinem Aufgeld verbunden, und der Glaubiger bis Ruckzahlung in schlechterer
Münz freiwillig und ohne Vorbehalt angenommen, der Glaubiger mit einigen
Vergütungsanspruch nicht mehr gehöret werden.
[3, 24, § 1] 40. Wann jedoch der Schuldner entweder in der
Schuldverschreibung oder bei der Ruckzahlung sich zu einem Aufgeld oder zur
Vergütung des aus dem Unterschied der Münze dem Glaubiger erwachsenden Schadens
ausdrücklich verbunden, oder der Glaubiger in der Quittung und
Zahlungsbescheinigung oder sonst erweislicher Maßen bei der Ruckzahlung ein
Aufgeld oder Vergütung sich wortdeutlich vorbehalten hätte, so solle demselben
die bedungene oder vorbehaltene Vergütung geleistet, und da sowohl die
vorgeliehene, als zuruckgezahlte Münze verrufen worden wäre, hierbei das gute
Geld, mit welchem ohnedies nach verrufener schlechter Münze der
Vergütungsbetrag zu bezahlen kommet, zur Richtschnur genommen, folgsam wie das
in besserer Münz dargeliehene Geld zur Zeit des Darlehens und wie die
ruckbezahlte schlechtere Münz zur Zeit der Ruckzahlung nach dem Wechselcours
gegen guten Geld sich verhalten, dergestalten, und in solcher Ebenmäßigung das
Darlehen und die Ruckzahlung nach ihrem beiderseitigen Betrag bestimmet, und
was die Ruckzahlung minder betraget, dem Glaubiger von dem Schuldner vergütet
werden, anbei aber dieser Vergütung halber dem Glaubiger die nemliche
Sicherheit, die wegen des Capitals bestellet worden, zu Guten kommen.
[3, 24, § 1] 41. Nicht weniger, wann die vorgeliehene Münze
zwar bei ihrem innerlichen Gehalt und Güte, welche sie zur Zeit des Darlehens
gehabt, verbliebe, die äußerliche Währung aber durch deren Erhöhung oder
Abwürdigung veränderet würde, ist allemal der Werth des Gelds, was es zur Zeit
des Darlehens gegolten, zu betrachten, und hienach die Zahlung zwar in der zur
Zeit der Abfuhr gangbaren, jedoch dem zur Zeit des Darlehens empfangenen Werth
gleichkommenden Währung zu leisten.
[3, 24, § 1] 42. Als da z. B. hundert Goldstücke geliehen
worden wären, welche zur Zeit des Darlehens sechs Gulden gegolten hätten,
nachhero aber auf fünf Gulden herabgesetzet würden, so hat der Schuldner
jegleichwohlen sechshundert Gulden zu bezahlen; gleichwie in Gegentheil, wo
solche zur Zeit des Darlehens nur fünf Gulden gegolten hätten und hernachmals
auf sechs Gulden erhöhet worden wären, derselbe nur fünfhundert Gulden zu
entrichten hätte, weilen er in diesem Fall nicht mehr als fünfhundert Gulden,
wie in jenem nicht weniger als sechshundert Gulden von seinem Glaubiger
empfangen, und so eben auch diejenige Summe, die ihme vorgestrecket worden und
nicht mehr und nicht weniger zu verinteressiren hat.
[3, 24, § 1] 43. In allen anderen aber außer
Darlehenscontracten aus sonstigen Handlungen herrührenden Schulden, sie mögen
die Haupt- oder Nebengebühr betreffen, wobei keine gewisse Gattung der Münze
zur Zahlung bedungen worden, solle bei deren Entrichtung allemal auf den Werth
des Gelds, welchen es zur Zeit der Zahlung hat, gesehen, mithin soviel an
damals gangbarer Münz abgeführet werden, als der schuldige Betrag, worzu der
Schuldner aus der Handlung verbunden ist, ausmachet.
(3-407) [3, 24, § 1] 44. Es wären dann, daß eine gewisse
Gattung der Münze zur Zahlung ausdrücklich bedungen, aber die Verfallzeit noch
nicht verstrichen und von dem Schuldner die Zahlung entweder in einer anderen
Münze, als bedungen worden, oder vor der ausgesetzten Verfallzeit dem Glaubiger
wider dessen Willen und Einstimmung aufgedrungen oder der diesfällige
Geldbetrag solcher Gestalten voreilig zu Gerichtshanden hinterleget und die
Münze, in welcher der Erlag geschehen, nachhero abgewürdiget oder gar verrufen
worden.
[3, 24, § 1] 45. In welchen Fällen eine solche entweder
wider das ausdrückliche Beding oder vor der Verfallzeit aufgedrungene Zahlung
und gerichtliche Hinterlegung als unbefugt angesehen, und der Schuldner zu
Entrichtung der Schuld ersteren Falls in der bedungenen Gattung nach Maßgebung
dessen, was gleich oben von num. 29 bis 33 geordnet worden und letzteren Falls
in guter gangbarer Münze verhalten werden solle.
[3, 24, § 1] 46. Viertens ist zur Rechtmäßigkeit der Zahlung
erforderlich, daß solche vollkommen und auf einmal mit Abstattung des ganzen
schuldigen Betrags sowohl an Capital als an Zinsen und anderen Nebengebührnussen
geschehe, dann einzelne Zahlungen ist der Glaubiger wider Willen anzunehmen
nicht schuldig, wann die Zahlung nicht entweder schon durch das Beding selbst
oder nach der Beschaffenheit der Schuld oder durch die Macht Rechtens theilbar
ist.
[3, 24, § 1] 47. Durch das Beding ist die Zahlung theilbar,
wann einzelne Zahlungen gleich Anfangs mit beiderseitiger Einverständnuß
bedungen und zu deren Entrichtung gewisse Fristen ausgesetzet oder sonst von
dem Glaubiger hierein gewilliget worden.
[3, 24, § 1] 48. Durch die Beschaffenheit der Schuld wird
die Zahlung in zweien Fällen theilbar, als da entweder ein Theil der Schuld
richtig und das Uebrige noch unrichtig und strittig wäre, oder die Schuld aus
mehreren einzelnen Summen bestünde.
[3, 24, § 1] 49. In dem ersten Fall ist zu unterscheiden, ob
die Zahlung des einen Theils der Schuld von dem Richter auferleget,
oder ob solche von dem Schuldner freiwillig geleistet werde. Die gerichtliche
Auflage ist ihme an seinen wegen des Uebringen wider die Forderung des
Glaubigers etwan habenden Rechten und Einwendungen nicht nachtheilig, wann
deren Inhalt nichts Anderes ausmesset, wohl aber die freiwillige Anbietung der
Zahlung auch nur des einen Theils der Schuld, woferne sowohl der bezahlte, als
noch zuruckbehaltene Betrag zusammen aus einerlei Einschuldigungsursache
herrühret und unter einer Summe in einerlei Verschreibung begriffen ist.
[3, 24, § 1] 50. Dann aus der freiwilligen Anbietung des
einen Theils erwachset die rechtsbeständige Vermuthung auch für die volle
Anerkanntnuß und Richtigkeit des Uebrigen, wann vorbemelter Maßen es einerlei
Schuld ist, und der Schuldner bei Abstattung des einen Theils sich nicht alle
wegen des Uebrigen ihme gebühren mögende Rechtswohlthaten und Einwendungen
ausdrücklich vorbehalten hat oder diese widrige Vermuthung durch
rechtsbeständige Proben nicht ableinen kann.
[3, 24, § 1] 51. Wo aber die Schuld aus mehreren einzelnen
Posten bestünde, die aus unterschiedenen Verbindlichkeiten herrühreten,
folglich auch wegen deren jeder besondere Rechtsforderungen gebühreten, kann
der Schuldner zu Abführung aller auf einmal nicht angehalten werden, wann nicht
solches deutlich bedungen, oder alle diese verschiedene Posten mit
beiderseitiger Einwilligung in eine Summe, nebst dem ausdrücklichen Beding
zusammengezogen worden, daß deren Bezahlung völlig und auf einmal geleistet
werden solle.
[3, 24, § 1] 52. Da jedoch dieses Beding in der Beschreibung
nicht mit beigesetzet worden wäre, wird der Schuldner durch die alleinige
Zusammenziehung und Berechnung verschiedener einzelner Posten nicht verbunden,
solche auf einmal abzustatten, sondern es bleiben dessen ohnerachtet so viele
unterschiedene Zahlungen, als Verbindlichkeiten
(3-408) und Forderungen, außer alle diese Posten rühreten
aus einer Verbindlichkeit her, folglich sie auch mit einerlei Rechtsforderung
anbegehret werden könnten.
[3, 24, § 1] 53. Durch die Macht Rechtens wird die Zahlung
nicht allein zwischen mehreren Erben des verstorbenen Schuldners, wann der
Glaubiger sich ihrer und nicht her Verlassenschaft haltet, nach Maß ihrer
Erbantheilen, sondern auch damals getheilet, wann der Richter entweder wegen
Unvermögenheit des Schuldners, oder der Rechtswohlthat der Seldstbedürfnuß in
jenen Fällen, wo ihme solche zu statten kommet, oder wegen anderer bei der
Gant- oder Cridaordnung vorkommenden rechtlichen Ursachen solche zu zertheilen
befindet.
[3, 24, § 1] 54. Es muß aber dasjenige Geld oder Gut, was
von dem Schuldner gezahlet oder an Zahlungsstatt gegeben wird, demselben
eigenthumlich zugehören oder doch wenigstens der Glaubiger dasselbe mit guten
Glauben als ein dem Schuldner eigenthumlich angehöriges Gut annehmen, in
welchen Fall er von dem Eigenthümer, da es ein bewegliches Gut wäre, deshalben
nicht mehr angefochten werden mag.
[3, 24, § 1] 55. Dahingegen, wo er es fremd zu sein gewußt
und gleichwohlen an der Zahlung angenommen hätte, oder das an Zahlungsstatt
Angenommene ein liegendes Gut wäre, dessen Besitz sich noch nicht verjähret
hätte, kann es von dem Eigenthümer noch allemal zuruckgeforderet und der
Schuldner insolange, als der Glaubiger wegen des an Zahlungsstatt Angenommenen
dem Anspruch eines Dritten ausgesetzet bleibet, von der Verbindlichkeit gegen
ihm nicht befreiet werden.
[3, 24, § 1] 56. Fünftens solle die Zahlung zur gebührenden
Zeit geleistet werden, wobei jedoch zu unterscheiden ist, ob eine gewisse Zeit
der Zahlung bestimmet seie oder nicht; für bestimmet aber ist nicht nur allein
die Zeit zu halten, wann ein gewisser Tag zur Zahlung angesetzet, sondern auch,
wann sich ein- oder andererseits oder auch beiderseits durch die freistehende
Aufkündung der Schuld die Zeit der Zahlung zu bestimmen in der Beschreibung
vorbehalten und bedungen worden.
[3, 24, § 1] 57. Ist nun die Zahlungszeit auf eine oder die
andere Art also bestimmet, so ist weder der Glaubiger befugt vor deren Verfall
oder vor ein- oder andererseits gemachter Aufkündung die Schuld einzumahnen und
einzuforderen, noch auch der Schuldner die Zahlung, wann er gleich darmit
gefaßt wäre, ehender zu leisten, sondern Beide sind schuldig die Zeit
abzuwarten.
[3, 24, § 1] 58. Doch ist dem Glaubiger nicht verwehret auch
mittlerweil, da das Vermögen des Schuldners in Verfall zu gerathen beginnete,
sich seiner Sicherheit wegen vorzusehen und zu deren Ausweisung, wo er die
Gefahr darzeigen könnte, den Schuldner gerichtlich zu verhalten, wie nicht
weniger wegen deren zugleich mit verschriebenen Interessen, wann der Schuldner
in denen bedungenen Abfuhrsfristen darmit nicht einhielte, die Execution zu
verführen.
[3, 24, § 1] 59. Die Aufkündung, wo eine bedungen worden,
solle nicht anderst, als entweder schriftlich oder durch eine geschworne
Gerichtsperson geschehen und hierüber kein anderer Beweis, als entweder die von
dem anderen Theil ausgestellte schriftliche Annehmung der gemachten Aufkündung
oder die von der Gerichtsperson über deren vollzogene Andeutung gefertigte
Bescheinigung zulässig sein.
[3, 24, § 1] 60. Damit aber die Aufkündung rechtsgiltig seie
und ihre Wirkung haben möge, muß dieselbe zu der gesetzten Zeit und auf die
gesetzte Zeit geschehen, welche entweder in der Beschreibung ausbedungen worden
oder in Ermanglung eines ausdrücklichen Bedings nach der Gewohnheit eines jeden
Landes beobachtet zu werden pfleget.
[3, 24, § 1] 61. Ist hingegen keine gewisse Zeit zur Zahlung
bestimmet, oder solche auf jedesmaliges Begehren des Glaubigers zu leisten
versprochen worden, so ist sowohl der Glaubiger die Zahlung zu allen Zeiten
einzuforderen, wie der Schuldner solche auch ohne Einnahmen anzubieten befugt;
doch hat sich in diesem Fall der Glaubiger in die Billigkeit zu finden und dem
Schuldner, wann er sogleich mit
(3-409) der Zahlung aufzukommen nicht vermögete, so viele
Frist und Nachsicht zu verstatten, als nach Beschaffenheit deren Umständen der
Richter dem Schuldner einzuraumen ermessen wird.
[3, 24, § 1] 62. Wo aber die Zahlung der Willkühr des
Schuldners nach seinem eigenen Belieben ausdrücklich überlassen worden sein
würde, kann zwar dieser solche zu allen Zeiten nach seinem Gefallen leisten,
der Glaubiger hingegen die Schuld nicht einmahnen und eintreiben, außer der
Schuldner würde noch vor geleisteter Zahlung versterben, in welchem Fall seine
hinterlassene Erben, wann es keine mit der Person des Schuldners erloschene
Schuld ware, zur Zahlung ohne weiters verhalten werden mögen.
[3, 24, § 1] 63. Sechstens solle die Zahlung an dem
gehörigen Ort geschehen; dieses ist entweder in der Verbindung oder
Verschreibung bestimmet worden oder nicht. Ersteren Falls ist weder der
Glaubiger die Zahlung an einen anderen Ort, als Anfangs beliebet worden,
einzuforderen, noch ihme der Schuldner solche anderswo aufzubringen befugt, und
da, wo zwei Orte der Zahlung in der Beschreibung benennet worden wären, hat
insgemein der Schuldner die Auswahl, an welchem derselbe die Zahlung leisten
wolle, wann nichts Anderes ausgedrucket worden.
[3, 24, § 1] 64. Wo aber der Schuldner an dem bestimmten Ort
zur gesetzten Zeit mit der Zahlung nicht eingehalten hätte, stehet nicht allein
dem Glaubiger nach der Verfallzeit das Recht zu, aller Orten, wo er ihn
antrifft, zur Zahlung anzuhalten, sondern dieser ist auch schuldig dem
Glaubiger den wegen der an einem anderen Ort anzunehmen bemüssigten Zahlung
allenfalls aus dem unterschiedenen Werth der Münze oder sonstiger Ursachen
halber erweislich erleidenden Schaden zu vergüten.
[3, 24, § 1] 65. Gleichwie in Gegentheil der Schuldner nicht
weniger berechtiget ist, da die Ursach der an dem bestimmten Ort nicht leisten
mögenden Zahlung an dem Glaubiger liegen würde, als da er zur gesetzten Zeit
weder selbst dahin gekommen wäre, noch jemand Anderen anstatt seiner zur
Einnahme der Schuld bestellet hätte, solche dem Glaubiger, wo er ihn findet,
anzubieten und bei verweigerter Annehmung zu Gericht zu hinterlegen, hiervon
aber so vieles, als er andurch verkürzet worden zu sein rechtsbehörig erweisen
mag, sich zu seiner Schadloshaltung abzuziehen.
[3, 24, § 1] 66. Diese so ein- als andererseits gebührende
Entschädigung höret jedoch in jenem Fall auf, wann rechtmäßige Ehehaften den
Zugang zu dem bestimmten Ort verwehreten, als da solcher durch Feindesgefahr,
Ueberschwemmung oder ansteckende Seuche erschweret, oder gar unmöglich gemacht
würde, bei welchen sich ergebenden Umständen der Glaubiger die verschriebene
oder bedungene Gattung der Münze, wann sie gleich an dem bestimmten Ort mehr,
als nicht in dem Ort, wo die Zahlung geschieht, gegolten hätte, ohne allem
Aufgeld anzunehmen, oder da solche in dem Ort der leistenden Zahlung gar nicht
gangbar wäre, sich mit dem coursmäßigen Werth derselben nach dem Verhalt gegen
guten Geld zu begnügen schuldig ist.
[3, 24, § 1] 67. Letzteren Falls aber, wo kein Ort der
Zahlung bestimmet worden wäre, hat solche der Schuldner entweder in dem Ort des
Contracts oder seiner Wohnung da, wo sie ehender geforderet wird, zu leisten,
und ist beinebst zwischen entgeltlichen und ohnentgeltlichen Handlungen der
Unterschied zu beobachten, daß in denen ersteren die Schuld dem Glaubiger an
dasjenige Ort, wo die Zahlung zu geschehen hat, auf Gefahr und Unkosten des
Schuldners überbracht oder überschicket, in denen anderen hingegen die Zahlung
bei dem Schuldner von dem Glaubiger selbst abgeholet werden müsse.
[3, 24, § 1] 68. Woferne jedoch der Schuldner sich verborgen
hielte, oder rechtsflüchtig wäre, oder wegen seiner verfallenen
Vermögensumständen eine erweisliche Gefahr
(3-410) des Verlusts der Schuld obhanden sein würde, kann
die Zahlung aller Orten, wo er betreten wird, von dem Glaubiger eingeforderet
und eingetrieben werden.
[3, 24, § 1] 69. Eine solchergestalten rechtmäßig geleistete
Zahlung wirket an Seiten des Glaubigers die Uebertragung des Eigenthums des
bezahlten Gelds, oder der an Zahlungsstatt gegebenen Sache, oder doch
desjenigen Rechts, was dem zahlenden Schuldner hieran gebühret hat.
