(14) Beilage 1.

Vorschlag, daß eine allgemeine Gerichtsordnung und gleiches Landrecht in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden einzuführen seie.

Erstlich: Es könnte zu gemeinsamen Besten aller österreichischen Erblanden nichts ersprießlicher und heilsamer sein, als wann in allen unter einem Landsfürsten stehenden Landen eine gleiche Gerichtsordnung und gleiches Länderrecht eingeführet wurde, mithin die gesammte Unterthanen zu allgemeiner Wohlfahrt untern einem Gott, einem Landsfürsten und einerlei Gesetz vereinbart zu sein sich zu erfreuen hätten.

Die Vollstreckung dieses Vortrages wäre unbeschreiblich nutzbar, ist annebens allerdings thunlich, folget also, daß solcher Vortrag verdienete, zu gemeinsamen Besten deren Länder in die Wirklichkeit gesetzet zu werden. Belangend nun Andertens: Den unvergleichlichen Nutzen, kann selber nicht mißkennet werden, wann nachfolgende Betrachtung zu Gemüth gezogen werden. Dann 1. kann der Zeit ein wackerer österreichischer Rath nur in Oesterreich, ein stattlicher böhmischer Rath nur in böhmischen Ländersachen und so fort mit Nutzen gebrauchet werden; keinerdings aber kann der österreichische, obschon ausbündige Rath zu Manipulirung deren böhmischen Länderangelegenheiten; weder der böhmisch-fürtreffliche Rath zu ersprießlicher Manipulirung in österreichischen Justiz- und Polizeiaffairen mit guten Nutzen angewendet werden. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit denen Räthen, Officianten und Advocaten all übriger Länder, welche für ihr Land stattlich und ausbündig sein mögen, außer ihres Vaterlandes aber wenigen Nutzen schaffen werden. Der Satz ist in sich selbst so richtig und unwidersprechlich, daß ein jeder böhmische und respective österreichische oder tirolerische Rath etc. nach seinen Gewissen wird gestehen müssen: er getraue sich zwar in böhmischen Justiz- und Polizeiwesen, auch der böhmischen Landsverfassung in denen ihme auftragenden Amtirungen seiner allerhöchsten Landesfürstin ein volles Vergnügen zu leisten; allein in der österreichischen ganz unterschiedenen Gerichtsordnung, Landrecht, Landsgewohnheiten und Landesverfassung seie ihme der nöthige Unterricht abgängig, seie also außer Stande, nach dem Landesrecht mitzuwirken und ein sicheres Urtheil zu fällen, ehe und bevor er sich durch besondere Anwendung und Beflissenheit die Kenntniß der landsüblichen Gerichtsordnung und Landessatzungen beigeleget habe.

Eine gleiche Bewandtniß hat es mit dem österreichischen, steirischen, kärntnerischen oder tirolerischen Rath, wann selber in Böhmen zu einer Justiz- oder anderen auf besonderer Landserfahrenheit beruhenden Bedienstung sollte angestellet werden.

Die Ursach des Satzes ist handgreiflich: weilen jedes Erbland mit unterschiedener Gerichtsordnung, besonderen Landsatzungen und Gewohnheiten versehen ist, welche ohne mühesamer Erlernung und langwieriger Uebung nicht können in Erfahrenheit gebracht werden, und um so schwerer zu untergreifen seind, weilen selbe in keinem compilirten Landrecht, sondern meistentheils in zerstreuten, nach und nach emanirten Satzungen bestehen. Dahingegen wann ein gleiche Gerichtsordnung, gleiches Landrecht und Landesverfassung in allen Erblanden eingeführet wäre, so würde der allerhöchste Landsfürst den nämlichen Rath, nämlichen Advocaten, nämlichen Officianten in allen Erbländern zu seinen Dienst gebrauchen, die in diesem oder jenem Land sich äußernde Gebrechen durch Abschickung eines böhmischen oder österreichischen Raths aller Orten leichtlich verbessern und die tauglichste Räthe nach Erforderniß deren Umständen von einem Land in das andere anwenden können.

(15) Eben diese Gleichförmigkeit würde der obersten Justizstelle eine ausnehmende Leichtigkeit zur allerförderlichsten Justizverwaltung verschaffen: anerwogen dieselbe derzeit, um in allen Ländern die gemessene Remeduren zu verschaffen und die wahre innerliche Beschaffenheit deren Länderbeschwerden untrüglich einzusehen, auch nothwendig aller Länder verschiedene Gerichtsordnungen, Landessatzungen und Gewohnheiten vollständig innen haben muß; in Fall der Gleichförmigkeit aber ganz leicht die Nothdurft deren Länder mit heller Einsicht übersehen, die einreißende Mißbräuch tilgen und denen etwa zudringenden Bedrangnussen deren Parteien behender zu steuren in Stand gesetzet würde.

Durch eben diese Gleichheit des Rechtens würde auch denen sammentlichen Erblanden selbst gegen einander der größte Nutzen zufließen, auch Handel und Wandel aller Orten in besseren Flor gebracht werden. Indeme nicht anzustehen,

daß derzeit die Einwohnern eines Landes von darumen Bedenken tragen, Verkehrungen mit eines anderen Landes Inwohnern zu machen und Gelder dahin zu leihen oder sich daselbst Realien anzukaufen, weilen selbe wegen Unterschiedenheit deren ihnen unbekannten fremden Rechten in Sorgen stehen, in Rechtsführungen verflochten zu werden oder ihre ausleihende Capitalien schwerlicher hereinbringen zu können. Dahingegen bei obwaltend – gleichen Recht und zu erwarten habend – gleicher Justizadministration vorgedachte Besorgung von selbst hinwegfallen und besseres Zutrauen zwischen denen Einwohnern deren verschiedenen Ländern eingepflanzt wurde. Deme hinzukommet, daß wann in zwei Ländern entgegenstehende Rechte beobachtet werden, zum Exempel in einem Land wird eines Abwesenden Gut nach verstrichenen 32 Jahren denen nächsten Anverwandten zugetheilet; in dem anderen Land muß eine längere Zeit abgewartet werden; in einem Land kann ein ausländisch, obschon näherer Anverwandter nicht erben, falls ein obschon weitschichtigerer Blutverwandter im Land ist; in dem anderen Land erbet der nächste Anverwandte, er seie aus diesem oder jenem Erbland gebürtig. Bei solchen in denen Erblanden selbst vorfindig entgegengesetzten Rechten entstehet das Jus reciproci, retorsionis, seu repressaliorum, wodurch die Unterthanen von einerlei Landsfürsten, jedoch von zweierlei Landschaften zu schweren Rechtführungen verleitet werden, welches jus retorsionis oder Wiederkehrungsrecht durch die Gleichförmigkeit des Rechtens von selbst aufhöret. Gleichwie nun keinem Zweifel unterworfen zu sein scheinet, daß die Gleichheit des Rechts und Justizadministration in denen Erbländern höchst nutzbar; so ist

Drittens: An der Thunlichkeit solch gleichförmigen Einführung ebenfalls nicht anzustehen. Die Römer haben untern einem Gesetz die ganze Welt regieret: der Kaiser Justinian hat sein Recht nicht für die Stadt Constantinopel, sondern für alle seine Ländereien zusammentragen lassen. Warum sollte also nicht ebenfalls thunlich sein, daß wenigstens die österreichischen benachbart deutsche Erbländer unter einerlei Gerichtsordnung, unter einerlei Satzungen sollten können vereiniget werden?

Die Verschiedenheit deren Gerichtsordnungen und Landsordnungen und Gewohnheiten nimmt ihren Ursprung, weilen vor alten Zeiten diese Länder ihre eigene Herzoge gehabt. Nachdeme nun diese Landschaften unter dem glorreichesten Haus Oesterreich (welches der Allerhöchste bis zum Ende der Welt mit reichesten Segen erfülle und und in immerwährenden Wachsthum erhalte), mithin unter einem allerdurchlauchtesten Oberhaupt vorlängst mit glücklichsten Band verknüpfet worden, so ist keine Hinderung, womit auch alle diese Länder mit einem gleichförmigen Gesetz untereinander auf das genaueste verbunden werden. Die zu den alten Gewohnheiten vorhangende Privatneigungen müssen der gemeinsamen Nutzbarkeit jederzeit weichen. Es ware in Land Oesterreich ob der Enns eine uralte Landsgewohnheit, daß die Verlassenschaften nicht bei Gericht ordentlich abgehandelt, weder die Gerhabschafts-Raittungen zu Gericht erleget, weder die denen Gütern

(16) anklebende Eigenschaften eines Fideicommissi, eines lehenbaren Guts, weder die darauf haftende onera ordnungsmäßig bei denen Gütern fürgemerket, weder ein ordentliches Vormerkbuch oder Landtafel zur Sicherstellung deren Hypotheker-Creditore eingeführet worden. Ihrer kaiserl. königl. Majestät haben aus erleuchtester Einsicht gründlichst erkennet, daß diese alte Gewohnheiten dem gemeinsamen Ländernutzen entgegenstehen und dahero mit gerechtester Entschließung die gleichförmige Einführung der in anderen Ländern bereits mit guten Nutzen in Uebung gebrachten Landtafel nebst denen künftigen Verlassenschaftsabhandlungen und was deme anhängig, allergnädigst anbefohlen.

Der Ihrer kaiserl. königl. Majestät angestammte Justizeifer, die mehr als mütterlich zärtlichste Liebe für allerhöchst dero getreueste Unterthanen, die zu Unternehmung aller ansonst schwersten Handlungen angeborne bewunderungswürdige, höchste Gemüthsgaben und die zu werkthätiger derenselben Ausführung besitzend lebhafteste Standhaftigkeit können unschwer zu Stand bringen, daß auch in allen übrigen Rechtstheilen eine Gleichförmigkeit in allen dero Erblanden zu allgemeiner Wohlfahrt zu Stand gebracht werde, wann zu solchen Erwirkungsende eine autorisirte perpetuirliche Hofcommission niedergesetzet und derselben das Werk mit Vernehmung deren Länderstellen in die erforderliche Weg einzuleiten die behörige Gewalt eingeräumt würde.

Es würde ja ex. gr. In Betreffung der Gerichtsordnung denen Ländern gleichgiltig sein: ob der Execut.-ordin.-Concursproceß etc. Die Appellations-Revisionsordnung etc. mit diesen oder jenigen Fristen, mit solch oder anderen Formalitäten, mithin gleichförmig in allen Ländern abgeführet würde? Wann nur hiebei der Hauptendzweck der fördersamen Justizadministration erreichet wird. Es würden sich endlich auch die Rechtsmaterien selbst mit gemeinsamer Vernehmung der Ländern in eine Gleichstimmigkeit zusammen bringen lassen, allenfalls aber, wann doch ein oder anderen Land einige besondere Rechten und Gewohnheiten aus triftigen Ursachen müßten beigelassen werden, würden solche jedoch zum allgemeinen Wissen öffentlich kundgemacht und dem allgemeinen Länderrecht einverleibet werden müssen.

Beilage 2.

Grundsätze

zur Verfassung des allgemeinen Rechts für gesammte kaiserl. königl. deutsche Erblande, wie solche bei der zu Brünn niedergesetzt gewesenen Commission zu gründlicher Ausarbeitung des Codicis Theresiani Universalis allen anfangs entworfen, einmüthig genehmiget und zeithero unabweichlich beobachtet worden.

Anmerkung.

Nachdeme durch allerhöchste Entschließungen von 14. Mai und 18. Juni 1753 die vorbesagte Commission dahin angewiesen worden, daß in Ausarbeitung des Codicis Theresiani die vorhandene heilsamste Ländergesetze gegen einander gehalten, das natürlichste und billigste ausgewählet, der Abgang nach der gefunden Vernunft, dann allgemeinen Natur- und Völkerrecht erganzet, nach Bedürfniß neue Satzungen vorgeschlagen, und so gestaltet die Länderrechte (ohne allen Vorurtheil für eines oder das andere) in Gleichförmigkeit gebracht werden

(17) sollten; so hat erdeute Commission in allerunterthänigster Befolgung sothaner allerweisesten Maßregeln die allerhöchste Absicht desto gesicherter zu erreichen und die Compilation des codicis universalis allmöglichst zu beschleunigen der Nothdurft zu sein erachtet, sich über gewisse Grundsätze vorläufig zu vereinigen, denen in Auswahl des billigsten, Ergänzung des abgängigen und Vorschlag des allenfalls nöthigen ganz neuen Rechts zuverläßlich nachgegangen werden könnte.

Die Absicht ware zugleich vorzubiegen, damit in dem Fortgang deren Commissional-Operationen es nicht auf bloßes Gedünken und Dafürhalten ankommete, was das Natürlichste und Billigste seie. Vielmehr eine einverständliche Richtschnur vorhanden wäre, das Natürlichste und Billigste aus richtigen Grundsätzen abzufolgern, denen man wegen offenbarer Billigkeit und untrüglichen Vernunftsschluß nicht leicht entfallen könnte. Immaßen ohne vorgehender Feststellug solch sicherer Grundsätzen zu besorgen gewesen, daß eben hierüber, was das Natürlichste und Billigste seie, die Meinungen sich am allermeisten theilen, die Ausarbeitung verzögeren und die Erreichung des allerhöchsten Endzwecks verspäten dürften.

Folgen die alldaselbst commissionaliter concertirte Compilationsgrundsätze.

I. Wann ein Unterschied zwischen denen Länderrechten vorkommet, ist auf dessen Ursprung zu sehen, und damit solcher entdecket werde, soweit als möglich hinauf zu gehen, bis auf ein Hauptprincipium gelanget werde, worinnen die zum Augenmerk habende Länderrechte, entweder ausdrücklich übereinkommen oder wenigstens nichtes enthalten, so diesem Principio entgegen wäre.

II. Ein solches Hauptprincipium ist unstrittig für den natürlichsten und billigsten Grundsatz zu halten, und wird entweder offenbar in dem Natur- und Völkerrecht gegründet sein, oder, da es auch ein principium juris positivi wäre, wegen Einhelligkeit deren erbländischen Gesetze außer Anstand zu beruhen haben, weil hieran die abgezweckte Gleichförmigkeit schon erreichet ist. Es wäre dann, daß ohnerachtet der Einhelligkeit deren bisherigen erbländischen Gesetzen etwas Billicheres und zu Erreichung dermaligen Endzwecks Diensameres vorzuschlagen und fürders pro principio zu halten wäre.

III. Von dergleichen unstrittigen Grundsatz seind allemal die nächste Folgen abzuleiten, und wann in diesen die Länderrechte übereinkommen, oder nichts Widriges enthalten, ist sofort eine jede sichere Folge zum weiteren Grundsatz anzuuehmen (= anzunehmen). Wann jedoch gleich in denen ersteren Folgen sich ein Unterschied hervorthäte, ist fernerweit dessen Ursprung oder Anlaß zu erforschen.

IV. Ob nämlich der Unterschied selbst von dem Inhalt derer bisherigen Ländergesetze, oder von hergebrachten landesfürstlich bestätigten, oder bloß zugelassenen Gewohnheiten, oder nur von Gebrauch und Uebung deren Gerichten herrühre.

Ob ferner ein solcher Unterschied in die Hauptverfassung oder Freiheiten deren Länder unmittelbar einschlage oder nicht.

V. Ebenermaßen, wann von einem einhelligen Grundsatz, oder richtigen Folge sich in diesen oder jenen Länderrecht ein Abfall oder Ausnahme zeiget, ist zu untersuchen, ob selbst die Ländergesetze derlei Abfall oder Ausnahme bemerken, oder ob ein hergebrachte landesfürstlich bestätigte, oder bloß geduldete Gewohnheit den Abfall oder Ausnahme eingeführet habe, oder ob endlich nur durch Gebrauch und Uebung deren Gerichten von dem Hauptsatz ein Abfall und von der Regel eine

(18) Ausnahme entstanden seie, nicht minder ob derlei Abfall oder Ausnahme die Hauptverfassung oder Privilegia eines Erblandes betreffe oder nicht?

VI. Ist ein Unterschied deren von einem Hauptprinzipio ableitlichen Folgen, oder ein Abfall und Ausnahme hiervon, in dem Buchstaben eines oder des andern Landrechts gegründet, so ist förderist auf den wörtlichen Verstand des Landesgesetzes, dann auf Sinn und Meinung des höchsten Gesetzgebers und endlich auf den Endzweck und Bewegursache der Gesetzgebung zu sehen.

VII. Wann der wörtliche Ausdruck unterschieden, doch Sinn und Meinung einerlei ist, so wird keine Beschwerniß sein, von den Worten abzugehen und nach Sinn und Meinung des höchsten Gesetzgebers ein gleichförmiges Gesetz zu entwerfen. Wann aber solch höchster Sinn und Meinung nicht klar genug abzunehmen wäre, so ist die End- oder Bewegursache des Gesetzes desto nothwendiger zu ergründen.

VIII. Zielet nun ein und das andere Gesetz zu gleichem Endzweck, so kann dasjenige gewählet werden, was leichterer und sicherer darzu führet. Ist aber der Endzweck mehrerlei, so ist die Hauptabsicht denen anderen vorzuziehen; ist endlich der Hauptendzweck ganz unterschieden (so sich nicht leicht ergeben wird), so kommet fernerweit zu erwägen:

IX. Ob es um ein bloßes arbitrarisches Gesetz zu thun seie, so keine andere Ursach für sich hat, als den besonderen Willen des höchsten Gesetzgebers für dieses oder jene Land. Solchenfalls (weil dermalen der allerhöchste Willen auf Gleichförmigkeit des Rechts in allen Erblanden gerichtet ist) kann man jenes von denen bisherigen Gesetzen wählen, oder ein zur allgemeinen Maßgab neu vorschlagen, welches dem ungekünstelten Natur- und Völkerrecht am allermeisten beikommet und der gegenwärtigen politischen Verfassung deren gesammten kaiserlich königlichen deutschen Erblanden am gemäßesten ist.

X. Ob hingegen es um ein Gesetz zu thun seie, welches tief in die Länderverfassung einschlaget und welches der Gleichförmigkeit halber in einen oder dem andern Land abzuändern von darumen Bedenklichkeit hätte, weil der Hauptendzweck des Gesetzes, von der unterschiedenen Verfassung des Landes unabtrennlich wäre und zu besorgen stünde, daß bei einzuführender Gleichheit dies- oder jenes ländige Verfassung gestöret und der gesetzgebige Hauptendzweck solchländig verfehlet würde.

Solchenfalls ist in keine Auswahl oder Vorschlag eines neuen Rechts einzugehen, weil dasjenige, was den statum publicum oder die politische Verfassung ein und des andern Erblandes anbetrifft, von dem objecto des abzufassenden Codicis Theresiani durch das kaiserliche königliche Hofdecretum von 14. Mai 1753 besonders ausgeschlossen und sich hierein nicht einzulassen zur Richtschnur geboten ist.

XI. Es wird solchemnach in derlei Fällen der vorkommende Unterschied auch in denen nachherigen Folgen beizuhalten, und denen für allgemein abfassenden Sätzen eine dahin beziehende Ausnahme jedesmal beizufügen sein, damit allerhöchsten Orts sowohl dasjenige, was in jeden Vorfall überhaupt billig, als auch dasjenige, was denen sonderheitlichen Verfassungen oder landesfürstlichen Verleihungen und Freiheiten gemäß und hieraus erfolgreich seie, zugleich abgenommen werden möge, und wobei es zu bewenden habe, unterwerflichst anheim verbleibe.

XII. Wann der Unterschied deren von einem einhelligen Hauptprinzipio ableitlichen Folgen, Abfällen oder Ausnahmen nur von Gewohnheiten (so entweder landesfürstlich bestätiget, oder unbestätiget seind) herrühret, so ist vornemlich hierauf zu sehen, ob eine dergleichen Gewohnheit irgendswo per legem expressam bestätigt seie, oder sich in landesfürstlichen Satzgebungen, General-Verordnungen, Handvesten, Recessen, Rescripten, Endbescheiden oder anderen ausdrücklichen allerhöchsten Willensäußerungen hierauf bezogen werde, oder ob nicht ein solche

(19) Gewohnheit nur in Landesgebrauch und lediglich in tacito principis consensu bestehe.

XIII. Im ersten Fall, weil ein solche Gewohnheit, wo nicht bereits in jus scriptum verwandlet worden, doch den ausdrücklichen landesfürstlichen Willen für sich hat, ist solche anderen Landesgesetzen gleich zu achten, mithin auf die vorher angezeigte Art, bei sich zwischen denen Ländern ereignenden Unterschied zu verfahren.

XIV. Im anderten Fall ist zwar in Rechten des juris scripti et non scripti, mithin des consensus principalis expressi et taciti einerlei Wirkung. Es höret aber Letzerer (!) (= Letzterer) auf und kann jus consuetudinarium in solcher Qualität nicht ferner bestehen, wann (wie in Gegenwart) der allerhöchste landesfürstliche Willen dahin gehet, ein beschriebenes gewisses und gleichförmiges Recht allenthalben einzuführen.

XV. Es wird dahero eben hierinfalls ankommen, ob consuetudo circa mere arbitraria versire? Und da wird vorzüglich das Augenmerk und Bedacht auf die ein- oder mehrländige legem scriptam zu nehmen und solche bei Befund einer allen Ländern gemeinsamen Andienlich- und Nutzbarkeit auf übrige Erblande zu extendiren sein.

Es wäre dann, daß ganz andere Ursachen für eines oder übrige Erblande unterwalten thäten, welche bei vorschlagender extension den gesetzgebigen Endzweck unsicher machen oder dies- und jenerländige Verfassung alteriren thäten, oder daß die in ein und andern Ländern eingeführte Gewohnheiten dem allgemeinen Natur- und Völkerrecht und der natürlichen Billigkeit näher beikämen, als das etwa anderländig vorfindliche geschriebene Recht.

XVI. Gestalten eben wie bevor bei unterschiedenen Ländergesetzen, also auch bei unterschiedenen Gewohnheiten oder Gesetzen und Gewohnheiten gegen einander es also zu nehmen ist, daß wann solche tief in die Länderverfassung einschlagen, sich in die Auswahl oder anderweiten Vorschlag nicht einzulassen, sondern der Unterschied in allen daraus ableitlichen Folgen beizuhalten und als eine auf dergleichen in die Landesverfassung einschlagende Gewohnheit sich beziehende Ausnahme zu bemerken seie.

XVII. Es wird aber, wann es um die Frage zu thun, ob ein besonderes Landesgesetz oder Gewohnheit in die Landesverfassung einschlage, nicht eine jedwede entfernte connexion zu beirren haben, daß sofort fürzugehen angestanden und die einzuführende Gleichförmigkeit für unthunlich angesehen werden sollte. Ansonsten, da bekanntlich alle Gesetze und Gewohnheiten zu gemeinen Besten abzielen (allwohin auch die Verfassung eines jeglichen Landes gerichtet ist), in allen Fällen

(20) ein Zusammenhang vorgeschützet werden könnte, um bei vorigen Gesetzen und Gewohnheiten zu beruhen und einen vielfältigen Unterschied deren Länderrechten fernerweit zu hegen.

XVIII. Gleichwie nun dieses der allerhöchsten zur Gleichförmigkeit des Länderrechts abzielenden Intention sehr entgegen wäre, als wird bei Vorkommen deren sonderheitlichen Ländergesetzen und Gewohnheiten nur auf unmittelbaren und wesentlichen Einfluß in die Länderverfassung, nicht aber auf alle entfernte Folgerungen, deren so gestaltige, oder andere Bewandtniß mehr gleichgiltig als bedenklich sein kann, zu sehen sein.

XIX. Wesentlich und derohalben in der Verabfassung des juris privati nicht zu berühren ist alles dasjenige, was die landesfürstliche Hoheit, und Regalien, das aerarium, die jura commercialia, fiscalia, außer wo der Fiscus sich des juris privatorum gebrauchet, und dergleichen anbetrifft.

Was die Ordnungen, Vorrechte, Privilegia und Freiheiten deren Stände angehet, ist ebenfalls für wesentlich anzusehen.

Eben also was die Bestellung deren Gerichte, die Verwaltung des gemeinen Wesens, Handhabung der Gerechtigkeit, Ordnung der Polizei und dergleichen anbetrifft.

XX. Was hingegen, ob es also oder anderst gehalten werde, denen landesfürstlichen juribus unnachtheilig, denen ständischen Privilegiis unabbrüchlich, der Verwaltung gemeinen Wesens und Handhabung der Gerechtigkeit unverhinderlich zu sein befunden wird, ist nicht für so wesentlich anzusehen, daß nicht gestattet wäre in dahin einschlagenden Rechtsfällen auf Gleichförmigkeit zu trachten, und entweder eines von denen bisherigen, oder ein neues Recht zu allgemeinen Maßgab vorzuschlagen.

XXI. Wann endlich ein Unterschied deren von einem einhelligen Principio, oder richtigen Folge weiterhin ableitlichen Sätzen, Abfallen oder Ausnahmen bloß von Gebrauch und Uebung dies- oder jenländiger Gerichten herkommet, so ist zu beobachten:

Ob solcher Gebrauch und Uebung durchgängig und universal bei allen dortländigen Gerichtstellen, oder nur sonderheitlich bei einigen Gerichten seie?

Ob dieser in denen landesfürstlichen Instructionen deren Gerichtstellen gegründet, oder nur nebenhin eingeführet seie?

Ob solcher jemalen von allerhöchsten Ort bestätiget, oder bei höchster Behörde hiernach decidiret worden?

Ob solcher Gebrauch und Uebung lediglich eine Formalität, oder selbst das materiale causarum anbelange?

XXII. Ist der Gebrauch durchgängig und universal, so ist solcher für eine Landesgewohnheit und falls derselbe ausdrücklich in einer landesfürstlichen Instruction gegründet wäre, sogar pro lege zu achten und wie vorhin von unterschiedenen Gesetzen und Gewohnheiten gemeldet worden, in operando fürzugehen. Eben also, wann solcher jemalen allerhöchst bestätiget oder bei höchster Behörde hiernach judiciret worden wäre, und hauptsächlich damalen, wann der Gebrauch und Uebung in das materiale causarum einschlaget.

XXIII. Ist aber derlei Gebrauch nicht durchgängig und bei allen Gerichten üblich, auch nicht in instructionibus deren Gerichtstellen gegründet, sondern nur nebenher eingeführet, per decisa summi principis nicht bestätiget und (wie mehrentheils) nur auf die Formalität gerichtet; da kommet hauptsächlich zu beobachten, ob nicht vielmehr ein Mißbrauch oder Ueberfluß darunter enthalten seie, welchenfalls die

(21) nachdrücklichste Maßgab in vorgedachten kais. köngl. Hofdecreto von 14. Mai enthalten ist, die eingeschlichenen Mißbräuche und Verzögerungen zu entdecken und darauf zu reflectiren, wie solche gänzlichen abzuthun. Besonders ist mit aller Strenge dargegen fürzugehen, wann derlei Mißbräuche und Aufzüge von denen Advocaten herrühren und mit dem Vorwand einer praxis judiciariae bemäntlet werden.

XXIV. Aber da auch ein und anderer Gerichtsgebrauch, Praxis, Stylus und wie immer benamende Formalität an sich selber nicht verwerflich wäre und in ihren Schranken zu keinen Umtrieb gereichete, ist doch auf dergleichen versessen zu sein keine genügliche Ursach, alsbald auf andere Art eben sowohl (um so mehr, wann leichter und geschwinder) zu Recht verholfen werden kann.

Ueberhaupt ist hierinnen der Natürlichkeit nachzugehen, und seind diejenige Gerichtsübungen vorzuziehen oder allenfalls neu vorzuschlagen, bei welchen die wenigste Subtilität erforderlich, die mindeste Beirrung besorglich, der geringste Aufwand nöthig und die größte Beschleunigung zu gewarten ist.

XXV. Sogestalt ist in Fällen zu verfahren, wo die bisherige Länderrechte, Gewohnheiten und Gebräuche eines oder mehrere von denen übrigen, oder alle von einander unterschieden seind, doch den Fall, um welchen es zu thun, vollständig in sich begreifen.

Wann aber ein oder anderer Fall zwar berühret, jedoch nicht vollständig entschieden wäre, also daß zu vollständiger Entscheidung sich ein Abgang deren Länderrechten oder statthabenden Gewohnheiten erzeigete, so ist dergleichen Abgang aus dem natürlichen und Völkerrecht zu ersetzen.

XXVI. Wann endlich ein Vorfall in denen bisherigen Länderrechten gar nicht ausgemessen, weder durch löbliche Gewohnheiten eine sichere Beobachtung eingeführet wäre, vielmehr die Bedürfniß und Billigkeit ein ganz neues Gesetz erfordern thäte, so ist ein solches ohne Rücksicht auf bisherige Observanz in Vorschlag zu bringen.

Weil jedoch in diesen und vorigen Fällen das Natur- und Völkerrecht, dann die Bedürfniß und Billigkeit zur Richtschnur vorgeschrieben ist, so will eine nähere Anleitung vor sich zu haben nöthig sein, wie dem Natur- und Völkerrecht verläßlich nachgegangen und nebst der natürlichen Billigkeit zugleich der Bedürfniß hinlänglich vorgesehen werden könne.

XXVII. Das Natur- und Völkerrecht zwischen Privatpersonen (maßen es nur um Privatrecht zu thun ist), erstrecket sich so weit, als viel deren unterschiedenen Handlungen in menschlicher Gesellschaft vorkommen, wovon der Gebrauch gesitteten Völkern eigen und gemeinlich ist.

Es seind jedoch gewisse Hauptquellen, mittelst welchen die natürliche Billigkeit in alle Civilhandlungen den Einfluß hat, nicht nur inwieweit es unmittelbar um Erhaltung der menschlichen Gesellschaft zu thun ist, sondern auch, was mittelbar zu diesem Endzweck gereichet.

Und es seind nicht allemal strenge Pflichten, deren Unbeobachtung das Band der menschlichen Gesellschaft auflöset, welche zur Richtschnur der natürlichen Billigkeit andienen, sondern es seind auch gewisse Wohlanständigkeiten, bei welchen eine besondere Billigkeit unterwaltet.

XXVIII. Es ist zum Beispiel die natürliche Freiheit eines von jenen unschätzbaren Gütern, so nicht weiter zu verschränken, als es das gemeine Wohl erforderet und darumen erheischet die Billigkeit jenes vorzuziehen, was der natürlichen Freiheit am allerwenigsten entgegen ist.

Also ist billig, einem wahren und unbehinderten Eigenthümer die Uebertragung seiner Sachen an Andere zuzulassen, die Errichtung eines letzten Willens nicht

(22) zu behindern, allerlei ehrbare Vergleichungen, Abreden und Verträge zu gestatten u. s. w.

XXIX. Es erforderet der Wohlstand, damit Niemand an seinen Nutzen und Gemächlichkeit, so er ohne des Andern Nachtheil suchet, behinderet werde. Und dahero ist billig und leicht zu gestatten, was Einem nutzet und dem Andern nicht schadet. Zum Beispiel das Taglicht, die durchstreichende Luft, das abfallende Regenwasser sich zu Nutzen zu machen, anderer Leute Freigebigkeit zu genießen, die Aufnahm seines Hauswesens zu beförderen u. s. w.

XXX. Hingegen lasset der Wohlstand nicht zu, sich mit eines Anderen Schaden zu bereichern. Solchemnach ist billig, daß jedweder sich von deme enthalte, was dem Andern zu Abbruch gereichet, worunter allerlei Thaten begriffen seind, die an sich selbst oder aus Umständen Andern zu Nachtheil fallen. Und erstrecket sich dieses auf alle Vorenthaltung und Unerfüllung dessen, wessen Rückgabe oder Leistung die gute Treu und Glauben erfordert. Zum Beispiel, wann etwas gewisser Ursach willen gegeben worden, so nicht erfolget ist, wann etwas ohne Ursach Jemanden zugekommen, wann die Ursach von Verbrechen oder Unbild herrühret, wann ein Theil etwas gethan oder gegeben, um damit der andere gleichfalls thue oder gebe und letzterer sich dessen weigerte, wann jemand durch Irrthum, Furcht oder List zu etwas bewogen worden, so dem andern nicht gebühret hat u. s. w.

XXXI. Aus diesen und dergleichen Hauptquellen (wiewohlen in Ansehen bloßer Civil- und Privathandlungen kaum andere auszufinden seind, welche nicht von denen Vorstehenden abfließen), ergiebt sich allemal eine sichere Richtschnur, wornach verläßlich geprüfet werden kann, was in unterschiedenen oder undeutlichen Vorfällen das Natürlichste und Billigste seie, all jenes nämlich, was näher und reiner einer solchen Hauptquelle zugehet, weniger Beschwerniß und Unfänglichkeit auf sich hat und zur Erhaltung der menschlichen Gesellschaft fürträglicher ist.

XXXII. Es ist aber hierinnen nicht bei moralen oder universal-gesellschaftlichen Betrachtungen zu beruhen, sondern immaßen auch allerweisest mitgegeben worden, auf die Bedürfniß zu sehen, so muß zugleich, was die Nothwendigkeit oder Nutzbarkeit zu gemeinen und sonderheitlichen Besten erfordere, betrachtet werden.

In welchen Anbetracht vorzüglich jenes für das Nützlichste, auch gestalter Dingen für nothwendig zu halten ist, was eine gemeinnützliche Absicht beförderet, jenes als minder nützlich und durchaus unnothwendig anzusehen, wodurch eine dergleichen Absicht behinderet wird.

XXXIII. Bei solchen Fürgang, und da beides, die natürliche Billigkeit und zugleich die öffentliche Wohlfahrt, zur Richtschnur gehalten werden, können nur wenige Fälle, wegen ein- oder anderländig sonderheitlicher Hauptverfassung, Privilegien und Freiheiten eine Ausnahme von deme, was durchgängig zu Recht gelten solle, erfordern. In all übrigen aber ist es gar nicht unmöglich, sondern durch unermüdete Beeiferung endlichen wohl thunlich, in denen Meinungen zu Auswahl eines oder andern Länderrechts, zu Ergänzung deren Abgänge und zu allerunterthänigst gutächtlichen Vorschlag benöthigter neuen Gesetze in einem natürlichen Zusammenhang übereinzukommen.

XXXIV. Zu Behelf hat die Gemüthserleuchtung und ein ungebundener, von allen Vorurtheil entferneter Vernunftsschluß, nicht minder die Erwägung des jederfälligen Endzwecks, deren darzu leitenden Mitteln, deren vorträglich oder hinderlichen Umständen der Personen, der Sachen, des Orts und der Zeit anzudienen; maßen die Aequität oder natürliche Billigkeit eben in nichten andern, als in einem hiernach gerichteten arbitrio boni viri bestehet, damit nichtes über Verdienst oder Unverdienst zu Recht gestattet oder verhänget werde.

(23) XXXV. Zu Behuf hat auch die Rechtsgelehrheit und Erfahrenheit anzudienen, nicht zwar die leges positivas, sonderheitlich arbitrarias des gemeinen römischen Rechts vordringlich zu machen, sondern der in denen römischen Gesetzen größtentheils vorblickenden natürlichen Billigkeit Platz zu geben, und die Fälle, welche ein gewisses und gleichförmiges Länderrecht erfordern, aus dem Vorrath des gemeinen römischen Rechtens desto bequemer zu entnehmen.

XXXVI. Zu Behuf können endlich auch auswärtige Ländergesetze gereichen, inwieweit darinnen eine mehrere Natürlichkeit, als etwan in dem römischen Recht zu erfinden; immaßen nicht ohne Ursach dieses für das Natürlichste und Billigste bei Gleichheit deren Umständen zu halten ist, worinnen mehrere von einander unabhängige Völker übereinkommen. Und wann es de lege condenda zu thun ist, so hat ein wo immer mit Ersprießlichkeit übliches Gesetz oder Gewohnheit bei einerlei Umständen mehr Eindruck für die Billigkeit und Nutzbarkeit zu wirken, als immer die Meinung eines noch so berühmten Autoris.

XXXVII. Ursach dessen seind die rechtlichen Scribenten, welche besonders Specialmaterien gründlich erschöpfen, zwar gleichfalls zu Hilf zu nehmen; doch ist nicht sowohl auf die Anzahl deren Gleichstimmenden (wo oft einer von dem andern die Meinung entlehnet), weder bloß auf die Autorität und Berufenheit, sondern vielmehr auf die eines oder des andern mehr oder wenigere Begründung in dem Natur- und Völkerrecht mittelst richtigen Vernunftsschlüssen zu sehen.


Der röm. kaiserl. auch zu Hungarn und Böheim königl. Majestät und Erzherzogin zu Oesterreich Maria Theresia Codex, worin für alle dero königl. böheimische und österreichische Erblande ein jus privatum et universale statuiret wird.

 (27) Wir Maria Theresia u. s. w. entbieten allen und jeden Unseren nachgesetzten hohen und niederen Gerichtsstellen, Obrigkeiten, Magistraten, Vasallen, Landesinwohneren und Unterthanen in Unseren königlichen böheimischen und österreichischen Erblanden, was Würden, Standes, Amts und Wesens sie sein, auch sonst jedermänniglichem, wer sich in diesen Unseren Erblanden aufhält, oder allda Recht zu suchen oder zu nehmen hat, Unsere kaiserliche, königliche und landesfürstliche Gnade, auch alles Gutes, und geben euch hiemit in Gnaden zu vernehmen, wasmaßen unter Unseren vielen und schweren Regierungssorgen jederzeit eine der vorzüglichsten dahin gerichtet gewesen, die bei der Rechtspflege wahrgenommenen Gebrechen sogleich abzustellen, und denenselben in Zukunft abhelfliche Maß zu verschaffen.

Wiewohlen nun von Uns in dieser Absicht mehrfältige heilsame Gesetze und Verordnungen von Zeit zu Zeit nach Erheischung der zu Unserer Wissenschaft gebrachten verschiedenen Vorfällen erflossen, worinnen allemal Unser Augenmerk hauptsächlich dahin abzielet, in diesen Unseren Erblanden, so viel es deren unterschiedene Verfassungen zugelassen, eine Gleichheit herzustellen und zu erhalten.

So hat zwar diese Unsere landesmütterliche Vorsehung auch die gedeihliche Wirkung gehabt, daß andurch viele Mißbräuche abgeschafft, die Dunkelheit der vorigen Gesetzen über verschiedene Gegenstände, welche eine genauere Bestimmung erfordert, aufgekläret und erläutert, mehrere darinnen unentschieden gelassene oder doch zweifelhaft gebliebene Fälle entschieden, und da, wo es nöthig ware, eine maßgebige Richtschnur vorgeschrieben worden, nach welcher dermalen die Rechtspflege mit minderen Aufzügen und Umtrieben verwaltet wird.

Das Uebel aber aus dem Grund zu heben, so sehr Wir auch immer dessen Bewirkung gewunschen haben, ware jedennoch bisher theils wegen Unzulänglichkeit und Unverläßlichkeit, theils wegen Verschiedenheit der in diesen Landen beobachteten, in ihrem Inhalt zum öfteren einander ganz widersprechenden Gesetzen nicht möglich, woraus nothwendig die unliebsamen Folgen entspringen müssen, daß nicht nur Wir über einzle Vorfälle mit unzähligen Anfragen, Belehrungsgesuchen und Vorstellungen von Unseren nachgeordneten Stellen fort und fort behelligt, sondern auch, was Uns zum meisten am Herzen gelegen, Unsere getreue Landesinwohner und Unterthanen durch diese Ungewißheit, Dunkelheit und Verschiedenheit des Rechts in ihren Handlungen selbst nicht selten einem beträchtlichen Schaden und Nachtheil ausgesetzet worden, zumalen sich zum öfteren Fälle ergeben, daß, was nach denen Gesetzen des einen Landes recht ware, nach jenen des anderen für unrecht geachtet und somit bei dieser Gestalt der Sachen der Beförderung des gemeinsamen Handels und Wandels zwischen diesen Unseren Erblanden keine geringe Hinderniß in Weg geleget wurde.

Gleichwie aber Wir von Anbeginn Unserer Regierung allstets dahin getrachtet haben, diese unter Unserem Scepter durch das gemeinsame Band der Erbbotmäßigkeit so genau verknüpfte Erblande noch enger miteinander zu verbinden und dieses Band zu deren selbsteigener Sicherheit und Wohlfahrt durch die nach Möglichkeit in ihren Gesetzen und Verfassungen herzustellende Gleichförmigkeit immer mehr und mehr zu befestigen.

(28) Also hat Uns auch, um zu diesem vorgesetzten ersprießlichen Endzweck zu gelangen, ein Unserer landesmütterlichen Aufmerksamkeit würdiger Gegenstand zu sein geschienen, für alle diese Unsere Erblande ein allgemeines gewisses und ganz gleichförmiges Recht einzuführen und zu diesem Ende ein klares, deutliches, verläßliches, immerwährendes und alle diese Lande gleich verbindendes Gesetzbuch verfassen zu lassen.

Von diesem Vorhaben waren weder die fehlgeschlagene ähnliche Versuche Unserer Vorfahren, noch auch die bei Anfang des Werks sich geäußerte mannigfältige Schwierigkeiten Uns abwendig zu machen vermögend.

Im Gegentheil hat weit mehr die andurch erzielende gemeinwesige Wohlfahrt und der hieraus einem jedweden Unserer getreuen Unterthanen in diesen Unseren Erblanden für sich insonderheit zugehende Nutzen alle andere Rücksichten überwogen und Uns zu dem gnädigsten Entschluß gebracht, die Verfassung und Ausarbeitung dieses Gesetzbuchs einer eigenen, von Uns unter dem Vorsitz Unsers wirklichen geheimen Raths, Rittern des goldenen Vließes, Vicepräsidentens bei unserer Obristen Justizstelle und lieben getreuen Michael Johann Grafen von Althann aufgestellten Commission aufzutragen.

Da nun von dieser Commission, deren ohnausgesetzter Fleiß, Mühe und Eifer mit unserer Erwartung und dem von Uns in sie gesetzten gnädigsten Vertrauen vollkommen übereinstimmte, gegenwärtige drei Theile dieses Gesetzbuchs zu Stand gebracht und Uns zu Unserer höchsten Einsicht und Begnehmigung gehorsamst vorgeleget worden.

Als haben Wir in Anbetracht, daß der noch zu verfassende vierte Theil lediglich die Gerichtsordnung betrifft, welche aber bereits in denen meisten Landen durch Unsere besondere Verordnungen eingerichtet und festgesetzet ist, folglich die auch hierinnen herzustellende Gleichförmigkeit noch ganz wohl einen Anstand leiden kann, rathsam zu sein erachtet, um diese Unsere getreue Erblande des aus Unserer landesmütterlichen Sorgfalt ihnen zugedachten Nutzens und Vortheils nicht länger

(29) entbehren zu lassen, zur Einführung dieses Unseren neuen Gesetzbuchs ohne weiterem Verschub allsogleich fürzuschreiten.

Wir haben solchemnach diesem Unseren gleichermelten Gesetzbuch nach dessen vorläufiger genauester Einsicht und Erwägung mit rechtem Wissen und gutem, wohlbedachten Rath in seinem ganzen Inhalt aus der bei Uns allein ruhenden höchsten gesetzgebenden Gewalt die vollkommeneste Kraft, Wirkung und Bündigkeit eines allgemeinen, beständigen und immerwährenden Gesetzes für alle Unsere königl. böheimische und österreichische Erblande gnädigst beigeleget und wollen zugleich, daß zum ewigen und unvergeßlichen Andenken dieser von Uns anmit Unseren treugehorsamsten Erblanden und Unterthanen zugewendeten Wohlthat dieses Gesetzbuch jetzt und künftighin nach Unserem höchsten Namen Codex Theresianus heißen und von jedermänniglich also genennet werden solle.

Wie zumalen aber bei diesem Codice Theresiano Unsere gnädigste Absicht eintzig und allein dahin gehet, ein durchgehends gleichförmiges und allgemeines jus privatum in gesammten diesen Unseren Erblanden einzuführen; so wollen wir es auch bei denen vorigen Satz- und Ordnungen, insoweit solche das jus publicum und die besondere dahin einschlagende Verfassungen eines jedweden Landes betreffen, noch ferners ohnveränderlich bewenden lassen, dahingegen, so viel es das jus privatum anbelanget, nicht allein denen gemeinen Rechten, wo dieselbe bisher üblich gewesen, sondern auch denen vorherigen Landesordnungen, sogenannten Landhandfesten, Land- und Stadtrechten und allen anderen wie immer Namen habenden Satz- und Ordnungen, insoferne als in diesem Codice Theresiano ein anderes geordnet wird, hiemit ausdrücklich derogiret haben.

(30) Damit also dieser Unser Codex auf das Baldigste und zu gleicher Zeit in gesammten Unseren königlichen böheimischen und österreichischen Erblanden in seine unverbrüchliche Beobachtung gesetzet werde, so ist Unser weiterer gnädigster Wille und Meinung, daß solcher binnen Einem Jahr von dem unten gesetzten Tag dieser Unserer erlassenen Verordnung an zu rechnen, aller Orten seine vollkommene Bindungskraft ohne Gestattung einiger wie immer dagegen ersinnen mögenden Ausflüchten, Einreden oder Entschuldigungen durchgängig haben und erreichen solle.

Zu diesem Ende befehlen und gebieten Wir allen Unseren Landesstellen, hohen und niederen Gerichten, Obrigkeiten und Magistraten diesen Unseren Codicem Theresianum unter vorgedachter Jahrszeit gewöhnlichermaßen überall kund zu machen, und solcher Gestalt zu Jedermanns Wissenschaft zu bringen, damit sich Niemand mit der Unwissenheit dagegen entschuldigen möge.

Nach Verlauf dieses Jahrs aber wollen, ordnen und setzen Wir, daß die in demselben enthaltene Gesetze in gesammten Unseren königl. böheimischen und österreichischen Erblanden von Allen und Jeden unverbrüchlich beobachtet und solchen in allen sowohl gerichtlichen als außergerichtlichen Handlungen auf das genaueste nachgelebet, hierob auch von denen Gerichten, Obrigkeiten und Magistraten stets feste Hand gehalten, und im Sprechen und Urtheilen in denen nach vorbesagtem Jahrslauf sich zutragenden Fällen lediglich diesem Unseren Codici Theresiano nachgegangen werden solle.

Dahingegen Wir in Ansehung jener Fällen, die sich vor dem Tag, an welchem obangeordnetermaßen die Kraft und Bündigkeit dieses neuen Codicis ihren Anfang nehmen solle, ergeben haben, gnädigst gestatten, daß solche, insoweit als in diesem Codice wegen einen und anderen vergangenen Fällen keine absonderliche Vorsehung begriffen ist, nach denen vorigen Gesetzen, wie dieselbe in einem jedwedem Fall vor Einführung dieses Unseren Codicis gebräuchlich gewesen, bei Gericht beurtheilet und entschieden werden möge.

Dies ist unser gnädigster und ernstlicher Wille.

Geben etc.

(1-31) Erster Theil.

Von dem Recht der Personen.

(1-32)

(1-33) Caput I.

Von dem Recht insgemein.

Inhalt:

§. I. Von Eintheilung des Rechts. §. II. Von Gesetzen.§. III Von Gewohnheiten. §. IV. Von Befreiungen. §. V. Von Ausdeutung der Gesetzen und Befreiungen. §. VI. Von dem dreifachen Gegenstand der Gesetzen und der hienach verfaßten Eintheilung dieses Gesetzbuchs.

§. I.

[1, 1, § 1] Num. 1. Das Recht, insoferne als es ein Gesetz bedeutet, ist eine Richtschnur der menschlichen Handlungen. Dessen Endzweck ist die Gerechtigkeit, welche in deme bestehet, dass einem Jedem das Seinige, was ihme von Rechtswegen gebühret, zu Theil werde.

(1-34) [1, 1, § 1] 2. Alle Rechte sind entweder von Gott oder von Menschen geordnet. Gott hat das Recht der Natur und sein offenbartes alt- und neues Gesetz geordnet.

(1-35) [1, 1, § 1] 3. Das Recht der Natur ist von Gott dem Menschen eingepflanzet, auf daß er durch seine eigene Vernunft geleitet werde, das Gute zu thun und das Böse zu meiden. Insoweit sich aber dessen freie Völker und unabhängige Staaten gegeneinander gebrauchen, wird dasselbe das Völkerrecht genennet.

[1, 1, § 1] 4. Die menschlichen Rechte kommen entweder von der geistlichen oder von der weltlichen Gewalt.

Welche von der letzteren herrühren, haben entweder unmittelbar das allgemeine Beste und die innere Verfassung des ganzen Staats zum Gegenstand und heißen eigentlich das Staatsrecht.

[1, 1, § 1] 5. Oder dieselben zielen hauptsächlich auf das sonderheitliche Beste einzler Bürger ab und schreiben die Richtschnur der Privathandlungen vor, welche im engeren Verstand das bürgerliche oder Privatrecht genennet werden.

[1, 1, § 1] 6. Dieses ist nichts anderes, als ein Begriff aller von der höchsten Gewalt des Staats zum sonderheitlichen Besten der eben derselben höchsten Gewalt unterworfenen Personen ergangenen Geboten, Satz- und Ordnungen.

[1, 1, § 1] 7. Die bürgerlichen Rechte sind nach Verschiedenheit der Staaten verschieden, nachdeme solche eines jeden Staats dabei abgesehene Wohlfahrt und Nutzen erheischet.

Wir wollen aber in Unseren gesammten deutschen Erblanden kein anderes als gegenwärtiges Recht, welches Wir zum Bestem Unserer getreuen Unterthanen in diesem Gesetzbuch in Ordnung bringen lassen, hinfüro als ein beständiges allgemeines Recht von männiglich beobachtet wissen.

[1, 1, § 1] 8. Nur allein rechtmäßig hergebrachte Gewohnheiten, welche weder diesem Unseren Gesetzbuch, noch anderweiten von Uns allschon erlassenen oder in Zukunft erlassenden Verordnungen zuwider sind, sollen noch ferners in derjenigen Maß bestehen können, welche unten in §. III. von Uns bestimmet wird.

[1, 1, § 1] 9. Hieraus fließt die allen von der Willkür der höchsten Gewalt geordneten Rechten gemeine Eintheilung in das beschriebene und unbeschriebene Recht. Ersteres gründet sich in dem ausdrücklichen, letzteres in dem stillschweigenden Willen des Gesetzgebers, beide aber erlangen ihre Bindungskraft von der gesetzgebenden höchsten Gewalt allein.

[1, 1, § 1] 10. Das beschriebene Recht besteht aus Satzungen und Verordnungen. Diese sind entweder allgemein, welche jedermänniglich verbinden und heißen eigentlich

(1-36) Gesetze. Oder sie enthalten sonderbare Begünstigungen gewisser Personen oder Sachen und sind Befreiungen.

[1, 1, § 1] 11. Es wird demnach in diesem ersten Capitel zuerst von denen Gesetzen, sonach von denen Gewohnheiten, weiters von denen Befreiungen, alsdann aber von der Ausdeutung sowohl der Gesetzen, als der Befreiungen gehandlet und endlich die Ordnung der Abhandlung, welcher in diesem ganzen Gesetzbuch nachgegangen wird, nach dem dreifachen Gegenstand alles Rechts dargezeiget.

§. II.

[1, 1, § 2] 12. Die Gesetze sind allgemeine von der höchsten Gewalt zur Wohlfahrt der Unterthanen erlassene Verordnungen. Sie mögen aus eigener Bewegniß, oder auf Anlangen, oder auf was sonst immer für eine Art ergehen.

[1, 1, § 2] 13. Ihre Wirkung bestehet:

Erstens und vornehmlich in der Verbindungskraft.

Zweitens in Zerrüttung und Entkräftung der gesetzwidrigen Handlungen.

Drittens in Verwirkung der in dem Gesetz auf die Uebertretung verhängten Strafe.

[1, 1, § 2] 14. Sie verbinden zur Beobachtung Alle und Jede, die in dem Gebiete sind, für welches das Gesetz ergangen ist, sowohl Unterthanen, als Fremde und diese

(1-37) letztere zwar nicht allein währenden ihren Aufenthalts in diesem Gebiete, sondern auch auswärts befindliche müssen sich insoweit nach Unseren Gesetzen achten, als sie in diesen Unseren Landen Recht suchen oder Recht zu nehmen schuldig sind.

[1, 1, § 2] 15. Wann hingegen Unsere Unterthanen aus diesen Landen sich in fremden Gebieten aufhalten, so wollen Wir wegen ihrer alldort nach den daselbstigen Gesetzen geschlossenen Handlungen den Beistand rechtens auch in hiesigen Ländern insoweit angedeihen lassen, als diese Handlungen nur eine bloße persönliche Verbindung nach sich ziehen und nach Unseren diesländigen Gesetzen weder an sich selbst ungiltig, noch Unsere Unterthanen sich zu verbinden unfähig sind.

[1, 1, § 2] 16. Da es sich aber um Veräußerung oder Behaftung hierländiger liegender Güter, oder dessen, was sonst nach Unseren Gesetzen für unbeweglich zu halten ist, handlete, solle keinerlei derselben lebzeitige oder letztwillige Uebertragung, Veräußerung, Verpfändung oder was sonst immer für andere Bestellung eines Rechts an der Sache giltig sein, es seie dann eine solche Handlung nach hierländigen Gesetzen vollzogen.

[1, 1, § 2] 17. Uebrigens bleiben Unsere Unterthanen Unseren Befehlen und denen von Unseren hierländigen Gerichtsbarkeiten für oder gegen sie ergehenden Rechtssprüchen aller Arten unterworfen, wo sie sich immer befinden mögen.

[1, 1, § 2] 18. Was wider die Gesetze geschieht, ist in derjenigen Maß ungiltig, als die widrige Handlung entweder von dem Gesetz selbst ausdrücklich vernichtet und entkräftet, oder der richterlichen Erkanntniß solche umzustoßen überlassen wird.

[1, 1, § 2] 19. Wo die widrige Handlung von dem Gesetz selbst vernichtet, oder die von dem Gesetz vorgeschriebene wesentliche Feierlichkeit unterlassen wird, entstehet hieraus gar keine Verbindlichkeit und kann andurch nicht allein kein Eigenthum oder ein anderes Recht an der Sache erworben oder übertragen, sondern auch das gegebene anwiederum zurückgefordert werden.

[1, 1, § 2] 20. In anderen Fällen aber haben verschiedene ihres Orts vorkommende Rechtsmitteln statt, wodurch auf richterliche Erkanntniß die gesetzwidrige Handlung umgestoßen, oder Schaden und Nachtheil abgewendet und der Verkürzung abgeholfen wird.

[1, 1, § 2] 21. Endlich wird durch Uebertretung der Gesetzen die darinnen verhängte Strafe verwirket. Doch ist dabei der Unterschied zu beobachten, ob das Gesetz die

(1-38) bloße That ohne Bemerkung und Rücksicht auf einige Umstände bei Strafe gebiete oder verbiete, oder ob das Gesetz nebst der That annoch gewisse Umstände ausdrücklich anführe und erheische?

[1, 1, § 2] 22. In dem ersten Fall hat der Richter nach dem Buchstaben des Gesetzes auf die bloße Uebertretung zu sehen. In dem letzteren Fall hingegen, muß derselbe zugleich untersuchen, ob auch die bei einer verbotenen That oder Handlung in dem Gesetz ausdrücklich angeführte Umstände unterwalten.

[1, 1, § 2] 23. In beiden Fällen aber solle der Richter lediglich nach Maßgebung der Gesetzen mit der darinnen ausgemessenen Strafe ohne Gnad, Nachsicht oder Milderung fürgehen, als welche bei Uns allein zu suchen ist, wo nicht von Uns demselben in gewissen Fällen dergleichen Gewalt namentlich eingeräumet wäre.

[1, 1, § 2] 24. Wann jedoch das Gesetz eine That oder Handlung für strafbar angesehen, die Strafe aber dabei nicht ausgemessen hätte, solle dieselbe jedesmal nach Beschaffenheit der mehr oder minder erschwerenden Umständen durch richterlichen Befund bestimmet werden.

[1, 1, § 2] 25. Diese Wirkungen haben die Gesetze für sich ohne Rücksicht auf deren Annehmung oder unterbliebene Beobachtung, sondern es solle an deme genug sein, daß sie behörig kundgemacht worden, welches in jedem Land durch die gewöhnliche Wege schleunig zu geschehen hat, damit sie allsobald zu Jedermanns Wissenschaft gelangen können.

[1, 1, § 2] 26. Von was für Zeit nun dieses Unseres neues Gesetzbuch seine Bindungskraft haben solle, ist allschon von Uns im Eingang geordnet worden.

Für alle in Zukunft von Uns in Rechtssachen erlassende Gesetze aber, worinnen keine längere oder kürzere Zeit ausdrücklich bestimmet ist, wollen und ordnen Wir hiemit, daß dieselbe jedesmal nach zweien Monaten von dem Tag der öffentlichen

(1-39) Kundmachung in der Hauptstadt eines jedweden Landes durchgehends unnachsichtlich verbinden sollen.

[1, 1, § 2] 27. Nach Verlauf sothaner bestimmten Zeit solle zwar Niemandem die vorschützende Unwissenheit Unserer Gesetzen, oder ein vorgeblicher Irrthum in Rechten zu Statten kommen, weder unter diesem Vorwand eine gesetzwidrige Handlung zu Kräften gelangen, noch Jemand von der verhängten Strafe deswegen enthoben werden können.

[1, 1, § 2] 28. Wir wollen Uns jedoch vorbehalten haben in Fällen, wo Jemand besonders von solchen Personen, die von Unseren Gesetzen begünstiget worden, aus Unwissenheit und Irrthum in Rechten des Seinigen verlustiget und der Gegentheil ohne Ursach andurch bereicheret würde, demselben nach Befund der einige Entschuldigung und Nachsicht verdienenden Umständen auf geziemendes Ansuchen die außerordentliche Rechtshilfe mittelst Herstellung in vorigen Stand angedeihen zu lassen.

[1, 1, § 2] 29. Die Gesetze betreffen künftige Handlungen, nicht aber auch vergangene, oder annoch fürwährende, wann dieserwegen in dem Gesetz keine ausdrückliche Vorsehung enthalten ist.

(1-40) [1, 1, § 2] 30. Hieraus aber folget nicht, daß an sich böse und lasterhafte Thaten blos von darum, weilen vor deren Ausübung keine Strafe darauf ausgesetzt gewesen, ungestraft gelassen werden sollen, sondern, obschon die in einem späteren Gesetz ausgemessene Strafe nicht verhänget werden kann, so sind solche jegleichwohlen nach Schwere des Verbrechens mit einer dem gerichtlichen Befund überlassenen Strafe zu belegen.

[1, 1, § 2] 31. Wann hingegen durch ein Gesetz kein neues Recht eingeführet, sondern nur lediglich das vorherige erläutert wird, erstrecket sich auch dasselbe auf die vergangene Fälle.

[1, 1, § 2] 32. Nicht weniger solle in jenen Fällen, worinnen aus einer vor dem Gesetz vorhergegangenen Handlung von Zeit zu Zeit eine neue Verbindlichkeit erwachset, als bei laufenden Zinsen oder einhebenden Nutzungen, das spätere Gesetz nach Maß der Zeit beobachtet und die Verbindlichkeit jedesmal nach denen von Zeit zu Zeit neu hervorkommenden Gesetzen abgemessen werden.

[1, 1, § 2] 33. Die Gesetze bleiben immer bei Kräften, solange sie durch ein späteres Gesetz nicht aufgehoben oder abgeänderet werden.

Wo aber die Beobachtung des Gesetzes etwann allgemein unnütz, unbillig, schädlich, oder in der Befolgung unmöglich würde, so ist ein solcher sich zwar nicht leicht ergebender Abfall Uns zur nöthigen Vorsehung sofort anzuzeigen.

[1, 1, § 2] 34. Zu denen Gesetzen gehören auch die Satzungen, welche nur auf ein gewisses Land oder Ort gerichtet und von Uns entweder unmittelbar geordnet oder ausdrücklich bestättiget sind.

(1-41) [1, 1, § 2] 35. Jene Satzungen und Einrichtungen hingegen, welche weder von Uns herrühren, noch ausdrücklich bestätiget sind, sondern mit Unserer besonderer Verwilligung von nachgesetzten Obrigkeiten, Gerichten, Gemeinden, Vorsteheren und Mitteln nach Amtserforderniß und zu Erhaltung guter Ordnung gemacht werden, sind zwar nicht unter die allgemeine Verordnungen zu zählen; doch sollen dieselbe, daferne sie nicht wider Unsere Gesetze laufen, von ihren Mitgliedern und Untergebenen beobachtet werden; Uns aber bleibt die Einsicht, Aenderung und Aufhebung derselben zu allen Zeiten vorbehalten.

[1, 1, § 2] 36. Umsoweniger können ohne Unserer ausdrücklichen Verleihung oder Bestätigung einige Satzungen errichtet werden, sondern die Gemeinschlüsse und Verabredungen, welche aus redlicher und Unseren Gesetzen nicht widerstrebender Absicht getroffen werden, können nicht anders als in der Gestalt eines freiwilligen Vertrags, und nur Jene, so von der Gemeinde sind, verbinden.

[1, 1, § 2] 37. Doch mit dem Unterschied, daß in Angelegenheiten, welche die ganze Gemeinde betreffen, der mindere Theil durch den größeren zur Gleichförmigkeit verbunden werde, wiewohlen einem jedem Mitstimmenden sich wider den aus einem solchen Schluß für die Gemeinde befahrenden Schaden zu verwahren und aller sich daher zuziehen mögenden Verfänglichkeit auszuweichen unbenommen ist.

[1, 1, § 2] 38. Wo es aber um Gerechtsamen, Befugnissen oder Verbindungen einzler Personen von der Gemeinde oder um Behaftung ihres Hab und Guts zu thun wäre, da wird erforderet, daß, was Alle betrifft, auch von Allen einstimmig begenehmiget werde.

§. III.

[1, 1, § 3] 39. Das unbeschriebene Recht machen rechtmäßige Gewohnheiten aus. Eine Gewohnheit ist nichts anderes als ein mit stillschweigender Einwilligung der

(1-42) höchsten Gewalt durch langwierigen Gebrauch als ein Recht eingeführtes und immer gleichförmig beobachtetes, für Recht gehaltenes Herkommen.

[1, 1, § 3] 40. Wir wollen aber keine wider Unsere Gesetze laufende Gewohnheiten, sie mögen in allen oder auch nur in einem oder anderen Unserer deutschen Erblanden allgemein oder in einzlen Orten besonders eingeführet sein, statthaben lassen, sondern hiemit sowohl die vor Einführung dieses Unseren Gesetzes allschon bestehende gänzlich abgestellet und aufgehoben, als auch die künftig einschleichen mögende zu allen Zeiten ernstgemessen verboten und für ein strafbares Beginnen angesehen haben.

[1, 1, § 3] 41. Auch nicht in jenen Fällen solle ein Gewohnheit zufällig sein, noch minder eine verbindende Kraft haben, wovon in Unseren Gesetzen nichts verordnet ist, sondern, wo Fälle vorkämen, worinnen es ersprießlich wäre, etwas Gewisses für allgemein zu ordnen, solle jedesmal die Beschaffenheit der Sache bei Uns geziemend angebracht und Unsere höchste Entschließung abgewartet werden.

[1, 1, § 3] 42. Nur allein in solchen Fällen, welche zwar von Unseren Gesetzen in der Hauptsache entschieden sind, dabei aber die Art und Weise, Zahl, Maß, Größe,

(1-43) Gestalt oder Beschaffenheit, Zeit oder sonstige Umstände entweder dem Befund des Richters überlassen oder auf den Landesbrauch, bisherige Beobachtung, derzeitige Uebung und Verfassung verwiesen werden, solle gestattet sein, auf eine Gewohnheit nach und gemäß dem Gesetz zu sehen.

[1, 1, § 3] 43. Es solle demnach in diesen Fällen jenes für Recht gehalten werden, was alle oder die meisten in mehreren oder in einem Land freiwillig, öffentlich und langwierig auf einerlei Art beobachtet haben, wann es vernunftmäßig und der gemeinen Wohlfahrt nicht zuwider ist, so lange Wir es dabei stillschweigend bewenden lassen.

[1, 1, § 3] 44. Desgleichen sollen kleinere Gemeinden und Ortschaften, insoweit als sie nach obiger Maßgab der Macht Satzungen zu errichten fähig sind, ihre eingeführte oder weiters einführende löbliche und Unseren Gesetzen nicht widerstrebende Gebräuche und Gewohnheiten beobachten, ohne daß jedoch jemals außer dem Bezirk eines solchen Orts hieraus ein allgemeines Recht erwachsen, oder andere, welche nicht von dieser Gemeinde sind, andurch verbunden werden mögen.

[1, 1, § 3] 45. Damit aber etwas für eine rechtmäßig hergebrachte Gewohnheit in derjenigen Maß, als solche von Uns zugelassen wird, geachtet werden könne,

(1-44) ist zu etwas solchem, so nicht bloßen Beliebens, sondern auf einigerlei Weise verbindlich sein solle, eine öftere gleiche Beobachtung, ein geraumer Zeitlauf und die Einwilligung aller oder doch des größten Theils jener, von welchen die Gewohnheit eingeführet wird, erforderlich.

[1, 1, § 3] 46. Zu diesem Ende muß die gleichförmige Beobachtung, wenigstens dreimal freiwillig und wissentlich wiederholet, auch von Zeit der ersten sogestalteten Ausübung wenigstens zehn Jahre verflossen und binnen dieser Zeit von Niemandem widersprochen, noch sonst was Widriges vorgenommen worden sein.

[1, 1, § 3] 47. Welches alles derjenige, der zum Behuf seiner Gerechtsame eine eingeführte Gewohnheit oder Herkommen vorschützet, gleichwie im Gegentheil Jener, welcher sich von der Verbindlichkeit einer Gewohnheit entziehen will, das Widerspiel zu erweisen hat, ohne daß jedoch hierzu ein vor oder wider die Gewohnheit allbereits ergangener Rechtsspruch nöthig seie, wiewohlen der Beweis dadurch erleichteret wird.

[1, 1, § 3] 48. Insoweit aber Gewohnheiten in vorstehender Maß einzuführen zugelassen wird, insoweit können selbe auch durch spätere Gebräuche und Gewohnheiten anwiederum aufgehoben werden.

Doch hat allemal Jener, welcher die Aenderung vorgibt, dieselbe zu erproben.

[1, 1, § 3] 49. Uebrigens solle aus gleichförmigen Rechtssprüchen, da nämlich öfters in gleichen Fällen auf einerlei Art gesprochen worden, in Ansehung künftiger derlei Vorfallenheiten keine Gewohnheit erwachsen, wann es nicht Fälle sind,

(1-45) worinnen nach obiger Ausmessung eine Gewohnheit statthaben mag, und die übrigen Erfordernissen beitreten.

[1, 1, § 3] 50. Noch weniger solle eine Gewohnheit in Sachen zulässig sein, welche die Verfahrungsart bei Gericht, die Feierlichkeiten und Gerichtsübungen betreffen, sondern aller Orten und bei allen Gerichten die Gerechtigkeit jedermänniglich nach Unseren Gesetzen gleichförmig ertheilet, wo aber zur Beförderung der Rechtspflege und Abstellung der sich etwa einschleichen mögenden Mißbräuche eine Vorsehung nöthig wäre, deshalben Uns die geziemende Anzeige zur weiteren Maßgebung gemacht werden.

§. IV.

[1, 1, § 4] 51. Zu denen Gesetzen gehören auch die Befreiungen oder von Uns ertheilte Verfügungen und Verleihungen besonderer Gnaden und Freiheiten.

[1, 1, § 4] 52. Diese sind sonderheitliche, zu Gunsten gewisser Personen, Sachen oder Handlungen ergangene Verordnungen.

Sie wirken ein besonderes Recht für Jene, die anmit begünstiget werden, enthalten aber zugleich einen allgemeinen Verbot, daß Niemand dawider handlen, noch den Genuß der verliehenen Freiheit behinderen solle.

[1, 1, § 4] 53. Die Befreiungen werden entweder Personen in Ansehung ihrer Verdiensten, Eigenschaften oder aus sonstiger Ursache, oder auch aus Unserer sonderbaren Gnad und Begünstigung, oder aber gewissen Orten, Gründen oder anderen Sachen und Handlungen verliehen.

(1-46) [1, 1, § 4] 54. Hierdurch unterscheiden sich dieselben in persönliche und sächliche Befreiungen.

Wiewohlen aber einige von beiderlei Art etwas an sich zu haben scheinen, so werden selbe dennoch einer oder der anderen Gattung beigezählet, welcher sie ihrer Natur nach zunächst beikommen.

[1, 1, § 4] 55. Also sind unter die persönlichen Befreiungen jene zu zählen, welche einer gewissen Anzahl der Personen oder ganzen Gemeinden und Mitteln zum Genuß eines jedweden Mitglieds ertheilet werden, obschon es sich um den Genuß einer Sache handlet.

[1, 1, § 4] 56. Wann hingegen einer Gemeinde oder Mittel zum gesammten Genuß oder auch gewissen Aemtern, Würden, Künsten und Gewerben Begnadigungen und Freiheiten verliehen werden, so sind es sächliche Befreiungen, weilen dabei die Absicht mehr auf die Sache als auf die Personen gerichtet ist, wenngleich diese in Ansehung des bekleidenden Amts und Würde, oder der übenden Kunst und treibenden Gewerbs und Genuß davon haben.

[1, 1, § 4] 57. Von dieser Art sind auch jene Befreiungen, welche gewissen Handlungen und Geschäften oder einer besonders begünstigten Gattung Personen, als Minderjährigen, Weibsleuten, Soldaten und Anderen zu Abwendung des sich sonst zuziehenden Nachtheils oder zu sonstiger Entstehung von dem allgemeinen Recht in Unseren Gesetzen gegeben werden und in dem Inhalte dieses Unseren Gesetzbuchs an gehörigen Orten begriffen sind.

[1, 1, § 4] 58. Die persönlichen Befreiungen erstrecken sich nicht über die in der Verleihungsurkunde benannten Personen. Die sächlichen aber kommen auch einem jedweden Besitzer der Sache, wie nicht weniger denen Nachfolgern in Gemeinden, Aemtern und Würden, dann auch denen Erben und Bürgen zu Statten, wie es an seinem Ort bei derlei in diesem Unseren Gesetzbuch besonders abgehandelten Befreiungen mit mehreren erkläret wird.

[1, 1, § 4] 59. Alle von Uns oder Unseren Vorfahren ertheilte sowohl persönliche als sächliche Befreiungen und Begnadigungen enthalten allemal die in einer jedweden

(1-47) Verleihung stillschweigend begriffene Bedingniß in sich, wann sich die Sache angebrachtermaßen verhält.

[1, 1, § 4] 60. Wann dahero hervorkäme, daß eine Befreiung, es seie in Gnaden oder Gerechtigkeitssachen, mit unwahrhaften Anbringen, Verschweigen der Wahrheit oder sonstiger Arglist von Uns etwann erschlichen worden, so solle ein solcher Fall Uns jedesmal zur anderweiten Entschließung angezeiget werden.

[1, 1, § 4] 61. Die Befreiungen erlöschen auf mehrerlei Art:

Zeitliche Befreiungen, welche entweder einzlen Personen oder auf eine bestimmte Zeit oder unter einer beigefügten Bedingniß oder auf Wohlgefallen oder wegen einer gewissen Eigenschaft verliehen worden, nehmen ihr Ende mit Absterben der befreiten Personen, mit Ausgang der benannten Zeit, mit Ermanglung der beigesetzten Bedingniß, mit willkürlicher Widerrufung oder mit Abänderung der Eigenschaft, welche die Verleihung zum Endzweck gehabt.

[1, 1, § 4] 62. Jene Befreiungen hingegen, welche auf immer und allzeit gegeben worden, hören auf, wann die Gemeinde oder das Mittel, welches die Befreiung erworben, gänzlich aufgelöset, oder das Amt oder Würde, welcher die Befreiung anklebet, nicht mehr ersetzet wird, oder die Sache, mit der die Befreiung verknüpfet ist, völlig zu Grund gehet, ohne daß zu deren Wiederherstellung eine Hoffnung übrig seie.

[1, 1, § 4] 63. Zuweilen wird die Wirkung einer Befreiung oder Begünstigung durch eine andere gehemmet, wann nämlich zwei gleich begünstigte Personen dergestalten zusammentreffen, daß beide zugleich den Genuß der Befreiung nicht haben können.

[1, 1, § 4] 64. In solchem Fall gebühret Demjenigen, welcher bei Entgehung des Genusses an seinem Gut einen wesentlichen Schaden erleiden würde, der Vorzug vor dem Anderen, deme der Genuß der Befreiung lediglich einen Gewinn brächte.

[1, 1, § 4] 65. Wann es aber beiden Theilen um Abwendung des Schadens oder auch beiden um bloßen Gewinn zu thun wäre, so ist von denen in diesem Unseren Gesetzbuch enthaltenen Begünstigungen jene überwiegender, welcher in Zusammentreffung mit anderen vor diesen der Vorzug seines Orts namentlich zugestanden wird.

[1, 1, § 4] 66. Bei allen anderen Begünstigungen und Verleihungen hingegen, welche von gleichen Kräften sind, ist allemal die ältere der jüngeren oder späteren vorzuziehen, wann die erstere durch diese nicht ausdrücklich aufgehoben wird.

[1, 1, § 4] 67. Es können auch die Befreiungen durch freiwillige Verzicht und Begebung, durch Nichtgebrauch oder widrigen Gebrauch und Mißbrauch und durch

(1-48) deren nach Erforderniß der Umständen nöthig befundene Aufhebung in seiner Maß verloren gehen.

[1, 1, § 4] 68. Die freiwillige Verzicht und Begebung wirket nur damals den Verlust der Befreiung, wann die Begebung nicht zum Nachtheil einer gesammten Gemeinde oder eines Mehreren gemeinsamen Standes und Würde, oder auch eines Dritten gereichet, und wann die Befreiung nicht also beschaffen ist, daß sie vielmehr zu gemeinen Besten, als zu Gunsten der befreiten Person verliehen seie.

[1, 1, § 4] 69. Der Nichtgebrauch einer Befreiung, welche nicht in einer bloßen willkürlichen, Niemandem nachtheiligen Ausübung bestehet, zieht deren Verlustigung ganz oder zum Theil nach sich, insoweit sich derselben nicht gebrauchet wird, jedoch mit folgenden Unterschied:

[1, 1, § 4] 70. Soferne die Befreiung in einer insgemein oder Jemandem insonderheit beschwerlichen Befugniß etwas zu thun oder zu fordern bestehe, so wird dieselbe bei Unterlassung des Gebrauchs, wo solcher thunlich gewesen, durch die im zweiten Theil, im neunten Capitel, von Verjährungen zur Verschreibung der Gerechtsamen vorgeschriebene Verjährungszeit verloren.

[1, 1, § 4] 71. Falls aber die Befreiung in Enthebung von einer Beschwerde und somit in der Befugniß etwas nicht zu thun besteht, so wird solche durch dreimalige freiwillige und ohne weiteren Vorbehalt wissentlich geschehene Unterziehung verloren, ohne daß es einer Verjährung bedürfe.

[1, 1, § 4] 72. Doch ist in allen Fällen, wo sich entweder durch ausdrückliche Verzicht oder stillschweigend durch Nichtgebrauch der Befreiung begeben wird, erforderlich, daß in der Gewalt des Befreiten gestanden, sich der ihme verliehenen Freiheit zu begeben.

[1, 1, § 4] 73. Welche aber diese Macht nicht haben, als Minderjährige und andere pflegbefohlene Personen, diesen kann auch aus einer solchen Verzicht oder aus dem Nichtgebrauch kein Nachtheil erwachsen.

[1, 1, § 4] 74. Uebrigens stehet es bei Uns, die Befreiungen des widrigen Gebrauchs oder Mißbrauchs halber oder da selbe bei veränderten Umständen unbillig, Anderen unerträglich oder gemeinschädlich zu werden beginneten und dieses behörig an Uns gebracht würde, nach Befund anwiederum aufzuheben.


(1-49) [1, 1, § 4] 75. Zur Beibehaltung der rechtmäßig erworbenen Befreiungen trägt deren von Uns auswirkende Erneuerung und Bestätigung Vieles bei.

Die Ansuchung dieser Bestätigung ist entweder willkürlich oder nothwendig.

[1, 1, § 4] 76. Willkürlich ist dieselbe, wann Jemanden daran gelegen ist, damit die ihme angebührende Befreiung nicht in Vergessenheit gerathe, und er wider alle von Anderen besorgende Anfechtung oder Hinderniß in Ausübung seiner Freiheit durch die landesfürstliche Bestätigung desto gesicherter seie.

[1, 1, § 4] 77. Nothwendig aber wird sie, wann entweder in der Verleihung ausdrücklich vorgesehen ist, daß die Bestätigung von Zeit zu Zeit oder bei Veränderung deren Besitzeren solcher Sachen, Aemtern oder Würden, denen die Befreiung zukommt, angesuchet werden solle, oder wann bei jeweiliger Veränderung der Landesherrschaft für allgemein geboten wird, um die Erneuerung und Bestätigung aller verliehenen Gnaden und Freiheiten höchsten Orts einzukommen.

[1, 1, § 4] 78. Würde nun dieses in der anberaumten Zeit nicht befolget, sondern verabsäumet, so solle die Befreiung eben darum für erloschen und aufgehoben geachtet werden, wann solche in dem landesfürstlichen Gebot nicht namentlich von der Nothwendigkeit der anzusuchen habenden Bestätigung ausgenommen worden.

[1, 1, § 4] 79. Die Bestätigung aber gibt kein neues Recht, wann die Befreiung schon ehebevor erloschen ist, noch weniger bringt sie dem Recht eines Dritten einigen Nachtheil, sondern sie bestärket blos allein das schon habende Recht in derjenigen Maß, als es angebühret, ohne Beilegung einer mehreren Kraft, und gehet nicht weiter, als inwieweit der Befreite sich in dem Besitz und Uebung der Befreiung befindet, und diese weder Unseren noch jemands Anderen Rechten zuwider ist.

[1, 1, § 4] 80. Es wäre dann ein Mehreres aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit in der Bestätigung ausdrücklich enthalten, oder einer schon erloschenen Befreiung namentlich ihre vorige Kraft und Wirkung von Neuem beigeleget, und somit vielmehr eine neue Verleihung, als eine Bestätigung der alten ertheilet worden.

§. V.

[1, 1, § 5] 81. Jedermann ist an die ausdrückliche Worte Unserer Gesetzen in ihrem wahren und allgemein üblichen Verstand gebunden.

(1-50) Niemandem ist dahero gestattet, sich einer rechtskräftigen Ausdeutung Unserer Gesetzen anzumaßen, noch unter dem Vorwand eines Unterschieds zwischen den Worten und dem Sinne des Gesetzes solche auf einerlei Weise zu erweiteren oder einzuschränken.

[1, 1, § 5] 82. Wir verbieten auch allen Richteren, unter dem nichtigen Vorwand einer von der Schärfe der Rechten unterschiedenen Billigkeit von der klaren Vorschrift Unserer Gesetzen im Mindesten abzugehen.

(1-51) [1, 1, § 5] 83. Nicht weniger solle alle Ausdeutung und Erweiterung oder Einschränkung Unserer Gesetzen durch Gewohnheiten außer dem Fall, wo das Gesetz sich auf wohl hergebrachte Landesverfassungen, Gebräuche und Gewohnheiten ausdrücklich beziehet, je und allzeit verboten, unkräftig und nichtig sein, und vielmehr die Vorschützung solcher unstandhafter Gewohnheiten wider die klare und buchstäbliche Vorschrift der Gesetzen nach richterlichem Ermessen bestrafet werden.

[1, 1, § 5] 84. Woferne aber dem Richter ein Zweifel vorfiele, ob ein vorkommender Fall in dem Gesetz begriffen seie oder nicht, oder da ihme das Gesetz selbst dunkel schiene, oder ganz besondere und sehr erhebliche Bedenken der Beobachtung des Gesetzes entgegenstünden, so ist die maßgebige Erklärung des Gesetzes allemal bei Uns anzusuchen.

(1-52) [1, 1, § 5] 85. Damit wir jedoch nicht ohne Noth mit Belehrungen über den Verstand Unserer Gesetzen behelliget werden, so gestatten und wollen Wir gnädigst, daß, wann entweder ein bei Gericht anhängiger, in dem Gesetz nicht wörtlich ausgedrückter Fall in allen fürwaltenden Umständen und in der ganzen Beschaffenheit der Sache mit einem in dem Gesetz ausdrücklich entschiedenen Fall vollkommen übereinstimmte und somit die Bewandtniß beider Fällen einerlei wäre, oder Unsere höchste Willensmeinung aus der in dem Gesetz klar ausgedrückten Ursache, daß wir alle nicht buchstäblich berührte Fälle von der nämlichen Beschaffenheit gleichfalls unter dem Gesetz begriffen haben wollen, offenbar erhellete, der Richter sodann ohne fernerer Anfrage oder Anstand fürgehen möge und solle.

[1, 1, § 5] 86. Dann, wo einerlei der Sache Beschaffenheit ist, da muß auch einerlei Recht sein.

Außerdeme aber solle alle gekünstelte Ausdeutung Unserer Gesetzen besonders denen streitenden Theilen und ihren Rechtsfreunden ernstgemessen untersaget, und nicht von der mindesten Erheblichkeit sein, sondern vielmehr wo eine Verdrehung der Worten oder andere Arglist zu der Sachen Verwirrung und Umtrieb mit unterliefe, derlei Beginnen scharf bestrafet werden.

[1, 1, § 5] 87. Dem Richter hingegen ist nicht verwehret in jenen Fällen auf die natürliche Billigkeit nach vernünftigen Ermessen zu sehen, in welchen er durch Unsere Gesetze dahin angewiesen wird, die Umstände der Person, der Sache, des Orts, der Zeit, der Ursache, der Zuthat oder Weise, der Absicht und Meinung, der Gefährde oder Schuld nach der natürlichen Billigkeit zu beurtheilen.

[1, 1, § 5] 88. Derlei Fälle sind, wobei es auf die Erforschung menschlichen Willens in lebzeitigen oder letztwilligen Handlungen, auf die Abschätzung einiger Sachen, Vergütung zugefügter Schäden, verhinderter Nutzungen, Aufwands und Verbesserungen, Mäßigung der Unkosten, Auswerfung eines Unterhalts oder Belohnung, Milderung oder Verschärfung der Strafen und mehr dergleichen Vorfälle nach Erheischung der Umständen ankommt, von welchen an gehörigen Orten in dem ferneren Inhalt dieses Unseren Gesetzbuchs mit mehreren gehandelt wird.

[1, 1, § 5] 89. Gleichwie die Gesetze, also sind nicht weniger die Befreiungen und Verleihungen nach ihrem buchstäblichen Inhalt zu nehmen und nicht anderst zu verstehen.

Da sich aber über deren eigentlichen Sinn und Verstand erhebliche Anstände äußerten, so sollen Uns solche von Unseren nachgesetzten Stellen zur Entscheidung vorgetragen werden.

[1, 1, § 5] 90. Außer derlei erheblichen Anständen ist überhaupt für eine Richtschnur zu halten, daß keine Befreiung über den klaren Inhalt der Verleihungsurkunde zu erweiteren und auszudehnen, sondern auf das Genaueste auszudeuten seie.

[1, 1, § 5] 91. Hieraus folget, daß bei vorfallenden Zweifel die anderen zur Beschwerniß gereichende Befreiungen vielmehr für persönlich als sächlich, und mehr für zeitlich als immerwährend und beharrlich zu achten sind.

[1, 1, § 5] 92. Endlich sollen sie auch jeder Zeit also verstanden werden, damit von Unseren Gesetzen so wenig, als es mit einigmäßiger Wirkung der verliehenen

(1-53) Befreiung bestehen kann, abgegangen und da selbe zum Abbruch eines bereits von Anderen erworbenen Rechts gereichen, demselben zum wenigsten geschadet werde.

§. VI.

[1, 1, § 6] 93. Gleichwie das einzige Ziel und Ende aller Gesetze ist, damit einem Jeden das Seinige zugeeignet werde, also wird auch Alles, womit die Gesetze sich beschäftigen, unter dreierlei Gegenständen, welche jedoch alle auf den vorberührten alleinigen Endzweck gerichtet sind, begriffen.

Diese sind die Personen, denen das ihrige zu geben ist, die Sachen, welche jenen angebühren und endlich die Rechtsmitteln, wodurch den Personen zu den ihnen angebührenden Sachen verholfen wird.

[1, 1, § 6] 94. Was aber denen Personen gebühret, hierauf haben sie entweder aus einem ihrem Stand anklebenden persönlichen Vorrecht, oder aus dem Eigenthum, oder einem anderen die Sache selbst behaftenden dinglichen Recht, oder aus der Verbindung des Anderen einen Anspruch.

[1, 1, § 6] 95. Hiernach wird also gegenwärtiges Gesetzbuch in vier Haupttheile abgetheilet und in diesem ersten dem Recht der Personen, in dem zweiten von Sachen und dinglichen Rechten, in dem dritten von persönlichen Verbindungen und endlich in dem vierten von Ordnung des gerichtlichen Verfahrens gehandlet.

[1, 1, § 6] 96. Die Untertheilung der folgenden drei Theilen und die dabei beobachtete Ordnung der Abhandlung kommt in deren jedem angehörigen Ort besonders vor.

Hier erübriget nur die Ordnung dieses ersten Theiles von dem Recht der Personen voraus zu setzen.

[1, 1, § 6] 97. Alle persönlichen Vorrechte entspringen aus dem Stand der Menschen, welcher vornehmlich dreierlei ist, nämlich: der Stand der Freiheit, der bürgerliche Stand und der Hausstand.

Diese dreierlei Stände werden im zweiten Capitel erkläret.

[1, 1, § 6] 98. Der Hausstand bestehet erstens zwischen Mann und Weib, zweitens zwischen Verwandten, drittens zwischen Vater und Kindern, viertens zwischen Herrn und Dienstleuten. Es wird dahero in drittem Capitel von Ehebündnissen, in viertem von der Verwandtschaft und in fünftem von der väterlichen Gewalt gehandlet.

[1, 1, § 6] 99. Wie zumalen aber die väterliche Gewalt sich mit dem Tod des Vaters endiget, und jegleichwohlen der gemeine Wohlstand erforderet, daß jene, welche wegen unvogtbaren Alters oder anderen Gebrechen halber sich und ihrem Gut selbst nicht vorzustehen vermögen, nicht unbeschützt und unversorget gelassen werden, so folget das sechste Capitel von der Vormundschaft.

[1, 1, § 6] 100. Endlich wird dieser erste Theil in dem siebenten Capitel von Dienstleuten mit Erklärung der zwischen Herren und Dieneren wechselweise angebührenden Rechte und Schuldigkeiten beschlossen.

(1-54) Caput II.

Von dem Stand der Menschen.

Inhalt:

§. I. Von Verschiedenheit menschlicher Ständen. §. II. Von dem Stand der Freiheit. §. III. Von dem bürgerlichen Stand. §. IV. Von dem Hausstand.

§. I.

[1, 2, § 1] Num. 1. Der Stand des Menschen ist eine Eigenschaft, kraft welcher Jemand als ein Mitglied einer von den menschlichen Hauptgesellschaften betrachtet und all dieser Gesellschaft eigenen Rechten theilhaftig wird.

[1, 2, § 1] 2. Dieser menschlichen Hauptgesellschaften sind dreierlei Gattungen: Die erste unter allen freien Menschen, die zweite unter Gliedern eines Staates, die dritte unter Hausgenossen.

[1, 2, § 1] 3. Hiernach ist dann auch der dreifache Stand der Menschen unterschieden, nämlich der Stand der Freiheit, der gemeinsame bürgerliche Stand in einem Staat und Hausstand.

[1, 2, § 1] 4. Alle andere theils natürliche, theils beigelegte oder erwählte Eigenschaften, womit die Menschen verschiedentlich begabet sind, obschon sie in Ansehung solcher Eigenschaften nach der Verfassung des Staats besondere Vorrechte zu genießen haben, machen jegleichwohlen in dem Stand der Menschen keinen Unterschied überhaupt, sondern, wann eine solche Eigenschaft aufhöret, verlieren sie zwar die derselben anklebende Vorrechte, bleiben aber jedoch Mitglieder vorbemelter menschlicher Hauptgesellschaften.

(1-55) §. II.

[1, 2, § 2] 5. Des Standes der Freiheit sind alle Menschen von der Natur selbst theilhaftig.

Die Freiheit ist dahero eine natürliche Befugniß zu thun, was Jedem beliebet, er werde dann durch Gewalt oder Recht davon abgehalten.

[1, 2, § 2] 6. Es wird jedoch die Freiheit weder durch die Gewalt, noch durch das Recht benommen, sondern durch die Gewalt nur deren Ausübung verhinderet und die Gesetze steueren dem Mißbrauch der Freiheit, welche sie in den Schranken der Billigkeit und Ehrbarkeit erhalten.

[1, 2, § 2] 7. Dem Stand der Freiheit ware ehedessen die knechtliche Dienstbarkeit entgegen gesetzet, deren vormalige Strenge aber unter Christen vorlängst aufgehoben ist.

[1, 2, § 2] 8. Nur gegen die im Krieg gefangene Ungläubige wird solche aus dem Wiedergeltungsrecht noch in gewisser Maß ausgeübt; dann sie gelangen in das

(1-56) Eigen des Ueberwinders, sind gleich anderen Sachen handelbar, werden zum Dienst und Arbeit angehalten, erwerben ihren Herren und hangen in Allem von deren Willen ab.

[1, 2, § 2] 9. Doch erstrecket sich die Willkür ihrer Herren nicht auf Leib und Leben, noch auf etwas Anderes, was dem natürlichen Recht, denen Geboten Gottes oder Unseren Gesetzen und Verordnungen zuwider ist.

[1, 2, § 2] 10. Dahingegen verlieren Unsere von den Ungläubigen gefangene Unterthanen den Stand der Freiheit nicht; vielmehr sollen ihnen alle ihre Güter und Gerechtigkeiten, welche ihnen schon angefallen sind, oder währender ihrer Gefangenschaft weiters anfallen, bis zu ihrer wann immer erfolgender Rückkehr unversehrt erhalten werden.

[1, 2, § 2] 11. Wo sie aber hieran durch Verjährung oder in andere Wege verkürzet worden wären, haben sich dieselben in Herstellung in vorigen Stand, wann sie nicht sonst aus anderen Ursachen dieser Wohlthat unwürdig sind, zu erfreuen.

[1, 2, § 2] 12. Wie sie dann auch währender Gefangenschaft mit ihrem Hab und Gut nach eigenem Gefallen schalten und walten können, wann nur ihr eigentlicher freier und ungezwungener Willen genugsam erweislich ist.

[1, 2, § 2] 13. Von der knechtlichen Dienstbarkeit ist die in Unseren deutschen Erblanden

(1-57)verschiedentlich eingeführte Unterthänigkeit ganz und gar unterschieden, kraft welcher der Stand der Freiheit nur einigermaßen beschränket wird.

(1-58) [1, 2, § 2] 14. Diese Beschränkung ist größer oder minder nach dem Unterschied der

(1-59) mannigfältigen Schuldigkeiten, worzu die Unterthanen ihren Herrschaften in Ansehen der Person oder der Gründen halber verbunden sind.

(1-60) [1, 2, § 2] 15. Bei diesen wohlhergebrachten Schuldigkeiten der Unterthanen lassen Wir

(1-61) es dann auch für das Künftige nach einer jeden Landesverfassung und nach Maßgebung

(1-62) der in jedwedem Land bestehenden, von Uns und Unseren Vorfahren hierwegen gemachten besonderen Anordnungen gnädigst bewenden.

(1-63) [1, 2, § 2] 16. Wir wollen Uns aber anbei vorbehalten haben, da, wo die Nothdurft

(1-64) eine anderweite Vorsehung zu treffen erheischet, derlei Schuldigkeiten durch

(1-65) besondere Verordnungen für ein jedwedes Land insonderheit Ziel und Maß zu setzen.

(1-66)

(1-67) §. III.

[1, 2, § 3] 17. Der bürgerliche Stand in einem Staat ist Allen eigen, welche in demselben Staat unter einer höchsten Gewalt vereiniget leben, und in dieser weiten Bedeutung kommt solcher allen Unseren Unterthanen zu.

(1-68) [1, 2, § 3] 18. Dahingegen werden Fremde und alle Andere von der bürgerlichen Gesellschaft in jenem Staat ausgeschlossen, in welchem sie weder von Mitgliederen geboren, noch zu Mitgliederen nach jeden Landes Gewohnheit aufgenommen worden.

[1, 2, § 3] 19. In engerem Verstand aber werden nur Diejenige Burger genennet, welche in Städten oder Märkten die Gemeinde ausmachen, darinnen mit einander heben (!) und legen und zu gemeinem Mitleiden das Ihrige beitragen.

[1, 2, § 3] 20. Und in diesem Stand werden die bloße Einwohnere und überhaupt alle von dem Stadtburgerstand ausgeschlossen, welche das Burgerrecht allda weder behörig erworben, noch dessen durch besondere Landesverfassung oder Freiheiten zu genießen haben.

[1, 2, § 3] 21. In Ansehung Unserer Erbländer sind alle Diejenige für Fremde zu achten, welche einer auswärtigen Botmäßigkeit unterworfen sind; Unsere Unterthanen aber sind zu einem, oder dem anderem unserer Erbländer gehörig.

[1, 2, § 3] 22. Die zu einem Unserer Deutschen Erblanden insonderheit gehörige Unterthanen sind entweder Personen höheren Standes und Landleute, die in demselben Land die Landmannschaft unter den höheren Ständen ordentlich erworben, oder von Ankunft auf sich haben und kraft solcher aller landschaftlichen Rechten in diesem Erbland fähig sind.

[1, 2, § 3] 23. Oder sie sind Burger in Städten und Märkten, welche daselbst das Burgerrecht ordentlich erworben, oder da sie von dasigen Burgern geboren sind, diese Eigenschaft nicht geänderet haben.

[1, 2, § 3] 24. Oder sie sind, entweder ansässige, oder auch nur bloße Landeseinwohnere, welche theils der Landes- oder Stadtfähigkeit nach jeder Landesverfassung oder kraft beseonderer Freiheiten theilhaftig sind, theils aber sich des besonderen Landesschutzes als Inländer zu erfreuen haben.

[1, 2, § 3] 25. Da im Gegentheil Fremde bei Durchreisen oder sonstigen Aufenthalt in diesen Unseren Erblanden nur für dieselbe Zeit, als sie sich darinnen befinden, den gemeinsamen Landesschutz genießen, nicht aber für Inländer angesehen werden können.

[1, 2, § 3] 26. Wer übrigens für einen Inländer zu achten seie, wie die Landmannschaft, oder das Stadtburgerrecht erworben oder wieder verloren werde, und was für Vorzüge, Rechten und Freiheiten so dem einem, wie der anderen ankleben, ist nach einer jeden Landesverfassung aus Unseren allda bestehenden anderweiten Verordnungen zu entnehmen.

[1, 2, § 3] 27. Fremde sind in keinem dieser Unserer Erblanden durch Handlungen zwischen Lebenden auf einigerlei Weise ohne vorher erworbener Landesfähigkeit oder

(1-69) Unserer besonderer Erlaubniß Vesten, Schlösser, Städte und andere landwirthschaftliche Güter, Gülten, Herrlichkeiten und dergleichen an sich zu bringen, noch auch sonst an solchen Gütern haftende dingliche Rechten zu erwerben fähig.


(1-70) [1, 2, § 3] 28. Wovon nur allein das von ihnen an liegenden Gütern erlangen mögende Recht des Unterpfands in jenen Landen, wo nach der bisherigen Verfassung es hierzu Unserer besonderen Vergünstigung nicht bedarf, ausgenommen ist, doch nicht weiter, als bloß allein zur Sicherheit ihrer rechtmäßigen Forderungen und zur Gewinnung des Vorzugs vor späteren Gläubigeren, keineswegs aber um andurch den Besitz, noch minder das Eigenthum eines solchen zum Unterpfand verschriebenen liegenden Guts zu erwerben.

[1, 2, § 3] 29. Alle andere dahin abzielende Handlungen hingen sind ungiltig und null und nichtig, und da Jemand dergleichen Güter oder Rechten an einen Fremden verkaufete, vertauschete, oder wie sonst immer übertragen, oder auch nur pfand- oder bestandweise in Besitz übergeben hätte, so sollte, falls ein solches Beginnen zu Unseren und des Landes Nachtheil gereichete, nicht allein das abgetretene Gut, oder Recht, sondern auch das dafür bezahlte oder bedungene Kaufgeld, oder was sonst dafür gegeben, oder bedungen worden, soviel davon im Lande zu erholen ist, wie nicht weniger der Pfandschilling oder Bestandzins Unserer Kammer verfallen sein.

[1, 2, § 3] 30. Wäre es aber Uns und dem Lande unnachtheilig, so solle nichtsdestoweniger dergleichen Veräußerung keinen Fortgang haben, sondern der Fremde, wann er schon zu dem natürlichen Besitz gelanget wäre, von dem Gut zu weichen angehalten, der übertragende Inländer hingegen wegen solcher unbefugten Uebergabe mit einer willkürlichen Strafe belegt werden.

[1, 2, § 3] 31. Jedoch hat in diesem letzteren Fall der Fremde Fug und Macht, sein etwann erlegtes Kaufgeld, oder was er sonst dafür gegeben hat, anwiederum zurückzufordern, obschon ihme wegen Vollziehung des Kaufs oder anderer auf die Erwerbung des Guts abgesehenen Bedingnissen kein rechtlicher Beistand zu leisten ist.

[1, 2, § 3] 32. Unsere Unterthanen hingegen, welchen außer dem Mangel der Landmannschaft sonst nichts Anderes nach der Länderverfassung im Wege stehet, können zwar in diesen Erblanden auch ohne vorher in dem betreffenden Erbland erworbenen Landesfähigkeit landwirthschaftliche Güter, Gülten und Rechten durch Handlungen unter Lebenden an sich bringen und sind nicht allein die abschließenden Handlungen giltig, sondern sie auch des natürlichen Besitzes fähig.

Umsomehr können sie auch bei allen Landtafeln, Stadt- und Grundbüchern das Recht des Unterpfands an liegenden Gütern ohne darzu nöthig habender

(1-71) besonderer Vergünstigung, jedoch nur bloß zur Sicherheit und Gewinnung des Vorzugs erwerben.

[1, 2, § 3] 33. Sie erlangen aber weder das Eigenthum, noch den rechtlichen Besitz mittelst wirklicher Einverleibung oder Eintragung des an sich gebrachten Guts oder Rechts in die Landtafel, insolange sie nicht die Landesfähigkeit durch Erwerbung der Landmannschaft, oder, wo es nach der Landesverfassung üblich ist, eine besondere Besitzfreiheit von Uns erwirket haben.

[1, 2, § 3] 34. Worzu Wir denenselben eine Frist von sechs Monaten von Zeit der geschlossenen Handlung gnädigst eingestehen, also zwar, daß sie binnen dieser Zeit weder in dem natürlichen Besitz gestöret, noch von jemanden Landesfähigen das Einstandrecht angemeldet werden könne.

[1, 2, § 3] 35. Wann sie aber diese Zeit verstreichen ließen, ohne die Landesfähigkeit auf eine oder die andere Art erworben zu haben, so sind sie verbunden längstens in denen nächstfolgenden sechs Monaten das Gut an einen Anderen zu übertragen, binnen welchen jedoch in Kauffällen, ehe und bevor das Gut von dem Inhaber weiter veräußert worden, einem jedweden daselbstigen Landmann, der sich zuerst meldet und zahlungsfähig ist, das Einstandrecht gegen Entrichtung des bedungenen oder schon bezahlten Kaufgelds und gegen Ersatz dessen, was in der Zwischenzeit erweislich hinein verwendet worden, gebühren solle.

[1, 2, § 3] 36. Dieses Einstandrecht hat so lang statt, als von dem Inhaber des Guts auch binnen solchen anderen sechs Monaten die Landesfähigkeit nicht erworben wird.

Fände sich hingegen zwischen diesen anderen sechs Monaten von dortigen Landleuten Niemand, welcher sich des gesetzmäßigen Einstandrechts gebrauchen wollte, und der Unfähige hätte die Landesfähigkeit weder bis dahin erworben, so solle alsdann das Gut ohne weiteres gerichtlich feilgeboten und mittelst gewöhnlicher Versteigerung an den Meistbietenden käuflich überlassen werden, ohne daß dabei das Einstandrecht nach tiefer Zeit ferners Platz habe.

[1, 2, § 3] 37. Diesemnach ist auch das von dem Inhaber bedungene oder bezahlte Kaufgeld nicht mehr zu sehen, sondern ihme, oder weme sonst ein Recht hierzu gebühret, so viel auszufolgen, als für das Gut durch die Versteigerung an Kaufschilling gelöset worden.

[1, 2, § 3] 38. Bei derlei gerichtlichen Versteigerungen ist ein Kauflustiger nicht eben darum auszuschließen, daß er die Landesfähigkeit noch nicht erworben habe, sondern, wo derselbe Unser Unterthan wäre, und ihme sonst nach der Landesverfassung nichts im Wege stünde, gegen der Verbindlichkeit der in der obausgemessenen Zeit zu erwerben habenden Landesfähigkeit allerdings zuzulassen.

[1, 2, § 3] 39. Einem Fremden aber, wann für Uns und das Land von ihme kein Nachtheil zu befahren ist, solle nicht anderst, als gegen Bestimmung einer hinlänglichen Zeit, binnen welcher er sich zum Lande fähig zu machen habe, und gegen Bedingung eines genüglich zu versicheren habenden Strafgelds, welches auf dem Fall der Nichtbefolgung unnachsichtlich verwirket sein solle, die Mitanbietung gestattet werden.

[1, 2, § 3] 40. So viel es die Erbanfälle anbelanget, genießen die Fremden, welche einer auswärtigen Botmäßigkeit unterworfen sind, des Rechts der Erwiederung

(1-72) in aller Art der Erbfolge, insoweit es kundbar ist, oder von ihnen dargethan wird, daß Unsere Unterthanen desjenigen Landes, worinnen ihnen die Erbschaft zugefallen, in ihrem Vaterland zu Erbschaften zugelassen werden.

[1, 2, § 3] 41. Wo aber die erwiederliche Erbfolge Unserer Unterthanen in ihrem Lande nicht erweislich, oder gegentheils deren Ausschließung von dortländigen Erbschaften kundbar ist, gegen solche Ausländer ist das Recht der Wiedergeltung in gleicher Maß zu beobachten.

[1, 2, § 3] 42. Wann jedoch Fremde in dem ersten Fall aus dem Recht der Erwiederung zu hierländigen Erbschaften oder Vermächtnissen gelangen, die an liegenden Gütern, oder darauf haftenden dinglichen Rechten bestehen, sind sie schuldig die Landmannschaft oder Besitzfreiheit (woferne sie sonst durch die Landesverfassung von dem Besitz derlei Güter und Rechten nicht ausgeschlossen sind) in dem Erbland, wo solche Güter gelegen, zu erwerben, oder ihr Recht zu derlei Erbstücken längstens binnen einem Jahr von Zeit des ihnen kundgemachten Erbanfalls an jemanden Landesfähigen zu übertragen.

[1, 2, § 3] 43. Da aber von ihnen keines von beiden befolget werden wollte oder könnte, solle nach Verlauf dieses Jahres zur Veräußerung dieser Güter und Rechten mittelst gerichtlicher Feilbietung und Versteigerung geschritten und ihnen das Kaufgeld, wann sie ihr Erbrecht rechtsgenüglich ausgewiesen und sonst nichts im Wege steht, ausgefolget, oder bei etwann noch fürwaltenden Anstand die von dem Käufer abgeführte baarschaft bis zu dessen Behebung in Gerichtshanden aufbehalten werden.

[1, 2, § 3] 44. In dem zweiten Fall hingegen sind Fremde, welche durch das Recht der Wiedergeltung von hierländigen Erbschaften ausgeschlossen werden, für erbunfähig anzusehen und die Erbschaft, sie möge an liegenden Gütern oder an dinglichen Rechten oder an was sonst immer bestehen, fallt denen miteingesetzten oder

(1-73) nachberufenen Erben, oder denen nächsten Blutsfreunden (wann so eine als die anderen erbsfähig sind) bis auf den zehenten Grad, in deren Abgang aber Unserer Kammer zu.

Vermächtnissen aber, welche einem solchem erbsunfähigen Fremden verschaffet worden, bleiben dem Erben oder weme sie sonst von Rechtswegen gebühren.

[1, 2, § 3] 45. Unsere Unterthanen sind in allen Unseren deutschen Erblanden ohne Unterschied erbfähig. Wann jedoch Landgüter oder hierauf haftende dingliche Rechte durch Erbschaft oder Vermächtniß an sie gelangten, haben sie in jenem Land, wo sich der Erbanfall ergibt, die Landesfähigkeit oder die Besitzfreiheit, wo solche hergebracht ist, binnen einer Jahresfrist von Zeit des ihnen kundgemachten Erbanfalls zu erwerben, oder ihr Recht an einen daselbstigen Landesfähigen zu übertragen.

[1, 2, § 3] 46. Widrigens solle nach Verlauf dieses Jahres mit gerichtlicher Feilbietung und Versteigerung obangeordneter Massen verfahren, ihnen aber, wann sonst kein Anstand fürwaltet, der erlösende Kaufschilling nach Abzug der Unkosten ausgefolget, übrigens aber auch bei allen sowohl aus Unseren Erblanden, als aus einem Erbland in das andere hinausziehenden Erbschaften allemal auf das nach Verschiedenheit der Fällen durch Unsere anderweite Verordnungen ausgemessene Abfahrtgeld, da wo solches zu entrichten ist, der Bedacht genommen werden.

[1, 2, § 3] 47. Alles, was bishero von Landgütern und darauf haftenden dinglichen Rechten geordnet worden, ist seiner Maßen auch von bürgerlichen Gründen und denenselben anklebenden Rechten (mit alleiniger Ausnahm des Unterpfandrechts) sowohl in Ansehung der einer fremden Botmäßigkeit unterworfenen Ausländer als Unserer Unterthanen zu beobachten.

[1, 2, § 3] 48. Andere unbewegliche Güter, zu deren Besitz die Eigenschaft eines Landmanns oder Burgers nicht erforderlich ist, sind Fremde sowohl durch Handlungen unter Lebenden, als durch Erbfolge an sich zu bringen nicht unfähig, wann sie sonst nach der Länderverfassung oder insonderheit von der Erbfolge durch das Wiedergeltungsrecht nicht ausgeschlossen sind, und anbei von der behörigen Grundobrigkeit zu Inhaberen derlei Gründen angenommen werden.

[1, 2, § 3] 49. Woferne sie aber von der betreffenden Grundobrigkeit nicht angenommen

(1-74) würden, haben die zwischen Lebenden solcher Gründen halber geschlossenen Handlungen ohnehin keinen Fortgang, sondern die Obrigkeit hat in diesem Fall mit derlei Gründen nach dem ihr vermöge eines jeden Landes Verfassung gebührenden Recht zu verfahren.

[1, 2, § 3] 50. In Erbfällen hingegen, wo Fremde aus dem Erwiederungsrecht zu Erbschaften zugelassen werden, haben sich dieselben denen Grundrechten gemäß zu verhalten, widrigens aber ist die Grundobrigkeit berechtiget, zu der Feilbietung des Grundes mittelst der gewöhnlichen Versteigerung auf gleiche Weise, wie es bereits oben erwähnet worden, fürzuschreiten.

[1, 2, § 3] 51. Bewegliche Sachen, Geld oder persönliche Sprüche und Forderungen können Fremde an sich bringen, insoweit ihnen das Wiedergeltungsrecht nicht im Wege stehet, oder mit ihnen als Fremden die Gemeinschaft nicht untersaget ist.

(1-75) [1, 2, § 3] 52. Obschon aber Fremde in Schuldsachen und allen anderen rechtlichen Ansprüchen außer der Besitzfähigkeit zu liegenden Gütern und außer dem Fall der Wiedergeltung gleiches Recht mit Unseren Unterthanen zu genießen haben, so können dieselben doch auch durch diesen Weg zu dem Besitz landschaftlicher oder bürgerlicher Güter nicht gelangen, sondern sie müssen das an solchen Gütern erworbene Recht des Unterpfands, bevor es zur gerichtlichen oder außergerichtlichen Besitzeinraumung kommt, ab einen anderen Fähigen übertragen, oder das Gut muß gerichtlich feilgeboten und der Fremde aus dem erlösenden Kaufschilling befriediget werden.

[1, 2, § 3] 53. Die Landmannschaft sowohl als das Burgerrecht muß ordentlich nach eben des Landes Verfassung erworben und kann durch Ehelichung landes- oder stadtfähiger Weibspersonen auf keinerlei Art erschlichen werden.

[1, 2, § 3] 54. So viel es aber die von dergleichen Weibspersonen an ihre landes- oder stadtunfähige Ehemänner, oder mit diesen erzeugte Kinder lebzeitig oder letztwillig geschehende Uebertragungen und an diese nach jenen sich ergebende Erbanfälle anbetrifft, diesfalls solle es bei Unseren in die Verfassung eines jeden Landes einschlagenden Gesetzen und Verordnungen sein ohnverändertes Verbleiben haben.

[1, 2, § 3] 55. Wann Jemandem der bürgerliche Stand in einem Staat oder in einem Ort, nämlich die Eigenschaft eines Landmanns, städtischen Mitburgers, befreiten oder nicht befreiten Landeseinwohners angestritten wird, so ist anförderist über den Besitz dieser Eigenschaft schleunig zu erkennen, und nach Maßgab diesfälliger Erkanntniß die Vorsehung zu treffen, damit Jemand in den Genuß der bürgerlichen Rechten gehandhabet oder davon ausgeschlossen werde.

[1, 2, § 3] 56. Weme aber der Besitz abgesprochen worden, demselben ist nicht verwehret sein darzu habendes Recht in ordentlichen Weg Rechtens auszuführen und seine dortländige Abkunft von Landleuten, Burgeren oder sonstigen Landeseinwohneren, oder die rechtmäßige Erwerbung der Landes- oder Stadtfähigkeit, oder ihm zukommende besondere Freiheit, oder die häusliche Niederlassung, oder langjährigen Aufenthalt und was sonsten nach Unseren gemeinwesigen Verordnungen zu der behaupten wollenden Eigenschaft eines Landeseinwohners erforderlich ist, rechtsbeständig zu erweisen.

[1, 2, § 3] 57. Wann hingegen Jemand in dem Besitz erhalten worden, einem Anderen aber entweder von tragenden Amts wegen oblieget, oder aus seinem erworbenen Recht wesentlich daran gelegen ist, damit jener sich der bürgerlichen Eigenschaft in dem Staat oder in einem Orte nicht gebrauche, solchen Falls hat Kläger durch förmliche Rechtsverfahrung darzuthun, daß Beklagter derlei Eigenschaft

(1-76) niemalen behörig erworben, oder sich der erworbenen begeben, oder solche nach Ausmessung Unserer Verordnungen verwirket habe.

[1, 2, § 3] 58. Allermaßen gleichwie in Erwerbung des bürgerlichen Standes in dem Staat oder in einem Ort sich nach eines jeden Landes Verfassung und Unseren daselbstigen besonderen Verordnungen zu achten ist, also hanget auch dessen Verlustigung von eben diesen Verfassungen und Verordnungen ab. Niemand aber solle zur Bestreitung einer von dem Anderen angebenden bürgerlichen Eigenschaft zugelassen werden, als deme es vorbesagter Maßen entweder von amtswegen zukommt oder sonst erweislich daran gelegen ist.

§. IV.

[1, 2, § 4] 59. Der Hausstand ist eine Eigenschaft, welche jenen Personen zukommt, die einer häuslichen Gesellschaft beigethan sind. Dieser begreift in seinem weiten

(1-77) Verstand alle Verwandten, die von einerlei Hause oder Geschlecht abstammen und andurch der besonderen Rechten des Geblüts theilhaftig werden, die nur jene, welche von der Verwandtschaft sind, zu genießen haben.

[1, 2, § 4] 60. In seiner genauen Bedeutung hingegen, beschränket sich derselbe allein auf jene Personen, die unter einem Hausvater in einer häuslichen Gesellschaft vereiniget leben, und in diesem Verstand ist der Hausvater das Haupt der häuslichen Gesellschaft, durch welchen alle, die von dieser Gesellschaft sind, den Hausstand erlangen, wofür ein jedweder anzusehen ist, der nicht unter väterlicher Gewalt stehet, obschon er keine eigene Hausverwaltung führet.

[1, 2, § 4] 61. Gleichwie aber die Vereinigung in eine häusliche Gesellschaft aus dreierlei Art geschieht, nämlich durch das Band der Ehe zwischen Mann und Weib, durch die Geburt zwischen Eltern und Kindern, durch ein Beding zwischen Herren und Dienstleuten, also gehören auch alle vorbenannten Personen zu dem Hausstand.

[1, 2, § 4] 62. Aus diesem dreifachen Band der häuslichen Gesellschaft, entspringen die besonderen Rechten und Verbindlichkeiten, welche sowohl dem Hausvater gegen seinen Untergebenen, als auch diesen zum Theil gegen ihme und zum Theil gegen einander gebühren.

[1, 2, § 4] 63. Hier wird nur von jenen Rechten und Verbindlichkeiten gehandelt, welche einerseits zwischen dem Hausvater und der Hausmutter als Eheleuten und andererseits zwischen Eltern und Kindern bestehen.

[1, 2, § 4] 64. Wohingegen die Rechten der Verwandtschaft in dem vierten und die Rechten zwischen Herren und Dienstleuten in dem siebenten Capitel besonders erkläret werden.

[1, 2, § 4] 65. Das Band, welches zwischen Mann und Weib besteht, insoweit es den Ehestand selbst unmittelbar betrifft, ist geistlichen, dahingegen sind alle desselben Wirkungen in zeitlichen der weltlichen Obrigkeit unterworfenen Dingen weltlichen Rechts.

[1, 2, § 4] 66. Diesemnach steht die Erkanntniß über die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Ehe und über die Schuldigkeit der ehelichen Beiwohnung, sowie über die Ehescheidung der geistlichen Gewalt allein zu. Alle Rechten, welche denen Eheleuten gegeneinander in zeitlichen Sachen gebühren, und deren ein Theil durch den anderen in der bürgerlichen Gesellschaft theilhaftig wird, gehören einzig und allein für die weltliche Obrigkeit.

[1, 2, § 4] 67. Diese Rechten bestehen an Seiten des Manns in einer Art der Gewalt über seine Ehegattin, welche jedoch nach der Vernunft, Anständigkeit und Billigkeit gemäßiget und an die göttliche, geistliche und weltliche Gesetze gebunden sein muß.

[1, 2, § 4] 68. Dahingegen ist er verbunden, sie seinem Stande gemäß zu ernähren und zu unterhalten, wie nicht minder dieselbe sowohl gerichtlich als außergerichtlich zu vertreten und zu beschützen.

[1, 2, § 4] 69. An Seiten des Weibs, daß die Ehegattin den Namen, und das Wappen ihres Manns führe, allen Ehren, Würden und dem Mann zustehenden

(1-78) Vorzügen theilhaftig werde und der Gerichtsbarkeit, welcher der Mann unterworfen ist, folge, dann nach dem Tod des Manns die wittibliche Vorrechte genieße.

[1, 2, § 4] 70. Dagegen ist ihre Schuldigkeit, dem Wohnsitz des Manns zu folgen und ihme in seinem Nahrungsstand und in der Haushaltung alle Hilfe zu leisten, folglich ihn in Besorgung des Hauswesens nach ihrem Stande, Kräften und Kündigkeit zu überheben.

[1, 2, § 4] 71. Beider aber gemeinsame Rechten und Schuldigkeiten sind die häusliche Beiwohnung, die unter einander gebührende Erbfolge und Heirathssprüche, welche aus denen Eheberednissen einem und dem anderen Theil zukommen.

[1, 2, § 4] 72. Allhier wird von der häuslichen Beiwohnung und der Schuldigkeit des Manns zur Unterhaltung seines Weibs gehandlet. Alle übrigen Rechten und Schuldigkeiten unter Eheleuten aber kommen allda besonders vor, wo die Gegenstände welche sie betreffen, als da sind die Ehebindnissen, die Erbfolge, die Gerichtsbarkeit und dergleichen erkläret werden.

[1, 2, § 4] 73. Vor allem muß sicher und genüglich dargethan sein, daß zwischen beiden Theilen eine rechtmäßige und giltige Ehe bestehe, worüber im Zweifelsfall die Erkanntniß dem geistlichen Gericht gebühret, das weltliche hingegen jenem die erforderliche Hilfe zu leisten hat.

[1, 2, § 4] 74. Wird die Ehe für ungiltig erkläret und die Trennung der einander widerrechtlich beiwohnenden Personen von dem geistlichen Gericht erkennet, so solle der weltliche Arm Unserer nachgesetzten Stellen auf Erforderen die hilfliche Hand bieten, damit die häusliche Beiwohnung allsogleich getrennet und in Zukunft alle verdächtige Gemeinschaft vermieden werde.

[1, 2, § 4] 75. Da aber die Ehe von dem geistlichen Gericht für giltig erkannt würde und die Eheleute hätten sich eigenmächtig von einander abgesonderet, so hat gleichermaßen das weltliche Gericht nöthigenfalls an Hand zu gehen, damit die eigenwillig getrennte Eheleute zu häuslichen Beiwohnung angehalten werden.

[1, 2, § 4] 76. In Zwietrachten, so anderer Ursachen halber zwischen Eheleuten

(1-79) entstehen, oder wann ein Theil sich von dem anderen eigenmächtig abgesonderet hätte oder absonderen wollte, sollen Unsere nachgesetzte Gerichte und Obrigkeiten zeitliche Vorsehung thun, und die zwistigen Eheleute allenfalls mit einer dem ungebührlichen Betragen angemessenen Ahndung zu vereinigen trachten, und zum friedlichen Leben anhalten.

[1, 2, § 4] 77. Wo aber der eine oder andere Theil auf die Ehescheidung berufen und die Scheidung von Tisch und Bett vom geistlichen Richter bewilliget würde, so kann auch der geschiedene Theil zur häuslichen Beiwohnung mit dem anderen von dem weltlichen Gericht keinerdings gezwungen werden, obschon ihme nicht verwehret ist, zur Aussöhnung getrennter Eheleuten alle gütliche Vermittlung anzuwenden.

[1, 2, § 4] 78. Wann die Ehe für ungiltig erkläret wird, höret die Verbindlichkeit zur Unterhaltung des vermeintlichen Eheweibs auf, und sind die beiderseitige Ansprüche des zugebrachten Vermögens halber, so etwann ein Theil dem anderen vorenthielte, oder wegen des Verlusts, welchen ein Theil oder der andere aus Anlaß der ungiltigen Ehe erleidet, lediglich bei denen weltlichen Gerichten auszuführen.

[1, 2, § 4] 79. Daferne aber die Ehe ungezweiflet giltig ist, und gleichwohlen aus zulänglich befundener Ursache die Ehescheidung von Tisch und Bett durch die geistliche Gehörde zugelassen würde, so solle auf die von derselben anerkannte Schuldtragung des einen des oder anderen Theils, ob nämlich der Mann das Weib forthin zu unterhalten verbunden oder von weiterer Abreichung des Unterhalts entledigt bleiben solle, gesehen und dieser Entscheidung in Anmessung des Unterhalts nachgegangen werden.

[1, 2, § 4] 80. Dahingegen gehöret die Bestimmung des eigentlichen Betrags des Unterhalts und dessen Zahlungsart, dann alles Uebrige, was sowohl wegen Erziehung und Unterhaltung der Kinder, als wegen der einem an dem anderen Theil gebührenden Sprüchen und Forderungen einer gerichtlichen Vorsehung bedarf, einzig und allein zu den weltlichen Gerichten.

[1, 2, § 4] 81. Hierüber solle anförderist nach Thunlichkeit gütliche Handlung gepflogen, da aber diese fruchtlos abliefe, außerordentlich im Weg des schleunigen Rechts verfahren, und was billig befunden wird, vorgekehret werden. Es handlete sich dann um solche Ansprüche, die außer dem ordentlichen Rechtsweg nicht zu entscheiden wären.

[1, 2, § 4] 82. Der mehr oder wenigere Betrag des Unterhalts ist mit Rücksicht auf den Stand und Würde des Manns nach denen Kräften seines Vermögens, nach Maß des zugebrachten Guts und anderweiter Mitteln des Weibs, bei unbemittelten Leuten aber nach dessen Besoldung, Verdienst, Gewerb, Nahrungsfähigkeit des Weibs und anderen zu erwägen billig findenden Umständen abzumessen.

[1, 2, § 4] 83. Vornehmlich solle dabei das Augenmerk dahin gerichtet werden, damit weder das Weib durch den allzugroßen Unterhalt in der Gemüthsentfernung gestärket, indessen aber der Mann an Mitteln erschöpfet, außer Nahrungsstand gesetzet, oder die geziemende Erziehung der Kinder behinderet, noch auch der Mann durch den allzugeringen Unterhalt abgehalten werde, der von Zeit zu Zeit zu versuchen habenden Vereinigung die Hand zu bieten.

(1-80) [1, 2, § 4] 84. Zum Unterhalt gehöret Alles, was zu Erhaltung des Lebens und Abwendung der Dürftigkeit nach Standesgebühr und nach Bewandtniß vorberührter Umständen erforderlich ist, nicht aber was zur Pracht und überflüssigen Gemächlichkeit dienet.

[1, 2, § 4] 85. Die Unterhaltungsschuldigkeit erstrecket sich auch auf die zu tragen habende standesgemäße Begräbnißkosten, wann nach dem Verstorbenen keine darzu hinreichende Mitteln nachgeblieben sind.

[1, 2, § 4] 86. Außer dem Fall der Ehescheidung kommt es zwar wegen Unterhaltung des Eheweibs nicht leicht zur gerichtlichen Erkanntniß. Wo aber jedoch begründete Ursach zur Beschwerde vorhanden wäre, so hat das weltliche Gericht wegen Beobachtung des schuldigen Wohlstands schleunige Vorsehung zu treffen und, da gütliche Besuche nichts verfingen, auch nöthigen Falls nach vorstehender Maßgabe die richterliche Hilfe zu ertheilen.

[1, 2, § 4] 87. Aus dem Band des Geblüts entspringen die Rechten zwischen Eltern und Kindern. Diese erwerben sowohl Vater als Mutter durch die eheliche Erzeugung wovon hier gehandlet wird. Jene Rechten aber, welche Unsere Gesetze dem Vater als Wirkungen der väterlichen Gewalt besonders zueignen, werden unten in fünftem Capitel von der väterlichen Gewalt eigends erkläret.

[1, 2, § 4] 88. Der Vater hat ein gewisses Beherrschungsrecht über seine Kinder, woraus deren Schuldigkeit zu gehorsamen, und die vollkommene Unterwerfung in den väterlichen Willen fließet, insoweit dessen Befehle nicht wider die gute Sitten und göttliche und menschliche Gebote laufen.

[1, 2, § 4] 89. Es steht ihme dahero zu, sie zu allem Guten zu leiten, Gehorsam und Ehrerbietung von ihnen zu fordern und die Widerspenstigen durch mäßige Züchtigung anzuhalten, worinnen ihm Niemand hinderlich zu fallen, noch weniger die Kinder seiner Gewalt zu entziehen oder zu verhehlen befugt ist.

[1, 2, § 4] 90. Widrigens kann der Vater solche von weme immer abforderen und gebühret ihme die Rechtsklage zu Darstellung seiner Kinder, worinnen schleunig zu verfahren und da die Kinder etwann gewaltthätig geraubet worden, wider den Entführer die Strafe der heimlich oder öffentlich ausgeführten Gewalt und auch nach Umständen die Strafe des Menschenraubs zu verhängen ist.

[1, 2, § 4] 91. Wo aber die Kindschaft entweder von einem Kind selbst oder von einem Dritten in Abrede gestellet würde, solle hierüber mit schleuniger Erkanntniß fürgegangen und dem Vater zu Behauptung seines behörig zu erweisen habenden Rechts außerordentliche Rechtshilfe ertheilet werden.

[1, 2, § 4] 92. Ferners ist der Vater berechtiget, seine Kinder sowohl gerichtlich als außergerichtlich zu schützen und zu vertreten, ihren Handlungen und Verbindungen so lange sie unter seiner Gewalt stehen, den Beistand zu geben oder zu versagen, für die ihnen angethane Unbild in Weg Rechtens Genugthuung zu suchen, ihr Hab und Gut zu verwalten und durch sie zu erwerben.

[1, 2, § 4] 93. Diesem Recht des Vaters können sich die Kinder auf keinerlei Weise

(1-81) entziehen noch etwas vornehmen, wodurch dem Vater geschadet oder dessen Ehre, Leumuth und guter Namen bekränket werde.

[1, 2, § 4] 94. Dahingegen lieget auch dem Vater ob, die Kinder als sein Blut zu lieben, sie für die seinigen zu erkennen, zu ernähren, zu allen Guten zu erziehen, zu einem dem Staat nützlichen Stand anzuführen und dieses, wie das Wohl, Ehre und Nutzen seines Hauses nach Möglichkeit zu beförderen.

[1, 2, § 4] 95. In diesem besteht solchemnach das hauptsächliche Recht der Kinder, damit sie nämlich von ihrem Vater dafür erkennet und von ihme geziemend ernähret werden, woraus alle übrige Rechten hergeleitet werden, welche denen Kindern gegen Vater und zu seinem Vermögen gebühren und unten bei der Abhandlung von der väterlichen Gewalt mit mehreren vorkommen.

[1, 2, § 4] 96. Das Recht der Kindschaft steht denen Kindern in gewisser Maß noch eher zu, als sie das Licht der Welt erblicken.

Dahero ist der Vater nicht nur die währender Ehe empfangene Kinder, falls die Mutter keines Ehebruchs überführet worden, für die seinigen zu erkennen, sondern auch, falls er vor ihrer Geburt versterben sollte, sowohl wegen Ernährung der Mutter zu Erhaltung der Frucht, als wegen der Erbfolge der nachgeborenen Kinder die nöthige Vorsehung zu treffen schuldig.

[1, 2, § 4] 97. Aus dem Recht der Kindschaft folget unmittelbar die Theilnehmung an allen Vorrechten des Hausstandes, folglich nicht allein an dem väterlichen Namen, Wappen und Anverwandtschaft, sondern auch an allen Ehren, Würden, Vorzügen und anderen Rechten des Vaters, die nicht auf dessen Person beschränket sind, wie

(1-82) nicht weniger an dem väterlichen Gut und der Erbfolge, insoweit der Vater nach Zulassung der Gesetzen darmit nicht anderst ordnet.

[1, 2, § 4] 98. Zu Behauptung dieses Rechts solle denen Kindern, falls etwann von dem Vater oder von jemandem Anderen die Kindschaft widersprochen würde, und sich die Frage ereignete, ob Jemand wirklich des angegebenen Vaters Kind seie, die außerordentliche und schleunige Rechtshilfe angedeihen.

[1, 2, § 4] 99. Und wiezumalen die Entscheidung dieser Frage einzig und allein von der ehelichen Geburt abhanget, so ist damals die rechtliche Vermuthung für die eheliche Geburt, wann das Kind wenigstens in dem siebenten Monat nach angetretener Ehe oder aber längstens im zehenten Monat von des Vaters Tod oder von seiner Abwesenheit zu rechnen geboren worden.

Dehero (!) Derjenige, welcher in solchen Fällen die eheliche Geburt strittig machen wollte, dagegen das Widerspiel zu erweisen hat.

[1, 2, § 4] 100. Wer aber vor Anfang des siebenten Monats nach Antritt der Ehe, oder nach dem zehenten Monat von des Vaters Tod oder Abwesenheit zu rechnen geboren worden, hat die Vermuthung wider sich, und liegt ihme die Beweisführung seiner rechtmäßigen Geburt ob, wobei so in einem als dem anderen Fall die genaueste Untersuchung und Bewährung aller Umständen nöthig ist, warum nach dem Befund der Naturkundigen die Geburt so frühezeitig oder so spät habe erfolgen können.

[1, 2, § 4] 101. Es hätte dann der Vater einen früher Gebornen für den seinigen erkennet, welche Erkanntniß zwar wider den Vater den vollen Beweis, wider Andere aber nur die rechtliche Vermuthung für die Rechtmäßigkeit des Kinds wirket, welche durch widrigen Beweis entkräftet werden kann. Ein Gleiches hat auch in jenem Fall statt, wann der Vater ein nach dem zehenten Monat von seiner Abwesenheit zu rechnen gebornes Kind nachhero für das seinige anerkennet.

[1, 2, § 4] 102. Ist die Kindschaft außer Anstand, so fließet hieraus die Schuldigkeit des Vaters sein Kind zu ernähren und zu unterhalten, welche sich auch auf die Unterhaltung Mutter erstrecket, so lange das Kind noch von ihr getragen wird, damit die Frucht erhalten werde.

[1, 2, § 4] 103. Sind die Kinder zur Welt gekommen, so ist der Vater zu allem demjenigen Aufwand verbunden, welcher zur weiteren Ernährung, Pflegung, Wartung und Erziehung der Kinder nöthig ist, bis sie sich selbst ernähren können, sie mögen mündig oder unmündig, in der väterlichen Gewalt oder außer derselben, gut oder übel gesittet sein und eine Versorgung bereits erhalten oder eigene Mitteln gehabt haben oder nicht, ohne Unterschied und Ausnahm, wann sie von anderwärts her sich nicht unterhalten können.

(1-83) [1, 2, § 4] 104. Dieses erstrecket sich auch auf die Kindskinder, wenn ihre Eltern unvermögend sind und sie sonst keine Mitteln haben, doch also, daß allemal die väterlichen Großeltern vor denen mütterlichen hierzu verbunden sind.

[1, 2, § 4] 105. Von dieser Schuldigkeit aber wird der Vater insoweit enthoben, als die Kinder ein eigenes Vermögen haben, und die davon abfallende Nutzungen, oder die Einkünften eines bekleidenden Amts und Bedienstung, oder einer treibenden Kunst oder Gewerbs, oder der sich durch eigenen Fleiß und Arbeit schaffende Verdienst zur standesmäßigen Ernährung hinreichend sind.

[1, 2, § 4] 106. Nicht weniger wird der Vater davon entbunden, wann die Mutter die Unterhaltung der Kinder ganz oder zum Theil über sich genommen, oder wann die Töchter mit oder ohne väterlichen Willen, mit oder ohne einem Heirathsgut ausgeheirathet worden, sie wäre dann arm und könnte weder von ihrem Mann, welchen ihre Ernährung zuerst oblieget, noch von dessen Eltern den benöthigten Unterhalt ihrer ebenmäßigen Armuth wegen überkommen.

[1, 2, § 4] 107. Um somehr ist ein Vater von Ernährung seiner Tochterkinder entledigt, immaßen diese Kinder von ihrem Vater, oder bei dessen Unvermögenheit von ihren väterlichen Großeltern ernähret werden müssen.

Wann jedoch weder ihr Vater, noch dessen Eltern selbe zu ernähren im Stande wären, so liegt erst alsdann dem mütterlichen Großvater ob, seiner Tochter Kindern nicht zwar nach seinem eigenem Stand und Würde, sondern nur nach Nothdurft den Unterhalt zu verschaffen.

[1, 2, § 4] 108. Endlich entbindet auch die Undankbarkeit der Kinder, wann sie also beschaffen ist, daß selbe nach Unseren Gesetzen zu deren Enterbung hinlänglich seie, den Vater von der Schuldigkeit ihrer standesmäßigen Unterhaltung. Doch woferne solche unwürdige Kinder in äußersten Nothfall den Unterhalt von ihrem Vater ansuchen, so kann ihnen derselbe zur bloßen Lebensfristung und ohne Rücksicht auf das Vermögen, Stand oder Würde des Vaters nicht verweigeret werden.

[1, 2, § 4] 109. Von dem Recht des Vaters ist nach der Natur das Recht der Mutter über ihre Kinder nicht sonderlich unterschieden.

Sie sind nicht minder derselben nach dem Vater zu gehorsamen, sie zu ehren und auf keinerlei Art zu verletzen schuldig.

[1, 2, § 4] 110. Außer deme legen die Gesetze nach andere Rechten sowohl der Mutter gegen die Kinder, als diesen gegen die Mutter bei, welche theils in der Erbfolge, theils in dem Recht zur Vormundschaft und dergleichen mehreren bestehen, wovon an behörigen Orten das mehrere erwähnet werden wird.

[1, 2, § 4] 111. Dagegen ist die Mutter nicht weniger verbunden auch ihrerseits zur Erziehung, Pflegung und Wartung ihrer Kinder alle Mühe, Fleiß und Sorgfalt

(1-84) anzuwenden, keineswegs aber währender Ehe zu deren Ernährung und Unterhaltung aus ihren Mitteln etwas beizutragen schuldig.

[1, 2, § 4] 112. Es wäre dann der Vater hierzu unvermöglich oder sie hätte sich darzu entweder in der Eheberedniß oder auch sonst außer derselben durch ein nachheriges Beding anheischig gemacht oder sich zu einem Beitrag eingelassen.

[1, 2, § 4] 113. Nach des Vaters Tod aber ist die Mutter, die ohne allem oder doch mit keinem hinlänglichen Vermögen hinterlassene Kinder zu ernähren schuldig, insoweit deren eigene Mitteln nicht zureichen, woferne nicht eine von denen bereits oben bei dem Vater erwähnten Ursachen unterwaltet, wodurch sie von dieser Schuldigkeit enthoben würde.

[1, 2, § 4] 114. In Gegentheil haben auch die Kinder die erwiederliche Schuldigkeit auf sich, ihre bedürftige Eltern, Großeltern und weitere Aufsteigende zu ernähren, zu pflegen, zu warten und denenselben in ihrer Noth und Kräften beizustehen, wo sie es zu thun im Stande sind.

[1, 2, § 4] 115. Wer die Verbindlichkeit des abzureichen habenden Unterhalts auf sich hat, deme lieget auch ob die standesgemäße Begräbnißkosten zu bestreiten, insoweit diese aus dem nachgelassenen Vermögen nicht erschwungen werden können.

[1, 2, § 4] 116. Was aber aus der erwiederlichen Ernährungsschuldigkeit zwischen Eltern und Kindern von einem oder dem anderen Theil aufgewendet oder sonst über die Schuldigkeit aus natürlicher Zuneigung abgereichet worden, kann nicht mehr zurückgeforderet werden, wann der Ersatz des über die Schuldigkeit Aufgewendeten nicht ausdrücklich bedungen worden.

[1, 2, § 4] 117. Was bisher geordnet worden, ist nur von eheleiblichen Kindern zu verstehen, wofür auch die aus einer vermeintlich giltigen Ehe erzeugte Kinder zu halten sind. Von denen unehelich erzeugten, nachher aber rechtmäßig gewordenen und von denen an Kindsstatt angenommen wird unten in fünftem Capitel mit mehreren Meldung geschehen.

[1, 2, § 4] 118. Dahingegen haben uneheliche Kinder keinen Antheil an dem Hausstand

(1-85) des Vaters, obschon dieser, wo er Vater zu sein gestehet oder dessen überführet wird, selbe zu ernähren schuldig ist.

[1, 2, § 4] 119. Auf bloßes Angeben einer geschwächten Person aber wird Niemand für den Vater gehalten, sondern um eine rechtliche Vermuthung wider ihn zu bewirken, ist seine eigene Geständniß der Schwächung oder dessen Ueberführung und die Uebereinstimmung der Zeit und Umständen mit der Geburt erforderlich.

[1, 2, § 4] 120. Diese Vermuthung kann von nicht anderst, als durch klaren Gegenbeweis abgeleinet werden, welche aber immittelst an sich schon stark genug ist, daß ihme bis dahin nicht allein die Ernährung des Kinds, sondern auch die Unterhaltung der unbemittelten Kindsträgerin bis zur Geburtszeit und die Bestreitung der Kindbettsunkosten auferleget werde.

[1, 2, § 4] 121. Doch ist der Unterhalt unehelicher Kinder und der Kindsmutter nicht so wie bei ehelichen Kindern nach dem Vermögen, Stand und Würde des bezüchtigten Vaters, sondern nach der bloßen alleinigen Nothwendigkeit auszumessen und zugleich auf das Vermögen der Mutter, auf die Dürftigkeit des angeblichen Vaters und auf andere Umstände zu sehen, welche den Vater von Ernährung des Kinds oder der Kindsträgerin ganz oder zum Theil entheben können.

[1, 2, § 4] 122. Von diesem höchstnöthigen Unterhalt sind keine uneheliche Kinder, aus was immer für einer verbotenen Vermischung dieselbe gezeuget worden, ausgeschlossen, wann sie sonst von anderwärts keine Nahrung haben.

[1, 2, § 4] 123. Insoweit aber dieselbe vorstehender Maßen von dem erweislichen Vater ihren Unterhalt nicht bekommen, ist die Mutter sie zu ernähren schuldig und nach dem Tod ihres erweislichen Vaters oder ihrer Mutter gebühret ihnen aus deren Verlassenschaft anstatt des Unterhalts derjenige Antheil, welcher im zweiten Theil im zwölften Capitel von Einsetzung der Erben, §. II von num. 23 bis num. 25 für sie eigends ausgemessen ist.

[1, 2, § 4] 124. Uebrigens folgen sie der Mutter und sind in Ansehung ihrer in allen Rechten und Schuldigkeiten gegen dieselbe denen ehelich gebornen gleich, insoweit Unsere Gesetze in Erb- und anderen Fällen zwischen beiden keinen Unterschied ausdrücklich bestimmen.

(1-86) Caput III.

Von Ehebindnissen

Inhalt:

§. I. Von Eheverlobnissen. §. II. Von Heirathsgut. §. III. Von der Widerlag. §. IV. Von Schankungen zwischen Eheleuten. §. V. Von dem ehegattlichen Vermögen. §. VI. Von Witums und anderen Rechten nach der Ehe.

§. I.

[1, 3, § 1] 1. Die Ehe ist der Ursprung aller Rechten des Hausstands, dann aus derselben entstehen die Rechten zwischen Mann und Weib. Aus der ehelichen Erzeugung jene zwischen Eltern und Kindern. Und endlich werden durch dieselbe die Rechten des Geblüts unter denen Verwandten fortgepflanzet.

[1, 3, § 1] 2. Es wird dahero die Abhandlung von Ehebindnissen in gegenwärtigen Capitel vorausgesetzet, ehe und bevor die übrigen hieraus erwachsende Vorrechte des Hausstands erkläret werden.

[1, 3, § 1] 3. Die Ehebindnissen nehmen insgemein ihren Anfang von der Eheverlobniß oder dem Versprechen künftiger Ehe, werden durch die wirkliche Ehe vollzogen, und endlich durch den Tod des einen oder anderen Theils anwiederum aufgelöset.

[1, 3, § 1] 4. Gleichwie aber aus der Eheverlobniß die Verlobten in Absicht auf die künftige Ehe gegen einander gewisse Rechten erwerben, sodann aus der wirklichen Ehe die Rechten zwischen Eheleuten entspringen und nach deren Auflösung durch den Tod des einen oder anderen Ehegatten dem überlebenden Theil noch gewisse Rechte an dem hinterlassenen Vermögen des Verstorbenen gebühren, also wird auch hier erstlich von den rechtlichen Wirkungen der Ehebindnissen vor der Ehe zwischen Verlobten, sonach von jenen in der Ehe zwischen Vereheligten und schließlichen von denen nach der Ehe an Seiten des verwitibten Ehegattens gehandlet.

[1, 3, § 1] 5. Die Eheverlobniß ist ein Versprechen und Gegenversprechen der künftigen

(1-87) Ehe, woraus die beiderseitige Verbindlichkeit der eheversprochenen Personen erwachset, ihr Versprechen zu erfüllen und mittelst priesterlicher Zusammengebung die Ehe anzutreten.

(1-88) [1, 3, § 1] 6. Diese Verbindlichkeit kann jedoch nicht anderst als mit der Fähigkeit der Eheversprochenen sich mittelst eines solchen Versprechens gegeneinander zu verstricken bestehen, welche nicht allein nach denen geistlichen, sondern auch nach Unseren weltlichen Gesetzen abgemessen werden muß.

[1, 3, § 1] 7. Wiewohlen dahero das Eheversprechen, insoweit es auf die Vollziehung der versprochenen Ehe abzielet, zur Erkanntniß der geistlichen Gerichten gehöret, so solle jedoch von denenselben auch auf Unsere Gesetze, welche die Eheverlobnissen gewisser Personen, wann sie wider deren Ausmessung unternommen worden, für ungiltig erklären, um so mehr gesehen werden, als im widrigen die dagegen ergehende Erkanntnissen keine Kraft und Wirkung haben und solchen von Unseren nachgesetzten Gerichten nicht der mindeste Beistand geleistet werden solle.

[1, 3, § 1] 8. Solchemnach ist da Eheversprechen der minderjährigen oder auch schon großjährigen, allein zur Zeit noch in der Eltern Brod stehenden Kindern ganz und gar ohne Kraft und Wirkung, wann ein Sohn oder Tochter heimlich oder vor Zeugen schriftlich oder mündlich solches ohne angesuchter Einwilligung der Eltern eingegangen.

[1, 3, § 1] 9. Sie sollen vielmehr, ehe und bevor sie sich in ein Eheversprechen einlassen, vorhero ihre Eltern, oder wo bereits Vater und Mutter verstorben wäre, den noch lebenden Elterntheil um die Einwilligung geziemend ersuchen und im Weigerungsfall dieses Ersuchen nach einiger Zwischenzeit wenigstens noch zu zweimalen wiederholen oder durch Andere darum anhalten lassen.

[1, 3, § 1] 10. Würden aber Vater oder Mutter oder auch beide Eltern jegleichwohlen auf ihrer Weigerung immer beharren, so mögen sich die Kinder an die weltliche Gerichtsstelle, welcher ihre Eltern untergeben sind, bittlich verwenden, welches Ansuchen nicht weniger sowohl von denen Befreundten, die sich der Kinder annehmen wollen, als auch von dem Gegentheil, mit welchem die Eheverlobniß nicht zugelassen werden will oder dessen Eltern oder Gerhaben und Vormünderen geschehen kann.

(1-89) [1, 3, § 1] 11. Das Gericht hat hierauf die Eltern über die Ursache ihrer Weigerung außer dem ordentlichen Weg Rechtens schleunig zu vernehmen und da die Ursachen


(1-90) der Verweigerung erheblich zu sein befunden würden, nicht allein das Verwilligungsgesuch abzuschlagen, sondern auch die muthwillige Behelligung zu verweisen und den Sohn oder Tochter nach Umständen von dergleichen unzeitigen oder unanständigen Vorhaben nachdrucksam abzuwarnen.

[1, 3, § 1] 12. Wann aber von denen Eltern gar keine Ursach der Weigerung angegeben oder die vorschützende Ursachen nicht hinlänglich zu sein erachtet würden, hat das Gericht sich alle Mühe zu geben, die auf der Weigerung bestehende Eltern durch alle nur thunliche gütliche Vorstellungen zu Einwilligung zu bewegen, und da sie nichtsdestoweniger sich hierzu nicht verstehen wollten, ihnen eine mäßige Bedenkzeit zur Ueberlegung und endlichen Erklärung anzuberaumen.

[1, 3, § 1] 13. Da jedoch auch dieses nichts fruchtete, solle das Gericht nach Verlauf der bestimmten Bedenkzeit die Einwilligung zu dem Eheversprechen anstatt der Eltern von amtswegen ertheilen und die sonach für sich gegangene Heirath den Kindern an deme, was ihnen von ihren Eltern von Rechts wegen gebühret, zu keinem Nachtheil gereichen.

[1, 3, § 1] 14. In Gegentheil sind die Kinder, welche ohne vorher angesuchter Einwilligung ihrer Eltern und ohne auf dem Fall ihrer Weigerung ausgewirkter gerichtlicher Erlaubniß oder wohl gar wider den ausdrücklichen Willen und Verbot der Eltern oder wider die gerichtliche Abweisung sich in ein Eheversprechen eingelassen, solches zu erfüllen nicht befugt, sondern die Eltern vielmehr berechtiget dergleichen Heirathen auf alle Art und Weis zu hintertreiben und nöthigen Falls eine Abmahnung von der weltlichen an die geistliche Gehörde auszuwirken, um die priesterliche Zusammengebung einzustellen.

[1, 3, § 1] 15. Woferne sich aber ein Sohn oder Tochter jegleichwohlen wider Willen der Eltern und ohne hierzu erhaltener gerichtlicher Bewilligung vereheliget hätte, so ist der hierdurch beleidigte Vater, oder Mutter von aller Schuldigkeit entbunden einem solchen ungehorsamen Kind das standesmäßige Unterkommen, Heirathgut und wie immer Namen habende Versorgung oder Ausstattung abzureichen, die im Nothfall zu unumgänglichen Lebensfristung unentbehrliche Nahrungsmitteln allein ausgenommen.

[1, 3, § 1] 16. Ueber das haben die Eltern Fug und Macht ihre ungehorsame Kinder, die sich wider ihren Willen verheirathet, wann die Ursach ihrer Weigerung von Gericht erheblich zu sein befunden worden, in ihrem letzten Willen zu enterben, insoferne von ihnen nach der Hand diese Heirath nicht begenehmiget und die andurch zugefügte Beleidigung nachgesehen worden.

[1, 3, § 1] 17. Nebst deme solle ein solches Beginnen beschaffenen Umständen nach mit einer dem richterlichen Ermessen überlassenen Strafe desto schärfer angesehen werden, je ungleicher die Heirath und je verkleinerlicher dieselbe ihrem Stand und Geschlecht oder dem Ansehen, guten Namen und Leumuth ihrer Eltern ist.

[1, 3, § 1] 18. Eine noch empfindlichere Strafe aber ist wider jene Personen zu verhängen, die sich unterfangen, adeliche oder sonst ehrbarer Leuten Kinder zu verführen und arglistig zu bereden, um sich mit ihnen in eine ungleiche Ehe einzulassen.

[1, 3, § 1] 19. Desgleichen solle wieder Diejenige die Strafe verschärfet werden, welche sich aus Arglist oder schnöder Gewinnsucht zur Vermittlung solcher Winkelheirathen gebrauchen lassen oder wohl gar selbst darzu anbieten und hierzu Anlaß, Gelegenheit

(1-91) und Vorschub geben, besonders, da sie der Eltern oder Kindern Dienstleute wären.

[1, 3, § 1] 20. Großjährige und zugleich außer der Eltern Brod stehende Kinder aber haben zwar zu ihrer vorhabenden Verehelichung die Einwilligung ihrer Eltern aus natürlicher Ehrerbietung anzusuchen; doch kann weder dessen Unterlassung, noch die ohnerachtet der Weigerung ihrer Eltern vollzogene Heirath gegen sie geahndet, noch weniger dieselbe hierwegen von ihren Eltern enterbet werden.

[1, 3, § 1] 21. Es seie dann, daß die Eltern wider eine ungleiche, ihrem Stand und Ansehen verkleinerlich fallende Heirath ihrer auch zur Zeit schon großjährigen Kinder die Gerichtshilfe angerufen hätten, und die Ursach ihrer Widersetzung von Gericht aus gebilliget worden wäre.

[1, 3, § 1] 22. Vaterlose Söhne oder Töchter müssen nebst Einwilligung der Mutter auch die Einwilligung ihres Vormunds (wann sie einen anderen Vormund haben, oder der Mutter ein Mitvormund zugegeben ist) ansuchen.

Dieser hat sich, da kein Bedenken vorhanden, von der Gesinnung der Mutter nicht leicht zu entfernen; falls aber ein gegründeter Anstand unterwaltete, solchen bei der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen.

[1, 3, § 1] 23. Welche sodann benöthigten Falls die Freundschaft hierüber vernehmen und nach reifer Ueberlegung der sowohl für als wieder die Heirath streitenden Ursachen entweder die obervormundschaftliche Genehmigung ertheilen oder solche abschlagen solle.

[1, 3, § 1] 24. Wären aber beide Eltern verstorben, so ist es an der alleinigen Verwilligung des Vormunds nicht genug, obgleich die Befreundten des Waisens darmit verstanden wären, sonder es muß auch hierzu die obervormundschaftliche Genehmhaltung des Gerichts erwirket werden.

[1, 3, § 1] 25. Diese hat insgemein der Vormund selbst, wann er wider die Heirath nichts einzuwenden hat, mit Anführung des unterwaltenden Wohlstands und Nutzens des Waisen, Gutbefunds der nächsten Freundschaft und anderer Umständen anzusuchen.

[1, 3, § 1] 26. Wann hingegen der Vormund weder seine Einwilligung ertheilen, noch auch um die obervormundschaftliche Genehmhaltung einkommen wollte, so stehet sowohl dem minderjährigen Sohn oder Tochter, als dem Gegentheil frei, auf gleiche Weise, wie es im Weigerungsfall der Eltern oben verordnet worden, entweder selbst oder durch Andere um die obervormundschaftliche Einwilligung zu bitten.

[1, 3, § 1] 27. Worüber das Gericht den Vormund und nöthigen Falls die nächste Befreundte des Waisen zu vernehmen und da keine erhebliche Ursach entgegen stünde, zu der Heirath die gerichtliche Verwilligung zu ertheilen, falls aber gegründete

(1-92) Bedenken fürwalteten, den Waisen mit seinem Gesuch abzuweisen die Behelligung zu verheben und ihn von dem Vorhaben ernstlich abzuwarnen hat.

[1, 3, § 1] 28.Würde aber ein minderjähriger Sohn oder Tochter wider dieses Unser Gebot sich mit Hintansetzung des Vormunds und der behörigen Gerichtsstelle in ein heimliches oder auch öffentliches Eheversprechen einlassen, so solle solches ganz und gar kraftlos und nicht von der mindesten Wirkung und Verbindlichkeit sein, noch weniger von Unseren nachgesetzten Stellen hierwegen ein Beistand geleistet werden.

[1, 3, § 1] 29. Um so mehr sollen auf den Fall einer solchen vollzogenen Winkelheirath nicht allein alle dieserwegen eingegangene Verbindungen, Verheißungen oder Schankungen, wie sie immer Namen haben mögen, durchaus ungiltig und nichtig sein, sondern auch dieses strafmäßige Beginnen an ihnen, an dem anderen Theil und an denen Helfern mit gleicher Schärfe geahndet werden, wie es bereits oben n.17, 18 und 19 wider Söhne und Töchter in dem ähnlichen Fall ausgemessen ist.

[1, 3, § 1] 30. Desgleichen wo es die Landesverfassung mit sich bringet, daß einem

(1-93) Unterthan sich ohne Einwilligung seiner Herrschaft zu vereheligen nicht erlaubet seie, da lassen Wir es noch ferners dabei bewenden, doch solle sothane Einwilligung denen Unterthanen von der Herrschaft ohne genugsamer Ursache nicht verweigeret, sondern vielmehr die Heirathen des gemeinen Volks, wann die zusammen Heirathende anderst sich zu nähren im Stande sind, und der Herrschaft kein Schaden und Nachtheil hieraus erwachset, nach Unseren anderweiten Verordnungen in Absicht auf den aus der mehreren Bevölkerung erzielenden gemeinwesigen Nutzen auf alle thunliche Weise erleichteret werden.

[1, 3, § 1] 31. Solchemnach gestatten Wir denen Unterthanen, welchen auf ihr bittliches Anlangen die herrschaftliche Einwilligung zu ihrer vorhabenden Vereheligung versaget wird, sich darüber bei jener Gehörde, an welche die Unterthansbeschwerden wider ihre Obrigkeit in jedem Lande unmittelbar angewiesen sind, selbst oder durch Andere zu beschweren.

[1, 3, § 1] 32.Worüber die Herrschaft über die Ursachen ihrer Weigerung vernommen und da selbe hinlänglich zu sein befunden würden, der beschwerführende Unterthan abgewiesen und gestalter Dingen nach,, da er sich eines unwahren Anbringens, ungeziemenden Betrags oder muthwilliger Behelligung unterstanden hätte, bestrafet werden solle.

[1, 3, § 1] 33. Wäre aber die Weigerungsursache nicht erheblich, so ist der Vorfall an die vorgesetzte Landesstelle mit Beifügung des Gutachtens einzuberichten, welche bei Befund der unstandhaften Weigerung dem beschwerführenden Unterthan die Verwilligung zu seiner Vereheligung von Amts wegen zu ertheilen hat, kraft welcher derselbe nachhero weder an seiner Vereheligung von der Herrschaft weiter behinderet, noch deshalben auf einigerlei Weise gekränket werden solle.

[1, 3, § 1] 34. Die Ursachen, wegen welcher die herrschaftliche Einwilligung zur Vereheligung eines Unterthans abgeschlagen werden kann, sind beiläufig folgende:

Das minderjährige Alter der unterthänigen Person, die Weigerung der Eltern, welchen Falls aber auch diese darüber zu vernehmen sind und auf obstehende Art fürzugehen ist.

[1, 3, § 1] 35. Ferners die Freiheit des anderen Theils, falls dieser die Unterthänigkeit nicht angeloben, oder denen aus dieser Ehe erzeugenden Kindern die Freiheit vorbehalten wollte. Eben also, wann der andere Theil ein fremder Unterthan ist, und dieser Anstand durch den nachbarlichen sogenannten Weglaß nicht behoben werden kann.

[1, 3, § 1] 36. Böser Lebenswandel des einen oder anderen Theils, woraus von dem künftigen Ehepaar Verführung Anderer, Schaden und Aergerniß zu befürchten wäre.

[1, 3, § 1] 37. Die offenbare Unvermögenheit der künftigen Eheleuten sich und ihre Kinder durch Dienstleistung, Handarbeit, Handel, und Gewerb oder auf sonstige redliche Weise zu ernähren, woraus vorzusehen wäre, daß sie der Herrschaft, denen Mitunterthanen und selbst dem gemeinen Wesen zu Last gereichen würden.

[1, 3, § 1] 38. Endlich auch die vorhin schon übersetzte Anzahl der Eheleuten auf einem Gut, so daß daselbst noch mehrere Haushaltungen auf keinerlei Weise bestehen könnten und überhaupt alles, wovon sowohl dem Herrn, als dem Gut und denen dortigen Mitunterthanen oder wohl gar dem gemeinen Wesen ein Schaden und Nachtheil zugehen könnte.

[1, 3, § 1] 39. Dahingegen solle ein bloßes nicht Wollen der Herrschaft, eine eigennützige

(1-94) Absicht, eine anmaßliche Bestrafung wegen fleischlichen oder anderen Verbrechens oder ein sonstiger ungegründeter Vorwand keineswegs hinreichend sein, die Einwilligung zu versagen, oder solche auf diese oder jene mit Ausschließung der zur Ehe verlangten Person einzuschränken.

[1, 3, § 1] 40. Obwohlen zuweilen die Einwilligung auf einige Zeit verschoben werden kann, da auf dem Gut oder Herrschaft ein erweislicher Abgang diensttauglicher Leuten wäre und hierzu wegen des landesbrauchlichen geringen Lohns oder anderer Umständen halber ohne Nachstand des Dienstes nicht füglich verheirathete Leute gebrauchet werden könnten.

[1, 3, § 1] 41. Wegen unterwaltender gemeiner Wohlfahrt muß die Erfüllung des Eheversprechens bei gewissen Personen, welche wegen einer auf sich habenden Eigenschaft oder aus Umständen, in denen sie sich zur Zeit befinden, durch Unsere besondere Verordnungen Heirathen einzugehen untersaget ist, einsweilig ausgesetzet bleiben, so daß zwar die Verbindung nicht unkräftig ist und auch nicht aufhöret, dennoch aber so lang nicht in Erfüllung gehen kann, als vorbesagte Eigenschaft oder Umstände fürdaueren.

[1, 3, § 1] 42. Solchemnach solle deme, was gedachte Unsere Verordnungen in Ansehung der sowohl wirklich dienenden Kriegsleuten, als der zu dienen unfähigen und in Verpflegung stehenden unvermöglichen Soldaten, dann deren den Verdacht eines heimlichen Abzugs erweckenden Heirathen mit Ausländern, herrnloser Leuten, Landstreichern und anderen unnützigen keines Nahrungsstandes fähigen Gesinds maßgebig enthalten, auf das Genaueste nachgelebt werden.

[1, 3, § 1] 43. Wo es sich aber um Vollziehung eines Eheversprechen zwischen

(1-95) solchen Personen handlete, denen Unsere Gesetze nicht im Wege stehen, so hat der geistliche Richter allein zu erkennen, ob ein giltiges Eheversprechen unterwalte und ob mithin ein Theil den anderen zu eheligen schuldig oder von dem Versprechen entbunden seie.

[1, 3, § 1] 44. Zu diesem Ende solle zu Handhabung der ihme hierinfalls gebührenden Gerichtbarkeit (!) und Vollstreckung seiner mit Beobachtung Unserer Gesetzen geschöpften Erkanntnissen und Urtheilen der Beistand des weltlichen Arms auf jedesmaliges Ansuchen unweigerlich ertheilet werden.

[1, 3, § 1] 45. Wann hingegen ohne erweislichen Eheversprechen nur Schwächung oder Schwängerung halber geklaget würde, gehöret sowohl die Erkanntniß über die Genugthuung, als auch über die Kindbettunkosten und Unterhaltung des Kinds,

(1-96) wie nicht minder über die Bestrafung derlei Vergehens bloß allein zu denen weltlichen Gerichten.

[1, 3, § 1] 46. Es seie dann, daß sich von der einen oder anderen Partei auf ein zwischen ihnen eingegangenes Eheversprechen berufen würde, welchen Falls selbe sofort an das geistliche Gericht zu verweisen sind, um daselbst über die Giltigkeit und Verbindlichkeit des Eheversprechens zu erkennen und sonach weiter in Sachen zu verfahren.

[1, 3, § 1] 47. Daferne jedoch der klagende Theil von der Person des Beklagten abließe, und nur eine Genugthuung an Geld oder anderen Sachen verlangete, oder aber von dem geistlichen Richter kein Eheversprechen zu unterwalten befunden würde, kann die Genugthuung und deren Ausmessung nirgends anderst als bei dem weltlichen Gericht, deme der Gegentheil unterworfen ist, angesuchet werden.

[1, 3, § 1] 48. Wie dann überhaupt in Eheverlobnißfällen, wo von dem geistlichen Richter auf einen Ersatz oder Abfindung erkennet wird, die Bestimmung des Betrags denen weltlichen Gerichten allein zustehen solle, obschon denen streitenden Theilen nicht verwehret ist, sich entweder vor dem geistlichen Gericht oder auch unter sich allein, wann es nur sonst erweislich ist, frei und ungezwungen zu vergleichen, und auch zu Erfüllung derlei freiwilliger Vergleichen die Gerichtshilfe nach Ordnung rechtens nicht versaget werden kann.

[1, 3, § 1] 49. Bei Eheverlobnissen wird gemeiniglich auch um die zeitliche Versorgung der künftigen Eheleuten gehandlet und geschieht sehr gut daran, wann dergleichen Heirathsberednissen noch vor der priesterlichen Trauung geschlossen werden, wovon in denen nachstehenden §§ das mehrere folgen wird.

[1, 3, § 1] 50. Doch sind die Verehrungen und Schankungen, welche entweder vor

(1-97) dem Eheversprechen, oder bei, oder nach demselben, es seie in Absicht auf die künftige Ehe oder zu Bezeigung der Liebe zwischen Brautleuten, oder von Anderen aus Zuneigung gegen dieselbe zu geschehen pflegen, in dasjenige, was ein Theil dem anderen aus der Heirathsberedniß schuldig ist, nicht einzurechnen, wann in derselben ein solches nicht ausdrücklich bedungen oder vorbehalten worden.

[1, 3, § 1] 51. Vielmehr sollen jene Verehrungen, so vor dem Eheversprechen ohne dessen ausdrücklicher Bedingung zu bloßer Bezeigung der Liebe und Zuneigung geschehen, als freiwillige, unbedingte, unwiderrufliche Schankungen angesehen werden, wann die verehrte und verschenkte Sachen zugleich übergeben und angenommen worden, auch die Schankung sonst an sich selbst nicht mangelhaft, noch der schenkende Theil solche zu thun unfähig ist.

[1, 3, § 1] 52. Die Verehrungen aber, welche entweder vor dem Eheversprechen mit dem ausdrücklichen Beding der künftigen Ehe, oder bei, oder nach demselben gleichsam zu einer Versicherung und Unterpfand des zu vollziehen kommenden Ehebindnisses, es sei von denen Brautleuten untereinander, oder von denen Eltern des einen oder anderen Theils mit wirklicher Uebergabe gemacht werden, sollen, wann die Heirath mit beiderseitiger Abweichung oder zufälliger Weise nicht erfolget, (falls nicht etwas Anderes ausdrücklich bedungen worden) dem verehrenden Theil zurückfallen.

[1, 3, § 1] 53. Wo aber ein Theil wider Willen des anderen ohne rechtlicher Ursache von dem Eheversprechen abweichen und der andere ihn zur Erfüllung des Versprechens mit Gerichtszwang nicht anhalten wollte, oder da ein Theil dem anderen genugsame Ursache von dem Eheversprechen abzuweichen gegeben hätte, so behält nicht allein der beständig gebliebene oder abzuweichen veranlaßte Theil das Empfangene, sondern er ist noch über das Jenes, was er dem anderen gegeben, zurückzuforderen berechtiget.

[1, 3, § 1] 54. Da jedoch der beständig gebliebene Theil auf den Vollzug des Eheversprechens gleichwohlen andringete, der andere hingegen sich hierzu durchaus nicht verstehen wollte oder aus seiner Schuld dasselbe nicht mehr erfüllen könnte, so bleibet dem ersteren bevor, die vollständige Genugthuung für Alles, woran es ihme wegen nicht erfolgter Ehe gelegen ist, gerichtlich anzusuchen.

[1, 3, § 1] 55. Dahingegen sollen bloße Zusagen und Verheißungen ohne Uebergabe zwischen freienden oder eheverlobten Personen keine Kraft und Wirkung haben, sondern bei Veränderung des Willens widerruflich sein, wann sie nicht wohlbedächtlich mit darüber errichteten Urkunden oder vor Zeugen geschehen, insoferne jedoch auch in diesem Fall die Schankung sonst an sich selbst nach Maßgebung dessen, was deshalben in zweitem Theil von Schankungen geordnet wird, bestehen kann.

(1-98) [1, 3, § 1] 56. Wann von Anderen, die zur Versorgung des Ehepaars nicht verbunden sind, denen Brautleuten vor oder nach der Ehe einige Geschenke geschehen, sollen solche beiden Theilen gemein erworben werden, wo sie nicht erweislich dem einen oder dem anderen Theil besonders zugedacht oder nur in Ansehung eines Theils verehret worden, oder nur zu Gebrauch und Anständigkeit des einen Theils und nicht auch des anderen andienen können, in welchen Fällen sie jenem allein zu verbleiben haben.

[1, 3, § 1] 57. Da Jemand eine Ehe zu stiften, oder zu diesem Vorhaben auf erlaubte Art behilflich zu sein ersuchet würde, oder sich selbst darzu anbietet, so muß dieses unentgeltlich und bloß aus Freundschaft geschehen.

[1, 3, § 1] 58. Widrigens kann Jenes, was dieserwegen vor der Heirath gegeben worden, binnen Jahr und Tag vor oder nach der Heirath anwiederum zurückgeforderet werden, es wäre dann erweislich, daß es auf allen Fall, die Heirath erfolge oder nicht, freiwillig geschenket und übergeben worden.

[1, 3, § 1] 59. Wo aber nichts gegeben, sondern nur etwas dafür versprochen oder verschrieben worden, solle derlei Versprechen oder Verschreibung ganz ungiltig sein, und unter keinerlei Vorwand einige Rechtshilfe darzu ertheilet, noch weniger, wann nichts verglichen worden, vor oder nach erfolgter Heirath etwas dafür geforderet werden können, sondern die rechtliche Vermuthung vorbringen, daß der Heirath ohne eigennütziger Nebenabsicht Vorschub gegeben worden seie.

[1, 3, § 1] 60. Doch muß Derjenige, deme vergleichen Unterhandlungsgeschäft eigends aufgetragen worden, seines Aufwands, Versäumniß und sonstigen Nachtheils halber gleich einem anderen Bevollmächtigten schadlos gehalten werden.

[1, 3, § 1] 61. Wie dann auch nicht verboten ist, nach erfolgter Heirath für die auch ohne Vollmacht auf erlaubte Weise bewirkte Unterhandlung durch eine freiwillige Erkenntlichkeit sich dankbar zu erzeigen, wann nur alle Zunöthigung davon entfernet ist.

[1, 3, § 1] 62. Was dahero einem solchen Unterhandler nach der Hochzeit aus Dankbarkeit verehret, versprochen oder verschrieben worden, dieses hat in derjenigen Maß, wie es in zweitem Theil von Schankungen geordnet wird, die Kraft einer zu Recht bestehenden vergeltlichen Schankung.

[1, 3, § 1] 63. Dahingegen solle auch Derjenige, welcher sich zu Vermittlung oder Unterhandlung einer Heirath gebrauchen läßt, sich aller Arglist, Gefährde oder sonst ungeziemender Absicht enthalten. Widrigens ist ein solcher arglistiger Unterhandler nicht allein dem hintergangenen Theile für Alles, was diesem daran gelegen ist, verfänglich, sondern solle beinebst nach Befund der hinzustoßenden mehr oder minder erschwerenden Umständen unnachsichtlich bestrafet werden.

§. II.

[1, 3, § 2] 64. Auf die Eheverlobniß folget die Ehe, und mit dieser nehmen die Rechten der Eheleuten ihren Anfang, welche, insoweit sie unmittelbar aus dem Ehestand selbst fließen, bereits oben in zweitem Capitel, § IV, berühret worden.

(1-99) Insoweit sie aber die zeitliche Versorgung der Eheleuten und das ehegattliche Vermögen zum Gegenstand haben, in diesem und denen folgenden §§. eigends beschrieben werden.

[1, 3, § 2] 65. Diese betreffen das Heirathgut, die Widerlage oder Gegenvermächtniß, die Schankungen zwischen Eheleuten, die gemeine Erwerbung oder das beiderseitige abgesonderte Eigenthum, die Nutznießung und Verwaltung des ehegattlichen Vermögens.

[1, 3, § 2] 66. Das Heirathgut, welches auch anderst die Ehesteuer, Mitgift oder

(1-100) Brautschatz genannt wird, ist dasjenige, was das Weib oder die Eltern oder auch ein Anderer für das Weib dem Mann zu leichterer Ertragung der Ehelasten an Geld oder Gut bestellet.

(1-101) [1, 3, § 2] 67. Die Ehe kann zwar allerdings ohne Heirathgut bestehen; doch ist es nicht nur eine allgemeine Geziemung, sondern auch in Ansehung gewisser Personen eine Schuldigkeit, ein Heirathgut zu bestellen, wann solches bei vorfallender anständiger Heirat begehret wird.

[1, 3, § 2] 68. Wann Diejenigen, welche sich in ein Ehebindniß einlassen, ein eigenes Vermögen und die freie Schalt- und Waltung mit demselben haben, hanget es von ihrer freien Willkür ab, ein Heirathgut zu bestellen und zu bedingen.

[1, 3, § 2] 69. Wo aber die sich verehelichende Person unter der Vormundschaft stehet und die obervormundschaftliche Einwilligung in die Heirath erfolget, hat der Vormund das Heirathgut nach Kräften des Vermögens der Braut und nach Umständen der Heirath mit Beobachtung der hiernach vorgeschriebenen Maß und mit jedesmaliger Gutheißung der obervormundschaftlichen Gehörde zu bestellen.

[1, 3, § 2] 70. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann eine noch unter väterlicher Gewalt stehende Tochter, die ein eigenes von dem Vater verwaltetes Vermögen hätte, entweder mit seinem Willen oder doch bei dessen unbilliger Weigerung mit gerichtlicher Verwilligung heirathete, welcher nicht weniger der Vater auf Begehren von ihrem Vermögen ein anständiges Heirathgut mit gerichtlicher Genehmhaltung auszumessen hat.

[1, 3, § 2] 71. Wo aber ein Vormund oder Vater aus dem eigenen Vermögen einer heirathenden Tochter das Heirathgut zu bestellen weigerte, kann solches sowohl vor der Heirath als auch währender Ehe mit Willen der Verheiratheten gerichtlich angesuchet werden, welchen Falls schleunig und außerordentlich zu verfahren ist.

[1, 3, § 2] 72. Wann hingegen die heirathende Person kein eigenes Vermögen hat, so sind die Eltern und Großeltern nach derjenigen Ordnung, wie sie zu dem Unterhalt verbunden sind, ihren ausheirathenden Töchtern und Enklinnen ein geziemendes Heirathgut zu bestellen schuldig.

[1, 3, § 2] 73. Deme zufolge lieget diese Verbindlichkeit vornehmlich dem Vater, und wo dieser arm wäre, sodann der Mutter ob, wann sie vermöglich ist. Da aber beide Eltern mittellos wären, so gehet diese Schuldigkeit erstlich auf die väterliche und hernach auf die mütterliche Großeltern.

[1, 3, § 2] 74. Da sich jedoch Jener, der hierzu verbunden ist, dessen weigerte, kann von den Brautleuten oder von Anderen, denen sich ihrer anzunehmen zustehet, die behörige Gerichtsstelle des darzu Verbundenen um ihre Vermittlung belanget werden, welche denselben hierüber schleunig zu vernehmen und durch gütliche Wege mit allen diensam ermessenden Vorstellungen zu einen anständigen Heirathgut zu vermögen hat.

[1, 3, § 2] 75. Bei fruchtloser Vermittlung aber solle das Gericht vornehmlich darauf sehen, ob der weigerende Theil eine genugsame Ursach habe, das begehrende Heirathgut abzuschlagen, welchen Falls der anrufende Theil abzuweisen ist.

[1, 3, § 2] 76. Derlei Ursachen sind die eigene Mittellosigkeit oder doch so geringes Vermögen, daß ihme selbst der gebührende Unterhalt kaum verbleiben oder derselbe

(1-102) außer Stand gelangen würde, die übrige noch habende Kinder oder Enkeln zu versorgen.

[1, 3, § 2] 77. Desgleichen wann die Tochter oder Enklin zu dieser oder der vorigen Ehe bereits ein Heirathgut oder ihre gänzliche Abfertigung erhalten hat, obschon sie das Erhaltene auch ohne ihrer Schuld verloren hätte.

[1, 3, § 2] 78.Nicht minder, wann sie bei großjährigen Alter sich ausdrücklich des Heirathguts begeben oder auf die Erbschaft dessen, welcher unmittelbar hierzu verbunden ist, eine Verzicht gethan oder gegen ihme eine Enterbungsursache begangen, oder, wann auch jener Elterntheil, durch welchen sie absteigend ist, sich der Erbschaft desjenigen Aufsteigenden, von deme das Heirathgut begehret wird, gegen erhaltener gänzlicher Abfertigung verziehen hat.

[1, 3, § 2] 79. Endlich enthebet auch das eigene Vermögen der heirathenden Tochter oder Enklin von der Verbindlichkeit zur Bestellung des Heirathguts insoweit, daß es genug seie, nur so Vieles beizutragen, als mit Zuziehung ihres Vermögens zu einem gebührlichen Heirathgut abgängig ist.

[1, 3, § 2] 80. Dahingegen kann ein bloßer Eigensinn, Kargheit oder Gehässigkeit den hierzu Verbundenen, wann er genugsam bemittelt ist, und es ohne merklichen Nachtheil wohl thun kann, von dieser Schuldigkeit keineswegs befreien.

[1, 3, § 2] 81. Vielmehr solle das angerufene Gericht in Ermanglung einer billigen Weigerungsursache ein anständiges Heirathgut in der unten vorgeschriebenen Maß bestimmen, und den weigerenden Theil zu dessen wirklicher Bestellung binnen einer hierzu anzuberaumen habenden Frist und nach deren Verlauf durch gerichtliche Zwangsmitteln verhalten.

[1, 3, § 2] 82. Doch stehet einem jedweden durch diese richterliche Ausmessung sich beschwert zu sein findenden Theil frei, den Zug dagegen an den oberen Richter in der hierzu ausgesetzten Zeit einzuwenden, woselbst ebenfalls schleunig zu verfahren ist.

[1, 3, § 2] 83. Außer vorbemelten aufsteigenden Personen ist sonst Niemand von Befreundten und umsoweniger ein Fremder zur Bestellung des Heirathguts verbunden, er habe sich dann freiwillig darzu verpflichtet, oder eine Erbschaft oder Vermächtniß mit solcher Beschwerde angenommen.

[1, 3, § 2] 84. Nur allein bestehet bei höheren Standespersonen, welche zugleich Landleute sind, in Ansehung der Brüdern und Bruders-Söhnen für die vor Einführung dieses Unseren Gesetzes sich ergebene Erbfälle nach einem Vater oder väterlichen Großvater, in welchen ihnen die ganze väterliche oder großväterliche Erbschaft mit Ausschließung der für verziehen gehaltenen Töchtern und Enklinnen nach den vorigen Gesetzen allein zugefallen, die Ausnahme, daß sie noch ferners eben nach Maßgebung der vorigen Gesetzen zur landesbräuchlichen Ausstattung ihrer verziehenen Schwestern und Muhmen verbunden bleiben.

[1, 3, § 2] 85. Niemandem aber ist verwehret, er möge ein Befreundter oder Fremder sein, aus freien Willen und Gutthätigkeit für eine heirathende Person ein Heirathgut zu bestellen, welches zugleich als eine ihr geschehene Schankung anzusehen ist, wann der Bestellende sich die Rückgabe nach ausgelöster Ehe nicht bedungen hat.

Es ist demnach das Heirathgut dreierlei, als:

Ein eigenes, welches aus dem eigenen Vermögen der Braut entweder von ihr selbst, wo sie darmit die freie Schalt- und Waltung hat, oder von ihrem Vormund oder Vater mit obervormundschaftlicher Genehmigung bestimmet wird.

[1, 3, § 2] 87. Ein von denen Eltern oder Großeltern herrührendes, welches der Vater, die Mutter, der Großvater oder die Großmutter oder auch ein Anderer in Ansehen der Eltern oder Großeltern bestellet.

[1, 3, § 2] 88. Ein auswärtiges, welches weder aus dem Vermögen der Baut, noch von ihren Eltern oder Großeltern aus ihren Mitteln, noch auch von jemanden

(1-103) Anderen in Ansehen des hierzu verbundenen Theils, sondern bloß aus Freigebigkeit und Gutthätigkeit gegen die sich verehelichende Person gegeben worden.

[1, 3, § 2] 89. Wo die heirathende Person ein eigenes Vermögen und darmit die freie Schalt- und Waltung hat, hanget es von ihrer eigenen Willkür, gleichwie in dem Fall, wo selbe noch minderjährig ist, von dem Befund der obervormundschaftlichen Gehörde ab, was und wie viel von ihrem Vermögen zum Heirathgut bestellet werden wolle.

[1, 3, § 2] 90. Wir setzen und ordnen aber, daß ein aus eigenen mitteln bestellendes Heirathgut den dritten Theil des Vermögens nicht überschreiten solle, was eine Braut oder Ehegattin zur selben Zeit hat, da sie das Heirathgut bestellet.

[1, 3, § 2] 91. Solchemnach solle die Uebermaß niemalen in der Eigenschaft eines Heirathguts bestehen können, sondern als eine aus bloßer Freigebigkeit herrührende Schankung zwischen Eheleuten nach deme geachtet werden, was davon in dem folgenen §. IV geordnet wird.

[1, 3, § 2] 92. Wovon Wir nur den alleinigen Fall ausgenommen haben wollen, da das Vermögen der heirathenden Person so gering wäre, daß dessen dritter Theil zu einem standesgemäßen Heirathgut nicht zureichete, welchen Falls zu Beförderung einer anständigen Heirath sich auch darüber bis auf die Hälfte des Vermögens einzulassen gestattet sein solle.

[1, 3, § 2] 93. Wann ein Heirathgut von einem Aufsteigenden, welcher hierzu verbunden ist, bestellet wird, ist bloß darauf zu sehen, damit der Pflichttheil der übrigen Notherben andurch nicht verkürzet werde.

Widrigens, und da nach Ableben eines solchen Aufsteigenden sich durch Uebermäßigkeit des bestellten Heirathguts in Ansehung des nachgelassenen Vermögens eine Verkürzung an dem Pflichttheil der übrigen Notherben ergeben würde, muß ihnen auch der Abgang von dem Heirathgut nach Maß dessen, um was sie durch dasselbe an dem Pflichttheil verkürzet worden, vergütet werden.

[1, 3, § 2] 94. Außer deme beruhet die Bestimmung des mehr oder minderen Betrags bei der Willkür der sich hierwegen Vergleichenden. Wo sich aber deshalben, weilen entweder gar keines oder doch ein sehr geringes, mit der Wohlanständigkeit nicht übereinkommendes Heirathgut mitgegeben werden wollte, unter ihnen nicht geeiniget werden könnte, und es dahero auf die richterliche Ausmessung ankäme, so hat das Gericht jedes Mal auf den Landesbrauch, nach den Stand, Würde und Wesen der Personen, und auf die Kräften des Vermögens des hierzu verbundenen Elterntheils zu sehen.

[1, 3, § 2] 95. Wann jedoch in Ermanglung eines Landesbrauchs keine verläßliche Richtschnur daher zu erholen wäre, oder der landesübliche Betrag die Kräften des Vermögens des hierzu verbundenen Elterntheils überstiege, hat das Gericht auf dessen Vermögens-, Gewerb- und Nahrungsstand, die mehrere oder mindere Anzahl der noch zu versorgen habenden Kindern und mehr dergleichen zu erwägen billige Umstände die Rücksicht zu nehmen, und nach vernünftigen Ermessen das Heirathgut zu bestimmen, oder durch gütliche Wege die Parten über den Betrag zu vereinigen, dabei aber sich von aller nachtheiligen Untersuchung des Vermögens zu enthalten.

[1, 3, § 2] 96. Endlich, wo Jemand, welcher zu Mitgebung eines Heirathguts nicht verbunden ist, dasselbe bestellete, hanget es von seiner eigenen Willkür ab, was für Ziel und Maß derselbe seiner Freigebigkeit setzen wolle, wenn die Schankung nur also beschaffen ist, daß solche nach Inhalt dessen, was davon in zweitem Theil, in siebentem Capitel geordnet wird, zu Recht bestehen könne.

[1, 3, § 2] 97. Ein Heirathgut kann sowohl vor der Heirath, als auch während der Ehe bestellet werden. Wo aber dessen Bestellung vor der Heirath nicht geschehen, ist der Mann

(1-104) nicht mehr befugt, solche darnach anzubegehren, noch weniger das Weib oder ihre Eltern darum gerichtlich anzusprechen.

[1, 3, § 2] 98. Es seie dann, daß ein minderjähriges Weib ihr eigenes Vermögen unter der Verwaltung ihres Vormunds oder ihres Vaters besitzete, und diese vor der Heirath ein Heirathgut zu bestellen verweigeret hätten, welchen Falls dessen Ausmessung auch nach der Verehelichung mit Willen des Weibs gerichtlich angesuchet werden mag.

[1, 3, § 2] 99. Wie aber die Bestellung des Heirathguts, also kann auch dessen Vermehrung währender Ehe aus freier Willkür geschehen, wann nur dabei mit Einrechnung des schon vorhin zum Heirathgut bestimmten Betrags die oben vorgeschriebene Maß nicht überschritten wird.

[1, 3, § 2] 100. Ein Heirathgut kann entweder durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen bestellet werden.

Darüber pflegen insgemein schriftliche Eheberednissen, Heirathsbriefe oder wie sonst immer Namen habende Verträge zwischen denen Brautleuten selbst oder zugleich zwischen ihren Eltern, Vormünderen, Befreundten oder auch Fremden, die das Heirathgut hergeben, errichtet zu werden, wiewohlen eine Eheberedniß oder ordentlich zu Stande gebrachter Heirathsvertrag auch ohne schriftlicher Urkunde giltig ist, wann solcher durch Zeugen oder sonst genüglich erwiesen werden mag.

[1, 3, § 2] 101. die Eheberednissen und Heirathsbriefe bestehen einerseits in dem Versprechen oder Beschreibung des Heirathsguts und andererseits in dessen Annehmung mit oder ohne Gegenbestellung einer Widerlag, deme noch verschiedene andere Nebenbedinge nach Willkür deren sich Vergleichenden beigefüget zu werden pflegen.

[1, 3, § 2] 102. Die Bestellung des Heirathguts hat allemal die Bedingniß auf sich, wann eine giltige Ehe erfolget oder die bereits eingegangene giltig ist.

[1, 3, § 2] 103. Wann demnach die Ehe aus was immer für Ursache mit oder ohne Schuld eines oder des anderen Theils nicht erfolget, oder die schon angetretene Ehe wegen einer ehetrennlichen Hinderniß für ungiltig erkläret, und sonach die vermeinte Eheleute geschieden worden, höret alles Recht des Heirathguts dergestalten auf, daß nicht nur das versprochene nicht begehret, sondern auch das schon übergebene und empfangene als ein von dem anderen ohne Ursach vorenthaltenes Gut zurückgeforderet werden könne.

[1, 3, § 2] 104. Doch bleibet in jenem Fall, da aus Schuld des einen Theils die versprochene Ehe nicht erfolget, oder der eine Theil vor der Heirath die ehetrennliche Hinderniß, wegen welcher die Ehe nachhero ungiltig erkläret worden, wohl gewußt und solche dem anderen verhehlet hat, dem Hintergangenen sein Recht bevor, die Entschädigung und sonstigen Entgang an dem Schuldigen anzusuchen.

[1, 3, § 2] 105. Außer vorbemelter, einem jeden Heirathgut nach dessen Natur

(1-105) ohnzertrennlich anklebender Bedingniß der ohnfehlbar erfolgenden oder wirklich schon bestehenden Ehe kann von Jenen, die ein Heirathgut zu geben schuldig sind, bei dessen Bestellung ohne Einwilligung des Bräutigams oder Ehemanns keine andere wie immer Namen habende Bedingniß beigesetzet werden.

[1, 3, § 2] 106. Was aber auch mit Einwilligung des Bräutigams oder Ehemanns ausbedungen wird, kann der Braut oder Ehegattin an ihrem nach dem bestellenden Eltertheil dereinst zu gewarten habenden Erbtheil zu keinem Schaden gereichen, wann durch derlei Bedinge sie an dem ihr angebührenden Pflichttheil eine erweisliche Verkürzung oder sonstige Beschwerung über die Natur des Heirathguts erlitte.

[1, 3, § 2] 107. Sie wäre dann großjährig und hätte dabei ausdrücklich das unter so beschaffenen Bedingnissen bestellte Heirathgut auf Abschlag ihres künftigen Erbtheils oder zu ihrer gänzlichen Abfertigung angenommen.

[1, 3, § 2] 108. Umsoweniger kann in Fällen, wo ein Vater oder Vormund aus den unter seiner Verwaltung habenden eigenen Mitteln einer minderjährigen Tochter ein Heirathgut bestellet, auch mit Willen des Bräutigams oder Ehemanns etwas ausbedungen werden, was derselben über die Natur eines Heirathguts eine mehrere Beschwerde oder sonstigen Nachtheil zuziehen würde.

[1, 3, § 2] 109. Dahingegen stehet sowohl einer schon großjährigen Braut oder Eheweib, als einem jedem anderen hierzu nicht Verbundenen allerdings frei, bei Bestellung des Heirathguts was immer für mögliche, sonst zulässige und weder denen Gesetzen noch guten Sitten widerstrebende Bedingnissen und Nebenverträge beizufügen.

[1, 3, § 2] 110. Doch müssen derlei Bedinge gleich Anfangs bei der Bestellung geschehen; dann widrigens, wo das Heirathgut unbedingt bestellet worden, erwachset hieraus ein Recht, welches ohne Willen dessen, deme es gebühret weder geänderet noch mit neuen Beisätzen beschweret werden kann.

[1, 3, § 2] 111. Also ist nach einmal bestellten Heirathgut weder das Weib ohne Einwilligung des Manns, noch der Mann ohne Einwilligung des Weibs und um so minder ein Dritter, der das Heirathgut bestellet, ohne Einwilligung Beider befugt, ein neues Beding beizurucken oder das Anfangs beigeruckte zum Nachtheil des einen oder anderen Theils abzuänderen.

[1, 3, § 2] 112. Auch die Eheleute für sich können die Bedinge nicht änderen, welche von einem Dritten, der das Heirathgut hergegeben, beigefüget worden, außer jenen, welche einzig und allein den selbsteigenen Vortheil des einen oder anderen Theils zu Absicht haben, dessen sich Jedermann, der sich sonst zu verbinden oder Verbindungen zu erlassen fähig ist, nach eigenem Gefallen begeben kann.

[1, 3, § 2] 113. Diejenige Bedinge aber, welche sie selbst gegen einander eingegangen, oder über ihr eigenes oder nachhero eigenthümlich angefallenes Vermögen von ihren Vormünderen oder Eltern eingegangen worden, können sie, wann selbe großjährig sind, mit beiderseitiger Einverständniß nach Willkür änderen oder auch

(1-106) gar anwiederum einander erlassen, insoweit keines Anderen hieraus erworbenes Recht andurch geschmäleret wird.

[1, 3, § 2] 114. Insgemein betreffen die dem Heirathgut beigesetzte Bedinge und Nebenverträge dessen Gewinn oder Rückfall, wann das Weib vor dem Mann oder der Mann vor dem Weib verstirbt.

[1, 3, § 2] 115. Wo aber nichts Anderes ausdrücklich ausbedungen worden, solle das Heirathgut jedesmal dem überlebenden Theil unwiderruflich gehören und verbleiben, also daß auf Vorsterben des Weibs dasselbe der Mann gewinne, wann er sich nicht namentlich auf diesem Fall zu dessen Zurückstellung an den Bestellenden oder dessen Erben oder an die Kinder oder sonstige Erben des Weibs verbunden hat.

[1, 3, § 2] 116. Gleichwie gegentheils auf Vorsterben des Manns das Heirathgut allemal zu dem Weib zurückzukehren hat, wann nicht etwann ein Widriges wortdeutlich bedungen worden, daß es auf solchen Fall entweder bei denen Kindern aus solcher Ehe oder bei anderen Erben des Manns verbleiben, oder dem Bestellenden oder dessen Erben oder auch einem Dritten zukommen solle.

[1, 3, § 2] 117. Wann ein Heirathgut schriftlich oder mündlich versprochen worden,

(1-107) ist an dem Versprechen allein nicht genug, sondern es muß auch in der gebührenden Zeit dessen wirklicher Erlag erfolgen.

[1, 3, § 2] 118. Doch kann vor der Heirath auf dessen Entrichtung noch nicht geklaget werden. Nach der Heirath aber ist zu unterscheiden, ob eine Erlagsfrist verglichen worden oder nicht. Ersteren Falls ist förderist die verglichene Frist abzuwarten.

[1, 3, § 2] 119. Letzteren Falls aber kann solches aus Wohlanständigkeit vor Gericht nicht ehender gefordert werden, bevor nicht sechs Wochen von Zeit der priesterlichen Trauung verstrichen sind.

[1, 3, § 2] 120. Nach deren Verlauf hingegen oder nach der verglichenen Verfallzeit gebühret die Rechtsforderung wider Jenen, der das Heirathgut bestellet hat, oder dessen Erben zu dessen Erlag, Uebergabe oder Abtretung mit allen von der verglichenen Erlagszeit oder, da keine bestimmet worden, von dem Tag der eingegangenen Ehe verfallenen Zinsen oder Früchten und Nutzungen.

[1, 3, § 2] 121. Und zwar mit landesüblichen Zinsen, wo das Heirathgut an baarem Geld oder einbringlichen Forderungen versprochen worden, oder der Werth von zugeschätzten Sachen zu erstatten kommt. Mit Früchten und Nutzungen aber von denen zum Heirathgut angewiesenen fruchtbringenden beweglichen oder unbeweglichen Dingen oder nutzbaren Rechten.

[1, 3, § 2] 122. Der Rechtszwang gehet jedoch wider den Beklagten nicht weiter, als auf das, was derselbe füglich thun kann, ohne sich selbst dem äußersten Nothstand auszusetzen, also daß dem Beklagten allemal die Rechtswohlthat der erweislichen Selbstbedürfniß zu Statten komme, und dieses zwar denen leiblichen Eltern oder Großeltern der Eheleuten ohne Unterschied; dahingegen Anderen nur damals, wann das Heirathgut aus ihrer bloßen Freigebigkeit herrühret, und sie nicht schon aus einer vorhin bestandenen Ursache zu eben denselben Betrag, welchen sie nachhero zum Heirathgut bestellet, verbunden waren.

[1, 3, § 2] 123. Wo aber ein Heirathgut mit einem bestellten Unterpfand landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben worden, bedarf es keiner besonderen Rechtsforderung, sondern dem Ehemann stehet nach Verlauf der oberwähnten Zeit frei, bei fruchtloser gütlicher Ermahnung die gerichtliche Einführung in das ihme verschriebene Unterpfand zu nehmen, und sich dessen bis zu seiner vollständigen Befriedigung zu halten.

[1, 3, § 2] 124. Die Uebergabe des Heirathguts geschieht an baarem Gelde durch dessen wirkliche Zuzählung und an Fahrnissen durch deren Ueberantwortung und anderseitige Annehmung, bei liegenden Gütern und hierauf haftenden Rechten und Forderungen durch deren landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung und Abtretung.

[1, 3, § 2] 125. Und da es sich zuweilen ereignet, daß in dem Heirathsbrief die Zuzählung und der richtige Empfang des Heirathguts bekennet und über dessen Empfang in Hoffnung der künftigen Zahlung schon zum Voraus quittiret werde, obschon es noch nicht wirklich zugezählet und empfangen worden, so solle jegleichwohlen eine solch voreilige Bekanntniß nicht hinderen, daß nicht ohnerachtet der in dem Heirathsbrief enthaltenen Quittirung das Heirathgut annoch geforderet werden könne.

[1, 3, § 2] 126. Doch mit folgendem Unterschied, daß, wann der Mann binnen Jahr und Tag (das ist binnen einem Jahr und sechs Wochen) von dem Tag der Verehelichung, obschon binnen dieser Zeit das Weib verstorben wäre, nach dessen Tod ihme vermöge der Heirathsberedniß das Heirathgut zugefallen, dasselbe gerichtlich

(1-108) begehret, derjenige, welcher das Heirathgut bestellet, und hierüber quittiret worden, die wirkliche Zuzählung oder Uebergabe zu erweisen habe.

[1, 3, § 2] 127. Wann aber das Heirathgut erst nach Jahr und Tag von angetretener Ehe wider die eigene Quittung als unzugezählter geforderet würde, so solle der Gegentheil, welcher das Heirathgut bestellet hat, von dem Beweis der in dem Heirathsbrief bekannten und bescheinigten Zuzählung gänzlich entbunden, Kläger aber, welcher vorgibt, daß ihme das Heirathgut nicht zugezählet worden, dieses sein Vorgeben rechtsbeständig darzuthun schuldig sein.

[1, 3, § 2] 128. Da jedoch der Empfang des Heirathguts nicht in dem Heirathsbrief bekennet, sondern von dem Ehemann nach der Hand eine absonderliche Quittung oder sonstige Urkunde zu Bescheinigung des Empfangs ausgestellet worden, so ist sich in solchem Fall nach deme zu achten, was im dritten Theil von anderen zum Voraus ausgestellten Quittungen geordnet wird.

[1, 3, § 2] 129. Diese Klage und Forderung wegen noch nicht zugezählten und übergebenen Heirathguts höret aber auf, wann solches entweder in denen Rechten für übergeben gehalten, oder von dem Bräutigam oder Ehemann anwiederum seiner Braut oder Ehegattin zurückgeschenket wird, in welchem letzteren Fall es in Absicht auf den Schenkenden einerlei ist, ob keine Zuzählung und Uebergabe vorhergegangen oder erst das schon zugezählte oder übergebene geschenket worden.

[1, 3, § 2] 130. Doch muß dergleichen Schankung in dem nämlichen Heirathsbrief oder in einer anderen darnach gefertigten Urkunde ausdrücklich enthalten, oder in andere Wege rechtsgenüglich erweislich sein, und ihrer Giltigkeit sonst nicht im Wege stehen.

[1, 3, § 2] 131. An dem übergebenen Heirathgut erwirbt der Mann das Eigenthum, welches aber nach Unterschied der Dingen, woran des Heirathgut bestehet, entweder nach aufgelöster Ehe widerruflich oder unwiderruflich ist.

[1, 3, § 2] 132. An baarem Geld und solchen Dingen, welche in Handel und Wandel nach dem Gewicht, Zahl und Maß geschätzet werden, wie nicht minder an abgetretenen Schuldforderungen und an allen in einem angeschlagenen und bedungenen

(1-109) Werth zugeschätzter gegebenen sowohl beweglichen als unbeweglichen Dingen, doch in Ansehung dieser letzteren nicht anderst, als mit der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Uebergabe erlanget der Mann das unwiderrufliche Eigenthum.

[1, 3, § 2] 133. Dieses hat die Wirkung, daß derselbe an dergleichen Heirathgut allen Aufwand, Gefahr, Schaden und Verunglückung selbst zu tragen, dahingegen auch die Befugniß habe, darmit nach eigenem Gefallen frei zu schalten und zu walten, solches wie immer zu beschweren und zu veräußeren, also daß nach ausgelöster Ehe das Weib oder Jener, an welchen in Kraft der Eheberedniß das Heirathgut zurückzufallen hat, nicht eben dasselbe, was gegeben worden, sondern an Geld und Feilschaften nur eben so Vieles von gleicher Güte und Eigenschaft, als zum Heirathgut gegeben worden, und für andere zugeschätzte Sachen lediglich den angeschlagenen Werth zurückforderen könne.

[1, 3, § 2] 134. Wir verordnen aber zur Sicherheit des Handels und Wandels noch weiter, daß in Hinkunft keine Fahrnissen nach ihrer Gestalt und Stückweise anderst als nach einer beiderseits beliebten Schätzung zum Heirathgut gegeben werden sollen.

[1, 3, § 2] 135. Widrigens sind zwar solche auf dem Fall der Zurückstellung des Heirathguts, wann sie noch bei dem Mann oder seinen Erben vorhanden sind, in demjenigen Stand, in welchem sie vorgefunden werden, anwiederum zurückzugeben.

[1, 3, § 2] 136. Dahingegen, wo selbe mittlerweil veräußeret worden, kann dieserwegen kein dritter Besitzer angefochten, sonder nur der Werth dafür, wie solcher gerichtlich geschätzet oder erwiesen, oder in Ermanglung eines anderen Beweises mittelst gewissenhaften Anschlags beschworen und in diesem letzteren Fall nach richterlichen Befund gemäßiget wird, von dem Mann, oder dessen Erben zurückgeforderet werden, welcher auch damals gebühret, wo sie außer der Abnützung aus erweislicher Gefährde oder Schuld des Manns oder seiner Erben zu Schaden gekommen.

[1, 3, § 2] 137. An liegenden Gütern aber und anderen darauf landtäflich, stadt- oder grundbücherlich haftenden Rechten, wann solche ohne Zuschätzung oder Bedingung des Werths zum Heirathgut bestellet worden, erwirbt der Mann durch die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Uebergabe und Abtretung nur ein widerrufliches Eigenthum, welches ihme bis zu dem sich ergebenden bedungenen Rückfall des verschriebenen und übergebenen Heirathguts hieran zustehet, sodann aber anwiederum ausgelöset wird.

[1, 3, § 2] 138. Dieses wirket so viel, daß dem Mann nicht allein die Verwaltung des Heirathguts währender Ehe gebühre, sonder auch derselbe alle von Zeit der eingegangenen Ehe bis zu dem Rückfall davon abfallende wie immer Namen habende Früchten und Nutzungen, insoweit solche ohne Schaden und Schmälerung des Guts und ohne Erschöpfung des künftigen gänzlichen Nutzens behoben werden mögen, mit vollem Recht erwerbe und sein Eigen mache.

[1, 3, § 2] 139. Was aber dem Heirathgut dergestalten zugehet, daß es mit demselben entweder durch die Natur, durch Zufall oder durch das Recht unabtrennlich vereiniget werde, alles dieses, es bestehe in körperlichen oder unkörperlichen Dingen, wächst dem Heirathgut zu und ist mit demselben bei sich ereignenden Rückfall zurückzustellen, obschon die Nutzung auch von diesem Zuwachs dem Mann für die Zeit der fortwährenden Ehe gebühret.

[1, 3, § 2] 140. Dagegen lieget dem Mann ob, in Verwaltung des Heirathguts allen Fleiß, Sorgfalt und Vorsicht eines emsigen Hausvaters anzuwenden, folglich ist er auch verbunden, für allen aus seiner Gefährde, großen oder leichten Schuld hieran verursachten Schaden zu haften; für Zufall aber und die geringste Schuld wird er nicht verfänglich.

[1, 3, § 2] 141. Hieraus fließt dessen weitere Schuldigkeit, nicht nur das Heirathgut und alle demselben anklebende Rechten und Gerechtigkeiten wider die Ansprüche

(1-110) Anderer bei Gericht zu vertheidigen und zu verfechten, sondern auch alle zu Erhaltung des Heirathguts und dessen Rechten erforderliche Rechtsmitteln gegen Jedermänniglich anzustrengen und auszuführen, wie nicht minder die darwider laufende Verjährungen auf alle thunliche Weise zu unterbrechen.

[1, 3, § 2] 142. Keineswegs aber ist derselbe berechtiget, von einem solchen ungeschätzt empfangenen Heirathgut etwas zu veräußeren oder solches zu verpfänden, zu beschweren oder was immer zu thun oder zu unterlassen, woraus die Veräußerung, der Verlust oder einige Schmälerung oder Beschwerung desselben erfolgete.

[1, 3, § 2] 143. Widrigens ist nicht allein ein dergleichen Beginnen dem Weib oder demjenigen, welchem das Heirathgut seiner Zeit zurückzustellen ist, ganz und gar unschädlich, sondern es muß auch der etwann gleichwohlen an dem Heirathgut hieraus entstandene Schaden, Verminderung oder Abwürdigung bei dem Fall dessen dereinstiger Zurückstellung von dem Mann oder dessen Erben ersetzet werden.

[1, 3, § 2] 144. Was jedoch derselbe zu beharrlicher Erhaltung und künftiger mehrerer Benutzung des Heirathguts erweislich hinein verwendet, ist er auf dem Fall der Zurückstellung nicht weniger, wie nach Ausmessung dessen, was davon in zweitem Theil seines Orts geordnet wird, ein jedweder anderer zeitlicher Besitzer mit gutem Glauben zurückzuforderen befugt.

[1, 3, § 2] 145. Um aber auf den erfolgenden Rückfall der Zurückstellung des

(1-111) Heirathguts nach Verschiedenheit der Fällen entweder in dem gleichen Betrag oder an Werth desto gesicherter zu sein, solle dem Bestellenden freistehen, entweder

(1-112) in dem Heirathsbrief oder sonsten sich hierwegen eine genugsame Sicherheit mittelst Verschreibung eines sonderheitlichen Unterpfands an einem liegenden Gut oder hierauf haftenden Recht auszubedingen.

[1, 3, § 2] 146. Doch giebt ihme dieses Beding für sich allein noch kein dingliches Recht des Unterpfands an dem hierzu bestellten Gut, sondern zu dem Ende muß der Heirathsbrief, worinnen das Unterpfand verschrieben worden, oder die Versicherungsurkunde in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher da, wo das verschriebene Gut innelieget, einverleibet und darauf vorgemerket werden.

[1, 3, § 2] 147. Andurch erlanget derselbe von dem Tag der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Vormerkung das Pfandrecht an dem verschriebenen Gut mit dem Vorzug vor allen später darauf vorgemerkten Gläubigeren.

Vor Jenen aber, die schon früher auf eben diesem Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret waren, hat das Heirathgut kein Vorrecht.

[1, 3, § 2] 148. Ueberhaupt solle ein zur Versicherung des Heirathguts bestelltes Unterpfand von denen für allgemein festgesetzten Maßregeln keine Ausnahme noch einige mehrere Wirkung haben, als welche allen anderen Pfandsverschreibungen in dem dritten Theil beigeleget wird.

[1, 3, § 2] 149. Umsomehr wollen Wir hiermit das in einigen Landen nach denen vorigen Gesetzen dem Heirathgut eingeräumt geweste stillschweigende Pfandrecht in Zukunft gänzlich abgestellet, und in Ansehung eines dergleichen bei Einführung dieses Unseren Gesetzes allschon bestehenden stillschweigenden Pfandrechts Jenes beobachtet haben, was deshalben in zweitem Theil geordnet wird.

[1, 3, § 2] 150. Es kann dahero zur Sicherheit des Heirathguts kein Pfandrecht anderst, als mittelst der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Vormerkung auf dem verschriebenen Gut erworben werden, sondern wo diese Vorsicht unterlassen worden, hat das Heirathgut allen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicherten Forderungen nachzustehen.

[1, 3, § 2] 151. Gleichwie aber die Versicherung des Heirathguts bei Braut- oder Eheleuten, welche freie Schalt- und Waltung mit dem Ihrigen haben, ihrer eigenen Willkühr überlassen wird, also sind hingegen Jene, unter deren Obsorge minderjährige sich verehelichende Weibspersonen stehen, schuldig, auf ihre eigene Gefahr die Sicherstellung des Heirathguts zu bewirken und solches längstens binnen sechs Wochen von Zeit der Verehelichung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versichern zu lassen, widrigens sie, falls vor geendigter Vormundschaft dasselbe gefährdet würde, allerdings dafür zu haften haben.

[1, 3, § 2] 152. Die Versicherung des Heirathguts geschieht insgemein an dem Vermögen des Manns entweder von ihme selbst, wann er die freie Schalt- und Waltung hat, oder aber von dem Vater oder Vormund, unter deren Verwaltung dessen Vermögen stehet, welche auch auf dem Fall, daß die Heirath mit der väterlichen oder gerichtlichen Einwilligung für sich gegangen, durch den Zwang Rechtens hierzu verhalten werden können.

[1, 3, § 2] 153. Es kann aber auch der Vater, Mutter, Großeltern und jeder Fremder, wann er sonst sich zu verbinden fähig ist, aus eigenen Mitteln das Heirathgut auf vorstehende Weise versicheren.

(1-113) [1, 3, § 2] 154. Wann jedoch der Mann zur genüglichen Versicherung des Heirathguts kein eigenes hinreichendes Vermögen hätte, so ist der Vater, die Mutter und die weitere Aufsteigende, wann die Heirath mit ihrer Beistimmung geschehen, in derjenigen Maß, wie sie nach Ausmessung des gleich nachfolgenden §. III zur Widerlage verbunden sind, das Heirathgut, doch nicht weiter, als auf den landesüblichen Betrag zu versicheren schuldig, wo es ohne ihrem merklichen Nachtheil geschehen kann.

[1, 3, § 2] 155. Daferne aber zur Versicherung des Heirathguts kein besonderes Unterpfand, sondern nur überhaupt all gegenwärtiges und künftiges liegend und fahrendes Vermögen zur allgemeinen Hypothek verschrieben worden wäre, so kann zwar ein so beschaffener Heirathsbrief oder Versicherungsurkunde in Ermanglung einer sonderheitlichen Hypothek zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung und Vormerkung nicht gelangen.

[1, 3, § 2] 156. Doch solle sowohl in diesem Fall, als auch, da gar kein und also weder ein allgemeines Unterpfand verschrieben worden wäre, dem Weib oder Jenem, der das Heirathgut für sie bestellet hat, freistehen, nach der Hand dessen Sicherstellung an des Manns entweder zur Zeit des bestellten Heirathguts schon gehabten oder nachher erworbenen Vermögen noch allzeit anzusuchen.

[1, 3, § 2] 157. Welches entweder durch Erwerbung eines gerichtlichen Pfandrechts an dem zu diesem Ende namentlich anzuzeigen habenden Gut, wessen sich Kläger zu halten gedenket oder durch Anhaltung des Manns zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung einer sonderheitlichen Hypothek erwirket werden kann.

In einem so anderem Fall aber gebühret dem also versicherten Heirathgut der Vorzug nur vor denen später, nicht aber auch vor denen früher vorgemerkten Forderungen.

[1, 3, § 2] 158.Wann hingegen sich wegen Sicherheit des Heirathguts mit einer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung nicht vorgesehen worden, so hat dasselbe weder eines ausdrücklichen, noch weniger stillschweigenden Pfandrechts, folglich auch keines Vorzugs vor denen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten Forderungen zu genießen, sondern diesen allen als eine bloße briefliche oder sonst persönliche Forderung nachzugehen.

[1, 3, § 2] 159. Wir wollen jedoch aus besonderer Begünstigung dem unversicherten Heirathgut an denen nach Abzahlung aller vorgemerkten Forderungen aus dem unbeweglichen Vermögen erübrigenden Zahlungsmitteln und an allem noch vorhandenen fahrenden Gut den Vorzug vor anderen bloßen brieflichen, oder sonst persönlichen Sprüchen und Forderungen in jener Ordnung, die in viertem Theil in der Gant- oder Cridaordnung für dasselbe ausgemessen wird, gnädigst verliehen und eingestanden haben.

[1, 3, § 2] 160. Dieser Vorzug aber kann demselben nicht anderst zu statten kommen, als wann entweder durch untadelhafte Urkunden oder Zeugen, oder im Fall eines halbständigen Beweises durch eidliche Erhärtung dargethan wird, daß das Heirathgut dem Mann wirklich zugebracht und übergeben worden seie.

[1, 3, § 2] 161. Dahingegen ist an der alleinigen Bekanntniß des Manns zur Wirkung des Vorzugs vor anderen Gläubigeren nicht genug, noch kann bei Entstehung alles anderen Beweises bloß dieserwegen das Weib zum Ergänzungseid zugelassen werden, obschon eine solche Bekanntniß wider den Mann und dessen Erben nichts destoweniger ihre Kraft hat.

[1, 3, § 2] 162. Der Rückfall des Heirathguts, wann deshalben nichts anderes bedungen worden, ergiebt sich allemal nach aufgelöster Ehe. Währender Ehe aber

(1-114) kann dasselbe insgemein nicht zurückgeforderet werden, es hätte dann der Mann durch seine Untreue, durch allzuhartes Verfahren oder durch boshafte Verlassung zur erfolgten gerichtlichen Sönderung von Tisch und Bett Ursach gegeben, welchen Falls er auch die Nutzung des Heirathguts verlieret.

[1, 3, § 2] 163. In dem Fall jedoch, wo das Weib oder Jene, die sie zu vertreten haben, wegen kundbarer Verschwendung oder sonstiger Abnahme des Vermögens des Manns eine mit Grund besorgende Gefährde des unversicherten Heirathguts zu erweisen vermögeten, kann zwar dasselbe nicht zurückgeforderet, wohl aber dessen hinreichende Sicherstellung oder anderweite sichere Anlegung, doch allemal mit der dem Mann vorbehaltenen Nutzung anbegehret werden.

[1, 3, § 2] 164. Desgleichen solle das Heirathgut währender Ehe in Sicherheit gebracht werden, wann der Mann Verbrechens halber sein Vermögen verwirket hätte, oder dasselbe zu handen der Glaubigeren in gerichtlichen Beschlag gediehen wäre, um solches bei sich ergebenden Rückfall Jenem, deme es gebühret, zurückzustellen, woferne es vorbemelter Maßen schon vor anderen später angemeldeten Forderungen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern seine Bedeckung hat oder außer derselben an dem noch nicht behafteten Vermögen etwas erübriget.

§. III

[1, 3, § 3] 165. Gleichwie das Heirathgut dem Mann von dem Weib zugebracht wird, also pfleget auch dieses dagegen von dem Mann insgemein mit einer Widerlage des Heirathguts betrauet zu werden.

(1-115) [1, 3, § 3] 166. Durch diese Widerlage oder Gegenvermächtniß wird also jenes verstanden, was der Mann oder seine Eltern oder jemand Anderer anstatt seiner dem Weib insgemein als eine Gegenschankung für das Heirathgut bestellet.

[1, 3, § 3] 167. Die Eigenschaft der Widerlage ist übrigens mit jener des Heirathguts einerlei, außer daß das Heirathgut die Erleichterung der Ehelasten an Seiten des Manns währender Ehe, die Widerlage aber die Versorgung des Weibs nach aufgelöster Ehe zur Absicht habe.

[1, 3, § 3] 168. Aus dieser verschiedenen Absicht kann sowohl das Heirathgut ohne Widerlage, als diese ohne einem vorher, zugleich aber auch darnach bestellten Heirathgut bestehen.

[1, 3, § 3] 169. Doch ist die Bestellung der Widerlage aus ihrem gemeinnützlichen Endzweck, damit unbemittlete Witwen versorget werden, nicht weniger als die Bestellung des Heirathguts nicht allein eine allgemeine Geziemung, sondern auch in Ansehung jener Personen, welche ihren Töchtern und Enkelinnen ein Heirathgut mitzugeben verbunden sind, eine Schuldigkeit gleichfalls für ihre heirathende Söhne

(1-116) und Enkeln eine Widerlage zu bestellen, wann solche bei einer treffenden anständigen Heirath begehret wird.

[1, 3, § 3] 170. Bei jenen Heirathenden, welche ein eigenes Vermögen und dessen freie Verwaltung haben, beruhet es in ihrer eigenen Willkür eine Widerlage aus ihren Mitteln zu bestellen und zu bedingen.

[1, 3, § 3] 171. Da aber der heirathende Sohn unter der Vormundschaft stünde oder ein eigenes Vermögen unter der Verwaltung des Vaters hätte, und die väterliche oder die gerichtliche Einwilligung in die Heirath erfolget wäre, hat sowohl der Vormund, als Vater die Widerlage aus dem Vermögen des Sohns mit Genehmhaltung der obervormundschaftlichen Gehörde zu bestellen, und, wo sie sich dessen ohne erheblicher Ursache weigereten, können sie auch bei schon bestehender Ehe mit Willen des Manns darzu gerichtlich verhalten werden.

[1, 3, § 3] 172. In Ermanglung eigenen Vermögens haben die Eltern und Großeltern des heirathenden Sohns oder Enkels in derjenigen Ordnung, wie sie nach Ausmessung des vorigen §. zur Ausstattung ihrer Töchter und Enklinnen verbunden sind, die Schuldigkeit auf sich, eine geziemende Widerlage zu bestellen.

[1, 3, § 3] 173. Und wo die Heirath mit ihrer oder des Gerichts Verwilligung geschieht, sie aber sich zur Bestellung der Widerlage ohne erheblicher Ursache nicht verstehen wollten, kann eben also wie es oben von dem Heirathgut geordnet worden, die gerichtliche Vermittlung und Ausmessung angesuchet werden.

[1, 3, § 3] 174. Von dieser Verbindlichkeit kann keine andere Weigerungsursache entheben, als welche oben von n. 76 bis n. 79 von Bestellung des Heirathguts entbindet.

Doch verstehet sich von selbsten, daß die Schuldigkeit zur Bestellung der Widerlage allemal ein bedungenes Heirathgut voraussetze, dann wo dieses nicht bestellet wird, kann auch keine Widerlage begehret werden.

[1, 3, § 3] 175. Wo aber eine Heirath ohne Einwilligung desjenigen Elterntheils, welcher sonst zur Bestellung des Heirathguts oder der Widerlage verbunden wäre, oder bei dessen unbilliger Weigerung ohne gerichtlicher Genehmhaltung eingegangen worden, da höret auch die Schuldigkeit sowohl zu dem Heirathgut als zur Widerlage auf.

[1, 3, § 3] 176. Ueber die aufsteigende Personen erstrecket sich diese Schuldigkeit nicht auf Befreundte und umsoweniger auf Fremde, wann sie sich nicht sonst darzu verbindlich gemacht haben.

Doch stehet auch Jenen, die hierzu nicht verbunden sind, frei, aus Freundschaft und guten Willen eine Widerlage für den Mann zu bestellen, welche solchen Falls als eine dem Mann und nach dessen Absterben dem Weib gemachte Schankung anzusehen ist, wann nichts Anderes bedungen wird.

[1, 3, § 3] 177. Wo die Widerlage aus dem eigenen Vermögen des Manns, es seie von ihme selbst oder, wo er noch minderjährig oder sonst in der freien Schalt- und Waltung gehemmet wäre, von seinem Vater, Vormund oder Gerhaben mit gerichtlicher Genehmhaltung bestellet wird, solle solche niemalen den vierten Theil seines frei vererblichen Vermögens übersteigen.

[1, 3, § 3] 178. Doch also, daß in diesen vierten Theil der Betrag des auch wirklich zugebrachten und bei dem Mann verbliebenen oder dem Weib zurückgeschenkten Heirathguts nicht mit eingerechnet werde.

Was aber an der Widerlage den vierten Theil übersteiget, ist als eine bloße Schankung zwischen Eheleuten nach Ausmessung des davon handelnden §. IV anzusehen.

[1, 3, § 3] 179. Wann die Widerlage von einem darzu verbundenen Aufsteigenden bestellet wird, darf der Pflichttheil der übrigen Notherben andurch nicht verkürzet werden.

(1-117) Widrigens muß ihnen so viel davon ersetzet werden, als denenselben dadurch an ihrem Pflichttheil erweislich abgehet.

[1, 3, § 3] 180. Ohne Verkürzung des Pflichttheils hingegen hanget die Bestimmung des mehr oder minderen Betrags der Widerlage von der freien Willkür der sich hierum Vergleichenden ab.

Wo sie aber sich darüber nicht vergleichen könnten, ist die Widerlage nach den Betrag des Heirathguts und nach Umständen der Heirathenden, doch also, daß die Schuldigkeit zur Widerlage sich niemalen über den landesüblichen Betrag des Heirathguts erstrecke, wann sich auch solches höher beliefe, auszumessen.

[1, 3, § 3] 181. Wann endlich Jemand, welcher nicht darzu verbunden ist, eine Widerlage aus guten Willen bestellet, beruhet deren Betrag bei seiner eigenen Freigebigkeit, woferne andurch niemand Anderer an seinem Recht verkürzet und dabei jenes beobachtet wird, was in zweitem Theil in siebentem Kapitel von Schankungen überhaupt geordnet ist.

[1, 3, § 3] 182. Es ist auch nicht nöthig, daß die Widerlage allemal dem Heirathgut in ihrem Betrag gleich komme, sondern dieselbe kann in etwas Wenigerem oder Mehrerem bestehen, wann nur jenes, was gleich vorhero erwähnet worden, dabei beobachtet wird.

[1, 3, § 3] 183. Sie kann sowohl vor der Heirath als auch währender Ehe bestellet und nach Gefallen beider Eheleuten vermehret oder verminderet oder auch ganz erlassen werden.

Doch solle die Vermehrung der Widerlage mit Einrechnung des schon vorhin darzu bestimmten Betrags den oben bemelten vierten Theil nicht übersteigen.

[1, 3, § 3] 184. Wo aber die Bestellung der Widerlage vor der Heirath nicht geschehen, kann das Weib solche nicht mehr begehren, außer dem alleinigen oben n. 171 bemerkten Fall des hierein willigenden noch minderjährigen Manns.

[1, 3, § 3] 185. Die Bestellung der Widerlage kann auf ganz gleiche Art, wie jene des Heirathguts nach mehreren Ausweis des vorhergehenden §. n. 100 und 101 geschehen, und sie enthält nicht weniger die stillschweigende Bedingniß in sich, wann eine giltige Ehe erfolget oder die bereits eingegangene giltig ist.

[1, 3, § 3] 186. Wann dahero die Ehe nicht erfolget oder die eingegangene für ungiltig erkläret wird, kann so wenig die Widerlage, als obbesagter Maßen das Heirathgut bestehen, sondern die Beschreibung ist null und nichtig, und was etwann gegeben worden, kann anwiederum zurückgeforderet werden.

[1, 3, § 3] 187. Uebrigens hat jenes, was von Beisetzung anderer Bedingen und Nebenverträgen bei dem Heirathgut in vorigem §. von n.105 bis n. 113 geordnet worden, auch bei Bestellung der Widerlage statt.

[1, 3, § 3] 188. Wann aber nichts Anderes ausdrücklich ausbedungen worden, solle die Widerlage dem überlebenden Theil zufallen, also daß auf Vorsterben des Weibs selbe dem Mann verbleibe, gleichwie gegentheils auf Vorsterben des Manns solche das Weib erwerbe.

[1, 3, § 3] 189. Doch muß die Widerlage allemal ausdrücklich bedungen werden, und ist genug, daß sie versprochen oder verschrieben werde, ohne daß währender Ehe das Weib deren Uebergabe forderen könne, sondern solche bleibt für diese Zeit in dem Eigenthum des Manns, welcher auch, so lange er am Leben ist, deren Verwaltung und Benutzung behält.

[1, 3, § 3] 190. Sie genießt aber so wenig als das Heirathgut eines stillschweigenden Unterpfands an dem Vermögen des Manns, sondern wann derselben eine sächliche Sicherheit verschaffet werden will, kann deren Sicherstellung nicht anderst, als durch die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Vormerkung auf ein namentlich zum Unterpfand verschriebenes oder bestelltes Gut oder deme

(1-118) gleichendes Recht auf die nämliche Art, wie es oben von Heirathgut geordnet worden, bewirket werden.

[1, 3, § 3] 191. In dessen Ermanglung gebühret der Widerlage, sowie dem unversicherten Heirathgut nur allein das Vorrecht vor anderen bloßen brieflichen oder sonst persönlichen Rechten und Forderungen nach mehrerer Ausmessung der im vierten Theil vorkommenden Gant- oder Cridaordnung.

[1, 3, § 3] 192. Da aber der Mann in Abfall des Vermögens geriethe, oder dasselbe wegen Verbrechens verwirkete, oder es zu Handen der Gläubigeren in gerichtlichen Beschlag gediehen wäre, solle die Widerlage auf Anlangen des Weibs in Sicherheit gebracht werden, wann selbe etwann schon vorhero hinlänglich bedecket ist, oder sonst an dem noch nicht behafteten Vermögen etwas übrig bleibt.

Auf die Nutzungen hingegen hat das Weib, so lang der Mann lebet, keinen Anspruch.

§. IV.

[1, 3, § 4] 193. Außer dem Heirathgut und der Widerlage pflegen auch Eheleute sich einander mit Schankungen zu betreuen.

(1-119) Diese aber mögen zur Vermehrung des Heirathguts oder der Widerlage oder auch für sich allein, ohne oder mit einem schon vorhero verschriebenen oder zugebrachten Heirathgut oder Widerlage, durch Zusage und Verschreibung oder durch Uebergabe, lebzeitig oder auf Todesfall geschehen, so sollen solche niemalen, sie bestehen in einer oder mehreren einzlen Schankungen an Seiten des Weibs mit Einrechnung des verschriebenen oder zugebrachten Heirathguts, den dritten Theil ihres damals habenden Vermögens, an Seiten des Manns hingegen mit Einbegriff der Widerlage, Leibgedings und witiblichen Unterhalts den vierten Theil seines zur Zeit der Schankung besitzenden Vermögens nicht übersteigen.

[1, 3, § 4] 194. Die Uebermasse, welche an Seiten des Weibs den dritten und an Seiten des Manns den vierten Theil ihres zur Zeit der Schankung habenden Vermögens übersteiget, bleibt nach Wohlgefallen des Schenkenden sowohl durch lebzeitige Willensänderung, als durch letztwillige Anordnung widerruflich.

[1, 3, § 4] 195. Da aber der Schenkende diese Uebermasse weder auf eine noch die andere Art widerrufen hätte, solle die Schankung auch mit der Uebermasse durch seinen Tod bestätiget sein und in Ansehung der Uebermasse jene Wirkung haben,

(1-120) welche denen auf den Todesfall gerichteten Schankungen und Uebergaben in zweitem Theil, in siebentem Kapitel, zweitem Artikel zugeeignet wird.

[1, 3, § 4] 196. Dahingegen liegt sowohl dem Widerrufenden, als dessen Erben, wann diese die Widerrufung ihres Erblassers darzeigen können, der Beweis der vorgebenden Uebermasse ob, daß nämlich die Schankung den obausgesetzten Betrag um so viel überstiegen habe.

[1, 3, § 4] 197. Wo nun dieses erweislich ist, hat die Widerrufung die Wirkung, daß nicht nur die Uebermasse an dem Geschenkgeber nicht anbegehret, sondern auch das schon Gegebene, was übermäßig ist, anwiederum zurückgeforderet werden könne.

[1, 3, § 4] 198. Doch bleiben die mittlerweilige Nutzungen von Zeit der Uebergabe bis zur Widerrufung dem Schanknehmer, und falls etwas von dem geschenkten Gut von ihme veräusseret oder verzehret worden, hat er zwar den Werth dafür zu ersetzen; es kommt ihme aber nicht allein die Rechtswohlthat der Selbstbedürfniß zu statten, sondern er ist auch für Zufall nicht verfänglich, sondern dieser schadet in Ansehung der Uebermasse dem Schankgeber allein.

[1, 3, § 4] 199. Umsoweniger kann die Widerrufung einer Schankung einem Dritten schädlich sein, der dasjenige, was einem Ehegatten von dem anderen geschenket, und übergeben, oder mittelst gerichtlicher Vormerkung versicheret worden, rechtmäßig an sich gebracht oder ein Recht daran erworben hat, sondern es gebühret in solchem Fall dem Schenkenden nur ein persönlicher Anspruch wider den Schanknehmer oder dessen Erben zu Wiedererstattung des Werths der widerrufenen Uebermasse.

[1, 3, § 4] 200. Von dieser Widerrufung sollen jedoch geringe von einem dem anderen Ehegatten gemachte Verehrungen, welche nach richterlichen Ermessen das Vermögen des Schenkenden nicht schwächen, ausgenommen sein, und in den obausgesetzten dritten oder vierten Theil des Vermögens nicht eingerechnet werden können.

[1, 3, § 4] 201. Alle übrige Schankungen zwischen Eheleuten, welche entweder an liegenden Gütern oder denenselben gleich geachteten Rechten ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Uebertragung, Verschreibung oder Versicherung, oder aber an beweglichen Gut und fahrenden Hab ohne erweislicher Uebergabe geschehen, geben nur ein persönliches Recht zu der geschenkten Sache, und obschon sie den obbestimmten Betrag nicht übersteigen, haben selbe jegleichwohlen keines Vorzugs vor anderen wider den Schankgeber zustehenden persönlichen Forderungen zu genießen.

[1, 3, § 4] 202. In Gegentheil sollen alle dergleichen unvorgemerkte oder nicht übergebene, sondern in bloßer Zusage und Versprechen bestehende Schankungen allen Gläubigeren des Schankgebers nachgesetzet, und falls der Pflichttheil der Notherben nach Maß des zur Zeit des Absterbens hinterbleibenden Vermögens andurch verletzet würde, dieser vorerst ergänzet werden.

[1, 3, § 4] 203. Nur alle jene Schankungen zwischen Eheleuten, welche namentlich zur Vermehrung des Heirathguts oder der Widerlage geschehen, wann sie vorerwähnter Maßen den dritten oder vierten Theil des damaligen ein- oder anderseitigen Vermögens nicht übersteigen, genießen nicht allein auch ohne vorgeschriebener Hypothek des obeingeraumten Vorzugs vor anderen unversicherten Gläubigeren, sondern sie können auch bei nachhero minder ausfallendem Pflichttheil aus Ursach der Unpflichtmäßigkeit nicht angefochten werden.

§. V.

[1, 3, § 5] 204. Ueber das, was ausdrücklich zum Heirathgut oder zur Widerlage verschrieben und bestellet, oder freiwillig in der obbestimmten Maß geschenket

(1-121) wird, hat ein Ehegatt zu dem Vermögen des anderen währender Ehe keinen Anspruch.

(1-122) [1, 3, § 5] 205. Gegentheils bleibt einem jedwedem Theil dasjenige, was derselbe bevor gehabt, mit allen davon abfallenden Früchten und Nutzungen ohne Gemeinschaft

(1-123) mit dem anderen Theil eigen, und was währender Ehe erworben oder ererbet wird, gehöret lediglich demjenigen Theil, welcher es erwirbt oder ererbet.

[1, 3, § 5] 206. Es stehet dahero sowohl dem Mann, als dem Weib, wann sie nicht minderjährigen Alters oder sonst aus anderer Ursache darinnen beschränket sind, die freie Verwaltung ihres Vermögens zu, und hat jeder Theil die Macht, mit dem Seinigen durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen zu ordnen.

[1, 3, § 5] 207. Nichtsdestoweniger kann ein Ehegatt sich zu Gunsten des anderen durch freiwillige Verträge dieser ihme über das Seinige zustehenden Befugnissen entweder in Ansehung der freien Verwaltung, oder der Nutznießung, oder auch des Eigenthums und eigenthümlichen Erwerbung insoweit begeben, als es hiernach geordneter Maßen zugelassen wird.

[1, 3, § 5] 208. Also kann ein Ehegatt dem anderen ausdrücklich oder stillschweigend, in der Eheberedniß oder nachhero, auf lebenslang oder auf eine gewisse bestimmte oder unbenannte Zeit, mit dem Fruchtgenuß oder ohne demselben die Verwaltung seines ganzen Vermögens oder eines Theils desselben unter Verrechnung oder ohne solcher auftragen, welches zwar sich an Seiten des Manns, daß er selbe an das Weib übertrage, seltener, desto gemeiner an Seiten des Weibs ereignet, daß von dieser die Verwaltung ihres Vermögens an den Mann übertragen werde.

[1, 3, § 5] 209. Es möge jedoch die Verwaltung dem Mann von dem Weib, oder dem Weib von dem Mann aufgetragen werden, so solle es bei deme sein festes und unwiderrufliches Bewenden haben, was deswegen unter ihnen verglichen zu sein durch unlaugbare Urkunden oder durch untadelhafte Zeugen erweislich ist.

(1-124) [1, 3, § 5] 210. Wann dahero die Verwaltung des weiblichen Vermögens dem Mann aufgetragen worden, kann ihme solche währender Ehe oder vor Ausgang der bestimmten Zeit nicht benommen werden, wo nicht dessen üble Gebarung erwiesen werden mag, welchem Falls dem Weib, wann sie die wirkliche Schmälerung ihres Vermögens, oder doch die Gefahr derselben genugsam darzeigen kann, auf ihr Begehren die an den Mann übertragene Verwaltung anwiederum einzuräumen ist.

[1, 3, § 5] 211. Dahingegen, wo das Weib die Verwaltung ihres Vermögens nur auf eine Zeit oder ohne Benennung einer Zeit, doch nicht auf immer an den Mann übertragen hätte, stehet derselben frei, solche ersteren Falls nach Verlauf der Zeit, letzteren Falls aber wann sie immer will, wieder zu begehren.

[1, 3, § 5] 212. Ohne vorhergehenden ausdrücklichen Vertrag ist zwar dem Mann nicht verwehret, sich der Geschäften des Weibs und der Verwaltung ihres Vermögens, wann sie nicht darwider ist, anzunehmen, und er hat eine stillschweigende Gewalt und Vollmacht in Vorfällen, die keine besondere Vollmacht erforderen.

[1, 3, § 5] 213. Dem Weib bleibt aber bevor, der weiteren Verwaltung des Manns zu allen Zeiten zu widersprechen, und ihr Vermögen selbst zu verwalten.

Die Verwaltung des weiblichen Vermögens möge jedoch dem Mann ausdrücklich oder stillschweigend überlassen sein, so ist derselbe nicht weniger, wie ein jedweder anderer Befehlshaber oder Sachwalter fremder Geschäften zur getreuen und nützlichen Gebarung verbunden, und für Gefährde und Schuld in gleicher Maß wie jener verfänglich, worüber in drittem Theil die Ausmessung folget.

[1, 3, § 5] 214. Umsoweniger ist derselbe befugt, sich die Früchten und Nutzungen von dem verwaltenden weiblichen Vermögen zuzueignen, sondern er ist schuldig, solche dem Weib erfolgen zu lassen, und Rechnung darüber zu legen, wann ihme nicht zugleich nebst der Verwaltung dessen Nutznießung ganz oder zum Theil auf Lebenszeit des Weibs oder auf eine gewisse Zeit eingestanden worden.

Ueber jenes aber, was ihme an Nutzungen nicht überlassen worden, ist er jegleichwohlen Rechnung zu legen gehalten.

[1, 3, § 5] 215. Dann die alleinige, obwohlen ausdrückliche Uebertragung der Verwaltung wirket nicht zugleich die Ueberlassung der Früchten, so wie gegentheils die Ueberlassung der Nutzungen von dem ganzen oder einem Theil des Vermögens die Macht, dasselbe zu verwalten, nicht nach sich ziehet, welche demohngeachtet bei dem Weib verbleibet, wann sie nicht mit zugleich oder darnach an den Mann übertragen worden.

[1, 3, § 5] 216. Wann aber der Fruchtgenuß an den Mann überlassen worden, kann solcher so wenig, als die demselben aufgetragene Verwaltung zuwider dem eingegangenen Beding von dem Weib widerrufen werden, außer derselbe wäre entweder nur stillschweigend oder auch ausdrücklich, doch nicht auf immer, sondern auf eine unbenannte Zeit, oder nur zum Theil, oder nur auf eine gewisse Zeit ihme zugestanden worden, in deren ersterem Fall sie die Früchten und Nutzungen zu allen Zeiten, in dem zweiten Fall aber von Zeit der erweislichen Widerrufung, in dem dritten nur jene von dem nicht übertragenen Theil, und endlich in dem vierten Fall von Verlauf der bestimmten Zeit forderen kann.

[1, 3, § 5] 217. Damit jedoch in derlei Fällen, wo das Weib von dem Mann ihr von ihm verwaltetes Vermögen zurückbegehret, über die Verrechnung der mittlerweil behobenen Nutzungen zwischen Eheleuten, oder ein- oder ander- oder beiderseitigen Erben keine beschwerliche und weit aussehende Strittigkeiten entstehen mögen, so setzen und ordnen Wir hiermit, daß, wann der Mann sich nicht ausdrücklich zur Verrechnung des verwalteten Vermögens verbunden hat, derselbe oder dessen Erben zu nichts mehreren, als zur letztjährigen Rechnung von dem Tag des gerichtlichen Belangens zurückzurechnen, und zur Ausfolgung oder

(1-125) Ausweisung der in diesem letzten Jahr behobenen Nutzungen verhalten werden solle, und somit auch nur für die letztjährige Verwaltung, außer eines durch seine Gefährde oder Schuld vorhin an dem verwalteten Gut selbst zugefügten Schadens verantwortlich seie.

[1, 3, § 5] 218. Was hingegen dem Weib oder ihren Erben über ein Jahr zurück für die verflossene weitere Jahre der Verwaltung oder der eingehobenen Nutzungen halber an dem Mann gebühren könnte, dieses Alles soll für erlassen geachtet werden, und aller dieserwegen an dem Mann oder seiner Verlassenschaft machen mögender Anspruch gänzlich aufhören.

[1, 3, § 5] 219. Ein Gleiches solle auch in Ansehung des Weibs und ihrer Erben statthaben, wann der Mann oder dessen Erben die ihme nach dem Beding überlassene, jedoch von dem Weib eingehobene Früchten und Nutzungen an ihnen forderet, welchem Falls ihme oder dessen Erben nur die letztjährige Ertragniß von dem Tag des gerichtlichen Belangens zurückzurechnen gebühret, all älterer Rückstand aber für nachgelassen zu achten ist.

[1, 3, § 5] 220. Dahingegen bleiben die von Zeit des gerichtlichen Belangens weiter laufende Früchten und Nutzungen, wie auch alle andere von dieser Zeit bis zur gänzlichen Befriedigung angebühren mögende rechtmäßige Forderungen dem klagenden Theil bevor, und hat die richterliche Hilfe sich zugleich auch auf dieselben zu erstrecken, insoweit der Kläger solche zu forderen befugt ist.

[1, 3, § 5] 221. Ohnerachtet aber der dem Mann übertragenen Verwaltung, aber auch dem ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Vormerkung ihme überlassenen Fruchtgenuß behält das Weib jegleichwohlen Fug und Macht, ihre eigenthümliche Sachen zu veräußeren, wann sie sonst in der freien Schalt- und Waltung nicht beschränket ist.

[1, 3, § 5] 222. Hierdurch wird an Seiten des Manns sowohl dessen Verwaltung, als der ihme bis dahin zugestandene Fruchtgenuß an dem veräußerten Gut aufgelöset, und bleiben ihme nur die persönliche Sprüche wegen des erweislichen Entgangs gegen dem Weib bevor.

[1, 3, § 5] 223. Wäre aber der Fruchtgenuß von liegenden Gütern mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf den Mann übertragen worden, kann auch die Veräußerung dieser behafteten Güter zum Nachtheil des hierauf dem Mann versicherten Rechts keinen Fortgang haben.

[1, 3, § 5] 224. Dahingegen ist der Mann nicht berechtiget, etwas von dem seiner Verwaltung mit oder ohne Nutznießung anvertrauten Gut des Weibs, außer denen ihme überlassenen Nutzungen, ohne oder wider ihren Willen auf was immer für Art zu veräußeren, zu verpfänden oder zu beschweren.

[1, 3, § 5] 225. Wo aber jegleichwohlen von ihme etwas dergleichen unternommen würde, ist die Veräußerung liegender Güter und landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten null und nichtig, bei Fahrnissen und beweglichen Dingen hingegen ist sich nach deme zu richten, was dieserwegen in zweitem Theil nach dem Unterschied der entgeltlichen oder ohnentgeltlichen Erwerbungsursache, dann des guten oder üblen Glaubens an Seiten des Dritten, welcher derlei Sachen an sich bringet, geordnet wird.

[1, 3, § 5] 226. Wiewohlen jedoch einem Weib die freie Schalt- und Waltung mit ihrem Vermögen, insoweit sie sonst derselben fähig ist, und sich solcher nicht gutwillig begeben hat, zukommt, so stehet nichtsdestoweniger dem Mann zu, auf ihre gute oder üble Gebarung Obacht zu haben, damit sie ihr Gut, besonders wann Kinder vorhanden sind, nicht verschwende und versplittere.

[1, 3, § 5] 227. Wo nun eine schädliche Unwirthschaft an ihr vermerket wird, ist sowohl dem Mann als denen ein- oder anderseitigen Blutsfreunden verstattet, bei

(1-126) Gericht um den behörigen Einhalt der Verschwendung oder üblen Gebarung einzukommen.

[1, 3, § 5] 228. Und da die angegebene Unwirthschaft von Gericht befunden würde, solle, falls das Weib sich zu einem freiwilligen Auftrag nicht verstehen wollte, die Verwaltung ihres Vermögens dem Mann, oder bei fürwaltenden erheblichen Bedenken vorzüglich Jemandem von der Freundschaft, oder auch in dessen Ermanglung einem Dritten nach vorläufiger Vermögensbeschreibung und unter Verrechnung, dann anderen bei Anvertrauung fremden Guts erforderlichen Vorsichten, jedoch mit Vorbehalt der dem Weib davon gebührenden Nutzungen, wann solche nicht schon vorhin dem Mann von ihr überlassen worden, gerichtlich aufgetragen werden.

[1, 3, § 5] 229. Diese gerichtlich, es seie mit oder wider Willen des Weibs geschehene Uebertragung der Verwaltung solle bei Gericht vorgemerket und gewöhnlicher Maßen öffentlich kundgemacht werden, wodurch das Weib außer Stand gesetzet wird, ohne Einwilligung ihres Manns oder sonst verordneten Beistands eine wie immer Namen habende zur Verminderung ihres Vermögens abzielende Verbindung einzugehen.

[1, 3, § 5] 230. In allen Fällen, wo der Mann das von ihme verwaltete Vermögen des Weibs ihr oder ihren Erben zurückzustellen hat, ist derselbe ebenso, wie ein jedweder anderer Sachwalter, die Schadloshaltung für das, was er aus dem Seinigen auf das Gut des Weibs erweislich verwendet, zu begehren befugt, insoweit er die Nutzungen ordentlich verrechnet.

Für jene Zeit aber, für welche er die Nutzungen nicht verrechnet, kann auch keine Schadloshaltung von ihme geforderet werden, außer insoferne der nothwendige oder nützliche Aufwand sich erweislicher Maßen über die behobenen Nutzungen beliefe.

[1, 3, § 5] 231. Was ein Ehegatt dem anderen durch was immer für Bedinge und Verträge von dem Eigenthum seines Vermögens, es seie durch lebzeitige Uebertragung oder auf Ueberleben unwiderruflich zueignet, dieses solle an Seiten des Weibs mit Einrechnung des Heirathguts und dem Mann gemachter Schankungen den dritten Theil ihres damals gehabten Vermögens, an Seiten des Manns hingegen mit Einbegriff der Widerlage, witiblichen Unterhalts und anderer dem Weib zugewendeter Schankungen den vierten Theil seines damaligen Vermögens nicht überschreiten.

[1, 3, § 5] 232. Was aber einerseits den dritten und andererseits den vierten Theil übersteiget, dieses bleibt sowohl durch lebzeitige Handlungen, als durch letzten Willen widerruflich, wann es gleich in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket wäre.

[1, 3, § 5] 233. Dahingegen, wo der vorsterbende Ehegatt diese Uebermaße weder auf eine noch die andere Art widerrufen hätte, wird solche durch seinem Tod insoweit bestätiget, als sie ohne Nachtheil der Glaubigeren und ohne Verkürzung des Pflichttheils bestehen kann.

[1, 3, § 5] 234. Doch leidet das Heirathgut, die Widerlage oder Schankungen deswegen keine Verminderung, daß solche zur Zeit des Absterbens den dritten oder vierten Theil des nachgelassenen Vermögens übersteigen, wann sie nur zur Zeit, als sie geschehen, nicht übermäßig waren.

(1-127) [1, 3, § 5] 235. Nur allein denen Handels-, Gewerbs- und Bauersleuten solle verstattet sein, zu ihrer besseren Versorgung eine unwiderrufliche Gemeinschaft ihrer beiderseitigen Güter über das ganze Vermögen oder einen Theil desselben mit

(1-128) oder ohne Einbegriff dessen, was von ihnen währender Ehe erworben und ererbet wird, zu errichten und einzugehen.

(1-129) [1, 3, § 5] 236. Wo aber dabei nicht namentlich ausgedrucket ist, daß auch das ererbende unter der Gemeinschaft der Güter begriffen sein solle, so erstrecket sich solche nicht auf Jenes, was einem oder dem anderen Theil durch Erbschaften seinem Fleiß und Häuslichkeit erworben, oder nach der gemeinen Redensart mit Mühe und Arbeit eroberet wird.

[1, 3, § 5] 237. Diese Gemeinschaft hat die Wirkung, daß dem überlebenden Ehegatten die Halbscheide dessen, was ihme mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen gemein ware, zufalle, die andere aber denen entweder durch letzten Willen berufenen oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zunächst eintretenden Erben des Verstorbenen zukomme.

[1, 3, § 5] 238. Außerdeme änderet die Gemeinschaft des Vermögens zwischen Eheleuten nichts an dem Eigenthum des ein- oder anderseitigen Guts, so lang Beide am Leben sind, und werden auch liegende Güter und anderes für unbeweglich geachtetes Vermögen des einen oder anderen Theils mit keinem dinglichen Recht behaftet, wann nicht zugleich die errichtete Gemeinschaft in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern eingetragen, auf denen betreffenden unbeweglichen Habschaften vorgemerket und ein Ehegatt mit dem anderen an das Eigenthum geschrieben worden.

[1, 3, § 5] 239. Solchemnach kann in diesem Fall ein Ehegatt mit dem also behafteten unbeweglichen Gut ohne Einwilligung des anderen zum Nachtheil der mit diesem


(1-130) bestehenden und darauf vorgemerkten Gemeinschaft nichts ordnen, obschon es ihme für seinen Antheil unbenommen ist, mit solchem nach Gefallen zu schalten und zu walten.

[1, 3, § 5] 240. Wo aber das unbewegliche Vermögen mit der darauf vorgemerkten Gemeinschaft landtäflich, stadt- oder grundbücherlich nicht behaftet ist, so behält ein jeder Theil sowohl mit diesem, als mit dem beweglichen Vermögen, ohnbehindert der mit dem anderen bestehenden Gemeinschaft, die freie Schalt- und Waltung und Benutzung desselben, also daß er es nach Belieben auch ohne Willen des Anderen rechtsbeständig veräußeren oder beschweren kann, wann er sich sonst nicht durch andere Bedinge der freien Verwaltung oder der Nutznießung begeben hat.

[1, 3, § 5] 241. Dann diese Gemeinschaft giebt vorbesagter Maßen kein mehreres Recht, als auf die Hälfte dessen, was nach Vorsterben des einen Ehegattens von deme, was nach dem eingegangenen Beding zwischen Beiden gemein ware, übrig bleiben wird.

[1, 3, § 5] 242. Doch mit folgendem Unterschied, daß die Hälfte von jenem unbeweglichen Vermögen, worauf die Gemeinschaft landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket worden, dem Ueberlebenden, welcher mit an das Eigenthum geschrieben ist, mit vollem und freien Eigenthumsrecht gebühre.

[1, 3, § 5] 243. Dahingegen erwirbt der Ueberlebende sowohl an demjenigen unbeweglichen Vermögen, welches mit dieser Vormerkung nicht behaftet ist, als an dem fahrenden Hab ohne Unterschied kein dingliches, sondern nur ein persönliches Recht wider die Erben des Verstorbenen, ihme die Hälfte des mit diesem gemein gehabten Vermögens auszufolgen.

[1, 3, § 5] 244. Welches zwar in jenem Fall keinem Anstand unterlieget, wann die Gemeinschaft über alles sowohl gegenwärtig habendes, als künftig erwerbendes oder ererbendes Vermögen eingegangen worden, weilen solchergestalten Alles, was dem Verstorbenen angehörig ware, und in seiner Verlassenschaft vorgefunden wird, für ein gemeines Gut mit dem Ueberlebenden zu achten ist.

[1, 3, § 5] 245. Wo aber sich einer Gemeinschaft lediglich in Ansehung des gegenwärtigen Vermögens und nicht auch namentlich der künftigen Erwerbungen, oder nur des künftig erwerbenden und ererbenden und nicht des gegenwärtigen Hab und Guts, oder endlich zwar des erwerbenden, nicht aber auch des ererbenden Vermögens verglichen würde, in solchen Fällen ist zu Vorbeugung aller nach Ableben des einen oder anderen Theils über Jenes, was von denen nachgelassenen Mitteln unter das gemeinschaftliche Vermögen gehöre oder nicht, entstehen mögenden Strittigkeiten erforderlich, daß allemal eine ordentliche und verläßliche Beschreibung der ein- und anderseitigen Habschaften mit beider Theilen Fertigung getreulich errichtet werde.

[1, 3, § 5] 246. Diese Beschreibung wirket so viel, daß in dem ersten Fall, wo die Gemeinschaft nur über das gegenwärtige Vermögen eingegangen worden, bloß allein das beschriebene Vermögen in die Gemeinschaft und somit in die Theilung mit dem überlebenden Ehegatten gehöre, all Uebriges aber, was in der Beschreibung nicht einkommt, außer der Gemeinschaft, folgsam auch außer der Theilung mit dem Ueberlebenden verbleibe, und denen Erben des Verstorbenen zukomme.

Für eine so beschaffene Gemeinschaft ist eine jede anzusehen, welche nur überhaupt über das beiderseitige Vermögen errichtet und darinnen des künftigen nicht gedacht wird.

[1, 3, § 5] 247. In dem zweiten Fall aber, wo die Gemeinschaft ohne Meldung des gegenwärtigen über alles künftig erwerbendes und ererbendes Vermögen errichtet worden, gehöret das beschriebene Vermögen nicht zur Gemeinschaft, das übrige hingegen, was in der Beschreibung nicht enthalten ist, solle ohne Ausnahme mit dem Ueberlebenden als ein gemeinsames Gut getheilet werden.

(1-131) [1, 3, § 5] 248. Endlich in dem dritten Fall, wo die Gemeinschaft sich nur auf das Erwerbende und nicht zugleich auch ausdrücklich auf das Ererbende erstrecket, ist Alles, was nicht beschrieben, oder dem einem oder anderem Theil durch Erbschaften oder Schankungen zugekommen zu sein durch vollständige Proben erweislich ist, ohne fernerem Stritt für ein erworbenes gemeines Vermögen zu halten.

[1, 3, § 5] 249. Ohne einer dergleichen verläßlichen Beschreibung hingegen solle keine Gemeinschaft des beiderseitigen Vermögens oder der künftigen Erwerbungen allein (wann solche nicht ausdrücklich auf das gegenwärtige und künftige lautet) zu recht bestehen können, noch außer derselben ein anderer Beweis, was in die Gemeinschaft gehöre oder nicht, zugelassen sein, sondern die Gemeinschaft für nicht eingegangen gehalten werden, folglich das nachgelassene Vermögen außer deme, was der Ueberlebende hieran aus einem anderen Recht zu forderen hat, ohne Ausnahme denen Erben des Verstorbenen zufallen.

[1, 3, § 5] 250. Wo aber eine ordentliche Gemeinschaft, es seie des ganzen Vermögens oder eines Theils desselben mit dem Verstorbenen zu recht bestanden, solle bei der gerichtlichen Abhandlung dem Ueberlebenden die Hälfte dessen, was ihme mit jenem gemein ware, entweder in seiner Gestalt oder in einem verglichenen oder geschätzten Werth mit leiblicher Uebergabe der beweglichen und mit landtäflicher, stadt - oder grundbücherlicher Abtretung und Uebertragung der unbeweglichen Dingen als ein außer dem Erbfolgrecht ihme besonders zustehendes Gut ausgefolget werden.

[1, 3, § 5] 251. Doch verstehet sich von selbsten, daß, wo die Gemeinschaft der Güter zwischen beiden Eheleuten auf alles Vermögen überhaupt mit Einbegriff der künftigen Erwerbungen eingegangen worden, die von dem Verstorbenen nachgelassene Schulden von seinem nachgebliebenen Vermögen abzuziehen seind, und sodann erst von dem Uebrigen dem Ueberlebenden die Hälfte angebühre.

[1, 3, § 5] 252. Wann hingegen die Gemeinschaft nur die künftige Erwerbungen mit oder ohne Einbegriff der Ererbungen betroffen, sind die von dem Verstorbenen gemachte Schulden von dem erworbenen Vermögen nicht abzuziehen, sondern von dem eigenen Vermögen desjenigen, der die Schulden gemacht hat, und wo dieses nicht zureichete, von dem, was von dem erworbenen Gut nach aufgelöster Ehe auf seinen Antheil ausfallet, hintan zu fertigen.

[1, 3, § 5] 253. Es wären dann solche Schulden, welche erweislicher Maßen zur gemeinen Nothdurft und Nutzen gemacht worden, mithin auch von dem in Gemeinschaft erworbenen Vermögen vor der Absonderung mit dem Ueberlebenden abzuziehen sind.

[1, 3, § 5] 254. Wann endlich die Gemeinschaft nur in Ansehen des damals gehabten und nicht auch zugleich namentlich des künftigen Vermögens errichtet worden, sind nur jene Schulden, welche von dem Verstorbenen zur Nothdurft oder Nutzen des gemeinschaftlichen Guts gemacht worden, hiervon vor der Theilung abzuziehen, alle übrige aber von dem eigenthümlich erworbenen und bei dessen Unzulänglichkeit von dem auf den Verstorbenen kommenden Antheil des gemeinschaftlichen Guts zu bestreiten.

[1, 3, § 5] 255. Von dieser Gemeinschaft des Vermögens zwischen Eheleuten, wovon bishero gehandlet worden, ist alle andere Art der Gemeinschaft unterschieden, welche sich zwischen ihnen in einzlen Sachen zufällig, oder mit ihrem Willen ereignen kann, als da Beiden zusammen etwas verschaffet oder geschenket, oder eine Schuld verschrieben oder von Beiden zusammen etwas erkaufet oder in die Gesellschaft eines Handels oder Gewerbs getreten wird.

Welchem Falls sich auf Jenes bezogen wird, was in zweitem Theil von Sachen, welche mehreren gemein sind und in drittem Theil von der Gesellschaft folget.

[1, 3, § 5] 256. Uebrigens kann die Gemeinschaft der Güter, jedoch nur unter der

(1-132) obbenannten Gattung von Leuten, entweder in dem Heirathsbrief oder durch ein nachheriges Beding, wann es sonst durch unlaugbare Urkunden oder untadelhafte Zeugen erweislich ist, eingegangen werden. Dahingegen solle weder ein unvollkommener Beweis, wann er auch halbständig wäre, noch die Gemeinschaft der Güter unter einer anderen als der vorgedachten Gattung der Leuten ohne Unserer besonderen höchsten Verwilligung zulässig sein.

§. VI.

[1, 3, § 6] 257. Nach aufgelöster Ehe gebühren dem überlebenden Ehegatten an der Verlassenschaft des Verstorbenen folgende Rechten, als das Witthumsrecht, welches auch anderst das Leibgeding oder der wittibliche Unterhalt genannt wird.

(1-133) Das Versorgungsrecht oder der ehegattliche Antheil aus dem Gut des Verstorbenen, und endlich die Rechtsmitteln zur Habhaftwerdung aller und jeder zustehender Heirathssprüchen.

(1-134) [1, 3, § 6] 258. Der wittibliche Unterhalt ist eine Versorgung des Weibs nach Absterben des Manns, wodurch ihr auf Lebenszeit, so lang sie in dem Wittibstand verbleibet, von dem Mann oder jemandem Anderen anstatt seiner in dem Heirathsbrief oder mittelst eines nachherigen besonderen Bedings zu ihrem Unterhalt ein gewisser jährlicher Betrag an Geld, Fruchtgenuß eines Guts oder anderen Sachen bestellet und versicheret wird, worunter auch die Wohnung, Einrichtung, Bedienung und andere dergleichen Bequemlichkeiten begriffen sind, wann solche namentlich bedungen worden.

[1, 3, § 6] 259. Dieser unterscheidet sich von der Widerlage hauptsächlich in deme, daß diese dem Weib auf Vorsterben des Mannes eigenthümlich zufalle, dahingegen an dem Gut, wovon der wittibliche Unterhalt bestellet und versicheret wird, derselben blos allein die Nutznießung in der verschriebenen oder bedungenen Maß für die Zeit ihres Wittibstandes gebühre, das Eigenthum aber denen Erben des Manns oder dem sonstigen Bestellenden verbleibe.

[1, 3, § 6] 260. Die Maß des wittiblichen Unterhalts ist zwar der eigenen Willkühr deren sich hierwegen Vergleichenden überlassen; doch solle solcher, wo er aus dem Vermögen des Mannes bestellet wird, dessen vierten Theil mit Einrechnung der Widerlage und sonstigen Schankungen nicht übersteigen.

[1, 3, § 6] 261. Wir verordnen aber zu Gunsten des wittiblichen Unterhalts, daß, obgleich solcher zur Zeit der Bestellung übermäßig gewesen wäre, wann nachhero das Vermögen sich vergrößeret hätte, dasselbe nicht wie es zur Zeit der Bestellung gewesen, sondern wie es sich zur Zeit des Tods befindet, in Betracht genommen und also berechnet werden solle.

Dahingegen leidet der wittibliche Unterhalt deswegen keinen Abbruch, wann derselbe zur Zeit der Bestellung nicht übermäßig ware, und das Vermögen sich darnach verminderet hätte.

[1, 3, § 6] 262. Die Berechnung des wittiblichen Unterhalts hat allemal also zu geschehen, daß, was hieran jährlich abzureichen kommt, es bestehe in Geld oder Geldswerth, nach denen landesüblichen Zinsen oder gemeingängigen Preis zu Capital gerechnet, zur Widerlage und zu denen Schankungen zugeschlagen und solcher gestalten von dem nachgebliebenen Vermögen des Verstorbenen in Abzug gebracht werde.

(1-135) [1, 3, § 6] 263. Was nun den vierten Theil des zur Zeit der Bestellung gehabten Vermögens, wann solches nach der Zeit nicht zugenommen, erweislich übersteiget, bleibet nach Willkühr des Bestellenden widerruflich. Wo er es aber nicht widerrufen hätte, kann die Uebermaße nur insoweit bestehen, als andurch weder die Glaubigere, noch der Pflichttheil der Notherben verkürzet werden.

[1, 3, § 6] 264. Uebrigens kann der wittibliche Unterhalt auf gleiche Art, wie die Widerlage, durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Vormerkung auf einem zur Hypothek verschriebenen liegenden Gut oder anderen unbeweglichen Vermögen sichergestellet werden, in welchem Fall derselbe allen später zur Vormerkung gekommenen Glaubigeren vorgehet.

[1, 3, § 6] 265. Wo aber wittibliche Unterhalt nicht vorgemerket worden, hat solcher sich weder des der Widerlage vor anderen persönlichen Forderungen eingeräumten Vorzugs zu erfreuen, sondern solle allen wahren Glaubigeren des Verstorbenen ohne Unterschied nachgesetzet werden.

[1, 3, § 6] 266. Dieser Unterhalt nimmt insgemein nach Verlauf der ersten sechs Wochen nach des Manns Tod seinen Anfang. Binnen denen ersten sechs Wochen aber von Absterben des Manns solle die Wittib, wie vorhin bei dessen Lebzeiten, aus der Verlassenschaft unterhalten werden, wann diese Unterhaltung ohne Nachtheil der Glaubigeren oder nothwendiger Erben von dem nachgelassenen Vermögen bestritten werden kann, oder die Wittib sich derselben nicht freiwillig begeben hat.

[1, 3, § 6] 267. Damit aber der wittibliche Unterhalt gebühre, muß eine wahre und giltige Ehe vorhergegangen sein, und ist genug, daß die priesterliche Trauung erfolget, obschon der Bräutigam vor der wirklichen Beiwohnung verstorben wäre.

[1, 3, § 6] 268. Auch einem vermeintlichen Eheweib, wann sie die Ehe mit gutem Glauben für giltig gehalten, und solche bis zur Zeit des Tods des Manns insgemein für rechtmäßig geachtet worden, gebühret der verschriebene wittibliche Unterhalt, obschon der Mann von deren Ungiltigkeit Wissenschaft gehabt hätte. Wo aber bei Lebzeiten beider vermeintlichen Eheleuten die Ehe für ungiltig erkläret worden wäre, wird anmit auch das Beding und die Beschreibung des wittiblichen Unterhalts entkräftet.

[1, 3, § 6] 269. Wann hingegen Eheleute aus erheblichen Ursachen von Tisch und Bett geschieden werden, so bei Ausmessung des Unterhalts für das Weib, so lang der Mann lebet, auf das bedungene Witthumsrecht nicht zu sehen, sondern es hat bei deme sein Bewenden, was oben in zweiten Capitel, §. IV von Unterhaltung eines geschiedenen Eheweibs geordnet worden.

[1, 3, § 6] 270. Ist eine Wittib schwanger verlassen worden, und würde solches behörig anzeigen, so solle derselben ohne Abbruch ihrer Heirathssprüchen oder ehegattlichen Antheils der Unterhalt so, wie bei Lebzeiten des Manns, währender ihrer Schwangerschaft bis sechs Wochen nach der Niederkunft aus der Verlassenschaft abgereichet, und alle Unkosten daher bestritten werden.

[1, 3, § 6] 271. Bis dahin bleibt der wittibliche Unterhalt ausgesetzt, und nimmt erst nach Verlauf der sechs Wochen von der Niederkunft seinen Anfang, wann die Wittib sich nicht ehender freiwillig der ihr aus der Verlassenschaft angebührenden Unterhaltung verziehen hätte.

[1, 3, § 6] 272. Die angebliche Schwangerschaft muß in Ermanglung sichtbarer Zeichen allemal durch das Zeugniß geschworner Hebammen erwiesen werden, und wo sich die Wittib ohne Gefährde schwanger zu sein ausgegeben, obschon hernach befunden würde, daß sie nicht schwanger gewesen seie, ist dieselbe zu keinem Ersatz dieses mittlerweile genossenen Unterhalts verbunden.

[1, 3, § 6] 273. Würde sie aber einer dabei gebrauchten Gefährde überwiesen werden können, so ist selbe das zur Ungebühr Genossene zu ersetzen oder sich von ihren Heirathssprüchen abziehen zu lassen schuldig, wie dann auch, um zu verhüten,

(1-136) damit die Niederkunft nicht etwann fälschlich vorgegeben, und kein fremdes Kind unterschoben werde, denen Erben oder Anderen, welchen daran gelegen ist, freistehet, von Gericht aus zwei oder mehrere ehrbare Weiber bestellen zu lassen, um auf die Wittib ein obachtsames Aug zu haben, und der Niederkunft seiner Zeit beizuwohnen.

[1, 3, § 6] 274. Der wittibliche Unterhalt kann nur damals, wann selber bedungen oder verschrieben worden, und niemalen mehr, als was bedungen oder verschrieben ist, geforderet werden. Wo aber solcher bedungen worden, muß auch derselbe in denen darzu bestimmten oder sonst landesüblichen Fristen und in der ausgesetzten Maß richtig abgeführet und entrichtet werden.

[1, 3, § 6] 275. Wäre aber zu dem wittiblichen Unterhalt der Genuß eines Guts, Hauses oder anderen Grundes, oder eines auf Zinsen angelegten Capitals bestimmet worden, so hat die Wittib davon den Nießbrauch und somit Alles, was ein anderer Nutznießer nach dem Recht genießen kann, so lange sie am Leben ist und in dem Wittibstand beharret.

[1, 3, § 6] 276. Wann der Wittib die Wohnung in einem Hause, wie auch die Unterhaltung einer gewissen Anzahl Pferden, Bedienten und Anderes in seiner Gestalt und Wesenheit verschrieben worden, kann selbe dafür den Betrag an Geld nicht forderen, sonderen sie hat sich mit deme, was ausgemessen worden, oder in Ermanglung einer ausdrücklichen Ausmessung mit demjenigen, was nach Nothdurft und Standesgebühr gerichtlich bestimmet wird, zu begnügen.

[1, 3, § 6] 277. Gleicher gestalten, wo für die Wohnung oder auch Unterhaltung von Pferden und Bedienten ein Gewisses am Geld ausgesetzet worden, hat es bei dem ausgeworfenen Geldbetrag sein Verbleiben, die Wittib möge ebensoviel, mehr oder weniger darauf verwenden.

[1, 3, § 6] 278. Wo aber etwas, es seie die Wohnung oder eine andere Bequemlichkeit, der Wittib entweder in seiner Gestalt oder in einem bestimmten Geldbetrag bestellet worden, so hat sie die Auswahl, wann solche nicht denen Erben ausdrücklich vorbehalten worden.

[1, 3, § 6] 279. Der wittibliche Unterhalt währet so lange, bis die Wittib verstirbt oder sich wieder verehelichet, oder sich dessen freiwillig begiebt, oder endlich sich aus denen in zweitem Theil, zwanzigstem Capitel, fünftem Artikel, §. XXIII angeführten Ursachen, wegen welcher überhaupt ein Ehegatt seines ehegattlichen Antheils verlustiget wird, oder auch durch ihr unzüchtiges Leben unwürdig macht.

[1, 3, § 6] 280. Wann aber gar keine Eheberedniß vorhanden ist, gebühret dem

(1-137) überlebenden Mann oder Weib der ehegattliche Antheil aus der Verlassenschaft des verstorbenen Ehegattens, wovon in zweitem Theil an gleichbemelter Stelle ausführlich gehandlet wird.

[1, 3, § 6] 281. Alle übrige dem überlebenden Ehegatten nach aufgelöster Ehe aus

(1-138) denen Heirathssprüchen gebührende Rechte sind schon vorhero berühret worden. Diese bestehen an Seiten des überlebenden Manns in Gewinnung des Heirathguts, wo nichts Anderes deshalben bedungen worden, und an Seiten des überlebenden Weibs in dem Rückfall des Heirathguts, Gewinnung der Widerlage und des wittiblichen Unterhalts.

So ein als andererseits aber in Erwerbung der von dem verstorbenen Ehegatten gemachten und mit seinem Tod bestätigten übermäßigen Betreuungen und Schankungen, insoweit die Uebermaße weder zum Nachtheil der Glaubigeren, noch zur Verkürzung des Pflichttheils gereichet.

[1, 3, § 6] 282. Zu Erlangung dessen, was dem überlebenden Ehegatten aus denen Heirathssprüchen gebühret, kommen ihme die rechtliche Hilfsmitteln zu statten, welche nach dem Unterschied des erworbenen oder nicht erworbenen Eigenthums, des erhaltenen oder nicht erhaltenen Besitzes, der bewirkten oder nicht bewirkten Vormerkung und Einverleibung der Heirathsbriefen oder anderen mit dem verstorbenen Ehegatten eingegangenen Bedingen verschieden sind.

[1, 3, § 6] 283. Wann das Heirathgut dem Mann an liegenden Gütern, oder anderen für unbeweglich gehaltenen Vermögen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern abgetreten oder an Fahrnissen ordentlich übergeben worden, und er bei Absterben des Weibs sich in dessen Besitz befindet, hat er keiner anderen Rechtsmitteln nöthig, als welche überhaupt einem jedweden Besitzer zur Vertheidigung seines Besitzes und Eigenthums gebühren.

[1, 3, § 6] 284. Falls aber derselbe nicht in dem Besitz desselben wäre, stehet ihme die Eigenthumsklage und alle sonstige zu Erlangung des Besitzes hergebrachte Behelfe wider die Besitzere der ihme zum Heirathgut übergebenen oder abgetretenen Sachen zu.

[1, 3, § 6] 285. Wie dann auch ihme unbenommen ist, das an liegenden Gütern oder landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderungen bestellte Heirathgut, wann es bei Lebzeiten des Weibs demselben mit der Landtafel-, Stadt- oder Grundbüchern nicht abgetreten worden, auch noch nach ihrem Tod, jedoch ohne Schaden und Nachtheil deren immittelst früher darauf versicherten Haftungen (wegen welcher aber ihme die Schadloshaltung an des Weibs Erben anzusuchen bevorstehet) vormerken zu lassen, und sich anmit in dessen rechtlichen Besitz zu setzen, wann sonst der Heirathsbrief die zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage nöthige Erfordernissen hat.

[1, 3, § 6] 286. Wäre aber der Heirathsbrief mit gleicherwähnten Erfordernissen nicht verstehen oder das Heirathgut an Geld oder anderen Fahrnissen ohne einem verschriebenen Unterpfand bestellet, jedoch nicht übergeben worden, so hat der Mann

(1-139) bloß allein eine persönliche Rechtsforderung wider die Erben des Weibs oder Denjenigen, der das Heirathgut für das Weib bestellet hat, zu Bezahlung des versprochenen und ihme durch Vorsterben des Weibs zugefallenen Heirathguts mit allen davon vertagten Zinsen, Früchten und Nutzungen.

[1, 3, § 6] 287. Wann hingegen demselben zur Sicherheit des Heirathguts ein Unterpfand verschrieben und dieses vor oder nach Absterben des Weibs darauf vorgemerket worden, hat er sich seiner Hypothek, insoweit solche zureichet, zu halten und da diese zu seiner Befriedigung nicht zulänglich wäre, des Abgangs halber mit der persönlichen Rechtsforderung wider die Erben des Weibs oder den Bestellenden zu verfahren.

[1, 3, § 6] 288. Welches Alles jedoch nur von dem Fall zu verstehen ist, wann wegen Zuruckgabe des Heirathguts auf Vorsterben des Weibs nichts Anderes bedungen worden.

Wo aber auch nach Inhalt des Vertrags das Heirathgut ihme nach Absterben des Weibs nicht zufiele, bleiben demselben nichtsdestoweniger wegen der für die Zeit der fürgewährten Ehe verfallenen Zinsen, Früchten und Nutzungen alle Sprüche und Forderungen bevor.

[1, 3, § 6] 289. Dem Weib fallt nach Vorsterben des Manns das ihme an unbeweglichen Vermögen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich abgetretene oder an Fahrnissen übergebene Heirathgut, insoferne diese in seiner Verlassenschaft annoch vorhanden sind, ebensowohl als Dasjenige, was ihr auf Ueberlebungsfall zur Widerlage mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern zum Eigenthum verschrieben worden, ohne weiters eigenthumlich zu.

[1, 3, § 6] 290. Wo ihr aber zur Sicherheit des Heirathguts, Widerlage und des wittiblichen Unterhalts eine Hypothek verschrieben, und ihre Heirathssprüche mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vor oder nach Absterben des Manns darauf vorgemerket worden, so hat sich dieselbe dieses Unterpfands nach dessen Zulänglichkeit zu halten.

Was hingegen daher nicht zu erholen oder mit keiner solchen Sicherheit bedecket ist, kann sie nicht anderst als mittelst persönlicher Rechtsforderung von denen Erben des Manns oder Demjenigen, welcher sich hierzu verbunden hat, einbringen.

[1, 3, § 6] 291. So viel es endlich die einem von dem anderen Ehegatten gemachte Schankungen und Betreuungen anbelanget, so hat der Schanknehmer in Ansehung jener, welche ordentlich übergeben und verschrieben worden, insoweit sie schon bei Lebzeiten in der erlaubten Maß zu Recht bestanden, ohnedies das Eigenthum erworben, folglich bedarf derselbe auch keiner weiteren Rechtshilfe.

[1, 3, § 6] 292. An der Uebermasse hingegen, welche durch den Tod des Schankgebers bekräftiget wird, erlangt der Ueberlebende das unwiderrufliche Eigenthum, insoferne andurch weder denen Glaubigeren des Verstorbenen, noch dem Pflichttheil des Notherben geschadet worden.

[1, 3, § 6] 293. Ist aber die Uebergabe oder Abtretung des Geschenkten nicht geschehen, so ist zu unterscheiden, ob zu dessen Sicherheit ein Unterpfand bestellet worden oder nicht. Ersteren Falls hat der Schanknehmer sich der verschriebenen Hypothek zu halten; letzteren Falls hingegen gebühret ihme nur die persönliche Rechtsforderung wider den Schankgeber und dessen Erben, doch in beiden Fällen nicht weiter, als die Schankung zu Recht bestehen kann.

(1-140) Caput IV.

Von der Verwandtschaft.

Inhalt:

§. I. Von der Verwandtschaft überhaupt. §. II. Von Verschiedenheit der Verwandten. §. III. Von den Staffeln der Verwandtschaft. §. IV. Von den Rechten der Verwandten.

§. I.

[1, 4, § 1] Num. 1. Durch die Ehe werden Geschlechter fortgepflanzet und mittelst derselben alle Diejenige, welche zu einem Geschlecht gehören, durch ein gemeinsames von einerlei Stammvater herrührendes Blutband untereinander verknüpfet, welches sie aller diesem Geschlecht zustehender Vorrechten theilhaftig macht, und durch die Verwandtschaft in der eigentlichen Bedeutung verstanden wird.

[1, 4, § 1] 2. In ihrem weitesten Verstand aber begreift die Verwandtschaft überhaupt auch die rechtliche und die geistliche.

Die rechtliche Verwandtschaft ist eine bloße Nachahmung der natürlichen, welche aus Jemandens Annehmung an Kindsstatt entstehet, und in dem folgendem Capitel vorkommen wird. Die geistliche Verwandtschaft hingegen entspringet zwischen gewissen Personen aus der Taufe oder Firmung und gehöret zum geistlichen Recht.

[1, 4, § 1] 3. Allhier wird nur von der natürlichen Verwandtschaft des Geblüts gehandlet, welche ein gemeinsames Blutband ist, wodurch mehrere von einerlei Stammen absteigende Personen mittelst der ehelichen Fortpflanzung untereinander verknüpfet sind.

[1, 4, § 1] 4. Hierdurch wird jene Verwandtschaft ausgeschlossen, welche aus unehelicher Erzeugung entstehet, und außer der Verbindlichkeit der natürlichen Eltern zum Unterhalt solcher Kinder in Absicht auf die weiteren sowohl väterlichen als mütterlichen Verwandten nach Unseren Gesetzen keine Wirkung hat.

(1-141) [1, 4, § 1] 5. Die rechtmäßige Verwandtschaft und die darunter begriffenen Personen pflegen auch anderst unter dem Namen der Blutsfreundschaft, der Sippschaft, der Befreundten oder Angehörigen und mehr dergleichen allgemeinen Ausdrücken verstanden, und nach Umständen bald in einer weiteren, bald in einer engeren Bedeutung genommen zu werden, nachdeme die Rechten der Verwandtschaft, um welche sich handlet, nach dem Sinn der Gesetzen oder nach dem Willen und Meinung des sich also Ausdrückenden mehreren oder wenigeren Personen zu statten kommen.

[1, 4, § 1] 6. Es sind dahero mehrerlei Gattungen der Verwandten, entweder nach dem Unterschied der Reihen oder Linien, oder nach dem unterschiedenen Geschlecht der Person, durch welche sie verwandt sind, und jede dieser Linien hat ihre Grade oder Staffeln, nach welchen die Vorrechte der näheren vor denen weiteren abgemessen werden. Es werden solchemnach zuerst die Gattungen der Verwandten, sonach die Staffeln oder Grade der Verwandtschaft, und schließlichen die Vorrechte der Verwandten erkläret.

§. II.

[1, 4, § 2] 7. Alle, welche einander mit Blutsfreundschaft beigethan, sind entweder absteigende, aufsteigende oder Seitenverwandten. Diese werden durch Reihen oder Linien unterschieden.

(1-142) [1, 4, § 2] 8. Durch eine Linie wird nichts Anderes als eine Sammlung mehrerer einander verwandter Personen verstanden, also, daß nur eine Person sich zwar in einer deren Linien befinde, und auch der Anfang, das Mittel oder das Ende der Linie seie, niemalen aber für sich allein betrachtet eine Linie ausmachen könne, sondern zur Linie allzeit mehrere Personen erforderet werden.

[1, 4, § 2] 9. Die Linien theilen sich in gerade oder Seitenlinien.

Die gerade Linie ist anwiederum zweierlei:

Eine enthält die Absteigenden, welche von Anderen gezeuget worden, als Kinder, Enkeln, Urenkeln u. s. w. abwärts, also, daß allzeit von dem Erzeugenden auf den Erzeugten gerad hinabgeschritten werde.

Die andere begreift die Aufsteigenden, welche Andere gezeuget haben, als Vater, Mutter Großeltern, Urgroßeltern u. s. w. aufwärts, dergestalten, daß allemal von dem Gezeugten auf den Erzeugenden gerad hinaufgeschritten werde.

[1, 4, § 2] 10. Die Zwerg- oder Seitenlinie enthält die Seitenverwandten, welche zwar von einem gemeinen Erzeuger abstammen, nicht aber von einander gezeuget worden, als Brüder, Schwestern, derenselben Kinder und Kindeskinder, dann auch Vaters oder Mutter Bruder, Schwestern und Diejenige, welche von diesen abstammen u. s. w. hinauf oder herunter.

[1, 4, § 2] 11. Jedwede Linie wird in Grade oder Staffeln untertheilet. Durch diese wird der Abstand einer Person von der anderen, welcher durch die Erzeugung geschieht, angedeutet, um die Nähe oder Weite der Verwandtschaft einer Person mit der anderen daraus abzunehmen.

[1, 4, § 2] 12. Gleichwie aber Einer dem Anderen entweder durch eine Mannsperson oder durch eine Weibsperson verwandt ist, also fließt auch hieraus der Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen Verwandtschaft, welcher insonderheit bei adeligen Geschlechteren wegen verschiedener dem Mannsstammen vor denen weiblichen Verwandten zukommenden Vorzügen und Vorrechten wohl zu bemerken ist.

[1, 4, § 2] 13. Der Mannsstammen begreifet diejenige Manns- und Weibspersonen in absteigender Linie, welche von einem Mann als gemeinsamen Stammvater in ununterbrochener Männerreihe abstammen.

In aufsteigender Linie nur diejenige Mannspersonen, die von dem Vater in ununterbrochener Männerreihe weiter aufsteigen.

Und endlich in der Zwerg- oder Seitenlinie diejenige Seitenverwandte, Manns- und Weibspersonen, welche von einem gemeinen Stammvater in ein so andererseits ununterbrochener Männerreihe ihre Abkunft haben, also daß in allen dreien Ordnungen kein Weib dazwischen komme, von welcher die Verwandtschaft zwischen denen Personen, um welche die Frage ist, allein abgeleitet würde.

[1, 4, § 2] 14. Dahingegen gehören die von Weibern absteigende und die von der Mutter weiter aufsteigende, sowie alle mütterliche Seitenverwandten nicht mehr zu dem Mannsstammen, wann sie gleich männlichen Geschlechts oder nach einmal unterbrochener Männerreihe durch einen Mann befreundt wären, weilen die Männerreihe durch ein darzwischen kommendes Weib unterbrochen wird.

[1, 4, § 2] 15. Nicht einmal gehöret die Mutter zum Mannsstammen, sondern sie ist der Anfang der weiblichen, wie der Vater der männlichen Verwandtschaft oder des Mannsstammes. Ebensowenig erstrecket sich der Mannsstammen auf die von dem Vater, obschon in ununterbrochener Männerreihe weiter aufsteigende Weibspersonen, als die väterliche Ahnfrau, Urahnfrau u. s. w., weilen sie eben auch jede in ihrer Ordnung der Anfang der weiblichen Verwandtschaft sind.

(1-143) [1, 4, § 2] 16. Dahero sie zwar für ihre Person der allgemeinen Rechten des Geschlechts ihrer Männer, als da sind die Führung des Namens und Wappens, aber nicht aus dem Recht des Geblüts, wie die von Mannsstammen unmittelbar absteigende Weibspersonen, sondern lediglich durch die Verehelichung aus der Person ihres Mannes theilhaftig werden.

[1, 4, § 2] 17. Die männliche Verwandtschaft wird insgemein unter dem Namen des Hauses, des Geschlechts, des Stammes verstanden, und die Verwandten von Mannsstammen pflegen auch anderst Befreundte von oder nach dem Schwert, sonst auch Schwertmagen, die weiblichen hingegen Verwandte von oder nach der Spindel, sonst auch Spielmagen oder Gunkelfreunde genennet zu werden.

[1, 4, § 2] 18. Von der Verwandtschaft ist die Schwägerschaft ganz und gar unterschieden, als welche nicht in einem gemeinsamen Blutband von einerlei Stammen, sondern nur in der Beitretung des einen Ehegatten zu der Verwandtschaft des anderen bestehet.

[1, 4, § 2] 19. Sie ist dahero nichts Anderes, als in dem weitesten Verstand eine Zusammenfügung zweier Verwandtschaften.

In dem eigentlichen Verstand aber eine Verknüpfung des einen Theils mit der Verwandtschaft des anderen, welche durch die Ehe oder andere fleischliche Vermischung entstehet.

[1, 4, § 2] 20. Mittelst dieser werden alle Verwandte des Manns Schwäger des Weibs, gleichwie gegentheils alle Verwandte des Weibs Schwäger des Manns werden, ohne daß zwischen beiderseitigen Verwandten selbst daraus eine Schwägerschaft, noch weniger eine Verwandtschaft entspringe, obschon selbe nach dem gemeinen Wahn einander Schwäger zu nennen pflegen.

[1, 4, § 2] 21. Es können demnach die rechtlichen Wirkungen, welche von Unseren Gesetzen der Blutsverwandtschaft beigeleget sind, auf die Schwägerschaft nicht erstrecket werden, und sind außer Ehesachen (worinnen aber sich nach den geistlichen Rechten zu achten ist) gar wenige Fälle, wo nach Unseren Gesetzen die Schwägerschaft in rechtliche Betrachtung kommt.

[1, 4, § 2] 22. Diese sind das Laster der Blutschand zwischen verschwägerten Personen, und insoweit in anderen peinlichen Fällen die nahe Anverwandtschaft oder Schwägerschaft einen erschwerenden oder mildernden Umstand abgeben mag, nach Ausmessung dessen, was davon in Unserer peinlichen Gerichtsordnung enthalten ist. Ferners die Ausschließung verschwägerter Personen von Zeugenschaften und Vertretung des Richteramts, wovon in viertem Theil bei der Gerichtsordnung das Mehrere folgen wird.

[1, 4, § 2] 23. Dieses hat jedoch die Schwägerschaft mit der Verwandtschaft gemein, daß sie nach denen Linien und Graden der Verwandtschaft geachtet, und die nähere oder weitere Schwägerschaft mit dem einen Ehegatten nach der näheren oder weiteren Verwandtschaft mit dem anderen abgemessen werde.

[1, 4, § 2] 24. Dergestalten, daß jemand dem einem Ehegatten in eben derselben Linie und Grad verschwägert ist, in welcher Linie oder Grad er mit dem anderen in Verwandtschaft stehet.

(1-144) Mann und Weib aber sind miteinander nicht verschwägert, sondern das zwischen ihnen bestehende Eheband ist die Quelle und Ursprung der Schwägerschaft.

§. III.

[1, 4, § 3] 25. Durch die Grade oder Staffeln wird die Nähe oder Weite, in welcher eine Person mit der anderen nach dem Geblüt befreundt ist, abgemessen.

[1, 4, § 3] 26. Um den Grad der Blutsfreundschaft zwischen Personen, wovon die Frage ist, zu erforschen, müssen vor Allem die Personen in rechte Ordnung gesetzet, der Unterschied der geraden und Seitenlinie beobachtet, und endlich die Grade oder Staffeln genau gezählet werden.

[1, 4, § 3] 27. Die Personen werden gehörig gesetzet, wann die Ordnung von Demjenigen anfangt, von welchem die Frage ist, und hernach solange mit anderen Personen fortgefahren wird, bis man zu dem Anderen gelange, um den gleichfalls gefraget wird.

[1, 4, § 3] 28. Wobei jedoch wohl zu bemerken ist, daß in der Reihe der Personen keine Zwischenperson ausgelassen, noch eine andere darzu nicht gehörige miteinbezogen, sondern allemal nur die durch einerlei Blutband verknüpfte Personen miteinander zusammengefüget werden.

[1, 4, § 3] 29. Der Unterschied der Linien ist dergestalten zu beobachten, daß die Absteigenden in der geraden Linie abwärts, die Aufsteigenden aber in eben gerader Linie aufwärts und die Seitenverwandten von einem in der geraden Linie befindlichen gemeinen Stammen schräg herab, und zwar in allen dreien Linien nach der Ordnung der Erzeugung zu stehen kommen.

[1, 4, § 3] 30. Die Grade oder Staffeln sind also zu zählen, daß von der ersten Person zur anderen ein Grad, von dieser zur dritten der zweiten Grad u. s. w., mithin so viele Grade als Erzeugungen, oder aber ein Grad weniger als Personen gerechnet werden, und dieses ohne Unterschied, ob von Manns- oder Weibspersonen oder gegen Manns- oder Weibspersonen gefraget werde.

[1, 4, § 3] 31. Dieser Berechnungsart der Grade oder Staffeln solle ihne Unterschied der geraden oder Seitenlinie (die Personen, um welche gefraget wird, mögen in gleicher oder ungleicher Entfernung von dem gemeinen Stammen stehen) in allen Fällen, welche nach Unseren Gesetzen zu entscheiden kommen, als da es um Erbfolge,

(1-145) Vormundschaft, Einstandrecht und andere Gerechtsamen der Verwandten, oder aber um Anschließung von Zeugenschaften und dem Richteramt zu thun ist, je und allezeit nachgegangen werden.

[1, 4, § 3] 32. Dahingegen hat die Berechnung der Graden nach dem geistlichen Recht allein statt, wann von Zuläß- oder Unzulässigkeit, Giltig- oder Ungiltigkeit der Ehe zwischen Verwandten, oder in peinlichen Fällen von dem Laster der Blutschand die Frage ist.

[1, 4, § 3] 33. Die Berechnungsart des geistlichen Rechts unterscheidet sich von der obigen bloß allein in der Seitenlinie, in welcher dasselbe die Erzeugungen nur von der einen Seite, und zwar allemal von der längeren zählet, also, daß bei ungleichen Abstand zweier Seitenverwandten von dem gemeinen Stammen jederzeit die weitere Entfernung des einen den Ausschlag gebe, und die Zahl des Grads auch in Ansehung des anderen, obschon nicht so weit entferneten, bestimme.

[1, 4, § 3] 34. Hieraus folget, daß nach dem geistlichen Recht die Zwerg- und Seitenlinie anwiederum in die gleiche und ungleiche untertheilet werde.

Die gleiche Linie ist, in welcher die Seitenverwandten, um deren Blutsfreundschaft gefraget wird, von dem gemeinen Stammen in gleichem Grad entfernet sind.

Die ungleiche Linie hingegen ist, in welcher die Seitenverwandten, um die gefraget wird, von dem gemeinen Stammen nicht gleich, sondern der eine näher und der andere weiter entfernet sind.

[1, 4, § 3] 35. In der gleichen Zwerglinie hat die Regel statt, da, in welchem Grad die eine von jenen Personen, um deren Verwandtschaft gefraget wird, von dem gemeinen Stammen entfernet ist, in eben demselben beide miteinander verwandt sind. In der ungleichen Zwerglinie aber ist die andere Regel anzuwenden, daß, in welchem Grad die weitere Person von dem gemeinen Stammen entfernet ist, in eben demselben beide miteinander verwandt sind.

§. IV.

[1, 4, § 4] 40. (!) Die Verwandten haben nicht nur unter sich vor Anderen, welche nicht von der Verwandtschaft sind, gewisse Vorrechte, sondern es wird auch unter ihnen selbst einer Ordnung oder Linie vor der anderen, einem näheren vor dem weiteren,

(1-146) denen männlichen vor denen weiblichen ein mehreres Recht von Unseren Gesetzen beigeleget, wovon gehöriger Orten ausführlicher gehandlet werden wird.

Allhier ist genug von derlei verwandtschaftlichen Vorrechten nur überhaupt einen kurzen Begriff zu geben.

[1, 4, § 4] 41. Einige derselben sind allen Verwandten, sowohl von männlicher als weiblicher Seiten gemein. Dahin gehören die Erbfolge in freien oder auch Stamm- und Lehengütern, wann in Ansehung der letzteren sowohl männliche als weibliche Verwandten darzu berufen oder darmit belehnet sind, die Vormundschaft, das Einstandrecht u. dgl., doch also, daß allemal der Nähere, wann er sich seines Rechts bedienen will, vor dem Weiteren den Vorzug habe.

[1, 4, § 4] 42. Dieses verstehet sich aber nur von Fällen, worinnen derlei Rechten weder durch Unsere Gesetze, noch auch nach Zulassung derselben durch den Willen des Erblassers oder durch Verträge und Vergleiche unter Lebenden auf den Mannsstammen allein beschränket sind.

[1, 4, § 4] 43. Ferners sind von dieser Art die gemeinsame Vertretung, Klage oder Vertheidigung und nach Gestalt der Sachen die Beitretung an klagender oder beklagter Seiten, wann es um ein Recht zu thun ist, so die ganze Verwandtschaft ohne Unterschied der männlichen und weiblichen Befreundten angehet.

[1, 4, § 4] 44. Die Theilnehmung an allen Rechten und Gerechtigkeiten, die einer ganzen Verwandtschaft ohne Unterschied zustehen, in deren Genuß sich ein jeder von denen Verwandten durch die gehörige Rechtsmitteln erhalten mag.

[1, 4, § 4] 45. Und endlich mehrere der Verwandtschaft zukommende Rechtswohlthaten, als da sind, daß in Fällen, wo es sich allein um die Verwandtschaft handlet, schleunig verfahren, daß in gewissen Rechtsvertheidigungen der Ehre der verwandten Personen geschonet, daß in Schuldsachen gegen dieselbe nicht auf das Strengste fürgegangen, und endlich binnen gewissen Graden kein naher Verwandter wider den anderen insgemeim zur Zeugenschaft gezwungen werde.

[1, 4, § 4] 46. Andere verwandtschaftliche Rechten, welche eigentlich Stammrechten genennet werden, sind nur dem Mannesstammen und hierunter verschiedene denen männlichen Verwandten von Mannsstammenallein eigen.

Als die Nachfolge in Stamm- und Lehengütern, wann nur die Männlichen von Mannsstammen darzu berufen oder letztere rechte Mannleben sind.

Das geschlechtliche Vorzugs- und Einstandrecht in liegenden Gütern. Der größere Pflicht- und Erbtheil der männlichen Absteigenden von Mannsstammen vor denen weiblichen bei Landleuten und andere denen männlichen Verwandten von Mannsstammen vorzüglich angebührende Gerechtsamen, welche in Verfolg dieses Gesatzbuchs ihres Orts vorkommen werden.

[1, 4, § 4] 47. Jene Stammrechte hingegen stehen dem Mannsstammen auch mit Einbegriff der darzu gehörigen Weibspersonen zu, welche nicht lediglich die Fortpflanzung des Geschlechts zur Absicht haben, oder wobei nicht besonders auf die

(1-147) Fähigkeit der Mannspersonen gesehen wird, oder die zwar vorzüglich denen Mannspersonen zukommen, jedoch in deren Abgang auch auf die Weibspersonen erstrecket werden

[1, 4, § 4] 48. Dergleichen sind der Gebrauch des gemeinen Namens und Wappens, der Genuß aller dem ganzen Geschlecht und nicht allein einzlen Personen desselben verliehenen Würden und Vorzügen und endlich die Gemeinschaft aller dem Geschlecht zukommender Rechten und Gerechtigkeiten, insoweit auch Weibspersonen von Mannsstammen zu deren Genuß und Ausübung fähig sind.

[1, 4, § 4] 49. Die Rechten der Blutsverwandtschaft, insoweit dieselben aus dem natürlichen Blutband fließen, sind unbenehmlich, was immer für Veränderung mit einer verwandten Person vorgehe.

Jene Verwandtschaftsrechten hingegen, welche bloß von denen Gesetzen oder von menschlicher Willkühr abhangen, können in mehrerlei Umständen aufhören.

[1, 4, § 4] 50. Also verlieret Derjenige die Rechten der Verwandtschaft in Erb- und anderen Fällen, welcher der Landmannschaft oder des Bürgerrechts nebst allen davon abhangenden Gerechtigkeiten aus Verbrechen verlustiget wird.

[1, 4, § 4] 51. Desgleichen kann Niemand der verwandtschaftlichen Vorrechten theilhaftig werden, der die Eigenschaft nicht hat, welche zum Genuß derenselben etwann kraft einer letztwilligen Verordnung oder nach Inhalt sonstiger Bedingen zwischen Lebenden erforderet wird, oder der die beigesetzte Bedingniß, unter welcher ihme der Genuß des Rechts zugedacht worden, nicht erfüllet oder etwas unternimmt, was bei Verlust des Vorrechts verboten war.

[1, 4, § 4] 52. Ueber den Beweis der Blutverwandtschaft ist in außerordentlichen Weg Rechtens schleunig zu verfahren, und lieget solcher Jenem ob, der sich einen Verwandten zu sein ausgiebt und seine Rechtsforderung in der Verwandtschaft gründet, gleichwie gegentheils der Andere, der seine Forderung darinnen gründet, daß der Besitzer kein Verwandter seie, das Widerspiel zu erweisen hat.

[1, 4, § 4] 53. Wo es sich aber um Rechten handlet, zu welchen mehrere Verwandten zugleich gelangen, oder worinnen der nähere dem weiteren oder der Mannsstammen dem weiblichen vorgezogen, oder nebst der Verwandtschaft noch eine gewisse Eigenschaft erforderet wird, müssten auch Alle, die hierauf einen Anspruch machen, die Verwandtschaft und zwar nicht überhaupt, sondern nach Unterschied der Fällen zugleich die Nähe der Verwandtschaft binnen einem gewissen Grad oder von einem gewissen Stammvater oder von männlicher Seiten oder die vorgeschriebene Eigenschaft erweisen.

[1, 4, § 4] 54. Die stärkesten Beweise der Verwandtschaft sind Urkunden, welche aus Tauf- und Trauungsbüchern, Heirathscontracten, gerichtlichen und anderen öffentlichen Archiven entnommen werden.

Nicht weniger Zeugen, wann sie die Abstammung von Person zu Person auf eine beglaubte Weise aussagen können.

[1, 4, § 4] 55. Außer deme können auch andere mehrere Behelfe zum Beweis der Blutsverwandtschaft andienen, als der gemeine Ruf, das durchgängige Dafürhalten, wann es offenkundig oder sonst genüglich erprobet ist, der Besitz der Vorfahren, für die Blutsverwandtschaft ergangene Rechtssprüche, untadelhafte Stammbücher und andere in denen Geschlechtsarchiven oder in sonstigen glaubwürdigen Orten aufbehaltene Urkunden, alte Denkmale und Inschriften, bewährte Zeit- und Geschichtbücher, besonders von solchen Schriftstellern, welche zu gleicher Zeit, von der sie schreiben, gelebet haben, der unangefochtene beständige Gebrauch gleiches Namens und Wappens und andere dergleichen mehr oder minder beitragende Umstände, deren Zulänglich- oder Unzulänglichkeit jedoch dem richterlichen Ermessen überlassen wird.

[1, 4, § 4] 56. Und obzwar sonst die Urkunden und Rechtssprüche das Recht eines Dritten weder bestärken noch schwächen können, so wirken doch solche damals auch

(1-148) in Ansehung eines Dritten ein kräftiges Vorurtheil, wann Jemand, um dessen Verwandtschaft die Frage ist, mit der Verwandtschaft Desjenigen in der Abkunft von einem gemeinen Stammen einen erweislichen Zusammenhang hat, für welchen oder wider welchen eine gerichtliche oder sonst ungezweiflete Urkunde, oder ein zu Kräften erwachsener Rechtsspruch streitet, daß er mit jenem, gegen welchem gefraget wird, verwandt oder nicht verwandt seie, wann es sich um das nämliche und kein anderes Blutband handlet, als wovon die Urkunde oder der Rechtsspruch erwähnet.

[1, 4, § 4] 57. Also muß einem Absteigenden das Recht der Blutverwandtschaft zu Demjenigen nothwendig gebühren, in wessen Ansehung dasselbe bereits einem seiner Aufsteigenden zuerkannt worden; gleichwie gegentheils ein Absteigender kein Recht zur Blutsverwandtschaft mit Demjenigen hat, in wessen Ansehung dasselbe einem seiner Aufsteigenden allschon abgesprochen worden.

[1, 4, § 4] 58. Von nicht minderer Kraft ist die Verjährung der blutsverwandtschaftlichen Rechten, welche auch Jenen nutzet oder schadet, die mit Demjenigen in Abkunft von einerlei Stammen unstrittig verwandt sind, welcher solche wider Andere verjähret hat, oder wider welchen sie von Anderen verjähret worden.

Caput V.

Von der väterlichen Gewalt.

Inhalt:

§. I. Von der Natur und Wesenheit der väterlichen Gewalt. §. II. Von der Art und Weis, die väterliche Gewalt zu erlangen. §. III. Von Wirkungen der väterlichen Gewalt. §. IV. Von der Art und Weis, wodurch die väterliche Gewalt beendiget wird.

§ I.

[1, 5, § 1] Num. 1. Das engeste Band der Verwandtschaft ist zwischen Eltern und Kindern, welchem nicht nur alle übrige Ordnungen der Verwandten nachstehen, sondern deme auch über die gemeinen Verwandtschaftsrechten, deren nicht weniger andere Verwandten in obbestimmter Maß theilhaftig sind, noch besondere rechtliche Wirkungen sowohl von der Natur selbst, als von denen Gesetzen beigeleget werden.

(1-149) [1, 5, § 1] 2. Jene Rechten zwischen Eltern und Kindern, welche aus der Erzeugung hauptsächlich von der Natur selbst entspringen, sind bereits oben in zweitem Capitel von dem Stand der Menschen §. IV. bei dem Hausstand ausführlich erkläret worden.

[1, 5, § 1] 3. Es erübrigen also nur noch diejenige Rechten zwischen Eltern und Kindern, welche entweder aus Anordnung der Gesetzen herfließen, oder doch durch selbe ihre Bestimmung erhalten.

[1, 5, § 1] 4. Unter diesen ist die väterliche Gewalt, welche die Gesetze einem Vater über seine Kinder zueignen, das vornehmste, welche in gegenwärtigem Capitel beschrieben wird.

Dahingegen alle übrige Rechten zwischen Eltern und Kindern ihres Orts vorkommen, wo die Gegenstände, welche sie betreffen, besonders abgehandlet werden.

[1, 5, § 1] 5. Die väterliche Gewalt bestehet in dem Recht des Vaters, welches ihme über die Personen, über das Vermögen und über die Handlungen seiner Kinder von denen Gesetzen eingeräumet ist.

[1, 5, § 1] 6. Es wird dahero allhier erstlich von der Art und Weis, die väterliche Gewalt zu erlangen, sodann von denen Wirkungen der väterlichen Gewalt, und letztlich von der Art und Weis, wodurch die väterliche Gewalt geendiget wird, gehandlet.

§. II.

[1, 5, § 2] 7. Die väterliche Gewalt wird auf dreierlei Art, erlanget, als erstens, durch rechtmäßige Ehe, zweitens, durch Rechtmäßigung unehelich erzeugter Kinder, drittens, durch Annehmung an Kindesstatt.

[1, 5, § 2] 8. Durch die Ehe wird Jemand rechtmäßiger Vater zu sein dargezeiget, und die Erzeugung in rechtmäßiger Ehe zieht sogleich die väterliche Gewalt über das erzeugte Kind nach sich.

[1, 5, § 2] 9. Was dahero zum Beweis oder zur rechtlichen Vermuthung der ehelichen Geburt andienet, alles dieses gereichet auch zum Beweis und zur rechtlichen Vermuthung

(1-150) der väterlichen Gewalt, und haben zu deren Behauptung alle diejenige Beweismitteln und Rechtsbehelfe statt, welche zum Beweis und Vertheidigung der ehelichen Kindschaft gehören, und allschon oben in zweitem Capitel, §. IV. von Num. 98 bis Num. 101 angeführet worden.

[1, 5, § 2] 10. Dahingegen erstrecket sich die väterliche Gewalt in Ansehung der nachstehenden Rechtswirkungen nicht auf die außer der Ehe oder aus einer an Seiten des Vaters wissentlich ungiltigen Ehe erzeugte Kinder, obschon die Mutter die Ehe für giltig gehalten hätte, gleichwie gegentheils der gute Glauben des die Ehe giltig zu sein vermeinenden Vaters ihme die väterliche Gewalt über die aus dieser vermeintlichen Ehe erzeugte Kinder zueignet, wann gleich die Mutter solche ungiltig zu sein gewußt hätte.

[1, 5, § 2] 11. Doch kann die väterliche Gewalt über unehelich erzeugte Kinder durch deren erfolgte Rechtmäßigung erlanget werden. Diese geschieht entweder durch nachfolgende Ehe zwischen dem Vater und der Mutter eines außer der Ehe erzeugten Kinds, oder aus höchster landesfürstlicher Gewalt.

[1, 5, § 2] 12. Beide diese Arten der Rechtmäßigung kommen zwar in deme überein, daß sie die Makel der unehelichen Geburt oder Erzeugung tilgen, allein in Absicht auf die väterliche Gewalt und andere Verwandtschaftsrechten sind ihre Wirkungen unterschieden.

[1, 5, § 2] 13. Damit aber ein unehelich erzeugtes Kind durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gemacht werden möge, ist darzu erforderlich, daß zur selben Zeit, als es empfangen worden, zwischen Vater und Mutter eine giltige Ehe bestehen können. Widrigens haben dergleichen Kinder ohnerachtet der nachgefolgten Ehe eine besondere Rechtmäßigung ihrer Geburt von landesfürstlicher Gewalt nöthig.

[1, 5, § 2] 14. Die Rechtmäßigung durch nachgefolgte Ehe kommt nicht allein dem unehelich erzeugten Kind in Ansehung seines Vaters und Mutter zu statten, sondern auch die von einem unehelichen und nachher durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordenen Sohn oder Tochter erzeugte eheleibliche Kinder sind in Ansehung der Großeltern für eheliche Enkeln zu achten, obschon der Sohn oder die Tochter noch vor der erfolgten Ehe ihrer Eltern mit Tod abgegangen wären.

[1, 5, § 2] 15. Durch diese Art der Rechtmäßigung wird nicht allein alle Makel der unechten Geburt gänzlich ausgelöschet und derlei rechtmäßig gewordene Kinder denen ehelich empfangenen in allen Wirkungen insgemein vollkommen gleichgehalten, sondern sie werden auch aller Rechten der echten Geburt sowohl in Ansehung ihrer Eltern, als der ganzen Verwandtschaft theilhaftig.

[1, 5, § 2] 16. Nur jene Rechten bleiben ausgenommen, welche ausdrücklich entweder durch letztwillige oder lebzeitige Handlungen lediglich auch solche Kinder eingeschränket sind, die aus einer vorhergegangen rechtmäßigen Ehe empfangen worden.


(1-151) [1, 5, § 2] 17. Umsoweniger können die immittelst denen ehelich gebornen Kindern erworbene Rechten durch die nachherige Rechtmäßigung der unehelichen auf einigerlei Weise geschmäleret und beeinträchtiget werden. Von dieser Art ist das Recht der Erstgeburt oder der früheren Geburt, wovon die Erbfolge in geschlechtliche Trau- und Stammgüter und andere verwandtschaftliche Vorrechte abhangen, welches allemal der vor der Rechtmäßigung des Unehelichen aus rechtmäßiger Ehe Geborene unverletzt behält, obschon der Andere später rechtmäßig Geborene außer der Ehe früher erzeuget worden.

[1, 5, § 2] 18. Die andere Art der Rechtmäßigung, welche aus Unserer höchsten landesfürstlichen Gewalt herfließet, bleibt nur Uns allein und jenen Stellen, welchen Wir die Macht solche in Unserem Namen zu ertheilen besonders einraumen, vorbehalten.

[1, 5, § 2] 19. Damit aber aus einer Rechtmäßigung, die zwischen Vater und

(1-152) Kindern bestehende Rechten und unter diesen auch die väterliche Gewalt mit allen derselben anklebenden Wirkungen entspringen mögen, muß deren namentliche Verleihung in dem Rechtmäßigungsbrief allemal deutlich mit ausgedrucket sein, welche jedoch über den buchstäblichen Inhalt Unseres Gnadenbriefs auf keine andere Rechten der Verwandtschaft in Ansehung der weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten der natürlichen Eltern zu erstrecken ist.

[1, 5, § 2] 20. Außer dieser namentlichen Mitverleihung, welche jederzeit bei Uns unmittelbar angesuchet werden solle, wirket die aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit erhaltene Rechtmäßigung nichts Anderes, als daß die Makel der unechten Geburt getilget werde, und die auf solche Art geborene Person zu Ehren, Würden und Aemtern gelangen könne, folglich umsomehr in allen Gemeinden anderen ehrlichen Leuten gleichgeachtet, und in alle ehrliche Mitteln, Zünften und Gewerbe zugelassen werden müsse, ohne daß ihme von Jemandem seine uneheliche Geburt bei der in dem Gnadenbrief ausgesetzten Strafe vorgerucket werden dürfe.

[1, 5, § 2] 21. Die Annehmung an Kindsstatt giebt die väterliche Gewalt, jedoch nur mit jenen Rechtswirkungen, welche dem Wahlkind zu seinem Nutzen, nicht aber auch zu dessen Schaden und Nachtheil gereichen.

[1, 5, § 2] 22. Dergleichen Annehmung solle zwar ohne Unterschied, der Anzunehmende möge unter der väterlichen Gewalt eines Anderen stehen oder nicht, groß- oder minderjährig, und Derjenige, welcher den Anderen an Kindsstatt annehmen will, ein Aufsteigender von väterlicher oder mütterlicher Seite, oder ein Fremder sein, jedoch

(1-153) niemalen anderst, als mit Unserer höchsten Verwilligung oder Bestätigung geschehen können, widrigens aber ganz und gar ohne Kraft und Wirkung sein.

[1, 5, § 2] 23. Zur Erhaltung dieser Unserer höchster Verwilligung und Bestätigung müssen sowohl an Seiten des Wahlvaters als des Wahlkinds folgende Erfordernisse hinzutreten.

[1, 5, § 2] 24. Der Jemanden an Kindsstatt annehmen will, muß:

1.) Eines betagten Alters und wenigstens um die Jahre der gemeinen Vogtbarkeit älter sein als Derjenige, welchen er an Kindsstatt anzunehmen gedenket.

[1, 5, § 2] 2.) 25. Müssen weder eheleibliche Kinder, besonders männliche am Leben, noch zu deren Ueberkommung einige Hoffnung übrig sein, und hanget die Beurtheilung dieses letzteren Umstandes lediglich von Unserem Ermessen ab.

[1, 5, § 2] 3.) 26. Muß derselbe ein freies Vermögen besitzen, und davon einen gewissen Antheil bestimmen, auch solchen genugsam zu versichern sich erbieten, welcher dem überlebenden Wahlkind zuzukommen habe, wann auch der Wahlvater dessen in seinem letzten Willen nicht ferner gedächte.

[1, 5, § 2] 4.) 27. Muß überhaupt dem Wahlkind ein Vortheil dadurch zugehen und dem Recht eines Dritten kein Abbruch geschehen. Zu welchem Ende jedes Mal mit anzuzeigen ist, ob der Wahlvater ledig oder verheirathet, und wie letzteren Falls seine Ehegattin versorget seie; nicht minder ob nicht einige Notherben oder sonst nahe Anverwandte männliche oder weibliche und in was für einem Grad der Blutsverwandtschaft am Leben sind.

[1, 5, § 2] 5.) 28. Wird an Seiten dessen, welcher an Kindsstatt angenommen werden will, erforderet, daß derselbe, wann er großjährig ist, ausdrücklich darein willige, und, wo er noch minderjährig wäre, die Einwilligung seines Vaters oder Vormunds beitrete, welche in Kindsjahren, wo er noch keiner Einwilligung fähig wäre, für sich allein genug ist; doch muß die Annehmung eines unter der Vormundschaft stehenden Waisen an Kindsstatt allemal nebst der Einwilligung des Vormunds auch von der obervormundschaftlichen Behörde gutgeheißen und für den Waisen ersprießlich zu sein erkennet werden.

[1, 5, § 2] 29. Wann nun in Betrachtung der fürwaltenden Umständen Unsere höchste Verwilligung zu der angesuchten Annehmung an Kindsstatt erfolget, so hat dieselbe insgemein, wann in Unserem Verwilligungs- oder Bestätigungsbrief nichts Besonderes ausgedrucket ist, nachstehende Wirkungen.

[1, 5, § 2] 30. Der Wahlvater erlangt andurch das Recht der Vaterschaft mit der väterlichen Gewalt, wann das Wahlkind die Jahre der Vogtbarkeit noch nicht erreicht hat, nach deren Erreichung die väterliche Gewalt überhaupt ihre Endschaft hat.

[1, 5, § 2] 31. Doch wird der Wahlvater andurch nicht berechtiget, es seie in Lebzeiten oder nach dem Tod des Wahlkinds, auf dessen Vermögen und Habschaften einigen Anspruch zu machen, sondern derselbe hat nur dieses Vermögen bis zu Großjährigkeit des an Kindsstatt Angenommen auf ganz gleiche Weise und unter der nämlichen Verbindlichkeit wie ein jedweder anderer Vormund zu verwalten.

[1, 5, § 2] 32. Wäre hingegen der an Kindsstatt Angenommene bereits großjährig, so überkommt der Wahlvater das alleinige Recht der Vaterschaft ohne der väterlichen Gewalt und nur mit der Wirkung, daß er nicht kind- und erblos seie, sondern die Rechten seines Geschlechts nebst Namen und Wappen durch den angenommenen Sohn und dessen Nachkommenschaft fortsetzen könne.

[1, 5, § 2] 33. Das Wahlkind erhält durch dessen Annehmung das Recht der Kindschaft und mit solchem wird selbes auch des Namens und Wappens und anderer wahlväterlichen Geschlechtsrechten in der Maß, wie diese in der Verwilligungs- oder Bestätigungsurkunde von Uns erstrecket oder eingeschränket worden, theilhaftig.

[1, 5, § 2] 34. Nicht minder gebühret demselben die Erbfolge in dem bei seiner

(1-154) Annehmung aus dem Vermögen des Wahlvaters bestimmten Antheil; doch ist dem Wahlvater nicht verwehret, ihme ein Mehreres durch letzten Willen zuzuwenden.

[1, 5, § 2] 35. Dieser bestimmte Antheil wird nicht verminderet, wann gleich der Wahlvater nachher eheleibliche Kinder überkäme, insoweit dieselbe andurch an ihrem Pflichttheil nicht verkürzet werden, woran aber das Wahlkind keinen Theil hat.

[1, 5, § 2] 36. Noch weniger kann vorbemelter Antheil dem Wahlkind durch letzten Willen benommen werden, wann dasselbe nicht etwann eine solche Undankbarkeit begangen, wegen welcher auch eheleibliche Kinder von der väterlichen Erbschaft ausgeschlossen werden mögen.

[1, 5, § 2] 37. Nebstdeme wirket die Annehmung an Kindsstatt an Seiten des Wahlvaters die Schuldigkeit, sein Wahlkind gleich einem leiblichen nach seinem Stand und Würde zu ernähren, zu erziehen, zu erhalten, zu schützen und zu vertreten, und ist dessen leiblicher Vater von allem diesfälligen Beitrag gänzlich entbunden.

[1, 5, § 2] 38. Wann jedoch das Wahlkind ein eigenes Vermögen hätte, so kann von dessen Ertragniß so viel, als zu dessen Ernährung und Erziehung nöthig ist, durch die Behörde ausgemessen, der Ueberrest aber muß in Ersparniß gebracht und gleich einem Waisengut von dem Wahlvater verrechnet, wann hingegen das Vermögen des Wahlkinds nicht hinlänglich wäre, der Abgang von dem Wahlvater aus dem Eigenen getragen werden.

[1, 5, § 2] 39. Es wird ein Wahlkind deswegen nicht von der Erbschaft nach seinen leiblichen Eltern oder von anderen Rechten ihrer Blutsverwandtschaft ausgeschlossen, sondern ihme bleiben vielmehr solche zu allen Zeiten bevor.

[1, 5, § 2] 40. Gleichwie die Annehmung an Kindsstatt hauptsächlich die Fortpflanzung des Namens und Geschlechts zum Endzweck hat, also können auch insgemein die Weibsperson weder Andere an Kindsstatt annehmen, noch von anderen an Kindsstatt angenommen werden, wann nicht Unsere besondere höchste Einwilligung zu einem dergleichen Vorhaben ausgewirket wird, nach deren Inhalt sich in solchem Fall zu achten ist.

[1, 5, § 2] 41. Wann dahero eine Manns- oder Weibsperson fremde Kinder oder Waisen ein oder anderen Geschlechts bloßer Dingen zu Erziehung, Ernährung und dermaleinstiger Versorgung gutwillig zu sich nimmt, so ist dieses keine Annehmung an Kindsstatt, sondern eine bloße Wohlthat, die weder ein- noch andererseits vorerwähnte Rechtswirkungen nach sich zieht.

[1, 5, § 2] 42. Dann derlei Zucht- oder Nährkinder erlangen andurch keinen Anspruch auf das Vermögen ihres Gutthäters, außer insoweit ihnen etwas von demselben verschrieben, geschenket oder vermachet worden. Sie können auch nicht sich des Namens, Wappens und anderer Geschlechtsrechten ihres Nährvaters anmaßen, und um so weniger wirket dergleichen Gutthat die väterliche Gewalt.

[1, 5, § 2] 43. Obschon dieselben ihrem Gutthäter, so lange sie von ihme den Unterhalt genießen, aus Dankbarkeit in gewisser Maß untergeben, und insoweit von dessen Hause sind, als sie von ihme geschützt und für die Seinigen gehalten werden.

[1, 5, § 2] 44. Wie dann auch von allem deme, was auf sie verwendet worden, nichts

(1-155) zurückgeforderet werden mag, wann nur der Pflichttheil eheleiblicher Kinder andurch nicht verkürzet wird.

Dessen ohnerachtet aber behalten sie in Ansehung ihrer leiblichen Eltern und gesammten Verwandtschaft alle angebühren mögende Rechten bevor.

[1, 5, § 2] 45. Mit der Annehmung an Kindsstatt ist die Einkindschaft nicht zu vermengen, welche nach bisheriger Gewohnheit in einigen Orten gebräuchlich ware, und wodurch von neuangehenden Eheleuten ihre aus vorigen Ehen erzeugte Kinder zu gemeinen Kinder dergestalten angenommen worden, daß sie sowohl neben einander, als auch mit denen aus der neuen Ehe erzeugenden Kindern durchaus gleich gehalten werden, und miteinander nach der Eltern Tod gleiche Erbtheile genießen sollen.

[1, 5, § 2] 46. Wir wollen aber derlei Einkindschaften hiemit für das Künftige gänzlich aufgehoben und abgestellet haben, also zwar, daß daraus weder die Gleichheit in der Erbfolge, noch eine andere Rechtswirkung entstehen, noch weniger dadurch die väterliche Gewalt über Stiefkinder erlanget, sondern diese unter der vorherigen oder nach Erheischung der Umständen neu zu bestellen habenden Vormundschaft belassen werden sollen.

§. III.

[1, 5, § 3] 47. Die Wirkungen der väterlichen Gewalt betreffen entweder die Person oder das Vermögen, oder die Handlungen der Kinder.

(1-156) [1, 5, § 3] 48. In Ansehung ihrer Person hat der Vater das Recht, seine ihme von Anderen vorenthaltene Kinder abzuforderen, wobei schleunig zu verfahren, und lediglich darauf zu sehen ist, ob Jemand in dem Besitz des väterlichen Rechts oder sonst nach rechtlicher Vermuthung der Vater seie. Es erforderten dann die Umstände ein ordentliches rechtliches Verfahren.

[1, 5, § 3] 49. Es kann auch ein flüchtig geworbenes Kind von dem Vater selbst überall ergriffen und solle ihme hierinnen, wann er die Gerichtshilfe nöthig hätte, solche schleunigst geleistet werden.

[1, 5, § 3] 50. Nicht weniger ist dem Vater eine mäßige, die Besserung zum Zweck habende Züchtigung seiner Kinder zugelassen. Doch giebt die väterliche Gewalt kein Recht über das Leben, Leib, Gesundheit, Freiheit und guten Leumuth der Kinder.

[1, 5, § 3] 51. Belangend das Vermögen der Kinder, so ist anförderist jenes, was

(1-157) sich bei ihnen dem Gut des Vaters befindet, und von diesem weder schankungsweise, noch sonst auf eine andere rechtsbeständige Art an sie übertragen worden,

(1-158) von dem wahren und eigenen Kindergut wohl zu unterscheiden, maßen das erstere mit Nutzungen, Zuwachs und allem deme, was die Kinder anmit erwerben, dem Vater allein zugehöret.

[1, 5, § 3] 52. Ein wahres und eigenes Kindergut hingegen ist jenes, welches denen Kindern entweder von dem Vater selbst geschenket, oder auf andere zu recht bestehende Art an sie eigenthumlich übertragen wird, oder was ihnen von anderwärts zukommt, als von der Mutter, von väterlichen oder mütterlichen Großeltern, von Geschwisteren, Verwandten oder auch von Fremden durch Erbfolge, Vermächtnissen, Schankungen oder in andere Wege, oder was sie außer dem Gut und Gewerb des Vaters nach vollkommen zuruckgelegten funfzehnten Jahr durch ihren Fleiß oder durch andere redliche Weise erwerben.

[1, 5, § 3] 53. Von dem Kindergut gebühret dem Vater insgemein der Fruchtgenuß nebst der Verwaltung desselben, solang die Kinder in seiner Gewalt befindlich sind. Es giebt aber Fälle, wo der Vater zwar den Fruchtgenuß, nicht aber auch die Verwaltung des Kinderguts, oder dagegen diese allein ohne den Fruchtgenuß oder aber keines von beiden hat.

[1, 5, § 3] 54. Das Erstere ereignet sich, wann Derjenige, von deme das Kindergut

(1-159) herrühret, den Vater von der Verwaltung ausgeschlossen, oder über dasselbe einen anderen Vormund bestellet hat, oder der Verwaltung halber ein erhebliches Bedenken wider den Vater vorhanden wäre.

[1, 5, § 3] 55. Im Fall, wo Derjenige, von deme das Gut auf die Kinder gelanget ist, wegen dessen Verwaltung eine andere Vorsehung gemacht hätte, ist derselben allerdings nachzugehen, außer deme aber bei einem wider den Vater fürwaltenden gegründeten Verdacht einer üblen Gebarung das Kindergut einem Anderen unter ordentlicher Verrechnung in die Verwaltung zu geben, oder, da es nutzlicher zu sein befunden würde, dasselbe gerichtlich zu veräußern, und der Werth unter genugsamer Sicherheit irgendwo auf Zinsen nutzbar anzulegen.

[1, 5, § 3] 56. Jedoch behält der Vater einen Weg, wie den anderen, den Fruchtgenuß, das Kindergut möge von ihme selbst oder jemand Anderem verwaltet und auf was immer für eine Art genutzet werden.

[1, 5, § 3] 57. Dahingegen hat der Vater die alleinige Verwaltung ohne dem Fruchtgenuß in folgenden Fällen: Erstens, wann Jemand sein liegend- oder fahrendes Gut Kindern, welche annoch unter väterlicher Gewalt stehen, durch lebzeitige oder letztwillige Handlung mit dem ausdrücklichen Beding zuwendet, daß der Vater den Genuß davon nicht haben, sondern dieser, so wie das Eigenthum denen Kindern verbleiben und zu ihrem Besten verwendet oder in Ersparniß gebracht werden solle.

[1, 5, § 3] 58. Zweitens, wann die Mutter oder mütterlichen Großeltern denen Kindern den Pflichttheil mit eben diesem ausdrücklichen Beding hinterlassen, obschon sonst keine andere denen Kindern nachtheilige Bedingniß dem Pflichttheil beigesetzet werden mag.

[1, 5, § 3] 59. Drittens, wann der Vater selbst seinen Kindern ein liegend oder fahrendes Gut ohne Vorbehalt des Fruchtgenusses schenket, oder sich dessen zu Gunsten seiner Kinder begiebt.

[1, 5, § 3] 60. Viertens, was die Kinder nicht aus dem Gut des Vaters, noch mittelst desselben, noch auch in Ansehung des Vaters, sondern durch Kriegs- oder andere Dienste, geistliche Pfründen, Künste und Wissenschaften, Fleiß und Gewerbe nach dem funfzehnten Jahr ihres Alters erwerben, oder um eigener Verdiensten willen von Anderen schankungsweise überkommen, von allem deme gebühret dem Vater der Fruchtgenuß nicht.

[1, 5, § 3] 61. Fünftens, wann die Kinder selbst kein Eigenthum, sondern nur den bloßen Genuß haben, als da ihnen der Nießbrauch eines Guts, jährliche Zinsen oder Früchten oder andere Jahrgelder, ein Stiftgenuß und dergleichen zeitliche oder lebenslängliche Beihilfe verschaffet, oder wie sonst immer zugewendet worden wären.

[1, 5, § 3] 62. Weder den Fruchtgenuß, noch die Verwaltung des Kinderguts hat der Vater, wann entweder ihme in Fällen, wo demselben der Fruchtgenuß nicht gebühret, auch namentlich die Verwaltung benommen worden, oder er sich dieser Befugnissen unwürdig gemacht hat, als da er die Vormundschaft in Ansehung eines seinem Kind zukommenden Guts ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache verschmähet hätte.

[1, 5, § 3] 63. Wo aber das Kind in der Unvogtbarkeit verstürbe, so erlangt der Vater auch von deme den Fruchtgenuß nicht, was denen übrigen unter seiner väterlichen Gewalt stehenden Kindern als nächsten Erben von diesem Waisengut auf ihren Antheil zugefallen.

[1, 5, § 3] 64. In Fällen jedoch, wo der Vater die Verwaltung des Kinderguts mit oder ohne dem Fruchtgenuß desselben hat, muß solches ehe und bevor es ihme eingeantwortet wird, gerichtlich beschrieben werden, wann darunter verschiedene Sachen und Forderungen als Vorräthe bei einem Landgut, Einrichtungen bei einem Hause, ausständige Gülten, Zinsen oder andere Ansprüche begriffen sind.

[1, 5, § 3] 65. Wann aber das an die Kinder gelangte Gut in einer einzlen Sache

(1-160) bestehet, als z. B. in einem Grund ohne allem Beilaß, Einrichtung und Ausständen, oder in einer vorgemerkten Schuldforderung, so ist zwar der Fall einer förmlichen Beschreibung nicht abhanden, nichts destoweniger muß jegleichwohlen die Beschaffenheit einer solchen Sache, derselben Werth und Ertragniß zur Sicherheit der Kinder gerichtlich angemerket werden.

[1, 5, § 3] 66. Vor dieser Beschreibung oder Anmerkung und der hierauf folgenden gerichtlichen Einantwortung darf der Vater sich der Verwaltung und des Nießbrauches nicht anmaßen, und ist auch nicht fähig etwas von Zinsen oder Nutzungen einzuheben, und die Schuldnere über den Erlag rechtsgiltig zu quittiren.

[1, 5, § 3] 67. Zuweilen kann auch der Vater, wann es die Sicherheit des Kinderguts nach Umständen erheischet, zur Bürgschaft wegen dessen unverminderter Erhaltung nicht weniger als ein anderer Vormund angehalten werden, wo nicht die Gefahr einer Verminderung von selbsten entfiele, als bei einer gerichtlich vorgemerkten Forderung oder einem anderen dinglichen Recht, so der Vater ohne gerichtlicher Verwilligung nicht veräußern kann.

[1, 5, § 3] 68. Nur von dem Rechnungsverlag über die Ertragnisse allein ist der Vater entbunden, insolange er den völligen Genuß des Kinderguts hat. In allem Uebrigen aber ist er in Ansehung desselben als ein natürlicher Vormund seiner Kinder zu betrachten, mithin auch alles Dasjenige zu beobachten schuldig, was in gleich nachfolgendem Capitel bei Vormundschaften zur guten Verwaltung des Waisenguts vorgeschrieben wird.

[1, 5, § 3] 69. Der dem Vater an dem Kindergut gebührende rechtliche Nießbrauch eignet ihme zwar insgemein alle Ertragnisse desselben und alle diejenige Befugnissen zu, welche einem jedem anderem, durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen bestellten Nutznießer zu statten kommen.

[1, 5, § 3] 70. Wann jedoch der Wohlstand seiner Kinder unumgänglich erheischet, einen Theil der Nutzung zu ihrem Besten zu verwenden, um etwann eine auf dem Kindergut haftende Schuldenlast zu tilgen, einen durch Zufall hieran entstandenen Schaden wieder zu verbessern, eine nothwendig oder sehr nutzliche Einverwendung zu thun, einen wegen dieses Guts erregten Rechtshandel auszuführen, oder endlich auch auf diejenige Kinder, welchen das Gut zugehöret, zur besseren und anständigeren Erziehung ein Mehreres zu verwenden, als der Vater sonst nach seinem Stand und Vermögen auf andere Kinder anzuwenden vermag; so kann der Vater in dergleichen Umständen die völlige Nutzung des Guts für sich nicht behalten, noch wegen derlei nothwendiger oder nutzlicher Auslagen das Gut selbst vermindern.

[1, 5, § 3] 71. Sondern Wir ordnen hiermit, daß in solchen Fällen der Vater schuldig sein solle, so lange es die Nothsurft erheischet, und die Schulden nicht völlig getilget, der Schaden nicht wieder verbesseret, der sich darbietende mehrere Nutzen nicht bewirket, der Rechtshandel nicht ausgeführet sein wird, oder so lange denen Kindern die anständige Erziehung zu geben ist, den dritten Theil der klaren Nutzungen zum Besten der Kinder von Jahr zu Jahr anzuwenden, woferne es nicht bereits dahin gediehen, daß dieser Aufwand mit geringeren Unkosten bestritten werden könnte.

[1, 5, § 3] 72. Zu welchem Ende und damit durch die Gehörde von amtswegen hierauf obacht getragen werde, solle ein jeder Vater, der sich in dem rechtlichen Genuß eines seinen Kindern zugekommenen Guts befindet, verbunden sein, den Stand des ihme eingeantworteten Kinderguts und die etwann darauf haftende Schulden nebst dessen wahrer Ertragniß alljährlich bei der Gehörde anzuzeigen, und diese Anzeige mit bewährten Rechnungsauszügen, auch, da es ihme der Erforderniß nach auferleget würde, mit vollständigen Rechnungen zu belegen.

[1, 5, § 3] 73. Wobeinebst derselbe, wie viel er davon nöthigen Falls zu Tilgung der

(1-161) Schulden, wie auch zu Bestreitung der nothwendigen oder nutzlichen außer dem gewöhnlichen Aufwand vorgefallenen Ausgaben verwendet habe, nicht nur behörig auszuweisen, sondern deme auch, was an Schulden noch weiters verbleibet, und was ferners zu vorsehen mögenden unentbehrlichen Einverwendungen erforderlich sein dürfte, beizufügen hat.

[1, 5, § 3] 74. Dieser Ausweis, Anzeige oder Rechnung ist zwar, außer dem Fall einer unterlaufenden geflissentlichen Gefährde oder hervorkommenden allzugroßer Vernachlässigung des Wirthschaftstriebs, nicht so genau zu bemängeln, sondern auf Befinden, daß Unseren vorstehenden Verordnungen nachgelebt worden, sofort ohne weiters gerichtlich zu beangenehmen.

[1, 5, § 3] 75. Wann hingegen hervorkäme, daß weniger als der dritte Theil deren klaren Nutzungen zum Besten der Kinder von dem Vater einverwendet worden wäre, ist von der Gehörde, ob nicht so vieles einzuverwenden nothwendig oder nutzlich gewesen seie, genau einzusehen, und, da sich die Nothdurft zeigete, dem Vater dessen Unterlassung auszustellen, anbei aber er sowohl zum Nachtrag des Abgangs in dem folgenden Jahr, als auch zur künftigen unnachbleiblichen Beobachtung dieser seiner Schuldigkeit befindenden Umständen nach mit Nachdruck anzuhalten.

[1, 5, § 3] 76. Diese Schuldigkeit lieget jedoch dem Vater nur allein in demjenigen Fall ob, wo ihme aus Anordnung des Gesetzes der rechtliche Nießbrauch des Kinderguts zustehet.

Wann aber dem Vater der Nießbrauch eines seinen Kindern eigenthumlich zugewendeten Guts durch ausdrücklichen Willen Desjenigen, von deme es an die Kinder gekommen, bis zu ihrer Vogtbarkeit oder auf Lebenszeit, aus einer lebzeitigen oder letztwilligen Handlung verliehen worden, oder solche ihme hieran noch ehender, als das Eigenthum an seine Kinder gediehen, schon zugestanden wäre, in solchen Fällen ist sich nach dem Vertrag oder nach der letztwilligen Verordnung zu achten, übrigens aber der Vater zu nichts Mehreren verbunden, als was die gemeine Eigenschaft des Nießbrauchs mit sich bringt.

[1, 5, § 3] 77. In Fällen hingegen, wo der Vater die alleinige Verwaltung des Kinderguts ohne dem Fruchtgenuß hat, ist er ebenso, wie ein jedweder anderer Gerhab oder Vormund ordentliche Rechnung zu legen schuldig, dabei aber auch befugt, zur standesmäßigen Erziehung und Erhaltung der Kinder die Ausmessung eines jährlichen Betrags von denen Einkünften, insoweit solche zureichen, von der Gehörde anzuverlangen.

[1, 5, § 3] 78. Die väterliche Gewalt erstrecket sich auch auf die Handlungen der

(1-162) Kinder, welche, solange sie unter derselben stehen, keinerlei Handlung fähig sind, worzu freie Schalt- und Waltung nebst Unabhängigkeit des Willens erforderet wird.

[1, 5, § 3] 79. Also können Dieselbe keinen letzten Willen errichten, ihr Vermögen weder veräußern, noch beschweren und keine wie immer Namen habende, rechtsbündige Bedinge, Verträge und Vergleiche mit Anderen eingehen, es gereicheten dann diese letztere ihnen zum Nutzen und Vortheil oder der Vater hätte darin gewilliget.

[1, 5, § 3] 80. Ueberhaupt ist denen unter väterlicher Gewalt stehenden Kindern nicht gestattet, was denen Waisen nicht zugelassen ist; weswegen dann auch Dasjenige, was von denen Waisen in dem gleich nachfolgendem Capitel geordnet wird, nicht weniger auf die unter väterlicher Gewalt stehende Kinder zu deuten ist.

[1, 5, § 3] 81. Nur aus jenen Handlungen der Kinder kann der Vater Anderen verbindlich werden, oder sich Andere verbindlich machen, welche von ihnen in Ansehung des Vaters, oder seines Guts, oder Gewerbs auf sein Geheiß, oder mit seinem Willen mit Anderen eingegangen oder hernachmals von ihme beangenehmet worden.

Außer deme wird derselbe hieraus nur insoweit verbindlich, als aus der vorgegangenen Handlung etwas zu seinem Nutzen gediehen ist.

[1, 5, § 3] 82. Die Kinder hingegen werden aus dergleichen Handlungen nicht selbst verbunden, noch weniger sind sie schuldig, über kurz oder lang für das, wozu ihr Vater durch sie verbunden worden, aus dem Ihrigen Genügen zu thun, außer sie wären immittelst Erben des Vaters worden.

[1, 5, § 3] 83. Von dergleichen Handlungen, woraus Anderen durch Andere etwas erworben oder eine Verbindlichkeit zugezogen wird, und von denen in solchen Fällen denen allseitigen Theilhaberen gebührenden Rechtsmittel, folget das Mehrere im dritten Theil, wo von persönlichen Verbindungen gehandelt wird.

(1-163) [1, 5, § 3] 84. Durch Gelderborgungen werden weder die unter väterlicher Gewalt stehende Kinder, noch der Vater selbst in mindestem verbindlich, wann nicht sein erweisliches Geheiß, Einwilligung oder Gutheißung hinzutritt, oder nicht das Geld zum Nutzen des Vaters verwendet, oder von ihme die Bezahlung übernommen, ganz oder bereits wissentlich oder zum Theil geleistet worden.

[1, 5, § 3] 85. In welchem letzteren Fall nicht nur allein das Bezahlte nicht mehr zuruckgeforderet werden kann, sondern auch der Vater, wo er durch Abschlagszahlung ohne ausdrücklicher Verwahrung für den Ueberrest die Schuld einmal anerkannt, nicht weniger den Ueberrest zu bezahlen schuldig ist.

[1, 5, § 3] 86. Eben also, da ein mit Willen des Vaters sich in der Fremde aufhaltender Sohn oder Tochter Geld erborget hätte, ist der Vater nur Dasjenige zu bezahlen verbunden, was ein solches Kind zu seinem gebührlichen Unterhalt und zu Bestreitung deren Reiseunkosten auszuborgen bemüssiget gewesen.

[1, 5, § 3] 87. Zu Hause aber solle einem Kind kein dergleichen Vorwand wider den Vater verhelfen können, sondern ihme lieget ob, wo es einen Mangel an dem gebührenden Unterhalt erlitte, und der Vater gleichwohlen ein Mehreres zu thun im Stande wäre, nach Anordnung dessen, was davon oben in zweitem Capitel, §. IV vorgesehen worden, die Gehörde anzugehen, um den Vater zur Erfüllung seiner Schuldigkeit zu vermögen.

[1, 5, § 3] 88. Mehrere Wirkungen der väterlichen Gewalt kommen hiernach an jenen Orten besonders vor, wohin sie nach ihrem Gegenstand, den selbe betreffen, gehörig sind, um alle unnöthige Wiederholungen zu vermeiden.

§. IV.

[1, 5, § 4] 89. Die väterliche Gewalt höret auf mehrerlei Art auf, als erstens mit Absterben des Vaters oder der Kinder. Dem natürlichen Tod aber wird auch verglichen, wann Vater oder Kinder wegen begangenen Verbrechens von der bürgerlichen Gesellschaft in dem Staat oder in einem Land durch Urtheil und Recht ausgeschlossen werden.

[1, 5, § 4] 90. Wann dahero Vater oder Kind aus dem Staat oder aus einem Land auf ewig verwiesen, oder an entlegene Orte zu seinem daselbstigen immerwährenden Aufenthalt abgeschaffet, oder zu einem lebenslänglichen Gefängniß, Festungsbau oder zu anderer Strafarbeit verurtheilet worden, so wird der also Bestrafte eben

(1-164) andurch aller Wirkungen der väterlichen Gewalt, die ihme zu seiner Gunst und Vortheil gereichen könnten, ganz und gar verlustig.

[1, 5, § 4] 91. Da es den Vater betroffen, verlieret derselbe vornehmlich den Nießbrauch und die Verwaltung des Kinderguts, ohne daß deswegen die Kinder aufhören nothwendige Erben ihres Vaters zu sein, sondern denenselben ist sowohl durch Sicherstellung ihres Pflichttheils, als durch Bestellung eines Vormunds in solchen Fällen vorzusehen.

[1, 5, § 4] 92. Doch werden weder Vater noch Kinder, die solcher gestalten bestrafet werden, von der wechselweisen Erbfolge deswegen ausgeschlossen, wann das Verbrechen nicht zugleich die Unfähigkeit zu Erbfällen nach sich ziehet, sondern sie haben sich diesfalls des Rechts der Inwohneren desjenigen Landes, in welchem sie sich befinden, zu erfreuen, insoweit diesen das Wiedergeltungsrecht in Ansehung diesländiger Erbschaften nicht entgegenstehet.

[1, 5, § 4] 93. Eine zeitliche Abschaffung oder Landesverweisung, oder auch eine auf gewisse Jahre verhängte Gefängnißstrafe des Vaters verhinderet nur jene Wirkungen der väterlichen Gewalt, welche sich auf die Erziehung der Kinder, dann auf die Verwaltung und Nutznießung des Kinderguts erstrecken, auch nur so lange, als die Strafe daueret.

[1, 5, § 4] 94. Inzwischen aber ist von der Gehörde zur Verwaltung des Kinderguts ein zeitlicher Vormund zu bestellen, und wann der Vater nach geendigter Strafzeit anwiederum zurückkehret, und sonst kein erhebliches Bedenken ihme das Kindergut wieder anzuvertrauen fürwaltet, tritt derselbe in seine vorige Rechten ein.

[1, 5, § 4] 95. Ein von Feinden gefangener verlieret die Rechten der väterlichen Gewalt so wenig, als wie ein von Sinnen gekommener oder sonst gebrechlich gewordener Vater; und wird in folgendem Capitel geordnet werden, wie in solchen Fällen sowohl dem sinnlosen oder abwesenden Vater, als denen hilflosen Kindern vorzusehen seie.

[1, 5, § 4] 96. Zweitens endiget sich die väterliche Gewalt durch das Recht selbst,

(1-165) sobald ein Kind das vogtbare Alter erreichet, ohne daß es hierzu besonderen Entlassung aus der Gewalt oder einer sonstigen gerichtlichen oder außergerichtlichen Handlung bedörfe.

[1, 5, § 4] 97. Dieses vogtbare Alter, so für sich selbst die väterliche Gewalt auflöset, sind bei Söhnen zwanzig und bei Töchtern achtzehn vollständig erfüllte Jahre, vor welcher Zeit kein Vater befugt ist, seine Kinder der Gewalt zu entlassen, noch sie über solche in seiner Gewalt zu halten.

[1, 5, § 4] 98. Doch sollen derlei aus der väterlichen Gewalt getretene Kinder nicht eben sofort ihrer eigener Willkür überlassen sein, sondern noch fernershin bis zu erreichter Großjährigkeit, das ist, bis nach vollständig erfüllten vierundzwanzigsten Jahr ihres Alters unter der väterlichen Obsorge und Aufsicht verbleiben.

[1, 5, § 4] 99. Bis dahin sind die obschon vogtbaren Kinder ohne Einwilligung des Vater keinerlei lebzeitige Handlungen mit Giltigkeit vorzunehmen fähig, wodurch entweder ihre Person verbunden oder ihr Vermögen veräußeret, verminderet oder auf einigerlei Weise beschweret würde, wie in folgendem Capitel von Minderjährigen mit Mehreren geordnet wird.

[1, 5, § 4] 100. Sie können hingegen mit ihrem Vermögen nach Gefallen letztwillig ordnen, und solle ein von ihnen errichteter letzter Willen, wann derselbe sonst an sich nicht mangelhaft ist, allerdings giltig und zu Recht beständig sein.

[1, 5, § 4] 101. Mit der durch die erreichte Vogtbarkeit der Kinder aufgelösten väterlichen Gewalt höret zwar der dem Vater von dem Kindergut bis dahin zugestandene Nießbrauch auf, nicht aber auch die Verwaltung desselben, obschon solche von dieser Zeit an in eine andere Gestalt verwandlet, und aus der von der väterlichen Gewalt herrührenden eine bloße vormundschaftliche Verwaltung wird, ohne weiterem Recht des Nießbrauchs.

[1, 5, § 4] 102. Es ist dahero der Vater schuldig, sobald ein Kind die obbestimmten Jahre der Vogtbarkeit erreichet, einen Abschnitt der ihme bis dahin mit dem Nießbrauch zugestandenen Verwaltung des Kinderguts zu machen, und dessen gegenwärtigen Stand getreulich anzuzeigen, welcher von der Gehörde mit der oben gleich anfangs vorzunehmen angeordneten gerichtlichen Beschreibung zusammengehalten, und hauptsächlich darauf gesehen werden solle, ob währendem väterlichen

(1-166) Nießbrauch dem Kindergut etwas entgangen oder dasselbe sonst zu Schaden gekommen, folglich was denen Kindern vom Vater zu ersetzen seie.

[1, 5, § 4] 103. Mittlerweil aber hat der Vater als natürlicher Vormund die Verwaltung des Kinderguts mit der Verbindlichkeit fortzusetzen, daß er gleich einem anderen Vormund von Stund an, alle Ertragnisse des Kinderguts zum Nutzen derselben verwenden, solche ordentlich verrechnen, hierüber die Rechnungen alljährlich bei der Gehörde erlegen, und in Allem sich deme gemäß betragen müsse, was in gleich nachfolgendem Capitel überhaupt von Gerhaben oder Vormünderen geordnet wird.

[1, 5, § 4] 104. In diesem allein waltet ein Unterschied ob, daß ein Vater in die Verehelichung seines minderjährigen Kinds für sich allein willigen könne, wo in Gegentheil die Vormündere und Gerhaben der Minderjährigen die Verwilligung bei der vorgesetzten Vormundschaftsgehörde anzusuchen haben, wie es oben in drittem Capitel vorgeschrieben worden.

[1, 5, § 4] 105. Die dem Vater gebührende Vormundschaft über seine noch minderjährige Kinder ist demselben ohne erheblicher Ursach nicht zu benehmen. Es käme dann wider ihn eine Gefährde, geflissentliche Benachtheiligung oder große Verwahrlosung des Kinderguts erweislich hervor.

[1, 5, § 4] 106. Welchen Falls denen minderjährigen Kindern ein anderer Vormund bestellet, und diesem von der Gehörde aufgetragen werden solle, Alles, was von dem Vater bis dahin etwann vernachlässiget worden wäre, in Richtigkeit zu bringen, und was dieser allenfalls zu ersetzen haben dörfte, beschaffenen Umständen nach auch gerichtlich einzutreiben. Uebrigens ist mit der Raitung des Vaters auf ganz gleiche Weise zu verfahren, wie es wegen Bemängelung all anderer Vormundschafts-Raitungen in dem gleich hiernach folgendem Capitel ausgemessen wird.

[1, 5, § 4] 107. Drittens wird sowohl die väterliche Gewalt, als die väterliche Vormundschaft durch die einem Kind aus Unserer landesfürstlichen Machtsvollkommenheit ertheilte Nachsicht des Alters ausgelöset, wann solche nicht ausdrücklich nur auf gewisse darinnen benannte Handlungen allein eingeschränket worden.

[1, 5, § 4] 108. Viertens höret die väterliche Gewalt durch die mit Willen des

(1-167) Vaters, oder mit gerichtlicher Begenehmigung erfolgte Verehelichung eines noch unvogtbaren Sohns oder Tochter der gestalten auf, daß ein sich verheirathender Sohn bis zu erreichender Großjährigkeit unter der Vormundschaft des Vaters verbleibe, eine verehelichte Tochter hingegen unter die Vormundschaft ihres Manns, wann derselbe großjährig ist, verfalle, widrigens oder so lange unter der Vormundschaft ihres Vaters verbleibe, bis daß ihr Mann oder sie selbst die Großjährigkeit erreiche.

[1, 5, § 4] 109. Wann jedoch der Vater vor der Großjährigkeit eines verheiratheten Kinds verstürbe, ist diesem sofort ein anderer Vormund zu bestellen, und stehet solchen Falls dem Vater frei, ihme einen anderen Vormund in seinem letzten Willen zu benennen.

Wo aber der bereits großjährige Ehemann einer verehelichten Tochter welcher vorbesagter Maßen die Vormundschaft über sie gehabt, verstürbe, fallt dieselbe, wann sie auch noch nicht vogtbaren Alters wäre, nicht mehr unter die Gewalt, sondern lediglich unter die Vormundschaft ihres noch lebenden Vaters zurück, und da auch dieser vor oder nach dem Tod abgegangen wäre, ist sie bis zu ihrer Großjährigkeit anderweit zu bevormunden.

[1, 5, § 4] 110. In allen Fällen, wo die väterliche Gewalt durch die Verehelichung eines Kinds aufgelöset wird, hat auch der väterliche Nießbrauch des Kinderguts sein Ende, und ist von dem Tag der Heirath dessen gesammte Ertragniß ordentlich zu verrechnen, welche jedoch ganz oder zum Theile nach Befund und

(1-168) Ausmessung der vormundschaftlichen Gehörde dem verheiratheten Kind zu seinem Gebrauch und Unterhaltung ausgefolget werden solle.

[1, 5, § 4] 111. Woferne aber ein noch unvogtbares Kind sich wider Willen des Vaters und ohne gerichtlicher Einwilligung auf dem Fall, da dieser sich ohne rechtmäßiger Ursach weigerete, verheirathet hätte, höret die väterliche Gewalt deswegen nicht auf, noch weniger kann dem Vater dadurch der Nießbrauch des einem solchen Kind angehörigen Vermögens entzogen werden.

[1, 5, § 4] 112. Wegen Führung einer eigenen Haushaltung, oder wegen aufhabender Würde, oder unter was sonst immer für einem Vorwand kann sich kein Kind der väterlichen Gewalt entziehen.

[1, 5, § 4] 113. Doch solle denen vogtbaren Kinder, die ein eigenes Vermögen haben, jährlich ein Theil, ihrer Einkünften, welchen jedes Mal die Gehörde nach mehr oder minderer Bedürfniß auszumessen hat, zur freien Schalt- und Waltung von dem Vater ausgefolget werden, damit sie zeitlich zum vernünftigen Gebrauch ihres Vermögens angewöhnet werden.

[1, 5, § 4] 114. Gleichwie aber jene minderjährige Waisen, welche zu einer Handlung, Kunst, Gewerb und bürgerlichen Nahrung fähig erkennet worden, von der Nothwendigkeit einer weiteren Vormundschaft, wie es in dem folgenden Capitel geordnet wird, entbunden sind, und mit ihrem zu dem Nahrungstrieb ihnen eingeantworteten Vermögen frei schalten und walten, folglich sich rechtsbeständig verbinden mögen, also ist solches allerdings auch von denen minderjährigen Kindern zu verstehen, welchen mit des Vaters Verwilligung oder doch dessen vorläufiger Vernehmung ihr Vermögen von der Gehörde zu gleichem Ende eingeantwortet worden.

[1, 5, § 4] 115. Die Auflösung der väterlichen Gewalt solle denen Kindern niemalen zu einigem Nachtheil gereichen, sondern sie bleiben nach wie vor nothwendige Erben des Vaters, und genießen auch weiters alle übrigen Rechten des Hausstandes.

[1, 5, § 4] 116. Wer einmal von der väterlichen Gewalt entbunden worden, fallt niemalen unter dieselbe zuruck.

Nur bei Wahlkindern leidet solches eine Ausnahme, welche sowohl aus der Gewalt ihres leiblichen Vaters in die Gewalt des Wahlvaters übergehen, als auch nach dem Tod dieses letzteren, wann sie noch unvogtbar sind, anwiederum in die Gewalt ihres leiblichen Vaters, oder da sie zu dieser Zeit bereits vogtbaren Alters sind, in dessen Vormundschaft zurückzufallen.

(1-169) Caput VI.

Von der Vormundschaft.

Inhalt:

§. I. Von Vormundschaften überhaupt. §. II. Von Verschiedenheit der Vormundschaften. III. Von Antretung der Vormundschaft. §. IV. Von Verwaltung der Vormundschaft.

§. V. Von der Vormundschafts-Raitung. §. VI. Von Belohnung der Vormünderen. §. VII. Von Beendigung der Vormundschaft. §. VIII. Von Obsorgeren deren Ihrem Gut selbst vorzustehen unfähigen Personen.

§. I.

[1, 6, § 1] Num. 1. Die aus der väterlichen Gewalt ausgetretenen Personen sind noch nicht bei so reifem Alter, daß sie sich selbst zu ihrem und des gemeinen Wesens Besten zu leiten und ihren Sachen der Erforderniß nach gebührend vorzustehen vermögen.

[1, 6, § 1] 2. Es erheischet dahero der allgemeine Wohlstand, damit solche Personen

(1-170) durch Andere geleitet und geschützet, folglich ihnen zu dem Ende tüchtige Vormünder und Gerhaben bestellet werden.

[1, 6, § 1] 3. Diese Beschützung heißet eigentlich eine Vormundschaft oder Gerhabschaft und ist nichts Anderes, als eine Macht und Gewalt Diejenigen zu beschützen, welche wegen ihrem unreifen Alter sich selbst und ihren Gütern nicht vorstehen können.

[1, 6, § 1] 4. Die Personen, welchen diese Macht zukommt, werden Vormündere, Gerhaben, Pflegeväter, Pflegevögte, Treuhaltere, ihre Pflegebefohlene aber Unvogtbare, Minderjährige, und Jene, welche vaterlos sind, insoweit Waisen und Mündlein benamset.

[1, 6, § 1] 5. Dann nicht nur in der ersten Jugend haben Waisen für ihre Person und zu Erhaltung ihres Vermögens einen solchen Schutz nöthig, sondern es erforderet auch der gemeinwesige Wohlstand, daß die Freiheit junger Leuten, besonders in Ansehung der eigenmächtigen Schalt- und Waltung mit ihrem Gut bis zu einem gewissen Alter beschränket bleibe, in welchem die Kräften der Vernunft schon reif genug sind, dem Ihrigen selbst vorzustehen.

[1, 6, § 1] 6. Die Jugendjahre werden in viererlei Alter abgetheilet, als in die Kindheit, Unmündigkeit, Unvogtbarkeit und Minderjährigkeit.

[1, 6, § 1] 7. Die Kindheit reichet bis zum Ende des siebenten und die Unmündigkeit bis zum Ende des funfzehnten Jahrs.

Die Unvogtbarkeit hingegen erstrecket sich bei Mannspersonen bis nach gänzlich erfülltem zwanzigstem und bei Weibsperson bis nach völlig zurückgelegtem achtzehntem Jahr, bis dahin Niemand für vogtbar gehalten werden solle.

[1, 6, § 1] 8. Mit Eintritt einer Mannsperson in das einundzwanzigste Jahr und mit Eintritt einer Weibsperson in das neunzehnte Jahr ihres Alters nimmt die Minderjährigkeit ihren Anfang, und währet ohne Unterschied des Geschlechts oder Standes bis zu dem gänzlich vollbrachtem vierundzwanzigstem Jahr.

[1, 6, § 1] 9. Mit dessen vollständiger Erfüllung wird jenes Alter erreichet, welches die Großjährigkeit genennet wird, und nach erfolgter gerichtlicher Großjährigkeitserklärung nicht nur der Vormundschaft ein Ende macht, sondern auch dem großjährig Erklärtem die Fähigkeit zu allen in bürgerlicher Gesellschaft vorfallenden Handlungen giebt.

[1, 6, § 1] 10. Großjährigen werden dahero niemalen Vormündere gesetzet, sondern, wo selbe wegen Gemüths- oder Leibesgebrechen oder anderer rechtlicher Hindernissen ihrem Gut selbst vorzustehen nicht fähig sind, ihren Sachen und Rechten durch bestellte Obsorgere vorgesehen, deren Amtsbefugnisse und Verbindlchkeiten jedoch mit jenen der Vormünderen fast durchaus übereinkommen.

[1, 6, § 1] 11. Es wird solchemnach in gegenwärtigem Capitel von Vormündern zuerst, sodann aber auch von Obsorgeren deren ihrem Gut selbst vorzustehen unfähigen Personen gehandelt.

§. II.

[1, 6, § 2] 12. Der höchste Schutz und die oberste Vormundschaft über alle Waisen in Unseren Staaten ruhet bei Uns allein, dessen diese mittelbar durch die nachgeordneten Gerichte und Obrigkeiten, unmittelbar aber durch die gerichtlich bestellte oder bestätigte Vormündere theilhaftig werden.


(1-171) [1, 6, § 2] 13. Bestätiget werden die in letztem Willen benannte Vormündere, dann die von denen Gesetzen zur Vormundschaft berufene nächste Blutsverwandte. In Ermanglung dieser ersten und anderten Gattung aber werden von richterlichen Amts wegen Vormündere bestellet und gesetzet. Doch muß sowohl die Bestätigung als die Bestellung der Vormünderen allemal von jenem Gericht geschehen, zu welchem der Wais mit seiner Person oder mit seinen Gütern gehöret.

[1, 6, § 2] 14. Es sind also drei Gattungen der Vormundschaften, als:

Erstens, die durch letzten Willen geordnete Vormundschaft.

Zweitens, die Vormundschaft der nächsten Blutsverwandten.

Drittens, die durch die Obrigkeit verordnete Vormundschaft.

[1, 6, § 2] 15. In dem letzten Willen können entweder der Person der Waisen und

(1-172) ihrem gesammten Vermögen, ohne Unterschied, woher dasselbe rühre, oder nur in Ansehung eines gewissen denen Waisen verschafften Guts Vormündere bestellet werden.

[1, 6, § 2] 16. Die Befugniß, der Person der Waisen und ihrem wo immer herrührendem gesammten Vermögen Vormündere zu geben, ist ein vorzügliches Recht und Wirkung der väterlichen Gewalt, so niemandem Anderem gebühret, der die väterliche Gewalt nicht hat.

[1, 6, § 2] 17. Wir wollen aber dieses Recht dem Vater noch weiters auch über seine minderjährige Kinder, obschon durch deren erreichte Vogtbarkeit die väterliche Gewalt erloschen, aus besonderer Rücksicht für das denen Kindern nicht anderst, als ersprießlich fallen mögende Urtheil eines auf ihren Wohlstand bedachten Vaters belassen, und solle sich demnach die Macht deren von dem Vater in seinem letzten Willen geordneten Vormünderen sowohl auf die Person der Waisen, als auf alles nicht allein von dem Vater, sondern auch von anderwärts herkommendes Vermögen erstrecken, wann über dieses letztere nicht etwann schon ein anderer Vormund insonderheit bestellet ist.

[1, 6, § 2] 18. Dieses Recht hat der Vater auch damals, wanngleich derselbe rechtmäßige Ursach hätte, eines von seinen Kindern, welches die Großjährigkeit noch nicht erreichet hätte, von der Erbschaft auszuschließen und zu enterben, deme er nichtsdestoweniger in Ansehung der Person und des anderwärtigen Vermögens einen Vormund bestellen kann.

[1, 6, § 2] 19. In Gegentheil stehet weder der Mutter, noch auch denen Großeltern und weiteren Aufsteigenden die Befugniß zu, denen Waisen auf eine andere Art, als bloß allein in Ansehung des denenselben in dem letzten Willen von ihnen zugewendeten Guts Vormündere zu benennen.

[1, 6, § 2] 20. Diese alle werden aus Mangel der väterlichen Gewalt fremden Erblasseren gleichgeachtet, welchen die letzwillige Bestellung der Vormünderen nicht weiter zugelassen ist, als über das denen Waisen oder Jemands noch minderjährigen Kindern von ihnen durch letzten Willen zugewendete Gut, als worauf allein und nicht weiter sich eine solche von ihnen angeordnete Vormundschaft zu erstrecken hat.

[1, 6, § 2] 21. Es seie dann, daß von der Gehörde, worunter die Waisen stehen, denenselben vorträglicher zu sein befunden würde, dem von einem Dritten letztwillig geordneten Vormund auch die Person der Waisen und ihr übriges Vermögen anzuvertrauen,

(1-173) wann solches ohne Benachtheiligung eines Dritten, der hierzu ein näheres Recht hätte, geschehen kann.

[1, 6, § 2] 22. Diese auch Anderen außer dem Vater zustehende Macht in letztem Willen Vormündere anzuordnen gehet aber nicht weiter, als nur auf das, was denen Waisen in letztem Willen zugewendet, und nicht auch auf Jenes, was denenselben von ihnen bei Lebzeiten geschenket worden, wann sich dabei die Benennung eines Vormunds nicht ausdrücklich vorbehalten oder gleich zur Zeit, als die Schankung geschehen, dieser nicht schon mit benennet worden, welchen Falls die solcher gestalten geordnete Vormundschaft die Natur eines der Schankung beigesetzten Bedinges hat.

[1, 6, § 2] 23. Die Bestellung deren Vormünderen hat in jeder letztwilliger Verordnung statt, wann diese nur in ihrer Art und an sich selbst nach Unseren Gesetzen zu recht bestehet.

[1, 6, § 2] 24. Und kann nicht nur einer, sondern auch mehrere Vormündere entweder zugleich, oder andere nach anderen, falls sie ersteren nicht zur Vormundschaft gelangeten, bestellet, wie auch die Vormundschaft selbst unter mehrere vertheilet, nicht weniger eine gewisse Zeit oder Bedingniß beigefüget, und sowohl Jemandem nach Erfüllung der Bedingniß oder nach Erreichung einer gewissen Zeit die Vormundschaft aufgetragen, als nach Ausgang derselben oder in Ermangelung der Bedingniß solche anwiederum benommen werden

[1, 6, § 2] 25. In dem ersteren Fall, so lange noch anzuhoffen ist, dass die Anordnung des Erblassers in Erfüllung gehen könne, liegt die mittlerweilige Versorgung der Waisen der ordentlichen Gehörde ob.

In dem letzteren Fall aber, wo die von dem Erblasser bestellte Vormundschaft völlig aufhöret, gebühret solche denen nächsten Anverwandten.

[1, 6, § 2] 26. Ueber das hat die von dem Vater letztwillig geordnete Vormundschaft noch dieses Besondere, daß selbe allemal günstig auszudeuten seie, also zwar, daß sich solche auch auf jene Kinder erstrecke, die nach seinem Tod geboren werden, obschon bei Bestellung der Vormundschaft deren keine ausdrückliche Meldung geschehen wäre.

[1, 6, § 2] 27. Nicht weniger ist der von dem Vater einem seiner Kinder bestellte Vormund auch aller übrigen und der denen Söhnen bestellte auch deren Töchtern Vormund, wann wegen deren nicht mitbenannten von ihme keine anderweite ausdrückliche Vorsehung gemacht worden.

[1, 6, § 2] 28. Eben also wird der von dem Vater der Person seiner hinterlassener Kinder gegebene Vormund auch in Ansehung des Vermögens für bestellet geachtet, und dagegen, gleichwie dann auch die väterliche Bestellung der Vormundschaft über einen Theil des Vermögens sich auf das ganze Vermögen erstrecket, wann die Waisen in dessen Ansehung nicht schon anderweit bevormundet sind.

[1, 6, § 2] 29. Alle letztwillig bestellte Vormündere müssen ohne Unterschied, ob sie von dem Vater oder anderen Erblasseren benennet worden, vor Antretung der Vormundschaft gerichtlich bestätiget werden, obschon die letztwillige Benennung so viel wirket, daß die Gehörde von der Auswahl des Erblassers ohne erheblicher Ursach nicht abzugehen hat.

[1, 6, § 2] 30. Dann aus der letztwilligen Anordnung erwachset dem darinnen benannten Vormund ein Recht zur Vormundschaft, welches ihme, wann er hierzu tauglich ist, nicht entzogen werden kann.

Gegentheils aber entspringet auch seinerseits daraus die Verbindlichkeit, daß er ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache sich derselben nicht entschlagen mag.

[1, 6, § 2] 31. Würde er sich aber weigeren die Vormundschaft anzunehmen, und wäre von dem Erblasser in dem letzten Willen mit einer Vermächtniß bedacht worden, so solle er auch dieser ihme zugedachten Wohlthat verlustiget sein, und die rechtliche

(1-174) Vermuthung allemal fürwalten, daß ihme solche in Ansehung der aufgetragenen Vormundschaft verschaffet worden.

[1, 6, § 2] 32. Er könne dann beweisen, daß der Erblasser dabei auf die Annehmung der Vormundschaft keine Rücksicht getragen habe, oder daß die Erfüllung der letztwilligen Anordnung nicht an ihme erliege, als da er ohne seiner Schuld durch rechtliche Ehehaften davon abgehalten, oder von der Gehörde aus erheblichen Ursachen, ohne daß ihn sein Verbrechen hierzu untauglich mache, nicht zugelassen würde.

[1, 6, § 2] 33. In welchen beiden Fällen ihme sein Recht zur Vermächtniß jegleichwohlen bevorstehet, woferne nicht von dem Erblasser die Führung der Vormundschaft zur ausdrücklichen Bedingniß erforderet worden, welche eben andurch, daß er nicht zur Vormundschaft gelange, gänzlich ermanglet.

[1, 6, § 2] 34. Wann aber die letztwillig angeordnete Vormundschaft nach gerichtlicher Bestätigung angetreten worden, so ist dieselbe von solcher Kraft, daß insolange sie fürwähret, die nächsten Anverwandten kein Recht zur Vormundschaft haben, noch von ihnen dem letztwillig benannten Vormund ein Eintrag oder Hinderniß geschehen könne.

[1, 6, § 2] 35. Wovon jedoch der alleinige Fall ausgenommen wird, wann von dem

(1-175) Vater, Mutter oder weiteren Aufsteigenden mehreren Waisen ein Vormund in dem letzten Willen bestellet, und ein Bruder vor dem anderen noch minderjährigen Geschwister die Großjährigkeit erreichen würde, deme sodann auf Begehren der letztwillig bestellte Vormund die Vormundschaft über sein noch minderjähriges Geschwister abzutreten schuldig ist.

[1, 6, § 2] 36. Es wären ihme dann erhebliche Bedenken entgegen, oder von dem Erblasser ausdrücklich verordnet worden, daß bis zur Großjährigkeit aller Waisen der von ihme benannte Vormund bleiben solle.

[1, 6, § 2] 37. Wann durch letzten Willen kein Vormund benennet worden, oder auch der letztwillig benannte, entweder weilen der der letzte Willen ganz und gar ungiltig, oder der benannte untauglich ist, oder sich aus rechtmäßiger Ursache entschuldiget, oder vor dem Erblasser verstorben, zur Vormundschaft nicht gelanget, oder endlich die letztwillig geordnete Vormundschaft nachhero gänzlich aufhöret, so werden die nächsten Blutsverwandten der Waisen hiermit durch dieses Unser Gesatz zur Vormundschaft berufen.

[1, 6, § 2] 38. Hieraus erwachset denenselben ein Recht zur Vormundschaft, welches nicht allein in der Befugniß bestehet solche, wann sie wollen, anzusuchen, sondern auch mit der Nothwendigkeit verknüpfet ist, daß sie die ihnen von der Gehörde aufgetragene Vormundschaft in Ermanglung rechtserheblicher Entschuldigungsursachen unweigerlich annehmen müssen.

[1, 6, § 2] 39. Sowohl dieses Recht die Vormundschaft anzuverlangen, als die Verbindlichkeit die aufgetragene auf sich zu nehmen, trifft allemal den nächsten Blutsverwandten des Waisen, also daß, wer dem Waisen nach dem Geblüt der Nächste ist, auch der Nächste zur Vormundschaft seie.

[1, 6, § 2] 40. Es seie nun, daß mehrere Blutsverwandte sich um die Vormundschaft anmelden, oder daß die Gehörde selbst einem aus mehreren Blutsverwandten die Vormundschaft aufzutragen befinde; so solle allzeit darauf gesehen werden, damit der Nächste nicht vorbeigegangen, sondern ihme vor denen Weiteren die Vormundschaft

(1-176) aufgetragen werde, wann derselbe sonst darzu tauglich ist, und keine rechtmäßige Ursache zur Entschuldigung hat.

Widrigens ist der nächst nach ihme kommende taugliche Verwandte vorzuziehen.

[1, 6, § 2] 41. Für den Nächsten aber wird Jener geachtet, der von denen, die sich um die Vormundschaft angemeldet, oder von denen, die dem Gericht bekannt sind, dem Waisen zum nächsten verwandt ist, obschon der Wais noch nähere zur Vormundschaft taugliche Verwandten hätte, die aber sich entweder nicht gemeldet oder der Vormundschaftsgehörde nicht bekannt sind.

[1, 6, § 2] 42. Doch solle die Gehörde, worunter die Waisen stehen, die Anmeldung der Anverwandten zur Vormundschaft nicht über die ersten vierzehn Tage von Zeit, als der Bevormundungsfall dem Gericht bekannt worden, abwarten, sondern nach deren Verlauf, wann sich kein tauglicher Verwandter angemeldet, oder der sich Anmeldende seine Verwandtschaft mit dem Waisen nicht rechtserforderlich dargethan hätte, von amtswegen fürschreiten und vorsichtsweise dem nächsten tauglich befindenden Blutsfreund, welcher in Erfahrniß gebracht wird, oder in dessen Ermanglung auch einem Fremden die Vormundschaft auftragen.

[1, 6, § 2] 43. Ohnerachtet aber des einem weiteren Anverwandten oder auch einem Fremden geschehenen Auftrags soll nichtsdestoweniger dem nächsten tauglichen Blutsverwandten, wann er sich nachher anmeldet, weder sein Recht zur Vormundschaft benommen, noch auch in dem Fall, da er in Erfahrniß gebracht und das Gericht ihme die Vormundschaft auch ohne seinem freiwilligen Anerbieten zu übertragen befinden würde, derselbe von der Schuldigkeit solche anzunehmen entbunden sein.

[1, 6, § 2] 44. Zu diesem Ende verstatten Wir in dem Fall, wo die Vormundschaft einem weiteren Anverwandten aufgetragen worden, dem näheren, und in jenem Fall, wo der Auftrag einem Fremden geschehen, allen Blutsverwandten der Waisen annoch Jahr und Tag von Zeit des dem Anderen geschehenen Auftrags zur freiwilligen Anmeldung.

[1, 6, § 2] 45. Dahingegen solle auch der Vormundschaftsgehörde bevorstehen, sowohl binnen dieser anberaumten Frist von Jahr und Tag, als nach Verlauf derselben zu allen Zeiten, wann sie es zum Besten der Waisen zu gereichen findet, dem in Erfahrniß bringenden näheren tauglichen Blutsverwandten die Vormundschaft von amtswegen aufzutragen und den inzwischen vorsichtsweise bestellten Vormund zu entledigen

[1, 6, § 2] 46. Gleichwie dann auch diesem unbenommen ist, solchen Falls um seine Entlassung von der Vormundschaft anzuhalten, obschon derselbe währenden Jahrgangs dem Anderem, dieser möge sich hierum selbst angemeldet haben oder ihme solche von amtswegen übertragen worden sein, die von ihme bereits angetretene Vormundschaft abzutreten, ohne erheblicher Ursache nicht gezwungen werden kann.

[1, 6, § 2] 47. Wann jedoch der abtretende und angehende Vormund damit zufrieden oder die Vormundschaftsgeschäften noch in ihrer Gänze sind, oder das Beste der Waisen die Aenderung der Vormundschaft nicht zu verschieben erforderet, so kann nach vernünftigen richterlichen Ermessen auch in der Zwischenzeit darzu geschritten werden.

[1, 6, § 2] 48. Wobei aber sowohl die aus Verwaltung der Vormundschaft gegen den Waisen erwachsende Verbindlichkeit, als die vormundschaftliche Belohnung (von deren einer, wie der anderen die weitere Ausmessung in denen nachstehenden §§. folgen wird) zwischen dem ab- und antretenden Vormund nach Maß der Zeit also vertheilet wird, damit weder einer noch der andere Theil über die Gebühr beschweret oder verkürzet werde.

[1, 6, § 2] 49. Nach Verlauf Jahr und Tags hingegen erlöschet das Recht des nächsten Blutsverwandten die Vormundschaft anzusuchen, und kann nach dieser Zeit weder

(1-177) ein weiterer Befreundter von dem näheren, noch auch ein fremder Vormund von einem später hervorkommenden Blutsverwandten wider Willen verdrungen werden.

[1, 6, § 2] 50. Es könne dann der sich später anmeldende Blutsverwandte erweisen, daß er sich ehender zu melden durch rechtmäßige Ehehaften, wegen welcher sonst nach Anordnung Unserer Gesetzen keine Verjährung laufen kann, verhinderet gewesen seie.

[1, 6, § 2] 51. Der Obrigkeit aber bleibt vorbesagter Maßen allemal vorbehalten auch nach dieser Zeit, wann es denen Waisen ersprießlich zu sein befunden wird, dem hernach in Erfahrung bringenden tauglichen Blutsverwandten die Vormundschaft zu übertragen, von deren Annehmung derselbe sich nicht anderst, als auch einer deren hiernach erklärenden rechtmäßigen Ursachen entschuldigen kann.

[1, 6, § 2] 52. Aus der alleinigen Ursache hingegen, daß er nicht der Nächste seie, kann sich derselbe der Vormundschaft nicht entziehen, es seie dann, daß er auf der Stelle einen näheren, nicht weniger tauglichen und keine Entschuldigung habenden Blutsverwandten anzuzeigen vermöge, gleichwie er dann auch von der schon angetretenen Vormundschaft entbunden werden kann, wann immer ein solcher Näherer gefunden wird.

[1, 6, § 2] 53. Wann jedoch die vorgebrachte Entschuldigungsursachen von Gericht verworfen oder die angezeigte nähere Blutsverwandte untauglich befunden werden, oder rechtmäßige Entschuldigungsursachen haben, so ist eine solche Ausflucht für keine verfängliche Weigerung zu achten, welche sie von Unseren Gesetzen hierauf ausgesetzte Ahndung nach sich zieht, woferne nur sodann dem gerichtlichen Auftrag gleichwohlen Folge geleistet wird.

[1, 6, § 2] 54. Sondern damals ist es eine wahre Weigerung und Verschmähung der Vormundschaft, wann derjenige Blutsverwandte, deme der Auftrag geschehen, in der anberaumten Frist keine Entschuldigung einbringt, oder nachdeme sie verworfen worden und die gerichtliche Erkanntniß in Rechtskräften erwachsen ist, dennoch die Vormundschaft nicht annimmt.

[1, 6, § 2] 55. In diesem Fall wird der die ihme aufgetragene Vormundschaft ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache anzunehmen sich weigernde Blutsverwandte der nach dem in der Unvogtbarkeit versterbenden Waisen entweder nach der rechtlichen Ordnung oder aus vertraulicher Erbsnachberufung zu gewarten habenden Erbfolge zur Strafe verlustig.

[1, 6, § 2] 56. Dieser Strafe unterliegen nicht allein die nächsten, sondern auch die weiteren Blutsverwandten, welche dem ihnen in Abgang näherer tauglicher Befreundten geschehenen gerichtlichen Auftrag ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache kein Genügen leisten, wann sich der Fall ereignete, daß die Erbschaft des Waisen gleichwohlen an sie zu gelangen hätte.

[1, 6, § 2] 57. Nebstdeme verlieret ein solcher sich unbillig weigerender Verwandter nicht allein die Vermächtnissen, welche ihme etwann von des Waisen Vater, Mutter oder anderen Aufsteigenden und Befreundten, oder auch fremden Erblasseren verschaffet worden annoch aus des Waisen Gut zu entrichten sind, sondern auch überhaupt allen von des Waisen Gut, es seie bei dessen Lebzeiten oder nach dessen Tod, aus einer gewinnstigen Ursache ihme zukommenden Nutzen und Vortheil.

[1, 6, § 2] 58. Diesemnach gehet der Erbanfall nach dem in der Unvogtbarkeit versterbenden Waisen auf jene, obschon weitere Blutsverwandte, welche sich die Verschmähung der Vormundschaft nicht zu Schulden kommen lassen, oder zur Zeit der Bevormundung entweder noch minderjährig oder abwesend, aber sonst nach diesem Unserem Gesatz zur Vormundschaft unfähig gewesen, oder eine hinlängliche Entschuldigungsursache beigebracht haben, und da deren keine in denen zur Erbfolge ausgesetzten Staffeln vorhanden wären, ist die Erbschaft als ein erbloses Gut Unserer Kammer verfallen.

[1, 6, § 2] 59. Die Vermächtnissen hingegen und andere dem sich unbillig weigerendem

(1-178) Verwandten aus des Waisen Gut zuzukommen habende Vortheile bleiben dem Waisen oder gehen auf Denjenigen, welcher etwann von dem Erblasser darzu eigens nachberufen worden.

[1, 6, § 2] 60. Doch erstrecket sich die Ausschließung von der Erbfolge nicht über die Person dessen, welcher die Vormundschaft verschmähet hat, sondern das Recht zur Erbfolge nach dem Waisen bleibet seinen Kindern, wann sie sonst in der Ordnung der Verwandtschaft die nächsten darzu sind, noch allzeit bevor.

[1, 6, § 2] 61. Obschon der Vater von deme, was seinen Kindern aus der dem Waisen, wessen Vormundschaft derselbe verschmähet hat, angefallenen, oder nach diesem auf sie gediehenen Erbschaft zugekommen, den ihme sonst gebührenden Fruchtgenuß verlieret, und dieser, so wie das Eigenthum denen Kindern allein mit Ausschließung des Vaters verbleibet.

[1, 6, § 2] 62. Ohnerachtet aber des Verlusts der Erbfolge und anderer aus des Waisen Gut herrührender Vortheilen bleiben die Verwandten nichtsdestoweniger zur Annehmung der Vormundschaft verbunden, und sind nicht allein für allem dem Waisen entstehen mögenden Schaden von Zeit ihrer bezeigten Widerspänstigkeit verfänglich, sondern sie können auch auf Befund der Gehörde mit gerichtlichen Zwangsmitteln zur Annehmung der Vormundschaft angehalten werden, ohne daß sie das verlorene Erbrecht und andere Vortheile wieder erlangen, wann sie die Vormundschaft endlich gleichwohlen anzunehmen gezwungen werden.

[1, 6, § 2] 63. Wir wollen jedoch nur allein die Blutsverwandten männlichen

(1-179) Geschlechts, und zwar alle männliche Aufsteigende, sowohl von Vaters als Mutter Seiten, welche wegen Gebrechlichkeit des Alters hierzu nicht unfähig sind, die

(1-180) männlichen Seitenverwandten aber bis in den zehenten Grad oder Staffel durch dieses Unser Gesatz zur Vormundschaft berufen, dahingegen hinfüro davon alle Weibspersonen mit alleiniger Ausnahm der Mutter und der Groß- und Ur-Großmütter, wann sie auch denen Waisen zunächst verwandt wären, und in der Erbfolge denen männlichen vorgingen, ausgeschlossen haben.

[1, 6, § 2] 64. Nach Absterben des Vaters, welcher nach Maßgab dessen, was davon in gleich vorhergehendem Capitel geordnet ist, in Ansehung des seinen Kindern von anderwärts zukommenden Guts allemal ihr natürlicher Vormund ist, insoferne von dem Erblasser deshalben keine andere Vorsehung geschehen, hat die Mutter über ihre Kinder vor allen weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten das nächste Recht zur Vormundschaft, wann sie bereits großjährig ist, und die Vormundschaft auf sich zu nehmen verlanget, wie auch die hiernach vorgeschriebene Erfordernissen zu leisten im Stande ist.

[1, 6, § 2] 65. Und soferne, entweder weilen sie damals noch minderjährig ware, oder sich darum in der Zeit nicht gemeldet, ein anderer Vormund vorsichtsweise bestellet worden, solle derselbe ihr nach erreichter Großjährigkeit, oder, da sie schon vorhin großjährig gewesen, wann sie sich binnen Jahr und Tag von Zeit der Bevormundung anmeldet, die Vormundschaft auf ihr Verlangen mit dem nächstjährigen Rechnungsabschluß abzutreten schuldig sein.

[1, 6, § 2] 66. Wider Willen aber kann die Mutter zur Vormundschaft nicht gezwungen werden, noch ist dieselbe verbunden, solche bei Verlust der Erbfolge und anderer aus dem Waisengut zu gewarten habender Vortheilen auf sich zu nehmen, sondern die Ausschlagung des gerichtlichen Auftrags kann ihr zu keinem Nachtheil gereichen.

[1, 6, § 2] 67. Sie hat dahero nur das Recht, wann sie will, die Vormundschaft über ihre Kinder anzubegehren, nicht aber die Verbindlichkeit, solche wider Willen auf sich zu nehmen.

Allein auch dieses Recht erlöschet durch das Gesatz selbst, wann sie zur Zeit der anverlangenden Vormundschaft sich nicht in dem Wittibstand befindet, sondern wieder verheirathet ist.

[1, 6, § 2] 68. In diesem Fall kann selbe die Vormundschaft nicht anderst, als mit Unserer höchsten Verwilligung erlangen, und ist der neue Ehemann nebst ihr das Waisengut nach Erforderniß zu verbürgen schuldig.

[1, 6, § 2] 69. Wo sie aber im Wittibstand die Vormundschaft erhalten, und nachher zur neuen Ehe schritte, so solle die Vormundschaft sogleich erloschen und sie verbunden sein, solche sofort abzulegen, die Rechnungen bis dahin einzubringen, das Waisengut dem nach ihr zu bestellendem Vormund zu übergeben und der obgehabten Verwaltung halber in Allem die Richtigkeit zu pflegen.

[1, 6, § 2] 70. Würde sie sich hierinnen saumig bezeigen, so solle dieselbe hierzu durch die Gehörde unnachsichtlich angehalten werden, und sowohl sie, als ihr neuer Ehemann für allen aus ihrer bis dahin geführten Verwaltung und ferner

(1-181) angemaßten Führung der Vormundschaft denen Waisen entstehenden Schaden sammt und sonders verfänglich sein.

Es wäre dann, daß vor oder nach ihrer Verehelichung Unsere höchste Verwilligung von ihr zu Fortführung der Vormundschaft geziemend angesuchet worden wäre, und Wir beschaffenen Umständen nach ihrer Bitte zu willfahren befinden würden, in welchem Fall derselben zwar die Vormundschaft, jedoch nicht anderst, als daß der neue Ehemann das Waisengut nebst ihr, insoweit die Sicherheit von derselben nicht geleistet werden kann, verbürge, beigelassen werden solle.

[1, 6, § 2] 72. Wir gestatten aber auch weiters, daß, wo die Mittellosigkeit der Waisen erheischete, ihrer besseren Erziehung und Ernährung halber die Vormundschaft der Mutter ohnerachtet ihrer anderweiten Verehelichung anzuvertrauen, oder ferner beizulassen, die Vormundschaftsgehörde den Nothdurftsfall ermessen und diesfalls ohne Unserer vorläufig anzusuchen habender Verwilligung Dasjenige, was sie denen Waisen zum vorträglichsten zu sein befindet, vorkehren möge.

[1, 6, § 2] 73. Nicht allein die Wiederverehelichung der Mutter, sondern auch ihre kundbare Abneigung gegen die Kinder, Leichtsinnigkeit, Unwirthschaft und Verschwendung sind zulängliche Ursachen, sie von der Vormundschaft auszuschließen, oder, da sie solche bereits erhalten hätte, ihr selbe nach Umständen wieder zu benehmen, worauf die Gehörde von amtswegen sorgfältig obacht zu tragen hat.

[1, 6, § 2] 74. Auf daß jedoch wegen guter Gebarung mit dem Waisengut alle nur mögliche Sicherheit erreichet werde, solle einer zur Vormundschaft gelangenden Mutter allemal ein Mitvormund zugegeben werden, dessen Stelle, wann er mit Tod oder auf andere Weise von der Mitvormundschaft abgehet, jedes Mal wieder zu ersetzen ist.

[1, 6, § 2] 75. Diesen Mitvormund kann zwar dieselbe bei ansuchender Vormundschaft namhaft machen, und sich dessen Beigebung ausbitten. Doch bleibet der Vormundschaftsgehörde bevor, ihr mit Beigebung des erbetenen zu willfahren, oder aber die Mitvormundschaft einem Anderen, und zwar nach Thunlichkeit Jemandem von der Verwandtschaft der Waisen aufzutragen.

[1, 6, § 2] 76. Der Mitvormund ist schuldig, der Mutter nicht nur auf Ersuchen getreulich beizustehen, sondern auch selbst an Hand zu geben, was zu guter Erziehung und Anleitung der Waisen, wie auch zu nutzlicher Verwaltung und Aufnahm ihres Vermögens gereichen kann.

[1, 6, § 2] 77. Nicht weniger lieget demselben ob, die Vorkehrungen der Mutter sowohl in Ansehung der Person als des Vermögens der Waisen mit Unständigkeit zu beobachten und die verspürende Gebrechen der Vormundschaftsgehörde zur Abhilfe und Verbesserung anzuzeigen.

[1, 6, § 2] 78. Uebrigens ist und bleibt die Mutter die wahre und Hauptvormünderin, und hat allein die vormundschaftliche Erfordernissen zu leisten, das Waisengut zu verwalten und die Raitungen zu legen, wie auch die vormundschaftliche Belohnung zu genießen.

[1, 6, § 2] 79. Nur allein in jenen Waisengeschäften, worinnen die Bewilligung oder Bestätigung der Vormundschaftsgehörde zur Giltigkeit der vorhabenden Handlung nöthig ist, solle diese anderer Gestalt nicht ertheilet werden, als wann nebst der Mutter auch der Mitvormund solche angesuchet hat, oder derselbe über das einseitige Anbringen der Mutter vorhero der Ordnung nach besonders vernommen und die von beiden Theilen angeführte Ursachen gegen einander wohl erwogen worden.

[1, 6, § 2] 80. In anderen Waisengeschäften aber, welche keiner gerichtlichen Bewilligung oder Bestätigung bedürfen, ist zwar die Mutter an die Beiziehung und Beistimmung des Mitvormunds nicht gebunden, doch ist derselbe schuldig, falls er wahrnehmen würde, daß aus Beiseitsetzung seines Raths und Beistands die

(1-182) Waisen zu Schaden kämen, solches in der Zeit der Vormundschaftsgehörde beizubringen.

[1, 6, § 2] 81. Dahingegen ist er auch der vormundschaftlichen Geschäften halber nicht weiter verfänglich, als inwieweit ihme wegen versagten Beistands oder üblen Raths, oder wegen nicht zeitlich gethaner Anzeige deren ihme wohl bekannt gewesten Vormundschaftsgebrechen eine Gefährde oder Schuld beigemessen werden kann.

[1, 6, § 2] 82. Es seie dann, daß ihme entweder mit Willen der Mutter oder von Gericht aus die Verwaltung der Vormundschaft ganz oder zum Theil aufgetragen worden wäre, in welchem Fall derselbe die nämliche Verbindlichkeit, wie ein anderer Hauptvormund in Ansehung desjenigen Guts, was von ihme verwaltet worden auf sich hat.

Gleichwie dann auch in diesem Fall die vormundschaftliche Belohnung zwischen der Mutter und ihme nach billigmäßigen Befunde der Gehörde vertheilet werden solle.

[1, 6, § 2] 83. Nach der Mutter hat der väterliche und nach ihme der mütterliche Ahnherr oder Großvater das Recht der Vormundschaft nebst der Schuldigkeit dieselbe anzunehmen.

[1, 6, § 2] 84. Wann aber deren keiner vorhanden oder tauglich wäre, solle es der väterlichen und nach ihr der mütterlichen Ahnfrauen oder Großmutter gestattet sein, die Vormundschaft über ihre verwaiste, noch minderjährige Enkeln vor denen weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten zu begehren, ohne daß sie jedoch wider ihren Willen damit beladen werden können, sondern es ist nicht weniger in Ansehung ihrer all Jenes zu beobachten, was hier oben von der mütterlichen Vormundschaft geordnet worden.

[1, 6, § 2] 85. In Ermanglung der Großeltern gehet die Vormundschaft auf die Urgroßeltern, wann sie noch am Leben und Alters halber hierzu nicht untauglich sind, auf gleiche Weise, daß zuerst der Vater des väterlichen Ahnherrn, nach ihme der Vater der väterlichen Ahnfrauen, nach diesem der Vater des mütterlichen Ahnherrn und endlich der Vater der mütterlichen Ahnfrauen das Recht zur Vormundschaft sowie die Schuldigkeit zu deren Annehmung habe. In Abgang deren Ur-Ahnherren aber denen Ur-Ahnfrauen in der nämlichen Ordnung zwar das Recht zur Vormundschaft, nicht aber die Verbindlichkeit, solche auf sich zu nehmen zukomme, und bei ihnen alles Dasjenige, was bei der mütterlichen Vormundschaft vorgeschrieben worden, statt habe.

[1, 6, § 2] 86. In eben dieser Maß können auch noch weitere Aufsteigende, wann sich der seltene Fall ereignete, daß von ihnen noch einer am Leben und hierzu tauglich wäre, zur Vormundschaft gelangen.

[1, 6, § 2] 87. Nach deren Aufsteigenden gehet die Vormundschaft mit Ausschließung aller Weibspersonen auf die Seitenverwandte männlichen Geschlechts bis auf den zehenten Grad mit Einbegriff desselben, unter denen dieselbe allemal dem Nächsten ohne Unterschied, ob das nähere Blutband von männlicher oder weiblicher Seite herrühre, gebühret.

[1, 6, § 2] 88. Da aber mehrere in gleichem Grad zusammentreffen, so solle in diesem Fall der Verwandte von männlicher dem von weiblicher Seite, und da auch alle von einerlei Seite in gleichem Grad verwandt wären, jederzeit der ältere in Jahren dem jüngeren vorgezogen, und somit die Vormundschaft niemalen zwischen Mehreren vertheilet, sondern nur Einem allein aufgetragen werden.

[1, 6, § 2] 89. Wann es um eine Vormundschaft in geschlechtlichen Stamm- und Traugütern zu thun ist, worzu der Mannsstammen vorzüglich vor denen weiblichen Verwandten berufen ist, wird zwar die leibliche Mutter und väterliche Ahnfrau, wie auch die Mutter des väterlichen Ahnherrn zur Vormundschaft zugelassen, wann sie nicht durch die bei einem oder anderem Geschlecht mit Unserer

(1-183) höchsten Verwilligung oder Bestätigung eingeführte Vormundschafts-Ordnung davon ausdrücklich ausgeschlossen werden.

[1, 6, § 2] 90. Dahingegen müssen die mütterlichen Großeltern und Urgroßeltern sowohl, als alle andere weibliche Aufsteigende von des Vaters Seiten nebst allen Verwandten von weiblicher Seite denen männlichen Verwandten von Mannsstammen, wann schon diese im weiterem Staffel wären, in dem Recht zur Vormundschaft weichen.

[1, 6, § 2] 91. Hätte jedoch der Wais nebst dem Stamm- oder geschlechtlichen Traugut noch andere leicht davon absönderliche freie Erbgüter, wobei in der Erbfolge nicht auf die Vorzüglichkeit des Geschlechts und Stammens, sondern nur auf die Nähe der Verwandtschaft gesehen wird, so solle solchen Falls in Ansehung dieses zweierlei Vermögens auch zweierlei Vormundschaft bestellet, die Person des Waisen aber unter der geschlechtlichen Vormundschaft belassen werden.

[1, 6, § 2] 92. Es würde dann von der Gehörde die Abtheilung beiderlei Vermögens und die Absönderung der Vormundschaft nicht thunlich, oder nach beschaffenen Umständen dem Waisen nicht vorträglich zu sein befunden, in welchem Fall beiderlei Vermögen zwar unter der geschlechtlichen Vormundschaft verbleiben, dabei aber unvermengt erhalten, und über jedes besondere Rechnung geführet werden solle, damit bei sich ergebendem Fall der unterschiedenen Erbfolge allen aus Vermischung beiderlei Vermögens entstehen mögenden Streitigkeiten auf diese Art vorgebogen werden möge.

[1, 6, § 2] 93. Wann weder ein letztwillig benannter Vormund, noch ein Blutsverwandter

(1-184) vorhanden ist, der die ihme angetragene oder auferlegte Vormundschaft mittelst gerichtlicher Bestätigung auf sich zu nehmen fähig und darzu bereit, oder gehalten seie, so liegt denen Gerichtsstellen und Obrigkeiten von amtswegen ob, Vormündere zu bestellen.

[1, 6, § 2] 94. Diese Macht und Obliegenheit, denen Waisen Vormündere zu geben, sowie die letztwillig benannte oder durch das Recht berufene zu bestätigen, ist eine Folge und Wirkung der ordentlichen oder befreiten Gerichtsbarkeit, welcher der Vater der Waisen zur Zeit seines Absterbens in persönlichen Sprüchen unmittelbar unterworfen ware.

[1, 6, § 2] 95. Die von der persönlichen Gehörde der Waisen bestellte oder bestätigte Vormundschaft erstrecket sich nicht allein auf deren Person, sondern auch auf alles in dem nämlichen Erbland unter was immer für einer Gerichtsbarkeit befindliche sowohl bewegliche, als unbewegliche Vermögen.

[1, 6, § 2] 96. Wie dann auch ein solcher angestellter Vormund bei allen Stellen desselben Landes auf geziemende Beibringung einer aller Orten, wo es nöthig, vorzumerken kommenden Beglaubigung in dieser Eigenschaft anerkennet, und ihme die Verwaltung des jeden Orts befindlichen Waisenguts unhinderlich gestattet werden solle.

[1, 6, § 2] 97. Es muß sich aber derselbe, demegemäß betragen, was die Eigenschaft des Guts bei derjenigen Gerichtsbarkeit, worunter es gelegen ist, erforderet, und solle hierinnen durch die Vormundschaftsgehörde kein Eingriff oder Beeinträchtigung der anderen Gerichtsbarkeit geschehen, damit alle Anstößigkeit unter denen verschiedenen Gerichtsbarkeiten vermieden bleibe.

[1, 6, § 2] 98. Noch weniger solle von der Vormundschaftsgehörde zur Veräußerung des unter einer anderen Gerichtsbarkeit gelegenen Waisenguts geschritten werden können, ehe und bevor nicht diejenige Stelle, worunter solches gehörig, hierum belanget worden.

(1-185) [1, 6, § 2] 99. Diese letztere aber hat solches auf Belangen der ersteren, ohne sich in die Untersuchung, ob das Vorhaben zuträglich seie oder nicht, einzulassen, unweigerlich zu gestatten. Dahingegen jene wegen deme, was auf ihre Veranlassung geschehen, die Verantwortung auch allein zu tragen.

[1, 6, § 2] 100. Wäre jedoch das Vermögen der Waisen in mehreren Erblanden vertheilet, so ist darauf zu sehen, ob solches in beweglichen oder unbeweglichen Gütern bestehe.

[1, 6, § 2] 101. Sind in verschiedenen Erblanden liegende Güter vorhanden, gebühret der Gehörde eines jeden Lands die Befugniß, über das unter ihrer Gerichtsbarkeit befindliche liegende Gut denen Waisen Vormündere zu bestellen.

[1, 6, § 2] 102. Worzu der letztwillig benannte Vormund, oder in dessen Ermangelung der nächste Blutsfreund ohne Rücksicht, ob so ein als anderer in dem anderen Erbland zur Vormundschaft zugelassen worden, den Vorzug haben, wann sie derorten hierzu tauglich befunden werden.

[1, 6, § 2] 103. Dahingegen hat der in einem Erbland von der Obrigkeit bestellte Vormund deswegen kein Recht zur Vormundschaft in dem anderem Erbland, wiewohlen ihme solche auch in diesem aufgetragen werden kann, wann er daselbst tauglich und denen Waisen ersprießlich zu sein erkennet wird, daß ihr in mehreren Ländern gelegened Vermögen von einem Vormund verwaltet werde.

[1, 6, § 2] 104. Nichtsdestoweniger solle auch in diesem Fall die in einer Person des Vormunds vereinbarte Vormundschaft jeden Landes als eine abgesönderte Vormundschaft angesehen, und dahero in jedwedem Land von ihme die bei derselben Antretung ausgemessene Erfordernissen absonderlich geleistet, die Verwaltung jeden Orts besonders geführet, die Rechnungen zur Gehörde jeden Landes erleget und überhaupt das Vermögen des einen mit demjenigen des anderen Landes durchaus nicht vermenget, noch weniger etwas von dem Gut selbst oder dem davon sich ergebenden Ersparnissen ohne Vorbewust und Verwilligung der Stelle, unter welche das Gut gehörig ist, in das andere Land hinausgezogen werden.

[1, 6, § 2] 105. Bestünde aber das in dem anderen Erbland befindliche Vermögen nicht in liegenden Gütern, sondern nur Fahrnissen oder anderem beweglichen, obschon mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern versicherten Hab und Gut, solchen Falls kann zwar zur Vorsicht von derjenigen Stelle, worunter diese fahrende Verlassenschaft gehörig ist, ein Vormund bestellet werden.

[1, 6, § 2] 106. Wann jedoch in dem anderen Erbland, worinnen die liegende Güter sind, oder der Waisen ordentliche persönliche Gehörde befindlich ist, eine Vormundschaft bestellet wird, solle von der Stelle desjenigen Lands, allwo die zur Verlassenschaft gehörige Fahrnissen vorhanden sind, auf die davon erhaltene Anzeige kein Anstand genommen werden, diese Vormundschaft anzuerkennen und derselben nicht allein die etwann allda befindliche Waisen, sondern auch das bewegliche Vermögen zu überlassen, in welchem Fall sowohl die Schuldigkeit zur Leistung der Erfordernissen, als der Erlag der Raitungen von dieser Zeit an allda aufhöret und dieses alles an die Gehörde des anderen Erblands übertragen wird.

[1, 6, § 2] 107. Woferne aber die liegende Güter in zweien oder mehreren Erblanden zerstreuet, und noch in einem anderen Erbland allein ein bewegliches Vermögen vorhanden wäre, hat unter denen Ersteren die Gehörde desjenigen Lands in Erstreckung der Vormundschaft über das in dem einen Land befindliche, alleinige bewegliche Vermögen den Vorzug, in welchem der Vater verstorben, folglich zur Zeit seines Absterbens sowohl mit seinem Gut, als mit seiner Person der dortigen Landesgehörde unterworfen ware.

[1, 6, § 2] 108. Außer diesem Fall, wo die Waisen in mehreren Landen liegende Güter haben, solle der in einem Land von der ordentlichen persönlichen Gehörde der Waisen bestellte Vormund in allen anderen Erblanden, wo immer ein

(1-186) bewegliches, obschon mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern versichertes und sonst in anderen Absichten nach diesem Unserem Gesatz für unbeweglich geachtetes Vermögen befindlich ist, auf die behörig beigebrachte Beglaubigung dafür unweigerlich erkennet werden.

[1, 6, § 2] 109. Doch ist nicht an deme genug, daß der die Vormundschaft bestellenden Gehörde die Person und das Vermögen der Waisen unterworfen seie, sondern es wird auch erforderet, daß Jener, deme solche aufgetragen wird, der Gerichtsbarkeit derselben unterliege.

[1, 6, § 2] 110. Daher kann keinem Fremden und kundbar unter anderer Gerichtsbarkeit Stehendem die Vormundschaft aufgetragen, noch weniger ein solcher dieselbe wider Willen anzunehmen mit Fug angehalten werden.

[1, 6, § 2] 111. Es geschehe dann, daß zum Besten der Waisen diejenige Stelle, unter welcher derselbe stehet, um ihme die Vormundschaft aufzutragen belanget und von dieser ihme solche auferleget würde, in welchem Fall er die Vormundschaft anzunehmen oder die rechtmäßige Entschuldigungsursachen, wann er deren einige hat, bei seiner Gehörde anzubringen schuldig ist.

[1, 6, § 2] 112. Eine ganz andere Bewandtniß hat es mit letztwillig benannten oder nächsten blutsverwandten Vormünderen, welchen von der Gehörde der Waisen, obgleich sie dieser Gerichtsbarkeit nicht untergeben wären, jegleichwohlen die Vormundschaft aufgetragen werden kann.

[1, 6, § 2] 113. Wie dann auch dieselben gehalten sind, binnen nächsten vierzehn Tagen von dem ihnen zugekommenen Auftrag ihre Erklärung allda einzubringen, ob sie die Vormundschaft anzunehmen oder sich davon zu entschuldigen Willens sind.

[1, 6, § 2] 114. Hätten sie nun rechtmäßige Entschuldigungsursachen, so sollen solche von ihnen bei ihrer ordentlichen Stelle mit der Anzeige des erhaltenen Auftrags in eben dieser obausgesetzten Frist von vierzehn Tagen angebracht und von dieser darüber denen Rechten nach erkennet werden.

[1, 6, § 2] 115. Die Gehörde der Waisen aber hat nicht allein auf die schleunige Erkanntniß über die angebrachten Entschuldigungsursachen bei der Stelle, wo solche rechtsanhängig sind, anzudringen, sondern auch bis zu Ausgang der Sache vorsichtsweise einsweilig einen anderen Vormund zu bestellen.

[1, 6, § 2] 116. Würden jedoch die Entschuldigungsursachen hinlänglich zu sein befunden, und Derjenige, deme der Auftrag geschehen, von seiner Gehörde ledig und losgezählet, so solle es auch dabei sein Bewenden haben.

[1, 6, § 2] 117. Im Fall hingegen von ihme in der voranberaumten Frist weder seine Erklärung, noch weniger einige Entschuldigungsursachen angebracht, oder auch die angebrachten verworfen worden, und die Auflage in Rechtskräften erwachsen wäre, so hat die Gehörde der Waisen Fug und Macht denselben zur Annehmung der Vormundschaft durch die gehörige Zwangsmitteln anzuhalten.

[1, 6, § 2] 118. Dann es ist keine Nothwendigkeit, daß ein der Gehörde der Waisen nicht unterstehender Vormund sich seiner  ordentlichen Gerichtsbarkeit durch eine besondere Verzicht begebe, sondern derselbe wird sogleich durch Annehmung der Vormundschaft, oder durch den zu Rechtskräften erwachsenen Auftrag der Gehörde der Waisen in allen vormundschaftlichen Geschäften bis zur vollständigen Pflegung der Richtigkeit ohne aller Ausflucht unterworfen.

(1-187) [1, 6, § 2] 119. Damit aber die Waisen auf das schleunigste mit tüchtigen Vormünderen versehen werden mögen, ist einer jeden Ortsobrigkeit und Gerichts Schuldigkeit bei Anlegung der Sperr sogleich von den Umständen des Verstorbenen, ob er nicht noch unvogtbare oder minderjährige Kinder hinterlassen, ob von ihme ein letzter Willen errichtet und darinnen ein Vormund verordnet worden, ob einige Verwandten vorhanden, und welche die nächsten, auch wo dieselben befindlich sind; dann ob und was für eine Vormundschaft der Verstorbene auf sich gehabt habe, genaue und verläßliche Erkundigung einzuziehen.

[1, 6, § 2] 120. Gleichwie dann auch die Mutter, die Großeltern und Seitenverwandten verbunden sind, den Todsfall des Vaters, besonders wann sich solcher außer der Gerichtsbarkeit der Gehörde anderwärts ereignete, sogleich bei Gericht anzuzeigen, wann sie nicht widrigens sich einer Verantwortung und gestalter Dingen nach bei mitunterlaufender Gefährde einer wirklichen Bestrafung aussetzen wollen.

§. III.

[1, 6, § 3] 121. Alle Vormundschaften müssen gerichtlich angetreten werden, sie mögen aus letzten Willen; aus Anordnung der Gesetzen oder von obrigkeitlichen Amts wegen aufgetragen werden.

[1, 6, § 3] 122. Zur gerichtlichen Antretung der Vormundschaft wird an Seiten des Vormunds erforderet, daß er tüchtig seie, keine rechtmäßige Entschuldigungsursache einwende, sondern die Vormundschaft freiwillig annehme, oder doch zu deren Annehmung gerichtlich angehalten werden könne, das Waisengut verbürge und den Vormundschaftseid ablege.

[1, 6, § 3] 123. An Seiten der Vormundschaftsgehörde aber ist nöthig, daß eine ordentliche Beschreibung des gesammten Waisenguts verfasset, dasselbe dem Vormund eingeantwortet, und ihme eine gerichtliche Auftragsurkunde zu seiner Beglaubigung ertheilet, dann bei allen Gerichten und Obrigkeiten über die ihrer Gerichtsbarkeit unterstehende Waisen ein richtiges und verläßliches Vormundschafts- oder sogenanntes Waisenbuch gehalten werde.

[1, 6, § 3] 124. Tüchtig ist zur Vormundschaft Derjenige, welchen weder das

(1-188) Geschlecht, weder das Alter, weder ein natürliches Gebrechen, weder eine Verhinderniß noch ein gegründeter Verdacht davon ausschließt.

[1, 6, § 3] 125. Die schwere Bürde des vormundschaftlichen Amts und die mit solchem verknüpfte Verantwortung gestattet nicht, das weibliche Geschlecht damit zu beladen, sondern Wir wollen dasselbe außer der leiblichen Mutter, Großmutter und weiteren weiblichen Aufsteigenden, als welchen schon der natürliche Trieb die Liebe und Sorgfalt für ihre Kinder und Abkömmlinge einflößet, in Zukunft gänzlich davon enthoben haben.

[1, 6, § 3] 126. Aus Abgang des Alters werden Minderjährige bis zu erfülltem vierundzwanzigsten Jahr und erfolgter Großjährigkeitserklärung ausgeschlossen, obschon sie von Uns die Nachsicht des Alters und mit solcher auch die freie Verwaltung ihres Vermögens ehender erhielten, wann selbe nicht zugleich von Uns ausdrücklich zur Vormundschaft fähig erkläret worden wären.

[1, 6, § 3] 127. Dagegen sind zwar auch Jene, welche sechzig Jahre zuruckgeleget, wegen ihrem hohen Alter von neuen Vormundschaften befreiet, nicht aber von denen bereits aufhabenden, außer hinzustoßender Leibes- oder Gemüthsgebrechlichkeit, entlediget.

[1, 6, § 3] 128. Wegen natürlichen Gebrechen sind zu Vormundschaften unfähig: Blödsinnige, Stumme, Taube, Blinde, Preßhafte und dermaßen kränkliche Personen, daß sie ihren eigenen Geschäften behörig abzuwarten nicht im Stande sind.

[1, 6, § 3] 129. Wegen rechtmäßiger Hindernissen und Ehehaften sind von Vormundschaften befreiet: Abwesende aus gemeinwesiger Ursach, wirkliche Kriegsleute, Unsere wirkliche Räthe und andere in öffentlichen Aemtern und schweren Verrichtungen stehende Personen.

[1, 6, § 3] [1, 6, § 3] 130. Doch können dieselbe mit Unserer höchster Verwilligung nicht allein zu Vormundschaften gelangen sondern auch die vorhin aufhabende fortsetzen, und, wann ihnen mit Unserer Verwilligung eine Vormundschaft aufgetragen wird, sich dagegen mit der Befreiung nicht schützen.

(1-189) [1, 6, § 3] 131. Der Verdacht schließt Jemanden von der Vormundschaft aus, von deme entweder eine üble Erziehung der Waisen oder eine üble Verwaltung ihres Vermögens mit Grund zu besorgen ist.

[1, 6, § 3] 132. Aus dieser Ursache solle die aus Verbrechen abgeurtheilte oder auch in üblen Ruf stehende, oder sonst wegen ärgerlichen Lebenswandel beschrieene Personen zu keinen Vormundschaften zugelassen, wie auch jederzeit, damit der Vormund keiner widrigen Glaubenslehre beigethan seie, obacht getragen, und diesfalls in Ansehung anderer Glaubensgenossen denen Verfassungen jeden Landes nachgegangen werden.

[1, 6, § 3] 133. Desgleichen solle kundbaren Verschwenderen, über die Kräften Eingeschuldeten, in Rechnungsämtern oder vorhin gehabten Vormundschaften unrichtig Befundenen keine Vormundschaft anvertrauet werden, es wäre dann wegen geänderten Umständen keine weitere Gefahr einer üblen Verwaltung obhanden.

[1, 6, § 3] 134. Auch aus Jemandens Abneigung gegen die Waisen, Ausschließung des Erblassers, unerlaubter Bestrebung um die Vormundschaft, beträchtlichen Ansprüchen und Forderungen an dem Waisengut, Ungleichheit des Standes, Einfalt und Unerfahrenheit kann ein Verdacht oder Beisorge einer üblen Gebarung mit dem Waisengut erwachsen.

[1, 6, § 3] 135. Wer dahero mit dem Vater der Waisen bis zu dessen Absterben in schwerer Feindschaft gestanden ist, derselbe kann keinen Vormund abgeben, wann nicht befunden wird, daß die Unversöhnlichkeit nicht ihme, sondern dem Vater beizumessen und er von aller Rachgier entfernet seie.

[1, 6, § 3] 136. Nicht weniger solle es damals, wann ein Vater oder anderer Erblasser Jemanden von der Vormundschaft ausgeschlossen, bei dieser Ausschließung sein Bewenden haben, es erhelle dann aus denen Umständen, daß solche aus feindlichem Gemüth ohne allem gegründetem Anlaß geschehen.

[1, 6, § 3] 137. Wer sich auf unerlaubte Weise durch Gaben, Verkleinerung Anderer, Bedrohungen, Betrug und Arglist, oder sonstigen Unfug in die Vormundschaft einzudringen bestrebet, solle davon ausgeschlossen sein, nicht aber auch Jener, der sich auf redliche Weise selbst oder durch Andere darzu anerbietet oder sich hierum geziemend anmeldet.

[1, 6, § 3] 138. Ferners wer einen noch strittigen Anspruch an dem Waisengut oder einer denen Waisen, zugefallenen Erbschaft hat (es seie um das Erbrecht selbst oder um Vermächtnisse, um ein liegendes Gut oder um einen Theil davon, oder um eine namhafte Schuldforderung zu thun), solle nicht über diese Waisen Vormund sein können, bevor der Stritt nicht entschieden oder verglichen ist.

[1, 6, § 3] 139. Ebenso wenig kann auch Jener, gegen welchem dem Waisen ein unausgemachter Anspruch oder beträchtliche Forderung zustehet, zur Vormundschaft zugelassen werden, bevor nicht Alles in Richtigkeit gebracht, und dem Waisen Genügen gethan oder hinlängliche Sicherheit verschaffet worden.

[1, 6, § 3] 140. Dahingegen ist wegen richtigen Ansprüchen, oder Schuldforderungen, besonders wann sie gerichtlich vorgemerket sind, oder es nicht viel betrifft, Niemand von der Vormundschaft ausgeschlossen, wann er jedoch der Sachen Bewandtniß in der Zeit getreulich angezeiget, damit der Anspruch oder die Schuldforderung in die Beschreibung des Waisenguts eingezogen werde, und die Vormundschaftsgehörde das zum Besten der Waisen weiters nöthig Findende ankehren könne.

[1, 6, § 3] 141. Wer aber seine an dem Waisen oder des Waisen an ihme habende der Vormundschaftsgehörde damals unbekannte und nachhero hervorkommende Ansprüche und Schuldforderungen geflissentlich verhehlet, und ohne deren Anzeige die Vormundschaft angetreten, derselbe solle alles seines von ihme verschwiegenen Rechts gegen den Waisen sowohl, als auch in dem Fall der Gegenforderung des

(1-190) Waisen aller ihme sonst zu statten kommen mögenden Nachfrist und anderer rechtlicher Wohlthaten verlustig sein, und ihme über das die angetretene Vormundschaft benommen werden.

[1, 6, § 3] 142. Die Ungleichheit des Standes ist nur damals eine ausschließende Ursache, wann sie so groß ist, daß denen Waisen verkleinerlich fiele, einen Vormund niederen Standes zu haben, worauf der Richter insonderheit bei Bevormundung der Waisen höheren Standes acht zu tragen hat.

[1, 6, § 3] 143. Endlich schließt auch Einfalt und Unerfahrenheit von der Vormundschaft aus, wann die Umstände so beschaffen sind, daß hieraus ein Schaden des Waisen oder des Vormunds vernünftig vorhergesehen werden könne.

[1, 6, § 3] 144. Alle bisher angeführte Untauglichkeit, Verhinderniß oder Befreiung, welche von der Vormundschaft ausschließt, ist zugleich auch ein genugsame Entschuldigungsursach, wann einem solchen die Vormundschaft aufgetragen worden.

[1, 6, § 3] 145. Außer diesen gibt es aber noch andere Entschuldigungsursachen, wegen welcher, wann sie ordentlich vorgebracht und erwiesen werden, Niemand gezwungen werden kann, eine ihme aufgetragene Vormundschaft auch sich zu nehmen.

[1, 6, § 3] 146. Dergleichen sind Abwesenheit, viele Kinder, mehrere schon aufgehabte oder annoch aufhabende Vormundschaften und Sorgschaften, eigener Nothstand und Mittellosigkeit, Gehässigkeit, vorhergehender namhafter Verlust und Nachtheil.

[1, 6, § 3] 147. Nur jene Abwesenheit gereichet zur Entschuldigung, welche nothwendig und löblich, gegenwärtig oder nächst bevorstehend oder auch bloß zufällig ist, so lange sie daueret.

[1, 6, § 3] 148. Dahingegen entschuldiget weder eine freiwillige Abwesenheit wegen eigenen Nutzens oder Bequemlichkeit, noch weniger eine geflissentliche Abwesenheit, um der Vormundschaft zu entgehen. Wer aber aus einer schmählichen Ursache abwesend ist, als aus Furcht oder Flucht des Rechts, oder aus verhängter Strafe, bleibt ohnedieß seiner Schulden oder Verbrechen halber von der Vormundschaft ausgeschlossen.

[1, 6, § 3] 149. Die Vielheit eheleiblicher Kinder entschuldiget damals, wann ein Vater deren fünf oder mehrere annoch in seiner Gewalt und zu versorgen hat, worunter auch die Enkeln von einem Sohn für eines, jene von Töchtern hingegen gar nicht zu rechnen sind, wie dann auch die an Kindsstatt angenommenen oder uneheliche Kinder in gar keine Betrachtung kommen.

[1, 6, § 3] 150. Drei wirklich aufhabende oder schon aufgehabte Vormundschaften und Sorgschaften entschuldigen insgemein von der vierten. Doch kann auch nur eine wirklich verwaltende Vormundschaft, wann sie sehr weitläufig und beschwerlich ist, von Annehmung einer neuen Vormundschaft entschuldigen.

[1, 6, § 3] 151. In Gegentheil entschuldigen auch drei oder mehrere zugleich, oder nach und nach verwaltete Vormundschaften nicht, wann sie gar leicht zu besorgen oder von kurzer Dauer gewesen, oder annoch ohne sonderlicher Mühe zu bestreiten sind und umsoweniger, wann sich Jemand selbst darzu angetragen oder darum bestrebet hat.

[1, 6, § 3] 152. Für bedürftig und mittellos ist Jener anzusehen, der ein so geringes Vermögen hat, daß er durch schweres Gewerb oder tägliche Handarbeit sich und die Seinigen zu ernähren gezwungen werde, und dahero ihme nicht möglich falle, sich mit Vormundschaftsgeschäften zu beladen.

[1, 6, § 3] 153. Die Gehässigkeit muß eine gegründete Ursach haben, als daß Jemand von dem Vater der Waisen eine große Unbild erlitten habe, oder daß er von demselben aus bloßem Haß zum Vormund benennet worden, um ihme wegen Verwirrung des Vermögens, Unbändigkeit der Kinder oder hieraus entstehender Verfeindung mit Anderen Verdruß zu machen.

[1, 6, § 3] 154. Ueberhaupt ist alle Jemandem aus der ihme aufgetragenen Vormundschaft


(1-191) bevorstehende wahrscheinliche Gefahr, Schaden und Nachtheil, wann solcher nicht ausgiebig vermieden bleiben kann, eine genugsame Ursach sich von dem Auftrag zu entschuldigen.

[1, 6, § 3] 155. Doch solle in allen sowohl Entschuldigungs- als vorhin erwähnten Ausschließungsfällen das richterliche Ermessen statt haben, und allemal der Bedacht dahin genommen werden, damit Niemand sich unter nichtigem Vorwand der aufgetragenen Vormundschaft entziehe, gleichwie in Gegentheil auch Niemand zu seiner allzugroßen Beschwerniß und unersetzlichen Schaden damit beladen werde.

[1, 6, § 3] 156. Auch nach schon angetretener Vormundschaft können sich Umstände ergeben, welche den Vormund zu weiterer Fortsetzung derselben untüchtig machen, oder davon entschuldigen, in welcherlei Fällen all Jenes, was gleich anfangs eine Ausschließung, Ausnahme, Befreiung oder rechtmäßige Entschuldigung von der Vormundschaft nach sich gezogen hätte, auch während derselben die Entlassung oder Enthebung des Vormunds nach richterlichen Ermessen wirket.

Wie dann der Vormundschaftsgehörde von amtswegen oblieget, bei Wahrnehmung einer denen Waisen wegen Untüchtigkeit des Vormunds bevorstehenden Gefahr den Vormund abzuändern.

[1, 6, § 3] 157. Einem wissentlich Untauglichen oder von der Vormundschaft Ausgenommenen, wann dieser letztere sich nicht selbst hierum anmeldet, obschon er im letzten Willen benennet oder der nächste Blutsverwandte wäre, solle die Vormundschaft aufgetragen, umsoweniger seine Entschuldigung abgewartet, sondern die Vormundschaft sofort einem anderem weiterem darzu tauglichen Befreundten oder in dessen Ermanglung einem Fremden anvertraut, und dabei in dem gerichtlichen Auftrag ohne ausdrücklicher Anführung der Untauglichkeit des ersteren sich überhaupt auf erhebliche Ursachen bezogen werden.

[1, 6, § 3] 158. Fände sich aber der Vorbeigegangene hierdurch beschweret, so ist ihme auf sein Anmelden die Ursach seiner Ausschließung mittelst eines ordentlichen Bescheids zu erinneren, und stehet demselben frei, sich alsdann hierwegen bei dem höheren Richter im außerordentlichen Weg Rechtens zu beschweren, wo inmittelst es bei der anderweit bestellten Vormundschaft sein Verbleiben hat, die jedoch ihme, wann er von dem oberen Richter für tauglich erkennet worden, sodann gegen Leistung der Erfordernissen abgetreten werden muß.

[1, 6, § 3] 159. Um Jemands Tüchtig- oder Untüchtigkeit desto verläßlicher beurtheilen zu können, solle die Vormundschaftsgehörde jedesmal die Ausführung, Sitten und Vermögensstand dessen, deme die Vormundschaft aufzutragen ist, wann solche derselben nicht schon vorhero bekannt sind, auf eine ihme unnachtheilige Weise untersuchen, und die zu solchem Ende nöthige Kundschaften einziehen.

[1, 6, § 3] 160. Wer nun ohne allem Zweifel tüchtig befunden wird, deme kann und solle die Vormundschaft unbedenklich aufgetragen werden, ohne sich durch eine vermuthende Entschuldigungsursache abhalten zu lassen, sondern es bleibet ihme noch allzeit bevor, solche gehörig anzubringen.

(1-192) [1, 6, § 3] 161. Nach erhaltenem gerichtlichem Auftrag ist der bestellte Vormund schuldig die Vormundschaft anzunehmen, oder seine Entschuldigungsursachen in der hiernach ausgesetzten Zeit anzubringen.

[1, 6, § 3] 162. Die Annehmung der Vormundschaft ist entweder freiwillig oder nothwendig.

Freiwillig geschieht dieselbe entweder ausdrücklich durch schriftliche oder mündliche Erklärung, sich dem Auftrag unterziehen zu wollen, oder stillschweigend, wann in der ausgemessenen Frist keine Entschuldigungsursachen eingebracht werden.

[1, 6, § 3] 163. Nothwendig wird die Annehmung, wann die gerichtliche Auflage in Rechtskräften erwachsen oder, da sich darwieder an die höhere Gehörde verwendet worden, dieselbe alldort bestätiget worden ist.

[1, 6, § 3] 164. In einem wie in dem anderem Fall ist der bestellte Vormund nach Verlauf von vierzehen Tagen oder nach höherer Bestätigung des ihme gemachten Auftrags die vormundschaftliche Erfordernissen zu leisten, und sich auch selbst darzu anzumelden, folglich die Vormundschaft unweigerlich anzutreten schuldig.

Widrigens kann derselbe hierzu auf die weiter unten vorgeschriebene Art und Weis gerichtlich verhalten werden.

[1, 6, § 3] 165. Wer Entschuldigungsursachen zu haben vermeinet, muß solche, und zwar so viele deren er hat, alle auf einmal binnen vierzehen Tagen von Zeit des ihme zugekommenen gerichtlichen Auftrags ohne aller weiterer Erstreckung einbringen. Falls aber wegen seiner Abwesenheit oder weit entferneten Aufenthalts diese Frist zu kurz zu sein vorgesehen würde, so solle ihme gleich in dem Auftrag eine geraumigere Frist, jedoch gleichermaßen ohne aller Erstreckung, bestimmet werden.

[1, 6, § 3] 166. Die Entschuldigungsursachen müssen allemal bei derjenigen Gehörde eingebracht werden, von welcher der Auftrag der Vormundschaft geschehen.

Es wäre dann ein letztwillig benannter Vormund, oder von dem Gesatz darzu berufener Blutsverwandter einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen, welchen Falls dieselben bei der auftragenden Gehörde blos allein ihre Erklärung, ob sie die Vormundschaft annehmen oder sich davon entschuldigen wollen, in der obausgemessenen Frist einzubringen, die Entschuldigungsursachen aber bei ihrer Gerichtsbarkeit in gleicher Zeit vorzustellen haben.

[1, 6, § 3] 167. Werden die Entschuldigungsursachen rechtmäßig zu sein befunden, so hat es auch dabei sein gänzliches Bewenden.

Wann aber solche verworfen worden, wird dem andurch Beschwertem gestattet, sich an den unmittelbaren höheren Richter in der ausgesetzten rechtlichen Frist, doch ohne allen sonst erforderlichen Feierlichkeiten zu verwenden.

Widrigens erwachset die erste Erkanntniß zu Rechtskräften.

[1, 6, § 3] 168. Die höhere Gehörde hat dabei schleunig und also zu verfahren, wie es seines Orts bei außerordentlichen Zufluchten an den oberen Richter vorgeschrieben wird, und da von derselben die Entschuldigungsursachen rechtmäßig und übel verworfen worden zu sein erkennet würde, so wird der bestellte Vormund andurch von der Vormundschaft gänzlich losgezählet, und hat der verweigerten Annehmung halber keine Verantwortung auf sich.

[1, 6, § 3] 169. Wann hingegen wohl gesprochen zu sein befunden würde, so wird auch die Verwerfung der Entschuldigung und der gerichtliche Auftrag der Vormundschaft anmit von der höheren Gehörde bestätiget, und der Sachfällige ist für allen während seiner unbefugten Weigerung denen Waisen widerfahrenen Schaden zu stehen schuldig, obschon ihme nicht benommen ist, sich dieserwegen an Anderen, gegen welche er sich aufzukommen getrauet, zu erholen.

[1, 6, § 3] 170. Er kann demnach die Antretung der Vormundschaft nicht länger hinaus verschieben, sondern seine Obliegenheit ist, sich selbst sogleich den nächst

(1-193) darauffolgendem Gerichtstag, nachdeme die Auflage zu Rechtskräften erwachsen oder von dem höheren Richter bestätiget worden, eben also, als ob er sich der Vormundschaft freiwillig unterzogen hätte, zu Leistung der Erfordernissen bei der Gehörde geziemend anzumelden.

[1, 6, § 3] 171. Würde aber derselbe sich hierinnen säumig erzeigen, so solle ihme hierzu eine achttägige, und wann er auch diese verstreichen ließe, noch eine dreitägige Frist unter empfindlicher, bei ferneren Ungehorsam unnachsichtlich einzutreiben habender Geldstrafe, und bei unbemittleten und geringeren Leuten unter Bedrohung persönlichen Verhafts anberaumet werden.

[1, 6, § 3] 172. Wann jedoch weder die Bedrohung noch die Eintreibung der verhängten Geldstrafe, oder nach Unterschied der Personen der wenigstens durch vier Wochen fürzuwähren habende Arrest seinen Ungehorsam zu beugen vermögete, so ist zwar auf die Antretung der Vormundschaft nicht weiter anzudringen, sondern entweder der vorsichtsweise in der Zwischenzeit bestellte Vormund in der Vormundschaft zu bestätigen, oder ein anderer tauglicher Vormund zu benennen.

Doch bleibt der Ungehorsame für allen durch seine Weigerung denen Waisen zugegangenen Schaden verfänglich.

[1, 6, § 3] 173. Uebrigens solle bei Bevormundung geringer und unbemittleter Waisen, wo eben auch die Vormündere geringe Leute sind, noch schleuniger fürgegangen, der Vormund auch ohne schriftlichen Auftrag fürgeforderet, ihme die Vormundschaft auferleget, seine Entschuldigung zur Stelle angehöret, und solche entweder gutgeheißen, oder bei deren befindender Unerheblichkeit verworfen, folglich derselbe zur Leistung der Erfordernissen angehalten werden, ohne jedoch ihme, wann er sich beschweret zu sein glaubet, den Zug an den oberen Richter zu verschränken.

[1, 6, § 3] 174. Diese vormundschaftliche Erfordernissen, welche von einem jedwedem

(1-194) Vormund bei Antretung der Vormundschaft geleistet werden müssen, bestehen hauptsächlich in Verbürgung des Waisenguts und in Ablegung der vormundschaftlichen Eidespflicht.

(1-195) [1, 6, § 3] 175. Beide ist ein jedweder wahrer Vormund, welcher die Vormundschaft zu verwalten hat, und nicht etwann bloß Ehren halber oder beirathsweise zugezogen worden, zu leisten schuldig, ohnerachtet derselbe wohl bemittelt oder angesessen und des Waisen nächster Blutsverwandter, oder auch dessen leiblicher Vater, oder ein weiterer Aufsteigender wäre, oder der Erblasser, welcher ihn zum Vormund benennet, denselben von dieser Verbürgung ausdrücklich entbunden hätte.

[1, 6, § 3] 176. Nur in dem alleinigen Fall, wo ein Vater in seiner letztwilligen Anordnung dem von ihme benannten Vormund die Bürgschaftsleistung erlassen hätte, solle dem Richter zustehen, nach vernünftiger Erwägung der Umständen zu erkennen, was für eine Verbürgungsart demselben aufzuerlegen seie, niemalen aber ihme die Verbürgung gänzlich nachzulassen.

[1, 6, § 3] 177. Durch die Verbürgung wird das Waisengut sicher gestellet, und dahero ist solche auch dermaßen nothwendig, daß die Vormundschaftsgehörde, welche diese Vorsicht zu gebrauchen unterlassen hätte, alle Verantwortung der üblen Verwaltung des Vormunds auf sich selbst ladet, und für den entstandenen Schaden, insoweit solcher von dem Vormund nicht zu erhalten wäre, nach Erkanntniß des oberen Richters zu haften hat.

[1, 6, § 3] 178. Doch ist nicht nöthig, daß die Verbürgung nach dem ganzen Betrag des Waisenguts abgemessen werde, sondern es ist genug, dasselbe nur insoweit sicher zu stellen, als es einer Gefahr der Verminderung unterworfen ist, ohne jedoch darauf zu sehen, was durch ungefähre und außerordentliche Zufälle, wofür Niemand verfänglich wird, sich ereignen könnte.

[1, 6, § 3] 179. Kein Vormund ist solchemnach schuldig, Grund und Boden, oder andere dingliche Rechten, oder auch landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Forderungen zu verbürgen, sondern die Verbürgung ist nach deme zu mäßigen, was dem Vormund von dem Waisengut also zu Handen kommt, daß er solches zu Nutzen verwenden oder verzehren, oder mit seiner Schuld zu Grund gehen lassen könne.

[1, 6, § 3] 180. Von dieser Art sind die Ertragnissen und Einkünften des Waisenguts, wie nicht minder Fahrnissen, Barschaften und unvorgemerkte Forderungen, so viel hiervon dem Vormund zu seinen Handen eingeantwortet wird.

(1-196) [1, 6, § 3] 181. Die Ertragnissen und Einkünften des Waisenguts sind nicht nach Maß der ganzen Zeit, welche die Vormundschaft fürzudaueren hat, zu nehmen, sondern es ist genug, daß die Verbürgung dem beiläufigen Betrag einjähriger Ertragniß gleich komme.

[1, 6, § 3] 182. Dieser Betrag der Einkünften kann aus dem bekannten Werth des Waisenguts, oder wie solcher auf andere Weis in Erfahrniß gebracht werden mag, bestimmet werden, ohne sich mit allzu genauer Untersuchung, wodurch die Bevormundung verzögeret würde, aufzuhalten.

[1, 6, § 3] 183. Ueberhaupt kommt es dabei auf vernünftiges Ermessen des Richters an, welchem unbenommen ist, ebenso wohl auf dem Fall, da nach der Hand die geleistete Sicherheit unzureichend zu sein befunden würde, von dem Vormund mehrere Sicherheit zu forderen, als demselben die Uebermasse der geleisteten Verbürgung auf sein Verlangen zu erlassen, wann nur mit dem Uebrigen das Waisengut hinlänglich gesicheret bleibt.

[1, 6, § 3] 184. Desgleichen ist von dem beweglichen Waisengut nur so viel zu verbürgen nöthig, als dem Vormund eingeantwortet wird, zumalen wegen dem übrigen die anderweitige Vorsehung hiernach folget.

Die Vormundschaftsgehörde hat dahero den nöthig erachtenden Betrag der Verbürgung auszumessen, und solchen dem Vormund zu seiner Nachricht zu bedeuten.

[1, 6, § 3] 185. Diese Verbürgung hat sogleich der Vormund mittelst landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Verschreibung einer hinlänglichen Hypothek auf eines seiner liegenden Güter, oder landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicherter richtiger Forderungen aus seinem eigenem frei vererblichen Vermögen durch persönliche Bekanntniß vor Gericht oder Einlegung einer bündigen Versicherungsurkunde zu leisten.

[1, 6, § 3] 186. Worauf die Vormerkung, wann die verschriebene Hypothek unter der nämlichen Gerichtsbarkeit der Vormundschaftsgehörde befindlich ist, allsogleich veranlasset, falls aber dieselbe sich unter einer anderen Gerichtsbarkeit befände, diese gewöhnlichermaßen um die daselbstige Vormerkung ersuchet werden solle.

[1, 6, § 3] 187. Wollte aber ein Vormund, der es kundbar wohl zu thun vermögete, sich zu dieser Verbürgung nicht verstehen, so hat die Vormerkung des ausgeworfenen Versicherungsbetrags auf sein Vermögen, und vornehmlich auf jenes Gut, welches zur Sicherheit der Waisen das beste ist, von amtswegen zu geschehen.

[1, 6, § 3] 188. Wann hingegen ein Vormund kein unbewegliches Vermögen besitzet, oder das besitzende zur Sicherheit der Waisen nicht hinreichete, oder er dasselbe ohne seinem erweislichen großen Nachtheil mit dem ausgemessenen Verbürgungsbetrag nicht behaften könnte, so ist ihme eine vierzehntägige Frist ohne aller fernerer Erstreckung anzuberaumen, um sich binnen dieser Zeit um taugliche Bürgen, welche eine annehmliche sachliche Sicherheit für ihn zu leisten bereit wären, zu bewerben.

[1, 6, § 3] 189. Könnte aber der Vormund keine taugliche Bürgen, welche eine sächliche Sicherheit für ihn bestellen wollten und könnten, aufbringen, so solle auch in solchem Fall an persönlicher Verbürgung oder an Einlegung und Verpfändung beweglicher Habschaften, so viel hiervon zum Unterpfand nöthig ist, genug sein.

[1, 6, § 3] 190. Wann jedoch alles dieses ermanglete und gleichwohlen denen Waisen ersprießlich wäre, einen Solchen zum Vormund zu haben, so ist derselbe nichts destoweniger gegen deme zum Vormundschaftseid zuzulassen, daß er zugleich eidlich erhärte, wienach er weder die Verbürgung ohne seinem großen Nachtheil selbst leisten, noch mit einer anderen Bürgschaft aufkommen könne, dennoch aber Alles, was aus seiner Schuld und Verwahrlosung denen Waisen zum Schaden gereichen würde, getreulich zu ersetzen schuldig sein wolle und solle.

[1, 6, § 3] 191. Auf gleiche Weise ist insonderheit bei geringen Vormundschaften

(1-197) fürzugehen und sich wegen der Verbürgung nicht aufzuhalten, sondern auf das schleunigste mit möglichster Sicherstellung der Waisen zu verfahren, wann nur die Vormündere sonst taugliche und sicher geachtete Leute sind, und die eidliche Verstrickung nicht unterlassen wird.

[1, 6, § 3] 192. Um aber der getreuen Verwaltung halber desto gesicherter zu sein, so ordnen und wollen Wir hiermit, daß von einem jedwedem Vormund ohne Unterschied und Ausnahme vor Antretung der Vormundschaft ein körperlicher Eid bei derjenigen Gehörde, von welcher die Vormundschaft ihme aufgetragen worden, abgeleget werden solle, daß er sich der Waisen getreulich annehmen, sie zur Gottesforcht und Tugend anführen, und nach ihrem Stand zum Nutzen des gemeinen Wesen anleiten, ihr Vermögen gleich dem seinigen besorgen, ihre Rechten und Gerechtigkeiten in acht nehmen, Nutzen beförderen, Schaden abwenden, jährliche Raitung erlegen, und sich solcher Vormundschaft halber in Allem nach Unseren Gesetzen und Verordnungen, wie es sich einem getreuen und aufrichtigen Vormund gebühret, verhalten wolle und solle.

[1, 6, § 3] 193. An Seiten der Vormundschaftsgehörde ist bei Antretung der

(1-198) Vormundschaft erforderlich, damit eine ordentliche Beschreibung aller und jeder denen Waisen angehöriger Güter und Habschaften, von was für Gattung und Eigenschaft dieselben immer sein mögen, gerichtlich errichtet werde.

[1, 6, § 3] 194. Hiervon sollte kein Vormund befreiet sein, obschon ein Vater oder anderer Erblasser die gerichtliche Beschreibung seines Vermögens ihme nachgesehen oder auch ausdrücklich verboten hätte.

[1, 6, § 3] 195. Diese Beschreibung ist mit dem gerichtlichen Verlassenschaftsinventario, wovon in zweitem Theil gehandlet werden wird, nicht zu vermengen, sondern außer diesem noch besonders zu verfassen.

Es wäre dann ein Wais nach seinem Vater oder einem anderen Erblasser der alleinige Erb und hätte sonst kein anderes Vermögen.

[1, 6, § 3] 196. Desgleichen können Theilzetteln und Erbtheilungsvergleiche anstatt dieser Beschreibung andienen, wann zwischen dem Waisen und großjährigen Miterben die Erbtheilung geschehen, und in der Theilungsurkunde Alles, was dem Waisen aus der Verlassenschaft zugekommen, namentlich und deutlich enthalten ist, dieser auch außer deme kein sonstiges Vermögen hat.

[1, 6, § 3] 197. Sind aber seine Miterben ebenfalls noch minderjährig, so kann es bei dem Verlassenschafts-Inventario solange sein Bewenden haben, als besagte Miterben minderjährig sind, und unter einerlei Vormundschaft zu stehen haben, auch die Gemeinschaft ihnen zuträglich zu sein befunden wird.

[1, 6, § 3] 198. Hätte jedoch der Wais außerdeme noch ein anderes Vermögen, so muß dem Verlassenschafts-Inventario oder der Theilungsurkunde auch die Beschreibung des anderweiten Vermögens beigerucket, und somit eine vollständige Beschreibung des gesammten Waisenguts verfasset werden.

[1, 6, § 3] 199. Diese gerichtliche Beschreibung ist auf ganz gleiche Art und Weise zu errichten, wie es in zweitem Theil, in einundzwanzigstem Capitel, §. VII von dem gerichtlichen Verlassenschafts-Inventario geordnet wird, damit der ganze Vermögens- und Schuldenstand des Waisen daraus abgenommen werden könne.

[1, 6, § 3] 200. Zu der Beschreibung des Waisenguts ist die Gegenwart des Vormunds insgemein nicht nothwendig, obschon ihme nicht verwehret werden mag, derselben beizuwohnen.

Sie ist dahero nicht zu verschieben, wann es sich mit der Bevormundung verweilete, besonders wann die Gläubigere hierauf andringeten, oder die Sachen der Gefahr der Verderbung unterworfen wären, oder der Ort ihrer Aufbehaltung geraumet werden müßte.

[1, 6, § 3] 201. Was aber nach der ersten Beschreibung des Waisenguts denen Waisen nachhero durch Erbschaft, Vermächtniß, Schankung oder in andere Wege zufallt, oder sonst etwas, was denenselben gehörig ist, hervor käme, so in der ersten Beschreibung nicht enthalten wäre, all dessen absonderliche Beschreibung oder genüglich bewährte Anzeige ist der Hauptbeschreibung als ein Nachtrag beizufügen.

(1-199) [1, 6, § 3] 202. Wohingegen der sich etwann nach der Hand eräußerende Abgang in der errichteten Beschreibung anzumerken ist.

Die jährliche Ersparniß aber und aller aus deme, was bereits in der Beschreibung enthalten ist, sich ergebender Zuwachs muß in die jährliche Vormundschaftsrechnungen eingezogen werden.

[1, 6, § 3] 203. Wann ein neuer Vormund in des vorigen Stelle tritt, ist es keiner neuen gerichtlichen Beschreibung nöthig, sondern an deme genug, daß der abtretende oder dessen Erben dem antretenden Vormund das vorhändige Waisengut gemäß seiner Schlußrechnung und beigefügten Ausweis gegen behöriger Uebergabs- und Uebernahmsbescheinigung zustelle.

[1, 6, § 3] 204. Wäre das Waisengut unter verschiedenen Gerichtsbarkeiten in einem Erbland zerstreuet, so gebühret zwar einer jeden dieser verschiedenen Gerichtsbarkeiten die besondere Beschreibung des unter ihr befindlichen Waisenguts. Sie sind aber solche insgesammt der Vormundschaftsgehörde auf Ersuchen in beglaubigten Abschriften abzufolgen schuldig.

[1, 6, § 3] 205. Wann hingegen das Vermögen der Waisen in mehreren Erblanden befindlich, und somit die Vormundschaft abgeordneter Maßen in jedem Land besonders zu führen ist, so ist auch in jedem Land eine besondere Beschreibung des dahin gehörigen Waisenguts erforderlich, und da hernachmals etwas davon aus einem Land in das andere übertragen würde, solches jedes Mal in dem einen Land ab- und in dem anderen zuzuschreiben.

[1, 6, § 3] 206. Eine jedwede gerichtliche Beschreibung des Waisenguts solle in drei gleichlautende Urkunden verfasset, und eine davon bei dem Verlassenschafts-Inventario, die andere aber bei dem Vormundschafts- oder Waisenbuch aufbehalten, und die dritte dem Vormund zugestellet werden.

[1, 6, § 3] 207. Nach dieser Beschreibung hat die gerichtliche Einantwortung des Waisenguts an den Vormund also zu geschehen, daß ihme das bewegliche Vermögen, so viel ihme nach der unten zu erwähnenden Ausmessung hiervon auszufolgen nöthig befunden wird, übergeben, und er in das unbewegliche gerichtlich eingewiesen und eingeführet werde.

[1, 6, § 3] 208. Zugleich aber solle auch einem jedem Vormund eine gerichtliche Beglaubigungsurkunde von der Vormundschaftsgehörde über die ihme aufgetragene Vormundschaft zu dem Ende ertheilet werden, damit er sich anmit aller Orten, wo es nöthig, ausweisen möge, daß er der wahre und ungezweiflete Vormund seie, und andurch in Stand gesetzet werde, ohne Jemands Widerrede Alles, was die rechtliche Nothdurft erforderet, in Namen deren Waisen zu handlen und vorzukehren.

[1, 6, § 3] 209. Endlich solle bei allen Gerichtsstellen und Obrigkeiten, welchen die Bevormundung deren Waisen aus obhabender Gerichtsbarkeit zustehet, ein eigenes Vormundschafts- oder Waisenbuch errichtet, und mit aller erforderlichen Richtigkeit und Verläßlichkeit fortgeführet werden.

[1, 6, § 3] 210. In diesem Waisenbuch ist der Tod des Vaters mit allen aus dem Bericht der zur Sperr abgeordneten Gerichtspersonen hervorkommenden Umständen, die Anzahl, das Geschlecht, der Namen, das Alter der Waisen, die Bestellung

(1-200) des entweder durch letzten Willen oder durch die Nähe des Geblüts berufenen, oder von der Obrigkeit verordneten Vormunds, die Leistung deren vormundschaftlichen Erfordernissen, und wie solche geleistet werden, die Zeit der angetretenen Vormundschaft, die Beigebung eines Mitvormunds oder die nach Umständen nöthig befundene Anstellung eines curatoris, und überhaupt Alles, was den Anfang und Fortgang der Vormundschaft anbetrifft, vorzumerken.

[1, 6, § 3] 211. In dasselbe ist ferners der Betrag des Waisenguts mit Beilegung sowohl des Verlassenschafts-Inventarii und Theilungsurkunden, als der besonders darüber errichteten ein- oder mehrerer Beschreibungen, wie nicht weniger der jährliche Raitungserlag, deren befundene Richtigkeit oder erfolgte Richtigstellung und der jährlich verbleibende Vermögensstand mit allen und jeden bei dieser Vormundschaft vorfallenden Waisenhandlungen, Verwilligungen, Verordnungen, Auflagen, Bescheiden, Schuldzahlungen, Geldanlegungen, nöthigen Gelderborgungen und Behaftungen, Käufen, Verkäufen und andere derlei Geschäften mit deutlicher Beziehung auf jenes Ort, wo dieserwegen ein Mehreres zu finden seie, ordentlich und getreulich einzutragen.

[1, 6, § 3] 212. Desgleichen muß das neue Vermögen, was denen Waisen von anderwärts durch Erbschaften, Vermächtnissen, Schankungen oder in andere Wege zukommt, mit allen Umständen, von weme, wann, wieviel und auf was Art ihnen zugefallen seie, in eben demselben Waisenbuch angemerket und deme auch beigefüget werden, ob in Ansehung dieses Zuwachses ein besonderer Vormund bestellet worden seie, welchen Falls die zu dieser besonderen Vormundschaft gehörige Geschäfte darinnen von der ersten Vormundschaft abgesöndert anzuführen sind.

[1, 6, § 3] 213. Ferners solle die mit dem Vormund vorgehende Aenderung und die Anstellung eines neuen Vormunds in dieses Waisenbuch eingeschrieben, und währender zweiter Vormundschaft mit der Vormerkung so, wie bei der ersten, fortgefahren werden.

[1, 6, § 3] 214. Wann alsdann die Vormundschaft zu Ende gehet, muß gleichfalls der Erlag der Schlußrechnung, die vollständige Richtigkeitspflegung, die Zeit der erreichten Großjährigkeit, die erfolgte Großjährigkeitserklärung, die etwann von Uns erbetene Nachsicht des Alters, die Einantwortung des Vermögens und schließlichen die gerichtliche Loszählung des Vormunds, wie auch die Hauptquittung und Verzicht des großjährig werdenden Waisen darinnen angemerket werden.

[1, 6, § 3] 215. Dieses Waisenbuch hat den Nutzen, damit einerseits die Gerichten und Obrigkeiten von Allem, was währender Vormundschaft vorgegangen, zu allen Zeiten eine vollkommene Nachricht und Wissenschaft überkommen möge, um denen Waisen hiernach in allen Vorfällen desto behender vorzusehen.

[1, 6, § 3] 216. Andererseits aber, daß auch die Waisen nach erreichter Großjährigkeit und erfolgter Einantwortung ihres Vermögens hieraus zugleich alle deshalben nöthige Nachrichten mittelst gerichtlich beglaubter Abschriften oder Auszügen erhalten können.

§. IV.

[1, 6, § 4] 217. Nach angetretener Vormundschaft bestehet die Pflicht und Schuldigkeit eines Vormunds oder Gerhabens überhaupt in guter Erziehung der Waisen und in getreuer Verwaltung ihres Vermögens.

(1-201) [1, 6, § 4] 218. Diesemnach sollen sowohl die Vormündere als die ihnen vorgesetzten Vormundschaftsgehörden bei schwerer Verantwortung und unausbleiblicher Ahndung darob sein, damit die Waisen in der Gottesforcht, christlichen Tugenden, ehrbaren Wandel, guten Sitten, Wissenschaften, Künsten und Gewerben nach ihrem Stand und Fähigkeit erzogen, somit aber von dem Müssigang (!) und anderen gefährlichen Abwegen abgehalten werden.

[1, 6, § 4] 219. Die Erziehung der Waisen stehet besonders in ihrer Kindheit der Mutter zu, obschon dieselbe die Vormundschaft nicht hätte, oder zur anderen Ehe geschritten wäre, wann sonst kein erhebliches Bedenken dagegen fürwaltet.

[1, 6, § 4] 220. Auch nach denen Kindsjahren hat die mütterliche Erziehung so lange zu daueren, bis die Vormundschaftsgehörde für gut findet, denen Waisen ihres besseren Unterrichts halber oder aus anderen zu ihrem Besten abzielenden Ursachen eine anderwärtige Erziehung zu verschaffen.

[1, 6, § 4] 221. Wann die Mutter nicht mehr am Leben oder sonst ein Bedenken wider sie wäre, können die Waisen auch bei ihren Großeltern oder Jemandem von

(1-202) ihrer Freundschaft, oder bei dem Vormund selbst oder auch an einem anderen ehrbaren und anständigen Ort, wie es ihnen nach Ermessen der Vormundschaftsgehörde am vorträglichsten zu sein befunden wird, erzogen werden.

[1, 6, § 4] 222. Doch liegt dem Vormund allemal ob, die Waisen mögen bei der Mutter, ihrer Freundschaft oder irgendwo anderst erzogen werden, auf ihre gute Erziehung fleißig obacht zu tragen, und die wahrnehmenden Gebrechen sogleich der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen.

[1, 6, § 4] 223. Unbemittelte Waisen ist zwar ein Vormund aus dem Seinigen zu ernähren und auf eigene Kosten zu erziehen nicht schuldig, er muß aber alle mögliche Sorgfalt anwenden, damit ihrer Dürftigkeit entweder durch erwirkende Beihilfe ihrer Befreundten oder durch Unterbringung in milde Stiftungen, oder auf andere Weise beigesprungen werde.

[1, 6, § 4] 224. Wo aber die Waisen ein eigenes Vermögen haben, solle der Aufwand auf ihren Unterhalt und Erziehung jedesmal von der Vormundschaftsgehörde bestimmet, und nach ihrem Stand, Geschlecht, Alter und nach denen Kräften des Vermögens dergestalten ausgemessen werden, damit der jährliche Betrag weder zum Ueberfluß, noch zum Abbruch der standesmäßigen Nothdurft gereiche.

[1, 6, § 4] 225. Auch da ein Vater oder anderer Erblasser etwas Gewisses darzu bestimmet hätte, so kann nichtsdestoweniger dasselbe nach gerichtlichem Ermessen bei befindender Uebermaß auf ein Weniges eingeschränket, oder bei dessen wahrnehmender Unerklecklichkeit, wann es die Vermögensumstände leiden, auf ein Mehreres erstrecket werden.

[1, 6, § 4] 226. Bei solcher gerichtlicher Ausmessung hat der Vormund zu beruhen und die erübrigenden Einkünften zur Vermehrung des Waisenguts in Ersparniß zu bringen, doch stehet ihme allezeit frei, wann der Nutzen oder die Nothdurft der Waisen einen größeren Aufwand erfordereten, um eine Vermehrung des bestimmten Betrags aus denen übrigen Einkünften bei der Gehörde einzukommen.

[1, 6, § 4] 227. Wann hingegen das Vermögen der Waisen so gering wäre, daß dessen Ertragniß zu denen nothdürftigen Unterhalts- und Erziehungskosten kaum erkleckete, so solle es der Bescheidenheit des Vormunds überlassen sein, die Ausgaben dergestalten wirthschaftlich einzurichten, damit, wo möglich, gleichwohl etwas mehr oder weniger ersparet, oder doch wenigstens das Hauptgut denen Waisen unvermindert erhalten werde.

[1, 6, § 4] 228. Wann jedoch die jährlichen Einkünften zur Erhaltung und Erziehung der Waisen nicht hinlänglich wären, oder wann besonders mittelst eines größeren Aufwands die Waisen in Stand gesetzet werden könnten, sich selbst künftighin eine beständige Nahrung zu verschaffen, so kann auch das Hauptgut, jedoch niemals anderst, als mit vorläufiger Einwilligung der Gehörde, angegriffen und darzu nach Erforderniß ganz oder zum Theil verwendet werden.

[1, 6, § 4] 229. Ueberhaupt ist ein Vormund in allen die Erziehung der Waisen betreffenden wichtigeren Vorfällen, besonders aber, wo es um die Bestimmung des Aufwands, den Ort der Erziehung, oder deren leichteren Unterhalts- und besserer Unterweisung halber nutzlich findende Versendung an andere Orte in Unseren Erblanden zu thun ist, an die Einwilligung und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde gebunden.

[1, 6, § 4] 230. Dahingegen solle weder dem Vormund, noch der Vormundschaftsgehörde ohne Unserer besonderer höchster Verwilligung bei schwerer Strafe und Ahndung zugelassen sein, Waisen oder Minderjährige außer diesen Unseren Erblanden unter was immer für Vorwand anderswohin zu verschicken, wovon allein die Wanderschaften der Handwerker ausgenommen sind.

[1, 6, § 4] 231. Bei der Erziehung der Waisen hat ein Vormund wohl in acht zu nehmen, damit derselbe die Ausgelassenheit und Fehler ihrer Tugend gleich einem

(1-203) Vater mittelst glimpflicher Ermahnungen, ernstlicher Verweisen und mäßiger Bestrafungen, hauptsächlich aber durch Abschneidung übler und Sitten verderblicher Gelegenheiten zu verbesseren trachte, und wo dieses nicht verfinge, es der Gehörde zur ernstlicheren Einsicht und allenfalls wider die Verführere verhängenden scharfen Strafe zeitlich anzeige.

[1, 6, § 4] 232. Doch solle sich ein Vormund nicht nur selbst von übermäßiger Strenge gegen die Waisen enthalten, sondern auch sie wider Bedrängnissen Anderer schützen. Widrigens hat die Gehörde das ungeziemende Verfahren mit denen Waisen, sobald sie davon Wissenschaft erhält, abzustellen und nach Umständen ernstlich zu ahnden.

[1, 6, § 4] 233. Insonderheit lieget dem Vormund ob, wann arme Waisen zu dienen bemüssiget sind, oder irgendwo in die Lehre einer Wissenschaft, Kunst oder Gewerbs gegeben worden, fleißig nachzusehen und nachzuforschen, ob sie auch geziemend gehalten werden, und allem unbilligen Verfahren sogleich abhilfliche Maß zu verschaffen.

[1, 6, § 4] 234. Umsoweniger ist der Vormund selbst befugt die Waisen, wann ihme die Unterhaltskosten für sie bezahlet werden, in seinem Dienst oder Arbeit zu seinem Gewinn und Nutzen anzuwenden. Wann jedoch Dieselbe Mittellosigkeit halber zu dienen gezwungen sind, so ist ihme zwar nicht verwehret, sich ihrer mit Vorwissen der Gehörde zu seinen Diensten und Arbeiten zu gebrauchen, er muß aber ihnen dabei mit aller Glimpfe und Mäßigung begegnen.

[1, 6, § 4] 235. Wie die Beschirmung der Person der Waisen, also kommt auch die

(1-204) Besorgung und Verwaltung ihres Vermögens dem Vormund allein zu, also zwar, daß alle von denen Waisen und Minderjährigen ohne Vorwissen und Bewilligung

(1-205) ihrer Vormünderen eingegangene Verbindungen oder zu Verminderung ihres Vermögens oder Verstrickung ihrer Person abzielende Handlungen nicht von der mindesten Kraft, sondern ganz und gar null und nichtig sein sollen.

[1, 6, § 4] 236. Sie können dahero weder sich selbst auf was immer für Art und Weise rechtsgiltig verbinden, noch auch von ihren Habschaften und Rechten etwas, wie solches Namen haben mag, verkaufen, verpfänden, behaften oder in andere Wege veräußeren.

[1, 6, § 4] 237. Wer solchemnach sich mit einem Waisen oder Minderjährigen ohne Zuthat seines Vormunds in eine Handlung eingelassen, wodurch er etwas von dem Gut der Waisen an sich gebracht, ist solches sammt allen Nutzungen oder Zinsen, dann Schäden und Unkosten zuruckzustellen schuldig; deme hingegen der Wais oder Minderjährige etwas zu geben oder zu leisten sich verbunden hat, dieser hat deswegen wider Jenen keine Rechtsforderung.

[1, 6, § 4] 238. Wo aber der Wais oder Minderjährige von Jemandem etwas an Geld oder Geldswerth ohne Einwilligung des Vormunds zu seinen Handen empfangen hätte, so bereits ohne hiervon einen erweislichen Nutzen gehabt zu haben verthan oder verzehret wäre, kann an ihme deshalben nichts mehr geforderet werden.

[1, 6, § 4] 239. Da es hingegen annoch vorhanden oder erweislich zu des Waisen oder Minderjährigen Nutzen angewendet worden, so solle der Wais mit des Anderen Schaden nicht bereicheret, sondern Dasjenige, was noch hieran vorhanden oder zu des Waisen oder Minderjährigen Nutzen wirklich verwendet worden, diesem wider erstattet werden.

[1, 6, § 4] 240. Jene Handlungen aber, welche einem Waisen oder Minderjährigen zum Vortheil gereichen, sind zwar seinerseits, insoweit sie dessen Verbindlichkeit auf sich haben, unkräftig; doch ist Derjenige, mit deme solche eingegangen worden, hieran gebunden, und sie erlangen auch an Seite des Waisen oder Minderjährigen ihre vollkommene Wirkung, wann sie von dem Vormund auf davon erhaltene Wissenschaft gutgeheißen werden.

[1, 6, § 4] 241. Dahingegen haben auch ohne Vorwissen oder Gutheißen des Vormunds diejenige Handlungen ihre volle Kraft und Wirkung, welche zum bloßen Gewinn und Vortheil des Waisen oder Minderjährigen ohne seiner Gegenverbindung oder Verfänglichkeit

gereichen, als da sind Schankungen, Verheißungen oder Nachlaß einer Schuld und dergleichen.

[1, 6, § 4] 242. Wiewohlen aber die erreichte Vogtbarkeit, welche in diesen Unseren Erblanden bei Mannspersonen mit dem gänzlich erfülltem zwanzigsten und bei Weibspersonen mit dem zuruckgelegtem achtzehenten Jahr ihres Alters anfangen, und bis zur Großjährigkeit, das ist, bis auf das völlig erfüllte vierundzwanzigste Jahr, sowohl bei Manns- als Weibspersonen ohne Ausnahme daueren solle, denen Minderjährigen gewisse rechtliche Wirkungen zueignet; so haben nichtsdestoweniger auch die Minderjährigen noch unter der Vormundschaft zu verbleiben, und ebenso wenige Befugniß, wie die Unvogtbaren, sich in etwas zu verbinden oder von ihrem Vermögen ohne Vorwissen und Einwilligung ihres Vormunds etwas zu veräußeren und zu behaften.

[1, 6, § 4] 243. Dann die der Vogtbarkeit beigelegte rechtliche Wirkungen bestehen bloß allein in folgenden, als in der Macht einen letzten Willen zu errichten, welcher, wann er sonst die darzu erforderlichen Feierlichkeiten hat, allerdings zu Recht bestehen solle.

[1, 6, § 4] 244. Die Endschaft der der Waisenjahren und einer namentlich auf das Absterben eines unmündigen oder unvogtbaren Erbens gerichteten Erbsnachberufung, also, daß, wann ein Minderjähriger ohne letzten Willen verstirbt, Dasjenige, worinnen ein Anderer auf den Fall dessen sich in der Unmündigkeit oder Unvogtbarkeit ergebenden Todesfalls nachberufen worden, nicht dem nachberufenen, sondern

(1-206) dem nächsten Anverwandten nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufalle, insoferne die Erbsnachberufung nicht ausdrücklich auf weitere Zeit erstrecket worden, wie davon in zweitem Theil, in dreizehentem Capitel das Mehrere geordnet wird.

[1, 6, § 4] 245. Der völlige Genuß des eigenen Vermögens und anmit aufhörende väterliche Nießbrauch, wie auch die eigene Ausübung solcher Rechten und Gerechtigkeiten, welche einem Eigenthümer zustehen, und weder zur Verbindlichkeit der Person, weder zur Verminderung des Vermögens, noch auch zur Beirrung der ordentlichen Verwaltung gereichen.

[1, 6, § 4] 246. Die Fähigkeit, öffentliche Aemter und Dienste zu bekleiden, Richter und Zeugen abzugeben, Andere in und außer Gericht zu vertreten, dieses jedoch ohne weiterer Verbindung, als insoferne sie mit des Anderen Schaden bereicheret, oder dem auf sich genommenen Amt zuwider handlen würden, und dieserwegen eine Ahndung gegen ihre Person verdieneten.

[1, 6, § 4] 247. Die Fähigkeit bei niederen Standspersonen, Handlung, Gewerbe- und sonstige Nahrung zu treiben, zu welcher sie geschickt sind, und worzu ihnen ihr Vermögen nach Maßgebung dessen, was hiervon unten folgen wird, eingeantwortet worden.

[1, 6, § 4] 248. Und endlich überhaupt die rechtliche Befugniß, alles Dasjenige zu thun, was zu ihrem oder anderer Leute Nutzen und Frommen ohne ihrem Nachtheil gereichen kann, und wodurch weder ihre Person zu einem Abtrag von dem Ihrigen verbunden, noch ihr Vermögen auf einerlei Weise beschweret oder verminderet wird.

[1, 6, § 4] 249. Dahingegen sollen auch der Minderjährigen wie immer Namen habende Verbindungen, Zusagen, Versprechen, Eheberednissen und andere Handlungen, welche zu ihnen nachtheiliger Verstrickung ihrer Person, um etwas aus dem Ihrigen zu geben oder zu leisten, oder auf die Veräußerung, Verminderung oder Behaftung ihres Vermögens abzielen, nicht die mindeste Kraft und Wirkung haben, und hierinfalls kein Unterschied zwischen denen Minderjährigen und denen Unvogtbaren oder unter väterlicher Gewalt Stehenden, sondern so die Einen wie die Anderen auf gleiche Art unfähig sein, derlei Verbindungen und Handlungen für sich selbst einzugehen.

[1, 6, § 4] 250. Wovon nur allein jene Minderjährige von burgerlichen oder anderen niederen Stand ausgenommen sind, welchen laut Unseres weiter unten vorkommenden Gesatzes auf richterlichen Befund nach erreichten vogtbaren Jahren und hierauf von Gericht erfolgter Vogtbarkeitserklärung die nämliche Fähigkeit zu allen Handlungen, wie denen Großjährigen eingestanden wird.

[1, 6, § 4] 251. Gleichwie aber ein Minderjähriger nach erreichter Vogtbarkeit den völligen Genuß seines Vermögens, folglich auch die eigene Gebarung mit denen ihme in der hiernach bestimmenden Maß zu seiner freien Schalt- und Waltung überlassenen Einkünften, doch allemal unter der Aufsicht des Vormunds hat, also muß es auch bei deme, was derselbe an Feilschaften und Waaren zu seinen und der Seinigen Bedürfnissen kaufet und baar bezahlet, sein Bewenden haben, wann der Kauf sonst nach Unseren Gesatzen zu Recht bestehet, und nicht also beschaffen ist, daß auch einem Großjährigen die richterliche Hilfe dagegen geleistet würde.

[1, 6, § 4] 252. Wann jedoch die von dem Minderjährigen erhandlete Sachen oder ausgenommene Waaren nicht baar bezahlet sind, und dieserwegen eine Anforderung hervorkommet, solchen Falls solle dem Verkaufer, wann er solche nicht zu des Minderjährigen Nutzen oder Nothdurft verwendet worden zu sein erweisen kann, keine Hilfe geleistet, sondern in alle Wege, wie in dem gleich hiernach berührenden Fall einer Geldvorleihung, verfahren werden, und denen Minderjährigen ohne Wissen und Willen ihres Vormunds einige Schulden zu machen unter keinerlei Vorwand erlaubet sein.

[1, 6, § 4] 253. Wir verbieten dahero nicht allein alle offenbare oder heimliche Geldvorleihungen,

(1-207) und auf Vereitlungen und Uebertretung dieses Verbots gerichtete Scheinhandlungen, wodurch denen Minderjährigen baare Gelder zugewendet, unnütze Waaren aufgedrungen oder zugeschlagen werden, sondern Wir entkräften auch alle diesfällige Verbindungen, Zusagen und Verschreibungen, also daß hieraus niemals eine rechtsbeständige Forderung entstehen, noch bei Gericht darauf gesehen werden solle.

[1, 6, § 4] 254. Diese Entkräftung und Vernichtung derlei Handlungen solle sich noch weiters auch dahin erstrecken, daß, wann gleich eine aus solchen Handlungen herrührende Forderung nach erlangter Großjährigkeit wirklich anerkennet und zu bezahlen neuerdings versprochen, oder zu einer aufrechten Schuld zugeschlagen, und darüber eine Verschreibung errichtet worden wäre, diese Anerkanntniß, Zusage oder Verschreibung nichtsdestoweniger ungiltig und kraftlos verbleiben, mithin auch zur Tilgung und Ausgleichung einer wahren und aufrechten Gegenforderung niemals behilflich sein, noch weniger eine von dem Minderjährigen dafür geleistete Bürgschaft, eingelegtes Pfand oder verschriebenes Unterpfand zu Recht bestehen solle.

[1, 6, § 4] 255. Und obschon in dem Fall, da ein Großjähriger sich für einen Minderjährigen zum Bürgen gestellet, oder sich anstatt desselben zum Selbstschuldner verbunden, oder seine eigene Sachen für ihn zum Pfand eingeleget, oder zum Unterpfand verschrieben hätte, die Verbindung in seiner Person gegen den Anderen, welchen er also versicheret hat, allerdings bestehet, so solle ihme jedoch wider den Minderjährigen zu keiner Zeit eine Ruckforderung gebühren.

[1, 6, § 4] 256. Wie Wir dann auch alle Verbindungen der Minderjährigen für Andere, es seie durch Bürgschaft oder Selbstübernahme der Schuld, Pfandseinlegung oder Verschreibung eines Unterpfands, oder wie es sonst geschehen möge, ebenso unkräftig, wie ihre für sich selbst eingegangene Verbindungen erklären.

[1, 6, § 4] 257. Damit sich aber Niemand gelüsten lasse, Minderjährigen mit Vorbeigehung ihrer Väter oder bestellter Vormünderen heimlich Geld zu leihen, oder durch verstellte Handlungen ihnen Geld zu verschaffen und zuzubringen, so solle nicht genug sein, daß ein Solcher, welcher einem Minderjährigen Geld vorgestrecket, oder Sachen und Waaren geborget hat, mit der ansuchenden Zahlung gar nicht gehöret werde, sondern derselbe solle (es möge bei dem Darlehen ein Betrug unterlofen sein oder nicht) nebst dem Verlust eines solchen Unserer Kammer anheimfallenden, und von dem Schuldner zu der nach Unseren anderweiten Verordnungen bestimmten Verwendung abzuführen habenden Darlehens noch über dieses um den nämlichen eben dahin zu entrichten kommenden Betrag der dargeliehenen Summe unnachsichtlich bestrafet werden.

[1, 6, § 4] 258. Die sich einschuldende Minderjährige hingegen sollen nach erreichter Großjährigkeit um so viel länger, als selbe in Vergleich ihres jährlichen Einkommens Schulden zu machen sich unterfangen, und bis sie nicht bessere Kennzeichen einer guten Wirthschaft geben werden, oder so lange es Uns gefällig sein wird, unter der Vormundschaft zu verharren, die nachgesetzten Gerichten aber und Fiscalen ohne einiger Rücksicht der Person unter eigener Vertretung auf das genaueste und strengste darob zu halten schuldig sein.

[1, 6, § 4] 259. Was jedoch einem Glaubiger auf ein solches Darlehen entweder währender Minderjährigkeit, oder auch nach erreichter Großjährigkeit bezahlet worden wäre, dieses solle von ihme zurückgeforderet, und sammt dem noch unbezahlten, wie auch mit dem über das zu erlegen kommenden anderfachen Strafbetrag je und allzeit zu Handen Unserer Kammer eingezogen werden.

[1, 6, § 4] 260. Hätte sich aber ein Glaubiger beinebst eines offenbaren Wuchers, oder der Verführung eines Minderjährigen und anderer sträflicher Gefährde schuldig gemacht, so solle derselbe über den Verlust des vorgeliehenen Gelds oder der geborgten Sachen, und über die schon ausgesetzte Strafe des anderfachen Betrags

(1-208) des Darlehens (welche bei Unvermöglichen nach Beschaffenheit der Umständen in zeitliche Gefängniß zu verwandlen ist) annoch nach Maß der mehr oder minder erschwerenden Umständen mit einer nach richterlichen Befund auszumessenden Strafe beleget werden.

[1, 6, § 4] 261. Wider diese Unsere gesatzgebige Anordnung solle Niemanden die vorgebliche Unwissenheit des minderjährigen Alters schützen können, sondern ein Jeder, der sich mit jungen Leuten in Handlungen außer denen zur wahrscheinlichen Nothdurft gereichenden Sachen einläßt, vorhero sich wohl zu erkundigen schuldig sein, ob sie bereits für großjährig erkläret, mithin fähig sind, rechtsgiltige Verbindungen einzugehen.

[1, 6, § 4] 262. Noch weniger mag die Vorstellung eines sich für großjährig ausgebenden Minderjährigen, weder die gemeine ihn dafür haltende Meinung, weder die vorgespieglete Einwilligung des Vaters oder Vormunds, noch was Anderes, wodurch der Glaubiger hintergangen worden zu sein vorgiebt, demselben zur Habhaftwerdung des geborgten Gelds oder Sachen, und zur Entbindung von der ausgesetzten Strafe behilflich sein.

[1, 6, § 4] 263. Doch solle dem Minderjährigen die Hintergehung des Glaubigers nicht ungeahndet hingehen, sondern, da solche erwiesen wird, ernstlich bestrafet werden. Und wann der Glaubiger durch Andere hintergangen worden, so bleiben ihme zu seiner Entschädigung alle diensame Rechtsmitteln wider dieselbe bevor.

[1, 6, § 4] 264. Was nun immer für Geschäften oder Handlungen an Seiten der Waisen und Minderjährigen in oder außer Gericht vorfallen mögen, diese alle gehören zur Verwaltung des Vormunds in Namen und zu Handen der Waisen und Minderjährigen, dessen Schuldigkeit ist, solche getreu und fleißig zu besorgen, der Waisen Nutzen in allen zu beförderen, und Schaden und Nachtheil abzuwenden.

[1, 6, § 4] 265. Unter gerichtlichen Geschäften ist das erste, die denen pflegbefohlenen Waisen und Minderjährigen durch letzten Willen oder nach Ordnung rechtlicher Erbfolge angefallene Erbschaften entweder gerichtlich anzutreten, oder sich derselben zu entschlagen, wie er Eines oder das Andere ihnen am zuträglichsten zu sein befinden würde.

[1, 6, § 4] 266. Die Antretung einer Erbschaft, es seie nach dem Vater, der Mutter, oder anderen Erblasseren, solle jedoch von dem Vormund niemalen anderst geschehen können, als mit ausdrücklich vorbehaltener Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii, und ohne solcher keine Erbserklärung von einem Vormund bei Gericht angenommen werden.

[1, 6, § 4] 267. Fände aber der Vormund seinen Pflegbefohlenen nützlicher zu sein, sich der Erbschaft zu entschlagen, so solle derselbe allemal vorhero die eigentliche Beschaffenheit der Ursachen, wegen welcher er die Erbschaft auszuschlagen

(1-209) vermeinet, derjenigen Gehörde, von der er zum Vormund bestellet worden, getreulich anzeigen, diese aber die Sache reiflich erwägen, und den Vormund befindenden Dingen nach zu seinem Nachverhalt verbescheiden.

[1, 6, § 4] 268. Widrigens, da ein Vormund deme zuwider handlete, und entweder die Erbserklärung ohne Vorbehalt des gerichtlichen Inventarii, oder die Erbsentschlagung ohne vorläufiger Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde einbrächte, solle dergleichen Erbserklärung oder Erbsentschlagung bei keinem Gericht angenommen werden, sondern so Eine als die Andere ganz ungiltig und ohne Wirkung sein.

[1, 6, § 4] 269. Da aber jegleichwohlen seinen Pflegbefohlenen ein erweislicher Schaden hieraus erwachsen wäre, oder der Vormund einer dabei gebrauchten Arglist, Gefährde oder ungleicher Vorstellungen, wodurch bei der Gehörde die Gutheißung der Erbsentschlagung erschlichen worden, überführet werden könnte, so ist derselbe nicht allein zum Ersatz alles ihnen andurch zugefügten Schadens anzuhalten, sondern auch nach Maß seiner mitunterwaltenden Arglist und Gefährde zu bestrafen, und was an ihme nicht zu erholen wäre, dafür hat die Vormundschaftsgehörde zu haften, wann selbe sich hierinfalls eine Fahrlässigkeit zu Schulden kommen lassen.

[1, 6, § 4] 270. Wie in Erbfällen, also auch in allen anderen Gerichtshändeln hat ein Vormund seine Pflegbefohlene zu vertreten. Es lieget ihme dahero ob, die bei Gericht vor oder wider dieselbe anhängige Rechtsführungen ohne Saumsal zu Ende zu bringen, und dabei wohl zu überlegen, auch sich bei Rechtserfahrenen Raths zu erholen, ob seinen Pflegbefohlenen nutzlicher seie, den richterlichen Ausspruch abzuwarten, oder sich mit dem Gegentheil in eine Vergleichshandlung einzulassen.

[1, 6, § 4] 271. In Vergleichshandlungen, der Rechtsstreit möge schon vor oder erst nach angetretener Vormundschaft rechtsanhängig worden sein, solle sich von keinem Vormund ohne vorläufig angesuchter Verwilligung der Vormundschaftsgehörde eingelassen, noch auch solche anderst als durch Vermittlung einiger hierzu verordneten Gerichtspersonen vorgenommen, und der Vergleich selbst nicht ehender, als nachdeme derselbe der Vormundschaftsgehörde vorgeleget, von dieser, ob er zum Nutzen der Waisen gereiche, wohl erwogen, und auf Befund beangenehmet worden, geschlossen werden können.

[1, 6, § 4] 272. Widrigens bindet ein von dem Vormund für sich allein eingegangener Vergleich zwar den Gegentheil, welcher solchen mit ihme geschlossen, nicht aber auch die Waisen, wann er ihnen zum Nachtheil gereichete.

[1, 6, § 4] 273. Nicht weniger ist ein Vormund schuldig da, wo es die Nothdurft oder der Nutzen der Waisen erfoderet, in ihrem Namen sowohl neue Ladungen auszuwirken und Klage wider Andere anzustrengen, als auch Ladungen anzunehmen, sich auf Rechtsklagen einzulassen, und alles Nöthige bis zu der Sachen gänzlichen Ausgang bei Gericht vorzukehren, also daß allemal der Vormund in Namen der Waisen Andere belange und von Anderen belanget werde.

[1, 6, § 4] 274. Doch gehet Alles auf Gewinn und Verlust der Waisen, und ist der Vormund, da er sachfällig würde, außer Verantwortung, wann er seinerseits am Verlust des Rechtshandels keine Schuld traget, als da derselbe einen muthwilligen Rechtsstreit wissentlich angefangen oder fortgesetzet, oder wegen Ungehorsam, Fristversäumniß oder anderer Verwahrlosung den Rechtshandel verloren, oder wie sonst immer in Verlauf des Streits seinen Pflegbefohlenen ein Recht vergeben oder mit seiner Schuld einen Nachtheil zugezogen hätte, in welchen Fällen er allen erweislichen Schaden zu ersetzen hat.

[1, 6, § 4] 275. Eben also fällt dem Vormund auch die Schuld und Vernachlässigung Derjenigen zur Last, deren er sich in Rechtshändeln aus eigener Wahl gebrauchet. Deme vorzukommen stehet ihme frei, in vorfallenden schweren Rechtshändeln,

(1-210) wann er darinnen unerfahren ist, und einen Rechtsfreund zu wählen sich selbst nicht getrauet, bei der Vormundschaftsgehörde um Beigebung eines Rechtsobsorgers oder Curatoris anzuhalten, welcher eine oder mehrere Rechtsführungen, worzu er bestellet ist, gegen billiger Belohnung, oder, wo die Waisen arm sind, auch ohnentgeltlich zu besorgen, und die Schuld oder Vernachlässigung, wann solche dem Vormund nicht mit beigemessen werden mag, allein zu verantworten hat.

[1, 6, § 4] 276. Umsomehr ist die Bestellung eines Rechtsobsorgers oder Curatoris damals nothwendig, wann zwischen dem Vormund und seinen Pflegbefohlenen Rechtsansprüche fürwalteten, welche in Namen der Waisen von dem Curatore entweder gütlich, oder in Weg Rechtens zu End zu bringen sind.

[1, 6, § 4] 277. Was nun kraft der richterlichen Erkanntniß, oder des von der Vormundschaftsgehörde bestätigten Vergleichs der Vormund seinen Pflegbefohlenen zu entrichten hat, dieses muß derselbe unnachbleiblich erstatten, oder wenigstens hinlängliche Sicherheit dafür bestellen und die Zinsen davon richtig abführen, widrigens ist er durch die rechtliche Zwangsmitteln darzu anzuhalten.

[1, 6, § 4] 278. Was hingegen dem Vormund, es seie durch Spruch und Urtheil, oder durch gerichtlich bestätigten Vergleich von dem Waisengut gebühret, dafür kann er mit obervormundschaftlicher Bewilligung eben also, wie in Ansehung aller anderer richtiger und gerichtlich bewußter an denen Waisen habender Forderungen sich selbst aus dem Waisengut bezahlt machen, oder die Zinsen davon beziehen.

[1, 6, § 4] 279. Auch außer rechtsanhängigen Ansprüchen zwischen dem Vormund und Waisen solle diese letztere in allen anderen gerichtlichen und außergerichtlichen Vorfällen, welche so geartet sind, daß sowohl des Vormunds, als der Waisen Vortheil dabei unterwalte, und durch Vorziehung des eigenen Nutzens jener der Waisen außer acht gelassen werden könnte, durch einem eigenen Curatorem vertreten und über Alles, was in ihrem Namen geschlossen wird, die obervormundschaftliche Gutheißung mit Anzeige aller Umständen angesuchet werden.

[1, 6, § 4] 280. Von dieser Art sind die Theilung einer dem Vormund und Waisen zusammen angefallenen Erbschaft oder eines zwischen ihnen gemeinschaftlichen Guts, oder Forderung, oder deren Uebertragung und Abtretung an einen Dritten, die Ablassung von einem beiderseitigen Recht zu Gunst eines Dritten, die zwischen dem Vormund und Waisen schließen wollende Käufe und Verkäufe liegender Güter oder an Werth beträchtlicher Fahrnissen, und überhaupt alle Handlungen, wobei es um Vortheil und Verlust des Vormunds und Waisen gegeneinander zu thun ist.

[1, 6, § 4] 281. Dann keinerlei Handlung, Vergleich, Zusage, noch Verbindung kann zwischen dem Vormund und seinen Pflegbefohlenen zu Recht bestehen, wann diese nicht dabei obverordnetermaßen von einem Curatore vertreten werden, und die ausdrückliche Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde nicht hinzustoßt.

[1, 6, § 4] 282. Noch weniger ist einem Vormund erlaubet, das Waisengut auf einigerlei Weise anderst als mit obrigkeitlicher Bewilligung bei Nichtigkeit der Handlung an sich zu bringen.

[1, 6, § 4] 283. Wann dahero ein Waisengut wegen nothwendig oder nutzlich befundener Veräußerung gerichtlich feilgeboten wird, ist zwar dem Vormund nicht verwehret sich zu dem Kauf anzumelden, jedoch muß er diese seine Gesinnung der Vormundschaftsgehörde zeitlich anzeigen, und sich auf keinerlei Weis in den Verkauf einmischen.

Die Vormundschaftsgehörde aber hat die genaueste Untersuchung, ob keine Eigennützigkeit des Vormunds zur Benachtheiligung der Waisen dabei unterlaufe, zu veranlassen, und ihre Einwilligung hierzu nicht anderst, als bei befindender Unschädlichkeit des Vorhabens zu ertheilen, folglich denen Waisen einen Curatorem zu bestellen, der ihren bei diesem Geschäft unterwaltenden Nutzen zu beobachten hat.

[1, 6, § 4] 284. Endlich solle kein Vormund in Fällen, wo immer der Gewinn und


(1-211) Vortheil, Schaden oder Nachtheil mehrerer unter ihme stehender Waisen nicht einerlei ist, sondern einer an dem anderen etwas zu forderen hat, deren einen gegen den anderen vertreten können, sondern einem jedem ein besonderer Curator zu dessen Vertretung bestellet werden, als da ein Wais gegen den anderen einen Rechtsanspruch hätte, oder die Theilung eines zwischen ihnen gemeinschaftlichen Guts oder Erbschaft vorzunehmen wäre.

[1, 6, § 4] 285. Außer vorberührten Handlungen hat ein Vormund alle andere außergerichtliche Geschäften in Namen und zu Handen deren Waisen nach seinem besten Wissen und Befund zu besorgen und zu verwalten, wann sie nicht von so beträchtlicher Wichtigkeit sind, daß hierzu die Verwilligung und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde erforderet werde.

[1, 6, § 4] 286. Zu deren einigen, als da sind die Veräußerung liegender Waisengüter, oder anderer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicherter Rechten und Forderungen, sie geschehe durch Verkauf, Tausch, Abtretung, Ablassung, Verpfändung oder sonstige Beschwer- und Behaftung, der Ankauf liegender Güter, oder in einen großen Werth laufender Fahrnissen, Einschuldung der Waisen, und überhaupt Alles, was zur Verminderung und Schmälerung des Waisenguts gereichen kann, ist die obervormundschaftliche Einwilligung dergestalten nothwendig, daß die ohne derselben unternommene Handlung ganz und gar kraftlos seie, folglich bei keinem Gericht einiger Beistand hierwegen ertheilet, noch irgendwo zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung angenommen werden solle.

[1, 6, § 4] 287. Bei minder wichtigen Geschäften und Handlungen ist zwar die Verwilligung der Vormundschaftsgehörde zu deren Giltigkeit und Fortgang nicht erforderlich; doch setzet sich der Vormund ohne deren Erwirkung der Verantwortung und nach Gestalt der Sachen der Schadloshaltung der Waisen aus.

[1, 6, § 4] 288. Wann demnach die Nothwendigkeit oder der Nutzen der Waisen erforderet, ein ihnen angehöriges liegendes Gut, Haus oder Grundstück zu verkaufen, so solle der Vormund solches bei der Vormundschaftsgehörde anzeigen, welche sodann nach Befund, dass dessen Veräußerung für die Waisen ersprießlicher seie, als dessen Beibehaltung, allemal eine öffentliche Feilbietung zu veranlassen, und entweder, wann das Gut unter ihrer eigenen Gerichtsbarkeit gelegen ist, solche selbst auszuschreiben, oder diejenige Gerichtsstelle, worunter es gehöret, hierum anzugehen hat.

[1, 6, § 4] 289. Gleichwie in Gegentheil, wann eine vortheilhafte Gelegenheit vorfiele, denen Waisen aus ihren darzu erklecklichen Mitteln zu ihrem Nutzen ein liegendes Gut, Haus oder Grundstuck anzukaufen, der Vormund schuldig ist, bei der Vormundschaftsgehörde die ihn hierzu bewegende Ursachen mit dem verläßlichen Anschlag

(1-212) des Guts, Hauses oder Grunds, dessen Ertragniß, Zugehörungen Herrlichkeiten, Anlagen, Beschwerden, Haftungen und den Preis desselben anzuzeigen.

[1, 6, § 4] 290. Nach all dessen reifer Erwägung und genauer Untersuchung, auch nöthigen Falls veranlaßter Besichtigung und daraus erhobenen Befund eines wahren Nutzens hat die Vormundschaftsgehörde dem Vormund die Bewilligung zu dem vorhabenden Kauf entweder bis auf einen bestimmten Preis, und mit Vorschrift der Kaufbedingnissen, oder aber mit Vorbehalt ihrer nach Einsicht des geschlossenen Kaufs erfolgenden Gutheißung zu ertheilen, und die Bewilligung oder Bestätigung des Kaufs allemal in den Kaufbrief einziehen zu lassen.

[1, 6, § 4] 291. Güter und Landwirthschaften, welche derorten insgemein von denen Besitzeren selbst besorgt und bestellet werden, darf kein Vormund ohne besonderer Ursach und von der Vormundschaftsgehörde darzu erhaltener Verwilligung verpachten, noch auch die zu verpachten gewöhnliche auf eine längere Zeit, als insgemein üblich ist, in Pacht geben.

[1, 6, § 4] 292. Dahingegen bedarf es bei Bestandgebung oder Vermiethung einzler Gründen, Nutzungen und Hauswohnungen dieser besonderen Verwilligung nicht, wann der Bestand oder die Miethung sich nicht über zwei Jahre hinaus erstrecket, und der bedungene Zins gegen dem vorhinigen nicht merklich herabfällt.

[1, 6, § 4] 293. So viel es aber das bewegliche Waisengut betrifft, so solle gleich bei dessen Beschreibung, folglich noch vor desselben Einantwortung an den Vormund, was davon zu veräußeren oder aufzubehalten für die Waisen nutzlich seie, erwogen werden.

[1, 6, § 4] 294. Was nicht bei dem Geschlecht zu verbleiben hat, oder von dem Vater, Vorelteren oder anderen Erblasseren aufzubehalten namentlich verordnet ist, oder als ein besonderes Denkmal für die Nachkommenschaft aufbehalten zu werden verdienet, oder von Grund und Boden unabsönderlich ist, alles dieses ist je eher je besser zu verkaufen, und der dafür erlöste Werth zur Benutzung sicher anzulegen.

[1, 6, § 4] 295. Sachen aber, welche denen Waisen dermaleinstens nutzlich sein können, und nicht leicht wieder zu haben, noch der Verderbungsgefahr unterworfen sind, sollen ohne Noth nicht verkaufet, noch auch mit der Veräußerung solcher Sachen geeilet werden, welche mit der Zeit bessere Käufer finden können, oder durch längere Aufbehaltung in ihrem Werth steigen.

[1, 6, § 4] 296. Ueberhaupt kommt die Beurtheilung dessen, was zu veräußeren oder aufzubehalten seie, dem vernünftigen Ermessen deren zur Beschreibung des Waisenguts abgeordneten Gerichtspersonen, des etwan mitanwesenden Vormunds und Befreundten und bei Verschiedenheit der Meinungen der obervormundschaftlichen Erkanntniß zu.

[1, 6, § 4] 297. Was aufzubehalten befunden wird, ist, so viel möglich, gleich bei der Beschreibung des Waisenguts von denen zum Verkauf bestimmten Sachen abzusönderen, beide aber sind durch beeidigte Schätzere, oder, wo diese ohne großen Kosten nicht zu haben sind, durch andere der Sachen verständige Kennere gewissenhaft, und also, wie sie ihre Schätzung auf Erforderen eidlich bekräftigen können, zugleich abzuschätzen, und die Schätzungspreise der gerichtlichen Beschreibung beizufügen.

[1, 6, § 4] 298. Könnte aber dieses bei der Beschreibung des Waisenguts ohne großem Aufwand oder Verzögerung nicht geschehen, so mag die Schätzung immittelst unterbleiben, und alsdann erst vorgenommen werden, wann zur Veräußerung oder Erbtheilung geschritten werden will.

[1, 6, § 4] 299. Mit der Veräußerung der zum Verkauf bestimmten Sachen ist nicht zu saumen, sondern solche des fördersamsten nach vorangegangener Schätzung entweder an dem Ort, wo die Sachen befindlich, oder auch anderwärts, wo sie

(1-213) leichter und besser an Mann gebracht werden können, doch niemalen anderst, als gerichtlich mittelst öffentlicher Feilbietung vorzunehmen.

[1, 6, § 4] 300. Das für die verkaufte Sachen gelöste Geld ist so, wie die bei der Beschreibung vorgefundene Barschaft bis auf so viel, als der Vormund zu vormundschaftlichen Ausgaben nöthig hat, von Zeit zu Zeit, wie solches eingehet, mittelst einer von denen dazu verordneten Gerichtspersonen über den gelösten Betrag jedesmal zu erstatten habenden Berichts bei Gericht zu hinterlegen, dem Vormund aber seiner Zeit eine gerichtliche Verzeichniß all dessen, was verkaufet worden, mit Anmerkung des dafür hinterlegten Preises zu Belegung seiner künftigen Rechnungen auszufolgen.

[1, 6, § 4] 301. Was wegen Mangel der Kauflustigen nicht verkaufet werden kann, solle dem Vormund eingeantwortet werden, damit derselbe diese Sachen so bald und so hoch wie möglich, doch niemalen unter der Schätzung zu verkaufen trachte, es würde ihme dann dieses ausdrücklich verwilliget, oder, da es Kleinigkeiten beträfe, ihme hierinnen freie Hand gelassen, den Verkauf so gut als möglich zu bewirken.

[1, 6, § 4] 302. Desgleichen sind demselben auch jene Sachen, welche für die Waisen aufzubehalten befunden worden, zur sorgfältigen Verwahrung einzuhändigen.

Doch, da sich ein erhebliches Bedenken äußerte, können und sollen dieselbe in gerichtlicher Verwahrung gehalten, oder an andere sichere Orte hinterleget, dem Vormund aber hierüber ein Hinterlegungsschein zur Belegung seiner Rechnungen hinausgegeben werden.

[1, 6, § 4] 303. Die Waisengelder, so viel hieran laut der Beschreibung des Waisenguts

(1-214) an Barschaft vorgefunden, oder aus dem verkauften Waisengut gelöset, und von so einem, als anderen über Abzug deren unausweichlichen Vormundschaftsausgaben erübriget, oder von der jährlichen Ertragniß ersparet, oder an Capitalien, Ausständen und Forderungen heimgezahlet oder eingetrieben wird, sollen nach Maßgebung Unserer hierwegen bestehenden besonderen Verordnung mit Vorwissen der Vormundschaftsgehörde verzinslich angeleget werden.

[1, 6, § 4] 304. Und im Fall sie an Privatpersonen auszuleihen befunden würde, so solle solches nicht anderst, als gegen landtäflich, stadt oder grundbücherlich auf einem liegenden Gut verschriebener hinlänglicher Versicherung, mit jedermal vorläufig einzuholen habender ausdrücklicher Gutheißung der Vormundsgehörde unter landesgewöhnlichen Zinsen geschehen können.

[1, 6, § 4] 305. Sowohl die über die neu angelegte Capitalien ausgestellte, als in der Beschreibung des Waisenguts einkommende Schuldbriefe sollen von der Vormundschaftsgehörde in gerichtliche Verwahrung genommen, und derorten, wo eigene Hinterlegungsämter von Uns aufgestellet sind, dahin gegen einem ordentlichen die Anzahl, Eigenschaft und Betrag dieser Schuldbriefen mit dem Jahr und Tag der Ausstellung, und allenfalls darauf befindlichen Vormerkung deutlich enthaltenden Hinterlegungsschein zur Verwahrung abgegeben, wo aber zur Zeit keine dergleichen Hinterlegungsämter sind, bei Gericht sicher aufbehalten werden.

[1, 6, § 4] 306. Dem Vormund jedoch sind zu seiner Nachricht Verzeichnissen und Abschriften davon zu geben: dahingegen die Schuldbriefe selbst nur damals zu seinem Handen auszufolgen, wann die Vormundschaftsgehörde solche demselben entweder zur Ausführung eines hierwegen entstandenen Rechtshandels, oder zu der von ihr bewilligten Erhebung, Uebertragung oder Umlage des Hauptgelds oder Capitals, oder auch zur bewirkenden Vormerkung der Schuldforderung, oder zur Eintreibung derselben, oder zu anderen derlei rechtlichen Nothdurften zuzustellen nöthig findet.

[1, 6, § 4] 307. Die in der Beschreibung des Waisenguts einkommende, oder sonst nachhero sich ergebende Forderungen und Ausstände der Waisen sind entweder in öffentlichen Fundis angeleget, oder auch landtäflich, stadt oder grundbücherlich versicheret oder nicht, die unversicherten entweder verbrieft oder unverbrieft, beide aber richtig oder unrichtig.

[1, 6, § 4] 308. Von denen in öffentlichen Fundis angelegten oder hinlänglich versicherten Capitalien hat der Vormund die abfallende Zinsen fleißig einzuforderen und keine Rückstände anwachsen zu lassen, sondern da auch zur zweiten Verfallzeit von dem Privatschuldner nicht eingehalten würde, den ganzen Rückstand sofort gerichtlich einzutreiben, und da die Unrichtigkeit öfters vorginge, oder wegen der Sicherheit ein Bedenken wäre, nach vorhergehender Anzeige an die Vormundschaftsgehörde und darüber erhaltener Genehmhaltung das Capital zur Heimzahlung aufzukündigen.

[1, 6, § 4] 309. Ueberhaupt solle kein Vormund für sich allein befugt sein, ein in öffentlichen Fundis anliegendes oder landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerktes Capital ohne Bewilligung der Vormundschaftsgehörde aufzukündigen, zu deren Erwirkung derselbe allemal die Bewegursachen, warum er die Aufkündigung denen Waisen nothwendig oder nutzlich zu sein finde, ihr anzuzeigen hat.

[1, 6, § 4] 310. Dahingegen stehet einem jedwedem Schuldner frei, das bei ihme anliegende Capital der Waisen dem Vormund aufzukündigen, und dieser ist allerdings schuldig, die ihme behörig geschehene Aufkündigung anzunehmen und der Vormundschaftsgehörde hiervon die Anzeige zu machen.

(1-215) [1, 6, § 4] 311. In beiden Fällen, wo nämlich entweder mit Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde dem Schuldner aber von diesem dem Vormund das Capital aufgekündiget wird, hat die Vormundschaftsgehörde dem Vormund einen besonderen Bewilligungsbescheid zur Erhebung des Gelds und Ausstellung der Quittung zu ertheilen, ohne welche ihme von dem Schuldner das Capital nicht ausgezahlet, sondern zu Gerichtshanden erleget werden solle.

[1, 6, § 4] 312. Wie dann keine von dem Vormund über ein Capital der Waisen ausgestellte Quittung, Abtretung oder Verzicht bei Gericht angenommen, noch weniger irgendwo einverleibet werden darf, wann nicht zugleich die von der Vormundschaftsgehörde darzu habende Verwilligung beigebracht und sich hierauf in der ausstellenden Quittung, Abtretung oder Verzicht nicht ausdrücklich bezogen wird.

[1, 6, § 4] 313. Das heimgezahlte Capital ist sogleich anwiederum obverordneter Maßen mit Sicherheit zinsbar anzulegen, und hat der Vormund zugleich mit der Anzeige der Aufkündigung auch einen anderen sicheren Ort zur Wiederanlegung der Vormundschaftsgehörde vorzuschlagen und hierzu ihre Einwilligung anzusuchen.

[1, 6, § 4] 314. Wann aber der Vormund kein sicheres Ort ausfindig zu machen vermögete, so hat derselbe diesen Umstand wenigstens vier Wochen vor der Zahlungszeit der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen, damit durch öffentliche Kundmachung (daß einige Waisengelder zur sicheren Anlegung vorhändig sind) oder in andere Wege dem aus unfruchtbarer Erliegung dieser Gelder besorglichen Schaden der Waisen vorgebogen werden könne.

[1, 6, § 4] 315. Würde hingegen ein Vormund deme, was hier oben verordnet worden, nicht nachkommen, sondern die Anzeige in der Zeit unterlassen, oder die obervormundschaftliche Bewilligung zur Erhebung und Quittirung nicht erwirken, und somit zur unfruchtbaren Erliegung oder zur gerichtlichen Hinterlegung des Waisengelds aus seiner Schuld Anlaß geben, so solle derselbe nicht allein die Unkosten der gerichtlichen Hinterlegung, sondern auch den wegen Nichtnutzung des Gelds denen Waisen inzwischen zugehenden Schaden bis zu dessen sicherer Wiederanlegung oder anderweiter nutzbarer Verwendung zu ersetzen schuldig sein, daß Geld oder bis dahin bei dem Hinterlegungsamt in Verwahrung gegeben, oder wo kein solches Amt befindlich, bei Gericht sicher aufbehalten werden.

[1, 6, § 4] 316. Bei unvorgemerkten, oder doch verbrieften Forderungen hat der Vormund aus dem Inhalt der Schuldbriefen die Bewandtniß der Schuldforderung abzunehmen, ob darinnen ein Unterpfand bestellet seie, oder nicht, ob und was für eine Aufkündigungszeit bedungen, oder was für eine Verfallzeit bestimmet, ob die Forderung richtig oder strittig, ob der Schuldner in zahlungsfähigem Stande oder unsicher seie.

[1, 6, § 4] 317. Unvorgemerkte Hauptbriefe, worinnen ein Unterpfand bestellet ist, sollen ohne Ausnahme zur Vormerkung gebracht, da aber in einer Schuldverschreibung kein Unterpfand bestellet wäre, zur Sicherheit der Waisen die ausdrückliche Bestellung eines genugsamen Unterpfands von dem Schuldner anbegehret und solche behörig vorgemerket, widrigens in der bedungenen Zeit die Zahlung geforderet und bei besorgender Gefahr immittelst auf die Sicherstellung der Waisen, wie es am füglichsten geschehen kann, fürgedacht werden.

[1, 6, § 4] 318. Allermaßen dann die Schuldigkeit eines jeden Vormunds mit sich bringt, alle verbriefte Forderungen, wofür keine hinreichende Sicherheit bestellet ist, noch von denen Schuldneren erhalten werden kann, unverlängt gütlich oder gerichtlich einzutreiben, und die erwartende Zahlung zu gleichem Ende, wie es oben von versicherten Capitalien erwähnet worden, der Vormundschaftsgehörde zeitlich anzuzeigen.

[1, 6, § 4] 319. Um so mehr lieget dem Vormund ob, alle unverbriefte Ausstände und Forderungen sobald möglich einzubringen, oder eine hinlängliche Sicherheit zu verschaffen, und ist derselbe befugt das eingehende Geld, ohne eine obervormundschaftliche

(1-216) Bewilligung hierzu nöthig zu haben, selbst zu erheben, welches er sofort in Rechnungsempfang zu nehmen und damit also zu verfahren hat, wie es in Ansehung vorräthiger Barschaft hiernach verordnet wird.

[1, 6, § 4] 320. Auf gleiche Art hat ein Vormund mit strittigen Forderungen fürzugehen, und solche entweder mittels eines von der Vormundschaftsgehörde genehmhaltenden Vergleichs oder in Weg Rechtens richtig zu stellen, dabei aber auch auf alle bewirken mögende Sicherheit fürzusorgen.

Doch solle keinem Vormund unter was immer für einem Vorwand Schuldforderungen der Waisen an sich zu lösen oder zu erhandlen gestattet sein.

[1, 6, § 4] 321. Vornehmlich aber hat die Vormundschaftsgehörde auf die genügliche Sicherstellung aller denen Waisen angebührenden Schuldforderungen auch jenen Falls, wo der Vormund an seiner Obliegenheit etwas erwinden ließe, von amtswegen fürzudenken. Widrigens wo selbe hierinfalls eines Saumsals überwiesen werden könnte, ist sie denen Waisen Dasjenige, um was diese aus ihrer Schuld erweislich gefährdet worden, und was von dem die Schuld mittragenden Vormund nicht erholet werden kann, aus dem Eigenen zu ersetzen schuldig.

[1, 6, § 4] 322. Von denen vorräthigen Barschaften, welche nach Abzug aller nothwendigen Vormundschaftsausgaben erübrigen, sollen vorzüglich die Waisenschulden baldmöglichst getilget werden, und dabei vor Allem auf die Entledigung des Waisenguts von denen darauf versicherten Haftungen der Bedacht genommen, auch hierüber vorhero allemal von dem Vormund der Vorschlag der leisten wollenden Zahlung der Vormundschaftsgehörde vorgeleget und ihre Genehmhaltung eingeholet, sodann aber die über die geleistete Zahlung erhaltene Quittungen und zuruckgestellte Schuldbriefe derselben zur Verwahrung übergeben werden.

[1, 6, § 4] 323. Was nach getilgten Schulden an der Barschaft übrig bleibt, solle mit Begenehmigung der Vormundschaftsgehörde zur Verbesserung des Waisenguts auf Zukaufung nutzlicher Grundstücken, Ablösung der auf dem Waisengut haftender Zinsen, Abgaben oder Dienstbarkeiten, oder in andere nutzliche Wege verwendet werden.

[1, 6, § 4] 324. Es kann auch ein außerordentliche Verbesserung deren Gütern und Gründen in allen Gattungen der Wirthschaft aus der vorhändigen Barschaft und weiteren Ersparnissen vorgenommen werden, wodurch die Ertragniß eines Guts vermehret und der Nutzen erhöhet werden kann, wann solche die Vormundschaftsgehörde ersprießlich zu sein findet und hierzu einwilliget.

[1, 6, § 4] 325. Diese Einwilligung ist insonderheit zu Aufführung neuer oder kostbarer Erneuerung alter Wohn oder auch Wirthschaftsgebäuden erforderlich, zu deren Erwirkung der Vormund jederzeit einen verläßlichen Ueberschlag deren darzu erforderlichen Kosten einzubringen, und den von der Vormundschaftsgehörde beangenehmten Betrag nicht zu überschreiten hat.

[1, 6, § 4] 326. Wann jedoch die Vormundschaftsgehörde keine Nothwendigkeit, Nutzbarkeit oder besondere Wohlanständigkeit dabei zu unterwalten findet, solle sein keineswegs hierein willigen, und umsoweniger die Unternehmung unnützer Gebäuden zu bloßem Pracht und Lust gestatten.

[1, 6, § 4] 327. Was aber die Herstellung und Erhaltung der Gründen und Gebäuden in guten Stand anbelanget, deren Besorgniß lieget dem Vormund ohnedies nach dem ordentlichen Wirthschaftstrieb ob, worzu er so viel, als nöthig ist, nicht allein aus denen Einkünften, sondern auch aus denen Barschaften und Ersparnissen ohne besonderer obervormundschaftlicher Verwilligung unter der Verrechnung verwenden kann.

[1, 6, § 4] 328. Außer derlei Vorfällen solle sie vorhändige Barschaft sowie die sich von Zeit zu Zeit ergebende Ersparnissen nach obstehender Anordnung mit Vorwissen und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde verzinslich angelegt, widrigens

(1-217) aber der denen Waisen aus Schuld des Vormunds durch fruchtlose Erliegung der Gelder zugehende Schaden von ihme ersetzet werden.

[1, 6, § 4] 329. Wie kann ein jeder Vormund mit denen Waisengeldern ohne allem Eigennutz getreulich gebaren, und diese mit denen seinigen niemals vermischen, noch solche zu seinem eigenen Gebrauch, Nutzen oder Nothdurft bei schärfester Ahndung verwenden solle.

[1, 6, § 4] 330. Hätten die Waisen eine Handlung oder sonst verdienstliches Gewerb, dessen Beibehaltung und Fortsetzung zu ihren Handen von der Vormundschaftsgehörde für sie ersprießlich zu sein befunden würde, und der Vormund wäre wegen Unkundigkeit des Gewerbs, Handels oder Handtirung (!), oder wegen eigener Nahrungsgeschäften außer Stande dasselbe nach Erforderniß zu besorgen, kann derselbe bei der Vormundschaftsgehörde um Beigebung einiger tüchtiger und des Gewerbs erfahrener Leuten einkommen, und sich anmit von aller Verantwortung, wann durch diese denen Waisen ein Schaden widerfahren und seinerseits keine Schuld unterlaufen würde, entledigen.

[1, 6, § 4] 331. Wo er aber sich selbst Leute nach eigener Auswahl zu Führung des Gewerbs oder Handels erkiesete, hat derselbe alle Behutsamkeit, damit die Waisen durch sie nicht gefährdet werden mögen, anzuwenden, und wann seinerseits in deren Auswahl, nöthigen Vorsicht oder Einsicht eine Schuld unterliefe, für allen denen Waisen von diesen Leuten zugefügten Nachtheil selbst zu haften, obschon ihme die Schadenserholung wider Jene, welche hieran Schuld tragen, allerdings bevorstehet.

[1, 6, § 4] 332. Wann jedoch die Vormundschaftsgehörde aus denen Rechnungen oder sonst beglaubten Anzeigen den schlechten Fortgang des Gewerbs oder Handlung wahrnehmen würde, so solle dieselbe, falls der Mangel an dem Gewerb oder der Handlung selbst ist, die weitere Betreibung aufheben, und allenfalls das denen Waisen hierzu angebührende Recht wie es ihnen am vortheilhaftesten geschehen kann, an Andere zu überlassen trachten, oder da der Fehler an Seiten des Vormunds oder deren darzu angestellten Leuten, andere Tüchtigere, die das Gewerb unter eigener Verantwortung fortführen, benennen.

[1, 6, § 4] 333. Keinem aber, welcher die Handlung im Namen der Waisen führet, es seie der Vormund oder ein Anderer, ist erlaubt einen heimlichen Antheil an dem Gewinn zu nehmen, oder den Verdienst und Kundschaften unter der Hand an sich zu ziehen.

[1, 6, § 4] 334. Dahingegen kann ein Vormund, welcher schon mit dem Vater der Waisen oder mit einem anderen Erblasser, von deme das Gewerb auf die Waisen gekommen, in Gesellschaft gestanden, oder als Miterb mit denen Waisen in solche

(1-218) gerathet, solange dabei beharren, bis nicht die Vormundschaftsgehörde die Absönderung nöthig findet.

[1, 6, § 4] 335. In Erforschung der Kräften einer Handlung oder Gewerbs hat die Vormundschaftsgehörde mit aller Behutsamkeit fürzugehen, damit solche nicht entdecket werden, sondern zu Aufrechthaltung Trauens und Glaubens, so viel möglich, geheim bleiben mögen.

[1, 6, § 4] 336. Zu diesem Ende ist anstatt der sonst gewöhnlichen gerichtlichen Beschreibung des Waisenguts der Hauptstand der Handlung oder des Gewerbs von denen Handlungsbuchhalteren oder anderen Rechnungsführeren abzuheischen, solcher von zwei oder mehreren darzu bestellenden vertrauten Männern mit denen vorhandenen untadelhaften Handlungsbüchern zusammzuhalten, die gefundene Richtigkeit von ihnen an Eidesstatt oder nach Umständen mit einem körperlichen Eid unter Angelobung der Verschwiegenheit zu bekräftigen, bei Gericht zu hinterlegen, daselbst unter dem Gerichtssiegel zu verwahren und geheim zu halten.

[1, 6, § 4] 337. Auf gleiche Weise solle währender Vormundschaft von Jahr zu Jahr ein Hauptüberschlag der Schulden und Forderungen, Handlungsvorräthen, Gewinns und Verlusts abgeheischet, in Geheim untersuchet, und nach befundener oder hergestellter Richtigkeit bei Gericht hinterleget werden.

[1, 6, § 4] 338. Ueberhaupt bestehet das Amt eines Vormunds in Ansehung des

(1-219) ihme anvertrauten Waisenguts darinnen, daß derselbe alle von Landgütern, Grundstücken, Häusern, zinsbar angelegten Geldern, Renten, Gülten, oder wie sonst abfallende Nutzungen, wie auch den aus Gewerben und Handlungen beziehenden Gewinn empfange, gebührend verrechne, und das Vermögen der Waisen treu und emsig so, wie es ein guter und sorgfältiger Wirth und Haushalter mit seinem Eigenem nach dortigem Landesbrauch insgemein zu thun pfleget, verwalte, folglich dessen Nutzen und Aufnahme, wie bei Abwendung alles Schadens, so viel an ihm lieget, sich angelegen sein lasse.

[1, 6, § 4] 339. Er hat dahero für Gefährde und Arglist große, und leichte oder geringe Schuld zu haften, und allen aus seiner üblen Gebarung, Fahrlässigkeit und Verwahrlosung denen Waisen zugefügten Schaden unnachsichtlich zu ersetzen.

[1, 6, § 4] 340. Wo aber eine wahre Gefährde und Arglist mit unterwaltete, ist derselbe über das nebst Verlust der Vormundschaft dem Verbrechen gemäß zu bestrafen. Doch muß die Arglist offenbar und der Vormund eines solchen bösen Beginnens überführet sein.

Ansonst ist der schädliche Erfolg für keine Gefährde, sondern nach der im Zweifelsfall vordringenden milderen Ausdeutung einer Schuldtragung beizumessen, folglich es allein bei dem Ersatz des Schadens ohne weiterer Strafe und gestalter Dingen nach bei Benehmung der Vormundschaft bewenden zu lassen.

[1, 6, § 4] 341. Ob hingegen die bei der Untersuchung hervorgekommene Schuld für eine geringe, mithin die Verfänglichkeit zum Ersatz nach sich ziehende Schuld angesehen zu werden verdiene, und ob der Schaden dadurch erfolget oder der Nutzen deswegen zuruckgeblieben seie, dieses hangt vornehmlich von dem richterlichen Ermessen ab.

[1, 6, § 4] 342. Dann wo die Schuld guten Theils abgeleinet wäre, und nur der leichtesten und geringsten beikäme, oder kein sonderlicher Schaden daraus erfolget, oder kein beträchtlicher Nutzen deshalben zurückgeblieben, noch für das Künftige entgangen, oder endlich unvorgesehene Zufälle hinzugestoßen, außer welchen der Nachtheil nicht entstanden sein würde, da solle nicht so streng auf Ersatz gedrungen werden, obschon der Vormund nach Umständen zu mehreren Fleiß anzumahnen ist.

[1, 6, § 4] 343. Insgemein ist zwar ein Vormund für die geringste Schuld nicht verfänglich, wann sie aber also beschaffen ist, daß selbe aus erschwerenden Umständen nach richterlichen Befund zu einem größeren Grad der Schuld gerechnet werden könne, so solle auch hierwegen auf den Ersatz des verursachten Schadens oder unterbliebenen Nutzens erkennet werden.

[1, 6, § 4] 344. Bei Bestimmung des Ersatzes ist mit Rücksicht auf jene Maßregeln, welche deshalben im dritten Theil vorgeschrieben werden, nur auf den wesentlichen Schaden, oder verhinderten Nutzen, nicht aber auf übermäßige Schätzung oder bloße muthmaßliche Anschläge zu sehen.

[1, 6, § 4] 345. Zufälle hingegen, welchen keine Schuld vorgegangen, und die durch menschliche Vorsicht insgemein nicht verhütet werden können, fallen einem Vormund keineswegs zu Last, folglich kann ihme auch deswegen kein Ersatz aufgebürdet werden.

[1, 6, § 4] 346. Auch für fremde Schuld hat ein Vormund nicht zu haften, wanngleich durch Jene, deren sich derselbe zur Verwaltung des Waisenguts gebrauchet, denen Waisen ein Schaden zugefüget oder ein Nutzen entzogen worden wäre, insoferne seinerseits in Auswahl dieser Leuten keine Schuld begangen, und die sonst dabei erforderliche Vor und Einsicht nicht außer acht gelassen worden.

[1, 6, § 4] 347. Wiewohlen, er aber bei der Vormundschaftsgehörde, über Alles, was einigen Bedenken unterlieget und einer näheren Ausführung bedarf, zur Verantwortung gezogen werden muß, und dahero die Behörde auf seine Nachgesetzte nicht

(1-220) verweisen kann, so ist ihme jedoch unverwehret, Diejenige, deren er sich in Verwaltung der Vormundschaft besonders bei Wirthschaften, Handlungen und Gewerben gebrauchet hat, zur Mitverantwortung zu ziehen, und sich in deme, woran nicht er, sondern Jene die Schuld tragen, auszuführen.

[1, 6, § 4] 348. Ist die Vormundschaft zwischen mehreren Vormünderen entweder von dem Erblassere oder von Gericht vertheilet, so hat auch deren Jeder nach Maß des ihme anvertrauten Antheils die vormundschaftlichen Erfordernissen zu leisten und seinen Antheil zu verwalten, für dem anderen aber nichts zu verantworten.

[1, 6, § 4] 349. Wären aber mehrere Vormündere ohne Vertheilung der Verwaltung letztwillig benennet und gerichtlich bestätiget worden, so sind auch alle des Waisengut auf gleiche Weise zu versicheren und dafür mit gesammter Hand, das ist: Alle für Einem und Einer für Alle, zu haften schuldig, obschon ihnen unbenommen ist, die Verwaltung der Vormundschaft unter sich nach Gefallen zu vertheilen.

[1, 6, § 4] 350. Doch sollen sie gleich bei Antritt der Vormundschaft einen von ihnen unter sich zum Hauptvormund erwählen, welcher allein der der Vormundschaftsgehörde das Nöthige besorge, und über die Verwaltung der ganzen Vormundschaft mit Einziehung der von denen übrigen Mitvormünderen geführten Raitungen die Hauptrechnung erlege, die Mängel selbst verantworte, und gegen freistehender Wiederholung an denen Uebrigen richtig stelle, folglich deme auch allein von der Vormundschaftsgehörde das Erforderliche zukomme.

[1, 6, § 4] 351. Würden aber die Vormündere in Erkiesung eines Hauptvormunds saumig sein oder sich darüber nicht vereinigen können, so solle es eben dadurch von der getheilten Vormundschaft abkommen, und die Vormundschaftsgehörde den Tauglichsten aus ihnen zum Hauptvormund bestellen, somit aber diesem die Versicherung des gesammten Waisenguts und die Verwaltung der Vormundschaft allein auftragen, wodurch die Uebrigen von der Verbürgung und künftigen Verantwortung entbunden werden, und nur als Ehrenvormündere anzusehen sind.

[1, 6, § 4] 352. Außer dem Fall mehrerer letztwillig ernannter Vormünderen kann auch damals, wann die Weitläufigkeit oder Zertrennung des Waisenguts erforderet mehrere Vormündere obrigkeitlich zu bestellen, die Verwaltung der Vormundschaft von der Gehörde zwischen ihnen vertheilet, und von Allen zwar die Vormundschaftspflicht auf gleiche Weise, die Verbürgung aber nur von einem jedem nach Maß des von ihme zu verwaltenden (!) habenden Antheils abgenommen werden, welchem Falls ein jeder für seinen Antheil die Vormundschaft besonders zu verwalten, und für die Antheile der Anderen keine Verantwortung hat.

[1, 6, § 4] 353. Doch ist jener von ihnen, welchem die Besorgniß der Person der Waisen aufgetragen worden, insoweit für den Hauptvormund anzusehen, als zu seiner Verwaltung auch alles der Person folgende bewegliche Vermögen gehöret, und ihme allein alle Vertretung der Waisen in persönlichen Sprüchen oblieget, welches Alles in dem Waisenbuch, um allen künftigen Beirrungen vorzukommen, wohl anzumerken ist.

[1, 6, § 4] 354. Die Verwaltung der Vormundschaft gebühret nur wahren und

(1-221) wirklichen Vormünderen, welche die obvorgeschriebene Vormundschaftserfordernissen geleistet haben.

Diese sind dahero von Ehren-Vormünderen, Beiräthen oder Vormundschaftsgehilfen, Stattvormünderen, vermeintlichen Vormünderen und falschen Vormünderen zu unterscheiden.

[1, 6, § 4] 355. Ehrenvormündere sind jene, welche bloß den Namen eines Vormunds Ehren halber haben, und so von der Verwaltung der Vormundschaft, wie von Leistung der vormundschaftlichen Erfordernissen und von aller Verantwortung enthoben sind.

[1, 6, § 4] 356. Bei letztwillig bestellter Vormundschaft ist derjenige nur ein Ehrenvormund, deme entweder aus mehreren letztwillig benannten Vormünderen nur der Namen und die Ehre eines Vormunds, denen anderen aber die Verwaltung des Waisenguts aufgetragen worden, oder welcher aus mehreren letztwillig benannten Vormünderen, wann sie sich über die Auswahl eines Hauptvormunds nicht vergleichen können, von der Vormundschaftsgehörde in dem Auftrag der Verwaltung übergangen wird.

[1, 6, § 4] 357. Bei der Vormundschaft der nächsten Blutsfreunden ist jener nur ein Ehrenvormund, welchen die Vormundschaftsgehörde mit dem gerichtlichen Auftrag der Vormundschaft zwar nicht zu übergehen, jedoch aber aus erheblichen Ursachen

(1-222) einem weiteren Befreundten, oder auch einem Fremden die Verwaltung der Vormundschaft aufzutragen befunden hat.

[1, 6, § 4] 358. Endlich kann auch bei obrigkeitlich bestellter Vormundschaft Jemand von der Vormundschaftsgehörde als ein Ehrenvormund gleichsam zur Oberaufsicht über jenen, deme die Verwaltung des Waisenguts aufgetragen wird, ernennet werden, wann es nach Umständen erforderlich oder besonders rathsam erachtet wird, weshalben auf den Inhalt des vormundschaftlichen Auftrags zu sehen ist.

[1, 6, § 4] 359. Aus der alleinigen Ursache aber, daß unter mehreren Vormünderen, zwischen welchen die Verwaltung der Vormundschaft getheilet ist, einer von ihnen zum Hauptvormund bestellet oder dafür angesehen wird, sind die anderen deshalben nicht für bloße Ehrenvormündere zu achten, sondern dieselben sind alle wahre Mit oder Nebenvormündere, welche nach dem oben berührten Unterschied entweder sammt und sonders, oder deren jeder für seinem Antheil die Verantwortung zu tragen haben.

[1, 6, § 4] 360. Dahingegen sind Diejenigen, welche einer Mutter oder Großmutter zu vormundschaftlichen Beiständen ohne Auftrag der Mitverwaltung zugegeben werden, keine wahre Vormündere, sondern nur Beiräthe und Vormundschaftsgehilfen, obschon sie in gemeinem Gebrauch Mit oder Nebenvormündere benamset zu werden pflegen.

[1, 6, § 4] 361. Desgleichen sind auch Jene, welche einem wahren Vormund von der Vormundschaftsgehörde zu Besorgung gewisser Angelegenheiten, deren der Vormund selbst nicht kundig ist, als in Rechts, Wirthschafts, Handlungs oder Gewerbssachen, auf sein Ansuchen oder von amtswegen unter ihrer selbsteigenen Verantwortung zugegeben werden, nicht als Mitvormündere, sondern nur als Beiräthe und Vormundschaftsgehilfen anzusehen.

[1, 6, § 4] 362. Derlei vertraute und des Werks erfahrene Männer, wann der Nutzen der Waisen deren Beiziehung erforderet, hat die Vormundschaftsgehörde sich allenfalls von denen Mitteln und Zünften vorschlagen zu lassen, und sie unter Eidespflicht und allenfalls nöthig findender Sicherheitsleistung anzustellen, oder, da selbe einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen wären, mittelst gewöhnlicher Ersuchungsschreiben durch diese dahin anweisen zu lassen, damit sie denen Vormünderen gegen billiger unter einem auszuwerfen habender Belohnung an die Hand gehen sollen.

[1, 6, § 4] 363. Dieser Auftrag hat mittelst einer besonderen Beglaubigungsurkunde zu geschehen, damit diese Beistände sich nach Erforderniß aller Orten, wo es vonnöthen, mit solcher ausweisen mögen.

Doch gereichet die Auswahl solcher Leuten denen Gerichten zu keiner Verfänglichkeit, wann ihrerseits keine Gefährde oder schwere Schuld dabei unterlaufet.

[1, 6, § 4] 364. Wer wissentlich, daß er nicht Vormund seie, oder noch nicht darzu von der Behörde angestellet worden, in Fällen, wo entweder die Bevormundung durch Zufälle verzögeret würde, oder eine sonstige Nothdurft der Waisen, wo der Vormund nicht zugegen, einen unverlängten Beistand erheischete, sich aus guter Meinung einiger keinen Vorschub leidender Waisengeschäften, damit sie nicht unvertreten bleiben, freiwillig annimmt und solche besorget, wird ein Stattvormund genennet.

[1, 6, § 4] 365. Dieser an sich sehr löbliche Beistand ist jedermänniglich und insonderheit denen Blutsverwandten der Waisen zugelassen. Doch ist ein solcher Stattvormund schuldig, das von ihme zu Handen der Waisen vorgenommene Geschäft, sobald es geschehen kann, bei der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen, und hierwegen nicht weniger, wie ein jeder wahrer und ordentlicher Vormund Red und Antwort zu geben, auch für Gefährde und Schuld zu haften.

[1, 6, § 4] 366. Wer hingegen von einer unbehörigen Gerichtsstelle oder Obrigkeit dessen unwissend zum Vormund bestellet worden, oder sich sonst in gutem Glauben

(1-223) für einen Vormund achtet, da er es doch nicht wäre, dieser ist zwar nur ein vermeintlicher Vormund, doch aber eben also, wie ein wahrer Vormund für die Zeit seiner Verwaltung aus solcher vermeintlicher Vormundschaft verfänglich.

[1, 6, § 4] 367. Ein solcher Vormund ist, welcher wohl wissend, daß er nicht Vormund seie, sich dafür ausgiebt, oder mit seinem Willen von Anderen dafür ausgeben läßt, und sich ohne Noth in die Waisengeschäften einmischt, in Namen derselben als Vormund handlet, und wie immer sich der Verwaltung der Vormundschaft über dieselbe anmaßet.

[1, 6, § 4] 368. Ein solcher falscher Vormund hat nicht nur alle Verbindlichkeiten eines wahren Vormunds auf sich, sondern er ist denen Waisen allen auch aus seiner mindesten Schuld oder Vernachlässigung entstehenden Schaden zu ersetzen schuldig, und sind beinebst alle von ihme unternommene Handlungen (wann solche nicht zum offenbaren Nutzen der Waisen gereichen) ganz unkräftig und nichtig. Wo aber auch Andere durch seine Arglist und Verstellung von ihme hintergangen worden, hat er nicht weniger gleichfalls diese schadlos zu halten, und ist über das wegen solcher unbefugten Anmaßung nach Umständen scharf zu bestrafen.

§. V.

[1, 6, § 5] 369. Alle Vormündere, welche das Waisengut verwalten, sind darüber Rechnung zu legen schuldig, wann sie auch durch letzten Willen des Erblassers davon befreiet wären. Wovon weder der leibliche Vater, wann er die bloße

(1-224) Verwaltung des Kinderguts ohne dessen Nutznießung hat, noch die leibliche Mutter, obschon in dem Heirathsbrief ein Anderes vorgesehen wäre, ausgenommen sind.

(1-225) [1, 6, § 5] 370. Nicht nur bei Endigung der Vormundschaft, sondern nach Ausgang eines jeden Jahrs soll ein jedweder verwaltender Vormund seine jährliche Raitung bei der Vormundschaftsgehörde erlegen.

[1, 6, § 5] 371. Wo Wirthschafts, Gewerbs oder andere Rechnungen mit unterlaufen, welche ordentlicherweise mit dem gemeinen Jahrgang geschlossen zu werden pflegen, sind die Jahrgänge von Anfang bis Ende eines jedweden gemeinen oder natürlichen Jahrs zu nehmen.

[1, 6, § 5] 372. Wann aber eine dergleichen Vormundschaft währendem solchen gemeinen Jahrslauf angetreten oder geendigt wird, ist in diesen Fällen für die Zwischenzeit eine Stuckrechnung von Anfang der angetretenen Vormundschaft bis zu Ende desselben Jahres, wie ingleichen in dem letzten Jahr, von dessen Anfang bis zur Beendigung oder Abwechslung der Vormundschaft nöthig.

[1, 6, § 5] 373. Bei anderen Vormundschaften hingegen ist der Jahreslauf von dem Tag der angetretenen Vormundschaft bis zu demselben Monatstag des folgenden Jahrs u. s. w. zu rechnen.

Wo aber die Vormundschaft unter diesem Jahrslauf sich endigen oder abgeänderet würde, ist für die Zeit von dem letzten Rechnungsschluß bis zu Abtretung der Vormundschaft die Raitung zu legen.

[1, 6, § 5] 374. Die Erlagszeit der vormundschaftlichen Rechnungen sind nach Ausgang des Jahrs, oder von dem Tag der geendigten Vormundschaft bei größeren Vormundschaften, wo Wirthschafts, Handlungs, oder andere besondere Rechnungen mit einschlagen, drei Monate, bei anderen minder wichtigen Vormundschaften aber, wobei es auf bloße Geldverrechnung ankommt, sechs Wochen.

[1, 6, § 5] 375. In dieser Zeit ist ein Vormund seine Rechnungen ohne weiterer Erinnerung zu erlegen schuldig. Doch kann ihme aus beibringenden erheblichen Ursachen in dem ersterem Fall eine vierwöchentliche, und in dem zweiten Fall eine vierzehentägige Nachfrist, wann solche vor Ausgang der Erlagszeit anverlanget wird, von der Vormundschaftsgehörde verstattet, dahingegen eine weitere außerordentliche Fristerstreckung nur allein bei Uns mit Anführung der unterwaltenden Ursachen angesuchet werden.

[1, 6, § 5] 376. Würde aber der Vormund nach Verlauf der anberaumten oder erstreckten Frist in Erlag der Rechnungen saumig sein, so wird derselbe nicht allein auf dem Fall der fortwährenden Vormundschaft für die Zeit dieses seines Saumsals


(1-226) der denen Vormünderen in dem hiernach folgendem §. ausgemessenen Belohnung verlustig, sondern er solle auch unter aussetzender Geldstrafe und mit anderen Zwangsmitteln hierzu angehalten, und gestalter Dingen nach ihme die Vormundschaft wohl gar abgenommen werden.

[1, 6, § 5] 377. Die Vormundschaftsrechnung muß ordentlich und deutlich, ohne aller Weitläufigkeit und Verwirrung dergestalten verfasset werden, damit hieraus nicht nur die Einnahme und Ausgabe, sondern zugleich auch der völlige Vermögen- und Schuldenstand der Waisen ohne Mühe abgenommen werden könne.

[1, 6, § 5] 378. Zu diesem Ende solle dieselbe in zweien Haupttheilen, als in dem Vermögenstand und in dem Schuldenstand bestehen, und der Vermögensstand das gesammte Vermögen der Waisen, und zwar bei der erstjährigen Rechnung nach der gerichtlichen Beschreibung, und bei denen nachfolgenden Rechnungen allemal nach dem Endauszug der vorigen Raitung sammt dem währenden jeden Rechnungslauf sich ergebenen neuen Zuwachs des Vermögens verläßlich anzeigen, dabei aber auch den Ausweis, was von so Einem als Anderem in Empfang genommen worden, oder noch in Bestand verbleibet, enthalten.

[1, 6, § 5] 379. In dem Schuldenstand müssen alle Schulden bei der erstjährigen Rechnung nach der gerichtlichen Beschreibung und bei denen nachfolgenden Rechnungen nach dem Endauszug der vorigen Raitung sammt dem neuen Zuwachs der Schulden währenden Rechnungslauf angezeiget, und beinebst sowohl die baare Ausgabe und dadurch bewirkte Schuldenverminderung, als auch der weitere Ruckstand derselben ausgewiesen werden.

[1, 6, § 5] 380. Dergestalten, daß sowohl Vermögen- als Schuldenstand in einem Anblick zweifach, nämlich in richtiger Anzeige und in richtigen Ausweis einkomme, und wie bei dem Vermögenstand, also auch bei dem Schuldenstand der Betrag der Anzeige sich mit dem Betrag des Ausweises vollkommen ausgleiche.

[1, 6, § 5] 381. Zu dem Zuwachs des Vermögens gehöret nicht nur alle zwischenzeitige Einnahme, sondern auch der Schuldenabfall, wodurch der Schuldenstand ohne baarer Bezahlung oder

sonstiger Vermögensabnahme verminderet wird, welcher bei dem Vermögensstand in baaren Empfang, bei dem Schuldenstand aber durchlaufend in Ausgab zu bringen ist.

[1, 6, § 5] 382. Zu dem Zuwachs der Schulden hingegen gehöret nicht nur alle zwischenzeitige Ausgabe, sondern auch aller Vermögensabfall, wodurch etwas aus der gerichtlichen Beschreibung, oder aus dem Endauszug der vorigen Raitung dem Vermögen der Waisen entgehet, und dasselbe anmit verminderet wird, welcher bei dem Schuldenstand in baare Ausgab, bei dem Vermögenstand aber durchlaufend in Empfang zu bringen ist.

[1, 6, § 5] 383. Sowohl der völlige Vermögenstand, als der völlige Schuldenstand solle nach seinen verschiedenen Gattungen unterschieden, und deren jedwede unter besonderen Inschriften nach dem Richtmaß der gerichtlichen Beschreibung oder des Endauszugs der vorigen Raitung gestellet werden.

[1, 6, § 5] 384. Wann aber ein Zuwachs des Vermögen- oder Schuldenstands sich ereignet, welcher zu denen in der gerichtlichen Beschreibung oder vorherigen Endauszug enthaltenen Gattungen und Inschriften nicht gehörig ist, so sollen neue und mehrere Gattungen unter gehörigen Inschriften unterschieden werden.

[1, 6, § 5] 385. Es ist auch nicht nöthig, wann viele unter einerlei Gattung und Inschrift gehörige Stücke vorkommen, alle Stuck für Stuck besonders in denen Rechnungen anzuführen, sondern es ist genug, den Betrag der Gattung unter ihrer Inschrift mit Beziehung auf die gerichtliche Beschreibung oder allschon bei Gericht befindliche, oder allenfalls neu beizulegen habende besondere Verzeichnissen auszusetzen.

[1, 6, § 5] 386. Alle und jede eintzle (!) Inschriften sind sowohl zu Ende des Vermögenstands,

(1-227) als zu Ende des Schuldenstands nochmalen in einer Hauptanzeige anzumerken, und deren Betrag in einem Hauptbetrag zusammzuziehen, somit aber zum Beschluß der Vormundschaftsraitung eine zweifache Ausgleichung zu machen, als die erste des völligen in der Raitung vorkommenden Vermögenstands gegen dem völligen Schuldenstand und die andere des zu der folgenden Raitung verbleibenden Vermögenstands gegen dem gleichfalls verbleibenden Schuldenstand.

[1, 6, § 5] 387. Aus deren einer und der anderen muß das klare Vermögen der Waisen hervorkommen, und auf beiderlei Art gleich viel betragen, worüber noch insonderheit eine namentliche Verweisung des verbleibenden sowohl Vermögen- als Schuldenstands der Vormundschaftsraitung beizufügen ist.

[1, 6, § 5] 388. Dahingegen sind die besonderen in die Vormundschaftsraitung einschlagenden Wirthschafts-, Handlungs-, Gewerbs- und dergleichen Rechnungen auf die Art und Weise einzurichten, nach welcher dieselben insgemein geführet zu werden pflegen.

[1, 6, § 5] 389. Hiervon ist in die Vormundschafts-Raitung ein Mehreres nicht einzuziehen, als was der Vormund von daher empfangen oder dahin vorgeschossen hat. Diese besondere Rechnungen aber sind allemal der Vormundschaftsraitung beizulegen, um den Wirthschafts-, Handlungs-, Gewerbs- oder anderen Bestand daraus insonderheit abnehmen zu mögen.

[1, 6, § 5] 390. Alles, was in der Vormundschaftsrechnung einkommt, vornehmlich aber, was in baaren Empfang und in baare Ausgab gebracht wird, muß mit Beilagen bewähret, und zwar jener, wann solcher sich sonst aus denen Rechnungen nicht selbst klar ausweiset, mit Gegenscheinen oder anderen Urkunden, wodurch bekräftiget werde, daß weder mehr noch weniger empfangen worden, diese aber mit Quittungen, Zahlscheinen oder anderen Urkunden, welche die geschehene Zahlung bestätigen, belegt werden.

[1, 6, § 5] 391. Nicht nur große, sondern auch kleine Ausgaben, wann sie einen Gulden oder darüber betragen, müssen mit Quittungen oder Zahlscheinen bewähret werden. Doch können mehrere Ausgaben in ein Verzeichniß zusammengezogen und unter Einem bescheiniget werden.

[1, 6, § 5] 392. Außer deme sollen die Beilagen also beschaffen sein, daß sowohl bei denen Empfangs- als Ausgabsposten der Tag, Monat und Jahr daraus deutlich abzunehmen seie, und mit der Raitung zutreffe.

[1, 6, § 5] 393. Sie müssen ferners der Raitung in Urschriften beigeleget werden, wovon nur Jene ausgenommen sind, deren ein Vormund zu seiner weiteren Rechtfertigung oder Nachverhalt bedarf.

Hiervon kann er zwar nur Abschriften beilegen, doch ist er schuldig, auf gerichtliches Erforderniß die Urschriften selbst jedesmal vorzuzeigen.

[1, 6, § 5] 394. Ueber die Rechnungsbeilagen und mit erlegende besondere Rechnungen ist eine doppelte Verzeichniß beizufügen, worinnen bei jedwedem Stuck ganz kurz angemerket werde, von was für Beschaffenheit die Beilage seie, von welchem Jahr, Monat und Tag sie laute, ob dieselbe in Urschrift oder gerichtlich beglaubigter, oder nur bloßer Abschrift beigelegt werde, und wo die Urschrift von denen beigelegten Abschriften befindlich seie.

[1, 6, § 5] 395. Eine dieser Verzeichnissen hat unter der Fertigung des Vormunds bei Gericht zu verbleiben. Die zweite hingegen ist nach befundener Richtigkeit aller darinnen beschriebenen Beilagen sammt dem Einlagsschein über die eingebrachte Rechnungen dem Vormund unter gerichtlicher Fertigung zu seiner Sicherheit zuruckzustellen.

[1, 6, § 5] 396. Die Rechnung selbst aber muß von dem Vormund mit seiner Handunterschrift und Petschaft bekräftiget, und mit ihren Beilagen bei Gericht aufbehalten werden. Falls jedoch der Vormund eine oder die andere Urkunde davon

(1-228) nöthig hätte, so ist demselben entweder eine gerichtlich beglaubte Abschrift oder nach befindender Nothdurft auch die Urschrift selbst gegen Zuruckhaltung einer gerichtlich beglaubten Abschrift hinauszugeben.

[1, 6, § 5] 397. Die solcher gestalten von dem Vormund zu der Vormundschaftsgehörde erlegte Raitungen sollen, sobald es möglich, von der Vormundschaftsgehörde aufgenommen, das ist untersuchet und erlediget werden, also zwar, daß auch die weitläufigste Vormundschaftsrechnung mit allen derselben beigelegten besonderen Nebenrechnungen noch vor Ausgang des Jahrs unfehlbar erlediget werde.

[1, 6, § 5] 398. Würde sich aber die Erledigung über den Jahrslauf hinaus verzögeren, welches jedoch nur in dem alleinigen und ganz besonderen Fall der durch längere Zeit gänzlich gehemmten Rechtspflege sich ergeben kann, so solle der Vormund nichtsdestoweniger in der obanberaumten Erlagszeit seine nächstjährige Rechnungen einbringen, und darinnen die bei dem vorjährigen Rechnungsschluß gemachte Verweisung des verbliebenen Vermögen- und Schuldenstands zum Grund nehmen.

[1, 6, § 5] 399. Die Aufnehmung und Untersuchung der Vormundschaftsraitungen liegt einer jeden Vormundschaftsgehörde ob, wann nicht derorten besondere Waisenraths- oder darzu gesetzte Raitungsmitteln vorhanden sind.

[1, 6, § 5] 400. Diese hat entweder von dem gesammten Mittel oder durch darzu eigens verordnete Mittelspersonen zu geschehen, welche über den Befund an das gesammte Mittel ihren Bericht zu erstatten haben.

[1, 6, § 5] 401. Die Rechnungs-Aufnehmere haben vor Allem darauf zu sehen, ob die Raitung nach vorstehender Vorschrift verfasset seie, in wessen Ermanglung dem Vormund die Außerachtlassung der vorgeschriebenen Rechnungsform ernstlich verhoben, und die Umfertigung der Raitung binnen zwei oder höchstens vier Wochen ohne aller weiterer Erstreckung unter einer auszumessenden Geldstrafe auferleget werden solle.

[1, 6, § 5] 402. Nach behörig eingerichteter Raitung ist deren vorbereitliche Untersuchung durch die bestellte Raithandlere, oder wo deren keine sind, durch die Aufnehmere selbst, oder auch durch einen in wirklicher Pflicht stehenden, oder eigens mit Pflicht

(1-229) zu belegenden, in Raitungssachen erfahrenen Mann zu veranlassen, und ein Gleiches in Ansehung deren beigelegten besonderen Rechnungen durch Wirthschafts-, Handlungs- oder Gewerbsverständige anzukehren.

[1, 6, § 5] 403. Die Schuldigkeit deren Rechnungsaufnehmeren ist Alles wohl und genau zu durchgehen, zu überrechnen, die Rechnungsfehler oder Mängeln anzuzeigen, nicht minder alle vernünftige Anstände mit Bescheidenheit auszustellen, und diese Arbeit, so viel immer möglich, zu beschleunigen.

[1, 6, § 5] 404. Die hauptsächlichere Anstände können sich in deme ergeben, und zwar bei dem Vermögenstand, ob Alles nach der gerichtlichen Beschreibung, oder nach dem vorhergegangenen gerichtlichen Endauszug darinnen enthalten, ob auch Alles, was seit dem Jahrgang oder dem letzteren Raitungsschluß dem Vermögen zugewachsen, oder doch zuwachsen hätte sollen, darunter begriffen, ob Barschaften mit obervormundschaftlicher Verwilligung und mit genugsamer Sicherheit angeleget, ob nicht einige Gelder ohne Noth durch längere Zeit unfruchtbar erliegen gelassen, oder wohl gar von dem Vormund zu seinem eigenem Nutzen verwendet, und ob endlich Alles zu rechter Zeit eingebracht und in baaren Empfang gestellet, oder in dem weiteren Vermögensbestand als ausständig angemerket worden, und ob der Empfang überall, wo es vonnöthen, mit Beilagen genugsam bewähret seie.

[1, 6, § 5] 405. Bei dem Schuldenstand hingegen, ob nicht die in der gerichtlichen Beschreibung, oder in dem letzt vorhergegangenen Endauszug einkommende Schulden hätten bezahlt werden können, ob die geleistete Zahlungen genüglich erwiesen, ob nicht mehr, als gebühret hat, bezahlet, oder mehr, als bezahlet, in Ausgab gebracht worden, ob alle Ausgaben nothwendig oder nutzlich gewesen, ob sie alle genugsam beleget, die Zinsen von Schulden abgeführet, der Schuldenstand mit oder ohne obervormundschaftlicher Verwilligung und aus was für Ursachen vermehret, und endlich ob die gerichtliche Ausmessung in Unterhalt der Waisen oder zu anderen namhaften Aufwand von dem Vormund angesuchet und nicht überschritten worden seie.

[1, 6, § 5] 406. Ueberhaupt aber ist darauf zu sehen, ob der Nutzen der Waisen in allen Vorfallenheiten beobachtet, und von dem Vormund sein Amt getreulich, vorsichtig und fleißig, wie es Unseren Verordnungen und seinen Pflichten gemäß ist, gehandlet, oder ob nicht gefährlicher oder fahrlässiger Weise von ihm etwas verwahrloset, oder sonst denen Waisen Schaden und Nachtheil zugezogen worden seie.

[1, 6, § 5] 407. Alle dergleichen vorkommende Anstände sollen bei Vortrag der Raitung von der Vormundschaftsgehörde in reife Erwägung gezogen, und nicht allein nach dem Gutachten deren Ausstelleren, sondern nach eigener Einsicht und Beurtheilung untersuchet, da sie aber unerheblich befunden würden, mit deren Uebergehung zur Erledigung der Vormundschaftsraitung geschritten werden.

[1, 6, § 5] 408. Wären hingegen die Bedenken erheblich, so sollen dieselben nach Ordnung der Raitung ausgezogen, und dem Vormund durch die Vormundschaftsgehörde mit der Auflage zugestellet werde, daß er an einem hierzu anzuberaumenden Tag selbst oder durch einen Anwalt erscheine, und seine Erläuterung darüber mündlich beibringe, um alle schriftliche Weitläufigkeit, so viel möglich zu vermeiden.

[1, 6, § 5] 409. Was nun der Vormund bei der Tagsatzung, wobei er ohne aller Ausflucht entweder selbst oder durch einen Bevollmächtigten zu erscheinen hat, genugsam erläuteret, oder selbst zum Ersatz gutwillig übernimmt, dieses Alles ist ordentlich zu vermerken, und das solcher gestalten Verhandlete von dem Vormund oder dessen Anwalt mit seiner Handunterschrift zu bestätigen, wobei es dann auch sein Verbleiben haben, und da auf diese Art Alles behoben worden wäre, zur schließlichen Erledigung der Vormundschaftsraitung geschritten werden solle.

[1, 6, § 5] 410. Was aber durch mündliche Verhandlung in einer oder mehreren Tagsatzungen nicht behoben werden können, sondern in Widerspruch verblieben, darüber

(1-230) allein solle die schriftliche Verfahrung zugelassen, und zu dem Ende das noch Unbehobene von denen bereits behobenen Anständen abgesönderet und besonders ausgezogen werden.

[1, 6, § 5] 411. Diese unbehobene Anstände und Bedenken sind dem Vormund als förmliche Raitungsmängeln auf eine Frist von vier Wochen zuzustellen, um binnen derselben entweder solche schriftlich zu erläuteren oder in widrigen den bei jedweder Mängelspost zugleich ausgesetzten Vergütungsbetrag ohne aller Erstreckung zu ersetzen.

[1, 6, § 5] 412. Nach Verlauf dieser Frist solle keine Erläuterung mehr angenommen, sondern zur Erledigung geschritten, und der Vormund zum Ersatz deren unerläuterten Mängelsposten ohne weiters angewiesen werden.

[1, 6, § 5] 413. Hätte aber der Vormund binnen dieser Frist eine schriftliche Erläuterung eingebracht, und andurch die Mängeln entweder gänzlich behoben oder in keinem Stuck abgeleinet, so solle keine weitere Schriftwechslung veranlasset, sondern die Verhandlung geschlossen, Dasjenige, was bis dahin verhandlet worden, an einem anzuberaumenden Tag in Gegenwart des Vormunds oder seines Anwalts, bei ihrem Ausbleiben aber von amtswegen beschrieben, Stuck für Stuck vorgemerket, zum Vortrag gebracht und darüber, was Rechtens ist, erkennet werden.

[1, 6, § 5] 414. Würden hingegen die Mängel durch die schriftliche Erläuterung zum Theil behoben und einigermaßen abgeleinet, so ist über das Unbehobene eine fernere Bemänglung auszuziehen, und dem Vormund unter einer abermaligen vierwochentlichen Frist zur schließlichen Erläuterung zuzustellen.

[1, 6, § 5] 415. Wann hierbei an Seiten des Vormunds eine Weisung durch Zeugen vorfiele, so ist denen Waisen ein Rechtsobsorger oder Curator zu bestellen, der sie bei der von dem Vormund verführenden Weisung vertretete.

Die Raithandlung aber ist dieserwegen gar nicht aufzuhalten, sondern wann der Vormund in seiner schließlichen Erläuterung nicht darzeiget, daß die Weisung zu Recht anhängig seie, ohne Vorbehalt, ansonst aber mit Vorbehalt, falls der Vormund mit seiner zu Recht anhängigen Weisung nicht aufkommen würde, auf den Ersatz des ausgestellten Mangels zu erkennen.

[1, 6, § 5] 416. Es ist dahero nach der von dem Vormund eingebrachten schließlichen Erläuterung, es möge eine Weisung durch Zeugen mit unterlaufen oder nicht, die Raithandlung vorbesagter Maßen zu beschließen, und die Rechnung ohne weiters zu erledigen.

[1, 6, § 5] 417. Mit der Vormundschaftsraitung müssen auch die derselben beigelegte besondere Nebenrechnungen zu gleicher Zeit und auf die nämliche Weise untersuchet und erlediget werden. Vornehmlich aber solle bei weitschichtigen Wirthschaftsrechnungen deren Untersuchung eigends bestellten Raithandleren oder anderen verpflichteten, der Landwirthschaft vollkommen kundigen Personen aufgetragen werden.

[1, 6, § 5] 418. Diese haben gleichfalls alles Dasjenige dabei in acht zu nehmen, was bishero bei der Untersuchung der Vormundschaftsrechnungen zu beobachten geordnet worden, hauptsächlich aber darauf zu sehen, ob die Waisengüter und Grundstücke behörig und nutzlich verwaltet worden, und ob nicht die Einnahme in Einem oder dem Anderem erhöhet, die Ausgabe gegentheils verminderet und die Wirthschaft besser empor gebracht, folglich ein größerer Nutzen verschaffet werden könne.

[1, 6, § 5] 419. Zu diesem Ende haben sie nicht nur über die Rechnung selbst, sondern auch vornehmlich über den daraus erhellenden Wirthschaftstrieb ihre Anstände und Bedenken zu entwerfen, dabei aber mit Bescheidenheit fürzugehen, und nicht voreilig auf einen Ersatz anzutragen, wo ihnen die Umstände, warum Dieses oder Jenes unterblieben, oder aus was Ursachen also und nicht anderst vorgekehret worden, nicht bekannt sind, sondern dahero die Erläuterung darüber abzuheischen.

[1, 6, § 5] 420. Was aber dieselben überhaupt zur Verbesserung der Wirthschaft dienlich

(1-231) finden, dieses solle von ihnen kurz und deutlich gefasset, und kein Anlaß zur unnöthigen Weitläufigkeit gegeben werden.

[1, 6, § 5] 421. Derlei Anstände, Bedenken und Erinnerungen haben die Rechnungsaufnehmere vorläufig zu erwägen, ob sie von der Wichtigkeit sind, daß der Vormund hierüber zur Rede gestellet werde, und nach dessen Befund ist vorstehendermaßen zu verfahren, dabei aber nicht nöthig die weitschichtige Wirthschaftsrechnungen in ihrem ganzen Inhalt nach deren von dem Raithandler vorhergegangener Untersuchung zu durchgehen, sondern es kann denen daraus verfaßten Rechnungsauszügen (welche ohnedies einer jeden Wirthschaftsrechnung beiliegen müssen) nachgegangen, und in deren Entgegenhaltung die hervorkommende Anstände beurtheilet werden.

[1, 6, § 5] 422. Bei denen mit der Vormundschaftsraitung erlegten besonderen Handlungs- oder Gewerbsrechnung ist die bereits oben angeordnete Geheimhaltung wohl in acht zu nehmen, und deren Untersuchung und Zusammenhaltung mit denen Handlungsbüchern denen beeidigten Handlungs- oder Gewerbsvorsteheren, in deren Ermanglung aber anderen der Handlung oder des Gewerbs erfahrnen Männern gegen Angelobung an Eidesstatt, daß sie die Untersuchung getreulich nach ihrem besten Wissen und Gewissen und mit der erforderlichen Verschwiegenheit vornehmen wollen, aufzutragen.

[1, 6, § 5] 423. Diese haben sodann ihre Anstände und Bedenken denen Raitungs-Aufnehmeren beizubringen, welche darüber eine Tagsatzung anordnen, die Ausstellere sowohl, als den Vormund, und die Handlungs- oder Gewerbs-Rechnungsführere darzu erforderen, die Anstände durch die Handlungsbücher oder gewechslete Briefe zu beheben, und die Richtigstellung auf die kürzeste und geheimste Art zu bewirken sich bestreben sollen.

[1, 6, § 5] 424. Wäre aber die Richtigkeit einer dergleichen Handlungs- oder Gewerbsrechnung auf vorstehende Weise zu erreichen nicht möglich, so solle über die ausgezogene, unbehobene, von denen schon behobenen eigens abzusönderende Mängeln dem Vormund eine schriftliche Erläuterung auferleget, und nach Erforderniß mit weiterer Bemänglung und schließlicher Erläuterung binnen obausgesetzten Fristen verfahren werden.

[1, 6, § 5] 425. Nach solchergestalten vollbrachter Untersuchung und Aufnehmung der vormundschaftlichen Rechnung mit allen derselben allenfalls beigelegten besonderen Nebenrechnungen ist ohnverweilt zu deren Erledigung zu schreiten. Diese hat mittelst eines hieraus zu verfassenden und dem Vormund zu seinem Richtmaß hinauszugebenden Endauszugs, und zugleich mitzuertheilenden Raitscheins zu geschehen.

[1, 6, § 5] 426. Der Endauszug ist eigentlich die gerichtliche Erkenntniß und Verbescheidung der Vormundschaftsgehörde über die von dem Vormund erlegte und von ihr aufgenommene Vormundschaftsrechnung.

[1, 6, § 5] 427. Ist die Rechnung in allen Stücken richtig befunden worden, so hat der Endauszug dahin zu lauten, daß es bei der erlegten Vormundschaftsraitung sein gänzliches Bewenden habe, und diesemnach der Vormund laut seiner eigenen richtig befundenen Rechnungsverweisung die darinnen enthaltene Posten (welche in dem Endauszug jedesmal namentlich auszusetzen sind) sowohl in dem Vermögen- als in dem Schuldenstand einbringen, und nebst dem sich ergebenden neuen Zuwachs in der folgenden Vormundschaftsraitung weitershin verrechnen solle.

[1, 6, § 5] 428. Hätte aber der Vormund etwas nachzutragen oder aus dem Seinigen zu ersetzen, oder es wäre ihme dagegen aus dem Waisengut etwas zu vergüten, so ist in solchem Fall der Endauszug dergestalten zu fassen, daß derselbe zur Richtigstellung der erledigten Vormundschaftsraitung über Dasjenige, was in seiner Rechnungsverweisung enthalten, und vorgeordnetermaßen in dem Endauszug namentlich auszusetzen ist, annoch jenes, was von ihme nachzutragen ist, in der

(1-232) folgenden Raitung in den Vermögenstand, und, wo er es aus dem Seinigen zu ersetzen hätte, in den baaren Empfang zu bringen schuldig, dagegen aber auch jenes, was etwann aus dem Schuldenstand ausgelassen worden, dahin nachzutragen, und, wo es ihme selbst zu guten ginge, in baare Ausgab zu bringen berechtiget seie.

[1, 6, § 5] 429. Der Raitschein hingegen ist eine gerichtliche Entbindung und Loszählung des Vormunds von aller weiteren Verantwortung wegen der von ihme erlegten, ordentlich aufgenommenen und gerichtlich erledigten Rechnungen, wodurch er, insoweit solche für richtig befunden, oder von ihme dem Endauszug Genügen geleistet worden, wider alle Ansprüche und Anfechtungen dieser Rechnungen halber sicher gestellet wird.

[1, 6, § 5] 430. Zu diesem Ende solle sich in dem Raitschein allemal auf das, was in dem End-Auszug dem Vormund auferleget worden, ausdrucklich bezogen, und alles dieses namentlich darinnen angeführet werden, vor dessen vollständiger Erfüllung der Raitschein den Vormund in deme, was von ihme nach Ausmessung des Endauszugs noch nicht befolget worden, nicht schützen kann.

[1, 6, § 5] 431. Der Endauszug muss nach Ordnung der erlegten Vormundschafts-Raitung verfasset werden, und sind darinnen nicht nur die klare Ersatz- und Vergütungsposten, sondern auch jene auszusetzen, deren Richtigkeit entweder an der noch anhängigen Weisung, oder an der von dem Vormund bei einem für sich habenden halbständigen Beweis angebotenen eidlichen Erhärtung, oder an der erwartenden richterlichen Erkanntniß über einen noch obschwebenden Rechtsstritt, oder an einem sonstigen künftigen Erfolg beruhet, weswegen ihme der Ersatz nur bedingter Weise auferleget, sowie die ihme angebührende Gutmachung zugesprochen werden kann.

[1, 6, § 5] 432. Doch ist nicht allemal, wann ein Mangel ausgestellet, und nicht abgeleinet worden, sofort auf den Ersatz zu erkennen, sondern, wo ein Vormund darzu mit Fug verhalten werden mag, muß der wesentliche Schaden oder entgangene Nutzen an Seiten des Waisen, und die Schuld des Vormunds in dem obbestimmten Grad offenbar oder doch genüglich erwiesen sein, widrigens solle in dem Endauszug bei Ermanglung des Einen oder des Anderen kein Ersatz auferleget werden können.

[1, 6, § 5] 433. Also hat ein Vormund nichts zu ersetzen, wann er etwas eigenmächtig unternommen hat, worzu er die obervormundschaftliche Bewilligung hätte ansuchen sollen, insoferne daraus der Wais keinen Schaden hat, wiewohlen die Beiseitssetzung der Vormundschaftsgehörde nicht ungeahndet zu lassen ist.

[1, 6, § 5] 434. Desgleichen kann ein Vormund deswegen nicht zum Ersatz angehalten werden, weilen er etwas gethan oder unterlassen, was jedoch noch verbesseret, und der Wais somit von allem Schaden befreiet werden kann, obschon er in solchem Fall nicht nur zur Verbesserung des Fehlers erinneret, sondern auch ihme seine Nachlässigkeit verhoben werden solle.

[1, 6, § 5] 435. Noch weniger ist ihme das zum Ersatz zu legen, woran nicht er, sondern jene, welche unter besonderer Verrechnung die Vormundschaftsgeschäften verwaltet, die Schuld tragen.

Doch muss derselbe diese Rechnungsführere über die ihme aus ihren Rechnungen zugekommene Mängeln zur Verantwortung ziehen, und sie bei der anberaumten Tagsatzung zur Erstattung der nöthigen Erläuterung gestellen.

[1, 6, § 5] 436. Ist die von ihnen gegebene Erläuterung hinlänglich, so entfällt der ausgestellte Mangel, und ist auch deshalben der Beamte gegen den Vormund entbunden, wann sonst keine andere bei Gericht nicht vorgekommene Ursach unterwaltet, wegen welcher der Beamte und Rechnungsführer dem Vormund noch insonderheit Red und Antwort zu geben schuldig wäre.

(1-233) [1, 6, § 5] 437. Wann hingegen auch mit Zuziehung des Rechnung legenden Beamten der Mangel nicht behoben worden, sondern zur förmlichen Ausstellung gegen den Vormund gelanget, so ist diesem ferners zugelassen, von dem betreffenden Rechnungsführer hierüber die schriftliche Erläuterung und auf zukommende weitere Bemängelung die schließliche Erläuterung abzuheischen, sodann aber solche mit deme, was er etwann selbst zu seiner eigenen Entschuldigung beizufügen hat, einzubringen.

[1, 6, § 5] 438. Worzu ihme in diesem alleinigen Fall über die anberaumte vierwochentliche Frist noch eine vierzehentägige Nachfrist auf sein Anlangen ertheilet werden mag.

[1, 6, § 5] 439. Bei Erwägung der über einen ausgestellten Mangel verhandleten Nothdurften hat die Vormundschaftsgehörde zu beurtheilen, ob die Schuld an dem Vormund selbst oder an dem rechnungsführenden Beamten erliege. Ersteren Falls ist dem Vormund der Ersatz aus seinem Eigenen aufzuerlegen, letzteren Falls aber aufzutragen, damit er den Rechnungsführer zum Ersatz anhalte.

[1, 6, § 5] 440. Doch ist der Vormund nicht schuldig, dafür zu stehen, er hätte dann an der Eintreibung oder Sicherstellung des Ersatzes etwas, so er füglich thun können, erwinden lassen, oder wissentlich untaugliche Beamten und Rechnungsführere aufgenommen, oder sie bei Befund der Untauglichkeit nicht abgeschaffet, oder in andere Wege sich für dieselben zu haften verfänglich gemacht.

[1, 6, § 5] 441. Ueber dergleichen besondere Rechnungen sind eben so viele besondere Endauszüge zu verfassen, und nebst dem Endauszug über die vormundschaftliche Hauptrechnung der Vormundschaft zuzustellen.

Was aber solchergestalten einmal von der vormundschaftlichen Behörde entschieden worden, deshalb ist der Beamte der Vormund Rechenschaft zu geben nicht mehr schuldig.

[1, 6, § 5] 442. Doch bleibet denen Vormünderen unbenommen, für sich selbst von ihren nachgesetzten Beamten und Rechnungsführeren die Rechnungen aufzunehmen, und mit deren Erledigung auf die in folgendem Capitel vorgeschriebene Art und Weis, so wie es einer jedweden Obrigkeit mit ihren unverraiteten Dienern und Beamten zustehet, zu verfahren.

[1, 6, § 5] 443. Einem jedwedem Endauszug sowohl in Ansehung der vormundschaftlichen Hauptraitung, als der besonderen Nebenrechnungen solle auch jenes beigefüget werden, was sonst dem Vormund zu nutzlicherer Verwaltung der Vormundschaft zu erinneren, und zu seinem künftigen Nachverhalt mitzugeben befunden würde.

[1, 6, § 5] 444. Der Endauszug hat die Kraft und Wirkung eines richterlichen Urtheils, und ist zugleich der Grund zur künftigen Rechnung, welchem, sobald er in Rechtskräften erwachsen ist, der Vormund in denen nächstfolgenden Raitungen vollkommenes Genügen leisten muß, wann nicht ihme nach Umständen oder nach Erheischung einer auf dem Verzug haftenden Gefahr eine kürzere Frist zur Genugthuung anzuberaumen nöthig erachtet worden wäre.

[1, 6, § 5] 445. Es ist aber dem Vormund allerdings gestattet, wann er sich durch den ihme hinausgegebenen Endauszug in einer oder der anderen Post beschweret zu sein findet, in der zur Berufung auf den oberen Richter seines Orts überhaupt ausgesetzten Zeit sich mit deutlicher Bemerkung derenjenigen Posten, bei welchen sich derselbe beschweret zu sein glaubet, an die höhere Gehörde zu verwenden, ohne jedoch andurch den Lauf der weiteren Rechnungen aufzuhalten.

[1, 6, § 5] 446. Wann demnach währender Rechtsanhängigkeit bei dem oberen Richter die Erlagszeit zur Einbringung der nächsten vormundschaftlichen Raitung herankommt, so muß ohnerachtet des an die höhere Gehörde eingewandten Zugs zur Vollständigkeit der Raitung immittelst diesem Endauszug jedoch dergestalten nachgegangen werden, daß in allen denenjenigen Posten, worüber sich von dem Vormund

(1-234) beschweret worden, der ergriffene weitere Rechtszug und die zur gewarten habende Erkanntniß des höheren Richters vorbehalten bleibe.

[1, 6, § 5] 447. Nach dieser Erkanntniß hat sich der Vormund schließlichen zu richten, also, daß wo der Endauszug von dem oberen Richter abgeänderet, und der Vormund ganz oder zum Theil von dem Ersatz entbunden worden wäre, dieser nur Dasjenige, was er nach dem oberrichterlichen Ausspruch zu ersetzen hat, bei denen nächstkünftigen Rechnungen in baaren Empfang zu nehmen, wovon er aber losgesprochen worden, nur durchlaufend in Empfang zu stellen, bei dem Schuldenstand hingegen mit Beilegung des oberrichterlichen Ausspruchs in baare Ausgab zu bringen habe.

[1, 6, § 5] 448. Wann hingegen der Endauszug von dem oberen Richter bestätiget worden, hat es bei dem auferlegten Betrag des Ersatzes sein Bewenden, und ist noch über das auch jenes, was etwann an Zinsen, Schäden und Unkosten denen Waisen bei der höheren Gehörde zugesprochen worden, bei der nächstfolgenden Rechnung in baaren Empfang zu nehmen.

[1, 6, § 5] 449. Der einem Vormund gestattete Zug an den oberen Richter ist auch einem nachgesetzten Beamten und Rechnungsführer nicht verschränket, welcher sich in dem über seine besondere Nebenrechnungen hinausgegebenen Endauszug beschweret zu sein glaubet, und hat in Ansehung deren über derlei Nebenrechnungen fertigenden Endauszügen alles Dasjenige statt, was von dem Endauszug über die Vormundschafts-Rechnungen bishero geordnet worden.

[1, 6, § 5] 450. Gleichwie aber ein zu Rechtskräften erwachsener, oder von dem oberen Richter bestätigter Endauszug, und der damit übereinstimmende Raitschein den Vormund von weiterer Verfänglichkeit nicht anderst entbinden kann, als bis von ihme allem Demjenigen, was demselben darinnen zum Ersatz auferleget worden, vollkommenes Genügen geschehen, also hat hingegen nach geleisteter Genugthuung ein derlei Endauszug die Wirkung, daß dagegen weder an Seiten der Waisen, noch an Seiten des Vormunds etwas weiter gereget werden könne.

[1, 6, § 5] 451. Doch sind nichtsdestoweniger gewisse Fälle ausgenommen, welche insgemein Vorbehaltsfälle von daher genennet zu werden pflegen, weilen, wann immer ein dergleichen Fall hervorkommet und genugsam erwiesen wird, sowohl dem Waisen gegen dem Vormund, als diesem gegen jenen der angebührende Ersatz oder Vergütung durch das Gesatz selbst vorbehalten bleibet.

[1, 6, § 5] 452. Diese Fälle sind:

Erstens: Ein klarer Rechnungsverstoß, wann ein Betrag irrig angesetzet, oder in Zusammenziehung mehrerer Posten, oder in Abziehung einer von der anderen, oder in sonstiger Rechnungsart geirret worden, welcherlei Irrthum zu verbesseren zu allen Zeiten freistehen solle.

[1, 6, § 5] 453. Zweitens: Die Auslassung aus dem Vermögenstand, wann der Vormund bei dem Vermögenstand aus Irrthum oder Vergessenheit etwas in Empfang zu nehmen unterlassen hätte, welches ihme doch als ein Waisengut erweislich übergeben, oder zu Handen gekommen wäre.

[1, 6, § 5] 454. Drittens: Die irrsame Ansetzung in dem Schuldenstand, wann der Vormund bei dem Schuldenstand aus bloßer Beirrung etwas, was er nicht bezahlet, in baare Ausgab gebracht, oder etwas, so er erweislich bezahlet, nicht in Ausgab geleget, oder auch etwas, so er doch erweislich niemalen erhalten, aus Irrthum in Empfang genommen hätte, ohne es hinwiederum in der Ausgab durchzuführen.

[1, 6, § 5] 455. Derlei menschliche Fehler sollen Niemandem zum Schaden gereichen, sondern zu allen Zeiten verbesseret werden können; dahingegen solle auch kein Theil mit Schaden des Anderen hieraus einen Vortheil ziehen, sondern Alles, was aus Anlaß eines solchen Fehlers, folglich ohne rechtmäßiger Ursach bei dem

(1-235) Vormund von dem Gut der Waisen, oder bei diesen von dem Gut des Vormunds zur Ungebühr geblieben, einem von dem anderen Theil mit allen behobenen Nutzungen, welche nicht immittelst von dem in hinlänglich erwiesenen Irrthum befangenen Besitzer mit guten Glauben verzehret worden, ersetzet und zuruckgestellet werden.

[1, 6, § 5] 456. Was hingegen ein Vormund von dem Waisengut wissentlich zuruckgehalten, unterschlagen, oder wie sonst immer aus Arglist und Gefährde erweislich an sich gezogen hat, dieses hat derselbe zu allen Zeiten, wann immer eine solche Veruntreuung auf ihn erwiesen wird, mit allen daraus behobenen noch vorhändigen und verzehrten, wie auch zu beheben gewesten, obschon von ihme nicht eingehobenen Nutzungen, dann Schäden und Unkosten denen Waisen zu ersetzen, und ist über das nach Schwere der begangenen Gefährde empfindlich zu bestrafen.

[1, 6, § 5] 457. Was bishero von Verfassung, Aufnehmung und Erledigung deren Vormundschafts-Raitungen geordnet worden, leidet bei geringen Vormundschaften geringer Leuten einen Abfall, wo das Vermögen der Waisen nicht beträchtlich, und auch nicht leicht einer Unordnung und Verwirrung unterworfen wird.

[1, 6, § 5] 458. In solcherlei Fällen lassen Wir es bei der unter diesen Leuten gewöhnlichen und den Begriff des gemeinen Volks nicht übersteigenden Raitungs- und Verfahrungsart gnädigst bewenden, nach welcher an deme genug ist, daß der Empfang und die Ausgab getreulich und ordentlich verzeichnet, wo es nöthig, beleget oder mit glaubwürdiger Aussage vor Gericht bestätiget, und das zur künftigen Verrechnung verbleibenden Vermögen, Barschaft und Vorrath vollständig ausgewiesen, sodann aber bei der Aufnahme und Erledigung derlei Rechnungen auf die leichteste und schleunigste Art verfahren werde.

[1, 6, § 5] 459. Wobei jedoch die Vormundschaftsgehörde darauf zu sehen hat, ob das Waisengut in Sicherheit seie, ob solches behörig genutzet, die Ausgaben gemäßiget, und ob von einem Raitungserlag zum anderen das Vermögen der Waisen erhalten, vermehret oder verminderet werde?

[1, 6, § 5] 460. Damit aber die Einfalt nicht zum Deckmantel einer ungetreuen Verwaltung mißbrauchet werde, solle bei Aufnehmung der Rechnung der Vormund über Alles, wo sich ein Zweifel oder Anstand ereignen kann, zur Red gestellet, der Stand des Waisenguts nicht allein von dem Vormund genau erforschet, sondern auch von anderwärts die erforderliche Nachricht eingeholet, wo es nöthig, der Augenschein eingenommen und nichts unterlassen werden, wodurch die Verwaltungsgebrechen entdecket, verbesseret, der Schaden ersetzet, deme in Zukunft vorgebogen, und der Nutzen der Waisen, so viel immer möglich, beförderet werden könne. Worüber der erhobene Befund in dem Waisenbuch jedesmal fleißig anzumerken, und dem Vormund hieraus ein Auszug in Kraft eines förmlichen Endauszugs und Raitscheins zu seiner Sicherheit und Nachachtung hinausgegeben ist.

§. VI.

[1, 6, § 6] 461. Gleichwie das beschwerliche Amt der Vormundschaft mit vieler Mühewaltung und Verantwortung begleitet ist, also erheischet auch die Billigkeit,

(1-236) daß getreue und emsige Gerhaben und Vormündere für ihre Mühe, Fleiß und Sorgfalt belohnet werden.

(1-237) [1, 6, § 6] 462. Diese Belohnung solle jederzeit nach der klaren Ertragniß des Waisenguts dergestalten abgemessen werden, damit selbe bei der ergiebigeren Einkünften reichlicher,

(1-238) dahingegen bei minderer Ertragniß desto mäßiger ausfalle, niemahlen aber, wo die Einkünften nicht zureichen, das Vermögen der Waisen andurch verminderet werde.

[1, 6, § 6] 463. Die Ausmessung dieser Belohnung hanget demnach allemahl von dem Befund der Vormundschaftsgehörde ab.

Wir wollen jedoch in jenen Landen, allwo solche bishero bei Vormundschaften der Landleuten durch die vorige Gesetze bis zu denen darinnen bestimmt gewesten Vogtbarkeitsjahren der Waisen auf den sechsten Theil der klaren Ertragniß des Waisenguts, von dieser Zeit aber für die noch übrige Jahre der Minderjährigkeit bis zu erfüllten vierundzwanzigsten Jahr auf den zwölften Theil für jedwedes Jahr bestimmt ware, es auch in Zukunft bei diesem Sechstel und Zwölftel da, wo die jährliche klare Ertragniß sich nicht über dreißigtausend Gulden erstrecket, gnädigst bewenden lassen.

[1, 6, § 6] 464. Unter der klaren Ertragniß aber wird nur jenes verstanden, was nach Abzug aller laufenden Ausgaben, als Steuern und Gaben, Grundschuldigkeiten, Zinsen von Schulden, wittiblichen und anderen Unterhaltsgeldern, Wirthschafts- und nöthigen Bauauslagen, jährlichen Bestallungen, Gerichts-, Reise-, dann vormundschaftlichen Rechnungsunkosten, und anderen dergleichen alljährlich nach dem ordentlichen Verwaltungs- und Wirthschaftslauf mehr oder weniger vorfallenden unausweichlichen Ausgaben, wie auch des Unterhalts und standmäßiger Erziehung der Waisen als klarer Nutzen erübriget wird.

[1, 6, § 6] 465. Es möge solches in baarem Geld vorhanden, oder zur Tilgung der Waisenschulden, Anlegung neuer Capitalien, Erkaufung einiger Gründen aber wie sonst immer über den ordentlichen Verwaltungs- und Wirthschaftstrieb zum Nutzen und Wohlstand der Waisen mit Verwilligung der Vormundschaftsgehörde angewendet worden sein.

[1, 6, § 6] 466. Was hingegen dem Vermögen der Waisen nicht aus dessen Fruchttragung

(1-239) oder anderen davon abfallenden Einkünften, sondern von anderwärts, als durch Erbschaft, Vermächtniß, Schankung oder wie sonst immer zugehet, wodurch dasselbe vergrößeret wird, dieses ist in die Berechnung des Sechstels oder Zwölftels nicht einzuziehen, obschon durch die davon eingehende Zinsen und Nutzungen so ein als anderes in vorstehender Maß vermehret werden kann.

[1, 6, § 6] 467. Desgleichen können auch Ausstände, obschon dieselben sicher und unfehlbar wären, Vorräthe, und was entweder noch weiter zu verrechnen ist, oder als ein Bestand von der vorhergehenden Rechnung herrühret, in keine Berechnung des Sechstels oder Zwölftels kommen.

[1, 6, § 6] 468. Doch leidet dieses bei der letztjährigen Schlußrechnung des Vormunds eine Ausnahme, maßen in solchem Fall auch auf diese Vorräthe und sichere Ausstände, welche erst künftig in baaren Empfang zu gelangen haben, in Ausmessung des Sechstels oder Zwölftels die Rücksicht genommen werden muß, damit dem abtretenden Vormund seine angebührende Belohnung davon nicht entgehe.

[1, 6, § 6] 469. Wiewohl aber demselben von deme, was zur Zeit noch nicht zu Geld gemacht oder noch nicht eingegangen, die baare Bezahlung nicht zugesprochen werden kann, so hat jedoch die Vormundschaftsgehörde entweder zu seiner Sicherheit in dem Endauszug die Verwahrung beizufügen, daß er bei dereinstiger Einbringung dieser Ausstände oder Verschleiß der Vorräthen das ihme davon gebührende Sechstel oder Zwölftel erhalten solle, oder aber nach Umständen ein billiges Abkommen auf etwas Gewisses hierwegen mit ihme zu treffen.

[1, 6, § 6] 470. Und zumalen ein Zweifel sich in deme ergeben könnte, ob an denen von jener Zeit, wo dem Vormund das Sechstel gebühret hätte, herrührenden Ausständen und Vorräthen, wann solche nachhero zur Zeit, als er nur das Zwölftel zu forderen hat, eingehen, oder zu Geld gemacht werden, ihme das Sechstel oder Zwölftel zuzuerkennen seie, so wollen Wir zu Behebung aller künftigen Anständen solchen dahin entschieden haben, daß dem Vormund in diesen Fällen allemal das Sechstel zugesprochen werden solle, wann seinerseits in Eintreibung deren Ausständen oder dem Verschleiß der Vorräthen kein geflissentlicher Saumsal zum Schaden der Waisen unterlaufen ist.

[1, 6, § 6] 471. Dieses Sechstel oder Zwölftel gebühret dem Vormund ohne Unterschied, ob das Vermögen der Waisen an liegenden Gütern, oder an verzinslich angelegten Geldern, oder anderen trockenen Gefällen, oder an was sonsten bestehe, und ob dessen Mühewaltung schwerer oder leichter seie, dann ob viel oder wenig an der klaren Ertragniß erübriget werde, wann solche nur dreißigtausend Gulden nicht übersteiget.

Wo aber gar nichts übrig bleibt, hat auch das Sechstel oder Zwölftel nicht statt.

[1, 6, § 6] 472. Kein Vormund ist jedoch befugt, sich dieses Sechstel oder Zwölftel eigenmächtig zuzueignen, bevor ihm dasselbe nicht von der Vormundschaftsgehörde in dem Endauszug zugesprochen, und solches in Ausgab zu bringen verwilliget worden.

[1, 6, § 6] 473. Es lieget ihm dahero ob, bei Erlag der jährlichen Raitung einen ordentlichen Ueberschlag von dem Betrag des vormundschaftlichen Sechstels oder Zwölftels nach den oben vorgeschriebenen Maßregeln zu verfassen und solchen der Rechnung beizulegen, dann hierüber die richterliche Erkanntniß abzuwarten.

[1, 6, § 6] 474. Diesen Ueberschlag solle die Vormundschaftsgehörde durch die bestellte Raithandlere oder Rechnungsaufnehmere untersuchen lassen, und nach Befund entweder so viel, als der Vormund hieran angesetzet, ihme in dem Endauszug, um solches in künftiger Rechnung in Ausgab zu legen, zusprechen oder nach dem eigentlichen Betrag mäßigen.

[1, 6, § 6] 475. Nichtsdestoweniger ist dem Vormund gestattet, nicht allein währendem

(1-240) Raitungserlag und Aufnahme sich an dem baaren Geldvorrath für dem Betrag der angesetzten Belohnung bis zum Erfolg des gerichtlichen Endauszugs zu halten, sondern auch nach dessen Habhaftwerdung sich mit so viel, als ihme hieran zuerkannt worden, aus der bei dem Rechnungsschluß vorhanden gebliebenen, oder nachher eingehenden Barschaft ohne Nachwartung bezahlt zu machen.

[1, 6, § 6] 476. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann gleich der Vormund durch den Endauszug zu einigem Ersatz angewiesen wurde, in welchem Fall nicht nöthig ist, deswegen von der vormundschaftlichen Belohnung etwas abzuziehen, sondern die Richtigkeit wird dadurch hergestellet, daß der Vormund dagegen den Betrag des auferlegten Ersatzes in der künftigen Rechnung ordentlich in Empfang zu bringen schuldig ist.

Es hätte dann die Vormundschaftsgehörde bei Ermanglung anderweiter Sicherheit nothwendig zu sein befunden, sich an der vormundschaftlichen Belohnung des zu leisten habenden Ersatzes halber zu halten, und solches in dem Endauszug namentlich ausgedrucket.

[1, 6, § 6] 477. Würde hingegen der Vormund bei deme, was ihme in dem Endauszug an dem angesetzten Sechstel oder Zwölftel zugesprochen worden, nicht beruhen wollen, so ist ihme unbenommen, binnen vierzehen Tagen von der ihme kundgemachten richterlichen Erkanntniß seine Beschwerde auch außer der Ordnung bei dem höheren Richter anzubringen.

[1, 6, § 6] 478. Wann jedoch das Vermögen der Waisen an jährlicher klarer Ertragniß mehr dann dreißigtausend Gulden abwirft, so solle Uns allein vorbehalten sein, die vormundschaftliche Belohnung nach Umständen jedesmal auszumessen.

[1, 6, § 6] 479. In allen anderen Landen aber, wo durch die vorige Gesetze nichts Gewisses zur vormundschaftlichen Belohnung festgesetzet ist, sondern deren jedesmalige Bestimmung von dem richterlichen Ermessen abhanget, solle es auch fernershin dabei sein Verbleiben haben, und die Belohnung jederzeit mit Mäßigung und Sparsamkeit ausgeworfen werden.

[1, 6, § 6] 480. Zu diesem Ende hat die Vormundschaftsgehörde, wann der Vormund bei Erlag der Raitung hierum geziemend anlanget, nicht allein auf die Ertragniß des Waisenguts, sondern vornehmlich auch auf die Beschaffenheit der Vormundschaft, mehrere oder wenigere Mühewaltung des Vormunds, die Kräften des Vermögens, und andere zu betrachten billige Umstände zu sehen, und eine denenselben angemessene Belohnung zuzusprechen, welche zwar nach Befund der Umständen weniger, niemalen aber ein Mehreres, als das oben ausgesetzte Sechstel oder Zwölftel nach dem Unterschied der Unvogtbarkeit oder Minderjährigkeit der Waisen betragen kann und solle.

[1, 6, § 6] 481. Wäre die ausgeworfene Belohnung zu gering oder zu übermäßig, so solle wie ersteren Falls dem Vormund, also auch im letzteren Fall denen Befreundten der Waisen freistehen, sich bei höherer Gehörde außerordentlich hierwegen zu beschweren.

[1, 6, § 6] 482. Wann aber das Vermögen der Waisen so gering ist, daß von dessen klarer Ertragniß ein gar Weniges in jährliche Ersparniß falle, so solle dem Vormund nicht bei jedesmaliger Raitungserledigung die Belohnung zuerkannt werden, sondern er ist immittelst die Vormundschaft bis zu Ende derselben unentgeltlich zu führen schuldig.

[1, 6, § 6] 483. Falls sodann nach Erledigung der Vormundschaft befunden würde, daß der Vormund in Allem die Richtigkeit gepflogen, und gleichwohlen einen kleinen Vermögenszuwachs für die Waisen erübriget, oder mit besonderer Mühe und Fleiß ihr Vermögen bis dahin unverminderet erhalten, oder durch gute Erziehung und Anleitung die Waisen in den Stand gesetzet habe, ohne Schmälerung ihres Vermögens sich selbst künftighin einen ehrbaren Unterhalt zu


(1-241) verschaffen, so ist ihme eine mäßige Erkenntlichkeit von der Vormundschaftsgehörde zuzusprechen.

[1, 6, § 6] 484. Ueberhaupt erforderet die Billigkeit, daß, wo es wegen Unzulänglichkeit der Vermögensumständen nicht thunlich ist, getreue und fleißige Vormündere nach Maß ihrer Bemühung zu belohnen, die Vormundschaftsgehörden bedacht sein sollen, ihnen auf andere Weis einige Vergeltung zu verschaffen, und zu dem Ende denenselben bei sich ereignender Gelegenheit eine oder andere vermöglichere Vormundschaft, wovon sie sich einer ergiebigeren Belohnung getrösten können, zukommen zu lassen.

§. VII.

[1, 6, § 7] 485. Die Vormundschaft endiget sich entweder an Seiten der Waisen oder an Seiten des Vormunds. An Seiten der Waisen hat dieselbe ihr Ende durch Absterben der Waisen, oder Ablegung feierlicher Ordensgelübde, durch deren

(1-242) Annehmung an Kindesstatt, durch Erreichung der Großjährigkeit und bei Gewerbs- und Handelsleuten niederen Standes, durch Erreichung der Vogtbarkeit, dann endlich durch Nachsicht des Alters.

[1, 6, § 7] 486. Wann ein Wais mit Tod abgehet, oder in einem geistlichen Orden die feierliche Gelübde ableget, wird zwar andurch die Vormundschaft über denselben geendiget, doch hat der Vormund das nachgebliebene Vermögen insolange zu besorgen, bis daß es Denenjenigen, welchen es von Rechts wegen zuzukommen hat, eingeantwortet werden kann.

(1-243) [1, 6, § 7] 487. Würde das Vermögen nach dem Verstorbenen anderen unter der nämlichen Vormundschaft stehenden Waisen erblich anfallen, so hat auch solches unter der Verwaltung eben desselben Vormunds weitershin zu verbleiben, und hanget es von dem Befunde der Vormundschaftsgehörde, welcher der Vormund den Todesfall unverlängt anzuzeigen hat, ab, ob dieser denen übrigen Waisen zugefallene Erbtheil unter ihnen getheilet, oder annoch ungetheilt in der Gemeinschaft belassen werden solle.

[1, 6, § 7] 488. Falls aber die Verlassenschaft nebst denen übrigen unter der nämlichen Vormundschaft stehenden Waisen zugleich auch entweder großjährigen, oder zwar noch minderjährigen, doch aber nicht unter dieser, sondern unter anderer Vormundschaft befindlichen Miterben zufiele, so muß die Theilung, sobald solche geschehen kann, ohne Verzug gerichtlich vorgenommen werden, und hat nur so viel unter der Verwaltung des Vormunds zu verbleiben, als davon nach der Theilung auf die übrige unter seiner Vormundschaft stehende Waisen gelanget.

[1, 6, § 7] 489. Durch Annehmung eines Waisen an Kindsstatt endiget sich die Vormundschaft dergestalten, daß der an Kindsstatt Angenommene bis zu seiner Großjährigkeit aus der Vormundschaft seines bisherigen Vormunds in die Gewalt oder Vormundschaft seines Wahlvaters übertritt.

[1, 6, § 7] 490. Die gemeinste Art der Beendigung einer Vormundschaft ist, wann die Waisen die Großjährigkeit erreichen, welches damals geschieht, wann sie das vierundzwanzigste Jahr ihres Alters völlig erfüllet haben.

[1, 6, § 7] 491. Dahingegen wird durch Erreichung er Vogtbarkeit allein die Vormundschaft insgemein nicht geendiget, sondern auch die vogtbar geworbene Waisen haben, so lange sie minderjährig sind, unter der Vormundschaft zu bleiben.

[1, 6, § 7] 492. Doch hat die Vogtbarkeit, die oben in §. IV von num. 243 bis num. 251 beschriebene rechtliche Wirkungen, außer welchen übrigens in allen anderen Handlungen die Minderjährige denen Unvogtbaren gleich zu halten sind, und ebenso wie diese zur Giltigkeit ihrer Verbindungen den vormundschaftlichen Beistand nöthig haben.

[1, 6, § 7] 493. Es hat dahero der Vormund nicht weniger wie bei Unvogtbaren auf ihr Thun und Lassen obacht zu tragen, sie mit allen Nöthigen nach obervormundschaftlicher Ausmessung zu versehen, ihnen zu Wissenschaften und standesgemäßen Uebungen oder Hantierungen die Anleitung zu geben, oder durch Andere zu verschaffen, ihre gute oder üble Aufführung zu beobachten, von letzterer sie bescheidentlich abzumachen, und, da dieses nicht verfinge, ihr unanständiges Betragen der Vormundschaftsgehörde zur ernstlichen Einsicht zeitlich anzuzeigen.

[1, 6, § 7] 494. Desgleichen währet die vormundschaftliche Verwaltung des Vermögens der Minderjährigen eben also, wie in der Unvogtbarkeit, fort, wobei aber der Vormund hauptsächlich dahin zu trachten hat, damit der Minderjährige nach und nach geschickt gemacht werde, sein Vermögen bei erreichender Großjährigkeit selbst nutzlich zu verwenden.

[1, 6, § 7] 495. Zu diesem Ende solle denen Minderjährigen von der Beschaffenheit ihres Vermögens, von denen dabei vorfallenden Ankehrungen, Wirthschaftseinrichtungen, Verbesserungen, Haftungen und Beschwerden, zustoßenden Schäden, Strittigkeiten und Rechtsvertheidigungen, und überhaupt von Allem, was ihnen zum nöthigen oder nutzlichen Unterricht und dereinstiger Warnung gereichen kann, kein Geheimniß gemacht, sondern vielmehr ihr eigener Begriff darüber zum öfteren geprüfet, ein besserer beigebracht und alle nöthige Anleitung auf künftige Fälle gegeben werden, welche sie zur dereinstigen nutzlichen und wirthschaftlichen Verwaltung des Ihrigen geschickt und tauglich mache.

[1, 6, § 7] 496. Die Minderjährigen aber sollen hierbei alle Aufmerksamkeit bezeigen, ohne sich jedoch in die vorfallende Geschäften einzumischen, oder dem Vormund

(1-244) darinnen hinderlich zu fallen, oder zuwider zu sein, wie dann Wir in dieser Absicht den Vormund darzu verbunden haben wollen, bei Erlag der jährlichen Raitungen der Vormundschaftsgehörde allemal besonders anzuzeigen, wie selbe sich in dem Begriff der Wirthschaft anlassen, wie ihre Aufführung beschaffen seie, und ob sie sich unachtsam oder widerspänstig gegen seine Anleitungen bezeigen?

[1, 6, § 7] 497. Um damit jedoch die Minderjährigen nach und nach zur ordentlichen Haushaltung angewöhnet werden, und die Kennzeichen der von ihnen zu gewarten habenden guten oder üblen Wirthschaft sich desto deutlicher veroffenbaren, solle der Vormund denenselben von Zeit zu Zeit nicht allein von denen für sie gewidmeten Unterhaltsgeldern nach seiner Bescheidenheit mehr oder weniger zu ihren Handen ausfolgen, und auf dessen behöriger Verwendung besonders obacht haben, sondern auch, wo es die Kräften des Vermögens zulassen, von ihren Einkünften nach obervormundschaftlichen Ermessen etwas zu ihrer freien Verwendung abreichen, und hierauf, wie selbe sich dessen gebrauchen, ohne daß sie es vermerken, fleißige Aufsicht tragen, um nach Beschaffenheit ihrer Gebarung die ihnen eingestandene Freiheit zu erweiteren oder einzuschränken.

[1, 6, § 7] 498. Wann ein Minderjähriger bereits mit Bewilligung der Gehörde verehelichet wäre, oder schon in einem öffentlichen Amt oder Bedienstung stünde, oder der Wohlstand es sonst aus anderen Ursachen erforderete, so solle ihme die Führung seiner eigenen Haushaltung nach Maß des ihme von der Vormundschaftsgehörde ausgeworfenen Unterhaltsbetrags überlassen werden.

[1, 6, § 7] 499. Würde aber der Vormund bemerken, daß die Barschaft unnütz verwendet werde, und die Bezahlung der nothwendigen Bedürfnissen in Ruckstand gerathe, so hat derselbe solches der Gehörde zeitlich anzuzeigen, damit der Minderjährige nach erheischenden Umständen in der freien Gebarung beschränket, und der besorglichen Einschuldung durch dienliche Wege vorgebogen werde.

[1, 6, § 7] 500. Durch die Heirath allein, wann gleich solche mit Bewilligung der Gehörde geschehen, wird kein Minderjähriger, noch weniger ein Unvogtbarer von der Vormundschaft entlediget, obschon ihme in solchem Fall zu seinem und der Seinigen Unterhalt ein ergiebigeres Auskommen von der Vormundschaftsgehörde auszumessen ist.

[1, 6, § 7] 501. Wann aber eine minderjährige oder noch unvogtbare Weibsperson mit Vorwissen und Bewilligung der Vormundschaftsgehörde sich verehelichet, fällt sie bis zur erreichenden Großjährigkeit unter die Vormundschaft ihres Ehegattens, wann dieser bereits großjährig ist, deme sofort der bis dahin geweste Vormund die Vormundschaft abzutreten und zugleich die Verwaltung ihres Vermögens zu übergeben hat, welche derselbe mit eben der Verbindlichkeit, wie ein jedweder anderer Vormund, jedoch ohne einiger Belohnung, statt welcher er sich mit deme, was ihme in dem Heirathsbrief verschrieben worden, zu begnügen hat, zu führen schuldig ist.

[1, 6, § 7] 502. Wäre hingegen derselbe noch minderjährig, obschon Wir ihme die Nachsicht des Alters ohne solche namentlich auf diese Vormundschaft zu erstrecken, ertheilet hätten, oder ihme sonst die freie Verwaltung seines eigenen Vermögens beschränket, so hat das Vermögen seiner minderjährigen oder noch vogtbaren Ehegattin unter der Verwaltung des bis dahin gewesten oder neu zu bestellenden Vormunds zu verbleiben, bis daß der Mann die Großjährigkeit und somit die Vormundschaft über dieselbe erlange, oder sie selbst großjährig werde.

[1, 6, § 7] 503. Würde aber der Mann, unter dessen Vormundschaft seine minderjährige oder noch unvogtbare Ehegattin gestanden, vor deren erreichter Großjährigkeit versterben, so ist der minderjährigen, oder noch unvogtbaren Wittib ein anderer Vormund zu bestellen.

[1, 6, § 7] 504. Damit jedoch Jemand für großjährig geachtet werde, und die Macht

(1-245) mit dem Seinigen frei zu schalten und zu walten erlange, ist an der Erfüllung des vierundzwanzigsten Jahrs nicht genug, sondern er muß beinebst von Gericht aus für großjährig erkläret, und ihme sein Vermögen eingeantwortet werden, welches die Vormundschaftgehörde sogleich, als Jemand die ausgesetzte Jahre hat, wann sonst keine erhebliche Ursachen entgegenstehen, ohne weiters zu veranlassen hat.

[1, 6, § 7] 505. Derlei erhebliche Bedenken sind, wann Jemand währender Minderjährigkeit deutliche Kennzeichen einer üblen Wirthschaft von sich gegeben hätte, und es dahero ohne seinem besorglichen Verfall nicht rathsam wäre, ihme die freie Hand über sein Vermögen zu lassen.

[1, 6, § 7] 506. In welchem Fall mit der Erklärung der Großjährigkeit und Einantwortung des Vermögens Anstand genommen, zugleich aber dieser Vorfall mit allen Ursachen der nöthig findenden Zuruckhaltung unverlängt Uns angezeiget und Unsere höchste Entschließung darüber abgewartet werden solle.

Wo es sodann bei Uns beruhen wird, die Vormundschaft annoch auf eine Uns gefällige weitere Zeit hinaus zu erstrecken.

[1, 6, § 7] 507. Wir wollen jedoch von der Nothwendigkeit der zur selbsteigenen Schalt- und Waltung mit dem Seinigen für insgemein erforderlichen Großjährigkeit die Gewerbs- und Handelsleute niederen Standes in Städten und Märkten, wie auch das gemeine Landvolk gnädigst entbunden und hiermit verordnet haben, daß, wann selbe nach erreichten vogtbaren Jahren einer burgerlichen Nahrung, Gewerb, Handlung oder Hantierung selbst vorzustehen fähig befunden werden, sie keiner Nachsicht des Alters nöthig haben, sondern denen Vormundschaftsgehörden für allgemein die Macht eingeraumet sein solle, nach Befund der Tauglichkeit solcher junger Leuten auf deren, oder ihrer Befreundten oder Vormünderen Ansuchen selbst fürzugehen und ohnerachtet der noch fürwährenden Minderjährigkeit die Einantwortung des Vermögens zu veranlassen.

[1, 6, § 7] 508. Es solle aber der Vormund des Minderjährigen, wann er nicht selbst darum anhält, allemal vorhero darüber vernommen und beinebst genugsame Zeugniß beigebracht werden, daß der Minderjährige ehrbaren und bescheidenen Wandels, und zur vorhabenden Handlung, Gewerb oder anderen burgerlichen Nahrung, worzu die eigene Schaltung mit dem Seinigen und die Freiheit sich zu verbinden erforderlich ist, fähig seie.

[1, 6, § 7] 509. Wann nun die Vormundschaftsgehörde denselben zu diesem Gewerb oder Nahrung zuzulassen befindet, so hat sie ihme sein Vermögen ohne weiters einzuantworten, dabei jedoch auf das Betragen solcher junger Leuten ein wachsames Aug zu halten, und bei wahrnehmender Unwirthschaft in Zeiten solche Vorkehrungen zu treffen, damit ihrem weiteren Verfall vorgebogen werde.

[1, 6, § 7] 510. Diese gerichtliche Einantwortung macht der über sie bestellt gewesten Vormundschaft ein Ende, und sie erlangen andurch die Fähigkeit zu allen Handlungen und Verbindungen, zu deren Giltigkeit sonst bei Anderen die Großjährigkeit oder eine Besondere Nachsicht des Alters erforderet wird.

[1, 6, § 7] 511. Nur zur Vormundschaft über ihre minderjährige oder noch unvogtbare Weiber sind sie vor erreichter Großjährigkeit nicht fähig, sondern diese beharren bis dahin unter ihrer vorigen Vormundschaft.

Wo sie aber schon vogtbar sind, und an dem Gewerb ihres Manns mit gerichtlicher Verwilligung Antheil nehmen, so ist ihnen ohnangesehen ihrer Minderjährigkeit ihr Vermögen einzuantworten, und kann auch ihnen in diesem Fall nach dem Tod des Manns die Vormundschaft über ihre Kinder zu Fortsetzung der Nahrung, jedoch mit Beigebung eines gewerbsverständigen Mitvormunds aufgetragen werden.

[1, 6, § 7] 512. Endlich endiget sich die Vormundschaft an Seiten der Waisen durch

(1-246) die von Uns aus landesfürstlicher Machtsvollkommenheit Jemandem ertheilte Nachsicht des Alters, welchem Falls sich nach dem Inhalt Unserer Verleihung zu achten, und hiernach die Einantwortung des Vermögens mit denen allenfalls darinnen enthaltenen Einschränkungen zu veranlassen, forthin aber auf seine Gebarung fleißig acht zu tragen, und bei Verspürung eines üblen Gebrauchs dieser ihme verliehenen Gnade der besorgliche Verfall seines Vermögens Uns von der Gehörde allsogleich anzuzeigen ist, um die nöthig ermessende Vorsehung treffen zu mögen.

[1, 6, § 7] 513. Außer diesen Fällen entweder einer von Uns erwirkten Nachsicht des Alters oder der bei Personen minderen Standes und gemeinen Leuten von der Vormundschaftsgehörde befundenen, selbsteigenen Nahrungs- oder Gewerbsfähigkeit solle keinem Minderjährigen sein Vermögen einantwortet, sondern dessen Verwaltung von dem Vormund fortgesetzet werden.

[1, 6, § 7] 514. Solange aber auch bei schon Großjährigen die Einantwortung des Vermögens nicht erfolget, ist ein solcher, obschon nach dem Alter großjährig Gewordener, oder zur eigenen burgerlichen Nahrung tüchtig Befundener, oder von Uns mit der Nachsicht des Alters Begnadigter forthin einem Minderjährigen gleich zu halten, mithin zu einigerlei Verbindungen unfähig.

[1, 6, § 7] 515. Was bishero von der Großjährigkeitserklärung und Einantwortung des Vermögens geordnet worden, ist nur von solchen Minderjährigen zu verstehen, die ein unter vormundschaftlicher Verwaltung befindliches Vermögen haben, maßen in dessen Ermanglung nichts eingeantwortet werden kann, folglich auch keine vorläufige Großjährigkeitserklärung nöthig ist, sondern gleichwie derlei unvermögliche Waisen nach erreichter Vogtbarkeit für die Erwerbung ihres Unterhalts selbst zu sorgen haben, und dem Schicksal ihres Fortkommens überlassen bleiben, also hat auch die weitere Vormundschaft ihr Ende, und sie sind an der Giltigkeit ihrer Verbindungen nicht gehemmet.

[1, 6, § 7] 516. An Seiten des Vormunds endiget sich die Vormundschaft durch

(1-247) dessen Tod, wegen dessen Unfähigkeit oder rechtmäßiger Entschuldigung, wegen übler Verwaltung und daher auf sich ladendem Verdacht, und endlich aus Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers.

[1, 6, § 7] 517. Durch den Tod des Vormunds höret die Vormundschaft auf und erstrecket sich keineswegs auf dessen Erben.

Doch müssen diese die rückständigen Raitung legen, verantworten und richtig stellen, wie auch das Waisengut mit gleicher Obliegenheit, wie der Verstorbene, insolang besorgen, bis eine andere Vorsehung getroffen und dessen Ausantwortung an den nachfolgenden Vormund veranlasset wird. Wo es aber zufällig geschehen würde, daß der Erb des Vormunds auch dessen Nachfolger in der Vormundschaft werde, ist es jedennoch nicht die vorige, sondern eine neue Vormundschaft.

[1, 6, § 7] 518. Die Unfähigkeits- und Entschuldigungsursachen sind alle bereits oben §. III. erwähnet worden.

Was dahero Jemanden gleich anfänglich zur Uebernehmung der Vormundschaft unfähig macht oder bei deren Auftrag zur Enschuldigung (!) (= ENtschuldigung) berechtiget, alles dieses ist insgemein auch hinreichend, wann es sich währender Vormundschaft ereignet, daß deswegen der Vormund von der aufhabenden Vormundschaft entlassen oder auf Verlangen davon befreiet werde, insoferne die Ursachen nicht also beschaffen sind, daß solche nach vorerwähnter obiger Ausmessung zwar von einer neu aufgetragenen, nicht aber auch von der schon wirklich aufhabenden Vormundschaft entschuldigen.

[1, 6, § 7] 519. Wann ein Vormund der üblen Verwaltung überwiesen, oder dessen Untreue offenkundig ist, solle demselben die Vormundschaft ohne weiters benommen werden.

Wiezumalen aber für die Waisen allzugefährlich wäre, es auf den Fall einer wirklichen Veruntreuung ankommen zu lassen, so ist es auch schon an einem gegründeten Verdacht der üblen Verwaltung genug, zur Aenderung der Vormundschaft zu schreiten.

[1, 6, § 7] 520. Dieser Verdacht kann aus verschiedenen Umständen wider den Vormund entstehen, da er aus eigener böser Gemüthsart, Fahrlässigkeit oder Arglist wider seiner Pflicht etwas thut oder unterläßt, was einen gegründeten Argwohn erreget, daß er sein vormundschaftliches Amt nicht getreulich handle.

[1, 6, § 7] 521. Als da derselbe die Waisen übel hielte, sie zum Ueblen anführete, durch böse Beispiele zu ihrer Verführung Anlaß gäbe, wissentlich übel gesitteten Leuten sie anvertrauete, es ihnen an standesmäßiger Erziehung ermanglen ließe, die Ausmessung eines genüglichen Unterhalts nicht ansuchete, oder durch unwahrhafte Vorstellungen hintertriebe, oder den ausgeworfenen Betrag, da er es wohl thun kann, nicht darzu anwendete.

[1, 6, § 7] 522. Ferners, wann er sich durch ungeziemende Mittel zur Vormundschaft eingedrungen oder sich darinnen auf solche Art zu erhalten suchet, wann er sich in Eigennutz betreten läßt, wann er ein ihme wohl bewußtes Vermögen der Waisen der Vormundschaftsgehörde nicht zeitlich oder nicht getreulich angezeiget, und um so mehr, wann er solches anfänglich ganz oder zum Theil verleugnet und unterschlagen hätte, wann er das Waisengut ohne obervormundschaftlicher

(1-248) Verwilligung eigenmächtig veräußeret, verpfändet oder sonst, wiewohlen ungiltig, beschweret, vernachlässiget oder gar verderben läßt.

[1, 6, § 7] 523. Nicht weniger, wann er die Steuern und Anlagen davon nicht entrichtet, sondern solche ohne Noth zum Nachtheil der Waisen anwachsen läßt, wann er mit dem Waisengut einen verbotenen oder sehr unsicheren Handel waget, wann er ohne Verwilligung der Vormundschaftsgehörde neue Schulden macht oder die vorhandenen, wo er kann, nicht abzahlet, wann er nach überkommener Vormundschaft, ohne zu begreifen, woher, kostbarer, als er nicht sonst gewohnet ware, zu leben anfängt, oder an ihme eine Verschwendung seines eigenen Vermögens bemerket wird.

[1, 6, § 7] 524. Endlich, wann derselbe den Raitungserlag lang über die ausgesetzte Zeit verspätet, wann er auf Erforderen der Vormundschaftsgehörde außer habenden Ehehaften nicht erscheinet, wann er die ihme zugegebene Beiräthe oder Vormundschaftsgehilfen in Sachen, die in ihre Wissenschaft, Kunst und Gewerbe einschlagen, nicht beiziehet, oder ihren Rath und Meinung eigensinnig verwirft, und überhaupt etwas thut oder unterläßt, was guten und getreuen Vormünderen zu thun oder zu unterlassen nicht geziemet.

[1, 6, § 7] 525. Alle Vormündere ohne Ausnahme können sich verdächtig machen, worwider sie weder das Zutrauen des Erblassers, weder das nahe Blutband, weder der obrigkeitliche Auftrag der Vormundschaft, weder der gute Ruf und Leumuth, weder die geleistete Bürgschaft, weder die kundbare Zahlfähigkeit, noch sonst etwas schützen kann, sondern es solle bei sich ergebendem Verdacht nach Erheischung der Umständen ohne Ansehen der Person des Vormunds mit Untersagung der ferneren Verwaltung und hiernach folgender anderweiter Vorsehung fürgegangen werden.

Doch muß der Verdacht gegründet und die Anzeigen einer üblen Verwaltung an sich schon offenbar sein, oder von glaubwürdigen Leuten und nicht etwann aus Mißgunst, Haß oder Leichtsinnigkeit herrühren, noch sonst unwahrscheinlich, sondern vielmehr nach vernünftigen Ermessen des Richters durch geheime zu keiner Verkleinerung des Vormunds gereichende Nachforschung, oder andere beitretende Umstände vorerst bestärket sein.

[1, 6, § 7] 526. Nicht nur die Vormundschaftgehörde selbst ist schuldig, auf das Betragen des Vormunds acht zu haben, sondern auch jene, welchen einen Theil an der Vormundschaft haben, als Mitvormündere, Ehrenvormündere, vormundschaftliche Beistände, oder zugegebene Beiräthe und Gehilfen sind unter eigener Verantwortung verbunden, die Handlungen des Vormunds zu beobachten, und den vermerkenden Unfug oder Gefahr der Vormundschaftsgehörde sogleich anzuzeigen.

[1, 6, § 7] 527. Ueber das solle nicht allein allen Befreundten der Waisen, sondern auch einem jedwedem Anderem zugelassen sein, aus redlichem Antrieb und Beherzigung des unter der Vernachlässigung der Waisen und ihres Vermögens leidenden gemeinen Wohlstands verdächtige Vormündere bei der Gehörde anzugeben.

[1, 6, § 7] 528. Es ist aber dabei keine förmliche Anklage nöthig, sondern an deme genug, daß der Verdacht mit allen Umständen bei der Vormundschaftsgehörde angezeiget werde, welche des Angebrachte zu beurtheilen, nach Erforderniß gehörig zu untersuchen, und das weiter nöthig Findende vorzukehren hat. Wann selbe jedoch die billige Abhilfe versagete, kann solche bei dem höheren Richter angesuchet werden.

[1, 6, § 7] 529. Ist das Angeben unwahrscheinlich und nicht mit genugsamen Anzeigen begleitet, der Vormund hingegen guten Rufs und bekannten Wohlverhaltens, so solle dasselbe zur Stelle verworfen, gänzlich unterdrucket, und da es muthwillig zu sein befunden würde, dem Angeber nachdrucksam verwiesen, auch gestalter Dingen nach bestrafet, hierbei aber vermieden werden, damit es dieserhalben zwischen dem Vormund und dem Angeber zu keiner weitläufigen Rechtsführung gelange.

[1, 6, § 7] 530. Wäre aber die Anzeige zwar nicht ungegründet, jedoch an sich von

(1-249) keiner besonderen Erheblichkeit und an dem Verzug der Abhilfe keine Gefahr, so ist die Verwaltung des Vormunds nicht zu unterbrechen, sondern unter der Hand der Sachen Bewandtniß nachzuforschen, und der befundene Unfug allsobald abzustellen, oder beschaffenen Umständen nach in der Ausstellung der Mängeln über die erlegte Vormundschaftsraitungen auf das Angeben der Bedacht zu nehmen, und somit dem weiterem Uebel vorzubeugen.

[1, 6, § 7] 531. Wäre hingegen die Anzeige gegründet und das Angegebene auch an sich erheblich, so solle nicht gesaumet werden, dem Vormund in der weiteren Verwaltung der Vormundschaft Einhalt zu thun, denselben zu Rede zu stellen und, da er den Verdacht von sich abzuleinen nicht vermögete, der Vormundschaft halber eine andere Vorsehung zu veranlassen, wobei auf das schleunigste zu verfahren ist, damit die Waisen durch längeren Verzug keinem größeren Schaden ausgesetzet bleiben.

[1, 6, § 7] 532. Doch solle alles dieses dem Vormund an seiner Ehre und guten Leumuth nicht nachtheilig sein, noch auch dieserhalben ein förmlicher Rechtsspruch wider dem Vormund geschöpfet werden, sondern es ist an deme genug, daß einem Anderem die Vormundschaft aufgetragen, und unter Einem der verdächtige Vormund ohne Erwähnung des Verdachts, sondern nur mit der überhaupt lautenden Beziehung auf erhebliche Ursachen mittelst gerichtlicher Auflage dahin angewiesen werde, dem neuen Vormund das Waisengut zu übergeben, und seiner bisherigen Verwaltung halber die vollständige Richtigkeit zu pflegen.

[1, 6, § 7] 533. Würde aber der Vormund nicht dabei beruhen wollen, sondern sich an die höhere Gehörde verwenden, so sind ihme die wahre Ursachen des Verdachts schriftlich zu bedeuten, und eben also dem höheren Richter in dem abforderenden Bericht ohne Ruckhalt anzuzeigen, welches jedoch dem Vormund an seiner Ehre noch keinen Nachtheil zuziehet.

[1, 6, § 7] 534. Nur in dem alleinigen Fall wird der Vormund seiner Ehre verlustig, wann wider ihn wegen begangener Untreue und Gefährde in dem schöpfenden Urtheil nebst der Entsetzung von der Vormundschaft auch zugleich die Ehrlosigkeit ausdrücklich verhänget worden.

[1, 6, § 7] 535. Durch das Gesatz unmittelbar wird die Vormundschaft an Seiten des Vormunds in zweien Fällen beendiget, als:

Erstens, wann von mehreren unter der Vormundschaft stehenden Geschwisteren ein Bruder die Großjährigkeit erreichet, welchen Falls derselbe über sein übriges noch minderjähriges Geschwister die Vormundschaft begehren kann, durch welche Aenderung sie an Seiten des vorherigen Vormunds geendiget wird.

[1, 6, § 7] 536. Zweitens, wann die Mutter, welche die Vormundschaft über ihre Kinder erhalten hat, zur anderen Ehe schreitet, ohne die Verwilligung solche beibehalten zu dürfen ausgewirket zu haben, wie es bereits oben in §. II. geordnet worden.

[1, 6, § 7] 537. Aus Anordnung des Erblassers höret die Vormundschaft an Seiten des Vormunds auf, wann der Erblasser in seinem letzten Willen Jemanden nur bis auf eine gewisse Zeit, oder bis zum Erfolg oder Ausgang einer beigesetzten Bedingniß zum Vormund benennet hat, die Zeit aber vorüber, und die Bedingniß erfüllet oder erloschen ist.

[1, 6, § 7] 538. Wie immer aber die Vormundschaft beendiget werde, so ist der Vormund oder dessen Erben allemal schuldig die Schlußraitung in der ausgesetzten Zeit zu erlegen, und das Vermögen entweder dem nachfolgenden Vormund, oder dem großjährig erklärten, oder auch noch minderjährigen Waisen, wann derselbe in obigen beiden Fällen, da er entweder nach erreichter Vogtbarkeit zu einer burgerlichen Nahrung oder Gewerb fähig befunden worden, oder die Nachsicht des

(1-250) Alters erhalten hätte, aus der Vormundschaft austritt, auf obervormundschaftliche Anordnung einzuantworten.

[1, 6, § 7] 539. Wann die Vormundschaft aus Anordnung des Gesatzes oder des Erblassers aufhöret, oder der Vormund sonst eine rechtmäßige Ursache hätte, seine Entbindung von der Vormundschaft anzuverlangen, so lieget ihme ob, diesen Umstand bei der Vormundschaftgehörde gebührend anzuzeigen, und um anderweite Bevormundung der Waisen anzuhalten, bis dahin aber die Verwaltung fortzusetzen.

[1, 6, § 7] 540. Wann hingegen die Vormundschaftsgehörde, es seie wegen übler Verwaltung, gegründeten Verdachts, oder wegen zugestoßener Unfähigkeit, mit dem Vormund eine Aenderung zu treffen befindet, so muß von derselben sogleich denen Waisen mit einem anderem tüchtigem Vormund vorgesehen werden.

[1, 6, § 7] 541. Wo aber die Vormundschaft an Seiten der Waisen durch deren erreichte Großjährigkeit, oder befundene Gewerbsfähigkeit oder von Uns erwirkte Nachsicht des Alters gänzlich aufhöret, hat der Vormund bis zu der von der Vormundschaftsgehörde anordnenden Einantwortung des Vermögens die Verwaltung fortzuführen.

[1, 6, § 7] 542. Die von dem abtretenden Vormund einbringende Schlußraitung solle allemal mit Zuziehung des antretenden Vormunds, oder seines aus der Vormundschaft gänzlich ausgetretenen Pflegbefohlenen aufgenommen und erlediget, wie auch die aus der verwalteten Vormundschaft entstandene Sprüche und Gegensprüche zwischen dem abtretenden und antretenden Vormund, oder einem für die Waisen eigens zu bestellen habenden Rechtsvertreter, oder auch denen die eigene freie Schalt- und Waltung überkommenden Pflegbefohlenen gerichtlich ausgeführet werden.

[1, 6, § 7] 543. Unmittelbar aber kann es zwischen dem Vormund und seinen Pflegbefohlenen zu keinen Rechtssprüchen kommen, weilen diese weder für sich selbst den Vormund belangen, noch von ihme belanget werden können, sondern durch den nachfolgenden Vormund, oder einen nach Erforderniß eigens zu bestellenden Rechtsobsorger, und durch die Vormundschaftsgehörde selbst bis zu Erlangung der eigenen freien Verwaltung vertreten werden müssen.

[1, 6, § 7] 544. Die Einantwortung des Vermögens an die aus der Vormundschaft

(1-251) Austretende hat allemal auf vorläufige gerichtliche Verordnung, und zwar da, wo noch keine vormundschaftliche Raitung vorhergegangen, nach der gerichtlichen Vermögensbeschreibung, ansonst aber nach dem letzten gerichtlichen Endauszug zu geschehen, und muß beinebst Alles, was seit deme zugewachsen und nach Abzug der Ausgaben übrig ist, nach Ausweis der Schlußraitung überantwortet werden.

[1, 6, § 7] 545. Diese Einantwortung kann die Vormundschaftsgehörde, wann auch kein Theil darum anhielte, nach vorläufiger Großjährigkeitserklärung von amtswegen verordnen, und solle dieselbe wegen noch nicht verfaßter oder erlegter Schlußraitung nicht aufgehalten, sondern das Vermögen immittelst entweder nach der gerichtlichen Beschreibung oder nach dem letzten Endauszug übergeben, und so die Uebergabe, wie die Uebernahme inzwischen gegen einander bescheiniget, die Schlußraitung aber in der von dem Tag der Großjährigkeitserklärung zu laufen habenden obausgemessenen Frist ohnfehlbar erleget werden.

[1, 6, § 7] 546. Die einem aus der Vormundschaft Ausgetretenen wider seinen gewesten Vormund zustehende Sprüche zielen hauptsächlich auf Erlag der Raitungen und auf Erstattung alles dessen ab, was demselben von seinem Vermögen annoch abgehet, oder aus Schuld des Vormunds abgehen dörfte, und entweder in seiner Gestalt oder in seinem Werth sich bei dem Vormund befindet, wie auch auf Ersetzung alles ihme durch des Vormunds Gefährde, schwere oder geringe Schuld bereits zugestoßenen oder annoch zustoßen mögenden erweislichen Schadens.

[1, 6, § 7] 547. Die Gegensprüche des gewesten Vormunds aber gehen auf seine Entschädigung in Ansehung dessen, was er von dem Seinigen in die Verwaltung erweislich einverwendet, und wessen Vergütung derselbe noch nicht erhalten, oder was er aus der Verwaltung Schaden erlitten hat, wie auch auf seine vollständige

(1-252) Entbindung von allen währender vormundschaftlicher Verwaltung für seine Pflegbefohlene eingegangenen Verbindungen, ferners auf die Erlassung der wegen der aufgehabten Vormundschaft geleisteten Sicherheit oder Bürgschaft, und endlich auf eine gerichtliche Hauptquittung und Verzicht von allen an ihme der verwalteten Vormundschaft halber gemachten oder weiters machen mögenden Ansprüchen und Forderungen.

[1, 6, § 7] 548. In diese Sprüche und Gegensprüche kommt jedoch nichts, was durch die vorherige zu Rechtskräften erwachsene gerichtliche Endauszüge, wann solchen bereits vollständiges Genügen geleistet worden, allschon behoben und abgethan ist, mit alleiniger Ausnahme deren oben erklärten Vorbehaltsfällen, wegen welcher zu allen Zeiten die Richtigkeit von so einem, wie dem anderen Theil geforderet werden kann.

[1, 6, § 7] 549. Außer diesen bleiben alle vorhin erhaltene Raitscheine in ihrem Inhalt bei Kräften, und wirken in allem deme, was durch den Endauszug richtig befunden und hernach erweislich richtiggestellet worden, eine wahre und vollkommene Loszählung des darmit bescheinigten Vormunds.

[1, 6, § 7] 550. Gleichwie dahero der geweste Vormund insgemein nur für Jenes Red und Antwort zu geben schuldig ist, was von Schluß der letzten gerichtlich erledigten Rechnung vorgefallen, oder etwann in dem darüber hinausgegebenen Endauszug zur weiteren Verantwortung oder Genugthuung vorbehalten worden, also hat auch an Seiten des gewesten Vormunds auf Dasjenige kein weiterer Anspruch statt, was ihme in denen vorigen Endauszügen oder sonst durch richterliche Erkanntniß bereits bereits rechtskräftig abgesprochen, oder von ihme in die vorige schon erledigte Raitungen bei damals bereits fürgewester Gegenforderung einzubringen wissentlich unterlassen worden, wann nicht vorbesagter Maßen ein- oder andererseits ein erweislicher Vorbehaltsfall unterwaltet.

[1, 6, § 7] 551. Zur Habhaftwerdung des Vermögens nach einmal gerichtlich angeordneter Einantwortung solle dem großjährig Erklärten mit gerichtlichen Zwangsmitteln wider den saumseligen Vormund, oder wider Jenen, bei weme immer sich etwas von diesem Vermögen ohne Ursach befindet, verholfen und allenfalls auch derselbe mittelst Gerichtshilfe ohne Verschub in den Besitz seiner Güter gesetzet werden.

[1, 6, § 7] 552. Desgleichen hat er zu Erhaltung des ihme durch den gerichtlichen in Rechtskräften erwachsenen Endauszug zuerkannten Ersatzes, dann aller ihme durch Saumsal des Vormunds verursachten Schäden und Unkosten sich derjenigen Rechtsmitteln zu gebrauchen, welche zu Vollstreckung deren Rechtssprüchen eingeführet sind.

[1, 6, § 7] 553. Der abtretende Vormund hingegen kann zur Habhaftwerdung dessen, was ihme durch den zu Rechtskräften gediehenen, gerichtlichen Endauszug zugesprochen worden, oder was er nach seiner Schlußraitung annoch zu forderen hat, einen seiner Gegenforderung ausgemessenen Betrag von dem verwalteten Vermögen bis zu seiner Befriedigung zuruckhalten.

Falls aber derselbe nicht so viel zuruckgehalten hätte, so kann er das, was ihme zu seiner Schadloshaltung, oder an der vormundschaftlichen Belohnung zuerkannt worden, so viel hieran noch ausständig ist, durch gleichmäßige Rechtsmitteln ansuchen.

[1, 6, § 7] 554. Die Sprüche und Gegensprüche, welche zwischen einem großjährig Erklärten und seinem gewesten Vormund bestehen, gelangen demnach selten zu der Nothwendigkeit einer darüber ordentlich auszuführen habenden Rechtstheidigung, sondern der über die erledigte Schlußrechnung ausgefertigte gerichtliche Endauszug giebt schon Ziel und Maß, was einem von dem anderen Theil zu erstatten seie.

[1, 6, § 7] 555. Nur allein bei sich ergebenden Vorbehaltsfällen, welche nach allen

(1-253) erledigten Vormundschaftsraitungen hervorkommen, kann eine ordentliche Rechtsführung zwischen dem großjährig Erklärten und seinem gewesten Vormund platzgreifen, worinnen auch der Lauf Rechtens keinerdings zu hemmen ist.

[1, 6, § 7] 556. Alle diese Sprüche und Gegensprüche betreffen vornehmlich denjenigen Vormund, welcher die Vormundschaft verwaltet hat, und wo solche von Mehreren verwaltet worden, auch Alle, welche die Verwaltung geführet haben.

[1, 6, § 7] 557. Es ist aber in dem Fall, wo mehrere Vormündere bestellet worden, der dreifache Unterschied zu beobachten, als

erstens, ob Alle zugleich die Vormundschaft ungetheilt verwaltet haben, oder

andertens, ob die Verwaltung unter ihnen und von weme getheilet, oder

drittens, ob solche von Einem oder Mehreren allein, von denen Uebrigen aber nicht geführet worden.

[1, 6, § 7] 558. In dem ersten Fall sind Alle für Einen und Einer für Alle denen an sie wegen der vormundschaftlichen Verwaltung machenden Ansprüchen verfänglich, und stehet dem großjährig Erklärten frei, jedweden von ihnen, welchen er will, um die Erstattung dessen, was sie ihme schuldig sind, zu belangen, ohne daß der Belangte sich hierwegen auf die Anderen berufen oder eine Theilung des schuldigen Ersatzes einwenden könne.

[1, 6, § 7] 559. Doch bleibet Demjenigen, welcher den Ersatz geleistet, bevor, sich deswegen an denen Uebrigen für den dieselbe mitbetreffenden Antheil mittelst einer besonderen Rechtsfertigung zu erholen. Dahingegen ist auch der großjährig Erklärte Allen für ihre erweisliche Gegensprüche gerecht zu werden schuldig.

[1, 6, § 7] 560. In dem zweiten Fall ist zu unterscheiden, ob die Verwaltung von dem Erblasser oder von Gericht unter mehrere Vormündere vertheilet, oder aber von ihnen selbst untereinander eigenmächtig abgesönderet worden.

[1, 6, § 7] 561. Wann die Theilung von dem Erblasser oder von Gericht geschehen, so stehet ein Jeder nur für dem Antheil seiner Verwaltung, und kommen ihme auch nur insoweit seine Gegensprüche zu statten. Dahingegen hat Keiner für dem Anderen zu haften, außer insoferne Einer die üble Gebarung des Anderen wissentlich vertuschet, und in der Zeit bei Gericht anzuzeigen unterlassen hätte, welchen Falls derselbe auch um das, was an dem Schuldtragenden nicht erholet werden mag, belanget werden kann.

[1, 6, § 7] 562. Wo aber mehrere Vormündere die Verwaltung unter sich eigenmächtig vertheilet hätten, so sind zwar Alle, wie in dem ersten Fall verordnet worden, für den von deren Einem verursachten Schaden zu haften verbunden.

Nichtsdestoweniger solle in diesem Fall vorerst Derjenige, der hieran Schuld traget, hierum belanget, und was von ihme nicht erholet werden kann, alsdann von ihnen dergestalten eingetrieben werden, daß nur ein Jeder einen gleichen Antheil zu tragen habe, und was an diesem Antheil von Einem nicht eingebracht werden mag, von denen Uebrigen anwiederum zu gleichen Theilen ersetzet werde.

[1, 6, § 7] 563. In dem dritten Fall, wo die Verwaltung nur von Einem oder Mehreren und nicht von Allen geführet worden, ist darauf zu sehen, ob Allen zusammen oder nur Einem oder Einigen aus ihnen die Verwaltung aufgetragen worden. Haben Alle den Auftrag erhalten, und sich Einige eigenmächtig davon entzogen, so hat auch alles Dasjenige statt, was in dem gleich vorhergehenden Fall der eigenmächtigen Vertheilung verordnet worden.

[1, 6, § 7] 564. Ist aber der Auftrag nur Einem oder Einigen von ihnen geschehen, so haben nur die Verwaltenden und nicht auch die Anderen, welche davon enthoben geblieben, Red und Antwort zu geben. Es wäre dann, daß ihre Schuld entweder wegen Selbsteinmengung in die Verwaltung, oder wegen unterlassener Anzeige der ihnen wohl bekannten Gebrechen des verwaltenden Vormunds mit unterlaufe.

(1-254) [1, 6, § 7] 565. Für mitverwaltende Vormündere aber sollen alle Diejenige gehalten werden, welche die Vormundschaftsrechnung mit unterschrieben haben, ohne Unterschied, ob ihnen die Verwaltung aufgetragen worden, oder dieselbe sich eigenmächtig darein gemischet haben.

[1, 6, § 7] 566. Auch bei Stattvormünderen und vermeintlichen Vormünderen haben diese vormundschaftliche Sprüche und Gegensprüche so, wie bei einem wahren Vormund statt.

Falsche Vormündere hingegen sind zwar denen Waisen verfänglich, an diesen aber haben sie nur insoweit eine Gegenforderung, als selbe mit ihrem Schaden erweislich bereicheret worden.

[1, 6, § 7] 567. Die Verbindlichkeit der Vormünderen gegen die Waisen, sowie dieser gegen jene, gehet auch auf beiderseitige Erben, also, daß die Erben des einen Theils dem anderen für das, zu deme ihr Erblasser verbunden ware, nicht weniger gerecht werden müssen, als sie befugt sind, Dasjenige, was der andere Theil ihrem Erblasser schuldig gewesen, von ihme oder dessen Erben einzuforderen.

[1, 6, § 7] 568. Damit jedoch die Erben eines Vormunds mit Recht zum Ersatz angehalten werden mögen, muß entweder die Gefährde oder schwere Schuld ihres Erblassers erweislich, oder die Klage wider den verstorbenen Vormund noch bei dessen Lebzeiten erhoben, oder der Mangel ausgestellet worden sein, welchen Falls die Erben auch für dessen geringe oder leichte Schuld zu haften haben.

[1, 6, § 7] 569. Endlich, wo der Ersatz weder von denen Vormünderen, noch deren Erben zu erholen wäre, kann auch wider die Vormundschaftsgehörde selbst die nachhilfliche Rechtsforderung bei dem höheren Richter angestrenget werden.

[1, 6, § 7] 570. Zu dieser Rechtsforderung ist nothwendig, daß

erstens die wirklich erleidende Beschädigung,

zweitens, daß Kläger den Ersatz weder von dem gewesten Vormund, noch von dessen Bürgen oder Erben, noch von jemandem Anderen erhalten könne, und

drittens, die Gefährde, oder wenigstens schwere Schuldtragung der Vormundschaftsgehörde rechtsbeständig erwiesen werde.

[1, 6, § 7] 571. Zur schweren Schuld wird gerechnet, wann von derselben gar kein oder ein untüchtiger Vormund bestellet worden, wann sie Gaben und Verehrungen von ihme angenommen, wann von ihme keine hinlängliche Sicherheit, die er doch wohl hätte leisten können, geforderet, der wider ihn hervorgebrochene gegründete Verdacht nicht untersuchet oder kein Einhalt gethan, bei sich geäußerten großen Ruckstand auf die Richtigkeitspflegung oder Sicherstellung nicht angedrungen, sondern längerhin nachgesehen worden, und was sonst nach Erwägung der Umständen für eine schwere Schuld zu achten ist.

[1, 6, § 7] 572. Bei dergleichen erwiesenen Umständen ist die Vormundschaftsgehörde zum Ersatz desjenigen daher entstandenen Schadenbetrags zu verurtheilen, welcher von denen hieran unmittelbar Schuldtragenden, ihren Bürgen und Erben nicht erholet werden kann.

[1, 6, § 7] 573. Dahingegen verbindet die geringe oder leichte Schuld, wofür die Fahrlässigkeit in allzu genauer Beobachtung der Vorgeschriebenen heilsamen Vorsichten oder des obervormundschaftlichen Amts anzusehen ist, nur insoweit zu dem Ersatz, als solchen der höhere Richter nach Erwägung der Umständen billig zu sein ermessen wird. Die geringste oder leichteste Schuld aber ziehet gar keine Verbindlichkeit nach sich, noch viel weniger ein zufällig erfolgter Schaden.

[1, 6, § 7] 574. Doch sind nur diejenige Mitglieder der Vormundschaftsgehörde und deren Erben zur nachhilflichen Entschädigung verbunden, welche an der Gefährde oder Schuldtragung Antheil haben, nicht aber auch jene, welche entweder zu dieser Zeit gar nicht von diesem Mittel waren, oder bei Veranlassung dessen, was zum

(1-255) Schaden der Waisen ausgeschlagen, nicht gegenwärtig gewesen, oder sich ausdrücklich dagegen verwahret, oder wenigstens darzu nicht mit eingestimmet haben.

[1, 6, § 7] 575. Auch deren Schuldigen Erben sind nicht weiter verfänglich, als insoferne die Gefährde oder schwere Schuld ihrer Erblasseren erweislich, oder wegen geringer Schuld die Klage schon bei ihren Lebzeiten wider dieselbe erhoben worden.

[1, 6, § 7] 576. Diese nachhilfliche Rechtsforderung hat aber nur in dem Fall statt, wann der Schaden von dem Vormund zugefüget worden und sich dessen in keinerlei andere Wege erholet werden kann. Wo aber die Vormundschaftsgehörde selbst den Schaden unmittelbar zugefüget hätte, als da der Vormund von denen aus seiner erlegten Raitung hervorgekommenen Mängeln zur Ungebühr losgesprochen, oder weniger als rechtmäßig gebühret hätte, zum Ersatz anerkannt worden wäre, ist die Rechtsforderung aus übler Erkanntniß wider dieselbe auf so viel, als dem Kläger andurch erweislich Unrecht geschehen, anzustrengen.

[1, 6, § 7] 577. Wann es um Raitungserledigung, Sprüche oder Gegensprüche zwischen Vormünderen und Denenjenigen zu thun ist, welche zwar noch nicht großjährig sind, doch aber entweder von Uns die Nachsicht des Alters erhalten haben, oder nach erreichter Vogtbarkeit zur burgerlichen Nahrung und Gewerb fähig erkläret worden, so solle ihnen ein eigener Rechtsobsorger oder Curator um sie dabei zu vertreten, und die vollständige Richtigkeit für sie zu bewirken, beigegeben werden, welcher sodann nebst ihnen die Hauptquittung und Verzicht auszustellen hat.

[1, 6, § 7] 578. Ansonst hat ein jeder für großjährig Erklärter, deme sein Vermögen eingeantwortet wird, diese Hauptverzichts-Quittung nach gänzlich hergestellter Richtigkeit für sich allein auszustellen, und, wann damit verweilet würde, kann auf Anlangen des gewesten Vormunds und allenfalls auch von amtswegen darauf gedrungen werden.

[1, 6, § 7] 579. Diese Verzicht auf alle weitere Ansprüche und Forderungen der verwalteten Vormundschaft halber solle allemal persönlich vor Gericht und in Beisein des gewesten Vormunds oder eines von diesem darzu eigends bevollmächtigten Anwalts geschehen, die ausgestellte Hauptquittung allda vorgelesen, von dem Quittirenden sich hierzu ausdrücklich bekennet, und alsdann da, wo es zur Entbindung von der bestellten Sicherheit oder sonst noch nöthig ist, eingetragen und vorgemerket, und sonach dem gewesten Vormund zugestellet werden.

[1, 6, § 7] 580. Wann aber der Quittirende aus erheblichen Ursachen hierzu persönlich nicht erscheinen könnte, so kann auch auf Anzeige der Ehehaften die Verzicht durch einen von ihme eigends darzu Bevollmächtigten mit denen in drittem Theil zu derlei gerichtlichen Bekanntnissen vorgeschriebenen Feierlichkeiten bei Gericht vorgenommen, und da, wo nöthig, sammt der ausgestellten Vollmacht eingetragen werden.

[1, 6, § 7] 581. Diese Urkunde solle nicht allein die Bescheinigung und Quittirung des gewesten Vormunds über die vollständige Uebergabe des bis dahin von ihme verwalteten Vermögens, und über die gänzliche Genugthuung für alles das, was derselbe laut des über seine vormundschaftliche Schlußraitung verfaßten Endauszugs zu erstatten gehabt, sondern auch beinebst die Verzicht auf alle weitere Ansprüche, folglich dessen Loszählung von der ferneren Verantwortung und die Ablassung von der bestellten Sicherheit enthalten.

[1, 6, § 7] 582. Auf gleiche Weise müssen auch bei vorfallender Aenderung der Vormundschaft die abtretende von denen nachfolgenden Vormünderen, wie nicht weniger die Erben eines verstorbenen Vormunds zu ihrer Entledigung losgesprochen werden.

[1, 6, § 7] 583. Dann nach Einantwortung des Vermögens, sie geschehe an den aus der Vormundschaft austretenden Pflegbefohlenen, dessen Erben, oder den nachfolgenden Vormund, wird der abtretende Vormund von aller weiterer Gefahr entbunden,


(1-256) und hat jener, deme die Einantwortung geschieht, nebst der übernehmenden Gefahr auch alle Rechten und Gerechtigkeiten von dieser Zeit an zu besorgen, folglich auch allen in Namen der fürgewesten Vormundschaft eingegangenen Verbindungen Genüge zu thun, ohne daß der abgetretene Vormund wegen der unter seiner Verwaltung vorgegangenen Handlungen Jemanden besprechen oder von Anderen hierwegen besprochen werden könne.

[1, 6, § 7] 584. Er habe sich dann für seine Person gegen Jemanden zu etwas verbindlich gemacht, und es wäre bei Erledigung der Schlußraitung ihn von solcher Verbindung nicht zu entheben befunden worden, aber es käme ihme die Wiederholung des ihme zu leisten auferlegten Ersatzes an Anderen zu statten.

[1, 6, § 7] 585. Außer deme entbindet vorbemelte Hauptverzichts-Quittung auch alle Andere, denen wegen deren mit dem gewesten Vormund vorgegangenen Handlungen daran gelegen ist, und solle unter keinerlei Vorwand mit alleiniger Ausnahme deren Vorbehaltsfällen etwas darwider zu regen gestattet sein.

[1, 6, § 7] 586. Auch solle wider dergleichen Verzicht seine Herstellung in den vorigen Stand unter dem alleinigen Vorwand der damaligen Minderjährigkeit angesuchet werden können.

Wiewohlen Wir Uns übrigens allerdings vorbehalten, einem dadurch erweislich zu Schaden Gekommenen aus unterwaltenden besonderen Umständen, wann Uns solche behörig vorgestellet werden, derlei Herstellung in vorigen Stand aus Unserer landesfürstlicher Machtsvollkommenheit angedeihen zu lassen.

§. VIII.

[1, 6, § 8] 587. Der einmal nach erreichten gesetzmäßigen Jahren, oder von Uns erwirkter Nachsicht des Alters aus der Vormundschaft ausgetreten, fällt in dieselbe nicht mehr zurück. wann er gleich seinen Sachen selbst vorzustehen unfähig.

(1-257) oder verhindert wird, sondern derlei Personen sind eigenen Obsorgere oder Curatores zu ihrer Vertretung und Verwaltung ihres Guts zu bestellen.

[1, 6, § 8] 588. Diese Obsorgere oder Curatores kommen mit denen Vormünderen oder Gerhaben in ihren Amtsbefugnissen und Verbindlichkeiten fast durchaus überein, und wann jene Obsorgere, die besonders nur zu gewissen einzlen Handlungen bestellet sind, ausgenommen werden, so sind die übrigen von denen Vormünderen nur dem Namen nach unterschieden.

[1, 6, § 8] 589. Die Bestellung eines Obsorgers erforderet demnach allemal entweder an Seiten dessen, deme ein solcher bestellet wird, die Unfähigkeit oder Verhinderniß, seinen Sachen selbst vorstehen zu können, oder die Nothwendigkeit einer rechtlichen Vorsehung in Fällen, wo es um ein Gut zu thun ist, welches noch keinen bestimmten Eigenthümer hat, oder in Sicherheit gebracht werden muß, oder wo es in einzlen Vorfällen um das Recht solcher Personen zu thun ist, welche weder sich selbst vertreten, noch durch ihre ordentliche Vertretere wegen Theilnehmung an der fürgehenden Handlung dabei vertreten werden können, oder endlich, wo es um eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Auslöschung einer schon getilgten Haftung zu thun ist, welche von Jenem der sie zu bewirken schuldig wäre, nicht befolget werden kann oder will.

[1, 6, § 8] 590. Die Untüchtigkeit seinen Sachen selbst vorzustehen, rühret entweder von der Gemüths- oder Leibesgebrechlichkeit, oder von der unmäßigen Neigung zur Verschwendung des Seinigen her.

[1, 6, § 8] 591. Unter denen Gebrechlichen werden alle Blödsinnige, Sinnlose, Unsinnige, Wahn- oder Aberwitzige, Rasende, Stumme und Taube, Blinde und fortwürig preßhafte Menschen verstanden, welche aus Mangel der gesunden Vernunft oder wegen Mühseligkeit und Leibesschwachheit außer Stande sind, ihre Habschaften und Gerechtsame selbst zu besorgen, oder durch andere von ihnen darzu Gestellte besorgen zu lassen.

[1, 6, § 8] 592. Derlei gebrechlichen Leuten sind Obsorgere zu bestellen, welche für ihre Verpflegung sorgen und ihr Vermögen getreulich verwalten sollen, und dieses ohne Unterschied, ob sie aus Zufall oder ihrer selbsteigenen Schuld in solche mißliche Umstände gerathen sind.

[1, 6, § 8] 593. Wo aber Jemand noch währender Minderjährigkeit und der über ihn fortdauernden Vormundschaft mit einer dergleichen Gebrechlichkeit befallen würde, wird nach erreichter Großjährigkeit die Vormundschaft in eine Curatel verwandlet.

(1-258) [1, 6, § 8] 594. Doch muß eine so beschaffene Gemüths- und Leibesgebrechlichkeit allemal vorhero wohl untersuchet und befunden worden sein, daß ein solcher ganz und gar zur selbsteigenen Verwaltung unfähig seie.

Widrigens kann keinem Großjährigen wider seinen Willen die eigene freie Schalt- und Waltung benommen werden.

[1, 6, § 8] 595. Also bedarf jener Blödsinnige keines Obsorgers, der von Zeit zu Zeit dergestalten zu sich kommt, daß er mit dem Seinigem vernünftig ordnen und sein Vermögen mit Beihilf anderer sich wählender Personen auch für die Zeit des ihme zustoßenden Uebels verwalten könne.

[1, 6, § 8] 596. Ebensowenig hat ein mit Leibesgebrechen Behafteter einen Obsorger nöthig, wann er, obschon der Sprache, des Gehörs oder Gesichts beraubet, oder stets liegerhaft, jegleichwohlen von dem Stand seiner Geschäften und Habschaften durch schriftliche oder mündliche Berichte, obgleich mit einiger Beschwerniß, von Anderen Kundschaft einziehen, seinen Willen darüber vernünftig erklären und das Nöthige durch Andere vorkehren kann.

[1, 6, § 8] 597. Es hanget dahero allemal von dem richterlichen Ermessen derjenigen Gehörde ab, deren Gerichtsbarkeit der Blödsinnige oder Gebrechliche unterstehet, ob in Erwägung aller fürwaltenden Umständen nothwendig seie, Jemanden, der schon großjährig ist, wegen Blödsinnigkeit oder Gebrechlichkeit für unfähig zur selbsteigenen Verwaltung seines Vermögens zu erklären, und ihme einen Obsorger zu bestellen.

[1, 6, § 8] 598. Es wäre dann, daß der Blödsinnige in der vernünftigen Zwischenzeit, oder der Gebrechliche aus eigener Erkanntniß seiner Schwachheit zur Sicherheit seines Vermögens selbst darum anhielte, oder darein willigete, welchen Falls kein weiteres Bedenken zu tragen ist.

[1, 6, § 8] 599. Diese Gattung der Obsorge kommt mit der Vormundschaft auch in deme überein, daß ein Vater seinen blödsinnigen oder gebrechlichen Kindern in seinem letzten Willen einen
Obsorger bestellen könne, und solle, wann dieser nothwendig zu sein befunden wird, von der Auswahl des Vaters nicht leicht abgegangen werden.

[1, 6, § 8] 600. Nicht weniger gebühret diese Obsorge vorzüglich denen nächsten Verwandten, welche auch vor Anderen darzu angehalten werden sollen, wie dann Jedermann, deme sie gerichtlich aufgetragen wird, solche auf sich zu nehmen, oder hinlängliche Entschuldigungsursachen, welche bereits oben bei der Vormundschaft erkläret worden, beizubringen schuldig ist.

[1, 6, § 8] 601. Derlei Obsorgere oder Curatores haben alles Dasjenige zu beobachten, was oben von Vormünderen wegen der Antretung und dabei vorgeschriebenen Erfordernissen, Verwaltung und alljähriger Raitlegung geordnet worden, wogegen aber auch ihnen eine gleichmäßige Belohnung, wie denen Vormünderen zu statten kommen solle.

[1, 6, § 8] 602. Diese Curatel, wann sonst wegen Todsfall, Untauglichkeit, Entschuldigung oder Verdachts keine Aenderung zu machen nöthig ist, hat so lange zu daueren, als die Blödsinnigkeit oder Gebrechlichkeit fürwähret.

[1, 6, § 8] 603. Wann aber der Blödsinnige zur Vernunft gelanget oder der Gebrechliche geneset, hat die Curatel ihr Ende, und muß alsdann in Ansehung der Schlußraitung und beiderseitiger Richtigkeitspflegung alles Dasjenige beobachtet werden, was bei Endigung der Vormundschaft angeordnet worden.

[1, 6, § 8] 604. Doch solle die Curatel nicht ehender aufgehoben werden, als bis es entweder kundbar oder genugsam erwiesen seie, daß der Pflegbefohlene den Gebrauch seiner Vernunft, oder die Gesundheit wieder erlanget habe, und daß nach Urtheil der Aerzten die Wiedergenesung dauerhaft zu sein befunden werde.

(1-259) [1, 6, § 8] 605. Blödsinnigen kommen Verschwendere zum nächsten bei, welche muthwilliger Weise ihr Vermögen versplitteren, und in unnützen Ausgaben kein Ziel

(1-260) nach Maß halten, folglich eben andurch dem Ihrigen selbst vorzustehen sich unfähig machen.

[1, 6, § 8] 606. Es erforderet demnach der gemeine Wohlstand, damit der Unwirthschaft derlei Leuten behöriger Einhalt geschehe, und sie eben also, wie andere, zur eigenen Verwaltung untaugliche Personen von derjenigen Gehörde, welcher sie untergeben sind, mit Obsorgeren oder Curatoren versehen werden.

[1, 6, § 8] 607. Niemand aber solle aus bloßen Vermuthungen für einen Verschwender gehalten, sondern, wo sich bei Jemanden Kennzeichen einer üblen Wirthschaft oder Verminderung seines Vermögens aus vielen unnützen Aufwand, unmäßiger Freigebigkeit, vernachlässigter Wirthschaft, muthwilliger Einschuldigung und Versplitterung seiner Habschaften, oder aus sonst anderen Umständen äußereten, und von der Freundschaft oder Anderen, denen an Erhaltung seines Vermögens gelegen ist, angegeben oder auch sonst von der Gehörde selbst bemerket würden, solchen Falls eine besondere Aufmerksamkeit auf sein Betragen gerichtet, und ohnverlängt auf den Grund der Sachen zu kommen getrachtet werden.

[1, 6, § 8] 608. Zu diesem Ende sind alle angebrachte Umstände unter der Hand zu untersuchen, die übermäßig scheinende Ausgaben mit denen Kräften des Vermögens, wahrscheinlichen anderweiten Verdienst, und der befindenden Nothdurft oder Wohlstand zusammenzuhalten, sofort aber, wann daraus die vermuthete Verschwendung noch mehr bestärket würde, der angegebene Verschwender in geheim vor Gericht fürzuforderen und zur getreulichen Anzeige seines Vermögens und Schuldenstandes anzuhalten.

[1, 6, § 8] 609. Würde aber dieser Verdacht von ihm genüglich abgeleinet, oder die Unwirthschaft nicht sehr beträchtlich befunden, so kann es dabei, und zwar gestalter Dingen nach mit ernstlicher Ermahnung zur besseren Wirthschaft und Vermeidung weiteren Verdachts sein Bewenden haben.

[1, 6, § 8] 610. Wann hingegen die Anzeigen der Verschwendung von ihme nicht abgeleinet würden, oder auch sein eigentlicher Vermögen- und Schuldenstand nicht getreulich veroffenbaret werden wollte, so ist nicht zuzuwarten, bis sein Zahlungsstand zweifelhaft werde, sondern ihme nebst nachdrucksamer Erinnerung eine verläßliche Anzeige seines Vermögen- und Schuldenstandes binnen einer kurzen Frist aufzuerlegen, und inzwischen auch auf sein Betragen genau obacht zu geben.

[1, 6, § 8] 611. Zu dieser Absicht solle ihme ein vertrauter Mann, welcher auf sein Thun und Lassen acht habe, und auf allmaliges Erforderen von dem zu- oder abnehmenden Wirthschaftsstand Nachricht ertheilen könne, an die Seite gestellet, anbei aber alle böse Rathgebere und zur Verschwendung verleitende Personen hintangehalten, und überhaupt solche von dem richterlichen Befund abhangende Maßregeln genommen werden, wodurch der Endzweck einer wirthschaftlichen Gebarung erreichet, dabei aber der Wohlstand auch nicht verletzt werde.

[1, 6, § 8] 612. Fruchtete aber alles dieses nicht, oder es äußerete sich gleich anfangs eine Gefahr ob dem Verzug, so solle einem solchen in der That befundenen Verschwender ohne Aufschub ein Obsorger bestellet, diesem die Verwaltung des Vermögens gerichtlich aufgetragen, und solches anbei auf eine zum wenigsten

(1-261) verkleinerlich fallende Art mit dem Verbot öffentlich kundgemacht werden, daß Niemand dem Pflegbefohlenen Geld oder Geldswerth zu borgen, oder sich in andere zur Beschwerung oder Veräußerung seines Vermögens gereichende Handlungen mit demselben ohne Zuthat seines Obsorgers, und ohne allenfalls nöthiger gerichtlicher Verwilligung bei Nichtigkeit der Handlung und gleichmäßiger Bestrafung, welche oben bei Minderjährigen verhänget worden, einzulassen unterfangen solle.

[1, 6, § 8] 613. Doch ist bei höheren Standspersonen mit Bestellung eines Obsorgers und vorgedachter öffentlicher Kundmachung ohne Unserem höchsten Vorwissen nicht fürzugeben, sondern der Vorfall Uns vorhero einzuberichten, und Unsere darauf erfolgende höchste Entschließung abzuwarten.

[1, 6, § 8] 614. Diese Vorkehrung hat die Wirkung, daß der Pflegbefohlene der eigenen Verwaltung seines Vermögens andurch entsetzet werde, und ohne Einwilligung des Obsorgers nichts davon veräußeren, verpfänden, beschweren, noch einige zu dessen Verminderung gereichende Handlungen mit Anderen eingehen könne.

[1, 6, § 8] 615. Zu diesem Ende muß dem bestellten Obsorger das gesammte Vermögen des Pflegbefohlenen zur Verwaltung eingeantwortet, die nachgesetzte zur Verwaltung nöthige Beamten in allen ihren Amtshandlungen an den Obsorger angewiesen, und ihme die Macht, solche nach Befund, jedoch in Ansehung deren Vornehmeren nicht anderst, als mit gerichtlicher Genehmhaltung, abänderen zu können eingeraumet werden.

[1, 6, § 8] 616. Wir gestatten jedoch dem Pflegbefohlenen, daß die zu seinem ohnentbehrlichen Gebrauch benöthigte Habschaften auf seine davon zu machen habende Anzeige nach Ermessen der Gehörde von der Verwaltung des Obsorgers ausgenommen, annebst aber ihme ein gewisser jährlicher Betrag zu seinem Unterhalt ausgeworfen werde, mit welchem sich derselbe begnügen, und in die Verwaltung seines Vermögens gar nicht einmischen, noch weniger den Obsorger darinnen auf einigerlei Weise behinderen, sondern gegentheils dieser ausgiebig dabei geschützet werden solle.

[1, 6, § 8] 617. Derlei Pflegbefohlene werden in Ansehen ihrer Handlungen und Verbindungen denen Minderjährigen vollkommen gleich geachtet, außer daß selbe zur Verehelichung die Einwilligung des Obsorgers, oder des Gerichts nicht nöthig haben, obschon der errichtende Heirathsbrief zu seiner Giltigkeit die gerichtliche Genehmhaltung erforderet.

[1, 6, § 8] 618. Uebrigens ist sich in Ansehung dieser Curatel, deren Antretung, Verwaltung, Raitungslegung und was dahin einschlägt, nach denen bei der Vormundschaft vorgeschriebenen Maßregeln zu achten.

[1, 6, § 8] 619. Doch solle die Auswahl eines Obsorgers (wovon sich Niemand anderer gestalt, als aus denen oben bei Vormundschaften erklärten rechtmäßigen Entschuldigungsursachen entledigen kann) die Nothwendigkeit sowohl einer gerichtlichen Beschreibung, als der Verbürgung, die eidliche Verstrickung und die Ausmessung der Belohnung nach Beschaffenheit der Umständen dem gerichtlichen Ermessen vorbehalten sein, wie dann statt der gerichtlichen Vermögensbeschreibung in Fällen, wo der Zahlungsstand ungezweiflet ist, eine gerichtliche Uebergabs- und Uebernahmverzeichniß hinlänglich ist.

[1, 6, § 8] 620. Desgleichen wird diese Curatel eben also, wie die Vormundschaft geendigt.

Insonderheit aber erreichet dieselbe ihr Ende, wann der Pflegbefohlene verläßliche Anzeigen einer besseren Wirthschaft giebt, welche bei höheren Standespersonen Uns zu Verfügung des Weiteren einzuberichten, bei Leuten niederen Standes hingegen von der Gehörde selbst wohl zu erwägen sind.

[1, 6, § 8] 621. Wird nun von der Gehörde befunden, daß dem Pflegbefohlenen sein Vermögen zur eigenen freien Verwaltung anwiederum eingeraumet, und mit

(1-262) Aufhebung sowohl der Curatel als des Verbots der Einschuldigung fürgegangen werden könne, so solle ein solches zu Jedermanns Wissenschaft gleicher gestalt öffentlich kundgemacht werden.

[1, 6, § 8] 622. Nach aufgehobener Curatel hat wegen Erledigung der Schlußraitung, Sprüchen und Gegensprüchen alles Dasjenige statt, was in gleichem Fall bei Beendigung der Vormundschaft geordnet worden.

Doch haben die Gehörden auf die weitere Aufführung eines solchen von der Curatel losgesprochenen Pflegbefohlenen ein wachsames Aug zu tragen, damit er nicht wiederum in die vorige üble Wirthschaft verfalle.

[1, 6, § 8] 623. Wobei insonderheit darauf acht zu geben ist, daß derselbe nicht etwan neue Schulden mache, oder die währendem Verbot in geheim gemachte bezahle, oder durch Neuerung bestätige, bei dessen Wahrnehmung sogleich zu denen vorigen Einhaltsmitteln geschritten, und vornehmlich gegen Diejenige, die sich währender Curatel haben gelüsten lassen, dem Pflegbefohlenen Geld oder Waaren zuwider dem Verbot zu borgen, wann sie auch nach Aufhebung der Curatel die Zahlung wie immer erschlichen hätten, mit denen auf verbotene Geldborgungen oben ausgesetzten Strafen unnachsichtlich fürgegangen, dabei aber ein mit unterlaufender Wucher oder andere Gefährde noch über das an denen Wuchereren und verführerischen Geldzubringeren nach aller Strenge Unserer Gesetzen bestrafet werden solle.

[1, 6, § 8] 624. Welches sich jedoch auf die vor dem kundgemachten Verbot oder nach Aufhebung desselben aufrecht und ohne Wucher oder Gefährde gemachte Schulden nicht erstrecket, sondern diese sind allerdings zu bezahlen, wann denenselben sonst nichts entgegen stehet.

[1, 6, § 8] 625. Wann hingegen Jemandens Verschwendung offenbar und von ihme keine Besserung zu hoffen ist, auch ein so großer Verfall des Vermögens wahrgenommen wird, daß die Zahlungsunfähigkeit besorget werde, so solle solchen Falls nicht angestanden werden, denselben ohne weiteren Unweg (!) für einen Verschwender gerichtlich erklären, ihme die Verwaltung zu benehmen, einen Obsorger zu bestellen, die weitere Einschuldung und Verbindung zu verbieten, und alles dieses nebst der gerichtlichen Verschwendungserklärung zu Jedermanns Warnigung öffentlich kund zu machen.

[1, 6, § 8] 626. Derlei gerichtlich erklärte Verschwendere verlieren über das nach Ausmessung dessen, was davon oben in eilftem Capitel, erstem Artikel, §. II. geordnet worden, die Macht und Fähigkeit letztwillig zu ordnen.

Wo aber bei hervorbrechender Zahlungsunfähigkeit ein Auflauf der Glaubigeren entstünde, kommt es von dieser Gattung der Curatel ab, und ist dagegen zum Besten der Glaubigeren ein Vermögensobsorger zu bestellen, von welcherlei Fällen und wie derlei sich muthwillig außer Zahlungstand setzende und ihre treuherzige Glaubigere hintergehende Schuldnere zu bestrafen sind, seines Orts mit Mehreren gehandelt werden wird.

[1, 6, § 8] 627. Außer vorangezeigten Fällen der eigenen Unfähigkeit seinen Sachen

(1-263) selbst vorstehen zu können, giebt es noch andere, worinnen die Bestellung eines Obsorgers zur Vertretung gewisser Personen, Güter oder Rechten nöthig ist.

[1, 6, § 8] 628. Ein dergleichen Fall ergiebt sich bei Jemandens Abwesenheit, der zwar sonst die freie Schalt- und Waltung mit dem Seinigen, doch aber zu dessen Besorgung Niemanden zurückgelassen hat, folglich dessen Gut einer Benachtheiligung bloßgestellet ist, oder dessen Rechten, weilen sie von Niemanden vertreten werden, ein Abbruch und Verkürzung geschehen könnte.

[1, 6, § 8] 629. Um also allem ihme hieraus widerfahren mögenden Schaden vorzubeugen, solle einem Abwesenden bei vorfallender Nothdurft, wann entweder dessen Aufenthalt unbekannt, oder die Entfernung allzuweit ist, oder die Unverschieblichkeit des Vorfalls keinen Verzug gestattet, und derselbe entweder keinen bestellten Sachwalter zurückgelassen hätte, oder dieser mit Tod abgegangen oder unfähig worden wäre, zu seiner Verwaltung ein Obsorger bestellet werden.

[1, 6, § 8] 630. Diesem liegt anförderist ob, den Ort des Aufenthalts seines Pflegbefohlenen, wo möglich, zu erforschen, ihme von deme, was in Ansehen seiner Güter oder Rechten vorfällt, Nachricht zu geben, und die Nothwendigkeit, daß er entweder selbst zurückkomme, oder einen genugsam bevollmächtigten Sachwalter bestelle, zu erinneren.

[1, 6, § 8] 631. Den in Erfahrniß gebrachten Aufenthalt desselben hat er sofort der Gehörde anzuzeigen, damit, wenn es nöthig befunden würde, derselbe nach Gestalt der Sachen abgerufen oder ordentlich fürgeladen, und bei Nichterscheinen gegen ihme, wie Rechtens, verfahren werden könne.

[1, 6, § 8] 632. Inzwischen ist der bestellte Obsorger die Curatel, falls er nichts Erhebliches zu seiner Entschuldigung einzuwenden hat, auf sich zu nehmen und selbe, wann sie nicht etwan eine einzle Sache oder Recht beträfe, nach vorläufiger gerichtlicher Beschreibung auch allenfalls nöthig findender Verbürgung und Einantwortung der Güter und Habschaften anzutreten, dann nach der Sache oder rechten Eigenschaft getreulich zu verwalten schuldig.

[1, 6, § 8] 633. Würde der Pflegbefohlene länger ausbleiben, so hat auch der Curator über die Einnahme und Ausgabe jährliche Raitung zu legen, sich der Raithandlung und Allem, was deme anhängig, zu unterziehen, sodann aber bei erfolgender Rückkehr des Abwesenden oder nach dessen Absterben und Hervortretung der rechtmäßigen Erben die aus seiner Verwaltung herrührende und bis dahin noch nicht gerichtlich abgethane Sprüche und Gegensprüche mit ihme oder dessen Erben auszuführen.

[1, 6, § 8] 634. Wie dann überhaupt bei allen Curatelen, welche mit der Verwaltung eines in mehrerlei Sachen oder Rechten bestehenden Vermögens verknüpfet sind, all jenes, was oben von Vormundschaft geordnet worden, beobachtet werden, und nur allein die Ausmessung der Belohnung von dem richterlichen Befund mit Rücksicht auf die mehrere oder mindere Mühewaltung des Curators abhangen solle.

(1-264) [1, 6, § 8] 635. Von dieser Art sind jene Obsorgere, welche über die Habschaften Zahlflüchtiger oder über Verlassenschaften verstorbener Schuldner zum Besten der Glaubiger, oder über ein strittiges Gut oder Erbschaft bis zu Ausgang des Rechtsstritts, oder zur Vertretung der Leibesfrucht einer schwanger hinterlassenen Wittib, und in dieser Absicht zur mittlerweiligen Verwaltung des ganzen Vermögens oder eines Theils desselben, oder zur Besorgung einiger Erbschaften oder Vermächtnissen, worzu sich noch Niemand gemeldet oder sein Erbrecht genugsam ausgewiesen hat, oder welche aus anderen Ursachen denen Erbsnehmeren zur Zeit noch nicht eingeantwortet werden können, bestellet werden.

[1, 6, § 8] 636. Eine ganze andere Beschaffenheit aber hat es mit denen zu einzlen Sachen, Handlungen oder Rechten bestellten Obsorgeren, welchen nichts zur Verwaltung anvertrauet wird, als z. B. bei Erbtheilungen, Verkäufen, Nachlassung eines Rechts oder Verbindlichkeit, oder zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Ausquittirung, oder endlich in Rechtsführungen an Seiten des Klägers oder Beklagten.

[1, 6, § 8] 637. Welcherlei Fälle sich verschiedentlich auch in Ansehung solcher Personen, die bereits einen Vertreter, als z. B. den Vater, in dessen Gewalt sie befindlich sind, oder den Vormund, oder einen anderweitigen Obsorger haben, ereignen können.

[1, 6, § 8] 638. Dann allemal, wann ein Rechtshandel oder auch eine außergerichtliche Gewinn oder Verlust nach sich ziehende Handlung Denjenigen, welcher Jemanden hierbei von amtswegen zu vertreten hätte, unmittelbar oder mittelbar zugleich mit angehet, solle dem zu vertreten habenden Pflegebefohlenen ein eigener Obsorger, der ihn hierbei vertrete, bestellet werden.

[1, 6, § 8] 639. Nicht weniger, da Jemand in einem solchem Handel mehrere pflegebefohlene Personen gegeneinander zu vertreten hätte, ist jederzeit deren Jedweder ein eigener Obsorger zu bestellen; jener aber, deme die Vertretung sonst obliegete, hat sich in derlei Fällen der Vertretung sowohl des Einen, als des Anderen zu enthalten, damit aller Anlaß einer Vorliebe und Parteilichkeit vermieden werde, wie schon anderwärts davon geordnet ist.

[1, 6, § 8] 640. In allen diesen und dergleichen Fällen, wobei keine zur ordentlichen Verrechnung verbindende Verwaltung mit unterlaufet, bestehet das Amt und die Schuldigkeit des Obsorgers lediglich in deme, daß er das Geschäft, welches ihme anvertrauet wird, zu Handen des dabei zu vertreten Habenden getreu und fleißig handle, und sich diesfalls nichts zu Schulden gehen lasse, noch weniger einer Gefährde unterfange.

Dahingegen er auch vollständig schadlos gehalten und ihme nach richterlichem Befund eine billige Belohnung für seine Mühe ausgemessen werden solle.

(1-265) Caput VII.

Von Dienstleuten.

Inhalt:

§. I. Von der Schuldigkeit der Dienstleuten. §. II. Von der Gegenverbindlichkeit des Herrn. §. III. Von der Verbindlichkeit der unter Raitung stehenden Bedienten und Beamten insonderheit. §. IV. Von dem Recht des Herrn wider unverraitete Diener.

§. I.

[1, 7, § 1] Num. 1. Bishero ist von jenen Personen gehandlet worden, welche unmittelbar zu dem Hausstand gehören und deren daher fließenden Rechten theilhaftig werden. Nun erübriget annoch von Dienstleuten zu handlen, die zwar eigentlich an denen Rechten des Hausstandes keinen Theil haben, doch aber insoweit bei der häuslichen Gesellschaft in Betrachtung kommen, als das häusliche Wesen ohne denenselben nicht wohl bestritten werden mag.

(1-266) [1, 7, § 1] 2. Das Band, welches sie an die häusliche Gesellschaft knüpfet, bestehet in einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Beding, wodurch dieselbe sich in die Dienste verdingen und in solche aufgedungen werden.

[1, 7, § 1] 3. Aus diesem Beding werden alle Rechten und Schuldigkeiten zwischen dem Herrn und seinen Dienstleuten abgeleitet, welche entweder allgemein sind und allen Herren und Dienstleuten überhaupt ohne Unterschied der bekleidenden Bedienstung unter einander zustehen, oder sie sind einer jedweden Bedienstung nach Gestalt der ihr anklebenden verschiedenen Verrichtungen insonderheit angemessen.

[1, 7, § 1] 4. Diese Letztere erhalten ihre Bestimmung aus der Verschiedenheit deren zwischen Herren und Dienenden eingegangenen Bedingen, aus der Eigenschaft der Dienenden, und aus der Beschaffenheit der manchfältigen Verrichtungen und Geschäften, welche entweder der Dienst oder das Amt in seiner Art erheischet, oder besonders aufgetragen werden.

[1, 7, § 1] 5. Sie können dahero wegen ganz unbeschränkter Manchfaltigkeit menschlicher Bedürfnissen, Wohlstands und Gemächlichkeit, ja auch bloßer Willkür, aus deren Antrieb so verschiedene Dienstleuten in dem gesellschaftlichen Leben aufgenommen zu werden pflegen, in einer eigenen Abhandlung nicht erschöpfet werden.

[1, 7, § 1] 6. Ueberhaupt aber lassen sich Dienstleute in zwei Hauptgattungen eintheilen, als Eine, welche außer ihrer besonderer Amtsschuldigkeit zu nichts Mehreren, als an die allen Dienenden insgesammt zukommende allgemeine Dienstpflichten gebunden sind, und die Anderen, welche noch besonders das ihnen zur Verwaltung anvertraute Gut ihres Herrn zu verrechnen haben und somit unter Raitung stehen.

[1, 7, § 1] 7. Nach diesem Unterschied wird in gegenwärtigen Capitel in denen zweien ersteren §§. vorher von allen Dienstleuten überhaupt, hernach aber in denen folgenden zweien §§. von denen unter Raitung stehenden Bedienten und Beamten insonderheit gehandlet.

[1, 7, § 1] 8. Die allgemeinen Dienstpflichten bestehen in Gehorsam, Fleiß, Treue und

(1-267) ehrbaren Wandel, welche ein jeder Herr von seinen Dienstleuten zu forderen und selbe auch gestalter Dingern nach mit mäßigen Zwang hierzu anzuhalten berechtiget ist.

[1, 7, § 1] 9. Weder der Diener kann sich währender Dienstzeit seinem Herrn entziehen, noch darf jemand denselben abwendig machen. Widrigens ist der Herr befugt, nicht allein den flüchtigen Diener aller Orten in Anspruch zu nehmen, damit derselbe anwiederum in seinen Dienst gestellet werde, sondern auch Denjenigen, welcher ihn abwendig gemacht oder wissentlich einen Aufenthalt giebt, zur Ausfolgung unter einer nach richterlichen Befund zu bestimmenden Geldstrafe nebst Ersetzung der erweislichen Dienstversäumniß und aller Schäden und Unkosten zu belangen.

[1, 7, § 1] 10. Hierbei solle ohne aller Weitläufigkeit schleunig verfahren und sich vor Allem, wann die noch fürwährende Dienstzeit ohne Zweifel ist, der Person des entwichenen Dieners mittelst Bürgschaft oder eidlicher Verstrickung, daß er weiter nicht entweichen wolle, auch beschaffenen Umständen nach mittelst dessen Handfestmachung versicheret, sodann aber nach Befund, daß er sich seinem Herrn widerrechtlich entzogen habe, auf die Stellung in seinen Dienst erkennet und solche durch die gehörige Zwangsmitteln veranlasset werden.

[1, 7, § 1] 11. Von diesfälliger Erkanntniß ist kein weiterer Rechtszug gestattet, falls jedoch der Entwichene genugsame Ursache den Dienst zu verlassen, oder ein Anderer ein stärkeres Recht an ihme zu haben vermeinte, solle es so Einem wie dem Anderen nach vorheriger Stellung des Dieners unverwehret sein, bei eben demselben Gericht ihre Gerechtsamen auszuführen.

[1, 7, § 1] 12. In Dienst selbst müssen sich Dienstleuten ehrlich, fromm und getreu aufführen, ihrem Herrn geziemende Ehrerbietung und Gehorsam bezeugen, desselben Nutzen beförderen, Schaden abwenden und den ihnen anvertrauten Dienst mit allem erforderlichen Fleiß verrichten.

[1, 7, § 1] 13. Was einem frommen und redlichen Lebenswandel entgegen ist, dieses

(1-268) lieget dem Herrn ob, durch ernstliche Ermahnungen und gutes Beispiel so viel möglich, zu verbesseren, hierinnen nicht nachzusehen, noch viel weniger sie durch gebende Aergerniß in dem Bösen zu bestärken.

[1, 7, § 1] 14. Nahmhaftere wider die guten Sitten oder wider die gemeinwesige Ordnung laufende Verbrechen kann der Herr selbst an seinen Dienstleuten nicht bestrafen und hierdurch der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgreifen, wohl aber stehet ihme frei, den Thäter sogleich abzuschaffen und längershin in seinen Diensten nicht zu gedulden.

[1, 7, § 1] 15. Die Untreue, welche im Dienst begangen wird, kann ein Herr in Kleinigkeiten selbst ahnden und bestrafen, falls sie aber beträchtlich wäre oder gar ein Hausdiebstahl begangen würde, so ist die öffentliche Bestrafung derlei ungetreuer und diebischer Dienstleuten nach Aussatz Unserer peinlichen Gerichtsordnung denen Gerichten zu überlassen.

[1, 7, § 1] 16. Unehrerbietigkeit, Ungehorsam in billigen Sachen, Widersetzlichkeit und dergleichen Unfug, der unmittelbar gegen den Herrn oder gegen die Seinige laufet, ist derselbe nicht nur scharf zu verweisen, sondern auch gestalter Dingen nach mit mäßiger Züchtigung zu ahnden, und, da dieses nicht verfinge, den widerspänstigen Dienstboten vor Ausgang der Dienstzeit zu entlassen, auch allenfalls eine empfindlichere Bestrafung bei Gericht anzusuchen berechtiget.

[1, 7, § 1] 17. Ein jeder Diener ist auch außer seinen ordentlichen Dienstverrichtungen des Herrn Nutzen, so viel er kann, zu beförderen und Schaden abzuwenden schuldig. Hätte er aber dieses zu thun geflissentlich unterlassen, so kann solches nicht nur gegen ihme geahndet, sondern, da eine Arglist, Gefährde oder schwere Schuld mit unterliefe, nach Umständen auch von Gericht aus bestrafet werden.

[1, 7, § 1] 18. In ihren Dienstverrichtungen hingegen sind Dienstleute nicht nur den durch Arglist, Gefährde oder schwere Schuld, sondern auch den durch eine jede wiewohlen geringe, doch so beschaffene Schuld, welche ein fleißiger und sorgfältiger Diener verhüten kann und insgemein zu verhüten pfleget, zugefügter Schaden zu ersetzen oder abzudienen schuldig.

[1, 7, § 1] 19. Die geringste Schuld aber wegen etwan unterlassener ganz besonderer Achtsamkeit, welche auf mehr, dann gemeine Weise sonst fleißiger Diener, anzuwenden gewesen wäre, verbindet dieselben zu keinem Ersatz, wann nicht das aufgetragene Amt oder Geschäft in seiner Art den größten Grad des Fleißes erforderet, oder der Diener sich zu dessen Anwendung und im Widrigen zu der Vergütung nicht ausdrücklich verbunden hat.

§. II.

[1, 7, § 2] 20. Dagegen ist aber auch der Herr verbunden, denen Dienstleuten alles Dasjenige zu reichen, was denenselben bedungen worden, und er kann auch einen

(1-269) Dienstboten vor Ausgang der bestimmten Zeit ohne erhebliche Ursache wider dessen Willen des Dienstes nicht entlassen.

[1, 7, § 2] 21. Ist kein gewisser Lohn und sonstiger Gehalt bedungen, sondern dessen Ausmessung von dem in die Dienste Tretenden dem Herrn überlassen worden, so hat dieser das Recht einen ihme billig scheinenden Lohn seiner Zeit auszuwerfen.

Wo aber der Herr dem Diener gestattet hätte einen Lohn, den er verdienet zu haben glaubete, anzubegehren, so mag der Diener solches thun.

[1, 7, § 2] 22. Wann jedoch so ein- als anderenfalls der Herr und Diener hierinnen nicht übereinkämen oder deswegen zwischen ihnen gar nichts verabredet worden, so tritt das richterliche Ermessen ein, und solle auf Jenes gesehen werden, was für dergleichen Dienste derorten insgemein an Liedlohn und anderem Gehalt gereichet zu werden pfleget.

[1, 7, § 2] 23. Wäre einem Diener ein gewisser Lohn für ein Jahr bedungen oder auch ohne Beding mit dessen Zufriedenheit gereichet worden, und er bliebe über diese Zeit länger in Diensten, ohne weiter einen Lohn zu bedingen, so lauft auch für die folgende Zeit der dem erstjährigen Lohn angemessene Betrag fort.

[1, 7, § 2] 24. Eben also, da ein neuer Diener von nicht geringerer Fähigkeit an die Stelle des vorigen eintritt, ohne etwas des Lohns oder Gehalts halber auszumachen, wird darfürgehalten, daß

man sich um den vorigen Lohn stillschweigend verglichen habe.

[1, 7, § 2] 25. In Liedlohnstrittigkeiten solle schleunig und außerordentlich verfahren, und, wann eine unbillige Vorenthaltung oder Verkürzung des bedungenen oder in das Verdienen gebrachten Lohns vorkäme, mit ausgiebigem Ernst darauf gedrungen werden, damit die Dienstleute ohne Verschub zu dem Ihrigen nebst Ersatz aller erweislichen Schäden und Unkosten gelangen mögen.

[1, 7, § 2] 26. Worwider die Einwendungen, daß ein Dienstbot eine wenige Zeit seinem Dienst nicht vorgestanden, daß währendem seinem Dienst ein Schaden geschehen seie, daß sich dessen Arbeit verminderet habe und dergleichen, zur Aufhaltung des Lohns nicht zureichend sind, wann derselbe durch Krankheit oder sonstigen Zufall eine kurze Zeit seinem Dienst abzuwarten verhinderet worden, an dem Schaden keine erweisliche Schuld trägt, und der Lohn nicht nach Menge der Arbeit, sondern nach der Dienstzeit verglichen ist.

[1, 7, § 2] 27. Dahingegen ist der Herr bei länger anhaltender Krankheit eines Dienenden den Lohn fortzuzahlen nicht verbunden; es würde dann von dem Diener ein anderer zu dieser Dienstleistung Tauglicher und dem Herrn Annehmlicher für die Zeit seiner Krankheit anstatt seiner bestellet.

[1, 7, § 2] 28. Doch hat der Herr in Krankheitsfällen für die Wiedergenesung des Dieners zu sorgen.

Wo er aber Unkosten darauf verwendet hätte, kann er solche zurückforderen

(1-270) oder sich abdienen lassen, wie dann auch ihme die vorgeschossene Begräbnißunkosten aus des Dieners Verlassenschaft zu ersetzen sind.

[1, 7, § 2] 29. Einem Dienstboten, der vor der Zeit wider Willen des Herrn aus dem Dienst tritt, ist der Herr den Lohn ausfolgen zu lassen nicht schuldig, sondern vielmehr befugt, auf dessen Wiederstellung zum Dienst anzudringen und sich an dem verfallenen Liedlohn der Dienstversäumniß und verursachten Unkosten halber zu halten, woferne nicht ein erweisliches hartes und unbilliges Verfahren des Herrn den Diener aus dem Dienst zu weichen bemüssiget hätte.

[1, 7, § 2] 30. Uebrigens ist ein Herr seinen Diener zu schützen, gegen unbillige Zudringlichkeiten zu vertheidigen, ihme den des Dienstes halber an dessen Sachen ohne eigener Schuld erleidenden Schaden zu ersetzen, und wegen etwan in einer anbefohlenen gefährlichen Verrichtung oder aus sonstiger Veranlassung des Herrn widerfahrener Beschädigung an dessen Leib und Gliedern Genugthuung zu leisten schuldig, und hat hierinfalls der Richter den sich beschwerenden Diener nach der sich aus der That selbst ergebenden Billigkeit klaglos zu stellen.

[1, 7, § 2] 31. Wie weit aber ein Herr aus denen Handlungen der Dienstleuten mit


(1-271) Anderen verbunden werde, weilen er entweder dieselbe seinen Geschäften vorgesetzet oder ihre Handlungen gutgeheißen hat, hierüber folget die Ausmessung in dem dritten Theil, allwo von persönlichen Verbindungen gehandlet wird.

[1, 7, § 2] 32. Und weilen überhaupt dem gemeinen Wesen daran gelegen ist, damit die Untreue und Bosheit der Dienstleuten, ihre sträfliche Fahrlässigkeit und Unfleiß, unzeitige Dienstverlassung, übermäßige Gehaltserpressung, Muthwillen, Liederlichkeit und sonstiger Unfug, sowie an Seiten der Herren das harte und unbillige Verfahren mit Dienstleuten hintangehalten werde, so solle in allem diesem Unseren in jedwedem Lande diesfalls besonders bestehenden Polizeiordnungen und löblich hergebrachten Gewohnheiten auf das genaueste nachgelebet werden.

§. III.

[1, 7, § 3] 33. Ueber die gemeine Schuldigkeiten aller Dienstleuten haben jene Bedienten und Beamten, denen das Gut ihres Herrn zu verwalten anvertrauet wird,

(1-272) noch die besondere Verbindlichkeit auf sich, daß sie über das von ihnen verwaltende Gut ihrem Herrn Rechnung zu legen schuldig sind.

[1, 7, § 3] 34. Ein jeder unter Raitung stehender Diener ist dahero verbunden nicht nur das ihme anvertraute Gut mit dem erforderlichen Fleiß und also, wie es seinem Herrn nutzlich ist, zu verwalten, und sich von allem dieser Pflicht zuwiderlaufenden Unfug, und besonders von aller Veruntreuung, sie geschehe durch Eingriff, Unterschlagung, heimliche Entwendung, Vorenthaltung oder durch andere Gefährde und Arglist, zu enthalten, sondern auch sich nach Beschaffenheit oder Erforderniß seines Amts oder Dienstes zu betragen, folglich Empfang und Ausgab, Zuwachs und Abnahme seinem Herrn ordentlich zu verrechnen, bei Legung der Raitung den Bestand auszuweisen und den Abgang vollständig zu ersetzen.

(1-273) [1, 7, § 3] 35. Die Rechnungsart, wie auch die Zeit, wann die Rechnung zu legen ist, hat zwar der Herr zu bestimmen, doch erforderet die gute Ordnung und die selbsteigene Sicherheit sowohl des Herrn, als des unter Raitung stehenden Dieners, daß die Rechnungsrichtigkeit längstens von Jahr zu Jahr gepflogen werde.

[1, 7, § 3] 36. Dahero dann sowohl der Herr den Rechnungsführer wenigstens zur alljährigen Rechnungslegung anhalten, als auch der Rechnungsleger bei dem Herrn nach jedwedem Jahrgang die Aufnehmung und Erledigung seiner für dieses Jahr gelegten Rechnungen ansuchen kann.

[1, 7, § 3] 37. Wann hierauf der Herr binnen drei Monaten, vom dem Tag des bei ihme eingebrachten Erledigungsgesuchs des Raitungslegers zu rechnen, weder zur Rechnungserledigung schreitet, noch ihme die Mängeln zustellen läßt, so solle demselben die obrigkeitliche Erkanntniß (woferne ihme solche nach Maß dessen, was hiernach davon geordnet wird, sonst zustünde) über diese Rechnungen weiter nicht gebühren, sondern, da es darüber zur Strittigkeit käme, und der Herr Kläger würde, die Nothdurft bei dem ordentlichen Richter des Rechnungsführers verhandlet werden. Es wollte sich dann der Rechnungsführer der späteren Erkanntniß des Herrn freiwillig unterziehen.

[1, 7, § 3] 38. Nebst deme ist bei solcher Verzögerung der Rechnungsführer zugleich berechtiget, den Dienst aufzusagen, wann er sich gleich auf längere Zeit zu dienen verbunden hätte. Wo ihme sodann freistehet, die Rechnungserledigung und vollständige Loszählung bei dem Richter des Herrn anzusuchen.

[1, 7, § 3] 39. Da er aber jegleichwohlen in Diensten verbleiben, und der Herr die Erledigung deren Raitungen längstens binnen dreien Jahren und achtzehen Wochen vom dem Tag ihres Erlags zu End zu bringen unterlassen würde, so sollen solche Rechnungen aus Gewalt des Rechts für richtig gehalten und kein Theil vom dem anderen hierwegen weiter angefochten werden.

[1, 7, § 3] 40. Wie Wir dann hiermit die Rechnungsführere von der Schuldigkeit entbinden, weitere Red und Antwort über diejenige Rechnungen zu geben, von deren Erlag die vorbesagte Zeit verstrichen ist.

[1, 7, § 3] 41. Wovon die alleinige in gleich vorhergehendem Kapitel, §. V erwähnte Vorbehaltsfälle und der etwann eingestandene Raitrest ausgenommen bleiben, wegen welcher der Rechnungsführer jederzeit zur Verantwortung, doch nicht nach der Erkanntniß des Herrn, sondern des ordentlichen Richters verbunden ist.

[1, 7, § 3] 42. Die Rechnungen der Bedienten und Beamten betreffen verschiedene Gegenstände nach Manchfältigkeit der Güter oder Geschäften, welche ihnen unter Verrechnung zu verwalten anvertrauet werden.

Hauptsächlich aber sind es Haus-, Wirthschafts-, Gewerbs- oder Handlungsrechnungen.

[1, 7, § 3] 43. Wie bei anderen, also auch bei Hausrechnungen, ob sie schon nicht allzu beträchtlich wären, muß der Rechnungsführer den Hauptempfang, das ist jenes, was ihme bei Antritt des Dienstes an baarem Geld oder anderen Sachen und Fahrnissen übergeben worden, oder von der vorigen Rechnung als ein Bestand übrig geblieben ist, wie nicht weniger den weiteren Empfang an Hauptgeldern, Zinsen, Einkünften, Nutzungen und allen anderen Zugängen getreulich anzeigen, und solchen da, wo es zur Beglaubigung nöthig ist, mit Gegenscheinen, Urkunden, Zeugnissen und dergleichen Beweismitteln belegen.

[1, 7, § 3] 44. Ingleichen muß derselbe die Ausgaben mit Bemerkung des Jahrs, Monats und Tags ordentlich anzeigen, mit Quittungen, Scheinen und anderen Beweisen bewähren, und anbei, wo es nicht unausweisliche oder überhaupt anbefohlene Zahlungen betrifft, die hierzu erhaltene schriftliche Anschaffung beibringen.

[1, 7, § 3] 45. Da aber der Rechnungsführer sich nur auf mündliche Anschaffungen

(1-274) beriefe, so muß derselbe bei ermanglendem vollem Beweis solche wenigstens halbständig erweisen, in welchem Fall er zur eidlichen Erhärtung der erhaltenen Anschaffung zuzulassen, außerdeme hingegen seinem bloßen Vorgeben ohnerachtet des zugleich anerbietenden Eides kein Glauben beizumessen ist.

[1, 7, § 3] 46. Doch kommt die Ausgab dem Rechnungsführer auch bei unerweislicher Anschaffung insoweit zu Guten, als selbe zu erweislichen Nutzen des Herrn gediehen ist.

[1, 7, § 3] 47. Endlich muß der Rechnungsführer den nach Abzug der Ausgaben verbleibenden Bestand an Geld oder anderen Sachen baar oder in seiner Gestalt, Zahl, Gewicht und Maß vollständig ausweisen, und den allenfalls sich ergebenden Abgang ersetzen.

[1, 7, § 3] 48. Dann ein jeder Rechnungsführer hat für die Richtigkeit seiner Rechnung zu stehen, und die Mängeln zu verantworten, wann er seinem Amt zuwider gehandlet, den gehörigen Fleiß anzuwenden unterlassen, Dasjenige, worzu er sich besonders verbunden, nicht erfüllet, oder die von seinem Herrn ihm eigens ertheilte Befehle nicht befolget hat.

[1, 7, § 3] 49. Der Herr ist demnach berechtiget, über die erlegte Rechnungen Mängeln auszustellen und den Ersatz zu forderen, wann einerseits die Schuld des Rechnungsführers und andererseits der Schaden des Herrn erweislich ist.

[1, 7, § 3] 50. Dagegen aber ist auch dem Rechnungsführer zugelassen, die ausgestellten Mängel zu erläuteren, und auf die weitere Bemängelung seine Schlusserläuterung einzubringen.

[1, 7, § 3] 51. Ueber die allen Rechnungsführeren insgemein obliegende Schuldigkeit

(1-275) erheischet noch besonders die Pflicht der Wirthschaftsbeamten, insoweit sie denen Unterthanen und Landvolk vorgesetzet sind, ob denen gemeinwesigen Verordnungen feste Hand zu halten und selbe genau zu befolgen, hiernächst aber auch die Gerechtsamen und den Nutzen nicht nur ihrer Herren, sondern auch ihrer Untergebenen alles Fleißes zu beobachten.

[1, 7, § 3] 52. Sie sind dahero schuldig, Unsere landesfürstliche Verordnungen und die von denen vorgesetzten Gehörden ihnen zukommende Befehle ihren Untergebenen unverweilt, und da es erforderlich, auch zu wiederholten Malen kund zu machen, mithin darob zu sein, daß Niemand eine Unwissenheit vorschützen könne.

Widrigens sollen dieselbe den aus solcher Unwissenheit ihrem Herrn oder denen Unterthanen etwa erwachsenden Schaden zu ersetzen gehalten sein.

[1, 7, § 3] 53. Umsoweniger sollen sie gestatten, daß Jemand von ihren Untergebenen Unseren Verordnungen zuwider handle, vielmehr die Uebertretere, insoweit es ihnen zustehet, bestrafen oder zu anderweiter Bestrafung denen Gehörden bei schwerer Verantwortung anzeigen.

[1, 7, § 3] 54. Nicht minder lieget ihnen ob, die Unterthanen und andere Untergebene zu schützen, da, wo es nöthig, zu vertreten, dieselbe auf keinerlei Weise Unseren Verordnungen und der Billigkeit zuwider an ihren Rechten und Gerechtigkeiten zu kränken, und sich anbei von allem Eigennutz und Erpressung oder Annehmung auch freiwillig von ihnen anbietender Geschenken über das, was die ausgesetzten Gebühren betragen, wie auch von unbilligen Bedrohungen, Verfolgung und unmäßiger Härte zu enthalten.

[1, 7, § 3] 55. Insonderheit aber sind sie auch in jenem Fall, wo ihnen zugleich die Aufsicht über Städte, Märkte, Dorfschaften und andere Gemeinden, Gotteshäuser und milde Stiftungen mit oder ohne Verwaltung der Einkünften aufgetragen worden, für die Erhaltung und Aufnahme derselben zu sorgen, widrigens den mit ihrer Schuld oder Vernachlässigung erfolgenden Schaden zu ersetzen schuldig, und beinebst beschaffenen Umständen nach denen anderweit ausgemessenen Strafen verfänglich.

(1-276) [1, 7, § 3] 56. Und da ihnen zugleich die Besorgung der obrigkeitlichen Gerichtsbarkeit, die Haltung der Grundbüchern, und was überhaupt in die Rechtspflege einschlägt, anvertrauet wäre, sollen dieselbe nach Vorschrift deren Satz- und Ordnungen, und ihren aufhabenden schweren Pflichten gemäß fürgehen, widrigen Falls aber zum Ersatz des zugefügten Schadens angehalten, und noch darzu mit einer nach Umständen verhängenden Strafe beleget werden.

[1, 7, § 3] 57. Denen Herrschaften und Obrigkeiten stehet zwar frei, ihren Beamten diensame Maßregeln zur Beobachtung vorzuschreiben, doch müssen dieselbe Unseren Gesetzen und Verordnungen, wie auch der Landesverfassung und wohlhergebrachten Gewohnheiten nicht zuwiderlaufen.

[1, 7, § 3] 58. Nach dieser Vorschrift, sonst aber aus der Eigenschaft des aufhabenden Amts oder Dienstes ist die Pflicht eines Wirthschaftsbeamten, folglich auch die Schuld zu beurtheilen, für welche derselbe zu haften hat.

[1, 7, § 3] 59. Insgemein ist ein Wirthschaftsbeamter zu keinem mehreren Fleiß verbunden, als welchen gute, emsige und sorgfältige Wirthe anzuwenden pflegen. Wann er dahero bei der Wirthschaft ohne Befehl etwas unternimmt, was ein guter und fleißiger Wirth insgemein nicht unternommen haben würde, oder wann derselbe in Gegentheil bei der Wirthschaft entweder selbst etwas vorzukehren oder wenigstens der Herrschaft zur anzuordnenden Vorkehrung zeitlich anzuzeigen unterlassen hätte, was ein guter und fleißiger Wirth insgemein vorzukehren nicht unterlassen haben würde, so gereichet ihme der hieraus erweislich entstandene Schaden allerdings zur Schuld.

[1, 7, § 3] 60. Nicht weniger fallt ihme zur Schuld, wann er einen auch nur zufälligen jedoch von einem guten Wirth vorzusehen und abzuwenden gewesten Schaden nicht verhütet, oder einen durch anderer ihme untergebener Dienstleuten Unachtsamkeit verursachten Schaden, deme er bevorkommen kann, nicht hintan hält, oder wann aus seiner Unwissenheit ein Schaden geschieht, da er nämlich Dasjenige nicht weiß, was er vermöge auf sich genommenen Amts wohl wissen sollte.

[1, 7, § 3] 61. Desgleichen, wann durch seine Unverträglichkeit oder bedenkliche Verständniß mit anderen Beamten, oder durch seine allzu große Nachsicht, da er den Unfug seiner Untergebenen weder selbst abstellet, noch solchen der Herrschaft zur Abstellung in der Zeit anzeiget, oder auch durch fälschliche Verkleinerung anderer Dienstleuten dem Herrn ein Schaden zugezogen wird.

[1, 7, § 3] 62. Dahingegen hat ein Beamter für die Unterlassung einiger Verbesserungen, welche vielleicht die besten und allerfleißigsten Wirthe angekehret haben würden, oder für eine ihme anmuthen mögende geringste Schuld nicht zu haften, er hätte sich dann ausdrücklich zu dem ausbündigsten Fleiß verbunden, oder die Eigenschaft des Amts oder Geschäfts selbst hätte den größten Fleiß erforderet.

[1, 7, § 3] 63. Solche Verbesserungen hingegen, welche nicht anderst, als mit Beschwerung der Unterthanen, mit unbilliger Benachtheiligung der nachgesetzten minderen Beamten und Dienstleuten, mit Entkräftung der Bestandleuten, mit Bekränkung der Nachbarschaft oder wie immer mit Belästigung des gemeinen Wesens bestehen können, solle kein Beamter bei nachdrucksamer Ahndung in Vorschlag zu bringen, noch weniger selbst vorzunehmen sich anmaßen, widrigens den der Herrschaft oder denen Untergebenen durch dergleichen gemeinverderbliche und aus seiner Verleitung veranlaßte Vorkehrungen etwan zugegangenen Schaden zu ersetzen gehalten sein.

[1, 7, § 3] 64. Ueberhaupt hanget die Beurtheilung dessen von dem vernünftigen Ermessen ab, ob und was für eine Schuld an Seiten des Wirthschaftsbeamten unterwalte, wobei auf die verschiedene Umstände der Person, der Zeit, des Orts, des Amts und mehr Anderes zu sehen ist, was in Ansehung der verschiedenen Gattungen der Schuldtragung in drittem Theil seines Orts erkläret wird.

[1, 7, § 3] 65. Wie dann zuweilen auch eine an sich sonst geringste Schuld zur mittleren

(1-277) Schuld erwachsen kann, wann z. B. eine Warnigung von der Herrschaft oder von dem vorgesetzten Oberbeamten, oder ein besonderer Befehl, deme nicht genau nachgelebet worden, vorhergegangen, oder ein Dritter an Anwendung des allergrößten Fleißes verhinderet worden wäre.

[1, 7, § 3] 66. Gleichwie im Gegentheil auch die sonst mittlere Schuld sich in die geringste verwandlen kann, wann etwann ein Zufall, eine anderweitige Verhinderniß, fremde Schuldtragung, vorherige nicht abzustellen geweste gleiche Beobachtung, Kleinigkeit des Schadens, anderweiter beträchtlicher Nutzen und dergleichen die Schuld minderende Umstände unterliefen.

[1, 7, § 3] 67. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit jenen unter Raitung stehenden Dienstleuten, welchen eine Handlung, Gewerb oder sonstige in Empfang und Ausgab bestehende Verwaltung anvertrauet ist, und die deswegen, weilen sie in alleiniger Bedienstung, Verpflegung und Besoldung ihres Herrn stehn, andurch von bestellten Sachwalteren unterschieden sind, welche fremde Geschäften lediglich kraft übernommener Vollmacht besorgen.

[1, 7, § 3] 68. Ein Herr kann von seinem unter Raitung stehenden Diener zu allen

(1-278) Zeiten Rechenschaft forderen, den Stand deren ihme anvertrauten Gütern und Habschaften erforschen, und bei gegründetem Verdacht oder wirklichem Befund einer üblen Gebarung sich der Person und Habseligkeiten des Dieners entweder selbst, inwieweit er aus obrigkeitlicher Gewalt darzu berechtiget ist, oder mittelst gerichtlicher Hilfe versicheren, bis daß der Diener oder Beamte vollständige Richtigkeit gepflogen, den Abgang ersetzet oder annehmliche Sicherheit für Alles bestellet habe.

[1, 7, § 3] 69. Einigen Herren ist gestattet, über die von ihren Dieneren und Beamten gelegte Rechnung und dabei vorgefallene Mängeln dergestalten zu erkennen, daß ihre Erkanntniß in Rechtskräften erwachse, wann nicht davon, sowie von anderen Rechtssprüchen sich zu der höheren Gehörde gewendet wird.

(1-279) [1, 7, § 3] 70. Alle übrige Herren hingegen können sich zwar mit ihren Dieneren und Beamten auf die hiernach folgende Art berechnen, doch, wann es hierüber zur Strittigkeit kommt, muß solche bei der ordentlichen Gehörde verhandlet und entschieden werden.

[1, 7, § 3] 71. Dieser Unterschied rühret von dem besonderen Vorrecht her, welches Wir allen Besitzeren landschaftlicher oder Lehengüter in diesen Unseren deutschen Erblanden hiermit verleihen und bestätigen, daß selbe in Rechnungssachen ihrer Beamten und anderer zur Landwirthschaft gehöriger Dienstleuten als die erste Gehörde auf nachstehende Weise fürgehen, und, was Rechtens ist, erkennen mögen.

[1, 7, § 3] 72. Welche obrigkeitliche Befugniß denenselben auch in Hausrechnungssachen, jedoch bloß allein in jenem Fall gebühren solle, wann die Hausrechnungsführere in ihrem alleinigen Dienst und Gehalt stehen, und auf dem landschaftlichen oder Lehengut ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

[1, 7, § 3] 73. Damit aber in derlei Rechnungswesen ordentlich verfahren werde, muß bei Antritt eines unter Raitung stehenden Dienstes dem eintretenden Diener oder Beamten Alles richtig übergeben werden, was er künftig zu verrechnen hat.

[1, 7, § 3] 74. Wann aber der Herr dem aufgenommenen Diener befohlen hätte, sich unerwartet einer ordentlichen Uebergabe der zu verraiten habenden Amtsverwaltung zu unterziehen, so kann der Rechnungsführer nach der Zeit nicht verhalten werden, seinen Empfang mit einem Eid der Anzeige zu bestätigen, doch ist dem Herrn unbenommen, den mehreren Empfang über das, was von dem Rechnungsführer angegeben wird, durch andere rechtliche Beweismitteln darzuthun.

[1, 7, § 3] 75. Woferne hingegen ein anderer bringender Umstand den Beamten bemüssigete, einen solchen Dienst ohne vorhergegangener Uebergabe unverschieblich anzutreten, so ist derselbe den Empfang,falls er sich darüber keine andere Bescheinigung hätte geben lassen, auf Verlangen des Herrn mit einem Eid der Anzeige zu erhärten schuldig.

[1, 7, § 3] 76. Die Uebergabe solle von dem Herrn oder einem Anderen in desselben Namen oder von dem Vorfahrer in Amt oder Dienst in Beisein des Herrn oder eines anderen von ihme hierzu Abgeordneten geschehen, alles Uebergebene, es seie baarer Bestand, Vorräthe oder Ausstände, nach seiner Zahl, Gewicht und Maß beschrieben und diese Beschreibung von dem Herrn oder von dem statt seiner darzu Verordneten gefertiget, dem antretenden Rechnungsführer zugestellet und eine gleichlautende von dem Rechnungsführer mit Bescheinigung der Uebernahme gefertigte Urkunde bei dem Herrn aufbehalten werden.

[1, 7, § 3] 77. Wäre aber der Vorfahre todt oder flüchtig, so kann der Herr nicht allein zu seiner Sicherheit die Sperr alsobald anlegen, sondern auch mit Zuziehung zweier glaubwürdigen Personen die Beschreibung des vorhandenen Bestandes vornehmen lassen, und hienach die Uebergabe an den Nachfolger vollziehen, welche alsdann diesem zur Bewährung des Hauptempfangs und somit zum Grund der künftigen Rechnung andienet.

[1, 7, § 3] 78. Nach angetretenem Dienst hat der Herr das Recht, von seinem unter Raitung stehenden Diener und Beamten die Rechnungen abzuforderen, aufzunehmen und zu erledigen, welche wenigstens von Jahr zu Jahr oder in denen bedungenen oder von dem Herrn darzu bestimmten kürzeren Fristen, und vornehmlich bei Ausgang des Dienstes jedes Mal längstens binnen denen nächst darauffolgenden sechs Wochen ohne weiterer Nachfrist geleget werden sollen.

Widrigens kann der Herr den Rechnungsführer nach deren Verlauf mit Zwangsmitteln darzu anhalten.

[1, 7, § 3] 79. Nichtsdestoweniger bleibet auch unter dieser Zeit dem Herrn unbenommen, von seinem unter Raitung stehenden Diener und Beamten nach Gefallen den Ausweis des vorhändigen Bestandes von denen ihme anvertrauten Geldern oder

(1-280) anderen Habschaften abzuforderen, und falls hieraus eine Unrichtigkeit hervorkäme, unmittelbar binnen nächsten sechs Wochen den Erlag der Rechnungen anzuverlangen.

[1, 7, § 3] 80. Eine dergleichen Bestandlegung zielet einzig und allein zu des Herrn eigener Sicherheit ab, mithin gereichet solche auch dem Beamten zu keiner Verkleinerung. Hierbei ist dem Herrn gestattet, sogleich mit der Sperr und Versieglung der vorhändigen Geldern und alles dessen, was der Beamte unter seiner Verrechnung hat, wie auch mit Versieglung seiner Handbücher und aller zur Rechnung gehöriger Schriften den Anfang zu machen.

[1, 7, § 3] 81. Sodann sind in Beisein des Rechnungsführers die Gelder und alle übrige zu verrechnen habende Sachen nachzuzählen, nachzumessen oder nachzuwiegen, und nebst denen Schriften und Urkunden dem Befund gemäß zu beschreiben; bis daß aber nicht Alles beschrieben worden, ist dem Rechnungsführer zugelassen, sein eigenes Siegel mitanzulegen.

[1, 7, § 3] 82. Nach diesem ist die Schuldigkeit des Rechnungsführers aus denen Rechnungsschriften die Ausstände entweder zur Stelle anzuzeigen, oder binnen drei Tagen herauszuziehen, zu welchem Ende ihme nicht verwehret werden solle, sich nach Nothdurft in denen Schriften zu ersehen, wobei jedoch die erforderliche Behutsamkeit gebrauchet werden mag, damit von ihme darinnen nichts geänderet oder verrucket werde.

[1, 7, § 3] 83. Dieser Ausweisung kann der Rechnungsführer auch jene Ausstände beifügen, die er etwan in seinen Schriften aufzuzeichnen vergessen hätte, und wann er sodann darmit zu Stand gekommen, muß solche in die Beschreibung des Bestands mit eingezogen werden. Doch beruhet es bei dem Herrn, die Mitbeamte und andere Personen, worauf sich der Rechnungsführer eines Ausstands halber beziehet, zur Bestätigung der Richtigkeit oder Bekanntniß der Schuld fürzuforderen, oder gestalter Dingen nach hierüber zu vernehmen.

[1, 7, § 3] 84. Was von ihnen eingestanden wird, ist als ein wirklicher Bestand anzusehen, das Widersprochene aber als zweifelhaft anzumerken und zur weiteren Untersuchung auszusetzen, dann immittelst die Beschreibung zur beiderseitigen Nothdurft gleichlautend auszufertigen.

[1, 7, § 3] 85. Fände sich ein Abgang an Geld oder anderen Sachen, oder es würden bei dem Ausweis beträchtliche Posten widersprochen, oder es äußerete sich sonst eine gefährliche Verwirrung oder ein gegründeter Verdacht einiger Veruntreuung, so kann der Herr obverordneter Maßen nicht allein den wirklichen Rechnungserlag abforderen, sondern auch, da genugsame Ursach vorhanden wäre, sich sowohl der Person des Rechnungsführers, als seiner Sachen versicheren.

[1, 7, § 3] 86. In Ansehung der Art und Weis, wie Wirthschafts- und andere derlei Privatrechnungen zu verfassen sind, hat es bei dem landesüblichen Gebrauch oder bei denen von jedem Herrn nach eigener Willkühr hierinnen gemachten besonderen Einrichtungen sein Bewenden.

[1, 7, § 3] 87. Wie aber die Rechnungen zu legen, wie Empfang und Ausgab zu bewähren, und ein richtiger Verweis des Ueberrests zu machen seie, ist aus deme abzunehmen, was in gleich vorhergehendem Capitel von Vormundschaftsrechnungen geordnet worden, und auf alle weitläufigere Rechnungen überhaupt seine gute Anwendung hat.

[1, 7, § 3] 88. Die gelegte Rechnungen ist der Herr selbst aufzunehmen oder durch Andere aufnehmen zu lassen berechtiget, und solle vor Allem die Rechnung durchgegangen, untersuchet, die vorkommende Bestände und Anstände ausgezogen, diese dem Rechnungsleger zu seiner Ersehung auf eine ihme anzuberaumende hinlängliche Zeit zugestellet, sonach derselbe darüber mündlich vernommen, was behoben

(1-281) oder von demselben eingestanden wird, verzeichnet, diese Verhandlung von dem Rechnungsleger unterschrieben, und ihme zu seiner Nothdurft eine Abschrift davon zugestellet werden.

[1, 7, § 3] 89. Wann nun solchergestalt Alles behoben worden, so ist dem Rechnungsführer nach Ersetzung deren etwan von ihme eingestandenen Mängeln die Loszählung unverlängt zu ertheilen.

Da er aber mit dem Ersatz säumete, dieser ihme mittelst eines obrigkeitlichen Endauszugs binnen vierzehn Tagen aufzulegen, und ferner zu verfahren, wie hiernach geordnet wird.

[1, 7, § 3] 90. Würden hingegen dabei einige Anstände und Bedenken unbehoben bleiben, so sollen dieselbe als förmliche Mängeln abgefasset, dem Rechnungsleger zur schriftlichen Erläuterung zugestellet, und was hierdurch nicht abgethan würde, darüber durch weitere Bemänglung des Herrn und die Schlußerläuterung des Rechnungslegers, weiter aber nicht, als mit vier Schriften verfahren, und, da eine Zeugenführung vorfiele, die Verhandlung deswegen nicht aufgehalten, sondern dabei jenes beobachtet werden, was in vorstehendem Capitel in gleichem Fall bei Aufnehmung der Vormundschaftsrechnung geordnet worden.

[1, 7, § 3] 91. Nach also gewechsleten Schriften ist die Verhandlung ohne weiters zu schließen, und über Alles, was sowohl mündlich, als schriftlich verhandlet worden, eine Verzeichniß unter des Rechnungslegers Unterschrift, oder da dieser hierbei in der ihme zu bestimmenden vierzehentägigen Frist nicht erscheinen würde, von amtswegen zu verfassen, hierauf aber binnen vier Wochen, von dem Tag der geschlossenen Nothdurftshandlung zu rechnen, zur obrigkeitlichen Erkanntniß zu schreiten, nach deren Verlauf dieselbe dem Herrn nicht mehr gebühren, sondern dem ordentlichen Richter allein überlassen sein solle.

[1, 7, § 3] 92. Diese Erkanntniß möge von dem Herrn oder von Anderen in seinem Namen geschöpfet sein, so muß sie jedesmal von dem Herrn selbst unterfertiget werden. Er wäre dann abwesend und hätte zu seinen Rechtsvorfallenheiten Jemanden genugsam bevollmächtiget, durch welchen sodann die Fertigung in Vollmacht des Herrn geschehen kann.

[1, 7, § 3] 93. Die Rechnungserledigung muß ordentlich von Post zu Post, wobei Mängeln vorgekommen, in der nämlichen Ordnung, welche bei der Rechnung beobachtet worden, abgefasset und der Rechnungsleger entweder von denen Mängeln losgesprochen oder zu den Ersatz angewiesen werden.

[1, 7, § 3] 94. Doch muß die Erkanntniß des Ersatzes in jenen Fällen, wo es noch auf weiteren Beweis durch Zeugen oder auf die eidliche Erhärtung ankommt, mit dem Vorbehalt, wann der Rechnungsleger dieses oder jenes nicht erweisen oder beschwören würde, geschehen, und auch überall die Ursachen des auferlegten Ersatzes beigefügt werden.

[1, 7, § 3] 95. Ueberhaupt sollen in der nach rechtlicher Ordnung zu vollführenden Raithandlung dem Rechnungsführer die Mitteln zu seiner Vertheidigung keineswegs beschränket, noch weniger ihme dessen Schriften, daferne er solche zu seiner Rechtfertigung bedarf, vorenthalten werden.

[1, 7, § 3] 96. Vielmehr sind ihme dieselben zu seiner Einsicht sowohl währender mündlicher als schriftlicher Verhandlung unweigerlich, obschon mit freistehender Anwendung der nöthigen Behutsamkeit vorzulegen, und entweder in Urschriften gegen Bescheinigung oder in beglaubten Abschriften zu seiner Nothdurft auszufolgen, wie nicht minder auf gleiche Weise demselben die benöthigten Urkunden aus seinen vorhin gelegten oder anderen dahin einschlagenden Raitung seiner Mitrechnungsführeren in Abschrift mitzutheilen.

[1, 7, § 3] 97. Die Raithandlung solle nicht verzögeret, sondern die oben zum Erlag

(1-282) der Rechnungen sowie zu deren Erledigung ausgesetzte Fristen genau beobachtet, hernach aber in nachfolgenden Rechtsfristen unnachbleiblich fürgegangen werden.

[1, 7, § 3] 98. Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung kann von dem Herrn so oft als nöthig, jedoch ganz kurz aufeinander bestimmet werden.

Wo aber der Rechnungsleger nicht erschiene, ist der Herr befugt, über die Anstände, welche dieser mündlich hätte beheben können, Mängeln auszustellen, worüber derselbe sich sodann schriftlich zu verantworten hat.

[1, 7, § 3] 99. Wann hingegen bei dessen Erscheinen die mündliche Verhandlung geschlossen wird, solle der Herr dem Rechnungsleger längstens binnen vier Wochen bei befundener Richtigkeit die Loszählung ertheilen, oder die mündlich nicht behobene Mängeln zur schriftlichen Erläuterung zustellen. Widrigens wird derselbe der obrigkeitlichen Erkanntniß verlustig.

[1, 7, § 3] 100. Eine gleiche vierwochentliche Frist ist dem Rechnungsleger zu seiner schriftlichen Erläuterung, ferners dem Herrn zur weiteren Bemänglung und endlich dem Rechnungsleger zu seiner Schlusserläuterung ohne aller Erstreckung anberaumet, also zwar, daß, wann binnen dieser Zeit ein- oder andererseits auf die zugestellte Schrift des Gegentheils nichts einkommt, die Verhandlung geschlossen, und nach Demjenigen, was eingebracht worden, jedoch mit Beobachtung der Billigkeit, gesprochen werden kann.

[1, 7, § 3] 101. Wann demnach der Raitungsleger seine Erläuterung über die ausgestellte Mängeln, oder seine Schlusserläuterung über die ihme zugekommene weitere Bemänglung in der obbestimmten Frist nicht eingebracht, ist der Herr nicht mehr schuldig, die später einreichende Schrift anzunehmen, sondern kann vorbesagter Maßen die Verhandlung schließen, und über die verhandleten Schriften, was Rechtens, erkennen.

[1, 7, § 3] 102. Gleichwie gegentheils, wann der Herr in der obanberaumten Frist die weitere Bemänglung dem Rechnungsleger nicht zustellet, dieser nicht mehr verhalten werden kann, sich darüber weiter einzulassen, sondern ihme stehet frei mit Verwerfung der später eingebrachten Schrift des Herrn die Schließung des Verhandleten und die Schöpfung der obrigkeitlichen Erkanntniß anzuverlangen.

[1, 7, § 3] 103. Wo aber der Herr auf eine oder die andere Weis die obrigkeitliche Erkanntniß verlieret, solle er den Rechnungsführer bei seiner ordentlichen Gehörde belangen, und die Rechnungssache, wann bereits einige Nothdurft darinnen verhandlet worden, so, wie sie liegt, alldahin zum weiteren Verfahren übergeben.

[1, 7, § 3] 104. Würde er hingegen längstens binnen drei Jahren und achtzehen Wochen von dem Tag des Erlags der Rechnungen die Raitungssache bei Gericht nicht anbringen, so sollen obverordneter Maßen nach Verlauf dieser Frist die gelegten Rechnungen bis auf den etwann eingestandenen Rest, und die allzeit ausgenommene Vorbehaltsfälle für richtig gehalten, und dem Rechnungsleger ohne weiters zu seiner Loszählung verholfen werden.

[1, 7, § 3] 105. Nebst deme ist auch der Herr in jenem Fall, wann aus seiner Schuld die Erkanntniß über die gelegten Rechnungen zur ordentlichen Gehörde gelanget, die beiderseitigen Gerichtskosten nach vorläufiger richterlicher Mäßigung allein zu tragen schuldig, wann gleich alle oder mehrere Mängeln gegründet befunden worden wären.

[1, 7, § 3] 106. Wo aber die Obrigkeit mit der Erkanntniß selbst fürgehet, sind dem Rechnungsleger gar keine Gerichtskosten anzumuthen, und da er durch die obrigkeitliche Erkanntniß sich beschweret zu sein glaubet, so mag er binnen vierzehentägiger Frist von dem Tag deren ihme geschehener Kundmachung den weiteren Rechtszug an die höhere Gehörde einwenden.

[1, 7, § 3] 107. Widrigens erwachset die Erkanntniß zu Rechtskräften, welche sie auch

(1-283) in jenem Fall erreichet, wann der Rechnungsleger sich zur Ablegung des ihme in der obrigkeitlichen Erkanntniß aufgetragenen Eides oder zur Verführung eines demselben darinnen vorbehaltenen Beweises binnen obbemelten nächsten vierzehen Tägen nicht gemeldet hätte, nach deren Verlauf er weder zu dem Eid, noch zu dem ferneren Beweis weitershin zugelassen werden solle.

[1, 7, § 3] 108. Wann endlich die obrigkeitliche Erkanntniß in Rechtskräften erwachsen, oder von dem höheren Richter ganz oder zum Theil bestätiget worden ist, so haben diejenige Fristen statt, welche zu Befolgung der Rechtssprüchen an seinem Ort bestimmet werden.

[1, 7, § 3] 109. Wie kann auch in Ansehung des Zugs zur höheren oder höchsten Gehörde jenes zu beobachten ist, was hierwegen gleichfalls an seinem Ort ausgemessen wird.

[1, 7, § 3] 110. Jene Herren hingegen, welchen das besondere Vorrecht der eigenen Erkanntniß über die Rechnungen ihrer unter Raitung stehenden Dieneren und Beamten nicht zustehet, können zwar solche entweder selbst oder durch ihre darzu bestellte Leute aufnehmen, untersuchen, Mängeln darüber ausstellen, und wann sich der Rechnungsleger gutwillig bei ihnen einlassen will, auch mit ihme die weiteren Verhandlung pflegen.

Doch solle eine so beschaffene Privatverhandlung weder die Gestalt und Wirkung eines rechtlichen Verfahrens, noch auch die Erkanntniß des Herrn die Kraft einer richterlichen Entscheidung haben, sondern der Herr ist schuldig, das, was er aus denen Rechnungen, oder sonst an den Rechnungsleger zu forderen hat, und von diesem widersprochen wird, der Erkanntniß der ordentlichen Gehörde zu überlassen.

§. IV.

[1, 7, § 4] 111. Die bisher erklärte Rechten eines Herrn gegen seine unter Raitung stehende Dienstleute und Beamten haben umsomehr bei Erledigung des Dienstes

(1-284) statt, und ist sonderist dem Herrn zugelassen zu seiner Sicherheit sich der Person und Sachen seiner unverraiteten Diener zu halten, wann selbe gleich in sonstigen persönlichen Sprüchen einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen wären.

[1, 7, § 4] 112. Insolange aber ist Jemand für einen unverraiteten Diener zu achten, bis die von ihme zu erstatten habende Rechnung geleget, die obrigkeitliche Erkanntniß gebührend abgewartet, der schuldige Ersatz geleistet oder der gänzlichen Berichtigung halber annehmliche Sicherheit bestellet wird.

[1, 7, § 4] 113. Doch kann der Herr den Rechnungsführer, wann er sich unter einer anderen Gerichtsbarkeit befindet, eigenmächtig nicht ergreifen, sondern er hat zu diesem Ende sich an die höhere Gehörde zu wenden, welche gestalter Dingen nach, wann der Rechnungsführer sich auf die Fürladung des Herrn nicht gutwillig selbst gestellen wollte, dem dortigen Gericht oder Obrigkeit aufzutragen hat, damit derselbe alldort ergriffen und dem Herrn ausgefolget werde.

[1, 7, § 4] 114. Bis aber nicht all Vorstehendes befolget worden, ist der Herr nicht schuldig, dem Rechnungsführer seine ausständige Besoldung zu reichen, oder die baar eingelegte Verbürgung zuruckzustellen, oder die gestellte Bürgschaft zu erlassen, oder demselben die Loszählung zu ertheilen.

[1, 7, § 4] 115. Ebensowenig kann der Herr verhalten werden, da der Rechnungsführer verstorben wäre, dessen Erben die ausständige Besoldung und nachgebliebene Habschaften abfolgen zu lassen, bis nicht von diesen anstatt des Verstorbenen vollständige Raitung geleget, und Alles in Richtigkeit gestellet, oder genugsame Sicherheit dafür geleistet worden.

[1, 7, § 4] 116. Die persönliche Verhaftung eines unverraiteten Dieners muß leidentlich und bloß zur Sicherheit und Verwahrung sein, keineswegs aber derselbe mit harter Gefängniß oder auf andere ungeziemende Art bekränket, noch auch ihme der nothdürftige Unterhalt versaget, sondern solcher nach Umständen der Person von dem Seinigen, oder von deme, was er ausständig hat, abgereichet, oder da er selben nirgends woher erholen könnte, selbst von dem Herrn gegen künftigen Ersatz vorgeschossen, auch denen Seinigen oder anderen unverdächtigen Personen der Zutritt zu ihme nicht verwehret, noch weniger aber derselbe verhinderet werden solle, sich über erleidendes ungebührliches Verfahren bei der Gehörde zu beschweren.

[1, 7, § 4] 117. Wann des Rechnungsführers Habschaften und Schriften von dem Herrn in die Sperr zu nehmen befunden würde, solle solche im Beisein des Eigenthümers unter einer von demselben zu bewähren habenden Verzeichniß aller in Verwahrung genommenen Sachen, in jenem Fall aber, wo der Rechnungsführer flüchtig wäre, oder bei der Sperr nicht erscheinen könnte oder wollte, die Beschreibung in Gegenwart zweier Zeugen vorgenommen werden.

[1, 7, § 4] 118. Dem Herrn ist sodann verstattet auf die möglichste Art, wie es aus denen zurückgelassenen Schriften oder aus denen Rechnungen anderer Mitbeamten oder in andere Wege am verläßlichsten geschehen kann, den Betrag des von dem flüchtigen Dieners schuldigen Ersatzes zu erörteren und hierauf den Endauszug zu verfertigen.

[1, 7, § 4] 119. Erscheinet nun der Flüchtige binnen Jahr und Tag von der Entweichung nicht, so kann der Herr zur Veräußerung der von ihme hinterlassener Habschaften nach rechtlicher Ordnung fürschreiten, und sich davon, soweit solche erklecklich, bezahlt machen.

[1, 7, § 4] 120. Eben also ist der Herr zu verfahren berechtiget, wann der Rechnungsführer verstorben, und Niemand sich zur Verlassenschaft und vorher zu pflegen habender Richtigkeit anmeldet.

Doch kommt dem Herrn der aus denen verkauften Habschaften über seine

(1-285) Forderung gelöste Ueberschuß niemals zu, sondern dieser hat solange nach Maßgab Unserer anderweiten Verordnungen hinterleget zu bleiben, bis solcher Demjenigen der sein hierzu habendes Recht erweiset, eingeantwortet werden könne.

[1, 7, § 4] 121. Es kann auch binnen vorbestimmtem Jahr und Tag der Erb oder Erbsnehmer des Verstorbenen, oder wer sonst an der Verlassenschaft ein erweisliches Recht hat, die Erläuterung der Mängeln auf sich nehmen und die nachgebliebene Verlassenschaft vertreten, nach Verlauf dieser Zeit aber wider das, was von dem Herrn veranlasset worden, weiter nichts einwenden.

[1, 7, § 4] 122. Dahingegen hat die Aufhaltung der Person oder Sachen des Rechnungsführers nicht statt, wann die Raitung zur rechten Zeit geleget worden und sich dabei kein Abgang oder Veruntreuung zeiget, noch ein gegründeter Argwohn der Entweichung halber vorhanden ist, obgleich die Rechnung noch nicht untersuchet und die ausgestellten Mängeln noch nicht erläuteret worden wären.

[1, 7, § 4] 123. Wann aber auch ein gegründeter Verdacht vorhanden wäre, so ist gleichwohlen zur persönlichen Verhaftung nicht anderst zu schreiten, als da der Herr weder durch Bürgschaft, noch durch den ausständigen Lohn, noch auch durch die dem Rechnungsführer gehörigen Sachen seine Sicherheit erhalten kann, und sonst eine Gefahr der Entweichung vor gepflogener Richtigkeit vorhanden wäre.

[1, 7, § 4] 124. Auch nach erledigter Raitung ist der allenfalls zu ersetzen kommende Ruckstand nicht mit persönlicher Anhaltung zu erzwingen, sondern sich der geleisteten Verbürgung, ruckständigen Besoldung und übrigen in die Sperr genommenen Habschaft zu halten, und mittelst derselben Abschätzung und Veräusserung an den Meistbietenden sich bezahlt zu machen.

[1, 7, § 4] 125. Wäre dieses nicht erklecklich, so können die Bürgen bei ihrer Gehörde belanget, oder auch die anderwärts befindliche Habschaften des Rechnungsführers des zu leisten habenden Ersatzes halber in Anspruch genommen werden, und da alles dieses nicht zureichend wäre, der Herr aber sich der Person des Rechnungsführers halten wollte, so muß er denselben der ordentlichen Gehörde zum gerichtlichen Verhaft einlieferen.

[1, 7, § 4] 126. Noch weniger stehet dem Herrn zu, die Mißhandlungen und Veruntreuungen eines dergleichen Dieners mit Gefängniß oder in andere Wege selbst zu bestrafen; es wäre dann, daß ihme derorten, wo der Rechnungsführer den Dienst verwaltet hat, die Gerichtsbarkeit in peinlichen Fällen gebührete.

[1, 7, § 4] 127. Würde aber ein Herr deme, was vorstehet, zuwider handlen, und in Einem oder Anderem die Maß seiner Befugniß überschreiten, so ist derselbe nicht allein zur Genugthuung verbunden, sondern es solle auch das Unternehmen nach Gestalt der Sachen gegen ihme geahndet werden.

[1, 7, § 4] 128. Andere Herren hingegen, welchen die obrigkeitliche Erkanntniß nicht gebühret, oder die sich solcher verlustig gemacht haben, können sich zwar mit ihrem unter Raitung stehenden Diener berechnen, mit nichten aber wider ihn selbst eigenmächtig verfahren, sondern müssen in Allem die Gerichtshilfe ansuchen.

[1, 7, § 4] 129. Der Grund der Berechnung ist gleichfalls die ordentliche Bestandsübergabe, welche ein jeder Herr bei dem Antritt des Dienstes zu machen hat.

(1-286) Widrigens ist jenes zur Richtschnur zu nehmen, was in gleich vorhergehendem §. deshalben geordnet worden.

[1, 7, § 4] 130. Einem solchen Herrn stehet auch zu, sich mit einer Bürgschaft oder sonstigen Sicherheit vorzusehen, die Rechnungen zur rechten Zeit zu forderen, nicht minder in der Zwischenzeit die Bestandlegung und Rechenschaft abzuheischen, wobei in seiner Maß alles das zu beobachten ist, was in vorhergehendem §. davon geordnet worden.

[1, 7, § 4] 131. Zur Legung der Rechnung solle dem Diener eine drei- oder vier- wochentliche Frist nach Größe und Wichtigkeit derselben gestattet sein; es wäre dann wegen deren besonderer Weitläufigkeit oder Beschwerlichkeiten eine längere Frist bedungen worden, oder es wäre sonst in gleichen Fällen eine längere Zeit insgemein üblich.

[1, 7, § 4] 132. Der Diener ist allerdings schuldig, sich mit seinem Herrn oder jenem, den dieser darzu verordnet, zu berechnen, Alles in das Klare zu bringen und die unableinlichen Mängeln zu ersetzen. Wie dann auch Mittelspersonen mit beiderseitiger Einwilligung erkieset werden mögen, um die Anstände beizulegen und die Richtigkeitspflegung gütlich zu bewirken, wo es dann bei deme, was zwischen denen Theilen verglichen wird, sein gänzliches Bewenden haben solle.

[1, 7, § 4] 133. Wann der Diener oder Beamte nicht zur rechten Zeit die Rechnung legen würde, mag sich der Herr seiner ihme anvertrauten Geldern und Habschaften selbst bemächtigen, ihme die Schlüsseln benehmen, die Gewölber oder andere Oerter, wo die Sachen befindlich, sperren oder versiegeln, und allsobald die Bestandlegung forderen.

[1, 7, § 4] 134. Er kann auch die Verhaftung und Anhaltung eines ihme verdächtigen Dieners auf seine Gefahr ansuchen, und sich dessen Habseligkeiten mittelst gerichtlicher Verkümmerung halten.

Wo er aber ohne genugsamer Ursach wider den Rechnungsführer also verfahren würde, so ist derselbe diesem alle andurch verursachte Schäden, Unkosten und Versaumnissen zu ersetzen schuldig.

[1, 7, § 4] 135. Falls der Rechnungsführer mit Tod abgehet, so ist der Herr nicht verbunden, die ausständige Besoldung und nachgebliebene Habschaften denen Erben abfolgen zu lassen, als bis von ihnen statt des Verstorbenen die Rechnung geleget und die vollständige Richtigkeit gepflogen, oder genugsame Sicherheit geleistet worden, als worzu die Erben oder wer immer an der Verlassenschaft des Rechnungsführers ein Recht anzusuchen hat, durch die Gehörde anzuhalten sind.

[1, 7, § 4] 136. Es möge nun hierauf die Rechnung gütlich oder durch Gerichtszwang erleget werden, so stehet doch allzeit dem Herrn deren vorläufige Durchgehung und Untersuchung zu, wie dann zu dem Ende die Erben sich mit ihme außergerichtlich zu berechnen schuldig sind.

[1, 7, § 4] 137. Da auch der eine oder andere Theil sein Recht sofort gerichtlich suchen wollte, so ist derselbe allemal zuvor auf die außergerichtliche Berechnung zu verweisen, und ihme hierzu eine hinlängliche Frist anzuberaumen, damit die Parteien entweder selbst unter einander oder durch Mittelspersonen sich vergleichen, und die etwan hervorkommende Mängeln und Anstände abthun können.

[1, 7, § 4] 138. Wäre aber solche insgesammt außergerichtlich beizulegen nicht möglich, so solle nach Verlauf der anberaumten Zeit eine Tagsatzung angeordnet, dabei von denen vorgeforderten Theilen, was bereits verglichen worden, in einem Auszug vorgeleget, und sich darzu bekennet, das Unausgemachte aber durch mündliche Verhandlungen oder Vergleich zu beheben getrachtet werden.

[1, 7, § 4] 139. Was nun auch solchergestalt nicht ausgeglichen werden kann, darüber ist nach der von beiden Theilen unterschriebenen mündlichen Verhandlung der

(1-287) Bericht von denen zur Tagsatzung verordnet gewesten Gerichtspersonen an die Gehörde zu erstatten, und von dieser, falls die übriggebliebene strittige Puncten durch die mündliche Verhandlung schon genug erläuteret wären, ohne weiteres mit richterlicher Erkanntniß fürzugehen.

[1, 7, § 4] 140. Falls aber die strittige Puncten noch nicht klar genug ausgeführet wären, so sind die Parteien, insoweit solche noch nicht hinlänglich erläuteret sind, zu dem Weg Rechtens, und zur schriftlichen Verfahrung anzuweisen, welche nur damals zuzulassen ist, wann eine wahre Nothdurft vorhanden ist, und die Strittsache nicht anderst ausgemacht werden kann.

[1, 7, § 4] 141. Ansonst sollen zur Vermeidung aller Weitläufigkeit bei denen zur mündlichen Verhandlung angeordneten Tagsatzungen von beiden Theilen alle Behelfe und Gegenbehelfe vorgebracht, alle unterwaltende Anstände, wo nicht behoben, wenigstens so gut als möglich erörteret, und nur allein jene zur schriftlichen Verfahrung verwiesen werden, worüber, weilen sie verflochten und zweifelhaft sind, oder auf weiterem Beweis beruhen, die Parteien ihre Nothdurften mündlich nicht genugsam verhandlet zu haben befunden würde.

[1, 7, § 4] 142. Diesemnach solle auf erstatteten Bericht der richterliche Ausspruch über alle bis dahin unausgemachte Strittigkeiten von Post zu Post ergehen, dergestalten, daß jenes, was durch rechtsbeständigen Beweis zur Genüge erörteret worden, durch einen Endbescheid, und ohne weiterem Vorbehalt, all Anderes hingegen, worüber entweder eine Partei selbst der anderen bei der mündlichen Verhandlung einen Eid aufgetragen, oder worüber einem oder dem anderen Theil den Eid gerichtlich aufzutragen befunden wird, zwar ebenfalls durch einen Endbescheid, jedoch mit dem Vorbehalt beizulegen und zu entscheiden ist, wann nämlich der buchstäblich vorzuschreibende Eid geleistet oder nicht geleistet würde.

[1, 7, § 4] 143. Eben also solle in jenem Fall, da es annoch auf einen von diesem oder dem anderen Theil zu führen habenden Beweis ankäme, die Sache durch Endurtheil zwar entschieden, doch aber dieser Beweis vorbehalten, und wer solchen zu führen, auch was er noch zu erweisen habe, deutlich ausgedrucket werden.

[1, 7, § 4] 144. Nur mit jenen Anständen, welche so zweifelhaft sind, daß nicht abzunehmen seie, was einem oder dem anderen Theil zuzusprechen wäre, sind beide in Widerspruch verharrende Theile durch ein Beiurtheil in eben demselben Spruch zu dem ordentlichen Weg Rechtens, mithin zur schriftlichen Verfahrung zu verweisen.

[1, 7, § 4] 145. Dieser richterliche Spruch erwachset in Rechtskräften, wann nicht binnen vierzehn Tagen die Verwendung an den höheren Richter angemeldet, und das in solchen Fällen seines Orts Geordnete nicht beobachtet wird.

[1, 7, § 4] 146. Nicht weniger muß sich binnen denen nächsten vierzehen Tagen zur Ablegung des allenfalls in dem Spruch zuerkannten Eides oder zur Verführung des vorbehaltenen ferneren Beweises angemeldet, und sowohl der Eid in der darzu anberaumten Zeit abgeleget, als der Beweis verführet werden, wann sich nicht derowegen binnen besagter Frist an die höhere gehörde verwendet worden.

[1, 7, § 4] 147. Würde aber die Anmeldung und Ablegung des Eides oder die Führung des vorbehaltenen Beweises, oder die Einwendungen des Zuges an den oberen Richter binnen dieser Zeit verabsaumet, so wird der Saumselige dieser Wohlthat verlustig, und ist dem Gegentheil die gerichtliche Hilfe nach Ausmessung des ergangenen Spruchs ohne weiters zu ertheilen.

[1, 7, § 4] 148. Wann aber der Beweis zur rechten Zeit eingeleitet und fortgesetzet

(1-288) wird, so hat zwar der Sachfällige in allem Uebrigen, was entschieden worden, dem gerichtlichen Spruch Genügen zu thun; doch muß die weitere Erkanntniß über Dasjenige abgewartet werden, was nach der Anleitung des Spruchs erst zu erweisen kommt.

[1, 7, § 4] 149. Auch da die streitenden Theile durch Beiurtheil zum ordentlichen Weg Rechtens verwiesen worden, muß die Klage binnen denen nächsten vierzehen Tagen angebracht werden, nach deren Verlauf der Gegentheil hierum nicht mehr angefochten werden kann.

[1, 7, § 4] 150. Was aber bishero geordnet worden, ist bloß allein von Privatdiensten und Aemtern zu verstehen, maßen, so viel es die öffentliche Dienste und Aemter anbetrifft, es in deren Ansehung bei Unseren anderweiten Satz- und Ordnungen sein gänzliches Bewenden hat.

(1-289) Inhalt.

Seite

Einleitung  1

Beilage 1. Vorschlag einer allgemeinen Gerichtsordnung und eines gleichen Landrechts in allen Erbländern  14

Beilage 2. Grundsätze zur Verfassung des allgemeinen Rechts für gesammte k. k. deutliche Erblande  16

Einführungs-Rescript  25

Erster Theil. Von dem Recht der Personen  31

Caput I. Von dem Recht insgemein. n. 1-100  33

§. I. Von Eintheilung des Rechts. n. 1-11  33

§. II. Von Gesetzen. n. 12-38  36

§. III. Von Gewohnheiten. n. 39-50  41

§. IV. Von Befreiungen. n. 51-80  45

§. V. Von Ausdeutung der Gesetzen und Befreiungen. n. 81-92 49

§. VI. Von dem dreifachen Gegenstand der Gesetzen und der hiernach versatzten Eintheilung dieses Gesatzbuchs. n. 93-100  53

Caput II. Von dem Stand der Menschen. n. 1-124  54

§ I. Von Verschiedenheit menschlicher Ständen. n. 1-4  54

§ II. Von dem Stand der Freiheit. n. 5-16  55

§ III. Von dem bürgerlichen Stand. n. 17-58  67

§ IV. Von dem Hausstand. n. 59-124  76

Caput III. Von Ehebindnissen. n. 1-124  86

§. I. Von Eheverlobnissen. n. 1-63  86

§. II. Von dem Heiratsgut. n. 64-164  98

§. III. Von der Widerlag. n. 165-192  114

§. IV. Von Schankungen zwischen Lebenden. n. 193-203  118

§. V. Von dem ehegattlichen Vermögen. n. 204-256  120

§. VI. Von Witthums- und anderen Rechten nach der Ehe. n. 257-293  132

Caput IV. Von der Verwandtschaft. n. 1-58  140

§. I. Von der Verwandtschaft überhaupt. n. 1-6  140

§. II. Von Verschiedenheit der Verwandten. n. 7-24  141

§. III. Von den Staffeln der Verwandtschaft. n. 25-35  144

§. IV. Von den Rechten der Verwandten. n. 40-58  145

Caput V. Von der väterlichen Gewalt. n. 1-116  148

§. I. Von der Natur und Wesenheit der väterlichen Gewalt. n. 1-6  148

§. II. Von der Art und Weis, die väterliche Gewalt zu erlangen. n. 7-46  149

§. III. Von Wirkungen der väterlichen Gewalt. n. 47-88  155

§. IV. Von der Art und Weis, wodurch die väterliche Gewalt beendigt wird. n. 89-116  163

(1-290) Caput VI. Von der Vormundschaft. n. 1-640  169

§. I. Von Vormundschaft überhaupt. n. 1-11  169

§. II. Von Verschiedenheit der Vormundschaften. n. 12-120  169

§. III. Von Antretung der Vormundschaft. n. 121- 216  187

§. IV. Von Verwaltung der Vormundschaft. n. 217-368  200

§. V. Von der vormundschaftlichen Raitung. n. 369-460  223

§. VI. Von Belohnung der Vormünderen. n. 461-484  235

§. VII. Von Beendigung der Vormundschaft. n. 485-586  241

§. VIII. Von Obsorgeren deren ihrem Gut selbst vorzustehen unfähigen Personen. n. 587-640  256

CaputVII. Von Dienstleuten. n. 1-150  265

§. I. Von der Schuldigkeit der Dienstleuten. n. 1-19  265

§. II. Von der Gegenverbindlichkeit des Herrn. n. 20-32  268

§. III. Von der Verbindlichkeit der unter Raitung stehenden Bedienten und Beamten insonderheit. n. 33-110  171

§. IV. Von dem Recht des Herrn wider unverraitete Diener. n. 111-150  283


Der CODEX THERESIANUS und seine Umarbeitungen. Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Dr. Philipp Harras Ritter von Harrasowsky. II. Band. Wien. Druck und Verlag von Carl Gerold’s Sohn. 1884.

CODEX THERESIANUS. Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Dr. Philipp Harras Ritter von Harrasowsky. II. Band. Wien Druck und Verlag von Carl Gerold’s Sohn. 1884.

(2-1) Zweiter Theil.

Von Sachen und dinglichen Rechten.

(2-2)

(2-3) Caput I.

Von Unterschied der Sachen.

Inhalt:

§. I. Von Natur, Eigenschaft und Verschiedenheit der Sachen in Absicht auf die darauf gebührende Rechten. §. II. Von Gott geheiligten Sachen. §. III. Von Sachen, deren Gebrauch allen Menschen gemein ist. §. IV. Von Sachen eines Staats oder Landes. §. V. Von Sachen der Gemeinde. §. VI. Von Sachen einzler Personen. §. VII. Von beweg- und unbeweglichen Sachen. §. VIII. Von unkörperlichen Dingen.

§. I.

[2, 1, § 1] Num. 1. Auf die in ersten Theil beschriebene Vorrechte der Personen, welche aus dem verschiedenen Stand und Eigenschaft der Menschen entspringen, folget

(2-4) nunmehro die Abhandlung derjenigen Rechten, welche denenselben über Gab und Güter zustehen.

[2, 1, § 1] 2. Deren sind zweierlei nach ihrem Ursprung, Wesenheit und Wirkung unterschiedene Gattungen, als das Recht an der Sache, welches auch anderst ein dingliches Recht genannt wird, weilen es das Ding, worauf dasselbe gebühret, selbst behaftet, und das Recht zur Sache.

[2, 1, § 1] 3. Die dingliche Rechte werden in diesem zweiten Theil, das Recht zur Sache aber in dem nachfolgenden dritten Theil beschrieben, welcher von persönlichen Verbindungen, woraus dasselbe entstehet, eigends handlet.

[2, 1, § 1] 4. Beiderlei Gattungen der Rechten haben die Sachen zu ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Vorwurf. Dahero wird in diesem ersten Capitel die Abhandlung von Sachen vorausgesetzet, und deren Natur, Eigenschaft und Verschiedenheit in Absicht auf die darauf gebührende Rechten erkläret.

[2, 1, § 1] 5. In dieser Betrachtung werden durch die Sachen nur allein jene Dinge verstanden, welche ihrer Natur nach der Menschen Eigenthum sein können, obschon dieselbe wegen einer auf sich habenden Beschaffenheit wirklich in Niemandens Gut sind.

[2, 1, § 1] 6. Und in dieser Bedeutung werden sowohl alle Zugehörungen der Dinge und die davon abfallende Nutzungen, als auch alle Verbindungen, Forderungen und andere Rechten darunter begriffen.

[2, 1, § 1] 7. Alle Sachen, welche an sich fähig sind Jemandens Eigenthum zu sein, gehören entweder zu Jemandens Vermögen, sind handelbar und in Jemandens Gut, oder sie gehören zu keines Menschen Vermögen, sind unhandelbar und in Niemandens Gut.

[2, 1, § 1] 8. Außer dem Vermögen der Menschen, mithin unhandelbar und in Niemandens Gut sind die Gott geheiligte Sachen, welche zu dem Gottesdienst geweihet und gewidmet sind, und eben darum von Niemandem zum Eigenthum erworben, besessen, noch auch zum weltlichen Gebrauch verwendet werden können.

[2, 1, § 1] 9. Eben also sind auch jene Sachen, deren Gebrauch allen Menschen gemein ist, insoweit in Niemandens Gut, als keiner dieselbe in ihrem ganzen Umfang oder in ihrer unermeßlichen Völle sich allein zueignen, noch auch wegen ihrer unerschöpflichen Eigenschaft Andere von deren Gebrauch überhaupt ausschließen kann, als da sind Luft und Wasser, obschon sie nach Maß des Umfangs der sie einfassenden

(2-5) oder einschließenden Behältnissen, welche sich in dem Eigenthum oder Besitz der Menschen befinden, eben auch Jemandens sein und werden können.

[2, 1, § 1] 10. In Jemandens Gut und Vermögen hingegen, folglich auch handelbar sind alle und jede Sache, deren Eigenthum, Besitz und ausschließender Gebrauch bei denen Menschen ist, sie mögen einem Stand oder Land oder einer Gemeinde oder einzlen Personen zugehören.

[2, 1, § 1] 11. Diese sind entweder körperlich oder unkörperlich. Körperlich sind jene, deren Wesen und Gestalt in die Sinnen fällt, unkörperlich aber, deren Wesenheit nur durch den Verstand des Rechts begriffen werden kann. Ferners sind solche entweder beweglich oder unbeweglich nach ihrer Art oder nach dem Verstand Rechtens.

[2, 1, § 1] 12. Die körperlichen Sache werden in Handel und Wandel auf dreierlei Weis betrachtet, als entweder nach dem Betrag, das ist nach ihrem Gewicht, Zahl und Maß, als Getreide, Wein, Wolle, Gold, oder nach der Gattung, als ein Pferd, ein Schaf, oder nach ihrer Gestalt und stuckweis, als dieses Pferd, dieses Schaf, dieses Haus.

[2, 1, § 1] 13. Nach dem Betrag wird nur darauf gesehen, daß eben dergleichen und eben so vieles gegeben werde, als hieran gebühret. Nach der Gattung kann zwar die Verbindlichkeit eine noch unbestimmte Sache von dieser oder jener Art zu leisten hergebracht, niemalen aber hieran das Eigenthum, oder der Besitz, oder ein anderes dingliches Recht vor derer wirklicher Bestimmung erworben werden.

[2, 1, § 1] 14. Dahingegen können Sachen nach der Gestalt und stuckweis, sowohl einzle als mehrere zusammen, nicht allein aus einer darüber eingegangenen Verbindlichkeit Jemanden gebühren, sondern auch das Eigenthum, der Besitz und alle andere Arten dinglicher Rechten hieran erworben werden.

[2, 1, § 1] 15. Und wer zu Leistung einer bestimmten Sache verbunden ist, entlediget sich seiner Schuldigkeit nicht, wann er eben so vieles, obschon von ganz gleicher Art und Gestalt dafür abtragen will, sondern er muß eben dasjenige, was er schuldig ist, geben. Alle vorerwähnte Arten der Sachen werden in folgenden §§. erkläret.

§. II.

[2, 1, § 2] 16. Gott geheiliget sind Kirchen, Kapellen, Altäre, Freithöfe oder sogenannte Gottesäcker, Kelche und andere heilige Gefäße und was sonst nach Ordnung

(2-6) der christkatholischen Kirchen unmittelbar zu dem Gottesdienst geweihet und gewidmet wird.

[2, 1, § 2] 17. Niemand dahero kann für sich selbst aus eigener Macht ein Ort oder Ding heiligen, obschon er dieses zu andächtigen und gottseligen Gebräuchen widmet, insolange solches nicht durch die vorgesetzte geistliche Gewalt förmlich eingeweihet und darzu bestimmet wird, sondern bis dahin ist und bleibet dieses handelbar.

[2, 1, § 2] 18. Sachen aber, die einmal ordentlicher Weise Gott geheiliget worden, sind allerdings unhandelbar und können auf keinerlei Art veräußeret, verkaufet, verpfände oder sonst in andere Wege behaftet werden, sondern alle dahin abzielenden Handlungen sind nichtig und unkräftig, also daß hieran weder ein Recht zu der Sache, noch minder ein Recht an der Sache daraus erworben werden möge, und da einiges vor der Weihung hieran gebühret hätte, erlöschet solches gänzlich, sobald als die Sache geweihet worden.

[2, 1, § 2] 19. Wann demnach derlei Sachen Jemanden zu Handen kommen, der nicht weiß, daß sie geweihet sind, ist er schuldig solche, sobald als ihme diese Eigenschaft wissend wird, da, wo sie hingehören, ohne Entgelt zurückzustellen, und wo er etwas dafür gegeben hätte, mag er sich an den Veräußerer, oder Jenen, der ihn sonst darzu verleitet hat, seines ohne Schuld erleidenden Schadens halber erholen.

[2, 1, § 2] 20. Wer aber sich erfrechete, Gott geheiligte Sachen wissentlich an sich zu handlen, dieser ist nebst deren Zurückstellung eben sowohl als der wissentliche Veräußerer nach Unterschied der Fällen zu bestrafen, und das Kaufgeld oder was immer sonst an Preises statt dafür gegeben oder bedungen worden, solle Unserer Kammer verfallen sein.

[2, 1, § 2] 21. Nur in großen allgemeinen Nothfällen, bei Gebrechung anderer Hilfsmitteln, wann es für nöthig befunden wird, können auch heilige Gefäße nach deren vorhergehender von der geistlichen Behörde veranlaßten Zerbrechung oder sonstigen Verstaltung zu weltlichen Handen mit Giltigkeit veräußeret werden, in welchem Fall der Zeug, woraus sie verfertiget sind, in den Handel und Gebrauch der Menschen zurückkehret.

[2, 1, § 2] 22. Und lassen Wir es übrigens bei Ausmessung der geistlichen Rechten bewenden, wann und wie auf Befund der geistlichen Obrigkeit derlei Sachen entweder wegen ihrer Abnutzung und Unbrauchbarkeit nach deren vorläufiger Verstaltung zu weltlichen Handen, oder auch aus Nothdurft oder sonstigen erheblichen Ursachen von einer Hand zur anderen zu gleichmäßigen geistlichen Gebrauch überlassen und veräußeret werden mögen.

[2, 1, § 2] 23. Welches jedoch von anderen kirchlichen Geräthschaften, die zur Einrichtung oder zur Zierde gebrauchet werden, nicht aber geweihet sind, nicht zu verstehen ist, sondern diese können auch in ihrer Form und Gestalt, die sie haben, mit

(2-7) Bewilligung und Gutbefund der Oberen durch die Kirchenvorstehere in weltliche Hände veräußeret werden.

[2, 1, § 2] 24. Gott geheiligte Orte und Gebäude bleiben immerhin unhandelbar, sie würden dann zerstöret, und es ermanglete durch einverständliche Erklärung

(2-8) der geistlichen und weltlichen Obrigkeit alle Hoffnung der Wiedererwerbung, in welchem Fall sowohl der Platz als der Raum des Gebäudes, als der verfallene Bauzeug, wann ein oder anderes nicht ausdrücklich vorbehalten würde, dem Herrn des Grundes eigen wird.

[2, 1, § 2] 25. Derlei Orte sind Gott allein gewidmet, mithin ist auch nicht erlaubet solche durch menschlichen Gebrauch zu verunehren, noch weniger darinnen weltliche Geschäfte zu handlen, sondern die dadurch gebende Aergerniß solle ernstlich hintangehalten werden. Doch sind freie und redliche Vergleiche und Verträge darum nicht ungiltig, weilen sie an solchen Orten geschlossen worden, wann sonst daran kein Mangel ist.

[2, 1, § 2] 26. Gerichtlicher Handlungen aber, welche mit einem Rechtsgetös vorgenommen werden, und vornehmlich von Blutgerichten solle sich an solchen Orten enthalten werden. In Widrigen ist nicht allein das Verhandlete null und nichtig, sondern auch die Verunehrung derlei Gott geheiligter Orten nach Gestalt der Umständen zu bestrafen.

[2, 1, § 2] 27. Große Nothfälle entschuldigen zwar, daß man sich geweihter Orten und Gebäuden auf eine Zeit zu menschlichen Bedürfnissen ohne Verunehrung bedienen könne; doch solle solches außer unverschieblichen Zufällen, wo die äußerste Gefahr bevorstehet, nicht anderst, als mit Vorwissen und Bewilligung der Gehörde geschehen.

[2, 1, § 2] 28. Von Gott geheiligten Sachen sind die geistliche Güter unterschieden,

(2-9) welche zu Bisthümern, Dom- und anderen Stiftern, Kirchen, Klöstern, geistlichen Würden, Pfründen und anderen milden Sachen gehören. Diese sind ihrer Eigenschaft nach außer dem Handel und Wandel der Menschen nicht gesetzet, sondern können nach Nothdurft oder Nutzen, jedoch nicht anderst, als mit Beobachtung der gehörigen Feierlichkeit veräußeret werden.

[2, 1, § 2] 29. Gleichwie aber Unserem obristen Schutz- und Schirmrecht zukommet, darauf zu sehen, damit die geistlichen Güter zu keinem anderen Gebrauch, als worzu sie gewidmet sind, verwendet werden, also sollen auch ohne Unserer besonderen höchsten landesfürstlichen Einwilligung keine geistliche liegende Güter rechtsgiltig veräußeret werden können.

[2, 1, § 2] 30. Hierunter wollen Wir auch alle der Geistlichkeit angehörigen auf liegenden Gütern haftende dinglichen Rechten, unablösliche Stiftsgelder, wie auch dergleichen Zinsen oder beständige Nutzungen begriffen haben, also daß solche unter Nichtigkeit der Handlung ohne Unserer höchsten Einwilligung weder verkaufet, vertauschet, verschenket, noch auf andere Weis veräußeret oder verminderet werden mögen.

[2, 1, § 2] 31. Es sind dahero dergleichen wie immer veräußerte geistliche Güter und Rechten denjenigen Kirchen und Stiftungen, von wannen sie abgekommen, mit allen mittlerweil abgefallenen Nutzungen, nebst Ersetzung aller erweislichen Schäden und Unkosten zurückzustellen. Inwieweit aber solche durch rechtmäßige Verjährung an Andere übertragen werden können, wird unten im neunten Capitel ausgemessen werden.

[2, 1, § 2] 32. Doch bleibet deme, wer solche Sachen mit guten Glauben an sich gebracht, die Ansuchung seiner Entschädigung wider Demjenigen bevor, von deme er sie bekommen, oder durch den er darzu verleitet worden. Was aber dagegen einer

(2-10) Kirchen oder Stiftung zugekommen, ist ihme zurückzugeben, damit die Kirche oder Stiftung mit fremden Schaden nicht bereicheret werde.

[2, 1, § 2] 33. Wann hingegen Jemand ohne Unserer Bewilligung wissentlich derlei Güter gekaufet oder in andere Wege an sich gebracht hätte, solle über die schon besagte Zurückstellung das gegebene oder bedungene Kaufgeld Unserer Kammer unnachsichtlich verfallen, und beinebst Uns die gebührende Ahndung sowohl wider den Veräußerer, als Jenen, der solche an sich bringen wollen, vorbehalten sein.

[2, 1, § 2] 34. Zu denen Gott geheiligten Orten gehören auch die geweihte Kirch-


(2-11) oder Freithöfe, oder sogenannte Gottesäcker, welche zur Beerdigung der Todten gewidmet sind, und wegen solcher Eigenschaft außer dem Eigenthum, Besitz und zeitlichen Gebrauch der Menschen sind.

[2, 1, § 2] 35. Außer diesen geweihten Orten haben andere Begräbnussen weder für sich selbst, noch aus Eigenschaft des Orts etwas Besonderes, und solle kein Erdenraum bloß wegen menschlicher Begräbnuß, wann er hierzu von der geistlichen Gehörde nicht geweihet ist, für verehrlich gehalten, noch deswegen außer Handel und Wandel gesetzet oder von anderen Gebrauch ausgenommen werden.

[2, 1, § 2] 36. Wo aber jedennoch gewisse Plätze außer geweihten Orten darzu bestimmet und von anderen Gebrauch abgesönderet oder auch mit einigen Freiheiten begabet wären, so ist sich nach diesfälligen Anordnungen zu richten. Jene Beerdigungsorte hingegen, wohin Selbstmörder und andere keiner ehrbaren Begräbnuß würdige Uebelthäter eingescharret werden, sind außer aller Achtung.

[2, 1, § 2] 37. Die Eigenschaft eines zur Begräbnuß gewidmeten, geweihten Orts hinderet nicht, daß Jemanden für sich und die Seinigen ein besonderes Recht gebühren könne, in einer gewissen Gruften oder Grabstelle beigesetzet zu werden, welcherlei Recht nicht nur durch unentgeltliche Verleihung, sondern auch gegen einigen Gelderlag erworben werden mag.

[2, 1, § 2] 38. Dieses Geld wird insgemein zu Behuf der Kirchen oder anderer milden Stiftung, oder auch zu Handen des Grundherrn für den zur Grabstätte

(2-12) hergegebenen Grund entrichtet, wie es jeden Orts gebräuchlich und Unseren in Begräbnußsachen erlassenen Verordnungen nicht zuwider ist.

[2, 1, § 2] 39. Bei diesem einem Geschlecht, oder auch einzlen Personen und zuweilen gewissen Mitteln gebührenden Begräbnußrecht solle Jedermann geschützet, in dessen Genuß von Niemanden beeinträchtiget, noch weniger das Grabmal seines Geschlechts verwüstet, oder sonstiger Unfug zu dessen Nachtheil und Verkleinerung daran begangen werden.

[2, 1, § 2] 40. In widrigen sind Jene, die es angehet, befugt, bei der Gehörde um Handhabung ihres Rechts anzuhalten, worinnen schleunig unter Verhängung Geld- oder anderer willkührlicher Strafen wider die Schuldige zu verfahren ist, woferne der Mangel des Beweises keine ordentliche Rechtshandlung erheischete.

[2, 1, § 2] 41. Mit Gott geheiligten Sachen kommen jene nicht überein, welche man in bloßer rechtlicher Bedeutung heilig nennet, weilen sie unverletzlich sind und durch Strafgesetze gegen allerlei Verunehrung, Gewalt oder daran verübten Unfug bewahret werden, obschon sie übrigens zu menschlichen Gebrauch dienen und andurch von ersteren wesentlich unterschieden sind.

[2, 1, § 2] 42. Von dieser Art sind alle und jene Sachen, welche nach Ausmessung des §. IV. der höchsten Gewalt des Staats vorbehalten, und wegen dieser ihrer öffentlichen Eigenschaft außer gemeinen Handel und Wandel gesetzet sind. Deren Unverletzlichkeit, welche insgemein mit dem Recht der freien Sicherheit vereinbaret ist, hat durch unsere anderweite Verordnungen ihre Maß und Richtschnur.

§. III.

[2, 1, § 3] 43. Auch jene Sachen sind in Niemandens Gut, deren Gebrauch allen Menschen dergestalten gemein ist, dass wegen ihrer Unermeßlichkeit Keiner deren

(2-13) Gebrauch verminderen oder erschöpfen, noch weniger Andere überhaupt ausschließen könne.

[2, 1, § 3] 44. Von dieser Art sind Luft, Wasser, Licht, deren Gebrauch in der ganzen Erstreckung dieser Dinge von Niemanden sich allein mit völliger Ausschließung aller Anderer zugeeignet werden mag, wiewohlen zum Theil solcher binnen den Grenzen eines Jemanden eigenthumlich zustehenden Bezirkes oder Behältnisses Anderen mit Fug verwehret werden kann.

[2, 1, § 3] 45. An allen anderen Dingen aber, die des Eigenthums fähig sind, hat in Unseren Staaten keine natürliche Gemeinschaft statt, sondern sie sind entweder in dem öffentlichen Eigenthum des Staats, oder in dem sonderheitlichen Eigenthum gewisser Gemeinden oder einzler Personen.

[2, 1, § 3] 46. Dahero ist Niemanden gestattet, ohne einer ihme entweder nach der Länderverfassung, oder nach der Ordnung der Gemeinden, oder aus Zulassung einzler Eigenthümer hierzu gebührenden Befugniß, sich des freien Gebrauchs derlei Sachen anzumassen, noch weniger sich solche durch eigene Bemächtigung zuzueignen.

(2-14) §. IV.

[2, 1, § 4] 47. In dem öffentlichen Eigenthum sind alle und jede Sachen, welche der bei Uns ruhenden höchsten Gewalt des Staats eigen sind, und deren Gebrauch nach der Länder Verfassung und Unseren dahin einschlagenden Verordnungen entweder Uns allein vorbehalten oder von Uns Anderen verliehen, oder jedem Lande gemein ist.

[2, 1, § 4] 48. Dahin gehöret das Meer, die Meerhäfen und Küsten, schiffbare Seen, öffentliche Ströme und Flüsse, offene Straßen und Wege, nicht aber auch jene Seen, deren Eigenthum und Besitz aus Unserer Verleihung oder auf andere rechtmäßige Weise Jemanden insonderheit zustehet.

[2, 1, § 4] 49. In Betreff des Meers, der Meerhäfen und Küsten, wie auch der schiffbaren Seen ist sich nach der Verfassung Unserer anliegenden Länder zu richten, und überhaupt auf die Erhaltung Unserer landesfürstlichen Hoheiten zu sehen, damit nichts gestattet werde, was diesen zu Abbruch gereichen könnte.

[2, 1, § 4] 50. Aus der Ursache ist derorten Niemanden der Fischfang, Sammlung des Salzes, Muscheln und anderer Erzeugungen oder Auswürfen des Meers oder Seewassers, noch weniger die Zueignung der etwan entstehenden Inseln zugelassen, er seie dann entweder nach der Länder Verfassung oder nach Unseren Verordnungen, Verleihungen und sonst rechtmäßig hergebrachten Freiheiten darzu berechtiget.

[2, 1, § 4] 51. Ueberhaupt aber solle Niemanden erlaubet sein, soweit sich Unsere Landeshoheit erstrecket, in diesen Orten etwas zu bauen, zu versenken, oder auf andere Weis zu unternehmen, wodurch die Schifffahrt und Anländung behindert oder beschwerlicher gemacht werde. Wo in Widrigen die Hinderniß sogleich zu heben,

(2-15) die Beschwerde abzustellen und das Beginnen nebst Ersatz des verursachten Schadens nach Umständen ernstlich zu bestrafen ist.

[2, 1, § 4] 52. Dahingegen ist Jedermann in Ansehen dieser Dinge bei dem Gebrauch seines angebührenden Rechts und in dem Genuß Unserer Verleihungen und Freiheiten durch die gehörige Rechtsmitteln zu schützen und zu handhaben.

[2, 1, § 4] 53. Große, beharrliche und schiffbare Ströme und Flüsse sind in Ansehen

(2-16)der Schifffahrt und dahin abzielenden Gebrauchs zu Unseren Hoheiten gehörig; das Eigenthum aber gebühret nach Verschiedenheit der Länderverfassungen entweder

(2-17) Uns oder den Eigenthümeren der anliegenden Gründen, und zwar entweder gemeinschaftlich oder deren Jedweden nach Maß einer bestimmten Weite.

[2, 1, § 4] 54. Wo das Eigenthum der Flüssen Uns zustehet, bleibet gleichermaßen der Rinnsal oder das Flussbett solange öffentlich, als der Strom den Lauf darinnen hat. Da er aber solchen ganz oder zum Theil änderet und einen neuen Rinnsal nimmt, so wird dieser öffentlich, und der verlassene fallt entweder in das vorige sonderheitliche Eigenthum des Grunds, wann es erweislich, zuruck, oder ist auf die hiernach ausmessende Art und Weis zu vertheilen.

[2, 1, § 4] 55. Die Ufer der öffentlichen Flüssen sind nur insoweit öffentlich, als zu dem landgemeinen Gebrauch des Flusses auch der Gebrauch der Ufern nöthig ist. Außerdeme gehöret deren Eigenthum allemal zu den nächstanliegenden Gründen, woferne diese von den Ufern nicht vollständig abgerainet wären, und somit die Ufer mit dem Flusse und Rinnsal einerlei Eigenschaft hätten.

[2, 1, § 4] 56. Gebührete hingegen das Eigenthum der Flüssen den Eigenthümeren der anliegenden Gründen, so ist förderist darauf zu sehen, ob durch besondere Rainzeichen oder Urkunden zwischen ihnen die Theile bestimmet seien oder nicht.

[2, 1, § 4] 57. Ersteren Falls hat es dabei ohne Widerrede sein Bewenden, letzteren Falls aber ist der Fluss zwischen ihnen nach Erstreckung ihrer daranstoßenden Gründen gemein, und stehet ihnen frei, denselben gemeinschaftlich durch sich oder durch Andere zu nutzen und zu genießen, oder den Nutzen und Genuß nach Gefallen unter sich zu vertheilen, wie nicht weniger sich des Eigenthums halber zu vergleichen, wobei es ebenmäßig für die Zukunft sein unverbrüchliches Verbleiben haben solle.

[2, 1, § 4] 58. Da aber in Ermanglung älterer oder neuerer Vergleiche und Verträge von einem oder dem anderen Theil die Theilung des Flusses anverlanget würde, ist zur Grundregel der Abtheilung zu halten, daß, weme an einer Seiten der nächst an dem Fluß gelegene Grund zuständig ist, demselben auch das Ufer, der Rinnsal und der Fluß nach Breite dieses seinen Grunds bis zur Mitten des Flusses gehöre.

[2, 1, § 4] 59. Es verstehet sich aber die Mitte nicht nur nach dem wirklichen Lauf des Flusses, sondern nach dem ganzen zwischen dies- und jenseitigen Gründen befindlichen Zwischenraum, er seie mit Wasser bedecket oder trocken, also daß allemal der Fluß sammt seinem Rinnsal und allem Zwischenraum bis an die Mitte dem Eigenthümer des diesseitigen Grunds, von der Mitte aber dem Eigenthümer des jenseits des Flusses gelegenen Grunds zukomme.

[2, 1, § 4] 60. Wann jedoch mehrerer Herren Gründe dies- und jenseits an den Fluß anstoßen, so ist auch der Fluß nach der Breite ihrer vorwärts gegen dem Fluß besitzenden Gründen zu vertheilen. Dahingegen ist Jenem, der zu beiden Seiten

(2-18) Gründe hat, soweit als dieselbe dies- und jenseits des Flusses Niemanden entgegen liegen, der ganze Fluß, dessen Rinnsal und aller Zwischenraum allein gehörig.

[2, 1, § 4] 61. Diese Befugnuß aber, sich die Flüsse nach Erstreckung der anstoßenden Gründen zuzueignen, stehet nur jenen Besitzern zu, denen das Grundeigenthum gebühret. Dahingegen Erbzinsleute und Unterthanen, obschon sie die naheliegenden Gründe eigenthumlich besitzen, durch die Grenzen ihrer Gründe, welche in Ermanglung anderer die Ufer ausmachen, beschränket sind, und sich an den Flüssen nicht das mindeste Recht anmaßen können, außer was ihnen durch die Grundbücher, Gewähren und Handfesten verliehen ist, oder sonst der gemeine Landesbrauch mit sich bringt.

[2, 1, § 4] 62. An beharrlichen und schiffbaren Flüssen, sie mögen zu dem sonderheitlichen oder Landeseigenthum gehören, ist Niemanden gestattet, etwas zu thun, wodurch der Zustand des Flusses verändert, der freie Lauf behinderet, die Schifffahrt, Flößung, der darzu nöthige Gebrauch des Ufers, die Anländung und andere landgemeine Bequemlichkeit beschwerlicher gemacht werde.

[2, 1, § 4] 63. Ebensowenig ist zulässig, durch neue Werke anderen dies- oder jenseits nächst dem Fluß oder auch weiter davon gelegenen Gründen einen Schaden zuzufügen, oder die Gefahr einer bei großem Wasser, Eisgang oder sonstigen Umständen entstehen mögenden Beschädigung zuzuziehen.

[2, 1, § 4] 64. Noch auch ist erlaubet, die selbsteigenen Gründe durch neue Werke einer Gefahr auszusetzen, wann der erfolgen mögende Schaden beträchtlich und dem gemeinen Besten oder wem immer Anderen zum Nachtheil gereichen könnte.

[2, 1, § 4] 65. Wir verbieten dahero alle schädliche Vermehrung des Gewässers durch Einleitung mehrerer Flüssen, Bächen, Quellen, Seen, Teichen, Sümpfen, als sonst derorten in dem Fluß zu fallen pflegen, besonders wann hierdurch der Fluß reißender, austretender, gefährlicher, und denen nächst oder tiefer gelegenen Gründen schädlicher würde.

[2, 1, § 4] 66. Nicht weniger solle alle Ableitung des Wassers durch Gräben und Wasserleitungen zu Mühlen oder anderen Gebrauch untersaget sein, wann dadurch der Fluß schmäler, seichter und unschiffbarer würde, oder deme sonst aus anderen Ursachen Unser Verbot entgegenstände.

[2, 1, § 4] 67. Desgleichen solle sich der Errichtung neuer Wasserwehren, Schleußen, Rechen, Pfählen und allerhand anderer Werke in die Breite des Flusses, es seie gerad oder schräg hinein, wodurch der ordentliche Lauf des Flusses zu Behinderung der Schifffahrt oder sonst zu Jemands Nachtheil aufgehalten, abgetrieben, erhöhet oder eingeschränket würde, gänzlich enthalten werden.

[2, 1, § 4] 68. Dieser Verbot erstrecket sich auch auf die Behinderung der Oberfläche des Flusses mit Brücken oder Stegen, Fischerzäunen oder Körben, länger auf liegenden Bau- oder Brennholz, und was sonst den landgemeinen Gebrauch des Flusses hemmen kann.

[2, 1, § 4] 69. Ueberhaupt aber solle Niemand bei scharfer Ahndung sich unterfangen, an Flüssen landgemeinen Gebrauchs neue Werke eigenmächtig vorzunehmen, oder die schon bestehende über den Stand, worinnen sie sich befinden, zu erweiteren, oder etwas hieran abzuänderen.

[2, 1, § 4] 70. Sondern, wo Jemandens Nothdurft, Nutzen oder Bequemlichkeit etwas dergleichen erforderte, welches ohne Männiglichens Schaden und Nachtheil geschehen könnte, ist das Vorhaben jedes Mal vor Unternehmung des Werks bei der gehörigen Landesstelle, oder wo in Fluß- und Wassersachen eigene Gerichte oder Aemter angeordnet sind, daselbst anzubringen.

[2, 1, § 4] 71. Die Stelle hat hierauf nicht allein zu erwägen, ob dabei von Seiten des gemeinen Wesens ein Anstand oder Bedenklichkeit unterwalte, sondern auch Jene, die es angehet, und von welchen sich vermuthen läßt, daß ihnen das vorgabende Werk schädlich sein könne, darüber zu vernehmen, und bei befindenden

(2-19) Anstand oder Jemands erfolgenden Widerspruch sofort eine Untersuchung an Ort und Stelle mit Zuziehung geschworner oder auch anderer, doch darzu eigends zu beeidigen kommender Wasserbauverständigen zu veranlassen.

[2, 1, § 4] 72. Hierbei ist der Augenmerk vorzüglich darauf zu richten, ob durch das vorhabende Werk Unseren Hoheiten ein Abbruch, dem landgemeinen Gebrauch des Flusses eine Hindernuß, oder den Benachbarten ein Nachtheil bevorstehe.

[2, 1, § 4] 73. Vor Allem sollen Unsere Hoheiten aufrecht erhalten, und keinem Abbruch oder Gefahr einer Verkürzung ausgesetzet, wie nicht weniger der landgemeine Gebrauch des Flusses gehandhabet, und nichts zugelassen werden, was deme hinderlich fallen könnte, wanngleich eine Schadloshaltungssicherheit anerboten würde.

[2, 1, § 4] 74. Da aber nur eines oder des anderen Benachbarten Schaden und Nachtheil besorget würde, ist die vorschützende Gefahr wohl zu erwägen, und da die Gefahr unwahrscheinlich, folglich die Beisorge ungegründet befunden würde, solle der Widerspruch eines neidigen und mißgünstigen Nachbars nicht angesehen werden.

[2, 1, § 4] 75. Wann hingegen ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit zu beförchten wäre, ist Demjenigen, der das Werk errichten will, dessen Aufführung nicht anderst, als gegen Bestellung einer annehmlichen Sicherheit für den Ersatz des erfolgen mögenden Schadens nach richterlicher Mäßigung zu gestatten. Wann jedoch die Gefahr augenscheinlich und der Schaden ungezweiflet wäre, solle in das vorhabende Werk gar nicht gewilliget werden.

[2, 1, § 4] 76. Weme aber ein dergleichen Werk aufzurichten erlaubet wird, deme ist auch die Art und Weis, oder die Form und Gestalt des Baues deutlich vorzuschreiben, und wie ihme solche auf den erstatteten Untersuchungsbericht von der Gehörde ausgemessen worden, hiernach ist er sich zu halten schuldig, woferne er seinen weiteren Rechtszug an die höhere Stelle ergreifen würde.

[2, 1, § 4] 77. Würde Jemand ein dem gemeinen Wesen oder Anderen schädliches Werk eigenmächtig unternehmen, so ist ersteren Falls auf davon erhaltene Nachricht von amtswegen, letzteren Falls aber auf eingebrachte Beschwerde ein Einhalts- oder Einstellungsbefehl unter einer den Umständen gemäßen Geldstrafe sogleich zu erlassen.

[2, 1, § 4] 78. Dieser Befehl verbindet Denjenigen, deme der Einhalt geschieht, von dem Bau allsobald, als ihme solcher zugekommen, bei sonstiger Verwirkung der ausgemessenen Strafe abzustehen, in wessen Befolgung, wann die Sache noch unverrucket und Niemanden ein Schaden geschehen ist, derselbe von aller weiterer Anfechtung enthoben wird.

[2, 1, § 4] 79. Würde er aber den angefangenen Bau fortzusetzen verlangen, muss er mit Einstellung des weiteren Werks die Untersuchung an Ort und Stelle anbegehren, sowie Jene, welche dadurch sich beschweret zu sein finden, wann das Werk schon wirklich so weit gediehen wäre, daß sie davon einen Schaden beförchten, um den vorigen Stand der Sachen herzustellen, gleichfalls die Untersuchung an Ort und Stelle auszuwirken haben, wobei auf vorbemelte Weis zu verfahren ist.

[2, 1, § 4] 80. Gehorchete hingegen derselbe nicht, sondern könnte eines ihme wider den Verbot in Fortsetzung des Baues zu Schulden gehenden Ungehorsams überwiesen werden, so ist nach obigen Unterschied der Fällen entweder von amtswegen oder auf Verlangen des Gegentheils die Untersuchung unverweilt vorzunehmen, unter Einem aber die durch seinen Ungehorsam verwirkte Strafe ohne Nachsicht und ohne Abwartung des Ausschlags der Hauptsache von ihme einzutreiben, auch gestalter Dingen nach der Verbot unter verdoppelter Strafe zu erneueren.

[2, 1, § 4] 81. Findete sich sodann das Angefangene oder auch schon vollends zu Stand gebrachte Werk wirklich schädlich zu sein, so ist der Unternehmer dieses Werks anzuhalten, alles Errichtete abzuthun und in den vorigen Stand herzustellen, beinebst aber auch die Untersuchungskosten allein zu tragen und allen erweislichen Schaden sammt Unkosten dem Gegentheil zu ersetzen.

(2-20) [2, 1, § 4] 82. Dagegen wo das angefangene, und nach geschehenen gerichtlichen Einhalt fortgesetzte Werk unschädlich befunden würde, so hat es zwar bei der durch Ungehorsam verwirkten Strafe sein Verbleiben, von Ersetzung der Unkosten aber solle der im Werk begriffene Theil enthoben sein, und vielmehr der Gegentheil, wann er den Einhalt muthwillig begehret hat, darzu verurtheilet werden.

[2, 1, § 4] 83. Wäre aber ein neu errichtetes Werk durch drei Jahre und achtzehen Wochen ohne Widerspruch bestanden, so solle es auch weiterhin erhalten werden, wann die Verjährung nicht mangelbar oder sonst keine gemeinwesige Ursach vorhanden ist, die dessen Abstellung erheischete.

[2, 1, § 4] 84. Eingegangene alte Werke ist keinem verwehret in den vorigen Stand herzustellen, wann Niemand zu einem Widerspruch Ursach hat. Ansonsten, wo die Widerherstellung einem Widerspruch unterworfen wäre, muß solche binnen drei Jahren und achtzehen Wochen vorgenommen werden, nach deren Verlauf ist der Stand der Sachen verjähret, woran zum Nachtheil dessen, der zu widersprechen Ursach hat, nichts mehr geänderet werden darf.

[2, 1, § 4] 85. Wäre aber die Wiederherstellung derlei verfallener Werke auch unter dieser Verjährungszeit wegen veränderter Lage des Orts ohne Schaden des Anderen nicht mehr möglich, solchen Falls hat Derjenige den Verlust der Werke zu leiden, deme solche entweder aus seiner Schuld oder durch Zufall zu Grund gegangen.

[2, 1, § 4] 86. Allein ohne Benachtheiligung des Anderen ist Jedermann befugt, den durch die Gewalt des Stroms, oder auf andere Weise befahrenden Schaden von seinen Gründen abzuwenden und zu dem Ende seine Ufer nach der Länge des Flusses zu befestigen, folglich solche vor Einreißung des Stroms, Ueberschwemmung und Abspühlung des Erdreichs oder anderen Schaden zu verwahren, und anmit den Fluß in seinen ordentlichen Rinnsal zu erhalten, oder da er ausgetreten, ihn wieder zuruckzuleiten, woran er von Niemanden behinderet werden kann, außer Jemand hätte nach Verlauf der Verjährungszeit von Abänderung des Rinnsals deme zu widersprechen Ursach.

[2, 1, § 4] 87. Dagegen ist Niemand schuldig, Wehren oder Dämme an seinem Ufer zu Bewahrung fremder Gründen auf eigene Unkosten aufzurichten oder herzustellen, wann er nicht durch Verträge, Vergleiche, oder Verjährung hierzu verbunden ist.

[2, 1, § 4] 88. Wäre aber die Gefahr Jemandens Gründen mit anderen benachbarten gemein, solle derselbe sich nicht entziehen können mit Anderen, denen an zeitlicher Vorsehung gelegen ist, gemeine Sache zu machen und mit ihnen auch seinerseits zu den gemeinschaftlichen Unkosten den nach Maß der ihn zugleich mitbetreffenden Gefahr ausfallenden Beitrag unweigerlich zu leisten.

[2, 1, § 4] 89. Würde er hingegen sich dessen ohne Rechts erheblicher Ursache weigeren, stehet Jedermann frei, deme an Errichtung neuer oder Wiederherstellung eingegangener alter Werken zu Abwendung des ansonst seinen Gründen bevorstehenden Schadens gelegen ist, bei der Gehörde um Vorsehung anzuhalten, welche sogleich derorten, wo es nöthig, eine Untersuchung zu veranlassen hat.

[2, 1, § 4] 90. Diese Untersuchung solle, wann das Ansuchen Grund zu haben befunden würde, auf Unkosten aller dabei verfangener Theile vorgenommen, und dabei nicht allein die Errichtung der zur Abwendung der Gefahr dienlichen Werke bestimmet, sondern auch zugleich ein Ueberschlag der Kosten gemacht und alle Theile, die es betrifft, zur gütlichen Einverständniß des gemeinsamen Beitrags halber zu vermögen getrachtet werden.

[2, 1, § 4] 91. Wie sich nun Dieselben deswegen untereinander vergleichen, dabei solle es auch sein Bewenden haben und hierüber feste Hand gehalten werden. Wäre aber kein gütlicher Vergleich zu bewirken, so hat die Behörde auf den an sie abgegebenen Untersuchungsbericht die Eintheilung des Bezugs mit Beobachtung aller nur möglichen Gleichheit in Absicht auf die Größe und Erträglichkeit der Gründen und auf die mehrere oder wenigere Gefahr auszumessen.

(2-21) [2, 1, § 4] 92. Findete sich andurch Jemand beschweret und wollte dawider einen weiteren Rechtszug einwenden, so solle dessen ohnerachtet die Vollstreckung der Erkanntnuß nicht verschoben bleiben, sondern die Berufung an den oberen Richter bloß die rechtszügliche Wirkung zu Verbesserung der angeblichen Ungleichheit haben.

[2, 1, § 4] 93. Umsoweniger ist Jemand befugt, auf fremden Ufern oder Gründen ohne Bewilligung des Herrn des Ufers oder Grunds, etwas zu errichten oder herzustellen. Doch solle eine solche Verwilligung nicht versaget werden, wann das Werk dem Herrn des Grunds unschädlich ist, und die selbsteigene Aufwendung der Unkosten von dem Ansuchenden sammt der vollkommenen Schadloshaltung anerboten wird.

[2, 1, § 4] 94. Diesemnach kann wider dem Verweigerenden von Jenem, deme hieran erweislich gelegen ist, bei der Gehörde eine Rechtsklage erhoben, und dieser, wann die Unschädlichkeit des Werks, folglich der Ungrund der Weigerung sammt der Zulänglichkeit der angebotenen Schadloshaltung und Sicherheit rechtsgenüglich erprobet wird, zu dessen Verstattung verhalten werden.

[2, 1, § 4] 95. Kleinere Flüsse, Bäche und andere fließende Wässer sind von anderen eigenthumlichen Sachen nicht unterschieden, sondern in dem Eigenthum Derjenigen, durch deren Gründe sie fließen.

[2, 1, § 4] 96. Es kann dahero der Herr derselben nach Gefallen damit schalten und walten und inner seinen Gründen mehrere dergleichen Wässer zusammenziehen, eines jeden Lauf, wie er will, vertheilen, änderen, zwingen und leiten, wann nur andurch Niemanden geschadet oder der landgemeine Gebrauch der Holzflössung oder Schwemmung nicht behinderet wird. Ansonsten ist dabei eben so, wie es oben von größeren Flüssen geordnet worden, zu verfahren.

[2, 1, § 4] 97. Wo aber derlei Wässer zwischen verschiedener Herren Gründen ihren Lauf haben, und weder der einen noch der anderen Seiten zugerainet oder durch Verträge und Vergleiche gehörig sind, sondern selbst die Rainung ausmachen, so folget sowohl der Fluß, Bach, als dessen Rinnsal dem Eigenthum des dies- und jenseitigen Gestads nach Maß und Weis, wie es oben von größeren Flüssen ausgewiesen worden.

[2, 1, § 4] 98. In diesem Fall kann keiner von den Eigenthümern der beiderseits gelegenen Gründen ohne dem anderen etwas vornehmen, wodurch der Lauf des Wassers geändert würde, sondern da er jegleichwohlen etwas hieran änderete, solle derselbe auf Anlangen des andurch beschwerten Theils dasselbe anwiederum dahin, wo es zuvor von seinen Gründen den Ausfall gehabt, zu führen, nebst Ersatz aller erweislichen Schäden und Unkosten angehalten werden.

[2, 1, § 4] 99. Es ist auch Derjenige, deme die vorhabende Wasseränderung zu Schaden gereichen könnte, deren wirkliche Bewerkstelligung abzuwarten nicht schuldig, sondern er kann in der Zeit um einen Einhaltsbefehl bei der Gehörde einkommen, womit oben verordneter Maßen fürzugehen ist.

[2, 1, § 4] 100. Was von Beschädigung Anderer durch abgeänderten Lauf des Wassers auch auf eigenen Gründen gemeldet worden, ist gleichfalls von Jenen zu verstehen, denen an diesem Wasser eine Herrlichkeit, oder Dienstbarkeit oder was immer für ein anderes Recht auf dem Grund zustehet, deme die Aenderung nachtheilig sein könnte.

[2, 1, § 4] 101. Insonderheit sollen die Landesstellen darauf genaue Obsicht tragen, damit den Unterthanen an ihren steuerbaren Gründen durch derlei von ihren Obrigkeiten unternehmende Wasserleitungen und Aenderungen nicht im geringsten geschadet werde.

[2, 1, § 4] 102. Wo es sich aber ergäbe, dass ein Fluß, Bach oder sonstiges fließendes Wasser, welches durch mehrerer Herren Gründe seinen Lauf hat, oder woran nebst dem Grundherrn auch noch jemand Anderen ein Recht zustehet, durch ungefähren Zufall und ohne Zuthat oder Schuld des einen oder anderen Grundherrn seinen

(2-22) Lauf änderen und einen Ausriß zum Schaden der anderen Gründen oder dessen, der hieran ein Recht hat, nehmen würde, ist zu unterscheiden, ob der Schaden oder die Gefahr den Grund, in welchem der Ausriß geschehen, zugleich mitbetreffe oder nicht.

[2, 1, § 4] 103. Ersteren Falls ist der Herr desselben zur Zuruckleitung des Wassers und Herstellung des vorigen Rinnsals oder Wassergrabens nach Maß dessen, was oben von num. 88 bis num. 92 deshalben geordnet worden, das Seinige mit beizutragen schuldig.

[2, 1, § 4] 104. Letzteren Falls aber kann er zwar zu keinem Beitrag verhalten werden, doch muß er denen Anderen, welchen erweislich hieran gelegen ist, ein solches auf ihre Unkosten ohne seinem Schaden und Nachtheil auf seinem Grund zu thun, unweigerlich verstatten.

[2, 1, § 4] 105. Wobei Derselbe die Schadloshaltung nur in jenem Fall anzubegehren befugt ist, wann in dem vorigen Stand der Sachen, welcher vor dem Ausriß gewesen, etwas geänderet oder ein neues Werk aufgeführet werden wollte. Da aber dieser nicht überschritten wird, ist auch keine Schadloshaltung nöthig.

[2, 1, § 4] 106. Offene Straßen und Wege gehören unter das öffentliche Eigenthum des Staats, wo es die Länderverfassung also mit sich bringet und bevorab, wo solche mit landgemeinen Kosten erbauet sind; ansonsten ist nur deren Gebrauch landgemein, das Eigenthum aber von dem Eigenthum des Erdreichs, über welches sie gehen, nicht unterschieden.

[2, 1, § 4] 107. Der Wege sind dreierlei Gattungen: Erstens, die Hauptstraßen in jedem Land, als die Heerstraßen, Landstraßen, Poststraßen, Handelsstraßen und dergleichen, welche von einem Land in das andere, von oder zu Meerhäfen, Seen, Flüßen, Haupt- oder anderen Städten und Märkten, es sei unmittelbar oder mittelbar durch Eintritt in andere Hauptstraßen führen.

(2-23) [2, 1, § 4] 108. Zweitens, die ortschaftliche Wege, welche von Hauptstraßen zu Schlössern, Dörfern, Flecken und anderen volkreicheren Ortschaften, wie auch zu Kirchen, Freithöfen, Klöstern oder Spitälern, oder von dannen auf die Hauptstraßen führen.

[2, 1, § 4] 109. Drittens, die sonderheitlichen Wege, als Feld- und Holzwege, Waldwege, Viehwege, Gartenwege und mehrere andere, welche zu sonderheitlichen Orten, Wohnsitzen, Meierhöfen, Wäldern, Gärten, Aeckern, Wiesen, Teichen und dergleichen führen, von dannen aber keinen anderen Ausgang habe, oder wieder zu sonderheitlichen Orten gerichtet sind.

[2, 1, § 4] 110. Auf den Hauptstraßen ist nicht erlaubet etwas zu bauen, zu pflanzen, Lasten oder andere Hindernisse hinzulegen, noch weniger ihre Breite, die entweder durch Unsere Verordnungen oder durch den Landesbrauch bestimmet ist, auf was immer für eine Art zu schmäleren oder sonst etwas zu thun, so der Freiheit, Beweglichkeit, Bequemlichkeit und Sauberkeit der Straßen zuwider wäre.

[2, 1, § 4] 111. Wann aber auch das Eigenthum der Straßen dem Eigenthümer des Grunds gehörig ist, so bleibet doch deren Gebrauch allemal landgemein, und darf nichts, was zu dessen Hindernuß gereichete, unternommen werden.

[2, 1, § 4] 112. Dahingegen, wo die Hauptstraßen zu dem Eigenthum des Grunds nicht gehören, ist das Erdreich, welches sie einnehmen, solange die Straßen derorten fortdaueren, indem Eigenthum des Staats. Da aber von Uns dergleichen Straßen zu änderen und an andere Orte zu verlegen befunden würde, kehret das ledige Erdreich in das vorige sonderheitliche Eigenthum, wann dieses erweislich ist, zuruck; ansonsten, wo dieses nicht bekannt wäre, hat der Eigenthümer des nächtstangelegenen Grunds allemal die Vermuthung für sich.

[2, 1, § 4] 113. Gehöreten aber die dies- und jenseits der Straßen gelegene Gründe verschiedenen Eigenthümeren, so kommet ihnen der von der Straßen befreite Raum entweder nach Maß ihrer vormaligen Rainen, wann solche erweislich sind, oder zur Halbscheide nach der Breite ihrer Gründen, welche sie längst der Straßen haben, wiederum zu.

[2, 1, § 4] 114. Dieses verstehet sich jedoch nur allein von herrschaftlichen freien Gründen, nicht aber von zinsbaren oder unterthänigen Gründen, maßen diesen hieran kein Recht zustehet, sondern solchen Falls gebühret den Grundherschaften die Vertheilung des ledigen Erdraums.

[2, 1, § 4] 115. Ortschaftliche Wege bleiben in dem Eigenthum Derjenigen, über deren Gründe sie gehen, sie mögen kurz oder lang über ihre Gründe gemacht worden sein. Sie können dahero solche nach ihrer Nothdurft veränderen, an andere Orte verlegen und nach Gutbefund darmit verfahren, wann nur allemal von der Hauptstraßen bis zu den Ortschaften, wohin sie gerichtet sind, und von dannen zu den Hauptstraßen ein freier Weg zu Jedermanns Gebrauch verbleibet, und sonst Niemanden an seinem ihme derorten zustehenden Recht geschadet wird.

[2, 1, § 4] 116. Sonderheitliche Wege hingegen sind nicht allein in dem Eigenthum dessen, der solche über seine Gründe angeleget, sondern derselbe kann sie auch nach seinem Gefallen änderen oder wieder aufheben, wie nicht minder den Gebrauch davon sich allein vorbehalten, oder weme er will verleihen, und zu dem Ende dieselbe mit Thören, Zäunen und Schlagbäumen sperren, es hätte dann jemand Anderer durch Verträge, Vergleiche, oder durch rechtmäßige Verjährungszeit das Recht sich dieses Wegs zu gebrauchen hergebracht, welchen Falls er dabei geschützet werden solle.

[2, 1, § 4] 117. Außerdeme darf Niemand wider derlei Versperrung sonderheitlicher Wege einige Gewaltthätigkeit unter der auf die Gewalt ausgesetzten Strafe verüben, worein jedoch Keiner fällt, der sich eines solchen Wegs gebrauchet, wann er nicht versperret oder kein kennnbares Zeichen des Vorbehalts vorhanden ist.

[2, 1, § 4] 118. Auf öffentlichen Straßen sowohl, als ortschaftlichen Wegen ist Jedermann der freie Wandel, Fahrt, Gang und Durchzug gestattet, und darf zu dessen

(2-24) Behindernuß nichts errichtet oder sonst gethan, noch weniger von Jemanden, wer es immer seie, für den Durchzug etwas abgeforderet werden, wann nicht von Uns eigene Zoll- und Mauthhäuser dahingestellet, oder sonst derlei Gerechtigkeiten Anderen verliehen worden.

[2, 1, § 4] 119. Doch bleibet die Freiheit des Durchzugs allemal auf die von Uns vorgeschriebene Handels- und Zollstraßen in betreff Derjenigen, die hierauf angewiesen sind, dergestelten (!) eingeschränket, dass solche keinerdings unter den in Unseren anderweiten Verordnungen ausgesetzten Strafen umfahren werden dürfen.

[2, 1, § 4] 120. Würde aber Jemand in dem freien Gebrauch der Straßen und Wege widerrechtlich verhinderet, so ist die Verhindernuß allsogleich abzustellen, und der Uebertreter unter ausmessender Geld- oder anderer willlkührlicher Strafe zu schleuniger Herstellung des vorigen Stands der Straßen, nebst Ersetzung aller erweislichen Schäden und Unkosten anzuhalten, wie es dann bei den durch Unsere besondere in Wegsachen ergangene Verordnungen auf die Verhinderung oder Verderbung öffentlicher Straßen und ihrer Zugehörungen verhängten Strafen sein Bewenden hat.

[2, 1, § 4] 121. Die Erhaltung und Zurichtung öffentlicher Straßen und Wege hat theils durch Unsere gleichgedachte Verordnungen besonders in Ansehung der gebauten Straßen Ziel und Maß, theils ist sich diesfalls nach jeder Landesverfassung zu richten. Wo aber deshalben nichts vorgesehen ist, lieget die Erhaltung und Zurichtung den anliegenden Grundobrigkeiten und den Einwohneren der daran befindlichen Ortschaften ob, welche obacht zu tragen haben, damit unbrauchbare und gefährliche Wege sogleich verbesseret, die Reisende nicht aufgehalten und alle erfolgen mögende Verunglückung vermieden werde.

[2, 1, § 4] 122. Begegnete dahero Jemanden wegen Gefährlichkeit des Wegs ohne seiner Schuld ein Schaden, so sollen auf dessen Anlangen Diejenige, welche zu Unterhaltung und Zurichtung des Wegs derorten verbunden gewesen, nach Umständen ihrer oder ihrer Untergebenen Fahrlässigkeit und Schuld zu dessen Ersatz, insoweit solcher erweislich ist, angehalten werden.

[2, 1, § 4] 123. Was von Straßen gemeldet worden, erstrecket sich auch auf Brücken, Wasserfurthen, und überhaupt auf Alles, was ein Theil des Wegs oder darzu gehörig ist, welches Alles zum Gebrauch freigelassen, nicht behinderet, in brauchbaren Stand erhalten, und, was verdorben oder eingegangen, zeitlich zugerichtet werden solle.

[2, 1, § 4] 124. Unter jene öffentliche Sachen, welche Uns unmittelbar vorbehalten sind, mit Ausschließung alles sonderheitlichen Eigenthums und Gebrauchs, gehören Unsere königliche und landesfürstliche Burgen, Schlösser, Palläste, Festungswerke, Zeughäuser, Münzstätte, Mauthhäuser und andere zu Unseren Hoheiten gehörige Gebäude, öffentliche Bildsäulen und Denkmale, Ländergrenzzeichen und mehr Anderes, was Uns allein eigen ist.

[2, 1, § 4] 125. Derlei Sachen sind in dem oben in §.II, num. 41 und 42 erklärten rechtlichen Verstand heilig, das ist unverletzlich, weilen sie wider alle Verunehrung und eigenmächtige Thathandlung durch Strafgesetze bewehret sind, welche

(2-25) Unverletzlichkeit sich auf alle Unsere Hoheiten, dann überhaupt auf alle Personen, Sachen und Rechte erstrecket, die durch Unsere Gesetze mit besonderen Vorrechten und Freiheiten begabet sind, und deren Misshandlung nach Inhalt Unserer anderweiten Verordnungen unter besonderer Strafe verboten ist.

§. V.

[2, 1, § 5] 126. Sachen der Gemeinden sind jene, deren Eigenthum nicht einzlen Personen, sondern der ganzen Gemeinde gehörig, der Gebrauch aber davon entweder der Gemeinde allein vorbehalten, oder allen Mitgliedern derselben gemein ist.

[2, 1, § 5] 127. Hiervon aber sind jene Dinge unterschieden, die, obschon sie bei Gemeinden befindlich sind, und meistentheils nur den stadtgemeinen Gebrauch haben, nichtsdestoweniger unter das öffentliche Eigenthum des Staats gehören.

(2-26) [2, 1, § 5] 128. Als da sind bei Unseren Städten und Märkten die Stadtthöre, Ringmauern, Zwinger, Rathhäuser, Plätze, Gässen (!), Brunnen, Wasserleitungen, Brücken u. dergl., welche als Theile und Zugehörungen Unserer Städten und Märkten anzusehen sind, folglich auch deren Eigenthum bei Uns beruhet.

[2, 1, § 5] 129. Derlei Sachen kann sich Niemand eigenthumlich anmaßen, noch ist deren Veräußerung ohne Unserer höchsten Einwilligung verstattet, der Gebrauch aber davon gebühret nach der Sachen Eigenschaft entweder nur den Stadteinwohneren, oder ist auch zum Theil landgemein, und da Jemand hieran verhinderet würde, ist gleichwie bei dem verschränkten Gebrauch anderer öffentlichen Sachen schleunig zu verfahren.

[2, 1, § 5] 130. Es ist demnach Niemanden erlaubet, an solchen Orten etwas zu bauen, zu graben, zu pflanzen oder sonst zu thun, wodurch die gegenwärtige Gestalt veränderet oder der freie Gebrauch verhinderet werde.

[2, 1, § 5] 131. Vornehmlich aber ist die Sauberkeit und Reinlichkeit öffentlicher Plätzen und Gassen zu erhalten, und der freie Handel und Durchgang nirgends zu verhinderen, folglich auch nicht zuzulassen, dass an solchen Orten Steine, Balken, Baugeräth oder Schutt hingeleget oder hingeworfen werde, außer die Baunothdurft erforderete ein solches auf einige wenige Zeit, wornach aber Alles anwiederum weggeführet, und die Stelle, wie zuvor, geräumt werden solle.

[2, 1, § 5] 132. Wo darwider gehandlet würde, hat jeden Orts Obrigkeit von amtswegen Vorsehung zu thun, übrigens aber Unsere in Polizei- und Bausachen ergangene Verordnungen und Befehle auf das genaueste zu beobachten, und die Uebertretere mit Geld- und anderen willkürlichen Strafen zu belegen.

[2, 1, § 5] 133. Alle andere zu den Gemeinden gehörige Sachen sind in ihrem Eigenthum, welche in dieser Absicht als sittliche Personen betrachtet und hierunter die Gemeinden der Städten, Märkten und anderer Ortschaften, wie auch alle und jede weltliche Versammlungen mehrerer in größerer oder kleinerer Anzahl bestehenden Personen, welche rechtmäßig errichtet und von Uns bestätiget sind, verstanden werden, also, dass wenigstens drei Personen eine Gemeinde oder Versammlung ausmachen können.

[2, 1, § 5] 134. Würde aber deren Anzahl bis auf eine einzige noch übrige Person verminderet, so bleiben dennoch die Rechten der Gemeinde in dieser einzigen Person aufrecht, und da alle abgingen, haben Unsere Stellen wegen der Sachen und Rechten der Gemeinde einsweilen die Vorsehung zu treffen, bis darmit von Uns anderst geordnet werde.

[2, 1, § 5] 135. Der Gebrauch der Sachen, welche in dem Eigenthum einer Gemeinde sind, ist entweder der Gemeinde selbst mit Ausschließung einzler Mitglieder vorbehalten, oder allen einzlen Mitgliedern derselben gemein.

[2, 1, § 5] 136. Zur ersteren Gattung gehören jene Sachen, deren Nutzbarkeit zu den gemeinen Renten und Einkünften gewidmet ist, worunter allemal die Kammerei und Wirthschaftsstand der Gemeinden gehöret; die Verwaltung aber gebühret denen, welche hierzu bestellet sind, ohne dass andere von der Gemeinde eingreifen dörfen. Weswegen sich nach Unseren besonderen, das Wirthschaftswesen der Gemeinden betreffenden Verordnungen zu richten ist.

[2, 1, § 5] 137. Zur anderen Gattung gehören gemeine Weiden, Wälder, Brunn- und Röhrwasser, Mühlen, Brauhäuser, Steinbrüche, Leim- oder Sandgruben, Bäder, Schießstätte, Lustgänge und dergleichen Sachen, deren Nutzen, Gebrauch oder Bequemlichkeit einzlen Mitgliedern der Gemeinde entweder nach der bei derselben rechtmäßig eingeführten Ordnung, oder nach Unseren Verleihungen und Verordnungen zustehet.

[2, 1, § 5] 138. Doch hat sich bei dem Gebrauch derselben ein Jeder also zu betragen, dass kein Anderer, deme solcher gleichmäßig gebühret, hiervon ausgeschlossen, oder darinnen verhinderet werde, sondern Jedermänniglich sich in den geziemenden Schranken

(2-27)halte, und wo in dem Gebrauch eine Vorzüglichkeit gewissen Mitgliedern vor anderen nach Ordnung der Gemeinde zustünde, dieselbe hierinnnen nicht beirre, noch sich in etwas eindringe oder dessen anmaße, worzu er nicht berechtigt ist.

[2, 1, § 5] 139. Entstünde aber des Gebrauchs halber zwischen den Mitgliedern eine Streitigkeit, und die Gemeinde hätte eine eigene Gerichtsbarkeit, so ist der Streit daselbst auszumachen, doch mit Vorbehalt des weiteren Rechtszugs.

[2, 1, § 5] 140. Ansonsten ist bei der den Gemeinden vorgesetzten Stelle die Klage anzubringen, und so ein als anderen Falls in derlei beschwerden mit schleuniger Erkanntnuß fürzugehen, wann die Umstände nicht erforderen, die strittige Theile zu dem ordentlichen Weg Rechtens anzuweisen.

[2, 1, § 5] 141. Liegende Güter und darauf haftende Rechten der Gemeinden können ohne Unserer höchsten Einwilligung nicht veräußeret werden, sondern alle ohne derselben vornehmende Veräußerung, Verpfändung oder Beschaffung derlei Güter und Rechten ist ungiltig, und obgleich die Uebergab wirklich erfolget wäre, so wird doch aus solchen Handlungen den Gemeinden keine weitere Verbindlichkeit zugezogen, als für Dasjenige, was denenselben wirklich zugekommen, und entweder noch vorhanden, oder zu ihrem Nutzen verwendet worden.

[2, 1, § 5] 142. Dahingegen bleiben die Veräußerer solcher Sachen für allen durch die Veräußerung der Gemeinde zugefügten Schaden und entgangenen Nutzen verfänglich, insoweit als dessen Ersatz von dem unrechtmäßigen Besitzer nicht zu erlangen wäre, und da Derjenige, welcher ein dergleichen Gemeingut oder Recht an sich gehandlet, sich wegen seines guten Glaubens wider die Veräußerer aufzukommen getrauet, kann nicht weniger derselbe seine Schadenserholung an ihnen suchen.

[2, 1, § 5] 143. Bewegliche Sachen der Gemeinden können zwar frei veräußeret werden, doch sollen Jene, denen die Verwaltung der Gemeinsachen anvertrauet ist, die Schranken ihrer Gewalt nicht überschreiten, sondern sie sind Vormünderen gleich und zur Rechenschaft verbunden.

[2, 1, § 5] 144. Wannenhero meisten Theils auch bei ihnen dasjenige statt hat, was in ersten Theil von Vormünderen geordnet worden. Uebrigens aber haben sich dieselbe in ihrer Verwaltung nach Unseren Verordnungen und ihnen eigends vorgeschriebenen Amtsunterrichten unverbrüchlich zu achten.

[2, 1, § 5] 145. Bei Vorfällen, wo es auf die Einwilligung einer Gemeinde ankommt, ist zuweilen genug, dass der Ausschuß Derjenigen oder der mehrere Theil davon einwillige, welche die Gemeinde vorstellen, zuweilen aber wird Männiglichens Einstimmung erforderet, der von dieser Gemeinde ist, wie es die Verfassung einer jeden Gemeinde mit sich bringt.

[2, 1, § 5] 146. Allein auch in diesem letzteren Fall ist der Unterschied der Gegenständen wohl in acht zu nehmen, dann in Fällen, wo es um die Verbindung der Gemeinde als Gemeinde zu thun ist, wird dasjenige, was von dem mehreren Theil geschieht, von der ganzen Gemeinde gethan und geschlossen zu sein erachtet.

[2, 1, § 5] 147. Dahingegen ist zu Verbindung eines Jedweden für seine Person und Habschaften insonderheit erforderlich, damit was Alle betrifft, auch von Allen genehmiget und gutgeheißen werde.

[2, 1, § 5] 148. Also z. B. wenn ein gemeiner Sachwalter, Gewalttrager oder Beamter zu bestellen oder ein Mitglied der Gemeinde aufzunehmen, oder ein Vorsteher zu wählen ist, wo derlei Bestellungen, Aufnahmen und Wahlen nicht den Vorsteheren der Gemeinden eingeraumet sind, gilt die Mehrheit der Stimmen, und was diese beschlossen, verbindet auch die Uebrige, obschon sie deme nicht beigestimmet hätten.

[2, 1, § 5] 149. Gleichwie gegentheils, wo es auf die Begebung eines allen einzlen Mitgliedern gebührenden Rechts oder auf Verstrickung ihrer Personen und Habschaften ankommt, Aller und Jeder Einwilligung nöthig ist, und Keinem durch den Anderen einige Verfänglichkeit an seiner Person oder Gut zugezogen werden kann.

(2-28) [2, 1, § 5] 150. Und nach dieser Richtschnur, ob nämlich der Gegenstand, worzu die Einwilligung der Gemeinde erforderet wird, dieselbe als Gemeinde, oder alle deren einzle Mitglieder insonderheit betreffe, ist sich in allen anderen Gemeinvorfallenheiten, welche insgesammt hier nicht angeführet werden können, zu richten.

[2, 1, § 5] 151. Doch müssen auch in jenen Fällen, wo die Mehrheit der Stimmen den Ausschlag gibt, Alle und Jede, die das Stimmrecht bei dieser Gemeinde haben, nach dem bei jeder Gemeinde wohlhergebrachten Gebrauch und Gewohnheit bei Ungiltigkeit der Handlung darzu einberufen werden, und wenigstens zwei Theile davon erscheinen. Die Ausbleibenden aber werden nicht weniger, als die Erscheinenden durch den ausgefallenen Schluß verbunden.

[2, 1, § 5] 152. Wann jedoch eine Gemeinde um Gemeinsachen willen belanget wird, oder Andere zu belangen nöthig hat, solle der Rechtsstritt durch die aus ihrem Mittel darzu geordnete Personen oder durch gemeine Sachwaltere in Namen und anstatt der ganzen Gemeinde auf deren Gewinn und Verlust geführet, und die darzu geordnete oder gemeine Sachwaltere mit genugsamer Gewalt und Vollmacht versehen werden.

[2, 1, § 5] 153. Gleichwie die rechtliche Verfolgung und Vertheidigung der Gemeinsachen dem ganzen Mittel oblieget, so sind auch die darzu erforderliche Kosten aus den Gemeineinkünften zu bestreiten, wie nicht minder die Sachen selbst hieraus in guten Stand zu erhalten und die verfallene wieder herzustellen, worzu unter keinerlei Vorwand von einzlen Mitgliedern ohne Unserer oder der nachgesetzten Stellen Verwilligung einige Beisteuer geforderet werden darf.

[2, 1, § 5] 154. Es betreffe dann solche Sachen, deren Nutzen und Gebrauch nicht der ganzen Gemeinde oder allen ihren Mitgliedern, sondern nur gewissen Personen derselben zukäme, worzu sie billig, gleichwie sie den Nutzen allein beziehen, also auch die Kosten allein ohne Beschwerung der Gemeinde oder anderer von dem Nutzen derlei Sachen ausgeschlossener Mitglieder beizutragen haben.

[2, 1, § 5] 155. Was bishero von freien Gemeinden geordnet worden, erstrecket sich auch in seiner Maaß auf alle unterthänige, oder wie sonst immer von einigen Herrschaften abhangende Gemeinden, insoweit als nicht nach der Länder Verfassung oder aus Unseren Verleihungen, Freiheiten und Anordnungen bei denenselben etwas Anderes eingeführet ist.

§. VI.

[2, 1, § 6] 156. Sachen einzler Personen sind, deren Eigenthum und ausschließender Gebrauch bei einzlen Menschen ist, doch also, daß einerlei Sache auch Mehreren

(2-29) nicht zwar als Gliedern einer Gemeinde, sondern als Theilhaberen zustehen könne, als da sind Miteigenthümere, Miterben, Gesellschaftere.

[2, 1, § 6] 157. Mit eigenen Sachen kann Jedermann nach Gefallen ordnen, schalten und walten, sie beschweren, veräußeren, an Andere eingenthumlich (!) übertragen, auch zu seinen oder eines Anderen Gebrach verwenden, sie mögen darbei erhalten oder verdorben werden.

[2, 1, § 6] 158. Woran Niemand von dem Anderen behinderet, noch auch sich von Anderen zu Beschränkung dieser Freiheit eines Rechts, was von ihnen nicht rechtmäßig erworben worden, an fremden Sachen angemaßet werden darf.

[2, 1, § 6] 159. Wann jedoch das gemeine Wohl die Erhaltung gewisser Sachen absonderlich erheischet oder ein gewisser Gebrauch vorgeschrieben und der widrige Gebrauch ausdrücklich verboten wäre, ist auch Niemand zu einem widrigen Gebrauch, Mißbrauch oder zu geflissentlicher Verderbung derlei, obschon ihme eigenthumlich zustehender Sachen, berechtiget.

[2, 1, § 6] 160. Dann gleichwie die gemeine Wohlfahrt des Staats dem sonderheitlichen Wohl einzler Personen vorzuziehen ist, also hat auch das Recht einzler Personen über ihre Sachen der Befugnuß der höchsten Gewalt, darmit zum Nutzen oder Bedürfnuß des gemeinen Wohls zu ordnen, allerdings zu weichen.

[2, 1, § 6] 161. Deme eine Sache nicht allein, sondern mit Anderen zusammengehörig ist, dieser hat solche für den Antheil der Anderen, er seie beschieden oder noch unbeschieden, als eine fremde Sache anzusehen, und ist auch für seinen Antheil an dem Willen des Miteigenthumers dergestalten gebunden, dass er ohne solchem die gemeinschaftliche Sache zur Gänze an Andere zu übertragen, zu beschweren oder deren Gestalt zu verminderen nicht vermag; dann in gemeinschaftlichen Dingen hat Derjenige ein stärkeres Recht, der sich der Neuerung widersetzet, als Jener, welcher solche vorzunehmen Willens ist.

[2, 1, § 6] 162. Uebrigens wird von dem besondern Recht und Schuldigkeit eines jeden Theilhabers an gemeinschaftlichen Dingen in dritten Theil in neunzehenten Capitel, §. IV, eigends gehandlet. Auf was Art aber sowohl das Eigenthum als andere dingliche Rechte an Sachen erworben werden, wird in diesem zweiten Theil in den nachfolgenden Capiteln erkläret.

§. VII.

[2, 1, § 7] 163. Körperliche Sachen sind entweder beweglich oder unbeweglich. Unkörperliche aber, wovon in folgenden §§. gehandlet wird, sind ihrer Art und

(2-30) Natur nach weder beweglich noch unbeweglich, sondern sie folgen der Eigenschaft der Sache, der sie ankleben, oder worauf sich dieselbe beziehen, und in diesem Verstand werden andere den beweglichen, andere den unbeweglichen Dingen beigezählet.

[2, 1, § 7] 164. Bewegliche Sachen sind jene, welche ganz und unverletzt von einer Stelle zur anderen entweder aus eigener Kraft sich selbst bewegen, oder durch menschliche Zuthat beweget werden können, und dahero auch anderst Fahrnussen, fahrendes Hab und Gut genannt werden.

[2, 1, § 7] 165. Unbewegliche Sachen hingegen sind der Natur nach, welche ganz und


(2-31) unverletzt von einem Ort an das andere nicht gerucket werden können, und obzwar derlei ihrer Natur nach unbewegliche Sachen als liegende Güter und Gründe niemalen auch nach den Wirkungen des Rechts für beweglich zu halten sind, so werden doch in Gegentheil bewegliche Sachen zum öfteren für unbeweglich geachtet, woraus zweierlei Gattungen unbeweglicher Sachen entstehen, als der Natur nach oder in rechtlichen Verstand.

[2, 1, § 7] 166. Nach dem rechtlichen Verstand werden ihrer Natur nach sonst bewegliche Sachen in folgenden vier Fällen für unbeweglich gehalten, als erstens, aus ihrem Zusammenhang mit unbeweglichen Sachen, zweitens, aus Anordnung des Rechts, drittens, aus letztwilliger Verordnung, viertens, aus Vertrag und Vergleich zwischen Lebenden.

[2, 1, § 7] 167. Der Zusammenhang beweglicher mit unbeweglichen Sachen entspringet entweder aus der Natur, oder aus menschlicher Zuthat. Von der Natur folgen den unbeweglichen Sachen, und werden daher auch dafür angesehen, die in einem Grund gewurzlete Bäume, das Graswerk, die hangenden Früchten und Alles, was darinnen eingesäet oder eingepflanzet ist.

[2, 1, § 7] 168. Aus menschlicher Zuthat hingegen folget dem Grund Alles, was darauf gebauet ist, sowohl in seiner Gänze, als nach dem Zeug, so lange das Gebäude bestehet, nicht minder Alles, was Gründen und Gebäuden eingegraben, eingemaueret, und überhaupt Alles, was erd-, mauer-, niet- oder nagelfest ist, als Wasserröhren, Balken, Bildsäulen und Andere an dem Gebäude befestigte Auszierungen, welches Alles ebenso, wie der Grund oder das Gebäude selbst, für unbeweglich geachtet wird.

[2, 1, § 7] 169. Eben also wird aus der Beschaffenheit liegender Güter und Gründen Alles für unbeweglich gehalten, was zu dem beharrlichen Gebrauch derselben als eine nothwendige Zugehörung gewidmet ist, wann es nicht ausdrücklich durch dieses Unser Gesatz, oder durch letzten Willen, oder durch Vertrag und Vergleich davon ausgenommen wäre.

[2, 1, § 7] 170. Derlei Zugehörungen eines Guts oder Grunds sind die Unterthanen, das Zug-, Zucht- und sonstiges Nutzvieh, das Wirthschaftsgeräth und was sonst zur Einrichtung des Grunds nach dem gewöhnlichen Wirthschaftsbetrieb gehörig ist.

[2, 1, § 7] 171. Zugehörungen der Gebäuden sind die zu dem Gebrauch, worzu das Gebäude oder ein Theil davon eigends gewidmet ist, gehörige Geschirre und Geräthschaften als Bräupfannen, Wasch- und Brandweinkessel, Weinpressen und dergleichen.

[2, 1, § 7] 172. Aus Anordnung des Rechts werden in verschiedenen anderen Fällen, welche in diesem Unsern Gesatz an mehreren Orten vorkommen, den beweglichen Sachen die Wirkungen des Rechts, welche sonst nur den unbeweglichen Sachen zukommen, zugeeignet.

[2, 1, § 7] 173. Also hat z. B. in Fällen, wo eine sächliche Sicherheit an unbeweglichen Gütern zu bestellen ist, die hinlängliche Pfandeinlage von beweglichen Sachen die nämliche Wirkung, welche sonst die Verschreibung eines Unterpfands auf liegenden Gütern hätte.

[2, 1, § 7] 174. Aus letztwilliger Verordnung sowohl, als aus Handlungen zwischen Lebenden durch Verträge und Vergleiche können bewegliche Sachen den unbeweglichen gleichgehalten, als Zugehörungen zu denenselben bestimmet, mit solchen übertragen, und so wie jene dem Wiederkauf und Einstandrecht und dergleichen Bedingen unterworfen werden.

[2, 1, § 7] 175. Dadurch aber wird doch die Eigenschaft der Sache nicht geänderet und obschon die Erben so an den Willen des Erblassers, wie die sich untereinander Vergleichende an das, was zwischen ihnen bedungen worden, gebunden sind, so kann gleichwohlen eine bewegliche Sache durch bloße letztwillige Anordnung, oder durch Verträge und Vergleiche nicht also behaftet werden, daß solche dessen ohngeachtet von einem Dritten nicht erworben werden könne.

(2-32) [2, 1, § 7] 176. Es wäre dann, daß deren Hinterlegung bei Gericht, oder ein gerichtlicher Beschlag, oder die Wissenschaft des unterwaltenden Umstands und der daherrührende üble Glauben an Seiten dessen, welcher solche zu Jemands Verkürzung an sich gebracht, hinzustoße.

[2, 1, § 7] 177. Weilen jedoch sich sowohl bei letztwilligen Anordnungen, als bei Handlungen zwischen Lebenden zum öfteren Anstände eräußeren, ob eine bewegliche Sache für unbeweglich zu achten seie oder nicht, wann nur überhaupt ein Anderes von beweglichen und ein Anderes von unbeweglichen Sachen geordnet oder verglichen wird, so wollen Wir hiermit zu Behebung dieser Anständen für alle derlei Fälle, wo es auf die Absönderung beweglicher von unbeweglichen Sachen ankommt und alle andere entweder durch letzten Willen oder durch Verträge und Vergleiche vorgeschriebene Richtschnur ermanglet, nachfolgende Sachen (außer den beigefügten Ausnahmsfällen) für beweglich gehalten und verstanden haben, als:

[2, 1, § 7] 178. Erstens: Alles baare Geld, Gold und Silbermünze, sie seie gangbar und zu gewöhnlichen Ausgaben bestimmet oder als ein Schatzgeld besonders aufbehalten, und ohne Unterschied, ob das Geld von verkauften unbeweglichen Gütern oder von anderwärts eingebracht, und ob solches zu Erkaufung liegender Güter gewidmet seie oder nicht, wann es nur des Besitzers frei Eigen ist.

[2, 1, § 7] 179. Falls es aber von veräußerten Trau- oder Fideicommißgütern herrührende oder erhobene Fideicommißhauptgelder oder Capitalien, oder eines zu Erkaufung eines mit Unserer Verwilligung zu errichten kommenden Fideicommißguts gewidmete und auch wirklich vorräthige Barschaft wäre, ist solche für unbeweglich zu halten.

[2, 1, § 7] 180. Zweitens: Edelgesteine, Perlen, Geschmuck und allerlei Kleinodien, doch mit Ausnahme dessen, was davon in der Eigenschaft eines Fideicommißguts bei einem Geschlecht zu verbleiben hat, wann es noch in seiner Gestalt vorhanden ist.

[2, 1, § 7] 181. Drittens: Gold- und Silbergeschirre und anderes Geschmeid, wie auch Schaumünzen und Denkpfennige, jedoch mit gleichbemelter Ausnahme.

[2, 1, § 7] 182. Viertens: Gemälde, Bilder, Uhren und allerlei künstliches Guß-, Schnitz-, Dreh-, oder Erdenwerk, wann es nicht zu einem Gebäude gewidmet oder erd- und nagelfest ist.

[2, 1, § 7] 183. Fünftens: Tapezereien, Fürhänge, allerlei Hausrath und Einrichtung von Seiden, Lein, Woll, Zinn, Kupfer, Eisen, Holz oder anderen Zeug, wann es nicht zu dem Gebrauch eines Gebäudes dergestalten gewidmet ist, daß dieses nach seiner Beschaffenheit ohne solcher Zugehör nicht genutzet werden könne. Also gehören Bräupfannen zu Bräuhäusern, Wasch- und Brandweinkesseln zu Wasch- und Brandweinhäusern, Weinpressen zu Preßhäusern, Tische, Bänke, Betten und Leingeräthe zu Wirthshäusern.

[2, 1, § 7] 184. Sechtens (!) (= Sechstens): Gewehr und Rüstung von aller Gattung, Bücher, Kunstwerkzeuge, Garn und Netze, Jagdhunde und was sonst zur Waidmannschaft gehörig ist, außer es wären derlei Sachen als ein Fideicommißgut für das Geschlecht also gewidmet, daß sie bei dem liegenden Gut zu verbleiben hätten.

[2, 1, § 7] 185. Siebentens: Alle abgenommene und eingesammlete Früchten, das abgemähte Gras, das geschnittene Getreid, es sei noch auf dem Feld befindlich, oder schon eingebracht, in Geströh oder in Körnern, nicht aber auch das annoch auf den Feldern stehende, obschon zeitige und zum Schnitt bereite Getreid, oder die noch hangende Früchten, welches Alles als ein Theil oder vielmehr als ein Zugang des Grunds, folglich für unbeweglich anzusehen ist.

[2, 1, § 7] 186. Desgleichen sind von dem vorhändigen Getreid die zum Samen und zum Unterhalt der Wirthschaftsbeamten und Gesinds, wie auch zur Fütterung des Viehs bis zur neuen Fechsung nöthige Körner, nicht minder das Malz bis zur landesüblichen neuen Malzungszeit ausgenommen, welche als eine Zugehörung zu dem Gut zu achten sind.

(2-33) [2, 1, § 7] 187. Da aber das vorhändige Getreid zu allen diesen Wirthschaftserfordernissen nicht zureichend, und Jemand entweder aus letzten Willen, oder aus einem Vertrag oder Vergleich, oder nach sonstiger beständiger Einrichtung zu einem gewissen Betrag des Beilasses verbunden wäre, so ist derselbe den Abgang zu ergänzen schuldig.

[2, 1, § 7] 188. Achtens: Allerlei Vieh- und Geflügelwerk, was über das zur Wirthschafts-Nothdurft nach geziemender Bestellung eines Guts oder Grunds erforderliche Zug-, Nutz- und Zuchtvieh vorhanden ist. Die geziemende Bestellung aber ist nach jener Anzahl abzumessen, welche nach Genüglichkeit des Futters über Winter gehalten zu werden pfleget.

[2, 1, § 7] 189. Neuntens: Das Wild, so zum Genuß, oder Verkauf eingesperret ist, wie nicht weniger die in Behalteren, oder in Absätzlein aufbehaltene Fische, wohingegen das freie Wild, wann solches gleich in Thiergärten oder umzäumten oder sonst eingeschränkten Bezirken befindlich wäre, und die Fische in Teichen oder fließenden Wässern dem Grund folgen.

[2, 1, § 7] 190. Zehentens: Alte und junge Weine, Most oder frisch abgelöste Trauben, Obst, und überhaupt alle zum Verkauf gewidmete oder sonst über die Wirthschafts-Nothdurft aufbehaltene Eßwaaren, Getränke, Wolle, Federn, Gespunst, Bauzeug, Eisenwerk und alle andere Feilschaften, doch allemal mit Ausnahm dessen, was hiervon zu der landbräuchlichen Wirthschafts-Erfordernuß gehörig ist.

[2, 1, § 7] 191. Eilftens: Das gefällte, und umsomehr das schon geschnittene oder gespaltene Bau- und Brennholz nach Abschlag der gegenwärtigen Wirthschafts-Nothdurft.

[2, 1, § 7] 192. Von Windbrüchen hingegen, wann deren Menge beträchtlich und den gewöhnlichen jährlichen Holzschlag übersteiget, solle nur so vieles unter die eingebrachte Nutzungen gerechnet und anderen Fahrnussen gleichgehalten werden, als jeden Jahrs zum Verkauf zu fällen gewöhnlich ist. Das Uebrige aber hat bei dem Grund als eine Zugehörung zu verbleiben.

[2, 1, § 7] 193. Zwölftens: Ausgebrochene Erze oder Steine, und was sonst aus der Erden gebrochen oder gegraben wird; es wäre dann eine solche Menge davon vorhanden, daß die Bergwerke oder Steinbrüche beträchtlich erschöpfet wären, und in Zukunft gar kein oder doch nur ein sehr geringer Nutzen zu hoffen stände.

[2, 1, § 7] 194. In diesem Fall solle nur so vieles als ein eingebrachter Nutzen, folglich anderen Fahrnussen gleich geachtet werden, was in einem jedweden Jahrgang von dergleichen rohen Zeug daselbst verarbeitet oder verkaufet zu werden pfleget, das Uebrige aber ist zu Ersetzung des vorerschöpften Nutzens bei dem Gut oder Grund zu lassen.

[2, 1, § 7] 195. Doch sollen für Dasjenige, was bei dem Gut oder Grund verbleibet, die Unkosten des Ausbruchs oder Ausgrabung zu dem beweglichen Vermögen ersetzet werden, welches auch von dem vorerschöpften Waldnutzen gleichermaßen zu verstehen ist, daß nämlich die Uebermaß von dem über den jährlich zum Verkauf gewidmeten Betrag gefällten Holz bei dem Gut oder Grund zu verbleiben habe, dagegen aber das ausgelegte Schlag-, Schneid- oder Zimmerlohn für den beigelassenen Betrag in das bewegliche Vermögen zu ersetzen seie.

[2, 1, § 7] 196. Außer vorbemelten Unterschied beweglicher und unbeweglicher Sachen können körperliche Dinge entweder nach ihrer Wesenheit oder nach ihrer Eigenschaft, die denenselben anklebet, betrachtet werden.

[2, 1, § 7] 197. Nach ihrer Wesenheit machen sie entweder ein Ganzes für sich aus, als ein Thier, ein Stein, oder sie bestehen aus zusammengefügten mehreren Stücken, als ein Haus, ein Schiff oder aus Versammlung mehrerer selbstständiger Körper, als eine Viehherde.

[2, 1, § 7] 198. Gleichwie aber eine jede bewegliche Sache in Handel und Wandel entweder nach ihrer Form und Gestalt, die sie ob sich hat, oder nach dem Zeug, woraus sie bestehet, geschätzet zu werden pfleget, also werden hingegen liegende Güter entweder nach ihrer Oberfläche oder nach dem Grund und Boden betrachtet.

(Seite 34) [2, 1, § 7] 199. Die Oberfläche begreifet nur jenes in sich, was über der Erden ist. Der Grund aber, die ganze Weite, Länge, Höhe und Tiefe des Erdreichs, folglich auch Alles, was unter der Erden ist, und wird der Unterschied der Rechte, welche lediglich der Oberfläche von jenen, welche dem Grundeigenthum zustehen, weiter unten mit Mehreren erkläret.

[2, 1, § 7] 200. Nach der Eigenschaft unterscheiden sich Sachen von anderen, nachdeme solche bei einer und nicht bei der anderen zu finden sind. Diese Eigenschaften sind zwar nach Mannigfaltigkeit der Sachen verschieden; überhaupt aber lassen sich dieselbe in zweierlei Gattungen abtheilen, als die innerlichen und äußerlichen.

[2, 1, § 7] 201. Jene bestehen in jedweder Sache natürlichen Güte und Beschaffenheit, die äußerlichen aber in deren Wirthschaft und Würdigung, welche ihr in Handel und Wandel, oder in dem Gebrauch beigeleget wird.

[2, 1, § 7] 202. Alle Dinge sind theilbar oder untheilbar. Theilbare sind, welche sich ohne Verletzung ihrer Gestalt füglich in beschiedene oder abgesönderte Theile zertheilen lassen, als eine Summe Gelds, eine Maß Getreids, Grund und Boden.

[2, 1, § 7] 203. Die Untheilbare sind wiederum von zweierlei Art, dann entweder nehmen sie gar keine Theilung weder zu beschiedenen, noch zu unbeschiedenen Theilen an, als da insgemein ist das Recht einer Dienstbarkeit, oder sie können zwar in unbeschiedene, nicht aber ohne ihrer gänzlichen Vernichtung oder wesentlichen Verringerung in beschiedene Theile getheilet werden, als einzle Thiere, Edelgesteine, Gemälde, Bildsäulen und dergleichen Kunststücke, deren Werthschaft ungleich mehr nach ihrer Form und Gestalt, welche durch die Zertheilung vernichtet würde, als nicht nach dem Zeug, woraus sie verfertiget sind, geschätzet wird.

[2, 1, § 7] 204. Ein unbeschiedener Theil ist, welcher bei einer zwischen Mehreren gemeinschaftlichen Sache bloß durch den rechtlichen Verstand ohne seiner wirklichen Absönderung von dem Ganzen begriffen wird. Ein beschiedener Theil hingegen ist von dem zertheilten Ganzen wirklich abgesönderet, welcher anwiederum als ein Ganzes für sich in die Sinnen fällt.

§. VIII.

[2, 1, § 8] 205. Unkörperliche Dinge sind, welche nicht in die Sinnen fallen, folglich weder gesehen, noch berühret oder gegriffen werden können, sondern bloß in einem

(2-35) Recht bestehen, und ihre Wesenheit von den Gesetzen haben, obschon der Gegenstand, weshalben sie gebühren oder worauf sie sich beziehen, oder den sie behaften, meisten Theils etwas Körperliches ist.

[2, 1, § 8] 206. Dahero werden sie insgemein Gerechtigkeiten genannt, als da sind Gerichtsbarkeit, Eigenthum, Besitz- und Pfandrecht, Dienstbarkeiten, Erbschaften, Verbindungen, Forderungen oder Rechtsklagen und dergleichen.

[2, 1, § 8] 207. Sie sind dreierlei, dann entweder ist es nur eine einzle Gerechtigkeit, als z. B. eine Dienstbarkeit oder Schuldforderung, oder es sind unter einem Namen mehrere Gerechtigkeiten von einerlei Art begriffen, als z. B. unter der Gerichtsbarkeit und Vormundschaft, oder sie bestehen aus einem allgemeinen Begriff vieler verschiedener Rechten, als z. B. eine Erbschaft.

[2, 1, § 8] 208. Alle diese Rechten können aus Mangel sichtlicher Anzeige oder leiblicher Berührung eigentlich weder übergeben, noch auch besessen werden, weilen sie keiner körperlichen Ergreifung fähig, sondern bloß durch deren Ausübung kenntlich sind, welche allein mit äußerlichen Sinnen gefasset werden kann.

[2, 1, § 8] 209. Die Uebergabe körperlicher Dingen oder Rechten kann solchemnach nicht anderst, als lediglich durch den Gebrauch des Einen und Duldung des Anderen geschehen, der Besitz aber derenselben bestehet in der Ausübung, weswegen auch sowohl deren Uebergabe als Besitz nur nach dem rechtlichen Verstand betrachtet werden mag.

[2, 1, § 8] 210. Aus eben dieser Ursache sind sie an und für sich selbst weder beweglich noch unbeweglich, sondern sie nehmen nach dem Unterschied beweglicher oder unbeweglicher Sachen, welche sie zum Gegenstand haben, deren Eigenschaft an, und werden bald diesen, bald jenen verglichen.

[2, 1, § 8] 211. Deme zu Folge sollen alle Jemanden zustehende Rechten und Gerechtigkeiten in jenen Fällen, wo es auf die Unterscheidung oder Abtheilung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens ankommet, zu einer oder der anderen Gattung gezogen, und niemalen etwas unter dem Vorwand eines wie immer Namen habenden Rechts oder Gerechtigkeit für eine dritte Gattung der Habschaften ausgebeutet werden, die unter keiner von beiden begriffen seie.

[2, 1, § 8] 212. Es wären dann gewisse Rechten und Gerechtigkeiten durch Unsere Gesetze besonders ausgenommen, als sie väterliche Gewalt und die Vormundschaft, welche unmittelbar die untergebene Personen zum Gegenstand haben, und dahero unter die Rechte über Hab und Güter nicht füglich gezählet werden können, oder es würde die Ausnahme gewisser Dingen von anderen, welche für beweglich oder unbeweglich zu achten sind, entweder in dem letzten Willen klar und deutlich verordnet, oder zwischen Lebenden durch Verträge oder Vergleiche ausdrücklich bedungen.

[2, 1, § 8] 213. Außer deme ist alles Recht an Sachen, welches auf unbeweglichen Gütern haftet, für unbeweglich zu halten, nicht aber auch jenes, welches bewegliche Sachen behaftet; also ist und bleibet das Pfandrecht an beweglichen Sachen gleich der verpfändeten Sache selbst immerda beweglich.

[2, 1, § 8] 214. Die Behaftung unbeweglicher Güter aber kann nicht anderst, als mittelst Einverleibung oder Vormerkung des hieran gebührenden Rechts in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern bewirket, und ohne solcher kein Recht an derlei Gütern erworben werden, sondern, solange dieselbe ermanglet, hat es nur allein die Wirkung eines Rechts zur Sache, welches ohne Unterschied, ob es eine

(2-36) bewegliche oder unbewegliche Sache betreffe, zum beweglichen Vermögen gehöret, wann es auf unbeweglichen Gütern nicht einverleibet ist.

[2, 1, § 8] 215. Doch kann auch ein Recht zur Sache (obschon es dieselbe noch nicht wirklich behaftet) beding- und erfolgweise für unbeweglich gehalten werden, wann es auf die Einverleibung oder Vormerkung, und die hieraus folgende Erwerbung eines landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Rechts an unbeweglichen Gütern gerichtet ist.

[2, 1, § 8] 216. Also ist z. B. eine Jemanden um ein liegendes Gut zustehende Eigenthumsklage, oder ein aus Vertrag und Vergleich an einem liegenden Gut bestelltes Unterpfand oder sonstiges Recht erfolgeweise (!) auf dem Fall, daß die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Erwerbung, oder die wirkliche Einlage und Verschreibung erfolge, für unbeweglich anzusehen.

[2, 1, § 8] 217. Ueberhaupt also sind alle Rechten, Gerechtigkeiten, Schuldbriefe und Forderungen, welche unbewegliche Güter landtäflich, stadt- oder grundbücherlich durch wirkliche Einverleibung und Vormerkung behaften, ebenso als die Güter selbst für unbeweglich, jene hingegen, welche zwar nicht wirklich einverleibet, doch auf eine solche Behaftung oder landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Erwerbung gerichtet, und gleich denen mit Bestellung eines besonderen Unterpfands auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung eingerichteten Schuldbriefen mit den darzu gehörigen Erfordernussen versehen sind, nur erfolgweise auf diesen sich ergebenden Fall für unbeweglich zu achten.

[2, 1, § 8] 218. Alle anderen Rechten aber, welche weder wirklich einverleibet, noch auf Einverleibung oder obgedachte Erwerbung gerichtet sind, sie mögen an oder zu beweglichen oder unbeweglichen Sachen gebühren, gehören unter das bewegliche Vermögen, doch mit alleiniger Ausnahm jener Rechten, welche solche bewegliche Sachen betreffen, die nach der oben in §. VII enthaltenen Erkärung (!) (= Erklärung) in dem rechtlichen Verstand für unbeweglich gehalten werden.

[2, 1, § 8] 219. Aus Verschiedenheit dieser an oder zu den Sachen gebührenden Rechten fließet der Unterschied, daß nicht Alles, was zu Jemandens Vermögen gehöret, auch sofort in dessen Eigenthum seie.

[2, 1, § 8] 220. Dann in dem Eigenthum ist nur Jenes, was Jemand wirklich hat, und sein Eigen ist, in dem Vermögen aber Alles, was er auch zu forderen hat, oder durch eine rechtmäßige Einwendung wider die Forderung des Anderen sich eigen machen kann, obschon zur Zeit dessen Eigenthum nicht ihme, sondern einem Anderen zustehet. Außer Jemandens Vermögen hingegen ist Alles, was er weder wirklich hat, noch ihme darzu einiges Recht zustehet, obschon auch fremde Sachen insoweit unter Jemandens Vermögen begriffen werden können, als ihme deren Gebrauch oder Verwahrung, oder die Gefahr zu tragen zukommet, gleichwie bei vermietheten, entlehnten oder verpfändeten Sachen.

(2-37)

Caput II.

Von dinglichen Rechten überhaupt.

Inhalt:

§. I. Von Natur, Wesenheit und Unterschied dinglicher Rechten. §. II. Von deren Eintheilung in das Recht über das eigene Hab und Gut, und das Recht an fremden Sachen. §. III. Von verschiedenen Gattungen des Rechts an fremden Sachen. §. IV. Von der Ordnung dieses zweiten Theils, nach welcher alle Gattungen dinglicher Rechte abgehandlet werden.

§. I.

[2, 2, § 1] Num. 1. Alle Rechten über Hab und Güter entspringen aus Anordnung des Gesatzes, also daß, weme das Gesatz keines zueignet, deme auch keines gebühren könne. Doch ist zwischen diesen Rechten der Unterschied, daß von dem Gesatz dem einen die Kraft, die Sachen selbst gleich einer ihnen anklebenden Eigenschaft zu behaften, zugeeignet, dem anderen aber nur die Wirkung einer persönlichen Verbindlichkeit etwas zu geben oder zu thun ohne Behaftung der Sachen beigeleget werde.

[2, 2, § 1] 2. Jenes heißet ein Recht an der Sache, oder wegen Behaftung des Dings, worauf es gebühret, ein dingliches Recht, dieses aber ein Recht zur Sache, wie es allschon oben in ersten Capitel, §. I, num. 2 bemerket worden.

[2, 2, § 1] 3. Das Recht an der Sache ist eine Befugnuß, welche Jemanden von dem Gesatz in der Sache zugeeignet wird und die Sache selbst dergestalten behaftet, daß solche von einem jedweden Besitzer ohne seiner eigenen persönlichen Verbindlichkeit abgeforderet werden könne.

[2, 2, § 1] 4. Das Recht zur Sache hingegen ist bloß eine Befugnuß, welche aus der Verbindung des Anderen etwas zu geben oder zu thun entstehet, und die Sache selbst nicht behaftet, sondern die Forderung lediglich wider den hierzu Verbundenen, nicht aber wider den Besitzer, der darzu nicht verbunden ist, bewirket, wovon in dritten Theil gehandlet wird.

[2, 2, § 1] 5. Diese zweierlei Gattungen der Rechten unterscheiden sich nach ihrem Ursprung, Wesenheit und Wirkung. Nach dem Ursprung, daß ein Recht an der Sache durch die Uebergabe oder sonstige rechtmäßige Uebertragung, das Recht zur Sache hingegen durch verbindliche Handlungen erworben werde.

[2, 2, § 1] 6. Nach der Natur und Wesenheit, daß jenes die Sachen, dieses aber die Verbindlichkeit der Person zu seinem unmittelbaren Gegenstand habe, folglich jenes die Sachen selbst, dieses aber nur die Person behafte, und jenes nach der verschiedenen Behaftungsart und daherrührenden mannigfaltigen Wirkung von mehrerlei Gattung, dieses hingegen in seiner Art nur einerlei seie, obschon die verbindliche Handlungen, woraus daßelbe entstehet, vielerlei sind.

[2, 2, § 1] 7. Nach der Wirkung, daß in gerichtlicher Verfolgung dinglicher Rechten

(2-38) Kläger nichts Anderes, als das ihme an der Sache zustehende Recht und den Besitz des Gegentheils zu erweisen, und die Erklärung des ihme angebührenden Rechts nebst Ausantwortung der Sache anzuverlangen nöthig habe, in Verfolgung des Rechts zur Sache aber die verbindliche Handlung, woraus dasselbe entsprungen, und die daher rührende Verbindlichkeit des Anderen zur eingeklagten Schuldigkeit darzeigen, und dessen Verurtheilung zu Leistung dessen, was er schuldig ist, anbegehren müsse.

[2, 2, § 1] 8. Endlichen, daß die dingliche Rechten mit dem Untergang der Sachen, worauf sie haften, erlöschen, obschon der Andere, welcher hierzu aus seiner Schuld Anlaß gegeben, oder sonst die Gefahr zu tragen schuldig ist, zum Ersatz des Schadens aus seiner persönlichen Verbindung verstricket bleibet, das Recht zur Sache aber auch nach deren Untergang noch bestehe, wann es nicht aus einer solchen Handlung herrühret, nach deren Natur der ungefähre Zufall von der Verbindlichkeit entlediget, wie alles dieses in dritten Theil mit Mehreren erkläret wird.

[2, 2, § 1] 9. Die Behaftung der Sachen ist also die wesentliche Wirkung dinglicher Rechten, gleichwie bei dem Recht zur Sache die Verstrickung der Person. Die Sache aber wird sogleich behaftet, als ein dingliches Recht hieran auf rechtmäßige Art und Weis erworben wird.

[2, 2, § 1] 10. Doch solle auf liegenden Gütern kein wie immer Namen habendes dingliches Recht auf andere Art, als durch die wirkliche Einverleibung und Vormerkung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worinnen das darmit behaften wollende Gut inlieget, und zwar auf eben dasselbe Gut, was darmit behaftet werden will, erworben, bestellet und übertragen werden können.

[2, 2, § 1] 11. Wovon wir allein jene Grunddienstbarkeiten und andere Grundrechten ausgenommen haben wollen, die über Menschengedenken alt sind, oder doch vor Einführung dieses Unseren neuen Gesatzes schon durch rechtmäßige Verjährung erworben worden, oder wenigstens deren Verjährungszeit vor diesem eingeführten Gesatz in jenen Orten, wo nach den vorigen Landesgesetzen zu deren Bestellung keine dergleichen Einverleibung erforderliche ware, bereits ihren Anfang genommen und hernach, ohne daß die Verjährung von dem Besitzer des Grunds unterbrochen worden wäre, vollständig erfüllet würde.

[2, 2, § 1] 12. Derlei Grundrechten und Grunddienstbarkeiten, die noch vor Einführung dieses Unseren Gesatzes schon verjähret sind, oder wenigstens deren Verjährung vor diesem Gesatz in jenen Orten, wo bishero zu deren Bestellung keine Einverleibung erforderlich ware, angefangen und hernach ohne Widerspruch vollendet worden, behalten noch ferners auch nach diesem Unseren Gesatz die Eigenschaft und Wirkung dinglicher Rechten, und behaften nicht allein den Grund, sondern können auch ohne Nothwendigkeit der Einverleibung mit dem herrschenden Grund, deme sie gebühren, an andere Besitzere rechtsgiltig übertragen werden.

[2, 2, § 1] 13. Dahingegen jene Grundrechten und Grunddienstbarkeiten, welche nach diesem Unseren Gesatz, es sei durch Verträge, Vergleiche oder durch letztwillige Anordnungen, in Hinkunft bestellet werden, wie nicht weniger diejenige, welche zwar vor diesem Unseren Gesatz bestellet, aber bis zu dessen Einführung noch nicht verjähret worden, sondern von dem Besitzer des dienstbaren Grunds widersprochen werden, den Grund nicht anderst behaften, noch an einen Dritten anderer gestalt übertragen werden können, als wann sie in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf den dienstbaren Grund da, wo derselbe inlieget, oder da solcher nicht inliegete, bei dem herrschenden Grund und zwar in jenen Landen, wo bishero keine Einverleibung darzu erforderlich ware, so ein, als anderen Falls allemal mit Vorwissen des Besitzers des dienstbaren Grunds vorgemerket und einverleibet werden.

[2, 2, § 1] 14. Wie dann überhaupt bei allen nach Einführung dieses Unseren Gesatzes

(2-39) in Hinkunft bestellenden Grundrechten und Grunddienstbarkeiten, ohne der landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten Bestellung keine Verjährung statt haben, noch auch dieselbe ehender, als von Zeit der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung ihrem Anfang nehmen solle.

[2, 2, § 1] 15. Ohne einer solchen Vormerkung und Einverleibung wirket die Bestellung einigerlei Grundrechts oder Grunddienstbarkeit nur die persönliche Verbindung dessen, der sie bestellet hat, für sich und seine Erben dieselbe zu dulden, ohne daß jedoch diese Verbindlichkeit auf einen dritten Besitzer mit wirklicher Behaftung des Grunds erstrecket werden könne.

[2, 2, § 1] 16. Dann außer obiger Ausnahme müssen alle in Hinkunft auf liegenden Gütern bestellende dingliche Rechten landtäflich, stadt- oder grundbücherlich sein, auch also und auf keine andere Art bestellet und übertragen werden. Ohne dieser Eigenschaft aber sind sie bloß für ein Recht zur Sache anzusehen, welches lediglich die Verbindlichkeit der Person, die solches bestellet oder übertragen, nicht aber die Behaftung des Guts oder Grunds wirket. Es sei dann, daß der Vertrag, Vergleich oder das Beding oder ein letzter Willen, woraus das Recht zur Sache gebühret, auf dem Gut einverleibet werde, in welchem Fall daselbe das Gut selbst behaftet und auch einen dritten Besitzer verbindlich machet.

[2, 2, § 1] 17. Die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Bestellung und Uebertragung dinglicher Rechten kann auf dreierlei Arten geschehen, als entweder durch persönlichen Vorstand und Bekanntnuß vor Gericht, wodurch Derjenige, der ein solches Recht dem Anderen bestellet oder auf ihn übertraget, sich darzu bekennet und seine Bekanntnuß einzuverleiben begehret.

[2, 2, § 1] 18. Oder durch Verschreibung mittelst Einlage einer mit denen nach Verschiedenheit der Handlung zur Einverleibung erforderlichen Feierlichkeiten versehenen Urkunde, welche entweder eine Handlung zwischen Lebenden oder eine letztwillige Anordnung enthalte.

[2, 2, § 1] 19. Oder endlich durch richterlichen Spruch und Urtheil oder sonstige gerichtliche Ausmessung, welche auf dem Gut oder Grund, worauf das Recht zuerkannt worden, vorgemerket wird.

[2, 2, § 1] 20. Bei beweglichen Sachen oder Fahrnissen, weilen sie in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht inneliegen, bedarf es auch zu deren Behaftung keiner Einverleibung oder Vormerkung, sondern sie werden behaftet, sobald das dingliche Recht hieran erworben wird.

[2, 2, § 1] 21. Doch gehet deren Behaftung nicht so, wie bei liegenden Gütern auch auf einen jedweden dritten Besitzer ohne Unterschied, sondern nur auf Jenen, deme diese Behaftung wissend ist, folglich der die Sache nicht mit guten Glauben und also auch nicht rechtmäßig an sich gebracht hat, wie es unten in achten Capitel §. IV. mit Mehreren ausgeführet wird.

§. II.

[2, 2, § 2] 22. Nicht alle Sachen sind einzlen Personen dergestalten eigen, daß sofort jedweder Anderer von deren Gebrauch ausgeschlossen und alle Gemeinschaft einerlei Dingen unter den Menschen gänzlich aufgehoben wäre, sondern es kann auch nebst dem Eigenthum des Einen an einerlei Sache dem Anderen ein Recht aus Vertrag, Vergleich oder aus letzten Willen gebühren, mittelst wessen Derselbe aus eben dieser Sache, die des Anderen Eigen ist, einen Nutzen oder sonstige Bequemlichkeit beziehet.

[2, 2, § 2] 23. Es sind dahero die Sachen entweder in Jemandens vollen Eigenthum, welches ihme allein den ausschließenden Gebrauch und die vollkommene freie Macht darmit nach seinem Gefallen zu schalten und zu walten zueignet.

[2, 2, § 2] 24. Oder sie sind in dem beschränkten Eigenthum, dessen Wirkung durch

(2-40) das dem Anderen an eben derselben Sache zustehende Recht in gewisser Maß solange, als dasselbe hieran bestehet, gehemmet wird.

[2, 2, § 2] 25. Hieraus entstehet die Haupteintheilung der dinglichen Rechten in das Recht über das eigene Hab und Gut, welches alle Wirkungen des Eigenthums nach Maß der freien oder beschränkten Schalt- und Waltung in sich begreifet und in das Recht an fremden Gut, welches Jemand hieran aus Vertrag, Vergleich oder letzten Willen rechtmäßig erworben hat.

[2, 2, § 2] 26. Das Recht über das eigene Hab und Gut ist das Eigenthum und ist nur einerlei, obschon es nach Verschiedenheit mehrerer oder einzler Sachen, welche es behaftet, in zweifachen Verstand betrachtet werden kann, als entweder allgemein über einen allgemeinen Begriff von Dingen, wie das Erbrecht ist, oder sonderheitlich über einzle Sachen.

§. III.

[2, 2, § 3] 27. Die Rechten an fremden Sachen bestimmen Wir insoweit als sie den Vorwurf dieses Unseren Gesatzbuchs ausmachen auf folgende fünf Gattungen als:

Erstens: Das Besitzrecht.

Zweitens: Das Erbzinsrecht.

Drittens: Das Recht der Oberfläche.

Viertens: Das Recht der Dienstbarkeit.

Fünftens: Das Pfandrecht.

[2, 2, § 3] 28. Das Besitzrecht eignet Jemanden alle Nutzbarkeit und Beweglichkeit der Sache, welche er in Besitz hat, sammt der Befugnuß deren Eigenthum selbst durch rechtmäßige Verjährung zu erwerben zu.

[2, 2, § 3] 29. Das Erbzinsrecht giebt das nutzbare Eigenthum des Grunds, das Recht der Oberfläche hingegen nur die Benutzung dessen, was über der Erden ist, nicht aber des Grunds selbst.

[2, 2, § 3] 30. Das Recht der Dienstbarkeit machet einen Grund dem anderen, oder oder auch einer Person in der bestimmten Maß dienstpflichtig, und endlich wirket das Pfandrecht die Sicherheit des Pfandinhabers an der verpfändeten Sache.

[2, 2, § 3] 31. Alle andere die Sachen behaftende Rechten machen keine besondere Gattung für sich aus, sondern schlagen entweder nach Verschiedenheit ihrer Wirkungen in eine von vorbemelten fünf Gattungen ein.

[2, 2, § 3] 32. Oder sie sind bloß ein aus einem auf dem Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibten Vertrag, Vergleich oder sonstigen Beding, oder letzten Willen gebührendes Recht zur Sache, welches nicht aus seiner Natur und Eigenschaft, sondern lediglich aus Kraft der Einverleibung das Gut behaftet und außer dieser Behaftung und der daraus folgenden Verfänglichkeit eines dritten Besitzers keine andere Wirkung eines dinglichen Rechts hat.

§.IV.

[2, 2, § 4] 33. Nach vorerwähnter Haupteintheilung dinglicher Rechten in das Recht über das eigene Hab und Gut und in das Recht an fremden Sachen ist die Abhandlung dieses zweiten Theils eingerichtet, und wird anförderist das Eigenthum sammt dessen Wirkungen und Erwerbungsarten von dem folgenden dritten Capitel bis zu dem dreiundzwanzigsten Capitel beschrieben.

[2, 2, § 4] 34. Hierauf folgen die fünf Gattungen des Rechts an fremden Sachen, nämlich das dem Eigenthum nächst beikommende Besitzrecht in dem vierundzwanzigsten Capitel, worinnen dessen Erwerbung, Wirkung und Verlustigung erkläret wird.

[2, 2, § 4] 35. In dem fünfundzwanzigsten Capitel das Erbzinsrecht, und in dem sechsundzwanzigsten Capitel das Recht der Oberfläche; dann in dem sieben-, acht- und (Seite 41) neunundzwanzigsten Capitel das Recht der Dienstbarkeit, wie solches sowohl überhaupt, als nach Verschiedenheit der persönlichen und Grunddienstbarkeiten betrachtet werden kann, und endlich in dem dreißigsten Capitel das Pfandrecht, womit dieser zweite Theil beschlossen wird.

Caput III

Von Eigenthum

Inhalt

§. I. Von Natur, Wesenheit und Eigenschaft des Eigenthums. §. II. Von Erwerbungsarten des Eigenthums. §. III. Von Wirkungen des Eigenthums. §. IV. Von Erlöschung und Beendigung des Eigenthums.

[2, 3, § 1] Num. 1. Das vornehmste dingliche Recht ist das Eigenthum, welches nicht allein alle anderen Arten von dinglichen Rechten in seiner Wirkung übertrifft, sondern auch solche gleichsam in sich einschließt.


(2-42) [2, 3, § 1] 2. Dieses ist ein Recht und Befugnuß mit Sachen frei und vollkommen zu schalten und zu walten, es seie dann Jemand durch die Gesetze oder durch Verträge und Vergleiche, oder aus letzten Willen hieran verhinderet.

(2-43) [2, 3, § 1] 3.Wer das Eigenthum hat, der ist Herr der Sache selbst, ihme fruchtet seine Sache und bei ihme ist alle Herrlichkeit, Nutzen und Bequemlichkeit derselben aus der alleinigen Ursach des Eigenthums, wann nicht ein jemanden Anderen hieran zustehendes sonstiges Recht dessen Wirkungen beschränket und den Anderen derselben theilhaftig machet.

[2, 3, § 1] 4. Dahero kann Niemanden seine eigene Sache dienstbar, noch zu einem Pfand sein, sondern die Völle des Eigenthums dringet allen deme vor, was minder ist, und ist kein auf die Inhabung, Benutzung oder Gebrauch der Sachen abzielendes Recht und Gerechtigkeit zu erdenken, was nicht in dem Eigenthum begriffen wäre.

[2, 3, § 1] 5. Dahingegen kann zwar das an fremden Sachen gebührende Recht eine eigenthumliche Gerechtigkeit, keineswegs aber ein Eigenthum sein, sondern dieses verbleibet nichtsdestoweniger, wiewohlen mit beschränkter Wirkung Demjenigen, deme die Sache gehöret, obschon der Andere ein Recht hieran hat, welches ihme entweder die Früchten und Nutzungen mit der Befugnuß der Verjährung, oder die Nutzbarkeit des Grunds oder nur der Oberfläche, oder eine Dienstbarkeit oder Sicherheit an der Sache zueignet, nicht aber die Sache selbst sein eigen machet.

[2, 3, § 1] 6. Es ist demnach das Eigenthum in seiner Wesenheit ganz einfach, nämlich ein einziges, wahres, natürliches und zugleich rechtliches, volles, wirkliches und außer Uebertragung an einen Anderen unauflösliches Eigenthum.

[2, 3, § 1] 7. All anderes Recht an Sachen kann die Völle des Eigenthums, welche an sich untheilbar ist, nicht erreichen, noch weniger das Eigenthum über einerlei

(2-44) Sache bei zweien Herren für voll sein, obschon an einer Sache mehrere Theilhabere sein können.

[2, 3, § 1] 8. Was also von dinglichen Rechten vorbemelte Eigenschaft nicht hat, ist kein Eigenthum, wiewohlen es demselben beikommet, und ein nutzbares, zeitliches, anwartliches oder unauflösliches Eigenthum benamset werden mag.

§. II.

[2, 3, § 2] 9. Bei dem Eigenthum sind, erstens die Arten, mit welchen solches erworben wird, zweitens die Personen, die dasselbe zu erwerben fähig sind, und drittens die Sachen, welche erworben werden mögen, zu betrachten.

(2-45) [2, 3, § 2] 10. Alle Erwerbungsarten des Eigenthums sind in dem gegenwärtigen Stand der Sachen ableitlich, und hat keine ursprüngliche Erwerbung statt, weilen Alles, was in dem Umfang eines Staats oder Landes ist, sich allschon entweder in dem öffentlichen Eigenthum der höchsten Gewalt, oder in dem sonderheitlichen Eigenthum der Gemeinden oder einzler Personen befindet, folglich auch nichts von Neuen erworben werden kann.

(2-46) [2, 3, § 2] 11. Die ableitliche Erwerbung geschieht auf zweierlei Art, als entweder durch den Uebergang und Uebertragung aus einer Gattung des Eigenthums in die andere, nämlich aus dem öffentlichen in das sonderheitliche, und dagegen aus dem sonderheitlichen in das öffentliche, oder in der nämlichen Gattung des sonderheitlichen Eigenthums von einem Herrn an den anderen.

[2, 3, § 2] 12. Diese Uebertragung entstehet entweder unmittelbar aus Kraft Unseres Gesatzes oder mittelbar aus einer vorhergehenden Ursach, die von Unseren Gesetzen zu Uebertragung des Eigenthums für hinlänglich erkennet wird.

[2, 3, § 2] 13. Doch sind derlei Ursachen an sich allein noch nicht genug das Eigenthum zu übertragen, sondern diese wirken nur bloß ein Recht zur Sache, und wird dahero eine rechtmäßige Erwerbungsart darzu erforderet, daß andurch das Eigenthum geänderet, mithin an Seiten des Einen verloren, und an Seiten des Anderen erworben werde.

[2, 3, § 2] 14. Diese Erwerbungsarten bestimmen wir auf folgende fünf Gattungen, als:

Erstens: Die Ergreifung eines Dings.

Zweitens: Den Zugang oder Zuwachs zu einem Ding.

Drittens: Die willkührliche Uebertragung des Eigenthums durch Uebergaben und Schankungen.

Viertens: Die Uebertragung des Eigenthums aus Macht Rechtens:

1. Durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage liegender Güter.

2. Durch richterlichen Spruch und Urtheil.

3. Durch rechtmäßige Erwerbung fahrender Dingen mit guten Glauben.

4. Durch Verjährung.

Fünftens: Die Erbfolge, sowohl aus letzten Willen, als nach rechtlicher Ordnung.

[2, 3, § 2] 15. Von jedweder dieser Erwerbungsarten wird in folgenden Capiteln absonderlich gehandlet, außer welchen keine andere zulässig ist, noch weniger von diesem Unserem Gesatz für rechtmäßig anerkannt wird.

[2, 3, § 2] 16. Alle Personen sind das Eigenthum zu erwerben fähig, welche nicht entweder von der Natur oder von dem Gesatz hieran verhinderet werden. Von der Natur sind jene darzu untüchtig die keinen Gebrauch ihres Verstands und Willens haben, als Blödsinnige und Kinder. Doch kann an deren statt von Anderen in ihrem Namen und zu ihren Handen das Eigenthum erworben werden, maßen in allen ihnen zum Nutzen und Vortheil gereichenden Handlungen der Mangel ihrer Einwilligung von dem Gesatz ersetzet wird.

[2, 3, § 2] 17. Von dem Gesatz aber werden einige Personen für unfähig geachtet, welchen die Erwerbung gewisser Sachen untersaget ist, wie es in diesem Unseren Gesatzbuch jeden Orts, wo die auf Uebertragung des Eigenthums gerichtete Handlungen beschrieben werden, eigends vorkommet.

[2, 3, § 2] 18. Inwieweit aber pflegebefohlene Personen, welche zwar von der Natur nicht verhinderet, doch an der freien Schalt- und Waltung durch das Gesatz beschränket sind, das Eigenthum erwerben mögen, ist bereits in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft erkläret worden.

[2, 3, § 2] 19. Nicht allein durch sich selbst, sondern auch durch Andere kann Jemanden das Eigenthum erworben werden, wann die Handlung in seinem Namen und zu seinen Handen vorgenommen worden, und entweder sein Befehl vorhergegangen oder seine Gutheißung erfolget, oder der Andere zu dieser Handlung von dem Gesatz begewaltiget ware, als Vormündere und Curatores.

[2, 3, § 2] 20. Die Sachen, deren Eigenthum erworben werden mag, müssen handelbar und des Eigenthums fähig sein. Welche aber dessen unfähig, folglich entweder nach ihrer Natur oder wegen einer auf sich habenden Beschaffenheit außer Handel und Wandel gesetzet sind, werden oben in ersten Capitel umständlich beschrieben.

(2-47) §. III.

[2, 3, § 3] 21. Die hauptsächlichste Wirkungen des Eigenthums bestehen erstlich in dem vollkommenen Genuß und unbeschränkten Gebrauch eigener Sachen mit

(2-48) Ausschließung aller Anderen, denen hieran kein Recht zustehet, also daß jedweder Eigenthümer seine Sache in alle Wege nutzen, zur Lust und Bequemlichkeit gebrauchen,

(2-49)oder den Genuß und Gebrauch Anderen überlassen, deren Gestalt nach Gefallen änderen und die Sache selbst verminderen, verbrauchen, verzehren oder vernichten könne.

(2-50) [2, 3, § 3] 22. Zweitens, in der freien Macht mit eigenen Sachen nach Willkür zu ordnen, zu schalten und zu walten, solche zu beschweren, zu veräußeren, und an Andere entweder durch Handlungen zwischen Lebenden oder durch letzten Willen zu übertragen.

[2, 3, § 3] 23. Drittens, in den aus dem Eigenthum entspringenden, sowohl zur Handhabung des unbeschränkten Besitzes, als zur Wiedererlangung der von Handen gekommenen Sachen dem Eigenthümer angebührenden Rechtsmitteln.

[2, 3, § 3] 24. Alle diese Wirkungen sind jedoch nicht anderst, als nach Maßgebung und Zulassung Unserer Gesetzen und Verordnungen zu verstehen, und erstrecken sich nur insoweit, als der Eigenthümer hierinnen aus Verträgen oder letztwilligen Anordnungen nicht gehemmet ist.

[2, 3, § 3] 25. Es bleibet dahero Unserer höchsten landesfürstlichen Gewalt allemal vorbehalten, nach Erfordernuß des gemeinen Wohlstandes nicht allein den Gebrauch der Sachen Unserer Unterthanen zu bestimmen, zu beschränken, oder gar zu verbieten, wie es oben in ersten Capitel §. IV. num. 159 und 160 erwähnet worden, sondern auch die Sachen selbst zum Dienst des gemeinen Besten zu gebrauchen und zu verwenden.

[2, 3, § 3] 26. In welchen Fällen Niemand über Verletzung seines Rechts zu klagen hat, wann gleich ihme ein Schaden widerfahren oder ein Nutzen entgangen wäre, noch weniger aber soll zwischen den Eigenthümeren, Besitzeren und dritten Personen aus Anlaß dessen, daß wegen gemeinwesiger Nothdurft oder Nutzens Sachen eingezogen, unnutzbar gemacht oder in ihrem Werth abgewürdiget worden, ein wie immer Namen habender rechtlicher Anspruch, wann solcher nicht etwan schon aus einer vorherigen Handlung herrühret, gegeneinander zugelassen, sondern das Geschehene einem Zufall gleich geachtet werden.

[2, 3, § 3] 27. Wie der Gebrauch der Sachen, also wird auch nicht minder die Macht eigene Sachen zu veräußeren, entweder durch die Gesatze, oder durch Verträge oder durch letztwillige Anordnungen beschränket.

[2, 3, § 3] 28. Durch die Veräußerung aber wird eine jedwede auf die Uebertragung des Eigenthums gleich, oder in der Folge gerichtete Handlung verstanden, wodurch entweder das Eigenthum der Sache an einen Anderen wirklich übertragen, oder doch wenigstens mittelst Bestellung eines Rechts an der Sache der Weg zum Verlust des Eigenthums gebahnet oder dasselbe geschmäleret wird.

[2, 3, § 3] 29. Es ist demnach nicht allein die wirkliche Uebertragung des Eigenthums ganz oder zum Theil durch Handlungen unter Lebenden oder aus letzten Willen, sondern auch alle beharrliche Beschwerung, Belastung und Behaftung der Sachen mit Bestellung eines Unterpfands, Grunddienstbarkeit und anderer dinglicher Rechten, wodurch das Eigenthum geschmäleret wird, eine wahre Veräußerung und unter dem Veräußerungsverbot begriffen.

[2, 3, § 3] 30. Dahingegen alle anderen Handlungen, welche nicht auf die Aenderung oder beharrliche Schmälerung oder Behaftung des Eigenthums, sondern auf eine zeitliche Verleihung der Sache ohne deren Beschwerung oder Behaftung zu einem bestimmten Gebrauch, Genuß oder anderer Bequemlichkeit anzielen, als Vermiethung, Ueberlassung der Nutznießung, Leihung zum Gebrauch, für keine Veräußerung zu halten, sondern allerdings für die Zeit, als das Recht des Verleihenden fürwähret, rechtsgiltig sind.

[2, 3, § 3] 31. Nach dieser Zeit aber erlöschet das aus einer solchen Handlung erworbene Recht eines Dritten mit dem Recht des Verleihers, und ist der Nachfolger, auf den das Eigenthum der Sache nicht aus einem von dem Vorfahren ableitenden, sondern aus eigenen hieran habenden Recht gediehen, an derlei Handlung keinerdings gebunden.

[2, 3, § 3] 32. Die Gesetze verbieten die willkürliche Veräußerung theils in Absicht auf gewisse Personen, welche die freie Schalt- und Waltung mit ihrem Vermögen

(2-51) nicht haben, sondern wegen Mangel des Alters, gesunder Vernunft oder wegen angewohnter Verschwendung unter der Vormundschaft oder Obsorge eines Anderen stehen, als da sind Unmündige, Minderjährige, Blödsinnige und gerichtlich erklärte Verschwendere, wovon bereits in ersten Theil gehandlet worden, theils wegen Eigenschaft gewisser Sachen.

[2, 3, § 3] 33. Derlei Sachen sind geistliche und andere Stiftungsgüter, Gemeingüter, die in wirklichen Rechtsstritt hangende Sachen, deren Eigenthum angesprochen wird. Von ersteren Zweien ist allschon oben in ersten Capitel §. II. und V. gehandlet worden. Von Letzteren aber wird in dritten Theil, in zweiten Capitel, Art. II., §. XII. num. 158 und 159 das Mehrere erwähnet.

[2, 3, § 3] 34. Inwieweit aber die Macht der Veräußerung durch Verträge und Vergleiche beschränket werden möge, wird eben allda §. XIII. erkläret, und wie die Unveräußerlichkeit durch letzten Willen angeordnet werden könne, wird unten, wo von letztwilligen Anordnungen gehandlet wird, folgen.

[2, 3, § 3] 35. Inhabere fremder Sachen hingegen haben die Macht nicht, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers etwas zu veräußeren, sie haben dann darzu entweder eine ausdrückliche und besondere Gewalt und Vollmacht, oder die Genehmhaltung des Eigenthümers würde hierauf erfolgen, bis dahin die Veräußerung seine rechtliche Kraft hat.

[2, 3, § 3] 36. Wann, und auf was für Art aber Vormündere oder Gerhaben und Curatores Sachen ihrer Pflegebefohlenen veräußeren können, ist in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft gemeldet worden; und wann und wie ein Pfandsinhaber zur Veräußerung des Pfands schreiten möge, wird im dritten Theil, in siebenten Capitel, Art. II. §. XIII. mit Mehreren ausgeführet.

[2, 3, § 3] 37. Außer dem Fall eines entweder von dem Gesatz oder aus Verträgen und Vergleichen, oder aus letzten Willen herrührenden Verbots stehet sonst Jedermann frei, seine eigene Sachen, wann, wie und an wen er wolle, zu veräußeren.

[2, 3, § 3] 38. Dahingegen, wo der Verbot des Gesatzes entgegen stehet, ist die Veräußerung weder zulässig, noch rechtsgiltig, sonderen alle darauf abzielende Handlung ganz und gar unkräftig, und auch gestalter Dingen nach strafbar, wann in Unseren Verordnungen über die Nichtigkeit der Handlung noch eine Strafe darauf ausgesetzet ist, oder Gefährde und Arglist unterlaufet.

[2, 3, § 3] 39. Wo aber Jemand nur mittels einer persönlichen Verbindlichkeit aus Verträgen, Vergleichen oder aus letzen (!) (= letzten) Willen ohne Behaftung der Sache, dieselbe nicht zu veräußeren verstricket ist, geschieht die Veräußerung zwar nicht zulässig, doch in alle Wege rechtsgiltig, wann der Dritte die Sache mit guten Glauben und ohne von dieser ihrer Beschaffenheit etwas zu wissen auf rechtmäßige Art an sich gebracht hat.

[2, 3, § 3] 40. Daferne jedoch ein liegendes Gut mit der Eigenschaft der Unveräußerlichkeit landtäflich, stadt- oder grundbücherlich behaftet wäre, kann die Veräußerung weder zulässig noch giltig geschehen, sondern eine solche Handlung ist null und nichtig, wie alles dieses an obbemelten Orten mit Mehreren erkläret wird.

[2, 3, § 3] 41. Das Eigenthum schließet nicht allein in sich alle Wirkungen des

(2-52) Besitzrechts ein, woraus die zur Handhabung und Wiederlangung (!) (= Wiedererlangung) des Besitzes gebührende rechtliche Hilfsmitteln entspringen, von welchen unten in vierundzwanzigsten

(2-53) Capitel besonders gehandlet wird, sondern es wirket auch auf den

(2-54) Fall, da Jemandens eigenes Gut von einem Anderen vorenthalten würde, die Eigenthumsklage.

[2, 3, § 3] 42. Diese ist eine aus dem Eigenthum entstehende Rechtsforderung, welche einem jedweden Eigenthümer wider den Besitzer oder Inhaber seiner Sache, der hieran weder ein wahres Eigenthum, noch ein anderes hinlängliches Recht selbe zu besitzen oder innenzuhalten hat, zu dem Ende gebühret, damit sein hieran habendes Eigenthum erkläret und ihme von dem Beklagten die Sache mit allen ihren Zugängen und Nutzungen zurückgestellet werde.

[2, 3, § 3] 43. Wer dahero mit der Eigenthumsklage verfahren will, muß wahrer Eigenthümer der Sache sein, das ist, entweder das volle oder doch das Grundeigenthum haben, dahingegen aus dem nutzbaren Eigenthum und anderen dinglichen Rechten nicht diese, sondern andere Rechtsforderungen entstehen, welche jeden Orts, wo von derlei Rechten gehandlet wird, erkläret werden.

[2, 3, § 3] 44. Es hat aber bei Zusammentreffung des Eigenthümers mit einem Anderen, welcher an der aus Handen eines Dritten zurückforderenden Sache das nutzbare Eigenthum oder ein sonstiges dingliches Recht hat, allemal dieser vor dem Eigenthümer den Vorzug, solange sein Recht hieran bestehet, bis zu dessen Beendigung der Eigenthümer die Ausantwortung der Sache zu seinen eigenen Handen anzubegehren nicht befugt ist.

[2, 3, § 3] 45. Die Eigenthumsklage gehet wider alle Besitzere und Inhabere der eingeklagten Sache, obgleich sie solche in Namen eines Dritten besitzen, als Pächtere, Bestandleute und Jene, denen dieselbe zum Gebrauch geliehen, oder zu getreuen Handen anvertrauet worden, wann sie nur die Macht haben, solche zuruckzustellen.

[2, 3, § 3] 46. Doch können Diejenigen, welche die Sachen in eines Dritten Namen besitzen, sich durch Namhaftmachung dessen, von deme sie dieselbe bekommen, von der Klage befreien. Woferne sie aber Denselben weder namhaft machen, noch zur Vertretung anrufen, lassen sie sich auf ihre eigene Gefahr in die Rechtsführungen ein, und sind, da sie sachfällig werden, Demjenigen, in dessen Namen sie die Sache besessen, Red und Antwort zu geben schuldig.

[2, 3, § 3] 47. Dahingegen Jener welcher fremdes Gut mit guten Glauben für sich selbst besitzet, dadurch keine Verantwortung auf sich ladet, daß er sich ohne Namhaftmachung seines Gewährsmanns und ohne dessen anverlangter Vertretung auf die Eigenthumsklage eingelassen und sachfällig worden, gleichwie dieser ihme auch dagegen solchen Falls zu keiner weiteren Gewährleistung verbunden ist.

[2, 3, § 3] 48. Es giebt auch Fälle, wo die Eigenthumsklage wider Nichtbesitzende statt hat, welche entweder aus Gefährde zu gefließentlicher Verkürzung des Eigenthümers sich des Besitzes der angesprochenen Sache entäußeret haben, aber, da sie wissentlich nicht in dem Besitz gewesen, sich jedennoch für Besitzere ausgeben und mit dem Kläger, der sie darfürhält, in die Rechtsfertigung einlassen.

[2, 3, § 3] 49. Die Gefährde eines Besitzers, mit welcher derselbe, um sich der Eigenthumsklage zu entziehen, den Besitz der angesprochenen Sache auf einen Dritten übertragen oder sich derselben in andere Wege losgemacht, kann ihme in nichts verhilflich sein, sondern es wird dafürgehalten, als ob er die Sache noch wirklich besitze, er möge sich derselben vor, oder nach erhobener Klage entäußeret haben, wann er nur solche fremd zu sein gewußt hat.

[2, 3, § 3] 50. Kläger muß dahero einerseits des Beklagten gehabten Besitz, und

(2-55) andererseits, wo ein liegendes Gut angesprochen wird, auch dessen Gefährde erweisen. In Ansehen beweglicher Sachen hingegen wird die Gefährde daraus vermuthet, wann der Beklagte die rechtmäßige Erwerbung der Sache auf die hienach in achten Capitel §. IV. bestimmende Art und Weis, mit welcher er solche an sich gebracht, zu erweisen außer Stande ist.

[2, 3, § 3] 51. Wovon ihn auch die Namhaftmachung des weiteren oder gegenwärtigen Besitzers keinerdings entledigen kann, dann, wo dieser eine fremde bewegliche Sache mit guten Glauben, welcher mit den zu Uebertragung des Eigenthums erforderlichen Umständen begleitet ist, an sich gebracht hätte, ist er nach der allda folgenden Ausmessung des Eigenthums halber gesicheret. Da aber auch die Erwerbungsart nicht so beschaffen wäre, daß andurch das Eigenthum auf ihn übertragen würde, bleibet der vorige Besitzer jegleichwohlen zur Strafe seines Betrugs verfänglich.

[2, 3, § 3] 52. Kläger hat dahero die Auswahl, welchen von beiden, ob nämlich den wirklichen oder gewesten Besitzer derselbe belangen wolle, und wo auch der gegenwärtige Besitzer der Theilnehmung an der Gefährde überwiesen werden könnte, stehet ihme frei Dasjenige, was er von einem nicht erholet, noch an dem Anderen anzusuchen.

[2, 3, § 3] 53. Daferne er jedoch von den gegenwärtigen Besitzer die Sache selbst zuruckerhalten hätte, oder auch dieser währender Rechtsfertigung mit dem gewesten Besitzer ihme die Sache auszuantworten erbietig wäre, kann Kläger zwar den gewesten Besitzer um den Werth derselben nicht ansprechen, wohl aber noch Dasjenige, was dieser etwan an Nutzungen bezogen, oder was er an Zugängen oder Zugehörungen zu der Sache bei sich zuruckgehalten, oder um was die Sache in ihrem Werth verringeret worden, wann es von dem gegenwärtigen Besitzer nicht erhalten werden kann, von ihme anforderen.

[2, 3, § 3] 54. Hätte aber Kläger von dem gewesten Besitzer den Werth der Sache erlanget, und nachhero erst in Erfahrnuß gebracht, in wessen Handen seine Sache befindlich seie, so stehet ihme zwar noch frei, die Sache selbst von den gegenwärtigen Besitzer anzubegehren, doch ist er schuldig den empfangenen Werth, insoweit als solcher den erweislichen Schaden übersteiget, anwiederum zuruckzugeben, welcher allemal, wo eine Gefährde an Seiten des gewesten Besitzers unterwaltet, Unserer Kammer verfallen ist, und da Derjenige, an den die Sache veräußert worden, solche mit guten Glauben, welcher jedoch nicht mit den Umständen vergesellschaftet ist, die zu Uebertragung des Eigenthums einer beweglichen Sachen hinlänglich wären, an sich gebracht hätte, so bleibet der Veräußerer noch über das ihme für Jenes, was er dafür ausgeleget, verfänglich.

[2, 3, § 3] 55. Nicht weniger hat Derjenige, welcher, da er sich wissentlich in dem Besitz der angesprochenen Sache nicht befindet, sich jegleichwohlen für den Besitzer ausgegeben, und den Kläger solchergestalten zu der unternommenen Rechtsfertigung verleitet, sich selbst beizumessen, daß er nachhero für einen Besitzer gehalten und zu Leistung alles dessen verbunden wird, was die Natur der Eigenthumsklage mit sich bringet.

[2, 3, § 3] 56. Worwider auch die Widerrufung des Vorgebens nichts verfanget, nachdeme er sich einmal auf die Klage eingelassen hat, er könnte dann einen unterlaufenden Irrthum in der Zeit als solches nach Unserer Gerichtsordnung noch gestattet wird, rechtsbehörig erweisen. Dahingegen kann er vor der Einlassung auf die Klage sein Vorgeben auch ohne Beweis des Irrthums widerrufen und sich andurch von der Klage gegen Erstattung der Unkosten entledigen, welche er auch in jenem Fall dem Kläger zu ersetzen hat, wann der wahre Besitzer sich nachhero angeben und den Rechtsstritt auf sich nehmen würde. Käme aber der wahre Besitzer erst nach geendigten Rechtsstritt hervor, solle dadurch die Execution nicht gehinderet, und da Kläger nachhero die Sache erhielte, der vorher empfangene

(2-56) Werth gleichfalls zu Handen Unserer Kammer in der Maß, wie es oben geordnet worden, eingezogen werden.

[2, 3, § 3] 57. Wider die Erben des Besitzers gehet die Eigenthumsklage nur insoweit, als sie die angesprochene Sache in Besitz haben, oder etwas davon zu ihren Handen gekommen, oder sie sonst aus der That ihres Erblassers dafür zu haften verfänglich sind.

[2, 3, § 3] 58. In der Eigenthumsklage hat der Kläger seinerseits das Eigenthum und an Seiten des Beklagten den Besitz der angesprochenen Sache zu erweisen. Zu Darzeigung des Eigenthums muß die Ursache, aus welcher solches erworben worden und eine rechtmäßige nach Unseren Gesetzen hinlängliche Erwerbungsart erprobet werden.

[2, 3, § 3] 59. Würde aber Kläger mit dem Beweis derjenigen Erwerbungsursache, welche er in seiner Klage angegeben, nicht aufkommen und dashalben sachfällig werden, so ist ihme jegleichwohlen nicht verwehret, wenn er eine andere Erwerbungsursache zu erweisen im Stande ist, eine neue Klage zu erheben.

[2, 3, § 3] 60. Zum Beweis des Besitzes hat Kläger nicht nöthig, den Beklagten vorläufig um Darstellung und Vorlegung der in Anspruch genommenen Sache zu belangen, noch auch in der Klage selbst den Besitz zu erweisen, sondern es ist an deme genug, den Besitz des Gegentheils darinnen anzuführen, maßen solcher bei liegenden Gütern ohnedies offenkundig ist, und bei beweglichen Sachen weit kürzer auf hienach folgende Weis verfahren werden mag.

[2, 3, § 3] 61. Dann entweder ist der Beklagte des Besitzes geständig oder nicht. Ersteren Falls bedarf es keines weiteren Beweises und derselbe muß sich auf die Eigenthumsklage einlassen. Letzteren Falls aber wird solche durch bloße Verneinung des Besitzes nicht abgeleinet, wann Kläger in Verfolg der Rechtsführung solchen erweisen kann.

[2, 3, § 3] 62. Wendete hingegen der Beklagte ein, daß er den Besitz verloren oder bereits an einen Anderen übertragen habe, ist er schuldig diese seine Einwendung zu erweisen, und kann denselben nichts Anderes, als was gleich unten von dem Fall der nicht vorhandenen Sache geordnet wird, von der Zuruckstellung entbinden. Wann aber seinerseits eine Gefährde unterwaltet, wird er nach obiger Ausmessung für einen Besitzer geachtet.

[2, 3, § 3] 63. Wäre endlich der Beklagte des Besitzes einer Sache, wie solche von dem Kläger beschrieben worden, zwar geständig, schützete aber vor, daß jene, die er in Besitz hat, nicht die nämliche sei, welche angesprochen wird, so solle er sich zugleich erbieten, die besitzende Sache zur Behebung des Irrthums dem Kläger vorzuzeigen.

[2, 3, § 3] 64. Wo er aber ein solches unterließe, macht er sich des üblen Glaubens verdächtig, und ist auf Anlangen des Klägers, oder auch nach Beschaffenheit der Umständen von amtswegen durch Gerichtsbefehl anzuhalten, die Sache zu Gericht zu erlegen, und Klägern deren Ersehung unweigerlich zu verstatten.

[2, 3, § 3] 65. Mit derlei Gerichtsbefehlen ist auch in allen anderen Fällen zu verfahren, wo der Beklagte den Besitz laugnet aber vertuschet, und dessen hernach überwiesen wird, oder wo sonst außer der Eigenthumsklage Jemanden erweislich daran gelegen ist, daß ihme eine Sache oder Urkunde zu seiner Ersehung vorgezeiget werde.

[2, 3, § 3] 66. Würde nun die zu Gerichtshanden erlegte Sache wirklich diejenige zu sein befunden, welche von Klägern angegeben und von Beklagten verlaugnet worden, solle dieselbe zur Strafe seines Laugnens bis zu Aushang des Rechtsstritts in serichtlichen (= gerichtlichen) Beschlag verbleiben, Beklagten aber nichtdestoweniger unbenommen ain (= sein), in Verfolg der Rechtsfertigung sein hieran habendes Recht der Ordnung nach guszuführen (= auszuführen).

[2, 3, § 3] 67. Und da es sich ergeben würde, daß Beklagter zur Zeit der eingebrachten

(2-57) Klage die Sache nicht in Besitz gehabt habe, jedoch aber mittlerweil währenden Rechtsstritts bis zur Zeit des Urtheils zu deren Besitz gelangete, ist derselbe jegleichwohlen zur Zuruckstellung der Sache zu verurtheilen.

[2, 3, § 3] 68. Dahingegen kann Jener, der die Sache zwar zur Zeit der erhobenen Klage besessen, vor dem ergehenden Urtheil aber erweislich macht, daß er ohne seiner Schuld und Zuthat um den Besitz derselben gekommen seie, zu deren Zuruckstellung nicht verurtheilet werden, wann er nicht sonst wegen Saumsals oder üblen Glaubens die Gefahr der Sache zu tragen hat.

[2, 3, § 3] 69. Die Eigenthumsklage ist nur auf körperliche Sachen gerichtet, wegen unkörperlichen Dingen aber, als Rechten und Gerechtigkeiten, gebühren besondere Rechtsforderungen, welche, insoweit als sie aus dinglichen Rechten entspringen, bei Abhandlung eines jedweden dinglichen Rechts in diesem zweiten Theil, sowie jene, die aus verbindlichen Handlungen entstehen, in dritten Theil beschrieben werden.

[2, 3, § 3] 70. Kläger hat aber die Sache, welche er forderet, namentlich und umständlich nebst deme, ob die ganze Sache, aber was für ein Theil hiervon von ihme geforderet werde, in seiner Klage anzuzeigen.

[2, 3, § 3] 71. Es könnte dann aus einer rechtserheblichen Ursache derjenige Theil, welcher ihm hieran gebühret, noch zur Zeit nicht ausgewiesen werden, als da auch Andere hieran noch unbeschiedene Theile zu forderen hätten, oder Kläger von dieser Sache den Pflichtheil, welcher zur Zeit der erhobenen Klage noch nicht ausgemessen wäre, herauszugeben haben würde.

[2, 3, § 3] 72. Die Sache muss auf erfolgte richterliche Erkanntnuß anwiederum in den Besitz des Klägers, und zwar alldahin, wo selbe ihme entkommen, auf Unkosten des Beklagten und ohne allem Entgelt zuruckgestellet werden. Wäre aber die Sache nicht mehr vorhanden, so ist zu unterscheiden, ob Beklagter dieselbe auf eine solche rechtsbeständige Art erworben habe, wodurch das Eigenthum des Klägers erloschen ist, oder ob er solche zwar mit gutem Glauben, doch ohne der unten zu Uebertragung des Eigenthums für hinlänglich ausgemessenen Art an sich gebracht habe, oder endlich, ob er solche fremd zu sein gewußt habe, folglich sich in üblen Glauben befinde.

[2, 3, § 3] 73. In dem ersten Fall höret alle Frage von Erstattung des Werths auf, weilen in Kraft Unseres Gesatzes das Eigenthum des Klägers erloschen und auf den Beklagten übertragen worden ist.

[2, 3, § 3] 74. In den zweiten Fall hingegen kommet es darauf an, ob der Untergang der Sache sich noch vor erhobener Klage, oder darnach ereignet. Für den vor erhobener Klage auch mit seiner Zuthat erfolgten Untergang der Sache ist er nicht zu haften schuldig, wann sonst seinerseits keine Gefährde unterwaltet.

[2, 3, § 3] 75. Wo er jedoch die Sache vor erhobener Klage ohne von dem Anspruch des Eigenthümers etwas zu wissen, an einen Dritten veräußeret, so ist er dem Kläger nur so vieles zu ersetzen schuldig, als der daraus gelöste Werth das von ihme erweislich dafür Ausgelegte übersteige, damit er nicht mit Schaden des Eigenthümers bereicheret werde.

[2, 3, § 3] 76. Erfolgete aber der Untergang der Sache nach erhobener Klage, so ist zu unterscheiden, ob der Untergang durch einen solchen Zufall geschehen, wodurch die Sache auch bei dem Eigenthümer hätte zu Grund gehen können, in welchem Fall der Beklagte zwar von Erstattung des Werths, nicht aber von Ersatz der von Zeit der Klage behobenen Nutzungen entlediget wird.

[2, 3, § 3] 77. Oder ob die Sache aus seiner Schuld oder auch durch einen aus seiner Zuthat veranlaßten Zufall zu Grund gegangen, und in diesem Fall ist er schuldig, den Werth der Sache nach der gemeinen Schätzung, wie solcher von Klägern in Ermanglung eines anderen Beweises beschworen werden kann, abzutragen.

[2, 3, § 3] 78. Dann durch die ihme zugekommene Eigenthumsklage höret sein guter Glauben insoweit auf, daß, obschon er berechtiget bleibet sein vermeintliches Eigenthum

(2-58) oder sonstiges Recht durch die an Handen habenden Behelfe nach seinem besten Wissen zu schätzen und zu vertheidigen, er jedennoch in die Schuldigkeit versetzet werde, allen auch zufälligen Schaden an der Sache, so viel in seiner Macht stehet, zu verhüten.

[2, 3, § 3] 79. In dem dritten Fall, wo der Beklagte die Sache mit offenbaren üblen Glauben oder mit wahrer Gefährde, und durch Verbrechen an sich gebracht hätte, und solche in ihrer Gestalt nicht wieder zuruckzustellen vermögete, hat er den höchsten Werth, wie solchen der Kläger nach seiner eigenen Meinung und Schätzung beschwören mag, nach vorläufiger richterlicher Mäßigung zu erstatten.

[2, 3, § 3] 80. Was von Untergang der Sache nach Verschiedenheit der Fällen gemeldet worden, ist auch von allen hieran zugefügten Schaden zu verstehen, wodurch die Sache ganz oder zum Theil unbrauchbar und unnütz gemacht, aber sonst in ihrem Werth verringeret und abgewürdiget worden wäre.

[2, 3, § 3] 81. Der Werth aber, welcher zu ersetzen ist, solle allemal, wo keine geflissentliche Gefährde fürwaltet, nach der gemeinen Schätzung, oder wie solchen Kläger gewissenhaft beschwören kann, dahingegen bei unterlaufender Gefährde nach der eigenen eidlichen Schätzung, Anständigkeit und Vorliebe des Klägers, jedoch mit vorläufiger richterlichen Mäßigung bestimmet werden.

[2, 3, § 3] 82. Nicht nur die Sache selbst oder nach Verschiedenheit der gleichberührten Fällen deren Werth, sondern auch alle ihre Zugänge und Zugehörungen, Nutzungen und was sonst immer dem Beklagten in Ansehen der Sache zugekommenen (= zugekommen), müssen Klägern zuruckgestellet oder ersetzet werden.

[2, 3, § 3] 83. Bei Erstattung der Nutzungen ist jedoch der Unterschied zwischen einem Besitzer mit guten Glauben und zwischen jenem mit üblen Glauben zu beobachten. Ersterer macht sich aus dem Besitzrecht alle bis zur Zeit der erhobenen Klage eingesammlete und verzehrte Nutzungen eigen. Diejenige aber, welche davon zur Zeit der angestrengten Klage noch vorhanden sind, ist derselbe sammt allen von Zeit der angestrengten Klage erhobenen sowohl verzehrten, als noch vorhandenen, wie auch allen nach Eigenschaft der Sache zu erheben gewesten Nutzungen dem Kläger zuruckzustellen verbunden.

[2, 3, § 3] 84. Der Besitzer mit üblen Glauben hingegen ist schuldig, alle von Zeit der Inhabung der Sache eingehobene sowohl noch vorhandene, als verzehrte und auch die von ihme aus seiner Schuld und Nachlässigkeit zu erheben unterlassene Nutzungen dem Eigenthümer abzustatten.

[2, 3, § 3] 85. Der Werth der verzehrten Nutzungen aber solle allezeit nach dem gemeinen Landpreis geschätzet werden, wann Kläger erweisen mag, daß Beklagter solche höher angebracht habe. Uebrigens wird von Nutzungen in dritten Theil, in siebzehenten Capitel, Art. II, das Mehrere erwähnet.

[2, 3, § 3] 86. Dieser Unterschied zwischen dem Besitzer mit guten Glauben und jenem mit üblen Glauben hat gleichfalls in Ansehung der auf die dem Eigenthümer zuruckgestellte Sache gemachten Auslagen statt, wovon der Besitzer mit üblen Glauben seine andere zuruckzuforderen befugt ist, als welche von ihme entweder auf die Erzeugung, Einhebung und Einsammlung der Nutzungen erweislich aufgewendet worden, oder ohne Beschädigung der Sache davon füglich abgesönderet werden können. Alle übrige folgen ohne Unterschied, von was für einer Art sie sein mögen, der Sache.

[2, 3, § 3] 87. Dem Besitzer mit gutem Glauben hingegen hat Kläger nicht allein die auf Erzeugung und Einsammlung der Nutzungen erweislich aufgewendete Auslagen für die Zeit, als ihme die Nutzungen zukommen, zu ersetzen, und alle ohne Beschädigung der Sache thunliche Absönderung lustbringender Kosten zu verstatten, sondern auch den zu beharrlicher Erhaltung oder mehrerer Benutzung der Sache gemachten Nothwendigen oder nutzlichen Aufwand zu vergüten.

[2, 3, § 3] 88. Für nutzlich aber werden alle Auslagen gehalten, woraus dem Eigenthümer

(2-59) ein Nutzen welcher ohne solchen nicht zu erhalten gewesen wäre, zugehet, er seie beharrlich oder zeitlich. Der Ersatz ist dahero nicht nach dem Betrag des Aufwandes, sondern nach dem Betrag des wirklich verschafften Nutzens und nach der wesentlichen Verbesserung zu leisten.

[2, 3, § 3] 89. Jene Kosten demnach, woraus der Nutzen nur den Besitzer betroffen und nicht dem Eigenthümer zukommet, hat jener allein zu tragen. Wie aber die Auslagen nach ihrer verschiedenen Art zu schätzen sind, und was für Rechtsmitteln zu deren Habhaftwerdung gebühren, ist in dritten Theil, in siebzehenten Capitel, Art. IV nachzusehen.

[2, 3, § 3] 90. Die Eigenthumsklage kann durch alle diejenige Einwendungen abgeleinet werden, welche entweder das Eigenthum des Klägers entkräften, oder den Besitz des Beklagten rechtfertigen.

[2, 3, § 3] 91. Von ersterer Art ist der zufällige Untergang der Sache, wann solchen nicht Beklagter nach obiger Ausmessung zu tragen hat, und die Aenderung des Eigenthums, wann selbes Beklagter auf rechtmäßige Art, es seie durch willkührliche Uebertragung oder durch Gewalt des Rechts entweder ohne Verjährung oder mittelst der Verjährung erworben zu haben erweisen kann.

[2, 3, § 3] 92. Von der anderen Art ist alles wie immer Namen habendes dem Beklagten zum Besitz oder Innehabung der Sache zustehendes Recht, welches derselbe von dem Eigenthümer, oder auch von Demjenigen, dessen Handlung der Eigenthümer zu vertreten hat, zum Genuß oder zur Sicherheit, oder zum Gebrauch der Sache mieth- oder entlehnungsweise auf eine Zeit, welche noch nicht vorüber ist, überkommen hätte, vor deren Verlauf der Eigenthümer die Sache nicht abrufen, noch weniger seiner oder desjenigen That, die er zu vertreten hat, zuwider handlen kann.

[2, 3, § 3] 93. Wann aber Kläger das Eigenthum, wie es sich zu Recht gebühret, nicht erweisen würde, ist Beklagter auch in Ermanglung aller anderen beigebrachten Einwendung sofort von der Klage ledig und loszuzählen.

[2, 3, § 3] 94. Diese Ledigsprechung wirket jedoch blos allein die Abweisung des Klägers, giebt aber dem Beklagten an der Sache kein mehreres Recht, als er vorhin hieran gehabt, und bleibet dahero derselbe nicht allein dem sich hervorthun mögenden wahren Eigenthümer noch allzeit verfänglich, sondern es werden auch dem Richter dadurch die Hände nicht gebunden, bei genugsamen Inzichten eines unterwaltenden Verbrechens dessen ohnerachtet wider ihn von amtswegen zu verfahren.

§. IV.

[2, 3, § 4] 95. Außer dem Untergang der Sachen, womit auch alle ihnen anklebende Rechten erlöschen, kann das Eigenthum auf keine andere Art aufgelöset werden,

(2-60) als durch eben diejenige, wodurch es von dem Anderen erworben und von Einem auf den Anderen übertragen wird, also daß einerlei Handlung das Eigenthum des Einen auflöse und solches dem Anderen gebe.

[2, 3, § 4] 96. Niemand dahero kann sich das Eigenthum anderer gestalt, als auf eine Unseren Gesetzen gemäße Art entladen, welcherlei Arten in folgenden Capiteln beschrieben werden.

[2, 3, § 4] 97. Eine solche Art aber ist die Verlassung und Hinwegwerfung einer Sache nicht, solange solche von niemanden Anderen ergriffen und in der Absicht sich selbe zuzueignen in Besitz genommen wird, sondern der Verlassende oder Hinwegwerfende bleibet bis dahin auch wider Willen ein Herr seiner Sache, dergestalten, daß derselbe für alle Haftungen dieser Sache verbunden, und den andurch Jemanden zugefügten Schaden zu ersetzen schuldig seie.

[2, 3, § 4] 98. Es solle auch niemanden vermuthet werden, daß Jemand seine Sache habe verlassen wollen, sondern dieser sein Willen muß erwiesen werden, damit ein Anderer sich die Sache zueignen und des Eigenthums hieran gesicheret sein möge.