[3, 24, § 1] 70. An Seiten des Schuldners hingegen wird zwar
insgemein durch die Zahlung sowohl die Haupt- als alle Nebenverbindlichkeit,
dieselbe bestehe in Pfand- oder Bürgschaften, getilget, wann jedoch die
Schuldverschreibung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf einem
liegenden Gut vorgemerket wäre, so ist beinebst noch erforderlich, daß dieselbe
zu Befreiung des Guts von dieser Haftung aus der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern auf die hienach in §. XI erklärende Art und Weis behörig
ausgelöschet werde.
[3, 24, § 1] 71. Der Glaubiger ist dahero schuldig nach empfangener
Zahlung nicht allein die Schuldverschreibung und etwan in Handen habende
Pfandschaften dem Schuldner auszuantworten, sondern auch ihme zu dessen
mehrerer Sicherheit hierüber eine Quittung und, da allenfalls der Schuldbrief
in Verlust gerathen wäre, einen Abtödtungs- oder sogenannten
Amortisationsschein, kraft dessen die Schuldverschreibung gänzlich vernichtet
wird, unter seiner Handschrift und Petschaft auszufertigen.
[3, 24, § 1] 72. Die Einwendung der geleisteten Zahlung kann
zu allen Zeiten, und zwar nicht allein gleich auf die Klage des Glaubigers,
sondern auch nach dem schon in Rechtskräften erwachsenen richterlichen Spruch
in der wirklichen Execution noch angebracht werden, wann nur letzteren Falls
solche richtig und durch die eigene Handschrift des Glaubigers oder eine
sonstige rechtsbeständige Urkunde alsobald erweislich ist.
[3, 24, § 1] 73. Woferne aber die Zahlung nicht alsogleich
rechtsgenüglich erprobet werden könnte, sondern eine weitere Beweisführung
erheischete, solle der Glaubiger in der aus einem richterlichen Spruch
angestrengten Execution durch dergleichen noch unerwiesene Ausflüchten und
Einwendungen nicht gehemmet und aufgehalten werden, sondern der Schuldner sich
nicht anderst, als durch die gerichtliche Hinterlegung desjenigen Betrags,
worauf die Execution verführet wird, hiervon befreien können, wornach ihme
sodann freistehet die eingewendete Zahlung in ordentlichen Weg Rechtens zu
erweisen, wie sowohl hiervon, als von dem Fall der aus einer einverleibten
Verschreibung verführenden Execution in dem vierten Theil bei der
Gerichtsordnung das Mehrere geordnet werden wird.
[3, 24, § 1] 74. Die Zahlung muß dahero allemal behörig
erwiesen werden, es seie durch Quittung oder andere Urkunden, worinnen die
Bekanntnuß des Glaubigers oder dessen, den er hierzu bestellet hat, über die
empfangene Zahlung enthalten ist, oder durch untadelhafte Zeugen.
[3, 24, § 1] 75. Doch werden auch rechtliche Anzeichen und
Vermuthungen zu Herstellung des Beweises zugelassen, als da der nemliche
Schuldbrief, welchen der Glaubiger für eben denjenigen, welcher an ihn
ausgestellet worden, anerkennet hätte, in Handen des Schuldners oder auch bei
dem Glaubiger, ohnangesehen er ein dürftiger Mann wäre, doch die Schuld nach
der Verfallzeit durch viele Jahre nicht eingemahnet und geforderet, oder selbst
von dem Schuldner Geld geborget, und ihme anwiederum zuruckgezahlet hätte, ohne
die daraus für die Tilgung der Schuld erwachsende Vermuthung durch einen
Gegenbeweis ableinen zu können.
[3, 24, § 1] 76. In allen diesen Fällen bleibet dem
richterlichen Befund überlassen, die Hinlänglichkeit dieser vorkommenden
Anzeichen und Vermuthungen zu beurtheilen, und nach Verschiedenheit deren
Umständen entweder dem einen oder anderen Theil, wider welchen die Vermuthung
streitet, den Gegenbeweis aufzuerlegen oder auch
(3-411) dem Einen oder dem Anderen zu Erzielung eines vollen
Beweises den Ergänzungseid aufzutragen.
[3, 24, § 1] 77. Daferne aber von dem Schuldner mit Willen
des Glaubigers Abschlagszahlungen geleistet würden, so wird auch die
Verbindlichkeit des Schuldners andurch nur für denjenigen Betrag getilget,
welchen er bezahlet hat, und wo dabei nichts Anderes ausgedrucket worden, sind
die Abschlagszahlungen allemal erst auf die vertagte Zinsen und andere
Nebengebührnussen anzurechnen, wann erstere mit verschrieben oder aus Saumsal
des Schuldners zugesprochen, und letztere entweder von beiden Theilen
ordentlich berechnet oder durch richterlichen Spruch schon gemäßiget worden;
dann solange diese nicht richtig gestellet sind, kann der Glaubiger zu
Annehmung einer Abschlagszahlung auf das Capital selbst nicht verhalten werden.
[3, 24, § 1] 78. Die Abschlagszahlungen sollen demnach
anförderist auf die entweder durch selbsteigene Anerkanntnuß des Schuldners
oder durch richterliche Mäßigung berichtigte Unkosten und was nach solchen an
dem bezahlten Betrag übrig bleibet, auf die bis zu dem Tag der geleisteten
Abschlagszahlung versessene Interessen, sodann aber erst Dasjenige, was die
bezahlte Summe mehr betraget, auf Abschlag des Capitals angerechnet werden;
wohingegen auf die noch nicht in Richtigkeit gesetzte Nebengebührnussen, als
die erst zu berechnen kommende Unkosten oder die aus Saumsal anfordernde, noch
von richterlicher Erkanntnuß abhangende Interessen keine Abschlagszahlung wider
Willen des Schuldners angerechnet werden mag.
[3, 24, § 1] 79. Nachdeme es sich aber öfters ereignet, daß
der Schuldner einem Glaubiger mehrere Posten aus verschiedenen
Einschuldigungsursachen abzuführen habe, so hat zwar der Schuldner die Auswahl,
welche Post derselbe zuerst bezahlen wolle, und der Glaubiger kann die Zahlung
anzunehmen nicht verweigeren; wo aber der abführen wollende Betrag zu Abstoßung
einer ganzen Post nicht zureichete, sondern nur auf Abschlag geschehete, hanget
es von der Willkür des Glaubigers ab, auf welche Post derselbe die
Abschlagszahlung annehmen wolle, wann nur solche richtig, wirklich verfallen
und somit schon zahlbar ist.
[3, 24, § 1] 80. Dahingegen, wann weder ersteren Falls von
dem Schuldner, noch auch letzteren Falls von dem Glaubiger dabei ausgedrucket
worden wäre, auf welche Post die Zahlung angenommen werde, wird die Zahlung
allemal auf jene Post geleistet worden zu sein vermuthet, welche richtig, und
zur Zeit der Zahlung schon verfallen ware; da aber alle oder doch mehrere
Posten richtig und schon zahlbar gewesen waren, ist die Anrechnung vorzüglich
auf jene Post zu machen, welche dringender ist und eine härtere Verbindlichkeit
oder mehrere Verstrickung enthaltet.
[3, 24, § 1] 81. Also hat in solchem Fall jene Post, wofür
Bürgschaft geleistet, oder ein Pfand eingeleget, oder eine noch zur Zeit
uneinverleibte Hypothek verschrieben, oder welche allbereits durch Urtheil
zuerkannt worden oder in wirklicher Execution stehet, oder wofür größere Zinsen
verschrieben worden, vor anderen, wie nicht weniger jene, worzu Jemand für sich
selbst und in eigenen Namen verbunden ist, vor einer fremden Schuld, für welche
er gutgestanden, den Vorzug.
[3, 24, § 1] 82. Wo aber eine Schuldverschreibung schon
landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket wäre, kann hierauf in
Hinzutretung anderer uneinverleibter Schuldposten eine Abschlagszahlung anderer
Gestalt nicht angerechnet werden, als wann hierüber von dem Glaubiger eine
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittung ausgestellet worden; wann
jedoch alle Schuldposten von einerlei Beschaffenheit wären, so lieget zwar dem
Schuldner nichts daran, auf welche Post die Zahlung angerechnet werden wolle;
woferne aber ein Dritter dabei verfangen wäre, als da zweierlei Posten von
unterschiedenen Personen gleich verbürget wären, gebühret der älteren der
Vorzug und da auch beide von einerlei Zeit herrühreten, ist die Zahlung nach
Maß ihres Betrags von beiden abzuschlagen.
(3-412) §. II.
[3, 24, § 2] 83. Die zweite Tilgungsart ist die Erlassung
der Schuld oder Ledigsprechung des Schuldners, wodurch der Glaubiger den
Schuldner von der Verbindlichkeit frei, quitt, ledig und losspricht, auf was
immer für Art und Weis der Erlassende seine Willensmeinung dabei erkläre.
[3, 24, § 2] 84. Es haben aber nur Jene die Macht Schulden
rechtsgiltig zu erlassen, welche nach der in zweiten Theil, in der Abhandlung
von Schankungen enthaltenen Ausmessung zu schenken befugt sind; wiewohlen aber
die erlassene Schuld den zu verschenken erlaubten Betrag übersteiget, so
bestehet jedennoch die Erlassung, obschon solche nicht, wie es sonst bei
Schankungen erforderet wird, bei Gericht angemeldet worden.
[3, 24, § 2] 85. Wo mehrere Glaubigere einer Schuld wären,
kann die Erlassung des einen die Entbindung von der Schuld nur von seinen
hieran habenden Antheil wirken, gleichwie auch die einem von mehreren mit
geschiedener Hand verbundenen Mitschuldneren gemachte Erlassung denselben nur
für seinen Antheil befreiet; es wären dann alle in einerlei Schuldbrief oder
Urkunde unterschrieben, und diese Urkunde dem einen ohne weiteren Vorbehalt
zuruckgestellet worden, welchen Falls die Befreiung von der Schuld auch Allen
zu statten kommet.
[3, 24, § 2] 86. Eben also, da sie insgesammt mit
ungeschiedener Hand oder sammt und sonders verbunden wären, wirket die dem
Einen gemachte Erlassung auch die Befreiung deren Uebrigen, wann der Glaubiger
sich die Forderung wider dieselbe nicht ausdrücklich dabei vorbehalten oder
nicht solche für die Antheile deren Uebrigen dem entledigten Mitschuldner
angewiesen, abgetreten oder ihme zu deren Eintreibung die Vollmacht gegeben
hat.
[3, 24, § 2] 87. Die Schuld kann entweder ganz oder zum
Theil, mit oder ohne beigefügter Bedingnuß, ausdrücklich oder stillschweigend
durch Zuruckstellung oder Zerreißung und sonstige Vernichtung der
Schuldverschreibung erlassen werden, welche letztere Art bereits oben in
zweiten Capitel, in zweiten Artikel, von Verträgen, §. XI, num. 102 und 103,
erkläret worden.
[3, 24, § 2] 88. Die Erlassung der Schuld hat die Wirkung,
daß sie die Verbindlichkeit ganz oder zum Theil, nachdeme die Schuld ganz oder
zum Theil erlassen worden, wann solche nicht landtäflich, stadt- oder
grundbücherlich vorgemerket ist, gleich oder nach Erfolg der beigefügten
Bedingnuß mittelst des Rechts selbst aufhebe, tilge und vernichte; wo aber die
erlassene Schuld in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern haftete,
berechtiget deren Erlassung den Schuldner, daß der den Glaubiger zu deren
behöriger Auslöschung und Ausquittirung verhalten könne.
§. III.
[3, 24, § 3] 89. Die dritte Tilgungsart ist die Vergeltung
oder Gegenforderung, welche nicht Anderes ist, als eine Vergleichung
beiderseitiger Forderungen zwischen denen
(3-413) nemlichen Personen des Schuldners und Glaubigers
gegeneinander, wodurch eine mit der anderen ausgeglichen, getilget und
aufgehoben wird.
[3, 24, § 3] 90. Diese hat dahero nur blos allein zwischen
jenen Personen statt, die einander wechselweise schuldig sind, also daß Beide
an einander Forderungen zu stellen haben, wann gleich dieselbe sonst Zahlungen
rechtsgiltig zu leisten oder anzunehmen nicht fähig wären, als Waisen und
andere pflegebefohlene Personen; dann Zahlungen und Vergeltungen sind von ganz
unterschiedener Eigenschaft, also daß wo auch nicht gezahlet, gleichwohlen
vergolten, gleichwie dagegen anwiederum in andere Fällen zwar gezahlet, aber
nicht vergolten werden mag.
[3, 24, § 3] 91. Ein jeder Schuldner kann demnach das, was
sein Glaubiger an ihn zu fordern hat, mit deme, was dieser dagegen ihme
schuldig ist, vergelten und ausgleichen, wovon Wir aber Unsere landesfürstliche
Gefälle, Steuern und andere Abgaben, wie auch die Unserer Kammer verfallene
Strafgelder ausdrücklich ausgenommen haben wollen, als worwider keine wie immer
Namen haben mögende Gegenforderung und Vergeltung zugelassen sein solle.
[3, 24, § 3] 92. Dahingegen in allen anderen Fällen, wo
Unsere Kammer entweder aus denen mit Anderen geschlossenen Contracten
herrührende oder von Privatpersonen auf sie gediehene Forderungen stellet,
wider Unseren Fiscum ebensowohl, als wider einen jedweden Anderen die
Gegenforderung eingewendet werden kann, wann nur solche auf jene von Unseren
Cassen gerichtet ist, zu deren Handen die Forderung an den Gegenforderenden
gestellet wird, maßen in Widrigen die Forderungen der einen Cassa mit denen
Gegenforderungen an eine andere nicht vergolten und ausgeglichen werden mögen.
[3, 24, § 3] 93. Obschon aber einer für den Anderen
rechtsgiltig zahlen mag, so kann doch Niemand seine Schuld mit der an einen
Dritten habenden Forderung ausgleichen und vergelten, noch weniger ist der
Glaubiger schuldig, seine Forderung mit der von dem Schuldner nicht an ihn,
sondern an einen Dritten stellenden Forderung ausgleichen zu lassen.
[3, 24, § 3] 94. Also kann das, was der Ehemann an Einen
forderet, mit deme, was diesem das Weib schuldig ist, oder was der Vormund oder
Befehlshaber in seinem eigenen Namen forderet, mit deme, was der Wais oder
Befehlsgeber dem Beklagten schuldig ist, oder dagegen jenes, was der Vormund
oder Befehlshaber in Namen des Waisen oder Befehlsgebers zu forderen hat, mit
deme, was er selbst für sich dem Beklagten schuldig ist, oder auch das, was
Jemand an einer ganzen Gemeinde zu forderen hat, mit deme, was er einem oder
dem anderen Mitglied derselben insonderheit schuldig ist, oder dagegen, nicht
vergolten und ausgeglichen werden.
[3, 24, § 3] 95. Diese Regel leidet jedoch einen Abfall, wo
zwar verschiedene Personen, doch aber nur einerlei Recht und Verbindlichkeit
wäre; also, da die Verwaltung der Vormundschaft über einerlei Waisen unter mehrere
Vormündere vertheilet sein würde, kann jenes, was der Beklagte in eine
Vormundschaft schuldig ist, mit deme, was er an der anderen zu forderen hat,
nicht weniger, als Dasjenige, was die eine Vormundschaft dem Kläger schuldig
ist, mit deme, was die andere an ihn zu forderen hat, allerdings ausgeglichen
und vergolten werden, weilen in diesen Fällen nur eine Person des Schuldners
und Glaubigers und blos allein die Verwaltung des Vermögens getheilet ist.
[3, 24, § 3] 96. Eben also kann ein Bürge nicht allein das,
was er für sich selbst, sondern auch jenes, was der Selbstschuldner an dem
Glaubiger zu forderen hat, mit der verbürgten Summe vergelten und ausgleichen;
dahingegen kann weder der belangte Selbstschuldner das, was der Glaubiger dem
Bürgen schuldig ist, noch auch der Bürge, wann er von dem Schuldner wegen einer
sonstigen Schuld belanget wird, die verbürgte Summe, solange er für ihn hierauf
nichts bezahlet
(3-414) hat, oder nicht etwan seine Sicherstellung wegen der
geleisteten Bürgschaft anzusuchen berechtiget ist, als eine Vergeltung oder
Gegenforderung vorschützen.
[3, 24, § 3] 97. Nicht weniger kommt die aus der
Gesellschaft herrührende Forderung des einen Mitgesellschafters dem anderen
wider den gemeinschaftlichen Glaubiger, so wie dagegen dem gemeinschaftlichen
Schuldner die an dem einem Mitgesellschafter aus der Gesellschaft habende
Forderung wider den anderen Mitgesellschafter als eine Vergeltung zu statten.
[3, 24, § 3] 98. Desgleichen ist der Uebernehmer einer ihme
abgetretenen Forderung befugt, nachdeme er die an ihn gemachte Uebergabe und
Abtretung dem abgetretenen Schuldner bedeutet oder solche behöriger Orten
einverleiben lassen, dieselbe mit deme, was dieser dagegen an ihn zu forderen
hat, zu vergelten.
[3, 24, § 3] 99. Gleichwie in Gegentheil der abgetretene
Schuldner das, was ihme der Abtretende vor der Abtretung schuldig ware, oder
noch vor deren Einverleibung oder ihme gethanen Bedeutung schuldig worden, als
eine Gegenforderung wider den Uebernehmer noch allezeit einwenden kann; was aber
der Abtretende erst nach schon einverleibter oder kundgemachter Abtretung dem
abgetretenen Schuldner schuldig worden, ein solches kann mit der an einem
Dritten abgetretenen Forderung nicht mehr vergolten und ausgeglichen werden.
[3, 24, § 3] 100. Endlich kann sowohl gegen dem Erben
Dasjenige, was er an Jemanden in seinem eigenen Namen zu forderen hat, mit
deme, was diesem dagegen der Erblasser schuldig ware, als auch von dem Erben
gegen einem Anderen das, was der Erb ihme in seinem eigenen Namen schuldig ist,
mit deme, was diesem dagegen der Erblasser schuldig ware, als auch von dem
Erben gegen einem Anderen das, was der Erb ihme in seinem eigenen Namen
schuldig ist, mit deme, was an diesem der verstorbene Erblasser zu forderen
hatte, vergolten und ausgeglichen werden; es wäre dann die Erbschaft von ihme
mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten worden, welchen Falls die
Vergeltung sowohl vor, als wider den Erben nur nach Maß desjenigen Betrags
statt haben mag, welcher ihme nach Abzug deren Schulden und Vermächtnussen an
der Erbschaft übrig bleibet und da mehrere Erben wären, kann auch bei deren
Leben insonderheit die Vergeltung auf nichts Mehreres, als auf den für einen
Leben ausfallenden Erbantheil erstrecket werden.