[2, 3, § 4] 99. Obgleich aber Jemandes Willen seine Sache zu verlassen erweislich wäre, so stehet ihme doch die Aenderung seines Willens insolange bevor, bis nicht ein Anderer diese Sache ergriffen und in Besitz genommen hat.

[2, 3, § 4] 100. Sobald jedoch ein Anderer ihme vor Aenderung seines Willens hierinnen bevorgekommen, und sich die Sache zugeeignet hat, ist auch derselbe bei dem mit Willen des Herrn und mittelst seiner wiewohlen unvollkommenen Uebergabe erworbenen Eigenthum sowohl wider denselben, als jedweden Anderen, der ihme an der Sache einen Eintrag thun wollte, zu schützen.

Caput IV.

Von Erwerbungsarten des Eigenthums, und in sonderheit von der Ergreifung.

Inhalt:

§. I. Von Rechtmäßigkeit der Ergreifung einer Sache. §. II. Von Verschiedenheit der Ergreifungsarten. §. III. Von Bemächtigung einer Sache. §.IV. Von Findung einer Sache. §. V. Von Hebung eines Schatzes.

§. I.

[2, 4, § 1] Num. 1. Von den Erwerbungsarten des Eigenthums sind die Ursachen der Erwerbung wohl zu unterscheiden. Die Ursache muß vor der wirklichen Erwerbung


(2-61) allemal vorhergehen, dadurch aber wird das Eigenthum noch nicht erworben, sondern nur eine persönliche Verbindlichkeit zur Uebertragung des Eigenthums, folglich blos ein Recht zur Sache erzeuget.

[2, 4, § 1] 2. Die darauffolgende Erwerbungsart hingegen giebt das Eigenthum der Sache. Also ist die Erkaufung einer Sache lediglich die Ursache der Erwerbung, nicht aber die Art, wodurch das Eigenthum erworben wird, sondern wer eine Sache kaufet, wird nicht ehender ein Herr derselben, als bis ihme solche übergeben worden.

[2, 4, § 1] 3. Eben also ist auch bei allen anderen dinglichen Rechten der Unterschied der Bestellungsursache von der wirklichen Bestellung und Erwerbung zu bemerken. Erstere gibt nur das Recht die Bestellung zu forderen, letztere aber die Befugnuß, das bestellte Recht auszuüben.

[2, 4, § 1] 4. Die Ursachen der Erwerbung bestehen außer jenen Fällen, worinnen das Eigenthum unmittelbar aus Macht Unseres Gesatzes übertragen wird, entweder in verbindlichen Handlungen zwischen Lebenden oder in letztwilligen Anordnungen. Erstere werden in dritten Theil, letztere aber weiter unten in diesem Theil beschrieben.

[2, 4, § 1] 5. Die Erwerbungsarten des Eigenthums sind in vorigen Capitel §. II, in fünf Hauptgattungen eingetheilet worden. Hierunter ist die erste die Ergreifung eines Dings, welche mit oder auch wider Willen des Eigenthümers die Uebertragung des Eigenthums jener Sachen, die nach Zulassung Unserer Gesetzen von jemanden ergriffen und sich zugeeignet werden mögen, wirket.

[2, 4, § 1] 6. Diese Erwerbungsart hat aus Unserer Zulassung nur an solchen Sachen statt, die, ob sie zwar zu dem öffentlichen Eigenthum des Staats, oder zu dem sonderheitlichen Eigenthum unter dem Begriff einer Herrschaft, Guts oder Grunds gehören, jedennoch wegen ihrer Geringschätzigkeit und nicht leicht erschöpflichen Menge weder Uns, noch den besonderen Herrschaften oder Grundbesitzeren zum Nutzen oder Lust vorbehalten sind.

[2, 4, § 1] 7. Derlei Sachen sind nach Unterschied der Arten mancherlei, als wilde Thiere, Meer- oder Flußfische, Vögel, Schalen- und Muschelwerk, wilde Bienen,

(2-62) deren Honig, Wachs, wilde Baumfrüchten, Harz, Blumen, Kräuter, Wurzeln, Schwämmen, Reiserholz, Gestrüpp und Rohrwerk, zerstreute edlere oder gemeinere Erz- und andere Steine, Erdfarben und andere bewegliche oder sich selbst bewegende Kleinigkeiten, nicht aber Grund und Boden auch zum kleinsten Theil.

[2, 4, § 1] 8. Die Ergreifung und Sammlung derlei Dingen wird nur an jenen Orten, wo dagegen kein Verbot vorhanden, noch durch äußerliche Zeichen, als Zäune, Stangen, Wische u. dgl. einiger Vorbehalt abzunehmen ist, nicht zwar, als ob solche Sachen herrenlos wären, sondern aus Unserer Zulassung und aus stillschweigender Verwilligung der besonderen Herrschaften, Guts- oder Grundbesitzeren verstattet.

[2, 4, § 1] 9. Wo aber die Zulassung und stillschweigende Verwilligung durch kundbaren Verbot oder durch kennbare Zeichen des Vorbehalts aufhöret, ist alle anmaßliche Ergreifung, Fang oder Sammlung solcher Sachen ein unzulässiger Eingriff entweder in Unsere Hoheiten, oder in die eigenthumliche Befugnussen der Grundinhaberen, oder in die besondere Anderen gehörige Herrlichkeiten.

[2, 4, § 1] 10. Worwider kein Vorwand die Erwerbung des Eigenthums wirken, noch von Auslieferung der Sache und den darauf ausgesetzten Strafen entheben kann. Insonderheit aber sollen wegen des Jagens, Fischens, Vogelstellens, Gold- oder Silberwaschens und dergleichen Dingen, so entweder für allgemein verboten, oder worinnen nach der Länder Verfassung oder durch anderweite von Uns und Unseren Vorfahren erlassene Verordnungen Ziel und Maß gesetzet ist, derlei Maßgebungen unter den wider die Uebertretere verhängten Strafen auf das genaueste beobachtet werden.

[2, 4, § 1] 11. Außer deme mag ein jedweder Eigenthümer oder Grundbesitzer in dem Umfang seines Grund und Bodens sich der Ergreifung und Bemächtigung aller vorher gemelter Sachen aus dem ihme zustehenden Eigenthums- oder Besitzrecht, als einer ihme daher gebührenden Nutzbarkeit oder Bequemlichkeit seines Gefallens gebrauchen, Andere davon abhalten, und sich durch gehörige Rechtsmitteln bei seiner Befugnuß vertheidigen, wie auch in Weg Rechtens wider alle Beeinträchtigung verfahren.

[2, 4, § 1] 12. Es wäre dann jemanden Anderen eine solche Befugnuß, als eine besondere Herrlichkeit oder Dienstbarkeit zuständig, oder nach der Landesverfassung und Unseren Verordnungen deren Gebrauch allgemein gestattet, oder auch von Jemanden durch Verleihungen, Freiheiten und Verträge rechtmäßig erworben.

[2, 4, § 1] 13. Ohne einer solchen Befugnuß beruhet es in der Willkür der Grundeigenthümeren oder Besitzeren entweder Anderen den Gebrauch derlei Sachen stillschweigend zu gestatten, oder die Zulassung durch ein Verbot oder Vorbehalt aufzuheben, und kann also derowegen zwischen den Grundeigenthümeren oder Grundbesitzeren und jenen, die hierzu kein besonderes Recht haben, kein Rechtsstritt entstehen.

[2, 4, § 1] 14. Da aber Jemand zu dergleichen Befugnußen ein besonders erworbenes Recht zu haben vorgeben würde, haben diejenige Rechtsmitteln statt, welche zu Behauptung oder Widerspruch einer Herrlichkeit oder Dienstbarkeit hergebracht sind.

[2, 4, § 1] 15. Desgleichen findet zwischen Jenen, die kein besonderes Recht, sondern bloß allein die aus Unserer Zulassung, oder stillschweigender Einwilligung der Grundherren herrührende Freiheit haben, sich solcher Sachen zu bemächtigen, keine Rechtsklage statt, außer nur insoweit, als die natürliche Billigkeit erforderet, damit in Dingen, die Männiglichen freistehen, Keiner von dem Anderen widerrechtlich gestöret oder behinderet, umsoweniger aber Dasjenige, wessen er sich nach Zulassung des Rechts einmal bemächtiget, ihme wiederum abgenommen werde.

[2, 4, § 1] 16. Damit aber Jemand durch die Ergreifung da, wo diese Erwerbungsart zulässig, das Eigenthum erwerben möge, ist erforderlich, daß er nicht allein die Sache, welche sich von ihme solchergestalten zugeeignet werden will, wirklich und

(2-63) körperlich mit Händen ergreife, und in seine Gewalt und Gewahrsame bringe, sondern auch den Willen und Absicht habe, sich solche eigen zu machen.

[2, 4, § 1] 17. An Ersehung oder Ansichtwerdung einer Sache ist demnach nicht genug, sondern es muß die wirkliche Ergreifung beitreten. Wer dahero die Sache zuerst ergriffen, hat hieran in Erwerbung des Eigenthums den Vorzug vor Demjenigen, welcher solche zuerst gesehen.

[2, 4, § 1] 18. Es hätte dann Dieser dieselbe dem Anderen in der Absicht, solche sich selbst zuzueignen, gezeiget, und diese seine Absicht dabei erkläret, der Andere aber wäre ihme in der Ergreifung bevorgekommen, dessen ohnerachtet das Eigenthum jegleichwohlen Deme, der sie zuerst gesehen und seinen Willen sich solche zuzueignen zuerst eröffnet, mit Ausschließung des anderen verbleibet.

[2, 4, § 1] 19. Doch muss auch bei der wirklichen Ergreifung der Willen, Vorsatz und die Absicht, sich die ergriffene Sache eigen machen zu wollen, hinzustoßen, widrigens kann die alleinige Ergreifung das Eigenthum nicht wirken.

[2, 4, § 1] 20. Dieser Willen und Absicht aber wird allemal vermuthet, wann der Ergreifende die ergriffene Sache in seiner Gewahrsame behält. Dahingegen hört diese Vermuthung auf, sobald als er die ergriffene Sache anwiederum hinwegwirft oder fahren lässt.

§. II.

[2, 4, § 2] 21. Die Ergreifung geschieht mit oder ohne Gewalt. Jene heißet eigentlich eine Bemächtigung und hat erstlich an lebenden Dingen, dann zweitens im Kriege an dem feindlichen Gut statt. Ohne Gewalt hingegen werden leblose Dinge ergriffen, welche Art der Ergreifung eigentlich eine Findung genannt wird.

[2, 4, § 2] 22. Mit Gewalt werden alle wilde Thiere gefangen, welche auf der Erden, in der Luft, oder im Wasser leben und schweben. Nach solchem dreifachen Gegenstand ist auch diese Art der Bemächtigung vornehmlich dreierlei, als das Jagen, Vogelstellen und Fischen.

§. III.

[2, 4, § 3] 23. In allen diesen Arten der Bemächtigung ist sich nach der Landesverfassung und Unseren anderweiten Verordnungen zu richten. Ueberhaupt aber

(2-64) solle Niemanden erlaubet sein, auf fremden Grund und Boden, ohne besonderer entweder aus einer ihm gebührenden Herrlichkeit, oder Dienstbarkeit, oder aus

(2-65) Zulassung des Grundherrn hierzu habender Befugnuß zu jagen, auf Vögeln zu stellen, oder zu fischen.

[2, 4, § 3] 24. Wer jedoch die Befugnuß darzu hat, und sich eines solchen wilden Thiers, welches durch eigene Bewegung und Flüchtigkeit anwiederum entkommen kann, bemächtiget, derselbe behält das Eigenthum des gefangenen Thiers solange, als es in seiner Gewalt und Gewahrsame bleibet. Sobald es aber ihme entkommet, kann sich dessen neuerdings ein jeder Anderer, der hierzu befugt ist, bemächtigen.

[2, 4, § 3] 25. Die Verwundung allein giebt Jemanden das Eigenthum des verwundeten Thiers noch nicht, sondern dieses muß wirklich ergriffen, gefangen und in seine Gewalt gebracht werden. Wann er dahero dasselbe nicht erreicht, bevor sich dessen ein Anderer bemächtiget, wird dem Letzteren das Eigenthum hieran erworben, woferne dieser den Verwundenden nicht geflissentlich an der Nachsetzung und Verfolgung verhinderet hätte.

[2, 4, § 3] 26. Wie es aber mit der Nachsetzung und Verfolgung eines verwundeten Thiers auf fremden Grund und Boden zu halten sei, ist aus unseren Jagdordnungen und Waidmannsrechten zu entnehmen.

[2, 4, § 3] 27. Zu dieser Art der Bemächtigung gehöret auch die Schöpfung eines Bienenschwarms. Es ist aber dabei der Unterschied zwischen wilden und einheimischen Bienen zu beobachten.

[2, 4, § 3] 28.Wilde Bienen, welche von entlegenen oder wüsten Orten zufliegen, ohne daß wissend seie, ob sie von Jemanden von weme vorhin gewartet und gepflogen worden, mag sich Jedermann an freien Orten, wo kein diesfälliger Vorbehalt ist, und umsomehr auf eigenen Grund und Boden bemächtigen, wie auch den Hönig und Wachs von ihnen sammlen.

[2, 4, § 3] 29. Wo aber Bienen in Bienstöcken oder Körben verwahret, gewartet und gepflogen werden, kann sich des Wachses und Hönigs niemand Anderer, als deme die Bienstöcke und Körbe zustehen, anmassen, noch weniger ist erlaubet die Bienstöcke oder Körbe bei Strafe des Diebstahls von dannen zu entwenden.

(2-66) [2, 4, § 3] 30.Wie dann auch aller durch Tödtung, Störung oder Vertreibung der Bienen zufügender Schaden gleich anderen Beschädigungen zu ersetzen und der hieran begehende Unfug, Frevel und Muthwillen über das noch besonders nach obrigkeitlichen Ermessen zu bestrafen ist.

[2, 4, § 3] 31. Wann aus Jemandens Bienstock ein Bienenschwarm ausgeflogen, so hat dieser das Recht diesen Bienen nachzusetzen, und da, wo er sie erreicht, den Schwarm zu schöpfen und in seine Bienstöcke zu bringen.

[2, 4, § 3] 32. Es solle auch die Befugnuß, den ausgeflogenen Bienen auf fremden Gründen nachzusetzen und den Schwarm zu schöpfen, zwischen Nachbarn erwiederlich sein. Wann jedoch Jemandens Grund, worinnen der Schwarm sich angesetzet, nicht offen, sondern mit Mauern oder Zäunen umfangen wäre, solle die Begrüßung des Grundherrn oder dessen, der anstatt seiner auf dem Grund ist, allemal vorhergehen.

[2, 4, § 3] 33. Falls es aber in der Eilfertigkeit vorhero nicht geschehen könnte, so mag zwar der Nachsetzende in seines Nachbarn Grund auch ohne dessen vorheriger Begrüßung ohne Gewalt eintreten, und allda den Schwarm schöpfen. Doch solle er unter Strafe des Gewalts nicht befugt sein, den geschöpften Schwarm ehender davon zu tragen, bis er nicht den Grundherrn darum begrüßet.

[2, 4, § 3] 34. Wann hingegen Jemand seinen von ihme ausgekommenen Bienen nicht nachsetzet, und der Schwarm inmittelst sich irgendwo auf fremden Grund oder auch an freien Orten anleget, so kann zwar solchen an freien Orten Jedermänniglich, auf fremden Grund aber nur Derjenige, deme die Benutzung des Grunds zustehet, schöpfen, doch anderer gestalt nicht für sich behalten, als wann Jener, von deme die Bienen ausgeflogen, nicht binnen vierundzwanzig Stunden von Zeit des Ausflugs denenselben nachsetzet und sie zurückforderet.

[2, 4, § 3] 35. Desgleichen bleiben zahm gemachte Thiere oder Vögel in dem Eigenthum Desjenigen, deme sie gehörig sind, obgleich dieselbe ihme entkommen und anderwärts herumirren, insolange sie heimzukehren nicht gänzlich entwöhnet werden.

[2, 4, § 3] 36. Diese Entwöhnung ist daraus abzunehmen, wann sie auf den angewohnten Ruf, Zeichen oder Lockfraß nicht wiederkehren, mit welcherlei Versuch ihnen auch auf fremden Gründen doch allemal ohne Gewalt und Beschädigung, und mit thunlicher Begrüßung des Grundherrn nachzugehen gestattet ist.

[2, 4, § 3] 37.Wann ihnen aber gar nicht nachgesetzet, oder das Nachsetzen und der Versuch der Wiederkehr vergeblich wird, und von Zeit des Auskommens sechs Wochen verflossen sind, so solle dafür gehalten werden, daß ein solches Thier oder Vogel der Heimlichkeit völlig entwöhnet und wieder verwildet seie.

[2, 4, § 3] 38. Da es sich also nach dieser Zeit bei jemanden finden würde, solle es nicht mehr abgeforderet werden können, es beweise dann der vorige Eigenthümer, daß von dem jetzigen Inhaber schon vor Verlauf dieser Zeit dessen Wiederkehr durch Einsperrung, Anbindung oder in andere Wege verhinderet worden seie.

[2, 4, § 3] 39. Dergleichen zahm gemachte Thiere oder Vögel, wann es wissend ist, weme sie gehören, solle Niemand geflissentlich auffangen, noch weniger, wo selbe durch angehängte Ringe, Schellen oder andere Zeichen kenntlich sind, fällen, verwunden oder lähmen, widrigens ist derselbe zum Ersatz des Schadens verbunden, und über das nach Beschaffenheit des Unfugs und Muthwillens strafbar.

[2, 4, § 3] 40. Vielmehr ist ein Jedweder schuldig, bei deme ein solches Thier oder Vogel, von ohngefähr einkommt, wann er dessen Herrn weiß, es ihme zurückzugeben.

(2-67) Da er aber den Herrn nicht weiß, kann er dasselbe entweder frei von sich lassen, oder solange in seiner Gewahrsame behalten, bis es Jemand als das Seinige binnen obiger Zeit zuruckbegehre, welcher aber ihn wegen des etwan darauf gemachten Aufwands schadlos zu halten schuldig ist.

[2, 4, § 3] 41. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es mit einheimischen Tauben, Pfauen, Gänsen, Hühnern und anderen Geflügel, welches ordentlicherweise bei Häusern und Landwohnugen (= Landwohnungen)aufbehalten, genähret und genutzet wird, wie auch mit einheimischen größeren und kleineren Vieh, von was immer für Gattung dasselbe seie.

[2, 4, § 3] 42. Wann etwas von vergleichen einheimischen Vieh oder Geflügel Jemanden aus seiner Gewalt und Gewahrsame entfliehet oder entlaufet, und bei einem Anderen von Ungefähr einkommet, so solle es alsobald dem Eigenthümer, wann er wissend ist, zur Abholung angezeiget, oder sobald er sich hierum meldet, auf sein Begehren zuruckgestellet, und es damit überhaupt, wie es unten von gefundenen Sachen geordnet wird, gehalten werden.

[2, 4, § 3] 43. Wer aber dergleichen Vieh oder Geflügel dem Anderen geflissentlich abfängt, abtreibet oder wissentlich vorenthaltet, kann nicht nur um die Zuruckstellung belanget werden, sondern er ist auch nach Beschaffenheit der Umständen mit den auf die Entwendung und Verhehlung fremden Guts Unserer peinlichen Gerichtsordnung ausgemessenen Strafen zu belegen.

[2, 4, § 3] 44. Wie es jedoch in Fällen zu halten seie, wo fremdes Vieh oder Geflügel an Saaten, Gärten, oder sonsten Schaden zufüget, und darüber betreten wird, hierüber folget die Ausmessung in dritten Theil, in zweiundzwanzigsten Capitel, § VI.

[2, 4, § 3] 45. Die gewaltsame Bemächtigung wird ferners an den im Krieg dem Feind abnehmenden Sachen ausgeübet, heißet in diesem Verstand eigentlich eine Erbeutung.

[2, 4, § 3] 46. Gleichwie aber überhaupt das Recht des Kriegs und Friedens in unseren Staaten Uns allein zukommet, also ist auch Niemand das Eigenthum durch kriegerische Bemächtigung zu erwerben fähig, als in wie weit von Uns zugelassen ist, daß Jemand sich Dasjenige eigen mache, was er durch Kriegesglück erbeutet.

[2, 4, § 3] 47. Diese Unsere Zulassung erstrecket sich aber keineswegs auf unbewegliche Güter, deren Eroberung, durch wen sie immer geschehe, Uns allein vorbehalten ist, noch weniger auf die überwundene feindliche Personen, außer was aus dem Wiedervergeltungsrecht gegen die Unglaubige zugelassen, und oben in ersten Theil, Von dem Stand der Menschen, berühret worden ist, weder auch solche Sachen

(2-68) des Feinds, welche unmittelbar zur Führung des Kriegs gewidmet sind, als Geschütz, Gewehr, Munition, Proviant, Kriegscassa, Feldlager, Fahnen und anderes Kriegsgeräthe.

[2, 4, § 3] 48. Es kann dahero die Beute blos allein in allein in beweglichen und den feindlichen Unterthanen oder Soldaten sonderheitlich gehörigen Sachen bestehen, die nicht schon oben ausgenommen sind, und worüber von Uns zur Zeit des Kriegs nicht anderst geordnet wird.

[2, 4, § 3] 49. Die kriegerische hat mit der gemeinen Bemächtigung diese Gleichheit, daß wer der Erste dem Feind etwas abnimmt, eben derselbe das Eigenthum der abgenommenen Sache erwerbe, sobald als er dieselbe vollkommen in seine Gewalt und Gewahrsame an ein solches Ort bringt, wo er zur selbigen Zeit gegen die feindliche Wiedereroberung gesicheret ist.

[2, 4, § 3] 50.Wo aber die Beute, ehe bevor sie dahin gebracht wird, ihme anwiederum von dem Feind abgenommen würde, so ist nicht mehr auf die erste Bemächtigung zu sehen, sondern sie wird Demjenigen erworben, welcher diese Sache dem Feind zum anderten Mal abgenommen und in Sicherheit gebracht hat.

[2, 4, § 3] 51. Beute zu machen stehet zwar nur Unseren Soldaten zu, doch kann sich diese Befugnuß auch auf andere Unsere Unterthanen zum Abbruch und Entkräftung der Feinden erstrecken, wann nichts deme entgegen von Uns oder Unseren Kriegsbefehlshaberen geordnet ist.

[2, 4, § 3] 52. Ein Erbeuter feindlichen Guts erwirbt hieran das Eigenthum mit allen seinen Wirkungen und genießet aller derjenigen Rechtsmitteln, die einem Herrn um seine Sachen zustehen.

[2, 4, § 3] 53. Wer aber einige Unseren Unterthanen gehörige, und ihnen von dem Feind abgenommene Sachen dem Feind hiewiederum abnimmt oder durch was immer für Handlungen währenden Krieg von ihme an sich bringt, muß solche dem Eigenthümer zuruckstellen, welcher jedoch dagegen den Wiedereroberer oder Denjenigen, der sie an sich gebracht hat, schadlos zu halten schuldig ist.

[2, 4, § 3] 54. Wann hingegen Jemand derlei Sachen nach geendigten Krieg redlicher Weise an sich gebracht, oder auch die währenden Krieg erworbene Sache durch die unten in neunten Capitel auf bewegliche Sachen ausgemessene Verjährungszeit besessen hätte, solle derselbe weitershin des Eigenthums halber nicht mehr angefochten werden können, wann auch seine Erwerbung ganz oder zum Theil gewinstig gewesen wäre.

[2, 4, § 3] 55. Was aber in einem Aufstand, Meuterei oder Auflauf des Pöbels Jemanden geraubet worden, es seie zu Kriegs- oder Friedenszeiten, dessen Eigenthum verliert Niemand, sondern Jedermänniglich kann das ihme geraubte, ebenalso, wie ein anderes gestohlenes Gut wiederforderen, und sind Jene, die sich bei solchen Umständen einer Plünderung, Raubs, Hilfleistung oder Verhehlung geraubter Sachen schuldig machen, nach Schärfe Unserer peinlichen Gesetzen zu bestrafen.

§. IV.

[2, 4, § 4] 56. Ohne Gewalt wird an leblosen Dingen durch Ergreifung das Eigenthum erworben, wann sie von Jemanden gefunden worden und von solcher

(2-69) Art sind, daß selbe nach der oben in § I. enthaltenen Ausmessung auf diese Weis erworben werden mögen.

[2, 4, § 4] 57. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es dahero mit Sachen, die Jemand ohne seinen Willen und unvermerkt verlieret, es seie, daß etwas auf der Reise irgendwo von dem Wagen gefallen, in einer Einkehr aus Vergessenheit zuruckgelassen, unter anderen Sachen außer seiner Gewahrsame verleget, durch Kinder, sinnlose Menschen oder Thiere vertragen, in Feuer-, Wasser-, Einsturz-, Feindesgefahr oder in einem Auflauf irgendwo verborgen und nicht wieder hervorgesucht oder abgeholet worden.

[2, 4, § 4] 58. Von gleicher Beschaffenheit sind Sachen, die durch Schiffbruch verloren, oder bei entstehenden Sturm zu Erleichterung des Schiffs in das Wasser geworfen worden, welche dessen ohnerachtet in dem Eigenthum Desjenigen verbleiben, deme sie gehöret haben.

[2, 4, § 4] 59. Wer dahero verlorene Sachen findet, obschon er nicht wüßte, weme die gefundene Sache gehörig seie, kann sich dieselbe keineswegs zueignen, noch weniger solche, da sie aufbehaltlich wären, zu seinem Nutzen verwenden, sondern er ist vielmehr schuldig zu Erforschung des Eigenthümers allen Fleiß anzuwenden, und alle

(2-70) Mitteln vorzukehren, wodurch der Eigenthümer von seiner gefundenen Sache Wissenschaft erlange.

[2, 4, § 4] 60. Deshalben solle ein Finder die gefundene Sache geflissentlich nicht verhehlen, dieselbe für die seinige nicht ausgeben, noch weniger auf die Nachfrage verlaugnen, wo in widrigen, wann gleichwohlen die Findung der vermißten Sache auf ihn erwiesen würde, er nebst deren Zuruckstellung mit einer nach den Umständen abgemessenen Strafe belegt werden solle.

[2, 4, § 4] 61. Um damit aber der Eigenthümer einer verlorenen Sache solche desto leichter wieder habhaft werde, wollen und gebieten Wir hiermit, daß ein Jedweder, der etwas findet und binnen dreien Tagen, wer es verloren habe, nicht selbst mit Sicherheit erfahren kann, wann das Gefundene den Werth von zehn Gulden übersteiget, solches nach deren Verlauf, sobald als es geschehen kann, bei der Gerichtsbarkeit desjenigen Orts, in deme die Sache gefunden worden, anzeige.

[2, 4, § 4] 62. Wer hingegen solches unterließe, bleibet nicht allein jegleichwohlen verbunden, dem über kurz oder lang sich meldenden Eigenthümer die Sache ohnentgeltlich und ohne Fundlohn zuruckzustellen, sondern er ladet über dieses den Verdacht auf sich, daß er die Sache unredlich an sich gebracht habe, also daß in Hinzustoßung anderer hinlänglicher Inzichten wider ihn peinlich verfahren werden könne.

[2, 4, § 4] 63. Auf die von dem Finder bei Gericht gemachte Anzeige solle sofort mit der erforderlichen Kundmachung auf die jeden Orts übliche Art und Weis fürgegangen und dem sich hierzu genüglich ausweisenden Eigenthümer die Zuruckstellung des Gefundenen anerboten werden.

[2, 4, § 4] 64. Wo inzwischen die gefundene Sache entweder bei dem Finder, wann kein Bedenken dagegen ist, zu belassen, oder bei fürwaltender Bedenklichkeit in gerichtliche Verwahrung zu nehmen, oder bei einem anderem sicheren Mann zu getreuen Handen niederzulegen ist.

[2, 4, § 4] 65. Nur jene gefunden Sachen, deren Werth nicht über zehn Gulden betragt, sind von der Nothwendigkeit der gerichtlichen Anzeige und öffentlichen Kundmachung ausgenommen, dessen ohnerachtet aber wird der Finder von der Schuldigkeit, dem Eigenthümer nachzuforschen, und ihme das Gefundene zuruckzustellen, nicht entbunden.

[2, 4, § 4] 66. Wann sich darnach der Eigenthümer zu der gefundenen Sache, wie es zu Recht erforderet wird, genugsam ausweiset, ist dem Finder, oder deme, bei welchem sie sonst zu treuen Handen hinterleget worden, deren Zuruckstellung aufzuerlegen oder da sie bei Gericht erlieget, solche dem Eigenthümer ohne Anstand auszufolgen.

[2, 4, § 4] 67. Doch wollen Wir, daß in Fällen, wo die gerichtliche Anzeige oder öffentliche Kundmachung vorhergegangen, dem Finder, wann er einen Fundlohn begehret, eine mäßige nach dem Werth der Sache, und anderen Umständen durch richterliches Ermessen bestimmende Verehrung von dem Eigenthümer abgereichet werden solle, welcher auch außer deme allezeit die Kundmachungsunkosten und den zu Habhaftwerdung und Erhaltung der Sach erweislich gemachten Aufwand unweigerlich zu ersetzen hat.

[2, 4, § 4] 68. Wann jedoch binnen der unten in neunten Capitel für die bewegliche Sachen ausgemessenen Verjährungszeit sich zu der gefundenen Sache Niemand ausweiset, kann der Finder in Fällen, wo wegen ihres geringen Werths keine gerichtliche Anzeige erforderlich, darum nicht mehr gerichtlich besprochen werden, und ist solchen Falls die Verjährungszeit von dem Tag der Findung zu rechnen.

[2, 4, § 4] 69. Da aber bei Sachen von größeren Werth die gerichtliche Anzeige und öffentliche Kundmachung vorhergegangen, so hat die Verjährungszeit von dem Tag der öffentlichen Kundmachung ihren Anfang zu nehmen, und solle nach deren Verlauf dem Finder auf sein Anhalten zu Belohnung seiner durch eigene Anzeige

(2-71) bewiesenen Redlichkeit die gefundene Sache gerichtlich zugesprochen, widrigens aber dieselbe, da er solches längstens binnen sechs Wochen von erfüllter Verjährungszeit nicht verlangete, zu milden Sachen verwendet werden.

[2, 4, § 4] 70. Wann jedoch die gefundene Sache nicht aufbehaltlich wäre, stehet dem Finder frei, da deren Werth zehen Gulden nicht übersteigete, solche zu eigenem Gebrauch und Nutzen gegen der Verbindlichkeit zu verzehren, daß er den erweislichen Werth dafür dem binnen der Verjährungszeit sich meldenden Eigenthümer ersetze.

[2, 4, § 4] 71. Dahingegen, wo deren Werth zehen Gulden übersteigete, solle dieselbe gerichtlich versteigeret und an dem Meistbietenden verkaufet, der daraus gelöste Werth aber bei Gericht hinterleget, und es darmit eben also, wie es oben von der Sache selbst geordnet worden, gehalten werden.

§. V.

[2, 4, § 5] 72. Eine Art der Findung ist die Hebung eines Schatzes, wodurch ein mit Fleiß vergrabenes und hinterlegtes Geld, Gold- oder Silbergeschmeid, oder andere durch Länge der Zeit unverderbliche Kostbarkeiten verstanden werden, deren Hinterleger nach allen Anzeigen längst verstorben und kein Merkmal vorhanden ist, wodurch man in die Erfahrung seiner Erben und Nachkommen gelangen könne.

[2, 4, § 5] 73. Dahingegen, wo erwiesen würde oder aus genugsamen Vermuthungen

(2-72) als aus einer dabei befindlichen schriftlichen Vormerkung, oder aus der Münze und aus der Jahreszahl der Prägung erhellte, wann, und zu welcher Zeit es dahin geleget, und von weme es vergraben worden, alsdann ist es für keinen Schatz zu achten, sondern dem erweislichen Eigenthümer oder dessen Erben sogleich zuruckzustellen.

[2, 4, § 5] 74. Wann dahero Jemand aus Forcht eines unversehenen Ueberfalls oder besserer Sicherheit, Verwahrung und Behutsamkeit willen, Geld oder andere Kostbarkeiten an ein geheimes Ort hinterleget, verbirgt oder in das Erdreich vergräbt, und Jener, welcher das hinterlegte oder vergrabene Gut findet, ohnerachtet er dessen Beschaffenheit weiß, solches jegleichwohlen für sich behält oder sonst gefährlich ausgrabt, so begehet dieser darmit einen Diebstahl und kann hierum rechtlich verklaget werden, dann es gehöret und bleibet dem, oder dessen Erben, der es dahin geleget, vergraben oder verborgen hat.

[2, 4, § 5] 75. Wo aber auch der Eigenthümer unbekannt wäre, so wird er doch deshalben des Eigenthums nicht verlustig, daß er sein Gut an verborgene Orte hinterleget oder vergraben hat, sondern er behalt solches bis an sein Ende, und nach seinem Tod fallt es seinen Erben, und von diesen den weiteren Nachkommen zu.

[2, 4, § 5] 76. Es kann dahero ein Schatz von darumen, daß dessen Eigenthümer nicht bekannt seie, weder für Niemandens Gut angesehen, weder für einen Zugang oder Nutzen des Grunds geachtet, noch auch dem dem bloßen Zufall der Findung so viele Kraft beigelegt werden, daß derselbe Jemanden ein Recht gebe, der sonst auf keinerlei Weis einen Anspruch an der Sache zu machen berechtiget ist.

[2, 4, § 5] 77. Er bleibet vielmehr in dem Eigenthum Desjenigen, der ihn hinterleget oder vergraben hat, und wird auf seine Erben übertragen, auf welche dessen Verlassenschaft entweder aus letzten Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge gediehen ist, wannanhero solcher denenselben, wo sie zu erfragen sind, unweigerlich zuruckgestellet werden muß.

[2, 4, § 5] 78. Da aber dieselbe nicht zu erforschen wären, ist der gefundene Schatz für ein erbloses Gut anzusehen, und tritt solchemnach in der Ordnung der rechtlichen Erbfolge Unsere landesfürstliche Kammer ein, welcher der gefundene Schatz ohne Unterschied an was immer für Orten derselbe gehoben worden, als ein erbloses Gut anfaltet, wann in Ansehen der erblosen Gütern keine besondere Verleihungen oder Freiheiten obhanden sind.

[2, 4, § 5] 79. Damit jedoch bei sich ergebenden Fällen einer Schatzhebung alle Strittigkeiten vermieden werden mögen, so wollen Wir hiermit gnädigst für die Zukunft folgende Richtschnur vorgeschrieben und verordnet haben.

[2, 4, § 5] 80. Daß Niemand, wer der auch seie, sich gelüsten lassen solle, mit ungeziemenden und aberglaubischen Künsten Schätze zu graben, Andere zu derlei sträflichen Vorhaben zu verleiten, Ort und Gelegenheit oder Vorschub darzu zu geben, oder wie immer sich eines solchen höchstärgerlichen Beginnens theilhaftig zu machen. Wo in widrigen das an was immer für einem Ort auf diese Art Gefundene oder Gehobene, wann sich kein Eigenthümer hierzu gehörig ausweisen könnte, ohne einiger Vergütung des Aufwands zu Handen Unserer landesfürstlichen Kammer eingezogen und wider die Uebertretere nach Schärfe Unserer peinlichen Gesetzen verfahren werden solle.

[2, 4, § 5] 81. Auch ohne unerlaubten Künsten solle Niemanden zugefallen sein, in einem fremden Grund wider Willen des Grundherrn einen Schatz nachzugraben, sondern dem Grundherrn stehet zu, ein solches Unternehmen durch diensame Rechtsmitteln abzuhalten, und den heimlich oder gewaltsamen Eintritt, Einschlagung oder Eingrabung in seinen Grund klagbar anzubringen, wie nicht weniger den Ersatz alles zugefügten Schadens und entgangenen Nutzens anzubegehren. Wobeinebst die Uebertretere noch über das nach Beschaffenheit des verfügten Unfugs, Gewalt und Frevels außerordentlich zu bestrafen sind.

(2-73)

[2, 4, § 5] 82. Wer aber auf seinen eigenen oder mit Bewilligung des Herrn auf fremden Grund einen Schatz graben will, derselbe hat sich in acht zu nehmen, daß er dadurch keinem Benachbarten schade, weder die Gefahr eines Schadens zuziehe, noch den freien Gebrauch und Nutzen der benachbarten Gründen in einigerlei Weis behindere.

[2, 4, § 5] 83. Er muss dahero verhüten, damit er keine Gebäude, weder einige seinen Nachbarn gehörige, auch leere Gründe untergrabe, folglich die Rainen seines Grunds weder in der Oberfläche, noch in der Tiefe überschreite, oder auch durch Grabung in eigenen Grund ohne Ueberschreitung seiner Rainen den benachbarten Gebäuden keine Gefahr des Einsturzes oder sonstigen Beschädigung zuziehe, und sich überhaupt von Allem, was seinen Nachbarn an ihrem auch in der Tiefe des Grunds habenden Recht nachtheilig oder verhinderlich wäre, enthalte.

[2, 4, § 5] 84. In widrigen gebühren den Benachbarten alle diejenige Rechtsmitteln, die an seinem Ort wegen Einstellung neuer Werke geordnet sind, und sie können die Sicherstellung für Schaden und Nachtheil, sowie den Ersatz des schon zugefügten Schadens unmittelbar von dem Herrn des Grunds, mit dessen Vorwissen und Zulassung die Schatzgrabung geschieht, anforderen.

[2, 4, § 5] 85. Umsoweniger darf die Schatzgrabung zu Schaden oder Nachtheil einiger öffentlichen Gebäuden, Plätzen, Straßen oder anderer Werke geschehen, noch auch andurch zu besorglichen Einsturz eines eigenen oder dem zur Grabung einwilligenden Grundherrn gehörigen Hauses, wann Jemanden andurch geschadet, oder das Ansehen einer Stadt oder Markts verstellet, oder sonst der öffentliche Gebrauch oder Bequemlichkeit verhinderet würde, Anlaß gegeben werden, sondern die Obrigkeiten jeden Orts sollen von amtswegen hierauf ein scharfes Einsehen haben und derlei Unfug ernstlich hintanhalten.

[2, 4, § 5] 86. So viel es aber den gefundenen Schatz anbelanget, solcher möge auf eigenen oder auf fremden Grund gehoben worden sein, so solle ohne Unterschied dessen Findung für einen bloßen Zufall, deme von Uns gar keine Wirkung eines Rechts beigelegt wird, angesehen, und es darmit eben also, wie mit gefundenen fremden Sachen gehalten werden.

[2, 4, § 5] 87. Es ist demnach sowohl Derjenige, welcher den Schatz gefunden, als der Herr des Grunds, der zugleich, wann er davon Wissenschaft hat, auch für den Ersteren stehen muß, schuldig binnen drei Tagen den erhobenen Schatz bei derjenigen Gerichtstelle, unter deren Gerichtsbarkeit derselbe gefunden worden, anzuzeigen und solchen zu Gerichtshanden einzulieferen.

[2, 4, § 5] 88. Würde aber von ihnen diese Anzeige unterlassen, und es eräußerten sich sodann genugsame Inzichten, daß sie einen Schatz gehoben und vertuschet haben, so solle wider dieselben von amtswegen fürgegangen, und da sie der Vertuschung überwiesen würden, ihnen der erhobene Schatz ohne Ersatz einigen Aufwands abgenommen, beinebst die Ergänzung des davon Verzehrten von denenselben unnachsichtlich eingetrieben, und sie noch über dieses nach Umständen mit einer willkührlichen Strafe beleget werden.

[2, 4, § 5] 89. Der zu Gerichtshanden erlegte Schatz solle in gerichtlichen Augenschein genommen, und ordentlich beschrieben, sofort aber beurtheilet werden, ob das Erhobene den Umständen nach ein so lang hinterlegtes Gut seie, daß dessen Eigenthümer oder seine Erben nicht abgenommen werden mögen, in welchem Fall das Gefundene für einen Schatz gerichtlich zu erklären, ansonsten aber bei ermanglenden Anzeigen des Alterthums, oder bei wahrscheinlicher Erkanntnuß des Eigenthümers anderen gefundenen Sachen gleich zu achten ist.

[2, 4, § 5] 90. Würde es nun ein Schatz zu sein befunden, so ist die Kundmachung eines an dem zu benennen habenden Ort gefundenen Schatzes mit deutlicher Anregung, in was derselbe bestehe, und mit was für Merkmalen und Kennzeichen versehen seie, zu veranlassen, und dabei Jedermänniglich, wer sich das hieran

(2-74)erworbene oder ererbte Eigenthum auszuweisen getrauet, binnen der unten in neunten Capitel für die bewegliche Sachen ausgemessenen Verjährungszeit fürzuladen.

[2, 4, § 5] 91. Findete sich nun Jemand, der vor Verlauf dieser Zeit den Beweis des Eigenthums oder eines hieran habenden Erbrechts auf sich nehmen, und nach rechtlicher Ordnung vollführen würde, so ist der erhobene Schatz ihme auszufolgen.

[2, 4, § 5] 92. Gleichwie in Gegentheil, wann binnen dieser Zeit sich Niemand hierzu angebete, oder der Angebende den auf sich genommenen Beweis, wie es sich zu Recht gebühret, nicht vollführete, der Schatz sofort nach Verlauf dieser Zeit oder wo immittelst der Rechtsstritt anhängig gemacht worden wäre, nach dessen Endigung für ein erbloses Gut erkläret, und zu Handen Unserer Kammer oder Derjenigen, welche zu erblosen Gütern aus Unserer Verleihung ein besonderes Recht haben, eingezogen werden solle.

[2, 4, § 5] 93. Doch sind so ein, als anderen Falls, es möge der Schatz dem sich ausweisenden Eigenthümer ausgefolget, oder von Unserer Kammer eingezogen werden, dem Herrn des Grunds, wann er selbst der Finder ist, ansonsten aber sowohl ihme, als dem Finder in dem Fall, als die gerichtliche Anzeige von ihnen geschehen, alle erweisliche Unkosten, Schäden und Versaumnussen zu ersetzen, und über das solle Beiden zusammen die Halbscheide des Schatzes nach dem Werth der gerichtlichen Schätzung als eine ihnen für ihre Mühe und Redlichkeit zukommende Verehrung abgereichet werden.

[2, 4, § 5] 94. Welche zwischen ihnen in Ermanglung eines anderen untereinander eingegangenen Vergleichs zur Hälfte dergestalten zu vertheilen, daß der vierte Theil des Schatzes dem Herrn des Grunds, es möge Einer oder Mehrere sein, und der andere vierte Theil dem Finder, und zwar Mehreren zu gleichen Theilen gebühre, wann nämlich der Schatz auf fremden Grund entweder zufällig oder mit Verwilligung des Herrn des Grunds gehoben worden.

[2, 4, § 5] 95. Dahingegen, wo sich der Finder ohne Wissen und Willen des Grundherrns der Schatzgrabung auf fremden Grund angemasset hätte, in diesem Fall hat dem Herrn des Grunds allein die ganze Halbscheide zu verbleiben.

[2, 4, § 5] 96.Wo aber das nutzbare Eigenthum des Grunds von dem Grundeigenthum abgesönderet wäre, gebühret dieser Vortheil allemal Demjenigen, welcher das nutzbare Eigenthum hat, nicht zwar als eine aus dem Grund entspringende Nutzung, sondern als ein wegen des Grunds herrührender Gewinn.

[2, 4, § 5] 97. Und eben dahero, weilen es für keine Nutzung des Grunds angesehen werden mag, hat Jener, welchem die bloße Nutznießung auf dem Grund zustehet, hieran keinen Anspruch, außer, wann er solchen selbst gefunden hätte, für den hiervon dem Finder gebührenden Antheil; was aber davon dem Grundherrn zuzukommen hat, bleibt dem Eigenthümer des Grunds.

[2, 4, § 5] 98. Gleichergestalten da in einem verkauften Grund vor dessen Uebergabe ein Schatz gefunden würde, gebühret der davon beziehende Vortheil dem Verkaufer und nicht dem Kaufer, weilen der Verkaufer bis dahin das Eigenthum behält und der Schatz kein Zugang des Grunds ist, worauf der Kaufer einen Anspruch zu machen berechtiget wäre.

[2, 4, § 5] 99. Es würde dann der verkaufte Grund von den Verkaufer zur Ungebühr vorenthalten, wodurch derselbe sich eines Saumsals schuldig machete, in welchem Fall der Vortheil von dem erhobenen Schatz ebenso, als ob die Uebergabe schon wirklich vollzogen worden wäre, dem Kaufer zu statten kommt, wann gleich derselbe von dem daselbst verborgenen oder vergrabenen Schatz gute Wissenschaft gehabt und in der Absicht den Schatz zu heben, den Grund gekaufet hätte, oder auch aus dem Beding des Wiederkaufs zu Wiederabtretung des Grunds verbunden wäre.


(2-75) [2, 4, § 5] 100. Welches ingleichen von allen Denjenigen zu verstehen ist, welche ein auflösliches oder widerrufliches Eigenthum haben, dann es solle nur darauf gesehen werden, wer zur Zeit des erhobenen Schatzes das Eigenthum des Grunds hat, nicht aber, weme solches in Zukunft zuzukommen habe.

[2, 4, § 5] 101. Da aber ein Schatz an einem geweihten ober zu einer Gemeinde gehörigen Ort gefunden worden, solle der sonst dem Herrn des Grunds hiervon gebührende Antheil dem geweihten Ort oder der Gemeinde zugewendet werden.

[2, 4, § 5] 102. Wohingegen, da ein Schatz an öffentlichen Orten zufällig oder mit dazu erhaltener Verwilligung erhoben würde, der ganze halbe Theil dem Finder zu verbleiben hat, wann in der Verwilligung kein sonstiger Vorbehalt begriffen wäre. Da aber die Anzeige von dem erhobenen Schatz sowohl von dem Finder, als dem Herrn des Grunds unterlassen worden, solle dieser halbe Theil, wann sie hernach überwiesen würden, dem Angeber mit Verschweigung seines Namens zu statten kommen.

[2, 4, § 5] 103. Uebrigens ist darinnen kein Unterschied, ob der Schatz in der Tiefe des Grunds vergraben und versenket, oder aber nur über der Oberfläche des Grunds eingemauret oder sonst irgendwo verstecket und verborgen seie, wann nur die obige Erfordernussen des Alterthums und undenklichen Zeit hinzustoßen, daß das Gefundene für einen Schatz geachtet werden möge.

[2, 4, § 5] 104. Es ist dahero in Ansehen eines über der Erden eben so, wie in Ansehen eines unter der Erden gefundenen Schatzes das Nämliche zu beobachten. Doch sollen Kleinigkeiten, welche nicht wenigstens Zweihundert Gulden an Werth betragen, für keinen Schatz gehalten, sondern darmit in Allen und Jeden, wie es oben von gefundenen Sachen verordnet worden, verfahren werden.

[2, 4, § 5] 105. Welchemnach solche, wann sich Niemand hierzu ausweiset, dem Finder zu verbleiben haben. Er hätte dann in fremden Grund ohne Wissen und Willen des Herrn des Grunds gegraben, in welchem Fall das Gefundene diesem allein zukommt, oder es wäre zwischen ihnen eine Verabredung vorhergegangen, wie das Gefundene unter ihnen zu vertheilen seie, wobei es dann auch sein Verwenden haben solle.

(2-76) Caput V.

Von Zugang oder Zuwachs.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von natürlichen Zuwachs.

§. I. Von verschiedenen Gattungen des natürlichen Zuwachses überhaupt. §. II. Von der Thierzucht. §. III. Von Anwurf oder Anspülung des Erbreichs durch den Strom.  IV. Von Entstehung eines Werbers oder Insel. §. V. Von dem verlassenen Flussbett oder Rinnsal.

§. I.

[2, 5, § 1] Num. 1. Die zweite Erwerbungsart des Eigenthums ist der Zugang oder Zuwachs zu einer Sache, wodurch Sachen, die in Jemandens Eigenthum sind, etwas zugehet oder zuwachset, so jener erwirbt, deme er die Sache zustehet.

[2, 5, § 1] 2. Dieser Zugang oder Zuwachs geschieht auf dreierlei Art, als entweder von der Natur, oder theils von der Natur und theils durch menschlichen Fleiß und Arbeit, oder durch menschlichen Fleiß und Arbeit allein, nach welchen dreifachen Unterschied gegenwärtiges Kapitel in drei Artikeln abgetheilet, und von einer jedweden dieser drei Gattungen des Zugangs oder Zuwachses besonders gehandlet wird.

[2, 5, § 1] 3. Der natürliche Zuwachs bestehet:

1. In der Thierzucht.

2. In dem Anwurf oder Anspülung des Erdreichs durch den Strom.

3. In der Entstehung eines Werders oder Insel.

4. In Verlassung oder Raumung des Flussbetts oder Rinnsals.

Alle diese Arten des natürlichen Zuwachses werden in gleich nachfolgenden §§ erkläret.

§. II.

[2, 5, § 2] 4. Was von Jemandens Thier gezeuget wird, gehöret nicht weniger als wie alle andere von dem eigenen Vieh abfallende Nutzung den Herrn des Viehs.

(2-77) [2, 5, § 2] 5. Und obgleich ein Thier des einen von dem Thier des anderen Herrn trächtig worden wäre, so gehöret doch die Zucht Demjenigen zu, welcher Herr des Weibleins ist, ohne daß der Herr des Männleins etwas dafür zu forderen berechtiget wäre.

[2, 5, § 2] 6. Er hätte sich dann etwas für die Zulasssung bedungen, aber es wäre ihme dadurch aus Schuld des Herrn des Weibleins ein Schaden verursachet, oder Nutzen entzogen worden, dessen Ersatz derselbe billig von dem Anderen anbegehren mag.

§. III.

[2, 5, § 3] 7. Der Anwurf oder Anspülung des Erdreichs durch den Strom geschieht auf zweierlei Art, als entweder ganz unmerklich, also daß nicht abgenommen werden möge, wie viel zu jeder Zeit dem einem Grund zugewachsen und dem anderen entgangen seie, oder durch gewaltsamen Anwurf eines kenntlichen ganzen Stucks Erden, welches von dem benachbarten Grund durch die Gewalt des Stromes abgerissen worden.

[2, 5, § 3] 8. Die unmerkliche Anspülung wirket für sich allein das Eigenthum des angeworfenen Erdreichs also, daß was an Erdreich dem Grund auf diese Art zugehet, dem Eigenthümer des Grunds erworben werde, wann ihme das Ufer oder Gestad zugehöret.

(2-78) [2, 5, § 3] 9. Damit also der Zuwachs des Erdreichs durch den Anwurf oder Anspülung statt habe, ist auf zwei Dinge zu sehen, als, einerseits auf die Beschaffenheit des Wassers und andererseits auf die Erstreckung des Grunds.

[2, 5, § 3] 10. Das Wasser muß fließend, folglich also beschaffen sein, daß es durch die Gewalt seiner Bewegung immerfort den anstoßenden Gründen etwas abnehme oder zulege. Von dieser Art sind das Meer, Flüsse, Bäche, Seen, welche ihren ordentlichen Ab- und Zufluß haben.

[2, 5, § 3] 11. Bei stehenden Wässern, als todten Seen, Teichen und Sümpfen kann dahero auf einen Anwachs keine Frage sein, weilen solche durch keine Gewalt beweget werden, sondern immerda in einerlei Stand binnen ihrer Grenzen verbleiben.

[2, 5, § 3] 12. Die Wässer müssen ferners zu dem öffentlichen und nicht Jemands sonderheitlichen Eigenthum gehören; dann die von letzterer Art behalten allzeit ihre Grenzen, welche, da sie erweislich sind, durch keine Ueberschwemmung verrucket werden können.

[2, 5, § 3] 13. Außer die sonderheitliche Wässer wären ohne einer erweislichen Abrainung zwischen dies- und jenseitigen Eigenthümern gemein, welchen Falls auch Dasjenige, was zu dem dies- oder jenseitigen Grund angespület wird, dem Eigenthümer des Grunds gehört.

[2, 5, § 3] 14. Die Gründe, denen der unmerkliche Anwachs des Erdreichs zukommen solle, müssen sich bis an das Wasser erstrecken. Wo sie aber von dem Ufer oder Gestad durch Rainen und Grenzen abgesönderet wären, gehöret das zugewachsene Erdreich Demjenigen, dessen das Ufer ist.

[2, 5, § 3] 15. Dahingegen giebt der gewaltsame Anwurf eines ganzen kenntlichen Stucks Erden für sich allein das Eigenthum Demjenigen nicht, zu dessen Grund es angeworfen worden, sondern solches behält der Herr des Grunds, vom deme es erweislich abgerissen worden, solange, bis es nicht mit dem anderen Grund dergestalten vereinbaret wird, daß es darmit völlig zusammenhänge, und die Bäume darinnen Wurzeln fassen.

[2, 5, § 3] 16. In diesem Fall erwirbt zwar Jener, dessen Grund es solchergestalten angeworfen, das Eigenthum dieses seinen Gründen angewachsenen Erdreichs; doch ist er schuldig dem Anderen, von dessen Grund es abgerissen worden, den Werth für so vieles, als davon seinem Grund erweislich angewachsen, zu bezahlen.

[2, 5, § 3] 17. Es ist aber auch zwischen dem unmerklichen und gewaltsamen Anwurf der Unterschied noch an deme, daß das unmerklich angespülte Erdreich alle Eigenschaften des Grunds an sich nehme, also daß deme, wer die Nutznießung, oder das nutzbare Eigenthum des Grunds hat, auch dieses Recht an dem Zuwachs gebühre.

[2, 5, § 3] 18. Im Gegentheil erstrecket sich solches keinerdings auf den gewaltsamen Anwurf eines kenntlichen Stucks Erden, sondern, obgleich dieses wegen seines Zusammenhangs dem Eigenthum des Grunds folget, so hat doch Jener, welcher die Nutznießung oder das nutzbare Eigenthum dieses Grunds hat, hieran keinen

(2-79) Anspruch, wann ihme solches von dem Grundeigenthümer nicht besonders verliehen oder von ihme selbst nicht abgelöset worden.

§. IV.

[2, 5, § 4] 19. Eine Art des natürlichen Zuwachses ist ferners die Entstehung eines Werders oder Insel, wodurch ein Erdraum verstanden wird, welcher um und um mit Wasser umgeben und daher von dem festen Erdreich auf allen Seiten getrennt ist.

[2, 5, § 4] 20. Ein Werder oder Insel kann auf dreierlei Art entstehen, als erstens, wann Jemandens Grund von dem oben sich zertheilenden und unten wieder zusammenlaufenden Fluß umgeben, und also zu einer Insel gemacht wird, welchen Falls der Herr des Grunds sein Eigenthum hieran unveränderlich behält.

[2, 5, § 4] 21. Zweitens, wann ein in dem Fluß hervorkommendes Erdreich mit dem Flußbett nicht zusammenhängt, sondern auf der Oberfläche des Flusses herumschwimmt, welches solange es sich an keinen Grund ansetzt, dem Eigenthum des Flusses folget.

[2, 5, § 4] 22. Sobald es sich aber an einen anliegenden Grund unabtrennlich angehänget, oder in dem Fluß an dem Rinnsal befestigt hätte und also unbeweglich gemacht worden wäre, so gehöret es im ersten Fall aus dem Recht des Zuwachses Demjenigen zu, an dessen Grund es sich angesetzet, in dem zweiten Fall aber wird es eine ordentliche Insel, wormit es so, wie gleich hiernach folgt, zu halten ist.

[2, 5, § 4] 23. Drittens, wann ein mit dem Flußbett zusammhangendes Erdreich sich dergestalten nach und nach anhaufet, daß es über der Oberfläche des Wassers herfürraget und einen von Wasser ledigen Erdraum darstellet, welcher von allen Seiten mit Wasser umgeben ist.

[2, 5, § 4] 24. Eine solche Insel oder Werder, wann sie in öffentlichen Flüssen entstehet, gehöret Denjenigen zu, welche an beiden Seiten und Gestaden des Wassers

(2-80) eigene Aecker und liegende Gründe haben, wo nicht derlei neu entstehende Inseln nach der Landesverfassung oder Unseren anderweitigen Verordnungen Unseren Hoheiten besonders vorbehalten sind.

[2, 5, § 4] 25. Da aber der Fluß zu dem sonderheitlichen Eigenthum gehörete, hat Jener das Eigenthum der darinnen entstehenden Insel, welcher das Eigenthum des Flusses hat, und wo das Eigenthum des Flusses zwischen den Besitzeren der anstoßenden Gründen gemein wäre, wird auch die Insel zwischen ihnen gemein.

[2, 5, § 4] 26. In diesen Fällen demnach, wo entweder die Insel in einem öffentlichen Fluß entstehet, weswegen der obige besondere Vorbehalt nicht vorhanden oder wo das sonderheitliche Eigenthum des Flusses zwischen Mehreren gemein ist, solle die Theilung der neuen Insel zwischen ihnen nach derjenigen Richtschnur vorgenommen werden, wie solche im ersten Kapitel §. IV von num. 58 bis num. 61 in Ansehen der zwischen Mehreren gemeinen Flüssen vorgeschrieben worden.

[2, 5, § 4] 27. Ist aber die Theilung einer solchen Insel einmal geschehen, gehöret auch aller Zuwachs und Anwurf, welcher sich nachhero bei einem oder dem anderen Theil ergiebt, Demjenigen zu, deme dieser Theil von Anfang zugefallen, obgleich die Insel sich durch den Anwachs näher gegen die jenseitige Gründe erstreckete.

[2, 5, § 4] 28. Dann es ist allemal auf den ursprünglichen Stand der Insel zu sehen, nach welchem die Theilung vorgenommen worden, und was derselben hernach zugehet, ist für einen Zuwachs zu achten, welcher dem Grund folget, deme er zugegangen ist.

[2, 5, § 4] 29. Wer aber nur die Nutznießung oder das nutzbare Eigenthum des an dem Fluß anliegenden Grunds hat, kann auf die Insel keinen Anspruch machen, als insoweit er auch zugleich die Nutznießung oder das nutzbare Eigenthum des Flusses hat, in dessen Ermanglung bleibet die Insel dem Grundeigenthümer, welchen Falls jedoch auf die Verleihungen, Gewähren und Handfesten zu sehen ist.

§. V.

[2, 5, § 5] 30. Mit dem Zuwachs der Insel kommt in gewisser Maß auch die Verlassung des Flußbetts oder Rinnsals in jenem Fall überein, wann das vorige Eigenthum des unter Wasser gestandenen und nachhero davon verlassenen Erdreichs nicht mehr erweislich ist.

[2, 5, § 5] 31. Die Verlassung des Rinnsals geschieht damals, wann der Fluß für sich selbst und ohne Jemands Zuthat oder Ableitung seinen vorhin gehabten natürlichen Gang verläßt, und entweder durch einen gewaltsamen Einriß auf einmal oder nach und nach anderswohin ablenket, folglich mit gänzlicher Verlassung des vorigen ein anderes Erdreich dergestalten einnimmt, daß der alte Gang den Namen eines fließenden Wassers verloren habe.

[2, 5, § 5] 32. Ist nun das vorige Eigenthum des ausgetrockneten alten Rinnsals erweislich, so fallt auch solcher in das vorige sonderheitliche Eigenthum zuruck. Wo aber dasselbe nicht mehr dargetan werden könnte, ist das ausgetrocknete Flußbett zwischen den Eigenthümern der nächst anstoßenden Gründen nach den oben an vorberührter Stelle enthaltenen Maßregeln mit Beobachtung dessen, was

(2-81) in vorigen §. von der Nutznießung und dem nutzbaren Eigenthum gemeldet worden, zu vertheilen.

[2, 5, § 5] 33. Dieser Zuwachs des ausgetrockneten und verlassenen Rinnsals an die nächst anstoßende Gründe wird dadurch nicht behinderet, wann gleich zwischen denselben und dem ehemaligen Rinnsal die Landstraßen befindlich wäre, woferne nur dieselbe nicht die Grenzen ausmacht, oder die Gründe sonst von dem vorigen Flußbett nicht ordentlich abgerainet wären.

[2, 5, § 5] 34. Dann, wo sie davon abgerainet sind, kann ihnen der verlassene Rinnsal nicht zuwachsen, sondern solcher folget noch allemal dem Eigenthum des Flusses auch nach dessen Austritt, er sei öffentlich oder sonderheitlich.

[2, 5, § 5] 35. Eine ganz andere Beschaffenheit hat es mit Ueberschwemmung eines Grunds oder Ackers, wann das angestiegene Wasser aus seinen natürlichen Ufern tritt und sich über die nächst angelegene Gründe ergießt; dann andurch gehet weder das Eigenthum dieser Gründen, noch andere hieran habende Rechten verloren, sondern, sobald als das Wasser zuruckweichet, kommt Alles in seinen vorigen Stand, obschon bis dahin das Eigenthum ohne Wirkung bleibet.

[2, 5, § 5] 36. Wo aber der Fluß den geänderten Lauf beständig hielte, und seinen vorigen Rinnsal gänzlich verließe, folget zwar der neue Rinnsal dem Eigenthum des Flusses, es seie öffentlich oder sonderheitlich, solange, als der Fluß seinen Lauf darinnen behält.

[2, 5, § 5] 37. Doch stehet den Herren der Gründen, in welche der Fluß eingebrochen frei, ihre außer dem Fluß befindliche Rainen zu bewahren, oder da solche durch den Fluß vermenget worden wären, die Scheidung ihrer durch den eingerissenen Strom vermischten Gründen anzuverlangen, um auf den Fall, da der eingenommene neue Rinnsal von dem Fluß anwiederum verlassen würde, ihr hieran habendes Eigenthum außer allen Anstand zu setzen.

[2, 5, § 5] 38. Jener, welcher die Scheidung verlanget, ist für den Kläger und der Andere für den Beklagten anzusehen; Beiden aber lieget ob ihre vorige Rainung auszuweisen, welche, wann sie darinnen übereinkommen, oder solche der Erfordernuß nach erweisen, ordentlich zu beschreiben und mit Grenzzeichen an ihren Gründen zu bemerken ist, damit hiernach in Zukunft der dereinstens ganz oder zum Theil wieder verlassene Rinnsal zwischen ihnen werden möge.

[2, 5, § 5] 39. Zu Anbegehrung dieser Grenzscheidung der durch den ausgetretenen Fluß vermischten Gründen bestimmen Wir die zu Ersitzung liegender Güter unten im neunten Kapitel ausgemessene Verjährungszeit von drei Jahren und achtzehn Wochen von dem Tag, als der Fluß über die gemeinsamen Rainen zuerst erweislich geschritten ist, es möge dessen Austritt und Einnehmung des neuen Rinnsals auf einmal oder nach und nach geschehen sein.

[2, 5, § 5] 40. Nach dieser Zeit hingegen, wann Niemand unter solcher auf die Scheidung berufen hätte, oder da sich auch hierauf berufen worden wäre, die vorige Rainung von keinem Theil rechtsbeständig hätte erwiesen werden können, in solchen Fällen solle nimmermehr auf die vormalige Rainung der Gründen gesehen, noch ein weiterer Beweis deshalben mehr zugelassen, sondern der Fluß selbst für die Rainung gehalten, und der eingenommene Rinnsal, wann er nach der Zeit anwiederum verlassen werden würde, den nächst anstoßenden Gründen auf die obverordnete Art und Weis aus dem Recht des Zuwachses zugetheilt werden.

[2, 5, § 5] 41. Wie Wir dann überhaupt gnädigst verordnen, daß, wo es um den Beweis einiger durch den Fluß vermengter Rainen oder vormaligen Ufern zu thun ist, keine andere für wahre Raine oder Ufer gehalten werden sollen, als welche wenigstens durch die nächst abgewichene drei Jahr und achtzehn Wochen unstrittig bestanden sind.

(2-82) Zweiter Artikel.

Von dem Zugang theils von der Natur, theils durch menschliche Zuthat.

§. VI. Von Einpflanzung und Einsäung fremder Pflanzen und Samens in eigenen Boden. §. VII. Von Einpflanzung und Einsäung eigener Pflanzen und Samens in fremden Boden. §. VIII. Von Einpflanzung und Einsäung fremder Pflanzen und Samens in fremden Boden.

§. VI.

[2, 5, § 6] 42. Die zweite Gattung des Zugangs rühret theils von der Natur, theils von menschlichen Fleiß und Arbeit her, also, daß die menschlich That vorhergehe, die Natur aber nachwirke und einen Zugang oder Zuwachs der Sache hervorbringe.

[2, 5, § 6] 43. Dieses geschieht durch die Einpflanzung oder Einsäung, und der sich daraus ergebende Zugang wird dem Eigenthümer des Grunds oder deme, der anstatt desselben ist oder ein Recht von ihme hat, aus dem Recht des Bodens erworben.

[2, 5, § 6] 44.Welches soviel wirket, daß das Eigenthum des Grunds sich auf das was zugehet, ebenso wie das Eigenthum eines Ganzen auf alle seine Theile erstrecket, Derjenige aber, welcher den Zugang durch seine That veranlasset hat, dasjenige, was von ihme dem Boden zugegangen, verliere, und umsoweniger ein Recht zu dem Zuwachs habe.

[2, 5, § 6] 45. Was dahero eingepflanzet oder eingesäet wird, ist für einen Theil des Grund und Bodens zu achten, wann es sich mit demselben dergestalten vereiniget, daß es unverdorbener zu einem anderweiten Gebrauch nicht mehr herausgenommen werden möge, aber wenigstens in dem rechtlichen Verstand für unabsönderlich gehalten werde.

[2, 5, § 6] 46. Dieses geschieht bei Pflanzen und Setzlingen, wann sie in dem Grund und Boden Wurzeln fassen, bis dahin deren Eigenthümer unvermehret ist, solche anwiederum herauszuziehen; bei der Ansaat hingegen ist nicht nöthig abzuwarten, bis das Korn gekeimet Wurzel gefasset, sondern der Samen wird ein Theil des Grunds,

(2-83) sobald er ausgeworfen worden, weilen es nicht möglich alle Körner auszusuchen und zuruckzunehmen.

[2, 5, § 6] 47. Es kann aber nur damals von dem Zugang aus dem Recht des Bodens die Frage sein, wann ein Anderer Eigenthümer der Pflanzen oder des Samens und ein Anderer Eigenthümer des Bodens ist, dann wo Beider Eigenthum Einem Herrn zusteht, ist die Benutzung des Bodens eine wesentliche Wirkung des Eigenthums, und was schon Jemandens ist, kann ihme nicht mehr erworben werden.

[2, 5, § 6] 48. Die Fälle des Zugangs sind demnach dreierlei; erstens, wann fremde Pflanzen oder Samen in eigenen Boden, oder zweitens, wann dagegen eigene Pflanzen oder Samen in fremden Boden, oder endlich drittens, wann fremde Pflanzen oder Samen in fremden Boden eingepflanzet oder eingesäet werden.

[2, 5, § 6] 49. Alle diese Fälle kommen zwar in deme überein, daß die Pflanzen, sobald sie Wurzel gefasset, und der Samen, sobald er in die Erden geworfen worden, das vorige Eigenthum veränderen und dem Eigenthum des Grunds zuwachsen, also zwar, dass, wann auch ein Baum, welcher einmal in den Boden gewurzlet, anwiederum ausgerissen wird, solcher in das vorige Eigenthum nicht mehr zurückfalle.

[2, 5, § 6] 50. Weilen jedoch solche dem Herrn des Grunds nicht allemal unentgeltlich erworben werden, so bestehet blos der Unterschied in den zur Erlangung des Werths angebührenden Forderungen und Rechtsmitteln, welchemnach der erste Fall in diesem §., die beide andere aber in den folgenden zweien §§. erkläret werden.

[2, 5, § 6] 51. Wann jemand in seinen eigenen Boden fremde Pflanzen einpflanzet oder fremde Samen einsäet, stehet zwar dem Eigenthümer der Pflanzen zu, solche, solange es ohne Schaden des Grunds thunlich, zuruckzunehmen.

[2, 5, § 6] 52. Da er aber dieselbe nicht mehr zurucknehmen wollte oder könnte, aber es blos um den Samen zu thun wäre, ist der Herr des Grunds schuldig, ( die Pflanzen oder der Samen mögen zum Wachsthum gekommen sein oder nicht ) ihme, wann er sie fremd zu sein nicht gewußt hätte, dafür den gemeinen, wo er sie aber fremd zu sein gewußt hätte, den höchsten Werth zu ersetzen, und in letzteren Fall beinebst allen erweislich verursachten Schaden und entzogenen Nutzen zu erstatten, wie nicht minder nach Beschaffenheit der unterwaltenden Gefährde zu bestrafen.

§. VII.

[2, 5, § 7] 53. In dem zweiten Fall hingegen ist zu unterscheiden, ob eigene Pflanzen oder Samen in fremden Boden mit guten Glauben oder wissentlich, daß er fremd sei, ohne ein Recht zur Benutzung des Grunds zu haben, eingepflanzet oder eingesäet worden.

[2, 5, § 7] 54. Ist es mit guten Glauben geschehen, hat der Einpflanzende oder Einsäende die Befugnuß entweder klag- oder einwendungsweise nach dem Unterschied, ob er in den Besitz des Grunds seie oder nicht, den gemeinen Werth für die Pflanzen und Samen nebst den Anbauunkosten, insoweit als dem Herrn des Grund ein Nutzen hiervon zugehet, zu forderen, und wo derselbe in dem Besitz des Grunds befindlich wäre, ist er vor ihme geleisteter Genugthuung oder dafür gestellten Sicherheit hieraus zu weichen nicht schuldig.

[2, 5, § 7] 55. Hätte aber Jemand seine Pflanzen oder seinen Samen wissentlich in fremden Boden ohne ein Recht zu Benutzung des Grunds zu haben, eingepflanzet oder eingesäet, kann er zwar dafür den gemeinen Werth von den von ihme erhobenen und dem Eigenthümer zuruckzustellen habenden Nutzungen abziehen.

[2, 5, § 7] 56. Wo er aber die Nutzungen und Früchten noch nicht eingesammlet hätte, ist er nicht befugt derowegen eine Forderung zu stellen, noch weniger den Grund

(2-84) vorzuenthalten, er hätte dann solchen mit guten Glauben an sich gebracht und wäre nur nach der Zeit in üblen Glauben versetzet worden, in welchen Fall Derselbe, so viel es den Ersatz der nutzlichen Auslagen anbetrifft, einem Besitzer mit guten Glauben gleich zu achten ist.

[2, 5, § 7] 57. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es hingegen, wann ein in Jemandens Eigenthum gepflanzter Baum in den nächst angelegenen benachbarten Grund Wurzel treibet oder seine Aeste darüber ausbreitet, dann dessen ohnerachtet bleibet das Eigenthum des Baums Demjenigen, in dessen Grund derselbe gepflanzet ist.

[2, 5, § 7] 58. Doch ist der Nachbar nicht schuldig, die in seinen Grund ausgebreiteten Wurzeln und Aeste eines fremden Baums zu dulden, wann ihme solche an Benutzung seines Grunds hinderlich fallen, sondern er hat Fug und Macht die Wurzeln und Aeste, soweit selbe sich in seinen Grund erstrecken, abzuschneiden, und die an den über seinen Grund ausgebreiteten Aesten hangenden Früchten für sich einzusammlen.

[2, 5, § 7] 59. Da aber ein Baum auf der Rainung zwischen benachbarten Gründen befindlich wäre, also daß nicht abzunehmen seie, auf wessen Grund der Stamm stehe, so ist ein solcher Baum zwischen den angrenzenden Nachbarn nach Maß seines in einen jedweden Grund sich erstreckenden Gipfels gemein.

[2, 5, § 7] 60. Und da derselbe entweder zufälliger Weise ausgerisssen oder abgebrochen, oder mit gemeinsamer Einverständniß abgehauen würde, so ist das Holz zwischen den Nachbaren, auf deren Rainen der Stamm gestanden, gleich zu theilen.

§. VIII.

[2, 5, § 8] 61. In dem dritten Fall, wann in fremden Grund und Boden von einem Dritten fremde Pflanzen eingepflanzet oder fremder Samen eingesäet worden, werden zwar solche dem Herrn des Bodens eigenthumlich erworben, wann die Pflanzen nicht mehr davon abgesönderet und deren Eigenthümer unverdorbener zuruckgestellet werden mögen.

[2, 5, § 8] 62. Der Herr des Grunds aber ist schuldig, dem Eigenthümer der Pflanzen oder Samens, die Einpflanzung oder Einsäung möge von dem Dritten aus Irrthum oder wissentlich in fremden Grund und Boden geschehen sein, den gemeinen Werth dafür zu ersetzen.

[2, 5, § 8] 63. Dahingegen kann der Dritte keine Pflanz- und Saatunkosten anforderen, sondern derselbe bleibet vielmehr, wann er sich wissentlich fremder Dingen angemaßet, sowohl dem Eigenthümer der Pflanzen und Samens, als dem Herrn des Grunds wegen alles andurch erweislich verursachten Schadens oder verhinderten mehreren Nutzens verfänglich, und ist noch über das wegen etwan begangener Entfremdung zu bestrafen.

(2-85) Dritter Artikel.

Von dem Zugang durch alleinige menschliche That.

§. IX. Von Gestaltung eines fremden Zeugs. §. X. Von Beifügung eines Dings zu dem anderen. §. XI. Von der Zusammengießung und Vermengung. §. XII. Von Einbau fremden Zeugs in eigenen Boden. §. XIII. Von Einbau eigenen Zeugs in fremden Boden. §. XIV. Von Einbau fremden Zeugs in fremden Boden. §. XV. Von Beschreibung fremden Papiers und von Bemalung fremden Zeugs. §. XVI. Von Zugang der Früchten und Nutzungen aus fremden Gut wegen guten Glaubens.

§. IX.

[2, 5, § 9] 64. Die dritte Art des Zugangs entstehet aus menschlicher That allein, wobei die Natur gar nicht mitwirket, wann nämlich zweier Herren Sachen miteinander dergestalten vereiniget werden, daß solche von einander nicht mehr abgesönderet werden mögen.

[2, 5, § 9] 65. Gleichwie aber solches auf vielfältige Art und Weis geschehen kann, also werden hier nur die gemeinere Arten erkläret, wornach die andere sich seltsamer ergebende Fälle, welche mit jenen eine Gleichheit haben, desto leichter entschieden werden können.

[2, 5, § 9] 66. Diese Arten sind:

1. Die Gestaltung eines fremden Zeugs.

2. Die Beifügung eines Dings zu dem anderen.

3. Die Zusammengießung und Vermengung zweier Herren Sachen.

4. Der Einbau fremden Zeugs in eigenen Boden oder eigenen Zeugs in fremden Boden, oder fremden Zeugs in fremden Boden.

5. Die Beschreibung fremden Papiers und Bemalung fremden Zeugs.

(2-86) [2, 5, § 9] 67. Die Gestaltung ist damals eine Art des Zugangs, wann aus einem fremden Zeug eine neue Gestalt und Form verfertiget wird, welche soviel wirket, daß nach Beschiedenheit der Umständen entweder die Gestalt dem Eigenthum des Zeugs oder der Zeug dem Eigenthum der Gestalt folge.

[2, 5, § 9] 68. Als da aus fremden Gold, Silber, Kupfer oder Zinn allerhand Gefäße, oder Geschmeidwerk; aus fremder Seiden, Woll oder Lein Stoffe, Teppiche, Tücher, Zeuge, Spitzen oder Gewand; aus fremden Holz, Stein oder Erz Bildnussen,Kästen, Geschirr und anderes Geräthe; aus fremden Gewächsen und Früchten Speisen, Getränke, Säfte, Farben oder Arzneien u. dergl. verfertiget werden.

[2, 5, § 9] 69. Damit aber die Gestaltung die besondere Wirkung einer Erwerbungsart des Eigenthums habe, wird darzu erforderet: Erstens,daß der Zeug, welcher gestaltet wird, ganz fremd seie, dann, wo derselbe ganz oder zum Theil eigen wäre, höret ersteren Falls die Frage von dem Zugang auf, weilen der Zeug schon ehedem in dem Eigenthum des Gestalters ist, der letztere Fall aber begreift eine zweifache Art des Zugangs als eine Beifügung und Gestaltung zugleich.

[2, 5, § 9] 70. Zweitens, daß der Gestalter die neue Form in seinen Namen und für sich verfertige, dann, wo die Gestaltung in Namen eines Anderen und für einen Anderen geschehen wäre, gebühret hieran das Recht der Gestaltung halber nicht deme, der den Zeug gestaltet, sondern jenem, in wessen Namen und für welchen solcher gestaltet worden.

[2, 5, § 9] 71. Drittens, daß die Gestaltung ohne Einwilligung des Eigenthumers des Zeugs geschehe, widrigens, da Jemand seinen Zeug mit Willen hergegeben, und der Andere solchen mit Willen gestaltet hätte in der beiderseitigen Absicht und zu dem Ende, damit das Gestaltete zwischen ihnen gemein werde, wirket die Gestaltung nichts besonderes, sondern Beide gerathen aus ihrer eigenen Einwilligung in die Gemeinschaft des gestalteten Zeugs, womit es dahero eben also, wie mit einer zwischen Mehreren gemeinen Sache zu halten ist.

[2, 5, § 9] 72. Viertens, daß wirklich eine neue Gestalt hervorgebracht und nicht etwan die schon habende Gestalt bloß entdecket werde, als da Jemand aus fremden Garben Korn ausdreschete oder aus fremden Trauben Wein pressete, so für keine Gestaltung zu halten ist, folglich auch dem Herrn der Garben oder Trauben sein Eigenthum an dem Korn oder Wein unveränderet verbleibet, obschon er schuldig ist, den mit guten Glauben ausgelegten Drescher- und Preßlohn dem Anderen zu vergüten.

[2, 5, § 9] 73. Wann nun bei der Gestaltung eines fremden Zeugs alle diese Erfordernussen zusammentreffen, so kommt es vornehmlich darauf an, ob die Gestaltung mit guten oder mit üblen Glauben geschehen seie.

[2, 5, § 9] 74. Ist es das Letztere, und der Gestaltende hat den Zeug fremd zu sein gewußt, so verlieret er die Arbeit, und die gestaltete Sache bleibet dem Eigenthümer des Zeugs, welche dieser mittelst der Eigenthumsklage von dem Anderen anforderen kann, ohne daß dagegen der Gestaltende für seine Arbeit eine Vergütung anzuverlangen berechtiget wäre.

[2, 5, § 9] 75. Daferne aber der Eigenthümer des Zeugs solchen in seiner jetzigen Gestalt nicht zurucknehmen wollte, sondern ihme der Werth dafür anständiger wäre, ist der Gestalter schuldig, ihme den gemeinen Werth, dahingegen in jenem Fall, wo der Zeug durch die Gestaltung schlechter worden, oder dem Eigenthümer sonst erweislich daran gelegen wäre, daß der Zeug nicht in seiner vorigen Gestalt gelassen worden, den höchsten Werth, wie jener sich solchen nach eigener Neigung und Vorliebe eidlich schätzen wird, doch mit vorläufiger richterlichen Mäßigung sammt allen erweislichen Schäden und Unkosten zu erstatten.

[2, 5, § 9] 76. Wann in Gegentheil die Gestaltung eines fremden Zeugs von dem Gestaltenden mit guten Glauben in ungezweifleter Meinung, daß ihme der Zeug gehörig seie, geschehen, so ist auf den Unterschied zu sehen, ob die vorige Gestalt ohne Verderbung des Zeugs anwiederum hergestellet werden könne oder nicht.

(2-87) [2, 5, § 9] 77. Ist es das Erstere, als da aus fremden Gold, Silber Kupfer oder Zinn allerlei Gefäß oder Geschmeid verfertiget worden wäre, gehöret die also gestaltete Sache dem Herrn des Zeugs gegen deme, daß er, wann der Zeug durch die Gestaltung einen größeren Werth bekommen, dem Gestaltenden seine Arbeit, wie solche gerichtlich geschätzet wird, vergüte, bis dahin der Gestaltende zur Auslieferung der noch in seinen Handen befindlichen Sache nicht verhalten werden kann, aber daferne der Herr des Zeugs solchen nicht annehmen wollte, ist er schuldig, sich mit den gemeinen Werth desselben zu begnügen.

[2, 5, § 9] 78. Hätte jedoch die Sache durch die neue Gestaltung keinen größeren Werth erhalten oder wäre in Widerspiel andurch schlechter worden, ist der Herr des Zeugs nicht schuldig dem Gestaltenden etwas für seine Arbeit herauszugeben.

[2, 5, § 9] 79. Könnte aber die vorige Gestalt nicht mehr hergestellet werden, als da aus fremder Wolle Tuch oder Zeug, aus fremder Seiden Stoff, aus fremden Tuch ein Kleid, aus fremden Garn Leinwand verfertiget worden wäre, gehöret die also gestaltete Sache den Gestaltenden, weilen die Gestalt solchen Falls vornehmer und folgsam auch in Absicht auf das an der Sache gebührende Recht wirksamer als der Zeug ist, welchen sie als etwas Minderes nach sich zieht.

[2, 5, § 9] 80. Dem Herrn des Zeugs hingegen bleibet allemal sein Anspruch auf dessen Werth nach der gerichtlichen Schätzung bevor, vor dessen Erlangung derselbe die Sache, wann er sich in deren Besitz befindet, dem Gestaltenden auszulieferen nicht gehalten ist.

[2, 5, § 9] 81. Wäre aber die Sache in Handen eines Dritten befindlich, der solche entweder von dem Herrn des Zeugs oder von dem Gestalter, oder auch von einem Anderen mit guten Glauben und ohne aller Wissenschaft des dabei fürwaltenden Umstands an sich gebracht hätte, also, daß sein guter Glauben mit allen zu Erwerbung des Eigenthums einer beweglichen Sache unten in achten Capitel vorgeschriebenen Erfordernussen versehen wäre, erwirbt zwar dieser das Eigenthum der ganzen Sache, und kann weder von dem einen noch von dem Anderen darum weiter angefochten werden.

[2, 5, § 9] 82. Dahingegen bleibet sowohl der Herr des Zeugs, als der Gestaltende, welcher aus ihnen die Sache an einen Dritten veräußeret, Einer dem Anderen jegleichwohlen verbunden nach dem Unterschied, ob er zur Zeit der Veräußerung in guten oder üblen Glauben bestellet seie, in derjenigen Maß, wie es oben in dritten Capitel §. III, von n. 47 bis 81 bestimmet worden, den Werth dessen, was dieser hieran zu forderen hat, zu ersetzen.

[2, 5, § 9] 83. Hätte aber der Dritte von dem Umstand gewußt und die Sache von Einem aus ihnen auf redliche Weise erhalten, so erlangt er hieran kein mehreres Recht, als Derjenige hieran gehabt, von deme er die Sache erworben, und hat solchemnach der Andere die Auswahl, ob derselbe den Veräußerer, oder den dritten Besitzer um das, was ihme hieran gebühret, belangen wolle.

[2, 5, § 9] 84. Gleich wie auch in jenem Fall, wo ein Dritter die Sache von einem Anderen, als dem Herrn des Zeugs, oder dem Gestaltenden, es seie mit üblen oder auch mit guten, doch von den zu Erwerbung des Eigenthums nöthigen Erfordernussen entblößten Glauben erworben hätte, dieser Beiden für das, was sie hieran zu forderen haben, dergestalten jedoch verfänglich bleibet, daß er Dasjenige, was er dem Einem für die Gestalt oder für den Zeug bezahlet, von dem Anderen der als Eigenthümer der Sache deren Ausfolgung anverlanget, anwiederum zuruckforderen könne, aber falls er diesem die Sach ohne Entgelt zuruckgestellet hätte, dem Anderen weiter etwas herauszuzahlen nicht schuldig seie, sondern dieser das Seinige an Jenem, der die Sache bekommen, zu forderen habe.

[2, 5, § 9] 85. Endlich da die Sache gar zu Grund gegangen oder verloren worden wäre, sind die Fälle nach den oben in dritten Capitel an gleich vorberührter

(2-88) Stelle enthaltenen Maßregeln, ob nämlich an Seiten des Inhabers ein guter oder übler Glauben vorhanden gewesen seie, zu unterscheiden.

§. X.

[2, 5, § 10] 86. Die Beifügung ist eine Art des Zugangs, wodurch eine fremde Sache mit der eigenen zur Zierde, Verbesserung oder Zurichtung dergestalten vereiniget wird, daß sie zwar mit einander ein Ganzes ausmachen, doch weder beider Wesenheit vermischet, noch auch daraus eine neue Gestalt und Form erzeuget werde.

[2, 5, § 10] 87. Alsda ein fremder Edelgestein in eigenen Gold, oder ein eigener Edelgestein in fremden Gold gefaßet, ein Kleid mit fremden Gold oder Silber, oder

(2-89) ein fremdes Kleid mit eigenen Gold oder Silber gesticket, und anderen Sachen andere beigefüget werden.

[2, 5, § 10] 88. Dahin gehöret, wann zweier Herren Erzstücke durch die Anschweißung oder Anlöthung dergestalten zusammengefüget werden, daß daraus ein Ganzes entstehe, deren erstere ohne und letztere mit Zusatz eines anderen Erzes geschieht.

[2, 5, § 10] 89. Es wird aber zu dieser Art des Zugangs erforderet, erstens, daß eine fremde Sache mit der eigenen zusammengefüget werde, dann wo beide einem Herrn zugehören, hat dieser nicht nöthig, daß schon habende Eigenthum durch den Zugang zu erlangen.

[2, 5, § 10] 90. Gleichwie in Gegentheil, wann ein Dritter zweier Herren Sachen zusammenfüget, in Ansehen seiner von keinem Zugang die Frage sein kann, noch weniger ihme das Eigenthum hieran erworben wird, sondern, wo sie absönderlich sind, behält ein jeder seine eigene Sache, deren Absönderung und Zurückstellung Beide von dem Zusammenfügenden mittelst der Eigenthumsklage anverlangen können.

[2, 5, § 10] 91. Da aber solche ohne merklicher Beschädigung nicht abgesönderet werden könnten, erwirbt Derjenige, dessen Sache von größeren Werth ist, das Eigenthum des Ganzen, doch ist er schuldig, dem Anderen den Werth der minderen Sache nach der gerichtlichen Schätzung herauszugeben.

[2, 5, § 10] 92. Der Zusammenfügende hingegen, wann er die Sachen fremd zu sein gewußt, ist über das in einem, wie dem anderen Fall nebst der nach Beschaffenheit der Gefährde sich zugezogenen Strafe verbunden, denenselben nicht allein allen erweislichen Schaden und entgangenen Nutzen, sondern auch, da die Sachen durch die Zusammenfügung schlechter worden, folglich den Eigenthümeren nicht mehr anständig wären, Einem wie dem Anderen den höchsten Preis, wie sie solchen nach eigener Neigung und Vorliebe eidlich schätzen werden, doch mit Vorbehalt der richterlichen Mäßigung für eines Jedweden Sache zu

erstatten.

[2, 5, § 10] 93. Zweitens ist erforderlich, daß das Beigefügte mit der anderen Sache, welcher es beigefüget worden, ein wahres Ganzes ausmache, welches aus zusammenhängenden mehreren Stücken besteht. Dahero ist es keine Beifügung, wann die Stücke für sich selbstständig und abgesönderet sind, als da ein fremdes Schaf unter eine Heerde gebracht würde, dessen Eigenthum dadurch nicht veränderet wird.

[2, 5, § 10] 94. Drittens, daß die Beifügung ohne Willen des Anderen und von dem Beifügenden ein seinen eigenen Namen und für sich selbst geschehe. Dann wo zweier Herren Sachen mit beider Einwilligung in Absicht auf eine Gemeinschaft zusammengefüget worden, so wird das Ganze zwischen ihnen gemein, und was in eines anderen Namen oder für einen Anderen beigefüget wird, gehöret demselben aus willkürlicher Uebertragung des Eigenthums zu.

[2, 5, § 10] 95. Viertens, daß die Wesenheit der zusammengefügten Sachen nicht vermischet, noch auch daraus eine neue Gestalt erzeuget werde, dann ersteren Falls ist es eine Zusammengießung oder Zusammenschmelzung, wovon in folgenden §. gehandlet wird.

[2, 5, § 10] 96. Und letzteren Falls zugleich eine Gestaltung, folglich eine zweifache Art des Zugangs, welche dem Gestaltenden wegen seines doppelten Anspruchs, wann der fremde Zeug nicht mehr in seine vorige Gestalt gebracht werden kann, das Eigenthum des Ganzen gegen Ersatz des Werths für den fremden Zug zueignet.

[2, 5, § 10] 97. Bei der mit vorerwähnten Erfordernussen versehenen Beifügung ist vornehmlich einerseits der gute oder üble Glauben des Beifügenden, und andererseits die Absönderlichkeit oder Unabsönderlichkeit der zusammengefügten Sachen in acht zu nehmen.

[2, 5, § 10] 98. Ist die Zusammenfügung mit guten Glauben geschehen, und können dieselbe füglich ohne merklicher Beschädigung von einander abgesönderet werden, so behält ein Jeder das Seinige, und kann Jener, der in Besitz des Ganzen ist, von dem Anderen zur Absönderung und Zuruckstellung mittelst der Eigenthumsklage verhalten


(2-90) werden, gleichwie dagegen der Inhabende, wann er von dem Anderen belanget wird, solche einwendungsweise selbst vorzunehmen berechtiget ist.

[2, 5, § 10] 99. Wo sie aber ohne beträchtlichen Schaden nicht abgesönderet werden könnten, erwirbt Jener, dessen Sache von größerem Werth ist, das Eigenthum des Ganzen, doch gegen deme, daß er dem Anderen den Werth dessen, um was seine Sache durch Beifügung der anderen verbesseret worden, nach der gerichtlichen Schätzung ersetze, deme bis dahin das Recht der Innenhaltung der in Handen habenden Sache zustehet.

[2, 5, § 10] 100. Wäre jedoch die Beifügung einer fremden Sache wissentlich, dass sie fremd seie, folglich mit üblen Glauben geschehen, so hat der Beifügende in ersteren Fall, wo die Sachen absönderlich sind, und also ein Jedweder das Seinige zurucknehmen kann, dem Anderen allen durch die Beifügung an seiner Sache verursachten erweislichen Schaden und erweislichen Nutzen zu vergüten.

[2, 5, § 10] 101. In dem zweiten Fall hingegen, wann die Sachen nicht mehr abgesönderet werden können, solle an Seiten des wissentlich Beifügenden kein Recht des Zugangs statthaben, sondern (die Sache des wissentlich Beifügenden möge kostbarer oder geringschätziger sein), allemal ohne Unterschied dem Anderen die Auswahl zustehen, ob er das Ganze dem wissentlich Beifügenden gegen Ablösung seiner Sache in dem höchsten Werth, wie er sich solche nach seiner eigenen Vorliebe und Anständigkeit, doch mit richterlicher Mäßigung schätzen wird, überlassen, oder ob er dasselbe gegen Erstattung des gemeinen Werths für das, um was seine Sache verbesseret worden, für sich behalten wolle.

[2, 5, § 10] 102. Wie es jedoch mit zweier Herren zusammengefügten Sachen zu halten seie, wann solche zu Handen eines Dritten gelangen, oder gar zu Grund gegangen oder verloren worden wären, ist nach deme zu entscheiden, was in vorigen §. num. 81-85 von Gestaltung eines fremden Zeugs in gleichen Fällen geordnet worden.

§. XI.

[2, 5, § 11] 103. Die Zusammengießung oder Zusammenschmelzung und die Vermengung unterscheiden sich nach ihrem Gegenstand, welcher bei jener in flüssigen oder flüssiggemachten, bei dieser aber in trockenen Sachen bestehet.

(2-91) [2, 5, § 11] 104. Beide kommen jedoch in deme überein, daß sie eine Art des Zugangs sind, wodurch zweier Herren flüssige oder trockene Sachen von gleicher oder unterschiedener Wesenheit dergestalten vermischet worden, daß sie zusammen ein ungetheiltes Ganzes ausmachen, welches bei flüssigen Dingen eine gleichförmige Wesenheit überkommet, bei trockenen aber nur in der Anhäufung verschiedener Theilen, welche ihre Wesenheit nicht änderen, bestehet.

[2, 5, § 11] 105. Als da zweier Herren Weine zusammengegossen, oder zweier Herren Erze zusammengeschmolzen, oder zweier Herren Getreid, Körner, Samenwerk, kleine von einander unkenntliche Thiere, oder auch durch Menschenhand verfertigte von einander nicht unterscheiden mögende Kleinigkeiten vermenget werden.

[2, 5, § 11] 106. Geschieht diese Vermischung mit beider Herren Willen, so wird daß Vermischte zwischen ihnen gemein, es möge durch die Vermischung eine neue Gestalt erzeuget werden oder nicht, und unangesehen beider Herren Zeug von einerlei oder verschiedener Art, und ob derselbe leicht absönderlich seie oder nicht.

[2, 5, § 11] 107. Wo aber zweier Herren Sachen mit beiderseitiger Einwilligung, sondern entweder durch Zufall, oder durch die That des Einen ohne Willen des Anderen vermischet worden wären, ist zu unterscheiden, ob solche von einander abgesönderet und geschieden werden können, oder nicht.

[2, 5, § 11] 108. Sind sie ohne Schaden abzusönderen, behält ein Jeder das Seinige, und ist dabei eben also zu verfahren, wie es oben in gleich vorhergehenden §., num. 98 und num. 100, von Zusammenfügung zweier Herren Sachen nach dem Unterschied des unterwaltenden guten oder üblen Glaubens gemeldet worden.

[2, 5, § 11] 109. Doch bleibet auch in dem Fall, wo der Vermischende nicht in üblen Glauben bestellet, jegleichwohlen aber aus seiner Schuld durch die Vermischung dem Anderen an dessen Sache ein Schaden widerfahren wäre, diesem wider jenen die Erholung seiner Entschädigung allzeit bevor.

[2, 5, § 11] 110. Wären in Gegentheil die vermischten Sachen unabsönderlich, so werden solche zwischen beiden Herren gemein, die Vermischung möge mit flüssigen oder trockenen Sachen geschehen sein, wann nur der Vermischende in guten Glauben ist, und von ihme keine neue Gestalt hervorgebracht werde, welche in die vorige nicht mehr verwandlet werden könnte, dann ansonst behält nach obiger Entscheidung in §. IX, num. 96, der Gestaltende das Ganze.

[2, 5, § 11] 111. Mit Demjenigen hingegen, welcher eine fremde Sache mit der seinigen wissentlich, folglich mit üblen Glauben vermischet, kann keine Gemeinschaft bestehen, sondern dem Anderen gebühret solchen Falls in der in vorigen §. num. 101 bestimmten Maß die Auswahl, ob er das Ganze ablösen, oder gegen seiner völligen Entschädigung dem Vermischenden überlassen wolle.

[2, 5, § 11] 112. Wo aber die vermischten Sachen zwischen beiden Herren gemein werden, hat deren Jedweder an dem Ganzen seinen Antheil entweder nach dem Verhältniß derjenigen Zahl, Maß und Gewichts, worinnen seine Sache vor der Vermischung bestanden, oder nach dem Verhältniß des Werths, welchen seine Sache vor der Vermischung gehabt, zu forderen, und stehet Jedwedem frei, nach Gefallen die Theilung des Ganzen anzubegehren.

[2, 5, § 11] 113. Das Verhältniß der vorigen Zahl, Maß und Gewichts, ist damahls zur Richtschnur der Theilung zu nehmen, wann die vermischten Sachen in ihrer vorigen

(2-92) Güte und Werth geblieben, und durch die Vermischung weder besser, noch schlechter worden, als da zweier Herren Sachen von einerlei Gattung, Güte und Werth vermischet würden.

[2, 5, § 11] 114. Welchen Falls sich beide Theile ohne Widererbe darmit zu begnügen haben, wann ein Jedweder das Seinige in der nämlichen Güte und Werth wie es vor der Vermischung gewesen, nach dem Verhältniß der ehehinigen Zahl, Maß und Gewichts zuruckerhält, obschon wegen des etwanigen Abgangs an dem Betrag dem Einen wider dem Anderen, aus dessen Schuld die Vermischung geschehen, seine Schadenserholung bevorstehet.

[2, 5, § 11] 115. Daferne aber die vermischten Sachen durch die Vermischung ihre natürliche Beschaffenheit geänderet hätten, und eine andurch besser, die andere schlechter worden, als da alter mit jungen Wein, oder Weizen mit Korn vermischet worden wäre, und dahero bei der Theilung nach dem Verhältniß der vorigen Zahl, Maß und Gewichts eine merkliche Ungleichheit ausfiele, also, daß der Eine mehr, der andere weniger als er vor der Vermischung gehabt, erhielte, folglich einer mit Schaden des Anderen bereicheret, oder durch die That des Anderen in Schaden versetzet würde, so ist die Ausgleichung nach dem Verhältniß des vor der Vermischung gehabten Werths einer jedweden Sache vorzunehmen.

[2, 5, § 11] 116. Zu diesem End solle sowohl das Ganze als eines Jedweden Sache insonderheit, was sie vor der Vermischung gegolten, gerichtlich geschätzet, und dem Einem, dessen Sache vor der Vermischung von größeren Werth war, das Ganze, dem Anderen aber, dessen Sache geringschätziger gewesen, so viel, als nach Maß der vor der Vermischung gehabten Werths seiner Sache von dem jetzigen Werth des Ganzen auf seinen Antheil ausfallet, zugesprochen werden, welches der Erstere ihme herauszugeben hat.

[2, 5, § 11] 117. Wäre jedoch die Vermischung aus Schuld des Einen ohne Willen des Anderen geschehen, und der auf diesen letzteren ausgefallene Antheil erreichete den Werth seiner Sache nicht, welchen sie vor der Vermischung gehabt, so kann er sich noch allezeit wegen seines Abgangs an den Vermischenden halten.

[2, 5, § 11] 118. Gleichwie er dann auch in dem Fall, wo ihme das Ganze zufiele, dem Vermischenden für dessen Antheil nur Dasjenige zu ersetzen hat, um was seine Sache durch die Vermischung mit der anderen verbesseret worden, ohne Rucksicht auf den vorigen Werth der zugemischten Sache des Anderen, oder, da seine Sache durch Vermischung mit der anderen schlechter worden wäre, kann er noch über Erhaltung des Ganzen an dem Vermischenden seine Entschädigung ansuchen.

[2, 5, § 11] 119. Von der aus der Vermischung entstehenden Gemeinschaft ist jedoch der Fall auszunehmen, wann Jemand seine mit einer fremden Barschaft vermischet ; dann die Summe wird deshalben nicht gemein, sondern sie wird dem Vermischenden erworben, weilen bei dem baaren Geld in Handel und Wandel nicht so viel auf dessen Wesenheit, als auf dessen Werth gesehen wird, welchen der Vermischende dem Anderen für den vermischten Betrag zu erstatten in alle Wege verbunden bleibet.

[2, 5, § 11] 120. Uebrigens hat in dem Fall, wann zweier Herren vermischte Sachen an einen Dritten gelangen, oder gar untergangen, alles Dasjenige statt, was oben in §. IX von der Gestaltung eines fremden Zeugs in gleichen Fällen vorgesehen ist.

§. XII.

[2, 5, § 12] 121. Der Einbau ist eine Art des Zugangs, wann auf eines Anderen Grund und Boden von eines Anderen Bauzeug ein Gebäude aufgeführet wird.

(2-93) [2, 5, § 12] 122. Dieses kann auf dreierlei Art geschehen, als erstens, da Jemand von fremden Zeug auf seinen eigenen Grund und Boden bauet, zweitens, da eigener Zeug in fremden Boden eingebauet, und endlich drittens, wann ein Dritter mit fremden Zeug auf fremden Grund und Boden bauet.

[2, 5, § 12] 123. In allen diesen Fällen gehet Grund und Boden dem Herren des Bauzeugs niemalen, wohl aber der Bauzeug dem Herrn des Grund und Bodens zu, welchen, solange das Gebäude bestehet, weder der vorige Herr zuruckckzuforderen berechtiget, noch der Herr des Grunds, wann solcher ohne Beschädigung des Gebäudes nicht füglich davon abgesönderet werden kann, herauszunehmen schuldig ist.

[2, 5, § 12] 124. Dann das Recht des Bodens erstrecket sich nicht allein auf jenes, was aus dem Grund und Boden selbst seinen Ursprung und Anwachs hat, als Bäume, Pflanzen, Staaten, wovon in zweiten Artikel gehandlet worden, sondern auch auf Alles, was in den Grund und Boden eingebauet wird, und also darauf unbeweglich ruhet, daß es ohne seiner Vernichtung von dannen nicht verrucket werden kann.

[2, 5, § 12] 125. Es verstehet sich dahero diese Art des Zugangs nur von unbeweglichen Gebäuden, welche mit dem Grund unmittelbar oder mittelbar durch Pfeiler, Bögen, Pfähle oder Pürsten zusammenhangen, nicht aber von beweglichen Gebäuden, die mit dem Grund keinen Zusammenhang haben, sondern ohne Verletzung von einem Ort an das andere übertragen werden mögen.

(2-94) [2, 5, § 12] 126. Was demnach auf Jemandens Grund und Boden erbauet wird, gehöret ihme aus dem Recht des Zugangs zu. Nur die Forderungen wegen des Bauzeugs an dem Herrn des Grunds sind nach dem Unterschied obiger drei Fällen unterschieden.

[2, 5, § 12] 127. In dem ersten Fall, wann Jemand von fremden Zeug auf seinen eigenen Grund und Boden bauet, ist derselbe schuldig, dem Herrn des Zeugs, wann er es mit guten Glauben, daß der Bauzeug sein Eigen seie, gethan, den gemeinen Werth desselben, wo er aber den Bauzeug fremd zu sein gewußt hätte, den höchsten Werth nach dessen eigener Vorliebe und eidlichen Schätzung, doch mit richterlicher Mäßigung, sammt allen verursachten Schäden und Unkosten zu erstatten.

[2, 5, § 12] 128. Wäre aber das Gebäude, noch ehe und bevor der Herr des Bauzeugs den Werth dafür empfangen, über kurz oder lang anwiederum niedergerissen worden oder eingefallen, hat derselbe sodann Fug und Macht, seinen erweislichen Bauzeug, wann ihme solcher anständiger als dessen Werth ist, zuruckzunehmen, worwieder der Herr des Grund und Bodens sich mit keiner Verjährung schützen kann.

§. XIII.

[2, 5, § 13] 129. In dem zweiten umgekehrten Fall, wann Jemand aus seinen Bauzeug auf fremden Grund und Boden ein Gebäude aufführet, ist zu unterscheiden, ob er in Meinung, daß Grund und Boden sein Eigen seie, folglich mit guten Glauben oder wissentlich, daß Grund und Boden fremd seie, ohne ein Recht zu dessen Benutzung zu haben, das Gebäude darauf errichtet habe.

[2, 5, § 13] 130. Ware derselbe in guten Glauben bestellet, oder hätte ein Recht zur Benutzung oder Innehabung des Grunds gehabt, so ist der Eigenthümer des Grunds schuldig, ihme für die nothwendige Gebäude den erweislichen Aufwand, und für die nutzliche den Werth nach Maß des daraus zugehenden Nutzens unweigerlich zu vergüten, bei lustbringenden Gebäuden hingegen deren Hinwegnehmung, wann solche ohne Schaden des Grunds geschehen kann, ohngehindert zu verstatten.

[2, 5, § 13] 131. Würde jedoch das Gebäude, ehe der Bauführer den Werth dafür erhalten, anwiederum zerstöret, kann dieser ebenso, wie in dem ersten Fall oben gemeldet worden, seinen Bauzeug zurucknehmen.

[2, 5, § 13] 132. Hätte hingegen Jemand wissentlich auf fremden Grund und Boden, ohne zu dessen Benutzung ein Recht zu haben, aus seinem Bauzeug ein Gebäude aufgeführet, kann derselbe lediglich den erweislichen Aufwand auf die nothwendige Gebäude von den dem Eigenthümer zuruckzustellen habenden Nutzung sich abziehen und zuruckhalten.

[2, 5, § 13] 133. Wo er aber keine von ihme erhobene Nutzungen herauszugeben hätte, ist derselbe so wenig für die nothwendige als nutzliche, oder lustbringende Gebäude eine Forderung zu stellen befugt.

[2, 5, § 13] 134. In Gegentheil bleibet er dem Herrn des Grunds für allen durch das errichtete Gebäude etwan an dem Grund zugefügten Schaden oder entgangenen Nutzen verfänglich. Doch ist ihme ohnverwehret Dasjenige, was sich davon ohne Schaden des Grunds absönderen lasset, hinwegzunehmen.

§. XIV.

[2, 5, § 14] 135. In dem dritten Fall, wo Jemand aus fremden Zeug auf fremden Grund und Boden ein Gebäude aufführet, erwirbt zwar der Eigenthümer des Grunds sowohl den Bauzeug, als das davon errichtete Gebäude.

[2, 5, § 14] 136. Der Herr des Bauzeugs hingegen ist berechtiget, den Werth für seinen eigenen Bauzeug von dem Bauführer anzuforderen, und da er von ihme nicht zur Entschädigung gelangen könnte, stehet demselben frei, den Herrn des Grunds, wann das Gebäu nothwendig oder nutzlich, oder ihme sonst anständig ist, hierum zu

(2-95) belangen, oder auch, da das Gebäude vor Erhaltung des Werths zerstöret würde, seinen Bauzeug wieder zuruckzunehmen.

[2, 5, § 14] 137. Der Bauführer aber kann die Bauunkosten von dem Herrn des Grunds nur in derjenigen Maß zuruckforderen, wie es oben in vorigen §. von Einbauung seines eigenen Zeugs in fremden Boden nach dem Unterschied des guten oder üblen Glaubens geordnet worden.

[2, 5, § 14] 138. Doch ist Niemand verwehret, wer ein Gebäude auf fremden Grund aufgeführet, solange er in Besitz des Grunds ist, solches nach allen seinen Theilen ab- und anderwärtshin zu übertragen, wann er es mit Nutzen oder Anständigkeit an einem anderen Ort wieder aufrichten kann und die gemeinwesige Absicht auf Erhaltung der Gebäuden nicht entgegen stehet.

[2, 5, § 14] 139. Wäre er aber nicht mehr in Besitz des Grunds, so kann derselbe nur damals die Ab- und Uebertragung des Gebäudes anbegehren, wann der Herr des Grunds ihme solches nach der obigen Ausmessung nicht ablösen will.

[2, 5, § 14] 140. Gleichwie dagegen der Herr des Grunds ein aus fremden Zeug auf seinem Grund aufgeführtes Gebäude, wann ihme solches unnütz oder ungelegen ist, wider Willen zu behalten keinerdings schuldig, sondern vielmehr berechtiget ist, den Bauführer darzu anzuhalten, damit er das Gebäu abtrage, den Bauzeug und Schutt auf seine Unkosten hinwegführe, und überhaupt den Boden also raume und wieder herstelle, wie er zuvor gewesen ist.

§. XV.

[2, 5, § 15] 141. Nicht weniger ist die Beschreibung fremden Papiers und Bemalung fremden Zeugs eine Art des Zugangs, wodurch insgemein das Beschriebene oder Bemalte Demjenigen erworben wird, welcher es beschrieben oder bemalet hat, oder von jemand Anderen für sich beschreiben und bemalen lassen.

[2, 5, § 15] 142. Dieses verstehet sich jedoch nur von Beschreibung fremden Papiers und Pergaments, dann von Bemalung solcher Dinge, welche, da sie beschrieben oder bemalet sind, dem Eigenthümer zu einem anderweiten Gebrauch nichts oder doch weniger, als dem Schreiber oder Maler nutzen würden, nicht aber auch von solchen Schriften und Malereien, welche leichtlich und ohne Schaden des Schreibers oder Malers anwiederum vermischet und ausgebracht werden können.

[2, 5, § 15] 143. Eben so wenig erstrecket sich dieser Zugang auf die Beschreibung oder Bemalung unbeweglicher oder auch solcher beweglicher Sachen, die ihrem ordentlichen Gebrauch nach nicht darzu gewidmet sind, auf daß darauf geschrieben oder gemalet werde, sondern ohnerachtet sie beschrieben oder bemalet sind, jegleichwohlen

(96) ihren Werth und den Gebrauch, worzu sie bestimmet sind, behalten, folglich ihren Eigenthümeren nach wie vor verbleiben.

[2, 5, § 15] 144. Wann demnach das Beschriebene oder Bemalte der Schrift oder Malerei zugehet, hat der Schreiber oder Maler dem Eigenthümer des Zeugs den nach dem oft wiederholten Unterschied seines guten oder üblen Glaubens abgemessenen Werth dafür zu ersetzen.

[2, 5, § 15] 145. Dahingegen, wo die Schrift oder das Gemälde dem Eigenthümer des Zeugs zugehet, hat dieser dem Schreiber oder Maler nur in jenem Fall eine Vergütung zu leisten, wann ihme ein wirklicher Nutzen daraus zukommet, und der Schreiber oder Maler in guten Glauben bestellet ist, widrigens hat er nicht nur nichts dafür zu erstatten, sondern er kann noch über das den Ersatz des an seiner Sache durch die Beschreibung oder Bemalung zugefügten erweislichen Schadens von dem Anderen anforderen.

§. XVI.

[2, 5, § 16] 146. Alle bishero erklärte Arten des Zugangs wirken die Erwerbung des Eigenthums wegen der eigenen Sache, welcher eine andere zuwachset oder zugehet, es ist aber noch eine andere Art des Zugangs auch wegen eines fremden, mit guten Glauben besitzenden Guts, welcher die davon abfallende Früchten und Nutzungen dem Besitzer zueignet, aus was immer für einer Erzeugung, es seie von der Natur oder menschlichen Fleiß allein, oder von beiden zusammen, dieselbe herrühren.

[2, 5, § 16] 147. Dann allen Nutzen und Vortheil, welchen sonst ein wahrer Eigenthümer aus dem Eigenthum seiner Sache beziehet, giebt auch der gute Glauben dem Besitzer einer fremden Sache, solange er in guten Glauben bestellet ist.

[2, 5, § 16] 148. Gleichwie dahero ein wahrer Eigenthümer alle von seiner Sache oder wegen derselben herkommenden Früchten und Nutzungen aus dem Recht des Eigenthums sich eigen machet, also erwirbt solche nicht weniger der Besitzer mit guten Glauben aus einem fremden Gut, welches er ungezweiflet für das seinige hält.

[2, 5, § 16] 149. Die Früchten und Nutzungen bestehen in aller Nutzbarkeit, welche von einer Sache abfällt oder wegen derselben eingehet, und sind dreierlei, als eine, welche selbst von der Natur entweder ohne aller menschlicher Zuthat, oder doch ohne Mitwirkung eines sonderbaren Fleißes hervorgebracht werden, als die Wolle auf den Schafen, das Kalb von der Kuhe, das Obst auf den Bäumen.

[2, 5, § 16] 150. Die anderen, deren Erzeugung beides, nämlich sowohl die Wirksamkeit der Natur, als die Anwendung menschlichen Fleißes und Zuthat, als die Beurbarung, den Anbau oder die Pflanzung erforderet, wie da sind das Getreid, der

(2-97) Wein und allerhand andere Gewächse, die durch Menschenhände angebauet, gepflanzet und gezüglet werden.

[2, 5, § 16] 151. Die dritten, woran die Wirkung der Natur gar keinen Theil hat, sonder der alleinige menschliche Fleiß und Witz, wie immer Jemand sich wegen seiner Sache aus den darüber eingegangenen Handlungen einen Nutzen und Gewinn zu verschaffen weiß, von dieser Art sind Bestandzinse, Pachtgelder und dergleichen.

[2, 5, § 16] 152. Alle drei Gattungen sind entweder noch hangend und ausständig, solange die zwei ersteren noch mit dem Grund zusammenhangen, und letztere noch nicht eingegangen oder schon abgesönderet und eingehoben, obschon sie noch nicht eingesammlet oder hinweggeführet worden, als das geschnittene Getreid auf dem Felde, das abgemähte Gras auf der Wiesen, oder aus Schuld des Besitzers nicht mehr einbringlich, welche er jegleichwohlen auf redliche Weise hätte einbringen können.

[2, 5, § 16] 153. Die eingehobenen Früchten und Nutzungen sind entweder noch vorhanden, oder schon verthan oder verzehret, es seie durch den selbsteigenen Gebrauch und Genuß, oder durch die Veräußerung an jemand Anderen.

[2, 5, § 16] 154. Die Früchten und Nutzungen sind, solange sie mit demjenigen Ding, woraus selbe erzeuget werden, zusammenhangen, ein Theil, und da sie auch davon abgesönderet worden, noch eine natürliche Folge desselben, mithin gehören sie auch dem Eigenthümer des Guts zu, wann kein Anderer ein Recht darzu hat, welches Jemand auf zweierlei Art überkommen kann, als entweder mit Willen des Eigenthümers, oder ohne demselben aus dem Recht des mit guten Glauben erlangten Besitzes.

[2, 5, § 16] 155. In dem ersteren Fall bedarf es keines Zugangs, weilen das Eigenthum der Nutzungen aus willkürlicher Ueberlassung des Eigenthümers erworben wird, wovon, insoweit als die Benutzung der Sache die Wirkung eines hieran mit Willen des Eigenthümers bestellten dinglichen Rechts ist, in diesem zweiten Theil jeden Orts bei Erklärung derlei dinglicher Rechten, und insoweit als solche Jemanden aus Verträgen und Vergleichen zustehet, in dem dritten Theil gehandlet wird.

[2, 5, § 16] 156. In Gegentheil wirket in dem zweiten Fall zwar das Besitzrecht die Befugnuß die mit guten Glauben besitzende fremde Sache nicht weniger, als die seinige zu benutzen; das Eigenthum aber an den eingehobenen Früchten und Nutzungen giebt dem Besitzer sein guter Glauben aus dem Recht des Zugangs, doch nur insolange, als der gute Glauben seinerseits fürwähret, und der wahre Eigenthümer nicht hervorkommet, weilen diese Art des Zugangs sich einzig und allein auf dem guten Glaubendes Besitzers gründet.

[2, 5, § 16] 157. Sobald dahero, als der gute Glauben ermanglet, höret auch dieser Zugang auf, welcher jedoch so viel gewirket, daß der Besitzer mit guten Glauben die bis zur Hervorkommung des wahren Eigenthümers schon verthane oder verzehrte Nutzungen sich unwiderruflich und dergestalten eigen gemacht habe, daß er dem Eigenthümer nichts dafür zu ersetzen schuldig seie, wann gleich erweislich wäre, daß er andurch bereicheret seie.

[2, 5, § 16] 158. Dahingegen wird bei den wiewohlen von ihme mit guten Glauben eingehobenen, doch aber zur Zeit, als derselbe von dem Eigenthümer um die Zuruckstellung der Sache mit ihren Nutzungen gerichtlich belanget, folglich in üblen Glauben versetzet wird, noch vorhandenen Nutzungen seinerseits das Eigenthum anwiederum aufgelöset, welche als ein Theil und natürliche Folge der Hauptsache dem Eigenthümer zuruckgegeben werden müssen.

[2, 5, § 16] 159. Es wäre dann, daß die eingehobene Früchten und Nutzungen sich bei dem Besitzer mit guten Glauben von Zeit deren Einhebung noch vor dessen gerichtlicher Belangung durch die unten in neunten Capitel für die bewegliche

(2-98) Sachen ausgemessene Verjährungszeit verjähret hätten, welchen Falls derselbe auch die obschon noch vorhandene, doch solchergestalten Nutzungen aus dem Recht der Verjährung erwirbt.

[2, 5, § 16] 160. Umsoweniger aber hat diese Art des Zugangs bei dem Besitzer mit üblen Glauben statt, sondern derselbe ist alle Früchten und Nutzungen, sie mögen hangend oder eingehoben, noch vorhändig oder schon verthan sein, dem Eigenthümer zuruckzustellen, und den Werth für die verzehrten sowohl, als jene, welche er aus seiner Schuld einzubringen unterlassen, zu ersetzen schuldig, wie alles dieses schon oben in dritten Capitel §. III von num. 82 bis 89 mit Mehreren ausgeführet worden.

Caput VI.

Von willkürlicher Uebertragung des Eigenthums, und insonderheit von der Uebergabe.

Inhalt:

§. I. Von verschiedenen Arten der Uebergabe. §. II. Von Fähigkeit der Uebergebenden und Erwerbenden. §. III. Von Erfordernussen zur rechtmäßigen Uebergabe. §. IV. Von Bewirkungen der Uebergabe.

§. I.

[2, 6, § 1] Num. 1. Die dritte Erwerbungsart des Eigenthums ist dessen willkürliche Uebertragung von Einem auf den Anderen durch Uebergaben und Schankungen. Von Ersteren wird in gegenwärtigen, von Anderen aber in dem gleich nachfolgenden Capitel gehandlet.

[2, 6, § 1] 2. Nicht eine jedwede bloße Uebergabe einer Sache übertraget das Eigenthum, sondern nur jene, welche aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache geschieht, und in diesem Verstand ist sie eine Handlung zweier Personen, wodurch das Eigenthum der Sache aus einer rechtmäßigen und zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache von dem Einen übertragen und von dem Anderen übernommen wird.

[2, 6, § 1] 3. Diese Uebergabe bestehet demnach in leiblicher Ueberlieferung der Sache an Seiten des einen, und in leiblicher Ergreifung und Annehmung an Seiten des anderen Theils, wannenhero dieselbe auch nur bei körperlichen Dingen, welche gesehen und gegriffen werden mögen, geschehen kann.

[2, 6, § 1] 4. Unkörperliche Dinge hingegen, als Rechten und Gerechtigkeiten, woferne

(2-97) sie nicht körperlichen Sachen ankleben und mit denenselben übergeben werden, können für sich allein aus Mangel sichtlicher Anzeige und leiblicher Berührung eigentlich nicht übergeben werden, sondern diese werden an eigenen Sachen durch den Gebrauch des Einen und Duldung des Anderen bestellet, und an fremden Sachen durch Verzicht und Begebung dessen, deme sie gebühren, abgetreten.

[2, 6, § 1] 5. Doch also und dergestalten, daß, wo die Bestellung und Abtretung auf liegenden Gütern

haltende Rechte betrifft, solche nicht anderst, als mittelst der Einverleibung in die Landtafel, Stadt- und Grundbücher, worinnen das behaften wollende, oder schon behaftende Gut inlieget, auf die oben Capitel II, §. I, num.13 bemerkte Weis geschehen kann.

[2, 6, § 1] 6. Aber auch nicht bei allen körperlichen Dingen ohne Unterschied wirket die Uebergabe, wann selbe gleich aus einer darzu hinlänglichen Ursach geschieht, allemal die Uebertragung des Eigenthums, sondern nur bei beweglichen Sachen allein.

[2, 6, § 1] 7. Wohingegen bei unbeweglichen Sachen über das erforderet wird, daß die Uebertragungsursache in die Landtafel, Stadt- und Grundbücher da, wo das übergeben wollende Gut inlieget, auf dasselbe einverleibet werde, ohne welcher Einverleibung durch die Uebergabe nichts, als bloß der natürliche Besitz des Guts auf den Anderen übertragen werden kann.

[2, 6, § 1] 8. Die Uebergaben geschehen auf mehrerlei Weis, als entweder durch wesentliche und leibliche Ueberlieferung, oder durch gleichgiltige Arten, welche mit beiderseitiger Einverständnuß und Absicht auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtet sind, und eben dahero die nämliche Wirkung, wie die wahre Uebergabe haben.

[2, 6, § 1] 9. Auf erstere Weis erden bewegliche Sachen aus einer Hand in die andere, unbewegliche aber dadurch übergeben, wann Einer den Anderen darein einführet, ihme deren Theile ausweiset, aus dem Besitz weichet, und dem Anderen die Macht, den Besitz davon zu nehmen, einraumet, welchen Derselbe übernimmt, und in Ganzen oder in seinen Theilen ausübet.

[2, 6, § 1] 10. Durch gleichgiltige Arten kann die Uebergabe vollzogen werden, wann aus einer That oder sonstigen Kennzeichen der ungezweiflete Willen an Seiten des Einen, daß er die Sache übergeben wolle, und an Seiten des Anderen, daß er solche übernehmen wolle, geschlossen werden mag.

[2, 6, § 1] 11. Dergleichen Arten der Uebergabe sind dreierlei, dann entweder geschieht solche mit langer Hand oder mit kurzer Hand, oder durch Kennzeichen.

[2, 6, § 1] 12. Mit langer Hand wird die Uebergabe vollzogen, wann entweder die zu übergeben kommende Sache mit dem Willen und Absicht des Einen solche zu übergeben, und des Anderen dieselbe zu übernehmen, in Gegenwart vor Augen geleget und ausgewiesen, oder von dem Einen gestattet wird, daß der Andere die an einen gewissen Ort befindliche oder hinterlegte Sache ergreifen und übernehmen möge.

[2, 6, § 1] 13. Also, da Jemand dem Anderen, der ihme eine Sache zu übergeben hat, schaffete, solche an ein gewisses Ort hinzulegen, ist die Uebergabe an Seiten dessen, der sie zu übergeben gehabt, durch deren Hinterlegung an das ihme angewiesene Ort vollzogen, und dieser von seiner Verbindlichkeit ohne weiters entlediget.

[2, 6, § 1] 14. Der Besitz aber an Seiten des Uebernehmenden kann bei einer ihme mit langer Hand übergebenen Sache anderer gestalt nicht erworben werden, als wann entweder in seiner Gegenwart oder eines Anderen in seinen Namen die Sache hingeleget wird, oder wo die übergebene Sache nicht an Ort und Stelle gegenwärtig wäre, deren leibliche Ergreifung oder doch eine derselben gleichkommende That, als da ist die Auszeichnung, Versieglung oder Bewahrung hinzustoßet.

[2, 6, § 1] 15. Mit kurzer Hand geschieht die Uebergabe, wann zu Vermeidung mehreren Umschweifs die zu Uebertragung des Eigenthums sonst erforderliche wechselweise

(2-100) Uebergaben in dem Verstand Rechtens aus beiderseitiger Einwilligung für vollzogen geachtet werden.

[2, 6, § 1] 16. Diese Art kann also nur in jenen Fällen statthaben, wo die zu übergeben habende Sache entweder schon vorhero sich in Handen Desjenigen, deme sie jetzt eigenthumlich zu übergeben wäre, aus einer anderen zu Uebertragung des Eigenthums für sich nicht hinlänglichen Ursache befindet, oder in Handen Desjenigen, der sie an den Anderen zu übergeben hätte, belassen wird, um solche von nun an nicht mehr in seinem, sondern in des Anderen Namen zu besitzen.

[2, 6, § 1] 17. Also, da eine bei Jemanden hinterlegte, oder ihme geliehene oder vermiethete Sache demselben nachhero verkaufet oder geschenket würde, bedarf es keiner neuen Uebergabe, sondern die Sache wird ihme eigenthumlich erworben, sobald der Andere seinen Willen erkläret, daß er solche als sein Eigen behalten möge, und in dem Verstand Rechtens dafürgehalten, als ob ihme die Sache zu seinem Eigenthum leiblich übergeben worden wäre.

[2, 6, § 1] 18. Gleichergestalten, da der Verkaufer die verkaufte Sache von dem Kaufer pachtet, miethet oder entlehnet, und solche ihme also in Handen gelassen wird, daß er sie nicht in seinem, sondern des Kaufers Namen besitzen und inhaben solle, wird nach dem rechtlichen Verstand dafür geachtet, als ob die verkaufte Sache dem Kaufer leiblich übergeben worden wäre, obschon solche nicht aus Handen des Verkaufers gekommen ist.

[2, 6, § 1] 19. Durch diese letztere Art der Uebergabe wird entweder das Eigenthum sammt dem Besitz, wann eine zu Uebertragung des Eigenthums zureichende Ursach unterwaltet, oder auch nur der Besitz allein übertragen, in welchem Fall diese Handlung eigentlich eine Bestellung des Besitzrechts heißet, deren Wirkungen unten in vierundzwanzigsten Capitel von dem Recht des Besitzes beschrieben werden.

[2, 6, § 1] 20. Durch Kennzeichen geschieht die Uebergabe, wann Jemand dem Anderen ein Zeichen giebt, wodurch die ihme zu übergebende Sache angedeutet, und von diesem auch dafür angenommen wird, als da sind die Schlüssel von einem Haus, Speicher oder Keller, oder, da er dem Anderen verstattet, die Sache als die seinige zu versieglen, zu bezeichnen oder zu deren Bewahrung eine Wache darzu zu stellen, und er Andere sich dieser Verstattung gebrauchet.

[2, 6, § 1] 21. Jene Versieglung oder Auszeichnung dahero, welche vor geschlossenen Kauf in Absicht und zu dem Ende geschieht, damit die in Kauf stehende Sache nicht verwechslet werde, ist noch keine Uebergabe, weilen es zur Zeit sowohl an dem Willen, als an der Ursache das Eigenthum zu übertragen gebricht.

[2, 6, § 1] 22. Dahingegen kann die Aushändigung der eine Sache betreffenden Kaufbriefen oder anderen Urkunden, welche die Erwerbungsursache, woraus die Sache auf den Uebergebenden gediehen, enthalten, wann sie in Absicht das Eigenthum zu übertragen geschieht, nur damals ein Kennzeichen der vollzogenen Uebergabe sein, wann es um bewegliche Sachen zu thun ist; bei liegenden Gütern aber kann so wenig diese gleichgiltige, als die wahre leibliche Uebergabe ohne landtäflicher, stadt= oder grundbücherlicher Einverleibung die Uebertragung des Eigenthums bewirken.

§. II.

[2, 6, § 2] 23. Die Uebergabe möge durch leibliche Ueberlieferung, oder durch gleichgiltige Arten geschehen, so wird doch allemal so an Seiten des Uebergebenden

(2-101) der Willen und die Macht das Eigenthum zu übertragen, wie an Seiten des Uebernehmenden solches zu erwerben erforderet.

[2, 6, § 2] 24. Beiderseitige Fähigkeit ist allschon oben in dritten Capitel, und zwar des Erwerbenden in §. II, von num. 16 bis 19, und jene des Uebertragenden oder Veräußerenden in §. III, von num. 32 bis 40 erkläret worden.

[2, 6, § 2] 25. Doch ist die persönliche Gegenwart des Uebergebenden und Uebernehmenden nicht nothwendig, sondern sowohl die Uebergabe als Uebernahme kann auch mit ihren Willen und in ihren Namen durch Andere geschehen, wann ihr Willen entweder vorher durch genugsame Gewalt und Vollmacht, oder darnach durch erfolgte Gutheißung erkläret wird.

[2, 6, § 2] 26. Es ist auch die Uebergabe nichtsdestoweniger rechtskräftig, wann gleich die Person dessen, an den das Eigenthum einer Sache übertragen wird, zur Zeit, da sich Jemand in der Absicht solche einem Anderen zuzuwenden derselben entäußeret, noch nicht gewiß und bestimmet ist, woferne nur der Willen des Uebergebenden ungezweiflet ist, und die Annehmung und Einwilligung des Anderen nachhero beitritt, als da Jemand Geld, Eßwaaren u. dgl. unter das Volk wirft.

§. III.

[2, 6, § 3] 27. Außer der Fähigkeit des Uebergebenden und Uebernehmenden müssen zur Rechtsgiltigkeit der Uebergabe noch folgende Erfordernussen theils an Seiten des Uebergebers, theils an Seiten des Uebernehmers, Theils in Ansehen der Sache selbst, und theils in Ansehen der Ursache, aus welcher die Uebergabe geschieht, beitreten.

[2, 6, § 3] 28. An Seiten des Uebergebers wird erforderet, daß er Eigenthümer der Sache seie, dann Niemand kann ein mehreres Recht, als er selbst hat, auf einen Anderen übertragen, und da unten in achten Capitel geordnet wird, daß Jemand auch eine fremde Sache, die er auf redliche Weise mit guten Glauben an sich gebracht, erwerben möge, so geschieht doch solchen Falls die Uebertragung des Eigenthums nicht aus Wirkung der Uebergabe, sondern aus Macht und Gewalt Rechtens.

[2, 6, § 3] 29. An Seiten dessen, deme etwas übergeben wird, ist die Erklärung seiner freien, ungezwungenen, und von aller Gewalt, Forcht, List und Irrthum entferneten Einwilligung in die Annehmung der Sache erforderlich; wider Willen aber kann Niemanden etwas erworben werden, wann auch die Erwerbung seinerseits bloß gewinnstig wäre, folglich umsoweniger, da solche aus einer entgeltlichen Ursache zu geschehen hätte.

[2, 6, § 3] 30. Die Sache, welche übergeben werden will, muß körperlich, handelbar,

(2-102) und weder durch ihre Eigenschaft, noch sonst außer Handel und Wandel gesetzet, noch minder mit einem Verbot, daß sie überhaupt, oder wenigstens von deme, der sie an einen Anderen zu übertragen Willens ist, nicht veräußeret, oder auch von Demjenigen, deme sie übergeben werden will, nicht erworben werden dürfe, beschaffet sein.

[2, 6, § 3] 31. Sie muß auch ferners von dem rechtlichen Besitz eines Anderen ledig sein, und wer aus dem rechtlichen Besitz seiner Sache gesetzet ist, kann solche bis zu dessen Habhaftwerdung an niemanden Anderen durch Uebergabe übertragen, wohl aber sein hieran habendes Eigenthumsrecht abtreten, dahingegen hinderet der natürliche Besitz oder die bloße Innenhabung eines Anderen die Uebergabe der Sache nicht, wann der Eigenthümer in deren rechtlichen Besitz befindlich ist, also kann die einem Dritten geliehene, vermiethete oder verpfändete Sache dessen ohnerachtet an den Anderen eigenthumlich durch Uebergabe übertragen werden.

[2, 6, § 3] 32. Die Ursache, aus welcher die Uebergabe geschieht, muß rechtmäßig und zur Uebertragung des Eigenthums hinlänglich sein. Alle Ursachen sind rechtmäßig, welche durch Unsere Gesatze nicht verboten sind; jene aber nur zur Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, welche aus Absicht der Handlung und Einwilligung der Contrahenten darauf gerichtet sind.

[2, 6, § 3] 33. Von dieser Art sind Verkäufe, Tausche, Darlehen, Schankungen, Theilungen, Zahlungen, Hinlassung an Zahlungsstatt, Verträge und Vergleiche, Urtheile und Rechtssprüche, und andere Handlungen, die entweder ihrer Natur nach oder nach der Gesinnung und Absicht der Contrahenten ohne Uebertragung des Eigenthums nicht geschlossen oder vollbracht werden können.

[2, 6, § 3] 34. Nicht aber auch eine Vermiethung, Leihung zum Gebrauch, Hinterlegung zu getreuen Handen, Verpfändung, Bestellung der Nutznießung oder sonstigen Dienstbarkeit, Vergünstigung einer Sache auf Willkür und derlei Handlungen, wodurch man Willens ist, nur den Gebrauch, die Verwahrung, die Sicherheit, oder ein anderes von dem Eigenthum ganz unterschiedenes dingliches Recht an Jemanden zu übertragen.

[2, 6, § 3] 35. Ist nun die Ursache zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, so müssen auch Beide, sowohl der Uebergeber als Uebernehmer darein willigen, also zwar, daß, aus welcher Ursache von dem Einem die Sache übergeben wird, aus eben derselben Ursache solche von dem Anderen übernommen und erworben werden wolle.

[2, 6, § 3] 36. Doch ist der Unterschied zwischen den Handlungen, wodurch eine vorhin bestandene Verbindlichkeit aufgehoben, und zwischen jenen, wodurch solche eingegangen wird, oder welche aus bloßer Freigebigkeit ohne einer hierzu verpflichtenden Ursache herrühren, dabei wohl in acht zu nehmen.

[2, 6, § 3] 37. Bei ersteren, welche auf die Auflösung der Verbindlichkeit gerichtet sind, als Zahlungen oder Annehmung an Zahlungsstatt, ist die beiderseitige Uebereinstimmung des Uebergebers und Uebernehmers in die nämliche Ursache nicht nothwendig, sondern, obgleich der Uebergeber die Zahlung aus einer anderen Ursache leistet, und der Uebernehmer solche aus einer anderen annimmt, bestehet gleichwohl die Uebergabe, und wirket die Uebertragung des Eigenthums, wann nur die ein- oder anderseitige Ursache wahrhaft und so beschaffen ist, daß daraus die übergebene Sache und so viel, als gegeben worden, gebühret habe, obgleich die andere irrig vermeinet gewesen wäre, dann ansonst, wo keinerseits eine wahre Ursache unterwaltete, kann das aus Irrthum zur Ungebühr Bezahlte anwiederum zuruckgeforderet werden.

[2, 6, § 3] 38. Dahingegen ist bei allen anderen Handlungen, in welchen die Uebergabe aus einer verpflichtenden Ursache, um sich den Anderen verbindlich zu machen, geschieht, als bei Darlehen, Verkaufen, Tauschen, oder wodurch die Sache aus bloßer Freigebigkeit übergeben wird, als in Schankungen, die beiderseitige

(2-103) Uebereinstimmung in die nämliche Ursach der Uebergabe unumgänglich und dergestalten erforderlich, daß in deren Ermanglung durch die Uebergabe das Eigenthum nicht übertragen werden könne, sondern diese keine mehrere Wirkung habe, als was der Uebergebende dem Uebernehmenden anmit zuzuwenden gemeinet gewesen, wann jedoch nachhero die Erklärung des Uebernehmenden erfolget; daß er die Sache so, und auf die Art, wie der Uebergebende gesinnet ware, annehmen wolle.

[2, 6, § 3] 39. Erklärete aber der Uebernehmende das Widerspiel und wollte sich mit der Gesinnung des Uebergebers nicht vereinigen, so ist sowohl die Uebergabe als die ganze Handlung null und nichtig, und die Sache als ein bei dem Uebernehmer ohne Ursach befindliches fremdes Gut anzusehen, welches sofort dem Uebergebenden zuruckgestellet werden solle.

[2, 6, § 3] 40. Wie es jedoch zu halten seie, wann ein Irrthum entweder in der Person des Uebergebenden, oder dessen, der die Sache übernimmt, oder in der zu übergeben oder zu übernehmen vermeinten Sache selbst unterlaufet, ist nach eben denenjenigen Maßregeln zu entscheiden, welche in dritten Theil, in zweiten Capitel und zweiten Artikel, §. XI von num. 114 bis 119 vorgeschrieben werden.

[2, 6, § 3] 41. Endlich solle auch diese Ursache der Uebergabe auf die gegenwärtige, nicht aber auf die künftige Zeit gerichtet oder mit einer aufschiebenden Bedingnuß behaftet sein, widrigens wirket dieselbe die Uebertragung des Eigenthums nicht ehender, als bis die Zeit angekommen, oder die Bedingnuß erfüllet ist, solche möge ausdrücklich beigesetzet oder aus Anordnung Rechtens dabei stillschweigend verstanden sein.

[2, 6, § 3] 42. Eine solche stillschweigende Bedingnuß unterwaltet bei Uebergaben aus Verkäufen beweglicher Sachen, nämlich, daß der Kaufer den Preis für die verkaufte Sache bezahle, bis dahin ihme deren Eigenthum nicht erworben wird, es wäre dann, daß der Verkaufer ihme getrauet, folglich auf die in dritten Theil, in neunten Capitel, §. VIII, num. 128 ausgemessene Art und Weis das Kaufgeld geborget hätte.

§. IV.

[2, 6, § 4] 43. Eine mit vorbemelten Erfordernussen versehene Uebergabe wirket ohne weiters bei beweglichen Sachen die Uebertragung des Eigenthums und des Besitzes an Jenen, deme solche übergeben worden, in derjenigen Maß des Rechts, welches dem Uebergebenden zur Zeit der Uebergabe an der Sache zugestanden, wann er sich hieran nichts vorbehalten hat.

[2, 6, § 4] 44. Bei liegenden Gütern oder landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Rechten hingegen wird durch die Uebergabe bloß der natürliche Besitz, nicht aber auch das Eigenthum und der rechtliche Besitz übertragen, sondern hierzu ist die Verschreibung und Einverleibung der Uebertragungsursache in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wo das Gut inlieget, oder das übertragen wollende Recht vorgemerket ist, erforderlich, ohne welcher kein liegendes Gut oder derlei Recht von Einem auf den Anderen eigenthumlich übergehen kann.

[2, 6, § 4] 45. Dieses verstehet sich jedoch nur von solchen Uebergaben und Verschreibungen, welche von ungezweifleten Eigenthümeren entweder selbst oder von Anderen in ihren Namen geschehen, dann wo etwas von Jemanden, welcher nicht dessen Eigenthümer ist, dem Anderen übergeben oder verschrieben würde, kann auch das Eigenthum, welches der Uebergebende oder Verschreibende nicht hat, an den Anderen anmit nicht übertragen werden.

(2-104) [2, 6, § 4] 46. Sondern in diesem Fall erlanget der Uebernehmende lediglich die Befugnuß in Hinzutretung der übrigen unten in achten und neunten Capitel ausgemessenen Erfordernussen die Sache aus Macht und Gewalt Rechtens entweder sogleich durch Wirkung des guten Glaubens, oder durch rechtmäßige Verjährung eigenthumlich zu erwerben.

Caput VII.

Von Schankungen.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Schankungen unter Lebenden.

§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit der Schankungen unter Lebenden. §. II. Von Fähigkeit der Geschenke Gebenden und Annehmenden. §. III. Von Sachen, welche geschenket werden mögen. IV. Von gerichtlicher Anmeldung der unmäßigen Schankungen. §. V. Von Wirkungen der Schankungen.§. VI. Von Widerrufung und Entkräftung der Schankungen unter Lebenden.

§. I.

[2, 7, § 1] Num. 1. Die willkürliche Uebertragung des Eigenthums geschieht sowohl aus entgeltlicher, als ohnentgeltlicher Ursache, oder aus bloßer Freigebigkeit durch eine Schankung, Gab oder Verehrung, und zwar nach Verschiedenheit der Schankungsart entweder mittelst der Uebergabe, oder auch aus dem alleinigen Willen des Schenkenden ohne besonderer Uebergebung der geschenkten Sache.

(2-105) [2, 7, § 1] 2. Wo die Uebergabe erforderet wird, ist die Schankung lediglich die Erwerbungsursache, wie eine jedwede andere auf Uebertragung des Eigenthums gerichtete Handlung, wo es aber an dem bloßen Willen des Schenkenden genug ist, bestehet die Erwerbungsart in der Schankung selbst, wie in Verfolg dieses Capitels mit Mehreren erhellen wird.

[2, 7, § 1] 3. Die Schankungen sind demnach eine bloße Freigiebigkeit, wodurch Jemanden aus freien ungezwungenen Willen ohne einer hierzu verpflichtenden Ursache etwas gegeben und verehret wird, und geschehen entweder unter Lebenden, oder auf den Todesfall.

[2, 7, § 1] 4. Wiezumahlen aber diese zwei Arten in ihrer Natur, Wesenheit und Wirkung von einander ganz unterschieden sind, so wird auch gegenwärtiges Capitel in zwei Artikeln abgetheilet, und in deren ersteren von Schankungen unter Lebenden, in zweiten aber von Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall gehandlet.

[2, 7, § 1] 5. Die Schankungen unter Lebenden haben ihre Wirkung noch bei Lebzeiten des Schenkenden, und geschehen entweder ganz ohnbeschränkt, aus bloßen Antrieb der Freigebigkeit und ohnwiderruflich, oder aber mit Beschränkung auf eine gewisse Zeit und Bedingnuß, oder aus einer Ursache der eigenen, schon vorhergehenden oder des Anderen sich dabei ausbedingenden Verbindlichkeit, daß derselbe dagegen etwas gebe oder thue, oder widerruflich.

[2, 7, § 1] 6. Nur die erstere Art ist eigentlich eine wahre Schankung, wodurch dieselbe sich von Verträgen und Contracten unterscheidet, als welche allemal eine verpflichtende Ursache zum Grund haben. Was dahero nicht aus freien Willen, sondern aus Ursache entweder der eigenen Verbindlichkeit, oder um sich den Anderen zu etwas verbindlich zu machen, gegeben wird, ist keine wahre Schankung.

[2, 7, § 1] 7. Die beschränkten Schankungen beziehen sich entweder auf eine vorhergegangene oder künftige Ursache, welche in einer beigesetzten Art und Weis, Bedingnuß oder Zeit bestehet.

[2, 7, § 1] 8. Jene, welche aus einer vorhergehenden Ursach geschieht, wird eine vergeltliche Schankung genennet, weilen in der Absicht etwas gegeben wird, um anmit die Verdienste des Anderen zu vergelten und zu belohnen. Eine solche vergeltliche Schankung kann den wahren Schankungen bald mehr, bald weniger beikommen, nachdeme die Verdienste beschaffen sind, daß dafür mit Recht etwas geforderet werden könne oder nicht.

[2, 7, § 1] 9. Sind die Verdienste von solcher Erheblichkeit, daß mit Recht dafür eine Gegenerkenntlichkeit gebühre, ist das Geschenkte für keine wahre Schankung und Freigebigkeit, sondern vielmehr gleichsam aus einem stillschweigenden Vertrag für eine schuldige Genugthuung zu achten.

[2, 7, § 1] 10. Gleichwie in Gegentheil, wo die Bewegursache zur Schankung nur in Vergeltung bloßer unverfänglicher Gefälligkeiten, oder erwiederlichen Freundschafts- und Höflichkeitsbezeugungen bestehet, die Natur einer wahren Schankung deshalben nicht geänderet wird.

(2-106) [2, 7, § 1] 11. Schankungen, welche aus einer künftigen Ursache unter beigefügter Art und Weis, damit der Andere dagegen etwas gebe oder thue, sind nur dem Namen nach Schankungen, und haben die Natur eines wahren Vertrags oder Contracts. Da aber jenes, was dagegen bedungen worden, nicht erfolgete oder erfüllet würde, so ist sich solchenfals (!) nach deme zu achten, was in dritten Theil, in zwanzigsten Capitel, §. II, von Zuruckforderung einer Sache wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben worden, geordnet wird.

[2, 7, § 1] 12. Desgleichen hat bei Schankungen, welchen eine gewisse Zeit oder Bedingnuß beigefüget wird, alles Dasjenige statt, was in dritten Theil, ersten Capitel, §. VII, von der Natur und Wirkung bedingter Handlungen gemeldet wird.

[2, 7, § 1] 13. Die Schankungen geschehen entweder durch Zusagen oder durch Uebergaben. Von Zusagen, welche noch kein Recht an der Sache, sondern, wie andere Verträge und Contracten, bloß ein Recht zur Sache wirken, wird in dritten Theil, in zweiten Capitel, in ersten Artikel, hier aber von Schankungen, wodurch sogleich die geschenkte Sache mittelst der Uebergabe an den Anderen übertragen wird, gehandlet.

[2, 7, § 1] 14. Diese Uebertragung des Eigenthums entstehet jedoch nicht unmittelbar aus der Schankung unter Lebenden, sondern diese ist bloß allein eine zu Uebertragung des Eigenthums hinlängliche Erwerbungsursache, woraus das Eigenthum nicht anderst, als mittelst wirklicher Uebergebung der geschenkten Sache erworben werden kann. Solange dahero die Uebergabe, oder bei unbeweglichen Dingen die Verschreibung nicht geschehen ist, bleibet der Schenkende noch allzeit Eigenthümer, und der Andere hat lediglich ein Recht zur Sache.

[2, 7, § 1] 15. Zur Wesenheit der Schankung wird der beiderseitige Willen und die Macht, das Geschenk zu geben und anzunehmen, erforderet. Der Willen muß an Seiten des Schenkenden klar, deutlich, ungezweiflet, und entweder mündlich oder schriftlich, oder sonst durch andere zur Ausdruckung der Willensmeinung genügliche Zeichen erkäret (!) (=erkläret) sein.

[2, 7, § 1] 16. Dann dieser wird keineswegs vermuthet, sondern muß allemal erwiesen werden, außer denjenigen in diesem Unserem Gesatzbuch jedweden gehörigen Orts besonders angemerkten Fällen, worinnen eine derlei Vermuthung statt zu haben ausdrücklich geordnet wird.

[2, 7, § 1] 17. Gleichergestalten muß die Annehmung Desjenigen, deme etwas geschenket wird, hinzutreten, denn wider Willen kann Niemand etwas erworben werden, sondern der Schenkende behält bis zur erfolgten Annehmung die Befugnuß das Geschenk zu widerrufen.

[2, 7, § 1] 18. Es handlete sich dann um Erlassung einer Schuld oder Nachsicht einer sonstigen Schuldigkeit, wobei es an dem einmal erklärten Willen des Erlassenden oder Nachsehenden genug ist, daß solcher auch noch vor erfolgter Annehmung nicht mehr widerrufen werden kann, sondern derselbe erweislich, es ein für allemal hierbei sein Bewenden haben müsse; übrigens ist von Beschaffenheit der Annehmung in dritten Theil, in zweiten Capitel, §. IV, von num. 17 bis 27, das Mehrere nachzulesen.

§. II.

[2, 7, § 2] 19. Die Macht zu schenken hat Jedermänniglich, der mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befuget ist. Fremde Sachen aber können ohne hierzu ausdrücklich habender besonderer Vollmacht nicht verschenket werden.


(2-107) [2, 7, § 2] 20. Doch ist die Schankung einer fremden Sache, wann die übrige unten in neunten Capitel vorgeschriebene Erfordernussen hinzustoßen, eine rechtmäßige Ursache, daß solche durch die Verjährung erworben werden möge.

[2, 7, § 2] 21. Geschenke annehmen können Alle, welche ihren Willen zu erklären und auszudrucken fähig sind, wann ihnen kein Verbot des Gesatzes entgegen stehet, wie in gleich Folgenden erwähnt wird.

[2, 7, § 2] 22. Die aber wegen Mangel des Alters oder Gebrechen des Verstands keiner Einwilligung mächtig sind, anstatt deren haben Diejenige die denenselben machende Geschenke anzunehmen, die zu ihrer Vertretung, Obsorge und Pflegung bestellet sind, und da sie solches zu thun aus ihrer Schuld vernachlässigten, machen sie sich für das, was Jenen entgangen, verfänglich.

[2, 7, § 2] 23. Wäre jedoch Niemand vorhanden, der zur Vertretung und Pflegung derlei Personen bestellet wäre, solchen Falls ersetzet das Gesatz den Mangel ihrer Einwilligung in alles Dasjenige, was zu ihrem Nutzen und Vortheil gereichet.

[2, 7, § 2] 24. Von dem Gesatz werden die Schankungen verboten: Erstens, unter Eheleuten über diejenige Maß, welche ihnen im ersten Theil in der Abhandlung „Von Schankungen unter Eheleuten“ einander zu schenken zugelassen wird.

[2, 7, § 2] 25. Jene Schankungen aber, welche die Eltern ihren Kindern machen, diese mögen großjährig oder noch unmündig sein, sind allerdings rechtsgiltig, insoweit andurch die anderen Kinder in dem ihnen angebührenden Pflichttheil nicht verkürzet werden, oder die Schankung nicht gefährlicher Weise zum Nachtheil und Abbruch der treuherzigen Glaubigeren geschieht.

[2, 7, § 2] 26. Wären die Kinder, denen von ihren Eltern etwas geschenket wird, der Einwilligung in die Annehmung des Geschenkes nicht fähig, wird solches von dem Gesatz für angenommen gehalten, wann nur der ausdrückliche Vorsatz und Willen zu schenken entweder durch Zeugen, oder schriftliche Urkunden klar und ungezweiflet an Tag lieget.

[2, 7, § 2] 27. Gleichermassen (!) können Kinder, wann sie eigenes Vermögen und dessen freie Verwaltung haben, ihren Eltern Geschenke geben, wo sie aber noch unmündig oder sonst in der freien Schalt- und Waltung beschränket sind, ermanglet bei ihnen auch die Macht etwas zu schenken.

[2, 7, § 2] 28. Zweitens ist verboten Richteren und Obrigkeiten Geschenke zu geben nach Ausmessung dessen, was davon in dritten Theil, in einundzwanzigsten Capitel, §. XX, „Von Verbrechen“, vorkommt.

Drittens, sind auch die Schankungen Derenjenigen unkräftig, welche schon zur Zeit der Schankung wegen eines Verbrechens, worauf die Verwirkung und Einziehung des Vermögens gesetzet ist, angeklaget waren, wann sie dessen nachhero überführet werden.

§. III.

[2, 7, § 3] 29. Alle Sachen können geschenket werden, welche handelbar sind, und womit der Schenkende freie Macht und Gewalt hat zu schalten und zu walten, wann kein Nachtheil der Kinder in Verkürzung ihres Pflichttheils, oder auch eines Dritten dabei unterwaltet, als da Jemand zu Hintergehung der Glaubigeren sein Vermögen arglistiger Weise durch Schankungen schmälern und verstoßen wollte.

(2-108) [2, 7, § 3] 30. Niemanden aber solle ohne Unserer höchsten Einwilligung erlaubet sein, in Lebszeiten sein samentliches Hab und Gut, es seie einer oder mehreren Personen zusammen auf einmal, und überhaupt, oder durch mehrere einzle Schankungen einer Person allein zu verschenken, noch weniger eine solche Schankung vor Unserer höchsten Bestätigung die mindeste Kraft und Wirkung haben.

[2, 7, § 3] 31. Wobei Jener, der Unsere Einwilligung und Bestätigung zu einer solchen von ihme machen wollenden Schankung ansuchen wird, allemal verläßlich ausweisen solle, daß sein Vermögen frei und unbehaftet, Niemand, der hiervon nach Unserem Gesatz einen Pflichttheil zu forderen hätte, vorhanden, oder derselbe bereits abgefertiget, oder mit der Schankung zufrieden seie, und daß hiernächst er sich von seinem Vermögen so vieles vorbehalte, als er zu seinem standesgemäßen Unterhalte bedarf.

[2, 7, § 3] 32. Jenen aber, welchen von dem Vermögen des Schenkenden ein Pflichttheil gebühret, solle eine solche Schankung so wenig, als seinen Glaubigeren zu einigem Nachtheil gereichen, sondern ihnen allemal bevorstehen, sich an dem verschenkten Vermögen, wann es gleich schon in Handen des Geschenknehmers befindlich wäre, soviel davon zu ihrer Befriedigung nöthig ist, zu halten, dann nur das, was nach bezahlten Schulden erübriget, ist für geschenkt zu achten.

[2, 7, § 3] 33. Doch erstrecket sich die obschon mit Unserer Bewilligung geschehene, oder von Uns bestätigte Schankung des samentlichen Hab und Guts nur allein auf jenes, was der Schankende zur Zeit der Schankung wirklich in Vermögen hat, das ist, was er zu dieser Zeit entweder eigenthumlich besitzet, oder rechtmäßig zu forderen hat, folglich auch auf alle Rechten und Forderungen, mit alleiniger Ausnahme dessen, was er sich namentlich davon vorbehält.

[2, 7, § 3] 34. Keineswegs aber solle auch das erst nach der Schankung von ihme künftig erwerbende Vermögen darunter begriffen werden können, außer es würde etwas, was er in Zukunft anzuhoffen hätte, worüber Verträge einzugehen in diesem Unseren Gesatz nicht verboten ist, darinnen namentlich und insonderheit ausgedrucket.

§. IV.

[2, 7, § 4] 35. Außer gleichbemelten, Unserer höchsten Bewilligung und Bestätigung vorbehaltenen Schankungen des samentlichen Hab und Guts stehet zwar Jedermann

(2-109) frei von seinem Vermögen, womit er frei zu schalten und zu walten befugt ist, was er will, an Andere zu verschenken, doch wollen Wir auch bei Schankungen

(2-110) einzler Sachen oder Summen, welche aus keiner dem Werth des Geschenks gleichkommenden entgeltlichen Ursache, sondern aus bloßer Freigiebigkeit herrühren, zu Hintanhaltung alles Mißbrauchs und allerlei dabei zu unterlaufen pflegenden arglistigen Beredungen und Kunstgriffen folgende Maß und Ordnung beobachtet haben.

[2, 7, § 4] 36. Liegende Güter und alle landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibte Rechten und Forderungen, in was immer sie bestehen, und auf was für eine Summe dieselbe sich belaufen mögen, sollen nicht anderst, als mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, worinnen sie vorgemerkt sind, verschenket und übergeben werden können.

[2, 7, § 4] 37. Also zwar, daß noch bei Lebzeiten des Schenkenden die Schankung bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, wo das verschenken wollende Gut, Recht oder Forderung einverleibet ist, entweder von ihme selbst, oder in seinen Namen von einem mit besonderer und genugsamer Vollmacht eigends darzu bestellten Gewalttrager geziemend angemeldet, und die Einverleibung der Schankung anbegehret, folglich das geschenkte Gut, Recht oder Forderung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich an den Geschenknehmer übertragen werden müsse.

[2, 7, § 4] 38. In Widrigen und bis nicht die gerichtliche Anmeldung geschehen, solle die Schankung nicht die mindeste Kraft haben, und der Geschenkgeber nicht allein befugt sein, solche zu widerrufen, sondern auch bei dessen nicht erfolgter Widerrufung, da die gerichtliche Anmeldung von ihme noch in seinen Lebzeiten unterlassen worden, dessen Erben hieraus zu nichts verbunden sein, wann gleich der Geschenknehmer die ihme geschehene Schankung durch Zeugen oder schriftliche Urkunden zu weisen vermögete.

[2, 7, § 4] 39. Bewegliche Sachen und Geldsummen können zwar insoweit ohne gerichtlicher Anmeldung verschenket werden, als das Geschenk den Werth von fünfhundert Gulden rheinisch nicht übersteiget, wo es sich aber darüber beliefe, muß solches von dem Schenkenden bei Gericht angemeldet und daselbst vorgemerket werden.

[2, 7, § 4] 40. So lange dieses nicht geschieht, bestehet die Schankung nur für den Betrag von fünfhundert Gulden rheinisch, für das Mehrere aber ist solche ungiltig, und kann die Uebermasse von dem Geschenkgeber widerrufen werden, wo aber derselbe solche bei Lebzeiten in der unten bestimmenden Frist nicht widerrufen hätte, so wird dieselbe durch seinen Tod bestätiget, und seine Erben haben nicht mehr die Macht, solche zu widerrufen.

[2, 7, § 4] 41. Die Befugnuß eine Schankung wegen nicht erfolgter gerichtlichen Anmeldung zu widerrufen, daueret bei liegenden Gütern, und landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderungen solange, als die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Uebertragung an den Geschenknehmer nicht wirklich vollzogen worden.

[2, 7, § 4] 42. Nicht minder währet solche bei beweglichen Sachen und Geldsummen in Ansehen der Uebermasse, solange das Geschenk nicht übergeben worden, ohne Beschränkung einiger Zeit immer fort. Nach der Uebergabe des Geschenks aber kann die Uebermasse, wann von dem Tag der Uebergabe die zur Verjährung fahrender Dingen unten in neunten Capitel ausgemessene Zeit verstrichen, nicht mehr widerrufen, noch weniger von dem Schenkenden oder dessen Erben zurückgeforderet werden.

[2, 7, § 4] 43. Die gerichtliche Anmeldung von Schankungen unbeweglicher Sachen hat jederzeit allda zu geschehen, wo das verschenken wollende Gut, Recht oder Forderung einverleibet ist, von Schankungen beweglicher Sachen hingegen bei jenem Gerichtsstand, deme der Geschenkgeber zur Zeit der Schankung unterworfen ist.

[2, 7, § 4] 44. Das Gericht aber hat allemal bei derlei vorkommenden übermäßigen Schankungen, ehe und bevor dasselbe deren Einverleibung oder Vormerkung verwillige,

(2-111) von amtswegen darauf zu sehen, ob Jemand vorhanden seie, deme die Schankung zu einigem Nachtheil gereichen könnte, als da der Geschenkgeber nothwendige Erben hätte, oder mit Schulden behaftet wäre.

[2, 7, § 4] 45. In diesem Fall, wann das Gericht eine unterwaltende Verkürzung der Glaubiger oder nothwendigen Erben mit Grund besorgen könnte, sollen solche allemal vor ertheilender Verwilligung zur Einverleibung oder Vormerkung der Schankung hierüber vernommen, und da sie eine erhebliche Ursache ihres Widerspruchs beibringen würden, die Schankung nicht zugelassen werden.

[2, 7, § 4] 46. Die Nothwendigkeit der gerichtlichen Anmeldung wird überhaupt bei allen Schankungen, welche liegende Güter, oder die denenselben gleichkommende Rechten und Forderungen betreffen, oder bei beweglichen Sachen und Geldsummen den Werth von fünfhundert Gulden übersteigen, erforderet, also daß dagegen keine Verzicht oder Begebung, wann auch solche ausdrücklich darauf geschähe, statt haben solle.

[2, 7, § 4] 47. Noch weniger kann der gerichtlichen Anmeldung ausgewichen werden, wann gleich die verschenkende größere Summe in mehrere, es seie auf einmal oder nach und nach machende kleinere Schankungen dergestalten, daß keine insonderheit fünfhundert Gulden betrage, eingetheilet, doch die ganze Summe an einerlei Person verschenket würde, es wäre dann von der Zeit einer minderen Schankung bis zur anderen wenigstens ein Jahreslauf darzwischen verstrichen.

[2, 7, § 4] 48. Eine gleiche Bewandtnuß hat es mit Verschenkung oder Verleihung gewisser beständiger jährlicher Einkünften, wann solche zu Capital gerechnet die Ertragnuß von fünfhundert Gulden übersteigen, welche solchenfalls ebenmäßig gerichtlich angemeldet werden müssen, wo sie nicht zu Versorgung oder Verpflegung Witwen und Waisen, oder zu Belohnung geleisteter Dienste abgereichet werden.

[2, 7, § 4] 49. Nur jene Schankungen allein sind von der gerichtlichen Anmeldung ausgenommen, welche Uns oder von Uns Jemanden gemacht werden, wie nicht weniger alle vergeltliche Schankungen, worinnen eine soche (= solche) verdienstliche Ursache, die von dem Geschenknehmer mit Grund vermuthet werden kann, namentlich und insonderheit ausgedrucket wird.

[2, 7, § 4] 50. Dahingegen rechtfertiget der Ausdruck von Verdiensten überhaupt, ohne solche zu benennen, in was sie bestanden, die Uebermasse der Schankung nicht, und da auch solche benennet worden wären, stehet nichtsdestoweniger Demjenigen, deme daran gelegen ist, frei, bei unterlassener Anmeldung die Falschheit der angegebenen verdienstlichen Ursache zu erweisen, und die Uebermasse zuruckzuforderen.

§. V.

[2, 7, § 5] 51. Die Wirkung einer mit allen vorerwähnten Erfordernussen versehenen Schankung unter Lebenden ist nach dem Unterschied, ob solche nur in einer Zusage bestehe, oder durch die wirkliche Uebergabe vollzogen werde, verschieden.

(2-112) [2, 7, § 5] 52. Aus einer Zusage entstehet die dem Geschenknehmer und seinen Erben wider den Geschenkgeber gebührende Forderung zu Erfüllung des Versprechens, wovon in dritten Theil, in zweiten Capitel, in ersten Artikel, §. IV, von num. 28 bis 31 mit Mehreren gehandlet wird.

[2, 7, § 5] 53. Zu dieser Rechtsforderung aus einer Zusage kann jedoch nur wegen versprochenen Fahrnussen oder Geldsummen geschritten werden, massen die Schankungen unbeweglicher Sachen vor deren Einverleibung keine Bündigkeit haben, durch die Einverleibung aber die Schankung schon vollzogen wird, folglich auch dabei der Fall, wo eine Rechtsforderung zulässig oder nöthig wäre, sich niemalen ergeben kann.

[2, 7, § 5] 54. Wo aber diese Rechtsforderung statt hat, ist Kläger nicht befugt wegen Saumsals einige Zinsen von der geschenkten Summe, noch auch den Ersatz der inmittelst eingehobenen Früchten und Nutzungen von dem Geschenkgeber anzuforderen, wann solche nicht ausdrücklich mit verschrieben oder geschenket werden.

[2, 7, § 5] 55. Außerdeme hat er sich mit der Sache allein, oder da solche aus Schuld oder Zuthat des Geschenkgebers nicht mehr vorhanden wäre, mit dem gemeinen Werth derselben, wie dieser gerichtlich geschätzet werden wird, zu begnügen, wo aber die geschenkte Sache durch Zufall zu Grund gegangen wäre, kann er keine Vergütung dafür anbegehren.

[2, 7, § 5] 56. Es kommt auch über das dem Geschenkgeber die Rechtswohlthat der Selbstbedurfnuß insoweit zu statten, daß er zu nichts Mehreren, als was er füglich leisten mag, verhalten werden könne, und ihme allemal, wann er nicht so vieles in seinem Vermögen erübriget, als er zu seinem standesgemäßen Unterhalt bedarf, der hierzu nöthige Betrag von dem geschenkten Gut zum lebenslänglichen Genuß gelassen werden müsse, obschon das Eigenthum dem Geschenknehmer hieran zu versicheren ist.

[2, 7, § 5] 57. Durch die Uebergabe der geschenkten Sache wird das Eigenthum derselben, oder da der Geschenkgeber kein Eigenthümer gewesen wäre, sondern solche nur mit guten Glauben besessen hätte, die Befugnuß selbe durch rechtmäßige Verjährung zu erwerben an den Geschenknehmer mit allen Rechten und Befugnussen, welche dem Schenkenden hieran zugestanden, übertragen, außerdeme, was sich dieser hiervon ausdrücklich vorbehalten hätte.

[2, 7, § 5] 58. Ein Mehreres jedoch, als geschenket worden, ist der Geschenknehmer anzubegehren keineswegs berechtigt, und keine Schankung kann auf jenes, was darinnen nicht namentlich ausgedrücket worden, ausgedeutet werden.

[2, 7, § 5] 59. Dagegen gehet auch die geschenkte Sache mit allen ihren Hoffnungen, womit sie einem Dritten verfangen ist, auf den Geschenknehmer, und bleiben einem Dritten seine an der Sache habende Ansprüche unbenommen, ohne daß der Schenkende dem Geschenknehmer deshalben zu einer Vertretung oder Gewährsleistung verbunden wäre, außer denenjenigen in dritten Theil, in neunten Capitel, §. XII, num. 174, besonders ausgenommenen Fällen.

[2, 7, § 5] 60. Wo aber die geschenkte Sache nicht insonderheit behaftet wäre, können

(2-113) die Glaubigeren des Geschenkgebers, welchen derselbe schon zur Zeit der Schankung verstricket ware, solche nur allein in jenem Fall in Anspruch nehmen, wann sie zu erweisen im Stande sind, daß schon zu dieser Zeit das Vermögen des Schenkenden zu ihrer völligen Befriedigung nicht zulänglich ware. Außer deme kann keine zu Recht bestehende unwiderrufliche Schankung oder Zusage von den Glaubigeren des Geschenkgebers entkräftet werden.

§. VI.

[2, 7, § 6] 61. Eine rechtsgiltig gemachte Schankung unter Lebenden, sie geschehe durch Zusage oder Uebergabe, kann ohne rechtsmäßiger Ursache nicht mehr widerrufen werden; es giebt aber Fälle, in welchen wegen gewisser Ursachen eine zu Recht bestehende Schankung entweder zum Theil, oder ganz widerrufen werden mag.

[2, 7, § 6] 62. Zum Theil kann die Widerrufung aus zweierlei Ursache geschehen, als erstens, wegen nachhero erfolgender großen Armuth und Dürftigkeit des Geschenkgebers, also, daß es ihme an anderweiten nöthigen Lebensunterhalt gebreche, in welchem Fall nicht allein demselben vor der Uebergabe die Rechtswohlthat der Selbstbedurfnuß, wie es bereits oben geordnet worden, zu statten kommet, sondern er hat auch nach der Uebergabe, wann er all sein Vermögen, oder doch einen beträchtlichen Theil desselben an Jemand verschenket hätte, Fug und Macht, seinen nach Maß der Ertragnuß des geschenkten Guts durch richterliche Ausmessung bestimmenden Unterhalt von dem Geschenknehmer anzuverlangen.

[2, 7, § 6] 63. So sich aber auf kleinere Schankungen, wann auch durch solche, da sie nicht an eine, sondern an mehrere Personen geschehen, das Vermögen erschöpfet worden wäre, nicht erstrecket.

[2, 7, § 6] 64. Zweitens, wegen Verkürzung des Pflichttheiles derenjenigen Personen, welchen solcher nach der unten in vierzehenten Capitel folgenden Ausmessung

(2-114) gebühret, wann gleich die Schankung Einem aus ihnen geschehen wäre, wodurch aber die Uebrigen in ihrem Antheil verkürzet würden.

[2, 7, § 6] 65. Um jedoch eine Verkürzung des Pflichttheils mit Bestand behaupten zu können, muß der Vermögensstand des Geschenkgebers nach zweierlei Zeitpunkten betrachtet werden, als zur Zeit der Schankung und zur Zeit des Tods.

[2, 7, § 6] 66. Es muß dahero erweislich sein, daß die Schankung schon zur Zeit als sie geschehen, unpflichtmäßig gewesen seie, also, daß der Geschenkgeber von seinem Vermögen nicht so viel übrig behalten, als hiervon mit Einrechnung des verschenkten Guts zum Pflichttheil gebühret hätte.

[2, 7, § 6] 67. Ferners solle nicht weniger dargezeiget werden können, daß die Schankung auch zur Zeit seines Tods noch unpflichtmäßig, und nach ihme nicht so vieles zuruckgeblieben sei, als was der von dem Verlassenen und Verschenkten in eine Summe zusammengerechneten Guts ausfallende Pflichttheil betraget.

[2, 7, § 6] 68. Wann aber zur Zeit der Schankung keine Verkürzung des Pflichttheils erweislich ist, obschon der Geschenkgeber nach der Zeit, es seie durch Zufall, oder aus eigener Schuld um sein Vermögen gekommen wäre, und nicht so vieles hinterließe, als damals, da die Schankung geschehen, auf den Pflichttheil ausgefallen sein würde, kann die Schankung wegen Unpflichtmäßigkeit nicht angefochten werden.

[2, 7, § 6] 69. Gleichwie, wo in Gegentheil die Schankung zwar zur Zeit, als solche geschehen, unpflichtmäßig gewesen wäre, nachhero aber die Vermögensumstände des Geschenkgebers sich dergestalten verbesseret hätten, daß er gleichwohlen so vieles hinterließe, als der Pflichttheil zur Zeit der Schankung, wann das verschenkte Gut in das Vermögen mit eingerechnet worden wäre, betragen hätte, die Schankung nicht weniger unwiderruflich bestehet.

[2, 7, § 6] 70. Wo aber mehrere Schankungen gemacht, und der Pflichttheil andurch verkürzet worden wäre, ist darauf zu sehen, ob sie alle zu einer Zeit zusammen, oder nach und nach geschehen. Ersteren Falls unterliegen alle der Widerrufung für denjenigen Theil, welcher nach Maß einer jedweden Schankung zur Ergänzung des Pflichttheils abfallet, anderen Falls aber solle die Ergänzung des Pflichttheils nur von denen letzteren erholet werden, wodurch derselbe verkürzet worden, doch also, daß das Vermögen, wie es zur Zeit der letzteren Schankung gewesen, gerechnet, und die ersteren Schankungen nicht mit einbezogen werden sollen.

[2, 7, § 6] 71. Es haben demnach Jene, die eine Schankung wegen verkürzten Pflichttheils zum Theil widerrufen wollen, nicht allein die Unpflichtmäßigkeit sowohl zur Zeit der Schankung, als zur Zeit des Tods, sondern auch, daß ihnen der Pflichttheil wirklich gebühre, zu erweisen.

[2, 7, § 6] 72. Dann, wo sie entweder bei Lebzeiten des Geschenkgebers allschon abgefertiget, oder aus einer erweislichen erheblichen Ursache von ihme enterbet worden wären, oder selbst so viel Vorempfangenes in die Verlassenschaft einzubringen hätten, was ihren Pflichttheil erreichete, können dieselbe über keine Unpflichtmäßigkeit der Schankung klagen.

[2, 7, § 6] 73. Der Betrag des Pflichttheils aber, wann solcher durch die Schankung verkürzet worden wäre, ist nach Maß des verlassenen und verschenkten Guts, also daß beides in eines zusammengerechnet, und der Pflichttheil davon abgezogen werde, auszumessen. Als da z. B. Jemand dreitausend Gulden bei Lebzeiten verschenket und eintausend Gulden nach seinem Tod verlassen hätte, ist das Vermögen auf viertausend Gulden anzusetzen, und der Pflichttheil hiernach zu bestimmen.

[2, 7, § 6] 74. Doch allemal in dem obigen Verstand, daß der Geschenkgeber weder zur Zeit der Schankung in seinem Vermögen so vieles erübriget, noch auch nach der Zeit erworben und verlassen hätte, was den Pflichttheil nach seinem damaligen Vermögensstand, wie solcher zur Zeit der Schankung gewesen, betragen hätte, maßen in widrigen so ein als anderen Falls nur auf das, was wirklich verlassen

(2-115) wird, nicht aber auch auf das, was verschenket worden, oder zu dieser Zeit vorhanden gewesen, in Berechnung des Pflichttheils gesehen werden solle.

[2, 7, § 6] 75. Die Klage wegen Unpflichtmäßigkeit der Schankung gehet also nur auf die Widerrufung dessen, was zu Ergänzung des vorerwähnter Maßen berechneten Pflichttheils abgehet. In Uebrigen bleibet die Schankung bei Kräften.

[2, 7, § 6] 76. Und da der Pflichttheil nicht ehender, als nach dem Tod dessen, der solchen zu verlassen schuldig ist, gebühret, so folget auch von selbsten, daß die Widerrufung der Schankung wegen Unpflichtmäßigkeit insgemein erst nach dem Tod des Geschenkgebers angestrenget werden könne.

[2, 7, § 6] 77. Es unterwaltete dann eine offenbare Verkürzung nothwendiger Erben, als da Jemand den größten Theil seines Vermögens verschenket hätte, welchen Falls ihnen allerdings unverwehret sein solle auch noch bei seinen Lebzeiten um die Ausmessung und Sicherstellung ihres Pflichttheils einzukommen, folglich von dem verschenkten Gut so vieles, als zu dessen Ergänzung nöthig ist, zuruckzuforderen.

[2, 7, § 6] 78. Die Befugnuß der Widerrufung aber höret auf, wann entweder die nothwendige Erben in die Schankung eingewilliget haben, oder von dem Absterben des Geschenkgebers drei Jahr und achtzehen Wochen verflossen sind, ohne solche bei Gericht angebracht zu haben.

[2, 7, § 6] 79. Ganz kann eine Schankung unter Lebenden nur allein wegen nachher erzeugter Undankbarkeit des Geschenknehmers gegen den Schenkenden widerrufen werden.

[2, 7, § 6] 80. Damit aber nicht von der alleinigen Willkür des Geschenkgebers abhange Alles, was nicht nach seinem Sinn und Geschmack ist, für eine Undankbarkeit auszudeuten, und unter allerlei Vorwand rechtsgiltige Schankungen zu widerrufen, so bestimmen Wir die Undankbarkeit auf folgende Fälle, wegen welcher allein, und keiner anderen Ursachen die Widerrufung der Schankung zulässig sein solle, als:

[2, 7, § 6] 81. Erstens, wann der Geschenknehmer dem Schenkenden an seinem Vermögen gefährlicher und arglistiger Weise einen merklichen Schaden zufügete. Zweitens, wann er denselben mit großer Schmach an seinen Ehren antastete, ihme übel nachredete, oder gar durch Verkleinerung und Verunglimpfung bei Anderen ihn um seinen Dienst und Amt gebracht hätte. Drittens, wann er ihn an seinem Leib boshafter und vorsätzlicher Weise verletzete, verwundete, vergewaltigete, oder gefangen hielte. Viertens, wann er seinem Leben entweder selbst gefährlich nachstellete, oder aus eigener Veranlassung ihme eine Lebensgefahr zuziehete. Fünftens, wann er seinerseits Dasjenige, was ihme bei der Schankung durch Beding eingebunden worden, nicht verrichtet, erfüllet oder gehalten hätte.

[2, 7, § 6] 82. Um also eine Schankung wegen Undankbarkeit widerrufen zu können, muß eine von diesen gleich vorstehenden Ursachen bei Gericht angebracht, rechtsgenüglich erwiesen und nach Vernehmung des Gegentheils durch richterlichen Spruch und Urtheil für hinlänglich anerkannt werden.

[2, 7, § 6] 83. Es muß aber aus den ersteren vier Ursachen die Widerrufungsklage von dem Geschenkgeber noch in seinen sowohl, als des Geschenknehmers Lebszeiten, und zwar längstens binnen einem Jahr von Zeit der begangenen Undankbarkeit an zu rechnen eingebracht, oder doch wenigstens, da er unter dieser Jahrszeit verstürbe, die Schankung vor Zeugen, oder in seinem letzten Willen widerrufen, und nach seinem Tod die Undankbarkeit von seinen Erben rechtsbehörig erwiesen werden. Es wäre dann der Geschenkgeber entweder durch Blödsinnigkeit oder Krankheit, oder, weilen er in der Gefahr umgekommen, die Schankung zu widerrufen außer Stande gesetzet gewesen, in welchem Fall auch dessen Erben gleichfalls binnen einem Jahr von Zeit der begangenen Undankbarkeit solche widerrufen können.

[2, 7, § 6] 84. Widrigens, und da die Widerrufung von ihme, wo er sie thun könne,

(2-116) binnen obbemelter Frist annoch in Beider Lebszeiten auf eine oder die andere Art geschehen zu sein nicht erweislich wäre, können nach dem Tod des Geschenkgebers seine Erben die Widerrufungsklage nicht mehr anstrengen, noch auch von dem Geschenkgeber selbst die Erben des Geschenknehmers deshalben angefochten werden, sondern durch das Stillschweigen des Geschenkgebers wird nach seinem Tod die Unbild für erlassen geachtet, und das Verbrechen des Erblassers kann an dessen Erben nicht gestrafet werden.

[2, 7, § 6] 85. Nicht weniger solle nach Verlauf eines Jahres von Zeit der begangenen Undankbarkeit, wann binnen solchen die Widerrufung nicht geschehen, die Widerrufungsklage für verschwiegen, und die Unbild eben also für erlassen gehalten werden, als ob solche ausdrücklich verziehen und nachgesehen worden wäre, dahingegen hat die Verzicht auf die Widerrufung wegen künftig begehender Undankbarkeit nicht die geringste Wirkung, und behinderet die Widerrufungsklage nicht.

[2, 7, § 6] 86. Wegen der letzteren Ursache aber, da das Beding, unter welchem etwas geschenket wird, von dem Geschenknehmer nicht erfüllet oder gehalten worden, kann, solange das Beding nicht vollzogen ist, sowohl von den Erben des Geschenkgebers, als wider die Erben des Geschenknehmers auf die Erfüllung des Bedings oder Zuruckstellung des gegebenen Guts geklaget werden.

[2, 7, § 6] 87. Daferne aber der Geschenknehmer bereits das Beding zu erfüllen angefangen, oder sonst Mühe und Unkosten darauf gewendet hätte, und nachhero aus einer erheblichen Ursache davon abstünde, so solle er von dem geschenkten Gut so vieles zu seiner Entschädigung für sich zuruckzubehalten befugt sein, als er auf die Erfüllung des Bedings verwendet zu haben erweisen, und ihme hieran nach richterlichen Befund zugesprochen werden wird, woferne er aber, ohne eine genügliche Ursache seines Abstands anführen zu können, das Beding nicht erfüllen wollte, gebühret ihm solchen Falls keine Entschädigung.

[2, 7, § 6] 88. Wohingegen nach gänzlich erfüllter oder auch vorhergegangener Ursache, wegen welcher etwas geschenket wird, als da zur Vergeltung oder Belohnung geleisteter Diensten etwas gegeben würde, das Geschenkte wegen nachheriger Undankbarkeit, selbe möge noch so groß sein, nicht mehr widerrufen werden kann.

[2, 7, § 6] 89. Da aber das geschenkte Gut aus einer deren vorhergehenden vier Ursachen der Undankbarkeit widerrufen würde, ist der Geschenknehmer hieran nichts Mehreres zuruckzustellen schuldig, als was zur Zeit der eingebrachten Klage, es seie von der Sache selbst, oder von den abgefallenen Nutzungen bei ihme noch wirklich vorhanden ist.

[2, 7, § 6] 90. Wogegen ihme Jenes, was er hierauf aus seinem Eigenen zur beharrlichen Erhaltung oder mehreren Benutzung der Sache erweislich aufgewendet, insoweit hieraus dem Geschenkgeber ein Nutzen zugehet, ersetzet und vergütet werden muß.

[2, 7, § 6] 91. Was er jedoch mittlerweil davon veräußeret, verthan oder verzehret hat, dessen Ersatz kann von Demselben nicht mehr zuruckverlanget werden.

[2, 7, § 6] 92. Und gehet das geschenkte Gut in demjenigen Stand, wie es zur Zeit der eingebrachten Widerrufungsklage ist, mit allen von dem Geschenknehmer darauf gemachten Haftungen und Pfandsverschreibungen auf den Geschenkgeber zuruck.

[2, 7, § 6] 93. Es seie dann, daß der Geschenknehmer nach gleich begangener Undankbarkeit, oder doch in Absicht, und mit dem Vorsatz solche zu begehen, das geschenkte Gut geflissentlich veräußeret oder mit Haftungen beschweret hätte.

[2, 7, § 6] 94. In welchem Fall es also zu halten ist, wie es oben in dritten Capitel, §. III von num. 49 bis 54 von Jenen, die sich zu Verkürzung des Klägers gefährlicher Weise des Besitzes einer Sache entledigen, geordnet worden.

[2, 7, § 6] 95. Dahingegen solle wegen nachhero erzeugter eheleiblicher Kinder keine Schankung anderer gestalt ganz aufgelöset und aufgehoben werden können, als

(2-117) wann solches von dem Geschenkgeber bei der Schankung ausdrücklich ausbedungen worden.

[2, 7, § 6] 96. Doch solle das auf eheleibliche Kinder lautende Beding auch jenen Kindern zu statten kommen, die zwar vor oder nach der Schankung außer der Ehe erzeuget, nachgehends aber durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig worden.

[2, 7, § 6] 97. Nicht weniger erstrecket sich dieses Beding auch auf die Enkeln, und weitere rechtmäßig Abstammende von denen allenfalls vor Widerrufung der Schankung vorgestorbenen Kindern.

[2, 7, § 6] 98. Dahingegen kann die von Uns ausgewirkte Rechtmäßigung unehelicher Kinder, wann selbe gleich von dem Vater selbst angesuchet worden wäre, so wenig, als die nachherige Kindsanwünschung die vorhin rechtsgiltig geschehene Schankung in mindesten entkräften.

[2, 7, § 6] 99. Nur allein die Ueberkommung eheleiblicher, oder durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gemachter Kinder wirket so vieles, daß, wo solches bedungen worden, die vorhergeschehene Schankung durch das Recht selbst anwiederum aufgelöset werde, und das geschenkte Gut in demjenigen Stand, wie es zur Zeit der Uebergabe gewesen, mit allen seinen Zugängen, und mitlerweil (!) (= mittlerweil) davon behobenen Früchten und Nutzungen (doch gegen Vergütung des erweislichen nothwendigen oder nutzlichen Aufwands) sowohl von dem Geschenkgeber, als seinen Kindern zuruckgeforderet werden könne, obgleich der Vater solche bei Lebszeiten nicht widerrufen hätte.

[2, 7, § 6] 100. Die Befugnuß, das Geschenkte zuruckzubegehren, daueret an Seiten deren Kindern durch drei Jahr und achtzehen Wochen von dem Absterben des Geschenkgebers; es hätte dann derselbe vor oder nach erzeugten Kindern sich des Rechts, die Schankung widerrufen zu mögen, ausdrücklich begeben, und darauf namentlich Verzicht gethan, in welchem Fall die Kinder ebenso, als ob niemalen ein dergleichen Beding der Schankung beigefüget gewesen wäre, nur so vieles zuruckzuforderen berechtiget sind, als zur Ergänzung ihres Pflichttheils erweislich abgehen würde.

[2, 7, § 6] 101. Wo aber die Kinder vor dem Vater, ehe und bevor derselbe die Schankung widerrufen hätte, verstorben, ist zu unterscheiden, ob die Schankung unbeweglicher Güter bereits landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibet, und geschenkte Fahrnussen dem Geschenknehmer schon übergeben worden, oder die Schankung noch zur Zeit in einer bloßen Zusage bestehe.

[2, 7, § 6] 102. Ersteren Falls, wann bei Lebszeiten der Kinder die Widerrufung nicht geschehen, noch auch einige weitere Abstammende von ihnen vorhanden, kann nach deren Absterben die Schankung nicht mehr widerrufen werden, sondern dieselbe ist durch das Stillschweigen des Geschenkgebers für neuerdings bestätiget zu halten.

[2, 7, § 6] 103. Letzteren Falls hingegen, wo die Schankung in einer bloßen Zusage bestehet, kommt dieselbe auch nach Absterben der Kinder nicht mehr zu Kräften, obschon der Geschenkgeber sie ausdrücklich nicht widerrufen hätte, und kann nur durch eine nach Ableben der Kinder wiederholte Erneuerung des Versprechens zu ihrer vorigen Kraft und Bündigkeit gelangen.

[2, 7, § 6] 104. Um damit jedoch auch auf dem Fall, wo die Schankung durch Ueberkommung eheleiblicher Kinder aufgelöset wird, dem Geschenknehmer die Gelegenheit verschränket werde, bis zur Zeit der eingebrachten Widerrufungsklage das geschenkte Gut zu verthun oder zu veräußeren, und solchergestalten die auf das Beste der Kinder abzielende Vorsehung Unseres Gesatzes zu vereitlen, so solle dem Geschenkgeber freistehen, gleich bei erweislicher nächsten Hoffnung überkommender eheleiblicher Kinder das verschenkte Gut vorsichtsweise mit gerichtlichen Kummer und Verbot zu belegen, auf daß solches in demjenigen Stand, worinnen es sich damals befindet, mit allen von dieser Zeit davon abfallenden Nutzungen unverruckt erhalten werde.

(2-118) Zweiter Artikel.

Von Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall.

§. VII. Von der Natur und Unterschied der Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall. §. VIII. Von Fähigkeit deren auf den Todesfall Uebergebenden und Annehmenden. §. IX. Von Wirkung der Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall. §. X. Von deren Widerrufung und Entkräftigung.

§. VII.

[2, 7, § 7] 105. Die Schankung oder Uebergabe auf den Todesfall ist eine Handlung, wodurch Jemand in Betrachtung der Sterblichkeit sein Gut dem Anderen auf den Fall, da er Todes verfahren würde, schenket und übergiebt.

[2, 7, § 7] 106. Diese Art der Schankung kommt theils der Natur der Contracten, theils den Vermächtnussen bei, und obschon dieselbe insgemein eine Uebergabe auf den Todesfall genennet wird, so ist doch diese Benamsung nicht in dem Verstand zu nehmen, als ob das Eigenthum des auf diese Art geschenkten Guts nicht anderst, als eben also, wie bei Schankungen unter Lebenden, mittelst der leiblichen Uebergabe auf den Geschenknehmer übertragen werden könne, sondern weilen nach erfolgten Tod des Geschenkgebers, wann die Schankung von ihme nicht widerrufen

(2-119) worden, das Eigenthum des geschenkten Guts sofort aus dessen unveränderten Willen auf den Geschenknehmer ohne weiterer Uebergabe übergehet, und auf diesen Fall der Willen des Geschenkgebers die Uebertragung des Eigenthums eben also, wie die Uebergabe bei Schankungen unter Lebenden, wirket.

[2, 7, § 7] 107. Es ist demnach die Schankung oder Uebergabe auf den Todesfall für sich selbst eine Erwerbungsart des Eigenthums, und unterscheidet sich andurch von einer Schankung unter Lebenden, welche nur eine hinlängliche Ursache zur Erwerbung des Eigenthums ist, solches aber für sich allein ohne Uebergabe oder Ueberlieferung des geschenkten Guts auf den Geschenknehmer nicht übertragen kann.

[2, 7, § 7] 108. Diese beiden Arten der Schankung unterscheiden sich außerdeme vornehmlich in ihrer Wirkung, welche die Schankung unter Lebenden noch bei Lebszeiten des Geschenkgebers, die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall hingegen nicht ehender, als nach dessen Absterben erlanget.

[2, 7, § 7] 109. Doch muß eine Schankung und Uebergabe auf den Todesfall ausdrücklich auf den Tod des Geschenkgebers gerichtet, und dessen darinnen entweder überhaupt oder einer bevorstehenden Todesgefahr insonderheit und dergestalten gedacht werden, dass außer der Betrachtung der Sterblichkeit die Schankung nicht geschehen wäre.

[2, 7, § 7] 110. In widrigen, und da nicht der Willen zu schenken, sondern nur die Erfüllung der Schankung bis nach Absterben des Geschenkgebers, oder eines Dritten verschoben, oder die Unwiderruflichkeit der Schankung ausdrücklich beigesetzet würde, oder sonst der Inhalt der Schankung zweifelhaft wäre, ist eine solche Handlung allemal für eine Schankung unter Lebenden zu halten, deren Erfüllung auf den Todesfall verschoben worden.

[2, 7, § 7] 111. Es muß auch ferners das auf den Todesfall Verschenkete des Schenkendes eigenes Gut, Recht oder Forderung sein, dann, woferne derselbe eine Dritten beschweren würde, nach seinem Tod dem Anderen etwas zu geben, ist es keine Schankung, sondern eine Art von letztwilligen Anordnungen und Vermächtnussen, wovon seines Orts gehandlet wird.

[2, 7, § 7] 112. Mit Vermächtnussen kommt zwar die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall in deme überein, daß beide erst durch den Tod bestätiget, und in beiden das Eigenthum übertragen werde, sie unterscheiden sich aber dadurch, daß Vermächtnussen nicht anderst, als durch Testamenten oder Codicillen, die Schankungen aber für sich ohne denenselben geschehen können, dann, daß erstere von Giltigkeit der letztwilligen Anordnung, worinnen sie verschaffet worden, abhangen, letztere aber auch ohne derselben bestehen.

[2, 7, § 7] 113. Nicht weniger, daß bei Vermächtnussen eine beigefügte, unerlaubte oder unmögliche Bedingnuß für nicht beigefügt geachtet werde, folglich die Vermächtnuß nichtsdestoweniger giltig verbleibe, die Schankungen auf den Todesfall hingegen nach der Natur der Contracten auszulegen und auszudeuten sind, mithin auch durch die beigefügte unerlaubte oder unmögliche Bedingnuß vernichtet werden.

[2, 7, § 7] 114. Endlich, daß Vermächtnussen nach Willkür des Erblassers widerrufen werden können, Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall hingegen durch die Annehmung des Geschenknehmers unwiderruflich werden, und andurch, wie Handlungen unter Lebenden, ihre vollkommene Bindungskraft erhalten, wann der Geschenkgeber die Macht, solche zu widerrufen, sich nicht vorbehalten hat.

[2, 7, § 7] 115. Erfolgete aber die Annehmung des Geschenknehmers nicht, als da die Schankung oder Uebergabe auf den Todesfall einem Abwesenden oder Unwissenden gemacht, und nicht widerrufen worden wäre, bestehet sie gleichwohlen in Kraft einer Vermächtnuß, wann sie sonst die hiernach ausgemessene Erfordernussen hat.

[2, 7, § 7] 116. Die Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall geschehen entweder durch Zusagen oder durch wirkliche Uebergaben, also daß von dem Geschenkgeber


(2-120) noch bei seinen Lebszeiten das auf den Todesfall geschenkte Gut entweder unter einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingnuß übergeben werde.

[2, 7, § 7] 117. Unter einer auflösenden Bedingnuß geschieht solches, wann sogleich das Eigenthum des geschenkten Guts an den Geschenknehmer auf Widerrufen, und gegen dessen Zuruckstellung, wann der Geschenkgeber der Todesgefahr, wegen welcher er die Schankung gethan, entgangen sein würde, übertragen wird.

[2, 7, § 7] 118. Eine aufschiebende Bedingnuß der Schankung hingegen ist, wann die Uebertragung des Eigenthums erst bis nach Absterben des Geschenkgebers verschoben wird, dann wo es gleich noch bei seinen Lebszeiten unwiderruflich übertragen würde, ist es keine Uebergabe auf den Todesfall, sondern eine Schankung unter Lebenden.

[2, 7, § 7] 119. Um damit aber auch bei Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall, sie geschehen durch Zusagen oder wirkliche Ueberlieferung des geschenkten Guts, zu Hintanhaltung alles besorglichen Unterschleifes und arglistiger Kunstgriffen eine gewisse Maß und Ordnung beobachtet werde, so wollen und ordnen Wir hiermit, daß bei Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall, wann sie Fahrnussen betreffen und fünfhundert Gulden nicht übersteigen, der Geschenkgeber allemal in Gegenwart wenigstens zweier untadelhafter Zeugen, oder durch seine ungezweiflete eigene Handschrift, also, daß an der alleinigen Unterschrift nicht genug seie, sondern der ganze Inhalt der Schankung von ihme mit seiner eigenen Hand geschrieben sein müsse, oder vor Gericht seine Willensmeinung erklären, widrigens die Schankung null und nichtig sein solle.

[2, 7, § 7] 120. Würden sie aber fünfhundert Gulden an Werth übersteigen, so solle nicht weniger, als oben von Schankungen unter Lebenden geordnet worden, zur Giltigkeit der Uebermaß die gerichtliche Anmeldung und Vormerkung der Schankung noch bei Lebszeiten des Geschenkgebers hinzutreten, außerdeme hingegen die Schankung, wann sie sonst vor zweien Zeugen geschehen, oder mit seiner Handschrift erweislich ist, nur bis auf fünfhundert Gulden bestehen können und für die Uebermasse ungiltig sein.

[2, 7, § 7] 121. Wann jedoch liegende Güter, landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten und Forderungen auf den Todesfall verschenket werden wollen, solle solches bei Nichtigkeit der Schankung nicht anderst, als durch eine ordentliche Verschreibung mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, wo das verschenkte Gut inlieget, oder das Recht oder die Forderung vorgemerket ist, und zwar noch bei Lebszeiten des Geschenkgebers, welcher die Einverleibung der Schankung selbst anzubegehren hat, und in Gegenwart des Geschenknehmers, welcher entweder selbst, oder durch einen darzu Bevollmächtigten seine Einwilligung und Annehmung der Schankung vor Gericht zu erklären hat, geschehen können.

[2, 7, § 7] 122. Endlich solle Niemanden gestattet sein, das samentliche Hab und Gut auf den Todesfall anderer gestalt, als vor Gericht, und bloß allein unter aufschiebender, keinerdings aber unter auflösender Bedingnuß zu verschenken und zu übergeben.

[2, 7, § 7] 123. Und da unter dem Vermögen auch liegende Güter, landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten und Forderungen begriffen wären, muß über das die vorher angeordnete landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung, ohne welcher derlei Güter, Rechten und Forderungen nicht übertragen werden können, von dem Geschenkgeber vollzogen werden.

[2, 7, § 7] 124. Ohne diesen vorgeschriebenen Erfordernussen kann keinerlei Schankung oder Uebergabe auf den Todesfall rechtsgiltig bestehen, es wäre dann, daß der Geschenkgeber in seiner letztwilligen Anordnung, die an sich rechtsbeständig ist, eine solche mangelhafte Schankung nochmalen wiederholet und bestätiget hätte, in welchem Fall dieselbe auch in Abgang obiger Erfordernussen in der Form und Gestalt einer Vermächtnuß bei Kräften erhalten wird, aber daß derselbe die Uebermasse

(2-121) der mit zweien Zeugen, oder mit seiner eigenen Handschrift erweislichen Schankungen von Fahrnussen, welche fünfhundert Gulden übersteigen, bei Lebszeiten nicht widerrufen, sondern solche mit der Beharrlichkeit seines Willens bis zu seinem Tode bekräftiget hätte.

§. VIII.

[2, 7, § 8] 125. Alle haben Fug und Macht, auf den Todesfall zu schenken und zu übergeben, die über ihr Hab und Gut letztwillig zu ordnen und mit ihren Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt sind, gleichwie auch Jedermänniglich Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall geschehen mögen, deme durch letztwillige Anordnungen etwas vermachet und verschaffet werden kann.

[2, 7, § 8] 126. Auch unter Eheleuten bestehen Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall in derjenigen Maß, wie solche in ersten Theil in der Abhandlung von Schankungen unter Eheleuten bestimmet worden.

[2, 7, § 8] 127. Die Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall können nicht nur Einem allein, sondern auch Mehreren entweder nach und nach, also, daß wo der Erstere den Geschenkgeber nicht überlebete, solche dem Anderen zufallen sollen, oder Allen zusammen geschehen.

[2, 7, § 8] 128. In ersteren Fall ist es eine Art der Nachberufung, wovon unten in dreizehenten Capitel gehandlet werden wird. In letzteren Fall hingegen gehet der durch Abgang des einen Geschenknehmers vor dem Geschenkgeber erledigte Antheil nicht denen Uebrigen, sondern den Erben des Geschenkgebers zu guten, doch mit Ausnahme jener Fällen, worinnen nach der unten in sechzehenten Capitel: Von Vermächtnussen, in ersten Artikel, §. III, enthaltenen Ausmessung das Recht des Zuwachses zwischen Mehreren zu einerlei Sache Mitberufenen namentlich zugelassen wird.

§. IX.

[2, 7, § 9] 129. Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall haben bei Lebszeiten des Geschenkgebers nicht ehender eine Bündigkeit, als wann die Annehmung des Geschenknehmers entweder vor zweien Zeugen, oder vor Gericht erfolget; vor

(2-122) seiner also erklärten Annehmung hingegen bleiben dieselbe nach Gefallen des Geschenkgebers widerruflich, und wirken bloß allein die Hoffnung eines ungewissen Vortheils, welcher von der Beharrlichkeit des Willens des Geschenkgebers abhanget.

[2, 7, § 9] 130. Würde aber eine solche mit den oben vorgeschriebenen Erfordernussen versehene Schankung von dem Geschenkgeber nicht widerrufen, sondern durch seinen Tod bestätiget, so erhält sie auch alsdann ihre vollständige Wirkung eben also, als ob sie noch bei Lebszeiten des Geschenkgebers von dem Geschenknehmer ordentlich angenommen worden wäre.

[2, 7, § 9] 131. Durch die Annehmung des Geschenknehmers wird demnach die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall, wann dabei mehrermelte Erfordernussen beobachtet worden, unwiderruflich, woraus der Geschenknehmer ein auf dem Ueberlebungsfall bedingtes Recht zu, oder an dem geschenkten Gut erlanget.

[2, 7, § 9] 132. Dieses Recht kann ihme zwar ohne rechtmäßiger Ursach durch die Widerrufung des Geschenkgebers nicht mehr entzogen werden, doch aber wird solches auf seine Erben nicht übertragen, wann er vor dem Geschenkgeber verstirbt, sondern dasselbe erlöschet mit seiner Person, woferne der Geschenknehmer die Schankung nicht ausdrücklich auch auf dessen Erben erstrecket, und sie auf dem Fall des versterbenden Geschenknehmers zu dem geschenkten Gut nachberufen hätte.

[2, 7, § 9] 133. Ansonsten, wo die Schankung die Nachberufung der Erben ausdrücklich nicht enthielte, gibt die alleinige Meldung derenselben ihnen hierzu kein Recht, im Fall der Geschenknehmer vor dem Geschenkgeber versterben sollte, sondern die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall hat allemal die Ueberlebung des Geschenknehmers zu ihrer wesentlichen Bedingnuß, wann deme entgegen nichts Anderes ausdrücklich vorgesehen worden.

[2, 7, § 9] 134. Das dem Geschenknehmer aus einer von ihme ordentlich angenommenen Schankung und Uebergabe auf den Todesfall zukommende Recht ist bei Lebzeiten des Geschenkgebers nach dem Unterschied, ob solche nur durch eine Zusage, oder durch wirkliche Ueberlieferung des Geschenks geschehen, verschieden.

[2, 7, § 9] 135. Ist es nur eine Zusage, so entstehet hieraus lediglich ein auf dem Ueberlebungsfall bedingtes Recht zu dem geschenkten Gut, wird hingegen das Geschenk dem Nehmenden von dem Schenkenden dergestalten übergeben, daß er zwar sogleich von nun an dessen Eigenthum haben, dieses aber nach aufgelöster Schankung an den Geschenkgeber anwiederum zuruckkehren solle, so erwirbt derselbe hieran ein auflösliches Eigenthum, würde aber das Geschenk ihme also übergeben, daß es erst nach dem Tod des Schenkenden sein Eigenthum werden solle, hat er bis dahin außer dem auf Ueberlebungsfall bedingten Recht lediglich die bloße Innenhaltung der Sache.

[2, 7, § 9] 136. Doch solle so in einem als anderen Fall der Geschenknehmer die ihme also übergebene Sache mitlerweil weder zu veräußeren, noch sonst zu beschweren befugt, sondern nach aufgelöster Schankung dieselbe dem Geschenkgeber mit allen ihren Nutzungen und Zugängen gegen Vergütung der erweislichen Auslagen zuruckzustellen, und beinebst für allen aus seiner Schuld hieran entstandenen Schaden zu haften schuldig sein.

[2, 7, § 9] 137. Sobald aber die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall durch den Tod des Geschenkgebers bestätiget, und eine bestimmte Sache, es seie durch Zusage oder Uebergabe geschenket worden, ist sie eine rechtmäßige Erwerbungsart des Eigenthums, wodurch sogleich aus unveränderten Willen des Geschenkgebers das unauflösliche und unwiderrufliche Eigenthum der geschenkten Sache auf den Geschenknehmer und seine Erben übergehet, also zwar, daß er solche nicht allein von einem jedweden dritten Besitzer, der solche eigenthümlich erworben, mittelst der Eigenthumsklage abforderen, sondern auch, wann selbe in Handen der Erben des Schenkenden befindlich wäre, sie um deren Ausfolgung mit allen von dem

(2-123) Tag des Absterbens des Geschenkgebers hiervon eingehobenen Nutzungen belangen könne.

[2, 7, § 9] 138. Wohingegen, da eine noch unbestimmt gelassene Sache von einer benannten Gattung, oder ein gewisser Betrag an Geld oder anderen Gut auf den Todesfall verheißen worden wäre, kann zwar in diesem Fall der Geschenknehmer vor der durch die Ueberlieferung erfolgten Bestimmung kein Eigenthum hieran erwerben, er erlangt aber aus der durch den Tod des Geschenkgebers bestätigten Schankung für sich und seine Erben ein unauflösliches und unwiderrufliches Recht zu der geschenkten Sache oder Betrag, und die ihme daher wider die Erben des Geschenkgebers gebührende Forderung zu Leistung dessen, was ihme von ihrem Erblasser auf den Todesfall geschenket worden.

[2, 7, § 9] 139. Es gebühret aber das geschenkte Gut nicht ehender, als nach Abzug der Schulden, und wann gleich dasselbe noch bei Lebzeiten des Geschenkgebers dem Geschenknehmer übergeben worden wäre, können nichtsdestoweniger die Glaubigere, welchen der Schenkende schon zur Zeit der Schankung verstricket ware, solches zuruckforderen, woferne dessen übrige Verlassenschaft zu ihrer Befriedigung nicht zureichend wäre.

[2, 7, § 9] 140. Dahingegen können die spätere Glaubigere, deren Forderung erst von der Zeit nach der gemachten Schankung herrühret, das Geschenk nicht anfechten, wann die Schankung sonst zu Recht beständig ist und von dem Geschenknehmer noch bei Lebszeiten des Schenkenden angenommen worden.

[2, 7, § 9] 141. Um so mehr gehet das geschenkte Gut mit allen seinen Haftungen, und einem Dritten hieran gebührenden Rechten und Ansprüchen auf den Geschenknehmer, ohne daß die Erben des Geschenkgebers ihme deshalben zu einer Vertretung oder Gewährsleistung weiters verbunden wären, als oben in ersten Artikel, §. V, num. 59, von Schankungen unter Lebenden gemeldet worden.

[2, 7, § 9] 142. Auch gehet die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall nicht weiter, als auf das, was namentlich und ausdrücklich geschenket worden, wann dahero der Geschenkgeber sich etwas von seinem Vermögen, um in andere Wege darmit zu ordnen, vorbehalten hätte, ordnete aber darmit nicht, solle das solchergestalten Vorbehaltene nicht dem Geschenknehmer zuwachsen, sondern den nächsten Erben des Geschenkgebers zukommen.

§. X.

[2, 7, § 10] 143. Eine ordentlich gemachte Schankung und Uebergabe auf den Todesfall kann auf dreierlei Art anwiederum aufgehoben und entkräftet werden, als:

Erstens, durch die Reue und Widerrufung des Geschenkgebers.

Zweitens, durch Vorsterben dessen, deme etwas auf diese Art geschenket worden, vor dem Geschenkgeber, und endlich

Drittens, durch die Wiedergenesung von der Krankheit oder Befreiung von der Todesgefahr, wegen welcher die Schankung geschehen.

(2-124) [2, 7, § 10] 144. Die Macht, die Schankung zu bereuen, und nach eigener Willkür zu widerrufen, behält der Geschenkgeber so lange, bis von dem Anderen, deme die Schankung geschehen, deren Annehmung entweder vor Zeugen oder vor Gericht nicht erfolget.

[2, 7, § 10] 145. Die willkürliche Widerrufung der Schankung kann entweder mündlich vor Zeugen, oder vor Gericht, oder schriftlich mit des Geschenkgebers ungezweifleter eigenen Handschrift, oder auch stillschweigend durch eine That geschehen, woraus dessen geänderte Willensmeinung geschlossen werden mag.

[2, 7, § 10] 146. Eine solche That ist die freiwillige Veräußerung der geschenkten Sache an einen Dritten durch Handlungen unter Lebenden, oder aus letzten Willen, wann darinnen namentlich über die geschenkte Sache von dem Geschenkgeber anderst geordnet wird.

[2, 7, § 10] 147. Da aber der Geschenkgeber einen Dritten zum Erben seines Vermögens einsetzete, ohne über die geschenkte Sache insonderheit anderst zu ordnen, wird die Schankung dadurch nicht entkräftet, sondern gegentheils der Erb verbunden, solche zu erfüllen.

[2, 7, § 10] 148. Würde nicht die ganze geschenkte Sache, sondern nur ein Theil derselben von dem Geschenkgeber an einen Dritten veräußeret, so wird auch die Schankung nur nach demjenigen Betrag für widerrufen gehalten, welcher davon veräußeret worden, bestehet aber für den noch vorhandenen Theil, doch also, daß wann der Geschenknehmer dagegen etwas zu leisten verbunden wäre, das beigesetzte Beding gleichfalls nach Maß des verringerten Geschenks getheilet werde.

[2, 7, § 10] 149. Dahingegen können Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall nach Annehmung dessen, deme sie geschehen, wann der Geschenknehmer sich die Macht solche zu widerrufen nicht ausdrücklich vorbehalten hat, ohne rechtmäßiger Ursache nicht mehr widerrufen werden, welches überhaupt von allen landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibungen auf den Todesfall zu verstehen ist, weilen solche obverordneter Maßen nicht anderst, als nach gerichtlich erklärter Annehmung des Geschenks geschehen können.

[2, 7, § 10] 150. Derlei rechtmäßige Ursachen sind eben dieselbe, wegen welcher Schankungen unter Lebenden widerrufen und entkräftet werden können, und ist sich dahero gleichfalls bei Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall darnach zu richten, was oben in ersten Artikel, §. VI dieser Widerrufungsursachen halber geordnet worden.

[2, 7, § 10] 151. Durch Vorsterben des Geschenknehmers vor dem Geschenkgeber erlöschet die Schankung und Uebergabe auf den Todesfall, obgleich solche von ihme angenommen, und die Verschreibung noch so lange in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet gewesen wäre.

(2-125) [2, 7, § 10] 152. Da aber zweifelhaft wäre, wer den Anderen überlebet habe, kommt es darauf an, ob das Geschenk nur verheißen, oder schon bei Lebszeiten des Schenkenden übergeben worden.

[2, 7, § 10] 153. Ersteren Falls solle die Ueberlebung des Geschenknehmers von seinen Erben allemal erwiesen werden, widrigens ist die Schankung unkräftig, letzteren Falls hingegen lieget der Beweis der Ueberlebung des Geschenkgebers dessen Erben ob, wann sie die geschenkte Sache wegen Vorsterben des Geschenknehmers zuruckforderen wollen.

[2, 7, § 10] 154. Durch die Wiedergenesung des Geschenknehmers von der Krankheit oder Befreiung von der Gefahr, wegen welcher etwas auf den Todesfall geschenket worden, wird die Schankung auch ohne ausdrücklicher Widerrufung aufgelöset, wann solche namentlich wegen dieser Krankheit oder Gefahr geschehen ist, obschon der Geschenkgeber nachhero noch vor widerrufener Schankung in einer anderen Krankheit oder Lebensgefahr umkäme, woferne er nur diese Krankheit oder Gefahr, worauf die Schankung ausdrücklich beschränket ware, überstanden hat.

[2, 7, § 10] 155. Diesemnach kann sowohl der Geschenkgeber, als dessen Erben in beiden Fällen, wann die Schankung entweder durch Vorsterben des Geschenknehmers, oder sein des Geschenkgebers Wiederaufkommen aufgelöset worden, die geschenkte Sache mit allen Nutzungen und Zugängen von Zeit der Uebergabe wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben worden, zuruckforderen, und da die Schankung irgendwo einverleibet wäre, deren Auslöschung anbegehren.

[2, 7, § 10] 156. Außerdeme wird in Fällen, wo auf den Todesfall nur etwas verheissen (!), und dem Geschenknehmer nicht wirklich überlieferet worden, die Verbindlichkeit zu Leistung dessen, was verheissen worden, auf alle diejenige Arten aufgelöset, womit sonst persönliche Verbindungen getilget werden, wie solches in dritten Theil, in letzten Capitel mit Mehreren erkläret wird

(2-126) Caput VIII.

Von Uebertragung des Eigenthums aus Macht Rechtens.

Inhalt:

§. I. Von den Arten der rechtlichen Uebertragung des Eigenthums überhaupt. §. II. Von Uebertragung des Eigenthums durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlagen liegende Güter. §. III. Von Uebertragung des Eigenthums durch richterlichen Spruch und Urtheil. §. IV. Von Uebertragung des Eigenthums durch rechtmäßige Erwerbung fahrender Dingen mit guten Glauben.

§. I.

[2, 8, § 1] Num. 1. Die vierte Erwerbungsart des Eigenthums ist dessen Uebertragung aus Macht Rechtens, wodurch dasselbe entweder mit, oder ohne Willen des Eigenthümers nicht durch die Uebergabe, sondern unmittelbar aus Anordnung Unserer Gesetzen an den Anderen übergehet.

[2, 8, § 1] 2. Diese hat in allen Fällen statt, worinnen es entweder an dem Willen, oder an der Macht gebricht, das Eigenthum zu übertragen, folglich auch gar keine oder eine zur Veränderung des Eigenthums unzulängliche Uebergabe geschieht, und doch Recht und Billigkeit erheischet, solches dem Anderen zuzuwenden.

[2, 8, § 1] 3. An dem Willen gebricht es nicht nur damals, wann die Uebergabe der zu leisten schuldigen Sache widerrechtlich verweigeret, sondern auch bei ungezweifleten

(2-127) Willen des Uebertragenden, wann dieser für sich allein bei gewissen Sachen von Unseren Gesetzen zu Uebertragung des Eigenthums nicht für hinlänglich geachtet, und der aus Abgang dieser wesentlichen Erfordernuß mangelhaften Uebergabe die Wirkung der Uebertragung des Eigenthums benommen wird.

[2, 8, § 1] 4. Also erforderet bei liegenden Gütern das öffentliche Trauen und Glauben, daß die Veränderung des Eigenthums zu Jedermanns Wissenschaft offenkundig werde, welches aber durch die alleinige Einwilligung, und nur zwischen den Parten unter sich vollziehende Uebergabe nicht erreichet werden kann, und eben dahero muß nebst dem Willen des Uebertragenden die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage der Veränderungsursache hinzutreten, ohne welcher das Eigenthum an liegenden Gütern anderer gestalt nicht übertragen werden mag.

[2, 8, § 1] 5. Wo aber die Uebergabe einer dem Anderen zu leisten schuldigen Sache widerrechtlich verweigeret würde, und also der Willen zur Uebergabe gänzlich ermanglete, sind zu diesem Ziel und Ende Unsere nachgesetzte Gerichte aufgestellet, um Jedermänniglich zu dem Seinigen zu verhelfen.

[2, 8, § 1] 6. Wann demnach die Sache deme, weme sie gebühret, durch richterlichen Spruch und Urtheil zuerkannt wird, erwirbt derselbe hieran auch ohne Uebergabe das Eigenthum aus Macht Rechtens, sobald als der richterliche Spruch in seine Rechtskräften erwachset ist, und, wann es liegende Güter betrifft, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet worden.

[2, 8, § 1] 7. An der Macht, das Eigenthum zu übertragen gebricht es, wann die Sache zwar übergeben wird, dem Uebergebenden aber das Eigenthum hieran ermanglet, welches er dahero, weilen er es selbst nicht hat, auch an den Anderen nicht übertragen kann.

[2, 8, § 1] 8. Doch erforderet in diesem Fall die Sicherheit gemeinen Handels und Wandels bei beweglichen Sachen, daß Niemand, der eine fremde bewegliche Sache mit guten Glauben aus entgeltlicher oder einer solchen Ursache, aus welcher er dagegen etwas von dem Seinigen dafür zu geben verbunden worden, redlicher Weise an sich gebracht hat, dabei gefährdet seie, wann er seinerseits keinen Anlaß gegeben, daß ihme die Erhandlung einer fremden Sache zur Schuld geleget werden könne.

[2, 8, § 1] 9. Er erwirbt dahero in Hinzutretung aller dieser Umständen sofort das Eigenthum einer auf gleichbemelte Art rechtmäßig an sich gebrachten fremden beweglichen Sache aus Macht Rechtens, welches auf ihn sogleich ohne einer hierzu nöthigen Verjährung übertragen wird.

[2, 8, § 1] 10. Allein auch bei liegenden Gütern, die von Einem, welcher nicht deren Eigenthümer gewesen, auf den Anderen rechtmäßig gediehen, und bei jenen fremden Fahrnussen, die Jemand obschon nicht mit Beistoßung all obiger Umständen, doch mit guten Glauben aus einer sonst zur Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache an sich gebracht hat, erheischet das gemeine Wohl, daß die Gewissheit und Verläßlichkeit des Eigenthums hergestellet, und die Frage wegen desselben dereinstens entschieden werde.

[2, 8, § 1] 11. In dessen Betrachtung verdient Jener, der durch die in Unseren Gesetzen ausgemessene Zeit eine rechtmäßig an sich gebrachte fremde Sache mit guten Glauben besessen hat, eine weit mehrere Rücksicht, als nicht die Nachlässigkeit des Eigenthümers, welcher durch diese ganze Zeit geschwiegen, und durch sein Stillschweigen sich seiner Sache gleichsam verziehen hat.

[2, 8, § 1] 12. Aus dieser Ursache wird nach Verlauf der bestimmten Zeit das Eigenthum der fremden Sache auf den Besitzer mit guten Glauben durch die Verjährung aus Macht Rechtens übertragen, und dessen der vorige Eigenthümer zur Strafe seiner Fahrlässigkeit billig verlustig.

[2, 8, § 1] 13. Es wird demnach das Eigenthum auch ohne Uebergabe auf viererlei Art aus Macht Rechtens übertragen, als:

(2-128) Erstens, wegen öffentlichen Trauens und Glaubens bei liegenden Gütern durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherlicher Einlage der Uebertragungs- oder Veränderungsursache.

[2, 8, § 1] 14. Zweitens, aus dem vornehmsten Endzweck alles Rechts um Jedermänniglich das Seinige zu geben durch richterlichen Spruch und Urtheil.

[2, 8, § 1] 15. Drittens, wegen Sicherheit gemeinen Handels und Wandels bei fremden beweglichen Sachen durch deren mit guten Glauben aus entgeltlicher Ursache geschehene Erwerbung.

[2, 8, § 1] 16. Viertens, wegen Gewissheit und Verläßlichkeit des Eigenthums durch Verjährung einer mit guten Glauben rechtmäßig an sich gebrachten sowohl beweglichen, als unbeweglichen fremden Sache. Die erstere drei Arten werden in gegenwärtigen, die vierte aber in dem folgenden Capitel erkläret.

§. II.

[2, 8, § 2] 17. Liegende Güter können nicht durch bloße natürliche Uebergabe, sondern einzig und allein durch Eintragung, Einlage, Einverleibung und ausführliche Vormerkung der Uebertragungs- oder Veränderungsursache in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern da, wo das Gut inlieget, erworben und übertragen werden.

[2, 8, § 2] 18. Diese Einlage oder Einverleibung hat die Wirkung der rechtlichen Uebergabe, wodurch sogleich der rechtliche Besitz, und folglich das Eigenthum an Denjenigen, auf dessen Namen das Gut in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschrieben worden, doch nicht anderst, als mit denen darinnen zur Zeit der Uebertragung hierauf befindlichen Haftungen aus Macht Rechtens übergehet.

[2, 8, § 2] 19. Ohne derselben hingegen solle nach Einführung dieses Unseren allgemeinen Rechts Niemand für einen wahren und rechtmäßigen Besitzer eines unbeweglichen Guts gehalten werden, der nicht die Ursach seines Besitzrechts und Eigenthums in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern ordentlich vermerket und eingetragen habe.

[2, 8, § 2] 20. Durch Landtafeln, Stadt- oder Grundbücher werden alle und jede öffentliche Bücher verstanden, welche zur Einlage, Einverleibung, Eintragung oder Einschreibung der Erwerbungen und Aenderungen des Eigenthums bei Landgütern, Stadt- oder Herrschaftsgründen alles Fleißes aufgerichtet und ordentlich geführet werden.

[2, 8, § 2] 21. Darinnen hat die Vormerkung also zu geschehen, daß daraus sattsam abgenommen werden könne, wann, von weme, aus was für einem Recht, und

(2-129) mit was für Bedingnussen oder anderen Haftungen Jemand das Gut, Haus oder Grund an sich gebracht habe.

[2, 8, § 2] 22. Gleichwie dahero Niemand den rechtlichen Besitz, minder das Eigenthum eines unbeweglichen Guts anderer gestalt, als mittelst der Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern erwerben kann, obschon ihme dasselbe durch die natürliche Uebergabe von dem Eigenthümer eingeantwortet worden, oder wie sonst immer auch vor noch so langer Zeit in seinen Besitz gekommen wäre, also hat auch Niemand Fug und Macht, solange nicht seine Erwerbung sich in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerkter befindet, das Eigenthum oder den rechtlichen Besitz an Jemand Anderen rechtsgiltig zu übertragen.

[2, 8, § 2] 23. Es muß demnach allemal die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Erwerbung eines unbeweglichen Guts vorhergehen, ehe und bevor dessen Uebertragung an einen Anderen geschehen mag, und eine vor Einverleibung der Erwerbungsursache geschlossene, auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtete Handlung kann nicht ehender ihre Wirkung erreichen, als bis vorhero die Erwerbungsursache gehörig einverleibet ist.

[2, 8, § 2] 24. So wenig aber der rechtliche Besitz und das Eigenthum unbeweglicher Güter ohne der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung erworben werden mag, eben so wenig können solche ohne denenselben auf was immer für Weise verloren werden, sondern Alles, was mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern bestellet und verschrieben wird, muß auch eben mit denenselben, und nicht anderst anwiederum aufgelöset werden.

[2, 8, § 2] 25. Es möge also ein unbewegliches Gut wie immer durch Handlungen unter Lebenden, oder durch Erbanfall aus dem Willen des bisherigen Eigenthümers oder aus Gewalt des Rechts mit oder ohne hinzutretender natürlichen Uebergabe und mit oder ohne Einraumung des natürlichen Besitzes von einem Eigenthümer an den anderen zu gelangen haben, so solle doch kein solcher Uebergang oder Uebertragung des Eigenthums seine Wirkung haben, bevor nicht die auf Uebertragung des Eigenthums gerichtete Handlung, oder das Erbrecht und dessen gerichtliche Erklärung, oder der zu Rechtskräften erwachsene richterliche Spruch und Urtheil in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen und darinnen behörig vorgemerket ist.

[2, 8, § 2] 26. Bis dahin behält Derjenige, auf den das Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben und vorgemerket ist, sein habendes Recht ohne Aenderung mit allen Wirkungen desselben, und kann darmit annoch nach seinem Gefallen ordnen.

[2, 8, § 2] 27. Eine solche, wiewohl spätere, lebzeitige oder letztwillige Anordnung, wann selbe früher zur Einverleibung gelanget, hat vor allem älteren, entweder gar nicht, oder erst darnach einverleibten Recht, woraus das Gut an einen Anderen gelangen sollte, allemal den Vorzug, obschon Jenem, der mit seinem älteren Recht nachstehen muß, die Erholung seines Schadens an deme, der sich ihme verbindlich gemacht, in alle Wege bevorstehet.

[2, 8, § 2] 28. Und dieser Vorzug des früher einverleibten späteren Rechts hat ohne Unterschied statt, obgleich das ältere ein nach seiner Eigenschaft auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtetes, oder was immer für anderes mit der natürlichen Uebergabe, oder mit was sonst für Bedingen, Vorsichten und Vorbehalt außer der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern bestärktes und verwahrtes Recht wäre, wann nur bei der späteren Handlung an Seiten des Erwerbenden keine wahre Gefährde unterlaufet.

[2, 8, § 2] 29. Damit jedoch die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung oder Verschreibung die Uebertragung des Eigenthums eines liegenden Guts bewirken könne, muß der Uebertragende ein ungezweifleter Eigenthümer desselben sein.

[2, 8, § 2] 30. Dafür solle Jedermann angesehen werden, der das Gut durch drei

(2-130) Jahr und achtzehen Wochen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern ohne Widerspruch besessen hat, und Jener, der es von einem solchen mittelst der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern überkommen, der eigenthümlichen Erwerbung dieses Guts ohne weiters sogleich vollkommen gesicheret sein.

[2, 8, § 2] 31. Wo aber der Uebertragende das Gut durch obbestimmte Zeit mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht besessen hätte, folglich noch nicht desselben ungezweifleter Eigenthümer gewesen wäre, solle Jener, der es von ihme mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern erworben, seines Eigenthums nicht eher gesicheret sein, als bis in Zusammenfügung seiner und seines, oder auch mehreren Vorfahreren an dem Gut, von deren Einem auf den Anderen dasselbe rechtmäßig gediehen ist, landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Besitzzeit drei Jahre und achtzehen Wochen verflossen, daß es von ihnen ohne Jemandens Widerspruch ruhig besessen worden.

[2, 8, § 2] 32. Es kann dahero ein landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Besitzer binnen bemelter Zeit von einem Anderen, der an dem Gut ein stärkeres Recht hat, als nicht sein Vorfahrer gehabt, von deme das Gut an den Besitzer gekommen, mit der Eigenthumsklage annoch belanget, und zur Zuruckstellung angehalten werden, doch mit ihme bevorbleibender Erholung an seinem Vorfahrer, inwieweit als dieser ihme zur Vertretung verbunden ist.

[2, 8, § 2] 33. Ehe und bevor also ein unbewegliches Gut durch drei Jahr und achtzehen Wochen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern rechtsbehörig ersessen wird, wirket die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung oder Verschreibung bloß die Uebertragung des rechtlichen Besitzes, wo an Seiten des Uebertragenden das Eigenthum ermanglet.

[2, 8, § 2] 34. Mithin ist auch Jener, der es auf diese Art von Einem, der nicht dessen Eigenthümer ware, an sich gebracht, mitlerweil nur als ein rechtlicher Besitzer anzusehen, deme jedoch alles dasjenige, was sonst einem ungezweifleten Eigenthümer zukommet, aus dem Recht des Besitzes zustehet, nur mit dem alleinigen Unterschied, daß er bis zur erfüllten Verjährung und andurch erwerbenden Eigenthum den Anspruch eines Dritten, der an dem Gut ein stärkeres Recht hat, verfänglich bleibe, wie es unten in vierundzwanzigsten Capitel, welches von dem Recht des Besitzes und dessen Wirkungen eigends handlet, mit Mehreren vorkommet.

§. III.

[2, 8, § 3] 35. Durch richterlichen Spruch und Urtheil, wann solcher zu Rechtskräften erwachsen ist, wird das Eigenthum aus Macht Rechtens in zwei Fällen übertragen, als erstens, wann eine Mehreren zu unbeschiedenen Theilen gemeinschaftlich angehörige Sache getheilet, und Jedweden hieran sein beschiedener Theil bestimmet wird, als in Theilung einer gemeinschaftlichen Sache, einer mehreren Miterben angefallenen Erbschaft und in Grenzscheidungen.

[2, 8, § 3] 36. Dann durch die gerichtliche Theilung und Ausweisung der Theilen, wann

(2-131) jedoch solche, insoweit sie liegende Güter betrifft, behörig einverleibet worden, wird das vorhin Mehreren gemeinschaftlich gebührende Eigenthum an der Sache in derjenigen Maß, als einem jedweden Theilhaber für seinen Antheil hieran gebühret, bestimmet, und deren Jedem sein ausgewiesener Theil sofort ohne weiterer Uebergabe aus Macht Rechtens erworben.

[2, 8, § 3] 37. Zweitens, wann Jemanden eine ihme aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache angebührende gewisse Sache durch richterlichen Spruch und Urtheil zuerkannt und zugesprochen wird.

[2, 8, § 3] 38. Dieser zu Rechtskräften erwachsene Spruch und Urtheil hat die Wirkung, daß sogleich das Eigenthum der zugesprochenen Sache auf den obsiegenden Theil bei Fahrnussen unmittelbar, bei liegenden Gütern hingegen mittelst der Einverleibung des Urtheils in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wo das zugesprochene Gut inlieget, aus Macht Rechtens übergehe.

[2, 8, § 3] 39. Doch wird hierzu erforderet, daß nicht allein die Ursache, wegen welcher die Sache angesprochen worden, zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, sondern auch die zuerkannte Sache an sich bestimmet sei, dann, wo aus einem Miethungs- oder Entlehnungscontract dem Miether oder Entlehner der Gebrauch der gemietheten oder entlehnten Sache, folglich deren Ausantwortung zu seinen Handen zuerkannt würde, wirket in solchen Fällen der richterliche Spruch die Uebertragung oder Aenderung des Eigenthums nicht.

[2, 8, § 3] 40. Und daferne ein gewisser Betrag oder eine Sache nach der Gattung, und nicht nach der Gestalt zugesprochen würde, kann ebensowenig andurch das Eigenthum übergehen, weilen vor der Uebergabe noch allzeit von der Willkür des Schuldners abhanget, dieses oder jenes von gleicher Güte oder Gattung abzutragen, folglich die Sache noch unbestimmet ist, an unbestimmten Dingen aber kein Eigenthum erworben werden kann.

[2, 8, § 3] 41. Sondern in diesen Fällen giebt der zu Rechtskräften erwachsene richterliche Spruch dem obsiegenden Theil bloß allein ein Recht zur Sache, nicht aber auch an der Sache, außer insoweit derselbe zugleich an dem Vermögen des Schuldners ein gerichtliches Unterpfand wirket, wie davon seines Orts mit Mehreren gehandlet wird.

[2, 8, § 3] 42. Gleichwie dann auch in jenen Fällen, wo das Eigenthum der eingeklagten Sache dem obsiegenden Theil schon vorhin gebühret hätte, der richterliche Spruch demselben das Eigenthum nicht giebt, sondern nur, daß es ihme zu Recht gebühre, erkläret.

§. IV.

[2, 8, § 4] 43. Der gute Glauben in Erwerbung einer fremden beweglichen Sache aus entgeltlicher Ursache übertraget deren Eigenthum an den Erwerber aus Macht


(2-132) Rechtens dergestalten, daß dieser Uebertragung weder die Unzulänglichkeit der Uebergabe wegen ermanglenden Eigenthums an Seiten des Uebergebenden in Wege stehen, noch auch an Seiten des Erwerbenden die Verjährung der Sache darzu erforderlich sein solle.

[2, 8, § 4] 44. Und hinderet diese Uebertragung der üble Glauben des Veräußerers, von deme der Besitzer mit guten Glauben die Sache an sich erhandlet hat, keinerdings, wann gleich derselbe solche fremd zu sein gewußt, oder sie auch selbst mit Gewalt oder diebischer Weise entwendet, und sodann als seine eigene Sache veräußeret hätte, folglich in offenbarer Gefährde bestellet gewesen wäre, sondern es solle lediglich auf des Erwerbers mit den hiernach ausgemessenen Erfordernussen begleiteten guten Glauben gesehen werden.

[2, 8, § 4] 45. Wir setzen und ordnen solchemnach zur Sicherheit des gemeinen Handels und Wandels, daß der Tadel einer unrechtmäßigen Innenhabung der Sache, welcher nicht in die Sinnen fällt und einem Dritten nicht wissend ist, die Sache selbst auf keinerlei Weise behaften, noch weniger einem dritten unschuldigen Erwerber zu Schaden gereichen, sondern durch dessen rechtmäßige Erwerbung völlig erloschen, und der Uebertragung des Eigenthums nicht in geringsten behinderlich sein solle, wann an Seiten des Erwerbers folgende zwei Erfordernussen, als

Erstens, sein guter Glauben, und

Zweitens, eine entgeltliche Ursache, aus der er die Sache an sich gebracht hat, hinzustoßen.

[2, 8, § 4] 46. Bei der ersteren Erfordernuß ist an dem gemeinen guten Glauben, daß der Erwerber zur Zeit der Erhandlung die Sache fremd zu sein in Wahrheit nicht gewußt habe, nicht genug, sondern er muß auch dieselbe von jemanden solchen an sich gebracht haben, von deme er vernünftiger Weise hat glauben können, daß sie ihme gehörig seie.

[2, 8, § 4] 47. Es muß demnach das Eigenthum einer solchen Sache, oder wenigstens die Macht solche zu veräußeren an Seiten des Veräußerers aus den Umständen wahrscheinlicher Weise vermuthet werden können; derlei Umstände sind dessen Hantirung, Vermögensstand und guter Leumund, als da es dessen ordentliches Gewerb wäre mit derlei Sachen zu handlen, und sie als in- und ausländische Kaufmannswaaren,

(2-133) oder als seine Kunst- oder Handwerksarbeiten feil zu haben, oder ihme zum Verkauf übergebene Sachen auszutragen, und zu verhandlen.

[2, 8, § 4] 48. Oder der Veräußerer wäre in solchen Vermögensstand, dass es von ihme nicht ungewöhnlich scheinen kann, dergleichen Sachen in dieser Beschaffenheit und Menge eigen zu haben und nach Belieben anzuschaffen, und auch anwiederum hintanzugeben.

[2, 8, § 4] 49. Oder wenigstens da wider ihn wegen seines öffentlichen Ansehens und kundbaren guten Leumunds kein gegründetes Mißtrauen sein kann, daß er sich einer fremden Sache anmaßen, solche für sein Eigen ausgeben, und entweder den Eigenthümer, oder einen Dritten gefährlicher Weise hintergehen sollte.

[2, 8, § 4] 50. Dahingegen ist Niemand gesicheret, der von einem fremden derorten Ungekannten außer öffentlichen Marktzeiten, oder von einem kenntlichen Landlaufer, oder von einem solchen etwas erkaufet, der kundbarer Maßen keine freie Verwaltung seines Vermögens hat, oder wider den sonst entweder wegen seines mit der Kostbarkeit der Sache nicht übereinstimmenden Vermögenstands, oder wegen übler Gebarung mit fremden Gut, oder sonst wegen ermanglenden guten Leumunds und Ansehens ein gegründeter Verdacht fürwalten könnte.

[2, 8, § 4] 51. Noch weniger kann den Erwerber sicherstellen, wann ihme von Jemanden, der die Verwaltung und Obsorge fremder Sachen, jedoch ohne kundbarer Macht und Befugnuß solche zu veräußeren auf sich hat, etwas verkaufet wird, aus dessen Kostbarkeit oder sonstigen Beschaffenheit geschlossen werden mag, daß es nicht ihme, sondern seinem Herrn gehörig seie, woferne dessen Befehl oder Gutheissung, oder das Eigenthum des Veräußerenden nicht behörig erwiesen und bescheiniget würde.

[2, 8, § 4] 52. In Gegentheil solle Jener zum meisten gesicheret sein, der eine öffentlich feilgebotene Sache bei gerichtlicher Versteigerung, oder sonst bei anderen öffentlichen von Seiten des gemeinen Wesens vorzunehmen üblichen, oder insonderheit vorkehrenden Feilbietungen und Handkaufen erhandlet.

[2, 8, § 4] 53. Es wäre dann mit Hintergehung der Gehörde etwas Fremdes dahin gelanget und feilgeboten worden, wovon der Kaufer, daß es fremd seie, gute Wissenschaft gehabt hätte, und mit dessen Vorbewust die Sache weder allda angenommen, noch weniger feilgeboten worden wäre.

[2, 8, § 4] 54. Bei der zweiten Erfordernuß solle die Ursache der Erwerbung nicht allein an sich zur Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, sondern auch entgeltlich und also beschaffen sein, daß der Erwerber dagegen etwas thue, was dem Werth der Sache beikomme, oder von dem Seinigen etwas verliere, was er für die an sich gebrachte Sache gegeben oder nachgelassen hat.

[2, 8, § 4] 55. Eine bloß gewinnstige Ursach hingegen, als eine Schankung oder Vermächtnuß ist für sich allein ohne hinzutretender Verjährung nicht genug aus bloßer Wirkung des guten Glaubens Jemanden das Eigenthum einer fremden Sache zuzuwenden, und ihn mit Schaden der Eigenthümers zu bereicheren.

[2, 8, § 4] 56. Solchemnach sind diese beide Erfordernussen, nemlich der vordringende gute Glauben in der obbeschriebenen Maß, und eine auf Veränderung des Eigenthums gerichtete entgeltliche Ursach zur Uebertragung des Eigenthums einer fremden Sache aus Macht Rechtens dergestalten nothwendig, daß, insolange solche nicht rechtsbehörig erwiesen werden, dem Eigenthümer sein Anspruch auf die Sache noch allemal bevorstehet.

[2, 8, § 4] 57. Der Eigenthümer kann dahero den Besitzer seiner Sache, insolange deren Besitz nicht verjähret ist, mittelst der Eigenthumsklage belangen; dieser aber ist befuget, sich mit der Einwendung des hieran aus Macht Rechtens erworbenen Eigenthums zu schützen, und die Eigenthumsklage abzulehnen, wann er obige Erfordernussen zu erweisen im Stande ist.

[2, 8, § 4] 58. Doch solle der gute Glauben nicht anderst, als durch die Namhaftmachung

(2-134) seines Gewährsmanns, von deme er die Sache an sich gebracht, und dessen rechtliche Ueberführung, im Falle er die Sach von ihme herzurühren in Abrede stellte, oder, da die Sache zu Marktszeiten von einem Unbekannten, der nachher nicht mehr zu erforschen wäre, erkaufet worden, durch Zeugnuß glaubwürdiger Personen, daß die Sache auf dem Markt öffentlich ausgefeilet worden, erwiesen werden können.

[2, 8, § 4] 59. Gleichwie dann auch zu Darthuung der entgeltlichen Erwerbungsursache der zwischen ihnen um die Sache gepflogene Handel erprobet werden muß, um damit zugleich Dasjenige, was er dafür gegeben, geleistet oder nachgelassen hat, abgenommen, und dessen untadelhaftes Betragen daraus beurtheilet werden könne.

[2, 8, § 4] 60. Wollte oder könnte aber der Besitzer nicht anzeigen oder genugsam beweisen, von weme er die Sache an sich gebracht habe, oder es würde befunden, daß er dieselbe von diesem zu erhandlen ein billiges Mißtrauen hätte haben sollen, so ist die Einwendung für unstatthaft anzusehen, und die Sache dem Eigenthümer nach der Natur der Eigenthumsklage zuruckzustellen.

[2, 8, § 4] 61. Nicht weniger behält der Eigenthümer sein Eigenthum, wann Beklagter nicht darzeigen oder genugsam darthuen könnte, durch was für redliche und entgeltliche Handlung er die Sache an sich gebracht habe, oder die anzeigende Handlung unstandhaft, verstellet, oder wegen sonstiger Umständen als wegen außerordentlich bestrebter Heimlichkeit, sehr geringen Preises unter dem wahren Werth der Sache, beigefügter seltsamer Bedingnussen, oder eines anderen billigen Verdachts so beschaffen zu sein befunden würde, daß selbst die Art der Handlung ihme ob der Redlichkeit des Veräußerers ein Mißtrauen hätte erwecken sollen.

[2, 8, § 4] 62. In diesen Fällen, wo der Beklagte mit dem Beweis obiger Erfordernussen aufzukommen nicht vermögete, ist der klagende Eigenthümer bei seinem ununterbrochenen Eigenthum zu erhalten, und der Beklagte zur Zuruckstellung der Sache zu verurtheilen.

[2, 8, § 4] 63. In Gegentheil, da der Beklagte seine Einwendung rechtsbeständig erweisen würde, ist sodann durch richterliche Erkanntnuß, daß er das Eigenthum aus Macht Rechtens in Kraft dieses Unseres Gesatzes erworben habe, zu erklären, folglich derselbe von der Klage des vorigen Eigenthümers ledig und loszuzählen.

[2, 8, § 4] 64. Wäre aber eine solche rechtmäßig erworbene Sache vor angestrengter Eigenthumsklage dem vorigen Eigenthümer, ohne daß deren Eigenthum aus einer neuen Ursache an ihn übertragen worden wäre, anwiederum zu Handen gekommen, hat Jener, der solche vorstehender Maßen an sich gebracht, die Befugnuß, dieselbe von dem vorigen Eigenthümer, dessen Eigenthum gleich damals, als es von dem Anderen aus Macht Rechtens erworben worden, erloschen ist, mittelst der Eigenthumsklage abzuforderen.

[2, 8, § 4] 65. Da jedoch die Sache auf vorbeschriebene Art und Weis der Erwerbung aus Macht Rechtens auf einen dritten Besitzer gediehen wäre, so kann derselbe nicht allein sich der Einwendung des auf ihn aus Macht Rechtens übertragenen Eigenthums sowohl wider den ersteren Eigenthümer, als wider den nachherigen Erwerber, wann er von deren Einem oder Anderen belanget würde, gebrauchen, sondern auch, wann einer aus ihnen außer einer neuen Uebertragungsursache die Sache wieder zu Handen bekommen hätte, Denjenigen, bei deme sie vorfindlich ist, mit der Eigenthumsklage zu deren Zuruckstellung belangen.

[2, 8, § 4] 66. Dahingegen, wo der neue Besitzer die vorerwähnte Erfordernussen der rechtmäßigen Erwerbung nicht zu erweisen vermögete, solle derselbe weder gegen dem früheren Erwerber, noch gegen dem vormaligen Eigenthümer gesicheret sein, sondern, da beide zusammentreffen, die Sache vorzüglich Jenem, der deren

(2-135) rechtmäßige Erwerbung mit vorbemelten Umständen zu erweisen im Stande ist, und in dessen Ermanglung dem sich hervorthuenden Eigenthümer zuerkannt werden.

[2, 8, § 4] 67. Die Sache aber möge Einem oder dem Anderen zugesprochen werden, so bleibet doch der Namhaftgemachte und dessen geständiger Gewährsmann für den Werth der Sache Demjenigen, welcher deren verlustig wird, verfänglich, also zwar, daß er von deme, welcher die Sache unmittelbar von ihme an sich gebracht, wann ihme solche aberkannt wird, auch in Ermanglung eines anderen Bedings aus der Natur der Handlung, von dem vorigen Eigenthümer aber aus einer Folge des Eigenthumsrechts hierum belanget werden könne.

[2, 8, § 4] 68. Doch stehet auch dem belangten Gewährsmann frei, sich wider die Klage des Eigenthümers auf gleiche Art zu schützen, daß er seinen weiteren Gewährsmann anzeige, und die Redlichkeit der mit ihme gepflogenen Handlung erweise, welches fortan soweit gehet, bis daß man auf einen solchen Veräußerer gelange, welcher keinen weiteren Gewährsmann, minder die Rechtmäßigkeit der Erwerbung der von ihm weiters veräußerten Sache zu erweisen im Stande seie.

[2, 8, § 4] 69. Dieser, wann er sich keiner Gefährde bei der Ansichbringung oder weiteren Veräußerung verfänglich gemacht, ist dem Eigenthümer zu nichts Mehreren verbunden, als was er von dem weiteren Besitzer dafür erhalten, oder was sonst für ein Vortheil und Nutzen aus Anlaß der Sache bei ihme vorhanden ist.

[2, 8, § 4] 70. Wo aber seinerseits eine Gefährde unterloffen zu sein erweislich wäre, ist er dem Eigenthümer den höchsten Werth nach eigener Vorliebe auf vorhergehende richterliche Mäßigung mit allen von der Sache behobenen Nutzungen und verursachten Schäden zu erstatten schuldig.

(2-136) Caput IX.

Von Verjährungen.

Inhalt:

§. I. Von Erfordernussen der Verjährung. §. II. Von Fähigkeit der Personen, welche ein Ding oder Recht durch Verjährung ersitzen können. §. III. Von Sachen und Rechten, welche nicht verjähret werden mögen. §. IV. Von Verjährung beweglicher Sachen. §. V. Von Verjährung liegender Güter. §. VI. Von Verjährung unkörperlicher Dingen, als Rechten und Forderungen. §. VII. Von Verjährungen durch undenkliche Besitzzeit. §. VIII. Von Rüglung oder Unterbrechung der Verjährungszeit.

§. I.

[2, 9, § 1] Num. 1. Die Erwerbung fremder Sachen aus Macht Rechtens ohne Verlauf der zu Ersitzung fremden Guts sonst erforderlichen Zeitfrist ist nur wegen Sicherheit des gemeinen Handels und Wandels bei fahrenden Dingen allein in Hinzutretung der in gleich vorhergehenden Capitel ausgemessenen, und von dem Besitzer je und allezeit zu erweisen habenden Erfordernussen verstattet.

(2-137) [2, 9, § 1] 2. Es erheischet aber auch das gemeine Wohl sowohl bei anderen Sachen, wie da sind liegende Güter, Rechten und Forderungen, als bei beweglichen Dingen selbst, wo mehrerwähnte Erfordernussen zur alsbaldigen Uebertragung des Eigenthums nicht beistoßen, die Gewißheit und Verläßlichkeit dereinstens herzustellen, und anstatt die Strittigkeiten hierüber zu verewigen, solche vielmehr binnen einem gewissen Zeitraum einzuschränken, folglich sie nach dessen Verlauf gänzlich abzuschneiden und aufzuheben.

[2, 9, § 1] 3. In dieser Absicht haben Wir für nothwendig angesehen nach Verschiedenheit der Dingen gewisse Zeitfristen zu bestimmen, durch deren ruhigen und ununterbrochenen Verlauf sowohl das Eigenthum einer mit den hiernach vorgeschriebenen Erfordernussen besessenen Sache sofort auf den Besitzer aus Macht Rechtens übertragen, als auch allerlei Gerechtsamen erworben, und alle Forderungen und Rechtsklagen verjähret und verschwiegen sein sollen.

[2, 9, § 1] 4. Die Verjährung ist dahero nach ihrem Gegenstand zweierlei, als der Sachen und Rechten; die Verjährung der Sachen ist eine Uebertragung des Eigenthums einer fremden Sache aus Macht Rechtens, mittelst deren durch die verordnete Zeit fürwährenden Besitzes, und theilet sich anwiederum in die Verjährung beweglicher und unbeweglicher Dingen.

[2, 9, § 1] 5. Die Verjährung der Rechten ist eine Art und Weis mittelst des bestimmten Zeitlaufs aus Macht Rechtens entweder eine Gerechtsame an dem Gut des Anderen zu erwerben, oder die Befreiung von dem Recht und Forderung des Anderen zu bewirken.

[2, 9, § 1] 6. Welche ein Recht zueignet, giebt die Klage und Rechtsforderung zur Behauptung und verstattender ungestörten Ausübung der durch die Verjährung erworbenen Gerechtsame; jene hingegen, die von der Verfänglichkeit befreiet, giebt die rechtsbeständige Einwendung wider die Forderungen des Anderen.

[2, 9, § 1] 7. Beide Arten aber haben nach dem Unterschied, ob sie landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Rechten und Forderungen betreffen oder nicht, eine unterschiedene Eigenschaft und Wirkung, wie es unten erkläret wird.

[2, 9, § 1] 8. Nach dem Zeitmaß ist die Verjährung entweder bestimmet oder unbestimmet; die bestimmte ist nach der ausgesetzten Zeit abgemessen, die unbestimmte

(2-138) hingegen hat nur damals statt, wann deren Anfang über Menschengedenken hinaus reichet, und durch undenkliche Zeit seine andere Bewandtnuß wissend ist.

[2, 9, § 1] 9. Zur Verjährung, wodurch das Eigenthum fremder Sachen, oder eine Gerechtsame an des Anderen Gut erworben wird, müssen folgende fünf Erfordernussen hinzustoßen, in deren Abgang, wann gleich nur eine einzige ermanglete, keine Verjährung statthaben solle.

[2, 9, § 1] 10. Diese Erfordernussen sind: Erstens, der gute Glauben, zweitens, eine rechtmäßige Ursache, aus welcher die Sache oder das Recht auf den Verjährenden gediehen ist, drittens, eine von allem Tadel oder Verfänglichkeit befreite Sache, wegen welcher solche entweder gar nicht, oder doch nicht in der gemeinen Verjährungszeit verjähret werden kann, viertens, der fürwährende ununterbrochene Besitz, und endlich fünftens, der ausgemessene Zeitlauf.

[2, 9, § 1] 11. Der gute Glauben an Seiten des Verjährenden als die erste Haupterfordernuß zur Verjährung ist eine ungezweiflete Meinung, nach welcher er die an sich gebrachte Sache für sein Eigen hält, und Denjenigen, von deme er solche auf rechtmäßige Art und Weis bekommen, deren wahren Eigenthümer gewesen zu sein glaubet, oder wo es um ein Recht auf eines Anderen Gut zu thun ist, sich dessen zu gebrauchen befugt zu sein achtet.

[2, 9, § 1] 12. Dann die Inhabung einer fremden Sache, oder Anmaßung eines ungebührenden Rechts kann nichts Anderes rechtfertigen, als die untadelhafte Unwissenheit eines fremden Guts, oder des Unfugs, in welchem der Anmaßende bestellet ist.

[2, 9, § 1] 13. Was dahero die Unwissenheit tadelhaft und sträflich macht, und dem Irrenden oder Unwissenden selbst auf was immer für Weise zu Schulden gehet, als ein gegründeter Zweifel, ein Irrthum oder Unwissenheit in deme, was ihme zu wissen obgelegen wäre, kann mit dem guten Glauben und aufrechten Meinung in keinerlei Wege bestehen.

[2, 9, § 1] 14. Ein bloßer Zweifel an dem Eigenthum oder an der Befugnuß des Uebertragenden, er möge vor oder nach der Erwerbung hinzustoßen, hinderet zwar für sich allein den Lauf der Verjährung nicht, wann nicht zugleich dem verjähren Wollenden eine Schuld beigemessen werden kann, daß er sich eines vor oder währender dieser Zeit ihme wohlwissenden Umstands halber, welcher ihme ein billiges Bedenken hätte erwecken sollen, zu belehren unterlassen habe.

[2, 9, § 1] 15. Inwieweit aber Jemand seinen guten Glauben bei einem vor erfüllter Verjährungszeit über die Rechtmäßigkeit der Erwerbung entstehenden Zweifel zu rechtfertigen vermöge, bleibet seinem eigenen Gewissen überlassen.

[2, 9, § 1] 16. Dann Wir seind keineswegs gemeinet, die Vorenthaltung fremden Guts und unrechtmäßige Besitzungen durch den alleinigen Zeitlauf zu begünstigen, sondern Jedermann, der das innehabende Gut fremd zu sein weiß, oder es aus seiner Schuld, da er es wissen können, geflissentlich nicht wissen wollen, ist und bleibet auch zu allen Zeiten zu dessen Zuruckstellung verbunden.

[2, 9, § 1] 17. Wann demnach Jemand ein Anderes, als derselbe vermeinet, hätte wissen sollen, als da er entweder Dasjenige, was Unsere Gesetze ausmessen, oder was er selbst gesehen, gehöret oder gethan, nicht zu wissen, und darinnen geirret zu haben vorschützete, ein solcher vorgeblicher Irrthum oder Unwissenheit des Rechts oder der eigenen That schließet allen guten Glauben aus.

[2, 9, § 1] 18. Am allermeisten aber widerstehet dem guten Glauben die ausdrückliche Wissenschaft des Widerspiels, und wer wissentlich eine fremde Sache von Jemanden, deme er sie nicht gehörig zu sein weiß, an sich bringt, oder auch wissentlich sich eines fremden Dings oder Gerechtsame auf eines Anderen Gut, worzu er kein Recht hat, anmaßet, kann eine solche Sache oder Gerechtsame zu keiner Zeit verjähren.

[2, 9, § 1] 19. Nicht weniger wird die Verjährung unterbrochen, sobald als der Inhaber die Wissenschaft des fremden Eigenthums an einer obschon Anfangs mit

(2-139) guten Glauben an sich gebrachten Sache vor vollendeter Verjährungszeit überkommet.

[2, 9, § 1] 20. Dann der gute Glauben wird nicht nur allein gleich zur Zeit der Erwerbung und Uebergabe, da Jemand den Besitz der Sache erlanget oder ein Recht an des Anderen Gut auszuüben anfanget, sondern auch währender ganzen Verjährungszeit bis zu deren völligen Erfüllung erforderet, also zwar, daß, wo der Besitzer binnen dieser Zeit auch in dem letzten Augenblick in üblen Glauben versetzet worden wäre, die obschon rechtmäßig angefangene Verjährung ihren Lauf und Kraft verliere.

[2, 9, § 1] 21. Deme aber, welcher bereits die ganze Verjährungszeit mit guten Glauben ordentlich erfüllet hat, schadet die nachher erlangende Wissenschaft einer vorhin fremden Sache oder Gerechtsame nicht, sondern derselbe ist sodann des aus Macht Rechtens erworbenen Eigenthums oder Gerechtsame in kraft Unserer Gesetzen vollkommen gesicheret, und solle nach rechtmäßig vollstreckter Verjährungszeit von dem üblen Glauben weiter keine Frage sein.

[2, 9, § 1] 22. Der gute Glauben solle bei Personen von guten Namen und Leumund allemal vermuthet, folglich das Widerspiel von dem Gegentheil erwiesen werden; es käme dann wider den Besitzer ein rechtserheblicher Verdacht hervor, in welchem Fall derselbe zu dessen Ablehnung auf richterliches Ermessen seinen guten Glauben mit einem körperlichen Eid zu erhärten schuldig ist.

[2, 9, § 1] 23. Die zweite Erfordernuß ist die Anzeige rechtmäßiger Ankunft, wodurch nichts anderst, als eine rechtmäßige Ursache verstanden wird, aus welcher die Sache auf den verjährenden Besitzer gediehen ist, oder Jemanden das anmaßende Recht bestellet worden.

[2, 9, § 1] 24. Diese Ursache muß an und für sich zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglich, folglich also beschaffen sein, daß, wann die Sache von ihrem Eigenthümer übergeben worden wäre, deren Eigenthum anmit auf den Besitzer hätte übertragen werden können.

[2, 9, § 1] 25. Nicht weniger muß dieselbe wahr, und nicht bloß eingebildet, noch minder verstellet sein, also zwar, daß durch Scheinhandlungen verstellete, falsch fürgewendete, oder auch irrig vermeinte und eingebildete Ursachen null und nichtig, und zur Verjährung nicht zureichend sein.

[2, 9, § 1] 26. Wovon nur jener Irrthum und Unwissenheit ausgenommen ist, worin Jemand aus der That eines Anderen versetzet und dadurch verleitet worden zu glauben, daß er die Sache aus derjenigen rechtmäßigen Ursache, welche er sich einbildet, an sich gebracht habe.

[2, 9, § 1] 27. Als da z. B. ein Erb das in der Verlassenschaft seines Erblassers vorfindliche fremde Gut für des Erblassers eigenes, folglich für ein rechtmäßig ererbtes Gut hielte, oder Jemanden von seinem Sachwalter eine fremde Sache unter dem Vorwand eines rechtmäßig erkauften Guts überlieferet worden wäre, oder auch Jemand ein ihme zur Ungebühr bezahltes Geld als eine rechtmäßige Schuld angenommen hätte.

[2, 9, § 1] 28. Außer solchen Fällen aber, wo eine unsträfliche Unwissenheit fremder That, Zustands oder Eigenschaft den Irrthum veranlasset, kann sonst Niemand nach seinem eigenen Gefallen die wahre Ursach seines Besitzes, Inhabung oder Anmaßung änderen, oder verwandlen, und eine andere Ursache, als aus der die Sache oder das Recht auf ihn gediehen, zum Schein angeben und vorwenden, sondern eine solche vorschützende falsche Ursach bleibet immerda unrechtmäßig, folglich auch zur Verjährung ganz und gar untüchtig.

[2, 9, § 1] 29. Wahre, rechtmäßige und zur Verjährung hinlängliche Ursachen sind alle diejenige, welche ihrer Natur nach auf Uebertragung des Eigenthums gerichtet sind, und wodurch solches ohngezweiflet auf den Besitzer hätte übertragen werden können,

(2-140) wann ihme von dem Eigenthümer die Sache übergeben, oder das Recht bestellet worden wäre.

[2, 9, § 1] 30. Es ist aber auch darinnen zwischen beweglichen und unbeweglichen Dingen ein Unterschied, daß bei Fahrnussen an der Rechtmäßigkeit der Erwerbungsursache genug ist, bei liegenden Gütern hingegen, und den hierauf haftenden Rechten und Gerechtigkeiten über das erforderet werde, daß die Ursache, wodurch der Besitzer das Gut oder das Recht an sich gebracht, in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern da, wo das Gut inlieget, eingetragen und vorgemerket seie.

[2, 9, § 1] 31. Dann gleichwie liegende Güter und darauf haftende Rechten und Gerechtigkeiten nicht anderst, als mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern erworben und übertragen werden können, also werden sie auch ohne denenselben zu keiner Zeit verjähret, sondern bleiben immerfort Demjenigen, auf dessen Namen sie in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket und eingeschrieben sind, obgleich jemand Anderer solche besitzete, benutzete, oder sonst innen hätte.

[2, 9, § 1] 32. Doch erstrecket sich die auf den ganzen Inbegriff eines Guts oder Herrschaft lautende landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Ankunft auch auf alle darzu gehörige Theile, welche darunter begriffen sind, und als Zugehörungen mit dem Ganzen zugleich besessen, folglich auch verjähret werden, ohne daß wegen eines jedweden Theils eine besondere landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Ankunft nöthig wäre, wann sonst in Ansehen eines solchen vorgeblichen Theils an den übrigen Erfordernussen zur Verjährung nichts ermanglet.

[2, 9, § 1] 33. Desgleichen können keinerlei liegende Güter behaftende Grundrechten und Grunddienstbarkeiten ohne deren landtäflicher, stadt- oder grundbücherlichen Bestellung oder Verschreibung verjähret werden, mit alleiniger Ausnahme derjenigen, welche nach der oben in zweiten Capitel, §. I, num. 11 enthaltenen Ausmessung vor diesem Unseren Gesatz allschon rechtmäßig verjähret wurden, oder deren in jenen Orten, wo vorhero keine dergleichen Verschreibung nöthig ware, vorhin angefangene Verjährung nachhero ohne Widerspruch erfüllet wird.

[2, 9, § 1] 34. Umsoweniger aber können die schon wirklich in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf Jemanden vorgemerkte Rechten und Gerechtigkeiten von irgend einem Anderen ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Verschreibung verjähret werden.

[2, 9, § 1] 35. Die Rechtmäßigkeit der Ankunft oder der nach Gestalt der verjährenden beweglichen oder unbeweglichen Sache erforderlichen Erwerbungsursache hat allemal Jener zu erweisen, der sich wider den Anspruch des Anderen mit der Verjährung schützen will.

[2, 9, § 1] 36. Aus deren Beweis erwachset die zu Recht bestehende Vermuthung für den guten Glauben des Besitzers, welche nicht anderst, als durch den Gegenbeweis des Widerspiels entkräftet und abgelehnet werden mag.

[2, 9, § 1] 37. Die dritte Erfordernuß zur Verjährung ist die Untadelhaftigkeit und Unverfänglichkeit der verjähren wollenden Sache; durch den Tadel und die Verfänglichkeit aber wird eine solche der Sache anklebende Eigenschaft verstanden, wegen welcher dieselbe entweder gar nicht, oder doch nicht in der gemeinen Verjährungszeit verjähret werden kann, wovon unten in §. III mit Mehreren gehandlet werden wird.

[2, 9, § 1] 38. Die vierte Erfordernuß ist der rechtliche Besitz der verjähren wollenden Sache, welcher durch die ganze zur Verjährung angesetzte Zeit, fortwürig, ununterbrochen, ruhig, und über das bei liegenden Gütern aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern offenkundig sein muß.

[2, 9, § 1] 39. Es ist dahero an dem natürlichen Besitz oder der alleinigen Inhabung der Sache nicht genug, sondern es wird der rechtliche Besitz darzu erforderet, welcher bei beweglichen Dingen darinnen bestehet, daß der Besitzer die Sache für sich selbst, und als sein Eigenthum, nicht aber in Namen eines Anderen, und

(2-141) bloß in Absicht eines daraus beziehenden Nutzens, oder hieran gebührenden gewissen Rechts besitze.

[2, 9, § 1] 40. Dahingegen kann bei liegenden Gütern der rechtliche Besitz nicht anderst, als mittelst der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern erworben werden, folglich ist auch zu deren Verjährung der landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Besitz dergestalten nothwendig, daß solche ohne demselben durchaus nicht statthaben kann.

[2, 9, § 1] 41. Der Besitz muß durch die ganze Verjährungszeit ununterbrochen fürwähren, also daß der Besitzer von Anfang bis zu Ende dieser Zeit niemalen aus dem Besitz gesetzet worden. Der Anfang des Besitzes aber ist bei Fahrnussen von dem Tag der Erwerbung, da nemlich der Besitzer die Sache als sein vermeintliches Eigenthum durch Uebergabe oder Ergreifung an sich gebracht, bei liegenden Gütern hingegen von dem Tag der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung, oder Verschreibung des liegenden Guts auf den Besitzer zu rechnen, von welcher Zeit die Verjährung ihren Anfang nehmen solle.

[2, 9, § 1] 42. Die Verjährung ist demnach durchaus nach dem Besitz abgemessen, also, daß nur so vieles verjähret werde, als erweislich besessen worden, und wer ein aus mehreren zusammenhangenden, oder geschiedenen Theilen bestehendes Ganzes verjähren will, muß auch alle Theile desselben besessen haben.

[2, 9, § 1] 43. Also werden unter dem Begriff eines Guts oder Herrschaft nur jene Theile verjähret, welche als Zugehörungen darzu zugleich durch die ganze Verjährungszeit besessen worden.

[2, 9, § 1] 44. Desgleichen werden unter einer Herde Viehs mittelst einerlei Verjährung nur so viele verjähret, als die Herde zur Zeit der Erwerbung, da sie an den Besitzer gelanget, in sich begriffen, nicht aber auch jene Stücke, die nach der Zeit darzu gekommen, sondern diese müssen besonders verjähret werden, und sind ebenso vielerlei Verjährungen nöthig, als Theile sind.

[2, 9, § 1] 45. Dieses leidet jedoch bei Gebäuden eine Ausnahme, als mit welchen der Bauzeug, oder das, was erd-, niet- oder nagelfest ist, nicht zugleich mit verjähret wird, weilen all solches, so lange das Gebäude bestehet, mit der Eigenthumsklage nicht geforderet werden kann, und aus der Ursache dessen Verjährung nicht ehender, als nach zerstörten Gebäude ihren Anfang nimmt.

[2, 9, § 1] 46. Die Fortwürigkeit des Besitzes kann nicht nur bei einer, sondern auch bei mehreren unmittelbar aufeinander folgenden Personen bestehen, von deren Einer auf die Andere in ohnunterbrochener Reihe die verjährende Sache gelanget, also, daß der erste Inhaber die Verjährung anfange, die folgenden aber solche fortsetzen und endigen, mithin allemal die Besitzzeit der Vorfahreren dem Nachfolger zu statten komme.

[2, 9, § 1] 47. Diese Vereinigung und Zusammenfügung des vergangenen mit dem folgenden oder gegenwärtigen Besitz heißet eigentlich ein Zugang der Zeit, wessen sich alle nachfolgende Inhabere der Sache, welche sie rechtmäßig aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache, es seie durch Erbfolge oder durch Handlungen zwischen Lebenden, an sich gebracht haben, bedienen können, wann folgende Erfordernussen dabei zusammentreffen, als:

[2, 9, § 1] 48. Erstens, daß sowohl der Vorfahrer, als der Nachfolger in guten Glauben bestellet, und Beider Inhabung mit den zur Verjährung nöthigen Erfordernussen versehen seie, wo in widrigen bei tadelhafter Inhabung des Vorfahrers die Verjährung keinen rechtsbeständigen Anfang nehmen können, und bei tadelhafter Inhabung des Nachfolgers dieselbe sofort unterbrochen wird, und nicht weiter fortgesetzet werden mag.

[2, 9, § 1] 49. Zweitens, daß der Nachfolger in den wirklichen Besitz der von dem Vorfahrer unmittelbar auf ihn gediehenen Sache gelange, und wo es eine bewegliche Sache, solche durch ordentliche Uebergabe zu seinen Handen und in seine Gewahrsame bringe, da es aber eine unbewegliche Sache, deren landtäfliche, stadt-

(2-142) oder grundbücherliche Einverleibung und Verschreibung auf seinen Namen erfolget seie.

[2, 9, § 1] 50. Wäre er aber nicht unmittelbar seinem Vorfahrer in dem Besitz gefolget, sondern der Besitz in der Zwischenzeit auf jemand Anderen gediehen, von deme die Erwerbung dieser Sache nicht abgeleitet wird, ist auch die Verjährung sofort unterbrochen, und kann die Besitzzeit des Vorfahrers nicht darzu gerechnet, wohl aber die Verjährung, wann sonst kein Mangel unterwaltet, in der eigenen Person des Nachfolgers angefangen werden.

[2, 9, § 1] 51. Doch haben liegende oder unangetretene Erbschaften die Eigenschaft, daß sie die Person des Erblassers vorstellen, folglich auch diejenige Zeit, durch welche sie unangetreten erliegen, dem sich nachher hervorthuenden Erben zu Ergänzung der Verjährung in Ansehen einer darunter befindlichen fremden Sache zu guten gehe, wann die Verlassenschaft unter dieser Zeit der Sache wegen unangefochten geblieben.

[2, 9, § 1] 52. Es hanget aber von des Nachfolgers eigenen Willen und Gefallen ab, sich die Besitzzeit seines Vorfahrers zuzurechnen, ansonst kann ein Erb, Kaufer, und jedweder anderer Nachfolger an der Sache die Verjährung von seiner eigenen Besitzzeit anfangen, wann er nur in guten Glauben bestellet ist.

[2, 9, § 1] 53. Dieser Besitz muß ferners die ganze Verjährungszeit hindurch ruhig gewesen sein, und darf durch keinen gerichtlichen Anspruch, noch minder durch den darzwischen kommenden üblen Glauben unterbrochen werden.

[2, 9, § 1] 54. Der Besitz solle zwar jedesmal von Jenem erwiesen werden, der die Verjährung für sich anführet, wer aber den rechtmäßigen Anfang des erlangten Besitzes, und beinebst die gegenwärtige Inhabung der Sache, oder daß er wenigstens bei erfüllter Verjährungszeit dieselbe wirklich in Besitz gehabt, erweiset, hat auch die Vermuthung des zwischenzeitigen rechtmäßigen Besitzes für sich, wann nicht von dem Gegentheil das Widerspiel, oder ein sonstiger Abgang an den Erfordernussen zur Verjährung erwiesen wird.

[2, 9, § 1] 55. Die fünfte Erfordernuß ist die zu Ersitzung einer Sache oder Erwerbung eines Rechts durch Unsere Gesetze ausgemessene Zeit, welche jedoch hier nicht bloß nach ihrem natürlichen Lauf, sondern in rechtlichen Verstand betrachtet wird, und in dieser Bedeutung ist dieselbe ein gewisser Raum, wodurch der Anfang, die Dauer und das Ende eines jedweden Rechts und Gerechtigkeit bestimmet wird.

[2, 9, § 1] 56. Sie ist fortlaufend oder nutzlich, der Lauf der ersteren wird durch nichts unterbrochen und aufgehalten, die letztere aber begreifet nur jenen Zeitraum in sich, in welchen die Ansuchung des angebührenden Rechts nicht verschränket ist, also, daß jene Zeit, in welcher Jemand sein Recht zu suchen durch rechtmäßige Ehehaften verhinderet ware, nicht mit eingerechnet werde.

[2, 9, § 1] 57. Es kann aber nach Verschiedenheit der Fällen die Zeit entweder durchaus von Anfang bis zu Ende fortlaufend, oder auch von Anfang bis zu Ende nutzlich, oder aber zu Anfang nutzlich, und in der Folge fortlaufend sein, nachdeme es in jedem Fall von Unserem Gesatz vorgeschrieben wird.

[2, 9, § 1] 58. Die Zeit wird in Augenblicke, Stunden, Täge, Wochen, Monate und Jahre eingetheilet; ein Augenblick ist ein untheilbarer Zeitpunkt, in welchem jenes zu geschehen hat, was keinen Verzug leidet, und augenblicklich wird jenes erworben, worzu von Unseren Gesetzen kein Zeitraum ausgesetzet ist.

[2, 9, § 1] 59. Die Stunden sind ein gleicher Zeitraum, worein Tag und Nacht eingetheilet wird; diese endigen sich bei gerichtlichen Handlungen mit dem Glockenschlag, also daß, wo es auf eine Stunde ankommt, mit dem letzten Schlag der ausgesetzten Stunde das Recht verschwiegen und verschlafen ist.

[2, 9, § 1] 60. Ein Tag begreifet einen Zeitraum von vierundzwanzig Stunden, also daß in dem rechtlichen Verstand unter dem Tag allemal auch die Nacht enthalten sein solle, wann in dem Gesatz oder Gebot nichts anderes ausgedrucket, und der


(2-143) Tag nicht wortdeutlich auf die Zeit von Sonnenaufgang bis Untergang beschränket wird.

[2, 9, § 1] 61. Eine Woche bestehet in sieben Tagen; durch ein Monat solle insgemein eine Zeit von dreißig Tagen verstanden werden, wann nicht der Namen eines gewissen Monats mit angedeutet wird, dann in diesem Fall sind so viele Täge zu rechnen, als dieser Monat hat; da jedoch eine Zeitfrist von mehreren unbenannten Monaten anberaumet wäre, solle allemal bei zweien Monaten ein Tag darüber gerechnet werden.

[2, 9, § 1] 62. Ein Jahr hat dreihundertfünfundsechzig Täge, wo aber ein Schaltjahr einfällt, solle der Schalttag in dem Laufe des Jahrs mit eingerechnet, und mit dem nächsten vorhergehenden für einen Tag geachtet, folglich das Jahr nicht ehender für verflossen gehalten werden, bis nicht gleichfalls der Schalttag verstrichen ist; dahingegen, wo die Zeitrechnung nach Tägen zu geschehen hat, ist der Schalttag jedesmal besonders zu rechnen.

[2, 9, § 1] 63. Die zu Verjährungen ausgesetzte Zeit, sie möge in Tägen, Wochen, Monaten oder Jahren bestehen, solle insgemein bis auf den letzten Augenblick des letzten Tags gerechnet werden, also daß, solange der letzte Tag nicht gänzlich vollendet und zuruckgeleget ist, dem Gegentheil nach allezeit bevorstehe, die Verjährung zu unterbrechen.

[2, 9, § 1] 64. Hiervon sind nur die Verjährungen liegender Güter, dann landtäflicher, stadt- und grundbücherlicher Rechten und Gerechtigkeiten, welche nach der unten in §. VIII folgenden Ausmessung nicht anderst, als mittelst gerichtlicher Rüglung und Widerspruchs unterbrochen werden können, wie nicht minder die Verjährungen jener Klagen und Rechtsforderungen, die von einer gewissen Zeitfrist abhangen, ausgenommen, bei welchen der letzte Tag damals für erfüllet und vollendet geachtet werden solle, wann die nach Vorschrift Unserer Gerichtsordnung zu Einbringung gerichtlicher Eingaben ausgesetzte Stunde verflossen ist.

[2, 9, § 1] 65. Und hierinnen bestehen die zu Verjährungen, wodurch das Eigenthum fremder Sachen, oder eine Gerechtsame an des Anderen Gut erworben wird, nöthige Erfordernussen; dahingegen solle bei jenen Verjährungen, wodurch nichts erworben, sondern nur das Seinige erhalten, und die Befreiung von dem Recht des Anderen durch Ausschließung seiner Forderung bewirket wird, auf den alleinigen Zeitlauf gesehen werden.

[2, 9, § 1] 66. Also zwar, daß dabei von dem guten Glauben keine Frage, sondern an dem Verlauf der zu Einbringung einer solchen Rechtsforderung ausgesetzten Zeit genug sein solle, auf daß dieselbe nach der Zeit verjähret und verschwiegen seie; wie viele Zeit aber zu Verjährungen erforderlich seie, wird nach Verschiedenheit der Gegenständen, welche verjähret werden, in nachfolgenden §§. ausgemessen werden.

[2, 9, § 1] 67. Die Verjährung der Sachen hat nicht weniger Kraft und Wirkung, als eine jedwede andere Erwerbungsart, also, daß in dem letzten Augenblick der geendigten Verjährungszeit andurch das Eigenthum von dem vorigen Eigenthümer auf den Verjährenden aus Macht Rechtens übertragen, und ihme ebenso, als ob es durch ordentliche Uebergabe an ihn gelanget wäre, erworben werden, wessentwegen er auch nicht weiter angefochten werden kann.

[2, 9, § 1] 68. Die Verjährung der Rechten, wodurch eine Gerechtsame erworben wird, eignet dem Verjährenden die Gerechtsame an eines Anderen Gut in eben derjenigen Maße zu, als ob ihme solche mit Willen des Eigenthümers auf was immer für andere rechtmäßige Art bestellet worden wäre, gleichwie dagegen die Verjährung einer Rechtsforderung solche auf allzeit ausschließt, und an Seiten dessen, welcher dem Kläger vorhin verbunden ware, eine rechtsbeständige Einwendung wider dieselbe bewirket.

(2-144) §. II.

[2, 9, § 2] 69. Jedermann kann sowohl Sachen als Rechten verjähren, der den rechtlichen Besitz und das Eigenthum einer Sache, oder das verjähren wollende Recht zu erwerben fähig ist.

[2, 9, § 2] 70. Gleichwie dahero Kinder und Blödsinnige wegen Mangel des Verstandes und Willens etwas zu erwerben untüchtig sind, also können sie auch durch sich selbst keine Verjährung anfangen, wohl aber kann die Verjährung anstatt ihrer von denen Gerhaben oder Vormünderen und Curatoren in ihren Namen und zu ihren Handen angefangen werden.

[2, 9, § 2] 71. Wann jedoch die Verjährung einmal ihren rechtmäßigen Anfang genommen, kann solche auch von Personen fortgesetzet werden, die entweder sie durch sich selbst anzufangen nicht fähig gewesen wären, oder nachhero in einen solchen Stand versetzet würden, worinnen dieselben die Verjährung niemalen hätten anfangen können, woferne sonst an den wesentlichen Erfordernussen der Verjährung nichts ermanglet.

[2, 9, § 2] 72. Also wird die von dem Erblasser angefangene Verjährung nicht unterbrochen, obgleich seine Erben noch Kinder oder blödsinnig wären, nicht weniger hat die Verjährung jegleichwohlen ihren Fortgang, obschon der Verjährende mit einer Blödsinnigkeit befallen würde, oder ein Kind, dessen Vormund die Verjährung angefangen, nach dessen Abgang unbevormundet bliebe.

[2, 9, § 2] 73. Waisen und andere pflegbefohlene Personen, denen es nicht an dem Verstand und Willen, sondern nur allein an der Befugnuß der freien Schalt- und Waltung gebricht, können insoweit durch sich selbst eine Verjährung anfangen, als sie nach Ausmessung dessen, was in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft geordnet worden, das Eigenthum zu erwerben fähig sind.

[2, 9, § 2] 74. Auch durch Andere, welche entweder unter Jemands Gewalt befindlich, oder fremde Geschäften zu besorgen haben, kann die Verjährung einer Sache oder Rechts angefangen werden, wann Jener, zu dessen Handen die Verjährung laufet, davon Wissenschaft hat.

[2, 9, § 2] 75. Dann wer von der zu Handen gebrachten Sache, oder von dem anmaßenden Recht nichts weiß, kann auch nicht in guten Glauben bestellet sein, und solange dieser ermanglet, kann keine Verjährung statthaben.

[2, 9, § 2] 76. Zur Verjährung liegender Güter und landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten aber wird insonderheit an Seiten der Verjährenden die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Besitz- und Erwerbungsfähigkeit dergestalten erforderet, daß die Verjährung nicht ehender, als von Zeit der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Ankunft ihren Anfang nehmen kann.

§. III.

[2, 9, § 3] 77. Alle Dinge, sie mögen fahrend oder liegend, körperlich oder unkörperlich sein, können verjähret werden, wann sie nur folgende Beschaffenheit haben, daß erstens sie fremd sein, zweitens, keine der vorgeschriebenen Erfordernussen zur

(2-145) Verjährung dabei ermanglet, und drittens, dieselben in Unserem Gesatz nicht namentlich ausgenommen worden.

[2, 9, § 3] 78. Aus Mangel der ersten Beschaffenheit können eigene Sachen und Rechten, unhandelbare Dinge und bloß willkürliche Handlungen niemalen verjähret werden.

[2, 9, § 3] 79. Dann was schon Jemandens ist, kann durch die Verjährung nicht mehr sein werden, obschon von ihme ein an seiner Sache dem Anderen gebührendes

(2-146) Recht verjähret werden mag, wodurch aber nicht die Sache, welche schon in gewisser Maß sein eigen ist, sondern nur das Recht, was ihme noch hieran abgehet, erworben wird.

[2, 9, § 3] 80. Unhandelbare Dinge sind in Niemandens Gut, folglich auch ganz und gar unverjährlich, solange sie nicht die unhandelbare Eigenschaft verlieren, und durch die gehörige Obrigkeit in Handel und Wandel gesetzet werden.

[2, 9, § 3] 81. Dahin gehöret ein freier Mensch, welcher durch keinerlei Verlauf der Zeit in die persönliche Unterthänigkeit gezogen werden kann, wann er sich nicht freiwillig in jenen Landen, wo solche eingeführet ist, derselben unterworfen hat.

[2, 9, § 3] 82. Willkürliche Handlungen sind von zweierlei Art, die einen, welche zu thun oder zu unterlassen aus der natürlichen Freiheit von eines Jedweden freien Willen abhanget, ohne daß ein Anderer hierauf mit Fug und Anspruch zu machen vermöge, oder ihme aus deren Unterlassung ein Recht erwachse.

[2, 9, § 3] 83. Als da sind die Bewandlung offener Wege und Straßen, Besuchung öffentlicher Bäder und Schauspielen, Erhöhung eigener Gebäuden, Beurbarung eigener Gründen, Mahlung auf fremden Mühlen, Einkehr und Zehrung in Gast- und Schenkhäusern u. dgl.

[2, 9, § 3] 84. Derlei Handlungen sind und bleiben ihrer Natur nach immerda unverjährlich, also zwar, daß, obgleich Jemand durch noch so lange Zeit sein Haus nicht erhöhet, seinen Acker nicht beurbaret, in seinem Wald nicht gejaget oder Holz gefället, Bäder und Schauspiele nicht besuchet hätte, derselbe nichtsdestoweniger durch keinerlei Verjährung diese Befugnuß verliere.

[2, 9, § 3] 85. Gleichwie dann auch Jener, welcher durch noch so lange Zeit auf einer fremden Mühle immerfort gemahlet, oder in einem Gast- oder Schenkhaus immerda eingekehret und gezehret, nachhero sich einer anderen Mühle zu gebrauchen, oder ein anderes Gast- oder Schenkhaus vorzuwählen nicht verhinderet werden mag.

[2, 9, § 3] 86. Doch können alle diese vorerwähnte Handlungen verjährlich werden, wann der Eine die Ausübung einer solchen willkürlichen Handlung verbietet und der Andere sich dem Verbot füget, und durch die ausgesetzte Verjährungszeit, ohne dagegen etwas einzuwenden, dabei beruhet.

[2, 9, § 3] 87. Dann in diesem Fall hören sie auf willkürliche Handlungen zu sein, und Jener, welcher den sonst freien Gebrauch verbietet, erlanget durch des Anderen Stillschweigen gleichsam den Besitz eines fremden Rechts, folglich auch die Befugnuß zur Verjährung.

[2, 9, § 3] 88. Eine ganz gleiche Beschaffenheit hat es mit allen nachbarlichen Dienst- und Freundschaftserzeugungen, welche zu keiner Zeit verjähret werden mögen, als da ein Nachbar dem Anderen den Durchgang über seine Gründe, die Viehweide, oder das Jagen in seinen Waldungen aus bloßer Freundschaft und ohne einiger Verfänglichkeit verstattete.

[2, 9, § 3] 89. In solchen Fällen beruhet es auch nach einem noch so langen Zeitlauf allemal bei der Willkür des Verstattenden die eingestandene Wohlthat zu widerrufen und anwiederum aufzuheben, es wäre dann, daß der Andere wider den Verbot darmit fortführe und der Verbietende durch die ausgemessene Verjährungszeit darzu stillschwiege.

[2, 9, § 3] 90. Die willkürlichen Handlungen von der anderen Art sind jene, welche zu thun oder zu unterlassen zwar von der eigenen Willkür abhanget, deren Ausübung aber nicht aus der Jedermänniglich zustehenden natürlichen Freiheit, sondern aus einem besonders hierzu erworbenen Recht herrühret.

[2, 9, § 3] 91. Diese sind jedoch ihrer Natur nach anwiederum unterschieden, dann entweder sind selbe auf die Erlangung eines gewissen Rechts gerichtet, als da sind die Antretung einer angefallenen Erbschaft, und alle Rechtsklagen und Handlungen, zu deren Anbringung und Ausübung eine gewisse Zeit ausgesetzet ist.

[2, 9, § 3] 92. Oder es wird andurch nur das aus einem Vertrag oder sonstigen

(2-147) besonderen Befugnuß angebührende Recht ausgeübet, als eine Dienstbarkeit, die Gerichtsbarkeit, die Bräu- und Schankgerechtigkeit u. dgl.

[2, 9, § 3] 93. Die ersten werden durch die in Unserem Gesatz ausgemessene Zeit verjähret, wann sie binnen solcher nicht ausgeübet werden, folglich wird auch das Recht, welches hierdurch zu erlangen gewesen wäre, verloren.

[2, 9, § 3] 94. Die anderen aber haben die nemliche Eigenschaft, wie jene aus der natürlichen Freiheit herstammende willkürliche Handlungen, also, daß selbe, wann sie auch durch eine noch so lange Zeit nicht ausgeübet würden, durch keinerlei Verjährung ausgeschlossen und verschränket werden können.

[2, 9, § 3] 95. Es trete dann der Verbot des Anderen, und das Stillschweigen des Berechtigten hinzu, oder das Gebot Unserer Satz- und Ordnungen würde nach Verschiedenheit der Fällen ein Anderes ausdrücklich ausmessen, oder das angebührende Recht wäre von einer solchen Beschaffenheit, daß es von selbst durch den Nichtgebrauch erlösche, wovon seines Orts gehandlet wird.

[2, 9, § 3] 96. Aus Mangel der zur Verjährung nöthigen Erfordernussen, und zwar wegen Abgang guten Glaubens und rechtmäßiger Ankunft kann das Wiedereinlösungsrecht eines verschriebenen oder gegebenen Unterpfands, sowie die ohne Bestimmung einiger Zeit vorbehaltene Ablösung der zeitlichen Behaftung eines Guts zu keiner Zeit verjähret werden.

[2, 9, § 3] 97. Desgleichen solle ein Schuldner wider seinen Glaubiger die Schuld, es möge in dem Schuldbrief eine Aufkündigungs- oder Zahlungszeit bedungen sein oder nicht, zu keiner Zeit verjähren können.

[2, 9, § 3] 98. Wäre aber der Schuldner verstorben, so ist zu unterscheiden, ob die Schuld landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket seie oder nicht, ersteren Falls ist dieselbe unverjährlich.

[2, 9, § 3] 99. Letzteren Falls hingegen solle die Schuld nach Verlauf sechs Jahren von dem Absterben des Schuldners, wann sie nicht gegen dessen Erben binnen dieser Zeit (es seie gerichtlich oder gütlich) gemahnet, oder nicht von ihnen durch Abfuhr der Zinsen, Umlage, Anweisung oder in andere Wege anerkannt worden, verschwiegen werden.

[2, 9, § 3] 100. Es würde dann die bedungene Zahlungszeit erst nach Absterben des Schuldners verfallen, in welchem Fall sie sechs Jahr nicht von dem Absterben des Schuldners, sondern von der Verfallzeit gerechnet werden sollen.

[2, 9, § 3] 101. Wegen Abgang rechtmäßiger Ankunft kann wider die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibungen keine Verjährung laufen, sondern gegen der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Ankunft bleibet alle andere Erwerbungsursache ohne Kraft, insolange dieselbe nicht entweder mit Willen des Besitzers, oder durch Recht und Urtheil zu der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage gelanget, und andurch die Ankunft des anderen Theils hieraus vertilget wird.

[2, 9, § 3] 102. Wer dahero wider die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Ankunft des Anderen ein Gut oder Recht verjähren will, muß vorerst seine zu Uebertragung des Eigenthums oder erwerben wollenden Rechts zulängliche Ankunftsursache, wodurch die Ankunft des Anderen getilget und aufgelöset wird, in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket haben, ehe und bevor die Verjährung ihren Lauf anfangen kann.

[2, 9, § 3] 103. Aus dieser Ursache können liegende Güter und hieran gebührende Rechten von Jenem, der hierzu keine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Ankunft hat, nicht verjähret werden.

[2, 9, § 3] 104. Und überhaupt solle sowohl wider das landtäflich, stadt- oder grundbücherlich bedungene Einstandrecht, als wider andere wie immer Namen habende mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern bekräftigte Rechten und Gerechtigkeiten

(2-148) keine Verjährung laufen, solange solche nicht mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern anwiederum aufgelöset werden.

[2, 9, § 3] 105. Noch viel weniger aber kann das Eigenthum eines liegenden Guts verjähret werden, wann die obschon landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Ankunftsursache zu dessen Uebertragung nicht hinlänglich ist.

[2, 9, § 3] 106. Also kann ein Glaubiger das Eigenthum eines ihme zum Unterpfand verschriebenen Guts, obschon derselbe aus einem landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibten Beding in dessen rechtlichen Besitz befindlich wäre, zu keiner Zeit verjähren.

[2, 9, § 3] 107. Gleichwie kann auch das Eigenthum eines Guts, was Jemand aus dem Recht eines Leibgedings, oder der Nutznießung, oder einer sonstigen zeitlichen Behaftung innen hat, von ihme niemalen verjähret werden mag.

[2, 9, § 3] 108. Eben sowohl ist außer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibungen auch bei anderen Handlungen die Zulänglichkeit der Ankunftsursache eine wesentliche Erfordernuß zur Verjährung, also zwar, daß ausgeliehene, vermiethete oder hinterlegte Sachen von dem Entlehner, Miether, oder deme, zu dessen Handen sie hinterleget worden, nicht verjähret werden können.

[2, 9, § 3] 109. Doch mögen deren Erben, wann sie derlei Sachen durch die ausgesetzte Verjährungszeit ohne Unterbruch mit guten Glauben als ein ererbtes Gut fortan besitzen, solche allerdings verjähren, welches aber nur bei beweglichen Sachen statt hat, dann der Verjährung liegender Güter stehet in solchen Fällen der Abgang der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Ankunft entgegen.

[2, 9, § 3] 110. Wegen des die Inhabung einer Sache behaftenden Tadels können gestohlene, entwendete, geraubte und solche Dinge, deren Jemand mit Gewalt entsetzet worden, mit ihren davon abfallenden Nutzungen oder sich ergebenden Zugängen in Handen des Diebs, Raubers, Vergewaltigers und deren Erben, oder auch Jener, welche sie wissentlich mit diesem Tadel behaftet zu sein an sich bringen, zu keiner Zeit verjähret werden.

[2, 9, § 3] 111. Es seie dann, daß die Sache von diesem Tadel anwiederum befreiet und gleichsam gereiniget werde, welches auf zweierlei Art geschehen kann, als:

Erstens, wann dieselbe wieder in denjenigen Stand, in welchem sie vorhin gewesen, gesetzet, und entweder Demjenigen, deme sie entwendet worden, oder dem Eigenthümer ohnentgeltlich eingelieferet, oder der Beschädigte in andere Wege dieser Sache halber vollkommen befriediget wird.

[2, 9, § 3] 112. Zweitens, wann solche ein Dritter mit guten Glauben aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache, obgleich von dem Dieb und Rauber selbst, rechtmäßig an sich bringt.

[2, 9, § 3] 113. Welchen Falls derselbe in Hinzutretung deren in vorgehenden achten Capitel, §. IV, ausgemessenen Umständen die sofort aus Macht Rechtens erwirbt, ohne diesen aber die Befugnuß zur Verjährung erlanget, woferne seinerseits an denen hierzu nöthigen Erfordernussen nichts ermanglet.

[2, 9, § 3] 114. Diese letztere Art kann jedoch nur einem unschuldigen Dritten, dahingegen niemalen Jenem, der in üblen Glauben bestellet ist, und umsoweniger denen Erben eines Diebs oder Raubers vorträglich sein, also zwar, daß ein solcher, obschon er die Sache von einem dritten rechtmäßigen Besitzer anwiederum an sich brächte, dieselbe jegleichwohlen zu keiner Zeit verjähren mag.

[2, 9, § 3] 115. Aus Mangel des rechtlichen Besitzes können Dinge, welche der Inhaber nicht zu besitzen fähig ist, nicht verjähret werden; also bleiben liegende Güter, und landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten und Gerechtigkeiten in Ansehen dessen, welcher die Landtafel, Stadt- oder Grundbücherfähigkeit nicht hat, immerda unverjährlich, noch kann auch ein Unterthan das volle Eigenthum seines inhabenden unterthänigen Grunds wider den Grundherrn verjähren.

[2, 9, § 3] 116. Allein auch bei allen zusammentreffenden Erfordernussen zur Verjährung

(2-149) wollen Wir jedoch gewisse Sachen theils aus Unserer sonderbaren Begünstigung, theils wegen rechtmäßiger Ehehaften, wodurch Jemand von Betreibung seines Rechts abgehalten wird, dergestalten ausgenommen haben, daß dieselben entweder gar nicht, oder doch wenigstens nicht anderst, als in einer über die hiernach bestimmende gemeine Verjährungszeit ausgesetzten längeren Frist sollen verjähret werden können.

[2, 9, § 3] 117. Ganz und gar unverjährlich sind erstens alle Dinge, welche zu Unseren landesfürstlichen Hoheiten, und unter Unsere Kammergüter oder Gefälle gehören, aus was immer für einen Vorwand sich Jemand Unserer Hoheiten anmaßen würde, oder aus was immer für Ursache etwas von Unseren Kammergütern oder Gefällen aus Handen der Kammer gekommen wäre, wann Wir dabei nicht ausdrücklich ein derlei Recht oder Gut an den Anderen überlassen oder übertragen hätten.

[2, 9, § 3] 118. In Ansehung der Fiscalitäten hingegen solle, wie wider einen jedweden Anderen, also auch wider Unseren Fiscum die gemeine Verjährungszeit allerdings statthaben, und Unser Fiscus diesfalls sich keiner absonderlichen Begünstigung zu erfreuen, sondern eines gleichen Rechts mit Anderen zu gebrauchen haben.

[2, 9, § 3] 119. Und eben dahero können auch erblose Güter wider den Fiscum in Beistoßung aller zur Verjährung nöthigen Erfordernussen verjähret werden.

[2, 9, § 3] 120. Zweitens sind die Güter und Rechten der Waisen, Minderjährigen und anderer pflegbefohlenen Personen, insolange sie in der Unmündigkeit, Minderjährigkeit oder einem anderen Zustand, wodurch sie an Betreibung ihres Rechts verhinderet werden, befindlich sind, insoweit unverjährlich, daß wider sie weder eine Verjährung anfangen, noch auch die wider ihren Vorfahrer angefangene fortgesetzet werden könne, sondern ihr Lauf bis zu ihrer erreichten Vogtbarkeit und Großjährigkeit oder Wiedererlangung der eigenen Verwaltungsfähigkeit ausgesetzet bleiben solle.

[2, 9, § 3] 121. Von welcher Zeit aber alsdann die Verjährung sowohl angefangen, als fortgesetzet werden mag, also zwar, daß jenes, was der wider ihren Vorfahrer angefangenen Verjährung zu ihrer völligen Erfüllung annoch abgehet, von der nachfolgenden Zeit zugerechnet werden könne.

[2, 9, § 3] 122. Drittens solle wider Abwesende, dann zu Kriegs- oder Sterbszeiten, oder bei einem sonstigen gemeinwesigen Nothstand, wegen welchen die Rechte ihren Lauf nicht haben, sondern gesperret sind, und überhaupt bei allen anderen fürwaltenden rechtmäßigen Ehehaften, wodurch Jemand zu klagen verhinderet wird, als bei Entführung oder widerrechtlicher Anhaltung keine Verjährung laufen.

[2, 9, § 3] 123. Aus eben dieser Ursache kann wider eine liegende Verlassenschaft, die noch nicht angetreten worden, wie nicht weniger wider ein vergantetes Vermögen, wann die Vergantung darüber ordentlich kundgemacht worden, nichts verjähret werden, solange die Erbschaft nicht angetreten, und der Gantproceß nicht geschlossen ist.

[2, 9, § 3] 124. Alle dergleichen Ehehaften, wann sie rechtsgehörig erwiesen werden, verhinderen nicht nur allein den Anfang der Verjährung, sondern halten auch für die Zeit, als die Ehehaften fürwähren, ihren Lauf auf, also, daß diese Zeit in die Verjährung nicht miteingerechnet werden könne, sondern nachher durch eben so viele Zeit ersetzet werden müsse.

[2, 9, § 3] 125. Für abwesend aber solle Jener gehalten werden, der sich außer demjenigen Land, allwo wider denselben etwas von seinem Gut verjähret werden will, befindet; doch ist zur Verhinderung der Verjährung an der alleinigen Abwesenheit nicht genug, sondern es solle allemal auch deren Nothwendigkeit von Jenem, der sie für sich anführet, erwiesen werden.

[2, 9, § 3] 126. Wir wollen aber unter der nothwendigen Abwesenheit, welche die

(2-150) Verjährung zu verhinderen, oder ihren Lauf aufzuhalten vermögete, keine andere verstanden haben, als welche aus einer gemeinwesigen Ursache, es seie in Unseren Kriegsdiensten, oder in anderen von Uns, oder Unseren nachgesetzten Stellen aufgetragenen Verrichtungen veranlasset werden.

[2, 9, § 3] 127. Eine längere Frist über die hiernach ausgemessene gemeine Verjährungszeit bestimmen Wir bei geistlichen und anderen zu milden Stiftungen, als da sind die Unterhaltung der Armuth, Verpflegung der Kranken und Preßhaften, Andachtsübungen und andere gottselige Werke, gehörigen Gütern, Zinsen und Gülten, wider welche keine mindere, als eine vierzigjährige Verjährung statthaben solle.

[2, 9, § 3] 128. Wider die zu Rechtskräften erwachsene Urtheile, wann solche in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket und liegende Güter darmit behaftet werden, solle keine Verjährung laufen, dahingegen Jene, welche darinnen nicht vorgemerket worden, durch die Verjährung von sechs Jahren, wann der obsiegende Theil unter dieser Zeit stillgeschwiegen und die Execution nicht ergriffen, erlöschen.

[2, 9, § 3] 129. In was für einer Zeit aber die schon ergriffene Execution, wann sie nicht fortgesetzet wird, durch die Verjährung getilget werde, wird in vierten Theil in der Gerichtsordnung vorgeschrieben werden.

[2, 9, § 3] 130. Bei jährlichen Renten, Zinsen oder anderen jährlich, oder in anderen ordentlich ausgesetzten Zeitfristen gebührenden Giebigkeiten ist zu unterscheiden, ob diese Schuldigkeit landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket seie, oder nicht.

[2, 9, § 3] 131. Ersteren Falls solle wider das Recht selbst, derlei Giebigkeiten in der gesetzten Zeit einzuforderen, keine Verjährung statt haben, wohl aber eine jedwede Giebigkeit für sich insonderheit durch drei Jahre und achtzehen Wochen von der Verfallzeit an zu rechnen, wann sie unter dieser Zeit erweislich nicht eingemahnet worden, verjähret werden können.

[2, 9, § 3] 132. Letzteren Falls hingegen solle nicht allein eine jedwede Giebigkeit für sich vorerwähnter Maßen durch gleichbesagte Zeit, sondern auch die ganze Schuldigkeit selbst durch dreißig Jahre von Zeit der letzten Abfuhr, oder, da gar keine geschehen, von der Verfallzeit der ersteren, wann diese Zeit hindurch keine Einmahnung erweislich ist, verjähret und aufgehoben werden, diese möge an sich theilbar und untheilbar, und nur die Abfuhr in Fristen getheilet sein.

§. IV.

[2, 9, § 4] 133. Außer denen Fällen, für welche Wir in diesem Unseren Gesatzbuch eine längere oder kürzere Verjährungszeit absonderlich auszumessen befunden haben, solle es in übrigen bei der hiernach ausgesetzten Verjährungszeit nach dem Unterschied, ob es um Verjährung beweglicher Dingen oder liegender Güter, oder unkörperlichen Dingen, als Rechten und Gerechtigkeiten zu thun seie, sein Bewenden haben.

[2, 9, § 4] 134. Diese bestimmen Wir bei Fahrnussen oder beweglichen Sachen auf

(2-151) ein Jahr von dem Tag der Uebergabe einer solchen Sache, also zwar, daß nach vollendeten Jahreslauf deren Eigenthum gänzlich verjähret, und sofort dem Besitzer mit guten Glauben aus Macht Rechtens erworben sein solle.

[2, 9, § 4] 135. Obwohlen aber der Fall einer Verjährung bei Fahrnussen sich seltener ergeben mag, weilen in Kraft Unseres Gesatzes der gute Glauben schon für sich in Beitretung deren in achten Capitel, §. IV, vorgeschriebenen Umständen die Uebertragung aus Macht Rechtens ohne Verjährung wirket, so kann doch ein Mangel an diesen darzu erforderlichen Umständen fürwalten, wegen welchen das Eigenthum nicht anderst, als durch die Verjährung übertragen werden mag.

[2, 9, § 4] 136. Als da entweder die Erben dessen, welcher die Sache an sich gebracht, den Gewährsmann ihres Erblassers nicht ausweisen könnten, oder der Besitzer einer fremden Sache solche aus ohnentgeltlicher Ursache bekommen hätte, in welchen Fällen die Verjährung, um das Eigenthum hieran zu erwerben, unumgänglich nothwendig ist.

[2, 9, § 4] 137. Und überhaupt solle Jedermann nach vollendeten Jahreslauf freistehen, ob er sich mit dem guten Glauben allein mittelst Beweises deren hierzu nöthigen Erfordernussen, oder aber mit der Verjährung wider den Anspruch des vorigen Eigenthümers schützen wolle.

§. V.

[2, 9, § 5] 138. Liegende Güter sollen binnen drei Jahren und achtzehen Wochen von dem Tag deren Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher verjähret, und sonach deren Eigenthum auf den landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Besitzer aus Macht Rechtens übertragen werden.

[2, 9, § 5] 139. Der Fall der Verjährung bei liegenden Gütern waltet nur damals für, wann der Vorfahrer, von deme das Gut auf den gegenwärtigen Besitzer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich gediehen ist, nicht Eigenthümer desselben gewesen, noch solches vorher durch drei Jahre und achtzehen Wochen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern eigenthumlich ersessen hat.

[2, 9, § 5] 140. In solchen Fall ist zu Erwerbung des Eigenthums die obbestimmte Verjährungszeit nöthig, nach deren Verlauf kein wie immer Namen habender

(2-152) Anspruch mehr zulässig, sondern all hieran gehabtes Recht eines Dritten, wo es unter dieser Zeit nicht durch ordentlichen Widerspruch bei Gericht angebracht worden, gänzlich verschwiegen und verschlafen sein solle, wann keine von denen in §. III vorerwähnten rechtmäßigen Ehehaften erweislich sind, welche den Lauf der Verjährung aufhalten.

§. VI.

[2, 9, § 6] 141. Landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten und Gerechtigkeiten (worunter alle und jede Gerechtsamen verstanden werden, welche auf liegenden Gütern landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben sind) werden unbeweglichen Dingen verglichen, und in eben so vieler Zeit, wie liegende Güter, nemlich durch drei Jahr und achtzehen Wochen von dem Tag der landtäflichen, stadt-

(2-153) oder grundbücherlichen Verschreibung wider alle Ansprüche eines Anderen verjähret.

[2, 9, § 6] 142. Ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Ankunft hingegen können solche so wenig, als liegende Güter, jemalen verjähret werden.

[2, 9, § 6] 143. Jene Rechten und Gerechtigkeiten aber, welche in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht vorgemerket sind, können durch keine mindere Verjährungszeit, als durch dreißig Jahre von Anfang ihrer ruhigen und ungestörten Ausübung erworben werden.

[2, 9, § 6] 144. Doch erstrecket sich dabei die Wirkung einer solchen Verjährung nicht über die persönliche Verfänglichkeit des Besitzers und seiner Erben, behaftet aber keineswegs den Grund selbst, solange ein derlei Recht oder Gerechtigkeit darauf nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket wird.

[2, 9, § 6] 145. Ohne diese Behaftung kann dahero ein dritter Besitzer, wann er eine solche Schuldigkeit nicht ausdrücklich auf sich genommen, nicht verhalten werden, die Ausübung eines dergleichen obschon wider seinen Vorfahrer verjährten Rechts, welches jedoch bei der Uebertragung des Grunds darauf landtäflich, stadt- oder grundbücherlich nicht gehaftet, zu gestatten.

[2, 9, § 6] 146. Dahingegen solle die Befreiung von dem Recht eines Anderen, wann es nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket ist, binnen drei Jahren und achtzehen Wochen von Zeit, als der Berechtigte bei der Weigerung oder dem Verbot des Anderen beruhet, verjähret, und überhaupt alle Forderungen und Rechtsansprüche, welche von keinem landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Recht herrühren, in eben so vieler Zeit, wann sie binnen solcher bei Gericht nicht angebracht worden, gänzlich verschwiegen sein, insoferne in diesem Unseren Gesatzbuch nicht eine längere oder kürzere Frist insonderheit erforderet wird.

§. VII.

[2, 9, § 7] 147. Von den vorbeschriebenen Arten der Verjährung ist die unfürdenkliche Besitzzeit unterschieden, als welche schon in sich selbst die Kraft einer rechtmäßigen Ankunft, und eines vollen Rechts und Eigenthums dergestalten einschließt, daß Jener, welcher solche für sich anzuführen vermag, keine andere Ankunftsursache anzuzeigen nöthig habe.

[2, 9, § 7] 148. Durch die unfürdenkliche Zeit wird ein Zeitlauf verstanden, welcher über der Menschen Gedächtnuß hinausreichet, also, daß Niemand sich weder des Anfangs, noch einer widrigen Bewandtnuß erinnern könne.

[2, 9, § 7] 149. Doch muß die unfürdenkliche Besitzzeit von Demjenigen, der solche für sich anführet, durch tüchtige Zeugen erwiesen werden, welche eidlich zu erhärten haben, erstens, daß der allgemeine Ruf und Meinung seie, daß die Sache sich so, wie sie angegeben wird, verhalte, und Niemand sich des Widerspiels erinnere, zweitens, daß sie es allezeit so gesehen, und auch von ihren Vorfahreren niemalen anderst gehöret haben, drittens, daß ein Anderes zu keiner Zeit gesehen, noch wahrgenommen worden.

[2, 9, § 7] 150. Wer dahero seinen unfürdenklichen Besitz auf solche Art erwiesen, hat auch das Eigenthum vollkommen erprobet, wann ihme nicht die zu Recht verjährte landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Ankunft des Anderen im Wege stehet, dann wider diese solle auch eine unfürdenkliche Besitzzeit nicht die geringste Kraft haben, noch weniger deren Beweis zulässig sein, wo aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern das Gegentheil erhellet. Wo hingegen keine andere wie

(2-154) immer Namen habende Urkunden, welche nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket sind, wann nicht zugleich die Beobachtung des Widerspiels durch zweien Zeugen erwiesen werden mag, wider die unfürdenkliche Zeit, wann sie rechtsbeständig dargethan worden, etwas bewirken, noch weniger solche entkräften können.

§. VIII.

[2, 9, § 8] 151. Die Verjährung hat alsdann ihre Wirkung, wann solche ohne Unterbruch erfüllet, und unter der Verjährungszeit das Recht des Anderen, worwieder die Verjährung angefangen hat, nicht gerüglet wird.

[2, 9, § 8] 152. Die Verjährung liegender Güter und landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten und Gerechtigkeiten kann auf keine andere Art, als durch einen bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, wo das verjähren wollende Gut oder Recht inlieget, eingebrachten Widerspruch oder Verwahrung, oder eine sonstige zur wirklichen Einlage gelangende dem Recht des Verjährenden widerstrebende Handlung unterbrochen werden.

[2, 9, § 8] 153. Doch solle der Widersprechende binnen der in vierten Theil in der Gerichtsordnung ausgesetzten Zeit die Ursachen seines Widerspruchs mittelst einer ordentlichen Klage bei Gericht anbringen, und rechtsbehörig ausführen, widrigens hat der Widerspruch keine Wirkung, und die Verjährung nimmt ihren Lauf ohngehinderet fort.

[2, 9, § 8] 154. Eben also verlieret der Widerspruch seine Kraft, und kann die Verjährung nicht hemmen, wann der Widersprechende sachfällig, und der Widerspruch durch richterlichen Spruch und Urtheil anwiederum aufgehoben, und aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern ausgelöschet wird, dann nur insoweit wird die Verjährung unterbrochen, als von dem angesprochenen Gut durch Recht und Urtheil behauptet wird.

[2, 9, § 8] 155. Würden aber rechtmäßige Ehehaften unterwalten, wegen welcher die Klage nicht eingebracht werden könnte, als da wegen noch fürwährender Vergantung oder einer noch unangetreten erliegenden Verlassenschaft Jemand sein hieran forderendes Recht nicht auszuführen vermöchte, in solchen Fällen ist zwar an der alleinigen Verwahrung oder Rüglung seines Rechts zur Unterbrechung der Verjährung genug.

[2, 9, § 8] 156. Es muß aber diese Verwahrung oder Rüglung bei länger fürwährender


(2-155) Verhindernuß so oft, als es vor Auslauf der Verjährungszeit nöthig ist, wiederholet, und sobald, als die Verhindernuß aufhöret, die Klage eingebracht und ausgeführet werden.

[2, 9, § 8] 157. Die Verjährung der Fahrnussen und solcher Rechten, welche nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket sind, kann entweder natürlicher oder rechtlicher Weise unterbrochen werden.

[2, 9, § 8] 158. Natürlicher Weise wird deren Verjährung unterbrochen, wann Jemand vor erfüllter Verjährungszeit den Besitz der Sache verlieret, es seie durch selbsteigene Verlassung oder Entwendung, Beraubung und Entsetzung des Anderen, nicht aber auch durch den Tod des Besitzers, oder durch willkürliche Uebertragung des Besitzes an Andere, solche geschehe mittelst der Erbfolge, oder mittelst Handlungen unter Lebenden, dann die Nachfolgere an der Sache treten in das Recht ihrer Vorfahrer ein, folglich währet auch der Besitz ohnunterbrochen fort.

[2, 9, § 8] 159. Durch den Verlust des Besitzes höret auch die Verjährung auf, also zwar, daß, wo der Besitz der von Handen gekommenen Sache wieder erlanget würde, die Verjährung erst von derselben Zeit zu rechnen seie, da der Besitz wieder erlanget worden, folglich eine neue Verjährung zu laufen anfange, ohne daß die vor verlorenen Besitz zuruckgelegte Zeit darzu gerechnet werden möge.

[2, 9, § 8] 160. Rechtlicher Weise geschieht die Unterbrechung der Verjährung entweder gerichtlich durch Einbringung der Klage, oder außergerichtlich durch erweisliche Einmahnung der Schuld, oder deren Anerkennung mittelst Abfuhr der Zinsen, oder eines Theils der Schuld, oder mittelst Umlage, Anweisung oder Leistung der Sicherheit, oder durch einen wenigstens vor zweien Zeugen gemachten Anspruch und Verwahrung, und überhaupt durch Alles, wodurch der Besitzer in üblen Glauben erweislich bestellet wird.

[2, 9, § 8] 161. In dem Fall eines außergerichtlichen Anspruchs aber solle die Klage längstens binnen sechs Wochen von dem Tag des geschehenen Anspruchs bei Gericht eingebracht werden, widrigens laufet die Verjährung fort, als ob niemalen ein solcher Anspruch geschehen wäre, und hat auch hier all jenes statt, was oben sowohl wegen rechtsbehöriger Ausführung des Anspruchs, als wegen unterwaltender Ehehaften geordnet worden.

[2, 9, § 8] 162. Die Unterbrechung der Verjährung hat so viele Kraft, daß, wo die angesprochene Sache Zweie oder Mehrere innen hätten, und nur Einer wegen derselben mit Recht vorgenommen würde, die Verjährung auch sofort wider die Andere unterbrochen werde.

[2, 9, § 8] 163. Desgleichen, wo Zweie oder Mehrere Mitschuldnere in einem Schuldbrief verschrieben wären, und nur Einer wegen der Schuld gemahnet würde, ist auch die Verjährung wider die Uebrige unterbrochen.

[2, 9, § 8] 164. Welches nicht weniger von dem Fall, wo ein Bürg gemahnet würde, in Ansehen des Hauptschuldners und der anderen Mitbürger, und überhaupt von allen anderen Fällen, wo bei einer Sache, deren Verjährung unterbrochen wird, Mehrere verfangen sind, zu verstehen ist.

[2, 9, § 8] 165. Dahingegen kommt die Unterbrechung der Verjährung nur Jenen zu statten, die solche wirklich unterbrochen haben, nicht aber auch denen Uebrigen, welche ihr Recht verschwiegen haben, obschon sie mit dem Unterbrechenden an eben der Sache einen gleichen Anspruch gehabt hätten.

(2-156) Caput X.

Von der Erbfolge überhaupt.

Inhalt:

§. I. Von der Natur, Wesenheit und Wirkung der Erbfolge. §. II. Von dem Unterschied der Erbfolge von der Nachfolge in einzlen Sachen. §. III. Von deren Eintheilung in die letztwillige und rechtliche Erbfolge. §. IV. Von verschiedenen Arten der letztwilligen Erbfolge. §. V. Von Ordnung der rechtlichen Erbfolge. §. VI. Von Ordnung gegenwärtiger Abhandlung von beiderlei Erbfolge.

§. I.

[2, 10, § 1] Num. 1. Die fünfte, und in der Ordnung gegenwärtiger Abhandlung die letzte Erwerbungsart des Eigenthums ist die Erbfolge sowohl aus letzten Willen, als auch rechtlicher Ordnung, welche sich aber von den vorhergehenden in deme unterscheidet, daß durch jene eigentlich nur einzle Sachen, durch diese hingegen ein allgemeiner Begriff von Rechten und Gerechtigkeiten erworben werde.

(2-157) [2, 10, § 1] 2. Dann die Erbfolge ist eine Nachfolge in alles Recht, was ein Verstorbener hinterlassen hat, maßen es eine Wirkung des Eigenthums ist, daß Jemand nicht nur allein in Lebszeiten sein Hab und Gut an Andere übertragen, sondern

(2-158) auch darüber durch letzten Willen nach Gefallen ordnen und sich in Allem, was zur Zeit des Tods sein Eigen ist, einen Nachfolger wählen könne.

[2, 10, § 1] 3. Wo aber eine letztwillige Anordnung ermanglet, da berufen Unsere Gesetze den Nachfolger nach dem näheren Band der Verwandtschaft, an welchen aus

(2-159) vermutheten Willen des Erblassers alles Eigenthum und anderes Recht, so derselbe zur Zeit seines Absterbens gehabt, und mit seinem Tod nicht erloschen ist, sofort übergehet.

(2-160) [2, 10, § 1] 4. Hieraus entstehet an Seiten dessen, auf den der Erbanfall entweder aus letzten Willen, oder aus Anordnung des Gesatzes gehet, das Erbrecht, welches eine Gerechtigkeit ist, vermöge welcher alle Güter, Rechten und Gerechtigkeiten, welche der Verstorbene hinterlassen, Jemanden zustehen und gehören.

[2, 10, § 1] 5. Der Erb erlanget dahero andurch das Eigenthum und Besitz alles dessen, was dem Verstorbenen eigen ware und von ihme besessen worden, ohne weiters aus Anordnung des Rechts selbst, und tritt sowohl in alle Rechten, als Verbindungen des verstorbenen Erblassers ein.

[2, 10, § 1] 6. Und eine Erbschaft ist ein allgemeiner Begriff aller Rechten, Gerechtigkeiten, Forderungen und Verbindungen, welche der Verstorbene hinterlassen hat, doch mit Ausnahme Derjenigen, die mit seinem Tod erloschen sind.

[2, 10, § 1] 7. Alles, was demnach Jemand in seinem Vermögen hinterläßt, heißet nach seinem Tod vor erfolgter Erbsantretung eine Verlassenschaft, nach der Erbsantretung aber eine Erbschaft; jene stellet noch den Verstorbenen vor, und muß Alles in dessen Namen abgehandlet werden, diese aber wird sogleich ein Eigenthum des Erben.

[2, 10, § 1] 8. Doch giebt das Erbrecht für sich selbst dem Erben kein mehreres Recht, als was der verstorbene Erblasser gehabt hat, sondern die Rechten sowohl an, als zu Sachen bleiben auch bei dem Erben in der nemlichen Beschaffenheit, in welcher sich solche bei dem Erblasser befunden haben.

§. II.

[2, 10, § 2] 9. Aus deme veroffenbaret sich der wesentliche Unterschied der Erbfolge von der Nachfolge an einzlen Sachen, dann durch diese erwirbt der Nachfolger kein mehreres Recht an der Sache, als auf ihn von dem vorigen Besitzer namentlich übertragen worden, dahingegen durch die Erbfolge auf den Erben alle Rechten des verstorbenen Erblassers auch ohne deren namentlicher Uebertragung übergehen.

[2, 10, § 2] 10. Desgleichen tritt ein Nachfolger an einzlen Sachen nur in jene Verbindungen ein, die zur Zeit der Uebertragung schon an der Sache landtäflich, stadt- oder grundbücherlich gehaftet haben, nicht aber auch in andere persönliche Verbindungen seines Vorfahrers, obschon solche der Sache wegen eingegangen worden wären, wann er sie nicht ausdrücklich auf sich genommen hat.

[2, 10, § 2] 11. Ein Erb in Gegentheil wird ohne Unterschied aus der Erbfolge für alle auch bloß persönliche Verbindungen seines Erblassers verfänglich, wann sie nicht also beschaffen waren, daß sie mit seinem Tod erloschen.

§. III.

[2, 10, § 3] 12. Der Ursprung aller Erbfolge bestehet in dem erklärten oder vermutheten Willen des Erblassers; die Erklärung des Willens geschieht durch letztwillige Anordnungen, und daher rühret die letztwillige Erbfolge.

[2, 10, § 3] 13. Dann wie immer Jemand von seinem Hab und Gut nach Zulassung Unserer Gesetzen letztwillig geordnet haben würde, dabei solle es auch sein festes Verbleiben haben, und wo der Willen des Erblassers ausdrücklich erkläret worden, hat dagegen keine Vermuthung statt.

(2-161) [2, 10, § 3] 14. Wo aber der Willen, wie es Jemand nach seinem Tod gehalten haben wolle, durch letztwillige Anordnungen nicht erkläret worden, tritt die rechtliche Vermuthung ein, daß der Erblasser sein Hab und Gut Jenen habe zukommen lassen wollen, die ihme nach dem Blutband zum nächsten verwandt sind.

[2, 10, § 3] 15. Nach Maß der näheren oder weiteren Verwandtschaft wird auch die mehrere oder mindere Zuneigung des Erblassers sein Gut Jenem, der ihme nach dem Blutband der nächste ist, zu hinterlassen vermuthet, und in dieser Vermuthung gründet sich die aus Vorsehung Unserer Gesetzen eingeführte Ordnung, nach welcher die näheren vor den weiteren Blutsverwandten zur Erbschaft berufen werden, und hieraus fließet die rechtliche Erbfolge.

[2, 10, § 3] 16. Es sind demnach zwei Hauptgattungen der Erbfolge, als die letztwillige und rechtliche; jene aus erklärten, diese hingegen aus vermutheten Willen des Erblassers.

[2, 10, § 3] 17. Doch können auch beide bei einerlei Verlassenschaft zusammentreffen, wann der Erblasser zwar über einen Theil seines Vermögens letztwillig geordnet hätte, nicht aber auch von dem Uebrigen, oder da der Erbtheil eines eingesetzten Miterbens durch dessen Abgang erlediget würde.

§. IV.

[2, 10, § 4] 18. Die Arten der letztwilligen Erbfolge sind:

Erstens, die Erbseinsetzung.

Zweitens, die Aftererbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten Erben, welche sich anwiederum in die gemeine und vertrauliche theilet.

Drittens, ein Vermächtniß.

[2, 10, § 4] 19. Die letztere, nemlich die Vermächtnussen wirken niemalen mehr als die Nachfolge an einzlen Sachen; die erstere zwei hingegen sind entweder eine allgemeine oder einzle Nachfolge, nachdeme Jemand entweder in einen allgemeinen Begriff von Rechten und Gerechtigkeiten, es seie in der ganzen Erbschaft, oder einem Theil derselben, oder aber nur in einzlen Sachen und gewissen Erbschaftsstücken, oder in einem bestimmten Betrag zum Erben eingesetzet oder nachberufen wird.

§. V.

[2, 10, § 5] 20. Die Ordnungen der rechtlichen Erbfolge sind fünferlei, als:

Erstens, der Absteigenden.

Zweitens, der Aufsteigenden.

Drittens, der Seitenverwandten.

Viertens, der Eheleuten.

Fünftens, Unseres Fisci.

[2, 10, § 5] 21. Die erstere drei Ordnungen fließen aus dem Band der Verwandtschaft, die letztere zwei hingegen unmittelbar aus Anordnung Unserer Gesetzen, und zwar in Ansehen der Eheleuten nur auf einen bestimmten Theil, und in dem Fall des ermanglenden Heirathsbriefs, dergestalten jedoch, daß der hinterlassene Ehegatte in dem ihme von Unseren Gesetzen ausgewiesenen Antheil mit allen übrigen Ordnungen allemal zusammentreffe.

[2, 10, § 5] 22. Dahingegen Unser Fiscus erst nach Abgang der drei ersteren Ordnungen eintritt, und die Verlassenschaft aus dem Uns über erblose Güter zustehenden Recht sich zueignet.

(2-162) §. VI.

[2, 10, § 6] 23. Gleichwie nun die rechtliche Erbfolge erst damals statt hat, wann die letztwillige ganz oder zum Theil ermanglet, also wird zuerst in nachfolgenden eilften Capitel von der Erbfolge aus Testamenten, von der Macht letztwillig zu ordnen, von Testamenten und Codicillen, dann denen darzu erforderlichen mehreren und minderen Feierlichkeiten gehandlet.

[2, 10, § 6] 24. Nach erklärter äußerlichen Form der letztwilligen Anordnungen folgen sodann die verschiedene Arten, wormit etwas letztwillig verschaffet wird, und zwar in zwölften Capitel die Erbseinsetzung mit Beschreibung sowohl der Eigenschaft und Unterschieds der Erben, als der Bedingnussen der Erbseinsetzung.

[2, 10, § 6] 25. In dem dreizehenten Capitel die After-Erbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten Erben mit deren Eintheilung in die gemeine und vertrauliche Nachberufung, und mit besonderer Abhandlung der Trau- oder Fideicommißgütern.

[2, 10, § 6] 26. In vierzehenten Capitel wird der Pflichttheil der nothwendigen Erben sowohl in absteigender, als aufsteigender Linie mit den zu dessen Erlangung und Ergänzung angebührenden Rechtsmitteln bestimmet.

[2, 10, § 6] 27. Das funfzehente Capitel wird die Enterbungsursachen enthalten, wegen welcher Kinder und Eltern von dem Pflichttheil ausgeschlossen werden können.

[2, 10, § 6] 28. In sechzehenten Capitel wird von Vermächtnussen, denen zu deren Habhaftwerdung zustehenden Rechtsmitteln, dann von deren Widerrufung, Uebertragung und Schmälerung, insonderheit aber auch von dem Abzug des dem Erben hiervon gebührenden Erbviertels gehandlet.

[2, 10, § 6] 29. Nach abgehandleter sowohl äußerlichen, als innerlichen Form und Gestalt der letztwilligen Anordnungen werden alsdann in siebenzehenten Capitel die nach Vorfindung eines letzten Willens folgende Handlungen erkläret, als da sind die Erhebung, Eröffnung, Kundmachung und Vollziehung letztwilliger Anordnungen.

[2, 10, § 6] 30. Das achtzehente Capitel handlet von der Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens sowohl wegen innerlicher, als äußerlicher Gebrechen, und das neunzehente Capitel insonderheit von Jenen, die sich einer Erbschaft oder Vermächtnuß verlustig und unwürdig machen.

[2, 10, § 6] 31. Nach beschriebener letztwilligen folget in zwanzigsten Capitel die in deren Ermanglung eintretende rechtliche Erbfolge nach ihren fünf Ordnungen.

[2, 10, § 6] 32. Endlich wird nach abgehandleten beiden Erbfolgen zu Erklärung dessen geschritten, was beiden Gattungen gemein ist, als da sind in dem einundzwanzigsten Capitel der Erbanfall, Anlegung der Sperr, die Bedenkzeit, Uebertragung auf Erbeserben, Antretung und Ausschlagung der Erbschaft, die Rechtswohlthat des Inventarii, die Verlassenschaftsabhandlung, Einantwortung der Erbschaft, dann die Erbsforderung.

[2, 10, § 6] 33. In dem zweiundzwanzigsten Capitel die Theilung der Erbschaft, in dreiundzwanzigsten Capitel aber die Ausgleichung der Erbtheilen mit Einbringung des vorempfangenen Guts, und somit die ganze weitläufige Abhandlung von beiderlei Erbfolge beschlossen.

(2-163) Caput XI.

Von der Erbfolge aus Testamenten.

Inhalt:

Erster Artikel:

Von letztwilligen Anordnungen überhaupt.

§. I. Von Natur und Wesenheit letztwilliger Anordnungen. §. II. Von der Macht letztwillig zu ordnen. §. III. Von dem erforderlichen Willen letztwillig zu ordnen.

§. I.

[2, 11, § 1] Num. 1. Die erste Hauptgattung der Erbfolge ist jene, welche aus letztwilliger Anordnung herrühret. Diese geschieht mit mehr oder wenigeren Feierlichkeiten, nachdeme die Gesetze solche nach Unterschied der Fällen in größerer oder minderer Maß erheischen.

[2, 11, § 1] 2. Es sind dahero dreierlei Arten der letztwilligen Anordnungen, als feierliche Testamenten, minder feierliche oder befreite Testamenten, und Codicillen.

[2, 11, § 1] 3. Eine jedwede dieser drei Arten erforderet ihre besondere Abhandlung. Zu diesem Ende wird gegenwärtiges Capitel in vier Artikeln abgetheilet, und in dem

(2-164) ersten von letztwilligen Anordnungen überhaupt, in denen folgenden dreien aber von jeder dieser drei Gattungen insonderheit gehandlet.

[2, 11, § 1] 4. Ein letzter Willen überhaupt ist nichts Anderes, als eine nach Zulassung Unserer Gesetzen geäußerte freie und ungezwungene Willenserklärung von allen Demjenigen, was Jemand haben will, das nach seinem Tode geschehen solle.

[2, 11, § 1] 5. Alle letztwillige Anordnungen haben dahero nicht ehender ihre Wirkung, als nach dem Tod des Erblassers, und bleiben nach Veränderlichkeit des Willens bis zu dem letzten Lebensabdruck immerhin widerruflich.

[2, 11, § 1] 6. Dadurch unterscheiden sich dieselbe von Handlungen unter Lebenden, welche sogleich aus beiderseitiger Einwilligung ihre Bindungskraft erhalten, und von keinem Theil wider Willen des Anderen widerrufen werden können.

§. II.

[2, 11, § 2] 7. Zu letztwilligen Anordnungen ist sowohl die Macht, als der Willen erforderlich. Die Macht haben alle Personen beiderlei Geschlechts, welche durch Unsere Gesetze nicht namentlich ausgenommen werden. Ausgenommen aber sind:

(2-165) [2, 11, § 2] 8. Erstens Mannspersonen, welche das zwanzigste, und Weibspersonen, welche das achtzehente Jahr ihres Alters noch nicht erfüllet haben; für erfüllet aber werden sie gehalten, wann die erste Stunde desjenigen Tags, an deme eine

(2-166) Mannsperson vor zwanzig, und eine Weibsperson vor achtzehen Jahren geboren worden, herangekommen ist.

(2-167) [2, 11, § 2] 9. Von dieser Zeit an haben sie Macht und Gewalt über ihr Vermögen nach Gefallen letztwillig zu ordnen, obschon dieselben nach der in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft enthaltenen Ausmessung bis zu gänzlicher Erfüllung des vierundzwanzigsten Jahres ihres Alters in der freien Verwaltung ihres Vermögens durch Handlungen unter Lebenden beschränket bleiben.

[2, 11, § 2] 10. Würde jedoch einem Unvogtbaren noch vor erfüllten zwanzigsten Jahr aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit die Nachsicht des Alters entweder eigends zu diesem Ende um ein letztwilliges Geschäft zu errichten, oder aber überhaupt ohne besonderer Einschränkung auf gewisse dabei benannte Handlungen verliehen, so erlanget er auch andurch die Macht letztwillig zu ordnen, ansonsten aber nicht, wo die Nachsicht des Alters nur insonderheit zu Vollziehung einer gewissen Handlung, und nicht weiter ertheilet worden wäre.

[2, 11, § 2] 11. Zweitens, Ordensgeistliche, welche die feierliche Ordensgelübde abgeleget haben; dahingegen wird die Macht letztwillig zu ordnen weder durch den alleinigen Eintritt in einen geistlichen Orden, noch auch durch den geistlichen Stand für sich ohne Ablegung der feierlichen Ordensgelübden in mindesten verhinderet.

[2, 11, § 2] 12. Drittens, gerichtlich erklärte Verschwender, also zwar, daß auch die von ihnen vor der gerichtlichen Erklärung errichtete letztwillige Anordnungen nicht bestehen können.

[2, 11, § 2] 13. Wann aber die Verschwendungserklärung anwiederum aufgehoben, und einem solchen die freie Verwaltung seines Vermögens eingeraumet wird, erlangt er nicht nur die Macht letztwillig zu ordnen, sondern es kommt auch das vor der gerichtlichen Erklärung rechtsgiltig errichtete letztwillige Geschäft wieder zu Kräften, woferne es von ihme vor seinem Tod nicht widerrufen wird, und demselben sonst nichts in Wege stehet.

[2, 11, § 2] 14. Hierunter sind jedoch Jene nicht verstanden, welchen ohne sie für Verschwendere gerichtlich zu erklären bloß vorsichtsweise die Verwaltung ihres Vermögens durch Einschuldigungsverbote und Bestellung eines Curatoris oder Administratoris beschränket wird, sondern diese behalten dessen ohnerachtet nach wie vor die Macht, letztwillig zu ordnen.

[2, 11, § 2] 15. Viertens, Unterthanen ohne obrigkeitlicher Verwilligung in jenen von Unseren Erblanden, wo solche zur Giltigkeit des von einem Unterthan errichteten letztwilligen Geschäfts erforderet wird; überhaupt aber lassen Wir es diesfalls in Ansehen der Unterthanen bei einer jedweden Landes-Verfassung gnädigst bewenden.

[2, 11, § 2] 16. Fünftens, Ausländer aus fremden, Unserer Botmäßigkeit nicht unterworfenen Landen, in welchen Unseren Unterthanen nach den dortländigen Gesetzen die Freiheit letztwillig zu ordnen verschränket wird, haben aus dem Wiedervergeltungsrecht in Ansehen Desjenigen, was sie mit sich führen, oder in Unseren Landen besitzen, gleichfalls die Macht nicht letztwillig zu ordnen.

[2, 11, § 2] 17. Wo es aber kundbar ist oder sonst rechtsgehörig dargethan werden mag, daß in ihrem Land Unsere Unterthanen an der Freiheit von ihrem mit sich dahin gebrachten, oder dortlandes besitzenden Vermögen letztwillig zu ordnen nicht verhinderet sind, haben derlei Ausländer auch in Unseren Staaten aus dem Erwiederungsrecht einer gleichmäßigen Freiheit zu genießen.

[2, 11, § 2] 18. Sechstens, Missethäter, auf deren begangenes Laster die Einziehung ihrer Güter zu Handen Unserer Kammer gesetzet ist, obgleich das letztwillige Geschäft noch vor ausgeübten Verbrechen, oder vor erfolgten Urtheil errichtet worden wäre.

[2, 11, § 2] 19. Desgleichen haben auch andere zum Tod verurtheilte Uebelthäter, und überhaupt alle ehrlose Leute nach Maßgebung Unserer peinlichen Gerichtsordnung

(2-168) die Macht nicht ein feierliches Testament, sondern bloß allein minder feierliche letztwillige Anordnungen, doch nicht über was Mehreres, als über den vierten Theil ihres Vermögens zu errichten, und davon Vermächtnussen nach ihrem Willen entweder für ihre Seele, oder für wenn sie immer wollen, zu machen.

[2, 11, § 2] 20. Worüber besondere Vormerkbücher gehalten, und derlei letztwillige Anordnungen ehrloser Leuten darin eigends eingetragen, keineswegs aber in die ordentliche Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet werden sollen, dahingegen fallt all ihr übriges Vermögen ihren nächsten Erben zu.

[2, 11, § 2] 21. Doch benimmt die alleinige Anschuldigung einer Uebelthat Niemanden die Macht letztwillig zu ordnen, sondern nur die Verurtheilung zum Tod; wann dahero ein Uebelthäter vor erfolgten Todesurtheil mit Hinterlassung eines Testaments verstürbe, bestehet dasselbe allerdings, außer dem Laster des Hochverraths, wann Jemand dessen schuldig gewesen zu sein auch nach dem Tod erkennet würde.

[2, 11, § 2] 22. Ein Selbstmörder, welche sich wegen bösen Gewissens aus Forcht der Strafe um das Leben bringt, ist dafür anzusehen, als ob er schon verurtheilet gewesen wäre, da aber die Unthat nicht vollbracht worden, oder auch nicht erweislich wäre, daß die Selbstentleibung aus bösen Gewissen geschehen seie, schadet solches der Giltigkeit des letzten Willens nicht.

§. III.

[2, 11, § 3] 23. Der zu einer letztwilligen Anordnung erforderliche Willen muß ernstlich, frei, vollkommen und schriftlich oder mündlich mit den für eine jedwede Art letztwilliger Handlungen in den folgenden Artikeln vorgeschriebenen Feierlichkeiten erkläret und veroffenbaret sein.

[2, 11, § 3] 24. Aus Mangel des Willens können dahero Jene, denen es an gesunder Vernunft gebricht, nicht letztwillig ordnen, als da sind Blöd- oder Unsinnige, Rasende, aberwitzige und thörichte Leute, doch bleibet ein vor zugestossener Unsinnigkeit noch bei gesunder Vernunft errichteter letzter Willen bei Kräften, obschon der Erblasser solchen in der Raserei für ungiltig erkläret hätte.

[2, 11, § 3] 25. Die gesunde Vernunft wird allemal zu Recht vermuthet, bis nicht Jemand gerichtlich für unsinnig erkläret, und der Obsorge eines Curatoris untergeben worden; in diesem Fall aber tritt die widrige Vermuthung für die Blödsinnigkeit ein.

[2, 11, § 3] 26. Außerdeme hat Jener, der Jemandens letzten Willen wegen Abgangs

(2-169) gesunder Vernunft umzustoßen gedenket, die Blödsinnigkeit des Erblassers zur Zeit des errichteten letztwilligen Geschäfts zu erweisen.

[2, 11, § 3] 27. Käme aber gegenseits hervor, daß die Blödsinnigkeit oder Verwirrung der Sinnen nicht beharrlich, sondern mit dem Gebrauch der gesunden Vernunft abwechselnd gewesen seie, und der Erblasser vernünftige Zwischenstunden gehabt habe, oder auch plötzlich vollkommen zu sich gekommen, bald aber anwiederum in die vorige missliche Umstände verfallen seie, in welcherlei heiteren Zwischenzeit das letztwillige Geschäft errichtet worden zu sein vorgegeben würde, so solle diese heitere Zwischenzeit, in der das letztwillige Geschäft errichtet worden, rechtsbehörig erwiesen werden.

[2, 11, § 3] 28. Dieser Beweis muß darzeigen können, daß der Erblasser wenigstens einen ganzen Tag zuvor, den ganzen Tag des errichteten letzten Willens, und einen ganzen Tag darnach, mithin drei unmittelbar aufeinanderfolgende Täg und Nächte ungezweiflete und deutliche Kennzeichen der gesunden Vernunft ohne Einmengung widriger Zeichen von sich verspüren lassen, es wäre dann, daß der Erblasser noch den nemlichen Tag des errichteten Testaments verstorben wäre, welchen Falls an deme genug sein solle, daß er durch ganze vierundzwanzig Stunden vor errichteten Testament ohne Unterbruch Kennzeichen der gesunden Vernunft von sich gegeben habe.

[2, 11, § 3] 29. In diesem Fall, und wann beinebst aus dem Inhalt des letzten Willens kein Merkmal einer Verwirrung der Sinnen abzunehmen ist, solle für dessen Giltigkeit erkennet, in Ermanglung dieses Beweises hingegen, wann die Unsinnigkeit des Erblassers dargethan oder sonst kundbar ist, solcher für unstatthaft angesehen werden.

[2, 11, § 3] 30. Dem Richter aber lieget ob, die Hinlänglichkeit der erwiesenen Kennzeichen nach der gemeinsicheren Erfahrung, und nach dem Befund der Aerzten zu beurtheilen, und hiernach für die Giltigkeit oder Ungiltigkeit des letzten Willens auszusprechen.

[2, 11, § 3] 31. Jene hingegen, welche einmal von Gericht aus für unsinnig erkläret worden, sollen auch bei wie immer erweislichen zeitlichen Gebrauch ihres vollen Verstands, solange sie unter der Obsorge eines Curatoris stehen, und ihnen nicht die eigene freie Verwaltung ihres Vermögens wieder eingeraumet worden, anderer gestalt nicht, als vor Gericht, oder wenigstens zweien darzu abgeordneten Gerichtspersonen letztwillig zu ordnen befugt, und keine von ihnen auf andere Art errichtete letztwillige Anordnung giltig sein.

[2, 11, § 3] 32. Das Gericht hat aber dabei den Bedacht zu nehmen, damit der Zustand eines solchen Menschens von einem oder zweien darzu beizuziehen habenden Aerzten mittelst allerhand vernünftiger Fragen geprüfet, dann derselbe, ob es sein eigener ernstlicher Willen seie, oder ob er von Anderen darzu überredet worden, einen letzten Willen zu errichten, deutlich befraget, und sowohl die Fragen, als Antworten mit seinen eigenen Worten in dem Gerichtsbuch umständlich angemerket werden, welches bei sonstiger Nichtigkeit der letztwilligen Anordnung nicht unterlassen werden solle.

[2, 11, § 3] 33. Würde in Gegentheil Jemand, der sonst allezeit bei gesunder Vernunft gewesen, jähling aus Gewalt der Krankheit oder durch sonstigen Zufall der Sinnen beraubet, und währenden solchen Zufalls von ihme ein letzter Willen errichtet worden zu sein vorgegeben, so muß dieses Vorgehen durch solche erweisende Kennzeichen dargethan werden, welche nach gemeiner Erfahrung, und bevorab nach dem Urtheil der Aerzten die Ohnmächtigkeit der Sinnen zur Zeit des errichteten letzten Willens mit Gewißheit andeuten.

[2, 11, § 3] 34. Ansonsten ist bei Kranken kein Abgang des Willens zu vermuthen, die Krankheit möge noch so heftig, gefährlich oder schmerzhaft sein, wann sie den Leib allein, nicht aber zugleich das Gemüth bis zur Beraubung der Sinnen behaftet.

[2, 11, § 3] 35. Eben so wenig ist bei dummen und einfältigen Leuten ein Abgang des

(2-170) Willens zu schließen, wann sie nur so viel Licht haben, daß sie die Wesenheit des Vorhabens ihre Habschaft Jemanden zu verlassen begreifen.

[2, 11, § 3] 36. Ueberhaupt kann aus keinerlei Schwachheit des Leibes, wie aus keinerlei Leidenschaft des Gemüths, als da sind Schwermuth, Traurigkeit, Trunkenheit, Zorn, Bestürzung, und andere dergleichen Gemüthsunruhen, eine wider die Zulänglichkeit des Willens streitende Vermuthung erwachsen, wann nicht die völlige Entfernung der Sinnen zur Zeit des errichteten letztwilligen Geschäfts erweislich ist.

[2, 11, § 3] 37. Bei Jenen aber, welche den Gebrauch der gesunden Vernunft haben, muß der Willen in letztwilligen Anordnungen ernstlich, wohlbedächtlich, frei, und von jemand Anderen Willen ganz und gar unabhängig sein.

[2, 11, § 3] 38. Nichts ist also einem freien Willen mehr zuwider, als Zwang, Gewalt, Forcht, listige Ueberredungen, Verstellung, Scherz und Uebereilung; doch muß die Forcht dergestalten beschaffen sein, daß sie widerrechtlich eingejaget worden, und derselben die Standhaftigkeit eines Menschen, wie der Erblasser ist, nicht habe widerstehen können.

[2, 11, § 3] 39. Desgleichen muß bei vorgeblichen Betrug und List der widrige Willen des Erblassers, wann er die Falschheit erkennet hätte, erweislich sein, und bei Verstellung, Scherz oder Uebereilung dessen ganz andere Gesinnung auf den Fall des Vorbedachts dargethan werden können.

[2, 11, § 3] 40. Wer dahero eine letztwillige Anordnung wegen einer die Freiheit des Willens ausschließenden Ursache anfechten will, deme lieget ob, solche zu erweisen, und daß der Erblasser mit freien und wohlbedächtlichen Willen nicht also geordnet hätte, darzuthun.

[2, 11, § 3] 41. Außerdeme ist ein bloßer Rath, Anfrage, Erinnerung, Empfehlung, Bitt oder Vorbitte, Zuschmeichlung und dergleichen Anmuthungen, wodurch der Erblasser auf diese oder andere Weis zu ordnen bewogen worden wäre, der Giltigkeit des letzten Willens nicht in mindesten nachtheilig, wann sonst weder eine Zunöthigung, noch eine Arglist angewendet worden, welche ihme die Freiheit des Willens benommen, oder ihn in einen solchen Irrthum verleitet hätte, bei dessen Wahrnehmung er nicht also geordnet haben würde.

[2, 11, § 3] 42. Ferners muß der Willen bei einem letztwilligen Geschäft vollkommen sein, und nicht etwan nur in einem bloßen Vorhaben in Zukunft also ordnen zu wollen bestehen, noch auch die wirkliche Errichtung eines letztwilligen Geschäfts durch andere darzu nicht gehörige Handlungen unterbrochen werden.

[2, 11, § 3] 43. Endlich muß der letzte Willen schriftlich oder mündlich erkläret, und auf die hiernach vorgeschriebene Art und Weis veroffenbaret sein; bloße Zeichen aber sind nicht genug, und wo es an Erklärung des Willens gebricht, ist es eben so viel, als ob der Willen selbst ermanglete, weilen solcher nicht abgenommen werden mag.

[2, 11, § 3] 44. Stumme und Taube, welche von Natur sprach- oder gehörlos sind, können dahero nicht letztwillig ordnen; wann jedoch ein Tauber der Sprache mächtig, oder ein Stummer des Schreibens kundig ist, kann Ersterer sowohl schriftlich als mündlich, Letzterer aber schriftlich seine letztwillige Anordnung errichten.


(2-171) Zweiter Artikel.

Von feierlichen Testamenten.

§. IV. Von Wesenheit eines feierlichen Testaments, und dessen verschiedenen Gattungen. §. V. Von dem aus landesfürstlicher Machtsvollkommenheit bestätigten Testament. §. VI. Von dem vor Gericht errichteten Testament. §. VII. Von schriftlichen Testament, und den darzu erforderlichen Feierlichkeiten. §. VIII. Von mündlichen Testament und seinen Feierlichkeiten. §. IX. Von Fähigkeit der Zeugen. §. X. Von unvollkommenen Testamenten.

§. IV.

[2, 11, § 4] 45. Ein feierliches Testament ist ein mit allen vorgeschriebenen Feierlichkeiten erklärter letzter Willen, wodurch Jemand in seinem Hab und Gut einen oder mehrere Erben einsetzet, und was sonst nach seinem Tod geschehen solle, anordnet.

[2, 11, § 4] 46. Die Erbseinsetzung ist demnach das wesentliche Stuck eines jedweden Testaments, ohne welcher keine letztwillige Anordnung in der Form und Gestalt eines Testaments bestehen mag, gleichwie auch diese nicht anderst, als durch ein Testament geschehen kann.

[2, 11, § 4] 47. Damit aber bei einem so wichtigen Geschäft, wie der letzte Willen eines Menschen ist, alle Arglist und Unterschleif hintangehalten, und außer allem Zweifel gesetzet werde, daß dieser der wahre letzte Willen Desjenigen seie, um dessen Erbschaft es zu thun ist, so werden Feierlichkeiten darzu erforderet, um den vollen Glauben von der Wahrheit des letzten Willens darzustellen, und hierinnen bestehet die äußerliche Form und Gestalt eines Testaments.

[2, 11, § 4] 48. Wir wollen jedoch Niemanden nur allein an einerlei Art von Feierlichkeiten gebunden haben, sondern um die Errichtung eines letztwilligen Geschäfts nicht zu erschweren, gestatten Wir viererlei Arten von feierlichen Testamenten, deren jedes in seiner Art vollkommen, und für nicht weniger feierlich als das andere gehalten werden solle.

[2, 11, § 4] 49. Diese sind:

Erstens, ein aus Unserer landesfürstlichen Machtsvollkommenheit bestätigtes Testament.

Zweitens, ein vor Gericht bestätigtes Testament.

Drittens, ein schriftliches Testament.

Viertens, ein mündliches Testament.

§. V.

[2, 11, § 5] 50. Unsere landesfürstliche Hoheit und Ansehen übertrifft alle äußerliche Feierlichkeit, wann Wir mit rechten Wissen von Jemanden seinen Uns überreichten letzten Willen selbst unmittelbar annehmen, oder gnädigst verwilligen, daß solcher

(2-172) zu Handen Unserer Hofstellen von ihme entweder in schriftlicher Urkunde persönlich eingeleget, oder bei einer derenselben mündlich aufgenommen werde, und hierüber Unsere höchste Beangenehmung oder Bestätigung erfolget.

[2, 11, § 5] 51. Dadurch aber verliert ein solcher obschon von Uns oder Unseren Hofstellen aufgenommener und bestätigter letzter Willen seine Eigenschaft nicht, daß er nicht dessen ohnerachtet durch ein späteres letztwilliges Geschäft, oder auf andere zulässige Weise ganz oder zum Theil widerrufen werden könne.

§. VI.

[2, 11, § 6] 52. Nicht weniger ersetzet das gerichtliche Ansehen alle äußerliche Feierlichkeit, wann von Jemanden sein letzter Willen vor Gericht errichtet, und solcher entweder allda schriftlich hinterleget, oder mündlich vorgebracht, und gerichtlich angemerket wird.

[2, 11, § 6] 53. Es muß aber Derjenige, welcher seinen letzten Willen gerichtlich errichten will, allemal selbst in Person vor Gericht erscheinen, allermaßen weder die Hinterlegung eines schriftlichen letzten Willen zu Gerichtshanden, weder dessen mündliche Erklärung vor Gericht durch jemanden Anderen, wann er gleich darzu eine besondere Vollmacht, oder ein eigenhändiges Schreiben des Erblassers vorzuzeigen hätte, vollzogen werden mag.

[2, 11, § 6] 54. Doch kann die Errichtung eines letzten Willens vor einem jedweden Gericht geschehen, welches eine ordentliche Gerichtsbarkeit hat, der Ordnende möge demselben zu der Zeit unterworfen sein oder nicht, und schadet die Unbehörigkeit der Gerichtsstelle der Giltigkeit des letztwilligen Geschäfts nicht, sondern dieses bestehet nichtsdestoweniger wegen Gleichmäßigkeit des gerichtlichen Glaubens ohne aller weiteren Feierlichkeit.

[2, 11, § 6] 55. Dahingegen erlangt eine unbehörige Gerichtsstelle, welcher der Erblasser zur Zeit, als er verstorben, nicht unterworfen ware, durch die bloße Aufnahme seines letztwilligen Geschäfts das Recht zur Verlassenschaftsabhandlung nicht, wann ihr solche sonst nicht gebührete, sondern sie ist schuldig, solches der hierzu befugten Stelle unversehrter auszufolgen.

(2-173) [2, 11, § 6] 56. Einzle Gerichts- oder andere öffentlich beglaubigte Personen aber, wann vor denenselben ein letzter Willen aufgerichtet würde, ersetzen den Mangel der insgemein erforderlichen Feierlichkeiten nicht, sondern sind nicht anderst, als wie andere Zeugen anzusehen.

[2, 11, § 6] 57. Solchemnach solle die gerichtliche Aufnahme des letzten Willens insgemein nicht anderst, als vor sitzenden Gericht geschehen, es seie dann, daß zu dieser Zeit, da Jemand sein letztwilliges Geschäft vor Gericht aufzurichten Vorhabens ist, das Gerichtsmittel nicht versammlet, und ihme jegleichwohlen an dessen Nichtverschiebung gelegen, oder derselbe durch Krankheit oder sonstige rechtmäßige Ursachen verhinderet wäre, selbst persönlich vor Gericht zu erscheinen.

[2, 11, § 6] 58. In ersteren Fall kann diese Handlung auch außer der ordentlichen Gerichtsstelle von dem Vorsteher des Gerichts mit Beiziehung noch einer Gerichtsperson, oder auf dessen Veranlassung von zweien Gerichtspersonen mit Zugebung eines beeidigten Schreibers vorgenommen werden.

[2, 11, § 6] 59. In dem zweiten Fall aber sollen auf Begehren dessen, der seinen letzten Willen auf diese Art errichten will, zwei Gerichtspersonen sammt einen beeidigten Schreiber zu ihme in seine Wohnung abgeordnet, und allda von ihme seine letztwillige Anordnung aufgenommen werden.

[2, 11, § 6] 60. Doch haben so ein, als anderen Falls die Gerichtspersonen ihren Bericht hierüber bei dem zunächst versammleten Gerichtsmittel unverlängt abzustatten, und den aufgenommenen letzten Willen zur gerichtlichen Anmerkung zu bringen.

[2, 11, § 6] 61. Die Errichtung des letzten Willens vor Gericht kann entweder mit Geheimhaltung oder Offenbarung des letzten Willens geschehen; auf die erstere Art, wann die vorhero von dem Erblasser mit seiner Unterschrift und Petschaft bewährte Urkunde seines letzten Willens in einem mit seinem Siegel verschlossenen Umschlag von ihme in eigener Person zu Gericht erleget, und, damit sie allda bis zu seinem Tod aufbehalten, sodann aber eröffnet und gehandhabet werde, gebeten wird.

[2, 11, § 6] 62. Würde sich aber nachhero bei deren Eröffnung befinden, daß eine solche zu Gericht überreichte verschlossene Urkunde von ihme nicht unterschrieben und besieglet seie, solle auch die letztwillige Anordnung null und nichtig sein, und ohnerachtet der gerichtlichen Hinterlegung nicht die mindeste Wirkung haben.

[2, 11, § 6] 63. Auf die andere Art geschieht es, wann der Erblasser entweder seinen zu Papier gebrachten letzten Willen offener überreichet, oder solchen mündlich vor Gericht erkläret.

[2, 11, § 6] 64. Ersteren Falls solle ihme der Inhalt des Aufsatzes deutlich und wohlverständlich vorgelesen, seine Bekanntnuß darzu abgenommen, und was er hierbei noch erinneren oder darüber ordnen würde, fleißig angemerket, sodann aber die Urkunde in einen Umschlag eingeschlossen, und mit dem Gerichtsinsiegel versieglet werden.

[2, 11, § 6] 65. Desgleichen solle letzteren Falls der mündlich vorgetragene letzte Willen durch den beeidigten Schreiber sofort zu Papier gebracht, ihme vorgelesen, seine Bekanntnuß darzu abgenommen, und der zu Papier gebrachte Inhalt auf die nemliche Weise eingeschlossen und versieglet werden.

[2, 11, § 6] 66. Auf was aber für Art es immer geschehe, so solle diese gerichtliche Handlung, nicht aber der Inhalt des letzten Willens in dem Gerichtsvormerkbuch und zugleich auf dem versiegleten Umschlag mit der Aufschrift Testament oder Codicill, der Namen des Erblassers, nebst Jahr, Monat und Tag dessen gerichtlicher Hinterlegung oder Errichtung angemerket, dann der also zu Stand gebrachte letzte Willen bis zu dem Tod des Erblassers ganz unversehrt in amtspflichtlicher Geheim bei Gericht verwahrlich aufbehalten werden.

[2, 11, § 6] 67. Doch hinderet weder die gerichtliche Hinterlegung eines letzten Willens, noch dessen Errichtung vor Gericht, daß solcher nicht durch eine spätere Anordnung

(2-174) oder sonst zu Recht bestehende Willensänderung ganz oder zum Theil aufgehoben und widerrufen werden könne.

[2, 11, § 6] 68. Diese Widerrufung und Abänderung des Willens aber kann aus der alleinigen bloßen Zuruckforderung oder Zurucknehmung eines bei Gericht hinterlegten, oder vor demselben errichteten letzten Willens nicht gefolgeret werden, wann solchen nach dem Tod des Erblassers noch ganz und unversehrt gefunden wird, und keine spätere rechtsgiltige Anordnung zum Vorschein kommt, es hätte dann Derselbe bei dessen Zurucknehmung die Aenderung seines Willens zugleich vor Gericht erkläret.

§. VII.

[2, 11, § 7] 69. Außer einem Uns vorbemelter Maßen überreichten, oder vor Gericht errichteten letztwilligen Geschäft sollen alle andere, sowohl schriftliche als mündliche Testamenten die hiernach vorgeschriebene Feierlichkeiten haben, deren Absicht einzig und allein dahin abzwecket, um den ohnfehlbaren Glauben, daß dieser, welcher vorkommt, des Erblassers eigener und wahrer letzter Willen seie, darzustellen.

[2, 11, § 7] 70. Nur allein in jenem Fall wollen Wir zu mehrerer Erleichterung letztwilliger Geschäften die sonst erforderliche Feierlichkeiten gnädigst nachgesehen haben, wann Jemand seinen letzten Willen durchaus mit seiner eigenen Hand beschreibet, und mit seiner eigenhändigen Unterschrift und gewöhnlichen Insiegel oder Petschaft bestätiget.

[2, 11, § 7] 71. Ein solches in seinem ganzen Inhalt von dem Erblasser eigenhändig beschriebenes Testament solle für ebenso vollkommen und rechtsbeständig gehalten werden, als ob es mit allen sonst vorgeschriebenen Feierlichkeiten versehen wäre, wann des Erblassers eigenhändige Schrift, Unterschrift und gewöhnliches Petschaft entweder gerichtlich bekannt und kundbar ist, oder behörig erwiesen wird.

[2, 11, § 7] 72. Dieser Beweis solle durch glaubwürdige, die Kanntnuß davon habende Zeugen, wie nicht minder durch Zusammenhaltung mit anderen Schriften, Unterschriften

(2-175) und Besieglungen des Erblassers hergestellet, und die Gewißheit erhoben werden, bevor noch zur Kundmachung des letzten Willens geschritten werde.

[2, 11, § 7] 73. Unter dem gewöhnlichen Insiegel wird jenes verstanden, dessen sich der Erblasser nach seinem Stand, Gewerb, oder Hantirung sonst in seinen anderen ernstlichen Geschäften insgemein zu gebrauchen pflegte.

[2, 11, § 7] 74. Würde aber ein ungewöhnliches oder gar ein fremdes Siegel beigedrucket, so solle dieser Umstand von dem Erblasser mit der Anzeige, daß er in Ermanglung des seinigen ein ungewöhnliches oder fremdes Siegel beigedrucket habe, und weme das letztere gehörig seie, bei sonstiger Nichtigkeit des letzten Willens eigenhändig angemerket werden.

[2, 11, § 7] 75. Es sind demnach zur Giltigkeit eines solchen Testaments drei nothwendige Stücke erforderlich, als:

Erstens, dessen durchgängige eigenhändige Beschreibung.

Zweitens, die eigene Handunterschrift, und

Drittens, die Besieglung mit dem eigenen gewöhnlichen Siegel, oder wo in dessen Ermanglung ein ungewöhnliches oder fremdes gebrauchet würde, die eigenhändige Anmerkung dieses Umstands.

[2, 11, § 7] 76. Daferne aber eine dieser Erfordernussen ermanglete, als da entweder der Inhalt eines obschon eigenhändig unterschriebenen und besiegleten Testaments von einer fremden Hand beschrieben, oder auch nur eine fremde Handschrift darinnen eingemenget, oder das Testament zwar mit eigener Hand beschrieben, doch aber nicht eigenhändig unterfertiget, oder mit dem eigenen gewöhnlichen Siegel nicht besieglet, noch auch, wann ein ungewöhnliches oder fremdes Siegel darzu gebrauchet worden, dieser Umstand eigenhändig angemerket wäre, kann ein solches mangelhaftes Testament als ein eigenhändig beschriebener letzter Willen nicht bestehen.

[2, 11, § 7] 77. Bei allen anderen Testamenten, welche vorbemelte zu einem eigenhändig

(2-176) beschriebenen letzten Willen nöthige Erfordernussen nicht haben, müssen folgende Feierlichkeiten beobachtet werden, durch die einem letztwilligen Geschäft seine äußerliche Form und Gestalt also gegeben wird, daß, wo diese Feierlichkeiten ermanglen,

(2-177) auch der letzte Willen in derjenigen Form und Gestalt, welche dabei abgesehen worden, nicht bestehen mag.

[2, 11, § 7] 78. Zu einem schriftlichen Testament ist nothwendig, daß es mit Willen des Erblassers in einer schriftlichen Urkunde aufgesetzet, und daß dieser sein letzter Willen seie, in Gegenwart nicht weniger als dreier eigends darzu erbetener, und von dem Vorhaben unterrichteter, zugleich beisammen anwesender, tauglicher Zeugen erkläret, dann von ihme unterschrieben und besieglet, wie auch gleichermaßen von diesen Zeugen in Gegenwart des Erblassers zugleich mit ihrer Unterschrift und Petschaft mitunterfertiget werde.

[2, 11, § 7] 79. Diese zu einem schriftlichen Testament erforderliche Feierlichkeiten lassen sich also füglich in folgende wesentliche vier Stücke eintheilen, als:

Erstens, den für einen letzten Willen erklärten schriftlichen Aufsatz.

Zweitens, die Gegenwart der Zeugen.

Drittens, die eigenhändige Unterschrift und Besieglung des Erblassers.

Viertens, die gleichmäßige Mitfertigung der Zeugen.

[2, 11, § 7] 80. Der Aufsatz des letzten Willens kann mit eigener oder fremder Hand aus Befehl des Erblassers beschrieben sein, wann nur derselbe diesen seinen letzten Willen zu sein vor dem Zeugen nachhero bestätiget, und lieget auch nichts daran, zu was für einer Zeit, ob nach und nach, oder auf einmal und in was für einer Sprach der Aufsatz des Testaments verfasset seie, woferne nur der Erblasser derselben Sprache kundig ist, obschon die Zeugen diese Sprache nicht verständen.

[2, 11, § 7] 81. Die Schrift muß deutlich und lesbar sein, beinebst aber ist auch die Vorsicht anzuwenden, daß die Summen der verlassenden Erbtheilen und Vermächtnussen ganz und buchstäblich ausgeschrieben, und nicht bloß mit Ziffern und Zahlen angemerket werden, obschon, wann die Ziffern kenntlich und deutlich sind, der Giltigkeit der Vermächtnuß dadurch nichts entgehet.

[2, 11, § 7] 82. Die Feierlichkeit der Zeugen bestehet in ihrer Anzahl, Tüchtigkeit und Unterrichtung von dem vorhabenden letztwilligen Geschäft. Die Anzahl haben Wir bereits oben auf dreie festgesetzet, wobei es auch außer dem unten ausgenommenen Fall eines blinden, des Schreibens unkundigen oder nicht mächtigen Erblassers sonst insgemein ohne Unterschied, von was Würde, Stande oder Wesen der Erblasser seie, sein Bewenden hat, und die Tüchtigkeit der Zeugen wird in dem nachfolgenden §. IX erkläret werden.

(2-178) [2, 11, § 7] 83. Die Zeugen müssen von dem Vorhaben des Erblassers unterrichtet, und dahero darzu eigends erbeten und berufen, oder wenigstens Jene, welche in einer anderen Absicht, oder von ohngefähr mit dem Erblasser zusammen kommen, von ihme hierum angesprochen, und daß der ihnen vorzeigende sein letzter Willen seie, verständiget, wie auch ihre Mitfertigung verlanget werden.

[2, 11, § 7] 84. Ferners sollen auch die Zeugen zu gleicher Zeit in der Gegenwart des Erblassers eigends zu diesem Ende versammlet sein, ihn sehen, hören, wahrnehmen, und also mit leiblichen Sinnen seinen letzten Willen von ihme selbst vernehmen.

[2, 11, § 7] 85. Es ist dahero an deme nicht genug, daß Jemand seinen beschriebenen letzten Willen offener oder verschlossener mit mündlichen oder schriftlichen Ersuchen den Zeugen einzelweis in ihre Wohnungen zuschicke, und sie zur Unterfertigung erbitten lasse, oder daß solche ihnen außer dem Gesicht des Erblassers, obschon in seiner Wohnung vorgeleget werde, oder auch einer nach Austritt des Anderen sich bei dem Erblasser einfinde, sondern es müssen Alle zugleich von Anfang bis zu Ende des letztwilligen Geschäfts beisammen gegenwärtig sein.

[2, 11, § 7] 86. Doch ist nicht allemal nothwendig, daß der ganze Inhalt des letzten Willens den Zeugen vorgelesen werde, sondern es ist genug daran, daß der Erblasser den ihnen vorzeigenden Aufsatz seinen letzten Willen zu sein vor denenselben erkläre und bezeuge.

[2, 11, § 7] 87. Den denen Zeugen vorgezeigten letzten Willen hat sofort der Erblasser entweder in ihrer Aller Gegenwart mit eigener Hand zu unterschreiben und zu besieglen, oder falls er solchen schon vorhero unterschrieben hätte, daß dieser sein von ihme eigenhändig unterschriebener und besiegleter letzter Willen seie, vor den Zeugen zu erklären.

[2, 11, § 7] 88. Wäre aber Derselbe des Schreibens unkundig oder blind, und wollte jegleichwohlen ein schriftliches Testament errichten, so solle solches nicht anderst, als entweder gerichtlich, oder in Anwesenheit vier hierzu erbetener Zeugen geschehen können.

[2, 11, § 7] 89. Von deren Einem, welcher hierum in Gegenwart der übrigen Zeugen von dem zugleich mit anwesenden Erblasser ersuchet wird, der ganze Inhalt des letzten Willens Allen insgesammt in einer ihnen verständlichen Sprache vorgelesen, und von dem Erblasser, daß dieser sein letzter Willen seie, bestätiget, dann der vierte Zeug von ihme, um seinen Namen anstatt seiner zu unterschreiben, und sein Siegel beizudrucken ersuchet werden solle.

[2, 11, § 7] 90. Welches von dem hierzu erbetenen Zeugen in Gegenwart des Erblassers, und der übrigen dreien Zeugen also zu geschehen hat, daß er dabei den Namen des Erblassers auf dessen ausdrückliches Ersuchen in diesem ihnen Allen von Wort zu Wort vorgelesenen, und wohl und deutlich verstandenen letzten Willen unterschrieben zu haben anmerke, und gleich darunter seinen eigenen Namen und Petschaft beisetze, welches eben so giltig sein solle, als ob es der Erblasser selbst eigenhändig unterschrieben hätte. Wäre aber der Erblasser zwar des Schreibens kundig, doch Krankheit halber seinen Namen zu unterschreiben außer Stand, so ist in solchen Fall die öffentliche Vorlesung nicht nöthig, sondern es solle an deme genug sein, daß es der Erblasser in Gegenwart vier Zeugen für sich allein ingeheim (!) lese, und diesen seinen letzten Willen zu sein bestätige, folglich den vierten Zeugen um die Unterschrift anstatt seiner ersuche.

[2, 11, § 7] 91. Die Besieglung hingegen muß nicht allemal mit eigenen Händen des Erblassers geschehen, sondern kann auf sein Begehren von Einem deren Zeugen, oder auch von einer anderen dabei anwesenden Person verrichtet werden.

[2, 11, § 7] 92. Es lieget auch nichts daran, ob das Testament mit dem eigenen gewöhnlichen Siegel des Erblassers, oder mit einem ungewöhnlichen, oder auch fremden Petschaft besieglet werde, wann nur dessen Besieglung in Angesicht der

(2-179) Zeugen entweder von dem Erblasser selbst, oder anstatt seiner mit seinem Willen und in seinem Beisein von einem Anderen geschieht.

[2, 11, § 7] 93. Endlichen sollen auch alle Zeugen zu gleicher Zeit in Gegenwart des Erblassers das Testament mit ihrer eigenen Hand unterschreiben, und mit ihren gewöhnlichen Petschaften besieglen, und ist die eigenhändige Unterschrift der Zeugen eine so wesentliche Erfordernuß, daß Jener, welcher des Schreibens unkundig ist, schon andurch von selbsten von der Zeugenschaft bei einem schriftlichen Testament ausgeschlossen seie.

[2, 11, § 7] 94. Die Besieglung kann mit dem eigenen, oder in dessen Ermanglung auch mit einem fremden Siegel, und sogar von allen drei Zeugen mit einerlei Siegel geschehen, wann es nur von dem Zeugen dabei eigenhändig bemerket wird, daß er aus Abgang des seinigen mit einem anderen, und mit wessen Siegel gesieglet habe.

[2, 11, § 7] 95. Eben so wenig ist nothwendig, daß die Besieglung mit der Zeugen eigenen Hand verrichtet werde, sondern sie kann von Einem anstatt des Anderen, oder auch von einer anderen Person geschehen, wann nur solche mit ihrem Willen, und in aller ihrer und des Erblassers Gegenwart für sich gehet.

[2, 11, § 7] 96. Die Unterfertigung des Erblassers sowohl, als der Zeugen, hat insgemein zu Ende des schriftlichen Aufsatzes zu stehen, und wo solcher langen Inhalts, und also weitschichtig wäre, daß darmit mehrere Blätter angefüllet worden, welche leicht von einander abgesönderet, oder andere eingeschoben werden könnten, ist solchen Falls die Vorsicht zu gebrauchen, daß ein Faden durch alle zusammengehefte Blätter durchgezogen, und dessen beide Ende mit den beidruckenden Insiegeln sowohl des Erblassers, als deren Zeugen an dem Papier befestiget werden; doch schadet die Unterlassung dieser Vorsicht der Giltigkeit des letzten Willens nicht, wann sonst keine dabei unterwaltende Falschheit erweislich ist.

[2, 11, § 7] 97. Wäre aber dem Erblasser die Geheimhaltung seines letzten Willens so sehr angelegen, daß er nicht einmal den Aufsatz denen Zeugen offener vorlegen wollte, so stehet ihme frei, solchen nach bevor in Angesicht der Zeugen beigefügten Unterschrift und Petschaft in einen Umschlag einzuschließen, und diesen Umschlag dort, wo er sich zusammenfüget, von den Zeugen mit Beiruckung ihrer Unterschrift besieglen zu lassen.

[2, 11, § 7] 98. Alle vorstehende Feierlichkeiten müssen zu einer Zeit, und auf einmal, ehe die Zeugen von einander gehen, vollbracht, und darzwischen sonst keine andere mit dem letztwilligen Geschäft keine Gemeinschaft habende Handlung vorgenommen werden.

[2, 11, § 7] 99. Doch benimmt ein entweder an Seiten des Erblassers oder der Zeugen sich von ohngefähr ergebender kurzer Zwischenfall der Giltigkeit des letztwilligen Geschäfts nicht, wann nur keine andere eigends vorhabende fremde Handlung, welche die Aufmerksamkeit der Zeugen oder den Sinn des Erblassers von dem letztwilligen Geschäft abwendet, darzwischen kommt.

[2, 11, § 7] 100. Die Beisetzung Jahr, Monats und Tags der Fertigung des letzten Willens ist zwar nicht nöthig, doch aber vornehmlich zu dem Ende nutzlich, darmit auf dem Fall, wann nach dem Tod des Erblassers mehrere Testamenten von ungleichen Inhalt vorgefunden würden, daraus abgenommen werden möge, welches das spätere seie, und folglich für rechtsgiltig angesehen werden könne.

§. VIII.

[2, 11, § 8] 101. Zu einem mündlichen Testament wird erforderet, daß der Erblasser die Namen deren, die er zu Erben haben, und denen er etwas verlassen, und was

(2-180) er sonst in seinem letzten Willen begriffen haben will, vor nicht weniger, als dreien, eigends hierzu erbetenen, und von dem Vorhaben unterrichteten, zugleich versammleten, tauglichen Zeugen offentlich bekenne und ausdrucke.

[2, 11, § 8] 102. Ein auf diese Art errichteter letzter Willen heißet eigentlich ein ausgesprochenes Testament, oder eine letztwillige mündliche Erklärung ohne Schrift, welche sich von einem schriftlichen Testament wesentlich in deme unterscheidet, daß ein solches mündliches Testament ohne Schrift bestehe, folglich auch weder Handschrift, noch Petschaft erfordere, sondern einzig und allein von dem Glauben der Zeugen abhange.

[2, 11, § 8] 103. Alles dahero, was in dem vorigen §. von Unterschriften und Besieglungen bei einem schriftlichen Testament erwähnet worden, bedarf ein mündliches Testament nicht, sondern dessen wesentliche Feierlichkeit enthaltet nur folgenden zwei Stück, als:

Erstens, die mündliche Eröffnung des letzten Willens.

Zweitens, die Gegenwart der Zeugen.

[2, 11, § 8] 104. Was aber von der nöthigen Anzahl, Erbittung, Verständigung und Gegenwart deren zugleich versammlet sein müssenden Zeugen sowohl, als von ohnunterbrochener Vollbringung des letztwilligen Geschäfts oben bei schriftlichen Testamenten erinneret worden, muß nicht weniger auch bei mündlichen ohnfehlbar beobachtet werden.

[2, 11, § 8] 105. Die mündliche Eröffnung des letzten Willens solle gleichermaßen klar, deutlich, verständlich, folglich in einer solchen Sprache, welcher die Zeugen mächtig sind, geschehen, und kann also Jener bei mündlichen Testamenten einen Zeugen abgeben, der des Schreibens nicht kundig ist, wann er nur die Sprache verstehet, in welcher der Erblasser seinen letzten Willen erkläret.

[2, 11, § 8] 106. Mündlich kann der Erblasser seinen Willen auf zweierlei Art erklären, als entweder, daß solcher von demselben aus seinen eigenen Mund hergesaget,

(2-181) oder falls ein Aufsatz des letzten Willens schon vorher zu Papier gebracht worden wäre, daß solcher auf Geheiß des Erblassers von jemanden Anderen in Gegenwart der Zeugen vorgelesen werde, und der Erblasser (deme anbei solchen nach Gefallen zu änderen, zuzugeben, oder abzunehmen allerdings freistehet) sich darzu bekenne, daß dieser sein letzter Willen seie.

[2, 11, § 8] 107. In so einem als anderen Fall haben die Zeugen den letzten Willen des Erblassers in allen seinen Punkten mit aller Aufmerksamkeit aufzunehmen, sonach aber, wann sie des Schreibens kundig sind, im ersteren Fall, darmit ihrem Gedächtniß nichts davon entfalle, sobald als es geschehen kann, den Inhalt nach ihrer allseitigen Erinnerung zu Papier zu bringen, und hierüber eine Urkunde in der Gestalt einer förmlichen Zeugnuß mit Beisetzung des Jahrs, Monats und Tags der ihnen geschehenen letztwilligen Erklärung unter ihrer Handunterschrift und Petschaft auszufertigen, in letzteren Fall hingegen diese ihre Zeugnuß auf den ihnen vorgelesenen Aufsatz des letzten Willens beizufügen.

[2, 11, § 8] 108. Diese von ihnen ausgefertigte Urkunde sollen sie hiernach bis zu dem Tod des Erblassers getreulich und verschwiegen bei sich aufbehalten, oder irgendwo in sichere Verwahrung geben, nach dessen Tod aber der behörigen Gerichtsstelle ohnverlängt übergeben.

[2, 11, § 8] 109. Doch gehöret die Ausfertigung einer solchen Urkunde nicht zu den Feierlichkeiten eines mündlichen Testaments, sondern dienet lediglich einerseits zu dessen Beweis und Erhaltung, im Fall die Zeugen vor dem Erblasser versturben, und andererseits zu mehrerer Vorsicht, darmit andurch eine gleichförmige Aussage von dem Inhalt des letzten Willens, welchen die Zeugen damals noch in frischen Gedächtniß haben, hergestellet werde.

[2, 11, § 8] 110. Derohalben wird auch zur Ausfertigung einer solchen Zeugnuß nicht erforderet, daß alle Zeugen dabei zugleich anwesend sein, und solche auch zugleich unterschreiben und besieglen sollen, wann nur selbe bei Aufnehmung des letzten Willens zugleich gegenwärtig waren.

[2, 11, § 8] 111. Es thut auch nichts zur Sache, ob diese Zeugnuß noch bei Lebszeiten des Erblassers, oder erst nach seinem Absterben ausgefertiget werde, wo aber deren Ausfertigung gar unterlassen worden wäre, oder die schon ausgefertigte Urkunde verloren ginge, solle von den Zeugen ihre mündliche Aussage bei Gericht aufgenommen werden, wornach der letzten Willen nur insoweit bestehen kann, als sie in der Aussage miteinander übereinstimmen, wann sonst in dem Wesentlichen eines letzten Willens zwischen ihnen kein Widerspruch obwaltet.

[2, 11, § 8] 112. Eine solche Urkunde aber wirket so vieles, daß, wann selbe von allen dreien noch lebenden Zeugen zu Gericht erleget würde, und hernach auch alle Zeugen verstorben wären, der darinnen enthaltene letzte Willen gleichwohlen insolange bei Kräften bleibe, bis nicht dessen Falschheit und Unbestand rechtsgenüglich erprobet werde; dahingegen in Ermanglung einer solchen noch von allen lebenden Zeugen bei Gericht hinterlegten Urkunde wenigstens noch zwei Zeugen am Leben sein müssen, welche den letzten Willen mit ihrer einstimmigen eidlichen Aussage zu erhärten haben.

§. IX.

[2, 11, § 9] 113. Die Wichtigkeit einer so vielerlei Nachstellungen und Gefährden ausgesetzten letztwilligen Handlung erheischet in Auswahl der Zeugen eine mehrere Heiklichkeit (!), als nicht sonst insgemein zum Beweis der Wahrheit erforderet wird.

(2-182) [2, 11, § 9] 114. Bei Zeugen zu Erhärtung der Wahrheit ist an der gemeinen Tüchtigkeit genug, welche in dem vierten Theil in der Abhandlung von Beweismitteln beschrieben wird; jene hingegen bei letztwilligen Geschäften müssen folgende Eigenschaften

(2-183) haben, daß sie freie Leute, vogtbar, männlichen Geschlechts, guten Namens und Leumunds, wohlverhalten, bei gesunder Vernunft, ihrer Sinnen mächtig, und weder mit dem Erblasser, noch mit den Erben nächst verwandt, oder ihnen untergeben, weder auch in dem letztwilligen Geschäft für sich selbst, oder für eine sie nächstangehende Person vornehmlich mit begriffen sind.

[2, 11, § 9] 115. Alle hingegen, welche vorbemelte Eigenschaften nicht haben, werden von der Zeugnuß bei letztwilligen Handlungen ausgeschlossen. Also können:

Erstens, Unterthanen, deren Person mit Unterthänigkeit verstricket ist, bei letztwilligen Geschäften freier Leuten keine Zeugen abgeben. Desgleichen

(2-184) [2, 11, § 9] 116. Zweitens, sind Ordensgeistliche zu dieser Zeugnuß unfähig; Weltgeistliche aber werden zwar zugelassen, doch also, daß sie bei dieser Zeugnuß sich nach Unseren Gesetzen zu achten, und hierwegen in Erforderungsfall bei dem weltlichen Gericht zu stehen haben.

[2, 11, § 9] 117. Drittens, Unmündige vor erfüllten zwanzigsten Jahr, sind keine taugliche Zeugen, also zwar, daß ihre Zeugnuß über ein letztwilliges Geschäft, deme sie noch vor dem zwanzigsten Jahr beigewohnet, auch nicht zur Zeit, da sie nachher das zwanzigste Jahr zuruckgeleget haben oder schon mündig sind, giltig ist; welche aber das zwanzigste Jahr ihres Alters bereits erfüllet, oder von Uns die Nachsicht des Alters erhalten haben, können auch Zeugen in letzten Willen sein.

[2, 11, § 9] 118. Viertens, Weibspersonen, obschon dieselbe sonst in allen anderen Fällen zur Zeugnuß zugelassen werden, sind doch bei letztwilligen Geschäften keine taugliche Zeugen, wann es gleich um den letzten Willen einer Weibsperson zu thun wäre.

[2, 11, § 9] 119. Fünftens, ehrlose, verdächtige, und andere nichtswürdige Leute, als Flüchtlinge, Landstreicher und dergleichen liederliches Gesind (!), nicht weniger die, welche wegen einer begangenen Uebelthat abgeurtheilet worden, sind zur Zeugnuß unfähig; Fremde hingegen, die sonst redlichen Wandels und nicht verdächtig sind, können Zeugen abgeben.

[2, 11, § 9] 120. Sechstens, andere Leute, welche zwar nach den Rechten nicht ehrlos sind, doch aber für deren Umgang ein Abscheu getragen wird, sollen zur Zeugnuß nicht zugelassen werden; es schadet aber der Giltigkeit des letzten Willens nicht, wann ein solcher von den anderen Zeugen ohne Widerrede darunter geduldet wird, und der sonst guten und redlichen Wandels ist.

[2, 11, § 9] 121. Siebentens, gerichtlich erklärte Verschwendere, welche nach der oben in ersten Artikel, §. II, num. 12, 13 und 14 enthaltenen Ausmessung die Macht letztwillig zu ordnen nicht haben, solange die Verschwendungserklärung nicht aufgehoben, und ihnen die frei Verwaltung ihres Vermögens nicht wieder eingeraumet worden, sind zur Zeugnuß unfähig.

[2, 11, § 9] 122. Achtens, blödsinnige, unsinnige, aberwitzige und thörichte Leute, welche des Gebrauchs der gesunden Vernunft beraubet sind, können keine Zeugen abgeben, es wäre dann erweislich, daß sie zur Zeit, als sie dem letztwilligen Geschäft beigewohnet, heitere, vernünftige Zwischenstunden gehabt haben, oder es erhellete nachhero aus ihrer ablegenden Aussage, daß sie zur Zeit der Beiwohnung bei vollem Verstande waren.

[2, 11, § 9] 123. Neuntens, Stumme, Taube, Blinde sind zur Zeugnuß unfähig, wie dann auch Jener, der des Schreibens nicht kundig ist, von der Zeugnuß bei schriftlichen Testamenten, sowie bei mündlichen Derjenige davon ausgeschlossen wird, welcher die Sprache nicht verstehet, in der von dem Erblasser sein letzter Willen erkläret wird.

[2, 11, § 9] 124. Zehentens, welche dem Erblasser oder dem Erben zunächst verwandt sind, können keine Zeugen sein, als der Mann in des Weibs, der Vater in des Sohns oder Tochter, der Sohn in des Vaters oder Mutter, der Bruder in des Bruders oder Schwester letzten Willen, welches ingleichen von Großeltern, Enkeln, Stiefeltern, Stiefkindern, Schwiegereltern, Eidam und nächsten Schwägeren zu verstehen ist.

[2, 11, § 9] 125. Nicht weniger sind alle vorbenannte nächste Verwandten des Erben zur Zeugnuß untauglich, doch mit Ausnahme des alleinigen Falls eines schriftlichen Testaments, dessen Inhalt vor den Zeugen geheim gehalten worden, wessentwegen dieselbe sich auf Erforderungsfall eidlich abzeugen müssen, den Erben nicht gewußt zu haben.

[2, 11, § 9] 126. Eilftens, die in des Erblassers oder Erben Brod, Gold und Verpflegung stehen, als Hausgenossen und Dienstboten sind keine tüchtige Zeugen, um

(2-185) darmit aller dieser Personen Einfluß, Ehrforcht, Vorliebe und gleiche Absicht vermieden bleibe.

[2, 11, § 9] 127. Zwölftens, um so minder kann der Erb selbst in demjenigen Testament, worinnen er zum Erben eingesetzet wird, einen Zeugen abgeben, er möge von seiner Erbseinsetzung Wissenschaft haben, oder nicht.

[2, 11, § 9] 128. Jene hingegen, welchen für sich oder für ihre obenbenannte nächste Anverwandte in dem letztwilligen Geschäft, deme sie als Zeugen beiwohnen, etwas vermacht oder verschaffet wird, können in schriftlichen Testamenten Zeugen sein; in mündlichen Testamenten aber ist ihr Zeugnuß nicht anderst giltig, als wann die zwei übrige Zeugen für sich oder Andere, die sie zunächst angehen, von diesem letzten Willen keinen Nutzen zu gewarten haben.

[2, 11, § 9] 129. So viel es jedoch die Codicillen anbetrifft, diese mögen schriftlich oder mündlich errichtet werden, so sind dieselben von der Zeugnuß dabei gänzlich ausgeschlossen; es hätte dann in schriftlichen Codicillen entweder der Erblasser die Vermächtnuß mit seiner eigenen Handschrift beigesetzt, oder der Zeuge könnte auf Erforderungsfall eidlich erhärten, von dem seinem nächsten Anverwandten in dem letzten Willen zugeschriebenen Vermächtnuß nichts gewußt zu haben, woferne hingegen das Testament nachhero nicht als ein Testament bestehen könnte, sondern bloß als ein Codicill erhalten würde, bleibet ihr Zeugnuß jegleichwohlen giltig.

[2, 11, § 9] 130. Verehrungen aber, welche etwan der Erblasser den Zeugen aus Erkenntlichkeit für ihre Bemühung abreichet, benehmen der Giltigkeit der Zeugnuß nichts, wann solche nur nicht als Vermächtnussen in dem Inhalt des letzten Willens selbst ohne der einen oder anderen gleichbesagten Vorsicht in Fällen, wo solche erforderet wird, mitbegriffen sind.

[2, 11, § 9] 131. Derjenige, welcher den letzten Willen schreibt, oder den Aufsatz hierzu verfasset und zu Papier bringt, kann zwar auch von der Zahl der Zeugen sein, wann ihme sonst nichts im Wege stehet; woferne er aber sich oder einem seiner nächsten Anverwandten, obschon mit Willen und auf Geheiß des Erblassers etwas zugeschrieben hätte, wann gleich derselbe den von ihme verfertigten Aufsatz durch jemanden Anderen schreiben lasse, solle eine so beschaffene Zuschreibung nicht anderst giltig sein, als wann der Erblasser dieselbe mit seinem Willen geschehen zu sein entweder in dem letzten Willen mit seiner eigenen Handschrift oder mündlich vor den Zeugen bestätiget.

[2, 11, § 9] 132. Wer aber ohne Wissen und Willen des Erblassers sich oder auch einen Anderen in einem von ihme geschriebenen oder verfaßten Testament etwas zugeschrieben zu haben, oder daß er sich es ohne Willen des Erblassers von jemanden Anderen zuschreiben lassen, überwiesen würde, ist außer der Nichtigkeit des Zugeschriebenen noch über das als ein Verfälscher mit allen in Unserer peinlichen Gerichtsordnung wider die Verfälschere ausgesetzten Strafen zu belegen.

[2, 11, § 9] 133. Mitglieder einer Gemeinde und Mittels können bei einem letzten Willen, worinnen ihrer Gemeinde und Mittel etwas vermacht wird, zwar Zeugen sein, wann die Verlassenschaft oder Vermächtnuß nicht unmittelbar einem jeden einzlen Mitglied insonderheit zum Nutzen und Vortheil gereichet, sondern der ganzen Versammlung zusammen zugedacht wird; wo aber ihr Nutzen insonderheit unterwaltete, da ist sich nach deme zu achten, was oben num. 128 und 129 geordnet worden.

[2, 11, § 9] 134. Umsomehr mögen geistliche und weltliche Vorstehere der Kirchen und milden Stiftungen, doch erstere nur mit der oben num. 116 vorgesehenen Einschränkung, bei einem letzten Willen Zeugen abgeben, worinnen die Kirchen oder Stiftung zum Erben eingesetzet, oder mit einer Vermächtnuß bedacht wird.

[2, 11, § 9] 135. Was bishero von der Untauglichkeit der Zeugen gemeldet worden, verstehet sich nur von der Zeit, da sie als Zeugen zu dem letztwilligen Geschäft beigezogen werden, wann jedoch ihre Untüchtigkeit dem Erblasser wissend ist.


(2-186) [2, 11, § 9] 136. Dann die nach dieser Zeit erfolgte Untauglichkeit des Zeugens schadet der Giltigkeit des letzten Willens so wenig, als die Unwissenheit des Erblassers, wann Jemand, der zur Zeugnuß untüchtig ware, damals insgemein für tauglich gehalten worden, oder da außer den untüchtigen Zeugen jegleichwohlen noch die Anzahl von dreien tauglichen und unverwerflichen Zeugen vorhanden ware.

[2, 11, § 9] 137. Ansonst ist auf den höheren oder niederen Stand der Zeugen nicht zu sehen, noch ist auch nothwendig, daß die Zeugen gleichen Standes mit dem Erblasser sind, sondern es ist an ehrlichen, wohlverhaltenen Personen genug, welche die vorbeschriebene Eigenschaften haben, und frei und ungezwungen der Errichtung des letztwilligen Geschäfts beiwohnen.

[2, 11, § 9] 138. Noch weniger ist nöthig, daß die Zeugen dem Erblasser, oder er ihnen vorhin bekannt ware, und ist auch einerlei, ob das letztwillige Geschäft zur Tag- oder Nachtszeit errichtet werde, wann nur das Ort also erleuchtet ist, daß die zugleich versammlete Zeugen den Erblasser, und er sie wohl sehen und wahrnehmen könne.

§. X.

[2, 11, § 10] 139. Die vorbeschriebene Feierlichkeiten sind zur Wesenheit eines Testaments nach Unterschied dessen verschiedener Gattungen dergestalten erforderlich, daß, wo etwas hieran abginge, das Testament in derjenigen Form und Gestalt, wormit die abgängige Feierlichkeiten verbunden sind, unvollkommen seie, folglich auch nicht in dieser Form bestehen könne, obgleich die Wahrheit des letzten Willens, und daß solchen der Erblasser in dieser Form zu errichten gesinnet ware, durch die eidliche Aussage der Zeugen erhärtet werden wollte.

[2, 11, § 10] 140. Dann kein wie immer erdenklicher Beweis solle den Abgang der durch Unser Gesatz vorgeschriebenen Feierlichkeiten ersetzen können; Wir verstatten jedoch aus besonderer Begünstigung letztwilliger Geschäften gnädigst, daß der in einer Gattung mangelhafte letzte Willen nichtsdestoweniger noch in einer anderen Gattung bestehen könne, deren wesentliche Feierlichkeiten darbei beobachtet worden.

[2, 11, § 10] 141. Also kann zwar ein schriftlich errichteter letzter Willen in der Gestalt eines schriftlichen Testaments nicht giltig sein, wann ein Abgang an denen zu einem schriftlichen Testament erforderlichen wesentlichen Feierlichkeiten obwaltet, nichtsdestoweniger kann dasselbe jegleichwohlen noch in der Gestalt eines mündlichen Testaments erhalten werden, wann es die darzu gehörige wesentliche Feierlichkeiten hat.

[2, 11, § 10] 142. Könnte aber ein Testament in keiner von vorbesagten Gattungen als feierlich bestehen, hätte jedoch die Erfordernussen zu einem minder feierlichen oder befreiten Testament, und der Erblasser wäre in solchen Umständen bestellet gewesen, daß er ein dergleichen Testament zu errichten die Befugnuß gehabt hätte, wovon in dem gleich nachfolgenden dritten Artikel gehandlet werden wird, so solle sein letzter Willen als ein minderfeierliches Testament bei Kräften bleiben.

[2, 11, § 10] 143. Und dieses Alles solle statthaben, wann auch der Erblasser sich ein solches in seinem Testament nicht vorbehalten, oder seinen Willen ausdrücklich nicht

(2-187) dahin erkläret hätte, daß sein Testament, wo nicht in dieser, doch in der anderen Gestalt, oder auf was immer für eine bessere Art und Weise es nach den Rechten geschehen kann, gelten solle.

[2, 11, § 10] 144. Wir begünstigen aber die letztwilligen Geschäfte noch weiters, daß auch, wo ein solcher Vorbehalt oder beigesetzte Clausel in dem letzten Willen ausgedrucket worden, derselbe, wo er in keiner vorbemelten Gattung eines rechtsgiltigen Testaments bestehen könnte, doch aber mit den zu einem Codicill erforderlichen wesentlichen Feierlichkeiten versehen wäre, in Kraft dieses Vorbehalts oder Beisatzes als ein Codicill nach Maß dessen, was davon in vierten Artikel, §. XX, geordnet werden wird, bestehen und erhalten werden solle.

Dritter Artikel.

Von minder feierlichen, oder befreiten Testamenten.

§. XI. Von den verschiedenen Gattungen befreiter Testamenten. §. XII. Von letztwilliger Anordnung eines Vaters zwischen seinen Kindern. §. XIII. Von Testamenten der Kriegsleuten. §. XIV. Von den zur Pestzeit, oder in einer ansteckenden Krankheit errichteten Testamenten. XV. Von gemeinschaftlichen Testamenten der Eheleuten. §. XVI. Von Testamenten der Ausländern und der in fremden Landen befindlichen Inländern.

§. XI.

[2, 11, § 11] 145. Minder feierliche Testamenten können nur damals errichtet werden, wann Unsere Gesetze gewissen Personen und in gewissen Fällen nach Erheischung der Umständen einige Nachsicht an den sonst erforderlichen Feierlichkeiten verstatten.

[2, 11, § 11] 146. Wegen dieser Unserer besonderen Begünstigung heißen derlei minder feierliche, letztwillige Anordnungen eigentlich befreite Testamenten, und sind fünferlei:

(2-188) Erstens, die letztwillige Anordnung eines Vaters zwischen seinen Kindern.

Zweitens, die Testamenten der Kriegsleuten.

Drittens, die zur Pestzeit, oder in einer ansteckenden Krankheit errichtete Testamenten.

Viertens, die gemeinschaftliche Testamenten der Eheleuten.

Fünftens, die Testamenten der Ausländern, und der in fremden Landen letztwillig ordnenden Inländern,

deren jedwedes in folgenden §§. insonderheit erkläret wird.

§. XII.

[2, 11, § 12] 147. Einem Vater werden in seiner letztwilligen Anordnung zwischen eheleiblichen Kindern die Feierlichkeiten insoweit nachgesehen, daß darzu nichts Mehreres erforderet werde, als so viel zu Herstellung des Beweises, daß dieser sein ungezweifleter letzter Willen seie, nöthig ist.

[2, 11, § 12] 148. Diese Nachsicht bestehet bei einem schriftlichen Testament in deme, daß

(2-189) solches weder durchaus mit seiner eigenen Hand geschrieben, noch auch, da es von fremder Hand zu Papier gebracht worden wäre, von Zeugen bewähret sein darf, sondern es ist an deme genug, daß von ihme ein mit fremder Hand beschriebenes Testament, daß dieses sein letzter Willen seie, zu Ende mit seiner eigenen Handschrift bestätiget, und eigenhändig unterschrieben werde, es möge sein Siegel beigedrucket sein oder nicht, wann nur seine Handschrift ungezweiflet ist.

[2, 11, § 12] 149. Es ist ihme dahero die Beiziehung einiger Zeugen, und alle sonst vorgeschriebene Zeugenfeierlichkeit in diesem Fall völlig erlassen; hätte er aber jegleichwohlen solches von Zeugen unterfertigen lassen, so solle nichtsdestoweniger ein solches von ihme mit seiner eigenen Handschrift auf gleichbemelte Art und Weis bestätigtes Testament weder wegen deren Untüchtigkeit, noch wegen deren minderer Anzahl, oder einer sonstigen dabei unterlassenen Zeugenfeierlichkeit in geringsten angefochten werden können.

[2, 11, § 12] 150. Zu einem mündlichen Testament hingegen sind zwar Zeugen erforderlich, doch solle es an zweien genug sein, wann sie sonst tüchtig sind, und in diesem Fall alle oben §. VIII zu einem solchen Testament vorgeschriebene Feierlichkeiten beobachtet werden.

[2, 11, § 12] 151. Ein solches befreites Testament gilt jedoch nur in Ansehung der eheleiblichen Kinder, sie mögen aus einer oder mehreren Ehen sein, worunter aber auch Enkeln und Kindeskinder verstanden werden, welche ihre Eltern vorstellen, und dahero nothwendige Erben sind.

[2, 11, § 12] 152. Diese allein, und keine fremde Personen (wofür alle angesehen werden, die seine nothwendige Erben nicht sind) folglich weder seine Ehegattin kann er darinnen zum Erben einsetzen, sondern die Einsetzung eines fremden Miterben ist an sich null und nichtig.

[2, 11, § 12] 153. Vermächtnussen aber an andere Personen haben zwar auch in diesem Testament, doch nur in folgender Maß statt, daß, wann das Testament auf erstere Art schriftlich ohne der Feierlichkeit wenigstens von zweien zugleich gegenwärtig gewesten tüchtigen Zeugen errichtet worden, derselbe seiner Ehegattin, wann sie mit keinem Heirathsbrief versorget ist, Dasjenige, was ihr ohnedeme in dem Fall der rechtlichen Erbfolge nach Ausmessung des zwanzigsten Capitels, in fünften Artikel gebührete, nicht aber ein Mehreres vermächtnußweise zuwenden, und über das für seine Seele, für die Armuth, für Kindeskinder, die nicht seine nothwendige Erben sind, und endlich für seine Bedienten mäßige Vermächtnussen machen möge; keine andere Vermächtnussen hingegen sollen bestehen können.

[2, 11, § 12] 154. Woferne jedoch zu einem solchen schriftlichen oder mündlichen Testament zwei tüchtige Zeugen mit Beobachtung aller sonst darzu gehörigen Feierlichkeiten beigezogen worden, so sind auch alle darinnen gemachte Vermächtnussen nicht weniger, als in einem anderen feierlichen Testament oder Codicill rechtsgiltig, insoweit andurch der Pflichttheil der Kinder nicht verkürzet wird.

[2, 11, § 12] 155. Außerdeme hat ein Vater vollen Fug und Macht, auf die eine oder die andere Art unter seinen Kindern nach Gefallen letztwillig zu ordnen, sie zu Erben einzusetzen oder zu enterben, und ihnen ihre Erbtheile ohne an eine Gleichheit zwischen ihnen gebunden zu sein, nach Willkür auszumessen, doch darf er keines von ihnen gänzlich verübergehen, ansonst ist das Testament null und nichtig.

[2, 11, § 12] 156. Jenen aber, welche ohne rechtmäßiger Ursach enterbet, oder in ihren Pflichttheil verkürzet worden, bleiben alle die in solchen Fällen nach Inhalt des vierzehenten Capitels angebührende Rechtsbehelfe bevor, wann sie gleich in die väterliche, letztwillige Anordnung ohne von ihnen besonders ausgefertigten, namentlichen Verzicht auf den Plichttheil eingewilliget, und solche auch mitunterschrieben hätten, gleichwie gegentheils ihre Einwilligung und Unterschrift nicht hindert, daß der Vater diesen seinen letzten Willen noch immer noch eigenen Gefallen änderen, und widerrufen könne.

(2-190) §. XIII.

[2, 11, § 13] 157. Kriegsleute oder Soldaten, sie seien Befehlshabere oder Gemeine, sind in ihren letztwilligen Anordnungen, welche sie zu Kriegszeiten errichten, von den gemeinen Feierlichkeiten dergestalten enthoben, daß bloß allein auf die Richtigkeit und Gewißheit ihres letzten Willens, und auf keine Feierlichkeit dabei gesehen, sondern solcher, wann er ungezweiflet ist, was immer sonst hieran ermanglen möge, bei Kräften erhalten werden solle.

[2, 11, § 13] 158. Wann sie demnach ihren letzten Willen schriftlich errichten, ist nicht nur an ihrer ungezweifleten eigenen Handschrift genug, sie bestehe in einem Brief, Zettel, oder was sonst für einen Aufsatz, wann nur ihr ernstlicher Willen also zu ordnen hieraus erhellet, sondern sie können auch einen von fremder Hand geschriebenen Aufsatz mit ihrer zu Ende eigenhändig beigefügten Erklärung, daß dieser ihr letzter Willen seie, und zugleich mit ihrer eigenen Handunterschrift bestätigen.

[2, 11, § 13] 159. Sie bedürfen dahero in diesem Fall keiner Zeugen, und, wann sie auch einige darzu gebrauchen, solle weder auf deren Tüchtigkeit, weder auf die Anzahl, noch auf einige sonst erforderliche Zeugenfeierlichkeit gesehen werden, weilen ein solches Testament vorbemelter Maßen ohne Zeugen bestehen kann.

[2, 11, § 13] 160. Dahingegen sind zu einem mündlichen Testament zwei tüchtige Zeugen nicht zwar als eine Feierlichkeit, sondern zu dessen unumgänglich nöthigen Beweis erforderlich, und ist alles Dasjenige dabei zu beobachten, was oben §. VIII von mündlichen Testamenten geordnet worden.

[2, 11, § 13] 161. Wir begünstigen aber die letztwillige Geschäften der Soldaten zu Kriegszeiten noch außerdeme weiters dahin, daß auch solche, wann sie wegen mangelhafter Erbseinsetzung nicht als ein Testament bestehen können, jegleichwohlen als ein Codicill bei Kräften erhalten, und die darinnen angeordnete Vermächtnussen insoweit der Pflichttheil derjenigen Personen, denen solcher gebühret, nicht verkürzet wird, allemal abgestattet werden sollen, obgleich solches der Erblasser durch einen ausdrücklichen Beisatz der Codicillarclausel nicht verlanget hätte.

[2, 11, § 13] 162. Es wäre dann, daß der Erblasser nicht gewußt hätte, daß ihme mittlerweil ein Kind geboren, oder seine Ehegattin schwanger hinterlassen worden seie, in welchem Fall allein, wann das nachgeborne Kind übergangen worden, das Testament gänzlich vernichtet sein solle.

[2, 11, § 13] 163. Diese Freihiet beschränket sich jedoch nur auf die fürwährende Kriegszeit, und die in wirklichen Heerzug gegen dem Feinde befindliche Soldaten, es seie bei Schlachten, Gefechten, Ausfällen, Verfolgung und Auskundschaftung der Feinden, Angriff und Vertheidigung der Städten, Festungen und Verschanzungen, Hin- und Ruckmarsche, in Feld- oder Standlagern, Ueberwinterungs- oder Erfrischungsorten,

(2-191) ausgestellten Feldwachten, Granitzbewahrungen, und wo immer dieselben sich währenden Kriegs gegen dem Feinde gesund oder krank befinden.

[2, 11, § 13] 164. Sie können sich auch dieser Freiheit sowohl drei Tage vor dem Ausmarsche, als drei Tage nach ihrer Ankunft in ruhigen Orten gebrauchen, und behalten dieselbe nichtsdestoweniger, wann sie gleich als Geißeln oder Gefangene in Feindesgewalt geriethen.

[2, 11, § 13] 165. Dahingegen höret zu Friedenszeiten oder auch in Kriegszeiten bei Jenen, die sich in Besatzungen oder ruhigen Standquartieren, wo sie vom Feinde entfernet keinen gählingen und gefährlichen Vorfällen ausgesetzet sind, diese Freiheit völlig auf, und sind dieselben alsdann an die vorgeschriebene gemeine Feierlichkeiten gebunden.

[2, 11, § 13] 166. Der von einem Soldaten in vorerklärten kriegerischen Umständen minder feierlich errichtete letzte Willen bestehet solange, als er im Krieg gegen dem Feinde gebrauchet wird, wann er solchen nicht wiederrufet.

[2, 11, § 13] 167. Da aber der Krieg geendiget, oder der Erblasser in ruhige, keiner Feindesgefahr ausgefetzte Orte beorderet würde, bleibet ein solches Testament nur durch ein Jahr von Zeit des geendigten Kriegs, oder seiner Ankunft in ruhige Orte giltig, wann der Erblasser binnen dieser Zeit verstorben; woferne er jedoch das Jahr überlebet, wird solches von selbsten vernichtet. Es wäre dann, daß Derselbe nach Errichtung dieses Testaments, oder auch vor dessen Widerrufung unter diesem Jahrslauf mit solchen Gemüths- oder Leibesgebrechen behaftet worden, daß er ein anderes Testament zu errichten außer Stande gewesen.

[2, 11, § 13] 168. Ein Gleiches verstehet sich von dem Fall, da der Erblasser noch währenden oder nach geendigten Krieg unter diesem Jahr der Kriegsdiensten mit Ehren entlassen worden wäre; da aber der Erblasser das Jahr überleben, und ein anderes Testament zu errichten im Stand gewesen sein würde, ist ein solches minder feierliches Testament ungiltig, und kann weder als ein Codicill bestehen, wann es die hierzu nöthigen Erfordernussen nicht hat.

[2, 11, § 13] 169. Ausreißere und schimpflich Abgeschafte hingegen verlieren zur Stunde diese Freiheit, und wird sogleich ihr währender Kriegsdiensten mit vorbemelter Nachsicht errichteter letzter Willen null und nichtig.

[2, 11, § 13] 170. Andere zum Kriegsstaat gehörige, in was immer für einem Amt oder Bedienstung bei Unseren Kriegsherren befindliche Personen, wie auch sowohl ihre, als der Soldaten Weiber, Kinder und Dienstleute sind in ihren letztwilligen Anordnungen dieser Unserer Begünstigung nur insoweit theilhaftig, daß ihre zur Zeit, als sie sich bei Unseren Kriegsheeren aufhalten, vor zweien tüchtigen Zeugen errichtete Testamenten giltig sein sollen, wann sie entweder allda, oder aus einer sich dort zugezogenen Krankheit oder Verwundung anderswo verstorben; so jedoch auf den Troß und anderes den Soldaten nachziehendes liederliches Gesindel nicht zu erstrecken ist.

§. XIV.

[2, 11, § 14] 171. Zur Pestzeit, wann eine Stadt oder Ortschaft, in welcher ein letztwilliges Geschäft errichtet wird, der Seuche halber gesperrt, und eine Absönderung der gefunden von den verdächtigen Gegenden veranlasset wird, der Erblasser aber

(2-192) in einer derer letzteren befindlich ist, solle die Zeugenfeierlichkeit bis auf zwei tüchtige Zeugen erlassen sein.

[2, 11, § 14] 172. Welche Nachsicht auch Jenen angegönnet wird, die aus einem der Pest halber verdächtigen Ort ankommen, und in den Reinigungs- oder sogenannten Contumazhäusern eine Zeit aufgehalten worden, wann sie darinnen versterben.

[2, 11, § 14] 173. Daferne aber der Erblasser selbst kundbar mit diesem Uebel behaftet, oder in seinem Wohnhaus andere darmit angestecket wären, solle es nicht nur an zweien Zeugen genug, sondern auch hierzu Jedermann, der in anderen Beweisfällen zum rechtlichen Zeugnuß zugelassen wird, tüchtig sein, also daß weder Geistliche noch Weibspersonen, sondern bloß Jene hiervon in der oben in zweiten Artikel, §. IX, von num. 127 bis 129 vorgeschriebenen Maß ausgeschlossen werden, die für sich oder ihre nächste Anverwandte aus diesem letzten Willen einen Vortheil zu gewarten haben, oder sonst im Weg der rechtlichen Weisung zum Zeugnuß untauglich sind.

[2, 11, § 14] 174. Diese zwei Zeugen müssen nichtsdestoweniger zu gleicher Zeit zusammen anwesend sein, von dem Erblasser selbst seinen letzten Willen wohl verständlich vernehmen, und ihn bis zur Vollendung seiner Willenserklärung in Gesicht behalten, oder, da der letzte Willen schon ehebevor zu Papier gebracht, und von dem Erblasser unterschrieben und besieglet worden wäre, solchen mit seiner ausdrücklichen Bekanntnuß, daß dieser sein letzter Willen seie,von ihme selbst aufnehmen.

[2, 11, § 14] 175. Doch stehet ihnen frei, sich dabei aller Vorsicht und Behutsamkeit, wie sie wollen, zu gebrauchen, und den von dem Erblasser aufgenommen letzten Willen auch in einem anderen Zimmer oder an einem anderen freien Ort zu unterschreiben und zu besieglen. In Ansehung eines mündlichen Testament hingegen haben sich dieselben in Allem nach deme, was oben §. VIII davon geordnet worden, zu verhalten.

[2, 11, § 14] 176. Könnte aber der Erblasser keine Zeugen haben, und wäre auch nicht im Stande seinen letzten Willen durchaus eigenhändg zu schreiben, so solle es an deme genug sein, wann er auf einem mit fremder Hand geschriebenen Aufsatz die Anmerkung, daß dieser sein letzter Willen sei, eigenhändig beisetzet, und solchen gleichfalls mit eigener Hand unterschreibet und besieglet.

[2, 11, § 14] 177. Ein solcher minder feierlicher letzter Willen solle jedoch nicht länger, als durch ein Jahr von der Zeit an zu rechnen, da die Sperrung des Orts anwiederum auf obrigkeitliche Veranlassung aufgehoben, und der freie Handel und Wandel mit anderen Orten hergestellet worden, bestehen können, wann der Erblasser unter dieser Zeit versterben würde.

[2, 11, § 14] 178. Wann hingegen der Erblasser dieses Jahr überlebet, wird das Testament null und nichtig, es wäre dann Derselbe noch vor Ausgang dieses Jahres ohne

(2-193) solches vorhero widerrufen zu haben durch ihme zugestossene Gemüths- oder Leibesgebrechen einen anderen letzten Willen zu errichten erweislich verhinderet worden.

[2, 11, § 14] 179. Der einem mit der Pest selbst behafteten, oder in einem darmit angesteckten Hause wohnenden Erblasser verstatteten Nachsicht kann sich auch in eben der Maß ein Kranker bedienen, dessen Krankheit nach Urtheil der Aerzten ansteckend, und aus Forcht der Ansteckung die erforderliche Anzahl der Zeugen nicht zusammenzubringen wäre.

[2, 11, § 14] 180. Welchen Falls ein solches minder feierlich errichtetes Testament giltig ist, wann der Erblasser in dieser Krankheit verstirbt, ansonsten verlieret es nach sechs Wochen von Zeit, als nach Urtheil der Aerzten die Gefahr der Ansteckung aufgehöret, seine Kraft, wann der Erblasser auch unter dieser Zeit außer Stand gesetzet worden, ein anderes zu errichten.

§. XV.

[2, 11, § 15] 181. Die gemeinschaftlichen Testamenten der Eheleuten werden von Uns besonders in deme begünstiget, daß sowohl Mann als Weib in einem Aufsatz und mit einerlei Feierlichkeiten ihr beiderseitiges letztwilliges Geschäft errichten können, welches außer ihnen keinen einander auch noch so nahe verwandten Personen verstattet sein solle.

[2, 11, § 15] 182. Doch wird an den vorgeschriebenen gemeinen Feierlichkeiten dabei nichts nachgesehen, wann nicht sonst ein Fall fürwaltet, worinnen ein minder feierliches oder befreites Testament bestehen kann.

[2, 11, § 15] 183. Beide dahero, und zwar jedweder Theil für sich insonderheit, müssen vor den Zeugen, daß dieser ihr letzter Willen seie, erklären, und solle Alles nach dem Unterschied, ob das letztwillige Geschäft schriftlich oder mündlich errichtet werde, dabei beobachtet werden, was insgemein zu einem feierlichen schriftlichen oder mündlichen Testament erforderet wird.

[2, 11, § 15] 184. Sie haben auch nicht weniger, als wie in einem für sich besonders erichteten Testament, die volle Freiheit nach Gefallen zu ordnen, und entweder sich untereinander, oder ihre beiderseitige Kinder und Verwandten, oder auch Fremde zu Erben einzusetzen, oder ihnen Vermächtnussen zuzuwenden, insoweit als Jene, denen nach Unseren Gesatzen ein bestimmter Antheil verlassen werden muß, andurch nicht verkürzet werden.

[2, 11, § 15] 185. Ein solches, obschon in einem Aufsatz und mit einerlei Feierlichkeiten errichtetes Testament solle aber nichtsdestoweniger nicht anderst, als für zwei unterschiedene Testamenten angesehen werden, folglich behält auch jeder Theil Fug und Macht, solches für seine Person nicht nur in Beider Lebszeiten, sondern auch nach des Anderen Absterben aufzuheben und zu widerrufen, ohne daß die Anordnung des anderen Theils, wann solche nicht gleichfalls von ihme widerrufen wird, dadurch enkräftet würde.

[2, 11, § 15] 186. Diese Freiheit der willkürlichen Widerrufung erstrecket sich jedoch nicht auf die zwischen Eheleuten ordentlich errichtete Bedinge und Verschreibungen, insoweit sie nach Zulassung Unserer Gesetzen bestehen mögen, sondern diese können von keinem Theil ohne Einwilligung des Anderen widerrufen werden, wie davon in ersten Theil in der Abhandlung von ehegattlichen Vermögen das Mehrere vorkommt.

(2-194) §. XVI.

[2, 11, § 16] 187. Ausländer, welche aus dem Erwiederungsrecht die Macht haben, in Unseren Landen letztwillig zu ordnen, können ihr letztwilliges Geschäft nach den in ihrem Lande erforderlichen Feierlichkeiten errichten, wann sie nicht zugleich in diesem Landen aus Unserer Vergünstigung liegende Güter eigenthumlich besitzen, dann über diese sind sie nicht befugt anderst, als nach Vorschrift Unserer Gesetzen letztwillig zu ordnen.

[2, 11, § 16] 188. Desgleichen sollen Unsere in auswärtigen Landen ihrem Gewerb oder Geschäften zeitweilig nachgehende, oder in Verrichtungen dahin verschickte Unterthanen dieser Nachsicht überhaupt genießen, daß ihr nach den Feierlichkeiten desjenigen Orts, wo selbe sich zu dieser Zeit aufhalten, errichtetes Testament giltig sein solle, wann sie allda versterben.

[2, 11, § 16] 189. Von der Zeit aber, als sie in Unsere Länder zuruckkehren, solle ein solches auswärts errichtetes Testament, wann es nicht mit so vielen Feierlichkeiten, als in diesem Unserem Gesatz vorgeschrieben werden, versehen ist, nur durch sechs Wochen bestehen können; nach sechs Wochen hingegen von Zeit der Ruckkehr

(2-195) verlieret es seine Kraft und Giltigkeit, woferne der Erblasser nicht unter dieser Zeit erweislich verhinderet worden, ein anderes zu Stand zu bringen.

[2, 11, § 16] 190. Dieser Nachsicht haben sich jedoch Jene nicht zu erfreuen, die sich wider Unseren Verbot in fremde Länder begeben haben, oder Verbrechens halber, oder sonst aus unredlichler Absicht dahin entwichen sind.

Vierter Artikel.

Von Codicillen.

§. XVII. Von Wesenheit der Codicillen, und deren zweierlei Gattungen. §. XVIII. Von den darzu erforderlichen Feierlichkeiten. §. XIX. Von Bestand oder Unbestand der Codicillen. §. XX. Von Wirkung der codicillarischen Clausel.

§. XVII.

[2, 11, § 17] 191. Ein Codicill ist nichts Anderes, als eine minder feierliche letztwillige Anordnung von deme, was außer der Erbseinsetzung nach dem Tod des Erblassers geschehen solle.

[2, 11, § 17] 192. Hierinnen bestehet der wesentliche Unterschied zwischen einem Codicill und Testament, daß dieses den allgemeinen Begriff der ganzen Verlassenschaft zum

(2-196) Gegenstand habe, in einem Codicill hingegen weder die Erbseinsetzung, noch eine andere wie immer Namen habende den allgemeinen Begriff einer Erbschaft betreffende Anordnung, sondern einzig und allein Vermächtnussen einzler Sachen, und andere einen Begriff des Erbrechtes nicht enthatende Verordnungen geschehen können.

[2, 11, § 17] 193. Die Codicillen sind von zweierlei Gattung, dann entweder werden sie neben einem Testament errichtet, oder sie können auch ohne Testament bestehen, also daß der nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge berufene Erb andurch verbunden werde, dasjenige zu erfüllen, was der Erblasser in dem Codicill geordnet hat.

[2, 11, § 17] 194. Jene, welche neben einem Testament errichtet werden, erhalten ihre Kraft und Giltigkeit von dem Testament, ohne daß darzu erforderet werde, darmit sich eins auf das andere ausdrücklich beziehe.

[2, 11, § 17] 195. Sie können zugleich mit dem Testament, oder zuvor oder auch darnach errichtet werden, und sind als ein Theil desselben anzusehen, wann anderst das Testament, neben dem sie bestehen, rechtsgiltig ist.

[2, 11, § 17] 196. Welche zu gleicher Zeit mit dem Testament errichtet worden, werden durch ein späteres Testament völlig aufgehoben, obschon sie in diesem letzteren ausdrücklich nicht widerrufen würden, wann solche nicht namentlich darinnen anwiederum bestätiget werden.

[2, 11, § 17] 197. Die aber zwischen einem früheren und späteren Testament zu Stand kommen, werden durch das spätere nicht aufgehoben, wann der widrige Willen des Erblassers nicht daraus abzunehmen ist, umsoweniger werden die vor einem Testament errichtete dadurch entkräftet, wann sie nicht ausdrücklich darinnen widerrufen werden, oder dessen Inhalt den widrigen Willen des Erblassers anzeiget.

[2, 11, § 17] 198. Alles Andere hingegen, was ein anfangs rechtsgiltiges Testament in der Folge dergestalten zerrüttet, daß es weder in der Gestalt eines Codicills erhalten werden mag, entkräftet auch die neben demselben bestandene Codicillen gänzlich.

[2, 11, § 17] 199. Könnte aber das mangelhafte Testament jegleichwohlen als ein Codicll angesehen werden, oder dasselbe wäre aus Abgang der innerlichen oder äußerlichen Feierlichkeit gleich anfangs unstatthaft, oder die Codicillen würden erst nach schon zerrütteten Testament errichtet, so bestehen solche für sich allein, weilen sie nicht als ein Theil dessen, was null und nichtig ist, geachtet werden können.

[2, 11, § 17] 200. In Codicillen hat weder die Erbseinsetzung, noch die Aftererbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten Erben statt, also daß solche weder in der Gestalt einer Vermächtnuß, noch auch einer vertraulichen Erbsnachberufung bestehen kann, sondern die Verlassenschaft in Ermanglung eines rechtsbeständigen Testaments dem nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufällt.

[2, 11, § 17] 201. Ueberhaupt kann darinnen weder eine Erbschaft gegeben, noch benommen, folglich auch nothwendige Erben nicht enterbet werden, sondern alles dieses ist ungiltig, und für nicht geordnet zu achten.

[2, 11, § 17] 202. Wohl aber mögen in Codicillen dunkle und zweideutige Worte des Testaments, wann sie gleich die Erbseinsetzung oder Aftererbseinsetzung betreffen, erkläret werden, ohne jedoch darinnen der Erbseinsetzung oder Aftererbseinsetzung eine Bedingnuß, auf deren Erfolg oder Nichterfolg die Erbschaft dem Eingesetzten benommen sein solle, beifügen, oder die in dem Testament beigefügte erlassen zu dürfen, allermaßen eine solche Beifügung oder Erlassung für nicht geordnet zu halten ist.

[2, 11, § 17] 203. Auch nicht einmal die bloße Ernennung des in dem Testament unbestimmt gelassenen Erbens solle in einem Codicill anderer gestalt giltig sein, als wann der Codicill entweder von dem Erblasser selbst durchaus eigenhändig

(2-197) geschrieben, oder vor den nemlichen Zeugen, die dem Testament beigewohnet, errichtet worden.

[2, 11, § 17] 204. Desgleichen können in keinen andern, als entweder von dem Erblasser selbst durchaus eigenhändig beschriebenen, oder vor den Testamentszeugen errichteten Codicillen vertrauliche, oder fideicommissarische Erbsnachberufungen, sie mögen die ganze Erbschaft oder einen Theil derselben unter einem allgemeinen Begriff des Erbrechts betreffen, gemacht werden, widrigen Falls sind solche für nicht geordnet anzusehen.

[2, 11, § 17] 205. Welches in gleicher Maß von dem Nießbrauch oder der Nutznießung einer ganzen Erbschaft oder eines Erbtheils und überhaupt von allen einen allgemeinen Begriff des Erbrechts betreffenden Anordnungen zu verstehen ist.

[2, 11, § 17] 206. Dahingegen sind in Codicillen Nachberufungen zu einzlen Sachen, Vermächtnussen, Absönderung des Nießbrauchs von dem Eigenthum in einzlen Gütern oder Gründen, und alle andere einen allgemeinen Begriff des Erbrechts nicht enthaltende Anordnungen, als die Benennung der Vormünderen, Anordnung des Begräbnisses, und dergleichen giltig, es möge der Erb, oder Jener, deme ein Vermächtniß zugewendet worden, darmit beschweret werden.

[2, 11, § 17] 207. Und hat der Erblasser eben sowohl in Codicillen, als in einem Testament Fug und Macht nach Gefallen Vermächtnussen zu machen, insoweit als der gewissen Personen nach Unseren Gesetzen gebührende Antheil, und das dem Erben zu statten kommende Erbviertel andurch nicht geschmälert wird, wie nicht weniger das in dem Testament Verschaffte ganz oder zum Theil zu widerrufen, an Andere zu übertragen, zu verminderen, mit Bedingnussen zu beschränken, oder wie sonst immer zu beschweren.

§. XVIII.

[2, 11, § 18] 208. Die Codicillen können eben sowohl, als die Testamenten, entweder schriftlich oder mündlich errichtet werden. Die schriftlichen müssen entweder von dem Erblasser durchaus eigenhändig geschrieben, oder vor nicht weniger als zweien Zeugen zu Stand gebracht werden.

(2-198) [2, 11, § 18] 209. Desgleichen erforderen die mündlichen wenigstens zwei Zeugen; sie mögen aber in einer schriftlichen Urkunde oder durch mündliche Erklärung errichtet werden, so müssen doch so bei einem wie bei den anderen außer der bis auf zweie erlassenen Zeugenanzahl alle übrige oben zu Testamenten vorgeschriebene Feierlichkeiten und die nemliche Zeugentüchtigkeit beobachtet werden.

[2, 11, § 18] 210. Nur jene Fälle sind davon ausgenommen, worinnen nach Inhalt des dritten Artikels minder feierliche oder befreite Testamenten zu errichten verstattet ist, dann die in solchen Fällen den Testamenten vergünstigte Nachsicht hat um so mehr in eben der Maß bei Codicillen statt.

[2, 11, § 18] 211. Es müssen demnach die Codicillen ihre Feierlichkeit für sich selbst haben, und kann die Feierlichkeit des Testaments sich nicht darauf erstrecken, sie wären dann mit dem Testament zugleich in unzertrennter Handlung, und in einerlei Aufsatz vor den nemlichen Zeugen errichtet worden, welchen Falls sie als ein wesentlicher Theil desselben zu achten sind.

[2, 11, § 18] 212. Ohne dieser Feierlichkeit hingegen kann kein letzter Willen als ein Codicill bestehen, noch weniger in der Gestalt eines Briefs, Befehls, Verzeichnisses, Anmerkung, Zettels, oder was immer für anderer Willensandeutung giltig sein, wann die erforderliche Feierlichkeit darbei ermanglet.

[2, 11, § 18] 213. Hierdurch unterscheiden sich die Codicillen von anderen Urkunden, worauf sich in dem Testament, oder auch in einem Codicill zu mehrerer Andeutung, Erklärung oder Ausführung dessen, wovon die wesentliche Anordnung in dem Testament oder Codicill allschon enthalten ist, bezogen wird.

[2, 11, § 18] 214. Derlei Urkunden, sie bestehen in Zetteln, Briefschaften oder anderen Schriften, bedürfen keiner Feierlichkeit, sondern sollen also angesehen werden, als ob deren Inhalt in dem Testament oder Codicill, in welchem sich darauf bezogen wird, buchstäblich ausgedrucket wäre, wann nur ungezweiflet ist, daß die vorkommende eben diejenige Schrift oder Urkunde seie, worauf sich bezogen worden.

§. XIX.

[2, 11, § 19] 215. In Ermanglung der vorgeschriebenen Feierlichkeiten sind die Codicillen gleich anfangs null und nichtig; wiewohlen aber dieselben ordentlich errichtet worden wären, so können sie deme ohnerachtet anwiederum durch die entweder eigenhändig oder wenigstens vor zweien Zeugen erklärte Willensänderung des Erblassers, oder durch deren Zerreißung, Auslöschung oder sonstige Vernichtung von ihme widerrufen werden.

(2-199) [2, 11, § 19] 216. Inwieweit jedoch dieselben durch ein späteres Testament aufgehoben, oder wegen eines das Testament zerrüttenden Mangels mit demselben entkräftet werden, ist bereits in §. XVII, von num. 196 bis 199 erkläret worden.

[2, 11, § 19] 217. Dahingegen wird ein Codicill durch den anderen nicht umgestoßen, wann einer mit dem anderen ohne Widerspruch bestehen kann, oder der frühere in dem späteren nicht ausdrücklich widerrufen wird, dann ansonst bringt der spätere Willen allemal dem früheren vor.

[2, 11, § 19] 218. Es schadet auch der Giltigkeit des Codicills nicht, wann gleich solchen der Erblasser ein Testament benennet hätte, und ist nicht auf die irrige Benamsung und Gesinnung des Erblassers, sondern auf die wesentliche Form und Gestalt eines letzten Willens zu sehen, also daß solcher allemal in derjenigen Form und Gestalt giltig sein solle, in welcher derselbe nach Unseren Gesetzen bestehen kann.

[2, 11, § 19] 219. Ist in einer letztwilligen Anordnung ein Erb eingesetzt und sonst dabei alle zu einem Testament erforderliche Feierlichkeit beobachtet worden, so bestehet solche als ein Testament, obschon der Erblasser diesen seinen letzten Willen einen Codicill benamset hätte, und auch nichts Anderes, als ein Codicill zu errichten gesinnet gewesen wäre.

[2, 11, § 19] 220. Gleichwie in Gegentheil, wann eine letztwillige Anordnung keine Erbseinsetzung enthielte, oder sonst wegen Abgangs der Testamentsfeierlichkeiten als ein Testament nicht bestehen könnte, doch aber mit der codicillarischen Clausel und den zu einem Codicill nöthigen Erfordernussen versehen wäre, dieselbe jegleichwohlen als ein Codicill bei Kräften erhalten wird, obschon der Erblasser ein Testament errichten wollen, und auch diesen seinen letzten Willen ein Testament genennet hätte.

§. XX.

[2, 11, § 20] 221. Die codicillarische Clausel ist nichts Anderes, als ein insgemein zu Ende des Testaments angehängter Beisatz, daß, wann dieser letzte Willen von Rechtswegen nicht als ein zierliches Testament bestehen könnte, derselbe jegleichwohlen als ein Codicill, oder wie er sonst nach den Rechten am kräftigsten gelten kann oder mag, giltig und kräftig sein solle.


(2-200) [2, 11, § 20] 222. Diese Clausel hat die Wirkung, daß, da ein Testament aus Abgang der darzu erforderlichen Feierlichkeiten, oder eines sonst bei der Erbseinsetzung obwaltenden Mangels als ein Testament nicht bestehen könnte, dasselbe in Kraft dieser Clausel in einen Codicill verwandlet, und jegleichwohlen in der Form und Gestalt eines Codicills erhalten werde.

[2, 11, § 20] 223. Auf daß aber diese Clausel die Erhaltung eines in seiner Art mangelhaften Testaments wirken könne, ist nothwendig, daß einerseits dasselbe mit den zu einem Codicill vorgeschriebenen Feierlichkeiten versehen seie, und andererseits diese Clausel darinnen ausdrücklich beigesetzet werde, wo in widrigen solche niemalen und unter keinerlei Vorwand stillschweigend verstanden sein solle.

[2, 11, § 20] 224. Hätte hingegen ein solches mangelhaftes Testament die zu einem Codicill erforderliche Feierlichkeiten nicht, so kann es auch, ob schon diese Clausel beigesetzet wäre, weder als ein Codicill bestehen, sondern ist ganz und gar null und nichtig.

[2, 11, § 20] 225. Wann es aber auch in Hinzutretung obermelter Feierlichkeiten aus Kraft dieser Clausel als ein Codicill erhalten wird, so hat dasselbe jegleichwohlen keine mehrere Wirkung, als ein für sich selbst ohne einem Testament bestehender Codicill, also daß keine andere darinnen enthaltene Anordnungen giltig sein sollen, als welche der Erblasser in einem ohne Testament bestehenden Codicill zu machen befugt gewesen wäre.

[2, 11, § 20] 226. Diese Clausel erhält demnach bloß die in einem mangelhaften Testament deme sie beigesetzet ist, verschaffte Vermächtnussen, und andere seinen allgemeinen Begriff des Erbrechtes betreffenden Anordnungen bei Kräften.

[2, 11, § 20] 227. Wirket aber keineswegs den Bestand der Erbseinsetzung oder Aftererbseinsetzung, oder auch einer allgemeinen Nachberufung, wann entweder solche an sich selbst, oder wegen unterlassener Testamentsfeierlichkeiten mangelhaft sind.

[2, 11, § 20] 228. Und am allerwenigsten kann solche den Abgang des Willens ersetzen, wann ein Testament wegen Mangel des Willens unvollkommen wäre, als da Jemand nur das Vorhaben geäußeret hätte, ein Testament zu errichten, solches aber nicht vollzogen, oder zwar angefangen, vor dessen Vollendung aber von dem Tod übereilet worden wäre.

[2, 11, § 20] 229 Gleichwie nun ein solches Testament in Kraft dieser Clausel nicht anderst, als für einen ohne Testament bestehenden Codicill angesehen werden mag,

(2-201) also folget auch hieraus, daß dasselbe, ohnerachtet diese Clausel darinnen ausgedrucket wäre, mit einem späteren Testament niemalen bestehen könne, sondern andurch, gänzlich vernichtet werde.

[2, 11, § 20] 230. Es seie, daß der Erblasser in dem Testament ausdrücklich erkläret hätte, daß auch das frühere, folglich beide zusammen giltig sein sollen, wie es in achtzehenten Capitel von Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens §. IV mit Mehreren erkläret werden wird.

Caput XII.

Von Einsetzung der Erben

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit der Erbeinsetzung. §. II. Von Eigenschaft und Verschiedenheit der Erben. §. III. Von Zusammentreffung mehrerer Erben. §. IV. Von der Art und Weis der Erbeinsetzung. §. V. Von den Bedingnussen der Erbeinsetzung. §. VI. Von Wirkung der Erbeinsetzung.

§. I.

[2, 12, § 1] Num. 1. Nach erklärten verschiedenen Gattungen der letzwilligen Geschäften, und den darzu erforderlichen Feierlichkeiten folget nunmehro die Abhandlung der Arten, wormit in letztwilligen Anordnungen etwas verlassen wird.

[2, 12, § 1] 2. Die erste ist die Erbseinsetzung, welche nichts Anderes ist, als eine von

(2-202) dem Erblasser geschehene Benennung des künftigen Erben oder Nachfolgers in alles Recht, was derselbe zur Zeit seines Todes gehabt hat.

[2, 12, § 1] 3. In derselben bestehet die vornehmste Wesenheit und innerliche Feierlichkeit eines Testaments, dessen Grundfeste sie ist, also zwar, daß weder ein Testament ohne der Erbseinsetzung als ein Testament giltig seie, noch auch die Erbseinsetzung anderer gestalt, als in einem Testament geschehen kann.

[2, 12, § 1] 4. Sie wird in die erste und zweite eingetheilet, welche letztere eine Aftererbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten Erben heißet, und auf den Fall des abgehenden ersten Erbens gerichtet ist; von der ersten wird in gegenwärtigen, von der zweiten aber in gleich nachfolgenden Capitel gehandlet.

§. II.

[2, 12, § 2] 5. Alle und jede sind zwar freiwillige Erben, also daß es von ihrem eigenen Willen abhange, ob sie Erben sein wollen oder nicht; in Ansehung des Erblassers hingegen sind sie entweder willkürlich oder nothwendige Erben.

(2-203) [2, 12, § 2] 6. Nothwendige Erben sind jene Personen, welche nothwendig und namentlich zu Erben eingesetzet, oder enterbet werden müssen; sie werden aber nicht von darum nothwendig genennet, als ob sie Erben zu sein gezwungen wären, sondern von der Nothwendigkeit der Pflicht des Erblassers, welche ihme von Unseren Gesetzen auferleget wird, denenselben denjenigen Theil seiner Beschaffenheit zuzuwenden, welcher für sie bestimmet ist.

[2, 12, § 2] 7. Derlei nothwendige Erben sind vornemlich die Absteigenden, und in deren Ermanglung die Aufsteigenden, denen durch Unsere Gesetze ein gewisser Pflichttheil aus der Verlassenschaft des Erblassers beschieden ist, welcher ihnen ohne rechtmäßiger Ursache nicht entzogen oder geschmälert werden kann, wovon untern in vierzehnten Capitel das Mehrere erwähnet wird.

[2, 12, § 2] 8. Die Nothwendigkeit ihrer namentlichen Einsetzung oder Enterbung ist zur Giltigkeit eines Testaments dergestalten erforderlich, daß, wann sie weder namentlich zu Erben eingesetzet, noch enterbet, sondern vorbeigegangen worden, das Testament null und nichtig seie, und weder die darinnen verschaffte Vermächtnussen bestehen können.

[2, 12, § 2] 9. Es seie dann, daß die codicillarische Clausel beigesetzet wäre, welche das Testament in Ansehung der Vermächtnussen als einen Codicill bei Kräften erhält, wann anderst der Erblasser nothwendige Erben zu haben gewußt hat. In widrigen, und da er solche nicht gewußt, aber aus Irrthum sie für verstorben gehalten zu haben erwiesen werden könnte, hat auch die codicillarische Clausel keine Wirkung.

[2, 12, § 2] 10. Die Vorbeigehung nothwendiger Erben bestehet in deme, wann der Erblasser ihrer in dem Testament entweder gar keine Meldung gemacht, oder da er auch derselben gedacht hätte, ihnen gleichwohlen nichts verschafft, oder sie namentlich nicht enterbet.

[2, 12, § 2] 11. Wo er aber ihnen etwas verließe, ohne sie jedoch dabei namentlich zu Erben einzusetzen aber zu enterben, solle es allemal dafür gehalten werden, als ob dieselben in dem ganzen Betrag des Pflichtheils zu Erben eingesetzet worden wären, folglich haben sie auch die Rechtsforderung zu Ergänzung des ihnen nach Unseren Gesetzen angebührenden Pflichttheils nach Maß dessen, was ihnen noch an dessen Betrag erweislich abgehet.

[2, 12, § 2] 12. Würden sie hingegen ohne rechtmäßiger Ursache enterbet, also daß entweder gar keine Enterbungsursache beigefüget, oder die beigefügte nicht erweislich wäre, so ist das Testament unpflichtmäßig, und wird die darinnen gemachte Erbseinsetzung aufgehoben, obschon dasselbe in seinem übrigen Inhalt auch ohne Beisatz der codicillarischen Clausel bestehet, insoweit andurch der Pflichttheil der nothwendigen Erben nicht verkürzet wird.

[2, 12, § 2] 13. Wann mehrere nothwendige Erben vorhanden sind, welche sonst nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Verlassenschaft des Erblassers berufen würden, müssen auch Alle eingesetztet oder enterbet werden, also, daß wann auch nur Einer von ihnen vorbeigegangen worden, das Testament nicht bestehen mag.

[2, 12, § 2] 14. Doch ist nicht nöthig, Jedweden insonderheit mit Namen zu benennen, sondern an deme genug, wann der Erblasser seine Kinder oder seine Eltern überhaupt zu Erben eingesetzet, und sind solchen Falls unter den Kindern auch jene begriffen, die erst nach dem Testament oder auch nach dem Tod des Erblassers geboren werden.

[2, 12, § 2] 15. Außer vorbemelten Personen hanget es von der Willkür des Erblassers

(2-204) ab, wen er wolle zum Erben einzusetzen, wann dieser nur die Erbfähigkeit hat, daß er zum Erben eingesetzet werden könne.

(2-205) [2, 12, § 2] 16. Diese Fähigkeit hat Jedermann, der nicht als unfähig oder unwürdig von der Erbschaften durch Unsere Gesetze ausgeschlossen wird. Die Unfähigkeit rühret von einer Jemandens Person anklebenden Eigenschaft, die Unwürdigkeit aber von der eigenen That her, wodurch ein sonst Fähiger sich der Erbschaft verlustig macht. Die Unfähigen werden hier, die Unwürdigen hingegen in dem neunzehenten Capitel beschrieben.

[2, 12, § 2] 17. Zur Erbsfähigkeit ist der Stand der Freiheit nicht erforderlich und dahero können auch Unterthanen zu Erben eingesetzet werden, ohne daß dadurch das Erbrecht in der ihnen angefallenen Verlassenschaft ihrer Obrigkeit erworben werde.

[2, 12, § 2] 18. Bei Fremdlingen, welche einer auswärtigen Botmäßigkeit unterworfen sind, ist das Erwiederungs- oder Widergeltungsrecht zur Richtschnur zu nehmen, also, daß insoweit Unsere Unterthanen in ihrem Lande zu Erbschaften zugelassen werden, sie auch in Unseren Staaten in eben dieser Maß für erbsfähig gehalten werden sollen.

[2, 12, § 2] 19. Missethäter, die zum Tod verurtheilet worden, und um so weniger Jene,

(2-206) welche ein solches Laster begangen, worauf die Einziehung der Güter gesetzet ist, können nicht zu Erben eingesetzet weren.

[2, 12, § 2] 20. Desgleichen sind alle anderen ehrlose Leute nach Maßgebung Unserer peinlichen Gerichtsordnung erbsunfähig, doch solle ihnen gestattet sein, aus Jemands letztwilliger Anordnung Vermächtnisse beziehen zu können.

[2, 12, § 2] 21. Dahingegen macht außer der von Unseren Gesetzen zur Strafe verhängten Ehrlosigkeit keinerlei andere Ehrenmakel, sie möge von eigener That, Treibung eines verächtlichen Gewerbs, oder unehelicher Geburt herrühren, Jemanden erbsunfähig.

[2, 12, § 2] 22. Es giebt aber so wenig diesen, als allen anderen zu Erben eingesetzten Personen, welche die Landtafel-, Stadt- oder Grundbücherfähigkeit nicht haben, die Erbsfähigkeit auch zugleich die Besitzfähigkeit in Ansehung der in einer ihnen angefallenen Verlassenschaft befindlichen liegenden Gütern, und anderen landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten, sondern diese sollen an einem anderen Fähigen veräußeret werden, und der eingesetzte des Besitzes unfähige Erb sich mit den dafür gelösten Geldbetrag zu begnügen haben, woferne er mittlerweil die Besitzfähigkeit nicht erlanget hätte.

[2, 12, § 2] 23. Obwohlen aber die uneheliche Geburt für sich selbst zur Erbseinsetzung nicht unfähig macht, so sollen doch uneheliche Eltern nicht befugt sein, ihre unechte Kinder in ihrem letzten Willen zu Erben einzusetzen, sie mögen ehelich erzeugte Kinder neben denenselben haben oder nicht.

[2, 12, § 2] 24. Derlei unehelichen Kindern, die seien aus was immer für einer verbotenen Vermischung erzeuget, gebühret aus dem Vermögen ihrer unehelichen Eltern nichts als der Unterhalt, welchen Wir aus der Verlassenschaft sowohl des erweislichen Vaters, als der unehelichen Mutter in Ermanglung eheleiblicher Kinder auf den sechsten, wo aber eheleibliche Kinder vorhanden sind, auf den zwölften Theil, es möge eines oder mehrere derlei unechte Kinder sein, dergestalten bestimmen, daß ihnen ihre Eltern zwar weniger zuwenden, Jenes aber, was ihnen darüber verschaffet wird, denen ehelichen Kindern, oder in deren Abgang den sonstigen Erben zufallen solle.

[2, 12, § 2] 25. Von diesem sechsten oder zwölften Theil der Verlassenschaft oder von deme, was ihnen darunter zugedacht wird, gehöret ihnen das Eigenthum; sollte aber ihr Unterhalt hieraus nicht erschwungen werden können, noch auch der noch lebende Vater oder Mutter den Abgang beizutragen im Stande sein, so solle über das nach richterlichen Ermessen noch so vieles, als zur Nothdurft einer gemeinen Erziehung und Forthelfung in den eigenen Nahrungsstand erforderlich ist, aus der Ertragniß des hinterlassenen Vermögens ausgeworfen, und mit diesem Beitrag je lange fortgefahren werde, bis sie in Stand gesetzet sind, sich ihren Unterhalt selbst zu verschaffen.

[2, 12, § 2] 26. Wären aber außer der Ehe erzeugte Kinder entweder durch die nach gefolgte Ehe rechtmäßig, oder aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit für rechtmäßig eigends zu dem Ende, darmit sie Vater oder Mutter erben können, erkläret worden, höret auch ersteren Falls die Erbsunfähigkeit völlig, letzteren Falls hingegen nur in Ansehung desjenigen Eltertheils aus, der deren Rechtmäßigkeit erwirket hat.

[2, 12, § 2] 27. Desgleichen, wo die Eltern aber deren eines ihr unehelich erzeugtes Kind für ehelich und rechtmäßig ausgegeben hätten, und solches auch insgemein dafür gehalten worden wäre, solle es in dem Besitz seiner vermeinten Rechtmäßigkeit dergestalten erhalten werden, daß dessen Erbseinsetzung in der Verlassenschaft desjenigen Theils, der dasselbe für rechtmäßig ausgegeben, nicht angefochten werden solle, wann sonst keine eheleiblichen Kinder vorhanden sind.

[2, 12, § 2] 28. Die Erbsunfähigkeit erstrecket sich auch umsomehr auf jene Person mit welcher eine uneheliche Zuhaltung gepflogen worden, wann diese Makel nicht

(2-207) nachhero durch die wirkliche Ehe getilget wird, also zwar, daß der überlebende eine Theil aus dem letzten Willen des anderen gar nichts zu beziehen fähig sein solle, woferne dieses Vergehen noch in Lebszeiten des Erblassers entweder bereits gerichtlich erprobet, oder doch damals bei Gericht angebracht und nachhero bewiesen worden, widrigens solle nach Absterben des einen Theils die Erbseinsetzung des anderen deshalben nicht mehr angefochten werden können.

[2, 12, § 2] 29. Wann ein Unfähiger zum Erben eingesetzet wird, ist die Erbseinsetzung für nicht geschehen zu halten, und fallt Dasjenige, was ihme dadurch zugedacht worden, und den oben in gewissen Fällen zu beziehen erlaubten Betrag übersteiget, entweder dem nachberufenen Erben, oder in dessen Ermanglung Jenen zu, die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge die nächsten sind.

[2, 12, § 2] 30. Auf die Erbsfähigkeit ist nur zur Zeit des Erbanfalls und der antretenden Erbschaft zu sehen, dahingegen schadet die Erbsunfähigkeit zur Zeit des errichteten letzten Willens, oder welche sich Jemand in der Zwischenzeit zugezogen, nichts, wann nur derselbe zur Zeit, als ihme die Erbschaft angefallen, und er solche antritt, fähig ist, wo in widrigen der Erbanfall sogleich auf Jene gehet, die entweder von dem Erblasser nachberufen, aber nach der rechtlichen Erbfolge die nächsten sind.

[2, 12, § 2] 31. Doch solle die Erbsunfähigkeit eines eingesetzten Erben nicht länger, als binnen der unten in siebenzehenten Capitel, §. V, zur rechtskräftigen Bestätigung eines letzten Willens ausgesetzten Zeit angebracht, nach deren Verlauf aber Niemand einer Erbsunfähigkeit halber weiter angefochten werden können.

[2, 12, § 2] 32. Was bishero von der Erbsunfähigkeit der eingesetzten Erben geordnet worden, hat auch bei After-Erbseinsetzungen und Nachberufungen, wie nicht minder in seiner Maß bei Vermächtnissen statt, insoweit als nicht oben gewissen erbsunfähigen Personen jegleichwohlen vermächtnißweise etwas zu verschaffen ausdrücklich erlaubet wird.

§. III.

[2, 12, § 3] 33. Jedermänniglich stehet frei, einen oder mehrere Erben einzusetzen. Ist nur ein Erb überhaupt eingesetzet, ohne daß sein Erbtheil von dem Erblasser an einem Theil der Verlassenschaft, oder an einer gewissen Summe, oder an einzlen Dingen bestimmet worden wäre, erbet er auch die ganze Verlassenschaft.

(2-208) [2, 12, § 3] 34. Woferne er aber nur namentlich in einem Theil derselben, oder in einer gewissen Summe, oder auch in einzlen Dingen zum Erben eingesetzet wäre, erbet er nur so vieles, als ihme der Erblasser zugewendet, und all Uebriges, worüber der Erblasser nicht geordnet hat, fallt auf diejenige Erben, welche nach der rechtlichen Erbfolge die nächsten sind.

[2, 12, § 3] 35. Dann Wir wollen hiemit alles Recht des Zuwachses bei letztwilligen Erbfolgen sowohl in dem Fall, wann der Erblasser über einen Theil seiner Verlassenschaft ordnete, und über den anderen nicht, als auch da die letztwillige Anordnung zum Theil wegen Abgangs, Unfähigkeit oder Unwürdigkeit des eingesetzten Miterbens oder seiner Entschlagung der Erbschaft, oder wegen ermanglender oder von ihme nicht erfüllten Bedingnuß der Erbseinsetzung nicht zur Wirkung käme, gänzlich aufgehoben haben, also zwar, daß Alles, worüber die ausdrückliche Anordnung des Erblassers entweder gleich anfangs ermanglet, oder in der Folge unwirksam wird, den nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufallen solle.

[2, 12, § 3] 36. Wann mehrere Erben eingesetzet sind, gelanget auf deren keinen das Erbrecht zur Gänze, sondern an deren jedweden nur zu einem Theil, welcher entwedern von dem Erblasser selbst, oder von dem Gesetz bestimmet ist, wo die Ausmessung des Erblassers ermangelt.

[2, 12, § 3] 37. Um dahero mit Verläßlichkeit zu wissen, was für ein Antheil einem jeden der eingesetzten Erben von der Verlassenschaft angebühre, sind folgende drei Hauptfälle zu unterscheiden, als:

[2, 12, § 3] 38. Erstens, da der Erblasser einem jeden eingesetzten Erben einen gewissen Antheil angewiesen,

Zweitens, da er keinem von ihnen einen Antheil angewiesen, und endlich

Drittens, da er Einem oder Mehreren gewisse Antheile angewiesen, Anderen aber nicht.

[2, 12, § 3] 39. In dem ersten Hauptfall, wann der Erblasser einem jeden eingesetzten Erben seinen Antheil angewiesen hat, ist ein jeder in demjenigen Antheil sein Erb, in welchem derselbe von ihme eingesetzet worden.

[2, 12, § 3] 40. Und hat der Erblasser vollkommene Freiheit, seine Verlassenschaft in so viele Theile, als ihme gefällig, zu vertheilen, und gleiche oder ungleiche, größere oder kleinere Theile zu machen, wie dann auch die Einsetzung deswegen nicht angefochten werden kann, obschon die angewiesenen Theile das Verhältniß mit dem Ganzen überschritten, oder solches nicht erreichen.

[2, 12, § 3] 41. Würden die angewiesenen Theile das Verhältniß mit dem Ganzen übersteigen, also daß sie zusammen gerechnet ein Mehreres betragen, als nicht die ganze Verlassenschaft ausmacht, so solle einem jeden Miterben nach Verhältniß seines Antheils so vieles abgezogen werden, als ander Verlassenschaft abgehet.

[2, 12, § 3] 42. Dahingegen, wo die angewiesenen Theile weniger ausmachen, folglich den Betrag der ganzen Verlassenschaft nicht erreichen, gebühret den eingesetzten Erben nur Dasjenige, was ihnen von dem Erblasser angewiesen ist, dieses bestehe in einem Theil der Verlassenschaft, oder in einer bestimmten Summe, oder in

(2-209) einzlen Dingen; alles Uebrige aber fallt den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge zu, und höret nach Unserer obigen Anordnung zwischen letztwillig eingesetzten Erben alles Recht des Zuwachses völlig auf.

[2, 12, § 3] 43. In dem zweiten Hauptfall, wo der Erblasser mehreren eingesetzten Erben seine Theile angewiesen, erben alle gleich, also daß die Erbschaft in so viele Theile getheilet werde, als Personen an der Zahl sind, welche zu Erben eingesetzet worden.

[2, 12, § 3] 44. Wo demnach die ausdrückliche Anweisung der Theilen ermanglet, ist die Anzahl der Erben die unveränderliche Richtschnur zur Ausmessung der Theilen, welcher ohne Unterschied, ob der Erblasser bei Einsetzung mehreren Erben selbe zusammengefügter oder abgesönderter Weise benennet habe, nachgegangen werden wolle.

[2, 12, § 3] 45. Dann durch die Zusammenfügung Mehrerer allein solle der einem Jedweden nach Anzahl der Personen gebührende Antheil weder vermehret, noch verminderet werden können, es seie dann daß entweder der Erblasser ausdrücklich verordnet hätte, damit die Zusammengefügten nicht mehr, als der von ihnen in der Einsetzung abgesönderte Miterb für sich allein haben solle.

[2, 12, § 3] 46. Oder daß mehrere Erben versammlungsweise, unter dem Begriff einerlei Eigenschaft zusammengefüget, nebst einem oder mehreren anderen Miterben eingesetzet worden wären, als da Jemand seines Bruder Oder Schwester Kinder mit einem Dritten, oder eine Gemeinde, Mittel, oder eine Gesellschaft mit einer oder mehreren anderen einzlen Personen zu Erben benennete, in welchem Fall die unter einerlei Eigenschaft Zusammengefügete für Eine Person zu achten sind, und dahero auch für ihren Antheil zusammen nicht mehr, als was auf einen deren einzelweise eingesetzten Miterben ausfallt, zu beziehen haben.

[2, 12, § 3] 47. Dagegen aber wird auch in diesem Fall der allen unter einerlei Eigenschaft Zusammengefügten zukommende Antheil dadurch nicht geschmäleret, obschon Einige von ihnen, oder auch Alle bis auf Einen, ehe und bevor sie zur Erbschaft gelangen, abgehen; sondern die Eigenschaft, unter welcher sie zu Erben eingesetzet worden, folglich das darmit verknüpfte Erbrecht bestehet auch in Einem, welcher so vieles für sich beziehet, als Alle bekommen hätten, wann sie zur Erbschaft gelanget wären.

[2, 12, § 3] 48. Woferne aber der Erblasser haben wollte, daß von denen unter einerlei Eigenschaft versammlungsweise Eingesetzten ein Jeder besonders für sich einen gleichen Antheil mit denen einzelweise berufenen Miterben haben solle, so muß solches von ihm klar und namentlich ausgedrucket werden, daß jeder von denen also Zusammengefügten zu gleichen Theilen mit denen einzelweise Eingesetzten Erben sein sollen.

[2, 12, § 3] 49. Und in diesem Fall behält Jeder seinen angemessenen Theil, der nach Anzahl der zu Erben eingesetzten Personen auf ihn ausfallt, ohne daß solcher durch Abgang anderer unter dieser Eigenschaft begriffener Miterben vermehret werden könne, sondern die erledigte Antheile Derjenigen, welche nicht zur Erbschaft gelangen, fallen auf die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge.

[2, 12, § 3] 50. In dem dritten Hauptfall, da der Erblasser Einem oder Mehreren von den eingesetzten Erben ihre Antheile angewiesen, Anderen aber nicht, bekommen Diejenigen, die in bestimmten Theilen eingesetzet sind, ihre angewiesene Erbtheile; was aber nach Abzug dieser angewiesenen Theilen, es seie viel oder wenig, übrig bleibet, solle unter die, welche ohne Theilen eingesetzet worden, dergestalten vertheilet werden, daß deren Jeder hieran einen gleichen Antheil zu beziehen habe.

[2, 12, § 3] 51. Wann jedoch durch die angewiesenen Theile die Verlassenschaft dergestalten erschöpfet würde, daß für die ohne Theil Eingesetzten gar nichts übrig bliebe, solchen Falls solle es von denen durch den Erblasser angewiesenen Theilen völlig abkommen, und die Regel des zweiten Hauptfalls statt haben, daß so viele gleiche Theile zu machen sind, als Erben an der Zahl eingesetzet worden, folglich deren

(2-210) Jeder ohne Unterschied, er möge in einem bestimmten Antheil eingesetzet worden sein oder nicht, einen gleichen nach Zahl der Personen auf ihn ausfallenden Antheil mit denen Uebrigen zu beziehen habe.

[2, 12, § 3] 52. Wobei aber auch all Jenes zu beobachten ist, was von Mehreren unter einerlei Eigenschaft versammlungsweise zusammengefügten Miterben oben von num. 46 bis 49 geordnet worden.

[2, 12, § 3] 53. In keinem dieser Fälle hat das Recht des Zuwachses statt, wann gleich mehrere eingesetzte Erben entweder durch Worte, oder an einerlei Sache, oder auch auf beiderlei Weise zusammengefüget wären, sondern die Einsetzung mehrerer Erben, wie sie immer laute, solle gesönderet, und also angesehen werden, als ob deren Jeder besonders für seinen Theil allein eingesetzet worden wäre.

[2, 12, § 3] 54. Es seie dann, daß vorberührter Maßen entweder von dem Erblasser mehreren Zusammengefügten miteinander ein gleicher Theil mit dem besonders eingesetzten Erben angewiesen, oder Mehrere versammlungsweise unter dem Begriff einerlei Eigenschaft, ohne deren Jedwedem seinen besonderen Antheil zu bestimmen, zusammengefüget, oder endlich von ihme ausdrücklich verordnet worden wäre, daß der nach einem abgehenden Miterben erledigte Antheil einigen, oder allen übrigen Miterben zukommen solle.

[2, 12, § 3] 55. In beiden ersteren Fällen tritt der vermuthete Willen des Erblassers ein, daß er die also Zusammengefügten für Eine Person gehalten, folglich in Kraft einer unter dieser Zusammenfügungsart stillschweigend begriffenen Nachberufung Dasjenige, was er Allen zugedacht, auf deren Jedwedem für sich allein, wann die Uebrigen nicht zur Erbschaft gelangen sollen, und um so mehr das, was durch Abgang des Einen oder Anderen erlediget wird, denen übrigen Zusammengefügten habe zuwenden wollen.

[2, 12, § 3] 56. In dem dritten Fall hingegen gebühren die durch Abgang eines oder mehreren eingesetzten Erben erledigte Theile Jenem, welchen solche der Erblasser ausdrücklich auf diesen Fall zugedacht, nicht aus dem Recht des Zuwachses, sondern aus der gemeinen Aftererbseinsetzung oder Nachberufung, wovon in dem folgenden Capitel gehandlet wird.

[2, 12, § 3] 57. Außer diesen Fällen einer unten dem obigen Ausdruck der Zusammenfügung stillschweigend verstandenen, oder ausdrücklich von dem Erblasser geordneten Nachberufung trifft in deme, worüber von demselben weder namentlich, noch überhaupt geordnet worden, oder worinnen dessen Anordnung in der Folge unwirksam wird, allemal die rechtliche Erbfolge mit der letztwilligen zusammen.

[2, 12, § 3] 58. Doch also, daß der letzte Willen, wann er sonst an sich nicht mangelhaft ist, bei vollen Kräften verbleibe, und Alles, was von dem Erblasser darinnen angeordnet worden, abgestattet werden müsse, auf die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretenden nächsten Erben hingegen nur Jenes von der Verlassenschaft gelange, was nach vollständiger Erfüllung des letzten Willens hieran erübriget wird.

[2, 12, § 3] 59. Es sind demnach zwei Fälle, worinnen die nach der rechtlichen Erbfolge sonst berufenen nächsten Erben mit den letztwillig eingesetzten Erben in einerlei Verlassenschaft zusammentreffen, als:

[2, 12, § 3] 60. Erstens, wann der Erblasser über einen Theil seiner Verlassenschaft weder namentlich, noch überhaupt geordnet, sondern hieran nach Abzug der den eingesetzten Erben angewiesenen Antheilen, und der Vermächtnissen etwas, es seie viel oder wenig, übrig bleibt.

[2, 12, § 3] 61. Zweitens, wann ein eingesetzter Miterb ermanglet, als da derselbe zur Zeit des Tods des Erblassers, oder der Erbsantretung unfähig oder unwürdig wäre, oder sich der Erbschaft entschlüge, oder dessen Erbseinsetzung wegen ermanglender oder nichterfüllter Bedingniß erlöschete, und auf den Fall des abgehenden eingesetzten Miterbens keine Nachberufung eines zweiten Erbens gemacht worden, noch solche in der Einsetzungsart selbst stillschweigend enthalten wäre.

(2-211) [2, 12, § 3] 62. Alles dieses wachset nicht den Theilen der letztwilligen Erben zu, sondern gehet auf die nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge, dergestalten, daß wo er eingesetzte Erb auch zugleich einer von den nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge wäre, derselbe gleichfalls seinen Antheil, welcher ihme nach der rechtlichen Erbfolge zuzukommen hat, mit denen Anderen erhalte, und wie die Vortheile, so die Erblasten nach Maß dessen, was deren Jedweder für seinen Antheil aus der Erbschaft beziehet, sowohl zwischen den letztwilligen, als den aus der rechtlichen Erbfolge eintretenden Erben getheilet werden.

[2, 12, § 3] 63. Da aber die letzteren zugleich nothwendige Erben wären, welchen der Pflichttheil aus Vorsehung Unserer Gesetzen gebührete, diesen hingegen das, was sie aus der Verlassenschaft beziehen, nicht erreichete, solchen Falls haben die anderen Miterben von ihren Antheilen zu dessen Ergänzung so vieles beizutragen, als noch hieran erweisliche abgehen würde.

[2, 12, § 3] 64. Zu den Erblasten haben jedoch Jene, welche in einzlen Sachen oder gewissen Summen eingesetzet worden, insgemein nichts beizutragen, sondern eine derlei Erbseinsetzung ist Vermächtnissen gleich zu achten, welche zu den Erblasten nicht ehender beigezogen werden sollen, als da die übrige Verlassenschaft zu deren Abtrag nicht hinreichend ist, wie solches in dem sechzehenten Capitel von Vermächtnissen mit Mehreren erkläret werden wird.

§. IV.

[2, 12, § 4] 65. Mit was immer für Worten, und an was für einer Stelle des Testaments, es seie zu Anfang, in der Mitte oder zu Ende seines Inhalts die Erbseinsetzung geschehe, solle selbe giltig und rechtsbeständig sein, wann nur der

(2-212) Erb ausdrücklich, klar, verständlich und dergestalten, daß man ihn erkennen kann, dann freiwillig und ohne Gefährde darinnen benennet und beschrieben wird.

[2, 12, § 4] 66. Es muß dahero erstens der eingesetzte Erb entweder aus seiner Benamsung oder anderen ungezweifleten Kennzeichen gewiß und bestimmet sein, damit kein Irrthum wegen der Person des Erbens entstehe, bei wessen Unterwaltung die Erbseinsetzung null und nichtig ist.

[2, 12, § 4] 67. Dahingegen, wo bloß allein in dem Namen oder in der Eigenschaft, oder sonstigen Beschreibung des eingesetzten Erben geirret würde, schadet solches der Giltigkeit der Erbseinsetzung nicht, wann aus anderen Umständen die Person des Erbens, welchen der Erblasser vermeinet, ungezweiflet erhellet.

[2, 12, § 4] 68. Es würde dann in einer solchen Eigenschaft geirret, in deren Ermanglung der Erblasser denselben sonst nicht zum Erben eingesetzet hätte, als da der Erblasser Jemanden als seinen Sohn oder Bruder für seinen Erben ernennet hätte, der es aber nicht wäre, welchen Falls die Erbseinsetzung aus Mangel des Willens, der sich lediglich auf die irrig vermeinte Eigenschaft bezogen hat, nicht bestehen kann.

[2, 12, § 4] 69. Desgleichen, wo Jemand zum Erben benennet würde, den Niemand kennet, und der nach aller eingezogenen Nachricht nicht ausfindig gemacht werden kann, ist die Erbseinsetzung null und nichtig.

[2, 12, § 4] 70. Nicht weniger verlieret die Erbseinsetzung ihre Wirkung, wann der Erblasser mehrere Freunde einerlei Namens hätte, und man nicht wissen könnte, welchen er gemeinet habe.

[2, 12, § 4] 71. Doch ist nicht nothwendig, daß der eingesetzte Erb beim Erblasser vorhero von Person bekannt gewesen seie, sondern es ist an deme genug, daß dieser von ihme gewußt habe, obschon er ihn bei Lebszeiten niemalen gesehen hätte.

[2, 12, § 4] 72. Die Person des eingesetzten Erben muß dahero entweder in dem Testamen selbst bestimmet, oder doch in der Folge aus einer ausdrücklichen, oder doch in der Natur der Sache stillschweigend enthaltenen Beziehung auf etwas Anderes, woraus derselbe kennbar seie, bestimmet werden können.

[2, 12, § 4] 73. Durch die ausdrückliche Beziehung wird der Erb bestimmet, wann der Erblasser in seinem schriftlichen oder mündlichen Testament sich auf einen von ihme eigenhändig geschriebenen Zettel dergestalten beziehet, daß Jener sein Erb sein solle, welcher in diesem Zettel benennet ist, wann nur kein Zweifel fürwaltet, daß der angezeigte Zettel eben derjenige seie, worauf sich von dem Erblasser bezogen worden.

[2, 12, § 4] 74. Stillschweigend hingegen ist die Beziehung in der letztwilligen Anordnung enthalten, wann der Erblasser Jene zu Erben einsetzet, welche nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge die nächsten sind; dann in diesem Fall solle dafür gehalten werden, daß er sich der Ausmessung Unserer Gesetzen gefüget habe.

[2, 12, § 4] 75. Also da Jemand seine Kinder überhaupt zu Erben einsetzete, sind auch die Enkeln der verstorbenen Söhnen und Töchtern darunter verstanden, welche aus

(2-213) dem Vorstellungsrecht in die Stelle ihrer vorgestorbenen Eltern eintreten, nicht aber auch die Enkeln der noch lebenden Kindern, weilen solche durch ihre Eltern von der großväterlichen oder großmütterlichen Erbschaft ausgeschlossen werden.

[2, 12, § 4] 76. Eben also, da Jemand seine Befreundten überhaupt zu Erben benennete, werden nur Jene zur Erbschaft zugelassen, die nach der rechtlichen Erbfolge hierzu das nächste Recht haben, dergestalten, daß der nähere allemal den weiteren ausschließe.

[2, 12, § 4] 77. Da aber der Erblasser seinen Willen dahin erkläret hätte, daß alle seine Befreundte zusammen erben sollen, solchen Falls gebühret auch Jedwedem, welcher von der Freundschaft ist, ohne Rücksicht aus die nähere oder weitere Verwandtschaft, ein Erbtheil, und ist mit der Verlassenschaft auf eben diejenige Art und Weis, wie es auf dem Fall, wo der eingesetzte Erb zur Zeit nicht bekannt ist, unten in dem einundzwanzigsten Capitel geordnet werden wird, zu verfahren, folglich davon so viele Theile zu machen, als Personen von der Freundschaft des Erblassers zu sein in der ausgesetzten Zeit rechtsbehörig erweisen werden.

[2, 12, § 4] 78. Ein jeder Erblasser hat zwar die vollkommene Freiheit so viele Erben einzusetzen und zu benennen, als ihme gefällig ist, doch muß die Menge weder so unbeschränkt, noch auch so übermäßig sein, daß nicht abgenommen werden möge, was für eine Gattung oder Anzahl der Personen derselbe habe einsetzen wollen, aber daß es unthunlich seie, die Erbschaft unter so viele Menschen, als in der Erbseinsetzung begriffen sind, zu vertheilen.

[2, 12, § 4] 79. Wann dahero Jemand alle Menschen oder alle Einwohnere eines Landes zu Erben einsetzen würde, ist die Einsetzung null und nichtig, weilen solche wegen der unbeschränkten und übermäßigen Menge der Eingesetzten keinen Ausgang haben kann.

[2, 12, § 4] 80. Dieses leidet jedoch in jenen Fällen eine Ausnahm, wann die Rücksicht des gemeinen Besten, oder die Gunst milder Dingen unterwaltete, als da Soldaten, Gelehrte, Künstler, Burger einer Stadt oder Markts, Unterthanen aus einem oder mehreren Gütern, Arme, Gefangene zu Erben eingesetzet worden wären.

[2, 12, § 4] 81. Derlei Einsetzung ist allerdings rechtsgiltig, und solle in solchen Fällen vor Allem über die Verlassenschaft zur Betretung der Eingesetzten ein Curator bestellet, beinebst aber allemal darauf gesehen werden, ob aus dem Inhalt der Einsetzung der Sinn und die Meinung des Erblassers verläßlich abgenommen werden möge oder nicht.

[2, 12, § 4] 82. Ersteren Falls solle ohne weiters hiernach fürgegangen, letzteren Falls aber die Bestimmung von der Behörde eingeholet werden, was für einer Anzahl und Gattung der Eingesetzten, und zu was für einem Ziel und Ende die Erbschaft zu überlassen und auszufolgen seie.

[2, 12, § 4] 83. Um so mehr können Gott, die Heiligen, die eigene und Anderer Seelen, und was sonst eine geistliche Wesenheit hat, wie nicht minder sittliche Personen, als da sind geistliche und weltliche Stände, Orden, Stiftungen, Gemeinden, Mitteln, und andere Versammlungen der Menschen, welche von Uns bestätiget, oder in Unseren Staaten geduldet sind, zu Erben eingesetzet werden.

[2, 12, § 4] 84. Auch unbelebte Sachen sind der Erbseinsetzung fähig, wann solche zur Ehre Gottes, Hilfe des Nächsten, zu gemeinen Besten, und wie sonst immer zu einem löblichen Endzweck abzielet, welchen Falls, wann ein Zweifel unterwaltete, wie der Willen des Erblassers in Erfüllung zu bringen seie, jedesmal die Bestimmung von der vorgesetzten Gehörde einzuholen ist.

[2, 12, § 4] 85. Dahingegen ist die Erbseinsetzung der Thiere nicht zu dulden, sondern, da sie von Jemanden, der sonst bei gesunder Vernunft wäre, geschehe, es seie, daß die Thiere selbst, oder ein Mensch mit den Beding, daß er solche aus der Erbschaft erhalte, pflege oder sonst etwas thue, dessen Auferlegung eine unmäßige


(2-214) Neigung gegen das Thier zur Ursach hätte, eingesetzet würden, ist dieselbe null und nichtig.

[2, 12, § 4] 86. Verstorbene Leute können nicht zu Erben eingesetzet werden, sondern wann der ernannte Erb zur Zeit der Einsetzung schon todt gewesen, oder vor dem Erblasser verstorben, hat die Erbseinsetzung keine Wirkung, noch weniger kann selbe den Erben des Verstorbenen, oder sonst Jemanden zu statten kommen, welcher nicht von dem Erblasser auf dem Fall des ermanglenden eingesetzten Erbens nachberufen worden.

[2, 12, § 4] 87. Noch nicht Geborene hingegen können zu Erben eingesetzet werden, wann der Eingesetzte schon zur Zeit des Tods des Erblassers empfangen ist, welchen Falls derselbe unter der Bedingniß für schon geboren gehalten wird, daß er lebendig und in menschlicher Gestalt zur Welt gelange.

[2, 12, § 4] 88. Es ist auch kein Unterschied, ob der Nachgeborene nach Errichtung des Testaments, oder nach dem Tod des Erblassers zur Welt komme, oder ob er von seiner Nachkommenschaft oder Verwandtschaft, oder fremd seie, wann er nur binnen dem zehenten Monat nach Absterben des Erblassers in menschlicher Gestalt geboren wird.

[2, 12, § 4] 89. Die Ungewißheit, ob und was zur Welt kommen werde, benimmt der Giltigkeit der Erbseinsetzung nichts, sondern in dieser Zwischenzeit ist das Recht des Eingesetzten mittelst Bestellung eines Curatoris zu verwahren.

[2, 12, § 4] 90. Diese Ungewißheit höret aber sofort auf, sobald als die Geburt erfolget oder die Zeit vorüber ist, binnen welcher sie hätte erfolgen sollen, oder aber eine Mißgeburt an das Taglicht kommt; doch ist Jener für keine Mißgeburt zu halten, der ungestalt geboren wird, sondern deme die menschliche Gestalt nach Urtheil der Aerzten ermanglet.

[2, 12, § 4] 91. Sobald hingegen der Eingesetzte binnen den ob ausgemessenen zehen Monaten, es seie zu rechter Zeit, oder auch durch fruhzeitige Geburt, oder gar durch einen Schnitt aus Mutterleibe lebendig und in menschlicher Gestalt zur Welt gekommen, hat sogleich die Erbseinsetzung ihre Wirkung, aus welcher das Erbrecht auf den Nachgebornen übergehet, wann dieser auch nur einen Augenblick gelebet, und ohne eine Stimme von sich zu geben anwiederum verschieden wäre, insoferne man durch andere ohnfehlbare Kennzeichen seines nach der Geburt gehabten Lebens versicheret ist.

[2, 12, § 4] 92. Wann aber der eingesetzte Erb bei Absterben des Erblassers noch nicht empfangen wäre, kann zwar dessen Einsetzung nicht als die erste und unmittelbare Erbseinsetzung, wohl aber als eine After-Erbseinsetzung und vertrauliche Erbsnachberufung dergestalten bestehen, daß, wo eine Hoffnung seiner erfolgen mögenden Geburt übrig ist, der letzte Willen bei Kräften verbleibe; dahingegen in Ermanglung einer anderen letztwilligen Vorsehung die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft zugelassen, und in deren Genuß bis zur Geburt des eingesetzten Nacherbens erhalten werden sollen.

[2, 12, § 4] 93. Zweitens, muß die Erbseinsetzung freiwillig geschehen, und von des Erblassers eigenen freien und ungezwungenen Willen herrühren; woferne aber Jemand auf Befragen, ob er diesen oder jenen zum Erben haben wolle, solches bloß bejahet, ist es keine Erbseinsetzung.

[2, 12, § 4] 94. Gleichergestalten ist die Erbseinsetzung null und nichtig, da der Erblasser die Ernennung des Erbens der Willkür eines Dritten überlassen hätte, obschon solches stillschweigend aus der Natur einer beigefügten Bedingniß, deren Erfüllung von der Willkür des Dritten abhanget, geschehen, oder auch die Auswahl eines Erbens unter mehreren von dem Erblasser benannten Personen einem Dritten aufgetragen werden mag, ohne daß die auf eine oder andere Art gemachte Erbseinsetzung deshalben angefochten werden könne.

[2, 12, § 4] 95. Endlich drittens muß die Erbseinsetzung redlich und ohne Gefährde

(2-215) sein; für gefährlich aber wird jene gehalten, die aus unerlaubter Absicht geschieht des Anderen Erbschaft an sich zu ziehen, als da Einer den Anderen ausdrücklich mit dem Beding zum Erben einsetzet, wann er ihn dagegen zum Erben einsetzen werde, oder also ordnet, daß der Andere so vieles von ihme erben solle, als mit so vielem er dagegen von Jenem bedacht werden würde.

[2, 12, § 4] 96. Derlei Erbseinsetzungen sind null und nichtig, worunter aber jene nicht zu zählen ist, welche entweder aus Zuneigung Eines gegen dem Anderen, gleichwie unter Eheleuten, wechselweise geschieht, oder aus dankbarem Gemüthe herrühret, weilen Jemand von dem Anderen zum Erben eingesetzet worden, und also auf die vergangene oder gegenwärtige Zeit lautet, sondern solche Erbseinsetzungen sind allerdings rechtsgiltig.

§. V.

[2, 12, § 5] 97. Die Erbseinsetzung kann unbedingt oder bedingt geschehen. Bedingt ist jene, welcher eine Bedingniß oder eine Zeitfrist, oder eine gewisse Art und Weis, die von dem Erben erfüllet werden solle, beigefüget wird.

(2-216) [2, 12, § 5] 98. Die Bedingniß ist ein Anhang eines noch ungewissen künftigen Zufalls, von dessen Ereigniß die Wirkung der Handlung abhanget. Diesemnach bestehet das Wesentliche einer Bedingniß darinnen, daß sie auf einen künftigen noch ungewissen Erfolg gerichtet seie.

[2, 12, § 5] 99. Was aber einen gegenwärtigen oder schon vergangenen Zufall andeutet, ist keine Bedingniß, sondern die Erbseinsetzung ist an sich unbedingt, und sogleich entweder giltig, wann der angehängte Zufall sich ereignet hat, oder ungiltig, wann solcher ermanglet, obschon dem Erblasser der Erfolg nicht bekannt gewesen wäre, dann die Unwissenheit allein kann der Wahrheit der Sache nichts benehmen.

[2, 12, § 5] 100. Woferne hingegen der Anhang zwar auf die künftige Zeit lautet, der anmit abgesehene Erfolg aber keiner Ungewißheit unterlieget, sondern sich nothwendig ergeben muß, ist derselbe für eine beigefügte Zeit zu halten, welche nur damals die Wirkung einer Bedingniß hat, wann der Erfolg an der Person eines Dritten, nicht aber des eingesetzten Erbens selbst abgewartet werden muß, wie unten davon das Mehrere folgen wird.

[2, 12, § 5] 101. Desgleichen sind stillschweigende Bedingnissen, welche entweder nach Ausmessung Unserer Gesetzen oder aus der Natur der Sache schon unter der Anordnung des Erblassers begriffen sind, für keine Bedingniß zu halten, obschon sie mit ausdrücklichen Worten beigefüget würden.

[2, 12, § 5] 102. In Gegentheil gehet aus einer so gefaßten Erbseinsetzung der Erbanfall sammt dem Erbrecht sogleich auf den eingesetzten Erben; es seie dann, daß der Erblasser wortdeutlich geordnet hätte, darmit eine stillschweigende Bedingniß die Natur einer ausgedruckten haben solle.

[2, 12, § 5] 103. Alle Bedingnisse sind entweder möglich oder unmöglich. Die möglichen sind entweder zufällig oder willkürlich, oder theils zufällig oder theils willkürlich.

[2, 12, § 5] 104. Die Erfüllung der zufälligen hanget nicht von der Willkür des eingesetzten Erbens, sondern entweder von einem bloßen Zufall, oder von dem Willen eines Dritten ab, maßen, wo der Erblasser die Bedingniß auf den Willen eines Dritten aufsetzet, der Erb deren Erfüllung abzuwarten schuldig ist.

[2, 12, § 5] 105. Willkürliche Bedingnissen sind jene, welche zu erfüllen bloß allein in des eingesetzten Erbens Macht und Willen stehet. Diese lauten entweder dahin, daß der eingesetzte Erb etwas thue, oder daß derselbe etwas nicht thue.

[2, 12, § 5] 106. Theils zufällige, theils willkürliche, oder aus beiden Arten vermischte Bedingnissen sind, welche zum Theil von dem Willen des Erbens, und zum Theil von einem Zufall, oder von dem Willen eines Dritten abhangen, also, daß allemal

(2-217) dasjenige, was in die Willkür eines Dritten gestellet wird, in Ansehen dessen, deme eine solche Bedingniß beigefüget wird, für zufällig zu achten ist.

[2, 12, § 5] 107. Alle vorbemelte Gattungen möglicher Bedingnissen können auf zweierlei Art gefasset werden, als entweder, daß die Wirkung der Erbseinsetzung bis zu dem Ausgang der beigefügten Bedingniß verschoben bleibe.

[2, 12, § 5] 108. Oder aber, daß solche zwar gleich ihre Wirkung haben, und das Erbrecht auf den eingesetzten Erben übergehen, dahingegen bei Ausgang der angehängten Bedingniß dasselbe anwiederum aufgelöset sein, und die Erbschaft deme, welchen der Erblasser auf diesen Fall berufen, oder den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge zufallen solle.

[2, 12, § 5] 109. Unter allen Arten möglicher Bedingnissen kann der Erblasser Jemanden zum Erben einsetzen, oder auch zum zweiten Erben nachberufen. Nur allein nothwendige Erben sind in Ansehung des ihnen gebührenden Pflichttheils ausgenommen, welcher mit keinerlei auch noch so leichter Bedingniß oder Anhang einiger Zeitfrist, oder auch einer Art und Weis, oder was sonst immer für erdenklichen Beisatz beschweret werden mag, sondern alle dergleichen Bedingnisse, Anhänge und Beisätze sind, so viel es den Pflichttheil belanget, für nicht beigefüget zu achten.

[2, 12, § 5] 110. Wann demnach ein Erblasser seine nothwendige Erben unter einer Bedingniß oder sonstigen Anhang einsetzet, gilt dieser Beisatz bloß in Ansehung der übrigen Verlassenschaft, so viel hieran nach Abzug des Pflichttheils vorhanden ist, der Pflichttheil aber muß ihnen rein, unbedingt, und ohne aller Belastung zufallen.

[2, 12, § 5] 111. Willkürlichen Erben hingegen kann der Erblasser nach Gefallen was immer für Bedingnissen beifügen, deren seie eine oder mehrere, entweder zusammen, also daß deren aller Erfolg oder Erfüllung abgewartet werden müsse, oder wechselweise, daß eine oder die andere erfolgen oder erfüllet werden solle.

[2, 12, § 5] 112. Eine verschiebende oder aufziehende Bedingniß, unter welcher die Erbseinsetzung geschehen, verschiebt deren Wirkung bis zu ihrem Ausgang dergestalten, daß bis dahin der Erbanfall und der Uebergang des Erbrechts auf den eingesetzten Erben andurch verhinderet werde, folglich auch, wann derselbe vor Ausgang dieser Bedingniß verstirbt oder sonst erbsunfähig wird, die Erbseinsetzung zerfalle und hieraus kein Recht auf seine Erben übertragen werden könne, obgleich die Bedingniß nach seinem Absterben erfolgete.

[2, 12, § 5] 113. Es muß also der Ausgang einer zufälligen Bedingniß erwartet, und die willkürliche in der bestimmten Zeit, Maß und Weis erfüllet, bis dahin aber über die Verlassenschaft ein Curator bestellet werden, der solche mittlerweil verwalte, besorge und vertrete.

[2, 12, § 5] 114. Doch solle dessen ohnerachtet die Verlassenschaftsabhandlung jegleichwohlen ihren Fortgang haben, und wo mehrere Miterben ohne Bedingniß eingesetzet worden, oder die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintreten, ihnen ihre Erbtheile ausgefolget werden.

[2, 12, § 5] 115. Wie nicht minder sind in dem Fall, wo das Testament auch bei ermanglender Bedingniß entweder aus der zu ihrer Wirkung gelangenden unbedingten Einsetzung eines anderen Miterben, oder in Kraft der beigefügten codicillarischen Clausel bestehen würde, die Vermächtnissen in der Maß, wie es unten im sechzehenten Capitel geordnet werden wird, abzustatten, und nur allein der auf den unter einer Bedingniß eingesetzten Miterben ausfallende Erbtheil bis zu deren Ausgang bei Gericht aufzubehalten.

[2, 12, § 5] 116. Wobei aber demselben unbenommen ist, vorsichtsweise seine auf dem Fall der erfolgenden Bedingniß ihme zustehende Gerechtsamen sowohl wider die anderen Miterben, als Alle und Jede, welche an der Verlassenschaft einige Forderungen stellen, zu verfechten und zu vertheidigen.

[2, 12, § 5] 117. Erfolget nun die Bedingniß, so wird deren Ausgang auf die Zeit der

(2-217) Erbseinsetzung zuruckgezogen, und dem eingesetzten Erben gebühret die Erbschaft oder sein Erbtheil mit allen von Zeit des Todes des Erblassers sich hieran ergebenen Zuwachs.

[2, 12, § 5] 118. Von welcher Zeit an desselben Erbrecht sofort auch auf seine Erben übergehet, er möge von dem Ausgang der zufälligen Bedingniß gewußt haben oder nicht, wann nur dieselbe noch bei seinen Lebszeiten erfolget ist.

[2, 12, § 5] 119. Ermanglet aber die Bedingniß, so zerfallet die Erbseinsetzung, und ist für nicht geschehen zu achten, folglich gehet sodann die Erbfolge entweder auf Jenen, den der Erblasser in Abgang des eingesetzten Erbens zum zweiten Erben nachberufen hat, oder auf die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge.

[2, 12, § 5] 120. Doch erstrecket sich die der Erbseinsetzung beigefügte Bedingniß keineswegs auch auf die After-Erbseinsetzung oder Erbsnachberufung, wann solche der Erblasser nicht gleichfalls bei dieser ausdrücklich wiederholet, und den zweiten Erben unter eben derselben Bedingniß nachberufen hat.

[2, 12, § 5] 121. Eine der Erbseinsetzung angehängte auflösende Bedingniß hält zwar deren Wirkung nicht auf, noch weniger verhinderet dieselbe den Erbanfall oder den Uebergang der Erbrechts auf des Erbens Erben; wo sie aber einmal ihren Ausgang gewonnen, wird sofort die Erbseinsetzung und das daher rührende Erbrecht dergestalten aufgelöset, daß die Erbschaft deme, welcher auf diesen Fall berufen worden, oder den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge überantwortet werden müsse.

[2, 12, § 5] 122. Dem also eingesetzten Erben hingegen gebühret bis dahin der mittlerweilige volle Genuß der Erbschaft, wann hierüber von dem Erblasser nicht anderst geordnet worden, und was in Ansehung des eingesetzten ersten Erben eine auflösende Bedingniß ist, hat bei dem auf deren Erfolg nachberufenen zweiten Erben die Wirkung einer aufziehenden Bedingniß, vor deren Ausgang derselbe kein Recht zur Erbschaft hat.

[2, 12, § 5] 123. Der Ausgang oder Erfolg der Bedingniß ist sowohl nach der Art und Weis, als nach der Zeit, wie und wann solche erfüllet wird, zu beurtheilen. Wo mehrere Bedingnissen zusammen beigefüget worden, müssen auch alle in Erfüllung gehen, also daß auch nur in Abgang einer einzigen der Willen des Erblassers nicht erreichet werde.

[2, 12, § 5] 124. Es seie dann, daß eine derselben giltig, die andere aber ungiltig, und wie weiter unten folgen wird, für nicht beigesetzet zu achten wäre, welchen Falls es an Erfüllung der giltigen genug ist, oder der Erblasser hätte einerlei Sache an mehreren Stellen seines Testaments jeden Orts mit einer verschiedenen Bedingniß wiederholet, in welchen Fall die Erbseinsetzung bestehet, wann nur eine dieser Bedingnissen erfolget.

[2, 12, § 5] 125. Wo aber mehrere Bedingnissen wechselweise, das ist diese oder jene beigesetzet worden, ist genug, wann nur eine erfolget oder erfüllet wird, woferne nicht aus dem letzten Willen ein Anderes ausdrücklich erhellet, daß der Erblasser alle, oder welche insonderheit erfüllet haben wolle.

[2, 12, § 5] 126. Gleichergestalten, wo mehrere Erben unter einer Bedingniß eingesetzet worden, welche nicht getheilet werden kann, sondern von deren Jedwedem eine leibliche That erforderet, muß auch solche von deren Jedwedem insonderheit erfüllet werden, also daß die Erfüllung des Einen dem Anderen nichts nutze, wann er nicht auch seinerseits erfüllet hat.

[2, 12, § 5] 127. Da aber die Bedingniß zwischen Mehreren füglich getheilet werden kann, wofür alle diejenigen zu achten sind, wodurch Jemanden etwas zu geben auferleget worden, wird solche nur für Eine gehalten, welche von Allen zusammen nach eines jeden Antheil, oder auch von Einem anstatt des Anderen erfüllet werden mag.

[2, 12, § 5] 128. Ueberhaupt kann eine jede Bedingniß, welche auf etwas zu geben

(2-219) lautet, auch durch Andere in Namen und anstatt dessen, welchen solche beigefüget worden, in Erfüllung gehen, wann nur dem Willen des Erblassers vollkommenes Genügen geschieht; dahingegen können Bedingnissen, die eine leibliche That erheischen, nicht anderst, als von Demjenigen selbst, welchem sie auferleget worden, vollbracht werden, wann es nicht eine solche That ist, die auch durch jemanden Anderen nach dem Sinn und Willen des Erblassers vollzogen werden mag.

[2, 12, § 5] 129. Dann die Bedingnissen müssen in der Maß und auf die Weis, wie es der Erblasser angeordnet, erfüllet werden, also daß insgemein an einer gleichgiltigen That nicht genug ist, es wäre dann die Erfüllung in der vorgeschriebenen Art und Weis unmöglich, und der Willen des Erblassers könnte nicht weniger auf eine andere Art erreichet werden, welches in zweifelhaften Fällen durch richterliches Ermessen zu entscheiden ist.

[2, 12, § 5] 130. Es giebt aber auch Fälle, worinnen nicht zu erfüllen mögende Bedingnissen, welche entweder ganz von eigener, oder zum Theil auch von fremder Willkür abhangen, jegleichwohlen für erfüllet geachtet werden, wann Derjenige, deme sie auferleget worden, solche zwar zu erfüllen bereit ist, allein ohne seiner Schuld an deren Vollzug verhinderet wird.

[2, 12, § 5] 131. Als da die Erfüllung der Bedingniß von Jenem, in dessen Person selbe erfüllet werden sollte, oder deme daran gelegen ist, daß solche nicht erfüllet werde, verhinderet wird; also, da Jemand zum Erben mit dem Beding eingesetzet worden, wann er einem Dritten eine gewisse Summe auszahlen, oder eine gewisse Person heirathen würde, und der Erb zwar hierzu bereit wäre, der Dritte aber die Summe nicht annehmen, oder die Person ihn nicht ehelichen wollte, ist die Bedingniß für erfüllet zu halten.

[2, 12, § 5] 132. In Ansehung eines Zufalls hingegen, wodurch der Ausgang oder Erfüllung einer Bedingniß verhinderet wird, ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Gattungen der Bedingnissen zu bemerken.

[2, 12, § 5] 133. Bei Bedingnissen, welche bloß allein in der Macht und Willen dessen stehen, deme sie auferleget worden, ist an was immer für einem Zufall, oder durch wen immer gemachten Hinderniß genug, daß dieselbe für erfüllet geachtet werden, wann nur an Seiten dessen, der solche zu vollziehen hat, keine Schuld oder Saumsal unterwaltet, daß sie nicht erfüllet worden.

[2, 12, § 5] 134. Und hat in diesem Fall, wo eine derlei Bedingniß in der vorgeschriebenen Art und Weis zu vollziehen unmöglich wird, der Richter zu bestimmen, auf was für andere fügliche Art und Weis der Willen des Erblassers zu erreichen seie.

[2, 12, § 5] 135. Jene Bedingnissen aber, welche zum Theil von fremder Willkür mit abhangen, werden nicht für erfüllet geachtet, wann gleich ein Zufall darzwischen kommt, welcher deren Vollzug verhinderet, als da in dem oben num. 131 gegebenen Beispiel die Person, welche der eingesetzte Erb nach Ordnung des Erblassers hätte zur Ehe nehmen sollen, vor der wirklichen Verehelichung verstorben wäre. In diesem Fall ermanglet die Bedingniß, folglich ist auch die Erbseinsetzung null und nichtig.

[2, 12, § 5] 136. Umsomehr erforderen jene Bedingnissen, welche ganz allein von fremder Willkür abhangen, den ohnfehlbaren Ausgang, also, daß wo solche aus was immer für Ursache nicht erfolget, oder auch Derjenige, auf dessen Willen es ankommt, sie nicht vollziehen wollte, selbe nicht für erfüllet geachtet werden können, weilen es der Erblasser lediglich in seine Willkür gestellet hat.

[2, 12, § 5] 137. Eben also sind zufällige Bedingnissen nicht anderst für erfüllet zu halten, als wann sich der bedingte Zufall wirklich so, wie es der Erblasser gewollt, ergeben hat, wann gleich deren Ausgang durch einen Dritten verhinderet würde.

[2, 12, § 5] 138. Woferne aber der Ausgang einer solchen zufälligen Bedingniß durch einen Dritten gefährlicher Weise zum Schaden und Nachtheil dessen, welchem unter

(2-220) dieser Bedingniß etwas verschenket ist, verhinderet worden wäre, solchen Falls kann sich Derjenige, welcher wegen ermanglender Bedingniß der Erbschaft oder des Vermächtnisses verlustig wird, seines Schadens halber an denselben erholen.

[2, 12, § 5] 139. Ein Anderes wäre, wann Jener, welcher den Ausgang der Bedingniß verhinderet, sich hierinnen seines Rechts bedienete, oder es vorbesagter Maßen dabei auf seine Willkür ankäme, welchen Falls er in Gebrauch seines Rechts Niemanden eine Unbill zufüget.

[2, 12, § 5] 140. Es ist aber an deme genug, daß die beigefügte Bedingniß einmal ihren Ausgang genommen habe, obschon solche nachher anwiederum ermanglete, wann von dem Erblasser deren fürwährende Dauer oder öftere Wiederholung nicht ausdrücklich vorgeschrieben worden.

[2, 12, § 5] 141. Die Bedingnissen müssen auch in der Zeit, welche von dem Erblasser bestimmet worden, erfüllet werden, also daß, wo diese Zeit nicht beobachtet worden, die Bedingniß ermangle, obgleich solche darnach erfüllet werden wollte.

[2, 12, § 5] 142. Wo aber keine Zeit bestimmet worden, können zufällige, oder auch solche Bedingnissen, welche theils von eigener, theils von fremder Willkür abhangen, zu allen Zeiten, es seie noch im Leben oder nach Absterben des Erblassers in Erfüllung gehen.

[2, 12, § 5] 143. Dahingegen ist bei jenen Bedingnissen, welche lediglich in Desjenigen Macht und Willen stehen, deme sie auferleget worden, der Unterschied zu bemerken, ob sie von solcher Natur sind, daß sie füglich wiederholet werden mögen oder nicht.

[2, 12, § 5] 144. Ersteren Falls muß solche nach dem Tod des Erblassers erfüllet werden, wann gleich Derjenige, deme sie auferleget worden, noch bei Lebszeiten des Erblassers eben dasselbe gethan hätte; es wäre dann der Willen des Erblassers durch die vorhergehende That schon vollkommen erreichet worden. Letzteren Falls aber kann dieselbe zu was immer für einer Zeit auch im Leben des Erblassers in Erfüllung gehen.

[2, 12, § 5] 145. Lautete die Bedingniß dahin, daß von Demjenigen, welcher in dem letzten Willen bedacht wird, etwas nicht gethan werden solle, und die Gewißheit dessen, daß es nicht geschehen werde, könnte noch bei seinen Lebzeiten erreichet werden, so ist in diesem Fall der Ausgang abzuwarten.

[2, 12, § 5] 146. Würde aber die Gewißheit, daß es nicht mehr geschehen könne, vor Absterben Desjenigen, welchem eine solche Bedingniß auferleget worden, nicht zu erhalten sein, so solle der Ausgang nicht abgewartet, sondern demselben sein Erbtheil oder Vermächtniß gegen Bestellung einer von dem Richter auszumessen habenden hinlänglichen Sicherheit ausgefolget werden, daß er, woferne von ihme dem Willen des Erblassers zuwider gehandlet würde, das Empfangene mit allen davon erhobenen Früchten und Nutzungen Demjenigen, welchem solches bei ermanglender Bedingniß zuzukommen hat, zuruckzustellen schuldig sein wolle und solle.

[2, 12, § 5] 147. Da er hingegen diese Sicherheit nicht leisten könnte oder wollte, so solle der unter einer solchen Bedingniß verschaffte Betrag mittlerweil in gerichtlichen Beschlag aufbehalten, und sodann, wann er bis in seinem Tod dem Willen des Erblassers nachgekommen, seinen Erben oder deme, welchem er denselben zugewendet haben würde, ausgefolget werden, gleichwie in Gegentheil, wo er demselben zuwider handlete, die Bedingniß sofort ermanglet, und die Erbschaft oder Vermächtniß deme, welchem sie auf diesem Fall gebühret, ohne weiters auszuantworten ist.

[2, 12, § 5] 148. Unmögliche Bedingnissen sind, welche der Natur, Unseren Gesetzen, den guten Sitten und der Ehrbarkeit widerstreben, oder sonst etwas Lächerliches oder Widersprechendes in sich enthalten.

[2, 12, § 5] 149. Welche der Natur nach unmöglich sind, oder etwas, was durch Unsere Gesetze verboten ist, oder wider die guten Sitten und Ehrbarkeit laufet, oder an sich lächerlich und unnütz ist, zu thun auferlegen, werden für nicht beigefügt, folglich

(2-221) die Erbseinsetzung oder Vermächtniß für unbedingt und also geachtet, als ob keine Bedingniß beigesetzet worden wäre.

[2, 12, § 5] 150. Es könnte dann aus anderen Gründen dargethan werden, oder würde aus dem übrigen Inhalt des letzten Willens erhellen, daß der Erblasser zur Zeit, als er solchen errichtet, nicht bei Sinnen gewesen seie, welchen Falls die ganze letztwillige Anordnung null und nichtig ist.

[2, 12, § 5] 151. Dahingegen jene Bedingnissen, welche dergestalten widersprechend und verwirret sind, daß der eigentliche Sinn und Willen des Erblassers daraus nicht abgenommen werden möge, die Erbseinsetzung oder Vermächtniß selbst entkräften, und derselben alle Wirkung benehmen.

[2, 12, § 5] 152. Die Bedingnissen aber, welche an sich zwar nicht unmöglich, sondern bloß in Ansehen der Person, welcher sie auferleget werden, oder der Zeit, des Orts, oder anderer Umständen entweder ganz und gar unthunlich sind, oder doch sehr schwer oder mit vieler Gefahr vollzogen werden mögen, behalten die Natur einer wahren Bedingniß, und verhinderen die Wirkung der letztwilligen Anordnung, welcher sie beigefüget worden, solange sie nicht wenigstens auf eine andere thunliche Art, wodurch nach richterlicher Erkanntniß der Willen des Erblassers erreichet werden kann, in wirkliche Erfüllung gehen.

[2, 12, § 5] 153. Wann sie jedoch in keinerlei Wege möglich sind, ist auch die also bedingte Anordnung null und nichtig, gleichwie in Gegentheil, wo die Bedingniß also gefasset würde, daß, was

unmöglich oder verboten ist, nicht geschehen oder gethan werden solle, die Anordnung für unbedingt zu halten ist, und gleich ihme Wirkung hat.

[2, 12, § 5] 154. Außerdeme ist der eingesetzte Erb oder Jener, deme etwas verschaffet wird, alle ihme auferlegte mögliche und erlaubte Bedingnissen bei Verlust der Erbschaft oder des Verschafften zu erfüllen und zu vollziehen schuldig, obschon er hierdurch in seiner natürlichen Freiheit, Willkür oder Auswahl seines Berufs und Standes beschränket würde, wann nur dabei eine erhebliche Ursache, welche den Erblasser zu einer solchen Beschränkung bewogen haben mag, wahrscheinlicher Weise abgenommen werden kann.

[2, 12, § 5] 155. Dahingegen, wo eine solche einschränkende Bedingniß zur offenbaren Verächtlichkeit und Geringschätzung eines sonst zulässigen, dem gemeinen Wesen nutzlichen und von Uns gut geheißenen Standes gereichete, welches allemal dafür zu halten ist, wann gar keine vernünftige Ursache abgesehen werden kann, warumen der Erblasser Jemanden von einem solchen Stand abhalten wollen, sollen in diesem Fall derlei Bedingnissen, doch allemal mit vorgehender richterlicher Erkanntniß, für nicht beigesetzt gehalten und somit erlassen sein.

[2, 12, § 5] 156. Wie unter Bedingnissen, also auch mit Anhang einer Zeitfrist können Erbseinsetzungen geschehen, entweder daß dem eingesetzten Erben die Erbschaft nach Ablauf einer gewissen Zeit zugewendet, oder nur auf eine gewisse Zeit gelassen werde.

[2, 12, § 5] 157. In dem ersteren Fall ist zu unterscheiden, ob die bestimmte Zeit gewiß oder ungewiß seie; ist dieselbe gewiß, so gehet zwar der Erbanfall sogleich auf den eingesetzten Erben, die Erbschaft aber ist ihme nicht ehender, als zur bestimmten Zeit auszufolgen, und inmittelst bis zur Ankunft dieser Zeit, wann der Erblasser deshalben keine andere Vorsehung gemacht hätte, den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge zum Genuß zu überlassen.

[2, 12, § 5] 158. Der zu einer gewissen Zeit berufene Erb, wann er inzwischen verstürbe, überträgt solchemnach das Erbrecht auch auf seine Erben, woferne der Erblasser nicht namentlich auf dem Fall, da der Erb zu dieser Zeit nicht mehr am Leben sein sollte, Andere eingesetzet hätte.

[2, 12, § 5] 159. Ungewiß kann die angehängte Zeit auf dreierlei Art sein, als entweder ob und wann dieselbe sich ereignen werde, z. B. der Erfolg eines ungewissen

(2-222) Zufalls, oder daß man zwar wisse, wann, doch aber nicht ob er sich ergeben werde, z. B. die Erreichung des vogtbaren Alters, oder endlich, daß zwar der Erfolg ungezweiflet seie, wann aber, nicht wissend sein kann, z. B. Jemandens Tod.

[2, 12, § 5] 160. Beide erstere Arten ungewisser Zeit haben die Natur und Wirkung einer wahren verschiebenden oder aufziehenden Bedingniß, bei letzterer aber kommt es darauf an, ob solche auf die Person eines Dritten, oder dessen, welcher zum Erben eingesetzet wird, gerichtet seie.

[2, 12, § 5] 161. Lautet solche auf einen Dritten, ist es eine wahre Bedingniß, vor deren Erfolg dem eingesetzten Erben kein Recht zur Erbschaft gebühret, dahingegen, wo sie auf die Person des eingesetzten Erben gerichtet ist, als da Jemand, wann er sterben würde, zum Erben eingesetzet worden, gehet der Erbanfall sogleich auf den benannten Erben und seine Erben, die Erbschaft aber ist indessen, wie in dem Fall einer gewissen Zeit den nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge in Ermanglung einer anderen von dem Erblasser für diese Zwischenzeit gemachten Vorsehung zu überlassen.

[2, 12, § 5] 162. In dem zweiten Fall, wo Jemand bis auf eine gewisse Zeit zum Erben eingesetzet worden, gehet zwar das Erbrecht, wann er unter dieser Zeit verstürbe, auch auf seine Erben; nach dieser Zeit aber wird dasselbe aufgelöset, und die Erbschaft fallt entweder Jenen, die der Erblasser nachberufen hat, oder in deren Abgang den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge zu.

[2, 12, § 5] 163. Endlich ist die Art und Weis, unter welcher Jemand zum Erben eingesetzet, oder Jemanden etwas verschaffet wird, ein Anhang, welcher dasjenige anzeiget, was der Erblasser nach überkommener Erbschaft oder Vermächtniß dagegen zu verrichten und zu thun auferleget.

[2, 12, § 5] 164. Diese Auflage verschiebt die Wirkung der Erbseinsetzung oder Vermächtniß nicht, sondern so eine, als die andere kann sogleich geforderet werden; der Erb aber, oder Jener, deme etwas solchergestalten verschaffet wird, ist alsdann schuldig, dasjenige, was ihme auferleget worden, zu erfüllen und zu vollziehen.

[2, 12, § 5] 165. Doch solle derselbe verbunden sein, auf Erforderen eine hinlängliche Sicherheit zu bestellen, daß er allem deme, was ihme der Erblasser auferleget, getreulich nachkommen, oder, da er deme zuwiderhandlete, das Empfangene mit allen Früchten und Nutzungen zuruckstellen wolle.

[2, 12, § 5] 166. Es gereichete dann die Auflage lediglich zu seinem eigenen Nutzen, ohne daß dem Erblasser, dem Erben, oder auch einem Dritten etwas daran gelegen wäre, welchen Falls es keiner Sicherstellung bedarf, sondern von seinem eigenen Gefallen abhanget, solcher nachzukommen oder nicht.

[2, 12, § 5] 167. Würde aber der Auflage, welche nicht bloß den eigenen Vortheil dessen, deme sie beigesetzet worden, zur Absicht hat, kein Genügen geleistet, so wird auch alsdann die Erbseinsetzung oder die Vermächtniß aufgelöset, und kann entweder die Zuruckstellung des Empfangenen, oder die Erfüllung der Auflage anverlanget werden.

[2, 12, § 5] 168. Ist hingegen die Vollziehung der Auflage unmöglich, oder diese enthielte etwas, was Unseren Gesetzen, guten Sitten und der Ehrbarkeit zuwider, oder an sich lächerlich und unnütz wäre, so solle solche für nicht beigesetzt geachtet werden, und Jener, welchem sie beigefüget worden, weder zu deren Erfüllung noch minder zur Sicherstellung verbunden sein.

[2, 12, § 5] 169. Wo aber der Vollzug des Auferlegten, ohne Schuld dessen, deme die Auflage geschehen, in der Folge unmöglich würde, kommt es auch von einer solchen Auflage völlig ab, und kann derselbe nicht nur zu keiner Sicherstellung verhalten, sondern, wo er sie anfangs geleistet hätte, muß ihme solche erlassen werden.

[2, 12, § 5] 170. Ueberhaupt bestehet der Unterschied von einer Bedingniß in deme, daß deren Erfüllung vorhero abgewartet werden müsse, ehe und bevor ein Recht zu

(2-223) dem Verschafften erwachsen könne, in Gegentheil aber bei auferlegter Weise das Recht darzu gleich angebühre, und der Vollzug des Auferlegten erst nachzufolgen habe, wie dann bei vorfallenden Zweifel durch die Worte wann, im Fall, nachdeme, bis (eine Bedingniß, gleichwie durch die Worte darmit daß, oder um) die Auflage einer Art und Weis angedeutet wird.

§. IV.

[2, 12, § 6] 171. Die Erbseinsetzung wirket nach dem vorerwähnten Unterschied, ob sie unbedingt, oder bedingt seie, entweder gleich mit dem Tod des Erblassers, oder nach Ausgang der Bedingniß, den Erbanfall und die Nachfolge in alles Recht, was der Erblasser zur Zeit seines Tods gehabt hat.

[2, 12, § 6] 172. Niemand ist aber für einen Erben zu achten, auf den aus dessen Einsetzung kein Recht nach dem Verstorbenen dergestalten übergehet, daß bei ihme etwas von der Verlassenschaft verbleibe, oder wessen Einsetzung keine Wirkung hat, oder der in der Wahrheit kein Erb ist.

[2, 12, § 6] 173. Also ist Jener für keinen Erben zu halten, der zwar von dem Erblasser eingesetzet, doch zugleich beschweret worden, die Erbschaft einem Anderen sofort zuruckzustellen, ohne für sich den mindesten Nutzen und Vortheil davon zu behalten.

[2, 12, § 6] 174. Einem solchen solle der eitle Namen eines Erbens weder was nutzen, noch schaden, sondern vielmehr der nachberufene Aftererb sogleich für den rechten Erben angesehen werden, und befugt sein, die Erbschaft unmittelbar selbst anzutreten.

[2, 12, § 6] 175. Noch weniger kann Jener für einen Erben gehalten werden, der wegen Unfähigkeit oder Unwürdigkeit nicht Erb sein kann, oder welcher sich der Erbschaft ausdrücklich entschlägt, oder die Erbserklärung in der bestimmten Zeit einzubringen unterläßt, in welchen Fällen die Erbseinsetzung ohne Wirkung bleibet.

[2, 12, § 6] 176. Eben also solle auch Niemand wegen eigenmächtiger Einmischung in die Erbschaft für einen Erben geachtet, noch weniger deshalben zu den Erblasten über die Kräften der Erbschaft verbunden, sondern, wann die Einmischung ohne Gefährde geschehen, und sonst untadelhaft ist, bloß für einen Sachwalter angesehen werden, und nicht weiter, als nach der Natur der Sachwaltung verfänglich sein.

[2, 12, § 6] 177. Da aber Jemand sich fälschlich rühmete Erb zu sein, und dadurch, daß er sich als einen Erben aufführe, den rechtmäßigen Erben oder sonst einem Dritten Schaden und Nachtheil zufügete, ist derselbe über allen Ersatz annoch willkürlich zu bestrafen.

[2, 12, § 6] 178. Endlich ist auch Jener für keinen Erben zu achten, der es nicht in der Wahrheit ist, obschon er mit gutem Glauben sich dafür ausgeben und auch von Anderen dafür gehalten würde, sondern der Irrthum muß jederzeit der Wahrheit weichen, insolange denselben keine rechtmäßige Verjährung schützen mag.

[2, 12, § 6] 179. Inwieweit jedoch ein solcher vermeintlicher Erb den hervorkommenden wahren Erben verbindlich seie, ist nach deme zu beurtheilen, was oben im dritten Capitel von Eigenthum, §. III, nach dem Unterschied des guten oder üblen Glaubens geordnet worden, und unten bei Erklärung der Erbsforderung wiederholet werden wird.

(2-224) Caput XIII.

Von After-Erbseinsetzung, oder Nachberufung des zweiten Erben.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von der gemeinen After-Erbseinsetzung.

§. I. Von der Natur und Wesenheit der gemeinen After-Erbseinsetzung. §. II. Von der Art und Weis der gemeinen After-Erbseinsetzung. §. III. Von deren Wirkung. §. IV. Von deren Entkräftung und Erlöschung.

§. I.

[2, 13, § 1] Num.1. Die zweite Art, womit in letztwilligen Anordnungen etwas verlassen wird, ist die After-Erbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten Erben, wodurch der Erblasser Jemanden anstatt des zuerst eingesetzten Erbens auf einen gewissen Fall zur Erbschaft nachberufet.

(2-225) [2, 13, § 1] 2. Die Fälle, worauf die After-Erbseinsetzung gerichtet werden kann, sind zweierlei, als erstens, wann die Erbseinsetzung unwirksam würde, also daß der zuerst eingesetzte Erb gar nicht zur Erbschaft gelangete, entweder weilen er nicht kann oder will Erb sein.

[2, 13, § 1] 3. Diese heißet eigentlich die gemeine After-Erbseinsetzung, wofür eine jedwede Nachberufung des zweiten Erbens, wann darbei nichts anderst ausgedrucket wird, gehalten werden solle.

[2, 13, § 1] 4. Zweitens, wann der Erblasser die Erbschaft mittelst des eingesetzten ersten Erbens, und von dessen Hand binnen einer gewissen Zeit, oder nach seinem Tod auf den nachberufenen zweiten Erben gelangen lassen will, und diese ist die vertrauliche Erbsnachberufung; erstere wirket also nur in Abgang des eingesetzten Erbens, und erlöschet sofort, wann die Erbschaft von ihme angetreten worden, letztere hingegen hat ihre Wirkung, wann der eingesetzte Erb die Erbschaft angetreten hat.

[2, 13, § 1] 5. Wiewohlen aber bishero in Unseren deutschen Erblanden nach den gemeinen Rechten noch eine andere Art der After-Erbseinsetzung üblich ware, Kraft welcher ein Vater seinen unmündigen oder auch beide Eltern ihren blödsinnigen Kindern auf dem Fall, daß sie in der Unmündigkeit oder Blödsinnigkeit verstürben, nicht allein in dem von ihnen herrührenden, sondern auch in der Kinder eigenen Gut einen Erben geben und benennen können, so sind Wir jedoch in Betrachtung sowohl der hieraus erwachsenen unzähligen Strittigkeiten, als der andurch dem nächsten Anverwandten, welchem die Erbschaft der in der Unmündigkeit oder Blödsinnigkeit versterbenden Kindern nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge angebühret, zugefügten Unbill und Verkürzung gnädigst bewogen worden, derlei After-Erbseinsetzungen nach unmündigen oder blödsinnigen Kindern in derjenigen Maß, wie solche nach den vorigen Gesetzen haben geschehen können, hinfüro von Zeit dieses Unseren eingeführten neuen Gesatzes nicht mehr zu gestatten, sondern solche, gleichwie es hiermit geschieht, gänzlich abzuschaffen.

[2, 13, § 1] 6. Wollen, ordnen und gebieten demnach, daß in Zukunft die After-Erbseinsetzungen nach unmündigen oder blödsinnigen Kindern keine mehrere Wirkung, als die gemeine oder vertrauliche After-Erbseinsetzung haben, folglich sich auch nicht weiter, als auf das von dem Erblasser herrührende eigene Gut (doch allemal mit Ausnahme des Pflichttheils) und keineswegs auf der Kinder eigenes Gut, welches sie von anderwärts her ererbet oder erworben haben, erstrecken sollen.

[2, 13, § 1] 7. Dahingegen gehen dieses der Kinder eigenes Gut sowohl, als der nach Maß der väterlichen oder mütterlichen Verlassenschaft auf sie ausfallende Pflichttheil auf ihre nächste Anverwandte nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge mit Ausschließung des nachberufenen Erbens, welchem nichts Mehreres zukommen solle, als was von der väterlichen oder mütterlichen Verlassenschaft nach Abzug des Pflichttheils übrig bleibet.

[2, 13, § 1] 8. Es hat dahero hinkünftig weder Vater noch Mutter, oder ein sonstiger Aufsteigender bei den After-Erbseinsetzungen oder Erbsnachberufungen nach unmündigen oder blödsinnigen Kindern eine mehrere Macht, als ein jedweder anderer fremder Erblasser, in dem von ihme herrührenden Gut den zweiten Erben einzusetzen und nachzuberufen.

[2, 13, § 1] 9. In Gegentheil sind Jene noch weiters dahin beschränket, daß sie den ihren hinterlassenen Kindern angebührenden Pflichttheil von aller vertraulichen


(2-226) After-Erbseinsetzung oder Erbsnachberufung frei und ledig lassen müssen, woran ein fremder nicht gebunden ist.

[2, 13, § 1] 10. In deme aber ist kein Unterschied, die After-Erbseinsetzung nach unmündigen Kindern geschehe von Eltern oder einem fremden Erblasser, daß der dabei ausgedrückte Fall, wann sie in der Unmündigkeit verstürben, sofort aufhöre und erlösche, sobald die Kinder diejenige oben in eilften Capitel, ersten Artikel, §. II, num. 8, ausgemessene Jahre erfüllet haben, worinnen sie ein letztwilliges Geschäft zu errichten fähig sind, obschon sie nach diesen erfüllten Jahren ohne Testament verstürben.

[2, 13, § 1] 11. Es seie dann, daß der Erblasser eine solche After-Erbseinsetzung namentlich auf weitere Jahre, oder auch noch über die Minderjährigkeit hinaus erstrecket hätte, welches in der gegenwärtigen Vorsehung, daß eine solche After-Erbseinsetzung keine mehrere Wirkung, als eine gemeine oder vertrauliche Erbsnachberufung habe, Niemanden zu thun verwehret sein solle.

[2, 13, § 1] 12. Dahingegen wird durch die vor gänzlicher Erfüllung deren zur Fähigkeit letztwillig zu ordnen erforderlichen Jahren einem noch Unvogtbaren von Uns verliehene Nachsicht des Alters die auf das Absterben des unmündigen Erben gerichtete Erbsnachberufung nicht aufgehoben, sondern nur die Befugniß gegeben, über jenes Vermögen eine letztwillige Anordnung zu errichten, worauf sich die Erbsnachberufung nicht beziehen kann.

[2, 13, § 1] 13. Desgleichen kommt die After-Erbseinsetzung nach blödsinnigen Kindern nicht zur nicht zur Wirkung, wann es erweislich ist, daß sie nach dem Tod des Erblassers zum vollkommenen gesunden Verstand gelanget sind, obschon von ihnen kein Testament errichtet worden wäre.

[2, 13, § 1] 14. Würde aber ein solcher, der von der Blödsinnigkeit genesen, nachhero anwiederum in die vorige mißliche Umstände verfallen, so ist zu unterscheiden, ob er in der vernünftigen Zwischenzeit ein Testament errichtet habe oder nicht, dann durch ein nach ihr vorgefundenes ordentliches Testament, welches nach den oben in eilften Capitel, ersten Artikel, §. III, enthaltenen Maßregeln zu Recht bestehen kann, wird die After-Erbseinsetzung aufgehoben, widrigens bleibt dieselbe bei Kräften.

[2, 13, § 1] 15. So viel es jedoch die in den vor Einführung dieses Unseren neuen Gesetzes bereits kundgemachten Testamenten enthaltene After-Erbseinsetzungen und Nachberufungen nach unmündigen oder blödsinnigen Kindern anbelanget, so wollen Wir gnädig geschehen lassen, daß solche, wann ihnen sonst nichts Anderes in Wege stehet, bei Kräften erhalten, und nach den vormaligen Gesatzen beurtheilt werden mögen, obschon der Fall, worauf sie gerichtet sind, sich erst nach diesem Unseren eingeführten Gesatz ergeben würde.

[2, 13, § 1] 16. Es sind demnach nur zweierlei Gattungen der After-Erbseinsetzung, nemlich die gemeine und vertrauliche Erbsnachberufung, nach welchen gegenwärtiges Capitel in zwei Artikeln abgetheilet, und in dem ersten von der gemeinen After-Erbseinsetzung, in dem zweiten aber von der vertraulichen Erbsnachberufung gehandlet wird.

[2, 13, § 1] 17. Die gemeine After-Erbseinsetzung ist nichts Anderes, als eine Einsetzung des zweiten Erben nach Abgang des eingesetzten ersten Erben auf dem Fall, wann dieser nicht Erb sein würde, welche von einem jedwedem Erblasser nach einem jedem eingesetzten Erben ohne Unterschied gemacht werden kann.

[2, 13, § 1] 18. Der nachberufene Erb wird dahero nach der Ordnung der Erbfolge der zweite Erb genannt, weilen er nicht anderst, als nach Abgang des ersten Erben zur Erbschaft gelangen kann; aus der alleinigen Ordnung der Benennung hingegen, welcher sich der Erblasser bei Einsetzung mehrerer Erben gebrauchet, da er Einen nach den Anderen benennet, folget noch keine After-Erbseinsetzung, sondern alle sowohl Vor- als Nachbenannte sind gleiche zuerst eingesetzte Miterben, wann nicht

(2-227) von dem Erblasser Einer nach dem Abgang des Anderen entweder ausdrücklich, oder aus dem wesentlichen Verstand der Einsetzungsworten nachberufen worden.

[2, 13, § 1] 19. Doch bleibet der Nachberufene allemal der zweite Erb, obschon der Erblasser mehrere Grade oder Staffeln der gemeinen After-Erbseinsetzung gemacht hätte, und der dritte, vierte oder noch weitere Nachberufene zur Erbschaft käme, weilen diese Art der After-Erbseinsetzung nur einmal zur Wirkung gelangen kann, und obwohl alle vorhergehende Grade, die durch Abgang der Nachberufenen erloschen, als auch alle nachfolgende, wann die Erbschaft einmal angetreten worden, unwirksam bleiben.

[2, 13, § 1] 20. Die gemeine After-Erbseinsetzung geschieht entweder ausdrücklich, wann der Erblasser mit deutlichen Worten den zweiten nach dem ersten Erben nachberufet, oder stillschweigend, wann solche nur aus dem Willen des Erblassers vermuthet wird.

[2, 13, § 1] 21. Eine stillschweigende gemeine After-Erbseinsetzung ist entweder in dem wesentlichen Verstand der Einsetzungsworten, oder in der vertraulichen Erbsnachberufung enthalten. Aus den Worten der Einsetzung wird solche in dreien Fällen geschaffen, als:

[2, 13, § 1] 22. Erstens, wann der Erblasser in der Einsetzung einerseits mehrere Miterben zusammenfüget, und andererseits noch einen anderen Miterben abgesönderet einsetzet, denen Zusammengefügten aber miteinander einen gleichen Theil mit dem abgesönderten Miterben dergestalten anweiset, daß sie Zusammengefügten aus der Erbschaft nichts Mehreres zu bekommen haben, als der abgesönderte Miterb für sich allein beziehet, in welchem Fall aus dem Willen des Erblassers unter denen also Zusammengefügten eine gemeine After-Erbseinsetzung stillschweigend vermuthet wird, daß, gleichwie der Erblasser die Zusammengefügten durch diese Einsetzungsart für Eine Person gehalten, also auch das, was er Allen zugedacht, deren Jedwedem für sich allein in Abgang der Uebrigen habe zukommen lassen wollen.

[2, 13, § 1] 23. Zweitens, wann der Erblasser mehrere Miterben versammlungsweise unter dem Begriff einerlei Eigenschaft, ohne deren Jedwedem seinen besonderen Antheil zu bestimmen, zusammenfüget, in welchem Fall derselbe aus der so gearteten Einsetzung auch in Abgang des Einen die Uebrigen in dem erledigten Theil nachberufen zu haben vermuthet wird, wie diese beide Fälle oben in zwölften Capitel, § . III, num. 54 und 55, mit Mehreren erkläret worden.

[2, 13, § 1] 24. Drittens, wann der Erblasser mehrere Miterben sammt und sonders einsetzet, dann in diesem Fall gehet der durch Abgang des einen Miterben erledigte Antheil aus der unter den Einsetzungsworten mitbegriffenen After-Erbseinsetzung oder Nachberufung auf die übrigen Miterben, welche Art der After-Erbseinsetzung, wodurch die eingesetzten Erben untereinander nachberufen werden, die kürzeste ist, und eigentlich eine wechselweise und erwiederliche Nachberufung heißet.

[2, 13, § 1] 25. Endlich ist unter der vertraulichen Erbsnachberufung, wodurch der eingesetzte Erb die Erbschaft dem nachberufenen Erben zuruckzustellen verbunden wird, allemal auch die gemeine After-Erbseinsetzung auf dem Fall stillschweigend begriffen, wann der eingesetzte Erb nicht zur Erbschaft gelangete, entweder weilen er nicht kann, oder nicht will Erb sein, also, daß sofort der nachberufene Erb aus der darunter verstandenen gemeinen After-Erbseinsetzung zur Erbschaft zugelassen werde, doch zu keinem größeren Theil, als welcher ihme durch die vertrauliche Erbsnachberufung zugedacht worden.

[2, 13, § 1] 26. Niemalen aber solle im Gegentheil die vertrauliche Erbsnachberufung unter der gemeinen After-Erbseinsetzung verstanden, noch weniger diese Art auf was immer für erdenkliche Weise für eine ordentliche Weise für eine vertrauliche Erbsnachberufung ausgedeutet werden können, wann der ausdrückliche Willen des Erblassers gebricht, und der auf dem Fall des ermanglenden ersten Erbens eingesetzte zweite Erb nicht zugleich

(2-228) auch wortdeutlich auf einen gewissen Fall, da jener nach angetretener Erbschaft Erb zu sein aufhörte, nachberufen worden.

§. II.

[2, 13, § 2] 27. Gemeine After-Erbseinsetzungen kann jedweder Erblasser machen, der die Macht hat, letztwillig zu ordnen; gleichwie dann auch jedermänniglich zum zweiten Erben nachberufen werden mag, dem keine Erbsunfähigkeit im Wege stehet.

[2, 13, § 2] 28. Doch solle die gemeine After-Erbseinsetzung nicht anderst, als in einem förmlichen und rechtsbeständigen Testament geschehen können, also zwar, daß, wo das Testament wegen innerlicher oder äußerlicher Gebrechen ungültig wäre, auch andurch die darinnen enthaltene After-Erbseinsetzung gänzlich vernichtet werde, und weder als eine vertrauliche Erbsnachberufung bestehen könne, obschon das Testament in Kraft der beigefügten codicillarischen Clausel als ein Codicill erhalten würde.

[2, 13, § 2] 29. Uebrigens aber stehet Einem jedweden Erblasser frei, so viele Grade oder Staffeln der gemeinen After-Erbseinsetzung zu machen, als ihme gefällig, weilen doch allemal nur in Einem Grad die gemeine After-Erbseinsetzung zur Wirkung gelangen kann.

[2, 13, § 2] 30. Wo mehrere Grade der After-Erbseinsetzung gemacht werden, ist derjenige, welcher nach einem weiters Eingesetzten nachberufen worden, auch allzeit nach dem zuerst eingesetzten Erben nachberufen, wann die darzwischen Berufenen in Abgang des Ersten nicht Erben sein können, folglich tritt jedesmal der weiters Nachberufene in die Stelle des abgehenden Vorhergerufenen ein.

[2, 13, § 2] 31. Es können auch statt Eines Mehrere, oder anstatt Mehrerer Einer, oder Mehrere anstatt Mehrerer, oder insonderheit anstatt eines Jedweden ein Anderer, oder endlich auch die Erben untereinander nachberufen werden, und in allen vielen Fällen haben die Nachberufenen niemalen einen größeren Antheil von der Erbschaft, als welcher entweder aus der Bestimmung des Erblassers, oder des Gesatzes Jenen zugekommen wäre, denen die nachgesetzet worden.

[2, 13, § 2] 32. Wie aber unter mehreren Nachberufenen die Theilung zu geschehen habe, ist anförderist aus deme zu entnehmen, was der Erblasser deswegen geordnet hat, welchen Falls jene Maßregeln die Richtschnur enthalten, welche oben im zwölften Capitel, §. III: Von Zusammentreffung mehrerer Erben, ausgemessen worden. Wären aber keine Theile von dem Erblasser bestimmt worden, so sind die gleich vorberührte Fälle zu unterscheiden.

[2, 13, § 2] 33. In dem ersten Fall, wo Mehrere anstatt Eines nachberufen worden, haben Alle nach Anzahl der Personen gleiche Theile von Demjenigen, was ihnen nach Abgang des eingesetzten Erben zugefallen ist.

[2, 13, § 2] 34. In dem zweiten Fall, wo Einer nach Mehreren nachberufen worden, kann zwar von einer Theilung keine Frage sein, doch ist dabei zu merken, daß, nachdeme Wir das Recht des Zuwachses zwischen mehreren Miterben gänzlich aufgehoben haben, solchemnach der Nachberufene sofort an die Stelle des abgehenden Miterbens eintrete, folglich der erledigte Antheil des Einen nicht denen übrigen Miterben, sondern dem Nachberufenen zukomme, wann nicht, wie oben erwähnt worden, schon unter den Einsetzungsworten selbst eine stillschweigende Nachberufung mehrerer Miterben untereinander enthalten ist.

[2, 13, § 2] 35. In dem dritten Fall, wo Mehrere anstatt Mehrerer zugleich und überhaupt nachberufen worden, ohne insonderheit, nach weme Jedweder zu folgen habe, dabei auszudrucken, haben Alle sowohl nach Abgang des Einen in dessen erledigten Antheil, als auch nach Abgang aller zuerst Eingesetzten in dem Ganzen gleiche Theile, obschon die eingesetzten ersten Erben mit ungleichen Theilen bedacht worden wären.

[2, 13, § 2] 36. In dem vierten Fall, wo nach einem jedweden Miterben insonderheit ein Anderer nachberufen worden, bekommt deren jeder denjenigen Antheil, welchen

(2-229) jener bezogen haben würde, deme er nachgesetzt worden; die Theile der Einsetzung mögen gleich oder ungleich sein.

[2, 13, § 2] 37. Endlich in dem fünften Fall, wo die eingesetzten ersten Erben auch untereinander nachberufen worden, solle allemal darfür gehalten werden, daß in der Nachberufung eben diejenige Theile wiederholet seien, welche in der Erbseinsetzung ausdrücklich gemeldet worden, weilen in diesem Fall vermuthet wird, daß, weme der Erblasser in der Erbseinsetzung ein Mehreres gegeben, demselben auch in der After-Erbseinsetzung ein Mehreres habe zuwenden wollen.

[2, 13, § 2] 38. Sind sie demnach zu gleichen Theilen eingesetzet, haben sie auch an dem ihnen zufallenden Antheil des ermanglenden Miterbens gleiche Theile; sind ihnen aber in der Einsetzung ungleiche Theile angewiesen, theilen sie auch in eben dieser ungleichen Maß den ledigen Antheil des abgehenden Miterbens.

[2, 13, § 2] 39. Es wäre dann ein Dritter, der nicht zum Erben miteingesetzet ist, mit denen eingesetzten Erben nachberufen worden, in welchem Fall der widrige Willen des Erblassers vermuthet wird, daß er unter denen Nachberufenen eine gleiche Theilung beobachtet wissen wollte, obschon von ihme in der ersten Einsetzung ungleiche Theile angewiesen worden wären.

[2, 13, § 2] 40. Die Form und Gestalt der gemeinen After-Erbseinsetzung bestehet in deme, daß solche die wesentliche Bedingniß enthalte, wann der Eingesetzte nicht Erb sein wird, welche, wann auch dieser Fall nicht wortdeutlich ausgedrucket wird, allemal unter der Nachberufung verstanden ist.

[2, 13, § 2] 41. Doch beschränket sich diese Bedingniß lediglich auf die letztwillige Erbfolge, wann nämlich der Eingesetzte aus dem Testament nicht Erb sein wird; dann obgleich der Eingesetzte zugleich nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge der nächste Erb wäre, so ist nichtsdestoweniger, wann er die Erbschaft aus dem Testament nicht antreten wollte, der Fall der gemeinen After-Erbseinsetzung vorhanden, und der nachberufene zweite Erb tritt an seine Stelle ein.

[2, 13, § 2] 42. Wann demnach der Erblasser Jemanden zum zweiten Erben nachberufet, ohne dabei den Fall, wann derselbe zur Erbschaft gelangen solle, zu bestimmen, und ohne aus dem Inhalt des letztwilligen Geschäfts abnehmen zu mögen, daß er eine vertrauliche Erbsnachberufung habe machen wollen, so ist eine dergleichen Nachberufung allemal für eine gemeine After-Erbseinsetzung zu achten, und nicht weiter, als auf den oberwähnten Fall, wann der eingesetzte Erb nicht sein wird zu erstrecken.

[2, 13, § 2] 43. Diese Bedingniß aber, wann der Eingesetzte nicht Erb sein wird, begreifet alle Fälle, wo derselbe entweder nicht kann, oder nicht will Erb sein, folglich sowohl den Fall der Unvermögenheit zur Erbschaft zu gelangen, als den Fall der freiwilligen Entschlagung der Erbschaft.

[2, 13, § 2] 44. Erb kann er nicht sein, wann er vor dem Erblasser verstorben, oder erbsunfähig ist, oder die ihm beigesetzte Bedingniß ermanglet. Nicht will er Erb sein, wann er sich der Erbschaft entweder ausdrücklich, oder durch die in der ausgesetzten Zeit verabsäumte Erbserklärung stillschweigend entschlaget.

[2, 13, § 2] 45. Auf alle diese Fälle ist die gemeine After-Erbseinsetzung gerichtet, also, daß, welcher sich immer ergebe, worinnen der Eingesetzte nicht Erb wird, sofort der Nachberufene zur Erbschaft zugelassen werde.

[2, 13, § 2] 46. Es hätte dann der Erblasser namentlich einen gewissen Fall ausgedruckt, dessen Erstreckung unter keinerlei Vorwand des vermutheten Willens auf einen gleichen Fall gestatte, sondern die After-Erbseinsetzung einzig und allein auf den bestimmten Fall beschränket, folglich, da der Eingesetzte in einem andern, als dem ausgedruckten Fall nicht Erb sein würde, die auf einen anderen Fall gemachte Nachberufung sogleich erloschen sein, und die Erbschaft den nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufallen solle.

(2-230) §. III.

[2, 13, § 3] 47. Die gemeine After-Erbseinsetzung hat solchemnach ihre Wirkung, wann sich der Fall ergiebt, daß der eingesetzte Erb nicht zur Erbschaft kommt, wo alsdann der Erbanfall sogleich auf den nachberufenen zweiten Erben gehet, und dieser zur Erbschaft zugelassen wird.

[2, 13, § 3] 48. Ermanglet aber dieser Fall, und der eingesetzte erste Erb hätte die Erbschaft aus dem Testament angetreten, verlieret auch die gemeine After-Erbseinsetzung alle ihre Kraft und Wirkung, und das Erbrecht kann nicht mehr auf den nachberufenen zweiten Erben gelangen, sondern bleibt bei dem eingesetzten ersten Erben.

[2, 13, § 3] 49. Kommt hingegen die gemeine After-Erbseinsetzung einmal zu ihrer Wirkung, so wird andurch die rechtliche Erbfolge in dem auf den nachberufenen zweiten Erben gelangenden Erbtheil ausgeschlossen, welche ansonst im Fall des abgehenden Erbens, wann nach ihme Niemand nachberufen worden wäre, auch bei Zusammentreffung anderer letztwilligen Miterben einzutreten hätte.

[2, 13, § 3] 50. Gleichwie jedoch die dem eingesetzten ersten Erben beigefügte Bedingnisse und sonstige Auflagen den nachberufenen zweiten Erben nicht betreffen, wann solche bei ihme nicht ausdrücklich wiederholet worden, also hat auch derselbe an denen dem eingesetzten ersten Erben zum voraus verschafften Vermächtnissen, oder anderen ihme außer der Erbseinsetzung zugedachten Vortheilen keinen mehreren Antheil, als der ihme hieran nach Maß seines Erbrechts gebühret, wann ihme solche nicht auch namentlich von dem Erblasser zugewendet, oder von diesem nicht hierüber auf diesen Fall anderst geordnet worden.

§. IV.

[2, 13, § 4] 51. Die gemeine After-Erbseinsetzung erlöschet entweder aus der Person des eingesetzten ersten Erbens, oder aus der Person des nachberufenen zweiten Erbens. Aus der Person des eingesetzten ersten Erbens wird dieselbe auf zweierlei Art vernichtet, als erstens durch Antretung der Erbschaft, und zweitens durch Uebertragung des Erbrechts auf die Erbenserben.

[2, 13, § 4] 52. Nach angetretener Erbschaft aus dem Testament höret die gemeine After-Erbseinsetzung völlig und dergestalten auf, als ob solche niemalen gemacht worden wäre, wovon jedoch der Fall ausgenommen ist, wann dieselbe nach mehreren eingesetzten Erben geschehen, deren Einer zwar zur Erbschaft gelangete, der Andere aber nicht.

[2, 13, § 4] 53. In welchem Fall die gemeine After-Erbseinsetzung bloß in Ansehung des von dem einen Miterben angetretenen Erbtheils zwar aufhöret, der erledigte Antheil aber wachset nicht dem Miterben zu, sondern dieser hat dem nachberufenen zweiten Erben zuzukommen, woferne nicht schon unter den Einsetzungsworten selbst eine stillschweigende Nachberufung der eingesetzten Erben untereinander enthalten ist.

[2, 13, § 4] 54. Durch die Uebertragung des Erbrechts auf die Erbenserben wird die gemeine After-Erbseinsetzung aufgehoben, wann der eingesetzte erste Erb nach dem Erblasser vor oder nach eröffnetem Testament in der zu Recht ausgesetzten Bedenkzeit vor Antretung der Erbschaft verstirbt, welchen Falls derselbe sein Erbrecht auf seine sowohl eheleibliche, als fremde Erben übertraget.

[2, 13, § 4] 55. Und dieses hat ohne Unterschied statt, die eingesetzten ersten Erben mögen fremde oder eheleibliche Kinder des Erblassers sein; letztere aber haben aus dem Recht des Geblüts noch dieses zum Voraus, daß, wann sie auch vor dem Erblasser versterben, dieselben jegleichwohlen ihr Erbrecht auf ihre eheleiblichen Erben übertragen, welche vor dem nachberufenen zweiten Erben den Vorzug zur Erbschaft haben.

[2, 13, § 4] 56. Doch wird in diesen Fällen, wo das Erbrecht auf des eingesetzten Erbens

(2-231) Erben übergehet, der nachberufene zweite Erb nicht anderst ausgeschlossen, als wann von ihnen die Erbschaft aus dem Testament wirklich angetreten worden, widrigens hat die gemeine After-Erbseinsetzung auch ohnerachtet dieses Uebergangs noch allzeit ihre Wirkung.

[2, 13, § 4] 57. In der Person des nachberufenen zweiten Erben erlöschet die gemeine After-Erbseinsetzung:

Erstens, wann er entweder noch vor dem Erblasser oder auch nach demselben, jedoch vor dem eingesetzten ersten Erben, ehe und bevor dieser die Erbschaft angetreten hätte, oder vor Ausgang der Bedingniß, unter welcher er nachberufen worden, verstirbt, ohne dass von ihme ein Recht zur Erbschaft, welches er bei noch hangender Bedingniß nicht hat, auf seine Erben übertragen werden könne, obschon nachhero der eingesetzte erste Erb sich der Erbschaft entschlagen, oder sonst darzu nicht gelangen würde.

[2, 13, § 4] 58. Zweitens, wann die Bedingniß ermanglet, welche der After-Erbseinsetzung besonders angehänget worden. Und diese sind die Fälle, worinnen die gemeine After-Erbseinsetzung auch bei zu Recht bestehenden Testament entkräftet wird; dahingegen, wo das Testament selbst zerfallet, allemal auch sowohl die Erbseinsetzung, als die After-Erbseinsetzung null und nichtig ist.

Zweiter Artikel.

Von der vertraulichen Erbsnachberufung.

§. . Von der Natur, Wesenheit und Unterschied der vertraulichen Erbsnachberufung. §. VI. Von der Art und Weis der vertraulichen Erbsnachberufung. §. VII. Von Fähigkeit der nachberufenen Erben. §. VIII. Von Wirkung der vertraulichen Erbsnachberufung an Seiten des zur Zuruckstellung der Erbschaft verbundenen Erbens. §. IX. Von deren Wirkung an Seiten des nachberufenen Erben. §. X. Von Errichtung, Erhaltung und Erlöschung geschlechtlicher Trau- oder Stammgüter.

§. V.

[2, 13, § 5] 59. Der andere Fall, worauf eine After-Erbseinsetzung gerichtet werden kann, ist, wann der Erblasser die Erbschaft aus der Hand des eingesetzten ersten Erbens auf einem gewissen Fall an Jemanden gelangen lassen will, und dahero den eingesetzten Erben zu deren Zuruckstellung verbindet.

(2-232) [2, 13, § 5] 60. Diese Art der After-Erbseinsetzung wird wegen des in den ersten Erben von dem Erblasser gesetzten Vertrauens eine vertrauliche Erbsnachberufung genannt, welche sich von der gemeinen After-Erbseinsetzung andurch unterscheidet, daß jene nur in Ermanglung des eingesetzten ersten Erbens, die vertrauliche Erbsnachberufung hingegen, nachdeme der erste Erb zur Erbschaft gelanget ist, zur Wirkung komme.

[2, 13, § 5] 61. Sie hat solchemnach dieses Besondere, daß, da in dem Fall der gemeinen After-Erbseinsetzung beide, nemlich die Erbseinsetzung und After-Erbseinsetzung niemalen zusammen ihren Ausgang nehmen können, sondern allzeit eine ohne Wirkung bleibe, in Gegentheil bei der vertraulichen Erbsnachberufung beide, sowohl die Erbseinsetzung, als die Erbsnachberufung ihre Wirksamkeit behalten.

[2, 13, § 5] 62. Woraus folget, daß beide, der Eingesetzte und Nachberufene Erben bleiben; jener zwar nach Maß dessen, was er von der Erbschaft in Handen behält, dieser aber nach dem Antheil, der ihme zuruckgestellet wird.

[2, 13, § 5] 63. Derjenige, deme die Zuruckstellung der Erbschaft anvertrauet wird, heißet der vertrauliche Erb, deme aber die Zuruckstellung zu geschehen hat, der nachberufene Erb, und Dasjenige, was zuruckstellet werden muß, ein Traugut oder Fideicommiß.

[2, 13, § 5] 64. Ein Fideicommiß ist entweder allgemein, welches die ganze Erbschaft oder einen Theil derselben unter einem allgemeinen Begriff des Erbrechts enthaltet, oder einzel, welches nur in beschiedenen einzlen Sachen, Gütern oder Summen bestehet.

§. VI.

[2, 13, § 6] 65. Mit was für Worten, es seie bitt- oder befehlweise, der Erblasser die Zuruckstellung der Erbschaft oder eines Theils derselben, oder einzler Sachen oder Summen auferleget, hat es seine vollkommene Bündigkeit, wann nur der ungezweiflete Willen des Erblassers, eine vertrauliche Nachberufung machen zu wollen, daraus erhellet.

[2, 13, § 6] 66. Aus bloßen Muthmaßungen hingegen, sie mögen noch so vielen Grund haben, wann die Worte an sich nicht klar sind, solle kein Fideicommiß gefolgeret werden können, sondern, da zwar die Worte eine Nachberufung andeuteten, anbei aber zweifelhaft wäre, was für eine Nachberufung, ob eine gemeine oder vertrauliche, von dem Erblasser gemeinet worden, ist solche allemal für eine gemeine Nachberufung zu achten.

[2, 13, § 6] 67. Es wäre dann entweder aus der Natur der angehängten Bedingniß abzunehmen, daß der Erblasser die Erbschaft oder das beschiedene Gut mittelst des eingesetzten Erbens oder Desjenigen, deme er es zuerst zugedacht, auf den Nachberufenen

(2-233) berufenen gelangen lassen wollen, oder die Absicht des Erblassers wäre offenbar, das Gut durch viele Nachberufung bei seinem Geschlecht zu erhalten, wann die übrigen hiernach beschriebenen Erfordernissen zu geschlechtlichen Trau- oder Stammgütern hinzutreten.

[2, 13, § 6] 68. Dahingegen wirket der alleinige Veräußerungsverbot noch kein Fideicommiß, wann zu dem Gut, welches der Erblasser zu veräußeren verboten hat, Niemand nachberufen worden, sondern in solchem Fall ist der Veräußerungsverbot ohne alle Kraft und Wirkung, inwieweit aber derselbe mit der vertraulichen Nachberufung bestehe, wird unten in §. VIII. erkläret werden.

[2, 13, § 6] 69. Allgemeine vertrauliche Erbsnachberufungen, welche die ganze Erbschaft oder einem Theil derselben betreffen, und also einen Begriff des Erbrechts enthalten, können nicht anderst, als in einem rechtsgiltigen Testament oder solchen Codicillen, welche, entweder von dem Erblasser durchaus eigenhändig geschrieben, oder von den nemlichen Testamentszeugen errichtet worden, gemacht werden.

[2, 13, § 6] 70. Einzle vertrauliche Nachberufungen aber in einzlen Sachen, Gütern oder Summen, es möge der Erb, oder jemand Anderer, deme etwas verschaffet worden, darmit beschweret werden, können, entweder durch letztwillige Anordnungen in Testament oder Codicillen, oder durch Handlungen unter Lebenden mittelst einer ausgefertigten Beschreibungsurkunde, oder endlich auch außer einem förmlichen Testament oder Codicill durch die bloße Willenserklärung des Erblassers ohne aller Feierlichlichkeit geschehen.

[2, 13, § 6] 71. Zu dieser letzteren Art wird jedoch erforderet, daß Derjenige, deme der Erblasser die Zuruckstellung auferleget, und solche seinem Trauen und Glauben überläßt, dabei gegenwärtig seie und den Willen des Erblassers aus dessen Mund vernehme, was, wann, und weme er zuruckzustellen habe, wann auch gar kein Zeug dabei anwesend wäre.

[2, 13, § 6] 72. Was nun der Erblasser von seinem Gut also angeordnet hat, deme ist auch Derjenige, wessen Gewissen bei Zuruckstellung überlassen worden, in Allem nachzukommen schuldig, woferne aber eine solche Auflage des Erbens oder Desjenigen, deme die Zuruckstellung angemuthet wird, eigenes Gut beträfe, ist an dessen alleiniger Gegenwart nicht genug, sondern es ist seine ausdrückliche Einwilligung hierzu nothwendig, in deren Ermanglung er zu nichts verbunden ist.

[2, 13, § 6] 73. Würde hingegen Jener, der auf solche Art mit der Zuruckstellung beschweret worden, diese ihme gemachte Auflage in Abrede stellen, stehet dem Anderen, deme die Zuruckstellung zu geschehen hat, frei, dieselbe entweder durch Zeugen, wann einige Umstehende den Willen des Erblassers mit angehöret haben, zu erweisen, oder dem Beklagten nach vorher abgelegten Eid der Gefährde, daß er dieses nicht gefährlicher Weise beginne, den körperlichen Eid aufzutragen, Kraft wessen er sich eidlich abzuzeugen hat, nichts dergleichen von dem Erblasser vernommen zu haben, ohne daß er dagegen befugt seie, dem Kläger den Eid anwiederum zuruckzuschieben.

[2, 13, § 6] 74. Wollte oder könnte aber Derselbe diesen Abzeugungseid nicht leisten, oder würde, da er anfangs die Auflage durchaus gelaugnet, nachhero gleichwohl etwas, obschon nicht so vieles, als Kläger verlanget verlassen worden zu sein eingestehen, ist er sofort ohne Zulassung eines weiteren Gegenbeweises den ganzen Gegenbeweises den ganzen eingeklagten Betrag zu erstatten schuldig.

[2, 13, § 6] 75. Wäre jedoch Derjenige, deme der Erblasser die Zuruckstellung eines jemanden Andereren beschiedenen Guts auferlegen wollte, abwesend, kann er hierzu nicht anderst, als durch ein förmliches Testament oder Codicill, oder durch eine ordentliche Schankung oder Verschreibung verbunden werden.

[2, 13, § 6] 76. Eben also, wo Mehrere, die an einerlei Sache Theil haben, mit der Zuruckstellung eines Guts an jemanden Anderen beschweret worden, deren Einige dabei gegenwärtig, die Anderen aber abwesend gewesen wären, sind nur die dabei gegenwärtig Gewesten für ihren Antheil, nicht aber auch die Abwesenden in

(2-234) Ermanglung einer solchen in dem Testament oder Codicill enthaltenen Anordnung, oder einer durch Zeugen oder Verschreibung erweislichen Schankung hieraus verfänglich.

[2, 13, § 6] 77. Eine allgemeine vertrauliche Erbsnachberufung geschieht entweder in der ganzen Erbschaft, oder einem bestimmten Theil derselben, also daß alle Güter und Rechten, welche sich unter dieser Erbschaft oder dem beschiedenen Theil derselben befinden, darunter begriffen sind.

[2, 13, § 6] 78. Einzle Nachberufungen hingegen erstrecken sich nicht weiters, als auf Dasjenige, worauf sich dieselben namentlich und ausdrücklich beziehen, und kann in allen, sowohl beweglichen, als unbeweglichen Dingen ein Fideicommiß bestellet werden.

[2, 13, § 6] 79. Auch fremdes, dem Erblasser nicht angehöriges Gut kann zu einem Fideicommiß in demjenigen Verstand verschaffet werden, wie solcher unten in sechzehenten Capitel von Vermächtnissen fremder Sachen erkläret werden wird.

[2, 13, § 6] 80. Doch ist dabei allemal der Pflichttheil der nothwendigen Erben ausgenommen, welcher unter keinerlei Vorwand mit einem Fideicommiß beschweret werden mag, sondern frei und ohne aller Belastung Jenen, denen solcher gebühret, verlassen, widrigens so vieles, als derselbe beträgt, von der mit einer vertraulichen Erbsnachberufung beschwerten Erbschaft abgezogen werden solle.

[2, 13, § 6] 81. Uebrigens stehet zwar jedwedem Erblasser frei, so viele Grade der vertraulichen Nachberufung zu machen, als ihme gefällig ist, doch nur zu dem Ende, daß wo auf dem Fall der Zuruckstellung der zunächst Berufene nicht mehr am Leben wäre, der weitere Nachberufene zu dem beschiedenen Gut gelangen, und also die vertrauliche Nachberufung einmal ihre Wirkung haben möge.

[2, 13, § 6] 82. Damit aber alle Grade der vertraulichen Nachberufung zur Wirkung kommen, und ein Nachberufener nach dem Anderen immerfort nachfolgen könne, hierzu ist Unsere höchste Einwilligung unumgänglich nothwendig.

[2, 13, § 6] 83. Ohne dieser hingegen solle kein Fideicommiß, die vertrauliche Nachberufung seie allgemein oder einzel, weiter als in Einem Grad, der zur Wirkung kommt, bestehen, sondern, wann es von dem zuerst Berufenen auf den Nachfolgenden einmal gelanget ist, sofort erloschen sein, und diesem darmit so, wie mit seinem freieigenen Gut zu schalten und zu walten bevorstehen.

[2, 13, § 6] 84. Doch ist keinem Erblasser verwehret, dem Einen den Nießbrauch oder Genuß seines Guts auf lebenslang zu lassen, und den Anderen in dem Eigenthum zum Erben einzusetzen, sonach aber den Dritten fideicommißweise nachzuberufen, welchen Falls beide Einsetzungen in dem Nießbrauch und dem Eigenthum zusammen nur für einen, und zwar den ersten Grad der Einsetzung angesehen werden können.

[2, 13, § 6] 85. Wo aber mehrere Grade der vertraulichen Nachberufung, es seie durch Handlungen unter Lebenden oder durch letztwillige Anordnungen, gemacht werden wollen, solle jedesmal Unsere höchste landesfürstliche Einwilligung hierzu angesuchet, und folgende drei wesentliche Stücke dabei beobachtet werden.

[2, 13, § 6] 86. Erstens, daß Derjenige, welcher ein Fideicommiß errichten will, da er nothwendige Erben hätte, anförderist den ihnen gebührenden Pflichttheil ausweise, welchen er denenselben frei und ohne aller Belastung zu verlassen hat.

Zweitens, daß die zu einem Fideicommiß gewidmete liegende Güter nach landesbräuchlicher Schätzung den Werth von viermalhunderttausend Gulden rheinisch nicht übersteigen.

Drittens, daß von ihme die vollständige Art und Ordnung der Nachfolge Aller von oder auch außer seinem Geschlecht, die er zu dem Fideicommiß berufen haben will, deutlich angezeiget werde.

[2, 13, § 6] 87. Nur allein die in öffentlichen Fundis Unserer Staaten, welche Wir derzeit dafür erkläret haben, oder noch in Zukunft dafür erklären werden, anliegende Gelder sind von Uns besonders dahin befreiet, daß darüber, auch ohne die

(2-235) Auswirkung Unserer höchsten Einwilligung hierzu nöthig zu haben, von Jedermänniglich, deme diese Gelder eigenthumlich zugehören, nach seiner eigenen Willkür so vile Grade der vertraulichen oder fideicommissarischen Nachberufung, als ihme gefällig, rechtsgiltig gemacht werden mögen, doch allemal mit Ausnahm des seinen nothwendigen Erben davon zuzukommen habenden Pflichttheils, wann solcher aus dem übrigen Vermögen nicht richtig gestellet werden kann.

[2, 13, § 6] 88. Damit aber die in öffentlichen Fundis angelegte Gelder mit der Eigenschaft eines Fideicommißguts wirklich behaftet werden mögen, ist nothwendig, daß entweder die in Lebszeiten hierüber ausgefertigte Errichtungsurkunde, oder die letztwillige fideicommissarische Anordnung des Erblassers bei denenjenigen Landesstellen, wo die öffentlichen Fundi, in welchen die zum Fideicommiß bestimmte Gelder anliegen, befindlich sind, förmlich vorgemerket, und davon denen öffentlichen Fundis Abschriften ertheilet, mithin solchergestalten die nöthige Ordnung hierbei beobachtet werde.

[2, 13, § 6] 89. Einzle vertrauliche Nachberufungen, welche sich nicht weiter, als auf einen Grad erstrecken, sind in Allem Vermächtnissen gleich zu achten, wo sie aber auf mehrere Grade lauten, haben selbe auch eine von Vermächtnissen ganz unterschiedene Natur und Eigenschaft, wie es in der Folge mit Mehreren dargezeiget werden wird.

[2, 13, § 6] 90. Ueberhaupt aber können sowohl allgemeine, als einzle vertrauliche Nachberufungen entweder unbedingt oder bedingt mit Beifügung einer Bedingniß, Zeit oder Weis geschehen, wie alles dieses bereits oben in zwölften Capitel, §. V. ausführlich erkläret worden.

[2, 13, § 6] 91. Doch hat die vertrauliche Nachberufung nach Absterben eheleiblicher Kinder dieses Besondere, daß darunter allezeit die Bedingniß, wann der zuerst Berufene ohne eheleiblichen Kindern versterben würde, stillschweigend verstanden werde, wann gleich solche von dem Erblasser wortdeutlich nicht ausgedrucket worden, woferne nur folgende Umstände beitreten.

[2, 13, § 6] 92. Erstens, daß eheleibliche Kinder, als Söhne, Töchter, Enkeln, oder auch weitere Absteigende von ihren Eltern, Großeltern oder weiteren Aufsteigenden mit einem Fideicommiß beschweret worden.

[2, 13, § 6] 93. Zweitens, daß Derjenige, welcher die vertrauliche Nachberufung gemacht hat, wahrscheinlicher Weise auf die nach seinem Tod geborne Kinder des mit dem Fideicommiß Beschwerten nicht gedacht, weder auch seinen widrigen Willen, daß er solche von der Nachfolge in dem Fideicommiß ausgeschlossen haben wolle, erkläret habe, noch die Anordnung selbst also beschaffen seie, daß der ausschließende Willen daraus mit Grund vermuthet werden könne.

[2, 13, § 6] 94. Es kann dahero nicht gesagt werden, daß er auf die Kinder des mit dem Fideicommiß Beschwerten nicht gedacht habe, wann solche schon bei seinen Lebszeiten geboren waren, außer es wäre erweislich, daß derselbe von dieses Kindern nichts gewußt, oder, da sie erst nach errichtetem Fideicommiß geboren worden, die Macht nicht mehr gehabt habe, seinen Willen zu änderen.

[2, 13, § 6] 95. Umsomehr schließet der ausgedruckte widrige Willen des Erblassers als Vermuthung einer vorzüglichen Liebe und Zuneigung gegen seine eigene Nachkommenschaft, worinnen sich diese Vorsehung Unserer Gesetzen lediglich gründet, gänzlich aus, wann er wortdeutlich auf dem Fall, da der Beschwerte Kinder hinterlassen würde, einen Dritten zu dem Fideicommiß berufen hätte.

[2, 13, § 6] 96. Es läßt sich aber auch dieser widrige Willen aus der Anordnung des Erblassers selbst vermuthen, wann deren Inhalt dahin lautet, daß hieraus eine anderweite Absicht des Erblassers mit Bestand geschlossen werden mag.

[2, 13, § 6] 97. Eine derlei widrige Vermuthung hat bei allen von Jemanden zur Erhaltung seines eigenen Geschlechts errichteten Fideicommissen in Ansehung der weiblichen Nachkommenschaft statt, es mögen weibliche Nachkommen von zuerst


(2-236) berufenen Söhnen, oder männliche Nachkommen von zuerst berufenen Töchtern sein, welche allemal auf dem Fall der nachberufenen eigenen männlichen Geschlechtsverwandten ausgeschlossen bleiben, weilen durch selbe die abgezielte Erhaltung des Geschlechts nicht bewirket werden mag.

[2, 13, § 6] 98. Nicht weniger sind die Kinder des mit einem Fideicommiß Beschwerten für ausgeschlossen zu halten, wann Jemand allemal den Aeltesten seines Geschlechts zu dem Fideicommiß berufet, weilen Derselbe andurch die Errichtung eines geschlechtlichen Aelterguts oder Seniorats zur Absicht gehabt, wobei nicht die Ordnung der Abstammung, sondern das mehrere Alter von Jahren in Betrachtung kommt.

[2, 13, § 6] 99. Die nemliche Beschaffenheit hat es, wann Jener, der ein Fideicommiß errichtet, zur Fähigkeit darinnen nachzufolgen eine gewisse Eigenschaft dergestalten erforderet, daß in deren Ermanglung Alle, die solche nicht haben, davon ausgeschlossen sein sollen, wodurch dann auch die eigene Nachkommenschaft, welche diese Eigenschaft nicht hat, von dem Fideicommiß ausgeschlossen bleibt.

[2, 13, § 6] 100. Drittens, daß die dem zuerst Berufenen nachgeborne Kinder aus einer rechtmäßigen Ehe erzeuget, oder durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig worden, und den zuerst Berufenen überleben; dann, wo sie anwiederum vor seiner verstürben, erlöschet die Bedingniß eben sowohl, als ob solche wirklich ausgedrucket worden wäre, und das Fideicommiß fallet sofort auf den Nachberufenen.

[2, 13, § 6] 101. Was von Erlöschung dieser Bedingniß auf dem Fall der vorgestorbenen Kinder gemeldet worden, hat auch damals statt, wann selbe sich durch Ablegung feierlicher Ordensgelübden einem geistlichen Ordensstand widmen, und also der Welt abstürben, wodurch sie alles Recht zu dem Fideicommiß verlieren, die Bedingniß möge ausdrücklich beigesetzet oder stillschweigend verstanden sein, worunter aber Weltgeistliche nicht zu verstehen sind, wann sie nicht namentlich ausgeschlossen werden.

[2, 13, § 6] 102. Wann nun alle vorbemelte Umstände hinzustoßen, daß nemlich eheleibliche Kinder nach ihrem Tod mit einem Fideicommiß beschweret, und auf deren Nachkommenschaft von Demjenigen, der das Fideicommiß errichtet, nicht gedacht, noch auch von ihme ein Widriges geordnet, und endlich von ihnen nach ihrem Absterben eheleibliche Kinder hinterlassen worden, schließen dieselbe in Kraft dieser unter der Nachberufung stillschweigend verstandenen Bedingniß den Nachberufenen von dem Fideicommiß aus.

[2, 13, § 6] 103. Und dieses zwar ohne Unterschied, ob der Nachberufene ein Fremder, oder auch von der eheleiblichen Nachkommenschaft Desjenigen seie, welcher das Fideicommiß errichtet hat, weilen eben dieselbe Zuneigung, welche der Erblasser dem zuerst Eingesetzten durch dessen Vorsetzung vor dem Anderen erzeiget hat, auch gegen dessen Nachkommen vermuthet wird.

[2, 13, § 6] 104. Ob aber solchen Falls die Nachkommenschaft des mit dem Fideicommiß beschwerten Erbens aus der fideicommissarischen Anordnung nachfolge, und der Nachberufene ihr blos nachzustehen habe, also daß er nach deren Abgang gleichwohlen noch zu dem Fideicommiß gelangen möge, oder ob die Kinder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintreten, und somit die commissarische Anordnung gänzlich erlösche, folglich die Nachberufenen für allezeit davon ausgeschlossen bleiben, ist nach Unterschied der Fideicommissen zu unterscheiden.

[2, 13, § 6] 105. Bei geschlechtlichen Fideicommissen solle in Fällen, wo die Bedingniß, wann der zuerst Berufene ohne eheleiblichen Kindern versterben würde, entweder ausdrücklich beigesetzet, oder vorbesagter Maßen stillschweigend verstanden wird, die Nachkommenschaft des zuerst Berufenen allemal für nachberufen gehalten werden, folglich dieselbe nicht nach der rechtlichen Erbfolge, sondern aus der fideicommissarischen Anordnung in dem Fideicommiß nachfolgen, und somit denen Nachberufenen, welche lediglich nachzustehen haben, nach deren Abgang ihr Recht zu dem Fideicommiß vorbehalten bleiben.

(2-237) [2, 13, § 6] 106. Dahingegen erlöschet bei allen anderen Fideicommissen, welche nicht die Erhaltung des Geschlechts zur Absicht haben, in vorberührten Fällen, wo eheleibliche Kinder hinterlassen worden, die Nachberufung und das Fideicommiß gänzlich, und die Kinder gelangen nach der rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft, von welcher die Nachberufenen, weilen sie nur unter dieser Bedingniß, wann keine Kinder hinterbleiben würden, berufen worden, ein für allemal ausgeschlossen bleiben, obschon der mit dem Fideicommiß Beschwerte nichtsdestoweniger wegen Ungewißheit der Bedingniß darmit frei zu schalten und zu walten verhinderet, und solches seinen Kindern zu lassen schuldig ist.

§. VII.

[2, 13, § 7] 107. Vertrauliche Nachberufungen oder Fideicomissen (!) kann Jedermann machen, der Fug und Macht hat, über sein Vermögen letztwillig, oder durch Handlungen unter Lebenden frei zu ordnen, und, wo das Fideicommiß sich auf mehrere Grade erstreckete, zu deren Giltigkeit Unsere höchste Einwilligung erwirket hat.

[2, 13, § 7] 108. Mit Fideicommissen können sowohl die eingesetzten, als die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretenden Erben, wie nicht weniger Diejenigen, denen etwas verschaffet, oder auf den Todesfall geschenket und übergeben wird, und überhaupt Alle, denen etwas mit dieser Auflage zugedacht wird, beschweret werden.

[2, 13, § 7] 109. Jene aber, welche mit nichts bedacht werden, mögen auch zu keiner Zuruckstellung verbunden werden, und da Jemanden ein Mehreres, als er aus der Verlassenschaft nicht empfangen hat, zuruckzustellen auferleget würde, bestehet das Fideicommiß nur nach Maß des Empfangenen, und ist derselbe zu nichts Mehreren verfänglich.

[2, 13, § 7] 110. Zu einem Fideicommiß können Alle berufen werden, welche die Erbsfähigkeit haben; zugelassen aber werden nur Jene, welche in der fideicommissarischen Anordnung begriffen sind, und diejenige Eigenschaft auf sich haben, welche darinnen zur Nachfolge ausdrücklich erforderet wird.

[2, 13, § 7] 111. Wer demnach aus einer vertraulichen Nachberufung die Nachfolge in einem Fideicommiß anverlanget, deme lieget ob, sowohl die Eigenschaft eines Fideicommißguts, als seine eigene Eigenschaft, welche ihn zur Nachfolge fähig macht, durch rechtsgenügliche Beweismitteln zu erproben.

[2, 13, § 7] 112. Der zuerst Berufene ist zwar allemal ein vertraulicher Nachfolger, weilen ihme die Zuruckstellung an den Nachberufenen anvertrauet worden, dieser in Gegentheil kann in verschiedener Absicht ein nachberufener oder vertraulicher Nachfolger zugleich sein.

[2, 13, § 7] 113. Ein Nachberufener wegen der ihme nach dem zuerst Eingesetzten gebührenden Nachfolge, ein vertraulicher Nachfolger aber in Rücksicht des weiteren Nacheingesetzten, der nach ihme zu dem Fideicommiß berufen ist, und deme er es folgsam wieder zuruckzustellen hat.

[2, 13, § 7] 114. Wann hingegen Jener, der das Fideicommiß innen hat, oder auf den der Fideicommißanfall gelanget, sich eines solchen Verbrechens schuldig gemacht hätte, worauf die Einziehung seines Hab und Guts zu Handen Unserer Kammer ausgesetzet wäre, in solchen Fall tritt zwar Unser Fiscus an die Stelle eines solchen Verbrechers in dem vollen Genuß des Fideicommißguts ein, welchen er solange behält, als Jener sich am Leben befindet, oder es sonst zu genießen hätte; das Fideicommiß aber höret deswegen nicht auf, wann sich dasselbe auf mehrere Grade erstrecket, sondern Unser Fiscus solle nach Ableben des Verbrechers, oder zu der

(2-238) gesetzten Zeit, wann dessen Recht hierzu aufhöret, das Gut dem Nächstberufenen abzutreten schuldig sein. Es wäre dann ein so beschaffenes Verbrechen, wodurch nach Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung das Fideicommißgut auf allzeit verwirket würde.

§. VIII.

[2, 13, § 8] 115. Die vertrauliche Erbsnachberufung hat an Seiten des vertraulichen Erbens, wofür ein Jedweder anzusehen ist, der zur Zuruckstellung verbunden wird, vornehmlich viererlei Wirkungen, als: Erstens, das auf ihn gelangende Erbrecht, zweitens, die Verbindlichkeit zur Zuruckstellung, drittens, die Haftung für Schuld und Gefährde, viertens, die Unveräußerlichkeit des zum Fideicommiß bestimmten Guts.

[2, 13, § 8] 116. Das Erbrecht, welches der vertrauliche Erb durch Antretung der Erbschaft erwirbt, behält derselbe bis zur Zuruckstellung in Ansehung der ganzen Erbschaft unzertheilt, nach der Zuruckstellung hingegen nur für denjenigen Theil, welcher davon bei ihme verbleibet; wo er aber zur Zuruckstellung der ganzen Erbschaft verbunden wäre, gehet auch mittelst deren Zuruckstellung alles Erbrecht auf den nachberufenen Erben.

[2, 13, § 8] 117. Doch kann derselbe nicht gezwungen werden die Erbschaft anzutreten, sondern, wann er nicht kann oder will Erb sein, übergehet sofort das Erbrecht in Kraft der unter einer jedweden vertraulichen Erbsnachberufung stillschweigend enthaltenen gemeinen After-Erbseinsetzung auf den nachberufenen Erben für denjenigen Theil, der ihme in der vertraulichen Nachberufung zugedacht worden.

[2, 13, § 8] 118. Das Uebrige hingegen, was dem vertraulichen Erben von der Verlassenschaft zugekommen wäre, fallt den nächsten Erben nach der rechtlichen Erbfolge

(2-239) zu, woferne deshalben von dem Erblasser keine ausdrückliche Vorsehung gemacht worden wäre.

[2, 13, § 8] 119. Das Nemliche hat auch in dem Fall statt, wo der vertrauliche Erb vor Antretung der Erbschaft verstürbe; dann auch damals bleibt dem Nachberufenen sein Recht zu dem ihme beschiedenen Gut allzeit bevor.

[2, 13, § 8] 120. Zu der übrigen Verlassenschaft aber, soviel hiervon dem vertraulichen Erben zu verbleiben hätte, übertragt derselbe das Erbrecht auf seine Erben, woferne er nach dem Erblasser in der zur Antretung der Erbschaft ausgesetzten Bedenkzeit verstorben.

[2, 13, § 8] 121. In Gegentheil, wo der Nachberufene vor dem vertraulichen Erben verstürbe, ist zu unterscheiden, ob die vertrauliche Nachberufung in mehrere Grade, oder nur in einem Grad bestehe.

[2, 13, § 8] 122. Wo mehrere Grade derselben gemacht worden, gehet der Erbanfall sofort auf den nach Abgang des ersten zunächst Berufenen mit Ausschließung der Erben des Ersten, wann sie nicht ausdrücklich berufen worden; wo aber nur Einer allein, und außer ihme niemand Anderer nachberufen worden wäre, überträgt derselbe nicht weniger, als gleich bevor von dem vertraulichen Erben gemeldet worden, das Erbrecht zu dem ihme beschiedenen Gut auf seine Erben, wann er den Erblasser überlebet, obschon er vor dem eingesetzten vertraulichen Erben verstorben.

[2, 13, § 8] 123. Es seie dann, daß der Erblasser auf diesen Fall ausdrücklich ein Anderes geordnet, und die Erben des Nachberufenen ausgeschlossen, oder denselben unter einer beigesetzten Bedingniß berufen hätte, vor deren Ausgang ihme kein Erbrecht gebühret, folglich auch keines auf seine Erben übertragen werden kann, wann er vor dem Erfolg der Bedingniß verstirbt.

[2, 13, § 8] 124. Sobald aber der vertrauliche Erb die Erbschaft angetreten, so erwachset auch seinerseits die Verbindlichkeit zur Zuruckstellung des dem Nachberufenen beschiedenen Guts in derjenigen Maß, wie solches diesem Letzteren von dem Erblasser zugedacht worden.

[2, 13, § 8] 125. Die Zuruckstellung an den Nachberufenen solle in derjenigen Zeit geschehen, welche der Erblasser bestimmet hat, und wo keine von ihme benennet, noch angeordnet worden wäre, daß solche gleich nach seinem Absterben befolget werden solle, hat der vertrauliche Erb lebenslänglich in dem Genuß des dem Nachberufenen beschiedenen Guts zu verbleiben, und nach seinem Tod treten dessen Erben in die Verbindlichkeit ein, das Fideicommißgut in demjenigen Stand, in welchem es von ihme angetreten worden, dem Nachberufenen zuruckzustellen.

[2, 13, § 8] 126. Doch muß der Willen und die Gesinnung des Erblassers ungezweifelt sein, daß er eine vertrauliche Nachberufung wirklich machen wollen, dann wo derselbe den Erben lediglich vermächtnißweise beschweret hätte, Jemanden etwas zu geben oder abzustatten, ohne dabei einige Grade der Nachberufung auszusetzen, so ist solches für kein Fideicommiß zu achten, sondern eine bloße Vermächtniß, wobei sich nach deme gerichtet werden solle, was unten in sechzehenten Capitel von Abstattung der Vermächtnissen geordnet werden wird.

[2, 13, § 8] 127. Das Fideicommiß muß an den Nachberufenen in dem nemlichen Betrag, Stand und Beschaffenheit, wie es der Erblasser angeordnet, und wie solches auf den vertraulichen Erben gediehen, ohne allem Abzug, Vorbehalt oder Schmälerung zuruckgestellet werden, doch mit der Ausnahme einzler nur binnen einem Grad bestehender Fideicommissen, welche nach Inhalt des sechzehenten Capitels, §.XXX, eben so wie andere Vermächtnissen dem Abzug des Erbviertels unterliegen.

[2, 13, § 8] 128. Dem vertraulichen Erben bleibet demnach von der Verlassenschaft nichts Mehreres, als was durch die Anordnung des Erblassers mit der Eigenschaft eines Fideicommißguts nicht befangen ist. Was aber unter dem Fideicommiß begriffen worden, dieses Alles fallt dem nachberufenen Erben zu.

[2, 13, § 8] 129. Belangend hingegen die mittlerweil von dem Fideicommiß eingehobene

(2-240) Nutzungen, so gehören zwar Jene, welche noch vor der von dem vertraulichen Erben angetretenen Erbschaft eingegangen, zu dem Fideicommiß; welche aber derselbe nach angetretener Erbschaft bis zur bestimmten Zeit der Zuruckstellung behoben hat, bleiben ihme ohne Widerspruch.

[2, 13, § 8] 130. Es seie dann, daß der Erblasser ausdrücklich verordnet hätte, darmit alle inmittelst eingegangene Früchten und Nutzungen, oder ein Theil derselben dem Nachberufenen zukommen, oder zu dem Betrag des Fideicommiß geschlagen werden sollen.

[2, 13, § 8] 131. Außer deme hat der nachberufene Erb lediglich auf die von Zeit des ihme zugefallenen Fideicommißguts hiervon eingegangene Früchten und Nutzungen den Anspruch; gleichwie ihme dann auch alle zu dieser Zeit noch hangende Früchten, nicht minder die auch noch zur Zeit der Innhabung des vertraulichen Erbens sich zu dem Grund durch natürlichen Zuwachs ergebene Zugänge sammt allen zu dem Gut gewidmeten Zugehörungen ausgebühren.

[2, 13, § 8] 132. Hätte hingegen der vertrauliche Erb einige Kosten und Auslagen Zeit seiner Inhabung auf das Fideicommiß aufgewendet, so hat er zwar jene Kosten, die er auf die Erzeugung und Einsammlung der Nutzungen für die Zeit, als er solche zu genießen hat, ausgeleget, selbst zu tragen.

[2, 13, § 8] 133. All übriger erweislicher, nothwendiger und nutzlicher Aufwand aber, welcher zur Erhaltung oder Verbesserung der Sache selbst gereichet, ist ihme in eben der Maß, wie es oben in dritten Capitel, §. III, von dem Besitzer mit gutem Glauben geordnet worden, zu ersetzen, außer insoweit ein solches bei geschlechtlichen Traugütern nach mehreren Ausweis des hiernach folgenden §. X einen Abfall leidet.

[2, 13, § 8] 134. Aus der Verbindlichkeit das Fideicommiß in demjenigen Stand, in welchem es angetreten worden, anwiederum zuruckzustellen, fließet die anderweite Schuldigkeit des vertraulichen Erbens und eines jeden Fideicommißinhabers mit dem Fideicommiß so, wie es einem guten Hausvater geziemet, zu gebahren, dasselbe in guten Stand zu erhalten, und allen Schaden und Nachtheil zu verhüten, noch weniger aber solches selbst zu schmälern und auf was immer für Weise zu verminderen.

[2, 13, § 8] 135. Er ist dahero für allen aus Gefährde oder großer Schuld verursachten Schaden verfüglich, und sowohl zu des Nachberufenen, als seiner eigenen Sicherheit noch vor Antretung des Fideicommiß ein gerichtliches Inventarium über Alles, was zu dem Fideicommiß gehöret, errichten zu lassen schuldig.

[2, 13, § 8] 136. Mit Errichtung des Inventarii solle bei einem jedweden Fideicommißanfall unnachbleiblich fürgegangen, und der Nachberufene nicht ehender, als bis das Inventarium zu Stand gekommen, zu dem Besitz des Fideicommiß zugelassen werden.

[2, 13, § 8] 137. Würde aber von dem Erblasser oder Demjenigen, der das Fideicommiß errichtet, die Nothwendigkeit eines gerichtlichen Inventarii erlassen worden sein, so solle zwar diese Erlassung, wann kein Fall obwaltet, in welchem solches nach der unten in einundzwanzigsten Capitel, §. VII, folgenden Ausmessung aus anderweiter Ursache gleichwohlen vorgenommen werden muß, die Nachsicht des gerichtlichen Inventarii wirken.

[2, 13, § 8] 138. Nichtsdestoweniger bleibet Derjenige, deme das Fideicommiß angefallen, verbunden, eine getreuliche und verläßliche Beschreibung aller Fideicommißstücken in Gegenwart zweier untadelhafter Zeugen zu verfassen, und solche unter seiner Handunterschrift und Siegel mit gleichmäßiger Unterfertigung der Zeugen bei Gericht zu erlegen, welchem jedoch noch allezeit bevorstehet, auf dem Fall, daß diese Beschreibung unrichtig befunden würde, mit dem gerichtlichen Inventarii fürzugehen.

[2, 13, § 8] 139. Dieses Inventarium ist solchemnach die Richtschnur, nach welcher die

(2-241) Zuruckstellung des Fideicommiß an den Nachberufenen zu geschehen hat, was also zur Zeit der Zuruckstellung an deme, so in dem vorhergegangenen Inventario vermerket ist, abgehet, ist der Vorfahrer an dem Fideicommiß oder seine Erben zu ersetzen schuldig; es wäre dann von ihnen erweislich, daß solches ohne seiner Schuld zu Grund gegangen, oder sonst von dem Fideicommiß hinweggekommen seie.

[2, 13, § 8] 140. Gleichwie in Gegentheil, wo der Nachberufene auf etwas, so in dem vorhergehenden Inventario nicht enthalten wäre, an den Vorfahrer oder dessen Erben eine Forderung stellete, demselben zu erweisen oblieget, daß dieses zu dem Fideicommiß gehörig, und auch wirklich zu Handen des Vorfahrers gediehen, oder von ihme, da er es wohl thun können und sollen, zu dem Fideicommiß beizubringen aus seiner Schuld vernachlässiget worden seie; in Entstehung dieses Beweises aber sind der Vorfahrer und dessen Erben mit dem Inventario hinlänglich geschützet.

[2, 13, § 8] 141. Uebringens ist der vertrauliche Erb außer der vorbesagten Nothwendigkeit eines gerichtlichen Inventarii insgeheim zu keiner anderweiten Sicherstellung des Fideicommisses verbunden, solange derselbe darmit getreulich gebaret, und keine Gefahr einer Schmälerung oder Verringerung desselben vorhanden ist. Es wäre dann solche ausdrücklich von dem Erblasser, oder von deme, welcher das Fideicommiß errichtet, einem jeweiligen Nachfolger in dem Fideicommiß auferleget worden.

[2, 13, § 8] 142. Wäre aber in der fideicommissarischen Anordnung eine solche Sicherstellung erforderet worden, so ist auch der Nachfolger in dem Fideicommiß dieselbe in derjenigen Maß, wie sie darinnen vorgeschrieben worden, zu leisten schuldig, wo er es thun im Stande ist.

[2, 13, § 8] 143. Wann jedoch erweislicher Maßen seine Vermögensumstände nicht zureicheten die anverlangte Sicherstellung aufzubringen, und er sonst eines guten Wandels wäre, daß sich keiner Gefahr zu ihme zu versehen seie, solle derselbe mittlerweil, bis daß er in den Stand gelange, der Auflage Genügen zu thun, gegen eidlicher Angelobung und Verstrickung, daß er das Fideicommiß in guten Stand erhalten, und solches auf keinerlei Weise schmälern, noch weniger etwas davon veräußeren wolle, zu dem Fideicommiß zugelassen werden.

[2, 13, § 8] 144. Würde in Gegentheil sein verschwenderisches Betragen oder überhäufte Schuldenlast eine billige Beisorge erwecken, ihme die eigene Verwaltung des Fideicommisses schlechterdings anzuvertrauen, so solle solchen Falls nach richterlichem Ermessen über das Fideicommiß ein Curator bestellet, und ihme, solange er zu dessen Genuß das Recht hat, die Einkünften davon verabfolget werden, wann in der fideicommissarischen Anordnung auf diesen Fall keine anderweite maßgebige Vorsehung enthalten wäre.

[2, 13, § 8] 145. Was aber für Rechtsmitteln in jenem Fall, da ein Fideicommißinhaber übel gebarete, und eine gegründete Gefahr der Verkürzung des Fideicommisses anscheinete, den Fideicommißanwarteren zur Erhaltung und Sicherstellung des Fideicommisses angebühren, wird in dem gleichnachfolgenden §. IX gezeiget werden.

[2, 13, § 8] 146. Was zu einem Fideicommiß gewidmet ist, und von einer mit dieser Eigenschaft behafteten Verlassenschaft nach Abzug der Schulden und des Pflichttheils derjenigen Personen, denen solcher gebühret, übrig bleibet, ist seiner Natur nach dergestalten unveräußerlich, daß nichts davon ohne Unserer besonderen höchsten Einwilligung verkaufet, vertauschet oder sonst veräußeret, noch auch mit einer beharrlichen Behaftung eines bestellenden oder verschreibenden Unterpfands, einer Grunddienstbarkeit oder eines anderen dinglichen Rechts beschweret, und überhaupt weder durch lebszeitige, noch durch letztwillige Handlungen hierüber in geringsten geordnet werden könne, der Verbot der Veräußerung möge in der fideicommissarischen Anordnung ausdrücklich begriffen sein oder nicht.

(2-242) [2, 13, § 8] 147. Nur der alleinige Fall ist davon ausgenommen, wann der Erblasser Jemanden zu deme, was nach Absterben des eingesetzten ersten Erbens von der Verlassenschaft übrig bleiben wird, nachberufen hätte, weilen in Kraft dieser Anordnung der Erblasser den vertraulichen Erben in Veräußerung desjenigen, was er von der Verlassenschaft zu seiner Nothdurft und Nutzen verwendet, nicht gehemmet, sondern das Fideicommiß erst in dem nach dessen Absterben erübrigenden Betrag hergestellet wissen will.

[2, 13, § 8] 148. Obschon aber derselbe diesen Betrag nicht bestimmet, sondern solchen dem Trauen und Glauben des eingesetzten Erben lediglich überlassen hat, so wollen Wir jedoch in diesem Fall aus billigen Anbetracht der dem Nachberufenen zugedachten Wohlthat, welcher derselbe leichtlich durch unmäßige Eigennützigkeit des vertraulichen Erben ganz und gar verlustig werden könnte, und zu Abschneidung aller hieraus entstehen mögenden Streitigkeiten hiermit gnädigst verordnet haben, daß nach Ausweis des über die Verlassenschaft gerichtlich zu errichten kommenden Inventarii, und nach der gerichtlichen Schätzung die Erbschaft in vier gleiche Theile abgetheilet, und drei Theile davon dem eingesetzten Erben zu seiner freien Schalt- und Waltung als ein freieigenes Gut überlassen, der vierte Theil hingegen dem Nachberufenen in der Eigenschaft eines Fideicommisses auf Absterben des vertraulichen Erbens unverruckt vorbehalten bleiben, und diesem bloß allein der lebenslängliche Genuß solchen vierten Theils ohne Macht etwas davon zu veräußeren oder zu beschweren zustehen solle.

[2, 13, § 8] 149. Hätte hingegen der Stifter des Fideicommisses selbst einige Fälle ausgenommen, worinnen er die Belastung des Fideicommisses oder auch gar die Veräußerung eines Theils desselben gestattete, so bedarf es zwar in einem solchen ausgedruckten Fall hierzu Unserer Einwilligung nicht, und die Beschwerung oder Veräußerung geschieht auch ohne derselben giltig.

[2, 13, § 8] 150. Doch solle allemal bei Nichtigkeit der Handlung die richterliche Erkanntniß vorherzugehen haben, ob der von dem Stifter des Fideicommisses vergünstigte Beschwerungs- oder Veräußerungsfall wirklich vorhanden seie, ob die verstattete Maß nicht überschritten werden wolle, und im Fall derselbe zugleich die Wiederbefreiung oder Ergänzung des Fideicommisses angeordnet hätte, durch was für Mitteln so eine als die andere ohnfehlbar zu bewirken seie.

[2, 13, § 8] 151. Findet nun der Richter den angezeigten Fall und die Maß der Beschwerung oder Veräußerung mit der fideicommissarischen Anordnung übereinstimmend zu sein, so hat er solche ohne weiters zuzulassen; wäre aber in Gegentheil ein Zweifel an der Aehnlichkeit des Falls oder an dem Verhältniß der Maß, oder an Zulänglichkeit der vorgeschriebenen Wiederbefreiungs- oder Ergänzungsmitteln, solle derselbe sofort die Einvernehmung der gesammten Fideicommißanwarteren hierüber veranlassen, und die Sache an Uns mit ihrer beigebrachten allseitigen Erklärung zu Unserer höchsten Entschließung einberichten.

[2, 13, § 8] 152. Außerdeme ist keine wie immer Namen habende Veräußerung oder beharrliche Belastung eines Fideicommißguts weder durch Handlungen unter Lebenden, noch durch letztwillige Anordnungen gestattet. Es ist aber hierinfalls zwischen unbeweglichen und beweglichen Traugütern der Unterschied zu beobachten.

[2, 13, § 8] 153. Die Veräußerung liegender Güter und landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten und Forderungen, welche mit der Eigenschaft eines Fideicommisses landtäflich, stadt- oder grundbücherlich behaftet sind, ist allzeit null und nichtig, also daß kein auf deren Veräußerung oder beharrliche Beschwerung abzielender Vertrag, Contract oder Verschreibung bei Gericht angenommen, und da in einem letztwilligen Geschäft etwas dergleichen vorkäme, solches für nicht geordnet geachtet werden solle.

[2, 13, § 8] 154. Wo aber die Eigenschaft eines Fideicommisses in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern noch nicht darauf vorgemerket wäre, bestehet zwar deren Veräußerung

(2-243) oder Beschwerung, wann an Seiten dessen, der solche an sich bringt, oder deme hierauf ein Recht verschrieben wird, keine Gefährde unterwaltet; der Veräußerer hingegen ist schuldig Jenen, welchen daran gelegen, allen erweislichen Schaden zu ersetzen, und das Fideicommiß an anderen Gütern in dem nemlichen Betrag herzustellen.

[2, 13, § 8] 155. Doch erstrecket sich die Unveräußerlichkeit des Fideicommißguts selbst keineswegs auf die davon abfallende Früchten und Nutzungen, sondern, wo der Fideicommißinhaber den vollen Genuß hat, ist er auch für die Zeit seiner Inhabung befugt darmit, so viele hieran ohne Schmälerung des Fideicommisses behoben werden mögen, als mit seinem freieigenen Gut zu schalten und zu walten, solche zu verpfänden, zu verschreiben, und an Andere zu überlassen, deren Recht aber mit Erlöschung des Rechts des Inhabers gänzlich erlöschet.

[2, 13, § 8] 156. Ein Gleiches hat bei denen in öffentlichen Fundis, oder anderstwo angelegten Geldern statt, welche, so lange die ihnen beigelegte Eigenschaft eines Fideicommisses denen öffentlichen Fundis, oder Privatschuldnern, bei denen sie anliegen, nicht gehöriger Maßen erinneret worden, sicher hinausbezahlet, und an Andere übertragen werden können. Sobald aber diese Erinnerung geschehen, können solche ohne Unserer höchsten Einwilligung nicht mehr erhoben, noch weniger an Andere übertragen werden.

[2, 13, § 8] 157. Dem Schuldner bleibet jedoch in alle Wege frei, das Capital aufzukünden, und sich von der Schuld zu entledigen, in welchem Fall der Fideicommißinhaber in der Zeit das Ort, wo er solches wiederum sicher anlegen wolle, anzuzeigen, und Unsere höchste Einwilligung hierüber einzuholen hat, in deren Ermanglung der Schuldner sich von der Schuld nicht anderst, als durch deren gerichtlichen Erlag befreien mag, gleichwie dann die Schuldbriefe allemal bei Gericht wohlverwahrlich aufbehalten werden sollen.

[2, 13, § 8] 158. Dahingegen kann ein jeweiliger Fideicommißinhaber mit denen von derlei Fideicommißgeldern abfallenden Zinsen, wann er solche nach der fideicommissarischen Anordnung zu beziehen hat, für die Zeit seiner Inhabung als mit seinem freieigenen Gut nach Gefallen schalten und walten.

[2, 13, § 8] 159. Bewegliche Sachen können zwar mit der Eigenschaft eines Fideicommisses solchergestalten nicht behaftet werden, daß ein Dritter, der solche mit gutem Glauben, und ohne diese Eigenschaft zu wissen an sich gebracht, deshalben angefochten werden möge; doch bleibet der Veräußerer allemal in der Verbindlichkeit den durch die Veräußerung derlei Sachen dem Fideicommiß zugefügten Schaden in vollem Werth aus seinen anderweiten Mitteln zu ersetzen.

[2, 13, § 8] 160. Um damit nun über den Betrag des Werths solcher veräußerten zum Fideicommiß gehörigen Fahrnissen aller Stritt vermieden, und ein dritter Besitzer mit gutem Glauben deswegen nicht behelligt werde, so verordnen Wir gnädigst, daß je und allezeit in Fällen, wo Fahrnisse zum Fideicommiß gewidmet werden, dieselben noch vor deren Ausantwortung an den berufenen Erben gerichtlich geschätzet, und deren geschätzter Werth in dem Inventario zugleich eingetragen werden solle, auf daß in dem Fall, wo sich solche bei Abtretung des Fideicommisses an den weiteren Nachberufenen nicht vorfinden würden, sogleich verläßlich wissend sein könne, was dafür aus dem freieigenen Gut des Vorfahrers dem Fideicommiß zu ersetzen seie; es könnte dann erwiesen werden, daß selbe ohne Gefährde und Schuld des Vorfahrers zu Grund gegangen, oder durch den Gebrauch abgenutzet worden.

[2, 13, § 8] 161. Was immer aber für Fälle sich ergeben mögen, worinnen die Beschwerung, oder Veräußerung eines Fideicommisses nothwendig, oder nutzlich zu sein anscheinet, so solle jedesmal Unsere höchste Einwilligung darzu angesuchet, und hierbei Folgendes beobachtet werden:

[2, 13, § 8] 162. Erstens, daß die unausweichliche Nothdurft, oder der augenscheinliche

(2-244) Nutzen des Fideicommisses dargezeiget werde, wessentwegen dessen Beschwerung, oder Veräußerung erforderlich, oder vorträglich seie.

[2, 13, § 8] 163. Die Nothdurft zur zeitlichen Beschwerung kann damals fürwalten, wann der Wirthschaftstrieb des Fideicommißguts durch Zufälle, als durch gänzlichen Mißwachs, allgemeinen Viehunfall, große Feuersbrünsten, Ueberschwemmungen, Wetterschäden, feindliche Verheerungen, und dergleichen dergestalten zerrüttet worden, daß dessen Wiederherstellung aus den eigenen Kräften des Fideicommisses nicht erschwungen werden mag, oder wann in gemeinwesigem Nothstand das Wohl des Staats außerordentliche Anlagen, oder Darlehen von den Besitzern liegender Güter erheischet, welche aus den Einkünften des Fideicommisses nicht füglich bestritten werden könnten.

[2, 13, § 8] 164. Der Nutzen muß in einer offenbaren Verbesserung des Fideicommisses bestehen, als da ein minder erträgliches Fideicommißgut gegen ein anderes anständiges, und besser benutzt werden mögendes Gut vertauschet, oder gegen dessen Ankaufung verkaufet, oder ein von dem Fideicommißgut abgekommenes nutzbares Stuck wiederum eingelöset, oder Fideicommißgelder zu Anschaffung eines liegenden Guts verwendet, oder dagegen ein liegendes Fideicommißgut in ein Fideicommißcapital mit Nutzen verwandlet werden wolle, welchen Falls das eingetauschte, oder verwandlete allemal die Eigenschaft Desjenigen auf sich nimmt, was dagegen von dem Fideicommiß veräußert worden.

[2, 13, § 8] 165. Wir wollen aber den Fall der Nothdurft bei geschlechtlichen Trau- oder Stammgütern noch weiters auch auf die Versicherung des Heiratsbriefs und darin enthaltener mäßiger Gegenverschreibungen für die Ehegattinnen jeweiliger Fideicommißinhaberen dergestalten erstrecket haben, daß, wo der Stifter des Fideicommisses dieserwegen keine Vorsehung gemacht, und dem Fideicommißinhaber es an einem freieigenen Gut gebrechete, um hierauf den Heiratsbrief versicheren zu können, demselben verstattet sein solle, um Unsere höchste Einwilligung anzulangen, solchen auf dem Fideicommiß versicheren zu dürfen.

[2, 13, § 8] 166. Doch solle in diesem Fall das Fideicommiß nur zur Aushilfe insoweit haften, daß, was aus dem über kurz oder lang erwerbenden, oder ererbenden freieigenem Gut des Fideicommißinhabers nicht erholet werden kann, von dem Fideicommiß genommen werden möge.

[2, 13, § 8] 167. Zu welchem Ende das Gericht von amtswegen den Bedacht dahin zu nehmen hat, daß diese Haftung auf des Fideicommißinhabers etwan schon damals habenden, oder nachher erwerbenden freieigenem Gut da, wo es nöthig, vorgemerket, und andurch das Fideicommiß sichergestellet werde, doch ohne Schaden und Nachtheil sowohl Derjenigen, welche an einem solchen freieigenen Gut schon vorher ein früheres Recht mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern erworben haben, als auch der auf dem Fideicommiß versicherten Ehegattin, wann die vorangeordnete Vorsicht von Gericht aus anzuwenden unterlassen worden.

[2, 13, § 8] 168. Zweitens, daß der angebliche Fall der Nothwendigkeit, oder des Nutzens, welcher von dem Fideicommißinhaber vorgeschützet wird, durch die Gehörde verläßlich untersuchet, und Uns der Befund angezeiget werde.

[2, 13, § 8] 169. Drittens, daß alle Fideicommißanwartere hierüber vernommen, und bei geschlechtlichen Trau- oder Stammgütern der künftigen Nachkommenschaft zu ihrer Vertretung ein Curator bestellet werde, welcher ihr dabei unterwaltendes Recht in acht zu nehmen hat.

[2, 13, § 8] 170. Viertens, daß die Beschwerung, oder Veräußerung des Fideicommisses nur in derjenigen Maß, wie solche von Uns verstattet worden, und nicht weiter bei Strafe der Nichtigkeit dessen, was übermäßig ist, zugelassen, und die von Uns ausgemessene Wiederbefreiungs- oder Ergänzungsfristen ohnfehlbar eingehalten, worauf die Gehörde von amtswegen fürdenken solle.

[2, 13, § 8] 171. Würde aber die Wiederbefreiung, oder Ergänzung des Fideicommisses

(2-245) in den vorgeschriebenen Fristen nicht befolget werden, so solle die Gehörde längstens in drei Monaten nach der Verfallzeit einer solchen Frist die Einkünften des Fideicommisses in gerichtlichen Beschlag nehmen, und darmit so lange fortfahren, bis die verfallene Fristen gänzlich getilget worden.

[2, 13, § 8] 172. Und da sich ereignete, daß der Fideicommißinhaber vor Tilgung der Zeit seiner Inhabung verfallenen Fristen verstürbe, kann zwar dieses denen auf dem Fideicommiß mit Unserer höchsten Einwilligung versicherten Glaubigern zu keinem Nachtheil gereichen.

[2, 13, § 8] 173. Der Nachfolger an dem Fideicommiß aber hat Fug und Macht sich an des Vorfahrers hinterlassenem wo immer befindlichen freieigenen Gut für denjenigen Betrag zu halten, welchen derselbe für die Zeit seiner Inhabung abzuführen schuldig gewesen wäre. Er hätte dann von Uns eine weitere Nachsicht und Erstreckung der Fristen ausgewirket, oder es wäre erweislich, daß er durch Zufälle die Fristen einzuhalten verhinderet worden.

[2, 13, § 8] 174. Die Unveräußerlichkeit eines Fideicommißgutes währet so lange, als dasselbe mit der Eigenschaft eines Fideicommisses behaftet ist. Sobald aber diese aufhöret, es seie, daß die Bedingniß der weiteren Nachberufung ermangle, oder der einzige Nachberufene vor dem Erblasser verstorben, oder bei geschlechtlichen Traugütern alle Nachberufenen ausgestorben, so hat der letzte Fideicommißinhaber vollen Fug und Macht sowohl durch lebzeitige als letztwillige Anordnungen hierüber nach Gefallen zu ordnen.

§. IX.

[2, 13, § 9] 175. An Seiten des nachberufenen Erben sind die Wirkungen der vertraulichen Erbsnachberufung nach dreierlei Zeitpunkten zu unterscheiden, als: Erstens zur Zeit der Anwartung, zweitens zur Zeit der Nachfolge, drittens zur Zeit der Inhabung.

[2, 13, § 9] 176. Die Anwartung fängt gleich nach Absterben des Erblassers an, und dauert die ganze Zwischenzeit bis zur wirklichen Nachfolge in dem Fideicommiß fort, also daß nach dem Tod des Erblassers aus einer vertraulichen Erbsnachberufung der Erbanfall nicht weniger auf den nachberufenen Erben, als aus einer mit beigefügter gewissen Zeit gemachten Erbseinsetzung auf den eingesetzten Erben gehe, obschon Einer so wenig, als der Andere die Erbschaft vor der gesetzten Zeit forderen mag.

[2, 13, § 9] 177. Der Erbanfall wirket aber so viel, daß, wo der Nachberufene vor der Zeit der Nachfolge, oder der wirklichen Zuruckstellung, doch nach dem Erblasser verstürbe, derselbe das ihme aus der vertraulichen Erbsnachberufung gebührende Erbrecht auf seine Erben übertrage.

[2, 13, § 9] 178. Dieser Uebergang auf die Erben des Nachberufenen wird jedoch auf zweierlei Art verhinderet, als da entweder die Nachberufung unter einer beigesetzten Bedingniß geschehen, vor deren Ausgang der Nachberufene kein Recht hat, welches er auf seine Erben übertragen könnte, oder da der Erblasser ausdrücklich ein Anderes geordnet hätte, es seie, daß er die Erben des Nachberufenen namentlich ausgeschlossen, oder mehrere Grade der Nachberufung gemacht habe.

(2-246) [2, 13, § 9] 179. Dann, wo Mehrere nacheinander nachberufen worden, ist der Wille des Erblassers, daß nur Jene, welche berufen worden, zu dem Fideicommiß gelangen, ihre Erben aber ausgeschlossen bleiben, wann sie nicht mitberufen sind.

[2, 13, § 9] 180. Wann dahero ein Nachberufener vor Erfolg der Bedingniß, oder von mehreren nacheinander Nachberufenen Jener, der zur Nachfolge der Nächste wäre, vor der Zeit der wirklichen Nachfolge verstirbt, erlöschet die vertrauliche Nachberufung in seiner Person, ohne daß auf seine Erben ein Erbrecht übertragen würde.

[2, 13, § 9] 181. Indessen hat jegleichwohlen der unter einer Bedingniß Nachberufene, oder welcher unter mehreren Nachberufenen der Nächste ist, ein bedingtes Recht zu dem Fideicommiß also, daß er nicht weniger, wie ein jedweder anderer Nachberufener, auf den aus einer unbedingten Nachberufung der Erbanfall gegangen, Fug und Macht habe, Alles, was die Erhaltung und Sicherstellung des Fideicommisses erforderet, anzukehren.

[2, 13, § 9] 182. Es ist demnach ein jeder Anwarter berechtiget, nicht nur auf die Gebarung des Inhabers acht zu tragen, und allen Schaden und Nachtheil durch Schmälerung, Abödung, oder Veräußerung des Fideicommisses vorzukommen, sondern auch, wo ein Schaden geschehen wäre, auf dessen Ersatz und Wiederherstellung des Fideicommisses in den vorigen Stand anzudringen.

[2, 13, § 9] 183. Wo aber eine so üble Verwaltung des Fideicommißinhabers erweislich wäre, daß selbes Gefahr liefe, merklich geschmäleret und verkürzet zu werden, stehet dem Anwarter frei, solche bei Gericht anzuzeigen, welches nach vorläufiger Untersuchung der Sache nicht allein den Inhaber zum Ersatz des erweislich zugefügten Schadens zu verhalten, sondern auch ihme bei befundener Gefahr die Verwaltung zu benehmen, und sie einem über das Fideicommiß eigends bestellenden Curatori unter der Verrechnung aufzutragen, dem Inhaber aber lediglich die abfallenden Einkünften für die Zeit seiner Inhabung zu verabfolgen hat.

[2, 13, § 9] 184. Wann jedoch der Inhaber der gerichtlichen Auflage des zu leisten habenden Ersatzes kein Genügen leisten wollte oder könnte, so sind auch die Einkünften für die Zeit seines Besitzes so lange zuruckzuhalten, und darzu anzuwenden, bis daß hiervon das Fideicommiß völlig entschädiget worden.

[2, 13, § 9] 185. Da aber der Fideicommißinhaber von dem Fideicommiß etwas veräußerete, was schon vorhin mit dieser Eigenschaft landtäflich, stadt- oder grundbücherlich behaftet wäre, hat der Anwarter die Befugniß solches von einem jedweden dritten Besitzer unentgeltlich zuruckzuforderen, und wo er es behauptete, auch noch vor Erfolg der Zeit, auf welche er zu dem Fideicommiß berufen worden, sogleich für sich selbst zu genießen.

[2, 13, § 9] 186. Dahingegen, wo von dem Inhaber etwas, es seie an Fahrnissen, oder an liegenden Gütern, was zwar zum Fideicommiß gewidmet, doch aber zur Zeit mit dieser Eigenschaft landtäflich, stadt- oder grundbücherlich nicht behaftet wäre, veräußert worden, kann zwar der Anwarter deshalben wider einen dritten Besitzer keine Forderung stellen, wann seinerseits keine Gefährde unterwaltet.

[2, 13, § 9] 187. Er hat aber Fug und Macht, den Veräußerer zur Wiederherstellung des Fideicommisses, oder zum Erlag des Vollwerths anzuhalten, und sogleich in den Genuß des wieder beigebrachten Guts, oder erlegten Werths, welcher als ein Fideicommißgeld anzusehen werden solle, einzutreten, dessen der Inhaber zur Strafe billig zu entsetzen, und nebst deme alle auf die Wiederergänzung des Fideicommisses erweislich aufgewendete Schäden und Unkosten zu vergüten schuldig ist.

[2, 13, § 9] 188. Das Nemliche hat auch in dem Fall statt, wann der Anwarter selbst etwas dergleichen, was von dem Fideicommiß veräußeret worden, zu dessen Wiederergänzung von einem Dritten einlösete, in welchem Fall er nicht allein den Genuß des Wiedereingelösten in der Eigenschaft eines Fideicommisses für sich behält, sondern auch den Veräußerer oder dessen Erben um den Ersatz des erweislich ausgelegten Werths zu belangen berechtiget ist.

(2-247) [2, 13, § 9] 189. Ueber das hat eine unbedingte vertrauliche Erbsnachberufung, oder auch eine anfangs bedingte nach Erfolg der Bedingniß die Wirkung, daß sie allemal eine gemeine After-Erbseinsetzung auf dem Fall, wann der zuerst Eingesetzte nicht Erb sein will oder kann, stillschweigend in sich begriffe, woraus der Nachberufene auch damals, wann die Erbseinsetzung wegen nicht angetretener Erbschaft unwirksam wird, zu dem ihme beschiedenen Gut gelanget.

[2, 13, § 9] 190. Wo aber der erste Eingesetzte zur Erbschaft gelanget, und die von dem Erblasser bestimmte Zeit der Zuruckstellung an den Nachberufenen herangekommen, so ist zu unterscheiden, ob der erste Eingesetzte noch in dem Besitz des Fideicommisses befindlich seie oder nicht.

[2, 13, § 9] 191. Ersteren Falls gebühret dem Nachberufenen die aus der fideicommissarischen Anordnung, sie bestehe in einem letztwilligen Geschäft oder einer lebzeitigen Verschreibung, entspringende Rechtsforderung wider den Inhaber zur Zuruckstellung des Fideicommisses in derjenigen Maß, wie es der Stifter desselben angeordnet hat, mit allen seinen Zugängen, Zugehörungen, und von der Zeit der zu befolgen gehabten Zuruckstellung davon behobenen Früchten und Nutzungen.

[2, 13, § 9] 192. Letzteren Falls aber, wo das Fideicommiß durch Abgang des Vorfahrers erledigt ist, bedarf es keiner Rechtsforderung, sondern der Nächstberufene, wann er das ihme hierzu gebührende Nachfolgrecht gehörig erweiset, kann solches selbst gerichtlich antreten, und da etwas davon in Handen der Erben des Vorfahrers befindlich wäre, dieselben zu getreulicher Ausfolgung alles dessen, was nach Ausweis des Inventarii zum Fideicommiß gehöret, verhalten.

[2, 13, § 9] 193. Nach diesem Inventario ist allemal die Absönderung des Fideicommisses von dem freieigenen Gut des Vorfahrers vorzunehmen, und was von dem Fideicommiß erweislich abgehet, sind die Erben des Vorfahrers aus dessen freieigenen Gut anwiederum dahin zu ersetzen schuldig.

[2, 13, § 9] 194. Was aber bei einem Auflauf der Glaubiger über die Verlassenschaft des Vorfahrers der Forderung des Fideicommißnachfolgers wegen verwendeten oder verkürzten Fideicommißguts für ein Vorrecht an dem freieigenen Gut des Vorfahrers zustehe, wird nach dem Unterschied, ob das anforderende Fideicommißgut in der Verlassenschaft noch wirklich vorhanden oder schon verthan seie, in dem vierten Theil bei der Gant- oder Crida-Ordnung bestimmet werden.

[2, 13, § 9] 195. Nach überkommenen und angetretenen Fideicommiß gehen auch in der Maß Desjenigen, was ihme von der Erbschaft aus der vertraulichen Erbsnachberufung zugekommen, alle Erbsforderungen und Erbslasten auf den nachberufenen Erben, und da dieser von dem Erblasser zur weiteren Zuruckstellung nicht verhalten worden, oder von weiteren Nachberufenen keiner mehr vorhanden, sondern derselbe der letzte Berufene wäre, kann er darmit ebenso, als mit seinem freieigenen Gut schalten und walten.

[2, 13, § 9] 196. In Gegentheil, wo derselbe zur weiteren Zuruckstellung verbunden und mehrere Grade der Nachberufung gemacht worden wären, die noch nicht erloschen sind, ist er für einen vertraulichen Erben anzusehen, und sowohl seine Befugniß als Verbindlichkeit nach deme abgemessen, was davon in dem gleich vorhergehenden §. VIII geordnet worden.

§. X.

[2, 13, § 10] 197. Wann vertrauliche, in mehreren Graden bestehende Nachberufungen die Erhaltung eines Geschlechts zum Endzweck haben, heißet ein solches Fideicommiß


(2-248) eigentlich ein geschlechtliches Trau- oder Stammgut, weilen die Absicht des Stifters dahin abzielet, daß sein Gut immerfort bei seinem Geschlecht verbleiben solle.

[2, 13, § 10] 198. Derlei geschlechtliche Traugüter bestehen insgemein in liegenden Gütern, welchen aber diese Eigenschaft nicht anderst, als mit Unserer höchsten Einwilligung beigeleget werden kann, und solle bei deren Errichtung Alles beobachtet werden, was oben in §. VI bei denen auf mehrere Grade gerichteten vertraulichen Nachberufungen vorgeschrieben worden.

[2, 13, § 10] 199. Diese Unsere Einwilligung muß entweder von dem Stifter eines geschlechtlichen Trauguts noch bei Lebszeiten angesuchet, oder wenigstens von ihme der eingesetzte Erb in seinem letzten Willen zu deren Auswirkung verbunden werden. Wo aber der Erb dieser Auflage kein Genügen leisten wollte, kann zwar derselbe von den Nachberufenen hierzu verhalten werden, oder sie auch selbst hierum einkommen; doch hanget es allemal von Unserer Willkür ab, solche nach

(2-249) Gestalt der Sachen zu ertheilen oder abzuschlagen, ohne daß vor deren Erfolg den Nachberufenen das mindeste Recht gebührete.

[2, 13, § 10] 200. Würde nun solchen Falls Unsere Einwilligung versaget, so kommt es darauf an, ob der Erblasser die Grade der Nachberufung, oder die Ordnung der Nachfolge bereits selbst gemacht, oder deren Einrichtung dem eingesetzten Erben überlassen habe.

[2, 13, § 10] 201. Ersteren Falls bestehet auch in Abgang Unserer Einwilligung die fideicommissarische Anordnung gleichwohlen noch in einem Grad, welcher zunächst zur Wirkung kommt, dahingegen dieselbe in dem letzteren Fall für nicht geordnet zu halten ist, und der eingesetzte Erb hat die Macht, mit dem zum Fideicommiß gewidmeten Gut als mit seinem freieigenen Gut zu schalten und zu walten.

[2, 13, § 10] 202. Es muß ferners das errichten wollende geschlechtliche Traugut des Stifters freieigenes Gut, und niemand Anderen mit Haftungen und anderen hieran gebührenden Forderungen verfangen sein; maßen Wir keineswegs gemeinet sein, durch Unsere Einwilligung Jemanden an seinem habenden Recht zu verkürzen.

[2, 13, § 10] 203. In Gegentheil solle Jedermänniglich ohnerachtet Unserer Einwilligung zu Errichtung eines Fideicommisses freistehen, seine an dem hierzu gewidmeten Gut gebührende Rechten und Ansprüche nach wie vor auszuführen und zu betreiben.

[2, 13, § 10] 204. Und da es sich ergebete, daß dieses Gut, es seie wegen des einem Dritten hierauf zustehenden Rechts, oder wegen des verkürzten Pflichttheils nothwendiger Erben, oder auch Schulden halber, wann die übrige Verlassenschaft zu deren Abstattung nicht zureichend wäre, veräußeret werden müßte, so von dem Kaufschilling so vieles, als hieran nach Abstoßung der Forderungen erübriget würde, zu einem Fideiecommiß-Capital sicher anzulegen.

[2, 13, § 10] 205. Die Ordnung der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern kann ein jeder Stifter derselben nach eigener Willkür bestimmen, doch solle solche allemal bei Ansuchung Unserer Einwilligung zugleich zu Unserer Bestätigung mit angezeiget werden.

[2, 13, § 10] 206. Der Stifter ist hierinnen keinerdings an die von Uns in freieigenen Gütern vorgeschriebene gemeine Ordnung der Erbfolge gebunden, sondern, nachdeme er den Pflichttheil seinen nothwendigen Erben ohne Verkürzung ausgewiesen, kann derselbe zu seinem übrigen Vermögen, wen er immer wolle, berufen, und in eben derjenigen Ordnung, in welcher Einer nach dem Anderen gesetzt und berufen wird, folgt auch Einer dem Anderen nach.

[2, 13, § 10] 207. Insgemein sind dreierlei Arten der Nachfolge bei geschlechtlichen Traugütern gebräuchlich, als entweder nach der Ordnung der Erstgeburt, oder nach dem Alter von Jahren, oder endlich nach der näheren Verwandtschaft.

[2, 13, § 10] 208. Jedwede dieser drei Arten hat ihre besondere hiernach erklärende Maßregeln, wornach sich in der Ordnung der Nachfolge zu richten ist, ohne daß jedoch der Stifter beschränket wäre, sich lediglich an diese Arten zu halten, sondern derselbe kann die Ordnung der Nachfolge auf was immer für eine ihme gefällige Weise bestimmen, und ist hierinnfalls bloß allein dem buchstäblichen Inhalt der fideicommissarischen Anordnung nachzugehen.

[2, 13, § 10] 209. Wo der Stifter eines geschlechtlichen Trauguts die Nachfolge nach der Ordnung der Erstgeburt festgesetzet hat, gehet dieselbe von dem Erstgebornen auf den von ihme absteigenden Erstgeborenen und so weiter in der Reihe oder Linie des zunächst berufenen Erstgebornen ohnunterbrochen fort, solange einer von männlichen Stammen in dieser Reihe vorhanden ist.

[2, 13, § 10] 210. Wann demnach der berufene Erstgeborne vor oder nach erlangtem Besitz des Fideicommisses verstirbt, und männliche Leibeserben hinterläßt, schließen dieselben je und allezeit aus dem der Linie des Erstgebornen zustehenden Vorrecht ihres Vaters Bruder aus, dessen Reihe oder Linie nicht ehender zur

(2-250) Nachfolge gelangen kann, als bis die männliche Linie des Erstgebornen völlig erloschen ist.

[2, 13, § 10] 211. Stirbt hingegen der Inhaber eines nach Ordnung der Erstgeburt errichteten geschlechtlichen Trauguts ohne männlichen Leibeserben, so tritt diejenige Reihe oder Linie ein, welche nach der erloschenen die nächste ist, und wer in dieser der Erstgeborne männlichen Stammes ist, kommt zur Nachfolge, also daß in der zunächst eintretenden Linie weder auf den näheren Grad, noch auf das Alter von Jahren, sondern einzig und allein auf das Vorrecht der Geburt und das aus solchem sich auf alle Absteigende fort und fort erstreckende Vorstellungsrecht gesehen werden solle.

[2, 13, § 10] 212. Um aber die nächste Linie auszufinden, ist nicht allemal nöthig, auf den gemeinen Stammvater zuruckzugehen, wann sich unter demselben mehrere Nebenlinien untertheilen, sondern es solle nach Ausgang einer Linie in der Stammtafel von dem letztverstorbenen Inhaber zuruck hinaufgeschritten werden, bis daß man auf den nächsten Aufsteigenden gelange, von deme die Untertheilung der Hauptlinie anfängt, und welche von denen Nebenlinien der erloschenen Hauptlinie nach dem Vorrecht der Geburt die nächste ist, hat auch das nächste Recht zur Nachfolge.

[2, 13, § 10] 213. Wann alle männliche Abkömmlinge des Stifters eines geschlechtlichen Trauguts ausgegangen, und von ihme auf diesen Fall keine andere Vorsehung gemacht worden wäre, gebühret dessen etwan noch vorhandenen Aufsteigenden oder Seitenverwandten von seinem Namen und Stammen kein Recht zur Nachfolge, woferne sie von ihme nicht ausdrücklich berufen worden, sondern nach dem letzten Inhaber aus den Absteigenden des Stifters tritt die rechtliche Erbfolge ein, wann dieser darmit nicht anderst geordnet hätte.

[2, 13, § 10] 214. Wäre aber von dem Stifter auf dem Fall seiner ausgehenden männlichen Nachkommen seine Seitenverwandtschaft oder auch ein anderes Geschlecht berufen worden, so solle nicht weniger in der Linie des Nachberufenen eben also die Ordnung der Erstgeburt, wie bei seiner eigenen Nachkommenschaft statt haben, wann der Stifter keine andere Art der Nachfolge vorgeschrieben hätte.

[2, 13, § 10] 215. Dahingegen ist Niemand zur Nachfolge in einem geschlechtlichen Traugut zuzulassen, der nicht ausdrücklich darzu berufen worden, oder doch von der berufenen Linie abstammet, obschon derselbe übrigens von eben diesem Geschlecht, und mit dem Stifter oder mit dem letzten Inhaber noch so nahe verwandt wäre.

[2, 13, § 10] 216. Die zweite Art der Nachfolge nach dem Alter in Jahren ist der ersteren schnurgrad entgegen gesetzet, und da der Stifter eines geschlechtlichen Trauguts also geordnet hätte, daß darinnen je und allezeit der Aelteste von dem Geschlecht nachfolgen solle, wird weder auf die nähere Linie, noch auf den näheren Grad der Verwandtschaft gesehen, sondern wer zur Zeit des erledigten Fideicommisses von dem Geschlecht der Aelteste in Jahren ist, kommt darinnen zur Nachfolge.

[2, 13, § 10] 217. Es hat solchemnach bei diesen Fideicommissen die Regel nicht statt, daß die Nachfolge fortan bei der eingetretenen Linie fürwähre, und so lange Jemand von dieser Linie übrig ist, die anderen Linien ausgeschlossen bleiben, sondern das Recht zur Nachfolge gehet immerda von einer Linie zur anderen auf Jenen, welcher der Aelteste in Jahren ist, in was immer für einer Linie sich derselbe befinde, wann nur seine Linie in der fideicommissarischen Anordnung mit enthalten ist.

[2, 13, § 10] 218. Noch weniger kann in derlei Fideicommissen ein Vorstellungsrecht unter denen Absteigenden Platz greifen, wann selbe gleich von dem Aeltesten abstammeten, sondern das alleinige Alter in Jahren, und der einzige Zeitpunkt der früheren Geburt wirket das Vorrecht zur Nachfolge, welches sich an keinen Vorzug der Linie, oder eines näheren Grads bindet.

[2, 13, § 10] 219. Endlich da der Stifter eines geschlechtlichen Trauguts, ohne Jemanden

(2-251) insonderheit zu benennen, je und allezeit den Nächsten von der Verwandtschaft seines Namens und Stammes darzu berufen hätte, kommt Jener zur Nachfolge, welcher von männlichen Stammen nach Ordnung der gemeinen Erbfolge dem letztverstorbenen Inhaber der Nächste ist, wann jedoch dieser von dem Geschlecht ware.

[2, 13, § 10] 220. Widrigens, und da der Erblasser Jemanden, der nicht von dem Mannsstammen seines Geschlechts wäre, vorgesetzet, und nach ihme den Nächsten von seiner Verwandtschaft berufen hätte, ist darauf zu sehen, welcher dem Erblasser zum nächsten verwandt seie, und wer von dem Mannsstammen ihme zur Zeit seines Absterbens zum nächsten verwandt ware, dieser hat auch das nächste Recht zur Nachfolge.

[2, 13, § 10] 221. Wann mehrere von Mannsstammen in gleichen Grad zusammentreffen, und von dem Erblasser der Vertheilung des Fideicommisses durch eine anderweite Vorsehung nicht vorgebogen worden, kommen auch diese zugleich zur Nachfolge, und hat solchen Falls bei der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern das Vorstellungsrecht, kraft wessen die Absteigenden an die Stelle ihrer verstorbenen Eltern eintreten, in eben derjenigen Maß statt, in welcher solches bei gemeinen Erbfolgen eingeführet ist, wornach also die Nachfolge in die Stämme, und nicht in die Häupter gehet.

[2, 13, § 10] 222. In geschlechtlichen Traugütern gelangen nur die Verwandten nach dem männlichen Stammen zur Nachfolge, und zwar nach derjenigen Ordnung, in der sie von dem Stifter hierzu berufen worden, ohne daß dabei zwischen Vollbürtigen von einerlei Vater und Mutter, und denen Einbürtigen von dem Vater allein ein Unterschied fürwalte, sondern es ist bloß auf die Verwandtschaft nach dem Mannsstammen zu sehen, worzu das mütterliche Band nichts beiträgt.

[2, 13, § 10] 223. Welche hingegen nach dem weiblichen Stammen verwandt sind, und um so mehr die Weiber selbst, und ihre sowohl männliche als weibliche Absteigende haben in derlei Gütern kein Recht zur Nachfolge, wann sie nicht ausdrücklich darzu berufen worden.

[2, 13, § 10] 224. Wo sie aber der Stifter nach Ausgang des Mannsstammes mittelst mehrerer Graden berufen hätte, ohne daß in Ansehung ihrer von demselben eine gewisse Art der Nachfolge vorgeschrieben worden wäre, folgen sie in der nemlichen Ordnung, welche derselbe für seine männliche Nachkommenschaft festgesetzet hat, und überhaupt ist die in den vorhergehenden Graden der Nachberufung bestimmte Ordnung der Nachfolge auch die Richtschnur für alle Nachgesetzte, wann der Stifter keine andere ausgedrucket hat.

[2, 13, § 10] 225. Doch bleiben die Weiber und ihre Nachkommen außer deren namentlicher Nachberufung von der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern nur insolange ausgeschlossen, als der berufene Mannsstammen fürwähret. Nach dessen Erlöschung aber, und da weder der Stifter auf solchem Fall weitere Grade der Nachberufung gemacht, noch der letzte Inhaber anderst darmit geordnet hätte, gehet auch ein solches Gut in der Eigenschaft eines freieigenen Guts auf jene weibliche Verwandte, welche dem letzten Inhaber nach Ordnung der gemeinen Erbfolge die nächsten sind.

[2, 13, § 10] 226. Wer immer aber zu einem geschlechtlichen Fideicommiß berufen ist, muß die Fähigkeit zur Nachfolge haben, widrigens ist derselbe davon ausgeschlossen. Die Unfähigkeit rühret entweder von unechter Geburt, oder von Erwählung eines mit der Absicht des Stifters nicht vereinbarlichen Standes, oder von einem Verbrechen, oder von der selbsteigenen Ausschließung des Stifters her, welche in der fideicommissarischen Anordnung enthalten ist.

[2, 13, § 10] 227. Unehelich erzeugte Kinder, und ihre obschon rechtmäßige Abkömmlinge sind, wie aller anderen Rechten der Verwandtschaft, also auch der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern gänzlich unfähig, welche aber durch die nachgefolgte

(2-251) Ehe rechtmäßig worden, werden nicht weniger zur Nachfolge in Fideicommissen wie in freieigenen Gütern zugelassen.

[2, 13, § 10] 228. Es seie dann, daß der Stifter die außer der Ehe geborne oder erzeugte Kinder, wann sie gleich durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig würden, ausdrücklich von der Nachfolge in Fideicommiß ausgeschlossen hätte, deren Ausschließung einem jeden Stifter geschlechtlicher Traugüter zu Erhaltung der Reinigkeit seines Geschlechts zugelassen sein solle.

[2, 13, § 10] 229. In welchem Fall, und da Jemandes Rechtmäßigkeit wegen früherer oder späterer Geburt in Zweifel gezogen würde, sich nach denenjenigen Maßregeln zu richten ist, welche in ersten Theil in der Abhandlung von dem Stand der Menschen vorgeschrieben worden.

[2, 13, § 10] 230. Wo aber auch unehelich erzeugte, und nachhero ehelich gemachte Kinder von dem Stifter nicht ausgeschlossen würden, so bleibt doch der Fall allemal ausgenommen, wann durch deren Zulassung das aus der früheren ehelichen Geburt allschon erworbene Recht eines Anderen, ehelich Erzeugten bekränket würde.

[2, 13, § 10] 231. Also da es um die Nachfolge in ein nach Ordnung der Erstgeburt errichtetes Fideicommiß zu thun wäre, und zur Zeit der Rechtmäßigung bereits vorhero ehelich erzeugte Söhne vorhanden sein würden, kann der erst nachhero durch die darauf gefolgte anderte Ehe ehelich gemachte, obschon vor jenen außer der Ehe früher erzeugte Sohn sich des Rechts der Erstgeburt nicht anmaßen, sondern er muß allen seinen vor der Zeit seiner Rechtmäßigung ehelich erzeugten Brüdern nachstehen, und kann nicht ehender zur Nachfolge gelangen, als bis sie und ihre männliche Abkömmlinge erloschen sind.

[2, 13, § 10] 232. Gleichergestalten, wo die Nachfolge in ein Fideicommiß nach dem Alter von Jahren festgesetzet wäre, haben alle Diejenigen von dem Geschlecht, welche vor der Zeit seiner Rechtmäßigung allschon ehelich geboren sind, vor seiner das Vorrecht zur Nachfolge, und kann sein Alter, wann das Erbfolgerecht davon abhanget, nicht von der Zeit seiner Geburt, sondern von der Zeit seiner Rechtmäßigung, um den Vorzug zur Nachfolge vor Anderen zu haben, gerechnet werden.

[2, 13, § 10] 233. Jene unehelich Erzeugte hingegen, welche Wir aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit für rechtmäßig erklären, bleiben zur Nachfolge in Fideicommissen allzeit unfähig, wann Wir selbe nicht ausdrücklich zugleich darzu fähig machen, und der Inhalt Unseres Gnadenbriefs solches nicht wortdeutlich besaget.

[2, 13, § 10] 234. Belangend aber Diejenigen, welche aus einer zwar an sich ungiltigen, jedoch entweder von beiden Theilen, oder wenigstens von dem Vater mit guten Glauben für giltig gehaltenen Ehe erzeuget, und insgemein ehelich und rechtmäßig zu sein vermeinet worden, diese sind nur damals zur Nachfolge in das Fideicommiß fähig, wann sie bis zur Zeit der auf sie gelangenden Nachfolge durch die allgemeine Vermuthung für ehelich und rechtmäßig geachtet werden. Dahingegen woferne noch vor dieser Zeit die Giltigkeit der Ehe, aus der sie erzeuget worden, angefochten, und solche nachher für ungiltig erkennet würde, haben dieselben kein Recht zur Nachfolge.

[2, 13, § 10] 235. Wegen Erwählung eines mit der Absicht des Stifters nicht vereinbarlichen Standes werden von der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern Ordensgeistliche ausgeschlossen, welche durch Ablegung feierlicher Ordensgelübden sich dem Klosterleben widmen, und andurch der Welt absterben.

[2, 13, § 10] 236. Weltgeistliche in Gegentheil sind in eben der Maß, wie alle andere Anverwandte weltlichen Standes zur Nachfolge in geschlechtlichen Fideicommissen allerdings fähig, wann sie von dem Stifter nicht besonders davon ausgeschlossen worden, welches zu thun ihme ohne Widerrede freistehet.

[2, 13, § 10] 237. Uebrigens sind alle Andere, welche zur Erbfolge in freieigenen Gütern unfähig sind, oder sich darzu durch Verbrechen unwürdig machen, auch von der Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern ausgeschlossen.

(2-253) [2, 13, § 10] 238. Endlich können auch Jene darinnen nicht zur Nachfolge gelangen, welche die von dem Stifter erforderte Eigenschaft nicht haben, oder bei welchen die Bedingniß, unter welcher sie berufen worden, ermanglet.

[2, 13, § 10] 239. Weme aber von den Berufenen weder die allgemeine Ausschließung Unseres Gesatzes, noch die besondere Ausschließung entgegen stehet, dieser ist zur Nachfolge in geschlechtlichen Traugütern fähig, und, da der Fideicommißanfall auf ihn gelanget, tritt derselbe in alle Rechten eines Nachberufenen so wie in alle Verbindlichkeiten eines vertraulichen Erbens ein, welche so eine als die anderen oben in §. VIII und IX beschrieben worden.

[2, 13, § 10] 240. Es hat demnach ein jeder Inhaber eines geschlechtlichen Trauguts hieran nur ein beschränktes Eigenthum, welches ihme zwar allen davon abfallenden Nutzen und Vortheil für die Zeit seiner Inhabung zueignet, dahingegen keine beharrliche Belastung, Veräußerung oder Schmälerung des Guts selbst gestattet.

[2, 13, § 10] 241. Alle für die Zeit der Inhabung eingehobene Nutzungen gehören dahero dem Vorfahrer, sowie dagegen alle zur Zeit des Anfalls noch hangende Früchten dem Nachfolger.

[2, 13, § 10] 242. Die Erben des Vorfahrers sind jedoch allemal verbunden, dem Nachfolger bis zur Zeit der neuen Fechsung so vieles an Wirthschaftserfordernissen beizulassen, als zu dem mittlerweiligen Wirthschaftstrieb nach dem jedweden Orts üblichen Landesgebrauch, wie es oben in ersten Capitel, §. VII, mit Mehreren ausgemessen worden, nöthig ist.

[2, 13, § 10] 243. Gleichwie aber solchergestalten der antretende Inhaber die eingerichtete Wirthschaft erhalten, also können in Gegentheil seine Erben bei Abtretung des Fideicommißguts von dem Nachfolger wegen der zu dieser Zeit noch hangenden Früchten für den Samen, und andere auf deren Erzeugung gemachte Auslagen keinen Ersatz anforderen.

[2, 13, § 10] 244. Bei ausständigen Zinsen, Pacht- und Bestandgeldern, dann Frohndiensten oder Roboten, macht der Sterbtag des Inhabers den Abschnitt, also daß so vieles, als hieran bis zu diesem Tag verfallen ist, den Erben des Vorfahrers zu guten gehe, dahingegen der von diesem Tag an laufende weitere Betrag dem Nachfolger allein gebühre.

[2, 13, § 10] 245. Hiervon sind aber die Erbgrundzinsen, welche zur Anerkanntniß der Grundherrlichkeit abgereichet werden, wie nicht weniger die Veränderungsgebühren und sogenannte Pfundgelder ausgenommen, maßen hierbei lediglich auf deren Verfallzeit zu sehen ist, dergestalten, daß solche keineswegs getheilet werden, sondern deme ganz zuzukommen haben, unter wessen Besitz sie verfallen sind.

[2, 13, § 10] 246. Nicht weniger leidet obige Regel bei Bestand-, Mieth- oder Pachtzinsen, für Aecker, Gärten, Weinberge, Wiesen, Teiche und dergleichen Dinge, welche keinen steten Nutzen tagtäglich, sondern nur zu einer gewissen Jahrszeit abwerfen, einen Abfall, wobei sich nur nach der Fechsungs- und Einsammlungszeit zu richten ist, also daß Demjenigen der ganzjährige Zins allein gebühret, unter wessen Besitz die Nutzungen, wofür der Zins bezahlet wird, eingesammlet worden.

[2, 13, § 10] 247. Wann hingegen der Pacht- oder Bestandzins für ein aus Dingen von beiderlei Art, welche theils von steter, theils nur von einstweiliger Nutzung sind, bestehendes Ganzes überhaupt bedungen worden, ohne die Stücke dabei besonders anzuschlagen, also daß wieviel an Zins für eine oder die andere Gattung gebühre, sich nicht abnehmen lasse, solchen Falls hat es bei der ersten Regel sein Bewenden, daß dieser Zins nach Maß der beiderseitigen Besitzzeit getheilet werden solle.

[2, 13, § 10] 248. Aller von dem Fideicommißgut eingehender Nutzen gebühret zwar dem Inhaber, insoweit als von dem Stifter keine Einschränkung deswegen geschehen, doch hat sich derselbe in dessen Behebung also zu betragen, daß er solchen nicht völlig erschöpfe, und dem Nachfolger das leere Nachsehen lasse, sondern wie es einem

(2-254) guten Haushalter geziemet, das Fideicommiß in jeweiligen gleich nutzbaren Stand erhalte.

[2, 13, § 10] 249. Was dahero von einem erschöpflichen Nutzen ist, als Waldungen, Erzgruben, Steinbrüche und dergleichen, davon ist er nicht befugt, sich ein Mehreres zuzueignen, als was nach dem ordentlichen Wirthschaftstrieb in einem jedweden Jahrgang zur eigenen Nothdurft oder zum Verkauf verwendet zu werden pfleget.

[2, 13, § 10] 250. Wo aber von ihme diese Maß überschritten würde, hat all Uebriges, wo es noch vorhanden, bei dem Fideicommiß zu verbleiben, oder da es schon verthan wäre, ist dessen Werth dem Nachfolger zu ersetzen.

[2, 13, § 10] 251. Ein Gleiches ist von übermäßigen Windbrüchen zu verstehen, welche der Fideicommißinhaber nur in derjenigen Maß zu seinem Nutzen verwenden kann, als der jährliche Holzschlag beträgt. Was aber diesen übersteiget, gehöret dem Nachfolger.

[2, 13, § 10] 252. Noch weniger aber kann ein Fideicommißinhaber die zu dem Fideicommißgut sich ergebende Zugänge, welche dasselbe vermehren und erträglicher machen, für sein freieigenes Gut ansehen, sondern Alles, was auf solche Art dem Fideicommiß, es seie durch eigene Mitwirkung des Inhabers, oder von Ohngefähr zuwächst, hat bei dem Fideicommiß zu bleiben, obschon dem Inhaber der Nutzen davon zukommt.

[2, 13, § 10] 253. Die Erhaltung eines geschlechtlichen Trauguts ist also die vorzügliche Schuldigkeit eines jedweden Inhabers, woraus folget, daß die Erben des Vorfahrers keine wie immer Namen habende nothwendige Auslagen, sie mögen auf die laufende Wirthschaftsausgaben, oder auf die Beibehaltung Dach und Fachs oder auf die beharrliche Erhaltung des Guts selbst verwendet worden sein, von dem Nachfolger zuruckforderen können, sondern ein jeder Inhaber solche selbst zu tragen schuldig seie, wiewohlen insgemein bei anderen zeitlichen Fideicommissen außer geschlechtlichen Traugütern nach der oben §. VIII enthaltenen Ausmessung das Gegentheil statt hat.

[2, 13, § 10] 254. Wann dahero ein geschlechtliches Traugut von einem Dritten ansprüchig gemacht wird, ist der jeweilige Inhaber die auf den Rechtsstritt zu verwenden bemüßigte Kosten nicht weniger als jene Auslagen, welche auf den Beweis des strittigen Erbfolgrechts, oder der in Anstand gezogenen näheren Verwandtschaft aufgehen, ohne einigen Ersatz selbst zu bestreiten schuldig.

[2, 13, § 10] 255. Dahingegen, wo der nächste Anwarter das in Handen eines Dritten unter der Eigenschaft eines freieigenen Guts befindliche Fideicommiß, oder einen darzu gehörigen Theil durch einen Rechtsstritt auf seine Gefahr und Unkosten auszufechten bemüßiget gewesen wäre, sind ihme billig die erweislich ausgelegte Kosten nach richterlicher Mäßigung auf sein oder seiner Erben Anlagen von dem Betrag des Fideicommisses zu ersetzen, obschon dasselbe durch diesen Abzug verminderet würde.

[2, 13, § 10] 256. Was aber die von einem Inhaber zu Verbesserung des Fideicommisses gemachte nutzliche Auslagen anbelanget, woraus dem Nachfolger ein mehrerer Nutzen zufließet, diese sind allerdings von dem Nachfolger seinen Erben in derjenigen Maß zu vergüten, wie es oben in dritten Capitel, §. III, in Ansehung eines Besitzers mit guten Glauben vorgeschrieben worden, gleichwie dann auch ihnen allthunliche Absönderung lustbringender Kosten nicht verwehret werden mag.

[2, 13, § 10] 257. Die geschlechtlichen Traugüter erlöschen so wie alle andere Fideicommissen entweder mit dem Untergang der Sache, welche mit dem Fideicommiß behaftet ist, oder mit Willen des Stifters, oder mit Abgang der Nachberufenen oder mit ihrem Willen.

[2, 13, § 10] 258. Der Untergang der Sache muß sich zufällig, oder doch ohne Gefährde und großer Schuld des Inhabers ergeben, widrigens bleibet die Eigenschaft des Fideicommisses in dem Werth dessen, um was dasselbe aus seiner Schuld

(2-255) verkürzet worden, haften, zu wessen Ersatz er verbunden ist. Gehet aber ein Theil des Fideicommisses zufälliger Weise zu Grund, so wird dasselbe nichtsdestoweniger in dem noch übrigen Theil erhalten.

[2, 13, § 10] 259. Aus dem Willen des Stifters erlöschet das Fideicommiß durch seine Widerrufung, welche ihme bei letztwilligen Anordnungen bis zu dem letzten Lebensabdruck freistehet, obschon er Unsere Einwilligung zu Errichtung eines Fideicommisses bereits erwirket hätte; wo aber das Fideicommiß in Lebzeiten durch eine ordentliche Verschreibung errichtet worden wäre, kann dasselbe, wann sonst an Seiten des Stifters keine vorhergegangene Verbindlichkeit unterwaltet, nur aus solchen Ursachen, welche nach Ausweis des siebenten Capitels zur Aufhebung der Schankungen hinlänglich sind, widerrufen werden.

[2, 13, § 10] 260. Nicht weniger ist das Fideicommiß mit Willen des Stifters aufgehoben zu achten, wann die Bedingniß, unter welcher es errichtet worden, ermanglet, oder die Zeit auf welche es gestiftet worden, verflossen ist.

[2, 13, § 10] 261. An Seiten der Nachberufenen erlöschet das Fideicommiß erstens, wann Alle ausgegangen und Niemand mehr vorhanden ist, welcher darzu berufen wäre, welchen Falls der letzte Inhaber zwar bei Lebzeiten, solange noch die Hoffnung eines nachgeboren werden mögenden Anwarters anscheinet, zu dessen Erhaltung verbunden bleibt, auf den Todesfall aber darmit nach Gefallen ordnen, und es auf seine Erben übertragen kann.

[2, 13, § 10] 262. Zweitens, durch Verzicht der Nachberufenen, sie geschehe ausdrücklich oder stillschweigend mittelst Einwilligung in eine Handlung, welche auf die Aufhebung des Fideicommisses abzielet, wann zu einer solchen ausdrücklichen oder unter der Handlung stillschweigend enthaltenen Verzicht Unsere höchste Bestätigung hinzutritt.

[2, 13, § 10] 263. Ohne dieser Unserer Bestätigung aber stehet zwar jedwedem Anwarter frei, welcher großjährig ist, und die eigene Verwaltung seines Vermögens hat, sich seines aus der fideicommissarischen Anordnung angebührenden Rechts zu verzeihen und zu begeben, doch schadet eine solche Verzicht nur ihme allein und niemanden Anderen, wann gleich dieser von ihme abstammete.

[2, 13, § 10] 264. Dahingegen, darmit aus einer solchen Verzicht oder Handlung auch alle in Hinkunft nachkommende Anwartere verbunden, und von dem Recht zur Nachfolge ausgeschlossen, oder das Fideicommiß andurch ganz oder zum Theil aufgehoben werden möge, hierzu ist allemal nach vorläufiger Vertretung der Nachkommenschaft durch einen eigends derselben zu bestellen habenden Curatoren Unsere höchste Einwilligung nothwendig, ohne dieser aber die Verzicht oder Handlung denen Nachkommenden ganz und gar ohnnachtheilig.

[2, 13, § 10] 265. Drittens, durch die Veräußerung des Fideicommisses, wann solche mit Genehmhaltung aller Anwarteren und des der Nachkommenschaft zu bestellen habenden Curatoris, dann mit Beitretung Unserer höchsten Einwilligung geschieht; woferne aber ein Fideicommißinhaber eigenmächtig etwas davon veräußerete, wird derselbe über die Verbindlichkeit das Fideicommiß wieder zu ergänzen zur Strafe des Genusses von Demjenigen verlustig, was von ihme veräußeret worden, welches sogleich dem nächsten Anwarter zukommt.

[2, 13, § 10] 266. Viertens, durch richterlichen Spruch und Urtheil, wann anmit das Fideicommiß für ein freieigenes Gut erkennet wird, dahingegen wo durch den Spruch die Eigenschaft eines Fideicommißguts nicht geändert, sondern solches nur dem einen Anwarter ab, und dem anderen in eben dieser Eigenschaft zugesprochen würde, schadet solches dem Fideicommiß nicht.

[2, 13, § 10] 267. So oft aber die Eigenschaft eines Fideicommißguts bestritten, und dasselbe von einem Dritten als sein freieigenes Gut oder sonst wegen einer hieran forderenden Haftung ansprüchig gemacht wird, sollen allemal gesammte Fideicommißanwartere belanget, und von Gericht aus zur Vertretung der berufenen künftigen

(2-255) Nachkommenschaft ein Curator bestellet werden, widrigens ist das ohne dieser Vorsicht ergangene Urtheil null und nichtig.

[2, 13, § 10] 268. Alle andere Ursachen, wegen welcher ein Anwarter zur Nachfolge in Fideicommiß unfähig ist, oder sich sonst darzu unwürdig macht, schließen zwar seine Person davon aus, das Fideicommiß aber währet bei den übrigen Nachberufenen, welche darzu fähig sind, noch immer fort, solange Einer von ihnen vorhanden ist. Es wäre dann das Verbrechen, wessentwegen Jemand des Fideicommisses verlustig wird, also beschaffen, daß andurch nach Maßgebung Unserer peinlichen Gerichtsordnung das Fideicommiß selbst verwirket würde.

Caput XIV.

Von dem Pflichttheil.

Inhalt:

§. I. Von der Wesenheit des Pflichttheils §. II. Von dem Pflichttheil der Absteigenden. §. III. Von dem Pflichttheil der Aufsteigenden. §. IV. Von der Art und Weis den Pflichttheil zu verlassen. §. V. Von Berechnung des Pflichttheils. §. VI. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung und Ergänzung des Pflichttheils. §. VII. Von Verlustigung des Pflichttheils und dessen Verminderung oder Beschwerung.

§. I.

[2, 14, § 1] Num. I. Die Freiheit eines Erblassers nach eigener Willkür Erben einzusetzen, andere nachzuberufen, und überhaupt mit seinem Hab und Gut nach Gefallen letztwillig zu ordnen, erstrecket sich nur so weit, als der für die nothwendige Erben, wann er deren einige hätte, hiernach bestimmende Pflichttheil andurch nicht verkürzet wird.

(2-257) [2, 14, § 1] 2. Der Pflichttheil ist ein Theil des Vermögens, welchen der Erblasser aus Anordnung Unserer Gesetzen seinen nothwendigen Erben zu verlassen schuldig ist. Nothwendige Erben aber sind die Kinder, und wann keine vorhanden, sodann die Eltern Desjenigen, um dessen Erbschaft es zu thun ist.

[2, 14, § 1] 3. Dieser Theil der Verlassenschaft wird von darumen ein Pflichttheil genennet, weilen die Gesetze selbst dem Erblasser diese Pflicht auferlegen, welcher sich derselbe in keinerlei Wege entschütten kann, die Kinder oder Eltern mögen eigenes Vermögen haben oder nicht.

[2, 14, § 1] 4. Er ist allemal als ein Theil der Erbschaft anzusehen, und begreifet nach Maß seines Betrags alle Erbrechte, welche sonst einem Erben gebühren, doch mit dem Unterschied von anderen letztwillig angewiesenen Erbtheilen, daß er nicht wie jene, von dem Erblasser beschweret werden mag.

[2, 14, § 1] 5. Es stehet dahero nicht in der Macht des Erblassers etwas, was es immer seie, zur Verkürzung des Pflichttheils zu veranlassen, noch weniger solchen mit Beifügung einer Bedingniß, Zeit oder sonstigen Auflage auf was immer für Weise zu beschweren.

[2, 14, § 1] 6. In Gegentheil ist derselbe schuldig, solchen von seinem ganzen Vermögen, wie es zur Zeit seines Tods gewesen, frei und ungemindert zu verlassen, wo aber von ihme etwas beigesetzet würde, was zu dessen Beschwerung gereichete, ist solches für nicht geordnet zu halten.

§. II.

[2, 14, § 2] 7. Die Ersten, welchen der Pflichttheil gebühret, sind die Kinder und Absteigenden des Erblassers überhaupt, welche nach der Ordnung der rechtlichen

(2-258)Erbfolge zu der Erbschaft die Nächsten sind, also daß in der nemlichen Linie der Nähere den Weiteren, mithin der Sohn den von ihme abstammenden Enkel ausschließe.

(2-259) [2, 14, § 2] 8. Dahingegen die von den vorgestorbenen Söhnen und Töchtern hinterlassene Enkeln, so wie alle weitere Absteigende durch das Vorstellungsrecht in die Stelle ihrer verstorbenen Eltern eintreten, und für ihren Antheil so vieles zu empfangen haben, als ihre Eltern wann sie am Leben wären, bekommen hätten.

[2, 14, § 2] 9. Dieses Vorstellungsrecht hat in der Reihe der Absteigenden immerfort statt, dergestalten, daß wo in einer Linie dieser Ordnung der Absteigende keinen Näheren vor seiner hat, derselbe, obschon Nähere von anderen Linien in eben dieser Ordnung vorhanden sind, jegleichwohlen mit ihnen zu einem solchen Antheil zugelassen werde, welcher Demjenigen, den er in seiner Linie vorstellet, zugekommen wäre, wie all dieses unten in zwanzigsten Capitel von der rechtlichen Erbfolge mit Mehreren erkläret wird.

[2, 14, § 2] 10. Den Pflichttheil der Absteigenden bestimmen Wir für allgemein auf die Halbscheide des gesammten liegend und fahrenden, klaren, frei vererblichen Vermögens ohne Unterschied der Zahl oder Geschlechts der Kinder, es mögen eines, oder mehrere, Söhne oder Töchter sein.

[2, 14, § 2] 11. Ist nur ein Sohn oder Tochter vorhanden, gebühret denselben allein der ganze Pflichttheil, sind aber mehrere Kinder ersten Grads, das ist Söhne oder Töchter, so kommt ihnen der Pflichttheil zu gleichen Theilen nach den Häuptern oder nach der Zahl ihrer Personen zu, dergestalten, daß hiervon so viele Theile gemacht werden sollen, als Personen sind.

[2, 14, § 2] 12. Desgleichen, wo keine Söhne oder Töchter mehr am Leben, sondern nur ein Enkel von vorgestorbenen Sohn oder Tochter vorhanden ist, hat dieser allein den ganzen Pflichttheil zu beziehen, welches in eben dieser Maß von allen weiteren Absteigenden zu verstehen ist.

[2, 14, § 2] 13. Da aber Enkeln von vorgestorbenen Söhnen oder Töchtern mit noch lebenden Kindern ersten Grads zusammentreffen, gelangen Jene aus dem Vorstellungsrecht mit diesen zu dem Pflichttheil nicht nach den Häuptern, sondern nach ihren Stämmen.

[2, 14, § 2] 14. Deme gemäß sollen von dem Pflichttheil so viele Kindstheile gemacht werden, als Kinder ersten Grads an der Zahl wären, wann sich noch alle am Leben befänden, und die Enkeln eines jeden vorgestorbenen Sohns oder Tochter zusammen bekommen denjenigen Kindstheil, welcher auf ihren vorgestorbenen Vater oder Mutter ausgefallen wäre.

[2, 14, § 2] 15. Eben also treten die Urenkeln in die Stelle des vorgestorbenen Enkels, und so fortan allzeit die Weiteren in die Stelle der Näheren, dergestalten, daß eine jedwede absteigende Person allemal ihren vorgestorbenen Vater oder Mutter vorstelle, und von dem Pflichttheil so vieles erhalte, als was ihrem Vater oder Mutter, wann sie noch am Leben wären, gebühret hätte.

[2, 14, § 2] 16. Sind keine Söhne oder Töchter, sondern lauter Enkeln von einem vorgestorbenen Sohn oder Tochter vorhanden, so ist der Pflichttheil unter ihnen nach den Häuptern, oder nach der Zahl ihrer Personen zu vertheilen, welches ingleichen

(2-260) in dem Fall statt hat, wann weder Kinder ersten Grads noch Enkeln, sondern lauter Urenkeln von einem vorgestorbenen Enkel vorhanden sind.

[2, 14, § 2] 17. Wann es aber Enkeln von mehreren Kindern, oder Urenkeln von mehreren Enkeln sind, erben sie den Pflichttheil ohnerachtet der zwischen ihnen fürwaltenden Gleichheit des Grads nach den Stämmen, und bekommen ohnangesehen ihrer mehr oder minderen Zahl nicht mehr, als ihr Vater oder Mutter, wann sie am Leben wären, erhalten hätten.

[2, 14, § 2] 18. Was jedoch auf einen Stammen an dem Pflichttheil ausfällt, ist unter denen, welche von diesem Stammen unmittelbar in ersten Grad absteigen, nach den Häuptern, unter Jenen aber, welche davon in weiteren Grad absteigen, oder aus dem Vorstellungsrecht mit Näheren, als Urenkeln mit Enkeln zusammentreffen, nach den Stämmen zu vertheilen.

[2, 14, § 2] 19. Ueberhaupt ist bei Theilungen nach den Stämmen eine ohnfehlbare Richtschnur, daß so vielerlei Absteigungen bei einem Stammen vorkommen, auch so vielerlei Untertheilungen des Stammtheils zu machen sind, und zwar in dem ersten Grad der Absteigung von diesem Stammen nach den Häuptern; in allen weiteren Graden aber, sie mögen allein oder mit Näheren zusammentreffen, nach den Stämmen, folglich bei einem jedweden Grad der Pflichttheil umso minder ausfalle, je öfter derselbe untertheilet wird.

[2, 14, § 2] 20. Die Haupttheilung geschieht allemal nach der Zahl der Stämmen, das ist nach der Anzahl aller sowohl lebenden, als vorgestorbenen Kindern ersten Grads, also daß so viele Stämme sind, als Söhne oder Töchter.

[2, 14, § 2] 21. Was nun auf einen Stammen ausfällt, wird unter die Enkeln der Vorgestorbenen zuerst untertheilet. Wo aber mit ihnen Urenkeln von vorgestorbenen Enkeln zusammentreffen, geschieht unter diesen die zweite Untertheilung desjenigen Theils, welcher auf einen Enkel ausgefallen, und eben also ist auch die dritte und weitere Untertheilung des einem Urenkel gebührenden Theils zu machen, wann von ihme Ururenkeln oder noch weitere Absteigende, so sich zwar seltsam ereignet, vorhanden wären.

[2, 14, § 2] 22. Solchergestalten gebühret dieser obausgemessene Pflichttheil den Absteigenden beiderlei Geschlechts für allgemein ohne Unterschied nach Vater und Mutter, väterlichen und mütterlichen Groß- und Ureltern, und hat der Erblasser nur die Macht, mit der anderen Halbscheide seines Vermögens letztwillig zu ordnen.

[2, 14, § 2] 23. Nur allein wollen Wir bei Personen Herren- und Ritterstandes,

(2-261) welche in einem Unserer deutschen Erblanden das Recht der Landmannschaft wirklich erworben haben, den Mannsstammen besonders dahin begünstigen, daß nach dem

(2-262) Vater und väterlichen Groß- oder Urgroßvater die Halbscheide des gesammten sowohl liegend als fahrenden frei vererblichen Vermögens den Söhnen und den von ihnen hinterlassenen Enkeln allein zufallen solle.

(2-263) [2, 14, § 2] 24. Diese Halbscheide ist dahero nach den oben vorgeschriebenen Maßregeln zwischen den Söhnen, Enkeln und Urenkeln, oder weiteren männlichen Absteigenden

(2-264) von Söhnen allein zu vertheilen, also daß, wo nach einem vorgestorbenen Sohn lauter Enklinnen, Urenklinnen oder weitere weibliche Absteigende hinterblieben wären,

(2-265) dieselben ebenso, wie die Töchter und ihre sowohl männliche als weibliche Absteigende von dieser Halbscheide gänzlich ausgeschlossen bleiben.

(2-266) [2, 14, § 2] 25. Wo aber nach einem vorgestorbenen Sohn theils Enkeln, theils Enklinnen oder Urenkeln und Urenklinnen vorhanden wären, haben von seinem Stammentheil die männlichen Absteigenden für sich drei Theile, die weiblichen hingegen nur einen, folglich den vierten Theil zu bekommen.

[2, 14, § 2] 26. Es wäre dann, daß in vorbemerkten Fall wegen ungleich größerer Zahl der männlichen Absteigenden auf deren Jedweden ein geringerer Theil, als auf eine der weiblichen Absteigenden ausfiele, als da vier Enkeln und eine Enklin wäre, welchen Falls zur Vermeidung dieser Ungleichheit der Stammentheil des vorgestorbenen Sohns unter alle, sowohl männliche als weibliche Absteigende gleich zu vertheilen ist, damit widrigens Unsere zu Gunsten des Mannsstammens gemachte Vorsehung demselben zu keiner Verkürzung gereiche.

[2, 14, § 2] 27. Dahingegen, wo Töchter oder Enkeln und Enklinnen, oder weitere sowohl männliche als weibliche Absteigende von Töchtern oder von Söhnen allein hinterlassene Enklinnen mit Söhnen, Enkeln oder weiteren männlichen Absteigenden von vorgestorbenen Söhnen zusammentreffen, ist der Vater, Groß- oder Urgroßvater schuldig, denenselben die Hälfte der anderen noch übrigen Halbscheide, oder den vierten Theil seines sammentlichen beweg- und unbeweglichen Vermögens zu einem besonderen Pflichttheil zu verlassen, folglich kann derselbe in diesem Fall über nichts Mehreres, als über den vierten Theil seines Vermögens nach Gefallen letztwillig ordnen.

[2, 14, § 2] 28. Diesen vierten Theil theilen die Töchter, die Enkeln und Enklinnen, oder Urenkeln und Urenklinnen von vorgestorbenen Töchtern, dann die von Söhnen allein hinterlassene Enklinnen unter sich nach den Stämmen, und wird in Ansehung dieser letzteren dafürgehalten, als ob sie von weiblichen Stammen absteigen, wann vorbesagter Maßen lauter Enklinnen nach einem Sohn sind; dann wo ein oder mehrere männliche Absteigende von ihme zugleich vorhanden wären, haben die weiblichen an diesem vierten Theil keinen Anspruch, sondern bekommen ihren obfestgesetzten Antheil von dem Stammtheil des Sohnes.

[2, 14, § 2] 29. Gleichwie demnach die eine Halbscheide lediglich für den Mannsstammen mit dem alleinigen Einbegriff deren mit Enkeln zusammentreffenden Enklinnen eines Sohns gehöret, also gebühret auch insgemein die Hälfte von der anderen Halbscheide, oder der vierte Theil des ganzen Vermögens für die weiblichen Absteigenden, wobei es auch sein Verbleiben haben solle, obschon auf einen männlichen


(2-267) Stammtheil von der Halbscheide nicht mehr, als von dem Viertel auf einen weiblichen Stammtheil ausfiele, welches sich in dem Fall ereignet, wann die Zahl der männlichen Stämmen noch einmal so groß ist, als der weiblichen.

[2, 14, § 2] 30. Woferne aber die Zahl der männlichen Stämmen die weiblichen soweit übertrifft, daß von der Halbscheide auf einen männlichen Stammtheil weniger ausfiele, als von dem Viertel auf einen weiblichen Stammtheil, welches sich damals ergeben kann, wann die Anzahl der männlichen Stämmen mehr, als noch einmal größer ist, dann der weiblichen, als da drei Söhne und eine Tochter, oder fünf oder sechs Söhne und zwei Töchter vorhanden wären, in solchem Fall, wo die weiblichen Stämme wegen ihrer weit minderen Anzahl einen größeren Antheil, als nicht die männlichen Stämme zu beziehen hätten, sollen alle drei Theile des ganzen Vermögens unter alle, sowohl männliche als weibliche Absteigende zu gleichen Stammtheilen vertheilet, folglich in diesem Fall allein die weiblichen den männlichen zwar gleich geachtet, niemalen aber besser gehalten werden.

[2, 14, § 2] 31. In Rucksicht dieses den weiblichen Absteigenden aus dem väterlichen, groß- oder urgroßväterlichen Vermögen hiermit zuwendenden eigenen Pflichttheils höret auch für alle künftige Fälle, worinnen sie zu dem Bezug dieses Pflichttheils gelangen werden, an Seiten der Söhnen und männlichen Absteigenden die nach den vorigen Gesetzen und Gewohnheiten ihnen obgelegene standesmäßige Unterhaltung und Ausstattung derselben völlig auf.

[2, 14, § 2] 32. Keineswegs aber sollen sie in Ansehung jener weiblichen Absteigenden, die nach den vorigen Gesetzen von der Erbschaft nach ihrem Vater, Groß- oder Urgroßvater bereits ausgeschlossen worden und noch unversorgt sind, von dieser Schuldigkeit enthoben sein, sondern solcher in derjenigen Maß, wie es die vorigen Gesetze oder jeden Landes wohlhergebrachte Gewohnheit erheischen, nach wie vor nachzukommen haben.

[2, 14, § 2] 33. Belangend hingegen jene Töchter, Enklinnen oder weitere weibliche Absteigende, welche von ihrem Vater, Groß- oder Urgroßvater allschon vor Einführung dieses Unseres Gesetzes entweder durch eine anständige Heirath, oder durch Eintritt in ein Kloster versorget worden, oder sonst aus lebzeitigen oder letztwilligen Handlungen nach den vorigen Gesetzen und Gewohnheiten ihre standesmäßige Ausstattung erhalten haben, diese sollen weder für sich, noch weniger die Kinder der Ausgeheiratheten an der väterlichen, groß- oder urgroßväterlichen Verlassenschaft da, wo männliche Absteigende vorhanden sind, des Pflichttheils halber einen Anspruch zu machen vermögen.

[2, 14, § 2] 34. Und da sich anbei ergeben würde, daß einige Töchter vor diesem neuen Gesatz allbereits versorget worden wären, Andere oder sich noch nach diesem Gesatz unversorgt befänden, so solle den noch unversorgten Töchtern zu ihrem Pflichttheil nichts Mehreres gebühren, als was von dem vierten Theil auf ihren Antheil ausfällt. Dahingegen die Theile, welche davon auf die schon Versorgten gelanget wären, den Erben verbleiben, wann der Erblasser darüber nicht anderst geordnet hätte.

[2, 14, § 2] 35. Mit diesem Pflichttheil sollen die Töchter, Enklinnen, und die von ihnen absteigen, von der väterlichen, groß- oder urgroßväterlichen Verlassenschaft, wann männliche Absteigende von Mannsstammen vorhanden sind, gänzlich abgefertiget und ausgeschlossen sein.

[2, 14, § 2] 36. Sie können sich dahero keines Ruckschreitungsrechts zu der Verlassenschaft ihres Vaters, väterlichen Groß- oder Urgroßvaters auf dem Fall des ausgehenden Mannsstammes anmaßen, sondern dieses wollen Wir hiermit derorten, wo es noch in Uebung ware, von nun an völlig eingestellet und aufgehoben haben.

[2, 14, § 2] 37. In dessen Folgen solle dann ein Jedweder von Mannsstammen mit dem auf ihn gediehenen Vermögen, wann er keine nothwendige Erben hat, die vollkommene Freiheit haben, nach Willkür zu ordnen.

(2-268) [2, 14, § 2] 38. Wo er aber darüber letztwillig nicht ordnete, fällt das Vermögen ohne Rucksicht auf die bereits abgefertigte weibliche Absteigende der vorigen Erblasseren Jenen zu, welche ihme nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge die Nächsten sind.

[2, 14, § 2] 39. Alles, was bishero von dem Pflichttheil nach Personen Herren- und Ritterstandes geordnet worden, beschränket sich blos allein auf Jene, welche vorbesagter Maßen in einem Unserer deutschen Erblanden das Recht der Landmannschaft oder Incolats wirklich erworben haben, ohne diesem hingegen macht die alleinige Vorzüglichkeit des höheren Standes in dem Pflichttheil keinen Unterschied, sondern es ist auch bei solchen adeligen Personen sich nach deme zu achten, was oben von dem Pflichttheil für allgemein ohne Unterschied des Geschlechts vorgeschrieben worden.

[2, 14, § 2] 40. Da aber Jemand, welcher schon Kinder hätte, neuerlich die Landmannschaft oder das Incolat in dem Herren- oder Ritterstand erlangete, solle zwischen seinen vor und nach Erlangung des Rechts der Landmannschaft oder Incolats erzeugten Kindern kein Unterschied gemacht werden, sondern so Einen als Anderen derjenige Pflichttheil gebühren, welcher für die Kinder der Landleuten oben ausgemessen worden, doch allemal ohne Nachtheil und Schmälerung ihres vor Erhaltung der Landmannschaft durch Heirathsverträge oder andere rechtsbeständige und unwiderrufliche Verschreibungen erworbenen Rechts.

[2, 14, § 2] 41. Wann hingegen nach einem Vater, Groß- oder Urgroßvater höheren Standes seine Söhne oder Enkeln, und weitere männliche Absteigende von Söhnen, sondern lauter Töchter oder Enkeln und Enklinnen, und weitere Absteigende von Töchtern oder Enklinnen, und weitere weibliche Absteigende von Söhnen vorhanden sind, gebühret ihnen allein die für allgemein zum Pflichttheil bestimmte Halbscheide nach den Häuptern oder Stämmen, nachdeme sie in ersten oder weiteren Graden zusammentreffen.

[2, 14, § 2] 42. Der Vorzug des männlichen Stammens vor dem weiblichen hat nur in der Erbfolge nach dem Vater, väterlichen Groß- und Urgroßvater höheren Standes, der zugleich Landmann ist, statt. Dahingegen höret solcher nach der Mutter, mütterlichen Groß- und Urgroßeltern, dann der väterlichen Groß- und Urgroßmutter völlig auf, nach welchen den Söhnen und Töchtern, und ihren beiderseitigen, sowohl männlichen als weiblichen Absteigenden ohne Unterschied die Halbscheide des Vermögens als ein Pflichttheil in die Häupter oder Stämme, so wie es oben für allgemein festgesetzet worden, zuzukommen hat.

§. III.

[2, 14, § 3] 43. Die zweiten nothwendigen Erben, welchen der Pflichttheil gebühret, sind die Aufsteigenden, wann der Erblasser seine Kinder, noch Kindskinder nach sich verläßt.

(2-269) [2, 14, § 3] 44. Unter Aufsteigenden werden die Eltern, nemlich Vater und Mutter, und in deren Abgang beiderseitige Großeltern, als der väterliche Großvater und Großmutter, dann der mütterliche Großvater und Großmutter, und endlich, wann auch diese vorgestorben wären, die Urgroßvater und Urgroßmutter, und allenfalls noch weitere Aufsteigende sowohl von väterlicher als mütterlicher Seiten verstanden.

[2, 14, § 3] 45. Für diese wollen Wir zum Pflichttheil hiermit den dritten Theil des gesammten beweg- und unbeweglichen frei vererblichen Vermögens dergestalten bestimmet haben, daß, wo noch beide Eltern am Leben sind, solcher ihnen zu gleichen Theilen zukomme. Ist aber ein Theil der Eltern vorgestorben, so schließt der noch lebende Vater oder Mutter alle weitere Aufsteigende aus.

[2, 14, § 3] 46. Wann beide Eltern vorhergestorben, so gelangen die Großeltern, und

(2-270) in deren Ermanglung die weiteren Aufsteigenden zu dem Pflichttheil, also daß allemal die Weiteren in dem Grad von den Näheren ausgeschlossen werden.

[2, 14, § 3] 47. Sind Mehrere nur von einer Seiten in einerlei Grad am Leben, gebühret ihnen der Pflichttheil ebenfalls zu gleichen Theilen, als da nur der väterliche Großvater oder Großmutter am Leben wären.

[2, 14, § 3] 48. Falls hingegen Mehrere von beiden, das ist von väterlicher und mütterlicher Seiten in einerlei Grad zusammentreffen, so fällt die eine Halbscheide des Pflichttheils der väterlichen, und die andere Halbscheide der mütterlichen Seiten zu gleicher Vertheilung zu, ohne Unterschied, ob auf dieser oder jener Seiten mehrere oder wenigere Personen befindlich sind.

[2, 14, § 3] 49. Diesen Pflichttheil beziehen die Aufsteigenden für sich allein, obschon nebst ihnen leibliche Geschwistere des Verstorbenen vorhanden wären, welches überhaupt ohne Unterschied des Geschlechts oder Standes nach Söhnen und Töchtern, Enkeln und Enklinnen statt hat, sie mögen das Recht der Landmannschaft und Incolats haben oder nicht.

[2, 14, § 3] 50. Außer den Absteigenden und Aufsteigenden aber gebühret sonst Niemanden, weder Brüdern noch Schwestern, noch weniger weiteren Seitenverwandten des Verstorbenen ein Pflichttheil, sondern, wo weder Absteigende noch Aufsteigende vorhanden sind, kann der Erblasser sein gesammtes Vermögen, weme er immer wolle, verlassen, wann gleich derselbe leibliche Brüder und Schwestern hätte.

§. IV.

[2, 14, § 4] 51. Bei Verlassung des Pflichttheils kommt es nicht so viel auf die Worte, wie und auf was Art solcher verlassen werde, als vielmehr und vornehmlich auf die Sache selbst an, daß derselbe ganz und frei von aller Beschwerde Jenen, welchen er vorerklärter Maßen gebühret, zukommen müsse.

[2, 14, § 4] 52. Es liegt dahero nichts daran, ob der Pflichttheil unter dem Titel der Erbseinsetzung, oder vermächtnis- oder schenkungsweise, oder mit was sonst für Worten verlassen werde, maßen allbereits oben in zwölften Capitel, §. II, num. 11 geordnet worden, daß, wo die nothwendigen Erben in dem Testament nur mit etwas bedacht werden, es allemal darfürgehalten werden solle, als ob sie in dem ganzen Betrag des Pflichttheils zu Erben eingesetzet worden wären.

[2, 14, § 4] 53. Die Worte mögen also lauten wie sie immer wollen, so änderen solche doch die Natur des Pflichttheils, die ihme von Unseren Gesetzen beigeleget wird, nicht, sondern dieser ist allemal für einen Erbtheil anzusehen, mithin kleben auch demselben alle Erbvortheile dergestalten an, daß, was immer für einen Zuwachs die Erbschaft erhalte, andurch auch der Pflichttheil vermehret werde, obschon solcher von dem Erblasser auf eine einzle Sache oder Summe beschränket worden wäre.

[2, 14, § 4] 54. Dann, was den nothwendigen Erben aus Vorsehung Unserer Gesetzen zuzukommen hat, kann mit Willen des Erblassers weder verringeret, weder beschweret, noch weniger ohne rechtmäßiger Ursache ihnen entzogen werden, sondern, wo etwas dergleichen geschehen würde, gebühren denenselben dagegen jene Rechtsmitteln, welche unten in §. VI vorgeschrieben werden.

(2-271) §. V.

[2, 14, § 5] 55. Der Pflichttheil ist nach dem Vertrag des sammentlichen beweg- und unbeweglichen Vermögens, was der Erblasser zur Zeit seines Tods hinterlassen, dergestalten zu berechnen, daß Alles und Jedes, was unter das frei vererbliche Vermögen gehöret, nach dem gerichtlich geschätzten Werth zu Geld angeschlagen, in eine Hauptsumme gebracht, und hiernach der Pflichttheil ausgemessen werde.

[2, 14, § 5] 56. Wobei es auf dreierlei Gegenstände ankommt, als: Erstens, was vor dem Pflichttheil von der Verlassenschaft abzuziehen seie, zweitens, was in die Verlassenschaft einzuziehen seie und den Pflichttheil vermehre, und endlich drittens, was in dem Pflichttheil einzurechnen seie.

[2, 14, § 5] 57. Erstens sind vor Allem von der Verlassenschaft die Schulden abzuziehen, nicht zwar durch deren wirkliche Hinauszahlung, sondern durch Abschlag von der Summe des Vermögens, um darmit hieraus erhelle, wie viel an klaren Vermögen übrig bleibe, wovon der Pflichttheil gebühret.

[2, 14, § 5] 58. Sind Jene, welchen der Pflichttheil zukommt, zu Erben eingesetzet, haben sie nicht weniger nach Maß ihres Antheils, wie fremde Miterben für die Schulden zu haften, und können nur von deme den Pflichttheil forderen, was nach Abzug der Schulden von der Verlassenschaft erübriget wird.

[2, 14, § 5] 59. Sind sie aber nicht zu Erben eingesetzet, so haften zwar die eingesetzten Erben allein für die Schuldforderungen der Gläubiger nach Kräften der Erbschaft, diese sind aber dagegen befugt, die Schulden auch von dem Pflichttheil nach Maß seines Verhältnisses gegen dem ganzen Vermögen abzuziehen, und überhaupt Alles, wodurch die Verlassenschaft verringert wird, verringeret auch den Pflichttheil.

[2, 14, § 5] 60. Welches nicht minder in dem Fall statt hat, wann gleich der Pflichttheil von dem Erblasser in einer bestimmten Sache oder Summe angewiesen worden wäre, dann so wenig ein Erblasser den Betrag des Pflichttheils zum Nachtheil Jener, welchen solcher nach Unseren Gesetzen gebühret, verminderen kann, so wenig hat derselbe Fug und Macht, ihn mit Verkürzung seiner treuherzigen Glaubiger zu vergrößeren.

[2, 14, § 5] 61. Es ist dahero auch in diesem Fall der Pflichttheil in keinem anderen

(2-272) Betrag anzuschlagen, als der nach Maß des über Abzug der Schulden verbleibenden klaren Vermögens hieran ausfällt, obschon der Erblasser einen höheren Betrag angesetzet hätte; bleibet aber an dem Verschafften über Abzug der Schulden und des Pflichttheils etwas übrig, gebühret es als eine Vermächtni?, oder als ein angewiesener Erbtheil.

[2, 14, § 5] 62. Unter den Schulden, welche vor dem Pflichttheil in Abzug zu bringen sind, werden nicht allein jene, welche ein Dritter zu forderen hat, sondern auch sowohl der eingesetzten als nothwendigen Erben eigene an der Verlassenschaft habende Forderungen verstanden.

[2, 14, § 5] 63. Dann an Seiten des eingesetzten Erben hat die Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person, und die hieraus entstehende Vermengung der Schuld und Forderung nur in Ansehung dessen statt, was ihme erblich zufallt, nicht aber auch in deme, was er aus der Verlassenschaft an Andere hinauszuzahlen hat, sondern er ist nichtsdestoweniger berechtiget, seine Forderung vor dem Pflichttheil von der Verlassenschaft abzuziehen, weilen das, was nicht ihme, sondern einem Dritten zukommt, mit deme, was er an der Verlassenschaft zu forderen hat, nicht vermenget werden mag.

[2, 14, § 5] 64. Gleichwie auch an Seiten eines nothwendigen Erben jenes, was ihme nicht aus Willkür des Erblassers, sondern aus Anordnung des Gesetzes gebühret, sich mit deme, was ihme der Erblasser vorhin schuldig gewesen, in keine Vergeltung oder Vermengung bringen läßt, sondern ihme stehet nicht weniger frei, seine Forderung vor dem Pflichttheil von dem Betrag der Verlassenschaft abzuziehen.

[2, 14, § 5] 65. Dagegen aber sind anwiederum sowohl die eingesetzten, als nothwendigen Erben verbunden, Dasjenige in die Verlassenschaft einzubringen, was sie hinein schuldig sind, wodurch nach Maß der anmit vermehrten Verlassenschaft auch der Pflichttheil vergrößert wird.

[2, 14, § 5] 66. Doch wo die nothwendigen Erben etwas einzubringen haben, sind sie keine baare Zahlung zu leisten schuldig, insoweit die Schuld den Pflichttheil nicht übersteiget, sondern die Ausgleichung Eines mit dem Anderen kann sonach also geschehen, daß jenes, was in die Verlassenschaft einzubringen ist, in den Pflichttheil eingerechnet, und darauf um so viel weniger aus der Verlassenschaft hinausgezahlet werde, als dagegen hineinzubringen gewesen wäre.

[2, 14, § 5] 67. All Vorstehendes ist nur von wahren und ungezweifleten Schulden des Erblassers zu verstehen. Strittige und zweifelhafte Schuldposten hingegen können nicht in Abzug gebracht werden, so lange sie nicht rechtsbehörig dargethan und für richtig erkennet worden.

[2, 14, § 5] 68. Doch solle inmittelst bei Berechnung des Pflichttheils auf allen Fall so vieles aus der Verlassenschaft außer dem Anschlag des klaren Vermögens gelassen werden, als zu Hintanfertigung dieser Schulden nöthig wäre, wann sie für richtig erkennet würden.

[2, 14, § 5] 69. Werden sie aber nachhero unrichtig zu sein befunden, so solle nichtsdestoweniger von dem außer Anschlag Gebliebenen das, was davon noch auf den Pflichttheil ausfällt, hinausbezahlet werden, wo inzwischen einem jedweden Theil, deme daran gelegen ist, auf mittlerweilige Sicherstellung des abgesönderten Betrags fürzudenken unbenommen bleibt.

[2, 14, § 5] 70. Dahingegen macht die alleinige Bekanntniß des Erblassers zur Schuld solche noch nicht richtig, wo es um die Verkürzung des Pflichttheils zu thun ist, wann die Ursach der Einschuldung nicht durch Urkunden, Zeugen oder sonstige rechtsgiltige Verschreibungen erweislich ist, deren Darthuung allemal Demjenigen, der die Forderung stellet, oblieget.

[2, 14, § 5] 71. Zweitens kommen vor dem Pflichttheil die Begräbnißunkosten in Abzug, welche dem Stande und Vermögen des Erblassers gemäß sind, und den in der

(2-273) Stolatax-Ordnung ausgesetzten Betrag nicht übersteigen, wann der Verstorbene selbst einen mehreren Aufwand nicht angeordnet hätte.

[2, 14, § 5] 72. Hierunter sind nicht nur die auf des Erblassers eigene Beerdigung ausgegangene, sondern auch für die Begräbnissen seines Weibs und Kinder etwan noch ausständige Unkosten, wie nicht weniger nach der allgemeinen Gewohnheit die Trauerkleider für Weib und Kinder, dann auch Jenes, was der Verstorbene für seine Seele an mäßigen Almosen unter die Armen, und auf heilige Messen auszulegen befohlen hat, begriffen.

[2, 14, § 5] 73. Drittens ist nicht allein alles fremde Gut, was einem Dritten eigenthumlich zugehöret, sondern auch dasjenige, was der Verstorbene mit der Verbindlichkeit zur Zuruckstellung innen gehabt, und was sonst seinen Kindern nicht aus seiner Wohlthat, sondern aus Vorsehung der Voreltern oder Gunst eines Anderen zukommt, als da sind Trau- und Lehengüter, von dem frei vererblichen Vermögen völlig abzusönderen, und in Berechnung des Pflichttheils außer allem Anschlag zu lassen.

[2, 14, § 5] 74. Viertens sind die Heirathssprüche des hinterlassenen Ehegattens, insoweit solche den in ersten Theil, in der Abhandlung von Ehebindnissen ausgemessenen Betrag nicht überschritten, oder in Ermanglung eines Heirathsbriefs der einem Ehegatten auf Ueberlebungsfall unten in zwanzigsten Capitel bestimmte Antheil vor dem Pflichttheil von der Verlassenschaft abzuziehen.

[2, 14, § 5] 75. Leibgedinge aber, und was zum wittiblichen Unterhalt gewidmet ist, oder wovon sonst dem überlebenden Ehegatten nach Inhalt des Heirathsbriefs nur die Nutznießung oder der Fruchtgenuß zustehet, sind zwar bei Berechnung des Pflichttheils so, wie all anderes mit zeitlichen Haftungen beschwertes Gut außer dem Anschlag des klaren Vermögens zu lassen.

[2, 14, § 5] 76. Wo aber ein solches Leibgeding oder wittiblicher Unterhalt durch Absterben oder anderweite Vereheligung der Wittib aufhöret und der Verlassenschaft anheimfallet, oder sonst das Gut von der zeitlichen Haftung in andere Wege befreiet wird, gebühret den nothwendigen Erben hiervon so viel, als auf ihren Pflichttheil nach dem Verhältniß gegen diesem Theil des Vermögens ausfallt.

[2, 14, § 5] 77. Nach Abschlag dessen, was vorerwähnet worden, solle der Pflichttheil vor allen angewiesenen Erbtheilen und Vermächtnissen, obgleich solche zu milden Dingen gewidmet wären, wie nicht weniger vor allem Demjenigen, was aus bloßer Freigebigkeit des Erblassers (es seie durch Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall, oder durch Schankungen unter Lebenden) an Andere abzustatten wäre, abgezogen werden.

[2, 14, § 5] 78. Dahingegen kommt all Anderes, was der Erblasser aus entgeltlichen Handlungen, Käufen, Täuschen u. dgl. an Andere noch zu entrichten schuldig ist, vor dem Pflichttheil in Abzug.

[2, 14, § 5] 79. Und hat die Bekanntniß des Erblassers sowohl zu deme, worzu er sich aus einer solchen Handlung dem Anderen annoch verbunden zu sein erkläret, als auch in Ansehung dessen, was er dagegen von dem Anderen empfangen zu haben bestätiget, vollkommenen Glauben, woferne von den nothwendigen Erben, daß dieses aus Gefährde zu Verkürzung des Pflichttheils geschehen, nicht erwiesen werden mag.

[2, 14, § 5] 80. Wann dahero der Erblasser z. B. sein Haus Jemanden verkaufet, und den Preis dafür bekommen zu haben bekennet, können die nothwendigen Erben bei Berechnung des Pflichttheils das Haus, obschon es dem Kaufer noch nicht übergeben worden wäre, nicht in Anschlag des Vermögens bringen, noch das Kaufgeld von dem Kaufer forderen, sondern das Haus ist ihme ohne Anstand aus der Verlassenschaft auszufolgen, wann aus der Geständniß des Erblassers erhellet, daß er seinerseits dem Kauf volles Genügen geleistet hat.

[2, 14, § 5] 81. Da aber in der Verlassenschaft über Abzug der angewiesenen Erbtheilen,

(2-274) Vermächtnissen und Schankungen nicht so viel erübriget würde, als zu Abstattung des Pflichttheils erforderlich wäre, so hat ein Jedweder, deme etwas aus Freigebigkeit des Erblassers zugedacht worden, nach Maß des ihme zukommenden Betrags davon zu Ergänzung des Pflichttheils so vieles beizutragen, als noch erweislich hieran abgehet.

[2, 14, § 5] 82. Wie jedoch bei Schankungen, wodurch der Pflichttheil verkürzet worden, solcher zu berechnen, und was darbei in acht zu nehmen seie, ist bereits oben in siebenten Capitel vorgeschrieben worden.

[2, 14, § 5] 83. In die Verlassenschaft ist Alles einzurechnen, was immer zu dem Vermögen des Erblassers gehöret, es möge wirklich vorhanden oder ausständig sein, wann er es nur rechtmäßig zu forderen hat, und es keine verlorene oder uneinbringliche Schuld ist. Ansprüche aber und Forderungen, welche nicht richtig sind, bleiben außer Anschlag, bis sie in Richtigkeit gebracht werden.

[2, 14, § 5] 84. Alles demnach, was zu der Verlassenschaft auch nach dem Tod des Erblassers zuwachst, wann die Ursache des Zuwachses noch von seinen Lebszeiten herrühret, ist in Anschlag des Vermögens zu bringen, als da ein Rechtsstritt nach seinem Tod ausginge, worinnen ihme etwas zugesprochen würde, oder sich nach dem Tod eine Erbschaft ergebete, die ihme noch in Lebszeiten auch ohne seinen Wissen zugefallen wäre.

[2, 14, § 5] 85. Wessen Zuwachs aber erst angehoffet wird, als da der Rechtsstritt, in welchem es verwickelt ist, noch nicht ausgemacht, oder der Ausgang einer Bedingniß, unter welcher es gebühret, noch hangend und ungewiß, oder die Zeit, zu welcher es dem Vermögen zuzufallen hat, noch nicht herangekommen wäre, wie z. B. ein Leibgeding, wittiblicher Unterhalt, und Alles, was mit dem jemanden Anderen hieran bestellten Fruchtgenuß beschweret ist, alles dieses kann nicht ehender in Anschlag des klaren Vermögens gebracht werden, als bis entweder der wirkliche Zuwachs erfolget ist, oder die zeitliche Behaftung aufgehöret hat, wo sonach der Pflichttheil hiervon abzuziehen ist.

[2, 14, § 5] 86. Dahingegen ist in Anbetracht desjenigen nach dem Tod des Erblassers sich ergebenden Zuwachses, dessen Ursache nicht von seinen Lebszeiten herrühret, sondern sich von Ohngefähr ereignet, auf die Zeit zu sehen, wann sich ein dergleichen Zuwachs ergiebt.

[2, 14, § 5] 87. Geschieht solcher noch vor Richtigstellung des Pflichttheils, kommt ein derlei Zuwachs allerdings in Anschlag des Vermögens und vermehret den Pflichttheil, gleichwie in Gegentheil derselbe, wann er nach Abfertigung des Pflichttheils erfolget, dem überhaupt eingesetzten Erben oder Jenem, deme das Gut verschaffet worden, worzu sich der Zuwachs ergeben hat, allein zu Guten gehet.

[2, 14, § 5] 88. Nicht weniger kommen auch Veräußerungslehne sowohl, als Jenes in Anschlag des Vermögens, was der Erblasser zu Erkaufung eines neu erworbenen Lehens oder Erbzinsgrunds für seine Söhne von seinem freivererblichen Vermögen aufgewendet hat, wann jedoch nicht der Erblasser selbst, sondern seine Söhne zuerst mit dem Lehen belehnet worden; dahingegen diejenigen Lehen, worüber der Erblasser zu seinen eigenen Handen die Lehne empfangen, außer Anschlag bleiben.

[2, 14, § 5] 89. Von dem solchergestalten in Anschlag gebrachten, und nach dem Geldwerth geschätzten klaren Vermögen solle der Pflichttheil abgezogen werden, doch allemal mit Vorbehalt dessen, was von deme, so wegen Unrichtigkeit, Uneinbringlichkeit, oder zeitlicher Behaftung noch außer Anschlag gelassen worden, auf den Pflichttheil seiner Zeit, wann es in Richtigkeit gesetzet oder von der Haftung befreiet wird, nachzutragen kommt.

[2, 14, § 5] 90. Dagegen solle insgemein in den Pflichttheil alles Dasjenige eingerechnet werden, was Jenem, welcher den Pflichttheil zu forderen hat, aus dem Vermögen des Erblassers durch letztwillige oder lebzeitige ohnentgeltliche Handlungen zugekommen

(2-275) ist, oder noch ohnfehlbar zuzukommen hat, wann solches von der Nothwendigkeit der Einrechnung hiernach nicht besonders befreiet ist.

[2, 14, § 5] 91. Ausgenommen aber ist Jenes, wessen Einrechnung entweder von dem Erblasser ausdrücklich erlassen worden, oder doch solche von ihme stillschweigend erlassen zu sein von dem Gesatz dafürgehalten wird, wann sein widriger Willen nicht ausgedrucket worden.

[2, 14, § 5] 92. Diese stillschweigende Erlassung wird vermuthet, erstens in Demjenigen, was derselbe seinen nothwendigen Erben zum voraus zugewendet haben will, als da sind Endlegate oder vorzügliche Vermächtnissen, mäßige Schankungen, sie geschehen aus bloßer Freigebigkeit oder Vergeltung, wann der Willen zu schenken sonst ungezweiflet ist, dann der Aufwand auf Erlernung Künsten und Wissenschaften.

[2, 14, § 5] 93. Zweitens in deme, was mit einer Beschwerde verschaffet oder verlassen wird, als da sind von dem Erblasser selbstgestiftete Traugüter, welche der nothwendige Erb einem Anderen zuruckzustellen verbunden ist, obgleich ihme der mittlerweilige Fruchtgenuß bis zur Zeit der Zuruckstellung davon zuzukommen hat.

[2, 14, § 5] 94. Von gleicher Art ist Dasjenige, was dem nothwendigen Erben zu Erfüllung einer beigesetzten Bedingniß oder sonstigen Auflage verschaffet wird, wie auch ein von dem Erblasser für sich neuerworbenes und empfangenes Lehen. Umsomehr aber sind die nicht von dem Erblasser, sondern von Anderen herrührende Trau- oder Lehengüter von der Einrechnung in den Pflichttheil befreiet.

[2, 14, § 5] 95. Dahingegen, wo von dem Erblasser ein neues Lehen zu Handen seiner Söhnen erkaufet, und auch diese zuerst darmit belehnet worden wären, ist der dafür ausgelegte Werth in dem Pflichttheil allerdings einzurechnen, nicht weniger kommt all Jenes, was der nothwendige Erb aus der gemeinen After-Erbseinsetzung oder aus dem Anfall der rechtlichen Erbfolge an deme, worüber der Erblasser nicht letztwillig geordnet, oder dessen Anordnung in der Folge unwirksam wird, beziehet, so wie das unter einer zufälligen Bedingniß Verschaffte, nach Ausgang derselben in die Berechnung des Pflichttheils.

[2, 14, § 5] 96. Drittens hat die Einrechnung in den Pflichttheil bei demjenigen Aufwand nicht statt, welchen der Erblasser aus der ihme obliegenden Pflicht auf seine nothwendige Erben zu machen schuldig gewesen. Von dieser Art sind die Erziehungs-, Unterhaltungs- und Heilungsunkosten, solange sie in seiner Verpflegung stehen, und keine eigene Mitteln haben.

[2, 14, § 5] 97. Dahin gehören auch die auf ein vorgestorbenes Kind ausgelegte Begräbnißunkosten, wann Enkeln nach ihme vorhanden sind, welche den Pflichttheil ganz oder zum Theil zu forderen haben. All dieser nöthiger Aufwand ist von der Einrechnung in den Pflichttheil dergestalten ausgenommen, daß die nothwendigen Erben auch durch ausdrückliche Anordnung des Erblassers hierzu nicht verhalten werden können.

[2, 14, § 5] 98. Obwohlen aber Eltern und Großeltern zu Ausstattung ihrer Töchter und Enklinnen verbunden sind, so sollen jedoch derlei Ausstattungen und Heirathgut nicht anderst, als für einen Erbtheil angesehen, folglich auch je und allezeit in den Pflichttheil mit eingerechnet werden, wann nichts Widriges dabei ausbedungen oder von dem Erblasser verfüget worden.

[2, 14, § 5] 99. Wann demnach der Großvater die Enklin eines noch lebenden Sohns, welcher es aus eigenen Mitteln zu thun außer Stande wäre, ausgestattet hätte, ist ihre Ausstattung in den Pflichttheil des Sohns einzurechnen, gleichwie in Gegentheil die Einrechnung für erlassen zu achten, und die Ausstattung für ein bloßes Geschenk anzusehen ist, wann der Vater damals eigene Mitteln gehabt hätte, die standesmäßige Ausstattung seiner Tochter davon zu erschwingen, der Großvater aber solche ohne Vorbehalt hergegeben hätte.

[2, 14, § 5] 100. Alles, was von Ausstattung und Heirathgut der Töchter und Enklinnen geordnet worden, ist auch von der Widerlage, welche die Eltern und Großeltern

(2-276) für ihre Söhne und Enkeln in dem Heirathsbrief anweisen, in seiner Maß zu verstehen.

[2, 14, § 5] 101. Viertens ist Jenes von der Einrechnung frei, was die Eltern aus väterlicher oder mütterlicher Liebe auf die Kinder, oder diese dagegen aus kindlicher Liebe auf ihre Eltern aufgewendet haben, als da der Vater den Sohn, oder der Sohn den Vater aus der feindlichen Gefangenschaft ausgelöset hätte, oder ihme sonst in seinem Nothstand und Elend beigesprungen wäre.

[2, 14, § 5] 102. Darunter ist jedoch Dasjenige nicht begriffen, was die Eltern an den von ihren Kindern gemachten Schulden, oder dagegen die Kinder für ihre eingeschuldete Eltern bezahlen, wann gleich der Schuldner anmit aus dem Gefängniß befreiet würde.

[2, 14, § 5] 103. Desgleichen erstrecket sich die Erlassung nicht auf jene Kosten, welche die Eltern für ihren Sohn zu Ueberkommung eines Amts, Kriegs- oder bürgerlichen Bedienstung, oder der Doctorats- und sonstigen persönlichen Würde auf hohen Schulen ausgeleget haben, sondern alles dieses ist in den Pflichttheil einzurechnen.

[2, 14, § 5] 104. Belangend aber denjenigen Aufwand, welchen ein Vater oder Großvater mit erweislicher merklicher Schmälerung seines frei vererblichen Vermögens zu namhafter Verbesserung eines seinem Sohn oder Enkel eigenthumlich zustehenden oder hinterlassenden Trau- oder Lehenguts gemacht hat, so ist zwar solcher, insoweit als dargethan werden mag, daß über die aus dem Trau- oder Lehengut selbst behobene Einkünften von frei vererblichen Vermögen zu dessen offenbarer Verbesserung hinein verwendet worden, mit Beobachtung folgenden Unterschieds in den Pflichttheil einzurechnen:

[2, 14, § 5] 105. Daß, wo der Aufwand der Kosten die wirkliche mehrere Benutzung und Verbesserung übersteiget, nur das, was verbesseret worden, dahingegen, wo die Verbesserung mehr als der Aufwand beträgt, nur das, was aufgewendet worden, in Anschlag komme, folglich allemal der erzeugte mehrere Nutzen zu Capital gerechnet, und mit dem Kostenbetrag gegen einander gehalten, somit aber allzeit das Mindere in den Pflichttheil eingerechnet werden solle.

[2, 14, § 5] 106. Was also nach Einrechnung dessen, so der nothwendige Erb aus dem Vermögen des Erblassers vorhinein empfangen, oder ihme aus der Erbschaft sonst zuzukommen hat, an dem Pflichttheil annoch abgehet, dieses ist ihme aus der Verlassenschaft zu Ergänzung seines Pflichttheils nachzutragen. Wo aber derselbe ein Mehreres, als sein Pflichttheil beträgt, bekommen hätte, ist er solches einzubringen nicht schuldig, wann andere nothwendige Miterben an ihrem Pflichttheil hierdurch keine Verkürzung erleiden.

§. VI.

[2, 14, § 6] 107. Die denen nothwendigen Erben zu Erlangung des ihnen von dem Erblasser entzogenen oder verkürzten Pflichttheils angebührende rechtliche Hilfsmitteln sind nach dem Unterschied der Fällen verschieden.

(2-277) [2, 14, § 6] 108. Wann in dem Testament von ihnen gar keine Meldung geschieht, und sie mit nichts bedacht, noch auch namentlich enterbet worden, ist das Testament null und nichtig, und sie sind befugt, die Nichtigkeitslage wider dasselbe anzustrengen, darmit es für ungiltig erkläret, und ihnen die Erbschaft nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge ausgefolget werde.

[2, 14, § 6] 109. Wäre jedoch in einem solchen Testament die codicillarische Clausel beigesetzet, so bestehen jegleichwohlen die darinnen enthaltene Vermächtnissen, insoweit als der Pflichttheil andurch nicht verkürzet wird; es hätte dann der Erblasser Notherben zu haben nicht gewußt, oder sie aus Irrthum für verstorben gehalten, welchen Falls auch die codicillarische Clausel keine Wirkung hat.

[2, 14, § 6] 110. Würden aber die nothwendigen Erben ohne rechtmäßiger Ursache enterbet, also, daß entweder gar keine Enterbungsursache beigefüget, oder die beigefügte nicht erweislich wäre, solchen Falls ist das Testament unpflichtmäßig, und ihnen gebühret darwider die Klage der Unpflichtmäßigkeit.

[2, 14, § 6] 111. Diese Klage ist eine den widerrechtlich enterbten nothwendigen Erben wider die eingesetzten Erben zu Vernichtung der in dem Testament begriffenen Erbseinsetzung zustehende Rechtsforderung, darmit die Erbseinsetzung für unpflichtmäßig, folglich für nichtig, sie aber für rechtmäßige Erben erkläret und zur Erbschaft nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zugelassen werden.

[2, 14, § 6] 112. Es wird daher durch diese Klage bloß allein die Erbseinsetzung aufgehoben, dahingegen bestehen die Vermächtnissen auch ohne Beisatz der codicillarischen Clausel, insoweit als der Pflichttheil andurch keinen Abbruch leidet.

[2, 14, § 6] 113. Doch solle diese Klage nicht anderst zulässig sein, als wann der Enterbte kein anderes rechtliches Hilfsmittel hat, wodurch er zu seinem völligen Recht gelangen mag, als da derselbe wegen Mangel der Feierlichkeit das Testament umstoßen könnte, dann, wo das letztwillige Geschäft selbst null und nichtig wäre, ist vergeblich sich über den Bestand oder Unbestand der darinnen angegebenen Enterbungsursache aufzuhalten.

[2, 14, § 6] 114. Es kann auch solche wider den eingesetzten Erben nicht ehender angebracht werden, als bis derselbe die Erbschaft angetreten hat. Wo aber derselbe vor oder danach verstürbe, gehet sie gleichfalls wider seine Erben, auf die er sein Erbrecht übertragen hat.

[2, 14, § 6] 115. Gleichwie auch gegentheils der Enterbte, wann er noch vor eingebrachter Klage, ohne sich derselben ausdrücklich oder stillschweigend durch Anerkennung des letzten Willens oder Verabsaumung der hierzu ausgesetzten Zeit verziehen zu haben, verstirbt, dieselbe auf seine Erben übertragt.

[2, 14, § 6] 116. Diese Rechtsforderung erstrecket sich aber auf keinen mehreren Betrag, als welcher dem Kläger für seinen Antheil nach der rechtlichen Erbfolge an der Erbschaft gebühret, wann Mehrere, die mit ihme ein gleiches Erbrecht haben, vorhanden sind.

[2, 14, § 6] 117. Würde dahero unter mehreren Enterbten nur von Einem geklaget, so kann ihnen die von dem Einem behauptete Klage so wenig nutzen, als dessen

(2-278) Sachfälligkeit oder Verzicht schaden, sondern gleichwie sie in ersterem Fall für ihre Antheile eine besondere Klage einzubringen haben, also bleibet ihnen in dem anderen Fall ihr Recht, wann sie sich darmit aufzukommen getrauen, noch allemal bevor.

[2, 14, § 6] 118. Dieses verstehet sich jedoch nur von Jenen, welche mit Klägern ein gleiches Erbrecht haben, als Geschwister und die von vorgestorbenen Geschwister nachgebliebene Kinder, oder in der Ordnung der Aufsteigenden die Mutter mit dem Vater, die Großmutter mit dem Großvater u. s. w.

[2, 14, § 6] 119. Dahingegen kann Anderen, welche entweder in einer weiteren Ordnung, oder zwar auch in der nemlichen Ordnung, aber in weiteren Grad befindlich sind, die Ausschließung, Sachfälligkeit oder Verzicht des Einen niemalen den Weg zur Klage eröffnen, sondern sie bleiben allzeit ausgeschlossen, weilen ihnen, so lange ein Näherer nach Ordnung der Reihe oder des Grads vorhanden ist, kein Recht zur Erbfolge, und somit auch kein Pflichttheil gebühret.

[2, 14, § 6] 120. Also da der enterbte Sohn sich der Klage begeben würde, kann weder der Vater des Erblassers, noch der von dem enterbten Sohn absteigende Enkel klagen, weilen so Einer wie der Andere in der Ordnung der rechtlichen Erbfolge durch den Sohn von der Erbschaft ausgeschlossen werden.

[2, 14, § 6] 121. Sind aber Mehrere, welche ein gleiches Erbrecht haben, enterbet worden, so wird der Antheil dessen, welcher rechtmäßig enterbet oder sachfällig worden, oder sich der Klage begeben hat, von der Erbschaft abgezogen, und die Uebrigen, welche die Klage behaupten, bekommen nur so viel, als sie nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge auf ihre Antheile erhalten hätten, wann Jener mit ihnen zur Erbschaft gelanget wäre.

[2, 14, § 6] 122. Diese Klage hat jedoch nicht statt, erstens, wann vorbesagter Maßen der Enterbte ein anderes Rechtsmittel hat, um zur Erbschaft zu gelangen, als da er das Testament wegen Mangels der erforderlichen Feierlichkeiten umzustoßen vermögete.

Zweitens, wann die hiernach zu deren Einbringung ausgemessene Zeit verflossen ist.

[2, 14, § 6] 123. Drittens, wann der Enterbte den letzten Willen ausdrücklich oder stillschweigend anerkennet, als da er sich hierüber mit dem eingesetzten Erben vergleichen, oder auf die Klage Verzicht thun, oder das, was ihme in dem Testament verschaffet worden. anverlangen, oder ohne Vorbehalt annehmen, oder sonst durch was immer für eine Handlung den Eingesetzten für einen rechtmäßigen Erben anerkennen würde.

[2, 14, § 6] 124. Wo aber der Enterbte noch bei Lebszeiten des Erblassers ohne besonderer namentlichen Verzicht auf den Pflichttheil in die Enterbung eingewilliget, oder ein Vermächtniß nicht für sich, sondern in Namen und anstatt eines Anderen zu dessen Handen als Vormund oder Gerhab, oder Befehlshaber anbegehret oder angenommen hätte, schadet derselbe andurch seinem Recht nicht.

[2, 14, § 6] 125. Hätte hingegen der Erblasser seine nothwendige Erben zwar eingesetzet oder doch wenigstens ohne namentlicher Enterbung sie mit etwas bedacht, dabei aber selbe in dem Pflichttheil verkürzet, so können sie zwar das Testament, wann es sonst rechtsgiltig ist, nicht anfechten, sie haben jedoch die Rechtsforderung zu Ergänzung des Pflichttheils sowohl wider die eingesetzten Erben, als Jene, welchen mit Schmälerung des Pflichttheils in dem letzten Willen etwas verschaffet worden, darmit Dasjenige, was noch hieran erweislich abgehet, von ihnen beigetragen werde.

[2, 14, § 6] 126. Diese Rechtsforderung gehet vorzüglich wider die überhaupt eingesetzte Erben, und wann der Pflichttheil aus der übrigen Verlassenschaft erholet werden kann, haben Jene, welche in einzlen Sachen oder Summen eingesetzet worden, sowie die Vermächtnissen zu Ergänzung des Pflichttheils keinen Abzug zu leiden.

[2, 14, § 6] 127. Da aber die übrige Verlassenschaft nicht zureichend wäre, ist sodann erst das, was noch abgehet, von den in einzlen Sachen oder Summen angewiesenen


(2-279) Erbtheilen und Vermächtnissen abzuziehen, welche noch über dieses dem Abzug des Erbviertels in Ansehung der eingesetzten Erben nach Maß dessen, was davon unten in sechzehenten Capitel geordnet werden wird, unterliegen.

[2, 14, § 6] 128. Wann hingegen keine andere Erben überhaupt eingesetzet, sondern der Pflichttheil bloß allein durch die in einzlen Sachen oder Summen angewiesene Erbtheile und Vermächtnissen geschmälert worden wäre, ist diese Rechtsforderung zu Ergänzung des Pflichttheils sogleich wider die einzlen Erben, und Jene, welche mit Vermächtnissen bedacht worden, anzustrengen.

[2, 14, § 6] 129. Uebrigens, und da der Pflichttheil allemal für einen Theil der Erbschaft anzusehen ist, mit was immer für Worten derselbe verlassen werde, kommen auch Jenen, denen solcher gebühret, zu dessen Erlangung alle rechtliche Hilfsmittel zu statten, welche sonst denen Erben zu Erhaltung ihrer Erbtheilen zustehen.

[2, 14, § 6] 130. Wiewohlen aber der Pflichttheil nicht ehender, als nach dem Tod des Erblassers gebühret, und Jedermann bei Lebszeiten mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt ist, so gestatten Wir jedoch gnädigst, um darmit die Vorsehung Unserer Gesetzen nicht vereitlet werden möge, daß die Kinder zu Steuerung der übermäßigen Verschwendung ihrer Eltern die gerichtliche Hilfe ansuchen mögen, auf daß nach vorläufiger Untersuchung der Sache bei Befund der angebrachten Verschwendung von Gericht aus zum Besten der Kinder die nöthige Vorsicht angekehret werde.

§. VII.

[2, 14, § 7] 131. All Vorstehendes hat insolange statt, als die nothwendigen Erben sich des ihnen angebührenden Pflichttheils nicht ganz oder zum Theil entweder aus eigener Schuld, oder aus ihrer freien Willkür verlustig machen.

[2, 14, § 7] 132. Aus eigener Schuld machen sie sich dessen unwürdig, wann eine deren in dem gleich nachfolgenden fünfzehenten Capitel ausgesetzten rechtmäßigen Enterbungsursachen unterwaltet, wegen welcher sie von der Erbfolge nach dem Erblasser ausgeschlossen zu werden verdienen.

[2, 14, § 7] 133. Aus freien Willen begeben sie sich des Pflichttheils, wann sie entweder hierauf ausdrückliche Verzicht thun, oder das Testament, worinnen sie vorbeigegangen oder widerrechtlich enterbet, oder sonst in dem Pflichttheil verkürzet worden, ohne demselben binnen drei Jahren und achtzehen Wochen gerichtlich zu widersprechen, in seine volle Rechtskräften erwachsen lassen, oder auch im Fall ihrer Enterbung den Willen des Erblassers auf die in vorhergehenden §. num. 123 bemelte Art für bündig und giltig anerkennen.

[2, 14, § 7] 134. Dieses verstehet sich jedoch nur von solchen Notherben, welche zur Zeit der geleisteten Verzicht bereits großjährig und Verbindungen einzugehen fähig waren; dann Minderjährigen kann so wenig eine ausdrückliche Verzicht, als die Verjährung an ihrem Recht schaden.

[2, 14, § 7] 135. Die Verzicht, wann sie für sich allein ohne Hinzutretung obiger Verjährungszeit und außer dem Fall der Enterbung die Ausschließung von dem Pflichttheil wirken solle, muß allemal deutlich, und entweder überhaupt auf die ganze Erbschaft, oder insonderheit auf den Pflichttheil gerichtet sein.

[2, 14, § 7] 136. Wann demnach ein Kind noch in Lebszeiten des Vaters oder Mutter etwas zu seiner Abfertigung erhält, ist nicht sofort hieraus eine Verzicht auf den Pflichttheil zu folgeren, woferne solche nicht wortdeutlich dabei ausgedrucket worden,

(2-280) sondern das Kind bleibt noch allezeit berechtiget, Dasjenige, was es weniger empfangen als sein Pflichttheil beträgt, aus der Verlassenschaft anzuforderen.

[2, 14, § 7] 137. Um so weniger aber kann aus deme allein eine stillschweigende Verzicht auf die Ergänzung des verkürzten Pflichttheils geschlossen werden, daß der Notherb den Willen des Erblassers in anderen Punkten anerkennet, das ihme Verschaffte ohne Vorbehalt angenommen oder die Erbschaft angetreten habe.

[2, 14, § 7] 138. Es wäre dann von ihme die Antretung der Erbschaft ohne der Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii geschehen, in welchem Fall die ohnableinliche rechtliche Vermuthung eintritt, daß der Pflichttheil ganz und unverkürzet seie.

[2, 14, § 7] 139. Woferne hingegen ein Kind sich mit der erhaltenen Abfertigung dergestalten begnügete, daß es auf alle weitere Erbschaft oder Anforderung des Pflichttheils halber eine ausdrückliche Verzicht thun würde, so hat es auch weiter keinen Anspruch auf den Pflichttheil an der Verlassenschaft desjenigen Theils der Eltern, von deme es solchergestalten abgefertiget worden.

[2, 14, § 7] 140. Gleichwie dann auch auf dem Fall, wo noch andere unabgefertigte Notherben vorhanden sind, derjenige Antheil, welcher auf den Pflichttheil des Abgefertigten, wann er keine Verzicht gethan hätte, gediehen wäre, von dem Pflichttheil der Uebrigen abzuziehen ist, welchen nichts Mehreres hieran gebühret, als ihre Antheile betragen hätten, wann Jener, der hierauf Verzicht gethan hat, mit ihnen zur Theilung gelanget wäre, dessen Antheil somit dem Erblasser zu seiner freien Anordnung verbleibet.

[2, 14, § 7] 141. So wenig aber der Pflichttheil ohne Einwilligung der Notherben verminderet werden kann, eben so wenig kann solcher ohne ihrem eigenen Willen beschweret werden, sondern die Beschwerde ist insgemein für nicht beigesetzet zu achten.

[2, 14, § 7] 142. Nur allein in Fällen, wo die beigefügte Beschwerde den selbsteigenen Nutzen des Notherbens zur Absicht hat, solle dieselbe bestehen können, als da der Erblasser wegen kundbarer Verschwendung oder Blödsinnigkeit seines Notherbens denselben in der freien Verwaltung des ihme zugewendeten Erbtheils zu beschränken nöthig zu sein finden würde.

[2, 14, § 7] 143. Oder da der Erblasser seinem Notherben ein Mehreres, als ihme nicht zum Pflichttheil gebührete, mit einer beigefügten Beschwerde dergestalten verschaffete, daß, wo er sich seinem Willen nicht fügen und der Auflage nicht Genügen leisten wollte, ihme der bloße Pflichttheil zukommen, das Uebrige aber benommen sein solle.

[2, 14, § 7] 144. In diesem Fall hat der Notherb die Auswahl, entweder den beschwerten größeren Erbtheil anzunehmen oder sich dessen zu entschlagen, und mit dem alleinigen Pflichttheil zu begnügen. Hätte er aber ersteren vorgewählet, kann er sich auch der darmit verknüpften Last nicht entledigen, welche nach dem Willen des Erblassers von dem beziehenden mehreren Vortheil unzertrennlich ist.

(2-281) Caput XV.

Von Enterbung nothwendiger Erben.

Inhalt:

§. I. Von der Art und Weis der Enterbung. §. II. Von rechtmäßigen Ursachen zu Enterbung der Kinder. §. III. Von rechtmäßigen Ursachen zu Enterbung der Eltern. §. IV. Von Wirkungen der Enterbung.

§. I.

[2, 15, § 1] Num. 1. Die Schuldigkeit denen Notherben den Pflichttheil zu verlassen, höret damals auf, wann sie durch ihr gegenseitiges pflichtwidriges Betragen sich dieser ihnen von Unseren Gesetzen zugedachten Wohlthat unwürdig machen, und wegen ihrer üblen Aufführung von der Erbschaft des Erblassers ausgeschlossen, und somit enterbet zu werden verdienen.

[2, 15, § 1] 2. Die Enterbung ist demnach eine in dem Testament aus rechtmäßiger Ursach ausgedruckte Ausschließung der nothwendigen Erben von der Erbschaft des Erblassers, wodurch dieselbe sich von der Vorbeigehung nothwendiger Erben unterscheidet, welche zwar an sich eine stillschweigende Enterbung ist, doch aber keine Ausschließung wirket, sondern das Testament null und nichtig macht.

[2, 15, § 1] 3. Nur nothwendige Erben, als die Absteigenden und Aufsteigenden, welchen der Pflichttheil von Unseren Gesetzen beschieden ist, werden eigentlich enterbet, alle Andere aber, welche zu Erben einzusetzen von der Willkür des Erblassers abhanget, können nicht enterbet werden, weilen ihnen kein Recht zur Erbschaft gebühret.

[2, 15, § 1] 4. Es müssen auch die absteigende Notherben, welche enterbet werden, nicht allein zur Zeit des errichteten Testaments schon geboren sein, sondern auch die Jahre der Kindheit überschritten, und den vollkommenen Gebrauch des Verstands gehabt haben, daß von ihnen die Fähigkeit die angezeigte Enterbungsursache begangen zu haben vermuthet werden möge.

[2, 15, § 1] 5. Dahero können noch Ungeborene, Kinder und Blödsinnige, wann sie vor der ihnen zugestoßenen Blödsinnigkeit keine Ursach zur Enterbung gegeben haben, nicht enterbet werden, sondern, da sie jegleichwohlen enterbet würden, ist solches für eine Vorbeigehung zu halten, und das Testament null und nichtig.

[2, 15, § 1] 6. Die Enterbung gereichet allemal zum Nachtheil der Enterbten, und Wir finden unnöthig, jene in dem gemeinen Recht erbrachte Enterbungen, welche aus guter Absicht zum Besten des Erben, um den widrigens von seiner Einsetzung befahrenden Schaden andurch abzuwenden eingeführet worden, in Unseren Staaten zuzulassen, sondern wollen solche hiermit gänzlich aufgehoben haben, maßen Unsere Gesetze genugsame Mitteln an Hand lassen, wodurch der eingesetzte Erb sich vor Schaden und Nachtheil sicher stellen kann.

(2-282) [2, 15, § 1] 7. Darmit jedoch die Enterbung bestehen könne, muß dieselbe erstens namentlich geschehen, also daß daraus wissend sein könne, wer enterbet worden, widrigens ist es für eine Vorbeigehung zu halten.

[2, 15, § 1] 8. Zweitens kann dieselbe nicht anderst, als in einem rechtsgiltigen Testament verfüget werden, dann wo das Testament null und nichtig ist, hat auch die darinnen begriffene Enterbung so wenig, als da solche in einem Codicill, oder auch gar in einer Handlung zwischen Lebenden geschehen wäre, einige Wirkung, sondern sie ist für nicht geordnet zu achten.

[2, 15, § 1] 9. Drittens muß sie aus einer rechtmäßigen Ursache geschehen, und diese Ursach in dem Testament wortdeutlich und insonderheit ausgedrucket werden, außerdeme, da ein Notherb ohne Benennung der Ursach enterbet worden wäre, ist das Testament unpflichtmäßig, und solle kein Beweis einer Ursache, wann gleich solche erweislich wäre, zulässig sein.

[2, 15, § 1] 10. Viertens muß auf Erforderungsfall die nemliche von dem Erblasser insonderheit ausgedruckte Ursach von dem eingesetzten Erben erwiesen werden können, widrigens wird in Entstehung des Beweises seine Erbseinsetzung durch die Klage der Unpflichtmäßigkeit aufgehoben.

[2, 15, § 1] 11. Uebrigens stehet dem Erblasser frei, wo eine rechtmäßige Ursach vorhanden ist, seinen Notherben entweder von der ganzen Erbschaft, oder nur von einem Theil derselben also auszuschließen, daß er ihme hiervon weniger, als Anderen zuwende, oder auch ihme Fremde vorziehe, und ihn nur mit einer Vermächtniß bedenke, oder auch lediglich auf eine Zeit enterbe, doch ist in dem Fall, wo Jemand nicht gänzlich enterbet wird, zu unterscheiden, ob die Enterbung alle vorerwähnte Erfordernissen habe oder nicht.

[2, 15, § 1] 12. Ist sie giltig und rechtmäßig, so hat sich der Enterbte mit deme, was ihme zugedacht worden, zu begnügen, und kann nichts mehr anforderen. Ist aber die Enterbung unrechtmäßig, so kann er zwar das Testament, in welchem er gleichwohlen mit etwas bedacht worden, der Unpflichtmäßigkeit halber nicht anfechten, doch ist auch derselbe an die Anordnung des Erblassers nicht gebunden, sondern kann die Ergänzung seines verkürzten Pflichttheils ansuchen.

§. II.

[2, 15, § 2] 13. Damit aber auch die Willkür der Erblasseren in Enterbung ihrer Notherben nicht allzuweit gehe, haben Wir derselben gewisse Schranken zu setzen,

(2-283) und die Ursachen, welche zur Enterbung rechtmäßig sein sollen, durch dieses Unser Gesatz zu bestimmen für nöthig angesehen.

[2, 15, § 2] 14. Die Ursachen, wegen welcher die Eltern ihre Kinder enterben können, sind folgende: Erstens, wann ein ungerathenes Kind seine Eltern freventlich geschlagen oder gewaltsame Hand an sie angeleget, oder sie durch Andere auf sein Angeben oder Anrathen mißhandlen lassen, oder wie sonst immer darzu behilflich gewesen, oder, wo es in seiner Macht gestanden, das seinen Eltern bevorstehende üble Verfahren nicht abgewendet, oder sie wenigstens in der Zeit davor nicht gewarnet hätte. So auch von jenem Fall verstanden sein solle, wann zwar die Kinder sich an ihren Eltern nicht wirklich vergriffen, doch aber aus Frevel, Bosheit und Muthwillen auf sie zu schlagen, zu hauen, zu stechen oder zu schießen gedrohet haben.

[2, 15, § 2] 15. Zweitens, wann Kinder ihrer Eltern Ehre und guten Leumund mit harten Schmäh- und Schimpfworten antasten, ihnen übel nachreden, sie verleumden, oder auf sie schelten und fluchen.

[2, 15, § 2] 16. Drittens, wann Kinder ihre Eltern einer Missethat beschuldigen, und sie deswegen bei Gericht angeben, oder sich freiwillig zu Zeugen oder Anwälten in einer peinlichen Anfertigung wider sie gebrauchen lassen. Es wären dann solche Verbrechen, welche auch Kinder wider ihre Eltern anzubringen nach Aussatz Unserer peinlichen Gerichtsordnung schuldig sind.

[2, 15, § 2] 17. Viertens, wann Kinder ihre Eltern aus dem Gefängniß, in welches diese Schulden oder Verbrechen halber gerathen, wo sie bereits großjährig, und es auch nach ihren Vermögensumständen ohne eigenen merklichen Nachtheil zu thun im Stande sind, auf deren Ersuchen, es seie durch Bezahlung der Schuld oder durch Verbürgung in Fällen, wo solche zulässig, nicht entlediget und befreiet haben.

[2, 15, § 2] 18. Fünftens, wann großjährige Kinder für ihre alterlebte, kranke oder auch blödsinnige Eltern keine Sorgfalt getragen, noch sie nach Zulassung ihres Vermögens unterhalten und gepflogen haben, oder durch Andere pflegen lassen, sondern sie verabsaumet, verlassen oder gar verstoßen haben, obschon sie mit einer ansteckenden Krankheit, oder auch mit der Pest behaftet gewesen wären.

[2, 15, § 2] 19. Sechstens, wann Kinder ihren Eltern gefährlicher Weise nach dem Leben streben, es seie durch Vergebung mit Gift oder sonstige Ermordung, oder auch nur einen solchen boshaften Anschlag auszuführen vorgehabt, obgleich die wirkliche That nicht erfolget wäre.

[2, 15, § 2] 20. Siebentens, wann Kinder ihre Eltern boshafter Weise verrathen und angeben, andurch aber ihnen an ihren Leib, Ehre oder Gut großen Schaden und Nachtheil verursachen.

[2, 15, § 2] 21. Achtens, wann großjährige Kinder ihre Eltern aus der feindlichen

(2-284) Gefangenschaft oder Sclaverei, wo sie von deren Zustand benachrichtiget, und es entweder ohne ihrem sonderlichen Nachtheil aus ihrem eigenen oder ihrer Eltern zuruckgelassenen Vermögen zu thun im Stande sind, nicht erlöset und frei gemacht haben.

[2, 15, § 2] 22. Neuntens, wann ein Kind seine Eltern, es seie durch Abhaltung der Zeugen, Verschränkung der Gelegenheit, Drohungen, Gewalt oder Arglist verhinderete und wehrete, von ihrem Gut letztwillig zu ordnen, oder die vorhin letztwillige Anordnung abzuänderen, und der Erblasser jegleichwohlen nachhero ein Testament zu Stand brächte, kann er ein solches Kind deshalben enterben.

[2, 15, § 2] 23. Zehentens, wann Kinder sich zur liederlichen Gesellschaft geschlagen, als da sie sich zu Diebs- und Rauberbanden geselleten, um mit ihnen Böses zu thun, nicht aber, wo sie von Ohngefähr unter dieselbe gerathen wären.

[2, 15, § 2] 24. Eilftens, wann wohlverhaltener Eltern Kinder wider deren Willen mit ehrlosen und liederlichen Gesindel Gemeinschaft gemacht, mit demselben herumgezogen, und sich genähret, wovon die Eltern Schand und Spott hätten.

[2, 15, § 2] 25. Zwölftens, wann ein Sohn mit seiner Stiefmutter, oder eine Tochter mit ihrem Stiefvater sich fleischlich vermischet, kann der Vater den Sohn, und die Mutter ihre Tochter enterben.

[2, 15, § 2] 26. Dreizehentens, wann ein Kind von dem christlichen Glauben abgefallen, oder sich zu einer solchen Irrlehre bekennet hätte, welche nach der Verfassung desjenigen Lands, worinnen die väterliche oder mütterliche Erbschaft befindlich ist, erbsunfähig macht, und ihre Anhänger von der Erbschaft ausschließt.

[2, 15, § 2] 27. Vierzehentens, wann eine Tochter der Hurerei nachhinge, oder sonst das unehrliche dem ehrlichen Leben vorgezogen hätte. Deswegen aber, daß ein Sohn oder Tochter wider Willen ihrer Eltern geheirathet, können sie von ihnen nicht enterbet werden, es seie dann, daß die Ursach, wegen welcher die Eltern sich der Heirath widersetzet haben, von Gericht erheblich zu sein befunden worden wäre.

§. III.

[2, 15, § 3] 28. Dagegen sind auch die Kinder befugt, ihre Eltern aus folgenden Ursachen zu enterben: Erstens, wann die Eltern ihre Kinder außer jenen Fällen, wo sie es nach Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung zu thun schuldig sind, wegen einer Missethat, welche das Leben verwirket hätte, bei Gericht angegeben, oder freiwillige Zeugnuß in solchen Fall wider sie abgeleget.

[2, 15, § 3] 29. Zweitens, wann sie den Kindern durch Gift oder andere Wege nach dem Leben gestellet, obgleich der Anschlag nicht ausgeführet worden, sondern es bei der bloßen Bestrebung solchen auszuführen geblieben wäre.

[2, 15, § 3] 30. Drittens, wann die Eltern ihre Kinder verhinderen, von dem ihnen eigenthumlich angehörigen Gut letztwillig zu ordnen, oder die schon errichtete letztwillige

(2-285) Anordnung abzuänderen, und sie gleichwohl hernach ein Testament zu Stand brächten.

[2, 15, § 3] 31. Viertens, wann sie mit ihrer Kinder Ehegatten, als der Vater mit seiner Schwiegertochter, oder die Mutter mit ihrem Schwiegersohn Blutschande getrieben, kann der Vater von seinem Sohn, und die Mutter von ihrer Tochter enterbet werden.

[2, 15, § 3] 32. Fünftens, wann ein Theil der Eltern dem anderen nach dem Leben gestrebet, kann der Schuldige von seinem Kind enterbet werden.

[2, 15, § 3] 33. Sechstens, wann die Eltern ihre Kinder in Armuth, Elend, Krankheit oder Blödsinnigkeit verlassen, oder gar verstoßen, und sie nicht mit dem benöthigten Unterhalt, wo sie es thun können, versorget, noch durch Andere pflegen und warten lassen.

[2, 15, § 3] 34. Siebentens, wann die Eltern ihr in die feindliche Gefangenschaft oder Sclaverei gerathenes Kind, wo sie von dessen Zustand benachrichtiget, und es entweder aus eigenen oder des Kinds seinem Vermögen zu thun im Stande sind, nicht auslösen und befreien.

[2, 15, § 3] 35. Achtens, wann die Eltern von dem christlichen Glauben abgefallen, oder eine solche Irrlehre angenommen hätten, deren Anhänger nach der Verfassung desjenigen Lands, worinnen die Erbschaft nach einem Kind befindlich ist, von der Erbfolge ausgeschlossen werden.

§. IV.

[2, 15, § 4] 36. Wiezumalen aber nicht alle Fälle in dem buchstäblichen Inhalt eines Gesatzes also erschöpfet werden können, daß nicht noch einige erübrigen, welche eine gleiche Vorsehung erheischen, so wollen Wir dahero keineswegs die Enterbung der Notherben auf die vorbeschriebene Ursachen dergestalten beschränken, daß solche nicht auch aus anderen, obschon in deren wörtlichen Verstand nicht ausgedruckten, doch aber in der Sache selbst darunter begriffenen gleich wichtigen, aber auch wichtigeren Ursachen bestehen könne, wann selbe der Richter erheblich und hinlänglich zu sein befunden hat.

[2, 15, § 4] 37. Die Ursach muß allemal von dem eingesetzten Erben erwiesen werden, wann das Testament von dem Enterbten angefochten wird, widrigens, und da solche von ihme nicht erwiesen werden könnte, wird die Enterbung aufgehoben, und der ohne erprobter rechtmäßigen Ursach Enterbte gelanget zu demjenigen Erbtheil, der ihme von Unseren Gesetzen nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge beschieden ist.

[2, 15, § 4] 38. Würde aber die Ursach von dem eingesetzten Erben zwar erwiesen, von dem Enterbten hingegen die nach der Enterbung mit dem Erblasser erfolgte Versöhnung eingewendet, so solle durch eine solche Einwendung die Enterbung nicht

(2-286) anderst entkräftet werden können, als wann der Erblasser sich schriftlich oder auch mündlich entweder vor Gericht, oder wenigstens vor zweien Zeugen erkläret hätte, daß er die Enterbung anwiederum aufhebe.

[2, 15, § 4] 39. Es ist solchemnach an alleiniger Nachsicht und Erlassung der Beleidigung nicht genug, wann gleich kündig wäre, daß der Enterbte mit dem Erblasser nachhero in einem Haus oder in guter Vertraulichkeit gelebet, sondern die Enterbung muß auf vorstehende eine oder die andere Art ausdrücklich aufgehoben und widerrufen werden.

[2, 15, § 4] 40. Wo aber der Erblasser eine andere Willensmeinung nicht erkläret hätte, uns die in dem Testament enthaltene rechtmäßige Ursach zu Recht erwiesen würde, bleibt der Enterbte von der Erbschaft gänzlich ausgeschlossen. Doch gehet diese Ausschließung nicht weiter, als auf den Erbanfall nach dem Erblasser, welcher ihn enterbet hat, nicht aber auch auf den weiteren Erbanfall, der sich in der nemlichen Erbschaft nach dem eingesetzten Erben, es seie aus einem Testament, oder aus der Ordnung der rechtlichen Erbfolge, nachher an ihn ergeben würde.

Caput XVI.

Von Vermächtnissen.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Vermächtnissen überhaupt.

§. I. Von der Natur, Wesenheit und Unterschied der Vermächtnissen. §. II. Von Fähigkeit jener Personen, denen etwas verschaffet werden kann. §. III. Von Zusammentreffung Mehrerer, denen einerlei Sache verschaffet worden. §. IV. Von der Art und Weis, wie Vermächtnissen verschaffet werden. §. V. Von Bedingnissen der Vermächtnissen. §. VI. Von Beschreibung der vermachten Sachen, oder dessen, deme etwas verschaffet wird. §. VII. Von Beisetzung der Bewegursache des Erblassers zur Vermächtniß. §. VIII. Von Vorschrift der Weis, was und wie für die Vermächtniß zu leisten seie.

§. I.

[2, 16, § 1] Num. 1. Die dritte Art, womit in letztwilligen Anordnungen Jemanden etwas zugedacht wird, sind Vermächtnissen, welche sich von denen vorbeschriebenen beiden Arten der Erbseinsetzung und After-Erbseinsetzung in deme unterscheiden, daß mittelst dieser das Erbrecht selbst übertragen, durch Vermächtnissen aber nur einzle Sachen verlassen und verschaffet werden.

(2-287) [2, 16, § 1] 2. Bei diesen sind vornehmlich ihre gleichförmige Natur überhaupt, weiters aber deren aus dem Unterschied der anmit verschafften Dingen entstehende verschiedene Gattungen, dann deren Wirkung, und endlich auch die Arten, wodurch sie anwiederum entkräftet, widerrufen, übertragen und geschmälert werden, zu betrachten.

[2, 16, § 1] 3. Es wird dahero gegenwärtiges Capitel in vier Artikeln abgetheilet, und in deren ersten von Vermächtnissen überhaupt, in dem zweiten von Sachen, welche verschaffet werden können, in dem dritten von rechtlichen Hilfsmitteln zu deren Erlangung, und endlich in dem vierten von deren Entkräftung, Widerrufung, Uebertragung und Schmälerung gehandlet.

[2, 16, § 1] 4. Ein Vermächtniß überhaupt ist nichts Anderes, als eine letztwillige, von dem Erblasser Jemanden zugedachte Freigebigkeit, welche von seinem Erben geleistet werden muß.

[2, 16, § 1] 5. Hieraus erhellet der bereits oben in siebenten Capitel, in zweiten Artikel, §. VII, von num. 112 bis 114 gezeigte Unterschied von Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall, welche auch außer einer letztwilligen Anordnung bestehen, und durch Annehmung des Geschenknehmers noch bei Lebszeiten des Schenkenden unwiderruflich werden, wohingegen Vermächtnissen nach der Natur letztwilliger Handlungen bis auf den letzten Lebensabdruck widerruflich bleiben.

[2, 16, § 1] 6. Die Vermächtnissen gründen sich demnach lediglich in der Anordnung und dem klar und deutlich erklärten letzten Willen des Erblassers, mithin kann auch kein Vermächtniß durch bloße Zeichen oder durch Winken verschaffet werden.

[2, 16, § 1] 7. Gleichwie aber der letzte Willen des Erblassers auf keine andere rechtsbeständige Art und Weis, als in einem Testament oder Codicill erkläret werden mag, also können auch Vermächtnissen auf keine andere Art, als durch ein Testament oder Codicill rechtsgiltig verlassen werden.

[2, 16, § 1] 8. Doch haben dieselben dieses Besondere, daß, wo ein letzter Willen als ein bündiges Testament zu Recht nicht gelten könnte, und dabei mit der codicillarischen Clausel versehen wäre, sie nichtsdestoweniger aus Wirkung dieser Clausel, welche das unstandhafte Testament in einen Codicill verwandlet, bei Kräften erhalten werden, und auch ohne einem Testament in dem Fall der alleinigen rechtlichen Erbfolge bestehen können, wann der Erblasser kein Testament, sondern nur einen oder mehrere Codicillen errichtet hätte.

§. II.

[2, 16, § 2] 9. Vermächtnissen können Jedermänniglichen verschaffet werden, der die Fähigkeit hat, aus letztem Willen etwas zu beziehen; welche aber unfähig sind,

(2-288) ist bereits in zwölften Capitel, §. II, erkläret worden, und welche als unwürdig ausgeschlossen werden, wird unten in neunzehenten Capitel angezeiget.

[2, 16, § 2] 10. Doch muß auch bei Vermächtnissen die Person Desjenigen, deme etwas verschaffet wird, nicht weniger, wie es oben in vorbemelten Capitel, §. IV, bei Erbs-Einsetzungen von der Person des Erbens geordnet worden, gewiß und bestimmet sein, oder doch in der Folge auf die alldort vorgeschriebene Art und Weis bestimmet werden können.

[2, 16, § 2] 11. Nur bei Jenen, welche zur Zeit des errichteten letzten Willens noch nicht geboren sind, bedarfen die Vermächtnissen nicht so viele Gewißheit, wie die Erbseinsetzungen, dann obschon die Erbseinsetzung eines noch Ungebornen in der Gestalt und Kraft der ersten Einsetzung nicht anderst bestehen kann, als wann der Eingesetzte schon zur Zeit des Tods des Erblassers empfangen ist, so wird doch dieses bei Vermächtnissen nicht erforderet, sondern dieselben können auch an Jene rechtsgiltig geschehen, welche zur Zeit des Tods des Erblassers noch nicht empfangen waren, und erst künftig erzeuget werden.

[2, 16, § 2] 12. Wir begünstigen aber die Nachgeborenen über das noch weiters dahin, daß, wo ein Erblasser seinen, oder jemands Anderen Kindern, Söhnen oder Töchtern, Enklen oder Enklinnen überhaupt, ohne sie insonderheit mit Namen zu benennen, etwas verschaffet hätte, auch Jene an dem Vermächtniß mit ihren Geschwistern einen gleichen Antheil haben sollen, welche erst nach errichteten letzten Willen, oder nach Absterben des Erblassers geboren werden, wann nicht sein widriger Willen anzunehmen ist, daß er das Vermächtniß lediglich denen schon damals Erzeugten beschieden haben wolle.

[2, 16, § 2] 13. Ein Gleiches hat auch in dem Fall statt, wann der Erblasser ein künftig erzeugendes Kind mit etwas bedacht hätte, und nachhero Mehrere, es seie zugleich, oder nach und nach erzeuget würden, welchen Allen an dem Verschafften ein gleicher Antheil gebühret, woferne nicht aus dem Inhalt der letztwilligen Anordnung erhellete, daß er das zunächst Erzeugende, und kein anderes gemeinet habe.

[2, 16, § 2] 14. Es hat dahero der Erblasser vollkommene Freiheit, wen er immer wolle, mit Vermächtnissen zu bedenken, wann dieser nur dazu fähig ist. Doch kann dem Erben, wann er keine Miterben hat, mit Bestand kein Vermächtniß verlassen werden, weilen ihme in solchem Fall ohnedies die ganze Erbschaft außerdeme, was er davon an Andere zu entrichten hat, aus dem Erbrecht zufallt.

[2, 16, § 2] 15. Wo aber einem von mehreren Miterben, diese mögen aus der letztwilligen oder rechtlichen Erbfolge, oder aus beiden zugleich zusammentreffen, etwas zum voraus verschaffet worden wäre, bestehet das Vermächtniß nur insoweit, als die übrigen Miterben nach Maß ihrer Erbtheilen darzu beizutragen haben, seinen Antheil hingegen beziehet derselbe aus dem Erbrecht.

[2, 16, § 2] 16. Deme gemäß stehet dem mit einem Vermächtniß bedachten Miterben frei entweder vor der Theilung solches aus der gemeinen Erbschaft zum voraus zu nehmen, oder wo es vorher nicht schon abgezogen worden wäre, nach der Theilung von den übrigen Miterben den nach Maß ihrer Erbtheilen auf sie ausfallenden Betrag anzuforderen.

[2, 16, § 2] 17. Es wäre dann ein Erb nur in einer gewissen Sache oder bestimmten Betrag eingesetzet, und ihme nebstdeme noch ein Vermächtniß zugedacht worden, oder der Erblasser hätte die anderen Miterben verbunden, das dem Einen verschaffte Vermächtniß von ihren Antheilen allein zu leisten, in welchen Fällen dieselbe das ganze Vermächtniß nach dem Willen des Erblassers aus der übrigen Verlassenschaft abzutragen schuldig sind.

[2, 16, § 2] 18. Außerdeme hat es bei dem Grundsatz sein festes Bewenden, daß ein Erb nicht weiter, als nach Maß seines Erbtheils zu Leistung der Vermächtnissen verbunden seie, und die Erblasten jederzeit nach den Erbvortheilen abgemessen

(2-289) werden, wann der Erblasser nicht ausdrücklich einen Miterben vor dem anderen mehr beschweret hätte.

§. III.

[2, 16, § 3] 19. Einerlei Vermächtniß kann auch Mehreren dergestalten verschaffet werden, daß entweder einem Jedweden hieran sein Antheil angewiesen werden, oder dasselbe Allen zusammen ohne Anweisung der Theileu (= Theilen) zukommen solle, und haben in Theilung einerlei an Mehrere vermachten Sache eben diejenige Maßregeln statt, welche oben in zwölften Capitel, §. III, von num. 36 bis 52 bei mehreren eingesetzten Erben vorgeschrieben worden.

[2, 16, § 3] 20. Es möge aber einerlei Sache an Mehrere mit oder ohne Anweisung der Theilen verschaffet werden, so solle nicht weniger, als es oben an gleichberührter Stelle von mehreren Miterben geordnet worden, das Recht des Zuwachses zwischen ihnen gänzlich aufgehoben sein.

[2, 16, § 3] 21. Solchemnach wachst der erledigte Antheil nach dem Einen, welcher entweder vor dem Erblasser, oder vor Ausgang der beigefügten Bedingniß verstorben, oder wegen seiner Unfähigkeit oder Unwürdigkeit nicht zum Vermächtniß gelangen kann, oder sich dessen selbst entschlagen hat, nicht denen Anderen zu, welche mit ihme in dem Vermächtniß, es seie durch Worte, oder an einerlei Sache allein, oder auf beiderlei Weise zugleich zusammengefüget worden, sondern derselbe solle denen Erben nach Maß ihrer Erbtheilen zufallen, wann der Erblasser wegen dieses ledigen Antheils nicht ausdrücklich eine andere Vorsehung gemacht hätte.

[2, 16, § 3] 22. Nur folgende drei Fälle sind ausgenommen, worinnen der ledige Antheil eines an Mehrere verschafften Vermächtnisses denen Uebrigen nicht zwar aus dem Recht des Zuwachses, sondern aus einer entweder schon in den Worten des Vermächtnisses stillschweigend begriffenen, oder wortdeutlich ausgedruckten Nachberufung zuzukommen hat.

[2, 16, § 3] 23. Der erste Fall ist, wann von dem Erblasser einerlei Sache an Mehrere dergestalten vermacht worden wäre, daß er dem Einen seinen Antheil hieran abgesönderter verschaffet, denen übrigen Zusammengefügten aber miteinander einen gleichen Antheil mit dem von ihnen Abgesönderten an eben derselben Sache angewiesen hätte, welche in dem ihnen zusammen zugedachten Antheil für eine Person zu halten sind, und dahero fallt der durch Abgang des Einen aus ihnen entledigte Antheil denen Uebrigen zu, woferne der Erblasser nicht ein Widriges angeordnet hätte, wie es an mehrbemelter Stelle von num. 45 bis 49 erkläret worden.

[2, 16, § 3] 24. Der zweite Fall ist, wann der Erblasser einerlei Sache Mehreren versammlungsweise unter dem Begriff einerlei Eigenschaft, ohne deren Jedweden seinen besonderen Antheil hieran zu bestimmen, als einer Gemeinde, Mittel, oder Gesellschaft, oder seines Bruder, oder Schwester Kindern überhaupt vermacht hätte, wovon auch nur Einer, der zur Zeit des anfallenden Vermächtnisses übrig wäre, für sich allein das Ganze erhält, was von dem Erblasser Allen zusammen zugedacht worden.

[2, 16, § 3] 25. Hätte hingegen der Erblasser die Theile einem Jeden besonders angewiesen, und wie viel ein Jedweder zu beziehen habe, bestimmet, folglich sie andurch abgesönderet, so tritt die Hauptregel ein, daß die ledige Antheile nicht denen Uebrigen zukommen, sondern in der Erbschaft zuruckbleiben.

[2, 16, § 3] 26. Was einem Mittel, Gemeinde oder sonstigen Versammlung, welche ein gemeines Vermögen haben, verlassen wird, bleibt insgemein dem gesammten Mittel selbst, und ist nicht unter die einzle Mitglieder desselben zu vertheilen, wann es der Erblasser nicht ausdrücklich also angeordnet hätte, oder die Verfassung des Mittels nicht mit sich brächte, daß Dasjenige, was einkommt, sogleich unter die Mitglieder vertheilet werden solle.

[2, 16, § 3] 27. Welchen Falls nur Jene an dem zu vertheilenden Vermächtniß einen

(2-290) Anspruch haben, die zur Zeit des Absterbens des Erblassers am Leben, und schon von diesem Mittel waren, nicht aber auch die Erben deren, welche vor dem Erblasser verstorben, wann sie nicht selbst Mitglieder dieses Mittels sind, noch weniger Jene, die erst nach seinem Tod in dieses Mittel aufgenommen werden.

[2, 16, § 3] 28. Der dritte Fall ist, wann der Erblasser wortdeutlich verordnet hätte, daß der nach Abgang des Einen erledigte Antheil der Mehreren zusammen verschafften Sache denen Uebrigen entweder allen, oder einigen aus ihnen zufallen solle, welche sonach aus der wortdeutlichen Nachberufung des Erblassers die ledige Antheile bekommen.

§. IV.

[2, 16, § 4] 29. Was immer für Worten der Erblasser sich bei Vermächtnissen gebrauchet, sind solche giltig, und haben einerlei Kraft, die Worte mögen an den, welchem etwas vermacht wird, oder an den Erben, oder an einen Dritten, welcher mit etwas bedacht worden, gerichtet sein, wann nur der Willen des Erblassers hieraus deutlich erhellet.

[2, 16, § 4] 30. Dann Alle, auf die durch Absterben des Erblassers aus der Erbschaft, es seie aus dessen ausdrücklicher letztwilliger Anordnung, oder aus stillschweigender Beilassung Desjenigen, was er ihnen zu entziehen Fug und Recht gehabt hätte, etwas gelanget, können auch mit Abstattung der Vermächtnissen an Andere beschweret werden, insoweit als die Beschwerde den genießenden Vortheil nicht übersteiget.

[2, 16, § 4] 31. Es können dahero sowohl die eingesetzte, als die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretende Erben, die durch gemeine oder vertrauliche After-Erbseinsetzung nachberufene zweite Erben, die Erbenserben nach Maß des Jenen zugekommenen Erbtheils, und endlich auch die, welchen etwas mit diesem Beding vermacht, oder durch Uebergabe auf den Todesfall geschenket worden, dahin verbunden werden, daß sie einem Dritten das, was sie bekommen, entweder ganz oder zum Theil abstatten sollen.

[2, 16, § 4] 32. Weiter aber als auf das, was Jemand empfangen, kann sich die Beschwerde nicht erstrecken, sondern, wo weniger empfangen und mehr vermacht worden, bestehet das Vermächtniß nur nach Maß des Empfangenen, und das Mehrere entfallet, wann solches der Erblasser nicht ausdrücklich an seiner übrigen Verlassenschaft angewiesen hätte, oder das Mehrere nicht ein von der vermachten Sache selbst herrührender Zuwachs wäre, als eingehende Zinsen von einem Capital, oder einhebende Früchten und Nutzungen von einem verschafften Gut.

[2, 16, § 4] 33. Umsoweniger mögen Jene mit Vermächtnissen belastet werden, die von dem Erblasser gar nicht bedacht worden, und aus der Erbschaft keinen Vortheil bezogen, sondern derlei Vermächtnissen sind null und nichtig, folglich ist auch der Erb keineswegs schuldig, solche zu entrichten.

[2, 16, § 4] 34. Wollten aber Jene, welche mit Vermächtnissen an Andere beschweret sind, das, was ihnen dagegen von dem Erblasser zugewendet worden, nicht annehmen, sondern sich viel lieber dessen entschlagen, oder sie könnten auch etwan nicht darzu gelangen, so werden die, welche hierauf angewiesen sind, der ihnen zugedachten Wohlthat deswegen nicht verlustig, sondern sie können das ihnen Angewiesene, insoweit es den den Anderen verschafften Betrag nicht übersteiget, aus der Verlassenschaft jegleichwohlen forderen.

[2, 16, § 4] 35. Hätte hingegen der Erblasser Niemanden namentlich mit den verschafften Vermächtnissen beschweret, so sind nichtsdestoweniger die Erben aus der Natur der Sache nach Maß ihrer Erbtheilen verbunden, solche abzustatten.

[2, 16, § 4] 36. Und da in diesem Fall aus Abgang des eingesetzten ersten Erben der nachberufene zweite Erb, oder wo keiner nachberufen worden, die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge bei bestehenden Testament zur Erbschaft gelangeten, treten auch dieselben in diese Verbindlichkeit ein, mit alleiniger Ausnahm


(2-291) derjenigen Auflagen, welche namentlich dem eingesetzten ersten Erben aufgebürdet worden, woran der nachberufene zweite Erb, wann solche bei ihme nicht wiederholet worden, nicht gebunden ist.

[2, 16, § 4] 37. Uebrigens ist gleichgiltig, ob die Vermächtnissen in einem Testament vor, nach oder zwischen den Erbeinsetzungen stehen, und haben nur die einem Erben verschaffte Vermächtnisse dieses Besondere, daß sie vor Theilung der Erbschaft zum voraus von der Verlassenschaft abgezogen werden.

[2, 16, § 4] 38. Der wesentliche Unterschied bestehet bei Vermächtnissen in deme, ob sie unbedingt oder bedingt sind; die unbedingten haben keinen Beisatz, denen bedingten hingegen ist entweder eine Bedingniß oder Zeit, oder eine Beschreibung der vermachten Sache, oder der Person Desjenigen, deme etwas verschaffet wird, oder eine Bewegursache zum Vermächtniß, oder endlich eine Auflage dessen, was der Erblasser will, dass dagegen geleistet werden solle, beigefüget, wie alle diese verschiedene Arten von Beisätzen in der Folge erkläret werden.

§. V.

[2, 16, § 5] 39. Die Wesenheit und Verschiedenheit der Bedingnissen ist bereits oben im zwölften Capitel, §. V, ausführlich beschrieben worden, und was alldort von Bedingnissen überhaupt bei Erbseinsetzungen geordnet wird, hat auch bei Vermächtnissen statt.

[2, 16, § 5] 40. Nicht weniger ist eben allda der Unterschied zwischen einer beigefügten gewissen oder ungewissen Zeit sammt deren dreierlei Arten und ihren verschiedenen Wirkungen angezeiget worden.

[2, 16, § 5] 41. Jene Zeit, deren Erfolg zwar ungezweiflet, dabei aber ungewiß ist, wann sich solche ergeben werde, als da ist Jemandens Tod, hat eben also bei Vermächtnissen, wie bei Erbseinsetzungen, wann sie auf das Absterben dessen, der das Vermächtniß abzustatten hat, oder eines Dritten gerichtet ist, die Wirkung einer wahren, ausziehenden oder verschiebenden Bedingniß, vor deren Erfolg kein Recht zum Vermächtniß gebühret, folglich auch selbes erlöschet, wann Derjenige, deme es verschaffet worden, ehender verstirbt.

[2, 16, § 5] 42. Woferne aber das Vermächtniß auf den Todesfall dessen, der damit bedacht worden, lautete, ist es keine Bedingniß, sondern das Recht hierzu gebühret ihme gleich, welches er sofort auf seine Erben übertraget, obschon es von ihme bei Lebzeiten nicht geforderet werden mag. Ueberhaupt hat die angehängte Zeit nur damals die Wirkung einer Bedingniß, wann sie der Verbindlichkeit selbst beigesetzet, nicht aber, wann nur andurch die Abfuhr oder Zahlung verschoben wird.

[2, 16, § 5] 43. Desgleichen ist bei Vermächtnissen, welche in Jemands Willkür gestellet werden, der Unterschied zu bemerken, ob selbe der Willkür dessen, der solche abzustatten hat, oder der Willkür Desjenigen, der damit bedacht worden, oder aber der Willkür eines Dritten überlassen werden.

[2, 16, § 5] 44. Ist das Vermächtniß in die Willkür Desjenigen, der darmit beschweret worden, gestellet, so ist abermalen zu unterscheiden, ob ihme nur die Zeit dasselbe abzustatten, wann es ihme bequem und gelegen sein werde zu zahlen, oder die Abstattung selbst freigelassen worden.

[2, 16, § 5] 45. Ersteren Falls kann zwar Derselbe, so lange er lebet, zur Zahlung nicht verhalten werden, wann er sich darzu nicht besonders verbindlich gemacht hat; nach seinem Tod hingegen haben es seine Erben ohne weiteren Verzug zu entrichten, woferne Derjenige, deme es verschaffet worden, nicht vor seiner verstorben wäre, dann ein so gestaltetes Vermächtniß hat die nemliche Natur wie jenes, welches auf den Tod des darmit Beschwerten gerichtet ist.

[2, 16, § 5] 46. Letzteren Falls aber, wo die Abstattung selbst seinem freien Willen überlassen worden, ist er darzu nicht in geringsten verbunden, und das Vermächtniß

(2-292) hat nicht die mindeste Kraft und Wirkung, wann sich Derselbe zu dessen Leistung nicht gutwillig verstehen.

[2, 16, § 5] 47. Ist das Vermächtniß lediglich in die Willkür dessen, deme es verschaffet worden, gestellet, hat Derselbe, solange er sich es annehmen zu wollen nicht erkläret, kein Recht darzu, und wann er vor dieser Erklärung verstirbt, erlöschet das Vermächtniß, weilen es mit der Bedingniß der zu machen habenden Erklärung verschaffet worden.

[2, 16, § 5] 48. Wann es aber bloß in die Willkür eines Dritten gestellet worden, ist das Vermächtniß null und nichtig, es seie dann, daß solches stillschweigend aus der Natur einer beigefügten Bedingniß, deren Erfüllung von der Willkür des Dritten abhanget, geschehe, oder die Auswahl einer von mehreren von dem Erblasser benannten Personen, welcher das Vermächtniß zukommen solle, einem Dritten ausgetragen werde.

[2, 16, § 5] 49. Nicht weniger ist der Fall ausgenommen, wann Jemanden nicht das Vermächtniß selbst in freie Willkür gestellet, sondern nur die Beurtheilung der Umständen, nach welchen der Betrag des Abzuführenden, oder die Zeit, oder die Weis der Abfuhr abzumessen seie, überlassen worden.

[2, 16, § 5] 50. Welchen Falls, da dieser, deme der Auftrag geschehen, sich hierzu nicht verstehen wollte oder könnte, der Richter von amtswegen Dasjenige, was er billig zu sein finde, zu ermessen hat, und wann auch Jener, der auf solche Art bedacht worden, ehender verstirbt, übertraget er das Vermächtniß jegleichwohlen auf seine Erben.

§. VI.

[2, 16, § 6] 51. Die Beschreibung ist nichts Anderes, als ein Beisatz gewisser vergangener oder gegenwärtiger Umständen, wodurch die gemeinte Sache oder Person angedeutet wird.

[2, 16, § 6] 52. Diese ist nothwendig oder überflüssig. Durch die nothwendige wird jene verstanden, ohne welcher die Sache oder Person, welche vermeinet wird, nicht erkennet werden kann, und diese muß allemal wahr sein, widrigens ist das Vermächtniß null und nichtig, weilen ansonst der Willen des Erblassers nicht wissend sein kann,

[2, 16, § 6] 53. Ueberflüssig hingegen ist die Beschreibung, welche der Sache oder Person beigefüget wird, die schon ohne derselben genugsam bekannt ist, und bei dieser hat die Regel statt, daß eine irrige und falsche Beschreibung das Vermächtniß nicht ungiltig mache, wann sonst der Willen des Erblassers, und die Sache oder die Person, welche er vermeint hat, deutlich erhellet.

[2, 16, § 6] 54. Es bestehet dahero das Vermächtniß, wann der Erblasser eine gewisse bestimmte Sache obschon mit einer irrigen Beschreibung verschaffet hätte, als eine goldene Kette, die im Kasten verwahret ist, oder ein Roß, welches er von seinem Bruder erkaufet, obgleich die Kette nicht im Kasten, sondern an einem anderen Ort gefunden würde, und wohl ein Roß im Stall, keines aber, welches von seinem Bruder erkaufet worden, vorhanden wäre.

[2, 16, § 6] 55. Doch muß die verschaffte Sache, in deren Beschreibung geirret worden, in der Verlassenschaft vorfindlich sein, widrigens ist das Vermächtniß null und nichtig, als da in dem gegebenen Beispiel keine goldene Kette und kein Roß in der Verlassenschaft zu finden wäre.

[2, 16, § 6] 56. Desgleichen, wo der Erblasser Jemanden einen gewissen Betrag mit der Beziehung auf ein von ihme benanntes Behältniß, als hundert Gulden, welche er im Kasten hat, verschaffet hätte, und nicht so viel darinnen gefunden würde, gilt das Vermächtniß nur für den Betrag, welcher darin vorhanden ist. Da

(2-293) aber nichts davon im Kasten gefunden würde, ist auch das ganze Vermächtniß ungiltig.

[2, 16, § 6] 57. Auf eben diese Art ist der Fall zu entscheiden, wann Jemanden eine Schuld mit irriger Benennung der Summe vermacht worden wäre, die er oder ein Dritter beim Erblasser schuldig ist, dann wo die Schuld sich nicht so hoch belauft, als vermacht worden, bestehet das Vermächtniß nur für den schuldigen Betrag, und wo der Erblasser gar nichts zu forderen hätte, ist auch das Vermächtniß null und nichtig.

[2, 16, § 6] 58. Eine andere Bewandtniß hat es, wann Jemanden eine Summe verschaffet worden wäre, die ihme der Erblasser schuldig zu sein angiebt, welche er aber ihme nicht schuldig ist, dann dessen ohnerachtet bleibt das Vermächtniß bei Kräften, obschon der Umstand der Schuld irrig beigesetzet worden wäre.

[2, 16, § 6] 59. Mit der irrigen Beschreibung hat eine irrige und falsche Benamsung der vermachten Sache gleiche Beschaffenheit, wann sonst die Sache, welche der Erblasser vermeint hat, kennbar ist. Also da Jemand in dem eigenen Namen seines Hauses oder Guts irrete, und doch nur ein Gut oder Haus hätte, worüber er in andere Wege nicht geordnet hat, ist das Vermächtniß giltig.

[2, 16, § 6] 60. Eben also, wo der Erblasser Jemanden hundert Ducaten, welche er im Kasten hat, verschaffet hätte, und sich darinnen keine, aber nicht so viele Gold sondern lauter, oder mehrere Silbermünzen befänden, gebühret ihme von Silbermünzen so viel, als hundert Ducaten in Werth betragen, wann so viel an Geld in dem angezeigten Kasten ware.

[2, 16, § 6] 61. Nicht weniger ist der Irrthum in Benamsung oder Beschreibung der Person Desjenigen, deme etwas verschaffet wird, ganz unschädlich, wann nur die Person, welche der Erblasser gemeint hat, aus anderen Umständen gewiß und ungezweiflet ist.

[2, 16, § 6] 62. Also da der Erblasser Desjenigen, deme er das Vermächtniß zugedacht, irrig seinen Gönner und Wohlthäter nennet, oder ihme ein Amt, Würde oder Eigenschaft, die er nicht hat, beileget oder denselben mit einem anderen Vornamen benennet, ist das Vermächtniß nichtsdestoweniger giltig, woferne sonst an der Person kein Zweifel ist.

[2, 16, § 6] 63. Es waltete dann der Irrthum in einer solcher vermeinten Eigenschaft für, in deren Ermanglung der Erblasser ihme das Vermächtniß nicht verschaffet haben würde, und der Erb könnte die so beschaffene Willensmeinung des Erblassers erweisen, welchen Falls das Vermächtniß gänzlich entkräftet wird.

[2, 16, § 6] 64. Von dieser Art sind alle Eigenschaften, welche von einem vermeinten Blutband herrühren, als da der Erblasser Jemanden für sein Kind, Bruder oder Anverwandten gehalten, und das Widerspiel nicht gewußt hätte, sondern bis zu seinem Ableben in diesem Irrthum beharret wäre.

[2, 16, § 6] 65. Ein Anderes ist demnach, wann dem Erblasser das Gegentheil wohl wissend ware, und er jegleichwohlen aus Zuneigung gegen der Person, die er in seinem letzten Willen bedacht hat, sie sein Kind, seinen Vater oder Mutter, seinen Bruder oder Schwester genennet hätte.

[2, 16, § 6] 66. So wenig aber eine irrige Beschreibung das Vermächtniß insgemein entkräftet, so wenig kann auch aus einer irrigen Beschreibung ein Vermächtniß gefolgeret werden. Als da der Erblasser Jemanden von seinem Gut, welches er einem Dritten verschaffet zu haben irrig angiebt, eine gewisse Summe vermacht hätte, und nun diesem in der Wahrheit das Gut von ihme nicht verschaffet worden wäre, so kann auch Derselbe solches nicht forderen, wohl aber ist der Andere befugt, die ihme hierauf angewiesene Summe von Jenem, deme das Gut aus der Erbschaft zukommt, anzuverlangen.

§. VII.

(2-294) [2, 16, § 7] 67. Der Beisatz der Bewegursache zeiget denjenigen Umstand an, welcher den Erblasser der von ihme bedachten Person das Vermächtniß zu hinterlassen bewogen, und Gelegenheit darzu gegeben hat.

[2, 16, § 7] 68. Die Ursache kann entweder von einem vergangenen oder künftigen Erfolg hergeleitet werden, als da der Erblasser Jemanden etwas vermacht hätte, weilen dieser ihme seine Geschäften besorget hat, oder solche in Zukunft besorgen wird.

[2, 16, § 7] 69. Gleichwie aber ein Vermächtniß aus bloßer Freigebigkeit, und freien ungezwungenen Willen des Erblassers herrühret, folglich keiner Ursache bedarf, also wird auch, dasselbe durch den Beisatz einer falschen Ursache nicht entkräftet, diese möge schon vorhin falsch gewesen sein, oder in der Folge nicht in Erfüllung gehen.

[2, 16, § 7] 70. Also da der Erblasser Jemanden ein Vermächtniß hinterließe, weilen dieser ihn aus einer Lebensgefahr befreiet, oder weilen er selbst nicht mehr heirathen werde, bleibt das Vermächtniß gleichwohl giltig, obschon die darmit bedachte Person an der Befreiung des Erblassers keinen Theil gehabt hätte, oder der Erblasser jedennoch sich verheirathen würde.

[2, 16, § 7] 71. Diese Regel leidet jedoch einen zweifachen Abfall, als erstlich, wann aus den Umständen erhellet, daß der Beisatz kein bloßer Beweggrund, sondern eine wahre Endursache seie, bei deren eingesehener Falschheit der Erblasser das Vermächtniß nicht verlassen haben würde.

[2, 16, § 7] 72. Eine so beschaffene Willensmeinung solle in folgenden Fällen vermuthet werden: Wo zur Ursache ein vermeintes Blutband angegeben wird, und dem Erblasser das Widerspiel nicht wissend war; wann der Erblasser ausdrücklich zu erkennen giebt, daß er das Verschaffte einzig und allein aus der angegebenen Ursache und in keiner anderen Absicht, oder lediglich zu den angezeigten Ziel und Ende verlasse; wann derselbe Jemanden eine Verbindlichkeit aus der Ursache erlässt, weilen er solche aus Irrthum für bereits geleistet gehalten, und der Irrthum hernach erweislich wäre.

[2, 16, § 7] 73. So in diesen, wie in allen anderen Fällen hat allemal Jener, der mit dem Vermächtniß beschweret worden, den Irrthum und die Besinnung des Erblassers zu erweisen, dass, wo er die Falschheit der beigesetzten Ursache gewußt hätte, derselbe nichts verschaffet haben würde.

[2, 16, § 7] 74. Wessen Beweis er außer vorberührten dreien Fällen, wo ihme die rechtliche Vermuthung zu statten kommt, entweder durch Zeugen, vor welchen der Erblasser diese seine Besinnung also erkläret, oder aus dem Inhalt des letzten Willens selbst, wann der Erblasser darinnen wortdeutlich zu erkennen gegeben, daß er lediglich und einzig und allein aus der vermeinten Ursache das Vermächtniß verlassen habe, verführen kann.

[2, 16, § 7] 75. Der zweite Abfall von der Regel ist, wann der Erblasser die Ursache als eine Bedingniß durch die Worte, wann, woferne da, beigesetzet hätte. In diesem Fall, wann sich solche auf die vergangene oder gegenwärtige Zeit beziehet, ist da Vermächtniß sogleich giltig oder ungiltig, nachdeme der beigefügte Umstand wahr oder falsch ist.

[2, 16, § 7] 76. Beziehet sich aber der Beisatz auf die künftige Zeit, hat solcher die Natur einer wahren Bedingniß, von deren Erfolg die Giltigkeit des Vermächtnisses abhanget, würde jedoch der Beisatz als eine Auflage dessen, was für die Vermächtniß geleistet werden solle, durch die Worte darmit, oder auf dass, gefasset werden, ist es eine Art und Weis, von der hiernach gehandlet wird.

[2, 16, § 7] 77. So wenig aber der Beisatz einer irrigen und falschen Ursache das Vermächtniß entkräftet, so wenig wird durch solche die Widerrufung und Aufhebung

(2-295) eines Vermächtnisses verhinderet, sondern sie bleibt noch allezeit giltig, obschon die Ursache, aus welcher sie geschehen, falsch zu sein befunden würde.

[2, 16, § 7] 78. Also da ein Vater seinem Sohn bloß allein den Pflichttheil verlassen und von der übrigen ihme Anfangs zugedachten Erbschaft aus der beigefügten Ursache ausgeschlossen hätte, weilen er ein Verschwender, oder sonst von üblen Lebenswandel wäre, kann der Sohn jegleichwohlen über den Pflichttheil nichts Mehreres anforderen, obschon er die angegebene Ursache falsch zu sein erweisen könnte.

§. VIII.

[2, 16, § 8] 79. Endlich ist der Beisatz einer Art und Weis, unter welcher ein Vermächtniß verlassen wird, und deren Unterschied von einer Bedingniß allschon oben in zwölften Capitel, §. V, von num. 163 bis 170 umständlich erkläret worden, wobei nur noch anzumerken ist, daß, wo der Erblasser die dem Einem gemachte Auflage widerrufen, und solche einem Anderen auftragen würde, andurch auch das mit dieser Auflage verschaffte Vermächtniß dem Ersten benommen, und auf den Anderen übertragen sein solle, wann der Erblasser nicht ausdrücklich anderst geordnet hat.

[2, 16, § 8] 80. Dahingegen wird durch die alleinige Widerrufung der Auflage, wann solche niemanden Anderen aufgetragen wird, das Vermächtniß nicht aufgehoben, sondern dieses bestehet nicht weniger, als da eine vorhin beigefügte Bedingniß nachhero erlassen worden wäre.

Zweiter Artikel.

Von Sachen, welche verschaffet werden können.

§. IX. Von Beschaffenheit der Dingen, welche verschaffet werden können. §. X. Von Vermächtniß unkörperlicher Dingen, und insonderheit von Vermächtniß jährlicher Renten und Einkünften. §. XI. Von Vermächtniß persönlicher Dienstbarkeiten. § XII. Von Vermächtniß der Grunddienstbarkeiten. §. XIII. Von verschafften Heirathgut oder Brautschatz. §. XIV. Von verschaffter Auswahl eines von mehreren Dingen. §. XV. Von verschaffter Schuld, oder Befreiung von der Schuld. §. XVI. Von Vermächtniß körperlicher Dingen und insonderheit jener, welche in Gewicht, Zahl oder Maß bestehen. §. XVII. Von Vermächtniß der Zugehörungen zu einer Sache. §. XVIII. Von vermachten Speis- oder Kellervorrath. §. XIX. Von vermachten Hausrath. §. XX. Von vermachten Unterhalt, oder täglicher Kost. §. XXI. Von vermachten Gold- oder Silberwerk, Barschaft, Aufputz, Geschmuck und Kleidern.

§. IX.

[2, 16, § 9] 81. Allerlei Dinge, sowohl Sachen als Werke, können vermacht werden, also kann ein Erblasser seinem Erben anbefehlen, daß er Jemandes baufälliges Haus ausbesseren, oder ihme ein Gut oder Haus kaufen, oder ihn von seinen Schulden befreien solle.

(2-296) [2, 16, § 9] 82. Doch müssen die verschaffte Werke weder unvernünftig, noch schädlich oder unerlaubt, sondern so beschaffen sein, dass der Erblasser solche anzuordnen Fug und Macht habe, und Jenem, deme sie vermacht worden, ein Nutzen hieraus zugehe, folglich sie einer Schätzung oder Anschlags des Werths fähig sind, welchen der Erb, oder Jener, welcher von dem Erblasser darzu verbunden worden, auf dem Fall, da er sie selbst nicht leisten könnte oder wollte, oder solche von einem Dritten geleistet werden sollen, dafür zu erlegen hat.

[2, 16, § 9] 83. Alle Vermächtnissen rühren entweder unmittelbar oder mittelbar aus der Erbschaft her; unmittelbar, wann das verschaffte Gut in der Verlassenschaft wirklich vorhanden ist, und aus solcher hergenommen werden mag, mittelbar aber, wann Jemanden mit der Auflage etwas verlassen wird, dass er dagegen einem Dritten was Anderes, so er aus seinem eigenen Vermögen herzugeben, oder von anderwärts beizuschaffen hat, leiste oder thue.

[2, 16, § 9] 84. Dinge, welche vermacht werden, müssen in der Natur und Wesenheit der Sachen schon wirklich ihr Dasein haben, oder doch wenigstens möglicher Weise angehoffet werden können, nebst deme auch handelbar, und also beschaffen sein, dass der Erblasser darüber zu ordnen Macht habe, und Demjenigen, welcher mit dem Vermächtniß bedacht wird, andurch ein wirklicher Nutzen und Vortheil zugewendet werde.

[2, 16, § 9] 85. Es ist dahero ein Vermächtniß dessen, was weder in der Natur und Wesenheit der Sachen vorhanden ist, noch auch möglicher Weise angehoffet werden mag, ganz und gar null und nichtig, also daß weder der Werth einer solchen Sache gebühre.

[2, 16, § 9] 86. Wessen Wesenheit aber möglicher Weise angehoffet werden mag, als da sind künftig erzeugende Früchten, abfallende Zinsen, Wolle und Lämmer von Schafen, Kälber und Kühen, Fohlen und Stuten, und überhaupt Alles, was erst in Zukunft erwartet wird, kann rechtsgiltig verschaffet werden.

[2, 16, § 9] 87. Derlei Vermächtnissen sind zwar an sich selbst insoweit unbedingt, daß wann auch Derjenige, auf den sie lauten, ehe und bevor das Verschaffte erzeuget oder eingehen würde, verstürbe, derselbe das Recht darzu auf seine Erben übertrage; dahingegen hanget die Verbindlichkeit zu Leistung des Verschafften, folglich auch die Forderung selbst von dem Erfolg ab, daß etwas erzeuget werde.

[2, 16, § 9] 88. Dann die Vermächtnissen anhoffender Dingen haben allemal die stillschweigende Bedingniß in sich, wann das Angehoffte erzeuget, und zu seiner Wesenheit kommen wird, bis dahin Jener, welcher mit dem Vermächtniß beschweret worden,

(2-297) zu dessen Abstattung in nichten verbunden ist, doch kann derselbe mittlerweil auf Erforderen zur Sicherstellung des Verschafften verhalten werden.

[2, 16, § 9] 89. Es ist aber dabei zu unterscheiden, ob die erzeugende Früchten von einem Grund überhaupt, oder nur ein gewisser Betrag davon vermacht worden. Ersteren Falls gebühret das, was darauf erzeuget wird, es seie viel oder wenig, und da gar nichts erzeuget würde, kann auch nichts geforderet werden, und ist die inmittelst geleistete Sicherstellung anwiederum zu erlassen.

[2, 16, § 9] 90. Letzteren Falls hingegen, wo der Erblasser einen gewissen Betrag der von dem benannten Grund erzeugenden Früchten angewiesen und bestimmet hätte, als z. B. zehn Eimer Wein von der nächsten Weinlese aus seinem Weinberg, oder zehn Metzen Getreid von der nächsten Fechsung aus seinem Acker, gebühret nur der ausgewiesene Betrag, wann so viel erzeuget wird. Wo aber nicht so viel erzeuget würde, als angewiesen worden, darf auch Derjenige, welcher mit diesem Vermächtniß beschweret worden, ein Mehreres nicht, als erzeuget worden, abstatten, wann der Erblasser den Nachtrag des Abgangs nicht ausdrücklich angeordnet hätte, oder nicht aus eigener Schuld des Erbens oder des darmit Beschwerten geschehen wäre, daß nichts oder weniger gewachsen seie.

[2, 16, § 9] 91. Ferners müssen die Sachen, welche vermacht werden, handelbar sein, dann wo sie nach ihrer Wesenheit, oder nach der denenselben von Unseren Gesetzen beigelegten Eigenschaft ganz und gar unhandelbar wären, gebühret nicht einmal der Werth dessen, was verschaffet worden.

[2, 16, § 9] 92. Wo aber die vermachte Sache nur in gewisser Maß, es seie in Absicht auf den Erblasser oder Erben, oder Denjenigen, deme sie verschaffet wird, unhandelbar wäre, ist in beiden ersteren Fällen die Sache, wann sie zu haben ist, oder deren Werth, wo sie nicht zu bekommen wäre, in dem letzteren Fall aber allemal der Werth derselbe zu erstatten, wann auch solches der Erblasser nicht ausgedrucket hätte.

[2, 16, § 9] 93. Auch in wirklichen Rechtsstritt hangende Sachen, obschon deren Veräußerung durch Handlungen unter Lebenden insgemein untersaget ist, können rechtsgiltig vermacht werden, und tritt solchen Falls Derjenige, deme diese Sache verschaffet worden, in das Recht des Erblassers ein, folglich hat er auch selbst den Stritt auf seine eigene Unkosten, und auf seinen Gewinn und Verlust auszuführen, und wo diese Sache Mehreren verschaffet worden, haben Alle darzu beizutragen.

[2, 16, § 9] 94. Der Erb aber ist keineswegs zu dessen Ausführung, noch minder zum Ersatz dessen, was nicht behauptet wird, verbunden, wann ihme solches von dem Erblasser nicht ausdrücklich auferleget worden. Es hätte dann der Erblasser nur einen Theil Desjenigen, was durch den Stritt behauptet werden wird, verschaffet, und das Uebrige dem Erben belassen, welchen Falls dieser den Stritt auf seine Unkosten fortzusetzen hat, wo aber nicht so viel behauptet würde, als angewiesen worden, ein Mehreres nicht, als was hieran zugesprochen worden, abzustatten schuldig ist.

[2, 16, § 9] 95. Doch ist Demjenigen, welcher mit einer in Stritt hangenden Sache oder einem Theil derselben bedacht worden, nicht verwehret, in Fällen, wo der Erb den Stritt auszuführen hat, in solchem selbst einzukommen, und sein Recht zu betreiben.

[2, 16, § 9] 96. Wo aber aus erweislicher Schuld oder Gefährde des Erbens die Sache dem Gegentheil zugesprochen, oder von ihme durch Vertrag oder Vergleich demselben überlassen worden wäre, bleibt er jegleichwohlen verfänglich den Werth dessen, was verschaffet worden, abzutragen und zu ersetzen.

[2, 16, § 9] 97. Handelbare Sachen sind entweder des Erblassers eigenes, oder fremdes Gut. Von ganz eigenen Sachen bestehet das Vermächtniß, der Erblasser möge solche sein Eigen zu sein gewußt, oder für jemandens Anderen, oder auch Desjenigen, deme sie verschafft worden, sein Eigenthum gehalten haben.

(2-298) [2, 16, § 9] 98. Sind sie aber ihme nur zum Theil eigen und mit Anderen gemein, gilt das Vermächtniß nur für denjenigen Antheil, der dem Erblasser hieran zugestanden; es hätte dann Derselbe noch vor seinem Tod die übrigen Theile der Sache, welche er schon damals, als ihme nur ein Theil hieran zugestanden, ganz vermacht, an sich gebracht, oder den Erben ausdrücklich verbunden, die übrigen Theile einzulösen und abzustatten.

[2, 16, § 9] 99. Desgleichen, wo der Erblasser einen Grund vermachen würde, woran ihme nur das nutzbare Eigenthum, oder ein Erbzinsrecht, oder ein sonstiges dingliches Recht gebührete, wird anmit nur dasjenige Recht, was er hieran gehabt, für vermacht gehalten.

[2, 16, § 9] 100. Wo aber der Erblasser seine eigene Sache vermacht hätte, welche einem Dritten verpfändet, oder bei ihme versetzet wäre, ist das Vermächtniß zwar giltig, dahingegen der Erb das Pfand einzulösen nicht schuldig, sondern die Sache gehet mit ihrer Haftung auf Jene, deme sie vermacht worden, wann der Erblasser nicht ausdrücklich angeordnet hätte, daß das vermachte Pfand aus seiner übrigen Verlassenschaft eingelöset werden solle.

[2, 16, § 9] 101. Eben also gehet ein vermachter Grund mit allen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich darauf versicherten Pfandverschreibungen und anderen Haftungen auf Jene, welchem solcher verschaffet worden, ohne daß der Erb oder die übrige Verlassenschaft den Grund davon zu befreien verfänglich wäre, wann solches von dem Erblasser nicht wortdeutlich vorgesehen worden.

[2, 16, § 9] 102. Sind die vermachten Sachen fremdes Gut, so ist der Unterschied zu beobachten, ob sie Demjenigen, der mit Abstattung des Vermächtnisses beschweret worden, oder schon vorhin deme, welchem sie zugedacht werden, oder aber einem Dritten angehörig sind.

[2, 16, § 9] 103. Gehören sie Jenem, welchem gegen deme, daß er aus der Erbschaft etwas beziehet, die Leistung des Vermächtnisses auferleget worden, so ist das Vermächtniß in der oben §. IV vorgeschriebenen Maß allemal giltig, wann gleich der Erblasser sie für sein Eigen gehalten hätte.

[2, 16, § 9] 104. Doch wo mehrere Erben eingesetzet, und nur die Sache des einen Miterben vermacht worden wäre, ist er zwar schuldig die vermachte Sache zu leisten, kann aber den Werth derselben in Anschlag bringen, und nach Abzug dessen, was hiervon auf seinen Antheil ausfallt, den Beitrag des Uebrigen von den Antheilen der anderen Miterben anbegehren.

[2, 16, § 9] 105. Wäre hingegen die vermachte Sache Demjenigen, welchem sie verschaffet wird, schon zur Zeit des errichteten letzten Willens zuständig, so ist das Vermächtniß null und nichtig, also daß nicht einmal der Werth dafür gebühre, obschon der Erblasser dieselbe für sein Eigen gehalten, oder Derjenige, deme sie verschaffet worden, sie noch Lebzeiten des Erblassers veräußeret hätte.

[2, 16, § 9] 106. Es hätte dann Derselbe nur ein zeitliches und widerrufliches Recht hieran, oder die Sache wäre mit dem Recht eines Dritten befangen, und der Erblasser hätte ausdrücklich angeordnet, daß ihme das völlige Eigenthum verschaffet, oder die Sache von dem hieran habenden Recht eines Dritten befreiet, oder da die Sache von ihme veräußeret, oder sonst aus Handen kommen, und also sein zu sein aufhören würde, von dem Erben wiederum zu dessen Handen eingelöset werden solle, welcherlei Vermächtnissen allerdings giltig sind.

[2, 16, § 9] 107. Außer diesen Fällen hingegen ist das Vermächtniß einer Sache, welche bereits zur Zeit des errichteten letzten Willens Demjenigen, deme sie verschaffet wird, mit dem vollen Eigenthum zugehöret, unnütz und nichtig; wo aber derselbe die ihme verschaffte Sache erst nach schon errichteten letzten Willen an sich gebracht, und nachhero bei Lebzeiten des Erblassers anwiederum veräußeret hätte, kommt das Vermächtniß zu Kräften, insoweit als das Vermächtniß einer fremden Sache nach der folgenden Ausmessung bestehen mag.

(2-299) [2, 16, § 9] 108. Daferne ihme jedoch die nach errichteten letzten Willen an sich gebrachte Sache zur Zeit des Absterbens des Erblassers noch zuständig wäre, ist zu unterscheiden, ob er solche entgeltlich oder unentgeltlich erworben habe.

[2, 16, § 9] 109. Hat er solche entgeltlich bekommen, als durch Kauf, Tausch, oder auch als ein ihme verschriebenes Heirathgut, kann er aus dem letztem Willen noch den Werth dafür anforderen, welches gleichfalls von dem Fall zu verstehen ist, wann derselbe die ihme unter einer Bedingniß vermachte Sache bei noch hangender Bedingniß entgeltlich überkommen hätte, und die Bedingniß hernach erfolgte.

[2, 16, § 9] 110. Hat aber derselbe die ihme verschaffte Sache mittlerweil ohnentgeltlich und aus einer anderen gleichmäßigen gewinnstigen Ursache, z. B. durch Schankung oder Vermächtniß aus einem anderen Testament erworben, gebühret ihme auch nicht der Werth dafür. Wann er jedoch nur einen Theil der Sache unentgeltlich bekommen, hat er noch das Uebrige zu forderen, und da derselbe die Sache zum Theil entgeltlich, und zum Theil unentgeltlich an sich gebracht hätte, ist ihme der Werth nur für denjenigen Theil zu leisten, welcher ihme entgeltlich zugekommen ist.

[2, 16, § 9] 111. Da Jemanden einerlei Sache von zweien Erblasseren vermacht worden wäre, kann das Vermächtniß nicht zweimal verlanget werden, und wann er aus dem einen letzten Willen die Sache oder den Werth bereits erhalten, ist er nicht befugt, aus dem anderen das Vermächtniß zu forderen, es seie dann, daß er dagegen aus dem Seinigen etwas zu geben, oder zu thun beschweret, oder in dem einem letzten Willen die Sache, und in dem anderen der Werth derselben namentlich vermacht worden wäre.

[2, 16, § 9] 112. Ein Anderes ist, wann Jemanden von zweien Erblasseren einerlei Summe oder Betrag verschaffet worden, dann ein Betrag ist so oft, als er vermacht worden, zu leisten, wann nicht erhellet, daß der andere Erblasser den nemlichen und eben denselben Betrag, welchen der erste Erblasser schon vermacht hat, gemeinet habe, als da ein kurz nach seinem Vater versterbender Sohn in seinem letzten Willen die Abstattung eines noch unbezahlten Vermächtnisses anordnete, welches sein Vater verlassen hat.

[2, 16, § 9] 113. Wo von einem Erblasser in seinem letzten Willen, es seie in einem Testament oder Codicill an mehreren Stellen, oder erst in Testament, und sonach anwiederum in Codicill Jemanden einerlei Sache, Summe oder Betrag zweimal, oder auch öfters vermacht worden wäre, kann das Verschaffte nur einmal geforderet werden, und ist die öftere Meldung einerlei Sache oder Summe für eine bloße Wiederholung, und keineswegs für eine Vervielfältigung des Vermächtnisses zu halten, wann der Erblasser das Widerspiel nicht klar ausgedrucket, daß sowohl die Sache als der Werth, oder die verschaffte Summe mehr, als einmal entrichtet werden solle.

[2, 16, § 9] 114. Ist endlich die vermachte Sache einem Dritten gehörig, und der Erblasser würde den Erben verbinden dieselbe zu kaufen oder einzulösen, und Demjenigen, welchen er darmit bedacht hat, einzuantworten, so bestehet das Vermächtniß, und der Erb ist schuldig, diese Sache, wann sie feil ist, zu Handen dessen, welchem sie vermacht worden, zu erkaufen, oder da selbe von dem Inhaber um einen billigen Preis nicht hintan gegeben werden wollte, ihme den gerichtlich geschätzten Werth dafür zu erlegen.

[2, 16, § 9] 115. Es hätte dann der Erblasser den Betrag der Kauf- oder Einlösungssumme, welche dafür gegeben werden solle, selbst bestimmet, welchen Falls, wann die Sache um diesen Preis nicht zu haben wäre, der Erb genug thut, wann er den von dem Erblasser bestimmten Werth entrichtet.

[2, 16, § 9] 116. Woferne aber der Erblasser eine ganz fremde Sache ohne dem Beisatz der zu leisten habenden Einlösung vermacht hätte, solle allemal dafür gehalten werden, daß derselbe solche sein Eigen zu sein geglaubet habe, folglich auch kein

(2-300) Beweis der widrigen Wissenschaft zulässig, sondern das Vermächtniß null und nichtig sein.

[2, 16, § 9] 117. Die Sachen können entweder unter einem allgemeinen Begriff von Rechten und Gütern, oder einzelweise vermacht werden. Würde aber Jemanden die ganze Erbschaft, oder ein dem Betrag nach unbestimmter Theil derselben, als z. B. die Hälfte, ein Drittel, Viertel, Fünftel oder Sechstel verschaffet, so solle ein so beschaffenes Vermächtniß für eine Erbseinsetzung gehalten, und Derjenige, welche also bedacht worden, es möge neben ihme noch Andere, oder keine Miterben benannt worden sein, in dem ihme beschiedenen Antheil für einen wahren Erben angesehen, folglich auch nach Maß dieses seines Antheils, so die Erblasten, wie die Erbvortheile mit ihme getheilet werden.

[2, 16, § 9] 118. Und dieses solle auch damals verstanden werden, wann der Erblasser Jemanden sein ganzes Vermögen, oder einen dem Betrag nach unbestimmten Theil desselben vermacht hätte, somit also hierinnen, ob er das Vermächtniß einen Theil der Erbschaft, oder des Vermögens benennet habe, kein Unterschied, sondern diese Art des Vermächtnisses in einen Weg, wie den anderen eine Erbseinsetzung sein, und dafür geachtet werden.

[2, 16, § 9] 119. Auch mehrere einzle Sachen können unter einem allgemeinen Begriff vermacht werden, als da der Erblasser all seine Fahrnissen, oder all sein fahrendes Hab und Gut verschaffen würde. Unter diesem Vermächtniß ist all Jenes begriffen, was nach dem oben in ersten Capitel, §. VII und VIII erklärten Verstand von Fahrnissen oder beweglichen Gut darunter gehöret, außer deme jedoch, was der Erblasser hiervon namentlich ausgenommen hat.

[2, 16, § 9] 120. Desgleichen können mehrere Sache zusammen von einerlei oder verschiedener Gattung mit Beziehung auf ein angezeigtes Behältniß, worinnen sie befindlich sind, als ein benanntes Zimmer mit aller darinnen vorhandenen Einrichtung, ein Cabinet, Schranken oder Kasten mit Allem, was darinnen verwahret ist, vermacht werden.

[2, 16, § 9] 121. In diesem Fall sind alle Sachen, welche zur Zeit des Todes des Erblassers an dem angezeigten Ort befindlich sind, unter dem Vermächtniß begriffen, doch mit Ausnahm der etwan darinnen aufbewahrten Schuldscheinen, Schuldverschreibungen, Wechselbriefen,

Contracten und anderer schriftlichen Urkunden, welche zum Beweis eines angebührenden Rechts oder Forderung andienen.

[2, 16, § 9] 122. Und obwohlen in dem Fall, wo nichts Anderes, als Schuld- oder Wechselbriefe darinnen vorfindlich, und mithin das Vermächtniß ohne solchen ganz und gar unnütz wäre, auch diese, sie mögen in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet sein oder nicht, darunter begriffen werden, so solle sich doch ein solches Vermächtniß auch damals auf die etwan darunter befindliche Kauf-, Bestand- und anderen Contracten oder Urkunden, diese mögen einverleibet sein oder nicht, keineswegs erstrecken, sondern sich bloß allein auf die Schuld- und Wechselbriefe beschränken.

[2, 16, § 9] 123. Ferners mögen einzle Sachen nicht allein nach ihrer Gestalt und stuckweis, sondern auch nach der Art und Gattung vermacht werden, doch muß die Gattung entweder von der Natur, dem gemeinen Gebrauch, oder dem Erblasser dergestalten bestimmet sein, damit aus dem Vermächtniß entnommen werden möge, was für eine Sache derselbe hierunter verstanden habe.

[2, 16, § 9] 124. Ist die Gattung also unbestimmt, daß nicht abzunehmen seie, was oder wie viel der Erblasser gemeinet habe, als da ein Thier, ein Ding, oder auch Wein und Getreid überhaupt ohne Benennung der Maß vermacht worden wäre, so ist auch das Vermächtniß unnütz und nichtig. Ein Gleiches verstehet sich, wann ein Haus oder Grund verschaffet, und der Erblasser keine Häuser und Gründe hinterlassen würde. Wo er aber eines oder mehrere verließe, bestehet das Vermächtniß


(2-301) gleichwohlen aus der stillschweigenden Beziehung auf jene Häuser oder Gründe, so in seiner Verlassenschaft befindlich sind.

[2, 16, § 9] 125. Ist hingegen die verschaffte Gattung entweder von der Natur, als ein Pferd, Ochs, Schaf, oder von dem gemeinen Gebrauch, als die gewöhnliche Kleidung, oder von dem Erblasser, es seie an sich selbst, oder durch Beziehung auf ein Behältniß, worinnen die Dinge von der vermachten Art verwahret werden, oder auf andere Umstände, woraus die gemeinte Gattung kennbar wird, bestimmet, so ist das Vermächtniß giltig, und Derjenige, deme es verschaffet worden, befugt solches zu forderen, der Erblasser möge Sachen von dieser Art verlassen haben oder nicht, woferne das Vermächtniß nicht lediglich auf seine Sachen beschränket worden, als auf ein Pferd aus seinen Stall, welchen Falls, wann er keine eigenen Pferde hinterlassen, auch das Vermächtniß nichtig ist.

[2, 16, § 9] 126. Wo also mehrere eigene Sachen des Erblassers von derselben Art und Gattung, welche vermacht worden, in der Verlassenschaft vorhanden sind, hat insgemein Derjenige, deme eine von dieser Gattung verschaffet wird, die Auswahl, doch darf derselbe weder das Beste wählen, noch ist er schuldig, sich mit dem Schlechtesten abfertigen zu lassen, sondern er muß sich mit dem Mittelmäßigen begnügen.

[2, 16, § 9] 127. Es bestünde dann die Auswahl nur unter zweien Sachen, wovon er sich mit der schlechtesten zufrieden stellen muß, außer sie wäre ganz unnütz und von gar keinem Werth oder Gebrauch, welchen Falls dem Erben freistehet, entweder die bessere Sache hintan zu geben, oder den Werth, was eine mittelmäßige Sache von dieser Gattung kosten würde, zu bezahlen. Wann hingegen nur eine Sache von dieser Gattung in der Verlassenschaft vorfindlich wäre, gebühret auch diese allein, sie möge gut oder schlecht sein.

[2, 16, § 9] 128. In jenen Fällen aber, wo entweder der Erblasser dem Erben die Auswahl überlassen, oder ihme die Abstattung des Vermächtnisses von der an­gezeigten Gattung aufgetragen, oder einen gewissen Betrag von Getreid, Wein u. drgl., ohne die Eigenschaft zu bestimmen vermacht hätte, oder endlich keine Sachen von der vermachten Art und Gattung in der Verlassenschaft vorhändig wären, sondern erst von dem Erben angeschaffet werden müßten, gebühret die Auswahl und Bestimmung des Verschafften dem Erben.

[2, 16, § 9] 129. Allein auch dieser ist weder schuldig das Beste, noch befugt, das Schlechteste herzugeben, sondern hat nur eine solche Sache abzustatten, die nicht mangelhaft, sondern zu dem Genuß oder Gebrauch, worzu sie gewidmet ist, tauglich, und keinem Anspruch eines Dritten verfänglich seie.

[2, 16, § 9] 130. Was wegen der Auswahl bei Vermächtnissen nach der Gattung geordnet worden, hat auch in dem Fall statt, wann Jemanden mehrere Sachen wechselweise, das ist eine oder die andere vermacht worden, dann auch damals gebühret von diesen nur eine, und die Auswahl nach dem obigen Unterschied der Fällen entweder Demjenigen, welcher damit bedacht worden, oder dem Erben, wo aber die Wahl einmal geschehen, hat es dabei sein Bewenden, und kann der Willen nicht mehr geänderet werden, woferne dabei kein erweislicher Betrug, Arglist und Gefährde, oder rechtmäßiger Irrthum unterloffen wäre.

§. X.

[2, 16, § 10] 131. Nicht allein körperliche, sondern auch unkörperliche Dinge sind ein Gegenstand der Vermächtnissen, also können allerlei Rechten und Gerechtsamen, dann wider einen Dritten gebührende Rechtsforderungen verschaffet werden.

[2, 16, § 10] 132. Dahin gehören in gewisser Maß das Vermächtniß jährlicher Renten und Einkünften, insoweit die alljährlich hierzu entstehende Verbindlichkeit Dessen, welcher mit deren Abreichung beschweret worden, betrachtet wird, wie nicht weniger das Vermächtniß sowohl persönlicher, als Grunddienstbarkeiten, des Heirathguts,

(2-302) der Auswahl eines von mehreren Dingen, und endlich das Vermächtniß ausstehender Schulden, oder der Erlassung der Schuld oder einer sonstigen Verbindlichkeit, wovon in diesem und den folgenden §§. gehandlet wird.

[2, 16, § 10] 133. Jährliche, monatliche, wochentliche, oder auch tägliche Vermächtnissen sind, wann der Erblasser Jemanden in jedwedem Jahr, Monat, Wochen oder Tag etwas Gewisses abzureichen befiehlt und anweiset.

[2, 16, § 10] 134. Hierbei ist aber wohl zu unterscheiden, ob der Erblasser nur jene Summe vermacht und deren Abstattung in gewisse Fristen eingetheilet, oder derselbe einerlei Summe in gewissen ordentlich wieder zuruckkommenden Fristen verschaffet, und das Vermächtniß solchergestalten mit jedweder Frist vervielfältiget habe, ohne alle einzle Fristen in eine Hauptsumme zusammenzuziehen.

[2, 16, § 10] 135. Ersteren Falls, als da z. B. der Erblasser Jemanden tausend Gulden vermacht hätte, wovon ihme jährlich hundert Gulden bezahlet werden sollen, ist es nur ein Vermächtniß, welches nach dem Tod des Erblassers sogleich gebühret, und wann auch Derjenige, welcher damit bedacht worden, die Zahlungsfristen nicht erlebete, übertraget er solches jegleichwohlen auf seine Erben.

[2, 16, § 10] 136. Doch ist der Erb, oder Jener, welcher mit dessen Abfuhr beschwert worden, die Zahlung nicht anderst, als jedesmal in der von dem Erblasser ausgemessenen Zeit, und auch nicht ehender, als zu Ende derselben zu leisten schuldig.

[2, 16, § 10] 137. Letzteren Falls hingegen, als da z. B. der Erblasser Jemanden alljährlich hundert Gulden vermacht hätte, sind mehrere Vermächtnissen, und deren so viele, als Jahre, Monate, Wochen, Tage oder Zeitfristen, in welchen die vermachte Summe angewiesen ist, Derjenige erlebet, welchem ein dergleichen Vermächtniß verschaffet worden.

[2, 16, § 10] 138. Die erste Frist eines so beschaffenen Vermächtnisses ist zwar an sich ganz unbedingt, wann sonst keine ausdrückliche Bedingniß beigesetzet worden, und gebührt dahero sogleich mit dem Tod des Erblassers, folglich wird solche auch auf die Erben des damit Bedachten übertragen; die weiteren Fristen aber enthalten die stillschweigende Bedingniß in sich, wann sie derselbe erleben wird.

[2, 16, § 10] 139. In einer jedweden Frist, die er erlebet, gebühret ihme auch die verschaffte Summe gleich zu Anfang, und in dem ersten Augenblick der herangekommenen Frist, obschon er deren Ausgang und gänzlichen Verlauf nicht überleben würde.

[2, 16, § 10] 140. Es seie dann, daß von dem Erblasser der Zeitpunkt der Abfuhr in jedweder Frist selbst bestimmet, oder Demjenigen, welcher also bedacht worden, etwas, was dieser vorhero zu erfüllen hätte, auferleget worden. In welchen Fällen das Vermächtniß nicht ehender, als bis zur Ankunft der benannten Zeit, oder nach erfüllter Auflage gebühret.

[2, 16, § 10] 141. Eine jährliche Vermächtniß wird auch damals verstanden, wann gleich das Wort jährlich dabei nicht ausgedrucket wäre, doch aber die Willensmeinung des Erblassers auf eine auf weitere Zeiten sich hinaus erstreckende Dauer ungezweiflet abzielete, als da z. B. der Erblasser einer ledigen Person, bis sie sich nicht verheirathen werde, oder Jemanden, so lange er in des Erbens Diensten bleiben wird, funfzig Gulden vermacht hätte, in welchen Fällen bis zu erfolgender Heirath, oder Austretung aus dem Dienst die angewiesene Summe alljährlich zu bezahlen ist.

[2, 16, § 10] 142. Von gleicher Art ist das Vermächtniß, wann der Erblasser Jemanden ein Jahr um das andere eine gewisse Summe verschaffet; dann obschon ein solches Vermächtniß nicht in einem jedweden Jahr, sondern allzeit in dem zweiten nach demjenigen Jahr, worinnen die Abfuhr geschehen, gebühret, so hat es doch die Natur jährlicher Vermächtnissen.

[2, 16, § 10] 143. Eben diese Beschaffenheit hat es mit dem Vermächtniß jährlicher Einkünften von einem angewiesenen Grund, doch mit dem Unterschied, daß, wo alle

(2-303) Einkünften eines Grunds verschaffet werden, auch Alles gebühre, was davon einkommt, und in welchem Jahr nichts erzeuget wird, auch nichts abzustatten seie.

[2, 16, § 10] 144. Wo aber ein gewisser Betrag von den Einkünften eines Grunds jährlich angewiesen worden wäre, als zwei Eimer Wein aus einem Weinberg, vier Metzen Getreid aus einem Acker, gebühret der angewiesene Betrag auch in diesem Jahr, wo nichts erzeuget worden, wann ein Vorrath von vorigen Jahren vorhanden ist, woraus das Verschaffte abgestattet werben könne. In keinem dieser Fälle hingegen erstrecket sich das Vermächtniß auf den Grund selbst, worauf die Anweisung auch aller Einkünften geschehen, sondern, wo der Erblasser über das Eigenthum des Grunds nicht besonders geordnet hätte, bleibt solches bei dem Erben.

[2, 16, § 10] 145. Das Vermächtniß jährlicher Einkünften unterscheidet sich von dem vermachten Fruchtgenuß, oder Nutznießung eines Grunds vornehmlich in deme, daß, wo Derjenige, deme der Fruchtgenuß verschaffet worden, vor Einhebung der obwohlen bereits zeitigen Früchten verstirbt, derselbe hiervon auf seine Erben nichts übertrage, sondern der Fruchtgenuß mit seinem Tod erlösche.

[2, 16, § 10] 146. Dahingegen die Erben dessen, deme die jährliche Einkünften vermacht worden, das Vermächtniß noch für jenes Jahr, dessen Anfang ihr Erblasser er­lebet, obschon die Früchten zur Zeit seines Absterbens nicht gezeitiget, noch weniger eingehoben waren, zu forderen befugt sind.

[2, 16, § 10] 147. Desgleichen unterscheidet sich ein solches Vermächtniß von denen aus Handlungen unter Lebenden gebührenden jährlichen Abgaben; dann bei diesen er­löschet die Verbindlichkeit durch den Tod des einen oder anderen Contrahenten nicht, sondern es gehet solche auf die Erben des Schuldners, wie das Forderungsrecht auf die Erben des Gläubigers, wann zwischen ihnen nichts Anderes bedungen worden.

[2, 16, § 10] 148. Derlei jährliche Vermächtnissen erlöschen aber mit dem Absterben Desjenigen, deme sie verschaffet worden, doch mit Ausnahm der letzten Frist, in welcher er verstirbt, und deren Anfang derselbe erlebet hat, für welche vorbesagtermaßen das Vermächtniß auf seine Erben übertragen wird; außer dieser letzten hingegen haben sie an den weiteren Fristen keinen Anspruch, wann der Erblasser solche auch ihnen nicht namentlich zugedacht hat.

[2, 16, § 10] 149. Doch kann ein solches jährliches Vermächtniß aus der Eigenschaft des damit Bedachten, gegenstands (!) wann dieser niemahlen abstirbt, beharrlich und immerwährend sein, als da es einem Mittel, oder Gemeinde, einer Kirchen, oder zu milden Sachen, welche allzeit fürdaueren, verschaffet worden, ohne eine Zeit zu bestimmen, wie lange es abgereichet werden solle.

[2, 16, § 10] 150. Ein Gleiches verstehet sich von dem Fall, da zu einem gewissen Gut, Haus, Garten oder anderem Grund ein jährliches Vermächtniß gewidmet würde, ohne es auf die Person dieses oder jenen Besitzers zu beschränken; dann gleichwie Grund und Boden allzeit bleibet, also nimmt auch das Vermächtniß kein Ende. Wie aber die jährlichen Vermächtnissen durch Verjährung aufhören, ist oben in neunten Capitel, §. III, von 130 bis 132 erkläret worden.

§. XI.

[2, 16, § 11] 151. Die persönlichen Dienstbarkeiten werden unten in achtundzwanzigsten Capitel eigends beschrieben, und bestehen vornehmlich in dreierlei Gattungen, als indem Nießbrauch, in dem Gebrauch einer Sache und in der Wohnung.

[2, 16, § 11] 152. Alle diese Arten persönlicher Dienstbarkeiten können vermacht werden, und stehet einem jedweden Erblasser frei seine eigene Sachen, mit welchen er nach Willkür zu schalten und zu walten befugt ist, darmit zu behaften, und dem Einem das Eigenthum, dem Anderen aber eine von diesen Dienstbarkeiten zu verlassen.

[2, 16, § 11] 153. Weme der Nießbrauch eines Guts, welcher auch anderst der Fruchtgenuß,

(2-304) die Nutznießung, das Leibgeding oder die Leibsucht (= Leibzucht) genannt wird, verschaffet worden, beziehet die sammtlichen Früchten davon, hat aber das Eigenthum des Guts nicht, sondern dasselbe bleibet dem Erben, wann der Erblasser es niemanden Anderen ausdrücklich zugedacht hat.

[2, 16, § 11] 154. Gleichergestalten wird unter dem Vermächtniß der Früchten oder der jährlichen Früchten eines Guts bloß allein der Nießbrauch verstanden, wann der Erblasser die Abreichung der Früchten nicht dem Erben selbst aufgetragen hätte, dann in diesem Fall ist es nur ein Vermächtniß jährlicher Einkünften.

[2, 16, § 11] 155. Wo aber Jemanden ein Gut um solches zu nutzen und zu genießen, ohne über das Eigenthum desselben in andere Wege zu ordnen, verschaffet würde, ist zu unterscheiden, ob der Erblasser dieses Vermächtniß auf eine Zeitfrist oder auf lebenslang beschränket habe oder nicht? Ersteren Falls gebühret lediglich der Fruchtgenuß, letzteren Falls hingegen das volle Eigenthum des Guts.

[2, 16, § 11] 156. Wann dem Einen das Gut, dem Anderen der Nießbrauch davon, oder so das Nemliche ist, das Leibgeding hierauf vermacht würde, hat der Erste das Eigenthum, der Andere die Nutznießung allein. Desgleichen, wo dem Einen der Nießbrauch des samentlichen Hab und Guts, und dem Anderen ein gewisses Gut insonderheit verschaffet worden, hat letzterer das volle Eigenthum des Guts, und ersterer an dem Nießbrauch desselben keinen Anspruch; dann es solle allemal vielmehr auf den Willen des Erblassers, als auf die gekünstelte Ausdeutung der Worten gesehen werden.

[2, 16, § 11] 157. Wann Mehreren der Nießbrauch eines Guts zusammen, und dem Dritten das Eigenthum an eben demselben verschaffet worden, erwirbt dieser nach Abgang des Einen den Nießbrauch für denjenigen Antheil, welcher dem Abgegan­genen hieran gebühret hat, außer jenen Fällen, welche oben in ersten Artikel §. III. ausgenommen worden.

[2, 16, § 11] 158. Da aber Jemanden der Nießbrauch eines Guts auf gewisse Jahre mit der Auflage das Gut nach Verlauf dieser Zeit an einen Anderen zuruckzustellen vermacht worden wäre, welcher vor Ausgang dieser Zeit verstürbe, fallt der Nieß­brauch desselben für die noch übrige Zeit dem Erben zu, welcher das Gut vor Verlauf der bestimmten Zeit dem Nachberufenen zuruckzustellen nicht schuldig ist.

[2, 16, § 11] 159. Unter dem vermachten Nießbrauch des samentlichen Hab und Guts werden alle Güter, körperliche und unkörperliche, fahrende und liegende, allschon erworbene und künftig nach errichteten letzten Willen erwerbende oder ererbende, und überhaupt Alles, was bei Absterben des Erblassers in seinem Vermögen gewesen, verstanden.

[2, 16, § 11] 160. Es ist auch nicht darauf zu sehen, ob und was von den darunter befindlichen Sachen von Zeit des errichteten letzten Willens mittlerweil in eine andere Gestalt verwandlet worden, wann es nur vorhanden ist und genutzet, oder gebrauchet werden kann.

[2, 16, § 11] 161. Also da ein Haus, welches darunter begriffen ware, noch bei Lebzeiten des Erblassers abgebronnen oder abgebrochen worden, gebühret jegleichwohlen noch der Nießbrauch des Grund und Bodens, worauf es gestanden ist, weilen auch dieser zu dem Vermögen gehöret; dahingegen, wo der Nießbrauch eines nach errichteten letzten Willen abgebronnenen oder zerstörten Hauses insonderheit vermacht worden wäre, kann der Nießbrauch des Grund und Bodens, worauf es gestanden, nicht geforderet werden.

[2, 16, § 11] 162. Gleichwie aber Jener, welchem der Nießbrauch des ganzen Vermögens verschaffet worden, alle Vortheile zu genießen hat, also ist er auch schuldig die Lasten zu tragen, mithin müssen die Schulden und Vermächtnissen, welche auf diesem Vermögen haften, oder davon abzustatten kommen, hieraus abgezahlet und richtig gestellet, wie nicht minder bis zu deren Abtilgung die Zinsen von den

(2-305) Früchten und Nutzungen abgeführet werden, und von deme, was übrig bleibt, gebühret sodann erst der Nießbrauch.

[2, 16, § 11] 163. Dagegen aber gehören auch die zur Zeit des Absterbens des Erb­lassers noch hangende Früchten unter den verschafften Nießbrauch, wann Derjenige, deme solcher vermacht worden, deren wirkliche Einsammlung erlebet, obschon er zur Zeit der Einsammlung noch nicht in dem Besitz gewesen wäre, mithin hat der Eigenthümer hieran keinen Anspruch.

[2, 16, § 11] 164. Doch werden unter dem vermachten Nießbrauch des gesammten Hab und Guts jene Dinge nicht verstanden, worüber der Erblasser letztwillig zu ordnen nicht befugt ware, als da sind der Pflichttheil der Kinder, der ehegattliche Antheil, Lehen- und Fideicommißgüter.

[2, 16, § 11] 165. Obschon aber der Erblasser auch des Erbens eigene Sachen beschweren mag, wann er dieses wortdeutlich ausdrucket, so solle doch eine solche Anordnung ein Fideicommiß, welches der Erblasser aus Vorsehung und Anordnung des Stifters dem Erben zuruckzustellen hat, in keinerlei Weis behaften, sondern nur einen Anspruch und Forderung an dem verlassenen freieigenen Gut des Erblassers zu Leistung dessen, was derselbe angeordnet hat, mit nichten aber wider einen dritten Fideicommißbesitzer, noch weniger wider das Fideicommiß selbst wirken können.

[2, 16, § 11] 166. Von dem vermachten Nießbrauch des samentlichen Vermögens ist der verschaffte Nießbrauch eines Hauses mit Allem, was darinnen ist, wohl zu unter­scheiden, maßen unter diesem letzteren Jenes, was nicht zum Gebrauch, sondern zum Verkauf gewidmet ist, als Korn auf dem Boden, Wein im Keller, Wolle in dem Gewölb, und andere Feilschaften, womit der Erblasser zu handlen pflegen, nicht verstanden wird.

[2, 16, § 11] 167. Umsomehr ist das Vermächtniß der jährlichen Einkünften eines Guts, wovon in dem gleich vorhergehenden §. gemeldet worden, von dem Nießbrauch unterschieden, dann in dem Fall der verschafften Einkünften beziehet der Erb die Nutzungen selbst, welche er nach Abzug der erweislichen Kosten und Auslagen dem Anderen abzureichen hat, und wo der Erblasser deren Betrag auf eine gewisse Summe bestimmet, ist er nicht mehr, als den ausgesetzten Betrag zu leisten schuldig, obschon das Gut mehr abgeworfen hätte, wie dann auch derselbe, wann er diesen Betrag sicherstellet, das Gut selbst verkaufen kann.

[2, 16, § 11] 168. Noch weniger ist er verbunden Demjenigen, welchem die Einkünften eines Guts verschaffet worden, die Wohnung auf diesem Gut einzuraumen. Wo aber die Wohnung bei Lebzeiten des Erblassers einige Einkünften getragen hätte, müssen ihme solche gleichfalls verrechnet werden, wann alle Einkünften vermacht worden. Doch ist überhaupt nach dem rechtlichen Verstand in dem Vermächtniß der Einkünften allemal weniger, als in dem verschafften Nießbrauch.

[2, 16, § 11] 169. Wären jährliche Einkünften zu einem gewissen Ziel und Ende vermacht worden, dessen Bewirkung nicht erfolgen könnte, entweder weilen solche in der Folge nicht möglich oder zulässig wäre, so solle das Vermächtniß nicht dem Erben zu Guten gehen, sondern nach obrigkeitlichen Ermessen zu einem anderen löblichen Gebrauch verwendet werden.

[2, 16, § 11] 170. Wie der Nießbrauch eines Guts, also kann auch der Gebrauch einer Sache verschaffet werden, was aber unter dem bloßen Gebrauch verstanden werde, und in was für Sachen sowohl einer, als der andere bestellet werden könne, dann auf was Art beide anwiederum aufhören, wird unten in achtundzwanzigsten Capitel gezeiget werden.

[2, 16, § 11] 171. Bei dem Vermächtniß der Wohnung sind die mannigfaltige Arten der Ausdrücken, welcher sich der Erblasser zur Erklärung seiner Willensmeinung bedienet, wohl zu unterscheiden, ob nemlich ein Haus zur Wohnung, oder die Wohnung in einem Hause, oder der Gebrauch eines Hauses zur Wohnung, oder endlich nur der Aufenthalt und das Unterkommen im Hause verschaffet werde.

(2-306) [2, 16, § 11] 172. Wird ein Haus zur Wohnung vermacht, so ist das Eigenthum des Hauses selbst vermacht, wann der Erblasser davon nicht anderst geordnet hat. Ist aber nur die Wohnung in einem Hause verschaffet worden, so gebühret auch nur die Wohnung im Hause allein, und das damit verknüpfte Recht entweder das ganze Haus selbst zu bewohnen, oder dasselbe an Andere mieth-, pacht- oder bestandweise zu überlassen; es hätte dann der Erblasser die Wohnung nur auf einen Theil des Hauses beschränket, welchen Falls solche nicht auf das ganze Haus erstrecket werden kann.

[2, 16, § 11] 173. Dahingegen giebt der verschaffte Gebrauch eines Hauses zur Wohnung die Befugniß nicht dasselbe durch Andere entgeltlich oder unentgeltlich bewohnen zu lassen, wann Derjenige, deme der Gebrauch einer Behausung vermacht worden, sie nicht selbst mitbewohnet.

[2, 16, § 11] 174. Endlich wirket der verschaffte Aufenthalt oder das Unterkommen im Hause nur so viel, daß der Eigenthümer desselben Demjenigen, welcher aus Anordnung des Erblassers darinnen zu bleiben hat, nur diejenige Wohnung, die er entweder schon bei Lebzeiten des Erblassers in dem Hause gehabt, oder welche er zu seiner und der Seinigen Nothdurft bedarf, nicht aber das ganze Haus einraume.

[2, 16, § 11] 175. Wann der Erblasser mehrere Häuser hat, und Jemanden von seinen Angehörigen die Wohnung überhaupt, ohne ein Haus zu benennen, vermacht, wird jenes Haus verstanden, worinnen derselbe zur Zeit seines Absterbens die beständige Wohnung gehabt hat, obschon er außer demselben verstorben wäre.

[2, 16, § 11] 176. Wo er aber Demjenigen, welchem er die Wohnung vermacht, die Auswahl derselben unter seinen Häusern ausdrücklich überlassen, so kann dieser ein Haus zur Wohnung wählen, welches ihme anständig ist, wann es auch das beste wäre. Wann jedoch der Erblasser also ordnete, daß er die Wohnung in einem seiner Häuser haben solle, hat dieser zwar die Auswahl, darf aber nicht das beste wählen, sondern muß sich mit dem mittelmäßigen begnügen.

[2, 16, § 11] 177. Hätte in Gegentheil der Erblasser keine Häuser verlassen, und doch Jemanden eine Wohnung vermacht, ist der Erb schuldig, ihme irgendwo eine seinem Stand gemäße Wohnung zu verschaffen, und den Zins dafür zu bezahlen. Wann aber der Erblasser den jährlichen Zinsbetrag selbst angewiesen hätte, muß der Erb solchen in denenjenigen Fristen, wo solcher zu erlangen ist, jedesmal richtig abführen.

[2, 16, § 11] 178. Es kann auch die Wohnung stillschweigend vermacht werden, wann der Erblasser Jemanden bei Lebszeiten die unentgeltliche Wohnung gegeben, oder den Zins für ihn bezahlet hätte, und in seinem letzten Willen anordnete, daß ihme alles dieses auch nach seinem Tod abgereichet werden solle, was er Demselben bei seinen Lebzeiten zu geben gepflogen hat.

[2, 16, § 11] 179. Wäre eine Wohnung mit aller darzu gehörigen Einrichtung vermacht worden, gebühret auch die zur Zeit des Absterbens des Erblassers allda vorfindliche Einrichtung darzu, und wo etwas hieran ermanglete, oder die Wohnung nicht eingerichtet wäre, so ist der Erb schuldig, die nöthige Einrichtung nach standesmäßiger Erforderniß des Bewohnenden anzuschaffen. Außer deme aber ist unter dem Vermächtniß der Wohnung keine Einrichtung, sondern bloß allein die Herstellung des Hauses in wohnbaren Stande, soferne etwas hieran gebräche, verstanden.

[2, 16, § 11] 180. Dieses Vermächtniß erlöschet, wie alle andere Dienstbarkeiten mit Abgang dessen, deme sie gebühren, wann es der Erblasser nicht auf eine kürzere Zeit gesetzet hat, und wo die Wohnung Mehreren zusammen verschaffet worden wäre, hat bei Abgang des Einen das Nemliche statt, was oben num. 157 geordnet worden.

§. XII.

[2, 16, § 12] 181. Wie die persönlichen, also können auch allerhand Grunddienstbarkeiten, wovon unten das neunundzwanzigste Capitel eigends handlet, vermacht werden, doch von niemanden Anderen, als von dem Herrn des Grunds, und auch an keinen

(2-307) Anderen, als an den Herrn des benachbarten Grunds, und zu dessen Nutzen und Vortheil.

[2, 16, § 12] 182. Wann demnach ein Erblasser Jemanden auf einem fremden Grund eine Grunddienstbarkeit in seinem letzten Willen vermacht hätte, kann ein solches Vermächtniß den Grund nicht behaften, sondern, wo allenfalls der Grund dem Erben, oder einem Anderen, welcher in dem letzten Willen bedacht worden, zugehörete, giebt dieses lediglich einen persönlichen Anspruch wider den Eigenthümer des Grunds, wann dieser seinerseits den letzten Willen anerkennet, damit die vermachte Grunddienstbarkeit in Folge der letztwilligen Anordnung hierauf bestellet werde.

[2, 16, § 12] 183. Da aber eine derlei Grunddienstbarkeit an einem ganz fremden Grund vermacht würde, ist zu unterscheiden, ob der Grund schon vorhin damit behaftet gewesen, und diese Dienstbarkeit dem Erblasser dergestalten, daß er solche erblich übertragen könne, gebühret habe oder nicht. Ersteren Falls giebt zwar dieses Vermächtniß, wann der herrschende Grund nicht zugleich verschaffet worden, keinen Anspruch an der Dienstbarkeit, sondern bloß allein die Forderung wider den Erben oder Denjenigen, auf welchen der herrschende Grund aus dem letzten Willen gediehen ist, zu Leistung des Werths für den aus dieser Dienstbarkeit genießenden Vortheil.

[2, 16, § 12] 184. Letzteren Falls hingegen ist das Vermächtniß ganz und gar unnütz, es seie dann, daß der Erblasser den Erben dabei verbunden hätte, Jemanden diese Dienstbarkeit auf dem fremden Grund auszuwirken, welchen Falls der Erb, wann sich der Eigenthümer des Grunds solches zu thun weigerte, den gerichtlich geschätzten Werth des demselben andurch entgehenden Vortheils zu erlegen schuldig ist.

[2, 16, § 12] 185. Desgleichen, wo der Erblasser Jemanden, welcher keinen benachbarten Grund hat, ein gewisses Recht etwas auf seinem Grund zu thun vermacht hätte, ist dieses Recht für keine Grunddienstbarkeit, sondern für eine bloße persönliche Gerechtsame anzusehen, welche insgemein mit der Person dessen, deme sie zugedacht worden, erlöschet, wann der Erblasser solche nicht ausdrücklich weiter erstrecket hat.

[2, 16, § 12] 186. Eine Grunddienstbarkeit kann auch stillschweigend in zweierlei Fällen vermacht werden, als erstens, wann Jemanden ein Grund verschaffet wird, welchem der benachbarte Grund dienstbar ist, dann in diesem Fall gehet auch ohne ausdrück­licher Willenserklärung die Dienstbarkeit sammt dem herrschenden Grund, welchem sie anklebet, auf Jenen, deme dieser vermacht worden.

[2, 16, § 12] 187. Zweitens, wann das Vermächtniß ohne der Dienstbarkeit des benachbarten Grunds ganz und gar unnütz wäre, als da der Erblasser Einem sein Haus, dem Anderen aber den daran gelegenen Garten, in den kein anderer Eingang, als durch das Haus wäre, vermacht hätte, in welchem Fall der Eigenthümer des Hauses dem Eigenthümer des Gartens den freien Zu- und Ausgang durch das Haus dahin zu verstatten schuldig ist, obschon es der Erblasser wortdeutlich nicht an­geordnet hätte.

[2, 16, § 12] 188. Das Vermächtniß einer Grunddienstbarkeit höret mit dem Tod Desjenigen nicht auf, welcher damit bedacht worden, sondern diese währet immer fort, und gehet auf einen jedweden Besitzer des herrschenden Grunds, wann solche nicht von dem Erblasser auf eine gewisse Zeit, oder die Lebenstage einer Person beschränket worden wäre.

§. XIII.

[2, 16, § 13] 189. Es kann auch ein Ehemann seinem Eheweib das ihme zugebrachte Heirathgut oder den Brautschatz (es möge ein Heirathsbrief darüber errichtet worden sein oder nicht) rechtsgiltig vermachen, wobei umsoweniger Anstand ist, wann nach Inhalt des Heirathsbriefs das Heirathgut den Erben des Manns zu verbleiben hätte, weilen durch das Vermächtniß dieses Beding anwiederum aufgehoben wird.

[2, 16, § 13] 190. Allein auch in dem gemeinen Fall, wo das Zugebrachte nach Absterben

(2-308) des Manns an das Weib zuruckfallt, ist gleichwohlen dessen Vermächtniß rechtskräftig, weilen doch solche Umstände unterwalten können, worinnen der Wittib das Vermächtniß mehreren Nutzen schaffet, als nicht die bloße Anforderung des Zugebrachten.

[2, 16, § 13] 191. Dann erstens werden durch dieses Vermächtniß alle in dem Heirathsbrief vorgesehene, der Wittib beschwerliche oder nachtheilige Bedinge aufgehoben und erlassen, wann der Erblasser zugleich nicht ausdrücklich ordnet, daß es dabei kein Bewenden haben solle.

[2, 16, § 13] 192. Zweitens, wo das Heirathgut oder Zugebrachte in einem liegenden Gut, oder außer baaren Geld in anderen Dingen bestanden, und der Erblasser hieran Verbesserungen gemacht hätte, kann der Aufwand nutzlicher Kosten von dem vermachten Heirathgut oder Zugebrachten nicht abgezogen werden, sondern alle Forderung höret deswegen auf.

[2, 16, § 13] 193. Drittens, wann der Heirathsbrief den Betrag des Heirathguts ausweiset, wird die Wittib durch dessen Vermächtniß von dem ihr sonst obliegenden Beweis der wirklichen Zubringung völlig enthoben, und haben die Erben das Widerspiel, daß nichts zugebracht worden seie, zu erweisen.

[2, 16, § 13] 194. Viertens, wann auch die Erben wirklich zu erweisen vermögen würden, daß nichts zugebracht worden seie, und der Erblasser hätte das Zugebrachte nicht überhaupt, sondern was und wie viel zuruckzustellen seie, angewiesen, gebühret gleichwohlen das Vermächtniß, obschon der Erblasser hieran weniger oder gar nichts empfangen hätte, woferne keine Verkürzung des Pflichttheils nothwendiger Erben dabei unterwaltet.

[2, 16, § 13] 195. Dahingegen, wo der Erblasser das Zugebrachte nur überhaupt, ohne was und wie viel zu benennen, zuruckvermacht hätte, und die Wittib würde entweder in Ermanglung eines Heirathsbriefs, oder anderer zulänglicher Beweismitteln, was und wie viel sie zugebracht, nicht zu erweisen vermögen, oder die Erben, daß das verschriebene Heirathgut nicht zugebracht worden, darzuthun im Stande sein, ist das Vermächtniß null und nichtig.

[2, 16, § 13] 196. Eben also wird das Vermächtniß in der Folge ungiltig, und die Erben von dessen Erstattung enthoben, wann das zugebrachte Heirathgut nach der Hand ohne Schuld des Erblassers verloren gehet, als da das ausstehende Capital uneinbringlich, oder das zugebrachte Haus oder Gut von einen Dritten ansprüchig gemacht, und in Weg Rechtens behauptet würde, es seie dann, daß der Erblasser den Werth des Guts oder Hauses zuruckzustellen sich in dem Heirathsbrief verbunden, und solchen vermacht hätte, welchen die Erben auch in diesem Fall abzutragen schuldig sind.

[2, 16, § 13] 197. Woferne aber nach Absterben des Manns das Heirathgut nicht der Wittib, sondern zu Handen eines Dritten, deme solches in dem Heirathsbrief ausdrücklich bedungen worden, zuruckzufallen, und der Erblasser dasselbe jegleichwohlen seiner Ehegattin vermacht hätte, schadet dieses Vermächtniß dem Recht eines Dritten nicht, und die Erben können nicht verhalten werden, das Heirathgut abzustatten, sondern sie sind lediglich zu dessen einfachen Abtrag an Jenen, deme es nach Ausweis des Heirathsbriefs zuzukommen hat, verbunden, wann der Erblasser nichts Anderes ausdrücklich geordnet hat.

[2, 16, § 13] 198. Dann überhaupt, wo der Erblasser nichts Anderes vorgesehen, sind die Erben bloß allein schuldig, das Heirathgut in demjenigen Stand, in welchem es zugebracht worden, zuruckzustellen, keineswegs aber solches von denen Haftungen, mit welchen es schon zur Zeit der Zubringung befangen ware, zu befreien.

[2, 16, § 13] 199. Würde jedoch der Erblasser seiner hinterlassenden Ehegattin etwas vermachen, ohne dabei auszudrucken, daß es auf das Heirathgut oder Zugebrachte gemeinet seie, so kann die Wittib beides, sowohl das Heirathgut, als das Vermächtniß forderen, und die Erben sind nicht befugt, eine Ausgleichung oder

(2-309) Vergeltung des Verschafften mit dem Zugebrachten einzuwenden, wann sonst durch das Vermächtniß der Pflichttheil nicht verkürzet worden.

[2, 16, § 13] 200. Gleichwie der Mann dem Weib, also kann auch dieses ihrem Mann das verschriebene Heirathgut in zweien Fällen vermachen, als erstens, wann die Zuruckstellung des zugebrachten Heirathguts nach Absterben des Weibs an ihre Erben bedungen, und zweitens, wann ihme solches zwar verschrieben, aber nicht wirklich zugebracht worden.

[2, 16, § 13] 201. In erstem Fall hat das Vermächtniß die Wirkung, daß der Mann von der bedungenen Zuruckstellung enthoben werde, und ihme das Heirathgut eigenthümlich verbleibe; in letzteren Fall aber werden die Erben des Weibs in die Verbindlichkeit gesetzet, ihme dasselbe mit allen von derjenigen Zeit, in welcher die Abfuhr hätte geschehen sollen, davon verfallenen Zinsen, oder behobenen Nutzungen abzustatten.

[2, 16, § 13] 202. Von dem Vermächtniß des Heirathguts, womit sich die Eheleute unter­einander betreuen, ist jenes unterschieden, wodurch ein Dritter ein Heirathgut, oder etwas zur Ausstattung verschaffet. Dieses Vermächtniß an freiledige Personen führet allemal die stillschweigende Bedingniß in sich, wann die Ehe wirklich erfolget, vor deren Vollzug dasselbe nicht gebühret, noch weniger geforderet, oder erblich übertragen werden kann, sondern, wo die damit bedachte Person vor ihrer Verehelichung verstürbe, erlöschet das Vermächtniß.

[2, 16, § 13] 203. Es seie dann, daß der Erblasser in der letztwilligen Anordnung ein Anderes wortdeutlich vorgesehen, oder nur den wirklichen Erlag des Vermächtnisses, nicht aber das Vermächtniß selbst auf die Zeit der erfolgenden Ehe verschoben hätte, oder das Heirathgut einer Notherbin, welche den ihr gebührenden Pflichttheil außerdeme nicht empfangen, vermacht worden wäre, in welchem letzteren Fall das­selbe sogleich herausgebühret, es möge die Ehe erfolgen oder nicht.

[2, 16, § 13] 204. Doch solle die Vermächtniß eines mäßigen Heirathguts allemal auch auf dem, obschon darinnen nicht ausgedruckten Fall verstanden sein, wann die damit bedachte Person sich durch Ablegung feierlicher Ordensgelübden dem Klosterleben widmet, woferne deshalben von dem Erblasser keine Ausnahme geschehen, oder das Vermächtniß nicht lediglich auf die Heirath mit einer gewissen von ihme benannten Person beschränket worden, in welchem Fall dasselbe erlöschet, wann die Heirath mit dieser Person nicht vollzogen wird.

§. XIV.

[2, 16, § 14] 205. Wann Jemanden ausdrücklich die Auswahl eines von mehreren Dingen, es seie von einerlei oder verschiedener Gattung, vermacht worden, kann derselbe das beste und anständigste wählen, wodurch sich diese Art des Vermächtnisses von einem vermachten Ding nach der Gattung unterscheidet, maßen in diesem Fall nur die Mittelgattung gewählet werden kann.

[2, 16, § 14] 206. Es möge aber der damit Bedachte auch vor der gemachten Auswahl versterben, so gehet doch das Recht zu wählen auf seine Erben, wann er nur den Erblasser überlebet hat, und da die Dinge, wovon die Wahl zu geschehen hätte, vor der Auswahl bis auf eines zu Grund gingen, höret zwar die Wahl, nicht aber das Vermächtniß auf, welches noch in dem einem übrigen Ding bestehet.

[2, 16, § 14] 207. Wann die Auswahl eines Dings Mehreren verschaffet worden, haben Alle zusammen die Auswahl dergestalten, daß die Auswahl des Einen dem Anderen keinen Nachtheil bringt, wann dieser nicht mitgewählet hat; wo sich aber dieselben in der Wahl nicht einigen könnten, gilt die Mehrheit der Stimmen.

[2, 16, § 14] 208. Da jedoch die Stimmen gleich wären, haben sie die Wahl einem Schiedsmann aufzutragen, und wann sie auch in Erkiesung des Schiedsmanns nicht übereinkommen könnten, die Auswahl dem Richter zu überlassen, wobei anstatt Jener, welche noch minderjährig sind, oder sonst die freie Verwaltung ihres

(2-310) Vermögens nicht haben, ihre Vormündere oder Gerhaben, und Curatores zu wählen haben.

[2, 16, § 14] 209. Damit aber die Wahl rechtsgiltig geschehe, ist der Erb schuldig, alle Stücke, worüber die Auswahl zustehet, dem Wählenden vorzuzeigen und darzustellen, also daß wo nur deren eines von ihme hinterhalten würde, der Wählende bei dem Ausgewählten zu beharren nicht verbunden, sondern gegentheils berechtiget seie, eine neue Wahl anzustellen.

[2, 16, § 14] 210. Ansonst, wo alle Stücke vorgezeiget und die Wahl ordnungsmäßig vollzogen worden, kann der Wählende nicht noch einmal wählen, sondern muß sich mit dem Ausgewählten begnügen.

[2, 16, § 14] 211. Uebrigeus ist die Wahl durch eine jedwede auch außergerichtliche Willens­erklärung, sie geschehe mündlich oder schriftlich, was für eine Sache angenommen werden wolle, für vollbracht zu halten, wovon nicht mehr abgegangen werden kann. Wo aber Jener, welcher zu wählen hat, in Vornehmung der Wahl saumig wäre, stehet dem Erben frei, von Gericht aus die Anberaumung einer gesetzten Zeitfrist zur Auswahl anzubegehren, nach deren Verlauf der also Bedachte das Wahlrecht verlieret, und sich mit deme zufrieden stellen muß, was ihme der Erb von den mit der Freiheit der Auswahl vermachten Stücken abreichet, wann es auch das schlechteste von allen wäre.

[2, 16, § 14] 212. Hätte hingegen der Erblasser Jemanden ein Ding nach der Gattung, oder wechselweise dieses oder jenes vermacht, welches ein Dritter wählen würde, und dieser könnte oder wollte nicht wählen, kommt in solchem Fall dem Richter zu, Dasjenige, was der Erb an dem Vermächtniß abzustatten schuldig ist, anzumessen.

§. XV.

[2, 16, § 15] 213. Ausständige Schulden werden von dem Gläubiger entweder einem Dritten, oder dem Schuldner selbst vermacht. Ersteren Falls heißet es eigentlich ein Vermächtniß einer Schuldforderung, letzteren Falls aber ein Vermächtniß der Befreiung von der Schuld.

[2, 16, § 15] 214. Wird Jemanden eine bei dem Dritten ausständige Schuld vermacht, erlangt derselbe diese Schuldforderung, ohne eine besondere Abtretung des Erbens hierzu nöthig zu haben; doch muß er die aus letzten Willen auf ihn geschehene Uebertragung der Schuldforderung dem Schuldner ankünden und bedeuten, um andurch die Zahlung an den Erben einzustellen, dann nach dieser Ankündung zahlt er dem Erben auf seine Gefahr.

[2, 16, § 15] 215. Würde aber derselbe vor dieser ihme zugekommenen Ankündung dem Erben die Schuld ganz oder zum Theil abgeführet haben, kann er zwar zur zweiten Zahlung nicht angehalten werden, der Erb hingegen wird andurch verbindlich für Dasjenige, was er hieran eingenommen hat, zu haften.

[2, 16, § 15] 216. Es ist auch einerlei, ob der Erblasser die bei einem Dritten ausständige Schuld überhaupt, oder mit Benennung der schuldigen Summe, oder auch nur den Schuldschein, die Schuldverschreibung oder den Wechselbrief, welchen er von dem Schuldner in Handen hat, vermache. In allen diesen Fällen gebühren nebst der Hauptsumme auch die davon bei Lebszeiten des Erblassers vertagte Zinsen, wann derselbe hierüber nicht anderst geordnet hätte.

[2, 16, § 15] 217. Nicht weniger ist der Erb schuldig die in der Verlassenschaft befindliche auf die vermachte Schuld lautende Schuldscheine, und zum Beweis derselben dienende Urkunden, wie auch die dafür eingelegte Pfänder Demjenigen, welchem die Schuld vermacht worden, auszufolgen, und wo dieselbe mit Bürgen versicheret worden wäre, bleiben auch die Bürgen verstricket, wann sie die Bürgschaft entweder für die Schuld überhaupt, oder zu Handen eines jeden getreuen Briefinhabers geleistet haben.

[2, 16, § 15] 218. Ist die vermachte Schuldforderung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich


(2-311) versicheret, kann Derjenige, welchem sie vermacht worden, die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Ankunft hierzu sammt dem verschriebenen Unterpfand nicht anderst erwerben, als durch Vormerkung desjenigen Absatzes aus dem letzten Willen, worinnen ihme solche verschaffet worden, oder durch eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Abtretung des Erbens.

[2, 16, § 15] 219. Die vermachte Schuld muß aber richtig und einbringlich sein, widrigens ist das Vermächtniß nur insoweit giltig, als die Schuld einbringlich ist, und der Erb ist keineswegs für das, was hieran uneinbringlich ist, zu haften verbunden, wann von dem Erblasser solches nicht ausdrücklich angeordnet worden. Ueberhaupt hat ein solches Vermächtniß in Ansehung des Schuldners keine mehrere Wirkung, als eine bei Lebzeiten gemachte Abtretung, wobei dem Schuldner alle Rechtsbehelfe, welche ihme wider den Abtretenden gebühret haben, auch wider den Uebernehmenden bevorbleiben.

[2, 16, § 15] 220. Umsoweniger bestehet das Vermächtniß, wann die Schuld ganz und gar unrichtig oder falsch zu sein befunden würde, oder noch bei Lebzeiten des Erblassers von ihme eingetrieben, an jemand Anderen abgetreten, angewiesen oder sonst getilget worden wäre, obgleich derselbe die erhobene Summe anwiederum anderswo angeleget, wann er nach der Zeit seine Willensmeinung nicht anderst erkläret hätte.

[2, 16, § 15] 221. Wie einzle Schulden insonderheit, also können auch alle ausständige Schulden und Forderungen überhaupt vermacht werden, unter welcherlei Vermächtniß Alles, was der Erblasser zur Zeit seines Absterbens aus was immer für einer Ursache persönlicher Verbindungen zu forderen hat, es möge gleich, oder auf den Erfolg einer Zeit oder Bedingniß gebühren und schon verfallen sein, oder erst in Zukunft verfallen, begriffen ist, nur mit alleiniger Ausnahme dessen, was bei einem Dritten versetzet, hinterleget, zum zeitlichen Gebrauch gelehnet oder vermiethet worden, oder was ein Dritter aus geführter Verwaltung in die Verlassenschaft abzutragen oder zu ersetzen schuldig ist, wann es nicht namentlich vermacht worden.

[2, 16, § 15] 222. Wird dem Schuldner selbst die Schuld vermacht, so wird er andurch von der Schuld befreiet, und wo Bürgen vorhanden, werden auch diese von der Bürgschaft anmit entlediget; es ist ihme dahero von dem Erben sowohl der in Handen habende Schuld- oder Wechselbrief, als auch das dafür eingesetzte Pfand zurückzustellen, wie nicht weniger die Quittung auszufertigen.

[2, 16, § 15] 223. Dahingegen bedarf es bei landtäflichen, stadt- oder grundbücherlich versicherten Schuldforderungen keiner besonderen Quittirung des Erbens, sondern dem durch letzten Willen davon befreiten Schuldner stehet frei, mittelst Vormerkung desjenigen Absatzes aus dem letzten Willen, worinnen ihme die Schuld erlassen worden, deren Auslöschung zu bewirken, durch dessen Einlage die Schuld von selbsten getilget wird.

[2, 16, § 15] 224. Die Erlassung der Schuld durch letzten Willen kann ausdrücklich oder stillschweigend, ganz oder zum Theil, auf immer, oder nur auf eine gewisse Zeit, mit völliger Nachsicht der Schuld, oder nur mit Befreiung einer von mehreren dabei verstrickten Personen geschehen, also daß noch gleichwohlen die übrigen verbunden bleiben.

[2, 16, § 15] 225. Ausdrücklich wird nicht nur der Schuldner befreiet, wann ihme der Erblasser in seinem letzten Willen die Schuld erlassen oder vermacht hat, sondern auch damals, wann von dem Erblasser dem Erben die Schuld einzuforderen untersaget, oder die Quittung hierüber auszustellen befohlen worden.

[2, 16, § 15] 226. Stillschweigend wird die Befreiung von der Schuld vermacht, wann der Erblasser dem Schuldner den Schuldbrief verschaffet, oder dem Erben dessen Zurückstellung auferleget, nicht aber auch; wo der Erblasser bloß allein das Pfand zurückzustellen anbefiehlt, oder die Bürgschaft erlasset, dann in diesen Fällen wird nur die bestellte Sicherheit, nicht aber die Schuld selbst nachgesehen, und dieses

(2-312) Vermächtniß wirket nur so viel, daß der Schuldner noch vor Bezahlung der Schuld das Pfand zurückfordern, und die Bürgen die Entledigung von der Bürgschaft ansuchen können.

[2, 16, § 15] 227. Desgleichen wirket die alleinige Entbindung von der obhabenden Verwahrungsschuldigkeit die Nachsicht dessen nicht, was bei Demjenigen, welcher hierzu verbunden ware, von dem verwalteten Gut des Erblassers befindlich ist, und er noch herauszugeben, oder wegen seiner erweislichen Gefährde oder Schuld zu ersetzen hat, wann der Erblasser ihn nicht zugleich von aller Forderung ledig und losgesprochen hat.

[2, 16, § 15] 228. Außerdeme bleibet Derselbe ohnerachtet der ihme erlassenen Rechnungslegung noch allzeit schuldig, das ihme anvertraute Gut, und was er sonst herauszugeben hat, in die Verlassenschaft zurückzustellen, oder dessen rechtmäßige Verwendung aus den geführten Rechnungen darzuzeigen, oder den zufälligen Untergang zu erweisen.

[2, 16, § 15] 229. Ganz ist die Schuld für erlassen zu achten, wann der Erblasser keine mindere Summe, als die Schuld beträgt, sondern entweder die eben schuldige ganze Summe, oder auch die Schuld überhaupt benennet; dahingegen, wo der Erblasser weniger, als die Schuld betragt, ausgedrucket hätte, ist nur so viel hieran erlassen, als ausgedrucket worden.

[2, 16, § 15] 230. Auf immer und allzeit ist der Schuldner von der Schuld befreiet, wann von dem Erblasser ein Widriges nicht geordnet worden, also daß der Schuldner andurch für sich und seine Erben von der Schuld frei, ledig und los seie, obschon er noch vor dem Erblasser verstürbe.

[2, 16, § 15] 231. In Gegentheil, wo der Erblasser wortdeutlich beiruckete, daß die Schuld nur bei Lebzeiten des Schuldners, der binnen einer gesetzten Zeit nicht geforderet werden solle, bleiben sowohl die Erben des Schuldners in beiden Fällen, als auch in letzterem Fall der Schuldner selbst nach Verlauf der Zeit annoch verfänglich, welchem außer der ihme andurch verstatteten Zahlungsfrist hieraus nur dieser Vortheil zugehet, daß er für diese Zeit von den

widrigens aus Saumsal laufenden Zinsen, nicht aber auch von jenen, die aus der Verschreibung gebühren, enthoben werde.

[2, 16, § 15] 232. Doch ist solchen Falls der Schuldner, wann er nicht will, an die von dem Erblasser gesetzte Zahlungszeit nicht gebunden, sondern er kann sich auch ehender von der Schuld entledigen, und der Erb ist schuldig die Zahlung anzunehmen, wann sie nur contractmäßig geleistet wird.

[2, 16, § 15] 233. Sind mehrere Mitschuldner für einerlei Schuld verstricket, und der Erblasser würde die Schuld überhaupt erlassen, oder die Zurückstellung des von allen zusammen ausgestellten Schuldbriefs an einen aus ihnen ohne Vorbehalt wider die übrigen anordnen, werden auch anmit alle von der Schuld befreiet.

[2, 16, § 15] 234. Gegentheils wo der Erblasser nur Einem von ihnen die Schuld erließe, ist zu unterscheiden, ob sie mit geschiedener oder ungeschiedener Hand verbunden sind. Ersteren Falls wird nur der, welchem die Schuld erlassen worden, für seinen Antheil befreiet, und die Uebrigen bleiben jedweder für seinen Antheil verbunden; letzteren Falls aber nutzet die dem Einen gemachte Erlassung auch denen Uebrigen, wann der Erblasser die Forderung wider sie für ihre Antheile nicht ausdrücklich vorbehalten hat. Ein Anderes aber ist, wann der

Erblasser einem von mehreren Mitverbundenen die Schuld vermacht, dann solchen Falls wird er nicht nur für seinen Antheil befreiet, sondern er kann auch die Antheile der übrigen forderen, sie mögen mit geschiedener oder ungeschiedener Hand verstricket sein.

[2, 16, § 15] 235. Würde Jemanden die Befreiung von einer Schuld vermacht, die er entweder gar nicht schuldig, oder welche schon vorhin bezahlet oder getilgt wäre, so hat das Vermächtniß gar keine Wirkung, und kann der Schuldner das in Lebzeiten des Erblassers hieran Bezahlte nicht mehr zurückforderen.Wo er aber nach

(2-313) dem Tod des Erblassers ohne von der ihme vermachten Erlassung der Schuld etwas zu wissen, solche aus Irrthum dem Erben ganz oder zum Theil bezahlet hätte, muß ihme von dem Erben das zur Ungebühr Bezahlte auf sein Verlangen zurückgestellet werden.

[2, 16, § 15] 236. Ergebe sich hingegen, daß die entweder dem Schuldner selbst, oder auch einem Dritten ohne Benennung der Summe und ohne ausdrücklicher Beschränkung auf die vergangene oder gegenwärtige Zeit vermachte Schuld nach der Zeit des errichteten letzten Willens in dem Capital vermehret würde, und der Erblasser nachhero seine Willensmeinung nicht anderst erkläret hätte, so gebühret die ganze Capitalsumme, welche die Schuld zur Zeit des Absterbens des Erblassers betragen hat. Gleichwie dann auch in jenem Fall, wann der Erblasser allen seinen Schuldneren überhaupt und auf vorbemelte Art Dasjenige, was sie ihme schuldig sind, in seinem letzten Willen erlassen hätte, hierunter auch jene begriffen werden, die erst nach der Zeit des errichteten letzten Willens seine Schuldnere worden.

[2, 16, § 15] 237. Endlich kann auch der Schuldner seinem Gläubiger die Schuld vermachen, und hat das Vermächtniß seine Wirkung, wann dem Gläubiger durch dasselbe mehr Vortheil verschaffet wird, als er aus der alleinigen Schuldforderung nicht gehabt haben würde. Dieser Vortheil kann entweder in einem mehreren Betrag, besserer Münze, anständigeren Zahlungsort, ergiebigerer Sicherheit und Bedeckung, früherer Zeit, und endlich in der Verzicht der allenfalls wider die Schuld habenden Einwendungen bestehen.

[2, 16, § 15] 238. Umsomehr aber ist das Vermächtniß giltig, wann der Erblasser gar nichts schuldig wäre, obschon er in seinem letzten Willen gemeldet hätte, daß er die von ihme benannte Summe Demjenigen, welchem er sie vermacht, schuldig seie, in welchem Fall das Vermächtniß durch den falschen Beisatz einer vorgeblichen Schuld nicht entkräftet wird.

[2, 16, § 15] 239. Doch ist die Schuld nur damals für vermacht zu halten, und das Vermächtniß auf die Schuld anzurechnen, wann der Erblasser ein solches wortdeutlich ausdrucket; ansonsten und ohne diesem Ausdruck kann keine Vergeltung der Schuld vermuthet werden, sondern der Gläubiger ist befugt, beides, sowohl die Schuld, als das Vermächtniß zu forderen, obgleich die Schuld sich eben so hoch, als die vermachte Summe beliefe.

[2, 16, § 15] 240. Es seie dann, daß die Schuld bloß aus Freigebigkeit und guten Willen, als aus einer Verheißung oder Zusage, oder Vergeltung geleisteter Diensten, oder auch nicht aus einer willkürlichen Einschuldung, sondern aus einer nothwendigen, dem Erblasser von Unseren Gesetzen auferlegten Schuldigkeit, als da sind der Pflichttheil, die Ausstattung der Töchter und der ehegattliche Antheil, herrührete, in welche das Vermächtniß allerdings einzurechnen ist, und wo das Vermächtniß sich eben so hoch, oder noch höher beliefe, die Schuld anmit getilgt wird.

§ XVI.

[2, 16, § 16] 241. Bei Vermächtnissen körperlicher Dingen, welche in Gewicht, Zahl und Maß bestehen, als Getreid, Wein, Wolle u. dgl., kommt es darauf an, ob der Erblasser was, wieviel, und von was für Eigenschaft hiervon abzustatten seie, benennet, oder zwar wie viel von der benannten Gattung, nicht aber von was für Eigenschaft und Beschaffenheit ausgedrucket, oder auch zwar die Eigenschaft, nicht aber den Betrag bestimmet, oder endlich nur allein die bloße Gattung, und weder den Betrag, noch die Eigenschaft, nemlich wieviel und von was für Beschaffenheit abzugeben seie, erwähnet habe.

[2, 16, § 16] 242. In erstem Fall, wo sowohl der Betrag, als die Eigenschaft der vermachten Gattung von dem Erblasser bestimmet worden, gebühret das Verschaffte in der angewiesenen Güte, Zahl, Maß und Gewicht, es möge sich so vieles von der beschriebenen Güte und Betrag in der Verlassenschaft vorfinden oder nicht.

(2-314) [2, 16, § 16] 243. Es hätte dann der Erblasser dabei wortdeutlich ausgedrucket, daß es von dem Seinigen hergegeben werden solle, in welchem Fall, wo nicht so viel, als der Erblasser vermacht, oder nicht in so guter Beschaffenheit von seinem Eigenen vorhanden wäre, der Erb nicht mehr, als was davon in der Verlassenschaft befindlich ist, es seie gut oder schlecht, abzustatten schuldig, und wo gar nichts da wäre, auch das Vermächtniß null und nichtig ist.

[2, 16, § 16] 244. Hätte aber der Erblasser den Betrag mit Beziehung auf einen gewissen Grund oder auf ein Behältniß vermacht, als alles Getreid, was auf seinen Acker, oder alles Obst, was in seinem Garten wachsen würde, oder alle Körner, die auf seinem Boden liegen, gebühret hieran so viel, als in dem Jahr seines Absterbens auf dem Acker an Getreid, oder in dem Garten an Obst gewachsen, oder zur Zeit seines Tods auf dem Boden an Körnern vorfindlich ist, und wo nichts gewachsen oder vorhändig wäre, höret auch das Vermächtniß auf.

[2, 16, § 16] 245. Dahingegen, wo der Erblasser nebst besonderer Auswerfung des Betrags zugleich den Grund oder das Behältniß, woraus solcher genommen werden solle, angewiesen hätte, gebühret nicht mehr, als von ihme vermacht worden, obgleich von dem Grund mehr erzeuget, oder in dem Behältniß mehr befunden würde.

[2, 16, § 16] 246. Woferne aber auf dem angewiesenen Grund weniger, als vermacht worden, erzeuget, oder in dem angezeigten Behältniß von dem Verschafften weniger vorfindlich wäre, darf der Erb nur so viel abstatten, als erzeuget, oder alldort gefunden wird.

[2, 16, § 16] 247. Und da gar nichts allda erzeuget oder gefunden worden, ist Derselbe außer dem Fall verschaffter, jährlicher Abgaben, wovon oben §. X gehandlet worden, auch nicht schuldig, etwas zu leisten, sondern ein solches Vermächtniß solle jederzeit mit der Einschränkung auf den angewiesenen Grund, oder auf das angezeigte Behältniß verstanden werden, wann der Inhalt des letzten Willens nichts Anderes besaget.

[2, 16, § 16] 248. In dem zweiten Fall, wo von dem Erblasser zwar der Betrag der vermachten Gattung, nicht aber deren Eigenschaft und Beschaffenheit bestimmet worden, hat der Erb die Auswahl, in was für einer Eigenschaft derselbe das Vermachte abführen wolle, wann es nur so beschaffen ist, daß es genutzet und gebrauchet werden könne.

[2, 16, § 16] 249. In dem dritten Fall, da der Erblasser zwar die Eigenschaft der vermachten Gattung, nicht aber den Betrag ausgemessen hätte, gebühret Alles, was der Erblasser nach seinem Tod von der vermachten Gattung in der bemelten Eigenschaft hinterlassen hat, und da er nichts davon verließe, ist auch das Vermächtniß null und nichtig, wo jedoch die Gattung, aber von schlechterer Eigenschaft vorhanden wäre, muß sich Derjenige, welchem das Vermächtniß geschehen, mit dieser begnügen.

[2, 16, § 16] 250. Ein Gleiches hat in dem vierten Fall statt, wann der Erblasser nur allein die Gattung, und weder die Eigenschaft, noch den Betrag benennet hätte, welcherlei Vermächtniß Alles unter sich begreifet, was nach dem Landesgebrauch, oder nach der Gewohnheit des Erblassers unter der bemelten Gattung verstanden wird, und davon in der Verlassenschaft vorräthig ist.

[2, 16, § 16] 251. Also da Jemanden alles Getreid vermacht würde, gebühren ihme alle vorräthige Arten des Getreids, welche nach eines jeden Landes Gewohnheit unter dieser Benamsung verstanden werden, sie mögen in Körnern oder noch in Geströh sein; dahingegen ist unter den vermachten Körnern oder dem Getreid auf dem Boden das Getreid in Geströhe nicht begriffen.

[2, 16, § 16] 252. Noch weniger verstehet sich unter dem verschafften Getreid das Mehl und Malz, oder auch jenes, was von Körnern zum Verkauf, zur Aussaat, zur Brodung, oder zum eigenen Gebrauch oder Genuß von dem Erblasser für sich und seine Hausgenossen, Dienstleute und Beamten zur Zeit seines Tods allschon

(2-315) eingefasset, und von dem Uebrigen abgesönderet gefunden wird, oder was bereits bei seinen Lebzeiten verkaufet worden, obschon es noch zur Zeit seines Tods unabgesönderet auf dem Boden läge, wie dann auch das Vermächtniß des Getreids sich keineswegs auf dasjenige erstrecket, was zur Zeit des Absterbens auf dem Felde stehet, und noch nicht geschnitten ist.

[2, 16, § 16] 253. Ein ganz ähnliches Beispiel ist in dem Fall, wo der Erblasser Jemanden alle seine Weine vermacht hätte, worunter nicht allein die auf seinem eigenen Weinberg gewachsene, sondern auch die von anderwärts herbeigeschaffte in- und ausländische Weine, und überhaupt Alles, was der Erblasser für Wein zu halten gepflogen, begriffen wird, keineswegs aber auch Bier, Essig, Branntwein, gebrannte Wässer, Meth und anderes Getränk, welches von Wein unterschieden ist.

[2, 16, § 16] 254. Weme die Weine vermacht worden, gebühren auch die Gefäße, Geschirre, Krüge und Flaschen, in welchen dieselben aufbehalten worden, wann der Erblasser solche nicht ausdrücklich ausgenommen hat, nicht aber auch die leeren Fässer, oder jene große Gefäße, welche zum beständigen Gebrauch des Kellers dahin gewidmet worden, und woraus der Wein in andere kleinere Gefäße abgezapfet zu werden pfleget, wann gleich der Erblasser die Weine sammt dem Gefäß vermacht hätte. Ein Anderes aber ist, wann derselbe nebst den Weinen insonderheit auch alles vorhändige Gefäß und Geschirr verschaffet haben würde, welchenfalls das Gefäß nicht sowohl für eine Zugehörung zu denen Weinen, als vielmehr für ein besonderes Vermächtniß anzusehen ist.

[2, 16, § 16] 255. Hätte der Erblasser seine alten Weine vermacht, werden hierunter alle fertige Weine begriffen, wann nicht erweislich ist, was derselbe unter alten Weinen zu verstehen gepflogen habe; gleichwie in Gegentheil, wann Jemandem neue, junge oder heurige Weine vermacht worden, ihme wider Willen keine alte aufgedrungen werden können.

[2, 16, § 16] 256. Unter dem Vermächtniß der Weinen werden keineswegs die noch an Stock hangende Trauben, weder der Most unter der Presse, noch auch jener Wein, welcher schon bei Lebzeiten des Erblassers verkaufet worden, obschon solcher zur Zeit seines Tods noch im Keller befindlich wäre, oder welcher zum Verkauf verführet worden, obgleich derselbe zur Zeit seines Absterbens noch nicht verkaufet wäre, begriffen.

§. XVII.

[2, 16, § 17] 257. Was für Zugehörungen mit der vermachten Sache aus der Natur des Vermächtnisses selbst gebühren, wann gleich von dem Erblasser davon keine Erwähnung geschehen, wird unten in §. XXIII erkläret werden. Es kann aber auch der Erblasser die Zugehörungen namentlich mit verschaffen.

[2, 16, § 17] 258. Wobei überhaupt die Regel statt hat, daß unter vermachten Zugehörungen zu einer Sache alles das begriffen seie, was darunter nach der allgemeinen Gewohnheit, oder nach dem besonderen Gebrauch des Erblassers, welcher es für beständig darzu gewidmet hat, verstanden wird. Also da Jemanden ein Reitpferd mit der Zugehörung vermacht würde, gebühret ihme auch Sattel und Zeug.

[2, 16, § 17] 259. Doch kommt es allemal vornehmlich darauf an, wie der Erblasser seine Willensmeinung wegen der Zugehörungen erkläret, ob er nemlich Demjenigen, welchen er bedacht hat, hieran mehr, oder weniger zuwenden wollen. Es ist dahero bei liegenden Gütern wohl zu unterscheiden, ob ein Grund überhaupt, oder mit aller Zugehörung oder Einrichtung, oder wie er liegt und stehet, vermacht worden.

[2, 16, § 17] 260. Ist des Grunds nur überhaupt gedacht, so erstrecket sich das Vermächtniß nicht weiter, als auf Grund und Boden und auf das, was erd-, niet- und nagelfest ist. Da hingegen, wo der Grund mit aller Zugehörung oder Einrichtung vermacht worden, ist auch Alles darunter begriffen, was der Erblasser Zeit seines Absterbens an Vieh, Getreid, Hausrath, Geräthschaften und Einrichtungen

(2-316) für beständig sowohl zur Bestellung der Wirthschaft, als zu seinem täglichen Gebrauch dahin gewidmet gehabt.

[2, 16, § 17] 261. Davon ist aber Jenes ausgenommen, was nicht zur Bestellung der Wirthschaft und dem beständigen Gebrauch dahin bestimmet ist, sondern entweder zum Verkauf oder verwahrungsweise allda aufbehalten wird, oder von Ohngefähr, ohne es als eine Zugehörung oder Einrichtung zu dem Grund zu widmen, dahin gebracht worden.

[2, 16, § 17] 262. Also sind alle Wirthschaftsvorräthe an Getreid, Wein und anderen Feilschaften, so viel hieran über Abzug der Wirthschaftserfordernisse erübrigt wird, das baare Geld, Kleinodien und Dasjenige, was der Erblasser aus einem anderen Ort, wo er es sonst aufzubehalten pflegen, zu einem zeitlichen Gebrauch, oder zur Verwahrung dahin gebracht, unter den Zugehörungen nicht begriffen, wohl aber Jenes, was zum beständigen Gebrauch dahin gewidmet, und nur auf eine zeitlang an ein anderes Ort gebracht, oder in dieser Absicht zu dem Grund erkaufet, und angeschaffet worden, obwohlen es zur Zeit des Absterbens noch nicht allda befindlich wäre.

[2, 16, § 17] 263. Endlich, wo der Erblasser den Grund, wie er liegt und stehet, vermacht hätte, gebühret Alles darzu, was zur Zeit seines Absterbens an Fahrnissen auf dem Grund befindlich ist, nichts davon ausgenommen und ohne Unterschied, es möge zum beharrlichen oder zeitlichen Gebrauch, zur Bestellung der Wirthschaft oder zum Verkauf gewidmet, und für beständig, oder einstweilig allda aufbehalten, oder auch von Ohngefähr, und in was immer für Absicht dahin gebracht worden sein.

§. XVIII.

[2, 16, § 18] 264. Wann der Erblasser Jemanden seinen Speis- und Kellervorrath verschaffet, wird Alles darunter verstanden, was derselbe zu seiner und der Seinigen Nothdurft an Eß- und Trinkwaaren gesammlet hat, sammt denen Gefäßen und Geschirren, worinnen solche aufbehalten werden; der Vorrath möge an einem Ort beisammen, oder in verschiedenen Orten vertheilet sein. Dahingegen ist Jenes, was nicht zum eigenen Genuß, sondern zum Verkauf gewidmet ware, nicht darunter begriffen.

[2, 16, § 18] 265. Ein Anderes ist, wann der Erblasser alle seine Eß- und Trinkwaaren, mit welchen er zu handlen pflegen, vermacht hätte; dann in diesem Verstand erstrecket sich das Vermächtniß auch auf denjenigen Vorrath, welchen der Erblasser zum feilen Kauf gesammlet hat.

§. XIX.

[2, 16, § 19] 266. Unter dem vermachten Hausrath werden alle Fahrnisse verstanden, welche zur gemeinen Einrichtung eines Wohnhauses gehören, und von dem Erblasser zu seinem und der Seinigen täglichen Gebrauch, es sei zur Nothdurft, Bequemlichkeit oder auch zur Lust angeschaffet worden, als alle Zimmereinrichtung, Spaliere, Bilder und Gemälde, Teppiche, Tische, Bänke, Sesseln, Stühle, Stock- und Hanguhren, Spiegeln, Gläser, Leuchter, gewöhnliches Tischzeug, Messer, Gabeln, Löffeln, welche zum täglichen Gebrauch bestimmet sind, Kästen, Schranken, Bettstätte, Matratzen, Betten sammt dem gewöhnlichen Bettgewand, nicht weniger alle Kuchelgeräthschaften von Kupfer, Zinn, Messing, Eisen, Holz und Erden, dann Wägen, Kutschen, Sänften, Pferdegeschirr und was zum Stall gehöret.

[2, 16, § 19] 267. Davon sind aber ausgenommen die kostbareren Spaliere, Teppiche, Decken und Ueberzüge, welche nicht für beständig zum gemeinen Gebrauch gewidmet, sondern nur unterweilen zur Zierde aufgemacht werden, wie nicht weniger Bilder und Gemälde, die nicht zur Einrichtung gehören, sondern als Kunststücke einzelweise ausgehangen, oder auch zusammen in besonderen Cabineten und Gallerien verwahret werden.

(2-317) [2, 16, § 19] 268. Desgleichen sind silberne Service, Nachtzeuge, Gold- und silberne Geschirre, welche nicht zum täglichen Gebrauch bestimmet sind, Ringe, Schmuck und Juwelen, Sackuhren, Tabatieren, baares Geld, Früchten, Weine und andere Eß- und Trinkwaren, Kleider, Wäsche sammt den darzu gehörigen Kästen und Schranken, Pferde und anderes Vieh in Ställen, Bücher und Bücherschranken, Gewehr, Handwerkzeug und was zum beständigen Gebrauch des Hauses gehöret, als Feuergeräthe, Doppelfenster, Fliegengatter und dergleichen unter dem Hausrath nicht begriffen.

§. XX.

[2, 16, § 20] 269. Wann Jemanden der Unterhalt vermacht wird, ist zu unterscheiden, ob ein- für allemal ein Capital oder Gut zu seinem Unterhalt verschaffet, oder ob demselben ein gewisser jährlicher oder monatlicher, oder anderer zeitfristlicher Betrag zu seinem Unterhalt ausgeworfen, oder ob dabei ein Grund oder Gut, woraus der Unterhalt hergenommen werden solle, angewiesen, oder endlich ob der Unterhalt überhaupt ohne Bestimmung eines Betrags, was und wie viel abgereichet werden solle, vermacht worden.

[2, 16, § 20] 270. In dem ersten Fall, wann jemanden ein Capital oder ein Gut zu seinem Unterhalt vermacht worden, ist es nicht sowohl ein Vermächtniß des Unterhalts, als des Capitals und Guts selbst, welches sowie als Anderes aus letztem Willen von Jenem, welcher damit bedacht worden, eigenthumlich erworben und auch auf seine Erben übertragen wird.

[2, 16, § 20] 271. In dem zweiten Fall, wo Jemanden ein gewisser Betrag jährlich, monatlich, wochentlich oder täglich zu seinem Unterhalt ausgeworfen wird, ist es ein Vermächtniß jährlicher oder anderer zeitfristlicher Einkünften, wovon oben §. X gehandlet worden.

[2, 16, § 20] 272. In dem dritten Fall, wo ein Grund oder Gut, woraus der verschaffte Unterhalt hergenommen werden solle, angewiesen und darauf nichts, oder weniger erzeuget worden, ist sich nach deme zu richten, was eben allda num. 143 und 144 geordnet wird.

[2, 16, § 20] 273. Endlich in dem vierten Fall, wo der Unterhalt überhaupt ohne Bestimmung des Betrags verschaffet worden, ist anförderist darauf zu sehen, was der Erblasser bei seinen Lebzeiten der bedachten Person zu ihrem Unterhalt abzureichen pflegen, in welcher Maß auch die Erben damit fortzufahren verbunden sind, wann der Erblasser solchen nicht auf einen minderen Betrag bestimmet hat.

[2, 16, § 20] 274. Wäre aber solches nicht bekannt, oder der Verstorbene hätte bei seinen Lebzeiten nichts Gewisses abgereichet, so muß auf den Stand der zu unterhalten kommenden Person, und auf die Kräften der Verlassenschaft, was ohne Nachstand anderer zu bestreiten habenden Erblasten füglich davon erschwungen werden könne, die Rucksicht genommen, und der damit bedachten Person hienach so viel an Unterhalt, als ihrem Stand gemäß ist, und die Kräften der Verlassenschaft zureichen, ausgeworfen werden; wobei sich jedoch von selbsten verstehet, daß der Unterhalt nach Maß des zunehmenden Alters, und der damit verknüpften mehreren Bedürfnissen vermehret werden müsse, wessen eine erwachsene Person mehr erforderet, als nicht ein Knab oder Kind.

[2, 16, § 20] 275. Unter dem Unterhalt ist Alles begriffen, was zu Erhaltung des menschlichen Lebens nöthig ist, als die Kost, Kleidung, Wohnung, Bett, Holz und Licht, das nöthige Hausgeräth, Arzneien, und auch die nach Standesgebühr erforderliche Bedienung, nicht aber Wagen und Pferd, Begräbnißkosten und der Aufwand zur Unterrichtung in Wissenschaften, Künsten und Handwerken.

[2, 16, § 20] 276. Es wäre dann, daß der Erblasser den Unterhalt einer solchen Person verschaffet hätte, welcher derselbe noch in seinen Lebzeiten dergleichen Unterricht geben zu lassen angefangen, oder welcher er aus Pflicht die standesgemäße

(2-318) Erziehung zu geben schuldig gewesen wäre, oder doch derselbe Jemanden ausdrücklich die Auferziehung vermacht hätte.

[2, 16, § 20] 277. Dann das Vermächtniß der Auferziehung erstrecket sich über den abzureichen habenden Unterhalt auch auf die nöthige Unterweisung in solchen Wissenschaften, Künsten oder Handwerken, welche dem Stande und Beruf der bedachten Person gemäß sind, höret aber auf, sobald als dieselbe in eigenen Nahrungsstand gesetzet ist, wann der Erblasser nicht besonders ihre Unterhaltung weiter hinaus angewiesen, oder zugleich ihre Versorgung anbefohlen hätte, welchen Falls der Unterhalt so lange fürdauert, bis derselben eine anständige Versorgung verschaffet wird.

[2, 16, § 20] 278. Weit geringer ist das Vermächtniß der täglichen Kost, aus welchem außer Speis und Trank, nichts Anderes, folglich weder die Kleidung, noch Wohnung gebühret, und hat sich der damit Bedachte mit derjenigen Kost zu begnügen, mit welcher sich Jener, bei deme sie angewiesen worden, seinem Stande nach zu verkösten pfleget, wann der Erblasser nicht ausdrücklich ein Anderes verordnet hätte.

[2, 16, § 20] 279. Derlei Vermächtnissen des Unterhalts, der Erziehung, Versorgung und Verköstung können auch Erbsunfähigen verschaffet werden, wann sie nur denjenigen Betrag, welcher gewissen erbsunfähigen Personen nach Maßgebung des zwölften Capitels §. II zu verlassen erlaubet ist, nicht übersteigen, widrigens ist die Uebermasse für nicht vermacht zu halten, und fallt den Erben zu.

[2, 16, § 20] 280. Alle diese Vermächtnissen müssen in derjenigen Maß, und auf die Art und Weis, wie solche der Erblasser angeordnet, abgereichet, und kann weder der damit bedachten Person ein Anderes wider Willen aufgedrungen, noch auch der Erb zu Leistung eines Anderen, als von dem Erblasser vorgeschrieben worden, verhalten werden, wann er sich diesfalls keinen Saumsal zu schulden kommen lassen.

[2, 16, § 20] 281. Das Vermächtniß der Erziehung währet vorerwähnter Maßen so lange, bis die erzogene Person in den Stand gelanget, sich die eigene Nahrung zu suchen. Das Vermächtniß der Versorgung hingegen, bis daß die versorgen habende Person auf standesgemäße Art dergestalten untergebracht wird, daß sie der ihr zugedachten Beihilfe nicht mehr bedarf.

[2, 16, § 20] 282. Das Vermächtniß des Unterhalts sowie der Verköstung, wo es aus einer Ursache, oder auf eine Zeit geschehen, höret mit Erlöschung der in dem letzten Willen ausgedruckten Ursache, oder mit Verlauf einer bestimmten Zeit auf, wann der damit Bedachte nicht ehender verstirbt.

[2, 16, § 20] 283. Ist aber der Unterhalt, oder die Verköstung ohne Benennung einiger Zeit vermacht worden, gebühren solche auf lebenslang, obschon selbe einem Kind, oder Minderjährigen zugedacht worden, wann nicht ausdrücklich beigesetzet wäre, daß sie bis zur erreichten Großjährigkeit abgegeben werden sollen, in welchem Fall dieselben bis zu dem letzten Augenblick des erfüllten vierundzwanzigsten Jahrs geforderet werden können; es wäre dann die Nachsicht des Alters, folglich die Erklärung der Großjährigkeit vor der Zeit ausgewirket worden.

[2, 16, § 20] 284. In deme kommen jedoch alle diese Vermächtnissen überein, daß sie mit dem Tod Desjenigen, deme sie gebühren, wann dieser auch vor der gesetzten Zeit verstürbe, gänzlich aufhören und erlöschen, folglich keineswegs für die Zukunft auf seine Erben übertragen werden, obschon von ihnen für das Vergangene der Werth dessen, was dem Verstorbenen hätte geleistet werden sollen, gefordert werden mag.

[2, 16, § 20] 285. Dieser Ersatz für die verflossene Zeit kann aber damals nicht anbegehret werden, wann der hierzu Verbundene die Gebühr zwar abzureichen bereit wäre, der Andere hingegen solche nicht angenommen, oder sich durch Entfernung, Ausbleiben, oder anderweites Unterkommen des natürlichen Genusses einstweilig, oder für allzeit freiwillig entschlagen hätte.

[2, 16, § 20] 286. Derlei Vermächtnissen können demnach für die künftige Zeit die Kinder des damit Bedachten nicht anderst theilhaftig werden, als wann der Erblasser dieselben ausdrücklich auch auf sie erstrecket hat, welchenfalls ihnen ihr darzu habendes

(2-319) Recht durch Verzicht, Vertrag oder Vergleich ihres Vaters oder Mutter in keinerlei Wege geschmäleret werden kann, wann nicht die gerichtliche Bestätigung hinzutritt.

[2, 16, § 20] 287. Dahingegen bleiben nach Absterben des mit einem solchen Vermächtniß Beschwerten auch seine Erben zu dessen fortwährender Abreichung noch allezeit verbunden. Ob und wie aber derlei Gebührnissen durch Vergleiche und Verträge verminderet, oder gar erlassen werden können, wird in dritten Theil, in zweiten Capitel, dritten Artikel, §. XXI erkläret.

§. XXI.

[2, 16, § 21] 288. Unter dem vermachten Gold- und Silberwerk ist Alles begriffen, was der Erblasser an Gold und Silber hinterlassen hat, es möge roh oder verarbeitet, zerbrochen oder noch in der Arbeit, zur Zeit seines Absterbens ausgeliehen, oder vorhändig, und zu was immer für einen Gebrauch gewidmet sein.

[2, 16, § 21] 289. Darunter gehöret auch das vergoldete Silber, in Gold oder Silber zu dessen Auszierung eingefasste oder eingemachte Edelgesteine oder Münzen, obschon sie davon füglich abgesönderet werden könnten, wie nicht minder goldene und silberne Besteck, Spiegelrahmen, Uhren und Tabatieren, nicht aber das Geschmuck, Ringe und Juwelen, obgleich solche in Gold oder Silber gefasst sind, weder das, was nur vergoldet oder versilberet ist, oder auch zum Zierath einen Beisatz von Gold oder Silber hat, noch weniger das baare Geld und Schaumünzen oder Medaillen.

[2, 16, § 21] 290. Wann jedoch nur das brauchbare oder verarbeitete Silber vermacht wird, ist das rohe und Bruchsilber nicht mitbegriffen, und wo der Erblasser Jemanden das Silber, was er zu seinem täglichen Gebrauch gehabt, verschaffet hätte, gebühret nur jenes, was er nach Zeugniß seiner Hausleuten täglich gebrauchet hat; desgleichen wo das Tafelsilber vermacht worden wäre, ist Alles hierunter begriffen, was zum Gebrauch der Tafel gehöret.

[2, 16, § 21] 291. Wäre aber Jemanden nur Silber überhaupt nach einem bestimmten Gewicht, als z. B. 20 Mark vermacht worden, gebühret ihme entweder so viel Silber, oder der Werth dafür, was so viele Mark nach der Probe des Orts an Geld betragen.

[2, 16, § 21] 292. Es hätte dann der Erblasser nebst dem Gewicht zugleich eine gewisse Gestalt des Silbers benennet, als einen Nachtzeug oder Tafelservice von so viel Mark, welchen Falls es an dem Werth des Gewichts allein nicht genug ist, sondern das Vermachte sowohl in der bestimmten Gestalt, als Gewicht abgestattet werden muß.

[2, 16, § 21] 293. Wann der Erblasser Jemanden sein baares Geld oder die Barschaften vermacht, wird Alles darunter begriffen, was zur Zeit seines Tods an baaren Geld vorhanden ist, keineswegs aber die ausstehende Schulden, weder die Medaillen und rare Münzen, welche der Erblasser nicht unter seiner Barschaft, sondern in einem Eigenen besonderen Behältniß zu verwahren pflegen, noch auch diejenigen Gelder, welche erweislich zu einem schon geschlossenen, oder doch wenigstens angestoßenen Ankauf, oder zur verzinslichen Anlegung bestimmet waren, und von anderen Barschaften abgesönderet gefunden werden.

[2, 16, § 21] 294. Wenn ein gewisser Geldbetrag in einer Münze vermacht worden, deren Werth nach errichteten letzten Willen gestiegen, oder gefallen ist, muß derjenige Werth abgestattet werden, welchen sie zur Zeit des Absterbens des Erblassers gehabt hat.

[2, 16, § 21] 295. Unter dem vermachten Aufputz wird alles verstanden, was zum Frauenputz gehöret, als Putzwäsche, Spitzen, Bänder, falsches Geschmuck, Ohrgehänge, welche nicht mit Edelsteinen besetzet sind, und dergleichen Kleinigkeiten, nicht aber gutes Geschmuck, Leibwäsche und Kleider.

[2, 16, § 21] 296. Unter dem vermachten Schmuck werden alle Edelgesteine, Perlen, Juwelen, sie mögen ledig oder gefasst, oder in der wirklichen Fassung sein, wie auch alles

(2-320) Gold- und Silbergeschmeid, was um sich zu schmucken gebrauchet wird, als goldene Ketten, Ohrgehänge, Armbänder, Ringe, Leibgürteln und Schnallen begriffen, wovon jedoch die Petschier- und Trau- oder Eheringe ausgenommen sind; wo aber nur die Juwelen und Kleinodien allein vermacht worden, werden nur Edelgesteine und Perlen, und nichts Anderes darunter verstanden.

[2, 16, § 21] 297. Unter die vermachte Kleider gehöret Alles, was der Erblasser zu seiner Kleidung gebrauchet oder darzu gewidmet hat, und zur Zeit seines Tods vorhanden ist, wie auch das zur Kleidung zugeschnittene, nicht aber noch in ganzen Stuck befindliche Tuch oder Zeug; eben dieses ist auch in dem Vermächtniß der sogenannten Garderobe enthalten, sowie als anderen Falls aber die Wäsche, Spitzen und Weißzeug, nicht weniger Degen und Stock ausgenommen.

[2, 16, § 21] 298. Von vermachten Kleidern ist das Vermächtniß der Kleidung, wann nemlich der Erblasser Jemanden zu kleiden befohlen, ganz unterschieden; dann in diesem Fall gebühret ihme nur die Kleidung, welche er vonnöthen hat, und zwar ein für allemal, wann der Erblasser nicht anderst ausdrücklich geordnet hat.

[2, 16, § 21] 299. Ueberhaupt ist bei Vermächtnissen, welche einen allgemeinen Begriff von mehreren Sachen in sich enthalten, darauf zu sehen, was unter einem solchen Ausdruck nach der Gewohnheit eines jeden Orts, und nach dem selbsteigenen Gebrauch des Erblassers verstanden werde.

[2, 16, § 21] 300. Allein auch diese Regel leidet einen Abfall, wann der Erblasser entweder ausdrücklich etwas davon ausgenommen und damit anderst geordnet, oder gegentheils das Vermächtniß über den gemeinen Verstand, es seie namentlich, oder mit dem Beisatz, wie es liegt und stehet, erstrecket hätte, welchen letzteren Falls nur auf das, was zur Zeit seines Tods allda liegt und stehet, die Rucksicht genommen werden solle, dieses möge sonst unter der Benamsung, welcher sich der Erblasser bedienet, verstanden sein, oder nicht.

Dritter Artikel.

Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung der Vermächtnissen.

§. XXII. Von der Zeit, wann Vermächtnisse zu gebühren anfangen, und wann solche gefordert werden können. §. XXIII. Von Verbindlichkeit des Erbens zu Abführung der Vermächtnissen. § XXIV. Von Sicherstellung der von künftigen Erfolg abhangenden Vermächtnissen. §. XXV. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung der Vermächtnissen.

§. XXII.

[2, 16, § 22] 301. Bei Vermächtnissen sind die zweierlei Zeitpunkte wohl zu unterscheiden, wann sie nemlich zu gebühren anfangen, und wann sie geforderet werden können, dann obschon solche gebühren, und auch auf die Erben des damit Bedachten übertragen werden, so können sie gleichwohlen nicht ehender geforderet werden, als bis die Zeit herangekommen, wo selbe abzustatten sind.


(2-321) [2, 16, § 22] 302. Die alleinige Gebührniß des Vermächtnisses wirket demnach nicht allemal auch dessen alsbaldige Forderung, sondern nur das Recht an oder zu demselben, und dessen erbliche Uebertragung, wann der damit Bedachte vor dessen Erlangung verstürbe, und es kein solches Vermächtniß wäre, was mit seiner Person erlöschet.

[2, 16, § 22] 303. Um aber zu wissen, wann Vermächtnissen zu gebühren anfangen, ist darauf zu sehen, ob sie einen die Gebühr des Vermächtnisses in die Zukunft verschiebenden Beisatz einer Bedingniß oder Zeit haben, oder nicht.

[2, 16, § 22] 304. Nicht alle Beisätze haben die Kraft Vermächtnisse zu verschieben, sondern nur der Anhang einer Bedingniß und Zeit allein. Wohingegen eine beigefügte Beschreibung, Bewegursache, oder Art und Weis nach Maßgebung dessen, was davon in ersten Artikel, §§. VI, VII und VIII geordnet worden, die Wirkung des Vermächtnisses nicht aufhalten.

[2, 16, § 22] 305. Jene Vermächtnissen, welche keinen vorerwähnten verschiedenen Beisatz haben, fangen mit dem Tag des Absterbens des Erblassers an zu gebühren, wann

(2-322) der damit Bedachte auch nur einen einzigen Augenblick den Erblasser überlebet, von welcher Zeit an derselbe das an oder zu dem Vermächtniß erworbene Recht auf seine Erben übertraget, wovon nur die persönlichen Vermächtnissen ausgenommen sind, welche mit seiner Person aufhören.

[2, 16, § 22] 306. Die erbliche Uebertragung eines solchen Vermächtnisses wird andurch nicht verhindert, wann gleich der Erb unter einer Bedingniß eingesetzet, oder auch Demjenigen, welcher mit dem Vermächtniß beschweret ist, Dasjenige, wovon solches abgestattet werden solle, unter einer Bedingniß verlassen worden, vor deren Erfolg Derjenige, deme das Vermächtniß zugedacht worden, verstirbt; dann auch in diesem Fall gehet die Hoffnung des bei Erfolg der Bedingniß erlangenden Vermächtnisses auf seine Erben.

[2, 16, § 22] 307. Wiewohlen aber der Erb nicht ehender, als nach angetretener Erbschaft zu Abstattung der Vermächtnissen verbunden ist, so wird doch in dem rechtlichen Verstand wie das Recht zur Erbfolge, also auch die damit verknüpfte Verbindlichkeit zu den Erblasten auf die Zeit des Absterbens des Erblassers zuruckgezogen und dafürgehalten, als ob in dem Augenblick des Hinscheidens der Erb dem Verstorbenen nachgefolget wäre, welcher dahero von dieser Zeit an wie die Vortheile zu genießen, also auch die Lasten zu tragen hat.

[2, 16, § 22] 308. Die Antretung der Erbschaft ist solchemnach derjenige Zeitpunkt, in welchem die Vermächtnissen, welche keinen verschiebenden Beisatz haben, geforderet werden können, und zwar jene, womit des Erblassers eigene, und in der Verlassenschaft vorhändige Sachen nach ihrer Gestalt vermacht, oder ein dingliches Recht hieran bestellet worden, sogleich, und ohne allen weiteren Aufzug.

[2, 16, § 22] 309. Alle übrige Vermächtnissen hingegen sollen nicht ehender, als nach Verlauf eines Jahres und sechs Wochen von dem Tag des Absterben des Erblassers an zu rechnen geforderet werden mögen; es seie dann, daß derselbe anderst geordnet, und entweder einen längere oder kürzere Abstattungsfrist gesetzet hätte, oder das Vermächtniß aus der Natur der Sache eine andere Zeit zur Abfuhr mit sich brächte, als da Früchte von einem Grund vermacht worden, welche zugleich abzustatten sind, sobald sie zur Reife gekommen und eingesammelt worden.

[2, 16, § 22] 310. Welchen Vermächtnissen aber eine verschiedene Bedingniß beigesetzet ist, diese fangen nicht ehender an zu gebühren, als von Zeit der erfolgten Bedingniß, also daß wo der auf diese Art Bedachte vor Ausgang derselben, obschon nach dem Erblasser verstürbe, er das Vermächtniß keineswegs auf seine Erben übertragt, wann gleich nach seinem Tod die Bedingniß erfolgen würde.

[2, 16, § 22] 311. Doch ist derjenige künftige Erfolg für keine Bedingniß zu halten, wovon die Giltigkeit des Vermächtnisses entweder aus der Natur der Sache, oder aus Anordnung Unserer Gesetzen abhanget, und welcher allschon stillschweigend unter dem Vermächtniß verstanden wird, wann solcher auch ausdrücklich beigesetzet wäre, als da Jemanden die Früchte eines Grunds vermacht worden, wann etwas darauf wachsen würde, aber dem Vermächtniß die Bedingniß beigefüget wäre, wann so viel in der Verlassenschaft nach Bezahlung der Schulden erübriget werden würde.

[2, 16, § 22] 312. Derlei Vermächtnissen sind an sich unbedingt, und gebühren von dem Tag des Absterbens des Erblassers, folglich gehen sie auch von dieser Zeit an auf die Erben, obschon sie anwiederum erlöschen, wann das, wovon sie abhangen nicht erfolget, als da an verschafften Früchten auf dem angewiesenen Grund nichts gewachsen, oder in der Verlassenschaft nach Abzug der Schulden nichts übrig geblieben wäre.

[2, 16, § 22] 313. Nicht minder erlangen jene Vermächtnissen ihre Kraft gleich von dem Tod des Erblassers, welchen eine unmögliche, ärgerliche oder lächerliche Bedingniß, oder das Widerspiel derselben angehänget worden; umsomehr aber kann auch ein bedingtes Vermächtniß auf die Erben des damit Bedachten übertragen werden, wann es

(2-323) der Erblasser auch ihnen ausdrücklich auf den Fall der erfolgenden Bedingniß zugedacht hat.

[2, 16, § 22] 314. Desgleichen gehet ein bedingtes Vermächtniß auf die Nachfolgere, wann es beim Landesfürsten, oder einer Gemeinde, Mittel, welches niemalen abstirbt, oder einer gewissen bekleidenden Würde oder Amt, das an sich beharrlich ist, verschaffet worden, und ist bei fürwaltenden Zweifel allemal darauf zu sehen, ob der Erblasser die Würde sammt dem Namen der dieselbe bekleidenden Person, oder nur die Würde und das Amt allein ausgedrucket habe. Ersteren Falls ist das Vermächtniß der Person, wann der Nachfolgeren dabei nicht wortdeutlich gedacht worden, und letzteren Falls der Würde oder dem Amt ohne Rucksicht der dasselbe bekleidenden Person, wann auch von Nachfolgeren keine Meldung geschehen, zugedacht zu halten.

[2, 16, § 22] 315. Ist dem Vermächtniß eine Zeit beigefüget, so kommt es darauf an, ob dieselbe nach denen oben in ersten Artikel, §. V, erklärten Maßregeln eine Bedingniß wirke oder nicht. Wirket dieselbe eine Bedingniß, so fangt auch das Vermächtniß nicht ehender an zu gebühren, als wann der damit Bedachte deren Erfolg erlebet, gleichwie in Gegentheil solches erlöschet, wann dieser vorgestorben ist.

[2, 16, § 22] 316. Wo aber die angehängte Zeit keine Bedingniß wirkete, sondern lediglich die Abstattung des Vermächtnisses verschiebete, gebühret dasselbe sofort von dem Tod des Erblassers, und wird auch gleich unbedingten Vermächtnissen von dieser Zeit an auf die Erben des damit Bedachten übertragen, obschon solches vor Ankunft dieser Zeit nicht geforderet werden kann.

[2, 16, § 22] 317. Ist nun bei bedingten Vermächtnissen die Bedingniß in ihre Erfüllung gegangen und die Erbschaft angetreten worden, können auch solchen in eben der Maß, wie es oben num. 308 und 309 von unbedingten Vermächtnissen gemeldet worden, geforderet werden, wo aber die Bedingniß vor angetretener Erbschaft erfüllet worden wäre, ist mit der wirklichen Forderung des obschon gleich nach Erfolg der Bedingniß gebührenden Vermächtnisses bis nach deren Antretung zuzuwarten.

[2, 16, § 22] 318. Nur jährliche, oder andere zeitfristliche Vermächtnissen haben nach mehreren Inhalt des §. X dieses Besondere, daß bloß allein die erste Frist eines solchen Vermächtnisses unbedingt, in allen weiter folgenden Fristen aber die Bedingniß stillschweigend begriffen seie, wann der damit Bedachte solche erleben wird, folglich ihme auch nur jene Frist gebühre, und auf seine Erben übertragen werden, deren Anfang derselbe erlebet hat.

§. XXIII.

[2, 16, § 23] 319. Die Wirkung gleich Anfangs unbedingter, oder in der Folge durch Erfüllung der Bedingniß oder Ankunft der Zeit unbedingt gewordener Vermächtnissen bestehet an Seiten des Erben in der Verbindlichkeit zu deren Abstattung, gleichwie an Seiten des damit Bedachten in dem Recht solche zu forderen, und in denen ihme zu dem Erbe angebührenden Hilfsmitteln.

[2, 16, § 23] 320. Die Verbindlichkeit des Erbens zu Abstattung gleich erwähnter Vermächtnissen erwachset aus der Antretung der Erbschaft, doch allemal erst nach Abzug aller von dem Erblasser hinterlassenen Schulden, vor deren Abführung oder hinreichender Bedeckung kein Vermächtniß gebühren kann.

[2, 16, § 23] 321. Dahingegen zahlt der Erb vor Richtigstellung der Schulden des Erblassers die Vermächtnissen allemal auf seine Gefahr, also daß wo hernachmals die Erbschaft zu Tilgung der Schulden unzulänglich zu sein befunden, oder unvorgesehene Schulden hervorbrechen würden, der Erb jegleichwohlen noch den Glaubigeren des Erblassers nach dem Unterschied, ob er sich der Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii bedienet habe oder nicht, entweder im ersten Fall nach

(2-324) Kräften der Erbschaft, oder in letzteren Fall für den ganzen Betrag der Schulden verbunden bleibe.

[2, 16, § 23] 322. Die Verbindlichkeit mehrerer Miterben zu Abstattung der Vermächtnissen wird insgemein zwischen ihnen nach Maß ihrer Erbtheilen getheilet, also daß deren Jedweder nur nach dem Verhältniß seines Erbtheils, Keiner aber für den Anderen zu haften habe, wann der Erblasser nicht ausdrücklich Einem vor den Anderen eine mehrere Verbindlichkeit auferleget, oder auch sie bei ungleicher Einsetzung zu gleichen Theilen, oder Alle sammt und sonders hierzu verbunden hätte.

[2, 16, § 23] 323. Jene Erben aber, welche nur in einzlen Sachen oder Summen eingesetzet worden, sind von diesen ihnen angewiesenen einzlen Erbtheilen keine Vermächtnissen abzustatten schuldig, wann sie nicht namentlich damit beschweret worden, sondern derlei einzle Erbtheile selbst werden Vermächtnissen gleich gehalten.

[2, 16, § 23] 324. Die Verbindlichkeit zur Abstattung der Vermächtnissen ist nach dem Unterschied, ob von dem Erblasser etwas zu thun, oder etwas zu geben verordnet worden, unterschieden; lautet das Vermächtniß auf ein zu Jemandens Nutzen und Vortheil auszuführen habendes Werk oder That, so kann der Erb sich durch Erlag des gerichtlich geschätzten Werths für Dasjenige, was der Erblasser zu vollziehen anbefohlen, von der Verbindlichkeit entledigen, und ist dessen Werth allemal nach der Größe des für den damit Bedachten hieraus erwachsen mögenden ohnfehlbaren Nutzens zu schätzen.

[2, 16, § 23] 325. Lautete aber das Vermächtniß auf etwas zu geben, so muß auch die vermachte Sache in der von dem Erblasser bestimmten Gestalt, Gattung und Betrag, Maß, Zahl und Gewicht mit allen ihren Zugehörungen und Nutzungen in der gesetzten Zeit und an gehörigen Ort abgestattet werden.

[2, 16, § 23] 326. Unter den Zugehörungen wird nicht allein Jenes verstanden, was der Erblasser ausdrücklich als eine von ihme zu der vermachten Sache gewidmete Zugehörung verschaffet hat, sondern auch alles Andere, was wegen seines Zusammenhangs mit der Sache, oder beharrlichen Anwendung zu derselben entweder nach der Natur selbst, oder nach der allgemeinen Gewohnheit, oder nach der besonderen Widmung des Erblassers einen Theil der Sache, oder eine für allzeit darzu bestimmte Zugehörung ausmachet, insoferne von dem Erblasser hierüber namentlich nicht anderst geordnet worden.

[2, 16, § 23] 327. Wann demnach ein aus mehreren Theilen bestehendes Ganzes vermacht wird, sind mit demselben auch alle Theile, woraus das Ganze bestehet, für vermacht zu achten, obschon dieselben erst nach errichteten letzten Willen darzu gekommen wären; also da eine Heerde Viehs verschaffet worden wäre, sind auch jene Stücke unter dem Vermächtniß begriffen, welche nach der Zeit, es seie durch eigene Erzeugung, oder durch anderweite Beischaffung des Erblassers zu der Heerde zugewachsen.

[2, 16, § 23] 328. Desgleichen, wo eine Handlung oder der Antheil an einer Gesellschaft vermacht worden, gebühret Alles, um was sich nachher die Handlung oder der gesellschaftliche Antheil, es seie durch mehrere Einlage des Erblassers, oder durch den nach der Zeit hieraus erwachsenen Nutzen und Gewinn vermehret hat.

[2, 16, § 23] 329. Ueberhaupt ist bei solchen Sachen, welche ihrer Natur nach einer Zu- oder Abnahme fähig sind, allemal auf den Stand zu sehen, in welchem dieselben sich zur Zeit des Ablebens des Erblassers befinden, also zwar, daß wie durch ihre Zunahme das Vermächtniß vermehret, also auch durch ihre Abnahme dasselbe verringeret werde.

[2, 16, § 23] 330. Eben also, da ein liegendes Gut verschaffet wird, ist auch Alles mit verschaffet, was nach Ausweis der Grundbücher oder Urbarien darzu gehörig ist, obgleich solches erst nach errichteten letzten Willen darzu gekommen oder beigeschaffet worden wäre, wann es nur von dem Erblasser als ein Theil und Zugehörung zu dem

(2-325) vermachten Gut bestimmet und demselben einverleibet, nicht aber für ein besonderes davon unterschiedenes Ganzes gehalten worden.

[2, 16, § 23] 331. Desgleichen werden mit einem vermachten Grund und Boden alle wie immer Namen habende demselben anklebende Rechten und Gerechtigkeiten, wie auch alle angebührende Dienstbarkeiten, wann gleich der Erb selbst solche zu leisten schuldig wäre, auf Jenen, deme dieser Grund und Boden vermacht worden, übertragen, woferne der Erblasser nichts insonderheit davon ausgenommen und hierüber anderst geordnet hat.

[2, 16, § 23] 332. Auch Alles, was in einem vermachten Grund und Boden zur Zeit des Absterbens des Erblassers sich eingebauet, eingepflanzet und eingesäet befindet, folglich alle zu dieser Zeit noch hangende Früchten, und überhaupt Alles, was erd-, niet- und nagelfest ist, folget dem Grund.

[2, 16, § 23] 333. Dahingegen, was von dem vermachten Grund und Boden zur Zeit des Absterbens des Erblassers allschon abgesönderet worden, als das schon geschnittene Getreid, die eingesammleten Früchten, der Wein in Keller u. dgl., dieses ist unter dem Vermächtniß nicht begriffen, wann es der Erblasser nicht anderst geordnet hat.

[2, 16, § 23] 334. Wann ein Behältniß verschaffet wird, welches auch für sich ohne dem darinnen Enthaltenen eines Gebrauchs fähig ist, ist Jenes nicht mit verschaffet, was zur Zeit des Absterbens des Erblassers darinnen aufbehalten wird, woferne der Erblasser davon keine ausdrückliche Meldung gemacht, also da ein Weinkeller oder Weingefäße vermacht werden, ist der Wein nicht darunter verstanden.

[2, 16, § 23] 335. Es wäre dann das Behältniß von dem Ganzen, mit deme es zusammenhänget, unabsönderlich, folglich das Vermächtniß an sich allein betrachtet von gar keinem Nutzen, als da der Erblasser Jemanden ein Zimmer, Cabinet, oder einen in seinem Hause befindlichen Keller, ohne zu was Ende auszudrucken vermacht hätte, welchen Falls das Vermächtniß von deme, was in dem Zimmer, Cabinet oder im Keller aufbewahret wird, zu verstehen ist, wann sonst der Erblasser keine andere für den damit Bedachten nutzbare Absicht dabei ausgedrucket hätte, als das Zimmer zur Wohnung, den Keller zu Hinterlegung dessen eigener Weinen.

[2, 16, § 23] 336. Gleichergestalten, wo das Enthaltene vermacht wird, ist das Behältniß nicht mit vermacht, also wo im Boden Getreid, oder im Keller Wein verschaffet worden, gehöret der Boden und Keller nicht zu dem Vermächtniß; nur allein die Gefäße leiden eine Ausnahme, wann das darinnen Enthaltene überhaupt und ohne eine gewisse Maß davon zu bestimmen, vermacht wird, als des Erblassers alle seine Weine, welchen Falls auch die Gefäße, worinnen die Weine aufbehalten werden, und welche nicht zu dem Keller selbst, um für allzeit allda zu bleiben gewidmet sind, mit dem vermachten Wein gebühren.

[2, 16, § 23] 337. Da aber eine gewisse Maß vermacht worden wäre, als z. B. sechs Fässer oder Eimer Wein, gehöret das Gefäß nicht darzu, wann vom dem Erblasser nicht namentlich diese oder jene Fässer benennet worden, welche über die verschaffte Maß nichts Mehreres enthalten.

[2, 16, § 23] 338. Endlich sind nebst dem Vermächtniß auch alle dasselbe betreffende schriftliche Urkunden auszufolgen, wovon aber der Erb zu seiner Nothdurft Abschriften in Handen behalten, oder auch allenfalls da, wo es seine erweisliche eigene Bedürfniß erheischet, sich der Urkunden selbst, doch unter der Verbindlichkeit solche nach gemachten nöthigen Gebrauch zuruckzustellen, bedienen mag.

[2, 16, § 23] 339. Wie die Zugehörungen, also gebühren auch alle Früchten und Nutzungen von einer vermachten, gewissen dem Erblasser angehörigen, und in der Verlassenschaft vorfindlichen Sache, welche zur Zeit des Tods noch hangend sind, oder von dieser Zeit an eingehoben und eingesammlet worden. Ein Gleiches verstehet sich bei diesem oder jenem namentlich verschafften Capital von den davon bei Lebzeiten des Erblassers vertagten, und zur Zeit seines Todes noch ausständigen Zinsen, woferne der Erblasser so ein, als anderen Falls nicht anderst geordnet hätte.