[3, 24, § 3] 101. Alle Schulden und Forderungen können
gegeneinander vergolten und ausgeglichen werden, wann sie folgender Gestalt
beschaffen sind, daß erstens beiderseitige Forderungen in Sachen von gleicher
Gattung und Güte bestehen und nach der Gattung und nicht nach gewissen bestimmten
Stucken gebühren; dann die einander zu leisten schuldige Thaten und Werke
können zwar erlassen oder in eine andere Schuldigkeit verwandlet und Sachen von
ungleicher Gattung und Güte, oder welche stuckweise gebühren, nach der weiter
unten folgenden Ausmessung zu Bedeckung eines habenden Gegenanspruchs
innenbehalten, aber nicht gegeneinander vergolten und ausgeglichen werden.
[3, 24, § 3] 102. Sie würden dann in einem geschätzten Werth
zu Geld geschlagen, und somit Geld gegen Geld ausgeglichen und vergolten; doch
ist nicht nöthig, daß beiderlei Forderungen auch in Betrag gleich sind,
sondern, wann auch eine Summe die andere übersteigete, so kann
nichtsdestoweniger die Vergeltung auch nur mit einem Theil der Schuld
geschehen, folglich die mindere von der größeren Summe abgerechnet werden.
[3, 24, § 3] 103. Zweitens, daß die durch Vergeltung in
Abzug bringen wollende Gegenforderung wahrhaft, richtig und unlaugbar seie,
worüber entweder die selbsteigene Bekanntnuß des Gegentheils oder Recht und
Urtheil vorhanden oder doch wenigstens binnen der in Unserer Gerichtsordnung
hierzu ausgemessenen Zeitfrist der rechtsbeständige Beweis verführet werden
mögen; dann richtige können mit unrichtigen Forderungen nicht vergolten werden.
Also leidet jenes, was an sich klar und richtig ist, mit deme, was erst
verrechnet werden muß, keine Ausgleichung.
[3, 24, § 3] 104. Drittens, daß die Gegenforderung, mit
welcher die Schuld ausgeglichen werden will, zur Zeit der vorschützenden
Vergeltung nicht allein gebühre,
(3-415) sondern auch sogleich einbringlich seie, und
anbegehret werden möge; widrigens ist das, was erst von künftigen, gewissen
oder ungewissen Ereignussen abhanget, mit einer sogleich eintreiblichen
Forderung nicht auszugleichen, sondern muß nach der Verfallzeit mittelst einer
besonderen Klage angesuchet werden.
[3, 24, § 3] 105. Viertens, daß wirklich also beschaffene
Forderungen gegeneinander fürwalten, sie mögen aus einerlei oder verschiedenen
Einschuldigungsursachen herrühren, wovon aber die Zuruckstellung eines zu getreuen
Handen hinterlegten, so wie eines gestohlenen, geraubten oder sonst
unrechtmäßiger Weise an sich gebrachten fremden Guts ausgenommen wird, wider
welche, wann es gleich auf Erstattung des Werths desselben ankäme, keine
Vergeltung mit anderen noch so richtigen Forderungen zulässig ist.
[3, 24, § 3] 106. Die Vergeltung oder Ausgleichung hat eben
diejenige Wirkung wie die Zahlung, daß solche die Verbindlichkeit gleich von
der Zeit, als die Gegenforderung entstanden, ganz oder zum Theil in der Maß
desjenigen Betrags, worauf sich dieselbe erstrecket, ohne aller weiterer Zuthat
mittelst des Rechts selbst, sowohl in der Hauptgebühr, als denen
Nebengebührnussen tilge und aufhebe, folglich nicht allein den weiteren Lauf
deren Zinsen von dem vergoltenen Betrag einstelle, sondern auch die eingelegten
Pfänder und dafür eingekommene Bürgen befreie.
[3, 24, § 3] 107. Wo aber landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Forderungen entweder gegeneinander oder mit anderen
unvorgemerkten Forderungen vergolten und ausgeglichen werden wollten, kann
solches nicht anderst, als wie bei Zahlungen mittelst ordentlicher Quittirung
und Auslöschung bewerkstelliget werden, worzu der Schuldner den Glaubiger, wann
dieser jenen wegen seiner Gegenforderung nicht in andere Wege befriedigen
wollte, zu verhalten berechtiget ist.
[3, 24, § 3] 108. Die Abrechnung der Gegenforderung solle in
eben derjenigen Maß, wie es bei Zahlungen oben in §. I, von num. 77 bis 82,
vorgeschrieben worden, gepflogen werden, so wenig jedoch eine zur Gebühr geleistete
Zahlung widerrufen werden mag, so wenig kann auch die von einem zu
verschiedenen Schuldposten verstrickten Schuldner der einen Schuldforderung
entgegengestellte Vergeltung wider die andere eingewendet werden, außer
insoweit von der Gegenforderung nach gänzlicher Tilgung der einen Post noch
etwas auf Abschlag der anderen erübriget wird.
[3, 24, § 3] 109. Die Gegenvergeltung hat auch die Wirkung
wie die Zahlung, daß, wo solche ohne Vorbehalt anderer wider die Forderung des
Klägers gebührenden Behelfen und Einreden auch nur wider einen Theil der Schuld
vorgeschützet wird, andurch für die Richtigkeit der eingeklagten Schuld die
Vermuthung erwachse, wann von dem Beklagten ein Widriges nicht erwiesen werden
kann.
[3, 24, § 3] 110. Nicht weniger kann sowohl Derjenige,
welcher eine durch die vorgeschützte Gegenvergeltung und ordentlich gepflogene
Abrechnung schon getilgte Schuld bezahlet, als auch Jener, deme eine
Gegenforderung, worzu er nicht verbunden ware, zur Ungebühr abgezogen und
vergolten worden, wann so Einer, wie der Andere den unterwaltenden Irrthum
erweisen mag, die Zuruckstellung des zur Ungebühr Bezahlten oder Vergoltenen
mittelst der Rechtsforderung wegen Zahlung aus Irrthum zuruckbegehren.
[3, 24, § 3] 111. Damit aber die Gegenvergeltung in ihre Wirksamkeit
gesetzet werde, ist erforderlich, daß solche wider die Forderung des Glaubigers
ordentlich eingewendet und vorgeschützet worden seie, wo in Widrigen hierauf
bei Gericht sein Bedacht genommen werden mag; doch kann diese Einwendung der
Vergeltung eben sowohl, als wie es von eingewendeter Zahlung oben §. I, num.
72, geordnet worden, zu allen Zeiten, und sogar wider die schon angestrengte
Execution vorgeschützet werden, wann dieselbe nur alsobald erweislich ist, dann
ansonsten muß die noch unrichtige Gegenforderung durch eine besondere
Gegenklage ausgeführet werden.
(3-416) [3, 24, § 3] 112. Diese besondere Gegenklage bleibet
auch dem Beklagten in jenen Fällen vorbehalten; wann er entweder die Schuld,
ohne die Gegenvergeltung einzuwenden, bezahlet oder auf die Vergeltung seiner
Gegenforderung eine besondere Verzicht namentlich und ausdrücklich gethan
hätte; jene Verzicht hingegen, welche nur überhaupt auf alle Rechtswohlthaten
und Gegenvergeltungen lautet, ohne die Gegenforderung dabei insonderheit zu benennen,
schließet die Einwendung der Gegenvergeltung nicht aus.
[3, 24, § 3] 113. Eben also stehet dem Beklagten diese
besondere Gegenklage noch immer bevor, wann der Richter die vorgeschützte
Gegenvergeltung entweder wegen Beschaffenheit einer unvergeltlichen Forderung
oder wegen ihrer noch unerwiesener Richtigkeit nicht stattzuhaben befinden, und
also aussprechen würde, daß der vorgeschützten Gegenforderung, ohnerachtet der
Beklagte dem Kläger die Schuld zu bezahlen schuldig seie, oder daß dem Beklagten
seine Rechten und Gegensprüche, so er zu haben vermeinet, rechtlicher Ordnung
nach in einer besonderen Verhandlung auszuführen vorbehalten sein solle.
[3, 24, § 3] 114. Dahingegen, wo der Richter die
Gegenforderung des Beklagten aus Mangel einer unterwaltenden wahren Schuld des
Klägers für nichtig und unstandhaft erkennet und Klägern davon losgesprochen
hätte, kann auch seine besondere Gegenklage mehr angebracht werden, wann dieses
Urtheil einmal in Rechtskräften erwachsen ist, sondern es stehet derselben die
Einrede der zu Recht bestätigten richterlichen Erkanntnuß allezeit in Wege.
[3, 24, § 3] 115. Von der Gegenvergeltung ist das Recht der
Innenbehaltung unterschieden, weilen hierdurch die Verbindlichkeit nicht
getilget und aufgelöset, sondern nur die Gegenforderung sichergestellet wird,
und hat dahero die Innenbehaltung auch in jenen Fällen statt, wo keine
Vergeltung eingewendet werden kann.
[3, 24, § 3] 116. Die Innenhaltung ist demnach ein dem
rechtmäßigen Inhaber einer fremden Sache zustehendes Recht, solche dem
Eigenthümer so lange vorzuenthalten, bis daß derselbe von ihme wegen seiner
dieser Sache halber habenden richtigen Forderung vollkommen vergnüget und
befriediget sein werde.
[3, 24, § 3] 117. Woraus fließet, daß Beklagter sich dieses
Rechts nur allein damals gebrauchen könne, wann er die inhabende Sache auf
rechtmäßige Weise zu seinen Handen gebracht, und die Gegenforderung lediglich
wegen dieser Sache und aus keiner anderen Ursach herrühre, wie auch, daß solche
richtig und unstrittig seie.
[3, 24, § 3] 118. Ein unrechtmäßiger Inhaber hingegen darf
sich keiner Innenbehaltung anmaßen, und auch ein rechtmäßiger Inhaber ist nicht
befugt, zur Sicherstellung anderweiter an dem Eigenthümer habenden und nicht
wegen dieser Sache herstammenden Forderungen solche demselben vorzuenthalten,
das alleinige Pfand ausgenommen, als welches auch für eine andere richtige
Schuld, wofür dasselbe nicht versetzet worden, bis zu deren Abstoßung
zuruckgehalten werden mag.
[3, 24, § 3] 119. Gleichwie dann auch in jenem Fall, wo die
Gegenforderung noch unrichtig wäre, und erst durch richterliche Erörterung in
das Klare gesetzet werden müßte, Beklagter schuldig ist, auf vorhergehende
richterliche Erkanntnuß gegen einer ihme von Klägern zu leisten habenden
annehmlichen Sicherheit die Sache auszufolgen; doch bleibet ihme in allen
diesen Fällen, wo er sich wegen seiner Gegenforderung weder der Vergeltung,
noch der Innenbehaltung gebrauchen kann, das Recht einer besonderen Gegenklage,
wovon in vierten Theil bei der Gerichtsordnung mit Mehreren gehandlet werden
wird, allzeit bevor, wann nicht schon die Gegenforderung selbst vorbesagter
Maßen in dem richterlichen Urtheil als nichtig und unstandhaft verworfen
worden.
[3, 24, § 3] 120. Wer sich aber des Rechts der
Innenbehaltung in Fällen, wo solches zugelassen wird, bedienen will, muß seine
Gegenforderung wider die Klage des Gegentheils ordentlich eingewendet haben,
dann wo er dieses unterlassen und zu
(3-417) Ausantwortung der innengehabten Sache verurtheilet
worden, kann er dieselbe nicht mehr vorenthalten; wohingegen, da ihme in dem
richterlichen Urtheil das Recht der Innenbehaltung entweder ausdrücklich oder
stillschweigend durch Zusprechung oder Vorbehalt seiner Gegenforderung
zuerkennet worden, so ist derselbe, wie ein jedweder anderer rechtmäßiger
Besitzer bis zu seiner Befriedigung oder bis zu Ausgang der Gegenklage dabei zu
schützen und zu handhaben.
§. IV.
[3, 24, § 4] 121. Die vierte Tilgungsart ist der
gerichtliche Erlag der Schuld, welche auch anderst eine gerichtliche Hinterlegung
der Schuld benamset wird, und in sich nichts Anderes ist, als eine gerichtliche
Handlung, wodurch die dem Glaubiger in gehöriger Maß, Zeit und Stelle
angetragene, von ihme aber anzunehmen widerrechtlich verweigerte Schuld zu dem
Ende bei Gericht ordentlich hinterleget wird, damit der Schuldner von aller
weiteren Verbindlichkeit befreiet werde.
[3, 24, § 4] 122. Die Anbietung der Schuld kann von Allen,
welche Zahlungen zu leisten Macht haben, jedwedem Glaubiger, der solche
anzunehmen fähig ist, geschehen; doch können, im Fall von ihme deren Annehmung
verweigeret würde, nur baares Geld, briefliche Urkunden und solche bewegliche
Sachen, welche leicht zu verwahren und durch längere Aufbehaltung seiner Gefahr
des Verderbens unterworfen sind, bei Gericht hinterlegt werden.
[3, 24, § 4] 123. Dahingegen sollen alle andere bewegliche
Dinge, welche entweder schwer aufzubehalten oder doch leicht verderblich sind,
wann sie sonst zur Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Hinterlegung hienach
ausgemessene Erfordernussen hinzutreten, mittelst öffentlicher Feilbietung und
gerichtlicher Versteigerung verkaufet und der daraus erlöste Werth bei Gericht
hinterleget, Gründe und liegende Güter aber in gleichen Fall in gerichtlichen
Beschlag und Verwaltung genommen werden.
[3, 24, § 4] 124. Diese gerichtliche Hinterlegung
unterscheidet sich von anderen gemeinen Hinterlegungen zu getreuen Handen
hauptsächlich in deme, daß jene nicht wie diese nur auf Verwahrung der
hinterlegten Sache, sondern vornehmlich auf die Befreiung von der
Verbindlichkeit und deren gänzlichen Tilgung und Auflösung abziele, folglich in
zweiten wesentlichen Stücken bestehe, als in der wirklichen Anbietung und dem
gerichtlichen Erlag.
[3, 24, § 4] 125. Damit aber solche auf rechtmäßiger Art und
Weis geschehe, und den Schuldner von der Verbindlichkeit befreien möge, ist
erforderlich: Erstens, daß die Schuld wirklich und nicht allein mit bloßen
Worten, sondern in der That selbst dem Glaubiger angeboten werde, außer
derselbe würde zur Verfallzeit abwesend oder rechtsflüchtig und an dem
bestimmten Ort der Zahlung nicht zu finden oder sonst dessen Aufenthalt nicht
zu erforschen sein, in welchem Fall es an der erweislichen Bereitfertigkeit des
Schuldners die Zahlung zu leisten genug ist, um sich von der Schuld durch deren
gerichtlichen Erlag zu entledigen.
[3, 24, § 4] 126. Zweitens, daß die Anbietung der ganzen
Schuld oder desjenigen Betrags, welcher zu bezahlen ist, für voll mit allen
davon vertagten Zinsen und anderen Nebengebührnussen in der contractmäßigen
Güte, und in der gehörigen Gattung der Münze, zur gesetzten Zeit und an
bestimmten Ort geschehe, wie alles dieses oben, §. I, von Zahlungen geordnet
worden.
[3, 24, § 4] 127. Drittens, daß der Glaubiger die angebotene
Zahlung ohne rechtmäßiger Ursach, folglich widerrechtlich verweigere, und
sowohl die wirkliche Anbietung
(3-418) des Schuldners, als die Verweigerung des Glaubigers
entweder durch Zeugen, oder durch des letzteren eigene
Handschrift, oder durch die Bestätigung einer geschworenen Gerichtsperson
erwiesen werden möge.
[3, 24, § 4] 128. Viertens, daß der Glaubiger zu dem
gerichtlichen Erlag und wirklicher Zuzählung der Schuld vorgeladen werde; und
entweder selbst oder ein Anderer in Vollmacht und anstatt seiner dabei
gegenwärtig seie, zugleich aber seine etwan darwider habende Behelfe und
Ursachen der Verweigerung vorbringe, worüber der Richter mit schleuniger
Erkanntnuß zu verfahren hat; woferne hingegen der Glaubiger an dem ihme
bestimmten Tag bei Gericht nicht erscheinen würde, solle jegleichwohlen die gerichtliche
Hinterlegung, wann sonst alle übrige vor- und nachbeschriebene Erfordernussen
dabei beobachtet werden, ihren Fortgang haben.
[3, 24, § 4] 129. Fünftens, daß die Hinterlegung der Schuld
vor der gehörigen Gerichtsstelle geschehe; jene ist aber die gehörige
Gerichtsstelle, wo entweder die Zahlung geleistet werden solle, oder wo die
Schuld vorgemerket ist, oder wo der Contract geschlossen worden, oder auch
deren Gerichtsbarkeit der Schuldner oder der Glaubiger unterworfen ist, wann
sonst der Schuldner den Richter des Glaubigers angehen will, welches er jedoch
zu thun nicht schuldig ist.
[3, 24, § 4] 130. Sechstens, daß der schuldige Betrag ganz
und ohne mindesten Abgang entweder bei Gericht, oder auf erfolgte gerichtliche
Erkanntnuß bei denen von Uns eigends angestellten Hinterlegungs- oder
Depositenämtern der Orten, wo solche befindlich sind, ausgezählet und erleget
werde.
[3, 24, § 4] 131. Der nach allen diesen Erfordernussen
eingerichtete gerichtliche Erlag der Schuld hat die Wirkung einer rechtsgiltigen
Zahlung, also daß hierdurch mittelst des Rechts selbst, sowohl die Haupt- als
Nebenverbindlichkeit völlig getilget und aufgelöset, Pfandschaften und Bürgen
befreiet, und die Gefahr der hinterlegten Sache oder Summe auf den Glaubiger
übertragen, folglich sofort der Schuldner denselben zur Aushändigung der
Schuldverschreibung, Pfandschaft und zur Quittirung zu verhalten berechtiget
werde.
[3, 24, § 4] 132. Die Gerichte und Hinterlegungs- oder
Depositenämter aber sollen in Verwahrung deren hinterlegten Sachen, Barschaften
und brieflichen Urkunden alle Sorgfalt anwenden und dabei all’ jenes
beobachten, worzu sie die ihnen hierwegen ertheilte Vorschriften und
Unterrichte anweisen; wo in Widrigen dieselbe für allen aus ihrer Schuld hieran
entstehenden Schaden nicht weniger als jedweder Anderer, zu dessen Handen etwas
hinterleget worden, zu haften haben; doch zufällige Schäden hat der Glaubiger
selbst zu büßen.
[3, 24, § 4] 133. Wohingegen in Ermanglung auch nur einer
dieser vorerwähnten Erfordernussen, oder da der Schuldner die zu Gerichtshanden
hinterlegte Schuld anwiederum zurucknehmen würde, welches ihme solange zu thun
freistehet, als der Glaubiger solche annehmen zu wollen sich nicht erkläret,
oder ein Dritter hierauf keinen gerichtlichen Kummer und Verbot ausgewirket
hat, ist die Handlung null und nichtig, und der Schuldner fallet in die vorige
Verbindlichkeit, obschon das etwan mittlerweil ausgefolgte Unterpfand so wie
die durch die gerichtliche Hinterlegung entledigte Bürgen befreiet bleiben.
[3, 24, § 4] 134. Die alleinige außergerichtliche Anbietung
hat dahero ohne dem zu Gerichtshanden wirklich erfolgten Erlag der Schuld diese
Wirkung nicht, sondern kann lediglich, wo sie erweislich ist, den Schuldner vor
denen Wirkungen des Saumsals verwahren, folglich sowohl von der Verfänglichkeit
für die Gefahr einer abzustatten habenden bestimmten Sache entheben, als auch
die von der schuldigen Summe sonst aus Saumsal laufende, nicht aber die
verschriebene oder aus einem Beding gebührende Zinsen einstellen.
(3-419) §. V.
[3, 24, § 5] 135. Die fünfte Tilgungsart ist die Vermengung
und Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person; diese
Vermengung geschieht auf zweierlei Weis, als entweder in der
Hauptverbindlichkeit oder in der Nebenverbindlichkeit.
[3, 24, § 5] 136. In der Hauptverbindlichkeit, wann der
Glaubiger des Schuldners oder dieser jenes Erbe wird, maßen Niemand sein
selbsteigener Glaubiger und Schuldner sein kann; es wäre dann von ihme die
Erbschaft mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten worden, als welches
so viel wirket, daß die Rechten und Verbindlichkeiten des Erbens von jenen des
Verstorbenen völlig abgesonderet erhalten werden.
[3, 24, § 5] 137. Es bleiben dahero in solchem Fall dem
Erben die an der Verlassenschaft seines Erblassers habende Ansprüche so wie
dieser die ihr wider den Erben gebührende Forderungen noch allezeit bevor, also
daß, da der Glaubiger den Schuldner erbete, ihme ebenso wie einem jedweden
anderen Glaubiger aus der Verlassenschaft Genügen geschehen müsse, gleichwie in
Gegentheil, da der Schuldner den Glaubiger erbete, seine Schuld die
Verlassenschaft vermehre und denen Glaubigeren des Verstorbenen freistehe,
solche von dem Erben einzutreiben.
[3, 24, § 5] 138. Wo aber die Erbschaft ohne dieser
Rechtswohlthat angetreten worden wäre, wird die Verbindlichkeit durch diese
Vermengung mittelst des Rechts selbst entweder ganz, da Einer des Anderen
alleiniger Erbe wäre, oder wann mehrere Miterben wären, nur nach Maß des deren
jedem zukommenden Erbantheils getilget und aufgelöset, also daß im letzteren
Fall für den übrigen Theil der Schuld sowohl ihme wider die andere Miterben,
als diesen wider jenen die Ansprüche noch immer bevorstehen; und in eben
derjenigen Maß, als die Hauptverbindlichkeit getilget worden, werden auch alle
Nebenverbindlichkeiten als Pfand- und Bürgschaften aufgehoben und aufgelöset.
[3, 24, § 5] 139. Ingleichen, wo der gemeinsame Glaubiger
einen mit ungeschiedener Hand verbundenen Mitschuldner, oder dieser jenen
erbete, bleibet nichtsdestoweniger der andere Mitschuldner für seinen Antheil
verbunden; gleichwie dagegen, wann der gemeinsame Schuldner einen von mehreren
ungeschiedenen Mitglaubigeren erbete, derselbe nur für seinen Antheil befreiet
wird, welcher dem Verstorbenen gebühret hat, so wie ein Mitglaubiger, welcher
den gemeinsamen Schuldner erbet, seinen Mitglaubigeren ihre Antheile
herauszugeben schuldig ist.
[3, 24, § 5] 140. In der Nebenverbindlichkeit geschieht die
Vermengung, wann der Bürge den Glaubiger oder Schuldner oder diese jenen erben,
wodurch aber die Hauptverbindlichkeit nicht getilget wird, wie es in achten
Capitel, von Bürgschaften, §. VIII, von num. 128 bis 132, mit Mehreren erkläret
worden; was jedoch bishero von Vermengung deren Verbindlichkeiten geordnet
worden, kann sich zum
(3-420) Nachtheil eines Dritten, welcher an einer solchen
Schuld oder Forderung einen rechtmäßigen Anspruch hat, nicht erstrecken.
§. VI.
[3, 24, § 6] 141. Die sechste Tilgungsart ist die
Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen wegen einerlei Sache in einer
Person. Durch die gewinnstige Ursachen werden aber nur jene verstanden, wodurch
eine Sache ohnentgeltlich, und ohne daß dafür etwas gegeben oder gethan werde,
erworben wird, als Schankung, Vermächtnuß (et)c.; dahingegen alle andere
Erwerbungsursachen, aus welchen für die Sache etwas gegeben oder geleistet
wird, entgeltlich sind, als Kauf, Tausch und dergleichen.
[3, 24, § 6] 142. Wann demnach in einer Person wegen
einerlei Sache zwei gewinnstige Ursachen zusammentreffen, als da die nemliche
Sache Jemanden geschenket und vermachet würde, aus deren einer derselbe sie
schon erhalten hätte, kann sie von ihme aus der anderen Ursach nicht mehr
geforderet werden, sondern die hieraus entstehende Verbindlichkeit ist mittelst
des Rechts selbst gänzlich erloschen und aufgehoben.
[3, 24, § 6] 143. Da aber demselben aus der einen Ursach nur
ein Theil der Sache, oder auch blos deren Werth zugekommen wäre, kann er noch
allemal aus der anderen Ursach den übrigen Theil oder auch die Sache selbst
anbegehren, weilen nicht einerlei ist die Sache zum Theil oder ganz zu haben,
und, der den Werth erhalten, noch nicht die Sache hat; obschon dagegen, wann
Jemand aus einer gewinnstigen Ursach die Sache selbst erworben, nachher aus
einer anderen deren Werth nicht mehr forderen mag.
[3, 24, § 6] 144. Dahingegen können entgeltliche mit
gewinnstigen Ursachen ganz wohl zusammen bestehen, als Kauf mit Schankung und
ohnerachtet die Sache selbst aus einer deren ersteren schon erworben worden,
jegleichwohlen noch aus der anderen deren Werth anverlanget, wie nicht weniger
auch der nemliche Betrag aus zweien gewinnstigen Ursachen, als da ebensoviel
vermachet würde, als geschenket worden, mehrmalen geforderet werden, wann sich
die eine nicht ausdrücklich auf die andere also beziehet, daß der wiederholte
Betrag nur für einerlei mit dem ersten anzusehen seie.
§. VII.
[3, 24, § 7] 145. Die siebente Tilgungsart ist die
beiderseitige Willkühr, sowohl des Glaubigers, als des Schuldners von der
eingegangenen Handlung abzugehen und die Verbindlichkeit aufzuheben, wodurch
diese mittelst des Rechts selbst getilget wird, welche jedoch blos bei jenen
Handlungen, die durch die alleinige Einwilligung deren Contrahenten zu Stand
kommen, nicht aber auch bei Realcontracten statt hat, sondern in diesen letzteren
die Schuldigkeit zwar erlassen, der Contract selbst aber mittelst
beiderseitigen Abstands niemalen anderst, als durch Zuruckstellung der
empfangenen Sache aufgehoben werden kann.
[3, 24, § 7] 146. Es ist aber auch bei denen aus bloser
Einwilligung bestehenden Handlungen der Unterschied zwischen denen landtäflich,
stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten und unvorgemerkten wohl zu beobachten;
dann jene können auch mit beiderseitiger Willkühr nicht anderst aufgehoben
werden, als wann zugleich der Abstand in der Landtafel, Stadt- oder
Grundbüchern vorgemerket und somit die Haftung ausgelöschet wird. Alle andere unvorgemerkte Handlungen hingegen mögen, solange sich
solche noch in ihrer Gänze befinden, mit beiderseitiger Einstimmung allein
anwiederum widerrufen werden.
[3, 24, § 7] 147. Wann in Gegentheil dieselbe sich nicht
mehr in ihrer Gänze befinden, sondern bereits ein- oder andererseits hierauf
etwas erstattet worden, muß noch
(3-421) über das Alles, was empfangen worden, zuruckgegeben,
und also die Sache in vorigen Stand hergestellet werden.
[3, 24, § 7] 148. Noch weniger aber ist ein
mitcontrahirender Theil für sich allein befugt ohne Willen und Beistimmung des
anderen die eingegangene Handlung zu widerrufen und aufzuheben; außer dieselbe
wäre ihrer Natur nach so beschaffen, daß sie ihn dabei zu beharren nicht
verbinden mag, als die Gesellschaft oder Gemeinschaft eines Guts, oder daß sie
lediglich zu seinem Nutzen gereichete, wie alle auf den alleinigen Nutzen des
einen Theils abzielende Verträge und Contracten, wann die Widerrufung dem
anderen Theil keinen Schaden bringet, oder endlich, daß von dem Gegentheil die
contractmäßige Schuldigkeit aus seiner Schuld nicht erfüllet werden konnte oder
wollte.
§. VIII.
[3, 24, § 8] 149. Die achte Tilgungsart ist der Untergang
der zu leisten schuldigen Sache, wann solcher sich an
einem schuldigen, gewissen und bestimmten Stuck ohne Zuthat, Verwahrlosung und
Saumsal des Schuldners zugetragen hat.
[3, 24, § 8] 150. Der zufällige Untergang geschieht entweder
nach der Natur, wann die schuldige Sache in Verlust gerathet oder sonst
verdorben und vernichtet wird; oder nach dem Verstand Rechtens, wann dieselbe
aus obrigkeitlicher Macht wegen gemeinwesigen Nutzens oder Bedürfnuß aus dem
Handel und Wandel gesetzet wird.
[3, 24, § 8] 151. Der Untergang ereigne sich aber auf eine
oder die andere Art, so wird doch andurch die Verbindlichkeit mittelst des
Rechts selbst getilget, und in denjenigen Stand versetzet, worinnen sie
niemalen würde haben anfangen können, also zwar, daß obgleich die Sache nachher
anwiederum handelbar würde, nichtsdestoweniger die schon erloschene
Verbindlichkeit nicht mehr auflebe.
[3, 24, § 8] 152. In deme aber ist jegleichwohlen zwischen
der ersten und der anderen Art der Unterschied, daß bei dem natürlichen
Untergang der schuldigen Sache der von deren Leistung andurch befreite Theil
nicht allein alles das behalte, was er dafür bekommen, sondern auch noch
Dasjenige forderen könne, was ihme dafür zu geben bedungen worden; dahingegen
in dem Fall der nach geschlossenen Contract vor der wirklichen Uebergabe
unhandelbar gewordenen Sache die Billigkeit erheischet, daß nicht nur nichts,
was dafür zu geben bedungen worden, geforderet werden möge, sondern auch Alles,
was bereits daran gegeben worden, anwiederum zuruckgestellet werde.
[3, 24, § 8] 153. Damit also Jemand von der Verbindlichkeit
einer zu leisten schuldigen Sache durch ihren Untergang entlediget werde, ist
erforderlich, daß erstens eine gewisse, bestimmte Sache nach dem Stuck und
nicht nach dem Betrag oder nach der Gattung gebühre; dann eine Gattung oder
Betrag kann niemalen untergehen, sondern eines vertritt die Stelle des anderen
und der Schuldner bleibet noch allezeit in Stand eben so vieles abzuführen,
woferne der Betrag nicht etwan durch Beziehung auf ein gewisses Stuck also
beschränket wäre, daß nur dasjenige und nicht ein anderes von gleichen Betrag
zu geben bedungen worden. Desgleichen, wo mehrere Sachen zusammen oder
wechselweise, daß ist diese oder jene abzustatten wären, gebühret nach
Untergang der einen noch die übrige.
[3, 24, § 8] 154. Zweitens, daß die Sache weder aus Saumsal,
noch durch Zuthat und Verwahrlosung des Schuldners zu Grund gegangen, folglich
der Untergang blos zufällig seie, und der Schuldner auch solchen nicht
ausdrücklich auf sich genommen habe; kann in Widrigen machet demselben sowohl
sein Saumsal, als seine eigene Schuld und freiwillige Uebernahm für die Gefahr
verfänglich.
(3-422) §. IX.
[3, 24, § 9] 155. Die neunte Tilgungsart ist der Verlauf der
Zeit, der Abgang der Bedingnuß und die Verjährung; durch Verlauf der Zeit
werden jene Verbindungen mittelst des Rechts selbst getilget, welche auf eine
gewisse Zeit eingegangen worden, doch nur in derjenigen Maß, daß zwar nach der
Zeit die künftige Schuldigkeit aufhöre, nicht aber auch der Schuldner von deme,
was für das Vergangene gebühret hat und schon von ihme hätte abgestattet werden
sollen, befreiet werde.
[3, 24, § 9] 156. Ingleichen erlöschen bedingte Verbindungen
mittelst des Rechts selbst nach dem Unterschied deren beigefügten aufziehenden
und verschiebenden oder auflösenden Bedingnussen durch den Abgang und
Ermanglung deren ersteren so wie durch den Erfolg deren letzteren, unter
welchen sie eingegangen worden.
[3, 24, § 9] 157. Wie aber die Verbindungen durch Verjährung
aufgehoben, und was für ein Zeitlauf nach Verschiedenheit deren Handlungen
hierzu erforderet werde, ist allschon in zweiten Theil unter der Abhandlung von
Verjährung ausgemessen worden.
§. X.
[3, 24, § 10] 158. Die zehnte Tilgungsart ist endlich das
Absterben des Schuldners bei jenen Handlungen, deren Verbindlichkeit entweder
nach ihrer Natur oder durch ein Beding ausdrücklich nur auf die Person und
Lebzeiten des Schuldners beschränket ist.
[3, 24, § 10] 159. Außer einer solchen schon in der Natur
der Handlung oder in dem wortdeutlichen Beding begriffenen Einschränkung,
welche sich jedoch auf jenes, was der Schuldner noch bei seinen Lebszeiten
hätte leisten sollen, nicht erstrecket, gehen sonst aus Verträgen und
Contracten alle Rechten und Verbindlichkeiten auf die Erben.
[3, 24, § 10] 160. Wann und inwieweit aber die
Verbindlichkeit aus Verbrechen durch Absterben des Verbrechers erlösche, ist
nach Verschiedenheit des Gegenstands, welchen derlei Verbindlichkeiten
betreffen, bereits oben in einundzwanzigsten Capitel, in ersten Artikel, von
Verbrechen insgemein §. VII und §. IX erkläret worden.
§. XI.
[3, 24, § 11] 161. Alle bisher beschriebene Tilgungsarten
heben die unvorgemerkten Schulden und Forderungen ohneweiters für sich selbst
auf; dahingegen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Haftungen
und Verbindungen nicht anderst als durch die Auslöschung aus der Landtafel,
Stadt- oder Grundbüchern getilget werden können.
(3-423) [3, 24, § 11] 162. Es wäre dann eine solche
Forderung schon in dem Inhalt der Verschreibung selbst auf eine gewisse Zeit
oder auf die alleinige Person des Schuldners beschränket, in welchen Fällen
auch selbe nach Verlauf der Zeit oder nach Absterben des Schuldners von
selbsten für das Künftige erlöschet, obschon die Verbindlichkeit für das
Vergangene haften bleibet, so lange solche nicht ausgelöschet wird.
[3, 24, § 11] 163. Die Auslöschung einer landtäflichen,
stadt- oder grundbücherlichen Haftung geschieht auf dreierlei Art, als entweder
durch einen wider die Verschreibung in der zu Recht ausgesetzten Zeit
eingebrachten Widerspruch und hierauf erfolgtes richterliches Urtheil, wodurch
dieselbe für vernichtet erkennet wird, oder durch Einverleibung derjenigen
Urkunde, wodurch die erstere Verbindlichkeit aufgelöset und getilget wird, oder
endlich durch die Quittirung.
[3, 24, § 11] 164. Von der ersteren Art wird in vierten
Theil bei der Gerichtsordnung mit Mehreren gehandlet werden; die zweite aber
erforderet nichts Anderes, als daß eine solche auf die Auflösung einer
vorhinigen landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Haftung gerichtete
Urkunde mit allen zur Einverleibung nöthigen Einfordernussen versehen seie und
die anmit tilgen wollende Haftung darinnen deutlich benennet und ausgedrucket
werde. Es erübriget also nur noch die dritte Art, nemlich die Quittirung,
welche auch die gemeinste ist, hier zu erklären.
[3, 24, § 11] 165. Eine Quittung ist nichts Anderes als eine
von dem Glaubiger über die empfangene Bezahlung der Schuld ausgestellte
schriftliche Bekanntnuß und Bescheinigung, wodurch dieselbe sich von anderen
gemeinen Bescheinigungen unterscheidet, als welche auch über Dinge, die ohne
einer darzu verbindenden Schuldigkeit zu Jemands Handen übergeben werden,
ausgestattet zu werden pflegen.
[3, 24, § 11] 166. Die Quittungen sind entweder auf die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung gerichtet oder nicht,
welche letztere blos allein die Bekanntnuß des Glaubigers, daß er die Zahlung
empfangen, und dessen eigenhändige Unterschrift erforderen. Wo aber derselbe
des Schreibens unkundig wäre, so ist in diesem Fall eben diejenige Vorsicht zu
gebrauchen, welche in vierten Capitel, von Leihen oder Borgen, §. VI, num. 87
und 88 bei Schuldbriefen vorgeschrieben worden; gleichwie dann auch die
Beidruckung des Siegels bei Quittungen ebensowenig, als bei Schuldbriefen ein
wesentliches Stuck ist, sondern blos jene Wirkung hat, welche eben alldort von
num. 89 bis 91 erwähnet worden.