(2-326) [2, 16, § 23] 340. Von allen übrigen, keine gewisse des Erblassers eigene Sache enthaltenden Vermächtnissen hingegen hat der Erb oder Jener, welcher mit deren Abstattung beschweret worden, wann in dem letzten Willen dieserhalben nichts Anderes vorgesehen ist, nicht ehender einige Zinsen und Nutzungen zu entrichten, als vor Zeit des ihme in Abstattung der Vermächtnissen zu Schulden gehenden Saumsals, welcher erst nach Verlauf der zu deren Leistung ausgesetzten Zeit seinen Anfang nimmt.

[2, 16, § 23] 341. Diese Zeit ist entweder von dem Erblasser bestimmet, oder in Ermanglung seiner ausdrücklichen Vorsehung durch Unser Gesatz oben auf ein Jahr und sechs Wochen von dem Tag des Absterbens des Erblassers festgesetzet, vor deren Ablauf das Vermächtniß nicht verzinset werden darf, noch weniger einige bis dahin behobene Nutzungen in Anschlag kommen.

[2, 16, § 23] 342. Ferners muß auch das Vermächtniß an demjenigen Ort abgestattet werden, wo es der Erblasser zu leisten befohlen hat. Wäre aber im letzten Willen keine Erwähnung des Orts geschehen, so wird allemal das Ort, wo die Verlassenschaft gelegen, oder, da solche an mehreren Orten vertheilet wäre, wo die Sache zur Zeit des Tods des Erblassers befindlich ware, verstanden.

[2, 16, § 23] 343. Würde aber die vermachte Sache aus Schuld oder Gefährde des Erbens zu Grund gegangen, oder sonst zu Schaden gekommen sein, so ist er zu Erstattung des Werths derselben verbunden, und zwar bei unterwaltender Schuld nach der gemeinen Schätzung; dahingegen bei begangener Gefährde nach eigener eidlichen Schätzung dessen, deme die Sache aus letzten Willen gebühret hätte; doch muß wenigstens allemal eine leichte Schuld des Erbens oder dessen, welcher mit dem Vermächtniß beschweret worden, unterwalten.

[2, 16, § 23] 344. Umso weniger kann ein bloßer Zufall dem Erben, oder Demjenigen, welcher mit dem Vermächtniß beschweret worden, einige Verbindlichkeit zuziehen, sondern dieser schadet insgemein Jenen, deme die solchergestalten zufällig untergangene, oder verdorbene Sache zugedacht worden.

[2, 16, § 23] 345. Es seie dann, daß der Saumsal des hierzu Verbundenen vor einem solchen Zufall vorhergegangen wäre, wodurch die vermachte Sache bei Jenem, deme sie hätte zukommen sollen, nicht zu Grund gegangen sein würde, aber daß das Vermächtniß auf eine gewisse Gattung, Betrag oder wechselweise auf diese oder jene Sache lautete, in welchen Fällen der Zufall von der Verbindlichkeit zu Leistung des Vermächtnisses nicht entlediget, wann dasselbe nicht bloß allein auf des Erblassers eigene Dinge beschränket wäre, welche insgesammt durch den Zufall zu Grund gegangen, oder verdorben worden.

[2, 16, § 23] 346. Würde aber die auf das Vermächtniß abgeführte Sache von einem Dritten ansprüchig gemacht, so solle der Erb nur in dem einzigen Fall zur Leistung der Gewähr verbunden sein, wann keine gewisse Sache nach ihrer Gestalt insonderheit, sondern eine an sich unbestimmte Sache überhaupt nach der Gattung verschaffet worden, und der Erb eine fremde, oder sonst dem Recht eines Dritten verfangene Sache von dieser Gattung abgestattet, oder zur Auswahl vorgeleget und dargestellet hätte, welche nachher durch richterliches Urtheil ganz, oder zum Theil, dem Dritten zuerkennet würde.

[2, 16, § 23] 347. Dahingegen, wo eine gewisse Sache nach ihrer Gestalt, und nicht bloß gattungsweise vermacht worden, welche von einem Dritten aus einer nicht von dem Erben selbst, sondern noch von Lebzeiten des Erblasser herrührenden Ursach angesprochen würde, in solchem Fall höret alle Verbindlichkeit zur Gewährsleistung an Seiten des Erben auf, der Erblasser möge von dem einem Dritten hieran zustehenden Recht gewußt haben oder nicht, obschon Jenem, deme diese Sache zugedacht worden, freistehet sich allenfalls desjenigen Gewährsmanns zu halten, welcher dem verstorbenen Erblasser verstricket ware.

[2, 16, § 23] 348. Dann die in gewissen an sich bestimmten Sachen bestehende Vermächtnissen gehen mit allen Haftungen und Ansprüchen, womit sie einem Dritten

(2-327) verfangen sind, und überhaupt in demjenigen Stand und Eigenschaft, worinnen dieselben zur Zeit des Absterbens des Erblassers bestellet waren, auf Denjenigen, deme sie vermacht worden, ohne daß der Erb solche hiervon zu befreien schuldig wäre, wann es der Erblasser nicht ausdrücklich verordnet hat.

§. XXIV.

[2, 16, § 24] 349. Bedingte und bis zum Erfolg einer beigefügten Bedingniß, oder einer angehängten Zeit ausgesetzte Vermächtnissen ist zwar der Erb vor Ausgang und Erfüllung der Bedingniß, oder herangekommener Zeit zu leisten nicht schuldig; doch ist auch dem damit Bedachten nicht verwehret die mittlerweilige Sicherstellung des Vermächtnisses auf allen Fall anzusuchen, welche derselbe nach Verschiedenheit der Vermächtnissen auf verschiedene Art erlangen kann.

[2, 16, § 24] 350. Bestehet das Vermächtniß an solchen fahrenden Dingen, welche sich ohne besorglichen Schaden aufbehalten lassen, so sind solche bei Gericht zu hinterlegen, und allda bis zum Ausgang, oder Ermanglung der Bedingniß, oder bis zu Ankunft der bestimmten Zeit zu verwahren.

[2, 16, § 24] 351. Könnten sie aber ohne Schaden, oder Verringerung ihres Werths nicht füglich aufbehalten werden, so sollen derlei Sachen nach vorläufiger Schätzung mittelst gerichtlicher Versteigerung an den Meistbietenden verkaufet, und der dafür gelöste Werth auf gleiche Art bei Gericht hinterleget werden.

[2, 16, § 24] 352. Dieses so ein, als anderes solle auch in jenem Fall beobachtet werden, wo das Vermächtniß auf die Gattung, oder eine von mehreren in der Verlassenschaft vorfindlichen Sachen lautete, und die Auswahl entweder dem Erben, oder dem damit Bedachten zueignete, welche sogleich nach angetretener Erbschaft auch bei noch hangender Bedingniß vorzunehmen, und mit dem Gewählten auf vorerwähnte Weise zu verwahren ist.

[2, 16, § 24] 353. Ist ein liegendes Gut, oder ein landtäflich stadt- oder grundbücherlich versichertes Capital, oder ein Recht an einem liegenden gut unter einer Bedingniß oder beigefügten Zeit vermacht worden, so bedarf der damit Bedachte keiner anderen Sicherstellung, als daß er den Inhalt der letztwilligen Anordnung, worinnen ihme dieses Gut, Recht oder Capital

verschaffet worden, hierauf landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vormerken lasse, welches so viel wirket, daß dieses Gut oder Capital mittlerweil an Niemanden anderst, als mit diesem Beding, und allemal mit Vorbehalt seines hierauf habenden bedingten Rechts übertragen werden möge.

[2, 16, § 24] 354. Würde jedoch von ihme die gegründete Gefahr einer vorhabenden Verwüstung oder Abödung des Guts erwiesen werden können, so ist er über das befugt, von dem Erben eine hinlängliche Bürgschaft, daß er den Grund in guten Stand zu erhalten, und allen hieran erweislich zufügenden Schaden zu vergüten schuldig sein wolle und solle, abzuheischen, und da dieser solche nicht leisten könnte oder wollte, bis zum Erfolg der Bedingniß, oder Ankunft der Zeit das Gut in gerichtlichen Beschlag nehmen zu lassen.

[2, 16, § 24] 355. Wäre eine Summe Gelds unter einer Bedingniß oder angehängten Zeit vermacht worden, oder das Vermächtniß lautete auf eine nicht in die Verlassenschaft gehörige, sondern erst anzuschaffen habende Sache, oder auf Leistung eines Werks, so ist der auf solche Art Bedachte befugt, sich ein in die Verlassenschaft gehöriges Gut auszuwählen, und hierauf zu seiner Sicherheit den Inhalt der letztwilligen Anordnung, welcher das Vermächtniß in sich begreifet, in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vormerken zu lassen, folglich anmit ein Unterpfand oder Hypothek zu erwerben.

[2, 16, § 24] 356. Würde aber in der Verlassenschaft nichts vorhanden sein, worauf derselbe eine genugsame landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Sicherheit erlangen könnte, so solle die Erbschaft dem Erben nicht ehender eingeantwortet werden, als bis derselbe für den entweder in dem letzten Willen bestimmten, oder gerichtlich

(2-328) zu schätzen kommenden Werth des Vermächtnisses eine hinreichende und anständige Bürgschaft gestellet, oder einen gleichen Betrag in Baaren, oder annehmlichen Schuldbriefen bei Gericht hinterleget haben wird.

[2, 16, § 24] 357. Gehet nun die Bedingniß in Erfüllung, oder kommt die Zeit, wo das Vermächtniß abgestattet werden solle, so ist solches Demjenigen, welcher damit bedacht worden, sobald derselbe den Erfolg der Bedingniß rechtsbehörig erweiset, ohne Anstand auszufolgen, doch bleiben die mittlerweil behobene Zinsen und Nutzungen dem Erben, wann in dem letzten Willen nichts Anderes geordnet ward.

[2, 16, § 24] 358. Würde in Gegentheil der Erb die Ermanglung der Bedingniß, oder den widrigen Erfolg darzeigen, so solle ihme nach Unterschied der Fällen entweder das Hinterlegte ohne weiters ausgeantwortet, oder die geleistete Bürgschaft erlassen, oder die vorsichtsweise bewirkte landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Vormerkung auf sein Anlangen ausgelöschet werden.

§. XXV.

[2, 16, § 25] 359. Nach der Verbindlichkeit des Erbens zu Leistung der Vermächtnissen ist auch das Recht dessen, welcher damit bedacht worden, abgemessen; dieses ist aber nach Verschiedenheit der Vermächtnissen in seiner Wesenheit und Wirkung stärker oder schwächer.

[2, 16, § 25] 360. Sind gewisse allschon vorhandene, dem Erblasser angehörige Sachen verschaffet worden, so erwirkt der damit Bedachte bei unbedingten Vermächtnissen sogleich von dem Augenblick des Absterbens des Erblassers, bei bedingten hingegen von dem Erfolg der Bedingniß oder Ankunft der Zeit deren Eigenthum mit allen demselben anklebenden Vortheilen und Wirkungen, insoferne solche von dem Erblasser nicht beschränket worden, obschon das Vermächtniß selbst vor angetretener Erbschaft nicht geforderet werden mag.

[2, 16, § 25] 361. Dieses verstehet sich jedoch bei unbeweglichen Dingen nicht anderst, als wann der damit Bedachte des Besitzes fähig ist, und allemal mit der Nothwendigkeit der vorläufigen landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage desjenigen Absatzes aus der letzwilligen Anordnung, worinnen das Vermächtniß enthalten ist, weilen ohne dieser Einlage keine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Güter und Rechten erworben und übertragen werden können.

[2, 16, § 25] 362. Ohnerachtet aber des solchergestalten erworbenen Eigenthums ist der damit Bedachte gleichwohlen nicht befugt, bei Strafe des Verlusts des Vermächtnisses den Besitz der vermachten Sache, sie seie fahrend oder liegend, eigenmächtig für sich zu ergreifen, sondern er ist schuldig zu Erlangung des rechtlichen Besitzes, wo es um ein liegendes Gut zu thun wäre, die behörige Einführung, oder, da das Vermächtniß in Fahrnissen bestände, und ihme solches nicht gutwillig ausgefolget werden wollte, um deren Einantwortung bei Gericht einzukommen.

[2, 16, § 25] 363. Es bedarf dahero in solchen Fällen zu Erlangung des Vermächtnisses niemalen einer besonderen Rechtsforderung, außer die vermachte Sache würde von dem Erben, oder von einem Dritten aus einem hieran machenden Rechtsanspruch vorenthalten, und deren Ausfolgung verweigeret, welchen Falls dem damit Bedachten eben diejenige Rechtsforderung zustehet, welche einem jedweden Eigenthümer wider einen dritten Besitzer seines Guts zu dessen Behauptung gebühret.

[2, 16, § 25] 364. Desgleichen, da Jemanden von dem Erblasser auf einem liegenden Grund ein dingliches Recht, Dienstbarkeit oder Unterpfand vermacht worden, wird dieses Recht sofort durch Vormerkung des Inhalts der letztwilligen Anordnung auf demjenigen Gut, worin dasselbe verschaffet worden, erworben, und für bestellet geachtet, mithin ist auch die aus der Natur eines solchen bestellten Rechts herrührende Rechtsforderung nur damals nothwendig, wann von dem Erben oder einem Dritten dessen Ausübung verhinderet, oder nicht gestattet werden wollte.

[2, 16, § 25] 365. Außer vorbemelten Vermächtnissen gewisser, dem Erblasser selbst

(2-329) angehörigen Sachen, oder von ihme hieran bestellenden dinglichen Rechten hat in allen übrigen der damit Bedachte bloß einen persönlichen Anspruch aus dem letzten Willen wider den Erben, oder Jenen, welcher mit Abstattung des Vermächtnisses beschweret worden, sobald als die Erbschaft angetreten, und die Zeit, in welcher das Vermächtniß abgeführet werden solle, herangekommen ist.

[2, 16, § 25] 366. Obwohlen aber nebst deme nach Vorschrift der gemeinen Rechten zur Sicherheit der Vermächtnissen auch noch ein stillschweigendes Unterpfand, oder Hypothek an allen in die Verlassenschaft gehörigen Gütern verstattet ware, so wollen Wir jedoch derlei, stillschweigende Hypotheken hiemit gänzlich aufgehoben und abgestellet haben.

[2, 16, § 25] 367. Dagegen aber solle Jedermänniglich, welcher mit einem Vermächtniß gedacht worden, freistehen, daß derselbe seine Sicherheit auf einem sich selbst auswählenden in die Verlassenschaft des Erblasser gehörigen Gut mittelst landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Vormerkung desjenigen Absatzes aus der letztwilligen Anordnung, worinnen ihme das Vermächtniß zugedacht worden, bei Gericht ansuchen, und andurch eine zu Recht bestehende sonderheitliche Hypothek erlangen möge.

[2, 16, § 25] 368. Solchemnach solle in Hinkunft von Zeit dieses Unseren eingeführten neuen Gesatzes die alleinige landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung eines Testaments oder Codicills zu Bedeckung der Vermächtnissen für sich allein keine Hypothek bewirken können, sondern der mit einem Vermächtniß Bedachte, wann er sich mit einer Hypothek versehen will, um die Vormerkung des betreffenden Absatzes besonders einzukommen, und das Gut, worauf er seine Bedeckung haben wolle, namentlich anzuzeigen, folglich seine Forderung hierauf auszeichnen zu lassen.

[2, 16, § 25] 369. Was von Vermächtnissen geordnet worden, hat auch bei denen in einem Testament, oder Codicill namhaft gemachten, und zur Zahlung angewiesenen Schuldposten, welche vorhin mit keiner Hypothek versehen waren, in eben dieser Maß statt, daß denen darinnen benannten Glaubigern die alleinige Einverleibung des Testaments oder Codicills, worinnen sie benennet sind, noch keine sonderheitliche Hypothek zueigne, sondern von ihnen zu deren Erlangung die besondere Auszeichnung ihrer Schuldforderungen auf einem von ihnen namentlich anzuzeigen habenden Gut des Erblassers anverlanget werden müsse.

[2, 16, § 25] 370. Diese besondere Auszeichnung giebt denen Glaubigeren das Vorrecht an ihrer solchergestalten erworbenen Hypothek vor allen später angemeldeten Forderungen, denen Vermächtnissen aber vor denen Glaubigeren des Erblassers nicht den mindesten Vorzug; sondern diesen bleibet noch in alle Wege bevor aus denen Verlassenschaftsgütern ohnerachtet der darauf vorgemerkten Vermächtnissen ihre Befriedigung anzusuchen.

[2, 16, § 25] 371. Was hingegen sowohl den Glaubigeren des Erblassers, als den Vermächtnissen vor den bei einem Auflauf zusammentreffenden Glaubigern des Erbens für ein Vorrecht gebühre, wird in vierten Theil in der Gant- oder Cridaordnung ausgemessen werden.

[2, 16, § 25] 372. Wo aber vor diesem Unseren neuen Gesatz bishero die Auszeichnung deren in einem letzten Willen enthaltenen Vermächtnissen, und zur Zahlung angewiesenen Schuldposten von amtswegen habe veranlasset zu werden pflegen, und andurch auf dem Gut, worauf die Auszeichnung geschehen, eine Hypothek erworben worden, derorten lassen Wir es auch in Ansehung der allschon vorhero in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf diese Art ausgezeichneten Forderungsposten hierbei gnädigst bewenden.

(2-330) Vierter Artikel

Von Entkräftung, Widerrufung, Uebertragung und Schmälerung der Vermächtnissen.

§. XXVI. Von Untergang oder Verwandlung er vermachten Sache. §. XXVII. Von Erlöschung der Vermächntissen aus Unbestand des letzten Willens. §. XXVIII. Von Erlöschung der Vermächtnissen aus der Person dessen, deme etwas verschaffet worden. §. XXIX. Von Aufhebung der Vermächtnissen aus widrigen Willen des Erblassers. §. XXX. Von Schmälerung der Vermächtnissen durch das Erbviertel.

§. XXVI.

[2, 16, § 26] 373. Die Vermächtnissen erlöschen ganz oder zum Theil vornehmlich auf viererlei Art, als: Erstens aus Untergang oder Verwandlung der vermachten Sache, zweitens aus Unbestand des letzten Willens, worinnen sie verschaffet worden, drittens aus der Person dessen, der damit in letzten Willen bedacht worden, viertens aus widrigen Willen des Erblassers, welcher seinen ersten Willen nachher geänderet hat.

(2-331) [2, 16, § 26] 374. Alle diese Arten der Entkräftung werden in diesem, und denen folgenden Paragraphen beschrieben, schließlich aber auch von Schmälerung der Vermächtnissen durch Abzug des aus Vorsehung Unserer Gesetzen in gewissen Fall eingeführten Erbviertels eigends gehandlet.

[2, 16, § 26] 375. Wann die vermachte Sache, es seie noch bei Lebzeiten des Erblassers, oder auch nach seinem Tod, doch in diesem letzteren Fall ohne Schuld, oder Saumsal des Erbens oder des damit Beschwerten untergehet und verloren wird, erlöschet das Vermächtniß.

[2, 16, § 26] 376. Was aber davon übrig ist, kann noch geforderet werden, und gebühren dem damit Bedachten alle diejenigen Rechtsforderungen, welche dem Erblasser wider Jenen, der an Verderbung oder Verlust der Sache Schuld trägt, zugestanden wären.

[2, 16, § 26] 377. Dieses ist jedoch nur in jenem Fall zu verstehen, wann eine gewisse bestimmte Sache nach ihrer Gestalt und stuckweis vermacht worden: dann wo eine unbestimmte Sache von einer gewissen Gattung verschaffet worden wäre, erlöschet das Vermächtniß nicht, obschon ein und anderes von dieser Gattung zu Grund gegangen wäre, so lange noch etwas von der benannten Gattung übrig ist, wann der Erblasser nicht bloß eine von seinen eigenen Sachen gemeinet hat, welche alle ohne Schuld des Erbens zu Grund gingen. In diesem Fall höret das Vermächtniß auf, obwohlen noch gleiche, doch in die Verlassenschaft nicht gehörige Sachen von dieser Sache zu haben wären.

[2, 16, § 26] 378. Eben also bestehet ein wechselweise auf diese oder jene Sache lautendes Vermächtniß ohnerachtet einer davon untergegangenen Sache gleichwohlen noch in der anderen, woferne nicht beide ohne Schuld oder Saumsal des Erbens zu Grund gehen.

[2, 16, § 26] 379. Desgleichen erlöschet das Vermächtniß, wann die vermachte Sache noch bei Lebzeiten des Erblassers ohne dessen Wissen und Willen in eine andere Gestalt auf eine solche Art verwandlet würde, daß die vorige Gestalt in brauchbaren Stand nicht mehr hergestellet werden könnte.

[2, 16, § 26] 380. Wo aber die Sache füglich in ihre vorige Gestalt gebracht werden mag, bleibt da Vermächtniß bei Kräften, und ist die Sache Jenem, welchem sie verschaffet worden, auszufolgen. Von jener Verwandlung hingegen, welche entweder von dem Erblasser selbst, oder doch mit seinem Wissen und Willen geschieht, wird unten in §. XXIX gehandlet werden.

§. XXVII.

[2, 16, § 27] 381. Aus Unbestand des letzten Willens sind die Vermächtnissen entweder gleich Anfangs ungiltig, oder werden in der Folge entkräftet, nachdeme die letztwilligen Anordnungen entweder schon Anfangs wegen Mangels der erforderlichen Feierlichkeiten, oder wegen Vorbeigehung nothwendiger Erben null und nichtig sind, oder nachgehends nach mehreren Ausweis des folgenden achtzehenten Capitels zerrüttet, entkräftet oder erblos werden.

[2, 16, § 27] 382. In allen Fällen aber, wo entweder das Testament in Kraft der beigesetzten codicillarischen Clausel als ein Codicill erhalten, oder auch ohne dieser Clausel wegen unrechtmäßiger Enterbung nur die Erbseinsetzung aufgehoben, oder endlich nach der unten in gleichbemelten Capitel folgenden Ausmessung die Erbschaft aus Macht Unserer Gesetzen für angetreten gehalten wird, bestehen gleichwohlen


(2-332) noch die Vermächtnissen, insoweit der Pflichttheil der Notherben andurch nicht verkürzet wird.

§. XXVIII.

[2, 16, § 28] 383. Aus der Person dessen, welchem etwas verschaffet worden, erlöschet das Vermächtniß auf verschiedene Art, als: Erstens durch sein Vorsterben vor dem Erblasser, oder vor Erfolg der beigefügten Bedingniß, obgleich Jemanden etwas für sich und seine Erben vermacht worden wäre, wann das Vermächtniß nicht ausdrücklich dahin lautete, daß es auch auf dem Fall seines Vorsterbens dessen Erben zufallen solle.

[2, 16, § 28] 384. Zweitens wegen dessen Unfähigkeit oder Unwürdigkeit, deren erstere bereits oben in ersten Artikel, §. II, beschrieben, und letztere unten in neunzehenten Capitel erkläret werden wird.

[2, 16, § 28] 385. Drittens durch freiwillige Entschlagung des Vermächtnisses, wodurch auch das an der vermachten Sache allenfalls gleich nach dem Tod des Erblassers erworbene Eigenthum anwiederum also aufgelöset wird, als ob es niemalen an den damit Bedachten übertragen worden wäre.

[2, 16, § 28] 386. Doch ist Niemand befugt, einerlei Vermächtniß zum Theil anzunehmen, und zum Theil auszuschlagen, noch auch aus mehreren in einerlei letzten Willen zugedachten Vermächtnissen, deren eines vor dem anderen mehr beschweret wäre, sich des vortheilhafteren anzumaßen, und das beschwerlichere fahren zu lassen, sondern wer den letzten Willen in Einem, was ihme vortheilhaft ist, anerkennet, dieser muß sich auch dem Anderen, was ihme beschwerlich, unterziehen, widrigens wird derselbe alles ihme darinnen zugedachten Vortheils verlustig.

[2, 16, § 28] 387. Viertens durch Nichterfüllung der beigefügten Bedingniß, Entstehung der Endursache oder dessen, was ihme dagegen auferleget worden, oder durch Ermanglung einer angehängten zufälligen Bedingniß.

[2, 16, § 28] 388. Fünftens durch gewinnstige Erwerbung der vermachten Sache nach Maßgebung dessen, was von diesem Fall oben in zweiten Artikel, §. IX, von num. 107 bis 112 geordnet worden.

§. XXIX.

[2, 16, § 29] 389. Aus widrigen Willen des Erblassers erlöschet das Vermächniß entweder an sich durch dessen Widerrufung, oder in Ansehen der Anfangs damit bedachten Person durch dessen Uebertragung an jemanden Anderen, maßen der Erblasser vollkommene Freiheit hat, seinen letzten Willen bis zu dem Lebensabdruck nach Gefallen zu änderen.

[2, 16, § 29] 390. Es ist dahero ohne Anwendung einiger Feierlichkeiten an der bloßen Willensänderung genug, wann nur solche ungezweiflet ist, sie erhelle aus den Worten oder aus einer That, woraus der widrige Willen nothwendig geschlossen werden muß. Mit Worten kann die Widerrufung entweder mündlich oder schriftlich geschehen; doch wo sie mündlich geschieht, solle solche wenigstens durch zwei Zeugen erwiesen werden.

[2, 16, § 29] 391. Es seie dann, daß der Erblasser dem Erben nur mündlich ohne Beisein einiger Zeugen nach seinem Tod an Jemanden etwas abzustatten aufgetragen hätte, welchen Falls auch zu dessen Widerrufung keine Zeugen nöthig sind, sondern es an dem gegen dem Erben geäußerten widrigen Willen genug ist, wann die geschehene Widerrufung von ihme auf Erforderen eidlich erhärtet werden kann.

[2, 16, § 29] 392. Schriftlich kann das Vermächtniß entweder in dem nemlichen Testament oder Codicill, oder in einen später errichteten Codicill, oder auch in einem von dem Erblasser eigenhändig geschriebenen Zettel, wann dessen Handschrift unlaugbar ist, widerrufen werden, und ist einerlei, ob die Widerrufung voran, in der

(2-333) Mitte, am Ende, oder auch am Rande der letztwilligen Anordnung geschrieben werde.

[2, 16, § 29] 393. Dahingegen bedarf es in einem späteren zu Recht bestehenden Testament keiner ausdrücklichen Widerrufung der in dem früheren Testament verschafften Vermächtnissen, weilen der ganze Inhalt des ersteren durch das letztere aufgehoben wird, insoweit solcher in dem späteren nicht neuerlich bestätiget worden.

[2, 16, § 29] 394. Uebrigens mögen die Worte, deren sich der Erblasser bedienet, entweder deutlich auf die Einziehung und Aufhebung des Vermächtnisses gerichtet sein, oder auch nur seine Reue und widrigen Willen an Tag legen, als da er nachher Demjenigen, welchen er bedacht hat, einen gottlosen, oder undankbaren, oder ihme aufsäßigen und gehässigen Menschen genennet hätte, so solle doch das Vermächtniß allemal für widerrufen gehalten werden.

[2, 16, § 29] 395. Aus einer That wird die Widerrufung des Vermächtnisses geschlossen, wann solche entweder unmittelbar auf dessen Aufhebung abzielet, oder doch mittelbar den widrigen Willen des Erblassers an Tag leget. Unmittelbar geschieht solches, wann der Erblasser in dem zu Stand gebrachten letzten Willen den Inhalt des Vermächtnisses mit Vorbedacht durchstreichet, oder auch nur den Namen dessen, deme es verschaffet worden, auslöschet, nicht aber, wo es ohne Vorsatz, oder nur zufälliger Weise geschehen, und der Inhalt gleichwohlen noch lesbar geblieben wäre.

[2, 16, § 29] 396. Wo sich dahero in einem Testament oder Codicill ein dergleichen durchstrichener oder ausgelöschter Punkt befände, solle zwar allemal vermuthet werden, daß es von dem Erblasser mit Vorbedacht, oder auf sein Geheiß und mit seinem Willen geschehen seie; dem Anderen aber, welchen es betrifft, bleibet nichtsdestoweniger bevor, wo er es zu thun im Stande ist, daß es von Ohngefähr und zufälliger Weise geschehen, zu erweisen.

[2, 16, § 29] 397. Mittelbar wird der widrige Willen des Erblassers vermuthet, erstens, wann von ihme das vermachte Stuck veräußeret wird, es geschehe aus Noth oder freiwillig, wann auch die Veräußerung an sich null und nichtig, oder das Veräußerte noch nicht übergeben, oder gegen eine andere obschon gleiche Sache vertauschet, oder um das dafür gelöste Kaufgeld eine andere angeschaffet, oder die nemliche Sache anwiederum neuerdings von ihme eingelöset oder erworben worden wäre.

[2, 16, § 29] 398. Die alleinige Verpfändung, oder Verpachtung und Vermiethung der vermachten Sache hingegen, obgleich diese auf eine noch so lange Zeit lautete, hebet das Vermächtniß nicht auf, sondern die Sache wird dessen ohnerachtet mit ihrer Haftung, womit sie einem Dritten verfangen ist, auf Denjenigen, welcher damit bedacht worden, übertragen, und die Miethe oder Pachtung hinderet nach Ausweis dessen, was davon in dritten Theil, in zwölften Capitel, §. X, von num. 186 bis 189 folget, den Uebergang des Eigenthums nicht.

[2, 16, § 29] 399. Zweitens, wann der Erblasser Jemanden eine bei dem Dritten ausstehende Schuld vermacht, und solche nachher noch bei Lebszeiten eingetrieben, oder sie dem Schuldner erlassen hat, obschon er ersteren Falls das Geld anwiederum anderswo angeleget hätte.

[2, 16, § 29] 400. Es seie dann, daß die Schuld von dem Schuldner selbst aufgekündiget, oder die Zahlung angeboten, oder der Erblasser wegen besorglicher Zahlungsunfähigkeit, oder nicht richtig eingehaltenen Zinsen solche erweislicher Maßen einzutreiben bemüßiget, oder überhaupt eine gewisse Summe vermacht, und nur eine ausständige Schuld, woraus diese Summe abgestattet werden solle, angewiesen, solche aber von dem Erblasser nach der Hand eingeforderet worden wäre, in welchen Fällen das Vermächtniß ebensowenig als damals, wann der Erblasser vor wirklicher Heimzahlung der gerichtlich oder außergerichtlich betriebenen Schuld verstorben wäre, für widerrufen zu halten ist.

[2, 16, § 29] 401. Drittens, wann zwischen dem Erblasser und Jenem, welcher von ihme mit einem Vermächtniß bedacht worden, nachhero eine Hauptfeindschaft entstehet

(2-334)

welche Leben, Ehre oder einen beträchtlichen Theil des Vermögens betrifft, obschon der Erblasser Ursach darzu gegeben hätte, als da der Bedachte den Erblasser bei Gericht wegen einer Missethat angeben, ihn schimpfen und lästern, schlagen oder mit Schlägen bedrohen, oder sonst ihme an Leib oder Gut einen Schaden, oder seinem Hause eine Unehre zufügen, oder auf was immer für Weise sich gegen ihn undankbar erzeigen, und der Erblasser diese Beleidigung zu Gemüth ziehen würde, woferne vor seinem Tod zwischen ihnen keine erweisliche Versöhnung erfolget wäre.

[2, 16, § 29] 402. Dahingegen solle wegen bloßen Zankens, Zwiespalts und Uneinigkeit, wodurch das Vertrauen und der Umgang zwischen ihnen aufgehoben wird, das Vermächtniß keineswegs für widerrufen gehalten werden, wann vorbesagter Maßen zwischen ihnen keine Hauptfeindschaft erwachset.

[2, 16, § 29] 403. Viertens, wann Dasjenige, was von dem Vermächtniß geleistet oder bewerkstelliget werden solle, und welches eine Endursache ist, warum das Vermächtniß verschaffet worden, von dem Erblasser eingestellet und untersaget wird, ist auch das Vermächtniß selbst für aufgehoben zu achten, als da der Erblasser Jemanden eine Summe Gelds angewiesen hätte, um ihme davon ein Grabmal errichten zu lassen, nachhero aber die Errichtung dieses Grabmals einstellete, so ist andurch gleichfalls das Vermächtniß widerrufen; wo jedoch nur ein Theil der Auflage erlassen würde, leidet deswegen das Vermächtniß keinen Abbruch, wann der Erblasser solches nicht auch ausdrücklich verminderet hätte.

[2, 16, § 29] 404. Gleichergestalten, wo die beigesetzte Auflage keine Endursache des Vermächtnisses enthielte, sondern Jemanden etwas vermacht wäre, welches er ganz oder zum Theil dem Anderen zu geben und zuzustellen, oder sonst etwas dafür zu thun oder zu leisten hätte, diese Auflage aber nachhero von dem Erblasser widerrufen und erlassen würde, bleibt nichtsdestoweniger das Vermächtniß bei Kräften; es erhelle dann aus dem Inhalt der ungezweiflete Willen des Erblassers, daß er Denjenigen, welchem er die Auflage gemacht, bloß allein für den Ausspender des Vermächtnisses oder Vollstrecker seines Willens habe gebrauchen, ihme selbst aber hiervon nichts zuwenden wollen.

[2, 16, § 29] 405. Fünftens, wann der Erblasser die vermachte Sache verzehret, oder deren Form dermaßen veränderet, daß sie nicht in ihre vorige Gestalt gebracht werden kann, also wo das vermachte Haus von dem Erblasser niedergerissen oder zerstöret würde, erlöschet das Vermächtniß, nicht aber, wo es von ihme auch mit Aufwand noch so vieler Kosten nur ausgebesseret, oder ein anderes Haus auf eben demselben Platz erbauet würde.

[2, 16, § 29] 406. Wäre hingegen nur ein Theil der vermachten Sache auf vorbemelte Weise von dem Erblasser veräußeret, verzehret, oder in eine andere Gestalt veränderet, oder ein Theil der ausständigen Schuld eingetrieben worden, so gebühret gleichwohlen noch das Uebrige, gleichwie in dem Fall, wo Sachen unter einem allgemeinen Begriff oder nach der Gattung vermacht worden, wovon der Erblasser nach der Hand etwas veräußeret, verzehret oder veränderet, oder auch besonders ausgenommen hätte, das Vermächtniß noch in deme, was davon übrig ist, bestehet.

[2, 16, § 29] 407. Es kann auch eine Sache anstatt der anderen vermacht, und deme was Anfangs unbedingt verlassen worden, nachhero eine Bedingniß beigesetzet, oder die Anfangs angehängte Bedingniß nachgehends erlassen, oder in eine andere Bedingniß verwandlet werden, welchenfalls nur auf die zweite Bedingniß zu sehen ist.

[2, 16, § 29] 408. Wann der Erblasser bei einem Mehreren zusammen verschafften Vermächtniß nach der Hand einen davon ausschließt, und den ihme zugedachten Antheil wiederum benimmt, hat wegen seines anmit erledigten Antheils das Nemliche statt, was deshalben oben in ersten Artikel, §. III, festgesetzet worden, wann der Erblasser hierüber nicht anderst geordnet hätte.

[2, 16, § 29] 409. Die Uebertragung der Vermächtnissen von einer Person, welche Anfangs damit bedacht worden, an die andere, ist in Ansehung des damit zuerst Bedachten,

(2-335) eine Widerrufung, und zugleich in Anbetracht des Anderen, an welchen es übertragen wird, eine Zuwendung des nemlichen Vermächtnisses.

[2, 16, § 29] 410. Von dieser Uebertragung ist jene wohl zu unterscheiden, wo der Anfangs bedachten Person das Vermächtniß belassen und nur die Person, welche es abzustatten hat, geänderet wird, weilen andurch nicht der Vortheil, sondern bloß allein die Verbindlichkeit zur Abführung des Vermächtnisses von Einem auf den Anderen übergehet.

[2, 16, § 29] 411. Die Uebertragung muß allemal in einem zu Recht bestehenden Testament oder Codicill geschehen; widrigens hat dieselbe nur die Wirkung einer Widerrufung an Seiten des Ersten, nicht aber auch der Zuwendung des Vermächtnisses an Seiten des Anderen, also daß keiner von beiden zu dem Vermächtniß gelange; nicht der zuerst Bedachte, weilen der Erblasser ihme solches benommen und widerrufen, worzu an seiner bloßen wie immer erklärten Willensänderung genug ist, auch nicht der Andere, weilen es diesem nicht rechtsgiltig verschaffet worden.

[2, 16, § 29] 412. Eine ganz gleiche Bewandtniß hat es, da das dem Einem benommene Vermächtniß einem anderen Unfähigen zugewendet würde; dann auch in diesem Fall bekommt es weder der Erste wegen der Widerrufung des Erblassers, noch der Andere wegen seiner persönlichen Unfähigkeit.

[2, 16, § 29] 413. Wann aber das dem Einem zugedachte Vermächtniß auf den Anderen unter einer beigesetzten Bedingniß übertragen wird, ist dasselbe an Seiten des Ersten nicht ehender für widerrufen zu halten, als bis die dem Anderen beigefügte Bedingniß in Erfüllung gehet; woferne hingegen dieselbe ermanglete, behält der Erste das Vermächtniß, wann der Erblasser nicht deutlich erkläret, daß er gänzlich von seiner ersten Willensmeinung abgehe.

[2, 16, § 29] 414. In Gegentheil, wo das dem Einem unter einer Bedingniß, oder sonstigen Auflage zugedachte Vermächtniß von dem Erblasser an den Anderen ohne deren ausdrücklicher Wiederholung übertragen worden wäre, wird nichtsdestoweniger eben dieselbe Bedingniß oder Auflage, welche dem Ersten angehänget ware, gleichfalls bei dem Anderen für wiederholt gehalten.

[2, 16, § 29] 415. Es wäre dann von dem Erblasser anderst verfüget, oder bei dem Zweiten eine andere von der ersten unterschiedene Bedingniß, oder Auflage namentlich beigefüget worden, oder die Auflage beträfe lediglich die Person des Ersten, also daß solche mit dem Stand und Eigenschaften des Zweiten gar nicht vereinbarlich wäre, in welchem letzteren Fall das Vermächtniß an Seiten des Zweiten, auf den es übertragen worden, ganz unbedingt ist.

[2, 16, § 29] 416. Damit jedoch der Willen des Erblassers, daß er das Vermächtniß dem Ersten gänzlich zu benehmen, und solches dem Anderen zuzuwenden gemeinet ware, ungezweiflet erhelle, so muß derselbe deutlich ausdrucken, daß er Dasjenige, was er dem Einen verschaffet, dem Anderen zuwende und vermache; dann, wo er ohne diesem Ausdruck eben dieselbe Sache, welche er dem Einem verschaffet, auch dem Anderen vermachen würde, ist dieses keine Uebertragung, sondern eine Zusammenfügung Mehrerer an einerlei Sache, und gebühret dahero das Vermächtniß Beiden zusammen.

§. XXX.

[2, 16, § 30] 417. Auch unwiderrufene und zu Recht bestehende Vermächtnissen leiden aus Anordnung Unseres gleich hienach folgenden Gesatzes in jenem Fall eine Schmälerung, wann die Verlassenschaft dergestalten mit Vermächtnissen erschöpfet wird, daß die Erben über drei Viertel der Erbschaft beschweret sind, und somit ihnen hiervon nach Bezahlung der Vermächtnissen nicht einmal der vierte Theil übrig bleibet.

[2, 16, § 30] 418. Damit nun aber in solchen Fällen die Erben wegen des ihnen aus einer so beschwerten Erbschaft zugehenden sehr wenigen, oder auch gar keinen Vortheils nicht Ursach haben mögen, sich der Erbschaft viel lieber zu entschlagen, und

(2-336) andurch die Verlassenschaft erblos, und die letztwillige Anordnung unwirksam zu machen, als sich denen überhauften Erblasten zu unterziehen, so haben Wir zu Erhaltung derlei letzten Willens, und um denen Erblasseren, deren Einbildung nicht selten die wahren Kräften ihres nachgelassenen Vermögens übertrifft, nach Billigkeit zu Hilf zu kommen, für nothwendig angesehen, denen über drei Viertel der Erbschaft beschwerten Erben gnädigst zu verstatten, daß sie den vierten Theil der ganzen Erbschaft von allen und jeden Vermächtnissen abziehen, und für sich innenbehalten mögen.

[2, 16, § 30] 419. Diese Rechtswohlthat des Erbviertels betraget demnach den vierten Theil des gesammten Hinterlassenen in was immer bestehenden Hab und Vermögens, welcher dem über neun Theile, oder drei Viertel der Erbschaft beschwerten Erben nach dem Erbrecht gebühret, und von den Vermächtnissen abzuziehen ist.

[2, 16, § 30] 420. Die Befugniß das Erbviertel abzuziehen kommt allen sowohl durch letzten Willen eingesetzten, als nach der rechtlichen Erbfolge eintretenden Erben zu statten, diese letztere mögen für sich allein nachfolgen, oder mit denen aus letzten Willen berufenen Erben zusammentreffen.

[2, 16, § 30] 421. Nur die Notherben, welchen allschon der Pflichttheil von Unseren Gesetzen beschieden ist, können sich keiner zweifachen Wohlthat anmassen, sondern haben sich mit dem Pflichttheil allein zu begnügen, ohne noch darüber ein besonderes Erbviertel abziehen zu dürfen.

[2, 16, § 30] 422. Es ist auch in der Zahl der Erben kein Unterschied, deren möge Einer oder mehrere Miterben sein, also daß deren jeder oder welcher mit Vermächtnissen über die Gebühr beschweret worden, hiervon so Vieles abziehen mag, als ihme an seinem Antheil von diesem unter alle Miterben nach Maß der ihnen zufallenden Erbtheilen zu vertheilen kommenden Erbviertel abgehet.

[2, 16, § 30] 423. Ist aber ein Erb nur in einer gewissen von dem Erblasser benannten Sache oder Summe eingesetzet, und dabei mit Vermächtnissen über drei Viertel der verlassenen Summe, oder des wahren Werths der Sache beschweret worden, so hat er nur damals die Befugniß das Erbviertel nicht zwar von der ganzen Erbschaft, sondern bloß allein von der ihme angewiesenen Summe oder Sache abzuziehen, wann er keine zugleich eingesetzte Miterben hätte, von denen die Erbschaft angetreten worden.

[2, 16, § 30] 424. Widrigens, und da nur ein Miterb die Erbschaft angetreten hätte, kann der andere Miterb, der nur in einer bestimmten Sache oder Summe eingesetzet worden, hiervon wegen der ihme aufgelasteten Vermächtnissen kein Erbviertel weiter abziehen.

[2, 16, § 30] 425. Desgleichen hat ein vertraulicher Erb, die Macht nicht, von einem allgemeinen auch nur auf einen Grad lautenden, oder einem sonderheitlichen auf mehrere Grade oder Staffeln errichteten Traugut oder Fideicommiß, welches er an den Nachberufenen zuruckzustellen verbunden ist, das Erbviertel abzuziehen, wohl aber von jenem Betrag der Verlassenschaft, welcher ihme zu verbleiben hat, woferne dieser mit Vermächtnissen dergestalten beschweret worden, daß nicht der vierte Theil davon für ihn erübriget würde.

[2, 16, § 30] 426. Und wiezumalen der nachberufene Erb, welcher das ihme zugefallene Traugut an die weitere Berufene zuruckzustellen hat, in Rucksicht dieser nicht anderst, als für einen vertraulichen Erben zu achten ist, so kann er auch so wenig, als der Erstere von deme, was er weiter zuruckzustellen schuldig ist, das Erbviertel abziehen.

[2, 16, § 30] 427. Dahingegen stehet ihme sowohl in Ansehung jener Vermächtnissen, welche er von deme, was er aus der vertraulichen Erbsnachberufung für sich ohne Verbindlichkeit der weiteren Zuruckstellung an Andere erhalten, abzustatten hat, als auch in dem Fall, da er zugleich aus einer gemeinen After-Erbseinsetzung in die Stelle des über drei Viertel dessen, was nicht mit der obigen Eigenschaft eines

(2-337) Trauguts oder Fideicommisses behaftet ist, beschwerten vertraulichen Erbens eintreten würde, der Abzug des Erbviertels allemal bevor, wann die Vermächtnissen sich über drei Viertel dessen, was ihme zu verbleiben hat, belaufen.

[2, 16, § 30] 428. Umsomehr kommt dahero auch diese Rechtswohlthat sowohl allen anderen durch die gemeine After-Erbseinsetzung nachberufenen zweiten Erben, als denen Erbenserben, wann die ersteren Erben unter der Zeit, als sie diesen Abzug noch forderen könnten, verstorben wären, zu statten.

[2, 16, § 30] 429. Jene aber, welche nur mit Vermächtnissen, oder einzlen sonderheitlichen sich über einen Grad nicht erstreckenden Traugütern bedacht worden, können sich von deme, was sie ganz oder zum Theil an Andere abzustatten, oder zuruckzustellen gehalten sind, in keinem Fall eines Abzugs des Erbviertels anmaßen, obschon ihnen von deme, wovon sie die Abstattung oder Zuruckstellung zu leisten haben, gar nichts übrig bliebe.

[2, 16, § 30] 430. Diesem Abzug unterliegen alle in einem Testament, oder Codicill verschaffte Vermächtnissen, sie mögen aus der Verlassenschaft des Erblassers selbst, oder aus dem Vermögen des Erbens oder eines anderen in dem letzten Willen Bedachten angewiesen sein, wie nicht weniger die jenen ganz gleichkommende einzle nur aus einer in die andere Hand, und nicht weiter gehende Fideicommissen, wann so eine, als die anderen neun Theile, oder drei Viertel der Verlassenschaft, oder desjenigen Betrags, welcher dem beschwerten Erben zu verbleiben hat, übersteigen, nicht aber auch allgemeine obschon nur in einem Grad bestehende, oder sonderheitliche auf mehrere Grade errichtete Fideicommissen, noch weniger Schankungen, sie geschehen unter Lebenden, oder auf den Todesfall.

[2, 16, § 30] 431. Um jedoch mit Bestand zu wissen, ob eine wirkliche Beschwerde über drei Viertel der Erbschaft unterwalte, solle allemal auf Anlangen der sich übermäßig beschweret zu sein angebenden Erben sowohl der Betrag der Verlassenschaft, als der Betrag der Vermächtnissen verläßlich erhoben, und gegeneinander berechnet werden.

[2, 16, § 30] 432. Der Grund dieser Berechnung ist auf der einen Seite, das über die Verlassenschaft gerichtlich errichtete Inventarium, woraus der beiläufige Ueberschlag der Kräften der Erbschaft gegen denen davon zu bestreiten habenden Erblasten füglich entnommen werden mag, gleichwie dagegen auf der anderen Seite der Inhalt der letztwilligen Anordnung den Betrag der abzustatten habenden Vermächtnissen ausweiset.

[2, 16, § 30] 433. Würde nun der Erb aus deren Gegeneinanderhaltung bei der betreffenden Abhandlungsbehörde eine drei Viertel der Erbschaft übersteigende Beschwerde darzeigen können, so sollen Jene, welchen die dem klagenden Erben aufgebürdete Vermächtnissen zuzukommen haben, hierüber vernommen, sonach aber vor Allem zwischen denen Parten eine gütliche Vergleichshandlung versuchet werden.

[2, 16, § 30] 434. Und da wegen Abzug des Erbviertels ein gütliches Abkommen unter ihnen bewirket würde, hat es auch bei deme, was ein Jedweder an seinem Vermächtniß fahren lassen zu wollen sich erkläret, wann sich der Erb damit begnüget, ohne einiger Rucksicht des Verhältnisses gegen andere Vermächtnissen sein festes Bewenden.

[2, 16, § 30] 435. Wo aber sich Dieselben nicht einigen würden, solle ohne Anstand mit der gerichtlichen Abschätzung der in die Verlassenschaft gehörigen Habseligkeiten sowohl, als mit gerichtlicher Veranschlagung des Werths der Vermächtnissen fürgegangen, und so eine, wie die andere denen Parten zu ihrer Nachricht, und weiteren Nothdurftshandlung hinausgegeben werden.

[2, 16, § 30] 436. Wären jedoch einige von den Vermächtnissen so beschaffen, daß sie in keinen Anschlag eines bestimmten Werths wegen ihrer unsicheren Dauer gebracht werden mögen, als da sind jährliche Renten und Einkünften, oder zeitlicher Unterhalt, so ist in solchen Fällen der jährliche Betrag zu Capital mit fünf von Hundert

(2-338) anzuschlagen; also da jährlich hundert Gulden vermacht worden wären, ist das Vermächtniß auf ein Capital von zweitausend Gulden anzusetzen.

[2, 16, § 30] 437. Auf gleiche Art, wo Jemanden der Fruchtgenuß, oder die Nutznießung eines Grunds oder Capitals vermacht worden, ist der Betrag des Capitals, oder der Werth des Grunds anzusetzen; also daß in diesen Fällen Derjenige, welcher mit jährlichen Renten und Einkünften, oder dem Fruchtgenuß bedacht worden, hieran jährlich um so viel weniger zu empfangen haben werde, als so viel die von dem durch Abzug des Erbviertels verminderten Capitalsanschlag abfallende zu fünf von Hundert gerechnete Zinsen weniger abwerfen. Wo aber Einer in der Nutznießung, und der Andere in dem Eigenthum zu Erben eingesetzet worden wären, kann der Erb des Eigenthums an den nutznießenden Erben des Erbviertels halber keinen Anspruch machen.

[2, 16, § 30] 438. Endlichen da außer deme noch andere Vermächtnissen vorkämen, an deren eigentlichen Werth ein gegründeter Zweifel fürwalten könnte, so sollen solche nach vernünftigen Ermessen des Richters in einem billigmäßigen Betrag geschätzet und in Anschlag gebracht werden.

[2, 16, § 30] 439. Bei Berechnung der Verlassenschaft ist allemal auf die Zeit des Tods des Erblassers zu sehen, und deren Werth und Betrag nach demjenigen Stand, in welchem sich solche zu dieser Zeit befunden, zu schätzen.

[2, 16, § 30] 440. Gleichwie dahero aller nach dieser Zeit sich von Ohngefähr hieran ergebender Zuwachs außer Anschlag bleibt, und dem Erben allein zu guten gehet, also gereichet auch der sich darnach eräußerende Schaden ihme allein zum Nachtheil.

[2, 16, § 30] 441. Wann demnach aus einem in die Verlassenschaft gehörigen Gewerb nach dem Tod des Erblassers ein so beträchtlicher Gewinn erworben worden wäre, welcher sich noch höher, als auf den vierten Theil der Verlassenschaft belaufen würde, so kommt solcher gleichwohlen nicht in Anschlag, sondern dem Erben gebühret nichtsdestoweniger noch über dieses das Erbviertel nach demjenigen Stand der Verlassenschaft, in welchem sich selbe zur Zeit des Tods befunden hat.

[2, 16, § 30] 442. Wie in Gegentheil, wann die Verlassenschaft nachhero, es seie aus eigener Schuld des Erbens, oder durch Unfälle dergestalten verminderet würde, daß nach Abstattung der Vermächtnissen dem Erben an dem Erbviertel wenig oder nichts übrig bliebe, derselbe solches abzuziehen nicht mehr befugt ist, wo ihme zur Zeit des Tods wenigstens so viel, als das Erbviertel damals betragen, von der Verlassenschaft übrig geblieben wäre; widrigens kann er nur so viel abziehen, als ihme hieran nach dem damaligen Stand der Sachen abgegangen sein würde.

[2, 16, § 30] 443. Alles dieses jedoch verstehet sich nur von demjenigen Zuwachs und Abnahme, welche sich ohne einer noch von Lebzeiten des Erblassers herrührenden Ursache an der Verlassenschaft ereignen. Dahingegen wie der von dieser Zeit herrührende Zuwachs, als z. B. eine nach dem Tod des Erblassers eingehende Erbschaft, welche ihme bei Lebzeiten zugefallen, die Verlassenschaft vermehret, also wird solche gegenseits durch den daherrührenden Schaden, als z. B. durch Verlust eines von dem Erblasser geführten Rechtsstritts verminderet.

[2, 16, § 30] 444. Nach dergestalten berechneter, und zu Geld geschlagener Verlassenschaft ist von dem ausgefallenen Betrag des frei vererblichen Vermögens anförderist Folgendes abzuziehen, als: Erstens alle Schulden, womit die Verlassenschaft behaftet ist, auch jene, welche der Erb hieran zu forderen hat; gleichwie dagegen das, was der Erb hinein schuldig ist, zur Vermehrung der Verlassenschaft eingerechnet werden muß.

[2, 16, § 30] 445. Zweitens, die dem Stand und Vermögen des Erblassers gemäße, oder von ihme selbst angeordnete Begräbnißunkosten in derjenigen Maß, wie solche oben in vierzehenten Capitel, §. V, num. 71 und 72, bei Berechnung des Pflichttheils bestimmet worden.

[2, 16, § 30] 446. Drittens, der ehegattliche Antheil, oder was der überlebende Ehegatte

(2-339) aus den Heirathssprüchen zu forderen hat, insoweit dieses den in ersten Theil in der Abhandlung von Ehebündnissen ausgemessenen Betrag nicht übersteiget. Wovon jedoch vermöge Heirathsberednissen dem überlebenden Ehegatten ein Leibgeding, wittiblicher Unterhalt oder die Nutznießung gebühret, und was an den Erben seinerzeit anwiederum zuruckzufallen hat, dieses solle zwar zur Zeit der Berechnung ebenfalls abgeschlagen, mittlerweil aber das, was von den Vermächtnissen abgezogen worden, hierauf versicheret werden.

[2, 16, § 30] 447. Wann nun der Ruckfall an den Erben erfolget ist, so solle dessen Werth zu dem Vermögen geschlagen, und in das Erbviertel eingerechnet, somit aber von Demjenigen, was über Abschlag des also berechneten Erbviertels übrig bleibet, soweit solches zureichet, Jenen, welche von ihren Vermächtnissen einen Abzug gelitten, nach dem unter ihnen bestehenden Verhältniß geleistet, und auf gleiche Art mit Allem, dessen Einbringung in die Verlassenschaft unsicher, oder auf ungewisse Zeit hinausgesetzet ist, verfahren werden.

[2, 16, § 30] 448. Wohingegen das Eigenthum dessen, wovon dem überlebenden Ehegatten das Leibgeding, der wittibliche Unterhalt oder die Nutznießung gebühret, einem Anderen verschaffet worden wäre, folglich dasselbe an den Erben nicht zuruckzufallen hätte, so ist das Capital, oder der Werth eines solchen Guts von dem Vermögen nicht in Abzug zu bringen, sondern unter die Vermächtnissen anzusetzen, worauf dem Erben das. was ihme hieran zu Ergänzung seines Erbviertels zustehet, auf dem Fall des beendigten Leibgedings oder wittiblichen Unterhalts versicheret werden solle.

[2, 16, § 30] 449. Viertens ist von der Verlassenschaft der Pflichttheil der Notherben, und endlich fünftens alles das, was von Vermächtnissen nach der gleich unten folgenden Ausmessung von dem Abzug des Erbviertels besonders befreiet ist, abzuschlagen.

[2, 16, § 30] 450. Was solchemnach über Abzug alles Obigen an der Verlassenschaft ausfallen wird, solle gegen dem Anschlag der Vermächtnissen gehalten werden, um hieraus mit Bestand ermessen zu können, ob dem Erben nach Abschlag der Vermächtnissen so viel, als der vierte Theil der also berechneten Verlassenschaft betraget, zu guten bleibe.

[2, 16, § 30] 451. Doch ist in das Erbviertel alles Dasjenige einzurechnen, was der Erb aus dem Erbrecht, es seie aus letzten Willen, oder aus dem Erbanfall nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge von der Erbschaft beziehet, nicht weniger das, was aus seiner Gefährde, Schuld oder Saumsal zu Grund gegangen oder verloren worden, dann jene Vermächtnissen, welche wegen Abgangs, Unfähigkeit oder Unwürdigkeit dessen, der damit bedacht worden, dem Erben anheimfallen, und endlich sowohl die mittlerweil aus der Verlassenschaft eingehobene Früchten und Nutzungen, als was er hinein zu entrichten schuldig ist.

[2, 16, § 30] 452. Jenes aber, was der Erb aus einem Vermächtniß oder aus einer vertraulichen Erbsnachberufung, oder aus einer Schankung entweder unter Lebenden, oder auf den Todesfall, oder auch sonst mit einer Auflage etwas dagegen zu leisten erhalten, wird in das Erbviertel nicht eingerechnet, obschon ein dem Erben verschafftes Vermächtniß ebenso wie andere, dem Abzug des Erbviertels unterlieget, und somit der Erb hieran um so viel weniger bekommet, als der in seinem Verhältniß hieran ausfallende Beitrag zu Ergänzung des Erbviertels ausmachet.

[2, 16, § 30] 453. Wann nun mit Einrechnung alles dessen, was nach der vorstehenden Ausmessung in das Erbviertel einzuziehen kommt, dem Erben nicht so viel übrig bleibt, als der vierte Theil der Verlassenschaft betraget, so haben zu Ergänzung dessen, was noch davon abgehet, alle und jede Vermächtnissen nach ihrem Verhältniß untereinander den Abzug zu leiden, und ist die Vertheilung des ausfallenden Abgangs auf die Vermächtnissen dergestalten einzutheilen, daß, weme mehr vermacht worden, dieser ein Mehreres, gleichwie Jener, welcher mit Wenigerem bedacht worden, hierzu auch weniger beizutragen habe.

[2, 16, § 30] 454. Wo jedoch ein Vermächtniß an sich untheilbar wäre, als da es in

(2-340) einem selbstständigen Körper oder in einem dinglichen Recht bestände, solchen Falls ist zwar das Vermächtniß ganz abzustatten, Jener aber, deme es zuzukommen hat, ist schuldig, dem Erben den Werth desjenigen Betrags, welcher nach dem Schätzungsanschlag auf ihn ausfallen wird, zu entrichten.

[2, 16, § 30] 455. Von bedingten Vermächtnissen hingegen solle zwar der Abzug gleich geschehen können, obschon der Erfolg oder Ausgang der Bedingniß noch ungewiß wäre, doch ist auf dem Fall, daß bei ermanglender verschiebender, oder ausgehender, auflösender Bedingniß das übrige Vermächtniß dem Erben anheimfiele, von ihme denen Anderen, welche einen Abzug gelitten, die Sicherheit zu leisten, daß ihnen hiervon, soweit es zulanget, eben nach demjenigen Verhältniß, nach welchen der Abzug geschehen, die Vergütung geleistet werden solle.

[2, 16, § 30] 456. Ein Gleiches ist mit Jenem zu beobachten, was nach Endigung einer zeitlichen Behaftung dem Erben anwiederum anheimfallet, als das Capital von vermachten jährlichen Renten und Einkünften, oder das Gut, oder Haus, wovon jemanden Anderen die Nutznießung verschaffet worden, wann derlei Haftungen aufhören.

[2, 16, § 30] 457. Der Erb bedarf zu Erhaltung des Erbviertels insgemein keiner besonderen Rechtsforderung, sondern, wo er die Erbschaft mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten hätte, und sich über drei Viertel der Erbschaft mit Vermächtnissen beschweret zu sein fände, so solle derselbe binnen sechs Wochen von dem Tag des ihme gerichtlich zugefertigten Inventarii seine vermeinte übermäßige Beschwerung bei dem Abhandlungsgericht anzeigen, und um die gerichtliche Schätzung der Verlassenschaft, dann um Veranschlagung der Vermächtnissen einkommen.

[2, 16, § 30] 458. Bis dahin ist er nicht schuldig, einige wie immer Namen habende Vermächtnissen, welche dem Abzug des Erbviertels unterliegen, auszufolgen oder auszuzahlen, obschon der Erblasser deren alsbaldige Entrichtung angeordnet hätte.

[2, 16, § 30] 459. Es seie dann, daß sich dagegen zu Leistung einer annehmlichen Sicherstellung anerboten würde, daß so viel, als von dem ehender auszufolgen anverlangten Vermächtniß zu Ergänzung des Erbviertels beizutragen nöthig sein würde, anwiederum zuruckgestellet werden wolle.

[2, 16, § 30] 460. Würde sich nun aus der auf oben vorgeschriebene Art und Weis vorgenommenen Berechnung der Verlassenschaft in Entgegenhaltung der Vermächtnissen zeigen, daß hiervon der dem Erben angebührende vierte Theil nicht erübriget werde, so sind die auf die Schätzung und Berechnung aufgegangene Gerichtsunkosten unter denen Schulden von dem Vermögen abzuziehen, welche widrigens, da keine übermäßige Beschwerung befunden, oder der Erb aus denen gleich unten berührenden Ursachen zum Abzug des Erbviertels nicht berechtiget sein würde, der Erb allein zu tragen hat.

[2, 16, § 30] 461. Woferne aber die sechswochentliche Frist von dem Tag des hinausgegebenen gerichtlichen Inventarii verstrichen wäre, ist der Erb mit der Anforderung des Erbviertels nicht weiter zu hören; es kämen dann nach der Zeit vorhin unbekannt geweste Schulden und Ansprüche hervor, wodurch die Verlassenschaft dermaßen erschöpfet würde, daß nach deren Hintanfertigung über Abzug der Vermächtnissen ihme der vierte Theil der Erbschaft nicht übrig bleibe.

[2, 16, § 30] 462. In welchem Fall Derselbe auch nach dieser Zeit auf oberwähnte Weise fürzugehen, und da bereits einige Vermächtnissen hinausbezahlet worden wären, mittelst der zur Wiedererstattung des zur Ungebühr Bezahlten zustehenden Rechtsforderung die Zuruckstellung dessen, was zur Ergänzung des Erbviertels hiervon beizutragen kommt, anzusuchen berechtiget ist, wovon den Gegentheil nichts, als der erweisliche ungefähre Zufall, wodurch das Vermächtniß mittlerweil zu Grund gegangen oder verloren worden, entbinden kann.

[2, 16, § 30] 463. Der Abzug des Erbviertels aber höret aus dreierlei Ursachen auf, als:

(2-341) Erstens, aus dem widrigen Willen des Erblassers, zweitens, aus der Person des Erben, und drittens, aus der Eigenschaft des Vermächtnisses selbst.

[2, 16, § 30] 464. Aus dem widrigen Willen des Erblassers erlöschet die Befugniß zu dem Abzug des Erbviertels, wann er solchen entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch gleichgeltende Worte verboten. Derlei gleichgeltende Worte sind, wann er die Vermächtnissen ganz, für voll, und ohne Abzug abzustatten anbefohlen hätte.

[2, 16, § 30] 465. Doch erstrecket sich ein solcher Verbot nicht von einem Vermächtniß auf das andere, sondern dem Erben stehet nichtsdestoweniger frei, von denen anderen Vermächtnissen, welchen ein dergleichen Verbot nicht beigefüget ist, das was sie zu Ergänzung des Erbviertels für ihren Theil beizutragen haben, anzuforderen.

[2, 16, § 30] 466. Wo aber der Abzug überhaupt, oder bei allen Vermächtnissen insonderheit verboten wäre, solle dieser Verbot nur damals seine Wirkung haben, wann dem Erben gleichwohlen noch ein Vortheil aus der Erbschaft übrig bleibt; widrigens und da er gar keinen Nutzen davon zu haben erweisen könnte, hat derselbe ohnerachtet des Verbots Fug und Macht, das Erbviertel abzuziehen.

[2, 16, § 30] 467. Aus der Person des Erbens höret der Abzug des Erbviertels auf, erstens, wann er die Erbschaft ohne der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten, wodurch derselbe sich auch über die Kräften der Erbschaft zu denen Erblasten verbindlich macht, und die ohnableinliche rechtliche Vermuthung vordringet, daß sie zu deren Erschwingung zureichend seie.

[2, 16, § 30] 468. Zweitens, wann er gefährlicher Weise zu Verkürzung der Vermächtnissen aus der Erbschaft etwas vertuschete oder entwendete, und sich oder denen Seinigen zueignete, und dieses auf ihn erwiesen werden könnte.

[2, 16, § 30] 469. Drittens, wann er binnen der zur Antretung der Erbschaft unten in einundzwanzigsten Capitel ausgesetzten Zeit die Erbschaft nicht angetreten, sondern sich derselben entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch Verlauf der anberaumten Zeit entschlagen hätte.

[2, 16, § 30] 470. Viertens, wann er auf den Abzug des Erbviertels entweder ausdrückliche oder stillschweigende Verzicht thut. Diese stillschweigende Verzicht geschieht auf zweierlei Art, als eines Theils durch Verlauf der zur Forderung des Erbviertels oben ausgemessenen Zeit, und anderen Theils durch Anerkennung des letzten Willens mittelst vollständiger Hinauszahlung der Vermächtnissen, wann auch nur deren eines ganz mit guten Wissen ohne beistoßenden Irrthum, und ohne Vorbehalt des Erbviertels von ihme abgestattet worden wäre.

[2, 16, § 30] 471. Wo aber nur ein Theil des Vermächtnisses, oder einige von mehreren einer Person verschafften Sachen auch ohne allem Vorbehalt abgeführet worden wären, kann hieraus noch keine Verzicht auf das Erbviertel gefolgeret werden, sondern dem Erben stehet noch allzeit frei, sich deshalben auch für das schon Ausgefolgte an dem noch Uebrigen zu halten.

[2, 16, § 30] 472. Allein auch damals, wo die Vermächtnissen ganz und ohne Vorbehalt hinausbezahlet worden, bleibet jegleichwohlen der Fall allezeit ausgenommen, wann nach der Hand Schulden, welche zur Zeit der abgeführten Vermächtnissen nicht wissend waren, hervorbrechen würden, welche die Erbschaft erschöpfeten.

[2, 16, § 30] 473. Aus der Eigenschaft des Vermächtnisses selbst wird der Abzug des Erbviertels durch dieses Unser Gesatz untersaget, erstens von allgemeinen oder auch einzlen sich auf mehrere Grade erstreckenden Trau- oder Fideicommißgütern, zweitens, von dem Pflichttheil der Notherben, wann gleich derselbe ihnen vermächtnißweise verlassen worden wäre.

[2, 16, § 30] 474. Drittens, von Entlassungen aus der persönlichen Unterthänigkeit, nicht aber auch von Nachsicht ausständiger unterthäniger Giebigkeiten und Schuldigkeiten, sondern diese unterliegen nach landesbräuchlicher Schätzung dem Abzug des Erbviertels.

(2-342) [2, 16, § 30] 475. Viertens, von einer Schuld, welche der Schuldner seinem Glaubiger vermacht, außer insoweit das Vermächtniß den Betrag der Schuld übersteiget.

[2, 16, § 30] 476. Fünftens, von jenen milden Vermächtnissen, welche der Erblasser für seine Seele auf Almosen für die Armuth, und auf heilige Messen verschaffet hat; dahingegen sind alle andere milde Vermächtnissen, obschon sie zu Klöstern, Spitälern oder anderen Stiftungen gewidmet wären, dem Abzug des Erbviertels unterworfen.

[2, 16, § 30] 477. Sechstens, von vermachten Heirathgut, welches der Mann seinem hinterlassenen Eheweib zuruckverschaffet, wie auch von deme, was die Eltern oder Großeltern ihren Töchtern oder Enklinnen zur Ausheirathung und Aussteuerung vermachen, insoweit in dem Vermächtniß nichts Mehreres, als was ersteren Falls nach dem Heirathsbrief, und in letzterem Fall zum Pflichttheil gebühret, begriffen ist; was aber darüber ist, hat sowohl, als das einer Person, welcher aus der Verlassenschaft kein Pflichttheil zuzukommen hat, vermachte Heirathgut oder Aussteuerung dem Abzug des Erbviertels zu unterliegen.

[2, 16, § 30] 478. Wo aber das Erbviertel entweder aus der Eigenschaft des Vermächtnisses, oder wegen besonderen Verbots des Erblassers nicht abgezogen werden darf, sind deshalben die anderen Vermächtnissen, welche dem Abzug verfänglich sind, nichts Mehreres, als wie viel nach ihrem Verhältniß auf deren jedwedes zu Ergänzung des Erbviertels ausfallet, beizutragen schuldig, sondern der Erb hat den Entgang von denen befreiten Vermächtnissen selbst zu tragen.

[2, 16, § 30] 479. Würde in Gegentheil der eingesetzte Erb ohnerachtet der ihme durch dieses Unser Gesatz eingestandenen Wohlthat des Erbviertels sich jegleichwohlen der Erbschaft entschlagen, so solle derselbe denen nachberufenen zweiten Erben, und wo deren keine berufen worden wären, oder dieselben sich gleichfalls darzu nicht verstehen wollten, denen nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufallen, welche gegen der ihnen in gleicher Maß vergünstigten Wohlthat des Erbviertels die Vermächtnissen abzutragen schuldig sein sollen.

[2, 16, § 30] 480. Woferne aber auch diese sich der Erbschaft entschlügen, sollen dessen ohnerachtet die Vermächtnissen bei Kräften erhalten, und denen allenfalls von dem Erblasser ernannten Vollstreckeren seines letzten Willens, oder in deren Ermanglung einem eigends von Gericht aus zu dem Ende zu bestellen habenden Curatori die Erfüllung der letztwilligen Anordnung auferleget, Jenes aber, was sonst denen Erben entweder aus dem Willen des Erblassers, oder aus Vorsehung Unseres Gesatzes durch Eintretung der rechtlichen Erbfolge sowohl, als durch Abzug des Erbviertels hätte zukommen sollen, zu Handen Unserer Kammer eingezogen werden.

(2-343) Caput XVII.

Von Eröffnung, Kundmachung und Vollziehung des letzten Willens.

Inhalt:

§. I. Von Erhebung des letzten Willens. §. II. Von dessen Eröffnung. §. III. Von Bewährung der Zeugen. §. IV. Von gerichtlicher Kundmachung des letzten Willens. §. V. Von dessen Einverleibung und Bestätigung. §. VI. Von Vollziehung des letzten Willens.

§. I.

[2, 17, § 1] Num. 1. Nachdeme bishero all Jenes, was ein Erblasser bei Errichtung letztwilliger Anordnungen zu beobachten habe, sammt den dazu erforderlichen Feierlichkeiten und den verschiedenen Arten, womit in letzten Willen etwas verlassen werden kann, ausführlich beschrieben worden, so folget auch nunmehro in gegenwärtigen Capitel die Ausmessung dessen, wie mit denen schon errichteten letztwilligen Anordnungen nach Absterben des Erblassers zu verfahren seie.

[2, 17, § 1] 2. Hierbei kommen mehrfältige Handlungen vor, welche ihrer natürlichen Ordnung nach folgende sind, als: Erstens, die Erhebung des letzten Willens,

(2-344) zweitens, dessen Eröffnung, drittens, die Bewährung der Zeugen, viertens, die gerichtliche Kundmachung des letzten Willens, fünftens, dessen Einverleibung, sechstens, dessen rechtliche Bestätigung, und endlich siebentens, dessen Vollziehung, welche alle in diesem und denen folgenden §§. erkläret werden.

[2, 17, § 1] 3. Durch die Erhebung des letzten Willens wird nichts Anderes verstanden, als dessen getreue Einantwortung und Niederlegung zu Gericht, von welcher es zwar damals abkommet, wann ein Testament oder Codicill vor demjenigen Gericht, dessen Gerichtsbarkeit der Erblasser damals unterworfen ware, errichtet, und allda noch bei Lebzeiten des Erblassers hinterleget worden, folgsam sich bei seinem Absterben schon in Gerichtshanden befindet.

[2, 17, § 1] 4. Dahingegen, wo demjenigen Gericht, bei welchem der letzte Willen hinterleget worden, keine Gerichtsbarkeit über denselben zustände, hat dasselbe solchen dem hierzu befugten Gerichtsstand gleich nach dem Tod des Erblassers unversehrter auszufolgen.

[2, 17, § 1] 5. Vornehmlich aber kommt es auf die Erhebung des letzten Willens an, wo solcher von dem Erblasser außergerichtlich verfasset, und entweder in seiner Verlassenschaft aufbewahret, oder zu Jemandens getreuen Handen anvertrauet worden.

[2, 17, § 1] 6. Es solle demnach einem jedweden Richter, unter wessen Gerichtsbarkeit Jemand verstirbt, von amtswegen obliegen, sogleich nach dem in Erfahrniß gebrachten Ableben sich alles Fleißes, ob ein Testament oder Codicill vorhanden seie, bei den Hausleuten und in anderen dienlichen Orten zu erkundigen, bevorab aber bei Vornehmung der Sperr, ob ein letzter Willen vorhanden seie, in den Kästen und Schreibtisch des Verstorbenen nachzusuchen, und da einer gefunden würde, solchen herauszunehmen und bei Gericht zu hinterlegen.

[2, 17, § 1] 7. Hätte jedoch der Erblasser seinen letzten Willen Jemanden in die Verwahrung gegeben, oder dieser wäre sonst auf was immer für Art in eines Anderen Hände gerathen, so solle Derjenige, in dessen Handen sich der letzte Willen befindet, denselben sobald, als ihme das Absterben des Erblassers zu Ohren kommt, dem Gericht ohnverweilt, und ohne aller Ausflucht und Verweigerung auszufolgen schuldig sein.

[2, 17, § 1] 8. Würde aber Jemand eines Anderen letzten Willen, welchen er in Handen hat, binnen nächsten sechs Wochen von dem Tag des Absterbens des Erblassers muthwilliger Weise, und ohne erweislichen erheblichen Ehehaften dem Gericht nicht einantworten, so solle ein solcher, auf den die geflissentliche Vorenthaltung des letzten Willens dargethan werden könnte, alles dessen, was ihme darinnen zugedacht und verschaffet worden, zur Strafe verlustig, oder sonst mit einer anderen Strafe nach Gestalt der Sachen unnachläßlich beleget werden.

[2, 17, § 1] 9. Zu dem Ende mag nicht allein Jedermänniglich, deme hieran gelegen ist, den Inhaber des letzten Willens mittels Anrufung der gerichtlichen Hilfe um dessen alsbaldige Ausantwortung belangen, sondern es erheischet auch ohnerachtet des Anrufens die Amtspflicht des Richters selbst, wann er sonst von der Vorenthaltung des letzten Willens begründete Anzeigen hat, denselben hierzu durch rechtliche Zwangsmitteln zu verhalten.

[2, 17, § 1] 10. Würde aber Derjenige, welcher den letzten Willen in Handen hat, solchen gefährlicher Weise und in Absicht die darinnen Bedachten um ihre Gerechtigkeit zu bringen verschweigen und vertuschen, oder, da er um dessen Ausfolgung belanget worden, denselben in Handen zu haben laugnen und in Abrede stellen, so haben Jene, welchen daran gelegen ist, den Beweis zu führen, daß ihme der letzte Willen anvertrauet worden, aber sonst zu Handen gekommen seie, wobei mit Abschneidung alle Weitläufigkeiten auf das Schleunigste zu verfahren ist.

[2, 17, § 1] 11. Wo nun der Belangte dessen überwiesen würde, solle er nicht allein zur Ausantwortung des vertuschten letzten Willens angehalten, sondern auch wegen dieses seines betrüglichen Vorhabens über Verlust des ihme allenfalls darinnen

(2-345) Verschafften nach richterlicher Erkanntniß bestrafet, und zum Ersatz aller denen darunter leidenden Theilen verursachten Schäden und Unkosten verurtheilet werden.

[2, 17, § 1] 12. Da sich aber ergebe, daß er den letzten Willen vorsätzlich zerrissen oder sonst vernichtet hätte, solle er durch richterlichen Spruch und Urtheil für ehrlos erkläret, und mit einer der Schwere des Verbrechens angemessenen Strafe beleget werden.

[2, 17, § 1] 13. Wobeinebst derselbe noch über das allen Denenjenigen, welche wegen eines solchen vernichteten oder unterdruckten letzten Willens etwas verloren oder zu Schaden gekommen, alle erweisliche Schäden und Unkosten aus seinem eigenen Vermögen zu ersetzen schuldig ist.

[2, 17, § 1] 14. Da aber der Werth seines Guts sich nicht so weit erstreckete, daß Denenjenigen, welche in dem von ihme zerrissenen, vernichteten oder unterdruckten letzten Willen bedacht worden, hieraus der vollständige Ersatz alles dessen, was ihnen andurch entgangen zu sein entweder durch glaubwürdige Zeugen, oder aus dem noch lesbaren Inhalt des zerrissenen an sich sonst rechtsgiltigen letzten Willens erweislich wäre, geleistet werden könnte, so solle alsdann Jenes, was noch hieran abgehet, nicht weniger, als ob der letzte Willen ganz unverletzt vorgefunden worden wäre, aus der Verlassenschaft des Erblassers abgestattet werden.

[2, 17, § 1] 15. Doch also, daß sich allemal vorhero an dem Gut Desjenigen, welcher den letzten Willen unterdrucket gehalten, und nur sodann erst Jenes, was von demselben nicht erholet werden mag, aus der Verlassenschaft des Erblassers hergenommen werde.

[2, 17, § 1] 16. Gleichergestalten, wo der Erblasser seinen letzten Willen nur mündlich vor Zeugen erkläret hätte, haben diese nicht weniger, wie Jener, deme ein schriftliches Testament oder Codicill anvertrauet worden, eben die Verbindlichkeit solchen alsobald nach dem Tod des Erblassers bei Gericht ausführlich anzuzeigen und auszusagen. Wo sie aber hierinnen ohne rechtserheblicher Ursache saumig wären, sind wider dieselben gleichfalls alle vorerwähnte Zwangsmitteln, und allenfalls auch bei erweislicher Gefährde und Arglist gestalter Dingen nach die nemlichen Strafen zu verhängen.

[2, 17, § 1] 17. Die Erhebung des letzten Willens hat insgemein von jenem Richter zu geschehen, wessen Gerichtsbarkeit der Erblasser bei Lebzeiten unterworfen ware, und wo derselbe verschiedenen Gerichtsbarkeiten verfänglich gewesen wäre, von demjenigen Gerichtsstand, welchem die Kundmachung des letzten Willens zustehet.

[2, 17, § 1] 18. Diesfalls ist zwischen Personen höheren und niederen Standes ein Unterschied zu beobachten. Nach Personen höheren Standes, welche wegen des obhabenden Rechts der Landmannschaft ihr eigenes Gericht haben, kommt die Erhebung und Kundmachung des letzten Willens diesem Gericht allein zu.

[2, 17, § 1] 19. Wo aber eine solche Person höheren Standes verstürbe, welche in mehreren Ländern das Recht der Landmannschaft hätte, und in dieser Rucksicht mehreren Gerichtsbarkeiten unterworfen wäre, solchenfalls gehöret die Erhebung und Kundmachung des letzten Willens dem Gericht desjenigen Lands zu, in welchem derselbe nach dem Tod des Erblassers gefunden wird, ohne daß dessen wiederholte Kundmachung in dem anderen Lande nöthig wäre, sondern das in einem Lande kundgemachte Testament oder Codicill ist lediglich dem Gericht des anderen Landes, wo der Verstorbene zugleich Landmann ware, und ein Theil der Verlassenschaft gelegen ist, zur Einverleibung, und der weiters erforderlichen Vorkehrung zuzuschicken.

[2, 17, § 1] 20. Ein Gleiches solle beobachtet werden, wo eine solche Standesperson auch in einem anderen Land entweder wegen ihres allda beständig gehabten Wohnsitzes, oder wegen eines dort bekleideten Amts der Gerichtsbarkeit desjenigen Lands verfänglich gewesen, und allda mit Nachlassung eines letzten Willens verstorben wäre, welchenfalls dessen Erhebung und Kundmachung, ohnerachtet der in dem anderen Land ob sich gehabten Landmannschaft, diesem Gerichtsstand zustehen solle.

(2-346)

[2, 17, § 1] 21. Woferne hingegen eine Standesperson in einem anderen Land, wo sie das Recht der Landmannschaft nicht hat, irgendwo auf der Reise, oder im Durchzug versterben, und ein letzter Willen allda nach ihr vorgefunden würde, hat die Gerichtsstelle desselben Orts, obschon ihr der Verstorbene sonst innichten verfangen gewesen wäre, solchen zu erheben und kundzumachen, sonach aber denselben an dasjenige Gericht, deme die Verlassenschafts-Abhandlung zustehet, zur weiteren Vorkehrung zuzuschicken.

[2, 17, § 1] 22. Welche Personen höheren Standes das Recht der Landmannschaft in einem Unserer deutschen Erblanden nicht haben, deren letztwillige Verordnungen sind von demjenigen Gerichtsstand, deme sie sonst mit ihrer Person zur Zeit ihres Tods unterworfen waren, zu erheben und kundzumachen, doch allemal mit Ausnahme des Falls, wo sie auf der Reise oder im Durchzug anderswo verstürben, und allda ihren letzten Willen nachließen.

[2, 17, § 1] 23. Nach Personen niederen Standes gehöret die Erhebung und Kundmachung ihres letzten Willens demjenigen Gerichtsstand zu, deme sie entweder wegen des obgehabten Burgerrechts, oder wegen besonderer Befreiung, aber wegen ihres beständigen Wohnsitzes unterworfen waren.

[2, 17, § 1] 24. Da aber bei einer Person mehrere Gerichtsbarkeiten zusammentreffen, hat allzeit der aus einer besonderen Befreiung angebührende Gerichtsstand vor denen anderen, und der burgerliche Gerichtsstand vor demjenigen des Wohnsitzes den Vorzug, wann diese beide Letztere in dem Umfang einer Stadt oder Markts befindlich sind.

[2, 17, § 1] 25. Woferne hingegen der Verstorbene außer derjenigen Stadt oder Markt, wo er das Burgerrecht gehabt, seinen beharrlichen Wohnsitz aufgeschlagen hätte, solle die Erhebung und Kundmachung des letzten Willens von derjenigen Gerichtsbarkeit vorgenommen werden, unter welcher derselbe nach seinem Tod gefunden wird.

[2, 17, § 1] 26. Ohnangesehen aber eine Person, sie seie höheren oder niederen Standes, einer Gerichtsstelle wegen eines bei derselben bekleidenden Amts oder Bedienstung untergeben gewesen wäre, so solle nichtsdestoweniger ihr nachgelassener letzter Willen von demjenigen Gerichtsstand in eben demselben Land erhoben und kundgemacht werden, deme sie außer dem von ihr bekleideten Amt oder Bedienstung bei Lebzeiten sonst unterworfen gewesen.

[2, 17, § 1] 27. Da es sich jedoch zutrüge, daß eine Person niederen Standes irgendwo auf der Reise oder im Durchzuge Todes verfahren, und alldort eine letztwillige Anordnung nachlassen würde, solle es damit auf gleiche Art, wie es oben num. 21 bei höheren Standespersonen vorgesehen worden, gehalten werden.

[2, 17, § 1] 28. Dahingegen setzet die bloße Erhebung und Kundmachung eines letzten Willens diejenige Gerichtsstelle, von welcher dieselbe vorgenommen worden, noch nicht in die Befugniß sich in die Verlassenschaftsabhandlung einzulassen, wann sich sonst ihre Gerichtsbarkeit hierauf nicht erstrecket, sondern es wird unten in einundzwanzigsten Capitel, §. VIII, die Ausmessung folgen, weme die Verlassenschaftsabhandlung zustehe.

§. II.

[2, 17, § 2] 29. Die letztwilligen Anordnungen sollen ganz und verschlossener zu Gericht abgegeben werden. Niemand dahero darf sich bei sonst sich zuziehender schweren

(2-347) Ahndung und Strafe anmaßen, einen verschlossenen letzten Willen eigenmächtig zu eröffnen, sondern dieses stehet allein demjenigen Gericht zu, welchem dessen Kundmachung nach der vorstehenden Ausmessung gebühret.

[2, 17, § 2] 30. Die Eröffnung des letzten Willens solle demnach nirgendwo anderst, als bei Gericht, und zwar sogleich, als derselbe nach dem Tod des Erblassers allda hinterleget worden, wenigstens in Gegenwart zweier Gerichtspersonen geschehen.

[2, 17, § 2] 31. Wobei der Tag der gerichtlichen Hinterlegung auf dem Testament oder Codicill vorgemerket, und hiernächst sowohl der Tag der Eröffnung, als, da mehrerlei letztwillige Anordnungen eben desselben Erblassers vorkämen, oder einige Zetteln und Beilagen dem letzten Willen beigeschlossen wären, deren Anzahl, damit nichts davon verloren gehe, in dem Gerichtsbuch oder Protokoll fleißig und getreulich eingeschrieben werden solle.

[2, 17, § 2] 32. Es ist auch bei der Eröffnung selbst alle Vorsicht und Behutsamkeit anzuwenden, damit die Siegeln nicht verletzet, noch weniger das Testament oder Codicill auf einerlei Weis beschädiget, zerrissen oder unlesbar gemacht werde. Wo aber nichtsdestoweniger unter wirklicher Eröffnung von Ohngefähr sich ein Schaden oder Verletzung hieran ergeben hätte, ist solches alsobald in dem Gerichtsbuch, was und wie es geschehen seie, umständlich anzumerken.

[2, 17, § 2] 33. Nicht weniger hat das Gericht den Bedacht darauf zu nehmen, damit, wann der Inhalt des eröffneten letzten Willens sich auf Codicillen, Zetteln oder anderen Beilagen beziehen würde, welche zu Gericht noch nicht erlediget worden wären, solche ehebaldigst erhoben, und zu Gerichtshanden gebracht werden mögen.

[2, 17, § 2] 34. Nach eröffneten letzten Willen solle zwar sogleich sowohl dem eingesetzten Erben seine Erbseinsetzung, als auch Denenjenigen, welchen die Sorge der Beerdigung des Erblassers oblieget, das, was derselbe wegen seiner Begräbniß und für seine Seele geordnet hat, bedeutet, Keinem aber, wer er auch immer seie, auch nicht einmal dem Erben selbst den Inhalt des letzten Willens einzusehen, oder Abschriften davon zu nehmen vor dessen gerichtlicher Kundmachung zugelassen werden.

[2, 17, § 2] 35. Es haben dahero jene Gerichtspersonen, welche den letzten Willen eröffnet (!), solchen an dem nächst darauf folgenden Gerichtstag mit umständlicher Anzeige der von ihnen vorgenommenen Eröffnung bei Gericht zu hinterlegen, wie auch ihren Bericht in dem Gerichtsbuch oder Protokoll vormerken zu lassen.

§. III.

[2, 17, § 3] 36. Der solchergestalten bei Gericht hinterlegte letzte Willen ist allda bis zu dessen erfolgender gerichtlicher Kundmachung wohlverwahrlich aufzubehalten, dahingegen ist nicht allemal nothwendig die Zeugen, welche den letzten Willen mit unterfertiget haben, zur Anerkennung und Bewährung ihrer Handschrift und Petschaft vorzuberufen, sondern dieses solle nur in folgenden zweien Fällen nöthig sein, als:

(2-348) [2, 17, § 3] 37. Erstens, wann ein gegründeter Verdacht eines arglistig unterschobenen Testaments oder Codicills, oder einer sonst dabei vorgegangenen Gefährde vorhanden ist, oder wo gerichtlich fündig wäre, daß die Handschrift oder Petschaft nicht des Zeugens eigene Hand oder Siegel seie, noch dabei mit eigener Hand angemerket worden, daß der Zeug in Abgang des eigenen sich eines fremden Siegels bedienet habe.

[2, 17, § 3] 38. Zweitens, in dem Fall eines mündlich erklärten letzten Willens, dessen Wesenheit und Giltigkeit einzig und allein von der einstimmigen Aussage der Zeugen abhanget, folglich auch solche nothwendig vor dessen Kundmachung allemal vorgehen muß, wie es oben in elften Capitel, zweiten Artikel, §. VIII, verordnet worden.

[2, 17, § 3] 39. Außer diesen Fällen stehet allzeit die rechtliche Vermuthung für die Wahrheit der eigenen Handschrift und Petschaft der Zeugen, solange das Widerspiel nicht erwiesen wird, dessen Beweis aber Jedermänniglichen, deme hieran gelegen ist, nach kundgemachten letzten Willen in der unten §. V hierzu ausgesetzten Zeit auch allenfalls mit eidlicher Abhörung der Zeugen zu verführen freistehet.

[2, 17, § 3] 40. Doch solle in keinem Fall denen Zeugen ihre Vorladung und Bestellung zu Gericht zum Schaden und Nachtheil gereichen, sondern wo sie in denen angezeigten zweien Fällen auf selbsteigene Veranlassung des Gerichts einberufen werden, sind ihnen ihre erweislichen Versaumnissen und Kosten aus der Verlassenschaft, widrigens aber von Jenem, welcher sie abhören lässt, zu ersetzen.

§. IV.

[2, 17, § 4] 41. Die gerichtliche Kundmachung eines letzten Willens solle derorten, wo solche über die gerichtliche Eröffnung nach wohlhergebrachter Gewohnheit noch besonders erforderlich ist, längstens binnen acht Tagen von dessen Einantwortung zu Gerichtshanden, oder da solcher schon vorhero bei Gericht hinterleget gewesen wäre, von der erhaltenen Nachricht des Absterbens des Erblassers, oder, da eben zu dieser Zeit Gerichtsferien eingefallen wären, den nächsten Gerichtstag nach geendigten Ferien (es möge solche verlanget werden oder nicht) vorgenommen, und

(2-349) unter keinerlei Vorwand der etwan dafür nicht erlegten Gebühr weiter hinaus verschoben werden, sondern diese kann das Gericht entweder sich aus der Verlassenschaft abziehen, oder die Einantwortung derselben bis zu deren leistenden Erlag in Anstand lassen.

[2, 17, § 4] 42. Die Kundmachung aber hat also zu geschehen, daß nach vorläufiger Vorladung der eingesetzten Erben, wann sie in diesem Ort gegenwärtig sind, widrigens auch ohne deren Vorladung, an der gewöhnlichen Gerichtsstelle bei offenen Thüren der ganze Inhalt des letzten Willens von Wort zu Wort mit allseitigen Unterschriften des Erblassers und der Zeugen deutlich und wohlverständlich vorgelesen, und dabei Jedermänniglichen solchen anzuhören und zu vernehmen verstattet werde.

[2, 17, § 4] 43. Doch solle das Gericht vorhero wohl untersuchen, ob der ihme zu Handen gekommene letzte Willen mit einem solchen sichtbaren Mangel, welcher denselben ganz und gar entkräftete, behaftet seie oder nicht; dann, wo dem Gericht ein derlei wesentliches Gebrechen in die Augen fiele, ist dessen Kundmachung zu unterlassen, und ein dergleichen mangelhafter letzter Willen für ungiltig und null und nichtig mit deutlicher Anerkennung der Ursachen, warumen er nicht zu Recht bestehen könne, zu erklären, auch sofort diese Erklärung Jenen, welche etwas daraus zu beziehen gehabt hätten, von Gericht aus zu erinneren.

[2, 17, § 4] 44. Diese sichtbare Mängeln bestehen aber nur allein in dem Gebrechen einer zwar äußerlichen, doch zur Giltigkeit des letzten Willens von Unseren Gesetzen wesentlich vorgeschriebenen Eigenschaft, als da die nach einer jeden Art letztwilliger Anordnungen erforderliche Feierlichkeiten bei dem vorkommenden Aufsatz in seiner Art abgängig, oder derselbe zerrissen oder durchschnitten, oder aber dessen Inhalt entweder ganz, oder bei einem mit der codicillarischen Clausel nicht versehenen Testament die Erbseinsetzung, als dessen wesentlicher Theil durchstrichen oder ausgelöschet wäre.

[2, 17, § 4] 45. Nichtsdestoweniger solle Niemanden, deme hieran gelegen ist, verwehret sein, einen solchen für null und nichtig erklärten letzten Willen einzusehen und Abschriften davon zu erheben, noch weniger, wann er sich durch die Nichtigkeitserklärung beschweret zu sein findet, hierwegen in der gesetzten Zeit den ordentlichen Zug an den oberen Richter zu nehmen.

[2, 17, § 4] 46. Würde aber der Richter zur Kundmachung eines sichtbaren mangelhaften letzten Willens jegleichwohlen fürgeschritten sein, trägt die Kundmachung zu dessen Giltigkeit nichts bei, sondern die dagegen angebührende Behelfe können deme ohnerachtet in der hierzu ausgemessenen Zeit bei Gericht angebracht werden, und wo sonach derselbe durch Spruch und Urtheil wegen eines sichtbaren Mangels null und nichtig zu sein erkennet würde, kann das Gericht nicht allein für dessen Kundmachung nichts abforderen, sondern ist auch die etwan schon dafür abgenommene Gebühr anwiederum zuruckzustellen schuldig.

[2, 17, § 4] 47. Wann mehrere Aufsätze eines letzten Willens von einerlei Tag und von ganz gleichstimmigen Inhalt vorkämen, ist an Kundmachung eines genug. Wo sie aber von unterschiedenen Tägen, oder auch zwar alle von einem Tag, doch aber verschiedenen Inhalts wären, so solle darauf gesehen werden, ob erstens der frühere durch den späteren letzten Willen widerrufen und entkräftet werde, oder aber zweitens, ob der Erblasser gewollt, daß beide miteinander bestehen sollen, oder drittens, ob wenigstens aus dem späteren die Widerrufung und Aufhebung des früheren letzten Willens nicht abzunehmen seie.

[2, 17, § 4] 48. In dem ersten Fall ist nur der spätere letzte Willen allein kundzumachen, weilen durch diesen der frühere aufgehoben und widerrufen worden, in dem zweiten und dritten Fall hingegen ist mit Kundmachung alle Aufsätzen fürzugehen.

[2, 17, § 4] 49. Desgleichen, wo nebst einem Testament ein oder mehrere Codicillen, Zetteln oder Beilagen, worauf sich in demselben bezogen wird, vorhanden wären,

(2-350) sind auch alle auf gleiche Art kundzumachen, und stehet Jedermann frei, nach der Kundmachung die letztwilligen Anordnungen auf geziemendes Ansuchen selbst einzusehen und Abschriften davon zu nehmen.

[2, 17, § 4] 50. Das Gericht hat jedoch dabei acht zu tragen, daß, wo in einer letztwilligen Anordnung etwas zu Jemandens Beschimpfung, Schmähung oder Beleidigung enthalten wäre, solches nicht allein nicht öffentlich mit abgelesen, noch weniger dessen Einsicht zugelassen, oder in Abschrift herausgegeben, sondern auch aus dem übrigen Inhalt mit der Vorsicht ausgelöschet werde, damit von den anderweiten Anordnungen nichts durchstrichen werde. Nur allein die Enterbungsursachen nothwendiger Erben haben also stehen zu bleiben, wie sie von dem Erblasser gefasset worden.

§. V.

[2, 17, § 5] 51. Sobald als ein letzter Willen auf vorbeschriebene Art und Weis gerichtlich kundgemacht worden, ist solcher sofort mit allen seinen darzu gehörigen Theilen, als Codicillen, Zetteln und Beilagen, worauf sich derselbe beziehet, in die Landtafel, Stadt- oder eigends dazu gewidmete Gerichtsbücher nach jeden Orts wohlhergebrachter Gewohnheit von Wort zu Wort mit jedesmaliger Anmerkung des Tags, wann die Einschreibung geschehen, einzutragen und einzuverleiben.

[2, 17, § 5] 52. Zu dem Ende sollen derorten, wo die Einverleibung letztwilliger Anordnungen in besondere Bücher bis anhero nicht gebräuchlich ware, von Zeit dieses Unseren eingeführten neuen Gesatzes eigene Bücher hierzu bestimmet und gehalten werden.

[2, 17, § 5] 53. Von dem Tag dieser Einverleibung sind sechs Wochen abzuwarten, ob sich nicht Jemand hervorthue, welcher den letzten Willen anfechte, und einen Widerspruch darwider bei Gericht einbringe.

[2, 17, § 5] 54. Würde sich nun unter dieser Zeit über die Giltigkeit und den Bestand des letzten Willens ein Rechtsstritt erheben, so ist die Verlassenschaft bis zu dessen Austrag oder richterlichen Entscheidung dem Erben nicht einzuantworten, sondern bis dahin in gerichtlichen Beschlag zu halten.

[2, 17, § 5] 55. Woferne jedoch durch den Anspruch des Klägers nicht die Giltigkeit des letzten Willens oder der Erbseinsetzung angefochten, sondern nur etwan der Pflichttheil oder dessen Ergänzung, ohne übrigens den letzten Willen selbst umstoßen zu wollen, anverlanget würde, so ist nur so viel, als eingeklaget worden, in Beschlag zu nehmen, der Ueberrest aber kann dem eingesetzten Erben nach Verlauf der sechs Wochen, wann die Erbschaft von ihme angetreten worden, ausgefolget werden, insoweit nicht die hervorgekommene Schulden und Vermächtnissen eine anderweite Vorsicht erheischen.

(2-351) [2, 17, § 5] 56. Umsomehr solle in jenem Fall, da unter dieser Zeit von sechs Wochen sich Niemand angemeldet, der wider den letzten Willen etwas eingewendet hätte, und vorhero die Sicherheit der Schulden und Vermächtnissen halber in der unten in einundzwanzigsten Capitel, §. VIII, vorgeschriebenen Maß hergestellet sein würde, nach deren Verlauf denen eingesetzten Erben auf ihr Verlangen nach angetretener Erbschaft die Verlassenschaft ohne weiters eingeantwortet werden.

[2, 17, § 5] 57. Deme ohnerachtet aber bleibet jegleichwohlen noch Jedermänniglichen, welcher wider den Bestand und die Giltigkeit der letztwilligen Anordnung einen Widerspruch zu regen vermeinet, sein Recht durch drei Jahr und achtzehn Wochen von dem Tag ihrer Einverleibung bevor, um solchen binnen dieser Zeit der Ordnung nach bei Gericht dagegen anbringen zu mögen.

[2, 17, § 5] 58. Nach Verlauf dieser drei Jahren und achtzehn Wochen hingegen erwachset die letztwillige Anordnung in ihre volle Rechtskräften, also daß nach dieser Zeit kein wie immer erdenklicher Widerspruch darwider mehr zugelassen, sondern Alles, was dagegen auch mit Recht einzuwenden gewesen wäre, gänzlich verschwiegen und verjähret sein solle.

§. VI.

[2, 17, § 6] 59. Gleichwie aber der Erb durch Einantwortung der Erbschaft in den Genuß aller Erbvortheilen gesetzet wird, also ist er auch dagegen verbunden, alle Erblasten nach Maß seines Erbtheils zu tragen, und dem Willen des Erblassers auf das Genaueste nachzukommen.

[2, 17, § 6] 60. Zu dessen Erfüllung ihme außer jenen Vermächtnissen, welche nach der oben in sechzehenten Capitel, dritten Artikel, §. XXII, gleich nach eingetretener Erbschaft abzustatten sind, überhaupt ein Jahr und sechs Wochen von dem Tag des Ablebens des Erblassers anberaumet sein solle, wann in dem letzten Willen keine längere oder kürzere Zeitfrist ausgemessen ist, oder der Erb sonst durch rechtmäßige Ehehaften hieran nicht verhinderet wird.

[2, 17, § 6] 61. Würde sich aber derselbe hierinnen saumig erzeigen, so solle das Gericht nicht nur allen Denenjenigen, welchen aus dem letzten Willen etwas zuzukommen hat, auf ihr Anrufen wider ihn alle gebührende Rechtshilfe und Beistand leisten, sondern auch von amtswegen den Bedacht nehmen, damit nicht weniger all Jenes, so der Erblasser sonst geordnet hat, und an sich unmittelbar zu Niemands Nutzen gereichet, erfüllet und in Vollzug gebracht werde.

[2, 17, § 6] 62. Es hat solchemnach die von dem Erblasser ernannte Vollstreckere seines letzten Willens zur Betreibung des Erbens mit allem Ernst zu verhalten, und da seine ernennet worden wären, oder die Ernannten sich dieses Auftrags entschlagen würden, einen Curatoren zu bestellen, welcher die Erfüllung des letzten Willens sich alles Fleißes angelegen halte.

[2, 17, § 6] 63. Inmittelst aber, und bis daß Jenes, was von dem Erblasser geordnet worden, in gehörigen Vollzug gesetzet werde, hat das Gericht von amtswegen die Sicherheit an der Verlassenschaft für so Vieles, als zu dessen Bewirkung erforderlich, herzustellen.

(2-352) [2, 17, § 6] 64. Doch sind sowohl die Vollstreckere des letzten Willens, als der allenfalls hierzu angestellte Curator schuldig, die zu Bewerkstelligung des Angeordneten, es seie auf Anweisung des Erblassers oder des Gerichts empfangene Kosten dem Erben ordentlich zu verrechnen, und wo sie weniger ausgegeben, als empfangen haben, das Uebrige in die Verlassenschaft zuruckzuzahlen, wann sie nicht ausdrücklich von dem Erblasser davon entbunden worden.

[2, 17, § 6] 65. Gleichwie dagegen ihnen Dasjenige, was sie über den angewiesenen Betrag nothwendiger Weise mehr ausgeleget zu haben darthun würden, anwiederum von dem Erben vergütet, und überhaupt in Ansehung ihrer ein Gleiches, wie bei allen Anderen, welche fremde Geschäften zu besorgen haben, beobachtet werden muß.

Caput XVIII.

Von Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens.

Inhalt:

§. I. Von denen Gebrechen eines letzten Willens überhaupt. §. II. Von Unbestand des letzten Willens wegen mangelhaften Anfangs. §. III. Von Zerrüttung eines Anfangs giltigen Testaments in der Folge durch Nachgeburt ehelicher Leibeserben. §. IV. Von dessen Zerrüttung durch Widerrufung und Aenderung des Willens. §. V. Von der Art und Weis der Widerrufung. §. VI. Von Entkräftung eines Anfangs giltigen Testaments aus nachherigen Verlust des Rechts letztwillig zu ordnen. §. VII. Von erblosen Testament. §. VIII. Von Erhaltung und Auslegung eines an sich giltigen letzten Willens. §. IX. Von Wirkung der von dem Erblasser verhängten Verlustigung dessen, was verschaffet worden, auf den Fall der Anfechtung seines letzten Willens. §. X. Von denen in letzten Willen angeordneten Straffälligkeiten.

§. I.

[2, 18, § 1] Num. 1. Letztwillige Geschäfte und Anordnungen kommen nur damals zu ihrer Wirkung, wann sie zu Recht bestehen können; unstatthafte hingegen sind, welche entweder schon Anfangs ungiltig waren, oder, wann sie gleich Anfangs giltig und rechtmäßig gewesen, aus einem widrigen Zufall nachhero entkräftet werden.

[2, 18, § 1] 2. Gleich Anfangs mangelhafte und ungiltige werden nichtige, unvollkommene

(2-353) und widerrechtliche Testamenten genennet, dahingegen werden Anfangs giltige Testamenten entweder durch das Recht selbst, oder durch das Amt des Richters auf Anrufen des andurch verkürzten Theils aufgehoben und umgestoßen.

[2, 18, § 1] 3. Durch das Recht selbst wird ein zu Anfang giltiges und rechtsbeständiges Testament auf dreierlei Art aufgehoben, wann nemlich dasselbe nachhero erstens zerrüttet, zweitens unkräftig, oder drittens erblos wird.

[2, 18, § 1] 4. Zerrüttet wird ein Anfangs rechtmäßiges Testament auf zweierlei Art, als erstens durch Nachgeburt eines oder mehrerer eheleiblicher Kinder, deren darinnen nicht gedacht worden, und zweitens durch Widerrufung und Aenderung des letzten Willens.

[2, 18, § 1] 5. Ungiltig wird ein Anfangs rechtsgiltiges Testament, wann der Erblasser nach dessen Errichtung durch Verlust der Macht unfähig wird, letztwillig zu ordnen.

[2, 18, § 1] 6. Erblos wird ein zwar an sich zu Recht bestehen mögendes Testament, wann der darinnen eingesetzte Erb nicht will oder nicht kann Erbe sein, entweder weilen er sich der Erbschaft freiwillig entschlägt, oder zur Erbfolge unfähig oder zur Zeit des Absterbens des Erblassers nicht mehr am Leben ist.

[2, 18, § 1] 7. Durch das richterliche Amt werden sonst an sich giltige Testamenten entkräftet, wann von denen widerrechtlich enterbten nothwendigen Erben die Klage der Unpflichtmäßigkeit dargegen erhoben wird.

[2, 18, § 1] 8. Von dieser letzteren Entkräftungsart aber ist allschon oben in vierzehenten Capitel, §. VI, eigens gehandlet worden, mithin werden hier nur die übrigen Arten in denen folgenden §§. erkläret, und schließlichen sowohl die zu Erhaltung und Auslegung eines letzten Willens dienliche Maßregeln, als auch die Wirkung deren in einem letzten Willen angeordneten Verlustigungen und Straffälligkeiten beschrieben.

§. II.

[2, 18, § 2] 9. Gleich Anfangs ist ein Testament ungiltig (welches auch in seiner Maß von Codicillen zu verstehen ist) aus dreierlei Ursache, als erstens, wegen Mangels der Macht letztwillig zu ordnen, wann es nemlich von Jemanden errichtet worden,

(2-354) welcher die Macht nicht gehabt hat, ein letztwilliges Geschäft zu machen, und dieses wird eigentlich ein widerrechtliches oder unbefugtes Testament genennet.

[2, 18, § 2] 10. Diese Macht letztwillig zu ordnen muß dem Erblasser nicht allein zur Zeit der Errichtung des letzten Willens, als zu welcher die Handlung ihren Anfang genommen, sondern auch zur Zeit seines Tods, zu welcher die Handlung ihre Wirkung hat, zugestanden haben; welchen aber diese Macht nicht gebühre, ist oben in elften Capitel, ersten Artikel, §. II, gemeldet worden.

[2, 18, § 2] 11. Auf die Zwischenzeit hingegen ist nicht zu sehen nöthig, sondern, wann der Erblasser die nach errichteten letzten Willen verlorene Macht nachhero anwiederum vor seinem Tod erworben, bestehet jegleichwohlen das Anfangs mit Fug und Recht gemachte letztwillige Geschäft auch ohne neuer Willenserklärung.

[2, 18, § 2] 12. Da aber Derselbe solche vor seinem Tod nicht mehr erlangen würde, bleibt das Testament unkräftig, von welchem Fall unten in §. VI gehandlet werden wird, gleichwie dann auch ein zur Zeit errichtetes Testament, zu welcher der Erblasser die Macht letztwillig zu ordnen nicht gehabt hat, nicht mehr zu Kräften kommt, obschon er nachher vor seinem Tod diese Macht erworben hätte, wann er nicht nach deren Erlangung bei diesem seinem letzten Willen beharren zu wollen mit Beobachtung der vorgeschriebenen Feierlichkeiten neuerdings erkläret.

[2, 18, § 2] 13. Zweitens, wegen Mangels des Willens oder dessen genugsamer Erklärung ist ein Testament gleich Anfangs ungiltig, wann es an dem Willen ein letztwilliges Geschäft zu machen, oder an dessen hinlänglicher Erklärung gänzlich gebricht, und dieses heißet insonderheit ein nichtiges Testament, obschon die Nichtigkeit überhaupt alle Gebrechen letztwilliger Anordnungen, wegen welcher sie entweder gleich Anfangs ungiltig sind, oder in der Folge ungiltig werden, in sich begreifet.

[2, 18, § 2] 14. Der gänzliche Abgang des Willens oder dessen genugsamer Erklärung rühret von der Gemüthsentfernung oder Unmächtigkeit der Sinnen des Erblassers her, diese möge nach mehreren Inhalt dessen, was davon oben in elften Capitel, ersten Artikel, §. III, geordnet worden, offenbar oder rechtlich vermuthet, und entweder aus einer wahren Verruckung der Sinnen, oder aus Trunkenheit, Forcht, Schrecken, oder anderen allzu heftigen Leidenschaften, welche den Verstand betäuben, entstanden sein.

[2, 18, § 2] 15. Wann es nun rechtsgenüglich erwiesen, oder in Entstehung des Gegenbeweises rechtlich vermuthet wird, daß der Erblasser zur Zeit des errichteten letzten Willens nicht bei Sinnen gewesen seie, oder ihme der freie Willen ermanglet habe, ist solchen Falls das letztwillige Geschäft in seinem ganzen Inhalt null und nichtig.

[2, 18, § 2] 16. Wäre aber der Abgang des Willens, oder der Mangel genugsamer Erklärung nur in einem oder anderen Stuck des letztwilligen Geschäfts, so vernichtet eine derlei Verwirrung, Zunöthigung, Betrug, List oder Irrthum nur jenen Theil, welcher darmit behaftet ist, gleichwie der Mangel einer genugsamen Erklärung nur denjenigen Theil des letztwilligen Geschäfts nichtig macht, in wessen Ansehung der Willen des Erblassers nicht abgenommen werden kann, nicht aber auch den übrigen Inhalt, woraus der freie und ernstliche Willen des Erblassers verläßlich erhellet.

[2, 18, § 2] 17. Der anfängliche Abgang des Willens kann eben so wenig, als der anfängliche Mangel der Macht letztwillig zu ordnen nachhero ersetzet werden; sondern obgleich der Erblasser nachmals ohne Anwendung der erforderlichen Feierlichkeiten seinen anfänglich mangelhaften letzten Willen gutheißen würde, bleibt solcher jegleichwohlen nichtig, wann es zur Zeit der Errichtung an dem Willen oder dessen genugsamer Erklärung gemanglet hat.

[2, 18, § 2] 18. Wann aber zur Zeit der Errichtung hieran kein Mangel gewesen wäre, so schadet es der Giltigkeit des schon zu Stand gebrachten letztwilligen Geschäfts


(2-355) nichts, obgleich der Erblasser nachhero in Unmächtigkeit der Sinnen verfallen, oder seinen Willen ferners zu erklären außer Stand gesetzet worden wäre.

[2, 18, § 2] 19. Umsoweniger kann ein Abgang des Willens hieraus gefolgeret werden, wann der Erblasser das angefangene letztwillige Geschäft in seinem ganzen Inhalt nicht vollendet hat, woferne es nur mit denen nach seiner Art darzu erforderlichen Feierlichkeiten versehen ist.

[2, 18, § 2] 20. Also da er einen Theil seines letzten Willens mit Beobachtung der nöthigen Feierlichkeiten schriftlich aufgesetzet und den übrigen nachzutragen sich vorbehalten, solches aber nicht bewirket, oder auch seinen letzten Willen vor denen Zeugen mündlich zu erklären angefangen hätte, an dessen gänzlicher Vollendung aber durch den Tod, zugestoßene Sprachlosigkeit oder Verruckung der Sinnen verhinderet worden wäre, so solle nichtsdestoweniger so viel, als er von seinem letzten Willen schriftlich oder mündlich eröffnet hat, und durch die mit denen erforderlichen Feierlichkeiten versehene schriftliche Urkunde, oder durch die vorgeschriebene Anzahl der Zeugen gerichtlich beglaubiget wird, in jener Art, deren Feierlichkeiten darzu angewendet worden, allerdings bestehen.

[2, 18, § 2] 21. Drittens, wegen Abgangs der erforderlichen Feierlichkeiten ist ein letztwilliges Geschäft gleich Anfangs ungiltig, wann dabei nicht alle nach Unterschied jedweder Gattung vorgeschriebene Feierlichkeiten beobachtet worden, und dieses wird eigentlich ein unvollkommenes Testament genennet.

[2, 18, § 2] 22. Die abgängigen Feierlichkeiten können zwar nicht mehr nachgetragen werden, doch kommt ein solches mangelhaftes Testament als ein neu errichtetes zu Kräften, sobald nachmals alle Feierlichkeiten mit Macht und Willen hinzutreten.

[2, 18, § 2] 23. Widerrechtliche, oder unbefugte und nichtige Testamenten, wobei es entweder an der Macht oder an dem Willen manglet, bleiben durchaus ungiltig, und können in keiner wie immer Namen habenden Art bestehen, wann gleich die codicillarische Clausel beigesetzet wäre, wovon jedoch die alleinige letztwillige Anordnungen zum Tod verurtheilter und ehrloser Leuten ausgenommen sind, welche jegleichwohlen in der oben in eilften Capitel, ersten Artikel, §. II, von num. 19 bis 21 bestimmten Maß kraft der codicillarischen Clausel als minderfeierliche letztwillige Geschäfte erhalten werden können.

[2, 18, § 2] 24. Dahingegen bestehen unvollkommene Testamenten, welche wegen Abgangs der Feierlichkeiten in ihrer Art ungiltig sind, nichtsdestoweniger noch in einer anderen minder feierlichen Art, mit deren Feierlichkeiten sie versehen sind, oder auch als ein Codicill, wann in Hinzutretung deren darzu nöthigen Feierlichkeiten die codicillarische Clausel beigesetzet ist.

[2, 18, § 2] 25. Also ist ein Testament ohne der Einsetzung eines Erbens, oder worinnen die Notherben vorbeigegangen worden, wegen Abgangs der wesentlichen Feierlichkeit an sich ganz unvollkommen; wann aber demselben die codicillarische Clausel beigefüget worden, bestehet es jegleichwohlen noch als ein Codicill, insoferne in dem letzteren Fall nicht erweislich ist, daß der Erblasser Notherben zu haben nicht gewußt, oder aus Irrthum sie für verstorben gehalten habe.

[2, 18, § 2] 26. Wir wollen aber noch weiters auch ohne Rucksicht auf die codicillarische Clausel jene Testamenten, welche wegen gänzlicher Vorbeigehung nothwendiger Erben anfangs ungiltig sind, damals zu ihren vollen Kräften kommen lassen, wann die darinnen vorbeigegangene Notherben entweder vor dem Erblasser verstorben, und also zur Zeit seines Todes nicht mehr vorhanden sind, oder sich bei seinen Lebzeiten durch ordentliche Verzicht ihres Erbrechts begeben, oder sich nach seinem Tod der Erbschaft freiwillig entschlagen haben.

(2-356) §. III.

[2, 18, § 3] 27. Anfangs giltige, und zu Recht bestehende Testamenten werden in der Folge auf zweierlei Art zerrüttet, als erstens durch Nachgeburt ehelicher Leibeserben, wann dem Erblasser nach schon verfertigten Testament, es seie noch bei seinen Lebzeiten, oder nach seinem Tod, ein Kind ehelich geboren wird, wessen darinnen gar nicht gedacht worden.

[2, 18, § 3] 28. Es wird aber darzu erforderet, daß ein solches ehelich nachgebornes Kind zur rechten Zeit, lebendig, in menschlicher Gestalt zur Welt komme, und noch bei Absterben des Erblassers am Leben seie, welches in dem Testament mit nichts bedacht worden.

[2, 18, § 3] 29. Für die rechte Zeit ehelicher Geburt solle geachtet werden, wann ein Kind in dem siebenten Monat nach angetretener Ehe, und längstens in dem zehenten Monat nach des Vaters Tod, oder von seiner Abwesenheit zu rechnen, geboren wird.

[2, 18, § 3] 30. Dahingegen hat Jener, welcher vor dem siebenten Monat nach Antritt der Ehe, oder nach dem zehenten von des Vaters Tod oder Abwesenheit geboren worden, die Vermuthung wider sich, daß er nicht ehelich erzeuget worden.

[2, 18, § 3] 31. Das nach der Geburt gehabte Leben muß aus unfehlbaren Kennzeichen erhellen, und ist in dem Fall, wann das Kind nach dem Tod des Erblassers geboren wird, an deme genug, wann es auch nur einen Augenblick nach der Geburt

(2-357) gelebet hat, und mit der menschlichen Gestalt begabet ware; wo aber des Lebens oder der Gestalt halber ein Zweifel fürwaltete, da ist dem Urtheil der Aerzten zu folgen.

[2, 18, § 3] 32. Wohingegen in dem anderen Fall, wo das Kind noch bei Lebzeiten des Erblassers geboren worden wäre, über das erforderet wird, daß es auch denselben, obschon nur einen Augenblick überlebe, widrigens wo es vor seiner verstürbe, bleibt das Testament bei Kräften.

[2, 18, § 3] 33. Es muß jedoch des Nachgebornen in dem Testament gar nicht, und weder für sich insonderheit, noch überhaupt gedacht, folglich derselbe weder zum Erben miteingesetztet, noch ihme etwas vermacht worden sein, wann durch seine Geburt das vorhin verfertigte Testament zerrüttet werden solle.

[2, 18, § 3] 34. Woferne demnach derselbe darinnen namentlich bedacht worden, kann er über keine Vorbeigehung klagen, und da der Erblasser in solchem aller seiner Kinder oder Absteigenden überhaupt gedacht hätte, ohne deren jeden insonderheit zu benennen, ist der Nachgeborne auch mit darunter begriffen, folglich bestehet das Testament, obschon ihme nicht verwehret ist, wann er an seinem Pflichttheil verkürzet worden, so ein als anderen Falls dessen Ergänzung anzusuchen.

[2, 18, § 3] 35. Widrigens, und da der Nachgeborne, dessen Geburt alle vorerwähnte Erfordernissen hat, in dem Testament mit nichts bedacht worden, wird dasselbe sammt denen anbei errichteten Codicillen gänzlich und dergestalten zerrüttet, daß nicht einmal die Vermächtnissen hieraus gebühren, und nichts von allem deme, was immer der Erblasser in einen solchen Testament und Codicillen geordnet, die mindeste Kraft und Bündigkeit habe.

[2, 18, § 3] 36. Nur die codicillarische Clausel allein, wo sie einem solchen Testament beigefüget ist, erhält dasselbe als einen Codicill sammt denen miterrichteten Codicillen in Ansehung jener Anordnungen, welche sonst in einem Codicill zu machen erlaubet sind, und dieses zwar in dem einzigen Fall, wann der eheliche Leibeserb noch bei Lebzeiten des Erblassers geboren worden, und dagegen nicht erwiesen werden kann, daß er von dessen Geburt nichts gewußt, oder damals seinen Willen zu änderen und zu widerrufen nicht mehr im Stande ware.

[2, 18, § 3] 37. Wo aber der eheliche Leibeserbe erst nach dem Tod des Erblassers geboren worden oder erweislich wäre, daß der Erblasser von seiner Geburt nichts gewußt, oder nach derselben sich nicht mehr im Stande befunden, seinen Willen zu änderen, in solchen Fällen hat die codicillarische Clausel gar keine Wirkung, sondern das Testament wird sammt denen mit demselben errichteten Codicillen in allem seinen Inhalt gänzlich vernichtet.

[2, 18, § 3] 38. Belangend hingegen jene Codicillen, welche ohne einem Testament für sich selbst errichtet worden, diese werden durch die Nachgeburt eines ehelichen Leibeserbens keineswegs zerrüttet, sondern, wer immer nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft gelanget ist das darinnen Angeordnete zur befolgen schuldig, insoweit der Pflichttheil andurch nicht verkürzet wird.

[2, 18, § 3] 39. Was von der Nachgeburt eines ehelichen Leibeserben geordnet worden, hat auch in allen ähnlichen Fällen statt, wann Derjenige, welcher zur Zeit des errichteten Testaments nicht der nächste Notherb gewesen, er möge vor oder nach demselben geboren sein, nachhero der Nächste wird, und in dem Testament gar nicht bedacht worden.

[2, 18, § 3] 40. Dieses kann sich sowohl in der absteigenden als aufsteigenden Reihe oder Linie ergeben. In der absteigende, wann z. B. vor einem vorgestorbenen Sohn oder Tochter Enkel vorhanden sind (sie mögen bei Lebzeiten des Erblassers schon geboren sein, oder nach seinem Tod geboren werden), deren Vater oder Mutter in dem Testament gar nicht bedacht worden, widrigens, und da diese bedacht worden wären, wird das Testament durch ihr Vorsterben nicht zerrüttet, sondern die Kinder der Bedachten treten in das Recht und an die Stelle ihrer Eltern ein.

(2-358) [2, 18, § 3] 41. In der aufsteigenden hingegen, wann entweder nach Vorsterben der Absteigenden ein aufsteigender Notherb des Erblassers vorhanden ist, oder auch in Ermanglung der Absteigenden ein Aufsteigender, welcher zur Zeit des errichteten Testaments nicht der Nächste ware, nachher durch Vorsterben des Näheren der Nächste wird, dessen in dem Testament nicht gedacht worden.

[2, 18, § 3] 42. Eine ganz gleiche Wirkung, welche der Nachgeburt ehelicher Leibeserben von Unseren Gesetzen zugeeignet wird, hat auch die Rechtmäßigung unehelich erzeugter Kinder durch die nachgefolgte Ehe, also daß nicht weniger durch diese wie durch jene, das vorhin errichtete Testament ihrer Aufsteigenden, deren nächste Notherben sie werden, in der oben erklärten Maß zerrüttet werde.

[2, 18, § 3] 43. Jene Rechtmäßigung hingegen, welche aus Unserer Machtsvollkommenheit unehelichen Kindern ertheilet wird, hat diese Wirkung nicht, außer insoferne in Unserem Rechtsmäßigungsbrief einem solchen rechtmäßig gemachten Kind das Erbfolgrecht nach dem hierum einkommenden Elterntheil wortdeutlich verliehen wird.

[2, 18, § 3] 44. Noch viel weniger hat die Annehmung oder Anwünschung an Kindesstatt die Kraft, ein vorhin ordentlich errichtetes Testament zu zerrütten, sondern ein Wahlkind hat sich nach Maßgebung dessen, was davon in ersten Theil in der Abhandlung von der väterlichen Gewalt vorgesehen worden, lediglich mit demjenigen Antheil zu begnügen, welcher ihme aus dem Vermögen des Wahlvaters ausgemessen worden.

§. IV.

[2, 18, § 4] 45. Die zweite Art, wodurch Anfangs giltige und zu Recht bestehende letztwillige Anordnungen in der Folge zerrüttet werden, ist die Widerrufung und Aenderung des Willens des Erblassers.

[2, 18, § 4] 46. Dann keinerlei letztwillige Anordnung ist vor dem Tod des Erblassers von einiger Kraft und Wirkung, sondern gegentheils hat Jedermänniglich bis zu dem letzten Augenblick seines Lebens vollkommene Macht und Freiheit, seinen Willen zu änderen und zu widerrufen, er möge sich diese Freiheit vorbehalten oder nicht, oder wohl gar sich derselben durch Verzicht, Vertrag oder Vergleich begeben, und dabei mit noch so bündigen Ausdrücken erkläret haben, daß dieser sein letzter Willen unverbrüchlich gehalten, und alle spätere Willensänderung oder Widerrufung ungiltig und nichtig sein solle.

[2, 18, § 4] 47. Vielmehr sind alle wie immer lautende Verzichten auf die künftige Widerrufung und Willensänderung, oder auch über die künftige Erbschaft mit anderen eingegangene Verträge und Vergleiche, welche auf die Ausschließung und Begebung dieser natürlichen Freiheit unmittelbar abzielen, ganz und gar ungiltig, und null und nichtig.

[2, 18, § 4] 48. Es seie dann, daß durch derlei Verträge und Vergleiche dem Anderen schon bei Lebszeiten des Erblassers auf dessen Vermögen ganz oder zum Theil durch Handlungen unter Lebenden, als durch Schankungen, Verschreibungen oder Contracten

(2-359) ein Recht erworben worden, welchen Falls sich von selbsten verstehet, daß der Erblasser über Jenes, was er bereits bei seinen Lebzeiten an Andere übertragen hat, nicht mehr anderst zu ordnen vermöge.

[2, 18, § 4] 49. Außerdeme stehet Jedermann frei, seinen Willen, wann und wie er will, nach Gefallen zu änderen, wann gleich dieser zu Unserem selbsteigenen Vortheil oder zum Nutzen des gemeinen Wesens, oder zu was immer für milden Sachen gemeinet gewesen wäre.

[2, 18, § 4] 50. Doch muß der Erblasser zur Zeit seiner Willensänderung des freien Willens fähig sein; dahero können Jene, welche nach der Zeit in eine Blödsinnigkeit oder Wahnwitz verfallen, oder sich durch Ablegung feierlicher Ordensgelübden einem geistlichen Klosterstand gewidmet haben, ihren vorhin errichteten letzten Willen nicht mehr änderen, weilen sie eben andurch des freien und eigenen Willens unfähig werden.

§. V.

[2, 18, § 5] 51. So wenig Wir aber Jemanden die Freiheit seinen letzten Willen nach Gefallen zu änderen und zu widerrufen auch in mindesten zu beschränken gemeinet sind, so sehr finden Wir gegentheils nothwendig die Art und Weis, wie ein letzter Willen rechtsbeständig geänderet und widerrufen werden könne, zu Hintanhaltung aller dabei unterlaufen mögender Gefährde und Arglist hiermit gesatzgebig zu bestimmen.

[2, 18, § 5] 52. Diesemnach solle die Widerrufung und Aufhebung eines errichteten letztwilligen Geschäfts nicht anderst, als durch eine spätere rechtsgiltige letztwillige Anordnung, oder wo solche außer derselben durch Worte oder eine That des Erblassers, woraus sein widriger Willen ohnfehlbar geschlossen werden mag, geäußeret werden wollte, nur allein mit Beobachtung der hiernach vorgeschriebenen Erfordernissen geschehen können.

[2, 18, § 5] 53. Durch ein späteres Testament wird das frühere gänzlich zerrüttet und aufgehoben, obschon in dem letzteren des früheren gar nicht gedacht, noch auch von dem Erblasser dasselbe aufheben zu wollen ausgedrucket worden wäre.

[2, 18, § 5] 54. Es hätte dann der Erblasser in dem später errichteten sich auf das frühere ausdrücklich berufen, und dabei deutlich erkläret, daß beide bestehen sollen, welchen Falls sowohl dasjenige, worauf sich bezogen wird, als das andere, welches sich auf das erstere beziehet, zusammen für ein einziges Testament zu halten sind, mithin auch eines durch das andere nicht aufgehoben wird, insoweit beide miteinander bestehen können.

[2, 18, § 5] 55. Sie können aber nur soweit zusammen bestehen, insoferne sie einander nicht widersprechen, widrigens, und da der Inhalt des einen dem Inhalt des

(2-360) anderen widerspricht, als da z. B. der in dem ersten Testament eingesetzte Erb in dem anderen von der Erbschaft namentlich ausgeschlossen würde, wird derjenige Punkt , in welchem der Widerspruch obwaltet, aufgehoben, und der übrige Inhalt des ersten Testaments aus dem ausdrücklichen Willen des Erblassers, welcher beide zusammen bestehen lassen will, erhalten.

[2, 18, § 5] 56. Wann hingegen sich zwischen beiden kein offenbarer Widerspruch zeiget, und doch der Willen des Erblassers ausdrücklich dahin gehet, daß beide bestehen sollen, so müssen sie auch, so viel es möglich, dergestalten vereinbaret und verstanden werden, damit beide zur Wirkung kommen.

[2, 18, § 5] 57. Also da in solchem Fall in dem früheren Testament ein Anderer, und in dem letzteren wiederum ein Anderer zu Erben eingesetztet worden wären, ist der Eine ein Miterb des Anderen, und gelangen Beide gleichsam aus einem einzigen Testament entweder zu gleichen oder zu ungleichen Theilen zur Erbschaft, nachdeme von dem Erblasser die Theile angewiesen worden oder nicht.

[2, 18, § 5] 58. Damit aber ein früheres Testament durch das spätere aufgehoben werde, muß dieses letztere rechtsgiltig sein, und dabei kein Mangel an der Macht letztwillig zu ordnen, weder an dem freien Willen des Erblassers, noch an denen in seiner Art darzu erforderlichen Feierlichkeiten unterwalten. Wo demnach das spätere Testament wegen Abgangs einer oder der anderen dieser wesentlichen Erfordernissen ungiltig wäre, wird das frühere Testament andurch nicht zerrüttet und aufgehoben.

[2, 18, § 5] 59. Doch ist nicht nöthig, daß das spätere Testament eben so feierlich seie, wie das frühere, sondern auch ein vorhin feierlich errichtetes wird durch ein späteres minder feierliches zerrüttet und aufgehoben, wann dieses nur mit denen in seiner Art erforderlichen Feierlichkeiten versehen ist.

[2, 18, § 5] 60. Diese Kraft haben aber die Codicillen nicht, daß anmit das früher errichtete Testament aufgehoben und zerrüttet werde, maßen in solchen weder eine Erbschaft gegeben, noch benommen werden kann.

[2, 18, § 5] 61. Sie bestehen demnach nicht allein mit dem vorhergegangenen Testament, sondern auch mit anderen vor oder darnach errichteten Codicillen, obgleich der Erblasser nicht ausgedrucket hätte, daß alle zusammen bestehen sollen. Doch können die in dem früheren Testament oder Codicillen enthaltene Vermächtnissen und andere keinen allgemeinen Begriff der Erbschaft betreffende Anordnungen in denen späteren Codicillen widerrufen werden.

[2, 18, § 5] 62. Dahingegen werden die mit einem früheren Testament errichtete Codicillen durch ein späteres rechtsgiltiges Testament zerrüttet und aufgehoben, wann solche darinnen nicht namentlich bestätiget werden; wo aber Codicillen ohne einem vorherigen Testament errichtet worden, werden solche durch das nachfolgende Testament nicht anderst aufgehoben, als wann sie darinnen ausdrücklich widerrufen werden.

[2, 18, § 5] 63. Ein durch die spätere letztwillige Anordnung zerrüttetes Testament kommt nicht mehr zu Kräften, obgleich das spätere Testament nachhero zerrüttet, unkräftig oder erblos würde.

[2, 18, § 5] 64. Es seie dann, daß entweder der Erblasser durch eine neue Willenserklärung, welche in ihrer Art alle erforderliche Feierlichkeiten hat, das erstere anwiederum ausdrücklich bestätigen würde, oder diese seine Willensmeinung, daß das erste gelten solle, aus untrüglichen Kennzeichen ohnfehlbar geschlossen werden können.

[2, 18, § 5] 65. Diese Kennzeichen sind, wann der Erblasser das spätere Testament vernichtet oder zerreißt, und das erstere nach seinem Tod unverletzt gefunden wird, oder wann derselbe durch erweislichen Betrug, List, Zwang wessentwegen das spätere Testament ungiltig wäre, zu seiner Willensänderung verleitet worden, oder endlich, wann er die Endursache, wegen welcher er seine erste Anordnung widerrufen und aufgehoben, in dem späteren Testament ausgedrucket, und diese nachher falsch zu sein befunden würde.

[2, 18, § 5] 66. Ohne einem späteren Testament kann ein letzter Willen entweder mit

(2-361) Worten, oder mit einer That des Erblassers, welche seinen widrigen Willen anzeiget, widerrufen und aufgehoben werden.

[2, 18, § 5] 67. Wo die Widerrufung mündlich oder schriftlich geschieht, muß sie allemal mit eben so vieler Beglaubigung begleitet sein, als zu Errichtung einer letztwilligen Anordnung in ihrer Art erforderlich ist.

[2, 18, § 5] 68. Ein Testament, oder die in demselben enthaltene Erbseinsetzung kann demnach mit nicht wenigerer Beglaubigung widerrufen werden, als zu dessen Errichtung und zu denen einen allgemeinen Begriff der Erbschaft betreffenden Anordnungen vorgeschrieben wird; dahingegen ist zur Widerrufung der Codicillen Vermächtnissen und anderer auf das Erbrecht nicht abgesehenen Anordnungen keine mehrere Beglaubigung nöthig, als zu Erprobung des widrigen Willens genug ist.

[2, 18, § 5] 69. Durch die selbsteigene That des Erblassers wird ein letztwilliges Geschäft widerrufen, wann er solches mit Willen und Vorsatz es aufzuheben zerreißet, auslöschet, durchstreichet oder sonst vernichtet, oder durch jemand Anderen auf sein Geheiß und Befehl vernichten läßt, obschon das Durchstrichene oder Ausgelöschte noch lesbar geblieben wäre.

[2, 18, § 5] 70. Dieser Willen und Vorsatz des Erblasses wird zwar allemal vermuthet, wo ein zerissener, ausgelöschter oder durchstrichener letzter Willen vorgefunden wird, doch stehet denen darinnen Bedachten frei, das Widerspiel zu erweisen, wann sie mit dem Beweis aufzukommen im Stand sind.

[2, 18, § 5] 71. Durch die Zerreißung, Auslöschung und Durchstreichung wird nicht allein eine schriftliche letztwillige Anordnung, sondern auch ein mündlich erklärtes Testament oder Codicill widerrufen und aufgehoben, wann dieses von denen Zeugen in eine schriftliche Urkunde verfasset, und diese nachhero von dem Erblasser zerrissen, durchstrichen oder ausgelöschet worden.

[2, 18, § 5] 72. Nicht aber eine jede Auslöschung oder Durchstreichung zerrüttet die ganze letztwillige Anordnung, sondern wo das ganze Testament oder Codicill andurch aufgehoben sein solle, muß auch dessen ganzer Inhalt, oder doch dessen wesentliche Feierlichkeit, als da ist die Unterschrift des Erblassers und der Zeugen, oder in einem Testament die Erbseinsetzung durchstrichen und ausgelöschet sein.

[2, 18, § 5] 73. Widrigens ist nur so viel widerrufen, als ausgelöschet oder durchstrichen worden, das Uebrige aber bleibet bei Kräften, und wann gleich in einem mit der codicillarischen Clausel versehenen Testament die Namen aller Erben ausgelöschet, und somit die ganze Erbseinsetzung aufgehoben worden wäre, ohne daß ein späteres Testament errichtet würde, bestehen jegleichwohlen die Vermächtnissen und andere Anordnungen, welche in Codicillen zu machen verstattet ist.

[2, 18, § 5] 74. Umsoweniger schadet die Auslöschung des einen Erben denen übrigen Miteingesetzten, sondern diese gelangen deme ohnerachtet zu denen ihnen zugedachten Erbtheilen.

[2, 18, § 5] 75. Wann von einem Testament oder Codicill mehrere ganz gleichlautende mit denen erforderlichen Feierlichkeiten versehene Aufsätze vorhanden sind, deren einige von dem Erblasser zerrissen, ausgelöschet oder durchstrichen, andere aber, oder auch nur einer davon ganz und unverletzt nachgelassen worden, wird nichtsdestoweniger das letztwillige Geschäft bei Kräften erhalten.

[2, 18, § 5] 76. Es könnte dann in andere Wege rechtsbeständig dagegen dargethan werden, daß die Vernichtung einiger gleichlautender Aufsätzen einzig und allein in der Absicht und mit Willen das Testament oder Codicill aufzuheben geschehen seie.

[2, 18, § 5] 77. Desgleichen kann aus der alleinigen Entsieglung oder Eröffnung eines verschlossen gewesten letztwilligen Geschäfts, oder aus dessen Abforderung und Erhebung von danne, wo es hinterleget ware, keine Willensänderung geschlossen werden, wann solche anderer Gestalt nicht erweislich ist, und die entsieglete oder zu sich genommene Urkunde nach dem Tod des Erblassers ganz und unversehrt gefunden wird.

(2-362) [2, 18, § 5] 78. Noch weniger wird ein letztwilliges Geschäft an sich selbst durch die Veräußerung oder Verminderung des Vermögens, diese geschehe von dem Erblasser nothgedrungen oder geflissentlich, widerrufen und aufgehoben, obschon dessen Wirkung vereitlet wird, wann nichts übrig bleibt, woran die Erbschaft bestehen könne. Ein Anderes aber hat bei anderen Vermächtnissen statt, maßen diese durch Veräußerung der vermachten Sache widerrufen werden, wie es oben in sechzehenten Capitel, vierten Artikel, §. XXIX, erkläret worden.

[2, 18, § 5] 79. Würde hingegen in einem Testament oder Codicill sich anstatt des Ausgelöschten oder Durchstrichenen etwas Anderes darüber oder darunter, oder auch auf der Seiten geschrieben finden, so ist zu unterscheiden, ob es des Erblassers eigene ungezweiflete Handschrift seie oder nicht.

[2, 18, § 5] 80. Was nicht mit des Erblassers eigener Handschrift geschrieben worden, hat nicht die mindeste Giltigkeit, sondern wirket gegentheils die Vermuthung wider die Auslöschung selbst, daß solche nicht mit Willen und Wissen des Erblassers geschehen sei, wann nicht entweder durch die erforderliche Anzahl der Zeugen, oder durch des Erblassers eigenhändigen Anmerkung bestätiget wird, daß die Auslöschung und Zuschreibung auf sein Geheiß geschehen.

[2, 18, § 5] 81. Was aber mit ungezweifleter eigener Handschrift des Erblassers darzu geschrieben worden, ist allerdings giltig, wann nur das letztwillige Geschäft diejenige Feierlichkeit hat, welche nach Gestalt des Beisatzes in seiner Art erforderet werden.

[2, 18, § 5] 82. Es wäre dann dagegen erweislich, daß es an dem freien Willen des Erblassers gemanglet habe, und derselbe zu diesem Beisatz durch Betrug, List, Zwang oder Irrthum verleitet worden seie.

[2, 18, § 5] 83. Woferne hingegen ein Testament oder Codicill ohne Willen und Vorsatz des Erblassers, sonder von Ohngefähr ganz oder zum Theil zerrissen, durchschnitten, ausgelöschet oder sonst verletztet, oder auch gar verbrennet oder auf andere Weise vertilget worden, bestehet der letzte Willen nichtsdestoweniger in seinem ganzen Inhalt, wann dieser entweder annoch leserlich, und die Handschrift und Botschaft des Erblassers und der Zeugen kenntlich ist, oder durch die dabei geweste Zeugen ausgesaget und beglaubiget werden kann.

[2, 18, § 5] 84. Falls aber der letzte Willen weder aus der unleslich gemachten Urkunde, noch auch aus der Aussage der Zeugen genugsam und ungezweifelt erwiesen werden mag, so kann auch derselbe, obschon er an sich rechtsgiltig wäre, wegen Mangel des Beweises nicht bestehen, und ist für gar nicht errichtet zu achten.

§. VI.

[2, 18, § 6] 85. Unkräftig werden Anfangs giltige letztwillige Anordnungen, wann der Erblasser vor seinem Tod die Macht letztwillig zu ordnen aus seiner Schuld verlieret, welches in allen denenjenigen Fällen geschieht, wann er in einem solchen Stand versetzet wird, worinnen er nach Maßgab dessen, was davon in eilften

(2-363) Capitel, ersten Artikel, §. II, geordnet worden, gleich Anfangs kein rechtsgiltiges Testament oder Codicill hätte errichten können.

[2, 18, § 6] 86. Dieses kann sich aus mehrerlei Ursachen ergeben, als da der Erblasser erstens für einen Verschwender gerichtlich erkläret, zweitens einer Missethat, worauf die Einziehung aller Güter gesetzet ist, schuldig erkennet, drittens zum Tod verurtheilet, viertens durch richterlichen Spruch und Urtheil für erblos erkläret würde, oder endlich fünftens derselbe sich wegen erweislichen bösen Gewissens aus Forcht der Strafe selbst entleibet hätte.

[2, 18, § 6] 87. In allen diesen Fällen verlieret der vorhin rechtsgiltig errichtete letzte Wille alle seine Kraft und Wirkung, und wird dergestalten vernichtet, als ob solcher niemalen zu Stand gekommen wäre, folglich gelanget auch die Erbschaft außer dem Fall, wo der Erblasser all sein Hab und Gut verwirket hätte, nicht auf die eingesetzten, sondern auf die nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretende nächste Erben.

[2, 18, § 6] 88. Doch sind davon sowohl die vorhin errichtete minderfeierliche letztwillige Anordnungen, als auch die feierliche Testamenten der zum Tod verurtheilten oder ehrlosen Leuten, wann diese letztere mit der codicillarischen Clausel versehen sind, insoweit ausgenommen, daß diese in Kraft dieser Clausel als Codicillen, wie jene an sich selbst für denjenigen Antheil des Vermögens bestehen, worüber denenselben minder feierlich zu ordnen nach der an obangeführter Stelle enthaltenen Ausmessung verstattet wird.

[2, 18, § 6] 89. Auch daueret diese Entkräftung letztwilliger Anordnungen nur für die Zeit der fürwährenden Hinderniß, also zwar, daß wo solche bei gerichtlich erklärten Verschwendern nach wieder eingeraumten freien Schalt- und Waltung mit ihrem Gut, oder bei zum Tod verurtheilten Uebelthätern und ehrlosen Leuten durch die erfolgte Begnadigung und Wiederherstellung zu vorigen Ehren aufhöret, der vorhin zur Zeit der Fähigkeit errichtete letzte Willen von selbsten ohne einer neuen Willenserklärung anwiederum zu Kräften komme.

[2, 18, § 6] 90. Und es ist nicht darauf zu sehen, ob der Erblasser in der Zwischenzeit seiner Unfähigkeit solchen seinen letzten Willen geänderet oder widerrufen habe, maßen er damals so wenig Macht hat, einen ordentlich errichteten letzten Willen zu widerrufen, als ein dergleichen zu Stand zu bringen, sondern es solle an deme genug sein, daß nach seinem Tod die Anfangs rechtsgiltig errichtete letztwillige Anordnung ganz und unversehrt gefunden, und solche zur Zeit, als er die Macht anwiederum erworben, von ihme nicht widerrufen worden.

§. VII.

[2, 18, § 7] 91. Erblos werden Anfangs zu Recht bestehende Testamenten, wann die darinnen geordnete Erbseinsetzung gänzlich unwirksam wird, also daß Niemand aus einem solchen Testament Erb seie, welches damals geschieht, wann der Eingesetzte nicht kann oder nicht will Erbe sein, und auf diesen Fall entweder von dem Erblasser gar keine After-Erbseinsetzung gemacht worden, oder wann auch diese

(2-364) vorgesehen wäre, jedennoch der nachberufene zweite Erb gleichfalls nicht Erb sein könnte oder wollte.

[2, 18, § 7] 92. Nicht kann er Erb sein, wann er vor dem Erblasser verstorben, oder die ihme beigesetzte Bedingniß, unter welcher, und nicht anderst derselbe zum Erben eingesetzet worden, ermanglet, oder wann er zur Zeit des Todes des Erblassers erbsunfähig ist, oder sich der Erbfolge unwürdig gemacht hat.

[2, 18, § 7] 93. Nicht will er Erbe sein, wann er sich der Erbschaft entweder ausdrücklich oder durch die in der ausgesetzten Zeit verabsaumte Erbserklärung stillschweigend entschlaget, wie alles dieses bereits oben in dreizehenten Capitel, ersten Artikel, §. II, num. 43 und 44 bemerket worden.

[2, 18, § 7] 94. In Fällen der Unvermögenheit zur Erbschaft zu gelangen wird durch die Erblosigkeit nicht allein die Erbseinsetzung, sondern auch das ganze Testament sammt denen mit demselben bestehenden Codicillen dergestalten völlig entkräftet, daß weder die Vermächtnissen hieraus gebühren, sondern die ganze Verlassenschaft denen nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge eintretenden nächsten Erben zufalle.

[2, 18, § 7] 95. Es wäre dann das Testament mit der codicillarischen Clausel verwahret, welche so viel wirket, daß die sowohl in einem solchen Testament, als in denen miterrichteten Codicillen verschaffte Vermächtnissen, insoweit sie das denen nächsten Erben gebührende Erbviertel nicht übersteigen, und andere keinen allgemeinen Begriff des Erbrechts betreffende Anordnungen bei Kräften erhalten werden, obschon die Erbseinsetzung, und was dahin gehörig, vernichtet wird.

[2, 18, § 7] 96. In Fällen aber, wo das Testament wegen freiwilliger Entschlagung der Erbschaft erblos wird, ist nur die alleinige Erbseinsetzung, und was darunter begriffen ist, aufgehoben; die Vermächtnissen hingegen bestehen auch ohne Beisatz der codicillarischen Clausel in der in sechzehenten Capitel, vierten Artikel, §. XXX,. bestimmten Maß.

[2, 18, § 7] 97. Die Codicillen können demnach an und für sich selbst niemalen erblos werden, weilen durch selbe keine Erbschaft gegeben werden mag; wo aber auch Einige, welche in Codicillen bedacht worden, zu denen ihnen angewiesenen Vermächtnissen nicht gelangen könnten, oder sich deren freiwillig entschlügen, bleiben nichtsdestoweniger die übrigen giltig.

[2, 18, § 7] 98. Doch schadet die Erblosigkeit des Testaments in dem Fall der Unvermögenheit des eingesetzten Erbens zur Erbschaft zu gelangen, wann dasselbe mit der codicillarischen Clausel nicht versehen ist, auch denen mit demselben errichteten Codicillen, welche andurch mit dem erblosen Testament gänzlich aufgehoben und vernichtet werden.

§. VIII.

[2, 18, § 8] 99. Auch an sich giltige letzwillige Anordnungen, welchen weder Anfangs, noch in der Folge eines von obbeschriebene Gebrechen entgegen stehet, können ganz oder zum Theil ohne Wirkung bleiben, wann entweder die Worte so dunkel,

(2-365) verwirrt oder zweideutig gefaßt sind, daß der Willen des Erblassers, was und wen derselbe gemeinet habe, daraus nicht abgenommen werden mag, oder wann in dem Fall, da der Erblasser und Jener, welcher von ihme bedacht worden, miteinander zugleich versterben, an der Ordnung der Natur ein Zweifel fürwaltet, wer von beiden vor- oder nachgestorben seie.

[2, 18, § 8] 100. Diesemnach bestehen die Zweifeln bei letztwilligen Unordnungen entweder an den Verstand der Worten, welche an sich nicht genug klar und deutlich sind, daß der Sinn und Willen des Erblassers daraus erhelle, oder an der Ordnung der Natur.

[2, 18, § 8] 101. Bei zweifelhaften Worten ist zur Richtschnur zu nehmen, daß, wann der Sinn und Willen des Erblassers aus denen Umständen oder gegründeten Anzeigen und Muthmaßungen erkläret werden mag, allemal die Auslegung und Ausdeutung des letzten Willens für dessen Erhaltung also geschehen solle, womit derselbe vielmehr bestehe als zerfalle.

[2, 18, § 8] 102. Zu diesem Ende muß anförderist auf die eigentliche Bedeutung und Eigenschaft der Worten gesehen werden, wann es nicht offenbar ist, daß der Erblasser etwas Anderes darunter verstanden habe.

[2, 18, § 8] 103. Würde aber der Zweifel daraus nicht behoben werden können, so solle die Rucksicht auf die allgemeine oder besondere Gewohnheit des Erblassers, was derselbe hiermit zu verstehen pflegen, oder auf den Landesbrauch, was andurch insgemein verstanden wird, genommen werden.

[2, 18, § 8] 104. Wann jedoch auch hieraus nichts Gewisses geschlossen, und der Zweifel in der Sache selbst weder aus denen vorhergehenden, weder aus denen beiwaltenden noch aus denen nachfolgenden Umständen erläuteret werden könnte, so ist die letztwillige Anordnung in demjenigen Theil, in welchem sie unverständlich, verwirrt oder zweideutig ist, null und nichtig.

[2, 18, § 8] 105. Bei zweifelhafter Ordnung der Natur, wo ungewiß ist, welche von mehreren zu gleicher Zeit verstorbenen Personen vor- oder nachgestorben seie, solle in Fällen, wo die Giltigkeit des letzten Willens, oder des darinnen Beschafften von der Frage, ob der Erblasser, oder der von ihme Bedachte vorgestorben seie, abhanget, allemal dafür gehalten werden, daß beide zu einer Zeit, und in einem Augenblick zusammen verstorben sein, folglich Keiner den Anderen überlebet habe, und dieses ohne Unterschied, sie mögen an Geschlecht und Jahren einander gleich sein oder nicht.

[2, 18, § 8] 106. Wann dahero nicht erweislich ist, daß der Erb oder Jener, welcher mit einem Vermächtniß bedacht worden, den Erblasser überlebet habe, sollen deren Erben an der Verlassenschaft des Erblassers nichts forderen können, sondern diese fallt entweder denen nachberufenen zweiten Erben, oder in deren Ermanglung seinen nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zu, das Vermächtniß aber erlöschet.

[2, 18, § 8] 107. Einen gleichen Beweis haben Jene zu verführen, die aus der Person dessen, welchem von dem Erblasser auf Ueberlebungsfall etwas zugedacht worden, das Verschaffte, oder Verschriebene anforderen, in dessen Entstehung das Vermächtniß oder die Verschreibung zerfallet.

[2, 18, § 8] 108. Und überhaupt solle auch außer dem Fall der letzwilligen Erbfolge, wo es um die Erbschaft nach mehreren zugleich verstorbenen Personen, deren eine die andere sonst nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge geerbet hätte, zu thun ist, wann, welche die andere überlebet, nicht erwiesen werden kann, die Vermuthung statt haben, daß beide zusammen in einem Zeitpunkt verstorben sein, und somit eines Jedweden nächste Erben in der nach ihme hinterbliebenen Verlassenschaft nachfolgen,


(2-366) ohne die Erbschaft des anderen Mitverstorbenen in Anspruch ziehen zu können, wann sie nicht auch zugleich hierzu die Nächsten sind.

[2, 18, § 8] 109. Es bestehet aber die Vorsicht Unserer Gesetzen zu nur immer möglicher Erhaltung letztwilliger Anordnungen, welche sonst an sich rechtsgiltig sind, nicht nur allein in deme, damit solche nicht wegen eines jeden auch noch so geringen, und leicht beheben mögenden Zweifels oder Anstands sofort entkräftet werden mögen, sondern Wir gestatten noch über das denen Erblassern selbst hierwegen in der nachfolgenden Maß eine Vorsehung zu treffen, um ihren letzten Willen andurch für dessen gänzlichen Umsturz zu bewahren, und dessen Wirkung desto bündiger und ohnfehlbarer zu machen.

[2, 18, § 8] 110. Die Absicht kann sowohl durch den Beisatz der codicillarischen Clausel, wovon bereits oben in eilften Capitel, vierten Artikel, §. XX, eigends gehandlet worden, als auch durch die auf dem Fall der Anfechtung oder Uebertretung des letzten Willens verhängte Verlustigung des Zugedachten, dann durch die auf dem Fall, das dem letzten Willen zuwider gehandlet würde, angeordnete Straffälligkeiten erreichet werden.

§. IX.

[2, 18, § 9] 111. Die von den Erblasser beigesetzte Clausel der auf dem Fall, daß der Bedachte seinen letzten Willen zu widersprechen, oder denselben umzustoßen, oder sonst darwider zu handlen sich unterstehen würde, verhängten Verlustigung des zugedachten Erbtheils oder Vermächtnisses kann nur an Jenem ihre Wirkung haben, dessen Zuwendung von der Willkür des Erblassers abhanget.

[2, 18, § 9] 112. Nicht aber auch an deme, was derselbe an Jemanden zu verlassen durch Unsere Gesetze verpflichtet und schuldig ist, als den Pflichttheil der Kindern und Eltern, und den ehegattlichen Antheil, sondern all dieses gebühret auch auf Uebertretungsfall einen Weg wie den anderen, der Erblasser möge die Verlustigung verfüget haben oder nicht.

[2, 18, § 9] 113. Es waltete dann sonst an Seiten dieser Personen eine solche in Unseren Gesetzen ausgemessene Ursache für, wegen welcher sie enterbet, und von dem ihnen angewiesenen Antheil ausgeschlossen zu werden verdienen, in welchem Fall sie auch das, was ihnen in den letzten Willen zugedacht worden, wann sie sich darnieder setzen, in Kraft dieser Clausel verlieren.

[2, 18, § 9] 114. Allein, wo sie auch in Ermanglung einer dergleichen Enterbungs- oder Ausschließungsursache den ihnen von Unseren Gesetzen beschiedenen Antheil behaupten, verlieren sie jedennoch in Kraft dieser Clausel das, was besagten Antheil übersteiget, und ihnen hieran Mehreres in dem letzten Willen, deme sie zuwider gehandlet, zugewendet worden.

[2, 18, § 9] 115. Außerdeme hat bei allen übrigen Personen, welchen der Erblasser etwas zu geben von Unseren Gesetzen nicht verbunden ist, die Clausel der Verlustigung des Zugedachten ohne Unterschied statt.

[2, 18, § 9] 116. Die Fälle aber, worauf sich solche erstrecket, sind zweierlei, als: Erstens, wann dem letzten Willen widersprochen, und zweitens, wann demselben auch ohne Widerspruch zuwider gehandlet würde.

[2, 18, § 9] 117. In dem ersten Fall wird Derjenige, welcher dem letzten Willen widerspricht, und solchen aus was immer für Ursachen umzustoßen vermeinet, darnach aber sachfällig, und der letzte Willen für rechtsgiltig erkläret wird, des ihme unter dieser Clausel Zugedachten verlustig, er hätte dann noch vor erfolgter richterlicher

(2-367) Erkanntniß von dem Widerspruch abgelassen, und sich dem Willen des Erblassers gefüget.

[2, 18, § 9] 118. In dem zweiten Fall ist zu unterscheiden, ob das, was der Erblasser unter der Clausel der Verlustigung zu thun oder nicht zu thun auferleget, wider Unsere Gesetze und gute Sitten laufe, oder sonst was Unmögliches und Unthunliches enthalte, und die Auflage wird für nicht beigesetzet geachtet, folglich kommt auch die verhängte Verlustigung nicht zur Wirkung.

[2, 18, § 9] 119. Oder ob dasselbe nicht allein möglich und thunlich, sondern auch von Rechtswegen nicht verboten seie, und in diesem Fall verlieret Jener, welcher darwider handlet das, was ihme auf solche Art verlassen worden.

[2, 18, § 9] 120. Alles hingegen, wessen der Bedachte auf dem Fall des Widerspruchs oder Zuwiderhandlung verlustig wird, fallt Jenem zu, welchem es der Erblasser auf diesem Fall angewiesen, oder da von ihme seine ausdrückliche Anweisung vorhanden wäre, nach Unterschied der Fällen denen eingesetzten, nachberufenen oder nächsten Erben zu.

§. X.

[2, 18, § 10] 121. Nicht weniger haben die von dem Erblasser auf dem Fall der Uebertretung seines letzten Willens, und dagegen bezeigenden Ungehorsams angeordnete Straffälligkeiten, wodurch der Bedachte, deme dafür etwas zu thun oder nicht zu thun auferleget worden, zu Erfüllung des letzten Willens verbunden wird, ihre vollkommene Giltigkeit, wann folgende Erfordernissen hinzutreten, als:

[2, 18, § 10] 122. Erstens, daß sie denjenigen gesatzmäßigen Antheil, welcher gewissen Personen angebühret, nicht beschweren, widrigens sind selbe, insoweit als sie diesem zur Last gereichen, für nicht beigesetzet zu achten.

[2, 18, § 10] 123. Zweitens, daß sie Dasjenige, was der Erblasser aus eigener freier Willkür zugedacht, hat, nicht übersteigen, weilen ansonst die Uebermasse ungiltig ist, um welche sie dass Verschaffte übertreffen.

[2, 18, § 10] 124. Drittens, daß sie nichts erhalten, was Unseren Gesetzen und guten Sitten zuwider, oder an sich unmöglich, und ganz und gar unthunlich ist; dann in solchem Fall sollen sie für nicht geordnet gehalten werden, folglich der darmit Belegte davon entbunden sein.

[2, 18, § 10] 125. Und wiezumalen Wir auf vorbemelte Art und Weis dem Erblasser sattsame Mittel und Wege an Handen lassen, sich des gewissen Erfolgs seiner letztwilligen Anordnungen zu versicheren, so wollen Wir in Gegentheil gleichwie überhaupt, also auch insonderheit bei letztwilligen Geschäften alle wider die christliche Liebe und Sanftmuth laufende Vermaledeiungen, Verwünschungen und Verfluchungen Jener, die darwider handeln würden, gänzlich und bei Strafe der Nichtigkeit des letztwilligen Geschäfts, in welchem sie einkommen, hiermit auf das Schärfeste verboten und untersaget haben.

[2, 18, § 10] 126. Wir setzen, ordnen und gebieten demnach allen Unseren nachgesetzten Richtern und Obrigkeiten, derlei Testamenten und Codicillen nicht einmal kund zu machen, sondern sogleich als sie zu Gerichtshanden gelangen, von amtswegen hiervon die Anzeige an den oberen Richter zu erstatten, und nach dessen eingeholten Befund dieselben sofort zu unterdrucken und zu vertilgen, folgsam die Erbschaft jenen nächsten Erben nach der Ordnung der rechtlichen Erbfolge, welche sich hierzu rechtsbehörig ausgewiesen haben werden, auszufolgen.

(2-368) [2, 18, § 10] 127. Dahingegen jener Richter, der wider diesen Unseren Verbot in dergleichen Testament oder Codicill (obschon mit Vertuschung deren darinnen enthaltenen Flüchen und Verwünschungen) jegleichwohlen kund zu machen, oder gar denen in denselben Bedachten einige Gerichtshilfe oder Beistand zu leisten sich vermessen würde, noch über die Nichtigkeit des Veranlaßten auf das Empfindlichste bestrafet werden solle.

Caput XIX.

Von denen, die sich einer Erbschaft oder Vermächtnisses verlustig und unwürdig machen.

Inhalt:

§. I:. Von den Ursachen der Verlustigung des Zugedachten, und der Unwürdigkeit überhaupt. §. II. Von Unwürdigkeit wegen Undankbarkeit gegen den Erblasser. §. III. Von Unwürdigkeit wegen Behinderung, Verfälschung, Anfechtung und Uebertretung des letzten Willens. §. IV. Von Unwürdigkeit aus Verbrechen.

§. I.

[2, 19, § 1] Num. 1. Unter die äußerliche Gebrechen, wodurch ein letzter Willen unwirksam wird, gehöret die Unfähigkeit oder Unwürdigkeit dessen, welcher darinne bedacht worden, zu dem ihme Zugedachten zu gelangen.

[2, 19, § 1] 2. Er möge aber unfähig oder unwürdig sein, so ist doch in der Wirkung der Unfähigkeit oder Unwürdigkeit insgemein kein Unterschied, sondern beide ziehen den Verlust dessen, was einem solchen aus der letztwilligen Anordnung hätte zukommen sollen, nach sich, welches nach Verschiedenheit der Fällen entweder denen Nachberufenen oder Eingesetzten, oder denen nächsten Erben zugehet.

(2-369) [2, 19, § 1] 3. Nur in dem alleinigen Fall der aus einem nach der Zeit, als die Erbschaft oder das Vermächtniß gebühret, begangenen Verbrechen, worauf die Einziehung der Güter gesetzet ist, herrührenden Unwürdigkeit solle das Zugedachte zu Handen Unserer Kammer eingezogen werden, wo aber die Unwürdigkeit schon zur Zeit des Todes des Erblassers fürwaltete, hat Unsere Kammer auf das, was dem Verbrecher zugedacht worden, keinen Anspruch.

[2, 19, § 1] 4. Es ist auch in deme zwischen der Unfähigkeit und Unwürdigkeit kein Unterschied, daß wie eine, so die andere nur insolange, als binnen der oben in siebzehnten Capitel, §. V, ausgesetzten Zeit der letzte Willen nicht zu seiner rechtskräftigen Bestätigung gediehen, angebracht, und das Zugedachte widerrufen werden könne.

[2, 19, § 1] 5. Nach Verlauf dieser Zeit aber solle Niemand so wenig wegen der Unwürdigkeit, als bereits oben in zwölften Capitel, §. II, der Unfähigkeit halber geordnet worden, angefochten werden können, außer die Unwürdigkeit wäre aus einem Verbrechen entstanden, wegen welcher das Zugedachte solange widerrufen werden mag, als die Anfertigung des Verbrechens nach Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung nicht verjähret und verschwiegen ist.

[2, 19, § 1] 6. Welche und in was für einer Maß sie unfähig sind, ist allschon oben an gleichbemelter Stelle angezeiget worden, mithin werden hier nur noch die Fälle der Unwürdigkeit erkläret. Diese entstehet aus dreierlei Ursachen, als: Erstens wegen Undankbarkeit gegen den Erblasser, zweitens wegen Behinderung, Verfälschung, Anfechtung und Uebertretung des letzten Willens, drittens wegen Verbrechen.

§. II.

[2, 19, § 2] 7. Gegen den Erblasser kann sich Jemand, der in dem letzten Willen bedacht worden, auf verschiedene Arten vor oder nach dessen Tod undankbar erzeigen, und sich andurch des ihme angewiesenen Erbtheils oder Vermächtnisses verlustig machen, als da er sich an seinem Leib, Leben, Ehre oder Gut, oder an seinen Eltern, Kindern oder Ehegatten vergreifet.

[2, 19, § 2] 8. An Leib und Leben, wann er ihn vorsätzlich, oder aus großer Schuld um das Leben bringen, oder durch Andere auf sein Geheiß, Anrath, oder mit seiner Zuthat und Beihilfe darum bringen lassen, denselben muthwilliger Weise schlagen, verwunden, oder durch Andere mißhandlen, ihme nachstellen, ihn in seiner

(2-370) äußersten Noth, Krankheit verlassen und verwahrlosen, andurch aber seinen Tod verursachen, oder auch sich gegen dessen Eltern, Kinder oder Ehegatten auf vorbemelte Weise vergehen würde.

[2, 19, § 2] 9. An der Ehre, wann er den Erblasser schimpfet und lästert, seinem Hause eine Schande und Unehre zufüget, seinen Stand und Vorzüge bestreitet, oder wegen einer Missethat fälschlich angiebt, oder sich auch freiwillig zur Zeugenschaft in der wider denselben angestrengten peinlichen Verfahrung anbietet.

[2, 19, § 2] 10. An dem Gut, wann er denselben wegen eines Verbrechens fälschlich angiebt, worauf die Einziehung des Vermögens gesetzet ist, oder wann er ihme an dessen Gut gefährlicher Weise Schaden und Nachtheil zuziehet, als sein Haus anzündet, seine Gründe verheeret, ihn bestiehlt oder ausraubet, oder ihme einen beträchtlichen Theil seines Vermögens strittig macht.

[2, 19, § 2] 11. In allen diesen Fällen aber, wo die Undankbarkeit bei Lebzeiten des Erblassers begangen worden, welcher seinen letzten Willen, worinnen er den Undankbaren bedacht, wo er es zu thun im Stande ware, nicht widerrufen hätte, muß zu dessen Ausschließung erweislich sein, daß der Erblasser die ihme widerfahrene Beleidigung zu Gemüth gezogen habe.

[2, 19, § 2] 12. Es könnte dann von dem Bedachten dagegen die mit dem Erblasser von dessen Absterben erfolgte vollkommene Versöhnung dargethan werden, welchen Falls die Beleidigung für erloschen, und die Beharrung des Erblasser bei dem vorigen Willen rechtsbeständig zu vermuthen ist.

§. III.

[2, 19, § 3] 13. Gegen dem letzten Willen und die Freiheit letztwillig zu ordnen kann sich mehrfältig vergangen werden, als: Erstens, wann Jemand durch List oder

(2-371) eingejagte Forcht den Erblasser verhinderet seinen letzten Willen zu errichten, oder den errichteten zu änderen, dieses geschehe durch Abhaltung der Zeugen, Verschränkung der Gelegenheit, gefährliche Bedrohung, oder auf was sonst immer für Weise.

[2, 19, § 3] 14. In diesem Fall verlieret Jener, welcher den Erblasser also verhinderet hat, das, was ihme in dem letzten Willen, dessen Aenderung derselbe verhinderet hat, zugedacht worden, oder wo der nächste Erb dem Erblasser einen letzten Willen zu errichten verhinderet hätte, seinen ihme sonst nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zukommenden Erbtheil, und kann über das nicht allein von Denenjenigen, welchen hierdurch erweislich ein Vortheil entgangen, um dessen vollständigen Ersatz belanget werden, sondern ist beinebst noch nach Schwere des Verbrechens zu bestrafen.

[2, 19, § 3] 15. Seine Misshandlung aber schadet denen übrigen Mitbedachten nicht, welchen nichtsdestoweniger ihre angewiesenen Erbtheile und Vermächtnissen hinaus gebühren, wann sonst die letztwillige Anordnung, welche der Erblasser zu ändern verhinderet worden, an sich rechtsgiltig ist.

[2, 19, § 3] 16. Zweitens, wann Jemand den Erblasser zu Errichtung eines letzten Willens entweder durch List, Betrug und Gefährde einführet, oder hierzu mit Gewalt zwinget; in so einem als anderen Fall ist ein solcher letzter Willen, wann die Gefährde oder der Zwang erwiesen werden mag, null und nichtig, und die Erbschaft fallt denen nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge, oder da diese sich der Gefährde, oder des Zwangs verfänglich gemacht hätten, Denenjenigen zu, welche nach ihnen die Nächsten sind.

[2, 19, § 3] 17. Doch muß die angebliche Gefährde, oder Gewalt und Zwang allemal rechtsbehörig erwiesen werden, und ist zu Vernichtung eines solchen erschlichenen oder erzwungenen letzten Willens genug, wann der Erblasser hernachmals entweder mit eigener Handschrift, oder mündlich vor Zeugen bewähret, daß er zu Verfertigung seines letzten Willens gezwungen, oder, durch List und Betrug eingeführet worden.

[2, 19, § 3] 18. Wer aber einer dergleichen Thathandlung überwiesen wird, ist über Verlust des solchergestalten ausgebrachten, oder erzwungenen Erbtheils oder Vermächtnisses noch besonders mit einer dem Verbrechen angemessenen Strafe zu belegen.

[2, 19, § 3] 19. Drittens, wann Jemand sich oder denen Seinigen in eines Anderen Testament oder Codicill etwas zugeschrieben, und der Erblasser weder mit seiner eigenen Handschrift, noch vor denen Zeugen mündlich erkläret hätte, daß es mit seinem Willen und auf sein Geheiß geschehen seie, welchen Falls ein solcher über Verlust des Zugeschriebenen denen auf die Verfälschere in Unserer peinlichen Gerichtsordnung ausgesetzten Strafe unterlieget.

[2, 19, § 3] 20. Viertens, wann Jemand einen ihme anvertrauten, oder sonst zu Handen gekommenen letzten Willen wissentlich über sechs Wochen nach der von dem Absterben des Erblassers erhaltenen Kundschaft ohne erheblichen Ursachen bei sich vorenthalten, und dem Gericht nicht ausgefolget, oder solchen gar vertuschet, unterdrucket und zu vernichten unternommen hätte, und dieses hernach auf ihn erwiesen würde.

[2, 19, § 3] 21. Fünftens, wann der in einem letzten Willen Bedachte solchen für sich und zu seinem eigenen Vortheil, nicht aber etwan für Andere, deren Vertretung ihme von amtswegen oblieget, mittelst der Klage der Nichtigkeit oder Unpflichtmäßigkeit umzustoßen trachtet, und hernach sachfällig würde, insoferne er vor der richterlichen Erkanntniß von dem Rechtsstritt nicht ehender abließe, obschon der Erblasser aus diesem Fall die Clausel der Verlustigung nicht beigesetzet hätte.

[2, 19, § 3] 22. Sechstens, wann der Bedachte den letzten Willen übertritt, und deme,

(2-372) was ihme darinnen auferleget worden, nicht nachkommt, sondern sich ungehorsam und widerspänstig erzeiget.

§. IV.

[2, 19, § 4] 23. Andere Verbrechen machen Jemanden des ihme Zugedachten unwürdig, wann sie also beschaffen sind, daß sie die Todesstrafe, die Ehrlosigkeit, oder den Verlust Hab und Guts nach sich ziehen, weswegen der Bedachte, ehe und bevor ihme noch die Erbschaft oder das Vermächtniß angebühret, angefertiget worden.

[2, 19, § 4] 24. Wo aber die Anfertigung wegen eines Verbrechens, welches Jemanden sonst unwürdig machte, erst nach schon zugefallener Erbschaft oder Vermächtniß erfolgete, wirket das hernach ergehende Urtheil die Unwürdigkeit nicht mehr, obschon in dem Fall der verhängten Einziehung seiner Güter auch das, was ein solcher Uebelthäter aus einem letzten Willen zu beziehen hätte, an Unsere Kammer verfallt.

(2-373)

Caput XX.

Von der rechtlichen Erbfolge.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von der rechtlichen Erbfolge überhaupt.

§. I. Von der Natur und Eigenschaft der rechtlichen Erbfolge, und wann solche statt habe. §. II. Von denen Grundsätzen der verschiedenen Ordnungen der rechtlichen Erbfolge. §. III. Von der Art und Weis der rechtlichen Erbfolge bei Zusammentreffung mehrerer nächsten Erben. §. IV. Von dem Eintretungsrecht der Kinder an Platz ihrer verstorbenen Eltern.

§. I.

[2, 20, § 1] Num 1. Die zweite Hauptgattung der Erbfolge ist die rechtliche, welche in Ermanglung der letztwilligen aus Vorsehung Unserer Gesetzen eintritt, und von daher die rechtliche Erbfolge genennet wird, weilen sie nicht, wie die letztwillige aus Anordnung des Erblassers, sondern unmittelbar aus Anordnung des Rechts selbst entspringet.

[2, 20, § 1] 2. Sie hat demnach nur damals statt, wann die letztwillige Erbfolge ganz oder zum Theil ermanglet. Ganz ermanglet dieselbe, wann der Erblasser gar kein Testament aufgerichtet hätte, oder das aufgerichtete entweder gleich Anfangs null und nichtig, oder doch in der Folge entkräftet und vernichtet worden wäre, wie alle diese Fälle oben in dem achtzehenten Capitel beschrieben worden.

(2-374) [2, 20, § 1] 3. Zum Theil ermanglet die letztwillige Erbfolge, wann zwar ein rechtsgiltiges Testament vorhanden wäre, dieses aber entweder sich nur auf einen Theil der Verlassenschaft erstreckete, oder zum Theil wegen Abgangs, Unfähigkeit oder Unwürdigkeit des eingesetzten Miterbens, oder wegen seiner Entschlagung der Erbschaft, oder wegen ermanglender Bedingniß nicht zur Wirkung käme.

[2, 20, § 1] 4. In diesen Fällen trifft bei einerlei Verlassenschaft die rechtliche mit der letztwilligen Erbfolge zusammen, und Alles, worüber die ausdrückliche Anordnung des Erblassers entweder gleich Anfangs ermanglet, oder in der Folge unwirksam wird, fallt in der oben in zwölften Capitel, §. III, bestimmten Maß denen nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zu.

[2, 20, § 1] 5. Der Fall der letztwilligen Erbfolge setzet allemal das Dasein eines rechtsgiltigen Testaments voraus, welches niemalen vermuthet wird, sondern jederzeit rechtsbehörig erwiesen werden muß, in dessen Entstehung die nächsten Erben nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft zuzulassen sind, so lange kein zu Recht bestehendes letztwilliges Geschäft hervorkommet.

[2, 20, § 1] 6. Die rechtliche Erbfolge begreift fünf Ordnungen, als: Erstens der Absteigenden, zweitens der Aufsteigenden, drittens der Seitenverwandten, viertens der Eheleuten, fünftens Unserer Kammer, wornach gegenwärtiges Capitel in sechs Artikeln abgetheilet, und in diesem ersten von allen diesen Ordnungen überhaupt, in denen fünf folgenden aber von deren jedweder insonderheit gehandlet wird.

§. II.

[2, 20, § 2] 7. Diese fünf Ordnungen rühren aus zweierlei Ursachen her, und zwar die drei ersteren aus dem Recht des Geblüts, und dem darinnen sich gründenden vermutheten Willen des Erblassers, daß er sein Hab und Gut, worüber derselbe seinen gegentheiligen Willen nicht rechtsbehörig erkläret, ober der erklärte unwirksam wird, nach seinem Tod Denjenigen habe zukommen lassen wollen, die ihme nach dem Blutband zum nächsten verwandt sind.

[2, 20, § 2] 8. Gleichwie dahero zwischen Verschwägerten keine Blutsverwandtschaft fürwaltet, also kann auch bei denenselben dieser vermuthete Willen nicht statt haben, und giebt somit die Schwägerschaft kein Recht zur Erbfolge, sondern nur das Blutband allein.

[2, 20, § 2] 9. Die zwei letzteren Ordnungen hingegen haben bloß die aus einer erheblich befundenen Ursache herfließende Vorsehung Unserer Gesetzen zum Grund; als die Erbfolge der Eheleuten die Rucksicht der Billigkeit und Anständigkeit, damit ein bei Lebzeiten, oder durch letzten Willen unversorgter Ehegatt aus der Verlassenschaft des Anderen versorget, und nicht zum Spott und Schande des Verstorbenen in Noth und Elend zu schmachten bemüßigt werde; endlich aber in Abgang all anderer Erben tritt Unsere Kammer aus dem Uns über erblose Güter zustehenden Recht an Erbens statt ein.

(2-375) [2, 20, § 2] 10. In denen drei Ordnungen der Blutsverwandtschaft solle allemal zuerst auf die nähere Reihe oder Linie, und hernachmals, wo mehrere Personen in einerlei Ordnung oder Linie einkommen, auf die nähere Staffel oder Grad der Verwandtschaft gesehen werden. Was aber durch Linien oder Reihen sowohl, als durch Grade oder Staffeln verstanden werde, und wie vielerlei Linien in dem ganzen Begriff der Verwandtschaft vorkommen, dann wie die Nähe oder der Abstand der Verwandtschaft zu berechnen seie, dieses alles ist bereits oben im ersten Theil, in der Abhandlung von der Verwandtschaft ausführlich erkläret worden.

[2, 20, § 2] 11. Unter allen die erste und nächste ist die Reihe oder Ordnung der Absteigenden, welche, solange Jemand aus derselben vorhanden ist, alle Aufsteigende und Seitenverwandten ausschließt, und sonst Niemanden, als den hinterlassenen unversorgten Ehegatten in dem ihme von Unseren Gesetzen angewiesenen Antheil zur Erbschaft mit zuläßt.

[2, 20, § 2] 12. Nach dieser folget die zweite Reihe oder Ordnung der Aufsteigenden, welchen die Erbschaft in Abgang der Absteigenden mit denen Brüdern und Schwestern des Verstorbenen, und des vorgestorbenen Geschwisters nachgelassenen eheleiblichen Kindern ersten Grads zufallt.

[2, 20, § 2] 13. Sind aber weder Absteigende noch Aufsteigende vorhanden, so gehet der Erbanfall auf die dritte Reihe oder Ordnung der Seitenverwandten ohne Unterschied, sie mögen nach dem Manns- oder Weibsstammen verwandt sein.

[2, 20, § 2] 14. Die vierte Ordnung der Eheleuten ist nur auf einen gewissen unten ausgemessenen Antheil des Vermögens beschränket, und trifft nicht allein mit denen vorhergehenden dreien Ordnungen, sondern auch bei erbloser Verlassenschaft mit Unserer Kammer, und sogar mit der letztwilligen Erbfolge dergestalten zusammen, daß allemal dem nachgebliebenen unversorgten Ehegatten in Ermanglung eines Heirathsbriefs der ihme von Unseren Gesetzen bescheidene Antheil hinausgebühre, die Erbschaft möge weme immer zufallen.

[2, 20, § 2] 15. Endlich, wo der Erblasser weder Absteigende, weder Aufsteigende, noch Seitenverwandten hinterlassen, oder die Hinterlassenen zur Erbschaft nicht gelangen könnten oder wollten, und also seine Verlassenschaft erblos ist, solle solche zu Handen Unserer Kammer eingezogen werden, welche aber, so lange ein erbsfähiger Anverwandter, der sich der Erbschaft annehmen will, vorhanden ist, ausgeschlossen bleibt.

[2, 20, § 2] 16. Doch allemal mit Vorbehalt des von der Verlassenschaft abzuziehen kommenden Abschaff- oder Abfahrtgelds, welche die Erben in denen nach Inhalt Unserer bestehenden anderweiten Satz- und Ordnungen bestimmten Fällen Uns oder Jenen, welche von Uns hierzu besonders berechtiget sind, zu entrichten haben.

§. III.

[2, 20, § 3] 17 Wann mehrere Personen von einer Linie oder Ordnung, welche zur Erbfolge die nächste ist, vorhanden sind, solle allemal darauf gesehen werden, welche vor dem Anderen in dieser Linie dem Erblasser zum nächsten verwandt ist, also daß in der nemlichen Linie der Nähere den Weiteren außer dem Vorstellungsrecht, wodurch die Weiteren an die Stelle der Näheren eintreten, allzeit ausschließe, folgsam der nähere Grad der Verwandtschaft auch ein vorzüglicheres Recht zur Erbfolge wirke.

[2, 20, § 3] 18. Der Nächste aber ist jedesmal der, welchem Niemand vorgehet, obschon derselbe in einem weiteren Grad, als in dem ersten verwandt, aber auch nach ihme kein weiterer Befreundter am Leben wäre, woferne nur derselbe Keinen vor seiner hat, welcher dem Erblasser näher befreundt ist.

[2, 20, § 3] 19. Unter den Nächsten werden nicht nur allein diese verstanden, welchen an und für sich selbst kein Näherer vorgehet, sondern auch aus dem vorbesagten Vorstellungs- oder Eintretungsrecht die Kinder jener Vorgestorbenen, welche mit denen Lebenden dem Erblasser in gleichen Grad derjenigen Linie oder Ordnung verwandt

(2-376) waren, worinnen Wir dasselbe nach der in dem gleich nachfolgenden §. gebenden Richtmaß platzgreifen lassen.

[2, 20, § 3] 20. Die Nähe der Verwandtschaft kann jedoch in keinem anderen Zeitpunkt als des auf die nächsten Erben gehenden Erbanfalls beurtheilet werden, Diese Zeit ist in Ermanglung eines rechtsgiltigen Testaments, oder auch bei dessen Dasein in Ansehung desjenigen Theils der Verlassenschaft, worüber der Erblasser nicht geordnet hat, der Augenblick seines Absterbens.

[2, 20, § 3] 21. Dahingegen in dem Fall eines vorhandenen an sich zwar rechtsgiltigen, doch wegen Erbsunfähigkeit oder Ausschlagung des eingesetzten Erbens erblos gewordenen, folglich ganz oder zum Theil unwirksamen Testaments derjenige Zeitpunkt, in welchem der Erbtheil des eingesetzten Erbens erlediget worden.

[2, 20, § 3] 22. Es kann sich demnach in diesem letzteren Fall ergeben, daß, wer zur Zeit des Tods des Erblassers als ein weiterer Anverwandter von der Erbfolge durch einen Näheren ausgeschlossen gewesen wäre, nachhero gleichwohlen bei erblosen Testament nach mittlerweiligen Abgang des Näheren zur Erbschaft gelange.

[2, 20, § 3] 23. Dann der Erbanfall aus der rechtlichen Erbfolge kann nicht ehender auf die nächsten Erben gehen, als bis nicht die Ermanglung der letztwilligen Erbfolge gewiß und verläßlich ist. Diese kann aber nicht gewiß sein, solange noch das Testament bestehet.

[2, 20, § 3] 24. Sind mehrere Personen von der nächsten Linie in gleichem Grad vorhanden, also daß von ihnen keine näher und keine weiter, sondern alle dem Erblasser gleich verwandt wären, so erben sie alle nach denen Häuptern, das ist nach der Anzahl der Personen, dergestalten, daß von der Erbschaft so viele Theile gemacht werden, als Personen sind.

[2, 20, § 3] 25. Doch bleibt von dieser Regel der unten seines Orts berührte alleinige Fall ausgenommen, wo mehrere Absteigende weiteren gleichen Grads von verschiedenen Stämmen zur Erbschaft eines Aufsteigenden gelangen, als da lauter Enkeln von mehreren vorgestorbenen Söhnen und Töchtern ihre Großeltern oder lauter Urenkeln von mehreren vorgestorbenen Enkeln ihre Urgroßeltern, und so weiters erben.

[2, 20, § 3] 26. In diesem Fall sowohl, als auch da mehrere Personen von ungleichen Grad in der Erbfolge zusammentreffen, welches durch das gleich hiernach erklärende Eintretungs- oder Vorstellungsrecht geschieht, wodurch die Weiteren an die Stelle der vorgestorbenen Näheren, von welchen sie abstammen, eintreten, und den Grad der Vorgestorbenen vorstellen, erben sie nach den Stämmen, also daß die Vorstellenden nicht mehr bekommen, als Jener, den sie vorstellen, auf seinen Antheil erhalten hätte, wann er an Leben wäre.

§. IV.

[2, 20, § 4] 27. Dieses Eintretungs- oder Vorstellungsrecht ist eine in der Billigkeit gegründete Vorsehung Unserer Gesetze, wodurch die Kinder an die Stelle ihrer vorgestorbenen Eltern eintreten, und aus dem Recht und der Person ihrer Eltern mit Jenen, die dem Verstorbenen mit diesen in gleichem Grad verwandt waren, zu demjenigen Erbtheil, welcher ihren Eltern angebühret hätte, zugelassen werden.

[2, 20, § 4] 28. Damit aber dieses Eintretungs- oder Vorstellungsrecht statthaben könne, erforderet es allemal die Zusammentretung näherer Verwandten mit weiteren, deren Eltern mit jenen gleich nahe verwandt waren, widrigens, und da Alle in weiteren Grad gleich verwandt wären, bedarf es keiner Eintretung am Platz des näheren, weilen solchergestalten alle aus ihrem eigenen Recht, und nicht aus dem Recht des Anderen erben.

[2, 20, § 4] 29. Es hat jedoch auch diese Vorsehung ihr Ziel und Maß, und bestehet nur allein in der Reihe und Ordnung der Absteigenden ohne einiger Beschränkung fort und fort, also daß wo in einer Linie dieser Ordnung der Absteigende keinen

(2-377) Näheren vor seiner hat, derselbe jeglichwohlen (!) 8= jegleichwohlen= mit denen Näheren von anderen Linien zu einem solchen Antheil gelange, welcher Jenem, den er in seiner Linie vorstellet, zugekommen wäre.

[2, 20, § 4] 30. Dahingegen hat dieses Recht in der Reihe oder Ordnung der Aufsteigenden niemahlen statt, maßen es wider die Natur liefe, daß der Vater seinen Sohn vorstellen solle. In der Reihe oder Ordnung der Seitenverwandten aber hat es allein bei denen Bruders- oder Schwesterkindern ersten Grads, wann sie mit denen Brüdern oder Schwestern ihrer verstorbenen Eltern zusammentreffen, und nicht weiter seine Wirkung.

Zweiter Artikel.

Von der Erbfolge der Absteigenden.

§. V. Von der Erbfolge eheleiblicher Kinder. §. VI. Von Zusammentreffung mehrerer Absteigenden von ungleichen Staffeln oder Graden. §. VII. Von der Erbfolge angewunschener Kinder. §. VIII. Von der Erbfolge der unehelichen Kinder. §. IX. Von der Erbfolge der außer der Ehe erzeugten, nachher aber rechtmäßig gemachten Kinder. §. X. Von Ausschließung der Absteigenden von der Erbfolge.

§. V.

[2, 20, § 5] 31. Die erste Ordnung der rechtlichen Erbfolge ist der Absteigenden oder eheleiblichen Kindern, als Söhnen, Töchter, Enkeln und Urenkeln, und so fort, so lange Jemand in dieser Linie vorhanden ist, welche zu der Verlassenschaft ihrer Eltern, als Vaters, Mutter, Großvaters oder Aehns, Urgroßvaters oder Urähns, und so weiter den ersten und nächsten erblichen Zutritt haben.

(2-378) [2, 20, § 5] 32. Und dieses ohne Unterschied der Geburt, sie mögen bei Absterben des Erblassers schon geboren sein, oder erst nach seinem Tod in der rechten Zeit geboren werden, auch insgemein ohne Unterschied des Geschlechts, sie mögen Söhne und Enkeln, oder Töchter und Enklinnen sein.

[2, 20, § 5] 33. Nicht weniger ohne Unterschied der Voll- oder Halbbürtigkeit, ob sie nämlich von einerlei Vater und Mutter, oder nur von einem Vater, nicht aber von einer Mutter, oder gegentheils nur von einer Mutter, nicht aber von einem Vater sind, wann nur derjenige Elterntheil, welchen sie erben, ihr allseitiger gemeiner Aufsteigender ist, sie mögen unter sich zweibändige oder einbändige Geschwister sein.

[2, 20, § 5] 34. Ferners ohne Unterschied des Grads, sie mögen Absteigende im ersten oder weiteren Grad, oder was eben so viel sagen will, Söhne oder Enkeln, Töchter oder Enklinnen sein, wann nur ihnen in ihrer Linie Niemand vorgehet; widrigens werden in der nämlichen Linie die Weiteren von denen Näheren ausgeschlossen.


(2-379) Also schließt der Sohn den von ihm erzeugten Enkel von der Verlassenschaft seines Vaters aus.

[2, 20, § 5] 35. Um so mehr schließen dieselben alle andern Linien, sowohl der Aufsteigenden, als der Seitenverwandten ihrer verstorbenen Eltern gänzlich aus, und die gesammte Verlassenschaft fallt außer dem hiervon dem nachgebliebenen unversorgten Ehegatten beschiedenen Antheil ihnen allein zu.

[2, 20, § 5] 36. Ist nur ein Sohn oder eine Tochter vorhanden, ohne daß Absteigende weiteren Grads von vorgestorbenen Söhnen oder Töchtern hinterlassen worden wären, so gebühret auch dem Sohn oder der Tochter die ganze Erbschaft allein.

[2, 20, § 5] 37. Sind aber mehrere Kinder ersten Grads, das ist Söhne und Töchter, so erben sie insgemein das frei vererbliche, liegende und fahrende, in was immer bestehende Vermögen zu gleichen Theilen nach den Häuptern, oder nach der Zahl ihrer Personen, also daß von der Erbschaft so viele Theile gemacht werden sollen, als Personen sind.

[2, 20, § 5] 38. Nur allein bei Personen Herren- und Ritterstandes, welche in einem Unserer deutschen Erblanden das Recht der Landmannschaft wirklich erworben haben, bestehet die bereits oben in dem vierzehenten Capitel, von dem Pflichttheil, §. II erwähnte besondere Begünstigung des absteigenden Mannsstammes vor dem weiblichen, daß nach dem Vater, väterlichen Groß- und Urgroßvater, und weiteren väterlichen männlichen Aufsteigenden von ihrer Verlassenschaft denen Söhnen und ihren hinterlassenen Enkeln und Urenkeln ein größerer Theil vor denen Töchtern, Enklinnen und Urenklinnen zuzukommen habe.

[2, 20, § 5] 39. Wir wollen und ordnen daher, daß, wo nach einer Mannsperson höheren Standes, welche in einem Unserer deutschen Erblanden das Recht der Landmannschaft gehabt hat, Absteigende von beiderlei Geschlecht, entweder ersten oder auch weiteren Grads von Manns- und Weibsstammen hinterlassen worden, das gesammte frei vererbliche, liegende und fahrende Vermögen in vier gleiche Theile getheilt werden solle.

[2, 20, § 5] 40. Hiervon gebühren denen Söhnen, einem oder mehreren, und denen von ihnen hinterlassenen Enkeln oder Urenkeln drei Theile; denen Töchtern aber, einer oder mehreren, und denen von ihnen nachgebliebenen Enkeln und Enklinnen, oder auch denen alleinigen Enklinnen nach Söhnen nur ein Theil, folglich das Viertel der ganzen Erbschaft.

[2, 20, § 5] 41. Sind demnach Söhne und Töchter vorhanden, so erben sowohl die Söhne ihre drei Theile, als die Töchter ihren vierten Theil miteinander zu gleichen Theilen nach denen Häuptern, oder nach Anzahl ihrer Personen, dergestalten jedoch, daß, gleichwie die drei Theile lediglich denen Söhnen, also auch der vierte Theil einzig und allein denen Töchtern angebühre, und somit ein jeder Antheil in eine besondere Theilung gelegt werden müsse.

[2, 20, § 5] 42. Dieser Antheil der Töchter wird nicht vermehret, wann gleich noch so viele Töchter wären, unter welchen solcher zu vertheilen käme; gleichwie dann auch derselbe nicht verminderet werden solle, obschon wegen ungleich größerer Anzahl der Söhnen auf eines Sohnes Antheil von denen drei Vierteln nicht mehr, sondern eben so viel, als von dem einem Viertel auf einer Tochter Antheil ausfiele, welches sich allzeit damals ereignet, wann die Anzahl der Söhnen dreimal so groß ist, als die Anzahl der Töchter, wie z.B. da nur eine Tochter und drei Söhne wären.

[2, 20, § 5] 43. Wohl aber kommt es in jenem Fall von dem sonst für die Töchter eines Landmannes allein gewidmeten Viertel ab, wann die Anzahl der Söhne jene der Töchter mehr dann dreimal überstiege, also daß von denen drei Vierteln auf den Antheil eines Sohnes nicht so viel ausfiele, als von dem einen Viertel auf den Antheil einer Tochter, als da vier Söhne und eine Tochter wären. In solchem Fall solle die für allgemein eingeführte Erbfolgsordnung statt haben,

(2-380) und sowohl Söhne als Töchter, ohne Unterschied des Geschlechts zu gleichen Theilen erben.

[2, 20, § 5] 44. Desgleichen hat es auch damals bei dieser allgemeinen Erbfolgsordnung nach einem Landmann sein Bewenden, wann nach ihme nur Kinder einerlei Geschlechts, als nur ein oder mehrere Söhne, oder nur eine oder mehrere Söhne, oder nur eine oder mehrere Töchter allein hinterblieben.

§. VI.

[2, 20, § 6] 45. Wann Jemand neben Kindern ersten Grads, das ist neben Söhnen und Töchtern, auch Enkeln oder Enklinnen von vorgestorbenen Söhnen oder Töchtern hinterließe, treten dieselbe aus dem Vorstellungsrecht an Platz und die Stelle ihres verstorbenen Vaters oder Mutter, und erben nach den Stämmen so viel, als ihrem Vater oder Mutter, wann sie den Erbfall erlebet, gebühret hätte.

[2, 20, § 6] 46. Auf gleiche Art solle es mit den Urenkeln gehalten werden, also daß, wo der Erblasser Söhne und Töchter an einem, und von vorgestorbenen Söhnen und Töchtern Urenkeln am anderen Theil verließe, in diesem Fall die Urenkeln ebenmäßig in die Stelle, und das Recht ihres vorgestorbenen Großvaters oder Großmutter eintreten, und zusammen nicht mehr und nicht weniger erben, als ihr Großvater oder Großmutter, wann sie noch am Leben wären, bekommen hätten.

[2, 20, § 6] 47. Dieses Vorstellungsrecht hat auch damals statt, wann neben einem noch lebenden Sohn oder Tochter von dem anderen Enkeln, und von dem dritten Urenkeln, oder auch allein Enkeln von einem Sohn oder Tochter, und von dem anderen Urenkeln vorhanden wären, in welchen Fällen die Theilung nicht nach Anzahl der Personen, sondern nach denen Stämmen, das ist nach dem Stammrecht zu geschehen hat.

[2, 20, § 6] 48. Verläßt Jemand keine Söhne und Töchter, sondern allein Enkeln oder allein Urenkeln von einem Sohn oder Tochter, so erben dieselben nach den Häuptern oder nach Anzahl der Personen.

(2-381) [2, 20, § 6] 49. Sind aber allein Enkeln oder allein Urenkeln von mehreren Söhnen und Töchtern nachgeblieben, obschon sie alle in gleichen Grad sind, so erben sie doch nicht nach der Zahl der Personen, sondern nach dem Stammrecht, wornach die Erbschaft in so viele gleiche Stammtheile getheilt wird, als von so vielen Stämmen die Enkeln oder Urenkeln herrühren, ohne Rucksicht, ob von einem Stamme mehrere, und von dem anderen wenigere vorhanden sind. Was aber solchergestalten auf einen Stammtheil ausfallt, wird unter Jene, die von diesem Stammen in gleichen Grad absteigen, gleich vertheilet.

[2, 20, § 6] 50. Und dieses solle auch bei allen weiteren ehelichen Leibeserben in absteigender Linie fort und fort, soweit sich dieselbe erstrecket, auf gleiche Weise gehalten, und wo sie von einerlei Stammen in gleichen Gad herrühren, die Erbschaft nach den Häuptern, oder nach der Anzahl ihrer Personen, wo sie aber von mehrerlei Stämmen in gleichen oder ungleichen Grad absteigen, nach denen Stämmen oder dem Stammrecht unter ihnen getheilet, und hierbei in denen von ihren Eltern verlassenden Gütern kein Unterschied, woher und wie dieselben erworben oder gewonnen worden, gemacht werden.

[2, 20, § 6] 51. Doch hat bei Personen Herren- und Ritterstandes, welche zugleich in einem Unserer deutschen Erblande Landleute sind, nach dem Vater, väterlichen Groß- und Urgroßvater, und weiteren männlichen Aufsteigenden von des Vaters Seiten die dem Mannsstammen oben in Ansehung der Söhnen vor dem Weibsstammen zugewendete Begünstigung auch bei denen von Söhnen hinterlassenen Enkeln, Urenkeln und weiteren männlichen Absteigenden statt.

[2, 20, § 6] 52. Solchemnach soll es zwar auch, so viel es diese Personen insonderheit anbelanget, in folgenden dreien Fällen bei der vorgeordneten gemeinen Erbfolge sein gänzliches Bewenden haben, als: Erstens, wo Söhne und männliche Absteigende von Mannsstammen allein erben, als neben Söhnen lauter Enkeln oder Urenkeln von Söhnen, oder Enkeln von Söhnen entweder allein, oder mit Urenkeln von anderen Söhnen, oder auch diese allein.

[2, 20, § 6] 53. Zweitens, wo Töchter und Absteigende von Weibsstammen, sie seien männlich oder weiblich, allein nachgeblieben, als neben Töchtern lauter Enkeln und Enklinnen, oder Urenkeln und Urenklinnen von Töchtern, oder Enkeln und Enklinnen von Töchtern entweder allein, oder mit Urenkeln und Urenklinnen von anderen Töchtern, oder auch diese allein.

[2, 20, § 6] 54. Drittens, wo weibliche Absteigende von Mannsstammen entweder allein vorhanden sind, als Enklinnen oder Urenklinnen von Söhnen oder mit Töchtern, und denen vorbenannten Absteigenden von Weibsstammen zusammentreffen.

[2, 20, § 6] 55. Allein wo männliche Absteigende von Mannsstammen mit Töchtern, und Absteigenden von Weibsstammen, oder auch männliche von einem und weibliche Absteigende von anderen Mannsstammen zusammentreffen, gebühren denen männlichen Absteigenden von Mannsstammen allemal drei Viertel, denen weiblichen Absteigenden hingegen, diese mögen von Mannsstammen oder Weibsstammen herrühren, nur ein Viertel der ganzen Verlassenschaft.

[2, 20, § 6] 56. Als da nach einem Landmann einerseits ein oder mehrere Söhne oder Enkeln, oder Urenkeln von Söhnen allein, oder zusammen, und andererseits eine oder mehrere Töchter, oder Enkeln und Enklinnen, oder Urenkeln und Urenklinnen von Töchtern, oder lauter Enklinnen und Urenklinnen von Söhnen allein oder zusammen hinterlassen worden.

[2, 20, § 6] 57. Dann in diesem letzteren Fall, wo auf einer Seite Söhne oder männliche Absteigende von Söhnen, und auf der anderen Seite lauter weibliche Absteigende von Söhnen mit oder ohne Töchtern, und Absteigenden von Töchtern zusammentreffen, solle in Ansehung der alleinigen Enklinnen oder Urenklinnen von Söhnen allemal dafürgehalten werden, als ob sie von einer Tochter, folglich von Weibsstammen absteigen.

(2-382) [2, 20, § 6] 58. Desgleichen wo von einem Mannsstammen männliche und weibliche Absteigende, das ist Enkeln und Enklinnen, oder Urenkeln und Urenklinnen von Söhnen vorhanden sind, ohne daß mit ihnen ein anderer Manns- oder Weibsstammen zusammentreffe, bekommen die Enkeln und Urenkeln von Sohn für sich drei Viertel, die Enklinnen und Urenklinnen von eben diesem Sohn aber ein Viertel der Erbschaft.

[2, 20, § 6] 59. Diese drei Viertel gebühren denen männlichen Absteigenden von Mannsstammen, sie mögen unter sich nach denen Stämmen, oder nach denen Häuptern erben, obschon wegen dreimal so großer Anzahl der Mannsstämmen auf deren einen von denen drei Theilen nicht mehr, sondern eben so viel, als von dem Viertel auf einen Weibsstammen ausfiele.

[2, 20, § 6] 60. Dahingegen wo die Anzahl der Mannstämmen mehr, dann dreimal größer wäre, als die Anzahl der Weibsstämmen, also daß einem männlichen Stammtheil von denen drei Vierteln nicht so viel, folglich weniger zukäme, als von dem Viertel einem weiblichen Stammtheil, solle in solchem Fall die ganze Erbschaft unter denen männlichen und weiblichen Absteigenden zu gleichen Stammtheilen vertheilet werden.

[2, 20, § 6] 61. Und diese gleiche Vertheilung solle auch damals nicht zwar nach den Stämmen, sondern nach den Häuptern beobachtet werden, wann nur allein von einem Sohn männliche und weibliche Absteigende in gleichen Grad vorhanden sind, deren Ersteren Anzahl die Zahl der Letzteren mehr dann dreimal überstiege.

[2, 20, § 6] 62.Wo aber einerseits von einem Mannsstammen männliche und weibliche Absteigende, das ist Enkeln und Enklinnen, oder Urenkeln und Urenklinnen von Söhnen, und andererseits andere Manns- oder Weibsstämmen zusammentreffen, solle der männliche Stammtheil der ersteren ebenmäßig in viel gleiche Theile geleget, und hiervon denen Enkeln und Urenkeln drei Viertel, denen Enklinnen und Urenklinnen aber ein Viertel zugetheilet werden, obgleich wegen dreimal so großer Anzahl der männlichen als der weiblichen Absteigenden ein Enkel oder Urenkel von denen drei Vierteln nicht mehr überkäme, als von dem Viertel einer Enklin oder Urenklin.

[2, 20, § 6] 63. Wann hingegen die Anzahl der männlichen Absteigenden von einem Sohn mehr dann dreimal größer wäre, als die Anzahl der weiblichen Absteigenden von eben demselben, und somit ein Enkel von denen drei Vierteln des Stammtheils auf seinen Antheil weniger erhielte, als eine Enklin von dem einem Viertel, so ist nicht minder, wie es bereits oben num. 60 in ganz gleichen Fall verordnet worden, der ganze Stammtheil unter alle, sowohl männliche als weibliche Absteigende, welche von diesen Stämmen herrühren, nach dem Unterschied des gleichen oder ungleichen Grads entweder nach denen Häuptern, oder nach denen Stämmen gleich zu vertheilen.

[2, 20, § 6] 64. Außerdeme, wo vorgedachter Maßen von einem Mannsstammen männliche und weibliche Absteigende herrühren, wird sowohl der männliche Stammtheil unter männlichen Absteigenden, als der weibliche Stammtheil unter Töchtern, und von ihnen hinterlassenen männlichen und weiblichen Absteigenden, dann von Söhnen allein nachgebliebenen weiblichen Absteigenden nach denen oben festgesetzten gemeinen Regeln entweder, wo sie von einerlei Stammen in gleichen Grad herrühren, nach denen Häuptern, das ist nach Anzahl ihrer Personen, oder wo sie von mehrerlei Stämmen in gleichen oder ungleichen Grad absteigen, nach denen Stämmen oder nach dem Stammrecht vertheilet.

[2, 20, § 6] 65. Dadurch aber, daß von einem männlichen Stammtheil durch dessen Untertheilung zwischen mehreren von diesem Stammen absteigenden Personen ein männlicher Absteigender auf seinen Theil weniger bekommt, als von dem weiblichen Stammtheil ein weiblicher Absteigender, leidet deswegen der weibliche Stammtheil keinen Abbruch, sondern es hat nichtsdestoweniger bei dem darzu obausgemessenen vierten Theil sein Verbleiben, solange solcher das Verhältniß der männlichen Stammtheilen nicht übersteiget.

(2-383) [2, 20, § 6] 66. Gleichwie nun Wir solchergestalten denen Töchtern und weiblichen Absteigenden der Landleuten auch in dem Fall, wo Söhne und männliche Absteigende von Mannsstammen vorhanden sind, aus der väterlichen, groß- und urgroßväterlichen Verlassenschaft, wovon sie nach denen bisherigen Gesetzen und Gewohnheiten ausgeschlossen waren, einen besonderen Erbtheil hiermit eigends zuwenden und anweisen, also wollen Wir in Gegentheil für alle künftige Fälle, wo sie zu diesem ihren Erbtheil gelangen, die Söhne und ihre männlichen Absteigende von der ihnen sonst nach eben diesen vorigen Gesetzen und Landesbräuchen obgelegenen standesmäßigen Unterhaltung und Ausstattung derselben völlig entbunden, und auf allzeit ledig und losgezählet haben.

[2, 20, § 6] 67. Wohingegen sie in Ansehung jener noch unversorgten weiblichen Absteigenden, die vor Einführung dieses Unseren neuen Gesetzes nach denen vorherigen Rechten von der Erbschaft ihres Vaters, Groß- oder Urgroßvaters gänzlich ausgeschlossen, und für verziehen gehalten worden, dieser Schuldigkeit nach Maß und Vorschrift der vorigen Gesetzen und Landesgewohnheiten nach wie vor nachzukommen haben.

[2, 20, § 6] 68. Belangend aber die von ihrem Vater, Groß- oder Urgroßvater allschon vor diesem neuen Gesatz (es seie durch eine anständige Heirath, oder durch Eintritt in ein Kloster oder sonst durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen) nach denen vorigen Gesetzen und Gewohnheiten standesgemäß versorgte und ausgestattete Töchter, Enklinnen oder Urenklinnen, diese sollen an der väterlichen, groß- oder urgroßväterlichen Verlassenschaft da, wo Söhne oder männliche Absteigende von Söhnen vorhanden sind, auch nach diesem neuen Gesatz nichts mehr anzuforderen haben.

[2, 20, § 6] 69. Und da eine oder mehrere Töchter oder Enklinnen vor diesem neuen Gesatz allbereits versorget worden wären, andere aber sich noch nach diesem neuen Gesatz unversorgt befänden, so solle denen noch unversorgten Töchtern und Enklinnen in Zusammentreffung des Mannsstammens gleichwohlen für ihren Erbtheil nichts Mehreres gebühren, als was von dem vierten Theil, wann die Versorgten miterbeten, auf ihren Antheil ausfällt, das Uebrige aber, so viel nemlich der Antheil der schon Versorgten beträgt, gehet denen Söhnen und denen männlichen Absteigenden von Söhnen zu Guten.

[2, 20, § 6] 70. Mit diesem vierten Theil sollen die nach Landleuten hinterlassene Töchter, Enklinnen und die von ihnen absteigen, wann männliche Absteigende vorhanden sind, von der Erbschaft ihres Vaters, väterlichen Groß- und Urgroßvaters dergestalten abgefertigt sein, daß sie weder an deren Verlassenschaft etwas Mehreres anzusuchen, weder von denen Söhnen und deren männlichen Absteigenden einige Unterhaltung und Ausstattung anzuforderen, noch auch sich eines Ruckschreitungsrechts zu besagter Verlassenschaft auf dem Fall des ausgehenden Mannsstammens anzumaßen befugt sind, als welches Recht Wir bereits oben in vierzehnten Capitel, §. II, von num. 36 bis 38 gänzlich eingestellet und aufgehoben haben.

[2, 20, § 6] 71. Es ist auch hierbei zwischen denen vor oder nach Erwerbung der Landmannschaft erzeugten Kindern kein Unterschied, sondern so eine, als die anderen erben nach der oben nach Landleuten vorgeschriebenen Erfolgsordnung (!) (= Erbfolgsordnung).

[2, 20, § 6] 72. Dahingegen hat nach Standespersonen, welche vorbesagter Maßen keine wirkliche Landleute sind, und das Recht der Landmannschaft oder des sogenannten Incolat in keinem Unserer deutschen Erblanden erworben haben, kein Unterschied zwischen dem Manns- und Weibsstammen, sondern die gemeine Erbfolgsordung statt.

[2, 20, § 6] 73. Desgleichen höret auch bei Landleuten nach der Mutter, mütterlichen Groß- und Urgroßeltern, dann der väterlichen Groß- und Urgroßmutter, und allen weiblichen Aufsteigenden von der Vatersseite diese besondere Begünstigung der männlichen Absteigenden vor denen weiblichen völlig auf, und erben ohne Unterschied alle gleich nach der gemeinen Erbfolgsordung entweder nach den Häuptern, oder nach den Stämmen.

(2-384) [2, 20, § 6] 74. Es ist solchemnach lediglich auf die Eigenschaft des Vaters oder der väterlichen Aufsteigenden zu sehen, ob er Landmann gewesen seie oder nicht, folglich ob nach ihme die allgemeine oder besondere Erfolgsordnung statt habe, nicht aber auf die Eigenschaft der Güter, sondern diese mögen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich sein, so solle doch nach einem Landmann in allen Gütern ohne Unterschied, ob sie beweglich oder unbeweglich, und in demjenigen Land, wo der verstorbene Landmann ware, oder in einem anderen Land gelegen sind, die für die Landleute in der absteigenden Linie eingeführte besondere Erbfolgsordnung, gleichwie nach Jenen, die keine Landleute sind, die gemeine Erbfolgsordung beobachtet werden.

§. VII.

[2, 20, § 7] 75. Die angewunschene, oder an Kindesstatt angenommene Kinder haben an der Verlassenschaft ihres Wahlvaters außer dem ihnen nach Maßgebung dessen, was davon im ersten Theil, in der Abhandlung von der väterlichen Gewalt geordnet worden, von demselben zur Zeit ihrer Anwünschung oder Annehmung an Kindesstatt ausgewiesenen Antheil keinen Anspruch.

[2, 20, § 7] 76. Wann demnach der Wahlvater ohne letzten Willen verstirbt, verbleibt nur dieser Antheil dem Wahlkind, seine übrige Verlassenschaft aber fallt denen nächsten Erben nach dem Band der Blutsverwandschaft zu, gleichwie gegentheils dieser dem Wahlkind aus dem Vermögen des Wahlvaters bei dessen Anwünschung bestimmte Antheil nicht vermindert wird, obschon der Wahlvater nachhero eheleibliche Kinder überkommen hätte.

[2, 20, § 7] 77. Dieses und kein mehreres Recht, als zu diesem Antheil haben auch die von einem Wahlkind nachgebliebenen Kinder, Enkeln, Urenkeln, und weitere Absteigende an der Erbschaft des Wahlvaters, wann solchen ihr Vater, Groß- oder Urgroßvater nicht schon bei Lebzeiten bekommen hätte.

[2, 20, § 7] 78. Umsomehr ist ein Wahlkind mit allen seinen Absteigenden von der Erbschaft sowohl der Aufsteigenden seines Wahlvaters, als der Wahlmutter und ihrer Aufsteigenden, dann beiderlei Seitenverwandten gänzlich ausgeschlossen, dahingegen behält dasselbe alle Rechten seines eigenen Geschlechts und Verwandtschaft.

§. VIII.

[2, 20, § 8] 79. Uneheliche Kinder sind gänzlich von der Erbfolge sowohl nach ihrem natürlichen Vater, als nach ihrer natürlichen Mutter ausgeschlossen, aus deren jedweden Verlassenschaft ihnen nichts Mehreres, als der Unterhalt gebühret, welcher oben in zwölften Capitel, §. II, num. 24 in Ermanglung eheleiblicher Kinder auf den sechsten, wo aber eheleibliche Kinder vorhanden sind, auf den zwölften Theil der gesammten Verlassenschaft bestimmet worden, wann ihnen nicht etwas Wenigeres

(2-385) von dem Verstorbenen, es seie bei Lebzeiten, oder durch letzten Willen angewiesen worden wäre.

[2, 20, § 8] 80. Und dieses ohne Unterschied, ob die Ehe zwischen ihren natürlichen Eltern habe bestehen können, oder ob sie aus einem Ehebruch, Blutschande, oder aus was immer für einer verbotenen Vermischung erzeuget worden.

[2, 20, § 8] 81. Diese Schuldigkeit zur Unterhaltung derlei unehelicher Kinder erstrecket sich jedoch nicht weiter, als auf die natürliche Mutter, und den erweislichen natürlichen Vater, keineswegs aber auf die eine oder anderseitige weitere Aufsteigende, als welchen durch das Vergehen ihrer Kinder keine Last und Bürde zugezogen werden kann.

§. IX.

[2, 20, § 9] 82. Unehelich erzeugte, nachhero aber durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordene Kinder werden in dem Erbfolgrecht nach ihren Eltern und weiteren Aufsteigenden denen ehelich geborenen Kindern vollkommen gleichgehalten.

(2-386) [2, 20, § 9] 83. Aus einer vermeintlichen, und mit guten Glauben wenigstens des einen Eltertheils für rechtmäßig gehaltenen Ehe erzeugte Kinder haben nur damals das Erbfolgrecht nach ihren Eltern, wann sie zur Zeit des Erbanfalls insgemein für ehelich und rechtmaßig geachtet werden, und sonst keine andere rechtmäßige eheleibliche Kinder vorhanden sind, welche ihnen solches bestreiten.

[2, 20, § 9] 84. Dahingegen, wo entweder noch vor Zeit des Erbanfalls die Giltigkeit der Ehe, woraus sie erzeugt worden, angefochten, und solche nachher für ungiltig erkennet, oder auch nach der Zeit des Erbanfalls ihre unrechtmäßige Geburt von denen nachgebliebenen rechtmäßigen eheleiblichen Kindern erwiesen würde, haben selbe außer dem in gleichvorhergehenden §. für uneheliche Kinder ausgemessenen Unterhalt an der Erbschaft ihrer Eltern nichts zu fordern, obschon nach dem Tod des einen Eltertheils oder auch beider Eltern die Hinderniß, wegen welcher zwischen ihnen die Ehe nicht bestehen können, durch die geistige Gewalt auch aus der Wurzel gehoben würde.

(2-387) [2, 20, § 9] 85. Auch jene unehelich erzeugte Kinder, welche von Uns aus höchster Machtsvollkommenheit für rechtmäßig erkläret werden, erhalten anmit kein Recht zur Erbfolge nach ihren Eltern, wann ihnen solches in Unserem Rechtmäßigungsbrief nicht wortdeutlich verliehen worden; außerdeme gebühret ihnen aus der Verlassenschaft ihrer Eltern lediglich der Unterhalt.

[2, 20, § 9] 86. Wo aber auch die von Uns erwirkte Rechtmäßigung derlei unehelicher Kinder ihnen das Erbfolgrecht nach einem oder beiden Elterntheilen ausdrücklich zueignete, so ist doch solches über den buchstäblichen Inhalt Unseres Gnadenbriefs auf die weitere Aufsteigende und Seitenverwandten nicht zu erstrecken.

§. X.

[2, 20, § 10] 87. Nur allein denen ehelich erzeugten, oder durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordenen Kindern gebühret des Recht der Erbfolge nach ihren Aufsteigenden ohne Unterschied, wann sie sonst hierzu nicht unfähig sind, oder sich derselben nicht unwürdig gemacht haben.

[2, 20, § 10] 88. Wegen der Unfähigkeit hat es überhaupt bei deme sein Bewenden, was davon oben in zwölften Capitel, §. II, geordnet worden; unwürdig aber machen sich dieselbe der rechtlichen Erbfolge nur aus einer solchen gegen ihre Eltern begangenen Undankbarkeit, welche sie zu ahnen, und ihr undankbares Kind zu enterben nicht mehr im Stande waren.

[2, 20, § 10] 89. Als da ein ungerathenes Kind seinen Vater, oder Mutter, oder weiteren Aufsteigenden, um dessen Erbfolge es zu thun ist, um das Leben bringt, oder durch andere darum bringen läßt, oder sie in ihrer Unsinnigkeit oder einem solchen Zustand, worinnen sie ein letztwilliges Geschäft zu errichten nicht vermögen, verläßt und verwahrloset.

[2, 20, § 10] 90. Ferners wo ein Kind seine Eltern oder weitere Aufsteigende ihren letzten Willen zu errichten, oder den schon errichteten zu änderen, gefährlicher oder gewaltthätiger Weise verhinderet, oder sie zu Errichtung eines letzten Willens durch List einführet, oder mit Gewalt zwinget.

[2, 20, § 10] 91. Außer denen vorerwähnten sind alle übrige in dem fünfzehnten Capitel, §. II, angeführte Enterbungsursachen, welche der Freiheit letztwillig zu ordnen, und somit das undankbare Kind zu enterben keine Hinderniß in Weg legen, und wo nach deren Begehung noch Zeit und Gelegenheit sie zu ahnden erübriget, an sich nicht hinreichend, ein Kind von der rechtlichen Erbfolge nach denen Eltern und weiteren Aufsteigenden auszuschließen.

[2, 20, § 10] 92. Dann wo der Erblasser ein undankbares Kind hätte enterben können und solches gleichwohlen nicht gethan, wird die Unbild für erlassen geachtet, obschon dieselbe rechtskundig und gerichtlich erwiesen wäre, in welchem Fall jedoch der Obrigkeit keineswegs die Hände gebunden sind, ein solches ungehorsames Kind zu bestrafen.

(2-388) Dritter Artikel.

Von der Erbfolge der Aufsteigenden.

§. XI. Von der Erbfolge der alleinigen Aufsteigenden nach eheleiblichen Kindern. §. XII. Von deren Zusammentreffung mit des Verstorbenen Geschwister, oder Bruders- und Schwesterkindern. §. XIII. Von der Erbfolge der Aufsteigenden nach unehelichen Kindern. §. XIV. Von der Erbfolge der Aufsteigenden nach rechtmäßig gemachten Kindern. §. XV. Von Ausschließung der Aufsteigenden von der Erbfolge nach ihren Kindern.

§. XI.

[2, 20, § 11] 93. Die zweite Ordnung der rechtlichen Erbfolge ist der Aufsteigenden, welche alsdann erst eintritt, wann von dem Verstorbenen Niemand in absteigender Linie hinterlassen worden. Unter Aufsteigenden werden Vater, Mutter, Groß- und Urgroßeltern sowohl von Vater- als Mutterseite verstanden.

[2, 20, § 11] 94. Diese gelangen zur Erbschaft nach ihren eheleiblichen Kindern entweder allein, oder mit des Verstorbenen eheleiblichen Geschwister, oder Bruders- und

(2-389) Schwesterkindern ohne Unterschied, ob sie männliche oder weibliche Aufsteigende sind, oder ob nach einem Sohn oder Tochter, nach einem Enkel oder Enklin geerbet werde, oder ob sie Landleute sind oder nicht.

[2, 20, § 11] 95. Es solle auch hierbei in den Gütern kein Unterschied gemacht werden, sie mögen liegend oder fahrend, von Vaters oder Mutterseite herrührend, ererbet, oder wie sonst immer sein, wann sie nur frei vererblich sind.

[2, 20, § 11] 96. In der Ordnung der Aufsteigenden ist einzig und allein auf die Nähe des Grads oder der Staffel zu sehen, und hat hierbei die Regel ohnabänderlich statt, daß je und allzeit der Nähere den Weiteren ausschließe, und wer näher am Blut, auch näher am Blut seie, ohne daß in dieser Ordnung jemahlen das Vorstellungsrecht Platz greifen, und hieraus der Vater oder Mutter an die Stelle des vorgestorbenen Sohnes oder Tochter eintreten könne.

[2, 20, § 11] 97. Wann demnach Jemand ohne Kinder verstirbt, und verläßt Vater und Mutter, erben sie beide die ganze Erbschaft zu gleichen Theilen, weilen sie dem Verstorbenen gleich nahe sind, mit Ausschließung aller weiteren etwan noch lebenden Aufsteigenden.

[2, 20, § 11] 98. Lebt aber der Vater allein, erbet auch dieser allein, und schließt alle noch lebenden Aufsteigende von der Mutterseite aus, gleichwie dann auch, wo nur die Mutter allein lebet, diese allein erbet, und alle Aufsteigende von des Vaters Seite ausschließet.

[2, 20, § 11] 99. Eben also, wo weder Vater noch Mutter, sondern nur allein der Großvater, oder nur allein die Großmutter von Vaters oder Mutter-Seite vorhanden ist, gebühret dem Großvater oder der Großmutter allein die ganze Erbschaft, welche auch in Ermanglung der Eltern und Großeltern einem Urgroßvater oder Urgroßmutter von einer oder der anderen Seite allein zufallt.

[2, 20, § 11] 100. Leben mehrere Aufsteigende in gleichen Grad von einerlei Linie, das ist entweder von der väterlichen oder mütterlichen Seite, so erben sie alle gleich nach denen Häuptern, oder nach Anzahl ihrer Personen, also da Jemand weder Vater noch Mutter, sondern nur Großeltern entweder von väterlicher oder mütterlicher Seite verläßt, erben diese zu gleichen Theilen, und schließen die noch lebende Urgroßeltern sowohl von einer als der anderen Seite aus.

[2, 20, § 11] 101. Sind weder Vater noch Mutter, noch Großeltern, sondern allein Urgroßeltern von väterlicher oder mütterlicher Seiten am Leben, bekommen sie ebenmäßig gleiche Theile.

[2, 20, § 11] 102. Wären aber mehrere Aufsteigende in einerlei Grad von verschiedenen Linien, nemlich sowohl väterlicher als mütterlicher Seite vorhanden, so erben sie nach denen Linien, also daß eine Linie so vieles erhalte wie die andere, ohne Rucksicht auf die Anzahl der Personen, ob deren Mehrere oder Wenigere in dieser

(2-390) oder jener Linie befindlich sind, was aber auf eine Linie fällt, wird unter die Aufsteigende von dieser Linie, welche in einerlei Grad sind, gleich vertheilet.

[2, 20, § 11] 103. Wann dahero weder Vater noch Mutter, sondern nur Großeltern von beiden Seiten (es seie von deren jedweder Großvater und Großmutter, oder beide von einer und nur einer von der anderen, oder auch von jeder Seiten nur einer) vorhanden sind, so solle die Hälfte der Erbschaft denen väterlichen Großeltern, einem oder beiden, und die andere denen mütterlichen Großeltern, einem oder beiden zukommen. Ein Gleiches hat in Ermanglung der Eltern und Großeltern bei Urgroßeltern, und so fort bei allen weiteren Aufsteigenden, soweit das menschliche Leben zureichet, statt, und wird eine jedwede Halbscheide unter die, welche von dieser Linie sind, gleich vertheilet.

[2, 20, § 11] 104. Dieses ist jedoch bloß allein von der Erbfolge nach eheleiblichen Kindern zu verstehen, dann nach einem angewunschenen, oder an Kindsstatt angenommenen Kind hat der Wahlvater, wann er nicht sonst nach dem Blutband der nächste Erb ist, kein Recht zur Erbfolge, sondern dieses bleibet dessen natürlichen Eltern, Aufsteigenden und Seitenverwandten ohnerachtet der Anwünschung allzeit bevor.

§. XII.

[2, 20, § 12] 105. Die Seitenverwandten des Verstorbenen werden zwar insgemein von denen Aufsteigenden in der Ordnung der Erbfolge ausgeschlossen. Hiervon aber sind doch die zweibändige Geschwister, das ist Brüder und Schwester des Verstorbenen, und deren hinterlassene eheleibliche Kinder ersten Grads ausgenommen, welche mit denen Aufsteigenden allemal zur Erbschaft zuzulassen sind.

[2, 20, § 12] 106. Wann demnach jemand verstirbt, und verläßt Vater, Mutter, dann zweibändige Brüder und Schwestern, wird die Erbschaft unter alle nach denen Häuptern, oder nach Anzahl der Personen dergestalten getheilet, daß keiner mehr, sondern einer ebensoviel wie der Andere bekomme.

[2, 20, § 12] 107. Diese gleiche Theilung nach den Häuptern ist auch damals zu beobachten, wann der Vater allein, oder die Mutter allein, oder in Abgang der Eltern die Großeltern, oder in deren Abgang die Urgroßeltern von väterlicher oder mütterlicher Seite, oder von beiden Seiten, alle oder einige von ihnen mit zweibändigen Brüdern und Schwestern des Verstorbenen zusammentreffen, und hat die oben angeordnete Theilung nach denen Linien unter denen Aufsteigenden nur allein in jenem Fall statt, wann sie untereinander allein ohne Brüdern und Schwestern des Verstorbenen erben.

[2, 20, § 12] 108. Sind nebst zweibändigen Geschwister auch von zweibändigen Brüdern und Schwestern Kinder ersten Grads vorhanden, so treten diese aus dem Vorstellungsrecht an die Stelle ihres vorgestorbenen Vaters oder Mutter, und erben ohne Unterschied des Geschlechts, und ohne darauf zu sehen, ob sie untereinander zweibändig oder einbändig sind, mit denen Aufsteigenden, und ihres Vaters oder Mutter Brüdern und Schwestern nach denen Stämmen oder nach dem Stammrecht, das ist eben so viel, als ihr Vater oder Mutter bekommen hätte, wann sie am Leben wären.

[2, 20, § 12] 109. Was aber ein Stammtheil betragt, wird unter die, welche von diesem Stammen sind, gleich vertheilet, dahingegen erben die Aufsteigende, dann die Brüder und Schwestern allzeit nach den Häuptern, oder nach Anzahl ihrer Personen.

[2, 20, § 12] 110. Desgleichen, wo nebstdenen Aufsteigenden nur allein Kinder ersten Grads von zweibändigen Brüdern und Schwestern vorhanden wären, erben auch diese nach dem Stammrecht, und Aufsteigende nach den Häuptern.

[2, 20, § 12] 111. Dieses Vorstellungsrecht und die hieraus fließende Erbfolge kommt jedoch nur allein denen Kindern ersten Grads nach vorgestorbenen zweibändigen Brüdern und Schwestern zu statten, da in Gegentheil alle ihre Absteigende

(2-391) weiteren Grads, als Enkeln und Urenkeln von denen Aufsteigenden, Brüdern und Schwestern, und deren Kindern ersten Grads gänzlich ausgeschlossen bleiben.

[2, 20, § 12] 112. Einbändige Brüder und Schwestern, und umsomehr deren Kinder werden insgemein von denen Aufsteigenden (diese mögen allein oder mit dem zweibändigen Geschwister und ihren Kindern zugleich erben) ausgeschlossen.

[2, 20, § 12] 113. Nur allein bei höheren Standespersonen, welche zugleich in einem Unserer deutschen Erblanden Landleute sind, sollen die einbändige Brüder von Vater nach den Häuptern, und deren Söhne nach den Stämmen nebst denen Aufsteigenden (diese mögen allein oder mit dem zweibändigen Geschwister, und deren Kinder zugleich erben) nach einem zweibändigen oder einbändigen Bruder von Vater zu einem gleichen Erbtheil zugelassen werden.

[2, 20, § 12] 114. Dahingegen hat es auch bei derlei Standespersonen in Anlehnung der einbändigen Schwestern von Vater oder Mutter, wie auch der Töchter von einbändigen Brüdern von Vater, und der einbändigen Brüdern von der Mutter bei ihrer oben für allgemein festgesetzten Ausschließung sein gänzliches Verbleiben.

§. XIII.

[2, 20, § 13] 115. Gleichwie die unehelichen Kinder von der Erbfolge ihrer natürlichen Eltern, außer dem ihnen gebührenden Unterhalt, gänzlich ausgeschlossen sind, also haben auch dagegen weder der natürliche Vater, noch die natürliche Mutter, und umsoweniger die weiteren Aufsteigenden das mindeste Recht zur Erbfolge nach ihren natürlichen Kindern.

[2, 20, § 13] 116. Nur allein der Mutter, wann sie arm ist, solle aus der Verlassenschaft ihres ohne Hinterlassung eheleiblicher Kinder verstorbenen natürlichen Sohns oder Tochter der Unterhalt, welchen jedesmal der Richter nach Kräften der Verlassenschaft, und nach Maß der Bedürfniß, doch nicht weniger, als auf ein Sechstel der Verlassenschaft zu bestimmen hat, abgereichet werden.

[2, 20, § 13] 117. Die übrige Verlassenschaft aber nach einem unehelichen Kind, wann nach ihme keine eheliche Leibeserben vorhanden, solle zu Handen Unserer Kammer, als ein erbloses Gut eingezogen werden.

§. XIV.

[2, 20, § 14] 118. Nach unehelich erzeugten, und durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordenen Kindern, wann sie ohne Hinterlassung ehelicher Leibeserben versterben, erben die Aufsteigenden mit des Verstorbenen zweibändigen Geschwister, und Bruders und Schwester Kindern ebensowohl, und auf ganz gleiche Art, wie nach ehelich erzeugten Kindern.

[2, 20, § 14] 119. Eben diese Erbfolge hat auch nach denen aus einer vermeintlichen mit guten Glauben für rechtmäßig gehaltenen Ehe erzeugten Kindern statt, wann bis zur Zeit des Erbanfalls die Ehe insgemein für rechtmäßig geachtet, und deren Giltigkeit bis dahin von Niemanden angestritten worden.

[2, 20, § 14] 120. Nach jenen unehelich gebornen Kindern aber, welche aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit für rechtmäßig erkläret werden, erbet aus dem wechselweisen Erbfolgrecht nur derjenige Eltertheil, nach welchem dagegen in Unserem Rechtmäßigungsbrief dem für rechtmäßig erklärten Kind das Recht zur Erbfolge verliehen worden.

[2, 20, § 14] 121. Nicht aber auch der andere Eltertheil, dessen in dem Rechtmäßigungsbrief gar nicht gedacht worden, noch weniger die weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten, sondern, wo ein derlei unehelich gebornes Kind verstirbt und etwas verläßt, kann nach ihme nur allein derjenige Eltertheil erben, nach welchem dagegen das Kind zur Erbfolge fähig gemacht worden.

[2, 20, § 14] 122. Wo aber auch dieser Eltertheil vor dem Kind verstorben, oder in dem Rechtmäßigungsbrief von der Erbsfähigkeit nichts enthalten wäre, fällt die Verlassenschaft


(2-392) eines solchen unehelichen, obschon von Uns für rechtmäßig erklärten Kinds nach Abzug des seiner etwan noch lebenden armen Mutter hieraus gebührenden Unterhalts als ein erbloses Gut Unserer Kammer anheim.

§. XV.

[2, 20, § 15] 123. Das denen Auffsteigenden nach ihren Kindern zustehende Recht zur Erbfolge höret damals auf, wann sie entweder erbsunfähig sind, oder sich hierzu aus ihrer Schuld unwürdig gemacht haben.

[2, 20, § 15] 124. Die Ursachen der Unwürdigkeit müssen eben also beschaffen sein, wie es oben im zweiten Artikel, §. X, von denen Ausschließungsursachen der Kinder von der Erbfolge nach ihren Aufsteigenden geordnet worden, daß ein Kind solche zu ahnden, und seinen Eltern zu enterben nicht mehr im Stande ware, folglich sind auch diese die nemlichen, welche die Kinder von der Erbfolge nach ihren Eltern ausschließen, und bereits an gleichbemelter Stelle mit Mehreren angeführet worden.

[2, 20, § 15] 125. Außer diesen Ursachen aber solle noch besonders die Mutter, welche in ihren Wittibstand die Vormundschaft über ihre verwaiste Kinder erlanget, und nachhero zur anderen Ehe geschritten, ohne die Vormundschaft bei denjenigen Gericht, von welchem ihr solche aufgetragen worden, aufgegeben, noch die Rechnungen über das Waisengut erleget zu haben, von der Erbfolge nach ihren Kindern gänzlich ausgeschlossen sein, wann diese in ihrer Unmündigkeit, ehe und bevor von der Mutter ein solches befolget, oder Unsere ausdrückliche höchste Verwilligung, die Vormundschaft ohnerachtet ihrer anderweiten Vereheligung jegleichwohlen fortführen zu dörfen, von ihr ausgewirket worden, versterben.

Vierter Artikel.

Von der Erbfolge der Seitenverwandten.

§. XVI. Von der Erfolge des vollbürtigen Geschwisters, und vollbürtiger Brüder- und Schwester-Kinder. §. XVII. Von der Erbfolge des halbbürtigen Geschwisters von Vater- oder Mutterseiten allein. §. XVIII. Von Zusammentreffung Brüder und Schwestern mit Bruders- und Schwester-Kindern. §. XIX. Von der Erbfolge nach unehelichen Geschwister. §. XX. Von der Erbfolge der weiteren Seitenverwandten. §. XXI. Von Ausschließung der Seitenverwandten von der Erbfolge.

§. XVI.

[2, 20, § 16] 126. Die dritte Ordnung der rechtlichen Erbfolge ist der Seitenverwandten, welche also genennet werden, weil Keiner von den Anderen abstammet, sondern sie einander wegen gemeinsamer Absteigung von einerlei Stammen nach der Seiten befreundt sind.

[2, 20, § 16] 127. Hierunter werden Brüder, Schwestern, Geschwisterkinder, Geschwisterkindskinder,

(2-393) und alle weiteren Verwandten sowohl vom Manns- als Weibsstammen ohne Unterschied, sie seien männlichen oder weiblichen Geschlechts, verstanden.

[2, 20, § 16] 128. Diese Ordnung der Seitenverwandten trifft nicht allein in Ansehung der zweibändigen Brüdern und Schwestern und ihrer Kinder, dann insonderheit unter Landleuten auch in Ansehung einbändiger Brüder von Vater, und ihrer Söhnen vorbesagter Maßen mit der Ordnung der Aufsteigenden zusammen, sondern auch, wo weder Absteigende noch Aufsteigende vorhanden sind, erben die Seitenverwandten ohne Unterschied der Güter allein.

(2-394) [2, 20, § 16] 129. Doch solle unter Landleuten in der Erbfolge nach männlichen Seitenverwandten von Mannsstammen, sowie in der Ordnung der Absteigenden nach dem Vater, väterlichen Großvater und Urgroßvater, und in der Ordnung der Aufsteigenden nach einem Sohn oder Enkel des Sohns, allemal denen männlichen von Mannsstammen der Vorzug in liegenden Gütern vor denen Weiblichen von Mannsstammen und jenen von Weibsstammen dergestalten gebühren, daß sie solche in dem zur Zeit der Abtheilung habenden Werth behalten, und denen weiblichen Verwandten von Mannsstammen, oder jenen von Weibsstammen ihren Erbtheil in Geld herausgeben können.

[2, 20, § 16] 130. Unter denen Seitenverwandten hat insgemein die Nähe des Grads oder der Staffel das Vorrecht zur Erbfolge, und wer der Nächste am Blut ist, derselbe ist auch der Nächste am Gut; sind aber mehrere von gleichen Grad vorhanden, sie mögen von Manns- oder Weibsstammen herrühren, so erben sie Alle zu gleichen Theilen nach denen Häuptern.

[2, 20, § 16] 131. Nur allein die Bruders- und Schwesterkinder ersten Grads werden mit ihres verstorbenen Vaters- und Mutterbrüdern und Schwestern aus dem Vorstellungsrecht nach denen Stämmen zur Erbschaft zugelassen, kraft wessen sie in das Recht und die Stelle ihres verstorbenen Vaters oder Mutter eintreten und eben so viel bekommen, als ihr Vater oder Mutter geerbet hätte, wann sie am Leben wären; so sich jedoch auf die Geschwisterkindskinder nicht erstrecket, sondern diese bleiben von des verstorbenen Erblassers Brüdern und Schwestern, und Geschwisterkindern allzeit ausgeschlossen.

[2, 20, § 16] 132. Aber auch unter Brüdern und Schwestern haben die Vollbürtigen von beiden Banden, das ist von Vater und Mutter, und ihre Kinder insgemein den Vorzug vor denen halbbürtigen Geschwister von einem Band, das ist nur von Vater oder Mutter allein, außer bei Landleuten, wo nach einem zweibändigen oder einbändigen Bruder von Vater die einbändige Brüder von Vater, und deren Söhne mit dem zweibändigen Geschwister zugleich erben.

[2, 20, § 16] 133. Dahingegen erstrecket sich dieser Vorzug der Vollbürtigkeit nicht auch auf die weitere Seitenverwandten, sondern diese Alle, wann sie gleich im Grad sind, sie mögen dem Verstorbenen von beiden Banden, oder nur von einem Band verwandt sein, erben ohne Unterschied zu gleichen Theilen.

[2, 20, § 16] 134. Selbst unter Geschwisterkindern ersten Grads macht die Vollbürtigkeit oder Halbbürtigkeit untereinander, sie mögen von einerlei Vater und Mutter, oder nur von einem Vater, oder nur von einer Mutter herrühren, keinen Unterschied, sondern bloß allein die Absteigung von des Verstorbenen vollbürtigen Bruder oder Schwester allein giebt den Vorzug vor dem einbändigen Geschwister und ihren Kindern.

[2, 20, § 16] 135. Wann demnach Jemand weder Kinder, noch Eltern, sondern einen oder mehrere zweibändige Brüder und Schwestern verläßt, erben diese zu gleichen Theilen nach denen Häuptern mit Ausschließung des vorhändigen einbändigen Geschwisters.

[2, 20, § 16] 136. Wären aber nebst zweibändigen Geschwisteren auch eheleibliche Kinder von vorgestorbenen zweibändigen Brüdern und Schwestern vorhanden, so erben diese mit jenen in die Stämme, das ist, sie bekommen so viel, als ihr Vater oder Mutter geerbet hätte, wann sie am Leben wären.

[2, 20, § 16] 137. Sind keine zweibändige Brüder und Schwestern, sondern nur zweibändiger Geschwister Kinder, das ist ein oder mehrere Söhne und Töchter von einem oder mehreren zweibändigen Brüdern und Schwestern am Leben, so erben diese nach denen Häuptern ohne Ansehung ihrer ungleichen Stammzahl, und schließen die einbändige Geschwister und ihre Kinder aus.

[2, 20, § 16] 138. Nur bei höheren Standespersonen, welche zugleich Landleute sind, ist der Fall ausgenommen, wo es die Erbfolge nach einem zweibändigen oder einbändigen

(2-395) Bruder von Vater anbetrifft, nach welchem auch die einbändigen Brüder von Vater und deren Söhne mit dem zweibändigen Geschwister und zweibändigen Geschwisterkindern zur Erbschaft zugelassen werden.

[2, 20, § 16] 139. Und zwar die Geschwister allein, oder die Geschwisterkinder unter sich allein nach den Häuptern, oder nach der Anzahl ihrer Personen, diese letztere aber mit ihres verstorbenen Vaters oder Mutter Brüdern und Schwestern in die Stämme, oder nach dem Stammrecht.

[2, 20, § 16] 140. In Gegentheil bleiben auch unter Landleuten nicht allein die einbändigen Schwestern von Vater oder Mutter und ihre Kinder, dann die einbändigen Söhne von der Mutter und ihre Kinder, wie nicht minder die Töchter der einbändigen Söhnen von Vater überhaupt, sondern auch die einbändigen Söhne von Vater selbst, und ihre Söhne von der Erbschaft der Schwestern durch die zweibändige Geschwistere und ihre Kinder ausgeschlossen.

§. XVII.

[2, 20, § 17] 141. Verließe Jemand keine zweibändige Geschwistere, noch deren Kinder, sondern allein ein oder mehrere halbbürtige Geschwistere, das ist einbändige Brüder und Schwestern von Vater oder Mutter, so erben diese ohne Unterschied, das Gut möge von Vater oder von der Mutter herrühren, zu gleichen Theilen nach denen Häuptern oder der Anzahl ihrer Personen.

[2, 20, § 17] 142. Wären aber nebst dem Halbgeschwister auch Söhne und Töchter von vorgestorbenen einbändigen Brüdern und Schwestern vorhanden, so erben sie mit jenen in die Stämme oder nach dem Stammrecht.  

[2, 20, § 17] 143. Sind nur allein Kinder von vorgestorbenen einbändigen Brüdern und Schwestern verlassen worden, so erben sie ohne Unterschied, deren mögen Viele oder Wenige von einem Stammen sein, nach denen Häuptern, und bekommt Jedweder so viel, als der Andere.

§. XVIII.

[2, 20, § 18] 144. Ueberhaupt ist in der Erbfolge der Geschwisterkindern eine unveränderliche Richtschnur, daß sie mit ihres verstorbenen Vaters oder Mutter Brüdern und Schwestern aus dem Vorstellungsrecht nach denen Stämmen, wo sie aber allein sind, miteinander nach denen Häuptern zur Erbschaft gelangen.

[2, 20, § 18] 145. Wo sie dahero allein sind, erben sie als die Nächsten im Grad aus eigenem Recht, und nicht aus dem Recht und der Person ihrer verstorbenen Eltern, folglich bedörfen sie auch keiner Aushilfe durch das Vorstellungsrecht um in die Stelle der Näheren vorzurucken, weilen kein Näherer, der sie ausschließen könnte, vor ihnen vorhanden ist.

[2, 20, § 18] 146. Doch kommt ihnen gleichwohlen die aus dem Vorstellungsrecht denenselben sonst zufließende Begünstigung auch in diesem Fall insoweit zu statten, daß, wo sie allein sind, nichtsdestoweniger des verstorbenen Erblassers Vaters- oder Mutterbruder und Schwester (obschon diese mit ihnen in gleichen Grad sind) von ihnen ausgeschlossen bleiben, gleichwie diese von denenselben damals nothwendig ausgeschlossen sind, wann sie aus dem Vorstellungsrecht mit ihres verstorbenen Vaters oder Mutter Brüdern und Schwestern zur Erbschaft gelangen.

[2, 20, § 18] 147. Dieses Vorstellungsrecht haben sich aber die Geschwisterkindskinder nicht zu erfreuen; gegentheils werden diese nicht allein von des verstorbenen Erblassers Brüdern und Schwestern, und Geschwisterkindern, sondern auch in deren Abgang von des verstorbenen Erblassers Vater- oder Mutterbruder und Schwester als Näheren im Grad ausgeschlossen.

[2, 20, § 18] 148. Sie erben dahero mit denen Kindern von des verstorbenen Erblassers Vaters- oder. Mutterbruder und Schwester zu gleichen Theilen, weilen sie dem Verstorbenen miteinander in gleichen Grad verwandt sind.

(2-396) §. XIX.

[2, 20, § 19] 149. Uneheliche Geschwistere haben weder untereinander, weder nach eheleiblichen Geschwister, noch auch dieses nach jenen ein Recht zur Erbfolge, weilen die uneheliche Geburt keine Rechten der Verwandtschaft wirket.

[2, 20, § 19] 150. Wohl aber hat das durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordene Geschwister mit denen ehelich erzeugten Brüdern und Schwestern, und ihre beiderseitige Kinder untereinander ein gleiches Recht zur Erbfolge. Dahingegen giebt die von Uns ausgewirkte Rechtmäßigung kein Recht der Verwandtschaft, folglich auch kein Recht zur Erbfolge in der Seitenlinie, wann solches Unser ertheilter Rechtmäßigungsbrief nicht ausdrücklich besaget.

§. XX.

[2, 20, § 20] 151. Wann weder Brüdern und Schwestern, noch Geschwisterkinder ersten Grads vorhanden sind, kommen die nächsten Seitenverwandten sowohl von Manns- als Weibsstammen ohne Unterschied der Linie, ob solche der Reihe der Aufsteigenden oder der Absteigenden näher seie, und ohne Rucksicht auf die Zweibändigkeit oder Einbändigkeit in allen beweglichen und unbeweglichen wo immer herrührenden Gütern nach der Nähe des Grads zur Erbschaft.

[2, 20, § 20] 152. Wer also der Nächste im Grad ist, dieser ist auch der Nächste zur Erbfolge, und wo Mehrere gleich im Grad sind, erben auch diese insgesammt nach denen Häuptern, oder nach Anzahl ihrer Personen.

[2, 20, § 20] 153. Doch erstrecket sich das Erbfolgrecht an frei vererblichen Vermögen in der Seitenlinie nicht über den zehenten Grad der Verwandtschaft, sondern wo nach dem Erblasser weder Absteigende, noch Aufsteigende, noch auch Seitenverwandten bis auf den zehenten Grad mit Einbegriff desselben weder von Manns- noch Weibsstammen vorhanden sind, so solle die gesammte in was immer bestehende frei vererbliche Verlassenschaft über Abzug des hiervon dem überlebenden unversorgten Ehegatten allemal gebührenden Antheils, als ein erbloses Gut Unserer Kammer anheimfallen.

[2, 20, § 20] 154. Wer die Erbschaft aus dem Recht der Blutsverwandtschaft anforderet, muß jedes Mal diese sowohl, als die Nähe des Grads, daß er zur Erbfolge der Nächste seie, erweisen; wie aber dieser Beweis zu verführen seie, ist im ersten Theil in der Abhandlung von der Verwandtschaft geordnet worden.

§. XXI.

[2, 20, § 21] 155. Die Seitenverwandten werden nicht weniger, wie es oben von denen ersten zwei Ordnungen gemeldet worden, des Rechts zur Erbfolge verlustig, wann sie erbsunfähig sind, oder sich aus denen eben allda angeführten Ursachen dessen unwürdig gemacht haben.

[2, 20, § 21] 156. Außer diesen allgemeinen Ausschließungsursachen macht sich ein Seitenverwandter noch besonders der Erbschaft seines unmündigen Verwandten unwürdig, über welchen derselbe die ihme aufgetragene Vormundschaft auf sich zu nehmen ohne rechtserheblicher Ursache verweigeret hat, wann dieser nachher in der Unwürdigkeit verstirbt, obschon der Verwandte zur Zeit des Auftrags noch nicht der Nächste gewesen, sondern erst zur Zeit des Erbanfalls der Nächste worden wäre. Wo aber der Wais nachher zur Großjährigkeit gelangete, und ohne näheren Erben verstürbe, höret diese Ausschließung auf.

(2-397) Fünfter Artikel.

Von der Erbfolge der Eheleuten.

§. XXII. Von dem Erbtheil des überlebenden Ehegattens aus der Verlassenschaft des anderen. §. XXIII. Von Ausschließung der Eheleuten von der Erbfolge.

§. XXII.

[2, 20, § 22] 157. Die vierte Ordnung der rechtlichen Erbfolge ist der Eheleuten, nicht zwar, daß selbe einander, wie die vorhergehende drei Ordnungen der Absteigenden, Aufsteigenden und Seitenverwandten, in dem gesammten hinterlassenen Hab und Gut erbeten, sonder weilen von diesem Unseren Gesatz dem überlebenden unversorgten Ehegatten ein gewisser Antheil aus der Verlassenschaft des Verstorbenen beschieden wird.

(2-398) [2, 20, § 22] 158. Diese Ordnung der Eheleuten tritt solchemnach in der Erbfolge niemalen für sich allein ein, weilen sie vorbesagter Maßen nur auf einen gewissen bestimmten Antheil beschränket ist, sondern sie trifft allzeit mit einer von denen vorerklärten drei Ordnungen, welcher die übrige Verlassenschaft erblich zufallt, oder auch, da keine dieser drei Ordnungen vorhanden, und somit die Verlassenschaft erblos wäre, mit Unserer Kammer in Ansehung dieses Antheils zusammen, wann die hiernach erwähnte Erfordernissen hinzustoßen.

[2, 20, § 22] 159. Diesen ehegattlichen Antheil bestimmen Wir auf den vierten Theil des gesammten hinterlassenen frei vererblichen Vermögens, welcher aber nur allein damals gebühren solle, wann zwischen dem verstorbenen und überlebenden Ehegatten kein Heirathsbrief errichtet worden.

[2, 20, § 22] 160. Wann dahero der überlebende Theil vorgeben würde, daß keine Eheberedniß zwischen ihme und dem Verstorbenen zu Stand gekommen, oder die errichtete anwiederum mit beiderseitiger Einverständniß aufgehoben worden seie, und solchergestalten derselbe dieses vierten Theils genießen wollte, in Gegentheil aber ein erheblicher Verdacht, daß ein Heirathsbrief vorhanden seie, fürwaltete, so solle dieser hinterlassene Ehegatt in Erforderungsfall sein Vorgeben eidlich bestätigen, widrigens zu dem ehegattlichen Antheil nicht zugelassen werden.

[2, 20, § 22] 161. Wäre aber ein Heirathsbrief vorhanden, so hat sich der Ueberlebende mit deme, was ihme darinnen verschrieben worden, zu begnügen, und auf den ehegattlichen Antheil keinen Anspruch.

[2, 20, § 22] 162. Nur allein wollen Wir eine hinterlassene mittellose Wittib dahin besonders begünstigen, daß wo ihre in dem Heirathsbrief ausgemessene Versorgung so gering wäre, daß sie weder hier, noch aus eigenen Mitteln die den Stand ihres verstorbenen Ehegattens gemäße nöthige Unterhaltung erschwingen könnte, derselbe so viel, als hierzu nach richterlichen Ermessen erforderlich ist, doch niemalen mehr, als der Fruchtgenuß des vierten Theils beträgt, aus der Verlassenschaft des Verstorbenen ausgeworfen, und ihr für die Zeit ihres Wittibstands oder bis sie zu mehreren Mitteln gelanget, von denen Erben des Verstorbenen alljährlich abgereichert werden solle.

[2, 20, § 22] 163. In Ermanglung eines Heirathsbriefs hingegen fällt dieser vierte Theil sowohl dem Mann, als dem Weib eigenthumlich zu, ohne Rucksicht des höheren oder niederen Standes, und ohne Unterschied, ob mehrere oder wenigere, oder gar keine eheleiblichen Kinder vorhanden sind, noch auch, ob der hinterlassene Ehegatt reich oder arm sei.

[2, 20, § 22] 164. Doch muss zwischen dem verstorbenen und dem überlebendem Ehegatten eine rechtsgiltige Ehe bestanden, und die priesterliche Trauung vorhergegangen

(2-399) sein, obschon der eine Theil gleich nach der priesterlichen Zusammengebung noch vor der wirklichen Beiwohnung verstorben wäre.

[2, 20, § 22] 165. Auch eine vermeintliche Ehe, wann der überlebende Theil selbe mit guten Glauben für rechtmäßig gehalten, giebt das Recht zu diesem ehegattlichen Antheil, woferne solche bis zur Zeit des Tods des anderen Theils insgemein für rechtmäßig geachtet, und bis dahin von Niemanden gerichtlich angestritten worden.

[2, 20, § 22] 166. Wäre aber die Giltigkeit der Ehe noch vor dieser Zeit angefochten, und entweder bei Lebszeiten beider Theilen, oder nach dem Tod des einen für unrechtmäßg erkennet worden, so gebühret zwar dem Ueberlebenden dieser Antheil nicht, wohl aber dem hinterlassenen vermeintlichen Eheweib allein, wo sie im guten Glauben bestellet waren, und sonst mittellos ist, aus der Verlassenschaft des Verstorbenen solange sie nicht zu einer anderen Ehe schreitet, oder nicht mittlerweil eigene hinreichende Mitteln überkommt, die standesmäßige nöthige Unterhaltung.

[2, 20, § 22] 167. Zu Erlangung dieses Antheils hat der überlebende Ehegatt in Beitritt vorbeschriebener Erfordernissen die sonst eine jedweden anderen Erben zu Habhaftwerdung seines Erbtheils gebührende Erbsforderung, und bestehet solcher in dem vierten Theil des gesammten hinterlassenen freivererblichen Vermögens, welches auf ganz gleiche Art, wie es oben in vierzehenten Capitel, §. V, von dem Pflichttheil geordnet worden, zu berechnen ist, und was hieran über Abzug der Schulden, Begräbnißkosten und fremden oder solchen Guts, so der Erblasser mit der Verbindlichkeit der Zuruckstellung an Andere innen gehabt, erübriget wird, hiervon gebühret der vierte Theil dem überlebenden Ehegatten.

[2, 20, § 22] 168. Er ist solchemnach noch vor dem Pflichttheil der Notherben abzuziehen, doch solle in dessen Betrag Alles eingerechnet werden, was der Ueberlebende von dem Verstorbenen sowohl bei Lebszeiten durch Schankungen, Beschreibungen oder Uebergaben auf dem Todesfall allschon empfangen hat oder noch zu empfangen haben würde, als auch was ihme in letzten Willen zugedacht und verschaffet worden.

[2, 20, § 22] 169. Was demnach über Einrechnung alles dessen an dem vierten Theil annoch abgehet, ist aus der Verlassenschaft des Verstorbenen nachzuholen und zu ersetzen, wozu sowohl die Erben, als Jene, welche mit Vermächtnissen bedacht worden, in ganz gleicher Maß, wie oben in vierzehenten Capitel, §. VI, von num. 126 bis 128 von Ergänzung des Pflichttheils geordnet worden, beizutragen haben.

[2, 20, § 22] 170. Kein Erblasser hat dahero Fug und Macht, diesen gesatzmäßigen Antheil ohne rechtserheblichen gleich hiernach erklärenden Ursachen in seiner letztwilligen Anordnung zu verminderen. Wohl aber stehet ihme frei solchen zu vermehren, und die Versorgung seines hinterlassenden Ehegattens durch letzten Willen insoweit zu verbesseren, als der obausgemessene Pflichttheil seiner nothwendigen Erben andurch nicht verkürzet wird; was hingegen zu dessen Verringerung oder Beschwerung gereichet, kann nicht bestehen, wann es gleich dem leiblichen Vater oder der leiblichen Mutter der Notherben zugedacht worden wäre.

§. XXIII.

[2, 20, § 23] 171. Dieses gesatzmäßigen Antheils wird eine Ehegatt entweder aus eigenen freien Willen, oder aus seiner Schuld verlustig. Aus freien Willen nicht nur damals, wann vorbemelter Maßen ein Heirathsbrief mit dem Verstorbenen errichtet worden, sondern auch, wann derselbe hierauf, obschon kein Heirathsbrief vorhanden wäre, ausdrückliche Verzicht gethan, zu deren Giltigkeit aber erforderet wird, daß er zur Zeit seiner Verzicht großjährig und Verbindungen einzugehen fähig gewesen seie.

[2, 20, § 23] 172. Aus eigener Schuld wird der überlebende Ehegatt von diesem Antheil ausgeschlossen, wann er sich durch sein ungeziemendes Betragen gegen dem Verstorbenen

(2-400) dessen unwürdig gemacht hat. Diese Ausschließungsursache aber werden hiermit auf folgende bestimmet:

[2, 20, § 23] 173. Erstens, wann der Ueberlebende ohne hinlänglicher von der Obrigkeit für rechtmäßig erkannter Ursach von dem Verstorbenen entwichen ist, oder ihn von sich gestoßen, oder durch sein hartes und boshaftes Verfahren zur Trennung Ursach gegeben hat.

[2, 20, § 23] 174. Zweitens, wann er dem Verstorbenen nach dem Leben getrachtet, oder ihn gar umgebracht, oder umbringen lassen; drittens, wann er ihme an seinem Gut einen namhaften Schaden boshafter Weise verursachet; viertens, wann er ihn mit Unrecht eines Ehebruchs gerichtlich beschuldiget, oder wegen eines anderen Lasters fälschlich angegeben hat.

[2, 20, § 23] 175. Fünftens, wann er dem Verstorbenen in Noth und Elend nicht beigesprungen, oder ihn vor gefänglichen Verhaft, wo er es ohne merklichen Abbruch seines Vermögens hätte thun können, nicht befreiet hat.

[2, 20, § 23] 176. Sechstens, wann er einen Ehebruch oder ein anderes die Todesstrafe oder die Ehrlosigkeit nach sich ziehendes Laster begangen hat, weswegen derselbe noch bei Lebzeiten des verstorbenen Ehegattens gerichtlich angefertiget worden.

[2, 20, § 23] 177. Wo aber die Anfertigung erst nach seinem Tod angestrenget würde, wird er des ehegattlichen Antheils nicht verlustig, obschon nachher das Urtheil wider ihn auf die Todesstrafe oder die Ehrlosigkeit ausfiele.

[2, 20, § 23] 178. In allen diesen Fällen aber, worinnen dem verstorbenen Ehegatten von dem überlebenden eine Unbild zugefüget worden, ist zu dessen Ausschließung von dem ehegattlichen Antheil erforderlich, daß schon der Verstorbene selbst, wo er sie gewußt, und es seine Lebensfrist noch gestattet hat, solche zu beleidigten Gemüth gezogen habe, und zwischen ihnen keine Aussöhnung erfolget seie.

[2, 20, § 23] 179. Ansonsten, und wo entweder die Beleidigung von dem Verstorbenen, da er sie gewußt, und solche zu ahnden noch im Stande ware, gleichgiltig angesehen worden, oder auch wo nach seiner darob bezeugten Empfindlichkeit die nachher erfolgte Aussöhnung erweislich ist, solle des Begangenen halber wider den Ueberlebenden nichts mehr gereget, und um so minder derselbe von dem ehegattlichen Antheil ausgeschlossen, sondern die Beleidigung für erlassen geachtet werden.

[2, 20, § 23] 180. Außer vorstehenden Ursachen ist sonst keine andere hinreichend den überlebenden Ehegatten seines Antheils verlustig zu machen, und wo eine Wittib nach dem Tod ihres Manns ein unzüchtiges Leben führete, verlieret sie zwar den wittiblichen Unterhalt, und Alles, was sie annoch aus der Verlassenschaft des Manns zeitweilig zu genießen hat, nicht aber auch den ehegattlichen Antheil und was dieselbe bereits wirklich erhalten und unwiderruflich erworben hat.

(2-401) Sechster Artikel.

Von Erbanfällen zu Handen Unserer Kammer.

§. XXIV. Von Einziehung erbloser Güter. §. XXV. Von Abfahrt- oder Abschaffgeld von denen hinausziehenden Verlassenschaften.

§. XXIV.

[2, 20, § 24] 181. Endlich, wo weder Absteigende, weder Aufsteigende, noch Seitenverwandten binnen dem zehenten Grad vorhanden sind, tritt die fünfte und letzte Ordnung der rechtlichen Erbfolge ein, und die Verlassenschaft fallt als ein erbloses Gut (doch mit Abzug des hiervon dem überlebenden Ehegatten, wo einer hinterlassen worden, ihn Ermanglung eines Heirathsbriefs gebührenden obausgemessen Antheils) Unserer Kammer anheim, welche in Allem an Erbens statt gehalten werden, und so die Erbvortheile zu genießen, wie die Erblasten zu tragen haben solle.

[2, 20, § 24] 182. Dieses Recht über erblose Güter stehet insgemein als eine Wirkung der Landeshoheit Uns allein zu, und darf sich dahero Niemand dessen anmaßen, wer nicht zu derlei Erfälligkeiten entweder durch Unsere ausdrückliche Befreiungen oder durch unfürdenkliche rechtmäßig hergebrachte Gewohnheit besonders berechtiget ist, in welchen Fällen jedoch nicht weniger dem überlebenden Ehegatten der ihme von Unseren Gesetzen beschiedene Antheil in Ermanglung eines Heirathsbriefs vorbehalten bleiben solle.

(2-402) [2, 20, § 24] 183. Gleichwie Wir aber Niemanden durch Unsere landeshoheitliche Befugnissen von seinem Recht zu verdringen gemeinet sein, also wollen Wir auch, daß bei Einziehung erbloser Güter jedesmal ordnungsmäßig verfahren, und wo sich ein solcher Fall ereignet, durch öffentliche Kundmachung eine hinlängliche Zeitfrist wenigstens von einem Jahr und sechs Wochen zu dem Ende anberaumet werden solle, damit binnen solcher Jedermann, wer an dieser Verlassenschaft aus was immer für Ursachen etwas zu forderen vermeinet, seine Sprüche und Forderungen anbringen und solche behörig ausführen möge.

[2, 20, § 24] 184. Inmittelst solle über die Verlassenschaft ein Curator bestellet, die sich Anmeldende gehöret, ihre Ansprüche nach Vernehmung Unseres Fisci erörteret, und wo sich binnen dieser Zeit Niemand gemeldet, oder der sich Meldende einen näheren Erbsanspruch, wie zu Recht erforderlich, nicht dargethan hätte, die Verlassenschaft als ein erbloses Gut durch richterliche Erkanntniß Unserer Kammer zuerkannt und überantwortet werden.

[2, 20, § 24] 185. Wobei Unserer Kammer wider Jene, welche zur Verlassenschaft gehörige Güter und Habseligkeiten unrechtmäßiger Weise innen haben, alle diejenigen Rechtsbehelfe und Rechtsforderungen, welche sonst einem jedwedem anderem Erben gebühren, zu statten kommen sollen.

[2, 20, § 24] 186. Dagegen aber kann sich auch dieselbe der mitverknüpften Erblasten nicht entschütten, sondern sie hat solche in eben derjenigen Maß, wie es die Verbindlichkeit eines jedweden anderen Erben mit sich bringt, ohnweigerlich abzustatten, und dahero sowohl die auf der Verlassenschaft haftende Schulden, als auch die etwan von dem Verstorbenen durch Codicillen oder durch ein mit der codicillarischen Clausel versehenes Testament verschaffte Vermächtnissen, doch diese letztere allenfalls mit der Rechtswohlthat des Erbviertels, hintanzufertigen.

[2, 20, § 24] 187. Dieser Erbanfall zu Handen Unserer Kammer hat nicht nur damals statt, wann kein Seitenverwandter des Verstorbenen binnen dem zehenten Grad vorhanden, sondern auch, wo Derjenige, welcher dem Verstorbenen binnen diesem Grad verwandt wäre, entweder erbsunfähig, oder als ein Ausländer aus dem Wiedervergeltungsrecht, weilen Unsere Unterthanen in seinem Vaterland zu Erbschaften nicht zugelassen werden, von der Erbfolge ausgeschlossen ist, und sonst kein anderer Erbsfähiger binnen diesem Grad sich hervorthut.

[2, 20, § 24] 188. Es solle demnach keinem Ausländer eine ihme, es seie aus letzten Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge, in Unseren deutschen Erblanden zugefallene Erbschaft ausgefolget werden, er habe sich dann noch vor der Zeit des Erbanfalls zu einem Unserer deutschen Erblanden schon fähig gemacht, oder durch glaubwürdige Zeugnissen erwiesen, daß in seinem Vaterland gleicher Maßen Unsere Unterthanen aus diesen Landen zu Erbschaften zugelassen werden.

[2, 20, § 24] 189. Wo aber derselbe weder die eine noch die andere dieser Erfordernissen darzuthun vermögete, solle ihme die etwan erst nach dem Erbanfall erwirkte Landesfähigkeit in einem Unserer deutschen Erblanden nichts fürtragen können, sondern er gleichwohlen von der ihme vorhero zugefallenen Erbschaft ausgeschlossen bleiben, und hierzu die in Unseren Landen befindliche obschon weitere, doch binnen dem zehenten Grad verwandte Blutsfreunde zugelassen werden, widrigens fallt in deren Abgang die Erbschaft Unserer Kammer anheim.

[2, 20, § 24] 190. Wo jedoch ein solcher Ausländer schon zur Zeit des Erbanfalls in einem Unserer deutschen Erblanden die Landesfähigkeit erworben gehabt hätte, so ist derselbe für einen Inländer zuachten, folglich höret auch die Ausschließungsursache auf, obschon er, um zu dem Besitz liegender Güter gelangen zu können, sich noch insonderheit zu demjenigen Land, worinnen selbe gelegen, der Erforderniß nach fähig zu machen hat.

(2-403) §. XXV.

[2, 20, § 25] 191. Ohnerachtet aber eine in Unseren Erblanden zugefallene Erbschaft aus dem Erwiederungsrecht außer Landes verabfolget wird, so unterlieget solche gleichwohlen dem überhaupt von allen aus Unseren Erblanden hinausziehenden Gut ausgemessenen Abfahrt- oder Abschoßgeld in derjenigen Maß, wie es nach Unterschied der Länder sowohl, als der sich ergebenden Fällen Unsere deshalben erlassene anderweite Satz- und Ordnungen breiteren Inhalts bestimmen.

[2, 20, § 25] 192. Uebrigens solle bei Erbschaften, welche Ausländern, die aus dem Erwiederungsrecht zu erben fähig sind, in Unseren Erblanden zugefallen, nicht auf die Gesetze ihres Landes, sondern einzig und allein auf die von Uns vorgeschriebene obstehende Ordnung der rechtlichen Erbfolge gesehen, und die Erbschaft Demjenigen zugesprochen werden, welcher nach dieser Ordnung hierzu das nächste Recht hat, obgleich derselbe nach denen Gesetzen seines Lands von dem etwan alldort gelegenen Theil der Verlassenschaft ausgeschlossen worden wäre.

(2-404) Caput XXI.

Von Antretung der Erbschaft.

Inhalt:

§. I. Von dem Erbfall. §. II. Von dem richterlichen Amt bei Verlassenschaften, und insonderheit von Anlegung der gerichtlichen Sperr. §. III. Von der denen Erben zu statten kommenden Bedenkzeit. §. IV. Von erblicher Uebertragung der angefallenen Erbschaft auf die Erbenserben. §. V. Von Antretung der Erbschaft. §. VI. Von Entschlagung der Erbschaft. §. VII. Von der Rechtswohlthat des Inventarii. §. VIII. Von Verlassenschaftsabhandlungen. §. IX. Von Eröffnung der gerichtlichen Sperr, und Einantwortung der Erbschaft. §. X. Von Wirkung des Erbrechts, und denen daherrührenden Rechtsforderungen.

§. I.

[2, 21, § 1] Num. 1. Eine gemeinsame Wirkung beider Erbfolgen, sowohl der letztwilligen, als der rechtlichen, ist das Erbrecht, welches andurch erlanget wird;

(2-405) in was aber solches bestehe, ist bereits oben in zehenten Capitel, §. I, erkläret worden.

[2, 21, § 1] 2. Hier erübriget nur noch dessen Anfallerwerbung und Theilung zwischen mehreren Erben in diesem und denen folgenden zweiundzwanzigsten und dreiundzwanzigsten Capiteln zu beschreiben, um somit die ganze weitläufige Abhandlung von der Erbfolge zu beschließen.

[2, 21, § 1] 3. Bei Erwerbung des Erbrechts kommen mehrere Handlungen in Betrachtung, deren jedwede eine besondere Erklärung erheischet, als: Erstens, der Erbanfall; zweitens, das Amt des Richters bei ledigen Verlassenschaften, und insonderheit die gerichtliche Sperr; drittens, die Bedenkzeit; viertens, die Uebertragung auf Erbenserben; fünftens, die Antretung, und sechstens, die Ausschlagung der Erbschaft; siebentens, die Rechtswohlthat des Inventarii; achtens, die Verlassenschaftsabhandlung; neuntens, die Einantwortung der Erbschaft, und endlich zehntens, die Erbsforderung.

[2, 21, § 1] 4. Vor Allem ist der vorhergehende Erbanfall erforderlich, damit eine Erbschaft erworben werden könne; dieser ist nichts Anderes, als eine Uebertragung oder Verstattung des Rechts alle Güter, Rechten und Gerechtigkeiten, welche der Verstorbene hinterlassen hat, zu erwerben.

[2, 21, § 1] 5. Dann gleichwie die Uebergabe des Eigenthums einer Sache in der Ueberlieferung und Abtretung an Seiten des Einen, und in der wirklichen Annehmung an Seiten des Anderen bestehet, also ist auch bei Erbschaften der Erbanfall anstatt der Uebertragung und die darauf folgende Antretung anstatt der Annehmung der angefallenen Erbschaft.

[2, 21, § 1] 6. Wiewohlen aber diese zwei Handlungen an der Zeit, in welcher eine und die andere für sich gehet, von einander merklich unterschieden sind, so werden doch beide in dem rechtlichen Verstand dergestalten vereiniget, daß die Wirkung der Erbsantretung auf die Zeit des Erbanfalls zuruckgezogen, folglich dafürgehalten werde, daß das Erbrecht gleich zur Zeit des Erbanfalls erworben worden seie.

[2, 21, § 1] 7. Es ist daher in der Zwischenzeit das hinterlassene Gut zwar ledig, und heißet eigentlich eine Verlassenschaft, gleichwie nach der Erbsantretung eine Erbschaft, welche, solange sie nicht angetreten wird, die Person des verstorbenen Erblassers vorstellet. Alles aber, um was mittlerweil eine solche ledige Verlassenschaft zu- oder abnimmt, gehet in Rucksicht der künftigen Erbsantretung auf Gewinn und Verlust des Erbens.

[2, 21, § 1] 8. Doch hat eine ledige Verlassenschaft diese besondere Begünstigung, daß, solange die Erbsantretung nicht erfolget, wider die selbe keine Verjährung ihren Lauf anfangen, noch die bei Lebzeiten des Erblassers angefangene solchen fortsetzen könne, sondern dieser für die Zeit, als die Verlassenschaft ledig ist, ausgestellet bleibe.

[2, 21, § 1] 9. Der Erbanfall geschieht nach Unterschied der Erbfolge aus zweierlei Ursache, als entweder aus letzten Willen durch Anordnung des Erblassers, oder aus der rechtlichen Erbfolge unmittelbar durch Anordnung des Rechts selbst.

[2, 21, § 1] 10. Es kann aber einerlei Erbschaft aus beiden Ursachen zugleich anfallen, als da über einen Theil der Verlassenschaft von dem Erblasser letztwillig geordnet worden, und diese Anordnung zur Wirkung kommt, dahingegen über dem anderen die letztwillige Anordnung ermanglet, oder in der Folge unwirksam, und somit der Weg zur rechtlichen Erbfolge eröffnet wird.

[2, 21, § 1] 11. Und ist hierinnen kein Unterschied, ob beiderlei Erbanfälle sowohl aus der letztwilligen, als aus der rechtlichen Erbfolge auf verschiedene, oder auf einerlei Person gehen, wann nemlich im ersten Fall ein Anderer zum Erben eingesetzet, und ein Anderer der Nächste ist, in anderem Fall aber der eingesetzte Erb zugleich nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge der Nächste ist.

(2-406) [2, 21, § 1] 12. Die Zeit, zu welcher sich der Erbanfall ergiebt, ist insgemein der Augenblick des Hinscheidens des Erblassers, wovon jedoch die bedingten Erbseinsetzungen ausgenommen sind, als woraus der Erbanfall nicht ehender, als von dem Ausgang der Bedingniß auf den eingesetzten Erben gehen kann, obschon dieser nachgehends auf die Zeit des Tods zuruckgezogen wird, und von dieser Zeit an der Erbanfall seine Wirkung hat.

[2, 21, § 1] 13. Eine solche Bedingniß klebt der rechtlichen Erbfolge schon nach ihrer Natur selbst stillschweigend an, daß selbe nicht ehender statt haben könne, als bis nicht die letztwillige Erbfolge ganz oder zum Theil ermangle.

[2, 21, § 1] 14. So lange demnach der Stritt über die Giltigkeit eines letzten Willens annoch obschwendet, oder nicht gewiß ist, ob und über was die letztwillige Anordnung gleich Anfangs ermangle, oder in der Folge unwirksam worden, kann kein Erbanfall der rechtlichen Erbfolge Platz greifen, bis nicht der Abgang der letztwilligen Erbfolge entschieden ist.

[2, 21, § 1] 15. Nach dessen Entscheidung aber wird die Wirkung des Erbanfalls aus der rechtlichen Erbfolge nicht weniger, wie bei bedingten Erbseinsetzungen, doch nur insoweit, als die letztwillige Anordnung ermanglet oder unwirksam worden, auf die Zeit des Tods des Erblassers zurückgezogen.

§. II.

[2, 21, § 2] 16. Da Jemand verstirbt, solle von Gericht aus sogleich, als dasselbe sein Absterben in Erfahrniß bringt, ohne Zeitversaumniß dessen Verlassenschaft in die gerichtliche Sperr genommen werden.


(2-407) [2, 21, § 2] 17. Wovon insgemein nichts Anderes, als was seine Beschaffenheit nach keine Sperr leidet, wie nicht weniger Jenes, was zur täglichen nothdürftigen Unterhaltung Derjenigen, welche der Verstorbene zu ernähren schuldig ware, dann zur Begräbniß oder zum Wirthschaftstrieb erforderlich ist, der Wittib, Kindern und Beamten oder anderen vertrauten Leuten, die sonst bei Lebzeiten des Verstorbenen seine Wirthschaft besorget haben, und zwar wo es nöthig befunden würde, unter einer eigends hierüber gefertigten Beschreibung in Handen, und außer der Sperr zu lassen ist.

[2, 21, § 2] 18. Da aber die Verlassenschaft kundbarer Maßen in mehreren Landen vertheilet wäre, hat das Gericht desjenigen Landes, in welchem der Erblasser verstorben, auch der Gerichtsstelle des anderen Landes, unter deren Gerichtsbarkeit die übrige Verlassenschaft gelegen ist, sein erfolgtes Ableben schleunig zu bedeuten, darmit nicht weniger derorten mit der gerichtlichen Sperranlegung fürgegangen werden möge.

[2, 21, § 2] 19. Die Anlegung der Sperr stehet insgemein demjenigen Gericht zu, welchem die Person des Verstorbenen bei Lebzeiten unterworfen ware.

[2, 21, § 2] 20. Wohingegen in Ansehung der unter einer anderen Gerichtsbarkeit gelegenen Gütern und hinterlassenen Vermögens Wir es bei eines jedweden Landes wohlhergebrachter Verfassung gnädigst bewenden lassen.

[2, 21, § 2] 21. Die Sperr einer Verlassenschaft solle allemal in Gegenwart der Hausleuten, wann deren einige allda befindlich sind, und wo sie von Stadt- oder Marktgerichten angeleget wird, von dreien geschwornen Gerichtspersonen vorgenommen werden.

[2, 21, § 2] 22. Welche über deren Vollzug dem gesammten Gericht auf den nächst darauf folgenden Gerichtstag die umständliche Anzeige zu erstatten haben, damit dieser Fürgang in dem Gerichtsbuch vorgemerket, und wo es nöthig, auch alsobald denen anderen Gerichtsstellen, worunter der Verstorbene einige Güter hinterlassen hat, zu gleichmäßiger Vorkehrung die ohnverweilte Nachricht gegeben werden möge.

[2, 21, § 2] 23. Bei Vornehmung der Sperr haben die darzu Abgeordnete sich alles Fleißes zu erkundigen, ob der Verstorbene ein Testament oder Codicill, und ob, und wie viele Kinder hinterlassen habe, ob selbe schon alle großjährig, oder einige noch minderjährig, ob alle anwesend, oder welche abwesend, und welcher Orten befindlich sind.

[2, 21, § 2] 24. Wie aber mit Erhebung eines sich vorfindenden letzten Willens fürzugehen, ist allschon oben in siebenzehenten Capitel, §. I, und was für eine Vorsicht in Ansehung der minderjährigen oder abwesenden Kindern zu treffen seie, im ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft geordnet worden.

[2, 21, § 2] 25. Die an der Verlassenschaft angelegte Sperr ist ohne erheblicher Ursach nicht ehender, als bis bei Einantwortung der Erbschaft zu eröffnen.

[2, 21, § 2] 26. Wo aber eine nothdringliche Ursache zu unterwalten befunden würde, daß unter dieser Zeit etwas aus der Verlassenschaft erhoben werde, solle zwar die Sperr auf gleiche Art und mit aller derjenigen Vorsicht, welche oben bei der Anlegung vorgeschrieben worden, eröffnet, und das Benöthigte herausgenommen, sodann aber solche anwiederum angeleget werden.

[2, 21, § 2] 27. Wie es jedoch mit Verlassenschaften nach Kauf- und Handelsleuten zu

(2-408) halten seie, giebt Unsere Mercantilordnung Ziel und Maß, welcher hierinfalls nachzugehen ist.

[2, 21, § 2] 28. Nach angelegter Sperr hat insgemein das Gericht mit der Verlassenschaftsabhandlung bis nach Verlauf der dem Erben in dem gleich nachfolgenden §. verstatteten Bedenkzeit zuzuwarten, wann solche der Erb nach inmittelst mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetretener Erbschaft nicht ehender anverlangen, oder der hervorbrechende Schuldenlast, oder der unterwaltende Nutzen der Waisen, oder die kundbare längere Abwesenheit des Erbens selbe nicht noch vor Verfließung dieser Zeit erheischen würde.

[2, 21, § 2] 29. Wären jedoch unter der Sperr so beschaffene Dinge befindlich, welche sich ohne Gefahr ihrer ohnfehlbaren Verderbung oder merklicher Abwürdigung nicht aufhalten ließen, so solle das Gericht, auch ohne die sich etwan länger hinaus verziehende Erbsantretung, oder den Verlauf der Bedenkzeit abzuwarten, dieselbe ordentlich beschreiben, und nach vorläufiger Abschätzung mittelst der gerichtlichen Versteigerung an den Meistbietenden verkaufen.

[2, 21, § 2] 30. Das erlöste Geld aber indessen in die gerichtliche Verwahrung nehmen, und bei vorsehenden längeren Verzug in Auseinandersetzung der Erbssprüchen und Forderungen nach Maßgebung Unserer anderweiten Verordnungen verzinslich anlegen.

[2, 21, § 2] 31. Wann die anberaumte Bedenkzeit verflossen, ohne daß sich ein Erb

(2-409) angemeldet, noch auch, wer der Erb seie, wissend wäre, hat das Gericht sofort über die Verlassenschaft einen Curatoren zu bestellen, das gerichtliche Inventarium zu verfertigen, und durch öffentliche Kundmachung eine Zeitfrist von einem Jahr

(2-410) und sechs Wochen zu bestimmen, binnen welcher Alle und Jede, welche an dieser Verlassenschaft aus was immer für Ursachen etwas anzuforderen vermeinen, zu Anbringung und Ausführung ihrer angeblichen Forderungen mit dem Beisatz, daß widrigens dieselbe nach Verlauf dieser Zeit darmit nicht mehr angehöret werden würden, vorgeladen werden sollen.

[2, 21, § 2] 32. Gleichwie dann auch, im Fall sich unter dieser Zeit kein Erb hervor thäte, oder der sich hervorthuende sein Erbfolgrecht, wie es sich zu Recht geziemet, nicht erweisen würde, die Verlassenschaft sodann als ein erbloses Gut nach der in gleich vorhergehenden Capitel, sechsten Artikel, §. XXIV, enthaltenen Vorschrift Unserer Kammer zuerkannt und eingeantwortet werden solle.

[2, 21, § 2] 33. Wäre hingegen der Erb zwar bekannt, sein Aufenthalt aber, oder ob derselbe noch am Leben seie, nicht wissend, in solchen Fällen hat das Gericht den Aufenthalt des Erbens, und ob derselbe noch am Leben oder todt seie, durch öffentliche Kundmachung der ihme zugefallenen Erbschaft sorgfältig zu erforschen.

[2, 21, § 2] 34. Inmittelst aber die Verlassenschaft zu beschreiben, dem Abwesenden einen Curatoren zu bestellen, mit der Abhandlung fürzugehen, und wo mehrere Miterben, welche ihr Erbfolgrecht gehörig erwiesen, vorhanden sind, mit ihnen die ordentliche Erbtheilung pflegen zu lassen.

[2, 21, § 2] 35. Was nun auf den Erbtheil des Abwesenden ausfallt, dieses ist, wo es in Fahrnissen bestehet, nach vorhergehender Schätzung mittelst gerichtlicher Versteigerung an den Meistbietenden zu verkaufen, das dafür gelöste Geld aber, sowie die liegende Güter, oder der aus deren etwan bemüßigten gerichtlichen Veräußerung erhaltene Werth denen vorhandenen nächsten Blutsfreunden des abgeleibten Erblassers, welchen sonst in Abgang des Abwesenden das Gut zugefallen wäre, gegen Leistung genugsamer Bürgschaft und Sicherheit, daß sie, zu was Zeit hernach über kurz oder lang der Abwesende, oder andere nähere Erben hervorkämen, dem oder denenselben diesen ihnen zu getreuen Handen anvertrauten Erbtheil sammt allen mittlerweil davon behobenen Nutzungen wieder erstatten wollen, eingeantwortet werden.

[2, 21, § 2] 36. Wollten oder könnten aber die nächste Befreundte keine annehmliche Sicherheit leisten, so solle die Barschaft in gerichtliche Verwahrung genommen, und verzinslich angeleget werden.

[2, 21, § 2] 37. Die liegende Güter hingegen einem Curatori zu getreuer Verwaltung unter Verrechnung anvertrauet, und mit dem hiervon alljährlich abfallenden Nutzen auf gleiche Art, wie mit der Barschaft verfahren werden.

[2, 21, § 2] 38. Nach dergestalten hergestellter Sicherheit des einem Abwesenden zugefallenen Erbtheils sind dreißig Jahre von dem Tag des Absterbens des Erblassers zu rechnen abzuwarten, ob binnen solchen seine Ruckkehr erfolgen, oder von seinem Leben oder Tod eine sichere und verläßliche Nachricht zu erhalten sein werde.

[2, 21, § 2] 39. Wo nun derselbe binnen dieser Zeit zuruckkommt, oder nach seinem inmittelst erfolgten Absterben sich Erben nach ihme hervorthun würden, welche ihr Erbfolgrecht wie erforderlich erweisen könnten, ist ihme, oder ihnen sein Erbtheil mit allen davon behobenen Nutzungen getreulich auszufolgen, und von Jenen, welche solchen bis dahin verwaltet, auf Erforderen hierüber ordentliche Rechnung zu legen.

[2, 21, § 2] 40. Gleichwie gegentheils, wo die vorhandene anderweite Blutsfreunde unter dieser Zeit sein noch vor dem Erblasser erfolgtes Ableben, oder auch, wo er nach dem Erblasser erweislich verstorben wäre, das ihnen nach demselben gebührende nächste Erbfolgrecht erproben würden, ihnen sein Erbtheil ohne weiters einzuantworten, oder wo solcher ihnen schon vorhin obstehender Maßen zur Verwaltung übergeben worden wäre, die geleistete Sicherstellung zu erlassen ist.

[2, 21, § 2] 41. Da aber der Abwesende unter dieser Zeit zwar selbst nicht zuruckkehrete, doch jegleichwohlen sein Aufenthalt in Erfahrniß gebracht würde, so solle ihme nach Beschaffenheit seiner Entfernung oder anderer etwan fürwalten mögender Ehehaften

(2-411) eine durch richterliches Ermessen selbst verfügende, insgemein aber außer dem Fall ganz besonderer Hindernissen, welche ihn an dem Ort, wo er ist, zuruckhalten, sich nicht über ein Jahr und sechs Wochen erstreckende Zeitfrist, um sich binnen solcher einzufinden, und zu seinem Erbtheil rechtsbehörig auszuweisen, anberaumet, und diese Verfügung ihme durch das hierum eigends zu ersuchen habende dortige Gericht bedeutet werden.

[2, 21, § 2] 42. Wo jedoch derselbe auf diese ihme bedeutete Vorladung weder selbst, noch durch einen von ihme hierzu genugsam Bevollmächtigten in der anberaumten Frist erschiene, und sein Ausbleiben mit keinen rechtserheblichen Ehehaften entschuldigen könnte, dahingegen das Gericht der ihme geschehenen Kundmachung dieser Vorladung versicheret wäre, so ist nach Verlauf dieser Zeit sein Ausbleiben für eine Entschlagung der Erbschaft anzusehen, und sein Erbtheil denen nächsten Blutsfreunden des Erblassers, welche nach ihme hierzu das nächste Recht haben, ohne weiteren Anstand mit Ausschließung seiner zuzusprechen.

[2, 21, § 2] 43. Würden hingegen diese dreißig Jahre völlig verstreichen, ohne daß er unter dieser Zeit weder selbst zuruckkehrete, noch von seinem Leben oder Tod eine sichere Nachricht zu erhalten gewesen wäre, so ist derselbe auf Anlangen Jener, welchen hieran gelegen ist, von Gericht aus für verstorben zu erklären, und sein Erbtheil Denenjenigen, welchen solcher zur Zeit des Absterbens des Erblassers angebühret hat, oder ihren ungezweifleten Erben einzuantworten, oder wo die Einantwortung schon vorher gegen Bürgschaft geschehen, die geleistete Sicherheit zu erlassen.

[2, 21, § 2] 44. Wo es sich aber ergäbe, daß es nicht um die Erbschaft nach einem Dritten, sondern um die Erbschaft nach einem Abwesenden selbst zu thun wäre, welcher über dreißig Jahre ausbliebe, ohne daß sein Aufenthalt, Leben oder Tod unter dieser Zeit in Erfahrniß zu bringen sein würde, in diesem Fall ist zwar mit mittlerweiliger Sicherstellung seines ruckgelassenen Vermögens auf gleiche Art zu verfahren, dieses jedoch seinen nächsten Blutsfreunden ohne hinlänglicher Bürgschaft nicht ehender einzuantworten, als bis sie erwiesen haben werden, daß der Abwesende nebst seiner dreißigjährigen Abwesenheit ein Alter von siebzig Jahren zuruckgeleget habe.

[2, 21, § 2] 45. In so einem als anderen Fall hingegen bleiben nichtsdestoweniger auch nach Verlauf der dreißig Jahren dem abwesend Gewesten, und seinen hinterlassenen eheleiblichen Kindern, wann von ihnen erwiesen werden mag, daß sie diese Zeit ohne ihrem Verschulden verstreichen lassen, alle Rechtswohlthaten bevor, kraft deren sie ihr Gut von Jenen, zu deren Handen es eingeantwortet worden, und ihren Erben, soviel noch von dem Gut in deren Handen vorhändig oder an Werth dafür ihnen zugekommen zu sein von denen Zuruckkehrenden ausgewiesen werden mag, zuruckforderen können.

[2, 21, § 2] 46. Auf das aber, was nach der gerichtlichen Zusprechung von den mittlerweiligen Inhaberen davon veräußeret worden, haben sie wider einen Dritten, welcher es rechtmäßig an sich gebracht, keinen Anspruch, noch auch sind die Inhabere selbst wegen deren von Zeit der gerichtlichen Zusprechung bis zu der gerichtlichen Klage behobenen und verzehrten Nutzungen Rechenschaft zu geben schuldig.

§. III.

[2, 21, § 3] 47. Mit Erbschaften gehen nicht allein die Vortheile, sondern auch alle Erblasten auf den Erben, welcher sich derselbe durch Antretung der Erbschaft verfänglich macht. Wiezumahlen jedoch zum öfteren die Lasten den Vortheil übersteigen, folglich dem Erben aus einer übermäßig belasten (!) Erbschaft mehr Schaden und Nachtheil, als Nutzen und Gewinn zugehen würde, solchemnach wollen Wir hiermit einem jeden Erben eine hinlängliche Bedenkzeit gnädigst gestatten, unter

(2-412) welcher derselbe sich wegen der Beschaffenheit der Erbschaft erkundigen, und ob er solche anzunehmen oder fahren zu lassen fürträglicher zu sein finde, sich entschließen möge.

[2, 21, § 3] 48. Diese Bedenkzeit bestimmen Wir, wann der Erb im Lande, wo die Erbschaft gelegen, anwesend ist, auf eine dreimonatliche, und wo er außer Landes abwesend, auf eine sechsmonatliche Frist von dem Tag des Absterbens des Erblassers, war wo ein Testament vorhanden, von dem Tag des kundgemachten Testaments, oder bei bedingten Erbseinsetzungen von Ausgang der Bedingniß zu rechnen.

[2, 21, § 3] 49. Wann jedoch solche erhebliche Ehehaften fürwalteten, daß der Erb binnen dieser Zeit sich nicht erklären könnte, so erlauben Wir weiters, daß derselbe noch vor deren Verlauf mit Anzeigung und Belegung der Ursachen um eine Erstreckung bei demjenigen Gericht, wo von ihme seine Erbserklärung einzubringen wäre, geziemend einkommen möge, welches aber solche niemalen auf eine längere Zeit, als auf sechs Wochen von dem Verlauf der obanberaumten Bedenkzeit zu verwilligen hat.

[2, 21, § 3] 50. Wo aber der Erb sich unter der obbestimmten Bedenkzeit weder erbserklären, noch auch vorbemelter Maßen eine Erstreckung ansuchen würde, solle derselbe nach deren Verlauf ein für allemal von der Erbschaft ausgeschlossen sein, und dafür geachtet werden, daß er sich der Erbschaft freiwillig entschlagen habe; er könne dann erweisen, daß diese Zeit ohne seinem Verschulden verstrichen seie.

[2, 21, § 3] 51. Außer einer solchen rechtsbewährten Entschuldigung gehet widrigens der Erbanfall sofort im Fall einer letztwilligen Anordnung auf die nachberufene Erben, oder in deren Ermanglung auf die weitere Befreundte, welchen von dem Tag der verflossenen ersten Bedenkzeit oder der erhaltenen Erstreckung eine gleichmäßige Bedenkzeit zu laufen anfängt; wo aber auch diese zweite Bedenkzeit verstreichen würde, ohne daß sich Jemand von ihnen angemeldet hätte, sind dieselben nicht weniger ausgeschlossen, und ist die Erbschaft als ein erbloses Gut Unserer Kammer zuzusprechen.

[2, 21, § 3] 52. Dieses hat in allen Fällen statt, wo der Erbanfall unstreitig, die Erben mündig, und wer Erb, und wo derselbe seie, bekannt ist, da aber die Erbschaft von mehreren Erbswerberen strittig gemacht würde, folglich auch Keiner vor Beendigung des Rechtsstritts zur Erbsantretung zugelassen werden kann, so hat die Bedenkzeit erst von dem Tag des zu Rechtskräften erwachsenen richterlichen Spruchs ihren Anfang zu nehmen.

[2, 21, § 3] 53. Gleichergestalten solle der Saumsal des Vormunds einem minderjährigen Erben nichts beschaden können, sondern wo das Gericht bei der Verlassenschaftsabhandlung ihn andurch gefährdet zu sein wahrnehmen würde, so hat dasselbe dem minderjährigen Erben einen anderen Vormund oder Curatoren zu bestellen, welchem ohnerachtet der verflossenen Bedenkzeit die Erbschaft in Namen, und anstatt des minderjährigen Erben anzutreten noch allzeit freistehen solle.

[2, 21, § 3] 54. Endlich wo von dem Erben gar nichts wissend, oder der Erb zwar bekannt, doch ob er am Leben sei, oder wo er sich aufhalte, nicht bewußt wäre, in solchen Fällen ist auf die in gleich vorhergehenden §. vorgeschriebene Art und Weis zu verfahren.

§. IV.

[2, 21, § 4] 55. Wann der Erb nach angefallener Erbschaft währender Bedenkzeit oder auch noch vor deren Anfang verstirbt, ohne solche angetreten oder sich derselben ausdrücklich entschlagen zu haben, überträgt derselbe sein Erbrecht auf seine sowohl

(2-413) letztwillig eingesetzte, als nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge berufene eheleibliche oder fremde Erben ohne Unterschied, ob er von dem Erbanfall gewußt habe, oder nicht.

[2, 21, § 4] 56. Diesen kommt demnach diejenige Frist, welche von der Bedenkzeit noch übrig ist, dergestalten zu statten, daß sie binnen derselben aus dem auf sie übertragenen Erbrecht die ihrem verstorbenen Erblasser zugefallene Erbschaft antreten können, und andurch die nachberufene oder nächste Erben des abgelebten ersten Erblassers, welche sonst in Abgang des Uebertragenden den nächsten erblichen Zutritt zu dessen Erbschaft gehabt hätten, davon ausschließen.

[2, 21, § 4] 57. Gegentheils, wo die Erbenserben die noch übrige Bedenkzeit ohne sich behörig erbszuerklären, oder ihren Saumsal mit rechtmäßigen Ehehaften entschuldigen zu können, verstreichen ließen, sind sie ausgeschlossen, und der Erbanfall gehet alsdann auf die von dem ersten Erblasser Nachberufene, oder seine nächste Erben, welche nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge das nächste Recht hierzu haben.

[2, 21, § 4] 58. In jenen Fällen aber, wo gewissen Personen ein von Unseren Gesetzen beschiedener Antheil von der Verlassenschaft ohne aller Belastung, folglich auch ohne Einschränkung der hierzu gebührenden Forderung auf einige Bedenkzeit zuzukommen hat, als den Kindern und Eltern der Pflichttheil, dem unversorgten Ehegatten der ehegattliche Antheil, übertragen diese Personen ihr zu solchem Antheil habendes Recht solange auf ihre Erben, als diese ihre Forderung nicht verjähret und erloschen ist.

[2, 21, § 4] 59. Desgleichen, wo gegen Ungewißheit des Erbens die Bedenkzeit nicht laufen kann, daueret die Uebertragung auf die Erbenserben nach Maßgebung dessen, was davon oben in §. II geordnet worden, durch dreißig Jahre. Nur allein die eheleibliche Kinder des abwesenden Erben ausgenommen, welchen auch nach dreißig Jahren das ihrem Vater oder Mutter, oder weiteren Aufsteigenden angefallene, und auf sie übertragene Erbrecht vorbehalten bleibt, wann sie diese Zeit ohne ihrem Verschulden verflossen zu sein erweisen mögen, und wo eine Erbschaft strittig wäre, wird auch das strittige Erbrecht auf die Erbenserben übertragen.

[2, 21, § 4] 60. Damit aber die Uebertragung auf die Erbenserben statt haben könne, müssen folgende Erfordernissen hinzustoßen, als: Erstens, daß auf den Verstorbenen der Erbanfall wirklich gediehen seie; wann dahero derselbe vor dem Erblasser, oder vor Ausgang der Bedingniß verstorben oder erbsunfähig, oder der Erbschaft unwürdig wäre, kann er auch kein Erbrecht, welches er selbst nicht hat, auf seine Erben übertragen.

[2, 21, § 4] 61. Nur allein ist der einzige Fall ausgenommen, wo der Erblasser seine Kinder in seinem letzten Willen bedacht hätte, welche vor seiner mit Nachlassung eheleiblicher Leibeserben verstorben wären, dann diese treten aus dem Recht des Geblüts in das Recht und an die Stelle ihrer vorgestorbenen Eltern, ohnerachtet dieselben den wirklichen Erbanfall nicht erlebet hätten.

[2, 21, § 4] 62. Zweitens, daß der Verstorbene noch zur Zeit der Uebertragung das Erbrecht gehabt habe; wo er sich aber der Erbschaft ausdrücklich entschlagen oder verziehen hätte, oder die Bedenkzeit verflossen, oder sein Recht sonst erloschen wäre, kann solches nicht mehr auf seine Erben übertragen werden.

[2, 21, § 4] 63. Drittens, daß der Erblasser nicht ein Anderes ausdrücklich geordnet habe, als da er eine vertrauliche Erbsnachberufung gemacht, oder die Erbenserben wortdeutlich ausgeschlossen hätte, in welchen Fällen der eingesetzte Erb wegen entgegenstehenden widrigen Willen des Erblassers auf seine Erben nichts übertragen kann.

(4-414) [2, 21, § 4] 64. Viertens, daß das Erbrecht also beschaffen seie, daß dasselbe seiner Natur nach auf Andere übertragen werden möge, und nicht mit der Person des eingesetzten Erben erlösche. Also da Jemand lediglich in dem Fruchtgenuß allein zum Erben eingesetzet worden wäre, überträgt derselbe solchen als ein bloßes persönliches Recht nicht auf seine Erben, sondern dieser erlöschet sogleich mit seiner Person, und wird ohne weiters mit dem Eigenthum des Guts, woran er bestellet ware, vereiniget, wann der Erblasser deshalben nichts Anderes geordnet hätte.

§. V.

[2, 21, § 5] 65. Eine zugefallene Erbschaft kann nicht anderst, als durch deren wirkliche Antretung erworben werden, diese aber auf keine andere Weis, als durch die bei Gericht eingebrachte Erbserklärung geschehen.

[2, 21, § 5] 66. Und solle in der Art der Erbserklärung zwischen nothwendigen und willkürlichen Erben kein Unterschied fürwalten, sondern wie die einen, so die anderen auf ganz gleiche Art und Weis, wann sie anderst zur Erbschaft gelangen wollen, ihre Erbserklärung bei Gericht einzubringen haben, obschon Wir es in Ansehung der minderen oder mehreren Gerichtsgebühren bei den Unterschied zwischen nothwendigen und willkürlichen Erben derorten, wo solcher bishero beobachtet worden, noch fernershin gnädigst bewenden lassen.

[2, 21, § 5] 67. Die Antretung der Erbschaft ist demnach eine deutliche Willenserklärung des Erbens, deme die Erbschaft (es seie aus letzten Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge) zugefallen, daß er solche annehmen wolle.

[2, 21, § 5] 68. Diese Erbserklärung solle nicht anderst, als ausdrücklich in der hiernach beschriebenen Form geschehen, keineswegs aber aus was immer für Thathandlungen des Erbens stillschweigend geschlossen werden können, sondern hinfüro eine derlei stillschweigende Erbserklärung mit allen ihren sonst denen gemeinen Rechten nach gehabten Wirkungen gänzlich aufgehoben sein.

[2, 21, § 5] 69. Wie hingegen ein solcher, der sich eigenmächtig ohne vorhergehender gerichtlicher Erbserklärung in die Erbschaftsgeschäfte einmischet, anzusehen seie, ist in zwölften Capitel, §. VI, num. 176 angezeiget worden.

[2, 21, § 5] 70. Die Erbserklärung muß allemal schriftlich verfasset und bei Gericht eingebracht werden, damit solche nach deren verwilligter Annehmung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher nach beschaffener Lage der Erbschaft eingetragen werden möge.

[2, 21, § 5] 71. Sie ist vorzüglich, bei derjenigen Gerichtsstelle, welcher die Verlassenschaftsabhandlung zustehet, einzureichen; wo aber die Erbschaft unter mehreren Gerichtsbarkeiten vertheilet wäre, so hat auch der Erb sich allenthalben, wo etwas von der Verlassenschaft gelegen ist, nach dem Herkommen eines jeden Landes erbszuerklären, und diese seine Erbserklärung daselbst vormerken und einverleiben zu lassen. Wären hingegen einige in einem anderen Land landtäflich, stadt- oder

(2-415) grundbücherlich versicherte Forderungen in die Verlassenschaft Unserer Unterthanen gehörig, so bedarf es auch allda, wo der Erblasser nicht Landmann ware, keiner besonderen Erbserklärung, sondern es ist an Beibringung und Einverleibung einer von der Abhandlungsinstanz ausgefertigten gerichtlichen Urkunde zur erforderlichen Legitimation genug.

[2, 21, § 5] 72. Sie muß ferners also beschaffen sein, daß darinnen der freie, ungezwungene und ausdrückliche Willen die Erbschaft so, wie sie angefallen, anzunehmen, ohne Einschränkung auf einige Zeit oder Bedingniß deutlich an Tag geleget, und darbei, wessen Verlassenschaft, und ob aus letztem Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge angetreten werde, dann ob solche mit oder ohne Bedingniß, ganz oder was für ein Theil, freivererblich oder vertraulicher Weise, das Eigenthum, oder nur der Fruchtgenuß allein zugefallen seie, klar, und namentlich ausgedrucket werde.

[2, 21, § 5] 73. Damit aber die Erbserklärung ihre rechtliche Wirkung haben möge, ist erforderlich: Erstens, daß der Erb fähig seie die Erbschaft anzutreten, worzu nicht an der Erbsfähigkeit, welche in zwölften Capitel, §. II, bestimmet worden, allein genug ist, sondern es muß beinebst auch die Fähigkeit seinen Willen zu erklären, und Verbindungen einzugehen hinzutreten.

[2, 21, § 5] 74. Zu dieser Fähigkeit wird Willen und Macht erforderet; welche dahero entweder aus Mangel des Verstands ihren Willen zu erklären nicht mächtig sind, als Kinder und Blödsinnige, oder wegen beschränkter freier Verwaltung ihres Vermögens sich in Verbindungen einzulassen die Macht nicht haben, als Unvogtbare und gerichtlich erklärte Verschwendere, diese können sich auch nicht erbserklären, sondern anstatt und in Namen ihrer werden Jene zugelassen, welche sie durch das Gesatz vorstellen, als Eltern, Vormündere oder Gerhaben, und Curatores.

[2, 21, § 5] 75. Von Jenen aber, welche Willen und Macht haben, kann auch durch Andere in Namen und anstatt ihrer, und zu ihren Handen die Erbserklärung eingebracht werden, wann diese darzu durch eine eigends hierauf ausgestellte besondere Vollmacht begewaltiget sind, welche allemal mit der Erbserklärung zugleich mit vorgemerket und einverleibet werden solle, ohne daß jedoch aus deren alleiniger Ausfertigung und Zustellung die wirkliche Antretung der Erbschaft gefolgeret werden könne, noch weniger der Aussteller derselben sich anmit die mindeste Verfänglichkeit in Ansehung der Erblasten zuziehe, wann nicht die Erbserklärung selbst in der gehörigen Zeit erfolget.

[2, 21, § 5] 76. Zweitens, daß die Erbschaft, welche angetreten werden will, dem sich hierzu Erbserklärenden wirklich zugefallen seie, und Alles, was und wie es ihme zugefallen, nicht aber nur ein Theil davon, oder auf eine andere Art, als der Erbanfall vermag, folglich wo derselbe in einem bestimmten Betrage oder einer gewissen Sache zum Erben eingesetzet worden, auch nur diese Sache, oder dieser Betrag, und nichts Mehreres oder Wenigeres, oder anderer Gestalt angetreten werde; dann wer den Willen des Erblassers in Einem anerkennet, muß sich auch eben demselben in dem Anderen fügen, und Niemand kann aus einerlei letzten Willen zu dem ihme zugedachten Vortheil gelangen, wann er nicht auch die ihme auferlegten Erblasten übernehmen will.

[2, 21, § 5] 77. Solchemnach können auch nothwendige Erben den ihnen sonst angebührenden Pflichttheil nicht begehren, wann sie sich der übrigen Erbschaft entschlagen, in welcher sie zu Erben eingesetzet worden, obschon die Last, insoweit solche den Pflichttheil betrifft, für nicht beigesetzet geachtet wird, sondern dieser ihnen auch nach angetretener Erbschaft ganz und unbeschwert zuzukommen hat.

[2, 21, § 5] 78. Wo sie aber sich der Erbschaft nicht unterziehen wollen, sondern sich derselben entschlagen, verlieren sie auch den Pflichttheil, doch behalten in solchem Fall die Kinder das, was sie von ihren Eltern in Lebzeiten bekommen haben, insoweit andurch der Pflichttheil der Uebrigen nicht verkürzet wird, widrigens sind

(2-416) sie schuldig von dem vorhinein Empfangenen so viel einzubringen und herauszugeben, als denen Anderen an ihrem Pflichttheil abgehet.

[2, 21, § 5] 79. Desgleichen bleibet ihnen auch bei ausgeschlagener väterlicher Erbschaft Dasjenige, worzu sie nicht aus dem Willen des Vaters, sondern aus Vorsehung und Bestimmung ihrer Voreltern, Verwandten oder anderer Stifteren berufen werden, als zu Lehen- und Fideicommißgütern, welche dahero ohne Anstand ein Sohn zu behalten, und die andere freivererbliche Verlassenschaft seines Vaters auszuschlagen befugt ist.

[2, 21, § 5] 80. Drittens, daß, wo das Erbfolgrecht von dem Beweis der Kindschaft, Verwandtschaft und Nähe des Grads abhanget, dieser sogleich in der Erbserklärung mit beigebracht, oder wo darmit aus erheblichen Ehehaften nicht alsobald aufgekommen werden könnte, mit deren Anzeigung um diesen Beweis nachtragen zu können eine Erstreckung angesuchet werde, welche das Gericht auf eine nach Befund der Umständen selbst ermessende hinlängliche Frist zu verwilligen, bis dahin aber, und so lange dieser Beweis nicht rechtsgenüglich verführet ist, die Erbserklärung nicht anzunehmen hat.

[2, 21, § 5] 81. Viertens, daß die Erbserklärung insgemein noch vor Verlauf der obausgemessenen Bedenkzeit eingebracht werde, widrigens wird der Erb außer jenen Fällen, wo oben erwähnter Maßen die Bedenkzeit nicht laufet, nach deren Verfließung für ausgeschlossen gehalten.

[2, 21, § 5] 82. Unter dieser Zeit aber kann die Erbserklärung in dem Fall der letztwilligen Erbfolge zwar gleich nach eröffneten und kundgemachten Testament, gleichwie im Fall der rechtlichen Erbfolge alsbald nach dem Tod des Erblassers eingebracht, und auch, wo die Ursache des angebenden Erbrechts hinlänglich erwiesen worden, von Gericht, wann sich zur Zeit noch kein Widersacher gemeldet, und sonst dem Gericht Niemand, welcher ein näheres Erbrecht hätte, bekannt ist, ohne Anstand angenommen, und da, wo nöthig vorgemerket werden.

[2, 21, § 5] 83. Allein dessen ohnerachtet bleibet gleichwohlen Jenem, welcher nach der Zeit ein näheres Erbfolgrecht zu erweisen vermögete, sein Recht durch drei Jahr und achtzehen Wochen von dem Tag der einverleibten Erbserklärung noch allzeit bevor, binnen welcher Zeit derselbe der Erbserklärung des Anderen gerichtlich widersprechen und seine Rechtsbehelfe ausführen kann.

[2, 21, § 5] 84. Nach Verlauf dieser drei Jahren und achtzehen Wochen aber kann die Erbserklärung außer dem Fall rechtmäßiger Ehehaften, wodurch der Saumsal des Widersachers entschuldiget werden mag, nicht mehr angefochten werden.

[2, 21, § 5] 85. Dahingegen, wo zu gleicher Zeit sich mehrere Erbswerbere hervorthäten, deren Jeder vor dem Anderen ein näheres Erbrecht zu haben vermeinete, hat das Gericht von deren Keinem eine Erbserklärung zur Einverleibung anzunehmen, ehe und bevor nicht der Stritt zwischen ihnen ausgemacht ist.

[2, 21, § 5] 86. Die Wirkung der Antretung der Erbschaft bestehet in deme, daß der Erb andurch das Erbrecht an der ganzen Erbschaft erlange, und in alle Rechten, Gerechtigkeiten und Verbindlichkeiten des verstorbenen Erblassers, welche nicht mit seinem Tod erloschen, eintrete, folglich sich in der unten in §. VII erklärenden Maß sowohl für alle auf der Erbschaft haftende Forderungen, als für die Vermächtnissen, und überhaupt für Alles, was der Erblasser geordnet hat, verfänglich mache.

§. VI.

[2, 21, § 6] 87. Es hanget also von der freien Willkür eines jedweden Erben ab, die Erbschaft anzutreten, oder sich derselben zu entschlagen. Die Entschlagung der

(2-417) Erbschaft ist demnach eine deutliche Willenserklärung Desjenigen, deme die Erbschaft durch letzten Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zugefallen, daß er solche nicht annehmen wolle.

[2, 21, § 6] 88. Diese kann ausdrücklich oder stillschweigend geschehen; auf die erstere Art muß solche schriftlich verfasset, bei Gericht eingebracht, und da, wo nöthig, vorgemerket werden.

[2, 21, § 6] 89. Stillschweigend geschieht dieselbe in Fällen, wo die Bedenkzeit laufet, durch deren gänzlichen Verlauf ohne eingebrachter Willenserklärung des Erbens, welcher alsdaun (= alsdann), wann er seinen Saumsal mit keinen rechtmäßigen Ehehaften entschuldigen mag, von der Erbschaft eben also ausgeschlossen ist, als ob er sich derselben ausdrücklich entschlagen hätte.

[2, 21, § 6] 90. Wann dahero der Nachberufene, oder der weitere Erb sich zur Erbschaft anmeldet, solle Jener, welcher die Bedenkzeit vorbesagter Maßen verstreichen lassen, auf deren Anlangen für ausgeschlossen gerichtlich erkläret, und diese Erklärung gehöriger Orten vorgemerket werden.

[2, 21, § 6] 91. Wer die Macht hat die Erbschaft anzutreten, hat auch die Macht, sich derselben zu entschlagen; gleichwie aber die ganze Erbschaft ohne Ausnahme angetreten werden muß, also ist sich auch nicht weniger der ganzen Erbschaft ohne allem Vorbehalt des mindesten Erbrechts zu entschlagen.

[2, 21, § 6] 92. Wer sich einer angefallenen Erbschaft einmal entschlagen, hat zu derselben keinen Zutritt mehr, sondern verlieret anmit das Erbfolgrecht, und kann solches auf seine Erben nicht übertragen; gegentheils gehet dasselbe sofort auf die nachberufene zweite Erben, oder Jene, welche dem Erblasser nach ihme die Nächsten sind.

[2, 21, § 6] 93. Es solle auch nicht in der Macht des letztwillig eingesetzten Erben stehen, wann er zugleich nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge der Nächst wäre, die ihme aus dem letzten Willen zugefallene Erbschaft auszuschlagen, und eben dieselbe nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge anzutreten.

[2, 21, § 6] 94. Sondern, wo derselbe die Erbschaft aus letzten Willen nicht antreten wollte, solle er auch von der rechtlichen Erbfolge ausgeschlossen, und entweder der nachberufene zweite Erb, wo deren einer vorhanden, oder in dessen Abgang der weitere Befreundte, welcher dem Erblasser nach Jenem, der sich der Erbschaft entschlagen hat, der Nächste ist, zur Erbschaft zugelassen werden.

[2, 21, § 6] 95. Doch kann geschehen, daß die nemliche Erbschaft hinwiederum eben Demselben, der sich solcher entschlagen hat, nach einer dazwischen eingetretenen Person, welche hierzu gelanget ist, zufalle; es seie, daß er von dieser zum Erben eingesetzet, oder ihr nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zum nächsten verwandt wäre.

[2, 21, § 6] 96. Hieraus ergiebt sich auf ihn ein neuer Erbanfall, folglich stehet ihme auch frei, die nemliche Erbschaft, welcher er sich nach dem ersten Erblasser entschlagen, alsdann nach dem anderen Erblasser noch gleichwohlen anzutreten, und wessen unmittelbarer Erb derselbe nicht sein wollen, nachgehends mittelbar dessen Erb zu werden.

[2, 21, § 6] 97. Die Entschlagung der Erbschaft hat die Wirkung, daß wie der sich Entschlagende von allen Erbvortheilen ausgeschlossen, also auch von allen Erblasten entlediget bleibe; sie schadet jedoch nur allein deme, welche sich der Erbschaft entschlagen hat, und Denenjenigen, auf die sonst vor ihme sein Erbrecht hätte übertragen werden können, wo sie nicht zugleich aus eigenem Recht zur Erbfolge die Nächsten sind.

[2, 21, § 6] 98. Nicht aber auch denen übrigen Miterben, wann durch die Entschlagung des Einen ihr Erbrecht geschmälert würde, sondern dieses solle ihnen gleichwohlen

(2-418) in eben derjenigen Maß unbekränkt verbleiben, in welcher es ihnen bei Zusammentreffung des sich Entschlagenden angebühret hätte.

[2, 21, § 6] 99. Wann demnach z. B. in Zusammentreffung eines Bruders mit zweier Geschwister Kindern, deren mehrere von Einem, als von dem Anderen sind, der Bruder sich der Erbschaft entschlüge, hätten die Geschwisterkinder allein unter sich nach der Anzahl ihrer Personen zu erben, wodurch aber die Wenigere von dem einem Geschwister in ihrem Erbtheil verkürzet würden, weilen sie in Zusammentreffung des Bruders nach dem Stammen geerbet haben würden; um damit ihnen also durch die Entschlagung des Bruders keine Verkürzung zugefüget werde, so solle es auch solchen Falls bei der Erbfolge nach denen Stämmen sein Bewenden haben, und die ganze Erbschaft unter beiderseitige Geschwisterkinder nach dem Stammrecht vertheilet werden.

[2, 21, § 6] 100. Dann es ist eine standhafte Regel, daß, wie der Erbanfall, also auch die Erbfolge sein müsse, folglich hat es jederzeit bei derjenigen Art der Erbfolge, nach welcher der Erbanfall sich ergeben hat, sein Verbleiben, ohne daß solche durch die darzwischen kommende Zufälle sich veränderen lasse, wo mithin, wann auch bei Zusammentreffung des Bruders mit Geschwisterkindern der Bruder nach dem Erbanfall unter der Bedenkzeit verstürbe und Kinder hinterließe, die Erbtheilung nichtsdestoweniger zwischen allseitigen Geschwisterkindern nach denen Stämmen geschehen muß, weilen die Erbschaft nach dem Stammrecht angefallen ist. Ein Anderes wäre, wann der Bruder vor dem Erbanfall verstorben, oder zur Zeit des Erbanfalls erbsunfähig oder unwürdig, mithin solcher schon damals auf die Geschwisterkinder allein gegangen sein würde.

§. VII.

[2, 21, § 7] 101. Damit aber der Erb in Antretung der Erbschaft vor Schaden und Nachtheil desto gesicherter sein möge, und nicht etwan durch die erst hernach


(2-419) hervorbrechende, anfangs nicht allemal vorzusehen geweste Schuldenlast über die Kräften der Erbschaft verfänglich werden, so wollen Wir ihme die Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii in der Maß angedeihen lassen, daß, wo er sich solcher gebrauchen will, derselbe andurch zu denen Erblasten nicht weiter verbindlich werde, als die in dem gerichtlichen Inventario beschriebene Mitteln der Verlassenschaft zu erschwingen vermögen.

[2, 21, § 7] 102. Das Inventarium, welches auch anderst ein Erbregister oder ein Fundbuch benamset wird, ist eine gerichtliche Beschreibung aller zur Verlassenschaft gehörigen Dingen.

[2, 21, § 7] 103. Insgemein stehet es zwar in der Willkür des Erbens sich dieser Rechtswohlthat theilhaftig zu machen, folglich die Veranlassung einer solchen gerichtlichen Beschreibung anzuverlangen oder nicht; doch sind auch Fälle, worinnen das Gericht von amtswegen, der Erb möge solches begehren oder nicht, ein Inventarium über die gesammte Verlassenschaft noch vor deren Einantwortung zu verfassen hat.

[2, 21, § 7] 104. Diese Fälle sind: Erstens, wann alle oder einige Erben, oder auch deren nur Einer noch unvogtbar oder minderjährig, oder also bestellet ist, daß er die freie Verwaltung seines Vermögens nicht habe.

[2, 21, § 7] 105. Zweitens, wann der Erb oder auch ein Miterb abwesend, und sein Aufenthalt nicht bekannt, oder doch seine Zuruckkunft nicht sobald anzuhoffen wäre.

[2, 21, § 7] 106. Drittens, wann sich nach dem Verstorbenen ein Auflauf der Glaubigeren eräußeret, oder die Verlassenschaft wahrscheinlicher Weise mit Vermächtnissen erschöpfet wäre, und von denen Glaubigeren oder Legatarien die Inventur verlanget wird.

[2, 21, § 7] 107. Viertens, wann entweder die Kinder oder Eltern ihren Pflichttheil oder der hinterlassene Ehegatt seinen Antheil, noch ehe und bevor die Erbschaft

(2-420) dem eingesetzten Erben eingeantwortet worden, gerichtlich anforderen, oder über dessen Verkürzung klagen, oder sonst die Erbschaft zwischen mehreren Erbswerberen noch vor der wirklichen Einantwortung strittig, und der Stritt sich länger hinaus verziehen würde.

[2, 21, § 7] 108. In allen diesen Fällen hat das Gericht unter eigener Darfürhaftung zur gerichtlichen Beschreibung der Verlassenschaft fürzuschreiten, wann auch der Erb selbst oder der Miterben Einer sich darwidersetzten, und die Erbschaft ohne der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten hätten.

[2, 21, § 7] 109. Und dieses zwar in denen ersteren zweien Fällen ohne Ausnahme, in beiden letzteren Fällen aber kann von dem Erben die Veranlassung des Inventarii nur andurch vermieden werden, wann er ein mit allen Denenjenigen, welche an die Verlassenschaft Forderungen stellen, getroffenes vollständiges Abkommen erweisen mag, oder dieselben in die ihme machende Einantwortung der Erbschaft ohne vorgängigen Inventario einwilligen.

[2, 21, § 7] 110. Außer diesen Fällen beruhet es einzig und allein bei dem eigenen Willen großjähriger Erben, welche in freier Verwaltung ihres Vermögens nicht beschränket sind, die Erbschaft mit oder ohne der Rechtswohlthat des Inventarii anzutreten, also daß es weder in der Macht des Erblassers stehe, ihnen solche zu verwehren, sondern eine derlei Verfügung für nicht geordnet gehalten werden solle.

[2, 21, § 7] 111. Wann sie aber dieser Rechtswohlthat genußbar werden wollen, müssen sie das Inventarium gleich bei Antretung der Erbschaft anbegehren, widrigens und da die Erbschaft von ihnen ohne Vorbehalt des Inventarii angetreten worden, haben sie sich dieser Rechtswohlthat für allzeit begeben, ohne sich mehr darauf berufen, noch weniger den Abgang des Inventarii mit einer noch so beglaubten, und allenfalls auch eidlich bestätigen wollenden außergerichtlichen Beschreibung ersetzen zu können.

[2, 21, § 7] 112. Wo aber der Erb die Erbschaft mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten, hat das Gericht, deme die Verlassenschaftsabhandlung zustehet, solches sogleich und noch vor Einantwortung der Erbschaft vorzunehmen, und wo die Verlassenschaft unter mehreren Gerichtsbarkeiten vertheilet wäre, hat auch der Erb allerorten, wo er sich erbserkläret, die Inventur anzuverlangen, wann er dieser Wohlthat nicht verlustig sein will.

[2, 21, § 7] 113. Die Beschreibung oder Inventur hat allemal von dreien geschwornen Gerichtspersonen zu geschehen, worzu jedoch die Gegenwart des Erbens, oder Jener, die an der Verlassenschaft Sprüche und Forderungen haben, nicht nothwendig ist, obschon weder denen Erben, oder Jenen, die sie vertreten, weder dem allenfalls zu Handen der Glaubigeren aufgestellten Curatori, noch auch sonst Jemanden, deme erweislich daran gelegen ist, und sich dabei einfindet, der Zutritt hierzu verwehret sein solle, wann es nur Personen eines ehrbaren Wandels sind, wider die kein Verdacht einer besorglichen Entfremdung fürwaltet.

[2, 21, § 7] 114. Die Beschreibung ist mit aller nur möglichen Verläßlichkeit zu verfassen, und darinnen Alles klar und deutlich anzumerken, was immer in die Verlassenschaft gehöret, nichts davon ausgenommen, solches bestehe in liegenden oder fahrenden Dingen, Rechten und Gerechtigkeiten, Zugehörungen, versicherten oder unversicherten, verbrieften oder unverbrieften Ansprüchen und Forderungen sammt allen Urkunden, Rechnungen, Auszügeln, Quittungen und allen anderen zum Gebrauch und Nutzen des Erbens, oder dessen, welcher die Verlassenschaft zu vertreten hat, dienlichen Schriften.

[2, 21, § 7] 115. Bei Fahrnissen muß die Gestalt, Gattung, Gewicht, Zahl, Maß und der Werth getreulich beigerucket, und zu dem Ende eigends hierzu beeidigte, des Werths der Sachen kundige Leute beigezogen werden, nach deren Schätzung der Werth einer jedweden Sache mitanzumerken ist.

[2, 21, § 7] 116. Auch fremde Sachen, die unter der Verlassenschaft vorfindlich sind, sie

(2-421) mögen hinterlegungs-, entlehnungs- oder pfandweise, oder auf was sonst immer für andere Art zu Handen des Verstorbenen gekommen sein, sollen mit der Vormerkung, was es darmit für eine Beschaffenheit habe, in die Beschreibung eingezogen und solange in der Verlassenschaft aufbehalten werden, bis sich der angebliche Eigenthümer hierzu rechtsbehörig ausgewiesen, oder sie von der Haftung, womit sie dem Verstorbenen befangen waren, entlediget haben wird.

[2, 21, § 7] 117. Endlich müssen nicht weniger alle Haftungen der Verlassenschaft, und alle sowohl versicherte, als unversicherte, verbriefte oder unverbriefte Schulden, so viel deren zur Zeit wissend sind, oder in Erfahrniß gebracht werden können, insgesammt in der Beschreibung angemerket werden, um den ganzen Vermögens- und Schuldenstand, so viel als möglich, daraus abnehmen zu mögen, ohne daß jedoch die Einziehung in das Inventarium Jemanden ein Recht gebe, noch die Auslassung solches benehme, sondern der Bestand oder Unbestand einer Forderung hanget allemal von dem künftig zu verführen habenden Beweis ab.

[2, 21, § 7] 118. Bei der Beschreibung selbst sollen die Gerichtspersonen sich aller Redlichkeit, Emsigkeit und Achtsamkeit befleißen, die Inventur ohne Noth nicht durch längere Zeit als nöthig, verzögeren, nichts von Allem, was in die Verlassenschaft gehörig ist, unter was immer für einen Vorwand geflissentlich auslassen, sich aller schändlichen Eigennützigkeit enthalten, und bei schärfester Ahndung sich nicht unterstehen, etwas, was es immer seie, aus der Verlassenschaft sich für ihre Mühewaltung zuzueignen, wann es auch gegen Bezahlung des geschätzten Werths, oder auf Abschlag der Gerichtsgebühren geschehen wollte.

[2, 21, § 7] 119. Wäre aber wider die Wittib, Erben, Miterben, oder sonst Jemanden ein gegründeter Verdacht vorhanden, daß sie einige in die Verlassenschaft gehörige Habseligkeiten vertuschen, zuruckhalten oder unterschlagen, so sollen dieselben auf Anlangen Jener, denen hieran gelegen ist, mittelst des ihnen auftragenden Offenbarungseids zur getreulichen Anzeige, und Auslieferung der vertuschten oder zuruckgehaltenen Sachen ohnnachsichtlich angehalten werden.

[2, 21, § 7] 120. Sobald nun das Inventarium solchergestalten verfasset, und in das Reine gebracht worden, solle dessen Vollzug in dem Gerichtsbuch vorgemerket, das Inventarium selbst aber bei Gericht wohlverwahrlich aufbehalten, und dem Erben davon eine Abschrift mit Anmerkung des Tags der Zustellung hinausgegeben werden, maßen ihme von diesem Tag an die oben in sechzehenten Capitel, vierten Artikel, §. XXX bestimmte sechswochentliche Frist zur Anforderung des Erbviertels, wann er sich mit übermäßigen Vermächtnissen beschweret zu sein glaubet, zu laufen anfängt.

[2, 21, § 7] 121. Nicht weniger sind den Vormünderen oder Gerhaben und Curatoren der Erben, wie auch allenfalls dem über die Verlassenschaft aufgestellten Curatori, und überhaupt Jedermänniglichen, welcher an der Verlassenschaft Sprüche und Forderungen hat, auf Verlangen Abschriften von dem Inventario hinauszugeben.

[2, 21, § 7] 122. Die Wirkungen eines gerichtlich verfaßten Inventari, und die für den Erben hieraus fließende Wohlthaten bestehen in Folgenden: Erstens, daß derselbe zu den Erblasten nicht weiter, als sich die Kräften der Erbschaft erstrecken, verbindlich werde, und wo sich noch vor Einantwortung der Erbschaft eine so überhäufte Schuldenlast hervorthäte, daß zu deren Tilgung die Erbschaft nicht hinreichend wäre, er ohnerachtet der Antretung noch allzeit sich derselben zu begeben, und mittelst anverlangender Ausschreibung einer ordentlichen Vergantung oder Cridä solche denen Glaubigeren zu überlassen befugt seie.

[2, 21, § 7] 123. Zweitens, daß er für die ohne seiner Schuld aus der Verlassenschaft verlorene, oder sonst durch Zufall zu Grund gegangene, oder schadhaft gewordene Sachen zu haften nicht schuldig, noch auch, wo er die Erbschaft an einen Nachberufenen ganz oder zum Theil zuruckzustellen, oder gewisse bestimmte Dinge nach ihrer Gestalt oder Gattung aus der Verlassenschaft zu leisten hätte, solche in einer

(2-422) besseren oder anderen Gestalt, oder mehreren Betrag, als das Inventarium ausweiset, abzustatten verbunden seie.

[2, 21, § 7] 124. Drittens, daß in diesem Fall in Ansehung der wechselweisen Sprüchen und Forderungen die Vermischung des Schuldners und Glaubigers in einer Person durchaus nicht statt habe, folglich sowohl dem Erben alle seine Rechten, Ansprüche und Forderungen, welche er an dem Verstorbenen gehabt, als auch dagegen der Verlassenschaft jene, welche dem Erblasser an dem Erben gebühret haben, wider ihn bevorbleiben, wann eine und die anderen also beschaffen sind, daß sie mit dem Tod des Erblassers nicht erloschen.

[2, 21, § 7] 125. Viertens, daß der Erb alle nothwendige Kosten, welche er auf die Begräbniß, Kundmachung des letzten Willens, die Erbserklärung, Errichtung des Inventarii, Vertretung und Verwaltung der Erbschaft aufgewendet, vor denen Schulden und Vermächtnissen abziehen möge.

[2, 21, § 7] 126. Fünftens, daß in dem Fall, wo der Notherb an seinem Pflichttheil verkürzet, oder ein anderer Erb mit übermäßigen Vermächtnissen beschweret ist, ersterer die Ergänzung seines Pflichttheils, und letzterer das Erbviertel nach Maßgebung dessen, was davon in sechzehenten Capitel, vierten Artikel, §. XXX geordnet worden, anforderen könne.

[2, 21, § 7] 127. Sechstens, daß der Erb nach der ihme geschehenen Einantwortung der Erbschaft die Schulden und Vermächtnissen ohne an die Beobachtung einer Zahlungsordnung, wann ihme solche bei Einantwortung der Erbschaft nicht eigends vorgeschrieben worden, gebunden zu sein eine vor der anderen, wie es ihme anständiger und nützlicher dünket, hinausbezahlen und hintanfertigen könne.

[2, 21, § 7] 128. Es haben solchemnach jene Glaubigere, die erst nach der dem Erben geschehenen Einantwortung hervorkommen, sich sebst (= selbst) beizumessen, daß sie sich zu spät angemeldet, wann nach der Zeit die übrige Erbschaft zu ihrer Befriedigung nicht hinreichend ist.

[2, 21, § 7] 129. Dann wiewohlen sie das, was an Vermächtnissen hinausbezahlet worden, von Jenen, die es empfangen, oder von deren Erben zuruckzuforderen befugt sind, so können sie doch weder den Erben über die Kräften der Erbschaft, noch weniger die vor ihnen abgefertigte Glaubigere weiter anfechten; was aber der Erb vor Einantwortung der Erbschaft hinausbezahlet, zahlet er auf seine Gefahr.

[2, 21, § 7] 130. In Gegentheil, wo der Erb die Erbschaft ohne der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten hätte, wird die Zulänglichkeit der Erbschaft dergestalten ohnableinlich vermuthet, daß er für alle Erblasten ohne Ausnahme, und ohne einen Beweis des Widrigen dagegen zuzulassen, zu haften habe, anbei auch alle an dem Erblasser gehabte Ansprüche und Forderungen verliere, keine wie immer Namen habende Kosten abziehen, und weder die Ergänzung des Pflichttheils, noch das Erbviertel anforderen könne.

[2, 21, § 7] 131. In jenen Fällen aber, worinnen nach der oben von num. 104 bis 109 enthaltenen Ausmessung auch ohnerachtet der von dem Erben ohne der Rechtswohlthat des Inventarii geschehenen Antretung der Erbschaft dieses jegleichwohlen von amtswegen veranlasset würde, solle zwar dasselbe dem Erben zu keinem Gewinn und Vortheil gereichen, folglich er weder die Ergänzung des Pflichttheils, noch das Erbviertel anzuforderen befugt sein.

[2, 21, § 7] 132. Doch wirket das auch von amtswegen errichtete Inventarium so vieles, daß er andurch für Schaden bewahret seie, und nicht über die Kräften der Erbschaft verbunden werde, annebst auch beiderseitige Ansprüche und Forderungen, welche sowohl dem Erben an der Verlassenschaft, als dieser an jenem zustehen, aufrecht verbleiben; es wäre dann erweislich, daß der Erb sich noch vor der Inventur in die Erbschaft eigenmächtig eingemischet, und sich ein und anderes, was in die Verlassenschaft gehörig, zugeeignet habe.

(2-423) §. VIII.

[2, 21, § 8] 133. Nach vollbrachter Inventur hat das Gericht ohngesaumt zur weiteren Verlassenschaftsabhandlung fürzuschreiten, wodurch nichts Anderes verstanden wird, als die Erörterung und Berichtigung aller an der Erbschaft habenden Sprüchen und Forderungen.

[2, 21, § 8] 134. Hierunter sind alle von der gerichtlichen Sperr anzufangen, bis zur wirklichen Einantwortung der Erbschaft bei einer Verlassenschaft vorgehende gerichtliche Handlungen begriffen, vornehmlich aber bestehet solche in Untersuchung der Kräften der Erbschaft, und in Auseinandersetzung sowohl der Erbsansprüchen, als der an die Verlassenschaft stellenden Forderungen.

[2, 21, § 8] 135. Sie stehet insgemein demjenigen Gericht zu, unter dessen Gerichtsbarkeit die Verlassenschaft befindlich ist, und wo solche unter mehreren Gerichtsbarkeiten vertheilet wäre, hat auch jedwedes Gericht über den unter seiner Gerichtsbarkeit gelegenen Theil die Abhandlung zu pflegen.

[2, 21, § 8] 136. Diese Regel solle für allgemein in Bestimmung der Grenzen verschiedener Gerichtsbarkeiten, wie weit sich eine und die andere erstrecken möge, statt haben, außer jenen Orten, wo es durch eine anderweite von Uns besonders vorgeschriebene Richtschnur, oder durch eine rechtmäßig hergebrachte und mittelst beständiger ohnunterbrochener Uebung bewährte Gewohnheit hiervon abgekommen ist.

[2, 21, § 8] 137. Die Verlassenschaftsabhandlung ist, außer jenen Orten, wo solche in allen Erbfällen ohne Unterschied durchgängig hergebracht ist, in folgenden Fällen

(2-424) ohnausweichlich vorzunehmen: Erstens, wo nach der Landesverfassung von dem Betrag der Verlassenschaft eine Sterbtax abgenommen zu werden pfleget; zweitens, wo eine letztwillige Anordnung vorhanden, in welcher Vermächtnissen verschaffet worden; drittens, wo sich Glaubigere des Verstorbenen anmelden; viertens, wo Erben noch minderjährig sind, oder die freie Verwaltung ihres Vermögens nicht haben; fünftens, wo der Erb oder ein Miterb abwesend ist; sechstens, wo die Erbschaft zwischen mehreren Erbswerberen strittig ist, oder über Verkürzung des Pflichttheils oder des ehegattlichen Antheils geklaget wird.

[2, 21, § 8] 138. Die Abhandlung hat das Gericht nach Möglichkeit zu beschleunigen, und die sich saumig erfinden lassende Parteien mit denen rechtlichen Zwangsmitteln zur Ausführung ihrer Ansprüchen und Forderungen anzuhalten, hauptsächlich aber dabei die Sicherheit der Glaubigeren, Vermächtnissen und der Erben selbst, wo sie noch minderjährig oder abwesend, oder sonst in der eigenen Verwaltung ihres Vermögens beschränket sind, nach aller Thunlichkeit herzustellen.

[2, 21, § 8] 139. Zu diesem Ende solle dasselbe in dem Fall, wo nach dem Verstorbenen Schulden hervorkommen, vor Allem die Kräften der Erbschaft wohl untersuchen, ob sie zu deren Bezahlung zulänglich seie oder nicht; wird selbe hinreichend zu sein befunden, so ist die Behandlung mit dem Erben, wie er die Sicherheit und Befriedigung der Glaubigeren ausweisen könne und wolle, anzustoßen.

[2, 21, § 8] 140. Wäre aber die Verlassenschaft nicht zureichend die Tilgung der Schuldenlast zu erschwingen, so ist eine förmliche Crida oder Vergantung auszuschreiben, und auf die im vierten Theil in der Gant- oder Cridaordnung vorgeschriebene Art und Weis zu verfahren.

[2, 21, § 8] 141. Wo sich nach einem Verstorbenen nebst dem freieigenen Gut auch von ihme inngehabte Fideicommiß- oder Lehengüter vorfinden würden, solle sogleich deren Absönderung, und zwar der ersteren nach Ausmessung dessen, was hiervon im dreizehenten Capitel, zweiten Artikel, §. X geordnet worden, der letzteren aber nach denen jeden Orts üblichen Lehenrechten und Gewohnheiten vorgenommen werden.

[2, 21, § 8] 142. Nach Abzug der Schulden und dessen, was der Verstorbene mit der Verbindlichkeit der Zuruckstellung innen gehabt, ist sodann weiters auch von dem übrigen frei vererblichen Vermögen der Pflichttheil der Notherben, und der ehegattliche Antheil in dem Fall, wo solcher dem hinterlassenen Ehegatten gebühret, auszumessen, und die Sicherstellung so des Einen, als des Anderen zu bewirken.

[2, 21, § 8] 143. Nicht weniger solle das Gericht bei einer nachgelassenen letztwilligen Anordnung auf die darinnen verschaffte Vermächtnissen den erforderlichen Bedacht nehmen, und jene, welche ohnverweilt abzustatten sind, alsbald nach angetretener Erbschaft aus der Verlassenschaft berichtigen, die anderen aber, deren Abfuhr sich weiter hinaus verziehet, von dem Erben nach der im sechzehenten Capitel, dritten Artikel, §. XXIV enthaltenen Maßgebung genüglich versicheren lassen, und wo der Erb von den Vermächtnissen das Erbviertel anforderete, auf die in gleichbemelten Capitel, vierten Artikel, §. XXX vorgeschriebene Art fürgehen, und endlich all Dasjenige, was von dem Erblasser angeordnet worden, nach Ausmessung des siebenzehenten Capitels §. VI in Vollzug zu setzen trachten.

[2, 21, § 8] 144. Wo noch minderjährige, abwesende oder sonst sich selbst nicht vertreten mögende Erben vorhanden sind, hat das Gericht denenselben sogleich Vormündere oder Gerhaben, und Curatores zu bestellen, und dabei in Ansehung der Waisen all jenes zu beobachten, was davon im ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft geordnet ist, wie aber das Gericht in dem Fall abwesender Erben weiters fürzugehen habe, ist bereits oben §. II vorgesehen worden.

[2, 21, § 8] 145. Wann endlich die Erbschaft strittig wäre, ist das Strittige von dem Unstrittigen abzusönderen, und jenes bis zu Ausgang des Stritts in gerichtlichen Beschlag aufzubehalten, dieses aber, deme es gebühret, auszufolgen.

(2-425) [2, 21, § 8] 146. Damit aber Diejenige, welche an dem Verstorbenen Sprüche und Forderungen gehabt, durch eine voreilige Abhandlung der Verlassenschaft, ehe und bevor ihnen das Absterben des Erblassers bekannt wird, nicht in Schaden und Nachtheil versetzet werden mögen, so solle in Fällen, wo es das Gericht nöthig findet, und mit Grund die Verlassenschaft fremden Ansprüchen verfangen zu sein vermuthen kann, vor wirklicher Einantwortung der Erbschaft an den angeblichen Erben, und vor Hinausbezahlung der angemeldeten Schulden und Vermächtnissen das Absterben des Erblassers durch die Zeitungsblätter, und sonst gewöhnlicher Maßen öffentlich kund gemacht, und Alle und Jede, welche an seiner Verlassenschaft Sprüche und Forderungen haben, unter einer Frist von sechs Wochen, oder auch einer längeren der Beschaffenheit der Umständen nach dem vernünftigen Urtheil des Richters angemessenen, niemalen aber über ein Jahr und sechs Wochen sich erstreckenden Zeit vorgeladen und zusammenberufen werden.

[2, 21, § 8] 147. Welche sich nun in der gesetzten Zeit anmelden, mit denen solle auch ohne Rucksicht auf die Ausbleibende die Richtigkeit gepflogen, und die Verlassenschaftsabhandlung sofort beschlossen werden; die sich später Anmeldende hingegen haben den etwan erleidenden Schaden sich selbst beizumessen, wann die noch übrige Verlassenschaft zu ihrer Befriedigung nicht mehr zureichend ist.

[2, 21, § 8] 148. Die Fälle, worinnen insgemein mit einer dergleichen öffentlichen Kundmachung und Zusammenberufung fürgeschritten werden solle, können z. B. folgende sein, wann der Erblasser in dem Ort, wo er verstirbt, fremd, oder seine Verlassenschaft in Rucksicht seines getriebenen Gewerbs und Hantierung, oder der obgehabten Verwaltung fremden Guts, wegen verborgener Schuldenlast verdächtig, oder bei Auflauf der Glaubigeren die Ausschreibung der Cridä nothwendig, oder die Erben und ihr Aufenthalt nicht bekannt wären, oder die öffentliche Zusammenberufung von dem Erben selbst, oder Jenen, welchen an Berichtigung der Erbssprüchen erweislich gelegen ist, anverlanget worden, und überhaupt alle andere Umstände, die dem Gericht zu deren Veranlassung erheblich zu sein scheinen.

§. IX.

[2, 21, § 9] 149. Die Verlassenschaftsabhandlung endiget sich in dem Fall, wo hieran nach Tilgung und Bedeckung der Erblasten etwas erübriget wird, mit Einantwortung der Erbschaft an den oder diejenigen Erben, welche ihr Erbrecht hierzu rechtsgenüglich erwiesen haben.

[2, 21, § 9] 150. Diese aber solle bei eigener Haftung des Gerichts niemalen anderst geschehen können, als wann entweder sowohl die Miterben, als alle Andere, welche an der Verlassenschaft etwas zu forderen haben, einwilligen, oder der Erb selbe

(2-426) von ihme abgefertiget, oder in andere Wege befriediget, oder doch hinlänglich versicheret worden zu sein erweisen mag.

[2, 21, § 9] 151. Woferne jedoch Niemand vorhanden wäre, der mit Fug und Recht die Einantwortung der Erbschaft aufhalten könnte, ist zwischen der letztwilligen und rechtlichen Erbfolge nachstehender Unterschied zu beobachten:

[2, 21, § 9] 152. Wo die Erbschaft aus letzten Willen angefallen, ist die gerichtliche Sperr nicht ehender zu eröffnen, und die Erbschaft dem eingesetzten Erben einzuantworten, als bis nicht die im siebenzehenten Capitel, §. V, obausgemessene Zeit von sechs Wochen von dem Tag der Einverleibung des letzten Willens verflossen, und binnen solcher kein Widerspruch entgegen dem letzten Willen hervorgekommen ist.

[2, 21, § 9] 153. In dem Fall der rechtlichen Erbfolge hingegen ist mehrmalen zwischen der Ordnung der Absteigenden, und denen übrigen Ordnungen ein Unterschied zu bemerken. Eheleiblichen Kindern und weiteren Absteigenden, wann sie alle großjährig, gegenwärtig, und sonst an der freien Verwaltung nicht behinderet sind, und nach dem Verstorbenen weder Schuldforderungen angemeldet, noch etwan von ihme durch Codicillen Vermächtnissen hinterlassen worden, solle die Erbschaft gleich den Tag nach Beerdigung des Erblassers, wann sie sich vorhero rechtsbehörig erbserkläret haben, eingeantwortet werden.

[2, 21, § 9] 154. Bei allen übrigen nächsten Erben hingegen, sie mögen Aufsteigende oder Seitenverwandten sein, sind sechs Wochen von dem Tag des Absterbens des Erblassers abzuwarten, binnen welchen ihnen jedoch frei stehet sich erbszuerklären, und ihr Erbrecht zu erweisen.

[2, 21, § 9] 155. Dieses Alles aber hat nur in dem Fall statt, wo keine öffentliche Zusammenberufung nöthig ist, dann ansonst solle nicht allein die anmit anberaumte Zeitfrist abgewartet, sondern auch die Eröffnung der Sperr und Einantwortung der Erbschaft solange verschoben werden, bis nach Verlauf dieser Zeit die Verlassenschaftsabhandlung in der obvorgeschriebenen Maß völlig beendiget sein wird.

§. X.

[2, 21, § 10] 156. Gleichwie der Erb durch den Erbanfall, und die nachgefolgte Erbserklärung das Erbrecht erwirbt, also wird derselbe durch die Einantwortung der Erbschaft in dem wirklichen Genuß aller Erbvortheilen gesetzet.

[2, 21, § 10] 157. Diesemnach sind die Wirkungen des Erbrechts vor und nach Einantwortung der Erbschaft wohl zu unterscheiden, dann nach eingeantworteter Erbschaft hat der Erb hieran das volle Eigenthum, folglich auch alle Befugnissen eines wahren Eigenthümers, insoferne er nicht hierinnen durch die Anordnung des Erblassers beschränket ist.

[2, 21, § 10] 158. In dessen Folge stehen ihme nicht allein alle und jede Forderungen

(2-427) zu, welche dem verstorbenen Erblasser gebühret haben, und mit seinem Tod nicht erloschen sind, sondern er hat auch die Eigenthumsklage wider einen jedweden dritten Besitzer, welcher ein in die Erbschaft gehöriges Gut vorenthält.

[2, 21, § 10] 159. Vor Einantwortung der Erbschaft hingegen hat derselbe darmit noch keine Schalt- und Waltung, sondern bloß allein die ihme angebührende Erbsforderung wider Jenen, der die Erbschaft ganz oder zum Theil als ein vermeintlicher Erb, oder sonst die ganze Erbschaft aus was immer für einem angeblichem Ankunftstitel innen hat, zu deren Antretung und Ausfolgung mit allen ihren Zugehörungen, Zugängen und Nutzungen.

[2, 21, § 10] 160. Die Erbsforderung kann demnach nur in dem Fall des strittigen Erbrechts Platz greifen, maßen, wo dieses unstrittig ist, bedarf der Erb keiner Erbsforderung wider die Besitzere der in die Erbschaft gehörigen Güter, sondern mag nach von ihme angetretener Erbschaft wider dieselbe die Eigenthumsklage oder andere nach Gestalt der Sachen von dem Erblasser auf ihn gediehene Rechtsforderungen anstrengen.

[2, 21, § 10] 161. Es ist aber bei der Erbsforderung nach Verschiedenheit der Fällen, ob nemlich das Erbrecht gleich Anfangs, ehe und bevor noch Jemandens Erbserklärung bei Gericht angenommen worden, zwischen mehreren Erbswerberen strittig seie, oder ob das Erbrecht des Einen erst nach schon angetretener, oder bereits eingeantworteter Erbschaft von dem Gegentheil angestritten werde, in der Verfahrungsart ein Unterschied.

[2, 21, § 10] 162. Dann, wo zur Zeit, da die Verlassenschaft noch ledig, und von Niemanden angetreten worden ist, sich mehrere Erbswerbere hervorthun, deren Jedweder ein näheres, ausschließendes, oder auch ein gleiches von dem Anderen nicht anerkennen wollendes Erbrecht hieran zu behaupten vermeinet, ist von deren Keinem die Erbserklärung insolange anzunehmen, bis nicht der Stritt durch die zu Rechtskräften erwachsene richterliche Erkanntniß entschieden ist.

[2, 21, § 10] 163. Zu diesem Ende sollen die Erbswerbere untereinander über die von ihnen zu Darthuung ihres angeblichen Erbrechts beigebrachte Behelfe vernommen, hierbei schleunig verfahren, und alsdann darüber, was Rechtens ist, erkennet werden.

[2, 21, § 10] 164. Wäre aber die Erbserklärung des Einen noch ehender, als sich ein Anderer angemeldet, allschon zu Gericht angenommen, folglich die Erbschaft bereits angetreten, allein noch nicht eingeantwortet worden, und der Andere käme alsdann noch vor deren Einantwortung hervor, welcher ein näheres, oder auch gleiches Erbrecht zu haben vorgiebt, so hat dieser wider die Erbserklärung des Ersten einen ordentlichen Widerspruch einzulegen, und darauf anzutragen, womit solche aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern ausgelöschet, und ihme die Erbschaft zuerkennet werde.

[2, 21, § 10] 165. In einem, wie in dem anderen Fall hat das Gericht mit Einantwortung der in Stritt verfangenen Erbschaft bis zu Ausgang des Rechtsstritts zuzuwarten, und die unmündige, abwesende, oder sich sonst nicht vertreten mögende Erbswerbere mit Vormünderen oder Gerhaben, und Curatoren zu versehen.

[2, 21, § 10] 166. Inzwischen aber, und wo der Stritt sich länger hinaus verziehen würde, solle dasselbe gleichwohlen mit der Verlassenschaftsabhandlung fürschreiten, über solche einen Curatoren bestellen, das Strittige von dem Unstrittigen absönderen, dieses Denenjenigen, welchen es gebühret, ausfolgen lassen, jenes hingegen in gerichtlichen Beschlag nehmen, und was davon in Barschaften bestehet, nach Maßgebung Unserer anderweiten Verordnungen verzinslich anlegen.

[2, 21, § 10] 167. Währenden Rechtsstritts hat der angestellte Curator die Verlassenschaft in Allem zu vertreten, und sowohl Jenen, welche hieran Sprüche und Forderungen haben, mit Einvernehmung der Erbswerberen Red und Antwort zu geben, als auch alle dem Verstorbenen zugestandene Rechtsforderungen anzustrengen, und die

(2-428) in die Verlassenschaft gehörige Schulden und Ausstände einzutreiben, dann so lange der Erb sich mit der gerichtlichen Verwilligung der ihme einzuantworten kommenden Erbschaft nicht ausweisen kann, zahlen ihme die Schuldner des Verstorbenen auf ihre eigene Gefahr.

[2, 21, § 10] 168. Wo aber der Widerspruch wider die Erbserklärung des Einen nach schon eingeantworteter Erbschaft eingebracht würde, ist zwar gleichermaßen der Rechtsstritt hierüber ordentlich abzuführen, der Beklagte hingegen bleibet in dem Besitz und Genuß der ihme einmal eingeantworteten Erbschaft, bis daß derselbe durch die erfolgende richterliche Erkanntniß aus dem Besitz gesetzet werde.

[2, 21, § 10] 169. Doch ist derselbe nicht befugt, vor Ausgang des Rechtsstritts etwas von der strittigen Erbschaft eigenmächtig zu veräußeren, und dem Kläger ist unbenommen, wo er eine Gefahr besorglicher Versplitterung, oder Verringerung der Erbschaft zu erweisen vermag, den Beklagten zu Leistung einer hinlänglichen und annehmlichen Bürgschaft, daß mittlerweil nichts davon veräußeret oder verthan werden solle, anzuhalten.

[2, 21, § 10] 170. Könnte oder wollte aber der Beklagte die Bürgschaft nicht leisten, so ist über die Erbschaft ein Curator zu bestellen, und mit solcher inmittelst, wie mit einer ledigen Verlassenschaft auf die in num. 166 und 167 vorgeschriebene Art und Weis zu verfahren.

[2, 21, § 10] 171. Desgleichen kann Kläger bei Jenen, welche in die Erbschaft etwas schuldig sind, die an den Beklagten leistende Zahlung gerichtlich verbieten, welche alsdann vor Wiederaufhebung des Verbots sich von der Schuld nicht anderst, als durch deren gerichtlichen Erlag entledigen können.

[2, 21, § 10] 172. Dahingegen sind Jene, welche an der Erbschaft zu forderen haben, nicht verbunden, den Ausgang des Rechtsstritts abzuwarten, sondern sie können dessen ohnerachtet ihre Befriedigung anverlangen, und sind über ihre Forderungen beide Theile, sowohl der Beklagte, als der Kläger zu vernehmen.

[2, 21, § 10] 173. Wer die Erbsforderung anstrenget, muß das ihme entweder aus letztem Willen, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge ganz oder zum Theil angefallene, oder auf ihn übertragene, oder ihme von dem Erben abgetretene und überlassene Erbrecht, und im Fall der rechtlichen Erbfolge zugleich, daß er oder Jener, von deme es auf ihn übertragen, oder ihme abgetreten worden, den nächsten ausschließenden, oder doch einen mit denen übrigen Erbswerberen gleichen erblichen Zutritt habe, erweisen.

[2, 21, § 10] 174. Anstatt unwürdiger, oder gar noch ungeborner, abwesender, oder sich nicht zu vertreten fähiger Erben muß die Erbsforderung von Jenen angebracht werden, welche sie zu vertreten haben; in was aber für einer Maß dieselbe im Fall der letztwilligen Erbfolge denen noch Ungebornen zu statten kommen könne, ist bereits in zwölften Capitel, §. IV, von num. 87 bis 92, und in achtzehenten Capitel, §. III, erkläret worden.

[2, 21, § 10] 175. Zur rechtlichen Erbfolge hingegen wird ein noch Ungeborner nicht anderst zugelassen, als wann derselbe in dem Fall, wo er aus eigenem Recht zu der Erbschaft zu gelangen hätte, schon zur Zeit des Absterbens des Erblassers, oder doch längstens zur Zeit des wegen noch unentschiedener letztwilligen Erbfolge sich etwan hinausverziehenden Erbanfalls, in dem Fall aber, wo das Erbrecht von dem unmittelbaren Erben auf ihn übertragen wird, zur Zeit des Absterbens des Uebertragenden wirklich im Mutterleibe empfangen gewesen, widrigens haben Jene, welche erst nach dieser Zeit empfangen werden, an der Erbschaft keinen Anspruch, obschon sie mit denen anderen Erben, wann sie damals schon empfangen gewesen wären, ein gleiches Erbrecht gehabt haben würden.

[2, 21, § 10] 176. Wann demnach zur Zeit des unmittelbaren oder mittelbaren Erbanfalls der Erb, welcher zur ganzen Erbschaft das nächste ausschließende Recht hätte, noch nicht geboren, doch aber schon im Mutterleibe empfangen wäre, ist die gesammte

(2-429) Verlassenschaft bis auf die Zeit seiner zu erfolgen habenden Geburt in gerichtlichen Beschlag aufzubehalten, und inmittelst zu derselben Vertretung ein Curator anzustellen.

[2, 21, § 10] 177. Hätte aber der anhoffenden Geburt nur ein Theil der Erbschaft mit anderen gleich nahes Recht habenden Erben zuzufallen, so ist zu unterscheiden, ob der Geburt ein Stammtheil nach dem Stammrecht, oder aber ein Haupttheil nach der Anzahl der Personen zuzukommen habe.

[2, 21, § 10] 178. Im ersten Fall, wo derselben entweder aus dem Vorstellungsrecht, oder aus dem auf sie übertragenen Recht ein bestimmter Stammtheil, dessen Betrag durch die mehrere oder mindere Anzahl der Nachgeborenen weder vermehret, noch verminderet werden mag, zuzufallen hätte, als da z. B. nach einem Eltertheil nebst lebenden Kindern das Eheweib eines vorgestorbenen Sohns schwanger hinterlassen worden wäre, oder auch ein Sohn erst nach dem Eltertheil, ehe und bevor er sich erbserkläret, mit Hinterlassung eines schwangeren Eheweibs verstürbe, können denen übrigen Erben ihre Erbtheile, wann sonst keine Hinderniß unterwaltet, nicht vorenthalten werden, sondern die Theilung ist auf deren Anlangen ohne weiters vorzunehmen, dabei aber zur Vertretung der erwartenden Geburt ein Curator zu bestellen, und lediglich der ihr zufallende Erbtheil für dieselbe aufzubehalten.

[2, 21, § 10] 179. Wo jedoch bei der Erbfolge nach Landleuten in der Ordnung der Absteigenden die Ausmessung des Stammtheils von dem noch ungewissen Geschlecht des Ungebornen abhangen würde, solle allemal so viel in gerichtlichen Beschlag aufbehalten werden, als auf einen männlichen Stammtheil ausfiele; da aber nachhero ein Miterb weiblichen Geschlechts zur Welt käme, ist das Mehrere, was dessen Antheil übersteiget, denen anderen Miterben nach dem Verhältniß ihrer Erbtheilen auszufolgen.

[2, 21, § 10] 180 Im zweiten Fall hingegen, wo die Geburt einen Haupttheil zu forderen hätte, mithin die Theilung nach Anzahl der Personen vorzunehmen wäre, als da der Erblasser nebst lebenden Kindern sein Eheweib schwanger verließe, folglich noch ungewiß ist, ob ein oder mehrere Miterben, welche ein gleiches Erbrecht nach den Häuptern mit denen schon Lebenden haben würden, zur Welt kommen werden, solle die ganze Erbschaft bis zur Geburt in gerichtlichen Beschlag aufbehalten, und mittlerweil zu deren Vertretung ein Curator angestellet werden.

[2, 21, § 10] 181. Darmit aber ein zur Zeit des Erbanfalls noch in Mutterleibe befindlicher Miterb zur Erbschaft gelangen möge, ist erforderlich, daß derselbe lebendig, in menschlicher Gestalt, und zur rechten Zeit zur Welt komme, wie alles dieses an vorbemelten Stellen mit Mehreren erkläret worden.

[2, 21, § 10] 182. Das Gericht hat demnach, wann mittlerweil das Gegentheil der angeblichen Schwangerschaft nicht erhellet, oder sonst die Hoffnung der Geburt nicht ehender verschwindet, nur diese Zeit abzuwarten, nach deren Verlauf aber die Erbschaft ohne weiters denen anderen Erben einzuantworten.

[2, 21, § 10] 183. Kommt hingegen das Kind lebendig zur Welt, und lebet auch nur einen Augenblick, so überträgt es sein Erbrecht auf Jene, die ihme nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zum nächsten verwandt sind; wo es aber am Leben bliebe, ist solches mit einem Vormund oder Gerhaben zu versorgen.

[2, 21, § 10] 184. Mittlerzeit, wo Jemand sein Eheweib schwanger verließe, ist derselben aus der Verlassenschaft der standesgemäße Unterhalt nicht allein währender Schwangerschaft, sondern auch bis sechs Wochen nach der Niederkunft abzureichen, und sind nicht weniger die Niederkunftsunkosten daraus zu bestreiten.

[2, 21, § 10] 185. Die sich schwanger zu sein ausgiebt, hat in Ermanglung sichtbarer Zeichen, oder da sonst ein Zweifel fürwaltete, ihre Schwangerschaft durch das Zeugniß geschworner Wehmütter oder Hebammen zu bewähren, und wo auch deren Meinungen nicht übereinstimmend wären, ist allemal ehender für die Schwangerschaft,


(2-430) als wider dieselbe die Vermuthung, solange das Widerspiel nicht offenbar erhellet, oder die Unrechtmäßigkeit der künftigen Geburt nicht erwiesen wird.

[2, 21, § 10] 186. Würde jedoch eine Schwangerschaft gefährlicher Weise fälschlich angegeben, die nachher sich in der That nicht zeigen würde, und die Angeberin könnte einer darbei gebrauchten Gefährde überwiesen werden, so ist eine solche Person über den Ersatz des mittlerweil zur Ungebühr bezogenen Unterhalts Denenjenigen, welche andurch verkürzet worden, allen erweislichen Schaden zu vergüten schuldig, und noch beinebst nach Gestalt der Gefährde zu bestrafen.

[2, 21, § 10] 187. Die Erbsforderung kann vorerwähnter Maßen nur wider Jene, welche entweder die Erbschaft als vermeintliche Erben innen haben, oder sich deren Besitzes aus was immer für einen angeblichen Ankunftstitel angemaßet, wie nicht weniger wider deren Erben, oder auch Diejenige, auf welche von ihnen durch Handlungen unter Lebenden der anmassentliche Besitz übertragen worden, angestrenget werden.

[2, 21, § 10] 188. Kläger hat dahero allemal den Besitz des Beklagten, wo solcher von ihme in Abrede gestellet würde, zu beweisen. Für Besitzere aber werden auch Jene nach der im dritten Capitel, §. III, von num. 48 bis 57 erklärten Maß gehalten, welche sich entweder aus Gefährde zur geflissentlichen Verkürzung des Klägers des Besitzes entäußeret haben, oder, da sie wissentlich nicht in dem Besitz gewesen, sich jegleichwohlen für Besitzere ausgegeben, und mit dem Kläger, der sie für solche hält, sich in die Rechtfertigung einlassen.

[2, 21, § 10] 189. Wider Besitzere einzler Erbschaftstücken hingegen, welche selbe aus keinem anmaßentlichen Erbrecht, sondern aus einem anderen Ankunftstitel innen haben, hat nicht die Erbsforderung, sondern die Eigenthumsklage oder sonstige nach Verschiedenheit der Fällen angebührende Rechtsforderung statt.

[2, 21, § 10] 190. Dann der Gegenstand der Erbsforderung ist einzig und allein der allgemeine Begriff des Erbrechts, nachdeme solches dem Kläger ganz oder zum Theil zugefallen ist, folglich kann auch anmit nur der Begriff der gesammten Erbschaft, wie solche sowohl die Erbvortheile, als die Erblasten in sich einschließt, ganz oder zum Theil mit allen ihren Zugehörungen, Zugängen und Nutzungen geforderet werden; einzle Erbschaftsstücke hingegen kommen darbei nicht insonderheit, sondern nur insoweit in Betrachtung, als sie Theile des Ganzen sind.

[2, 21, § 10] 191. In diesem Verstand sind auch fremde Dinge unter dieser Klage enthalten, insoferne sie der Erbschaft, oder diese für selbe verfangen ist, als da sie dem Erblasser geliehen, vermiethet oder verpfändet, oder bei ihme hinterleget worden.

[2, 21, § 10] 192. Um damit aber Kläger Jenes, worinnen die Erbschaft eigentlich bestehet, wissen möge, ist derselbe befugt, wann er seine Klage noch vor Einantwortung der Erbschaft eingebracht, die gerichtliche Beschreibung der Verlassenschaft wo sie noch nicht geschehen, anzuverlangen.

[2, 21, § 10] 193. Da er aber erst nach deren ohne vorgängigen Inventario erfolgter Einantwortung hervorkäme, kann er den Besitzer zur Ausfertigung einer verläßlichen Beschreibung der gesammten Erbschaft, und zu deren eidlicher Bestärkung anhalten, wobei ihme noch unbenommen bleibt zu erweisen, daß ein Mehreres, als von dem Besitzer angegeben worden, in der Verlassenschaft vorhanden gewesen seie.

[2, 21, § 10] 194. Uebrigens hat die Erbsforderung sowohl in Ansehung des Ersatzes dessen, was inmittelst davon abgekommen, als wegen Zuruckstellung der mittlerweiligen Zugängen und Nutzungen, wie nicht weniger wegen Vergütung des erweislichen Aufwands eine ganz gleiche Natur und Eigenschaft mit der Eigenthumsklage, folglich ist auch Alles darbei zu beobachten, was im bemelten dritten Capitel, §. III, von num. 72 bis 89 nach Unterschied des guten und üblen Glaubens davon geordnet worden.

[2, 21, § 10] 195. Wofür aber Kläger von dem Beklagten den Ersatz erhalten, dieses kann er von einem dritten Besitzer nicht mehr anforderen, doch stehet ihme die

(2-431) Auswahl frei, ob er den Ersatz von dem Beklagten annehmen, oder die Sache von dem dritten Besitzere, wo dieser sie nicht schon aus Macht Rechtens eigenthumlich erworben hätte, abforderen wolle.

[2, 21, § 10] 196. In diesem letzteren Fall kann zwar die Eigenthumsklage bei noch unentschiedener Erbsforderung von ihme wider den dritten Besitzer vorsichtsweise eingebracht, und die angesprochene Sache mittlerweil mit dem Veräußerungsverbot auf sein Anlangen beleget werden; die Ausführung der Klage aber solle wegen des noch ungewissen Erfolgs, ob ihme das eingeklagte Erbrecht zuerkannt werden wird oder nicht, bis zu Ausgang des Hauptstritts über die Erbsforderung verschoben bleiben.

[2, 21, § 10] 197. Wäre die Erbschaft unter mehreren Gerichtsbarkeiten vertheilet, so hat zwar Kläger die Erbsforderung bei allen Gerichtsstellen, worunter etwas von der Erbschaft gelegen ist, anzubringen, den Stritt aber nur an einem Ort und zwar bei jenem Gericht, wo die Verlassenschaft abgehandlet worden, oder da auch solche mehreren Gerichten zustünde, bei demjenigen, wo er sich zuerst gemeldet, auszuführen, und nur allein bei denen anderen Gerichten sich des alldort anhängig gemachten Rechtsstritts halber auszuweisen.

[2, 21, § 10] 198. Welchen Falls der von einem Gericht ergangene, und in seine Rechtskräften erwachsene Spruch auch bei allen übrigen Gerichten ein gleiches Recht in Zulassung oder Abweisung des Klägers ohne einer neuen Rechtstheidigung wirket, wann derjenige Theil, für welchen der Spruch ausgefallen, dessen ordnungsmäßige Andeutung von dem Gericht, von welchem solcher geschöpfet worden, an die übrige Gerichte, bei denen zugleich die Erbsforderung angemeldet worden, ausgebracht, um darmit dieser Spruch auch allda, wo es nöthig vorgemerket werden möge.

[2, 21, § 10] 199. Die Befugniß, die Erbsforderung anzustrengen, währet insgemein durch drei Jahre und achtzehen Wochen, welche Zeitfrist in dem Fall, wo ein Testament angefochten würde, von dem Tag der Einverleibung desselben, in dem Fall der rechtlichen Erbfolge hingegen, wo die Erbserklärung eines vorgekommenen Erbswerbers angestritten werden will, von dem Tag der einverleibten Erbserklärung zu rechnen ist, nach deren Verlauf aber solle die Erbsforderung gänzlich verjähret und verschwiegen sein.

[2, 21, § 10] 200. Es wäre dann um das Erbrecht eines Abwesenden zu thun, dessen Leben und Aufenthalt nicht bekannt ist, in wessen Ansehung die ordentliche Verjährungszeit nicht laufen kann, sondern Jenes statt hat, was deshalben oben §. II geordnet worden.

(2-432)

Caput XXII.

Von Theilungen der Erbschaften.

Inhalt:

§. I. Von Erbtheilungen überhaupt. §. II. Von der zur Theilung der Erbschaft angebührenden Rechtshülfe. §. III. Von der Art und Weis der Erbtheilungen. §. IV. Von Sachen, welche in die Theilung zu legen sind. §. V. Von Wirkung der Erbtheilung. §. VI. Von der Rechtslage wegen Ungleichheit der Theilen.

§. I.

[2, 22, § 1] Num. 1.Wann mehrere Erben in letzten Willen eingesetzet, oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zur Erbschaft berufen werden, beruhet es insgemein bei ihrer selbsteigenen Willkür, ob sie zusammen in der Gemeinschaft der Erbschaft beharren, oder sich von einander abtheilen wollen.

[2, 22, § 1] 2. Sie wären dann Alle noch minderjährig, abwesend, oder sonst der eigenen Verwaltung unfähig, in welchen Fällen Wir dem vernünftigen Ermessen des Richters nach Befund der Umständen und Beschaffenheit der Verlassenschaft die Bestimmung überlassen haben wollen, ob die Erbschaft ungetheilt zu ihren Handen durch die aufgestellte Vormündere oder Gerhaben, und Curatores bis zu ihrer Großjährigkeit, Zuruckkunft oder Erlangung der freien Verwaltung besorgen zu lassen, oder aber die Theilung vorzunehmen für selbe nutzlicher und fürträglicher sein möge.

[2, 22, § 1] 3. Wann jedoch der Miterben einige großjährig, gegenwärtig, und der eigenen Verwaltung fähig, andere hingegen noch minderjährig, abwesend, oder an der eigenen Verwaltung beschränket sind, solle das Gericht allemal zur Sicherheit dieser letzteren noch vor Einantwortung der Erbschaft die Theilung vornehmen, und zu dem Ende jene, welche sich selbst nicht vertreten mögen, mit Vormünderen oder Gerhaben, und Curatoren versehen. Es wäre dann, daß nach Befund des Richters die Gemeinschaft der Erbschaft für Letztere nutzlicher angesehen würde, und auch die Großjährigen dabei beharren wollten.

[2, 22, § 1] 4. Die Erbtheilung an sich selbst betrachtet, und insoweit sie in denen einem jeden Erben zukommenden Erbtheilen bestehet, ist eine Wirkung des entweder von dem Erblasser, oder von dem Gesatz unter Mehrere vertheilten Erbrechts; wo aber die Erben in der Gemeinschaft der Erbschaft verblieben, erwachset hieraus

(2-433) eine dem Gesellschaftscontract gleichende Handlung, woraus Einer dem Anderen noch besonders zu Erstattung der allseitigen Gebührnissen verbunden wird.

[2, 22, § 1] 5. Doch hinderet die einmal beliebte, und auch noch so lange fürgewährte Gemeinschaft keineswegs, daß nicht gleichwohlen ein jedweder Miterb, deme die Gemeinschaft nicht länger anständig ist, aus derselben nach Gefallen austreten, und die Theilung der Erbschaft anverlangen könne.

[2, 22, § 1] 6. Vielmehr stehet einem jeden Miterben frei, zu allen Zeiten vor oder nach Einantwortung der Erbschaft über kurz oder lang die Theilung anzubegehren, wann gleich selbe sich anfangs untereinander eines Anderen, und daß sie in der Gemeinschaft beharren wollen, verglichen, oder auch der Erblasser in seinem letzten Willen die Theilung für allzeit verboten hätte.

[2, 22, § 1] 7. Noch weniger kann wider dieselbe eine Verjährung laufen, weilen in dem ungetheilten Besitz ein Jeder den Anderen für einen Miterben anerkennet, folglich die Haupterfordernissen der Verjährung, nemlich sowohl der gute Glauben, als der Ankunftstitel in Ansehung der übrigen hinausgebührenden Erbtheilen darbei ermanglen.

[2, 22, § 1] 8. Mittelbar aber kann durch Verjährung der Erbsforderung auch das Recht zur Theilung verschwiegen werden, wann ein Miterb allein zum Besitz der ganzen Erbschaft gelanget, und die übrigen Miterben in der gesetzten Zeit ihre Erbsforderung einzubringen unterlassen, nach deren Verjährung sie auch keine Theilung mehr anzuverlangen befugt sind.

§. II.

[2, 22, § 2] 9.Wer die Theilung der Erbschaft anverlanget, bedarf keiner besonderen Rechtsforderung, sondern wo die Miterben sich untereinander der Theilung halber nicht selbst vergleichen würden, oder wo wegen Minderjährigkeit, Abwesenheit, oder beschränkten eigenen Verwaltung der anderen Miterben die Theilung gerichtlich geschehen müßte, kann derselbe bei Gericht einkommen, um binnen einer anzuberaumen habenden Zeitfrist die übrigen Miterben zur Vornehmung der Theilung anzuhalten.

[2, 22, § 2] 10. Diese Zeitfrist hat das Gericht auf sechs Wochen von dem Tag der zugestellten Auflage zu bestimmen; wo aber die übrigen Miterben rechtserhebliche Ehehaften, warumen sie unter dieser Zeit nicht gefaßt sein können, entweder weilen die Erbschaft allzu weitschichtig, zerstreuet oder verwirret, oder sie sonst rechtmäßig verhinderet sind, beibringen, und um eine Erstreckung ansuchen würden, kann solche das Gericht auf andere sechs Wochen von dem Tag der ausgegangenen ersten Frist verlängeren.

[2, 22, § 2] 11. Wer von denen Miterben hingegen dieser gerichtlichen Auflage keine

(2-434) Folge leisten, und sich entweder zur Theilung gar nicht bequemen wollte, oder sich hierinnen saumig erzeugen würde, derselbe solle durch rechtliche Zwangsmitteln darzu mit Nachdruck verhalten, und wo auch diese nichts verfingen, die Theilung von amtswegen vorgenommen werden.

[2, 22, § 2] 12. Wider die anverlangende Theilung hat keine wie immer Namen habende Einwendung statt, wann sonst das Erbrecht des sie ansuchenden Miterbens ungezweiflet ist, und dieser sich vorhero behörig erbserkläret hat; wo aber sein Erbrecht angestritten würde, ist vorerst dieser Rechtsstritt auszumachen, ehe und bevor derselbe einen Erbtheil anzubegehren befugt ist.

[2, 22, § 2] 13. Nichtsdestoweniger sind die anderen Miterben, deren Recht unstrittig ist, nicht schuldig, mit der Theilung bis zu Ausgang dieses Stritts zuzuwarten, sondern sie können solche gleichwohlen vornehmen, und was auf den strittigen Erbtheil ausfallt, ist inzwischen in gerichtlichen Beschlag aufzubehalten.

[2, 22, § 2] 14. Noch weniger solle die Theilung aus dem Vorwand habender Gegenforderungen, oder noch nicht aufgenommener, oder erledigter Rechnungen, welche ein Miterb dem anderen etwan zu legen schuldig ist, verweigeret werden können, sondern die Theilung gleichwohlen ihren Fortgang haben, und alsdann erst die Gegenforderungen und Rechnungen erörtert werden.

[2, 22, § 2] 15. Zu diesem Ende stehet einem jedweden Miterben frei, welcher an dem anderen einige Forderungen hat, sich an dessen Antheil zu versicheren, oder, wo er ihme nach Ausweis der Theilung etwas herauszugeben hätte, sich hieran so lange zu halten, bis daß

er seiner erweislichen Forderungen halber vergnüget seie.

[2, 22, § 2] 16. Durch die anverlangte Theilung wird zwar Jener, von welchem solche verlanget worden, für einen unstrittigen Miterben anerkannt, wann der Anverlangende sich dagegen nicht ausdrücklich verwahret, und seine Rechtsbehelfe wider das anmaßentliche Erbrecht des Anderen nicht vorbehalten hat.

[2, 22, § 2] 17. Wo er aber noch währenden Theilungsgeschäft, oder auch nach schon vollbrachter Theilung, ehe und bevor das Erbrecht des Anderen durch die Verjährung, es seie, daß das Testament, worinnen er zum Erben eingesetzet worden, oder seine Erbserklärung zu Rechtskräften erwachsen, bestätigt ist, seinen Irrthum erweisen, und neue, vorhin nicht bei Handen gehabte Behelfe beibringen könnte, so ist ihme, ohnerachtet der mit dem Gegentheil vorgehabten Theilung, bis dahin ohnverwehret seinen Widerspruch wider das anmaßentliche Erbrecht des Anderen der Ordnung nach auszuführen.

§. III.

[2, 22, § 3] 18. Die Erbtheilung kann gerichtlich oder außergerichtlich geschehen; wo aber minderjährige, abwesende, oder sonst der eigenen Verwaltung nicht fähige Miterben sind, oder das Erbrecht des einen Miterben noch strittig ist, und die Anderen, die ein ungezweifletes Recht haben, auf die Theilung andringen, solle solche allemal gerichtlich vorgenommen werden.

(2-435) [2, 22, § 3] 19. Sie geschehe jedoch gerichtlich oder außergerichtlich, so kann dieselbe auf zweierlei Art vollzogen werden, als entweder durch ordentliche sogenannte Theilungszetteln oder Theillibell, oder durch einen mit Einverständniß aller Miterben errichteten Erbtheilungsvergleich, dieser möge entweder außergerichtlich durch selbsteigenes gutwilliges Einvernehmen der Miterben, oder gerichtlich durch Vermittlung der hierzu beorderten Gerichtspersonen zu Stand kommen.

[2, 22, § 3] 20. Die Theile sind in derjenigen Maß zu machen, nach welcher das Erbrecht entweder von dem Erblasser, oder von dem Gesatz bei der letztwilligen oder rechtlichen Erbfolge unter mehreren Miterben vertheilet ist; wo aber die Theile nach ihrem Ertrag, was und wieviel ein jeder Miterb zu bekommen habe, schon von dem Erblasser bestimmet worden, ist keine Erbtheilung nöthig, weilen ein Jedweder seinen bereits angewiesenen Erbtheil hat.

[2, 22, § 3] 21. In der Erbfolge nach Aufsteigenden, wann zwischen Kinder einerlei oder beiderlei Geschlechts eine Theilung vorzunehmen ist, hat allemal der älteste Bruder oder Schwester, oder Jene, die aus dem Vorstellungsrecht an die Stelle des ältesten Geschwisters eintreten, die Theilung zu machen, das jüngere Geschwister aber, oder die an dessen Stelle eintreten, zu wählen.

[2, 22, § 3] 22. Solchemnach hat der ältere Bruder, oder die ältere Schwester so viele Theilungszettel oder Theillibell, als Erben an der Zahl sind, zu verfassen, und solche bei Gericht zu erlegen, welche sofort dem jüngeren Geschwister auf eine von dem Richter nach Beschaffenheit der Umständen auszumessen kommende, niemalen aber über sechs Wochen sich zu erstrecken habende Bedenkzeit zugestellet werden sollen.

[2, 22, § 3] 23. Unter dieser Zeitfrist haben die jüngeren Geschwistere der Ordnung nach zu wählen, also daß zuerst der Jüngste, sodann der Nächste im Alter nach ihme, und sofort jederzeit der Jüngere vor dem Aelteren die Wahl habe, welcher Theil aber nach vollbrachter Wahl des jüngeren Geschwisters übrig bleibt, mit diesem hat sich der Aelteste als Theilleger zu begnügen.

[2, 22, § 3] 24. Bei dieser Art der Theilung hat es auch damals sein vollkommenes Bewenden, wann gleich sowohl Jener, der die Theilung zu machen hat, als die zu wählen haben, noch unmündig, abwesend, oder sonst der eigenen Verwaltung nicht fähig wären, dann in solchen Fällen haben ihre Vormündere oder Gerhaben und Curatores anstatt ihrer Pflegebefohlenen sowohl die Theilung zu machen, als die Theile zu wählen.

[2, 22, § 3] 25. Doch also, daß wo mehrere unmündige Geschwistere, unter welchen die Theilung vorzunehmen ist, nur mit Einem Gerhaben bevormundet wären, diesem bei dem Theilungsgeschäft die Vertretung nur eines Miterbens allein, es seie des Theillegers, oder eines Wählenden überlassen, dahingegen einem Jedwedem der übrigen Miterben zu dieser Handlung ein besonderer Curator zugegeben werden solle.

[2, 22, § 3] 26. Nicht weniger ist die Theilung auf vorstehende Art vorzunehmen, obschon der Aelteste vor der Theilung mit Tod abgegangen, und ein Kind nachgelassen hätte, welches an Jahren jünger wäre, als die übrige Geschwistere seines Vaters oder Mutter; dann ohnerachtet dessen sollen doch diese vor jenem die Wahl haben, und dasselbe, ob es gleich jünger, als das lebende Geschwister seines Vaters oder Mutter ist, jegleichwohlen entweder selbst, wo es mündig, oder wo es noch unmündig ist, durch seinen Vormund oder Gerhaben die Theilung machen.

[2, 22, § 3] 27. Wann aber nebst noch lebenden Kindern mehrere Kindskinder eines Stammes, die an dessen Stelle eintreten, vorhanden sind, und diese sich der Theilung halber, es seie in Legung der Theilzetteln oder Theillibell, wann sie die Theilung selbst zu machen hätten, oder in der Wahl ihres Antheils, untereinander nicht vergleichen könnten, solle das Gericht die Theile selbst ausmessen, und solche zwischen denen Erben durch das Loos auswählen lassen.

[2, 22, § 3] 28. Der Stammtheil hingegen, welcher auf die Kindskinder eines Stammes ausfallt, ist auf ganz gleiche Weis, wie die Theile unter Kindern ersten Grads,

(2-436) unter Jene, die von diesem Stammen sind, dergestalten zu vertheilen, daß allemal der Jüngere vor dem Aelteren die Wahl habe.

[2, 22, § 3] 29. Würde jedoch einer von denen Jüngeren, denen die Wahl zustehet, in der ihme anberaumten Zeitfrist nicht wählen, sondern sich hierinnen saumig erzeigen, so verlieret derselbe das Wahlrecht, und muß sich mit demjenigen Theil zufrieden stellen, welchen ihme die Anderen, welche in der Zeit gewählet, übrig lassen.

[2, 22, § 3] 30. Wären aber die von dem Aeltesten gelegte Theilzettel oder Theillibell so mangelhaft und ungleich verfasset worden, daß die Wählenden einen Schaden und Nachtheil hieraus mit Grund zu befahren hätten, so stehet ihnen frei, in der bestimmten Bedenkzeit ihre dagegen habende Beschwerden bei Gericht einzubringen, und eine billige Ausgleichung der Theilen anzubegehren, worüber mit Vernehmung des Theillegenden schleunig zu verfahren, und nach Erwägung beiderseitiger für sich angeführter Behelfen durch richterliche Erkanntniß, was und wie in die Theilung zu bringen seie, auszumessen ist.

[2, 22, § 3] 31. Und dieses ist bei Theilungen zwischen Kindern nach ihren Eltern für insgemein zu beobachten. Nur bei Herren- und Ritterstandspersonen, welche zugleich Landleute sind, gebühret nach männlichen Aufsteigenden von Mannsstammen denen Töchtern, oder Jenen, welche an deren Stelle eintreten, wie nicht minder denen weiblichen Absteigenden von Söhnen, wann so Eine als die Anderen mit Söhnen, und deren männlichen Stämmen zusammentreffen, weder die Theilung zu machen, noch die Auswahl zu haben, sondern so ein als anderes Vorrecht stehet allein den Söhnen, und ihren männlichen Stämmen bevor, folglich haben sich die Miterben weiblichen Geschlechts, oder die einen Weibsstammen vorstellen, lediglich mit deme zu begnügen, was der Theilleger mit Einverständniß der übrigen männlichen Miterben auf ihren Antheil ausgewiesen hat, wann es nur richtig und sicher ist.

[2, 22, § 3] 32. Dahingegen hat es sowohl in dem Fall, wo nach männlichen Aufsteigenden von Mannsstammen lauter weibliche Absteigende allein vorhanden sind, als auch nach weiblichen Aufsteigenden von Mannsstammen, und nach allen Aufsteigenden von Weibsstammen zwischen Söhnen und Töchtern, und ihren Absteigenden ohne Unterschied des Geschlechts bei der allgemeinen Theilungsart sein Verbleiben.

[2, 22, § 3] 33. Wo die Wittib neben den Kindern entweder den ehegattlichen Antheil erbete, oder mit ihnen zur Erbin eingesetztet worden wäre, hat sie weder die Theilung zu machen, noch einen Antheil zu wählen, sondern sie muß sich mit dem ihr richtig und sicher ausgewiesenen Antheil befriedigen lassen, und dieses ohne Unterschied, ob sie die leibliche Mutter seie oder nicht.

[2, 22, § 3] 34. Wo aber der leibliche Vater oder väterliche Großvater mit seinen Kindern die Mutter oder Großmutter erbete, hat dieser die Theilung zu machen, wann er von allen Miterben insgesammt der gemeinsame Vater oder Großvater ist, woferne aber derselbe zu allen, oder auch nur einigen Miterben ein Stiefvater oder Stiefgroßvater wäre, hat sowohl in Ansehung seiner, als der väterlichen Großmutter, und der mütterlichen Großeltern das Nämliche statt, was gleich vorher von der Mutter geordnet worden.

[2, 22, § 3] 35 Wäre eine Erbschaft nicht zwischen Kindern und Kindskindern, sondern zwischen anderen Erben, als da sind aufsteigende Geschwistere oder weitere Seitenverwandte des verstorbenen Erblassers, oder gar zwischen fremden Erben zu theilen, oder es wäre auch neben denen eheleiblichen Kindern ein Dritter zum Erben eingesetztet worden, und die Erben könnten sich selbst untereinander über die Theilung nicht vergleichen, so hat das Gericht auf Anlangen des Einen oder Anderen aus seinem Mittel taugliche Personen zu verordnen, welche zwischen ihnen einen gütlichen Erbtheilungsvergleich zu bewirken trachten sollen.

[2, 22, § 3] 36. Wo aber auch deren Vermittlung nichts verfinge, sind die Theile von Gericht auszumessen, und was für ein Theil deren Jedwedem zuzukommen habe,

(2-437) durch das Loos zu bestimmen, wornach auch ein Jeder mit demjenigen Theil, der ihme durch das Loos zugefallen, sich begnügen zu lassen schuldig ist.

§. IV.

[2, 22, § 4] 37. In die Theilung ist alles nach dem verstorbenen Erblasser hinterbliebene Hab und Gut, sowohl liegendes als fahrendes, Schulden und Forderungen, Sprüche und Schuldigkeiten, Rechten und Gerechtigkeiten getreulich zu bringen, und nichts, was in die Erbschaft gehörig, auszulassen.

[2, 22, § 4] 38. Was seiner Beschaffenheit und Eigenschaft nach sich nicht füglich theilen läßt, solle gerichtlich geschätzet, und demjenigen Miterben, welcher das Meiste dafür angeboten, in dem angetragenen Werth überlassen, um was es aber seinen Antheil übersteiget, dafür von ihme die Ablösung mit Geld denen anderen Miterben hinausgegeben werden.

[2, 22, § 4] 39. Wollten es jedoch mehrere Erben ablösen, und Keiner mehr als der Andere dafür geben, so solle Jener den Vorzug haben, welcher den größten Theil an der Erbschaft hat; wann hingegen Alle gleiche Theile hätten, und deren Jeder die Ablösung begehrete, doch Keiner mehr als der Andere dafür anbieten wollte, auch sonsten Keinem von ihnen ein besonderes Vorzugsrecht hieran zustünde, so ist durch das Loos zu entscheiden, weme es auf seinen Theil zufallen solle.

[2, 22, § 4] 40. Woferne aber Keiner die Ablösung verlangen würde, oder der ablösen Wollende für den herauszugeben habenden Betrag keine annehmliche Sicherheit leisten könnte oder wollte, ist eine solche an sich untheilbare Sache durch die gerichtliche Versteigerung zu verkaufen, und das erlöste Geld unter die Erben auszutheilen.

[2, 22, § 4] 41. Der Anschlag der in die Erbschaft gehörigen Sachen solle nicht überhaupt, oder nach eines oder des anderen Erben Gutdünken, sondern bei liegenden Gütern nach dem in jedem Lande gebräuchlichen Schätzungswerth, und bei Fahrnissen nach Schätzung der hierzu beeidigten, des Werths der Sachen kundigen Leuten verfasset, und Alles mit richtiger und verläßlicher Verzeichniß in die Theilzetteln oder Theillibell eingetragen werden.

[2, 22, § 4] 42. Auch sollen keinem Theil allein Güter, und dem Anderen allein Geld, noch weniger Einem lauter kostbare, und dem Anderen lauter geringschätzige Dinge wider Willen zugetheilet werden, sondern in so Einem, als Anderen alle nur mögliche Gleichheit nach dem Verhältniß der Theilen, soviel es die Beschaffenheit der Erbschaft und die Umstände zulassen, unter den Theilenden beobachtet, jedoch was zu einem Gut gehörig, oder darzu bestimmet worden, nicht leichtlich davon abgesönderet werden.

[2, 22, § 4] 43. Wann dahero dem einen Theil ein größeres untheilbares Gut, und dem Anderen ein geringeres zufiele, ist der Abgang mit anderen liegenden und fahrenden Gütern, oder auch im Geld auszugleichen.

[2, 22, § 4] 44. In liegenden Gütern haben unter Landleuten nach einem Erblasser von

(2-438) Mannsstammen die männlichen Verwandten von Mannsstammen in der im zwanzigsten Capitel, vierten Artikel, §. XVI., num. 129 bestimmten Maß vor denen weiblichen den Vorzug, doch nicht anderst, als in dem Werth, welchen zur Zeit der Abtheilung das Gut hat, oder welchen die anderen Miterben dafür anbieten.

[2, 22, § 4] 45. Außer bei Erbtheilungen nach Landleuten haben zwar weder die männlichen vor denen weiblichen, noch auch die Befreundten vor fremden Miterben einigen Vorzug, noch sind sie befugt auf die Ablösung eines Jenen zugetheilten Guts zu dringen, wann sie keinen höheren Werth dafür anbieten.

[2, 22, § 4] 46. Wann jedoch ein Miterb ein auf seinen Antheil zugefallenes liegendes Gut, oder einen Theil davon an einen Dritten, welcher sein Miterb ist, veräußeren wollte, haben die anderen Miterben auf die in dritten Theil, im neunten Capitel, §. XVII erklärte Art und Weis das Einstandrecht.

[2, 22, § 4] 47. Sind in einer Verlassenschaft schädliche, und dem verstorbenen Erblasser zu haben nicht erlaubte Dinge, als Gift, verbotene Bücher u. dgl. vorfindlich, so sollen solche nicht in die Theilung geleget, sondern sogleich vertilget werden.

[2, 22, § 4] 48. Es seie dann, daß derselbe nach Beschaffenheit seines Gewerbs derlei Dinge nicht hätte entübriget sein können, welchen Falls sie entweder an den Miterben, der das Gewerb auf sich nimmt, oder an jemand Anderen, der ein gleiches Gewerb führet, in dem geschätzten Werth zu überlassen, und was insonderheit die verbotenen Bücher anlanget, darmit nach Maßgebung Unserer anderweiten Verordnungen zu verfahren ist.

[2, 22, § 4] 49. So viel es aber die Schulden und andere Erblasten anbetrifft, so sollen zwar solche insgemein noch vor der Theilung hintangefertiget, und nur das reine Vermögen in die Theilung gebracht werden.

[2, 22, § 4] 50. Wann jedoch zwischen den Theilenden wegen deren Uebernehmung, was und wie viel hiervon auf einen jeden Antheil zu fallen habe, verglichen und verabredet wurde, verbindet zwar ein solcher Vertrag die Theilenden untereinander, nicht aber auch Jene, welche an der Erbschaft zu forderen haben, wann sie nicht auch ihres Orts in einen solchen Vertrag ausdrücklich einwilligen, sondern ihnen stehet noch allzeit bevor, die gesammte Erbschaft anzusprechen, folglich auch alle Miterben nach Maß ihrer Antheilen zu belangen.

[2, 22, § 4] 51. Noch weniger kann ein Glaubiger von seiner bereits vorhin erworbenen Hypothek durch die nachgefolgte Theilung, worinnen derselbe von denen Theilenden auf ein anderes Gut übertragen und angewiesen würde, wider Willen verdrungen werden, sondern zur Ablassung von der einmal erlangten Hypothek ist seine ausdrückliche Einwilligung nöthig.

[2, 22, § 4] 52. Ebensowenig solle in Zukunft einem noch unversicherten Glaubiger eine Hypothek durch die obschon einverleibte Theilungszetteln, Theillibell oder Erbtheilungsvergleich bloß hieraus erworben werden können, wann er darinnen auf einem liegenden Gut zur Zahlung angewiesen und übernommen wird, ohne daß ihme zugleich hierauf namentlich eine Hypothek von dem Uebernehmenden landtäflich, stadt- oder grundbücherlich bestellet worden.

[2, 22, § 4] 53. Wo aber vor diesem Unserem neuen Gesatz bisanhero die bloße und alleinige Zahlungsanweisung und Uebernahme auf einem liegenden Gut in denen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung gediehenen Theilungszetteln, Theillibellen oder Erbtheilungsvergleichen eine Hypothek ohne deren namentlicher Bestellung bewirket hat, derorten lassen Wir es auch für die vergangene Fälle bei dem auf solche Art allschon erworbenen Pfandrecht gnädigst bewenden.

[2, 22, § 4] 54. Die brieflichen Urkunden, welche zu jeden Erbens erwählten und zugetheilten Gütern insonderheit gehörig sind, sollen auch demjenigen Erben, welchem

(2-439) das Gut, so sie betreffen, zugefallen, oder welchen sie allein angehen, ausgefolget und überlassen werden.

[2, 22, § 4] 55. Gemeinsame Urkunden hingegen, welche die gesammte Erbschaft oder alle Erben zusammen betreffen, sind, wann sich die Erben hierüber nicht gutwillig vergleichen könnten, Jenem, welcher den größten Theil der Erbschaft hat, oder da Alle gleiche Theile hätten, Demjenigen, welcher unter ihnen der Aelteste ist, oder da dieser nicht im Lande verbliebe, oder sonst erhebliche Bedenken wider ihn fürwalteten, dem Nächsten im Alter nach ihme gegen einer ordentlichen von ihme mit Handschrift und Petschaft zu bewähren habende Verzeichniß in die Verwahrung zuzustellen.

[2, 22, § 4] 56. Doch sollen die Geschlechtsurkunden ohne Rucksicht des zufallenden größeren oder minderen Erbtheils allemal bei dem ältesten Bruder oder Vettern, oder da wider diesen ein gegründetes Bedenken vorhanden wäre, bei dem Nächsten im Alter nach ihme (er möge Miterb sein oder nicht) aufbehalten werden, wann gleich die Schwestern oder Muhmen älter in Jahren wären.

[2, 22, § 4] 57. So oft aber ein Miterb derlei gemeinsamer Urkunden bedürftig ist, so sollen ihme auf sein Anlangen jedesmal davon glaubwürdige Abschriften, oder auch im Fall der Nothdurft die Urkunde selbst gegen seiner Bescheinigung ausgefolget werden, welche er alsdann nach davon gemachten Gebrauch anwiederum ohnweigerlich zuruckzustellen hat.

[2, 22, § 4] 58. Wäre die Erbschaft bis zur wirklichen Theilung von einem oder mehreren Miterben sowohl für sich, als zu Handen der übrigen, oder auch von allen zusammen gemeinschaftlich verwaltet worden, so sind sie beinebst auch über die Theilung der Erbschaft einander zur Leistung und Ausgleichung allseitiger Gebührnissen, welche der Verwaltung halber Einer an dem Anderen zu forderen hat, verbunden.

[2, 22, § 4] 59. Diese bestehen sowohl in gleichem Genuß aller aus der Verwaltung der Erbschaft bezogenen Vortheilen und Nutzungen, als in gleicher Tragung der erweislich aufgewendeten nothwendigen und nutzlichen Kosten, und endlich in Vergütung des aus Schuld oder Gefährde des Einen denen anderen Miterben verursachten Schadens.

[2, 22, § 4] 60. Doch solle die Ausgleichung dieser Gebührnissen die Theilung nicht aufhalten, sondern denen Miterben untereinander noch allzeit bevorstehen das, was sie hieran zu forderen haben, gleichwohlen hernachmals durch eine besondere Rechtsforderung anzusuchen.

§. V.

[2, 22, § 5] 61. Ueber die vollbrachte Theilung sollen ordentliche schriftliche Urkunden ausgerichtet, und von allen Theilenden unterschrieben und besiegelt, wie nicht minder, wo sie liegende Güter oder andere landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten betreffen, mit denen zur Einverleibung nöthigen Erfordernissen versehen, und in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wohin die abgetheilten Güter gehörig, eingetragen werden.

[2, 22, § 5] 62. Eben also sind auch die über die in der Güte nicht zu bewirken mögende Theilung ergehende richterliche Ausmessungen, sobald sie zu Rechtskräften erwachsen, da wo nöthig, einzuverleiben.

[2, 22, § 5] 63. Die vollzogene Theilung wirket so viel, daß andurch in dem getheilten Gut die Gemeinschaft der Erbschaft aufgehoben, und ein jedweder Erb vollkommener Eigenthümer seines erhaltenen Antheils werde, welcher ihme entweder durch gütlichen Vergleich, oder durch Ausmessung des Richters zugefallen ist, wann jedoch selbe in Ansehung liegender Güter und landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten und Gerechtigkeiten vorhero zur behörigen Einlage gediehen ist.

[2, 22, § 5] 64. Die Bestimmung der Theilen geschieht auf zweierlei Art, als entweder tauschweise, wann einem Miterben das eine, und dem Anderen ein anderes Gut

(2-440) für seinen Antheil angewiesen wird, oder aber kauf- und ablösungsweise, wann Einem das Gut überlassen, und dem Anderen der Werth für den Betrag seines Antheils hinausbezahlet wird.

[2, 22, § 5] 65. Die Ausgleichung der Theilen geschehe aber auf eine oder die andere Art, so sind doch die Miterben Einer den Anderen der zugetheilten Güter wegen, wann sie ganz oder zum Theil von einem Dritten ansprüchig würden, zu schirmen, und einander die Gewähr zu leisten schuldig, insoferne unter ihnen nicht ein Anderes verglichen worden.

[2, 22, § 5] 66. Dann obwohlen die Erblasten und Verbindlichkeiten ebenso, wie die Rechten und Forderungen zwischen mehreren Miterben schon von dem Gesatz selbst dergestalten vertheilet sind, daß kein Erb für ein Mehreres, als nach Maß seines Erbtheils verfangen seie, so hat es doch mit den Haftungen eines Guts eine ganz andere Bewandtniß, als welche mit dem Gut, auf dem sie haften, auf einen jedweden Besitzer übertragen, und wider Willen des Glaubigers nicht getheilet werden können.

[2, 22, § 5] 67. Wann dahero mit Uebernehmung eines vorhin behafteten, oder aus einer noch vor der Zeit seines Besitzes herrührenden Ursache nachher ansprüchig gemachten Guts einem Erben mehrere Erblasten zufallen, als derselbe nach Maß seines Erbtheils zu tragen schuldig ist, oder hieran ausdrücklich mit übernommen hätte, sind die übrigen Miterben für die Uebermasse ihme zur Schirmung und Gewährleistung allerdings verbunden, damit der Uebernehmer eines solchen ansprüchigen Guts an seinen Antheil nicht verkürzet werde.

[2, 22, § 5] 68. Diese Schuldigkeit zur Schirmung oder Gewährleistung höret aber auf, wo der Erblasser selbst die Güter, welche einem jedweden Erben auf seinen Antheil zuzukommen haben, namentlich bestimmet hat, welchen Falls ein Jeder sowohl die auf dem ihme zugedachten Gut schon vorhin haftende, oder von dem Erblasser angewiesene Erblasten selbst zu tragen, als auch für die hierauf hervorkommende Ansprüche gerecht zu werden hat, woferne nicht ein Notherb an seinen Pflichttheil andurch verkürzet worden wäre, zu wessen Ergänzung die anderen Erben auch wider den ausdrücklichen Willen des Erblassers gleichwohlen verbunden bleiben.

§. VI.

[2, 22, § 6] 69. Wann einer von denen Miterben in der Theilung verkürzet worden, also daß er eine merkliche Ungleichheit zwischen seinem und denen übrigen Theilen, welche von ihme damals, als er diesen Theil gewählet, nicht eingesehen worden, erweisen könnte, kommt ihme solchen Falls die Rechtshilfe zur Aufhebung der Theilung und zu billiger Ausgleichung der erweislich unterwaltenden Ungleichheit zu statten.

[2, 22, § 6] 70. Es ist aber hierinnen zwischen einer außergerichtlichen Theilung, welche durch selbsteigene gutwillige Einverständniß der Erben untereinander vollzogen worden, und zwischen jener, die durch gerichtliche Ausmessung der Theilen erfolget, ein Unterschied.

[2, 22, § 6] 71. Die durch richterliche Erkanntniß in Bestimmung der Theilen zugefügte Verkürzung kann nicht anderst, als durch den an den oberen Richter in der hierzu ausgesetzten rechtlichen Zeitfrist einzuwenden habenden Zug aufgehoben und abgeleinet

(2-441) werden, widrigens erwachset die Ausmessung zu Rechtskräften, worwider alsdann keine weitere Einwendung mehr zugelassen wird.

[2, 22, § 6] 72. Wann aber auch noch vor Verlauf der zur rechtlichen Bekräftigung einer richterlichen Erkanntniß ausgemessenen Zeit die Erben die von dem Richter bestimmte Theile gutwillig angenommen, oder darum gelooset, folglich sich anmit der richterlichen Entscheidung unterzogen haben, hat es bei einer solchen richterlichen Ausmessung der Theilen sein ohnabänderliches Bewenden.

[2, 22, § 6] 73. Woferne hingegen die Theile durch selbsteigene Einverständniß der Erben untereinander bestimmet worden, solle der sich hernachmals dagegen beschwerende Miterb nicht länger, als durch drei Monate, welche, wo die Theilung allein Fahrnissen betroffen, von dem Tag der geschlossenen Theilung, wo aber auch liegende Güter, und landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Rechten vertheilet worden, von dem Tag der Einverleibung der Theilungsurkunde zu rechnen sind, mit seiner Klage oder Widerspruch angehöret, nach dieser Zeit aber die Theilung nicht mehr angefochten werden können.

[2, 22, § 6] 74. Diese dreimonatliche Frist beschränket sich jedoch lediglich auf das, was in die Theilung einkommt, und bloß allein auf die Erben untereinander, nicht aber auch auf Jenes, was noch nicht getheilet, oder darinnen übergangen worden, noch weniger auf einen Dritten, dessen Rechte etwan in der Theilung zu nahe getreten worden.

[2, 22, § 6] 75. Was dahero noch nicht getheilet worden, es seie, daß es mit allseitiger Einverständniß der Erben zwischen ihnen in fernere Gemeinschaft gelassen, oder von dem Theillegenden verschwiegen, oder aus Unwissenheit übergangen worden, oder sonst erst hernach hervorkommet, dessen Theilung kann noch allzeit über kurz oder lang mittelst einer besonderen Rechtsforderung anverlanget werden, solange dem Gegentheil keine rechtmäßige Verjährung zu statten kommt.

[2, 22, § 6] 76. Desgleichen kann die Schirmung oder Gewährleistung wider die bei der Theilung nicht vorgesehene Ansprüche eines Dritten von denen anderen Miterben solange anverlanget werden, als der belangte Miterb sich gegen dem Dritten mit der Verjährung nicht schützen mag.

[2, 22, § 6] 77. Dann einem Dritten kann aus der ohne seiner Zuthat und Bestimmung unter denen Erben vorgenommenen Theilung anderer Gestalt kein Nachtheil, als durch Verlauf der oben in neunten Capitel nach Unterschied fahrender und liegender Güter ausgemessenen ordentlichen Verjährungszeit an seinem Recht erwachsen.


(2-442) Caput XXIII:

Von Einbringung des vorempfangenen Guts in gemeine Theilung.

Inhalt:

§. I. Von der Schuldigkeit der Miterben zur Einbringung des Vorempfangenen in gemeine Theilung. §. II. Von jenen, welche zur Einbringung verbunden sind. §. III. Von Sachen, welche einzubringen sind. §. IV. Von der Art und Weis der Einbringung. §. V. Von Wirkung der Einbringung und von denen darzu gebührenden geltenden rechtlichen Hilfsmitteln. §. VI. Von Fällen, worinnen die Einbringung aufhöret.

§. I.

[2, 23, § 1] Num. 1. Das Richtmaß aller Erbtheilungen ist die zwischen den Erben, so viel als nur immer möglich, zu beobachten habende Gleichheit nach dem Verhältniß ihrer Erbtheilen untereinander, welche zwar insgemein nur nach demjenigen Stand der Verlassenschaft abzumessen ist, in dem sich dieselbe zur Zeit des Absterbens des Erblassers befindet, und kommt Jenes dabei nicht in Anschlag oder Aufrechnung, was ein oder der andere Miterb allschon bei Lebzeiten des Erblassers ohnentgeltlich empfangen hat.

[2, 23, § 1] 2. Ganz anderst aber verhält es sich in Ansehung der eheleiblichen Kinder, und der an ihre Stelle eintretenden weiteren Absteigenden; dann gleichwie dieselbe schon bei Lebzeiten ihrer Eltern ein von der Natur ihnen zukommendes gleiches Recht zu deren Gut haben, also würde auch unter ihnen keine Gleichheit erreichet werden können, wann deren Eines das, was es bei Lebzeiten von dem verstorbenen Eltertheil zum voraus empfangen, für sich zu behalten, und gleichwohlen noch über das mit denen Uebrigen einen gleichen Antheil von der Erbschaft anzuforderen befugt sein sollte.

[2, 23, § 1] 3. Gegentheils wird aus der Gleichheit des Rechts, so die Kinder zu dem Gut ihrer Eltern haben, auch der Willen der Eltern, wo sie solchen nicht anderst erklären ein Kind dem anderen hierinnen gleichzuhalten vermuthet, und keineswegs

(2-443) andurch ausgeschlossen, daß sie noch in Lebzeiten einem Kind vor dem anderen zu dessen Nutzen und Bedürfniß mehr zugewendet haben.

[2, 23, § 1] 4. Vielmehr fließet hieraus an Seiten der Kinder die Schuldigkeit zur Einbringung des vorempfangenen Guts in die gemeine Theilung, damit andurch sowohl zwischen ihnen die Gleichheit in der Erbfolge hergestellet, als auch dem bei ermanglender widriger Erklärung nicht anderst, als für die Gleichhaltung aller Kinder vermuthen mögenden Willen der Eltern Genügen geleistet werde.

[2, 23, § 1] 5. Diese Einbringung ist demnach nichts Anderes, als eine denen ihre Eltern erbenden Kindern, oder an ihre Stelle eintretenden weiteren Absteigenden obliegende Beitragung dessen, was sie oder Jene, die sie bei der Erbfolge vorstellen, von dem Gut des Verstorbenen noch bei dessen Lebzeiten zum voraus empfangen haben, in die gemeine Erbschaft zu dem Ende, auf daß solches unter alle nach Maß ihrer Erbtheilen gleich vertheilet werde.

[2, 23, § 1] 6. Die Einbringung in die gemeine Theilung ist dahero von der Einrechnung in den Pflichttheil wohl zu unterscheiden, dann das Eingebrachte kommt in gleiche Theilung unter allen Miterben; was aber einen Notherben in den Pflichttheil eingerechnet wird, hieran haben die Uebrigen keinen Anspruch, wann es gleich den Pflichtheil überstiege, insoferne andurch ihr Pflichttheil nicht verkürzet wird.

[2, 23, § 1] 7. Ferners wird nach Ausmessung dessen, was davon in vierzehnten Capitel, §. V, geordnet worden, den Kindern in den Pflichttheil Alles eingerechnet, was sie von dem verstorbenen Eltertheil sowohl in Lebzeiten, als aus letzten Willen bekommen haben; eingebracht hingegen wird nur Jenes, was sie in Lebzeiten empfangen, nicht aber auch das, was ihnen durch letzten Willen zugewendet worden.

[2, 23, § 1] 8. Hieraus folget, dass die Einrechnung in den Pflichttheil sich zwar nach ihrem Gegenstand weiter als nicht die Einbringung in die gemeine Theilung erstrecke, und mehr eingerechnet als nicht eingebracht werde, nach ihrer Wirkung aber in Absicht auf die anderen Miterben enger beschränket seie, weilen das Eingerechnete nicht so, wie das Eingebrachte unter sie vertheilet, und somit zwar Alles, was in die gemeine Theilung einzubringen ist, in den Pflichttheil eingerechnet, nicht aber auch gegentheils Alles, was in den Pflichttheil einzurechnen ist, in die gemeine Theilung eingebracht wird.

§. II.

[2, 23, § 2] 9. Die Schuldigkeit zur Einbringung des vorempfangenen Guts in die gemeine Theilung hat nur in der Erbfolge nach Eltern unter ihren eheleiblichen Kindern, oder Jenen, die an ihrer Stelle eintreten, statt, sie mögen entweder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge oder aus letztem Willen zur Erbschaft gelangen.

[2, 23, § 2] 10. Und dieses zwar bei der rechtlichen Erbfolge ohne Unterschied, ob sie in Haupt- oder Stammtheile gehen, bei der letztwilligen hingegen nur damals, wann der Erblasser solche ausdrücklich auferleget hat, außerdeme aber solle die Einbringung des Vorempfangenen für erlassen geachtet werden.

[2, 23, § 2] 11. Es ist auch kein Unterschied, welchen Elterntheil sie erben, wann es nur um desjenigen Erbschaft zu thun ist, von deme sie das einzubringen Habende in Lebzeiten empfangen, und ob sie Alle des ersten oder weiteren Grads sein, oder ob die weiteren absteigenden aus dem Vorstellungsrecht mit dem Näheren zusammentreffen.

[2, 23, § 2] 12. Um aber zur Einbringung des Vorempfangenen verbunden zu sein, wird ohnumgänglich erforderet, daß sie nicht allein wirkliche Erben desjenigen Eltertheils sind, von deme das einzubringen habende Gut herrühret, sondern auch daß sowohl Jenem, der was einzubringen hat, als denen Anderen, welchen es eingebracht werden solle, zusammen zu eben dieser Erbschaft ein gleiches Erbrecht gebühre, also daß ihnen miteinander auch ohne ausdrücklichen Willen des Erblassers die Erbschaft zugefallen wäre.

(2-444) [2, 23, § 2] 13. Wer dahero nicht zum Erben eingesetzet worden, oder sonst nicht Erb sein will, ist Jenes, was er von dem Erblasser in dessen Lebzeiten empfangen, einzubringen nicht schuldig, obgleich derselbe in dem letzten Willen mit einem Vermächtníß bedacht worden wäre.

[2, 23, § 2] 14. Doch bleibet dessen ohnerachtet denen anderen Miterben, wann sie durch das, was Jenem entweder in Lebzeiten, oder aus letzten Willen des Erblassers zugewendet worden, an ihrem Pflichttheil verkürzet sind, die ihnen zu dessen Ergänzung angebührende Forderung wider ihn noch allzeit bevor.

[2, 23, § 2] 15. Dahingegen so oft Enkeln oder weitere Absteigende aus dem Vorstellungsrecht mit ihres verstorbenen Vaters oder Mutter Brüdern und Schwester nach einem gemeinsamen Eltertheil zusammentreffen, sind sie eben also, wie die Kinder ersten Grads alles Dasjenige, was sowohl sie selbst, als Jener, den sie vorstellen, und an dessen Stelle sie eintreten, von dem verstorbenen Erblasser bei dessen Lebzeiten empfangen, einzubringen schuldig.

[2, 23, § 2] 16. Von dieser Regel wollen Wir jedoch den im zwanzigsten Capitel, zweiten Artikel, §. VI, num. 56 und 57 angemerkten Fall unter Herren- und Ritterstandspersonen, welche zugleich Landleute sind, besonders ausgenommen haben, wann in der Erbfolge nach dem Vater oder väterlichen Großvater von einem vorgestorbenen Sohn allein hinterlassene eine oder mehrere Enklinnen mit anderen Mannsstämmen, das ist mit Söhnen oder Enkeln von Söhnen zusammentreffen, dann gleichwie sie in diesem Fall nach der dortigen Ausmessung nicht an die Stelle ihres verstorbenen Vaters eintreten, sondern einen Weibsstammen vorstellen, folglich sich mit einem weiblichen Stammtheil zu begnügen haben, also sollen sie auch von der Einbringung dessen, was ihr verstorbener Vater von dem Erblasser in dessen Lebzeiten empfangen, gänzlich enthoben sein.

[2, 23, § 2] 17. Doch bleiben sie gleichwohlen nicht allein zur Einbringung Desjenigen, was sie etwan selbst von ihrem Großvater in dessen Lebzeiten empfangen, sondern auch, wann durch das ihrem verstorbenen Vater zugewendete großväterliche Gut die anderen Miterben an ihrem Pflichttheil verkürzet worden, und sie ihren Vater geerbet, oder außerdeme etwas davon empfangen haben, nichtsdestoweniger zu dessen Ergänzung nach Kräften der auf sie gediehenen väterlichen Erbschaft, oder nach Maß dessen, was ihnen sonst davon zugekommen, verbunden.

[2, 23, § 2] 18. Wo aber nebst Enklinnen zugleich Enkeln von einem vorgestorbenen Sohn hinterlassen worden, welche in der Erbfolge mit anderen Stämmen zusammentreffen, sind auch in diesem Fall die Enklinnen ebenso, wie die Enkeln nach Maß ihrer Antheilen das von ihrem verstorbenen Vater aus dem großväterlichen Gut Vorempfangene einzubringen schuldig, weilen sie zusammen an seine Stelle eintreten, und seinen Stammtheil erben.

[2, 23, § 2] 19. Desgleichen wo lauter Enkeln und Enklinnen von mehreren vorgestorbenen Söhnen und Töchtern nach Großeltern erben, obschon in solchem Fall in Ermanglung eines ihm Grad näheren Miterbens das Vorstellungsrecht keinen Platz greifet, sind sie jegleichwohlen sowohl das, was sie selbst, als auch was ihre verstorbene Väter oder Mütter von dem Erblasser in Lebzeiten empfangen, einzubringen verbunden, maßen sie auch in diesem Fall in die Stämme erben, und soviel bekommen, als ihr verstorbener Vater oder Mutter, wann sie am Leben wären, erhalten hätten.

[2, 23, § 2] 20. Doch sind die Enkeln und Enklinnen das von ihrem verstorbenen Vater oder Mutter aus dem großväterlichen Gute Empfangene nur insoweit einzubringen schuldig, als sie ihren Vater oder Mutter geerbt haben, oder sonst etwas davon auf die gediehen ist, wo sie aber sich der Erbschaft nach ihrem Vater oder Mutter entschlagen, noch sonst in andere Wege von dem Vorempfangenen etwas erweislicher Maßen bekommen haben, sind sie auch davon nichts einzubringen schuldig.

(2-445) [2, 23, § 2] 21. Aufsteigende, Seitenverwandte, Eheleute und fremde Erben haben nichts einzubringen, gleichwie ihnen auch dagegen nichts eingebracht wird.

[2, 23, § 2] 22. Obschon der Pflichttheil der Aufsteigenden und der ehegattliche Antheil, wo Einer oder der Andere verkürzet worden wäre, ergänzet werden muß.

[2, 23, § 2] 23. Solchemnach bestehet sowohl das Recht die Einbringung des Vorempfangenen zu forderen, als die Schuldigkeit einzig und allein zwischen Absteigenden, welche zusammen aus gleichem Erbrecht zu der Erbschaft des Verstorbenen gelangen.

[2, 23, § 2] 24. Sowohl das Recht die Einbringung zu forderen, als die Schuldigkeit solche zu leisten, wird mit dem Erbrecht selbst auf was immer für Erben übertragen, wann die Absteigenden, ehe und bevor sie zur Erbschaft gelangen, oder sich solcher entschlagen haben, versterben, und somit ihren hinterlassenen Erben aus dem auf sie übertragenen Erbrecht der erbliche Zutritt eröffnet wird.

§. III.

[2, 23, § 3] 25. Eingebracht muss Alles werden, was die Kinder von demjenigen Eltertheil, den sie erben, in Lebzeiten bekommen haben, wann ihnen diese Verbindlichkeit nicht besonders entweder von dem Gesatz, oder von dem Erblasser nachgesehen und erlassen worden.

[2, 23, § 3] 26. Jenes aber, was die Kinder entweder von dem anderen Erbtheil, um dessen Erbschaft es zur Zeit nicht zu thun ist, bekommen oder ererbet, oder sonst wo immer her erworben haben, oder was ihnen auch von demjenigen Eltertheil, welchen sie erben, aus letztem Willen zugewendet worden, sind sie nicht einzubringen schuldig.

[2, 23, § 3] 27. Allein auch von demjenigen vorempfangenen Gut, was der Erblasser seinen Kindern in Lebzeiten zugeeignet, wollen Wir durch dieses Unser Gesatz von der Einbringung in die gemeine Theilung Folgendes namentlich befreiet und ausgenommen haben, als:

[2, 23, § 3] 28. Erstens, was die Eltern aus der ihnen obliegenden Pflicht auf ihre Kinder zu verwenden schuldig waren, als das ist der Aufwand auf die Erziehung, Unterhaltung, Unterricht in Künsten und Wissenschaften, Reisen, hohe Schulden, Heilungs- und Begräbnißkosten, welches Alles dergestalten ausgenommen sein solle, daß der Erblasser weder die Befugniß habe seine Kinder zu dessen Einbringung, wann er auch solche ausdrücklich anordnete, zu verbinden, obschon ihme unbenommen ist, denen Jüngeren vor denen Aelteren einen größeren Erbtheil zu verschaffen, folglich andurch die auf die Aelteren verwendete Kosten unter Allen auszugleichen, insoweit durch die Verbesserung des Erbtheils der Einen der Pflichttheil der Anderen nicht verkürzet wird.

[2, 23, § 3] 29. Zweitens, was von dem Erblasser aus sonderbarer Zuneigung gegen ein oder anderes Kind demselben zum voraus zugewendet worden zu sein vermuthet wird; von dieser Art sind mäßige Gaben und Schankungen, sie geschehen aus bloßer Freigebigkeit, oder aus Vergeltung vorzüglicher Verdiensten, wann keine andere Erklärung von ihme vorhanden ist, und der Pflichttheil der Uebrigen andurch nicht verkürzet wird.

[2, 23, § 3] 30. Drittens, was von dem Erblasser aus natürlicher Liebe der Eltern gegen ihre Kinder ausgeleget worden, als da Vater oder Mutter das Kind aus der feindlichen Gefangenschaft ausgelöset, oder ihme sonst in seinem Noth und Elend hilfliche Hand geboten hätte.

[2, 23, § 3] 31. Worunter jedoch weder das, was für ein eingeschuldetes Kind an Schulden

(2-446) bezahlet worden, obschon es anmit aus dem Gefängniß befreiet würde, noch auch die zur Erlangung eines Amts kriegs- oder bürgerlichen Bedienstung, Lehramts auf hohen Schulen, und sonstiger persönlicher Würde, ausgelegte Kosten begriffen sind, sondern alles dieses solle in die gemeine Theilung eingebracht werden.

[2, 23, § 3] 32. Viertens, was ein Vater in das eigene anderwärts her ererbete oder erworbene Gut der Kinder, dessen Nutznießung demselben zugestanden, verwendet hat, obschon erweislicher Maßen der Aufwand die eingehobene Ertragniß überstiege.

[2, 23, § 3] 33. Wo aber Vater oder Mutter nur allein die bloße Verwaltung des eigenen Guts der Kinder gehabt hätte, sind die zum Nutzen der Kinder aus der Eltern eigenen Vermögen hinein verwendete Kosten und Auslagen dergestalten zu berechnen, daß wo der Aufwand der Kosten die anmit erzeugte mehrere Benutzung und Verbesserung übersteiget, nur das, was verbesseret worden, dahingegen wo die Verbesserung mehr, als der Aufwand beträgt, nur das, was erweislicher Maßen aus dem eigenen Vermögen der Eltern aufgewendet worden, in die gemeine Theilung einzubringen seie.

[2, 23, § 3] 34. Alles Vorstehendes, was von der Einbringung ausgenommen worden, ist für eine freiwillige Gabe und Schankung der Eltern zu achten, folglich hat auch solches den Kindern zum voraus zu verbleiben, solange der Eltertheil, von deme es herrühret, und um dessen Erbschaft es zu thun ist, seinen widrigen Willen nicht ausdrücklich erkläret, daß er es in die gemeine Theilung eingebracht haben wolle, doch mit Ausnahme dessen, was oben num. 28 der widrigen Anordnung des Erblassers ohnerachtet davon befreiet bleibet.

[2, 23, § 3] 35. Dahingegen solle alles anderes von demjenigen Eltertheil, nach welchem geerbet wird, Vorempfangenes, was oben nicht namentlich ausgenommen worden, in die gemeine Theilung eingebracht werden; dahin gehöret das Heirathgut, die Widerlag oder Gegenvermächtniß, Brautbetreuung, der wittibliche Unterhalt, häusliche Einrichtung, Aushilfe und Beisteuer zur Haushaltung, und überhaupt Alles, was zur Aussteuer und Ausstattung der Kinder verwendet wird, es seie in der Heirathsberedniß ausdrücklich enthalten oder nicht, mit alleiniger Ausnahme des Hochzeitsmahls und Hochzeitsgeschenken, dann der Morgengabe, welche von den Eltern aus ihrem freien Willen, und ohne Vorbehalt oder gegen Verwahrung hergegeben worden.

[2, 23, § 3] 36. Von allem diesem aber, was solchergestalten in die gemeine Theilung einzubringen ist, kommen weder Nutzungen, noch Zinsen, welche mittlerweil davonbehoben worden, in Anschlag, außer von der Zeit der gerichtlichen Belangung zur Einbringung.

§. IV.

[2, 23, § 4] 37. Die Einbringung des Vorempfangenen hat zur Zeit der Theilung ohnweigerlich zu geschehen, weilen ansonst die Theile eigentlich nicht bestimmet werden können, bis nicht das, was einzubringen ist, mit in die gemeine Theilung geleget wird.

[2, 23, § 4] 38. Wo aber auch ein Miterb aus Irrthum ohne vorheriger Einbringung, und ohne deren ausdrücklichen Vorbehalt zur Theilung zugelassen worden wäre, und nach der Hand hervorkäme, daß er mit Einrechnung des vorempfangenen Guts auf seinen Antheil mehr, als ihme nicht gebühret, empfangen, folglich die übrigen Miterben verkürzet habe, steht denenselben ohnerachtet der vollzogenen Theilung noch allzeit bevor, ihn binnen der in gleich vorhergehenden Capitel, §. VI., zur Klage wegen erweislicher Verkürzung ausgemessenen Zeit zur Einbringung des Vorempfangenen anzuhalten, und bis dahin von ihme eine hinlängliche Sicherheit deshalben anzubegehren.

[2, 23, § 4] 39. Die wirkliche Einbringung geschieht auf zweierlei Art, als entweder durch thätige und leibliche Beitragung des einzubringen habenden Guts, oder

(2-447) Zuzahlung des Werths dafür in die gemeine Theilung, oder mit kurzer Hand dadurch, daß Jener, welcher etwas einzubringen schuldig ist, einem Jedwedem seiner Miterben auch so viel bevorlasse, oder selbst auf seinen Antheil um so viel weniger empfange, als das einzubringen Habende an Werth beträgt.

[2, 23, § 4] 40. Wer demnach etwas in die gemeine Theilung einzubringen schuldig ist, hat die Auswahl, ob er solches auf die eine oder andere Art einbringen wolle, der Werth ist aber allemal nach demjenigen Stand zu schätzen, in welchem sich das vorempfangene Gut zur Zeit des Absterbens des Erblassers befindet, dieses möge mittlerweil in Werth gestiegen, oder ohne Schuld dessen, welcher es einzubringen hat, gefallen sein.

[2, 23, § 4] 41. Es wäre dann das Gut in einem geschätzten Werth ausdrücklich auf Abschlag des künftigen Erbtheils gegeben worden, welchen Falls lediglich der geschätzte Werth, in welchem es mit diesen Beding gegeben worden, in Anschlag zu bringen ist, dieser möge nachhero zu- oder abgenommen haben.

[2, 23, § 4] 42. Desgleichen da das vorempfangene Gut aus vorsätzlicher Gefährde oder großer Schuld des Einbringenden in Werth verringeret worden, hat dieser denjenigen Werth anzubringen, welchen es zur Zeit, als er es zu seinen Handen bekommen, gehabt hat.

[2, 23, § 4] 43. Nicht weniger hat derselbe die mittlerweil von ihme gemachte Behaftungen und Einschuldigungen des Guts allein zu tragen; für jene Haftungen und Ansprüche hingegen, welche schon zur Zeit als es ihme gegeben worden, einem Dritten hierauf gebühret haben, sind alle Miterben verfänglich.

[2, 23, § 4] 44. Doch ist er befugt die nothwendigen und nutzlichen auf das einzubringen habende Gut verwendeten Auslagen und Kosten, insoweit sie erweislich die mittlerzeit behobene gesammte Ertragniß übersteigen, von dem einbringenden Werth sich zu Guten abzuziehen, oder wo er das Gut selbst in die gemeine Theilung beigetragen, deren Ersatz von den übrigen Miterben anzuforderen.

[2, 23, § 4] 45. Wäre aber zur Zeit der Theilung, was und wieviel einzubringen seie, noch nicht in das Klare gesetzet oder sonst strittig, und die anderen Miterben würden gleichwohlen auf die Theilung andringen, so solle zwar solche wegen verweigerter oder verzögerter Einbringung nicht aufgehalten werden.

[2, 23, § 4] 46. Jener Miterb aber, welcher zur Einbringung belanget worden, ist schuldig, auf Begehren der Anderen entweder von seinem Erbtheil so viel, als sie an ihme anforderen, bis zur Austrag der Sache in gerichtlichen Beschlag zuruckzulassen, oder für einen der an ihn gestellten Forderung gleichkommenden Betrag eine hinlängliche Sicherheit, es seie mittelst annehmlicher Bürgen, oder mittelst genugsamen Unterpfands zu leisten.

§. V.

[2, 23, § 5] 47. Die Einbringung des Vorempfangenen macht das Eingebrachte unter allen Miterben gemein, welches andurch ein Theil der Erbschaft wird, und zwischen

(2-448) allen Erben mit Einbegriff des Einbringenden nach Maß ihrer Erbtheilen dergestalten zu vertheilen ist, daß deren Jeder davon so viel als nach dem Verhältniß seines angebührenden Erbtheils ihme hieran zuzukommen hat, erhalte, und die Gleichheit in der Vertheilung nach Maß der Erbtheilen, und nicht nach Anzahl der erbenden Personen bestimmet werde.

[2, 23, § 5] 48. Aus der Verbindlichkeit zur Einbringung hingegen, und dem damit übereinstimmenden Recht der Anderen solche zu forderen, erwachsen die rechtlichen Hilfsmitteln Jenen, welcher zur Einbringung des Vorempfangenen verbunden ist, darzu zu verhalten.

[2, 23, § 5] 49. Wobei zu unterscheiden ist, ob der zur Einbringung verbundene Miterb selbst die Theilung anbegehre, oder ob derselbe von denen Anderen um die Theilung der Erbschaft belanget werde; ersteren Falls sind die Anderen wider Willen zur Theilung zu schreiten nicht schuldig, bis daß er nicht das Vorempfangene in die gemeine Theilung eingebracht hat.

[2, 23, § 5] 50. Wo sie aber jegleichwohlen noch ehender sich zur Theilung mit Vorbehalt des einzubringen habenden Guts einverstehen wollten, ist er auf ihr Anlangen die oben in vorigen §. num. 46 vorgeschriebene hinlängliche Sicherheit auf eine oder die andere Art zu bestellen verbunden.

[2, 23, § 5] 51. Anderen Falls hingegen, wo der zur Einbringung verbundene Miterb um die Theilung belanget würde, und dieser sich das Vorempfangene einzubringen weigerte, stehet denen anderen Miterben frei, entweder ihn noch vor der Theilung durch Anrufung des richterlichen Amts hierzu zu verhalten, oder wo sie mit Vorbehalt des einzubringen Habenden jegleichwohlen die Theilung vornehmen wollten, sich an seinem Erbtheil bis zur Austrag der Sache zu versicheren.

[2, 23, § 5] 52. Wäre zwar außer Zweifel, dass ein Miterb von dem verstorbenen Erblasser etwas bei Lebzeiten empfangen, das er einzubringen schuldig seie, was und wieviel aber anderer Gestalt nicht erweislich, so sind die anderen Miterben befugt, in Ermanglung eines anderen Beweises demselben zur Anzeigung und Offenbarung des Vorempfangenen einen körperlichen Eid aufzutragen, welcher er bei Verlust seines Erbtheils zu leisten schuldig ist.

§. VI.

[2, 23, § 6] 53. Die Verbindlichkeit zur Einbringung des Vorempfangenen höret auf: Erstens, mit Verlust und Untergang der einzubringen habenden Sache, wann solcher ohne Gefährde und großer Schuld Desjenigen, welcher hierzu verbunden ware, erfolget ist.

[2, 23, § 6] 54. Für Zufall und geringe Schuld hingegen ist derselbe nicht verfänglich, es sei dann, daß das Vorempfangene in baarem Geld bestanden, oder die einzubringen habende Sache in einem geschätzten Werth mit dem ausdrücklichen Beding, daß dieser Werth von dem künftigen Erbtheil abgeschlagen und, solchergestalten in die gemeine Theilung eingebracht werden solle, gegeben werden wäre.

[2, 23, § 6] 55. Wo er aber das mit oder ohne diesem Beding Vorempfangene veräußeret, verthan oder verzehret hätte, bleibt derselbe, ohnerachtet die Sache nicht mehr vorhanden, jegleichwohlen den Werth dafür, welchen sie zur Zeit, als er sie empfangen, gehabt, in die gemeine Theilung einzubringen schuldig, er möge sich anmit bereicheret haben oder nicht.

[2, 23, § 6] 56. Dieses Alles ist jedoch nur von demjenigen Fall allein zu verstehen,

(2-448) wann die Kinder zur Zeit, als das Vorempfangene von ihnen verthan oder verzehret worden, oder das mit ausbedungener Einbringung des geschätzten Werths Gegebene in Verlust gerathen oder zu Schaden gekommen, schon großjährig gewesen.

[2, 23, § 6] 57. Gegentheils, wo einem noch Minderjährigen von seinen Eltern in Lebzeiten etwas auch mit dem ausdrücklichen Beding des künftigen Abschlags gegeben worden wäre, welches von ihme noch währender Minderjährigkeit ganz oder zum Theil verthan oder verzehret würde, oder sonst auch aus seiner eigenen Schuld in Verlust geriethe, oder zu Schaden käme, ist er nur soviel einzubringen verbunden, als derselbe andurch erweislich bereicheret, und davon zu seinen Nutzen verwendet worden, oder zur Zeit der erreichten Großjährigkeit noch davon vorhanden ware, wann er von Einbringung dessen nicht in andere Wege nach der Hand befreiet worden.

[2, 23, § 6] 58. Deme gemäß wird auch eine Tochter oder Enklin von Einbringung des in Lebzeiten der Eltern vorempfangenen Heirathguts, welches ihr Ehemann währender ihrer Minderjährigkeit mit oder ohne ihrer Zuthat vertan und verzehret hat, entlediget, weil nicht ihr, sondern ihren Eltern, daß sie für dessen Versicherung nicht Sorge getragen, die Schuld beizumessen ist.

[2, 23, § 6] 59. Zweitens wird ein Kind von der Verbindlichkeit zur Einbringung des vorempfangenen Guts losgezählet, wann derjenige Eltertheil von deme dasselbe herrühret, solche ausdrücklich oder stillschweigend erlassen hat.

[2, 23, § 6] 60. Ausdrücklich geschieht diese Erlassung, entweder, wann das Kind von Einbringung des Vorempfangenen namentlich enthoben, oder wann denen Anderen solche von jenem anzubegehren verboten wird.

[2, 23, § 6] 61. Stillschweigend wird die Einbringung durch gleichgeltende Worte erlassen, wann sie so beschaffen sind, daß der Willen des Erblassers hieraus ungezweifelt erhelle, als da er deutlich ausgedrucket, daß ein Kind Jenes, was es von ihme bei seinen Lebzeiten empfangen, zum voraus haben solle, oder da er dem anderen Kind etwas zum voraus verschaffet, oder dessen Erbtheil aus der beigefügten Ursache vermehret, weilen das Andere bei seinen Lebzeiten bereits eben so viel, oder ein Mehreres empfangen, oder von ihme auf selbes eben so viel verwendet worden.

[2, 23, § 6] 62. Eine solche stillschweigende Erlassung wird auch aus deme vermuthet, wann der Erblasser seine Kinder in dem Testament bedacht hat, ohne dieselben dabei zur Einbringung des Vorempfangenen ausdrücklich zu verbinden.

[2, 23, § 6] 63. Uebrigens hanget es von der Willkür des Erblassers ab, die Einbringung des Vorempfangenen ganz oder zum Theil zu erlassen, wo aber dieselbe namentlich nur an gewissen Sachen oder an einer bestimmten Summe nachgesehen worden wäre, ist die Erlassung über die benannte Summe oder Stücke, und was darzu gehörig auf andere, welche nicht benennet worden, nicht zu erstrecken.

[2, 23, § 6] 64. Die Erlassung der Einbringung kann entweder im Testament oder Codicill, oder in einem von dem Erblasser eigenhändig geschriebenen Zettel, oder vor Zeugen geschehen, wann nur der Willen des Erlassenden ungezweiflet am Tag lieget.

[2, 23, § 6] 65. Drittens wird Jener, welcher sonst das Vorempfangene in die gemeine Theilung einzubringen schuldig gewesen wäre, von dieser Verbindlichkeit enthoben, wann er sich der Erbschaft desjenigen Eltertheils, von welchem das Vorempfangene herrühret, entschlagen hat.

[2, 23, § 6] 66. Wo aber durch das Vorempfangene der Pflichttheil der anderen Notherben, eine Verkürzung erlitte, bleibt derselbe jenen ohnerachtet seiner Entschlagung jegleichwohlen zu dessen Ergänzung verbunden.

[2, 23, § 6] 67. Um jedoch in solchem Fall die Verkürzung des Pflichttheils eigentlich abzunehmen, solle das Vorempfangene mit dem hinterlassenen Vermögen in eine

(2-450) Summe zusammengerechnet, somit nach dem Betrag dieser Summe der angebührende Pflichttheil ausgemessen, und was weniger in der Verlassenschaft befindlich ist, als der ausfallende Pflichttheil des anderen Notherben beträgt, von dem Vorempfangenen ersetzet und ergänzet werden.

[2, 23, § 6] 68. Also da z. B. der Vater einer von zweien Töchtern zehntausend Gulden zum Heirathgut gegeben oder verschrieben hätte, nachher aber sein Vermögen dergestalten geschmäleret würde, daß zur Zeit seines Tods in seiner Verlassenschaft nur zweitausend Gulden übrig blieben, folglich die ausgestattete Tochter, um die Einbringung des bei Lebzeiten des Vaters von ihme empfangenen Heirathguts zu vermeiden, sich der väterlichen Erbschaft entschlüge, in Gegentheil aber die andere Tochter über Verkürzung ihres Pflichttheils klagete, so ist das Vorempfangene, oder durch Verschreibung versicherte Heirathgut zu dem vorfindlichen Verlassenschaftsbetrag zuzuschlagen, folglich die ganze Verlassenschaft auf zwölftausend Gulden anzusetzen, hiervon die Halbscheide zum Pflichttheil mit sechstausend Gulden in zwei gleiche Theile auszumessen, und somit die sich der Erbschaft entschlagende Tochter zur Herausgebung des der anderen Tochter an ihrem Pflichttheil noch abgängigen einen Tausends zu verhalten.

[2, 23, § 6] 69. Viertens erlöschet die Schuldigkeit zur Einbringung des Vorempfangenen nach vollbrachter Theilung durch Verlauf der im vorhergehenden Capitel, §. VI zur Klage über Ungleichheit der Theilung anberaumten Zeit, wann dieselbe binnen solcher nicht anverlanget, oder bei der Theilung nicht ausdrücklich vorbehalten worden.

(2-451) Caput XXIV.

Von dem Recht des Besitzes.

Inhalt:

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Besitzrechts. §. II. Von der Besitzfähigkeit. §. III. Von Sachen, welche besessen werden mögen. §. IV. Von Erwerbung des Besitzes, und der darzu gebührenden Rechtshilfe. §. V. Von Wirkung des Besitzrechts. §. VI. Von den zu Handhabung des Besitzes zu statten kommenden Rechtsmitteln. §. VII. Von Verlust des Besitzes. §. VIII. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Wiedererlangung des verlorenen Besitzes.

§. I.

[2, 24, § 1] Num. 1. Alle dingliche Rechten sind oben in zweiten Capitel, §.II, num. 25, in zwei Hauptgattungen, benanntlich in das Recht über das eigene Hab und Gut, und in das Recht an fremden Gut eingetheilet, und bishero von deren ersterem, welches das Eigenthum ist, dann von dessen verschiedenen Erwerbungsarten gehandlet worden.

[2, 24, § 1] 2. Es folget demnach die zweite Hauptgattung, nemlich das Recht an

(2-452) fremden Sachen, welches nach Inhalt des vorbemelten zweiten Capitels, §. III in fünferlei Gattungen bestehet, wie solche in gegenwärtigem, und den nachkommenden Capiteln beschrieben werden.

[2, 24, § 1] 3. Die erste dieser fünf Gattungen, und welche in ihrer Wirkung dem Eigenthum zunächst beikommt, ist das Recht des Besitzes, insoweit als solches an fremden Sachen mit Zug angebühren kann.

[2, 24, § 1] 4. Dann der Besitz eigener Sachen ist kein von dem Eigenthum unterschiedenes Recht, sondern eine Wirkung des schon hieran zustehenden Eigenthums; in Gegentheil aber ist des Besitzrechts an fremden Sachen vornehmste Wirkung die Befugniß zu deren Verjährung, und die hieraus erfolgende Erwerbung des Eigenthums.

[2, 24, § 1] 5. Wiewohlen aber der Besitz einer Sache an sich selbst betrachtet lediglich in deren leiblicher Inhabung bestehet, so ist doch derselbe in Rucksicht auf dem ihme von den Gesetzen zugeeignete besondere Wirkungen ein dingliches Recht, das an der Sache haftet.

[2, 24, § 1] 6. Der bloße Besitz ist dahero von dem Recht des Besitzes wohl zu unterscheiden, weilen Eines ohne dem Anderen füglich bestehen kann; also hat ein Dieb und Rauber den Besitz des gestohlenen und geraubten Guts, nicht aber auch hieran das Recht des Besitzes, gleichwie in Gegentheil Derjenige, deme sein Gut gestohlen und geraubet wird, das Recht des Besitzes behält, obschon er des leiblichen Besitzes entsetzet worden.

[2, 24, § 1] 7. Nicht weniger sind auch die Wirkungen des bloßen Besitzes von jenen des Besitzrechts unterschieden, dann obschon auch einem Dieb und Rauber zur einsweiligen Behauptung des Besitzes wider die unrechtmäßige Anmaßung eines Dritten die rechtliche Hilfsmitteln zu statten kommen, so wirket doch der bloße Besitz oder die Inhabung einer Sache für sich allein ohne dem beistoßenden Besitzrecht keineswegs die Befugniß zur Verjährung, zum Gewinn der Nutzungen, und zur Zuruckforderung der Sache selbst von einem dritten, hierzu entweder gar nicht, oder doch weniger berechtigten Inhaber, sondern alles dieses sind dem Besitzrecht nur allein eigene Wirkungen.

[2, 24, § 1] 8. Der Besitz ist also nichts Anderes, als die Inhabung einer Sache in eigenem Namen und in Meinung und Absicht solche für sich zu behalten; das Besitzrecht aber die Befugniß eine Sache innen zu haben in der Meinung, solche für sich zu behalten, und allen daraus fließenden Vortheil und Nutzen zu genießen.

[2, 24, § 1] 9. Hierzu wird keineswegs eine stete leiblich Inhabung der Sache erforderet, sondern es ist an der Gemüthsmeinung und dem Willen genug, dieselbe für sich zu behalten, obschon ein Anderer in Namen des Besitzers sich in dem leiblichen Besitz der Sache befände, oder sie auch gar ohne leiblicher Inhabung gelassen würde.

[2, 24, § 1] 10. Doch muß die Inhabung einer Sache also beschaffen sein, daß selbe in eigenen Namen, und in der Meinung sie für sich zu behalten, besessen werde; welche aber Sachen in Namen eines Anderen verwaltungs-, verwahrungs- oder gebrauchswegen innen haben, allen diesen gebühret hieran kein Besitz, sondern nur die bloße Innenbehaltung der Sache.

[2, 24, § 1] 11. Von dieser Art sind Sachwaltere, Vormündere oder Gerhaben, Curatoren, Befehlshabere und Jene, welchen Sachen zu getreuen Handen anvertrauet, zum Gebrauch geliehen, vermiethet, verpachtet, oder bittweise verstattet worden.

[2, 24, § 1] 12. Welche Alle zwar die Sache innen haben, und in Namen Desjenigen, von dessen Handen sie selbe bekommen, in Besitz sind, nicht aber auch solche in ihrem eigenen Namen besitzen, um sie für sich selbst zu behalten, sondern bloß ihrem eigenen Namen besitzen, um sie für sich selbst zu behalten, sondern bloß allein um solche zu verwalten, zu verwahren, zu gebrauchen, oder zu genießen.

[2, 24, § 1] 13. Der Besitz ist in Rucksicht auf die Dinge, welche besessen werden, auf den Ankunftstitul oder die Erwerbungsursache, wo solcher herrühret, auf die


(2-453) Gemüthsbeschaffenheit des Besitzers, und endlich auf die Art und Weis, wie etwas besessen werde, verschiedentlich zu betrachten.

[2, 24, § 1] 14. Nur körperliche Dinge, die leiblich berühret und gegriffen werden können, sind des wahren Besitzes fähig; unkörperliche Dinge hingegen, als Rechten, Gerechtigkeiten und Dienstbarkeiten werden bloß gleichnißweise besessen, also daß, wiewohlen deren Ausübung sich durch leibliche und sichtbare Thaten äußeret, nichtsdestoweniger der Besitz des Rechts selbst nur in dem rechtlichen Verstand besteht.

[2, 24, § 1] 15. Nach dem Ankunftstitul ist der Besitz gerecht oder ungerecht. Gerecht, wann die in Besitz habende Sache aus einem zu deren Uebertragung an sich sonst hinlänglichen Ankunftstitul, als durch Kauf, Tausch, und dergleichen Handlungen erworben worden; ungerecht aber, wann ein rechtmäßiger Ankunftstitul gänzlich ermanglet, als da Jemand sich in den Besitz mit Gewalt eingedrungen, oder solchen mit List erschlichen hätte, welcher eigentlich ein mangelhafter und widerrechtlicher Besitz benamset wird.