[3, 24, § 11] 167. Die landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Quittungen hingegen müssen nicht allein alle die zu derlei
Urkunden in zweiten Capitel, in zweiten Artikel, von Verträgen, §. XI, von num.
76 bis 80, überhaupt ausgemessene Feierlichkeiten haben, sondern auch noch
besonders klar und deutlich die Aufhebung derjenigen Haftung, welche anmit getilget
werden solle, ausdrucken und anzeigen.
[3, 24, § 11] 168. Die Quittungen sind entweder allgemein
über einen ganzen Umfang von Rechten und Forderungen, oder nur sonderheitlich
über eine oder mehrere einzle Forderungen allein; die allgemeine können jedoch
niemalen auf etwas Anderes, was nicht darunter begriffen ist, und worauf bei
deren Ausstellung nicht gedacht worden, erstrecket werden.
[3, 24, § 11] 169. Also, da Jemand den Anderen über die
Ausfolgung einer Erbschaft, Handlung oder eines von ihme verwalteten Vermögens
quittirete und hernach gefunden würde, daß der Ausfolgende in die Erbschaft,
Handlung oder in das von ihme verwaltete Vermögen noch etwas schuldig seie,
kann die Quittung, wann sie noch so allgemein gefasset wäre, hierauf nicht ausgedeutet
werden; eben so, da in einer Quittung eine allgemeine Verzicht auf alle Sprüche
und Forderungen gemacht wird, kann solche nur von jenen und keinen anderen
verstanden werden, als wovon in der Quittung die Rede ist.
(3-424) [3, 24, § 11] 170. Ferners lauten die Quittungen
entweder auf die ganze Schuld oder nur auf einen Theil derselben; erstere
werden Hauptquittungen und letztere Abschlags- oder Interims-Quittungen
genennet.
[3, 24, § 11] 171. Diese ist der Schuldner gehalten gegen
Behändigung der Hauptquittung auszuwechslen und dem Glaubiger zuruckzustellen,
oder da ihme solche aus Handen gekommen wären, auf Verlangen des Glaubigers
mittelst eines Abtödtungsscheins zu vernichten oder wenigstens in dem Inhalt
der Hauptquittung entkräften und widerrufen zu lassen, welches er in gleichen
Fall, wo über einerlei Summe mehrere Quittungen ausgestellet worden, in Betreff
der ersteren zu thun verbunden ist.
[3, 24, § 11] 172. Quittiren kann Jedermann, der entweder
für sich oder für einen Anderen Zahlungen anzunehmen und die Schuld zu erlassen
fähig ist; landtäfliche, stadt- und grundbücherliche Quittungen aber können nur
von dem Glaubiger und seinen Erben oder Demjenigen, welcher entweder durch die
Abtretung des Glaubigers oder in andere rechtmäßige Wege diese Forderung mit
der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern an sich gebracht hat, ausgestellet
werden.
[3, 24, § 11] 173. Niemand Anderer kann dahero in Namen und
anstatt des Glaubigers landtäflich, stadt- oder grundbücherlich quittiren, als
der entweder denselben durch das Gesetz vorstellet, als Vormündere oder
Gerhaben oder Curatores, wann der Auftrag der Vormundschaft oder Curatel
bereits in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket ist.
[3, 24, § 11] 174. Oder aber Derjenige, deme schon in dem
Inhalt der vorgemerkten Verschreibung die Einhebung der Schuld von dem
Glaubiger angewiesen, oder eine mit allen zur Einverleibung nöthigen
Erfordernussen versehene und entweder schon vorhin in die Landtafel, Stadt-
oder Grundbücher eingelegte oder doch mit der Quittung einzuverleiben kommende
Vollmacht hierzu ertheilet worden.
[3, 24, § 11] 175. Alle Quittungen haben zwar insgemein die
Wirkung, daß sie die geschehene Zahlung und Vergnügung des Glaubigers beweisen,
gleichwie in Gegentheil aus deren Ermanglung die Vermuthung der nicht
geschehenen Zahlung erwachset, welche dem Schuldner
deren Beweis aufbürdet.
[3, 24, § 11] 176. Landtäfliche, stadt- und grundbücherliche
Quittungen aber wirken noch insonderheit die Aufhebung und Auflösung der
landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Haftung für denjenigen Betrag der
Schuld, worüber sie ausgestellet werden.
[3, 24, § 11] 177. Da jedoch der Schuldner eine auf die
Einverleibung nicht gerichtete Quittung über eine landtäfliche, stadt- oder
grundbücherliche Schuldpost in Handen hätte, oder deren Tilgung in andere Wege
erweisen könnte, so hat er Fug und Macht den Glaubiger oder dessen Erben um die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittirung zu belangen, und ihn
hierzu zu verhalten.
[3, 24, § 11] 178. Wann aber wegen Länge der Zeit Niemand
mehr zu finden wäre, welcher hierüber landtäfliche, stadt- oder grundbücherlich
zu quittiren vermögete, so solle von Gericht aus auf Anlangen Desjenigen,
welcher sich von einer solchen zur Ungebühr noch haftenden Post entledigen will,
nach vorläufiger Erkanntnuß des von ihme hierüber beigebrachten Beweises mit
der öffentlichen Vorladung aller Derenjenigen, welche ein Recht hieran zu haben
vermeinen, nach Maßgebung Unserer in vierten Theil vorgeschriebenen
Gerichtsordnung fürgegangen werden.
[3, 24, § 11] 179. Da sich nun in der anberaumten Zeitfrist
Niemand mit einigen Ansprüchen melden würde, ist nach deren Verlauf sofort ein
Curator von richterlichen Amts wegen zu bestellen, welcher anstatt Desjenigen,
auf dessen Namen eine dergleichen noch haftende Forderung einverleibet ist, die
landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittirung vorzunehmen hat.
(3-425) [3, 24, § 11] 180. Der durch die Quittirung
hergestellte Beweis erstrecket sich nicht nur allein auf die Zahlung, worüber die
Quittung ausgestellet worden, sondern wirket auch in dem Fall, wo mehrere
jährliche oder zu gesetzten Zeiten nach und nach bedungenen Zahlungen zu
leisten sind, die Vermuthung für die Abfuhr deren vergangenen, wann sich solche
der Glaubiger in der letzten Quittung nicht ausdrücklich vorbehalten hat, also
zwar, daß, wann der Schuldner drei letztere aufeinander folgende
Abfuhrsquittungen ohne Vorbehalt deren vorhin verfallenen Zahlungen aufweisen
mag, dem Glaubiger der Gegenbeweis obliege, daß er die vorhinige Zahlungen
nicht empfangen habe.
[3, 24, § 11] 181. Wo aber ein Glaubiger in Hoffnung der
erhaltenden Zahlung eine Quittung zum voraus von sich gegeben hätte, ohne das
Geld hierauf empfangen zu haben, so solle ihme eine Zeitfrist von dreißig
Tagen, oder da er unter dieser Zeit versterben würde, seinen Erben zwei Monate
von dem Tag der ausgestellten Quittung an zu rechnen verstattet sein, binnen
welcher derselbe sich der besonders begünstigten Einwendung der
nichtgeschehenen Zuzählung bedienen kann, kraft welcher der Schuldner den
Beweis zu verführen hat, daß er die Zahlung geleistet habe.
[3, 24, § 11] 182. Nach Verlauf dieser begünstigten
Zeitfrist hingegen lieget der Beweis der nicht empfangenen Zahlung dem
Glaubiger ob, welchen er in ordentlichen Weg Rechtens wider den Schuldner
auszuführen hat.
[3, 24, § 11] 183. Von denen Quittungen sind die
Gegenscheine unterschieden, welche an sich nichts Anderes sind, als eine über
die geleistete Zahlung ausgestellte schriftliche Bekanntnuß des Schuldners.
[3, 24, § 11] 184. Diese Gegenscheine haben nach
Verschiedenheit deren Fällen für den Glaubiger vornehmlich den Nutzen, daß
derselbe nicht allein in seinen etwan zu legen habenden Rechnungen den Empfang
oder die Einnahme der Erfordernuß nach damit belegen, sondern auch den Lauf der
Verjährung unterbrechen und die vollkommene Anerkanntnuß der Schuldigkeit
andurch erproben möge.
[3, 24, § 11] 185. Noch eine andere Gattung von
Bescheinigungen sind die Erlagscheine, wodurch nur die Abfuhr, oder der Erlag
der abzustatten gehabten Summe bewähret wird; sie werden meistens von dem
Schuldner über das zugezählte Darlehen an den Glaubiger ausgestellet und ihre
Wirkung bestehet hauptsächlich in Bestätigung der erfolgten Zuzählung und in
Ausschließung der deswegen gebührenden Einwendung.
§. XII.
[3, 24, § 12] 186. Durch Einreden und Einwendungen werden
die Verbindungen getilget und aufgehoben, wann zwar noch dem Kläger die
Forderung gebühret, solche aber vom Beklagten durch eine zu Recht bestehende
Einwendung abgeleinet werden mag, welche sonach von dem Richter für erheblich
anerkennet wird.
[3, 24, § 12] 187. Derlei Einwendungen sind nach
Verschiedenheit deren Handlungen unzählig, und kommen zwar diese mit denen
vorbeschriebenen Tilgungsarten auch in deme überein, daß so eine wie die andere
wider die Forderung des Klägers bei Gericht eingewendet und rechtsbehörig
erwiesen werden müssen.
[3, 24, § 12] 188. Nichtsdestoweniger bestehet der
hauptsächliche Unterschied zwischen beiderlei Tilgungsarten darinnen, daß die
Verbindlichkeit da, wo solche nur durch die Kraft der Einwendung abgeleinet
werden will, nicht anderst, als durch den in Rechtskräften erwachsenen
richterlichen Spruch getilget werden könne; dahingegen die
(3-426) mittelst des Rechts selbst aufgelöste
Verbindlichkeiten schon für sich selbst erloschen sind und nur von dem Richter
für erloschen erkläret werden.
[3, 24, § 12] 189. Von diesen Einwendungen aber, welche auf
die Tilgung und Vernichtung der Verbindlichkeit selbst gerichtet sind, müssen
jene wohl unterschieden werden, welche blos allein die Zahlung verschieben,
weilen entweder solche nach dem Beding nicht ehender eingeforderet werden mag,
oder auch darnach von dem Glaubiger eine Nachsicht verstattet worden.
[3, 24, § 12] 190. Von solcher Art sind die von Uns denen durch
Unglück in Verfall ihres Vermögens gerathenen Schuldneren auf eine befindenden
Umständen nach ausgemessene Zeit ertheilende Schutz- und Anstandbriefe oder
sogenannte Moratorien, wovon in dem vierten Theil eigends gehandlet wird; diese
schieben blos die Zahlung der schuldigen Hauptsumme auf und verleihen dem
Schuldner eine Nachfrist für die ihme darinnen vergünstigte Zeit, machen aber
der Verbindlichkeit gegen seine Glaubiger kein Ende.
(3-427) Uebersicht
der Parallelstellen des allgemeinen bürgerlichen
Gesetzbuches und des
Codex Theresianus.
In der Rubrik des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches
bezeichnen die Zahlen die Paragraphe; diejenigen §§, für welche es an einer
correspondirenden Stelle im Cod. Th. fehlt, wurden übergangen.
Angeführt wurden diejenigen Stellen des Cod. Th., welche denselben Gegenstand, wie die nebenstehend
angegebenen §§ des a. b. G. B., wenn auch nur mittelbar, betreffen. Die
römischen Ziffern bezeichnen die Theile, die großen arabischen Ziffern die
Capitel, die kleinen arabischen Ziffern, wenn sie mit dem Zeichen *) versehen
sind, die (in dieser Digitalisierung bewusst nicht aufgenommenen Anmerkungen
des Herausgebers, außerdem aber die Absätze (Nummern) des Cod. Th. (Die
Anmerkungen sind zu berücksichtigen, wenn sie auch nicht insbesondere
ersichtlich gemacht wurden; sie sind nur dann hervorgehoben worden, wenn es im
Texte, zu welchem sie gehören, an einer Parallelstelle fehlt.)
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
1 = I 1. 1-12.
2 = I 1. 25-28.
3 = I 1.
13, 18-26.
4 = I 1. 14-17.
5 = I 1. 29-32.
6 = I 1. 81-83, 87, 88.
7 = I 1. 84-86.
8 = I 1.
31.
9 = I 1.
33.
10 = I 1. 8, 9, 39-50, 83.
11 = I 1. 34-38.
12 = I 1.
49.
13 = I 1.
10, 51-80, 89-92.
14 = I 1. 93-95.
15 = I 1.
96-100. 2. 1-4,
59-64.
16 = I 1. 2, 3. 2. 5-16. II 12. 17.
17 = I 2. 5, 6.
18 = I 1.
1. 2. 6, 17.
19 = I 1.
95. III 21. 112-115, 120-124, 163-173.
20 = III 9.
205. 24. 92.
21 = I 6. 6-9.
22, 23 = I
6. 635. II 12. 87-92. 21. 175-186.
24 = II 21.
33-46.
25 = II 18.
105-108.
26 = I 1. 43, 33. II 1. 133-155.
27 = I 1. 35-38, 44.
28 = I 2. 17-25.
29-31 = I
2. 26, 53-57.
32 = I 2.
58.
33-37 = I
1. 14. 2. 27-52. II 11. 16,17,
187-190. 12. 18.
38 = I 1.
3.
39 = I 2. 9*). 6. 132.
40 = I 4. 1-24.
41 = I 4. 25-35.
42 = I 4.
9.
43 = I 4. 40-58.
44 = I 3. 1, 2.
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
45 = I 3.
3-5, 43-46.
46 = I 3. 47, 48, 53, 54.
47 = I 3.
6, 7, 30-42.
49 = I 3.
8, 9, 14-29.
52, 53 = I
3. 10-13, 26, 27.
54 = I 3.
42.
89 = I 2. 65, 66.
90 = I 2. 71, 72.
91 = I 2. 67, 68, 86.
92 = I 2. 69, 70.
93 = I 2. 73-75.
94 = I 3. 14, 28.
105 = I 2.
76.
108 = I 2.
77, 79-85.
137 = I 2.
87. 5. 1-3, 7-9.
138 = I 2.
99.
139 = I 2. 88, 94, 111, 115.
141 = I 2. 96-98, 102-104, 109, 110.
142 = I 2. 6*).
143 = I 2.
104-108, 111-113.
144 = I 2. 92, 93.
145 = I 2.
89-91. 5. 48-50.
146 = I 2.
95.
147 = I 2.
88. 5. 4-6, 47.
148 = I 2.
89.
149 = I 5. 51, 52, 64-68, 77.
150 = I 5. 53-77.
151 = I 5. 113, 114.
152 = I 5.
78-88. III 1. 32-34.
154 = I 2. 114, 116.
155 = I 2. 117, 118.
156-159 = I
2. 99-101.
160 = I 5.
10.
161 = I 5. 11-17.
162 = I 5. 18-20.
163 = I 2. 119, 120.
165 = I 2. 117, 118, 124.
166 = I 2. 121, 122.
167-170 = I
2. 121-123.
(3-428) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
171 = I 2. 123.
172, 173 =
I 5. 96-104, 115, 116.
174 = I 5. 107, 114.
175 = I 5. 108-112.
176 = I 5. 89-95.
177, 178 =
I 5. 105, 106.
179 = I 5. 21, 22, 40.
180 = I 5. 22-27.
181 = I 5. 23, 28.
182 = I 5. 23, 29, 32, 33.
183, 184 =
I 5. 21, 22, 30, 31, 34-39. 6. 489.
185 = I 5.
116.
186 = I 5. 41-44.
187 = I 6. 1-5, 10, 11.
188 = I 6. 217, 587, 588.
189 = I 6. 119, 120.
190 = I 6.
12-14, 157-160.
191 = I 6.
124, 126-128, 131-133.
192 = I 6.
125.
193 = I 6. 134-143.
194 = I 6. 109-112.
195 = I 6.
127, 129, 130, 144-156.
196 = I 6.
15-18, 23-28, 30-34.
197 = I 6. 19-22.
198 = I 6. 35-92.
199 = I 6. 93, 94.
200 = I 6.
29, 95, 96, 108, 118, 121, 123, 161-164.
201 = I 6.
113-117, 122, 165-173.
202 = I 6.
141.
203 = I 6.
62.
204 = I 6.
161-164, 354-368.
205 = I 6. 174, 192.
206 = I 6. 96, 208.
207 = I 6. 209-214.
208 = I 6. 215, 216.
209 = I 6. 26-28.
210 = I 6.
24, 348-353, 557-565.
211 = I 6. 74, 75.
212 = I 6. 76-78.
213 = I 6. 79, 80.
214 = I 6. 81, 82.
215 = I 6.
82.
216 = I 6. 217, 222, 229, 231, 233, 234.
217 = I 6.
232.
218 = I 6. 219-221.
219 = I 6. 224-227.
220 = I 6.
228.
221 = I 6.
223.
222 = I 6.
193.
223 = I 6.
194.
224 = I 6. 195-203, 206.
225 = I 6. 100-107, 205.
226 = I 6. 97-99, 204.
227 = I 6.
105.
228 = I 6. 285, 315, 329, 338.
229 = I 6. 207, 302, 305, 306.
230 = I 6. 207, 300, 303, 304, 322-326, 328.
231 = I 6. 293-299, 301, 302.
232 = I 6.
288.
233 = I 6.
264-292, 322-327, 330-337.
234 = I 6. 309-312.
235 = I 6. 313, 314.
236 = I 6.
307, 308, 316-321.
237 = I 6. 175-191.
238 = I 6.
369, 377-396.
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
239 = I 6.
370-376, 388, 389, 422-424.
240 = I 6.
104.
241 = I 6.
397-450, 457-460.
242 = I 6. 451-455.
243 = I 6. 264-275.
244 = I 6.
235-249, 253-260. III
1. 32-34.
245 = I 3.
22.
246 = I 6. 233, 234.
247 = I 6.
250-252, 495-499.
248 = I 6. 261-263.
249 = I 6. 485-488, 516, 517.
250 = I 5. 94, 95.
251 = I 6. 258, 490-499, 505, 506.