[2, 24, § 1] 16. Nach der Gemütsbeschaffenheit (!) des Besitzers ist der Besitz entweder mit guten oder mit üblen Glauben begleitet. Der Besitz mit guten Glauben erforderet an Seiten des Besitzers die untadelhafte Unwissenheit, daß die in Besitz habende Sache fremdes Gut seie, und die ungezweiflete Meinung, daß sie sein Eigen seie, gleichwie gegentheils die Wissenschaft fremden Guts den Besitzer in üblen Glauben bestellet, und so, wie den Besitz mangelhaft, auch ihn aller Vortheilen des Besitzrechts verlustig macht.

[2, 24, § 1] 17. Doch lässt sich so wenig aus der Rechtmäßigkeit des Ankunftstituls der gute Glauben, wie wenig aus dessen Unrechtmäßigkeit der üble Glauben folgeren, dann es kann zwar der Ankunftstitul an sich rechtmäßig, der Besitzer aber jedoch in üblen Glauben befangen sein, wann er die obschon durch eine aufrechte Handlung an sich gebrachte Sache fremd zu sein weiß, gleichwie gegentheils der Ankunftstitul unrechtmäßig, und der Besitzer jegleichwohlen in guten Glauben bestellet ist, wann dieser den Anderen aus dem Besitz einer ganz ungezweiflet für sein Eigen haltenden Sache eigenmächtig verstoßen und verdrungen hat.

[2, 24, § 1] 18. Nach der Art und Weis zu besitzen wird der Besitz einer Sache in den natürlichen und rechtlichen unterschieden. Der natürliche Besitz erforderet allemal die leibliche Inhabung der Sache mit der Meinung und dem Willen solche für sich zu behalten; der rechtliche Besitz hingegen bestehet auch ohne leiblicher Inhabung in dem alleinigen Willen und Meinung die Sache für sich zu behalten.

[2, 24, § 1] 19. Dieser rechtliche Besitz erheischet bei Fahrnissen oder beweglichen Dingen außer einem rechtmäßigen Ankunftstitul, wodurch die Sache auf den Besitzer gediehen, sonst nichts Anderes; allein bei liegenden Gütern, landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Rechten und Gerechtigkeiten kann deren rechtlicher Besitz auf keine andere Art, als durch die Einverleibung des Ankunftstituls in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher erworben werden, noch weniger ohne derselben der bloße Besitz einige Vortheile des Besitzrechts bewirken.

[2, 24, § 1] 20. Der rechtliche Besitz ist nach seiner Gestalt anwiederum zweierlei; dann entweder besitzet Jemand ein Gut als sein Eigenthum, und in der ungezweifleten Meinung, daß es sein Eigen seie, gleichwie der Herr eines Guts, oder ein Besitzer mit gutem Glauben, und diesem Besitz kommen alle Wirkungen des Besitzrechts zu.

[2, 24, § 1] 21. Oder Jemand besitzet das einem Anderen eigenthumlich zustehende Gut zwar für sich, nicht aber in der Meinung, daß es sein Eigen seie, sondern weilen wegen eines ihme hieran bestellten dinglichen Rechts der Besitz mit Vorbehalt des Eigenthums auf ihn übertragen worden.

[2, 24, § 1] 22. Einen so beschaffenen Besitz hat Jener, welcher die Nutznießung oder Fruchtgenuß eines Guts, oder hieran das Recht der Oberfläche hat, ein Erbzinsmann, ein Glaubiger, der das Pfand innen hat, und endlich auch Derjenige, deme der Besitz einsweilig bittweise verstattet worden.

(2-454) [2, 24, § 1] 23. Alle diese haben zwar das Besitzrecht, wann jedoch bei liegenden Gütern der Besitz landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf sie übertragen worden, nicht aber in der Maß, wie ein Eigenthümer oder Besitzer mit guten Glauben, weilen ihr Besitz wegen Offenkündigkeit fremden Guts niemalen die Befugniß zur Verjährung, folglich die Erwerbung des Eigenthums wirken kann.

[2, 24, § 1] 24. Ohnerachtet aber Jemand in den Besitz der Sache auf eine Art gelanget, wird andurch der Andere des ihme auf eine andere Art hieran zustehenden Besitzes gleichwohlen nicht verlustig, dann es hinderet nichts, daß nicht der Besitz an einerlei Sache Mehreren auf verschiedene Art, und in verschiedener Absicht zustehen könne; also bleibt der Schuldner in dem rechtlichen Besitz des gegebenen Unterpfands als Eigenthümer, der Glaubiger hingegen besitzet solches zur Sicherheit, oder allenfalls, wann es solchergestalten zwischen ihnen bedungen worden, auch zu seinem Genuß auf Abschlag der Schuld.

§. II.

[2, 24, § 2] 25. Des Besitzes ist Jedermann fähig, der nicht von der Natur, oder durch das Gesatz hieran verhinderet wird. Von der Natur sind zwar Jene, welche den Gebrauch des Verstandes nicht haben, als Aberwitzige, Blödsinnige und Kinder, etwas für sich selbst mittelst leiblicher Inhabung zu besitzen aus Mangel des Willens unfähig, doch kann von Anderen in ihrem Namen und zu ihren Handen nicht allein der Besitz erworben, sondern auch der schon erworbene erhalten und fortgesetzet werden.

[2, 24, § 2] 26. Desgleichen können auch Unwissende, welche von der in ihrer Gewahrsame befindlichen Sache keine Wissenschaft haben, solche nicht besitzen, wohl aber durch Andere in ihrem Namen und zu ihren Handen den Besitz auch unwissend erwerben und erhalten, wann nur nachher ihre Gutheißung erfolget.

[2, 24, § 2] 27. Gemeinden und Mitteln sind zwar in dem Verstand einer sittlichen Person betrachtet von dem rechtlichen Besitz nicht ausgeschlossen, für sich selbst aber der leiblichen Inhabung, folglich des natürlichen Besitzes einer Sache unfähig, doch können sie solchen entweder durch ihre einzle Mitglieder, oder auch durch Andere in ihrem Namen und zu ihren Handen erwerben, und den erworbenen fortsetzen.

[2, 24, § 2] 28. Durch das Gesatz werden Jene verhinderet, welchen, wie es oben in dritten Capitel, §. II von Eigenthum erwähnet worden, die Erwerbung gewisser Sachen untersaget ist, insonderheit aber sind von dem rechtlichen Besitz liegender Güter Alle und Jede ausgeschlossen, die nach eines jeden Landes hergebrachter Verfassung solche zu besitzen nicht fähig sind.

[2, 24, § 2] 29. Unvogtbare und andere pflegbefohlene Personen, welche zwar den Gebrauch des Verstandes haben, doch aber in der freien Schalt- und Waltung beschränket sind, können nur insoweit den Besitz einer Sache ohne Zuthat und Einwilligung ihrer Vormünderen oder Gerhaben und Curatoren erwerben, als sie anmit ihren Zustand verbesseren, und an ihrem Vermögen nicht gefährdet werden.

§. III.

[2, 24, § 3] 30. Sachen, welche eigentlich besessen werden können, müssen folgendermaßen beschaffen sein: Erstens, körperlich, deren Wesen und Gestalt in die Sinnen fällt, folglich gegriffen und innenbehalten werden mag; unkörperliche Dinge hingegen, als Rechten, Gerechtigkeiten und Dienstbarkeiten werden nur nach dem rechtlichen Verstand gleichnißweise besessen.

[2, 24, § 3] 31. Zweitens, handelbar; dann unhandelbare Dinge sind des Besitzes nicht fähig. Welche aber unhandelbar sind, ist oben in ersten Capitel, §. I erkläret worden.

[2, 24, § 3] 32. Drittens, an sich gewiß und bestimmt; maßen an noch ungewissen Sachen, wann nicht wissend ist, was und wieviel es seie, kein Besitz bestehen mag. Eine Sache aber kann ganz oder zum Theil, mit geschiedener oder ungeschiedener Hand besessen werden.

[2, 24, § 3] 33. Beschiedene Theile fallen für sich als ein Ganzes in die Sinnen, folglich sind sie auch des wahren Besitzes fähig; dahingegen können noch unbeschiedene Theile, weilen sie nur nach dem rechtlichen Verstand als Theile begriffen werden mögen, und an sich von dem Ganzen nicht abgesönderet sind, auch nicht als Theile, wohl aber das Ganze in der Gemeinschaft besessen werden.

[2, 24, § 3] 34. Viertens, ledig von dem Besitz eines Anderen, welcher die Sache mit gleicher Meinung und in eben der Absicht innen habe; also können nicht Zweie einerlei Sache ganz, und mit ausschließendem vollem Eigenthum besitzen.

[2, 24, § 3] 35. Wohl aber kann eine Sache von Mehreren in verschiedener Absicht besessen werden, wie es oben §. I, num. 24 erkläret worden; also besitzet ein Nutznießer oder Erbzinsmann das Gut, Ersterer zu seinem Genuß, und der Andere zu seinem nutzbaren Eigenthum, der Eigenthümer aber das Grundeigenthum.

[2, 24, § 3] 36. Desgleichen hat der Kaufer an einem obschon ihme mittelst körperlicher Uebergabe eingeraumten, aber noch nicht auf ihn einverleibten liegenden Gut den natürlichen; der Verkaufer hingegen, solange es mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf den Kaufer nicht übertragen wird, behält hieran den rechtlichen Besitz.

§. IV.

[2, 24, § 4] 37. Gleichwie der natürliche Besitz einer Sache in deren leiblicher Inhabung mit der Meinung und Willen solche für sich zu behalten bestehet, also kann auch derselbe nicht anderst, dann mit leiblicher Zuthat und dem Gemüth zugleich erworben werden.

[2, 24, § 4] 38. Die leibliche Zuthat beruhet in der Ergreifung einer Sache entweder durch sich selbst, oder durch Andere in Namen und zu Handen des Erwerbenden; die Beiwirkung des Gemüths aber in dem Willen, Meinung und Absicht, die ergriffene Sache sich eigen machen zu wollen.

[2, 24, § 4] 39. Die Ergreifung geschieht entweder durch wesentliche und leibliche That, oder durch gleichgiltige Arten, welche auf die Zueignung der Sache oder des Rechts, warum es zu thun ist, gerichtet sind; erstere hat nur bei körperlichen Dingen statt, also daß einzle bewegliche Dinge mit Händen gegriffen, und in die Gewahrsame

(2-456) des Erwerbenden gebracht, der Besitz an liegenden Gütern aber durch deren Betretung mit der Meinung und Willen solche für sich innenzuhalten erworben werde.

[2, 24, § 4] 40. Doch ist nicht erforderlich, daß zu Erlangung des Besitzes von einem liegenden Gut alle zu demselben gehörige Gründe und alle dessen Theile betreten werden müssen, sondern es ist an Betretung des einen genug in der Absicht sich das ganze Gut zuzueignen, wann nur die übrigen Gründe, welche nicht betreten worden, von dem Besitz eines Anderen, welcher sie in eben dieser Absicht innen hat, ledig sind.

[2, 24, § 4] 41. Desgleichen, wo der Besitz eines aus mehreren selbstständigen Stücken bestehenden Ganzen erworben werden will, als einer Heerde Viehs, ist zu Erlangung aller an Ergreifung einen Stucks genug, wann alle an Ort und Stelle zugleich befindlich sind, und der Ergreifende die Macht hat, alle in seine Gewahrsame zu bringen; wo sie aber nicht beisammen, sondern abgesönderet, und an verschiedenen Orten zerstreuet wären, müssen auch jene, deren der Ergreifende noch nicht habhaft worden, besonders ergriffen werden.

[2, 24, § 4] 42. Durch gleichgiltige Arten wird etwas in dem Verstand Rechtens für ergriffen gehalten, wann aus einer That, oder sonstigen Kennzeichen der ungezweiflete Willen sich die Sache zueignen zu wollen geschlossen werden mag; diese Art der Ergreifung kommt zwar nur unkörperlichen Dingen, welche nicht in die Sinnen fallen, eigends zu; sie hat aber auch bei körperlichen Dingen zu Vermeidung unnöthiger Umständen in der hiernach erklärenden Maß ihre gute Anwendung.

[2, 24, § 4] 43. Bei unkörperlichen Dingen ist zwischen den einem erwerbenden Grund anklebenden Rechten und Gerechtigkeiten, und zwischen jenen, welche an fremden Gut erworben werden wollen, in der Art des zu erlangenden Besitzes ein Unterschied zu bemerken; der Besitz der einem Grund anklebenden Rechten und Gerechtigkeiten wird andurch, daß der Grund in Besitz genommen werde, zugleich erworben, als die Gerichtsbarkeit, das Jagd- und Forstrecht, und dergleichen.

[2, 24, § 4] 44. Bei jenen Rechten und Gerechtigkeiten hingegen, welche an fremden Gründen erworben werden wollen, und eigentlich Dienstbarkeiten heißen, kommt es darauf an, ob sie also beschaffen sind, daß sie die Befugniß geben etwas auf fremden Grund zu thun, oder aber ob sie den Besitzer des fremden Grunds beschränken zu Behuf des herrschenden Grunds etwas nicht zu thun, was er sonst nach der natürlichen Freiheit zu thun befugt wäre.

[2, 24, § 4] 45. Der Besitz deren von ersterer Art wird durch die Einführung in den dienstbaren Grund, durch den Gebrauch des Rechts, und durch die Ausübung der dahin abzielenden Handlungen erworben, als da sind die Einhebung des Zehentes, das Jagen, Wasserleiten, Viehtreiben und derlei andere Befugnissen auf fremden Grund und Boden.

[2, 24, § 4] 46. Bei denen von der anderen Gattung hingegen kann der Besitz eines solchen Rechts anderer Gestalt nicht erlanget werden, als einerseits durch den Verbot und Widerspruch des einen Theils, welcher dieses Recht erwerben will, und durch die Duldung des anderen Theils, welcher sich dem Verbot füget, und darbei beruhet; von solcher Art ist die Dienstbarkeit nicht höher zu bauen.

[2, 24, § 4] 47. Es kann aber nicht aus ein und anderer dergleichen Thathandlung allein sofort auch der Besitz eines solchen von dem Gegentheil widersprechenden Rechts oder Dienstbarkeit behauptet werden, wann nicht zugleich nach Unterschied der anmaßenden Rechten und Dienstbarkeiten auf fremden Grund entweder ein angemessener Zeitraum, oder eine mehrfältige, öffentliche, ruhige, dem Gegentheil bewußte, und durch dessen Widerspruch und Gegenverwahrung nicht gestörte Ausübung hinzutritt, wie alle diese Erfordernissen in dem vierten Theil, wo das beschleunigte Verfahren in Entscheidung des einsweiligen Besitzes beschrieben werden wird, umständlicher erkläret werden.

[2, 24, § 4] 48. Ueberhaupt müssen derlei Thathandlungen also beschaffen sein, daß sie

(2-457) ihrer Natur nach auf die Ausübung des anforderenden Rechts oder Dienstbarkeit abzielen, nicht aber etwan bloß mit Gewalt durchgesetzet, oder heimlich mit List erschlichen, oder bloß aus guten Willen und Freundschaft des Anderen verstattet worden sein.

[2, 24, § 4] 49. Wo es aber nicht um den alleinigen Besitz, sondern um die unwiderrufliche Erwerbung eines solchen Rechts selbst zu thun ist, müssen hierzu auch jene Erfordernissen beistoßen, welche oben in neunten Capitel zu rechtmäßigen Verjährungen vorgeschrieben werden.

[2, 24, § 4] 50. Bei körperlichen Dingen sind dreierlei Arten der gleichgiltigen Ergreifung, als entweder mit langer Hand, oder mit kurzer Hand, oder durch Kennzeichen.

[2, 24, § 4] 51. Mit langer Hand geschieht die Ergreifung, wann die Sache von dem Einem mit Willen und Absicht dieselbe zu übergeben dem Anderen, der solche in Besitz nehmen will, in Gegenwart vor Augen geleget und ausgewiesen, oder da die Sache nicht an Ort und Stelle vor Augen gegenwärtig wäre, von dem Uebergeber gestattet wird, daß der Uebernehmer solche auszeichne, versiegle, bewahre, oder dieses durch Andere in seinem Namen, und zu seinen Handen bewerkstelligen lasse.

[2, 24, § 4] 52. Wiezumahlen aber bei dieser Art der Ergreifung des Besitzes die beiderseitige Einwilligung sowohl des Uebergebenden als Uebernehmenden beistoßen muß, so folget auch hieraus, daß solche nur bei Uebergaben aus einer Hand in die andere, nicht aber auch bei Dingen, welche von dem Besitz eines Anderen ledig sind, statt haben können, sondern hierbei zu Erlangung des Besitzes die leibliche Ergreifung nöthig seie.

[2, 24, § 4] 53. Mit kurzer Hand kann der Besitz ergriffen werden, wann zu Vermeidung mehrerer Umständen mit beiderseitiger Einwilligung entweder der Besitz einer Sache Demjenigen, welcher sie schon vorhero in Handen hat, überlassen, und also die bloße Innenbehaltung in das Besitzrecht verwandlet, oder aber die Sache in Handen dessen, welcher sie vorhero besessen, belassen, der Besitz hingegen auf den Anderen ohne leiblicher Uebergabe übertragen, und somit die Sache von dem vorigen Besitzer nicht mehr in seinem, sondern des Anderen Namen fortan innenbehalten, folglich der vorhin hieran zugestandene Besitz in eine bloße Innenbehaltung abgeänderet wird, wie sowohl eine als die andere Art oben in sechsten Capitel, §. I, von num. 15 bis 19 mit Mehreren erkläret worden.

[2, 24, § 4] 54. Die letztere Art, wodurch von dem vorigen Besitzer der Besitz auf den Anderen übertragen, und die Sache gleichwohlen in Handen des Uebertragenden, doch im Namen des Uebernehmenden behalten wird, heißet eigentlich eine Bestellung des Besitzrechts, welche nichts Anderes ist, als eine Handlung, wodurch der Besitzer einer Sache solche in Hinkunft zu Handen und im Namen eines Anderen besitzen zu wollen sich verbindet, und somit den Besitz auf Jenen mit kurzer Hand überträgt.

[2, 24, § 4] 55. Zur Giltigkeit dieser Bestellung ist erforderlich, daß nicht allein der Bestellende die Sache zur Zeit des abtretenden Besitzes in wirklichen Besitz habe, von dieser Zeit aber solche weiters in seinem eigenem Namen zu besitzen aufhöre, und bloß in Namen des Anderen, deme die Sache auf diese Art übergeben worden, im Besitz bleibe, sondern daß auch an Seiten des Uebernehmenden seine Einwilligung und Genehmhaltung, wie nicht weniger eine zu Uebertragung der Sache rechtsgenügliche Ursache, dann bei liegenden Gütern zur Einraumung des rechtlichen Besitzes die Einverleibung einer solchen Bestellung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher hinzutrete.

[2, 24, § 4] 56. Diese Bestellung des Besitzrechts kann entweder ausdrücklich, wann der Abtretende oder Uebergebende sich deutlich erkläret, daß er in Zukunft das Gut im Namen und zu Handen des Anderen, auf den er den Besitz übertragen, besitzen wolle, oder stillschweigend geschehen, wann der abtretende Besitzer sich auch ohne dieser Erklärung von dem Uebernehmenden die fernere Innenbehaltung der Sache,

(2-458) es seie mieth-, pacht-, entlehnungs-, pfand- oder bittweise ausbedingt, oder sie verwaltungs- oder hinterlegungsweise in Handen behalten zu wollen sich verbindet.

[2, 24, § 4] 57. Ist aber die Handlung, woraus der Besitz übertragen wird, bedingt, also daß deren Bündigkeit erst von dem Erfolg der Zeit, oder dem noch ungewissen Ausgang einer beigesetzten Bedingniß abhange, so ist auch die beigeruckte Bestellung des Besitzrechts für bedingt zu achten, und hat nicht ehender ihre Wirkung, als bis nicht die Handlung, welcher sie beigefüget worden, zur Wirksamkeit gelanget.

[2, 24, § 4] 58. Die Wirkung einer solchen Bestellung bestehet in deme, daß andurch der Besitz auf den Uebernehmenden eben also, als ob die Sache mit leiblicher Zuthat ergriffen worden wäre, nach der Natur der Handlung, wegen welcher der Besitz dem Anderen bestellet wird, oder nach Inhalt des beigefügten Bedings entweder auf Widerrufen, oder auch unwiderruflich übertragen werde.

[2, 24, § 4] 59. Desgleichen wirket an Seiten des Bestellenden der sich darbei ausbedungene Vorbehalt nichts Mehreres, als was das beiderseits beliebte Beding besaget, oder in dessen Ermanglung die Natur der Handlung, aus welcher derselbe die Sache innenbehält, mit sich bringt.

[2, 24, § 4] 60. Durch Kennzeichen wird der Besitz ergriffen, wann Jemand dem Anderen ein die übergeben wollende Sache mit beiderseitiger Einverständniß andeutendes Zeichen mit Willen und Absicht die Sache selbst zu übergeben behändiget, und der Andere dieses Zeichen in der Absicht die Sache sich zuzueignen annimmt, wie solches in dem vorbemelten sechsten Capitel, §. I, von num. 20 bis 22 beschrieben worden.

[2, 24, § 4] 61. Endlich ist eine sowohl unkörperlichen, als körperlichen Dingen gemeine gleichgiltige Ergreifungsart des Besitzes der erbliche Uebergang des Besitzrechts von dem verstorbenen Erblasser auf dessen Erben aus Anordnung des Gesatzes selbst.

[2, 24, § 4] 62. Der rechtliche Besitz bei beweglichen Dingen wird zwar auch auf gleiche Art erworben, wann eine zu dessen Uebertragung hinlängliche Ursache hinzutritt; bei liegenden Gütern, landtäflichen, stadt- und grundbücherlichen Rechten und Gerechtigkeiten hingegen ist über das die Einverleibung der Ursache in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher zu Erlangung des rechtlichen Besitzes nothwendig, ohne welcher derselbe nicht übertragen, noch minder erworben werden kann.

[2, 24, § 4] 63. Alle Ursachen aber sind zu Erlangung und Uebertragung des Besitzes hinlänglich, welche eine von Unseren Gesetzen nicht verbotene Handlung enthalten, wodurch Jemanden eine Sache um solche für sich, und in seinem Namen innenzuhaben übergeben wird.

[2, 24, § 4] 64. Doch ist Niemand befugt die Ursache des erlangten Besitzes für sich allein eigenwillig zu änderen, und in eine andere, als nicht jene ist, wodurch er zu dem Besitz gelanget ist, zu verwandlen, wann nicht eine neue Ursache, oder eine neue Handlung darzwischen gekommen, aus welcher das Ende des vorigen, und der Anfang des neuen Besitzes hergeleitet werden mag.

[2, 24, § 4] 65. Also kann ein Glaubiger das in Handen habende Pfand sich eigenmächtig nicht zueignen, folglich aus eigenem Willen dasselbe niemalen als sein Eigenthum besitzen; wohl aber kann eine verpfändete Sache des Glaubigers Eigenthum werden, wann ihme solche von dem Schuldner käuflich, oder an Zahlungsstatt überlassen, oder von Gericht aus zugesprochen wird, wodurch der Besitz aus dem Pfandrecht aufhöret, und der Besitz aus dem Kauf seinen Anfang nimmt.

[2, 24, § 4] 66. Was bishero von Ergreifung des Besitzes geordnet worden, hat nur bei jenen Dingen statt, welche entweder schon vor deren Ergreifung von dem Besitz eines Anderen ledig sind, oder doch bei der wirklichen Ergreifung mit Willen des Uebergebenden davon erlediget werden.

[2, 24, § 4] 67. Allein wo ein Anderer sich in dem Besitz einer Sache oder Guts befände, welcher hieraus nicht weichen wollte, noch dessen Ergreifung zulassen würde, ist Niemandem erlaubet, sich in den Besitz mit Gewalt einzudringen, und den

(2-459) Anderen eigenmächtig daraus zu vertreiben, sondern um in den Besitz einer von dem Anderen widerrechtlich vorenthaltenden Sache zu gelangen, muß je und allezeit die richterliche Hilfe angerufen werden.

[2, 24, § 4] 68. Der Anrufende hat aber nichts Anderes nöthig, als die Ursache seines angeblichen Besitzrechts, welche jedoch bei liegenden Gütern vorhero allemal landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibet sein muß, zu erweisen, worüber nach schleuniger Vernehmung des Gegentheils die richterliche Auflage an den Gegentheil zur Raumung des Besitzes und Ausfolgung des Sache, oder die Verwilligung der gerichtlichen Einführung zu ergehen hat.

[2, 24, § 4] 69. Wäre hingegen Kläger, welcher die Besitzeinraumung bei einem liegenden Gut anbegehret, entweder mit keiner zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage eingerichteten Urkunde versehen, oder es stünde deren Einverleibung eine ältere, schon darinnen befindliche Ankunftsursache des Gegentheils entgegen, so bleibt ihme nichts Anderes übrig, als mittelst anzustrengen habender Rechtsklage, oder seines einzubringenden Widerspruchs wider den noch nicht verjährten Ankunftstitul des Gegentheils in dem ordentlichen Weg Rechtens zu verfahren.

[2, 24, § 4] 70. Damit also das Gericht auf Anrufen des einen Theils wider den anderen mit Ertheilung der Auflage zur Raumung des Besitzes, oder mit Verwilligung der gerichtlichen Einführung fürgehen könne, ist bei liegenden Gütern allemal an Seiten des Klägers ein in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibter und zur Zeit nicht strittiger Ankunftstitul zu dem Gut, dessen Besitzeinraumung von ihme angesuchet wird, und bei beweglichen Dingen der Beweis einer vorhergegangenen hinlänglichen und unstrittigen Erwerbungsursache erforderlich.

[2, 24, § 4] 71. Wo aber diese Ursache strittig wäre, oder der Gegentheil sonst erhebliche Einwendungen wider die Forderung des Klägers hätte, ist vorerst der Stritt zu entscheiden, ehe und bevor derselbe zur Ausfolglassung der Sache verhalten werden mag.

[2, 24, § 4] 72. Gleichwie dann auch in dem Fall der dem Kläger in ein liegendes Gut verwilligten Einführung dem Gegentheil alle seine dagegen habende Rechtsbehelfe unbenommen bleiben, wie es im vierten Theil seines Orts mit Mehreren angeführet werden wird.

§. V.

[2, 24, § 5] 73. Die Wirkungen des erworbenen Besitzrechts bestehen in besonderen Vortheilen, welche die Gesetze einem Besitzer entweder in Ansehung seiner selbst, oder

(2-460) wider den Eigenthümer, oder auch wider einen Dritten zueignen; diese sind folgende:

[2, 24, § 5] 74. Erstens hat ein Besitzer in Ansehung seiner selbst Fug und Macht, die besitzende Sache nach Gefallen zu gebrauchen, zu genießen, und nicht weniger, als ein Eigenthümer mit seinem Eigenthume darmit zu schalten und zu walten, insoweit derselbe nicht durch das Gesatz, Vertrag, oder letzten Willen in dieser Freiheit beschränket ist.

[2, 24, § 5] 75. Zweitens wird derselbe durch den mit gutem Glauben aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinlänglichen Ursache erlangten Besitz in die Befugniß gesetzet, das besitzende Gut zu verjähren, und anmit das unwiderrufliche Eigenthum hieran zu erwerben.

[2, 24, § 5] 76. Drittens wird ein Besitzer liegender Güter, welcher sie als sein Eigenthum innen hat, da, wo eine Bürgschaft sich zu Gericht zu gestellen erforderet wird, von deren Leistung insgemein enthoben; es wäre dann das Gut schon vorhero von einem Dritten ansprüchig, oder so sehr behaftet, daß die nöthige Sicherheit hieran nicht erholet werden könnte.

[2, 24, § 5] 77. Viertens, wider den Eigenthümer hat ein Besitzer mit gutem Glauben den Vortheil, daß er alle für die Zeit seines Besitzes eingehobene und verzehrte Früchten, Einkünften und Nutzungen in der oben im dritten Capitel, §. III, von num. 83 bis 85 bestimmten Maß gewinne, und sich eigen mache, nicht minder

[2, 24, § 5] 78. Fünftens, nach der eben allda von num. 86 bis 89 enthaltenen Ausmessung die auf das besessene Gut erweislich aufgewandten Kosten abzuziehen, und das Gut so lange, bis ihme nicht deren Vergütung geleistet worden, innenzubehalten berechtiget seie.

[2, 24, § 5] 79. Sechstens, daß er sich wider die eigenmächtige Anmaßungen des Eigenthümers selbst, insolange dieser sein ihme an dem Gut zustehendes Eigenthum nicht, wie es sich zu Recht geziemet, dargethan und ausgeführet, auf alle zulässige Art und Weis schützen und vertheidigen könne, umsomehr

[2, 24, § 5] 80. Siebentens stehet ihme wider einen jedweden Dritten die natürliche Befugniß zu, Gewalt mit Gewalt abzutreiben, insoferne dabei die Maß der rechtmäßigen Vertheidigung nicht überschritten wird, und die unbeschuldete Nothwehr nicht in eine sträfliche Beleidigung und Vergewaltigung ausschlägt; wo aber

[2, 24, § 5] 81. Achtens das Gut von einem Dritten gerichtlich angesprochen würde, kann der Besitzer insolange seines Besitzes nicht entsetzet werden, bis nicht der Gegentheil ein stärkeres Recht zu dem angesprochenen Gut erwiesen haben wird, und dem Besitzer dessen Ausantwortung durch Urtheil und Recht auferleget worden, obschon dem Gegentheil, wann die Gefahr der Veräußerung, Verringerung oder Abänderung erweislich wäre, die mittlerweilige Sicherstellung anzusuchen unverwehret ist; hieraus folget

[2, 24, § 5] 82. Neuntens, daß kein Besitzer die Erwerbungsursache, oder den Ankunftstitul zu der in Besitz habenden Sache zu erweisen schuldig, sondern bei Fahrnissen an deme, daß er sie in seiner Gewahrsame habe, und bei liegenden Gütern an der auf ihn lautenden landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung genug seie, solange von dem Gegentheil kein ihme hieran gebührendes stärkeres Recht erwiesen wird.

[2, 24, § 5] 83. Bei dieser Regel hat es in Ansehung liegender Güter sein unabänderliches Bewenden, bei Fahrnissen hingegen leidet sie damals einen Abfall, wann die Person des Inhabers, oder die Sache selbst mit einem rechtmäßigen Verdacht der Entfremdung befangen ist; außer diesen Fällen hingegen

[2, 24, § 5] 84. Zehentens ist der Besitzer keinen Beweis zu verführen schuldig, sondern, wann er seinerseits auch nichts erwiesen, in dem Besitz zu schützen und handzuhaben, maßen derselbe schon andurch, daß er das Gut besitzet, hierzu mehr Recht hat,

(2-461)als ein Anderer, der nicht in dessen Besitz ist, und kein stärkeres Recht darzuthun vermag.

[2, 24, § 5] 85. Eilftens gebühren dem Besitzer nicht allein wider die unrechtmäßige Eingriffe, Störung und Beeinträchtigung eines Dritten alle im nachfolgenden §. VI beschriebene Rechtsmitteln zu Handhabung des Besitzes, sondern auch

[2, 24, § 5] 86. Zwölftens, wo er der leiblichen Inhabung der Sache entsetzet worden wäre, die hiernach in §. VIII zu erwähnende rechtliche Hilfsmitteln zu Wiedererlangung des verlorenen Besitzes.

§. VI.

[2, 24, § 6] 87. Der einmal erlangte Besitz wird leichter erhalten, als nicht erworben, maßen dessen Erhaltung keiner steten leiblichen Inhabung bedarf, sondern hierzu an dem Gemüth und Willen solchen behalten zu wollen genug ist, solange das Gut von dem ausschließenden Besitz eines Anderen ledig bleibt, und dem Besitzer die Befugniß bevorstehet, wann und so oft er will, den Besitz mit leiblicher That auszuüben.

[2, 24, § 6] 88. Diese Befugniß behält derselbe so lange, als Fahrnissen unter seiner Gewahrsame zu sein nicht aufhören, und bei liegenden Gütern ihme nicht verwehret wird solche zu betreten, bei so einen, wie anderen aber überhaupt so lange, als sie von Jenen, welche unter seiner Gewalt, oder in seinem Brod, Gold oder Dienst sind, als Kindern, Beamten und Bedienten, oder auch von Anderen in seinem Namen innenbehalten werden.

[2, 24, § 6] 89. Dieses jedoch ist bei liegenden Gütern nur von dem natürlichen Besitz zu verstehen, dahingegen wird deren rechtlicher Besitz solange erhalten, als ein Gut auf Jemanden landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben ist, und diese Verschreibung nicht ausgelöschet, oder das Gut von ihme auf einen Anderen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht übertragen worden.

[2, 24, § 6] 90. Zu Handhabung des Besitzes stehet einem jedweden Besitzer die Gewaltsklage wider die unbefugte Störung, Beeinträchtigung, Anmaßung und Vergewaltigung eines Anderen zu, mittelst welcher derselbe nicht allein auf die Bestrafung des Vergewaltigers nach Maßgebung dessen, was davon im dritten Theil, im einundzwanzigsten Capitel, dritten Artikel, §. XVI, von num. 125 bis 128 geordnet wird, sondern auch darauf antragen kann, damit er als rechtmäßiger Besitzer erkläret, und der Störende sowohl für das Vergangene zum Ersatz aller verursachten Schäden und Unkosten, als zur hinlänglichen Sicherstellung vor aller weiterer Beeinträchtigung für das künftige verhalten werde.

[2, 24, § 6] 91. Wie aber sowohl über die einsweilige, als ordentliche Besitzklage zu verfahren, und wie der Besitz zu erweisen, dann wie der Gegenbeweis zu verführen seie, wird im vierten Theil in der Gerichtsordnung ausgemessen werden.

[2, 24, § 6] 92. Unter die zu Handhabung des Besitzes gebührende rechtliche Hilfsmitteln gehöret auch die Rechtsklage über die zwischen Besitzeren benachbarter Gründen der Grenzen halber entstandenen Irrungen, welche dahin gerichtet ist, damit die Grenzen ordentlich bestimmet und ausgesetzet, und alle verursachte Schäden und Unkosten vergütet werden.

[2, 24, § 6] 93. Jener, der zuerst einkommt, ist für den Kläger, und der Andere für den Beklagten anzusehen, obschon deren Jedwedem seinen an dem Anderen stellenden Anspruch zu erweisen oblieget, wo aber der Besitz einsweilig bestimmet, und der andere Theil zu dem ordentlichen Weg Rechtens verwiesen worden, muß auch dieser alsdann Kläger werden, und der Andere, welcher den Besitz einsweilig behauptet, wird der Beklagte.

[2, 24, § 6] 94. In Granitzstrittigkeiten hat das Gericht schleunig, und nach eben denenjenigen Maßregeln fürzugehen, welche im vierten Theil bei dem beschleunigten Verfahren über den einsweiligen Besitz vorgeschrieben sind.

(2-462) [2, 24, § 6] 95. Vor Allem aber ist die Einnehmung des Augenscheins an dem strittigen Ort und Stelle durch eigends darzu abgeordnete Gerichtspersonen in Gegenwart beider Theilen, welche hierzu eigends vorzuladen sind, und zwar, wo es nöthig, mit Zuziehung eines geschworenen Land- oder Feldmessers zu veranlassen, wobei die Parten mit ihren beiderseitigen Behelfen gegen einander vernommen, das strittige Erdreich abgemessen, die allenfalls vorgefundene Mark- und Granitzzeichen deutlich bemerket, und mittelst Gegeneinanderhaltung beiderseitiger Ansprüchen die Parten, so viel es immer möglich, zu einem gütlichen Vergleich zu vermögen getrachtet werden solle.

[2, 24, § 6] 96. Würde nun ein Vergleich zwischen ihnen bewirket, so hat in solchem Fall das Gericht nach Maß und Inhalt des getroffenen Abkommens an den strittig gewesten Orten ordentliche Mark- und Grenzzeichen aussetzen, die verfallenen oder verruckten erneueren, hierüber eine von beiden Theilen unterfertigte Vergleichsurkunde errichten, darinnen die Grenzen nach dem ganzen Granitzzug von Ort zu Ort klar und ausführlich beschreiben, dann den Vergleich selbst in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wo die abgemarkten Güter inliegen, einverleiben zu lassen.

[2, 24, § 6] 97. Wann hingegen kein Vergleich zu erhalten, die Strittsache aber also beschaffen wäre, daß selbe nicht an Ort und Stelle entschieden werden könnte, solle von dem geschworenen Landmesser über das strittige Erdreich eine ordentliche Mappe verfertiget, darinnen die von beiden Theilen angegebenen Grenzen mit besonderer Anzeige der vorgefundenen Mark- und Granitzzeichen deutlich bemerket, das strittige von dem unstrittigen Erdreich mit Farben unterschieden und diese Mappam sowohl von dem Landmesser, als denen streitenden Theilen unterschrieben und besiegelt, dann von denen zu Einnehmung des Augenscheins abgeordneten Commissarien mit denen verhandleten Nothdurften und dem darüber verführten, gleichfalls von allen streitenden Theilen unterschriebenen Protokoll und ihrem beinebst zu erstatten habenden Bericht an das Gericht eingeschickt und übergeben werden.

[2, 24, § 6] 98. Findet nun das Gericht die Sache noch nicht also vorbereitet zu sein, daß ohne Veranlassung einer schriftlichen Nothdurftshandlung und ohne weiters nöthigen Beweisführung mit dem endlichen Ausspruch fürgegangen werden könne, so hat dasselbe nach denen im vierten Theil in der Abhandlung von der Besitzklage vorgeschriebenen Maßregeln den einsweiligen Besitz mittelst deutlicher Bestimmung der Grenzen, wie weit sich eines Jeden Besitzgerechtigkeit bis auf weitere Erkanntniß zu erstrecken habe, auszumessen, und die Parten zu dem ordentlichen Verfahren in Weg Rechtens anzuweisen.

[2, 24, § 6] 99. Inwieweit alsdann der eine oder andere Theil seinen Anspruch ausführet, und die angebliche Grenzen erweiset, insoweit ist derselbe auch durch richterlichen Spruch und Urtheil dabei zu erhalten, der Gegentheil aber zu Wiederherstellung der etwan aus seiner Schuld verfallenen, oder von ihme geflissentlich verruckten Grenzen, und zu Erstattung deren sowohl mittlerweil aus des Anderen Grund zur Ungebühr eingehobenen, und nach dem Unterschied seines üblen oder guten Glaubens zurückzustellen habenden Nutzungen, als verursachten Schäden und Unkosten, wie auch im Fall einer seinerseits unterlaufenden gewaltsamen Thathandlung, oder vorsätzlichen und boshaften Verruckung und Aushebung der Grenz- und Markzeichen zu der seines Orts ausgesetzten Strafe zu verurtheilen, sodann aber nach dem in seine Rechtskräften erwachsenen Spruch die wirkliche Ausmarkung und Berainung vorzunehmen.

[2, 24, § 6] 100. Woferne hingegen kein Theil seine angegebene Grenzen erweisen könnte, oder die alte Lage so unordentlich eingerichtet wäre, daß abermalige Irrungen zu besorgen stünden, so ist das Gericht befugt, nach Gutbefund des geschworenen unpartheiischen Landmessers, wie es am billigsten und zu Erhaltung der Ruhe


(2-463) zwischen Nachbarn am zuträglichsten scheinet, neue und richtigere Grenzen auszusetzen.

[2, 24, § 6] 101. Wobei dasselbe alle nur mögliche Gleichheit zu beobachten, und sich, soviel es die Lage und Beschaffenheit des strittigen Erdreichs zulasset, an die gerade Linie von einem Granitzzeichen bis zum anderen zu halten, folglich keinem Theil mehr, als dem Anderen von dem strittigen Erdreich zuzueignen, wo aber durch die Ausmarkung in dem Granitzzug dem einen Grund an einem Ort nothwendig etwas entzogen, und dem anderen zugeschlagen werden müßte, dem ersteren den Entgang hinwiederum in einem billigen Werth oder an einem anderen Ort durch Zumarkung eines gleichen Stucks ersetzen zu lassen, und somit die Ausgleichung zu treffen hat.

[2, 24, § 6] 102. Die gerichtliche Ausmessung der Grenzen, wann der Gegentheil durch seine Schuld oder Gefährde hierzu nicht Anlaß gegeben, hat allemal auf Unkosten aller Theilen, deren Gründe dabei abgemarket werden, zu geschehen, und ist der Beitrag nach Maß des an diesen Gründen besitzenden mehreren oder minderen Antheils zu bestimmen.

[2, 24, § 6] 103. Die Setzung deren Mark- und Granitzzeichen selbst aber solle niemalen anderst, als im Beisein aller darbei verfangenen Theilen, und in Gegenwart mehrerer eigends darzu berufener alter und junger Leuten vorgenommen werden.

[2, 24, § 6] 104. Wann hingegen Jemand außergerichtlich eine neue Ausgrenzung oder Ausmarkung vornehmen, oder auch nur ein verfallenes oder verrucktes Grenz- und Markzeichen erneuern oder ausbessern wollte, so ist solches Niemand für sich allein zu thun befugt, sondern Jener, deme hieran gelegen ist, jederzeit der anderen mitangrenzenden Nachbarn, deren Grund und Boden es mitbetrifft, Einwilligung und Gegenwart einzuholen schuldig.

[2, 24, § 6] 105. Widrigens ist ein solches Beginnen für eine eigenmächtig erschlichene und zu Recht nicht den mindesten Behuf bewirken mögende Thathandlung anzusehen, worwider dem Gegentheil, wann ihme andurch auf seinem Grund und Boden Eintrag geschehen, alle zu Handhabung seines Besitzes gebührende Rechtsbehelfe bevorstehen.

[2, 24, § 6] 106. Die Grenzen der Gründen bestehen entweder in natürlichen Marken, als Spitzen der Bergen und Felsen, Flüssen, Bächen, Seen, Heer- und Landstraßen, Fahrwegen, Fußsteigen und dergleichen Dingen, welche von den Besitzeren zur Scheidung ihrer Gründen mit beiderseitiger Einwilligung angenommen worden, oder aber in eigends dahingesetzten und mit Menschenhand gemachten Mark- und Grenzzeichen, als Steinen, Pfählen, Säulen, gezeichneten Bäumen, Gräben, Rainen und aufgeworfenen Erd- oder sogenannten Leberhaufen (!).

[2, 24, § 6] 107. Erstere machen für sich keinen Beweis aus, wann nicht entweder aus alten glaubwürdigen Schriften und Urkunden, oder aus der einstimmigen Aussage untadelhafter Zeugen erhellet, daß die Grenzen sich bis dahin erstrecken, oder insoferne dieses nicht durch ältere ohne des Gegentheils Störung und Widerrede ausgeübte mehrfältige Besitzgerechtsamen bewähret werden mag.

[2, 24, § 6] 108. Letztere hingegen können nur damals einen Beweis der Grenzen bewirken, wann nach aller Wahrscheinlichkeit geschlossen werden mag, daß sie nicht von Ohngefähr oder erst neuerlich, und in einer anderen Absicht, sondern einzig und allein zur Andeutung der Grenzen vorlängst dahin gesetzet oder darzu bestimmet worden, und von dem Gegentheil das Widerspiel nicht erwiesen werden mag.

[2, 24, § 6] 109. Dieses mit Bestand abnehmen zu können, müssen untrügliche Zeichen und Umstände beitreten, welche den Gegentheil seiner davon gehabten Wissenschaft und aus deren durch lange Zeit nicht widersprochener Duldung nothwendig erfolgen müssenden Anerkennung für wahre Granitzzeichen überführen.

[2, 24, § 6] 110. Derlei Kennzeichen sind bei Steinen, wann sie nicht in ihrem rohen Wesen, sondern mit Menschenhand in einer den Granitzzeichen ähnlichen Form gestaltet, aufrechtstehend mit eingehauenen Wappen, Buchstaben oder Kreuzen, oder

(2-464) mit darunter, oder darneben eingegrabenen mehreren kleineren Steinen, Ziegeln, Eisenschlacken oder Kohlen in der Erde wohl und also befestiget vorgefunden werden, daß die Erde und das Gras herum nicht zusammengewachsen, folglich andurch alle widrige Vermuthung, als ob der Stein erst frisch eingegraben worden wäre, abgeleinet werde.

[2, 24, § 6] 111. Ein Gleiches ist bei Pfählen und Säulen erforderlich, und bei gezeichneten Bäumen muß der Baum alt und das Zeichen nicht erst frisch eingeschnitten oder eingeätzet, sondern in dem Baum schon eingewachsen sein. Bei Gräben, Rainen und Erdhaufen hingegen ist zur Herstellung des Beweises die Bewährung der Zeugen nothwendig, daß über Menschengedenken andurch zweierlei Gründe geschieden gewesen.

[2, 24, § 6] 112. Ueberhaupt sind bei Granitzirrungen, wo kein Theil einen älteren ruhigen Besitz für sich anführen kann, auch unvollkommene Beweise zulänglich, als der von alten Zeiten her bestehende Ruf, daß es also und nicht anderst gewesen seie, Zeugen von Hörensagen, alte, nicht zwischen denen streitenden Theilen oder ihren Vorfahreren, sondern zwischen dritten Personen errichtete Urkunden, worinnen eine Meldung von den strittigen Grenzen zufällig einkommt und dergleichen wahrscheinliche Anzeigen und Vermuthungen mehr; wo aber der eine Theil einen älteren, ruhigen rechtmäßigen Besitz, ehe und bevor derselbe von dem anderen darinnen gestöret worden, erproben mag, haben dagegen keine andere als vollkommene Beweise statt.

[2, 24, § 6] 113. Die Zeugen können bei Granitzirrungen nicht nur allein, wie sonst in allen anderen Beweisfällen, über ihre eigene Wissenschaft, daß sie die Granitzzeichen an dem strittigen Ort selbst gesehen, und daß dieser oder jener Theil bis an die angezeigte Stelle seine Besitzrechte durch mehrfältige Handlungen ausgeübet habe, sondern auch über das, was sie von Anderen sagen gehöret, verführet werden.

[2, 24, § 6] 114. Doch muß letzteren Falls ihre Aussage also beschaffen sein, daß sie nicht allein von Dingen, welche vor einer, das Menschenalter übersteigenden Zeit geschehen, Zeugniß geben, sondern auch das, was sie bezeugen, von glaubwürdigen Leuten, und zwar von mehreren einstimmig also und nicht anderst gehöret haben.

[2, 24, § 6] 115. Es ist aber an deme nicht genug, daß die Zeugen ohne vorheriger Vorzeigung des strittigen Orts nur lediglich über die ihnen vorgelegte Fragestücke, oder auch über die bloße aufgenommene Mappam abgehöret werden, sondern es solle ihnen jedesmal vorher an dem strittigen Ort selbst Alles, worauf der Stritt ankommt und worüber sie Zeugenschaft zu geben haben, klar und deutlich erkläret und erinneret werden, obschon hernachmals, wann die Umstände allenfalls deren Abhörung an Ort und Stelle nicht füglich gestatten, ihre Aussage auch an einem anderen Ort aufgenommen werden kann.

[2, 24, § 6] 116. Die Rechtsforderung zu Wiederherstellung der Grenzen erlöschet eben sowohl wie alle andere Rechtsansprüche durch die rechtmäßige Verjährung und zwar nach dem Unterschied, ob die Grenzen in einem landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibten Contract oder Verschreibung, wodurch das Gut auf den Besitzer gediehen, ausdrücklich bestimmet sind oder nicht; ersteren Falls in einer Zeit von drei Jahren und achtzehen Wochen, letzteren Falls aber nicht anderst als mit Verlauf von dreißig Jahren, doch allemal in Hinzutretung deren zur rechtmäßigen Verjährung vorgeschriebenen Erfordernissen.

[2, 24, § 6] 117. Gleichwie das Besitzrecht dem Besitzer die Mitteln an die Hand giebt sich wider die Anmaßungen und Beeinträchtigungen eines Anderen in dem Besitz zu schützen und zu vertheidigen, also setzt es ihn auch in die Befugniß, den aus dem Beginnen eines Anderen seinem besitzenden Gut bevorstehenden Schaden in der Zeit abzuwenden, woferne die Gefahr des ihme ohnfehlbar daraus erwachsenden Nachtheils erweislich ist.

[2, 24, § 6] 118. Wann demnach Jemand ein neues Werk oder einen neuen Bau

(2-465) aufzuführen, oder ein altes Werk oder Gebäu niederzureißen unternehmen würde, woraus der Andere einen erweislichen Schaden und Nachtheil zu befahren hätte, gebühret diesem Letzteren die Verkündigung oder der Verbot eines neuen Werkes oder Baues zu dem Ende, damit der ihme schädliche Bau alsbald ab- und eingestellet werde.

[2, 24, § 6] 119. Dieser Verbot und Untersagung muß in Städten und Märkten, wo die Gerichte an der Hand sind, allemal gerichtlich geschehen, und solle in diesen Orten eine außergerichtlich und eigenmächtig unternommene Einstellung nicht die mindeste Kraft und Wirkung haben, sondern Jener, deme eine solche außergerichtliche Verkündigung geschehen, nichtsdestoweniger in dem Bau fortzufahren befugt sein, so lange ihme solcher nicht gerichtlich untersaget wird.

[2, 24, § 6] 120. Auf dem Lande hingegen kann zwar die Verkündigung eines neuen Werkes oder Baues wegen Entlegenheit der gehörigen Gerichtsstelle auch außergerichtlich, doch niemalen anderst, als in Gegenwart zweier dem Verkündiger weder verwandten, noch untergebenen Zeugen, die sonst eines untadelhaften Wandels sind, veranlasset werden, und heißet eigentlich eine Warnung vor dem weiteren Bau.

[2, 24, § 6] 121. So eine, als die andere Verkündigungsart hat die Wirkung, daß Derjenige, welchem die Verkündigung geschehen, alsogleich von der ferneren Arbeit abzulassen, und darmit bis zum gerichtlichen oder gütlichen Austrag der Sachen stillzustehen, widrigens aber Alles, was nach dem Verbot gemacht und gebauet worden, auf seine eigene Unkosten anwiederum niederzureißen und Alles in demjenigen Stand, wie es zur Zeit des Verbots oder der Warnung gewesen, herzustellen schuldig seie.

[2, 24, § 6] 122. Es ist aber nicht nothwendig, daß der Verbot oder Warnung allemal dem Eigenthümer oder Besitzer selbst bedeutet werde, sondern wo derselbe nicht gegenwärtig wäre, ist auch an deme genug, daß solche den Bauleuten, Arbeitern, seinem Hausgesinde, Beamten und Bedienten angezeigt werde, und da hernach jegleichwohlen in dem Bau fortgefahren würde, gehet es auf seine eigene Gefahr, worwider keinerlei Entschuldigung statt haben solle.

[2, 24, § 6] 123. Dahingegen ist der klagende Theil schuldig, wo die Einstellung des Baues gerichtlich geschehen, gleich den nächst darauffolgenden Gerichtstag oder, wo wegen Entlegenheit der Gerichtsstelle eine außergerichtliche Warnung obvorgeschriebenermaßen veranlasset worden, von dem Tag dieser gemachten Warnung binnen vierzehn Tagen seine wider den Bau habende Beschwerde bei Gericht einzubringen und auszuführen.

[2, 24, § 6] 124. Der Verbot muß nicht zu voreilig und auch nicht zu spät, noch weniger zur Ungebühr geschehen. Voreilig würde der Verbot sein, wenn Jemand auf bloßes Verlauten, daß der Andere etwas, so ihme schädlich sein könnte, bauen oder niederreißen wolle, ohne noch hierzu die mindeste Anstalt gemacht oder Hand an das Werk geleget zu haben, solchen bewirkete; sondern damit derselbe platzgreifen könne, müssen wenigstens die Zubereitungen zu dem vorhabenden Bau geschehen und die nöthigen Bauerfordernissen an Ort und Stelle beigeschaffet sein.

[2, 24, § 6] 125. Zu spät und ohne Wirkung ist der Verbot, wann solcher erst nach schon vollendetem Werk und nach gänzlich aufgeführtem Gebäu erlassen werden wollte; dann wo der Gegentheil das neue Werk weder gewaltsamer, noch heimlicher und gefährlicher Weise aufgeführet und der Andere solches wissentlich ohne Widerspruch und ohne es einzustellen, wo er es thun können, gestattet und zugegeben hätte, kann Jener nicht mehr zu dessen Niederreißung oder Abthuung verhalten werden, wann gleich der dem Anderen hierdurch zugehende Schaden offenbar wäre.

[2, 24, § 6] 126. Zur Ungebühr geschieht der Verbot eines neuen Werks, wann entweder die Thathandlungen des Anderen nicht auf die Ausführung eines neuen, dem Grund und Boden beharrlich eingebauten Werks oder Gebäudes, sondern nur durch vorübergehende Anmaßungen auf die Störung des gegentheiligen Besitzes,

(2-466) als z. B. mittelst Umhauung der Bäume, Abmähung des Grases, Abschneidung der Feldfrüchten und dergleichen Beschädigungen gerichtet sind.

[2, 24, § 6] 127. Oder wann das Werk oder Gebäu, worüber geklaget worden, entweder an sich ganz unschädlich befunden wird, oder doch in der vorigen Maß und Gestalt verbleibt, ohne etwas Mehreres hinzuzusetzen oder etwas abzunehmen, oder auch die vorhin gehabte Gestalt in ihrer Höhe, Tiefe und Breite zu ändern, als da Jemand das vorhin schon gestandene Gebäu bloß ausbesseret und erneueret oder verzieret, oder, wo es den Einsturz drohet, unterstützet.

[2, 24, § 6] 128. Dann gleich wie im ersten Falle dem in seinem Besitz beeinträchtigten Inhaber des Guts die Gewaltsklage wider die unbefugte Thathandlungen des Anderen gebühret, also stehet im Gegentheil in dem letzteren Fall Jedermänniglichem die natürliche Freiheit zu, auf seinem Grund und Boden Alles das zu thun, was Niemandem zum Schaden, ihm aber selbst zum Nutzen, Lust, Bequemlichkeit oder Verhütung eines besorglichen Nachtheiles gereichet.

[2, 24, § 6] 129. Insgemein ist zwar die Verkündigung eines neuen Werks nur zur Einstellung eines schädlichen Baues auf fremdem, nicht aber auf eigenem Grund und Boden nothwendig, sondern wo Jemand auf des Anderen Grund und Boden etwas eigenmächtig erbauen wollte, hat der Eigenthümer oder Besitzer für sich selbst die Befugniß den Bau zu verwehren, und Gewalt mit Gewalt abzutreiben; wo derselbe jedoch sich der Gerichtshilfe und dessen Einstellung zu bedienen bemüßiget wäre, wird er deshalben seines Besitzrechts nicht verlustig, sondern dieses bleibet ihme noch allzeit bevor.

[2, 24, § 6] 130. Ein neues Werk kann nicht allein ein jeder Eigenthümer oder Besitzer des Grunds, deme solches nachtheilig, sondern auch ein jedweder Anderer, dem hieran ein dingliches Recht gebühret, einstellen, wann er die ihme andurch widerfahrende Beeinträchtigung und Schmälerung seines Rechts erweisen kann.

[2, 24, § 6] 131. Sowohl durch sich selbst, als auch durch Andere, kann im Namen und zu Handen dessen, deme daran gelegen ist, ein schädliches Werk eingestellet werden, wann diese entweder ihn durch das Gesaz (!) vorstellen, als Vormündere oder Gerhaben und Curatoren, oder von ihme hierzu Befehl und Vollmacht haben, oder auf Erforderen eine hinlängliche Sicherheit seiner erfolgenden Gutheißung leisten.

[2, 24, § 6] 132. Auch wider den Eigenthümer und Besitzer des Grunds selbst kann sich Jener, deme hieran ein dingliches Recht zustehet, an dessen Genuß oder Ausübung derselbe durch das von dem Eigenthümer aufführende neue Werk verhindert würde, aus der Natur der ihme zu Behauptung seines dinglichen Rechts gebührenden Rechtsforderung der Einstellung gebrauchen, oder den Ersatz dessen, was ihme hierdurch erweislich entgehet, anbegehren.

[2, 24, § 6] 133. Gleichwie aber in der Fall, wo der Grund und Boden, zu dessen Benachtheiligung ein neues Werk aufgeführt werden will, Mehreren angehörig ist, die von Einem gemachte Einstellung allen Anderen zum Nutzen und Vortheil gereichet, also hingegen, wo der Grund und Boden, worauf gebauet wird, Mehreren zustünde, wird auch durch die dem Einem angekündigte Einstellung der Bau allen Uebrigen untersaget, obschon Jener, der hernachmals wider den Verbot handelt, allein verfänglich ist.

[2, 24, § 6] 134. Sobald nun Jemand wider ein von dem Anderen zu seinem Schaden angefangenes neues Gebäu oder Werk bei Gericht beschwersam einkommt, solle dasselbe sogleich durch eigends hierzu beorderte Commissarien den Augenschein an Ort und Stelle einnehmen lassen, und nach aller Möglichkeit einen gütlichen Vergleich zwischen den streitenden Theilen versuchen.

[2, 24, § 6] 135. Wäre aber kein Vergleich zu Stand zu bringen, und Kläger bestünde auf die Einstellung des Baues, so sollen die Commissarien alsobald den Verbot

(2-467) des weiteren Bauens verfügen, und die Parten auf den nächstfolgenden Gerichtstag für Gericht vorladen.

[2, 24, § 6] 136. An diesem Tag haben anförderist die Commissarien über die vorgenommene Besichtigung und den erhobenen Befund ihren Bericht zu erstatten, das Gericht aber beide Parten mit ihren Nothdurften gegeneinander zu vernehmen, und wo sich der eine oder andere Theil auf Zeugen, oder andere nicht gleich bei Handen habende Beweise beziehen würde, ihme hierzu eine kurze Erstreckungsfrist zu verstatten; wann sich hingegen kein Theil auf eine weitere Beweisführung berufen hätte, sogleich mit der rechtlichen Erkanntniß fürzugehen, und in Sachen schleunig ohne Gestattung einiger Aufzügen zu verfahren.

[2, 24, § 6] 137. Würde aber Kläger sich an dem ihme bestimmten Tag bei Gericht nicht einfinden, oder sich sonst in Verlauf des Rechtshandels saumig erzeigen, ohne eine rechtserhebliche Entschuldigung seines Ausbleibens oder Saumsals beibringen zu können, so solle auf Anlangen des Beklagten ohne weiters der Verbot anwiederum aufgehoben, und ihme die ohngehinderte Fortsetzung des Baues verstattet werden.

[2, 24, § 6] 138. Wann jedoch der Stritt also beschaffen wäre, daß solcher nicht alsobald abgethan werden könnte, sondern allem Anschein nach sich weiter hinaus verziehen müsse, da hingegen dem Beklagten aus Unterbleibung des Baues ein großer Schaden und Nachtheil bevor stünde, und er deshalben eine genugsame und annehmliche Sicherheit zu leisten bereit wäre, daß, wann erkannt würde, daß er widerrechtlich zum Schaden des Klägers gebauet habe, er alsdann das Gebäu wiederum einreißen, wegräumen und Alles in den vorigen Stand setzen wolle, so solle nach Vernehmung des Klägers ihme gegen dieser geleisteten Sicherheit die Fortsetzung des Baues zugelassen werden, insoferne Kläger nicht dagegen einen alsogleich dadurch erleidenden namhaften Schaden darzuthun vermag, wofür er durch die nachherige Niederreißung nicht entschädiget würde.

[2, 24, § 6] 139. Woferne hingegen die Klage ungegründet und muthwillig zu sein befunden würde, ist Kläger in alle dem Gegentheil durch die unbefugte Einstellung des Gebäudes verursachte Schäden und Unkosten zu verurtheilen, und wo der Beklagte wider den Verbot ohne den Austrag der Sache abzuwarten mit dem Bau fortgefahren wäre, welcher nachhero unschädlich zu sein erkennet würde, kann ihme zwar die Niederreißung nicht auferleget, wohl aber derselbe wegen Verachtung und Uebertretung des gerichtlichen Gebots zur Strafe gezogen werden.

[2, 24, § 6] 140. Sowie ein Besitzer dem aus einem neu aufführendem Werk oder Gebäu befahrenden Schaden durch die vorbemelte Einstellung des Baues vorkommen kann, so ist derselbe auch nicht weniger befugt, die aus einem schon stehendem Werk oder Gebäu, dessen Einsturz oder sonstige hieraus sich ergeben mögende Beschädigung besorget wird, angedrohete Gefahr des Schadens von seinen Gründen abzuwenden, und zu dem Ende den Besitzer des schadhaften Gebäudes bei Gericht zu belangen, damit er die Gefahr entweder alsogleich ableine, oder eine hinlängliche und anständige Sicherheit für den Ersatz des erfolgen mögenden Schadens leiste, worzu ihn das Gericht nach erhobenem Befund der angezeigten Gefahr ohnnachsichtlich durch die rechtliche Zwangsmitteln zu verhalten hat.

§. VII.

[2, 24, § 7] 141. Der natürliche Besitz wird entweder mit oder ohne Willen des Besitzers verloren; mit seinem Willen, wann er solchen freiwillig Anderen überläßt

(2-468) und einräumt, die Sache in Absicht sich derselben zu entäußeren hinwegwirft, vernichtet, oder aus seiner Gewahrsame läßt, oder von dem Grund, um sich des Besitzes zu entschlagen austritt, und solchen in eben dieser Absicht öd und ungebauet erliegen läßt.

[2, 24, § 7] 142. Ohne seinem Willen, wann die Sache zufällig untergehet, vernichtet und vertilget wird, und insonderheit bei fahrenden Dingen, wann er sie aus seiner Gewahrsame verlieret, oder ihme solche entfremdet oder geraubet werden, bei liegenden Gütern aber, wann er, oder Jene, welche sie in seinem Namen innengehabt, von einem Anderen des Besitzes entsetzet, und er andurch der Freiheit, dieselbe nach Willkür zu betreten verlustig wird.

[2, 24, § 7] 143. Dadurch aber, daß Jene, welche eine Sache im Namen und zu Handen des Besitzers innen haben, solche aus Fahrlässigkeit oder Gefährde verlassen, gehet der Besitz nicht verloren, solange solcher von einem Anderen nicht ergriffen wird, und der Besitzer die Befugniß behält, ein fahrendes Ding anwiederum in seine Gewahrsame zu bringen, oder ein liegendes Gut nach Willkür zu betreten.

[2, 24, § 7] 144. Der rechtliche Besitz hingegen, und das anmit verknüpfte Besitzrecht wird nicht anderst verloren, als wann bewegliche Dinge aus einem hinlänglichen Ankunftstitul entweder mit Willen des vorigen Besitzers, oder auch ohne seinem Willen aus Macht Rechtens, und liegende Güter, oder andere darauf haftende Rechte mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf einen Anderen übertragen werden.

[2, 24, § 7] 145. Durch den Tod höret zwar der Besitz an Seiten des Verstorbenen von selbsten auf, er gehet aber sogleich auf den Erben, wann dieser sein Erbrecht behörig ausgewiesen, und die Erbschaft angetreten hat, obschon er in der freien Schalt- und Waltung mit der Erbschaft bis nach deren erfolgter Einantwortung beschränket bleibet.

§. VIII.

[2, 24, § 8] 146. Zu Wiedererlangung des unrechtmäßig verlorenen Besitzes gebühren nach dem Unterschied, ob der Inhaber selbst der Dieb, Rauber, Mitgehilf, oder ein wissentlicher Verhehler seie, oder ob ihme sonst die Sache ohne Gefährde zu Handen gekommen, verschiedene Rechtsmitteln.

(2-469) [2, 24, § 8] 147. Im ersten Fall, wo der Inhaber selbst die Sache entwendet, geraubet, oder den Besitzer aus dem Besitz seines liegenden Guts, oder von dem Gebrauch seines Rechts verdrungen, entsetzet, verstoßen und vertrieben, oder die That befohlen, angerathen, gutgeheißen, die Sache willentlich verhehlet, vorenthält, oder auf was immer für Weise hierzu hilfliche Hand geleistet hat, kann der entsetzte Besitzer wider denselben und dessen Erben die Entsetzungsklage zu Wiedererstattung der Sache mit allen ihren Nutzungen und erweislichen Schäden und Unkosten, oder da das entwendete oder geraubte Gut nicht mehr vorhanden wäre, zum Ersatz des Werths mit den Zinsen von dem Tag der Entwendung oder Entsetzung anstrengen.

[2, 24, § 8] 148. Hierbei solle schleunig auf die im vierten Theil zur Entscheidung des einsweiligen Besitzes vorgeschriebene Art verfahren, und der entsetzte Besitzer sogleich anwiederum durch richterliche Hilfe in den vorigen Besitz eingesetzt werden.

[2, 24, § 8] 149. Doch muß Kläger vorhero sowohl seinen Besitz, als die erfolgte Entsetzung, und daß Beklagter hieran Theil genommen habe, rechtsbehörig erweisen, dann wo er freiwillig aus dem Besitz gewichen, und solchen dem Anderen überlassen, kann er über keine Entsetzung klagen.

[2, 24, § 8] 150. Es leidet aber die Einsetzung in den vorigen Besitz in folgenden Fällen einen Anstand: Erstens, wann der Entsetzende sein an der Sache habendes Eigenthum allsogleich durch überzeugende Beweise darthun kann, wo aber dessen Erprobung von dem erst zu verführen habenden Beweis abhinge, hält die Einwendung des Eigenthums die Widererstattung nicht auf.

[2, 24, § 8] 151. Zweitens, wann der Entsetzte ein kundbarer Dieb und Rauber, oder sonst in einem gegründeten Verdacht verfangen wäre, welchen derselbe sogleich von sich abzuleinen nicht vermögete.

[2, 24, § 8] 152. Drittens, wann bei noch unentschiedener Entsetzungsklage sich ein Dritter meldet, der an der Sache das Eigenthum, oder sonst ein Recht zu haben angiebt, und dessen Beweis verführen will, welcher vor Ausfolglassung der Sache an den Entsetzten mit seinen Behelfen zu hören, und die Sache so in diesem, wie in dem gleich vorberührten Fall bis zum Austrag des Stritts in gerichtlichen Beschlag zu nehmen ist.

[2, 24, § 8] 153. Wo aber eine Sache, deren Besitz Jemand unrechtmäßiger Weise verloren, sich in Handen eines Dritten befindet, der an der Entfremdung oder Entsetzung auf keinerlei Weise einen Theil hat, sondern deme sie entweder zufällig, oder aus einer sonst zu Uebertragung des Besitzes an sich hinlänglichen Ursache, doch nicht von Jenem, der solchen zu übertragen Macht hat, zu Handen gekommen, hat der vorige Besitzer, wann er schon vorhero das Eigenthum hieran erworben, die Eigenthumsklage, solange das Eigenthum auf den gegenwärtigen Besitzer aus Macht Rechtens nicht übertragen worden.

[2, 24, § 8] 154. Hätte hingegen der vorige Besitzer das Eigenthum hieran noch nicht erworben, sondern wäre zur Zeit, als er den Besitz verloren, nur in der Befugniß dasselbe aus Macht Rechtens durch rechtmäßige Verjährung zu erwerben bestellet gewesen, so gebühret ihme als Besitzern mit gutem Glauben wider einen jedweden dritten Inhaber, welcher weder das Eigenthum, noch ein stärkeres oder gleiches Recht an der Sache erworben zu haben erweisen mag, die der Eigenthumsklage in ihrer Natur und Wirkung vollkommen gleichende Rechtsforderung, damit hieran sein Besitzrecht erkläret, und ihme die Sache mit allen ihren Zugängen und Nutzungen zuruckgestellet werde.

[2, 24, § 8] 155. Kläger muss demnach allemal die Erwerbung der Sache, warum es zu thun ist, mittelst wirklicher Uebergabe aus einer zu deren Uebertragung hinlänglichen Ursache erweisen, Beklagter aber dagegen keine eben dergleichen rechtmäßige Erwerbung darzuthun im Stande sein, dann, wo dieser ein stärkeres, oder doch gleiches Recht an der Sache erweisen mag, hat diese Rechtsforderung nicht statt,

(2-470) sondern jederzeit Jener an der Sache den Vorzug, der hieran entweder ein stärkeres Recht, oder doch den wirklichen Besitz aus gleichem Recht für sich anführen kann.

[2, 24, § 8] 156. Ein stärkeres Recht hat allemal der Eigenthümer vor Jenem, der das Eigenthum nicht hat, und das ältere Eigenthum wird von dem jüngeren rechtmäßig erworbenen Eigenthum allzeit ausgeschlossen. Außer des Eigenthums hat an einem liegenden Gut, oder einer darauf haftenden Gerechtigkeit Derjenige, deme dieses Gut oder diese Gerechtigkeit landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben worden, ein stärkeres Recht vor Jenem, der keinen dergleichen einverleibten Ankunftstitul hat, wann gleich derselbe durch leibliche Uebergabe in den natürlichen Besitz des Guts gesetzet worden wäre.

[2, 24, § 8] 157. In Ermanglung eines einverleibten Ankunftstituls hingegen hat sowohl bei liegenden Gütern, als überhaupt bei allen fahrenden Dingen Derjenige, deme das Gut, oder die Sache aus einer zur Uebertragung hinlänglichen Ursache von Jenem, der die Macht zu übertragen gehabt, übergeben worden, ein stärkeres Recht vor dem Anderen, an den die Uebergabe nicht geschehen ist.

[2, 24, § 8] 158. Ansonst, wo Beide die Uebergabe von einerlei Besitzer für sich anführen können, hat Jener den Vorzug, deme sie zuerst geschehen, wann die Sache nicht wiederum von diesem in der Zwischenzeit auf den vorigen Besitzer übertragen worden; wäre aber eine bewegliche Sache von zweierlei unterschiedenen Besitzeren Beiden übergeben worden, hat nach Ausmessung dessen, was im achten Capitel, §. IV geordnet worden, Jener hieran ein stärkeres Recht, welcher seinen Gewährsmann, und einen rechtmäßigen Ankunftstitul ausweisen kann, vor dem Anderen, der entweder keines von beiden, oder zwar nur den Gewährsmann, aber nicht einen hinlänglichen Ankunftstitul, oder auch diesen allein ohne Ausweisung des Gewährsmanns darzuthun vermag.

[2, 24, § 8] 159. Wann jedoch beide sowohl den Gewährsmann, als den hinlänglichen Ankunftstitul ausweisen können, und Beide in guten Glauben bestellet sind, hat Jener ein stärkeres Recht, welcher die Sache zuletzt an sich gebracht, weilen er in Hinzutretung der an gleichbemelten Ort vorgeschriebenen Erfordernissen hieran das Eigenthum aus Macht Rechtens erworben.

[2, 24, § 8] 160. Woferne hingegen Keiner seinen Gewährsmann, Beide aber einen sonst an sich rechtmäßigen und hinlänglichen Ankunftstitul, doch ohne erfüllter Verjährung erweisen können, haben Beide ein gleiches Recht, mithin gebühret auch Jenem der Vorzug, der sich in dem wirklichen Besitz der Sache mit gutem Glauben aus einem sonst rechtmäßigen Ankunftstitul befindet, außer deme jedoch muß der jüngere Besitz dem älteren, welcher sich in einem rechtmäßigen Ankunftstitul gründet, weichen.

(2-471) Caput XXV.

Von dem Erbzinsrecht.

Inhalt:

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Erbzinsrechts. §. II. Von den Erwerbungsarten des Erbzinsrechts. §. III. Von Wirkungen des Erbzinsrechts. §. IV. Von Erlöschung und Endigung des Erbzinsrechts.

§. I.

[2, 25, § 1] Num. 1. Die zweite Gattung des Rechts an fremden Sachen ist das Erbzinsrecht. Dieses ist eine an einem Grund angebührende Befugniß und Gerechtigkeit, welche dem Inhaber dessen völlige Nutzung und das nutzbare Eigenthum gegen der Verbindlichkeit, solchen in baulichen Wesen zu erhalten und einen gewissen bedungenen Zins zur Erkanntniß der Grundherrlichkeit jährlich dafür abzureichen, zueignet.

(2-472) [2, 25, § 1] 2. Die Eigenschaften des Erbzinsrechts sind folgende: Erstens, daß in Ermanglung eines anderen ausdrücklichen Bedings dasselbe seiner Natur nach auf die Erben des Erbzinsmannes vererbet werde.

[2, 25, § 1] 3. Zweitens, daß selbes dem Erbzinsmann das nutzbare Eigenthum des Grunds, folglich nicht nur allein dessen völligen Genuß, Gebrauch und Nutzen, sondern auch die Macht in gewisser Maß darmit zu schalten und zu walten, und solchen von einem jedweden unrechtmäßigen Inhaber abzuforderen, zueigne.

[2, 25, § 1] 4. Drittens, daß es den Erbzinsmann verbinde, den Grund allzeit in baulichen Stand zu erhalten und auf keinerlei Weise zu schmäleren, folglich auch derselbe keine hieran gemachte Verbesserungen bei Heimfälligkeit des Grunds an den Grundherrn zurückforderen könne, wann auf diesen Fall nichts Anderes bedungen worden.

[2, 25, § 1] 5. Viertens, daß es von dem Erbzinsmann die Abreichung eines jährlichen Erbzinses zur Erkanntniß der Grundherrlichkeit erheische, welcher nicht, wie bei Mieth- und Pachtcontracten nach dem Gebrauch und Genuß des vermietheten oder verpachteten Grunds abgemessen ist, sondern einzig und allein zur Erkanntniß der Grundherrlichkeit gebühret und auf den Grund haftet.

[2, 25, § 1] 6. Fünftens, daß der Erbzinsmann zur Veräußerung des Erbzinsgrunds die Einwilligung des Grundherrn nach einer jeden Landesverfassung einzuholen und der antretende Erbzinsmann die Erneuerung des Erbzinscontracts bei dem Grundherrn geziemend anzusuchen und ihme die Lehenwaare zur Erkenntlichkeit für seine Aufnahme zu entrichten schuldig seie.

§. II.

[2, 25, § 2] 7. Das Erbzinsrecht kann entweder durch Contracten, oder aus letzten Willen oder auch durch Verjährung erworben werden; doch ist in beiden ersteren Fällen die grundbücherliche Verschreibung, und im letzteren Fall die Beitretung aller zur

(2-473) Verjährung eines dinglichen Rechts vorgeschriebenen Erfordernissen nöthig, damit ein Grund mit dem Erbzinsrecht behaftet werden möge.

[2, 25, § 2] 8. Ohne der grundbücherlichen Verschreibung hingegen kann außer einer vorherigen schon erfüllten, oder doch angefangenen und nach Einführung dieses Gesatzes ununterbrochen vollbrachten rechtmäßigen Verjährung in Zukunft kein Erbzinsrecht bestehen, sondern die darauf gerichtete Handlung wirket bloß allein, die ihrer Natur nach gebührende Rechtsforderung zu Leistung dessen, worzu Einer dem Anderen verbindlich worden.

[2, 25, § 2] 9. Ist aber das Erbzinsrecht einmal ordentlich erworben worden, so kann solches auch von dem Erbzinsmann, sowohl durch Handlungen unter Lebenden, als aus letztem Willen an Andere übertragen werden, wann der Erbzinsmann hierinnen durch kein besonderes ausdrückliches Beding gebunden ist.

[2, 25, § 2] 10. Dann die Befugniß der Veräußerung, ist allemal nach dem Inhalt der mehr oder weniger beschränkten Verleihung abgemessen, wie solches in drittem Theil, in dreizehentem Capitel, erstem Artikel, §. V. ausführlich erkläret wird.

§. III.

[2, 25, § 3] 11. Die Wirkungen des bestellten Erbzinsrechts bestehen an Seiten des Erbzinsmannes in Folgendem: Erstens, daß derselbe an dem Erbzinsgrund das nutzbare Eigenthum mit der vollen Macht solchen auf was immer für Art und Weis zu benutzen und zu genießen erlange.

[2, 25, § 3] 12. Zweitens giebt es ihme die Befugniß in gewisser Maß mit dem Erbzinsgrund nach Gefallen zu schalten und zu walten, insoweit andurch derselbe nicht geschmäleret und das grundherrliche Recht nicht beeinträchtiget wird, oder auch der Erbzinsmann sonst nicht durch besondere Bedinge gebunden ist.

[2, 25, § 3] 13. Drittens hat derselbe nicht allein das Recht, sich sowohl wider einen jeden Dritten, als wider den Grundherrn selbst, wann ihme von diesem ein Eintrag geschieht, in dem Besitz des Erbzinsgrunds zu schützen und zu behaupten, sondern auch solchen, wann er davon widerrechtlich verdrungen worden wäre, von einem jedwedem unrechtmäßigen Besitzer und von dem Grundherrn selbst mittelst der nutzbaren Eigenthumsklage zurückzuforderen.

[2, 25, § 3] 14. Viertens ist derselbe berechtiget, wann von einem Dritten das Eigenthum des Erbzinsgrunds angesprochen wird, von dem Grundherrn die Vertretung, Schirmung und Gewährleistung anzuverlangen.

[2, 25, § 3] 15. Dagegen ist er verbunden, den Erbzins dem Grundherrn jährlich zur Anerkennung der Grundherrlichkeit richtig abzuführen, bei Veräußerung des Grunds die Einwilligung des Grundherrn geziemend einzuholen, und bei dessen Antretung die Erneuerung des Contracts anzusuchen, wie nicht minder zur Erkenntlichkeit für seine Aufnahme die Lehenwaare zu entrichten, übrigens aber den Grund gut zu pflegen und in baulichen Stand zu erhalten, und alle davon gebührende Steuern und Anlagen abzutragen.

[2, 25, § 3] 16. Gegentheils ist der Grundherr schuldig, dem Erbzinsmann das nutzbare Eigenthum des Grunds zu überlassen, und ihn in dessen vollen Gebrauch und Genuß in keinerlei Wege weder selbst zu stören und zu behinderen, noch, daß solches durch Andere geschehe, zu gestatten, sondern ihn nach Erforderniß wider alle Ansprüche eines Dritten zu vertreten und zu schirmen.

[2, 25, § 3] 17. Der Grundherr aber behält nichtsdestoweniger alle übrige der Grundherrlichkeit anklebende Eigenthumsrechte außer dem davon getrennten, an den Erbzinsmann überlassenen nutzbaren Eigenthum.

[2, 25, § 3] 18. Hieraus fließen die Eigenthumsklage und alle sonstige rechtliche Hilfsmitteln zu Behauptung der Grundherrlichkeit wider einen Dritten, die Heimfälligkeit des von dem Erbzinsmann verwirkten oder sonst von dem Erbzinsrecht erledigten Grundes, die Macht, die Grundherrlichkeit ohnbeschadet des auf dem

(2-474) Grund haftenden Erbzinsrechts nach Gefallen an einen Dritten zu veräußern, und endlich das Vorkaufsrecht an dem von dem Erbzinsmann feilgebotenen Erbzinsgrund, wie alle diese verschiedene Wirkungen des Erbzinsrechts, sowohl an Seiten des Erbzinsmannes, als an Seiten des Grundherrn in vorbemeltem Capitel §. IV. mit Mehreren beschrieben werden.

§. IV.

[2, 25, § 4] 19. Das Erbzinsrecht endiget sich: Erstens, durch den gänzlichen Untergang des Grundes, welcher darmit behaftet war. Wo aber auch nur der mindeste Theil davon erübriget, welcher noch benutzet werden könnte, so währet hieran das Erbzinsrecht fort.

[2, 25, § 4] 20. Zweitens, durch beiderseitige Einwilligung, wann der Erbzinsmann mit Willen des Grundherrn den Grund freiwillig heimsaget, welchen er hingegen wider Willen des Grundherrn nicht aufgeben kann, insoferne von ihme kein anderer tauglicher Nachfolger dargestellet wird.

[2, 25, § 4] 21. Drittens, durch rechtmäßige Verjährung, wann entweder der Erbzinsmann, wo derselbe sonst der Grundherrlichkeit fähig ist, oder der Grundherr das volle Eigenthum verjähret.

[2, 25, § 4] 22. Viertens, durch Verlauf der Zeit, auf welche das Erbzinsrecht verliehen worden. Fünftens, durch Absterben derjenigen Personen, auf welche die Verleihung des Erbzinsgrundes beschränket ware.

[2, 25, § 4] 23. Sechstens, durch geflissentliche Verderbung und Abödung des Erbzinsgrundes, wann solche beträchtlich und also beschaffen ist, daß sie zu dessen beharrlicher Schmälerung und Benachtheiligung gereiche.

[2, 25, § 4] 24. Siebentens, durch Ausübung des grundherrlichen Einstandrechts, wann der Grund von dem Erbzinsmann an einen Dritten käuflich hintangegeben werden will, und der Grundherr in die nämliche Bedingnisse des Kaufs eintritt.

[2, 25, § 4] 25. Achtens, durch vorsätzliche Nichteinhaltung in Abfuhr des schuldigen Erbgrundzinses, wann solcher auf Einmahnen des Grundherrn durch drei aufeinander folgende Jahre von dem Erbzinsmann nicht abgereichet worden. Von allen diesen Erlöschungsarten, und was bei Heimfälligkeit oder Verwirkung des Erbzinsgrunds zu beobachten seie, wird das Mehrere im dritten Theil, in obgedachtem dreizehenten Capitel, erstem Artikel, §. VI. geordnet.

(2-475) Caput XXVI.

Von dem Recht der Oberfläche.

Inhalt:

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Rechts der Oberfläche. §. II. Von dessen Erwerbungsarten. §.III. Von dessen Wirkungen und daher gebührenden Rechtsforderungen. §. IV. Von dessen Erlöschung.

§. I.

[2, 26, § 1] Num. 1. Die dritte Gattung des Rechts an fremden Sachen ist das Recht der Oberfläche, welches auch anderst das Platzrecht oder Bodenzinsrecht genannt wird. Durch die Oberfläche aber wird nur Jenes verstanden, was über der Erden ist.

[2, 26, § 1] 2. Das Recht der Oberfläche ist dahero nichts Anderes, als eine auf fremden Grund und Boden angebührende Befugniß und Gerechtigkeit, welche dem Inhaber das nutzbare Eigenthum alles dessen, was über der Erden ist, zueignet.

[2, 26, § 1] 3. Unter diesem Recht wird demnach nur Jenes begriffen, was über der Erden ist, nicht aber auch Grund und Boden, sondern dieser bleibt ohnerachtet des darauf haftenden Rechts der Oberfläche dem Grundeigenthümer. Hierdurch unterscheidet sich dasselbe von dem Grundeigenthum, welches sich auf die Grenzweite, Länge, Höhe und Tiefe des zugehörigen Erdreichs, folglich auch auf Alles, was unter der Erden ist, erstrecket.

[2, 26, § 1] 4. Es erlanget aber Derjenige, deme das Recht der Oberfläche bestellet wird, das nutzbare Eigenthum nicht zwar von Grund und Boden selbst, sondern bloß allein von dessen Oberfläche, und in dieser Rucksicht ist erdeutes (!) Recht von allen anderen Arten dinglicher Rechten unterschieden, welche Jenem, deme sie zustehen, entweder weniger oder mehr Befugniß geben, als nicht aus dem Recht der Oberfläche gebühret, alle aber, nicht nur die Oberfläche, sondern Grund und Boden selbst behaften.

[2, 26, § 1] 5. Weniger Befugniß geben einzle den Gebrauch und Genuß des ganzen Grunds nicht erschöpfende Dienstbarkeiten; in Gegentheil mehrere Befugniß das Erbzinsrecht und der Nießbrauch oder Fruchtgenuß, weilen durch das erstere das nutzbare Eigenthum von dem Grund selbst und durch den letzteren der völlige Genuß und Gebrauch des Grunds überlassen wird.

[2, 26, § 1] 6. Und wiewohlen das Recht der Oberfläche in seiner Art einer Miethe, Pachtung oder Bestand zum nächsten beikommt, so giebt doch die Miethe nur ein persönliches, keineswegs aber ein dingliches, den Grund selbst behaftendes Recht.

[2, 26, § 1] 7. Dieses Recht der Oberfläche kann nicht anderst, als auf einem Grund bestellet werden, und muß Jenes, worauf es haftet, mit dem Grund und Boden

(2-476) einen festen Zusammenhang haben, also, daß es eingebauet, eingewurzlet, eingepflanzet oder eingesäet sei.

[2, 26, § 1] 8. Dann was nur auf die Erde hingeleget, gestellet oder sonst hingesetzet worden, so anwiederum leicht hinweggeraumet werden mag, als Hütten und Buden, dieses ist unter dem Recht der Oberfläche nicht begriffen.

§. II.

[2, 26, § 2] 9. Das Recht der Oberfläche kann sowohl durch lebzeitige, als letztwillige Handlungen bestellet und auch durch eine rechtmäßige Verjährung erworben werden. Damit es aber die Wirkung eines dinglichen Rechts habe, und den Grund selbst behafte, ist allemal die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung da, wo der Grund, woran es gebühret, inlieget, erforderlich.

[2, 26, § 2] 10. Ohne dieser Einverleibung hingegen wirket es bloß allein ein Recht zur Sache und die daraus fließende persönliche Rechtsforderung wider Jenen, der etwas dergleichen auf seinem Grund und Boden zu gestatten verbunden ist.

[2, 26, § 2] 11. Um so weniger kann durch die bloße Miethe oder Pachtung, wann auch ein hierauf abzielendes Beding ausdrücklich beigefüget worden wäre, das Recht der Oberfläche erzeuget werden, so lange nicht die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage eines solchen Bedings hinzutritt.

[2, 26, § 2] 12. Dieses Recht zu bestellen hat nur der Grundherr Fug und Macht, der sonst in der freien Verwaltung seines Vermögens nicht beschränket ist. Uebrigens aber kann es auf immer und allzeit, oder zeitfristlich auf eine kurze oder lange Zeit, mit Beschränkung auf gewisse bekannte Personen, oder ganz unbeschränkt und frei vererblich überlassen werden.

[2, 26, § 2] 13. Wann jedoch der Verleihung weder eine Zeit- noch sonstige Beschränkung auf diese und keine andere Personen beigesetzet worden, ist dieses Recht allezeit für frei vererblich zu achten, also daß Derjenige, deme es zustehet, solches nicht allein auf seine Erben zu übertragen, sondern auch bei Lebzeiten, an wen er immer wolle, veräußern könne.

[2, 26, § 2] 14. Die Bestellung kann entgeltlich oder unentgeltlich geschehen. Entgeltlich, wann entweder überhaupt etwas dafür entrichtet, oder zeitweilig für den Gebrauch und Genuß des Grunds die Abreichung eines gewissen Zinses bedungen wird.

[2, 26, § 2] 15. Dieser Zins heißet eigentlich ein Bodenzins oder Grundzins, und wo solcher mit bedungen worden, haftet er nicht weniger, wie oben in gleich vorhergehendem Capitel von dem Erbzins geordnet worden, auf den Grund selbst.

§. III.

[2, 26, § 3] 16. Die Wirkungen des Rechts der Oberfläche bestehen an Seiten dessen, deme solches gebühret, in Folgendem: Erstens, daß derselbe den Besitz und das nutzbare Eigenthum der Oberfläche erlange, diese nach Gefallen brauchen, nutzen und genießen, folglich darein bauen, pflanzen und säen könne. Was aber nach geendigtem Recht der Oberfläche sich darein gebauet, gepflanzet und gesäet befindet, gehöret aus dem Grundrecht dem Grundeigenthümer.

[2, 26, § 3] 17. Zweitens, daß er volle Macht und Freiheit habe, wann er nicht durch besondere Bedinge hierinnen gebunden ist, mit der Oberfläche nach eigenem Belieben zu schalten und zu walten, solche für die Zeit seiner Inhabung Anderen in Bestand zu geben, oder auf was immer für Art zu überlassen, Dienstbarkeiten darauf zu bestellen und sie zu verpfänden, doch also, daß mit Erlöschung seines Rechts auch das Recht des Anderen, welches dieser von ihme hieran erworben hat, erlösche.

[2, 26, § 3] 18. Er kann ferners die Oberfläche, sowohl durch lebzeitige, als letztwillige Handlungen an wen er immer wolle, veräußeren, ohne daß derselbe die grundherrliche Einwilligung, noch auch Derjenige, an den dieses Recht veräußeret wird, wie es sonst bei erbzinsbaren Gründen hergebracht ist, die Erneuerung des Contracts


(2-477) von dem Grundherrn anzusuchen minder eine Lehenwaare zu bezahlen schuldig seie, wann solches nicht anfänglich ausbedungen worden, obschon ein jeder Nachfolger an diesem Recht seinen Ankunftstitel in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleiben lassen, und die für eine solche Einlage ausgesetzte Gebühren entrichten muß.

[2, 26, § 3] 19. Drittens, daß ihme alle aus dem nutzbaren Eigenthum fließende rechtliche Hilfsmitteln zu Behauptung seines Rechts, sowohl wider einen jeden Dritten, als wider den Grundherrn selbst zu statten kommen, und er sich in dem Besitz nicht weniger wie der Grundeigenthümer schützen und erhalten könne.

[2, 26, § 3] 20. Dagegen ist derselbe verbunden, alle von dem Grund gebührende Steuern und Anlagen abzutragen, die Oberfläche mit den darauf befindlichen Gebäuden in gutem Bau auf seine eigene Kosten zu erhalten, und solche nach geendigtem Recht in demjenigen Stand, in welchem sie ihme übergeben worden, anwiederum zuruckzustellen, für die Zeit seiner Inhabung aber den jährlichen Grundzins, wann einer bedungen worden, dem Grundherrn richtig zu bezahlen und überhaupt alles Dasjenige zu erfüllen, zu deme sich derselbe in dem Contract anheischig gemacht hat.

[2, 26, § 3] 21. Der Grundherr hingegen behält das Grundeigenthum, und alle außer dem davon abgetretenen nutzbaren Eigenthum der Oberfläche darmit verknüpfte Grundrechte, als da sind die Eigenthumsklage, die Behelfe des rechtlichen Besitzes, die Forderungen des bedungenen Grundzinses und aller sonstigen Schuldigkeiten, worzu sich der Inhaber verbunden hat.

[2, 26, § 3] 22. Und wiezumahlen das Recht der Oberfläche sich nicht weiter als auf das, was über der Erden ist, erstrecket, so bleiben auch dem Grundeigenthümer alle Nutzungen und Vortheile, welche von dem Grund unter der Erden erzeuget werden, oder daher behoben werden können, als Erze, vergraben Schätze und dergleichen bevor.

§. IV.

[2, 26, § 4] 23. Das Recht der Oberfläche erlöschet: Erstens, durch den gänzlichen Untergang der Sache, worauf dasselbe haftet, ohne daß der mindeste Theil davon übrig bliebe, als da das Gebäude, woran es bestellt worden, von Grund aus zerstöret und abgetragen würde. Ohnerachtet aber der Grundherr ein neues Gebäu hinsetzete, bleibt das Recht der Oberfläche jegleichwohlen erloschen, wann solches nicht namentlich auch auf die neu aufführende Gebäude mit erstrecket worden.

[2, 26, § 4] 24. Zweitens, durch die Vereinigung des nutzbaren Eigenthums mit dem Grundeigenthum durch Vererbung, käufliche Ueberlassung, freiwillige Abtretung oder Verjährung.

[2, 26, § 4] 25. Drittens, durch Verlauf der Zeit, auf welche dieses Recht verliehen worden, oder durch Abgang der Personen, die es nur namentlich für sich bekommen haben.

[2, 26, § 4] 26. Dahingegen wird dieses Recht wegen Saumsals in Bezahlung des bedungenen jährlichen Grundzinses nicht verwirket, sondern der Grundherr hat zu dessen Eintreibung die ihme aus dem beigefügten Beding angebührende Rechts-Forderung wider den Inhaber der Oberfläche.

(2-478) Caput XXVII.

Von Dienstbarkeiten überhaupt.

Inhalt:

§. I. Von Natur und Wesenheit der Dienstbarkeiten. §. II. Von Verschiedenheit der Dienstbarkeiten. §. III. Von Fähigkeiten deren, welche eine Dienstbarkeit bestellen können. §. IV. Von Bestellungsarten der Dienstbarkeiten. §. V. Von deren Wirkungen und daher rührenden Rechtsforderungen. §. VI. Von deren Verlustigung.

§. I.

[2, 27, § 1] Num.1.Die vierte Gattung des Rechts an fremden Sachen ist das Recht der Dienstbarkeit. Hierunter wird aber nicht jene Dienstbarkeit verstanden, womit eine Person der anderen verpflichtet oder untergeben ist, sondern eine Gerechtigkeit an fremden Gut, Kraft welcher dasselbe dem anderen dienstbar ist.

(2-479) [2, 27, § 1] 2. In dieser Bedeutung ist es ein dingliches Recht, weilen es aus der Sache haftet, welches nichts Anderes ist, als eine auf fremden Grund angebührende Befugniß und Gerechtigkeit, Kraft welcher dessen Eigenthümer in dem seinigen zum Nutzen eines Anderen, oder dessen Grunds etwas zu leiden und zu dulden, oder zu unterlassen schuldig ist.

[2, 27, § 1] 3. Dienstbarkeiten gebühren nur an fremden Gut, dann keine eigene Sache kann ihrem Herrn selbst dienstbar sein, sondern Alles, was Jemand aus dem Recht der Dienstbarkeit auf fremden Grund zu thun befugt ist, hat der Eigenthümer Macht, aus dem Recht des Eigenthums an seinem eigenen Gut auszuüben.

[2, 27, § 1] 4. Sie müssen ferners zur Nothdurft und Nutzen Desjenigen, deme sie bestellet werden, gereichen. Unter dem Nutzen aber wird nicht allein der gegenwärtige, sondern auch der künftige Vortheil und alle Lust, Bequemlichkeit und Gemächlichkeit nach dem Gebrauch und Absicht dessen, deme die Dienstbarkeit gebühret, verstanden. Was hingegen weder jetzt, weder in Zukunft Nutzen, noch auch eine Lust oder Bequemlichkeit schaffen mag, hierinnen kann auch keine Dienstbarkeit bestehen.

[2, 27, § 1] 5. Die Nothdurft und Nutzlichkeit ist dahero der Endzweck aller Dienstbarkeiten und um diesen zu erreichen, ist der Herr des dienstbaren Grunds schuldig, entweder etwas zu leiden, was der Andere aus dem Recht der Dienstbarkeit auf solchen zu thun berechtiget ist, oder etwas nicht zu thun, was derselbe sonst aus dem Recht des Eigenthums und nach der natürlichen Freiheit auf dem seinigen zu thun befugt gewesen wäre.

[2, 27, § 1] 6. Insgemein ist zwar der Herr des dienstbaren Grunds aus der Natur der Dienstbarkeit nicht verbunden, zu des Anderen Nutzen etwas zu thun, wann er sich nicht hierzu durch ein besonderes Beding ausdrücklich verpflichtet hat, außer der alleinigen Hausdienstbarkeit der Lasttragung des Gebäudes, welche die Schuldigkeit mit sich bringt, daß der Herr des dienstbaren Hauses das baufällige Gemäuer, welches die Last des nachbarlichen Gebäudes trägt, auf seine eigene Kosten herzustellen, oder solches dem Nachbarn zu überlassen gehalten seie.

[2, 27, § 1] 7. Ansonsten ist die Verbindlichkeit etwas zu thun oder zu leisten eigentlich für keine Dienstbarkeit, sondern bloß für eine persönliche Gerechtigkeit anzusehen, wann nicht der Grund selbst durch die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher auf immer und allzeit dergestalten damit behaftet wird, daß diese Schuldigkeit mit dem Grund auf dessen jedweden Besitzer übergehe, aber wann nicht ein solches Recht durch rechtmäßige Verjährung an dem dienstbaren Grund hergebracht worden, wie unten seines Orts davon ein Mehreres, bei den sogenannten Bann- und Zwangrechten auf nachbarlichen Gründen vorkommen wird.

§. II.

[2, 27, § 2] 8. Die Dienstbarkeiten sind in Rucksicht des Gegenstandes, deme sie gebühren, zweierlei, als entweder persönliche oder Grunddienstbarkeiten. Die persönlichen sind jene, welche nicht zum Nutzen eines Grunds, sondern zum Nutzen einer Person bestellet werden, wovon in dem nachfolgenden achtundzwanzigsten Capitel gehandlet werden wird. Grunddienstbarkeiten aber sind, welche zum Nutzen eines fremden Grunds bestellet und unten im neunundzwanzigsten Capitel eigends beschrieben werden.

[2, 27, § 2] 9. Die persönlichen Dienstbarkeiten sind entweder nach ihrer Natur und Eigenschaft,

(2-480) oder aus dem Beding und der Bestellungsart persönlich. Der Natur und Eigenschaft nach sind nur drei Gattungen persönlicher Dienstbarkeiten, als der Nießbrauch oder Fruchtgenuß, der Gebrauch eines Dings und die Wohnung.

[2, 27, § 2] 10. Aus einem Beding oder der Bestellungsart aber können auch alle Grunddienstbarkeiten persönlich sein, wann sie nicht zum Nutzen eines Grunds, sondern zum Nutzen der Person bestellet worden, als da Jemand dem Anderen für dessen Person den Durchgang über seinen Grund verstattet.

[2, 27, § 2] 11. Um also mit Bestand beurtheilen zu können, ob die angebührende Gerechtigkeit eine persönliche oder eine Grunddienstbarkeit seie, ist allemal darauf zu sehen, ob sie einer Person oder einem Grund angebühre; dann von Verschiedenheit dieses zweifachen herrschenden Gegenstands nimmt auch die Dienstbarkeit ihre Natur und Eigenschaft an.

[2, 27, § 2] 12. Die Grunddienstbarkeiten sind nach dem Unterschied, ob sie einem Haus und Gebäude, oder aber einem Feld- und Landgut gebühren, zweierlei, als Hausdienstbarkeiten und Felddienstbarkeiten.

[2, 27, § 2] 13. Beide sind anwiederum in ihrer Wirkung unterschieden; dann einige verbinden den Herrn des dienstbaren Grunds etwas aus dem seinigen zu leiden und zu dulden, als da sind die Dienstbarkeiten der Lasttragung des Gebäudes, das Tramrecht, das Recht des Durchgangs, der Viehtrift und dergleichen.

[2, 27, § 2] 14. Dahin gehören auch jene, welche den Herrn des dienstbaren Grunds etwas zu thun verbindlich machen, was er sonst nach der natürlichen Freiheit zu unterlassen berechtiget gewesen wäre. Von dieser Art sind die Dienstpflichtigkeit nachbarlicher Gründen und die auf solchen gebührende Zwang- und Bannrechte.

[2, 27, § 2] 15. Andere hingegen verpflichten denselben, etwas auf dem seinigen zu unterlassen und nicht zu thun, was er doch außerdeme zu thun befugt gewesen wäre, als die Dienstbarkeit, sein Haus nicht höher aufzuführen, dem Nachbarn das Licht und die Aussicht nicht zu benehmen, das Regenwasser nicht abzuleiten u. s. w.

[2, 27, § 2] 16. Alle Grunddienstbarkeiten müssen zwar eine beständige Ursach haben, welche in der Nothdurft oder dem Nutzen des herrschenden Grunds, deme dieselben gebühret, bestehet. Sie sind aber nicht alle von einem steten und ununterbrochenen Gebrauch, sondern einige werden nur zu gewissen Zeiten genutzet, als es die Nothdurft, Nutzen, Lust oder Bequemlichkeit erheischet, z. B. die Dienstbarkeit des Durchgangs, das Trauf- oder Rinnenrecht und überhaupt alle Felddienstbarkeiten.

[2, 27, § 2] 17. Bei Anderen hingegen wird der Gebrauch niemals unterbrochen, als bei der Dienstbarkeit der Lasttragung des Gebäudes, dem Tramrecht, dem Licht- und Aussichtrecht u. dgl. mehreren. Und nach diesem Unterschied des ununterbrochenen oder unterbrochenen Gebrauchs sind sie entweder stete oder unstete Dienstbarkeiten.

§. III.

[2, 27, § 3] 18. Die Dienstbarkeiten werden entweder von dem Gesatz oder von dem Richter, oder willkürlich Einem von dem Anderen bestellet. Von dem Gesatz wird die Dienstbarkeit des Nießbrauchs einem Vater aus dem Recht der väterlichen Gewalt am dem Gut seiner unmündigen Kinder nach Maßgebung dessen, was davon im ersten Theil in der Abhandlung von der väterlichen Gewalt geordnet worden, zugeeignet.

[2, 27, § 3] 19. Von dem Richter können Dienstbarkeiten nur bei Theilungen der Erbschaften und gemeinschaftlicher Güter auferleget werden, wann die Theilung zwischen den Theilhaberen anderer Gestalt nicht bewirket oder der dem Einem zugefallene Antheil ohne einer auf des Anderen Antheil bestellten Dienstbarkeit nicht genutzet werden könnte.

[2, 27, § 3] 20. In keinem anderen Fall hingegen steht dem Richter die Macht zu,

(2-481) Jemandem wider Willen an seinem Gut Dienstbarkeiten aufzulasten, sondern ihme kommt nur zu, wo das an dem Grund des Anderen angebührende Recht einer schon bestellten Dienstbarkeit strittig ist, solches zu erklären, oder Denjenigen, welcher sich zur Verstattung einer Dienstbarkeit auf seinem Grund gegen dem Anderen verbindlich gemacht, zu deren wirklicher Bestellung zu verurtheilen.

[2, 27, § 3] 21. Wo aber Jemand willkürlich auf seinem Grund eine Dienstbarkeit bestellen wollte, muß derselbe freier, uneingeschränkter, alleiniger, vollkommener und unwiderruflicher Eigenthümer des dienstbar machen wollenden Grunds sein.

[2, 27, § 3] 22. Wer dahero in der freien Verwaltung seines Guts eingeschränket ist, kann keine Dienstbarkeit bestellen, als Minderjährige und Pflegbefohlene; noch sind auch die Vormündere oder Gerhaben und Curatoren befugt, die Gründe ihrer Pflegbefohlenen, ohne vorheriger richterlicher Erkanntniß und Begenehmigung mit einiger Dienstbarkeit zu beschweren.

[2, 27, § 3] 23. Einem gemeinschaftlichen Grund kann von keinem Theilhaber für sich allein wider Willen der Anderen eine Dienstbarkeit auferleget werden, sondern zur Giltigkeit der Bestellung ist entweder Aller vorhergehende Einstimmung oder nachherige Gutheißung erforderlich.

[2, 27, § 3] 24. Der Bestellende muß beinebst das volle Eigenthum des Grunds, welchen er mit der Dienstbarkeit behaften will, haben. Solchemnach kann der Grundherr oder bloße Eigenthümer auf einem Grund, woran dem Anderen entweder das nutzbare Eigenthum aus dem Erbzinsrecht oder aus dem Recht der Oberfläche, oder der Nießbrauch, oder Fruchtgenuß zustehet, keine Dienstbarkeit bestellen, welche zur Schmälerung des nutzbaren Eigenthums oder des Nießbrauchs gereichete.

[2, 27, § 3] 25. Ebensowenig ist Jener, welcher an einem Grund das nutzbare Eigenthum, aber den Nießbrauch hat, befugt, solchen mit einer beharrlichen Dienstbarkeit wider Willen des Grundherrn oder Eigenthümers zu behaften, obschon die von ihme hieran bestellte Dienstbarkeit für die Zeit seiner Inhabung zu bestehen hat, insoferne durch deren Ausübung dem Grundeigenthum, und anderen dem Grundherrn angebührenden Grundrechten nicht geschadet wird.

[2, 27, § 3] 26. Endlich muß der Bestellende auch unwiderruflicher Eigenthümer des Grunds sein, widrigens ist mit Widerrufung und Erlöschung seines Grundeigenthums auch das von ihme hieran bestellte Recht des Anderen erloschen.

[2, 27, § 3] 27. Also kann die von einem vertraulichen Erben, oder von einem Besitzer mit gutem Glauben, oder von einem jedweden anderen zeitlichen Inhaber bestellte Dienstbarkeit nur insolange bestehen, als das Traugut nicht auf den Nachberufenen gelanget, oder der hervorkommende Eigenthümer sein Gut mittelst der Eigenthumsklage nicht behauptet, oder dasselbe nicht einem Nachfolger, welcher sein Recht hierzu nicht von dem Bestellenden, sondern von einem Dritten ableitet, zufallt.

[2, 27, § 3] 28. Jedermänniglichem hingegen können Dienstbarkeiten bestellet werden, der sonst etwas zu erwerben, und des Rechts fähig ist, was durch die Dienstbarkeit in Ausübung gebracht wird, er möge das volle, oder nur das Grundeigenthum, oder das nutzbare Eigenthum allein, oder auch das Eigenthum ohne Nießbrauch, oder diesen ohne Eigenthum, oder auch nur ein widerrufliches Eigenthum des Grunds haben, zu dessen Nutzen die Dienstbarkeit bestellet wird.

[2, 27, § 3] 29. Nicht allein durch sich selbst, sondern auch durch Andere kann Jemand Dienstbarkeiten erwerben, wann entweder diese ihn durch das Gesetz vorstellen, als Vormündere oder Gerhaben, und Curatoren, oder von ihme hierzu begewaltiget werden, oder seine Gutheißung erfolget.

[2, 27, § 3] 30. Also kann sich Jemand für sich und seinen Nachbarn, oder auch zum Nutzen eines gemeinschaftlichen Guts ein Theilhaber für sich und die andere Theilhabere Dienstbarkeiten rechtsgiltig bestellen lassen, welche auch denen Anderen erworben werden, wann sie nur das Veranlaßte gutheißen.

(2-482) §. IV.

[2, 27, § 4] 31. Die Dienstbarkeiten können sowohl aus lebzeitigen, als letztwilligen Handlungen, wie nicht weniger durch rechtmäßige Verjährung erworben werden, doch ist bei allen in Zukunft nach Einführung dieses Unseren Gesatzes bestellenden Dienstbarkeiten nach der oben im zweiten Capitel von dinglichen Rechten überhaupt §. I enthaltenen Ausmessung zur wirklichen Behaftung des dienstbaren Grunds insgemein die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung und Vormerkung der angebührenden Dienstbarkeiten auf die eben allda erklärte Art und Weis erforderlich.

[2, 27, § 4] 32. Wovon nur allein jene stete Hausdienstbarkeiten ausgenommen sind, welche aus einem von dem Nachbarn ohne Widerspruch zu vollführen verstatteten neuen Bau entstehen, wann derselbe die seinem Grund erwachsende Dienstbarkeit wohl gewußt, und den Bau jegleichwohlen ohne Widerrede ausführen lassen; dann durch seine wissentliche Duldung wird die Dienstbarkeit ohne Weiters auf seinen Grund bestellet, und der Eigenthümer des herrschenden Grunds kann nicht mehr zur Niederreißung des ausgeführten Gebäudes verhalten werden.

[2, 27, § 4] 33. Mit keinen anderen Dienstbarkeiten hingegen kann der Grund ohne vorbesagter Einverleibung behaftet werden, wann er nicht schon vor Einführung dieses Unseren Gesatzes darmit behaftet, und die Dienstbarkeit hierauf wirklich bestellet ware.

[2, 27, § 4] 34. Es ist dahero die Handlung, womit sich Jemand zur Verstattung einer Dienstbarkeit auf seinem Grund gegen dem Anderen verbindlich macht, von der wirklichen Bestellung selbst wohl zu unterscheiden; dann die erstere wirket nur ein Recht zur Sache, woraus die Rechtforderung wider den Anderen zur Erfüllung und Gewährung, worzu er sich verbunden hat, entstehet, ohne daß noch dadurch der Grund selbst behaftet würde.

[2, 27, § 4] 35. Die Bestellung aber, welche außer dem oben num. 32 ausgenommenen Fall in Hinkunft nicht anderst, als durch eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung solle geschehen können, giebt ein Recht an der Sache, behaftet den dienstbaren Grund, und macht einen jedweden dritten Besitzer desselben verfänglich Dasjenige zu leiden, zu thun oder zu unterlassen, was das dem Anderen zustehende Recht der Dienstbarkeit mit sich bringt.

[2, 27, § 4] 36. Auch die nach Einführung dieses Unseren Gesatzes ihren Lauf anfangende Verjährung der Dienstbarkeiten erforderen zur Behaftung des Grunds eine landtäfliche, stadt - oder grundbücherliche Verschreibung.

[2, 27, § 4] 37. Der Fall der Verjährung einer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebenen Dienstbarkeit kann sich auf zweierlei Art ergeben, als entweder, wann solche mit dem herrschenden Grund, deme sie anklebet, als eine Zugehörung verjähret wird, oder wann sie von Jemanden, welcher zur Zeit der Verschreibung noch nicht Eigenthümer des dienstbaren Grunds gewesen, sondern solcher erst durch die Verjährung werden muß, verschrieben worden; im ersten Fall wird die Dienstbarkeit in der nemlichen Zeit, wie der herrschende Grund selbst verjähret; im zweiten Fall hingegen wird die Verjährung der Dienstbarkeit gegen dem Dritten, welcher das Eigenthum des dienstbaren Grunds ansprechen könnte, in eben so vieler Zeit, als die Verjährung des dienstbaren Grunds selbst, gegen dem sie Verschreibenden, oder Andere aber binnen drei Jahren und achtzehen Wochen von dem Tag der Verschreibung erfüllet.

[2, 27, § 4] 38. Dahingegen kann ohne der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung (mit alleiniger Ausnahme der steten Hausdienstbarkeiten) keine Dienstbarkeit anderst, als durch dreißig Jahr, und zwar nur wider jenen Besitzer und dessen Erben, wider welchen die Verjährung erfüllet wird, verjähret, nicht aber ein

(2-483) dritter Besitzer andurch verbunden, noch weniger der Grund selbst behaftet werden.

[2, 27, § 4] 39. Eine solche Verjährung wirket demnach nicht das Recht der Dienstbarkeit selbst, sondern nur die persönliche Verbindlichkeit und Verfänglichkeit dessen, welcher deren Ausübung durch dreißig Jahr ohne Unterbruch gestattet hat, zu deren landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Bestellung und Verschreibung, ohne welcher in seine Verbindlichkeit zwar dessen Erben eintreten, keineswegs aber ein dritter Besitzer verfänglich wird, wann er nicht die wider seinem Vorfahrer angefangene Verjährung wider sich erfüllen lassen, und durch die noch übrige Zeit ohne die Verjährung zu unterbrechen nicht stillgeschwiegen, oder die Dienstbarkeit nicht ausdrücklich auf sich genommen hat.

[2, 27, § 4] 40. Zu dergleichen Verjährungen bedarf es keines besonderen Ankunftstituls, sondern dieser bestehet bei jenen Dienstbarkeiten, welche den Herrn des dienstbaren Grunds etwas darauf zu dulden verpflichten, in seiner ohnunterbrochen dreißigjährigen Geduld und Stillschweigen, gleichwie da, wo er etwas zu thun schuldig ist, in seiner dreißigjährigen ohnwidersprochenen freiwilligen Leistung und Befolgung; in allen anderen Dienstbarkeiten aber, welche ihn in dem Seinigen etwas nicht zu thun oder zu unterlassen verbinden, ist an deme genug, daß der Andere dieses zu thun verboten, und er durch dreißig Jahre sich dem Verbot gefüget, und ohne Widerrede darbei beruhet habe.

§. V.

[2, 27, § 5] 41. Die Wirkung einer ordentlich bestellten Dienstbarkeit bestehet in deme, daß erstens, Derjenige, deme oder dessen Grund sie bestellet worden, in den wirklichen Besitz, Genuß und Gebrauch des ihme durch die bestellte Dienstbarkeit an dem dienstbaren Grund verstatteten Rechts gesetzt werde, folglich

[2, 27, § 5] 42. Zweitens, sich der Dienstbarkeit nach ihrer Art und Natur, oder nach Vorschrift des Bedings zu gebrauchen befugt seie; doch darf er die Maß in dem Gebrauch nicht überschreiten, weder die Dienstbarkeit mehr erschweren oder erweiteren, noch deren Gebrauch an Andere überlassen, wann solches bei Bestellung der Dienstbarkeit nicht ausdrücklich vorgesehen worden.

[2, 27, § 5] 43. Drittens, daß derselbe alles Dasjenige thun könne, ohne welchem die Dienstbarkeit nicht füglich gebrauchet und genutzet werden kann, als bei der Dienstbarkeit des Durchgangs oder Wegs, Stege und Wege ausbesseren, und bei der Dienstbarkeit der Wasserleitung über den dienstbaren Grund Gräben ziehen, solche ausraumen, darein Röhren legen, wann nur der angebührende Gebrauch nicht geänderet wird, sondern in seiner Maß beschränket bleibt.

[2, 27, § 5] 44. Viertens, daß Derjenige, deme oder dessen Grund eine Dienstbarkeit bestellet wird, andurch an dem dienstbaren Grund ein dingliches Recht erlange, in dessen Ausübung sich derselbe nicht allein mittelst aller zur Handhabung des Besitzes angebührenden rechtlichen Hilfsmitteln schützen und erhalten, sondern auch, wo das Recht der Dienstbarkeit selbst bestritten würde, wider den Besitzer des dienstbaren Grunds, und einen Jeden, der ihn hierinnen störet und hinderet, die Rechtsforderung zu Behauptung der ihme an dem dienstbaren Grund zustehenden Dienstbarkeit und deren ungestörten Gebrauchs anstrengen kann.

[2, 27, § 5] 45. Dieser Rechtsforderung kann sich sowohl der Grundeigenthümer, als auch Jener, der an dem herrschenden Grund nur das nutzbare Eigenthum, oder den Nießbrauch hat, wie nicht minder, wo die Dienstbarkeit Mehreren gemein wäre, ein jeder Theilhaber bedienen, wann er in dem Gebrauch der diesem Grund angebührenden Dienstbarkeit verhinderet wird.

[2, 27, § 5] 46. Kläger hat aber zu beweisen, daß ihme oder dem Grund, den er in Besitz hat, die Dienstbarkeit bestellet worden, und zugleich, wo er sich nicht in Besitz des Grunds befindet, daß ihme das Grund- oder nutzbare Eigenthum, oder

(2-484) der Nießbrauch des herrschenden Grunds zustehe, dann daß er in dem Gebrauch der Dienstbarkeit von dem Beklagten verhinderet werde.

[2, 27, § 5] 47. Wird nun dieses rechtsgenüglich von ihme erwiesen, so hat der Richter zu erkennen und auszusprechen, daß dem Kläger die eingeklagte Dienstbarkeit an dem dienstbaren Grund gebühre, folglich Beklagter sich aller unbefugten Störung und Hinderniß in dem Gebrauch dieser Dienstbarkeit zu enthalten, und solche unweigerlich zu verstatten, beinebst aber dem Kläger alle durch seine widerrechtliche Störung und Weigerung verursachte erweisliche Schulden und Unkosten zu ersetzen schuldig sein solle.

[2, 27, § 5] 48. Wäre jedoch nicht so viel das Recht der Dienstbarkeit selbst, als vielmehr die Art und Weise des Gebrauchs strittig, so hat das Gericht die rechte Maß des Gebrauchs entweder nach Inhalt der Verschreibung, wo eine vorhanden ist, welche Ziel und Maß setzet, oder in deren Ermanglung nach der Natur einer jedweden Dienstbarkeit zu bestimmen, solche aber keineswegs über die Gebühr zu erweiteren, und nach befindender Erforderniß entweder den einen Theil, daß er die ihme vorgeschriebene Maß in dem Gebrauch nicht überschreite, oder den anderen, daß er jenen in der Ausübung seines Rechts nicht störe, mittelst Abheischung einer hinlänglichen Sicherheit oder angemessener Pönfällen zu verstricken.

[2, 27, § 5] 49. Wann in Gegentheil einem an sich freien Grund eine Dienstbarkeit zur Ungebühr angemuthet, oder die hieran gebührende widerrechtlich erweiteret werden wollte, so kommt dem Herrn des Grunds, oder Jenen, welchen hieran ein Recht zustehet, die aus der natürlichen Freiheit entspringende der ersteren entgegengesetzte Rechtsforderung wider Denjenigen, der sich auf dem Grund des Gebrauchs einer unbefugten Dienstbarkeit anmaßet, oder diesen eigenmächtig erweiteret, zu statten, damit der Grund von dieser Dienstbarkeit frei erkläret, oder deren Gebrauch in die gehörige Schranken gesetzt, und dem Beklagten alle weitere widerrechtliche Anmaßung unter einer nach Beschaffenheit der Umstände aufzuerlegen habender Leistung hinlänglicher Sicherheit eingestellet, er aber beinebst zu Erstattung aller erweislichen Schäden und Unkosten verhalten werde.

[2, 27, § 5] 50. Diese Rechtsforderung ist nur damals nothwendig, wann entweder die anmaßende Dienstbarkeit noch landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf dem Grund zur Ungebühr haftet, oder der Andere sich in dem wirklichen Besitz und Gebrauch einer ihme gar niemalen zugestandenen, oder nach der Zeit erloschenen Dienstbarkeit befindet; außerdeme aber mag ein jeder Besitzer eines freien Grunds sich wider die unbefugte Anmaßungen eines Dritten mit allen zu Behauptung des Besitzes hergebrachten Rechtsmitteln schützen, und wider Gewalt vertheidigen.

§. VI.

[2, 27, § 6] 51. Die Dienstbarkeiten erlöschen auf mehrerlei Art; die persönlichen durch den Tod der Person, welcher sie bestellet worden, durch deren Unfähigkeit solche weiters zu genießen, durch Verlauf der Zeit, oder Erfolg der Bedingniß, bis dahin solche verliehen worden, durch Ueberschreitung der vorgeschriebenen Maß, und endlich durch deren Abtretung und Ueberlassung an einen Dritten, wie alles dieses in dem gleich nachfolgenden Capitel ausführlicher erkläret werden wird.

[2, 27, § 6] 52. Die gemeine, beiden sowohl persönlichen als Grunddienstbarkeiten zukommende Beendigungsarten sind an Seiten des dienstbaren Grunds: Erstens, die Auflösung und Erlöschung des Rechts des Bestellenden, welches er an dem Grund gehabt, worauf von ihme die Dienstbarkeit bestellet worden.

[2, 27, § 6] 53. Zweitens, die Vermischung des Herrschenden und Dienenden in einer Person, wann Derjenige, deme oder dessen Grund die Dienstbarkeit gebühret, den dienstbaren, oder der Herr dieses letzteren entweder die darauf haftende persönliche Dienstbarkeit, oder den herrschenden Grund eigenthumlich an sich bringt, und

(2-485) obschon er einen als den anderen Grund nachhero anwiederum veräußerte, so bleibt doch die Dienstbarkeit erloschen, wann solche nicht neuerdings bestellet wird.

[2, 27, § 6] 54. Doch ist darzu erforderlich, daß sowohl der dienstbare als der herrschende Grund einerlei Herrn ganz und unwiderruflich und zwar mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern zugefallen seie.

[2, 27, § 6] 55. Widrigens wo auch nur ein Theil des herrschenden oder dienstbaren Grunds erübrigen würde, der nicht einerlei Herrn zugehörete, bleibt die Dienstbarkeit gleichwohlen noch dem übrigen Theil ankleben, und da nur ein widerrufliches Eigenthum hieran erworben worden wäre, wird auch nach dessen Auflösung die Dienstbarkeit anwiederum hergestellet, obschon sie für die Zeit der Inhabung des Grunds ruhet.

[2, 27, § 6] 56. Endlich kann kein landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebenes Recht anderst, als anwiederum mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern aufgehoben werden. So lange dahero der dienstbare Grund auf den Herrn des herrschenden, oder dieser auf den Herrn des dienstbaren Grunds nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibet ist, haftet die Dienstbarkeit auf dem Grund noch allzeit fort.

[2, 27, § 6] 57. Drittens, der gänzliche Untergang des herrschenden oder dienstbaren Grunds, also daß gar nichts davon erübrige. Widrigens klebet die Dienstbarkeit auch dem mindesten Theil an, und wo ein zerstörtes oder abgebranntes Haus oder anderes Gebäude, deme die Dienstbarkeit gebühret, oder welches dem anderen dienstbar ist, anwiederum aufgebauet wird, lebet die vorige Dienstbarkeit auf, gleichwie nicht weniger dieselbe durch Ueberschwemmung des Grunds nicht erlöschet, sondern bei dessen Erledigung in den vorigen Stand wieder hergestellet wird.

[2, 27, § 6] 58. An Seiten des herrschenden Grunds erlöschet die Dienstbarkeit viertens, durch deren ausdrückliche oder stillschweigende Erlassung, wann der Herr des herrschenden Grunds den dienstbaren deutlich davon befreiet, oder aber auf demselben wissentlich etwas geschehen läßt und ohne Vorbehalt oder Gegenverwahrung erlaubet, was dem Gebrauch der Dienstbarkeit zuwider ist, und ohne Einwendung dabei beruhet, woferne er nur vollkommener und uneingeschränkter Eigenthümer des herrschenden Grunds ist; widrigens kann er durch seine Nachsicht nur sich allein, nicht aber einem Anderen schaden, und wo mehrere Dienstbarkeiten auf einen Grund gebühren, werden durch Erlassung der einen die übrigen nicht aufgehoben.

[2, 27, § 6] 59. Fünftens, durch den Nichtgebrauch der Dienstbarkeit binnen der gleich hiernach ausgemessenen Zeit. Unter dem Nichtgebrauch aber wird nicht allein die wirkliche Unterlassung der Ausübung, wann der Herr des herrschenden Grunds, oder deme die Dienstbarkeit gebühret, sich derselben gar nicht gebrauchet, sondern auch der widrige Gebrauch verstanden, da er nämlich solche nicht in der vorgeschriebenen Maß oder nach ihrer Natur und Eigenschaft ausübet.

[2, 27, § 6] 60. Es ist jedoch zwischen den landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebenen und ohne Beschreibung bestellten Dienstbarkeiten ein Unterschied. Erstere können durch den bloßen Nichtgebrauch überhaupt niemalen verloren gehen, weilen wider die Landtafel, Stadt- und Grundbücher keine Verjährung laufet, sondern das Recht muß so lange bestehen, als nichts Widriges, was dasselbe tilgen könnte, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einkommt.

[2, 27, § 6] 61. Obschon die Art und Weis des Gebrauchs, oder auch die Befreiung eines Theils des dienstbaren Grunds verjähret werden mag, wann in der Verschreibung weder die Maß des Gebrauchs, noch wie weit sich die Dienstbarkeit zu erstrecken habe, namentlich enthalten ist.

[2, 27, § 6] 62. Dahingegen jene Dienstbarkeiten, welche mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern nicht verschrieben sind, nach dem Unterschied, ob sie ihrer Natur nach eines steten oder unsteten Gebrauchs sein, durch den Nichtgebrauch erlöschen.

[2, 27, § 6] 63. Und zwar die steten Dienstbarkeiten, wann sich derselben durch zehen

(2-486) Jahre, die unsteten Dienstbarkeiten hingegen, wann sich ihrer durch dreißig Jahre niemahlen weder durch sich selbst, noch durch Andere, welche den herrschenden Grund im Namen des Grundeigenthümers immer haben, gebrauchet worden.

[2, 27, § 6] 64. Dieses verstehet sich jedoch allein von dem bloßen Nichtgebrauch, dann wo ein erweislicher ausdrücklicher Verbot und Weigerung des Herrn des dienstbaren Grunds hinzutritt, und der Herr des herrschenden Grunds, oder deme diese Dienstbarkeit gebühret, ohne Widerrede durch drei Jahr und achtzehen Wochen dabei beruhet, ist die Dienstbarkeit, welche nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket ist, erloschen und für erlassen zu achten. Jene Dienstbarkeit hingegen, welche in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschrieben ist, erlöschet zwar durch die alleinige Verjährungszeit nicht, sondern diese giebt bloß dem Herrn des dienstbaren Grunds die Befugniß, deren Auslöschung und die Befreiung seines Grunds, so lange der herrschende Grund in Handen dessen, welcher bei dem Verbot beruhet, befindlich ist, anzusuchen. Wo aber der herrschende Grund vor der bewirkten Auslöschung an einen Dritten veräußert würde, bleibt die Dienstbarkeit nach wie vor auf dem dienstbaren Grund haften, und kann die Vergänglichkeit des vorigen Besitzers nur ihme selbst und seinen Erben, nicht aber einem dritten Besitzer schaden.

[2, 27, § 6] 65. Wo aber der Herr des herrschenden Grunds, oder Jener, welchem das Recht der Dienstbarkeit zukommt, etwas wissentlich auf dem dienstbaren Grund erbauen oder geschehen ließe, wodurch er für allzeit von dem Gebrauch der Dienstbarkeit ausgeschlossen würde, ohne dagegen etwas einzuwenden, bedarf es zur Verlustigung dieses seines Rechts der Dienstbarkeit gar keines Zeitlaufs, sondern die wissentliche Verstattung und Erlaubniß eines solchen den Gebrauch der Dienstbarkeit für allzeit ausschließenden Werks begreift in sich deren stillschweigende Erlassung, wann auch solche auf dem dienstbaren Grund noch wirklich vorgemerket wäre.

[2, 27, § 6] 66. Damit jedoch eine Dienstbarkeit durch deren Nichtgebrauch verloren werden möge, muß Derjenige, deme sie angebühret, im Stande sie zu gebrauchen, und nicht etwan durch länger anhaltenden Nothfall, oder sonstige aus höherer Gewalt herrührende Ehehaften hieran verhinderet gewesen sein, und beinebst auch die Macht gehabt haben, sein Recht vergeben zu können.

(2-487) Caput XXVIII.

Von persönlichen Dienstbarkeiten.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von dem Nießbrauch.

§. I. Die Bestellung des Nießbrauchs. §. II. Von Dingen, woran der Nießbrauch bestellet werden könne. §. III. Von Wirkungen des Nießbrauchs. §. IV. Von Beendigung des Nießbrauchs.

§. I.

[2, 28, § 1] Num. 1. Die ordentliche persönliche Dienstbarkeiten, welche ihrer Natur und Eigenschaft nach nur zum Nutzen der Person bestellet werden, sind dreierlei, als: Erstens der Nießbrauch, zweitens der Gebrauch eines Dings, drittens die häusliche Wohnung. Nach diesen drei Gattungen wird gegenwärtiges Capitel in drei Artikel abgetheilet, und in deren ersteren von dem Nießbrauch, in denen folgenden zweien aber von denen übrigen zweien Gattungen gehandlet.

[2, 28, § 1] 2. Der Nießbrauch wird auch anderst der Fruchtgenuß, die Nutznießung, das Leibgeding oder die Leibzucht genannt, und ist eine Befugniß und Gerechtigkeit

(2-488) fremde Sachen zu gebrauchen und zu genießen, ohne daß jedoch deren Wesen geschmäleret und verminderet werde.

[2, 28, § 1] 3. Diese Art der persönlichen Dienstbarkeit giebt demnach Demjenigen, welchem sie gebühret, die Macht alle und jede Nutzung von dem Gut, woran sie bestellet worden, zu seiner Nothdurft, Nutzen, Lust und Bequemlichkeit einzuheben, zu genießen, und sich des Guts nach Wohlgefallen zu gebrauchen, wann nur dessen Wesenheit nicht geänderet, geschmäleret und verringeret wird.

[2, 28, § 1] 4. In dieser seiner Wirkung kommt zwar der Nießbrauch mit dem nutzbaren Eigenthum überein, unterscheidet sich aber von solchem hauptsächlich darinnen, daß dem Nutznießer an dem Gut, woran er den Nießbrauch hat, gar kein Eigenthum gebühre, sondern dieses einzig und allein dem Eigenthümer verbleibe, folglich auch, wo das Gut von einem Dritten ansprüchig würde, der Eigenthümer allein mit der Eigenthumsklage verfahren, der Nutznießer hingegen bloß mit der aus der Natur aller Dienstbarkeiten entspringenden Rechtsforderung, und nicht wie ein nutzbarer Eigenthümer mittelst der nutzbaren Eigenthumsklage, sein Recht suchen und behaupten könne.

[2, 28, § 1] 5. Ferners gehet das nutzbare Eigenthum seiner Natur nach auf die Erben, wann solches nicht namentlich auf die Person, welcher es verliehen worden, beschränket wird; in Gegentheil erlöschet der Nießbrauch mit der Person dessen, welchem solcher bestellet wird, wann dessen Vererbung nicht ausdrücklich verstattet oder ausbedungen worden.

[2, 28, § 1] 6. Der Nießbrauch wird nach Maßgebung dessen, was davon in gleich vorhergehendem Capitel, §. III. geordnet worden, entweder von dem Gesatz, oder von dem Richter, oder willkürlich Einem von dem Anderen bestellet, wann dieser das volle, freie, unwiderrufliche, und in der Verwaltung uneingeschränkte Eigenthum des Guts hat.

[2, 28, § 1] 7. Die Bestellung kann sowohl durch lebzeitige, als letztwillige Handlungen geschehen, wie nicht weniger der Nießbrauch durch rechtmäßige Verjährung erworben werden, doch auf liegenden Gütern, und hieran haftenden Rechten niemalen anderst, als mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern; widrigens wirket dieselbe nur eine persönliche Verbindlichkeit des Bestellenden, keineswegs aber ein dingliches Recht, noch weniger die Behaftung des Grunds.

[2, 28, § 1] 8. Wie der Nießbrauch durch letztwillige Anordnungen bestellet werde, ist allschon oben in sechzehenten Capitel, zweiten Artikel, §. XI. ausführlich erkläret worden, wobei nur noch dieses anzumerken ist, daß der verschaffte Nießbrauch und auch die anderen persönlichen Dienstbarkeiten, wann sie keinen verschiebenden Beisatz haben, nicht weniger wie alle andere unbedingte Vermächtnissen von dem Tag des Absterbens des Erblassers gebühren, mithin deswegen von der gemeinen Regel, welche in vorbemeltem Capitel, drittem Artikel, §. XXII, festgesetzet worden, kein Abfall statt habe.

§. II.

[2, 28, § 2] 9. Der Nießbrauch kann an allen Dingen bestellet werden, welche im Handel und Wandel sind, und durch den Gebrauch nicht verthan und verzehret werden, sie mögen beweglich oder unbeweglich, körperlich oder unkörperlich sein.

[2, 28, § 2] 10. An jenen Dingen hingegen, welche durch den Gebrauch verthan und verzehret werden, kann kein Nießbrauch bestehen, sondern wo jegleichwohlen derselbe hieran bestellet würde, ist die Handlung nach dem Unterschied, ob davon ebensoviel, oder der angeschlagene Werth zuruckzustellen bedungen oder auferleget worden, ersteren Falls für ein Darlehen, und letzteren Falls für einen Kauf zu achten.

[2, 28, § 2] 11. Woferne aber der Nießbrauch des gesammten Hab und Vermögens Jemanden verschaffet worden wäre, worunter sich solche Dinge befände, die sich nicht aufbehalten ließen, sondern durch den Gebrauch verthan und verzehret würden,


(2-489) solchen Falls sollen dieselbe durch die gerichtliche Versteigerung veräußeret, das erlöste Geld sicher angeleget, und die davon abfallende Zinsen dem Nutznießenden zum Gebrauch überlassen werden.

[2, 28, § 2] 12. Auf liegenden Gütern, und hieran landtäflich, stadt- oder grundbücherlich haftenden Rechten kann der Nießbrauch vorbesagter Maßen nicht anderst, als mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern bestellet werden.

[2, 28, § 2] 13. Gebühret der Nießbrauch von einem Recht, so hat der Nutznießende lediglich dessen Ausübung, und den Gebrauch und Genuß der damit verknüpften Vortheilen, das Recht selbst aber bleibet bei deme, welchem es eigenthumlich zukommt, und wo Jemand die Nutznießung von einem Capital hat, so gehören ihme die Zinsen davon, das Capital aber dem Eigenthümer.

[2, 28, § 2] 14. Wann der Nießbrauch an Fahrnissen und beweglichen Sachen verschaffet würde, sollen dieselbe je und allzeit vor deren Ausantwortung an den Nutznießenden gerichtlich beschrieben, geschätzet, und deren Werth in dem Inventario zugleich angemerket werden, um damit bei Endigung des Nießbrauchs ohne Anstand wissend sein könne, was und wie viel, oder was für ein Werth für das Abgängige dem Eigenthümer zuruckzustellen seie; was aber davon durch den mäßigen Gebrauch abgenutzet worden, dafür ist der Nutznießer oder dessen Erben nicht verfänglich, wann seine Schuld dabei nicht unterwaltet.

[2, 28, § 2] 15. Wo aber durch lebzeitige Handlungen der Nießbrauch an beweglichen Dingen bestellet würde, solle es der eigenen Willkür des Eigenthümers überlassen bleiben, wie er sich des Eigenthums halber sicherstellen wolle.

[2, 28, § 2] 16. Niemalen hingegen solle ein dritter Besitzer, welcher eine solche bewegliche Sache mit guten Glauben, und ohne von dem fremden Eigenthum etwas zu wissen, durch eine aufrechte Handlung an sich gebracht, deshalben angefochten werden können, sondern dem Eigenthümer seine Entschädigung an dem Nutznießenden allein zu suchen bevorstehen.

[2, 28, § 2] 17. Insgemein ist der Nutznießende zu keiner Sicherstellung des Guts, woran ihme der Nießbrauch gebühret, verbunden, wann solche von dem Erblasser nicht auferleget, oder von dem Bestellenden ausbedungen worden, welchen Falls dieselbe so und nicht anderst, als wie sie vorgeschrieben worden, von ihme zu leisten ist, wobei es dann auch bei lebzeitigen Bestellungen sein ohnabänderliches Bewenden hat.

[2, 28, § 2] 18. Wäre aber Jener, deme der Nießbrauch eines Guts durch letzten Willen verschaffet worden, erweislicher Maßen nicht im Stande die von dem Erblasser anverlangte Sicherstellung aufzubringen, und sonst keine Gefährde zu besorgen, so ist demselben mittlerweil, und bis daß er zu Kräften gelange der Auflage Genügen zu thun, gegen eidlicher Angelobung und Verstrickung, daß er sich des Guts wirthschaftlich gebrauchen, und selbes nach geendigtem Nießbrauch in guten Stand zuruckstellen wolle, der Nießbrauch zu verstatten.

[2, 28, § 2] 19. Würde in Gegentheil wegen dessen unwirthlichen Betragen, oder wegen überhäufter Schuldenlast ein gegründetes Bedenken fürwalten ihme das Gut ohne aller Sicherheit anzuvertrauen, so solle hierüber ein Sequester unter der Verrechnung bestellet, und ihme für die Zeit des fürwährenden Nießbrauchs die Einkünften davon verabfolget werden.

[2, 28, § 2] 20. Auch außer dem Fall einer ausdrücklich auferlegten oder ausbedungenen Sicherstellung stehet dem Eigenthümer des Guts allzeit frei, wann er die aus der üblen Verwaltung des Nutznießers bevorstehende Gefahr der Schmälerung und Verkürzung des Guts erweisen kann, den Nutznießer deshalben sowohl um den Ersatz des bereits an dem Gut erweislich zugefügten Schadens, als um die Sicherstellung für das Künftige zu belangen.

[2, 28, § 2] 21. Wo aber von ihme weder das Eine, noch das Andere zu erhalten wäre, solle demselben die eigene Verwaltung benommen, und solche einem eigends aufstellenden Sequester unter der Verrechnung anvertrauet, aus den abfallenden Einkünften

(2-490) der verursachte Schaden ersetzet, und das, was hieran erübriget wird, dem Nutznießer für die Zeit seines fürwährenden Nießbrauchs verabfolget, widrigens aber, wo der Schaden so beträchtlich wäre, daß solcher aus einjährigen Einkünften nicht ersetzet werden könnte, der Nießbrauch verwirket, und sofort mit dem Eigenthum vereinbaret werden.

[2, 28, § 2] 22. Uebrigens kann der Nießbrauch eines Guts ganz oder zum Theil, oder auch an einem Gut Mehreren zusammen zu ungeschiedenen Theilen bestellet werden, in welchem letzteren Fall zwar das Recht selbst untheilbar ist, die Nutzungen aber unter Alle vertheilet werden.

§. III.

[2, 28, § 3] 23. Die Wirkungen des an liegenden Gütern und hieran haftenden Rechten mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, und an beweglichen Dingen mittelst der Uebergabe ordentlich bestellten Nießbrauchs bestehen an Seiten des Nutznießenden sowohl in den daherrührenden Vortheilen, als den damit verknüpften Schuldigkeiten.

[2, 28, § 3] 24. Die Vortheile betreffen viererlei Gegenstände, als: Erstens den Besitz des nutznießenden Guts, zweitens die Behelfe, ohne welchen die Nutznießung nicht in Ausübung gebracht werden kann, drittens die völlige Nutzung des Guts, viertens die daher gebührende Rechtsforderungen und rechtliche Hilfsmitteln wider die Beeinträchtigung eines Anderen.

[2, 28, § 3] 25. Das einmal bestellte Recht des Nießbrauchs stehet dem Nutznießer eigenthumlich zu, nicht aber das Gut, woran ihme dasselbe gebühret; folglich besitzet er zwar das Recht des Nießbrauchs eigenthumlich an dem nutznießenden Gut, hingegen hat er nur jenen rechtlichen Besitz, welcher nicht mit der Absicht und Meinung solches als sein Eigen innen zu haben verknüpfet ist.

[2, 28, § 3] 26. Er ist dahero befugt Alles das zu thun und zu veranstalten, ohne welchem er dieses sein Recht nicht ausüben, und das Gut nicht nutzen und genießen kann, als Scheunen und Speicher zu Verwahrung der Früchten, und andere nöthige Wirthschaftsgebäude zu errichten, Gärten und Teiche anzulegen, und überhaupt Alles vorzukehren, wodurch der Nutzen vermehret, das Eigenthum des Grunds aber nicht geschmäleret und verringeret wird.

[2, 28, § 3] 27. Dahingegen ist ihme nicht erlaubet außer jenen Gebäuden, welche zu dem Wirthschaftstrieb unumgänglich erforderlich sind, andere Wohn- und Lustgebäude wider Willen des Eigenthümers zu bauen, oder den bei Antritt des Nießbrauchs vorgefundenen noch unvollkommenen Bau auszuführen, oder ein gebautes Haus zu änderen.

[2, 28, § 3] 28. Was aber von ihme eingebauet wird, folget dem Grundeigenthum, und kann er oder dessen Erben nicht nur für das, was er ohne Noth auf die Gebäude verwendet, nach geendigtem Nießbrauch keinen Ersatz der Kosten von dem Eigenthümer anforderen, sondern derselbe ist gegentheils verbunden, wann das neue Gebäu oder die geänderte Gestalt des alten dem Eigenthümer nicht anständig ist, solches auf eigene Unkosten anwiederum abzutragen und hinwegzuraumen, oder die vorige Gestalt herzustellen, wie nicht weniger allenfalls den dem Grund andurch zugefügten erweislichen Schaden zu vergüten.

[2, 28, § 3] 29. Er hat ferners die Macht das Gut, woran ihme der Nießbrauch zustehet, vollkommen zu nutzen und zu genießen, folglich alle wie immer Namen habende Nutzungen, sie bestehen in Früchten, Zinsen, Pacht- und Bestandgeldern, Zöllen, Zehenten, Renten, Fischfang, Waidwerk, Forst- und Waldnutzen, Steinbrüchen, Ausbeuten aus den, es sei vor oder erst nach bestelltem Nießbrauch, entdeckten Bergwerken, oder in was sonst immer für anderen Einkünften selbst, oder durch Andere einzuheben, zu genießen, zu verkaufen, zu verpfänden, zu verpachten, und in Bestand zu lassen, oder zu verschenken.

[2, 28, § 3] 30. Wo aber auf dem nutznießenden Gut ein Schatz gefunden würde, hat

(2-491) er hieran keinen Antheil, außer in dem Fall, da er solchen selbst gehoben hätte, in der oben in vierten Capitel, §. V, num. 97 angeordneten Maß.

[2, 28, § 3] 31. Wann hingegen das nutznießende Gut durch einen Zugang oder Zuwachs vermehret und verbesseret worden wäre, kann er zwar auch diesen Zuwachs in seiner Art benutzen und genießen, dessen Eigenthum aber bleibet dem Grundeigenthümer vorbehalten.

[2, 28, § 3] 32. Desgleichen kann er alle dem nutznießenden Gut anklebende Grunddienstbarkeiten, und die hieran haftende Rechten ausüben, als da sind die Gerichtsbarkeit, das Verleihungsrecht der Pfarren, das Jagd- und Forstrecht, und überhaupt alle wie immer Namen habende dem Gut zustehende Gerechtigkeiten.

[2, 28, § 3] 33. Endlich kann er nicht allein das Gut sowohl zu seiner Nothdurft und Nutzen, als zur Lust und Bequemlichkeit selbst gebrauchen, wann es andurch nicht verschlimmeret wird, sondern auch in eben dieser Maße die Macht solches ganz oder zum Theil zu nutzen, zu genießen und zu gebrauchen für die Zeit seiner Inhabung an Andere kauf-, pacht- oder schankungsweise, oder auf was immer für andere Art überlassen.

[2, 28, § 3] 34. Das Recht des Nießbrauchs aber selbst ist er nicht befugt an Andere abzutreten und zu veräußeren, sondern, wo er sich dessen unterfinge, wirket die Veräußerung oder Abtretung sofort die Verlustigung des Nießbrauchs an Seiten des Nutznießers, und dessen Anheimfallung an den Grundeigenthümer.

[2, 28, § 3] 35. Woferne jedoch derselbe in dem Gebrauch und Genuß seines Rechts gestöret oder beeinträchtiget würde, gebühren ihme nicht nur alle aus dem rechtlichen Besitz fließende Hilfsmitteln, sondern auch die aus der Natur aller Dienstbarkeiten herrührende, in vorigen Capitel, §. V, von num. 44 bis 48 beschriebene Rechtsforderung zur Behauptung und Erhaltung seines Rechts.

[2, 28, § 3] 36. Dagegen ist der Nutznießer schuldig: Erstens, das nutznießende Gut in seinem Wesen und Gestalt so, wie er es angetreten, ohne Schmälerung und ungeänderet zu belassen, folglich das Gut zu keinem anderen Gebrauch, als es sonst von dem Eigenthümer gebrauchet und genossen worden, oder seiner natürlichen Beschaffenheit nach genutzet werden mag, anzuwenden.

[2, 28, § 3] 37. Er ist dahero nicht befugt, zum Schaden Aecker in Wiesen, oder diese in Aecker zu verwandlen, Wälder auszuhauen, Teiche auszutrocknen, und sonst etwas dergleichen zu thun, wodurch die vorige Gestalt geänderet würde, obschon ihme nicht verwehret ist Oedungen anzubauen, und auf was immer für eine dem Grundeigenthum unschädliche Art in nutzbaren und fruchtbringenden Stand zu setzen.

[2, 28, § 3] 38. Zweitens, das Gut in dessen Gebrauch und Benutzung nicht zu schmäleren und zu verringeren, sondern dasselbe in guten Stand zu erhalten, die Aecker, Gärten und Weinberge wirthschaftlich zu bestellen, alle zu dem Anbau, Fechsung und Erhaltung in baulichen Stande nöthige Kosten selbst zu tragen, die baufälligen Gebäude mit eigenen Aufwand herzustellen, das beigelassene Vieh in seiner Gattung und vollzähliger Zahl, in welcher er solche angetreten, zu erhalten, mithin den Abgang aus dem Zuwachs zu ersetzen, wie nicht weniger anstatt der umgestandenen fruchttragenden Bäumen neue von eben dieser Art und Eigenschaft, oder doch wenigstens von nicht geringerer Nutzbarkeit auszusetzen.

[2, 28, § 3] 39. Wo aber die ganze Heerde Viehs durch Seuche oder sonstigen Zufall ohne seiner oder der Seinigen Schuld umkäme, oder Obstbäume von der Gewalt des Winds ausgerissen oder abgebrochen würden, dafür ist er keineswegs verfänglich.

[2, 28, § 3] 40. Drittens, in dem Gebrauch und Genuß des Guts sich, wie es einem guten Haushalter geziemet, zu betragen, folglich den Nutzen nicht völlig zu erschöpfen, und dem Eigenthümer das leere Nachsehen zu lassen.

[2, 28, § 3] 41. Er ist demnach nicht berechtiget sich von deme, was von einem erschöpflichen Nutzen ist, als Waldungen, Erzgruben, Steinbrüche u. dgl., ein Mehreres zuzueignen, als was nach dem ordentlichen Wirthschaftstrieb in einem jedwedem

(2-492) Jahrgang zur eigenen Nothdurft oder zum Verkauf verwendet zu werden pfleget; was aber diese Maß übersteiget, dieses ist dem Eigenthümer zu ersetzen.

[2, 28, § 3] 42. Eben also kann der Nutznießer von übermäßigen Windbrüchen nur so viel zu seinem Nutzen verbrauchen, als der gewöhnliche jährliche Holzschlag beträgt; was aber nach geendigten Nießbrauch noch davon vorhanden ist, gehöret dem Eigenthümer, und was währenden Nießbrauchs hiervon über die Gebühr verwendet worden, ist demselben zu vergüten.

[2, 28, § 3] 43. Viertens, ist der Nutznießer verbunden in der Verwaltung des nutznießenden Guts allen gebührenden Fleiß, wie es einem sorgfältigen Haushalter zustehet, anzukehren, und so viel bei ihme stehet, Schaden und Nachtheil abzuwenden, folgsam auch für allen aus seiner Gefährde, großen oder leichten Schuld an dem Gut erwachsenen Schaden zu haften; für Unglücksfälle hingegen wird derselbe nicht verantwortlich.

[2, 28, § 3] 44. Fünftens, alle von dem nutznießenden Gut gebührende sowohl ordentliche als außerordentliche Steuern und Anlagen zu tragen und zu entrichten; es würden dann bei vorfallender Staatserforderniß so große außerordentliche Gaben oder Darlehen von dem Gut geforderet, welche die jährliche Nutzungen größtentheils erschöpfeten oder gar überstiegen, in welchem Fall der Eigenthümer solche abzutragen, der Nutznießer hingegen die Zinsen von der abgestatteten Summe zu bezahlen hat.

[2, 28, § 3] 45. Sechstens, desgleichen hat derselbe alle andere auf dem Gut haftende, oder nach der Zeit aus obrigkeitlicher Anordnung demselben aufliegende Abgaben zu entrichten, und überhaupt sowohl alle Haftungen, als auch die zu dem Wirthschaftstrieb erforderliche Kosten zu tragen.

[2, 28, § 3] 46. Siebentens, wo vor dem angetretenen Nießbrauch Schulden auf dem Gut hafteten, wird das Recht des Nießbrauchs lediglich auf das, was nach Abzug der Schulden und der davon gebührenden Zinsen erübriget, beschränket, also zwar, daß er nicht allein die Zinsen aus den Einkünften zu bezahlen, sondern auch zu gestatten schuldig seie, daß, wo der Glaubiger auf die Bezahlung des Capitals andringet, so viel, als zu dessen Befriedigung nöthig ist, von dem Gut selbst veräußeret werde.

[2, 28, § 3] 47. Achtens, alle Gerichtsunkosten auf die Vertheidigung des von einem Dritten ansprüchig gemachten Nießbrauchs fallen dem Nutznießer allein zur Last, gleichwie im Gegentheil, wo das Eigenthum ganz oder zum Theil angestritten würde, dem Eigenthümer allein oblieget, die Unkosten zu tragen, obschon dem Nutznießer aus dem behaupteten Eigenthum ein mehrerer Nutzen und Vortheil zugehet.

[2, 28, § 3] 48. An Seiten des Eigenthümers wirket das einem Anderen bestellte Recht des Nießbrauchs die Verbindlichkeit, daß er nichts thun könne, wodurch der Nutznießer in dem vollen Gebrauch und Genuß des Guts gehinderet und gestöret würde, sondern gegentheils Alles, ohne welchem das Gut nicht genutzet werden könnte, zu verstatten, sowie Jenes, wodurch der Gebrauch gehinderet wird, aus dem Weg zu raumen schuldig seie, doch nur in derjenigen Maß, wie das Gut vor bestelltem Nießbrauch genutzet worden, oder seiner damaligen Beschaffenheit nach genutzet werden können.

[2, 28, § 3] 49. Nicht weniger ist er verbunden das Gut wider die auf das Eigenthum machende Ansprüche eines Dritten auf eigene Unkosten zu verfechten und zu vertheidigen, folglich den Rechtsstritt auszuführen, ohne deshalben an dem Nutznießer einigen Ersatz der Unkosten anforderen zu können.

[2, 28, § 3] 50. Dahingegen ist demselben nicht verwehret das Eigenthum des Guts, worauf der Nießbrauch haftet, auch ohne Einwilligung des Nutznießers nach Gefallen zu veräußeren und zu verpfänden, jedoch allemal ohne Nachtheil und Verkürzung des Nutznießers, also und dergestalten, daß währendem Nießbrauch weder

(2-493) der Kaufer sich an dem Gut eines mehreren Rechts, als der Verkaufer gehabt, anmaßen, noch der hierauf versicherte Glaubiger sich hieran wegen Bezahlung der Schuld oder der Zinsen, so lange der vor seiner Versicherung bestellte Nießbrauch daueret, halten könne.

§. IV.

[2, 28, § 4] 51. Der Nießbrauch erlöschet: Erstens, durch Absterben der Person, welcher er bestellet worden, obschon dieselbe noch ehender verstorben, ehe und bevor sie zu dem wirklichen Genuß gelanget, oder die Zeit, bis dahin der Nießbrauch fürzuwehren gehabt hätte, noch nicht verflossen wäre. Doch gehören die Früchten und Nutzungen, welche nach bestelltem Nießbrauch noch bei Lebzeiten des Nutznießers eingehoben und eingesammlet worden oder verfallen sind, ehe und bevor er zu dem Besitz des Nießbrauchs gelanget, seinen Erben.

[2, 28, § 4] 52. Es seie dann, daß der Nießbrauch ausdrücklich auch denen Erben verliehen worden wäre, welchen Falls dieselben zwar in den Nießbrauch, nicht aber aus einem von dem Erblasser auf sie übertragenen Recht, sondern aus der Nachberufung des Verleihenden eintreten.

[2, 28, § 4] 53. Wo aber in der Verleihung und Bestellung des Nießbrauchs nicht namentlich der Personen der Erben, sondern ihrer nur überhaupt gedacht würde, solle solche nur von denen ersten Erben des Erwerbenden verstanden werden, und nach deren Abgang der Nießbrauch sofort dem Eigenthümer anheimfallen; wann doch Jemand in der Bestellung des Nießbrauchs mehrere Grade der Nachberufung, welche alle zu ihrer Wirksamkeit kommen sollen, machen wollte, ist derselbe an Beobachtung alles dessen gebunden, was oben von der vertraulichen Erbsnachberufung im dreizehenten Capitel, zweiten Artikel, §. VI, num. 85 und 86 geordnet worden.

[2, 28, § 4] 54. Ist der Nießbrauch Mehreren zusammen verliehen worden, deren Einer abginge, so hat in Ansehung der Anderen kein Recht des Zuwachses statt, sondern der erledigte Theil der Nutzung fallt dem Eigenthümer anheim, außer jenen Fällen, welche im sechzehenten Capitel, ersten Artikel, §. III ausgenommen sind.

[2, 28, § 4] 55. Wäre hingegen der Nießbrauch einem Mittel oder Gemeinde, welche niemalen abstirbt, ohne Bestimmung einer Zeit, wie lang solcher fürzuwähren habe, bestellet worden, währet derselbe auch so lange, als die Gemeinde fort; wo aber diese erlöschen oder aufgelöset würde, hat auch der Nießbrauch sein Ende, und fallt an das Eigenthum zuruck.

[2, 28, § 4] 56. Zweitens, durch die Unfähigkeit des Nutznießers das Gut weiters zu besitzen und zu genießen, welche sich andurch ereignet, wann derselbe durch Ablegung feierlicher Ordensgelübden sich des Besitzes zeitlicher Güter unfähig macht, oder ein Verbrechen begehet, worauf die Einziehung der Güter zu Handen Unserer Kammer ausgesetzet ist.

[2, 28, § 4] 57. Drittens, durch Verlauf der Zeit oder Erfolg der Bedingniß, bis dahin der Nießbrauch verliehen worden; viertens, durch Uebertretung der vorgeschriebenen Maß, wann andurch der Nutznießer dem Gut einen solchen erweislichen Schaden zufüget, zu wessen Ersatz die gesammten Einkünften eines Jahrs nicht zureichend, noch auch er Denselben aus anderweiten Mitteln zu vergüten im Stande ist, oder wann er dagegen Demjenigen nicht Genügen leistet, was ihme in Ansehung des verliehenen Nießbrauchs zu thun oder zu leisten auferleget worden.

[2, 28, § 4] 58. Fünftens, durch Abtretung und Veräußerung des Nießbrauchs an einen Dritten, wann nemlich der Nutznießer das Recht des Nießbrauchs selbst an eine in der Verleihung nicht mitbegriffene Person überläßt, obschon er den Nutzen und die Früchten an Andere verkaufen, verpfänden, verpachten, verschenken, und solche durch Andere in seinem Namen, wiewohlen zu ihren Handen einheben lassen kann.

[2, 28, § 4] 59. Sechstens, durch alle diejenige allen Dienstbarkeiten gemeine Beendigungsarten,

(2-494) welche in gleichvorhergehenden siebenundzwanzigsten Capitel, §. VI beschrieben worden.

[2, 28, § 4] 60. Durch Veränderung des Eigenthümers aber höret der Nießbrauch nicht auf, sondern das Eigenthum möge an wen immer veräußeret oder vererbet werden, so währet doch der Nießbrauch allzeit fort, es wäre dann, daß an den Nutznießer selbst das Eigenthum des Guts, woran ihme der Nießbrauch zugestanden, gelangete, welchen Falls das Recht des Nießbrauchs durch die Vereinbarung mit dem Eigenthum erlöschet.

[2, 28, § 4] 61. In allen vorbemerkten Fällen kehret der Nießbrauch zu dem Eigenthum zuruck, und der abtretende Nutznießer oder dessen Erben sind schuldig, das Gut, woran die Nutznießung gebühret hat, mit allen seinen Zugehörungen und Beilässen in demjenigen Stand, in welchem es von dem Nutznießer angetreten worden, dem Eigenthümer zuruckzustellen, und um was solches aus Schuld des Nutznießers verringeret worden, demselben zu vergüten.

[2, 28, § 4] 62. Was aber an schon eingehobenen und eingesammleten Früchten und Nutzungen vorhändig ist, gehöret dem abtretenden Nutznießer oder seinen Erben, worunter Alles begriffen wird, was schon von dem Erdboden abgesönderet ist, obschon es noch nicht eingeführet und wirklich eingebracht worden. Dahingegen hat weder er noch seine Erben an denen zur Zeit des geendigten Nießbrauchs noch hangenden Früchten einigen Anspruch, sondern, gleichwie der Nutznießer die zur Zeit des angetretenen Nießbrauchs hangende Früchten gewinnet, also ist er auch solche bei dessen Endigung dem Eigenthümer zu überlassen schuldig.

[2, 28, § 4] 63. Doch müssen in solchem Fall dem abtretenden Nutznießer oder dessen Erben alle in dem letzten Jahrgang auf die Bestellung der Aecker, Gärten und Weinbergen und dem sonstigen Wirthschaftstrieb, wovon der Nutzen erst erwartet wird, erweislich ausgelegte nöthige Kosten, welche nicht von dem Gut selbst, sondern mit eigenem Aufwand bestritten worden, von dem Eigenthümer vergütet werden.

[2, 28, § 4] 64. So viel es hingegen die ausständigen Zinsen, Pacht- und Bestandgelder, dann Frohndiensten oder Roboten anbelanget, so gehören solche bis auf den Tag des geendigten Nießbrauchs dem Nutznießer oder dessen Erben, von diesem Tag aber anzufangen gebühren sie dem Eigenthümer, und hat hierbei überhaupt jene Abtheilung statt, welche oben im dreizehenten Capitel, zweiter Artikel, §. X von num. 244 bis 247 bei der Nachfolge in Trau- oder Fideicommißgütern vorgeschrieben worden.

[2, 28, § 4] 65. An denen auf das Gut selbst verwendeten Kosten kann der abtretende Nutznießer oder dessen Erben nur jene zuruckforderen, welche derselbe aus erweislicher Nothwendigkeit zur beharrlichen Erhaltung des Guts auszulegen bemüßiget ware; jene hingegen, welche auf dessen zeitweilige Pflegung und Erhaltung auch nothwendig aufgewendet worden, hat er selbst zu tragen.

[2, 28, § 4] 66. Noch weniger kann er oder dessen Erben den Ersatz des zu seinem mehreren Nutzen oder zur Lust gemachten Aufwands zuruckforderen, sondern ihme stehet bloß frei, das, was ohne Beschädigung des Grund füglich hiervon abgesönderet werden kann, mit sich hinwegzunehmen, was aber ohnabsönderlich ist, hat bei dem Grund zu verbleiben, ohne Verfänglichkeit eines Ersatzes.

(2-495) Zweiter Artikel.

Von dem Gebrauch eines Dings.

§. V. Von Unterschied des bloßen Gebrauchs von dem Nießbrauch. §. VI. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung des Gebrauchs.

§. V.

[2, 28, § 5] 67. Die zweite ordentliche persönliche Dienstbarkeit ist der Gebrauch eines Dings oder Guts, welcher nichts Anderes ist, als eine Befugniß und Gerechtigkeit, sich eines fremden Guts zu seiner täglichen Nothdurft ohne dessen Schmälerung und Verringerung zu gebrauchen.

[2, 28, § 5] 68. Diese Dienstbarkeit kommt zwar in ihrer Bestellungs- und Beendigungsart mit dem Nießbrauch vollkommen überein, sie unterscheidet sich aber von diesem in der Art und Weis des Gebrauchs, und in ihrer Wirkung.

[2, 28, § 5] 69. Dann der Gebrauch begreift seiner Natur und Eigenschaft nach weniger Nutzen in sich, als der Nießbrauch; maßen dieser überhaupt alle aus dem Gut erzeugende Nutzungen, wann gleich solche die tägliche Nothdurft weit übertreffen, dem Nutznießenden zueignet.

[2, 28, § 5] 70. Dahingegen der bloße Gebrauch einzig und allein auf die tägliche Nothdurft des Gebrauchenden, und der Seinigen beschränket ist; was aber über die tägliche Nothdurft an Nutzungen erübriget wird, gehöret dem Eigenthümer.

[2, 28, § 5] 71. Es ist dahero allemal darauf zu sehen, ob in der Bestellung oder Verleihung der Gebrauch oder der Nießbrauch erwähnet werde; die Worte zu seiner Nothdurft oder zur täglichen Nothdurft mögen darbei ausgedrucket worden sein, oder nicht.

[2, 28, § 5] 72. Nachdeme also der Verleihende die dem Anderen an seinem Gut verstattete Dienstbarkeit einen Gebrauch oder Nießbrauch nennet, hiernach ist auch dessen Recht und Befugniß abzumessen, und solle weder der Beisatz zur Nothdurft die aus der Natur der bestellten Dienstbarkeit angebührende Gerechtigkeit des Anderen verminderen, noch dessen Auslassung solche in ihrer Art erweiteren können, obschon dem Verleihenden unbenommen ist, durch deutlichere Erklärung dieselbe nach Willkür einzuschränken oder auszudehnen.

§. VI.

[2, 28, § 6] 73. Die Dienstbarkeit des Gebrauchs wird auf die nemliche Art und Weis, und an eben denenjenigen Dingen, wie in vorhergehendem Artikel, §§. I und II von dem Nießbrauch geordnet worden, bestellet und erworben.

(2-496) [2, 28, § 6] 74. Ihre Wirkung bestehet in deme, daß Jener, welchem der Gebrauch eines Guts verliehen worden, sich deren davon abfallenden Früchten und Nutzungen zu seiner und der Seinigen täglichen Nothdurft gebrauchen könne, doch darf der Gebrauch die Maß der Nothdurft für sich und die Seinigen nicht überschreiten.

[2, 28, § 6] 75. Es bleiben dahero nicht allein jene Nutzungen, deren er nicht bedarf, sondern auch von diesen, welche er zu seiner Nothdurft brauchet, das Ueberflüssige, was er nicht bedarf, dem Eigenthümer.

[2, 28, § 6] 76. Also, da Jemanden der Gebrauch einer Heerde Viehs verstattet wird, kann er von der Milch, Butter und Käs nicht mehr, als er zu seiner und der Seinigen täglichen Nahrung hiervon nöthig hat, genießen, und von der Mistung so viel, als er zur Düngung seiner Aecker und Gründen bedarf, gebrauchen, das Uebrige aber so, wie die Kälber, Lämmer, Wolle und Felle oder Häute gehören dem Eigenthümer.

[2, 28, § 6] 77. Hat Jemand den Gebrauch von Zugvieh, als Ochsen oder Pferden, so kann er sich deren sowohl zum Pflügen, als zu seinem anderen nöthigen Fuhrwesen gebrauchen; gehören aber die Pferde nur zum Reiten und nicht im Zug, so darf er sie auch nicht zum Zug anwenden.

[2, 28, § 6] 78. Bei verliehenen Gebrauch eines Gartens kann der hierzu Berechtigte Alles, was in den Garten wächst, zu seiner täglichen Nothdurft daraus nehmen, und sich davon über Winter einen Vorrath sammlen, wie nicht weniger das Gartengebäu selbst bewohnen, und des Gartens auch zu seiner und der Seinigen Lust genießen, nicht aber die Pflanzen oder das Obst auf den Bäumen verkaufen, oder Anderen überlassen.

[2, 28, § 6] 79. Bei dem Gebrauch eines Hauses ist der Gebrauchende befugt nicht allein das Haus zu bewohnen, sondern sich auch aller darzu gehörigen Nutzbarkeiten, als der darauf haftenden Bräugerechtigkeit, des darbei befindlichen Gartens und Grundstücken, wann solche Zugehörungen zu dem Hause sind, wie auch aller dem Hause anklebenden Dienstbarkeiten zu seiner Nothdurft zu bedienen.

[2, 28, § 6] 80. Ist Einem der Gebrauch eines ganzen Guts verliehen worden, so kann derselbe nebst der Wohnung auf dem Gut von allen Nutzungen so vieles nehmen und forderen, als er zu seiner Haushaltung, und seinen und der Seinigen täglichen Auskommen nöthig hat.

[2, 28, § 6] 81. Die Maß des täglichen Gebrauchs ist nach dem Stand und Würde des Gebrauchenden abzumessen, und erstrecket sich solcher nicht allein auf sein Weib und Kinder, sondern auch auf die nöthigen Dienstboten und Hausgesinde, deren derselbe zu seiner Haushaltung unumgänglich bedarf.

[2, 28, § 6] 82. Wird die Nothdurft und Bedürfniß nach der Zeit größer, als z. B. durch die Verehelichung, Zuwachs mehrerer Kinder, Krankheit und Gebrechlichkeit des Alters, und deshalben nöthige mehrere Pflegung, so kommt ihme auch der mehrere Gebrauch in seiner Art, soweit als solcher aus dem Gut, woran er gebühret, erholet werden mag, zu statten, welcher nach Maß der Bedürfniß zu- oder abnimmt, wann nicht ein Anderes bedungen, oder von dem Verleihenden nicht schon eine gewisse Maß festgesetzet worden.

[2, 28, § 6] 83. Er darf aber keineswegs den Gebrauch nach eigenem Belieben und Wohlgefallen durch Aufnehmung Kostgänger oder mehrerer Dienstboten, als er nach seinem Stand nicht nöthig hat, oder durch Aushaltung seiner Verwandten, welchen er den Unterhalt abzureichen nicht verbunden ist, vermehren.

[2, 28, § 6] 84. Dahingegen wird auch der Gebrauch andurch nicht verminderet, wann gleich der Gebrauchende anderweite Mitteln hätte, wovon er sich seine Bedürfnissen anzuschaffen vermögete, oder obschon ihme ein dergleichen Gebrauch von einem Anderen verliehen worden wäre, sondern der Gebrauch ist allemal also auszumessen, als ob der Gebrauchende einzig und allein von daher seine Bedürfnissen herzuholen nöthig hätte.

(2-497) [2, 28, § 6] 85. Wiewohlen aber derselbe jene Nutzungen, die er zu seinem Gebrauch und Genuß erhält, entweder selbst verzehren, oder Anderen verkaufen oder verschenken kann, so ist derselbe doch nicht berechtiget, von denen Nutzungen, welche über seine Nothdurft erübrigen, etwas zu verkaufen oder zu verschenken, noch weniger den Gebrauch selbst auf was immer für Weise an Andere abzutreten oder zu überlassen, oder solchen mit Anderen zu theilen.

[2, 28, § 6] 86. Es seie dann, daß entweder es dem Eigenthümer ganz und gar unschädlich seie, oder der Gebrauchende anderer Gestalt davon keinen Nutzen haben könnte, also da Jemandem der Gebrauch eines Hauses verliehen worden, kann derselbe, wann er das Haus selbst bewohnet, einen Anderen, es seie entgeltlich oder unentgeltlich, zu sich in die Wohnung einnehmen; ohne aber das Haus selbst zu bewohnen, darf er die Wohnung darinnen niemandem Anderem vermiethen, oder auch umsonst zukommen lassen.

[2, 28, § 6] 87. Desgleichen, wo einem Fuhrmann wissentlich, daß er das Fuhrwesen treibe, der Gebrauch eines Zugpferds verstattet wird, stehet ihme frei, solches an Andere zu verdingen, und das Fuhrlohn zu seiner Nothdurft anzuwenden.

[2, 28, § 6] 88. Eben also, wo Jemand den Gebrauch eines weit entlegenen Walds hat, woraus er das Holz mit Vortheil nicht nutzen könnte, hat er die Macht das nach Maß seiner Nothdurft benöthigte Holz zu verkaufen, doch allemal mit Beobachtung des ordnungsmäßigen Holzschlags.

[2, 28, § 6] 89. Wird der Gebrauchende in seinem Recht gestöret und behinderet, so gebühret ihme die zu Behauptung aller Dienstbarkeiten überhaupt hergebrachte Rechtsforderung, und wo über die Maß des Gebrauchs ein Stritt entstünde, hat solche der Richter nach Billigkeit und also zu bestimmen, daß weder der Gebrauchende in seiner täglichen Nothdurft verkürzet, noch auch der Gebrauch über die Gebühr zum Nachtheil des Eigenthümers erweiteret, sondern in denen gemessenen Schranken, welche die Natur dieser Dienstbarkeit mit sich bringt, erhalten werde, wann der Verleihende solche nicht ausdrücklich weiter erstrecket hat.

[2, 28, § 6] 90. Dagegen hat der Gebrauchende in Erhaltung und Pflegung der Sache oder des Guts, woran ihme der Gebrauch zustehet, die nemliche Verbindlichkeit, welche einem Nutznießer oblieget, nur mit dem alleinigen Unterschied, daß er die Steuern, Anlagen und andere auf dem Grund haftende Beschwerden, sowie den nöthigen Aufwand zum Anbau der Gründen und zur Erhaltung der Gebäuden in baulichen Stande nur damals allein zu tragen habe, wann der Gebrauch allen Nutzen des Guts erschöpfet, also daß dem Eigenthümer nichts davon übrig bleibt, woraus er diese Lasten bestreiten könnte.

[2, 28, § 6] 91. Außerdeme hat sie zwar insgemein der Eigenthümer zu tragen, deme all übriger Nutzen über die Bedürfniß des Gebrauchenden zugehet; wo aber der Eigenthümer nicht mehr oder gar weniger Nutzen, als der Gebrauchende von dem Gut hätte, haben auch Beide, sowohl der Gebrauchende, als der Eigenthümer jeder nach Maß des beziehenden Nutzens darzu beizutragen.

[2, 28, § 6] 92. Der Gebrauch wird auf die nemliche Art und Weis, wie es oben im ersten Artikel, §. IV von dem Nießbrauch ausgemessen worden, geendiget, und ist in der Erlöschung dieser zwei Dienstbarkeiten gar kein Unterschied.

(2-498) Dritter Artikel.

Von der häuslichen Wohnung.

§. VII. Von dem Unterschied der Wohnung von dem Gebrauch eines Hauses. §. VIII. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung der Wohnung.

§. VII.

[2, 28, § 7] 93. Die dritte ordentliche persönliche Dienstbarkeit ist die häusliche Wohnung, welche nichts Anderes ist, als eine Gerechtigkeit die Wohnung eines fremden Hauses zu nutzen.

[2, 28, § 7] 94. Sie enthält weniger als der Nießbrauch eines Hauses, begreift aber mehr als die Dienstbarkeit des bloßen Gebrauchs. Wer den Nießbrauch eines Hauses hat, kann allen davon sowohl aus der Wohnung, als aus denen Böden, Kellern, Gewölben, Hausgründen, Bräu-, Schank- und anderen demselben anklebenden Gerechtigkeiten abfallenden Nutzen beziehen, und das Haus auch außer dessen Bewohnung zu was immer für einen anderen nutzbaren Gebrauch, als zur Waarenniederlag, zu Fabriken u. dgl. anwenden.

[2, 28, § 7] 95. Dahingegen beschränket sich die Dienstbarkeit der Wohnung auf die bloße Bewohnung und den hieraus fließenden Nutzen, also daß Jener, deme solche gebühret, sich weder des Gebrauchs der darzu gehörigen Hausgründen, noch deren dem Hause anklebenden Gerechtigkeiten anmaßen, um so minder aber das Haus anderst, als zur Wohnung gebrauchen könne.

[2, 28, § 7] 96. Der Gebrauch des Hauses giebt bloß allein die Befugniß dasselbe zu bewohnen, und die übrigen Nutzbarkeiten nach Maß der Nothdurft zu genießen, nicht aber auch dasselbe an Andere zu vermiethen und zu verlassen, wann es der Gebrauchende nicht selbst mitbewohnt; die Dienstbarkeit der Wohnung aber berechtiget Denjenigen, welchem sie bestellet worden, das Haus auch an Andere, doch zu keinem anderen Gebrauch, als zur Wohnung zu vermiethen und zu verlassen, wann gleich derselbe solches nicht mitbewohnete.

§. VIII.

[2, 28, § 8] 97. In der Bestellungsart kommt diese persönliche Dienstbarkeit mit denen beiden anderen gänzlich überein, also daß auch selbe nicht weniger wie jene, um die Wirkung eines den Grund selbst behaftenden dinglichen Rechts zu haben, die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher erheische.

[2, 28, § 8] 98. Die Wohnung kann Jemandem entweder in dem ganzen Hause, oder in einem Theil desselben bestellet werden, welchen Falls solche nur in diesem benannten, und keinem anderen Ort des Hauses gebühret.

[2, 28, § 8] 99. Worinnen aber die Wohnung verstattet wird, diesen Ort kann der hierzu Berechtigte nicht allein mit seinem Weib, Kindern, Dienstboten und allen Anderen, welche er zu sich in die Wohnung einnimmt, wann sie sonst eines ehrbaren Wandels sind, selbst bewohnen, sondern auch die Wohnung in eben der Maß, wie sie ihme gebühret, an Andere mieth-, pacht- oder bestandweise, oder auch ohne Bezahlung verlassen.

[2, 28, § 8] 100. Dahingegen ist er nicht befugt das Recht der Wohnung selbst an Andere abzutreten und zu überlassen, noch weniger wegen zunehmender Bedürfniß

(2-499) eine größere Wohnung, als ihme verliehen worden, anzubegehren, oder sich anderer Nutzungen aus dem Hause, als welche die Wohnung abwirft, anzumaßen, sondern diese bleiben dem Eigenthümer.

[2, 28, § 8] 101. Er darf auch nicht das Haus zu einem anderen Gebrauch, als lediglich zur Wohnung anwenden, folglich weder die Böden um fremdes Getreid darauf zu schütten, noch die Keller um fremde Weine darein zu legen, an Andere vermiethen.

[2, 28, § 8] 102. Ebensowenig stehet ihme zu, an dem Hause einige Aenderungen vorzunehmen, neue Gebäude aufzuführen, oder die angefangenen zu vollenden, die Zimmer zu erhöhen, Thüren und Fenster zu vergrößeren, oder sonst etwas ab- oder einzubrechen, wann gleich das Haus andurch verbesseret würde, sondern, wo etwas dergleichen von ihme unternommen worden wäre, thut er es auf seine Gefahr, und kann nicht allein dafür keinen Ersatz von dem Eigenthümer anforderen, sondern ist noch über das auf dessen Verlangen Alles in den vorigen Stand auf seine Unkosten herzustellen schuldig.

[2, 28, § 8] 103. Was er aber ohne wesentlicher Aenderung des Gebäudes, es seie zur Zierde oder zu seiner mehreren Bequemlichkeit hinein verwendet, als da er neue Oefen setzen, Doppelthüren oder Winterfenster anschaffen, oder die Zimmer austafeln ließe, alles dieses ist ihme der Eigenthümer bei Abtretung der Wohnung entweder abzulösen, oder dessen Hinwegnehmung zu verstatten verbunden.

[2, 28, § 8] 104. Ueberhaupt hat Derjenige, deme die Dienstbarkeit der Wohnung gebühret, zu Erhaltung des Hauses im Dach und Fach, und zur Tragung der hiervon zu entrichten kommenden Steuern, Anlagen und anderen darauf haftenden Beschwerden nach dem Unterschied des dem Eigenthümer aus dem Hause erübrigenden mehreren oder minderen Nutzens eben dieselbe Verbindlichkeit, welche nach der oben im zweiten Artikel, §. VI, num. 90 und 91 enthaltenen Ausmessung Demjenigen, welchem der Gebrauch eines Guts verliehen worden, zukommt.

[2, 28, § 8] 105. Der Eigenthümer hingegen darf nichts thun oder unternehmen, wodurch der Inwohner in dem Gebrauch und Genuß der Wohnung gestöret oder gehinderet würde, wo aber demselben jegleichwohlen ein Eintrag geschähe, hat er die allen Dienstbarkeiten gemeine Rechtsforderung zu Behauptung seines Rechts, doch ist er die vorfallende nöthige Ausbesserungen unweigerlich zu verstatten, und auch erheischenden Falls für die Zeit, als solche vorgenommen werden, die Wohnung zu raumen schuldig.

[2, 28, § 8] 106. Umsoweniger kann er dem Eigenthümer die Nachsicht im Hause, und die Anstellung und Haltung eines Hausmeisters oder Hausaufsehers verwehren, wann sonst vorhin einer im Hause gewohnet hat; übrigens wird diese Dienstbarkeit auf gleiche Art, wie die beiden anderen persönlichen Dienstbarkeiten geendiget.


(2-500) Caput XXIX.

Von Grunddienstbarkeiten.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Grunddienstbarkeiten überhaupt.

§. I. Von der Natur und Eigenschaft aller Grunddienstbarkeiten. § II. Von deren Eintheilung in Hausdienstbarkeiten in Hausdienstbarkeiten und Felddienstbarkeiten. § III. Von deren Bestellungsart. § IV. Von den Erfordernissen zur Bestellung der Grunddienstbarkeiten. § V. Von deren Wirkung.

§. I.

[2, 29, § 1] Num. 1. Die Grunddienstbarkeiten unterscheiden sich von denen persönlichen, welche in gleich vorhergehendem Capitel abgehandlet worden, in deme, daß sie nicht, wie jene zum Nutzen der Person, sondern zum Nutzen des benachbarten Grunds bestellet werden, folglich auch nicht mit der hierzu berechtigten Person erlöschen, sondern mit dem Grund, deme sie ankleben, auf einen jedweden Besitzer übergehen.

[2, 29, § 1] 2. Weilen aber nach Verschiedenheit der Gründen, denen sie angebühren, andere Hausdienstbarkeiten und andere Felddienstbarkeiten sind, als wird gegenwärtiges Capitel in drei Artikeln abgetheilet, und in deren ersteren Jenes, was beiden Arten der Grunddienstbarkeiten gemein ist, ausgeleget, sonach aber werben in dem zweiten die Hausdienstbarkeiten, und endlich in dem dritten die Felddienstbarkeiten beschrieben.

[2, 29, § 1] 3. Eine Grunddienstbarkeit ist eine auf fremden Grund angebührende Gerechtigkeit, kraft welcher dessen Besitzer zum Nutzen des benachbarten Grunds in dem seinigen etwas zu leiden oder zu unterlassen schuldig ist.

[2, 29, § 1] 4. Sie müssen ihrer Natur nach also beschaffen sein, daß sie nicht allein dem Grund, welchem sie gebühren, zum Nutzen gereichen, sondern auch sowohl das Recht dem herrschenden, als die Schuldigkeit dem dienstbaren Grund unzertrennlich

(2-501) anklebe, und so das eine wie die andere mit dem Grund auf einen jedweden Besitzer übertragen werde.

[2, 29, § 1] 5. Insgemein sind zwar die Grunddienstbarkeiten so wie die Nothdurft oder der Nutzen des Grunds, deme sie angebühren, nach ihrer Eigenschaft allzeit fortwährend; es hinderet aber nicht, daß nicht auch ihre Dauer in der Bestellung aber aus einem nachherigen Beding auf eine gewisse Zeit eingeschränket werden möge.

[2, 29, § 1] 6. Die Dienstbarkeiten müssen allemal erwiesen werden, dann ein jedweder Grund wird an sich selbst für frei und undienstbar vermuthet, solange das Widerspiel nicht dargethan wird, und wo über die Maß des Gebrauchs der Dienstbarkeit ein Zweifel fürwaltete, ist dieselbe überhaupt also auszudeuten, daß solche dem Eigenthümer des dienstbaren Grunds am wenigsten schädlich sei.

§. II.

[2, 29, § 2] 7. Nachdeme die Grunddienstbarkeiten einem Haus- und Wohngebäude, oder aber einem Feld- und Landgut angebühren, davon nehmen sie auch ihre Benamsung an, und heißen die ersteren eigentlich Hausdienstbarkeiten, die letzteren aber Felddienstbarkeiten.

[2, 29, § 2] 8. Von beiden Arten werden die gemeineren in den folgenden zwei Artikeln angeführet und erkläret werden, ohne jedoch alle zu erschöpfen, weilen je und allzeit nach dem erheischenden Nutzen der Gründen andere Befugnissen und Gerechtigkeiten bestellet werden können, welche sich aber aus deme, was hier überhaupt von Grunddienstbarkeiten geordnet wird, leicht beurtheilen lassen.

[2, 29, § 2] 9. Doch kann die nemliche Grunddienstbarkeit in ihrer Art nach dem Unterschied, ob sie einem Haus- und Wohngebäude, oder einem Feld- und Landgut bestellet worden, ersteren Falls eine Hausdienstbarkeit, und letzteren Falls eine Felddienstbarkeit sein.

[2, 29, § 2] 10. Also ist die Dienstbarkeit des Wegs über fremden Grund zu des Nachbarn Acker oder Wald eine Felddienstbarkeit, wo aber der Weg zu des Nachbarn Wohnhaus führet, eine Hausdienstbarkeit.

§. III.

[2, 29, § 3] 11. Die Bestellungs- und Erwerbungsarten der Dienstbarkeiten sind sammt der Fähigkeit der Bestellenden und Erwerbenden bereits oben in siebenundzwanzigstem Capitel, §. 3 und 4 ausführlich erkläret worden.

[2, 29, § 3] 12. Sie können bedingt oder unbedingt, von und bis zu einer gewissen Zeit, wann sie nemlich ihren Anfang oder ihr Ende zu nehmen haben, oder auch zu was für einer Zeit sich derselben gebrauchet werden könne, wie nicht weniger unter einer beigefügten Art und Weis bestellet werden.

[2, 29, § 3] 13. Wird eine Dienstbarkeit Mehreren zusammen bestellet, so ist darauf zu sehen, ob der Nutzen getheilet werden mag oder nicht. Ersteren Falls kann Jeder nur für seinen Antheil die Dienstbarkeit ausüben, letzteren Falls aber ist dieselbe untheilbar, und kann Jeder sich deren in voller Maß gebrauchen; also, da zweien verschiedenen Gründen die Dienstbarkeit des Wegs über des Nachbarns Gründe gebührete, kann auch ein jeder Besitzer dieser Gründen sich des Wegs in ungetheilter Maß bedienen.

§. IV.

[2, 29, § 4] 14. Zur Bestellung einer jedweden Grunddienstbarkeit sind allemal zwei benachbarte Gründe zweierlei Herren erforderlich; dann die Dienstbarkeiten sind Rechten und Eigenschaften der Gründen, folglich muß auch der Grund ehender bestehen, ehe solcher mit einer Dienstbarkeit behaftet, oder ihme ein Recht der Dienstbarkeit zugeeignet werden kann.

[2, 29, § 4] 15. Wo aber eine Dienstbarkeit einem noch nicht wirklich besitzenden, sondern

(2-502) erst künftig erwerbenden Grund auserleget werden wollte, ist es eine Zusage oder Verheißung der künftig verstatten wollenden Dienstbarkeit, aber noch keine Bestellung.

[2, 29, § 4] 16. Es sind auch zwei Gründe nothwendig, deren einer, deme das Recht die Dienstbarkeit auf dem anderen auszuüben zustehet, der herrschende und der andere, welcher die Dienstbarkeit zu leiden und zu verstatten hat, der dienstbare Grund benamset wird.

[2, 29, § 4] 17. Diese Gründe müssen zweierlei Herren zugehören, deren einer diene, und dem anderen gedienet werde; dahingegen Niemandem seine eigene Sache diene, folglich auch keiner, wann er schon zwei Güter besäße, auf dem einen zum Behuf des anderen eine Dienstbarkeit bestellen kann, so lang er beide Güter im Besitz hat. Wo er aber deren eines veräußerete, stehet ihme sodann frei, entweder das behaltende Gut zum Nutzen des veräußerten anderen Guts mit einer Dienstbarkeit zu belegen, oder sich solche an diesem zum Behuf des behaltenen Guts auszubedingen.

[2, 29, § 4] 18. Endlich müssen die Gründe auch benachbart sein, weilen der herrschende Grund ansonst ohne der Nachbarschaft des dienstbaren Grunds aus der Dienstbarkeit seinen Nutzen schöpfen kann, die Nachbarschaft aber wird hier nicht nach der zusammenhangenden Lage der Gründen, sondern nach dem Nutzen und Gebrauch, welchen ein auch entferneter Grund dem anderen verschaffen mag, verstanden.

[2, 29, § 4] 19. Diesen Nutzen kann ein Grund von dem anderen auch weiter entlegenen Grund erholen, wann nur darzwischen kein anderer Grund gelegen ist, welcher den Nutzen und Gebrauch der Dienstbarkeit verhinderet. Solange dahero von dem darzwischen befindlichen Grund nichts geschieht, wodurch der Gebrauch der Dienstbarkeit verhinderet würde, kann solche auch zwischen entferneten Gründen bestehen; sobald aber, als der darzwischen gelegene Grund sich seiner natürlichen Freiheit bedienet und etwas thut, was dem Gebrauch der Dienstbarkeit hinderlich wäre, erlöschet auch die Dienstbarkeit des entferneten Grunds, weilen sie nichts mehr nutzen kann.

[2, 29, § 4] 20. Also kann die Dienstbarkeit der Wasserleitung von einem entferneten Gut auf das andere bestehen, solange das darzwischen gelegene Gut die Leitung über seine Gründe verstattet; nicht weniger kann ein entfernetes Haus dem anderen mit der Dienstbarkeit nicht höher bauen zu dörfen, um diesem die Aussicht nicht zu benehmen verfangen sein, so lange das zwischen beiden gelegene niedrige Gebäu nicht erhöhet, und dem herrschenden Grund die Aussicht andurch nicht verbauet wird.

[2, 29, § 4] 21. Diesen Gründen kleben die hierauf bestellte Dienstbarkeiten als unzertrennliche Eigenschaften an, welche wie an Seiten des herrschenden Grunds eine Gerechtigkeit, also an Seiten des dienstbaren Grunds eine Dienstbarkeit sind.

[2, 29, § 4] 22. Ohne dem Grund hingegen kann keine Grunddienstbarkeit bestehen, sondern wo Jemand sein Gut mit Vorbehalt der demselben auf dem benachbarten Grund gebührenden Dienstbarkeit veräußerete, höret diese von selbsten auf, weilen solche in Hinkunft weder der Kaufer, noch der Verkaufer weiter ausüben kann; nicht der Kaufer, weilen ihme diese Dienstbarkeit mit dem Grund nicht überlassen worden, nicht auch der Verkaufer, weilen er sich der Dienstbarkeit ohne Grund nicht gebrauchen kann. Doch ist nicht verwehret mit Einverständniß beider Theilen eine Grunddienstbarkeit in eine persönliche zu verwandlen, wann es also zwischen ihnen bedungen wird.

§. V.

[2, 29, § 5] 23. Die allen Dienstbarkeiten gemeinen Wirkungen sind allschon oben im siebenundzwanzigsten Capitel, §. V überhaupt berühret worden. Bei Grunddienstbarkeiten aber ist noch insonderheit anzumerken, daß wo deren Bestellung ohne dabei zu bestimmen und auszumessen, wie weit sich solche zu erstrecken haben, geschehen, der Besitzer des Grunds sich derselben an allen Orten des dienstbaren Grunds

(2-503) gebrauchen könne, folglich der dienstbare Grund in seiner ganzen Strecke mit der Dienstbarkeit befangen seie.

[2, 29, § 5] 24. Doch verstehet sich von selbsten, daß dieser Gebrauch leidlich und pfleglich, mithin also geartet sein müsse, wie solcher dem Besitzer des dienstbaren Grunds am wenigsten beschwerlich und schädlich sein möge; es ist dahero in der Dienstbarkeit des Wegs oder Durchgangs dem Herrn des herrschenden Grunds nicht erlaubt über die Feld- oder Gartenfrüchten, Aecker und Wiesen des dienstbaren Grunds zu gehen, zu reiten oder zu fahren, sondern er ist schuldig sich der ordentlichen Stegen und Wegen zu halten.

[2, 29, § 5] 25. Erhält das dienstbare Gut durch Anwurf des Erdreichs einen Zuwachs, wird auch die Dienstbarkeit bis dahin erweiteret, keineswegs aber auf die zu dem dienstbaren Gut zugekaufte oder sonst von neuem darzu erworbene freie Gründe erstrecket.

[2, 29, § 5] 26. Dadurch hingegen, daß die Bedürfniß des herrschenden Grunds, es seie durch Zuwachs des Erdreichs, Ankauf und Erwerbung mehrerer Gründen, oder aus was sonst immer für einer zur Zeit der bestellten Dienstbarkeit nicht schon bestehenden Ursache zugenommen, wird die Dienstbarkeit nicht vermehret, sondern deren Gebrauch hat allzeit in derjenigen Maß zu verbleiben, welche die Nothdurft oder der Nutzen des herrschenden Grunds zur Zeit der Bestellung nach seinem damaligen Stand erheischet hat, wann durch ein ausdrückliches Beding nichts Anderes vorgesehen worden.

[2, 29, § 5] 27. Woferne ein Gut, welchem auf des Anderen Grund eine Dienstbarkeit zustehet, stuckweis verkaufet, oder von zweien Gütern, welchen zusammen eine Dienstbarkeit bestellet ist, eines an jemanden Anderen veräußeret worden, kann der neue Besitzer des an sich gebrachten Guts gleichfalls die Dienstbarkeit ausüben, wann nur die vorige Maß nicht überschritten, und der Gebrauch der Dienstbarkeit unter mehreren Besitzeren des herrschenden Guts nicht beschwerlicher gemacht wird, als solcher vor deme unter Einem Besitzer gewesen.

[2, 29, § 5] 28. Der Besitzer des herrschenden Grunds kann sich der seinem Grund angebührenden Dienstbarkeit sowohl selbst, als auch durch andere Personen, als Hausgenossen, Dienst- und Arbeitsleute, Beamten u. dgl. Nach Gestalt und Beschaffenheit einer jeden Dienstbarkeit, wie solche zur Nothdurft und Nutzen des herrschenden Grunds ausgeübet und gebrauchet werden mag, bedienen, wann sonst in der Bestellung keine Einschränkung enthalten ist; an Andere aber ist er nicht befugt den Gebrauch, noch minder das Recht der Dienstbarkeit selbst ohne dem Grund, deme sie gebühret, zu überlassen.

[2, 29, § 5] 29. Umsoweniger kann derselbe auf dieser seinem Grund zustehenden Dienstbarkeit jemandem Anderen eine Dienstbarkeit bestellen. Also mag die Nutznießung oder die Dienstbarkeit des Gebrauchs an einer Dienstbarkeit unmittelbar nicht bestehen, mittelbar aber kann mit dem Grund selbst auf dessen Inhaber der Gebrauch der diesem Grund zukommenden Dienstbarkeit übertragen werden; also hat ein Nutznießer des herrschenden Grunds den Gebrauch aller diesem Grund gebührenden Dienstbarkeiten.

[2, 29, § 5] 30. Der Besitzer des dienstbaren Grunds kann jedoch wegen der darauf haftenden Dienstbarkeit nicht verhinderet werden sein Gut, an wen er immer wolle, mit dieser Haftung zu veräußeren; noch weniger ist ihme verwehret auf seinem Grund sich der nemlichen Befugniß, welche dem Anderen als eine Dienstbarkeit zustehet, aus dem Recht seines Eigenthums oder Besitzes zu bedienen, insoweit er andurch dem Anderen in dem Gebrauch seiner Dienstbarkeit nicht hinderlich fällt.

(2-504) Zweiter Artikel.

Von Hausdienstbarkeiten.

§. VI. Von dem Recht der Bürde oder Lasttragung der Gebäude. §. VII. Von dem Tramrecht §. VIII. Von dem Recht Erker oder Ausgebäu, Fürdächer oder Wetterdächer zu haben. §. IX. Von dem Recht die höhere Aufführung nachbarlicher Gebäuden zu verwehren. §. X. Von dem Lichtrecht. §. XI. Von dem Recht der Aussicht. §. XII. Von dem Trauf- oder Rinnenrecht. §. XIII. Von dem Recht der Senkgruben oder Ausgusses. §. XIV. Von dem Recht der Rauchfängen.

§. VI.

[2, 29, § 6] 31. Unter den Hausdienstbarkeiten sind die gemeineren: Erstens, die Bürde oder Lasttragung der Gebäude, welche eine Hausdienstbarkeit ist, kraft welcher ein Gebäu die Last des benachbarten Gebäudes zu tragen hat.

[2, 29, § 6] 32. Aus der Natur dieser Dienstbarkeit fließt die Schuldigkeit an Seiten des Herrn des dienstbaren Gebäudes, nicht allein dasselbe allzeit in tragbaren Stand zu erhalten, sondern auch, wo es baufällig würde, auf seine eigene Unkosten anwiederum herzustellen, wovon er sich anderst, als durch dessen Abtretung und eigenthümliche Ueberlassung an den Herrn des herrschenden Gebäudes entledigen kann.

[2, 29, § 6] 33. Diesem aber liegt dagegen ob, sein Gebäu währender Ausbesserung und Herstellung des dienstbaren Gebäudes auf seine eigene Unkosten zu unterstützen und vor dem Einsturz zu bewahren.

[2, 29, § 6] 34. Wo aber der Herr des dienstbaren Gebäudes sich weder zu dessen Ausbesserung, noch zur Ueberlassung an den Anderen verstehen wollte, und die höchste Gefahr des Einsturzes vorhanden wäre, kann der Herr des herrschenden Gebäudes, insoweit als es nothwendig ist das dienstbare Gemäuer in tragbaren Stand herzustellen, die Ausbesserung selbst vornehmen, und das, was er erweislich hierauf verwendet, anwiederum von dem Herrn des dienstbaren Gebäudes zuruckforderen.

[2, 29, § 6] 35. Wann er jedoch auch diesen Aufwand vorzuschießen nicht zuträglich zu sein finden würde, sondern viel lieber das Gebäu eingehen ließe, schadet ihme solches an seinem Recht nichts, sondern wann über kurz oder lang das dienstbare Gebäu anwiederum hergestellet wird, ist er befugt die Last auf eben dieselbe Mauer und in eben der Maß zu legen, wie und wo solche vorhin gelegen ist, ohne daß ihme andurch, weilen er sich aus Schuld des Anderen auch durch noch so lange Zeit seines Rechts zu bedienen verhinderet ware, ein Nachtheil zugehen könne.

[2, 29, § 6] 36. Dahingegen ist außer einer solchen bestellten Dienstbarkeit Niemandem erlaubet auf seines Nachbarn Mauer, Dach oder Gewölb eine Last zu legen, oder etwas in seines Nachbarn Grund einzubauen, sondern ein jeder Besitzer ist berechtiget

(2-505) das,,was in seinem Grund wider seinen Willen heimlich oder offentlich eingebauet wird, selbst abzunehmen und niederzureißen, wann nicht nebst seiner Wissenschaft des vorgehabten Baues auch seine Geduld und Stillschweigen durch die oben im siebenundzwanzigsten Capitel, §. IV, num. 40 ausgemessene Verjährungszeit hinzutritt.

§. VII.

[2, 29, § 7] 37. Zweitens, das Tramrecht; dieses ist eine Hausdienstbarkeit, welche die Befugniß giebt die Träme oder Balken eines Gebäudes in die Mauer des anstoßenden benachbarten Gebäudes einzuschieben, um darinnen zu ruhen.

[2, 29, § 7] 38. Sie unterscheidet sich von der gleich vorhergehenden, daß bei der ersteren auf die dienstbare Mauer gebauet, bei dieser letzteren aber bloß allein der Tram oder Balken in die dienstbare Mauer des Nachbarn eingeschoben werde, folglich hat auch der Herr des herrschenden Gebäudes die Ausbesserungs- und Herstellungsunkosten, soviel als zur Befestigung des Trams und zum Behuf seines Gebäudes nöthig ist, selbst zu tragen.

[2, 29, § 7] 39. Wo aber die Mauer des Nachbarn, in welche der Tram eingeschoben worden, ganz zusammenfiele, muß der Herr des dienstbaren Gebäudes solche auf seine Unkosten aufführen, oder dem Nachbarn die Mauer eigenthumlich überlassen, und hat dabei alles Dasjenige statt, was in vorigen §., num. 34 und 35 geordnet worden.

[2, 29, § 7] 40. Außerdem ist Niemandem verstattet eigenmächtig in des Nachbarn Mauer Träme und Balken zu legen, sondern der Nachbar hat Fug und Macht solches zu verhinderen und sogleich abzustellen. Wer dahero an seines Nachbarn Haus ein Gebäude aufführen will, deme stehet frei sich neben seines Nachbarn Mauer eine eigene Mauer zu erbauen, und sodann die Träme seines Gebäudes darauf zu legen, jedoch Alles ohne Abbruch und Schaden des benachbarten Gebäudes.

[2, 29, § 7] 41. Und da sich zum Oefteren ergibt, daß wegen einer zwischen zweien benachbarten Häusern gelegenen Wand oder Mauer ein Stritt vorfalle, weme dieselbe zugehöre, weilen entweder ein Jeder sich solche zueignen, oder sich deren entäußeren will, so solle in Ermanglung anderer zulänglicherer Beweisen das Eigenthum der Mauer aus solchen vorfindlichen Kennzeichen entschieden werden, welche wahrscheinlicher Weise von niemandem Anderen, als von dem Eigenthümer der Mauer herrühren können.

[2, 29, § 7] 42. Derlei Kennzeichen sind die nicht erst neuerlich, sondern schon vorlängst in die Mauer eingelassene, oder darauf gelegte Träme und Balken des einen Gebäudes, die gegen der Seiten des einen Gebäudes von der Mauer vorfindliche Wandpfeiler, Erker, Wetterdächer, herabhangende Ziegeln oder Taschen, und somit auf der einen Seiten herabrinnende Dachtropfen, Mauerlöcher, Blindfenster, Blindfällen, Schwibbögen, umsomehr aber ganze durch die Wand gehende Fenster von jener Seiten, von welcher sie geöffnet werden.

[2, 29, § 7] 43. Desgleichen auf der einen Seiten der Wand sichtbare alte In- und Aufschriften von weme solche gebauet worden, aufgemalte oder eingehauene Wappen oder Namen von den vorigen oder gegenwärtigen Besitzeren des einen Gebäudes, in die Wand eingemauerte Rauchfänge, Schläuche oder daran befestigte Rinnen zur Abführung der Unsauberkeiten, und des Regenwassers aus dem einem Hause, auf der Seite des einen Hauses eingemauerte eiserne Ringe, Laternen, Hangstangen, Tragsteine u. dgl., vornehmlich aber der Zusammenhang der strittigen Wand mit der unstrittigen des einen Gebäudes, wann beide von gleicher Höhe, Tiefe und Dicke sind, welchen Falls beide für eine Mauer zu halten sind, und die strittige eben demselben, welcher Eigenthümer der unstrittigen ist, zugehörig zu sein vermuthet wird.

[2, 29, § 7] 44. Wann hingegen derlei sichtbare Kennzeichen auf beiden Seiten der

(2-506) Mauer vorfindlich wären, solle das Gericht mit Zuziehung geschworner Bauverständigen die Wand genau besichtigen, und nöthigen Falls auch ein Stuck davon einbrechen lassen, um andurch zu erkennen, ob die Mauer ganz oder zusammengefüget, und weme sie zuständig seie.

[2, 29, § 7] 45. Würde nun selbe eine ganze Mauer zu sein befunden, und keiner der Nachbarn könnte deren Eigenthum erweisen oder von sich ableinen, so ist die Mauer zwischen beiden Nachbarn für gemeinschaftlich zu halten, und hat deren jeder sowohl den Vortheil davon zu genießen, als die darmit verknüpfte Last mit dem Anderen gemeinschaftlich zu tragen.

[2, 29, § 7] 46. Doch darf deren Keiner wider Willen des Anderen etwas thun oder bauen, was dieser gemeinschaftlichen Mauer schädlich oder abbrüchig wäre, noch weniger zum Nachtheil des Nachbars deren Gestalt änderen, oder solche höher aufführen, oder einen Theil davon abtragen, oder neue Fenster einbrechen, oder neue Rauchfänge durchführen, oder die schon bestehende Fenster vergrößeren, sondern ein Jeder ist gehalten solche in ihrem Stand, wie sie gewesen, zu belassen, und sie zu keinem anderen Gebrauch, als worzu selbe mit beiderseitiger Einstimmung bishero gewidmet ware, fortan anzuwenden.

§. VIII.

[2, 29, § 8] 47. Drittens, das Recht Erker oder Ausgebäu, Fürdächer oder Wetterdächer zu haben; dieses ist eine Hausdienstbarkeit, welche die Befugniß giebt einen Theil des Gebäudes in des Nachbarn Grund also hinausreichend zu haben, daß derselbe jedoch niemalen auf dem benachbarten Gebäude ruhe.

[2, 29, § 8] 48. Ohne dieser Dienstbarkeit aber hat Niemand Fug und Macht in des Nachbarn Hof oder Garten einen Erker, Altane oder sonstiges Ausgebäu aufzuführen; inwieweit aber derlei Erker, Ausgebäu und Wetterdächer gegen die gemeinen Gassen, Straßen und Plätze zu haben gestattet werden möge, diesfalls lassen Wir es bei der jeden Orts eingeführten Bauordnung gnädigst bewenden, wornach sich jedermänniglich, der an diesen Orten bauet, ohnabweichlich zu richten hat.

§. IX.

[2, 29, § 9] 49. Viertens, das Recht die höhere Aufführung nachbarlicher Gebäuden zu verwehren, welches eine Hausdienstbarkeit ist, wodurch der Nachbar verbunden ist zum Behuf des benachbarten Gebäudes sein Haus in einer gewissen Maß erniedriget zu halten, und solches nicht höher aufzuführen.

[2, 29, § 9] 50. Ansonst kann jedermänniglich außer dieser bestellten Dienstbarkeit nach der natürlichen Freiheit auf seinem Grund und Boden in die Höhe bauen, und in die Tiefe graben, wie er will, wann nur andurch seinem Nachbarn kein Schaden und Nachtheil zugefüget wird, oder nicht durch besondere Bauordnungen eine gewisse im Bauen zu halten habende Maß vorgeschrieben ist, welche nicht überschritten werden darf.

[2, 29, § 9] 51. Damit aber ein Nachbar über Schaden und Nachtheil mit Fug klagen könne, muß ihme wirklich an seinem Grund oder Haus durch das benachbarte Gebäu ein erweislicher Abbruch oder Eintrag geschehen; dahingegen obschon andurch, daß der Nachbar auf seinem eigenem Grund und Boden sich seines Rechts bedienet, dem Anderem ein Vortheil, Lust oder Bequemlichkeit entginge, kann sich derselbe darüber mit Bestand nicht beschweren.

[2, 29, § 9] 52. Es wäre dann der Bau des Nachbarn also beschaffen, daß solcher nicht in Absicht sich einen Nutzen zu schaffen, sondern einzig und allein zur Beeinträchtigung und Beschränkung seines Nachbarn unternommen würde, bei wessen Befund derselbe für einen Neidbau geachtet, folglich auch durchaus nicht geduldet, sondern überhaupt im Bauen sich der Billigkeit gefüget, und Alles, was dem Einem

(2-507) nicht nutzet, dem Anderen aber Schaden und Nachtheil bringt, vermieden und unterlassen werden solle.

§. X.

[2, 29, § 10] 53. Fünftens, das Lichtrecht. Hieraus entstehen zweierlei Hausdienstbarkeiten; eine daß der Nachbar in des anderen Nachbarn Hof oder Garten Fenster haben, und das Licht daher bekommen könne, die andere, daß ein Nachbar dem anderen das Licht verbauen dörfe.

[2, 29, § 10] 54. Niemandem ist erlaubet gegen seines Nachbarn Hof oder Garten weder in seiner eigenthumlichen, noch weniger in einer gemeinen oder fremden Mauer neue Fenster, welche an diesem Ort vorhin nicht gewesen, zu bauen oder die alten Fenster zu vergrößeren, sondern der Nachbar hat Fug und Macht entweder bei Gericht auf deren Vermauerung oder Wiederherstellung in den vorigen Stand anzudringen, oder aber die ihme zum Nachtheil neu erbaute Fenster mit einer aufführenden Mauer, oder mit Brettern oder Balken zu verfinsteren, oder wie immer zu vermachen und zu verlegen.

[2, 29, § 10] 55. Damit also Jemand das Recht erlange, in seines Nachbarn Hof oder Garten Fenster haben zu dörfen, ohne daß dieser sich deme widersetzen möge, ist die Bestellung einer besonderen Hausdienstbarkeit nothwendig, mittelst welcher ein Nachbar gegen dem anderen seinen Grund verfänglich mache, die neuen Fenster gegen seinem Hof oder Garten leiden zu wollen.

[2, 29, § 10] 56. Doch ist dabei wohl in acht zu nehmen, was für eine Art von Fenstern verstattet worden, welche in keine andere verwandlet werden darf; dann entweder sind die Fenster bloß auf den Einfall des Lichts gerichtet, ohne eine Aussicht dabei zu haben, oder aber geben sie nebst dem Licht auch die Aussicht. Wird das Recht in des Nachbarn Grund Fenster zu haben überhaupt verstattet, so können solche sowohl zu dem Einfall des Lichts, als auch zur Aussicht gerichtet werden, und ist in diesem Fall das Lichtrecht von dem Recht der Aussicht nicht unterschieden.

[2, 29, § 10] 57. Woferne hingegen die Fenster mit der ausdrücklichen Einschränkung auf den alleinigen Einfall des Lichts erlaubet worden, kann sich der Besitzer des herrschenden Gebäudes derselben nicht zur Aussicht gebrauchen, sondern ist schuldig die Fenster dergestalten von dem Boden erhöhet zu halten, daß Niemand sich der Aussicht bedienen könne.

[2, 29, § 10] 58. So ein als anderen Falls aber hat derselbe die Verbindlichkeit auf sich für allen dem Nachbarn aus diesen Fenstern entstehen mögenden Schaden, dessen Abwendung in seiner Macht gestanden, zu haften, folglich die Fenster zur Verhütung des Einsteigens oder sonstiger Gefahr mit eisernem Gegitter wohl zu verwahren, und sich in Allem der ihme verstatteten Dienstbarkeit also und in keiner mehreren Maß, als es ihme erlaubet worden, zu gebrauchen, gleichwie dagegen der Besitzer des dienstbaren Grunds in dem seinigen nichts thun darf, was dem Licht und der Aussicht des Nachbarn hinderlich fallen könnte.

[2, 29, § 10] 59. Wann in Gegentheil Jemand allschon gegen einer Seite, wo vorhin gar kein, oder doch kein so hohes, das Licht oder die Aussicht benehmendes Gebäu gestanden wäre, Fenster hätte, ist nicht erlaubet mit neuen Gebäuden dieselben zu verfinsteren, und dem Nachbarn das Licht oder die Aussicht zu benehmen, wann das neue Gebäu von dem alten nicht in einer solchen Breite entfernet ist, in welcher nach der jeden Orts hergebrachten Gewohnheit frei und ungehinderet zu bauen zugelassen wird.

[2, 29, § 10] 60. Binnen dieser aber kann ein Nachbar dem anderen das Licht oder die Aussicht nicht anderst benehmen, als durch eine von diesem ausdrücklich bestellte Dienstbarkeit, doch nur in derjenigen Maß, in welcher es ihme erlaubet worden.

(2-508) §. XI.

[2, 29, § 11] 61. Sechstens, das Recht der Aussicht, welches eine Hausdienstbarkeit ist, wodurch dem Nachbarn verwehret wird seinem Nachbarn die Aussicht aus dessen Gebäu zu verhinderen.

[2, 29, § 11] 62. Die Aussicht kann entweder bloß allein auf ein gewisses Ort oder Gegend beschränket, oder aber auf alle bei dem herrschenden Gebäu herum liegende Gegenden erstrecket werden; nach jener Maß also, in welcher dieselbe verstattet worden, hat sich auch der Besitzer des dienstbaren Grunds zu verhalten, folglich nichts zu thun, was die Aussicht dem herrschenden Gebäu benehmen, oder auch in ihrer Freiheit und Annehmlichkeit verminderen könnte.

[2, 29, § 11] 63. Diese Dienstbarkeit kommt zwar in gewisser Maß mit der gleich vorhergehenden überein, wann das Lichtrecht ohneingeschränkt verstattet wird; von dem eingeschränkten Lichtrecht hingegen unterscheidet sich dieselbe in deme, daß das Licht allzeit von oben komme, die Aussicht aber auch auf die Erde gehe.

[2, 29, § 11] 64. Es kann dahero Jener, welcher das bloße Lichtrecht hat, dem Nachbarn die Aufführung solcher Gebäuden, welche mit ihrer Höhe nicht bis an die Fenster reichen, nicht verwehren, wohl aber Derjenige, deme zugleich das Recht der Aussicht gebühret, wann ihme dieselbe anmit verminderet oder gar benommen würde.

§. XII.

[2, 29, § 12] 65. Siebentens, das Trauf- oder Rinnenrecht, welches zweierlei Hausdienstbarkeiten enthält; die eine, wodurch Jemand leiden muß, daß seines Nachbarn Dachtropfen auf sein Haus oder Grund fallen, oder das Regenwasser aus seines Nachbarn Haus in seinen Grund oder Rinnen geleitet werde, die andere, welche aber seltsamer, und nur an Orten, welche Mangel an Wasser haben, üblich ist, wann Jemand leiden muß, daß die Dachtropfen oder das Regenwasser aus seinem Hause auf seines Nachbarn Grund geleitet werde.

[2, 29, § 12] 66. Außer einer eigends hierwegen bestellten Dienstbarkeit hat Niemand Fug und Macht das Regenwasser von seinem Dach in des Nachbarn Hof oder Grund abzuleiten, sondern ein Jeder ist schuldig solches auf seinen Hof, oder wohin es sonst nach der jeden Orts vorgeschriebenen Polizeiordnung geleitet werden solle, abzuführen.

[2, 29, § 12] 67. Und obschon Jedermänniglichem freistehet das Regenwasser aus seinem Grund zur eigenen Nothdurft zu leiten und zu führen, wie und wohin er will, so darf er jedoch keine solche Aenderung darmit vornehmen, wodurch seinem Nachbarn an dessen Grund einiger Schaden und Nachtheil zugefüget würde.

[2, 29, § 12] 68. Um also das Regenwasser auf des Nachbarn Grund leiten zu mögen ist hierzu die Bestellung einer besonderen Dienstbarkeit nöthig, und wie von altersher das Wasser immerfort auf des Nachbarn Grund ohne Widerspruch seinen Abfall gehabt, dabei solle es auch fernershin sein Bewenden haben.

[2, 29, § 12] 69. Doch darf der Besitzer des herrschenden Grunds zur Beschwerniß des dienstbaren diese Dienstbarkeit keinerdings vermehren, und weder das Dach oder die Rinnen in des Nachbarn Grund weiter hinaus erstrecken, noch weniger außer des zufälligen Regenwassers andere Unsauberkeiten dahin abführen; vornehmlich aber ist er gehalten bei einfallenden Thauwetter den auf seinem Dach liegenden Schnee zeitlich hinwegzuraumen und abzuwerfen, damit durch das Eindringen des aus dem zerschmolzenen Schnee angehäuften Gewässers der Grund des Nachbarn keinen Schaden leide.

[2, 29, § 12] 70. Dahingegen ist auch der Besitzer des dienstbaren Grunds schuldig den Abfall des Regenwassers auf seinen Grund unweigerlich zu leiden und darwider nichts zu thun, wodurch dieser Abfall verhinderet und von seinem auf des Nachbarn Grund abgewendet werde, wiewohlen ihme unverwehret ist das abfallende Wasser

(2-509) auf seinem Grund zu sammeln, und solches, wohin er will, ohne Schaden des Nachbarn abzuleiten.

[2, 29, § 12] 71. Insgemein hat Derjenige, welcher den Abfall des Wassers von des Nachbarn Gebäu auf seinen Grund zu leiden hat, zu den Kosten des Rinnenlegens sowohl, als zu deren Ausbesserung nichts beizutragen, wann er solche nicht ausdrücklich ganz oder zum Theil auf sich genommen hat, oder die Rinnen nicht auf einer gemeinen Wand, oder zwischen beiden Dächern gelegen sind, welchen Falls beide Theile die Kosten gleich zu tragen haben, woferne nichts Anderes verabredet worden.

[2, 29, § 12] 72. Die Cisternen, Röhr- und Wasserkästen hingegen, worinnen das abfallende Wasser gesammlet wird, wie nicht weniger die Röhren zu dessen Ableitung hat Jener mit eigenen Aufwand machen und ausbessern zu lassen, in dessen Grund sie geleget sind.

[2, 29, § 12] 73. In der anderen Dienstbarkeit, wodurch Jemand die Sammlung und Ableitung des Regenwassers aus seinem in des Nachbarn Grund gestatten muß, hat der Besitzer des dienstbaren Grunds sich also zu betragen, daß der Herr des herrschenden Grunds in dem Gebrauch und Ausübung dieser seiner Gerechtigkeit auf keinerlei Art und Weis beirret und beeinträchtiget werde.

[2, 29, § 12] 74. Dagegen aber lieget diesem ob alle Unkosten zur Legung der Rinnen, Röhren und Wasserkästen selbst zu tragen, und die ihme verstattete Maß der Dienstbarkeit nicht zu überschreiten, noch weniger dem dienstbaren Grund über das, was der Gebrauch dieser Dienstbarkeit entweder nach Inhalt des Bedings, oder nach deren Natur und Eigenschaft mit sich bringt, auf einigerlei Weis beschwerlicher zu fallen.

§. XIII.

[2, 29, § 13] 75. Achtens, das Recht der Senkgruben oder des Ausgusses. Dieses ist eine Hausdienstbarkeit, wodurch ein Nachbar berechtiget ist den Unrath, Mist und andere Unsauberkeiten aus seinem in des Nachbarn Grund abzuführen oder auszugießen.

[2, 29, § 13] 76. Nicht nur allein in fremden, sondern auch auf eigenen Grund ist nicht erlaubet nahe an des Nachbarn Haus, Hof oder Garten neue Senk- oder Mistgruben und heimliche Gemächer anzurichten, wann solche von des Nachbarn Grund nicht so weit entfernet und also vermaueret sind, daß aller daherrührender Gestank, Beschädigung seines Gemäuers, und alle sonst daraus entstehen mögende Ungemächlichkeit von demselben abgewendet werde.

[2, 29, § 13] 77. Es ist dahero Jedermänniglich schuldig sich hierwegen nach der jeden Orts üblichen Bauordnung zu richten, umsoweniger aber befugt an des Nachbarn Mauer oder auf dessen Grund Mist oder anderen Unrath zu legen, dahin zu werfen oder Unreinigkeiten auszugießen, wann ihme hierzu keine besondere Dienstbarkeit bestellet worden.

§. XIV.

[2, 29, § 14] 78. Neuntens, das Recht der Rauchfängen, welches eine Hausdienstbarkeit ist, welche dem Nachbarn Fug und Macht giebt den Rauch aus seinem Haus in des Nachbarn Rauchfang zu leiten, oder seinen Rauchfang durch des Nachbarn Mauer, oder dessen Grund zu führen.

[2, 29, § 14] 79. Was aber den Rauch von denen gemeinen Herdstätten, oder von der gewöhnlichen Beheitzung anbelanget, der durch die ordentliche Feueressen oder Rauchfänge seinen Ausgang hat, solchen ist ein Nachbar von dem anderen auch ohne einer Dienstbarkeit zu ertragen bemüßiget, obschon ihme andurch entweder wegen des zufälligen widrigen Zugs der Luft, oder wegen der niedrigeren Lage des benachbarten Gebäudes einige Ungemächlichkeit verursachet würde.

(2-510) [2, 29, § 14] 80. Dahingegen ist Niemand schuldig einen außerordentlichen Rauch, welcher ihme zum Ungemach gereichete, als aus Röhren, Löchern und anderen ungeziemenden Oeffnungen, oder auch von Bräuhäusern, Schmieden, Backöfen, Seifensiedereien, Büttnerwerkstätten und dergleichen derorten, wo solche vorhin gestanden, zu leiden, es seie dann irgendwo Herkommens, daß solches auf vorläufige Anzeige mit obrigkeitlicher Bewilligung auch ohne Vernehmung der Nachbarschaft verstattet zu werden pflege.

Dritter Artikel.

Von Felddienstbarkeiten

§. XV. Von dem Recht eines Fußpfads, Stegs oder Durchgangs. §. XVI. Von dem Triftrecht oder Viehtrieb. §. XVII. Von der Weggerechtigkeit. §. XVIII. Von dem Recht der Wasserleitung. §. XIX. Von dem Recht der Wasserschöpfung. §. XX. Von dem Recht der Viehtränke. §. XXI. Von dem Recht der Hutweide und Koppelweide. §. XXII. Von Dienstpflichtigkeit des nachbarlichen Guts. §. XXIII. Von Zwangrechten auf nachbarlichen Gründen. §. XXIV. Von verschiedenen anderen Felddienstbarkeiten überhaupt.

§. XV.

[2, 29, § 15] 81. Von den Felddienstbarkeiten sind die gemeineren: Erstens, das Recht eines Fußpfads, Stegs oder Durchgangs, welches eine Felddienstbarkeit ist, kraft welcher ein Nachbar über des anderen Grund hin- und herzugehen berechtiget ist.

[2, 29, § 15] 82. Aus der Natur dieser Dienstbarkeit kann nicht allein der Herr des herrschenden Grunds für sich, sondern auch alle dessen Hausgenossen, Dienst- und Arbeitsleute, wie nicht weniger Fremde, welche ihn besuchen, oder in dessen Geleitschaft gehen, sich des Durchgangs über des Nachbarn Grund bedienen.

[2, 29, § 15] 83. Der Durchgang kann sowohl zu Fuß, als zu Pferd, oder auch in einem Tragsessel, nicht aber mit einem Wagen geschehen, noch weniger darf über diesen Weg das Vieh getrieben werden.

[2, 29, § 15] 84. Doch hat der Herr des herrschenden Grunds die Befugniß Alles, was zu dem freien und gemächlichen Durchgang nöthig ist, anzukehren, auf seine Kosten Brücken und Stege zu bauen und den Weg auszubessern.

[2, 29, § 15] 85. Ohne dieser Dienstbarkeit hingegen ist Niemand schuldig jemandem Anderem außer öffentlichen Stegen und Wegen den Durchgang über seinen Grund und Boden zu verstatten, es unterwalte dann eine solche dem Anderen angelegene Ursache, wegen welcher die unschädliche Betretung des nachbarlichen Grunds auf vorläufige Begrüßung der Billigkeit nach nicht versaget werden kann.

§. XVI.

[2, 29, § 16] 86. Zweitens, das Triftrecht oder das Recht des Viehtriebs; dieses ist eine Felddienstbarkeit, welche die Befugniß giebt das Vieh über des Nachbarn Grund und Boden zu treiben.


(2-511) [2, 29, § 16] 87. Diese Dienstbarkeit schließt zwar ihrer Natur nach insgemein jene des Durchgangs in sich ein, also daß, wer das Recht hat über des Anderen Grund und Boden sein Vieh zu treiben, nicht allein den Durchgang mit dem Vieh, sondern auch solchen ohne demselben habe, wann die Dienstbarkeit nicht namentlich auf den Viehtrieb allein beschränket, und der Durchgang ohne dem Vieh ausgeschlossen worden.

[2, 29, § 16] 88. Unter dem Vieh werden Pferde, Rinder, Schafe und Schweine verstanden, wann die Dienstbarkeit nicht für eine oder die andere Gattung insonderheit bestellet worden, keineswegs aber wird auch das Federvieh darunter begriffen, noch darf der Herr des herrschenden Grunds derorten, wo ihme auf des Nachbarn Grund der Viehtrieb zustehet, Steine, Bäume oder andere schwere Lasten führen oder schleifen, oder etwas tragen lassen, wodurch der dienstbare Grund an den Früchten oder an der Trift Schaden leiden könnte.

[2, 29, § 16] 89. Er ist auch nicht befugt daselbst zu fahren, oder sich darüber eines Fuhrwerks zu gebrauchen, wann ihme solches nicht ausdrücklich miterlaubet worden, oder nicht derorten schon vorhin ein Fahrweg befindlich ware.

[2, 29, § 16] 90. Von der Viehtrift ist das Recht der Hutweide allerdings unterschieden; folglich giebt auch das Triftrecht allein die Befugniß nicht das Vieh daselbst zu hüten und ruhen zu lassen. Was aber das Vieh in währendem Trieb von der Grasung des Orts, worüber es getrieben wird, genießen mag, kann der Herr des dienstbaren Grunds nicht verwehren, wann nur dabei der ordentliche Trieb gehalten, und das Vieh außer demselben nicht aus Muthwillen oder Fahrlässigkeit in seine nahe angelegene Aecker, Gärten oder Wiesen eingelassen wird.

§. XVII.

[2, 29, § 17] 91. Drittens, die Weggerechtigkeit, welche eine Felddienstbarkeit ist, wodurch ein Nachbar über des anderen Grund zu fahren, und alle Lasten darüber führen oder schleifen zu lassen berechtiget ist; diese Befugniß ist nicht von öffentlichen Heer- und Landstraßen, oder auch von ortschaftlichen Wegen zu verstehen, welche Jedermänniglichem offen stehen, sondern von eigens verstatteten sonderheitlichen Wegen über nachbarliche Gründe, deren Gebrauch außer einer bestellten Dienstbarkeit zu verwehren der Besitzer dieser Gründe Fug und Macht hat.

[2, 29, § 17] 92. Die Weggerechtigkeit begreift sowohl die Dienstbarkeit des Durchgangs, als die Dienstbarkeit des Viehtriebs in sich (wann solche nicht durch ein ausdrückliches Beding davon getrennet sind) also daß, wem die Gerechtigkeit zustehet über des Nachbarn Grund zu fahren, derselbe auch darüber gehen, reiten und sein Vieh treiben lassen könne.

[2, 29, § 17] 93. Sie erstrecket sich aber in dem weiter, als nicht die beiden vorigen, daß der Weg nicht allein in seiner Breite und Weite die nöthige Maß, sondern auch in der Höhe so viel Raum haben müsse, daß mit hochbeladenen Heu-, Korn- oder Wollwägen ohne Hinderniß darauf gefahren werden könne, wann die Art eines gewissen Fuhrwerks nicht in der Bestellung der Dienstbarkeit bestimmet worden, dahingegen sowohl der Durchgang, als der Viehtrieb keine mehrere, als eine der gemeinen Länge einer Person angemessene Höhe erheischet.

[2, 29, § 17] 94. Die bisher beschriebenen drei Dienstbarkeiten haben dieses besondere, daß sie auch mehreren Nachbarn an einerlei Ort, insoweit als es ohne Eintrag Jener, welche ihr Recht hierzu früher erworben haben, geschehen mag, bestellet werden können, welchen Falls aber dieselben sich also zu betragen haben, daß keiner den Anderen in dem Gebrauch der Dienstbarkeit über die Gebühr verhindere oder beeinträchtige.

[2, 29, § 17] 95. Würde ein Zweifel über die Breite und Weite des Fußpfads, der Trift oder des Wegs vorfallen, so solle solche jedes Mal nach dem gemeinen Landesbrauch

(2-512) und insonderheit der Weg nach Erforderniß des üblichen Fuhrwerks ausgemessen werden.

[2, 29, § 17] 96. Wo aber der Gebrauch einer solchen Dienstbarkeit durch Ueberschwemmung oder andere Zufälle an dem Ort, wo sie bisher ausgeübet worden, verhinderet, oder der Weg gar unwandelbar würde, in solchen Fällen ist der Herr des dienstbaren Grunds schuldig an einem anderen gelegenen Ort den nöthigen Platz oder Raum darzu herzugeben, zu öffnen und zu widmen, bis der vorige Weg anwiederum in wandelbaren Stand hergestellet ist.

[2, 29, § 17] 97. Es wäre dann die Dienstbarkeit bloß allein an einer gewissen benannten Stätte oder Bezirk, welcher ganz überschwemmet oder sonst unwandelbar würde, bestellet worden, welchen Falls der Herr des dienstbaren Grunds keinerdings darzu angehalten werden kann, dieselbe auf ein anderes Ort zu verlegen.

[2, 29, § 17] 98. Außerdeme aber haftet zwar die überhaupt bestellte Dienstbarkeit den ganzen Grund, also daß, wo deren Gebrauch an einem Ort verhinderet wird, solche an einem anderen hierzu gleich bequemen Ort ausgeübet werden könne; der Gebrauch hingegen erstrecket sich nur auf solche fügliche Orte, an welchen dessen Ausübung dem dienstbaren Grund nicht zum merklichen Schaden gereiche, mithin ist auch niemalen erlaubet über die Feld- und Gartenfrüchten, oder über das auf denen Wiesen stehende Gras zu gehen, zu reiten, zu fahren oder das Vieh zu treiben.

[2, 29, § 17] 99. Es ist aber nicht allein denen, welche die Weggerechtigkeit über fremde Gründe aus dem Recht der Dienstbarkeit ausüben, sondern auch allen Anderen, welche auf öffentlichen oder ortschaftlichen Straßen und Wegen wandlen, ernstlich untersaget, denen anstoßenden fruchttragenden Gründen einigen Schaden zuzufügen, und ihr Zug- oder anderes einhertreibendes Vieh in denen an dem Weg gelegenen Äckern, Gärten, Wiesen oder Triften zu hüten oder zu weiden, oder ohne Noth außer dem Weg darüber zu gehen, zu reiten oder zu fahren.

[2, 29, § 17] 100. Dahingegen haben auch Jene, deren Gründe an gemeine Landstraßen, oder an ortschaftliche Wege anstoßen, die Verbindlichkeit auf sich, wann die Straßen und Wege durch Wolkenbrüche und große Wasserfluthen eingerissen und gänzlich unwandelbar gemacht wurden, von ihren Gründen so viel Platz und Raum, als zu einem Fahrweg nöthig ist, insolange abzutreten, bis die verderbte Straße anwiederum in wandelbaren Stand hergestellet sein wird.

[2, 29, § 17] 101. Was hier oben von der mehreren Nachbarn zuständigen sonderheitlichen Weggerechtigkeit geordnet worden, ist auch auf gemeinen Wegen und Straßen zu beobachten, daß von denen darauf Wandelnden keiner dem Anderen hinderlich falle, sondern, gleichwie Jedermänniglichem zu dem Gebrauch der öffentlichen Wegen und Straßen ein gleiches Recht gebühret, also haben sich auch alle dergestalten zu betragen, daß keiner den Anderen beirre oder verhindere.

[2, 29, § 17] 102. Es hat daher nach der allgemein üblichen Gewohnheit der Fußgänger dem Reitenden, ein Reiter dem Wagen, ein leerer oder leichter Wagen dem beladenen, dahingegen auch dieser dem befreiten Fuhrwerk auszuweichen, und wer zuerst auf eine Brücke kommt, deren Raum nicht mehrere Wägen nebeneinander fasset, ist auf derselben vorzufahren befugt, der Andere aber vor der Brücke so lange zu warten schuldig, bis Jener hinübergefahren ist. Ein Gleiches hat auch bei Ueberfahrten und anderen engen Pässen statt, durch welche nicht mehr als ein Wagen nach dem anderen fahren kann.

[2, 29, § 17] 103. Daferne aber zwei Wägen in einem hohlen Weg einander begegneten, ist Derjenige, so zuerst mit gegebenen Zeichen oder Rufen den Weg eingenommen, fortzufahren berechtiget, der Andere hingegen wiederum zurückzuschieben gehalten.

[2, 29, § 17] 104. Wann jedoch Jener bergauf und der Andere bergab führe, ist der Erstere anwiederum zurückzuweichen schuldig und kann dem Anderen bergaufwärts zurückzuschieben nicht zugemuthet werden. Welchem Allem um so unverbrüchlicher

(2-513) nachgelebet werden solle, als widrigens Jener, der durch seine Widersetzlichkeit dem Anderen einen Schaden zufügte, solchen unnachsichtlich zu ersetzen hat.

§. XVIII.

[2, 29, § 18] 105. Viertens, das Recht der Wasserleitung. Dieses ist eine Felddienstbarkeit, welche die Befugniß giebt, Wasser von fremden, benachbarten Grund oder durch denselben auf den seinigen zur eigenen Bedürfniß zu leiten.

[2, 29, § 18] 106. Diese Dienstbarkeit kann auf mehrerlei Art bestehen; als da entweder Jemand das Wasser von und durch des Nachbarn Grund in seinen, oder aber von einem dritten Ort nur durch des Nachbarn Grund, oder des Nachbarn Wasser, ohne solches durch dessen Grund zu führen, in den seinigen leitet, oder endlich das überflüssige Wasser aus dem seinigen durch des Nachbarn Grund abführet.

[2, 29, § 18] 107. In Fällen, wo der Besitzer des herrschenden Grunds das Wasser von oder durch des Nachbarn zu seiner Nothdurft zu leiten berechtiget ist, darf er diese nemliche Leitung weder zum Behuf seiner anderen Gründen, denen diese Dienstbarkeit nicht bestellet worden, gebrauchen, noch solche Anderen zukommen lassen, obschon er das Wasser, welches durch diese Leitung auf seinen Grund kommt, von dannen anwiederum ohne Schaden und Nachtheil seiner Nachbarn ableiten mag, wohin er will, wann nur andurch die Maß der ihm gebührenden Dienstbarkeit nicht überschritten wird.

[2, 29, § 18] 108. Dagegen darf auch der Herr des dienstbaren Grunds nichts unternehmen, wodurch der Gebrauch dieser Dienstbarkeit beirret und verhinderet würde, wiewohlen ihme nicht verwehret ist, eben dasselbe Wasser aus dem nemlichen Fluss, Bach, See, Teich, Brunnen oder Quelle, wann davon ein Ueberfluß vorhanden, und insoweit Alles ohne Eintrag dessen, deme dieses Recht zuerst bestellet worden, geschehen mag, auch Anderen zu verstatten.

[2, 29, § 18] 109. In jenem Fall aber, wo Jemand das Recht hat, das Wasser aus dem seinigen durch fremde Gründe abzuführen, darf derselbe aus keinem anderen Grund das Wasser geflissentlich sammlen und zu mehrerer Beschwerniß des dienstbaren Grunds dahin ableiten, wann solches nicht schon seinen natürlichen Ablauf auf dessen Grund hätte.

[2, 29, § 18] 110. Weme das Recht der Wasserleitung zustehet, deme liegt auch ob, die Röhren, Rinnen, Gruben und Dämme auf seine eigene Unkosten zu legen, zuzurichten, auszuräumen und, was hieran mangelhaft ist, auszubesseren, wozu der dienstbare Grund nichts beizutragen hat, wann es nicht ausdrücklich mitbedungen worden.

[2, 29, § 18] 111. Der Herr des dienstbaren Grunds hingegen ist schuldig, nicht allein die nöthigen Zurichtungen und Ausbesserungen ohne Hinderniß geschehen zu lassen, sondern auch zur Dahinbringung der erforderlichen Geräthschaften die freie Zufuhr, sowie den Arbeitsleuten den freien Durchgang, so oft es die Nothdurft erheischet, über freien Grund unweigerlich zu verstatten.

[2, 29, § 18] 112. Die Maß dieser Dienstbarkeit ist allemal nach Inhalt der Verabredung, oder wo dieselbe nichts Gewisses ausmessen würde, nach dem bisherigen ungestörten Gebrauch, und wo auch dieser zweifelhaft wäre, nach Billigkeit mit Rücksicht auf die Bedürfniß des herrschenden Grunds und die mindere Beschwerung des dienstbaren Grunds zu bestimmen.

[2, 29, § 18] 113. Mit dieser kommt auch jene Dienstbarkeit überein, wodurch sich ein Nachbar gegen den anderen verbindet, das aus dem seinigen in den Grund des letzteren, durch seinen natürlichen Lauf abfließende Wasser nicht abzufangen, abzugraben oder abzuleiten.

[2, 29, § 18] 114. Dann die auf eigenem Grund und Boden entspringende Quellen, obschon sie noch so lange Zeit in des Nachbarn Grund geflossen, kann der Eigenthümer des Grunds außer einer dem Anderen hierwegen verstatteten Dienstbarkeit, oder außer einer den unveränderten Lauf erheischenden gemeinwesigen Ursache nach

(2-514) Gefallen zu seiner eigenen Nothdurft gebrauchen, benutzen, abgraben, austrocknen, verstopfen oder Anderen zukommen lassen.

§. XIX.

[2, 29, § 19] 115. Fünftens, die Wasserschöpfungsgerechtigkeit, welche eine Felddienstbarkeit ist, kraft welcher Jemand das Recht hat, zu seiner Nothdurft aus des Nachbarn Bach oder Brunnen Wasser zu schöpfen.

[2, 29, § 19] 116. Doch ist derselbe nicht befugt, wie in der gleich vorher beschriebenen Dienstbarkeit, das Wasser durch Röhren, Rinnen oder Gräben auf seinen Grund zu leiten, sondern bloß allein so viel, als er bedarf oder die Verleihung besaget, in Fässern, Flaschen oder Krügen daraus zu holen.

[2, 29, § 19] 117. Wer das Recht hat, aus des Nachbarn Brunnen Wasser zu schöpfen, hat auch den freien Zugang zu dem Brunnen, nicht aber auch die freie Zufuhr mit Wägen über des Nachbarn Grund, wann solche nicht ausdrücklich mit verstattet worden, oder doch nicht wenigstens aus der Größe der in der Verleihung benamsten Gefäßen, welche nicht getragen zu werden pflegen, nothfolglich geschlossen werden mag.

[2, 29, § 19] 118. Dadurch aber, daß der Brunnen auf einige Zeit vertrocknete, erlöschet die Dienstbarkeit nicht, wenn derselbe nachhero anwiederum zu quellen anfangt, obschon das Wasser durch noch so lange Zeit ausgeblieben und somit der Gebrauch dieser Dienstbarkeit unterlassen worden wäre.

§. XX.

[2, 29, § 20] 119. Sechstens, das Recht der Viehtränke, welches eine Felddienstbarkeit ist, wodurch ein Nachbar berechtiget ist, sein Vieh über des Anderen Grund zur Tränke zu treiben.

[2, 29, § 20] 120. Bei dieser Dienstbarkeit ist die Gattung und die Anzahl des Viehs, wie auch die Art und Weis des verstatteten Triebs genau zu beobachten, welche übrigens eine ganz gleiche Natur mit der oben beschriebenen Triebgerechtigkeit hat, wiewohlen sie in deme weiter gehet, daß dabei nebst dem Trieb über fremden Grund auch die Tränke aus fremden Wasser verstattet werde.

§. XXI.

[2, 29, § 21] 121. Siebentens, das Recht der Hutweide und Koppelweide. Die Hutweide ist eine Felddienstbarkeit, sein Vieh auf fremden Grund zu hüthen und zu weiden. Diese Dienstbarkeit erstrecket sich auf alles Vieh, welches heerdweis gefüttert wird, wann sie nicht insonderheit auf eine oder die andere Gattung des Viehs allein beschränket worden, wovon aber in waldigten Gegenden die Ziegen allzeit ausgenommen sind.

[2, 29, § 21] 122. Wann jedoch die Hutweide nur für eine gewisse benannte Gattung des Viehs verstattet worden, darf keine andere Gattung, als welche die Verleihung besaget, dahin getrieben, noch auch die Anzahl des Viehs, welche entweder in der Verleihung ausgemessen, oder in Ermanglung einer ausdrücklichen Bestimmung zu Zeit der bestellten Dienstbarkeit vorhanden gewesen, oder auf dem herrschenden Grund nach dessen damaligen Stand füglich ausgehalten werden können, überschritten werden.

[2, 29, § 21] 123. Da aber diese Dienstbarkeit durch Verjährung erworben worden wäre, kann nur allein diejenige Gattung und Anzahl von Vieh dieser Hutweide genießen, welche zu der Zeit, als die Verjährung erfüllet worden, allda gehüthet wurde.

[2, 29, § 21] 124. Ist keine gewisse Gegend oder Bezirk zur Hutweide ausgewiesen worden, so gebühret solche an allen Orten, wo sonst der Herr des dienstbaren Grunds sein Vieh zu hüten pflegte; übrigens ist die Maß und Zeit des Gebrauchs der Hutweide nach der Verabredung, oder wo diese nichts Gewisses besagete, nach eines

(2-515) jeden Landes Gewohnheit zu bestimmen, solcher aber auf fruchttragenden Gründen zu keinen als zu offenen Zeiten und nachdeme die Früchte schon eingesammlet worden, zu verstatten.

[2, 29, § 21] 125. An diesen entweder durch Verträge oder durch das Herkommen bestimmten Gebrauch ist der Herr des herrschenden Grunds dergestalten gebunden, daß er solchen keineswegs überschreiten, noch solchen auf einigerlei Weis erschweren darf.

[2, 29, § 21] 126. Umsoweniger ist er befugt, Vieh von einem anderen Gut, dem diese Dienstbarkeit nicht zustehet, oder in größerer als der sonst erlaubten Anzahl dahin auf die Weide zu treiben, oder gar fremdes Vieh allda zu hüthen, oder die Hutweide an andere mieth- oder bestandweise, oder aus Freundschaft ohne dem herrschenden Grund, deme diese Dienstbarkeit anklebet, zu überlassen. Mit dem Grund aber kann auch die Hutweide an Andere überlassen werden, wann nur der Pachter, Mieth- und Bestandmann, oder der sonstige Inhaber des herrschenden Grunds die dabei vorgeschriebene Maß nicht überschreitet.

[2, 29, § 21] 127. Wo aber die Dienstbarkeit der Hutweide nicht einem Grund, sondern einer Person bestellet worden wäre, ist zu unterscheiden, ob die Bestellung in Anbetracht eines von ihr besitzenden Guts, deme es sonst an der nöthigen Trift und Hüthung gebräche, oder aber ohne dieser Rücksicht zu selbstgefälligen Gebrauch der Person geschehen?

[2, 29, § 21] 128. Ersteren Falls kann kein anderes und nicht mehreres Vieh gehüthet werden, als auf dem Gut, in wessen Ansehung beim derzeitigen Besitzer die Hutweide verliehen worden, erhalten zu werden pfleget; letzteres Falls hingegen stehet dem hierzu Berechtigten frei, nicht allein eigenes, sondern auch fremdes Vieh allda zu hüthen, wie nicht weniger die Hutweide Anderen mieth- und bestandweise, oder unentgeltlich zukommen zu lassen, wann nur die Weide mit der Menge des Viehs nicht dergestalter übertrieben wird, daß andurch dem Eigenthümer des dienstbaren Grunds alle Weide für sein eigenes Vieh entzogen werde.

[2, 29, § 21] 129. Es stehet auch dem Herrn des herrschenden Grunds nicht zu, die Dienstbarkeit in einen anderen Gebrauch zu verwandeln, und wann er kein Vieh hielte, das Gras abzumähen oder sonst sich des dienstbaren Grunds zu einem anderen Gebrauch, als zur Hutweide seine Viehs zu bedienen.

[2, 29, § 21] 130. Dahingegen darf auch der Herr des dienstbaren Grunds nichts thun und unternehmen, wodurch die Hutweide geminderet und beeinträchtiget würde. Er ist daher nicht befugt, der Orten, welche zur Hutweide gewidmet sind, den Grund umzureißen, oder Äcker, Gärten, Weinberge, Wiesen, oder Teiche daraus zu machen, oder Bäume auszusetzen; es seie dann, daß derselbe dafür andere, gleich wohl gelegene und nicht weniger anständige Felder zur Weide liegen lasse.

[2, 29, § 21] 131. Er kann auch nicht den zur Hutweide gewidmeten Grund mit Mauern, Zäunen, Hecken oder Gräben einschließen, obschon ihme unbenommen ist, fruchttragende Orte zur Zeit der geschlossenen Feldern, binnen welcher kein Vieh dahin getrieben werden darf, einzuzäunen oder sonst zu verwahren.

[2, 29, § 21] 132. Noch weniger ist dem Herrn des dienstbaren Grunds verwehret, sein eigenes Vieh mit dahin zu treiben, wann er sich in der Bestellung der Dienstbarkeit dieser Freiheit nicht ausdrücklich begeben und verziehen hat, oder der ausschließende Gebrauch des Anderen nicht erweislich ist. Wo aber die Weide für beider Herren Vieh nicht ausreichete und sie sich untereinander deshalben nicht vergleichen könnten, solle das Gericht eine gleiche Anzahl, wie viel ein jeder allda zu weiden hat, nach Zulänglichkeit der Hutweide ausmessen.

[2, 29, § 21] 133. Die Koppelweide überhaupt betrachtet ist eine mehreren Herren zuständige gemeinschaftliche Weide ihres Viehs entweder auf eines Herrn Grund allein, oder auf beider Herren Gründen zusammen, oder auch auf eines Dritten Grund. Eigentlich aber ist die Koppelweide eine mit gemeinsamer Einverständniß mehrerer

(2-516) Nachbarn sich untereinander verstattete Befugniß, ihr Vieh auf ihren allseitigen Gründen gemeinschaftlich zu weiden.

[2, 29, § 21] 134. Nachdeme nun dieselbe entweder aus Freundschaft oder nachbarlichem guten Willen, oder aus Schuldigkeit verstattet wird, in dieser Maß ist auch solche entweder eine nach Gefallen des Verstattenden widerrufliche Befugniß, oder eine beharrliche Dienstbarkeit.

[2, 29, § 21] 135. Solchemnach kann aus deme allein, daß Jemand durch noch so lange Zeit sein Vieh mit des Nachbarn seinem an einerlei Ort gemeinschaftlich geweidet, noch keine Dienstbarkeit gefolgeret werden, sondern so Einem, als dem Anderen stehet noch allzeit frei, des Anderen Vieh von seinen Gründen auszuschließen und sein Vieh darauf besonders zu weiden.

[2, 29, § 21] 136. Es seie dann, daß die Bestellung einer Dienstbarkeit oder die wider den Verbot des Einen gleichwohlen durch die Verjährungszeit ohngestört fortgesetzte Ausübung, oder die ohnausweichliche Nothwendigkeit wegen vermischter Lage beiderseitiger Gründen, auf deren keinen ohne Betreibung des anderen zu gelangen ist, erweislich wäre, oder die Landesverfassung und Gewohnheit ein Anderes mit sich brächte.

[2, 29, § 21] 137. Wie Wir es dann überhaupt in Ansehung der gemeinen Hutweiden, Triften und sogenannten Blumensucht bei dem bisherigen Herkommen, Gebräuchen, und Gewohnheiten nach eines jeden Landes Verfassung außer deme, was in diesem Unserem Gesatz ausdrücklich anderst geordnet worden, gnädigst bewenden lassen.

[2, 29, § 21] 138. Es möge aber die besondere oder gemeinschaftliche Hutweide aus Nachbarschaft oder aus einer Dienstbarkeit verstattet worden sein, so solle doch Keiner dem Anderen weder mit übermäßiger Anzahl des Viehs, noch mit krankem und ungesundem Vieh, wovon eine Ansteckung zu befahren ist, beschwerlich fallen; widrigens ist der Herr des dienstbaren Grunds, oder wer sonst zur Weide mitberechtiget ist, befugt, nicht allein das überzählige oder schadhafte Vieh abzutreiben, sondern auch den Ersatz des an seinem Vieh andurch zugefügten erweislichen Schadens an den Anderen einzufordern.

§. XXII.

[2, 29, § 22] 139. Achtens, die Dienstpflichtigkeit der nachbarlichen Gründen. Diese ist eine Felddienstbarkeit, wodurch ein benachbartes Gut dem anderen zu Leistung gewisser Frohndiensten verpflichtet ist.

[2, 29, § 22] 140. Die Art, Maß und Zeit der zu leisten habenden Diensten ist aus dem Vertrag oder dem langwierigen, steten und ununterbrochenen Gebrauch und Uebung zu entnehmen; übrigens gehet sowohl das Recht, die Dienste zu forderen, auf einen jedweden Besitzer des herrschenden, wie die Schuldigkeit solche zu leisten auf einen jeden Besitzer des dienstbaren Grunds, wann das Recht oder die Verbindlichkeit nicht namentlich nur auf die Personen lautet.

§. XXIII.

[2, 29, § 23] 141. Neuntens, die Zwang- oder Bannrechte auf nachbarlichen Gründen. Diese bestehen in einer Art Dienstbarkeit, wodurch der Herr oder die Unterthanen eines Guts verbunden sind, gewisse Bedürfnissen nirgends anderst woher, als von dem benachbarten Gut zu nehmen, als z. B. in keiner anderen als des Nachbarn Mühle zu mahlen, aus keiner als des Nachbarn Schenke Wein, Bier und Branntwein zu holen und dergleichen.

[2, 29, § 23] 142. Wo ein Herr sein Gut oder eine Gemeinde sich zu einem solchen Zwang gegen dem benachbarten Gut verbindlich gemacht hat, da gehet auch diese Dienstbarkeit auf alle nachfolgende Besitzere des Guts und auf alle Nachkömmlinge der Gemeinde fort, es wäre dann solche nur auf gewisse Zeiten oder Personen beschränket worden. Dadurch aber, daß Jemand durch noch so lange Zeit seine

(2-517) Bedürfnissen nirgends anderst, als von einem gewissen Ort hergeholet, wird in Ermanglung einer ausdrücklichen Verbindung noch keine Dienstbarkeit bestellet.

§ XXIV.

[2, 29, § 24] 143. Außer denen vorbeschriebenen giebt es noch verschiedene Arten von Felddienstbarkeiten, nachdeme solche der Nutzen oder die Bedürfniß eines Grunds von dem anderen erheischet.

[2, 29, § 24] 144. Dahin gehören: Das Recht auf fremden Grund Kalk zu brennen, Sand und Lehm zu graben, aus fremden Wald Hopfenpfähle, Zaun- und Weinstecken, Dachschindeln zu holen, darinnen Eicheln, Nüsse, Schwämme, Eichenzapfen oder Knoppern zu klauben, dürres Holz und Reisig zu brechen, Holz zu fällen, Kohlen zu brennen, zu jagen und Waidwerk zu treiben, in fremden Wässern zu fischen, auf fremden Feldern Lerchen zu streichen, in des Nachbarn Bräuhaus zu brauen, in fremder Presse Wein zu pressen, in fremder Scheuer zu dreschen, die Wagendeichsel in fremden Grund auszustrecken, und dergleichen unzählig andere.

[2, 29, § 24] 145. Desgleichen das Zehentrecht auf fremden Gründen in allen seinen nach denen Verträgen und Gebräuchen jeden Orts hergebrachten verschiedenen Arten, wobei es dann auch für das Künftige sein gänzliches Verbleiben haben solle.

[2, 29, § 24] 146. Nur ist bei allen Arten der Dienstbarkeiten darauf zu sehen, ob selbe einem Gut oder einer Person bestellet worden. Dann ersteren Falls sind sie beharrlich, letzteren Falls aber erlöschen sie mit der Person dessen, deme sie verliehen worden. Wann jedoch ein Zweifel fürwaltete, ob die verliehene Gerechtigkeit eine Grunddienstbarkeit oder eine persönliche Dienstbarkeit seie, ist solche für persönlich zu halten, wofern in der Verleihung keine Meldung des Guts einkommet, daß demselben die Dienstbarkeit bestellet werde.

[2, 29, § 24] 147. Woferne aber Jemandem aus Freundschaft und guten Willen derlei Befugnissen ein- oder auch öftere Mal verstattet würden, folget hieraus noch keine Verbindlichkeit, sondern sie bleiben zu allen Zeiten nach Wohlgefallen des Verstattenden widerruflich.

(2-518) Caput XXX.

Von dem Pfandrecht.

Inhalt:

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Pfandrechts. §. II. Von verschiedenen Gattungen des Pfandrechts. §. III. . Von Erwerbungsarten des Pfandrechts. §. IV. Von dem stillschweigenden Pfandrecht. §. V. Von den Wirkungen des Pfandrechts, und den daraus entspringenden Rechtsforderungen. §. VI. Von Erlöschung und Aufhebung des Pfandrechts.

§. I.

[2, 30, § 1] Num. 1. Die fünfte, und in der Ordnung gegenwärtiger Abhandlung die letzte Gattung des Rechts an fremden Sachen ist das Pfandrecht, welches an Pfandschaften gebühret, die, insoweit solche aus Contracten entspringen, in dem dritten Theil, in siebenten Capitel von Pfandcontracten eigends beschrieben werden.

[2, 30, § 1] 2. Hier wird nur das aus Pfandschaften entstehende Pfandrecht erkläret; dieses ist ein dingliches Recht, welches ein Glaubiger an dem Gut seines Schuldners oder auch eines Dritten für diesen durch die Bestellung oder Verschreibung eines Unterpfands zur Sicherheit seiner Schuldforderung erwirbt.

[2, 30, § 1] 3. Gleichwie aber ein Unterpfand zu keinem anderen Ziel und End, als zur Sicherheit des Glaubigers bestellet wird, also ist auch zur Wesenheit des Pfandrechts erforderlich, daß eine Schuld oder sonstige Verbindlichkeit vorhergehe, ohne welcher dasselbe nicht bestehen kann, sondern, wo diese ermanglet oder unstatthaft ist, erlöschet auch das Pfandrecht.

[2, 30, § 1] 4. Es kann jedoch sowohl eine eigene, als fremde Verbindlichkeit sein, wofür ein Unterpfand bestellet wird, woferne selbe nur nach unseren Gesetzen zulässig ist, und zu Recht bestehen mag; in Gegentheil, wann für Jene, welche Verbindungen einzugehen unfähig sind, entweder von ihnen selbst, oder auch von einem Dritten für sie Pfandschaften bestellet werden, sind dieselbe null und nichtig, und geben dem vermeintlichen Glaubiger kein Pfandrecht.

[2, 30, § 1] 5. Wo aber von einem Weib für ihren Ehemann, oder auch für einen Dritten ohne Begebung ihrer weiblichen Gerechtigkeit eine Pfandschaft bestellet würde, bestehet diese nur insoweit, als ihre Bürgschaft nach Inhalt dessen, was davon im dritten Theil, im achten Capitel von Bürgschaften, § II geordnet wird, giltig ist.

[2, 30, § 1] 6. Wer und weme, und an was für Sachen das Pfandrecht bestellet werden könne, wird in gleichgedachtem dritten Theil, in siebenten Capitel von Pfandcontracten,

(2-519)in ersten Artikel, §§. II und III, dann im zweiten Artikel, §§. X und XI ausführlich erkläret.

§. II.

[2, 30, § 2] 7. Die Pfandschaften werden auf zweierlei Art bestellet, als entweder durch die wirkliche Uebergabe der verpfändeten Sache oder durch die Verschreibung und Behaftung einer Sache zum Unterpfand; erstere heißen eigentlich ein Pfand, Unterpfand, Versatz, letztere aber eine Pfandsverschreibung oder Hypothek.

[2, 30, § 2] 8. Ein Pfand kann nur an beweglichen Dingen mittelst der wirklichen Uebergabe, eine Hypothek hingegen insgemein nur in liegenden Gütern, und bloß allein in gewissen, in dritten Theil, in siebenten Capitel von Pfandcontracten, in zweiten Artikel, §. XI bestimmten Fällen auch an fahrenden Habschaften mittelst gerichtlicher Verschreibung oder Behaftung erworben werden.

[2, 30, § 2] 9. Obschon aber diese beide Gattungen sowohl nach deren jeder besonderen Bestellungsart, als nach der Verschiedenheit des Gegenstandes, den sie behaften, unterschieden sind, so kommen sie jegleichwohlen in ihrer Wirkung überein, daß so aus einer, wie aus der anderen das Pfandrecht entstehe, welches die zum Unterpfand gegebene Sache, wie das zur Hypothek verschriebene oder angewiesene Gut in ganz gleicher Maß behaftet.

[2, 30, § 2] 10. Dieses ist demnach an sich selbst, und in seiner Wirkung ganz einfach, in Rücksicht aber auf die verschiedene Bestellungsart dreierlei, dann entweder wird dasselbe durch beiderseitige ausdrückliche Vereinigung der Contrahenten nach eigener freier Willkür bestellet, und heißet ein willkürliches Unterpfand.

[2, 30, § 2] 11. Oder es wird von richterlichen Amts wegen an dem Gut des Schuldners auch wider seinen Willen verhänget, und ist ein gerichtliches Unterpfand, oder endlich in gewissen von Uns besonders ausgedrückten Fällen aus Anordnung des Gesatzes stillschweigend erworben, und ist ein rechtliches oder stillschweigendes Unterpfand.

[2, 30, § 2] 12. Das aus Willkür der Contrahenten bestellte Pfandrecht ist entweder allgemein oder sonderheitlich; mit dem allgemeinen wird das gesammte Hab und Gut des Schuldners behaftet, das sonderheitliche hingegen nur an einer gewissen benannten Sache oder Gut bestellet. Inwieweit aber eine allgemeine Hypothek zu Recht bestehen, und zur Wirkung gebracht werden könne, wird in dritten Theil an der oben num. 8 bemerkten Stelle umständlich erkläret.

§. III.

[2, 30, § 3] 13. Das willkürliche Pfandrecht entspringet aus Pfandcontracten, oder aus Bestellung einer von dem Schuldner, oder von einem Dritten für diesen dem Glaubiger zur Sicherheit seiner Forderung verschriebenen Hypothek.

(2-520) [2, 30, § 3] 14. Es wird aber zur Erzeugung des Pfandrechts bei Pfändern die wirkliche Uebergabe der verpfändeten Sache, und bei Hypotheken die gerichtliche Verschreibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wo das verschriebene Gut inlieget, zu Handen des Glaubigers dergestalten unumgänglich erforderet, daß so wenig ein Pfand ohne der Uebergabe, als eine Hypothek ohne der Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher bestehen kann, wie alles dieses in dritten Theil in oftermelten siebenten Capitel, ersten Artikel §. IV, und in zweiten Artikel, §. XII ausführlich erkläret wird.

[2, 30, § 3] 15. Das gerichtliche Pfandrecht wird durch richterliche Verordnung von amtswegen in denen im vierten Theil in der Abhandlung von der Gerichtsordnung ausgemessenen Fällen bestellet; doch ist auch bei dieser Art des Pfandrechts zu Behaftung liegender Güter die Einverleibung der dasselbe verhängenden richterlichen Verordnung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher nothwendig, ohne welcher auch gerichtliche Verfügungen an liegenden Gütern kein Pfandrecht bewirken können.

[2, 30, § 3] 16. Wo aber an Fahrnissen ein gerichtliches Unterpfand bestellet würde, kann dasselbe hieran auf keine andere Art bestehen, als wann solche entweder in gerichtlichen Beschlag genommen, oder mit Einwilligung des Schuldners dem Glaubiger zu seiner Sicherheit ausgeantwortet werden.

§. IV.

[2, 30, § 4] 17. Das rechtliche oder stillschweigende Pfandrecht rühret unmittelbar aus Anordnung der Gesetzen selbst her, welche dem Glaubiger in gewissen Fällen ohne

(2-521) einer ausdrücklichen Bestellung ohne Verabredung ein stillschweigendes Unterpfand an dem Gut des Schuldners zueignen.

[2, 30, § 4] 18. Derlei Fälle waren bishero nach den gemeinen Rechten und vorhin bestandenen Gesetzen mehrfältig; wiezumahlen aber diese stillschweigende Hypotheken mit dem öffentlichen Trauen und Glauben und der davon abhangenden Sicherheit des Handels und Wandels keineswegs vereinbarlich, sondern dem abgezielten heilsamen Endzweck der Landtafeln schnurgerad zuwider sind, so haben wir dahero für nöthig befunden, für das Künftige alle stillschweigende Hypotheken, welche sonst nach den vorigen Gesetzen angebühret haben mögen, mit alleiniger Ausnahm nachstehender zweier Fällen hiermit gänzlich aufzuheben und abzustellen.

[2, 30, § 4] 19. Es solle demnach in Zukunft das stillschweigende Pfandrecht oder Hypothek nur in folgenden zweien Fällen nach wie vor statt haben, als: Erstens, wegen der ausständigen Steuern und Landesanlagen, Erb- und Grundzinsen, der Lehenwaare oder sogenannten Ehrungen, jedoch nur auf demjenigen Grund, auf dem sie haften, und von welchem sie abzutragen sind, keineswegs aber auf einem anderen obschon dem nemlichen Eigenthümer zugehörigen Gut, mit dem in vierten Theil in der Gant- oder Cridaordnung ausgemessenen Vorrecht vor anderen minderbefreiten Forderungen.

[2, 30, § 4] 20. Zweitens solle dem Vermiether, Verpachter oder Bestandgeber für den schuldigen Mieth-, Pacht- oder Bestandzins, wie nicht minder für den allenfalls an dem gemietheten Gut zugefügten erweislichen Schaden an allen von dem Miether, Pachter oder Bestandmann in das gemiethete oder gepachtete Gut, Haus, Hof, Wohnung, Boden, Keller oder Gewölb gebrachten, und ihme eigenthumlich zuständigen Fahrnissen, wie auch an denen von dem gepachteten oder bestandenen Gut erzeugten Vorräthen, welche von so einen als anderen zur Zeit der angelegten gerichtlichen Sperr allda vorfindlich sind, in Ermanglung eines ausdrücklich bestellten Unterpfands, aber bei dessen Unzulänglichkeit ein stillschweigendes Pfandrecht oder Hypothek angebühren.

[2, 30, § 4] 21. Unter dieser stillschweigenden Hypothek jedoch ist keinerdings begriffen, was von dem Miether, Pachter oder Bestandmann schon vorhin davon veräußeret worden, noch auch Jenes, was ihme nicht eigenthumlich zugehöret, obschon so ein wie anderes unter seinen übrigen Fahrnissen gefunden würde.

[2, 30, § 4] 22. Desgleichen erstrecket sich diese stillschweigende Hypothek nicht auf Schuld- oder Wechselbriefe, oder andere Urkunden, welche zum Beweis einer Forderung oder sonstigen Rechts andienen, noch weniger auf Dasjenige, was zur Zeit der Sperr nicht mehr allda vorhändig ist, sondern schon ehender von dannen hinweggebracht worden, obgleich solches noch dem Miether oder Pachter angehörig wäre.

[2, 30, § 4] 23. Um so minder werden die Habseligkeiten Jener, welche bei dem Miether,

(2-522) Pachter oder Bestandmann ihren Aufenthalt haben, als seines Weibs, Kinder und Hausgenossen, oder auch Anderer, die von ihme ohnentgeltlich in die gemiethete Wohnung genommen worden, mit einer stillschweigenden Hypothek behaftet, und ist dahero der Vermiether oder Verpachter sich hieran zu halten nicht befugt.

[2, 30, § 4] 24. Woferne aber der Miether, Pachter oder Bestandmann das gemiethete oder gepachtete Gut, Haus oder Wohnung anwiederum weiters an jemanden Anderen ganz oder zum Theil vermiethet, verpachtet oder in Bestand gelassen hätte, so sind die dahin gebrachten eigenthümlichen Fahrnissen des Afterpachters oder Afterbestandmanns für den von ihme schuldigen Mieth-, Pacht- oder Bestandzins, und für die allenfalls zugefügte Beschädigungen in eben der vorbestimmten Maß sowohl dem zweiten als dem ersten Vermiether, Verpachter oder Bestandgeber mit dem stillschweigenden Pfandrecht verfangen, doch für keinen höheren Betrag, als welcher bei dem Afterpachter oder Afterbestandmann ausständig ist.

[2, 30, § 4] 25. Es darf aber der Vermiether, Verpachter oder Bestandgeber hierinnen nicht eigenmächtig fürgehen, noch weniger sich selbst aus denen vorgefundenen Fahrnissen bezahlt machen, sondern, wo die Bezahlung des verfallenen Zinses, oder die angebührende Entschädigung durch gütliche Ermahnung nicht zu erlangen, und er dahero sich an denen Habseligkeiten des Miethers, Pachters oder Bestandmanns zu halten bemüßiget wäre, hat derselbe die gerichtliche Sperr und Beschreibung anzuverlangen.

[2, 30, § 4] 26.Worauf zu deren gerichtlicher Abschätzung und Veräußerung auf die im dritten Theil, in siebenten Capitel, zweiten Artikel, §. XIII. vorgeschriebene Art und Weis fürgeschritten, und aus dem erlösten Geld der Vermiether oder Verpachter mit so viel, als er aus dem Mieth- oder Pachtcontract rechtmäßig zu forderen zu haben erweisen wird, befriediget werden solle.

[2, 30, § 4] 27. Bis dahin aber hat derselbe Fug und Macht bei wahrnehmender Gefährde alle Verschleppung, Vertuschung, und öffentliche oder heimliche Hinwegtragung der Fahrnissen auf alle thunliche Weise zu verwehren und zu verhinderen.

[2, 30, § 4] 28. Außer diesen zweien Fällen sollen in Hinkunft nach Kundmachung dieses Unseren Gesatzes alle andere, wie immer Namen habende, von den vorigen Gesetzen eingeführte stillschweigende Pfandgerechtsamen hiermit gänzlich aufgehoben sein, und hinfüro nicht die mindeste Wirkung haben.

[2, 30, § 4] 29. Soviel es aber die nach den vorigen Gesetzen allschon bestehende, allein noch nicht zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Vormerkung gebrachte stillschweigende Hypotheken anlanget, so sollen Wir allen und jeden Glaubigeren, welchen eine solche vorhin erworbene stillschweigende Hypothek gebühret, eine ganze Jahresfrist von dem Tag der Kundmachung dieses Unseren Gesatzes anzurechnen, hiermit gnädigst verstattet und bestimmet haben, um sich binnen dieser Zeit mit ihnen auf einem liegenden Gut aus einem stillschweigenden Pfandrecht habenden Sprüchen bei denen Landtafeln, Stadt- oder Grundbüchern um so gewisser vormerken zu lassen, als nach Verfließung dieser Jahresfrist ihr stillschweigendes Pfandrecht gänzlich erloschen sein, und ihre Sprüche nach dieser Zeit in Ermanglung einer anderweit sich vorgesehenen ausdrücklichen Hypothek für bloße chirographarische Schuldforderungen angesehen werden sollen.

[2, 30, § 4] 30. Welches nicht weniger auch in Ansehung deren unter der Vormundschaft oder fremden Obsorge stehenden Personen, wie auch der milden Stiftungen statt haben, diesen aber auf dem Fall, daß hierunter etwas verabsaumet würde, bevorstehen solle, sich des daher ihnen zuwachsenden Schadens halber an Jenen, die sie zu vertreten haben, und auch allenfalls an dem Gericht selbst, welchem deren Obsorge anvertrauet ist, zu erholen.

[2, 30, § 4] 31. Jedoch erwerben die stillschweigende Hypotheken, welche sich binnen der obanberaumten Jahresfrist vormerken lassen, durch diese Vormerkung kein neues


(2-528) besonderes Vorrecht weder eine vor der anderen unter sich, noch vor denen früher vorgemerkten ausdrücklichen Hypotheken, sondern eine jede Pfandgerechtsame verbleibet allerdings in ihrem vorigen Stand, und deren jedweder ihr etwan nach denen vorhinigen Gesetzen angebührendes Vorrecht vor der anderen vorbehalten, welches ein Glaubiger gegen dem anderen seiner Zeit, wo es die Nothdurft erheischet ihre Behelfe und Gegenbehelfe gegen einander auszuführen, in Weg Rechtens behaupten mag.

[2, 30, § 4] 32. Dahingegen solle die binnen der Jahresfrist befolgte Vormerkung der vorhin erworbenen stillschweigenden Hypotheken das Vorrecht vor allen später angemeldeten ausdrücklichen Hypotheken von dem Tag ihrer Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher bewirken, dem Schuldner aber anbeinebst seine wider die Richtigkeit der angegebenen Forderung habende Behelfe und Einwendungen entweder sogleich, oder doch in der zum gerichtlichen Widerspruch ausgesetzten Zeit anzubringen unverwehret sein.

§. V.

[2, 30, § 5] 33. Das ordentlich erworbene Pfandrecht giebt nicht nur allein dem Glaubiger die Sicherheit wegen seiner Forderung, für die es bestellt worden, sondern es behaftet auch die zum Unterpfand gegebene Sache, aber das zur Hypothek gerichtlich verschriebene Gut dergestalten, dass diese Haftung, so lange sie nicht getilget wird, mit der Sache oder mit dem Gut auf einen jedweden dritten Besitzer übergehe.

[2, 30, § 5] 34. Hieraus entstehen an Seiten des Glaubigers viererlei Befugnissen, als: Erstens das Recht der Abforderung von einem jedweden Besitzer, zweitens das Recht der Innenhaltung, drittens das Recht des Vorzugs vor anderen Glaubigern, viertens das Recht der Veräußerung.

[2, 30, § 5] 35. Von dem Recht des Vorzugs wird in vierten Theil bei der Gant- oder Cridaordnung eigends gehandlet, das Recht der Veräußerung aber, und die dabei zu beobachten habende Art und Weis in Ansehung der zum Pfand gegebenen beweglichen Sachen, im dritten Theil, in siebenten Kapitel, zweiten Artikel, §. XIII und in Betracht der zur Hypothek verschriebenen liegenden Gütern in vierten Theil bei der Executionsordnung umständlich beschrieben.

[2, 30, § 5] 36. Es erübrigt also nur sowohl das Recht der Abforderung, als das Recht der Innenhaltung, welche beide die vornehmsten Wirkungen eines dinglichen

(2-529) Rechts sind, hier zu erklären; doch ist auch bei dem ersteren zwischen den an liegenden Gütern gerichtlich verschriebenen Hypotheken, und zwischen eigentlichen Pfändern ein Unterschied zu machen.

[2, 30, § 5] 37. Gleichwie der Glaubiger, ehe und bevor die ihme verschriebene Hypothek landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf dem darzu angewiesenen liegenden Gut einverleibet worden, noch hieran kein Recht hat, und somit auch das Gut, wann es vor der darauf einverleibten Hypothek an einen Dritten veräußeret worden, nicht mehr in Anspruch nehmen kann, also hingegen bedarf derselbe, nachdeme die Hypothek landtäflich, stadt- oder grundbücherlich darauf vorgemerket worden, keiner besonderen Rechtsforderung, sondern das Pfandrecht bleibt hierauf haften, das Gut möge an wen immer veräußeret werden.

[2, 30, § 5] 38. Wann dahero der Glaubiger sich seiner Hypothek halten, und die Bezahlung hieraus erholen will, hat er nichts Anderes nöthig, als die ihme aus der Pfandsverschreibung angebührende Execution nach Maßgebung dessen, was davon in viertem Theil bei der Executionsordnung ausgesetzet ist, zu verführen, und dieses ohne Unterschied, ob das Gut, worauf die Hypothek haftet, sich in Handen des Schuldners oder eines Dritten befinde.

[2, 30, § 5] 39. Dahingegen hat der Glaubiger in Ansehung der ihme zum Pfand oder in Versatz gegebenen beweglichen Sachen, wann sie ihme wider seinen Willen aus Handen gekommen oder widerrechtlich vorenthalten werden, die aus dem Pfandrecht entspringende ihme und seinen Erben wieder einen jedweden Besitzer der verpfändeten Sache angebührende Rechtsforderung zur Ausfolgung des Pfands mit allen seinen Zugehörungen und Nutzungen in derjenigen Maß, wie solche weiter unten bestimmet wird.

[2, 30, § 5] 40. Dann keinem Glaubiger ist erlaubet, sein Pfand dem Besitzer eigenmächtig hinwegzunehmen, sondern er muß dessen Wiedererlangung mittelst vorbemelter Rechtsforderung nach Ordnung Rechtens ansuchen, wobei ihme zu erweisen oblieget, dass nicht allein das Pfand seine Richtigkeit habe, sondern auch Beklagter sich in dem wirklichen Besitz der verpfändeten Sache befinde.

[2, 30, § 5] 41. Hätte nun Kläger so ein als anderes rechtsbehörig erwiesen, so hat der Richter das ihme an der Sache zustehende Pfandrecht zu erklären, und den Beklagten zu deren Ausfolgung an den Kläger zu verurtheilen.

[2, 30, § 5] 42. Es könnte dann dagegen der Beklagte darthun, dass er die Sache in guten Glauben, ohne von der darauf haftenden Pfandschaft etwas zu wissen, aus einem rechtmäßigen Ankunftstitul mit Ausweisung seines Gewährsmanns an sich gebracht, oder ohne eines üblen Glaubens überführt werden zu mögen, die Sache durch die zur Verjährung beweglicher Dingen oben in neunten Kapitel, §. IV ausgemessene Verjährungszeit besessen, folglich hieran das Eigenthum aus Macht Rechtens erworben habe, oder dass ihme die Sache ehender, als dem Kläger in Versatz gegeben worden, oder dass das Pfandrecht des Klägers bereits erloschen, oder endlich, dass die Sache zur Zeit, als sie dem Kläger ohne seinem Wissen und Willen verpfändet worden, sein Eigenthum gewesen, und bis nun zu ohnverändert geblieben, und dieses dem Kläger wohl wissend gewesen seie, in welchen Fällen der Beklagte von der Klage ledig und losgezählet werden solle.

[2, 30, § 5] 43. Dadurch aber, dass der Beklagte aus geflissentlicher Gefährde zur Verkürzung des Klägers sich des Besitzes der angesprochenen Sache entäußeret, oder sich fälschlich für einen Besitzer ausgegeben, da er doch wissentlich nicht in dem Besitz der Sache gewesen, wird er von der wider ihn angestrengten Klage nicht enthoben, sondern es ist hierbei all Jenes zu beobachten, was oben im dritten Kapitel, §. III. von der Eigenthumsklage in ganz gleichen Fällen geordnet worden.

[2, 30, § 5] 44. Würde jedoch die Sache zwar zur Zeit der erhobenen Klage in Handen des Beklagten befindlich gewesen, währenden Rechtsstritt aber verloren, oder sonst zu Grund gegangen sein, so ist zu unterscheiden, ob der Verlust oder Untergang der

(2-525)Sache durch Zufall oder aus Schuld des Beklagten, oder aus dessen geflissentlicher Gefährde erfolget seie.

[2, 30, § 5] 45. Ersteren Falls wird er durch den zufälligen Verlust oder Untergang der Sache von allen weiteren Anspruch des Klägers entlediget, bleibet aber jegleichwohlen verbunden, das was von den Zugehörungen zur Sache oder davon behobenen Nutzungen etwan noch in seinen Handen befindlich ist, dem Kläger zu verabfolgen.

[2, 30, § 5] 46. Im zweiten Fall hingegen, wo seine erweisliche Schuld mit unterlaufet, hat er den Werth der Sache nach der gemeinen Schätzung, oder wie solchen Kläger in Ermanglung eines anderen Beweises gewissenhaft beschwören kann, dafür zu bezahlen.

[2, 30, § 5] 47. In dem dritten Fall aber, wo seine geflissentliche Gefährde erweislich ist, hat er denjenigen Werth zu entrichten, welchen Kläger nach eigener Schätzung und Anständigkeit eidlich bewähren, und der Richter nach vorläufiger Mäßigung bestimmen wird.

[2, 30, § 5] 48. Jedoch ist in so einem als anderen Fall, wo der Werth für die verpfändete Sache von dem Beklagten erleget wird, dem Kläger hiervon nur so viel, als seine erweisliche Schuldforderung mit Zinsen, Schäden und Unkosten betraget, auszufolgen, das Uebrige aber, bis dass sich Jener, welcher die Sache in Versatz gegeben, hierum meldet, in gerichtlichen Beschlag aufzubehalten.

[2, 30, § 5] 49. Gleichwie dann auch auf dem Fall, wo Beklagter ein Abkommen oder Verständniß wegen des Uebrigen mit Jenem, der das Pfand eingeleget, erweisen würde, derselbe dem Kläger zu nichts Mehreren, als dem Betrag seiner Schuldforderung mit Zinsen, Schäden und Unkosten verbunden ist.

[2, 30, § 5] 50. Zur Erstattung der mittlerweil behobenen Nutzungen kann Beklagter nur damals verhalten werden, wann solche dem Kläger ausdrücklich mitverpfändet worden, aber die Sache an sich zur hinlänglichen Sicherstellung und Befriedigung des Klägers nicht zureichend ist, ansonst hat der Kläger an denen Nutzungen keinen Anspruch.

[2, 30, § 5] 51. Das andere gleichfalls dem Glaubiger zustehende Recht der Innenhaltung giebt ihme die Befugniß sich seines ihme verschriebenen oder gegebenen Unterpfands solange zu halten, bis dass derselbe mit seiner Forderung nebst allen Zinsen, Schäden und Unkosten vollständig befriediget werde.

[2, 30, § 5] 52. Dieses Recht der Innenhaltung gebühret zwar bei landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf liegenden Gütern verschriebenen Hypotheken nicht weiter, als nur lediglich für diejenige Forderung, für welche die Hypothek namentlich bestellt worden, nicht aber auch für andere, obschon an dem nemlichen Schuldner habende, doch mit dieser Hypothek nicht versicherte Schuldforderungen.

[2, 30, § 5] 53. Allein bei Pfändern kann ein Glaubiger sich des Rechts der Innenhaltung an dem nemlichen Pfand auch für andere aus was immer für Ursache herrührende an eben demselben Schuldner habende Forderungen, wofür das Pfand namentlich nicht eingeleget worden, gebrauchen, es wäre dann mit dem Schuldner ausdrücklich bedungen worden, dass das gegebene Pfand nur für die eine Schuld, nicht aber auch für die anderen haften solle.

§. VI.

[2, 30, § 6] 54. Das Pfandrecht erlöschet mit Auflösung der Pfandschaft; wie aber die an beweglichen Sachen bestellte Pfandschaften beendiget werden, wird im dritten Theil, in siebenten Kapitel, ersten Artikel, §. VIII und auf was Art eine

(2-526) auf liegenden Gütern landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebene Hypothek getilget werde, in eben diesem Kapitel, zweiten Artikel, §. XV beschrieben.

[2, 30, § 6] 55. Hierinnen bestehen nun die in dieser Abhandlung erklärte fünf gemeinere Gattungen dinglicher Rechten an fremden Gut; wodurch Wir aber keineswegs alle andere Grundrechten, die nach denen verschiedenen Landesverfassungen jeden Orts hergebracht sind, und hier nicht besonders beschrieben worden, auszuschließen und abzustellen gemeinet sind.

[2, 30, § 6] 56. Wir wollen vielmehr nicht allein solche bei ihrer Kraft und Bündigkeit bestehen lassen, sondern auch Jedermänniglichem freigestellt haben, sein Gut mit was immer für einer Verfänglichkeit, welche in Unseren Gesetzen nicht verboten ist, zu behalten, wann nur bei liegenden Gütern das dem Anderen heran eingestandene Recht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf dem Gut da, wo dasselbe inlieget, einverleibet und vorgemerket wird.

[2, 30, § 6] 57. Widrigens kann ohne dieser Einverleibung und Vormerkung in Hinkunft kein dingliches Recht auf liegenden Gütern bestehen, noch minder dieselbe behaften, sondern derlei dahin abzielende Handlungen wirken ohne solcher bloß allein persönliche Verbindungen, zu deren Beschreibung in dem gleich nachfolgenden dritten Theil geschritten wird.


(2-527) Inhalt.

Zweiter Theil. Von Sachen und dinglichen Rechten. Seite

Caput I. Von Unterschied der Sachen. n. 1-220  3

§. I. Von Natur, Eigenschaft und Verschiedenheit der Sachen in Absicht auf die darauf gebührende Rechten. n. n. 1-15  3

§. II. Von Gott geheiligten Sachen. n. 16-42  5

§. III. Von Sachen, deren Gebrauch allen Menschen gemein ist. n. 43-46  12

§. IV. Von Sachen eines Staats oder Landes. n. 47-125  14

§. V. Von Sachen der Gemeinden. n. 126-155  25

§. VI. Von Sachen einzler Personen. n. 156-162  28

§. VII. Von beweg- und unbeweglichen Sachen. n. 163-204  29

§. VIII. Von unkörperlichen Dingen. n. 205-220  34

Caput II. Von dinglichen Rechten überhaupt. n. 1-34  37

§. I. Von Natur, Wesenheit und Unterschied dinglicher Rechten. n. 1-21  37

§.II. Von deren Eintheilung in das Recht über das eigene Hab und Gut, und das Recht an fremden Sachen. n. 22-26  39

§. III.  Von verschiedenen Gattungen des Rechts an fremden Sachen. n. 27-32  40

§. IV. Von der Ordnung dieses zweiten Theils, nach welcher alle Gattungen dinglicher Rechte abgehandlet werden. n. 33-35  40

Caput III. Von Eigenthum n. 1-100  41

§. I. Von Natur, Wesenheit und Eigenschaft des Eigenthums. n. 1-8  41

§. II. Von Erwerbungsarten des Eigenthums. n. 9-20  44

§. III. Von Wirkungen des Eigenthums. n. 21-94  47

§. IV. Von Erlöschung und Beendigung des Eigenthums. n. 95-100  59

Caput IV. Von Erwerbungsarten des Eigenthums, und insonderheit von der Ergreifung. n. 1-105  60

§. I. Von Rechtmäßigkeit der Ergreifung einer Sache. n. 1-20  60

§. II. Von Verschiedenheit der Ergreifungsarten. n. 21, 22  63

§. III. Von Bemächtigung einer Sache. n. 23-55  63

§. IV. Von Findung einer Sache. n. 56-71  68

§. V. Von Hebung eines Schatzes. n. 72-105  71

Caput V. Von Zugang oder Zuwachs. n. 1-160  76

Erster Artikel. Von natürlichen Zuwachs. 1-41  76

§. I. Von verschiedenen Gattungen des natürlichen Zuwachses überhaupt. n. 1-3  76

§. II. Von der Thierzucht. n. 4-6  76

§. III. Von Anwurf oder Anspülung des Erdreichs durch den Strom. n. 7-18  77

§. IV. Von Entstehung eines Werders oder Insel. n. 19-29  79

§. V. Von dem verlassenen Flussbett oder Rinnsal. n. 30-41  80

Zweiter Artikel. Von dem Zugang theils von der Natur, theils durch menschliche Zuthat. n. 42-63  82

§. VI. Von Einpflanzung und Einsäung fremder Pflanzen und Samens in eigenen Boden. n. 42-52  82

§. VII. Von Einpflanzung und Einsäung eigener Pflanzen und Samens in fremden Boden. n. 53-60  83

§. VIII. Von Einpflanzung und Einsäung fremder Pflanzen in fremden Boden. n.61-63  84

(2-528) Dritter Artikel. Von dem Zugang durch alleinige menschliche That. n. 64-160  85

§. IX. Von Gestaltung eines fremden Zeugs. n. 64-85  85

§. X. Von Beifügung eines Dings zu dem anderen. n. 86-102  88

§. XI. Von der Zusammengießung und Vermengung. n. 103-120  90

§. XII. Von Einbau fremden Zeugs in eigenen Boden. n. 121-128  92

§. XIII. Von Einbau eigenen Zeugs in fremden Boden. n. 129-134  94

§. XIV. Von Einbau fremden Zeugs in fremden Boden. n. 135-140  94

§. XV. Von Beschreibung fremden Papiers und von Bemahlung fremden Zeugs. n. 141-145  95

§. XVI. Von Zugang der Früchten und Nutzungen aus fremden Gut wegen guten Glaubens. n. 146-160  96

Caput VI. Von willkürlicher Uebertragung des Eigenthums, und insonderheit von der Uebergabe. n. 1-46  98

§. I. Von verschiedenen Arten der Uebergabe. n. 1-22  98

§. II. Von Fähigkeit der Uebergebenden und Erwerbenden. n. 23-26  100

§. III. Von Erfordernussen zur rechtmäßigen Uebergabe. n. 27-42  101

§. IV. Von Wirkungen der Uebergabe. n. 43-46  103

Caput VII. Von Schankungen. n. 1-156  104

Erster Artikel. Von Schankungen unter Lebenden. n. 1-104 104

§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit der Schankungen unter Lebenden n. 1-18  104

§. II. Von Fähigkeit des Geschenkgebenden und Annehmenden. n. 19-28  106

§. III. Von Sachen, welche geschenket werden mögen. n. 29-34  107

§. IV. Von gerichtlicher Anmeldung der unmäßigen Schankungen. n. 35-50  108

§. V. Von Wirkungen der Schankungen. n. 51-60  111

§. VI. Von Widerrufung und Entkräftung der Schankungen. n. 61-104  113

Zweiter Artikel. Von Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall. n. 105-156  118

§. VII. Von der Natur und Unterschied der Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall. n. 105-124  118

§. VIII. Von Fähigkeit deren auf den Todesfall Uebergebenden und Annehmenden. n. 125-128  121

§. IX. Von Wirkung der Schankungen und Uebergaben auf den Todesfall. n. 129-142  121

§. X. Von deren Widerrufung und Entkräftung. n. 143-156  123

Caput VIII. Von Uebertragung des Eigenthums aus Macht Rechtens. n. 1-70  126

§. I. Von den Arten der rechtlichen Uebertragung des Eigenthums überhaupt. n. 1-16  126

§. II. Von Uebertragung des Eigenthums durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlagen liegender Güter. n. 17-34  128

§. III. Von Uebertragung des Eigenthums durch richterlichen Spruch und Urtheil. n. 35-42  130

§. IV. Von Uebertragung des Eigenthums durch rechtmäßige Erwerbung fahrender Dingen mit guten Glauben. n. 43-70  131

Caput IX. Von Verjährungen. n. 1-165  136

§. I. Von Erfordernussen der Verjährung. n. 1-68  136

§. II. Von Fähigkeit der Personen, welche ein Ding oder Recht durch Verjährung ersitzen können. n. 69-76  144

§. III. Von Sachen und Rechten, welche nicht verjähret werden mögen. n. 77 bis 132  144

§. IV. Von Verjährung beweglicher Sachen. n. 133-137  150

§. V. Von Verjährung liegender Güter. n. 138-140  151

§. VI. Von Verjährung unkörperlicher Dingen, als Rechten und Forderungen. n. 141-146  152

§. VII. Von Verjährung durch undenkliche Besitzzeit. n. 147-150  153

§. VIII. Von Rüglung oder Unterbrechung der Verjährungszeit. n. 151-165  154

Caput X. Von der Erbfolge überhaupt. n. 1-33  156

§. I. Von der Natur, Wesenheit und Wirkung der Erbfolge. n. 1-8  156

§. II. Von dem Unterschied der Erbfolge von der Nachfolge in einzlen Sachen. n. 9-11  160

§. III. Von deren Eintheilung in die letztwillige und rechtliche Erbfolge. n. 12 bis 17  160

(2-529) §. IV. Von verschiedenen Arten der letztwilligen Erbfolge. n. 18,19  161

§. V. Von Ordnung der rechtlichen Erbfolge. n. 20-22  161

§. VI. Von Ordnung gegenwärtiger Abhandlung von beiderlei Erbfolge. n. 23-33  162

Caput XI. Von der Erbfolge aus Testamenten. n. 1-230  163

Erster Artikel. Von letztwilligen Anordnungen überhaupt. n. 1-44  163

§. I. Von Natur und Wesenheit letztwilliger Anordnungen. n. 1-6  163

§. II. Von der Macht letztwillig zu ordnen. n. 7-22  164

§. III. Von dem erforderlichen Willen letztwillig zu ordnen. n. 23-44  168

Zweiter Artikel. Von feierlichen Testamenten. n. 45-144  171

§. IV. Von Wesenheit eines feierlichen Testaments, und dessen verschiedenen Gattungen. n. 45-49  171

§. V. Von dem aus landesfürstlicher Machtsvollkommenheit bestätigten Testament. n. 50, 51  171

§. VI. Von dem vor Gericht errichteten Testament. n. 52-68  172

§. VII. Von schriftlichen Testament und den darzu erforderlichen Feierlichkeiten. n. 69-100  174

§. VIII. Von mündlichen Testament und seinen Feierlichkeiten. n. 101-112  179

§. IX. Von Fähigkeit der Zeugen. n. 113-138  181

§. X. Von unvollkommenen Testamenten. n. 139-144  186

Dritter Artikel. Von minder feierlichen oder befreiten Testamenten. n. 145-190  187

§. XI. Von den verschiedenen Gattungen befreiter Testamenten. n. 145, 146  187

§. XII. Von letztwilliger Anordnung eines Vaters zwischen seinen Kindern. n. 147-156  188

§. XIII. Von Testamenten der Kriegsleuten. n. 157-170  190

§. XIV. Von den zur Festzeit oder in einer ansteckenden Krankheit errichteten Testamenten. n. 171-180  191

§. XV. Von gemeinschaftlichen Testamenten der Eheleuten. n. 181-186  193

§. XVI. Von Testamenten der Ausländern und der in fremden Landen befindlichen Inländern. n. 187-190  194

Vierter Artikel. Von Codicillen. n. 191-230  195

§. XVII. Von Wesenheit der Codicillen und deren zweierlei Gattungen. n. 191 bis 207  195

§. XVIII. Von den darzu erforderlichen Feierlichkeiten. n. 208-214  197

§. XIX. Von Bestand oder Unbestand der Codicillen. n. 215-220  198

§. XX. Von Wirkung der codicillarischen Clausel. n. 221-230  199

Caput XII. Von Einsetzung der Erben. n. 1-179  201

§. I. Von Wesenheit der Erbseinsetzung. n. 1-4  201

§. II. Von Eigenschaft und Verschiedenheit der Erben. n. 5-32  202

§. III. Von Zusammentreffung mehrerer Erben. n. 33-64  207

§. IV. Von der Art und Weis der Erbseinsetzung. n. 65-95  211

§. V. Von den Bedingnissen der Erbseinsetzung. n. 97-170  215

§. VI. Von Wirkung der Erbseinsetzung. n. 171-179  223

Caput XIII. Von After-Erbseinsetzung oder Nachberufung des zweiten Erben. n. 1-268  224

Erster Artikel. Von der gemeinen After-Erbseinsetzung. n. 1-58  224

§. I. Von der Natur, Wesenheit der gemeinen After-Erbseinsetzung. n. 1-26  224

§. II. Von der Art und Weis der gemeinen After-Erbseinsetzung. n. 27-46  228

§. III. Von deren Wirkung. n. 47-50  230

§. IV. Von deren Entkräftung und Erlöschung. n. 51-58  230

Zweiter Artikel. Von der vertraulichen Erbsnachberufung. n. 59-268  231

§. V. Von der Natur, Wesenheit und Unterscheid der vertraulichen Erbsnachberufung. n. 59-64  231

§. VI. Von der Art und Weis der vertraulichen Erbsnachberufung. n. 65-106  232

§. VII. Von Fähigkeit der nachberufenen Erben. n. 107-114 237

§. VIII. Von Wirkung der vertraulichen Erbsnachberufung an Seiten des zur Zurückstellung der Erbschaft verbundenen Erbens. n. 115-174  238

§. IX. Von deren Wirkung an Seiten des nachberufenen Erben. n. 175-196  245

§. X. Von Errichtung, Erhaltung und Erlöschung geschlechtlicher Trau- oder Stammgüter. n. 197-268  247

(2-530) Caput XIV. Von dem Pflichttheil. n. 1-144  256

§. I. Von der Wesenheit des Pflichttheils. n. 1-6  256

§. II. Von dem Pflichttheil der Absteigenden. n. 7-42  257

§. III. Von dem Pflichttheil der Aufsteigenden. n. 43-50  268

§. IV. Von der Art und Weis den Pflichttheil zu verlassen. n. 51-54  270

§. V. Von Berechnung des Pflichttheils. n. 55-106  271

§. VI. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung und Ergänzung des Pflichttheils. n. 107-130  276

§. VII. Von Verlustigung des Pflichttheils und dessen Verminderung und Beschwerung. n. 131-144  279

Caput XV. Von Enterbung nothwendiger Erben. n. 1-40  281

§. I. Von der Art und Weis der Enterbung. n. 1-12  281

§. II. Von rechtmäßigen Ursachen zu Enterbung der Kinder. n. 13-27 2 82

§. III. Von rechtmäßigen Ursachen zu Enterbung der Eltern. n. 28-35  284

§. IV. Von Wirkungen der Enterbung. n. 36-40  285

Caput XVI. Von Vermächtnissen. n. 1-480  286

Erster Artikel. Von Vermächtnissen überhaupt. n. 1-80  286

§. I. Von der Natur, Wesenheit und Unterschied der Vermächtnissen. n. 1-8  286

§. II. Von Fähigkeit jener Personen, denen etwas verschaffet werden kann. n. 9-18  287

§. III. Von Zusammentreffung Mehrerer, denen einerlei Sache verschaffet worden. n. 19-28  289

§. IV. Von der Art und Weis, wie Vermächtnisse verschaffet werden. n. 29-38  290

§. V. Von Bedingnissen der Vermächtnissen. n. 39-50  291

§. VI. Von Beschreibung der vermachten Sachen oder dessen, deme etwas verschaffet wird. n. 51-66  292

§. VII. Von Beisetzung der Bewegursache des Erblassers zur Vermächtniß . n. 67-78  294

§. VIII. Von Vorschrift der Weis, was und wie für die Vermächtniß  zu leisten sei. n. 79, 80  295

Zweiter Artikel. Von Sachen, welche verschaffet werden können. n. 81-300  295

§. IX. Von Beschaffenheit der Dingen, welche verschaffet werden können. n. 81-130  295

§. X. Von Vermächtniß  unkörperlicher Dingen, und insonderheit von Vermächtniß  jährlicher Renten und Einkünften. n. 131-150  301

§. XI. Von Vermächtniß  persönlicher Dienstbarkeiten. n. 151-180  303

§. XII. Von Vermächtniß  der Grunddienstbarkeiten. n. 181-188  306

§. XIII. Von verschaften Heirathsgut oder Brautschatz. n. 189-204  307

§. XIV. Von verschafter Auswahl eines von mehreren Dingen. n. 205-212  309

§. XV. Von verschafter Schuld oder Befreiung von der Schuld. n. 213-240  310

§. XVI. Von Vermächtniß  körperlicher Dingen und insonderheit jener, welche in Gewicht, Zahl und Maß bestehen. n. 241-256  313

§. XVII. Von Vermächtniß  der Zugehörungen zu einer Sache. n. 257-263  315

§. XVIII. Von vermachten Speis- oder Kellervorrath. n. 264, 265  316

§. XIX. Von vermachten Hausrath. n. 266-268  316

§. XX. Von vermachten Unterhalt oder täglicher Kost. n. 269-287  317

§. XXI. Von vermachten Gold- oder Silberwerk, Barschaft, Aufputz, Geschmuck und Kleidern. n. 288-300  319

Dritter Artikel. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung der Vermächtnissen. n. 301-372  320

§. XXII. Von der Zeit, wann Vermächtnisse zu gebühren anfangen, und wann solche gefordert werden können. n. 301-318  320

§. XXIII. Von Verbindlichkeit des Erbens zur Abführung der Vermächtnissen. n. 319-348  323

§. XXIV. Von Sicherstellung der von künftigem Erfolg abhangenden Vermächtnissen. n. 349-358  327

§. XXV. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Erlangung der Vermächtnissen. n. 359-372  328

Vierter Artikel. Von Entkräftung, Widerrufung, Uebertragung und Schmälerung der Vermächtnissen. n. 373-480  330

§. XXVI. Von Untergang oder Verwandlung der vermachten Sache. n. 373-380  330

(2-531) §. XXVII. Von Erlöschung der Vermächtnissen aus Unbestand des letzten Willens. n. 381, 382  331

§. VXVIII. Von Erlöschung der Vermächtnissen aus der Person dessen, deme etwas verschaffet worden. n. 383-388  332

§. XXIX. Von Aufhebung der Vermächtnissen aus widrigen Willen des Erblassers. n. 389-416  332

§. XXX. Von Schmälerung der Vermächtnissen durch das Erbviertel. n. 417-480  335

Caput XVII. Von Eröffnung, Kundmachung und Vollziehung des letzten Willens. n. 1-65  343

§. I. Von Erhebung des letzten Willens. n. 1-28  343

§. II. Von dessen Eröffnung. n. 29-35  346

§. III. Von Bewährung der Zeugen. n. 36-40  347

§. IV. Von gerichtlicher Kundmachung des letzten Willens. n. 41-50  348

§. V. Von dessen Einverleibung und Bestätigung. n. 51-58  350

§. VI. Von Vollziehung des letzten Willens. n. 59-65  351

Caput XVIII. Von Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens. n. 1-127  352

§. I. Von denen Gebrechen eines letzten Willens überhaupt. n. 1-8  352

§. II. Von Unbestand eines letzten Willens wegen mangelhaften Anfangs. n. 9-26  353

§. III. Von Zerrüttung eines Anfangs giltigen Testaments in der Folge durch Nachgeburt ehelicher Leibeserben. n. 27-44  356

§. IV. Von dessen Zerrüttung durch Widerrufung und Änderung des Willens. n. 45-50  358

§. V. Von der Art und Weis der Widerrufung. n. 51-84  359

§. VI. Von Entkräftung eines Anfangs giltigen Testaments aus nachherigen Verlust des Rechts letztwillig zu ordnen. n. 85-90  362

§. VII. Von erblosen Testament. n. 91-98  363

§. VIII. Von Erhaltung und Auslegung eines an sich giltigen letzten Willens. n. 99-110  364

§. IX.Von Wirkung der von dem Erblasser verhängten Verlustigung dessen, was verschaffet worden, auf den Fall der Anfechtung seines letzten Willens. n. 111-120  366

§. X. Von denen in letzten Willen angeordneten Straffälligkeiten. n. 121-127  367

Caput XIX. Von denen, die sich einer Erbschaft oder Vermächtnisses verlustig und unwürdig machen. n. 1-24  368

§. I. Von denen Ursachen der Verlustigung des Zugedachten und der Unwürdigkeit überhaupt. n. 1-6  368

§. II. Von Unwürdigkeit wegen Undankbarkeit gegen den Erblasser. n. 7-12  369

§. III. Von Unwürdigkeit wegen Behinderung, Verfälschung, Anfechtung und Uebertretung des letzten Willens. n. 13-22  370

§. IV. Von Unwürdigkeit aus Verbrechen. n. 23, 24  372

Caput XX. Von der rechtlichen Erbfolge. n. 1-192  373

Erster Artikel. Von der rechtlichen Erbfolge überhaupt. n. 1-30  373

§. I. Von der Natur und Eigenschaft der rechtlichen Erbfolge, und wann solche statt habe. n. 1-6  373

§. II. Von denen Grundsätzen der verschiedenen Ordnungen der rechtlichen Erbfolge. n. 7-16  374

§. III. Von der Art und Weis der rechtlichen Erbfolge bei Zusammentreffung mehrerer nächsten Erben. n. 17-26  375

§. IV. Von dem Eintretungsrecht der Kinder an Platz ihrer verstorbenen Eltern. n. 27-30  376

Zweiter Artikel. Von der Erbfolge der Absteigenden. n. 31-92  377

§. V. Von der Erbfolge eheleiblicher Kinder. n. 31-44  377

§. VI. Von Zusammentreffung mehrerer Absteigenden von ungleichen Staffeln oder Graden. n. 45-74  380

§. VII. Von der Erbfolge der angewunschenen Kinder. n. 75-78  384

§. VIII. Von der Erbfolge der unehelichen Kinder. n. 79-81  384

§. IX. Von der Erbfolge der außer der Ehe erzeugten, nachher aber rechtmäßig gemachten Kindern. n. 82-86  385

§. X. Von Ausschließung der Absteigenden von der Erbfolge. n. 87-92  387

(2-532) Dritter Artikel. Von der Erbfolge der Aufsteigenden. n. 93-125  388

§. XI. Von der Erbfolge der alleinigen Aufsteigenden nach eheleiblichen Kindern. n. 93-104  388

§. XII. Von deren Zusammentreffung mit des Verstorbenen Geschwister oder Bruders- und Schwesterkindern. n.  105-114  390

§. XIII. Von der Erbfolge der Aufsteigenden nach unehelichen Kindern. n. 115-117  391

§. XIV. Von der Erbfolge der Aufsteigenden nach rechtmäßig gemachten Kindern n. 118-122  391

§. XV. Von der Ausschließung der Aufsteigenden von der Erbfolge nach ihren Kindern. n. 123-125  392

Vierter Artikel. Von der Erbfolge der Seitenverwandten. n. 126-156  392

§. XVI. Von der Erbfolge des vollbürtigen Geschwisters und vollbürtiger Bruder- und Schwester-Kinder. n. 126-140  392

§. XVII. Von der Erbfolge des halbbürtigen Geschwisters von Vater oder Mutter Seiten allein. n. 141-143  395

§. XVIII. Von Zusammentreffung Brüder und Schwestern mit Bruders- und Schwester-Kindern. n. 144-148  395

§. XIX. Von der Erbfolge nach unehelichen Geschwister. n. 149, 150  396

§. XX. Von der Erbfolge der weiteren Seitenverwandten. n. 151-154  396

§. XXI. Von Ausschließung der Seitenverwandten von der Erbfolge. n. 155,156  396

Fünfter Artikel. Von der Erbfolge der Eheleuten. n. 157-180  397

§. XXII. Von dem Erbtheil des überlebenden Ehegattens. n. 157-170 397

§. XXIII. Von Ausschließung der Eheleuten von der Erbfolge. n. 171-180  399

Sechster Artikel. Von Erbanfällen zu Handen unserer Kammer. n. 181-192  401

§. XXIV. Von Einziehung erbloser Güter. n. 181-190  401

§. XXV. Von Abfahrt- oder Abschoßgeld von denen hinausgehenden Verlassenschaften. n. 191, 192  403

Caput XXI. Von Antretung der Erbschaft. n. 1-200  404

§. I. Von dem Erbanfall. n. 1-15  404

§. II. Von dem richterlichen Amt bei Verlassenschaften, und insonderheit von Anlegung der Sperr. n. 16-46  406

§. III. Von der denen Erben zu statten kommenden Bedenkzeit. n. 47-54  411

§. IV. Von erblicher Uebertragung der angefallenen Erbschaft auf die Erbens-Erben. n. 55-64  412

§. V. Von Antretung der Erbschaft. n. 65-86  414

§. VI. Von Entschlagung der Erbschaft. n. 87-100  416

§. VII. Von der Rechtswohlthat des Inventarii. n. 101-132  418

§. VIII. Von Verlassenschaftsabhandlungen. n. 133-148  423

§. IX. Von Eröffnung der gerichtlichen Sperr und Einantwortung der Erbschaft. n. 149-155  425

§. X. Von Wirkung des Erbrechts und denen daher rührenden Rechtsforderungen. n. 156-200  426

Caput XXII. Von Theilungen der Erbschaften. n. 1-77  432

§. I. Von Erbtheilungen überhaupt. n. 1-8  432

§. II. Von der zur Theilung der Verlassenschaft angebührenden Rechtshilfe. n. 9-17 433

§. III. Von der Art und Weis der Erbtheilungen. n. 18-36  434

§. IV. Von Sachen, welche in die Theilung zu legen sind. n. 37-60  437

§. V. Von Wirkung der Erbtheilung. n. 61-68  439

§. VI. Von der Rechtsklage wegen Ungleichheit der Theilen. n. 69-77  440

Caput XXIII. Von Einbringung des vorempfangenen Guts in gemeine Theilung. n. 1-69  442

§. I. Von der Schuldigkeit der Miterben zur Einbringung des Vorempfangenen in gemeine Theilung. n. 1-8  442

§. II. Von Jenen, welche zur Einbringung verbunden sind. n. 9-24  443

§. III. Von Sachen, welche einzubringen sind. n. 25-36  445

§. IV. Von der Art und Weis der Einbringung. n. 37-46  446

§. V. Von Wirkung der Einbringung, und von denen darzu gebührenden rechtlichen Hilfsmitteln. n. 47-52  447

§. VI. Von Fällen, worinnen die Einbringung aufhöret. n. 53-69  448

(2-533) Caput XXIV. Von dem Recht des Besitzes. n. 1-160  451

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Besitzrechtes. n. 1-24  451

§. II. Von der Besitzfähigkeit. n. 25-29  454

§. III. Von Sachen, welche besessen werden mögen. n. 30-36  454

§. IV. Von Erwerbung des Besitzes und der darzu gebührenden Rechtshilfe. n. 37-72  455

§. V. Von Wirkung des Besitzrechts. n. 73-86  459

§. VI. Von den zu Handhabung des Besitzes zu statten kommenden Rechtsmitteln. n. 87-140  461

§. VII. Von Verlust des Besitzes. n. 141-145  467

§. VIII. Von rechtlichen Hilfsmitteln zu Wiedererlangung des verlorenen Besitzes. n. 146-160  468

Caput XXV. Von dem Erbzinsrecht. n. 1-25  471

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Erbzinsrechts. n. 1-6  471

§.II. Von den Erwerbungsarten des Erbzinsrechts. n. 7-10  472

§. III. Von Wirkungen des Erbzinsrechts. n. 11-18  473

§. IV. Von Erlöschung und Endigung des Erbzinsrechts. n. 19-25  474

Caput XXVI. Von dem Recht der Oberfläche. n. 1-26  475

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Rechts der Oberfläche. n. 1-8  475

§. II. Von dessen Erwerbungsarten. n. 9-15  476

§. III. Von dessen Wirkungen und daher gebührenden Rechtsforderungen. n. 16-22  476

§. IV. Von dessen Erlöschung. n. 23-26  477

Caput XXVII. Von Dienstbarkeiten überhaupt. n. 1-66  478

§. I Von Natur und Wesenheit der Dienstbarkeiten. n. 1-7 478

§. II. Von Verschiedenheit der Dienstbarkeiten n. 8-17  479

§. III. Von Fähigkeit deren, welche eine Dienstbarkeit bestellen können. n. 18-30  480

§. IV. Von Bestellungsarten der Dienstbarkeiten. n. 31-40  482

§. V. Von deren Wirkungen und daher rührenden Rechtsforderungen. n. 41-50  483

§. VI. Von deren Verlustigung. n. 51-66  484

Caput XXVIII. Von persönlichen Dienstbarkeiten. n. 1-106  487

Erster Artikel. Von dem Nießbrauch. n. 1-66  487

§. I. Von Bestellung des Nießbrauchs. n. 1-8  487

§. II. Von Dingen, woran der Nießbrauch bestellt werden könne. n. 9-22  488

§. III. Von Wirkungen des Nießbrauchs. n. 23-50  490

§. IV. Von Beendigung des Nießbrauchs. n. 51-66  493

Zweiter Artikel. Von dem Gebrauch eines Dings. n. 67-92  495

§. V. Von Unterscheid des bloßen Gebrauchs von dem Nießbrauch. n. 67-72  495

§. VI. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung des Gebrauchs. n. 73-92  495

Dritter Artikel. Von der häuslichen Wohnung. n. 93-106  498

§. VII. Von dem Unterscheid der Wohnung von dem Gebrauch eines Hauses. n. 93-96  498

§. VIII. Von Bestellung, Wirkung und Beendigung der Wohnung. n. 97-106  498

Caput XXIX. Von Grunddienstbarkeiten. n. 1-147  500

Erster Artikel. Von Grunddienstbarkeiten überhaupt. n. 1-30  500

§. I. Von der Natur und Eigenschaft aller Grunddienstbarkeiten. n. 1-6  500

§. II. Von deren Eintheilung in Hausdienstbarkeiten und Felddienstbarkeiten. n. 7-10  501

§. III. Von deren Bestellungsart. n. 11-13  501

§. IV. Von den Erfordernissen zur Bestellung der Grunddienstbarkeiten. n. 14-22  501

§. V. Von deren Wirkung. n. 23-30  502

Zweiter Artikel. Von Hausdienstbarkeiten. n. 31-80  504

§. VI. Von dem Recht der Bürde oder Lasttragung der Gebäude. n. 31-36  504

§. VII. Von dem Tramrecht. n. 37-46  505

§. VIII. Von dem Recht Erker oder Ausgebäu, Fürdacher oder Wetterdächer zu haben. n. 47, 48  506

(2-534) §. IX. Von dem Recht, die höhere Ausführung nachbarlicher Gebäuden zu verwehren. n. 49-52  506

§. X. Von dem Lichtrecht. n. 53-60  507

§. XI. Von dem Recht der Aussicht. n. 61-64  508

§. XII. Von dem Trauf- oder Rinnenrecht. n. 65-74  508

§. XIII. Von dem Recht der Senkgruben oder Ausgüssen. n. 75-77  509

§. XIV. Von dem Recht der Rauchfängen. n. 78-80  509

Dritter Artikel. Von Felddienstbarkeiten. n. 81-147  510

§. XV. Von dem Recht eines Fußpfads, Stegs oder Durchgangs. n. 81-85  510

§. XVI. Von dem Triftrecht oder Viehtrieb. n. 86-90  510

§. XVII. Von der Weggerechtigkeit. n. 91-104  511

§. XVIII. Von dem Recht der Wasserleitung. n. 105-114  513

§. XIX. Von dem Recht der Wasserschöpfung. n. 115-118  514

§. XX. Von dem Recht der Viehtränke. n. 119, 120  514

§. XXI. Von dem Recht der Hutweide oder Koppelweide. n. 121-138  514

§. XXII. Von der Dienstpflichtigkeit des nachbarlichen Guts. n. 139, 140  516

§. XXIII. Von Zwangrechten auf nachbarlichen Gründen. n. 141, 142  516

§. XXIV. Von verschiedenen anderen Felddienstbarkeiten überhaupt. n. 143-147  517

Caput XXX. Von dem Pfandrecht. n. 1-57  518

§. I. Von der Natur und Wesenheit des Pfandrechts. n. 1-6  518

§. II. Von verschiedenen Gattungen des Pfandrechts. n. 7-12  519

§. III. Von Erwerbungsarten des Pfandrechts. n. 13-16  519

§. IV. Von dem stillschweigenden Pfandrecht. n. 17-32  520

§. V. Von den Wirkungen des Pfandrechts und den daraus entspringenden Rechtsforderungen. n. 33-53  523

§. VI. Von Erlöschung und Aufhebung des Pfandrechts. n. 54-57  525


(3-1) Dritter Theil.

Von persönlichen Verbindungen.

(3-2)

(3-3) Caput I.

Von Verbindungen insgemein.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit und Unterschied der Verbindungen. §. II. Von Fähigkeit deren sich Verbindenden. §. III. Von Verbindungen Mehrerer gegen Einen, oder Eines gegen Mehrere. §. IV. Von Verbindung aus der Handlung eines Anderen. §. V. Von erblicher Uebertragung der Verbindungen. §. VI. Von Dingen und Werken, worüber Verbindungen eingegangen werden mögen. §. VII. Von Art und Weis, wie Verbindungen getroffen werden. §. 8VIII. Von Verschiedenheit deren verbindlichen Handlungen. §. IX. Von Wirkung der Verbindungen, und Haftung für Gefährde, Schuld und Zufall. §. X. Von Verwandlung, Uebertragung und Tilgung der Verbindungen.

§. I.

[3, 1, § 1] Num. 1. Nachdeme in dem zweiten Theil die dingliche Rechte beschrieben worden, so wird nunmehro in diesem dritten Theil zur Abhandlung des Rechts zur Sache geschritten, welches aus persönlichen Verbindungen entsteht.

(3-4) [3, 1, § 1] 2. Dann gleichwie jene bloß aus Anordnung des Gesatzes, welches Jemanden ein Recht in der Sache zueignet, ohne einiger Verstrickung der Person herrühren,

(3-5) also gründet sich hingegen dieses in einer vorhergehenden Handlung, welcher die Kraft der persönlichen Verbindlichkeit von dem Gesatz beigeleget wird.

[3, 1, § 1] 3. Die persönliche Verbindung ist dahero ein rechtliches Band, wodurch Jemand etwas zu leisten verstricket ist. Hieraus entspringet an Seiten des Glaubigers, oder dessen, gegen deme man sich zu etwas verpflichtet, das Recht zur Sache, weilen der Andere ihme Dasjenige, zu deme er sich durch seine Handlung verbunden hat, zu leisten schuldig ist.

[3, 1, § 1] 4. Alle Verbindungen haben zwar ihre Kraft von den Gesetzen, doch mit dem Unterschied, daß man zu gewissen Schuldigkeiten schon durch das Gesatz ohne

(3-6) eigener Zuthat sich verbunden befinde, zu anderen aber nicht anderst, als mittels eigener Zuthat und Einwilligung verbunden werde.

[3, 1, § 1] 5. Jene, welche alleinig aus dem Gesatz selbst ohne eigener Zuthat herfließet, heißet die Unmittelbare, und wirket nach den verschiedenen Ständen und Eigenschaften der Menschen; diese hingegen, welche die eigene Zuthat und Einwilligung erheischet und aus willkürlichen Handlungen entstehet, wird die Mittelbare genannt, und machet jenes nachhero zur Nothwendigkeit, was Anfangs aus freier Willkür beliebet worden.

[3, 1, § 1] 6. Also entspringet die Verbindlichkeit der Eltern ihre Kinder zu ernähren, zu erhalten, denenselben Pflichttheil zu lassen, und überhaupt alle aus dem verschiedene Stand der Menschen, oder aus der natürlichen Billigkeit herrührende Verbindlichkeit aus dem Gesatz selbsten; dahingegen wird Niemand zu Haltung einer Zusage, Vertrags, Contracts, oder zur Strafe des Verbrechens verbunden, wann nicht seine eigene Zuthat und Einwilligung vorhergegangen, mittelst welcher etwas verheißen, ein Vertrag oder Contract geschlossen, oder das Verbrechen ausgeübt worden.

§. II.

[3, 1, § 2] 7. Unmittelbar durch das Gesatz wird Jedermann verbunden, wann er gleich der eigenen Einwilligung nicht fähig ist, und keinen Gebrauch der Vernunft hat; durch willkürliche Handlung aber kann Niemand seine Person zu was verbinden, deme entweder der Verstand und die Kenntniß dessen, was gehandelt wird, oder der Willen, oder auch die Macht Verbindungen einzugehen, ermangelt.

[3, 1, § 2] 8. Alle Diejenigen sind dahero zu persönlichen Verbindungen untüchtig, denen es an der Vernunft und Willen gebricht; doch ist nothwendig zu unterscheiden, ob der Mangel des Verstandes von der Natur herrühre, oder durch einen Zufall verursachet, oder durch eigene Schuld zugezohen worden.

[3, 1, § 2] 9. Jene, bei denen das Gebrechen des Verstandes von der Natur herkommet, als Kinder, Blödsinnige und Wahnwitzige von der Geburt, sind überhaupt zu allen Verbindungen unfähig.

[3, 1, § 2] 10. Bei denen aber, welche den Gebrauch ihres Verstandes durch einen Zufall verloren, bleiben zwar die vorhero bei gesunder Vernunft getroffene Verbindungen insoweit in ihrer Kraft und Wirkung, als an deren Erfüllung der erfolgte Zufall nicht behinderlich ist, welcher dieselbe nur bis zur Wiedereinfindung der Vernunft aussetzet; dahingegen sind nach verlorenen Verstand alle nachherige währender Sinnlosigkeit vornehmende Handlungen ungiltig.

[3, 1, § 2] 11. Wann jedoch ein solcher zugestoßener Wahnwitz oder Blödsinnigkeit nicht beständig anhaltet, sondern abwechslend ist, und zu Zeiten den Gebrauch des Verstandes gestattet, in diesem Fall lieget Demjenigen ob, der wegen eines zufälligen Wahnwitzes eine Verbindung entkräften will, zu erweisen, daß dieselbe von ihme in der Sinnlosigkeit eingegangen worden; es seie dann, daß ein solcher Wahnwitziger mit einem gerichtlich bestellten Curatore versehen, und ihme andurch die freie Verwaltung seines Vermögens beschränket seie, in welchen Fall er auch bei vernünftigen Zwischenstunden ohne Zuthat des Curatoris sich zu was zu verbinden nicht vermag.

[3, 1, § 2] 12. Nicht weniger ist ein Wahnwitziger, welcher bei abwechslenden vernünftigen Stunden genugsame Erkantnuß hat, daß er in dem ihn befallenden Wahnwitz Anderen zu schaden pflege, alle Mitteln, um die Beschädigung Anderer zu verhüten,

(3-7) zum voraus vorzukehren schuldig, in dessen Unterlassung aber zu dem Ersatz des verursachten Schadens verbunden.

[3, 1, § 2] 13. Welche aus eigener Schuld durch übermäßige Trunkenheit ihren Verstand betäuben, werden zwar aus Zusagen, Verträgen und Contracten, die sie im Rausch eingehen, nicht verbunden, wann sie zu erweisen vermögen, daß sie zu dieser Zeit aus Trunkenheit ihrer Sinnen beraubet waren; doch ist ein Berauschter für Alles, was er zu seinem Gebrauch oder Genuß verwendet, und für allen zufügenden Schaden, wie auch aus Verbrechen, welche er im Rausch begehet, zur Strafe verbunden, obschon solche nach Gestalt der Umständen gelinderet zu werden pfleget.

[3, 1, § 2] 14. Daferne aber Jenes, was bei abwechslenden Wahnwitz, oder in der Trunkenheit verabredet und geschlossen worden, nachhero bei gesunder Vernunft gut geheißen und beangenehmet wird, so entstehet daraus eine ebenso rechtskräftige Verbindung, als ob solche gleich Anfangs mit gutem Verstand eingegangen worden wäre.

[3, 1, § 2] 15. Aus Mangel der Macht können alle Diejenige keine Verbindungen treffen, denen durch das Gesatz die freie Gebahrung mit ihrem Vermögen benommen ist, als Unmündige, Minderjährige und gerichtlich erklärte Verschwendere; aus Verbrechen aber werden Dieselbe in alle Wege, sowohl zu Ersetzung des verursachten Schadens, als zur Strafe verbunden, obschon das unmündige Alter insgemein von der ordentlichen Strafe enthebet.

[3, 1, § 2] 16. In gewisser Maß werden Einige entweder durch eine ihrer Person anklebenden Eigenschaft, oder aus Anordnung des Gesatzes Verbindungen einzugehen verhinderet, als die Unterthanen zum Nachtheil der Obrigkeit nach Verschiedenheit einer jeden Landes Verfassung, worauf diesfalls zu gehen ist, die Weiber für jemand Anderen ohne vorheriger Erinnerung und Begebung ihres Rechtes, Unsere landesfürstliche Städte und Märkte in Veräußerungs- oder Einschuldigungsfällen ohne Unserer höchsten Einwilligung.

[3, 1, § 2] 17. Außer diesen kann Jedweder männlichen oder weiblichen Geschlechts, der bei gesunder Vernunft ist, und die freie Schalt- und Waltung mit seinem Vermögen hat, nach Gefallen erlaubte Verbindungen eingehen, er möge gleich blind, taub oder stumm sein, wann er nur durch deutliche Zeichen seine Einwilligung auszudrucken und sich verständlich zu machen vermögend ist.

[3, 1, § 2] 18. Daß aber die Verbindung zu ihrer Wesenheit gelange, ist nicht an der Verheißung und Gelobung des einen Theils genug, sondern es wird auch an Seiten des Anderen, deme etwas verheißen wird, darzu erforderet, daß die Verbindung entweder von ihme selbst, oder von einem Anderen in Namen und anstatt seiner angenommen werde, und er des hieraus erwachsenden Rechts zur Sache, zu deren Leistung sich Jemand verbunden, fähig seie.

§. III.

[3, 1, § 3] 19. Nicht nur Einer allein, sondern auch Mehrere können sich in einerlei Handlung zu einerlei Sache oder Summe gegen Jemanden verbinden, obgleich der Eine mit, der Andere ohne Bedingnuß die Verbindung eingegangen, oder auch deren Jeder eine verschiedene Zahlungszeit oder Ort bestimmet.

[3, 1, § 3] 20. Lautet die Verbindung mehrerer Mitschuldneren ausdrücklich dahin, daß Einer für Alle und Alle für Einen, sammt und sonders, unverschieden, unzertheilt, mit ungeschiedener und gesammter Hand für die ganze Schuld haften wollen, so ist zwar ein Jeder insonderheit zu dem völligen Abtrag der ganzen Schuld verbunden; doch kann der Glaubiger solche nur einmal einforderen, und wann er sie von Einem empfangen, werden die übrige Mitschuldnere andurch von allen weiteren Ansprüchen dieser Schuld wegen befreiet.

[3, 1, § 3] 21. Es hat aber der gemeinsame Glaubiger die freie Auswahl, ob er der ungetheilten Verbindung ohnerachtet die Schuld von Allen zusammen eintreiben,

(3-8) und die Zahlung solchergestalten zwischen ihnen theilen, oder die ganze Schuld von Einem allein einmahnen, und welchen von denen Mitschuldnern er hierum belangen wolle, in welchem letzteren Fall der Belangte weder die Vorladung und Betretung deren anderen Mitschuldneren, noch die Vertheilung der eingeklagten Schuld unter dieselbe anbegehren kann.

[3, 1, § 3] 22. Doch begebet sich der Glaubiger durch Belangung des einen Mitschuldners keineswegs seines Rechts das Uebrige, was er von dem Belangten nicht erhaltet, von den anderen Mitschuldneren nachzuholen.

[3, 1, § 3] 23. Und wann gleich derselbe von einem Mitschuldner einen Theil der Schuld annimmt, so wird doch andurch die Verbindung unter denen Uebrigen nicht getheilet, sondern Derjenige, welcher einen Theil der Schuld abgeführet, bleibet noch allemal zu dem ganzen Abtrag verbunden, wann ihme solcher von dem Glaubiger nicht eigends erlassen wird.

[3, 1, § 3] 24. Woferne aber einer deren Mitschuldneren entweder die ganze Schuld, oder hieran mehr als auf seinen Antheil ausfiele, bezahlet, so kann er die Anderen zur Leistung ihres Beitrags nach Maß der untereinander obwaltenden Verbindung, oder in deren Ermanglung zu gleichen Theilen anhalten.

[3, 1, § 3] 25. Bei Abmessung dieses Beitrags ist allemal darauf zu sehen, wie vieles dem gemeinsamen Glaubiger mit Recht gebühret hat, und was ihme hieran bezahlet worden, denn hat der Mitschuldner mehr bezahlet, als dem Glaubiger gebühret, oder auch sonst unnöthige Schäden und Unkosten verursachet, so sind die Anderen ihme das über die Gebühr Bezahlte zu erstatten nicht schuldig.

[3, 1, § 3] 26. Gleichwie in Gegentheil, wann mit Wenigeren die Schuld getilget worden, der Beitrag deren Uebrigen nach Maß des Bezahlten, und nicht nach Größe der Schuld zu bestimmen ist; es hätte dann der Glaubiger wegen der ganz oder zum Theil erlassenen Schuld dem einem Mitschuldner seine habende Sprüche eigends zu dem Ende abgetreten und übergeben, um solche von denen Uebrigen einzutreiben, in welchem Fall diesem das Recht zustehet, nach Abschlag seines Antheils, welchen er zu bezahlen gehabt hätte, von ihnen ihre Antheile einzuforderen.

[3, 1, § 3] 27. Würde aber die von Mehreren obgleich in einerlei Handlung oder Verschreibung und zu einerlei Sache eingegangene Verbindung den obigen Ausdruck, daß Einer für Alle und Alle für Einen haften wollen, nicht enthalten, so ist diese Verbindung zwischen ihnen für getheilet zu achten, und kann der Glaubiger die ganze Schuld nicht anderst, als mit Belangung Aller, ansonsten aber von Jedem absonderlich nur seinen Antheil, welchen er schuldig ist, eintreiben.

[3, 1, § 3] 28. Auch aus einem von Mehreren ausgeübten Verbrechen sind alle Mitschuldige dergestalten verbunden, daß sie den Schaden, wann solcher aus wahrer und vorsäzlicher Gefährde zugefüget worden, sammt und sonders, wann er aber nur aus einer unterwaltenden Schuld herrühret, zu gleichen Theilen zu ersetzen schuldig sind; die Strafe hingegen ist wider einen Jeden insonderheit nach Maß seines Verschuldens zu verhängen.

[3, 1, § 3] 29. Gleichwie Mehrere gegen Einem also kann sich auch Einer gegen Mehrere in einerlei Handlung, und zu einerlei Sache sammt und sonders verbinden, in welchem Fall zwar ein Jeder deren Mitglaubigeren die Schuld zu forderen befugt, der gemeinsame Schuldner aber solche nur einmal zu entrichten schuldig ist, und wird derselbe nach deren an Einen geleisteten völligen Bezahlung von der Verbindung gegen den Anderen gänzlich entlediget.

[3, 1, § 3] 30. Welcher aber aus ihnen die Schuld eingehoben, ist dem anderen Mitglaubiger den ihme gebührenden Antheil herauszugeben schuldig, welcher, wann nichts Anderes unter denenselben bedungen worden, allzeit von einem gleichen Theil zu verstehen ist.

[3, 1, § 3] 31. Dahingegen, wann sich der Schuldner gegen mehrere Gläubigere sammt

(3-9) und sonders ausdrücklich nicht verbunden, kann von Jedem insonderheit nur der ihme hieran gebührende erweisliche Antheil, die Bezahlung der ganzen Schuld, aber nicht anderst, als von Allen zugleich geforderet werden.

§. IV.

[3, 1, § 4] 32. Auch durch Andere kann Jemand sowohl verbunden, als ihme aus Verbindungen ein Recht erworben werden, wann sie entweder die Person dessen, welchen die Handlung betrifft, durch das Gesatz vorstellen, als die Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder von ihme einen Befehl, Gewalt und Vollmacht zu gewissen Geschäften haben, als Befehlshabere, Bevollmächtigte, Handlungsvorgesetzte, Sachwalter, oder wann sie Jemands Gewalt und Obsorge untergeben sind und ihre zu eines Dritten Nachtheil gereichende Handlungen der Schuld dessen, deme sie untergeben, beigemessen werden mögen.

[3, 1, § 4] 33. Jemands Nutzen kann zwar durch fremde Handlungen ohne seinem Vorwissen beförderet, und sein Zustand verbesseret, aber nicht ohne seiner eigenen Schuld und Einwilligung verschlimmeret werden, woraus folget, daß Jemanden aus der Handlung des Anderen ein Recht zugeeignet, aber keine Verbindlichkeit außer mit seinem Willen ober aus seiner Schuld zugezohen werden könne.

[3, 1, § 4] 34. Unmündigen und Anderen, welche, wie oben erwähnet worden, wegen Schwachheit des Alters, oder wegen Gebrechen des Verstandes ihren Willen zu erklären nicht fähig sind, werden von den Gesetzen zu ihrer Vertretung Personen zugeordnet, die anstatt ihrer Verbindungen eingehen können. Inwieweit aber die Vormündere oder Gerhaben und Curatores ihren Pflegbefohlenen durch ihre Handlungen eine Schuldigkeit auflasten oder ein Recht erwerben mögen, ist bereits in dem ersten Theil, in der Abhandlung von der Vormundschaft erkläret worden.

[3, 1, § 4] 35. Mit eigenen Willen wird Jemand aus fremden Handlungen verbindlich gemacht, wann er solche befohlen oder gutgeheißen, und was Einer durch Andere verrichtet, hat nicht mindere Kraft, als ob er es selbst vollzohen hätte; doch kann durch Bevollmächtigte, Befehlshabere und Sachwaltere dem Befehlgeber keine größere Verbindlichkeit zugezohen werden, als insoweit deren Handlung mit dem Auftrag übereinstimmet, und sie die Grenzen des Befehls nicht überschritten, oder insoweit das Vollzohene gutgeheißen worden, dann die nachfolgende Gutheißung wirket nicht weniger, als der vorhergegangene Befehl.

[3, 1, § 4] 36. Ein Recht aber mag Jemanden durch Andere auch ohne ausdrücklichen Befehl erworben werden, wann nur hienach die Gutheißung und Beangenehmung der fürgewesten Handlung erfolget, wie alles dieses unten seines Orts mit Mehreren ausgeführet wird.

[3, 1, § 4] 37. Aus Schuld wird Jemand für den durch Handlungen deren seiner Gewalt, oder Pflege und Obsorge untergebenen Personen zugefügten Schaden verfänglich, wann er durch dieselbe zu Nachtheil etwas geschehen läßt, was zu verhüten in seiner Macht gestanden, oder ihnen etwas zu verrichten anbefiehlt, was zu des Anderen Beschädigung ausschlägt, oder auch wissentlich sich in seinen Verrichtungen böser Leuten bedienet, die Anderen zu schaden gewohnet sind.

[3, 1, § 4] 38. Außer diesen Fällen, und wann man sich fremder Handlungen weder mit eigenen Willen noch aus Schuld theilhaftig machet, ist weder der Mann für das Weib, weder der Vater für den Sohn, weder der Herr für seine Unterthanen und Dienstboten, noch jemand Anderer für seine Untergebene zu haften schuldig.

§. V.

[3, 1, § 5] 39. Aus denen ordentlich eingegangenen Verbindungen wird sowohl an Seiten des Verbundenen die Schuldigkeit, als an Seiten des Anderen das ihme hieraus erwachsene Recht zur Sache auf die Erben übertragen, wobei aber der Unterschied

(3-10) zwischen Verbindungen, welche aus Verträgen, und jenen, die aus Verbrechen entstehen, zu bemerken ist.

[3, 1, § 5] 40. Aus Verträgen gehet das Recht ohne Ausnahm auf die Erben, wann gleich deren ausdrücklich in dem Vertrag nicht gedacht worden, es seie dann, daß dabei ein Anderes beliebet worden, oder daß es um eine bloßes persönliches Recht zu thun seie, welches auf die Erben nicht übertragen werden könne.

[3, 1, § 5] 41. Ingleichen werden die Erben aus Verträgen ihrer Erblasseren verbunden, obschon darinnen von ihnen keine Erwähnung geschehen. Hiervon aber sind folgende Fälle ausgenommen: Erstlich, wann die Schuldigkeit lediglich auf die Person des Verbundenen eingeschränket, und dieses in dem Vertrag deutlich ausgedrucket wird, in welchem Fall die Erben von der Leistung des Künftigen, nicht aber auch von deme, was in Folge dieser Verbindung von dem Verstorbenen bei seinen Lebszeiten hätte geleistet werden sollen, entlediget werden, - andertens, wann die Verbindung aus bloßer Freigebigkeit herrühret, und die Zusage nicht von solcher Beschaffenheit ist, welcher die Kraft auch die Erben zu verbinden in dem gleichfolgenden Capitel beigeleget wird, - drittens, wann die Dauer der Verbindung von dem Willen des Verbundenen abhanget, so erlöschet diese mit dessen Absterben, als in Gesellschafts- und Befehlscontracten, wann bei letzteren die Sache sich noch in ihrer Gänze befindet, und die Erben bleiben nur zu jenem verbunden, was ihr Erblasser aus der vorhergegangenen Ursache zu leisten schuldig ware, zu Fortsetzung des Contracts aber können sie nicht angehalten werden.

[3, 1, § 5] 42. Aus Verbrechen sind auch die Erben des Beleidigten berechtiget, sowohl die Ersetzung des zugefügten Schadens, als die Bestrafung des Schuldigen anzusuchen, mit alleiniger Ausnahm der Ehrenhändeln, als die mit dem Tod des Beschimpften aufgehoben sein sollen, woferne nicht noch bei seinen Lebszeiten darüber bei Gericht Klage angebracht worden, welche dessen Erben auszuführen freistehet.

[3, 1, § 5] 43. Verbunden hingegen sind die Erben aus Verbrechen ihres Erblassers bloß allein zu Ersetzung des Schadens, nicht aber zur Strafe, als welche nur den Thäter allein betrifft; es seie dann, daß solche in einer dem Beleidigten gebührenden Geldbuße bestünde, und dieser hätte noch bei Lebszeiten des Schuldigen derowegen Klage erhoben, oder das Verbrechen zöhe die Verwirkung des Vermögens zu Handen Unserer Kammer nach sich.

[3, 1, § 5] 44. Wann mehrere Erben vorhanden sind, so werden sowohl die Schuldigkeiten, als die Rechtsansprüche, welche mit der Erbschaft an sie übertragen werden, zwischen ihnen dergestalten getheilet, daß deren Jedweder nur insoweit, als er Erb ist, und nach Maß seines Erbtheils für die Schuld zu haften, und gleichergestalten die Erbschaftsforderungen einzutreiben hat.

§. VI.

[3, 1, § 6] 45. Durch Verträge werden Verbindungen getroffen entweder über Dinge und Güter, oder über Thun und Lassen, daß nemlich etwas geschehe oder nicht geschehe, die Verbrechen aber verbinden über den schuldigen Ersatz des zugefügten Schadens auch zur Strafe, wovon gehörigen Orts gehandlet wird.

[3, 1, § 6] 46. Ueber alle Dinge und Güter, sie mögen körperlich oder unkörperlich, gegenwärtig oder zukünftig sein, können Verbindungen geschlossen werden, wann solche nur wahrscheinlicher Weise angehoffet werden mögen, und sonst handelbar, auch nicht besonders durch das Gesatz ausgenommen sind. Die unhandelbare Sachen sind schon zu Anfang des zweiten Theils beschrieben worden, und die ausgenommene werden hienach bei jeder Gattung der verbindlichen Handlungen bemerket.

[3, 1, § 6] 47. Das Thun und Lassen, worzu sich Jemand verbindet, muß also beschaffen sein, daß es von Natur möglich, in Rechten nicht verboten seie, und von eigener Bewirkung des Verbundenen abhange.

[3, 1, § 6] 48. Von unmöglichen Dingen bestehet keine Verbindung, wo eine wahre

(3-11) Unmöglichkeit unterwaltet; dahingegen eine scheinbare Unmöglichkeit die Handlung nicht entkräftet, wann solche in Ernst gemeinet, und die zur Zeit der Verbindung unmöglich scheinende Sache nachhero möglich wird.

[3, 1, § 6] 49. Zur Giltigkeit der Handlung ist an deme genug, daß die Sache zur Zeit der Verbindung möglich seie, obgleich deren Leistung nachher unmöglich wird; dann rühret die erfolgte Unmöglichkeit von der Schuld des Verbundenen her, so bleibet derselbe verpflichtet, den Werth der aus seiner Schuld verlustigten Sache sammt allen derowegen verursachten Schäden zu erstatten; entstehet aber die Unmöglichkeit aus einem Zufall, so wird die Verbindung andurch aufgehoben.

[3, 1, § 6] 50. Verbotene und unerlaubte Handlungen sind, welche wider Unsere Gesetze, gute Sitten und die Ehrbarkeit laufen, und dahero keine Verbindungskraft haben, sondern Jene, sie sich solche einlassen, der Strafe unterwerfen.

[3, 1, § 6] 51. Von fremden Thun und Lassen kann keine Verbindung getroffen werden, und wird andurch weder dem Dritten eine Verbindlichkeit zugezohen, noch Derjenige, welcher eines Dritten Thun und Lassen verheißen, aus einer solchen Handlung verfänglich.

[3, 1, § 6] 52. Es seie dann, daß Derselbe sich ausdrücklich anheischig gemacht hätte, den Dritten zu solchen Thun oder Lassen zu vermögen, und daß es geschehe, auszuwirken, in welchem Fall er allen Fleiß anzuwenden, und da er es hieran erwinden lassen, des Anderen andurch erleidenden Schaden zu vergüten schuldig, wann aber der Erfolg mit seiner Bestrebung nicht übereinstimmet, zu nichts Weiteren verbunden ist, außer er nähme dessen Ausrichtung auf seine eigene Gefahr, oder verpflichtete sich bei dessen Unterbleibung zu einem gewissen Pönfall, oder der Dritte, um dessen Thun und Lassen gehandelt wird, wäre seiner Gewalt untergeben.

§. VII.

[3, 1, § 7] 53. Die Verbindungen aus Verträgen geschehen entweder mit einem Anhang gewisser Bedingnussen, Zeitfristen und der Art und Weis, unter welcher sich Jemand verpflichtet, oder ohne demselben.

[3, 1, § 7] 54. Welche ohne einem solchen Anhang oder Ausnahm eingegangen werden, erlangen ohne Weiters ihre Kraft, und erwachset alsbald hieraus nicht allein die Schuldigkeit an Seiten des Verbundenen, sondern auch an Seiten des Anderen die Befugnuß der unverzüglichen Einforderung.

[3, 1, § 7] 55. Bei jenen Verbindungen aber, denen ein dergleichen Anhang beigefüget wird, ist die Wirkung nicht allemal einerlei, sondern nach Gestalt des beigeruckten Bedings oder der Ausnahme, verschieden.

[3, 1, § 7] 56. Die Bedingnussen sind von zweierlei Gattung, dann entweder wird andurch die Bündigkeit der Handlung bis zu deren künftigen ungewissen Ausgang dergestalten verschoben, daß eine solche Handlung erst bei Erfolg der Bedingnuß zu Kräften kommen, dahingegen in Abgang derselben völlig erlöschen solle, oder die ordentlich errichtete und vollzohene Handlung wird bei Ausgang der Bedingnuß anwiederum aufgelöset.

[3, 1, § 7] 57. Beide hangen entweder von alleiniger Willkür und Macht dessen, deme sie auferleget werden, oder von fremder Willkür und bloßen Zufall ab, oder sie sind theils willkürlich, theils zufällig zugleich.

[3, 1, § 7] 58. Doch kann die eigene bloße Willkür des Verbundenen zu keiner Bedingnuß gesetzet werden, sondern eine solche Handlung ist insolange unkräftig, bis daß nicht die wirkliche Einwilligung in die Verbindung erfolge, woferne aber eine obschon an der alleinigen Willkür des Verbundenen beruhende That bedungen wird, so bestehet die Handlung, und hat den Verstand, daß hieraus die Verbindung von der Zeit, wann die bedungene That geschehen würde, ihren Anfang zu nehmen habe.

[3, 1, § 7] 59. Ansonsten können alle ehrbare, mögliche und billige Bedingnussen den Handlungen beigerucket werden, und ist Jener, deme sie auferleget worden, solche

(3-12) zu halten, und auf die bestimmte Art und Weis zu erfüllen schuldig, dahingegen alle andere Bedingnussen, welche den Gesetzen und guten Sitten widerstreben, die Handlung, der sie beigefüget werden, dergestalten gänzlich entkräften, daß daraus weder eine Verbindlichkeit, noch weniger ein Recht erwachse, wovon in dem zweiten Theil umständlicher gehandlet wird.

[3, 1, § 7] 60. Eben also benehmen unmögliche Bedingnussen, sie mögen es von Natur sein, oder gleich allen in Rechten verbotenen Handlungen von den Gesetzen dafür gehalten werden, einer Handlung, der solche angehänget werden, alle Wirkung. Wann aber eine unmögliche Bedingnuß dergestalten gefasset wird, daß, was unmöglich geschehen kann, nicht geschehe, aber Dasjenige, was möglicherweise nicht unterbleiben kann, geschehen solle, so ist die Handlung für unbedingt zu halten, und kommet gleich zu Kräften.

[3, 1, § 7] 61. Eine jede Bedingnuß muß einen künftigen ungewissen Ausgang haben; dann ist solcher also gewiß, daß er nothwendig erfolgen muß, obschon die Zeit des Erfolgs ungewiß wäre, so ist es keine Bedingnuß, sondern die Handlung wird gleich verbindlich, und nur die Leistung der Schuld bis zu dem sich ergebenden Erfolg verschoben.

[3, 1, § 7] 62. Würde aber bei Handlungen eine gegenwärtige oder vergangene Ereignuß ausbedungen, wann gleich diese denen sich verbindenden Theilen nicht bekannt wäre, so hat jedoch ein solcher Zusatz keinerdings die Kraft und Wirkung einer Bedingnuß, sondern machet die Handlung alsobald entweder rechtskräftig, wann er wahr, oder null und nichtig, wann er falsch zu sein befunden wird.

[3, 1, § 7] 63. Gleichergestalten wird durch jene Bedingnussen, welche schon in der Verheißung selbst, entweder aus Natur und Eigenschaft der Sache, oder aus Anordnung des Gesatzes gleichsam stillschweigend begriffen sind, obgleich solche auch ausdrücklich erwähnet wurden, die Verbindung nicht verschoben, sondern nur die Leistung der Schuld bis zu deren Erfolg ausgesetzet.

[3, 1, § 7] 64. Eine wahre die Handlung aufziehende Bedingnuß hat nach dem Unterschied, ob deren Erfolg noch in der Ungewißheit schwebe, oder sie in Erfüllung gegangen, oder aber solche ermanglet habe, verschiedene Wirkung; ist ihr Ausgang noch ungewiß, folglich selbe noch hangend, so ist vor deren Erfüllung weder der unter einer solchen Bedingnuß Verbundene die zugesagte Sache zu leisten schuldig, noch der Andere sie zu forderen befugt, sondern es entstehet aus einer so bedingten Handlung bloß die Hoffnung, daß bei Ausgang der Bedingnuß ihme die Schuld gebühren werde.

[3, 1, § 7] 65. Diese Hoffnung aber wirket bei Verträgen soviel, daß der Andere ein Glaubiger genennet, das künftige Recht zu der ihme unter einer Bedingnuß verheißenen Sache, als sein eigenes Gut angesehen, und ihme andurch nicht allein die Macht solches an Andere zu übertragen und zu veräußeren, sondern auch die Befugnuß bei wahrnehmender Gefährde an dem Vermögen des Schuldners seine Sicherheit zu suchen eingeraumet werde, zudeme auch kein Theil von einer so bedingten Handlung ohne Einwilligung des Anderen abweichen könne, und sowohl die in der Erwartung stehende Schuldigkeit eines, und das anhoffende Recht anderen Theils auf beiderseitige Erben übertragen werde; es wäre dann, daß die beigesetzte Bedingnuß die Person des Verstorbenen allein betreffe, mit welcher auch alle Hoffnung erlöschet, und der Fall nicht anderst betrachtet werden kann, als daß die Bedingnuß völlig ermangle.

[3, 1, § 7] 66. Damit also eine bedingte Handlung ihre Verbindungskraft erlangen möge, ist nothwendig, daß bei zufälligen Bedingnussen der Ausgang erwartet, und die willkürliche in der bestimmten Maß und Weis erfüllet werden. Woferne aber die Erfüllung einer der Willkür des Anderen anheimgestellten Bedingnuß aus Schuld des Gegentheils, der solche beigesetzet, behinderet wird, ist dieselbe für erfüllet zu achten; dahingegen zufällige Bedingnussen in Verträgen niemalen für

(3-13) erfüllet zu halten sind, wann sie ihren Ausgang nicht gewinnen, außer die Vollziehung Desjenigen, was dabei zum Theil willkürlich wäre, würde bei sich ergebenden bedungenen Zufall aus Schuld des Gegentheils gehemmet. Wie es aber in dem Fall zu halten seie, wann die Erfüllung der Bedingnuß durch Gefährde oder Schuld eines Dritten verhinderet würde, wird seines Orts ausgemessen.

[3, 1, § 7] 67. Erfolget nun die zufällige Bedingnuß, oder die willkürliche gehet in ihre Erfüllung, so gebühret diesen Augenblick die Schuld, und kann auch ohne weiterem Verzug eingeforderet werden; der Ausgang der Bedingnuß aber wird auf die Zeit der geschlossenen Handlung zuruckgezohen, und diese eben so geachtet, als ob sie gleich zu Anfang ohne aller Bedingnuß eingegangen worden wäre, folglich hat das aus einer solchen Handlung angebührende Recht nicht von der Zeit der erfolgten Bedingnuß, sondern von der Zeit der geschlossenen Handlung seine Kraft und Wirkung.

[3, 1, § 7] 68. Wären aber mehrere Bedingnussen zusammen beigesetzet, ist deren aller Erfolg und Erfüllung abzuwarten, dahingegen, wo mehrere wechselweise, oder eine um die andere, das ist entweder diese oder jene angehänget worden, ist an Erfüllung einer oder der anderen genug, daß die Schuld gebühren und eingeforderet werden möge.

[3, 1, § 7] 69. Doch auf Dasjenige, was zur Bedingnuß gesetzet worden, kann bei deren Ausgang von dem Glaubiger kein Anspruch gemachet werden, wann es nicht ausdrücklich in die Verbindung mit einbezohen worden, oder ihme nicht sonst hieran ein Recht gebühret. Ermanglet aber die Bedingnuß also, daß keine Hoffnung ihres jemaligen Erfolgs übrig seie, so entfallet auch die ganze Handlung, und ist von keiner weiteren Giltigkeit.

[3, 1, § 7] 70. Die Bedingnussen von der anderen Gattung, welche die Bündigkeit der Handlung nicht verschieben, sondern bei ihren Erfolg anwiederum auflösen, hinderen nicht, daß die verheißene Sache allsogleich gebühre und geforderet, wie auch nach Gestalt der Handlung das Eigenthum derselben an den Anderen übertragen werden könne, und dieser die Befugnuß erlange, damit als mit seinem eigenen Gut nach Gefallen zu schalten und zu walten.

[3, 1, § 7] 71. Gehet aber diese Bedingnuß in Erfüllung, so wird sowohl die Handlung, als das durch selbe an den Anderen übertragene Recht und Eigenthum aufgelöset; doch ist dabei der Unterschied in acht zu nehmen, ob die Auflösung für die Zeit der getroffenen Verbindung, und dergestalten, daß die Handlung für niemals geschlossen geachtet werden solle, ausbedungen, oder ob die Auflösung nur für die Zeit der erfolgten Bedingnuß beliebet worden.

[3, 1, § 7] 72. Ersteren Falls wird bei Ausgang der Bedingnuß die fürgeweste Handlung völlig und also aufgehoben, als ob solche niemals geschlossen worden wäre, und fallet die hieraus empfangene Sache nicht allein in demjenigen Stand, wie sie zur Zeit der Handlung an den Anderen übertragen, sondern auch mit allen inmittelst eingehobenen Früchten, Nutzungen und Zugängen ohne weiters anwiederum zuruck.

[3, 1, § 7] 73. Letzteren Falls hingegen ist zwar der Besitzer schuldig die Sache in demjenigen Stand, wie er sie empfangen, anwiederum zuruckzustellen, doch gebühren ihme die bis zu Ausgang der Bedingnuß für die Zeit des Besitzes davon erhobene Früchten und Nutzungen. Wann aber ein Zweifel vorfiele, ob die Auflösung oder der Ruckfall auf diese oder jene Art bedungen worden, so ist es allezeit von der letzteren Art zu verstehen.

[3, 1, § 7] 74. Jedoch in so ein als anderen Fall lieget Demjenigen ob, der sich den Ruckfall ausgenommen, den Erfolg der Bedingnuß zu erweisen, und die ruckfällige Sache in der in zweiten Theil bestimmten Verjährungszeit zuruckzuforderen, wo im Widrigen er des Ruckfalls verlustig, und dem Anderen ein unwiderrufliches Recht erworben wird.

(3-14) [3, 1, § 7] 75. Soviel es aber die von dem mittlerweiligen Besitzer mit Anderen dieser Sache wegen getroffene Handlungen anbelangt, als da er indessen vor Ausgang der Bedingnuß solche verpfändet, veräußeret, oder sonst Jemanden hieran ein Recht zugeeignet hätte, so bleiben zwar solche insolange bei Kräften, als die Bedingnuß nicht erfolget; nach Ausgang der Bedingnuß hingegen ist zu unterscheiden, ob es um eine bewegliche oder unbewegliche Sache zu thuen seie.

[3, 1, § 7] 76. Betrifft es eine bewegliche Sache, so kann ein Dritter, der solche rechtmäßig an sich gebracht, hierwegen nicht angefochten werden; es seie dann, daß ihme der bedungene Ruckfall wohl wissend gewesen, und er sich gleichwohlen der Sache angemaßet hätte, auch, daß er es gewußt, auf ihn dargethan werden könne, in welchem Fall das hieran erworbene Recht zugleich mit dem Recht dessen, von deme er solches erhalten, aufgelöset wird, und ist die Sache Demjenigen, der sich deren Ruckfall bedungen, zuruckzustellen. Könnte aber die Wissenschaft des ausgenommenen Ruckfalls auf ihn nicht erwiesen werden, so bleibet sein Recht bei Kräften, und der Andere ist schuldig, dem Kläger dafür gerecht zu werden.

[3, 1, § 7] 77. Ist hingegen der Ruckfall einer unbeweglichen Sache ausbedungen worden, so kann solcher wider einen dritten Besitzer nur damals wirken, wann derselbe in der Landtafel, oder in den Stadt- oder Grundbüchern, wohin der Grund, um deme es zu thun ist, gehöret, ordentlich vorgemerket ist, wodurch bei Ausgang der Bedingnuß auch des Dritten obgleich mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern hieran erworbenes Recht entkräftet wird.

[3, 1, § 7] 78. Ist aber der Ruckfall darinnen nicht vorgemerket, so hat der Kläger solchenfalls nur persönliche Sprüche wider Demjenigen, mit deme er den Ruckfallsvertrag errichtet; dann alle Bedingnusse, welche den Handlungen und Verträgen über unbewegliche Dinge angehänget werden, können die Sache selbst nicht anderst behaften, als wann sie mit den Handlungen und Verträgen, in denen sie einkommen, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wohin die Sache gehörig, eingetragen werden.

[3, 1, § 7] 79. Die bei Handlungen und Verträgen bestimmende Zeitfristen sind entweder in dem Vertrag schon begriffen, als da Jemand an einem gewissen Ort die Zahlung zu leisten verspräche, wodurch ihme auch zugleich so viele Zeit eingeraumet wird, binnen welcher er dahin gelangen, oder das Geld übermachen könne, oder die Zeitfristen werden ausdrücklich beigefüget.

[3, 1, § 7] 80. Dieses geschieht entweder zu dem Ende, um die Bezahlung zu vervielfältigen, und den Betrag der Schuld in mehrere Fristen einzutheilen, als da durch mehrere Jahr eine gewisse Summe jährlich zu zahlen verheißen wird, und in diesem Fall leidet die Verbindung keinen Aufschub, sondern die Schuld fanget gleich an für alle Jahre zu gebühren, die jährliche Zahlung aber kann nicht ehender, als mit Ende eines jeden Jahres geforderet werden, wann nichts Anderes bedungen worden.

[3, 1, § 7] 81. Oder die Zeit wird als das Ende der Verbindung beigerucket, mit deren Verlauf solche dergestalten erlöschet, daß für das Künftige nichts, wohl aber Jenes, was für das Vergangene gebühret hat, geforderet werden kann, außer die also beigesetzte Zeit enthielte zugleich eine Bedingnuß, deren Ausgang auf diese Zeit ausdrücklich dahin beschränket würde, daß, wann solcher binnen derselben nicht erfolget, der Zusager zu nichts verbunden sein wolle.

[3, 1, § 7] 82. Oder es werden nur Zahlungsfristen ausgewiesen, welche nicht der Verbindung, sondern bloß allein der Zahlung und Einforderung einen Aufschub geben, daß die Schuld vor der ausgesetzten Zeit nicht eingemahnet werden kann, und diese, insoferne nichts Anderes beliebet worden, kommen dem Schuldner ganz und also zu statten, daß vor deren Verfließung die Schuld nicht eingetrieben werden darf.

[3, 1, § 7] 83. Bei Zeitfristen ist zu unterscheiden, ob der bestimmte Tag gewiß, oder


(3-15) ungewiß seie. Ist der bestimmte Tag gewiß, so fanget die Schuld gleich an zu gebühren, kann aber vor Verlauf dieses Tags nicht eingemahnet und geforderet werden.

[3, 1, § 7] 84. Ungewiß ist der Tag auf dreierlei Art, dann entweder ist nicht wissend, ob und wann er sich ereignen werde, als zum Beispiel der Tag eines ungewissen Zufalls, oder man weiß zwar wann, aber nicht ob er erfolgen werde, als z. B. die Erreichung des vogtbaren Alters, oder es ist zwar ungezweiflet, daß er erfolge, allein unwissend, wann solcher kommen werde, als z. B. Jemands Tod.

[3, 1, § 7] 85. In beiden ersteren Fällen wird eine so beschaffene ungewisse Zeit für eine Bedingnuß gehalten, bis zu deren Erfolg die Bündigkeit der Handlung verschoben wird, woferne aus dem Vertrag nicht ein Anderes deutlich entnommen werden mag, daß ein solcher ungewisser Tag nicht zum Aufzug der Verbindung, sondern bloß zum Aufschub der Zahlung beigesetzet worden. In dem letzteren Fall hingegen entstehet die Verbindlichkeit gleich, und bleibet nur die Zahlung bis dahin ausgesetzet.

[3, 1, § 7] 86. Sind aber die beigefügte Bedinge also gefasset, daß sich Jemand unter einer gewissen Art und Weis, und aus der Endursache verbinde, damit dagegen von dem Anderen etwas geschehe oder nicht geschehe, so wird weder die Bündigkeit der Handlung, noch die Einforderung der Schuld aufgeschoben, sondern wann das Bedungene nicht erfüllet wird, muß das Empfangene anwiederum zuruckgestellet, und kann allenfalls, wann Gefahr vorhanden, auch wegen Erfüllung des Bedings genugsame Sicherheit anbegehret, und bis daß solche geleistet wird, das Verheißene zuruckgehalten werden.

§. VIII.

[3, 1, § 8] 87. Die Handlungen, woraus eine persönliche Verbindung entspringet, sind entweder erlaubet oder ohnerlaubet. Die erlaubte rühren entweder aus bloßer Freigebigkeit her, oder geschehen in Absicht einer verpflichtenden Ursache; welche aus bloßer Freigebigkeit herstammen, werden Zusagen, Gelübde und Verheißungen genennet.

[3, 1, § 8] 88. Jene aber, welche eine verpflichtende Ursache zum Grund haben, geschehen entweder durch beiderseitige Einwilligung und Vereinigung über die Schuldigkeit etwas zu leisten und heißen Verträge, oder sie wirken auch ohne Vertrag aus natürlicher Billigkeit.

[3, 1, § 8] 89. Die Verträge erlangen entweder ihre Verbindlichkeit aus der alleinigen Vereinigung beider Theilen, ohne daß einer solchen Handlung von den Gesetzen eine eigene Gestalt vorgeschrieben, und ein gewisser Namen beigeleget werde, welche

(3-16) insgemein Verträge, oder auch unbenannte Contracten, oder wann selbe eine strittige oder zweifelhafte Sache betreffen, Vergleiche benamset werden, oder sie enthalten Handlungen, welche noch über die Kraft der beiderseitigen Vereinigung von den Gesetzen eine eigene vorgeschriebene Gestalt und Namen haben, und werden in der eigentlichen Bedeutung Contracten genennet.

[3, 1, § 8] 90. Die Contracten werden entweder durch eine wahre und ausdrückliche, oder auch stillschweigende Vereinigung oder Einwilligung beider Theilen über die Schuldigkeit etwas zu geben oder zu thun geschlossen, und diese sind wahre Contracten, oder sie bestehen auf keiner ausdrücklichen, sondern einer durch das Gesetz vermutheten oder dafür gehaltenen Einwilligung eines oder auch beider Theilen, wodurch die denen Contracten gleichkommende Handlungen verstanden werden.

[3, 1, § 8] 91. Die ohnerlaubte Handlungen wirken die Verbindlichkeit aus einer Schuld oder Gefährde. Diese Schuld haftet entweder an der Person dessen, welcher das Verbrechen ausgeübet, und ist eine wahre Schuld, woraus die wahre und eigene Verbrechen entstehen, oder sie wird von den Gesetzen Jemanden, der zwar das Verbrechen nicht ausgeübet, in dessen Macht es aber gestanden solches zu verhüten, beigemessen, welche nur eine beigemessene Schuld ist, und derlei Handlungen sind keine wahre Verbrechen, sondern werden nur für Verbrechen geachtet.

[3, 1, § 8] 92. Es sind demnach sechserlei Gattungen deren Handlungen, welche die persönliche Verbindung wirken, und nach der hiernachstehenden Ordnung in den folgenden Capiteln erkläret werden, als: Erstens, Zusagen, Verträge und Vergleiche; zweitens, benannte Contracten; drittens, denen Contracten gleichkommende Handlungen; viertens, aus bloßer natürlicher Billigkeit verbindende Handlungen; fünftens, Verbrechen; sechstens, für Verbrechen geachtete Handlungen.

§. IX.

[3, 1, § 9] 93. Die aus vorbemelten Handlungen entstehende Verbindungen wirken an Seiten dessen, gegen weme Jemand verbunden wird, die Erwerbung des Rechts zur Sache, die ihme aus der Verbindung gebühret, woraus die rechtliche Forderung, und aus dieser deren Betreibung und Ausführung entspringet, an Seiten des Verbundenen aber die Nothwendigkeit Dasjenige, was er andurch schuldig worden, zu leisten, und beiderseits nach Verschiedenheit der Handlungen die mehr oder mindere Verfänglichkeit für den durch Arglist, Schuld oder Zufall verursachten Schaden.

[3, 1, § 9] 94. Bestehet die Verbindlichkeit in der Schuldigkeit etwas zu geben, so kann Derjenige, wer solches zu geben verbunden, sich von der Verbindlichkeit anderer gestalt nicht, als durch die wirkliche Entrichtung des schuldigen Dings oder Guts, insolange er es in seinem Vermögen hat, entledigen.

[3, 1, § 9] 95. Verbindet sich Jemand zur Leistung mehrere Dingen zusammen, ist derselbe auch alle zu geben schuldig; lautete aber die Verbindung wechselweise auf diese oder jene Sache, so erstrecket sich zwar die Verbindung auf beide, also daß, wann eine in Verlust gehet, jedennoch die andere gebühre. Es ist aber an Leistung einer genug, und hat der Schuldner die Auswahl, welche er davon hergeben wolle, wann solche auswählen zu mögen nicht ausdrücklich dem Glaubiger eingestanden, oder die wechselweise Schuldigkeit nur zu seiner mehreren Sicherheit, also daß, wann das vorzüglich Bedungene nicht erstattet werden könnte, anstatt dessen das Andere gebühren solle, beigesetzet worden. Eine gleiche Bewandtnuß hat es, wann die Schuld eine unbestimmte Sache von einer gewissen Gattung betrifft, als z. B. ein Schaf oder Rind aus der Heerde; dessen Auswahl stehet dem Schuldner zu.

(3-17) [3, 1, § 9] 96. Dahingegen, wann die Verbindlichkeit in der Schuldigkeit etwas zu thuen bestehet, muß zwar der Verbundene das versprochene Werk leisten, solange er es zu machen fähig, und der dadurch abgezielte Nutzen des Anderen, deme es verheißen worden, erreichet werden kann; hörete aber dessen Thunlichkeit aus seiner Schuld auf, oder der Vollzug erfolgete nicht zur gesetzten Zeit, so ist derselbe dem Anderen sowohl den ihme entgangenen Vortheil, als den wegen Nachbleibung des versprochenen Werks erleidenden Schaden zu erstatten schuldig.

[3, 1, § 9] 97. Die Verfänglichkeit zum Ersatz des verursachten Schadens rühret entweder aus gebrauchter Arglist, oder begangener Schuld, oder erfolgten Zufall her, und ist nach Gestalt der Handlungen, und nach Maß der getroffenen Verbindungen bald größer, bald minder.

[3, 1, § 9] 98. Die Arglist oder Betrug ist eine vorsetzliche Gefährde, wodurch Jemand wissentlich dem Anderen einen Schaden zufüget, und diese ist in keinerlei Handlung zu dulden, noch weniger ein Vertrag giltig, worinnen dem Anderen Jemanden zu betrügen und vorsätzliche Bosheit zu verüben erlaubet wird, sondern ein Betrug wird bei allen Handlungen für ausgenommen gehalten, obschon darauf eine ausdrückliche Verzicht gemacht worden wäre; einen schon begangenen Betrug hingegen können die Parten bei Schluß der Handlung einander erlassen.

[3, 1, § 9] 99. Eine Gefährde oder Betrug wird bei Verträgen niemalen vermuthet, sondern muß von Demjenigen, der solchen vorschützet, erwiesen werden, und hat der beschädigte Theil die Auswahl, ob er die gänzliche Vernichtung der Handlung anbegehren, oder ob er gleichwohlen dabei beharren, und sich nur mit Vergütung des Schadens begnügen wolle.

[3, 1, § 9] 100. Es wäre dann in dem Vertrag ausdrücklich bedungen worden, daß, wann ein Theil durch Betrug zu solcher Handlung verleitet worden wäre, diese nicht sofort null und nichtig seie, sondern dem beleidigten Theil den Ersatz des zugefügten Schadens zu forderen freibleiben, und die Handlung im Uebrigen bestehen solle. In diesem Fall behält zwar die Handlung ihre Giltigkeit, der Schaden aber muß vergütet werden, und wird auch der Beweis des Betrugs nicht verschränket, wann gleich der gewöhnliche Beisatz, daß Alles getreulich und ohne Gefährde geschlossen worden, in der Handlung deutlich beigerucket wäre.

[3, 1, § 9] 101. Eine Schuld wird begangen, wann aus Jemandens Unachtsamkeit, Fahrlässigkeit, Unvorsichtigkeit oder Unverstand dem Anderen ein Schaden entstehet, welcher sonst durch vernünftige Vorsicht, Fleiß und Vorsorge hätte verhütet werden können; diese bestehet entweder in der Ausübung, da Jemand etwas solches thut, was sich nicht geziemet, oder in der Unterlassung dessen, was ihme zu thun obgelegen wäre.

[3, 1, § 9] 102. Alle Schuld kommet demnach aus Unterlassung des gehörigen Fleißes her. Gleichwie aber bei menschlichen Handlungen dreierlei Grade oder Stufen der Befleißung sind, als nemlich ein gemeiner Fleiß, welcher allen Menschen gleichsam angeboren ist, und aus keiner Scharfsinnigkeit, sondern aus gemeinem Verstand herrühret, und von allen auch minder fleißigen Leuten in ihren Sachen auf gleiche Art angewendet zu werden pfleget, ein besonderer Fleiß, welcher über die gemeine Bestrebung noch eine besondere Achtsamkeit erforderet, und von einem jeden guten, fleißigen und vorsichtigen Hausvater in seinen Geschäften insgemein beobachtet wird, und endlich der ausbündigste und genaueste Fleiß, dessen sich nicht alle auch sonst fleißigere Leute, sondern nur die allervorsichtigste und allersorgfältigste Hausväter in ihren Handlungen gebrauchen; also giebt es auch nach Maß des unterlassenen mehr oder minderen Fleißes dreierlei Gattungen der Schuld, als die große, die leichte und die geringste.

[3, 1, § 9] 103. Eine große Schuld geschiehet damals, wann weder der gemeine Fleiß angewendet, sondern Dasjenige unterlassen wird, was insgemein alle vernünftige Menschen in acht nehmen, oder auch etwas gethan wird, dessen sich insgemein

(3-18) alle vernünftige Menschen enthalten, als z. B. Jemand ließe die Hausthüre zur Nachtszeit offen, oder verwahrete ein ihme anvertrautes Gut nicht, sondern ließe es an einem freien Ort stehen, oder unternähme ein Werk oder Hantierung, die er nicht verstehet, und dergleichen mehr.

[3, 1, § 9] 104. Diese Schuld kommet einer vorsätzlichen Gefährde am nächsten bei, und wird dahero ihrer Wirkung nach in allen denenjenigen Fällen, wo es um Ersetzung des andurch zugefügten Schadens zu thun ist, derselben gleichgeschätzet, wohingegen wann es auf Verhängung der Strafe ankommt, selbe miteinander nicht verglichen werden mögen, sondern Jener, welcher aus vorsätzlicher Gefährde gesündiget, ist härter zu bestrafen, als der keinen Vorsatz zu sündigen gehabt, sondern nur aus Unachtsamkeit oder Unverstand in ein Verbrechen verfallen.

[3, 1, § 9] 105. Eine leichte Schuld ist, wann jener besondere Fleiß und Achtsamkeit, welche alle fleißige Hausväter in ihren Sachen zu gebrauchen pflegen, unterlassen, oder etwas vorgekehret wird, was deme entgegen ist, als z. B. Jemand ließe ein bei sich eingelegtes Pfand von Mäusen zerfressen, oder schlöße die höhere Fenster von einem Behältnuß, worinnen fremdes Gut verwahret wird, nicht zu, und solches würde daraus entwendet.

[3, 1, § 9] 106. Wiewohlen aber in fremden Geschäften kein geringerer Fleiß, als in seinen eigenen angewendet werden darf, so enthebet doch ein solcher in fremden, wie in eigenen Geschäften angewendeter gleicher Fleiß nicht allemal von der Verfänglichkeit einer Schuld, wann dabei jenes außer acht gelassen worden, was sonst andere fleißige und sorgfältige Hausväter zu beobachten pflegen. Also wird ein Vormund von der Schuld des verwahrlosten Waisenguts nicht entlediget, wann gleich er solches, wie sein eigenes besorget, dabei aber jenes vorzukehren unterlasset, was andere fleißige Leute in derlei Fällen zu thun gewohnet sind.

[3, 1, § 9] 107. Im Gegentheil machet sich auch Jener einer leichten Schuld verfänglich, welcher in seinen Sachen fleißiger und sorgfältiger ist, als Andere, woferne er fremde Geschäften nicht mit gleichem Fleiß, wie seine eigene besorget, obschon derselbe den auch Anderen gemeinen Fleiß angewendet hätte. Also ist ein Gesellschafter für den Schaden zu haften schuldig, wann er die Gesellschaftsgeschäften zu Handen seiner Mitgesellschafter, mit minderen Fleiß, als zu seinem eigenen Nutzen betreibet, obgleich er Dasjenige gethan, was andere Leute in ihren eigenen Sachen mit keiner größeren Sorgfalt in acht nehmen. Es ist dahero in Abmessung der leichten Schuld bei Nachläßigen allemal das Beispiel Anderer, und bei Fleißigen die Besorgnuß eigener Geschäften zur Richtschnur zu nehmen.

[3, 1, § 9] 108. Die leichteste Schuld wird begangen, wann der ausbündigste und genaueste Fleiß nicht angewendet, und etwas vernachläßiget, oder mit widrigem Erfolg veranstaltet wird, was der allerfleißigste und allersorgfältigste Hausvater nicht vernachläßiget, oder vorsichtiger veranstaltet hätte, als z. B. die Fenster wären mit eisernem Gegitter nicht befestiget worden, wodurch die Diebe eingebrochen.

[3, 1, § 9] 109. Um nun zu wissen, für was für einen Grad der Schuld bei Verträgen und Contracten Einer dem Anderen gerecht werden müsse, ist förderist darauf zu sehen, ob derowegen etwas ausdrücklich bedungen worden oder nicht. Ersteren Falls giebt der Vertrag Ziel und Maß, und stehet denen Contrahenten frei, nach Gefallen sich mehr oder minder gegeneinander zu verbinden.

[3, 1, § 9] 110. Wäre aber wegen der Haftung für die Schuld in der Handlung ausdrücklich nichts vorgesehen worden, so ist die Bestimmung des Grads der Schuld, wofür Einer dem Anderen zu haften hat, aus der Natur und Eigenschaft der Handlungen herzuholen, welche überhaupt mit sich bringet, daß nach Maß des Jemanden daraus zugehenden mehreren oder minderen Nutzens auch die größere oder mindere Verfänglichkeit abgemessen werde.

[3, 1, § 9] 111. Wann dahero die Handlung des Gebenden Nutzen allein betrifft, so ist der nehmende Theil nur für die große, der gebende aber auch für die geringste

(3-19) Schuld zu haften schuldig, als z. B. in Hinterlegung eines Guts zu getreuen Handen, welche insgemein zu dem alleinigen Vortheil des Gebenden oder Hinterlegenden abzielet, und dahero hat Derjenige, bei deme das Gut hinterleget wird, nur für die große Schuld; der Hinterlegende hingegen auch für die geringste Schuld zu haften.

[3, 1, § 9] 112. Diese Regel aber leidet einen Abfall bei jenen Handlungen, worinnen die Besorgnuß fremder Geschäften entweder willkürlich, als in Befehlscontract und Sachwaltung, oder aus gerichtlicher Auflage als in Vormundschaften oder Gerhabschaften und Curatelen übernommen wird; dann diese Uebernehmung wirket bei einem Befehlshaber, Sachwalter, Vormund und Curatore (obschon sie davon keinen Nutzen zu gewarten haben) zugleich auch die Verbindung zu einem besonderen Fleiß, folglich die mit dessen Ermanglung übereinstimmende Haftung für die leichte Schuld.

[3, 1, § 9] 113. Wann hingegen die Handlung zu des nehmenden Theils Nutzen allein gereichet, ist derselbe für die geringste Schuld, der Gebende aber nur für die große Schuld verfänglich, als z. B. wann Jemanden etwas zu seinem Gebrauch unentgeltlich geliehen wird.

[3, 1, § 9] 114. Zielete aber die Handlung auf beider Theilen Nutzen ab, so sind auch beide einander für die leichte Schuld zu haften schuldig, als in Kauf und Verkauf, in Pachtungs-, Pfand- und Gesellschaftscontracten, und dergleichen mehreren zu beiderseitigen Vortheil gereichenden Verträgen.

[3, 1, § 9] 115. Wann jedoch über die vorangeführte Maßregeln annoch ein Zweifel entstünde, so kommet es dabei jedesmal auf die Beurtheilung eines vernünftigen Richters hauptsächlich an, um zu entscheiden, was sowohl für eine Verfänglichkeit aus der so verschiedenen Gestalt der Handlungen erwachse, als in was für einem Grad die unterwaltende Schuld nach Beschaffenheit der Contrahenten anzusehen seie; dann, da die Natur und Eigenschaft der Handlungen theils durch die beisetzende Nebenverträge, theils durch die betreffende Gegenstände zum öfteren geänderet zu werden pfleget, und auch die Beschaffenheit der Contrahenten nicht allemal einerlei ist, sondern was Einem zur geringsten Schuld beigemessen wird, dem Anderen kaum zur leichten gerechnet werden kann, so lassen sich keine beständige, und durchgehends gleiche Regeln hierinfalls vorschreiben.

[3, 1, § 9] 116. Wann aber Jemand bei einer Handlung sich zur Haftung für die Schuld verbindet, ohne jedoch dabei den Grad derselben zu bestimmen, oder Jemand gelobete die Verwendung seines Fleißes überhaupt an, so ist es allemal von der leichten Schuld, und von dem mittleren Fleiß zu verstehen, außer die Natur und Eigenschaft der Handlung erforderete einen größeren, oder bestünde auf einem minderen Grad, maßen die Ausdeutung allezeit nach der Natur des Geschäfts zu machen ist, wann die klare Worte nichts Anderes vermögen. Wer aber dem Anderen eine Schuld zumuthet, ist solche zu erweisen schuldig.

[3, 1, § 9] 117. Ein ungefährer und unvermutheter Zufall ist, welcher durch keinen menschlichen Fleiß, Witz und Vorsicht hat verhütet werden mögen, und entweder wegen zufälliger stärkerer Gewalt, als daß derselben ein ausgiebiger Widerstand entgegengestellet werden könnte, oder wegen billiger und untadelhafter Unwissenheit auch dem Fleißigsten, Sorgfältigsten und Vorsichtigsten widerfahren kann.

[3, 1, § 9] 118. Von ersterer Gattung sind Wetterschäden, Mißwachs, übermäßige Tröckene, Wassergüsse und Ueberschwemmungen, Erdbeben, außerordentliche Kälte und Auswinterung des Getreids, heftige Winde, unheilbare Seuchen unter Vieh und Menschen, Heuschrecken, häufige die Saaten größtentheils verderbende Würmer, Erdmäuse in ungewöhnlicher Menge, feindliche Einfälle und Verheerungen, gewaltsame Beraubung, in dem benachbarten Haus entstandene jähe Feuersbrunst, und andere derlei Ereignussen, welche aus keinerlei Art und Weis von Demjenigen, deme ein solcher Zufall zustoßet, haben verhinderet werden können.

[3, 1, § 9] 119. Zu der anderen Gattung gehören alle diejenige Fälle, welchen zwar,

(3-20) wann deren Erfolg vorzusehen gewesen wäre, durch menschliche Gewalt hätte vorgebogen werden können, doch aber aus einer solchen Ursache herrühren, die man auch mit Anwendung alles Fleißes weder erfahren mögen, noch zu erforschen schuldig wäre, als die Entweichung der Dienstboten, Unterthanen, oder anderen Untergebenen, wann deren Bewachung und Beobachtung von der Obrigkeit nicht ausdrücklich angeordnet ist, oder selbe vorhero zu ihrer Verwahrung und Versicherung keine Ursach gegeben haben, ein Diebstahl, wann alle gehörige Sorgfalt in Verwahrung des entwendeten Guts vorgekehret worden, eine in Jemands Behausung weder aus eigener, noch seiner Hausgenossen Schuld angelegte, oder sonst ausgekommene Feuersbrunst, und überhaupt alle aus der That eines Dritten entstehende Beschädigungen sind in Absicht auf den Leidenden zufällig, wann er den Schaden nicht verhüten kann, obschon es in seiner Gewalt gestanden wäre, wann er die That vorgesehen hätte, solche zu verhinderen.

[3, 1, § 9] 120. Kann aber der daraus erfolgende Schaden mit geringer Mühe verhütet werden, und dessen Abwendung würde vernachlässiget, so ist solcher keinem Zufall, sondern der Schuld dessen, welcher die dienliche Hilfs- und Rettungsmitteln anzukehren außer acht gelassen, beizumessen, als z. B. das in des Nachbars Haus aufgehende Feuer würde in Zeiten wahrgenommen, und könnte leicht gedämpfet werden, solches aber würde unterlassen, oder man verabsaumete sich eines Diebs, Raubers oder Flüchtigen zu versicheren, da man ihn in seiner Gewalt gehabt, auf der Flucht ertappet, und das Entfremdete ihme abnehmen können.

[3, 1, § 9] 121. Um so minder ist ein Schaden, welcher aus eigener That erfolget, für einen Zufall zu halten, sondern allemal auf die Ursach, welche den Schaden veranlasset, und nicht auf den Erfolg zu sehen, als z. B. Jemand schießet auf einen Vogel oder Tauben, und zündet andurch das Haus an, oder schießet auf ein Ort, wo Leute zu gehen pflegen, und Einer würde verwundet oder entleibet, oder das Heu würde nasser erliegen gelassen, daß es sich nachhero entzünde, und eine Feuersbrunst verursache.

[3, 1, § 9] 122. Für einen wahren Zufall ist bei Handlungen Niemand zu haften schuldig, sondern wann immer ein fremdes Gut bei Jemanden durch Zufall in Verlust gehet, wird dieser dadurch nicht verfänglich, und der Eigenthümer hat den Schaden zu tragen; also, wann ein zum Gebrauch geliehenes, zu getreuen Handen hinterlegtes, verpfändetes, anvertrautes, oder sonst in Jemands Händen auf rechtmäßige Weise befindliches fremdes Gut durch Zufall verloren oder verdorben wird, hat der Herr dieses Guts den Schaden zu leiden.

[3, 1, § 9] 123. Durch ein fremdes Gut wird hier nicht allein jenes verstanden, dessen Eigenthum einem Anderen zugehöret, sondern auch dasjenige, dessen Eigenthum an jemand Anderen zu übertragen verheißen worden, obschon es noch zur Zeit des Zufalls bei dem Zusager befindlich ist, als in Schankungen, Kauf- und Verkauf- und Tauschcontracten, in welchen Fällen der Zusager oder Verkaufer durch den zufälligen Verlust der schuldigen Sache von aller weiteren Schuldigkeit entbunden wird, und dieser schadet dem Kaufer oder Demjenigen, deme solche gebühret hat.

[3, 1, § 9] 124. Wann aber keine gewisse bestimmte Sache zugesaget oder verkaufet worden, sondern der Vertrag betreffe nur ein unbestimmtes Ding von einer gewissen Gattung oder Betrag, so bleiben doch der Zusager oder Verkaufer in der Verbindlichkeit, wann gleich einige Dinge von der vorerwähnten Gattung oder Betrag daraufgingen.

[3, 1, § 9] 125. Sobald aber das Eigenthum durch die wirkliche Uebergab an den Anderen übertragen worden, als bei einem Darlehen, so hat die erste Regel statt, daß der Zufall dem Eigenthümer allein schade, und der Schuldner, wann gleich das vorgestreckte Darlehen in Verlust ginge, von der Schuld nicht befreiet werde, sondern seinem Glaubiger noch in alle Wege verbunden bleibe.

[3, 1, § 9] 126. Diese Regel, daß für zufälligen Schaden bei Verträgen und Contracten

(3-20) Niemand dem Anderen verfänglich werde, leidet jedoch in folgenden Fällen eine Ausnahm, als da entweder Jemand die schuldige Sache ausdrücklich auf seine eigene Gefahr übernommen, oder die sich ergeben mögende Zufälle zu tragen sich anheischig gemacht hätte, in welchem Fall die Verbindlichkeit nur für jene Zufälle, welche in dem Vertrag ausdrücklich angedeutet, oder da keine benennet, für Alle ohne Ausnahm zu verstehen ist.

[3, 1, § 9] 127. Oder der Zufall erfolgete aus einer vorhergehenden Schuld des Verbundenen, für welche derselbe entweder nach der Eigenschaft der Handlung, oder nach Maß seiner eigenen Verpflichtung zu haften hat, oder der Verbundene hätte die schuldige Sache, welche durch Zufall in Verlust gehet, aus geflissentlichem Saumsal und Verzug unrechtmäßiger Weise bei sich vorenthalten, außer der Zufall wäre von solcher Beschaffenheit, daß die Sache auch bei dem Anderen, deme sie gebühret, verloren oder verdorben worden wäre, in welchem Fall zwar der Verbundene von Erstattung des Werths der verlorenen Sache enthoben wird, jegleichwohlen aber den mittlerweil durch deren Vorenthaltung dem Anderen zugefügten Schaden und entgangenen Nutzen zu ersetzen schuldig ist.

[3, 1, § 9] 128. Oder endlich Jemand hätte ein fremdes Gut in dem beigefügten Schätzungswerth mit dem Beding ausdrücklich übernommen, daß er entweder die Sache zuruckstellen, oder den bedungenen Werth bezahlen wolle, welches Beding die Verbindlichkeit für allen zufälligen Schaden nach sich ziehet. Woferne aber dieses ausdrückliche Beding der Handlung nicht beigesetzet worden, wirket die alleinige Schätzung einer übernommenen Sache die Haftung für den Zufall nicht, sondern dieselbe hat solchenfalls keinen anderen Verstand, als daß sie den Werth der übernommenen Sache ausweise und bestimme, wann solche aus Schuld, für welche der Uebernehmer sonst zu haften hätte, in Verlust gerathen sollte.

§. X.

[3, 1, § 10] 129. Die Verbindungen erlöschen entweder in Absicht auf die Personen, die hieraus verbunden, oder denen ein Recht zur Sache erworben worden, durch deren Erneuerung, Verwandlung und Uebertragung an Andere, oder in Absicht auf sich selbst durch deren gänzliche Tilgung, oder durch die dagegen gebührende rechtsbewährte Einreden und Einwendungen.

[3, 1, § 10] 130. In eine andere Gestalt verwandlet, und an Andere übertragen werden dieselbe auf viererlei Art, als: Erstens, durch Erneuerung oder Umlage der Schuld; zweitens, durch Anweisung des Schuldners; drittens, durch Abtretung oder Uebergab der Schuld; viertens, durch Uebernahm der Schuld.

[3, 1, § 10] 131. Mittelst des Rechts selbst werden sie gänzlich getilget: Erstens, nach vollständiger Befriedigung des Glaubigers, als: 1. durch Zahlung der Schuld, 2. durch Erlassung oder Ledigsprechung, 3. durch Gegenforderung, 4. durch gerichtlichen Erlag der Schuld, 5. durch Vermengung oder Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person; zweitens, durch beiderseitige Willkür; drittens, durch Untergang der schuldigen Sache; viertens, durch Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen; fünftens, durch Verlauf der Zeit, Verjährung und Abgang der beigefügten Bedingnuß; sechstens, in gewissen Fällen durch Absterben des Verbundenen.

[3, 1, § 10] 132. Durch Einreden oder Einwendungen werden sie aufgehoben, wann zwar dem Glaubiger die Rechtsforderung gebühret, der Schuldner aber solche durch eine rechtsbewährte Einrede abzuleinen vermögend ist, und diese von dem Richter für erheblich anerkannt worden. Es wird aber von einer jeden dieser Tilgungsarten insonderheit zu Ende dieses dritten Theils ausführlicher gehandlet werden.

(3-22)Caput II.

Von Zusagen, Verträgen und Vergleichen.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Zusagen.

§. I. Von Verschiedenheit der Zusagen. §. II. Von den zur Ehre Gottes, zu milden Sachen, oder zu gemeinem Besten gemachten Verheißungen. §. III. Von Wirkung dieser letzteren. §. IV. Von Verbindlichkeit der Jemanden insonderheit gemachten Zusagen.

§. I.

[3, 2, § 1] Num. 1. Die erste Gattung verbindlicher Handlungen sind alle unbenannten Verträge, welche von den Gesetzen weder Namen, noch eine besondere Form und Gestalt haben, sondern solche nach Willkür der Parten aus beiderseitiger Vereinigung erlangen, und in dieser Bedeutung werden alle Zusagen, Verträge und Vergleiche darunter begriffen, welche wegen ihrer unbestimmten Gestalt keinem benannten Contract beigezählet werden mögen. Es wird dahero dieses Capitel in drei Artikeln abgetheilet, und in dem ersten von Zusagen, im zweiten von Verträgen, und im dritten von Vergleichen gehandlet.

[3, 2, § 1] 2. Eine Zusage ist eine bedachtsame gutwillige, aus bloßer Freigebigkeit herrührende Verpflichtung Jemanden etwas zu geben oder zu thun, wodurch der Zusager das Versprochene zu leisten verbunden, und dem Anderen das Recht solches zu forderen erworben wird.

[3, 2, § 1] 3. Es wird aber darzu erforderet, daß eine Zusage mit Bedacht und ausdrücklichem Willen sich für gegenwärtig zu verbinden geschehe, und solche auch von dem anderen Theil angenommen werde, wann es nicht Fälle betrifft, wo sie schon durch die Gesetze selbst für angenommen gehalten wird.

[3, 2, § 1] 4. Dann, woferne etwas nur aus Scherz oder Uebereilung verheißen worden, ist der Zusager zu nichts verbunden, wann derselbe die Zusage in Scherz oder aus Uebereilung geschehen zu sein erweisen kann, als dessen Beweis ihme oblieget.

[3, 2, § 1] 5. Lautete aber die Zusage auf künftige Zeiten, so ist wohl zu unterscheiden, ob andurch der Willen sich zu verbinden in Zukunft verschoben, oder ob die Zeit bloß zum Aufschub der Verabfolgung und Uebergab der verheißenen Sache beigesetzet werde. Ersteren Falls, und da die Zusage also gefasset wäre, daß sie mehr eine Vertröstung oder Neigung etwas geben oder thun zu wollen, als den ernstlichen Willen sich darzu wirklich zu verpflichten andeutete, hat eine so beschaffene Zusage keine Verbindungskraft, sondern es stehet dem Zusager noch allemal frei, auch wann er die Aeußerung seines Willens auf eine gesetzte Zeit bestimmet hätte, vor und nach der Zeit seinen Sinn zu änderen.

[3, 2, § 1] 6. Dahingegen, woferne der Zusage eine bestimmte Zeit zu dem Ende beigesetzet wird, daß zwar der Zusager gleich hieraus verbunden sein wolle, die verheißene Sache aber nicht ehender als zu der gesetzten Zeit geforderet werden solle, hat dieselbe ihre vollständige Kraft und Wirkung.

[3, 2, § 1] 7. Wäre aber die beigefügt Zeit ungewiß, oder auch eine Bedingnuß der

(3-23) Zusage beigerucket, und der Zusager äußerte dabei seinen ernstlichen Willen das Versprechen nach Ausgang der Zeit, oder nach Erfolg der Bedingnuß zu erfüllen, so wird zwar bis dahin die Verbindlichkeit, nicht aber der Willen verschoben, und ist eine solche Zusage nicht weniger rechtskräftig, als eine jede andere bedingte Handlung.

[3, 2, § 1] 8. Die Zusagen sind nach Verschiedenheit Desjenigen, deme etwas versprochen wird, zu unterscheiden. Geschiehet das Versprechen einer Privatperson, so heißet es eigentlich eine Zusage, wird aber etwas zur Ehre Gottes, zu milden Sachen, oder zu gemeinem Nutzen angelobet, so wird solches ein Gelübde oder Verheißung genennet.

§. II.

[3, 2, § 2] 9. Wann etwas zur Ehre Gottes, zu milden Sachen, oder zu gemeinem Nutzen versprochen wird, bedarf eine solche Verheißung keiner ausdrücklichen Annehmung, sondern dieselbe wird, sobald sie geschiehet, schon für angenommen gehalten, und erlanget sogleich ihre Kraft und Wirkung.

[3, 2, § 2] 10. Entweder rühret sie aus bloßer Freigebigkeit her ohne Absicht eines davon für den Zusager gewartenden Nutzens, oder sie geschiehet aus Ursache eines sich dagegen bedingenden Vortheils; erstere ist eben so bündig, als eine jede andere Zusage, wann nur der ernstliche Willen sich zu etwas zu verpflichten geäußeret wird, letztere aber nimmt die Eigenschaft eines Vertrags an, sobald dafür der abgezielte Vortheil eingestanden wird.

[3, 2, § 2] 11. Der ernstliche Willen sich zu verbinden wird daraus geschlossen, wann die Verheißung entweder bei Gericht oder den Vorsteheren des gemeinen Wesens oder der milden Sachen geschiehet, oder wann der Anfang gemachet wird, solche wirklich zu erfüllen. Würden aber die Vorstehere ohne erheblicher Ursache das Verheißene nicht annehmen wollen, sondern die Verbindung erlassen, so kann zwar der Zusager derowegen nicht weiter angefochten werden, die Vorstehere hingegen sind schuldig für den solchergestalten entgangenen, oder auch sonst durch ihren Saumsal vernachlässigten Nutzen die Vergütung zu leisten.

[3, 2, § 2] 12. Eine Verheißung kann auf eben die Art und Weis, wie eine jedwede andere verbindliche Handlung mit oder ohne beigefügter Zeit, oder erlaubter Bedingnuß geschehen. Ein widerrechtliches aber und dem gemeinen Wesen oder der milden Sache nachtheiliges Beding entkräftet die Verheißung nicht, sondern dieses wird für nicht beigesetzet geachtet, und die Verheißung bestehet in ihrer Giltigkeit.

[3, 2, § 2] 13. Wann aber eine aus bloßer Freigebigkeit herrührende Verheißung dergestalten übermäßig wäre, daß andurch der Pflichttheil derenjenigen Personen, welchen solcher nach diesem Unseren Gesatz gebühret, verkürzet würde, so ist dieselbe insoweit, als die Verkürzung erweislich wäre, unkräftig, und bestehet nur für das Uebrige.

§. III.

[3, 2, § 3] 14. Eine Verheißung wirket dahero die Verbindlichkeit an Seiten des Zusagers und dessen Erben das Versprochene zu leisten, und andererseits das Recht

(3-24) dasselbe zu forderen und einzutreiben; doch kann weder etwas Mehreres, weder was Anderes, was verheißen worden, geforderet, noch weniger Jener, der etwas zu thun versprochen, und solches in der gehörigen Zeit zu vollziehen bereit ist, anstatt dessen zum Erlag einer Geldsumme angehalten werden.

[3, 2, § 3] 15. Ereignete es sich aber, daß nach gemachter Verheißung vor deren wirklichen Vollstreckung der Zusager in einen solchen Verfall seines Vermögens geriethe, daß, wann er das Versprochene leisten sollte, ihme der unvermeidliche Nothstand bevorstünde, und der unentbehrliche Lebensunterhalt gebräche, in solchem Fall, und daferne die Verheißung lediglich aus seinem guten Willen und freigebigen Gemüth herkäme, ist sich zwar seines Vermögens, insoweit sich die Verheißung erstrecket, zu versicheren, ihme aber der Genuß davon lebenslänglich zu belassen.

[3, 2, § 3] 16. Hätte hingegen die Verheißung eine Ursache des dem Zusager dafür zugehenden Vortheils zum Grund, welche ganz oder zum Theil schon erfüllet wäre, so ist zwar das Verheißene, insoweit es mit dem Betrag der schon erfüllten, oder noch zu erfüllen kommenden Ursache übereinstimmet, nicht anderst, als eine jede andere aus einem Vertrag gebührende Schuldigkeit anzusehen, folglich auch so Vieles, als sich dieser Betrag erstrecket, aus dem Vermögen des Zusagers herzunehmen, der Ueberschuß hingegen indessen zu versichern; dem Zusager aber gehet der Genuß von diesem Ueberschuß auf lebenslang zu Guten.

§. IV.

[3, 2, § 4] 17. Die einer Privatperson machende Zusagen sind von den Verheißungen hauptsächlich in deme unterschieden, daß sie die wirkliche Annehmung Desjenigen, deme sie geschehen, zu ihrer Wesenheit erforderen, und insolange die Annehmung nicht erfolget, von dem Zusager nach Gefallen widerrufen werden können; doch lieget ihme der Beweis ob, solche vor deren Annehmung widerrufen zu haben. Sobald aber die Annehmung der Zusage von dem anderen Theil geschiehet, höret auch sogleich an Seiten des Zusagers die Macht auf, solche zu widerrufen.

[3, 2, § 4] 18. Die Annehmung einer Zusage kann entweder von Demjenigen, deme etwas verheißen worden, selbst, oder auch von Anderen in Namen und anstatt seiner geschehen, und wann diese entweder seine Person durch das Gesatz vorstellen, als Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder von ihme hierzu einen ausdrücklichen Befehl und Vollmacht haben, hat ihre Annehmung eben die Kraft, als ob sie von ihme selbst geschehen wäre.

[3, 2, § 4] 19. Nehme aber ein Dritter die Zusage für Jemanden an, dessen Person er weder aus Befehl, noch aus Macht des Gesatzes vertritt, so hat diese Annehmung keine Wirkung, wann nicht noch bei Lebszeiten des Zusagers von demselben die Gutheißung und Beangenehmung der geschehenen Zusage erfolget, und stehet bis dahin dem Zusager frei, seine Zusage zu widerrufen; doch muß er solchenfalls vor

(3-25) deren Annehmung entweder deme, gegen welchem er sich mit dieser einem Anderen gemachten Zusage geäußeret, oder Demjenigen, den die Zusage betrifft, die Aenderung seines Willens bedeuten.

[3, 2, § 4] 20. Dann würde die Zusage von dem Letzteren auf davon erhaltene Nachricht ehender beangenehmet werden, ehe und bevor dem Einem oder dem Anderen die Widerrufung derselben bedeutet worden, so fruchtet die spätere Widerrufung nichts, sondern die Zusage erhält ihre Verbindlichkeit, sobald sie beangenehmet worden.

[3, 2, § 4] 21. Verstürbe aber der Zusager ehender, als das Versprechen zu des Anderen Wissenschaft gelangen, und solches von ihme angenommen würde, so erlöschet die Zusage, und die Erben des Zusagers sind zu nichts verbunden; es betreffe dann die Zusage die Erlassung einer Schuld oder sonstigen Verbindlichkeit, welche sogleich für angenommen zu halten ist, wann nur dieselbe entweder durch die eigene Handschrift des Zusagers, oder wenigstens durch zwei untadelhafte Zeugen, vor denen er seinen Willen deutlich erkläret hat, erprobet werden mag.

[3, 2, § 4] 22. Nicht weniger verlieret die Zusage ihre Kraft, wann Derjenige, den sie betrifft, verstirbt, ehe und bevor ihme die Nachricht davon überbracht, und solche von ihme angenommen worden, in welchem Fall die Erben kein Recht zu der versprochenen Sache haben, woferne nicht von dem Zusager das Versprechen gegen dieselbe erneueret wird.

[3, 2, § 4] 23. Desgleichen würde Jener, der den Auftrag gehabt, eine mündliche Zusage dem Anderen zu hinterbringen, vor Ausrichtung derselben mit Tod abgehen, so wird die Zusage durch dessen Absterben vernichtet, wann gleich Derjenige, deme sie hinterbracht werden sollen, solche von einem Dritten, deme sie von dem Verstorbenen angezeiget worden, in Erfahrnuß gebracht hätte.

[3, 2, § 4] 24. Wäre aber eine schriftlich verfaßte Zusage entweder in einer Urkunde, oder in einem Schreiben Jemanden aufgegeben worden, um solche an den Anderen zu bestellen oder zu überbringen, so solle die Zusage gleichwohlen bestehen, obschon Derjenige, deme die Zustellung aufgetragen worden, vor Ueberlieferung des Schreibens verstorben, und selbes durch jemand Anderen übergeben worden wäre, insoferne die Zusage vor dessen Einhändigung nicht widerrufen worden.

[3, 2, § 4] 25. Die Annehmung einer Zusage geschiehet entweder ausdrücklich durch mündliche, schriftliche, oder sonst mit anderen deutlichen Zeichen geäußerte Erklärung, oder stillschweigend in jenen Fällen, worinnen Jemands Einwilligung auch aus seinem Stillschweigen geschlossen wird, und welche hiernach mit Mehreren erkläret werden.

[3, 2, § 4] 26. Eine ausdrückliche Annehmung geschiehet nicht nur damals, wann das Versprechen wirklich angenommen, oder die Danksagung dafür erstattet wird, sondern eine Zusage ist auch für angenommen zu halten, wann einerseits das bittliche Belangen vorhergegangen, und andererseits dessen Gewährung mit dem Verlangen vollkommen übereinstimmet.

[3, 2, § 4] 27. Würde aber ein Mehreres oder Wenigeres, oder auch anderer Gestalt, als gebeten worden, versprochen, so ist erforderlich, damit die wirkliche Annehmung des mehr oder minder, oder auf andere Weis Eingestandenen erfolge. Annebst muß bei Zusagen alles Dasjenige, was in dem zweiten Theil von Schankungen verordnet wird, sowohl wegen gerichtlicher Anmeldung des den bestimmten Ansatz übersteigenden mehreren Betrags, als wegen der zu vermeiden habenden Schmälerung des Pflichttheils beobachtet werden.

[3, 2, § 4] 28. Wird die Zusage von dem anderen Theil angenommen, so ist der Zusager das Versprechen in der bestimmten Art und Weis zu erfüllen schuldig, und kann nach dessen Annehmung demselben weder etwas benehmen, noch ein Beding beisetzen, außer es wäre darinnen zum Vortheil eines Dritten etwas enthalten, welches der Zusager ehe und bevor es von diesem angenommen worden, widerrufen kann.


(3-26) [3, 2, § 4] 29. Ein Jeder, deme etwas versprochen worden, solle noch bei Lebszeiten des Zusagers die versprochene Sache einforderen, und in Weigerungsfall ihn hierum bei Gericht belangen, welches denselben zur Vollziehung seiner Zusage anzuhalten hat.

[3, 2, § 4] 30. Würde er aber dieses bei Lebszeiten des Zusagers verabsaumen, so sollen dessen Erben zu Erfüllung der Zusage nicht anderst verbunden sein, als wann die vollständige Richtigkeit des Versprechens entweder durch die eigene Handschrift des Verstorbenen, oder durch die eidliche Aussage zweier dabei zu gleicher Zeit zusammen gegenwärtig gewesten Zeugen erwiesen werden kann, oder wann die Zusage auf dem Gut des Erblassers noch bei seinen Lebszeiten landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket, und darauf versicheret worden wäre, deren Verbindlichkeit mit dem behafteten Gut auf einen jeden Besitzer übertragen wird.

[3, 2, § 4] 31. Dieses jedoch ist alleinig von ohnbedingten, oder auch solchen Zusagen zu verstehen, bei welchen die angehängte Zeit, oder beigefügte Bedingnuß noch bei Lebszeiten des Zusagers ausgegangen und erfüllet worden. Dahingegen alle andere Zusagen, denen entweder eine Zeit angehänget, oder sonstige Bedingnuß beigerucket worden, wann die Zeit oder Bedingnuß erst nach Absterben des Zusagers ihren Ausgang gewinnet, mit dessen Tode erlöschen, woferne nicht er auch seine Erben ausdrücklich darzu verbunden, oder das Versprechen auf seinem Gut versicheren lassen, oder die Zusage wortdeutlich auf den Todfall des Zusagers gerichtet worden.

Zweiter Artikel.

Von Verträgen.

§. V. Von Wesenheit und verschiedenen Gattungen der Verträgen. §. VI. Von Eintheilung der Verträgen in ein- und zweibündige. §. VII. Von dem Unterschied zwischen Verträgen und Contracten. §. VIII. Von unbenannten Verträgen. §. IX. Von den bei Contracten vorkommenden Berednussen. §. X. Von Fähigkeit der sich durch Verträge verbindenden Personen. §. XI. Von Ausdruck der Einwilligung bei Verträgen. §. XII. Von Dingen und Werken, worüber Verträge getroffen werden mögen. §. XIII. Von Wirkung des Vertrags wegen Nichtveräußerung einer gewissen Sache. §. XIV. Von Verträgen über die Erbschaft eines Lebenden. §. XV. Von Verbindlichkeit der Verträgen. §. XVI. Von Auslegung oder Ausdeutung der Verträgen.

§. V.

[3, 2, § 5] 32. Ein Vertrag ist eine mit zweier oder mehrerer Personen Vereinigung ausgerichtete Handlung, woraus Einer dem Andern etwas zu leisten verpflichtet wird, und in diesem Verstand kann die Benamsung eines Vertrags allen durch beiderseitige Einwilligung eingegangenen verbindlichen Handlungen, sie mögen Zusagen, Vergleiche, benannte oder unbenannte Contracten sein, beigeleget werden.

[3, 2, § 5] 33. Die Verträge werden entweder durch ausdrückliche mündlich oder schriftlich, oder auch mit deutlichen Zeichen erklärte Vereinigung, oder durch stillschweigende

(3-27) Einwilligung geschlossen, wann diese in gewissen Fällen aus einer auf die unterwaltende Handlung gerichteten That, oder aus sonstiger Ursache von dem Gesatz vermuthet oder darfürgehalten wird als ob die Einwilligung ausdrücklich geäußeret worden wäre, welche Fälle in dem hienachfolgenden §. XI mit Mehreren angedeutet werden.

[3, 2, § 5] 34. Sowohl ausdrückliche als stillschweigende Verträge verstricken entweder die Personen der sich über etwas vereinigenden Theilen allein, oder sie gehen auch auf ihre Erben oder behaftende Sache selbst, um welche es zu thuen ist; jene von ersterer Art werden persönliche Verträge, und diese, welche auf die Erben übertragen werden, oder die Sache selbst behaften, dingliche oder sächliche Verträge genennet. Welcherlei Verträge aber mit der Person erlöschen, und welche hingegen auch auf die Erben gehen, ist bereits in Capitel I, §. V, erkläret worden.

[3, 2, § 5] 35. Doch kommen beiderlei Verträge in der Folge auch Anderen zu statten, wann das hieraus erworbene Recht an selbe überlassen wird, oder wann deren Recht oder Verbindlichkeit mit dem Recht der sich vertragenden Person entweder untheilbar verknüpfet ist, oder ohne demselben nicht bestehen kann, als z. B. die für einen gegen Mehrere stammt und sonders verbundenen gemeinsamen Schuldner einem Mitglaubiger geleistete Bürgschaft nutzet auch denen übrigen Mitglaubigeren, weilen deren Recht mit dem Recht des Anderen untheilbar verknüpfet ist, und die von dem Glaubiger dem Schuldner gemachte Erlassung der Schuld, befreiet auch den Bürgen, weilen seine Bürgschaft ohne der Hauptverbindlichkeit des Schuldners bestehen kann.

[3, 2, § 5] 36. Bewegliche Sachen können durch Verträge nicht also behaftet werden, daß ein dritter Besitzer, der solche auf rechtmäßige Weis an sich gebracht, derowegen angefochten werden möge; unbewegliche Dinge hingegen werden darmit nicht anderst behaftet, als wenn der Vertrag in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, wo die betreffende Sache gelegen ist, einverleibet, und darauf vorgemerket worden, in welchem Fall das aus einem also einverleibten Vertrag auf der Sache haftende Recht oder Verbindlichkeit an einen jeden Besitzer mit derselben übertragen wird.

[3, 2, § 5] 37. Alle diese Gattungen der Verträgen bewirken entweder die Verbindlichkeit etwas zu leisten, und heißen verpflichtende Verträge, oder sie zielen auf die Erlassung einer vorherigen Verbindung ab, und werden befreiende Verträge benamset, obgleich der Andere zu wirklichen Vollzug der Erlassung daraus verpflichtet wird.

§. VI.

[3, 2, § 6] 38. Durch Verträge wird entweder nur ein Theil allein, oder beide Theile gegeneinander verbunden, woraus der Unterschied zwischen einbündigen und zweibündigen Verträgen entstehet, dann obschon zur Schließung eines Vertrages allemal wenigstens zwei Personen erforderlich sind, so werden doch nicht allezeit Beide daraus verbindlich.

[3, 2, § 6] 39. Die zweibündige Verträge sind von zweierlei Art, dann entweder werden beide Theile schon zu Anfang der Handlung in gleicher Maß wegen der Hauptsache selbst, um die es dabei zu thuen ist, gegeneinander verbunden, oder es wird ein Theil Anfangs in der Hauptsache, und der andere nachhero aus natürlicher Billigkeit verpflichtet.

[3, 2, § 6] 40. Eine gleichmäßige Verbindlichkeit in der Hauptsach selbst erwachset damals auf beiden Seiten, wann ein jeder Theil dem anderen etwas Gewisses und Bestimmtes, warum es sich gleich Anfangs bei dem Vertrag gehandlet hat, zu leisten schuldig wird.

[3, 2, § 6] 41. Dahingegen wann aus dem Vertrag nur ein Theil dem anderen etwas zu geben oder zu thuen verstricket ist, dabei aber nach Gestalt und Eigenschaft des Geschäfts die natürliche Billigkeit erforderet, damit auch der andere Theil dagegen für allen aus seiner Schuld verursachten Schaden zu haften habe, so wird

(3-28) zwar der erstere in der Hauptsache, der andere in der Folge zur gebührenden Entschädigung verbunden.

[3, 2, § 6] 42. In allen denjenigen Verträgen aber, wo nur von einem Theil dem anderen etwas gegen der Verbindlichkeit den nämlichen Betrag anwiederum zuruckzustellen gegeben, oder auch etwas ohnentgeltlich zu geben verheißen wird, ist nur Jener allein verbunden, welcher die Sache unter dieser Verbindlichkeit empfangen, oder wer das Versprechen gethan, und höret hiebei die Frage von aller Ruckverbindlichkeit auf.

§. VII.

[3, 2, § 7] 43. Wiewohlen oben §. V, num. 32, erinneret worden, daß ein Vertrag in seinem weitesten Bestand alle Zusagen, Vergleiche, benannte und unbenannte Contracten in sich begreife, so sind doch die Verträge in ihrer eigentlichen Bedeutung nichts Anderes, als unbenannte Contracten, und von allen übrigen Gattungen ihrer Wesenheit nach unterschieden.

[3, 2, § 7] 44. Dieser Unterschied ist bereits im ersten Capitel, §. VIII, bemerket worden, daß nämlich die Zusagen aus bloßer Freigebigkeit herrühren, die Verträge hingegen eine verpflichtende Ursache zum Grund haben, die Vergleiche eine zweifelhafte und strittige Sache, folglich eine vorhergehende noch ungewisse Verbindlichkeit betreffen, die Verträge aber über unstrittige und gewisse nach freier Willkür beider Theilen ausmessende Schuldigkeiten eingegangen werden.

[3, 2, § 7] 45. Ingleichen unterscheiden sich die Verträge von benannten Contracten in deme, daß diese über die Kraft der beiderseitigen Vereinigung von den Gesetzen eine eigene vorgeschriebene Gestalt und Namen haben, an welche Gestalt die Contrahenten dergestalten gebunden sind, daß sie ohne Beibehaltung derselben den vorhabenden Contract nicht schließen können, sondern, wann solche nicht beobachtet wird, das Geschäft die Gestalt eines anderen benannten oder unbenannten Contracts, deme es in dem Wesentlichen beikommet, an sich nimmt.

[3, 2, § 7] 46. Dahingegen hanget die Gestalt der Verträgen von der alleinigen Willkür Derjenigen ab, von welchen selbe getroffen werden, auf was immer für eine Art und Weis solche zu errichten es denenselben gefällig ist, wann nur darinnen nichts wider Unsere Gesetze und gute Sitten enthalten; außerdeme ist ein Jedeweder dieses, zu was er sich durch erlaubte Verträge verbunden, zu halten und zu erfüllen schuldig.

§. VIII.

[3, 2, § 8] 47. Es sind demnach alle Verträge, welchen wegen nicht zu bestimmen möglicher Verschiedenheit deren in Handel und Wandel vorkommenden Geschäften keine gewisse Gestalt und Benamsung von den Gesetzen beigeleget wird, unbenannte Contracten, welche auf viererlei Art geschehen, als:

[3, 2, § 8] 48. Erstens, wann Einer dem Anderen etwas giebt, daß ihme dagegen etwas Anderes gegeben werde; zweitens, wann Einer dem Anderen etwas giebt, daß dieser ihme dafür etwas thue oder mache; drittens, wann Jemand dem Anderen etwas thuet oder machet, daß er ihme dagegen etwas gebe; viertens, wann Jemand dem Anderen etwas thuet, daß ihme dagegen hinwiederum etwas gethan werde, und unter diesen viererlei einfachen Gattungen sind auch alle vermischten Arten begriffen, als da Jemand etwas giebt und machet, daß der Andere ihme anwiederum etwas gebe und mache.

[3, 2, § 8] 49. Derlei unbenannte Verträge haben mit denen benannten einerlei Wirkung, und erlangen ihre Bindungskraft sogleich aus der Vereinigung beider Theilen, also, daß sobald nur Beider Einwilligung vorhanden, auch schon Einer dem Anderen daraus verbindlich werde, wann gleich weder die ein- noch anderseitige Erfüllung vorhergegangen ist.

(3-29) [3, 2, § 8] 50. Doch kann kein Theil dem anderen zur Erfüllung belangen und anhalten, insolange er selbst seinerseits dem Vertrag nicht nachgekommen und solchen erfüllet hat; außer es wäre dabei ausdrücklich vorgesehen worden, welcher Theil mit dessen Erfüllung den Anfang zu machen habe, in welchem Fall aber dieser, wann wegen etwan geänderten Umständen bei gegenseitiger Erfüllung eine Gefahr unterwaltet, deshalben eine hinreichende Sicherheit anzusuchen, und bis zu deren Leistung mit Erfüllung des Vertrags innenzuhalten befugt ist.

[3, 2, § 8] 51. Es ist auch keinem Theil erlaubet ohne Einwilligung des anderen von einem solchen Vertrag abzuweichen, insolange dieser Dasjenige, zu was er sich verbunden, zu leisten bereit und vermögend ist. Würde aber Derjenige, deme etwas gegeben oder gethan worden, seinerseits den Vertrag nicht erfüllen wollen, oder aus seiner Schuld nicht erfüllen können, und es auf die gerichtliche Klage ankommen lassen, so stehet dem anderen Theil frei, entweder die Erfüllung des Vertrags, oder die Ersetzung des wegen Nichterfüllung ihme verursachten Schadens anzubegehren, oder aber das Gegebene zuruckzuforderen, oder die geleistete That eine hinlängliche Genugthuung anzusuchen.

§. IX.

[3, 2, § 9] 52. Diese unbenannte Verträge werden entweder für sich allein als eine besondere Handlung, ohne sich auf eine andere zu beziehen, geschlossen, oder sie geschehen in Absicht und wegen einer vor-, nach- oder mitzugleich errichteten Handlung oder Contracts, welche dahero Nebenverträge genannt, und hierunter eigentlich die bei Contracten vorkommende Berednussen verstanden werden.

[3, 2, § 9] 53. Die einer Handlung oder Contract vorgehenden Berednussen, Vorschläge und Punctationen, worinnen die Contrahenten auf dem Fall, wann sie in der Hauptsache übereinkommen würden, sich untereinander über gewisse Bedinge vergleichen, erhalten erst ihre Kraft und Wirkung von dem Erfolg des Contracts so wie eine jede andere bedingte Handlung von dem Ausgang der Bedingnuß, und wann sich der Contract zerschlaget, verbinden sie auch weiter zu nichts; es wäre dann, daß die Contrahenten einer solchen einverständich getroffenen Berednuß oder Punctation die Kraft eines bündigen Contracts ausdrücklich beilegen würden.

[3, 2, § 9] 54. Bei jenen Nebenverträgen aber, welche mit der Haupthandlung oder Contract zu gleich mitgeschlossen, und demselben einverleibet werden, ist zu unterscheiden, ob sie die von den Gesetzen vorgeschriebene wesentliche Gestalt und Form des Contracts abänderen oder nicht. Wird solche dadurch nicht geänderet, so sind sie als Theile des Contract selbst anzusehen, und haben die nemliche Kraft und Wirkung, wie der Contract selbst, deme sie angehänget worden; wird aber das Wesentliche darmit geänderet, so geben sie ihme die Gestalt desjenigen Geschäfts, deme sie beikommen.

[3, 2, § 9] 55. Nicht weniger sind zwar auch die nach geschlossener Handlung oder Contract demselben hinzufügende Nebenverträge allemal bündig; doch werden solche nach ihrer verschiedenen Beschaffenheit, Absicht und Gesinnung der Contrahenten entweder für einen Theil des vorhergegangenen Contracts, oder für eine besondere mit demselben nicht zusammenhangende Handlung, oder auch für eine Erneuerung der ersten Verbindlichkeit geachtet.

§. X.

[3, 2, § 10] 56. Von allen Personen können Verträge getroffen werden, welche sich zu was zu verbinden, und aus Verbindungen Anderer ein Recht zu erwerben fähig sind, wie in dem ersten Capitel, §. II, angedeutet worden, doch mit Ausnahm gewisser Fällen, worinnen denenselben ein Verbot des Gesatzes entgegenstehet.

[3, 2, § 10] 57. Also ist keinem Rechtsfreund oder Anwalt erlaubet mit seiner Partei um die Sache, die er bei Gericht führet, sich in eine Gemein- oder Gesellschaft

(3-30) einzulassen, oder sich an derselben, wann sie ausgeführet oder gewonnen würde, einen gewissen Antheil vorzubehalten und auszudingen, noch weniger sich mit dem Gegentheil um eine gewisse Summe Gelds, oder sonstigen Gewinn, die Sache schlage aus, wie sie wolle, einzuverstehen und zu vergleichen, wo im Widrigen derlei unzulässige Verträge null und nichtig sein, und die sich also vergehenden Rechtsfreunde mit denen seines Orts darauf ausgesetzten Strafen beleget werden sollen.

[3, 2, § 10] 58. Inwieweit aber die Verträge deren unter väterlicher Gewalt befindlichen Kindern bestehen, wird in dem ersten Theil in der Abhandlung von der väterlichen Gewalt erkläret, und wienach Unmündige, Minderjährige, gerichtlich erklärte Verschwendere und andere Personen, denen die freie Schalt- und Waltung mit ihrem Vermögen durch das Gesatz benommen ist, aus Verträgen ihren Zustand verbesseren, und sich Andere verbindlich machen können, ist eben daselbst in der Abhandlung von Vormundschaften und Curatelen ausgemessen worden.

[3, 2, § 10] 59. Nicht nur allein für sich, sondern auch für Andere kann Jemand Verträge eingehen, und ihnen ein Recht daraus erwerben, wann er darzu entweder durch ausdrücklichen Befehl, oder aus Macht des Gesatzes begewaltiget ist, oder die Gutheißung und Beangenehmung dessen, welchen der Vertrag betrifft, erfolget, wie davon im ersten Capitel, §. IV, ausführlicher gehandlet worden.

[3, 2, § 10] 60. Es ist aber dabei der Unterschied wohl zu beachten, ob ein Dritter in den Vertrag zu dem Ende eingezohen worden, damit ihme ein Recht daraus erworben werde, oder ob nur darinnen an eine dritte Person im Namen und anstatt des einen contrahirenden Theils die Leistung und Entrichtung der Schuld angewiesen seie.

[3, 2, § 10] 61. Ersteren Falls wirket der Vertrag an Seiten eines Dritten nur insoweit, als seine vor- oder nachgehende Einwilligung damit übereinstimmet, letzteren Falls hingegen wird der Vertrag nicht entkräftet, wann gleich die Einwilligung des Dritten ermanglen, oder derselbe auch sich Dasjenige, was ihme aus dem Vertrag auf Anweisung des Anderen geleistet werden sollen, anzunehmen ausdrücklich entschlagen würde, sondern dem anweisenden Theil bleibet solchenfalls das Recht noch allemal bevor die Schuld selbst einzuforderen.

§. XI.

[3, 2, § 11] 62. Alle Verträge erhalten ihre Kraft und Bündigkeit von beiderseitiger Einwilligung, welche entweder durch deutliche den Willen genüglich erklärende Kennzeichen ausgedrucket, oder stillschweigend zu erkennen gegeben wird.

[3, 2, § 11] 63. Derlei deutliche Kennzeichen sind Worte, Sendschreiben, schriftliche Urkunden, mündliche Botschaften, Handschläge, Deutungen. Augenwinke, Nicken mit dem Haupt, oder was immer für eine Art Jemand seine Einwilligung zu dem vorhabenden Geschäft ausdrücklich veroffenbaret.

[3, 2, § 11] 64. Die Worte müssen klar, deutlich, und auf die vornehmende Handlung gerichtet sein, und ist sich bei Verträgen aller Wortspielen, Zweideutigkeiten, Verdrehungen, und sonstiger ohnerlaubten Kunstgriffen zu enthalten; wo im Widrigen

(3-31) bei entstehenden Zweifel die Worte in keinen anderen Verstand und Bedeutung, als welche denenselben insgemein in der menschlichen Gesellschaft beigeleget wird, auszudeuten sind, wann nicht aus der Handlung erhellet, daß die Contrahenten einverstanden waren, davon einen anderen Gebrauch machen zu wollen.

[3, 2, § 11] 65. Dem Vertrag entgehet auch nichts von seiner Bündigkeit, die Contrahenten mögen in einerlei oder zweierlei Sprachen ihre Einwilligung ausdrucken, obschon der eine Theil der Sprache des anderen unkündig wäre, wann nur in diesem Fall ihme der Sinn und Verstand der anderseitigen Aeußerung getreulich verdolmetschet, oder dessen Einwilligung durch andere Kennzeichen an Tag geleget wird.

[3, 2, § 11] 66. Wie durch Worte mündlich, also kann auch die Einwilligung in den Vertrag schriftlich entweder durch Sendschreiben und Handbriefe, oder durch eigends darüber verfaßte Urkunden erkläret werden. Damit aber ein Vertrag durch ein Sendschreiben, Brief oder Zettel für geschlossen geachtet werden könne, ist nothwendig, daß die Handschrift, oder wenigstens die Unterschrift dessen, der seine Einwilligung auf diese Art erkläret, ungezweiflet seie, wie auch das Schreiben dem Anderen, an den es abgesendet wird, noch bei seinen Lebszeiten zukomme, und dieser ingleichen seinerseits entweder vor oder nach dessen Empfang seine Einwilligung hierzu von sich gegeben.

[3, 2, § 11] 67. Würde aber Derjenige, an den die schriftliche Aeußerung des Anderen gerichtet ist, vor Erhaltung des Briefs mit Tod abgehen, und seine Einwilligung in den vorseienden Vertrag nicht vorhergegangen sein, so zerfallet das ganze Geschäft, und ist auch Derjenige, der seinen Willen also erkläret, hieraus zu nichts verbunden; dahingegen wann der Verstorbene schon vorhero in den Vertrag eingewilligt hätte, bleiben auch die Erben in der Verbindlichkeit, obschon die anderseitige Einwilligung erst nach dem Tod dessen, an den der Brief gesendet worden, eingelanget wäre.

[3, 2, § 11] 68. Ingleichen, woferne Jener, der seine schriftliche Einwilligung an den Anderen abschicket, vor Zustellung des Schreibens verstürbe, ist zu unterscheiden, ob ihme die anderseitige Einwilligung vorhero zugekommen oder nicht. Ersteren Falls hat der Vertrag seine vollständige Richtigkeit, und gehet hieraus sowohl das Recht, als die Verbindlichkeit auf dessen Erben, letzteren Falls aber erlöschet die Handlung eben also, als ob der Verstorbene deshalben dem Anderen niemalen zugeschrieben hätte.

[3, 2, § 11] 69. Durch schriftliche Urkunden kann zwar auch die Einwilligung erkläret werden, die Verträge aber pflegen mehr zum Beweis der geschlossenen Handlung zu Papier gebracht zu werden, als daß der schriftliche Aufsatz zu deren Wesenheit erforderet würde, es wäre dann, daß die Contrahenten ausdrücklich dahin übereinkämen, den Vertrag nicht anderst, als schriftlich schließen, und sich auch anderer Gestalt nicht gegeneinander verbinden zu wollen, in welchem Fall vor Ausfertigung des schriftlichen Aufsatzes kein Theil dem anderen verbindlich wird, noch weniger hierzu angehalten werden kann, sondern bis dahin stehet deren jedem frei, von seiner so beschaffenen Handlung abzugehen.

[3, 2, § 11] 70. Bei jenen Verträgen, welche Veräußerung, Uebertragung und Behaftung liegender Gründen, oder anderer landtäflicher, stadt- und grundbücherlicher Rechten betreffen, wird sich zwar des schriftlichen Aufsatzes insgemein bedienet, es ist aber dabei zu unterscheiden, ob beide Theile schon vor Verfassung des schriftlichen Contracts sich über die Sache selbst geeiniget haben oder nicht.

[3, 2, § 11] 71. Ersteren Falls verbindet der Vertrag auch vor Verfassung des schriftlichen Contracts beide Theile dergestalten, daß Keiner ohne Einwilligung des Anderen davon abweichen, sondern Einer den Anderen zur Ausfertigung des Contracts anhalten könne, obschon die Sache oder das Recht selbst, warumen sich

(3-32) in den Vertrag handlet, nicht ehender, und auch nicht anderst, als durch die wirkliche Einverleibung des Contracts übertragen, oder behaftet werden mag.

[3, 2, § 11] 72. Letzteren Falls hingegen, wann die beiderseitige Einwilligung nicht vorhergegangen, sondern die angestoßene Handlung nur in bloßen zur Zeit unverfänglichen Berednussen und Vorbereitungen des vorhabenden Contracts bestünde, und also die Sache sich noch in ihrer Gänze befände, ist keinem Theil verwehret, vor Ausfertigung des schriftlichen Contracts die Handlung abzubrechen, doch ist der abweichende Theil schuldig, dem anderen alles Dasjenige, was er etwan in Absicht auf den abgezielten Contract zu seinen Handen empfangen, anwiederum zu erstatten.

[3, 2, § 11] 73. Ist aber ein schriftlicher Aufsatz über den Vertrag einmal ausgefertiget worden, und dieser würde nachhero verloren, so beschadet dieses der Giltigkeit und Bündigkeit des Vertrags im Geringsten nichts, wann nur die daraus gebührende Schuldigkeit durch andere rechtsbeständige Beweismitteln dargethan und erprobet werden mag.

[3, 2, § 11] 74. Die über Verträge errichtende schriftliche Urkunden sind nach Gestalt der Handlungen von verschiedener Beschaffenheit, dann entweder werden sie nur von den Contrahenten unter sich ohne Anwendung einiger Feierlichkeit verfasset, oder von einem Notario ausgefertiget, oder aber zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage eingerichtet.

[3, 2, § 11] 75. Erstere erforderen keine absonderliche Feierlichkeit, wann dieselbe nur sowohl die Sache, um welche es zu thuen ist, als die Einwilligung des Ausstellers klar ausdrucken, und von ihme eigenhändig unterschrieben sind, es möge sein Siegel beigedrucket sein oder nicht. Bei jenen aber, welche von öffentlichen Notarien aufgerichtet werden, muß die gehörigen Orts vorgeschriebene Form und Gestalt beobachtet werden.

[3, 2, § 11] 76. Die zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage eingerichtete Urkunden werden eigentlich Verschreibungen genennet, und erheischen nach Verschiedenheit der Handlungen bald mehrere, bald mindere Feierlichkeiten, welche hienach bei jeder Gattung verbindlicher Handlungen besonders bemerket werden. Ueberhaupt aber lassen Wir es in Betreff deren grundbücherlichen Einverleibungen nach eines jeden Landes wohlhergebrachter Verfassung bei der bisherigen Beobachtung gnädigst bewenden. Was aber die landtäflichen und stadtbücherlichen Einlagen der Orten, wo solche eingeführet sind, anbelanget, diesfalls ist bei allen zur Einverleibung bringenden Urkunden erforderlich: Erstens, daß solche mit eigenhändiger Unterschrift und Petschaft deren ausstellenden Theilen versehen seie; zweitens, daß darinnen das Gut, Grundstuck oder Recht, welches durch den Vertrag veräußeret oder behaftet werden sollen, deutlich angedeutet und benennet werde; drittens, daß die Befugnuß, womit eine solche Verschreibung mit Bewilligung des Amts der Landtafel, oder des Gerichts, auch ohne Beisein eines oder des anderen Theils einverleibet werden könne, in derselben ausdrücklich enthalten seie; viertens, daß derlei Verschreibungen, wann sie zur wirklichen Einlage gelangen sollen, von zweien Zeugen mit ihrer Handunterschrift und Petschaft mitgefertiget werden.

[3, 2, § 11] 77. Ermanglete aber eine dieser Erfordernussen, so kann zwar eine solche Verschreibung, insolange sie nicht in die gehörige Form gebracht, und die abgängige Erfordernuß nachgetragen wird, nicht einverleibet werden, jedoch entgehet andurch der Giltigkeit des Vertrags nichts, wann sonst die beiderseitige Vereinigung ihre Richtigkeit hat, sondern den Parten stehet bevor die Verschreibung umzufertigen, und das Mangelhafte zu verbesseren, worzu sie einander anzuhalten berechtiget sind.

[3, 2, § 11] 78. Es ist auch nicht nöthig, daß die Zeugen bei Schließung des Vertrags, oder bei Ausfertigung der Verschreibung gegenwärtig sein sollen, sondern es ist an deme genug, daß sie auch nach der Zeit von einem oder dem anderen Theil, oder von einem Dritten in des einen oder anderen Namen zur Mitfertigung der

(3-33) Verschreibung erbeten werden, wann dieselbe nur zur Zeit der anbegehrenden Einlage unterschrieben sind.

[3, 2, § 11] 79. Würde aber eine Verschreibung, welche sonst alle übrigen Erfordernussen hätte, nur allein die Befugnuß der ansuchen mögenden Einverleibung nicht enthalten, und dieser Abgang von den Parten nicht mehr ersetzet werden können, so solle solche ohne Unsere höchsten landesfürstlichen Verwilligung nicht einverleibet werden.

[3, 2, § 11] 80. Wäre jedoch diese Befugnuß zwar beigefüget, dabei aber nicht ausgedrucket, daß die Einverleibung auch ohne Beisein des einen oder anderen Theils vollzohen werden möge, in diesem Fall solle vorhero auf Anlangen desjenigen Theils, welcher die Einlage ansuchet, der andere Theil von Gericht aus hierüber vernommen, und eine solche Verschreibung ohne dessen Einwilligung nicht einverleibet werden. Würde aber derselbe hierein nicht willigen wollen, so hat das Gericht über den Bestand oder Unbestand der vorgebrachten Weigerungsursachen zu erkennen, und nach Befund entweder die Einverleibung für sich gehen zu lassen, oder solche abzuschlagen.

[3, 2, § 11] 81. Durch mündliche Botschaften wird die Einwilligung des einen Theils dem anderen beigebracht, wann ein Dritter, deme von Jemanden aufgetragen worden über Treffung eines Vertrags seinen Willen dem Anderen zu hinterbringen, Demjenigen, an welchen er abgesandt worden, die aufgetragene Botschaft ausrichtet und bedeutet.

[3, 2, § 11] 82. Wann nun dieser gleichfalls hierein gewilliget, so ist alsobald in dem nemlichen Ort, wo die Botschaft ausgerichtet worden, der Vertrag eben für so rechtsbündig geschlossen zu halten, als ob solcher in Gegenwart beider Theile getroffen worden wäre, ohne daß vorerst nöthig seie abzuwarten, bis daß dem absendenden Theil die Einwilligung des anderen einberichtet werde.

[3, 2, § 11] 83. Es ist auch zur Giltigkeit der Handlung einerlei, ob der einem Dritten gemachte Auftrag mündlich oder schriftlich geschehen. Woferne aber entweder die Richtigkeit der Botschaft selbst, oder deren Inhalt in Zweifel gezohen und wiedersprochen würde, so muß in solchen Fällen der Beweis entweder durch Vorzeigung des schriftlichen Auftrags, oder da keiner vorhanden, durch Zeugen, und zwar über die Aussage dessen, deme der mündliche Auftrag geschehen, wann ihme sonst nichts Rechtserhebliches im Wege stehet, noch wenigstens mit einem darmit übereinstimmenden tüchtigen Zeugen, oder in andere rechtsbeständige Wege verführet werden.

[3, 2, § 11] 84. Hätte aber Derjenige, welcher die Ausrichtung der Botschaft auf sich genommen, dabei nicht getreulich gehandlet, und andurch einen oder den anderen Theil in Schaden und Nachtheil eingeführet, so ist derselbe solchen zu ersetzen schuldig, jedoch außerdeme, und wann der Vollzug mit dem Auftrag gänzlich übereinstimmet, zu nichts verbindlich.

[3, 2, § 11] 85. Durch einen Handschlag wird bei Verträgen die Einwilligung eben so bündig und kräftig, als durch mündliche oder schriftliche Ausdrücke erkläret, und hat eine solchergestalten bestätigte Handlung ihre vollkommene Giltigkeit.

[3, 2, § 11] 86. Aus dem bloßen Deuten aber, es geschehe mit dem Haupt, Augen oder Händen, kann die Einwilligung nicht anders geschlossen werden, als wann die Handlung nach allen Umständen also beschaffen ist, daß beiderseits eine ernstliche Einwilligung vermuthet werden möge, und nebstdeme der Deutende entweder der Sprache nicht mächtig seie oder der anderseitigen Gesinnung, da er es thuen könnte, nicht widerspreche, sondern durch die Deutung seine Beistimmung zu erkennen gebe.

[3, 2, § 11] 87. Eine stillschweigende Einwilligung geschiehet bei Verträgen damals, wann solche durch keine zu Erklärung des Willens in Handel und Wandel zu gebrauchen pflegende äußerliche Zeichen ausgedeutet, sondern entweder aus Stillschweigen in jenen Fällen, wo das Gesatz einen ausdrücklichen Widerspruch erheischet, oder aus

(3-34) einer auf die Handlung gerichteten That gefolgeret, oder auch sonst gleichwie bei allen den Contracten gleichkommenden Handlungen von dem Gesatz entweder vermuthet oder dafür gehalten wird, als ob eine ausdrückliche Einwilligung geäußeret worden wäre.

[3, 2, § 11] 88. Vermuthet wird eine stillschweigende Einwilligung nur allein bei jenen Personen, welche sonst ihre Einwilligung ausdrücken können. Für Einwilligende aber werden Diejenigen gehalten, die ihren Willen zu erklären nicht fähig sind, wann die natürliche Billigkeit erforderet, daß sie für Einwilligende anzusehen seien.

[3, 2, § 11] 89. Damit aber bei Verträgen aus bloßem Stillschweigen eine Einwilligung gefolgeret werden könne, ist zu unterscheiden, ob die fürwaltende Handlung lediglich zum Vortheil und Nutzen des Schweigenden gereiche, oder ob solche auf dessen Verbindlichkeit oder sonstige Verfänglichkeit, oder auch Begebung und Entsagung eines Rechts abziele.

[3, 2, § 11] 90. Ersteren Falls wird aus dem Stillschweigen, wann der Schweigende gegenwärtig und Wissenschaft von deme hat, was gehandlet wird, ohne weiters die Einwilligung vermuthet; also ist eine Zusage oder Schankung für angenommen zu halten, sobald Derjenige, deme dies geschiehet, gegenwärtig ist und darzu stillschweiget, oder auch der Abwesende auf davon erhaltene schriftliche Nachricht oder mündliche Botschaft nicht widerspricht, und solche vor Zustellung des Schreibens oder Ausrichtung der Botschaft von dem Zusager nicht widerrufen wird.

[3, 2, § 11] 91. Eine gleiche Beschaffenheit hat es, wann Jemand sein Geld in eines Anderen Namen mit dessen Vorwissen ausleihet, dann in diesem Fall wird der Schuldner Demjenigen, in dessen Namen es ausgeliehen worden, verbunden, oder wann Jemand in seiner Gegenwart oder mit seinem Wissen gestattete, daß ein Anderer für ihn gutspreche, so ist er den Bürgen zu entschädigen schuldig.

[3, 2, § 11] 92. Letzteren Falls hingegen, und wo die Handlung zum Nachtheil des Schweigenden ausschlüge, ist außer denjenigen denen Contracten gleichkommenden Handlungen, wo schon durch das Gesatz dem Stillschweigen die Kraft der Verbindlichkeit zugeeignet wird, zu einer aus bloßen Stillschweigen folgeren mögenden Einwilligung erforderlich:

[3, 2, § 11] 93. Erstens, daß eine so beschaffene verbindliche Handlung vorhergehe, welche durch ausdrücklichen Widerspruch zu entkräften in der Macht des Schweigenden stünde, ansonst aber dieselbe seinerseits außer der bloßen Einwilligung keine weitere Zuthat erheische, und ohne seiner Verbindlichkeit, oder Begebung seines Rechts ganz und gar fruchtlos und von keiner Wirkung wäre.

[3, 2, § 11] 94. Andertens, daß der darzu Schweigende die vollkommene Wissenschaft und Kanntnuß dessen, was gehandlet wird, habe, und nicht allein, wann er sonst wollte, zu widersprechen vermögend wäre, sondern auch von Aeußerung seines Widerspruchs aus keiner erheblichen Ursache verhinderet und abgehalten werde. Drittens, daß er die Verbindung, warum es sich handlet, einzugehen oder seinem Recht zu entsagen fähig seie.

[3, 2, § 11] 95. Also wann Jemand seine eigenthümliche Sache von einem Anderen wissentlich verkaufen, veräußeren oder verpfänden läßt und nicht widerspricht, kann er die mit seinem Wissen und Willen also veräußerte Sache nicht mehr zurückforderen, oder wann ein Gläubiger wissentlich zugiebt, daß sein Unterpfand von dem Schuldner verkaufet, und von demselben der ganze Kaufschilling eingehoben werde, wird er seiner Pfandrechte verlustig.

[3, 2, § 11] 96. Ingleichen, wann ein Pächter oder Bestandmann über Verlauf der bedungenen Miethzeit länger in den Pacht oder Bestand beharret, und der Verpächter oder Bestandgeber nicht widerspricht, wird andurch der Pacht- oder Bestand-Contract stillschweigend erneueret.

[3, 2, § 11] 97. Dahingegen, wann eine der obbemelten Erfordernussen ermanglet, kann aus dem Stillschweigen keine Einwilligung vermuthet werden, als da die

(3-35) fürwaltende Handlung weder an sich verbindlich noch auch ohne Zuthat des Schweigenden etwas zu bewirken vermögend wäre, wie z. B. ein Jemanden gemachter Antrag zu einem Kauf, Darlehen, Pachtung, oder sonstigen Contract oder Vertrag, wann gleich dieser darzu stillschweiget, kann zu nichts verbinden.

[3, 2, § 11] 98. Also da Jemand einem Anderen etwas befähle, und dieser darzu stillschwiege, wird derselbe daraus zu Vollziehung des Befehls keinerdings verbunden, weilen über dessen Einwilligung auch seine Zuthat erforderet wird, und ein bloßer Auftrag, wann er nicht ausdrücklich angenommen wird, zu nichts verstricken mag; obschon im Gegentheil das Stillschweigen Desjenigen, wessen Geschäfte zu besorgen sich Jemand anerbietet, ihn zu der aus dem Befehlscontract gebührenden Schuldigkeit verbindlich machet, maßen an seiner Einwilligung genug ist, und diese Handlung zu seinem Nutzen abzielet.

[3, 2, § 11] 99. Desgleichen, wann die Handlung auch ohne Verfänglichkeit des Schweigenden ihre Wirkung haben kann, bringet das Stillschweigen einen Nachtheil, als da Jemand wissentlich ein liegendes Gut, woran er eine Hypothek, Fruchtgenuß, Dienstbarkeit, oder sonstiges Recht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben hatte, von dem Eigenthümer veräußeren ließe, bleibet ihme allemal sein Recht vorbehalten, außer es handlete sich dabei ausdrücklich um das ihme hieran gebührende Recht, in welchem Fall sein Vorwissen und Stillschweigen für eine Einwilligung und Begebung dieses Rechts zu achten ist.

[3, 2, § 11] 100. Um so mehr ist das Stillschweigen ganz und gar unverfänglich, wann der Schweigende von der vorgehenden Handlung entweder ganz und gar keine Wissenschaft hat, oder ihme etwas Anderes vorgespieglet, oder er durch Betrug, Gewalt oder rechtmäßige Forcht der Handlung zu widersprechen abgehalten wird, oder aber wegen Schwachheit des Alters, oder Gebrechen des Verstandes sich zu etwas verbinden oder seines Rechts zu begeben nicht vermögend ist; dann überhaupt können alle Diejenige, welche keine Verbindungen mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung einzugehen fähig sind, sich auch in keinerlei Handlung stillschweigend verbinden, wann sie nicht aus natürlicher Billigkeit von dem Gesatz selbst verbunden werden.

[3, 2, § 11] 101. Aus einer That des Schweigenden kann bei Verträgen die Einwilligung anderst nicht gefolgeret werden, als wann nebst der Kanntnuß und Wissenschaft der vorgehenden Handlung und der Verbindungsfähigkeit des Schweigenden die That dergestalten beschaffen und auf die unterwaltende Handlung gerichtet ist, daß, wann solche nicht als ein Kennzeichen der Einwilligung angesehen würde, sie sonst ganz und gar vergeblich wäre, und durchaus nichts Anderes bewirken könnte, oder daß derselben von dem Gesatz die Wirkung der Einwilligung beigeleget werde.

[3, 2, § 11] 102. Also, wann ein Gläubiger seinem Schuldner den Schuldschein zuruckstellet, oder solchen zerreißet, wird die Schuld andurch erlassen, und der Schuldner befreiet, weilen diese That außer der Nachsicht der Schuld sonst keine Wirkung haben würde. Könnte aber eine andere Ursache mit Grund vermuthet werden, wegen welcher der Schuldschein zuruckgestellet oder zerrißen worden, als da der Gläubiger mehrere urschriftliche Schuldscheine über die nemliche Schuld in seinen Handen hätte, und sich dahero deren überflüssigen entledigen wollte, so kann daraus die Befreiung des Schuldners nicht geschlossen werden, und lieget solchenfalls diesem der Beweis ob, daß der Glaubiger andurch ihme die Schuld nachzusehen gemeinet gewesen seie.

[3, 2, § 11] 103. Eben also, wann dem Schuldner das Pfand zurückgestellet, oder der Bürg von der Bürgschaft entlediget wird, ist nur das Pfand oder die Bürgschaft, nicht aber auch die Schuld für erlassen zu achten; dann die Verbindung aus einem Pfandcontract oder aus einer Bürgschaft ist von jener zur Hauptschuld unterschieden, und dahero kann die Erlassung der ersteren ohne Befreiung von der anderen ihre Wirkung erreichen.


(3-36) [3, 2, § 11] 104. Eine die Einwilligung gleichmäßig wirkende That ist die Unterschreibung einer Urkunde oder sonstigen Schrift, worinnen etwas zum Nachtheil des Unterschriebenen enthalten ist, dessen Eingeständniß, Beangenehmung und Einwilligung in alles Dasjenige, was der Inhalt der Schrift besaget, sofort aus seiner Unterschrift vermuthet wird.

[3, 2, § 11] 105. Diese Muthmaßung aber entfallet, wann er solche entweder in eines anderen Namen, den das Geschäft betrifft, als Bevollmächtigter, Anwalt, oder Sachwalter, oder von obhabenden Amts wegen als Vormund, oder Curator unterschrieben, oder den Inhalt der Schrift nicht gewußt, als da es ein Testament oder Codicill wäre, oder wenigstens denselben nicht gewußt zu haben erweisen könnte, in welchem letzteren Falle jedoch, wann er aus seiner eigenen Schuld den Inhalt nicht gewußt, da er solchen wissen können, derselbe gegen einem Dritten, der wegen einer solchen Unterschrift in seinem Recht verkürzet wird, sich mit seiner Unwissenheit nicht entschuldigen kann.

[3, 2, § 11] 106. Oder wann sein Recht darinnen ausdrücklich verwahret würde, und daß seine Unterschrift ihme zu keinem Nachtheil gereichen solle, beigefüget wäre, oder es um eine erst nach der Zeit ihme aus der Person eines in der Handlung nicht miteinkommenden Dritten zufallende Gerechtsame zu thun seie, auf welchen Anfall zur Zeit seiner Unterschrift weder gedacht worden, noch auch solcher damals vorgesehen werden können.

[3, 2, § 11] 107. Dahingegen kann aus der bloßen Annehmung einer Schrift, Briefs oder Urkunde, worinnen dem Annehmenden eine Verbindlichkeit oder Verfänglichkeit angemuthet wird, keine Einwilligung, Eingeständnuß und Bestätigung des Inhalts gefolgeret werden, obgleich derselbe hierauf sich mit keiner Antwort oder Widerspruch äußerete.

[3, 2, § 11] 108. Es wären dann solche Fälle, in welchen oberwähntermaßen auch das bloße Stillschweigen die Einwilligung wirket, oder wo das Gesatz einen ausdrücklichen Widerspruch erforderet, als da der Grundherr auf die ihme von dem Erbzinsmann zukommende Bedeutung, daß er den Grund an jemanden Anderen veräußeren Wolle, in der gesetzten Zeit nicht antwortete, so wird sein Stillschweigen für eine Einwilligung angesehen.

[3, 2, § 11] 109. Vom dem Gesatz wird einer That die Wirkung der Einwilligung in eine Verbindung hauptsächlich in jenen Fällen zugeeignet, wann aus dessen Anordnung zu Versicherung des aus der vorhergehenden Handlung Jemanden angebührenden Rechts ein stillschweigendes Unterpfand, da wo nach diesem Unseren Gesatz derlei stillschweigende Unterpfänder zugelassen sind, an einer gewissen Sache verliehen wird; also sind alle von einem Bestandmann, Pachter oder Inwohner in die gemiethete Wohnung eingeführte und dahin gebrachte Fahrnussen zur Sicherheit des Bestandgelds, Hauszinses, oder Pachtschillings mit einem stillschweigenden Unterpfand behaftet.

[3, 2, § 11] 110. Daß aber sowohl die ausdrückliche als stillschweigende Einwilligung in einen Vertrag eine Verbindlichkeit wirken könne, muß solche wissentlich und bedächtlich ohne Irrthum und Verstellung oder Scheinhandlung, getreulich, ohne Betrug und Gefährde und frei von aller Forcht, Zwang und Gewalt sein.

[3, 2, § 11] 111. Ein Irrthum ist eine üble gefaßte Meinung, welche das Falsche für wahr, oder das Wahre für falsch haltet. Dieser schließet entweder alle Einwilligung dergestalten gänzlich aus, daß, wann der Einwilligende den Irrthum vorhero anerkannt und eingesehen hätte, seine Einwilligung niemalen erfolget wäre, oder er streitet wenigstens nur insoweit mit dem Willen, daß, wann solcher vorgesehen worden wäre, die Handlung zwar nicht unterblieben, doch aber die Einwilligung auf eine andere Art und Weis, als es nicht geschehen, geäußeret worden sein würde.

[3, 2, § 11] 112. Nach diesem Unterschied des Irrthums wird die Handlung entweder ganz oder zum Theil entkräftet. Doch ist nicht an deme genug, daß der Irrthum

(3-37) nur etwan die Bewegursache, welche den Einwilligenden zur Schließung der Handlung verleitet, betreffe, wann solche nicht ausdrücklich zur Bedingnuß der Einwilligung gesetzet worden, sondern, daß eine Handlung aus Irrthum entkräftet werden möge, wird erforderet, daß entweder in der Gattung der Handlung selbst, oder in der Person des einen oder anderen Contrahenten, oder in der Sache, um welche es sich handlet, geirret werde.

[3, 2, § 11] 113. Betrifft der Irrthum die Gattung der Handlung, als da der eine Theil die Sache miethungs- oder bestandweise zu überlassen, der andere aber solche kaufweise an sich zu bringen gedächte, ist die Handlung nichtig, und bestehet weder die Miethe noch der Kauf.

[3, 2, § 11] 114. Wird aber in der Person des einen oder anderen Contrahenten geirret, daß Jemand für einen Anderen, der er nicht ist, angesehen werde, so beschadet dieser Fehler der Handlung an ihrer Giltigkeit sonst nicht, als wann erweislich ist, daß solche mit niemanden Anderen, als mit derjenigen Person, für welche der Andere gehalten worden, habe geschlossen werden wollen. Um so mehr bleibet die Handlung bei Kräften, wann etwan nur in der Eigenschaft, oder auch im Namen der Person ein Irrthum unterliefe.

[3, 2, § 11] 115. Ist hingegen der Irrthum in der Sache, um welche gehandlet wird, so ist zu unterscheiden, ob der Irrthum also geartet seie, daß über eine ganz andere Sache, als der eine oder der andere Contrahent gemeinet gewesen, die Handlung geschlossen worden, oder ob beide Theile in der Sache selbst zwar übereinkommen, doch aber in ihrer Wesenheit und Beschaffenheit ganz oder zum Theil geirret werde, oder ob der Fehler nur einige Nebendinge betreffe.

[3, 2, § 11] 116. Wann in der Sache selbst dergestalten geirret wird, daß die geschlossene Handlung auf eine ganz unterschiedene Sache von derjenigen, worüber sich geeiniget worden, abgesehen ware, ist die Handlung null und nichtig. Wäre aber der Irrthum ein oder anderer Seits in der ganzen Wesenheit der obschon von beiden Theilen beliebten Sache, als da Kupfer für Gold, Blei oder Zinn für Silber, Glas für Edelgestein angesehen würde, so ist der Unterschied zu beobachten, ob eine solche für etwas anderes gehaltene Sache ohnentgeltlich übertragen, oder dagegen anwiederum etwas gegeben werde. Ersteren Falls bestehet die Handlung, in dem letzteren Fall aber ist dieselbe ungiltig.

[3, 2, § 11] 117. Eine gleiche Bewandtnuß hat es, wann gleich die Sache etwas von der vermeinten Wesenheit hätte, größtentheils aber also beschaffen wäre, daß sie für Dasjenige nicht ausgegeben werden könne, für was dieselbe gehalten worden, als da ein für Gold behandletes Gefäß oder Geschmeid, zwar einen wenigen Zusatz von Gold hätte, größtentheils aber von Kupfer wäre, also, daß es für kein Gold ausgegeben werden möge.

[3, 2, § 11] 118. In allen diesen Fällen, wo die ganze Handlung wegen Irrthums entkräftet wird, es möge gleich ein oder der andere, oder auch beide Theile in Irrthum befangen gewesen sein, solle nicht allein alles Dasjenige, was ein Theil von dem anderen in Absicht dieser Handlung empfangen, zurückgestellet werden, sondern, wann ein Theil den unterwaltenden Mangel gewußt und den anderen also wissentlich hintergangen, ist derselbe auch ihme noch über Zuruckstellung des Empfangenen allen durch Erhandlung der mangelhaften Sache erleidenden Schaden zu erstatten schuldig, und beinebst nach Gestalt des verübten Betrugs zu bestrafen.

[3, 2, § 11] 119. Hätte aber die erhandlete Sache größtentheils die von den Contrahenten abgezielte Wesenheit, und nur der wenigste Theil derselben wäre von einer anderen Beschaffenheit, also daß sie dessen ohnerachtet noch allezeit für Dasjenige ausgegeben werden kann, für was sie angesehen worden, als das Gold hätte einen Zusatz von Kupfer, oder der Mangel ergäbe sich an der Reinigkeit, oder dafür gehaltenen besseren Eigenschaft der Sache, als das Gold wäre nicht von der vermeinten Feinigkeit, oder auch an Nebendingen, als das Gefäß, worinnen Wein

(3-38) erkaufet worden, wäre mangelbar, so wird die Handlung, im Fall der Mangel von Demjenigen, der im Irrthum ware, nicht hat vorgesehen werden können, nur insoweit, als geirret worden, entkräftet, bestehet aber im Uebrigen und ist Jener, der eine mangelhafte Sache dem Anderen verhandlet, die Entschädigung in dem Maß zu leisten schuldig, wie in dem hienachfolgenden neunten Capitel hiervon das Mehrere geordnet wird.

[3, 2, § 11] 120. Eine Verstellung oder Scheinhandlung ist, wann auf den Schein durch äußerliche Zeichen von beiden Contrahenten ein anderes Geschäft vorgespieglet wird, als sie nicht zu schließen gemeinet sind. Diese geschiehet entweder in der Gesinnung gar nichts zu schließen, noch weniger sich gegeneinander zu etwas verbinden zu wollen, oder in der Absicht unter Vorspieglung einer vorgeblichen Handlung in der Wahrheit eine davon ganz unterschiedene Verbindung einzugehen.

[3, 2, § 11] 121. Ersteren Falls ist aus Mangel der ernstlichen Einwilligung die Handlung an sich null und nichtig, und erwachset hieraus nicht nur denen also handlenden Theilen keine Verbindlichkeit, sondern es kann auch andurch einem Dritten weder ein Recht erworben, noch ein Schaden oder Nachtheil zugezohen werden.

[3, 2, § 11] 122. Würde aber eine solche Scheinhandlung in Absicht einem Dritten zu schaden getroffen, und erfolgete dessen wirkliche Verkürzung, oder es würde sich auch nur von einem Contrahenten zu Hintergehung des anderen einer Verstellung bedienet, so ist eine solche Verstellung für einen Betrug anzusehen, und machen sich die hieran Theilhabende sowohl zum Ersatz des verursachten Schadens, als zur Strafe verfänglich.

[3, 2, § 11] 123. Und obschon die Scheinhandlungen von der letzteren Art eine ernstliche Einwilligung beider Theilen zum Grund haben mögen, so wollen Wir doch gnädigst hiemit verordnet haben, daß zu Erhaltung Treu und Glaubens, und zu Steuerung aller sowohl für die Contrahenten selbst, als für einen Dritten aus derlei Scheinhandlungen entstehen mögenden Verkürzungen bei Verträgen sich aller Verstellungen, Kunstgriffen und Verkleisterungen enthalten, sondern dabei klar, aufrecht und getreulich zu Werk gegangen werde.

[3, 2, § 11] 124. Wir erklären solchemnach alle Scheinhandlungen gänzlich und dergestalten für kraftlos, unbündig und null und nichtig, daß weder eine Gerichtshilfe darauf ertheilet, noch weniger selbe irgendwo zur Einverleibung angenommen, sondern das Gut, worüber eine Scheinhandlung getroffen worden, zu Handen Unserer Kammer eingezohen, und noch überdas die Uebertretere dieses Unseres Gesatzes nach Beschaffenheit der Umständen und der dabei gebrauchten Arglist mit einer körperlichen Strafe beleget werden sollen.

[3, 2, § 11] 125. Ingleichen wird die Freiheit der Einwilligung durch Betrug, rechtmäßige Forcht, Gewalt und Zwang verhinderet, und dahero sind auch alle Handlungen, worinnen solche unterlaufen, an Seiten dessen, welcher hintergangen, oder deme etwas widerrechtlich abgeschrecket, oder abgenöthiget worden, ganz und gar kraftlos, wie von dem Betrug bereits in dem ersten Capitel, §. IX, von num. 98 bis 100, erwähnet worden, und von der Forcht, Gewalt und Zwang in dem einundzwanzigsten Capitel von Verbrechen mit Mehreren ausgeführet werden wird.

[3, 2, § 11] 126. Ein Jeder jedoch, welcher wegen vorschützenden Irrthums, Verstellung, Betrugs, eingejagter Forcht, Gewalt oder Zwangs eine Handlung zu entkräften vermeinet, muß sein Vorgeben erweisen. Würde aber derselbe nach erkannten Irrthum oder eingesehenen Betrug, oder nachdeme er vor aller Forcht, Gewalt und Zwang gesicheret ist, die vorgegangene Handlung entweder mündlich oder schriftlich, oder auch durch eine den Vollzug der eingestehenden Verbindlichkeit anzeigende That mit gutem Wissen und freiem und wohlbedächtlichem Willen gutheißen und beangenehmen, wie auch sich dabei die Ersetzung des ihme zugefügten Schadens nicht vorbehalten, so erlanget zwar die Handlung ihre vollkommene Giltigkeit und ist dieser nachhero mit seiner Einwendung nicht mehr zu hören, doch bleibet Derjenige,

(3-39) welcher sich dabei unerlaubter Künsten bedienet, dessen ohnerachtet der Strafe allemal unterworfen.

§. XII.

[3, 2, § 12] 127. Ueber alle Dinge und Werke können Verträge getroffen werden, welche nach Ausmessung des ersten Capitels, §. VI den Gegenstand einer Verbindung auszumachen vermögen. Ueberhaupt aber sind jene Dinge davon ausgenommen, welche weder in der Natur und Wesenheit der Sachen wirklich vorhanden, noch möglicher Weise angehoffet werden können, oder aber welche nach ihrer Wesenheit, oder der denenselben von den Gesetzen beigelegten Eigenschaft völlig, oder auch nur in gewisser Maß unhandelbar sind, oder worüber Verträge einzugehen insonderheit verboten ist.

[3, 2, § 12] 128. Betrifft der Vertrag die Uebertragung oder Erwerbung solcher Sachen, welche zwar an sich handelbar, doch aber zur Zeit der abgeschlossenen Handlung nicht mehr vorhanden waren, und auch natürlicherweise in Zukunft nicht angehoffet werden können, so ist solchenfalls, wann der noch vor Abschluß der Handlung sich ereignete Untergang der Sache von Demjenigen, der solchen angiebt, rechtsgenüglich erwiesen wird, der Vertrag null und nichtig, und wird kein Theil dem anderen hieraus zu etwas verbunden, sondern es ist Alles in denjenigen Stand herzustellen, als ob niemalen ein Vertrag darüber getroffen worden wäre, es möge der Verlust der Sache auch gleich einem, oder beiden Contrahenten bekannt oder unbekannt gewesen sein.

[3, 2, § 12] 129. Außer dieselben kämen ausdrücklich dahin überein, daß auf dem Fall, da die Sache in Verlust gegangen wäre, deren Werth oder ein gewisser Pönfall entrichtet werden solle, wann sonst hierbei keine allschon oben verbotene Scheinhandlung unterwaltete, sondern Derjenige, der sich den Werth der untergangenen Sache oder den Pönfall ausbedungen, darzeigen könne, daß ihme wirklich an deren Habhaftwerdung gelegen ware, oder dieses sonst aus der Beschaffenheit der Handlung erhellete.

[3, 2, § 12] 130. Wäre aber die Sache nicht ganz, sondern nur großen Theils und also, daß sie eine andere Gestalt oder Beschaffenheit an sich nähme, vor Abschluß der Handlung untergangen, und verdorben worden, als da das Haus vor geschlossenen Kauf abbrennete, so hat Derjenige, an welchen diese Sache durch den Vertrag übertragen werden solle, wegen deren mittlerweil geänderter Gestalt die Auswahl, ob er von dem Vertrag abgehen, oder dessen ohnerachtet jegleichwohlen dabei beharren wolle.

[3, 2, § 12] 131. Doch ist in diesem letzteren Fall Dasjenige, was dafür gegeben oder zu geben verheißen worden, nach gerichtlichem Ermessen auf einen der Verminderung des Werths gleichkommenden Betrag herabzusetzen; es wäre dann, daß derselbe schon vorhero diesen Umstand wohl gewußt, und sich jedennoch hierum in eine Handlung eingelassen hätte, in welchem Fall er den Vertrag nach seinem ganzen Inhalt zu erfüllen hat.

[3, 2, § 12] 132. Ein Zufall hingegen, welcher nur einen wenigen Theil der in den Vertrag einkommenden Sache betroffen, ohne daß weder ihre Gestalt, noch Beschaffenheit merklich geänderet worden, entkräftet die Handlung nicht, sondern es ist nur so vieles, als sie in ihrem Werth nach billigen Befund andurch verringeret worden, an deme, was dafür bedungen wird, nachzulassen, wann dem die

(3-40) Sache an sich handlenden Theil vor errichteten Vertrag dieser Zufall nicht bekannt ware.

[3, 2, § 12] 133. Auch über künftige oder solche Dinge, deren Wesenheit oder Erlangung möglicher Weise angehoffet werden mag, können Verträge eingegangen werden, als da Jemand die künftig wachsende Früchte, oder jenes, was an Wild von einer Jagd, oder an Ausbeute aus einem Bergwerk eingebracht, oder an Vögeln oder Fischen gefangen werden würde, erhandlet, wobei sowohl auf den Erfolg, ob etwas gewachsen, eingebracht oder gefangen worden oder nicht, als auch auf die Art und Weis der Handlung, ob solche überhaupt in Pausch und Bogen oder nur über einen bestimmten Betrag getroffen worden, zu sehen ist.

[3, 2, § 12] 134. Ist etwas, viel oder wenig, eingebracht oder gefangen und die Handlung überhaupt um Alles, was solchergestalten eingebracht werden würde, geschlossen worden, so ist auch alles Dasjenige, was dafür zu geben bedungen worden, ohne Verminderung zu erstatten, wann gleich noch so wenig, daß es deme gar nicht beikäme, hieran eingegangen wäre. Würde aber die Handlung auf einen gewissen Betrag in der Zahl, Maß oder Gewicht gerichtet worden sein, so ist die Gebühr des dafür Bedungenen nur nach Maß des Eingebrachten abzumessen.

[3, 2, § 12] 135. Wäre aber nichts eingebracht oder gefangen worden, zerfallet die Handlung und entstehet hieraus nicht nur keine Verbindlichkeit, sondern es kann auch das Darangegebene anwiederum zuruckgeforderet werden; es wäre dann, daß Jemand die wirklich noch in Saaten oder Blüthen stehende Früchten in dem Stand, in welchem sie zur Zeit des Vertrags befindlich sind, überhaupt, oder auch nur die bloße Hoffnung der künftigen Ertragnuß oder Ereignuß erhandlete, in welchen Fällen die Handlung bei Kräften bleibet, und das dafür Bedungene zu entrichten ist, obschon nichts gewachsen, gefangen oder eingegangen wäre.

[3, 2, § 12] 136. Es solle jedoch der Handel auf bloße Hoffnung geschlossen zu sein in keinem anderen Fall verstanden werden, als wann dieses in dem Vertrag deutlich ausgedrucket, oder der ganze Betrag dessen, was für die künftige Sache zu geben bedungen worden, ohne allem Vorbehalt vorhinein bezahlet, oder der Handel nur über die That, und anderseitige Mühewaltung, wodurch etwas zu erlangen gehoffet wird, als z. B. über das Jagen, Fischen, Vogelstellen getroffen worden wäre.

[3, 2, § 12] 137. Würde hingegen aus Schuld des anderen Contrahenten an der erhandleten Sache nichts oder weniger, als wahrscheinlicher Weise gehoffet werden können, eingebracht werden, so ist dieser Demjenigen, welcher die Sache erhandlet, den erleidenden Schaden nach dem billig geschätzten Werth zu vergüten schuldig und nach Gestalt der Umständen entweder das voraus Empfangene ganz oder wenigstens so vieles, als aus seiner Schuld minder hieran eingegangen, zuruckzustellen schuldig.

[3, 2, § 12] 138. Gleichwie aber jener, der künftige Dinge überhaupt, oder die Hoffnung ihrer gewärtigenden Ereignuß erhandlet, den zufälligen Schaden zu tragen hat, also gebühret ihme auch aller davon erhaltende Nutzen und Vortheil, wann gleich das Eingegangene den zweifachen Werth des dafür Bedungenen übersteigen sollte, woferne nur die eingebrachte Sache von der nemlichen Gattung, Art und Beschaffenheit ist, worüber die Handlung eingegangen und worauf von beiden Contrahenten die Absicht getragen worden; dann behandlete Jemand den Zug eines Netzes, in Absicht zu fischen und würde damit was Anderes als Fische aus dem Wasser herausgebracht, so hat er hierauf keinen Anspruch, wann ihme aus sonstiger Ursache kein Recht darzu gebühret.

[3, 2, § 12] 139. Sachen, welche ihrer Wesenheit nach, oder wegen ihrer ob sich habenden Eigenschaft ganz und gar unhandelbar sind, können keinen Gegenstand der Verträgen ausmachen, außer auf diejenige Art und Weis, wie solches in dem zweiten Theil, im ersten Capitel erkläret worden.

[3, 2, § 12] 140. Ueber jene Dinge hingegen, welche nur in gewisser Maß entweder

(3-41) wegen ihrer eigenen Beschaffenheit, oder in Ansehung einiger Personen unhandelbar sind, ist nicht verwehret auf andere zulässige und von den Gesetzen nicht verbotene Arten Verträge zu treffen; also können über eine in Rechtsstritt hangende Sache die streitenden Theile sich untereinander nach Gefallen vertragen und vergleichen, obschon die einseitige Veräußerung derselben an einen Dritten untersaget ist; ingleichen kann Jemand das Recht zu einer Sache, zu deren Besitz derselbe unfähig ist, an einen anderen Fähigen übertragen, obgleich ihme solche für sich zu erwerben nicht erlaubet ist.

[3, 2, § 12] 141. Ansonst können über alle handelbare Sachen, wann deme weder ein Verbot des Gesatzes, noch eine Privatanordnung entgegenstehet, Verträge eingegangen werden; doch ist bei jenen Handlungen, wodurch das Eigenthum einer Sache an jemanden Anderen übertragen wird, erforderlich, damit diese Sache dem Uebertragenden eigenthümlich zugehöre, oder der Eigenthümer hierein willige, oder wenigstens, wann es eine bewegliche Sache betrifft, der Andere solche auf rechtmäßige Weise mit guten Glauben an sich bringe.

[3, 2, § 12] 142. Wäre aber der Vertrag auf eigenthümliche Uebertragung einer fremden Sache an jemand Anderen gerichtet, und ermanglete dabei eine oder die andere dieser Erfordernussen, so ist die Handlung null und nichtig, und muß nicht nur allein die Sache dem sich ausweisenden Eigenthümer ohnentgeltlich zurückgestellet, sondern auch derjenige Theil, welcher mit guten Glauben für eine fremde Sache etwas gegeben, von dem Anderen vollständig entschädiget werden.

[3, 2, § 12] 143. Alle anderen über fremde Sachen getroffene Verträge hingegen, welche ohne Uebertragung des Eigenthums zu ihrer Wesenheit gelangen, wirken zwar die Verbindlichkeit der Contrahenten untereinander, beschaden aber dem Eigenthümer der Sache, wann er der Handlung mit seiner Einwilligung nicht beigetreten, im geringsten nichts, sondern sein Recht bleibet ihme allemal bevor.

[3, 2, § 12] 144. Hiernächst ist derjenige contrahirende Theil, welcher eine fremde Sache, er möge es gewußt haben oder nicht, in den Vertrag eingebracht, dem anderen sowohl das dafür Empfangene zuruckzustellen, als auch für allen andurch veranlaßten Schaden die Vergütung zu leisten schuldig, welche aber damals nicht statt hat, wann auch dem anderen Theil bekannt ware, daß die Sache einem Dritten zugehöre und auf dem Fall, da seine Einwilligung nicht erfolgete, keine Entschädigung bedungen worden.

[3, 2, § 12] 145. Gehörete eine Sache Mehreren eigenthümlich zu, welche noch ungetheilet und in der Gemeinschaft wären, so kann zwar ein Jeder seinen ihme hieran gebührenden Antheil an einen Dritten veräußeren und übertragen, wie auch hierüber solche Verbindungen eingehen, welche denen anderen Theilhaberen keinen Nachtheil bringen. Würde aber die ganze gemeinschaftliche Sache von deren Einem veräußeret, so schadet dieses denen Anderen nicht, sondern sie behalten in Betreff ihrer Antheilen das nemliche Recht, was jedem Anderen an seinen Eigenthum gebühret.

[3, 2, § 12] 146. Wäre der Veräußerende zwar Eigenthümer der Sache, jemand Anderer aber hätte ein Recht hieran, als des Fruchtgenusses, Dienstbarkeit, Hypothek oder Unterpfands, so hat zwar der Vertrag seine Giltigkeit, doch ist zu unterscheiden, ob die veräußerte Sache ein liegendes Gut, oder ein bewegliches Ding seie. Ist es ein liegendes Gut und das einem Anderen hieran gebührende Recht wäre mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschrieben, so gehet das behaftete Gut mit der also darauf verschriebenen Schuldigkeit auf einen jeden Besitzer.

[3, 2, § 12] 147. Ermanglete aber die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung, so erlöschet das Recht des Anderen und bleiben ihme nur die persönlichen Sprüche wider den Veräußerer bevor, welches Letztere auch bei beweglichen Dingen statt hat, als in deren Ansehung kein dritter Besitzer angefochten werden kann, außer da er Denjenigen, von deme er die Sache bekommen, nicht ausweisen

(3-42) könnte, oder das einem Anderen hieran zustehende Recht gewußt und solche jegleichwohlen an sich gebracht hätte.

[3, 2, § 12] 148. Würde durch Verträge ein dem Veräußerer auf Widerrufen zuständiges Eigenthum oder Recht eines liegenden Guts an Jemanden übertragen, so bestehet zwar der Vertrag für die Zeit des dauernden Rechts des Veräußerers, mit dessen Auflösung aber wird auch das Recht dessen, der es von ihme an sich gebracht, aufgelöset.

[3, 2, § 12] 149. Da es sich aber ergäbe, daß Jemand über einerlei Sache mit Zweien verschiedene Verträge errichtete, so ist zu unterscheiden, ob Beider dadurch erworbene Rechte, ohne daß die Ausübung des Einen von dem Anderen beeinträchtiget würde, miteinander bestehen können oder nicht. Sind sie von solcher Beschaffenheit, daß Beide zusammen ohne Beirrung des Einen oder Anderen ihre Wirkung erreichen mögen, so sind auch beide Verträge giltig; also kann auf dem nämlichen Gut Einem eine gewisse Dienstbarkeit und dem Anderen eine Hypothek oder Unterpfand verschrieben, nicht weniger Einem der Fruchtgenuß, dem Anderen das Eigenthum überlassen werden.

[3, 2, § 12] 150. Würde aber ein Recht mit dem anderen nicht bestehen können, so ist darauf zu sehen, wessen Recht stärker seie als das andere; denn das Schwächere muß dem Stärkeren weichen. Dahero wird ein bloßes Recht zur Sache durch die dinglichen Rechte entkräftet, wann deren Wirkung durch dasselbe verhinderet würde, weilen dieses schwächer ist als jenes; also gehet Kauf vor Miethen, und der Pachter oder Bestandmann muß dem Kaufer weichen.

[3, 2, § 12] 151. Ueberhaupt ist ein in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern verschriebenes Recht stärker als jenes, welches darinnen nicht einverleibet ist. Solchemnach, wann das Eigenthum einerlei Sache an Zweie übertragen und veräußeret würde, ist bei liegenden Gütern Derjenige, welchen den Veräußerungsvertrag in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher ehender eingeleget, so wie bei beweglichen Dingen Jener, deme die veräußerte Sache ehender übergeben und eingeantwortet worden, obgleich der Vertrag mit ihme später geschlossen worden wäre, dem Anderen vorzuziehen, weilen dieser nur ein Recht zur Sache, jener aber durch die wirkliche Einverleibung und Uebergabe hieran ein dingliches, und also ein weit stärkeres Recht erworben hat.

[3, 2, § 12] 152. Es wäre dann, daß er von dem erstern Kauf oder sonstigen Uebertragung gute Wissenschaft gehabt zu haben überwiesen werden könnte, in welchem Fall ihme sein Betrug zum Nachtheil des Anderen nicht zu statten kommen kann, sondern wann er auch die frühere Einverleibung bewirket hätte, ist nach verführten Beweis der gehabten Wissenschaft seine Einlage aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auszulöschen, und er beinebst nach Gestalt der Umständen so wie Derjenige, welcher einerlei Sache wissentlich an Zweie veräußeret, verkaufet oder sonst übertraget, und dafür von zweien Seiten den Werth empfanget, als ein Betrüger mit einer dem Verbrechen gemäßen Strafe zu belegen.

[3, 2, § 12] 153. Wären hingegen beide Rechte von gleicher Stärke, als da beide auf Uebertragung des Eigenthums gerichtet, und keines vor dem anderen einverleibet wäre, sondern beide zugleich bei Begehrung der Einlage zusammentreffen würden, oder auch beide nur eine bloße Befugnuß zur Sache enthielten, so gebühret Jenem der Vorzug, mit deme der Vertrag ehender geschlossen worden zu sein entweder nach Anzeige des Tags des Contracts, oder in andere Wege erweislich ist.

[3, 2, § 12] 154. Es verlieret aber der Erstere den Vorzug, wann er den späteren Vertrag mit dem Anderen ohne Widerspruch vollziehen lassen, als da eine Sache Zweien in Bestand gelassen und der Erstere zugeben würde, daß der Andere in den Bestand wirklich eingeführet, oder von ihme die Wohnung bezogen werde. Wie es jedoch bei Zusammentreffung mehrerer Gläubiger, welche zu gleicher Zeit die Einverleibung ihrer verschriebenen Hypothek bewirken, im Fall des Schuldners Vermögen zu

(3-43) ihrer allseitigen Bedeckung unzulänglich wäre, zu halten seie, wird in der Gant- oder Crida-Ordnung ausgemessen werden.

[3, 2, § 12] 155. In allen diesen Fällen, wo das schwächere oder spätere Recht dem stärkeren oder früheren zu weichen hat, bleibet nichtsdestoweniger Derjenige, welcher eine Sache an Zweie übertragen oder darüber mit Zweien einen Vertrag eingegangen, in der Verbindlichkeit dem Anderen, welcher nachgesetzet wird, nicht allein das darauf Empfangene zurückzustellen, sondern auch die vollkommene Entschädigung zu leisten.

[3, 2, § 12] 156. Würde Jemand aus Irrthum verleitet werden, eine schon vorhero ihme ganz oder zum Theil eigenthümlich zugehörige Sache durch Vertrag an sich zu bringen, so ist zu unterscheiden, ob die Sache ihme dergestalten eigen seie, daß kein mehreres Recht, als er bereits vorhin hieran gehabt, an ihm übertragen werde, oder ob derselbe ein mehreres Recht hieran erwerbe. Ersteren Falls ist die Handlung null und nichtig, und stehet ihme frei, nach erwiesenen Irrthum den zur Ungebühr dafür bezahlten oder gegebenen Werth zurückzuforderen; letzteren Falls hingegen, und da er ein mehreres Recht oder einen größeren Antheil, als er vorhin an der Sache nicht gehabt, durch den Vertrag erwirbt, bestehet die Handlung nach Maß dessen als er mehr erlanget, und ist der dafür bedungene oder bezahlte Werth hienach zu mässigen.

[3, 2, § 12] 157. Außerdeme, daß eine durch Verträge veräußeren wollende Sache von der bishero beschriebenen Beschaffenheit sein müsse, ist auch zur Giltigkeit des Vertrags erforderlich, daß solcher weder durch das Gesatz, noch durch eine vorhergehende Privatanordnung verboten seie; also werden durch Unser obstehendes Gesatz alle nur auf Scheinhandlungen gerichtete Verträge untersaget.

[3, 2, § 12] 158. Wir erklären aber noch ferners erstens, alle diejenige Verträge gänzlich für kraftlos, welche die Veräußerung einer in wirklichem Rechtsstritt hangenden Sache betreffen, deren Eigenthum angesprochen wird, und worüber die gerichtliche Vorladung oder Beschickung bereits ergangen und dem Belangten zugekommen ist, in welchem Fall Derjenige, der eine solche Sache wissentlich, daß sie strittig seie, an sich gebracht, dieselbe sogleich ohnentgeltlich zu Gerichtshanden auszufolgen schuldig, und die Sache sofort in gerichtlichen Beschlag zu nehmen ist. Hätte er aber, ohne von dem obschwebenden Rechtsstritt etwas zu wissen, die Sache mit guten Glauben erhandlet, und diese Sache wäre ein unbewegliches Gut, so ist zwar der Vertrag nichtig, doch kann sich derselbe an den Veräußerer seines Schadens halber erholen. Dahingegen wann Jemand eine strittige bewegliche Sache mit guten Glauben an sich gebracht, so ist dieser zwar derowegs nicht mehr anzufechten, dem Gegentheil stehet aber bevor, wann ihme diese Sache von Gericht zugesprochen würde, seine Entschädigung an den Veräußerer zu suchen.

[3, 2, § 12] 159. Derjenige aber, welcher wissentlich eine solche strittige Sache erhandlet, verlieret alles Dasjenige, was er dafür gegeben oder bedungen, und ist solches zu Handen Unserer Kammer einzuziehen. Nicht weniger wird Jener, welcher eine strittige Sache wissentlich veräußeret, im Fall ihme solche durch rechtlichen Spruch zuerkannt werden sollte, derselben verlustig, und fallet sie Unserer Kammer anheim, oder da selbe nicht mehr beizubringen wäre, oder dem anderen Theil zugesprochen würde, ist der Werth derselben, wie solcher gerichtlich geschätzet wird, zur Strafe für Unsere Kammer von ihme einzutreiben, und über das bleibet er verbunden, dem obsiegenden Gegentheil, anstatt der etwan nicht mehr vorhandenen Sache den ebenmäßigen Werth derselben zu erstatten.

[3, 2, § 12] 160. Andertens entkräften Wir ingleichen alle Wetten, Spielschulden und die darüber treffende Verträge insoweit, daß hierauf durchaus keine Gerichtshilfe ertheilet und über das die in verbotenen bloßen Glückes- oder sogenannten Hazardspielen betretende Spielere nach Maßgabe Unserer anderweiten Verordnungen bestrafet werden sollen. Ueberhaupt aber sind alle Verträge ungiltig, welche nach Verschiedenheit der Handlungen in diesem Unserem Gesatzbuch untersaget werden.

(3-44) §. XIII.

[3, 2, § 13] 161. Die Privatanordnungen, wodurch die Veräußerung gewisser Sachen beschränket wird, geschehen entweder durch letzten Willen, oder durch Handlungen unter Lebenden, und bestehen insoweit, als denenselben die Kraft der Verbindlichkeit von dem Gesatz nicht genommen wird.

[3, 2, § 13] 162. Von der Wirkung derlei letztwilligen Anordnungen ist bereits im zweiten Theil gehandlet worden. Belangend aber die Handlungen unter Lebenden, wo durch Verträge die Veräußerung gewisser Dinge verboten wird, ist dabei zu unterscheiden, ob selbe unbewegliche oder bewegliche Sachen betreffen.

[3, 2, § 13] 163. Bei unbeweglichen Dingen ist darauf zu sehen, ob ein solcher Vertrag in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet worden oder nicht. Ersteren Falls behaftet derselbe die Sache selbst, und kann diese nicht allein von einem jeden dritten Besitzer, an den sie wider den Vertrag veräußeret worden, zurückgeforderet werden, sondern es ist auch der Veräußerer schuldig, sowohl Demjenigen, an den er die Sache veräußeret, als dem Anderen, mit deme er wegen deren Nichtveräußerung den Vertrag eingegangen, allen deshalben erleidenden Schaden zu ersetzen.

[3, 2, § 13] 164. Ist aber ein dergleichen Vertrag nicht einverleibet, oder auch die betreffende Sache ein bewegliches oder fahrendes Ding, so wird zwar die Sache dadurch nicht behaftet, noch deren Veräußerung verhinderet, der Veräußerer aber bleibet jegleichwohl in der Verbindlichkeit dem Anderen, mit welchem er diesen Nichtveräußerungsvertrag getroffen, allen hieraus erwachsenden erweislichen Schaden zu vergüten.

§. XIV.

[3, 2, § 14] 165. Gleichwie über alle andere Sachen, also auch über bereits angefallene Erbschaften können Verträge eingegangen werden und haben solche ihre vollkommene Giltigkeit, wann die sich hierüber vertragende Theile Verbindungen zu treffen fähig sind, und in derlei Verträgen sonst nichts wider Unsere Gesetze enthalten ist.

[3, 2, § 14] 166. Dahingegen wollen Wir alle über die Erbschaft eines Lebenden aufrichtende Verträge, es mögen solche die Erbschaft eines Dritten, oder auch eines oder auch beider sich also vertragenden Theilen, oder sogenannte Erbsvereinigungen betreffen, und entweder auf die Erwerbung oder Verzicht der Erbschaft lauten, welche ohne Unserer höchsten Einwilligung und Bestätigung getroffen werden, hiemit gänzlich für kraftlos und ungiltig erkläret haben.

[3, 2, § 14] 167. Wovon jedoch folgende Fälle ausgenommen sind: Erstens, wann es sich um den Erbanfall nach einer ungewissen Person handlete, als da z. B. zwei Gesellschaftere oder auch Eheleute über die Vertheilung dessen, was von einem oder dem anderen Theil in Hinkunft ererbet werden würde, sich untereinander vergleichen; zweitens, wann zwischen Eheleuten die künftige wechselweise Erbfolge nach Maß dessen, was davon im ersten Theil, in fünften Capitel unter der Abhandlung von ehegattlichen Vermögen geordnet worden, festgesetzet wird; drittens, wann ein großjähriger Sohn, Tochter oder Enkel nach der von Vater, Mutter oder Großeltern erhaltenen Abfertigung auf die weitere Erbfolge eine gerichtliche Verzicht leistet, wovon im zweiten Theil, in der Abhandlung von dem Pflichttheil das Mehrere erwähnet wird.

[3, 2, § 14] 168. Außer welchen Fällen sonst zur Giltigkeit aller wie immer Namen haben mögenden Erbsverträgen, Erbsvereinigungen oder Verzichten, die eine künftig anhoffende Erbschaft betreffen, die vorläufige Auswirkung Unserer höchsten landesfürstlichen Einwilligung und Bestätigung überhaupt erforderlich ist, und zu dem Ende Uns jedesmal die umständliche Beschaffenheit der Sache mit verläßlicher Anzeige sowohl des Betrags einer solchen Erbschaft, als der vorhandenen Erbsanwarteren

(3-45) und deren Bedingnussen, mit welchen eine dergleichen Erbvereinigung aufgerichtet werden will, vorgebracht werden solle.

§. XV.

[3, 2, § 15] 169. Alle zu Recht bestehende Verträge haben die nemliche Kraft und Bündigkeit wie ein jeder anderer benannter Contract, und verbinden nicht allein die sich vertragende Theile, sondern auch ihre Erben zu Leistung dessen, was in dem Vertrag beliebet worden, wann es nicht solche in dem ersten Capitel, §. V, num. 41, bemerkte Fälle betrifft, worinnen auch aus Verträgen die Verbindlichkeit mit der Person des Verbundenen erlöschet.

[3, 2, § 15] 170. Demnach ist Jedermann Dasjenige zu halten und zu erfüllen schuldig, zu was er sich durch einen rechtmäßigen Vertrag verbunden, und stehet dem anderen Theil das Recht zu, in Weigerungsfall denselben hierum gerichtlich zu belangen, deme sofort alles Dasjenige, was ihme aus dem Vertrag zu gebühren erwiesen werden kann, nebst allen verursachten Schäden und Unkosten zuzusprechen ist.

§. XVI.

[3, 2, § 16] 171. Bei allen Verträgen muß vornehmlich auf Treue und guten Glauben gesehen, und dahero bei Erhebung der Klage von dem Richter Dasjenige verfüget, und so einem als anderen Theil zuerkennet werden, was der Billigkeit gemäß ist, obgleich solches unter den Contrahenten nicht verabredet, und wörtlich gesaget und ausgedrucket worden, woferne es nur mit der Natur und Eigenschaft der fürwaltenden Handlung übereinstimmet, und es insgemein bei dergleichen Handlungen also zu halten von den Gesetzen geordnet wird.

[3, 2, § 16] 172. Entstünde aber über den Sinn und Verstand der Verträge ein Zweifel, so ist bei Auslegung derenselben sich förderist dahin zu bestreben, damit entweder aus der Bedeutung der Worten, oder aus anderen Umständen und Anzeigen die wahrscheinliche Willensmeinung der Contrahenten ergründet werden möge.

[3, 2, § 16] 173. In Auslegung der Worten ist zu beobachten, daß, wann aus der Handlung eine andere Gesinnung der Contrahenten nicht ausdrücklich erhellet, selbe allemal in der wahren und eigentlichen Bedeutung, welche ihnen insgemein in Handel und Wandel beigeleget zu werden pfleget, zu nehmen und zu verstehen sind.

[3, 2, § 16] 174. Wären es aber besondere in gemeinen Handel und Wandel nicht gebräuchliche Kunstworte, und beide contrahirende Theile der nemlichen Kunst kündig, so sind solche bei vorfallenden Zweifel nach Bestimmung und Aussage anderer, wenigstens zweier unparteiischer und glaubwürdiger Kunstverständigen auszudeuten. Wohingegen wann der eine oder andere Contrahent in dieser Kunst nicht erfahren ist, in solchem Fall solle getrachtet werden den eigentlichen Sinn und Verstand aus dem Inhalt des Vertrags, oder aus anderen Umständen zu erforschen.

[3, 2, § 16] 175. Würden aber die Worte also zweifelhaft sein, daß der eigentliche Sinn deren Contrahenten daraus nicht zu entnehmen wäre, so sind andere Anzeigen, woraus solcher wahrscheinlich geschlossen werden kann, zu Hilfe zu nehmen. Derlei Anzeigen sind die Natur und Eigenschaft des Geschäfts, dessen Folge und Wirkung, und endlichen die damit verknüpfte vor-, bei- oder nachgehende Umstände.


(3-46) [3, 2, § 16] 176. Ueberhaupt ist die Natur und Eigenschaft einer Handlung, welche ihr von dem Gesatz zugeeignet wird, in Auslegung der Verträgen die sicherste Richtschnur, wann die Worte nichts Anderes ausdrucken.

[3, 2, § 16] 177. Kann aber der Zweifel auch daraus nicht behoben werden, und die Lage der Worten wäre von solcher Beschaffenheit, daß, wann selbe in der gemeinsten Bedeutung genommen werden sollten, sie entweder gar keine, oder eine wider die Ehrbarkeit und Wohlanständigkeit streitende Wirkung und Folge haben würden, so ist von der gemeineren Bedeutung abzuweichen, und die Handlung in einem solchen Verstand zu nehmen, nach welchem sie die abgezielte Wirkung haben könne.

[3, 2, § 16] 178. Nicht weniger können die vor-, bei- oder nachgehende Umstände, als der Landesbrauch, und rechtmäßig hergebrachte Gewohnheiten, die Gestalt und Beschaffenheit der Sachen, der Stand und Eigenschaft der Contrahenten, und andere mehrere derlei mit der Handlung verknüpfte Nebendinge zu Entwicklung der Dunkelheit eines Vertrags andienen, wann daraus nach vernünftigen und billigen Ermessen des Richters die wahrscheinliche Gesinnung deren Contrahenten abgenommen werden mag.

[3, 2, § 16] 179. Dann Treue und Glauben erheischet, daß ein ernstlich und bedächtlich geschlossener Vertrag nach Thunlichkeit bei Kräften erhalten, und bei bemüßigter Auslegung der Verträgen allemal die Billigkeit vor Augen genommen, erst aber damals, wann sonst auf keinerlei Art die Klarheit und Gewißheit zu erreichen ist, die Ausdeutung der Worten wider jenen Theil gemachet werde, in dessen Macht es gestanden, sich verständlicher und deutlicher auszudrucken.

Dritter Artikel.

Von Vergleichen

§. XVII. Von Wesenheit und Unterschied der Vergleichen. §. XVIII. Von Fähigkeit deren sich Vergleichenden. §. XIX. Von denen in Namen und anstatt eines Dritten eingehenden Vergleichen. §. XX. Von Dingen, worüber Vergleiche geschlossen werden. §. XXI. Von Vergleichen über Nahrungsmittel und Unterhaltsgelder. §. XXII. Von Vergleichen über Verbrechen. §. XXIII. Von Verbindlichkeit der Vergleichen. § XXIV. Von Entkräftung und Vernichtung der Vergleichen.

§. XVII.

[3, 2, § 17] 180. Ein Vergleich ist eine durch Vereinigung beider Theilen über zweifelhafte und strittige Sachen mit Nachsicht und Erlassung der habenden Rechtsansprüchen getroffene gütliche Handlung, welches insoweit solche von dem Gesatz keine gewisse vorgeschriebene Gestalt und Benamsung hat, den unbenannten Verträgen zwar beigezählet wird, doch aber sich davon in deme unterscheidet, daß ein Vergleich bloß

(3-47) allein zweifelhafte und strittige Sachen zum Gegenstand habe, und eine schon vorhergegangene noch ungewisse Verbindlichkeit voraussetze, wie solches bereits oben §. VII, num. 44, bemerket worden.

[3, 2, § 17] 181. Es müssen demnach die Vergleiche ganz freiwillig und ungezwungen sein, und obschon dem richterlichen Amt zukommet in gewissen Fällen, welche in vierten Theil bei Vorschrift der Gerichtsordnung bestimmet werden, auch ohne Verlangen der Parten Vergleichshandlungen anzustellen, so darf jedoch kein Richter dieselbe zu Eingehung eines Vergleichs zwingen, noch weniger ihnen solchen aufdringen, sondern wo ein Zwang unterlaufet, ist der Vergleich null und nichtig.

[3, 2, § 17] 182. Beinebst wird auch zur Wesenheit eines Vergleichs erforderet, erstlich, daß die Sache, worüber solcher getroffen wird, zweifelhaft, und entweder schon wirklich strittig seie, oder wenigstens der Stritt bevorstehe; andertens, daß der Vergleich nicht ohnentgeltlich geschehe, sondern daß dagegen etwas gegeben, verheißen oder zuruckgehalten werde, dann ansonst, wo eine oder die andere dieser Erfordernussen ermanglet, bestehet zwar Dasjenige, worüber die Parten sich vereiniget, in der Gestalt eines Vertrags, nicht aber in jener eines Vergleiches.

[3, 2, § 17] 183. Die Vergleiche geschehen entweder gerichtlich oder außergerichtlich; jene werden auf Veranlassung des Richters über die bereits bei Gericht anhängige Strittigkeiten, diese aber ohne richterlicher Zuthat aus eigenem freien Antrieb der Parten entweder über die bei Gericht schon hangende, oder auch nicht anhängige strittige Sachen geschlossen.

[3, 2, § 17] 184. Die Vergleiche werden entweder überhaupt über alle zwischen denen sich vergleichenden Parten fürwaltende Ansprüche, An- und Gegenforderungen von verschiedenen Arten und Gattungen, oder aber über mehrere an sich zwar unterschiedene Ansprüche doch von einerlei Art und Gattung, oder endlich nur über eine gewisse Strittigkeit insonderheit eingegangen.

[3, 2, § 17] 185. Wann ein Vergleich überhaupt über alle Ansprüche und Forderungen, wo sie immer herrühren, und was für Namen sie haben mögen, ohne Ausnahm getroffen wird, so sind auch alle dadurch getilget und aufgehoben, welche zur Zeit des geschlossenen Vergleiches dem einen oder anderen Theil hätten gebühren können; auf die künftige Ansprüche aber mag ein solcher Vergleich nicht ausgedeutet werden, welche aus einer erst nach dessen Zustandbringung sich ergebenen, oder wenigstens bei dessen Abschluß noch nicht bekannten Ursache neuerlich entspringen, und woran folglich zur Zeit des also eingegangenen Vergleiches nicht gedacht worden.

[3, 2, § 17] 186. Wird aber ein Vergleich zwar über mehrere Strittigkeiten, welche jedoch alle von einerlei Gattung sind, und insgesammt aus einer Ursache herstammen,

(3-48) errichtet, als da z. B. ein zur Großjährigkeit gelangter Wais mit seinem Vormund oder Gerhaben über alle wegen verwalteter Vormundschaft an ihn machende Forderungen, oder auch ein Gesellschafter mit dem anderen, ein Herr mit seinem Befehlshaber, Sachwalter oder unverraiteten Diener sich überhaupt über alle strittige Punkten vergleichet, so werden alle unter dieser Gattung begriffene, und aus der zur Zeit des Vergleiches fürgewalteten Ursache herrührende Ansprüche andurch behoben, obgleich selbe erst nach Abschluss des Vergleiches hervorkämen; es wäre dann, daß die künftig in Erfahrnuß bringende Forderungen ausdrücklich davon ausgenommen würden, oder ein erweislicher Irrthum, oder eine geflissentliche Gefährde des Gegentheils dabei unterliefe.

[3, 2, § 17] 187. Ein sonderheitlicher Vergleich hingegen, welcher über eine Strittsache namentlich allein geschlossen wird, kann auf andere darinnen nicht einkommende Strittigkeiten nicht erstrecket werden, sondern es ist jedem Theil noch allezeit unverwehret derowegen sein Recht zu suchen, wann auch solche ausdrücklich in dem sonderheitlichen Vergleich nicht vorbehalten worden wären.

[3, 2, § 17] 188. Wie die Parten sich untereinander vergleichen, also muß es auch gehalten werden, und ist darinnen kein Unterschied, ob der Vergleich schriftlich oder mündlich geschlossen werde, sondern er hat in alle Wege seine Giltigkeit, wann solcher nur von Jenem, der sich darauf beziehet, rechtsbehörig erwiesen werden mag.

§. XVIII.

[3, 2, § 18] 189. Vergleiche können von Jedermann getroffen werden, der nach Ausweis des ersten Capitels, §. II, Verbindungen einzugehen, oder solche zu erlassen fähig ist; es werden dahero alle Diejenigen ausgeschlossen, welche entweder wegen Gebrechen des Verstands, oder wegen beschränkter Schalt- und Waltung mit ihrem Gut sich zu etwas zu verbinden nicht vermögen.

[3, 2, § 18] 190. Auch von Gesellschafteren, Miterben, gemeinschaftlichen Besitzeren eines noch ungetheilten Guts, oder mehreren Theilhaberen an einem Rechtsstritt kann ein Jeder für seinen Antheil Vergleiche schließen, wann die Sache füglich getheilet werden kann, und denen übrigen Mitgenossen daraus kein Schaden erwachset.

[3, 2, § 18] 191. Wäre aber die Sache, um die es sich handlet, untheilbar, oder ein solcher einseitiger Vergleich gereichete denen anderen Mitverwandten zum Nachtheil, so wirket zwar dieser Vergleich an Seiten des sich also Vergleichenden die Begebung seines Rechts nach Maß der mit dem Gegentheil eingegangenen Verbindung, in Ansehen deren Uebrigen aber ist derselbe ganz und gar unverfänglich, und ihrem Recht unabbrüchig.

§. XIX.

[3, 2, § 19] 192. Nicht nur für sich, sondern auch für Andere kann Jemand Vergleiche eingehen, wann er entweder durch das Gesatz, als die Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder durch ausdrücklich aufhabenden Befehl und Vollmacht, als die Befehlshabere und bevollmächtigte Anwälte darzu begewaltiget ist, oder wenigstens als ein Sachwalter die Beangenehmung dessen, welchen er vertritt, nachtraget, und ist die Befugnuß der Vormünderen und Curatorum für ihre Pflegebefohlene Vergleiche zu treffen bereits im ersten Theil, in der Abhandlung von Verwaltung der Vormundschaft erkläret worden.

[3, 2, § 19] 193. Daß aber ein Anwalt, Bevollmächtigter oder Sachwalter für jemanden Anderen entweder gerichtlich, oder außergerichtlich einen zu Recht bestehenden Vergleich schließen könne, ist erforderlich, damit der sich hierzu Angebende entweder eine absonderliche auf die anstoßende Vergleichshandlung gerichtete Vollmacht, oder einen uneingeschränkten Befehl mit vollkommener Gewalt und Freiheit nach eigenen Gutbefund zu schalten und zu walten vorzeige, oder wenigstens eine dem Gegentheil

(3-49) annehmliche Bürgschaft leiste, daß er die Gutheißung der von ihme vertretenden Part verschaffen wolle.

[3, 2, § 19] 194. Kann sich nun der in einen Vergleich einlassende Anwalt mit einer hinlänglichen Vollmacht ausweisen, oder die Gutheißung beibringen, so wird der Gewaltgeber durch einen solchergestalten von seinem Anwalt oder Sachwalter getroffenen Vergleich ebenso rechtskräftig verbunden, als ob er denselben in eigener Person eingegangen hätte.

[3, 2, § 19] 195. Würde aber der Anwalt oder Sachwalter die Grenzen seiner Vollmacht überschreiten, und die von ihme angesicherte Gutheißung nicht verschaffen können, so wird zwar Derjenige, dessen Person er vertreten, aus einem solchen Vergleich, insoweit dieser mit der gegebenen Vollmacht nicht übereinstimmet, nicht verfänglich; der Anwalt oder Sachwalter aber ist schuldig, dem Gegentheil allen aus Zerschlagung eines auf seine Gefahr getroffenen Vergleichs entstehenden erweislichen Schaden zu vergüten.

[3, 2, § 19] 196. Die Gemeinvorstehere können zwar auch in Namen und anstatt der ganzen Gemeinde in denen dieselbe betreffenden Strittigkeiten Vergleiche eingehen, doch wollen Wir bei Unseren landesfürstlichen Städten und Märkten hiemit gnädigst verordnet haben, daß in Fällen, wo der abschließende Vergleich auf Veräußerung deren Gemeingütern, oder Begebung ihrer Rechten, oder auf Einschuldigung der Gemeinde, oder sonst auf eine derselben für beständig zuziehende Schuldigkeit abzielete, allemal vorhero der Vergleich Uns, oder derjenigen Stelle, welcher Wir diesfalls die Macht einraumen, mit allen sowohl vor als wider die Gemeinde streitenden Behelfen zur Einsicht vorgeleget, und darüber Unsere höchste Bestätigung eingeholet werde, wo im Widrigen in deren Ermanglung ein solcher Vergleich von gar keiner Bündigkeit sein solle. Soviel es aber die obrigkeitliche und unterthänige Gemeinden anbelanget, dießfalls bleibet es bei der Verfassung eines jeden Landes.

[3, 2, § 19] 197. Ferners entkräften Wir auch aus dem Uns zustehenden höchsten vogtherrlichen Recht bei geistlichen Stiftern, Klöstern und anderen milden Stiftungen alle ohne Unserer Einsicht und Bestätigung treffende, und auf die Veräußerung liegender Güter abzielende Vergleiche; ingleichen sollen Unsere Kammerprocuratores in Fällen, wo es um Unsere eigene höchste Rechten zu thuen ist, ohne Unserer Beangenehmung keine Vergleiche einzugehen befugt sein.

[3, 2, § 19] 198. Nicht weniger sind die Besitzere der Fideicommißgüter schuldig, über die von ihnen treffende Vergleiche, wann es hiebei auf die Veräußerung, Schmälerung oder Beschwerung des Fideicommißi ankäme, nach veranlaßter Vernehmung gesammter Anwarteren Unsere Bestätigung auszuwirken, ohne welcher derlei Vergleiche zu Recht nicht bestehen können.

§. XX.

[3, 2, § 20] 199. Ansonst können über alle handelbare Dinge, die zweifelhaft und strittig sind, Vergleiche errichtet werden, wo aber kein Zweifel oder Stritt ist, hat auch kein Vergleich statt, sondern über gewisse und unzweifelhafte Schuldigkeiten wird die Vereinigung beider Theilen für einen Vertrag geachtet, wie bereits oben num.182 erwähnet worden.

[3, 2, § 20] 200. Davon sind jedoch die aus einem schriftlichen oder mündlichen Testament oder Codicill herrührende Strittigkeiten, oder darinnen verschaffte Vermächtnussen ausgenommen, worüber, insolange eine solche letztwillige Anordnung nicht behörig eröffnet, und gerichtlich kund gemachet worden, kein Vergleich, Vertrag oder sonstige Verzicht giltig ist.

§. XXI.

[3, 2, § 21] 201. Künftig zu entrichten habende Nahrungsmitteln und Unterhaltsgelder, sie mögen aus letztwilliger Anordnung, oder aus einem Contract, Vertrag, oder

(3-50) aus bloßer Zusage gebühren, können ohne vorläufiger gerichtlicher Erkanntnuß und Erwägung der Umständen durch Vergleiche nicht geschmäleret oder verminderet, noch weniger erlassen, wohl aber ohne aller richterlicher Zuthat entweder in dem Betrag, oder in der Weis und Zeit der Abfuhr verbesseret und vermehret werden.

[3, 2, § 21] 202. Dahingegen ist Jedermänniglich, der sonst Verbindungen einzugehen fähig ist, unverwehret, über die schon vertagte oder verfallene Nahrungs- und Unterhaltsgelder nach Gefallen Vergleiche zu treffen; desgleichen stehet einer Wittib frei, wann sie sonst wegen minderjährigen Alters sich durch Verträge zu verbinden nicht verhinderet wird, über ihr Leibgeding oder wittiblichen Unterhalt auch mit dessen Verringerung oder gänzlicher Erlassung Vergleiche zu errichten.

§. XXII.

[3, 2, § 22] 203. Ueber Verbrechen können zwar auch Vergleiche getroffen werden, so viel es die Privatgenugthuung des Beleidigten wegen des ihme zugefügten Schadens oder Schimpfs anbelanget, und hat ein solcher Vergleich die Wirkung, daß von Demjenigen, welcher sich also verglichen, des Verbrechens halber nicht mehr geklaget werden könne.

[3, 2, § 22] 204. Die öffentliche Genugthuung aber wird andurch nicht aufgehoben, sondern der Obrigkeit, oder dem betreffenden Gericht lieget noch allemal ob, ohnerachtet des Vergleiches mit dem beleidigten Theil wider den beinzichtigten Missethäter nach Ordnung der peinlichen Rechten zu verfahren, und nach Befund die verwirkte Strafe zu verhängen; es wäre dann, daß der Vergleich nach Erwägung aller Umständen von Uns ohne allem weiteren Vorbehalt gutgeheißen und bestätiget würde, in welchem alleinigen Fall das Verbrechen andurch für gänzlich abgethan, und für vollkommen erloschen zu achten ist.

[3, 2, § 22] 205. Ansonst wirket ein dergleichen Vergleich eine die That wahrscheinlich machende Anzeige, woraus zur besonderen Untersuchung wider den Missethäter fürgeschritten werden kann, und der beleidigte oder beschädigte Theil, welcher sich verglichen, ist dessen ohnangesehen schuldig, auf jedesmaliges Erforderen der Obrigkeit das Corpus delicti oder die Gewißheit der Missethat nach Vorschrift der peinlichen Gerichtsordnung zu bewähren.

[3, 2, § 22] 206. Doch solle Demjenigen, welcher sich wegen einer ihme angeschuldeten Missethat mit dem Kläger vergleichet, hieraus an seinen Ehren und guten Leumund kein Nachtheil oder Mackel erwachsen, insolange er nicht durch Urtheil und Recht eines begangenen, die Ehrlosigkeit nach sich ziehenden Verbrechens überführet, und für schuldig erkennet worden.

§. XXIII.

[3, 2, § 23] 207. Ordentlich geschlossene zu Recht bestehende Vergleiche haben nicht nur dieses mit allen Verträgen gemein, daß die sich vergleichende Theile Dasjenige, zu was sich dieselbe darinnen gegeneinander verbunden, zu leisten und zu erfüllen schuldig sind, und sie durch rechtliche Zwangsmittel darzu angehalten werden können, sondern sie sind noch besonders über das gleicher Wirkung mit einem rechtskräftigen Urtheil.

[3, 2, § 23] 208. Dann ein Rechtsstritt wird durch Vergleich nicht weniger, als durch Urtheil und Recht entschieden, und ist dahero Jener, welcher wegen einer bereits verglichenen Sache anwiederum belanget wird, sich auf das Eingeklagte nicht mehr einzulassen schuldig, sondern die Einrede des schon durch Vergleich geendigten Rechtsstritts eben sowohl vorzuwenden befugt, als ob solcher durch richterliches Urtheil ausgemachet worden wäre.

[3, 2, § 23] 209. Es muß demnach auf Vorzeigung eines Vergleiches schleunige Rechtshilfe ertheilet werden, und kann Niemand von dem einmal getroffenen Vergleich abweichen, weder solchen aus dem Vorwand widerrufen, daß die vermeinte Ursach der

(3-51) Verbindlichkeit nicht vorhanden gewesen, oder daß der sich dabei vorgesetzte und abgezielte Endzweck mißlungen und verfehlet worden, oder daß neue vorhin nicht bei Handen gehabte Urkunden und Behelfe sich vorgefunden, außer sie wären so beschaffen, daß hieraus ein neuer, bevor nicht vorgesehener Anspruch und Rechtsforderung entstünde.

[3, 2, § 23] 210. Noch weniger aber kann das aus dem Vergleich Gegebene oder Verheißene als etwas Ungebührliches zurückgeforderet werden, obgleich der andere Theil seinerseits den Vergleich noch nicht erfüllet hätte; es wäre dann in Vergleich ausdrücklich vorgesehen, daß solchenfalls, wann ein Theil demselben nicht nachleben würde, der andere Theil daran ferner nicht gebunden, sondern ihme freistehen solle, sofort seine vorige Rechtsansprüche zu verführen, als ob niemalen ein Vergleich getroffen worden wäre.

[3, 2, § 23] 211. Wann aber die aus dem Vergleich gebührende Schuldigkeit zur gesetzten Zeit nicht geleistet wurde, ist der andere Theil befugt, Dasjenige anzusuchen, um was er wegen Verzögerung und Saumsal des Gegentheils verkürzet und beschädiget worden, und ist den Parten dabei unverwehret auf den Nichteinhaltungsfall entweder solches sogleich zu bestimmen, oder anstatt dessen eine mäßige den weiter unten in dem neunten Capitel ausgemessenen Betrag nicht überschreitende Geldbuße beizusetzen.

[3, 2, § 23] 212. Wie dann auch denenselben freistehet, untereinander auszudingen, daß der nicht Einhaltende oder dem Vergleich zuwider Handelnde alles Dasjenige, was ihme darinnen erlassen worden, für voll zu bezahlen schuldig, dahingegen nicht befugt sein solle von dem Gegentheil, welcher seinerseits in Beobachtung des Vergleiches keinen Verzug begangen, ein Mehreres zu forderen, als er vermöge des Vergleiches zu geben versprochen.

[3, 2, § 23] 213. Doch solle nicht erlaubet sein, den Vergleich also zu fassen, daß jenes, was auf die verglichene Schuldigkeit bezahlet worden, bei einem in der weiteren Abfuhr sich ereignenden Verzug verfallen sein solle, sondern wo sich ein solcher Beisatz finden würde, ist hierauf gar keine Rücksicht zu tragen, und dem anderen Theil gebühret über den verglichenen Betrag nichts Mehreres, als was ihme durch Saumsal des Gegentheils geschadet worden zu sein erweislich ist. Würde aber ein dergleichen Zusatz bei verglichenen Geldsummen beigerucket werden, so ist der Vergleich für eine wucherliche Handlung anzusehen, und wider Denjenigen, der sich solchen ausbedungen, mit den darauf ausgesetzten Strafen zu verfahren.

[3, 2, § 23] 214. Wann ein Vergleich über die Hauptsache zu Stand gekommen, kann wegen der bis dahin schuldigen Nebengebührnussen, als Zinsen, Schäden und Unkosten etc. keine weitere Forderung erreget werden, sondern solche werden für erlassen und nachgesehen geachtet, woferne derowegen in dem Vergleich kein Vorbehalt bedungen worden.

[3, 2, § 23] 215. Die Pfand- und Bürgschaften hingegen werden durch den über die Hauptsumme, wofür sie eingeleget worden, getroffenen Vergleich nicht aufgehoben, wann sie nicht ausdrücklich erlassen worden; jedoch ist es dem Bürgen ganz unnachtheilig, wann der Schuldner gegen seinem Glaubiger sich in dem Vergleich zu etwas Mehreren, was die Bürgschaft nicht enthält, verbindet, sondern der Bürg ist nur für jenes, für was er gutgestanden, zu haften schuldig.

§. XXIV.

[3, 2, § 24] 216. Nur in folgenden Fällen kann ein getroffener Vergleich anwiederum aufgehoben werden, als da erstens, mit beiderseitiger Einwilligung davon abgegangen und was Anderes beliebet wird, in welchem Fall Alles, was ein Theil von dem Anderen des Vergleiches halber erhalten, hinwiederum zuruckzustellen ist, woferne nichts Anderes bedungen worden.

[3, 2, § 24] 217. Zweitens wird ein Vergleich durch alles Dasjenige entkräftet, was die freie Einwilligung verhinderet und ausschließet, als da Jemand durch Betrug,

(3-52) Arglist und Gefährde, rechtmäßige Forcht, oder unbefugten Zwang zu einem Vergleich verleitet worden, in dessen Willkür es beruhet, entweder von dem Vergleich abzugehen, oder dabei zu beharren.

[3, 2, § 24] 218. Drittens hat es eine gleiche Beschaffenheit, da Jemanden durch offenbaren Muthwillen aus eitler Forcht eines erregenden Rechtsstritts der Vergleich abgenöthiget worden zu sein erweislich wäre, als da ein Schuldner zu Verkürzung seiner treuherzigen Glaubigeren muthwilliger und betrügerischer Weis den größten Theil seines Vermögens vertuschete, und andurch von ihnen einen Nachlaß der Schuld durch Vergleich erhielte, ist solcher nach erwiesenen Betrug null und nichtig.

[3, 2, § 24] 219. Viertens zerfallet der Vergleich, wann diejenige Urkunden, worüber er geschlossen worden, nachhero falsch zu sein befunden werden, nach Maß der entdeckten Falschheit, oder wann ein erweislicher Rechnungsverstoß unterwaltet, woferne nicht über diesen Rechnungsverstoß selbst wegen Dunkelheit und Verwirrung der Raitungen als über eine zweifelhafte Sache der Vergleich eingegangen worden.

[3, 2, § 24] 220. Außer diesen Fällen solle ein ordentlich errichteter Vergleich weder wegen vorschützenden Irrthums, noch wegen vorgeblicher übermäßiger Verkürzung widerrufen werden können, sondern Derjenige, welcher durch den getroffenen Vergleich eine Verkürzung erleidet, hat sich selbst beizumessen, daß er sich also verglichen habe.

Caput III.

Von benannten Contracten insgemein.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft der benannten Contracten. §. II. Von Unterschied der ein- und zweibündigen Contracten. §. III. Von Eintheilung der Contracten in wahre, und die denen Contracten gleichkommende Handlungen. §. IV. Von der Eintheilung in Real- und Consensualcontracten. §. V. Von Gattungen der Realcontracten. §. VI. Von Gattungen der Consensualcontracten. §. VII. Von Gattungen der denen Contracten gleichkommenden Handlungen. §. VIII. Von dem Unterschied zwischen dem Wesentlichen, Natürlichen und Zufälligen bei einem Contract. §. IX. Von dem Unterschied zwischen einem angefangenen, errichteten und vollbrachten Contract.

§. I.

[3, 3, § 1] Num. 1. Die zweite Gattung verbindlicher Handlungen sind die benannte Contracten, worunter jene Verträge verstanden werden, welche über die Kraft der beiderseitigen Vereinigung von den Gesetzen eine besondere vorgeschriebene Form und Gestalt, und einen eigenen Namen haben.

(3-53) [3, 3, § 1] 2. Andurch werden dieselbe sowohl von unbenannten Verträgen oder Contracten, welche wegen unendlicher Verschiedenheit bürgerlicher Handlungen in ihrer gemeinen und unbeschränkten Gestalt ohne eigentlicher Benennung gelassen werden müssen, als auch untereinander unterschieden.

[3, 3, § 1] 3. Ein benannter Contract ist solchemnach eine mit beiderseitiger Vereinigung geschlossene verbindliche Handlung, welche ihre eigene durch die Gesetze besonders bestimmte Gestalt und Benamsung hat, gleichwie in Gegentheil die unbenannte Verträge und Contracten ihre Form und Gestalt nicht von dem Gesatz, sondern von der alleinigen Willkür der Contrahenten erlangen, wie solches bereits in zweiten Capitel, §§. VII und VIII erkläret worden.

[3, 3, § 1] 4. Es bestehet dahero das Wesentliche eines jeden benannten Contracts in dieser sonderheitlichen Form und Gestalt also unzertrennlich, daß ohne deren Beobachtung der vorhabende Contract nicht erzielet werden mag, sondern die Handlung die Form jenen Geschäfts annimmt, mit deme ihr Wesentliches übereinstimmet, wie aus der folgenden Abhandlung mit Mehreren erhellen wird.

§. II.

[3, 3, § 2] 5. Die benannte Contracten werden ebensowohl, als von denen unbenannten in zweiten Capitel, §. VI, gemeldet worden, in einbündige und zweibündige eingetheilet. Jene werden also benamset, weilen nur ein Theil dem anderen daraus verbunden wird, diese hingegen, weilen beide Theile entweder schon Anfangs der Handlung wegen der Hauptsache in gleicher Maß, oder aber der eine Theil in Anfang hauptsächlich, und der andere nachhero mit der aus natürlicher Billigkeit entspringenden Ruckverbindlichkeit gegeneinander verpflichtet werden.

[3, 3, § 2] 6. Die Einbündige wirken nur allein eine Rechtsforderung wider den verbundenen Theil, dahingegen gebühret aus zweibündigen, welche beide Theile gleich Anfangs gegeneinander hauptsächlich verbinden, jedem Theil wider den anderen eine gleichmäßige Rechtsforderung. Aus jenen Zweibündigen aber, die erst in der Folge den anderen Theil von Billigkeitswegen ruckverbindlich machen, entstehet nur die Hauptforderung wider den hauptsächlich Verbundenen, und die Ruck- und Gegenforderung wider Jenen, der ruckverbindlich worden.

(3-54) [3, 3, § 2] 7. Einbündige Contracten sind das Leihen oder Borgen, der Zinscontract, die Bürgschaft, wie nicht weniger folgende denenselben gleichkommende Handlungen, als Zahlung aus Irrthum, Antretung der Erbschaft, Aufladung auf ein Schiff oder Wagen, oder Abladung in einen Gasthof, aus welchen nur allein der Schuldner oder Zinsmann, der Bürg, der Annehmer der ungebührlichen Zahlung, der Erb und der Schiffer, Fuhrmann oder Gastwirth verbunden wird, und dahero auch nur eine Rechtsforderung wider dieselbe allein gebühret.

[3, 3, § 2] 8. Alle übrige Contracten sind zwar zweibündig, doch nach dem obbemerkten Unterschied, daß aus einigen beide Theile gleich Anfangs in der Hauptsache verbunden werden, folglich auch zweierlei Hauptforderungen gegeneinander daraus entstehen, als in Kauf und Verkauf, Tausch-, Miethungs-, Erbzins-, Gesellschafts- und Gewährungs- oder Versicherungscontract, sowie in nachstehenden den Contracten gleichkommenden Handlungen, als in Gemeinschaft eines Guts, Gemeinschaft der Erbschaft, Grenzscheidung und Befestigung des Kriegs.

[3, 3, § 2] 9. Aus anderen aber nur einer hauptsächlich, und der andere Theil in der Folge ruckverbindlich werde, und dahero einerseits nur die Hauptforderung, und andererseits die Ruck- oder Gegenforderung gebühre, als in Leihen zum Gebrauch, Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts, Pfand-, Schätzungs- und Befehlscontract, dann in denen zweien ihnen gleichkommenden Handlungen, als in Verwaltung fremder Geschäften, und Verwaltung der Vormundschaft.

[3, 3, § 2] 10. Die Hauptforderung aus der letzteren Gattung der zweibündigen Contracten kommet allemal Jenem zu, welcher aus dem Contract hauptsächlich nicht verbunden wird, sondern deme der Andere verstricket ist, zu Erlangung dessen, was ihme aus der wesentlichen Schuldigkeit des Contracts gebühret, dahingegen hat Derjenige die Ruck- oder Gegenforderung, welcher aus dem Contract hauptsächlich verbunden ist, zu Habhaftwerdung dessen, was ihme außer dem Wesentlichen des Contracts zu seiner Entschädigung nach natürlicher Billigkeit erstattet werden muß.

§. III.

[3, 3, § 3] 11. Ein Contract in dem weitesten Verstand begreifet sowohl die Handlungen, welche mit ausdrücklicher Verabredung und wahrer Einwilligung beider Theilen getroffen werden, und dahero wahre und eigentliche Contracten sind, als auch jene, die ohne vorhergehender Abrede oder Vereinigung aus einer That entstehen, welcher die Gesetze auch außer einem ausdrücklichen Vertrag aus einer vermutheten oder darfürgehaltenen Einwilligung die Kraft der Verbindlichkeit zueignen, und diese werden denen Contracten gleichkommende Handlungen genannt, wovon in dem hienachfolgenden neunzehenten Capitel gehandlet wird.

[3, 3, § 3] 12. Die wahre Contracten bestehen entweder für sich allein ohne Beitritt eines anderen, als Leihen, Kaufen, Miethen und dergleichen, oder sie erforderen zu ihrer Wesenheit eine vorhergehende Verbindlichkeit aus einem Vertrag oder Contract, deme dieselbe als eine Folge beitreten, als Verpfänden und Verbürgen, vor deren so einem, als anderen die Schuldigkeit, derhalben ein Unterpfand gegeben, oder eine Bürgschaft geleistet wird, nothwendig vorherzugehen hat.

[3, 3, § 3] 13. Unter wahren Contracten sind ferners einige, die aus ihrer Natur und Eigenschaft die Uebertragung des Eigenthums ganz oder zum Theil wirken, wann die Uebergab der Sache hieraus erfolget, als das Darleihen, Verkaufen, Vertauschen, der Schätzungs-, Erbzins- und Gesellschaftscontract.

[3, 3, § 3] 14. Alle übrige benannte Contracten sind zwar ihrer Natur nach auf Uebertragung des Eigenthums nicht gerichtet, es kann ihnen aber ein Beding beigefüget werden, kraft dessen das Eigenthum übertragen wird, als da Jemanden aus einem solchen Contract ein fremdes Gut in dem beigeruckten Anschlag oder Schätzungswerth mit dem ausdrücklichen Beding übergeben würde, daß entweder die Sache

(3-55) zuruckgestellet, oder der bedungene Werth darfür bezahlet werden solle, oder da auch die Uebergab gegen der Verbindlichkeit geschehe, daß nicht dieselbe Sache, welche übergeben worden, sondern eine andere von der nemlichen Gattung zuruckerfolget werde.

[3, 3, § 3] 15. Außer dem Beisatz eines solchen Bedings wird durch derlei Contracten entweder nur der Besitz als in Verpfändung einer Sache, oder der Gebrauch als in Vermiethen und Leihen zum Gebrauch überlassen, oder die Besorgnuß und Verwahrung der Sache, oder die Verwaltung der Geschäften aufgetragen, als bei Hinterlegung eines Guts und in Befehlscontract, oder endlich nur eine Sicherheit bestellet, als in Bürgschaften, und dem Gewährungs- oder Versicherungscontract. In allen diesen Handlungen bleibet der übergebende Theil auch nach vollzohener Uebergabe noch allezeit Eigenthümer der Sache, und behält alle aus dem Eigenthum herrührende Rechte, insoweit er sich deren in dem Contract nicht begeben hat, außer denen letzteren zweien Contracten, wobei es auf keine Uebergabe, sondern nur auf die Zahlung des schuldigen Betrags ankommet.

§. IV.

[3, 3, § 4] 16. Die benannte Contracten unterscheiden sich ferner in deme, daß einige durch bloße Einwilligung beider Theilen, andere hingegen nicht anderst, als durch Uebergebung der Sache, warum es sich handlet, ihre vollständige Wesenheit erlangen, welche letztere sächliche oder Realcontracten, erstere aber Verwilligungs- oder Consensualcontracten genannt werden.

[3, 3, § 4] 17. Dann obschon alle Verträge oder Contracten ohne Ausnahm die Kraft der Verbindlichkeit aus der Einwilligung der Contrahenten erhalten, so sind doch einige, welche weder die abgezielte Verbindlichkeit wirken, noch in der von den Contrahenten vorhabenden Form und Gestalt geschlossen werden können, wann nicht zugleich die wirkliche Uebergab der Sache, welche die Handlung betrifft, erfolget; also kann ein Darlehenscontract niemalen zu seiner Vollständigkeit gelangen, insolange nicht das Darlehen wirklich gereichet oder zugezählet wird, und wiewohlen beide Theile wegen eines Darlehens durch ihre Einwilligung übereinkommen, so wird zwar der eine zu dessen Reichung, nicht aber auch der Andere zu dessen Ruckzahlung als zu der dem Darlehenscontract eigends zukommenden Schuldigkeit verbunden, bis daß nicht das Darlehen wirklich gereichet worden.

[3, 3, § 4] 18. Gleichwie in Gegentheil jene Contracten, welche in alleiniger Einwilligung der Contrahenten bestehen, zwar zu ihrem Vollzug und Erfüllung die Uebergab der Sache erforderen, dahingegen aber schon ehe und bevor noch die Sache übergeben worden, ihre vollständige Wesenheit erhalten, und die ihnen eigene Verbindlichkeit bewirken, also wird aus Kaufcontracten sowohl der Kaufer als Verkaufer verbunden, ehe noch das verkaufte Gut übergeben, oder der bedungene Werth bezahlet worden.

[3, 3, § 4] 19. Es ist demnach bei Realcontracten die Uebergab der Sache nebst der Einwilligung der Contrahenten die wirkende Ursach der contractmäßigen Verbindlichkeit, oder wenigstens eine wesentliche Bedingnuß, ohne welcher diese nicht bestehen kann, dahingegen ist bei Consensualcontracten die Uebergab der Sache eine Folge der schon vorhero aus dem Contract erwachsenen Schuldigkeit.

[3, 3, § 4] 20. Dahero wird in Realcontracten die Sache übergeben, damit der nehmende Theil verbunden werde, aus Consensualcontracten aber geschiehet die Uebergabe, daß der gebende Theil von der schon eingegangenen Verbindlichkeit befreiet und enthoben werde; also hat der Verkaufer das verkaufte Gut erfolgen zu lassen, damit er sich von der contractmäßigen Verbindlichkeit entledige, der Glaubiger hingegen strecket dem Schuldner das Darlehen vor, damit er sich diesen verbindlich mache.

(3-56) §. V.

[3, 3, § 5] 21. Die Realcontracten, welche vorbesagter Maßen zu ihrer Wesenheit entweder eine wahre, oder auch nur dafür geachtete Uebergab der Sache erheischen, sind viererlei, als erstens, das Leihen oder Borgen; zweitens, das Leihen zum Gebrauch; drittens, die Hinterlegung eines Guts zu getreuen Handen; viertens, das Verpfänden.

[3, 3, § 5] 22. Alle diese vier Contracten haben zwar die Sache, warum es sich handlet, zum Gegenstand, doch in verschiedener Absicht; dann in dem ersten wird der nehmende Theil zum Eigenthümer der dargeliehenen Sache gemachet, und ebenso vieles von der nemlichen Gattung, Betrag und Eigenschaft zuruckzustellen verbunden, in dem zweiten aber nur der Gebrauch des gelehnten Dings überlassen, in dritten die Verwahrung des hinterlegten Guts aufgetragen, und endlich in dem vierten die Sicherheit an der verpfändeten Sache bestellet.

§. VI.

[3, 3, § 6] 23. Deren Consensualcontracten sind zehnerlei Gattungen, als erstens, die Bürgschaft; zweitens, der Kauf und Verkauf; drittens, der Tausch; viertens, der Schätzungscontract; fünftens, das Miethen und Vermiethen; sechstens, der Erbzinscontract; siebentens, die Gesellschaft; achtens, der Befehlscontract; neuntens, der Gewährungs- und Versicherungscontract; zehentens, der Wechsel, wovon aber in einer besonderen Wechselordnung gehandlet wird.

[3, 3, § 6] 24. Obwohlen aber einige dieser Contracten mündlich, andere schriftlich geschlossen zu werden pflegen, so entstehet doch hieraus kein wesentlicher Unterschied, und haben weder die Worte, noch die Schrift die Kraft einiger Verbindlichkeit, sondern gleichwie die ganze Wesenheit dieser Contracten aus der Einwilligung der Contrahenten herfließet, also unterscheiden sich dieselbe lediglich nach der verschiedenen Form und Gestalt der Handlungen, welche ihnen das Gesatz beileget, und wird sich dabei sowohl der Worten, als der Schrift in keiner anderen Absicht bedienet, als daß dadurch entweder die Einwilligung ausgedrucket, oder auch der Beweis der Handlung hergestellet werde.

§. VII.

[3, 3, § 7] 25. Deren den Contracten gleichkommenden Handlungen sind neun Gattungen, als erstens, die Verwaltung fremder Geschäften; zweitens, die Verwaltung der Vormundschaft; drittens, die Zahlung aus Irrthum; viertens, die Gemeinschaft eines Guts; fünftens, die Gemeinschaft der Erbschaft; sechstens, die Grenzscheidung; siebentens, die Antretung der Erbschaft; achtens, die Aufladung auf ein Schiff oder Wagen, oder Abladung in einen Gasthof; neuntens, die Befestigung des Kriegs.

[3, 3, § 7] 26. Gleichwie jedoch diese Handlungen sich von wahren Contracten in deme unterscheiden, daß sie nicht wie jene, aus wahrer, sondern nur aus einer von dem Gesatz vermutheten, oder dafürgehaltenen Einwilligung entstehen, und ihre Form und Gestalt aus der Aehnlichkeit, die sie mit einem oder dem anderen wahren Contract haben, herleiten, also wird auch die Beschreibung der wahren Contracten vorhergehen, und sodann erst, wie bereits oben num. 11 erwähnet worden, die Erklärung dieser ihme gleichkommenden Handlungen folgen.

§. VIII.

[3, 3, § 8] 27. Bei jedwedem Contract ist das Wesentliche, Natürliche und Zufällige wohl zu unterscheiden. Durch das Wesentliche wird jenes verstanden, welches zur Wesenheit eines jeden Contracts dergestalten erforderet wird, daß solcher in dessen Ermanglung nicht bestehen, noch auch dieses durch beigefügte Nebenverträge mit

(3-57) Bestand des Contracts davon abgesönderet oder abgeänderet werden kann, sondern wo durch einen sonst an sich zulässigen Nebenvertrag, deme etwas zuwider entweder mit Beisätzen oder Abfällen bedungen wird, verlieret die Handlung die Gestalt des Contracts, und nimmt die Form desjenigen Geschäfts an, mit deme das beigeruckte Beding übereinkommet.

[3, 3, § 8] 28. Das Wesentliche ist von zweierlei Art; dann entweder bestimmet es die Wesenheit des Contracts selbst, oder es ist als dessen wesentliche und nothwendige Folge und Wirkung anzusehen. Beides ist entweder allen Contracten von einerlei Gattung gemein, oder kommet einem jeden Contract nach seiner Art insonderheit zu. Also bestehet die Wesenheit aller Consensualcontracten überhaupt in beiderseitiger Einwilligung der Contrahenten, der Realcontracten aber noch über dieses in der wirklichen Uebergab der Sache. Eben also ist eine wesentliche Folge aller Contracten die Haftung für Betrug, Arglist, und Gefährde, welche vorhinein durch keinen Nebenvertrag erlassen werden kann.

[3, 3, § 8] 29. Die sonderheitliche Wesenheit jedweden Contracts wird seines Orts bei Abhandlung einer jeden Gattung besonders mit Mehreren erkläret werden. Also erheischet z. B. die Wesenheit des Darlehencontracts, daß eine genußbare, in Gewicht, Zahl und Maß bestehende Sache dargeliehen werde, und dessen wesentliche Folge ist die Uebertragung des Eigenthums. Bei Kauf und Verkauf bestehet die sonderheitliche Wesenheit in der Waare und dem Werth, und dessen wesentliche Wirkung in Erfolgung der einen, und Zuzählung des anderen.

[3, 3, § 8] 30. Das Natürliche bei Contracten ist, was nach Eigenschaft eines jeden Contracts schon aus Anordnung des Gesatzes darinnen enthalten ist, obgleich solches von den Contrahenten nicht ausgedrucket wird, doch aber mit beiderseitiger Einverständnuß ohnbeschadet der Wesenheit des Contracts durch beigedruckte Nebenverträge davon hinweggelassen, oder abgeänderet werden kann, wie solches bei jedem Contract insonderheit bemerket werden wird.

[3, 3, § 8] 31. Also ist die mehr oder mindere Verfänglichkeit für die Schuld eine natürliche Eigenschaft aller Contracten nach eines jeden besonderer Art und Beschaffenheit, gleichwie bei Kauf und Verkauf die Leistung der Gewähr, und doch kann durch Nebenverträge die sonst aus der Natur des Contracts herrührende Haftung für die Schuld auf einen minderen Grad herabgesetzet, oder auf einen größeren erhöhet, oder auch so, wie die Leistung der Gewähr gar nachgesehen, und erlassen werden; dann denen Contracten geben die Verträge Ziel und Maß, wann nur deren Wesentliches dadurch nicht beirret wird.

[3, 3, § 8] 32. Das Zufällige bei Contracten ist jenes, was über die wesentliche, oder auch wider die natürliche Eigenschaft des Contracts durch besondere Nebenverträge aus Willkür der Contrahenten demselben beigesetzet, niemalen aber, wann es nicht ausgedrucket worden, darunter verstanden oder vermuthet wird; dergleichen sind bei Kauf und Verkauf das Haftgeld, der Reukauf, der Ruckfall, der Wiederkauf, bei Miethen und Vermiethen die vorhinein bedungene Zahlung des Zinses oder Pachtgelds.

§. IX.

[3, 3, § 9] 33. Ein jeder Contract hat dreierlei Zeitpunkten, als da die Handlung angefangen, geschlossen und vollbracht wird. Für angefangen ist eine Handlung insolange zu halten, als die vorläufige Verabredung gepflogen, und kein endlicher Schluß gefasset wird; bis dahin auf keiner Seite einige Verbindlichkeit, noch weniger eine Rechtsforderung erwachset, sondern jedem Theil stehet frei die angestoßene Handlung abzubrechen, als da um Erkaufung einer Sache gehandlet wird, ohne noch in dem Werth derselben übereinzukommen.

[3, 3, § 9] 34. Sobald aber beide Theile einig sind, und ihre beiderseitige Einwilligung gegeneinander erklären, ist ein Consensualcontract sofort errichtet und geschlossen,

(3-58) wovon keinem Theil mehr abzuweichen erlaubet ist, sondern es entstehen hieraus allsogleich die contractmäßige Verbindlichkeit, und die daher gebührende Rechtsforderung, als da der Verkaufer schlüssig worden, die Waare in den behandleten Werth hintanzulassen.

[3, 3, § 9] 35. Dahingegen erforderet ein Realcontract zu seiner Vollständigkeit noch über die beiderseitige Einwilligung die wirkliche Uebergab der Sache, warum es sich gehandlet hat; also ist hieran nicht genug, daß die Contrahenten über die Vorstreckung eines Darlehens oder Hinterlegung eines Guts sich einverstehen, sondern ein Darlehens- oder Hinterlegungscontract wird erst damals geschlossen, wann das Darlehen zugezählet, oder das Gut wirklich hinterleget worden, vor dessen Zuzählung oder Hinterlegung weder die contractmäßige Verbindlichkeit, noch die damit übereinstimmende Rechtsforderung bewirket werden kann.

[3, 3, § 9] 36. Endlich wird ein errichteter und geschlossener Contract vollbracht, wann von einem Theil dem anderen Dasjenige geleistet wird, zu was er vermöge des Contracts verbunden ist, als da der Verkaufer die Waare erfolget, und der Kaufer den Werth dafür erleget, der Schuldner die Schuld bezahlet, und Derjenige, in dessen Verwahrung das Gut hinterleget worden, solches zuruckstellet.

Caput IV.

Von sächlichen oder Realcontracten, und insonderheit von Leihen und Borgen.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des Darlehencontracts. §. II. Von Fähigkeit der Personen, welche ein Darlehen geben oder nehmen mögen. §. III. Von Sachen, die zum Darlehen gegeben werden können. §. IV. Von Verbindlichkeit des Schuldners. §. V. Von der Rechtsforderung des Darleihers oder Glaubigers. §. VI. Von Schuldbriefen, Schuldscheinen und Schuldverschreibungen. §. VII. Von landtäflichen und stadtbücherlichen Schuldverschreibungen, und deren Erfordernussen. §. VIII. Von der Klage oder Einwendung der nichtgeschehenen Zuzählung.

§. I.

[3, 4, § 1] Num. 1. Unter sächlichen oder Realcontracten ist der erste das Leihen oder Borgen, welches in seiner weitesten Bedeutung zweierlei an sich unterschiedene Handlungen und Contracten begreifet, als erstens, da Einer dem Anderen bewegliche Sachen, die im Handel und Wandel nicht nach ihrer Gestalt, sondern an ihrem Betrag, nach Gewicht, Zahl oder Maß geschätzet werden, gegen deme leihet, um ihme hernach so viel in gleicher Güte und Werth wiederzugeben.

(3-59) [3, 4, § 1] 2. Andertens, wann Einer dem Anderen ein bewegliches Gut ohnentgeltlich zu einem zeitlichen Gebrauch gegen der Verbindlichkeit leihet, damit solches darnach ihme anwiederum unverletzt und unverringeret zuruckgestellet werde, und in diesem letzteren Verstand können alle Sachen, sie mögen die Schätzung nach ihrer Gestalt, oder nach ihrem Betrag annehmen, ausgeliehen werden, wann nur das Beding dahin eingegangen wird, daß die nämliche Sache, welche erborget worden, in ihrer Gestalt wiedergegeben werde.

[3, 4, § 1] 3. In dem ersteren Verstand hingegen kann man nur jene Sachen ausleihen, deren Schätzung in Gewicht, Zahl oder Maß bestehet, und welche also beschaffen sind, daß selbe ordentlicher Weise nicht anderst gebrauchet werden können, als daß sie durch ihren Gebrauch verthan oder verzehret werden, und obschon nicht mehr das entlehnte Stuck, doch aber ebensoviel von der nemlichen Gattung, so der erborgten Sache, an Gewicht, Zahl oder Maß ganz gleich ist, wiedergegeben werden könne.

[3, 4, § 1] 4. Es wird dahero das Leihen von ersterer Art eigentlich ein Darlehen, das von letzterer Art aber Leihen zum Gebrauch benamset, und von dem ersteren in gegenwärtigen, von dem letzteren aber in hienachfolgenden Capitel gehandlet. Ein Darlehenscontract ist demnach eine verbindliche Handlung, wodurch ein Betrag von gewissen Dingen Jemanden geliehen wird, daß dagegen von ihme ebensoviel in gleicher Gattung von der nemlichen Güte und Werth zuruckgegeben werde.

[3, 4, § 1] 5. Gleichwie nun die Wesenheit eines Darlehens darinnen bestehet, daß solches in der Absicht geschehe, damit das vorleihende Gut von dem nehmenden Theil verbrauchet, und ein anderes doch von der nemlichen Gattung zuruckgestellet werde, Niemand aber eine fremde Sache, wann er nicht Eigenthümer derselben wird, zu verthuen und zu verzehren befugt ist, also enthält auch der Darlehenscontract eine wahre Veräußerung der vorleihenden Sache, deren Eigenthum andurch auf den Entlehner übertragen wird.

[3, 4, § 1] 6. Hieraus erhellet der Unterschied von anderen sächlichen Contracten, in welchen allen die nemliche Sache, die entweder zum Gebrauch, oder zur Verwahrung, oder zur Sicherheit Jemanden gegeben worden, anwiederum dem Gebenden in ihrer unverletzten und unverringerten Gestalt zuruckgestellet werden muß, folglich auch andurch deren Eigenthum nicht veräußeret, noch von dem nehmenden Theil erworben wird.

[3, 4, § 1] 7. Nicht weniger unterscheidet sich der Darlehenscontract von dem Tauschcontract; dann obwohlen auch in diesem letzteren eine Sache für die andere gegeben wird, so ist doch nicht nöthig, daß beide von gleicher Gattung und von nemlichen Werth und Güte seie, sondern es werden meistens Sachen von verschiedener Gattung gegeneinander vertauschet. Nebstdeme erreichet der Tauschcontract durch die bloße Verwilligung der Contrahenten seine Vollständigkeit, sobald dieselbe wegen des Tausches übereinkommen, der Darlehenscontract hingegen nicht anderst, als durch die wirkliche Uebergab der verleihenden Sache.

[3, 4, § 1] 8. Wiewohlen aber ein Darlehen nicht anderst, als durch Veräußerung des vorleihenden Guts geschehen kann, so ist doch deshalben weder das Hab und Vermögen des Darleihers für verminderet, noch dasjenige des Entlehners für


(3-60) vermehret zu achten, sondern gleichwie jener anstatt der vorgeliehenen Sache die persönliche Rechtsforderung wider den Schuldner daraus erwirbt, also hat hingegen dieser nicht mehr in seinem Vermögen, als was nach Abzug der Schulden hievon erübriget wird, weilen der Glaubiger das Darlehen mit dem Beding giebt, daß er so viel zuruckbekomme, der Schuldner aber mit der Verbindlichkeit nimmt, daß er ebensoviel wiedergebe.

[3, 4, § 1] 9. Es wird dahero ein erborgtes Geld oder Gut mit Recht ein fremdes Geld oder Gut benamset, nicht zwar in dem Verstand, als ob dessen Eigenthum von dem Entlehner nicht erworben, und er etwan solches zu verthuen und zu verzehren verhinderet würde, sondern weilen derselbe ebensoviel von seiner Habschaft wiederzugeben schuldig ist.

[3, 4, § 1] 10. Obgleich aber eben dasselbe vorgeliehene Geld oder Gut in seiner unveränderten Gestalt, in welcher es der Schuldner empfangen, dem Glaubiger wiedergegeben wird, so entgehet doch andurch der Wesenheit des Darlehencontracts nichts, sondern es ist an deme genug, daß es in der Absicht vorgeliehen worden, um es zu verbrauchen und zu verwenden, obschon der Schuldner zufälliger Weise sich dieser Befugnuß nicht bedienet hat; dann bei Contracten ist allemal auf den Anfang, und nicht auf den Ausgang zu sehen, welcher wegen unvorgesehener Zufällen nicht allemal mit der Absicht der Contrahenten übereinstimmen kann.

[3, 4, § 1] 11. Damit also ein Darlehenscontract für geschlossen geachtet werden könne, sind zwei Dinge erforderlich, erstens, die beiderseitige freie Einwilligung in die Darreichung und Annehmung des Darlehens, dann wo ein Irrthum dabei unterliefe, und der eine Theil etwas aus anderer Ursache geben, und der andere solches aus anderer Ursache nehmen würde, da bestehet auch kein Contract.

[3, 4, § 1] 12. Also wann der eine Theil dem anderen eine Summe Gelds in der Absicht solche bei ihme zu hinterlegen giebt, der andere aber diese als ein Darlehen annimmt, ist eine solche Handlung weder ein Hinterlegungs- noch Darlehenscontract, sondern dem gebenden Theil stehet frei, das Gegebene zuruckzuforderen. Wann hingegen von dem einen Theil etwas schankungsweise, und in der Ansicht solches nicht mehr wiederforderen zu wollen gegeben worden, obgleich der andere dasselbe als ein Darlehen empfangen, so bleibet dessen ohnerachtet das Gegebene dem nehmenden Theil, wann dieser nach erkannter Willensmeinung des Gebenden die Schankung angenommen hat.

[3, 4, § 1] 13. Es kann jedoch in jenen Fällen ein Darlehenscontract in der Folge zu Stand kommen, wann beide Theile nach eingesehenen und erkannten Irrthum einwilligen, womit das Gegebene bei dem nehmenden Theil als ein Darlehen verbleibe, obgleich Anfangs es in einer anderen Gesinnung gegeben, oder in anderer Gesinnung empfangen worden.

[3, 4, § 1] 14. Andertens wird zur Wesenheit des Darlehencontracts die wirkliche Uebergab der vorleihenden Summe oder Sache erforderet, ohne welcher ansonst aus bloßer Einwilligung nur eine Zusage oder Vertrag über Vorstreckung des Darlehens, nicht aber ein wirklicher Darlehenscontract entstehet.

[3, 4, § 1] 15. Hieraus wird zwar Jener, der solches zu geben versprochen, zu dessen Darreichung verbunden, der Andere aber, welcher das Darlehen angesuchet, solches anzunehmen nur in jenem Fall verpflichtet, wann er dagegen dasselbe annehmen zu wollen ausdrücklich versprochen, und aus dessen Nichtannehmung dem Glaubiger ein erweislicher Schaden erwachsete, als da derselbe andurch der mittlerweiligen Zinsen verlustiget würde, welche ihme der sich weigerende Theil für die Zeit, daß die erborgen gewollte Summe anderswo mit Sicherheit gegen gleichen Zinsen nicht angeleget werden können, billig zu ersetzen hat.

[3, 4, § 1] 16. Die Uebergab eines Darlehens geschiehet entweder durch wirkliche und körperliche Einantwortung von einer Hand in die andere mit Zuzählung, Vorwiegung oder Vormessung des vorleihenden Betrags, oder es wird auch ohne wahrer

(3-61) Behändigung eine Uebergab durch das Gesatz für vollzohen geachtet in Fällen, wo Derjenige, deme die vorleihende Sache zu behändigen wäre, solche entweder schon vorhin in Handen hat, oder aus anderer Ursache zu deren Leistung verbunden ist, oder solche nachhero von einem Anderen zu empfangen hat.

[3, 4, § 1] 17. Es wird demnach eine dafürgeachtete Uebergab des Darlehens von den Gesetzen damals verstanden, wann zu schleunigerer Ausrichtung der Geschäften von mehreren durch wirkliche Behändigung zu vollziehen habenden Handlungen eine oder die andere ausgelassen, und das Geschäft gleichsam mit kurzer Hand zu Stand gebracht wird.

[3, 4, § 1] 18. Als da Jemanden ein ihme anvertrautes oder in seine Verwahrung hinterlegtes Geld mit Einwilligung des Eigenthümers als ein Darlehen in Handen gelassen würde, durch welche Handlung das Eigenthum des Gelds auf den Entlehner eben sowohl übertragen wird, als ob von ihme das anvertraute oder hinterlegte Geld dem Anderen ausgefolget, und von diesem anwiederum ihme als ein Darlehen durch wirkliche Zuzählung überantwortet worden wäre.

[3, 4, § 1] 19. Eine gleiche Wirkung hat die Handlung, wann mit beiderseitiger Einverständniß Jemanden Waaren zum Verkauf mit dem Beding behändiget werden, damit derselbe das daraus gelöste Geld als ein Darlehen behalten möge, insoferne die Waaren nicht höher, als wirklich dafür gelöset wird, angeschlagen, noch als ein ohnerlaubter Zuschlag in das Geld-Darlehen eingemischet werden, und sonst keine wucherliche Bedinge dabei unterwalten, oder wann Jemand eine dem Anderen vorleihende Summe bei seinem Schuldner anwiese, und solche wirklich erhoben würde, oder da Jemand sein Geld in eines Anderen Namen ausleihet, welches ebensoviel ist, als ob es erstlich deme, in wessen Namen es ausgeliehen worden, zugezählet, und sodann von diesem weiters dem Anderen vorgestrecket worden wäre, wie dann auch der Schuldner nicht deme, welcher es ihme zugezählet, sondern Demjenigen, in dessen Namen das Darlehen gereichet worden, verbunden wird.

[3, 4, § 1] 20. Durch derlei von dem Gesatz dafürgeachtete Uebergab kann ein Darlehenscontract ebensowohl zu Stand kommen, als ob solche körperlich vollzohen worden wäre. Gleichwie aber eine natürliche Uebergab in Darreichung des einen, und Uebernehmung des anderen Theils bestehet, also erhält auch eine dafürgehaltene Uebergab erst damals ihre Kraft, wann der nehmende Theil den dargeliehenen Betrag entweder schon vorhero in Handen hat oder nachhero wirklich empfanget.

[3, 4, § 1] 21. Dahero in denen obbemelten Fällen, wann etwan die zum Verkauf behändigte Waaren nicht an Mann zu bringen, oder die angewiesene Schulden nicht eintreiblich wären, auch hieraus kein Darlehenscontract entstehet, weilen der Empfang des Darlehens nicht erfolget, sondern der übernehmende Theil ist lediglich zur Zuruckstellung der Waaren oder der Schuldscheinen verbunden. Im Fall aber eine wucherliche Handlung dabei vorgegangen wäre, unterliegt der gebende Theil allen darauf ausgesetzten Strafen.

[3, 4, § 1] 22. Eine andere Bewandtnuß hat es hingegen, wann Jemanden die bei einem Dritten ausstehende richtige und eintreibliche Schulden zu seinem Eigenthum abgetreten und dabei ausbedungen worden, daß er den dafür bestimmten Werth als ein Darlehen in seinen Handen behalten solle, in welchem Fall ein wahres Darlehen unterwaltet, zu dessen Ruckzahlung der Uebernehmer, weilen er das Geliehene schon vorhero in seinen Handen hat, verbunden ist, er möge wenig oder nichts an den abgetretenen und an sich gelösten Schulden eingebracht haben.

[3, 4, § 1] 23. Ein Darlehen hat ferners die Eigenschaft, daß es ohnentgeltlich seie, und dahero auch davon keine Zinsen gebühren, sie seien dann ausdrücklich bedungen worden, oder der Schuldner begienge in der Ruckzahlung einen Saumsal, wie solches unten in siebenzehenten Capitel mit Mehreren erkläret wird.

[3, 4, § 1] 24. Wiewohlen aber dem Glaubiger unverwehret ist, die Schuld ganz oder zum Theil nachzulassen, und sich an der Ruckzahlung weniger, als geliehen worden,

(3-62) auszubedingen, so ist doch derselbe nicht befugt den Schuldner zu was Mehreren, als was die vorgeliehene Summe mit denen davon nach Unserem hienach folgenden Gesatz gestatteten Zinsen betraget, zu verbinden, sondern wo hieran ein Mehreres ausbedungen oder entrichtet worden zu sein befunden würde, ist solches für eine wucherliche allen darauf ausgesetzten Strafen unnachsichtlich unterliegende Handlung anzusehen.

§. II.

[3, 4, § 2] 25. Ein Darlehen kann Jedermann geben, der mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt ist. Würde aber jegleichwohlen von einem solchen, deme durch Unsere Gesetze diese Macht beschränket wird, ohne Wissen und Willen seiner Vorgesetzten, Vormünderen oder Gerhaben und Curatorum Jemanden eine Summe Gelds geliehen, oder an etwas Anderen ein Darlehen vorgestrecket, so wird andurch kein Darlehenscontract geschlossen, noch auch das Eigenthum des Gelds auf den, so es empfangen, übertragen, sondern derselbe ist schuldig solches, wann es noch wirklich bei ihme vorhanden, anwiederum herzugeben.

[3, 4, § 2] 26. Wäre es hingegen schon verwendet und ausgegeben, kann der vorgeliehene Betrag zu allen Zeiten ohne die etwan von einer solchen zu contrahiren unfähigen Person eingestandene Zahlungsfristen abzuwarten, und ohne die sonst gewöhnliche Aufkündung vorhergehen zu lassen, mit allen bis dahin verfallenen landesbräuchlichen Zinsen, Schäden und Unkosten zuruckgeforderet werden.

[3, 4, § 2] 27. Nicht weniger können alle Diejenige ein Darlehen aufnehmen, welche Verbindungen einzugehen fähig, und hieran durch Anordnung Unseres Gesatzes nicht verhinderet sind, als Unsinnige, Wahnwitzige, Kinder, Unmündige, Minderjährige und gerichtlich erklärte Verschwendere, die alle ohne Zuthat ihrer Vormünderen und Curatorum aus einem Darlehenscontract in keinerlei Wege verbunden, noch auch nach erlangter freien Verwaltung ihres Vermögens die zur Zeit ihrer Unfähigkeit gemachte Schulden zu bezahlen angehalten werden mögen.

[3, 4, § 2] 28. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit denen unter väterlichen Gewalt stehenden Kindern, welche ohnehin wegen ihres unvogtbaren Alters Schulden zu machen nicht vermögend sind. Inwieweit aber der Vater hieraus verbindlich werden könne, ist bereits im ersten Theil, in siebenten Capitel von dem väterlichen Gewalt erkläret worden.

[3, 4, § 2] 29. Ferners wollen Wir auch alle Einschuldigungen Unserer landesfürstlichen Städten und Märkten, wie auch überhaupt aller Spitäler und anderer zum Unterhalt der Armuth geordneten milden Stiftungen ohne Unserer vorläufiger höchsten Einwilligung oder Genehmhaltung der von Uns mit diesfälliger Macht versehenen Stelle hiermit gänzlich entkräftet haben, wo übrigens in Betreff der obrigkeitlichen Städten, Märkten und anderer Gemeinden es bei eines jeden Landes bisherigen Beobachtung sein Bewenden hat.

[3, 4, § 2] 30. Würde aber dessen ohnerachtet Jemand ohne Auswirkung Unserer mittelbaren oder unmittelbaren Genehmhaltung den Gemeinvorsteheren Unserer landesfürstlichen Städten und Märkten, oder auch den Vorstehern der Spitäler und anderer derlei milden Stiftungen ein Darlehen vorschießen, so bleibet ihme zwar die Rechtsforderung wider die Vorstehere, mit denen er contrahiret, allezeit bevor, welche ihme aus eigenen Säckel dafür zu haften schuldig sind.

[3, 4, § 2] 31. Dahingegen die gemeine Stadt, Markt, Spital oder Stiftung selbst nur in dem alleinigen Fall hieraus verbunden werden kann, wann erstlich eine so dringende Bedürfnuß oder offenkündige Nutzbarkeit von Ohngefähr vorfiele, wo Gefahr auf den Verzug haftete, und es also die Zeit nicht gestattete, hierüber vorhero die Einwilligung einzuholen, und andertens zugleich erweislich wäre, daß die vorgeliehene Summe wirklich zu Nutzen der gemeinen Stadt, Markts, Spitals

(3-63) oder Stiftung verwendet worden, welches jedoch solchenfalls jedesmal Uns umständlich angezeiget, und darüber Unsere höchste Entschließung abgewartet werden solle.

[3, 4, § 2] 32. Wo aber einmal die Einwilligung von Uns oder der darzu begewaltigen Stelle erfolget, ist der Glaubiger auf alle Fälle andurch hinlänglich gesicheret, es möge das dargeliehene Geld zu Guten der gemeinen Stadt oder Stiftung verwendet worden sein oder nicht, maßen lediglich die Vorstehere die ungebührliche Gebahrung zu verantworten und dafür zu haften haben.

[3, 4, § 2] 33. Außer vorbemelten durch das Gesatz verhinderten Personen ist sonst Jedermänniglich unverwehret nach Gefallen Darlehen zu geben oder aufzunehmen, es geschehe solches durch sich selbst oder durch Andere, als durch Sachwaltere, Befehlshabere, Vormündere und Curatores, von deren letzteren Macht und Befugnuß bereits im ersten Theil ausführlicher gehandlet worden.

§. III.

[3, 4, § 3] 34. Zum Darlehen werden insgemein Sachen gegeben, deren Betrag in Handel und Wandel anderer Gestalt nicht, als nach der Zahl, Gewicht oder Maß bestimmet wird, und die folglich also beschaffen sind, daß die Gleichheit in der Zahl, Gewicht und Maß auch die Gleichheit des geliehenen Betrags bewirke, also wird nach der Zahl das Geld, nach Gewicht Gold, Silber, Brod, nach der Maß Getreid, Wein, Bier u. dgl. ausgeliehen.

[3, 4, § 3] 35. Doch kann auch über andere Dinge, welche man sonst in Handel und Wandel nach ihrer Gestalt und stuckweis schätzet, ein Darlehenscontract getroffen werden, wann die Contrahenten dahin übereinkommen, daß nicht die nemliche Sache, welche geliehen worden, sondern eine andere von gleicher Gattung in eben demselben Werth und Güte wiedergegeben werden solle, als worinnen eigentlich die von anderen Contracten sich unterscheidende Wesenheit eines Darlehens bestehet.

[3, 4, § 3] 36. Auf diese Art können Fische, Rinder, Schafe, allerhand Eßwaaren, Tuch, Zeug, Bücher und andere derlei Dinge, deren mehrere von einerlei Gattung entweder die Natur, oder der menschliche Fleiß hervorbringet, zum Darlehen gegeben werden.

[3, 4, § 3] 37. Ueberhaupt aber ist zur Giltigkeit des Darlehencontracts erforderlich, daß der Glaubiger entweder Eigenthümer der darleihenden Sache seie, oder solche in seinem Namen mit Willen des Eigenthümers, oder auch von einem Anderen in Namen des Eigenthümers zum Darlehen gegeben werde. Da aber Jemand fremdes Geld oder Gut ohne Wissen und Willen des Eigenthümers in seinem oder eines Dritten Namen ausleihen würde, ist der Unterschied zu beobachten, ob der Entlehner solches mit guten Glauben in der Meinung, daß es dem Darleiher eigenthumlich zugehöre, erborget, oder aber ob derselbe es fremd zu sein gewußt habe.

[3, 4, § 3] 38. Ersteren Falls gilt zwar das Darlehen wegen des unterwaltenden guten Glaubens, letzteren Falls hingegen ist der Contract null und nichtig, und obschon dem Eigenthümer in beiden Fällen bevorstehet, sich der dargeliehenen Summe zu halten, und solche mit gerichtlichen Kummer und Verbot zu belegen, so ist doch der Unterschied in deme, daß im ersteren Fall derselbe nach erwiesenen Eigenthum auf richterliche Erkanntnuß in die Stelle des Darleihers eintritt, folglich auch an

(3-64) alle zwischen diesem und dem Entlehner sowohl in Betreff der Zinsen, als der Zahlungsart eingegangene Bedinge gebunden, und mithin von dem Entlehner nicht mehr, als was dieser dem Darleiher zur Zeit des gelegten Kummers schuldig ware, und dann weiters an Zinsen bis zur Zeit der Ruckzahlung schuldig wird, zu forderen befugt ist.

[3, 4, § 3] 39. Wegen des Uebrigen aber, was er entweder an landesbräuchlichen Zinsen, oder auch an der Hauptsumme weniger von dem Schuldner einbringet, wie auch wegen aller verursachten Schaden und Unkosten bleibet ihme der Anspruch wider Denjenigen, welcher das Geld oder Gut entwendet oder unterschlagen, allezeit bevor.

[3, 4, § 3] 40. Dahingegen in dem letzteren Fall, wo die Wissenschaft des Entlehners, daß das Erborgte ein fremdes Geld oder Gut seie, erweislich, folglich der Darlehenscontract null und nichtig ist, wird der Eigenthümer an die zwischen dem Darleiher und Entlehner getroffene Bedinge nicht gebunden, sondern derselbe kann solchenfalls aus dem ihme zustehenden Eigenthumsrecht sein bei dem Entlehner etwan noch vorfindiges Geld oder Gut zuruckforderen, oder, da es schon verthan wäre, so wider Einen als den Anderen dergestalten verfahren, daß nicht nur der Darleiher für das Ganze, sondern auch der Entlehner für die empfangene Summe mit allen von Zeit des Empfangs bis zu den Tag der Ruckzahlung davon anwachsenden landesbräuchlichen Zinsen, er möge dem Darleiher hierauf was abgeführet haben oder nicht, wie auch für alle Schäden und Unkosten zu haften schuldig ist, und also Dasjenige, was hieran von Einem nicht erholet, von dem Anderen eingetrieben werden mag.

§. IV.

[3, 4, § 4] 41. Wiewohlen aber ein Darlehen nicht anderst, als mit Einwilligung beider Theilen zu Stand kommen kann, so wird doch nur der Entlehner oder Schuldner dem Glaubiger daraus verbindlich, den nemlichen Betrag in gleicher Gattung, Güte und Werth zur gesetzten Zeit und an den bestimmten Ort zu bezahlen, wovon demselben kein wie immer beschaffen sein mögender Zufall entledigen kann, wann gleich die geliehene Sache auch ohne deren mindester Benutzung auf was immer für Art und Weis zu Grund gegangen wäre.

[3, 4, § 4] 42. Es erforderet demnach die aus dem Darlehenscontract entspringende

(3-65) Verbindlichkeit des Schuldners erstlich, daß der nemliche Betrag, welcher zum Darlehen empfangen worden, dem Glaubiger anwiederum erstattet werde, der zwar entweder durch Nachlaß des Glaubigers, oder durch einige dem Schuldner gebührende Gegenforderungen verminderet, niemalen aber in der Hauptsumme bei Strafe wucherlicher Handlungen dergestalten vergrößert werden kann, daß hieran ein Mehreres, als geliehen worden, zuruckgezahlet oder auch nur zuruckzuzahlen bedungen werden möge.

[3, 4, § 4] 43. Doch kann der schuldige Betrag durch Nebengebührnussen, als Zinsen, Schäden und Unkosten vermehret werden, wann einerseits entweder erlaubte Zinsen davon bedungen worden, oder solche aus Saumsal des Schuldners angewachsen sind, und wann andererseits der Glaubiger theils durch Sicherstellung und Eintreibung der Schuld, theils durch Nichterstattung der abzuführen angelobten Gattung oder auch durch Verabsaumung der gesetzten Zeit und des Orts der Zahlung in Schäden und Unkosten versetzet worden.

[3, 4, § 4] 44. Zweitens erheischet die Verbindlichkeit des Schuldners, daß die Zahlung in gleicher Gattung geschehe, und kann dahero dem Glaubiger wider seinen Willen, keine andere von der geliehenen unterschiedene Gattung aufgedrungen werden. Doch ist dabei der Unterschied zwischen baaren Geld und anderen Sachen zu beobachten; dann bei Barschaften wird insgemein nur auf den Werth, bei allen anderen Dingen aber auf die Gleichheit der Gattung gesehen. Also ist der Glaubiger z. B. weder Getreide für geborgten Wein, oder Wein für Getreide, noch weniger den Werth für die geliehene Sache anzunehmen schuldig, so lange der Schuldner die Abfuhr in gleicher Gattung zu leisten vermögend ist.

[3, 4, § 4] 45. Dahingegen, gleichwie bei Gelddarlehen, wann nichts Anderes ausbedungen worden, bloß der Werth der zugezählten Münze geliehen worden zu sein verstanden wird, also thuet auch der Schuldner seiner Verbindlichkeit Genügen, wann er gleich die Schuld nicht in der ihme dargeliehenen, sondern in einer anderen Gattung guter und gangbarer Münze abtraget, und andurch der Werth des empfangenen mit dem Werth des abführenden Betrags ausgeglichen wird, welchen Verstand alle Schuldverschreibungen haben, worinnen die Zahlung lediglich in guter gangbarer Währung gelobet wird.

[3, 4, § 4] 46. Diese Regel aber leidet einen zweifachen Abfall. Erstens, wann insonderheit eine gewisse und bestimmte Gattung der Münze zuruckzuzahlen bedungen wird, als da Stuck für Stuck, oder gewisse Gold- oder Silberspecies wiederzugeben verschrieben wurde; andertens, wann dem Glaubiger aus der zuruckzahlender Gattung der Münze eine offenbare Verkürzung erwachsen möchte, als da eine größere in grober Münz vorgeliehene Geldsumme in kleiner Schiedmünze zuruckgezahlet werden wollte.

[3, 4, § 4] 47. Ersteren Falls ist der Schuldner in der leistenden Zahlung an die verschriebene Gattung der Münze dergestalten gebunden, daß obschon sonst dem Schuldner freistehet die nemliche ihme geliehene Sache anwiederum zuruckzustellen, er doch in diesem Fall in keiner anderen, als in der verheißenen Gattung zu zahlen befugt ist; letzteren Falls aber ist der Glaubiger an der Schiedmünze nicht mehr anzunehmen schuldig, als was unten in dem letzten Capitel bei der Abhandlung von Zahlungen ausgemessen werden wird.

[3, 4, § 4] 48. Drittens ist nöthig, daß die wiedererstattende Gattung mit der empfangenen von gleicher Güte seie, und ist weder der Schuldner eine schlechtere, als er empfangen, wiederzugeben, noch auch der Glaubiger eine bessere, als er gegeben, zuruckzuforderen befugt, wann gleich zwischen ihnen derohalben ausdrücklich nichts ausgemachet worden wäre, sondern dieses ist schon aus der Natur des Darlehencontracts darunter verstanden.

[3, 4, § 4] 49. Hieraus folget, daß, obgleich der Schuldner die nemliche Sache, die ihme geliehen worden, zuruckgeben wollte, solche jedoch der Glaubiger nicht anzunehmen

(3-66) schuldig ist, wann sie nicht zur Zeit der Zuruckgabe von eben der Güte ist, wie selbe zur Zeit des Darlehens gewesen, also kann der nemliche Wein, oder das nemliche Getreid, welches geliehen worden, nicht mehr zuruckgegeben werden, wann es mittlerweil verdorben, noch weniger die Ruckzahlung in den empfangenen Geldsorten geschehen, wann solche nach der Zeit gänzlich verrufen und aus den Umlauf gesetzet worden.

[3, 4, § 4] 50. Es ist jedoch dem Glaubiger unverwehret die Güte der Sache, die ihme wiedergegeben werden solle, sich auszudingen, wann gleich solche die Güte des geborgten Dings überträfe oder derselben auch nicht beikäme, also kann weißer für rothen, junger für alten Wein und dagegen bedungen werden, woferne nur die ausbedungene Güte des wiederzugeben Habenden den Werth des Geliehenen schon zur Zeit dieses beigefügten Bedings nicht dergestalten übersteiget, daß mit Grund eine wucherliche Handlung daraus geschlossen werden möge.

[3, 4, § 4] 51. Dann außer baaren Geld ist bei allen anderen Sachen einzig und allein auf die innerliche Güte und nicht auf den äußerlichen Werth zu sehen. Es möge dahero die geliehene Sache zur Zeit der Zuruckgabe in ihrem Werth gefallen oder gestiegen sein, so gereichet ebensowohl dessen Abfall einzig und allein zum Schaden des Glaubigers, wie dessen Erhöhung zu seinem Nutzen, obschon der Werth des Zuruckgebenden den Werth des Empfangenen auch vierfach übersteigete, also da der Metzen des geborgten Getreids zur Zeit des Darlehens nur zwei Gulden und darunter gegolten hätte, zur Zeit der Zuruckgabe aber vier und mehrere Gulden gelten würde, gebühret der Nutzen dem Glaubiger, gleichwie er dagegen, wann es in Preis abgefallen wäre, den Schaden allein zu tragen hätte.

[3, 4, § 4] 52. Daß also die Handlung aus dem Beding ungleicher Güte für wucherlich geachtet werden könne, muß das wiederzugeben Bedungene schon zur Zeit des Contracts in seiner innerlichen Güte und in gewissen keiner Veränderung unterworfenen Werth, wann es zu Geld gerechnet würde, den Betrag des Darlehens sammt denen davon zu nehmen erlaubten Zinsen übersteigen, als da für so viele Eimer heurigen Weines ebensoviele Eimer alten guten Weins wiederzugeben bedungen würde.

[3, 4, § 4] 53. Dahingegen unterwaltet in folgenden Fällen keine wucherliche Absicht, wann entweder zur Zeit des getroffenen Contracts die innerliche Güte des wiederzugeben Bedungenen mit dem Gegebenen gleich ist, als da Korn für Korn, Weizen für Weizen zu geben beliebet wird, obschon zur Zeit der Zuruckgabe dessen Preis ungleich höher gestiegen wäre.

[3, 4, § 4] 54. Oder da die Güte und der Werth des wiederzugeben Bedungenen zur Zeit des Contracts noch ungewiß wäre, als da für so viele heuer geborgte Eimer jungen Weins ebensoviele von künftigen Jahr bedungen würden, obschon diese jene von vorigen Jahr in der Güte und Werth bei Weitem übertreffen würden, obschon diese jene von vorigen Jahr in der Güte und Werth bei Weitem übertreffen würden, oder endlich da das an übertreffender Güte oder auch an dem Betrag mehr Bedungene die erlaubte Zinsen nicht überstiege, wann es zu Geld angeschlagen wird, als da für zwanzig geliehene Metzen Getreid oder Eimer Wein einundzwanzig wiederzugeben bedungen würde.

[3, 4, § 4] 55. Ganz eine andere Bewandtnuß aber hat es bei baaren Geld, welches nicht allein nach seinem innerlichen Gehalt und Gewicht, oder nach Schrott und Korn, sondern auch nach der äußerlichen Würdigung oder Währung geschätzet wird, und dahero ist erforderlich, damit der dargeliehene Geldbetrag sowohl nach seiner innerlichen als äußerlichen Güte und Werth, in welchen solches gegeben worden, anwiederum zuruckgezahlet werde.

[3, 4, § 4] 56. Weme aber der mittlerweilige Abfall der Währung zu Schaden gereiche oder dagegen deren Erhöhung zu Nutzen gehe, folglich nach was für einer Zeit der Währung, ob nemlich nach der Zeit des Contracts, oder ob nach der Zeit der

(3-67) Zahlung der Werth des Gelds zu bestimmen seie, wird nach Unterschied der Fällen in dem letzten Capitel bei Abhandlung von Zahlungen erkläret werden.

[3, 4, § 4] 57. Endlich viertens erheischet die Verbindlichkeit des Schuldners die Schuld zur gesetzten Zeit und an bestimmten Ort zu bezahlen, wie davon sowohl in dem Fall, wo Zeit und Ort der Zahlung ausgesetzet, als in jenem, wo deren keines bedungen worden, unten an gleich vorbemelter Stelle mit Mehreren gehandlet werden wird.

[3, 4, § 4] 58. In gewissen Fällen hat jedoch die Entrichtung des Werths der geborgten Sache statt, wann nemlich dieselbe nicht mehr zu haben wäre, oder der Glaubiger wegen seiner aus Weigerung und Saumsal des Schuldners dabei erleidenden Verkürzung solche nicht annehmen wollte, sondern auf Bezahlung des Werths bestehen würde, und ist in einem wie dem anderen Fall bei Bestimmung des Werths jedesmal auf Zeit und Ort zu sehen, wann und wo die wiederzugeben schuldige Sache hätte abgestattet werden sollen.

[3, 4, § 4] 59. Ist nun unter den Contrahenten derowegen etwas verabredet worden, so ist dieses bei Schätzung des Werths zur Richtschnur zu nehmen, welcher aber bei des Schuldners unterwaltenden Saumsal in der Abfuhr auf jenen Betrag zu erhöhen ist, was die Sache von der Verfallzeit an bis zur richterlichen Ausmessung an dem benannten Ort zum meisten gegolten hat.

[3, 4, § 4] 60. Woferne aber wegen Zeit und Orts der Zuruckgabe in dem Contract nichts ausgemacht worden wäre, so ist ersteren Falls, und da der Entlehner an den Untergang der wiederzugeben habenden Sache keine Schuld traget, der Werth derselben nach der Zeit und nach dem Ort des Contracts, wann und wo dieselbe ausgeliehen worden, zu schätzen, letzteren Falls hingegen, und wo dessen Saumsal und Verzug in der Zahlung unterlaufet, ist der Werth nach dem höchsten Preis, wie solcher von dem Tag der erhobenen Klage bis zum Erfolg der richterlichen Erkanntnuß an dem Ort des Contracts gewesen, zu bestimmen; was aber für Maßregeln bei veranlassender Schätzung einer aus Vertrag oder Contract schuldigen Sache überhaupt zu beobachten sind, wird unten in siebenzehenten Capitel vorgeschrieben werden.

§. V.

[3, 4, § 5] 61. Aus dieser Verbindlichkeit entspringet die dem Glaubiger wider den Schuldner zustehende Rechtsforderung zu Bezahlung der Schuld mit allen contractmäßigen Nebengebührnussen, welche bei Gelddarlehen in denen entweder aus Beding, oder aus Saumsal bis auf den Tag der Zahlung schuldigen erlaubten Zinsen, bei anderen dargeliehenen Dingen aber in dem Zuwachs des wegen Verzugs der Zahlung nach dem mittlerweiligen höchsten Preis zu schätzen kommenden Werths, dann so ein als anderen Falls in denen verursachten Schäden und Unkosten bestehen.

[3, 4, § 5] 62. Dem Glaubiger lieget aber ob, nicht allein die Schuld und deren Betrag, sondern auch die Ursach der Einschuldigung oder den Ursprung der Schuld zu erweisen. Derlei Beweismitteln sind die Handschrift und Bekanntnuß des Schuldners, Zeugen und ordentlich geführte Handlungsbücher, wovon in dem vierten Theil bei Vorschrift der Gerichtsordnung in der Abhandlung von Führung des Beweises das Mehrere erwähnet werden wird.

[3, 4, § 5] 63. Würde jedoch der Glaubiger den Ursprung der Schuld oder die Ursach der Einschuldigung nicht zu erweisen vermögen, so ist die Klage aufzuheben und der Beklagte von allen Anspruch ledig und loszusprechen, daferne aber die angebliche Ursach der Einschuldigung falsch zu sein befunden würde, so ist dabei von Gericht genau Obacht zu tragen, ob hierunter kein Wucher oder sonstige ohnerlaubte Scheinhandlung verstecket seie, nach deren Wahrnehmung mit denen darauf ausgesetzten Strafen unnachsichtlich verfahren werden solle.

(3-68) [3, 4, § 5] 64. Woferne aber die Schuld und deren Ursprung an sich zwar erweislich, deren Betrag hingegen strittig wäre, und der Beweis des Klägers hierüber entweder nicht vollständig verführet, oder durch die Gegenbeweise des Beklagten geschwächet und geminderet würde, so ist zu Ergründung der Wahrheit demjenigen Theil die Eidesleistung aufzutragen, welcher stärkere Vermuthungen und bewährtere Behelfe für sich hat.

§. VI.

[3, 4, § 6] 65. Den stärkesten Beweis der Schuld machet die eigene Handschrift des Schuldners, zu welchem Ende vornehmlich über die Gelddarlehen insgemein von

(3-69) den Schuldneren Schuldscheine, Schuldbriefe oder Schuldverschreibungen ausgestellet zu werden pflegen. Deren sind viererlei Gattungen, als erstens, gemeine Schuldscheine und Schuldbriefe; zweitens, Wechseln oder Wechselbriefe; drittens, ordentliche zur landtäflichen oder stadtbücherlichen Einlage eingerichtete Schuldverschreibungen; viertens, leere mit Handschrift und Petschaft des Schuldners zur Ausfüllung ausgestellte Papiere, welche sonst Blanquets oder Carte bianche genannt werden.

[3, 4, § 6] 66. Die gemeine Schuldscheine und Schuldbriefe, welche ohne aller Feierlichkeit unter der alleinigen Handunterschrift des Schuldners mit oder ohne Beidruckung seine Siegels ausgefertiget werden, bestehen in bloßer Bekanntnuß des empfangenen und zugezählten Darlehens, und in der Angelobung der zu leisten schuldigen Zahlung mit oder ohne Beiruckung der Zeit, wann solche zu geschehen habe.

[3, 4, § 6] 67. Diese wirken nichts Mehreres, als den Beweis der Schuld, und hat dahero der Glaubiger zu Erlangung seiner Befriedigung keinen anderen Weg, als daß er wider den saumseligen Schuldner die gebührende Rechtsforderung bei der Behörde nach Ordnung der Rechten anstrengen möge.

[3, 4, § 6] 68. Doch solle bei Gericht auf Brief und Siegel, wann der Beklagte seine Handschrift nicht der Abrede stellet, schleunig und ohne sonstigen Feierlichkeiten des ordentlichen Proceß verfahren werden, auch keine andere Einwendung, als welche allsobald erweislich ist, zulässig sein, mit alleiniger Ausnahm der Einrede wegen nicht geschehener Zuzählung, wann die zu deren Vorbringung hienach ausmessende Zeit noch nicht verflossen ist.

[3, 4, § 6] 69. Es stehet aber dem Beklagten frei, die Vorzeigung des Schuldbriefs zu Ersehung und Erkanntnuß seiner Handschrift in der in der Gerichtsordnung hierzu ausgesetzten Frist anzubegehren, obgleich sich darinnen dieser Befugnuß ausdrücklich begeben worden wäre. Würde er nun seine Handschrift mißkennen, und Kläger deren Richtigkeit in andere Wege als durch Zeugen oder Gegenhaltung anderer Handschriften des Schuldners nicht zu erweisen vermögen, so ist dem Beklagten die eidliche Abzeugung aufzuerlegen, kraft welcher derselbe zu erhärten hat, daß es nicht seine eigene Handschrift seie.

[3, 4, § 6] 70. Würde er aber ein solches nicht abschwören wollen oder können, oder auch die Ersehung seiner Handschrift in der anberaumten Zeit anzuverlangen unterlassen, oder nach deren Ersehung sich hierzu bekennet haben, und hätte sonst keine allsobald erweisliche Einwendung, weder die von dem Gesatz besonders begünstigte Einrede wegen nicht geschehener Zuzählung wider die Richtigkeit der Schuld vorzubringen, so solle ohne allen weiteren Umtrieb die gerichtliche Auflage der Zahlung nach Vorschrift der Gerichtsordnung ergehen.

[3, 4, § 6] 71. Ueber das ist noch Derjenige, welcher nach Ersehung seiner Handschrift solche zu laugnen sich vermessen, und hernach jegleichwohlen des Widerspiels überwiesen würde, zur Strafe über Entrichtung der Schuld in dem einfachen Betrag der schuldigen Hauptsumme Uns verfallen, oder da er soviel nicht in Vermögen hätte, mit Gefängnuß auf eine nach richterlichen Befund bestimmende Zeit zu bestrafen.

[3, 4, § 6] 72. Wann jedoch der Beklagte einige auf längere Beweisführung sich hinaus verziehende Gegenforderung oder sonstige Behelfe wider den Kläger hätte, so ist er zwar dessen ohnerachtet schuldig der gerichtlichen Auflage nachzukommen und das Geld zu erlegen; es ist ihme aber dabei unverwehret, entweder von dem Kläger eine hinlängliche und anständige Verbürgung für den Betrag der bezahlenden Summe, oder wann der Kläger damit nicht aufkommen könnte, die gerichtliche Hinterlegung des eingeklagten Betrags bis zu Austrag der Strafe anzubegehren, dagegen ist er aber auch schuldig seinen Gegenbeweis in der in der Gerichtsordnung bestimmten Zeit zu verführen.

[3, 4, § 6] 73. Würde also der Beklagte seine Gegenforderungen oder Behelfe, wie es sich zu Recht gebühret, darthuen und erproben, so ist derselbe befugt, wegen des

(3-70) ihme zugesprochenen Betrags sich der geleisteten Bürgschaft zu halten, oder da das Geld bei Gericht hinterleget wäre, ist ihme davon so vieles, als demselben hieran zuerkannt worden, auszufolgen.

[3, 4, § 6] 74. Wohingegen wann der Beklagte mit seinem Gegenbeweis nicht aufkäme, oder von dessen Verführung abstünde, ist nicht allein die von Kläger eingelegte Bürgschaft zu erlassen, oder demselben das bei Gericht hinterlegte Geld sogleich einzuantworten, sondern auch der Beklagte zum Ersatz aller Schäden und Unkosten, und über dieses in letzteren Fall, da das Geld bei Gericht todt erliegend geblieben, zur Vergütung deren für diese Zeit hiervon benutzet werden mögenden landesüblichen Zinsen zu verhalten.

[3, 4, § 6] 75. Die Wechseln oder Wechselbriefe unterscheiden sich von anderen Schuldscheinen sowohl in der Verfassungsart, als in ihrer Wirkung, und sind wegen der ihnen zu Begünstigung des Handels beigelegen sonderheitlichen Eigenschaft nicht nach diesem gemeinen Recht, sondern nach der eigends vorgeschriebenen Wechselordnung zu beurtheilen.

[3, 4, § 6] 76. Die ordentliche zur landtäflichen oder stadtbücherlichen Einlage besonders eingerichtete Schuldverschreibungen müssen über den Inhalt gemeiner Schuldbriefen noch beinebst die Verschreibung eines Unterpfands oder Hypothek auf ein liegendes Gut des Schuldners in sich begreifen, und mit denen in nachfolgenden §. ausgemessenen Erfordernussen versehen sein.

[3, 4, § 6] 77. Diese werden wegen ihrer besonderen Feierlichkeit auch Hauptschuldbriefe benamset, erreichen aber die ihnen eigends zukommende Wirkung nicht ehender, als bis daß sie in die Landtafel oder Stadtbücher auf das verschriebene Unterpfand wirklich eingeleget und einverleibet worden, in dessen Entstehung sie keine mehrere Kraft als andere gemeine Schuldbriefe haben.

[3, 4, § 6] 78. Nach vollzohener Einlage hingegen behaften sie nicht allein das verschriebene Gut des Schuldners mit dem sächlichen Recht eines Unterpfands oder Hypothek, und bewirken den Vorzug vor allen später einverleibten Beschreibungen, sondern sie entheben auch den Glaubiger von der Nothwendigkeit der Rechtsführung, und geben ihme die Macht bei nicht erfolgender Zahlung sich des ihme verschriebenen Unterpfand oder Hypothek zu halten, und sich darein gerichtlich einführen zu lassen.

[3, 4, § 6] 79. Die leere, mit Handschrift und Petschaft des Schuldners ausgestellte, und insgemein Blanquets oder Carte bianche genannte Papiere erforderen zu ihrer Giltigkeit, daß auf der umgeschlagenen Seiten des Blatts, welches jenseits die Unterschrift des Ausstellers enthält, Folgendes mit seiner eigenen Handschrift sich angemerket befinde: Erstens, der Betrag der Schuld, worauf die Schuldverschreibung aufgesetzet werden solle; zweitens, der Ursprung der Schuld nebst dem Namen des Glaubigers; drittens, der Betrag der Zinsen, wann deren einige bedungen worden; viertens, die Zeit der leistenden Zahlung; fünftens, die Benennung des sonderheitlichen Unterpfands oder Hypothek, wann es eine landtäfliche oder stadtbücherliche Verschreibung sein solle; sechstens, das Ort, Jahr, Monat und Tag, wo und wann die Ausstellung geschehen.

[3, 4, § 6] 80. Vornehmlich aber ist die eigene Unterschrift und Siegluug des Schuldners, dann die Andeutung des Betrags und Ursprungs der Schuld, wie auch des Namens des Glaubigers, und sowohl des Orts, als der Zeit der Ausstellung mit der eigenen Handschrift des Ausstellers dergestalten erforderlich, daß wo auch nur deren Eines ermanglete, die Carta bianca weder bei Gericht angenommen, noch weniger eine Rechtshilfe darauf ertheilet werden solle.

[3, 4, § 6] 81. Ueber das ist annoch nothwendig, damit eine Carta bianca, wann sie sonst auf Ausfertigung einer landtäflichen oder stadtbücherlichen Schuldverschreibung gerichtet ist, vorhero und ehe sie zur wirklichen Einverleibung gebracht wird,


(3-71) ausgefüllet, und der Aufsatz in der behörigen Form und Gestalt einer landtäflichen oder stadtbücherlichen Verschreibung verfasset werde.

[3, 4, § 6] 82. Doch muß der Aufsatz, womit die Carta bianca ausgefüllet wird mit der eigenhändigen Anmerkung des Ausstellers in Allem vollständig übereinstimmen, also zwar, daß wann entweder darinnen der Namen des Glaubigers veränderet, oder der Betrag der Schuld oder der Zinsen höher angesetzet, oder wo sich deren keine bedungen befinden, solche sich verschrieben, oder der Ursprung der Schuld, oder die Zeit, oder das Ort der Zahlung anderst angegeben, oder eine andere Hypothek ausgewiesen würde, als in der Anmerkung ausgedrucket worden wäre, eine solche Carta bianca nicht nur allein weder irgendwo einverleibet noch bei Gericht angenommen, sondern auch wider den Vorzeiger derselben mit der genauesten Untersuchung der dabei verübten Falschheit fürgegangen werden solle.

[3, 4, § 6] 83. Welches umsomehr in jenem Fall statt hat, da bei der vorzeigenden Carta bianca die Anmerkung von einer von jener des Ausstellers unterschiedenen Hand, folglich von fremder Handschrift befunden würde, es wäre dann, dass der Aussteller sich vor Gericht zu dem Inhalt des Aufsatzes ausdrücklich bekännte.

[3, 4, § 6] 84. Woferne aber bei Vorzeigung eines Schuldbriefs der Aussteller seine Handschrift zwar anerkennen, dabei aber vorschützen würde, dass er eine ohne beigefügter Anmerkung ausgefertigte Carta bianca dem Kläger zu einem anderen Ziel und Ende, als zu dem darauf gesetzten Inhalt zugestellet, folglich dieser davon einen anderen Gebrauch gemacht habe, so lieget ihme ob, dieses sein Vorgeben behörig zu erweisen, bis dahin der Schuldbrief für richtig zu halten ist, und er sich selbst beizumessen hat, dass er die Anmerkung, in was für einer Absicht die Carta bianca von ihme ausgestellet worden, nicht beigerucket, noch sich mit einem Gegenschein von dem Anderen vorgesehen habe.

[3, 4, § 6] 85. Könnte er nun solches allsogleich nicht erproben, so ist die eingeklagte Schuldsache derowegen nicht aufzuhalten, sondern auf eben diese Art, wie bereits oben in dem Fall einer sich länger hinaus verziehenden Beweisführung geordnet worden, zu verfahren; da er aber mit dem Beweis nicht aufzukommen vermögete, ist wider ihn die nemliche Strafe, welche wider Jenen, der seine Handschrift laugnet, oben ausgemessen worden, zu verhängen.

[3, 4, § 6] 86. Alle vorbemelte Gattungen der Schuldbriefen erforderen überhaupt zu ihrer Wesenheit die eigene Handunterschrift des Schuldners dergestalten, dass obgleich ein mit Jemands eigener Hand geschriebener Aufsatz bei Gericht vorgezeiget würde, darinnen aber dessen Handunterschrift ermanglete, solcher an und für sich selbst nichts zu erweisen vermöge, woferne Kläger keine andere Rechtsbehelfe für sich vorzubringen hätte.

[3, 4, § 6] 87. Könnte aber Jemand wegen Unkündigkeit oder Schwachheit selbst nicht schreiben, so ist ihme zwar nicht verwehret seinen Namen von einem Anderen, welcher hierzu eigends von ihme erbeten worden, unterschreiben zu lassen. Wir wollen aber zur Vorbeugung alles dabei besorglichen Unterschleifs hiermit gnädigst verordnet haben, dass ein solcher Schuldbrief anderst nicht giltig seie, noch bei Gericht angenommen werden solle, als wann Folgendes dabei beobachtet worden, dass nemlich der Aussteller in Gegenwart zweier zugleich anwesender und sich mitunterschreibender Zeugen die Urkunde anstatt seiner Namensunterschrift, wann er es zu thun vermögend ist, mit Kreuzeln oder sonstigen Kennzeichen seiner Einwilligung eigenhändig bezeichne, und darunter seinen Namen von dem einem eigends hierum zu ersuchen habenden Zeugen unterschreiben lasse, dieses auch der Zeug, dass er hierum von ihme ersuchet worden, mit seiner eigenen Handschrift dabei anmerke.

[3, 4, § 6] 88. Würde nun ein also gefertigter Schuldbrief bei Gericht vorkommen, hat solcher nicht weniger Kraft und Wirkung, als ob derselbe von dem Aussteller eigenhändig unterschrieben worden wäre, und entgehet ihme auch an seiner Giltigkeit

(3-72) nichts, wann gleich ein Zeug, ehe und bevor die Schuld eingeklaget worden, mittlerweil verstorben wäre, sondern es ist in solchem Fall genug, dass die obbeschriebene Fertigung von dem einem noch lebenden Zeugen bestätigt werde, woferne sonst wider seine Person nichts Rechtserhebliches eingewendet würde, welches ihn von der Zeugenschaft auszuschließen vermögete. Im Fall aber beide Zeugen verstürben, und die Schuld von dem durch fremde Hand Unterzeichneten widersprochen würde, hat der Richter in Ermanglung anderen Beweises demjenigen Theil die Eidesleistung aufzutragen, für den stärkere Behelfe streiten.

[3, 4, § 6] 89. Die Beidruckung des Siegels ist zwar zur Giltigkeit eines Schuldbriefs nicht erforderlich, wann sonst die Unterschrift ihre Richtigkeit hat, und kann dahero entweder das eigene, oder ein fremdes, oder auch gar kein Petschaft beigesetzet werden. Es hat jedoch die Sieglung eine dreifache Wirkung, als erstlich, daß hierdurch ein stärkerer Beweis hergestellet werde, und aus der Richtigkeit des Siegels auch für die Richtigkeit der Unterschrift die rechtliche Vermuthung erwachse, folglich der Beklagte den Beweis, dass es seine Unterschrift nicht seie, zu verführen habe.

[3, 4, § 6] 90. Dahingegen, wann es nicht des Ausstellers eigenes, sondern ein fremdes Siegel wäre, und dabei ausdrücklich nicht angedeutet worden, dass in Ermanglung seines eigenen Petschafts ein fremdes beigedrucket worden, entstehet auch wider die Unterschrift die Vermuthung, und lieget Klägern ob, deren Richtigkeit zu erweisen.

[3, 4, § 6] 91. Andertens wirket die Beidruckung des Petschafts die schleunige Rechtshilfe, welche auf Brief und Siegel obverordneter Maßen allemal zu ertheilen; wo aber das Siegel ermanglet, in den ordentlichen Weg Rechtens zu verfahren, und dem Beklagten alle auch einen längeren Beweis erforderende Einreden einzuwenden gestattet ist. Drittens ist die Beidruckung des Siegels bei landtäflichen und stadtbücherlichen Schuldverschreibungen eine nothwendige Erfordernuß, in deren Ermanglung kein Schuldbrief einverleibet werden kann.

[3, 4, § 6] 92. Ferners wird auch bei allen Schuldbriefen und Verschreibungen, sie mögen auf die landtäfliche oder stadtbücherliche Einverleibung gerichtet sein oder nicht, unumgänglich erforderet, daß die wahre und rechte Ursach, woraus die Schuld, darüber der Schein oder Verschreibung ausgestellet worden, herrühret, ausdrücklich miteingesetzet werde.

[3, 4, § 6] 93. Wo aber dieser Ausdruck in einer Schuldverschreibung nicht begriffen wäre, so solle solche weder gerichtlich vorgemerket, weder irgendwo einverleibet, noch weniger die vorgedachte schleunige Rechtshilfe hierauf ertheilet, sondern Derjenige, welcher die Forderung stellet, vorhero zur Darthuung der Schuld Ursprung angewiesen, und nach Vernehmung des Schuldners darüber mit ordentlicher Erkanntnuß verfahren werden.

[3, 4, § 6] 94. Ingleichen, wo eine Schuldverschreibung dergestalten gefasset wäre, daß selbe sich ausdrücklich auf eine vorhergehende Urkunde bezöhe, ist der Kläger schuldig auf Verlangen des Beklagten die erstere Urkunde vorzuzeigen; es wäre dann bei der späteren Verschreibung eine Erneuerung der Schuld zwischen den Parten vorgegangen, wodurch die erstere Urkunde vernichtet, und dieses darinnen ausgedrucket, oder sonst die Nothwendigkeit der Vorzeigung erlassen worden, oder auch die Ursach, aus welcher die Schuld herrühret, in andere Wege erweislich.

[3, 4, § 6] 95. Würde die ausgestellte Schuldverschreibung bei dem Glaubiger verloren, verbrunnen, oder durch sonstige Zufälle versehret, so erlöschet die Schuld keineswegs, sondern gleichwie der Schuldner noch allezeit verbunden bleibet, also stehet auch dem Glaubiger, wann er die Schuld auf andere Art zu erweisen vermag, seine Rechtsforderung wider den Schuldner bevor.

[3, 4, § 6] 96. Und dieses hat auch sogar in jenem Fall statt, da der verlorene Schuldbrief zu Handen des Schuldners gekommen wäre, wann nur der Glaubiger dessen zufälligen Verlust, und die Richtigkeit der Schuld durch andere Beweismitteln darzuthun im Stande ist.

(3-73) [3, 4, § 6] 97. Würde aber eine verlorene Schuldverschreibung in die Hände eines Dritten gerathen, und dieser hätte dessen Inhabung dem Schuldner bedeutet, oder auch ihn um Bezahlung der Schuld angemahnet, ohne jedoch die Ursach, aus welcher der Schuldbrief zu seinen Handen gediehen, wie behörig aufweisen zu mögen, so ist der Schuldner weder dem Inhaber der Schuldverschreibung, noch seinem Glaubiger die Zahlung insolange zu leisten schuldig, bis nicht durch richterliche Erkanntnuß ausgemacht wird, weme solche zu geschehen habe. Würde er aber dessen ohnerachtet vor Austrag der Strittsache Einem oder dem Anderen die Schuld abführen, so thuet er solches auf seine Gefahr, und hat sich selbst beizumessen, wann er die Zahlung nochmahlen dem Anderen, deme die Forderung nachhero zuerkannt wird, leisten muß.

[3, 4, § 6] 98. Solange hingegen wegen eines verlorenen Schuldbriefes von einem dritten Inhaber an den Schuldner kein Anspruch der Schuld halber gereget wird, ist der Glaubiger befugt, obbemelter Maßen von dem Schuldner entweder die Zahlung, oder da die Verfallzeit noch nicht gekommen wäre, eine anderweite dem von ihme zu erweisen habenden Inhalt der ersteren gleichlautende Schuldverschreibung abzuforderen.

[3, 4, § 6] 99. Dagegen ist derselbe jedoch gehalten dem Schuldner einen Abtödtungs- oder Amortisationsschein über die erstere in Verlust gerathene Schuldverschreibung zu dem Ende auszustellen, damit dieser gesicheret sein möge, daß die Zahlung von ihme nicht wiederholt geforderet werden könne.

[3, 4, § 6] 100. Dann ein solcher Abtödtungs- oder Amortisationsschein hat die Wirkung, daß diejenige Schuldverschreibung, worüber solcher ausgestellet worden, andurch dergestalten gänzlich entkräftet und vernichtet werde, daß obgleich solche hernach über kurz oder lang in Handen eines Dritten zum Vorschein käme, der Schuldner derowegen nicht mehr angefochten werden könne, woferne seinerseits keine Gefährde dabei unterlaufet, sondern dem dritten Inhaber eines solchen Schuldbriefs bleibet allenfalls sein Recht wider Denjenigen bevor, von deme er denselben an sich gebracht hat.

§. VII.

[3, 4, § 7] 101. Die zur landtäflichen oder stadtbücherlichen Einlage eingerichtete Schuldverschreibungen erfordern noch insonderheit über all Vorgehendes erstens, daß ein besonderes Unterpfand oder Hypothek an einem liegenden Gut des Schuldners namentlich und ausdrücklich darinnen verschrieben werde, in dessen Abgang keine Schuldverschreibung, wann gleich der Schuldner sein samentliches Hab und Vermögen überhaupt, ohne jedoch ein besonderes Unterpfand dabei auszudrucken, darinnen verpfändet hätte, irgendwo einverleibet werden solle.

[3, 4, § 7] 102. Zweitens, daß der Beisatz, womit eine solche Verschreibung mit Bewilligung des Amts der Landtafel oder des betreffenden Gerichts, worunter die verschriebene Hypothek gelegen, auch ohne Beisein des Schuldners einverleibet werden könne, in derselben deutlich enthalten seie. Wie aber auf dem Fall, daß darinnen dieser Beisatz nicht ausgedrucket wäre, zu verfahren seie, ist bereits in zweiten Capitel, §. XI, num. 79 und 80 geordnet worden.

[3, 4, § 7] 103. Drittens, daß die Schuldverschreibung, wann sie zur wirklichen Einlage gelangen solle, mit eigenhändiger Unterschrift und Petschaft zweier Zeugen versehen seie, wie solches überhaupt bei allen landtäflichen und stadtbücherlichen Verschreibungen an vorbemelter Stelle num. 76. und 78 erforderet wird.

[3, 4, § 7] 104. Die Einlage derlei Schuldverschreibungen hat allemal auf alleinige Unkosten des Schuldners zu geschehen, er möge sich darinnen hierzu ausdrücklich verbunden haben oder nicht, woferne keine andere Verabredung zwischen den Parten getroffen worden. Der Glaubiger ist dahero befugt, die indessen vorgeschossene Einverleibungsgebühr

(3-74) von dem Schuldner bei Bezahlung der Schuld anwiederum einzuforderen, oder bei entstehender Zahlung an der ihme verschriebenen Hypothek einzutreiben.

[3, 4, § 7] 105. Dem Glaubiger aber lieget ob, die diesfällige in der Taxordnung ausgemessene Gebühr um so gewisser noch dem nemlichen Tag der verwilligten Einverleibung gehöriger Orten baar abzuführen, als im Widrigen er des durch die bewilligte Einverleibung erworbenen Vorrechts verlustig, und allen bis auf den Tag des wirklichen Erlags der Gebühr obschon nach ihme später eingekommenen Glaubigeren, welche solche vor seiner entrichtet haben würden, nachgesetzet werden solle.

§. VIII.

[3, 4, § 8] 106. Da es sich ergäbe, daß Jemand einen Schuldschein oder Schuldverschreibung in Hoffnung des erhaltenden Darlehens zum voraus von sich geben würde, ohne das Geld hierauf empfangen zu haben, so hat der Aussteller von dem Tag des ausgefertigten Schuldbriefs eine zweimonatliche Frist, binnen welcher ihme die von Uns besonders dahin begünstigte Einwendung der nicht geschehenen Zuzählung zu statten kommet, daß dem Inhaber des Schuldbriefs die Verführung des Beweises oblieget das in der Verschreibung begriffene Geld wirklich zugezählet zu haben.

[3, 4, § 8] 107. Wir wollen aber diese ausgemessene zweimonatliche Frist in dem Fall, wo der Aussteller binnen denen zweien Monaten verstürbe, zu guten der Erben, welche zu Erforschung der Erbschaftsangelegenheiten eine längere Zeit bedürfen, auf ein Jahr von dem Tag der Ausstellung gnädigst erstrecket haben.

[3, 4, § 8] 108. Diese begünstigte Einwendung der nicht geschehenen Zuzählung kann auf zweierlei Art vorgebracht werden, als erstlich, in Gestalt einer Einrede, wann der Aussteller oder dessen Erben von dem Inhaber des Schuldbriefs hieraus zu Bezahlung der Schuld in der obausgesetzten Zeit gerichtlich belanget werden, oder auch andertens, als eine Klage, wann der Aussteller oder dessen Erben die Schuldverschreibung wegen nicht erfolgter Zuzählung des Gelds in eben dieser Frist zuruckforderen.

[3, 4, § 8] 109. Würde aber in dieser Begünstigungszeit weder der Inhaber eines solchen Schuldbriefs den Aussteller belangen, noch auch dieser wider jenen entweder wegen Abwesenheit oder sonstiger Verhindernuß die Klage erheben können, so gestatten Wir in solchen Fällen gnädigst, daß der Aussteller oder dessen Erben, wann sie die unterwaltende Ehehaften zu erweisen vermögen, noch vor Verlauf dieser Zeit bei jener Stelle, deren Gerichtsbarkeit sie unterworfen sind, eine Verwahrung ihrer Gerechtsame einbringen, und bei Gericht vormerken lassen mögen.

[3, 4, § 8] 110. Diese Verwahrung solle jedoch die begünstigte Einwendung auf keine längere Zeit, als auf vier Wochen über die verflossene zweimonatliche oder einjährige Frist zu erstrecken vermögend sein, binnen welcher der, oder die sich also Verwahrende um so gewisser die Klage einzureichen haben, als im Widrigen die begünstigte Einwendung der nicht geschehenen Zuzählung nicht mehr zugelassen sein solle. Der Inhaber des Schuldbriefs aber ist in dem Fall, wann er deshalben belanget wird, bei der Behörde des Ausstellers auf die eingebrachte Klage eben sowohl Red und Antwort zu geben schuldig, als ob er den Aussteller klagbar daselbst belanget hätte.

[3, 4, § 8] 111. Könnte nun der Inhaber des Schuldbriefs die geschehene Zuzählung nicht erweisen, so ist der Aussteller oder dessen Erben von der vermeinten Schuld ledig und loszusprechen, und der Inhaber zur Zuruckstellung des empfangenen Schuldbriefs sowohl, als des etwan darauf erhaltenen Unterpfands, wie auch zu Erstattung aller Schäden und Unkosten zu verhalten.

[3, 4, § 8] 112. Würde hingegen die Zuzählung des Geldes, worauf die Verschreibung lautet, von dem Inhaber des Schuldbriefs rechtsbehörig erwiesen werden, und die

(3-75) richterliche Erkanntnuß hierauf erfolgen, ist ihme sofort zu Eintreibung der Schuld bei deren Verfallzeit die schleunigste Rechtshilfe zu ertheilen, und der Gegentheil nicht allein in alle verursachte Schäden und Unkosten zu verurtheilen, sondern noch über das bei wahrnehmender geflissentlicher Gefährde des Schuldners, als da er von dem Empfang des Gelds gute Wissenschaft gehabt zu haben überzeuget würde, derselbe zur Strafe des muthwilligen Aufzugs in einen einfachen Betrag der verschriebenen Summe an Uns verfallen.

[3, 4, § 8] 113. Diese begünstigte Einwendung aber erlöschet erstlich, mit Verlauf der Zeit, wann die hierzu nach Unterschied der Fällen anberaumte zweimonatliche oder einjährige Frist verstrichen, und binnen solcher entweder keine Verwahrung eingebracht, oder doch in den nächst darauffolgenden vier Wochen nicht geklaget worden.

[3, 4, § 8] 114. Nach welcher Zeit zwar dem Aussteller die gemeine Einwendung der nicht geschehenen Zuzählung noch bevorstehet, doch hat er den Beweis zu verführen, daß er Dasjenige, was er in dem Schuldbrief bekommen zu haben bekennet, nicht empfangen habe, und hat auch diese gemeine Einwendung die Wirkung nicht, wie jene, daß sie die Schuldsache selbst aufziehe, sondern ohnerachtet derselben ist nach obiger Ausmessung des §. VI auf Brief und Siegel mit schleuniger Rechtshilfe fürzugehen, und der Beklagte mit seiner Beweisführung zum ordentlichen Proceß zu verweisen.

[3, 4, § 8] 115. Zweitens höret sowohl die begünstigte als nichtbegünstigte Einwendung auf, wann nach ausgestellten Schuldbrief die Schuld entweder ausdrücklich durch eine nach der Zeit gethane Geständnuß des Schuldners, oder stillschweigend durch Zahlung der Zinsen, oder eines Theils der Hauptsumme, oder auch durch nachherige Bestellung oder Behändigung eines Unterpfands anerkennet, oder hernach auf diese Einwendung eine besondere Verzicht vor oder außer Gericht gemacht worden.

[3, 4, § 8] 116. Eine derlei Geständnuß oder Verzicht muß aber nach der Zeit des ausgestellten Schuldbriefs geschehen, dann, wo solche in der Schuldverschreibung selbst enthalten wäre, oder zu gleicher Zeit der Ausstellung vorgebracht würde, so wird andurch die begünstigte Einwendung nicht ausgeschlossen; es wäre dann, daß in der Schuldverschreibung eine vorherige vor der Zeit der Ausstellung schon fürgewaltete Ursach der Schuld angedeutet würde, als da Jemand in dem Schuldschein bekennet vor einem Jahr die verschriebene Summe empfangen zu haben, in welchem Fall die vergünstigte Einwendung ebensowenig, als bei allen anderen Handlungen, wobei es auf keine Zuzählung des Darlehens ankommet, statt hat.

(3-76) Caput V.

Von Leihen zum Gebrauch.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Entlehnungscontracts. §. II. Von Sachen, welche zum Gebrauch ausgeliehen werden können. §. III. Von Erfordernussen des Entlehnungscontracts. §. IV. Von Verbindlichkeit des Entlehners, und von der wider ihn daraus entspringenden Klage. §. V. Von Gegenverbindlichkeit des Ausleihers, und von der wider ihn daher entstehenden Klage. §. VI. Von Haftung für Schuld und Gefährde.

§. I.

[3, 5, § 1] 1. Der zweite sächliche oder Realcontract ist das Leihen zum Gebrauch, welches an sich nichts Anderes ist, als eine verbindliche Handlung, wodurch Jemanden ein Ding ohnentgeltlich zum gewissen Gebrauch verliehen wird, damit eben dasselbe nach dessen Beendigung wiedergegeben werde.

(3-77) [3, 5, § 1] 2. Es ist dahero zur Vollständigkeit dieses Contracts nicht an der bloßen Einwilligung der Contrahenten genug, sondern es wird beinebst, wie bei allen anderen sächlichen Contracten, die wirkliche Uebergab der entlehnenden Sache darzu erforderet.

[3, 5, § 1] 3. Gleichwie aber nach der Wesenheit dieses Contracts die Uebergab der entlehnenden Sache lediglich in der Absicht geschiehet, damit eben dieselbe nach vollendeten Gebrauch, zu deme sie geliehen worden, anwiederum zuruckgestellet werde, also erhellet auch hieraus, daß durch diese Uebergab weder das Eigenthum, noch der Besitz der Sache auf den Entlehner übertragen, sondern ihme einzig und allein deren Gebrauch verstattet werde, beides hingegen, sowohl das Eigenthum als der Besitz, bei dem Ausleiher verbleibe.

[3, 5, § 1] 4. Leihen und entlehnen kann Jedermann, der sonst Verbindungen einzugehen fähig ist, und weilen diese Handlung lediglich aus gutem Willen des Ausleihers herrühret, welcher insgemein dabei keine andere Absicht hat, als durch ohnentgeltliche Darleihung eines Dings dem Entlehnenden eine Wohlthat zu erzeigen, und dessen Nutzen zu beförderen, als wird dieser Contract denen gutthätigen Handlungen beigezählet.

[3, 5, § 1] 5. Es gibt aber doch Fälle, worinnen die Handlung entweder des Ausleihenden alleinigen, oder beider Contrahenten gemeinsamen Nutzen zum Endzweck hat, als da Jemand dem Anderen ein Pferd leihet, um ihn auf der Reise zu begleiten, oder Einer dem Anderen zu einem mit gemeinsamen Kosten bereitenden Gastmahl sein Silbergeschirr leihet.

[3, 5, § 1] 6. Dieses änderet jedoch die Wesenheit des Contracts nicht, weilen es nur die Natur des Geschäfts also mit sich bringet, daß, wo die Beschaffenheit der Umständen, oder der Inhalt des Vertrags nichts Anderes andeutet, es allemal für eine auf den alleinigen Nutzen des abgesehene Handlung zu halten seie.

(3-78) §. II.

[3, 5, § 2] 7. Alle Sachen können auf diese Art ausgeliehen werden, sie mögen körperlich oder unkörperlich, fahrend oder liegend sein, wann sie nur also beschaffen sind, daß sie durch den Gebrauch, zu deme sie entlehnet worden, nicht verthan oder verzehret, sondern nach vollbrachten Gebrauch in ihrer unverringerten Gestalt anwiederum zuruckgestellet werden mögen.

[3, 5, § 2] 8. Also kann ein Haus, Garten oder ein anderer Grund ebensowohl, als ein jedes bewegliches Ding zu einem gewissen Gebrauch, nicht weniger eine Dienstbarkeit, als der Fruchtgenuß eines Guts, die Wohnung in einem Haus, die Durchfahrt oder der Durchgang über Jemands Grund auf eine bestimmte Zeit lehnungsweise ohnentgeltlich hintangelassen werden.

[3, 5, § 2] 9. Desgleichen können Geld und andere derlei genußbare Sachen, die sonst durch ihren wahren und ordentlichen Gebrauch verthan oder verzehret werden, mit dem Beding zu einem außerordentlichen Gebrauch ausgeliehen werden, daß sie in ihrer unverletzten Gestalt anwiederum zuruckgegeben werden sollen, als da Jemand dem Anderen goldene Münzen leihete, um solche bei seinem Glaubiger zu verpfänden, oder auch einen anderen Gebrauch davon zu machen, wodurch sie nicht verthan werden.

[3, 5, § 2] 10. Sowohl eigene als fremde Sachen können auch ohne Willen des Eigenthümers ausgeliehen werden, nicht nur, insoweit dem Ausleiher hieran ein Recht zustehet, sondern auch, wann er keines hat; dem Eigenthümer aber bleibet die Befugnuß bevor entweder nach erloschenen Recht des Ausleihers, oder auch, wo dieser keines hat, sogleich die Sache mittelst der Eigenthumsklage anwiederum zuruckzufordern, wann gleich der Gebrauch, zu deme sie entlehnet worden, nicht vollendet wäre.

[3, 5, § 2] 11. Es wirket dahero der über eine fremde Sache eingegangene Entlehnungscontract so viel, daß der Entlehner die entlehnte Sache zuruckzustellen schuldig, und der Ausleiher solche nach vollendeten Gebrauch, woferne sich der Eigenthümer bis dahin nicht gemeldet hätte, zuruckzuforderen befugt seie, dagegen aber auch den vor der Zeit durch den Eigenthümer des Gebrauchs der Sache entsetzten Entlehner, im Fall dieser sie zur Zeit der Entlehnung fremd zu sein nicht gewußt, oder da es ihme wissend ware, sich auf den Fall der früheren Zuruckforderung eine Entschädigung bedungen hätte, schadlos zu halten verbindlich werde.

§. III.

[3, 5, § 3] 12. Diesemnach bestehet die von allen anderen Handlungen sich unterscheidende Wesenheit des Entlehnungscontracts in deme, daß die Sache zu einem gewissen und unentgeltlichen Gebrauch mit dem Beding übergeben werde, damit solche nach dessen Beendigung in ihrer unveränderten Gestalt wieder zuruckgestellet werde.

[3, 5, § 3] 13. Es ist dahero zur Wesenheit dieses Contracts erforderlich: Erstens, daß die Sache zum Gebrauch gegeben werde, wodurch sich dieser Contract von allen übrigen sächlichen Contracten, als von Darlehen, Hinterlegung eines Guts, und von der Verpfändung unterscheidet; dann bei Darlehen wird das Eigenthum der geliehenen Sache übertragen, und bei Hinterlegung eines Guts die Verwahrung, bei Verpfändungen aber der Besitz und die Sicherheit überlassen.

[3, 5, § 3] 14. Andertens, daß der Gebrauch, zu deme die Sache geliehen wird, entweder durch ausdrückliche oder stillschweigende Beifügung der Zeit bestimmet werde. Es wird aber für eine stillschweigende Bestimmung der Zeit gehalten, wann die Sache zu einem gewissen Gebrauch ausgeliehen wird, welcher eine Zeitfrist erforderet, als da Jemanden ein Buch zum Durchlesen oder Abschreiben geliehen würde, so wird es auch auf so viele Zeit geliehen zu sein geachtet, als das Durchlesen oder Abschreiben nöthig hat.

(3-79) [3, 5, § 3] 15. Hierdurch wird der Entlehnungscontract von der bittweise geschehenden Ueberlassung des Gebrauchs einer Sache unterschieden, wann nemlich Jemanden eine Sache zu einem unbestimmten Gebrauch bittweise dergestalten vergünstiget wird, daß sie nach Gefallen des Gebenden zu jeder Zeit widerrufen und zuruckgeforderet werden möge, wo mithin der Gebende die Beendigung des Gebrauchs abzuwarten nicht gebunden ist, sondern es von seiner Willkür immerhin abhanget, die Sache zuruckzubegehren.

[3, 5, § 3] 16. Dahingegen kann bei einem Entlehnungscontract der Ausleiher vor Beendigung des Gebrauchs, worzu die Sache geliehen worden, solche nicht zuruckforderen, sondern er ist schuldig die bestimmte Zeit oder den bedungenen Gebrauch abzuwarten; wo aber wegen der ausdrücklich nicht beigeruckten Zeit des Gebrauchs ein Stritt entstünde, hat die Ausmessung der Zeit nach Beschaffenheit der Umständen durch richterlichen Befund zu geschehen.

[3, 5, § 3] 17. Woferne jedoch der Ausleiher aus einem zur Zeit der Entlehnung nicht vorgesehenen ungefähren Zufall der ausgeliehenen Sache selbst unumgänglich bedärfen, und durch deren längere Entbehrung in Schaden versetzet würde, oder auch die Gefahr zu erweisen vermögend wäre, daß die Sache bei dem Entlehner verderben und zu Grund gehen würde, in solchen Fällen ist er an die Zeit des Gebrauchs nicht gebunden, sondern die Sache noch vor dessen Vollendung abzuforderen befugt.

[3, 5, § 3] 18. Gegentheils ist auch der Entlehner schuldig, sowohl die ausgemessene Zeit, als die bedungene Art und Weis des Gebrauchs zu beobachten, und dahero, im Fall er die geborgte Sache über die bestimmte Zeit länger behalten, oder zu einem anderen Gebrauch anwenden, oder etwan gar weiters an einen Dritten ausleihen würde, für allen daraus entstehenden Schaden zu haften verpflichtet.

[3, 5, § 3] 19. Wann aber die Zeit einmal verstrichen, ist derselbe die entlehnte Sache sogleich zuruckzustellen schuldig, obschon er sich solcher zu gebrauchen durch Zufall verhinderet, oder auch der Gebrauch, worzu die Sache auf eine bestimmte Zeit ausgeliehen worden, mit deren Verlauf noch nicht vollendet wäre.

[3, 5, § 3] 20. Drittens erforderet das Wesentliche dieses Contracts, daß der Gebrauch ohnentgeltlich seie, folglich die Sache ohne allem Entgelt ausgeliehen werde, dann wo eine Bezahlung dafür bedungen wird, ist die Handlung eine Vermiethung oder Verlassung, und keine Entlehnung.

[3, 5, § 3] 21. Nichtsdestoweniger wann ohne vorhergehenden Beding von dem Entlehner nicht zur Vergeltung des Gebrauchs, sondern zu einiger Erkenntlichkeit und Dankbarkeit etwas dagegen verheißen oder gegeben wird, änderet solches die Wesenheit des Contracts nicht.

[3, 5, § 3] 22. Endlich viertens, daß die Ausleihung mit dem Beding geschehe, damit eben dasselbe, was entlehnet worden, in seiner Gestalt, und nicht wie bei einem Darlehen eben dergleichen von gleicher Gattung und Betrag zuruckgestellet werde.

§. IV.

[3, 5, § 4] 23. Der Entlehnungscontract ist seiner Eigenschaft nach zweibündig, woraus eine zweifache Verbindlichkeit entstehet, doch also daß der Entlehner gleich Anfangs dem Ausleiher in der Hauptsache zur Wiedergebung des entlehnten Dings verbunden, der Ausleiher hingegen nachhero aus natürlicher Billigkeit zur Entschädigung des allenfalls durch diese Handlung verkürzten Entlehners ruckverbindlich werde.

[3, 5, § 4] 24. Aus der hauptsächlichen Verbindlichkeit des Entlehners entspringet die Hauptforderung, welche dem Ausleiher oder dessen Erben wieder den Entlehner und seine Erben zur Zuruckstellung der geliehenen Sache gebühret, wobei Klägern die wirkliche Ausleihung sammt dem Verlauf der Zeit, oder der Beendigung des Gebrauchs, worzu sie geliehen worden, zu erweisen oblieget.

[3, 5, § 4] 25. Wann eine Sache Mehreren geliehen worden, kann solche von Jenem

(3-80) allein zuruckgeforderet werden, bei deme sie zur Zeit der erhobenen Klage befindlich ist; daferne aber Kläger Denjenigen, in dessen Handen seine Sache wäre, nicht auszuweisen vermögete, oder aber die Klage auf den Ersatz des an der entlehnten Sache geschehenen Schadens gerichtet wäre, ist zu unterscheiden, ob sich Alle für Einen und Einer für Alle zur Zuruckstellung der entlehnten Sache ausdrücklich verbunden haben oder nicht.

[3, 5, § 4] 26. Ersteren Falls ist ein Jeder insonderheit für das Ganze dergestalten zu haften schuldig, daß was hieran von dem Einen nicht eingetrieben worden, von dem Anderen erholet, und dahero ein Jeder besonders nach Willkür des Klägers hierum belanget werden mag, welcher jedoch Dasjenige, was er von Einem hierauf empfangen, von denen Uebrigen anzubegehren nicht befugt ist.

[3, 5, § 4] 27. Letzteren Falls aber, und wo keine ungetheilte Verbindung ausdrücklich eingegangen worden, hat die Handlung jederzeit den Verstand, daß die Sache auf gemeinsame Gefahr geliehen worden, wo mithin ein Jeder nur für seinen Antheil den Ersatz zu leisten hat, folglich auch ein Jeder nur um den schuldigen Antheil, Alle zusammen aber um den ganzen Betrag belanget werden müssen.

[3, 5, § 4] 28. Und dieses hat auch statt, obgleich an dem Untergang oder Verderbung der entlehnten Sache nur Einer allein Schuld träge, dann dieses hebet die Verbindlichkeit der Uebrigen gegen dem Ausleiher nicht auf, sondern machet bloß Denjenigen, dessen Schuld dabei unterwaltet, denen Anderen zur Wiedererstattung ihres daher erleidenden Schadens verfänglich; es wäre dann, daß der Ausleiher sich seiner allein halten, und die Beweisführung über seine unterlaufende Schuld auf sich nehmen würde.

[3, 5, § 4] 29. Ein Gleiches ist nicht weniger in jenem Fall zu beobachten, wann nach dem Entlehner mehrere Erben vorhanden sind, welche nicht anderst, als zu gleichen Theilen nach Maß des auf einen Jeden gediehenen Erbantheils für die entlehnte Sache zu haften haben, und dahero auch Alle zusammen um den ganzen Betrag belanget werden müssen, woferne nicht entweder die Sache selbst von einem Miterben allein in dessen Handen solche befindlich, zuruckgeforderet, oder ein Miterb allein wegen seiner unterwaltenden eigenen Schuld belanget würde.

[3, 5, § 4] 30. Es ist demnach der Entlehner die entlehnte Sache nach vollendeten Gebrauch in ihrer Gänze und unveränderten Gestalt mit allen davon behobenen Früchten, Nutzungen und Zugängen in dem Ort, wo selbe ausgeliehen, oder welches sonst bestimmet worden, auf seine alleinige Unkosten zuruckzustellen schuldig.

[3, 5, § 4] 31. Der Gebrauch muß aber vollendet sein; es wäre dann, daß obbemelter Maßen entweder der Ausleiher aus einem unvorgesehenen Zufall der Sache ohne seinem Schaden nicht entbehren zu können, oder die Gefahr des Untergangs derselben bei dem Entlehner fürzuwalten, oder solche von ihme zu einem anderen, als dem bestimmten Gebrauch angewendet zu werden zu erweisen vermögete, in welchen Fällen er auch vor Verlauf der bestimmten Zeit die Sache zuruckzuforderen berechtiget ist.

[3, 5, § 4] 32. Woferne jedoch der Entlehner die Sache über die gesetzte Zeit bei sich länger aufhalten, und solche auf Begehren des Ausleihers nicht allsogleich zuruckerfolgen, oder sie zu einem anderen, als dem bedungenen Gebrauch angewendet zu haben überwiesen würde, hat derselbe nicht allein für allen dem Ausleiher hierdurch erweislich zugefügten Schaden zu haften, sondern auch, wo sich keiner ergeben hätte, nichtsdestoweniger ihme auf Verlangen eine für die Zeit der längeren Vorenthaltung, oder nach Beschaffenheit des contractwidrigen Gebrauchs nach richterlichen Befund ausmessende billige Vergeltung dafür zu leisten.

[3, 5, § 4] 33. Die entlehnte Sache ist in ihrer Gänze und unveränderten Gestalt unverringeret und unverletzet zuruckzustellen, wann aber ein Schaden aus Schuld oder Saumsal des Entlehners hieran geschehen, sind folgende drei Fälle zu unterscheiden, als nemlich: Erstens, ob die beschädigte Sache jegleichwohlen noch zu gebrauchen

(3-81) seie, oder andertens, ob solche gänzlich zu Grund gegangen, oder dergestalten verdorben worden, daß sie gar nicht mehr zu gebrauchen, sondern ganz und gar unnütz seie, oder ob endlich drittens die Sache zwar aus Handen des Entlehners gekommen, doch aber deren Wiedererhaltung nicht unmöglich seie.

[3, 5, § 4] 34. Ersteren Falls kann der Ausleiher sich nicht entschlagen die entlehnte Sache anwiederum zuruckzunehmen, der Entlehner hingegen ist schuldig so vieles, als dieselbe an ihrem durch gerichtliche Schätzung bestimmenden Werth verringeret worden, daraufzugeben; hätte aber der Ausleiher die Sache zuruckgenommen, ohne sich wegen des etwan dabei hervorkommenden Schadens sogleich entweder vor Zeugen, oder durch eine von dem Entlehner deshalben ausstellende schriftliche Verbindung zu verwahren, oder auch, da er sich solchergestalten verwahret hätte, bei beweglichen Dingen binnen denen nächsten dreien Tagen, oder bei liegenden Gütern binnen vier Wochen von dem Tag der Zuruckstellung seine Klage bei Gericht nicht angebracht, ist ihme der Entlehner weiter zu nichts verbunden.

[3, 5, § 4] 35. In dem zweiten Fall hingegen kann dem Ausleiher weder die gänzlich verdorbene, noch weniger eine andere dem entlehnten Ding gleichkommende Sache aufgedrungen werden, sondern der Entlehner ist schuldig den gerichtlich geschätzten Werth ohnweigerlich zu entrichten.

[3, 5, § 4] 36. Welches zwar gleichergestalten in dem dritten Fall statt hat, dabei aber ist doch der Unterschied zu bemerken, ob der Entlehner arglistiger und betrügerischer Weis die entlehnte Sache selbst verstoßen habe, oder ob solche ohne seiner geflissentlichen Gefährde, doch aber aus seiner Schuld vermisset worden seie.

[3, 5, § 4] 37. Unterwaltete seine eigene Arglist und Betrug, als da er solche selbst verkaufet, oder sonst veräußeret hätte, ist er den Werth, wie solche Kläger mittelst eidlicher Schätzung bestimmen wird, mit allen von dem Tag der Veräußerung hiervon laufenden landesüblichen Zinsen, und allen Gerichtsschäden und Unkosten zu erlegen verpflichtet.

[3, 5, § 4] 38. Wo aber kein Betrug, sondern nur die Schuld des Entlehners unterliefe, als da etwan die Sache aus seiner Verwahrlosung entfremdet worden wäre, ist zwar auch der Werth derselben von dem Kläger zu beschwören, wann solcher in andere Wege nicht erweislich ist, doch solle der Eid nicht auf willkürliche Schätzung des Klägers erstrecket, sondern nur auf den wahren Betrag des Werths, wie er denselben gewissenhaft angeben kann, beschränket werden, welchen der Beklagte mit denen Zinsen von dem Tag, wann die Zuruckstellung zu leisten gewesen wäre, und allen erweislichen Gerichtsschäden und Unkosten zu erstatten hat. Dagegen aber solle der Ausleiher schuldig sein, wann er die Sache, wofür er den Werth empfangen, aus keiner neuen das Eigenthum übertragenden Ursache durch die Eigenthumsklage oder auch sonst anwiederum zu Handen bringen würde, dieselbe dem Entlehner entweder eigenthumlich zu überlassen, oder den bezahlten Werth wieder zuruckzugeben.

[3, 5, § 4] 39. Die Eigenthumsklage kann jedoch bei beweglichen Dingen wider einen dritten Besitzer nur insoweit angestrenget werden, als Kläger zu erweisen vermag, daß er solche fremd zu sein gewußt habe, oder der Beklagte seinen Gewährsmann nicht ausweisen könnte; dann wo ein Dritter in Meinung und guten Glauben, daß es des Veräußerers eigene Sache seie, dieselbe rechtmäßig an sich gebracht und also aus Macht des Gesatzes deren Eigenthum erworben hätte, höret auch die Eigenthumsklage auf, wie dieses bereits in dem zweiten Theil mit Mehreren erkläret worden.

[3, 5, § 4] 40. Wann aber an der entlehnten Sache ohne Schuld des Entlehners von Ohngefähr ein Schaden geschähe, oder auch dieser von dem Gebrauch selbst, zu deme die Sache geliehen worden, herrührete, ohne daß dabei die gehörige Maß überschritten worden wäre, hat solchen der Ausleiher und nicht der Entlehner zu

(3-82) tragen. Für was aber für einen Grad der Schuld der Entlehner verfänglich seie, wird hiernach in §. VI ausgemessen werden.

[3, 5, § 4] 41. Ferners ist die entlehnte Sache mit allen davon behobenen Früchten, Nutzungen und Zugängen zuruckzustellen, insoweit solche dem Entlehner in dem Vertrag nicht überlassen worden; dann nach natürlicher Eigenschaft dieses Contracts wird in Ermangelung eines darüber eingegangenen Bedings nur der bloße Gebrauch der Sache dem Entlehner vergünstiget, und dahero gehören die Nutzungen dem Ausleiher, obgleich deren in dem Vertrag ausdrücklich nicht gedacht worden. In jenen Fällen aber, wo der Werth der Sache zu erstatten ist, gebühren auch hiervon die landesübliche Zinsen von dem Tag, wann die Zuruckstellung zu geschehen hätte.

[3, 5, § 4] 42. Ingleichen muß die Zuruckstellung der entlehnten Sache entweder an dem bestimmten Ort, oder da keines benennet worden wäre, an dem Ort, wo die Sache geliehen worden, befolget werden. Diesemnach kann der Ausleiher an einem anderern Ort zur Zurucknehmung der Sache nicht verhalten werden, außer der Entlehner wäre bereit, die Unkosten zugleich mitabzutragen, welche die Ueberlieferung der Sache an das gehörige Ort erfordern würde.

[3, 5, § 4] 43. Nicht weniger hat der Entlehner die Zuruckstellung der entlehnten Sache auf seine alleinige Unkosten zu bewirken; als da solche ihme entwendet, und irgendwo versetzet worden wäre, ist er dieselbe auszulösen schuldig, welches auch von jenem Fall zu verstehen ist, wann Jemand etwas zum Versatz für des Entlehners eigene Schuld hergeliehen hätte.

§. V.

[3, 5, § 5] 44. Gleichwie aus diesem zweibündigen Contract die Hauptverbindlichkeit an Seiten des Entlehners entstehet, also wird auch dagegen der Ausleiher diesem nachhero zu seiner Entschädigung ruckverbindlich, wann ihme wegen der entlehnten Sache mit oder ohne Zuthat des Ausleihers ein erweislicher Schaden widerfahren ist.

[3, 5, § 5] 45. Mit Zuthat des Ausleihers kann dem Entlehner ein Schaden zugefüget werden erstens, durch voreilige Zuruckforderung der geliehenen Sache vor vollendeten Gebrauch, oder durch dessen geflissentliche Verhinderung, wann es nicht solche oben angeregte Fälle betrifft, wo derselbe die Sache noch vor der Zeit zuruckzunehmen befugt ist; zweitens, durch wissentliche Verleihung einer mangelhaften Sache, wodurch der Entlehner in Schaden versetzet wird; drittens, durch ungebührlichen Gewinnst des Ausleihers, wann nemlich derselbe sowohl den Werth der verlorenen Sache von dem Entlehner, als auch hernach die Sache selbst aus dem vorhin hierangehabten Eigenthumsrecht wieder erhaltet.

[3, 5, § 5] 46. In dem ersteren Fall ist der Ausleiher verbunden, die nach richterlichen Ermessen für den vor der Zeit entzohenen oder gestörten Gebrauch bestimmende Schadloshaltung dem Entlehner zu leisten, in dem zweiten aber ihme alle erweislich daherrührende Schäden zu vergüten, und endlich in dem dritten entweder die Sache oder den Werth zuruckerfolgen zu lassen; dagegen aber ist in diesem letzteren Fall auch der Entlehner schuldig, ihme alle auf Behauptung der Sache erweislich verwendete Unkosten zu ersetzen, wann er solche von dem dritten Besitzer nicht hätte erholen können.

[3, 5, § 5] 47. Ohne Zuthat des Ausleihers kann der Entlehner zu Schaden kommen, wann er auf die geliehene Sache außerordentliche Kosten aus Nothwendigkeit aufzuwenden dergestalten bemüssiget wird, daß ihme ohne solchem Aufwand die Sache zu dem verstatteten Gebrauch ganz unnütz sein würde, welche ihme dahero der Ausleiher aus natürlicher Billigkeit zu vergüten schuldig ist.

[3, 5, § 5] 48. Wohingegen der Entlehner geringe, oder die nach der Natur und Eigenschaft der Sache zu deren gegenwärtiger Erhaltung aufzuwenden habende Auslagen, als z. B. die Stall-, Fütterungs- und Beschlagsunkosten für das entlehnte Pferd


(3-83) selbst zu tragen hat. Was aber den zwar an sich nicht nothwendigen, doch nutzlichen und zur Besserung oder beharrlicher Erhaltung der Sache gemachten Aufwand anbetrifft, davon wird die Ausmessung unten in siebenzehenten Capitel, §. XII, folgen.

[3, 5, § 5] 49. Aus dieser Ruckverbindlichkeit des Ausleihers erwachset die Ruck- oder Gegenforderung, welche dem Entlehner und seinen Erben wider dem Ausleiher und dessen Erben zu Erlangung der ihme aus natürlicher Billigkeit gebührenden Entschädigung zustehet, und entweder für sich allein als eine besondere Klage, oder aber als eine Gegenklage oder Einrede wider die Forderung des Ausleihers angebracht werden mag.

[3, 5, § 5] 50. Als eine besondere Klage kann sie jedoch anderer Gestalt nicht angestrenget werden, außer entweder vor Zuruckstellung der entlehnten Sache, oder es hätte sich der Entlehner bei der Zuruckstellung derowegen auf gleichmäßige Art verwahret, wie oben §. IV, num. 34 von dem Ausleiher geordnet worden, dann wann die Zuruckstellung ohne Vorbehalt geschehen, oder auch nach der Verwahrung die obbestimmte Zeit verstrichen wäre, erlöschet die Gegenforderung des Entlehners.

[3, 5, § 5] 51. Wo aber solche als eine Gegenklage oder Einrede wider die Hauptforderung des Ausleihers eingewendet wird, hat der Richter so eine als die andere in einem Spruch zu entscheiden, maßen dem Entlehner, insolange er nicht entschädiget, oder die Entschädigungsforderung ihme aberkennet wird, sowohl das Recht der Innenhaltung der entlehnten Sache, als auch, wo es auf Erstattung des Werths dafür ankommet, das Recht der Gegenvergeltung zustehet.

[3, 5, § 5] 52. Dahingegen kann derselbe wegen anderer aus diesem Contract nicht herrührenden, obschon sonst an sich klaren und ungezweifleten Forderungen die entlehnte Sache nicht innenhalten, noch sich deshalben etwas davon abziehen; woferne er aber den Werth dafür zu entrichten hätte, als da die Sache mit seiner Schuld verdorben oder verloren worden wäre, hat die Gegenvergeltung allerdings in jener Maß statt, wie es in letzten Capitel, §. III, welcher eigends von Gegenvergeltungen handlet, mit Mehreren angedeutet wird.

§. VI.

[3, 5, § 6] 53. Die Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde ist bei dem Entlehnungscontract nach denen oben in ersten Capitel, §. IX, festgesetzten Maßregeln zu bestimmen; gleichwie nun die Entlehnung einer Sache insgemein auf den Nutzen des Entlehners allein abzielet, also hat derselbe auch solchen Falls für die geringste Schuld, der Ausleiher aber nur für die große Schuld zu haften.

[3, 5, § 6] 54. Woferne aber die Entlehnung auf beiderseitigen Nutzen, oder auch nur zum Vortheil des Ausleihers allein abgesehen gewesen wäre, ist der Entlehner im ersteren Fall für die leichte, und im letzteren Fall nur für die große Schuld verfänglich.

[3, 5, § 6] 55. Dahingegen hat einen ohngefähren ohne aller Schuld des Entlehners an der entlehnten Sache sich ereignenden Zufall, wodurch solche beschädiget, verdorben oder zu Grund gerichtet würde, der Ausleiher allein zu tragen, und ist in diesem Fall der Entlehner ihme dafür eine Vergütung zu leisten nicht schuldig, außer er hätte die Gefahr der Sache auf eine von denen in ersten Capitel, §. IX, num. 126 bis 128, erwähnten Arten auf sich genommen.

[3, 5, § 6] 56. Doch ist der Entlehner verbunden in Verwahrung und Erhaltung der zu seinem alleinigen Nutzen entlehnten Sache den genauesten, und nicht nur gleichen, sondern einen noch größeren Fleiß, als in seinen eigenen Sachen anzuwenden, also zwar, daß bei bevorstehender Gefahr des Verlusts ihme oblieget, die entlehnte Sache mit Hintanlassung seiner eigenen zu retten, und in Sicherheit zu bringen.

[3, 5, § 6] 57. Würde er aber in Rettung seiner eigenen die entlehnte Sache der Gefahr ausgesetzet lassen, und selbe zu Grund gehen, so ist er dem Ausleiher den Werth

(3-84) derselben zu erstatten schuldig, es mögen seine in Sicherheit gebrachte Sachen kostbarer oder geringschätziger, als die entlehnte, gewesen sein.

[3, 5, § 6] 58. Gleichwie in Gegentheil die Billigkeit erheischet, daß, wann der Entlehner zu erweisen vermögend ist, wegen Rettung der entlehnten Sache seine eigene, da er sie in Sicherheit bringen können, nicht gerettet, sondern zuruckgelassen zu haben, der Ausleiher ihme solchen Falls den Werth der geretteten entlehnten Sache, wann seine zu Grund gegangene Sachen kostbarer waren, oder seiner eigenen verlorenen Sachen, wann solche geringschätziger gewesen, zu entrichten habe.

[3, 5, § 6] 59. Dahingegen, wo ohne aller Schuld des Entlehners der größere Theil seiner eigenen sammt der entlehnten Sache zu Grund gienge, und er obbemelter Maßen die Gefahr nicht auf sich genommen hätte, kann der Ausleiher an ihm derowegen keine Forderung stellen, sondern der Zufall schadet ihme allein, wann er von dem Entlehner rechtsbehörig erwiesen wird.

[3, 5, § 6] 60. Desgleichen, wann die entlehnte Sache bei einem Boten, oder einem Dritten, deme deren Ueberlieferung aufgetragen worden, zu Schaden käme, oder solche gar entfremdet, geraubet oder verloren würde, ist zu unterscheiden, ob der Ausleiher diesem Boten oder Ueberbringer die Sache aufzugeben anbefohlen oder gutgeheißen habe, oder ob die Sache nach eigener Auswahl und Gefallen des Entlehners aufgegeben worden. Ersteren Falls hat der Ausleiher den Schaden selbst zu leiden, letzteren Falls aber ist der Entlehner dafür zu haften schuldig, er erweise dann, daß es eine solche sichere Gelegenheit gewesen, an deren Verläßlichkeit und Richtigkeit nicht gezweiflet, noch weniger der widrige Zufall habe vorgesehen werden mögen.

Caput VI.

Von Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts zu getreuen Handen.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Hinterlegungscontracts. §. II. Von Sachen, welche zu getreuen Handen hinterleget werden können. §. III. Von Erfordernussen des Hinterlegungscontracts. §. IV. Von Verbindlichkeit des Aufnehmers oder Desjenigen, zu wessen Handen ein Gut hinterleget wird, und der daraus wider ihn gebührenden Klage. §. V. Von Gegenverbindlichkeit des Anvertrauenden oder Hinterlegenden, und der daher wider ihn entstehenden Klage. §. VI. Von beiderseitiger Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde. §. VII. Von Beschlag einer strittigen Sache.

§. I.

[3, 6, § 1] 1. Der dritte sächliche oder Realcontract ist die Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts zu getreuen Handen. Diese ist eine verbindliche Handlung, wodurch Jemanden ein Ding zu getreuen Handen ohnentgeltlich in seine Verwahrung mit dem Beding anvertrauet wird, damit eben dasselbe dem Hinterlegenden anwiederum auf jedesmaliges Begehren zuruckgestellet werde.

(3-85) [3, 6, § 1] 2. Zur Vollständigkeit dieser Handlung ist so wie bei allen anderen sächlichen Contracten nicht allein die Einwilligung der Contrahenten, sondern auch die wirkliche Uebergab der hinterlegenden Sache dergestalten erforderlich, daß in Ermanglung der einen oder anderen der Hinterlegungscontract nicht zu Stand kommen kann.

[3, 6, § 1] 3. Also obgleich beide Theile wegen Verwahrung einer hinterlegen wollenden Sache unter sich übereinkämen, ohne daß solche in die wirkliche Verwahrung übergeben worden wäre, ist es jedennoch kein Hinterlegungscontract, sondern ein bloßer Vertrag, welchen zwar Derjenige, der die Sache in seine Verwahrung nehmen zu wollen zugesaget, zu vollziehen schuldig, nicht aber auch hieraus der Andere dieselbe wirklich zu hinterlegen verbunden wird, es erweise dann der Uebernehmenwollende, daß ihme an Habhaftwerdung der bei ihme zu hinterlegen versprochenen Sache gelegen seie, als da zugleich wegen verstattenden Gebrauchs der hinterlegenden Sache die Verbindung eingegangen worden wäre.

[3, 6, § 1] 4. Desgleichen, wann der Eine seine Sache in des Anderen Haus oder Wohnung, obschon mit dessen Wissen und Stillschweigen zuruckließe, ohne seinen Willen, daß es hinterlegungsweise geschehe, dabei zu eröffnen, ist es keine Hinterlegung, und der Andere auch dafür zu haften nicht schuldig, woferne ohne seiner Zuthat hieran ein Schaden geschähe, oder sie gar verloren gienge, sondern der Zurucklassende hat es seiner eigenen Unachtsamkeit beizumessen.

[3, 6, § 1] 5. Es wäre dann Derjenige, bei deme die Sache zuruckgelassen worden, eine solche Person, die ihres treibenden Gewerbs halber auf Alles, was in ihre Gewahrsame gebracht wird, auch ohne ausdrücklicher Angelobung der Verwahrung

(3-86) obacht zu tragen verpflichtet ist, wovon unten in neunzehenten Capitel, §. VIII, mit Mehreren gehandlet wird.

[3, 6, § 1] 6. Woferne aber der Hinterlegende ausdrücklich dabei erklärete, daß er dem Anderen die in seinem Haus oder Wohnung lassende Sache in seine Verwahrung zu getreuen Handen anvertraue und übergebe, und dieser würde nicht allein deren Dahinbringung oder Zurucklassung wissentlich gestatten, sondern auch dieser Erklärung nicht widersprechen, und die hinterlegte Sache sofort nicht wieder zuruckgeben, so ist derselbe für einwilligend zu halten, und hat der Hinterlegungscontract seine Richtigkeit, obgleich der Andere ausdrücklich nicht eingewilliget hätte.

[3, 6, § 1] 7. Durch die Uebergab der hinterlegenden Sache wird bloß allein die Verwahrung derselben dem Uebernehmer anvertrauet, und weder deren Eigenthum, noch der Besitz an ihn übertragen, sondern ein so Anderes behält der Hinterlegende, wodurch diese Handlung sich von allen übrigen sächlichen Contracten unterscheidet, als die entweder die Uebertragung des Eigenthums oder des Besitzes, oder die Verstattung des Gebrauchs zu ihrem Gegenstand haben.

[3, 6, § 1] 8. Es ist dahero der Uebernehmer nicht befugt von der hinterlegten Sache einen Gebrauch zu machen, außer es werde ihme solcher von dem Hinterlegenden ausdrücklich verstattet, wodurch aber das Hinterlegungsgeschäft nach Beschaffenheit der Sache, deren Gebrauch vergünstiget wird, entweder gleich Anfangs, oder auch darnach die Natur und Eigenschaft einer anderen Handlung auf sich nimmt.

[3, 6, § 1] 9. Dann, woferne die Sache also geartet ist, daß sie durch den verstatteten Gebrauch verthan und verzehret werde, als da Jemand eine Summe Gelds dem Anderen mit dem Beding anvertrauete, daß er sich deren, bis sie wieder geforderet werden würde, gebrauchen möge, und der Andere sie auch auf diese Weis übernehme, ist es kein Hinterlegungs-, sondern ein Darlehenscontract, und der Uebernehmer wird Eigenthümer der unter einem solchen Beding empfangenen Summe.

[3, 6, § 1] 10. Wohingegen, wann eine andere durch den ordentlichen Gebrauch in ihrer Gänze und Gestalt nicht abnehmende Sache, als z. B. ein Buch oder eine Uhr bei Jemanden hinterleget, und ihme dabei deren Gebrauch verstattet würde, wird eine so beschaffene Hinterlegung in einem Entlehnungscontract verwandlet, und ist in diesem Fall all Jenes zu beobachten, was in gleich vorhergehenden Capitel von der zu beiderseitigen Vortheil gereichenden Entlehnung geordnet worden.

[3, 6, § 1] 11. Würde aber der Uebernehmer ohne Wissen und Willen des Hinterlegers oder Eigenthümers sich der hinterlegten Sache zu gebrauchen anmaßen, und dieses könnte auf ihn dargethan werden, so ist derselbe nicht allein für allen hieran entstehenden Schaden, solcher möge aus seiner Schuld, oder auch nur durch Zufall geschehen, zu haften, sondern auch, da er solche zu seinem Nutzen verwendet, oder sonst veräußeret hätte, deren Werth nach eigener eidlichen Schätzung des Hinterlegers mit denen von Tag der Verwendung anrechnenden landesüblichen Zinsen zu entrichten schuldig.

[3, 6, § 1] 12. Die Sachen, welche hinterleget werden, sind entweder unstrittig oder strittig; bei ersteren wird die Handlung eigentlich eine Hinterlegung, bei denen in Stritt Verfangenen aber ein gerichtlicher Beschlag genannt, von welchem letzteren unten in §. VII besonders gehandlet wird.

[3, 6, § 1] 13. Die eigentliche Hinterlegung geschieht entweder willkürlich aus eigenen freien Willen des Hinterlegers, oder aus Nothwendigkeit der bevorstehenden augenscheinlichen Gefahr zur Zeit einer Feuersbrunst, Wassersnoth, Schiffbruchs, Aufruhrs, Einsturz des Gebäudes, oder sonstigen Nothfalls, welche auch anderst eine bemitleidenswerthe Hinterlegung genannt wird.

[3, 6, § 1] 14. Hinterlegen kann Jedermänniglich, wann er gleich zu anderen verbindlichen Handlungen nach diesem Unseren Gesatz nicht fähig ist, woferne er nur nicht von der Natur sich in eine Handlung einzulassen verhinderet wird, und hat diese Hinterlegung die Wirkung, daß zwar ein solcher sich Denjenigen, deme er sein Gut

(3-87) anvertrauet, verbindlich mache, er aber jegleichwohlen demselben nicht ruckverbindlich werde, außer insoweit ihme ein Vortheil oder Nutzen aus der Handlung erweislich erwachsen wäre; dahingegen können nur Jene zu getreuen Handen Sachen übernehmen, denen Verbindungen einzugehen in diesem Unseren Gesatz nicht verwehret wird.

§. II.

[3, 6, § 2] 15. Alle Sachen, welche von einem Ort zum anderen beweglich sind, können ohne Ausnahm, sie mögen leblose oder belebte Dinge sein, eigentlich hinterleget und in Verwahrung gegeben, die liegende Güter aber zwar auch in gerichtlichen Beschlag genommen, jedoch aus eigener freier Willkür der Contrahenten nicht anderst, als befehlsweise anvertrauet werden, und ist dahero die solchergestalten darüber getroffene Handlung allemal für einen Befehls- und keinen Hinterlegungscontract zu achten.

[3, 6, § 2] 16. Nicht nur eigene, sondern auch fremde Sachen können mit oder ohne Wissen und Willen des Eigenthümers zu getreuen Handen hinterleget werden, und ist bei fremden Sachen nur darauf zu sehen, ob dieselbe im Namen des Eigenthümers, oder in eigenen Namen des Hinterlegers Jemanden anvertrauet werden. Ersteren Falls sind solche nur dem Eigenthümer, in dessen Namen sie hinterleget worden, letzteren Falls aber dem Hinterlegenden zuruckzustellen, wann sie der Eigenthümer mittelst der Eigenthumsklage, ehe und bevor selbe von dem Hinterleger wiederbegehret werden, nicht zuruckforderet.

[3, 6, § 2] 17. Wann aber Jemand seine eigene Sache von dem Anderen in die Verwahrung nähme, er möge es gleich Anfangs gewußt, oder erst nachhero in Erfahrnuß gebracht haben, daß ihme solche zugehöre, wird derselbe hieraus zur Zuruckstellung nicht verbunden; es wäre dann, daß dem Hinterlegenden ein Recht hieran gebührete, als da z. B. bei einem unversehenen Nothfall der Glaubiger dem Schuldner das von ihme eingelegte Pfand in seine Verwahrung gäbe.

[3, 6, § 2] 18. Hätte eine hinterlegte Sache Zugehörungen, welche mit derselben in die Verwahrung gegeben werden, als z. B. ein Roß mit Sattel und Zeug, so ist auch alles dieses in dem Hinterlegungscontract begriffen, und die Sache muß mit allen deme, was damit zu getreuen Handen anvertrauet worden, anwiederum auf Begehren zuruckgestellet werden.

[3, 6, § 2] 19. Desgleichen, wann ein Kasten, Truhen oder sonstiges Behältnuß bei Jemanden hinterleget wird, sind ihme auch andurch alle darinnen enthaltene Sachen in seine Verwahrung anvertrauet, obgleich solche demselben nicht Stuck für Stuck vorgezeiget worden; doch ist der Unterschied dabei in acht zu nehmen, ob das Behältnuß uneröffneter, unverletzter, ohne aller Beschädigung, und in demjenigen Stand, wie es empfangen worden, zuruckgestellet werde, oder ob solches sich bei der Zuruckstellung aufgemacht, veränderet, oder auch das Siegel dabei abgerissen befinde, oder sonst ein Kennzeichen angewendeter Gewalt daran wahrzunehmen seie.

[3, 6, § 2] 20. Ersteren Falls ist der Uebernehmer für die allenfalls daraus vermißte Sachen Red und Antwort zu geben nicht schuldig; es erweise dann der Hinterleger, daß solche sich zur Zeit der Hinterlegungsübergabe wirklich darinnen befunden haben, und daß von dem Uebernehmer in deren Entwendung eine Arglist oder große Schuld begangen worden seie. Letzteren Falls hingegen bei sichtbarer Veränderung oder Verletzung ladet der Uebernehmer den Verdacht auf sich, wann er solchen durch Erprobung eines ungefähren Zufalls entweder wegen schlechter Versperrung des Behältnusses, oder wegen Feuers- oder Wassersnoth oder sonstiger Gefahr von sich abzuleinen nicht vermögend ist; in dessen Ermanglung ist der Hinterleger zur eidlichen Erhärtung Desjenigen, was er hieran sowohl in dem Betrag, als in dem Werth angiebt, wann ihme sonst keine widrige Vermuthung entgegenstehet, zuzulassen, und der Uebernehmer zu dem Ersatz des beschworenen Betrags zu verurtheilen. Würde aber wider den Hinterleger eine gegründete Vermuthung fürwalten,

(3-88) oder auch der Anspruch von dessen Erben gereget werden, so solle der Eid dem Uebernehmer aufgetragen werden, daß weder von ihme, noch von Jemand Anderen aus seiner Schuld etwas davon entwendet, sondern das hinterlegte Gut von ihme getreulich verwahret worden.

§. III.

[3, 6, § 3] 21. Das Wesentliche dieses Contracts bestehet in folgenden Erfordernussen, als: Erstlich, daß die Sache gleich Anfangs lediglich in der Absicht übergeben werde, damit der Andere solche in seine Verwahrung nehme. Woferne aber über die bloße verwahrliche Aufbehaltung der übergebenen Sache noch eine mehrere Obsorge aufgetragen würde, so wird andurch ein Befehlscontract geschlossen, welcher zwar bei anvertrauten Sachen in seinem Umfang allemal die Verbindlichkeit des Hinterlegungscontracts zugleich mitbegreifet, doch aber eine mehrere Verfänglichkeit wirket, und eben dahero eine von jenem in ihrer Wesenheit unterschiedene Handlung ist.

[3, 6, § 3] 22. Zweitens, daß die Verwahrung der hinterlegten Sache ohnentgeltlich übernommen werde; dann, wo ein Lohn oder Vergeltung dafür bedungen würde, ist es ein Miethungs- und kein Hinterlegungscontract, obschon zur Erkenntlichkeit aus bloßer Freigebigkeit des Hinterlegenden etwas dafür gegeben oder verheißen werden kann, ohne daß die Wesenheit des Contracts andurch geänderet würde.

[3, 6, § 3] 23. Es ist dahero der Uebernehmer nicht befugt für die Verwahrung der Sache zu seiner Vergeltung sich etwas davon abzuziehen, oder derowegen dieselbe innenzuhalten, oder bei der Ausantwortung eine Forderung zu stellen, wann deshalben zum voraus nichts bedungen worden; da aber dem Hinterleger jegleichwohlen mit Verweigerung der Zuruckstellung etwas, worzu er weder aus einem vorhergehenden Beding, noch aus der Natur des Contracts verbunden ist, dafür abgenöthiget würde, stehet ihme nachhero frei, das zur Ungebühr Bezahlte oder Gegebene anwiederum zuruckzuforderen, obgleich er vor Ausantwortung der hinterlegten Sache sich dieser Ruckforderung ausdrücklich zu begeben verleitet worden wäre.

[3, 6, § 3] 24. Drittens, daß die Sache mit dem Beding übergeben werde, damit solche der Uebernehmer auf jedesmaliges Begehren des Hinterlegenden anwiederum ausantworte, und wiewohlen eine Zeit bestimmet wird, wie lang die Sache verwahrlich aufbehalten werden solle, so wird doch andurch nur der Uebernehmer verbunden, solche durch die gesetzte Zeit zu verwahren, nicht aber auch der Hinterlegende sie in des Anderen Verwahrung zu belassen, sondern er kann selbe ohne den Verlauf der Zeit abzuwarten, wann es ihme gefällig, zuruckforderen.

[3, 6, § 3] 25. Viertens, daß die Verbindlichkeit dahin eingegangen werde, eben dasselbe Ding, welches hinterleget worden, wieder auszuantworten; dann, woferne bedungen worden, eben dergleichen, oder eben so vielen, oder eine andere Sache, oder den Werth dafür wiederzugeben, verlieret die Handlung die wesentliche Eigenschaft einer Hinterlegung, und ist nach Verschiedenheit des Vertrags und Beschaffenheit der Sache entweder ein Darlehens-, oder Tausch-, oder Kauf-, oder Schätzungscontract.

§. IV.

[3, 6, § 4] 26. Der Hinterlegungscontract ist gleich dem vorigen seiner Natur und Eigenschaft nach eine in der Folge zweibündige Handlung, woraus gleich Anfangs in der Hauptsache Derjenige, welcher etwas zu getreuen Handen annimmt, zu dessen verwahrlicher Aufbehaltung und Wiederausantwortung verpflichtet, der Hinterlegende aber erst nachhero dem übernehmenden Theil aus natürlicher Billigkeit zu dessen Entschädigung ruckverbindlich wird.

[3, 6, § 4] 27. Aus der hauptsächlichen Verbindlichkeit des Uebernehmers entstehet die Hauptforderung, welche dem Hinterleger und seinen Erben wider den Uebernehmer und dessen Erben gebühret, um die hinterlegte Sache in ihrer unveränderten und

(3-89) unverletzten Gestalt mit allen ihren Zugehörungen, Nutzungen, und sonstigen Zugängen an dem gehörigen Ort anwiederum zuruckzustellen.

[3, 6, § 4] 28. Wann Mehrere eine Sache hinterleget haben, und dabei nicht ausdrücklich bedungen worden, daß solche deren Jedwedem insonderheit ganz zuruckgestellet werden möge, so kann nur ein Jeder seinen Antheil forderen, doch mit dem Unterschied, daß wann das hinterlegte Gut theilbar ist, dem Zuruckforderenden davon nicht mehr, als was sein erweislicher Antheil beträgt, ausgefolget werden möge, und woferne ihme hieran ein Mehreres, oder auch das Ganze obschon gegen sattsamer Verbürgung ausgeantwortet würde, der Uebernehmer jegleichwohlen denen Uebrigen für ihre Antheile verbindlich bleibe, wann dieselbe sich sonst an dem Erhebenden nicht halten wollen.

[3, 6, § 4] 29. Wobei der Uebernehmer in acht zu nehmen hat, daß, wann etwan die hinterlegte Sache in einem versperrten oder versiegelten Behältnuß ihme übergeben worden wäre, derselbe solchenfalls, um allen widrigen Verdacht von sich abzuleinen, das Behältnuß nicht anderst, als vor Gericht, oder vor zweien untadelhaften Zeugen eröffnen, den darinnen befindlichen Betrag gestalter Dingen nach abzählen, abwiegen oder abmessen, dann nach Abzug des auszufolgen habenden Antheils mit Bemerkung des Herausgenommenen das Uebrige anwiederum in dem Behältnuß aufbewahren, und dasselbe entweder von Gericht aus, oder von denen dabei gegenwärtigen Zeugen neuerdings versieglen lasse.

[3, 6, § 4] 30. Wäre aber die hinterlegte Sache untheilbar, ist selbe auch Einem gegen Leistung hinlänglicher Bürgschaft auszuantworten, und der Uebernehmer wird von allem Anspruch der Uebrigen dadurch entlediget, wie ihme dann auch solchenfalls freistehet, wann er deshalben einen Stritt zu befahren hätte, die ihme anvertraute Sache bei Gericht zu hinterlegen.

[3, 6, § 4] 31. Alles, was von mehreren Theilhaberen an einer hinterlegten Sache bisher geordnet worden, hat ebenermaßen in jenem Fall statt, wann der Hinterlegende mehrere Erben hinterlasset, deren Jedem nach Maß seines Erbtheils die Forderung an der hinterlegten Sache gebühret, und dahero nicht weniger der Unterschied zwischen theilbaren und untheilbaren Dingen zu beobachten ist.

[3, 6, § 4] 32. Würde aber Einer von mehreren Miterben oder Theilhaberen an dem hinterlegten Gut seinen Antheil erheben, und sonach das Uebrige bei deme, wo es verwahrlich aufbehalten wird, zu Grund gehen, so ist derselbe denen anderen Theilhaberen oder Miterben von seinem noch zu rechter Zeit erhobenen Antheil etwas mitzutheilen nicht schuldig, außer sie wären zusammen Gesellschaftere auf gemeinen Gewinn und Verlust, und an Seiten des Zurucklassenden unterwaltete kein solcher Grad der Schuld, wofür auch ein Gesellschafter dem anderen zu haften hat.

[3, 6, § 4] 33. Es hat dahero allemal Derjenige, welcher die Sache hinterleget, die Befugnuß solche nach Gefallen zuruckzuforderen, sie möge ihm eigenthumlich zugehören oder nicht, und stehet dem Uebernehmer nicht zu, den Abgang des Eigenthums wider die Klage des Hinterlegers einzuwenden, noch weniger befreiet sich derselbe von der Verbindlichkeit, wann er die Sache einem Dritten ausfolget, welcher durch einen von dem Hinterleger erhaltenen Befehl oder Anweisung hierzu nicht berechtiget ist.

[3, 6, § 4] 34. Die Befugnuß der Zuruckforderung höret aber in folgenden Fällen auf, als: Erstens, wann der Eigenthümer mittelst der Eigenthumsklage die hinterlegte Sache zuruckforderet; zweitens, wann des Hinterlegers Hab und Vermögen, oder auch die hinterlegte Sache insonderheit Unserer Kammer verfallen ist, und für ein verfallenes Gut erkläret worden; drittens, wann der Hinterleger nach der Zeit in einen Zustand gerathete, wodurch er der freien Verwaltung seines Vermögens entsetzet worden, daß ihme keine Zahlung geleistet werden möge; viertens, wann Derjenige, in dessen Verwahrung die anvertraute Sache befindlich, vorsähe, daß davon ein übler und widerrechtlicher Gebrauch gemacht werden würde, als

(3-90) da Jemand den hinterlegten Degen in Zorn zuruckbegehrete, um den Anderen damit anzufallen.

[3, 6, § 4] 35. In allen diesen Fällen kann nicht allein der Bewahrer der hinterlegten Sache solche dem Hinterlegenden nicht ausfolgen, sondern wann er jedennoch ihme dieselbe ausantworten würde, ist derselbe in denen ersteren dreien Fällen dafür zu haften, und Demjenigen, der die Sache zuruckzuforderen befugt ist, den Ersatz zu leisten schuldig, in dem letzteren Fall aber für allen daraus entstehenden Schaden verfänglich.

[3, 6, § 4] 36. Würde aber die Sache in eines Dritten Namen, der nicht Eigenthümer ist, hinterleget, so hat sowohl dieser, als auch der Hinterlegende die Befugnuß solche zuruckzubegehren, und ist selbe Demjenigen auszuantworten, welcher von Beiden sie ehender forderen wird; entstünde hingegen über die hinterlegte Sache eine Strittigkeit, so ist der Uebernehmer nicht gehalten, deren Ausgang abzuwarten, sondern kann die Sache zu Gerichtshanden erlegen.

[3, 6, § 4] 37. Wann eine Sache Mehreren zu getreuen Handen anvertrauet worden, oder nach dem Uebernehmer mehrere Erben vorhanden sind, ist mit Zuruckforderung der hinterlegten Sache auf gleiche Weis zu verfahren, wie es oben in vorhergehenden Capitel, §. IV, num. 25 bis 29, bei einem von Mehreren entlehnten Ding ausgemessen worden.

[3, 6, § 4] 38. Da aber der Bewahrer des hinterlegten Guts solches weiters einem Dritten in die verwahrliche Aufbehaltung übergeben würde, tritt der erste Hinterleger in das Recht des zweiten ein, und kann es nicht allein mittelst der Eigenthumsklage, sondern auch mittelst der contractmäßigen Forderung von dem zweiten Uebernehmer zuruckbegehren, doch dergestalten, daß er bei verweigerender Ausantwortung ersteren Falls das Eigenthum, in zweitem Fall aber die von ihme bei dem Ersten, und sofort von diesem bei dem Zweiten beschehene Hinterlegung zu erweisen hat.

[3, 6, § 4] 39. Die hinterlegte Sache muß dem Hinterleger in ihrer unveränderten und unverletzten Gestalt zuruckgestellet werden, und ist dahero der Uebernehmer für allen hieran aus seiner Schuld nach dem unten, §. VI, bestimmenden Grad der contractmäßigen Verfänglichkeit entstehenden Schaden zu haften schuldig.

[3, 6, § 4] 40. Nicht weniger hat er den ganzen Werth, der aus seiner Schuld verlorenen, oder auch von ihme veräußerten Sache zu entrichten, wie solchen der Hinterleger erweisen, oder in Ermanglung eines anderen Beweises eidlich bewähren würde, welcher jedoch dagegen schuldig ist, in Fall er die Sache, wofür ihme der Werth einmal bezahlet worden, hinwiederum ohne deren Eigenthum aus einer neuen Ursache an sich zu bringen, zu seinen Handen bekäme, dem Anderen, der den Werth dafür abgestattet, nach selbsteigener Auswahl entweder die Sache, oder den empfangenen Werth auszufolgen.

[3, 6, § 4] 41. Wo aber die Sache aus Nothwendigkeit wegen bevorstehender Gefahr einer Feuersbrunst, Wassersnoth u. dgl. Unfällen Jemanden zu getreuen Handen anvertrauet worden wäre, und derselbe würde die Hinterlegung arglistiger Weise bei Gericht laugnen, oder solche auszufolgen aus unstandhaften Ursachen verweigeren, dessen aber jegleichwohlen überführet werden, so ist er zur Strafe über Erstattung des hinterlegten Guts noch in einen einfachen Betrag des gerichtlich geschätzten Werths, oder da die Sache schon verthan wäre, in dessen zweifachen Betrag, wie solchen Kläger beschwören würde, nebst allen Schäden und Unkosten zu Handen des Klägers zu verurtheilen, dessen Erben hingegen, wann sie ihrerseits sich hierbei keiner Gefährde gebrauchen, sind nur für den einfachen Betrag verfänglich; es wäre kann, daß die Klage schon wider den Erblasser erhoben, und von ihme die Hinterlegung gelaugnet worden.

[3, 6, § 4] 42. Ferners muß die hinterlegte Sache mit allen ihren Zugehörungen, Nutzungen und Zugängen ausgehändiget werden, wessentwegen der Uebernehmer nicht allein alle von der hinterlegten Sache zu seinen Handen einbehobene Nutzungen,

(3-91) sondern auch, da er die Sache zu seinem eigenen Gebrauch verthan und verzehret hätte, sie möge in Barschaft oder anderen Dingen bestanden sein, hiervon nach Maß des zu seinem Nutzen verwendeten Betrags, oder des hernach gerichtlich schätzenden oder beschwörenden Werths die von dem Tag der Verwendung laufende landesübliche Zinsen zu erstatten verbunden ist.

[3, 6, § 4] 43. Wohingegen, da die Sache nicht durch eigenmächtige Verwendung, sondern in andere Wege aus seiner Schuld verloren, oder auf Zuruckforderen nicht sogleich zuruckgestellet worden wäre, hat derselbe von dem Geld- oder Werthsbetrag die Zinsen nur von dem angesetzten Tag der Zuruckstellung, oder da keiner bestimmet worden wäre, oder das hinterlegte Gut auch ehender zuruckgeforderet würde, von dem Tag der erhobenen Klage zu bezahlen, sowie bei Zuruckstellung der hinterlegten Sache selbst alle von dieser Zeit an wegen deren Vorenthaltung erlittene erweisliche Schäden zu vergüten, wobei sich jedoch der Hinterleger wegen Vorbehaltung aller vorerwähnten contractmäßigen Nebengebührnussen auf gleiche Art zu verhalten hat, wie es oben in fünften Capitel, §. IV, num. 34, von entlehnten Sachen geordnet worden.

[3, 6, § 4] 44. Desgleichen muß auch die Zuruckstellung an dem bestimmten Ort, oder da in dem Vertrag keines benennet ist, an dem Ort, wo die Sache hinterleget worden, geschehen, wobei allemal der Hinterleger die Unkosten zu tragen hat, außer es hätte solche der andere Theil ausdrücklich auf sich genommen, oder aber dieser wollte die Sache an einem anderen Ort, als beliebet, oder wo solche hinterleget worden, ausantworten, deren Dahinlieferung er solchenfalls auf seine eigene Unkosten zu bewirken hat.

[3, 6, § 4] 45. Woferne aber der Uebernehmer aus der bei ihme hinterlegten Barschaft, oder für den aus der anvertrauten Sache gelösten Werth sich ein liegendes oder fahrendes Gut anschaffen würde, so kann sich der Hinterleger hieran keines Eigenthumsrechts anmaßen, noch sich dessen halten, wann ihme der Uebernehmer aus anderen Mitteln den Ersatz zu leisten bereit ist, doch stehet ihme frei, sich zu seiner Sicherheit mittelst gerichtlicher Behaftung darauf zu verwahren, welche aber wieder aufzuheben ist, sobald er anderergestalten zu seiner vollständigen Befriedigung gelanget.

[3, 6, § 4] 46. Obschon der Uebernehmer einer hinterlegten Sache gemäß seiner eingegangenen Verbindlichkeit die anberaumte Zeit der verwahrlichen Aufbehaltung abzuwarten, und dieselbe bis auf Zuruckforderen des Hinterlegers zu verwahren schuldig ist, so kann er jedoch in folgenden Fällen die anvertraute Sache ohne Abwartung der bestimmten Zeit, oder der anderseitigen Abforderung dem Hinterleger zuruckstellen, und da dieser solche anzunehmen verweigerete, sie auf dessen Unkosten in gerichtliche Verwahrung übergeben, wann nemlich entweder aus einem zur Zeit der Hinterlegung nicht vorgesehenen Zufall derselbe des Orts, wo die fremde Sache aufbehalten ist, unumgänglich zur Verwahrung seiner eigenen Sache bedärfen, oder das Ort dergestalten beschädiget würde, daß die hinterlegte Sache der unvermeidlichen Gefahr des Verlusts oder Verderbens darinnen ausgesetzet, und er mit keinem anderen tauglichen Ort versehen, oder auch sonst eine bei ihme bevorstehende Gefahr des Untergangs erweislich, oder endlich die bedungene Zeit der Verwahrung verflossen wäre.

[3, 6, § 4] 47. Da nun Jemand wegen geflissentlicher Veruntreuung des hinterlegten Guts durch richterlichen Spruch verurtheilet, und diese darinnen ausgedrücket würde, ist ein solcher für einen ehrlosen Menschen zu halten, und aus aller Gemeinschaft burgerlicher Rechten und Freiheiten auszuschließen; woferne aber in dem Urtheil von einer Veruntreuung keine Meldung geschehe, ist ihme solches an seiner Ehre und guten Namen unnachtheilig, obschon in dem Urtheil keine ausdrückliche Ehrenverwahrung enthalten wäre.

[3, 6, § 4] 48. Es solle jedoch mit der Erkanntnuß über Hinterlegungsangelegenheiten,

(3-92) wann der Beklagte der Hinterlegung geständig ist, oder solche sonst entweder durch Zeugen, oder durch Brief und Siegel klar erprobet wird, schleunig verfahren, und dem Beklagten keine andere Einwendung oder Einrede, als welche sogleich erweislich ist, gestattet werden, noch weniger an der hinterlegten Sache das Recht der Innenhaltung oder Gegenvergeltung wegen anderer Forderungen, als welche ihme nach Inhalt des gleichfolgenden §. aus der Natur des Contracts gebühren, zulässig sein.

§. V.

[3, 6, § 5] 49. Die Eigenschaft aller gutthätigen Handlungen, worunter auch der Hinterlegungscontract als eine lediglich zu Nutzen des Hinterlegenden gereichende Handlung zu zählen ist, erheischet aus natürlicher Billigkeit, welche nicht gestattet, daß Jemand wegen erzeigender Wohlthat zu Schaden komme, die Ruckverbindlichkeit Desjenigen, deme die Wohlthat erwiesen wird, zur Vergütung des daher erleidenden Schadens.

[3, 6, § 5] 50. Aus diesem Grundsatz fließet die Ruckverbindlichkeit des Hinterlegers, woraus die Ruck- oder Gegenforderung hergeleitet wird, welche dem Bewahrer des anvertrauten Guts und seinen Erben wider den Hinterleger und dessen Erben zum Ersatz des wegen der hinterlegten Sache erleidenden erweislichen Schadens zustehet.

[3, 6, § 5] 51. Ein Schaden kann mit oder ohne Zuthat des Hinterlegers geschehen, als mit dessen Zuthat entweder durch Hinterlegung einer wissentlich mangelhaften Sache, wodurch deren Bewahrer ohne seiner Schuld in Schaden versetzet wird, oder durch ungebührlichen Gewinnst des Hinterlegers, da derselbe sowohl den Werth der verlorenen hinterlegten Sache von dem Uebernehmer empfangen, als auch hernach die Sache selbst anwiederum aus dem vorigen Eigenthumsrecht zu Handen bekäme, und hat so ein als anderen Falls von dem Hinterleger die Erstattung des Schadens in eben derjenigen Maß, wie es in vorigen Capitel, §. V, num. 46, bei dem Entlehnungscontract in gleichen Fällen geordnet worden, zu geschehen.

[3, 6, § 5] 52. Ohne Zuthat des Hinterlegers kann der Bewahrer der anvertrauten Sache einen Schaden erleiden, wann er hierauf Unkosten aufzuwenden bemüssiget wird, der Aufwand möge wenig oder viel betragen, und entweder auf die gegenwärtige oder beharrliche Erhaltung der Sache abzielen, wann nur dessen Nothwendigkeit erweislich ist, welchen dahero ebenermaßen der Hinterleger zu ersetzen hat; von dem nutzbaren Aufwand aber wird in siebenzehenten Capitel, §. XII, gehandlet werden.

[3, 6, § 5] 53. Diese Ruck- oder Gegenforderung kann auf gleiche Art, wie es in vorigen Capitel, §. V, num. 50 und 51, bei dem Entlehnungscontract gemeldet worden, entweder als eine besondere Klage in der alldort hierzu anberaumten Zeitfrist, oder als eine Gegenklage oder Einrede wider die Hauptforderung angebracht werden, und stehet gleichfalls dem Uebernehmer für alles das, was ihme aus dieser Forderung gebühret, sowohl das Recht der Innenhaltung der hinterlegten Sache, als im Fall, wo deren Werth zu entrichten ist, hieran das Recht der Gegenvergeltung zu.

[3, 6, § 5] 54. Wegen anderer obschon klar erweislichen Forderungen hingegen kann der Uebernehmer sich unter keinerlei Vorwand weder der Innenhaltung der in seine Verwahrung gegebenen Sache, noch der Gegenvergeltung an dem dafür etwan zu bezahlen habenden Werth anmaßen, außer es wäre die Sach ausdrücklich zur Sicherheit und Bedeckung seiner Forderung hinterleget, oder von ihme hierauf deshalben ein gerichtlicher Kummer und Verbot in Fällen, wo solcher nach Vorschrift der Gerichtsordnung zugelassen wird, ausgewirket worden, welcher jedoch nicht ehender bewilliget werden solle, als bis die hinterlegte Sache zu Gerichtshanden ausgefolget worden.

§. VI.

[3, 6, § 6] 55. Aus der Natur des Hinterlegungscontracts hat nach denen oben in ersten Capitel, §. IX, angeführten Grundsätzen der Uebernehmer einer zu getreuen


(3-93) Handen anvertrauten Sache lediglich für die Gefährde und große Schuld allein, der Hinterleger hingegen, als dessen alleiniger Vortheil und Nutzen insgemein dabei unterwaltet, auch für die leichteste Schuld, woraus dem Uebernehmenden ein Schaden widerfahren, zu haften.

[3, 6, § 6] 56. Es ist dahero der Bewahrer einer hinterlegten Sache nicht verbunden, bei gemeinsamer Gefahr, als z. B. einer entstandenen Feuersbrunst, Ueberschwemmung, Einsturz des Gebäudes, und dergleichen Unfällen, solche mit Hinterlassung seiner eigenen zu retten und in Sicherheit zu bringen, wann die Zudringlichkeit der Gefahr beider Rettung nicht gestattet, und kann folglich der Hinterleger, wann gleich alle des Bewahrers eigene Sachen gerettet, und nur das hinterlegte Gut allein zu Grund gegangen wäre, an denselben deshalben keinen Anspruch machen; er wäre dann zu erweisen vermögend, daß in Rettung des Bewahrers eigener Sachen dasselbe füglich der Gefahr hätte entzohen werden können.

[3, 6, § 6] 57. Doch giebt es Fälle, wo der Uebernehmer des hinterlegten Dings auch für die leichte Schuld verfänglich wird, als da er sich ausdrücklich zu einem ausbündigeren Fleiß anheischig gemacht, oder sich selbst die Sache in Verwahrung zu nehmen angetragen und anverboten, oder für deren verwahrliche Aufbehaltung etwas zur Erkenntlichkeit bekommen, oder sonst daraus einen Nutzen bezohen hätte.

[3, 6, § 6] 58. Für einen ohngefähren Zufall aber hat der Uebernehmer einer zu getreuen Handen hinterlegten Sache niemalen zu haften, außer er hätte die Gefahr auf eine solche Art, wie es oben in ersten Capitel, §. IX, num. 126 bis 128 gemeldet worden, auf sich genommen, oder sich der Sache ohne Wissen und Willen des Hinterlegers gebrauchet, dieselbe möge unter dem wirklichen Gebrauch, oder auch hernach durch Zufall zu Grund gegangen sein, dann der einmal angemaßte eigenmächtige Gebrauch eines anvertrauten Guts übertraget auf ihn für allezeit, so lang es in seinen Handen befindlich ist, die Verfänglichkeit für die Gefahr.

[3, 6, § 6] 59. Also, da Jemand die bei ihme hinterlegte Sache arglistiger Weise versetzen oder verkaufen, und solche nach der Hand, da sie von ihme anwiederum eingelöset, und in seine Verwahrung genommen worden, durch Zufall zu Grund gehen würde, ist er wegen der einmal begangenen Arglist, obgleich der Fehltritt der Veruntreuung durch die nachherige Wiedereinlösung verbessert worden, jegleichwohlen dafür zu haften schuldig.

[3, 6, § 6] 60. Desgleichen, wann eine Sache auf des Uebernehmenden eigenes Ersuchen zu seinem alleinigen Nutzen mit dem Beding, daß deren Eigenthum in dem Fall der Bedürfnuß auf denselben übertragen werde, hinterleget wird, ist er für allen sich hieran ergebenden Zufall verbunden, wann gleich der Fall nicht erfolget ist, worauf die Uebertragung des Eigenthums bedungen ware, als z. B. da Jemand den Anderen um Vorstreckung eines Darlehens zu Erkaufung eines Hauses ersuchete, und dieser ließe eine Summe Gelds bei ihme indessen in Verwahrung, um sich derselben, wann der Kauf zu Stand käme, gebrauchen zu mögen, so bleibet auch das Geld auf die Gefahr des Uebernehmenden, der Kauf möge für sich gehen, oder nicht.

[3, 6, § 6] 61. Wann aber Jemand eine bei sich hinterlegte Sache weiters dem Anderen in Verwahrung gäbe, ist er ebenfalls nur insoweit verbindlich, als des anderen Uebernehmers Gefährde oder große Schuld unterwaltet, außer es wäre einer von obbemerkten Fällen, worinnen er auch für die leichte Schuld, oder gar für den Zufall sich verfänglich gemacht hätte; doch bleibet ihme der Anspruch wider den anderen Uebernehmer allemal bevor.

[3, 6, § 6] 62. Die Schuld muß allezeit von dem Hinterleger, der angebliche Zufall aber von dem Uebernehmer erwiesen werden, deme bei offenkündigen Unfällen als Feuersbrünsten u. dgl. mit klaren und offenbaren Proben solchen darzuthuen oblieget, bei heimlichen Zufällen hingegen, als Diebstählen und Beraubungen,

(3-94) ist auch an gegründeten Anzeichen und Vermuthungen genug, und kann sowohl in Ansehen des Zufalls selbst, als daß die ihme anvertraute Sache auf eine oder die andere Art dadurch entwendet, oder zu Grund gegangen seie, zur Herstellung der Vollständigkeit des Beweises der Uebernehmer, wann er sonst eine wohlverhaltene Person ist, zur eidlichen Bestätigung zugelassen werden.

§. VII.

[3, 6, § 7] 63. Die Hinterlegung strittiger Sachen heißet eigentlich ein gerichtlicher Beschlag, und ist eine Handlung, wodurch eine strittige Sache mit dem Beding entweder bei Gericht, oder bei einem Dritten hinterleget wird, daß selbe nach Austrag des Stritts dem obsiegenden Theil ausgehändiget werde.

[3, 6, § 7] 64. Diese geschieht auf zweierlei Art, als entweder mit beiderseitiger Einwilligung der streitenden Theilen, oder auf richterliches Geheiß und Anordnung aus erheblicher Ursach auch wider Willen des einen oder anderen Theils; jene wird ein willkürlicher, diese aber ein nothwendiger oder eigentlich ein gerichtlicher Beschlag genannt.

[3, 6, § 7] 65. Alle Sachen, sie mögen beweglich oder unbeweglich sein, können in gerichtlichen Beschlag genommen werden, doch mit dem Unterschied, daß bei unbeweglichen Dingen insgemein über deren bloße Verwahrung auch die Verwaltung und Obsorge unter der Verrechnungsschuldigkeit aufgetragen zu werden pflege.

[3, 6, § 7] 66. Mit beiderseitiger Willkür und Vereinigung der Parten kann der gerichtliche Beschlag in allen Fällen ohne Ausnahm veranlasset, dahingegen wider Willen des Besitzers auf gerichtliche Anordnung nicht anderst, als aus erheblicher Ursache und nur in gewissen Fällen verhänget werden, welche in der Gerichtsordnung ausgemessen sind, woselbst auch die Art und Weis, wie ein gerichtlicher Beschlag zu bewirken ist, und was sowohl der Richter bei dessen Verfügung zu beobachten habe, als inwieweit sich die Befugnuß des die Sache in Beschlag Habenden erstrecke, und was dessen Amtsobliegenheit erfordere, vorgeschrieben wird.

[3, 6, § 7] 67. Ist aber der Stritt durch rechtlichen Ausspruch, oder durch Vergleich geendiget worden, so hat der obsiegende Theil entweder, wann es ein von richterlichen Amts wegen verhängter Beschlag ware, um dessen Aufhebung bei Gericht einzukommen, oder wann es ein willkürlicher Beschlag gewesen, und ihme die behauptete Sache in der Güte nicht ausgefolget werden wollte, den mittlerweiligen Bewahrer derselben um deren Einantwortung zu belangen.

[3, 6, § 7] 68. Dieser ist nicht nur allein zu allen deme, was die Eigenschaft des Hinterlegungscontracts mit sich bringet, verbunden, sondern auch, daferne ihme beinebst die Verwaltung der in Beschlag gegebenen Sache aufgetragen worden, für das, was ein jeder anderer Befehlshaber nach Erfordernuß des Befehlscontracts zu beobachten hat, verfänglich; dagegen aber gebühret ihme auch zu seiner Entschädigung die Ruck- oder Gegenforderung wegen aller daher erweislich erlittenen Schäden und gemachten Aufwands.

(3-95) Caput VII.

Von Pfandcontracten.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Pfändern.

§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Verschiedenheit des Pfandcontracts. §. II. Von Fähigkeit des Pfandgebers und Pfandnehmers. §. III. Von Sachen, welche verpfändet werden können. §. IV. Von Art und Weis eines bestellenden Unterpfands. §. V. Von der aus dem Pfandcontract entstehenden Verbindlichkeit des Pfandnehmers, und der daher wider ihn gebührenden Klage. §. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Pfandgebers, und der wider ihn daraus entspringenden Klage. §. VII. Von Verfänglichkeit Beider gegeneinander für Schuld und Gefährde. §. VIII. Von Erlöschung und Auflösung des Unterpfands.

§. I.

[3, 7, § 1] Num. 1. Der vierte sächliche oder Realcontract ist die Verpfändung. Diese ist eine verbindliche Handlung, wodurch der Schuldner, oder auch für diesen ein Dritter dem Glaubiger eine Sache zur Versicherung der Schuld mit dem Beding übergiebt, oder ein Gut verschreibet, damit eben dieselbe Sache nach bezahlter Schuld anwiederum zuruckgestellet, aber das Gut von der Verschreibung befreiet werde.

[3, 7, § 1] 2. Der Pfandcontract erforderet demnach zu seiner Wesenheit eine vorhergehende Schuld, oder sonstige Verbindlichkeit, welcher derselbe als eine Folge beitritt,

(3-96) und ohne solcher nicht bestehen kann, obschon er an und für sich eine besondere von anderen in seinem Wesentlichen unterschiedene Handlung ist.

[3, 7, § 1] 3. Er wird auf zweierlei Art errichtet, als durch die wirkliche Uebergab der verpfändeten Sache, oder durch die Verschreibung eines Unterpfands, welches jegleichwohlen in Handen des Schuldners verbleibet. Erstere heißet eigentlich ein Pfand, Unterpfand, Versatz, letztere aber eine Pfandverschreibung oder Hypothek.

[3, 7, § 1] 4. Beide Gattungen sind zwar in dem weitesten Verstand einer Pfandschaft begriffen, und dahero wird auch das darauf gelehnte Geld so ein als anderen Falls ein Pfandschilling genennet. In der eigentlichen Bedeutung hingegen unterscheiden sich dieselbe sowohl nach dem Gegenstand, den sie behaften, als nach deren jeder besonderen Bestellungsart.

[3, 7, § 1] 5. Dann ein Pfand kann nur an beweglichen Dingen mittelst deren wirklicher Uebergab, eine Hypothek hingegen insgemein nur an unbeweglichen Gütern, und lediglich in gewissen unten berührenden Fällen auch an fahrenden Habschaften mittelst gerichtlicher Verschreibung bestellet werden, obschon beide einerlei Absicht und Wirkung haben.

[3, 7, § 1] 6. Es wird dahero gegenwärtiges Capitel in zwei Artikeln abgetheilet, und in deren ersterem von Pfändern, in zweiten von Pfandsverschreibungen, sonach aber von beider gemeinsamen Wirkung, und den daher entspringenden Rechten gehandlet.

[3, 7, § 1] 7. Eine Pfandschaft hat dreierlei Bedeutungen, dann entweder wird dadurch in gemeinen Begriff die Sache, welche verpfändet wird, oder das Recht, welches dem Glaubiger hieran gebühret, oder der Contract oder Vertrag selbst, wodurch ein Unterpfand bestellet wird, verstanden. Das Pfandrecht ist in zweiten Theil erkläret worden, hier aber wird die Pfandschaft nur in dem letzteren Verstand, insoweit solche die contractmäßige Verbindlichkeit des Pfandnehmers und Pfandgebers gegeneinander wirket, ausgeleget.

[3, 7, § 1] 8. Ein Unterpfand wird entweder willkürlich oder gerichtlich bestellet. Das Willkürliche geschieht mit freier Vereinigung beider Theilen, das Gerichtliche hingegen wird von richterlichen Amts wegen auch wider Willen des Schuldners entweder zur Genugthuung des in Rechtskräften erwachsenen Urtheils, oder zur Sicherheit des Glaubigers verhänget, dessen Beschreibung in vierten Theil bei Abhandlung der Gerichtsordnung folget.

[3, 7, § 1] 9. Es ist aber auch bei willkürlichen Verpfändungen nicht an der bloßen Vereinigung der Contrahenten genug, sondern es wird noch über das, wie bei allen anderen sächlichen Contracten, die wirkliche Uebergab der verpfändeten Sache erforderet, wodurch erst der Pfandcontract seine Vollständigkeit erlanget.

[3, 7, § 1] 10. Diesemnach bestehet die Wesenheit des Pfandcontracts in Folgenden: Erstens, damit die Sache zur Sicherheit der Schuldforderung in Versatz übergeben werde, wodurch dieser Contract sich sowohl von den übrigen sächlichen Contracten, als auch von den Pfandsverschreibungen unterscheidet, als wobei der Schuldner in dem Besitz des zum Unterpfand verschriebenen Guts verbleibet.

[3, 7, § 1] 11. Durch diese Uebergabe wird bloß der natürliche Besitz der verpfändeten Sache auf den Glaubiger übertragen, das Eigenthum aber behält der Pfandgeber, und hat der Glaubiger die Befugnuß nicht, sich derselben zu gebrauchen, wann ihme der Gebrauch nicht von jenem entweder ausdrücklich oder stillschweigend verstattet worden, wie solches unten, §. XIV, mit Mehreren erkläret wird.

[3, 7, § 1] 12. Würde sich aber der Glaubiger ohne Wissen und Willen des Pfandgebers des Gebrauchs der verpfändeten Sache anmaßen, ist derselbe nicht allein alle davon behobene Nutzungen zu erstatten, oder sich von dem Pfandschilling abziehen zu lassen schuldig, sondern er ladet auch die Gefahr der Sache auf sich, und ist für allen hieran entstehenden Schaden, wann solcher gleich durch Zufall geschehen, worzu der Gebrauch den Anlaß gegeben, wie solchen der Pfandgeber nach eigener

(3-97) Schätzung beschwören wird, verfänglich, dieser aber den beschworenen Betrag sich von der Schuld abzuziehen befugt.

[3, 7, § 1] 13. Zweitens erheischet die Wesenheit des Pfandcontracts, damit eine Schuld oder sonstige Verbindlichkeit vorhergehe, wegen welcher ein Unterpfand bestellet wird, es möge eine eigene oder fremde, bedingte oder unbedingte, klar erweisliche, oder erst von richterlicher Erkanntnuß abhangende Schuld sein; dann auch für fremde Schulden kann Jemand ein Unterpfand bestellen, und ist der Glaubiger sich dessen ebensowohl, als ob es des Schuldners eigenes Gut wäre, zu halten berechtiget.

[3, 7, § 1] 14. Daferne aber die Schuld, wofür ein Pfand eingeleget wird, bedingt, oder erst in Weg Rechtens auszumachen wäre, so erlanget das Pfandrecht seine volle Wirksamkeit von Ausgang der Bedingnuß, oder von gerichtlicher Erkanntnuß der Richtigkeit der Schuld, wie desgleichen in dem Fall, wo für eine künftige Schuld etwas in Versatz gegeben würde, der Pfandcontract erst damals zu Stand kommet, wann das Darlehen, worauf das Pfand eingesetzet wird, wirklich gereichet worden, obschon der Erfolg der Bedingnuß, oder der richterlichen Erkanntnuß, oder des zugezählten Darlehens auf die Zeit des eingelegten oder verschriebenen Unterpfands zuruckgezohen wird, und dahero dem Glaubiger von dieser Zeit an das Vorrecht vor Anderen hieran gebühret.

[3, 7, § 1] 15. Drittens ist zur Wesenheit des Pfandcontracts erforderlich, damit die Pfandsübergabe mit keinem anderen Beding geschehe, als daß nach bezahlter Schuld eben dasselbe, was in Versatz gegeben worden, anwiederum zuruckgestellet werde, obgleich in der Folge der Glaubiger berechtiget ist, wann der Schuldner mit Abfuhr der Schuld zur gesetzten Zeit nicht einhält, das Pfand nach der seines Orts vorgeschriebenen Art und Weis gerichtlich zu veräußeren, und sich aus dem dafür gelösten Werth bezahlt zu machen, folglich dem Schuldner von dem Werth nur so vieles, als nach Abzug der Schuld hieran erübriget wird, erfolgen zu lassen.

[3, 7, § 1] 16. Woferne aber gleich Anfangs bedungen würde, daß der Glaubiger, ohne die Zahlung abzuwarten, das Pfand sich zueignen oder veräußeren möge, ist es kein Pfandcontract, sondern eine andere Handlung nach Beschaffenheit des dabei eingegangenen Bedings. Obwohlen aber ein Wiederkauf gleichermaßen dahin geschlossen wird, daß eben dasselbe Gut für den nemlichen Werth anwiederum zuruckgegeben werden solle, so unterscheiden sich doch beide Handlungen in deme, daß bei dem Beding des Wiederkaufs das Eigenthum übertragen werde, und die behobene Nutzungen dem Kaufer verbleiben, dahingegen bei Verpfändungen der Glaubiger nur den Besitz erlanget, und die empfangene Nutzung in dem Pfandschilling einzurechnen verpflichtet ist.

§. II.

[3, 7, § 2] 17. Verpfänden kann Jedermann, der die freie Verwaltung seines Vermögens hat, und dem kein besonderer Verbot des Gesatzes entgegenstehet; dahero können Unmündige, Minderjährige, Blödsinnige oder Wahnwitzige und gerichtlich erklärte Verschwendere von ihrem Vermögen nichts verpfänden, weilen ihnen die freie Gebarung verschränket ist.

[3, 7, § 2] 18. Es kann aber Jemand nicht nur allein für sich selbst, sondern auch durch Andere eine Pfandschaft einlegen, wann dieselbe entweder von dem Gesatz als Vormündere oder Gerhaben und Curatores, oder durch ausdrücklichen Befehl und Vollmacht des Eigenthümers als Befehlshabere und Bevollmächtigte darzu begewaltiget sind. Welchergestalten jedoch den Vormünderen und Curatoren von dem Vermögen ihrer Pflegebefohlenen etwas zu verpfänden verstattet werde, ist in ersten Theil, in der Abhandlung von Vormundschaften und Curatelen geordnet worden.

[3, 7, § 2] 19. Ein Befehlshaber oder Bevollmächtigter hingegen kann von den seiner Absorge anvertrauten Sachen nichts verpfänden, außer er habe darzu einen eigends

(3-98) hierauf lautenden besonderen Befehl, oder es wäre ihme die Verwaltung des anvertrauten Guts mit freier und unbeschränkter Gewalt und Vollmacht aufgetragen worden.

[3, 7, § 2] 20. Würde er aber, ohne hierzu auf eine oder die andere Art berechtiget zu sein, etwas von den ihme anvertrauten Habschaften in Namen des Befehlgebers versetzen, so leihet der Pfandgeber das Geld auf seine Gefahr, und bestehet der Pfandcontract nur insoweit, als von dem darauf gelehnten Geld zu Nutzen des Befehlgebers verwendet worden zu sein, oder daß dessen Gutheißung erfolget seie, von dem Pfandinhaber erweislich ist.

[3, 7, § 2] 21. Könnte jedoch dieser Eines oder das Andere nicht erweisen, ist er das Pfand dem Befehlgeber ohnentgeltlich auszufolgen schuldig, und bleiben ihme seine Ansprüche nur wider Denjenigen, welcher die Sache in Versatz gegeben, bevor; gleichwie in Gegentheil, wann dieser hierzu begewaltiget ware, der Befehlsgeber dem Pfandnehmer verbunden bleibet, obgleich der Bevollmächtigte das darauf erborgte Geld verthan, und zu seinem eigenen Nutzen verwendet hätte.

[3, 7, § 2] 22. Woferne aber der Sachwalter oder Befehlshaber die ihme anvertraute Sache in seinem eigenen Namen Jemanden in Versatz geben würde, ist es eben also zu halten, wie von Verpfändung fremder Sachen hiernach ausgemessen wird.

[3, 7, § 2] 23. Aus besonderer Anordnung des Gesatzes ist denen Weibern insoweit verwehret, ohne vorheriger Erinnerung und Begebung ihres weiblichen Rechts, sowohl für ihre Männer, als für jemand Anderen etwas von ihrem Gut zu verpfänden, als ihre leistende Bürgschaften in dem gleichnachfolgenden achten Capitel entkräftet werden; obschon sie für ihre eigene contrahirte Schulden Pfandschaften einlegen mögen, wann nur das Geld zu ihren Handen und auf ihren eigenen Namen darauf gelehnet wird.

[3, 7, § 2] 24. Gleichergestalten kann Jedermänniglichen ein Pfand gegeben werden, der sich Jemanden verbindlich zu machen fähig ist, und an Jenem eine Forderung hat, von dem, aber auch für den von einem Dritten das Pfand eingeleget wird. Es muß dahero der Pfandnehmer allemal ein Glaubiger sein, die Schuld möge aus was immer für einer zu Recht bestehenden Ursache herrühren.

§. III.

[3, 7, § 3] 25. Ein Pfand kann nur an beweglichen Sachen bestellet werden; unbewegliche Güter aber werden zum Unterpfand oder Hypothek verschrieben, worinnen obangeregter Maßen der hauptsächliche Unterschied zwischen Verpfändungen und Pfandsverschreibungen bestehet.

[3, 7, § 3] 26. Diese bewegliche Sachen müssen handelbar, und in Vermögen des Bestellenden, wie auch von solcher Beschaffenheit sein, daß deren Veräußerung von den Gesetzen nicht verboten werde. Was für Sachen aber unhandelbar sind, ist bereits in zweiten Theil, in ersten Capitel erkläret worden.

[3, 7, § 3] 27. Es ist dahero Niemand befugt, fremde Sachen ohne Wissen und Willen des Eigenthümers zu verpfänden. Da aber jegleichwohlen eine fremde Sache irgendwo versetzet würde, ist zu unterscheiden, ob der Pfandnehmer oder Glaubiger die Sache fremd zu sein gewußt habe oder nicht. Ersteren Falls wirket der Pfandcontract nur die Verbindlichkeit des Pfandgebers; der Glaubiger hingegen erwirbt hieran kein Recht, sondern ist schuldig solche dem Eigenthümer ohnentgeltlich zuruckzustellen, obschon er dieselbe, da sie ihme entwendet würde, von einem dritten unrechtmäßigen Besitzer, oder auch von dem Schuldner selbst zuruckzuforderen befugt ist, insolange sich der Eigenthümer hierum nicht gemeldet hat.

[3, 7, § 3] 28. In gewissen Fällen jedoch erlanget der Glaubiger an einer obschon wissentlich verpfändeten fremden Sache auch gegen dem Eigenthümer selbst das Pfandrecht, wann dem Pfandgeber hieran ein Recht zustehet, oder die Verpfändung

(3-99) mit Wissen und Willen des Eigenthümers geschieht, oder der Pfandgeber das Eigenthum der verpfändeten Sache nachhero erwirbt.

[3, 7, § 3] 29. Hat der Pfandgeber ein Recht an der verpfändeten Sache, so bestehet das Pfand nach Maß des ihme hieran gebührenden Rechts, und mit dessen Erlöschung wird auch das Pfand aufgelöset; also kann Jemand eine ihme mit Mehreren gemeinschaftlich zustehende Sache nur für seinen Antheil verpfänden, und ein Glaubiger kann zwar das bei ihme eingelegte Pfand weiters an einen Anderen versetzen, jedoch um keine größere Summe, noch unter härteren Bedingnussen, als wofür und worunter solches bei ihme in Versatz befindlich ist.

[3, 7, § 3] 30. Es muß aber solchenfalls der andere Pfandinhaber, wann ihme die Pfandseigenschaft an der Sache bekannt ist, dem Schuldner des ersteren Glaubigers den bei ihme geschehenen weiteren Versatz entweder durch eine geschworene Gerichtsperson, oder durch zwei Zeugen bedeuten, und andurch die dem ersteren Glaubiger leisten mögende Zahlung einstellen; dann von Zeit dieser Bedeutung wird der Schuldner für denjenigen Betrag, welchen er seinem ersteren Glaubiger damals noch schuldig ist, dem anderen verbindlich, und leistet sonach dem ersteren die Zahlung auf seine Gefahr.

[3, 7, § 3] 31. Würde hingegen der andere Pfandinhaber ein solches verabsaumen, und der Schuldner dem ersteren Glaubiger die Zahlung geleistet haben, kann er sich wegen des bis zu der erfolgten Bedeutung hinausbezahlten Betrags an dem Pfand nicht halten sondern ist schuldig das Pfand entweder für diejenige Summe, die der Schuldner bis zur Zeit der Bedeutung dem ersten Glaubiger noch schuldig ware, oder da solche bis dahin schon völlig getilget wäre, gar ohnentgeltlich auszufolgen; doch stehet ihme seine Forderung wider den ersten Glaubiger allemal bevor.

[3, 7, § 3] 32. Woferne jedoch das Pfand für einen größeren Pfandschilling, oder auch unter schwereren Bedingnussen, als es bei dem ersten Glaubiger in Versatz gegeben worden, weiters bei dem anderen verpfändet würde, kommet es ebenfalls darauf an, ob dem anderen Pfandnehmer die Pfandseigenschaft an der ihme verpfändeten Sache wissend gewesen oder nicht.

[3, 7, § 3] 33. Ersteren Falls bestehet das Pfand nur für diejenige Summe, welche der Schuldner zur Zeit des ihme erinnerten weiteren Versatzes dem ersten Glaubiger schuldig ware, und kann derselbe auch zu keinen härteren Bedingnussen, als welche er mit dem ersten Pfandinhaber eingegangen, verhalten werden.

[3, 7, § 3] 34. Letzteren Falls aber und da der andere Pfandinhaber mit guten Glauben und in ungezweifleter Meinung, daß es des Pfandgebers eigenthumliches Gut seie, etwas darauf geliehen hätte, kann der Schuldner solches nicht anderst, als gegen Erlag der nemlichen Summe, welche dem ersten Glaubiger darauf vorgestrecket worden, und gegen Erfüllung eben desjenigen Bedings, unter welchen das Pfand bei dem zweiten eingeleget worden, zuruckforderen, und hat derselbe sich wegen des Mehrbezahlten an den ersten Glaubiger zu erholen.

[3, 7, § 3] 35. Doch ist der andere Pfandinhaber nicht befugt das Pfand wegen anderer an den ersten Glaubiger habenden Forderungen, als lediglich dieser Schuld halber, wofür das Pfand versetzet worden, zuruckzuhalten, und da allenfalls solche den Werth der verpfändeten Sache überstiege, ist er dieselbe gegen Erlag des gerichtlich geschätzten Werths dem Eigenthümer auszuhändigen schuldig, dahingegen bleibet ihme für den übrigen Betrag der zweite Pfandgeber verstricket.

[3, 7, § 3] 36. Nicht weniger kann eine wissentlich fremde Sache mit Einwilligung des Eigenthümers verpfändet werden, wann die Verpfändung entweder mit dessen ausdrücklicher Genehmhaltung oder Gutheißung, oder auch mit dessen stillschweigender Einwilligung geschieht, als da er bei der Verpfändung gegenwärtig wäre, auch die vorgehende Handlung wohl wüßte und nicht widerspräche, sondern die wirkliche Uebergab seiner Sache an den Pfandnehmer gestattete.

(3-100) [3, 7, § 3] 37. Ferners erlanget auch der Glaubiger nach der Zeit an einer verpfändeten wissentlich fremden Sache das Pfandrecht, obschon ihme solches Anfangs hieran nicht gebühret hat, wann nemlich der Schuldner das Eigenthum derselben nachhero durch Kauf, Erbschaft, Schankung oder sonst in andere Wege an sich bringt, und hieran sonst Niemanden vor deren erworbenen Eigenthum ein früheres Recht zustehet, welches mit dem Pfandrecht des Anderen nicht vereinbarlich wäre.

[3, 7, § 3] 38. Eine andere Bewandtnuß hingegen hat es, wann der Eigenthümer der verpfändeten Sache die Schuld, wofür selbe versetzet worden, übernimmt, oder dafür bürge, oder auch des Schuldners Erbe wird, dann in diesem Fall ist zu unterschieden, ob der Glaubiger zur Zeit des in die Verbindlichkeit eintretenden Eigenthümers annoch in wirklichen Besitz der verpfändeten Sache seie oder nicht.

[3, 7, § 3] 39. Hat er den Besitz derselben verloren, kann er auch hieran keinen weiteren Anspruch machen, noch ein Pfandrecht erwerben, wann ihme solche nicht neuerdings verpfändet wird. Ist er aber zu dieser Zeit noch in dem Besitz der Sache, so kommet das Pfandrecht zu Kräften; es wäre dann, daß mittlerweil die Sache von dem Eigenthümer an einen Dritten veräußeret worden, oder sich ergäbe, daß wo derselbe des Schuldners Erbe würde, die Verlassenschaft des Schuldners zu Bezahlung der Schulden nicht zulänglich, und die Erbschaft von dem Eigenthümer als Erbe mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten worden wäre, in welchen Fällen der Glaubiger an der verpfändeten Sache kein Pfandrecht erwerben kann.

[3, 7, § 3] 40. Wann aber der Glaubiger, bei deme eine fremde Sache versetzet wird, solche fremd zu sein nicht gewußt, sondern mit guten Glauben dem Vorgeben des Schuldners, daß es seine eigenthumliche Sache seie, in Hinzutretung der übrigen in zweiten Theil ausgemessenen Erfordernussen getraut hat, und beinebst seinen Gewährsmann ausweisen kann, so erwirbt derselbe aus Macht des Gesatzes hieran auch gegen dem Eigenthümer selbst das Pfandrecht für diejenige Summe, welche er darauf geliehen hat, und ist sie demselben anderer Gestalt nicht auszufolgen schuldig, als gegen Bezahlung dessen, was erweislich darauf gelehnet worden; dieser hat aber dagegen seine Entschädigung an Denjenigen zu suchen, der die Sache wider seinen Willen verpfändet hat.

[3, 7, § 3] 41. Es ist jedoch zur Bestellung eines Pfandes nicht allein an deme genug, daß die verpfändende Sache dem Pfandgeber eigenthumlich zugehöre, oder demselben sonst ein verpfändliches Recht hieran zustehe, sondern es wird noch über das erforderet, daß deren Veräußerung von den Gesetzen nicht verboten seie; dann was nicht veräußeret werden kann, darf auch nicht verpfändet werden. Was aber für Sachen durch Verträge und Contracten zu veräußeren verboten seie, ist bereits in zweiten Capitel, §. XII und §. XIII, bemerket worden.

[3, 7, § 3] 42. Unter die bewegliche Dinge, welche verpfändet werden mögen, gehören auch Schuldbriefe, Schuldscheine und Schuldverschreibungen, wobei aber zu unterschieden ist, ob solche in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet sind oder nicht.

[3, 7, § 3] 43. Dann obschon das aus einer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich einverleibten Schuldverschreibung an dem damit behafteten Gut des Schuldners erworbene Recht und die daraus gebührende Forderung nach diesem Unserem Gesatz den unbeweglichen Sachen beigezählet wird, so bleibet doch der Schuldbrief oder die Schuldverschreibung an sich selbst ein bewegliches Gut, welches an einen Dritten in Versatz gegeben werden kann.

[3, 7, § 3] 44. Ist nun die in Pfand gegebene Schuldverschreibung in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet, so kann der Glaubiger oder Pfandnehmer hiervon anderer Gestalt nicht ein Pfandrecht erlangen, außer der Pfandgeber würde ihme diese Forderung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich zu einem Unterpfand ausweisen oder verschreiben, oder der Pfandinhaber hätte einen gerichtlichen in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorzumerken kommenden Verbot an den

(3-101) Schuldner des Pfandgebers dahin ausgewirket, daß dieser demselben keine Zahlung leisten solle.

[3, 7, § 3] 45. Würde aber weder Eines, noch das Andere erfolgen, und der Pfandgeber hätte ohnerachtet der bei einem Dritten versetzten Schuldverschreibung diese Forderung an jemand Anderen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich abgetreten, oder über die empfangene Zahlung den Schuldner quittiret, oder ihme sonst die Schuld erlassen, und diese Quittung oder Erlassung wäre in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket, so kann der Pfandinhaber an den Schuldner keinen weiteren Anspruch machen, sondern hat seine Entschädigung an den Pfandgeber zu suchen.

[3, 7, § 3] 46. Wäre hingegen die zum Unterpfand gegebene Schuldverschreibung irgendwo einverleibet, so erwirbt zwar der Pfandinhaber hieran das Pfandrecht, er muß aber an den Schuldner des Pfandgebers einen gerichtlichen Verbot auswirken, und die Zahlung an den Pfandgeber dadurch einstellen; dann in Widrigen, wann dieser gerichtliche Verbot verabsaumet, und die Schuld dem Pfandgeber bezahlet würde, erlöschet auch hieran das Pfandrecht des Pfandnehmers.

[3, 7, § 3] 47. Nicht nur an den verpfändeten Sachen selbst, sondern auch an allen ihren zur Zeit des Versatzes entweder schon dabei befindlichen, oder sich nachher hieran ergebenden Zugängen und Zugehörungen bestehet das Pfandrecht, also da eine Stute versetzet würde, ist auch das zur Zeit der Pfandinhabung von ihr gefallene Follen (!) mit dem Pfandrecht behaftet, wann sonst deshalben nichts Anderes bedungen worden.

§. IV.

[3, 7, § 4] 48. Ein willkürliches Pfand wird entweder durch letztwillige Anordnung, oder durch die Vereinigung beider Theilen, und die sonach erfolgende wirkliche Pfandsübergabe mit oder ohne Beifügung einer Zeit oder Bedingnuß bestellet, deren Ausgang alsdann auf die Zeit der Bestellung zuruckzuziehen ist, und das Pfandrecht gleich von dieser Zeit an erworben wird.

[3, 7, § 4] 49. Also kann ein Erblasser in seinem Testament oder Codicill zur Sicherheit der darum geordneten Vermächtnuß an seinen Sachen ein Pfand bestellen, welches der Erb nach Antretung der Erbschaft auszufolgen schuldig ist; wann aber derselbe an dem Gut des eingesetzten Erbens ein Pfand bestellete, so erwachset hieraus nicht ehender ein Pfandrecht, als da der Erb die Verlassenschaft ohne rechtlicher Wohlthat des Inventarii angetreten, und andurch den Willen des Erblassers anerkannt hätte, in welchem Fall er zur Aushändigung der von dem Erblasser verpfändeten Sache angehalten werden kann.

[3, 7, § 4] 50. Eine gleiche Bewandtnuß hat es, da Jemanden etwas mit dem Beding verschaffet würde, daß er an seinem Gut einem Dritten ein Pfand bestellen solle, welches nicht ehender zu Kräften kommet, als bis die Vermächtnuß von ihme wirklich angenommen worden.

[3, 7, § 4] 51. Es kann aber ein Pfand entweder an einer Sache allein, oder auch an mehreren einzelweis, oder in einem Ganzen zusammen für die ganze Forderung, oder nur für einen Theil derselben bestellet werden, und gebühret hieran das Pfandrecht nicht nur allein für den Betrag der darauf gelehnten Hauptsumme, sondern auch für alle davon vertagte Zinsen, Schäden und Unkosten.

[3, 7, § 4] 52. Ein Pfand pfleget dahero insgemein von einem höheren Werth zu sein, als die Forderung, wofür es eingeleget wird, welches jedoch von der Willkür der Contrahenten abhanget. Daferne aber arglistiger Weise Sachen von minderen Werth in einen höheren versetzet werden, als da Kupfer für Gold zum Pfand gegeben würde, so bestehet jegleichwohlen der Pfandcontract, wann hiemit der Glaubiger auch nur zum Theil seiner Forderung bedecket wird; obschon ihme unbenommen ist, in alle Wege seine hinlängliche Sicherheit an den Schuldner anzusuchen,

(3-102) welcher noch über das wegen des dabei begangenen Betrugs nach richterlichen Ermessen zu bestrafen ist.

§. V.

[3, 7, § 5] 53. Der Pfandcontract ist seiner Eigenschaft nach in der Folge zweibündig; dann gleichwie in der Hauptsache schon Anfangs der Glaubiger oder Pfandnehmer dem Schuldner oder Pfandgeber zur Zuruckstellung der verpfändeten Sache nach Erlöschung des hieran gehabten Pfandrechts verstricket ist, also wird hingegen dieser dem Anderen nachhero aus natürlicher Billigkeit zu seiner Entschädigung ruckverbindlich, wann er des Pfands halber zu Schaden gekommen wäre.

[3, 7, § 5] 54. Aus der Hauptverbindlichkeit des Glaubigers oder Pfandnehmers entspringet die Hauptforderung, welche nach bezahlter oder erlassener Schuld, oder sonst aufgelösten Pfandrecht, dem Schuldner oder Pfandgeber und seinen Erben wider den Glaubiger oder Pfandinhaber und dessen Erben zur Wiedererlangung der verpfändeten Sache zustehet.

[3, 7, § 5] 55. Dann obschon die contractmäßige Verbindlichkeit zur Zuruckgabe des Pfands gleich Anfangs bei Schließung des Contracts hergestellet wird, so kann doch die daher rührende Hauptforderung nicht ehender angestrenget werden, als bis das Pfandrecht vollkommen getilget und ausgelöset worden, wie davon unten, §. VIII, das Mehrere folgen wird.

[3, 7, § 5] 56. Diese Rechtsforderung kommet nicht allein dem Schuldner oder Pfandgeber und seinen Erben, sondern auch Demjenigen zu, an welchem das Eigenthum der verpfändeten Sache von dem Pfandgeber entweder schankungs- oder kaufweise, oder sonst in andere Wege übertragen worden, wann er einerseits diese Uebertragung, und andererseits die Erlöschung des Pfandrechts zu erweisen vermögend ist.

[3, 7, § 5] 57. Insolange aber der Pfandinhaber seiner Forderung halber nicht befriediget, oder das Pfandrecht sonst aufgelöset ist, kann ein Dritter, der erst nach der Verpfändung das Eigenthum der Sache an sich gebracht, hieran keinen Anspruch machen. Wollte jedoch ein Dritter den Pfandschilling bezahlen, und ohne sich zu dem erworbenen Eigenthum rechtsbehörig ausweisen zu mögen, die verpfändete Sache mit Einwilligung des Pfandinhabers andurch an sich bringen, so erlanget er hieran kein Mehreres, als das bloße Pfandrecht, und tritt in die Stelle des ersten Glaubigers ein.

[3, 7, § 5] 58. Desgleichen gehet diese Rechtsforderung sowohl wider den ersten Glaubiger oder Pfandnehmer und dessen Erben, als auch wider den anderen Pfandinhaber, an den das Pfand weiters versetzet worden, nach dem oben §. III, von num. 29 bis 35 bemerkten Unterschied, wie nicht weniger wider einen jeden dritten Besitzer, welcher nicht das Eigenthum der Sache auf rechtmäßige Weise an sich gebracht zu haben darzeigen kann.

[3, 7, § 5] 59. Es ist dahero der Pfandinhaber nach aufgelösten Pfandrecht schuldig, die verpfändete Sache mit allen Zeit der Inhabung davon behobenen Früchten und Nutzungen, wann ihme der Genuß oder Gebrauch der Sache nicht zugleich mit verstattet worden, sammt dem Ersatz aller aus seiner Schuld oder Saumsal hieran verursachten Schäden und Unkosten zuruckzustellen, und obschon dieselbe nicht dem Pfandgeber, sondern einem Dritten zugehörig wäre, so kann doch der Glaubiger gegen dem Pfandgeber den Mangel des Eigenthums nicht einwenden, noch die Sache unter diesem Vorwand vorenthalten, wann der Eigenthümer sich hierum nicht gemeldet hat.

[3, 7, § 5] 60. Nur in folgenden Fällen kann der Pfandinhaber die Ausfolgung des Pfands mit Fug verweigeren, als da erstens derselbe nachhero das Eigenthum der Sache an sich gebracht, oder sonst hieran ein Recht erworben hätte; dann wo gleich Anfangs die Sache sein Eigen gewesen wäre, da bestehet auch schon von Anbeginn kein Pfandcontract.

(3-103) [3, 7, § 5] 61. Zweitens, wann er außer der bezahlten Schuld an den Schuldner noch andere Forderungen hätte, sie mögen wegen des Pfandes selbst, oder aus anderen Ursachen herrühren, so gebühret ihme hieran bis zu seiner vollständigen Befriedigung das Recht der Innenhaltung, woferne das Pfand nicht mit dem ausdrücklichen Beding versetzet worden wäre, daß es lediglich nur zur Sicherheit der einen Schuld allein haften, und nicht auch auf die andere Schuld erstrecket werden solle.

[3, 7, § 5] 62. Drittens, wann der Glaubiger auf die verpfändete Sache einen nothwendigen Aufwand zu machen bemüssiget worden wäre, oder deren Benutzung erweislich verbesseret hätte, so stehet ihme gleichfalls hieran das Recht der Innenhaltung für denjenigen Betrag der ausgelegten Unkosten zu, auf den sich die Parten untereinander vergleichen, oder welchen der Richter zuerkennen wird; was aber bei ausmessenden Ersatz des Aufwands zu beobachten seie, wird unten seines Orts erkläret werden.

[3, 7, § 5] 63. Woferne aber die verpfändete Sache aus Schuld des Pfandinhabers verloren, entwendet, verdorben oder sonst zu Grund gegangen wäre, so ist zu unterscheiden, ob seinerseits ein geflissentlicher Betrug oder Arglist, oder eine sonstige die contractmäßige Verfänglichkeit wirkende Schuld oder Saumsal dabei unterlaufe.

[3, 7, § 5] 64. Ersteren Falls ist er den Werth nach demjenigen Betrag, wie solchen Kläger nach eigener Schätzung beschwören wird, sammt denen von dem Tag der Veräußerung davon laufenden landesüblichen Zinsen zu erstatten schuldig, letzteren Falls hingegen hat derselbe nur denjenigen Werth, welchen Kläger zu erweisen, oder in Ermanglung eines anderen Beweises mittelst des Eides der Wahrheit gewissenhaft zu bewähren im Stande ist, sammt den von Zeit der erhobenen Klage hiervon tagenden Zinsen zu ersetzen; doch ist so in einem als anderen Fall der Pfandschilling mit allen Nebengebührnussen von dem Betrag des Werths abzuziehen.

[3, 7, § 5] 65. Dann insolange der Schuldner in Abführung der Schuld keinen Saumsal begehet, ist der Glaubiger oder Pfandinhaber nicht befugt das Pfand zu verkaufen oder zu veräußeren; woferne aber der Schuldner die bedungenen Zahlungsfristen nicht einhielte, und die Verfallzeit verstrichen wäre, kann zwar der Glaubiger zur Veräußerung des Pfands, doch nicht anderst, als gerichtlich und mit Beobachtung der hienach bestimmenden Feierlichkeiten fürschreiten, und ist solchenfalls dem Schuldner oder Pfandgeber von dem dafür gelösten Werth nur so vieles auszufolgen, was nach Abzug der Schuld sammt den davon vertagten Zinsen, und allen Schäden und Unkosten hieran erübriget wird.

§. VI.

[3, 7, § 6] 66. Aus der Ruckverbindlichkeit des Schuldners oder Pfandgebers entstehet die Ruck- oder Gegenforderung, welche dem Glaubiger oder Pfandinhaber und dessen Erben wider den Schuldner oder Pfandgeber und dessen Erben zu Erlangung der Vergütung für allen wegen des ingehabten Pfands Zeit des fürgewährten Versatzes erweislich erlittenen Schaden zukommet.

[3, 7, § 6] 67. Dieser Schaden kann sich aus viererlei Ursachen ergeben, als erstens, wegen übler Beschaffenheit der verpfändeten Sache, da nemlich dieselbe fremd wäre, oder hieran jemand Anderen ein gegründeter Anspruch gebührete, und der Pfandnehmer diese Eigenschaft wüßte, oder auch eine mangelhafte Sache in Versatz gegeben würde, der Pfandgeber möge so eine als andere Beschaffenheit gewußt haben oder nicht; woferne er aber sich dessen wissentlich oder boshafter Weise zu Hintergehung des treuherzigen Glaubigers vermessen würde, ist derselbe noch über das auf richterlichen Befund nach Gestalt des verübten Betrugs zu bestrafen.

[3, 7, § 6] 68. Zweitens, durch die verpfändete Sache selbst aus Schuld des Pfandgebers, als da ein mit einem heimlichen Mangel behaftetes Roß versetzet würde, welches des Pfandsinhabers eigene Pferde ansteckete; drittens, wann das Pfand ohne Willen und Zuthat des Glaubigers in die Hände des Schuldners oder Pfandgebers


(3-104) Pfandgebers gekommen, oder ihme dessen Gebrauch von dem Glaubiger bittweise verstattet worden wäre, und endlich

[3, 7, § 6] 69. Viertens, wegen des auf das Pfand gemachten nothwendigen Aufwands. Dann die nothwendige Unkosten ist der Glaubiger gegen künftigen Ersatz aufzuwenden, oder wenigstens in der Zeit die zudringende Bedürfnuß dem Pfandgeber zu erinneren, widrigens aber für den daherrührenden Schaden zu haften schuldig; doch lieget ihme ob, die Nothwendigkeit der gemachten Auslagen zu erweisen.

[3, 7, § 6] 70. So viel es aber den nicht aus Nothwendigeit, sondern zu mehrerer Nutzbarkeit und Verbesserung der verpfändeten Sache geschehenen Aufwand anbetrifft, so ist solchen der Schuldner oder Pfandgeber anderergestalt nicht zu ersetzen verbunden, als da er ausdrücklich hierein gewilliget, oder denselben nachher gutgeheißen hätte, aber auch dessen Nutzbarkeit klar erweislich wäre, und zugleich die Auslösung des Pfands andurch nicht dermaßen erschweret würde, daß er zu dessen Abstattung das Pfand zu veräußeren, oder hintanzulassen bemüßiget wäre.

[3, 7, § 6] 71. Es hat daher der Richter dabei allemal auf die Billigkeit zu sehen, damit in Ermanglung ausdrücklicher Einwilligung oder Gutheißung des Pfandgebers weder dieser mit Aufrechnung eines übermäßigen Aufwands beschweret, noch auch der Pfandinhaber durch Verweigerung des billig findenden Ersatzes verkürzet werde, wie ihme dann auch freistehet, die von dem Pfandgeber nicht ablösen wollende Verbesserungen, wann sie von der verpfändeten Sache füglich und ohne deren Beschädigung abgesönderet werden mögen, davon wegzunehmen, und sich anmit schadlos zu halten.

[3, 7, § 6] 72. Wegen aller dieser Schäden aber, deren Ersatz ein Theil an dem anderen aus dem Pfandcontract entweder durch die Hauptforderung, oder durch die Ruck- oder Gegenforderung anzubegehren befugt ist, solle sich nach der in fünften Capitel, §. IV, num. 34, und §. V, num. 50 und 51 vorgeschriebenen Weis verhalten, und solche in der alldort bestimmten Zeitfrist eingeklaget werden, dann wann einmal der Pfandgeber das Pfand ohne dem daselbst vorgesehenen Vorbehalt zuruckgenommen, oder der Pfandinhaber solches ohne gleichmäßigen Vorbehalt ausgefolget, höret, auch alle weiter Forderung dieser Schäden halber gegeneinander auf.

§. VII.

[3, 7, § 7] 73. Der Pfandcontract ist seiner Natur und Eigenschaft nach auf beider Contrahenten Nutzen gleich gerichtet, als einerseits auf den Nutzen des Pfandgebers, damit er um so leichter ein Darlehen erhalte, und andererseits auf den Nutzen des Pfandnehmers, damit seine Forderung andurch sichergestellt, und nicht allein der Schuldner aus Begierde seiner Sache anwiederum habhaft zu werden, zu Bezahlung der Schuld von selbsten angetrieben werde, sondern auch der Glaubiger, wann damit nicht eingehalten wurde, die Zahlungsmitteln selbst in Handen habe.

[3, 7, § 7] 74. Dieser beiderseits gleich abgezielte nutzen wirket auch die gleichmäßige Verfänglichkeit beider Contrahenten für Schuld und Gefährde gegeneinander, welche sich aber nach den in ersten Capitel, §. IX, festgesetzten Maßregeln nicht weiter, als auf die große, und mittlere oder leichte Schuld erstrecket.

[3, 7, § 7] 75. Hieraus fließet, daß der Pfandnehmer keine mindere Sorgfalt in Verwahrung der verpfändeten Sache, als in seinen eigenen anzuwenden, folglich dieselbe getreulich bei sich aufzubehalten, und gleich denen seinen für Schaden und Verringerung zu verwahren, in Widrigen aber den durch seine auch nur der leichten Schuld beigemessen werden mögende Hinlässigkeit hieran entstehenden Schaden zu ersetzen verpflichtet seie.

[3, 7, § 7] 76. Einen größeren Fleiß und Sorgfalt aber, als in seinen eigenen Sachen ist derselbe bei dem Pfand nicht anzuwenden, weder solches bei gemeinsamer Gefahr seinen Habschaften vorzuziehen, noch weniger für die leichteste Schuld, oder unversehene Zufälle zu haften schuldig; sondern das Pfand ohne seiner Schuld

(3-105) oder Verwahrlosung durch Unfall bei ihme Schaden nähme, oder auch gar umkäme, kann er dessen ohnerachtet sein Geld wieder fordern.

[3, 7, § 7] 77. In gewissen Fällen jedoch ladet der Glaubiger die Verfänglichkeit so für die leichteste Schuld, als für den Zufall auf sich, wann er nemlich entweder erstens auf eine von denen an gleich bemelten Ort obbeschriebenen vier Arten die Gefahr auf sich genommen, oder zweitens, sich an der Sache außer jenen Fällen, wo nach der weiter hiernach folgenden Ausmessung die Pfändungen zugelassen sind, selbst eigenmächtig gepfändet, oder endlich drittens, sich ohne Verstattung des Pfandgebers des Gebrauchs der verpfändeten Sache angemaßet hätte, und dieselbe andurch zu Schaden gekommen sein würde.

[3, 7, § 7] 78. Desgleichen hat der Pfandgeber für allen von wegen der verpfändeten Sache aus seiner auch nur leichten oder mittleren Schuld dem Glaubiger in den in gleich vorhergehenden §. berührten Fällen zugefügten Schaden zu stehen, und gleichwie derjenige Theil, welcher dem anderen eine begangene Schuld zumuthet, solche zu erweisen hat, also ist auch Jener, der einen unversehenen Zufall vorschützet, hierüber den Beweis zu verführen schuldig.

§. VIII.

[3, 7, § 8] 79. Eine Pfandschaft erlöschet entweder durch Tilgung der Hauptschuld, wofür solche eingeleget worden, oder auch bei noch fürwährender Verbindlichkeit des Schuldners durch Auflösung des Unterpfands selbst. Durch die erstere Art wird die Pfandschaft aufgehoben, wann die Schuld bezahlet, erlassen, oder die Verbindlichkeit des Schuldners in andere Wege getilget worden.

[3, 7, § 8] 80. Es muß aber der Glaubiger nicht allein wegen der Hauptschuld, sondern auch wegen der Zinsen, Schäden und Unkosten vollkommen befriediget worden sein; dann das einmal erworbene Pfandrecht ist untheilbar, und haftet auch für alle Nebengebührnussen, welche von der Hauptschuld herrühren.

[3, 7, § 8] 81. Ingleichen muß der Glaubiger außer derjenigen Schuld, wofür das Pfand gegeben worden, keine andere Forderungen an den Pfandgeber haben, wo er aber deren einige hätte, gebühret ihme hierwegen das Recht der Innenhaltung an der verpfändeten Sache, insolange er nicht der andern Forderung halber vergnüget wird.

[3, 7, § 8] 82. Dahero wird auch durch Erneuerung der vorigen Schuld oder Verbindlichkeit das dafür eingelegte Pfand nicht aufgelöset, wann dasselbe nicht ausdrücklich dabei erlassen worden, es möge gleich die Erneuerung willkürlich durch Vergleich, oder aus Gewalt des Rechts durch richterlichen Spruch und Urtheil geschehen, oder auch die Schuld andurch verminderet oder vergrößeret werden, dann das Pfand bleibet nicht weniger für einen Theil, als für die ganze Forderung haften.

[3, 7, § 8] 83. Ohne Tilgung der Hauptschuld wird die Pfandschaft für sich selbst auf dreierlei Art aufgelöset, als erstens, aus dem mit beiderseitiger Vereinigung eingegangenen Beding, zweitens, aus eigener Willkür des Glaubigers, drittens, aus einem an der verpfändeten Sachen sich ereignenden Zufall.

[3, 7, § 8] 84. Nach Maß des beigefügten Bedings erlöschet das Pfand, wann es auf eine gewisse Zeit versetzet worden, nach deren Verlauf der Glaubiger, obgleich derselbe noch nicht befriediget worden wäre, solches zuruckzugeben schuldig ist. Woferne aber der Schuldner in der bestimmten Zeit mit der Zahlung nicht einhielte, und der Glaubiger hätte zur gerichtlichen Veräußerung des Pfands zu schreiten angefangen, so bleibet jegleichwohlen das Pfandrecht bei Kräften, obschon mittlerweil die Zeit, auf welche das Pfand gegeben worden, verstrichen wäre.

[3, 7, § 8] 85. Aus eigener Willkür des Glaubigers wird die Pfandschaft aufgelöset, wann er die Pfandsverbindlichkeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch Zuruckstellung des Unterpfands oder Einwilligung in dessen Veräußerung erlasset.

(3-106) Diese Erlassung aber wirket lediglich die Nachsicht des Pfandrechts, und nicht auch die Nachsicht der Hauptschuld, zu deren Abtrag der Schuldner dessen ohnerachtet verbunden bleibet.

[3, 7, § 8] 86. Damit aber aus gestattender Veräußerung der Unterpfands eine stillschweigend Erlassung des Pfandrechts geschlossen werden möge ist Folgendes zu beachten: Erstlich, daß der in die Veräußerung einwilligende Glaubiger mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt, folglich sich seines Rechts zu begeben fähig seie.

[3, 7, § 8] 87. Zweitens, daß derselbe ausdrücklich entweder mündlich oder schriftlich, und ohne allem Vorbehalt seines Pfandrechts, oder der ihme von dem Kaufschilling zu leisten habenden Bezahlung in die Veräußerung einwillige. Die bloße Wissenschaft der Veräußerung aber, wann er gleich dazu stillschwiege, machet ihn seines Pfandrechts nicht verlustig; es wäre dann, daß er dabei seinen Willen durch eine That, woraus die Einwilligung nothwendig gefolgeret werden müßte, geäußert, oder den Anderen arglistiger Weise hintergangen hätte, als da von ihme die Veräußerungsurkunde mit unterschrieben worden, oder die Veräußerung in seiner Gegenwart oder auf vorhergegangene gerichtliche Kundmachung geschehen, und von ihme die Hinauszahlung des Kauf- oder Pfandschillings an den Schuldner ohne Widerrede gestattet worden wäre.

[3, 7, § 8] 88. Drittens, damit die Veräußerung auf keine andere nachtheiligere Art, als worzu der Glaubiger seine Einwilligung gegeben, geschehe, und auch wirklich in der That und ohne aller Scheinhandlung erfolge, wann er auch nur dem Schuldner zugelassen hätte, die bei ihme versetzte Sache an einen Dritten zu verpfänden; dann auch durch die gestattete Verpfändung an einen Dritten erlöschet das Pfandrecht des ersten Glaubigers, wann er sich solches nicht ausdrücklich vorbehalten hat.

[3, 7, § 8] 89. Woferne aber derselbe in die Verschenkung der verpfändeten Sache einwilligen würde, ist er auch in deren Verkaufung oder Verpfändung für einwilligend zu halten, wann die verwilligte Schankung nicht einer gewissen Person namentlich zugedacht worden; dahingegen wann er solche verkaufen oder zu verpfänden gestattet hätte, verlieret er sein Pfandrecht nicht, da solche verschenket, und Derjenige, deme sie geschenket worden, die Eigenschaft des Pfand wissen würde.

[3, 7, § 8] 90. Es hat aber die einmal ohne Vorbehalt gegebene Einwilligung in die Veräußerung des Pfands die Kraft, daß obgleich die nemliche Sache aus was immer für Ursachen vor Tilgung der Schuld anwiederum zu Handen des Schuldners gelangen würde, jedennoch das vorige Pfandrecht hieran nicht mehr auflebet, sondern für allezeit gänzlich erloschen ist, woferne nicht neuerdings an dieser Sache ein Unterpfand bestellet wird.

[3, 7, § 8] 91. Umso mehr aber höret die Pfandschaft auf, wann die verpfändete Sache von dem Glaubiger selbst veräußeret wird, worzu aber derselbe nicht ehender, als da der Schuldner in der bestimmten Frist mit der Zahlung nicht eingehalten, und auch nicht anderst, als auf die hienach vorschreibende Art und Weis berechtigt ist.

[3, 7, § 8] 92. Aus einem an der verpfändeten Sache sich ergehenden Zufall wird das Pfandrecht auf zweierlei Art aufgelöset, als da entweder die Sache zu Grund gienge, oder das Recht des Pfandgebers aus einer der Pfandschaft vorgehenden und dem Pfandnehmer wissentlichen Behaftung erlöschete; dahingegen wo der Pfandgeber solche aus einer erst nach der Verpfändung entspringenden Ursache an einen Dritten veräußerete, verlieret der Glaubiger hieran sein Pfandrecht nicht.

[3, 7, § 8] 93. Durch Untergang der verpfändeten Sache aber erlöschet das Pfandrecht nicht anderst, als da solche völlig zu Grund gehet, dann wo auch nur der mindeste Theil davon übrig bleibet, welcher dem Glaubiger einige Sicherheit verschaffen kann, da bestehet auch hieran das Pfandrecht, also da eine Heerd Schafe verpfändet

(3-107) würde, obgleich der größte Theil darauf gienge, haftet doch die Pfandschaft an den übrigen.

[3, 7, § 8] 94. Woferne jedoch die Wesenheit der verpfändeten Sache nicht vernichtet, sondern nur veränderet würde, ist zu unterscheiden, ob sie durch diese Veränderung eine ganz andere von der ersteren unterschiedene Gestalt annehme, oder ob selbe die vorige Gestalt behalte, und bloß andurch in sich vermehret oder verminderet werde. Ersteren Falls erlöschet das Pfandrecht, als da das verpfändete Holz verbauet oder verschnitzlet, oder die verpfändete Wolle verarbeitet würde.

[3, 7, § 8] 95. Letzteren Falls hingegen bleibet das Pfandrecht noch allezeit bei Kräften, die Wesenheit der Sache möge vermehret oder verminderet werden, welches in allen denenjenigen Fällen zu beobachten ist, da ein aus mehreren, halb zu-, halb abnehmenden Theilen bestehendes Ganzes, als z. B. eine Handlung verpfändet wird, wobei das Pfandrecht sich nicht allein auf die zur Zeit des Versatzes darinnen vorhandene, sondern auch auf die statt der verschleißenden aus den Mitteln der Handlung nachlassende Waaren erstrecket.

[3, 7, § 8] 96. Ansonsten kann eine Pfandschaft auf keine andere Art, als welche bisher angedeutet worden, aufgehoben, noch weniger das Recht das versetzte Pfand anwiederum einzulösen durch das immer für einen Zeitlauf wider den Schuldner verjähret werden, sondern es bleibet ihme durchaus frei und unbenommen, mittels Bezahlung des Pfandschillings das Pfand wieder an sich einzulösen.

Zweiter Artikel.

Von Pfandsverschreibungen.

IX. Von Wesenheit und unterschiedener Eigenschaft der Pfandsverschreibungen. §. X. Von Fähigkeit der Verschreibenden, und deren, welchen eine Hypothek verschrieben wird. §. XI. Von Sachen, welche zur Hypothek verschrieben werden können. §. XII. Von Art und Weis der Pfandverschreibungen. §. XIII. Von Wirkungen des Pfandrechts in Ansehen des Glaubigers. §. XIV. Von den bei Pfandcontracten beizufügen pflegenden Bedingen. §. XV. Von Tilgung und Auflösung der Pfandverschreibungen oder Hypotheken.

§. IX.

[3, 7, § 9] 97. Die zweite Gattung des Pfandcontracts sind die Pfandverschreibungen, welche insgemein Hypotheken genannt werden; dann die Pfandverschreibung oder Hypothek ist eine verbindliche Handlung, wodurch der Schuldner oder für denselben ein Dritter dem Glaubiger ein Gut zur Versicherung der Schuld mit dem Beding vorschreibet, daß er bei nicht erfolgender Zahlung sich hieran halten, und seine Befriedigung daraus erholen möge.

(3-108) [3, 7, § 9] 98. Es unterscheidet sich dahero die Pfandsverschreibung oder Hypothek von einem Pfand hauptsächlich in deme, daß bei diesem die wirkliche Uebergab und Aushändigung der verpfändeten Sache an dem Glaubiger erfordert werde, ohne welcher es niemalen zu seiner Wesenheit gelangen kann, dahingegen bei Pfandsverschreibungen das zur Hypothek verschriebene Gut mit dem Pfandrecht behaftet werde, ohnerachtet das Gut dem Glaubiger nicht überantwortet wird, sondern in Handen des Schuldners verbleibet.

[3, 7, § 9] 99. Wiewohlen aber also eine Pfandsverschreibung in ihrer Bestellungsart mit den bloßen Verwilligungs- oder Consensualcontracten, welche zu ihrer Wesenheit keine Uebergabe der Sache, um die es sich handle, erheischen, übereinzukommen scheinet, so ist doch dieselbe ihrer Natur und Eigenschaft nach vielmehr den sächlichen oder Realcontracten beizuzählen, weilen andurch, obschon das verschriebene Gut nicht selbst übergeben, jegleichwohlen aber hieran durch die Einverleibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher ein dingliches Recht, nemlich das Pfandrecht bestellet, und dem Glaubiger angewiesen wird, welches eine der Natur der Consensualcontracten nicht zukommende Wirtung (!) (= Wirkung) anzeiget, als die bloß ein Recht zur Sache, nicht aber auch an der Sache erzielen.

[3, 7, § 9] 100. Eine Pfandsverschreibung setzet nicht weniger als die Pfandsübergabe einer vorhergehende Verbindlichkeit zum voraus, ohne welcher solche nichts verfanget, und gleichwie bereits oben §. I, num. 7, von dem Pfand gemeldet werden, also hat auch eine Hypothek dreierlei Bedeutungen, als des Guts, welches zum Unterpfand verschrieben, oder des Rechts, welches aus der Verschreibung erworben, oder des Contracts und der Handlung selbst, wodurch eine Hypothek bestellet wird. Von dem mit der Pfandsübergabe gleich wirkenden Pfandrecht ist schon in zweiten Theil gehandlet worden, dahero wird hier nur der Pfandsverschreibungscontract erkläret.

[3, 7, § 9] 101. Eine Pfandsverschreibung oder Hypothek ist von dreierlei Art; dann entweder wird solche durch beiderseitige ausdrückliche Vereinigung der Contrahenten nach eigener freier Willkür bestellet, oder in gewissen Fällen aus Anordnung des Gesatzes stillschweigend erworben, oder von richterlichen Amt an dem Gut des Schuldners auch wider seinen Willen verhänget. Die erstere Gattung heißet die willkürliche, die zweite die rechtliche oder stillschweigende, und die dritte gerichtliche Hypothek.

[3, 7, § 9] 102. Beide letztere Gattungen sind bereits in dem zweiten Theil beschrieben worden, und wird noch insonderheit von der gerichtlichen Hypothek in dem vierten Theil bei Abhandlung der Gerichtsordnung des Mehreren erwähnet werden; es erübrigt demnach hier bloß die willkürliche Pfandsverschreibung oder Hypothek auszulegen.

[3, 7, § 9] 103. Diese ist entweder allgemein oder sonderheitlich. Eine allgemeine Hypothek wird an dem ganzen Hab und Vermögen des Schuldner bestellet; eine sonderheitliche hingegen ist, wann nur ein Gut des Schuldner in sonderheit damit behaftet wird.

§. X.

[3, 7, § 10] 104. Sein Gut kann jedermann zum Unterpfand verschreiben, der sonst nach Ausmessung des §. II von seinem Vermögen etwas zu versetzen oder zu verpfänden

(3-109) fähig ist. Er muß aber noch über das Eigenthümer des zum Unterpfand verschreibenden Guts sein, und sowohl dessen rechtlichen Besitz durch die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worinnen das verschreibende Gut inlieget, an sich gebracht, als auch die Fähigkeit zu landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Handlungen nach eines jeden Landes Verfassung erlanget haben.

[3, 7, § 10] 105. Dahero kann kein Erb an dem ererbten Vermögen eine Hypothek bestellen, insolange er nicht nach Verschiedenheit der Landesverfassungen in dessen rechtlichen Besitz gelanget, noch weniger kann ein Kaufer das erkaufte Gut zum Unterpfand verschreiben, bis nicht der Kaufcontract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worunter das Gut gehörig, einverleibet worden, als wodurch er erst dessen rechtlichen Besitz erwirbt.

[3, 7, § 10] 106. Wiewohlen aber solchemnach die von unfähigen, oder aus Mangel des rechtlichen Besitzes dazu unbefugten Personen ausgestellte Pfandsverschreibungen Zeit der noch fürwährenden Unfähigkeit oder Unbefugnuß durchaus bei keiner Gerichtsstelle angenommen werden sollen, so gestatten wir doch gnädigst, daß wann der Aussteller einer solchen Pfandsverschreibung nach deren Ausstellung mitlerweil die Fähigkeit, oder den rechtlichen Besitz des verschrieben Guts erworben hat, und zur Zeit der ansuchenden Einverleibung die fürgeweste Hindernuß behoben ist, derlei Pfandsverschreibung zu Kräften kommen und bestehen mögen, woferne selbe nicht schon zur Zeit der Ausstellung durch einen besonderen Verbot des Gesatzes entkräftet sind, als da der Aussteller noch Minderjährig gewesen, oder darinnen sonst eine unzulässige Handlung enthalten wäre.

[3, 7, § 10] 107. Auch durch Andere kann Jemands Gut mit Pfandsverschreibungen behaftet werden, wann sie, wie bereits oben von Verpfändungen §. II, num. 18, erwähnet worden, hierzu entweder von dem Gesatz, als Gerhaben oder Vormündere und Curatores, oder von dem Eigenthümer Gewalt und Vollmacht haben, bei Bevollmächtigten aber muß die Vollmacht ausdrücklich die Befugnuß der aufstellen mögenden Pfandsverschreibung enthalten, und zugleich mit dieser in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet werden, zu welchem Ende eine solche Vollmacht mit allen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage sonst erforderlichen Feierlichkeiten versehen, in Widrigen aber keine in Namen und anstatt eines Anderen gefertigte Pfandsverschreibung ohne einer solchen auf gleich vorbeschriebene Art und Weis gefertigten Vollmacht einverleibet werden solle.

[3, 7, § 10] 108. So viel es aber die Gemeinvorstehere sowohl Unserer landesfürstlichen, als obrigkeitlichen Städten und Märkten, wie auch die Verwaltere der milden Stiftungen anbelanget, diesfalls ist jenes zu beobachten was wegen deren Einschuldung in vierten Capitel, §. II, num. 29, geordnet worden.

[3, 7, § 10] 109. Gleichwie bei dem verschreibenden Schuldner, also wird auch an Seiten des Glaubigers, deme ein Gut zum Unterpfand verschrieben wird, die Fähigkeit zu Erwerbung landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten nach eines jeden Landes Verfassung dergestalten erforderet, daß deme, welcher derlei Rechten nicht fähig ist, auch keine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Hypothek verschrieben werden könne.

[3, 7, § 10] 110. Diese Fähigkeit wirket nach Unterschied der Personen bald ein stärkeres, bald ein schwächeres Pfandrecht, dann entweder ist sie also beschaffen, daß der Glaubiger, auf den die Pfandsverschreibung lautet, zu Erwerbung landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Güter eine ohneingeschränkte Befugnuß habe, und in diesem Fall hat das Pfandrecht seine vollkommene Wirkung dergestalten, daß derselbe hieraus bei nicht erfolgender Bezahlung nicht allein zum Besitz des ihme verschriebenen

(3-110) Guts gelangen, sondern auch durch die ausgemessene gerichtliche Betreibungsmitteln dessen Eigenthum unwiderruflich an sich bringen kann.

[3, 7, § 10] 111. Oder der Glaubiger ist zwar zum Besitz derlei Güter fähig, doch aber ohne Unserer landesfürstlichen Verwilligung mehrere zu erwerben nicht berechtiget, und solchenfalls ist ihme zwar unbenommen sich seiner Hypothek zu halten, und in deren Besitz zu kommen, er kann aber ohne Unserer höchsten Einwilligung das unwiderrufliche Eigenthum des verschriebenen Guts auf keinerlei Weise erwerben, sondern ein jeder anderer Landesfähiger ist solches zu allen Zeiten gegen Erlag der Summe, in der es demselben zugeschätzet worden, abzulösen befugt.

[3, 7, § 10] 112. Oder endlich der Glaubiger ist an sich des Besitzes liegender Güter unfähig, und nur aus Unserer höchsten Gnad insoweit befreiet, daß er seiner Schuldforderung halber eine landtäfliche, Stadt oder grundbücherliche Sicherheit erlangen möge, in welchem Fall das Pfandrecht nichts Mehreres, als die bloße Sicherheit und das Vorrecht vor späteren Haftungen wirket, und der Glaubiger kann hieraus an dem verschriebenen Gut in keinerlei Wege ein anderes dingliches Recht erwerben, sondern derselbe ist zwar befugt bei entstehender Zahlung seine Hypothek zu exequiren, doch aber auf dem Fall, wo es auf die Erlangung des Besitzes von dem verschriebenen Gut ankäme, schuldig, sein Recht an einen anderen Landesfähigen abzutreten, oder sich zu dem Besitz fähig zu machen.

§. XI.

[3, 7, § 11] 113. Eine sonderheitliche Hypothek kann nur an unbeweglichen, dem Verschreibenden eigenthumlich zugehörigen, und in der Landtafel, Stadt oder Grundbüchern

(3-111) inliegenden Gütern bestellet werden. Insolange dahero das zum Unterpfand verschriebene Gut auf den Verschreibenden landtäflich, stadt- oder grundbücherlich nicht vorgemerket ist, hat auch die Pfandsverschreibung keine Wirkung, und kann nicht zur Einverleibung gelangen.

[3, 7, § 11] 114. Eine allgemeine an dem gesammten Hab und Vermögen verschreibende Hypothek hingegen begreifet zwar alle sowohl beweglich als unbewegliche, gegenwärtig habende und künftig erwerbende unter der Gerichtsbarkeit der jenigen Stelle, wo solche einverleibet wird, befindliche Güter in sich, doch können daraus die Fahrnussen mit dem Pfandrecht anderergestalt nicht behaftet werden, als da nach der gleich hiernach erklärenden Art und Weis die Hypothek in Ermanglung anderer hinlänglichen Sicherheit hierauf namentlich und besonders erstrecket, und solche zugleich entweder in gerichtlichen Beschlag genommen, oder dem Glaubiger zur Sicherheit von dem Schuldner ausgehändiget werden.

[3, 7, § 11] 115. Außer diesem Fall kann an beweglichen Dingen keine willkürliche Hypothek bestellet werden. Eine rechtliche oder stillschweigende Hypothek hingegen hat auch hieran in denjenigen in diesem Gesatzbuch ausgedruckten Fällen statt, worinnen solche aus Anordnung des Gesatzes verhänget wird.

[3, 7, § 11] 116. Wir verordnen aber noch ferners, daß keine Pfandsverschreibung, welche nur bloß eine allgemeine Hypothek ohne namentlichen Ausdruck des Guts, worauf die Schuldforderung insonderheit zu haften habe, enthält, in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher angenommen, sondern eine so beschaffene Beschreibung lediglich für einen gemeinen Schuldbrief angesehen und gedacht werden solle.

[3, 7, § 11] 117. Es muß dahero in der Verschreibung nebst der allgemeinen allemal auch eine sonderheitliche Hypothek zugleich mitbestellet werden, daß dieselbe in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen werden möge, wodurch aber die allgemeine Hypothek die Wirkung noch nicht erlanget, daß selbe außer dem mit der sonderheitlichen Hypothek verfangenen Gut des Schuldners auch seine übrige allda inliegende Güter mit einigem Pfandrecht behafte, und das Vorrecht sammt anderen Vorzüglichkeiten vor den wiewohlen später auf die übrige Güter des Schuldners einverleibten sonderheitlichen Hypotheken habe.

[3, 7, § 11] 118. Woferne jedoch der Glaubiger durch die ihme verschriebene und einverleibte sonderheitliche Hypothek nicht zulänglich bedecket, und genugsam gesicheret zu sein glaubete, so solle ihme freistehen, um auch wegen der ihme mit verschriebenen allgemeinen Hypothek das Vorrecht vor den auf die übrige Güter des Schuldners später einverleibet werden mögenden sonderheitlichen Hypotheken genießen zu können, diese allgemeine Hypothek zu mehrerer Sicherheit auf andere ihme namentlich nicht verschriebene Güter des Schuldners jedoch mit Vorbehalt des denen vorhin schon darauf haftenden sonderheitlichen Hypotheken gebührenden Vorrechts durch die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher erstreckenden, und solche darauf sonderheitlich vormerken zu lassen.

[3, 7, § 11] 119. Er muß aber diese sonderheitliche Erstreckung und Vormerkung bei Gericht ordentlich einkommen, und diejenige Güter des Schuldners, worauf derselbe diese Erstreckung und sonderheitliche Vormerkung verlanget, namentlich anzeigen, wodurch er von dem Tag der beschehenen Erstreckung dieser allgemeinen Hypothek an jenen Gütern des Schuldners, worauf diese Erstreckung vollzogen worden, das Vorrecht vor denenjenigen Glaubigeren, welche ihre sonderheitliche Hypotheken hierauf später einverleiben lassen, erwirbt; die früher einverleibte sonderheitliche Hypotheken aber Behalten den Vorzug.

(3-112) [3, 7, § 11] 120. Solchemnach kann die allgemeine Hypothek nicht anderst, als in Hinzufügung einer sonderheitlichen bestehen, und erlanget ihre Kraft erst damals, wann dieselbe auf ein sonderheitliches Gut des Schuldners vorbesagter Maßen erstrecket worden, wobei sie jedoch keine mehrerer Wirkung als eine jede andere sonderheitliche Hypothek hat, und außer demjenigen Gut, worauf sie erstrecket worden, nichts Anderes behaftet.

[3, 7, § 11] 121. Woferne aber der Glaubiger dieser zu seiner mehreren Sicherheit ihme verstatteten Wohlthat sich nicht bedienete, sondern die Erstreckung der allgemeinen Hypothek auf die übrige Güter des Schuldners anzubegehren unterließe, so kann weder von demselben vor denen später einverleibten sonderheitlichen Hypotheken sich eines Vorrechts angemaßet, noch die Kaufer oder Erben, oder sonst ein dritter Besitzer eines von dem Schuldner an sich gebrachten oder ererbten Guts, worauf seine Forderung sonderheitlich nicht vorgemerket ist, derowegen mehr angefochten werden.

[3, 7, § 11] 122. Eine sonderheitliche Hypothek kann aber von einem Gut auf das andere nach Gefallen des Glaubigers nicht erstrecket oder übertragen werden, sondern wirket lediglich an jenem Gut das Pfandrecht, welches ihme zur sonderheitlichen Hypothek verschrieben worden.

[3, 7, § 11] 123. Also da der Schuldner an dem ihme zugehörigen Theil eines mit Mehreren gemeinschaftlichen Guts die Hypothek bestellet, und nach der Zeit auch den anderen Theil des Guts an sich gebracht hätte, so bleibet dessen ohnerachtet nur der verschriebene eine Theil mit der Hypothek behaftet, weilen nur ein Theil und nicht das Ganze zum Unterpfand verschrieben worden.

[3, 7, § 11] 124. Doch sind bei einem zur sonderheitlichen Hypothek verschriebenen Gut alle unbewegliche Zugehörungen, sie mögen schon zur Zeit der Verschreibung dabei befindlich sein, oder nachhero darzu kommen, nicht weniger, als das Gut selbst mit dem Pfandrecht verstricket.

[3, 7, § 11] 125. Dahingegen von darzu gehörigen Fahrnussen, und aus dem Gut erzeugten Früchten und Nutzungen nur jene, welche zur Zeit der von dem Glaubiger auf das verschriebene Gut verführenden Execution allda vorhanden und sonst an niemanden Anderen vorhero schon veräußeret sind, dem Pfandrecht insoweit unterliegen, daß dem obbemelten exequirenden Glaubiger hieran vor späteren Forderungen das Vorrecht gebühre, nicht aber auch daß ein Dritter, an den solche veräußeret werden, derowegen angefochten werden könne, sondern der Schuldner behält mit Fahrnussen und Nutzungen die freie Schalt- und Waltung bis daß nicht ein gerichtlicher Beschlag hierauf ausgewirket, oder derselbe durch die Execution aus dem Besitz des verschriebenen Guts gesetzet werde.

§. XII.

[3, 7, § 12] 126. Die Pfandsverschreibungen müssen allemal bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, worinnen das verschreiben wollende Gut inlieget, vollzogen werden, und erlangen erst durch die Einverleibung die Wirkung des Pfandrechts. Ehe und bevor aber dieselbe einverleibet werden, haben sie keine mehrere Kraft, als andere gemeine Schuldbriefe, und behaften das darinnen verschriebene Gut des Schuldners nicht, sondern diesem stehet frei, solches vor Einverleibung der ausgestellten Pfandsverschreibung nach Gefallen zu veräußern, oder mit anderen Haftungen zu beschweren, ohne daß der darauf nicht vorgemerkte Glaubiger hieran den mindesten Anspruch zu machen befugt wäre.

[3, 7, § 12] 127. Es kann aber die Bestellung einer Hypothek auf zweierlei Art geschehen, als entweder erstens, mittelst persönlicher Bekanntnuß des Schuldners vor dem Amt der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, oder derjenigen Gerichtsstelle, worunter das verschreiben wollende Gut gelegen ist, wann nemlich der Schuldner in persönlichen Verstand sich zu der Schuld bekennet, und sein gut zur Hypothek

(3-113) einsetzet, wobei jedoch all jenes, was in zweiten Theil von Art und Weis der Uebertragung landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten geordnet worden, zu beobachten ist, oder

[3, 7, § 12] 128. Zweitens, durch eine schriftliche mit denen oben Capitel IV, §. VII, vorgeschriebenen Feierlichkeiten versehene, und auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage gerichtete Urkunde, oder so genannte Hauptschuldverschreibung; doch lassen Wir es in Betreff der grundbücherlichen Verschreibungen bei eines jeden Landes wohlhergebrachter Verfassung gnädigst bewenden, es möge aber die Hypothek auf die eine oder die andere Art bestellet werden, so ist doch die wirkliche Einverleibung dergestalten erforderlich, daß ohne solcher keine Hypothek bestehen kann.

§. XIII.

[3, 7, § 13] 129. Ein Unterpfand, solches möge durch wirkliche Uebergabe, oder durch Verschreibungen bestellet werden, giebt nicht nur allein dem Glaubiger die Sicherheit wegen seiner Forderung, sondern es wirket auch die Behaftung der verpfändeten oder verschriebenen Sache, woraus das Pfandrecht entstehet.

[3, 7, § 13] 130. Dieses enthält viererlei dem Glaubiger an der verpfändeten Sache zueignende Befugnussen, als erstens das Recht der Abforderung von einem jedweden Besitzer, zweitens das Recht der Innenhaltung, drittens das Recht des Vorzugs vor anderen Glaubigern, viertens das Recht der Veräußerung.

[3, 7, § 13] 131. Sowohl das Recht der Abforderung, als der Innenhaltung sind eigentliche Wirkungen eines dinglichen Rechts, welche daher0 bereits in zweiten Theil, bei Abhandlung von Pfandrecht erkläret worden, und von dem Recht des Vorzugs, welches eine landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebene Hypothek von dem Tag der Einverleibung vor allen auf dem nemlichen Gut entweder später, oder auch gar nicht einverleibten, noch besonders befreiten Forderungen wirket, wird in vierten Theil bei der Gant- oder Cridaordnung gehandlet werden.

[3, 7, § 13] 132. Das Recht der Veräußerung aber gebühret dem Glaubiger erst damals, wann der Schuldner in der bedungenen Zeit mit der Zahlung nicht eingehalten hat. Wir verordnen jedoch zu Steuerung aller dabei unterlaufenen mögenden wucherlichen Handlungen, daß der Glaubiger mit Veräußerung der zu Unterpfand gegebenen oder verschriebenen Sache auf keine andere, als die gleich hiernach ausmessende Art und Weis fürzugehen befugt, und obgleich der Schuldner ihme die freie und eigenmächtige Veräußerung entweder nach eigener Willkür, oder auch in einem bestimmten Werth ausdrücklich gestattet hätte, jedennoch ein solches Beding von gar keiner Kraft und Bündigkeit sein solle.

[3, 7, § 13] 133. Diese Veräußerung kann nicht anderst, als mit Zuthat des Gerichts geschehen, wobei aber die Veräußerungsart der liegenden zur Hypothek verschriebenen Gütern von jener deren Pfand gegebenen beweglichen Dingen unterschieden ist. Erstere wird in vierten Theil der Gerichtsordnung beschrieben werden, bei Veräußerung der Pfänder aber hat sich der Glaubiger folgender Gestalt zu verhalten:

[3, 7, § 13] 134. Anförderist lieget ihme ob, wann er den saumseligen Schuldner nicht länger nachzuwarten, sondern zur Veräußerung des Pfands fürzuschreiten gedenket, demselben durch eine Gerichtsperson die Erinnerung machen zu lassen, daß er das Pfand auslösen, oder bei weiteren Anstand dessen Veräußerung gewärtig sein solle.

[3, 7, § 13] 135. Würde nun der Schuldner innerhalb vierzehen Tagen von der ihme

(3-114) zugekommenen gerichtlichen Erinnerung die Zahlung nicht leisten, oder sich in andere Wege mit dem Glaubiger nicht abfinden, so stehet diesem frei nach Bescheinigung der vorläufig gemachten Erinnerung die Abschätzung des Pfands anzubegehren, worauf von Gericht aus die Abschätzung mit Fürladung des Schuldners durch die beeidigte Abschätzere zu veranlassen, und das Pfand, woferne der Schuldner dasselbe dem Glaubiger nicht etwan lieber in dem abgeschätzten Werth überlassen, oder dieser solches nicht annehmen wollte, oder mehrere Glaubiger vorhanden wären, die ihre Befriedigung hieran ansuchen, gewöhnlicher Maßen mit Anberaumung einer Zeit von acht Tagen zum öffentlichen Verkauf feil zu bieten ist, binnen welcher ausgemessenen Zeit aber annoch dem Schuldner zugelassen sein solle, das Pfand nebst Erstattung der verursachten Gerichts- und Schätzungsunkosten auszulösen.

[3, 7, § 13] 136. Wo aber derselbe auch diese Zeit verstreichen lassen würde, ohne den Glaubiger zu befriedigen, so ist das Pfand ohne weiters durch die in derlei Fällen gebräuchliche Versteigerung gerichtlich zu verkaufen, und dem Meistbietenden gegen alsbaldigen Erlag der dafür angebotenen Summe hintanzulassen, wobei jedoch sowohl den Schuldner, wann er sogleich so viele Baargeldmitteln aufzuweisen im Stande ist, als dem Glaubiger unverwehret sein solle, einen Anbot darauf zu legen, und es als meistbietende käuflich an sich zu bringen, welchen Falls der Erstere, wann sich sonst keine andere Glaubigere hierauf bei Gericht gemeldet haben, nur den Betrag der Schuld, wofür das Pfand versetzet ware, mit allen Gerichtsunkosten, der andere aber nur so vieles als der dafür angebotene Werth seine weisliche Forderung übersteiget, herauszugeben hat.

[3, 7, § 13] 137. Wann hingegen den Glaubiger oder auch einen dritten Meistbietenden das Pfand einmal käuflich hintangelassen worden, verlieret der Schuldner das Eigenthum, und stehet ihme weiter hieran kein Ablösungsrecht zu, sondern demselben ist von den dafür gelösten Werth nur so vieles auszufolgen, als nach Abstoßung der hierauf haftenden Forderung des Glaubigers und aller Gerichtsunkosten hiervon erübrigt wird; es wäre dann, daß vor der Ausfolgung auch andere Glaubigere auf diesen Ueberrest greifen würden.

[3, 7, § 13] 138. Wäre aber der Schuldner abwesend, und dessen Aufenthalt nicht zu erforschen, oder gar rechtsflüchtig oder auch dergestalten verschuldet verstorben, daß Niemand sich seiner Verlassenschaft annehmen wollte, in solchen Fall bedarf es keiner vorläufigen Erinnerung, sondern der Glaubiger kann nach der Verfallzeit sogleich zu der gerichtlichen Veräußerung des Pfands auf die obausgemessene Art und Weis fürschreiten, und hat das Gericht zu Vertretung des Schuldners einen Curatorem zu bestellen, beinebst aber den von dem dafür gelösten Werth nach Bezahlung des Glaubigers und der Gerichtsunkosten sich ergebenden Ueberschuss zu Guten der anderen Glaubigeren, oder da deren keiner sonst hervorgekommen wäre, bis auf Anmelden des Schuldners in gerichtliche Verwahrung zu nehmen.

[3, 7, § 13] 139. Hätte jedoch der Glaubiger bei Veräußerung des Pfands die gleich vorgeschriebene Feierlichkeiten nicht beobachtet, sondern solches eigenmächtig verkaufet, so ist zu unterscheiden, ob der Kaufer die Eigenschaft des Pfands gewußt habe oder nicht. Ware ihme solche wissend, und das Pfand wäre noch bei ihme vorhanden, so ist der Schuldner befugt, gegen Erlag der Schuld dasselbe anwiederum zuruckzuforderen.

[3, 7, § 13] 140. Hätte aber der Kaufer die Sache mit gutem Glauben ohne die Pfandseigenschaft gewußt zu haben an sich gebracht, oder dieselbe wäre auch nicht mehr in seinen Handen, in diesem Fall ist der Glaubiger dem Schuldner denjenigen Betrag des Werths, wie dieser solchen mit eidlicher Schätzung angeben wird, mit allen von dem Tag der Veräußerung haben laufenden Zinsen nach Abzug der Schuld zu ersetzen verpflichtet.

(3-115) §. XIV.

[3, 7, § 14] 141. Bei Pfandcontracten pflegen zu mehrerer Verbindlichkeit des Schuldners Bedinge beigesetzet zu werden, welche insoweit darinnen nichts Gesatzwidriges enthalten ist, ihre vollkommene Kraft und Bündigkeit haben, dahingegen andere nur in gewisser Maß zulässig, andere aber, worunter meistens ein ohnerlaubter Wucher verstecket ist, gänzlich verboten und null und nichtig sind.

[3, 7, § 14] 142. Also hat jenes Beding, daß der Glaubiger bei nicht einhaltender Zahlung das ihme zur Hypothek verschriebene gut eigenmächtig in Besitz nehmen möge, nur damals seine Wirkung, wann der Schuldner ihme den Besitz gutwillig abtritt, woferne er aber solchen zu raumen sich weigeren würde, kann der Glaubiger hierzu nicht anderst, als nach rechtlicher Ordnung mittelst der gerichtlichen Einführung gelangen, und da er den Schuldner eigenmächtig mit Gewalt davon verdränge, verlieret derselbe sein Pfandrecht, und ist noch über das wegen des auf ihn erwiesenen Gewalts mit der seines Orts darauf ausgesetzten Strafe zu belegen.

[3, 7, § 14] 143. Von gleicher Beschaffenheit ist das Beding, wann der Schuldner sogleich in der Verschreibung den rechtlichen Besitz des zur Hypothek bestellten Guts an den Glaubiger dergestalten übertraget, daß er entweder gleich von nun an, oder nach der Verfallzeit solches nicht in seinem, sondern des Glaubigers Namen besitzen zu wollen sich verbindet; dann auch in diesem Fall kann der Glaubiger auf keine andere Art, als entweder mit gutwilliger Abtretung des Schuldners, oder durch die gerichtliche Einführung den wirklichen Besitz erwerben, und ist die selbsteigene Eindringung ebenso, wie in ersteren Fall, als eine eigenmächtige Thathandlung unter vorbemelten Strafen verboten.

[3, 7, § 14] 144. Dieses Beding aber wirket doch so vieles, daß der Schuldner das damit verfangene Gut, insolange er es durch Bezahlung der Schuld von dieser Verbindlichkeit nicht befreiet, an Niemanden zu veräußeren befugt seie, sondern der Glaubiger hieran ein widerrufliches Eigenthum erwerbe, welches aber durch Abführung der Schuld anwiederum aufgelöset wird.

[3, 7, § 14] 145. Ingleichen solle das Beding, daß der Glaubiger anstatt der Zinsen das verpfändete Gut zu nutzen und zu gebrauchen Macht habe, nicht anderst, als nach vorhergehender richterlicher Erkanntnuß und Verwilligung zulässig, und dem Glaubiger sich an Früchten und Nutzungen, dieselbe mögen in standhaften oder ungewissen Einkünften bestehen, anstatt der Zinsen nicht mehr, als was die landesübliche Verzinsung betraget, zuzueignen gestattet, das hieran Mehrempfangene aber derselbe von der Hauptforderung abzuziehen schuldig sein.

[3, 7, § 14] 146. Dieses Beding kann auch stillschweigend eingegangen werden, und zwar entweder bei beweglichen Dingen, wann nemlich der Schuldner eine an sich nutzbare oder fruchtbringende, oder auch sonst brauchbare Sache dem Glaubiger für ein ohne bedungener Verzinsung gereichtes Darlehen verpfändet, ohne sich die Nutzungen davon vorzubehalten, oder deren Gebrauch entweder ausdrücklich, oder mit Versieglung und Versperrung derselben zu verbieten, welche Handlung den Bestand hat, daß der Glaubiger zu Vergeltung der dem Schuldner in Reichung des Darlehens erzeigten Wohlthat anstatt der Zinsen die verpfändete Sache nutzen und gebrauchen möge, insoweit dieselbe die landesbräuchliche Zinsen nicht übersteigen; der Ueberschuß ist aber von der Hauptforderung abzurechnen.

[3, 7, § 14] 147. Oder bei liegenden Gütern, wann der Schuldner den Besitz des zur Hypothek verschriebenen Guts dem Glaubiger einraumet, wobei jedoch die Zinsen ausdrücklich mit verschrieben oder bedungen, oder aus Saumsal des Schuldners


(3-116) verwirket worden sein müssen; dann wo deren keine weder aus der Verschreibung, noch aus Saumsal gebühren, sind die behebende Nutzungen lediglich auf Abschlag der schuldigen Hauptsumme anzurechnen, weilen das Gut für das, was hierauf nicht verschrieben worden, oder nicht aus der Natur der Handlung zu erstatten ist, nicht zu haften hat.

[3, 7, § 14] 148. Bei beweglichen Dingen bedarf zwar die stillschweigende Ueberlassung der Benutzung in dem vorbemelten Fall keiner richterlichen Erkanntnuß, bei liegenden Gütern hingegen, es möge der Fruchtgenuß ausdrücklich oder stillschweigend dem Glaubiger eingeraumet werden, solle solche zur Giltigkeit des Bedings allemal vorhergehen, obschon der Richter nicht auch leicht und nicht anderst, als bei Fürwaltung erheblicher Ursachen ein dergleichen Beding gestatten solle.

[3, 7, § 14] 149. Das Beding aber möge ausdrücklich oder stillschweigend über bewegliche oder unbewegliche Pfandschaften eingegangen werden, so ist der Glaubiger allezeit verpflichtet, über die behobene Früchten und Nutzungen Rechnung zu legen, wann gleich ihme die Verrechnung von dem Schuldner ausdrücklich erlassen worden wäre, und solle diese Erlassung von gar keiner Kraft und Wirkung sein.

[3, 7, § 14] 150. Die Rechnung solle also gefasset werden, daß von der jährlichen Ertragnuß nach Abschlag der erweislichen Auslagen und Verbesserungskosten zuförderist der gebührende Betrag der Zinsen abgezohen, und alsdann der Ueberrest der Ertragnuß von der schuldigen Hauptsumme abgerechnet, auch somit von Jahr zu Jahr bis zu gänzlichen Abtrag der Schuld verfahren werde. Es hat jedoch der Glaubiger nicht allein die wirklich behobene, sondern auch die beheben mögende und aus seiner Schuld vernachlässigte Nutzungen in behörigen Empfang zu bringen.

[3, 7, § 14] 151. Da nun aber ein Anstand der Ertragnuß halber vorfiele, ist solcher bei liegenden Gütern aus den vorigen wenigstens dreijährigen Rechnungen von Zeit des Schuldners eigenen Besitzes und bei beweglichen Dingen nach Art und Weis, wie der Schuldner selbst die Sache sonst benutzet oder genossen, zu erörteren, wegen des Aufwands und der Verbesserungskosten aber jenes zu beobachten, was oben §. VI, num. 69 bis 71 ausgemessen worden.

[3, 7, § 14] 152. Woferne aber hervorkäme, daß der Glaubiger sich an Nutzungen schon zur Zeit der Verschreibung oder des gereichten Darlehens ein Mehreres über die erlaubte landesbräuchliche Zinsen unter was immer für einen Vorwand ausbedungen, oder auch nach der Zeit sich hieran zuzuwenden angemaßet hätte, so verfällt derselbe in alle auf die wucherliche Handlungen ausgesetzte Strafen.

[3, 7, § 14] 153. Gänzlich verbotene Bedinge bei Pfandcontracten sind alle diejenige, welche der Wesenheit des Contracts zuwider sind, oder wodurch dem Glaubiger ein Mehreres, als er an der Hauptsumme und den landesüblichen Zinsen zu forderen hat, verheißen oder zugewendet, und also eine wucherliche Handlung bemäntlet wird, sie mögen sogleich bei dem Contract selbst, oder nach der Zeit eingegangen werden.

[3, 7, § 14] 154. Hierunter gehöret vornehmlich das Beding der Heimfälligkeit des Pfands, wann der Schuldner mit dem Glaubiger dahin übereinkommet, daß das Pfand, wann es innerhalb der bestimmten Zeit nicht eingelöset wird, auf das darauf geliehene Geld dem Glaubiger verfallen oder verwirket sein solle. Solche Bedinge sollen nicht nur allein an sich null und nichtig sein, sondern auch wider den Glaubiger, der sie eingegangen, mit der Strafe des Wuchers unnachsichtlich verfahren werden.

[3, 7, § 14] 155. Jene Bedinge hingegen, welche also gefasset werden, daß der Glaubiger bei ausbleibender Zahlung das Pfand um einen billigen Preis behalten möge, oder daß solches der Schuldner ihme käuflich, oder an Zahlungsstatt zu überlassen gehalten sein solle, sind zwar an sich nicht verboten, sondern können ihre

(3-117) Wirkung erreichen, wann sonst kein Nachtheil der übrigen Glaubigeren dabei unterwaltet.

[3, 7, § 14] 156. Doch ist der Glaubiger bei Strafe des Wuchers nicht befugt sich das Pfand anderer Gestalt, als nach dessen vorhergehender gerichtlichen Abschätzung zuzueignen, welche er binnen den nächsten acht Tagen von der Verfallzeit mit Vorladung des Schuldners anzubegehren schuldig ist, wo in Widrigen, oder da sich mehrere Glaubigere hervorthäten, das Beding von selbsten erlöschet, und mit Veräußerung eines solchen Pfands, wie mit einem jeden anderen zu verfahren ist.

[3, 7, § 14] 157. Das Beding der Unablöslichkeit der Pfandschaft ist zwar an Seiten des Schuldners als ein der Wesenheit eines Pfands widerstrebender Beisatz von gar keiner Wirkung, sondern es stehet demselben allzeit frei, obschon er auf die Einlösung eine ausdrückliche Verzicht gethan hätte, das Pfand gegen Erlag der Schuld auszulösen, den Glaubiger aber verbindet ein solches Beding dergestalten, daß, insolange ihme die Zinsen von der schuldigen Hauptsumme richtig abgeführet werden, er weder die Bezahlung der Schuld einmahnen, noch weniger zur Veräußerung der Pfandschaft fürschreiten darf.

[3, 7, § 14] 158. Desgleichen verbindet das Beding der Nichtveräußerung des Pfands zwar den Glaubiger, so lange der Schuldner in Abtrag der bedungenen Zahlungsfristen nicht säumig ist, nicht aber auch den Schuldner, sondern dieser behält die Freiheit, solches nach Gefallen zu veräußeren, doch also, daß dem Pfandrecht des Glaubigers hierdurch nichts beschadet werde.

§. XV.

[3, 7, § 15] 159. Gleichwie eine Hypothek nicht anderst, als durch die wirkliche Einverleibung der Pfandsverschreibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher bestellet wird, also kann dieselbe auch nur durch die daraus bewirkende Auslöschung getilget und aufgelöset werden, woferne solche nicht auf eine gewisse Zeit beschränket worden wäre, als mit deren Verlauf sie auch von selbsten erlöschet.

[3, 7, § 15] 160. Es wäre dann, daß der Glaubiger noch vor Ausgang dieser Zeitfrist die ihme verschriebene Hypothek zu exequiren angefangen hätte, wodurch sein Pfandrecht bis zu seiner Befriedigung hierauf fortwähret, gleichwie das Nemliche in gleichen Fall bei Pfändern oben §. VIII, num. 84, geordnet worden.

[3, 7, § 15] 161. Wo aber keine gewisse Zeit, wie lang die Pfandsverschreibung fürzudaueren hat, bestimmet worden wäre, kann die Tilgung nur auf dreierlei Art geschehen, als erstlich, durch die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittirung, wovon in letzten Capitel von Aufhebung der Verbindungen mit Mehreren gehandlet werden wird; zweitens, durch einen in Rechtskräften erwachsenen richterlichen Spruch und Urtheil, worinnen die Hypothek vernichtet und aufgehoben, oder der Schuldner von der Schuld ledig und losgesprochen wird; drittens, durch Einlage einer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Urkunde, in welcher entweder die Hypothek erlassen und davon abgegangen, oder solche an jemand Anderen abgetreten, oder das Eigenthum des verhypothecirten Guts von dem Glaubiger erworben wird.

[3, 7, § 15] 162. Ansonsten und außer vorbemelter Art und Weis kann eine landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebene Hypothek durch keine wie immer Namen haben mögende außergerichtliche Handlung getilget und aufgelöset werden, wann gleich anmit die Schuld bezahlet, erneueret oder erlassen worden wäre, obschon dem Schuldner solchenfalls sowohl die Einrede der geschehenen Zahlung oder Erlassung der Schuld, als das Recht den Glaubiger zur Quittirung zu verhalten zu allen Zeiten zustehet.

(3-118) [3, 7, § 15] 163. Desgleichen, obwohlen der Glaubiger in die Veräußerung des ihme verhypothecirten Guts eingewilliget, und die in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibte Veräußerungsurkunde auch selbst ohne allem Vorbehalt mit unterschrieben hätte, erlöschet die Hypothek andurch nicht, wann darinnen nicht ausdrücklich davon abgegangen, oder nicht andere ihme nachgehende Glaubigere auf den Kaufschilling ausgewiesen würden, sondern außerdeme gehet die Behaftung des Guts mit demselben auf jedweden Besitzer.

[3, 7, § 15] 164. Wann er aber einen solchen zur Einverleibung gelangten Ausweis ohne Vorbehalt seines Vorrechts unterschrieben hätte, und dagegen nicht etwan einen dabei unterlaufenden Irrthum oder Verstoß binnen der in zweiten Theil ausgesetzten Verjährungszeit erproben könnte, hat er sich andurch seiner Hypothek begeben, und kann hierauf weiter keinen Anspruch machen.

[3, 7, § 15] 165. Durch Zufall kann eine Hypothek an liegenden Gütern zwar unzulänglich gemacht, niemalen aber gänzlich getilget und vernichtet werden, solange etwas von Grund und Boden, worauf sie haftet, übrig bleibet; dahingegen bei beweglichen Dingen eben Dasjenige statt hat, was oben §. VIII, num. 93, 94 und 95, von Pfändern ausgemessen worden.

[3, 7, § 15] 166. Wo aber das Recht des Schuldners an einem verhypothecirten Gut aus einer vor der Pfandsverschreibung in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerkten, oder auch sonst vor seinem Besitz schon vorhergegangenen Ursache erlöschete, als da der Schuldner ein widerrufliches Eigenthum, oder auch nur den Fruchtgenuß des verschriebenen Guts hätte, oder ein vermeintlicher Erbe zum Besitz der Erbschaft gelangete, und ein darzugehöriges Gut Jemanden zum Unterpfand verschrieben, deme aber nachhero sein Erbrecht abgesprochen würde, da erlöschet auch die Hypothek, wann gleich der Glaubiger in der wirklichen Execution begriffen, oder auch gar bereits in dessen Besitz befindlich wäre.

Caput VIII.

Von Bürgschaften.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit und Natur der Bürgschaft, und von Verschiedenheit der Bürgen. §. II. Von Fähigkeit der Bürgen. §. III. Von Handlungen, worinnen Bürgen einkommen mögen. §. IV. Von Art und Weis der Verbürgungen. §. V. Von Verbindlichkeit der Bürgen, und der wider sie gebührenden Rechtsforderung. §. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Schuldners, und der wider ihn denen Bürgen zustehenden Rechtshilfe. §. VII. Von Rechtswohlthaten der Bürgen. §. VIII. Von Aufhebung und Erlöschung der Bürgschaft.

§. I.

[3, 8, § 1] Num. 1. Nach Abhandlung der sächlichen oder Realcontracten folgen nunmehro die in dritten Capitel, §. VI, bemerkte bloße Verwilligungs- oder Consensualcontracten, welche aus alleiniger Einwilligung beider Theilen, ehe und bevor noch die Uebergabe der Sache, um die es sich handlet, erfolget, schon die contractmäßige Verbindlichkeit wirken.

(3-119) [3, 8, § 1] 2. Unter diese Gattung gehöret die Bürgschaft, welche eine verbindliche Handlung ist, wodurch Jemand eine fremde Schuld zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers dergestalten auf sich nimmt, daß zugleich der Hauptschuldner verbunden bleibe.

[3, 8, § 1] 3. Die Bürgschaft ist ihrer Natur und Eigenschaft nach eine der vorhergehenden Verbindlichkeit eines Anderen in der Folge beitretende, obschon an und für sich selbst in ihrem Wesentlichen unterschiedene und besondere Handlung, wobei der Selbstschuldner schon hauptsächlich verbunden ist, der Bürge aber andurch in der Folge verbindlich wird.

[3, 8, § 1] 4. Sie erforderet demnach zu ihrer Wesenheit, erstens, daß eine fremde Schuld vorhergehe, wofür Jemand Bürge wird. Hierdurch unterscheidet sich ein Bürge sowohl von Jenem, welcher Jemanden befiehlt dem Anderen ein Darlehen zu geben, weilen solchergestalten der Befehl der Verbindlichkeit des Selbstschuldners vorgehet, als auch von einem Mitschuldner, welcher keine fremde Schuld auf sich nimmt, sondern sich zugleich mit dem Anderen zum Selbstschuldner bestellet, wie nicht minder von einem Zusager, welcher sich insgemein zu Leistung seiner eigenen, und keiner fremden Schuldigkeit verpflichtet.

[3, 8, § 1] 5. Zweitens, daß der Hauptschuldner zugleich verbunden bleibe; dann wo Jemand eine fremde Schuld dergestalten übernähme, daß er sich zum freiwilligen Selbstschuldner machen, und den Anderen andurch von allem Anspruch des Glaubigers gänzlich befreien würde, ist es keine Bürgschaft, sondern eine Uebernehmung der Schuld, deren Wirkung in dreiundzwanzigsten Capitel von Verwandlung und Uebertragung der Verbindungen an Andere beschrieben wird.

[3, 8, § 1] 6. Drittens, daß die Handlung zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers abziele, obgleich derselbe nachhero die angehoffte Sicherheit dabei nicht findet, dann die Pfand- und Bürgschaften sind in bürgerlichen Handlungen die festesten Bande Treu und Glaubens, und darum werden Bürgen genommen, damit man der Schuld halber desto gesicherter sein möge.

[3, 8, § 1] 7. Die Bürgschaften werden entweder bei Gericht, oder außer Gericht geleistet. Jene, welche vor Gericht geleistet wird, heißet sonst ein Fürstand, die außergerichtliche aber eigentlich eine Bürgschaft. Von der ersteren wird in vierten Theil bei der Gerichtsordnung gehandlet werden.

[3, 8, § 1] 8. Die Bürgen werden ferners in Hauptbürgen, Ruckbürgen und Schadlosbürgen eingetheilet. Der Hauptbürge verbindet sich gleich auf allen Fall zur Zahlung, wann der Glaubiger von dem Selbstschuldner nicht befriediget wurde.

[3, 8, § 1] 9. Der Ruckbürge hingegen wird von dem Hauptschuldner nicht zur Sicherheit des Glaubigers, sondern zur Sicherheit des Hauptbürgens zu dem Ende bestellet, damit dieser Dasjenige, was er für den Hauptschuldner etwan zu bezahlen bemüßiget sein dörfte, anwiederum von dem Ruckbürgen erholen möge, weshalben der Anspruch an den Ruckbürgen niemalen dem Glaubiger, wohl aber dem Hauptbürgen gebühret, als gegen deme allein derselbe verstricket ist.

[3, 8, § 1] 10. Und endlich ein Schadlosbürge ist jener, der sich gegen den Glaubiger

(3-120) nur insoweit verbindet, als er von dem Selbstschuldner und dem Hauptbürgen das Seinige entweder ganz, oder zum Theil nicht erhalten mag, und mithin von dem Glaubiger niemalen ehender, als erst nach gerichtlicher Belangung des Schuldners und Hauptbürgens angegangen werden kann.

[3, 8, § 1] 11. Es ist dahero zu einem Schadlosbürgen erforderlich, daß er die Schuld nicht, wie ein Hauptbürge, gleich Anfangs in allen Fall auf sich nehme, und mit dem Selbstschuldner für die ganze Schuld haften wolle, sondern daß er ausdrücklich unter der Bedingnuß und nur auf jenen Fall gutspreche, daß wann der Glaubiger von dem Selbstschuldner und dem Hauptbürgen nicht befriediget werden könnte, er alsdann ohne Schaden sein, und von ihme die Bezahlung zu forderen haben solle.

[3, 8, § 1] 12. Wo aber in der Bürgschaft ein solches, oder daß der Bürge nur ein Schadlosbürge sein wolle, wortdeutlich nicht ausgedrucket wäre, sondern selbe etwan nur dahin lautete, daß wann der Schuldner nicht zahlt, der Bürge zahlen wolle, oder auch sonst der Inhalt der Bürgschaft zweifelhaft, und daraus nicht klar zu entnehmen wäre, ob er sich zum Hauptbürgen oder Schadlosbürgen verbinden wollen, ist er allemal für einen Hauptbürgen, und nicht für einen Schadlosbürgen zu halten, und sogleich, als der Selbstschuldner mit der Zahlung säumig ist, ohne dessen vorheriger Belangung die Schuld, für die er gutgestanden, abzutragen schuldig.

§. II.

[3, 8, § 2] 13. Alle und jede, die für sich selbst Verbindungen einzugehen fähig sind, können sich auch für Andere als Bürgen verpflichten, wann sie nicht durch einen besonderen Verbot des Gesatzes davon ausgeschlossen werden; also sind Kinder, Sinnlose und Wahnwitzige eben sowohl zu Bürgschaften, als zu selbsteigenen Verbindungen schon von Natur aus Mangel des Verstandes unfähig.

[3, 8, § 2] 14. Von dem Gesatz hingegen werden folgende Personen zu Leistung der

(3-121) Bürgschaft nicht zugelassen, als erstens, die in wirklichen Kriegsdiensten befindliche Soldaten, insoweit sie andurch ihre Person verstricken oder ihren Sold behaften; woferne sie aber außer ihrem Sold ein sonstiges Vermögen besitzen, ist denenselben unverwehret darmit eine Bürgschaft zu bestellen, und für einen Anderen die Sicherheit hierauf zu verschreiben.

[3, 8, § 2] 15. Zweitens, Unvogtbare oder Minderjährige ohne Zuthat und Einwilligung ihrer Vormünderen oder Gerhaben und Curatorum nach Maß dessen, was davon in ersten Theil, in der Abhandlung von der Vormundschaft geordnet worden.

[3, 8, § 2] 16. Drittens können die Weibspersonen, sie seien ledig oder verheirathet, ohne vorläufiger gerichtlicher Erinnerung und Verzicht ihrer weiblichen Gerechtigkeit keine Bürgschaft weder für einen Fremden, noch für ihren eigenen Ehemann rechtskräftig leisten, die Verbürgung möge nur auf ihre persönliche Verbindung, oder auch auf Verpfändung oder Verschreibung ihres Guts gerichtet sein.

[3, 8, § 2] 17. Es geschehe gleich solches durch bloße Bürgschaft oder mittelst selbsteigener Uebernehmung einer fremden Schuld, als da ein Weib sich für jemand Anderen zur Selbstschuldnerin bestellete, oder auch befehlsweise, da auf Geheiß eines Weibs der Glaubiger einem Dritten Geld borgete, oder auf was immer für Art und Weis ein Weib eine fremde Schuld auf sich nähme, so wird doch das Weib aus einer solchen Verbürgung oder Verschreibung nicht verbunden, und dem Glaubiger gebühret wider sie kein Anspruch.

[3, 8, § 2] 18. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann gleich das Weib sich mit ihrem Ehemann in einerlei Schuldverschreibung als Selbstschuldnerin mit ungeschiedener oder getheilter Hand einließe, und ihr eigenes Gut darinnen verschriebe; dessen ohnerachtet solle sie eine solche Verschreibung nicht binden, wann sie nicht vorhero vor Gericht nach vorläufiger Erinnerung ihrer weiblichen Gerechtigkeit sich zu dieser Schuld ausdrücklich bekennet hätte.

[3, 8, § 2] 19. In Uebrigen aber ist keinem Weib verwehret für sich selbst, und ohne Zuthat ihres Manns oder eines Curatoris nach ihrem Willen allerlei ehrbare Contracten und Handlungen zu schließen und aufzurichten, wann sie nur dadurch keine fremde Schulden auf sich nimmt.

[3, 8, § 2] 20. Allein in diesem Fall ist die vorhergehende Erinnerung der weiblichen Gerechtigkeit zur Giltigkeit der Handlung dergestalten erforderlich, daß, obschon das Weib sich mit deren Abgang nicht schützen würde, der Richter jegleichwohlen von amtswegen hierauf den Bedacht nehmen, und keine Verschreibung, wann gleich die Verzicht des weiblichen Rechts ausdrücklich darinnen enthalten wäre, ohne dieser Erinnerung kräftig sein, noch weniger solche irgendwo zur Einverleibung angenommen werden solle.

[3, 8, § 2] 21. Diese Erinnerung hat allemal von Gericht, und an ordentlicher Gerichtsstelle in persönlicher Gegenwart des Weibes zu geschehen, und solle anstatt ihrer kein Anwalt oder Bevollmächtigter zugelassen werden, sondern da dieselbe etwan Krankheit halber vor Gericht zu erscheinen verhinderet wäre, sind solchen Falls auf ihr Verlangen zwei Gerichtspersonen nebst einem Actuario zu Vollziehung der Erinnerung und Abnehmung ihrer Verzicht in ihre Behausung abzuordnen.

[3, 8, § 2] 22. Wann es um sächliche oder solche Verbürgungen zu thuen ist, wobei das Weib dem Glaubiger ein landtäfliches, stadt- oder grundbücherliches Gut für einen Anderen zur Sicherheit verschreibet, solle die Erinnerung von jenem Gericht, worunter das mit der Bürgschaft behaften wollende Gut des Weibs gelegen ist, veranlasset, und die hierauf gethane gerichtliche Verzicht und Bekanntnuß des Weibs bei der Verschreibung in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket werden.

[3, 8, § 2] 23. Es wäre dann, daß zu dieser Zeit das Weib außer dem Ort desjenigen Gerichtsstands, worunter das Gut gelegen ist, abwesend wäre, welchen Falls die Erinnerung und Verzicht auch bei der Gerichtsstelle jenen Orts, wo selbe sich

(3-122) damals aufhält, vorgenommen, und nach deren vorläufiger Vormerkung in das Gerichtsbuch dem anderen Gerichtsstand, worunter das verschreiben wollende Gut gelegen ist, durch ein rechtliches Zuschreiben bedeutet werden kann.

[3, 8, § 2] 24. Wo es aber auf keine sächliche, sondern nur auf eine persönliche Verbürgung ankäme, hat die Erinnerung und Verzicht bei derjenigen Gerichtsstelle zu geschehen, der das Weib sonst mit ihrer Person entweder nach dem Stand ihres Manns, oder nach ihrem eigenen, oder aus Ursach ihres Aufenthalts untergeben ist, außer sie wollte sich freiwillig zu einem anderen Gericht gestellen, und daselbst die Verzicht leisten, doch muß allenthalben eine derlei vorgegangene Handlung in den Gerichtsbüchern eingetragen werden.

[3, 8, § 2] 25. Nur in folgenden Fällen kann die Bürgschaft eines Weibs zu Recht bestehen, und sie in die Verbindung eines Anderen eintreten, als erstlich, wann sie auf vorläufige gerichtliche Erinnerung sich ihrer weiblichen Gerechtigkeit ausdrücklich begeben und verziehen hat.

[3, 8, § 2] 26. Zweitens, wann sie den Glaubiger arglistiger und betrügerischer Weise, welche derselbe erweisen muß, zu Darreichung eines Darlehens verleitet und anführet, als da selbe ihre eigene Sachen unter dem Vorwand, daß solche dem Schuldner angehören, bei dem Glaubiger für Jemanden versetzete, oder die Zahlung für einen Anderen bei ihr als Schuldnerin anweisen ließe, und die Anweisung ohne Widerspruch annähme, oder sich sonst einer ohnerlaubten Scheinhandlung dabei gebrauchete.

[3, 8, § 2] 27. Da aber ein Ehemann seines Weibs Sachen ohne ihrer ausdrücklichen Einwilligung verpfänden, und der Glaubiger, daß solche nicht ihme, sondern dem Weib angehören, wissen würde, verlieret sie ihre weibliche Gerechtigkeit nicht, sondern der Glaubiger ist ihr dieselbe ebensowohl, als in jenem Fall, da sie dabei ohne Begebung ihres Rechts mit selbsteigener Verpfändung ihrer Sachen eine fremde Schuld verbürget hätte, ohnentgeltlich zuruckzustellen schuldig.

[3, 8, § 2] 28. Drittens wann der Glaubiger erweisen kann, daß das Geld zu des Weibs Nutzen verwendet worden, oder sie wenigstens durch die Bürgschaft keinen Schaden erleide, als da selbe das geborgte Geld zu ihren Handen empfangen, obschon solches von ihr gleich einem Anderen geliehen oder geschenket worden wäre, oder sie sonst an der Sache einen Theil, oder künftig daraus eine sicheren Gewinn zu gewarten hätte, oder derselben Kleider, Geschmuck, Geschmeid u. dgl. Dinge zu ihrem Gebrauch davon angeschaffet, oder ihre Schulden darmit bezahlet worden, oder auch sie für ihren Glaubiger gutgestanden wäre, oder ihr Glaubiger die Zahlung einer bei ihr ausstehenden Schuldforderung jemanden Anderen angewiesen, oder die Forderung abgetreten hätte, wann nur selbe dadurch von ihrem Glaubiger befreiet worden.

[3, 8, § 2] 29. Viertens, wann sie den Werth derjenigen Summe, wofür dieselbe gutgesprochen, empfangen, oder dieserhalben Geld, oder andere Schankungen angenommen hätte, in welchen Fall sie nach Maß dessen, was ihr hierauf gegeben worden, aus ihrer Bürgschaft verbindlich wird.

[3, 8, § 2] 30. Fünftens, wann das Weib ein Gewerb oder Kaufhandel in ihrem Namen und auf eigenen Gewinn und Verlust entweder allein, oder auch gemeinschaftlich mit ihrem Mann führet, und in dieser Eigenschaft eine fremde Schuld verbürget.

[3, 8, § 2] 31. Sechstens, wann sie ohne vorhergehender Bürgschaftsleistung entweder für ihren Mann, oder auch für einen Dritten die wirkliche Zahlung leistet, oder solche bei ihrem Schuldner anweiset, oder eine Forderung an Zahlungsstatt abtritt.

[3, 8, § 2] 32. Siebentens, wann das Weib die Summe, für welche sie gutgesprochen, oder die sie in andere Wege auf sich genommen, nachgehends frei- und gutwillig weder aus Forcht des bedrohenden Gerichtszwangs, noch aus sonstiger Zudringlichkeit oder listiger Ueberredung, sondern lediglich wegen Treu und Glaubens bezahlete, kann sie das Bezahlte nicht mehr zuruckforderen, da aber dieselbe aus

(3-123) Forcht, Gewalt oder List darzu verleitet worden wäre, hat sie allemal die Befugnuß die ungebührliche Zahlung zuruckzubegehren.

[3, 8, § 2] 33. Achtens, wann sie Jemanden, ohne eine vorhergehende fremde Verbindlichkeit auf sich zu nehmen, die Schadloshaltung verheißet, daß er etwas thuen oder lassen solle, woraus er dem Anderen verbindlich werde, als da selbe Jemanden die Entschädigung einer That wegen versprechen würde, welche dem Dritten zu Schaden gereichete; um so viel weniger kann sie in jenen Fällen sich von der Verbindlichkeit entledigen, worinnen selbe entweder aus eigener Einwilligung, oder aus ihrer Schuld für die Handlungen Anderer zu haften hat.

[3, 8, § 2] 34. Außer vorbemelten Fällen kann ein Weib sich für jemanden Anderen auf keinerlei Weise rechtskräftig verbinden, sondern wo sie auch mit einem anderen Mitbürgen eine fremde Schuld auf sich genommen hätte, ist ihr ein solches unnachtheilig, und der andere bleibet entweder für die ganze Schuld allein, wann er sich dafür mit ungetheilter und gesammter Hand verschrieben, oder da dieses nicht ausgedrucket worden wäre, nur für seinen Antheil verpflichtet.

[3, 8, § 2] 35. Wann aber ein Weib sich mit einem Anderen außer ihrem Ehemann in einer sie Beide gemeinschaftlich betreffenden Sache zur Selbstschuldnerin sammt und sonders ausdrücklich bestellet hätte, kann selbe jegleichwohlen ihrerseits niemalen um einen höheren Betrag, als um ihren Antheil belanget werden, woferne selbe sich nicht ihrer weiblichen Gerechtigkeit auf die oben vorgeschriebene Art und Weis ausdrücklich begeben hat, oder der Glaubiger die Verwendung der ganzen Summe zu ihrem alleinigen Nutzen zu erweisen nicht im Stande ist.

[3, 8, § 2] 36. Diese Gerechtigkeit kommet auch des Weibs Erben zu statten, außer dieselbe hätte ihnen in ihrem letzten Willen geboten die Schuld zu bezahlen, oder sie hätten sich freiwillig und ungezwungen zu der Zahlung verstanden, oder da es großjährige männliche Erben wären, die Richtigkeit der Schuld in andere Wege anerkannt, oder da sie hierum gerichtlich belanget würden, sich mit dieser Einrede zu schützen unterlassen; maßen der Richter in solchem Fall, insoweit es diese allein, und keine Erben weiblichen Geschlechts mitbetrifft, von amtswegen hierauf fürzudenken nicht befugt ist.

[3, 8, § 2] 37. Ohnerachtet aber dem Glaubiger solchergestalten seine Anforderung wider das Weib vereitlet wird, so verbleiben ihme doch dagegen auf der anderen Seite seine Ansprüche wider den Schuldner aufrecht und bei vollkommener Kraft, und wird Alles in denjenigen Stand versetzet, als ob das Weib niemalen die Bürgschaft geleistet, oder sonst die Schuld auf sich genommen hätte.

[3, 8, § 2] 38. Welches hingegen sich auf die vorhin gehabte Bürgen und Pfandschaften nicht verstehet, die etwan der Glaubiger gegen Eintretung des Weibs erlassen hätte, sondern dieser hat sich selbst beizumessen, daß er eine wahre und standhafte für eine leere Sicherheit fahren lassen; wo aber das Weib wegen geleisteter Bürgschaft von dem Schuldner einige Pfandschaften empfangen hätte, oder zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers ein Schadlosbürge bestellet worden wäre, ist das Weib schuldig, die Pfandschaften dem Glaubiger auszufolgen, und der Schadlosbürge bleibet anstatt des Weibs für denjenigen Betrag der Schuld, welchen der Glaubiger von dem Schuldner nicht erholen könnte, verfangen.

§. III.

[3, 8, § 3] 39. Bei Bürgschaften kommen drei unterschiedene Personen vor, als der Glaubiger, welcher die Bürgschaft annimmt, der Bürge, der solche leistet, und der

(3-124) Schuldner, von deme die Bürgen gestellet werden, und obschon ein Ruckbürge nicht zu Guten des Glaubigers, sondern des Hauptbürgens gegeben wird, so ist doch gedachter Hauptbürge in Absicht dessen, was er für den Schuldner zu bezahlen bemüssiget ist, auch sein Glaubiger. Es kann dahero Jedermann, der Jemanden zum Schuldner hat, folglich ein Glaubiger ist, ohne Unterschied sich Andere aus Bürgschaften verbindlich machen; wann auch gleich ein Ehemann für seines Weibs Heirathgut Bürgen stellen würde.

[3, 8, § 3] 40. Von dem Schuldner geschehen die Verbürgungen entweder freiwillig, oder aus Nothwendigkeit einer gerichtlichen Auflage, und kann sowohl von mehreren Schuldneren zusammen, als auch in dem Fall, wo Jemand ausdrücklich zu Stellung mehrerer Bürgen verpflichtet wäre, nur ein Bürge bestellet werden, wann die verbürgte Summe andurch hinlänglich bedecket wird.

[3, 8, § 3] 41. Es stehet also in dem letzteren Fall nicht in der Macht des Glaubigers eine sichere Bürgschaft zu verwerfen; es würde dann die in der Verbindung angelobte Art und Weis der Verbürgung dabei nicht beobachtet, als da der Schuldner eine sächliche Bürgschaft verheißen hätte, und nachgehends bloß eine persönliche leisten wollte.

[3, 8, § 3] 42. Sonsten aber, wo wegen der Verbürgungsart nichts Besonderes bedungen worden, hat sich der Glaubiger auch mit persönlicher Bürgschaft, wann sie nur genugsam sicher ist, zu begnügen, und da über Zulänglichkeit der leistenden Bürgschaft ein Stritt entstünde, hat der Richter sogleich ohne Gestattung eines rechtlichen Verfahrens deren Beschaffenheit verläßlich zu untersuchen, und darüber auf das Schleunigste zu erkennen.

[3, 8, § 3] 43. Es muß demnach allezeit eine fremde Verbindlichkeit vorhergehen, für die Jemand Bürge wird, und insolange solche nicht zu Stand kommet, hat auch die Bürgschaft keine Wirkung, sondern erhält sie erst damals, wann die Verbindung des Anderen wirklich eingegangen worden.

[3, 8, § 3] 44. Doch ist erforderlich, daß es eine wahre, zulässige und zu Recht bestehende Verbindlichkeit seie; dann woferne es eine ohnerlaubte, und von den Gesetzen verbotene Handlung wäre, gilt auch die dafür geleistete Bürgschaft nicht, sondern der Bürge machet sich noch über das gestalter Dingen nach zur Strafe verfänglich.

[3, 8, § 3] 45. Also da Jemand für die von einem unter väterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt stehenden ohne Zuthat des Vaters oder Vormunds gemachte Schuld gutsprechen würde, ist die Bürgschaft null und nichtig, und hat nicht allein der Glaubiger an den Bürgen keinen Anspruch, sondern der Bürge ist mit Verfällung der nemlichen Summe, für die er gutgestanden, zu Handen Unserer Kammer zu bestrafen.

[3, 8, § 3] 46. Wo aber bei der von einem Weib ohne Begebung ihrer Gerechtigkeit, mithin ungiltig geleisteten Bürgschaft noch ein Anderer als Bürge bestellet würde, ist zu unterscheiden, ob derselbe zugleich mit ihr als Hauptbürge, oder zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers als Schadlosbürge, oder zu des Weibs eigener Entschädigung als Ruckbürge einkomme.

[3, 8, § 3] 47. Inwieweit sowohl der Hauptbürge, als Schadlosbürge daraus verbindlich werde, ist in gleich vorhergehenden §., num. 34 und 38, erwähnet worden, bei dem Ruckbürgen aber ist darauf zu sehen, ob das Weib sich ihrer Gerechtigkeit nicht bedienen wolle, und gleichwohlen gutwillig zahle, oder ob sie mit Vorschützung der ihr zustehenden Rechtswohlthat die Zahlung verweigere. Ersteren Falls bleibet ihr der Ruckbürge verbunden, um Dasjenige, was sie bezahlet, anwiederum von ihme erholen zu mögen, letzteren Falls aber wird derselbe seiner Bürgschaft entlediget,

(3-125) und kann der Glaubiger, als gegen deme er sich niemalen verstricket, sich seiner nicht halten.

[3, 8, § 3] 48. In peinlichen Sachen können zwar auch für die dem beschädigten Theil gebührende Genugthuung ohne Anstand Bürgen gestellet werden; inwieweit aber die Bürgschaft in jenen Fällen, wo es auf Verhängung einer verwirkten Leibes- oder an Uns verfallenen Geldstrafe ankommet, zugelassen, und ein Uebelthäter ausgebürget werden möge, diesfalls giebt die peinliche Gerichtsordnung Ziel und Maß.

§. IV.

[3, 8, § 4] 49. Die Bürgschaft kann entweder mündlich oder schriftlich, oder auch durch Zeichen, welche die Einwilligung auszudrucken hinlänglich sind, geleistet werden, wann nur die Worte oder Zeichen die ungezweiflete Willensmeinung sich als Bürgen für jemand Anderen zu verbinden klar und verständlich andeuten.

[3, 8, § 4] 50. Es ist dahero einerlei, ob Jemand sich ausdrücklich einen Bürgen nenne, und unter dieser Benamsung sich für den Anderen verstricke, oder ob er dem Glaubiger verspreche, daß derselbe an seiner Schuldforderung nichts verlieren solle, oder daß er es gutmachen, oder das Geld schaffen, oder dafürstehen, oder Gut oder Mann dafür sein wolle, oder daß er es auf seine Gefahr nehme, oder sein Wort gebe, daß die Zahlung richtig folgen werde.

[3, 8, § 4] 51. Wohingegen, wann Jemand lediglich gelobete, daß er dafür sorgen wolle, kann keine Bürgschaft daraus gefolgeret werden, sondern derselbe wird nur andurch verbunden allen seinen Fleiß, soviel an ihme lieget, anzuwenden, damit der Glaubiger von dem Schuldner befriediget werde. Stimmet aber der Ausgang mit seiner Bestrebung nicht überein, ist er auch von aller weiteren Verbindlichkeit ledig.

[3, 8, § 4] 52. Desgleichen, da Jemand sich anheischig machte, er wolle sich zu Leistung der Bürgschaft vermögen oder gebrauchen lassen, wird er dadurch noch nicht Bürge, und ladet auch keine Verbindlichkeit auf sich, insolange er sich nicht zum Bürgen bestellet; noch weniger entstehet aus deme eine Verfänglichkeit, wann Einer den Anderen lobet und anrühmet, daß er gut, oder ein wohlhabender Mann seie, und ihme getrauet werden könne, insoferne sonst seinerseits hierbei keine Gefährde und Arglist unterwaltet.

[3, 8, § 4] 53. Es kann auch entweder in einerlei Urkunde sich sowohl der Schuldner, als der Bürge verschreiben, oder eine besondere Verbürgungsurkunde ausgefertiget werden. Wo aber Jemand eine Schuldverschreibung mit dem Selbstschuldner unterschreiben würde, ohne dabei die Eigenschaft eines Bürgens auszudrucken, ist aus dem Inhalt der Verschreibung abzunehmen, ob derselbe sich für einen Bürgen, oder für einen Mitschuldner mit ungeschiedener, oder mit vertheilter Hand verbinden wollen.

[3, 8, § 4] 54. Bei vorfallenden Zweifel aber ist er allemal als ein Mitschuldner nicht zwar für den ganzen Betrag, sondern nur für seinen Antheil zu halten; woferne jedoch in dem ganzen Inhalt der Verschreibung von Demjenigen, der solche mit

(3-126) dem Schuldner unterschrieben, gar keine Erwähnung geschehen, so wirket die bloße Unterschrift keine Verfänglichkeit, sondern der Unterschriebene ist bloß für einen Zeugen zu achten.

[3, 8, § 4] 55. Ein Bürge verstricket entweder lediglich seine Person, und solchenfalls ist es eine persönliche Bürgschaft, oder er behaftet auch sein Gut zur Sicherheit des Glaubigers, und zwar entweder mit Verpfändung der Fahrnussen, oder mit wirklicher landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Verschreibung eines liegenden Guts, und so ein als anderen Falls ist es eine sächliche oder Realverbürgung.

[3, 8, § 4] 56. Diese erheischet jedoch alle die zu einer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung oben in vierten Capitel, §. VII, ausgemessene Erfordernussen, und insonderheit auch an Seiten des Bürgens den ausdrücklichen Beisatz der geschehen mögenden Einverleibung, also zwar, daß obgleich der Bürge sich mit dem Schuldner in einerlei von Seiten des Schuldners mit allen diesen Erfordernussen versehenen Schuldverschreibung verbunden hätte, dieselbe jegleichwohlen auch von Seiten des Bürgens noch besonders wiederholet werden müssen.

[3, 8, § 4] 57. Wann dahero eine solche von dem Schuldner und Bürgen zugleich mitgefertigte Urkunde zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage gelangen würde, obschon darinnen der Bürge sein Gut zur Hypothek namentlich eingesetzet, doch aber in die Einverleibung ausdrücklich nicht gewilliget hätte, so wird zwar das Gut des Schuldners, nicht aber auch das Gut des Bürgens darmit behaftet.

[3, 8, § 4] 58. Die Bürgschaft möge aber persönlich oder sächlich bestellet werden, so kann solche zwar auf eine mindere, niemalen aber auf eine größere Summe, als nicht die Hauptschuld ist, bestehen, und daferne der Bürge sich zu etwas Mehreren, als worauf sich die Hauptschuld belaufet, verbinden würde, wo es aus erweislichen Irrthum geschähe, gilt die Bürgschaft nur nach dem Betrag der Hauptschuld; wann aber eine wucherliche Absicht dabei fürwaltete, unterlieget die Handlung allen darauf ausgesetzten Strafen.

[3, 8, § 4] 59. Noch weniger kann sich ein Bürge unter einem härteren Beding, als zu deme der Hauptschuldner nicht verbunden ist, verstricken, also da für eine von ungewissen Ausgang der Bedingnuß abhangende Schuld eine ohnbedingte Bürgschaft geleistet würde, wird der Bürge doch nicht ehender, als nach Ausgang der Bedingnuß daraus verbunden. Dahingegen kann auch für ohnbedingte Schulden eine bedingte Bürgschaft gestellet werden, und hanget in diesem Fall die Wirksamkeit der Bürgschaft von dem Erfolg der Bedingnuß ab.

[3, 8, § 4] 60. In der Art der Verbindung aber ist keinen Bürgen verwehret, sich zu mehrerer Sicherheit des Glaubigers fester und ausgiebiger, als nicht der Hauptschuldner verstricket ist, zu verpflichten, also kann ein Bürge an seinem Gut durch Verpfändungen oder Pfandsverschreibungen, wann auch solche in ihrem Werth den Betrag der Schuld übersteigen, dem Glaubiger eine Sicherheit bestellen, obschon dieser an den Hauptschuldner nur einen persönlichen Anspruch gehabt hätte, oder sich auch unter der bereitesten Betreibung oder Execution verbinden, obwohlen sonst der Schuldner hierzu nicht gehalten gewesen wäre.

[3, 8, § 4] 61. Doch solle sich dabei weder an Seiten der Bürgen, noch der Schuldneren einiger ehrenrührischen Verbindungen gebrauchet werden, sondern sowohl diese, als auch die Verstrickungen zum Einlager, zur Leistung, oder zur Geiselschaft sind bei Strafe der Nichtigkeit der Handlung gänzlich eingestellet und verboten.

[3, 8, § 4] 62. Es können auch für einerlei Summe mehrere Bürgen bestellet werden, wobei auf den Inhalt der Verbürgung zu sehen ist, dann wo selbte (!) sich sammt und sonders, oder Einer für Alle und Alle für Einen verbunden haben, haftet auch deren Jeder für die ganze Schuld, ansonsten aber, und wann dieses darinnen nicht ausgedrucket ist, wird Jeder nur für seinen Antheil verpflichtet.


(3-127) §. V.

[3, 8, § 5] 63. Die Bürgschaft ist ihrer Natur nach ein einbündiger Contract, woraus der Bürge dem Glaubiger verstricket wird; dann die Verbindlichkeit des Schuldners gegen dem Bürgen rühret nicht aus diesem, sondern aus dem Befehlscontract oder einer demselben gleichkommenden Handlung her, wie es in dem gleich nachfolgenden §. VI mit Mehreren erkläret wird.

[3, 8, § 5] 64. Die geleistete Bürgschaft wirket dahero an Seiten des Bürgens die Verbindlichkeit entweder für die ganze Schuld, oder für denjenigen Theil der schuldigen Summe, für welchen er gutgesprochen hat, und giebt dem Glaubiger das Recht, den Bürgen zu Leistung der Zahlung anzuhalten nach Maß des Betrags, zu deme er sich in der Verbürgung verbunden hat. Gleichwie aber dreierlei Gattungen der Bürgen sind, als Hauptbürgen, Ruckbürgen und Schadlosbürgen, also ist auch nach Beschaffenheit der Verbürgung deren Verbindlichkeit unterschieden.

[3, 8, § 5] 65. Bei dem Hauptbürgen ist auf den Inhalt der Bürgschaft zu sehen, ob derselbe lediglich für eine gewisse Summe, oder überhaupt, oder ausdrücklich für die ganze Schuld gutgesprochen habe. In ersten Fall ist er nur zu derjenigen Summe, wofür er gutgestanden, mit allen davon vertagten Zinsen und Gerichtsunkosten, und zu nichts Mehreren verbunden; in beiden letzteren Fällen aber haftet derselbe für die ganze Schuld mit allen davon nicht allein zur Zeit der geleisteten Bürgschaft schon verfallenen, sondern noch weiter bis zu dem Tag der Zahlung aus Saumsal des Schuldners anwachsenden Nebengebührnussen.

[3, 8, § 5] 66. Der Ruckbürge hingegen ist dem Hauptbürgen insgemein für Dasjenige verpflichtet, was dieser dem Glaubiger für den Schuldner erweislich bezahlet hat, und der Schadlosbürge bleibet dem Glaubiger nur für so vieles verstricket, als dieser an seiner Forderung weniger sowohl von dem Schuldner, als Hauptbürgen einbringen mögen; woferne nicht so ein wie anderen Falls die Bürgschaft ausdrücklich auf einen minderen Betrag eingegangen worden.

(3-128) [3, 8, § 5] 67. Aus Bürgschaften werden nicht allein die Bürgen für sich selbst, sondern auch ihre Erben verbunden, wann es gleich nur eine persönliche Bürgschaft, und deren Erben dabei ausdrücklich nicht gedacht worden wäre. Diese Verbindlichkeit wird jedoch in dem Fall, wo mehrere Erben sind, zwischen ihnen dergestalten getheilet, daß deren jeder nur nach Maß seines Erbantheils, und nicht weiter dafür zu haften habe.

[3, 8, § 5] 68. Es seie dann, daß die Bürgschaft wortdeutlich mit Ausschließung der Erben bloß allein auf die Person des Bürgen beschränket, oder dabei namentlich vorgesehen worden wäre, daß nach Absterben des Bürgen anstatt seiner ein anderer Bürge von dem Schuldner oder den übrigen Mitbürgen gestellet werden solle.

[3, 8, § 5] 69. Obschon aber dem Glaubiger sowohl der Schuldner aus der Hauptverbindung, als der Bürge aus der beitretenden Verbindlichkeit verstricket sind, und er dahero die Auswahl hat, wen von Beiden derselbe bei entstehender Zahlung belangen wolle, so hat er doch hierinfalls folgende Ordnung zu beobachten:

[3, 8, § 5] 70. Und zwar solle derselbe auf dem Fall, wo ihme nebst der Bürgschaft von dem Schuldner zugleich ein Pfand in Versatz gegeben, oder eine Hypothek verschrieben worden, vor Allem sich seines Unterpfands halten, und nach der in siebenten Capitel, §. XIII, enthaltenen Vorschrift zu dessen Veräußerung fürschreiten; wo inmittelst der Bürge jegleichwohlen verfangen bleibet, insolange der Glaubiger seiner Forderung halber hieraus nicht vollständig vergnüget wird.

[3, 8, § 5] 71. Ehender aber ist derselbe den Bürgen anzugehen nicht befugt, als bis daß er aus dem für das Unterpfand gelösten Werth seine Befriedigung nicht erhalten könnte, oder aber an Exequirung seines Unterpfands oder Hypothek durch rechtmäßige Ehehaften entweder wegen des von einem Dritten an das Eigenthum des verpfändeten Guts geregten Anspruchs, oder wegen ausgebrochener Crida, oder aus sonstigen erheblichen Ursachen gehemmet würde, oder das Pfand ohne seiner Schuld oder Zuthat in eines Dritten Hände gerathen wäre.

[3, 8, § 5] 72. Wollte jedoch der Bürge noch vor Veräußerung des Unterpfands sich sogleich gutwillig zur Zahlung einverstehen, so ist dagegen der Glaubiger schuldig, ihme entweder das inhabende Pfand auszufolgen, oder die verschriebene Hypothek abzutreten und zu überlassen.

[3, 8, § 5] 73. Wo aber nebst der Verbürgung keine Pfandschaft eingeleget worden wäre, hat der Glaubiger allemal anförderist den Hauptbürgen, wann er sich der Bürgschaft halten will, vor dem Schuldner zu belangen, und kann dieser sich darwider weder mit einiger Rechtswohlthat schützen, noch weniger mit Gestellung des Schuldners von der Verbindlichkeit entledigen.

[3, 8, § 5] 74. Dahingegen, wann der Schuldner zuerst vor dem Hauptbürgen von dem Glaubiger der Zahlung halber gerichtlich besprochen würde, so wird andurch der Hauptbürge sogleich ohneweiters von der Bürgschaft befreiet, woferne nicht ein Widriges besonders ausbedungen worden.

[3, 8, § 5] 75. Wären für einerlei Schuld mehrere Bürgen bestellet worden, welche sich sammt und sonders oder Einer für Alle, und Alle für Einen verbunden hätten, kann der Glaubiger deren Jeden um die ganze Schuld belangen, doch also, daß er Dasjenige, was er hieran von dem Einen empfangen, von dem Anderen nicht mehr einzumahnen befugt ist; daferne sie aber sich unter diesem Ausdruck nicht verstricket hätten, mag er einen Jeden nur für seinen Antheil, Alle aber um die ganze Schuld besprechen.

[3, 8, § 5] 76. Den Schadlosbürgen hingegen ist der Glaubiger nicht ehender berechtiget anzugehen, als bis er nicht darzeigen kann, daß er weder von dem Schuldner, noch von dem Hauptbürgen, da einer mitbestellet worden wäre, seine vollständige Befriedigung habe erhalten können.

[3, 8, § 5] 77. Er muß dahero nothwendig zu Begründung seiner Forderung wider den Schadlosbürgen die Unvermögenheit so des Einen, wie des Anderen vorhero

(3-129) erweisen; dann solange bei Jenen die Zahlungsmitteln vorhanden sein, kann der Schadlosbürge, der sich bloß allein unter dieser Bedingnuß verbunden, hierzu nicht verhalten werden; doch ist dem Glaubiger ohnbenommen bei vorfallender Gefahr auf allen Fall auch an dem Vermögen des Schadlosbürgen seine Bedeckung zu suchen.

[3, 8, § 5] 78. Wider eine Ruckbürgen aber hat der Glaubiger gar keinen Anspruch, sondern dieser ist bloß dem Haupt- oder Schadlosbürgen für Dasjenige, was sie für den Schuldner erweislich bezahlet haben, verpflichtet; gleichwie nun diese andurch in die Stelle des Glaubigers eintreten, also müssen selbe auch sich des nemlichen Rechts wider den Ruckbürgen gebrauchen, und ihn vor dem Schuldner besprechen, wo ansonst derselbe durch gerichtliche Belangung des Schuldners ebenso, wie oben von Hauptbürgen geordnet worden, von aller Verbindlichkeit entlediget wird.

[3, 8, § 5] 79. Es kommen jedoch einem jedweden Bürgen alle die Einreden und Rechtsbehelfe zu statten, welche dem Schuldner wider die Anforderung des Glaubigers in der Sache selbst zustehen; in der Art und Weis der Betreibung aber ist auf Jenes zu sehen, zu deme sich der Bürge verbunden hat; dann wo er sich zu einer festeren oder ergiebigeren oder wirksameren Betreibungsart, als nicht der Schuldner, verpflichtet, hat er sich der diesfalls dem Schuldner etwan gebühren mögenden Rechtswohlthaten nicht zu erfreuen.

[3, 8, § 5] 80. Würde aber der Glaubiger aus dem Vermögen des Bürgens nicht bezahlet werden können, bleibet ihme jegleichwohlen der Schuldner für das Uebrige verstricket, wann er gleich zu dieser Zeit außer Zahlungsstand gesetzet wäre; sondern solchen Falls stehet dem Glaubiger, da der Schuldner künftig zu Mitteln käme, seine Forderung wider ihn allezeit bevor.

§. VI.

[3, 8, § 6] 81. Die Bürgschaft, insoweit sie als ein Geschäft zwischen dem Bürgen und Schuldner betrachtet wird, ist nichts Anderes, als entweder ein Befehlscontract, wann der Schuldner ausdrücklich oder stillschweigend in die Leistung der Bürgschaft einwilliget, oder doch eine demselben gleichkommende, und in die Verwaltung fremder Geschäften einschlagende Handlung, da solche für einen abwesenden Schuldner ohne seinem vorläufigen Befehl oder Auftrag geleistet wird.

[3, 8, § 6] 82. Gleichwie nun die natürliche Billigkeit erheischet, daß ein Befehlshaber oder Sachwalter von dem Anderen, dessen Geschäften er besorget, schadlos gehalten werde, damit ihme seine Wohlthat nicht zum Nachtheil ausschlage, also wird auch aus diesem Grundsatz der Schuldner so ein als anderen Falls zur Entschädigung des Bürgens für Alles, was ihme der Bürgschaft halber an seinem Hab und Gut entgangen, ruckverbindlich.

[3, 8, § 6] 83. Woraus die dem Bürgen und seinen Erben wider den Schuldner und dessen Erben gebührende Ruck- oder Gegenforderung entspringet, welche auf Habhaftwerdung dessen, was der Bürge dem Glaubiger für den Schuldner erweislich bezahlet hat, mit denen von dem Tag der geschehenen Zahlung laufenden landesüblichen Zinsen, und allen Gerichtsschäden und Unkosten abzielet, also zwar, daß alles Dasjenige, was der Bürge für den Schuldner sowohl an Capital, als an Zinsen, Schäden und Unkosten entrichtet hat, in eine Summe zusammengezohen, und diese ganze Summe von dem Schuldner verzinset werden müsse.

[3, 8, § 6] 84. Es lieget dahero dem Bürgen ob, zweierlei Sachen zu erweisen, als erstlich, daß er mit Einwilligung oder Genehmhaltung des Schuldners für die Schuld gutgesprochen habe; dann wo ihme der Schuldner die Bürgschaft zu leisten

(3-130) ausdrücklich verboten und untersaget hätte, stehet ihme diese Ruck- oder Gegenforderung nicht zu.

[3, 8, § 6] 85. Derselbe aber hat in diesem Fall nur insoweit wider den Schuldner einen Anspruch, als ihme von dem Glaubiger die Schuld abgetreten oder angewiesen worden, folglich stehen ihme nicht allein alle diejenige Einreden und Einwendungen, welche der Schuldner wider den Glaubiger hätte, entgegen, sondern es gebühren demselben auch die Zinsen nur nach Maß der Verschreibung, oder der gegen dem Glaubiger, als in dessen Stelle derselbe eingetreten, eingegangenen Verbindlichkeit, und nicht, wie in dem vorhergehenden Fall einer wahren Bürgschaft, von der ganzen hinausbezahlten Summe.

[3, 8, § 6] 86. Andertens, daß er den Glaubiger wirklich vergnüget und befriediget habe, es seie durch Leistung der Zahlung oder Uebergabe an Zahlungsstatt, oder gerichtlichen Erlag der Schuld, oder durch Umlage, Anweisung oder Gegenvergeltung, oder daß ihme der Glaubiger die Schuld ganz oder zum Theil geschenket oder abgetreten habe, in welchem Fall jedoch diese Rechtsforderung auf keine mehrere Nebengebührnussen erstrecket werden kann, als welche der Glaubiger an dem Schuldner anzusuchen berechtiget gewesen wäre.

[3, 8, § 6] 87. Es höret aber diese Ruck- oder Gegenforderung wider den Schuldner entweder aus willkürlicher Begebung, oder aus begangener Schuld des Bürgens in folgenden Fällen auf, obgleich derselbe die Zahlung für den Schuldner wirklich geleistet hätte, als erstens, wann er lediglich zu Guten des Glaubigers, ohne die Einwilligung oder Genehmhaltung des Schuldners einzuholen, für die Schuld gutgestanden, und ohne sich solche von dem Glaubiger abtreten zu lassen, die Zahlung geleistet.

[3, 8, § 6] 88. Zweitens, wann er diejenige Summe, für die er gutgesprochen, dem Glaubiger in seinem letzten Willen verschaffet, ohne seinen Erben das Recht, solche von dem Schuldner zuruckforderen zu mögen, dabei vorzubehalten, welche dahero selbe von dem Schuldner nicht mehr anzuverlangen befugt sind, sondern dieser wird andurch von der Schuld ganz oder zum Theil nach Maß der Vermächtniß befreiet.

[3, 8, § 6] 89. Drittens, wann derselbe sich für eine ohnerlaubte und in Unseren Gesetzen verbotene Einschuldigung zum Bürgen wissentlich gebrauchen lassen, und auch wirklich die Schuld abgeführet hätte, hat er wider den Schuldner keinen Anspruch, sondern ist noch über das nach der in num. 44 enthaltenen Ausmessung zu bestrafen.

[3, 8, § 6] 90. Viertens, wann durch die von dem Bürgen geleistete Zahlung der Schuldner jegleichwohlen von dem Glaubiger nicht befreiet worden wäre, als da der Bürge einem Anderen, als dem Glaubiger auf Vorzeigung einer falschen Abtretung, oder Anweisung, oder Vollmacht gezahlet hätte, welchen Falls er nicht nur wider den Schuldner keine Rückforderung hat, sondern derselbe bleibet auch gegen dem Glaubiger in der Verbindlichkeit der Bürgschaft verfangen, und kann lediglich von Jenem, der die Zahlung empfangen, oder wer sonst an dem Betrug theilgenommen, das Bezahlte wieder begehren.

[3, 8, § 6] 91. Fünftens, wann er aus Irrthum zur Ungebühr mehr, als die Schuld betraget, oder auch vor der Verfallzeit zahlete, ist ihme der Schuldner für das mehr Bezahlte zu haften, oder einige Zinsen vor der Verfallzeit, wann deren keine bis dahin bedungen worden, zu entrichten nicht schuldig; doch kann der Bürge das zur Ungebühr Bezahlte von dem Glaubiger zuruckforderen.

[3, 8, § 6] 92. Sechstens, wann der Bürge eine wider die Forderung des Glaubigers gebührende rechtsbeständige Einrede oder Einwendung vorzuschützen unterlassen, wodurch jene hätte entkräftet werden mögen; weshalben der Bürge zu seiner Sicherheit, wann ihn der Glaubiger um die Zahlung angehet, noch ehe und bevor er dieselbe leistet, solches dem Schuldner entweder schriftlich, oder durch eine Gerichtsperson

(3-131) bedeuten, oder da er von dem Glaubiger gerichtlich besprochen würde, den Schuldner noch vor Befestigung des Kriegs oder Einlassung auf die Klage zur Vertretung vorladen lassen solle.

[3, 8, § 6] 93. Wendet nun der Schuldner weder ein noch anderen Falls wider den Anspruch des Glaubigers etwas ein, oder wollte sich auch gar nicht auf die Vorladung zu Gericht gestellen, so kann er dem Bürgen keine Schuld beimessen, sondern er möge eine noch so erhebliche Einrede oder Einwendung wider dem Glaubiger gehabt haben, ist derselbe dessen ohnerachtet den Bürgen zu entschädigen schuldig.

[3, 8, § 6] 94. Siebentens, wann der von Gericht ohnerachtet der von ihme vorgeschützten rechtserheblichen Einwendung zur Zahlung verurtheilte Bürge wider den richterlichen Spruch eine rechtmäßige Berufung an den oberen Richter, oder Appellation oder Revision einzuwenden unterließe, welches aber nur von jenem Fall zu verstehen ist, wann der Bürge ohne anbegehrter Vertretung des Schuldners sich in den Rechtsstritt eingelassen, dieser aber nachhero eine erhebliche Ursach der Appellation darzuthuen vermögete; dann wo der Schuldner auf die Vorladung nicht erschienen, oder da er auch erschienen wäre, seinerseits selbst die Appellation einzuwenden verabsaumet, ist es seine eigene, und nicht des Bürgens Schuld.

[3, 8, § 6] 96. Achtens, wann der Bürge aus seiner eigenen Schuld sachfällig worden, als da wegen seines Ungehorsams wider ihn ein erstandenes Recht ergangen, oder in contumaciam verfahren, oder von ihme die rechtlichen Fallfristen verschlafen worden wäre, ist ihme der Schuldner die aus seiner Schuld verursachte Unkosten zu ersetzen nicht schuldig, und kann weder die Schuld zuruckgeforderet werden, soferne der Schuldner eine rechtserhebliche Einwendung, wodurch der Anspruch des Glaubigers hätte entkräftet werden mögen, zu erproben im Stande ist.

§. VII.

[3, 8, § 7] 97. Außer deme, daß die Bürgen ihre Entschädigung von dem Schuldner erholen mögen, gebühren denenselben noch besondere Rechtswohlthaten, welche dahin abzielen, damit ihnen theils die Zahlung erleichteret, theils desto sicherer zu ihrer Schadloshaltung verholfen, theils in gewissen Fällen die Befreiung von der Bürgschaft verschaffet werde.

[3, 8, § 7] 98. Von ersterer Gattung ist sowohl die Rechtswohlthat der vorzüglichen Belangung und Betreibung des Schuldners, als die Rechtswohlthat der Eintheilung der Zahlung unter die anderen Mitbürgen. Erstere kommet jedoch lediglich dem alleinigen Schadlosbürgen, und sonst keinen anderen Bürgen zu statten, als welche

(3-132) durch gerichtliche Besprechung des Schuldners nach obiger Ausmessung sogleich von der Bürgschaft entlediget werden; dahingegen der Schadlosbürge aus der Natur der Sache nur für jenes zu haften hat, was von dem Schuldner und Hauptbürgen in keinerlei Wege erhalten werden kann, folglich auch diese nothwendig allemal vor dem Schadlosbürgen belanget werden müssen.

[3, 8, § 7] 99. Der Rechtswohlthat der unter die andere Mitbürgen eintheilenden Zahlung kann ein Bürge sich nur in jenem Fall gebrauchen, wann mit ihme mehrere Bürgen ohne gesammter und ungetheilter Hand für die Schuld gutgestanden haben, dann wo dieselbe sich sammt und sonders verbunden hätten, mag wider die Forderung des Glaubigers diese Wohlthat der Eintheilung nicht eingewendet werden, sondern Derjenige, welcher von dem Glaubiger besprochen worden, hat solchenfalls die ganze Schuld abzutragen.

[3, 8, § 7] 100. Es solle aber auch bei getheilter Verbindlichkeit der belangte Bürge noch ehe und bevor er sich auf die Klage des Glaubigers bei Gericht eingelassen, diese Eintheilung und die Vertretung der übrigen Mitbürgen anbegehren, welches soviel wirket, daß er nur für seinen Antheil verpflichtet bleibe, die andere Mitbürgen mögen zu dieser Zeit sich in Zahlungsstand befinden oder nicht. Würde hingegen derselbe den Krieg für sich allein befestigen, und die Vertretung der übrigen Mitbürgen ehender nicht anverlangen, so kann er die Wohlthat der Eintheilung nicht mehr vorschützen.

[3, 8, § 7] 101. Zur zweiten Gattung gehöret einerseits die Rechtswohlthat der Erholung an den Mitbürgen, und andererseits die Rechtswohlthat der auf Verlangen des zu zahlen bereitfertigen Bürgens von dem Glaubiger zu leisten schuldigen Abtretung und Ueberlassung aller sowohl an den Schuldner, als an den Mitbürgen habenden Rechten und Ansprüchen.

[3, 8, § 7] 102. Erstere ist in der Natur einer gemeinschaftlichen Verbindlichkeit gegründet, ohne dabei einer vorläufigen Abtretung des Glaubigers nöthig zu haben, und hat damals statt, wann Einer von mehreren mit gesammter, oder mit getheilter Hand verbundenen Mitbürgen die ganze Schuld allein abgeführet hat, welchen Falls ihme das Recht zustehet, einen jeden deren Uebrigen um Erstattung seines Antheils anzugehen; dann gleichwie mehrere Mitbürgen nicht anderst, als für so viele in einerlei Sache Mitverbundene angesehen werden können, also hat sich auch der allein zahlende Mitbürge mit Recht der nemlichen Wohlthat wider seine Mitbürgen zu erfreuen, welche oben in ersten Capitel, §. III, einem allein zahlenden Mitschuldner überhaupt zugeeignet worden.

[3, 8, § 7] 103. Er muß aber die Mitbürgen ehender, als den Schuldner besprechen, welche in Widrigen durch die frühere Belangung des Schuldners von aller weiteren Verfänglichkeit so gegen ihme, wie gegen dem Glaubiger, wann von diesem der Schuldner ehender besprochen würde, befreiet werden; doch gebühren auch in diesem Fall den Mitbürgen alle und jede Einreden und Einwendungen, welche der Schuldner wider den zahlenden Bürgen vorzubringen befugt wäre.

[3, 8, § 7] 104. Die Rechtswohlthat der von dem Glaubiger anbegehren mögenden Abtretung seiner Rechten und Ansprüchen hat nur in dem alleinigen Fall ihre Wirkung, wann dem Glaubiger entweder von dem Schuldner, oder von den übrigen Mitbürgen zu mehrerer Sicherheit Pfänder übergeben, oder eine Hypothek bestellet worden, oder derselbe sonst eine Bedeckung an dem Gut des Einen oder der Anderen erworben hätte, bei welcher der Sachen Bewandtnuß der belangte Bürge die Zahlung nicht ehender zu leisten schuldig ist, als bis ihme von dem Glaubiger die Pfänder zu seinen Handen ausgefolget, oder die Hypothek oder sonstige Bedeckung abgetreten worden.

[3, 8, § 7] 105. Es lieget auch nichts daran, ob die Abtretung vor oder nach geleisteter Zahlung geschehe, wann nur dieselbe vor Quittirung der Schuld bewirket wird. Hätte aber der Glaubiger bereits quittiret, und der Bürge die Quittung ohne

(3-133) Vorbehalt angenommen, oder da es um eine Hypothek oder anderes dingliches Recht zu thuen wäre, die Quittung einverleiben lassen, so ist die spätere Abtretung ungiltig und ohne aller rechtlichen Wirkung, weilen der Glaubiger kein Recht mehr hat, welches er an jemand Anderen abtreten könnte.

[3, 8, § 7] 106. Außer diesem Fall aber bedarf der zahlende Bürge keiner Abtretung des Glaubigers, sondern ihme sind sowohl der Schuldner zur Entschädigung, als die Mitbürgen zur Leistung ihres Beitrags vorbesagter Maßen schon aus der Natur der Handlung verbunden, und der Glaubiger ist ohnedies nicht vermögend, auf den zahlenden Bürgen wider die andere Mitbürgen ein mehreres Forderungsrecht, als was auf eines jeden Antheil kommet, zu übertragen.

[3, 8, § 7] 107. Von der dritten Gattung ist die Rechtswohlthat der anverlangen mögenden Befreiung von der Bürgschaft, deren sich ein Bürge in gewissen Fällen wider den Glaubiger, und dagegen in anderen wider den Schuldner bedienen kann. Von dem Glaubiger kann der Bürge nur in zweien Fällen die Erlassung der Bürgschaft anbegehren, nemlich:

[3, 8, § 7] 108. Erstens, wann er Dasjenige, zu was er sich in der Bürgschaft anheischig gemacht, erfüllet; als da Jemand für den Anderen, daß er ihn zu Gericht stellen, und auf den Fall, wann er denselben nicht stellen würde, das Recht für ihn ausstehen wolle, angelobet hätte, und stellete nachhero denselben vor Gericht, so ist er befugt die fernere Bürgschaft aufzusagen und zu begehren, daß der Glaubiger ihn davon ledig lasse, und sich des Ausgebürgten in andere Wege vergewissere, welches auch dieser zu thuen schuldig ist.

[3, 8, § 7] 109. Es wäre dann, daß der Bürge sich ausdrücklich dahin verbunden hätte, dem Ausgebürgten so oft und vielmal, als es der Glaubiger verlangen würde, zu Gericht zu gestellen, oder Dasjenige, was zu Recht erkennet werden würde, für den Schuldner zu bezahlen. Würde er aber seine Entledigung von der Bürgschaft nicht begehren, bleibet derselbe ferners in der Verbindlichkeit verfangen.

[3, 8, § 7] 110. Zweitens, wann der Glaubiger nach verstrichener Zahlungszeit den Bürgen, oder wann es ein Schadlosbürge wäre, den Schuldner zu belangen geflissentlich verzögerete, oder die bereits erhobene Klage auszuführen unterließe, und dem Bürgen eine rechtserhebliche Einwendung zustünde, wodurch er sich von der eingegangenen Verbindlichkeit zu befreien getrauete, oder ihme sonst aus längeren Verzug, als etwan wegen besorglichen Vermögensverfall der anderen Mitbürgen oder seines Ruckbürgens ein ohnfehlbarer Schaden bevorstünde.

[3, 8, § 7] 111. In diesem Fall ist zwar der Bürge nicht berechtiget seine Befreiung platter Dings anzuverlangen, sondern derselbe kann bei demjenigen Gericht, deme er sonst unterworfen, oder wo der Rechtsstritt mit dem Schuldner oder Mitbürgen bereits anhängig ist, den Glaubiger belangen, und dabei anbegehren, damit diesem eine nach Beschaffenheit der Umständen abmessende Fallfrist zu Einreichung oder Betreibung seiner Klage bei Auflage des ewigen Stillschweigens anberaumet werde.

[3, 8, § 7] 112. Findet nun das Gericht das Gesuch des Bürgens gegründet, so solle dasselbe die gebetene Verfügung an den Glaubiger erlassen, oder da dessen Aufenthalt nicht zu erforschen wäre, solche gewöhnlicher Maßen öffentlich kund machen; würde aber der Glaubiger ohne sich zu melden, oder aus erheblichen Ehehaften eine Erstreckung anzusuchen, diese Zeitfrist verstreichen lassen, so ist er wider den Bürgen mit seiner Forderung nicht mehr zu hören, sondern dieser von der Bürgschaft sofort enthoben.

[3, 8, § 7] 113. Gegentheils kann der Bürge von dem Schuldner noch vor geleisteter Zahlung die Befreiung von der Bürgschaft in folgenden Fällen anverlangen, als erstens, wann der Schuldner sich gegen dem Bürgen anheischig gemacht hätte nach Verlauf einer gewissen bestimmten Zeit ihn von der Bürgschaft zu entledigen; zweitens, wann der Schuldner nach der bedungenen Verfallzeit über ein Jahr anstünde, mit dem Glaubiger die Richtigkeit zu pflegen.

(3-134) [3, 8, § 7] 114. Drittens, wann nach der Zeit der geleisteten Bürgschaft das Vermögen des Schuldners durch Verschwendung oder Unglücksfälle abnähme, oder gar wider ihn ein gegründeter Verdacht, daß er sich dem Gerichtsstand entziehen und rechtsflüchtig werden wolle, obhanden wäre, in welchen Fällen der Bürge den Schuldner um Enthebung von der Bürgschaft bei Gericht belangen und begehren kann, daß er dem Glaubiger eine andere Sicherheit oder Verbürgung ausweisen, und ihn davon ledig machen solle.

[3, 8, § 7] 115. Das Gericht aber hat nach Erweisung eines von vorbemelten Umständen den Schuldner zu Bestellung einer anderweiten zureichenden Sicherheit zu verhalten, und in Weigerungsfall zu deren Ausfindung auf Anlangen des Bürgens die Execution in des Schuldners Gut, oder wider seine Person zu verwilligen, sofort über die von ihme aufgebrachte Sicherheit den Glaubiger schleunig zu vernehmen, und daferne derselbe sich damit begnügen, oder nichts Erhebliches dagegen einwenden, sondern solche nach richterlichen Befund für zulänglich erkennet werden würde, den Bürgen von der Bürgschaft ledig und loszusprechen.

[3, 8, § 7] 116. Viertens, wann der Bürge von Gericht zur Zahlung für den Schuldner bereits verurtheilet worden, oder mit wirklicher Execution entweder an seinem Gut, oder an seiner Person hierzu angehalten würde, stehet ihme frei, auch noch ehe und bevor er den schuldigen Betrag abgeführet, den Schuldner zu Beischaffung der Zahlungsmitteln anzugehen, ohne daß jedoch der Glaubiger in der wider ihn ergriffenen Execution andurch auf einigerlei Weise gehemmet und aufgehalten werden möge.

§. VIII.

[3, 8, § 8] 117. Die Bürgschaft endiget sich entweder mit Tilgung der Hauptschuld, oder auch für sich selbst, obschon der Hauptschuldner noch verbunden bleibet. Auf die erstere Art erlöschet dieselbe, wann die Schuld bezahlet, erlassen, verjähret, oder auf was immer für Weise der Glaubiger vergnüget, oder die Verbindlichkeit des Schuldners aufgehoben worden. Würde jedoch die Verjährung der Hauptschuld durch Mahnung des Schuldners unterbrochen, so kann der Bürge sich auf die Verjährung nicht beziehen, obgleich derselbe nicht gemahnet worden.

[3, 8, § 8] 118. Durch bloße Erneuerung der Hauptschuld hingegen wird die Bürgschaft nicht aufgelöset, wann die Personen des Schuldners und Glaubigers dabei nicht geänderet werden; es wäre dann, daß die Bürgschaft dabei ausdrücklich erlassen, oder von dem Glaubiger eine anderweite Sicherheit, als eine Pfandschaft, oder

(3-135) Hypothek, oder auch eine andere Bürgschaft ohne Vorbehalt der ersteren angenommen worden wäre, ansonsten bleibet der Bürge ohnerachtet der Erneuerung nach Maß seiner eingegangenen Verbindung verstricket, ohne jedoch für das Mehrere, zu was etwan der Schuldner sich bei der Erneuerung der Schuld verbunden hätte, ohne seiner eigenen ausdrücklichen Einwilligung verpflichtet zu werden.

[3, 8, § 8] 119. Wo aber bei der Erneuerung der Schuld entweder die Person des Glaubigers, als bei Abtretung oder Ueberlassung der Schuld an einen Dritten, oder die Person des Schuldners, als bei Anweisung eines anderen Schuldners, welchen der Glaubiger ohne Vorbehalt angenommen, geänderet würde, ist die Bürgschaft sofort aufgehoben, und der Bürge von aller weiteren Verfänglichkeit entbunden; außer derselbe verstricket sich anwiederum besonders für den neuen Schuldner, oder gegen dem neuen Glaubiger, welchem letzteren er auch in jenem Fall verbindlich wird, wann er gleich Anfangs gegen einem jeden getreuen Briefsinhaber, oder auch ohne Benennung eines Glaubigers überhaupt für die Schuld gutzustehen gelobet, oder ein Pfand oder Hypothek bestellet hat.

[3, 8, § 8] 120. Desgleichen, obschon der Bürge oder Schuldner bei Gericht von der Forderung des Glaubigers los und ledig gesprochen, und der Kläger, ehe noch das Urtheil zu Rechtskräften erwachsen, in der hierzu ausgesetzten Zeit sich auf den oberen Richter berufen, oder die Appellation oder Revision einwenden würde, wird nichtsdestoweniger der Bürge insolange von seiner Verbindlichkeit nicht entlediget, bis nicht dieses Urtheil von dem oberen Richter bestätiget und zu Kräften erkennet worden; es wäre dann, daß Jemand lediglich für das, was bei dieser namentlichen Gerichtsstelle zu Recht erkennet werden würde, und nicht weiter gutgesprochen hätte.

[3, 8, § 8] 121. Für sich selbst erlöschet die Bürgschaft bei noch fürdaurender Verbindlichkeit des Hauptschuldners, erstens, nach Verlauf der Zeit, worauf die Bürgschaft beschränket worden, wobei jedoch viererlei Fälle zu unterscheiden sind, als

1. ob der Bürge sich auf eine gewisse Zeit also, und mit der ausdrücklichen Verwahrung verpflichtet, daß er längerhin in der Bürgschaft nicht stehen wolle, oder

2. ob die Zeit nur zu dem Ende beigesetzet worden, daß die Zahlung nicht ehender eingemahnet werden könne, oder

3. ob die Zahlung der Hauptschuld schon auf eine gewisse Zeit festgesetzet seie, oder

4. ob der Hauptschuldner ohne Bestimmung einer Zeit verbunden, und ihme nachgehends von dem Glaubiger eine Zahlungsfrist verstattet werde.

[3, 8, § 8] 122. In ersten Fall wird nach Verlauf der Zeit der Bürge befreiet, obschon die Hauptschuld, wofür die Bürgschaft eingeleget worden, länger hinaus währete, außer es hätte der Glaubiger noch vor Verfließung dieser Zeit den Bürgen, oder da dieser ein Schadlosbürge wäre, den Schuldner um die Zahlung gerichtlich belanget, oder der Bürge in die weitere Fristung ausdrücklich gewilliget.

[3, 8, § 8] 123. In zweiten und dritten Fall hingegen bleibet der Bürge jegleichwohlen verbunden, obgleich der Glaubiger ohne Einwilligung des Bürgens dem Schuldner eine weitere Zeitfrist zur Zahlung verstattet hätte; doch ist solchenfalls der Bürge für die von der Verfallzeit laufende weitere Zinsen zu haften nicht schuldig, wann er in die Erstreckung der Zahlungszeit nicht miteingewilliget hat.

[3, 8, § 8] 124. In vierten Fall endlich währet die Verbindlichkeit des Bürgens sowohl für die Hauptschuld, als für die weiters tagende Zinsen fort, wiewohlen dem Schuldner mehrere Fristen auch ohne Miteinwilligung des Bürgens von dem Glaubiger vergönnet worden wären.

[3, 8, § 8] 125. Zweitens wird die Bürgschaft für sich selbst aufgelöset, wann der Glaubiger nach dem Tod des Bürgens dessen Erben von dem Tag des Absterbens des Bürgens, oder wann die Verfallzeit erst nach seinem Tod ausgienge, von dieser

(3-136) Zeit an zu rechnen, durch drei Jahr weder gerichtlich belanget, weder sich auf dem Gut des Bürgens entweder bei seinen Lebszeiten, oder nach seinem Tod landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret, weder einige Pfandschaften von dem verstorbenen Bürgen in Handen hat, noch auch von den Erben des Bürgens unter dieser Zeit die Bürgschaft erneueret, oder sonst durch ihre eigene Zuthat anerkannt worden.

[3, 8, § 8] 126. Drittens, wann der Glaubiger mit Vorbeigehung des Bürgens den Hauptschuldner um die Zahlung derjenigen Summe, wofür der Bürge gutgestanden, vor Gericht ladet, oder die Execution entweder wider seine Person, oder auf sein Gut ergreifet, welches jedoch lediglich von dem Hauptbürgen und Ruckbürgen, und nicht von dem Schadlosbürgen zu verstehen ist.

[3, 8, § 8] 127. Dadurch aber, daß der Glaubiger außergerichtlich die Zahlung von dem Schuldner einmahne, oder auch einen Theil der Schuld von ihme einhebe, oder sich ohne einer dabei vornehmenden Erneuerung der Schuld auf dem Gut des Schuldners versichere, oder zu mehrerer Bedeckung ein Pfand annehme, wird der Bürge von seiner Verbindlichkeit nicht entlediget.

[3, 8, § 8] 128. Viertens höret die Bürgschaft für sich selbst auf, wann der Bürge des Glaubigers oder des Schuldners Erbe, oder diese dagegen des Bürgens Erben werden. Wann jedoch der Bürge den Glaubiger, oder dieser den Bürgen erbet, erlöschet zwar die Verbindlichkeit des Bürgens, nicht aber die Hauptverbindlichkeit des Schuldners; gleichwie wann in Gegentheil der Bürge des Schuldners oder dieser des Bürgens Erbe wird, die Hauptschuld andurch nicht getilget ist, wie dann auch in diesem Fall, da dem Glaubiger von dem Bürgen ein Pfand gegeben, oder eine Hypothek verschrieben worden wäre, ohnerachtet der durch den Erbanfall erfolgenden Vermischung der Hauptverbindlichkeit des Schuldners mit der Nebenverbindlichkeit des Bürgens, das hieran erworbene Pfandrecht bei Kräften verbleibet.

[3, 8, § 8] 129. Die Aufhebung der Bürgschaft gehet aber nicht weiter, als nach Maß des überkommenen Erbrechts, also, da nach dem Glaubiger nebst dem Bürgen mehrere Miterben wären, wird er nur für seinen Erbantheil befreiet, und bleibet den anderen Miterben für ihre Antheile verstricket.

[3, 8, § 8] 130. In Gegentheil, wann der Glaubiger mit mehreren Miterben den Bürgen erbete, erlöschet die Bürgschaft nur für seinen Antheil, und die Miterben bleiben ihme nach dem Betrag ihrer Erbtheilen verbunden, wo aber der Bürge den Schuldner zum Theil geerbet hätte, bleibet derselbe für die Theile der übrigen Miterben Bürge; gleichwie dagegen, wann der Schuldner den Bürgen zum Theil erbete, die Miterben nach Maß ihrer Erbtheilen für ihn mit der Bürgschaft zu haften haben.

[3, 8, § 8] 131. Desgleichen wirket die Vermengung durch das Erbrecht die Auflösung der Bürgschaft zum Nachtheil eines Dritten nicht; also da der Bürge den Glaubiger oder den Schuldner erbete, und deren Verlassenschaft wäre zu Bezahlung der darauf haftenden Forderungen nicht zulänglich, kann noch allezeit auf das eigene Vermögen des Bürgen gegriffen werden.

[3, 8, § 8] 132. Noch weniger hat diese Vermengung statt, wann die Erbschaft mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten worden; also da der Glaubiger die durch fremde Forderungen erschöpfte Erbschaft des Bürgens mit dieser Wohlthat angetreten hätte, kann derselbe auch sich als Glaubiger hieran halten, gleichwie in jenem Fall, da von dem Schuldner die Erbschaft des Bürgens auf vorbemelte Weis angetreten worden, solche dem Glaubiger mit der Verbindlichkeit der Bürgschaft verfänglich bleibet. Dahingegen wird durch das Absterben des Schuldners die Bürgschaft nicht aufgelöset, wann dieses nicht ausdrücklich dabei ausbedungen worden.

(3-137) Caput IX.

Von Kauf und Verkauf.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des Kauf- und Verkaufcontracts. §. II. Von Fähigkeit der Contrahenten. §. III. Von Sachen, welche gekaufet und verkaufet werden mögen. §. IV. Von obrigkeitlicher Macht den Kauf und Verkauf gewisser Sachen zu gebieten, oder zu verbieten. §. V. Von ausschließenden Verkauf, und dem Vor- oder Aufkauf. §. VI. Von Kaufgeld. §. VII. Von Art und Weis den Kauf- und Verkaufcontract zu schließen. §. VIII. Von Verbindlichkeit des Verkaufers, und von der dem Kaufer wider ihn gebührenden Rechtsforderung. §. IX. Von Gegenverbindlichkeit des Kaufers, und von der dem Verkaufer wider ihn zustehenden Rechtsklage. §. X. Von beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde. §. XI. Von Schaden und Nutzen der verkauften Sache. §. XII. Von Leistung der Gewähr oder Schirmung. §. XIII. Von den bei Kauf- und Verkaufcontracten einkommenden Bedingen, und insonderheit von Haftgeld. §. XIV. Von Reukauf oder Reugeld. §. XV. Von Beifügung eines gewissen Tags, Bedingnuß, und Art und Weis. §. XVI. Von Wiederkauf. §. XVII. Von gedingten Einstandrecht, Vor- oder Näherkauf oder Losung. §. XVIII. Von rechtlichen Einstand. §. XIX. Von Beschränkung des Kaufs auf einen bestimmten Tag. §. XX. Von bedungenen Ruckfall der verkauften Sache. §. XXI. Von Aufhebung und Vernichtung des Kauf- und Verkaufcontracts. §. XXII. Von Verkürzung über die Hälfte des rechten Werths. §. XXIII. Von der Rechtshilfe wegen unvorgesehener heimlicher Mängeln. §. XXIV. Von Dunkelheit und Ausdeutung der Kaufcontracten.

§. I.

[3, 9, § 1] Num. 1. Der Kauf- und Verkaufcontract erhält seine Wesenheit aus bloßer Verwilligung der Contrahenten, und ist eine gutwillige Vereinigung wegen Uebergebung einer gewissen Sache um einen gewissen bedungenen Werth.

[3, 9, § 1] 2. Wiewohlen aber Kaufen und Verkaufen zweierlei an sich unterschiedene Benennungen sind, wodurch sowohl der Unterschied der contrahirenden Personen, als die Verschiedenheit ihrer Verbindlichkeiten, und der daraus wider deren jedweden entstehenden besonderen Rechtsforderung angedeutet wird, so ist es doch nur ein Contract, und eine beide Theile gleich verbindende in ihrem Wesentlichen dergestalten unzertrennliche Handlung, daß weder das Kaufen ohne Verkaufen, noch dieses ohne jenem bestehen kann.

[3, 9, § 1] 3. Es werden demnach zu diesem Contract nothwendig zwei Personen erforderet, als der Kaufer, welcher den Werth oder das Kaufgeld anbietet und bezahlet,


(3-138) und der Verkaufer, welcher die Sache oder Waare feilbietet und übergiebt, woraus die hierzu gehörige wesentliche drei Stücke erhellen, als erstens, die beiderseitige Einwilligung und Vereinigung; zweitens, die angefeilte Sache oder Waare; drittens, das dafür bedungene Kaufgeld.

[3, 9, § 1] 4. Die beiderseitige Einwilligung muß also beschaffen sein, daß selbe die gegenwärtige Willensmeinung den Kauf und Verkauf zu schließen ausdrucke, obgleich der Vollzug des Kaufs und Verkaufs auf die künftige Zeit hinausgesetzet werden mag. Wo aber die Verbindlichkeit selbst etwas zu kaufen oder zu verkaufen erst in Zukunft verschoben wird, ist eine so gestaltete Handlung entweder nur eine bloße unverfängliche Vorbereitung oder Verabredung wegen des vorhabenden Kaufs, oder auch zwar ein Vertrag, welcher aber die Verbindlichkeit nicht ehender wirket, als bis nicht die beiderseitige Vereinigung über den Werth erfolget ist.

[3, 9, § 1] 5. Diese Einwilligung muß ferners einerseits auf die Uebertragung, und andererseits auf die Erwerbung des Eigenthums der behandlenden Sache abzielen, obschon so ein als anderes in der Folge nicht allemal erreichet wird. Nichtsdestoweniger klebet doch diese abgezielte Wirkung dem Kauf- und Verkaufcontract dergestalten unabsönderlich an, daß das Verkaufen schon in seiner wesentlichen Bedeutung die Uebertragung des Eigenthums, sowie das Kaufen dessen Erwerbung einschließe.

[3, 9, § 1] 6. Wann dahero der Verkaufer sich das Eigenthum der verkaufenden Sache dabei ausdrücklich vorbehielte, oder der Kaufer nur deren Gebrauch oder Genuß an sich bringen wollte, ist es kein Kauf- und Verkaufs-, sondern ein Mieth- und Vermiethungscontract.

[3, 9, § 1] 7. Die angefeilte Sache, welche in beweglichen Dingen eigentlich eine Waare genennet wird, muß entweder schon an sich selbst, durch deren eigene Ausweisung gewiß und bestimmet sein, oder doch wenigstens durch Beziehung auf Ort, Zeit, Eigenschaft, Betrag, Zahl, Gewicht oder Maß ihre ungezweiflete Bestimmung erhalten können; weshalben, insolange die Sache, warum es sich handlet, nicht auf eine oder die andere Art ausweislich ist, auch kein Kauf zu Stand kommen mag.

[3, 9, § 1] 8. Wo aber eine Sache gattungs- oder wechselweise, d. i. ein Stuck von einer gewissen Gattung, als z. B. ein Schaf aus der Heerde, oder diese oder jene Sache, als z. B. dieses oder jenes Roß aus dem Stall verkaufet würde, hat der Verkaufer die Auswahl, was für eine Sache derselbe dem Kaufer übergeben wolle, wann diesem die Auswahl nicht ausdrücklich eingestanden worden, oder sonst aus den Nebenumständen nicht deutlich abzunehmen ist, daß nur dieses und kein anderes Stuck von den Contrahenten gemeinet worden.

[3, 9, § 1] 9. Nicht weniger muß das bedungene Kaufgeld in einer gewissen Summe baaren Gelds bestehen, obschon dem Verkaufer nachhero unverwehret ist, andere Sachen an Zahlungsstatt anzunehmen. Woferne aber gleich Anfangs Gut für Gut, oder Waaren für Waaren zu geben bedungen würde, ist es kein Kauf und Verkauf, sondern ein Tauschcontract.

[3, 9, § 1] 10. Dann Kaufen heißet eigentlich Geld für die Waare geben, wodurch der kennbare Unterschied zwischen dem Kaufer und Verkaufer hergestellet wird. Wohingegen in Tauschcontract nicht zu unterscheiden ist, welcher Theil Kaufer, und welcher Verkaufer seie, sondern deren Jeder vertritt nach Verschiedenheit des bei dieser Handlung vorkommenden zweifachen Gegenstands Beider Stelle zugleich, als des Kaufers in Absicht auf die eintauschende, und des Verkaufers in Absicht auf die vertauschende Sache.

[3, 9, § 1] 11. Die Uebergabe der verkauften Sache wird zwar zur Erfüllung der contractmäßigen Verbindlichkeit, nicht aber zur Vollständigkeit des Kauf- und Verkaufcontracts erforderet, sondern dieser gelanget nach Eigenschaft aller Consensualcontracten

(3-139) sogleich zu seiner vollkommenen Wesenheit, sobald die Contrahenten in der Handlung untereinander schlüssig worden.

[3, 9, § 1] 12. Die Käufe und Verkäufe geschehen entweder gerichtlich mittelst öffentlicher Feilbietung und anderer dabei gebrauchender Feierlichkeiten, und werden eigends Subhastationen benamset, wovon in vierten Theil bei der Gerichtsordnung gehandlet wird, oder außergerichtlich, wann solche ohne Zuthat des Gerichts unter Privatpersonen geschlossen werden.

[3, 9, § 1] 13. Es können aber die Kauf- und Verkaufcontracten entweder mündlich oder schriftlich, oder durch andere die Willensmeinung der Contrahenten genüglich erklärende Zeichen errichtet werden, und ist dahero der schriftliche Aufsatz niemalen zu deren Wesenheit erforderlich, sondern selbe pflegen insgemein nur besseren Beweises halber zu Papier gebracht zu werden.

[3, 9, § 1] 14. Es wäre dann, daß die Contrahenten ausdrücklich dahin übereingekommen wären, daß sie nicht anderst, als schriftlich den Kaufcontract schließen, und sich anderergestalt nicht verbinden wollen, in welchen Fall die Handlung, insolange die schriftliche Urkunde nicht ausgefertiget, und von ihnen unterschrieben ist, auf keiner Seite eine Verbindlichkeit wirket.

[3, 9, § 1] 15. Nach dem Gegenstand, worüber Käufe und Verkäufe geschlossen werden, ist der Unterschied zwischen beweglichen und unbeweglichen Dingen zu bemerken; die Käufe beweglicher Sachen werden ohneweiters einerseits durch Bezahlung des Kaufgelds, und andererseits durch die Uebergab der verkauften Sache vollbracht und erfüllet.

[3, 9, § 1] 16. Bei Kaufen unbeweglicher Dingen und liegender Güter hingegen wird zu ihrer Erfüllung die Kaufsverschreibung, oder die Einverleibung des Kaufcontracts in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worunter das verkaufte Gut gelegen ist, also unumgänglich erheischet, daß ohne solcher der Kauf nicht vollzohen, noch der Kaufer in andere Wege das Eigenthum und den rechtlichen Besitz erlangen mag, sondern beides bei dem Verkaufer verbleibet, bis nicht die wirkliche Kaufsverschreibung oder Einverleibung erfolget ist.

§. II.

[3, 9, § 2] 17. Kaufen und Verkaufen kann Jedermann entweder durch sich selbst, oder durch Andere, der sich sonst durch Contracten zu verbinden fähig, und mit seinem Vermögen frei zu schalten und zu walten befugt ist, wann er nicht durch die Gesetze besonders davon ausgeschlossen wird.

[3, 9, § 2] 18. Also sind erstens alle der landmannschaftlichen und burgerlichen Rechten in einem Land oder Stadt unfähige Personen nicht befugt allda liegende Güter käuflich an sich zu bringen, wie es in ersten Theil, in zweiten Capitel unter der Abhandlung von bürgerlichen Stand mit Mehreren erkläret worden.

[3, 9, § 2] 19. Zweitens ist den Vormünderen oder Gerhaben und Curatoren verboten die unbewegliche Güter ihrer Pflegbefohlenen anderergestalt zu kaufen und zu verkaufen, als mit Zuthat des Gerichts, und mit vorgehender richterlicher Erkanntnuß nach Maß dessen, was davon in ersten Theil, in achten Capitel unter der Abhandlung von Verwaltung der Vormundschaft geordnet worden.

[3, 9, § 2] 20. Drittens, die Kirchen, milde Stiftungen, Prälaten, Capiteln, Klöster, geistliche und andere Gemeinden und Bruderschaften, wie auch alle Unsere landesfürstliche Städte und Märkte können ohne Unserer höchsten Einwilligung weder die ihnen angehörige liegende Güter verkaufen, noch derlei andere käuflich erwerben; wegen der obrigkeitlichen Städten und Märkten hingegen lassen Wir es bei eines jeden Landes derzeitiger Verfassung gnädigst bewenden.

(3-140)

§. III.

[3, 9, § 3] 21. Alle Sachen, welche handelbar sind, können gekaufet und verkaufet werden, sie mögen körperliche oder unkörperliche, fahrende oder liegende, gegenwärtige oder zukünftige, des Verkaufers eigene oder fremde Dinge sein, wovon das Geld selbst, insoweit es nach seinem Gehalt, oder nach einer äußerlichen Eigenschaft als eine neue oder schöne Münze betrachtet wird, nicht ausgenommen ist.

[3, 9, § 3] 22. Also können alle Rechten, Forderungen, Erbschaften, Dienstbarkeiten, und wie immer Namen haben mögende Gerechtsamen verkaufet werden, mit alleiniger Ausnahm derjenigen, welche entweder einer Person also unzertrennlich ankleben, daß sie von niemand Anderen ausgeübet werden mögen, oder aber auf einen Grund dergestalten haften, daß weder das Recht ohne dem herrschenden Grund erworben, noch die Schuldigkeit ohne dem dienstbaren Grund geleistet, mithin auch weder ein noch anderes ohne dem Grund, worauf es haftet, veräußeret werden kann.

[3, 9, § 3] 23. Diese Käufe und Verkäufe derlei unkörperlicher Dingen werden eigentlich Abtretungen genennet, der Kaufer aber erwirbt andurch kein mehreres Recht, als dem Verkaufer gebühret hat, also zwar, daß wann das Recht des Verkaufers auf eine gewisse Zeit oder Bedingnuß, oder nur auf seine Person beschränket ware, mit dessen Erlöschung auch das Recht des Kaufers erlösche.

[3, 9, § 3] 24. Es ist jedoch erforderlich, daß die Sache, worüber ein Kauf- und Verkaufcontract geschlossen wird, entweder wirklich vorhanden seie, oder doch möglicher Weise angehoffet werden könne; dann woferne solche vor zu Stand gebrachten Kaufcontract ganz oder zum Theil zu Grund gegangen wäre, oder auch der Kauf künftige Dinge betreffete, ist all jenes zu beobachten, was diesfalls oben in zweiten Capitel, §. XII, von num. 128 bis 138 ausgemessen worden.

[3, 9, § 3] 25. Bei Käufen liegender Güter muß deren Eigenthum, oder das hieran haftende Recht, welches an Jemand abgetreten oder veräußeret wird, dem Verkaufer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben sein, wo im Widrigen kein Kaufcontract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet werden solle.

[3, 9, § 3] 26. Dahingegen bei Käufen beweglicher Sachen nicht allemal nöthig ist, daß sie des Verkaufers Eigen sind, sondern auch über fremde Sachen kann ein Kaufcontract zu Recht bestehen, und die contractmäßige Verbindlichkeit unter den Contrahenten wirken.

[3, 9, § 3] 27. Das Eigenthum aber kann durch die Uebergabe an den Kaufer nicht anderst übertragen werden, als wann entweder der Eigenthümer hierein williget, oder die in zweiten Theil, in der Abhandlung von Uebertragung des Eigenthums vorgeschriebene Erfordernussen dabei unterwalten.

[3, 9, § 3] 28. Ueberhaupt ist bei Kaufcontracten über fremde Sachen sowohl, als auch in denen Fällen, wo die verkaufte Sache ein dem Verkaufer mit Anderen gemeines, oder des Kaufers ganz oder zum Theil eigenes Gut wäre, auf jenes zu sehen,

(3-141) was deshalben in zweiten Capitel, §. XII, von num. 142 bis 156 geordnet worden.

[3, 9, § 3] 29. Ganz und gar unhandelbare Dinge können nur insoweit in Kaufcontracten einkommen, als solches in zweiten Theil, in ersten Capitel auf die daselbst erklärte Art und Weis zugelassen wird; es giebt jedoch gewisse Sachen, welche, obschon sie an sich und ihrer Natur nach handelbar sind, jegleichwohlen wegen ihrer ob sich habenden Beschaffenheit zu kaufen und zu verkaufen verboten ist, als

[3, 9, § 3] 30. Erstens, gestohlenes Gut, wann es der Kaufer gestohlen zu sein weiß; zweitens, Sachen, deren Eigenthum in wirklichen Rechtsstritt ansprüchig ist, nach Maß dessen, was deshalben in zweiten Capitel, §. XII, von num. 158 und 159 verordnet ist.

[3, 9, § 3] 31. Drittens, Sachen, welche mit einem Fideicommiß behaftet sind, oder auch deren Veräußerung durch Bedinge oder letztwillige Anordnung verboten worden, jedoch mit Beobachtung des Unterschieds zwischen unbeweglichen und beweglichen Dingen, also zwar, daß jene, wann die Eigenschaft des Fideicommißi, oder der Veräußerungsverbot in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket ist, niemalen rechtsgiltig verkaufet werden können, bei beweglichen Dingen aber, insoweit sie mit vorbesagter Eigenschaft behaftet werden mögen, der Kauf nur damals entkräftet werde, wann dem Kaufer solche wissend ist.

[3, 9, § 3] 32. Viertens, schädliches Gift; fünftens, verbotene Bücher, worinnen etwas wider die Religion, gute Sitten, oder den Staat enthalten ist; sechstens, öffentliche Aemter und Bedienstungen bei Städten und Märkten; siebentens, Montursstücke und Gewehr von Ausreißeren aus Unseren Kriegsdiensten, und zwar alles dieses unter denen sowohl in der peinlichen Gerichtsordnung als in Unseren anderweiten Satzungen hierauf ausgesetzten Strafen.

§. IV.

[3, 9, § 4] 33. Außer vorbemelten Sachen sind noch über das die Obrigkeiten eines jeden Orts nicht allein befugt, sondern auch ihres obhabenden Amts wegen verpflichtet, den Kauf und Verkauf anderer Feilschaften nach Beschaffenheit der Umständen, wann es die Wohlfahrt des gemeinen Wesens, oder die Abwendung eines gemeinschädlichen Uebels also erheischet, entweder überhaupt oder in gewisser Maß zu verbieten, und sich diesfalls Unseren in Polizei- und Gesundheitssachen ergangenen Verordnungen auf das Genaueste nachzuachten.

[3, 9, § 4] 34. In Gegentheil, obschon sonst insgemein das Kaufen und Verkaufen von Jedermanns freier Willkür abhanget, giebt es jedoch gewisse Fälle, worinnen dem obrigkeitlichen Amt oblieget, theils wegen unterwaltender Privatgerechtsamen, theils wegen gemeinsamer Wohlfahrt die Untergebene zum Kauf oder Verkauf zu zwingen.

[3, 9, § 4] 35. Also erforderet die Privatgerechtsame, daß, da ein Erb aus letztwilliger Anordnung des Erblassers etwas zu kaufen oder zu verkaufen verbunden worden, oder da die Herrschaft mit ihren Unterthanen allzuhart und wider die Gebühr verfahren, und keine Ermahnung bei derselben fruchten würde, oder da es zum Nutzen des Waisen zu gereichen befunden wird, das Waisengut zu verkaufen oder eines zu erkaufen, in allen diesen Fällen der Erb, die Herrschaft, und der Vormund oder Gerhab zum Kauf oder Verkauf verhalten werde.

[3, 9, § 4] 36. Ebenso kommet aus gemeinnützlicher Absicht denen Ortsobrigkeiten zu,

(3-142) alle Aufmerksamkeit dahin zu tragen, damit dem Mangel der ohnentbehrlichen Lebensmitteln nach Thunlichkeit gesteueret, solche in dem ausgesetzten Preis verkaufet, keine Kornwucherei und eigenmächtige Vertheuerung gestattet, sondern zu Erhaltung der Wohlfeilkeit all jenes angekehret werde, was derowegen in Unseren Polizeiordnungen vorgeschrieben ist.

§. V.

[3, 9, § 5] 37. Gleichwie dem gemeinen Wesen nichts schädlicher ist, als die Anmaßung eines ausschließenden Verkaufs, oder eines gewinnsüchtigen Auf- und Vorkaufs, also sollen auch die Obrigkeiten derlei unerlaubte und eigennützige Handlungen durchaus nicht gestatten.

[3, 9, § 5] 38. Es wäre dann, daß Jemand entweder durch Unsere höchste Befreiung und Begünstigung, oder durch ein seiner Person, oder seinem Haus anklebendes bürgerliches Gewerb oder Hantierung zu einem derlei ausschließenden Handel in Absicht auf Jene, welche diese Gerechtsame nicht haben, besonders berechtiget wäre.

[3, 9, § 5] 39. Unter dem Verbot des ausschließenden Verkaufs aber sind alle jene Handlungen, Verträge, und wie immer Namen haben mögenden Einverständnussen begriffen, wodurch Einer, oder auch Mehrere in eine Gesellschaft zusammentretende, oder einerlei Gewerb Treibende einen gewissen Handel, oder den Verkauf gewisser Waaren eigenmächtig mit Ausschließung aller Anderer zu ihrem eigenen Nutzen und Gewinn allein an sich ziehen, oder auch unter sich die Verabredung pflegen, daß Keiner die feilhabende Waaren in einem geringeren Werth als der Andere verkaufen solle.

[3, 9, § 5] 40. Und nachdeme der Auf- und Vorkauf gleichsam den Weg zu dem ersteren bahnet, welcher in sich nichts Anderes ist, als eine unzulässige Sammlung gewisser zur menschlichen Nothdurft unentbehrlichen Feilschaften, um den Handel damit alleinig treiben, und solche zu Bevortheilung Anderer nach eigener Willkür vertheueren zu können, als solle auf derlei gemeinschädliches Beginnen von den Obrigkeiten ein obachtsames Aug getragen, und wider die hierinnen Betretende, nach Maßgebung Unserer peinlichen Gerichtsordnung mit aller Schärfe verfahren werden.

§. VI.

[3, 9, § 6] 41. Die dritte wesentliche und diese Handlung von anderen hauptsächlich unterscheidende Erfordernuß bei Kaufen und Verkaufen ist das Kaufgeld, worunter nichts Anderes verstanden wird, als der Preis oder Werth, welchen der Kaufer für die angefeilte Sache zu geben verheißet.

[3, 9, § 6] 42. Es erheischet aber die Eigenschaft des Kaufpreises erstlich, daß solcher in Geld bestimmet werde; dann woferne gleich Anfangs die Contrahenten übereingekommen wären für die Sache etwas Anderes, als Bargeld zu geben, oder zu thuen, ist es kein Kauf, sondern ein Tausch oder ein anderer unbenannter Contract, obschon die dagegen zu geben versprochene Sache in einem gewissen Werth angeschlagen worden wäre.

[3, 9, § 6] 43. Wo aber zu Anfang der Handlung zum Theil ein gewisses Kaufgeld, und zum Theil eine Sache zu geben verheißen, und dabei die Willensmeinung der Contrahenten erhellen würde, daß sie einen Kauf und Verkauf schließen wollen, da bestehet auch der Kaufcontract, und die nebst dem Kaufgeld miteinkommende Sache wird als eine Zugabe geachtet.

(3-143) [3, 9, § 6] 44. Wann jedoch die Gesinnung der Contrahenten deutlich nicht abzunehmen wäre, was selbe eigentlich für einen Contract eingehen wollen, so ist die Handlung, wann derselben sonst nichts entgegenstehet, für einen zwar unbenannten, doch rechtsgiltigen Vertrag zu halten.

[3, 9, § 6] 45. Zweitens, daß das Kaufgeld wahrhaft versprochen und angelobet, und nicht nur etwan bloß zum Schein vorgewendet werde, als da das bedungene Kaufgeld so gering wäre, daß es dem Werth der Sache gar nicht in Mindesten beikäme, oder solches alsobald anwiederum erlassen, und also in der That unter dem Vorwand eines Kaufs ein anderes davon ganz unterschiedenes Geschäft entweder zu Bemäntlung wucherlicher Absichten, oder zu sonstiger Bevortheilung eines Dritten vollzohen würde, welcherlei Scheinhandlungen unter denen oben darauf ausgesetzten Strafen null und nichtig sind.

[3, 9, § 6] 46. Wovon jedoch ein Freundschaftkauf ausgenommen ist, wann nemlich eine Sache aus Freundschaft schankungs- und verehrungsweise dem Anderen um einen geringen Werth hintangelassen wird, welche Handlung allerdings rechtsgiltig ist, wann die Umstände so beschaffen sind, daß auch die Schankung bestehen kann.

[3, 9, § 6] 47. Drittens, daß das Kaufgeld entweder an sich selbst, oder doch wenigstens durch verläßliche und unfehlbare Beziehung auf andere Umstände, woraus dessen Gewißheit hergeholet werden könne, bestimmet werde.

[3, 9, § 6] 48. Eine derlei Beziehung kann entweder auf das Vergangene, als da eine Sache um denjenigen Preis verkaufet wird, wofür sie erweislich erkaufet worden, oder auf das Gegenwärtige, als da für eine Sache so vieles Geld zu geben bedungen wird, als in dem Sack oder Kasten aufbehalten ist, oder auch da die Sache schon für sich selbst ihren markgängigen (!) Preis hätte, oder endlich auf das Künftige, als da eine Sache für so vieles verkaufet würde, wie sie dieser oder jener schätzen wird.

[3, 9, § 6] 49. In beiden ersteren Fällen kommet die Handlung gleich zu Kräften, wann es wirklich an deme ist, daß die Sache erkaufet worden, oder das Geld in dem Sack oder Kasten vorfindig seie, wo aber dieses oder jenes ermanglete, ist der Kauf null und nichtig.

[3, 9, § 6] 50. In dem letzteren Fall hingegen ist die Handlung für einen bedingten Kauf anzusehen, dessen Bestand von Ausgang der Bedingnuß abhanget, also zwar, daß wann Jener, dessen Willkür die Schätzung der Sache überlassen worden, den Werth nicht bestimmen könnte oder wollte, das ganze Geschäft zerfalle.

[3, 9, § 6] 51. Der Kaufer aber ist in allen diesen Fällen die unter einem dergleichen nachhero ermanglenden Beding etwan schon zu seinen Handen gebrachte Sache, wann sich des Preises halber nicht neuerdings geeiniget wird, anwiederum zurückzugeben, oder da er sie bereits verthan hätte, den von dem Verkaufer mittelst des Eides der Wahrheit zu bewähren habenden Werth zu erstatten schuldig.

[3, 9, § 6] 52. Es ist jedoch erforderlich, daß dieser, deme die Schätzung der dergestalten verkauften Sache mit Einwilligung beider Theilen aufgetragen wird, entweder durch Benennung seiner Person, oder wenigstens durch Andeutung der ihme zukommenden Eigenschaft bestimmet und kenntlich gemacht werde; also bestehet der Kauf, wann die Schätzung kunsterfahrener oder handlungsverständiger Leuten bedungen wird, obschon selbe mit Namen nicht genennet worden.

[3, 9, § 6] 53. Desgleichen ist der Kauf giltig, obgleich die Bestimmung des Preises der Willkür des Verkaufers anheimgestellet wird, welches überhaupt von allen denjenigen Fällen zu verstehen ist, wo Waaren, ohne solche zu behandlen, ausgenommen werden.

[3, 9, § 6] 54. Dahingegen kann von der alleinigen Willkür des Kaufers die Bestimmung des Preises nicht abhangen, sondern eine solche Handlung ist insolange unkräftig, bis die Einigung des Preises halber nicht erfolget ist.

[3, 9, § 6] 55. Daferne aber der gewählte Schätzer die Sache all zu hoch, oder all zu gering halten, oder auch der Verkaufer den Preis übermäßig ansetzen würde, also

(3-144) daß eine offenbare Verkürzung daraus erhellete, so stehet dem andurch beschwerten Theil frei, die richterliche Erkanntnuß darüber anzusuchen, wodurch das Kaufgeld auf einen billigen Betrag ausgemessen werde.

[3, 9, § 6] 56. Wann hingegen die Bestimmung und Gewißheit des Preises auf keinerlei Art zu erforschen wäre, kann auch der Kauf nicht zu Stand kommen; doch ist an deme genug, wann nur zur Zeit des geschlossenen Contracts ein Theil des Kaufgelds gewiß und bestimmet ist, obwohlen der noch ungewisse Betrag des Uebrigen erst in der Folge ausgemacht werden müßte, als da Jemand sein Gut um einen geringen Werth mit dem Beding verkaufet, daß der Kaufer seine Schulden anbeinebst übernehmen und bezahlen solle.

[3, 9, § 6] 57. Viertens, daß das Kaufgeld billig seie, und dem Werth der verkauften Sache gleichkomme; dann durch die Billigkeit des Preises wird nichts Anderes, als dessen rechtmäßige Verhältniß mit dem wahren Werth der Sache verstanden.

[3, 9, § 6] 58. Welche auf zweierlei Art erreichet werden kann, als entweder durch obrigkeitlichen Aussatz des Preises, oder aber nach gewöhnlichen und gemeinen Anschlag, wie die Sache von Kennern ihrer Beschaffenheit und Eigenschaft in Handel und Wandel insgemein geschätzet zu werden pfleget.

[3, 9, § 6] 59. Der obrigkeitlich ausgesetzte Preis lasset sich weder vermehren, noch verminderen, sondern sowohl die Uebermaß, als der Abzug, wann dieser oder jene nicht aus eigenen guten Willen geschieht, sind unbillig, und dem verkürzten Theil ist unbenommen, sich bei der Behörde zu beklagen, obgleich der Schaden viel oder wenig betrage.

[3, 9, § 6] 60. Der gemeine Werth der Sachen hingegen leidet allerdings theils wegen Verschiedenheit der Umständen, theils wegen nicht allemal möglicher Herstellung der genauesten Gleichheit zwischen dem Preis und dem Werth der Sache eine Vermehrung oder Verminderung, nachdeme die Contrahenten in dessen Bestimmung untereinander übereinkommen; doch muß dieselbe also beschaffen sein, daß andurch die Billigkeit nicht verletzet werde.

[3, 9, § 6] 61. Es ist dahero der Werth einer jeden Sache in seiner Erstreckung dreierlei, als der geringste, der mittlere und der höchste Anschlag. Insolange aber die Grenzen des höchsten oder des geringsten Anschlags ein- oder andererseits nicht überschritten werden, hat kein Theil sich über die Unbilligkeit des Preises zu beschweren Ursach.

[3, 9, § 6] 62. Allein auch in jenem Fall, wann schon der höchste oder geringste Anschlag überschritten wird, wollen Wir jegleichwohlen zur Vermeidung unzähliger Strittigkeiten, wodurch Handel und Wandel gestöret würde, dem beschwerten Theil nur damals eine Rechtshilfe angedeihen lassen, wann die aus der Ungleichheit des Preises erwachsende Verkürzung so übermäßig ist, daß sie die Hälfte des wahren Werths übersteiget.

[3, 9, § 6] 63. Die Verkürzung aber über die Hälfte zeiget sich daraus, wann entweder der Verkaufer oder der Kaufer nicht die Hälfte dessen empfangen, was der Eine oder der Andere dafür gegeben hat, wobei jedoch allemal sowohl bei dem Verkaufer, als bei dem Kaufer der Mittelanschlag der verkauften Sache zur Richtschnur zu nehmen, deren Werth aber nicht etwan nach der selbsteigenen Neigung oder Anständigkeit des einen oder des anderen Contrahenten, sondern nach der gemeinen Schätzung mit Rucksicht auf die Zeit und das Ort des Contracts abzumessen ist.

[3, 9, § 6] 64. Also da z. B. der Verkaufer eine Sache, die nach dem Mittelanschlag 100 fl. werth ist, unter 50 fl. verkaufete, oder der Kaufer für eine Sache, welche in dem Mittelanschlag nicht mehr als 100 fl. gilt, über 200 fl. gäbe, hat der solchergestalten verkürzte Theil die Befugnuß, den Ersatz des Abgangs, oder die Wiedererstattung der Uebermaß zu forderen, wie solches unten §. XXII mit Mehreren erkläret wird. Wo aber weder ein Theil, noch der andere über die Hälfte des rechten Werths zu Schaden kommet, sondern der Verkaufer in ersteren Fall nicht(3-145) unter 50 fl. erhalten, oder der Kaufer in letzteren Fall nicht über 200 fl. gegeben hätte, da höret auch alle Klage wegen eines Abgangs oder einer Uebermaß auf, und der Contract bleibet bei Kräften.

§. VII.

[3, 9, § 7] 65. Die Käufe und Verkäufe können zwar nach Willkür der Parten entweder mündlich oder schriftlich geschlossen werden, doch müssen selbe bei unbeweglichen Gütern allemal auf solche Weis geschehen, wie es nach jedweder Landesverfassung, um in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet werden zu können, erforderlich ist.

[3, 9, § 7] 66. Die Einverleibung kann auf zweierlei Art bewirket werden, als entweder durch persönliche Gegenwart und Geständnuß beider Contrahenten vor der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, worinnen der verkaufte Grund inlieget, oder durch Ueberreichung eines schriftlich verfaßten Kaufcontracts, wie solches bereits in zweiten Theil, in der Abhandlung von Uebertragung des Eigenthums mit Mehreren erkläret worden.

[3, 9, § 7] 67. Daß aber ein schriftlich verfaßter Kaufcontract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet werden möge, muß derselbe nicht allein überhaupt mit allen denjenigen in zweiten Capitel, §. XI, von num. 76 bis 80 beschriebenen Erfordernussen einer auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage gerichteten Urkunde versehen sein, sondern es ist noch insonderheit dabei nöthig, daß darinnen die verkaufte Sache, das bedungene Kaufgeld und die Zeit und der Ort des Contracts deutlich ausgedrucket und angezeiget werde, wo widrigens in Ermanglung einer dieser Erfordernussen kein Kaufcontract zur Einverleibung angenommen werden solle.

[3, 9, § 7] 68. Die übrige in schriftlichen Kaufcontracten insgemein vorzukommen pflegende Beisätze, als die Beschreibung der An- und Zugehörungen, die Zahlungsfristen, die Quittirung über das ganz oder zum Theil empfangene Kaufgeld, der Vorbehalt des Unterpfands wegen des noch schuldigen Kaufschillings, die Beifügung verschiedener Bedingen, und die Angelobung der Gewähr oder Schirmung sind zu dessen wesentlicher Form und Gestalt nicht nothwendig, sondern hangen von beiderseitiger Einverständnuß der Parten ab, und wird unten besonders angezeiget werden, was deren jeder Beirückung oder Hinweglassung für Wirkungen nach sich ziehe.

[3, 9, § 7] 69. Belangend aber die Art und Weis der Anfeilung selbst, so ist solche dreierlei, als entweder durch die Steigerung, wann nemlich der Werth der Sache von mehreren Kauflüstigen gesteigeret, und der Kauf mit dem Meistbietenden geschlossen wird, oder überhaupt in Pausch und Bogen, wann mehrere Dinge von ungleichen Werth und ungewisser Zahl, Gewicht oder Maß nicht einzelweis, sondern in einem Ganzen zusammen, als z. B. ein ganzes Waarenlager, eine ganze Hauseinrichtung, ein Keller Wein u. dgl. gekaufet werden, oder endlich durch besondere Behandlung einer oder auch mehreren einzlen Sachen.

[3, 9, § 7] 70. Allein auch einzele Sachen, sie mögen fahrend oder liegend sein, können anwiederum auf zweierlei Art verkaufet werden, als erstens, nach dem Augenschein oder durch augenscheinliche Anzeigung der verkauften Sache ohne deren Maß, Gewicht oder Zahl in einer anderen Absicht dabei auszudrucken, als nur lediglich zu dem Ende, um dieselbe desto deutlicher andurch auszuweisen, nicht aber um den Kauf auf die angezeigte Maß, Gewicht oder Zahl zu schließen. Ein derlei Verkauf ist, wann z. B . Jemanden ein Acker nach seinen ausgewiesenen Rainen und Grenzen verkaufet wird, obschon die Anzahl der Joch oder Hueben, welche solcher enthält, dabei mitangedeutet würde.

(3-146) [3, 9, § 7] 71. Zweitens, nach dem Anschlag, oder nach der Anzahl, Maß oder Gewicht, wann der Preis nach dem Betrag der verkauften Sache dergestalten bestimmet wird, daß der Verkaufer nicht mehr und nicht weniger dafür zu geben schuldig ist, als der behandlete Betrag ausmachet, wiewohlen zugleich bei liegenden Gütern der Rainen oder Grenzen gedacht werde, welches die Handlung nicht änderet, daferne nur die Hauptabsicht der Contrahenten dabei auf die Maß, und nicht auf den Augenschein gerichtet ist.

[3, 9, § 7] 72. Von dieser Art sind alle Käufe wobei der Preis entweder ausdrücklich oder stillschweigend auf einen jeden Theil des ganzen Betrags gesetzet wird, als

z. B. Jemand kaufete zehen Joch oder Hueben des in den benannten Rainen und Grenzen gelegenen Ackers das Joch um 100 fl., oder auch alle zehen Joch zusammen um 1000 fl., oder so viele Eimer Wein, so viele Pfund Oel, so viele Metzen Getreids, so viele Ellen Tuchs, so viele Stuck Schaff u. dgl. in einem nach dem Eimer, Pfund, Metzen, Ellen und Stuck behandleten Preis.

[3, 9, § 7] 73. In ersteren Fall, wo der Kauf nach dem Augenschein, oder auch überhaupt in Pausch und Bogen geschlossen worden, wird Alles für verkaufet geachtet, was in dem Bezirk oder Umkreis der beschriebenen Rainen oder Grenzen enthalten ist, obgleich die dabei erwähnte Maß nicht zutreffen, und sich hieran ein Ueberschuß oder ein Abgang ergeben würde, sondern so Einer, als der Andere gehet auf Gewinn und Verlust des Kaufers, ohne daß deshalben das bedungene Kaufgeld zu vermehren oder zu verminderen seie.

[3, 9, § 7] 74. In zweiten Fall hingegen, wo die Sache nach dem Anschlag, oder nach der Maß behandlet wird, ist hauptsächlich auf deren Betrag zu sehen, weilen auf diese Weis nicht sowohl das Ganze, als dessen einzle Stücke insonderheit verkaufet werden; dahero, wann sich hieran über den behandleten Betrag ein Mehreres befinden würde, ist der Ueberschuß in dem Kauf nicht einbegriffen, sondern solchen der Verkaufer zu behalten befugt, oder der Kaufer nach Maß des Mehrbefundenen das Kaufgeld zu vermehren und nachzutragen schuldig; gleichwie in Gegentheil, woferne sich weniger, als behandlet worden, zeigete, der Verkaufer den Abgang zu ersetzen, oder von dem behandleten Preis so vieles, als die Sache weniger betraget, nachzulassen hat.

[3, 9, § 7] 75. Bei Vermehrung und Verminderung des Preises aber ist zu beobachten, daß, wann ein gleicher Preis für alle Theile ohne Unterschied ihrer Güte und Eigenschaft bedungen worden, auch bei den überflüssigen oder abgängigen Theilen auf ihre Güte oder Eigenschaft keine Rucksicht genommen werden darf; wohingegen, da ein verschiedener Preis nach verschiedener Beschaffenheit oder Güte der Theilen behandlet worden, so ist der Preis nach derjenigen Güte und Eigenschaft zu vermehren oder zu verminderen, von welcher die überflüssige Theile sind, oder die abgängige hätten sein sollen.

[3, 9, § 7] 76. Ein Kauf, welcher nach dem Anschlag oder nach der Maß getroffen wird, verbindet zwar sogleich beide Theile dergestalten, daß Keiner ohne Einwilligung des Anderen davon abweichen kann, die also verkaufte Sache aber bleibet insolange auf Gefahr des Verkaufers, bis nicht dieselbe wirklich abgemessen, abgezählet oder abgewogen worden, wie davon unten §. XI mit Mehreren gehandlet wird.

[3, 9, § 7] 77. Es solle jedoch jene Maß dabei gebrauchet werden, welche entweder von den Contrahenten festgesetzt worden, oder da sie derowegen ausdrücklich nichts bedungen hätten, welche in demjenigen Ort, wo die verkaufte Sache gelegen ist, oder wo deren Uebergabe und Aushändigung an den Kaufer zu geschehen hat, üblich ist, welches ingleichen von Gewicht verstanden werden solle.