252 = I 6.
250, 507-513.
253 = I 6.
156.
254 = I 6.
156, 519-534.
255 = I 6. 67-73.
256 = I 6.
537.
257 = I 6. 156, 518, 539.
258 = I 6. 43-50.
259 = I 6. 35, 36, 535, 536.
260 = I 6. 500-503.
261 = I 6. 46, 47, 539, 540.
262 = I 6. 538-543.
263 = I 6.
504, 514, 515, 544, 545, 578-586.
264 = I 6.
315, 338-353, 456, 546-568.
265 = I 6.
321, 569-576.
266 = I 6. 461-481.
267 = I 6. 482-484.
268 = I 6. 167-169, 445-450, 477, 481, 533.
269 = I 6.
587.
270 = 101-103, 589, 635, 636.
271 = I 6.
276-284, 543, 577, 636-639. 21. 53.
272 = I 6. 284, 639.
273 = I 6. 590-626.
274 = I 6.
635.
275 = I 6. 594-598.
276 = I 6. 627-634.
277, 278 =
II 21. 33-46.
280 = I 6.
599-601, 618-620.
281 = I 6.
632.
282 = I 6. 601, 615, 622, 634.
283 = I 6. 602-604, 620-622, 640.
284 = I 6. 6*).
285 = II 1.
5, 6.
286 = II 1.
7, 8, 10, 16-42, 156.
287 = II 1.
9, 43-125.
288 = II 1.
126-155.
289 = II 1.
15*).
290 = II 1.
126-155.
291 = II 1.
11-15, 163, 196-204.
292 = II 1.
11.
293-297 =
II 1. 164-195.
298, 299 =
II 1. 205-220.
300 = I 2.
27.
301 = II 1.
200, 201.
302 = II 2.
197.
307 = II 1.
1-4. 2. 1-21.
308 = II 2.
22-35. 24. 1, 2. 30. 55-57.
309 = II
24. 3-9.
310 = II
24. 11, 12, 25-29.
311 = II
24. 13, 14, 30-36.
312-315 =
II 24. 13, 18-24, 37-72.
316 = II 24. 13, 15.
(3-429) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
317 = II 24. 6-8.
318 = II 24. 10-12.
319 = II 24. 9, 53-59, 64, 65.
320 = II 24. 67-72.
321 = II 1. 214-218.
2. 10-19. 8. 18, 19. 9. 40.
24. 19, 23, 36, 62.
322 = II 24. 158.
323, 324 = II 24. 82.
325 = II 24. 83.
326 = II 24. 13, 16.
327 = II 24. 17.
328, 329 = II 24. 73-86.
330 = II 3. 83. 5.
156-160. III 17. 111 bis 137.
331-334 = II 3. 87-89.
III 17. 138-184.
335 = II 3. 84, 85.
5. 160. III 17. 111 bis 127,
185-220.
336 = II 3. 86,
88, 89. III. 138-184.
338 = II 3.
78. 5. 158, 159. III 2. 158, 159. 19. 115,
116.
339 = II
24. 67-72, 90, 91.
340-343 =
II 24. 117-140. III
21. 239-246.
344-348 =
II 24. 80-86, 146-160. III 21. 112-115, 120-124, 163-173.
349-352 =
II 24. 87-89, 141-145.
353 = II 1.
219, 220.
354 = II 1.
157, 158. 3.
1-8, 21, 22.
355, 356 =
I 2. 27-39, 47-52. II
1. 16-42. 3.
16-20, 27-40.
357-360 =
II 25. 1-6. 26.
1-8.
361 = II 1.
156, 161, 162, 202-204.
362 = II 3.
2*).
364 = II 1.
159. 3. 24-26.
365 = I 1.
74. II 1. 159, 160. 3. 25, 26.
366 = II 3.
23, 41-49, 57, 69, 72-94.
367, 368 =
II 3. 51. 8. 43-70. III 2. 36. 9. 30.
369 = II 3.
50, 58-68.
370 = II 3.
70, 71.
371 = III
4. 37-40.
372-374 =
II 24. 153-160.
375 = II 3.
46, 47.
376-378 =
II 3. 48-56.
379 = II 3.
72-89.
380 = II 3.
9-15, 96. 4.
1-5.
381 = II 4.
6, 7.
382 = II 4.
8-22.
383 = II 4.
23-26.
384 = II 4.
27-44.
385 = II 4.
6-8.
386 = II 3.
97-100.
387 = I 2. 6*).
388 = II 3.
97-100.
389-394 =
II 4. 56-71.
395-397 = II
4. 72-77.
398-401 =
II 4. 78-105.
402 = II 4.
45-55.
404 = II 5.
1-3.
405 = II 5.
4-6, 146-160.
406 = II 5.
5, 6.
407 = II 1.
11*). 5. 19-29.
408-410 =
II 1. 54. 5. 30-41.
411, 412 =
II 5. 7-18.
413 = II 1. 62-105.
414-416 = II 5. 64-120, 141-145.
417 = II 5. 121-128.
418 = II 5. 129-134.
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
419 = II 5. 135-140.
420 = II 5. 42-63.
421, 422 = II 5. 57-63.
423 = II 3. 95. 6.
23-42.
424 = II 3. 10-13. 8.
1-70.
425 = II 3. 13, 14.
6. 1, 2.
426 = II 6. 3, 6, 8, 9, 43.
III 9, 15. 127.
427, 428 = II 6. 4, 10-22.
430 = II 24. 157, 158.
III 2. 149-155.
431 = II 1. 214-218.
2. 10-19. 6. 5, 7, 44. 8. 4, 13, 17-34. 9. 31-33, 101 bis 107. III 2. 36.
9. 16, 65, 125, 126.
432 = II 8. 23, 29.
III 9. 25.
433 = II 2. 17. III
9. 66.
434, 435 = II 2. 18.
8. 21. III 2. 76-80. 4. 4*).
9. 66, 67.
436 = II 2. 19. 8.
25-28.
437 = II 8. 25-28.
16. 361-365.
438, 439 = II 8. 30-34.
III 2. 79, 80.
440 = II 8. 27. 24.
156. III 2. 149-155.
441 = II 8. 18.
442 = II 6. 28, 45, 46.
III 2. 145-155.
443 = II 30. 37. III
9. 89-95.
444 = II 8. 24-26.
445 = II 1. 214-218.
2. 10-19. 6. 5, 7. 9. 31-33.
30. 56, 57. III 2. 76 bis 80,
151, 163. 23. 17, 58-60, 75-79. 24. 70, 107, 146, 161, 162.
446 = I 2. 6*). II
30. 3*).
447-449 = II 30. 1-6.
III 7. 1-16, 25, 26, 97-103.
450 = II 30. 17-32.
III 7. 48, 49, 101, 102.
451-453 = II 30. 7-16.
III 4. 101-105. 7. 3, 98, 99,
113-128.
454, 455 = III 7. 42-46.
456 = II 30. 42. III
2. 95. 7. 27-40.
457 = II 30. 3*). III
7. 47, 124, 125.
458-460 = II 30. 3*).
III 7. 11, 12, 63, 64, 129-131.
461-466 = II 30. 35-53.
III 7. 65, 132-140.
467-469 = II 30. 54.
III 2. 103. 7. 59-65, 79-90,
159-166.
470 = II 30. 35.
471 = II 30. 52, 53.
III 7. 35. 24. 115 bis 120.
472 = II 27. 1-7.
473, 474 = II 27. 8-11, 12-17. 29. 1-10, 14-22.
478 = II 27. 9. 28.
1.
479 = II 27. 9-11.
29. 146, 147.
480 = II 27. 18-30.
29. 11-13.
481 = II 2. 11-15.
27. 31-40.
482-486 = II 27. 6, 41-50.
29. 23-30.
487 = II 29. 31-52, 75-80.
488 = II 29. 53-64.
489-491 = II 29. 65-74.
492-495 = II 29. 81-104.
496, 497 = II 29. 105-120.
498-502 = II 29. 121-138.
503 = II 29. 139-147.
504-508 = II 28. 67-92.
509-520 = II 28. 2-66.
521, 522 = II 28. 93-106.
523 = II 27. 44-50.
29. 6.
524-530 = II 3. 4.
27. 51-66. 28. 51-66, 92, 106.
(3-430) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
531 = II 10. 1, 2, 5-8, 23-33.
532 = II 10. 1, 2, 9-11.
533 = II 10. 3, 4, 12-16.
21. 9.
534 = II 10. 17. 21.
10, 11.
535 = II 11. 191-207.
536, 537 = II 11. 5.
12. 86, 171-175. 18. 105 bis
108. 21. 1-15, 55-64.
538 = I 2. 40-50. II
12. 15-32. 19. 1 bis 6. 21. 50, 51, 87-100.
539 = II 11. 3*). 14.
4*).
540-543 = II 15. 13-35.
19. 7-24. 20. 87 bis 92, 123-125,
155, 156.
544 = I 2. 15*).
545, 546 = II 12. 29, 30.
547 = II 10. 7. 21.
7, 8, 86.
548 = II 10. 11. III
1. 39-44.
549 = II 21. 125.
550 = II 22. 65-68.
III 1. 44.
551 = II 12. 175. 21.
7, 8, 86.
552, 553 = II 10. 18, 19.
11. 1-6, 45, 46, 208-214. 12.
1-14. 16. 1-4, 117, 118.
554-562 = II 12. 33-64.
563, 564 = II 12. 65-96.
565 = II 11. 23, 37-44.
16. 6. 18. 9-20, 99-104.
566, 567 = II 11. 24-36.
568 = II 11. 12-14.
18. 85-90.
569 = II 11. 7-10.
570-572 = II 12. 65-70.
16. 51-78, 394, 401-403.
573 = II 11. 11.
574 = II 11. 18-22.
12. 19-21. 18. 85 bis 90.
575, 576 = II 18. 17, 18.
577 = II 11. 47-49.
578 = II 11. 69-76.
579-584 = II 11. 77-100.
585, 586 = II 11. 101-112.
587-590 = II 11. 50-68.
591-596 = II 11. 113-138.
597-600 = II 11. 145-190.
601 = II
11. 139-144, 221-230. 16. 7, 8. 18. 1-8, 21-26, 109, 110.
602 = I 3. 26*).
603 = II 7.
105-136. 16. 5.
604-607 =
II 13. 1-3, 16-50.
608 = II
13. 4.
609 = II
13. 5-15.
610-614 =
II 13. 59-196.
615 = II
13. 51-58, 257-268.
616 = II
13. 13-15.
617 = II
13. 91-106.
618-646 =
II 3. 4*). 13.
59-268.
647 = II
11. 191-230. 12.
32. 16. 1-14, 383-388.
648 = II
16. 15-18, 37.
649 = II
16. 15-18, 30-38.
650-652 =
II 16. 19-28, 30-38, 43-50.
653, 654 =
II 16. 81-97.
655 = II 16. 29, 51-66, 241-263. 18. 99 bis 104.
656-659 = II 16. 119-130, 205-212, 373-380.
660 = II 16. 111-113.
661 = II 16. 105-110, 388.
662 = II 16. 98-104, 114-116.
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
663-668 = II 16. 213-240.
669-671 = II 16. 189-204.
672, 673 = II 16. 131-189, 269-287.
674 = II 16. 274-268.
675-677 = II 16. 244-247, 254, 334-337.
678-679 = II 16. 288-300.
680 = II 16. 280.
681 = II 16. 11-13.
682-683 = II 16. 10, 24.
684 = II 16. 301-308.
685-687 = II 16. 308-358.
688 = II 16. 349-358, 366-372.
689 = II 16. 21-28, 385, 386.
690-693 = II 16. 417-480.
III 19. 97, 98.
695 = II 11. 215-220.
12. 97. 16. 38, 381, 382.
696-712 = II 12. 97-179.
16. 39-80, 87, 88, 387. 18.
110-126. 21. 12-15.
713-723 = II 16. 389-416.
18. 45-84.
724, 725 = II 16. 394-406.
726 = II 18. 91-98.
727, 728 = II 20. 1-16.
729 = II 14. 1-6, 51-54.
18. 111-114, 121, 122.
730-751 = II 10. 20, 21.
20. 17-74, 93-114, 126-148, 151-154.
752, 753 = II 12. 23-28.
20. 82-86, 150.
754 = II 20. 79-81,
149.
755 = II
20. 75-78.
756 = II
20. 115-122.
757-759 = I
3. 280. II 10. 20, 21. 20. 157-180.
760 = II
10. 20-22. 20. 181-192.
761 = II
11. 15.
762 = II
12. 5-14. 14.
1.
763 = II
14. 7-9, 43, 44.
764 = II
14. 1-6.
765 = II
14. 10-42.
766 = II
14. 43-50.
767 = II 14. 122-124, 131-144. 19. 1-6.
768 = I 3. 16, 21. II
12. 19-21, 23-28. 15. 13-27, 36. 19. 7-24.
20. 87 bis 92, 123-125.
769 = II 15. 28-36.
770 = II 15. 13-36.
19. 1-6.
771, 772 = II 15. 1-12, 37-40.
773 = II 13. 1*).
774 = II 14. 1-6, 51-54.
18. 111-114, 121, 122.
775 = II 14. 107-130.
776-778 = II 18. 27-44.
779-781 = II 20. 27-30.
782 = II 15. 7.
783 = II 14. 107-144.
784-794 = II 14. 55-106. 23. 1-69.
795 = I 2.
108.
796 = I 3. 28*). II 163-180.
797 = II
10. 4, 5. 12.
176-179. 16. 359, 360. 21. 1-15.
798 = II
17. 1-65. 21.
16-54, 133-148.
799 = II
21. 65-86.
800-807 =
II 21. 101-132.
808 = II 21.
87-100.
809 = II
21. 55.
810 = II
21. 156-159.
811, 812 =
II 21. 139, 140.
813-815 = II 21. 127-129, 137-148.
(3-431) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
816, 817 = II 17. 60-65.
819 = II 21. 149-155.
820, 821 = II 22. 65-68.
823, 824 = II 21. 83-85, 159-200.
825-840 = III 19. 71-94.
841-849 = II 22. 1-77.
27. 19. III 19. 71-92.
850-858 = II 24. 92-116.
III 19. 95, 96.
859 = III 1. 1-6, 87-92.
860 = III 1. 5, 6.
861, 862 = III 1. 18.
2. 32, 43-55, 62-68. 3. 1-36.
863, 864 = III 2. 1, 33-42, 62-68, 85-109. 3. 1-36.
865, 866 = III 1. 7-18.
2. 56, 58. 4. 25-28.
867 = III 1. 16. 2. 196, 197.
4. 29-32.
869-877 =
III 2. 110-126. 21. 131-142.
878 = III
1. 45-50. 2. 127-164.
879 = I 3.
37-63. III 2.
57, 165-168.
880 = III
2. 127, 139.
881 = III
1. 51, 52. 2.
59-61.
883-887 =
III 2. 62-109.
888-896 =
III 1. 19-31. 24.
9, 21.
897-900 =
III 1. 53-78.
901 = III
1. 86. 20. 6-20.
902-905 =
III 1. 79-85.
906, 907 =
III 1. 94, 95.
908 = III
9. 231-240.
909-911 =
III 9. 241-247.
912, 913 =
III 17. 131-137.
914-916 =
III 2. 171-179. 9.
416-418.
917 = III
1. 129-132.
918 = III
1. 39-44. 2. 34, 35, 169.
919, 920 =
III 1. 93-100. 2.
50, 51, 169, 170.
9. 329-344. 20. 7-20.
921 = III
1. 1*). 3. 1-36.
922-930 = III 2. 142-144.
9. 86-88, 383 bis 409, 411.
931, 932 = III 2. 128-132.
9. 171-223.
933 = III 9. 220-223, 410.
934, 935 = III 9. 60-64, 345-382, 411-415.
936 = III 2. 53.
938-943 = II 7. 1-18, 51-60.
III 2. 2-31.
944 = II 7. 19-50.
945 = II 7. 19, 20.
946 = II 7. 61.
947 = II 7. 56, 62, 63.
948, 949 = II 7. 79-94.
951, 952 = II 7. 64-78.
953 = II 3. 4*). 7.
32. III 21. 177.
954 = II 7. 95-104.
955 = II 7. 52, 53.
956 = II 7. 105-156.
957-960 = III 6. 1-25.
961-967 = III 6. 26-62.
968 = III 6. 12, 63-68.
969 = III 6. 22.
970 = III 6. 5. 19. 99-114.
971 = III 5. 1-22.
972 = III 5. 23-29.
973-981 = III 5. 30-60.
982 = III 5. 34, 50.
983 = III 4. 1-33.
984-992 = III 4. 34-60.
24. 25-45.
993-1000 = III 13. 81-122.
17. 1-110.
1001 = III 4. 61-116.
1002-1008 = III 15. 1-30.
18. 1-10.
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
1009-1019 =
III 1. 32-36. 15. 31-89. 18. 11-18.
1020-1026 =
III 15. 90-105.
1027-1033 =
I 7. 31. III 18. 19-70.
1034 = III
19. 33-35.
1035-1040 =
III 1. 36. 17. 138-184. 19. 1-32.
1041, 1042
= III 20. 35-44.
1043 = III
5. 57-59. 20. 45-68.
1045, 1046
= III 10. 1-18.
1047-1052 =
III 10. 19-30.
1053, 1054
= III 9. 1-40, 65-78.
1055-1058 =
III 9. 41-64.
1059 = III
9. 33-40, 58, 59.
1060 = III
9. 60-64, 345-382.
1061-1064 =
III 9. 79-223.
1065 = III
2. 127-138. 9.
24.
1066, 1067
= III 9. 224-230, 248-250.
1068-1071 =
III 9. 251-274.
1072-1079 =
III 9. 275-316.
1080-1085 =
III 9. 317-328.
1086-1089 =
III 11. 1-34.
1090, 1091
= III 12. 1-15.
1092-1094 =
III 12. 16-44.
1096-1100 =
III 12. 26, 73-162.
1101 = II
30. 20-27.
1103 = III
12. 41.
1104-1108 =
III 12. 134-156.
1109-1111 =
III 12. 108-133.
1112-1119 =
III 2. 96. 12. 45-72, 163-194.
1120, 1121
= III 12. 186-192.
1122-1150 =
I 2. 6*). II 25. 1-25. 26. 1-26. III 13. 1-122.
1151-1162 =
III 12. 1-15, 89-98, 113-120, 157-162, 193, 194.
1163 = III
12. 35.
1172 = I 7.
1-150. III 12.
36.
1173 = III
12. 39.
1174 = III
12. 34. 20. 21-28.
1175-1181 =
III 14. 1-25.
1182-1200 =
III 14. 26-100.
1201-1204 =
III 14. 101-120.
1205-1216 =
III 14. 121-134.
1217 = I 3.
49, 64, 65, 281, 282.
1218 = I 3.
66, 67, 85-88, 96-113.
1219 = I 3.
68-71, 89-92.
1220 = I 3.
72, 73, 93.
1221 = I 3.
74-84, 94, 95.
1222 = I 3.
15, 16, 20, 21.
1223 = I 3.
77, 78.
1224 = I 3.
79.
1225 = I 3.
117-124.
1226 = I 3.
125-130.
1227 = I 3.
131-136, 149-144.
1228 = I 3.
137, 138.
1229 = I 3.
114-116, 283-290.
1230, 1231
= I 3. 165-192.
1232 = I 3.
23*).
1233 = I 3.
235, 255, 256.
1234 = I 3.
236, 237, 240-250.
1235 = I 3.
251-254.
1236 = I 3.
238, 239, 242.
1237 = I 3.
204-211.
1238 = I 3.
212, 213, 221-225, 230.
1239, 1240
= I 3. 214-220.
1241 = I 3.
226-229.
1242 = I 3.
257-269, 274-279.
(3-423)
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
1243 = I 3.
266, 270-273.
1244 = I 3.
279.
1245 = I 3.
145-161, 190, 191, 264, 265.
1246 = I 3.
193-203, 231-234, 291-293.
1247 = I 3.
50-56, 200.
1248 = II
11. 181-186.
1249-1254 =
I 3. 26*), 27*).
1255-1258 =
I 3. 257-280.
1259 = I 5.
45, 46.
1260 = I 3.
162-164.
1263 = I 2.
81.
1264 = I 2.
79-86. 3. 269.
1265 = I 2.
78. 3. 268.
1270-1272 =
III 2. 160.
1275, 1276
= III 2. 133-138.
1278-1283 =
II 10. 2*).
1288-1292 =
III 16. 1-32.
1293-1298 =
III 1. 97-128. 21.
1-70. 22. 1-8.
1299, 1300
= III 21. 154-156.
1301-1304 =
III 1. 28. 21. 17-30, 51-54.
1305 = III
20. 1-34.
1306-1311 =
III 1. 12, 13, 15, 37.
21. 34-40, 148-157.
1312 = III
19. 24-28.
1313 = III
1. 37, 38. 21.
31-33, 55-60.
1314, 1315
= I 2. 6*). 7. 5*). III 22. 25-29.
1316 = III
19. 99-114. 22.
30.
1318, 1319
= III 22. 15-24.
1320-1322 =
II 4. 44. III 22. 31-56.
1323, 1324
= III 21. 41-54.
1325-1327 =
III 21. 71-80.
1328 = III
21. 81-96.
1329 = III
21. 81-84.
1330 = III
21. 189-246.
1331-1336 =
III 9. 129, 215, 216, 270, 393, 394. 10. 25.
12. 80. 13. 68. 17. 26-52, 92, 93, 109, 185-220. 18. 80.
21. 97-188. 23. 70.
1337 = III
21. 51, 61, 62.
1338-1340 =
III 21. 41-45, 63-68, 158-152.
1341 = III
22. 9-14.
1342-1345 =
III 1. 129-132. 23.
1-6.
1346-1348 =
III 8. 1-12, 49-80. 23. 88-90.
1349 = III
8. 13-38.
1350-1352 =
III 8. 39-48.
1353, 1354
= III 8. 63-80.
1355-1362 =
III 8. 81-116.
1363-1367 =
III 8. 107-132.
1368-1370 =
III 7. 1-166.
1371, 1372
= III 7. 11, 12, 16, 141-158.
1375 = III
1. 130. 23. 1-6.
1376-1379 =
III 23. 7-18.
1380-1390 =
III 2. 180-220.
1391 = III 18. 71-130.
1392-1399 = III 23. 49-87.
Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus
1400-1410 = III 23. 19-48.
1411 = III 1. 131, 132.
24. 186-190.
1412-1416 = III 24. 1-4, 22-55, 69, 70.
1417-1420 = III 24. 56-68.
1421-1424 = III 24. 5-21.
1425 = III 24. 121-134.
1426-1430 = III 2. 102.
24. 71-82, 161.
1431-1437 = III 19. 36-70.
20. 7-20.
1438-1443 = III 24. 89-114.
1444 = III 24. 83-88, 145-148.
1445, 1446
= III 24. 135-144.
1447 = III
24. 149-154.
1448 = III
24. 158-160.
1449 = III
24. 155-157.
1450 = I 1.
28. 6. 586. III 24. 190.
1451, 1452
= II 8. 16. 9. 1-10.
1453 = II
9. 69-76.
1454 = II
9. 116-126.
1455 = II
9. 37, 77-116.
1456 = II
9. 117.
1457 = II
9. 118, 119.
1458 = II
9. 81.
1459 = II
9. 82-95.
1460 = II
9. 38-54.
1461 = II
9. 23-36.
1462 = II
9. 96-116.
1463 = II
9. 11-22.
1464 = II
9. 110-114.
1465 = II
9. 55-64.
1466 = II
9. 133-137.
1467, 1468
= II 8. 30-34. 9.
138-140.
1469, 1470
= II 9. 141-146. 27.
36-40.
1472 = II
9. 127.
1474 = II
9. 6*).
1475 = II
9. 122-126.
1476 = II
9. 108-114.
1477 = II
9. 147-150.
1478 = II
9. 65, 66, 132, 146.
1479 = II
9. 146. 27. 59-66.
1480 = II
9. 130-132.
1481 = II
9. 81.
1482 = II
9. 82-95.
1483 = II
9. 96-100.
1484 = II
9. 127.
1485 = II
9. 127.
1487 = II
12. 31. 17. 57, 58. III 21. 143, 144.
1489 = III
21. 69, 70.
1493 = II
9. 46-52, 71-76.
1494 = II
9. 120, 121.
1495 = II
9. 120, 121.
1496 = II
9. 122-126.
1497 = II
9. 151-165.
1498, 1499
= II 9. 67, 68, 143-146. 27.
36-40. III 24. 177-179.
1500 = II 9. 145.
(3-433) Inhalt.
Dritter Theil. Von persönlichen Verbindungen. Seite
Caput I. Von Verbindungen insgemein. n. 1-132 3
§. I. Von Wesenheit und Unterschied der Verbindungen. n.
1-6 3
§. II. Von Fähigkeit deren sich Verbindenden. n. 7-18 6
§. III. Von Verbindung Mehrerer gegen Einen, oder Eines
gegen Mehrere. n. 19-31 7
§. IV. Von Verbindung aus der Handlung eines Anderen. n.
32-38 9
§. V. Von erblicher Uebertragung der Verbindungen. n.
39-44 9
§. VI. Von Dingen und Werken, worüber Verbindungen
eingegangen werden. n. 45-52 10
§. VII. Von Art und Weis, wie Verbindungen getroffen werden.
n. 53-86 11
§. VIII. Von Verschiedenheit deren verbindlichen Handlungen.
n. 87-92 15
§. IX. Von Wirkung der Verbindungen, und Haftung für
Gefährde, Schuld und Zufall. n. 93-128
16
§. X. Von Verwandlung, Uebertragung und Tilgung der
Verbindungen. n. 129-132 21
Caput II. Von Zusagen, Verträgen und Vergleichen. n.
1-220 22
Erster Artikel. Von Zusagen. n. 1-31 22
§. I. Von Verschiedenheit der Zusagen. n. 1-8 22
§. II. Von den zur Ehre Gottes, zu milden Sachen, oder zu
gemeinem Besten gemachten Verheißungen. n. 9-13
23
§. III. Von Wirkung dieser letzteren. n. 14-16 23
§. IV. Von Verbindlichkeit der Jemanden insonderheit
gemachten Zusagen. n. 17-31 24
Zweiter Artikel. Von Verträgen. n. 32-179 26
§. V. Von Wesenheit und verschiedenen Gattungen der Verträgen. n. 32-37
26
§. VI. Von Eintheilung der Verträgen in ein- und
zweibündige. n. 38-42 27
§. VII. Von dem Unterschied zwischen Verträgen und
Contracten. n. 43-46 28
§. VIII. Von unbenannten Verträgen. n. 47-51 28
§. IX. Von den bei Contracten vorkommenden Berednussen. n.
52-55 29
§. X. Von Fähigkeit der sich durch Verträge verbindenden
Personen. n. 56-61 29
§. XI. Von Ausdruck der Einwilligung bei Verträgen. n.
62-126 30
§. XII. Von Dingen und Werken, worüber Verträge getroffen
werden mögen. n. 127-160 39
§. XIII. Von Wirkung des Vertrags wegen Nichtveräußerung
einer gewissen Sache. n. 161-164 44
§. XIV. Von Verträgen über die Erbschaft eines Lebenden. n.
165-168 44
§. XV. Von Verbindlichkeit der Verträgen.
n. 169, 170 45
§. XVI. Von Auslegung oder Ausdeutung der Verträgen.
n. 171-179 45
Dritter Artikel. Von Vergleichen. n. 180-220 46
§. XVII. Von Wesenheit und Unterschied der Vergleichen. n. 180-188
46
§. XVIII. Von Fähigkeit deren sich Vergleichenden. n.
189-191 48
§. XIX. Von denen in Namen und anstatt eines Dritten
eingehenden Vergleichen. n. 192-198 48
§. XX. Von Dingen, worüber Vergleiche geschlossen werden. n.
199, 200 49
§. XXI. Von Vergleichen über Nahrungsmittel und
Unterhaltsgelder. n. 201, 202 49
(3-434) Seite
§. XXII. Von Vergleichen über Verbrechen. n. 203-206 50
§. XXIII. Von Verbindlichkeit der Vergleichen.
n. 207-215 50
§. XXIV. Von Entkräftung und Vernichtung der Vergleichen. n. 216-220
51
Caput III. Von benannten Contracten insgemein. n. 1-36 52
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft der benannten
Contracten. n. 1-4 52
§. II. Von Unterschied der ein- und zweibündigen Contracten.
n. 5-10 53
§. III. Von Eintheilung der Contracten in wahre, und die
denen Contracten gleichkommende Handlungen. n. 11-15 54
§. IV. Von der Eintheilung in Real- und
Consensualcontracten. n. 16-20 55
§. V. Von Gattungen der Realcontracten. n. 21-22 56
§. VI. Von Gattungen der Consensualcontracten. n. 23,
24 56
§. VII. Von Gattungen der denen Contracten gleichkommenden
Handlungen. n. 25, 26 56
§. VIII. Von dem Unterschied zwischen dem Wesentlichen,
Natürlichen und Zufälligen bei einem Contract. n. 27-32 56
§. IX. Von dem Unterschied zwischen einem angefangenen,
errichteten und vollbrachten Contract. n. 33-36
57
Caput IV. Von sächlichen oder Realcontracten, und
insonderheit von Leihen und Borgen. n. 1-116
58
§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des
Darlehencontracts. n. 1-24 58
§. II. Von Fähigkeit der Personen, welche ein Darlehen geben
oder nehmen mögen. n. 25-33 62
§. III. Von Sachen, die zum Darlehen gegeben werden können. n.
34-40 63
§. IV. Von Verbindlichkeit des Schuldners. n. 41-60 64
§. V. Von der Rechtsforderung des Darleihers oder
Glaubigers. n. 61-64 67
§. VI. Von Schuldbriefen, Schuldscheinen und
Schuldverschreibungen. n. 65 bis 100 68
§. VII. Von landtäflichen und stadtbücherlichen
Schuldverschreibungen, und deren Erfordernussen. n. 101-105 73
§. VIII. Von der Klage oder Einwendung der nichtgeschehenen
Zuzählung. n. 106-116 74
Caput V. Von Leihen zum Gebrauch. n. 1-60 76
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des
Entlehnungscontracts. n. 1-6 76
§. II. Von Sachen, welche zum Gebrauch ausgeliehen werden
können. n. 7 bis 11 78
§. III. Von Erfordernussen des Entlehnungscontracts, n.
12-22 78
§. IV. Von Verbindlichkeit des Entlehners, und von der wider
ihn daraus entspringenden Klage. n. 23-43
79
§. V. Von Gegenverbindlichkeit des Ausleihers, und von der
wider ihn daher entstehenden Klage. n. 44-52
82
§. VI. Von Haftung für Schuld und Gefährde. n. 53-60 83
Caput VI. Von Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts zu
getreuen Handen. n. 1-68 84
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des
Hinterlegungscontracts. n. 1-14 84
§. II. Von Sachen, welche zu getreuen Handen hinterleget werden können. n. 15-20 87
§. III. Von Erfordernussen des Hinterlegungscontracts. n.
21-25 88
§. IV. Von Verbindlichkeit des Aufnehmers oder Desjenigen,
zu wessen Handen ein Gut hinterleget wird, und der daraus wider ihn gebührenden
Klage. n. 26-48 88
§. V. Von Gegenverbindlichkeit des Anvertrauenden oder
Hinterlegenden, und der daher wider ihn entstehenden Klage. n. 49-54 92
§. VI. Von beiderseitiger Verfänglichkeit für Schuld und
Gefährde. n. 55-62 92
§. VII. Von Beschlag einer strittigen Sache. n. 63-68 94
Caput VII. Von Pfandcontracten. n. 1-166 95
Erster Artikel. Von Pfändern. n. 1-96 95
§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Verschiedenheit des
Pfandcontracts. n. 1-16 95
(3-435) Seite
§. II. Von Fähigkeit des Pfandgebers und Pfandnehmers. n.
17-24 97
§. III. Von Sachen, welche verpfändet werden können. n.
25-47 98
§. IV. Von Art und Weis eines bestellenden Unterpfands. n.
48-52 101
§. V. Von der aus dem Pfandcontract entstehenden
Verbindlichkeit des Pfandnehmers, und der daher wider ihn gebührenden Klage. n.
53-65 102
§. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Pfandgebers, und der
wider ihn daraus entspringenden Klage. n. 66-72
103
§. VII. Von Verfänglichkeit Beider gegeneinander für Schuld
und Gefährde. n. 73-78 104
§. VIII. Von Erlöschung und Auflösung des Unterpfands. n.
79-96 105
Zweiter Artikel. Von Pfandsverschreibungen. n. 97-166 107
§. IX. Von Wesenheit und unterschiedener Eigenschaft der
Pfandsverschreibungen. n. 97-103 107
§. X. Von Fähigkeit der Verschreibenden und deren, welchen
eine Hypothek verschrieben wird. n. 104-112
108
§. XI. Von Sachen, welche zur Hypothek verschrieben werden
können. n. 113 bis 125 110
§. XII. Von Art und Weis der Pfandsverschreibungen. n.
126-128 112
§. XIII. Von Wirkungen des Pfandrechts in Ansehen des
Glaubigers. n. 129 bis 140 113
§. XIV. Von den bei Pfandcontracten beizufügen pflegenden
Bedingen. n. 141 bis 158 115
§. XV. Von Tilgung und Auflösung der Pfandsverschreibungen
oder Hypotheken. n. 159-166 117
Caput VIII. Von Bürgschaften. n. 1-132 118
§. I. Von Wesenheit und Natur der Bürgschaft, und von
Verschiedenheit der Bürgen. n. 1-12 118
§. II. Von Fähigkeit der Bürgen. n. 13-38 120
§. III. Von Handlungen, worinnen Bürgen einkommen mögen. n.
39-48 123
§. IV. Von Art und Weis der Verbürgungen. n. 49-62 125
§. V. Von Verbindlichkeit der Bürgen, und der wider sie
gebührenden Rechtsforderung. n. 63-80
127
§. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Schuldners, und der
wider ihn denen Bürgen zustehenden Rechtshilfe. n. 81-96 129
§. VII. Von Rechtswohlthaten der Bürgen. n. 97-116 131
§. VIII. Von Aufhebung und Erlöschung der Bürgschaft. n.
117-132 134
Caput IX. Von Kauf und Verkauf. n. 1-418 137
§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des Kauf-
und Verkaufcontracts. n. 1-16 137
§. II. Von Fähigkeit der Contrahenten. n. 17-20 139
§. III. Von Sachen, welche gekaufet und verkaufet werden mögen.
n. 21-32 140
§. IV. Von obrigkeitlicher Macht, den Kauf und Verkauf
gewisser Sachen zu gebieten, oder zu verbieten. n. 33-36 141
§. V. Von ausschließenden Verkauf, und dem Vor- oder
Aufkauf. n. 37-40 142
§. VI. Von Kaufgeld. n. 41-64 142
§. VII. Von Art und Weis den Kauf- und Verkaufcontract zu
schließen. n. 65 bis 78 145
§. VIII. Von Verbindlichkeit des Verkaufers, und von der dem
Kaufer wider ihn gebührenden Rechtsforderung. n. 79-134 147
§. IX. Von Gegenverbindlichkeit des Kaufers, und von der dem
Verkaufer wider ihn zustehenden Rechtsklage. n. 135-150 155
§. X. Von beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde. n.
151-153 157
§. XI. Von Schaden und Nutzen der verkauften Sache. n.
154-170 157
§. XII. Von Leistung der Gewähr oder Schirmung. n.
171-223 159
§. XIII. Von den bei Kauf- und Verkaufcontracten
einkommenden Bedingen, und insonderheit von Haftgeld. n. 224-240 167
§. XIV. Von Reukauf oder Reugeld. n. 241-247 170
§. XV. Von Beifügung eines gewissen Tags, Bedingnuß, und Art
und Weis. n. 248-250 171
§. XVI. Von Wiederkauf. n. 251-274 171
§. XVII. Von gedingten Einstandrecht, Vor- oder Näherkauf
oder Losung. n. 275 bis 288 174
(3-436) Seite
§. XVIII. Von rechtlichen Einstand.
n. 289-316 176
§. XIX. Von Beschränkung des Kaufs auf einen bestimmten Tag.
n. 317-328 181
§. XX. Von bedungenen Ruckfall der
verkauften Sache. n. 329-338 183
§. XXI. Von Aufhebung und Vernichtung des Kauf- und
Verkaufcontracts. n. 339 bis 344 184
§. XXII. Von Verkürzung über die Hälfte des rechten Werths.
n. 345-382 185
§. XXIII. Von der Rechtshilfe wegen unvorgesehener
heimlicher Mängeln. n. 383 bis 415
190
§. XXIV. Von Dunkelheit und Ausdeutung der Kaufcontracten.
n. 416-418 194
Caput X. Von Tauschcontract. n. 1-30 195
§. I. Von der Natur und Aehnlichkeit des Tauschcontracts mit
dem Kaufen und Verkaufen. n. 1-15 195
§. II. Von dessen Unterschied. n. 16-18 197
§. III. Von Verbindlichkeit deren Tauschenden gegen einander
und der daher gebührenden Rechtshilfe. n. 19-28
197
§. IV. Von beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde,
dann von Schaden und Nutzen der vertauschten Sache. n. 29, 30 198
Caput XI. Von Schätzungscontract. n. 1-34 199
§. I. Von Natur und Wesenheit des Schätzungscontracts, und
von Verschiedenheit deren Schätzungsarten. n. 1-8 199
§. II. Von der diesem Contract eigenen Schätzungsart, und
dessen daher rührenden Unterschied von anderen Handlungen. n. 9-20 200
§. III. Von der Verbindlichkeit des Nehmers, und von
Gegenverbindlichkeit des Gebers, dann von der gegen einander hieraus entstehenden
Haupt- und Ruckforderung. n. 21-30 201
§. IV. Von Haftung für Gefährde, Schuld und Zufall. n.
31-34 202
Caput XII. Von Mieth-, Pacht-, Bestand- oder
Dingungscontract. n. 1-194 203
§. I. Von Natur, Eigenschaft und Unterschied des Mieth-,
Pacht-, Bestand- oder Dingungscontracts. n. 1-15 203
§. II. Von Fähigkeit zu miethen und zu vermiethen. n.
16-20 205
§. III. Von Sachen und Werken, welche vermiethet oder
verdinget werden mögen. n. 21-36 206
§. IV. Von Zins-, Lohn-, Mieth-, Bestand- oder Pachtgeld,
oder Pachtschilling. n. 37-44 208
§. V. Von Art und Weis den Mieth- oder Pachtcontract zu
schließen. n. 45 bis 72 209
§. VI. Von Verbindlichkeit des Vermiethers, Verpachters oder
Bestandgebers, und der wider ihn gebührenden Rechtsforderung. n. 73-98 213
§. VII. Von Verbindlichkeit des Miethers, Pachters oder
Bestandmanns, und der wider ihn daraus entstehenden Klage. n. 99-112 216
§. VIII. Von beiderseitiger Verfänglichkeit für Schuld und
Gefährde. n. 113 bis 125 218
§. IX. Von ungefähren Zufällen. n. 126-162 219
§. X. Von Erlöschung und Aufhebung des Mieth-, Pacht- oder
Dingungscontracts. n. 163-194 224
Caput XIII. Von Erbzins- und anderen Zinscontracten. n.
1-122 229
Erster Artikel. Von Erbzinscontract. n. 1-80 229
§. I. Von Wesenheit und Natur des Erbzinscontracts. n.
1-10 229
§. II. Von Art und Weis einen Erbzinscontract zu errichten.
n. 11-14 230
§. III. Von Erb- oder Grundzins. n. 15-17 231
§. IV. Von Verbindlichkeit des Grundherrn und
Gegenverbindlichkeit des Erbzinsmanns, dann von der Einem
wider den Anderen zustehenden Rechtsforderung. n. 18-31 231
§. V. Von Veräußerung eines Erbzinsgrunds, und der dem
Grundherrn dafür gebührenden Lehenwaare. n. 32-54 233
§. VI. Von Erlöschung und Auflösung des Erbzinscontracts. n.
55-80 235
Zweiter Artikel. Von blosen Zinscontracten. n. 81-122 239
§. VII. Von Natur und Eigenschaft des Zinscontracts, und
dessen verschiedenen Gattungen. n. 81-92
239
(3-437) Seite
§. VIII. Von Beschaffenheit des bedungenen oder
verschriebenen Zinses. n. 93-99 241
§. IX. Von Verbindlichkeit des Zinsmanns, und der dem
Zinsherrn wider ihn gebührenden Rechtshilfe. n. 100-105 241
§. X. Von Erlöschung des Zinsrechts. n. 106-114 242
§. XI. Von Unterschied des Erneuerungscontracts von
Zinscontracten. n. 115 bis 122 243
Caput XIV. Von Gesellschaftscontract. n. 1-134 244
§. I. Von Natur, Wesenheit und Verschiedenheit des
Gesellschaftscontracts. n. 1-13 244
§. II. Von Art und Weis einen Gesellschaftscontract zu
errichten. n. 14-22 246
§. III. Von Dingen, worüber eine Gesellschaft eingegangen
werden könne. n. 23-25 247
§. IV. Von gemeinschaftlichen
Beitrag in die Gesellschaft. n. 26-40
247
§. V. Von Theilung des Gewinns und Verlusts. n. 41-74 249
§. VI. Von Verbindlichkeit deren Gesellschafteren gegen
einander, und der daraus Einem wider den Anderen gebührenden Rechtsforderung.
n. 75-90 253
§. VII. Von der denen Gesellschafteren zu statten kommenden
Rechtswohlthat der Selbstbedürfnuß. n. 91-96
255
§. VIII. Von Haftung für Schuld und Gefährde. n. 97-100 255
§. IX. Von denen aus Handlungen mit Anderen denen
Gesellschafteren zugehenden Rechten und Verbindungen. n. 101-120 256
§. X. Von Aufhebung und Erlöschung des
Gesellschaftscontracts. n. 121-134 258
Caput XV. Von Befehlscontract. n. 1-105 261
§. I. Von der Natur und Eigenschaft des Befehlscontracts. n.
1-15 261
§. II. Von der Art und Weis Befehle aufzutragen. n.
16-30 263
§. III. Von der Afterbestellung. n. 31-35 265
§. IV. Von Beschaffenheit deren anbefohlenen Geschäften. n.
36-40 265
§. V. Von Verbindlichkeit des Befehlshabers oder
Gewalttragers und der wider ihn gebührenden Hauptforderung. n. 41-66 266
§. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Befehlenden oder Macht-
und Gewaltgebers, und der wider ihn entstehenden Ruckforderung. n. 67-84 269
§. VII. Von Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde
gegeneinander. n. 85 bis 89 271
§. VIII. Von Aufhebung und Erlöschung des Befehls. n.
90-105 272
Caput XVI. Von Gewährungs- oder Versicherungscontract. n.
1-32 274
§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Gewährungs- oder
Versicherungscontracts. n. 1-8 274
§. II. Von Art und Weis der Gewährung oder Versicherung. n.
9-18 275
§. III. Von Verbindlichkeit des Gewährenden oder
Versichernden und der Gegenverbindlichkeit dessen, deme gewähret wird, und von
der gegeneinander habenden Rechtsforderung. n. 19-25 276
§. IV. Von Aufhebung und Erlöschung des Gewährungs- oder
Versicherungscontracts. n. 26-32 277
Caput XVII. Von Zinsen, Nutzungen und anderen aus Contracten
schuldigen Nebengebührnussen. n. 1-220
278
Erster Artikel. Von Zinsen. n. 1-110 278
§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit deren Zinsen oder
Interessen. n. 1-12 278
§. II. Von Ursachen der Verzinsungsschuldigkeit. n.
13-25 280
§. III. Von Verzug und Saumsal. n. 26-52 281
§. IV. Von rechtmäßigen Betrag deren Zinsen und vom Wucher.
n. 53-94 285
§. V. Von Zuschlagung deren Zinsen. n. 95-106 291
§. VI. Von Erlöschung der Verzinsungsschuldigkeit. n.
107-110 293
Zweiter Artikel. Von Nutzungen und Früchten. n. 111-130 293
§. VII. Von Verschiedenheit deren Nutzungen. n. 111-115 293
§. VIII. Von Erstattung deren Nutzungen mit der Hauptsache.
n. 116-130 294
Dritter Artikel. Von Zuwachs oder Zugängen. n. 131-137 296
§. IX. Von dem eigentlichen Verstand des Zuwachses oder
Zugängen zur schuldigen Sache. n. 131, 132
296
(3-438) Seite
§. X. Von Uebergebung des Zuwachses oder Zugängen mit der
schuldigen Sache. n. 133-137 296
Vierter Artikel. Von Aufwand und Verbesserungskosten. n.
138-184 297
§. XI. Von Verschiedenheit des auf eine fremde Sache
gemachten Aufwands und ausgelegten Verbesserungskosten. n. 138-143 297
§. XII. Von Ersatz und Vergütung deren auf eine fremde Sache
verwendeten Auslagen. n. 144-184 298
Fünfter Artikel. Von Schäden und Unkosten. n. 185-220 302
§. XIII. Von Ersatz deren Schäden. n. 185-206 302
§. XIV. Von Ersatz deren Unkosten. n. 207-220 305
Caput XVIII. Von Unterhändleren, Handlungsvorgesetzten,
Schiedsmännern und anderen bei Contracten einkommenden Personen. n. 1-130 307
Erster Artikel. Von Unterhändleren. n. 1-18 307
§. I. Von dem Amt und Verschiedenheit deren Unterhändleren.
n. 1-70 307
§. II. Von dem ihnen gebührenden Lohn. n. 11-16 308
§. III. Von deren Verfänglichkeit für den von ihnen
verursachten Schaden. n. 17, 18 308
Zweiter Artikel. Von denen für Andere contrahirenden
Personen. n. 19-70 309
§. IV. Von Verschiedenheit deren für Andere contrahirenden
Personen, als Befehlshaberen, Sachwalteren und Handlungsvorgesetzten oder
Factoren. n. 19-28 309
§. V. Von deren hieraus entstehenden eigenen Verbindlichkeit.
n. 29-45 310
§. VI. Von des Befehlenden oder Verfolgenden hieraus
erwachsenden Recht und Verbindlichkeit. n. 46-70 312
Dritter Artikel. Von Schiedsmännern. n. 71-130 315
§. VII. Von Eigenschaft und Verschiedenheit deren
Schiedsmännern. n. 71-75 315
§. VIII. Von der Art und Weis ihrer Erkiesung. n. 76-84 315
§. IX. Von Fähigkeit deren Erkiesenden und Erkiesten. n.
85-92 316
§. X. Von denen Fällen, in welchen Schiedsmänner erkieset werden mögen. n. 93-97 317
§. XI. Von dem Amt und Obliegenheit deren erkiesten
Schiedsmännern. n. 98 bis 105 318
§. XII. Von Verbindlichkeit deren Erkiesenden. n.
106-114 318
§. XIII. Von der wider den Ausspruch deren Schiedsmännern
gebührenden Rechtshilfe. n. 115-120 320
§. XIV. Von Erlöschung und Aufhebung des schiedsrichterlichen
Amts. n. 121 bis 130 320
Caput XIX. Von denen Handlungen, welche denen Contracten
gleichkommen. n. 1-116 322
§. I. Von Natur und Wesenheit deren denen Contracten
gleichkommenden Handlungen und insonderheit von Verwaltung fremder Geschäften.
n. 1-32 322
§. II. Von Verwaltung der Vormundschaft. n. 33-35 325
§. III. Von Zahlung aus Irrthum. n. 36-70 326
§. IV. Von Gemeinschaft eines Guts. n. 71-92 330
§. V. Von Gemeinschaft der Erbschaft. n. 93, 94 332
§. VI. Von Grenzscheidung. n. 95, 96 333
§. VII. Von Antretung der Erbschaft. n. 97, 98 333
§. VIII. Von Aufladung auf ein Schiff oder Wagen, oder
Abladung in einen Gasthof. n. 99-114 333
§. IX. Von Befestigung des Kriegs. n. 115, 116 335
Caput XX. Von denen aus bloßer natürlicher Billigkeit
verbindenden Handlungen. n. 1-68 336
§. I. Von denen Grundregeln der natürlichen Billigkeit,
woraus ohne Vertrag eine persönliche Verbindlichkeit herfließet. n. 1-6 336
§. II. Von Zuruckforderung einer Sache wegen nicht erfolgter
Ursache, aus der sie gegeben worden. n. 7-20
337
§. III. Von Zuruckforderung einer aus ungebührlicher oder
unbilliger Ursache empfangenen Sache. n. 21-28
339
(3-439) Seite
§. IV. Von Zuruckforderung des ohne Ursach vorenthaltenen
fremden Guts. n. 29-34 340
§. V. Von Wiedererstattung des zu Jemands Nutzen verwendeten
fremden Guts. n. 35-44 340
§. VI. Von gleichen Beitrag zu
Vergütung eines in Nothfällen wegen gemeinsamer Rettung erlittenen Schadens. n.
45-68 342
Caput XXI. Von Verbrechen. n. 1-246 346
Erster Artikel. Von Verbrechen insgemein. n. 1-70 346
§. I. Von Verschiedenheit deren Verbrechen. n. 1-16 346
§. II. Von Art und Weis, wie ein Verbrechen begangen werde.
n. 17-30 348
§. III. Von denen wahren Verbrechen, und denen für
Verbrechen geachteten Handlungen. n. 31-33
350
§. IV. Von Fähigkeit deren Verbrechenden. n. 34-40 350
§. V. Von der aus Verbrechen erwachsenden Verbindlichkeit.
n. 41-54 351
§. VI. Von der aus Verbrechen eines Dritten entstehenden
Verbindlichkeit. n. 55-60 352
§. VII. Von Verbindlichkeit deren Erben aus Verbrechen ihres
Erblassers. n. 61, 62 353
§. VIII. Von Zusammentreffung des peinlichen Verfahrens mit
der bürgerlichen Rechtsforderung. n. 63-68
353
§. IX. Von Erlöschung der Verbindlichkeit aus Verbrechen. n.
69, 70 354
Zweiter Artikel. Von den an Jemands Person ausübenden
Verbrechen. n. 71-96 355
§. X. Von denen verschiedenen Gattungen deren an Jemands
Person ausübenden Verbrechen. n. 71, 72
355
§. XI. Von der Verbindlichkeit aus Todtschlägen und
Verwundungen. n. 73-80 355
§. XII. Von der aus Menschenraub, gewaltsamer oder
arglistiger Entführung, widerrechtlicher Aufhaltung und eigenmächtiger
Gefängnuß entstehenden Verbindlichkeit. n. 81-84 356
§. XIII. Von der Verbindlichkeit aus Ehebruch und Nothzucht.
n. 85-96 357
Dritter Artikel. Von denen zu Abbruch fremder Rechten und
Gütern gereichenden Verbrechen. n. 97-188
358
§. XIV. Von denen verschiedenen Gattungen deren Jemanden an
seinen Rechten, Hab und Gut schadenden Verbrechen. n. 97-101 358
§. XV. Von arglistiger Entfremdung. n. 102-111 359
§. XVI. Von unrechtmäßiger Gewalt. n. 112-144 361
§. XVII. Von Zufügung allerlei Schadens. n. 145-162 365
§. XVIII. Von der zu Abwendung eines befahrenden Schadens
gebührenden Rechtshilfe. n. 163-173 368
§. XIX. Von Betrug und Arglist. n. 174-178 369
§. XX. Von allerlei zu Benachtheiligung fremder Gerechtsamen
gereichenden Handlungen. n. 179-188 370
Vierter Artikel. Von Ehrenhändeln, Schandbriefen und anderen
Jemandens Ehre und guten Leumund antastenden Verbrechen. n. 189-246 371
§. XXI. Von Verschiedenheit deren Ehrenantastungen und
Schmähungen. n. 189 bis 214 371
§. XXII. Von der hieraus entstehenden Verbindlichkeit und
der daher gebührenden Rechtsforderung. n. 215-225 376
§. XXIII. Von Erlöschung der Verbindlichkeit aus Ehrenhändeln.
n. 226-238 377
§. XXIV. Von denen Jemandens Person oder Gut nachtheiligen
Berühmungen eines hieran habenden Rechts. n. 239-246 379
Caput XXII. Von denen für Verbrechen geachteten Handlungen.
n. 1-56 380
§. I. Von Wesenheit deren für Verbrechen geachteten
Handlungen und der daraus entstehenden Verbindlichkeit. n. 1-6 380
§. II. Von deren viererlei Gattungen überhaupt. n. 7, 8 381
§. III. Von Unerfahrenheit eines Richters insonderheit. n.
9-14 381
§. IV. Von schädlicher Hinabwerfung, Ausgießung und
gefährlicher Aushängung aus einer Wohnung. n. 15-24 382
§. V. Von Zufügung eines Schadens durch fremde Bediente. n.
25-30 383
§. VI. Von Beschädigung durch fremdes Vieh. n. 31-56 384
(3-440) Seite
Caput XXIII. Von Verwandlung und Uebertragung deren Verbindungen
an Andere. n. 1-90 388
§. I. Von denen verschiedenen Arten Verbindungen zu erneuern
und an Andere zu übertragen überhaupt. n. 1-6
388
§. II. Von Erneuerung oder Umlage der Schuld insonderheit.
n. 7-18 889
§. III. Von Anweisung des Schuldners. n. 19-48 390
§. IV. Von Abtretung oder Uebergabe der Schuld an Andere. n.
49-87 394
§. V. Von Uebernahme einer fremden Schuld. n. 88-90 399
Caput XXIV. Von Aufhebung und Erlöschung deren Verbindungen.
n. 1-190 400
§. I. Von Zahlung der Schuld. n. 1-82 400
§. II. Von Erlassung der Schuld oder Ledigsprechung des
Schuldners. n. 83 bis 88 412
§. III. Von Gegenforderung. n. 89-120 412
§. IV. Von gerichtlichen Erlag der
Schuld. n. 121-134 417
§. V. Von Vermengung und Zusammentreffung des Schuldners und
Glaubigers in einer Person. n. 135-140
419
§. VI. Von Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen. n.
141-144 420
§. VII. Von beiderseitiger Willkür. n. 145-148 420
§. VIII. Von Untergang der schuldigen Sache. n. 149-154 421
§. IX. Von Verlauf der Zeit, Verjährung und Abgang der
Bedingnuß. n. 155 bis 157 422
§. X. Von Absterben des Schuldners. n. 158-160 422
§. XI. Von Quittung. n. 161-185 422
§. XII. Von Tilgung deren Verbindungen durch Einreden oder
Einwendungen. n. 186-190 425
Uebersicht der Parallelstellen 427