[3, 9, § 7] 78. Wann aber ein Kauf nach dem Augenschein oder nach dem Anschlag geschlossen zu sein geachtet werden solle, ist anförderist aus dem Inhalt des Contracts zu entnehmen, und da deshalben ein Zweifel vorfiele, sind die Käufe aller unbeweglicher, oder auch einzler beweglicher Sachen nach dem Augenschein, dahingegen jene

(3-147) deren aus mehreren besonderen Theilen oder Stücken bestehenden beweglichen Dingen nach dem Anschlag, oder nach der Maß für getroffen zu halten.

§. VIII.

[3, 9, § 8] 79. Der Kauf- und Verkaufcontract ist seiner Natur nach in der Hauptsache zweibündig, woraus schon Anfangs beide Theile gegeneinander gleich verbunden werden, als einerseits der Verkaufer zur Uebergabe und Ausantwortung der verkauften Sache, und andererseits der Kaufer zu Bezahlung des bedungenen Kaufgelds. Von der Verbindlichkeit des ersteren wird in gegenwärtigen, und von der Verbindlichkeit des anderen in nachfolgenden §. gehandlet.

[3, 9, § 8] 80. Dann sobald der Verkaufer mit dem Kaufer wegen Überlassung der angefeilten Sache um den bedungenen Preis einig worden, ist die Handlung geschlossen, wovon kein Theil ohne Einwilligung des anderen abweichen kann, sondern deren jedwedem lieget ob, die auf sich genommene contractmäßige Verbindlichkeit zu erfüllen.

[3, 9, § 8] 81. Diese bestehet an Seiten des Verkaufers in deme, daß er die verkaufte Sache mit dem ledigen Besitz, auf die bedungene Art und Weis, in der behörigen Eigenschaft, in der sie verkaufet worden, ganz, ohnverringeret, und frei von allen

(3-148) Mängeln und Haftungen, wie auch mit allen ihren An- und Zugehörungen zur gesetzten Zeit, und an bestimmten Ort dem Kaufer übergebe, wann es in seiner Macht stehet, dieselbe übergeben zu können, ohne daß er sich solchenfalls unter was immer für erdenklichen Vorwand durch Anerbietung der Entschädigung hiervon entledigen möge, woferne dieses nicht ausdrücklich beliebet worden.

[3, 9, § 8] 82. Damit solchemnach der Verkaufer seiner Schuldigkeit genug thue, ist erforderlich: Erstens, daß der ledige Besitz der verkauften Sache dem Kaufer eingeraumet werde; dieser aber ist nicht ledig, wann Jemand die Sache besitzet, deme sie verhaftet ist, folglich hieran ein stärkeres Recht, als nicht dem Kaufer gebühret.

[3, 9, § 8] 83. Obschon also das verkaufte Gut zur Zeit des geschlossenen Contracts vermiethet oder verpachtet, oder auch solches einem Glaubiger zum Unterpfand verschrieben wäre, hinderet doch gleichwohlen weder ein noch anderes die Uebertragung des Besitzes an den Kaufer, weilen der Miether, Pachter oder Bestandmann, obgleich er in dem Besitz ist, jedennoch kein Recht an der Sache hat, und dahero von dem Kaufer aus der Miethung, Pacht oder Bestand gesetzet werden kann, wie solches in zwölften Capitel erkläret wird, der darauf versicherte Glaubiger hingegen, obwohlen ihme die Sache verhaftet ist, mithin hieran ein stärkeres Recht, als nicht dem Kaufer zustehet, in deren Besitz nicht befindlich ist.

[3, 9, § 8] 84. Eine ganz andere Bewandtnuß hat es dahero, wann der Glaubiger nebst der Behaftung des Grunds zugleich entweder aus einem in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibten Vertrag, oder durch den Weg der gerichtlichen Execution in dessen Besitz gelanget ist, als welchen Falls dessen früher erworbenes Recht dem Recht des Kaufers vorgehet, und insolange derselbe nicht befriediget, folglich das Gut von dieser Haftung nicht befreiet worden, oder er etwan nicht selbst gutwillig aus dem Besitz weichen würde, kann der Kauf- und Verkaufcontract zur Einverleibung nicht angenommen werden; wie es aber zu halten seie, wann einerlei Sache an Zweie verkaufet wird, ist bereits oben in zweiten Capitel, §. Xll, von num. 150 bis 155, geordnet worden.

[3, 9, § 8] 85. Zweitens, damit die verkaufte Sache auf die bedungene Art und Weis, nemlich nach der oben erklärten Verschiedenheit des geschlossenen Kaufs entweder in den beschriebenen Rainen oder Grenzen, oder in derjenigen Maß, Zahl oder Gewicht, wie es Anfangs beliebet worden, übergeben, und beinebst von dem Verkaufer Alles auf das Genaueste erfüllet werde, worzu er sich in dem Contract anheischig gemacht hat.

[3, 9, § 8] 86. Drittens muß die Sache in der gehörigen Eigenschaft, in welcher sie verkaufet worden, ganz, ohnverringeret, und frei von allen Mängeln und Haftungen, welche zur Zeit des geschlossenen Kaufs deren Werth verminderen, wodurch entweder ihr Gebrauch oder Genuß ganz oder zum Theil verhinderet, oder solche einem Dritten verfänglich gemacht würde, dem Käufer überantwortet werden; dann widrigens ist der Verkaufer nach Verschiedenheit der Fällen, welche unten eigends beschrieben sind, entweder die verkaufte Sache gegen Wiedererstattung des empfangenen Kaufschillings zurückzunehmen, oder dem Kaufer den Abgang zu ersetzen, oder an dem Kaufgeld zu vergüten schuldig.

[3, 9, § 8] 87. Es hat aber der Verkaufer nur für diejenige Eigenschaften zu haften, welche er in dem Contract angegeben und gewähret; es seie, daß entweder der Kauf lediglich auf diese und keine andere Eigenschaft der Sache geschlossen, oder dieselbe in dem Inhalt des Contracts ausgedrucket, oder sich darinnen auf eine besonders verfaßte Beschreibung der verkauften Sache wortdeutlich bezohen, oder endlich von dem Verkaufer für die angerühmte Eigenschaft stehen zu wollen verheißen worden.

88. Wann jedoch derselbe die verkaufte Sache bloß lobet und herausstreichet, um sie desto ehender, oder mit mehreren Vortheil an Mann bringen zu können,


(3-149) ist er für die abgängige Eigenschaften nicht verfänglich, sondern der Kaufer hat sich selbst beizumessen, daß er nicht mit mehrerer Vorsicht gehandlet, und sich bei dem Kauf nicht ausdrücklich die angerühmte Eigenschaft von dem Verkaufer gewähren lassen; es wäre dann der Mangel einer natürlichen Eigenschaft, ohne welcher der Gebrauch der Sache ganz oder zum Theil unnütz wäre, so verborgen gewesen, daß ihn der Kaufer nicht vorsehen können, wie unten davon ausführlicher gehandlet werden wird.

[3, 9, § 8] 89. Unter Haftungen werden Dienstbarkeiten, womit der verkaufte Grund einem Dritten verfangen ist, versessene Steuern, Zinsen und Verpfändungen verstanden. Bei Dienstbarkeiten ist so wie bei Zinsen zu unterscheiden, ob der Grund in dem Kaufcontract für frei ausgegeben, oder solcher ohne diesem besonderen Ausdruck verkaufet worden.

[3, 9, § 8] 90. Ersteren Falls ist der Verkaufer, er möge derlei Haftungen gewußt haben oder nicht, den Kaufer schadlos zu halten schuldig, letzteren Falls aber kommet es darauf an, ob die Haftungen also beschaffen sind, daß der Kaufer dieselbe leichtlich durch Einsicht der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, oder durch eingenommenen Augenschein hätte in Erfahrnuß bringen können, und der Verkaufer ist ihme derowegen zu nichts verbunden, oder ob solche dergestalten verborgen waren, daß sie ohne sonderbarer Anzeige nicht haben erforschet werden mögen, und in diesem Fall ist der Verkaufer, es mögen ihme diese Haftungen bekannt gewesen sein oder nicht, vorbemeltermaßen dafür zu stehen verpflichtet.

[3, 9, § 8] 91. Die Steueren aber kleben dem Grund unabsönderlich an, und gehen mit solchen auf einen jedweden Besitzer. Es ist dahero der Kaufer solche abzutragen schuldig, es mögen laufende oder versessene, vorhin schon gewöhnliche oder neu angelegte Steuern sein; obgleich der Verkaufer die Versteuerung ausdrücklich auf sich genommen, oder auch den Grund für frei von allen wie immer Namen haben mögenden Haftungen ausgegeben hätte, dessen ohnerachtet sind die Steuern hierunter nicht begriffen, sondern deren Entrichtung lieget dem Kaufer allemal ob.

[3, 9, § 8] 92. Es ist jedoch dem Kaufer dagegen unbenommen, die für den Verkaufer bezahlte Steuern von ihme zuruckzuforderen, oder sich von dem Kaufgeld abzuziehen, worinfalls entweder der Inhalt des Contracts, wann wegen der Zeit der von einem oder dem anderen Theil abzuführen habenden Steuern ein ausdrückliches Beding eingegangen worden, oder in dessen Ermanglung der Tag des geschlossenen Kaufs zur Richtschnur zu nehmen ist, also daß wann nichts Anderes bedungen wird, bis dahin der Verkaufer die Steuern zu bezahlen hat.

[3, 9, § 8] 93. Dahingegen von diesem Tag an zu rechnen hat der Kaufer keinen Anspruch mehr der Steueren halber an den Verkaufer, wann dieser letztere nicht deren Abfuhr gegen einem sonstigen sich bedungenen Vortheil noch weiters über diese Zeit auf sich genommen hätte, noch weniger aber kann der Verkaufer wegen der vorhin nicht gebräuchlichen auf dem verkauften Grund neu angelegten Steuern angefochten werden.

[3, 9, § 8] 94. Die Verpfändungen behaften zwar die Sache selbst, jedoch mit Beobachtung des Unterschieds zwischen beweglichen und unbeweglichen Dingen. Dann gleichwie einerseits bei Fahrnussen, wann der Kaufer die Eigenschaft des dem Inhaber von Handen gekommenen Pfands nicht weiß, sondern solches mit guten Glauben an sich bringet, daß Pfandrecht hieran erlöschet, und er deshalben nicht mehr angegangen werden kann, andererseits aber, wann er diese Eigenschaft weiß, sich selbst zuzuschreiben hat, daß er eine dergestalten behaftete Sache erkaufet, also gebühret ihme auch so in einem, als anderen Fall derowegen kein Anspruch wider den Verkaufer; es wäre dann, daß dieser das Pfand auszulösen, und da es nicht geschehe, den Kaufer zu entschädigen angelobt hätte.

[3, 9, § 8] 95. Auf liegenden Gütern aber können keine Pfandsverschreibungen anderer Gestalt, als mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern haften, und gehen dahero

(3-150) mit dem erkauften Grund auf den Kaufer, welcher jedoch entweder sich solche an dem Kaufschilling ausweisen zu lassen, oder hieran so vieles als sie betragen, innenzuhalten, oder deren hinausbezahlten Betrag davon abzuziehen, oder, da er das Kaufgeld schon entrichtet hätte, das hierauf Bezahlte von dem Verkaufer zuruckzuforderen, oder da er diese Haftungen nicht übernehmen wollte, denselben zur Befreiung des verkauften Grunds anzuhalten berechtiget ist.

[3, 9, § 8] 96. Viertens, muß die verkaufte Sache mit allen Früchten und Nutzungen, wie auch mit allen ihren An- und Zugehörungen dem Kaufer übergeben werden, und solle wegen so ein, als anderer wegen vornehmlich auf Jenes gesehen werden, wessen sich die Contrahenten deshalb untereinander verglichen haben.

[3, 9, § 8] 97. Da aber wegen der mit zu erstatten habenden Früchten und Nutzungen ein ausdrückliches Beding ermanglete, ist aus der natürlichen Eigenschaft der Handlung, welche nach einmal geschlossenen Kauf allen aus der verkauften Sache entspringenden Nutzen, so wie den sich nachhero hieran ergebenden Schaden dem Kaufer zuwendet, die Entscheidung herzuholen, was für Nutzungen dem einen, und welche dagegen dem anderen Theil gebühren.

[3, 9, § 8] 98. Nach dieser Maßregel verbleiben die vor dem getroffenen Kauf erzeugte und eingehobene Früchten und Nutzungen dem Verkaufer, woran der Kaufer, wann derohalben nichts Besonderes bedungen worden, nicht den mindesten Anspruch hat; also da eine Kuhe, woran noch ein Kalb saugete, verkaufet wird, bleibet das Kalb dem Verkaufer.

[3, 9, § 8] 99. Dahingegen gebühren alle erst nach dem geschlossenen Kauf erzeugte Früchten und Nutzungen dem Kaufer, obschon solche von dem Verkaufer vor der Uebergabe eingehoben worden wären; doch sollen in solchem Fall die nach dem Kauf hierauf erweislich gemachte Auslagen demselben vergütet werden.

[3, 9, § 8] 100. Belangend aber die zwar vor dem geschlossenen Kauf erzeugte, allein noch nicht eingehobene, sondern bei der verkauften Sache noch vorhandene, oder noch hangende Früchten und Nutzungen, als das Obst auf den Bäumen, das Gras auf der Wiesen, das Getreid auf dem Feld, die Zinsen aus dem Hause u. dgl., so ist der Unterschied zwischen deren dreierlei Gattungen zu beobachten.

[3, 9, § 8] 101. Jene Früchten und Nutzungen, welche die Natur von sich selbst ohne menschlicher Zuthat, oder doch ohne Mitwirkung eines sonderbaren Fleißes hervorbringet, sind als ein Theil der verkauften Sache anzusehen, und gehören dahero dem Kaufer, wann sie nicht ausdrücklich von dem Verkaufer ausgenommen und vorbehalten worden, also ist mit den Schafen die darauf befindliche Wolle, mit dem Garten das noch an den Bäumen hangende Obst, mit der Wiesen das Gras, mit der trächtigen Stuten oder Kuhe das Follen oder Kalb verkaufet.

[3, 9, § 8] 102. Diejenige Früchten und Nutzungen aber, deren Erzeugung nebst der Wirksamkeit der Natur einen besonderen menschlichen Fleiß und Zuthat als die Beurberung, die Aussaat, der Anbau oder die Pflanzung erforderet, sind eben als ein Theil der verkauften Grunds, deme sie ankleben, anzusehen, und gebühren dahero zwar auch dem Kaufer, obschon sie erst nach dem Kauf zu ihrer Reife gelangen, woferne der Verkaufer dich dieselbe nicht ausdrücklich ausbedungen hätte; doch ist der Kaufer schuldig dagegen die nach dem Kauf hierauf erweislich gemachte Auslagen dem Verkaufer zu ersetzen, also da ein besäeter Acker, oder ein angebauter Weinberg verkaufet wird, gehöret das Getreid und der Wein gegen Vergütung deren nach dem Kauf auf die Beurberung und Pflegung ausgelegten Unkosten dem Kaufer.

[3, 9, § 8] 103. Bei der dritten Gattung der Nutzungen, welche nicht von der Natur aus der Sache selbst erzeuget werden, sondern bloß allein wegen derselben durch Wirkung des menschlichen Fleißes aus den hierüber eingegangenen Verträgen entspringen, als Bestandzinse, Pachtgelder, oder der Lohn für ausgelehnte Dinge, ist zu unterscheiden, ob der Zins für die schon vor geschlossenen Kauf geendigte

(3-151) Miethung oder Pacht noch ausständig seie, und in diesem Fall gebühret der ganze Zins dem Verkaufer, oder ob die Miethung oder Pachtung zur Zeit des getroffenen Kaufs annoch fortdauere, und bei solcher Bewandtnuß kommet es darauf an, ob der Gebrauch der Sache und die Nutzungen, wofür der Zins oder Lohn bezahlet wird, fortan fürwähren, und alltäglich eingehoben werden, oder ob selbe nur zu einer gewissen Jahreszeit eingehen.

[3, 9, § 8] 104. Ersteren Falls, als da ein vermiethetes Haus, oder ein ausgelehntes Roß, oder anderes Ding verkaufet würde, ist der Betrag des dafür bedungenen Zinses dergestalten zu theilen, daß solcher bis auf den Tag des geschlossenen Kaufs dem Verkaufer, von diesem Tag aber der weiters laufende dem Kaufer gebühre, insolange der Bestandhaber oder Pachter von ihme in der Miethung gelassen wird, und obschon der ganze Zins oder Lohn dem Verkaufer vorhinein abgeführet worden wäre, so ist dieser doch schuldig von dem Tag des getroffenen Contracts den Betrag des Zinses dem Kaufer zuruckzustellen.

[3, 9, § 8] 105. Letzteren Falls aber, wo die Nutzungen, wofür der Zins erstattet wird, nur einmal zu einer gewissen Jahreszeit eingesammlet werden, als die Feld-, Baum- und Gartenfrüchten ist auf die Fechsungs- oder Einsammlungszeit zu sehen, ob solche sich vor oder nach dem Kauf ergebe. Dann sind die Nutzungen nach dem Kauf einsammlet worden, so ist auch dem Kaufer der ganze Zins dafür abzureichen, wann er bei dem Miethungs- oder Bestandcontract beharret; für diejenige hingegen, welche schon vor dem Kauf eingesammlet worden, bleibet der Zins dem Verkaufer, wann gleich solcher erst nach geschlossenen Kauf entrichtet würde.

[3, 9, § 8] 106. Wann jedoch ein ganzes Gut, Meierhof oder eine Wirthschaft zur Zeit des fürwährenden Pachts oder Bestands verkaufet, und deshalben nichts Besonderes verabredet würde, wobei sich der überhaupt für das Ganze bedungene Zins nach verschiedener Beschaffenheit der Nutzungen nicht füglich abtheilen und zergliederen lasset, so solle in diesem Fall dessen Vertheilung mit Rucksicht auf den Tag des Contracts vorgenommen werden, und solcher bis dahin dem Verkaufer verbleiben, von diesem Tag aber dem Kaufer gebühren, deme hingegen freistehet, nach vollzohener Uebergabe den Bestand oder Pachtcontract fortzusetzen, oder denselben abzubrechen.

[3, 9, § 8] 107. Woferne aber der Verkaufer in Uebergebung der verkauften Sache sich säumig erzeugen, und solche dem Kaufer vorenthalten würde, so ist er verbunden nicht nur diejenige nach dem Verkauf eingehobene Nutzungen, welche vorerwähnter Maßen dem Kaufer zu Guten gehen, sondern auch jene, die er aus seiner Schuld einzuheben unterlassen, demselben zu vergüten.

[3, 9, § 8] 108. Die An- und Zugehörungen der verkauften Sache gebühren entweder aus einem besonderen über den Beilaß und die Ausnahm von den Contrahenten eingegangenen Beding, oder aus der Natur der Handlung; in Ansehen der ersteren giebt die beiderseitige Verbindung Ziel und Maß, nach welcher sowohl der Verkaufer Alles, was er an Zugehörungen zu verabfolgen angelobet, dem Kaufer beizulassen, oder den Abgang zu ersetzen schuldig, als auch dieser auf Jenes, was der Verkaufer sich namentlich ausgenommen, keinen Anspruch zu machen befugt ist, wann es gleich noch so eine genaue Verknüpfung oder Zusammenhang mit der verkauften Sache hätte.

[3, 9, § 8] 109. Wo aber derowegen nichts bedungen worden, und dahero auf die Natur der Handlung zuruckgesehen werden muß, ist zu unterscheiden, ob die Zugehörungen erst nach geschlossenen Kauf darzukommen, oder schon zur Zeit des errichteten Contracts bei der verkauften Sache vorhanden waren, und gleichsam einen Theil derselben ausmachen.

[3, 9, § 8] 110. Diejenige von ersterer Art, welche entweder aus keiner dem Kauf vorhergehenden, sondern aus einer sich neu ergebenden Ursach, als z. B. durch Zuwachs

(3-152) des Erdreichs entstehen, oder welche erst nach dem geschlossenen Kauf verfallen, als Zinsen, Frohndienste oder Robotten bei einem Gut, gehören dem Kaufer.

[3, 9, § 8] 111. Wohingegen derselbe zu denen aus einer noch vor dem Kauf sich ereigneten Ursach herrührenden, oder vor dem Kauf schon verfallenen, obschon noch ausständigen Zugehörungen, als z.B. zu denen vor dem Verkauf schuldigen Zinsen oder Frohndiensten kein Recht hat, sondern diese bleiben dem Verkaufer.

[3, 9, § 8] 112. Bei letzteren aber, die zur Zeit des Contracts schon dabei vorhanden sind, sollen folgende Maßregeln beobachtet werden, als erstens, wann ein aus mehreren Theilen bestehendes Ganzes verkaufet wird, sind mit demselben auch alle Theile, welche dieses Ganze ausmachen, für verkaufet zu achten; also da ein liegendes Gut verkaufet wird, sind auch alle darzu gehörige Felder, Wiesen, Hutweide, Teiche, Waldungen, Mühlen, Bräuhäuser, Schäflereien, und überhaupt Alles, was nach Ausweis der Grundbücher oder Urbarien darzu gehörig ist, mitverkaufet, obgleich deren jedes namentlich nicht ausgedrucket wird.

[3, 9, § 8] 113. Zweitens werden mit einem verkauften Grund alle demselben anklebende Rechte, als das Verleihungsrecht der Pfarren, die hohe und niedere Gerichtsbarkeit, das Zehentrecht u. dgl., wie auch alle dem verkauften Grund gebührende Dienstbarkeiten auf den Kaufer übertragen, obschon solche in dem Contract nicht benennet werden.

[3, 9, § 8] 114. Drittens, Alles, was mit der verkauften Sache einen so beschaffenen Zusammenhang hat, daß es als eine An- und Zugehörung darzu gewidmet seie, gehöret dem Kaufer; also ist mit einem verkauften Hause zugleich auch Alles, was erd-, niet- und nagelfest ist, verkaufet, obgleich solches in dem Contract nicht ausgedrucket wäre.

[3, 9, § 8] 115. Viertens, der alleinige Zusammenhang aber machet Sachen nicht zu An- und Zugehörungen, wann nicht solche entweder aus dem Willen und der Absicht des Besitzers, der dieselbe zum beständigen Gebrauch dahin gewidmet, oder aus der allgemeinen Gewohnheit dafürgehalten werde; also ist mit einem Roß der Zaun (!) verkaufet, nicht aber auch der Sattel und übrige Zeug, wann solcher nicht ausdrücklich mitüberlassen wird, desgleichen sind bei einem verkauften Gut die Fische in Teichen, die Meierpferde, und das Vieh in Höfen und Schaflereien, nicht aber auch die Fische in Behälteren, und die herrschaftliche Roß in Ställen miterkaufet.

[3, 9, § 8] 116. Fünftens, umsoweniger aber sind jene Dinge in Kauf begriffen, welche von Grund und Boden entweder zum Verschleiß, oder zum eigenen Gebrauch des Verkaufers allschon vor dem Kauf abgesönderet worden, als das Getreid in Stadeln, die Körner in Speichern, das gefällte Holz in Waldungen, worunter auch die Windbrüche verstanden werden, der Wein in Keller, die schon gebrochene Steine in Steinbrüchen u. dgl. mehrere, wovon der Verkaufer, wann nichts Anderes ausbedungen worden, dem Kaufer nur so vieles, als nach dem jeden Orts beobachtenden Landsbrauch gemäß der verschiedenen Beschaffenheit der verkauften Sache der Wirthschaftstrieb erheischet, mit allen vorhändigen zu einer eingerichteten Wirthschaft gehörigen Geräthschaften und Erfordernussen beizulassen schuldig ist.

[3, 9, § 8] 117. Sechstens, wann ein Behältnuß verkaufet wird, ist Jenes nicht mitverkaufet, was darinnen enthalten ist; also da Jemand einen Keller oder Weingefäß kaufet, ist der Wein nicht mitverkaufet, der etwan zur Zeit des geschlossenen Kaufs darinnen befindlich ware, woferne nicht entweder aus der Verabredung der Contrahenten, oder aus dem Betrag des bedungenen Kaufgelds ein Anderes erhellete.

[3, 9, § 8] 118. Siebentens, gleichwie dagegen das Behältnuß mit dem darin Enthaltenen nicht verkaufet wird, als da Jemand Wein kaufet, bleiben nichtsdestoweniger die Fässer dem Verkaufer, wann das Widrige nicht besonders ausgedrucket worden.

[3, 9, § 8] 119. Achtens, alle schriftliche Urkunden, welche die verkaufte Sache betreffen, ist der Verkaufer schuldig dem Kaufer auszuhändigen, doch kann derselbe zu seiner

(3-153) Nothdurft Abschriften davon in Handen behalten; es wäre dann, daß derselbe eine billige Ursach darzeigen könnte, warum er die Urkunde selbst zu seinem eigenen Gebrauch bedärfe, in welchem Fall er jedoch solche nach vollendetem Gebrauch, oder auch, da es sonst die Noth erforderete, dem Kaufer zuzustellen verbunden bleibet.

[3, 9, § 8] 120. Wo aber wegen der An- und Zugehörungen zwischen dem Kaufer und Verkaufer ein Stritt vorfiele, hat insgemein der Kaufer den Beweis entweder aus der selbsteigenen Bestimmung und Widmung des Verkaufers, oder aus der Gemeinkündigkeit, oder aus dem Zusammenhang mit der verkauften Sache, oder aus dem Betrag des Kaufgelds oder aus der Lage der Dingen, oder aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, Handfesten, Urbarien und Steuerbüchern, oder endlich aus dem Landsbrauch zu verführen.

[3, 9, § 8] 121. Fünftens, muß die verkaufte Sache zur gesetzten Zeit und an bestimmten Ort dem Kaufer überantwortet werden, wo im Widrigen der Verkaufer für allen dem Kaufer durch seinen Saumsal verursachten erweislichen Schaden zu haften hat.

[3, 9, § 8] 122. Diese Uebergabe ist ihrer Wesenheit nach auf die Uebertragung des Eigenthums dergestalten gerichtet, daß andurch auf den Kaufer die Befugnuß die verkaufte Sache von männiglich ohngehinderet als sein Eigen halten und besitzen zu mögen übertragen, oder in Widrigen der Verkaufer aus der Natur des Contracts zur Gewährleistung verstricket werde, woraus seinerseits die Verbindlichkeit entstehet, nicht nur den Kaufer wider alle Ansprüche eines Dritten zu schirmen und zu vertreten, sondern auch, daferne die verkaufte Sache durch richterlichen Spruch dem Kaufer entzohen würde, allen dahero erleidenden Schaden ihme zu vergüten, wie es in §. XII ausführlicher erkläret werden wird.

[3, 9, § 8] 123. Es ist aber der Verkaufer nicht ehender gehalten die verkaufte Sache dem Kaufer zu übergeben, bis nicht von diesem das Kaufgeld erleget, oder ihme der Bezahlung halber von dem Verkaufer getrauet, und Glauben gegeben worden, dann insolange ein oder anderes nicht erfolget, stehet der Forderung des Kaufers allemal die Einwendung des nichtbezahlten Kaufgelds entgegen.

[3, 9, § 8] 124. Daferne aber jegleichwohlen die Uebergabe von dem Verkaufer vor Bezahlung des Kaufgelds, und ohne daß solches dem Kaufer von ihme geborget würde, vollzohen worden, so sollen zwischen unbeweglichen Gütern und beweglichen Dingen folgender Unterschied beobachtet werden.

[3, 9, § 8] 125. Bei liegenden Gütern erwirbt zwar sogleich der Kaufer das Eigenthum, sobald die Kaufverschreibung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet worden, es möge das Kaufgeld bezahlet oder geborget worden sein, oder nicht.

[3, 9, § 8] 126. Dahingegen ist der Verkaufer einerseits insolange nicht schuldig aus dem natürlichen Besitz des verkauften Guts zu weichen, bis daß nicht das Kaufgeld erleget, oder von ihme dem Kaufer geborget worden, und andererseits ist ihme unverwehret sich wegen des nicht bezahlten Kaufschillings in dem Contract zu seiner Sicherheit mit einer ausdrücklichen Pfandsverschreibung vorzusehen, maßen Wir kein stillschweigendes Unterpfand an dem verkauften Gut wegen des rückständigen Kaufschillings in Hinkunft weiters gestatten, sondern solches hiermit der Orten, wo es bishero eingeführet gewesen, für die künftige Fälle von nun an gänzlich abstellen.

[3, 9, § 8] 127. Bei Fahrnussen aber wirket die bloße Uebergabe der verkauften Sache insolange nicht die Uebertragung des Eigenthums an den Kaufer, bis daß nicht das Kaufgeld entrichtet, oder von dem Verkaufer geborget worden, sondern dieser behält bis dahin das Recht bei gebrechenden Zahlungsmitteln die verabfolgte Waaren und Fahrnussen, wann sie noch bei dem Kaufer vorfindig sind, als sein Eigenthum zuruckzuforderen; wiewohlen ein Dritter, der solche von dem Kaufer mit guten Glauben rechtmäßig an sich gebracht, derowegen von dem Verkaufer nicht angefochten werden kann.

(3-154) [3, 9, § 8] 128. Damit aber auch alle Weitläufigkeiten über die Frage, wann das Kaufgeld für geborget zu achten seie oder nicht, so viel als möglich vermieden werden, so solle die Borgung des Kaufgelds nur in folgenden zweien Fällen verstanden sein, als erstens, wann dem Kaufer Zahlungsfristen verstattet, oder von ihme ein Theil des Kaufgelds angenommen worden, und zweitens, wann der Verkaufer die unter anhaftender Zahlung dem Kaufer verabfolgte Waaren oder Fahrnussen binnen den nächsten acht Tagen, von dem Tag der Lieferung an zu rechnen, nicht zuruckgeforderet, oder, da er solche auf sein Verlangen nicht zuruckerhalten könnte, sich hierowegen binnen dieser Zeit bei Gericht durch ansuchende Rechtshilfe nicht verwahret hätte.

[3, 9, § 8] 129. Woferne jedoch aus des Verkaufers eigener Schuld in seiner Macht nicht stünde, die verkaufte Sache an den Kaufer zu übergeben, so ist derselbe nebst Wiedererstattung des empfangenen Kaufgelds mit allen von Zeit seines Saumsals davon vertagten landesüblichen Zinsen noch über das dem Kaufer für den ihme andurch entgehenden Nutzen und entstehenden Schaden den achten Theil des bedungenen Werths zu erlegen schuldig, und außerdeme in dem Fall, daß seinerseits eine geflissentliche Gefährde unterwaltete, nach richterlichen Befund zu bestrafen.

[3, 9, § 8] 130. Aus dieser Verbindlichkeit des Verkaufers entspringet die dem Kaufer und seinen Erben wider den Verkaufer und dessen Erben zu Erlangung der verkauften Sache mit allen ihren Nutzungen und Zugehörungen gebührende Rechtsforderung, welche bei Käufen beweglicher Dingen in Fall der an Seiten des Verkaufers ermanglenden contractmäßigen Erfüllung ohnausweichlich ist, sondern von dem Kaufer allemal angestrenget werden muß.

[3, 9, § 8] 131. Bei liegenden Gütern hingegen hat der Kaufer insgeheim zu Habhaftwerdung des verkauften Grunds diese Rechtsforderung nicht nöthig, wann er einen mit denen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage gehörigen Erfordernussen versehenen Contract in Handen hat, sondern er bedarf nur solchen einverleiben zu lassen, wodurch er das Eigenthum und den rechtlichen Besitz des verkauften Grund erwirbt, und nach vollzohener Einverleibung des Contracts ohneweiters sich, wann das Kaufgeld bezahlet, oder von dem Verkaufer ihme geborget worden, in dessen natürlichen Besitz setzen kann; woferne aber der Verkaufer hieraus nicht weichen wollte, ist ihme zu dessen Erlangung auf sein Ansuchen und auf Vorzeigung des einverleibten Contracts die schleunige Rechtshilfe zu ertheilen.

[3, 9, § 8] 132. So viel es aber die Leistung der übrigen contractmäßigen Schuldigkeiten anbelanget, stehet dem Kaufer frei, sich an dem noch herauszugeben habenden Kaufgeld zu halten, und nach Verschiedenheit des eingegangenen Bedings, ob solches gleich, oder in einer bestimmten Frist zu bezahlen seie, entweder ersteren Falls dasselbe zu Gericht mit dem Verbot zu erlegen, daß es dem Verkaufer nicht ausgefolget werde, oder letzteren Falls, um zu verhinderen, damit hieran nicht etwan ein anderer Glaubiger des Verkaufers vor seiner ein früheres Recht erwerbe, solches zu verkümmeren, bis daß er seiner Forderung halber vergnüget werde.

[3, 9, § 8] 133. Dahingegen, wann das Kaufgeld schon hinausbezahlet, oder der hinter dem Kaufer befindliche Ruckstand zu Bedeckung seiner Forderung nicht hinlänglich wäre, bleibet dem Kaufer solchenfalls kein anderes Mittel übrig, als mit der obbeschriebenen Rechtsforderung wider den Verkaufer zu verfahren.

[3, 9, § 8] 134. Wie dann ingleichen in jenem Fall, da noch kein auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage gerichteter Contract ausgefertiget, beide Theile aber jegleichwohlen in dem Kauf eines liegenden Guts entweder mündlich, oder durch einen Handstreich, oder durch Errichtung eines sogenannten Interimcontracts schlüssig worden, diese Rechtsforderung statt hat, um den Verkaufer zur Ausfertigung des förmlichen Contracts, und zu Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeit zu verhalten; woferne aber die Handlung nur angestoßen, und in bloßen vorbereitlichen

(3-155) Berednussen, ohne in der Sache einen Schluß zu fassen, bestanden wäre, wirket selbe auch keine Verfänglichkeit, und gebühret hieraus keinem Theil eine Rechtsforderung.

§. IX.

[3, 9, § 9] 135. Die Verbindlichkeit des Kaufers hingegen bestehet in deme, daß er das Kaufgeld mit denen davon entweder ausdrücklich bedungenen, oder aus Saumsal von dem Tag der Verfallzeit, oder da keine Zahlungsfrist bestimmet worden wäre, von dem Tag der gerichtlichen Belangung verwirkten Zinsen bezahle, und alles Dasjenige erfülle, was er in dem Contract zu leisten gelobt hat.

[3, 9, § 9] 136. Er wird auch von der schuldigen Verzinsung des Kaufgelds keineswegs enthoben, obgleich derselbe eine rechtmäßige Ursach hätte, solches zu seiner Sicherheit innenzuhalten, als da die verkaufte Sache von einem Dritten angesprochen würde; sondern dessen ohnerachtet ist er die Zinsen insolange davon zu entrichten verbunden, bis daß er der Sache durch richterliches Urtheil verlustiget werde.

[3, 9, § 9] 137. Doch solle in der Verzinsung des Kaufgelds die unten seines Orts bestimmende Maß der landesüblichen Zinsen unter keinerlei Vorwand einer vorgeblichen Entschädigung bei Strafe wucherlicher Handlungen überschritten werden.

[3, 9, § 9] 138. Gleichwie aber dem Verkaufer oblieget, wann er sich sonst der contractmäßigen Schuldigkeit entledigen will, das Eigenthum der verkauften Sache an den Kaufer zu übertragen, also ist nicht weniger dieser verbunden, das bezahlende Kaufgeld dergestalten des Verkaufers Eigen zu machen, daß solches von Niemanden als sein eigenes Gut zuruckgeforderet werden möge.

[3, 9, § 9] 139. Es wird jedoch nach denen in zweiten Theil festgesetzten Maßregeln der Verkaufer sogleich Eigenthümer des Kaufgelds, alsbald er es mit guten Glauben, und in ungezweifleter Meinung, daß es dem Kaufer angehöre, zu seinen Handen bekommen hat, obschon es nicht des Kaufers eigenes, sondern ein fremdes Geld gewesen wäre.

[3, 9, § 9] 140. Woferne aber der Verkaufer das bezahlte Kaufgeld fremd zu sein gewußt, und solches jegleichwohlen wissentlich angenommen zu haben überwiesen werden könnte, so behält der Eigenthümer des Gelds das Recht solches von dem Verkaufer zuruckforderen zu mögen, und der Kaufer bleibet in der Verbindlichkeit, dem Verkaufer den bedungenen Werth mit anderen Geld zu erstatten.

[3, 9, § 9] 141. In Gegentheil, wann der Verkaufer die Eigenschaft des fremden Gelds nicht gewußt, kann auch solches von ihme nicht mehr zuruckbegehret werden; sondern der Eigenthümer desselben hat sich seines Schadens halber an den Kaufer, oder an Demjenigen, welcher ihme das Geld entwendet oder unterschlagen, zu erholen.

[3, 9, § 9] 142. Wann er aber auf diese Art zu seiner Entschädigung nicht gelangen könnte, so stehet ihme anbeinebst frei, auf die von seinem Geld erkaufte Sache, wann sie noch bei dem Verkaufer, oder bei dem Kaufer, oder auch bei einem Dritten an dem Betrug theilhabenden Besitzer vorhändig wäre, greifen, und sich hieraus bezahlt machen zu können, in welchem Fall aber, und da er sich der erkauften Sache halten wollte, derselbe dem Verkaufer das etwan zum Theil noch

(3-156) ausständige Kaufgeld zu bezahlen schuldig, dahingegen einen dritten Besitzer, welcher die Sache auf rechtmäßige Weise an sich gebracht, anzugehen nicht befugt ist, außer insoweit, als dieser dem ersten Kaufer hierauf etwas herauszugeben hätte.

[3, 9, § 9] 143. Damit jedoch der Verkaufer das bedungene Kaufgeld mit Fug forderen möge, muß derselbe auch seines Orts den Contract erfüllet, und alles Dasjenige vollzohen haben, oder zu vollziehen bereit sein, zu wessen Leistung er sich in dem Contract verbunden hat; dann ansonsten stehet seiner Forderung die Einwendung wegen noch nicht befolgter Uebergabe, oder seinerseits ermanglender Erfüllung des Contracts entgegen.

[3, 9, § 9] 144. Es wäre dann, daß die verkaufte Sache vor deren Uebergabe durch Zufall, und ohne seiner Schuld oder Saumsal bei ihme verloren oder zu Grund gegangen wäre, in welchen Fall es eben also zu halten ist, als ob solche an dem Kaufer übergeben worden wäre, weilen den zufälligen Schaden der Kaufer allein zu tragen hat.

[3, 9, § 9] 145. Desgleichen muß die verkaufte Sache zur Zeit des forderenden Kaufgelds von allen darauf machenden Ansprüchen eines Dritten frei sein, in Widrigen aber, und da der Kaufer derowegen von einem Dritten allschon gerichtlich belanget worden, und also die Gefahr des Verlusts der Sache vorhanden wäre, ist derselbe befugt, den Kaufschilling bis zu Austrag des Stritts innenzuhalten, oder eine hinlängliche Verbürgung auf dem Fall, wann ihme durch Recht und Urtheil die Sache abgesprochen werden sollte, von dem Verkaufer abzuforderen, woferne nicht schon in dem Contract selbst diesfalls eine den Kaufer genüglich bedeckende Vorsehung geschehen wäre.

[3, 9, § 9] 146. Ferners muss auch keine rechtliche Ursach unterwalten, wegen welcher der Kaufer die Zernichtung des Contracts, oder die Verminderung des bedungenen Werths mit Grund anbegehren könnte, als da er über die Hälfte des rechten Werths verkürzet worden wäre, oder ein heimlicher Mangel hervorkäme, der die Sache ganz oder zum Theil unbrauchbar machte, dann all Jenes, was dem Kaufer ein Recht giebt, an dem Verkaufer zu forderen, giebt ihme auch das Recht sich wider dessen Forderung zu schützen.

[3, 9, § 9] 147. Doch ist der Kaufer in allen diesen Fällen, wo ihme die Befugnuß das Kaufgeld innenzuhalten zukommet, verbunden, entweder dem Verkaufer eine hinlängliche und ihme anständige Sicherheit des Kaufgelds halber auszuweisen, und solches von der Verfallzeit an bis zu Austrag der Sache zu verzinsen, oder in Ermanglung der Sicherheit dasselbe bei Gericht zur mittlerweiligen sicheren verzinslichen Ausleihung zu erlegen.

[3, 9, § 9] 148. Aus der Verbindlichkeit des Kaufers entspringet die wider denselben und seine Erben dem Verkaufer und dessen Erben gebührende Rechtsforderung zu Bezahlung des Kaufschillings mit denen davon vertagten Zinsen, und allen erweislich verursachten Schäden und Unkosten, und überhaupt zu Erfüllung der contractmäßigen Verbindlichkeit.

[3, 9, § 9] 149. Es ist aber auch bei dieser Rechtsforderung der Unterschied zwischen Käufen beweglicher Dingen, und jenen der liegenden Güter zu beobachten; in ersteren hat der Verkaufer bei entstehender Zahlung kein anderes Mittel, als diese Rechtsforderung, um zu seiner Befriedigung zu gelangen.

[3, 9, § 9] 150. Bei liegenden Gütern hingegen hat der Verkaufer diese persönliche Rechtsforderung nur in jenen Fällen nöthig, wann entweder der Kaufer nach geschlossenen Contract solchen in der gehörigen Form auszufertigen sich weigeret, oder da solcher auch schon ausgefertiget und einverleibet wäre, die darinnen zur Bedeckung des schuldigen Kaufgelds verschriebene ausdrückliche Hypothek zu seiner Befriedigung nicht zureichen würde.

(3-157) §. X.

[3, 9, § 10] 151. Gleichwie der Kauf- und Verkaufcontract auf beider Theilen Nutzen gleich abzielet, also erwachset auch hieraus auf beiden Seiten eine gleichmäßige Verfänglichkeit für die Gefährde, dann für die große und mittlere oder leichte Schuld.

[3, 9, § 10] 152. Es ist dahero der Verkaufer in Aufbehaltung und Verwahrung der verkauften Sache bis zu deren Uebergabe einen gleichen, und keinen größeren Fleiß und Sorgfalt, als in seinen eigenen Sachen anzuwenden schuldig, für die leichteste Schuld aber nur in jenen Fällen zu halten verbunden, wann er sich entweder ausdrücklich anheischig gemacht, oder sonst die Gefahr der Sache auf eine deren in hiernach folgenden §. beschriebenen Arten auf sich genommen hat.

[3, 9, § 10] 153. Dahingegen, wann der Kaufer sich saumig erzeigete das Kaufgeld zu entrichten, oder die verkaufte Sache von dem Verkaufer abzunehmen, wird dieser Letztere durch den Saumsal des Ersteren von der Verfänglichkeit für die leichte oder mittlere Schuld enthoben, und bleibet nur für die Gefährde und große Schuld verstricket.

§. XI.

[3, 9, § 11] 154. Den an der verkauften Sache vor deren Uebergabe ohne Schuld des Verkaufers sich ergebenden zufälligen Schaden, er bestehe gleich in Verringerung, oder Verlust oder Untergang derselben, hat der Kaufer allein zu tragen, sobald der Kauf mit beiderseitiger Einwilligung also beschlossen worden, daß aus der Handlung erhelle, was und wieviel, und um was für einen Werth verkaufet worden seie.

[3, 9, § 11] 155. Diese Regel hat sowohl bei beweglichen, als unbeweglichen Dingen in allen denjenigen Fällen statt, wo eine gewisse bestimmte Sache ohne Beifügung einer die Bündigkeit der Handlung bis zu ihrem Ausgang verschiebenden Bedingnuß verkaufet, oder auch der Kauf über mehrere Sache überhaupt und in Pausch und Bogen, oder nach dem Augenschein getroffen wird, wann gleich der Verkaufer sich das Eigenthum der verkauften Sache bis nach Bezahlung des Kaufgeldes, oder deren Heimfälligkeit auf einen gewissen Fall vorbehalten hätte, oder auch eine bestimmte Zeitfrist zur Uebergabe der Sache, oder zum Erlag des Kaufgeldes angesetzet worden wäre.

[3, 9, § 11] 156. Es ist dahero der Kaufer ohnerachtet die verkaufte Sache auch ganz und gar durch Zufall in Verlust gienge, oder entwendet würde, oder sonst zu Schaden käme, jegleichwohlen das bedungene Kaufgeld zu bezahlen schuldig; dagegen aber tritt derselbe nach dessen Entrichtung in das Recht des Verkaufers dergestalten ein, daß er die etwan noch ausfindig machende Sache von einem jedweden unrechtmäßigen Besitzer zuruckforderen, oder von Demjenigen, aus dessen Schuld oder Zuthat dieselbe beschädiget worden, den Ersatz des erweislichen Schadens anbegehren kann.

[3, 9, § 11] 157. Dieses jedoch leidet in folgenden Fällen eine Ausnahm, in welchen der Verkaufer allein den zufälligen Schaden zu tragen hat, und der Kaufer nicht allein von Bezahlung des Kaufgeldes enthoben, sondern auch, da er es schon erleget hätte, solches anwiederum zurückzuforderen berechtiget ist, als erstens, da der Verkaufer durch ein ausdrückliches Beding die Gefahr der Sache bis zu deren Uebergabe auf sich genommen hätte; zweitens, wann der Zufall aus einer vorhergehenden Gefährde, oder großen, oder auch leichten Schuld des Verkaufers erfolget wäre.

(3-158) [3, 9, § 11] 158. Drittens, wann der Verkaufer in Uebergebung der Sache, sich einen Saumsal zu Schulden kommen ließe, nach Maßgebung dessen, was davon im ersten Capitel, §. IX, num. 127, geordnet worden; es wäre dann, daß der Verkaufer durch die nachfolgende Anbietung der Sache seinen vorhergegangenen Saumsal von sich abgeleinet, der Kaufer aber solche anzunehmen verweigeret hätte, in welchem Fall der sich nachhero durch Zufall ergebende Verlust der Sache dem Kaufer zu Schaden gehet, weilen allemal auf den letzteren Saumsal zu sehen ist, woferne bei dem ersteren keine geflissentliche Gefährde mitunterwaltet.

[3, 9, § 11] 159. Viertens, wann die Sache schon zur Zeit des geschlossenen Kaufs mit einem heimlichen dem Kaufer nicht angezeigten, folglich ihme unbekannten Mangel behaftet gewesen wäre, wovon dieselbe vor oder bald nach der Uebergabe zu Grund gegangen. Also da bei einem verkauften Roß oder anderen Vieh der Mangel nachhero von denen der Sache erfahrenen Leuten, oder demjenigen Amt, deme die diesfällige Erkanntnuß oblieget, auf die in der hierunter bestimmenden Zeit bei der Gehörde davon zu machen habende Anzeige befunden würde, und solches binnen dreien Tagen von dem geschlossenen Kauf, es seie noch bei dem Verkaufer, oder auch schon bei dem Kaufer, umstünde, ist die rechtliche Vermuthung wider den Verkaufer, daß dessen Umfall aus dem vorhergehenden Mangel erfolget, woferne von ihme nicht das Widerspiel erwiesen werden kann.

[3, 9, § 11] 160. Fünftens, wann eine Sache nicht stuck-, sondern gattungsweise verkaufet wird, als z. B. ein Roß aus dem Stall oder Gestüt, ein Schaf aus der Heerde etc., ohne das Stuck besonders zu bestimmen; es wäre dann, daß mit Genehmhaltung des Verkaufers von dem Kaufer ein Stuck ausgewählet und bezeichnet, folglich schon an sich bestimmet worden wäre, dann die Bezeichnung wirket soviel, als die Uebergabe, oder daß es auch sonst aus den Umständen erhellete, daß die Handlung auf ein gewisses Stuck, und nicht auf die Gattung geschlossen worden.

[3, 9, § 11] 161. Sechstens, wann Sachen wechselweise, daß (!) ist diese oder jene von Mehreren verkaufet worden, und eine davon vor der beschehenen Auswahl, diese möge entweder nach der oben §. I, num. 8, enthaltenen Ausmessung dem Verkaufer, oder aus einem besonderen Beding dem Kaufer gebühren, darauf gegangen wäre, so ist der Verkaufer nichtsdestoweniger schuldig, die andere noch übrige Sache dem Kaufer auszufolgen.

[3, 9, § 11] 162. Wo aber beide vor der Auswahl, oder auch darnach die eine Ausgewählte durch Zufall zu Grund gienge, und in dem Fall, da die Auswahl dem Verkaufer zukäme, solche dem Kaufer vor dem sich ereigneten Zufall bedeutet worden wäre, so hat der Kaufer den Schaden zu tragen, und da beide vor der Auswahl vermisset wurden, das Kaufgeld für jene zu entrichten, welche zuletzt darauf gegangen.

[3, 9, § 11] 163. Siebentens, wann der Contract noch nicht zu seiner Vollständigkeit gelanget, sondern etwan nur ein Vertrag wegen des erst in Zukunft schließen wollenden Kaufs eingegangen, oder auch die Handlung also angestoßen worden, daß selbe nicht ehender bündig sein solle, bis nicht der Contract in einen schriftlichen Aufsatz gebracht, und von beiden Theilen ausgefertiget worden, die Sache aber noch vor Ausfertigung des Contractes verdorben, verloren, oder daraufgehen würde.

[3, 9, § 11] 164. Achtens, wann der Kauf unter einer ungewissen Bedingnuß geschlossen wird, und die Sache vor Ausgang der Bedingnuß verdorben, oder vernichtet wurde, ist der Schaden des Verkaufers; da sie aber nicht ganz, sondern nur zum Theil verdorben, und in ihrem Werth verringeret worden wäre, hat die nemliche Ausmessung statt, welche oben in zweiten Capitel, §. XII, von num. 130 bis 132, wegen einer noch vor Abschluß der Handlung zum Theil verdorbenen Sache vorgeschrieben worden.


(3-159) [3, 9, § 11] 165. Neuntens, wann Sachen nach ihrem Betrag, das ist nach der Maß, Zahl und Gewicht verkaufet werden, hat den hievon vor deren Abmessung, Abzählung, oder Abwiegung sich ergebenden zufälligen Schaden der Verkaufer zu tragen, wann gleich dieselbe von dem Kaufer verkostet oder bezeichnet worden wären.

[3, 9, § 11] 166. Es seie dann, daß entweder der Kaufer die Gefahr der Sache durch ein besonderes Beding auf sich genommen hätte, oder der Kauf überhaupt in Pausch und Bogen, als z. B. über einen Keller Wein, ein Waarenlager etc., ohne auf einen jeden Theil dieses Ganzen einen besonderen Preis zu bestimmen, geschlossen, oder die erkaufte Sache vor deren Abmessung, Abzählung, oder Abwiegung dem Kaufer übergeben, oder dieselbe nicht in sich selbst verdorben, sondern nur im Preis herabgefallen, mithin in ihrem Werth vermindert, oder endlich die zur vornehmenden Abmessung, Abzählung oder Abwiegung angesetzte, oder von dem Verkaufer erinnerte Zeit von dem Kaufer verabsaumet worden wäre, welchen letzteren Falls der Verkaufer nur für die Gefährde und große Schuld verfänglich bleibet.

[3, 9, § 11] 167. Da aber in die Zwischenzeit von dem geschlossenen Kauf und der Uebergabe eine von Uns etwan vorzunehmen nöthig findende Aenderung der Maß, oder des Gewichts einfiele, ist allemal auf die zur Zeit des Contracts üblich geweste Maß oder Gewicht zu sehen, also, daß weder der Verkaufer einen mehreren Betrag, als welcher nach der vorigen Maß oder Gewicht ausfallet, abzureichen, noch der Kaufer einen minderen anzunehmen schuldig ist.

[3, 9, § 11] 168. Zehentens, wann Getränke oder Eßwaaren unter dem ausdrücklichen Beding der vorherigen Verkostung gekaufet worden, kann der Kaufer, wann er solche bei der Verkostung ihme nicht anständig zu sein findet, noch allezeit von dem Kauf abstehen; umsomehr dahero fallet der vor deren Verkostung sich hievon eräußernde Schaden dem Verkaufer zu Last, obgleich die Fässer von dem Kaufer bezeichnet worden wären.

[3, 9, § 11] 169. Dahingegen nach dem bei der Verkostung einmal beangenehmten Kauf, hat der Kaufer die Gefahr der Eigenschaft oder Beschaffenheit zu tragen, als da der verkostete Wein nachhero sauer oder kamicht wurde; sowie andererseits der Verkaufer, da der Kauf zugleich nebst dem Beding der Verkostung, auch nach der Maß verabredet worden, ohnerachtet der von dem Kaufer genommenen Kost jegleichwohlen für den Verlust des Betrags bis zur erfolgten Zumessung zu stehen schuldig ist.

[3, 9, § 11] 170. Gleichwie aber außer vorbemelten ausgenommenen Fällen der Schaden dem Kaufer allein zu Last gehet, also gebühret ihme in Gegentheil auch alle aus der verkauften Sache von dem Tag des geschlossenen Kaufs abfallende wie immer Namen haben mögende Benutzung mit alleiniger Ausnahm derjenigen Nutzungen, welche nach dem obigen Aufsatz in §. VIII, von num. 96 bis 107, dem Verkaufer zu verbleiben haben; doch ist der Kaufer dagegen verbunden, dem Verkaufer alle nach geschlossenen Kauf auf die verkaufte Sache gemachte nothwendige und nutzliche Auslagen und Unkosten zu vergüten

§. XII.

[3, 9, § 12] 171. Aus der Natur des Kauf- und Verkaufcontracts, welcher seiner Wesenheit nach eine entgeltliche Handlung ist, entspringet ferners an Seiten des

(3-160) Verkaufers die Verbindlichkeit zu Leistung der Gewähr, welche nichts Anderes ist, als eine Verpflichtung zu Ersetzung des Schadens, welchen der Besitzer eines von

(3-161) Jemanden aus entgeltlicher Ursache an sich gebrachten Guts daher leidet, daß ihme solches wegen des einem Dritten daran zustehenden Rechts durch richterlichen Ausspruch ganz oder zum Theil entzohen worden.

[3, 9, § 12] 172. Die Schuldigkeit zur Leistung der Gewähr entstehet entweder aus einem besonders eingegangenen Beding oder Vertrag, wodurch Jemand sich darzu verbunden, oder wann auch derowegen ausdrücklich nichts bedungen worden, schon gleichsam stillschweigend aus der Natur und Eigenschaft gewisser Handlungen, worinnen die Billigkeit erforderet, daß Derjenige, der einer entgeltlich erworbenen Sache ohne seiner Schuld aus einer vorhergehenden Behaftung verlustiget wird, von dem Anderen derohalben schadlos gehalten werde.

[3, 9, § 12] 173. Von dieser Art sind alle entgeltliche Handlungen, wodurch Jemand Sachen gegen deme an sich bringet, daß er dafür hinwiederum etwas gebe, oder thue, als in Kaufen und Verkaufen, in Tauschcontract, in Annehmung an Zahlungs statt, in Theilungen der Erbschaften oder anderen gemeinen Gütern, in Mieth- und Pachtungen, in Erbzins-Contracten oder Handfesten, in Vergleichen und überhaupt in allen anderen Verträgen, worinnen eine Sache auf Jemanden entgeltlich übertragen wird.

[3, 9, § 12] 174. Dahingegen hat die Leistung der Gewähr in allen unentgeltlichen Handlungen, als in Schankungen und Vermächtnissen insgemein nicht statt; es seie dann, daß die Schankung aus einer vorhergegangenen, oder künftigen Ursache einer von dem Schenkenden sich dagegen ausbedungenen Gegenvergeltung geschehe, oder die geschenkte Sache zum Heirathgut gegeben, oder die Gewährleistung von dem Schenkenden ausdrücklich versprochen, oder auch wissentlich eine fremde Sache geschenket und der Andere, deme diese Beschaffenheit nicht bekannt ware, andurch in Schaden und Unkosten versetzet worden wäre. In welchen Fällen aber bei Vermächtnussen die Gewähr zu leisten seie, ist bereits in zweiten Theil seines Orts erwähnet worden.

[3, 9, § 12] 175. Wem dahero ein aus entgeltlicher Ursache an sich gebrachtes Gut von einem Dritten angestritten, und durch rechtliches Urtheil abgesprochen wird, hat sowohl für sich, als für seine Erben die Befugnuß den Anderen, von deme dasselbe unmittelbar auf ihn übertragen worden, um die Gewährsleistung zu belangen, niemalen aber den ersten Verkaufer oder Veräußerer derowegen anzufechten; woferne ihme nicht von dem zweiten Verkaufer, dessen an dem ersten habende Ansprüche namentlich abgetreten und überlassen worden.

[3, 9, § 12] 176. Jene in Gegentheil, welche ein Gut an jemanden Anderen verkaufen, oder aus einer von obermelten entgeltlichen Handlungen veräußeren, sind für sich und ihre Erben zur Gewährleistung verbunden, und wird ein solcher in Absicht auf den Besitzer des angestrittenen Guts eigentlich der Gewährsmann genennet; wo aber nach ihme mehrere Erben vorhanden, sind zwar alle zur Vertretung oder Schirmung vorzuladen, zur Schadloshaltung hingegen deren jeder nur nach Maß seines Erbantheiles verpflichtet.

[3, 9, § 12] 177. Es ist jedoch zur Gewährsverbindlichkeit erforderlich, daß der Verkaufer oder sonstige Veräußerer in seinem eigenen und keines Dritten Namen die Handlung abgeschlossen, und die Sache übergeben habe, dann wo es in Namen und anstatt eines Dritten geschehen wäre, lieget diesem und nicht dem Uebergebenden die Gewährleistung ob.

[3, 9, § 12] 178. Also da auf Anlangen der Glaubigeren ein verhypothecirtes Gut verkaufet wird, sind nicht die Glaubigere, sondern der Schuldner die Gewähr zu leisten schuldig, wann jene solche nicht ausdrücklich auf sich genommen haben; desgleichen können die Vormündere oder Gerhaben und Curatores, die Befehlshabere und Bevollmächtigte, und die Richtere bei öffentlichen Ausfeilungen in ihrem eigenen Namen wegen der Gewährleistung nicht besprochen werden, wann ihrerseits keine Gefährde oder Arglist bei der Handlung unterlaufet.

(3-162) [3, 9, § 12] 179. Nicht weniger sind die Gewährsbürgen, wann deren einige gestellet worden, und ihre Erben zur Gewährsleistung verbunden, in welchem Fall zwar der Verkaufer oder Veräußerer zur Vertretung oder Schirmung vorzuladen; um den Ersatz des Schadens aber, welchen der Kaufer durch Verlust der einem Dritten zuerkannten Sache erleidet, allemal die Bürgen oder deren Erben vor dem Verkaufer oder Veräußerer zu belangen sind, woferne dieselbe sich nicht bloß allein zu Schadlosbürgen bestellet hätten.

[3, 9, § 12] 180. Diese Verbindlichkeit ab Seiten der Gewährsbürgen erstrecket sich soweit, daß, wann sie auch wirklich eine obschon vor der Bürgschaft nicht vorgesehene rechtsgegründete Forderung an dem veräußerten Gut, dessen Gewähr dieselbe verbürget haben, von einem Dritten überkämen, sie jegleichwohlen den Kaufer oder Besitzer, deme von ihnen die Bürgschaft geleistet worden, derowegen anzufechten nicht befugt sind, sondern sich ihres Schadens halber an den Verkaufer oder Veräußerer, für den sie gutgestanden, zu erhohlen haben.

[3, 9, § 12] 181. Welches auch von denen Erben der Gewährsbürgen in jenem Fall zu verstehen ist, wann die Ansprüche an dem verkauften Gut durch Erbanfall von denen Bürgen auf sie gediehen wären, nicht aber, da denenselben solche aus eigenem Recht zuständen, dann solchen Falls ist ihnen zwar nicht verwehret, ihre Ansprüche auf das verkaufte Gut auszuführen, nichtsdestoweniger aber bleiben sie in der Verbindlichkeit den Kaufer wegen Verlust der Sache nach Kräften der Erbschaft zu entschädigen, doch allemal mit Vorbehalt der Wiedererhohlung an den Verkaufer.

[3, 9, § 12] 182. Umsoweniger kann der Verkaufer, oder dessen Erben, oder auch ein Anderer, auf welchen eine derlei Forderung übertragen worden wäre, wegen eines nach der Hand hervorkommenden, oder von weme immer erwerbenden Anspruchs das einmal verkaufte Gut anstreiten, sondern es stehet ihme jederzeit die Einrede des verkauften und übergebenen Guts entgegen; dann Derjenige, von deme die Gewährsleistung geforderet werden kann, wird umsomehr mit seinem Anspruch an dem verkauften Gut durch diese Einrede abgewiesen.

[3, 9, § 12] 183. Es wäre dann, daß er das Gut nicht in seinem, sondern eines Dritten Namen verkaufet, oder daß er es zwar in seinem Namen verkaufet hätte, bei dem von einem Dritten erregenden Anspruch aber solchen in dessen Vollmacht verführen wollte, oder auch, daß demselben eine aus der Kaufhandlung selbst entspringende Befugnuß gebührete, das verkaufte Gut zuruckzuhalten, oder zuruckzuforderen, als da das Kaufgeld weder bezahlet, noch geborget, oder wegen nicht bezahlten Kaufgelds, die Heimfälligkeit des verkauften Guts bedungen worden, oder sonst der Kauf an sich null und nichtig wäre.

[3, 9, § 12] 184. Da aber außer diesen Fällen der Verkaufer einen Anspruch an dem verkauften Gut machen würde, so stehet dem Kaufer frei, ob er sich mit der obigen Einwendung schützen, oder gegen der ihme aus der Gewährsverbindlichkeit zu leisten habenden vollkommenen Entschädigung das Gut fahren lassen wolle.

[3, 9, § 12] 185. Die Leistung der Gewähr hat insgemein nur bei unbeweglichen und unkörperlichen Dingen, nicht aber auch bei beweglichen Sachen statt; dann entweder bringet Jemand eine fremde bewegliche Sache durch entgeltliche Handlung mit guten Glauben auf rechtmäßige Art an sich, und solchen Falls kann er derowegen nicht mehr angefochten werden, oder er weiß dieselbe fremd zu sein, und könnte auch dieser Wissenschaft halber überführet werden, und in diesem Fall hat er sich auf seine eigene Gefahr in die Handlung eingelassen, woferne der Gewährsmann sich nicht ausdrücklich zur Entschädigung verpflichtet hätte.

[3, 9, § 12] 186. Bei liegenden Gütern hingegen kann die Gewährsleistung in allen denenjenigen Fällen geforderet werden, wann das verkaufte Gut von einem Dritten ganz oder zum Theil, oder auch ein solches Recht an demselben angestritten wird, ohne welchem der Besitzer zu dem vollen Eigenthum nicht gelangen könnte, oder welches in dem Contract namentlich mitverkaufet worden.

(3-163) [3, 9, § 12] 187. Dahero ist der Gewährsmann für die dem verkauften Gut von den nachbarlichen Grund Zeit seines Besitzes geleistete Dienstbarkeiten zu stehen nicht verbunden, wann er solche nicht ausdrücklich mitverkaufet hat, wohl aber ist derselbe für die dem verkauften Gut aufbürden wollende Dienstbarkeiten die Gewähr zu leisten schuldig, wann solches von ihme für frei verkaufet worden.

[3, 9, § 12] 188. Dieses verstehet sich jedoch nur von denenjenigen Rechten, welche aus Handlungen deren Privatpersonen gebühren; dann so viel es die Uns von dem verkauften Gut zu entrichten kommende Steuern anbetrifft, sie mögen schon vorhin gewöhnlich gewesen sein, oder erst neu angeleget werden, so höret derowegen alle Gewährleistung auf, wann gleich das Gut für steuerfrei verkaufet worden wäre.

[3, 9, § 12] 189. Desgleichen kann die Gewährsleistung bei einen bloß nach dem Augenschein in seinen Rainen und Grenzen ohne Anschlag des Betrags verkauften Gut in jenem Fall nicht angesuchet werden, wann die Rainen und Grenzen nachhero angestritten werden; es seie dann, daß solche von dem Verkaufer ordentlich ausgewiesen, oder auch ein Anschlag, worauf der Contract geschlossen worden, verabfasset worden wäre.

[3, 9, § 12] 190. Was aber dem Kaufer an denen ihme von dem Verkaufer in dem Contract zugesagten Zugehörungen abgehet, zu dessen Erlangung bedarf er keiner Gewähr, sondern es ist schon die aus dem Contract gebührende Forderung hierauf gerichtet, dann die Gewähr kann nur damals anbegehret werden, wann das übergebene Gut ganz oder zum Theil von einem Dritten angesprochen wird; inwieweit sich aber bei unkörperlichen Dingen, als Rechten und Forderungen die Verbindlichkeit zur Gewährsleistung erstrecke, wird in dreiundzwanzigten Capitel, §. IV, abgehandlet werden.

[3, 9, § 12] 191. Die Gewährsverbindlichkeit hat zweierlei Wirkungen, als erstens, daß der Gewährsmann den Besitzer wider die Ansprüche eines Dritten bei Gericht auf eigene Unkosten vertreten, schirmen und vertheidigen müsse, und zweitens, daß derselbe, wann ohnerachtet seiner vorgebrachten Behelfen die angestrittene Sache einem Dritten zugesprochen würde, den Besitzer schadlos zu halten schuldig seie.

[3, 9, § 12] 192. Damit aber der Gewährsmann zu Leistung so des Einen, wie des Anderen mit Fug angegangen werden möge, müssen nachfolgende Erfordernussen hinzutreten, als erstens, daß der Kaufer die wegen des verkauften Guts von einem Dritten erhobene Klage binnen vierzehen Tägen von der ihme zugekommenen Ladung oder Beschickung dem Verkaufer gerichtlich ankündige, und auf ihn eine Ladung zu dem Ende auswirke, damit er ihn bei Gericht wider Klägers Anspruch vertrete, die Klage möge auf das Eigenthum, oder auch nur auf den Besitz gerichtet sein.

[3, 9, § 12] 193. Ingleichen ist diese Ankündigung in jenem Fall nothwendig, wann zwar kein Rechtsstritt des verkauften Guts halber erreget, sondern wegen einer darauf haftenden an dem Kaufschilling nicht ausgewiesenen Forderung von einem Dritten die Execution in das verkaufte Gut verführet würde.

[3, 9, § 12] 194. Welchen Falls der Kaufer gleichermaßen binnen vierzehen Tagen von dem ausgewirkten ersten Grad der Execution dem Verkaufer dessen Ankündigung zu thuen hat; daferne aber der Verkaufer binnen denen nächsten vierzehen Tagen von der ihme zugestellten Ankündigung weder etwas Rechtserhebliches wider die angestrengte Execution einbringen, noch das Gut von der Forderung befreien würde, ist zu unterscheiden, ob der Kaufer noch einige, auf keine sonderheitlich ausgedruckte Gewährsfälle, weder sonst zu irgend einer anderen Verwendung ausgewiesene, dem Verkaufer hinauszuzahlen habende Kaufgelder, welche zu Abstoßung dieser Schuld hinreichend wären, in Handen habe oder nicht.

[3, 9, § 12] 195. Ersteren Falls lieget ihme ob, die auf dem verkauften Gut haftende Schuld abzutragen, und andurch die weitere Execution abzuwenden, das Hinausbezahlte aber an dem Kaufgeld abzurechnen, wo in Widrigen, und da derselbe wegen verzögerter Zahlung es auf den letzten Grad der Execution ankommen ließe,

(3-164) und dadurch des Guts verlustiget würde, er den Verlust des Guts seiner eigenen Schuld beizumessen hat, daß er Dasjenige nicht vorgekehret habe, was in seiner Macht gestanden, um das Gut zu erhalten; letzteren Falls aber ist ihme der Verkaufer die vollkommene Entschädigung, wie in einem jedweden anderen Gewährsfall zu leisten schuldig.

[3, 9, § 12] 196. Wiewohlen aber also ein Gewährsmann insgemein nur zur Vertheidigung und Vertretung des Kaufers, nicht aber selbst den Kläger abzugeben verpflichtet ist, so ist jedoch der Fall davon ausgenommen, wann die Vertheidigung auf keine andere Art, als durch die Nothwendigkeit zu klagen bewirket werden kann, als da es sich ergäbe, daß ein Dritter wegen seines Anspruchs an dem verkauften Gut den Kaufer nicht klagen wollte, sondern ihn nur außergerichtlich durch Thathandlungen in dem Besitz beunruhigen, oder auch gar aus dem Besitz setzen würde, also zwar, daß der Kaufer selbst zu klagen bemüßiget wäre.

[3, 9, § 12] 197. In diesem Fall ist der Kaufer ebensowohl, als ob er selbst geklaget würde, befugt, dem Verkaufer die bevorstehende Nothwendigkeit der einzubringen habenden Klage anzukündigen, und hierinnen seinen ihme zu leisten schuldigen Beistand anzubegehren.

[3, 9, § 12] 198. Die Ankündigung hat die Wirkung, daß der Gewährsmann den Kaufer bei derjenigen Gerichtsstelle, wo die Klage angebracht wird, zu vertreten, oder da er eine rechtserhebliche Ursache, wegen welcher derselbe von der Gewährsverbindlichkeit enthoben zu sein vermeinete, dagegen einzuwenden hätte, solche binnen denen nächsten vierzehen Tägen von der ihme zugestellten Ankündigung bei eben diesem Gerichtsstand einzubringen schuldig seie, worüber das Gericht auf das Schleunigste zu verfahren, und ob ein Gewährsfall vorhanden seie oder nicht, zu erkennen hat.

[3, 9, § 12] 199. Indessen jedoch, und bis diese Erkanntnuß nicht erfolget, oder der Gewährsmann sonst die Vertretung nicht gutwillig auf sich genommen, solle die Strittsache zwischen dem Dritten und dem Kaufer allwegs ihren ohnausgesetzten Fortgang haben, und der Kaufer in denen anberaumten Fallfristen seine Nothdurftshandlung zu verführen, folglich das Gut nach Möglichkeit auf Gefahr des Verkaufers wider die Ansprüche des Dritten zu vertheidigen gehalten sein.

[3, 9, § 12] 200. Sobald aber, als der Gewährsmann die Vertretung des Beklagten auf sich genommen, und sich auf die Klage eingelassen, ist der Beklagte von aller weiteren Rechtstheidigung enthoben, und der Verkaufer allein schuldig, in eigenen Namen, und auf seine Unkosten den Rechtsstritt auszuführen.

[3, 9, § 12] 201. Doch stehet ihme die nemliche Befugnuß, wie dem letzteren Kaufer zu, den wider das Gut erhobenen Anspruch anwiederum seinem Gewährsmann, da er einen hätte, anzukündigen, und dessen Vertretung abzuheischen, also daß sich allemal der nachfolgende Besitzer des vorhergegangenen zu halten hat, wann dieser nach Beschaffenheit der Handlung, oder selbsteigenen Verbindung zur Gewährleistung verpflichtet, und diese noch nicht verjähret, oder sonst in andere Wege aufgehoben ist, folglich man gleichsam stufenweis bis auf jenen deren vorigen Besitzeren gelangen kann, von dessen Besitzzeit der Anspruch eines Dritten hergeleitet wird.

[3, 9, § 12] 202. Würde aber der Gewährsmann keine zu Recht bestehende Entschuldigungsursache, warumen er von der Gewährleistung befreiet zu sein glaubete, bei Gericht einbringen, oder die Vertretung gar verweigeren, und dergestalten den Kaufer in Vertheidigung des Guts hilflos und ohne Beistand lassen, in solchen Fall muß zwar der Kaufer den Rechtsstritt wider Klägern, so gut er kann, fortsetzen; der Gewährsmann hingegen bleibet in der Verbindlichkeit, nicht allein den Kaufer, da er sachfällig wurde, nach der hier unten folgenden Ausmessung schadlos zu halten, sondern auch auf dem Fall, da er das Gut behauptete, ihme die auf den Rechtsstritt ausgelegte erweisliche Unkosten, wann deren Vergütung in der richterlichen Erkanntnuß dem sachfälligen Theil nicht auferleget worden wäre, zu ersetzen.

[3, 9, § 12] 203. Dem Gewährsmann bleibet hingegen unverwehret, solange die in Unserer

(3-165) Gerichtsordnung zur Beweisführung und Nothdurftshandlung vorgeschriebene Zeit annoch fürwähret, und ehe und bevor die in Sachen verhandlete beiderseitige Acten geschlossen werden, in den Rechtsstritt einzutreten, und die Vertheidigung der Sache in denjenigen Stand, worinnen sich der Rechtsstritt zur Zeit seiner Eintretung befindet, auf sich zu nehmen; nach geschlossenen Acten aber ist derselbe nicht mehr zuzulassen.

[3, 9, § 12] 204. Zweitens wird zur Gewährsverbindlichkeit erforderet, daß dem Kaufer das Gut ganz oder zum Theil durch Urtheil und Recht aberkannt, und entweder bereits abgenommen, oder doch wenigstens aus dem in Rechtskräften erwachsenen Urtheil die andringende Execution zu besorgen seie. Dahero kann der Kaufer keine Gewähr suchen, wann er das Gut vor dem Urtheil freiwillig hingegeben, oder sich mit Klägern darüber verglichen, oder dasselbe sonst durch willkürliche Erwählung einer schiedsrichterlichen Erkanntnuß, oder durch Unglücksfälle, oder durch eine größere Gewalt verloren hätte; dann wider Gewalt ist Niemand zu gewähren schuldig.

[3, 9, § 12] 205. In jenem Fall aber, da ein Gut von Uns eingezohen würde, ist zu unterscheiden, ob dessen Einziehung aus einem Uns hieran schon vor dem Kauf gebührenden Rechtsanspruch, oder aber aus landesfürstlicher Machtsvollkommenheit, da es die gemeinsame Wohlfahrt des Staats erforderete, verhänget worden. Ersteren Falls sein Wir gnädigst gemeinet Unsere eigene Rechtsansprüche auf die Güter Unserer Unterthanen, wo deshalben keine besondere Ausnahm geordnet ist, nach diesen unseren Gesetzen beurtheilen zu lassen, folglich hat die Gewähr ebensowohl statt, als ob das verkaufte Gut von jedweden Anderen angesprochen worden wäre; letzteren Falls hingegen ist der Verkaufer von der Schuldigkeit der Gewährleistung befreiet.

[3, 9, § 12] 206. Es wäre dann, daß derselbe sich auf diesen Fall ausdrücklich darzu verbunden hätte, oder seinerseits eine geflissentliche Gefährde unterwaltete, als da ihme vor der abgeschlossenen Handlung die bevorstehende Einziehung wohl bekannt gewesen wäre, oder daß endlich auch der verkaufte Grund zwar nach getroffenen Kauf, aber noch vor dessen Uebergabe eingezohen würde, welchen Falls jedoch der Verkaufer bloß allein zur Zuruckstellung des empfangenen Kaufschillings, und außerdeme zu keiner mehreren Schadloshaltung des Kaufers verpflichtet ist.

[3, 9, § 12] 207. Drittens ist erforderlich, daß das Gut dem Kaufer aus einer vor seinem Besitz vorhergegangenen Ursache abgesprochen werde; dann die künftige nach dem geschlossenen Kauf sich ergebende Fälle schaden dem Kaufer und nicht dem Verkaufer. Es muß aber diese Ursache aus einer verbindlichen Handlung des Letzteren, oder eines weiteren Gewährsmannes, wodurch er das Gut einem Dritten verfänglich gemacht hat, und nicht etwan aus einer ohne Schuld des Verkaufers dem Gut anklebenden Eigenschaft ihren Ursprung herleiten.

[3, 9, § 12] 208. Dahero, wann das verkaufte Gut aus freundschaftlichen Einstandsrecht, oder einem sonstigen, Jemanden gebührenden rechtlichen Näherkauf von einem Dritten an sich gezohen wird, oder da ein in brüderlicher Theilung übernommenes Lehen nach Abgang des Besitzers auf die rechtmäßige Lehenserben zuruckfiele, ist der Verkaufer oder der andere Miterb zu keiner Gewährleistung verbunden, insoferne derselbe nicht ausdrücklich das Gut von einer solchen Eigenschaft frei zu sein gewähret, oder auf einen dergleichen sich ergebenden Fall die Gewährleistung namentlich angelobet hätte.

[3, 9, § 12] 209. In Gegentheil hat die Gewährleistung statt, wann das Gut aus einem zwar vor geschlossenen Kauf bedingten, aber noch vor Einverleibung des Kaufcontracts in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher gediehenen Näherkauf oder Wiederkauf angestritten würde; dann gleichwie solchenfalls die Ursache des Anspruchs aus der Verbindung des Gewährsmanns ihren Ursprung hat, also ist auch dieser mit der Gewähr allerdings dafür zu haften schuldig.

(3-166) [3, 9, § 12] 210. Viertens ist nothwendig, daß der Kaufer aus dem stärkeren Recht des Klägers, und nicht aus seiner selbsteigenen Schuld sachfällig werde; es machet sich aber Beklagter einer Schuld auf zweierlei Art verfänglich, nemlich einerseits in der Ausübung, als da er ein Gut wider den Verbot Unserer Gesetze erkaufet, oder das Gut vor dem Kauf fremd oder behaftet zu sein wohl gewußt, oder den Verkaufer durch ein ausdrückliches Beding von der Gewährleistung losgezählet, oder auch dem Kläger selbst willkürlich den entscheidenden Eid aufgetragen, oder endlich zur Klage selbst den Anlaß gegeben hätte.

[3, 9, § 12] 211. Und andererseits in der Unterlassung dessen, was ihme zu thuen obgelegen wäre, als da derselbe die erhobene Klage seinem Gewährsmann nicht angekündiget, oder da auch auf die geschehene Ankündigung der Gewährsmann sich zur Vertretung nicht würde haben verstehen wollen, eine ihme wohlbekannte rechtserhebliche Einrede wider die Klage einzuwenden, oder von der auf den oberen Richter mittelst der Appellation oder Revision, welche er jedoch einzuwenden nicht schuldig ist, angemeldeten Berufung ohne Ursach abgelassen, oder wegen seines Ungehorsams wider sich ein erstandenes Recht ergehen, oder die rechtlich ausgesetzte Fallfristen verstreichen lassen, und überhaupt Dasjenige nicht beobachtet hätte, was die rechtliche Ordnung in Vertheidigung der Sache vorzukehren erheischet.

[3, 9, § 12] 212. Bei Zusammentreffung aller dieser vorbeschriebenen Erfordernussen hat die Gewährsverbindlichkeit, sie möge aus einem Beding, oder aus der Natur der Handlung gebühren, ihre vollkommene Wirkung, und verpflichtet den Gewährsmann zur gänzlichen Entschädigung des Besitzers, welcher auf gleichbemelte Art und Weis des auf ihn übertragenen Guts verlustiget worden.

[3, 9, § 12] 213. Diese Schadloshaltung bestehet so ein als anderen Falls nicht allein in Wiedererstattung des Werths, sondern noch darüber in dem achten Theil dessen, was die verlorene Sache zur Zeit des Contracts gegolten hat, nebst Ersetzung aller durch den Rechtsstritt verursachten erweislichen Gerichtsschäden und Unkosten.

[3, 9, § 12] 214. Der Werth, wann solcher nicht, wie bei Käufen, schon an sich gewiß und bestimmet ist, solle bei anderen entgeltlichen Handlungen allemal in Rucksicht auf die Zeit des Contracts ausgemessen, und entweder mittelst gerichtlicher Schätzung, oder da die Gestalt der Sachen sich von Zeit des Contracts also geänderet hätte, daß der damalige Werth durch den Weg der Schätzung nicht verläßlich erforschet werden könnte, mittelst des Eides der Wahrheit erwiesen werden.

[3, 9, § 12] 215. Der achte Theil aber, welchen der Gewährsmann über Erlag des Werths mit allen Gerichtsschäden und Unkosten zu entrichten schuldig ist, gebühret zur Vergeltung des durch Verlust der Sache dem Besitzer entgangenen Nutzens und entstandenen Schadens dergestalten, daß darüber keine weitere Beweisführung, noch eine mehrere Forderung deshalben zugelassen werden solle, sondern der Besitzer sich darmit zu begnügen hat, wann gleich das Beding der Gewähr auf einen höheren Betrag eingegangen worden wäre; doch ist denen Contrahenten unverwehret, die Gewährsschuldigkeit auf eine mindere Summe herabzusetzen.

[3, 9, § 12] 216. Diese Entschädigung muß in Ermanglung eines besonderen Bedings mit der nemlichen Rechtsforderung, welche aus demjenigen Contract gebühret, wodurch das verlustigte Gut übertragen worden, gesuchet werden, und daferne der gewährsuchende Theil entweder das Kaufgeld, oder sonst etwas, was derselbe dem Gewährsmann aus dem Contract zu leisten schuldig gewesen wäre, annoch in Händen hätte, kann derselbe es zuruckhalten, und wann der Contract schon einverleibet wäre, sich mittelst eines gerichtlichen Kummer und Verbots bis zu Austrag der Sache hieran verwahren.

[3, 9, § 12] 217. Wo aber die Gewährleistung in dem Contract ausdrücklich bedungen worden wäre, ist zu unterscheiden, ob darinnen gewisse Gewährsgelder zur Sicherheit ausgewiesen, und dem Besitzer in Handen gelassen, wie auch beinebst auf dem

(3-167) Fall der Verlustigung des Guts eine besondere Hypothek, woran sich des Schadens halber zu erholen wäre, verschrieben worden oder nicht.

[3, 9, § 12] 218. Ersteren Falls, wann der Contract einverleibet ist, bedarf der gewährsuchende Theil keiner Rechtsforderung, sondern derselbe kann nach vorläufiger Darzeigung oder Liquidirung des ihme aus der Gewährsverbindlichkeit nach obiger Ausmessung gebührenden Betrags, worüber mit der richterlichen Erkanntnuß schleunig fürzugehen ist, sofort die gerichtliche Einweisung deren ihme in Handen gelassenen Gewährsgeldern, insoweit solche zu seiner Befriedigung zureichen, anbegehren, und dergestalten durch die Gegenvergeltung seine Entschädigung erlangen, wegen des übrigen Betrags hingegen die Execution in die ihme verschriebene Hypothek verführen.

[3, 9, § 12] 219. Letzteren Falls aber, oder wo auch der Contract zur Einverleibung nicht gelanget wäre, hat er kein anderes Mittel, als nach Maß des getroffenen Bedings die ihme hieraus zukommende persönliche Rechtsforderung wider den Gewährsmann anzustrengen, und andurch seine Entschädigung zu erhalten.

[3, 9, § 12] 220. Die Gewährsverbindlichkeit, welche aus der Natur der Handlung entstehet, daueret so lang, als sich das Gut bei dem Besitzer, auf den es übertragen worden, nicht verjähret hat, wann sie von denen Contrahenten nicht namentlich auf eine kürzere Zeit beschränket worden. Nach vollendeter Verjährungszeit aber ist der Gewährsmann von allem Anspruch der Gewähr halber frei und ledig; was jedoch für eine Zeit zur Verjährung eines Guts nach Verschiedenheit der Fällen erforderet werde, ist bereits in zweiten Theil erkläret worden.

[3, 9, § 12] 221. Dieses aber ist lediglich von jenem Fall zu verstehen, wann der Besitzer unter dieser Zeit nicht angefochten worden, obgleich derselbe wider die erst nach erfüllter Verjährungszeit erhobene Klage sich mit der Verjährungseinrede zu schützen unterlassen hätte; dahingegen woferne vor Ausgang der Verjährung der Gewährsfall sich ereignen, und er binnen drei Jahren von dem Tag des in Rechtskräften erwachsenen Urtheils seinen Gewährsmann der Gewähr halber nicht vornehmen würde, erlöschet die Gewährsverbindlichkeit.

[3, 9, § 12] 222. Eine gleichmäßige Zeitfrist von drei Jahren setzen Wir auch für die bedungene Gewährleistung dergestalten aus, daß nach Verlauf dieser Zeit von dem Tag des einverleibten Contracts weder die ausgewiesene Gewährgelder länger zuruckgehalten, noch an der verschriebenen Hypothek ein weiteres Recht gesuchet werden könne, sondern gleichwie diese nach verflossenen drei Jahren ohneweiters von selbsten erlöschet, also ist auch der Gewährsmann befugt die zurückgelassene Gewährsgelder einzuforderen.

[3, 9, § 12] 223. Es wäre dann, daß der unter dieser Zeit erhobene Rechtsstritt über das Gut noch nicht geendiget, oder die wirkliche Gewährsforderung schon vor Ausgang dieser drei Jahren rechtsanhängig gemacht worden wäre; Wir gestatten jedoch gnädigst, daß wo zu Verjährung eines Guts eine längere, als die obbestimmte dreijährige Zeit erforderlich wäre, auch nach Erlöschung der bedungenen die aus der Natur der Handlung zustehende Gewährleistung jegleichwohlen noch allemal statthaben solle.

§. XIII.

[3, 9, § 13] 224. Bei Käufen und Verkäufen pflegen nach Willkür deren Contrahenten allerlei Bedinge oder Nebenverträge beigesetzet zu werden, welche, insoferne sie

(3-168) nichts wider Unsere Gesetze enthalten, ebenso giltig und rechtsbündig sind, als der Contract sel(b)st.

[3, 9, § 13] 225. Diese Bedinge sind von zweierlei Gattung; dann entweder sind sie mit dem Wesentlichen des Contracts vereinbarlich, und erhalten den Contract bei seiner Eigenschaft, oder sie änderen dessen Wesenheit ab, und geben ihme die Gestalt desjenigen Geschäfts, deme sie in ihrer Art beikommen. Als da bedungen würde, daß kein Kaufgeld, sonderen etwas Anderes für die Waare gegeben, oder daß das Eigenthum der verkauften Sache bei dem Verkaufer verbleiben solle, ist es kein Kauf, sondern ein Tausch-, Miethungs-, oder ein anderer unbenannter Contract.

[3, 9, § 13] 226. Die mit der Wesenheit des Kaufcontracts vereinbarliche Bedinge sind von dreierlei Art; dann entweder sind dieselbe auf die Bestätigung und Gestaltung des Contracts gerichtet, als das Beding der Gewährleistung, wovon in dem gleichvorhergehenden §. bereits gehandlet worden, das Haftgeld, der Reukauf oder das Reugeld, die Beifügung eines gewissen Tags, einer Bedingnuß oder der Weis, wann und wie der Kaufcontract zu seiner Erfüllung gelangen solle.

[3, 9, § 13] 227. Oder sie zielen auf die Errichtung eines neuen Contracts ab, als das Beding des Wiederkaufs, des Einstandrechts, oder Vor- oder Näherkaufs, oder aber auf die gänzliche Auflösung und Vernichtung der geschlossenen Handlung, als die Beschränkung des Kaufs auf einen gewissen bestimmten Tag, das Beding des Ruckfalls der verkauften Sache, und überhaupt alle diejenige Bedinge, wodurch mit beiderseitiger Willkür von dem geschlossenen Kauf anwiederum abgegangen wird.

[3, 9, § 13] 228. Die auslösende Bedinge haben nach verschiedener Gesinnung deren Contrahenten zweierlei Wirkung; dann entweder wird andurch die Handlung für die Zeit des getroffenen Contracts dergestalten ausgelöset, daß solche auf den bedungenen Fall für niemals geschlossen zu achten seie, und die Sache in denjenigen Stand, wie selbe zur Zeit der angefangenen Handlung gewesen, versetzet werde, folglich auch beide Contrahenten die vollkommene Wiedererstattung alles dessen, was Einer von dem Anderen von Zeit des errichteten Contracts empfangen, einander zu leisten haben.

[3, 9, § 13] 229. Oder die Handlung wird durch das beigeruckte Beding nur für die Zeit des bestimmten Erfolgs ausgelöset, und in diesem Fall behält der Kaufer alle aus der verkauften Sache bis dahin behobene Früchten und Nutzungen, sowie andererseits der Verkaufer die von dem empfangenen Kaufgeld bis auf den Tag der Auflösung abfallende Zinsen.

[3, 9, § 13] 230. Von ersterer Art ist das Beding der Beschränkung des Kaufs auf einen bestimmten Tag, und des Ruckfalls der verkauften Sache, von letzterer Art aber alle diejenige Bedinge, wodurch der geschlossene Kauf mit beider Contrahenten gutwilliger Vereinigung anwiederum aufgehoben wird, wann sonst nicht ausdrücklich dabei verabredet worden, daß die Auflösung auf die erstere Art geschehen solle. Von allen diesen Bedingen wird ein jedes insonderheit hier und in folgenden §§. erkläret werden.

[3, 9, § 13] 231. Unter denen auf die Bestätigung und Gestaltung des Contracts gerichteten Bedingen ist das erste das Haftgeld. Dieses ist eine freiwillige Angabe, welche entweder zur Zeugniß des festen Willens und Vorsatzes den Contract zu schließen, oder zu mehrerer Bekräftigung des schon geschlossenen Contracts, und der beiderseitigen gutwilligen Vereinigung über die vorgehabte Handlung abgereichet wird.

[3, 9, § 13] 232. Solches pfleget zwar insgemein von dem Kaufer dem Verkaufer gegeben zu werden, es ist aber auch diesem unverwehret, ein Haftgeld dem Kaufer zu

(3-169) reichen, und hat dasselbe überhaupt bei allen Contracten und Verträgen statt, woraus ein Theil dem anderen etwas zu leisten hat.

[3, 9, § 13] 233. Es kann entweder in baarem Geld, oder auch in anderen handelbaren Dingen und nach Gefallen deren Contrahenten in einem mehreren oder wenigeren Betrag bestehen, wann nur auf dem Fall der sich zerschlagenden Handlung Dasjenige, was der eine Theil dabei verlieret, und der andere gewinnet, den achten Theil des Werths der Sache, um die es sich handlet, nicht übersteiget.

[3, 9, § 13] 234. Wäre ein Haftgeld bedungen worden, und der darzu verpflichtete Theil würde in dessen Entrichtung saumig sein, kann solches der andere auch noch vor zu Stand gebrachten Contract von ihme einforderen; ist es aber wirklich abgereichet, und die Handlung hierauf geschlossen worden, so heißet es eigentlich ein Angeld, und ist in den Kaufschilling, oder die sonstige aus dem Contract zu leisten schuldige Gebühr einzurechnen, woferne deshalben nichts Anderes verabredet worden wäre.

[3, 9, § 13] 235. Dann vornehmlich ist auch jenes zu sehen, wessen sich die Contrahenten des Haftgelds halber auf diesen oder jenen Fall untereinander verglichen haben. Daferne aber zwischen ihnen derowegen nichts ausgemacht worden, und der Schluß der Handlung, wegen welcher ein Haftgeld gegeben worden, erfolgte nicht, so ist zu unterscheiden, ob die Handlung aus Zufall, oder mit beiderseitiger Einverständnuß, oder aus Schuld des einen oder anderen Theils unterbrochen werde.

[3, 9, § 13] 236. Zerschlaget sich dieselbe durch Zufall, oder mit beider Theilen Willen, so ist das Haftgeld dem Gebenden zuruckzustellen. Unterliefe aber ein oder anderseitige Schuld, oder ein Theil wollte sonst die angestoßene Handlung abbrechen, so verlieret der abweichende Dasjenige, was er zum Haftgeld gegeben; gleichwie dagegen, wann er ein Haftgeld genommen, derselbe über die Wiedererstattung des Empfangenen noch zur Strafe einen einfachen Betrag dem anderen Theil zu erlegen schuldig ist.

[3, 9, § 13] 237. Doch verstehet es sich allemal dahin, daß weder das dem Nehmenden anheim fallende Haftgeld, noch das, was über Zuruckstellung des Empfangenen dem Gebenden hinausbezahlet wird, sich über den achten Theil des Werths der Sache, warum es sich gehandelt hat, belaufen solle, sondern da das gegebene Haftgeld solchen übersteigen würde, ist ersteren Falls die Uebermaß herauszugeben, letzteren Falls aber der eine zur Strafe zu erlegen schuldige einfache Betrag hienach abzumessen.

[3, 9, § 13] 238,. Wann hingegen das Haftgeld nach schon geschlossener Handlung gegeben würde, kommet es auf den Unterschied an, ob es zu mehrerer Bekräftigung und Festhaltung des getroffenen Contracts als ein Angeld, oder aber in der Gestalt und Eigenschaft eines Reukaufs oder Reugelds in der Absicht gereichet worden, daß mit dessen Verlust von dem Contract abzugehen freistehen solle.

[3, 9, § 13] 239. Ist es bloß ein Angeld, wofür es allemal angesehen werden solle, wann das Widrige nicht ausgedrucket worden, so ist nach einmal ordentlich geschlossenen Contract keinem Theil mehr erlaubet auch mit dessen Verlust davon abzuweichen, sondern dasselbe solle entweder in die contractmäßige Gebührnuß eingerechnet, oder zu der von denen Parten verabredeten Bestimmung verwendet werden, wie denn solches in jenem Fall, da es zum Behuf der Armuth, oder anderen milden Sachen gewidmet wäre, ein Gottespfennig genennet wird; wäre aber dem Haftgeld namentlich die Eigenschaft eines Reukaufes oder Reugelds beigelegt worden, so ist es also damit zu halten, wie in dem gleich nachfolgenden §. geordnet wird.

[3, 9, § 13] 240. Und da auch beinebst in manchen Orten der Mißbrauch eingeschlichen, daß bei verabredenden oder abschließenden Handlungen, und insonderheit bei Käufen auf Unkosten des einen oder anderen, oder auch beider Theilen Gastereien, Mahlzeiten und Zechen angestellet werden, welche insgemein der Weinkauf genennet zu werden pflegen, so wollen Wir doch solche in Hinkunft gänzlich und dergestalten abgestellet haben, daß hieran kein Theil an dem anderen, die Handlung möge zu


(3-170) Stand kommen oder abgebrochen werden, eine Forderung zu stellen befugt sein, noch weniger eine Rechtshilfe hierauf ertheilet, sondern ein solches Beding für unkräftig, und der Aufwand für eine freiwillige unter die contractmäßige Gebührnussen nicht gehörige Auslage angesehen werden solle.

§. XIV.

[3, 9, § 14] 241. Zweitens gehöret unter diese Gattung von Bedingen der Reukauf oder das Reugeld, welches ein bedungenes Strafgeld ist, so Jener zu erlegen verspricht, welcher von dem geschlossenen Kauf oder sonstigen Vertrag ohne rechtmäßiger Ursache abweichen würde.

[3, 9, § 14] 242. Dann nur in diesem Fall allein, wo sich die Freiheit der Reue oder des Abstands von dem getroffenen Kauf oder einem anderen Contract vorbehalten wird, solle das Beding eines Strafgelds zulässig sein, welches so viel wirket, daß demjenigen Theil, der sich auf dem Fall der Reue zum Erlag des Strafgelds verbunden, freistehe, entweder dasselbe zu entrichten, oder den Contract zu erfüllen.

[3, 9, § 14] 243. Niemalen aber solle ein Beding, wodurch Jemand sich nebst Leistung der contractmäßigen Schuldigkeit zugleich auch zu einem Strafgeld als zu einem Zwangs- oder Betreibungsmittel verpflichtet, es seie auf dem Fall, daß er seiner Verbindung nicht gutwillig nachkommen, oder daß er mit der Zahlung in der gesetzten Zeit nicht einhalten würde, gestattet, noch weniger der andere Theil berechtiget sein, beides zusammen zu forderen, sondern ihme blos allein die Auswahl zustehen, ob er sich mit dem Strafgeld begnügen, und von weiterer Forderung abstehen, oder mit dessen Zurucklassung auf die Erfüllung des Contracts andringen wolle, in welchem Fall ihme nichts Mehreres, als die von dem schuldigen Betrag aus Saumsal des Schuldners vertagte erlaubte Zinsen gebühren.

[3, 9, § 14] 244. Gegentheils giebt das bedingte Reugeld dem gelobenden Theil die Auswahl, ob er seine eingegangene Verbindung halten, oder gegen Erlag des Reugelds sich davon entledigen wolle. Die Freiheit der Reue daueret aber nur insolange, als die Handlung sich noch in ihrer Gänze befindet, und der Contract ein- oder andererseits nicht erfüllet, oder mit dessen Erfüllung angefangen worden; dann sobald die Uebergabe der erkauften Sache, oder die Bezahlung auch nur eines Theils des Kaufschillings erfolget, hat keine Reue mehr statt, wann sie nicht ausdrücklich weiter hinaus vorbehalten worden.

[3, 9, § 14] 245. Es seie aber ein auf dem Fall der Reue, oder auf dem Fall der Nichteinhaltung bedungenes Strafgeld, so solle jedoch solches sich niemalen höher, als auf den achten Theil des Werths der Sache, warum es zu thun ist, belaufen, also zwar, daß die Uebermaß durchaus ungiltig sein, und der wiewohlen eine größere Summe gelobende Theil zu nichts Mehreren, als zu dem Betrag dieses achten Theils verhalten werden solle.

[3, 9, § 14] 246. Doch muß der abweichende Theil, wann anderst das Reugeld verwirket werden solle, keine rechtmäßige Ursach des Abstands haben, dann wo es mit beiderseitiger Vereinigung von der Handlung abkäme, oder die Schuld oder Gefährde des anderen Theils hierzu Anlaß gäbe, hat dieser auf das Reugeld keinen Anspruch.

[3, 9, § 14] 247. Ein Gleiches ist in dem Fall einer bei Schließung des Contracts unter dem Beding des Reugelds vorhinein bezahlten Angabe zu beobachten. Dann in Abweichungsfall bleibet das Reugeld dem Nehmenden; gleichwie dagegen solches, daferne aus Schuld des Nehmenden die Handlung sich zerschlüge, oder mit Beider Willen aufgehoben würde, dem Gebenden zuruckzustellen, und nach erfolgter Erfüllung des Contracts ebenso, wie oben von Haftgeld erwähnet worden, in die contractmäßige Gebührnuß einzurechnen ist, wann die genommene Abrede nichts Anderes vermag.

(3-171) §. XV.

[3, 9, § 15] 248. Drittens sind unter diese Art von Bedingen alle Beisätze der Zeitfristen, Bedingnussen und der Weis, worunter ein Kauf getroffen wird, zu zählen; dann die Käufe können nicht weniger, als alle übrige Verträge entweder bedingt oder unbedingt nach Willkür deren Contrahenten geschlossen werden, wobei alles Dasjenige zu beobachten ist, was oben in ersten Capitel, §. VII, von der verschiedenen Natur und Wirkung einer angehängten Bedingnuß, Zeit und Weis mit Mehreren erwähnet worden.

[3, 9, § 15] 249. Es sind aber die bedingte Käufe in der Maß ebenso rechtsbündig, wie die unbedingte, daß so wenig von den einen, wie von den anderen abgegangen werden könne, wann die Freiheit der Reue oder des Abstands nicht namentlich dabei vorbehalten worden, sondern es muß der Ausgang, oder die Erfüllung der beigesetzten Bedingnuß abgewartet werden.

[3, 9, § 15] 250. Dahingegen die Zeit oder ein gewisser Tag entweder als er Anfang zu Leistung der contractmäßigen Verbindlichkeit beigesetzet wird, als da der Kauf dergestalten geschlossen würde, daß nach einem Monat die Uebergabe erfolgen solle, und in diesem Fall wird nicht die Verbindlichkeit, sondern nur die Forderung aufgeschoben, oder die Zeit wird zum Ausgang oder Auflösung der Handlung beigefüget, als da eine Sache Jemanden auf ein Jahr verkaufet würde, und solchen Falls hat zwar die Handlung ihre vollkommene Wirkung, nach Ausgang der Zeit aber wird solche aufgelöset.

§. XVI.

[3, 9, § 16] 251. Viertens gehöret unter die Gattung deren auf Errichtung eines neuen Contracts abzielenden Nebenverträgen das Beding des Wiederkaufs, wodurch der Verkaufer sich die Befugnuß vorbehält, oder auch sich gegen dem Kaufer verbindet, die verkaufte Sache hinwiederum gegen Zuruckstellung des Kaufgelds abzulösen, und sich zu bringen.

[3, 9, § 16] 252. Dieses Beding wird entweder zu des Verkaufers, oder zu des Kaufers alleinigen, oder zu beiderseitigen Vortheil dergestalten eingegangen, daß wie dem Verkaufer die Ablösung, also dem Kaufer die Wiederanbietung und Zuruckstellung der verkauften Sache freistehen solle, welches aus dem Inhalt des Bedings abzunehmen, und bei vorkommenden Zweifel dasselbe jedesmal auf den alleinigen Vortheil des Verkaufers auszudeuten ist; es möge aber auf was immer für eine Art gefasset werden, so ist es in alle Wege rechtskräftig, wann sonst andurch keine Scheinhandlung oder wucherliche Absicht bemäntlet wird.

[3, 9, § 16] 253. Es kann auch mit oder ohne angehängter Zeit, wann oder wie lang solches seine Wirkung haben solle, getroffen werden, und in dem Fall, wo keine Zeit bestimmet wird, stehet dem Verkaufer allemal frei, nach Gefallen die Sache anwiederum einzulösen, sowie nach Unterschied des Bedings dem Kaufer dieselbe wieder anzubieten und anheimzusagen; dann dieses Recht verjähret sich zu keiner Zeit, insolang die Sache in Handen des Kaufers und seiner Erben befindlich ist.

(3-172) [3, 9, § 16] 254. Sobald aber als die Sache an einen Dritten veräußeret worden, erlöschet das Recht der Anheimsagung an Seiten des Kaufers, sowie das Recht des Wiederkaufs oder der Wiedereinlösung an Seiten des Verkaufers, wann nicht das Beding auf einem liegenden Gut, das es beträfe, landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket wäre, in welchem Fall zwar dasselbe mit der Verbindlichkeit des Wiederkaufs auf einen jeden Besitzer übertragen wird; es fanget aber von dem Tag der in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibten Veräußerung an einen Dritten wider dieses Recht die hienach ausgemessene Verjährung an zu laufen.

[3, 9, § 16] 255. Eine gewisse Zeit kann dem Beding des Wiederkaufs auf zweierlei Art beigefüget werden, als entweder, daß erst nach Verlauf einer bestimmten Zeit das verkaufte Gut anwiederum eingelöset werden möge, welchen Falls der Verkaufer zwar das Gut binnen dieser Zeit nicht wieder forderen kann, allein, wann solche verflossen, zu dem Wiederkauf zuzulassen ist.

[3, 9, § 16] 256. Oder aber, daß innerhalb einer gewissen Frist, oder auch zur gesetzten Zeit das Gut eingelöset werden, nach dieser Zeit hingegen der Verkaufer das Gut einzulösen nicht mehr Macht haben solle, und in diesem Fall erlöschet das Wiederkaufsrecht mit Verkauf der bestimmten Zeit. Gleichergestalten kann auch dem Beding der Anheimsagung eine Zeitfrist sowohl auf eine, als die andere Art angehänget werden.

[3, 9, § 16] 257. Durch das Beding des Wiederkaufs wird insgemein die Sache selbst nicht behaftet, und kann dahero ein dritter Besitzer, an welchen sie veräußeret worden, derowegen nicht angefochten werden; es wäre dann oberwähnter Maßen das Beding mit dem Contract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worinnen das betreffende Gut inlieget, einverleibet worden, wodurch zwar dieses Beding auch wider einen dritten Besitzer seine Wirkung erlanget, deme aber dagegen das Verjährungsrecht gebühret, wann nicht schon der Wiederkauf an sich selbst auf eine bestimmte Zeit beschränket worden wäre.

[3, 9, § 16] 258. Ohnerachtet aber auch ein solches Beding in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket wäre, so fallet doch das wiederkäufliche Gut, wann gleich eine Zeit bestimmet sein würde, nicht für sich selbst an den Verkaufer zuruck, sondern, gleichwie es in seiner Willkür beruhet, sich des vorbehaltenen Wiedereinlösungrechts zu bedienen, oder von dem Kaufer abhanget, das Heimsagungsrecht zu gebrauchen, also ist auch eine besondere Handlung erforderlich, wodurch das ein- oder andererseits ausbedungene Recht in die wirkliche Ausübung gesetzt werde.

[3, 9, § 16] 259. Es erwachset dahero aus diesem Beding dem Verkaufer, insoweit es auf dessen Vortheil abzielet, und seinen Erben, oder auch einem Dritten, deme dieses Recht abgetreten und überlassen worden, die Rechtsforderung wider den Kaufer und dessen Erben, oder auch, im Fall des auf dem Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebenen Wiederkaufsrecht, wider einen dritten Besitzer zu Abtretung und Wiedereinantwortung des verkauften Guts gegen Zuruckstellung des Kaufsschillings.

[3, 9, § 16] 260. Wäre aber das Gut von Mehreren mit gesammter Hand verkaufet, und von ihnen Allen zusammen ohne Benennung des einen Jeden zukommenden Theils sich der Wiederkauf vorbehalten worden, oder auch nach dem Verkaufer mehrere Erben vorhanden, und Einer aus ihnen wollte nur seinen Theil einlösen, so ist der Kaufer nicht schuldig den Kauf zu theilen.

[3, 9, § 16] 261. Wohingegen wann derselbe gegen Anerbietung des ganzen Kaufgelds das verkaufte Gut wieder einlösen wollte, und die Andere sich hierum nicht melden würden, so ist der Kaufer gegen Leistung einer von dem Einlösenden für die Theile deren Uebrigen zu stellen habenden hinlänglichen Bürgschaft verbunden, die

(3-173) Wiedereinlösung zu gestatten, ohne daß er derowegen von denen Uebrigen weiter angefochten werden könne, sondern diese haben sich ihres Anspruchs halber an den Einlösenden zu erholen. Desgleichen, wo zwar Mehrere, jedoch ein Jeder seinen Theil insonderheit wiederkäuflich verkaufet hätten, mag deren Jeder seinen Theil wieder einlösen.

[3, 9, § 16] 262. Es ist aber der Verkaufer schuldig, entweder das auf dem Fall des Wiederkaufs bedungene Kaufgeld, oder da keines bedungen worden wäre, den dafür empfangenen Werth, und zwar wann des Erlags halber nichts Anderes ausgemacht worden wäre, auf eben diejenige Weis, wie dessen Entrichtung bei dem ersten Kauf verabredet worden, entweder auf einmal, oder in denen nemlichen Fristen und Tagzeiten anwiederum zuruckzuzahlen, und beinebst auch dem Kaufer nicht allein des Kaufs halber gehabte, sondern auch die auf beharrliche Erhaltung und Verbesserung der Sache aufgewendete erweisliche Unkosten zu vergüten.

[3, 9, § 16] 263. Dagegen ist der Kaufer verbunden die Sache in eben demjenigen Stand, wie solche ihme bei dem ersten Kauf übergeben worden, mit denen nemlichen An- und Zugehörungen wieder auszuantworten; doch bleiben ihme nicht allein die inmittelst eingehobene Früchten und Nutzungen eigen, sondern es muß demselben gleichfalls der Zeit seines Besitzes sich ergebene Zuwachs, wodurch die Sache verbesseret worden, an Werth ersetzet und abgelöset werden.

[3, 9, § 16] 264. Die nach angemeldeten Wiederkauf und zuruck angebotenen Kaufgeld erzeugte Früchten und Nutzungen aber gehören dem ersten Verkaufer; dahingegen in Betreff deren zwar vor dem Wiederkauf erzeugten, allein noch hangenden Früchten kommt es darauf an, ob dem ersten Kaufer das Gut mit denen noch hangenden Früchten, oder ohne denenselben übergeben worden,

[3, 9, § 16] 265. Ersteren Falls ist derselbe gehalten, das Gut gleichermaßen anwiederum dergestalten abzutreten, ohne auf die hangende Früchten einigen Anspruch machen zu können, letzteren Falls aber sind solche zwischen Beiden gleich zu theilen, wann deshalben in dem Beding nichts Gewisses vorgesehen worden.

[3, 9, § 16] 266. Bei denen von dem Kaufer durch die Zeit seines Besitzes auf dem wiederkäuflichen Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschriebenen Haftungen, als Zinsen, Hypotheken u. dgl. ist zu unterscheiden, ob das Beding des Wiederkaufs auf dem Gut in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern einverleibet seie oder nicht.

[3, 9, § 16] 267. Ersteren Falls werden solche mit dem wiedereinlösenden Gut nicht weiter an den Verkaufer übertragen, als nach Maß des auf dem Fall des Wiederkaufs bedungenen Kaufschillings; insoweit aber solcher nicht zureichet, haben die übrige unbedeckte Glaubigere keinen Anspruch an den Einlösenden, sondern müssen sich deshalben an ihren Schuldner in andere Wege erholen.

[3, 9, § 16] 268. Letzteren Falls hingegen wird derselbe für alle auf dem wiedereinlösenden Gut versicherte Haftungen verbindlich, das Kaufgeld möge zu deren Tilgung zulänglich sein oder nicht, und bringt dieses zwischen dem Kaufer und Verkaufer verabredete Beding, wann es nicht ehender zur Einverleibung gelanget, denen auf dem Gut versicherten Glaubigeren keinen Nachtheil, sondern denenselben ist unbenommen ihre Hypothek zu exequiren, und die gerichtliche Ausfeilung des Guts auszuwirken.

[3, 9, § 16] 269. Woferne aber die wiederkäufliche Sache bei dem Kaufer durch Zufall zu Grund gienge, und der Wiederkauf noch nicht angemeldet worden wäre, hat den Schaden der Kaufer zu tragen, und kann dahero kein Theil an den anderen aus diesem Beding eine weitere Forderung stellen, in Gegentheil, wann die Sache nach angetragener Wiedereinlösung vor deren Zuruckstellung durch Zufall vernichtet, oder sonst beschädiget würde, und dem Kaufer weder ein Saumsal, noch eine sonstige Schuld beigemessen werden könnte, ist der Verkaufer jegleichwohlen das bedungene Kaufgeld zu erlegen schuldig; dann Alles, was von Käufen oben geordnet worden, hat auch bei Wiederkäufen statt.

(3-174) [3, 9, § 16] 270. Hätte jedoch ein an Seiten des Kaufers unterwaltender Saumsal oder Schuld, es seie vor oder nach angemeldeten Wiederkauf, doch binnen der hierzu anberaumten Zeit, zum Verlust der Sache Anlaß gegeben, ist derselbe dem Verkaufer für den ihme daraus erwachsenden Schaden und entgehenden Nutzen den achten Theil des bedungenen wiederkäuflichen Werths zu bezahlen verbunden, welches auch von jenem Fall zu verstehen ist, da die Sache von ihme an einen Dritten veräußeret, und das Beding des Wiederkaufs nicht einverleibet worden wäre.

[3, 9, § 16] 271. Da aber solches in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf dem wiederkäuflichen Gut vorgemerket worden sein würde, hat der Verkaufer in dem Fall dieses an einen Dritten veräußerten Guts die Auswahl, ob er den Wiederkauf gegen dem dritten Besitzer anmelden, und sich seines Wiedereinlösungsrecht gebrauchen, oder ob er von dem Kaufer den oberwähnter Maßen verwirkten achten Theil forderen wolle. Beide Rechtsforderungen aber ist derselbe nicht befugt anzustrengen.

[3, 9, § 16] 272. Doch verordnen Wir gnädigst, daß in solchem Fall dem eintretenden Kaufer freistehen solle, dem Verkaufer, welcher sich den Wiederkauf vorbehalten, die gerichtliche Ankündung des vorhabenden, oder auch schon geschlossenen Kaufs zu machen, worauf dieser von dem Tag der ihme zugekommenen Ankündung, wann er in Land anwesend, binnen sechs Wochen, wo er aber außer Landes abwesend wäre, binnen drei Monaten den Wiederkauf bei Gericht um so gewisser anzumelden hat, als in Widrigen und nach Verkauf dieser Zeitfrist das Recht des Wiederkaufs gegen dem dritten Besitzer verschwiegen und gänzlich erloschen sein solle. Woferne aber der Kaufer diese Ankündung zu thuen unterließe, kann das Recht des Wiederkaufs durch keine andere, als die in zweiten Theil ausgemessene, von dem Tag der Einverleibung des Contracts zu laufen anfangende ordentliche Verjährungszeit getilget werden, es wäre dann, daß in dem neu einverleibten Beding ausdrücklich eine sich länger hinausziehende Zeit zu dem Wiederkauf bestimmet worden sein würde, welchen Falls, es möge die Ankündung geschehen oder nicht, der Ausgang dieser abgewartet werden muß.

[3, 9, § 16] 273. Alles was bishero von dem zum Vortheil des Verkaufers eingegangenen Beding der Wiedereinlösung geordnet worden, hat auch in seiner Maß bei dem auf den Nutzen des Kaufers abgezielten Beding der Anheimsagung statt, außer mit dem alleinigen Abfall, daß, wann der Kaufer das Gut an einen Dritten veräußeret, das Beding der Heimsagung ohne aller Verjährungszeit sogleich von selbsten erlösche, weilen er sich andurch alles an dem Verkaufer habenden Rechts begeben, das Beding möge einverleibet sein oder nicht.

[3, 9, § 16] 274. Es sollen aber die Richtere bei derlei vorkommenden Bedingen von amtswegen jedesmal genau untersuchen, ob sein Wucher darunter verborgen seie, und bei dessen Wahrnehmung mit denen darauf ausgemessenen Strafen unnachsichtlich fürgehen, auch zu dessen desto gewisserer Vorbeugung keine Verschreibungen, worinnen derlei Bedinge enthalten sind, ehender zu Gericht annehmen, oder deren Einlage verwilligen, als bis daß dieselbe nach veranlaßter Untersuchung aufrecht und rechtsgiltig zu sein befunden worden.

§. XVII.

[3, 9, § 17] 275. Das fünfte bei Käufen und Verkäufen vorkommende, und die Errichtung eines neuen Contracts zur Absicht habende Beding ist das Einstandrecht,

(3-175) welches sonst auch ein Vor- oder Näherkauf, Einspruch, Nähergeltung oder Losung genannt wird.

[3, 9, § 17] 276. Dieses rühret entweder aus einem unter denen Contrahenten getroffenen Beding, genommener Abrede und Einwilligung, oder aber aus Anordnung des Gesatzes her. Das erstere heißet eigentlich ein gedingter Einstand, wodurch sich Jemand gegen den Anderen verbindet, daß, wann er sein Gut verkaufen würde, dasselbe ihme um dasjenige Kaufgeld, was ein Dritter dafür geben werde, verkaufet werden solle.

[3, 9, § 17] 277. Der Unterschied zwischen diesem und dem Beding des Wiederkaufs bestehet hauptsächlich in deme, daß einerseits bei dem Wiederkauf Derjenige, welcher sich solchen ausbedungen, den Erfolg des Verkaufes an einen Anderen, gleichwie es bei dem Einstandrecht erforderlich ist, abzuwarten nicht gehalten seie, sondern entweder in der gesetzten Zeit, oder da keine bestimmet worden wäre, je und allezeit nach seinem Belieben die Sache wieder einlösen könne.

[3, 9, § 17] 278. Andererseits aber, daß bei dem Wiederkauf insgemein sowohl der Zustand deren Contrahenten, als der Betrag des Kaufgelds und die Beschaffenheit deren Bedingnussen mit dem vorigen Kauf einerlei bleibe, dahingegen bei dem Einstandrecht oder Näherkauf so Eines, wie das Andere nach Maß des letzteren mit dem Dritten getroffenen Contracts sich zuweilen verbessere und zuweilen verschlimmere, als welcher allemal bei dem Näherkauf, gleichwie die erstere Verbindung bei dem Wiederkauf zur Richtschnur deren einander zu leisten habenden Gebührnussen zu nehmen ist.

[3, 9, § 17] 279. In deme kommen jedoch beide Bedinge überein, daß das eine so wenig als das andere die Sache selbst behafte, wann sie nicht auf einem liegenden Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket sind. Außer deme wirket der gedingte Einstand bloß an Seiten dessen, welcher sich darzu verfänglich gemacht, die Verbindlichkeit Demjenigen, der sich solchen ausbedungen, den vorhabenden Verkauf mit dem Betrag des mit einem Dritten behandleten Preises anzukünden.

[3, 9, § 17] 280. Dieser aber ist dagegen schuldig bei beweglichen Dingen noch den nemlichen Tag der ihme zugekommenen Ankündung, oder bei liegenden Gütern längstens binnen vierzehen Tägen sich zu erklären, ob er sich des Einstandrechts gebrauchen wolle oder nicht, und da er in den Kauf eintreten wollte, das nemliche von einem Dritten angebotene Kaufgeld nach Maß der mit diesem getroffenen Behandlung entweder gleich, oder in denen ausgesetzten Fristen zu erlegen, wann nicht etwa schon zum voraus auf dem Fall des Einstands des Kaufgelds halber eine anderweite Verabredung gepflogen worden wäre.

[3, 9, § 17] 281. Würde hingegen derselbe auf die ihme gethane Ankündung sich entweder in der bestimmten Zeit nicht erklären, oder die mit dem Dritten behandlete Bedingnussen nicht eingehen, oder seine auf dem Fall des Einstands gemachte Verheißungen nicht erfüllen wollen, ist der Eigenthümer der angefeilten Sache länger nicht nachzuwarten gehalten, sondern die Sache, wann, wie und an wen er immer wolle, zu veräußern befugt, ohne daß wegen des Einstands ein weiterer Anspruch gereget werden möge.

[3, 9, § 17] 282. Soferne aber der Eigenthümer die Ankündung zu thun unterließe, oder auch die ausgesetzte Zeit der Erklärung nicht abwartete, sondern den Kauf mit einem Dritten abgeschlossen hätte, kann zwar der Einstand noch ehe und bevor die Uebergabe einer beweglichen Sache erfolget, oder der Contract über ein liegendes

(3-176) Gut zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage gelanget, bei Gericht angemeldet werden, und der Dritte muß in dem Kauf nachstehen.

[3, 9, § 17] 283. Sobald jedoch ein bewegliches Ding übergeben, oder der Contract über ein liegendes Gut einverleibet worden, kann wegen des gedingten Einstands kein dritter Besitzer angefochten werden, sondern der Veräußerer ist schuldig Demjenigen, deme das Einstandrecht

aus dem Beding gebühret hätte, den achten Theil des dafür empfangenen oder vorhero auf den Fall des Einstands bedungenen Werths zu erlegen, welches auch in jenem Fall statt hat, wann der Veräußerer zu dessen Nachtheil arglistiger Weise mit einem Dritten nur eine Scheinhandlung aufgestoßen oder falsche Bedingnussen des Kaufs zu Abwendung des Einstands vorgegeben hätte, wobei noch über das die an dem Betrug Theilnehmende allen auf die Scheinhandlung ausgesetzten Strafen unterliegen.

[3, 9, § 17] 284. Wann aber das Beding des Einstands auf einem liegenden Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket und die vorläufige Ankündung von dem Veräußerer unterlassen worden, hat der sich des Einstandrechts gebrauchen Wollende ebenso, wie oben von dem Wiederkauf geordnet worden, die Auswahl, ob er seine Forderung wider den Veräußerer auf ersagten achten Theil stellen, oder sein Einstandrecht wider den dritten Besitzer geltend machen wolle.

[3, 9, § 17] 285. Doch muß derselbe, wann er im Lande gegenwärtig binnen sechs Wochen, oder da er außer Landes abwesend wäre, binnen drei Monaten von dem Tag der Einverleibung des mit einem Dritten geschlossenen Contracts den Einstand gerichtlich anmelden, und in dem Kauf unter denen etwa schon vorhin in dem einverleibten Beding ausgemachten, oder denen nemlichen mit dem Dritten behandleten Bedingnussen eintreten.

[3, 9, § 17] 286. Nach Verlauf dieser Zeit hingegen ist das Einstandrecht gegen dem dritten Besitzer gänzlich verschwiegen, und bleibet lediglich die obgemelte Forderung auf den achten Theil des Werths wider den Veräußerer und dessen Erben bevor.

[3, 9, § 17] 287. Dieses Recht gehet auch auf die Erben und einen jedweden Anderen, an den es übertragen und abgetreten wird, woferne es nicht ausdrücklich nur allein dieser und keiner anderen Person angestanden worden wäre, und all jenes, was bishero von gedingtem Einstand erwähnet worden wäre, muß auch bei dem aus letztwilliger Anordnung eines Erblassers herrührenden Einstand beobachtet werden.

[3, 9, § 17] 288. Gleichwie aber der Einstehende das nemliche Kaufgeld, was ein Dritter geben würde, und nicht mehr noch weniger zu bezahlen schuldig ist, wann zum voraus nichts Anderes beliebet worden, also muß auch dagegen der Veräußerer dem Einstehenden eben die Bedingnussen des Kaufs halten, welche er mit dem Dritten behandlet hat, dergestalten, daß der Einstehende weder bessere anzubegehren befugt, noch schlechtere anzunehmen verbunden ist.

§. XVIII.

[3, 9, § 18] 289. Sechstens ist das aus Anordnung des Gesatzes herrührende Einstandrecht gleichsam ein stillschweigendes Beding und heißet der rechtliche Einstand

(3-177) oder Nähergeltung, welcher jedoch nur auf unbewegliche, keineswegs aber auch auf bewegliche Dinge gehet, und ist ein Vorzug, der von dem Gesatz gewissen Personen zugeeignet wird, daß, wann ein Grund zum Verkauf kommet, solcher denenselben um dasjenige Kaufgeld, was ein Dritter dafür geben würde, verkaufet werden müsse.

[3, 9, § 18] 290. Dieser Einstand entspringet entweder aus dem Eigenthumsrecht oder

(3-178) aus der Gemeinschaft eines Guts, oder aus Gunst der Befreiung von einer Haftung, womit der Grund verfangen ist oder aus dem Recht der Verwandtschaft. Außer diesen Fällen aber solle kein anderer Einstand, welcher nicht namentlich in diesem Unserem Gesatzbuch gestattet wird, zulässig sein, was immer für ein Gebrauch oder Gewohnheit dafür angezogen werden möge.

[3, 9, § 18] 291. Aus dem Eigenthumsrecht gebühret dem Erbzinsherrn oder Grundherrn der Einstand in den zinsbaren Grund, wann der Erbzinsmann oder Grundhold solchen an einen Dritten ohne grundherrlicher Einwilligung veräußeret, wie davon seines Orts mit Mehreren gehandlet werden wird.

[3, 9, § 18] 292. Gleichergestalten giebt die Gemeinschaft eines Guts dem einen Mitbesitzer, welcher schon hieran einen Antheil hat, den Vorkauf an den Antheil des anderen Mitbesitzers, wann er solchen an einen Dritten veräußern will, also daß ihme in den Kauf einzutreten unbenommen ist.

[3, 9, § 18] 293. Aus besonderer Begünstigung der Befreiung von einer sich länger hinausziehenden Haftung gestatten Wir dem Eigenthümer eines auf unverzinsliche Nachfristen, Tag- oder Jahrgelder, oder sogenannte Währungen erkauften Grunds das Einstandrecht, wann der Verkaufer derlei ihme auf das Kaufgeld noch ruckständige Fristgelder einem Dritten um eine Summe baaren Gelds verhandlen wollte, als da Jemand einen Grund um hundert Gulden auf Jahrgelder dergestalten erkaufet hätte, daß er alle Jahr hierauf zehen Gulden unverzinslich bezahlen wolle, der Verkaufer aber die ganze Kaufsumme um ein Tauschgeld an einen Dritten verhandlen würde, in welchem Fall der Eigenthümer des Grunds, woferne ihme die Ablösung nicht ehender angeboten, und der Anbot von demselben nicht ausgeschlagen worden, die Befugniß hat, gegen Erlag der nemlichen Summe, die ein Dritter dafür geben würde, in den Kauf einzutreten.

[3, 9, § 18] 294. Das Recht der Verwandtschaft ist die Quelle des freundschaftlichen Einstands, welcher denen nächsten Blutsfreunden in denen von ihren Ur- oder Großeltern väterlicher oder mütterlicher Seite herstammenden Gütern vor fremden oder auch in einem weiteren Grad verwandten Kauferen gebühret.

[3, 9, § 18] 295. Es sind aber zu Ausübung des freundschaftlichen Einstandrechts zwei Dinge erforderlich, als erstens, daß das veräußeren wollende Gut wenigstens von denen väterlichen oder mütterlichen Großeltern des Veräußerers herrühre und bis auf denselben durch ununterbrochene und niemalen aus der von dem ersten Erwerber absteigenden Linie gegangene Anfälle gediehen seie, es möge der erste Besitzer solches ererbet oder erworben haben, welcherlei Güter eigentlich Stammgüter genannt werden.

[3, 9, § 18] 296. Hieraus folget, daß in denen von Vater oder Mutter, oder auch von einem Seitenverwandten des Veräußerers ursprünglich herkommenden Gütern das Einstandrecht nicht statt habe, wann gleich der einstehen Wollende ein Enkel oder Urenkel des ersten Erwerbers wäre, dann die Eigenschaft eines Stammguts muß allemal in Absicht auf den Veräußerenden und nicht auf den Einstehenden bestimmt werden können.

[3, 9, § 18] 297. Desgleichen wird dieses Einstandrecht nicht mehr zugelassen, wann in dem Zwischenraum von dem Besitz des Veräußerers, und jenem seiner Großeltern das Gut an einen Fremden, welcher nicht aus der absteigenden Linie des ersten Erwerbers ware, übertragen worden, obgleich der Vater des Veräußerers solches anwiederum an sich gebracht hätte; es wäre dann, daß schon sein Großvater oder Großmutter dasselbe wieder eingelöset haben würde. Dahingegen wird durch die unter Brüdern oder Geschwistern vornehmende Erbtheilungen, so wie durch die unter denen von dem ersten Erwerber absteigenden Verwandten von einem an den andern fürgehende Veräußerungen dem Einstandrecht nichts beschadet.

[3, 9, § 18] 298. Zweitens ist nöthig, daß der einstehen Wollende von dem ersten Erwerber des Guts in gerader Linie abstamme, er möge mit dem Veräußerer durch ein

(3-179) zweifaches oder auch nur durch ein einfaches Blutband verwandt sein, wann das Gut von dem gemeinsamen Stammen, wovon ihre Verwandtschaft hergeleitet wird, herkommet, wodurch aber alle Seitenverwandte des ersten Erwerbs von dem Einstand ausgeschlossen sind.

[3, 9, § 18] 299. Wo mehrere von dem ersten Erwerber des Guts absteigende Blutsfreunde vorhanden sind, gebühret der Einstand Demjenigen, welcher dem Verkaufer in nächsten Grad verwandt ist, die Verwandten mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts sein. Jener aber ist der Nächste zum Einstand, welcher der Nächste zur Erbfolge wäre; dann allemal ist das Recht zum Einstand nach dem Recht zur Erbfolge abzumessen.

[3, 9, § 18] 300. Da jedoch Mehrere in gleichem Grad oder Staffel der Sippschaft dem Verkaufer verwandt wären, sind auch Alle zu dem Einstand zuzulassen, wann dieselbe sich in der unten ausgesetzten Zeit hierum gemeldet haben. Würde sich aber nur Einer anmelden, und die Uebrige die Einstandszeit verstreichen lassen, sind sie auch davon ausgeschlossen, und können keinen Theil an dem Einstand nehmen, sondern der sich Anmeldende ist nur allein befugt, das Gut an sich zu ziehen, wann er das ganze Kaufgeld dafür erleget; wohingegen in Fall er nur seinen ausfallenden Urtheil des ganzen ausgefeilten Guts einlösen wollte, ist der Verkaufer solches zuzugeben nicht schuldig.

[3, 9, § 18] 301. Würde aber der nächste Verwandte sich des Einstandrechts entweder stillschweigend, da er sich in der gehörigen Zeit nicht gemeldet, oder auch ausdrücklich zu Gunsten des Anderen entschlagen, so können sodann die weitere Befreundte, welche sich in der bestimmten Zeit gemeldet haben, doch allezeit in der Maß darzu gelassen werden, daß welcher nach Abstand Derenjenigen, denen es sonst gebühret hätte, der Nächste zur Erbfolge wäre, auch der Nächste zum Einstand seie und die weitere Befreundte davon ausschließe.

[3, 9, § 18] 302. Dann der Nächste kann zwar einem weiteren Verwandten das Einstandrecht dergestalten abtreten und überlassen, daß es dem allenfalls darzwischen befindlichen näheren Befreundten an seinem Recht, wann er sich dessen gebrauchen will, nichts beschade; dahingegen kann an einen Fremden diese lediglich dem Geblüt anklebende Befugnuß niemalen rechtsgiltig abgetreten werden. Für Fremde aber werden in Absicht auf das Einstandrecht alle Diejenige gehalten, welche nicht von dem ersten Erwerber des Guts abstammen, sie mögen entweder dem Veräußerer oder dem einstandsberechtigen Befreundten von einer anderen Seite noch so nahe verwandt sein.

[3, 9, § 18] 303. Wann dahero ein Anverwandter sich des Einstandrechts nicht für sich und zu seinem Nutzen, sondern zu Handen eines Fremden aber auch sonst zu Bevortheilung des Kaufers, mit List und Betrug gebrauchen würde und dieses hernach auf ihn erwiesen werden könnte, so ist das Gut dem ersten Kaufer auszuantworten, er aber nicht allein alle durch den freventlich angemeldeten Einstand so einem, als anderem Theil verursachte erweisliche Schäden und Unkösten zu ersetzten schuldig, sondern es solle auch das von ihme, oder unter dessen Namen von einem Dritten dafür angebotene Kaufgeld zu Handen Unserer Kammer verfallen sein.

[3, 9, § 18] 304. Dieses freundschaftlichen Einstands kann der nächste Anverwandte sich nicht allein wider fremde Kaufere, sondern auch wider einen weiteren Befreundten, deme das Gut verkaufet würde, bedienen, und obgleich dasselbe noch während der Einstandzeit von dem Kaufer anwiederum weiter verkaufet, oder auf was immer für eine Art sonst an jemand Anderen veräußeret würde, hat je gleichwohlen der nächste Anverwandte die Befugnuß das Einstandrecht wider einen jeden Besitzer gegen Erlag des bei dem ersten Kauf bedungenen Werths geltend zu machen, wann er nur solches in der behörigen Zeit von dem ersten Kauf an zu rechnen angemeldet hat. Wo aber das Gut einem von dem ersten Erwerber absteigenden

(3-180) mit ihme in gleichen Grad Verwandten verkaufet würde, kann er sich des Einstandrechts nicht anmaßen.

[3, 9, § 18] 305. Desgleichen, wann der Verkaufer das Gut dem nächsten Verwandten um den nämlichen Preis und mit eben denen Bedingungen, wie er es einem Fremden verkaufen will, angeboten, und dieser solches ausgeschlagen, oder binnen denen nächsten vierzehn Tägen von der gemachten Ankündung an dem Kaufgeld so vieles, als der Fremde angetragen, nicht erleget, und die übrigen Bedingnussen einhalten zu wollen, sich nicht erkläret hätte, erlöschet das Einstandrecht an Seiten dessen, deme der Anbot geschehen; doch solle der Verkaufer keineswegs zu dieser Ankündung verbunden, noch wegen deren Unterlassung in etwas verfänglich sein, sondern denen Verwandten lieget ob, selbst ihre Gerechtsame in acht zu nehmen.

[3, 9, § 18] 306. Wer dahero sich in denen obstehenden Fällen des rechtlichen Einstands gebrauchen will, muß, wann er im Lande gegenwärtig, binnen vier Wochen, oder da er außer Landes abwesend wäre, binnen drei Monaten von dem Tag der Einverleibung des mit einem Dritten geschlossenen Contracts den Einstand gerichtlich mit Darzeigung seines hierzu habenden Rechts anmelden, und zugleich binnen dieser Zeit ebenso, wie bei dem bedingten Einstand, das von dem Kaufer schon hinaus bezahlte Kaufgeld oder die hieran verfallene Fristen baar erlegen, die übrigen aber richtig einhalten und in alle Bedingungen des Kaufs eintreten, wie nicht weniger die des Kaufs halber gehabte Unkösten und die etwan immittelst zu beharrlicher Erhaltung oder Verbesserung des Guts erweislich verwendete Auslagen dem Kaufer vergüte.

[3, 9, § 18] 307. Wann mehrere Anverwandte das freundschaftliche Näherrecht ausüben wollen, muß deren jeder ohne Unterschied, ob er näher oder weiter befreundet seie, binnen dieser Zeit sich hierzu anmelden, und seine Einstandsbefugnuß nach dem Grad der Anverwandtschaft erweisen, auch hierüber die richterliche Erkanntnuß, wer von ihnen hierzu ein näheres Recht habe, abwarten, womit in derlei Fällen auf das Schleunigste zu verfahren ist; in Widrigen aber sind nach Verlauf dieser Zeit alle Diejenige, welche die Anmeldung verabsaumet haben, ausgeschlossen, obschon nachhero Jener, der sich gemeldet an wiederum hiervon abließe.

[3, 9, § 18] 308. Der Kaufer dagegen ist schuldig, das Gut in demjenigen Stand, wie ihm solches übergeben worden mit allen von Zeit des angemeldeten Einstands mittlerweile davon eingehobenen Nutzungen und darnach sich hieran ergebenen Zugängen dem Einstehenden abzutreten. Würde aber dieser das schon bezahlte oder verfallene Kaufgeld binnen der obausgemessenen Zeit nicht erlegen oder sein Einstandrecht, wie erforderlich, nicht erweisen, oder auch die bei dem Kauf verabredete Bedingungen nicht annehmen wollen, ist er mit seinem Einspruch abzuweisen; es wäre, dann daß er die Kaufbedingnussen anderst, als sie angegeben werden, in der That geschlossen worden zu sein, und also eine auf seine Bevortheilung abgesehene Scheinhandlung fürzuwalten dar zeigen könnte.

[3, 9, § 18] 309. Sowohl der gedingte, als rechtliche Einstand, wann ersterer nicht ausdrücklich weiter erstrecket worden, hat einzig und allein bei Kaufen oder solchen Handlungen statt, wo das Gut für einen gewissen Werth angeschlagen und hintangelassen wird; wohingegen so ein anderer bei Schankungen Vermächtnussen, Erbtheilungen, Vertauschungen, Vergleichen und anderen Veräußerungsfällen, wo rinnen für das Gut kein Werth an Geld bedungen wird, nicht zulässig ist.

[3, 9, § 18] 310. Bei gerichtlichen Feilbietungen aber sogenannten Subhastationen aber kann das Einstandrecht nur insolange angemeldete werden, als dem Schuldner das Recht der Einlösung des feilgebotenen Guts annoch hervorstehet; sobald jedoch dasselbe aufhöret, wird auch aller weiterer Einstand dadurch aufgehoben.

[3, 9, § 18] 311. Gleicher gestalten erlöschet das Einstandrecht, wann in der zu dessen Anmeldung anberaumten Zeit die ob vorgeschriebene Erfordernussen nicht beobachtet, oder auch an Seiten des darzu Berechtigten in den mit einem Dritten geschlossenen


(3-181) Kauf, es seie durch eine ausdrückliche Verzicht, oder durch Unterschreibung des Kaufcontracts oder sonstige Zuthat gewilliget worden. Also da zwei Brüder oder Blutsfreunde ein gemeinschaftliches Gut mit einander verkaufen, kann keiner aus ihnen den Antheil des anderen durch Einspruch an sich ziehen, weilen er in dessen Verkauf einmal gewilliget hat; die alleinige Wissenschaft und Stillschweigen des Verwandten aber beschränket ihme sein Einstandrecht nicht, wann er es nur in der ausgemessenen Zeit anmeldet.

[3, 9, § 18] 312. Bei dem freundschaftlichen Einstand aber ist zu merken, daß, obschon der nähere Anverwandte in den Verkauf des Guts an einen anderen von dem ersten Erwerber abstammenden weiteren Befreundten ausdrücklich oder stillschweigend, es seie durch seine Zuthat oder unterlassende Anmeldung, willigete, oder auch selbst solches an ihn verkaufete, dessen unerachtet ihme der Vorzug vor einem Fremden noch allemal vorbehalten bleibe, also daß auf den Fall, da das Gut an einen Fremden weiter verkaufet werden würde, er jegleichwohlen noch das Einstandrecht ausüben könne.

[3, 9, § 18] 313. Und die Verzicht des einen schadet dem andern Anverwandten an seinem Recht nicht, wann er gleich des verzeihenden Sohn oder Erbe wäre, woferne er sich nur in der Zeit hierzu gemeldet, und sonst sich kein näherer Befreundter hervorgethan hat, weilen dieses Recht nicht aus Erbanfällen, sondern aus der einem jeden Anverwandten dem Geblüt nach zustehenden eigenen Befugnuß gebühret.

[3, 9, § 18] 314. Aus dieser Ursache gehet das freundschaftliche Nähergeltungsrecht auf keine fremde Erben, obgleich der nächste Anverwandte noch binnen der Enstandzeit verstürbe; es wäre dann, daß er in dieser Zeit den Einstand angemeldet, und alle vorgeschriebene Erfordernussen erfüllet hätte, sonach aber mit Tod abgienge, in welchem Fall der Einstand schon für vollzohen zu halten ist, und dahero das Gut seinen Erben mit Ausschließung aller weiteren Verwandten zufallet.

[3, 9, § 18] 315. Wann der Kauf noch vor Einverleibung des Contracts mit beiderseitiger Willkür zuruckgehet, und aufgehoben wird, höret auch das Einstandrecht auf. Woferne aber der Contract einmal einverleibet, und der Einstand gerichtlich angemeldet worden, alsdann können die Contrahenten zum Nachtheil des Einstehenden von dem Kauf nicht mehr abweichen, wann sie gleich ausdrücklich untereinander bedungen hätten, daß auf den Fall des Einstands der Kauf null und nichtig sein solle.

[3, 9, § 18] 316. Der Kaufer wird demnach von dem Contract insolange nicht entbunden, als dem Einstehenden das Gut nicht überantwortet, oder der richterliche Spruch, wodurch diesem die Nähergeltung zuerkannt worden, nicht in Rechtskräften erwachsen ist, bis dahin der Einstehende noch allezeit die Freiheit behält von dem Einstand abzulassen, doch gegen deme, daß er alle des Einspruchs halber dem Gegentheil verursachte erweisliche Schäden und Unkösten vergüte.

§. XIX.

[3, 9, § 19] 317. Siebentens folget das Beding der Beschränkung des Kaufs auf einen bestimmten Tag, wodurch der Verkaufer sich die Macht vorbehält, binnen einer gewissen gesetzten Zeit einen besseren Kauf zu treffen, und die Sache einem

(3-182) Dritten, der in dieser Zeit ein Mehreres dafür geben würde, käuflich hintanzulassen.

[3, 9, § 19] 318. Dieses Beding kann auf zweierlei Art beigesetzet werden, als entweder in der Gestalt einer aufziehenden Bedingnuß, daß, wann binnen einer gewissen Zeit Niemand mehr geben wollte, sodann der Kauf geschlossen sein solle, oder als eine auflösende Bedingnuß, daß wann innerhalb der gesetzten Zeit ein Anderer mehr geben würde, der Kauf aufgehoben sein solle.

[3, 9, § 19] 319. In ersterem Fall hat dasselbe keine mehrere Wirkung, als eine jede andere unter einer aufziehenden Bedingnuß getroffene Handlung, also zwar, daß der Erfolg der Bedingnuß abgewartet werden müsse, und vor deren Ausgang der Kaufer, obgleich ihme die Sache zugestellet worden wäre, jegleichwohlen weder den Nutzen davon zu beziehen, noch die Gefahr zu tragen habe, sondern erst damals, wann unter dieser Zeit Niemand mehr dafür angeboten hätte, der Kauf zu Stand komme, und dem Kaufer von dem Tag des Contracts alle davon abgefallene Nutzungen gebühren; dahingegen, wann innerhalb dieser Zeit von einem Anderen mehr gegeben, und von dem Verkaufer angenommen worden, die erstere Handlung dergestalten zerfalle, als ob sie niemalen eingegangen worden wäre.

[3, 9, § 19] 320. In dem zweiten Fall aber gehöret es unter diejenige auflösende Bedinge, deren Eigenschaft oben §. XIII, num. 228, beschrieben worden, und welche die Wirkung und Verbindlichkeit der Handlung nicht aufschieben, sondern den einmal ordentlich geschlossenen Contract bei Erfolg der Bedingnuß dergestalten aufheben, als ob niemalen ein Kauf getroffen worden wäre.

[3, 9, § 19] 321. Dieses Beding hinderet dahero nicht, daß nicht durch die Uebergabe das obschon bei erfolgender Bedingnuß widerrufliche Eigenthum der verkauften Sache auf den Kaufer übertragen werde, und ihme nicht allein von dem Tag des geschlossenen Contracts aller Nutzen davon gebühre, sondern auch die Gefahr zu Last falle, doch also, daß nach aufgelösten Contract er mit der Sache alle davon behobene Nutzungen nach Abzug deren darauf verwendeten nothwendigen Auslagen, sowie dagegen der Verkaufer das Kaufgeld mit denen davon vertagten Zinsen nebst Vergütung aller des Kaufs halber gehabten Unkösten zurückzustellen schuldig ist; wohingegen bei ermanglender Bedingnuß die Sache dem Kaufer unwiderruflich eigen bleibet.

[3, 9, § 19] 322. Gehet aber die Sache unter dieser Zeit ohne Schuld des Kaufers zu Grund, hat dieser zwar den Schaden zu tragen, und das allenfalls darauf noch rückständige Kaufgeld dem Verkaufer zu erlegen; wegen dessen aber, was etwan von einem Dritten dafür mehr angeboten worden, kann nur damals eine Forderung an ihn gestellet werden, wann seinerseits an den Verlust der Sache eine Schuld oder Gefährde unterwaltet.

[3, 9, § 19] 323. Bei Käufern, sowohl beweglicher als unbeweglicher Dingen kann zwar dieses Beding beigefüget werden; Wir ordnen und wollen aber, daß über liegende Güter kein unter einem solchen Beding gefertigter Contract, es möge in der Gestalt einer aufziehenden oder auflösenden Bedingnuß gefasset werden, ehender zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung angenommen werden solle, bis daß derselbe nicht nach Verlauf der bestimmten Zeit, und nach ermanglender Bedingnuß zu vollständigen Kräften gelanget, und in eine unwiderrufliche Verbindlichkeit erwachset.

[3, 9, § 19] 324. Es wird auch die Sache selbst andurch nicht behaftet, und kann dahero ein Dritter, welcher unter dieser Zeit dieselbe mit gutem Glauben rechtmäßig an sich gebracht hätte, von dem ersten Verkaufer derowegen nicht mehr angegangen werden. Wo aber ein Kauf oder Vertrag wissentlich, daß ein solches Beding beigerucket worden, hierüber zu Stand käme, ist zwar der Kauf oder Vertrag bis zum Erfolg der Bedingnuß giltig, sonach aber erlöschet mit dem Recht des Kaufers auch das Rechts eines Dritten, so er von jenem bekommen hat.

(3-183) [3, 9, § 19] 325. Und wird nicht allein mehr gegeben zu sein geachtet, wann eine größere Summe Gelds dafür angeboten, sondern auch wann die Bezahlung ehender und in kürzeren Fristen versprochen, oder ein besser gelegener Ort der Bezahlung bestimmet, oder andere dem Verkaufer leidlichere Gedinge beliebet worden, und überhaupt solle jenes für einen besseren Kauf gehalten werden, was zu des Verkaufers mehreren Nutzen gereichet.

[3, 9, § 19] 326. Doch ist zu deme, daß die Bedingnuß in wirkliche Erfüllung gehe, nicht an dem alleinigen Anbot genug, sondern es wird auch erforderet, daß der Verkaufer solchen annehme, und binnen der bestimmten Zeit dem ersten Kaufer bedeute.

[3, 9, § 19] 327. Wann nun dieser die nemliche Bedinge, die ein Dritter angetragen, eingehen, und eben das, was jener dafür geben zu wollen, sich sogleich erklären würde, hat er allemal aus dem Recht des ersten Anbots den Vorzug, wovon in vierten Theil seines Orts mit Mehreren gehandlet werden wird.

[3, 9, § 19] 328. Dem Verkaufer aber ist allemal unverwehret, insolange er mit dem Anderen den Kauf nicht geschlossen, den besseren Anbot auszuschlagen, und es bei dem ersten Kauf bewenden zu lassen, wann nicht das Beding zum Vortheil des ersten Kaufers beigesetzet worden, oder nicht etwan sonst das Recht eines Dritten darunter leiden würde.

§. XX.

[3, 9, § 20] 329. Achtens pfleget bei Käufen, sowohl beweglicher als unbeweglicher Sachen der Ruckfall des verkauften Guts bedungen zu werden, welches gleich dem vorigen ein die Handlung auflösendes Beding ist, wodurch beide Theile übereinkommen, daß, wann zur gesetzten Zeit das Kaufgeld nicht bezahlet würde, der Kauf gänzlich aufgehoben, und die verkaufte Sache dem Verkaufer wiederum anheimgefallen sein solle.

[3, 9, § 20] 330. Dieses Beding beirret die Verbindlichkeit der Handlung nicht, sondern löset nur dieselbe bei entstehender Zahlung anwiederum auf, und hat mit dem in gleich vorhergehenden Paragraph beschriebenen Beding in deme einerlei Wirkung, daß, sobald der Kauf geschlossen, so der Nutzen, wie die Gefahr auf den Kaufer gehe, und durch die Uebergabe das Eigenthum der verkauften Sache auf ihn übertragen werde, welches er unwiderruflich erwirbt, wann er in denen bestimmten Fristen mit der Abfuhr des Kaufgeldes richtig einhält.

[3, 9, § 20] 331. Wann aber der Kaufer die Zahlung in der gesetzten Zeit nicht leistete, wird in Kraft dieses Bedings der Contract dergestalten aufgelöset, als ob solcher niemalen geschlossen worden wäre und das Gut fallet an den Verkaufer mit allen mittlerweil davon behobenen Nutzungen zurück, welcher dahero von dieser Zeit an so den Nutzen davon zu beziehen, wie die Gefahr zu tragen hat, und ohneweiters die Einantwortung des Guts gegen Wiedererstattung des Angelds mit denen davon vertagten Zinsen zu begehren berechtiget ist, obschon nachhero der Käufer das übrige Kaufgeld zu erlegen bereit wäre, der noch dazu das gegebene Haftgeld, und den allenfalls bedungenen Reukauf verwirket.

[3, 9, § 20] 332. Vor Verlauf dieser Zeit hingegen ist der Verkaufer nicht befugt, das Kaufgeld einzumahnen; der Kaufer aber ist schuldig, solches binnen dieser Zeit anzubieten, wann er den Ruckfall des Guts vermeiden will. Dafern aber der Verkaufer hernachmals das von dem Kaufer angebotene Kaufgeld annähme, oder auch den Kaufer hierum belangete, kann er auf den Rückfall nicht mehr andringen.

(3-184) [3, 9, § 20] 333. Dann ihme stehet auch nach der Verfallzeit noch immer die Auswahl frei, ob er von dem Contract abgehen, oder dabei beharren wolle. Wo er aber das Eine gewählet, hat er nicht mehr Fug, das Andere anzubegehren, wann der Kaufer nicht gutwillig sich dazu einverstünde.

[3, 9, § 20] 334. Wäre das Beding des Rückfalls mit dem Contract zur landtäflichen stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung gediehen, behaftet es das Gut selbst, welches von dem Kaufer an einen Dritten nicht anderst, als unter dieser Bedingnuß verpfändet und veräußeret werden kann, also zwar, daß, wann das Recht des Kaufers erlöschet, auch das Recht dessen, welcher es von ihme erworben, aufgehoben werde. Da aber dasselbe auf dem Gut nicht vorgemerket wäre, ist dabei eben jenes zu beobachten, was schon oben in vorigen Paragraph, num. 324, in gleichen Fall geordnet worden.

[3, 9, § 20] 335. Dieses Beding des Ruckfalls kann nicht allein bei Käufen, sondern auch bei anderen Verträgen und Contracten, als bei Tauschen, Miethen und dergleichen beigesetzet werden, wann es nur keine wucherliche Absicht enthält, und beide Theile außer dem Haft- oder bedungenen Reugeld einander alles Dasjenige zurückstellen, was Einer von dem Anderen des Contracts halber empfangen hat, welches jedoch bei Miethen sich auf das schon verfallene Miethgeld, oder Bestandzins nicht verstehet; wofern es aber auf einen Wucher hinausliefe, als bei Pfandcontracten, ist solches ganz und gar verboten, und nicht von der mindesten Bindigkeit.

[3, 9, § 20] 336. Es kann auch noch weiters dahin erstrecket werden, daß nicht nur das verkaufte Gut dem Verkaufer anwiederum anheimfallen, sondern auch der Kaufer so vieles, als weniger gelöset werden würde, erlegen solle, wann dieses nur mit Einbegriff des verwirkten Haftgelds und Reukaufs den achten Theil des bedungenen Werths nicht übersteiget.

[3, 9, § 20] 337. Außer denen vorbeschriebenen giebt es bei Kaufen noch andere Bedinge, wodurch entweder der Verkaufer noch vor der Uebergabe sich das Eigenthum der verkauften Sache bis zu gänzlichem Abtrag des Kaufgelds, oder auf eine gewisse Zeit vorbehält, oder zwar das Eigenthum auf den Kaufer übertragen, doch aber in gewisser Maß eingeschränket wird, daß er damit nach Gefallen zu schalten und zu walten gebunden ist, als da Jemanden ein Grund mit dem Beding verkauft würde, um darauf entweder gar nicht, oder nur in einer bestimmten Höhe zu bauen, oder auch solcher nicht weiter zu veräußeren.

[3, 9, § 20] 338. Beide sind zwar rechtsgiltig, doch solle kein Contract unter einem Beding von ersterer Art zur Einverleibung ehender angenommen werden können, bis das Beding nicht entweder durch Verlauf der Zeit, oder durch Bezahlung des Kaufgelds erloschen ist. Die Bedinge von letzterer Art aber, wann sie auf dem verkauften Gut vorgemerket worden, behaften das Gut, und machen alle dagegen unternehmende nachherige Handlungen null und nichtig; dahingegen, woferne sie darauf nicht vorgemerket werden, wirken sie und die persönliche Verbindlichkeit des Kaufers, und entkräften die darwider vornehmende Handlungen nicht.

§. XXI.

[3, 9, § 21] 339. Wann der Kauf einmal ordentlich geschlossen worden, welches geschiehet, da von beiden Theilen einerseits in die Ueberlassung und andererseits in die Uebernehmung der angefeilten Sache um den bestimmten Werth die unbedingte Einwilligung erfolget, kann kein Theil wider Willen des anderen davon

(3-185) abstehen, woferne nicht die Freiheit der Reue sich ein- oder andererseits, als in dem Fall eines bedungenen Reugelds, oder der bedingten Heimfälligkeit der verkauften Sachen ausdrücklich vorbehalten worden.

[3, 9, § 21] 340. Außer diesem Vorbehalt sind die Contrahenten nach der Natur und Eigenschaft aller Verträgen an den getroffenen Kauf und Verkauf dergestalten gebunden, daß keinem Theil ohne Einwilligung des anderen, auch gegen Erlag des zweifachen Werths der verkauften Sache, oder aus dem Vorwand der nicht eingehaltenen contractmäßigen Schuldigkeit davon abzuweichen erlaubet ist, sondern jedem Theil stehet frei, Dasjenige, um was er aus Schuld oder Saumsal des anderen verkürzet worden, mit der aus dem Contract gebührenden Rechtsforderung anzusuchen.

[3, 9, § 21] 341. Es giebt aber jegleichwohlen rechtmäßige Ursachen, wegen welcher der geschlossene Kauf anwiederum ganz oder zum Theil aufgehoben und vernichtet werden kann. Diese Ursachen sind: Erstens, die beiderseitige Willkür; zweitens, dabei gebrauchte Gefährde und Betrug; drittens, unbefugte Gewalt und widerrechtlich eingejagte Furcht; viertens, wesentlicher Irrthum; fünftens, übermäßige Verkürzung; sechstens, unvorgesehene heimliche Mängeln; siebentens, unverständliche Dunkelheit und Zweideutigkeit des Contracts.

[3, 9, § 21] 342. Mit beiderseitiger Willkür kann von dem geschlossenen Kaufcontract abgegangen werden, insolange die Handlung sich noch in ihrer Gänze befindet und der Contract weder einerseits mit Uebergebung der Sache, noch andererseits mit Zuzählung des Kaufgelds erfüllet, oder da der Kauf liegende Güter beträfe, der Contract nicht einverleibet worden; dahingegen hinderet das daran gegebene Haftgeld nicht, daß noch allezeit von dem unerfüllten Contract abgestanden werden möge.

[3, 9, § 21] 343. Sobald aber, als der ein- oder anderseitige Vollzug der contractmäßigen Verbindlichkeit erfolget, oder bei Käufen liegender Güter der Contract einverleibet worden, ist zu Aufhebung der Handlung an beiderseitiger Einwilligung nicht genug, sondern es muß auch alles das, was einem Theil von dem andern der sich nachhero zerschlagenden Handlung halber geleistet worden, einander zuruckgestelltet, und noch besonders bei liegenden Gütern, worüber der Kaufcontract in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingeleget worden wäre, der spätere Vertrag, wodurch der erstere Kauf aufgehoben wird, zur Einverleibung gebracht werden.

[3, 9, § 21] 344. Wegen Gefährde und Betrugs, worunter auch die Scheinhandlungen und arglistige Verstellungen begriffen sind, wie nicht minder wegen Gewalt, Furcht und Irrthum wird ein Kaufcontract ebensowohl als wie ein jeder anderer Vertrag vernichtet und aufgehoben, in welcherlei Fällen all jenes statt hat, was von Verträgen überhaupt allschon oben in ersten Capitel, §. IX, num. 98 bis 100 und in zweiten Capitel, §. XI, num. 110 bis 126, geordnet worden, und noch besonders von Gewalt und Furcht unten in einundzwanzigsten Capitel ausgemessen werden wird.

§. XXII.

[3, 9, § 22] 345. Eine übermäßige Verkürzung in dem wahren Werth der verkauften Sache ereignet sich damals, wann entweder der Verkaufer oder der Kaufer nicht

(3-186) die Hälfte dessen empfangen, was der Eine oder der Andere dafür gegeben hat, wie solches oben §. VI, num. 63 und 64 erkläret worden.

[3, 9, § 22] 346. Wir wollen jedoch die Rechtshilfe wegen derlei Verkürzungen nur allein bei liegenden Gütern und jenen beweglichen Dingen verstatten, deren wahrer Werth sich auf einhundert Gulden Rheinischer Währung und darüber belaufet. Dahingegen keine Klage oder Einwendung einer Verkürzung halber bei anderen geringschätzigen Sachen von minderem Werth zugelassen sein solle; außer es könnte dabei ein offenbarer Betrug oder ein heimlicher dem Kaufer nicht entdeckter Mangel dargezeiget werden.

[3, 9, § 22] 347. Da es um ein liegendes Gut zu thun wäre, kann diese Rechtsforderung bei keiner anderen Gerichtsstelle, als unter deren Gerichtsbarkeit das Gut gelegen ist, und zwar binnen dreien Jahren von dem Tag der Einverleibung des Contracts an zu rechnen angestrenget, in Betreff beweglicher Dingen aber bei was immer für einen Gerichtsstand, dessen Gerichtszwang der Beklagte untergeben ist, doch nicht länger als binnen sechs Wochen von Tag der Uebergabe der verkauften Sache angebracht werden, wann es nicht solche Sachen sind, worüber die Erkanntnuß nur einer gewissen Gerichtsstelle mit Ausschließung anderer eingeräumet ist.

[3, 9, § 22] 348. Diese Rechtsforderung gebühret sowohl dem Kaufer als dem Verkaufer und deren Erben, nicht aber auch einem dritten Besitzer, der die Sache mittlerweil an sich gebracht hätte, wann nicht auch er vorerwähnter Maßen über die Hälfte dabei verkürzet worden wäre, und gehet dieselbe wider denjenigen Theil und dessen Erben, welcher den anderen über die Hälfte verkürzet hat.

[3, 9, § 22] 349. Woferne aber der Kaufer die unter der Hälfte des rechten Werths erhandlete Sache an einen Dritten veräußerte, und da es ein liegendes Gut wäre, zur Zeit der erhobenen Klage der mit einem Dritten darüber geschlossene Contract schon einverleibet, oder, da es eine bewegliche Sache, solche bereits an den Dritten übergeben sein würde, so kann der dritte Besitzer, wann er an dem Betrug keinen Theil genommen, deshalben nicht angefochten werden.

[3, 9, § 22] 350. Dem dabei verkürzten ersten Verkaufer aber ist unverwehret, seinen Anspruch auf den Ersatz des abgängigen Werths wider den Kaufer auszuführen, und sich allenfalls zu seiner Sicherheit an dem von einem Dritten noch herauszugeben habenden Kaufgeld zu halten.

[3, 9, § 22] 351. Es hat auch diese Rechtsforderung einerlei Wirkung, obgleich dieselbe als eine Klage angebracht, oder als eine Einrede eingewendet werde, welche letztere Gestalt sie annehmen kann, da der verkürzte Theil noch binnen der obausgemessenen Zeit um die Erfüllung des Contracts belanget wird; nach Verlauf dieser Zeit aber ist auch diese Einrede erloschen.

[3, 9, § 22] 352. Wer dahero wegen einer über die Hälfte des wahren Werths erlittenen

(3-187) Verkürzung Klage erheben, oder solche als eine Einrede einwenden will, muß dieselbe aus dem Verhältnuß des dafür gegebenen oder empfangenen Kaufgelds mit dem wahren Werth er Sache erproben, und zu dem Ende nicht allein das dafür bedungene Kaufgeld durch den Kaufbrief, Zeugen, Eidesauftrag oder sonstige zureichende Beweismitteln, sondern auch den um die Hälfte übersteigenden, oder minder betragenden wahren Werth der Sache durch Auswirkung der gerichtlichen Schätzung erweisen.

[3, 9, § 22] 353. Es solle demnach der verkürzte Theil gleich bei Einreichung der Klage oder Vorschützung der Einrede unter Einem die gerichtliche Abschätzung der verkauften Sache anverlangen, hierüber aber der Gegentheil mit seinen Einwendungen gehöret, und da er nichts Rechtserhebliches dagegen vorbringen könnte, die wirkliche Schätzung in seinem Beisein, wofern er auf die an ihn ergangene Ladung dabei erscheinet, nach folgenden Maßregeln vorgenommen werden.

[3, 9, § 22] 354. Erstens muß dabei der wahre Werth allemal nach dem Mittelanschlag bestimmet, und nicht nach der selbsteigenen Neigung und Anständigkeit deren Contrahenten oder auch eines Dritten, sondern nach der gemeinen Schätzung, und zwar bei liegenden Gütern nach der vorgeschriebenen Abschätzungsordnung der Orten, wo solche eingeführet ist, in deren Ermanglung aber nach dem gemeinen Landpreis ausgemessen werden.

[3, 9, § 22] 355. Bei denen Häusern hingegen, und jenen beweglichen Sachen, worauf sich diese Rechtshilfe erstrecket, kann der wahre Werth nicht anderst, als durch die hierzu eigends beeidigte, der Sachen erfahrene Schätzere erforschet werden. Es ist jedoch bei Häusern der Bedacht darauf zu nehmen, damit nicht allein das Gebäu an sich selbst, sondern auch die Bequemlichkeit der Wohnungen, die Benutzung der Zinsen, die einem Haus anklebenden Gerechtsamen, und überhaupt Alles, was entweder wegen seiner Bequemlichkeit oder Nutzbarkeit einer gemeinen Schätzung fähig ist, in Anschlag gebracht werde.

[3, 9, § 22] 356. Zweitens solle auf die Zeit und Ort des Contracts gesehen, und die Sache nach deme, was sie zur Zeit, und an dem Ort des Contracts gegolten hat, nicht aber nach dem vor oder darnach gestiegenen oder gefallenen Werth, oder nach dem an einem anderen Ort gängigen höheren oder minderen Preis geschätzet werden; dann was nach geschlossenen Kauf dem Werth der Sache zugehet oder abfället, gereichet zum Nutzen oder Schaden des Kaufers.

[3, 9, § 22] 357. Es kann dahero über seine Verkürzung geklaget werden, wann der Preis der Sachen durch zeitliche und zufällige Ursachen, als wegen Hungersnoth, Feindesgefahr und dergleichen fallet oder steiget, obschon dieselbe sonst zu einer anderen Zeit, nach ihrem ordentlichen Werth auch zweimal höher anzubringen, oder weit unter der Hälfte des dermaligen Preises zu haben gewesen wäre.

[3, 9, § 22] 358. Drittens muß der Werth nach dem zur Zeit der Handlung fürgewesten Stand der Sachen, und nicht nach dem sich nachhero ergebenen ungewissen Erfolg geschätzet werden. Also da Jemand Leibrenten erhandlete, können weder einerseits des Kaufers Erben, wann gleich derselbe bald nach geschlossener Handlung verstürbe, noch auch andererseits der Verkaufer über eine Verkürzung klagen, obschon das hieran Bezahlte den dafür gegebenen Werth weit übertreffen würde, welches überhaupt von allen Handlungen über künftige ungewisse Dinge in derjenigen Maß zu verstehen ist, wie solche oben Capitel II, §. XII, von num. 133 bis 138, des Mehreren erkläret worden.

[3, 9, § 22] 359. Viertens ist nothwendig, daß Jener, welcher sich über eine Verkürzung beschweren will, zur Zeit der geschlossenen Handlung den rechten Werth der Sache nicht gewußt, oder auch keine Verbindlichkeit ob sich gehabt habe, die Sache in diesem und keinem höheren Preis zu verkaufen, oder in diesem und keinem minderen Preis zu erkaufen.

[3, 9, § 22] 360. Dann wo Jemand mit gutem Wissen und Willen außer einem erweislichen

(3-188) Nothfall für eine Sache mehr, als sie nicht werth ist, geben, oder eine viel kostbarere Sache um einen minderen Preis hintanlassen würde, widerfahret ihme keine Unbild, sondern es ist darunter seinerseits die Ausübung einer Freigebigkeit zu vermuthen, wann die Wissenschaft des rechten Werths von dem Gegentheil erprobet wird.

[3, 9, § 22] 361. Desgleichen schließet die letztwillige Anordnung eines Erblassers in jenem Fall die Verkürzungsklage aus, wann der Erb von ihme dahin besonders verbunden worden, eine Sache in dem bestimmten Werth einer gewissen Person abzukaufen, oder an solche zu verkaufen, dieselbe möge von einer noch so hohen oder geringen Werthschaft sein.

[3, 9, § 22] 362. Wann nun durch die mit Beobachtung aller vorbemelten Erfordernussen veranlaßte Schätzung eine Verkürzung über die Hälfte des rechten Werths wirklich befunden wird, so ist zu unterscheiden, ob auf den verkürzenden Theil eine seinerseits dabei begangene geflissentliche Arglist und Gefährde erwiesen werden könne, oder ob die Verkürzung bloß aus einer übertriebenen Klugheit in Handel herrühre.

[3, 9, § 22] 363. Wäre die Verkürzung durch Betrug und Gefährde zugefüget worden, hat der beschädigte Theil die Auswahl, ob er gegen beiderseitige Wiedererstattung des Empfangenen die gänzliche Vernichtung der Handlung, oder nur die Vergütung des Schadens anverlangen wolle; doch solle der Betrug noch über die dem andurch verkürzten Theil zu leisten schuldige Genugthuung nach richterlichem Ermessen bestrafet werden.

[3, 9, § 22] 364. Wo aber keine Gefährde erweislich wäre, gebühret die Auswahl dem Beklagten, er möge Kaufer oder Verkaufer sein, ob er von dem Contract abweichen, und gegen Zuruckstellung des Empfangenen das Gegebene anwiederum zurucknehmen, oder die Ersetzung der Ungleichheit in Werth leisten wolle.

[3, 9, § 22] 365. Also da der Verkaufer über die Hälfte verkürzet worden wäre, hat der Kaufer zu wählen, ob er die Vergütung leisten, und den Abgang des rechten Werths, wie solcher gerichtlich geschätzet worden, ersetzen, oder gegen Zuruckstellung des gegebenen Kaufgelds die erkaufte Sache dem Verkaufer zuruckstellen wolle.

[3, 9, § 22] 366. So wie gegentheils, wann der Kaufer eine Verkürzung über die Hälfte darzeigen kann, dem Verkaufer die Wahl zustehet, ob er die über den rechten Werth an dem Kaufgeld empfangene Uebermaß dem Kaufer hinaus zahlen oder gegen Entrichtung des ganzen erhaltenen Kaufschillings die verkaufte Sache zurucknehmen wolle; wobeinebst jedoch allemal der sachfällige Theil die verursachte Gerichtsschäden und Unkösten dem anderen Theil zu ersetzen schuldig ist.

[3, 9, § 22] 367. Diese Auswahl kann auch dem Beklagten auf keinerlei Art und Weis, und nicht einmal durch richterlichen Spruch entzohen werden, wann gleich Kläger seine Klage nur auf Eines, oder auf das Andere, und nicht wechselweise auf beides gestellet hätte; es wäre dann, daß durch ein vorhergegangenes Beding die Freiheit der Wahl beschränket, oder der Zustand der Sachen in eine solche Gestalt versetzet worden wäre, daß nur deren Eines in Erfüllung gebracht werden könne.

[3, 9, § 22] 368. Würde nun der Kaufer den Ersatz des abgängigen rechten Werths leisten wollen, oder der Verkaufer sich zur Hinauszahlung der Uebermaß verstehen, so muß ersteren Falls der Kaufer hieran so vieles nachtragen, als die gerichtliche Schätzung ausweiset, sowie in dem zweiten Fall der Verkäufer so vieles herausgeben, als er über den gerichtlich geschätzten Betrag des rechten Werths an dem Kaufgeld empfangen. In beiden Fällen aber sind die Zinsen von dem Tag der erhobenen Klage von der hinauszahlenden Summe zu erstatten.

[3, 9, § 22] 369. In Gegentheil, woferne der beklagte Kaufer oder Verkaufer viel lieber von dem Contract abweichen, und der Erstere die Sache zuruckstellen, oder der Andere sie zurucknehmen wollte, wird die Handlung nach dergestalten aufgehobenen Contract in denjenigen Stand versetzet, als ob sie niemalen geschlossen worden wäre, folglich hat der Verkaufer das Kaufgeld mit allen von Zeit des Empfangs

(3-189) davon vertagten Zinsen, der Kaufer aber die Sache mit allen von Zeit der Uebergabe eingehobenen Nutzungen, ihren Zugehörungen und mittlerweil hieran sich ergebenen Zugängen zuruckzustellen.

[3, 9, § 22] 370. Doch hat der Kaufer die Befugnuß, die auf beharrliche Erhaltung der Sache gemachte erweisliche Auslagen, sowie die von dem Grund bezahlte Steuern und andere Haftungen an denen zuruckzustellen habenden Nutzungen abzuschlagen, oder da diese nicht hinlänglich wären, deren Vergütung von dem Verkaufer zu forderen.

[3, 9, § 22] 371. Dagegen aber ist auch der Verkaufer berechtiget die aus erweislicher Schuld des Kaufers einzuheben unterlassene Nutzungen, so viel er hieran darthun kann, an denen von dem Kaufgeld zu erstatten schuldigen Zinsen, oder da diese nicht zureicheten, von der Kaufsumme selbst abzurechnen. Wohingegen die sowohl auf Zustandbringung und Einverleibung des Contracts aufgegangene, als auf dessen Auslöschung weiters auflaufende Unkosten Beide zu gleichen Theilen zu tragen haben, wann wegen so einer, als anderen, nichts Besonderes verabredet worden.

[3, 9, § 22] 372. Daferne jedoch der Kaufer die Sache mittlerweil versetzet, oder pfandweise verschrieben, oder sonst in andere Wege behaftet hätte, beschadet die Aufhebung des Contracts dem von einem Dritten hieran erworbenen Recht nichts, sondern die Sache gehet mit der darauf haftenden Verbindlichkeit auf den Verkaufer zuruck.

[3, 9, § 22] 373. Diesem aber stehet frei zu seiner Bedeckung von dem wieder hinauszuzahlen habenden Kaufgeld so vieles, als die Summe, wofür die Sache zur Hypothek verschrieben oder versetzet, oder sonst behaftet worden, betraget, innenzuhalten, oder da solches nicht zulänglich, oder auch noch keines erleget worden wäre, den Kaufer um die Befreiung der Sache zu belangen, bis zu dessen Bewirkung er dieselbe zuruckzunehmen nicht schuldig, sondern da es der Kaufer nicht thun wollte oder könnte, mit Verschränkung der Auswahl lediglich auf die Ergänzung des rechten Werths anzubringen befugt ist.

[3, 9, § 22] 374. Wann hingegen der Kaufer unter die Zeit der Sache gar an einen Dritten veräußeret, oder sonst zu derselben Untergang aus seiner Schuld oder Saumsal Anlaß gegeben hätte, so kommet es dabei auf den Unterschied an, wer in dem Handel verkürzet worden; ist der Kaufer der verkürzende Theil, so verlieret er in allen diesen Fällen das Recht der Auswahl, und bleibet gleichwohlen in der Verbindlichkeit den Abgang des rechten Werths, wie solcher von dem Verkaufer durch andere rechtsbeständige Proben dargethan werden mag, zu ersetzen.

[3, 9, § 22] 375. Gegentheils aber, da dem Kaufer selbst die Verkürzung widerfahren wäre, hat er derowegen an dem Verkaufer keinen weiteren Anspruch, sondern den Verlust seines Rechts seiner eigenen Schuld beizumessen; gleichwie dann auch derselbe in dem Fall, da die Sache bei ihme ganz zufälliger Weise, und ohne seiner Schuld zu Grund gienge, der Verkürzung halber von dem Verkaufer nicht mehr geklaget werden kann, wohl aber kann er, wann ihme die Verkürzung zugefüget worden, unerachtet des zufälligen Untergangs der Sache jegleichwohlen die erweisliche Uebermaß des rechten Kaufgelds von dem Verkaufer zuruckforderen.

[3, 9, § 22] 376. Alles was bishero von Verkürzung über die Häfte des rechten Werths bei Kaufen und Verkaufen geordnet worden, hat auch in allen anderen entgeltlichen Handlungen statt, wodurch beide Theile einander etwas zu leisten verstricket werden, folglich auch die Billigkeit eine Gleichheit zwischen dem Gegebenen und Empfangenen erheischet, als in Tauschcontract, Miethen und Vermiethen, Uebergabe an Zahlungs statt, Theilungen gemeinschaftlicher oder erblicher Güter, und dergleichen außergerichtlichen Contracten und Verträgen.

[3, 9, § 22] 377. Dahingegen höret die Klage wegen einer Verkürzung in allen folgenden Fällen auf, als erstens, in gerichtlich geschlossenen Handlungen, als in gerichtlichen Ausweisen, Theilungen und Subhastations- oder Steigerungscontracten.

(3-190) [3, 9, § 22] 378. Zweitens, in allen ganz oder zum Theil unentgeltlichen Handlungen, als in Schankungen, Vermächtnussen, Freundschaftskaufen, oder da sonst wissentlich für die Sache mehr, als sie werth ist, gegeben, oder solche in einem viel geringeren Preis hintangelassen wird.

[3, 9, § 22] 379. Drittens, in Vergleichen, sie mögen gerichtlich oder außergerichtlich getroffen werden; viertens, in Käufen künftiger Dingen, wann die Verkürzung sich erst aus der erfolgenden ungewissen Ereignuß zeiget, und nicht schon zur Zeit der Handlung offenbar ist.

[3, 9, § 22] 380. Fünftens, in Kaufen in Pausch und Bogen, als da eine ganze Erbschaft kauflich überlassen würde, oder da auch mehrere Dinge von ungleicher Güte dergestalten verkaufet werden, daß auf deren jedes insonderheit ein gewisser Preis gesetzt seie; dann obschon einige Stücke darunter vieles über oder unter der Hälfte des rechten Werths betragen, so wird doch Eines mit dem Anderen vergolten.

[3, 9, § 22] 381. Sechstens, wann der Verkürzte sich dieser Klage besonders und ausdrücklich verziehen hat; durch eine allgemeine Verzicht aller Rechtswohlthaten aber wird diese Klage nicht ausgeschlossen. Siebentens, wann die zu Anstrengung dieser Forderung obausgesetzte Zeit verstrichen, und endlich

[3, 9, § 22] 382. Achtens, wann die Sache von dem Kaufer veräußeret worden, oder aus seiner Schuld bei ihme zu Grund gegangen, erlöschet auch seinerseits diese Klage, nicht aber an Seiten des Verkaufers, wann dieser verkürzet worden, sondern ihme wird die Klage nur allein durch den bei dem Kaufer sich ergebenden blos zufälligen Untergang verschränket, welchen jedoch der Kaufer zu erweisen hat.

§. XXIII.

[3, 9, § 23] 383. Wegen unvorgesehener heimlicher Mängeln wird ein Kaufcontract ganz oder zum Theil aufgehoben, wann sich der Abgang einer natürlichen, oder von dem Verkaufer gewährten Eigenschaft an der verkauften Sache nachhero veroffenbaret, und der Mangel also beschaffen ist, daß solcher deren Gebrauch oder Genuß ganz oder zum Theil verhindere, und folglich ihren Werth verringere.

[3, 9, § 23] 384. In diesen Fällen kommet dem Kaufer nach Unterschied des Mangels eine zweifache Rechtshilfe zu statten, als erstens die Widerrufungsklage, wann der Mangel so groß ist, daß solcher die Sache ganz und gar unbrauchbar oder ungenußbar mache, folglich bei dessen Vorsehung der Kaufer dieselbe niemalen gekaufet haben würde.

[3, 9, § 23] 385. Andertens die Gering- oder Minderschätzungsklage, wann der Mangel den Gebrauch oder Genuß der Sache nur zum Theil verhinderet, und der Kaufer

(3-191) mit Vorwissen diese Fehlers solche zwar gekaufet, nicht aber so viel dafür gegeben hätte.

[3, 9, § 23] 386. Damit aber sowohl eine als die anderere Klage zu Recht bestehen könne, ist dabei erforderlich: Erstens, daß es ein Mangel der natürlichen, oder von dem Verkaufer in der Contractsabrede besonders gewährten und verheißenen Eigenschaft seie; dann wegen des etwan abgängigen Betrags an der verkauften Sache bedarf der Kaufer dieser Rechtsklagen nicht, sondern hat nach Verschiedenheit der Fällen die schon aus dem Contract selbst gebührende Rechtsforderung entweder zu Erfüllung des Contracts, oder zur Gewährleistung, wann ihme hieran durch den von einem Dritten hierauf geführten Anspruch etwas entgienge.

[3, 9, § 23] 387. Zweitens, daß dieser Mangel dergestalten verborgen gewesen seie, daß er auch mit genauer Besichtigung der Sache nicht habe entdecket werden können, der Verkaufer möge solchen gewußt haben oder nicht, oder auch sich überhaupt ausdrücklich dahin verwahret haben, daß er für keinen Mangel stehen wolle. Wo aber der Mangel offenbar, oder auch leicht durch den Augenschein zu erforschen gewesen wäre, hat es der Kaufer seiner eigenen Schuld zuzuschreiben, daß er in dem Handel nicht mehrere Vorsicht gebrauchet.

[3, 9, § 23] 388. Daferne hingegen der Mangel zwar nicht offenbar, aber doch auch nicht so heimlich wäre, daß er durch genaue Nachforschung nicht entdecket werden könnte, und der Verkaufer hätte die Sach von diesem Mangel frei zu sein gewähret, oder auch sich zu Bevortheilung des Kaufers arglistiger und unerlaubter Kunstgriffen bedienet, so machet er sich andurch jegleichwohlen dieser Rechtsklagen verfänglich, obschon an Seiten des Kaufers eine Schuld der unterlassenen mehreren Vorsicht mit unterliefe.

[3, 9, § 23] 389. Drittens muß der Mangel von solcher Wichtigkeit und Beharrlichkeit sein, daß er entweder gar nicht, oder doch mit vieler Beschwerlichkeit und Aufwand großer Kosten geheilet, oder verbesseret werden möge; dann für geringe zeitliche Mängeln, welche hinwiederum entweder für sich selbst vergehen, oder wovon doch die Sache mit leichter Mühe befreiet werden kann, ist der Verkaufer zu stehen nicht schuldig.

[3, 9, § 23] 390. Viertens hat der Kläger zu erweisen, daß die Sache schon zur Zeit des Contracts mit diesem Mangel behaftet gewesen seie; dann die nach geschlossenen Contract sich ergebende Mängeln und Zufälle gereichen zu dem alleinigen Schaden des Kaufers.

[3, 9, § 23] 391. Wo aber der Mangel gleich nach dem Contract bemerket würde, oder ein erkauftes Roß oder anderes Vieh binnen drei Tägen nach getroffenen Kauf, es seie vor oder nach der wirklichen Uebergabe, umstände, und der Mangel nachhero bei Besichtigung des Eingeweids befunden worden wäre, ist die rechtliche Vermuthung wider den Verkaufer, daß selbes schon zur Zeit des Contracts damit behaftet ware, wenn das Widerspiel von ihme nicht erwiesen wird.

[3, 9, § 23] 392. Beide diese Rechtsklagen gebühren dem Kaufer und seinen Erben wider den Verkaufer und dessen Erben, also zwar, daß wo Mehrere eine Sach erkaufet oder verkaufet hätten, auch von Allen wider Alle zusammen geklaget werden müsse.

[3, 9, § 23] 393. Erstere, nemlich die Widerrufungsklage ist auf die gänzliche Vernichtng und Aufhebung des Contracts gerichtet, wodurch die Handlung in denjenigen Stand versetzet wird, als ob sie niemalen geschlossen worden wäre, und ist dahero Kläger die verkaufte Sache mit allen ihren Nutzungen, Zugehörungen, der beklagte Verkaufer aber das Kaufgeld mit allen von Zeit des Empfangs vertagten Zinsen sammt Vergütung deren etwan auf die beharrliche Erhaltung der Sache gemachten erweislichen Auslagen, dann Schäden und Unkosten zuruckzustellen, und noch über das, wann die Wissenschaft des Mangels, folglich die geflissentliche Bevortheilung

(3-192) des Kaufers auf ihn erwiesen werden könnte, wegen seines Betrugs ihn völlig schadlos zu halten schuldig.

[3, 9, § 23] 394. Diese Entschädigung bestehet solchenfalls insgemein nach obiger Ausmessung in dem achten Theil des bedungenen Kaufgelds; woferne aber der Kaufer sich nicht damit begnügen wollte, sondern seinen erlittenen Schaden auf eine weit höhere Summe klar darzeigen könnte, als da durch ein verkauftes mangelhaftes Roß seine eigene Pferde angestecket worden wären, so ist auch der Verkaufer allen erweislichen Schaden zu ersetzen verbunden.

[3, 9, § 23] 395. Desgleichen hat die Widerrufungsklage auch in jenem Fall statt, wann mehrere Sachen entweder zusammen überhaupt, oder auch um einen auf jedes Stuck insonderheit ausgesetzten Preis verkaufet worden, doch mit dem Unterschied, daß ersteren Falls, wann auch nur ein Stuck darunter mangelhaft befunden würde, alle insgesammt, letzteren Falls aber nur das mangelhafte allein zuruckgestellet werden könne.

[3, 9, § 23] 396. Es wäre dann, daß mehrere Sachen in Pausch und Bogen, so wie sie liegen und stehen, verkaufet worden wären, wodurch das Gute mit dem Schlechten und Mangelhaften unter einem angebracht, und also das Eine mit dem Anderen ersetzet wird, folglich auch deshalben keine Klage zulässig ist, woferne nicht eine gewisse Eigenschaft aller Stücken ausdrücklich gewähret worden.

[3, 9, § 23] 397. Hätte aber der Kaufer die mangelhafte Sache mittlerweil versetzet, oder zur Hypothek verschrieben, so ist der Verkaufer solche nicht ehender zuruckzunehmen, und das Kaufgeld herauszugeben schuldig, als bis nicht die Sache durch den Kaufer von dieser Haftung anwiederum gänzlich befreiet worden.

[3, 9, § 23] 398. Die Gering- oder Minderschätzungsklage hingegen hebet den Contract nicht ganz auf, sondern der Kaufer behält die verkaufte Sache, und ist nur befugt, die Verminderung des Kaufgelds auf jenen Betrag anzuverlangen, wie viel weniger derselbe dafür gegeben haben würde, wann er den Mangel vorgesehen hätte.

[3, 9, § 23] 399. Der Verkaufer ist demnach schuldig, wann er das Kaufgeld schon empfangen, die Uebermaß dessen, um was die Sache geringer des Mangels halber nach dem Verhältnuß des bedungenen Preises gerichtlich geschätzet werden wird, mit denen von Zeit des Empfangs hiervon laufenden Zinsen dem Kaufer wieder zu erstatten, oder da das Kaufgeld noch in Handen des Kaufers wäre, diese Uebermaß zuruckzulassen, und sich mit dem gerichtlich geschätzten Werth zu begnügen, beinebst aber in so ein als anderen Fall alle Schäden und Unkosten zu ersetzen.

[3, 9, § 23] 400. Es ist jedoch der Unterschied zwischen unbeweglichen und beweglichen Dingen zu beobachten; bei liegenden Gütern kann sehr seltsam zur Widerrufungsklage geschritten werden, weilen nicht leicht ein das ganze Gute behaftender Mangel sich ergeben wird, welcher nicht durch fleißige Nachforschung in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern, oder durch Beaugenscheinung des Grunds vorhergesehen werden möge.

[3, 9, § 23] 401. Nichtsdestoweniger aber können sich dabei jegleichwohlen Fälle eräußeren, wo dem Kaufer diese Rechtshilfe nicht füglich versaget werden mag, als da der Verkaufer eine gewisse gute Eigenschaft des Grunds in dem Contract ausdrücklich gewähret, wo nachhero sich das Widerspiel zeigete.

[3, 9, § 23] 402. Oder da der Grund als landtäflich verkaufet, sonach aber solcher stadt- oder grundbücherlich, oder auch lehenbar zu sein befunden würde, und der Kaufer etwan wegen dessen Vermischung mit anderen Gründen auch durch Einsicht der Landtafel die wahre Beschaffenheit nicht hätte in Erfahrnuß bringen können.

[3, 9, § 23] 403. Oder endlich da bald nach dem Contract von einem Dritten hieran eine klar aufgelegte und unwiderrufliche Rechtsforderung geregelt würde, wobei der Kaufer den wirklichen Gewährsfall abzuwarten nicht schuldig ist.

[3, 9, § 23] 404. In diesen und anderen derlei Fallen solle zwar auch bei unbeweglichen Dingen die Widerrufungsklage zugelassen sein, jedoch aber nicht länger, als binnen


(3-193) einem Jahr von Tag der Einverleibung des Contracts angestrenget werden können, nach dessen Verlauf der Kaufer damit nicht mehr zu hören ist.

[3, 9, § 23] 405. Gleichergestalten hat die Geringschätzungsklage auch bei liegenden Gütern in jenen Fällen statt, wo nur ein Theil des Grunds mit dem Mangel einer von dem Verkaufer gewährten Eigenschaft behaftet oder sonst ansprüchig wäre, der Kaufer aber auch bei vorgesehenen Mangel das Gut jegleichwohlen erkaufet hätte.

[3, 9, § 23] 406. Doch muß dieselbe in eben der Zeit, welche gleich bevor zu der Widerrufungsklage ausgesetzet worden, angebracht, und so eine wie die andere Rechtsklage nirgend anderstwo, als bei derjenigen Gerichtsstelle, unter deren Gerichtsbarkeit der Grund gelegen ist, verführet werden.

[3, 9, § 23] 407. Dem Kaufer aber stehet in dem Fall der ihme gebührenden Widerrufungsklage die Auswahl zu, ob er mit dieser, oder mit der Geringschätzungsklage verfahren wolle; wo in Gegentheil, wann nur der Fall der Geringschätzungsklage vorhanden wäre, kann er sich der Widerrufungsklage nicht bedienen, noch auch solchen Falls der Verkaufer anstatt der herauszugeben habenden Uebermaße die Aufhebung des Contracts anbegehren.

[3, 9, § 23] 408. Dahingegen sind bei beweglichen Sachen diese Rechtsklagen nicht so seltsam, wann nur die oben ausgemessene Erfordernussen hinzutreten, und beruhet bei der Willkür des Kaufers ohne Unterschied, der Mangel möge die Sache ganz oder zum Theil unbrauchbar machen, mit welcher er fürgehen wolle.

[3, 9, § 23] 409. Würde er nun mittelst der Geringschätzungsklage auf die Verminderung des Preises antragen, gebühret dagegen auch dem Verkaufer die Auswahl, ob er viel lieber die Sache gegen Wiedererstattung, oder Zurucklassung des Kaufgelds zurucknehmen, und also den Contract aufheben, oder aber nur die gerichtlich befundene Uebermaße hinauszahlen, oder an dem noch rückständigen Kaufschilling erlassen wolle.

[3, 9, § 23] 410. Wir setzen jedoch zu Einbringung so einer als der anderen Klage bei Fahrnussen eine Zeit von acht Tägen von dem Tag der an den Kaufer geschehenen Uebergabe der Sache aus, nach welcher keine derlei Klage mehr zugelassen sein sollte.

[3, 9, § 23] 411. Und obwohlen in Ansehung fahrender Dingen diese Klagen bei einem jeden Gerichtsstand, deme der Verkaufer mit seiner Person unterworfen ist, angebracht werden können, so sind jedoch die Mängeln deren Rossen und anderen Viehs derorten davon ausgenommen, wo von Uns besondere Aemter angestellet sind, denen die ausschließende Erkanntnuß hierüber eingeraumet ist.

[3, 9, § 23] 412. Diese Rechtsklagen können nicht minder in allen anderen entgeltlichen Handlungen, als Tauschen, Theilungen, Uebergaben an Zahlungsstatt, nicht aber auch in Miethen und Vermiethen, und jenen Contracten, woraus die Rechtshilfe schon aus der Natur des Contracts selbst entspringet, noch weniger in Vergleichen und denen unentgeltlichen Handlungen, als Schankungen und Vermächtnussen gebrauchet werden.

[3, 9, § 23] 413. Beide aber erlöschen: Erstens, durch Verlauf der obbestimmten Zeit, also daß sie darnach weder mehr als eine Einrede wider die Forderung des Verkaufers eingewendet werden können; zweitens, durch ausdrückliche Verzicht des Kaufers; drittens, wann die Sache mittlerweil aus Handen des Kaufers gekommen, oder mit oder ohne seiner Schuld zu Grund gegangen wäre; viertens, wann die Gestalt der Sache merklich veränderet worden wäre.

[3, 9, § 23] 414. Fünftens, wann der Verkaufer die Sache außergerichtlich bereits zuruckgenommen hätte, in welchen Fall der Kaufer auch nach verstrichener obbestimmten Frist noch allemal die Zuruckstellung des Kaufschillings mit denen von dem Tag der gerichtlichen Belangung laufenden Zinsen zuruckzuforderen befugt ist.

[3, 9, § 23] 415. Dann sobald der Verkaufer die ihme eines Mangels halber von dem Kaufer zuruckgestellte Sache ohne seinem vor zweien Zeugen ausdrücklich einlegenden

(3-194) Widerspruch, daß dieses in keiner anderen Absicht, als sie vor Schaden und Untergang zu bewahren, geschehe, anwiederum zu seinen Handen zurucknimmt; oder auch, da er sich solchergestalten verwahret hätte, dem Kaufer binnen denen nächsten acht Tägen die Sache nicht gerichtlich oder außergerichtlich vor Zeugen zuruckstellet, ist die Vermuthung wider ihn, daß er den Mangel erkannt, und in die Aufhebung des Contracts gewilliget habe.

§. ХХІV.

[3, 9, § 24] 416. Endlichen machet die Dunkelheit und Zweideutigkeit den Kaufcontract gänzlich kraftlos, wann solche dergestalten beschaffen ist, daß das Wesentlich des Contracts selbst daraus nicht zu entnehmen seie, als da nicht bestimmet werden könnte, ob die Contrahenten eingewilliget, welche Sache verkaufet, oder was für ein Kaufgeld bedungen worden.

[3, 9, § 24] 417. In allen diesen Fällen, wo wegen Dunkelheit und Zweideutigkeit der Worten der eigentliche Sinn und Verstand des in dem Wesentlichen des Contracts nicht erreicht werden kann, ist bei fürwaltender Ungewißheit des Willens deren Contrahenten keine Auslegung zulässig, sondern die Handlung null und nichtig.

[3, 9, § 24] 418. Wo aber die Dunkelheit oder Zweideutigkeit nicht das Wesentliche, sondern nur Nebendinge beträfe, ist die Auslegung nach denen in zweiten Capitel, §. ХVІ, vorgeschriebenen Maßregeln zu machen, doch also, daß allemal vornemlich die Natur des Contracts dabei zur Richtschnur genommen werde, weilen in Zweifelsfällen zu vermuthen ist, daß die Contrahenten sich allezeit der Natur desjenigen Geschäfts, welches sie abgeschlossen haben, fügen wollen, wann ihre Worte nichts Anderes deutlich ausdrucken.

(3-195) Caput Х.

Von Tauschcontract.

Inhalt:

§. І. Von der Natur und Aehnlichkeit des Tauschcontracts mit dem Kaufen und Verlaufen. §. ІІ. Von dessen Unterschied. §. ІІІ. Von Verbindlichkeit deren Tauschenden gegeneinander und der daher gebührenden Rechtshilfe. §. ІV. Von beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde, dann von Schaden und Nutzen der vertauschten Sache.

§. І.

[3, 10, § 1] Num. 1. Die meiste Aehnlichkeit mit dem Kaufen und Verkaufen hat der Tauschcontract, welcher nicht weniger, als jener seine Wesenheit aus bloßer Einwilligung der Contrahenten erhält, und nichts Anderes ist, als eine gutwillige Bereinigung wegen Uebergebung einer gewissen Sache um eine andere.

[3, 10, § 1] 2. Hieraus ergiebt sich der wesentliche Unterschied des Tauschcontracts von anderen sowohl unbenannten, als benannten Verträgen und Contracten. Dann bei unbenannten Contracten wird auch eine That für eine gegebene Sache geleistet oder zu leisten versprochen, oder dagegen für eine geleistete That eine Sache gegeben, oder zu geben verheißen, oder auch nur um einerlei Sache gehandlet; in Tauschen aber wird allemal erforderet, daß eine Sache für die andere gegeben oder zu geben gelobet werde.

[3, 10, § 1] 3. Von benannten Contracten hingegen hat keiner diese Eigenschaft, daß eine Sache für die andere gegeben werde, wie es aus der gegeneinander haltenden Wesenheit deren bishero beschriebenen, und noch weiters unten beschreibenden Contracten von selbsten erhellet.

[3, 10, § 1] 4. Und obschon eine wechselweise Schankung dem Tauschcontract in deme beizukommen scheinet, daß dabei eine Sache für die andere geben werde, so rühret doch solche aus keiner contractmäßigen Verbindlichkeit, sondern aus einer bloßen Freigebigkeit und wiedervergeltlichen Gesinnung her, wodurch diese Handlung sich von dem Tauschcontract zu Genüge unterscheidet.

[3, 10, § 1] 5. Ein Tausch geschieht entweder aus einer besonderen auf die eingetauschte Sache gerichteten Neigung, ohne dabei auf die Gleichheit des Werths der dagegen vertauschten Sache zu sehen, oder aber in Absicht auf eine gleiche Verhältnuß des Werths zwischen der eingetauschten und vertauschten Sache.

[3, 10, § 1] 6. Bei ersterer Art wird keine Gleichheit zwischen dem Gegebenen und Empfangenen erforderet, folglich auch keine Klage einer Verkürzung halber zugelassen, wohl aber ist bei letzterer die nemliche Gleichheit, wie bei Kaufen, und Verlaufen zu beobachten, und dahero kann der Abgang des Werths bei einer oder der anderen Sache mit der Zulage an Geld ersetzet werden, um die gleiche Verhältnuß des Werths zwischen denen vertauschenden Sachen herzustellen.

(3-196) [3, 10, § 1] 7. Damit jedoch ein Tausch in der letzteren Art geschlossen worden zu sein verstanden werden möge, ist nothwendig, daß in dem Contract die vertauschende Sachen in einem gewissen Werth angeschlagen, oder aber die Zulage an Geld ausdrücklich bedungen, oder auch die gleiche Verhältnuß des Werths als eine Bedingnuß der Handlung deutlich vorausgesetzet werde, wo ansonst ein derlei Contract allemal für einen Tausch von ersterer Art gehalten werden solle, wobei nur auf die eigene Neigung des Tauschenden, und nicht auf die Gleichheit des Werths gesehen worden.

[3, 10, § 1] 8. Ansonsten hat das Tauschen außer dem vorbemelten wesentlichen Unterschied, daß nicht die Waare für Geld, sondern Sache für Sache überlassen werde, mit dem Kaufen und Verkaufen einerlei Natur und Eigenschaft, also daß nicht weniger, wie bei Kaufen der Tausch beweglicher Dingen durch die bloße Einwilligung beider Theilen zu Stand komme, und durch die wechselweise Uebergabe vollzohen werde, bei unbeweglichen Dingen aber die wirkliche Einverleibung des Contracts in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worunter die vertauschende Güter gelegen sind, erfordert werde, wie es in vorgehenden Capitel, §. І, num. 15 und 16 vorgeschrieben worden.

[3, 10, § 1] 9. Tauschen kann Jedermann, deme nach Inhalt des vorigen Capitels, §. ІІ, zu kaufen und zu verkaufen nicht verwehret ist, wie dann auch alle Sachen vertauschet werden können, die nach Ausweis des §. ІІІ zu verkaufen nicht verboten sind.

[3, 10, § 1] 10. Desgleichen ist die Art und Weis Tauschcontracten zu schließen mit jener bei Kaufcontracten einerlei, wie solche eben allda §. VІІ, von num. 65 bis 68 erkläret worden, außer daß kein Kaufgeld dabei einkomme, als insoweit die Uebermasse des Werths der einen gegen der anderen Sache mit einer Geldzulage ausgeglichen wird.

[3, 10, § 1] 11. Nicht minder können, wie bei Kaufen, Sachen entweder nach dem Augenschein, oder nach dem Anschlag, oder auch überhaupt in Pausch und Bogen gegen einander vertauschet werden, und ist nach Verschiedenheit dieser Fällen alles Dasjenige dabei zu beobachten, was in gleichbesagten §. von num. 70 bis 78 ausgemessen worden.

[3, 10, § 1] 12. Gleichwie aber ein jeder Tauschender in Betreff der austauschenden Sache für einen Verkaufer anzusehen ist, also sind auch die Tauschende einander nicht weniger, als der Verkaufer dem Kaufer nach Maßgebung des §. ХІІ aus der Natur des Contracts zur Gewährleistung verbunden.

[3, 10, § 1] 13. Ebenso können bei Tauschcontracten, wie bei Kaufen ein Haftgeld, Reugeld, eine gewisse Zeit, eine ungewisse Bedingnuß, die Bestimmung der Vollziehungsart, und überhaupt alle andere zulässige Bedinge, als des Wiederkaufs, Einstandsrechts, Beschränkung des Tausches auf einen gewissen Tag, und des Ruckfalls der vertauschten Sache beigesetzet werden, wie solche von §. ХІІІ bis ХХ beschrieben worden.

[3, 10, § 1] 14. Wann der Tauschcontract einmal durch beiderseitige Einwilligung ordentlich zu Stand gekommen, ist die nachherige Reue oder der willkürliche Abstand ein- oder andererseits ebenso wenig, als bei Kaufen erlaubet, und kann von dem geschlossenen Tauschcontract aus keiner anderen Ursache, als welche bei Kaufen in §. ХХІ für rechtserheblich geachtet wird, abgewichen, noch weniger solcher anderer gestalt entkräftet werden.

[3, 10, § 1] 15. Es hat dahero bei Tauschcontracten, wann selbe nach dem oben num. 5, 6, 7 bemerkten Unterschied auf ein gleiches Verhältniß des Werths zwischen denen vertauschenden Sachen abzielen, die in §. ХХІІ beschriebene Klage wegen Verkürzung über die Hälfte des rechten Werths, ansonst aber auch, wann die eingetauschte Sache mangelhaft wäre, die in §. ХХІІІ ausgesetzte Wiederrufungs-

(3-197) und Geringschätzungsklage ebenso wohl, und in der nemlichen Maß, wie bei Kaufen statt.

§. ІІ.

[3, 10, § 2] 16. Dahingegen bestehet der wesentliche Unterschied zwischen einem Tausch- und Kaufcontract in deme: Erstens, daß bei Kaufen nothwendig allemal ein gewisser Preis oder Kaufgeld behandlet werden müsse, wofür die Sache oder Waare hintangelassen wird, in Tauschen aber eine Sache für die andere gegeben, oder zu geben verheißen werde.

[3, 10, § 2] 17. Zweitens, daß bei Kaufcontracten ein Anderer der Kaufer, welcher das Kaufgeld bezahlet, und ein Anderer der Verkaufer seie, welcher die Sache übergiebt, deren Jeder eine besondere von einander ganz unterschiedene Verbindlichkeit auf sich hat; in den Gegentheil bei Tauschen so einer, wie der andere Theil Beider Stelle zugleich in verschiedener Absicht vertrete, als des Kaufers in Anbetracht der eintauschenden, und des Verkaufers in Rucksicht der vertauschenden Sache, folglich auch Beide zu einerlei Schuldigkeit gegeneinander verbunden sind.

[3, 10, § 2] 18. Drittens, daß bei Kaufen allemal auf das gleiche Verhältniß zwischen dem Werth der verkauften Sache, und dem bedungenen Preis gesehen werde, insoferne aus dessen Ungleichheit eine übermäßige Verkürzung entstünde, bei Tauschen aber nur damals, wann nach Maßgebung des vorigen §. die Handlung in der Absicht auf ein gleiches Verhältniß des Werths zwischen der eingetauschten und vertauschten Sache getroffen worden.

§. ІІІ.

[3, 10, § 3] 19. Aus der bishero angedeuteten Eigenschaft des Tauschcontracts erhellet, daß derselbe seiner Natur nach in der Hauptsache zweibündig seie, woraus beide Theile schon Anfangs bei Schluß der Handlung zur Uebergabe und Ausfolgung der vertauschten Sache gegen einander gleich verbunden werden.

[3, 10, § 3] 20. Gleichwie aber Jeder deren Tauschenden in Absicht auf die vertauschende Sache als ein Verkaufer, und in Absicht auf die eintauschende als ein Kaufer zu betrachten ist, also treten auch Beide wegen der ersteren in alle Verbindlichkeit des Verkaufers, und wegen der letzteren in alle Rechten des Kaufers ein, wie so eine, als die andere in vorigen Capitel, §. VІІІ und ІХ erkläret worden.

[3, 10, § 3] 21. Ein jeder Tauschender ist demnach ebenso, wie nach der in gleichgedachten §. VІІІ, von num. 81 bis 121 enthaltenen Ausmessung der Verkaufer das verkaufte Gut, schuldig die vertauschte Sache mit dem ledigen Besitz, auf die bedungene Art und Weis, in der behörigen Eigenschaft, in der sie vertauschet worden, ganz, ohnverringeret, und frei von allen Mängeln und Haftungen, wie auch mit allen ihren Früchten, Nutzungen, An- und Zugehörungen zur gesetzten Zeit, und an bestimmten Ort dem Anderen zu übergeben.

[3, 10, § 3] 22. Diese Uebergabe ist nicht weniger, als bei Kaufcontracten auf die Uebertragung des Eigenthums gerichtet, und die Tauschenden sind aus der Natur dieses Contracts bei Anstreitung des Eigenthums der vertauschten Sache zur Gewährleistung verstricket.

[3, 10, § 3] 23. Desgleichen wird, wie in Kaufen, das Eigenthum bei liegenden Gütern durch die Einverleibung des Tauschcontracts, und bei Fahrnussen durch die Uebergabe sogleich übertragen, ohne, wie bei Kaufen, darauf zu sehen, ob von dem Anderen der Contract auch bereits erfüllet, oder ihme der Erfüllung halber getrauet, und die dagegen zu leisten schuldige Sache geborget worden, oder nicht.

[3, 10, § 3] 24. Keiner deren Tauschenden aber ist gehalten die vertauschte Sache dem Anderen ehender auszuantworten, insolange nicht ihme von diesem die eingetauschte Sache ausgefolget, und der Contract erfüllet worden. Wer also den Anderen um die Leistung der contractmäßigen Schuldigkeit belanget, muß seinerseits den Contract

(3-198) vollzohen haben, oder solchen zu vollziehen bereit sein, wann die genommene Abrede nichts Anderes vermag.

[3, 10, § 3] 25. Daferne jedoch aus des einen Tauschenden eigener Schuld in seiner Macht nicht mehr stünde die vertauschte Sache dem Anderen zu übergeben, als da solche aus seiner Verwahrlosung verloren, oder zu Grund gegangen wäre, so ist derselbe nebst Wiedererstattung der eingetauschten Sache, wann er sie schon vorhero empfangen, mit allen davon behobenen Nutzungen, oder da auch solche schon verthan, oder von ihme veräußeret sein würde, nebst Erlegung des mittelst des Eides der Wahrheit von Klägern erwiesenen Werths mit denen von Zeit seines Saumsals davon vertagten landesüblichen Zinsen noch über das den achten Theil des Werths zu entrichten schuldig, und außerdem sein etwan dabei unterlaufender Betrug, oder geflissentliche Gefährde nach richterlichen Ermessen zu bestrafen.

[3, 10, § 3] 26. Wäre aber in dem Tauschcontract zur Ausgleichung des Werthes der Sachen beinebst eine Geldzulage bedungen worden, so ist alles Dasjenige dabei zu beobachten, was wegen Schuldigkeit des zu bezahlen habender Kaufgeldes im vorigen Capitel, §. ІХ verordnet worden.

[3, 10, § 3] 27. Aus der beiderseitigen gleichen Verbindlichkeit deren Tauschenden gegen einander einspringet auch auf beiden Seiten eine gleiche, einem wider den anderen Theil zu Erlangung der eingetauschten Sache mit allen ihren Nutzungen und Zugehörungen, und zu Leistung der übrigen contractmäßigen Schuldigkeit gebührende Hauptforderung, welche auch auf ihre Erben und wider dieselbe gehet.

[3, 10, § 3] 28. Es bedarf aber der Tauschende bei liegenden Gütern dieser Rechtsforderung so wenig, als in Kaufen, weilen er sogleich durch Einverleibung des Contractes das Eigenthum und den rechtlichen Besitz der eingetauschten Sache erwirbt, sondern dieselbe ist nur in jenem Falle nothwendig, wo die Handlung über bewegliche Dinge geschlossen, oder auch in Betreff liegender Güter ein auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage gerichteter Contract noch nicht ausgefertiget worden, wie es in gleichen Fällen von denen aus Kaufcontracten gebührenden Rechtsforderungen der §. VІІІ, von num. 130 bis 134, und der §. ІХ, von num. 148 bis 150 ausweisen.

§. ІV.

[3, 10, § 4] 29. Die Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde ist bei Tauschcontracten unter denen Contrahenten einerlei, wie bei Kaufen, also daß all jenes in Tauschcontracten statt hat, was in §. Х von Kaufen gemeldet worden.

[3, 10, § 4] 30. Desgleichen gehet nach geschlossenen Tauschcontract die bloß zufällige Gefahr der vertauschten Sache demjenigen Theil zu Schaden, sowie der Nutzen davon zu dessen Vortheil, welchem sie zu geben verheißen worden, doch mit Ausnahm derenjenigen Fällen, worinnen nach Inhalt des §. ХІ der Verkaufer die Gefahr zu tragen hat, welche dahero gleichermaßen bei Tauschcontracten in solchen Fällen dem gebenden, und nicht dem nehmenden Theil zur Last fallet.

(3-199) Caput ХІ.

Von Schätzungscontract.

Inhalt:

§. І. Von Natur und Wesenheit des Schätzungscontracts, und von Verschiedenheit deren Schätzungsarten. §. ІІ. Von der diesem Contract eigenen Schätzungsart, und dessen daher rührenden Unterschied von anderen Handlungen. §. ІІІ. Von der Verbindlichkeit des Nehmers, und von Gegenverbindlichkeit des Gebers, dann von der gegen einander hieraus entstehenden Haupt- und Ruckforderung. §. ІV. Von Haftung für Gefährde, Schuld und Zufall.

§. І.

[3, 11, § 1] 1. Ferners gehöret unter die Consensualcontracten der Schätzungscontract. Dieser ist eine verbindliche Handlung, wodurch Jemanden eine Sache in dem angeschlagenen Preis mit dem Beding zu verkaufen gegeben wird, daß er entweder dieselbe Sache unschadhaft und unverletzt wieder zuruckstelle, oder den bedungenen Werth, wie solcher angeschlagen worden, dafür bezahle.

[3, 11, § 1] 2. Dieser Contract betrifft nur bewegliche Dinge, welche handelbar, und einer Schätzung fähig sind, und kann von allen Denenjenigen eingegangen werden, die kaufen und verkaufen mögen. Ueberhaupt hat derselbe mit dem Kauf-, Dingungs- und Befehlscontract viele Aehnlichkeit, und zwar mit dem ersteren wegen Anschlag und Bestimmung des Preises, wofür die geschätzte Sache überlassen wird, mit dem zweiten, weilen auch dabei ein gewisser Lohn bedungen werden kann, und endlich mit dem dritten, weilen andurch die Ausrichtung eines fremden Geschäfts auf sich genommen wird.

[3, 11, § 1] 3. Es giebt jedoch verschiedene Arten der Schätzung, wodurch aber nicht allemal der Schätzungscontract erzielet wird, als erstens geschieht die Schätzung einer Sache in Absicht eine andere Handlung, als einen Kauf-, Tausch-, Gesellschaftscontract aber dergleichen zu schließen, welcherlei Schätzung nur eine bloße Vorbereitung zu einem anderen Geschäft ist, und dahero auch, wann solches nicht zu Stand kommet, auf seiner Seiten einige Verbindlichkeit wirket.

[3, 11, § 1] 4. Zweitens wird eine Sache um einen gewissen Preis zu dem Ende geschätzet, damit deren Werth sowohl für jetzt, als in Zukunft ausgewiesen, und geschätzet, damit deren Werth sowohl für jetzt, als in Zukunft ausgewiesen, und bestimmet seie, im Fall dieselbe aus einem der Natur des abgeschlossenen Geschäfts beikommenden Grad der Schuld etwan in Verlust oder Schaden gerathen würde.

[3, 11, § 1] 5. Aus dieser Schätzung aber entstehet weder ein Kauf- und Verkauf-, noch ein Schätzungscontract, sondern solche ist lediglich ein anderen Handlungen mit beiderseitiger Einwilligung beigefügtes Beding, woraus der nehmende Theil zu Erstattung des angeschlagenen Werths, in deme er die Sache übernommen, verbunden wird, wann dieselbe aus seiner Schuld, wofür er sonst nach der Natur des Geschäfts zu haften hätte, verloren oder zu Grund gegangen wäre.

[3, 11, § 1] 6. Drittens wird eine Sache in einen gewissen Werth zum Verkauf angeschlagen, und dieses kann anwiederum auf dreierlei Art geschehen, als entweder, daß dieselbe dem Nehmenden alsogleich um den bestimmte Preis verkaufet sein solle, welche Handlung ein wahrer Kauf und Verkauf ist, sobald als die beiderseitige Vereinigung über den Preis erfolget, obschon dabei bedungen würde, daß

(3-200) wann das Kaufgeld in der gesetzten Zeit nicht entrichtet würde, die Sache dem Verkaufer anheimfallen solle.

[3, 11, § 1] 7. Oder daß die Sache in dem angeschlagenen Werth zum Verkauf gegeben werde, damit der Nehmende wisse, um was für einen Preis er solche anzubringen habe, und eine so beschaffene Handlung ist insgemein ein Befehlscontract, wobei der Gebende noch allemal Eigenthümer der Sache, insolange sie nicht an einen Dritten veräußeret wird, verbleibet, und ihme sowohl der Nutzen an dem daraus gelösten mehreren Kaufgeld zu Guten, als die zufällige Gefahr der Sache zu Schaden gehet; wo aber zugleich ein Lohn für die Bemühung in Ausbringung der Sache oder die Theilung des Gewinns bedungen würde, ist es ein Dingungs- oder Gesellschaftscontract.

[3, 11, § 1] 8. Oder endlich, daß die Sache in dem angeschlagenen und geschätzten Werth dergestalten übernommen werde, daß der Nehmende entweder die Sache zuruckzustellen, oder den bestimmten Preis dafür zu bezahlen gelobe, wodurch derselbe sowohl sich den Gewinn von dem über den Anschlag gelösten mehreren Kaufgeld zueignet, als auch die Verbindlichkeit für allen an der Sache entstehenden zufälligen Schaden auf sich ladet.

§. ІІ.

[3, 11, § 2] 9. Diese letztere Art allein ist nur dem Schätzungscontract eigen, woraus dessen Gestalt und Wirkung ihre von anderen Handlungen sich unterscheidende Bestimmung erhält; als da Jemand einem Anderen seine feilhabende Sache in einem angeschlagenen Werth mit dem Beding übergiebt, daß er solche zu Geld mache, und ihme entweder den bestimmten Preis dafür bezahle, oder die Sache zuruckstelle, und wird die wesentliche Wirkung des Contracts nicht geänderet, obgleich der Gebende den Nehmenden, oder dieser jenen hierum ersuche, wann nur die Uebernahm unter gleichgedachten Beding erfolget.

[3, 11, § 2] 10. Sobald nun der Andere die Sache auf diese Weis in dem angeschlagenen Werth übernommen, wird er andurch zu einer wechselweisen Schuldigkeit verbunden, als entweder die Sache zuruckzustellen, oder den bedungenen Preis dafür zu bezahlen, also zwar, daß wann auch die Sache durch Zufall zu Grund gienge, er jegleichwohlen noch den geschätzten Werth, in welchem ihme die Sache angeschlagen worden, zu erlegen verstricket bleibe.

[3, 11, § 2] 11. Dagegen aber gebühret ihme nicht allein von Zeit der Uebergabe alle aus der Sache behobene Nutzung, wann von ihme der angeschlagene Preis dafür entrichtet worden, sondern auch der Ueberschuß des Kaufgelds, was er mehr über den Aufschlag daraus gelöset bleibe.

[3, 11, § 2] 12. Nichtsdestoweniger, wiewohlen solchergestalten der Nehmende die Sache gegen Erlag des angeschlagenen Werths für sich selbst behalten, und sich zueignen mag, so erwirbt er doch hieran das Eigenthum nicht ehender, als wann von ihme, wie es oben von Käufen beweglicher Dingen in neunten Capitel, §. VІІІ, num. 127 und 128 geordnet ist, entweder das Kaufgeld bezahlet, oder dieses ihme von dem Gebenden auf die allda erklärte Art und Weis geborget worden.

[3, 11, § 2] 13. Der Gebende hat demnach die Befugnuß die Sache, insolange sie in Handen des Nehmenden befindlich ist, wann dieser den bestimmten Werth dafür nicht erlegen wollte oder könnte, und ihme solcher nicht etwan geborget worden, als sein Eigenthum zuruckzuforderen; ein Dritter aber, welcher die Sache entweder kauf- oder versatzweise, oder durch eine sonstige entgeltliche Handlung rechtmäßig an sich gebracht, kann derowegen von demselben nicht angesprochen werden, außer insoweit hierauf noch etwas an dem Kaufgeld, oder über Abzug des Pfandschillings heraus gebührete.

[3, 11, § 2] 14. Es wird dahero zur Wesenheit des Schätzungscontracts erforderet: Erstlich, daß die Sache in einem gewissen Werth angeschlagen, und in diesem Anschlag

(3-201) übernommen werde, wodurch diese Handlung sich von jenem Geschäft unterscheidet, darinnen eine Sache Jemanden ohne Bestimmung eines Werths, sondern nur um einen billigen Preis, oder auch, wie immer dieselbe an Mann gebracht werden könne, zum Verkauf gegeben wird, welches ein bloßer Befehlscontract, oder wo dabei ein gewisser Lohn verabredet würde, ein Dingungscontract ist.

[3, 11, § 2] 15. Zweitens, daß der Nehmende sich verbinde, entweder die Sache wieder zu geben, oder den bestimmten Preis zu bezahlen, woraus der Unterschied von einem Kauf und Verkauf erhellet, in welchen die Sache dem Kaufer sogleich verkaufet, und dieser lediglich das bedungene Kaufgeld dafür zu bezahlen verpflichtet wird, ohne die Auswahl zu haben, ob er viel lieber die Sache zuruckstellen, oder das Kaufgeld dafür erlegen wolle.

[3, 11, § 2] 16. Drittens, daß der Gebende sich mit dem bestimmten Preis begnüge, und dem Nehmenden allein das über den Aufschlag mehr Gelöste zu Guten, wie das Wenigere zu Schaden gehe; dann woferne der Gewinn und Schaden dem Gebenden allein zu Theil würde, ist es ein Befehlscontract, oder wo die Theilung des Gewinns bedungen werden wäre, ein Gesellschaftscontract.

[3, 11, § 2] 17. Viertens, daß das Eigenthum der in dem angeschlagenen Werth übergebenen Sache auf den Nehmenden übertragen werde, wann nemlich der bestimmte Preis von demselben dafür bezahlet, oder solcher ihme geborget worden; da aber der Gebende sich das Eigenthum vorbehielte, ist es kein Schätzungs-, sondern ein Befehlscontract.

[3, 11, § 2] 18. Solchemnach bestehet die ganze Wesenheit des Schätzungscontracts in dem Beding, daß der Nehmende entweder die ihme in dem angeschlagenen Werth übergebene Sache anwiederum zuruckzustellen, oder den geschätzten Werth, in welchem er dieselbe übernommen, dafür zu bezahlen schuldig sein solle.

[3, 11, § 2] 19. Würde aber die Handlung unter einem anderen Beding eingegangen, wodurch diese vorgeschriebene Form des Schätzungscontracts abgeänderet worden, ist die hieraus gebührende Schuldigkeit nach der Natur desjenigen Geschäfts abzumessen, deme das Beding in seinem Inhalt beikommet.

[3, 11, § 2] 20. Dahingegen nimmt der Schätzungscontract durch das alleinige Beding eines Lohns keine andere Gestalt an, wann nicht der Nehmende sich dabei ausdrücklich verwahret hätte, daß er für die Gefahr der Sache nicht stehen wolle, aber sonst das Beding also beschaffen wäre, daß es mit dem Wesentlichen des Schätzungscontracts nicht vereinbaret werden könnte, als da entweder gar kein gewisser Werth angeschlagen, oder das über den Anschlag Mehrlösende von dem Gebenden sich vorbehalten, und nur ein gewisser Theil des Kaufgelds dem Nehmenden zum Lohn seiner Mühe belassen würde.

§. ІІІ.

[3, 11, § 3] 21. Der Schätzungscontract ist in der Folge zweibündig, woraus der Nehmende gleich Anfangs in der Hauptsache verpflichtet, der Gebende aber nur nachhero zur Entschädigung des Nehmenden aus natürlicher Billigkeit ruckverbindlich wird.

[3, 11, § 3] 22. Diese Handlung hat jedoch die mit dem Befehlscontract übereinstimmende besondere Eigenschaft, daß obgleich wegen Uebernehmung der Sache in dem angeschlagenen Werth die beiderseitige Einwilligung und Vereinigung erfolget, nichtsdestoweniger, insolange die Sache nicht wirklich übergeben, oder der Werth dafür erleget worden, noch allemal jedwedem Theil freistehet die Handlung abzubrechen, und von dem geschlossenen Contract abzuweichen.

[3, 11, § 3] 23. Sobald aber als die Sache in dem angeschlagenen Werth übernommen worden, wird der Nehmende dadurch in der Hauptsache verbunden, woraus die dem Gebenden und dessen Erben wider den Nehmenden und seine Erben gebührende

(3-202) Hauptforderung, entweder zur Zuruckstellung der Sache mit allen davon eingehobenen Nutzungen, oder zur Bezahlung des bestimmten Werths entspringet.

[3, 11, § 3] 24. Es hat also der Beklagte die Auswahl, ob er die Sache mit denen mittlerweil abgefallenen Nutzungen zuruckgeben, oder den angeschlagenen Werth, in welchem er sie übernommen, dafür bezahlen wolle, insolange nemlich die Sache noch ganz und unverletzt in seinen Handen befindlich ist.

[3, 11, § 3] 25. Wäre hingegen die Sache schon von ihme veräußeret, verthan, oder sonst beschädiget worden, ist derselbe lediglich zu Entrichtung des geschätzten Werths verbunden, und kann dem Kläger nicht aufgedrungen werden, die zu Schaden gekommene Sache anwiederum zuruckzunehmen.

[3, 11, § 3] 26. Mit dieser Hauptforderung aber kann nicht ehender verfahren werden, als bis die Zeit, worauf die Sache zum Verkauf gegeben worden, verstrichen, und da keine längere oder kürzere Zeit ausgemessen worden wäre, solle dem Nehmenden wenigstens eine Frist bis auf den dritten Tag nach der Uebergabe verstattet sein, sich um einen anständigen Kaufer bewerben zu können; es wäre dann, daß der Gebende eine unvermeidliche Gefahr seiner Verkürzung oder Bevortheilung zu erweisen vermögete, in welchem Fall ihme freistehet, die Sache oder den Werth noch den nemlichen Tag der Uebergabe zuruckzuforderen.

[3, 11, § 3] 27. Dagegen wird der Gebende in der Folge zur Entschädigung des Nehmenden aus natürlicher Billigkeit ruckverbindlich, wann diesem wegen der zum Verkauf gegebenen Sache ein Aufwand verursachet, oder sonst ein erweislicher Schaden zugefüget worden.

[3, 11, § 3] 28. Hieraus entstehet an Seiten des Nehmenden und seiner Erben wider den Gebenden und dessen Erben die Ruck- oder Gegenforderung zu Wiedererstattung deren aufgewandten Unkosten, und des der Sache halber erlittenen Schadens.

[3, 11, § 3] 29. Diese Ruckforderung aber hat aus dem Schätzungscontract nur damals statt, wann die Sache selbst zuruckgestellet wird, und ist dabei eben Dasjenige sowohl in der Zeit, als in der Art der Anbringung in acht zu nehmen, was oben in fünften Capitel, §. V, von der Ruckforderung aus dem Entlehnungscontract geordnet worden.

[3, 11, § 3] 30. Wohingegen in dem Fall, da die Sache nicht mehr vorhanden wäre, oder auch solche der Nehmende für sich behalten, und den bestimmten Werth dafür bezahlen wollte, kann er sich dieser Ruckforderung nicht gebrauchen, weilen er andurch selbst Eigenthümer der Sache worden, wann nicht die Ersetzung des allenfalls bis zum Verkauf machenden Aufwands besonders ausbedungen, oder die Handlung in einer von dem Schätzungscontract unterschiedenen Gestalt, wodurch das Eigenthum nicht übertragen wird, geschlossen worden wäre.

§. ІV.

[3, 11, § 4] 31. Gleichwie diese Handlung auf Nutzen und Vortheil beider Contrahenten gerichtet ist, als des Gebenden, damit er seine ausgefeilte Sache desto leichter an Mann bringe, und des Nehmenden, damit er aus diesem Handel einen Gewinn beziehe, also sind auch Beide einander für Arglist und Gefährde, dann die große und leichte, oder mittlere Schuld verfänglich.

[3, 11, § 4] 32. Die zufällige Gefahr der Sache aber hat bis zu der Uebergabe Derjenige, welcher die Sache dem Anderen zum Verkauf zu geben verheißen, nach der Uebergabe hingegen, wann die Handlung in der obbeschriebenen Form und Gestalt eines Schätzungscontracts getroffen worden, allemal jener Theil zu tragen, welcher sie in dem geschätzten Werth übernommen hat.

[3, 11, § 4] 33. Wann jedoch ein Zweifel entstünde, ob der Anschlag des Werths in Absicht einen Schätzungscontract, oder irgend einen anderen Vertrag zu schließen beigefüget worden, ist jederzeit auf die Verbindungsart des Nehmenden zu sehen, ob nemlich derselbe nur allein den bestimmten Werth zu bezahlen gelobet, und

(3-203) also den Gewinn und Schaden auf sich genommen, oder aber, ob er den ganzen Geldbetrag, welcher dafür gelöset werden würde, es seie viel oder wenig, abzuführen versprochen habe.

[3, 11, § 4] 34. Das erstere Beding ist ein wahrer Schätzungscontract, und wirket die Uebertragung der Gefahr auf den Nehmenden, in dem letzteren aber hat der Gebende den zufälligen Schaden zu leiden, wann nicht der Nehmende sich hierzu ausdrücklich verfänglich gemacht hätte.

Caput ХІІ.

Von Mieth-, Pacht-, Bestand- oder Dingungscontract.

Inhalt:

§. І. Von Natur, Eigenschaft und Unterschied des Mieth-, Pacht-. Bestand- oder Dingungscontracts. §. ІІ. Von Fähigkeit zu miethen und zu vermiethen. §. ІІІ. Von Sachen und Werken, welche vermiethet oder verdinget werden mögen. §. ІV. Von Zins-, Lohn-, Mieth-, Bestand- oder Pachtgeld, oder Pachtschilling. §. V. Von Art und Weis den Mieth- oder Pachtcontract zu schließen. §. VІ. Von Verbindlichkeit des Vermiethers, Verpachters oder Bestandgebers, und der wider ihn gebührenden Rechtsforderung. §. VІІ. Von Verbindlichkeit des Miethers, Pachters oder Bestandmannes, und der wieder ihn daraus entstehenden Klage. §. VІІІ. Von beiderseitiger Verständlichkeit für Schuld und Gefährde. §. ІХ. Von ungefähren Zufällen. §. Х. Von Erlöschung und Aufhebung des Mieth-, Pacht- oder Dingungscontracts.

§. І.

[3, 12, § 1] Num. 1. Nach dem Kaufen und Verkaufen ist unter denen Einwilligungscontracten in Handel und Wandel der gemeinste das Miethen und Vermiethen. Dieses ist eine gutwillige Vereinigung wegen Ueberlassung des Gebrauchs einer Sache, oder auch wegen Leistung persönlicher Diensten und Arbeiten um einen gewissen Zins oder Lohn.

[3, 12, § 1] 2. Das Miethen und Vermiethen begreifet in seinem Umfang alle diejenige Handlungen, welche zwar nach Mannigfaltigkeit deren Gegenständen, die sie betreffen, mit verschiedenen Worten, als verpachten, arrendiren, für Geld ausleihen, in Verstand geben, admodiren und dergleichen Benennungen abgedeutet werden, doch aber an sich wahre Miethungscontracten sind, und einerlei Natur und Eigenschaft haben.

[3, 12, § 1] 3. Dann eigentlich werden Häuser, Wohnungen und andere unbewegliche Dinge, wovon nur der Gebrauch, und nicht der Fruchtgenuß überlassen wird, vermiethet,


(3-204) liegende Güter, und fruchtbringende Gründe, sowie abfallende Renten, Gefälle und Einkünften verpachtet oder arrendiret, bewegliche Sachen zum Gebrauch für Geld ausgeliehen, persönliche Dienste und Arbeiten verdinget, gewinnstige Gewerbe, als z. B. Mühlen, Meiereien, Wirths- und Branntweinhäuser, Wein- und Bierschank u. dgl. in Bestand gegeben, und endlich heißen die wegen Uebernehmung deren Lieferungen und Verpflegungen Unserer Kriegsheere, oder auch wegen Ausführung gemeinnutzlicher oder nothwendiger Werken mit Unserer Kammer, oder denen Ständen eines Landes schließende Contracten insgemein Admodiationen.

[3, 12, § 1] 4. Der Miethungscontract kommet mit dem Kaufen und Verkaufen in Vielen überein, dann beide erhalten aus bloßer Einwilligung deren Contrahenten ihre Wesenheit, und gleichwie in Kaufen das Eigenthum der Sache um einen gewissen Werth überlassen wird, also wird auch in Miethen der Gebrauch der Sache um einen bedungenen Zins verstattet, oder persönliche Dienste und Arbeiten für einen verabredeten Lohn geleistet.

[3, 12, § 1] 5. Indeme sind doch beide unterschieden, daß bei Kaufen das Eigenthum der verkauften Sache auf den Kaufer übertragen, in Miethen aber nur der Gebrauch der Sache dem Miether zugewendet werde, und das Eigenthum aus der Natur des Miethungscontract allemal bei dem Vermiether verbleibe, wann solches nicht durch einen besonderen Vertrag oder Beding dem Miether überlassen, und andurch das Geschäft in eine andere Gattung von Contracten verwandlet wird.

[3, 12, § 1] 6. Es hat auch das Miethen und Vermiethen nicht weniger, als das Kaufen und Verkaufen zweierlei Benennungen, wodurch der Unterschied deren contrahirenden Personen, und die Verschiedenheit ihrer Verbindlichkeiten angedeutet wird; der Contract aber ist an sich ebenso, wie das Kaufen nur eine beide Theile gleich verbindende in ihrem Wesentlichen unabsönderliche Handlung.

[3, 12, § 1] 7. Diesemnach bestehet die Wesenheit des Miethungs- oder Dingungscontracts in folgenden dreien Stücken, als: Erstens, in beiderseitiger Einwilligung und Vereinigung; zweitens, in der vermietheten Sache, oder verdingten Diensten und Arbeiten; drittens, in dem dafür bedungenen Zins oder Lohn.

[3, 12, § 1] 8. Nach diesem zweifachen Gegenstand, nemlich deren Sachen und Diensten oder Arbeiten theilet sich der Miethungscontract in zweierlei Gattungen, als in die Miethung der Sachen, und in die Verdingung persönlicher Diensten und Arbeiten. Bei der ersteren ist allemal der eine contrahirende Theil, welcher die Sache ausleihet, oder deren Gebrauch verstattet, der Vermiether und der andere der Miether, welcher den Zins dafür entrichtet.

[3, 12, § 1] 9. Die andere hingegen ist anwiederum zweierlei, als erstlich die Verdingung bloßer unbestimmter persönlicher Diensten, ohne die Ausführung oder Herstellung eines gewissen Werks auf sich zu nehmen, und in dieser ist Jener der Verdingende, welcher dem Anderen die Dienste leistet, und der Andere der Dingende, deme die Dienste geleistet werden, und welcher den Lohn dafür bezahlet.

[3, 12, § 1] 10. Oder zweitens die Verdingung einer bestimmten Arbeit, wodurch die Verfertigung eines gewissen Werks übernommen wird, und bei dieser Handlung ist in verschiedener Absicht auf die Arbeit, oder das Werk ein jeder Theil der Verdingende und Dingende zugleich.

[3, 12, § 1] 11. Als in Absicht auf die Arbeit ist Jener der Verdingende, welcher solche leistet, und den Lohn dafür empfängt, und der Dingende, deme sie geleistet, und von deme der Lohn bezahlet wird. In Absicht auf das Werk aber ist Jener der Dingende, welcher solches auszuführen übernommen, und der Verdingende, welcher es dem Anderen in die Arbeit gegeben hat, also daß jederzeit, sobald als die Arbeit gedinget, zugleich auch das Werk verdinget wird, wie z. B. bei einem Hausbau der Bauherr die Arbeit dinget, den Bau aber dem Baumeister verdinget.

(3-205) [3, 12, § 1] 12. Diese zweifache Absicht hat ihre Wirkung in deme, daß in derlei Handlungen ein jeder Theil beide contractmäßige Verbindlichkeiten des Miethers und Vermiethers zugleich auf sich habe. Also hat Jener, welcher die Arbeit dinget, und das Werk verdinget, einerseits die Verbindlichkeit des Miethers, daß er den bedungenen Lohn bezahle, und andererseits die Verbindlichkeit des Vermiethers, daß er das verdingte Werk ausführen lasse.

[3, 12, § 1] 13. Gleichwie in Gegentheil der Andere, welcher die Arbeit verdungen, und das Werk gedungen hat, als Vermiether der Arbeit solche zu leisten, und das Werk zu vollführen, als Miether des Werks aber für allen durch ihn, oder seine Leute hieran entstehenden Schaden zu haften schuldig ist.

[3, 12, § 1] 14. Nach der Art und Weis den Miethungscontract zu schließen ist derselbe zweierlei, als entweder eine wahre Miethung, deren Natur und Eigenschaft durch keine Nebenbedinge geänderet wird, sondern eben dieselbe Sache nach vollendeter Miethzeit anwiederum zuruckgestellet werden muß.

[3, 12, § 1] 15. Oder aber eine von ihrer Natur abweichende Miethung, wann dabei bedungen wird, daß nicht eben dasselbe, was vermiethet worden, sondern nur eben so vieles von gleicher Gattung zuruckgestellet werde, welches insgemein bei dem in Bestand gebenden nutzbaren Vieh zu geschehen pfleget, und die Wirkung hat, daß die Gefahr auf den Bestandhaber übertragen werde.

§. II.

[3, 12, § 2] 16. Miethen und Vermiethen kann Jedermann, der Verbindungen einzugehen, und der eigenen Verwaltung seines Vermögens fähig ist, wann ihme sonst kein Verbot des Gesatzes entgegen stehet.

[3, 12, § 2] 17. Inwieweit aber die Vormündere oder Gerhaben und Curatores Miethungs-, Pacht- oder Bestandcontracten über die Güter ihrer Pflegbefohlenen schließen können, ist bereits in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft erkläret worden.

[3, 12, § 2] 18. Unsere landesfürstliche Städte und Märkte sind nicht befugt ohne Unserer oder derjenigen Stelle, welcher von Uns die Obsicht hierüber eingeraumet ist, vorhergehenden Einwilligung und Beangenehmung die der Gemeinde angehörige Güter, Rechten oder Gefälle zu vermiethen, zu verpachten, oder in Bestand zu lassen.

[3, 12, § 2] 19. Welchen Verbot Wir auch auf die Vorstehere der Spitäler und anderen milden Stiftungen hiermit erstrecken; so viel es aber die obrigkeitliche Städte und Märkte anbetrifft, lassen Wir es bei einer jeden Landes Verfassung gnädigst bewenden.

[3, 12, § 2] 20. Wir verordnen desgleichen, daß in Städten denen Schmieden, Faßbindern, Bäcken, Bierbrauern und dergleichen Handwerksleuten, welche ihre Hantierung entweder mit starken Getös, oder mit besorglicher Feuersgefahr treiben, ohne besonderer Einwilligung deren Magistraten an keinen anderen Orten, als welche zu derlei Hantierungen schon vorhin gewidmet waren, oder wo solche durch mehrere Jahre ohne Widerspruch deren Nachbarn getrieben worden, Häuser, Wohnungen oder Plätze zu Errichtung ihrer Werkstätten zu miethen gestattet sein solle.

(3-206) §. III.

[3, 12, § 3] 21. Die Miethungs- und Dingungscontracten haben zu ihren Gegenstand einerseits den Gebrauch der Sachen, oder die Leistung persönlicher Diensten und Arbeiten, und andererseits den dafür bedungenen Zins oder Lohn. Von Ersteren wird in gegenwärtigen, von dem anderen aber in nachfolgenden §. gehandlet.

[3, 12, § 3] 22. Alle Sachen, welche handelbar sind, und durch den Gebrauch nicht verthan werden, sondern in ihrer unverringerten Wesenheit anwiederum zuruckgestellet werden mögen, können vermiethet und gemiethet werden, sie mögen körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder unbewegliche, des Vermiethers eigene oder fremde Dinge sein.

[3, 12, § 3] 23. Also können nicht allein alle Rechten und Befugnussen, sondern auch die persönliche Dienstbarkeiten, als der Nutznießung und der Bewohnung vermiethet oder verpachtet werden, wann solche nicht ausdrücklich auf die Person des Berechtigten allein beschränket sind. Inwieweit aber die Jemanden zustehende persönliche Dienstbarkeit des Gebrauchs einer Sache an Andere miethweise überlassen werden möge, ist bereits in zweiten Theil ausgemessen worden.

[3, 12, § 3] 24. Dahingegen können die sächliche Dienstbarkeiten, welche dem herrschenden Grund unzertrennlich ankleben, ohne diesem nicht vermiethet werden, obschon solche miethweise, und gegen gewisse Zinsen erworben und bestellet werden mögen; wann sie aber schon bestellet sind, können dieselbe nicht mehr an Andere ohne dem Grund, deme sie gebühren, vermiethet werden.

[3, 12, § 3] 25. Desgleichen ist bei körperlichen Dingen kein Unterschied, ob sie gleich fahrend oder liegend sind, also können von ersterer Art Pferde, Rinder, Schafe, Geflügel, Kleider, Bücher, Schiffe, Wägen, und überhaupt alle Dinge, welche ohne Verringerung ihrer Wesenheit einen Gebrauch oder Genuß gestatten, in Bestand gegeben, oder für Geld ausgeliehen, von letzterer Art aber Häuser, Güter, Felder, Wiesen, Teiche, Wälder, Gärten, Keller, Mühlen und dergleichen vermiethet oder verpachtet werden.

[3, 12, § 3] 26. Es lieget auch nichts daran, ob die vermiethete oder verpachtete Sache des Vermiethers Eigen oder fremd seie; unter eigenen aber werden nicht allein die Sachen verstanden, deren Eigenthum dem Vermiether zugehöret, sondern auch jene, worinnen ihme ein Recht gebühret. Also kann ein Miether oder Bestandmann die ihme vermiethete, oder in Bestand gegebene Sache hinwiederum einem Anderen zu dem nemlichen Gebrauch, und auf eben die Zeit, auf welche er sie gemiethet, mieth- oder bestandweise überlassen, so eigentlich ein Afterbestand genennet wird; woferne der Vermiether sich nicht ausdrücklich ausbedungen hätte, daß kein Afterbestand zulässig sein solle.

[3, 12, § 3] 27. Eben diese Befugnuß hat Derjenige, deme aus einem Beding, oder aus letztwilliger Anordnung die Nutznießung eines Guts, oder die Wohnung in einem Hause gebühret, oder auch ein Glaubiger, der in den Besitz eines ihme zur Hypothek verschriebenen Guts gelanget ist, jedoch nur auf jene, und keine längere Zeit, als die eigene Miethung, oder das an der Sache habende Recht des Vermiethers fürwähret, mit dessen Erlöschung auch der Afterbestand erlöschet.

[3, 12, § 3] 28. Der Afterbestandmann ist dahero ohne Weiters die Wohnung zu raumen, und die gemiethete Sache dem Eigenthümer oder Demjenigen, welcher in das Recht des Aftervermiethers eintritt, sogleich zuruckzustellen schuldig; dagegen aber bleibet ihme unbenommen des etwan früher abgebrochenen Contracts halber, wann er von Seiten des Aftervermiethers durch Gefährde oder Arglist zu dieser Miethung verleitet worden wäre, die Vergütung seines erweislichen Schadens an demselben anzusuchen.

(3-207) [3, 12, § 3] 29. Fremde, oder solche Sachen, woran dem Vermiether gar kein Recht zustehet, werden entweder mit Wissen und Willen des Eigenthümers, oder ohne demselben vermiethet. Ersteren Falls, wann seine Einwilligung überhaupt, und ohne aller Beschränkung darzu gegeben worden, bestehet der Contract nach seinem ganzen Inhalt, wie solcher eingegangen worden, außer deme aber nur in derjenigen Maß, und auf die Zeit, wie weit der Eigenthümer eingewilliget hat.

[3, 12, § 3] 30. Letzteren Falls hingegen, wo die Einwilligung des Eigenthümers ermanglet, bestehet der Contract nur insolange, als der Eigenthümer seine Sache nicht zuruckforderet, welche ihme auf Verlangen sogleich zu erfolgen ist, die Miethzeit möge verflossen sein oder nicht, und hat nebst deme der Miether oder Bestandmann, wann er die Sache fremd zu sein gewußt, den Zins für die Zeit seiner Inhabung dem Eigenthümer zu bezahlen, wann er gleich solchen dem Vermiether schon abgeführet hätte.

[3, 12, § 3] 31. Woferne jedoch der Miether die Sache mit guten Glauben bestanden hätte, kann zwar von ihme der dem Vermiether schon bezahlte Zins nicht wieder geforderet werden; der Vermiether aber ist anderer gestalt nicht befugt, den empfangenen Zins zu behalten, oder den noch rückständigen einzuforderen, als da er sich der Vermiethung der Sache mit guten Glauben, und in ungezweifleter Meinung, daß er das Recht hierzu habe, angemaßet hätte. Ansonsten hat sowohl der Miether den noch rückständigen, als der unbefugte Vermiether den schon eingehobenen Zins dem Eigenthümer zu entrichten.

[3, 12, § 3] 32. Des Miethers eigene Sachen können ihme nicht anderst vermiethet oder in Bestand gegeben werden, als da vorhero entweder das Eigenthum, oder ein anderes den Gebrauch der Sache wirkendes Recht auf den Vermiether übertragen worden wäre, also kann der Kaufer dem Verkaufer auch noch vor der körperlichen Uebergabe die verkaufte Sache, der Nutznießer dem Eigenthümer das nutznießende Gut, der Glaubiger dem Schuldner seine in Besitz habende Hypothek vermiethen, oder in Bestand lassen.

[3, 12, § 3] 33. Gleichergestalten können alle persönliche Dienste und Arbeiten verdinget, und gedinget werden, welche nicht wider die Ehrbarkeit und Unsere Gesatze laufen, anbei aber so beschaffen sind, daß sie um Geld geschätzet werden mögen, und zum Nutzen des Dingenden gereichen.

[3, 12, § 3] 34. Dahero kann kein Dingungscontract über unerlaubte Handlungen zu Recht bestehen, noch weniger solle einem oder dem anderen Theil eine Rechtshilfe hierauf ertheilet, sondern beide nach Beschaffenheit des Verbrechens zur verwirkten Strafe gezogen werden.

[3, 12, § 3] 35. Jene Arbeiten und Verrichtungen hingegen, welche durch die Kräften des Verstandes und Witzes, und nicht durch körperliche Wirksamkeit ausgeübet werden, können wegen ihrer Würde und Erhabenheit über andere Handarbeiten keine eigentliche Schätzung annehmen, folglich auch keinen Gegenstand deren Dingungscontracten abgeben, sondern die darüber eingegangene Verbindlichkeit bestehet nur in der Gestalt eines unbenannten Vertrags oder Befehlcontracts, und jenes, was dafür zu geben bedungen worden, heißet zum Unterschied eines Hand- oder Liedlohns eigends eine Besoldung, Bestallung, Verehrung oder Vergeltung; von dieser Art sind die Verrichtungen deren zu der Rechtspflege bestallten Personen, wie nicht minder eines Lehrers, Anwalts, Arztes u. dgl.

[3, 12, § 3] 36. Nicht nur aber eigene, sondern auch fremde Diensten und Arbeiten können rechtsgiltig verdinget werden, wann dem Verdinger das Recht zustehet, derlei Dienste und Arbeiten von dem Anderen zu forderen, und der Dingende nicht besonders den selbsteigenen Fleiß und persönliche Zuthat des Verdingers erkoren hat.

(3-208) §. IV.

[3, 12, § 4] 37. Der Zins oder Lohn, als das dritte wesentliche Stuck des Miethcontracts ist nichts Anderes, als der für den Gebrauch der vermietheten Sache, oder für die verdingte Diensten und Arbeiten verheißende Preis oder Werth, welcher nach Verschiedenheit des Gegenstands bei Miethungen deren Sachen eigentlich ein Hauszins, Mieth- oder Pachtgeld, oder auch Pachtschilling, bei Verdingung unbestimmter Diensten aber ein Liedlohn, und bei Verdingung bestimmter Arbeiten ein Hand-, Tag-, Werk- oder Arbeitlohn genannt wird.

[3, 12, § 4] 38. Dessen Eigenschaft ist mit jener des Kaufgelds einerlei, und wird dahero zu seiner Wesenheit erforderet: Erstens, daß solcher in Geld bestimmet werde, wo ansonsten, wann gleich Anfangs dafür etwas Anderes, als Bargeld zu geben bedungen worden wäre, das Geschäft für keine Miethung, sondern für einen unbenannten Vertrag, oder auch für einen anderen benannten Contract, deme es in seiner Art beikommet, anzusehen ist.

[3, 12, § 4] 39. Also da für verdingte Dienste und Arbeiten etwas Anderes, als baares Geld zu geben versprochen wird, bestehet die Handlung in der Gestalt des unbenannten Vertrags, daß der Eine etwas leiste oder thue, damit der Andere dafür etwas gebe, gleichwie in solchem Fall bei Miethung deren Sachen es darauf ankommet, ob Dasjenige, was anstatt baaren Geldes dafür zu geben verheißen wird, nach der Zahl, Gewicht oder Maß, oder aber nur nach seinem Betrag bestimmet worden.

[3, 12, § 4] 40. Hat es seine Bestimmung nach der Zahl, Maß oder Gewicht, als da für einen gepachteten Acker eine gewisse Anzahl Strich oder Metzen Getreid zu geben bedungen würde, ist die Handlung ein unbenannter Vertrag, daß der Eine etwas gebe, damit er von dem Anderen dafür etwas empfange.

[3, 12, § 4] 41. Dahingegen, woferne das Bedungene nach dem ungewissen Betrag bestimmet worden, als da für einen gepachteten Acker die Hälfte oder das Drittel der Fechsung abzureichen gelobet würde, ist es ein Gesellschaftscontract, weilen diese Handlung demselben zum nächsten beikommet.

[3, 12, § 4] 42. Doch kann mit beiderseitiger Einwilligung sowohl gleich in Anfang bei Schließung des Mieth- oder Dingungscontracts der Zins oder Lohn zum Theil in baaren Geld, und zum Theil in anderen Sachen ausgemessen, als auch in der Folge anstatt des bedungenen baaren Geldes eine andere in einem gewissen Werth angeschlagene Sache gegeben werden, ohne daß die Natur des Mieth- oder Dingungscontracts dadurch geänderet würde, wann nur die Verabredung des Contracts ganz oder zum Theil auf Geld gelautet hat, und dabei die Willensmeinung deren Contrahenten deutlich erhellet, daß sie einen Mieth- oder Dingungscontract einzugehen gesinnet waren.

[3, 12, § 4] 43. Nicht weniger müssen zur Wesenheit des Zinses oder Lohns alle übrige Erfordernussen des Kaufgelds in derjenigen Maß hinzutreten, wie solche oben in neunten Capitel, §. VI, erkläret worden; − als zweitens, daß der Zins oder Lohn wahrhaft versprochen und angelobet, und nicht nur etwan bloß zum Schein vorgewendet werde.

[3, 12, § 4] 44. Drittens, daß dessen Betrag entweder an sich selbst, oder doch wenigstens durch verläßliche und unfehlbare Beziehung auf andere Umstände, woraus dessen Gewißheit hergeholet werden könne, bestimmet werde, als da Jemand ein Haus

(3-209) für eben den Zins miethete, welcher vorhero dafür bezahlet worden; viertens, daß der Zins oder Lohn billig seie, und dem Werth des Gebrauchs oder Genusses der vermietheten Sache, oder deren leistenden Diensten und Arbeiten gleichkomme.

§. V.

[3, 12, § 5] 45. Der Mieth- oder Dingungscontract kann entweder ohnbedingt, oder mit beigefügter Bedingnuß schriftlich oder mündlich geschlossen, und dabei ebenso, wie bei allen anderen Contracten ein Haftgeld, Reugeld, und was immer sonst für ein zulässiger Nebenvertrag bedungen werden, wann nur solcher mit der Wesenheit dieses Contracts vereinbarlich ist.

[3, 12, § 5] 46. Die Miethungen deren Sachen geschehen entweder zu einem gewissen zeitlichen Gebrauch, oder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit. Lautet die Miethe auf einen zeitlichen Gebrauch, als das Rosse zur Reise ausgeliehen, oder ein Saal zur Gasterei oder zu einer anderen Lust gemiethet würde, so ist auch solche mit dessen Vollendung erloschen, ohne daß darzu ein oder andererseits eine vorhergehende Aufkündung erforderet würde, wann solche nicht ausdrücklich ausbedungen worden, es beträfe gleich bewegliche oder unbewegliche Dinge.

[3, 12, § 5] 47. Desgleichen, wo eine gesetzte Zeit bestimmet worden, höret auch nach deren Verlauf die Miethung von selbsten auf, ohne daß eine Aufkündung nöthig wäre, woferne solche nicht wortdeutlich in dem Contract vorgesehen worden, und lieget nichts daran, ob die Zeit kurz oder lang seie, dann auch durch die längste Zeit wird das Eigenthum der vermietheten Sache auf den Miether oder Pächter nicht übertragen.

[3, 12, § 5] 48. Auf immerwährende Zeiten aber kann ausdrücklich keine Miethung geschlossen werden, sondern aus einer solchen Handlung entstehet ein wahrer Erbzins-Contract, wodurch der Miether oder Pachter das nutzbare Eigenthum der ihme auf allzeitigen Gebrauch oder Genuß überlassenen Sache erwirbt; dahingegen kann stillschweigend eine Miethe auf immerda fortwähren, solange aus beiderseitiger Willkür bei dem Contract beharret wird.

(3-210) [3, 12, § 5] 49. Ist die Miethe auf eine unbestimmte Zeit eingegangen worden, so ist entweder die ein oder anderseitige Aufkündung dabei ausbedungen worden oder nicht. Ersteren Falls währet die Miethe so lang, als solche von einem oder dem anderen Theil nicht aufgekündet wird; letzteren Falls hingegen ist aus der Natur der Handlung allemal das Beding darunter verstanden, daß der Contract solang fürzudaueren habe, als einem oder dem anderen Contrahenten davon abzugehen nicht gefällig sein werde.

[3, 12, § 5] 50. Dieser willkürliche Abstand aber erstrecket sich keineswegs so weit, daß einem oder dem anderen Contrahenten nach jeweiligen Belieben zu allen Zeiten den Contract abzubrechen freistünde, sondern so Ein als Anderer ist schuldig, bei verpachteten Landwirthschaften oder Gefällen, oder in Bestand genommenen Gewerben durch einen Jahreslauf von dem Tag der angefangenen Pachtung oder Bestands in dem Contract zu stehen, und noch über das vor Ausgang des Jahrs die landesgewöhnliche Aufkündung vorhergehen zu lassen; bei Miethung deren Häusern und Wohnungen in Städten und Märkten hingegen die nach jeden Landes Gebrauch und rechtmäßiger Gewohnheit hergebrachte Aufkündungszeit abzuwarten.

[3, 12, § 5] 51. Dann die Aufkündung muß bei allen Mieth- und Pachtungscontracten, worinnen selbe entweder ausdrücklich vorgesehen, oder aber kein zeitlicher Gebrauch oder keine gewisse Zeit, mit deren Verlauf die Miethe von selbst erlöschet, bestimmet worden, der wirklichen Aufhebung des Contracts um so unnachbleiblicher vorhergehen, als in Widrigen, und insolange diese nicht ordentlich geschiehet, die Miethe fortgesetzet wird, wann gleich der vorhabende Abstand in andere Wege auf was immer erdenkliche Art und Weis geäußeret worden.

[3, 12, § 5] 52. Damit aber über den Beweis der vorgegangenen Aufkündung alle Weitläufigkeiten vermieden bleiben mögen, so ordnen und wollen Wir, daß keine Aufkündung anderst, als entweder schriftlich oder gerichtlich geschehen, folglich zu Erprobung der vorangegangenen Aufkündung kein anderer Beweis zugelassen sein solle, als entweder die schriftliche Bekanntnuß des anderen Theils, daß er die Aufkündung angenommen, oder die Bescheinigung einer beeidigten Gerichtsperson, daß durch selbe auf Ersuchen des einen dem anderen Theil die Aufkündung bedeutet worden.

[3, 12, § 5] 53. Es ist jedoch zur Giltigkeit der Aufkündung nicht an der ordnungsmäßigen Art und Weis allein genug, sondern es muß auch dabei diejenige Zeit, in der sie zu geschehen habe, beobachtet werden, wie solche entweder in dem Contract ausgedrucket, oder in Ermanglung eines dergleichen Bedings jeden Orts nach Landesbrauch üblich ist, wo in Widrigen der andere Theil zu Annehmung einer zur Unzeit gemachten Aufkündung nicht verhalten werden kann.

[3, 12, § 5] 54. Wann nun die Aufkündung sowohl in der Zeit, als in der Art und Weis ordentlich geschehen ist, hebet zwar solche für sich sogleich die Miethe nicht auf, sondern diese währet durch die Frist, bis auf welche sich die Aufkündung entweder nach Inhalt des Contracts, oder nach Landesbrauch erstrecket, in dem einmal eingegangenen Beding noch immerfort, und die Aufkündung wirket nur so vieles, daß nach Verlauf dieser Frist jedem Theil von dem Contract abzuweichen freistehe, wann solcher nicht etwan nachhero durch ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung beider Theilen anwiederum erneueret worden. Hätte aber jener Theil, deme aufgekündet worden, wider die ihme gerichtlich zugekommene Aufkündung etwas einzuwenden, warumen er solche anzunehmen nicht schuldig zu sein glaubete, so solle derselbe längstens binnen vier Wochen, wann sonst keine kürzere Frist in einem oder anderen Ort schon vorhin bestimmet wäre, von dem Tag der Aufkündung diese seine Ursachen bei Gericht anbringen, wobei auf das schleunigste zu verfahren, nach Verlauf dieser Frist aber Kläger nicht mehr zu hören ist.

[3, 12, § 5] 55. Persönliche Dienste und Arbeiten werden entweder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit, oder auch blos bis zu Herstellung eines gewissen Werks


(3-204) vermiethet, liegende Güter, und fruchtbringende Gründe, sowie abfallende Renten, Gefälle und Einkünften verpachtet oder arrendiret, bewegliche Sachen zum Gebrauch für Geld ausgeliehen, persönliche Dienste und Arbeiten verdinget, gewinnstige Gewerbe, als z. B. Mühlen, Meiereien, Wirths- und Branntweinhäuser, Wein- und Bierschank u. dgl. in Bestand gegeben, und endlich heißen die wegen Uebernehmung deren Lieferungen und Verpflegungen Unserer Kriegsheere, oder auch wegen Ausführung gemeinnutzlicher oder nothwendiger Werken mit Unserer Kammer, oder denen Ständen eines Landes schließende Contracten insgemein Admodiationen.

[3, 12, § 1] 4. Der Miethungscontract kommet mit dem Kaufen und Verkaufen in Vielen überein, dann beide erhalten aus bloßer Einwilligung deren Contrahenten ihre Wesenheit, und gleichwie in Kaufen das Eigenthum der Sache um einen gewissen Werth überlassen wird, also wird auch in Miethen der Gebrauch der Sache um einen bedungenen Zins verstattet, oder persönliche Dienste und Arbeiten für einen verabredeten Lohn geleistet.

[3, 12, § 1] 5. Indeme sind doch beide unterschieden, daß bei Kaufen das Eigenthum der verkauften Sache auf den Kaufer übertragen, in Miethen aber nur der Gebrauch der Sache dem Miether zugewendet werde, und das Eigenthum aus der Natur des Miethungscontract allemal bei dem Vermiether verbleibe, wann solches nicht durch einen besonderen Vertrag oder Beding dem Miether überlassen, und andurch das Geschäft in eine andere Gattung von Contracten verwandlet wird.

[3, 12, § 1] 6. Es hat auch das Miethen und Vermiethen nicht weniger, als das Kaufen und Verkaufen zweierlei Benennungen, wodurch der Unterschied deren contrahirenden Personen, und die Verschiedenheit ihrer Verbindlichkeiten angedeutet wird; der Contract aber ist an sich ebenso, wie das Kaufen nur eine beide Theile gleich verbindende in ihrem Wesentlichen unabsönderliche Handlung.

[3, 12, § 1] 7. Diesemnach bestehet die Wesenheit des Miethungs- oder Dingungscontracts in folgenden dreien Stücken, als: Erstens, in beiderseitiger Einwilligung und Vereinigung; zweitens, in der vermietheten Sache, oder verdingten Diensten und Arbeiten; drittens, in dem dafür bedungenen Zins oder Lohn.

[3, 12, § 1] 8. Nach diesem zweifachen Gegenstand, nemlich deren Sachen und Diensten oder Arbeiten theilet sich der Miethungscontract in zweierlei Gattungen, als in die Miethung der Sachen, und in die Verdingung persönlicher Diensten und Arbeiten. Bei der ersteren ist allemal der eine contrahirende Theil, welcher die Sache ausleihet, oder deren Gebrauch verstattet, der Vermiether und der andere der Miether, welcher den Zins dafür entrichtet.

[3, 12, § 1] 9. Die andere hingegen ist anwiederum zweierlei, als erstlich die Verdingung bloßer unbestimmter persönlicher Diensten, ohne die Ausführung oder Herstellung eines gewissen Werks auf sich zu nehmen, und in dieser ist Jener der Verdingende, welcher dem Anderen die Dienste leistet, und der Andere der Dingende, deme die Dienste geleistet werden, und welcher den Lohn dafür bezahlet.

[3, 12, § 1] 10. Oder zweitens die Verdingung einer bestimmten Arbeit, wodurch die Verfertigung eines gewissen Werks übernommen wird, und bei dieser Handlung ist in verschiedener Absicht auf die Arbeit, oder das Werk ein jeder Theil der Verdingende und Dingende zugleich.

[3, 12, § 1] 11. Als in Absicht auf die Arbeit ist Jener der Verdingende, welcher solche leistet, und den Lohn dafür empfängt, und der Dingende, deme sie geleistet, und von deme der Lohn bezahlet wird. In Absicht auf das Werk aber ist Jener der Dingende, welcher solches auszuführen übernommen, und der Verdingende, welcher es dem Anderen in die Arbeit gegeben hat, also daß jederzeit, sobald als die Arbeit gedinget, zugleich auch das Werk verdinget wird, wie z. B. bei einem Hausbau der Bauherr die Arbeit dinget, den Bau aber dem Baumeister verdinget.

(3-205) [3, 12, § 1] 12. Diese zweifache Absicht hat ihre Wirkung in deme, daß in derlei Handlungen ein jeder Theil beide contractmäßige Verbindlichkeiten des Miethers und Vermiethers zugleich auf sich habe. Also hat Jener, welcher die Arbeit dinget, und das Werk verdinget, einerseits die Verbindlichkeit des Miethers, daß er den bedungenen Lohn bezahle, und andererseits die Verbindlichkeit des Vermiethers, daß er das verdingte Werk ausführen lasse.

[3, 12, § 1] 13. Gleichwie in Gegentheil der Andere, welcher die Arbeit verdungen, und das Werk gedungen hat, als Vermiether der Arbeit solche zu leisten, und das Werk zu vollführen, als Miether des Werks aber für allen durch ihn, oder seine Leute hieran entstehenden Schaden zu haften schuldig ist.

[3, 12, § 1] 14. Nach der Art und Weis den Miethungscontract zu schließen ist derselbe zweierlei, als entweder eine wahre Miethung, deren Natur und Eigenschaft durch keine Nebenbedinge geänderet wird, sondern eben dieselbe Sache nach vollendeter Miethzeit anwiederum zuruckgestellet werden muß.

[3, 12, § 1] 15. Oder aber eine von ihrer Natur abweichende Miethung, wann dabei bedungen wird, daß nicht eben dasselbe, was vermiethet worden, sondern nur eben so vieles von gleicher Gattung zuruckgestellet werde, welches insgemein bei dem in Bestand gebenden nutzbaren Vieh zu geschehen pfleget, und die Wirkung hat, daß die Gefahr auf den Bestandhaber übertragen werde.

§. II.

[3, 12, § 2] 16. Miethen und Vermiethen kann Jedermann, der Verbindungen einzugehen, und der eigenen Verwaltung seines Vermögens fähig ist, wann ihme sonst kein Verbot des Gesatzes entgegen stehet.

[3, 12, § 2] 17. Inwieweit aber die Vormündere oder Gerhaben und Curatores Miethungs-, Pacht- oder Bestandcontracten über die Güter ihrer Pflegbefohlenen schließen können, ist bereits in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft erkläret worden.

[3, 12, § 2] 18. Unsere landesfürstliche Städte und Märkte sind nicht befugt ohne Unserer oder derjenigen Stelle, welcher von Uns die Obsicht hierüber eingeraumet ist, vorhergehenden Einwilligung und Beangenehmung die der Gemeinde angehörige Güter, Rechten oder Gefälle zu vermiethen, zu verpachten, oder in Bestand zu lassen.

[3, 12, § 2] 19. Welchen Verbot Wir auch auf die Vorstehere der Spitäler und anderen milden Stiftungen hiermit erstrecken; so viel es aber die obrigkeitliche Städte und Märkte anbetrifft, lassen Wir es bei einer jeden Landes Verfassung gnädigst bewenden.

[3, 12, § 2] 20. Wir verordnen desgleichen, daß in Städten denen Schmieden, Faßbindern, Bäcken, Bierbrauern und dergleichen Handwerksleuten, welche ihre Hantierung entweder mit starken Getös, oder mit besorglicher Feuersgefahr treiben, ohne besonderer Einwilligung deren Magistraten an keinen anderen Orten, als welche zu derlei Hantierungen schon vorhin gewidmet waren, oder wo solche durch mehrere Jahre ohne Widerspruch deren Nachbarn getrieben worden, Häuser, Wohnungen oder Plätze zu Errichtung ihrer Werkstätten zu miethen gestattet sein solle.

(3-206) §. III.

[3, 12, § 3] 21. Die Miethungs- und Dingungscontracten haben zu ihren Gegenstand einerseits den Gebrauch der Sachen, oder die Leistung persönlicher Diensten und Arbeiten, und andererseits den dafür bedungenen Zins oder Lohn. Von Ersteren wird in gegenwärtigen, von dem anderen aber in nachfolgenden §. gehandlet.

[3, 12, § 3] 22. Alle Sachen, welche handelbar sind, und durch den Gebrauch nicht verthan werden, sondern in ihrer unverringerten Wesenheit anwiederum zuruckgestellet werden mögen, können vermiethet und gemiethet werden, sie mögen körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder unbewegliche, des Vermiethers eigene oder fremde Dinge sein.

[3, 12, § 3] 23. Also können nicht allein alle Rechten und Befugnussen, sondern auch die persönliche Dienstbarkeiten, als der Nutznießung und der Bewohnung vermiethet oder verpachtet werden, wann solche nicht ausdrücklich auf die Person des Berechtigten allein beschränket sind. Inwieweit aber die Jemanden zustehende persönliche Dienstbarkeit des Gebrauchs einer Sache an Andere miethweise überlassen werden möge, ist bereits in zweiten Theil ausgemessen worden.

[3, 12, § 3] 24. Dahingegen können die sächliche Dienstbarkeiten, welche dem herrschenden Grund unzertrennlich ankleben, ohne diesem nicht vermiethet werden, obschon solche miethweise, und gegen gewisse Zinsen erworben und bestellet werden mögen; wann sie aber schon bestellet sind, können dieselbe nicht mehr an Andere ohne dem Grund, deme sie gebühren, vermiethet werden.

[3, 12, § 3] 25. Desgleichen ist bei körperlichen Dingen kein Unterschied, ob sie gleich fahrend oder liegend sind, also können von ersterer Art Pferde, Rinder, Schafe, Geflügel, Kleider, Bücher, Schiffe, Wägen, und überhaupt alle Dinge, welche ohne Verringerung ihrer Wesenheit einen Gebrauch oder Genuß gestatten, in Bestand gegeben, oder für Geld ausgeliehen, von letzterer Art aber Häuser, Güter, Felder, Wiesen, Teiche, Wälder, Gärten, Keller, Mühlen und dergleichen vermiethet oder verpachtet werden.

[3, 12, § 3] 26. Es lieget auch nichts daran, ob die vermiethete oder verpachtete Sache des Vermiethers Eigen oder fremd seie; unter eigenen aber werden nicht allein die Sachen verstanden, deren Eigenthum dem Vermiether zugehöret, sondern auch jene, worinnen ihme ein Recht gebühret. Also kann ein Miether oder Bestandmann die ihme vermiethete, oder in Bestand gegebene Sache hinwiederum einem Anderen zu dem nemlichen Gebrauch, und auf eben die Zeit, auf welche er sie gemiethet, mieth- oder bestandweise überlassen, so eigentlich ein Afterbestand genennet wird; woferne der Vermiether sich nicht ausdrücklich ausbedungen hätte, daß kein Afterbestand zulässig sein solle.

[3, 12, § 3] 27. Eben diese Befugnuß hat Derjenige, deme aus einem Beding, oder aus letztwilliger Anordnung die Nutznießung eines Guts, oder die Wohnung in einem Hause gebühret, oder auch ein Glaubiger, der in den Besitz eines ihme zur Hypothek verschriebenen Guts gelanget ist, jedoch nur auf jene, und keine längere Zeit, als die eigene Miethung, oder das an der Sache habende Recht des Vermiethers fürwähret, mit dessen Erlöschung auch der Afterbestand erlöschet.

[3, 12, § 3] 28. Der Afterbestandmann ist dahero ohne Weiters die Wohnung zu raumen, und die gemiethete Sache dem Eigenthümer oder Demjenigen, welcher in das Recht des Aftervermiethers eintritt, sogleich zuruckzustellen schuldig; dagegen aber bleibet ihme unbenommen des etwan früher abgebrochenen Contracts halber, wann er von Seiten des Aftervermiethers durch Gefährde oder Arglist zu dieser Miethung verleitet worden wäre, die Vergütung seines erweislichen Schadens an demselben anzusuchen.

(3-207) [3, 12, § 3] 29. Fremde, oder solche Sachen, woran dem Vermiether gar kein Recht zustehet, werden entweder mit Wissen und Willen des Eigenthümers, oder ohne demselben vermiethet. Ersteren Falls, wann seine Einwilligung überhaupt, und ohne aller Beschränkung darzu gegeben worden, bestehet der Contract nach seinem ganzen Inhalt, wie solcher eingegangen worden, außer deme aber nur in derjenigen Maß, und auf die Zeit, wie weit der Eigenthümer eingewilliget hat.

[3, 12, § 3] 30. Letzteren Falls hingegen, wo die Einwilligung des Eigenthümers ermanglet, bestehet der Contract nur insolange, als der Eigenthümer seine Sache nicht zuruckforderet, welche ihme auf Verlangen sogleich zu erfolgen ist, die Miethzeit möge verflossen sein oder nicht, und hat nebst deme der Miether oder Bestandmann, wann er die Sache fremd zu sein gewußt, den Zins für die Zeit seiner Inhabung dem Eigenthümer zu bezahlen, wann er gleich solchen dem Vermiether schon abgeführet hätte.

[3, 12, § 3] 31. Woferne jedoch der Miether die Sache mit guten Glauben bestanden hätte, kann zwar von ihme der dem Vermiether schon bezahlte Zins nicht wieder geforderet werden; der Vermiether aber ist anderer gestalt nicht befugt, den empfangenen Zins zu behalten, oder den noch rückständigen einzuforderen, als da er sich der Vermiethung der Sache mit guten Glauben, und in ungezweifleter Meinung, daß er das Recht hierzu habe, angemaßet hätte. Ansonsten hat sowohl der Miether den noch rückständigen, als der unbefugte Vermiether den schon eingehobenen Zins dem Eigenthümer zu entrichten.

[3, 12, § 3] 32. Des Miethers eigene Sachen können ihme nicht anderst vermiethet oder in Bestand gegeben werden, als da vorhero entweder das Eigenthum, oder ein anderes den Gebrauch der Sache wirkendes Recht auf den Vermiether übertragen worden wäre, also kann der Kaufer dem Verkaufer auch noch vor der körperlichen Uebergabe die verkaufte Sache, der Nutznießer dem Eigenthümer das nutznießende Gut, der Glaubiger dem Schuldner seine in Besitz habende Hypothek vermiethen, oder in Bestand lassen.

[3, 12, § 3] 33. Gleichergestalten können alle persönliche Dienste und Arbeiten verdinget, und gedinget werden, welche nicht wider die Ehrbarkeit und Unsere Gesatze laufen, anbei aber so beschaffen sind, daß sie um Geld geschätzet werden mögen, und zum Nutzen des Dingenden gereichen.

[3, 12, § 3] 34. Dahero kann kein Dingungscontract über unerlaubte Handlungen zu Recht bestehen, noch weniger solle einem oder dem anderen Theil eine Rechtshilfe hierauf ertheilet, sondern beide nach Beschaffenheit des Verbrechens zur verwirkten Strafe gezogen werden.

[3, 12, § 3] 35. Jene Arbeiten und Verrichtungen hingegen, welche durch die Kräften des Verstandes und Witzes, und nicht durch körperliche Wirksamkeit ausgeübet werden, können wegen ihrer Würde und Erhabenheit über andere Handarbeiten keine eigentliche Schätzung annehmen, folglich auch keinen Gegenstand deren Dingungscontracten abgeben, sondern die darüber eingegangene Verbindlichkeit bestehet nur in der Gestalt eines unbenannten Vertrags oder Befehlcontracts, und jenes, was dafür zu geben bedungen worden, heißet zum Unterschied eines Hand- oder Liedlohns eigends eine Besoldung, Bestallung, Verehrung oder Vergeltung; von dieser Art sind die Verrichtungen deren zu der Rechtspflege bestallten Personen, wie nicht minder eines Lehrers, Anwalts, Arztes u. dgl.

[3, 12, § 3] 36. Nicht nur aber eigene, sondern auch fremde Diensten und Arbeiten können rechtsgiltig verdinget werden, wann dem Verdinger das Recht zustehet, derlei Dienste und Arbeiten von dem Anderen zu forderen, und der Dingende nicht besonders den selbsteigenen Fleiß und persönliche Zuthat des Verdingers erkoren hat.

(3-208) §. IV.

[3, 12, § 4] 37. Der Zins oder Lohn, als das dritte wesentliche Stuck des Miethcontracts ist nichts Anderes, als der für den Gebrauch der vermietheten Sache, oder für die verdingte Diensten und Arbeiten verheißende Preis oder Werth, welcher nach Verschiedenheit des Gegenstands bei Miethungen deren Sachen eigentlich ein Hauszins, Mieth- oder Pachtgeld, oder auch Pachtschilling, bei Verdingung unbestimmter Diensten aber ein Liedlohn, und bei Verdingung bestimmter Arbeiten ein Hand-, Tag-, Werk- oder Arbeitlohn genannt wird.

[3, 12, § 4] 38. Dessen Eigenschaft ist mit jener des Kaufgelds einerlei, und wird dahero zu seiner Wesenheit erforderet: Erstens, daß solcher in Geld bestimmet werde, wo ansonsten, wann gleich Anfangs dafür etwas Anderes, als Bargeld zu geben bedungen worden wäre, das Geschäft für keine Miethung, sondern für einen unbenannten Vertrag, oder auch für einen anderen benannten Contract, deme es in seiner Art beikommet, anzusehen ist.

[3, 12, § 4] 39. Also da für verdingte Dienste und Arbeiten etwas Anderes, als baares Geld zu geben versprochen wird, bestehet die Handlung in der Gestalt des unbenannten Vertrags, daß der Eine etwas leiste oder thue, damit der Andere dafür etwas gebe, gleichwie in solchem Fall bei Miethung deren Sachen es darauf ankommet, ob Dasjenige, was anstatt baaren Geldes dafür zu geben verheißen wird, nach der Zahl, Gewicht oder Maß, oder aber nur nach seinem Betrag bestimmet worden.

[3, 12, § 4] 40. Hat es seine Bestimmung nach der Zahl, Maß oder Gewicht, als da für einen gepachteten Acker eine gewisse Anzahl Strich oder Metzen Getreid zu geben bedungen würde, ist die Handlung ein unbenannter Vertrag, daß der Eine etwas gebe, damit er von dem Anderen dafür etwas empfange.

[3, 12, § 4] 41. Dahingegen, woferne das Bedungene nach dem ungewissen Betrag bestimmet worden, als da für einen gepachteten Acker die Hälfte oder das Drittel der Fechsung abzureichen gelobet würde, ist es ein Gesellschaftscontract, weilen diese Handlung demselben zum nächsten beikommet.

[3, 12, § 4] 42. Doch kann mit beiderseitiger Einwilligung sowohl gleich in Anfang bei Schließung des Mieth- oder Dingungscontracts der Zins oder Lohn zum Theil in baaren Geld, und zum Theil in anderen Sachen ausgemessen, als auch in der Folge anstatt des bedungenen baaren Geldes eine andere in einem gewissen Werth angeschlagene Sache gegeben werden, ohne daß die Natur des Mieth- oder Dingungscontracts dadurch geänderet würde, wann nur die Verabredung des Contracts ganz oder zum Theil auf Geld gelautet hat, und dabei die Willensmeinung deren Contrahenten deutlich erhellet, daß sie einen Mieth- oder Dingungscontract einzugehen gesinnet waren.

[3, 12, § 4] 43. Nicht weniger müssen zur Wesenheit des Zinses oder Lohns alle übrige Erfordernussen des Kaufgelds in derjenigen Maß hinzutreten, wie solche oben in neunten Capitel, §. VI, erkläret worden; − als zweitens, daß der Zins oder Lohn wahrhaft versprochen und angelobet, und nicht nur etwan bloß zum Schein vorgewendet werde.

[3, 12, § 4] 44. Drittens, daß dessen Betrag entweder an sich selbst, oder doch wenigstens durch verläßliche und unfehlbare Beziehung auf andere Umstände, woraus dessen Gewißheit hergeholet werden könne, bestimmet werde, als da Jemand ein Haus

(3-209) für eben den Zins miethete, welcher vorhero dafür bezahlet worden; viertens, daß der Zins oder Lohn billig seie, und dem Werth des Gebrauchs oder Genusses der vermietheten Sache, oder deren leistenden Diensten und Arbeiten gleichkomme.

§. V.

[3, 12, § 5] 45. Der Mieth- oder Dingungscontract kann entweder ohnbedingt, oder mit beigefügter Bedingnuß schriftlich oder mündlich geschlossen, und dabei ebenso, wie bei allen anderen Contracten ein Haftgeld, Reugeld, und was immer sonst für ein zulässiger Nebenvertrag bedungen werden, wann nur solcher mit der Wesenheit dieses Contracts vereinbarlich ist.

[3, 12, § 5] 46. Die Miethungen deren Sachen geschehen entweder zu einem gewissen zeitlichen Gebrauch, oder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit. Lautet die Miethe auf einen zeitlichen Gebrauch, als das Rosse zur Reise ausgeliehen, oder ein Saal zur Gasterei oder zu einer anderen Lust gemiethet würde, so ist auch solche mit dessen Vollendung erloschen, ohne daß darzu ein oder andererseits eine vorhergehende Aufkündung erforderet würde, wann solche nicht ausdrücklich ausbedungen worden, es beträfe gleich bewegliche oder unbewegliche Dinge.

[3, 12, § 5] 47. Desgleichen, wo eine gesetzte Zeit bestimmet worden, höret auch nach deren Verlauf die Miethung von selbsten auf, ohne daß eine Aufkündung nöthig wäre, woferne solche nicht wortdeutlich in dem Contract vorgesehen worden, und lieget nichts daran, ob die Zeit kurz oder lang seie, dann auch durch die längste Zeit wird das Eigenthum der vermietheten Sache auf den Miether oder Pächter nicht übertragen.

[3, 12, § 5] 48. Auf immerwährende Zeiten aber kann ausdrücklich keine Miethung geschlossen werden, sondern aus einer solchen Handlung entstehet ein wahrer Erbzins-Contract, wodurch der Miether oder Pachter das nutzbare Eigenthum der ihme auf allzeitigen Gebrauch oder Genuß überlassenen Sache erwirbt; dahingegen kann stillschweigend eine Miethe auf immerda fortwähren, solange aus beiderseitiger Willkür bei dem Contract beharret wird.

(3-210) [3, 12, § 5] 49. Ist die Miethe auf eine unbestimmte Zeit eingegangen worden, so ist entweder die ein oder anderseitige Aufkündung dabei ausbedungen worden oder nicht. Ersteren Falls währet die Miethe so lang, als solche von einem oder dem anderen Theil nicht aufgekündet wird; letzteren Falls hingegen ist aus der Natur der Handlung allemal das Beding darunter verstanden, daß der Contract solang fürzudaueren habe, als einem oder dem anderen Contrahenten davon abzugehen nicht gefällig sein werde.

[3, 12, § 5] 50. Dieser willkürliche Abstand aber erstrecket sich keineswegs so weit, daß einem oder dem anderen Contrahenten nach jeweiligen Belieben zu allen Zeiten den Contract abzubrechen freistünde, sondern so Ein als Anderer ist schuldig, bei verpachteten Landwirthschaften oder Gefällen, oder in Bestand genommenen Gewerben durch einen Jahreslauf von dem Tag der angefangenen Pachtung oder Bestands in dem Contract zu stehen, und noch über das vor Ausgang des Jahrs die landesgewöhnliche Aufkündung vorhergehen zu lassen; bei Miethung deren Häusern und Wohnungen in Städten und Märkten hingegen die nach jeden Landes Gebrauch und rechtmäßiger Gewohnheit hergebrachte Aufkündungszeit abzuwarten.

[3, 12, § 5] 51. Dann die Aufkündung muß bei allen Mieth- und Pachtungscontracten, worinnen selbe entweder ausdrücklich vorgesehen, oder aber kein zeitlicher Gebrauch oder keine gewisse Zeit, mit deren Verlauf die Miethe von selbst erlöschet, bestimmet worden, der wirklichen Aufhebung des Contracts um so unnachbleiblicher vorhergehen, als in Widrigen, und insolange diese nicht ordentlich geschiehet, die Miethe fortgesetzet wird, wann gleich der vorhabende Abstand in andere Wege auf was immer erdenkliche Art und Weis geäußeret worden.

[3, 12, § 5] 52. Damit aber über den Beweis der vorgegangenen Aufkündung alle Weitläufigkeiten vermieden bleiben mögen, so ordnen und wollen Wir, daß keine Aufkündung anderst, als entweder schriftlich oder gerichtlich geschehen, folglich zu Erprobung der vorangegangenen Aufkündung kein anderer Beweis zugelassen sein solle, als entweder die schriftliche Bekanntnuß des anderen Theils, daß er die Aufkündung angenommen, oder die Bescheinigung einer beeidigten Gerichtsperson, daß durch selbe auf Ersuchen des einen dem anderen Theil die Aufkündung bedeutet worden.

[3, 12, § 5] 53. Es ist jedoch zur Giltigkeit der Aufkündung nicht an der ordnungsmäßigen Art und Weis allein genug, sondern es muß auch dabei diejenige Zeit, in der sie zu geschehen habe, beobachtet werden, wie solche entweder in dem Contract ausgedrucket, oder in Ermanglung eines dergleichen Bedings jeden Orts nach Landesbrauch üblich ist, wo in Widrigen der andere Theil zu Annehmung einer zur Unzeit gemachten Aufkündung nicht verhalten werden kann.

[3, 12, § 5] 54. Wann nun die Aufkündung sowohl in der Zeit, als in der Art und Weis ordentlich geschehen ist, hebet zwar solche für sich sogleich die Miethe nicht auf, sondern diese währet durch die Frist, bis auf welche sich die Aufkündung entweder nach Inhalt des Contracts, oder nach Landesbrauch erstrecket, in dem einmal eingegangenen Beding noch immerfort, und die Aufkündung wirket nur so vieles, daß nach Verlauf dieser Frist jedem Theil von dem Contract abzuweichen freistehe, wann solcher nicht etwan nachhero durch ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung beider Theilen anwiederum erneueret worden. Hätte aber jener Theil, deme aufgekündet worden, wider die ihme gerichtlich zugekommene Aufkündung etwas einzuwenden, warumen er solche anzunehmen nicht schuldig zu sein glaubete, so solle derselbe längstens binnen vier Wochen, wann sonst keine kürzere Frist in einem oder anderen Ort schon vorhin bestimmet wäre, von dem Tag der Aufkündung diese seine Ursachen bei Gericht anbringen, wobei auf das schleunigste zu verfahren, nach Verlauf dieser Frist aber Kläger nicht mehr zu hören ist.

[3, 12, § 5] 55. Persönliche Dienste und Arbeiten werden entweder auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit, oder auch blos bis zu Herstellung eines gewissen Werks


(3-211) verdinget, und ist in keinerlei Fall eine Aufkündung nöthig, wann solche nicht bedungen worden, sondern die Verdingung währet so lange fort, bis daß die bestimmte Zeit oder Arbeit vollendet, oder bei unbestimmten Diensten der eine Theil dem anderen seinen Abstand von dem Contract bedeutet.

[3, 12, § 5] 56. Der Mieth- und Dingungscontract kann sowohl Anfangs mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung beider Theilen geschlossen, als auch nachhero bei Ausgang der bedungenen Miethzeit stillschweigend durch Fortsetzung der Miethe an Seiten des Miethers und dessen wissentliche Duldung an Seiten des Vermiethers auf weitere Zeiten erneueret werden.

[3, 12, § 5] 57. Diese stillschweigende Erneuerung des Mieth- oder Dingungscontract geschiehet auf zweierlei Art, als erstlich, wann die bedungene Aufkündung in der gesetzten Zeit weder ein- noch andererseits erfolget, und andertens, wann nach verflossener Mieth- oder Dingungszeit, oder auch nach geschehener ein- oder anderseitiger Aufkündung die Miethe jegleichwohlen von dem Miether fortgesetzet, und dieses von dem Vermiether mit guten Wissen gestattet, oder auch die Leistung deren verdingten Diensten und Arbeiten von dem anderen Theil über die gesetzte Zeit ohne Widerrede angenommen wird.

[3, 12, § 5] 58. Auf daß aber kein Zweifel erübrige, was sowohl für eine Zeitfrist, um hieraus eine stillschweigende Erneuerung zu schließen, erforderet, als auch auf was für eine Zeit die vorige Miethe oder Dingung hierdurch verlängeret werde, als verordnen Wir hiermit, daß bei Miethen zu einem zeitlichen Gebrauch, oder auf eine gesetzte Zeit ohne dem Beding einer Aufkündung durch den längeren Gebrauch die Miethe auf so lang, als sich der Miether der vermietheten Sache über die Anfangs bestimmte Zeit gebrauchet, für erstrecken zu halten seie.

[3, 12, § 5] 59. Wannenhero dem Vermiether der Zins für die überschrittene Miethzeit über den Anfangs verabredeten Betrag nach Maß des längeren Gebrauchs gebühret, welches auch bei Verdingungen persönlicher Diensten und Arbeiten statt hat, wofür der ausgesetzte Lohn solange abzureichen ist, als solche mit beiderseitigen Wissen und Willen geleistet werden.

[3, 12, § 5] 60. Wohingegen bei jenen Mieth- oder Pachtungen, in denen eine Aufkündung bedungen, oder doch solche oberwähnter Maßen wegen unbestimmter Zeit aus der Natur der Handlung erheischet wird, eine stillschweigende Erneuerung nicht anderst gefolgeret werden solle, als da entweder die Aufkündung in der gesetzten Zeit von keinem Theil geschehen, oder da auch solche vorhergegangenen wäre, nach verstrichener Aufkündungsfrist der Miether oder Pachter über die ihme nach Inhalt des Contracts, oder nach Landesbrauch zustehende Auszieh- oder Raumungszeit durch vierzehen Tage von dem Vermiether oder Verpachter in der Mieth- oder Pachtung wissentlich und ohne Widerrede ruhig belassen würde.

[3, 12, § 5] 61. Durch derlei stillschweigende Erneuerung aber werden die Contrahenten nicht auf die nemliche Zeit, worauf die erste Verabredung bei Schließung des Contracts gelautet hat, gebunden, es wäre dann in demselben ausdrücklich vorgesehen worden, daß woferne die bestimmte Mieth- oder Pachtzeit stillschweigend verlängeret würde, diese Erneuerung sich auf eben so viele Zeit, als in der ersteren Abrede beliebet worden, erstrecken solle.

[3, 12, § 5] 62. Außerdeme gehet die erneuerte Mieth- oder Pachtung nicht weiter als jene, welche nach dem oben bemerkten Unterschied gleich Anfangs auf eine unbestimmte Zeit eingegangen worden, nemlich bei verpachteten Landwirthschaften und Gefällen, oder in Bestand genommenen Gewerben auf einen Jahreslauf, doch allemal mit der Verbindlichkeit der vor dessen Ausgang zu machen habenden landesbräuchlichen Aufkündung, bei Miethungen deren Häusern und Wohnungen in Städten und Märkten hingegen bis zur nächstfolgenden gewöhnlichen Aufkündungszeit, in welcher jedem Theil freistehet sich mittelst der Aufkündung von weiterer Verbindlichkeit des Contracts zu entledigen.

(3-212) [3, 12, § 5] 63. Doch bleibet auch bei stillschweigender Erneuerung der vorige Contract in seinem ganzen Inhalt und allen seinen Punkten sowohl wegen des bedungenen Zinsbetrags, als aller anderen Nebenbedingen mit alleiniger Ausnahm der Mieth- oder Pachtzeit bei Kräften, also zwar, daß woferne von einem Theil zur Sicherheit des anderen ein Unterpfand bestellet oder verschrieben worden, auch dieses ohne neuer Bestellung von selbsten fortwähre, und auf die erneuerte Mieth- oder Pachtung erstrecket werde.

[3, 12, § 5] 64. Jene Nebenbedinge aber, welche von einem Dritten wegen des Mieth- Pacht- oder Dingungcontracts eingegangen worden, werden durch deren Contrahenten stillschweigende Erneuerung ohne dessen neuer Einwilligung nicht verlängeret, sondern erlöschen mit Verlauf der Zeit, auf welche die Verbindlichkeit lautet; also da ein Dritter zur Sicherheit des Contracts eine Bürgschaft eingeleget hätte, höret solche mit Ausgang des Contracts auf, obgleich dieser von denen Contrahenten stillschweigend oder auch ausdrücklich erneueret worden wäre.

[3, 12, § 5] 65. Es müssen jedoch alle dem Mieth- oder Dingungscontract beifügende Bedinge also beschaffen sein, daß sie die Wesenheit des Contracts in keine andere Gestalt verwandlen; dahero ist es kein Dingungscontract, wann bedungen wird, daß ein Künstler oder Werkmeister aus seinem eigenen Zeug eine gewisse Arbeit verfertige, sondern in allen derlei Fällen, wo die Sache, warum es zu thun ist, oder das Zeug, welches verarbeitet werden solle, an den anderen Theil veräußeret wird, unterwaltet ein wahrer Kauf und Verkauf, und nur in jenen Fällen eine Miethe oder Dingung, wo die Sache oder das Zeug des Vermiethers oder Verdingers Eigenthum bleibet.

[3, 12, § 5] 66. Obwohlen aber ansonst denen Contrahenten freistehet, unter was für Bedingen, welche der Wesenheit dieses Contracts nicht zuwider sind, die Miethe oder Dingung einzugehen, so wollen Wir jedoch bei denen über die sowohl Unseren landesfürstlichen, als auch obrigkeitlichen Städten und Märkten, wie nicht minder denen Kirchen, Spitälern und anderen zum Unterhalt der Armuth gewidmeten milden Stiftungen angehörige Güter und Gefälle abschließenden Verpachtungen nachfolgende Erfordernussen also gewiß beobachtet haben, als in deren Ermanglung der Contract null und nichtig sein solle, und zwar:

[3, 12, § 5] 67. Erstens ist vor Allen nothwendig, damit wann ein derlei Gut, oder sonstiges steigend und fallendes Gefäll verpachtet werden will, über dessen Ertragnuß aus sechsjährigen Rechnungen ein standhafter Anschlag mit all möglicher Verläßlichkeit verfasset, und dieser nach vorläufiger Gutheißung und Bestätigung der Behörde zum Grund des bedingenden Pachtschillings genommen, dann denen sich anmeldenden Pachtlustigen zu ihrer Einsicht hinausgegeben, wie nicht minder denenselben auf ihr Verlangen die Ersehung in denen Rechnungen verstattet werde.

[3, 12, § 5] 68. Zweitens sollen dergleichen Verpachtungen nicht anderst, als mittelst einer jederzeit veranlassenden Versteigerung getroffen werden können, worzu der Tag durch die gewöhnliche Kundmachung in einer zu dem Ende anberaumenden hinlänglichen Frist anzusetzen, sodann zwischen denen sich angebenden mehreren Pachtlustigen die Steigerung vorzunehmen, und wann der Anbot sich über den Anschlag erstrecket, oder wenigstens demselben beikommet, darüber aber ein Mehreres zu erhalten nicht angehoffet werden mag, mit dem Meistbietenden der Contract bis zu Einlangung der von Uns oder von der mit diesfälliger Macht von Uns versehenen nachgesetzten Stelle einzuholen habenden Beangenehmung, niemalen aber länger, als auf sechs Jahre abzuschließen ist.

[3, 12, § 5] 69. Drittens, woferne jedoch sich an dem zur Steigerung bestimmten Tag nur Ein Pachtlustiger einfinden, oder da auch deren mehrere wären, kein dem Anschlag gleichkommender Anbot zu bewirken sein würde, solle nichts geschlossen, sondern die Anzeige hiervon an die Behörde erstattet, und der weitere Verhaltungsbefehl hierüber abgewartet werden.

(3-213) [3, 12, § 5] 70. Viertens wird solchen Falls die Behörde alle unterwaltende Umstände genau zu erwägen, und hauptsächlich wohl zu überlegen haben, ob bei so beschaffenen Dingen die Ertragnuß mittelst einer gut zu bestellen habenden Verwaltung nicht höher, als durch die Verpachtung hinauf zu bringen wäre, wo sonach Dasjenige vorgekehret werden solle, was das Gedeihlichste zu sein befunden worden.

[3, 12, § 5] 71. Fünftens ist kein derlei Gut anderer Gestalt in Pacht zu lassen, als daß der Pächter einerseits mittelst einer entweder durch Verschreibung eines genüglichen Unterpfands, oder durch annehmliche Bürgschaft zu leisten habenden Sicherheit gewähre, das Gut in demjenigen Stand, in deme es ihme übergeben worden, und mit eben dem Beilaß, so er empfangen, anwiederum unverringeret und ungeschmäleret abtreten zu wollen, und andererseits den bedungenen Pachtschilling alle Vierteljahr vorhinein abzuführen angelobe.

[3, 12, § 5] 72. Sechstens, damit aber wegen des Beilasses, welchen der Pachter bei seiner Abtretung anwiederum zu überantworten hat, keine Irrungen entstehen mögen, so solle entweder solcher in dem Contract deutlich angemerket, oder auch hierüber zu Anfang der Pachtung gleich bei der Uebergabe eine genaue Beschreibung in zweierlei Urkunden verfasset, solche von beiden Theilen unterschrieben, und gegen einander ausgewechslet werden.

§. VI.

[3, 12, § 6] 73. Der Mieth- oder Dingungscontract ist seiner wesentlichen Natur nach zweibündig, woraus schon Anfangs in der Hauptsache sowohl der Vermiether oder Verdinger, als der Miether oder Dingende gegeneinander gleich verbindlich werden, und zwar Ersterer in Vermiethungen zu Verstattung des Gebrauchs oder Genusses der vermietheten Sache, und in Verdingungen zu Leistung deren verheißenen Diensten und Arbeiten, der Andere aber zu Bezahlung des bedungenen Zinses oder Lohnes, und überhaupt Beide zu Erfüllung alles dessen, zu was sich dieselbe in dem Contract verbunden haben.

[3, 12, § 6] 74. Es bestehet demnach bei Vermiethungen die Schuldigkeit des Vermiethers in Folgenden: Erstlich, daß er die vermiethete Sache dem Miether mit allen denenjenigen darzu gewidmeten Zugehörungen übergebe, welche zu deren Gebrauch unumgänglich nothwendig sind, als ein vermiethetes Haus mit denen Schlüsseln, ein ausgeliehenes Roß mit Sattel und Zeug, wann die Abrede nichts Anderes vermag.

[3, 12, § 6] 75. Dahingegen ist bei Verpachtungen liegender Güter der Verpachter an Zugehörungen nichts Mehreres zu übergeben schuldig, als was dem Pachter zum Beilaß ausdrücklich gewähret worden, also daß dieser weder den Samen, noch die zum Ackerbau und sonstigen Wirthschaftstrieb gehörige Geräthschaften anzuforderen befugt ist, wann er sich solche in dem Contract nicht ausbedungen hat.

[3, 12, § 6] 76. Welches ingleichen von allen einem liegenden Gut anklebenden Rechten und Gerechtigkeiten, als z. B. von der Gerichtsbarkeit, dem Verleihungsrecht deren Pfarreteien, der Jagdbarkeit u. dgl. zu verstehen ist, deren Ausübung dem Pachter

(3-214) nicht zustehet, woferne ihme solche nicht namentlich überlassen, oder das Gut nicht ausdrücklich mit allen Recht und Gerechtigkeiten, so wie es der Eigenthümer selbst besessen oder besitzen könnte, verpachtet worden.

[3, 12, § 6] 77. Durch diese Uebergabe aber wird weder das Eigenthum, weder der Besitz, noch ein anderes dingliches Recht an der vermietheten Sache, sondern lediglich nur die natürliche Innenhaltung mit der Befugnuß, die Sache durch die Mieth- oder Pachtzeit zu gebrauchen oder zu genießen, auf den Miether übertragen, wann gleich die Miethe auf eine noch so lange Zeit geschlossen worden wäre.

[3, 12, § 6] 78. Zweitens, daß die Sache in einem solchem Stand übergeben werde, damit der Miether dieselbe zu dem bestimmten Gebrauch anwenden könne; also ist bei einer vermietheten Wohnung der Vermiether schuldig die mangelbare Fenster, Thüren und Oefen in brauchbaren Stand herzustellen; drittens, daß der Miether in dem Gebrauch oder Genuß der Sache auf keinerlei Weise verhinderet werde, wobei zu unterscheiden ist, ob die Verhindernuß von dem Vermiether selbst, oder ohne desselben Schuld oder Zuthat aus einer sonstigen Ursach herrühre.

[3, 12, § 6] 79. Käme die Verhindernuß aus Schuld oder Zuthat des Vermiethers her, ohne daß er hierzu eine von denen in nachfolgenden §. X beschriebenen rechtmäßigen Ursachen hätte, als da derselbe eine wissentlich fremde Sache vermiethet hätte, deren Gebrauch nachhero dem Miether von dem Eigenthümer entzohen (!) würde, oder er den Miether von dem Gebrauch der vermietheten Sache mit Gewalt abhielte, oder den Miether vor geendigter Miethzeit hinaus triebe, oder durch Verkauf oder sonstige Veräußerung aus der Miethung setzete, oder auch die dem Miether von Anderen zufügende Bedrängnussen, wo er es thun könnte, nicht abstellete, so ist er dem Miether nebst Wiedererstattung des allenfalls für die noch übrige Zeit vorhinein empfangenen Zinses allen ihm wegen des nicht gehaltenen Contracts entgehenden Nutzen und erleidenden Schaden mit allen erweislichen Gerichtsunkosten zu ersetzen schuldig.

[3, 12, § 6] 80. Auf daß aber die Bestimmung dieser Entschädigung in keine Weitläufigkeit erwachse, so wollen Wir hiermit solche für alle derlei Fälle auf den Betrag des für die abgebrochene Miethzeit sonst zu bezahlen gehabten Zinses ausgemessen haben, welchen der Vermiether dem von ihme unrechtmäßiger Weise verhinderten Miether zu seiner Schadloshaltung zu bezahlen verbunden sein solle.

[3, 12, § 6] 81. Hätte hingegen der Vermiether eine von denen unten an gleichbemelter Stelle ausgesetzten rechtmäßigen Ursachen die Miethung abzubrechen, worzu der Miether keinen Anlaß gegeben, so ist derselbe zu nichts Mehreren, als zum Nachlaß des Zinses, oder wo er ihn schon zum voraus empfangen, zu dessen Zuruckgabe für die noch übrige Miethzeit gehalten.

[3, 12, § 6] 82. Woferne aber der Vermiether aus Schuld des Miethers, oder auch aus einer an Seiten des Miethers sich ergebenden zufälligen Ursache von dem Contract abzugehen veranlasset würde, ist nicht nur der Vermiether an Zins nichts nachzulassen oder herauszugeben, sondern gegentheils der Miether auch für die übrige Zeit, welche die Miethung noch fortzudaueren gehabt hätte, den ganzen Zins zu entrichten schuldig.

[3, 12, § 6] 83. Entstünde aber die Verhindernuß aus einem sonstigen Zufall ohne Schuld des Vermiethers, so wird unten in §. IX ausgemessen werden, was für Zufälle dem Vermiether, und welche hingegen dem Miether zu Schaden gereichen.

[3, 12, § 6] 84. Viertens, daß der Miether der gemietheten Sache halber schadlos gehalten werde. Diese Schadloshaltung begreifet in sich zweierlei Gegenstände, als einerseits die Vergütung aller dem Miether durch Gefährde oder Schuld des Vermiethers aus der gemietheten Sache widerfahrnen Beschädigung, und andererseits den Ersatz deren von ihme auf beharrliche Erhaltung, oder zu mehrerer sich über die Miethzeit hinaus erstreckenden Benutzung der Sache gemachten erweislichen Auslagen.

[3, 12, § 6] 85. Wann dahero der Miether wegen eines aus der gemietheten Sache

(3-215) erlittenen Schadens an dem Vermiether einen Anspruch erregen will, muß dessen unterwaltende Gefährde, oder wenigstens ein in §. VIII hiernach ausmessender, mit der Natur des Contracts übereinstimmender, oder durch ausdrückliche Abrede bedungener Grad der Schuld erwiesen werden, als da ein krankes Roß, oder mangelhafte Gefäße ausgeliehen, und durch das erstere des Miethers eigene Pferde angestecket, aus letzteren aber die Weine ausrinnen, oder andurch verdorben würden.

[3, 12, § 6] 86. Es hat dahero der Miether in derlei Fällen zu erproben, daß der Vermiether entweder gute Wissenschaft des Mangels gehabt habe, oder solchen doch hätte wissen sollen, als da er die ausgeliehene Sache durch eine längere Zeit vorhero besessen, oder ein Gewerb damit getrieben hätte, oder ihme sonst seiner Hantierung halber die Beschaffenheit der Sache hätte wohl bekannt sein sollen. Da nun solches auf ihn dargethan würde, hat derselbe dem Miether nebst gänzlichen Nachlaß des bedungenen, oder Wiedererstattung des schon empfangenen Zinses oder Lohnes den Schaden in derjenigen Maß zu vergüten, wie solchen der Miether erweisen, oder in Ermanglung eines anderen Beweises mittelst des Eides der Wahrheit beschwören wird; woferne hingegen dieses auf den Vermiether nicht erwiesen würde, der verursachte Schaden aber doch seine Richtigkeit hätte, gebühret dem Miether bloß der Nachlaß oder die Zuruckgabe des schon empfangenen Zinses oder Lohns ohne weiterer Schadensvergütung.

[3, 12, § 6] 87. Wo aber dem Miether ohne Schuld des Vermiethers ein Schaden geschähe, als da ihme seine Sachen aus der gemietheten Wohnung entwendet oder gestohlen würden, ist ihme der Vermiether für nichts verantwortlich, wann er nicht dafür zu stehen ausdrücklich gewähret, oder sich einer Fahrlässigkeit oder Verwahrlosung verfänglich gemacht, oder nach Beschaffenheit seines Gewerbs oder des vermietheten Orts die Obliegenheit die darinnen aufbehaltene Sachen zu verwahren auf sich hätte.

[3, 12, § 6] 88. Von denen in die gemiethete Sache gemachten Auslagen und Verbesserungen wird in siebzehenten Capitel, §. XI und XII eigends gehandlet, und welche dem Miether zu ersetzen sind oder nicht, nebst der Maß und Weis des Ersatzes, dann denen deshalben zu statten kommenden Rechtshilfen allda erkläret werden.

[3, 12, § 6] 89. Bei Verdingungen persönlicher Diensten und Arbeiten ist der Verdinger verbunden die versprochene Dienste und Arbeiten in der bedungenen Maß und Weis zu leisten, und wo die Ausführung eines bestimmten Werks verdinget worden, solches in demjenigen Stand, wie die Abrede gelautet, herzustellen.

[3, 12, § 6] 90. Würde aber derselbe durch Zufall ohne seiner Schuld an Leistung deren verdingten Diensten und Arbeiten, oder an Ausführung des Werks verhinderet, gebühret demselben der bedungene Lohn nur für die Zeit der Dienstleistung, oder nach Maß der verfertigten Arbeit, und ist derselbe schuldig, den übrigen Lohn nachzulassen, oder die Uebermaße des schon empfangenen Betrags anwiederum herauszugeben.

[3, 12, § 6] 91. Also da Jemand sich auf ein Schiff oder Wagen verdungen hätte, und das Schiff wegen widriger Winde, oder der Wagen wegen ausgetretener Gewässer oder feindlichen Ueberzugs, oder sonstiger nicht vorhergesehener Ursache an das Ort der Bestimmung nicht gelangen könnte, ist der Schiffer oder Fuhrmann nicht befugt, die ganze Summe des bedungenen Schiff- oder Fuhrlohns anzuforderen, sondern ihme ist hieran nur so vieles abzureichen, als derselbe nach billiger Erkanntnuß für seine Mühe und Arbeit verdienet hat.

[3, 12, § 6] 92. Desgleichen gebühret denen Dienstboten, wann sie Krankheit oder anderer Ursachen wegen außer Dienststand gesetzet werden, der Lohn nur für die Zeit, als sie ihre Dienste verrichtet haben, und obwohlen dem Herrn nicht auferleget werden kann die Unkosten auf ihre Heilung und Genesung aufzuwenden, so erheischet doch die Menschlichkeit und Liebe des Nächsten, getreuen und fleißigen Dienstboten in

(3-216) ihren Bedürfnussen nach Thunlichkeit beizuspringen, und selbe nicht sogleich wegen einer kurzen Unpässlichkeit zu verstoßen.

[3, 12, § 6] 93. Umsoweniger aber können die Erben des Verdingers, welcher unter der Dingungszeit, oder vor gänzlich verfertigter Arbeit verstorben, einen mehreren Lohn, als für die Zeit deren geleisteten Diensten, oder nach Maß der verrichteten Arbeit anbegehren, und wann sie solchen zum voraus empfangen haben, sind sie schuldig die Uebermasse herauszuzahlen; es wäre dann, daß bei einem verdingten gewissen Werk aus selbst eigener Schuld dessen, welcher des Verstorbenen Arbeit gedungen, deren Vollendung verzögeret worden wäre, in welchen Fall denen Erben des Verdingers der ganze Lohn gebühret.

[3, 12, § 6] 94. Unterliefe hingegen an Seiten des Verdingers seine eigene Schuld, wegen welcher die ausgesetzte Dingungszeit abgebrochen, oder das verdingte Werk unausgeführet bleiben würde, so ist der aus seiner Schuld dem Contract nicht nachkommende Verdinger nicht nur für die schon geleistete Diensten und Arbeiten keinen Lohn anzuforderen befugt, sondern auch den voraus Empfangenen herauszugeben, und dem Dingenden seinen daraus erweislich entstehenden Schaden zu vergüten schuldig.

[3, 12, § 6] 95. Wo aber die Verhindernuß, daß die Dingungszeit nicht ausgehalten, oder das verdingte Werk nicht ausgeführet werde, von dem Dingenden selbst herrührete, ist dem Verdinger der ganze Betrag des bedungenen Lohns eben so hinaus zu zahlen, als ob die contractmäßige Zeit erfüllet, oder das Werk vollendet worden wäre.

[3, 12, § 6] 96. Es würde dann zu erweisen sein, daß der Verdinger sich unter der Zeit anderwärts verdungen, oder einen eben so einträglichen Verdienst erworben hätte, in welchem Fall ihme der Lohn nur nach Maß der Dienstzeit oder gefertigten Arbeit gebühret; wie solches ingleichen von jenen Dingungscontracten zu verstehen ist, welche ohne Ausmessung einiger Zeit auf ganz unbestimmte Diensten und Arbeiten lauten, und wovon jedem Theil nach Belieben abzugehen freistehet.

[3, 12, § 6] 97. Ueberhaupt aber enthält die Schuldigkeit des Vermiethers oder Verdingers, so bei Vermiethungen, als Verdingungen die Erfüllung alles dessen, was sowohl die Natur des Mieth- oder Dingungscontracts mit sich bringet, als zu was derselbe sich gegen dem Miether oder Dinger anheischig gemacht hat.

[3, 12, § 6] 98. Aus dieser Verbindlichkeit entstehet die dem Miether oder Dinger und dessen Erben gebührende Rechtsforderung wider den Vermiether oder Verdinger und seine Erben zu Leistung alles dessen, worzu er aus dem Mieth- oder Dingungscontract verbunden ist.

§. VII.

[3, 12, § 7] 99. Gegentheils erheischet die Verbindlichkeit des Miethers oder Dingers: Erstens, daß der bedungene Zins oder Lohn in der gesetzten Zeit von ihme dem Vermiether oder Verdinger bezahlet werde. Wo aber keine gewisse Zahlungszeit bestimmet worden, ist bei Miethungen auf den Landesbrauch zu sehen, oder da auch dieser nichts Gewisses besagete, gebühret der Zins insgemein nach vollendeten Gebrauch der gemietheten Sache, oder nach Ausgang der Miethzeit.

[3, 12, § 7] 100. Woferne jedoch ein Gut oder Haus auf mehrere Jahre, ohne zur Abfuhr des Zinses eine Zeit zu benennen, verpachtet oder vermiethet wird, ist zu bemerken, ob der Zins für ein jedes Jahr besonders, oder für alle Jahre zusammen ausgemessen worden; ersteren Falls muß die Zahlung zu Ende jeden Jahrs geschehen, letzteren Falls aber kann solche nicht ehender, als nach Verlauf der ganzen Pacht- oder Miethzeit geforderet werden.

[3, 12, § 7] 101. Desgleichen ist bei Dingungen persönlicher Diensten und Arbeiten in Bezahlung des Lohn sich anförderist nach der gepflogenen Abrede, oder da diese

(3-217) deshalben nichts enthielte, nach dem Landesbrauch, und der wohlhergebrachten Gewohnheit zu richten.

[3, 12, § 7] 102. Außerdeme gebühret der Lohn nicht ehender, als nach vollbrachten Diensten und Arbeiten, oder nach vollführten Werk; es wäre dann der Lohn nach Maß der verfertigenden Arbeit, oder tagweis bedungen worden, in welcherlei Fällen solcher, insoweit er in das Verdienen gebracht worden, auch noch vor Vollendung des Werks mit Fug anverlanget werden kann.

[3, 12, § 7] 103. Gleichergestalten, wann die Verfertigung eines verdingten Werks große Auslagen und Unkosten erforderete, und der Verdinger der Arbeit sich zu deren Bestreitung ausdrücklich nicht verbunden hätte, ist derselbe solche aus seinem Eigenen herzuschießen nicht schuldig, obschon deren Betrag unter der Summe des verabredeten Lohns mitbegriffen wäre.

[3, 12, § 7] 104. Wie dann auch in jenem Fall, da der Verdinger aus kundbarer Gebrechung deren Mitteln das übernommene Werk auszuführen außer Stande gesetzet wäre, oder die Arbeit sich auf eine lange Zeit hinausziehete, der Dinger ihme auf sein Begehren den Lohn nach Maß der verrichtenden Arbeit nach und nach hinauszuzahlen, widrigens aber die Unterbleibung der Arbeit sich selbst beizumessen hat.

[3, 12, § 7] 105. Nicht weniger ist bei Dingungen, welche sich auf mehrere Jahre hinaus erstrecken, eben Jenes zu beobachten, was in dem vorhergehenden num. 100 von derlei so beschaffenen Miethungen verordnet worden.

[3, 12, § 7] 106. Da aber der Miether oder Dinger in der gehörigen Zeit mit der Zahlung des Zinses oder Lohnes nicht einhielte, sondern durch seinen Saumsal zum gerichtlichen Anspruch Anlaß gäbe, so hat er beinebst von dem Tag der gerichtlichen Belangung die landesübliche Zinsen davon mit allen Schäden und Unkosten zu erstatten, und wird unten in §. X die Zeit des Saumsals in der Abfuhr des Zinses ausgemessen werden, welche den Vermiether berechtiget auch noch vor Ausgang der bedungenen Miethzeit den Contract abzubrechen.

[3, 12, § 7] 107. Zweitens, daß der Miether in Gebrauch der gemietheten Sache sich als ein guter Hausvater betrage, wie nicht weniger der Dinger eines in die Arbeit genommenen Werks alle gehörige Sorgfalt anwende, und so Ein als Anderer, den aus seiner Schuld hieran verursachten Schaden nach Maß der gerichtlichen Schätzung ersetze; in was für einen Grad der Schuld aber derselbe aus diesem Contract verfänglich seie, wird in dem gleich nachfolgenden §. VIII erkläret werden.

[3, 12, § 7] 108. Drittens, daß er nach geendigter Miethe oder verfertigten Werk die gemiethete, oder in die Arbeit übernommene Sache in ihrer Gestalt unverletzt und unverringeret anwiederum zuruckstelle; wo aber solche aus seiner Schuld nicht mehr zuruckgegeben werden könnte, als da sie von ihme verloren, veräußeret oder sonst zu Grund gegangen wäre, kommet es auf die Erstattung des Werths nach Maß des oben in fünften Capitel, §. IV, num. 37 und 38 bemerkten Unterschieds an, ob nemlich seine geflissentliche Gefährde, oder nur seine Schuld die Zuruckgabe unmöglich gemacht habe.

[3, 12, § 7] 109. Ersteren Falls ist die Vergütung des Werths, wie solcher durch den Eid der willkürlichen Schätzung bestimmet wird, mit denen von dem Tag der Veräußerung oder geflissentlichen Vernichtung der Sache vertagten Zinsen, letzteren Falls aber, wie dieser behörig erwiesen, oder durch den Eid der Wahrheit gewissenhaft erhärtet wird, mit denen Zinsen von dem Tag der zu thun gehabten Zuruckgabe, dann in beiden Fällen mit allen Gerichtsschäden und Unkosten abzutragen, ohne daß jedoch, wo es eine bewegliche Sache wäre, ein dritter Besitzer, der solche mit guten Glauben rechtmäßig an sich gebracht, deshalben angefochten werden möge.

[3, 12, § 7] 110. Daferne aber der Vermiether die verlorne Sache, wofür er den Werth bereits empfangen, anwiederum aus dem vorigen Eigenthumsrecht über kurz oder

(3-218) lang zu seinen Handen bekäme, ist er schuldig dem Miether entweder dieselbe eigenthumlich zu überlassen, oder den bezahlten Werth wieder zuruckzugeben.

[3, 12, § 7] 111. Diese dem Miether oder Dinger obliegende Schuldigkeit der Zuruckstellung der gemietheten oder gedingten Sache ist auch so bündig, daß weder die Einwendung des an Seiten des Vermiethers hieran ermanglenden Eigenthums dagegen statt hat, sondern dessen ohnerachtet ihme die Sache auszuantworten ist, außer es könnte der Miether oder ein Dritter das ihme hieran zustehende Eigenthum sogleich klar erweisen, oder da es um eine bewegliche Sache zu thun wäre, der Vermiether keine genügliche Sicherheit aufzuzeigen vermöchte, in welchem Fall die Sache bis zu Ausgang des Rechtsstritts in gerichtlichen Beschlag genommen werden solle.

[3, 12, § 7] 112. Viertens, erheischet gleichfalls überhaupt die Verbindlichkeit des Miethers oder Dingers nicht allein Dasjenige, was ohnedies der Natur des Contracts gemäß ist, sondern auch Jenes, zu was er sich durch Nebenbedinge verbunden hat, zu erfüllen, woraus die dem Vermiether oder Verdinger und dessen Erben wider den Miether oder Dinger und seine Erben zustehende Rechtsforderung zu Leistung alles dessen, was ihme aus dem Contract gebühret, herfließet.

§. VIII.

[3, 12, § 8] 113. Der Mieth- oder Dingungscontract zielet auf beider Contrahenten Nutzen gleich ab, als des Vermiethers oder Verdingers, daß er seine Sache benutze, oder sich einen Verdienst erwerbe, dann des Miethers oder Dingers, damit er den Gebrauch oder Genuß der Sache, oder die Dienste und Arbeiten, deren er bedürftig ist, erlange; mithin sind auch Beide für Gefährde, die große und leichte Schuld einander verfänglich.

[3, 12, § 8] 114. Der Miether oder Dinger ist dahero schuldig in Verwahrung und Erhaltung der gemietheten Sache, oder bei dem gedingten Werk einen ausbündigen und gleichen Fleiß, wie in seinen eigenen Sachen anzuwenden, und allen Schaden so viel in seiner Macht stehet, sorgfältig zu verhüten.

[3, 12, § 8] 115. Also da Jemand ein Roß gedungen, und solches durch übermäßige Beladung oder Uebertreibung zu Schaden gekommen wäre, oder ein Dienstbot etwas zerbräche, oder ein Handwerksmann das in die Arbeit genommene Zeug aus Unvorsichtigkeit oder Unerfahrenheit verderbete, verwechslete oder befleckete, oder von Mäusen und Schaben zerbeißen ließe, hat der Entlehner oder Dinger des Werks den Schaden nach Maß der gerichtlichen Schätzung zu ersetzten.

[3, 12, § 8] 116. Desgleichen, wo aus Schuld des Miethers oder Pächters in einem gemietheten Haus oder gepachteten Gut eine Beschädigung geschähe, als da er dem Haus oder Gut von dem Nachbarn eine Dienstbarkeit auferlegen ließe, oder eine dem Grund zustehende Dienstbarkeit vergäbe, die Waldungen ausödete, gefährliche oder verdächtige Leute in das Haus einnähme, oder sonst etwas begienge oder außer acht ließe, woraus dem Vermiether oder Verpachter ein Schaden entstünde, ist er dafür zu haften verbunden.

[3, 12, § 8] 117. Nicht nur aber für die von ihme selbst, sondern auch durch Andere zufügende Beschädigungen wird der Miether oder Dinger insoweit verantwortlich, als er hierzu Anlaß gegeben, oder in seiner Macht gestanden, solche zu verhüten; also da ein Dritter aus Feindschaft gegen ihme die gemiethete Sache verderbete oder sonst beschädigete, muß er dem Vermiether dafür gerecht werden, wann er den Schaden abzuwenden vermocht hat.

[3, 12, § 8] 118. Eben also hat derselbe für den durch seine Dienstleute verursachten Schaden zu haften, wann er entweder wider den sonstigen Gebrauch etwas zu verrichten befiehlt, woraus der Schaden erfolget oder die Beschädigung hätte verhinderen können, oder auch sich wissentlich böser und nachlässiger Leuten bedienet, die Anderen zu schaden gewohnt sind.

(3-219) [3, 12, § 8] 119. Außerdeme ist Niemand für die durch seine Dienstboten widerfahrende Schäden verfänglich, wann er solche nicht durch ein ausdrückliches Beding auf sich genommen hat; also da aus Nachlässigkeit oder auch aus Bosheit eines Dienstboten Feuer im Haus auskäme, fallet der Schaden des Eigenthümers dem Miether nicht zur Last, wann ihme sonst keine Schuld beigemessen werden kann.

[3, 12, § 8] 120. Zu dem ausbündigsten Fleiß hingegen, und zu der aus dessen Unterlassung entstehenden Verfänglichkeit für die leichteste oder geringste Schuld ist zwar insgemein der Miether oder Dinger nicht verbunden; in jenen Fällen aber hat er auch für allen Unfleiß und Verwahrlosung, obgleich solche nur aus leichtester Schuld geschähe, zu haften, wann entweder die Natur und Eigenschaft der Sache den ausbündigsten Fleiß erforderet, als z. B. die Versetzung oder Fassung eines Edelgesteins, oder die Verführung leicht gebrechlicher Waaren, oder derselbe sich hierzu besonders anheischig gemacht, oder wegen seiner treibenden Kunst, Gewerb oder Hantierung gleich allen Künstleren und Werkmeisteren hierzu verpflichtet ist, oder endlich eigends für die Verwahrung der Sache einen Lohn bekommen oder bedungen hat.

[3, 12, § 8] 121. Nicht weniger hat der Vermiether für allen dem Miether aus seiner Gefährde, großer und leichter Schuld widerfahrenden Schaden zu stehen, wie davon oben §. VI, num. 85 und 86 Beispiele angeführet worden. Weiter aber ist derselbe nicht verbunden, wann er sich nicht besonders zu was Mehreren erboten hat.

[3, 12, § 8] 122. Die Schuld muß allemal von jenem Theil erwiesen werden, welcher solche dem anderen beimesset. Gleichwie dahero der Miether den zufälligen Schaden zu erproben hat, also lieget in Gegentheil dem Vermiether ob, die Schuld des Miethers darzuthun.

[3, 12, § 8] 123. Es muß aber dabei die Ereignuß deren Zufällen wohl unterschieden werden, ob sie so beschaffen sind, daß sie wegen stärkerer Gewalt unvermeidlich waren, oder ob dieselbe von solcher Art sind, daß sie durch Fleiß und Sorgfalt hätten verhütet werden können.

[3, 12, § 8] 124. Bei ersterer Gattung, als da sind feindliche Einfälle, Einsturz deren Gebäuden, Wetterschläge, Wassergüsse u. dgl., ist an Erprobung des Zufalls genug, und muß derjenige Theil, welcher die Sache an dem anderen forderet, das Widerspiel darzeigen.

[3, 12, § 8] 125. Bei der anderen Gattung hingegen, als Feuersbrünsten und Diebstählen hat Jener, welcher die zuruckgeforderte Sache in seiner Gewahrsame gehabt, über den Beweis des Zufalls noch darzuthun, daß er den nach der Natur und Eigenschaft des Contracts, oder gemäß seiner eingegangenen Verbindung anzuwenden gehabten Fleiß und Sorgfalt zu Erhaltung der Sache angewendet habe, mithin solche ohne seiner Schuld und Fahrlässigkeit zu Grund gegangen, oder zu Schaden gekommen seie.

§. IX.

[3, 12, § 9] 126. Bei zufälligen Schaden ist in Mieth- und Pachtungen vornehmlich darauf zu sehen, ob solche sich an der Sache oder an Früchten ergeben haben.

(3-220) Gehet die vermiethete Sache durch Zufall ganz oder zum Theil zu Grund, oder würde sonst unbrauchbar gemacht, hat den Schaden der Vermiether als Eigenthümer zu tragen, und der Miether ist an dem bedungenen Zins nichts Mehreres, als so viel auf die Zeit des gehabten Gebrauchs oder Genusses, oder für den noch übrigen brauchbaren Theil ausfallet, zu entrichten schuldig.

[3, 12, § 9] 127. Diese Regel leidet aber in folgenden Fällen eine Ausnahm: Erstens, wann des Miethers oder Pachters vorhergegangene Schuld oder Saumsal zu dem darauf erfolgten zufälligen Schaden Anlaß gegeben, als da aus seiner Schuld das gemiethete Haus abbrennete, fallet ihme der Schaden zur Last.

[3, 12, § 9] 128. Zweitens, wann der Miether oder Pachter die Gefahr der Sache durch ein ausdrückliches Beding auf sich genommen, oder nicht eben daßelbe, was er gemiethet oder bestanden, sondern eben so vieles von gleicher Güte und Werthschaft zuruckzustellen sich verbunden hätte, wobei jedoch in ersteren Fall nicht an deme genug ist, daß von demselben überhaupt alle sich ereignen mögende Unfälle übernommen worden, als welche nach der Natur und Eigenschaft des Contracts bloß allein von jenen zu verstehen sind, die an Früchten, nicht aber an der Sache geschehen, sondern es ist erforderlich, daß er namentlich die Gefahr des Untergangs oder der Verderbnuß der Sache zu tragen sich anheischig mache.

[3, 12, § 9] 129. Mit welcherlei Beding insgemein die Art des Contracts, der sonst eisernes Vieh genannt wird, geschlossen zu werden pfleget, worinnen Jemand eine gewisse Anzahl Kühe, Schafe oder anderes nutzbares Vieh mit dem Beding miethet und in Bestand nimmt, daß er jedesmal anstatt des Umstehenden ein anderes Stuck an dessen Stelle schaffen, und also nach Endigung der Mieth- oder Bestandzeit die völlige Anzahl ohne Abgang wieder lieferen wolle, wodurch er in die Verbindlichkeit gesetzet wird, für die übernommene Stücke zu haften.

[3, 12, § 9] 130. Dieses Beding aber übertraget das Eigenthum auf den Miether oder Bestandnehmer nicht, wann ihme solches nicht ausdrücklich von dem Vermiether oder Bestandgeber überlassen, oder der bedungene jährliche Zins nicht auf dem Grund versicheret worden.

[3, 12, § 9] 131. Drittens, wann die vermiethete Sache von solcher Beschaffenheit ist, daß sie ihrer Natur nach einen Zuwachs oder Abnahm leide, als z. B. eine in Bestand genommene Heerde Schafe, wobei zu unterscheiden ist, ob der Abgang hinwiederum aus dem sich währender Bestandzeit ergebenen Zuwachs habe ersetzet werden können, oder ob der Abgang so beträchtlich seie, daß solcher durch den Zuwachs in der Mieth- oder Bestandzeit nicht habe wieder hergestellet werden mögen.

[3, 12, § 9] 132. Ersteren Falls gehet dem Miether oder Bestandmann so der Abgang zu Schaden, wie der Zuwachs zu Nutzen, und der Schaden wird mit der vor- oder nachgehenden Fruchtbarkeit vergolten; letzteren Falls aber hat den Schaden der Vermiether oder Bestandgeber zu leiden, und der Miether kann zu Ergänzung der in Bestand genommenen Anzahl nicht verhalten werden.

[3, 12, § 9] 133. Viertens, wann der Miether oder Pachter schon aus einer vorhergegangenen Handlung für die Gefahr der gemietheten oder gepachteten Sache verfänglich ist; als da der Kaufer die erkaufte Sache insolange, als nicht der Kaufschilling bezahlet wird, von dem Verkaufer miethete, und die Sache währender Miethe zu Grund gienge, hat der Kaufer jegleichwohlen das bedungene Kaufgeld zu bezahlen.

(3-221) [3, 12, § 9] 134. Ereignet sich aber der Unfall an denen Früchten, so ist der Unterschied zu beobachten, ob die Früchten zur Zeit des Unfalls schon eingesammlet und eingehoben, oder noch auf dem Felde befindlich sind; es sollen jedoch, wann um den Nachlaß des Pachtschillings wegen derlei an denen Früchten sich ereignenden zufälligen Beschädigungen die Frage ist, in diesem Fall allein die Früchten nicht anderst für eingesammlet und eingehoben geachtet werden, als wann sie nicht allein geschnitten, abgemähet, oder sonst von dem Grund abgesönderet, sondern auch bereits von dem Feld weg, und in die gewöhnliche Behältnussen eingeführet worden.

[3, 12, § 9] 135. Was nun immer für Schaden sich an denen vorbemelter Maßen schon eingehobenen und eingesammleten Früchten aus Zufall ergiebt, hat solchen der Pachter ebenso, als wie an anderen ihme eigenthumlich zugehörigen Sachen zu leiden.

[3, 12, § 9] 136. Daferne aber der Unfall die entweder auf dem Feld noch stehende, oder zwar von dem Grund schon abgesönderete, doch aber noch nicht eingeführte, sondern auf dem Feld liegende, oder die noch an Bäumen hangende Früchten beträfe, und keine Schuld des Pachters mit unterliefe, so ist anförderist auf den Ursprung des Unfalls die Rucksicht zu nehmen, dann wo die Unergiebigkeit des Nutzens aus einem innerlichen Mangel oder schlechten Beschaffenheit des Grunds herrührete, gereichet solche dem Pachter zu Schaden, als welcher sich beizumessen hat einen dergleichen schlechten Grund gepachtet zu haben; außer es hätte der Verpachter in dem Anschlag eine bessere Beschaffenheit des Grunds, oder eine ergiebigere Benutzung, als von dem Grund niemalen zu gewarten ist, ausdrücklich gewähret, in welchem Fall derselbe den Pachtschilling nach Maß der minderen Ertragnuß nachzulassen schuldig ist.

[3, 12, § 9] 137. Welches ingleichen auch von jenen zwar äußerlichen, allein in der Gegend des gepachteten Grunds, oder zu gewissen Jahreszeiten derorten sonst insgemein sich zu ergeben pflegenden Unfällen zu verstehen ist, als da ein Grund oder Acker seiner niedrigen Lage halber öfteren Ueberschwemmungen und Wassergüssen ausgesetzet wäre, so sich ebenfalls der Pachter allein zuschreiben muß.

[3, 12, § 9] 138. Dahingegen, wo die Beschädigung oder Mißwachs von einem äußerlichen und ungewöhnlichen Unfall, als von Schauer, Hagel, ungemeinen Ergießungen der Gewässer, großer Dürre oder Auswinterung, ungewöhnlichen Würmern, außerordentlicher Menge Feldmäusen oder Heuschrecken, feindlichen Einfällen und Verheerungen und dergleichen Ursachen entstünde, kommet es darauf an, ob alle Früchten oder deren größter Theil, oder aber nur wenige verdorben worden.

[3, 12, § 9] 139. Wann nun der Mißwachs sich an allen, oder doch dem größten Theil deren Früchten ergeben, ist der Verpachter verbunden, nach Maß des Schadens dem Pachter einen Nachlaß an dem Pachtgeld einzugestehen, woferne jedoch folgende Erfordernussen hinzutreten, als:

[3, 12, § 9] 140. Erstens, damit keine Schuld des Pachters weder in der Ausübung dessen, was den Unfall veranlasset, noch in Unterlassung desjenigen, wodurch solcher hätte vermieden werden können, vorhergegangen seie, wann er nemlich etwas gethan, was gute Wirthe derorten unterlassen haben würden, oder aber etwas verabsaumet hätte, was insgemein bei dem Wirthschaftstrieb nach Beschaffenheit der Lage und Eigenschaft des Grunds beobachtet zu werden pfleget.

[3, 12, § 9] 141. Zweitens, daß er die sich ereignen mögende Unfälle nicht ausdrücklich auf sich genommen, oder überhaupt auf allen aus was immer für Ursachen zu forderen haben mögenden Nachlaß des Pachtgelds keine Verzicht geleistet habe, wobei aber auf die Art der Verbindung gesehen werden muß; dann, daferne nur gewisse Zufälle namentlich ausgedrucket worden wären, gehen ihme nur die benannte zu Schaden, wo er sich aber überhaupt für alle ohne Ausnahm verfänglich gemacht, oder sich alles Nachlasses verziehen hätte, muß er auch alle Unfälle tragen, sie mögen noch so ungewöhnlich, oder noch so wenig vorzusehen gewesen sein.

[3, 12, § 9] 142. Drittens, damit der Schaden groß und unleidlich seie. Es muß aber

(3-222) Bei dessen Bestimmung sowohl auf den Betrag deren Nutzungen, als auf deren Werthschaft zur Zeit der Fechsung die Rucksicht getragen werden, also zwar, daß ein unleidlicher Schaden, wessentwegen ein Nachlaß an Pachtgeld von dem Pachter mit Fug geforderet werden könne, nur allein daraus gefolgeret werden möge, wann die ganze aus dem gepachteten Gut behobene Nutzung nicht die Hälfte der sonstigen Ertragnuß erreichet, und zugleich deren Werth nach dem zur Zeit der Fechsung gängigen Preis nicht auf die Hälfte des bedungenen Pachtgelds hinaufsteiget.

[3, 12, § 9] 143. Wiewohlen dahero die Nutzungen die Hälfte der sonstigen Ertragnuß nicht abwerfen, deren Werth aber zu dieser Zeit sich auf die Halbscheide des Pachtgelds belaufen würde, oder da gegentheils zwar die Nutzungen auf die Hälfte der sonstigen Ertragnuß behoben worden wären, deren Preis aber auf das halbe Pachtgeld nicht hinanstieg, so hat doch weder ein noch anderen Falls ein Nachlaß an Pachtgeld statt.

[3, 12, § 9] 144. Es solle auch in Schätzung des Schadens nicht auf die mindere Ergiebigkeit einer Gattung von Früchten allein, sondern auf die gesammte aus dem gepachteten Gut gezogene Nutzung gesehen werden; also da der Pachter zwar an Getreid wenig oder nichts gefechset, dahingegen an anderen Nutzungen so vieles erhalten hätte, daß die Hälfte der sonstigen Ertragnuß erreichet würde, kann sich derselbe über keinen unleidlichen Schaden beschweren.

[3, 12, § 9] 145. Damit aber in Erforschung sowohl der sonstigen Ertragnuß, als des Werths deren behobenen Früchten eine sichere Richtschnur festgestellet werde, so solle einerseits die mindere Ergiebigkeit weder nach der höchsten Benutzung eines fruchtbaren Jahrs, noch auch nach dem geringsten Abwurf eines Mißjahrs, sondern wo der Pachtcontract über einen ordentlich verfassten Anschlag geschlossen worden, aus dem Verhältnuß mit dem Anschlag, oder in dessen Ermanglung aus Gegeneinanderhaltung mit dem wenigstens aus denen nächstvorhergegangenen dreijährigen Rechnungen gezogenen verläßlichen Mittel, oder wo auch diese nicht zu haben wären, durch drei unparteiische Wirthschaftskündige geschätzet, und andererseits die Werthschaft allemal nach dem zur Zeit der Fechsung in dieser Gegend marktgängigen Preis bestimmet werden.

[3, 12, § 9] 146. Viertens, damit nicht für mehrere Jahre, oder für mehrere Gründe zusammen in einem Contract ein Pachtzins, obgleich solcher für jedes Jahr, oder für jeden Grund besonders ausgemessen wäre, bedungen worden; dann bei einem auf diese Art getroffenen Pachtcontract wird die Unergiebigkeit des einen Jahrs oder Grunds mit der Fruchtbarkeit des anderen vergolten, und gleichsam ausgeglichen, wessenthalben nur in jenem Fall ein Nachlaß gebühret, wann weder die durch alle Pachtjahre eingehobene Nutzungen zusammen die Hälfte des Anschlags, noch deren Werth das halbe für alle Jahre ausgesetzte Pachtgeld erreichen.

[3, 12, § 9] 147. Wo aber ein Pachtcontract in jedem Jahr erneueret, oder besondere Contracten über mehrere Gründe dergestalten eingegangen worden, daß das Pachtgeld für einen jeden Jahreslauf, oder für einen jeden Grund besonders abgetheilet ist, solle auch in Schätzung des Schadens nur auf die Unergiebigkeit des einen Jahrs oder Grunds gesehen werden, ohne solche mit der Fruchtbarkeit deren vorhergegangenen oder folgenden Pachtjahren oder deren anderen Gründen vergelten zu mögen.

[3, 12, § 9] 148. Es solle aber der Pachter, wo er wegen Mißwachses oder anderer Beschädigungen an denen Feldfrüchten einen Nachlaß des Pachtschillings forderen zu mögen vermeinet, sobald als der Befund des Schadens erhoben werden kann, solches zeitlich, und solange die Früchten noch auf dem Feld befindlich sind, dem Verpachter zu dem Ende bedeuten, damit er der Besichtigung und Schätzung des Schadens entweder selbst beiwohne, oder in seinem Namen Jemanden darzu abordne.

[3, 12, § 9] 149. Es möge jedoch der Verpachter in der gesetzten Zeit dabei erscheinen oder nicht, so ist zwar der Pachter wegen seines Außenbleibens mit der Fechsung

(3-223) und Einsammlung deren Früchten länger nachzuwarten nicht schuldig, die Besichtigung und Schätzung des Schadens aber solle allemal derorten, wo die Gerichte, unter deren Gerichtsbarkeit der Grund gelegen ist, an Handen sind, durch zwei Gerichtspersonen, oder wann keine Gerichte an der Stelle sind, durch drei untadelhafte benachbarte Wirthschaftserfahrene vorgenommen werden.

[3, 12, § 9] 150. Woferne hingegen der Pachter mit dessen Außerachtlassung die Feldfrüchten eingeführet hätte, solle derselbe eines vorgeblichen Schadens halber nicht mehr gehöret werden.

[3, 12, § 9] 151. Wäre nun aber der Schaden auf vorbemelte Weis ordentlich erhoben worden, und der Verpachter wollte sich zu keinem Nachlaß gutwillig einverstehen, so solle der Pachter solchen längstens bis zu der nächstfolgenden Abfuhrszeit des Pachtzinses um so gewisser bei Gericht ansuchen, als ansonst nach deren Verlauf die Forderung gänzlich verschwiegen ist.

[3, 12, § 9] 152. Der Nachlaß hat allemal nach Maß des geschätzten Schadens zu geschehen, also daß, wo die Beschädigung nicht viel über die Hälfte der sonstigen Benutzung betraget, auch nur die Hälfte des Pachtschillings, wo aber solche weit über die Hälfte hinausliefe, hieran nach billigen Befund ein Mehreres, oder, da gar nichts an Nutzungen eingehoben worden wäre, der ganze Pachtschilling nachzusehen ist.

[3, 12, § 9] 153. Wann hingegen nur ein weniger Theil deren Früchten beschädiget worden wäre, also daß der Schaden auf die Hälfte der sonstigen ganzen Benutzung nicht hinanstiege, kann kein Nachlaß des Pachtzinses begehret werden.

[3, 12, § 9] 154. Dann gleichwie wegen außerordentlich größerer Fruchtbarkeit der Zins nicht erhöhet wird, also mag auch wegen etwas geringerer Ergiebigkeit solcher nicht verminderet werden, sondern der Pachter hat in Rucksicht des ihme vergönnenden mehreren Nutzens auch den wenigen Schaden billig zu tragen.

[3, 12, § 9] 155. Daferne aber Jemand mit dem Anderen einen Acker oder Gut zur Hälfte oder auf ein Drittel, oder auf einen sonstigen dem Betrag nach noch ungewissen Antheil der künftigen Fechsung oder Benutzung bestellet hätte, kann wegen zufälliger Schäden kein Nachlaß geforderet werden, sondern derselbe theilet nach dem Gesellschaftsrecht den Gewinn und Verlust mit dem Eigenthümer zugleich.

[3, 12, § 9] 156. Wohingegen da ein gewisser Betrag an Getreid oder anderen Früchten anstatt Gelds zu geben bedungen worden wäre, hat ebener Maßen alles Dasjenige statt, was bei Pachtcontracten des Nachlasses halber bishero geordnet worden, weilen ein derlei unbenannter Vertrag nach der Natur des Mieth- oder Pachtcontracts, als mit deme er die meiste Aehnlichkeit hat, zu beurtheilen ist.

[3, 12, § 9] 157. Bei Verdingungen schadet der Zufall an dem zur Verarbeitung gegebenen Zeug insgemein dem Verdinger des Werks oder Eigenthümer des Zeugs, welcher noch beinebst den bedungenen Lohn nach Maß der verfertigten Arbeit zu bezahlen hat, ohnerachtet das Zeug in der Verarbeitung zufälliger Weise zu Grund gegangen wäre, wann nur dem Dinger des Werks oder Arbeiter hierbei keine Verwahrlosung oder Unerfahrenheit zu Schulden gehet, als da ein Stück Tuch dem Schneider zur Verfertigung eines Kleids gegeben, und solches durch eine zufällige Feuersbrunst verbrennen würde.

[3, 12, § 9] 158. Es wäre dann, daß der Dinger des Werks auf alle Fälle dafür zu stehen gelobet hätte, oder das Zeug ihme dergestalten gegeben worden wäre, damit entweder aus diesem, oder einem anderen das Werk verfertiget werde, als da einem Goldarbeiter auf solche Art Gold zur Verarbeitung gegeben würde. In derlei Fällen schadet der Zufall dem Dinger des Werks oder Arbeiter, welcher noch allezeit verbunden bleibet das verdingte Werk zu lieferen, und sich an dem Preis oder Lohn so vieles abziehen zu lassen, als das daran empfangene Zeug in seinem Werth betraget.

[3, 12, § 9] 159. Ereignet sich aber der Zufall an der Form und Gestalt des Werks,

(3-224) als da Jemand eine Mauer, Keller oder dergleichen Werk zu verfertigen übernommen hätte, und dasselbe hernach eingienge, so ist zu unterscheiden, ob der Unfall aus höherer Gewalt, als Erdbeben, feindlicher Verwüstung, oder wegen mangelbarer Arbeit herrühre. Wird das Werk durch höhere Gewalt eingerissen, hat der Bauherr den Schaden zu leiden, und über das die Arbeit, soweit solche verfertiget worden, zu bezahlen.

[3, 12, § 9] 160. Wo es hingegen wegen mangelbarer Arbeit einstürzete, so kommet es darauf an, ob das Werk überhaupt, oder nach einer gewissen Maß, als ellen- und klafterweis, oder aber nach dem Taglohn verdinget worden. Ersteren Falls muß der Arbeiter so lange dafür stehen, bis das Werk oder der Bau verfertiget und von dem Bauherrn gutgeheißen worden; wann jedoch dieser einmal zufrieden gewesen, ist der Arbeiter weiter für nichts verfänglich.

[3, 12, § 9] 161. In anderen Fall aber hat der Arbeiter solange dafür zu haften, bis das Werk zugemessen worden, nach dessen Zumessung hingegen ist er nicht mehr verantwortlich; und endlich in dem dritten Fall ist der Arbeiter nur für die Arbeit desjenigen Tags, an welchem solche einstürzet, und nicht weiter zu stehen verbunden, sondern der Bauherr hat sich selbst beizumessen, warum er den Arbeiter, wann ihme die Arbeit nicht angestanden, nicht sofort abgeschaffet hat.

[3, 12, § 9] 162. Daferne es aber gegentheils sich ergäbe, daß die Verfertigung des überhaupt verdingten Werks aus einem außerordentlichen und unvorgesehenen Zufall viel beschwerlicher gemacht, und weit mehrere Mühe und Arbeit, als bei dem anfänglichen Zustand der Sache nicht erforderlich gewesen wäre, erheischen würde, so ist auch billig, daß der bedungene Lohn nach Maß der vermehrten Arbeit erhöhet werde.

§. X.

[3, 12, § 10] 163. Der Mieth-, Pacht- oder Bestandcontract endiget sich erstens, durch Vollendung des Gebrauchs, worzu die Sache geliehen oder vermiethet worden, zweitens, durch Verlauf der Zeit, auf welche die Sache gemiethet oder gepachtet worden, drittens, wo keine Zeit ausgemessen ist, durch den Abstand des einen oder anderen Theils, wann solcher dem anderen in der gehörigen Zeit durch die gewöhnliche Aufkündung auf die in §. V, num. 52 vorgeschriebene Art und Weis bedeutet worden.

[3, 12, § 10] 164. Dahingegen kann vor Ausgang der bedungenen Mieth-, Pacht- oder Bestandzeit, oder vor vorhergehender gewöhnlichen Aufkündung kein Theil ohne Einwilligung des anderen von dem Contract abweichen, außer er hätte darzu eine von denen hiernach ausgesetzten rechtmäßigen Ursachen, deren einige den Vermiether oder Verpachter berechtigen den Miether, Pachter oder Bestandmann vor der Zeit hinaus zu treiben, andere aber dem Miether, Pachter oder Bestandmann die Befugnuß geben vor der Zeit auszuziehen, oder den Bestand aufzugeben.

(3-225) [3, 12, § 10] 165. Die erste Ursach an Seiten des Vermiethers oder Verpachters ist des Miethers oder Pachters Saumsal in Abführung des bedungenen Zinses, Pachtschillings oder Bestandgelds, also zwar, daß wo die Miethe, Pachtung oder der Bestand auf mehrere Jahre geschlossen worden wäre, und der Miether oder Pachter mit Bezahlung des Zinses durch ein Jahr zuruckbliebe, der Vermiether oder Verpachter nicht länger nachzuwarten schuldig ist, sondern denselben ohne vorgängiger Aufkündung aus der Miethe oder Pachtung hinaustreiben, dabei aber an Zins nicht mehr, als für die Zeit der Inhabung anforderen mag.

[3, 12, § 10] 166. Doch ist dem Vermiether oder Verpachter nicht verwehret, im Fall kürzere Zahlungsfristen bestimmet, oder die Abfuhr vorhinein verabredet worden wäre, auch noch unter dieser Jahreszeit die Sicherstellung des rückständigen Zinses anzusuchen, und sich allenfalls nach der Verfallzeit entweder des zur Sicherheit bestellten Unterpfands, oder in dessen Ermanglung oder Unzulänglichkeit deren in der gemietheten Wohnung oder gepachteten Gut befindlichen Fahrnussen und Vorräthen des Miethers oder Pachters aus dem ihme hieran zustehenden Recht eines stillschweigenden Unterpfands zu halten, wie solches bereits in zweiten Theil erkläret worden.

[3, 12, § 10] 167. Wo aber der Mieth- oder Pachtcontract auf eine unbestimmte Zeit lautete, bedarf der Vermiether oder Verpachter der Hinaustreibung des Miethers nicht, sondern er hat das Mittel der gewöhnlichen Aufkündung an Handen, wodurch er sich des in der Zahlung säumigen Miethers oder Pachters entledigen kann.

[3, 12, § 10] 168. Die zweite Ursach ist die unumgängliche Nothwendigkeit das vermiethete Haus zu bauen oder auszubesseren, wann der Bau nicht anderst füglich geschehen könnte, als daß die baufällige Behausung geraumet werden müsse, in welchem Fall der Miether auch ohne vorläufiger Aufkündung auszuziehen schuldig, der Vermiether aber den Zins nur für die Zeit der innengehabten Wohnung anzubegehren befugt ist.

[3, 12, § 10] 169. Der Contract aber wird an Seiten des Vermiethers dadurch nicht abgebrochen, sondern dieser bleibet jegleichwohlen noch in der Verbindlichkeit, wann der Bau währender Anfangs bedungenen Miethzeit vollendet wird, den Miether auf dessen Verlangen anwiederum um den vorhin bestimmten Zins einzunehmen, und bis zu Ausgang der contractmäßigen Zeit in der Miethe zu dulden; dahingegen kann der einmal hinausgetriebene Miether nicht mehr angehalten werden, die Miethe fortzusetzen.

[3, 12, § 10] 170. Wann jedoch der vorhabende Bau oder Ausbesserung nicht nothdringlich wäre, sondern bloß aus Willkür und Gefallen des Vermiethers unternommen werden wollte, ist der Miether nicht schuldig, die Wohnung zu raumen, gleichwie er auch gegentheils nicht befugt ist, die Miethung abzubrechen, wann die Ausbesserung ohne Raumung des Hauses, wiewohlen mit seiner einigmäßigen geringen Ungelegenheit geschehen kann, woferne ihme andurch keine sonderliche Hindernuß verursachet würde.

[3, 12, § 10] 171. Die dritte Ursach ist der üble Gebrauch des Miethers oder Pachters, welcher zum Schaden der vermietheten Sache oder verpachteten Guts gereichete, wann nemlich derselbe darinnen schädlich, üppiglich und ärgerlich Haus hielte, als da er auf einem gepachteten Gut die Waldungen abtriebe, die Teiche austrocknete, oder was sonst immer zum unverwindlichen Schaden des Wirthschaftstriebs ausübete, oder in einem gemietheten Haus die Gemäuer untergrübe, Gebäude einriße, liederliches Gesindel einnähme und beherbergete, oder auch selbst darinnen ein ärgerliches Leben führete.

[3, 12, § 10] 172. Welchen Falls der Vermiether oder Verpachter die Befugnuß hat, ihn nicht allein vor der Zeit hinauszutreiben, sondern auch, woferne er nicht das Haus oder Gut auf die Zeit des Contracts um eben den Zins anwiederum an jemand Anderen vermiethen oder verpachten könnte, den ganzen Zins für die noch übrige Zeit, welche der Contract fürzuwähren gehabt hätte, oder wenigstens die Erstattung


(3-226) dessen, um wie viel weniger an den Zins für die Zeit des Contracts einzuheben sein würde, nebst Ersetzung des erweislichen Schadens von dem Miether oder Pachter zu forderen.

[3, 12, § 10] 173. Alle diese Ursachen bestehen auch damals, wann gleich die Contrahenten sich gegeneinander mit einem ausdrücklichen Beding verbindlich gemacht hätten, daß sie aus keinerlei Ursach von dem Contract abgehen wollen; maßen allemal die stillschweigende Bedingnussen aus der Natur der Handlung darunter verstanden sind, daß der Mieth- oder Pachtcontract nicht anderst bestehen könne, als wann der Zins bezahlet, der Gebrauch durch Zufall nicht verhinderet, und die gemiethete Sache aus Schuld oder Mißbrauch des Miethers nicht verderbet werden würde.

[3, 12, § 10] 174. Es ist jedoch der Vermiether oder Verpachter bei Strafe gewaltsamer Thathandlungen nicht befugt, aus vorerwähnten Ursachen den Miether oder Pachter eigenmächtig hinauszutreiben, sondern demselben lieget ob, in derlei Fällen die Gerichtshilfe anzubegehren, mittelst welcher der Miether oder Pachter, wann er sich zur Raumung nicht selbst gutwillig bequemen wollte, aus der Miethe oder Pachtung zu setzen ist.

[3, 12, § 10] 175. Diese Hilfe solle dem Vermiether oder Verpachter auf sein Anrufen nicht allein aus denen vorbeschriebenen Ursachen, wann er solche behörig erwiesen hat, sondern auch auf dem Fall, da der Miether oder Pachter über die ihme verstattete landesgewöhnliche Ausziehungszeit mit der Raumung länger verweilete, nach Darzeigung der geschehenen Aufkündung auf das schleunigste ertheilet, und damit dergestalten verfahren werden, daß sofort der Miether oder Pachter durch das Gericht mit Hinwegschaffung aller seiner Fahrnussen ohne weiteren Anstand hinausgewiesen werde, worwider sich derselbe eines ihme andurch widerfahrenden Schadens halber nicht beklagen darf.

[3, 12, § 10] 176. Die eigene Bedürfnuß der vermietheten Sache aber ist keine zureichende Ursach, den Miether oder Pachter vor der Zeit hinauszutreiben, sondern, sie möge gleich noch so dringend sein, so bleibet doch der Vermiether verbunden, die contractmäßige Zeit auszuwarten, oder, wo keine bestimmet worden wäre, die gewöhnliche Aufkündung vorhergehen zu lassen.

[3, 12, § 10] 177. An Seiten des Miethers oder Pachters ist jeden den Gebrauch der gemietheten Sache ohne von ihme hierzu gegebenen Anlaß verhinderender Zufall, es seie mit oder ohne Schuld des Vermiethers, eine rechtmäßige Ursach vor der Zeit auszuziehen; als da bei einer gemietheten Wohnung das Licht durch ein von dem Nachbarn aufführendes Gebäu benommen, und von dem Vermiether keine Abhilfe verschaffet, oder auch die Bewohnung wegen Feindesgefahr, ansteckender Seuche, Baufälligkeit und dergleichen Ereignussen unsicher gemacht, und das Haus von dem Vermiether nicht in wohnbaren Stand hergestellet würde.

[3, 12, § 10] 178. Es ist jedoch dabei zu unterscheiden, ob die Verhindernuß nur auf eine kurze Zeit fürwähre, oder sich weiter hinaus verziehe; ersteren Falls, wann währender contractmäßigen Miethzeit die Hindernuß gehoben wird, bleibet der Miether oder Pachter verbunden, durch die noch übrige Mieth- oder Pachtzeit den Contract fortzusetzen, und solle nur an dem Zins der Betrag für diejenige Zeit abgeschlagen werden, durch welche der Gebrauch verhinderet gewesen ware.

[3, 12, § 10] 179. Es wäre dann in der Macht des Vermiethers oder Verpachters gestanden, die Hindernuß sogleich abzustellen, und er hätte sich auf das an ihn gemachte Belangen hierzu nicht verstehen wollen, welchen Falls der Miether oder Pachter in den Contract wieder einzutreten nicht angehalten werden kann, sondern an Zins nur so viel zu entrichten schuldig ist, als für die Zeit der wirklichen Inhabung hieran gebühret, wann gleich nachhero der Vermiether noch vor Ausgang der Miethzeit die Sache in brauchbaren Stand hergestellet hätte.

[3, 12, § 10] 180. Letzteren Falls aber, wo die Verhindernuß über die Zeit des Contracts hinausdaueret, wird auch der Contract völlig abgebrochen, und solle der Zins nur

(3-227) nach Maß des gehabten zeitlichen Gebrauchs bezahlet werden, doch solle der Miether oder Pachter in so einen als anderen Fällen, wann es die Umstände zulassen, die vorgefallene Verhindernuß noch vor Verlassung der Miethe dem Vermiether oder Verpachter bedeuten, um entweder, wo es in dessen Macht stünde, die nöthige Abhilfe zu verschaffen, oder wenigstens zu Abwendung größeren Schadens die Vorsehung zu treffen.

[3, 12, § 10] 181. Wohingegen da solches von ihme, wo er es hätte thuen können, geschehen zu sein nicht erwiesen werden könnte, und dem Vermiether durch Verlassung der gemietheten Sache ein Schaden widerfahren wäre, welchen derselbe bei zeitlich davon bekommener Nachricht hätte vermeiden können, so ist der Miether oder Pachter schuldig den daher erlittenen erweislichen Schaden zu ersetzen, obschon ihme der Nachlaß an Zins, wann die wirkliche Verhindernuß dargezeiget werden mag, nach dem obigen Unterschied deren Fällen billig zu Guten kommet.

[3, 12, § 10] 182. Würde aber der Miether ohnerachtet der sich eräußerten rechtmäßigen Ausziehungsursach jegleichwohlen in der Miethe beharren, kann er keinen Nachlaß an Zins anbegehren, außer er würde in dem bestimmten Gebrauch der Sache verhinderet, in welchem Fall, obschon er für seine Person in der Miethe verbleibet, ihme jedennoch nach Maß des erleidenden Schadens, wann die oben in §. IX beschriebenen Erfordernussen hinzutreten, der Zins nachgesehen werden solle.

[3, 12, § 10] 183. Bei Beendigung der Mieth- oder Pachtzeit, wann der Contract nicht weiter verlängeret wird, ist der Miether oder Pachter sofort die gemiethete Wohnung oder das gepachtete Gut zu raumen, und in denjenigen Stand, wie solcher bei seinem Antritt ware, anwiederum herzustellen schuldig.

[3, 12, § 10] 184. Doch solle ihme hierzu eine nach jeden Landes Brauch übliche mäßige Ausziehungszeit vergönnet sein, binnen welcher er seine Fahrnussen gemächlich fortbringen möge, wobei aber auch derselbe dem nachfolgenden Inwohner längstens in der Hälfte dieser Zeit ein dienliches Ort einzuraumen hat, daß derselbe unter eben dieser Zeit dahin einziehen könne, worzu er in Weigerungsfall durch Hilfe des Gerichts verhalten, und da er über den letzten Tag der vergünstigten Ausziehungszeit sich noch in der Miethe betreten lassen würde, ohne weiters hinausgewiesen werden solle.

[3, 12, § 10] 185. Durch Absterben des Vermiethers oder Miethers wird die Miethe oder Pachtung nicht aufgelöset, sondern beiderseitige Verbindlichkeit gehet auch auf die Erben; es seie dann, daß die Miethe oder Pachtung nur auf Lebenszeit oder Wohlgefallen des einen oder anderen Theils eingegangen, oder das an der vermietheten Sache gehabte Recht des Vermiethers durch seinen Tod erloschen, oder in der zu Erbsantretungen ausgesetzten Zeit der Erbe des Miethers oder Pachters nicht ausfindig zu machen, oder auch dessen Verlassenschaft mit solchen Schuldenlast behaftet wäre, daß sich Niemand derselben annehmen würde.

[3, 12, § 10] 186. Wo aber das Eigenthum oder der Fruchtgenuß eines vermietheten Hauses oder verpachteten Guts währender Mieth- oder Pachtzeit von einem Dritten, es geschähe gleich mit Willen des Vermiethers, als durch Kauf, Tausch, Schankung, Vermächtnuß und andere dergleichen willkürliche Ueberlassungen, oder auch aus Macht Rechtens, als durch richterlichen Spruch, Lehens- oder Fideicommißanfälle, Erlöschung der Nutznießung, und andere derlei nothwendige Uebertragungen erworben würde, so heißet es sodann Kauf gehet vor Miethe, und ist weder der Dritte, welcher die Sache auf rechtmäßige Art und Weis an sich gebracht, noch auch der Miether oder Pachter schuldig, den Contract fortzusetzen, sondern jedem Theil stehet frei nach vorläufiger landesbräuchlichen Aufkündung die Miethe oder Pachtung abzubrechen.

[3, 12, § 10] 187. Daferne jedoch der Miether oder Pachter wider seinen Willen vor der contractmäßigen Zeit aus der Miethe oder Pachtung verdrungen würde, hat er wider den Vermiether oder Verpachter und seine Erben, wann entweder die Ueberlassung

(3-228) an einen Dritten aus dessen Willkür geschehen, oder von demselben die ihme wohlbewusste Eigenschaft der Sache, wegen welcher die nothwendige Uebertragung nachhero erfolget, geflissentlich verschwiegen worden, die Rechtsforderung nicht allein zur Wiedererstattung des etwan für die noch übrige Zeit schon vorhinein bezahlten Zinses, sondern auch zum Ersatz alles ihme des früher abgebrochenen Contracts halber zugehenden erweislichen Schadens.

[3, 12, § 10] 188. In Gegentheil, wo die Uebertragung aus Macht Rechtens wegen einer kündigen, oder dem Vermiether zur Zeit des Contracts nicht bekannten Ursach geschehen, kann der Miether oder Pachter weiter nichts, als den vorhinein abgeführten Zins für die noch übrige Zeit nebst Vergütung dessen, was er in die Sache erweislich hineingestecket, von ihme zuruckforderen.

[3, 12, § 10] 189. Es daueret aber die Mieth- oder Pachtung auch ohngehinderet der erfolgten Uebertragung der Sache an einen Dritten in folgenden Fällen noch immer fort, als erstens, wann Jemanden die vermiethete Sache mit dem ausdrücklichen Beding überlassen wird, daß er den Miether oder Pachter durch die Zeit des Contracts dulden solle, oder auch von ihme stillschweigend durch angenommene Anweisung deren Zinsen hierein gewilliget, oder auch schon für die Zeit seines Besitzes der Zins, ohne vorhero aufgekündet zu haben, angenommen worden.

[3, 12, § 10] 190. Zweitens, wann ein Gut von Unserer Kammer an Jemanden auf was immer für Weise übertragen wird, solle dieses Beding allemal darunter verstanden sein, wann es gleich nicht ausgedrucket worden wäre.

[3, 12, § 10] 191. Drittens, wann ein Glaubiger in den Besitz eines ihme zum Unterpfand verschriebenen Hauses oder Guts gelanget, ist er an den von seinem Schuldner vorhero eingegangenen Mieth- oder Pachtungscontract gebunden, solange er hieran das Eigenthum nicht erwirbt.

[3, 12, § 10] 192. Umsomehr hat es bei denen Mieth- oder Pachtungscontracten jener Schuldneren sein Bewenden, deren Vermögen annoch in ihren Lebszeiten bei Auflauf deren Glaubigeren in gerichtlichen Beschlag genommen wird, maßen sodann die Glaubigere in alle Rechten und Verbindlichkeiten des Schuldners eintreten, er seie gleich Miether oder Vermiether.

[3, 12, § 10] 193. Die Dingungen persönlicher Diensten und Arbeiten hören auf, erstens, wann die bestimmte Diensten und Arbeiten geleistet worden, zweitens, mit Verlauf der Zeit, auf welche der Contract eingegangen worden, nicht aber auch nach Verfließung jener Zeit, welche zu Herstellung und Vollführung eines bedungenen Werks ausgemessen worden; dann obschon solches binnen dieser Zeit nicht verfertiget worden wäre, bleibet der Dinger des Werks jegleichwohlen noch in der Verbindlichkeit dasselbe auszuführen, wiewohlen der Verdinger länger nachzuwarten nicht gezwungen werden kann.

[3, 12, § 10] 194. Drittens, wo keine Zeit ausgesetzet ist, bei unbestimmten Diensten und Arbeiten durch willkürlichen Abstand des einen oder anderen Theils; viertens, mit ein- oder anderseitigen Todesfall, wann der Contract nicht ausdrücklich auf die Erben lautete, es mögen unbestimmte oder bestimmte Diensten und Arbeiten verdinget worden sein; doch solle allemal der Lohn, soweit er in das Verdingen gebracht worden, hinausgezahlet werden.

(3-229) Caput XIII.

Von Erbzins- und anderen Zinscontracten.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Erbzinscontract.

§. I. Von Wesenheit und Natur des Erbzinscontracts. §. II. Von Art und Weis einen Erbzinscontract zu errichten. §. III. Von Erb- oder Grundzins. §. IV. Von Verbindlichkeit des Grundherrn und Gegenverbindlichkeit des Erbzinsmanns, dann von der Einem wider den Anderen zustehenden Rechtsforderung. §. V. Von Veräußerung eines Erbzinsgrunds, und der dem Grundherrn dafür gebührenden Lehenwaare. §. VI. Von Erlöschung und Auflösung des Erbzinscontracts.

§. I.

[3, 13, § 1] 1. Deren Zinscontracten sind zweierlei Gattungen, welche nicht weniger als die bishero beschriebene Contracten ihre Wesenheit aus der bloßen Einwilligung beider Theilen erhalten. Die eine heißet eigentlich ein Erbzinscontract, wodurch das nutzbare Eigenthum eines Grunds für einen gewissen bedungenen jährlichen Zins übertragen wird.

[3, 13, § 1] 2. Die andere aber wirket die Uebertragung des nutzbaren Eigenthums nicht, sondern der Zinsmann behält das volle Eigenthum, und wird nur zu einem


(3-230) gewissen Zins von seinem Grund oder Gewerk verpflichtet, welche dahero zum Unterschied der ersteren schlechthin ein Zinscontract genennet wird.

[3, 13, § 1] 3. Beide Gattungen, obschon sie von dem so bei einer, wie der anderen einkommenden Zins einerlei Namen haben, sind jedoch in ihrer Art, Eigenschaft und Wirkung so sehr unterschieden, daß beide zusammen nicht füglich in einer Abhandlung erkläret werden können; dahero wird gegenwärtiges Capitel in zwei Artikeln abgetheilet, und in deren ersteren der Erbzinscontract, in dem zweiten aber der der bloße Zinscontract beschrieben.

[3, 13, § 1] 4. Der Erbzinscontract ist eine gutwillige Vereinigung wegen erblicher Ueberlassung des nutzbaren Eigenthums eines Grunds gegen der Verbindlichkeit solchen, wo es nöthig, zu verbesseren, und einen gewissen bedungenen Zins zur Erkanntnuß der Grundherrlichkeit jährlich dafür abzureichen.

[3, 13, § 1] 5. Die erbliche Ueberlassung aber ist hier nicht also zu verstehen, als ob zur Wesenheit dieses Contracts erforderet würde, daß solcher allemal hierauf lauten müsse, sondern nur die Natur der Handlung bringet mit sich, daß, wann nichts Anderes bedungen worden, das dergestalten überlassene nutzbare Eigenthum vererbet werde; ansonsten kann durch diese Handlung nach Gefallen deren Contrahenten das nutzbare Eigenthum eines Grunds an Jemanden auch nur auf Lebszeiten, oder auf gewisse Jahre überlassen werden.

[3, 13, § 1] 6. Desgleichen erstrecket sich die Verbindlichkeit der Verbesserung nicht soweit, daß die wesentliche Schuldigkeit des Erbzinsmanns darinnen bestünde, den Grund zu verbesseren, woferne dieses nicht ausdrücklich ausbedungen worden wäre, sondern dadurch wird nur so viel angedeutet, daß einerseits der Erbzinsmann den Grund allezeit in guten Stand zu erhalten verpflichtet seie, und solchen in keinerlei Wege verderben oder schmäleren dörfe, andererseits aber bei Heimfälligkeit des Grunds an den Grundherrn auch alle daran gemachten Verbesserungen ihme aus der Natur des Contracts zufallen, wann Anfangs auf diesen Fall nichts Anderes verabredet worden.

[3, 13, § 1] 7. Die Wesenheit dieses Contracts erforderet demnach erstlich, die beiderseitige Einwilligung, zweitens, den Grund, dessen nutzbares Eigenthum übertragen wird, und drittens, den dagegen zur Erkanntnuß der Grundherrlichkeit abzureichen bedungenen jährlichen Erbzins.

[3, 13, § 1] 8. Der erste Erfordernuß ist allen Consensualcontracten gemein; sobald aber als die Uebergabe aus diesem Contract erfolget, wirket solche das dingliche Recht des nutzbaren Eigenthums; wovon bereits in zweiten Theil gehandlet worden. Die beide andere Erfordernussen hingegen machen den wesentlichen Unterschied des Erbzinscontracts von anderen Handlungen.

[3, 13, § 1] 9. Also unterscheidet denselben die Uebertragung des nutzbaren Eigenthums nicht allein von Kaufen und Verkaufen, worinnen das volle Eigenthum der verkauften Sache auf den Kaufer übertragen wird, sondern auch von anderen Zinscontracten, in denen nach Verschiedenheit der Bestellungsart des Zinses der Zinsmann das volle Eigenthum des zinsbaren Grunds entweder behält, oder erwirbt.

[3, 13, § 1] 10. Nicht weniger wird durch den zur Erkanntnuß der Grundherrlichkeit bedungenen Zins der Erbzinscontract sowohl von Miethen und Vermiethen, worinnen der Zins zur Vergeltung des Gebrauchs oder Genusses bezahlet wird, als auch von Lehen unterschieden, bei denen das nutzbare Eigenthum unter dem Beding der Treue, und insgemein für die zu leisten schuldige persönliche Dienste überlassen zu werden pfleget.

§. II.

[3, 13, § 2] 11. Nur über wahre unbewegliche Dinge, als liegende Güter, Häuser und andere Gründe kann ein Erbzinscontract eingegangen werden; gleichwie aber diese Handlung die Grundherrlichkeit voraussetzet, also kann auch Niemand, der solche

(3-231) nicht hat, ein Erbzinsrecht auf einem Grund bestellen, sondern die Grundherren haben nur alleine die Befugnuß Gründe erbzinslich hintanzulassen, wann sie sonst sich zu verbinden fähig sind.

[3, 13, § 2] 12. Dahingegen kann Jedermann, der sich rechtsgiltig verbinden mag, Gründe erbzinslich an sich bringen, wann er gleich die Fähigkeit des Besitzes landtäflicher aber stadtbücherlicher Gründen nicht auf sich hätte, woferne er nur sonst entweder durch die Landesverfassung, oder aus einer rechtmäßigen Ursach, wegen welcher der Grundherr dessen Aufnahme mit Fug verweigeren kann, hiervon nicht ausgeschlossen wird.

[3, 13, § 2] 13. Wiewohlen aber dieser Contract sowohl mündlich als schriftlich eingegangen werden mag, so erforderet doch solcher zu seiner Erfüllung, und damit hieraus das nutzbare Eigenthum auf den Erbzinsmann übertragen werde, entweder die Ausfertigung eines darauf lautenden offenen Briefs unter des Grundherrn eigenhändiger Unterschrift und Petschaft, welcher insgemein eine Handveste, Gewährsbrief oder Erbzinsbrief genennet wird, oder die Verschreibung in die Grundbücher.

[3, 13, § 2] 14. Dann nur durch derlei Handvesten, Gewährsbriefe oder grundbücherliche Verschreibungen allein, und auf keine andere Art kann das Erbzinsrecht bestellet werden, und wessen sich der Grundherr und Erbzinsmann darinnen gegeneinander vergleichen, demselben sind sie auch in Allem nachzukommen schuldig, maßen alle erlaubte Bedinge diesem Contract beigesetzet werden mögen, welche mit seiner Wesenheit vereinbarlich sind.

§. III.

[3, 13, § 3] 15. Der Erbzins, welchen der Erbzinsmann dem Grundherrn abzureichen hat, ist nichts Anderes, als eine zur Erkanntnuß der Grundherrlichkeit von dem Erbzinsmann dem Grundherrn jhährlich zu bezahlen schuldige, durch ein Beding ausgemessene, und auf dem Grund haftende Gebühr.

[3, 13, § 3] 16. Dieser hat mit jenen Zinsen, welche entweder aus anderen bloßen Zinscontracten von einem Grund abgeführet, oder auch bei Mieth- und Pachtungen für den verstatteten Gebrauch oder Genuß einer Sache entrichtet, oder von Gelddarlehen bedungen werden, nicht die mindeste Aehnlichkeit, sondern gebühret einzig und allein zur Erkanntnuß der Grundherrlichkeit.

[3, 13, § 3] 17. Er erforderet dahero durchaus keine Gleichheit mit dem Betrag der von dem Erbzinsgrund abfallenden Benutzung, sondern kann auch in der geringsten Sache, als z. B. nur in einem Stuck gewisser Münze, einer Henne, einem gewissen Betrag Wachses, oder einer Gattung von Früchten bestimmet werden, ohne daß solcher allemal in baaren Geld zu bestehen hätte.

§. IV.

[3, 13, § 4] 18. Aus dem Erbzinscontract entstehet gleich Anfangs in der Hauptsache eine wechselweise Verbindlichkeit beider Theilen gegeneinander, als an Seiten des Grundherrn zur Uebergabe der Grunds und Üeberlassung desselben nutzbaren Eigenthums, und an Seiten des Erbzinsmanns zur Besorgnuß und Pflegung des Grunds, dann zur Bezahlung des zur Anerkennung der Grundherrlichkeit gebührenden jährlichen Erb- oder Grundzinses.

[3, 13, § 4] 19. Diese beiderseitige Verbindlichkeit wirket die jedem Theil und seinem Erben wider den anderen und dessen Erben zustehende Rechtsforderung zu Leistung alles dessen, zu was Einer dem Anderen aus dem Erbzinscontract verbunden ist.

[3, 13, § 4] 20. Außer denen nach Willkür deren Contrahenten beigefügten Nebenbedingen bestehet die aus der Natur des Contracts herfließende Schuldigkeit des Grundherrn darinnen: Erstlich, daß er dem Erbzinsmann den Grund übergebe, und dessen nutzbares Eigenthum überlasse; zweitens, daß er denselben wider die Ansprüche eines Dritten schütze, und die Gewähr leiste, wann das Eigenthum des Grunds

(3-232) von ihme angestritten wird; drittens, daß er ihn in der vollkommenen Benutzung des Grunds und dem Genuß aller davon haben mögenden Bequemlichkeit in keinerlei Wege störe und behindere.

[3, 13, § 4] 21. Der Erbzinsmann ist dahero nicht alleine berechtiget den Grund auf was immer für Art und Weis zu benutzen und zu genießen, sondern derselbe hat auch nebst deme in gewisser Maß eine insoweit beschränkte Befugnuß mit solchem nach Gefallen zu schalten und zu walten, als solcher andurch nicht geschmäleret, und das Recht des Grundherrn nicht beeinträchtiget wird, aber auch der Erbzinsmann sonst nicht durch besondere Bedinge gebunden ist.

[3, 13, § 4] 22. Also kann derselbe den Erbzinsgrund an jemanden Anderen verpachten und in Bestand lassen, wie auch solchen zum Unterpfand oder Hypothek verschreiben und Schulden darauf versichereren, ohne daß der Grundherr etwas darwider einzuwenden vermögte, wann nicht schon Anfangs ein Anderes bedungen worden.

[3, 13, § 4] 23. Doch hat er die Macht nicht zu Schmälerung und beharrlicher Belastung des Grunds einige Dienstbarkeiten hierauf zu bestellen, noch weniger aus Abgang der Grundherrlichkeit den Grund weiters an einen Dritten aftererbzinslich zu überlassen; inwieweit er aber solchen an jemand Anderen zu veräußeren befugt seie, wird in folgenden §. erkläret werden.

[3, 13, § 4] 24. Ferners giebt ihme das nutzbare Eigenthum gleich jedwedem anderen Eigenthümer das Recht, nicht allein sich sowohl wider alle Ansprüche eine Dritten, als wider den Grundherrn selbst, wann er seinerseits die contractmäßige Schuldigkeit erfüllet, in dem Besitz des erbzinslichen Grundes zu schützen und zu behaupten, sondern auch solchen, wann er davon widerrechtlich verdrungen worden wäre, von einem jedweden unrechtmäßigen Besitzer, es seie ein Dritter, oder der Grundherr selbst, mittels der nutzbaren Eigenthumsklage zuruckzuforderen.

[3, 13, § 4] 25. Dagegen aber ist der Erbzinsmann außer jenen Schuldigkeiten, welche derlei erbzinslichen Gründen nach einer jeden Landesverfassung ankleben, aus der Natur dieses Contracts verbunden, erstens, daß er den bedungenen Erbzins jährlich zu Anerkennung der Grundherrlichkeit bezahle, und dem Grundherrn ohne Abwartung seiner vorläufigen Einmahnung richtig abführe, wovon ihn weder ein Mißwachs noch ein sonstiger an dem Grund sich ereignender Zufall, wann dieser andurch nicht gänzlich untergehet, befreien kann, woferne derowegen Anfangs nichts Anderes ausgemachet worden.

[3, 13, § 4] 26. Wo aber auf diesem Fall ein Nachlaß an dem Erb- oder Grundzins ausdrücklich ausbedungen, oder solcher, wie bei Mieth- und Pachtungen, nach dem Betrag der Benutzung abgemessen oder auch wortdeutlich nur in gewissen von dem Erbzinsgrund erzeugenden Früchten bestimmet worden wäre, ist sowohl wegen Verschiedenheit deren Zufällen, als wegen Ausmessung des Nachlasses all Jenes dabei in acht zu nehmen, was in vorhergehenden Capitel, §. IX, deshalben geordnet worden.

[3, 13, § 4] 27. Zweitens, daß er bei Veräußerung des Grunds vorhero die Einwilligung des Grundherrn nach der in folgenden §. beschriebenen Art und Weis einhole, der antretende Erbzinsmann aber die Erneuerung des Erbzinscontracts geziemend ansuche, und die Lehenwaare dafür entrichte.

[3, 13, § 4] 28. Drittens, daß er den Grund, wie es sich einem guten Hausvater geziemet, pflege und anbaue, Schaden und Nachtheil abwende, und solchen in keinerlei Wege schmälere, verwüste oder verderbe.

[3, 13, § 4] 29. Viertens, daß er alle von dem Grund gebührenden Steuern und Anlagen entrichte; doch hat er in dem Fall, wo er die von seinem Vorfahrer versessene Steuern bezahlete, das Recht, denjenigen Betrag, welchem er für den vorigen Besitzer erweislich abgeführet, wann gleich der Grundherr selbst den Grund benutzet hätte, von ihme und dessen Erben zurückzuforderen.

[3, 13, § 4] 30. Der Grundherr aber behält jegleichwohlen alle Eigenthumsrechte, außer

(3-233) insoweit das nutzbare Eigenthum durch die erbzinsliche Ueberlassung davon getrennet ist, und kann dahero derselbe nicht allein die von einem Dritten anmaßende Grundherrlichkeit mittelst der Eigenthumsklage abforderen, und den Grund dem Erbzinsmann selbst, wann er solchen aus einer von denen unten in §. VI bemerkten Ursachen verwirket hätte, abnehmen und einziehen, sondern auch die Grundherrlichkeit ohnerachtet des auf dem Grund haftenden Erbzinsrechts nach Gefallen an einen Dritten veräußeren, doch also, daß der nachfolgende Grundherr nicht weniger, als es der vorige gewesen, an dem Erbzinscontract gebunden bleibe.

[3, 13, § 4] 31. Nebst deme hat noch die Grundherrlichkeit die besondere Wirkung, daß dem Grundherrn auf dem Fall, da der Erbzinsgrund von dem Erbzinsmann feilgeboten würde, das Vorkaufsrecht gebühre, wodurch er das nutzbare mit dem Grundeigenthum wieder vereinigen kann, wie solches in dem gleichnachfolgenden §. mit Mehreren erkläret wird.

§. V.

[3, 13, § 5] 32. Das Erbzinsrecht kann sowohl aus Verträgen, als aus letztwilligen Anordnungen, wie auch durch Verjährungen erworben werden, doch also, daß in beiden ersteren Fällen allemal die wirkliche Uebergabe erfolge, und in letzteren Fall alle diejenige Erfordernussen hinzutreten, welche zu rechtlicher Verjährung eines dinglichen Rechts in zweiten Theil ausgemessen worden.

[3, 13, § 5] 33. Wann aber das Erbzinsrecht einmal ordentlich erworben worden, behält solches der Erbzinsmann nicht allein für sich, sondern es gehet auch auf seine Erben, und kann sowohl durch Handlungen unter Lebenden, als durch letzten Willen von ihme auf Andere übertragen werden, wann diese Befugnuß nicht durch ein besonderes Beding beschränket worden.

[3, 13, § 5] 34. Es ist dahero allemal auf die Art und Weis zu sehen, wie das Erbzinsrecht verliehen worden, dann wo die Verleihung nur auf eine gewisse bestimmte Zeit lautete, erlöschet solches mit deren Verlauf, und das nutzbare Eigenthum fällt an den Grundherrn zuruck; binnen dieser Zeit aber kann solches vererbet und sonst mit Einwilligung des Grundherrn veräußeret werden, obschon, außer einer neuen Verleihung, auf keine längere Zeit, als das erstere Beding ausmesset.

[3, 13, § 5] 35. Gleichergestalten, wo das Erbzinsrecht nur auf Lebszeiten des Erbzinsmann allein, oder ihme und seinen eheleiblichen Kindern verliehen worden, wird ersteren Falls gar keine Erbfolge zugelassen, und letzteren Falls wird der Erbzinsgrund nur von seinen Kindern allein, worunter auch alle fortan von ihme abstammende verstanden werden, nicht aber auf die Seitenverwandten, noch weniger auf Fremde vererbet, wie dann auch der Erbzinsmann den Grund an Niemanden veräußeren darf.

[3, 13, § 5] 36. Wo aber ein Grund Jemanden für sich und seine Erben, oder auch überhaupt ohne Benennung deren Erben, und ohne aller sonstiger Beschränkung auf gewisse Personen erbzinslich überlassen worden, gehet derselbe sowohl aus letztwilliger Anordnung, als nach der rechtlichen Erbfolge auf alle seine Erben ohne Unterschied, sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts, eheleibliche Kinder, Seitenverwandte, oder auch Fremde sein.

[3, 13, § 5] 37. Es ist jedoch ein jeder Erb schuldig in der zu Recht ausgesetzten Zeit seine Erbsbefugnuß bei denen Grundbüchern beizubringen, und sein Erbrecht behörig darzuthun, annebst aber auch die durch rechtmäßige Gewohnheit hergebrachte Veränderungsgebühr, welche sonst auch das Sterblehen genannt wird, wie es jeden Orts Herkommens ist, dem Grundherrn zu bezahlen.

[3, 13, § 5] 38. Woferne hingegen der Grundherr eine von denen gleich unten ausgesetzten rechtmäßigen Ursachen, wegen welcher er sonst einen Dritten von dem Kauf des Erbzinsgrunds ausschließen könnte, wider den Erben hätte, so ist er zwar nicht schuldig denselben für einen beständigen Erbzinsmann anzunehmen, doch solle er

(3-233) ihme eine Jahresfrist von dem Tag der beigebrachten Erbsbefugnuß verstatten, binnen welcher er einen dem Grundherrn anständigen Kaufer ausfindig machen möge.

[3, 13, § 5] 39. Da jedoch derselbe solches binnen diesem Jahreslauf nicht bewirken könnte oder wollte, so ist der Grundherr befugt, selbst den Grund mittelst öffenlicher Feilbietung durch die gewöhnliche Versteigerung an den Meistbietenden zu verkaufen, und das erlöste Kaufgeld dem Erben oder seinen auf den Grund versicherten Glaubigeren hinauszuzahlen, doch hat der Grundherr so ein als anderen Falls das Recht des Vorkaufs, wann er eben so vieles, als ein Anderer dafür angeboten, erleget.

[3, 13, § 5] 40. Nicht nur aber kann ein solcher Grund, welchen der Erbzinsmann ganz unbeschränkt für sich und seine Erben erhalten, erblich übertragen werden, sondern der Erbzinsmann hat auch die Macht, denselben mit Einwilligung des Grundherren, es seie durch entgeltliche oder unentgeltliche Handlungen unter Lebenden, an wen er immer wolle, zu veräußeren, ohne daß seine Kinder, wann ihrer gleich in der unbeschränkten Verleihung ausdrücklich gedacht worden wäre, diese Handlung verhinderen oder widerrufen könnten.

[3, 13, § 5] 41. Er ist aber verbunden, die Einwilligung des Grundherrn mit Namhaftmachung der Person dessen, an wen er den Grund veräußeren will, und da es auf einen Verkauf ankäme, zugleich mit Anzeige des dafür angebotenen Kaufschillings einzuholen, und wo mehrere Grundherrn wären, auch alle darumen anzugehen.

[3, 13, § 5] 42. Dagegen ist der Grundherr schuldig, binnen vier Wochen von der ihme zugekommenen Ankündung des Erbzinsmanns sich zu erklären, ob er den neuen Erbzinsmann annehmen, oder sich des ihme zustehenden Vorkaufrechts bedienen wolle, oder sonst eine rechtmäßige Ursach habe die Annehmung des neuen Erbzinsmanns zu verweigeren.

[3, 13, § 5] 43. Derlei rechtmäßige Ursachen sind erstens, die Unfähigkeit des Besitzes nach einer jeden Landesverfassung, zweitens, die Unvermögenheit oder Unsicherheit den Erb- oder Grundzins, oder auch die Lehenwaare zu bezahlen, als da er ein gerichtlich erklärter Verschwender, oder sonst kundbarerer Maßen tief verschuldet wäre, drittens, die Ehrlosigkeit oder sonst ein übel berüchtigter Namen, viertens, eine billige Abneigung des Grundherrn gegen ihme, als da zwischen ihnen eine große Feindschaft oder schwerer Rechtshandel fürwaltete, oder derselbe schon vorhero aus seiner Schuld von diesem oder einem anderen Grund üblen Betragens halber ausgeboten und abgestiftet worden

[3, 13, § 5] 44. Wann nun der Grundherr sich binnen dieser Zeit gar nicht erklärete, und der Erbzinsmann die ihme wirklich geschehene Ankündung der vorhabenden Veräußerungen entweder durch eine darüber erhaltene schriftliche Bescheinigung oder durch Zeugen erweisen könnte, solle die Veräußerung ohneweiters ihren Fortgang haben, und der Grundherr für einwilligend gehalten werden, folglich den neuen Erbzinsmann ohne Weigerung anzunehmen schuldig sein.

[3, 13, § 5] 45. Ein Gleiches hat auch in jenem Fall statt, wann der Grundherr zwar unter dieser Zeit den Einstand für sich angemeldet hätte, dabei aber die von dem Kaufer angebotene Kaufbedinge nicht eingehen, oder nicht so vieles, als dieser angetragen, dafür geben, oder auch das Kaufgeld nicht in denen von dem Kaufer beliebten Fristen erlegen wollte oder könnte.

[3, 13, § 5] 46. Woferne aber derselbe sich zwar in der Zeit erklären würde den neuen Erbzinsmann nicht annehmen zu wollen, dahingegen keine rechtmäßige Ursach, warumen er dessen Annehmung verweigere, beibringen könnte, so ist dem Erbzinsmann unverwehret, den Grundherrn bei jenem Gerichtsstand, worunter der Erbzinsgrund gelegen ist, zu belangen, und ihn zu Annehmung des neuen Erbzinsmanns durch rechtliche Zwangsmittel zu verhalten.

[3, 13, § 5] 47. Der aufgenommene neue Erbzinsmann ist dagegen verbunden bei dem Grundherrn die Erneuerung des Erbzinsrechts anzusuchen, und nicht allein den

(3-235) Contract, Schankung oder Verschreibung, wodurch er den Grund an sich gebracht, sammt der grundherrlichen Einwilligung in die Grundbücher einzulegen, sondern auch, wo es vorhin gewöhnlich ware, die Ausfertigung einer neuen Handveste, Erbzinsbriefs oder Gewährbriefs auszuwirken, und beinebst dem Grundherrn die gebührende Lehenwaare zu bezahlen.

[3, 13, § 5] 48. Die Lehenwaare wird auch sonst ein Lehengeld, Ehrschatz oder Handlohn genannt, und ist nichts Anderes, als eine dem Grundherrn bei Veräußerung des Erbzinsgrunds von dem antretenden Erbzinsmann zur Erkenntlichkeit für seine Aufnahme abzureichen schuldige, und nach dem Betrag des Kaufgelds, oder dem Werth des Grunds abgemessene Gebühr.

[3, 13, § 5] 49. Diese wird entweder bei ursprünglicher Bestellung des Erbzinsrechts durch ein besonderes Beding bestimmet, oder ist schon durch rechtmäßige Gewohnheit hergebracht. Ersteren Falls, oder da ein heimgefallener erbzinslicher Grund von Neuen verliehen wird, stehet dem Grundherrn frei, wie hoch er die Lehenwaare aussetzen wolle; es seie dann, daß dieselbe auch bei neuen Verleihungen durch die Landesverfassungen schon auf einen gewissen Betrag bestimmet wäre, und sind alle nachfolgende Erbzinsleute solche unweigerlich zu entrichten schuldig, an der Ausssatz entweder schon vorhin in denen Grundbüchern, oder denen vorigen Handvesten vorgemerket worden.

[3, 13, § 5] 50. Letzteren Falls hingegen darf der Grundherr den gewöhnlichen Betrag nicht überschreiten, und da der Erbzinsmann sich dardurch beschweret zu sein vermeinete, kann er solches bei Gericht anbringen, welches die Forderung des Grundherrn, wann er hierzu berechtiget zu sein nicht erwiesen würde, nach dem Landesbrauch mäßigen, und auf die Billiges herabsetzen solle.

[3, 13, § 5] 51. Die Lehenwaare hat allemal der antretende Erbzinsmann zu entrichten, obschon er sich derowegen mit dem Abtretenden nach Belieben vergleichen kann; doch ist der Grundherr an diese unter denenselben eingegangene Bedinge nicht gebunden, sondern er kann sich des Antretenden allein halten, und ihn insolange von dem Besitz des Grund ausschließen, oder auch die Nutzungen auf so viele Zeit in Beschlag nehmen, bis er der Lehenwaare halber vollständig befriediget worden.

[3, 13, § 5] 52. Woferne aber mehrere Veräußerungen mit Einwilligung des Grundherrn für sich gegangen wären, wofür die Lehenwaare noch ausständig sein würde, kann der Grundherr auch diese Ausstände von dem zuletzt antretenden Erbzinsmann einforderen, dagegen aber ist dieser befugt, das hieran für seine Vorfahrere Bezahlte von ihnen oder ihren Erben einzutreiben, insoweit solche nicht an dem Kaufgeld schon ausgewiesen worden.

[3, 13, § 5] 53. Diese Lehenwaare oder Veränderungsgebühr haftet nicht weniger, als der Erb- oder Grundzins auf dem Grund selbst, weshalben auch die Lehenwaare allen auf dem Grund versicherten Glaubigeren vorgehet.

[3, 13, § 5] 54. So wenig aber der Grundherr die Lehenwaare über den schon vorhin entweder durch Beding, oder durch rechtliches Herkommen bestimmten Betrag nach Gefallen zu erhöhen befugt ist, ebensowenig kann derselbe dem antretenden Erbzinsmann härtete Bedingnussen aufdringen als jene sind, mit welchen der Grund dem Abtretenden erbzinslich überlassen worden; es wäre dann, daß der Grund dem Grundherrn anheimgefallen wäre, welchen Falls ihme freistehet, bei der neuen Verleihung sich, was immer gefällig, auszubedingen, wann es sonst denen Rechten nach erlaubet ist.

§. VI.

[3, 13, § 6] 55. Das Erbzinsrecht erlöschet aus folgenden Ursachen: Erstlich, durch gänzlichen Untergang des Grunds, also daß nichts davon übrig bleibe, was benutzet werden, und worauf das Erbzinsrecht forthaften könnte, als da der Grund durch Erdbeben

(3-236) verschlungen, oder durch Wasserfluthen und Ueberschwemmungen vernichtet, oder von Uns aus gemeinnutzlicher oder nothwendiger Ursache eingezogen würde.

[3, 13, § 6] 56. Wo aber auch nur der mindeste Theil davon noch vorhanden wäre, welcher einen Nutzen schaffen könnte, währet das Erbzinsrecht fort; also da gleich ein erbzinsliches Haus völlig abbrennete, bleibet jegleichwohlen das Erbzinsrecht noch auf dem Grund haften.

[3, 13, § 6] 57. Zweitens, durch beiderseitige Einwilligung, wann der Erbzinsmann mit Willen des Grundherrn den Grund freiwillig heimsaget; wider Willen des Grundherrn aber kann der einmal aufgenommene Erbzinsmann, wann er keinen anderen demselben anständigen Nachfolger darstellet, den Grund nicht aufgeben.

[3, 13, § 6] 58. Drittens, durch rechtmäßige Verjährung, wann entweder an Seiten des Erbzinsmanns, der das volle Eigenthum des Grund sonst zu besitzen fähig ist, mittelst Verweigerung des Erbzinses, und Zufriedenheit, dann Stillschweigen des Grundherrn, oder an Seiten des Grundherrn mittelst selbsteigener Besitzung und Benutzung des Grunds ohne Widerrede des Erbzinsmanns durch die in zweiten Theil ausgemessene Zeit mit Hinzutretung deren übrigen Erfordernussen das volle Eigenthum verjähret wird.

[3, 13, § 6] 59. Viertens, durch Verlauf der Zeit, worauf das Erbzinsrecht verliehen worden; fünftens, durch Absterben derenjenigen Personen, auf welche die Verleihung des Grunds beschränket worden.

[3, 13, § 6] 60. Sechstens, durch Verderbung und Beschäbigung des Erbzinsgrunds, wann solche nicht alleine entweder aus geflissentlicher Gefährde, oder großer, oder doch wenigstens leichter Schuld des Erbzinsmanns herrühret, sondern auch der Schaden beträchtlich und also beschaffen ist, daß derselbe zu beharrlicher Schmälerung des Grunds gereiche, als das die Waldungen abgetrieben, nutzbare Teiche abgegraben und ausgetrocknet, Flüsse und Bäche zum Nachtheil des Grunds abgeleitet, Obst- und Weingärten ausgeschlagen, oder sonstige Verödungen unternommen würden.

[3, 13, § 6] 61. In welchen Fällen der Erbzinsmann, wann von dem Grundherrn eine so beschaffene Beschädigung erwiesen wird, den Grund verwirket, und lieget nichts daran, ob die Beschädigung an dem ganzen Grund, oder an einen Theil desselben geschehen, wann solche nur von Beträchtlichkeit ist.

[3, 13, § 6] 62. Daferne aber entweder nur die leichteste Schuld des Erbzinsmanns, oder auch ein bloßer Zufall unterwaltete, oder die Beschädigung sehr gering und von gar keiner Erheblichkeit wäre, oder endlich andurch nur der Nutzen verminderet, und nicht der Grund geschmäleret würde, als da er solchen der Erfordernuß nach nicht pflegete oder anbauete, die Teiche nicht besetzete, oder das nöthige Vieh nicht einschaffete, wird der Grund deshalben nicht verwirket.

[3, 13, § 6] 63. Siebentens, durch Ausübung des grundherrlichen Einstandrechts, wann der Grund von dem Erbzinsmann an einen Dritten käuflich überlassen werden will, wie solches in gleich vorhergehenden §. beschrieben worden.

[3, 13, § 6] 64. Zu Anmeldung des Vorkaufs hat der Grundherr nicht allein die alldort ausgesetzte Frist deren vier Wochen von dem Tag der ihme von dem Erbzinsmann gemachten Ankündung des vorhabenden Verkaufs, sondern auch, soferne ihme keine Ankündung vorhero geschehen wäre, noch eben so viele Zeit von dem Tag des zur grundbücherlichen Verschreibung eingelegten Kaufcontracts.

[3, 13, § 6] 65. Wann aber der Grundherr einmal seine Einwilligung in die Veräußerung des Grund von sich gegeben, oder diese vier Wochen entweder von dem Tag der ihme gethanen Ankündung, oder der angesuchten grundbücherlichen Einlage des Kaufcontracts verstrichen wären, kann derselbe den Einstand nicht mehr anmelden, sondern der Kauf solle seinen Fortgang haben.

(3-237) [3, 13, § 6] 66. Desgleichen, wo die Veräußerung an eine solche Person geschähe, welche entweder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zu dem Erbzinsgrund das nächste Erbrecht hätte, oder sonst schon den Grund mit dem Veräußerer gemeinschaftlich besäße, als da solchen der Vater an seinen Sohn, oder ein noch ungetheilter Miterb an den anderen verkaufen würde, höret das grundbücherliche Einstandrecht auf.

[3, 13, § 6] 67. Wo mehrere Grundherren wären, können auch alle den Vorkauf ausüben; da aber nur deren Einer in den Kauf einstehen wollte, ist zu unterscheiden, ob der Grund in mehreren, oder nur in einerlei Grundbüchern inliege. Ersteren Falls kann der Eine ohne dem Anderen den unter seine Grundherrlichkeit gehörigen Antheil, wann solcher ohne Nachtheil des Erbzinsmanns von dem anderen abgesönderet werden mag, durch den Einstand an sich ziehen; letzten Fall hingegen ist der Erbzinsmann den Kauf zu theilen nicht schuldig, sondern der eine einstehen wollende Grundherr muß entweder in den ganzen Kauf eintreten, oder von dem Einstand ablassen.

[3, 13, § 6] 68. Da jedoch der Erbzinsmann arglistiger Wiese um den Grundherrn von Anmeldung des Einstands abzuhalten einen höheren Kaufanbot oder härtere Bedingnusse vorgegeben hätte, als nicht jene waren, worauf der Kaufcontract mit dem Dritten geschlossen worden, so ist derselbe dem Grundherrn in dem achten Theil des empfangenen Werths zur Strafe verfallen, und wo der Kaufer an dem Betrug Theil genommen, machen sich Beide über das deren auf die Scheinhandlungen ausgesetzten Strafen verfänglich.

[3, 13, § 6] 69. Was von Veräußerung des ganzen Grunds bishero geordnet worden, hat nicht weniger auch bei Veräußerung eine Theils desselben statt, also daß der Grundherr ebensowohl einen Theil, als den ganzen Grund durch den Einstand an sich bringen kann.

[3, 13, § 6] 70. Ansonsten wird ein Erbzinsgrund wegen dessen Veräußerung nicht verwirket, wann gleich die Einwilligung des Grundherrn, ehe und bevor der Contract geschlossen worden, nicht angesuchet worden wäre, sondern gleichwie eine solche Handlung nicht anderst, als durch die grundbücherliche Verschreibung zu Kräften kommen kann, also bleibet auch dem Grundherrn die Befugnuß noch allezeit bevor, entweder den Grund durch das Vorkaufsrecht selbst an sich zu ziehen, oder den neuen Erbzinsmann aus rechtmäßiger Ursach auszuschließen, oder da der Grund ganz oder zum Theil heimlicher und gefährlicher Weise zum Nachtheil deren grundherrlichen Rechten als ein freier Grund an einem Dritten veräußeret worden wäre, solchen ohnentgeltlich zuruckzuforderen, in welchem letzteren Fall nicht allein die Handlung an sich null und nichtig, sondern auch der Erbzinsmann so vieles, als er an Kaufgeld dafür empfangen, dem Grundherrn zur Strafe des Betrugs zu erlegen schuldig ist.

[3, 13, § 6] 71. Damit jedoch die grundherrliche Rechten wider derlei unbefugte Anmaßungen deren Erbzinsleuten gesicheret sein mögen, so setzen und ordnen Wir hiermit, daß nicht nur in Hinkunft kein auf erbliche Uebertragung lautendes Erbzinsrecht ohne grundbücherlicher Verschreibung auf bloße Handvesten oder Erbzinsbriefe rechtsgiltig bestellet werden könne, sondern auch derlei schon vor diesem Unserem Gesatz ausgefertigte Handvesten und Erbzinsbriefe da, wo es noch nicht geschehen, in die Grundbücher eingeleget werden sollen.

[3, 13, § 6] 72. Woferne hingegen der Erbzinsmann, obgleich derselbe die grundherrliche Einwilligung zur Besitzung des Grunds, oder einen darüber gefertigten Erbzinsbrief oder Handveste vorzeigen könnte, auf des Grundherrn vorläufige Erinnerung in der von demselben hierzu anberaumten Zeit den Grund bei denen Grundbüchern auf sich einschreiben zu lassen verabsaumete, weder aus erheblichen Ursachen eine Erstreckung dieser Frist anbegehrete, noch seinen Saumsal mit rechtmäßigen Ehehaften

(3-238) entschuldigen könnte, ist der Grundherr befugt den Grund öffentlich feilzubieten und an den Meistbietenden zu verkaufen; der dafür erlöste Werth aber solle dem Erbzinsmann herausgegeben werden.

[3, 13, § 6] 73. Welches ingleichen bei erblichen Uebertragungen statt hat, wann der in dem Erbzinsgrund nachfolgende Erb auf vorhergehende grundherrliche Erinnerung in der gesetzten Zeit die Ausweisung seines Erbrechts bei denen Grundbüchern einzubringen unterließe; wo aber nach Ableben des Erbzinsmanns sich gar kein Erb in der zu Recht ausgemessenen Zeit hervorthäte, und andurch der Grund erblos würde, fallet solcher dem Grundherrn anheim.

[3, 13, § 6] 74. Achtens, durch vorsätzliche Nichteinhaltung in Abfuhr des Erb- oder Grundzinses, wann solcher auf Einmahnung des Grundherrn durch drei Jahre von dem Erbzinsmann nicht abgereichet worden; damit aber der Grund deshalben verwirket werde, ist erforderlich, daß der Grundherr jedes Jahr, folglich durch dreimal den ruckständigen Erb- oder Grundzins bei dem Erbzinsmann insonderheit eingemahnet und geforderet zu haben erweisen könne, und wann auf die dritte Erinnerung binnen denen nächsten vierzehen Tägen dessen Entrichtung nicht erfolget, den Grund verwirket und verfallen zu sein erkläre, wie auch diese seine Erklärung dem Erbzinsmann ordentlich bedeute.

[3, 13, § 6] 75. Würde aber der Erbzinsmann, noch ehe und bevor ihme diese Erklärung zugekommen, den schuldigen Erb- oder Grundzins vollständig abführen, oder seinen Saumsal mit rechtmäßigen Ehehaften, als wegen eines über die Eigenschaft der Erbzinsbarkeit oder sonst des Grunds halber mit dem Grundherrn unter dieser Zeit fürgewesten Stritts, oder wegen Kriegs- oder Pestzeiten, oder wegen Beklemmigkeit der Münze, in welcher der Zins zu entrichten ist, entschuldigen, oder daß der Grundherr unter dieser Zeit einen Theil des Zinses angenommen, oder auch die schon verwirkte oder erklärte Heimfälligkeit des Grund durch wiederholte Einforderung oder Annehmung des Erb- oder Grundzinses ihme nachgesehen habe, erweisen können, so ist sonach der Grundherr nicht mehr befugt, den Grund einzuziehen, außer der Erbzinsmann ließe sich neuerdings einen so beschaffenen Saumsal zu Schulden gehen.

[3, 13, § 6] 76. In allen diesen Fällen, wo der Grund verwirket wird, und dem Grundherrn anheimfallet, kann derselbe auf hiernach vorgeschriebene Art und Weis aus eigener Macht den Erbzinsmann hinausweisen.

[3, 13, § 6] 77. Doch solle er jedesmalen vor der wirklichen Hinausweisung derorten, wo es also eingeführet ist, ordentliche Grundrechten halten, von diesen den Grund für heimfällig mit Beiruckung der Ursache schriftlich erkläret, und diese Erklärung dem Erbzinsmann zustellen lassen.

[3, 13, § 6] 78. Deme aber stehet frei, wann er dagegen eine erhebliche Einwendung hätte, und von dem Grund widerrechtlich verdrungen worden zu sein vermeinete, entweder von der grundrechtlichen Erkanntnuß den Zug an den oberen Richter zu nehmen, oder wo die Besetzung deren Grundrechten nicht üblich ist, seine Klage wider den Grundherrn auf die Wiedereinraumung des Besitzes mit Erstattung aller indessen behobenen Früchten und Nutzungen, dann verursachten Schäden und Unkosten bei demjenigen Gerichtsstand anzubringen, worunter die Herrschaft oder das Gut, zu deme der Erbzinsgrund gehörig, gelegen ist.

[3, 13, § 6] 79. Wann jedoch der Erbzinsgrund dem Grundherrn aus was immer für Ursach anheimfallet, gehen auch alle in denen Grundbüchern darauf vorgemerkete Pfandsverschreibungen nach dem Betrag des Werths des Grunds auf denselben, und ist er verbunden, entweder die darauf versicherte Glaubigere zu befriedigen, oder den Grund durch die gewöhnliche Versteigerung erbzinslich veräußeren zu lassen; über den daraus erlösten Werth aber ist er denen Glaubigeren zu nichts weiter gehalten.

(3-239) [3, 13, § 6] 80. Dagegen gehet demselben all Jenes, was der Erbzinsmann zu Verbesserung des Grunds aufgewendet oder hineingestecket, zu Guten, und kann weder der Erbzinsmann, noch dessen Erben hieran eine Anforderung stellen; die Nutzungen aber, welche der Erbzinsmann bis zu dem Tag der erklärten Verwirkung oder Anheimfallung des Grunds daraus behoben, und etwan noch vorräthig sind, ist der Grundherr ihme und seinen Erben auszufolgen schuldig.

Zweiter Artikel

Von bloßen Zinscontracten

§. VII. Von Natur und Eigenschaft des Zinscontracts, und dessen verschiedenen Gattungen. §. VIII. Von Beschaffenheit des bedungenen oder verschriebenen Zinses. §. IX. Von Verbindlichkeit des Zinsmanns, und der dem Zinsherrn wider ihn gebührenden Rechtshilfe. §. X. Von Erlöschung des Zinsrechts. §. XI.Von Unterschied des Erneuerungscontracts von Zinscontracten

§. VII.

[3, 13, § 7] 81. Der Zinscontract ist eine gutwillige Vereinigung wegen Bezahlung eines gewissen jährlichen Zinses von Jemands eigenen Grund oder Gewerb. Hierdurch unterscheidet sich derselbe sowohl von Erbzins-, als von Mieth- Pacht- oder Bestandcontract; dann in Erbzinscontracten wird der Zins von einem fremden Grund, welcher erbzinslich überlassen worden, wie nicht weniger bei Mieth- Pacht- oder Bestandcontracten für den verstattetetn Gebrauch eines fremden Grus oder Gewerbs, bei Zinscontracten hingegen von eigenen Grund oder Gewerb bezahlet.

[3, 13, § 7] 82. Wann aber der Zins um ein gewisses dafür gegebenes Hauptgeld bestellet wird, so kommet dieser Contract mit dem Kaufen und Verkaufen fast in Allen überein, also daß solchen Falls nicht nur allein Derjenige, welcher für die empfangene Summe sich zu Bezahlung des Zinses verbunden, der Verkaufer des Zinses, und Jener, welcher solchen an sich gelöset, der Kaufer des Zinses genannt wird, folglich der Zins nicht anderst, als für eine angefeilte Waare anzusehen, sondern auch bei einer so beschaffenen Handlung all Jenes zu beobachten ist, was in neunten Capitel von Kaufen und Verkaufen geordnet worden.

[3, 13, § 7] 83. Die Zinsen heißen auch sonst Gülten, jährliche Renten, und sind ihrer Natur nach zweierlei, als entweder dingliche oder persönliche. Die dingliche werden


(3-240) auf einen fruchtbringenden Grund, als einem Gut, Acker, Weinberg, Wiesen oder Haus bestellet; die persönliche aber sind jene, zu deren Bezahlung Jemand bloß seine Person verstricket, ohne solche von einem Grund anzuweisen, und welche mit dessen Absterben aufhören, wann die Verbindung nicht ausdrücklich auch auf die Erben lautet.

[3, 13, § 7] 84. Es können aber einerlei Zinsen sowohl für dingliche, als für persönliche in verschiedener Betrachtung geachtet werden, wann nemlich bei Verschreibung dinglicher Zinsen nebst der Behaftung des Grunds auch die persönliche Verbindung hinzutritt, oder zur Sicherheit persönlicher Zinsen ein Grund zum Unterpfand oder Hypothek verschrieben wird.

[3, 13, § 7] 85. Die dingliche Zinsen werden auf zweierlei Art bestellet, als entweder durch Uebertragung des Zinsrechts, oder durch dessen Vorbehalt. Auf die erstere Art geschiehet es, wann von dem Eigenthümer eines Grunds Jemanden das Recht durch Verkauf, Schankung, oder in andere Wege zugeeignet wird, von diesem seinem Grund einen jährlichen Zins einzuheben, und durch Vorbehalt, wann der Veräußerer eines Grunds sich davon einen jährlichen Zins vorbehält.

[3, 13, § 7] 86. Beide sowohl dingliche, als persönliche Zinsen sind nach ihrer Dauer entweder zeitliche oder immerwährende. Die zeitliche gebühren entweder auf eine gewisse bestimmte Anzahl von Jahren, oder auf Lebzeiten des Verkaufers oder Kaufers, oder eines Dritten; diese letztere aber, welche auf Lebzeiten des Kaufers oder dessen, deme sie bedungen worden, oder auch eines Dritten lauten, heißen eigentlich Leibrenten, weilen sie mit dessen Person erlöschen.

[3, 13, § 7] 87. Die immerwährende Zinsen, welche ohne Bestimmung einer Zeit verschrieben oder bestellet werden, gehen auf die Erben, und wann sie dingliche sind, auf einen jedweden Besitzer des Grunds; diese sind entweder wiederkäufliche, oder unablösliche Zinsen. Für wiederkäufliche werden sie allezeit gehalten, wann das Beding der Unablöslichkeit nicht ausdrücklich beigefüget worden, und das dafür gegebene Kaufgeld sonst erweislich ist.

[3, 13, § 7] 88. Unablösliche Zinsen aber sind jene, wobei bedungen worden, daß solche zu keiner Zeit abgelöset werden mögen, oder welche auch in Ermanglung dieses ausdrücklichen Bedings von unfürdenklichen Zeiten fortan abgereichet worden, ohne eine jemals dafür bezahlte Kaufsumme darthun zu mögen.

[3, 13, § 7] 89. Das Ablösungs- oder Wiederkaufsrecht gebühret allemal dem Verkaufer des Zinses, oder jenem, der den Zins zu bezahlen schuldig ist, und dessen Erben, oder auch einem jedem nachfolgenden Besitzer des Grunds, worauf derlei wiederkäufliche Zinsen haften, nicht aber dem Kaufer oder Demjenigen, der den Zins einzuheben hat.

[3, 13, § 7] 90. Gegentheils ist dieser Letztere nicht einmal befugt durch ein Beding auch auf dem Fall, da der Zinsmann in Abfuhr des Zinses säumig wäre, sich die Zuruckforderung des bezahlten Kaufgelds vorzubehalten, sondern ein solches Beding solle für unkräftig, null und nichtig, und daferne an Zinsen ein Mehreres über den sonst von einer dargeliehenen Summe zu nehmen erlaubten Betrag bedungen worden, für wucherlich geachtet werden.

[3, 13, § 7] 91. Es wäre dann, daß der Verkaufer den Zins auf einen fremden Grund bestellet hätte, welcher nachhero dem Eigenthümer zuerkannt würde, oder sonst sein an dem Grund gehabtes Recht, und mit diesem auch das darauf bestellte Zinsrecht erlöschete, oder bei persönlichen Zinsen sich dessen Unvermögenheit zu deren weiterer Bezahlung ergäbe, als da er zahlflüchtig würde.

[3, 13, § 7] 92. In welchen Fällen dem Kaufer des Zinses unbenommen ist, auch ohne allem vorgängigen Beding die dafür gegebene Summe zuruckzuforderen, und sich an dem anderweiten Vermögen des Verkaufers zu erholen, oder sich des ihme allenfalls zur Versicherung persönlicher Zinsen verschriebenen Unterpfands, oder gestellten Bürgens zu halten.

(3-241) §. VIII.

[3, 13, § 8] 93. Die dingliche oder Grundzinsen können nur auf unbeweglichen Gütern mittelst landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Einverleibung dergestalten bestellet werden, daß zugleich der Grund, worauf sie angewiesen worden, zum Unterpfand oder Hypothek verschrieben werden müsse, in dessen Ermanglung solche den Grund nicht behaften, noch über die persönliche Verbindlichkeit des Zinsmanns ein Mehreres bewirken.

[3, 13, § 8] 94. Die persönliche Zinsen hingegen können auch wegen beweglicher Sachen, oder wegen eines Gewerbs, oder wegen sonstiger Ursache bestellet werden. Sie bekommen aber die Wirkung dinglicher Zinsen, wann sie auf einem Grund landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret worden, obschon dieselbe insoweit die Natur persönlicher Zinsen behalten, daß auch die Person des Zinsmanns zu deren Entrichtung verbunden bleibe.

[3, 13, § 8] 95. Die Zinsen werden entweder in gewissen Gattungen von Früchten, oder in Geld bestellet; erstere heißen Getreid-, Korn- oder Sackzinsen, letztere aber Pfenning- oder Geldzinsen. Beide jedoch müssen in derjenigen Gattung und Gestalt abgeführet werden, welche Anfangs beliebet worden, ohne daß es in der Willkür des Zinsmanns stehe, etwas Anderes dafür zu geben, als Geld für Getreid, oder dagegen Getreid für Geld, wann es gleich in Werth einerlei wäre.

[3, 13, § 8] 96. Bei dem Betrag deren ablöslichen Zinsen solle auch allemal darauf gesehen werden, ob solche um eine dafür gegebene Summe erkaufet, oder ohne Beding eines Kaufgelds aus irgend einer anderen Ursache bestellet worden. Ersteren Falls darf deren Betrag, bei Strafe wucherlicher Handlungen, die sonst nach diesem Unseren Gesatz von einem Darlehen zu nehmen erlaubte Zinsen in Verhältnuß auf die dafür bezahlte Summe nicht übersteigen, sie mögen in Geld oder Früchten bestehen.

[3, 13, § 8] 97. Dann auch bei erkauften Fruchtzinsen muß eben dasselbe Verhältniß beobachtet werden, daß nemlich deren Werth, wie solcher zur Zeit des Contracts in dem marktgängigen Preis ware, den Betrag deren rechtmäßigen Darlehenszinsen nicht übertreffe, wo in Widrigen die Handlung für wucherlich zu achten ist.

[3, 13, § 8] 98. Außer es wäre ein noch ungewisser Theil deren erfechsenden Früchten, als z. B. das Drittel, Viertel oder Fünftel und dergleichen zum Zins bedungen worden, in welchem Fall wegen der Ungewissheit des künftigen Betrags das Verhältniß mit denen erlaubten Darlehenszinsen nicht erforderet wird, wann nur auch in denen Mitteljahren der Betrag eines solchen Fruchtzinses gegen der dafür gegebenen Kaufsumme nach sonst zur Zeit des Contracts gewöhnlicher Ertragnuß des Grunds nicht allzu übermäßig, oder sonst kein Wucher darunter verstecket ist.

[3, 13, § 8] 99. Woferne aber für die Zinsen kein Kaufgeld gegeben, sondern solche aus anderen Ursachen bestellet, oder auch unablöslich gemacht worden, so stehet es zwar bei denen Contrahenten deren Betrag nach eigener Willkür zu bestimmen, doch solle sich dabei aller wucherlichen Absichten um so gewisser enthalten werden, als in Widrigen, und da andurch ein Wucher bemäntlet worden wäre, mit denen darauf ausgesetzten Strafen unnachsichtlich zu verfahren ist.

§. IX.

[3, 13, § 9] 100. Einen Zins kann Jedermann bestellen, der seine Person zu verbinden, oder sein Vermögen zu behaften fähig ist, und wird jener, welcher den Zins zu bezahlen schuldig ist, der Zinsmann, der aber solchen einzunehmen berechtiget ist, der Zinsherr benamset.

[3, 13, § 9] 101. Dieser Contract ist seiner Natur nach nur einbündig, woraus allein der Zinsmann zu Bezahlung des jährlichen Zinses entweder zu bestimmter Abfuhrszeit, oder da keine ausgesetzet worden wäre, zu Ende jeden Jahrs, oder da der

(3-242) Zins auf Vierteljahre oder Monate eingetheilet wäre, zu Ende eines jeden Vierteljahrs oder Monats verbunden wird.

[3, 13, § 9] 102. Aus dieser Verbindlichkeit erwachset gegentheils dem Zinsherrn das Zinsrecht, und die hieraus entstehende Rechtsforderung wider den Zinsmann zu Abreichung des Zinses, und zu Leistung alles dessen, was ihme aus dem Zinscontract gebühret.

[3, 13, § 9] 103. Dieser Rechtsforderung aber bedarf der Zinsherr nur bei persönlichen Zinsen, welche auf keinem Grund mit einer besonderen Hypothek versicheret worden; dann bei dinglichen oder auch jenen persönlichen Zinsen, welche auf einem Grund landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben sind, kann er sich, wann der Zinsmann in Abfuhr des Zinses saumig ist, ohneweiters des ihme verschriebenen Grunds mittelst der gerichtlichen Execution halten.

[3, 13, § 9] 104. Und hat solchen Falls der Zinsherr nicht nöthig den Ursprung, woher sein Zinsrecht rühre, zu erweisen, sondern er thut an deme genug, wann von ihme dargezeiget werden kann, daß er sich in dem Besitz dieses Rechts befinde.

[3, 13, § 9] 105. Der Beklagte muß dahero, wann er sich von dieser Schuldigkeit entledigen will, den Grund von dem anforderenden Zinsrecht frei zu sein entweder einwendungsweise, wann er belanget wird, oder durch die eigends anzustrengen habende Verneinungsklage, welche in der Abhandlung von Dienstbarkeiten mit Mehreren erkläret worden, rechtsgenüglich erproben.

§. X.

[3, 13, § 10] 106. Das Zinsrecht höret auf, erstens, bei dinglichen Zinsen mit zufälligen Untergang des ganzen Grunds, worauf sie haften; wo aber noch ein Theil davon übrig bleibet, währet auch das Zinsrecht ohne einigen Abbruch deren Zinsen immer fort.

[3, 13, § 10] 107. Zweitens, bei persönlichen Zinsen mit Absterben der Person, welche darzu verbunden ware, obschon solche auf einem Grund landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret wären, wann die Verbindlichkeit nicht namentlich auf die Erben mit erstrecket, oder nicht etwan außer der Sicherheit auch die entweder auf allzeit, oder bis zur Ablösung lautende Behaftung des Grunds mitbedungen, und dergestalten denen persönlichen zugleich die Eigenschaft dinglicher Zinsen beigeleget worden.

[3, 13, § 10] 108. Drittens, mit Verlauf der Zeit, auf welche die Zinsen bedungen worden, oder mit Ausgang der Bedingnuß, unter der sich der Zinsmann nach Gestalt der genommenen Abrede verbunden hat.

[3, 13, § 10] 109. Viertens, durch rechtliche Verjährung, wann der Zinsmann auf Einmahnung des Zinsherrn den Zins zu bezahlen verweigeret, und dieser durch die in zweiten Theil ausgesetzte Zeit hierbei beruhet und schweiget.

[3, 13, § 10] 110. Fünftens, mit Absterben derjenigen Person, auf deren Lebzeiten die Schuldigkeit der Verzinsung beschränket ware. Also erlöschen die Leibrenten mit dem Tod dessen, auf wessen Namen sie gelautet haben, obgleich Jener, der die Summe auf einem fremden Namen dafür eingeleget, noch am Leben wäre.

[3, 13, § 10] 111. Sechstens, mit willkürlicher Erlassung dieser Verbindlichkeit, oder auch mit Ablösung deren Zinsen, wann sie wiederkäuflich sind, wofür solche allemal in dem oben §. VII, num. 87 bis 92 erklärten Verstand angesehen werden sollen, wann die dafür gegebene Summe erweislich ist, oder die Unablöslichkeit nicht ausdrücklich bedungen worden.

[3, 13, § 10] 112. Wegen nicht bezahlter Zinsen aber wird ein Zinsgrund nicht verwirket, sondern der Zinsherr hat nur allein die Befugnuß die ruckständige Zinsen nach Inhalt der Verschreibung mittelst ansuchender Gerichtshilfe einzutreiben.

[3, 13, § 10] 113. Da jedoch wegen Länge der Zeit, oder auch aus Dunkelheit der Verschreibung ein Zweifel vorfiele, ob der Grund, wovon die Zinsen entrichtet werden,

(3-243) nur blos für zinsbar, oder aber für erbzinslich zu halten seie, so ist allemal darauf zu sehen, ob der Grund, wovon die Zinsen gebühren, unter der Gerichtsbarkeit des Zinsherrn gelegen, und in seinen eigenen Grundbüchern eingetragen seie, oder ob solcher in der Landtafel, Stadt- oder fremden, und nicht des Zinsherrn eigenen Grundbüchern inliege.

[3, 13, § 10] 114. Ersteren Falls ist der Grund für erbzinslich zu achten, und kann der Zinsherr, wann er zugleich Grundherr ist, wegen verweigerter Zinsabfuhr nach Maß dessen, was von erbzinslichen Gründen in vorigen Artikel, §. VI, in dem 74. und folgenden num. geordnet worden, den Grund zu seinen Handen einziehen und behalten, woferne von dem Zinsmann die widrige Eigenschaft des Grunds nicht erwiesen wird; letzteren Falls aber solle der Grund lediglich für zinsbar angesehen, und in keinerlei Wege zu Handen des Zinsherrn verwirket werden können.

§. XI.

[3, 13, § 11] 115. Mit denen Zinscontracten kommet der Erneuerungscontract einiger Maßen überein, wodurch Jemanden ein liegendes Gut mit dem Beding kauflich überlassen wird, daß er dafür alljährlich einen mäßigen Zins bezahle, und den Contract zu gesetzten Zeiten anwiederum mit Entrichtung eines bestimmten Kaufgelds jedes Malen erneuere.

[3, 13, § 11] 116. Dieser Contract gereichet insgemein dem Kaufer zum Vortheil, als deme zu Guten, wann er mit der ganzen Kaufsumme auf einmal nicht aufkommen kann, ein derlei Beding beigesetzet zu werden pfleget, wodurch ihme hinreichende Zahlungsfristen eingestanden werden.

[3, 13, § 11] 117. Es solle aber ein solcher Contract anderer Gestalt nicht zulässig sein, als wann einerseits alle bedungene Zahlungsfristen zusammen gerechnet mit Einbegriff dessen, was schon vorhero hierauf erleget worden, die Hälfte des rechten Werths, und andererseits die jährlich abzuführen habende Zinsen in Verhältniß gegen der noch ruckständigen Kaufsumme den erlaubten Betrag nicht übersteigen.

[3, 13, § 11] 118. Wo im Widrigen, und da eine Verkürzung über die Hälfte des rechten Werths dabei unterwaltete, dem Kaufer die daher entstehende Klage unbenommen ist. Daferne aber die jährliche Zinsen den erlaubten Betrag übertreffen, so solle eine solche Handlung nicht anderst, als für wucherlich geachtet werden.

[3, 13, § 11] 119. Ansonsten ist der Kaufer alles das in Erfüllung zu bringen schuldig, worzu er sich in diesem Contract verbunden hat; dahingegen, wann er in Abführung deren Zinsen oder Fristgeldern zuruckbliebe, wird der Grund derowegen nicht verwirket, woferne dessen Heimfälligkeit nicht ausdrücklich bedungen worden.

[3, 13, § 11] 120. Welche jedoch nicht anderst gestattet wird, als daß der Verkaufer gegen Zurucknehmung des Grunds alles das, was er an Kaufgeld empfangen, wieder herauszahle, und also beiderseits eine vollkommene Wiedererstattung erfolge, wie solches in neunten Capitel, §. XX, erkläret worden.

[3, 13, § 11] 121. Von fast gleicher Beschaffenheit ist jene Handlung, wo Gemeinden, oder derlei Besitzere, die niemalen absterben, mit Unserer landesfürstlichen Einwilligung grund- oder stadtbücherliche Gründe unwiderruflich an sich bringen, in welchen Fällen denen Grundherrn und Magistraten erlaubet ist, wegen deren ihnen andurch entgehenden Veränderungsgebühren entweder zu gewissen gesetzten Zeiten die jedesmalige Erneuerung des grund- oder stadtbücherlichen Besitzrechts gegen

(3-244) Bezahlung der ausgemessenen Gebühr auszubedingen oder gegen Annehmung einer angebotenen Pauschsumme diese Erneuerungsschuldigkeit für allzeit zu erlassen; daferne jedoch keine gewisse Zeit zur Erneuerung bedungen worden wäre, solle der Besitzer solche alle zehen Jahre anzusuchen schuldig sein.

[3, 13, § 11] 122. Wo aber die Erneuerung der stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung in der bestimmten Zeit nicht angesuchet würde, ist zwar dem Grundherrn oder Magistrat nicht gestattet den Grund deshalben einzuziehen; sie haben aber die Macht, wann die vorläufige Ermahnung nicht fruchtete, den Grund in gerichtlichen Beschlag zu nehmen, und sich aus denen einhebenden Nutzungen bezahlt zu machen.

Caput XIV.

Von Gesellschaftscontract.

Inhalt:

§. I. Von Natur, Wesenheit und Verschiedenheit des Gesellschaftscontracts. §. II. Von Art und Weis einen Gesellschaftscontract zu errichten. §. III. Von Dingen, worüber eine Gesellschaft eingegangen werden könne. §. IV. Von gemeinschaftlichen Beitrag in die Gesellschaft. §. V. Von Theilung des Gewinns und Verlusts. §. VI. Von Verbindlichkeit deren Gesellschafteren gegen einander, und der daraus Einem wider den Anderen gebührenden Rechtsforderung. §. VII. Von der denen Gesellschafteren zu statten kommenden Rechtswohlthat. §. VIII. Von Haftung für Schuld und Gefährde. §. IX. Von denen aus Handlungen mit Anderen denen Gesellschafteren zugehenden Rechten und Verbindungen. §. X. Von Aufhebung und Erlöschung des Gesellschaftscontracts.

§. I.

[3, 14, § 1] 1. Der Gesellschaftscontract wird auch anderst Mascopey genannt, und ist eine gutwillige Vereinigung von Zweien oder Mehreren ihr Geld, Waare und Güter, oder auch Mühe und Arbeit auf gemeinen Gewinn und Verlust zusammen zu tragen.

(3-245) [3, 14, § 1] 2. Dieser Contract kommt nicht weniger, als andere Consensualhandlungen durch bloße Einwilligung deren Contrahenten zu Stande, und wird durch wirkliche Leistung des verwilligten Beitrags vollbracht, dieser bestehe gleich in Geld oder Gut, oder aber in Anwendung persönlicher Mühe und Arbeit zu Beförderung des gemeinschaftlichen Besten.

[3, 14, § 1] 3. Die Wesenheit dieses Contracts erforderet demnach erstens, die Einwilligung deren Contrahenten in die Gesellschaft, zweitens, den gemeinschaftlichen Beitrag Gelds, Guts, oder der Mühe und Arbeit, drittens, die Vertheilung des Gewinns.

[3, 14, § 1] 4. Die erste Erfordernuß unterscheidet diesen Contract von der Gemeinschaft eines Guts, welche insgemein aus dessen gemeinschaftlicher Erwerbung entspringet, als da eine Sache von Zweien erkaufet, oder Zweien vermachet oder geschenket würde, wie solche unten in neunzehenten Capitel, §. IV, beschrieben werden wird.

[3, 14, § 1] 5. Die Zweite machet den wesentlichen Unterschied des Gesellschaftscontract von einer Schankung, dann wo der Beitrag nur von einem Theil geschähe, von dem anderen hingegen weder Geld noch Gut, weder Mühe und Arbeit beigetragen würde, ist es keine Gesellschaft, sondern eine Schankung.

[3, 14, § 1] 6. Endlich ist die dritte Erfordernuß von solcher Nothwendigkeit, daß wo bei Gemeinschaft deren Gütern die Absicht auf gemeinen Gewinn ermanglet, ein solches Geschäft zwar für eine aus anderen Endzweck eingegangene Gemeinschaft, niemalen aber für einen Gesellschaftscontract anzusehen seie.

[3, 14, § 1] 7. Doch ist dabei nicht nöthig, daß allemal auch der Verlust zwischen denen Theilhaberen gemein seie, und mit denen bestimmten Theilen des Gewinns ein gleiches Verhältnuß habe, sondern es kann hieran mehr oder weniger nach Maß der getroffenen Verabredung auf die Theilhabere ausgewiesen, und sogar der ganze Verlust von Einem allein übernommen, der Andere aber davon völlig enthoben werden, wie es unten §. V mit Mehreren erkläret wird.

[3, 14, § 1] 8. Es sind dahero zweierlei Gattungen der Gesellschaft, als die zufällige und bedungene. Erstere entstehet vorbemelter Maßen ohne besonderer Einwilligung in eine Gesellschaft aus gemeinschaftlicher Erwerbung eines Guts, und ist die Folge und Wirkung der schon vorhero bestehenden Gemeinschaft eines Guts oder Erbschaft, weswegen solche unter die denen Contracten gleichkommende Handlungen gezählet wird.

[3, 14, § 1] 9. Letztere hingegen kommt nur durch ausdrückliche Einwilligung deren Contrahenten in eine Gesellschaft zu Stande, und wirket die Gemeinschaft deren Gütern, welche in Folge dieser Vereinigung in die Gesellschaft beigetragen, und darinnen erworben werden.

[3, 14, § 1] 10. Diese bedungene Gesellschaft, in welcher die Theilhabere nicht durch zufällige Gemeinschaft einer Sache, sondern durch ihre allseitige Einwilligung vereiniget werden, ist ein wahrer Contract, und wird entweder nur über einerlei Sache, und über ein gewisses Gewerb, oder über mehrere Sachen und Gewerbe eingegangen.

[3, 14, § 1] 11. Sie möge aber auf eine oder die andere Art geschlossen werden, so solle jedoch niemalen unter dem Beitrag an Geld oder Gut ein Mehreres verstanden werden, noch die Verbindlichkeit des Beitrags sich auf etwas Anderes erstrecken können, als was in die Gesellschaft beizutragen ausdrücklich verabredet worden.

[3, 14, § 1] 12. Wie dann auch die Gemeinschaft des Gewinns zwischen denen Theilhaberen nur in jenem bestehet, was mit dem in die Gesellschaft beigetragenen Geld oder Gut, oder durch das gemeinschaftlich angestellte Gewerb erworben worden, nicht aber auch in deme, was sonst in andere Wege, und nicht durch die Gesellschaft einem oder dem anderen Theilhaber zugegangen ist, als da ihme eine Erbschaft zugefallen wäre, oder er sonst aus einem für sich besonders treibenden Gewerb etwas gewonnen hätte.

(3-246) [3, 14, § 1] 13. Dahingegen sollen die allgemeinen Gesellschaften über das gesammte sowohl wirklich schon besitzende, als künftig aus was immer für Ursachen erwerbende oder ererbende Hab und Vermögen gänzlich eingestellet und unkräftig sein, außer insoweit solche nur unter Eheleuten in dem ersten Theil, in fünften Capitel von Ehebindnussen bei der Abhandlung von ehegattlichen Vermögen nach denen alldort festgesetzten Maßregeln zugelassen werden.

§. II.

[3, 14, § 2] 14. Der Gesellschaftscontract kann von Jedermann eingegangen werden, der sich zu verbinden fähig ist, und die freie Verwaltung seines Vermögens hat. Doch kann Niemand einen Dritten ohne von ihme hierzu habender ausdrücklichen Gewalt und Vollmacht zur Gesellschaft verbinden, wann es gleich sein Notherbe wäre, sondern die Verbindlichkeit eines Gesellschafters ist von seiner Person dergestalten unzertrennlich, daß weder der Gesellschafter des einen Theilhabers sofort auch der Gesellschafter des anderen sein könne, solange nicht zugleich von ihme in dessen Aufnahme eingewilliget worden.

[3, 14, § 2] 15. Die Einwilligung in einen Gesellschaftscontract kann entweder ausdrücklich oder stillschweigend geschehen. Zu dieser letzteren aber wird erforderet, daß schon die Gemeinschaft eines Guts oder Erbschaft, als die ohnfehlbare Richtschnur der Vertheilung des Gewinns und Verlusts vorhergehe; als da Zweie in der Gemeinschaft einer zusammen erkauften Sache, oder mehrere Erben in dem ungetheilten Besitz einer ihnen zugefallenen Erbschaft in Absicht auf gemeinen Gewinn und Verlust verbleiben.

[3, 14, § 2] 16. Welchen Falls die Richtschnur der Vertheilung des Gewinns und Verlusts nach Maß desjenigen Antheils zu nehmen ist, der bei Theilung eines gemeinschaftlich besessenen Guts oder Erbschaft auf deren Jeden ausfallet, und also auch ein wahrer Gesellschaftscontract unter ihnen bestehen kann.

[3, 14, § 2] 17. Wo aber diese Richtschnur ermanglet, und der von Einem und dem Anderen geleistete Beitrag nicht erweislich ist, da kann auch keine stillschweigende Einwilligung in eine Gesellschaft gefolgeret werden, wann gleich noch so starke Anzeichen zu einer Gesellschaft vorhanden wären.

[3, 14, § 2] 18. Also obgleich eine Sache auf Zweier Namen erkaufet, oder die Handlungsbücher oder Waaren, und Kaufmannsgüter mit Beider Namen bezeichnet, oder einerlei Handlungsvorgesetzter in Beider Namen bestellet, oder auch sogar der beiderseitige Gewinn unter einander vertheilet worden wäre, ist es jedennoch keine Gesellschaft, wann nicht der gemeinschaftliche Beitrag in Absicht auf gemeinsamen Gewinn dargethan werden mag.

(3-247) [3, 14, § 2] 19. Ein Gesellschaftscontract kann auf Lebzeiten deren Theilhaberen, oder mit Bestimmung einer gewissen Zeit, als entweder, wann die Gesellschaft ihren Anfang zu nehmen, oder wie lange dieselbe fürzuwähren habe, geschlossen werden. Dieses Beding wirket so vieles, daß vor Verlauf dieser Zeit Keiner wider Willen des Anderen ohne hierzu habender rechtmäßigen Ursach aus der Gesellschaft austreten könne.

[3, 14, § 2] 20. Und obwohlen die Erben zu Fortsetzung der Gesellschaft wider ihren Willen nicht verbunden werden mögen, so ist doch das Beding allerdings giltig, daß der überlebende Theilhaber die Erben des Verstorbenen, wann sie wollen, bis zum Ablauf deren bestimmten Jahren in der Gesellschaft zu behalten, und ihnen den zukommenden Antheil des Gewinns herauszugeben schuldig sein solle.

[3, 14, § 2] 21. Nicht weniger kann ein Gesellschaftscontract, wie alle andere Handlungen, entweder ohnbedingt, oder mit beigefügter verschiebenden oder auflösenden Bedingnuß getroffen werden, obgleich deren Ausgang noch so ungewiß ist. Wo aber deren Erfolg ungezweiflet wäre, hat es damit eben diese Bewandtnuß, wie gleich vorhero von Beiruckung einer bestimmten Zeit gemeldet worden.

[3, 14, § 2] 22. Es sind auch alle erlaubte Bedinge bei diesem Contract zulässig, welche entweder die Art und Weis des gemeinschaftlichen Beitrags, oder der Vertheilung des Gewinns und Verlusts, oder der Verwaltung deren gemeinsamen Geschäften, oder endlich auch die Festhaltung des Contracts betreffen, wann solche nur mit der Wesenheit des Contracts vereinbarlich sind, und das etwan auf den Fall des Abstands von dem Contract bedungene Strafgeld den achten Theil des versprochenen oder geleisteten Beitrags nicht übersteiget.

§. III.

[3, 14, § 3] 23. Gesellschaften werden über alle handelbare Dinge und erlaubte Gewerbe oder Geschäften dergestalten getroffen, daß entweder von beiden Seiten Geld und Gut, oder aber nur von einem Theil Geld und Gut, und von dem anderen seine Arbeit und Mühewaltung, oder auch von beiden Theilen sowohl Gut, als Mühe und Arbeit beigetragen werden.

[3, 14, § 3] 24. Ueber unerlaubte Dinge hingegen kann nicht nur keine Gesellschaft bestehen, sondern es darf auch kein Gesellschafter Dasjenige, was er auf unrechtmäßige Weise, obschon mit gemeinschaftlichen Gut erworben, in die Gesellschaft einbringen oder in die Theilung legen.

[3, 14, § 3] 25. Wo aber jedennoch ein unrechtmäßiges Gut eingeleget würde, wird es zwar zwischen allen Theilhaberen gemein, doch bleibet dem Eigenthümer das Recht allemal vorbehalten sein Gut, oder, da es schon verthan wäre, den Werth dafür zu forderen, welcher sammt der allenfalls verwirkten Geldstrafe, wann die Unrechtmäßigkeit des in die Gesellschaft eingelegten Guts denen übrigen Theilhaberen bekannt war, auch von allen, ansonst aber diese letztere nur von dem Antheil des Einlegenden erstattet werden solle.

§. IV.

[3, 14, § 4] 26. Zu was für einem Beitrag ein Gesellschafter sich in dem Gesellschaftscontract verbunden, es sei an Geld und Gut, oder an Mühe und Arbeit, solchen ist er auch wirklich einzubringen und zu leisten schuldig, und bleibet die Wesenheit des Contracts einerlei, die Einlage möge zwischen denen Gesellschafteren gleich oder ungleich sein. Es wird aber darzu erforderet:

[3, 14, § 4] 27. Erstens, daß dieser Beitrag von allen Theilhaberen geschehe, dann wo Jemand ohne allem Beitrag in die Gesellschaft aufgenommen, und zur Theilnehmung an den Gewinn zugelassen würde, ist eine solche Handlung vorerwähntermaßen eine Schankung, und kein Gesellschaftscontract.

[3, 14, § 4] 28. Zweitens, daß dabei der gemeinsame Gewinn zum Endzweck der Handlung

(3-248) genommen werde, außerdeme entstehet zwar aus dem in einer anderen Absicht, als wegen gemeinsamen Gewinns leistenden Beitrag eine Gemeinschaft des zusammengelegten Guts, nicht aber auch eine Gesellschaft.

[3, 14, § 4] 29. Drittens, daß die bedungene Einlage wirklich geleistet, und in die Gesellschaft eingebracht werde, es seie von beiden Theilen an Geld oder Gut, und Mühe und Arbeit zugleich, oder nur von einem Theil an Geld oder Gut, und von dem anderen an Mühe und Arbeit allein.

[3, 14, § 4] 30. Diese Einlage kann auf zweierlei Art geschehen; dann entweder wird Geld oder Gut nur zur gemeinschaftlichen Benutzung oder Gebrauch mit Vorbehalt des Eigenthums beigetragen, oder es wird auch das Eigenthum des eingelegten Guts zwischen allen Gesellschafteren gemein gemacht.

[3, 14, § 4] 31. Welches letztere jedoch bei liegenden Gütern, und denen darauf haftenden Rechten und Forderungen nicht anderst, als durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung des mit denen darzu gehörigen Erfordernussen versehenen Gesellschaftscontracts, und bei ausständigen Schulden nur mittelst ordentlicher Abtretung oder Anweisung bewirket werden kann.

[3, 14, § 4] 32. Ersteren Falls, wo der Einlegende sich das Eigenthum des in die Gesellschaft eingebrachten Guts vorbehält, nimmt derselbe bei Endigung der Gesellschaft das Eingelegte zuvor heraus, und nur der damit erworbene Gewinn wird in die Theilung geleget. Er hat aber auch die Gefahr des durch Zufall in Verlust gehenden Guts allein zu tragen, woferne solche von denen übrigen Gesellschafteren zum Theil nicht mit übernommen worden.

[3, 14, § 4] 33. Letzteren Falls hingegen, wo das eingebrachte Gut unter allen Theilhaberen gemein gemacht worden, wird deren jeder sowohl des Hauptguts, als des Gewinns nach Maß des ihme laut der genommenen Abrede zufallenden Antheils theilhaftig, und, da es durch Zufall zu Grunde gienge, hat auch deren jeder den Schaden nach seinem Antheil zu büßen.

[3, 14, § 4] 34. Ob aber der Beitrag auf eine, oder die andere Art geschehen, ist aus dem Inhalt des Contracts zu entnehmen. Da jedoch dieser nichts deutlich besagete, solle auf die Gestalt und Beschaffenheit der Handlung gesehen werden, ob nemlich von einem Theil Geld und Gut, und von dem anderen nur seine Mühe und Arbeit, oder ob von beiden Theilen Geld oder Gut beigetragen worden?

[3, 14, § 4] 35. Wo der Beitrag einerseits an Geld oder Gut, und andererseits nur in Mühe und Arbeit bestünde, bleibet das Eigenthum des eingelegten Gelds oder Guts dem Einlegenden allemal vorbehalten, wann in dem Gesellschaftscontract nichts Anderes ausgemacht worden, und hat dahero der Andere, welcher blos seine Mühe und Arbeit angewendet, an dem Hauptgut keinen Anspruch, sondern dieses gebühret dem Einlegenden zum voraus, und kommt nur der daraus verschaffte Gewinn in die Theilung.

[3, 14, § 4] 36. Also da Einer dem Anderen auf gemeinen Gewinn ein Feld zu bestellen, oder eine Sache in dem gesetzten Werth zum Verkauf geben würde, bleibet dem Gebenden das Eigenthum des Felds oder der Betrag des gesetzten Werths der Sache allzeit bevor, und ist derselbe lediglich die Fechsung, oder den über den Werth erlösten Gewinn mit dem Anderen zu theilen schuldig.

[3, 14, § 4] 37. Dahingegen, wo von beiden Seiten Geld und Gut in die Gesellschaft eingebracht worden, ist bei vorfallenden Zweifel insgemein die Handlung in dem Verstand zu nehmen, daß auch das Eigenthum des von einem Jeden eingelegten Guts oder Gelds unter allen Theilhaberen gemein gemacht worden.

[3, 14, § 4] 38. Wannenhero auch bei Zertrennung der Gesellschaft deren Keiner hieran etwas zum voraus hat, sondern sowohl das Eingebrachte, als Gewonnene ist unter Alle entweder nach Maß der Einlage, oder nach der genommenen Abrede zu vertheilen, wie nicht minder die Einbuß in eben dieser Maß von Allen zu tragen.

[3, 14, § 4] 39. Also da von einem Gesellschafter 2000 fl. und von dem anderen 1000 fl.

(3-249) eingeleget, bei Ende der Gesellschaft aber nur 2400 fl. erübriget würden, kann der Erstere, wann er es sich nicht ausdrücklich ausbedungen hat, die von ihme eingelegte 2000 fl. zum voraus nicht herausnehmen, sondern ein Jeder hat die Einbuße nach Maß der Einlage zu leiden, und zwar der Erstere mit zwei Dritteln oder 400 fl., der Andere aber mit einem Drittel oder 200 fl., wo mithin auf den Theil des Ersten nur 1600 fl. und auf den Anderen 800 fl. ausfallen.

[3, 14, § 4] 40. Hiervon ist jedoch der Fall auszunehmen, wann aus der Absicht deren Contrahenten das Widerspiel geschlossen werden mag, als da von Mehreren Sachen zum Verkauf zusammengetragen werden, wie z. B. wann Jemand sein Pferd hergäbe um es mit des Anderen seinen Rossen zu verkaufen, und ihme den dafür erlösten Werth herauszuzahlen. In diesem Fall bleibet einem Jeden das Eigenthum seiner zum Verkauf hergegebenen Sache, und da solche aus Zufall in Verlust gienge, kann er keinen Theil des Ersatzes von dem Anderen forderen.

§. V.

[3, 14, § 5] 41. Was nun mit der gemeinschaftlichen Einlage in einer Gesellschaft erworben worden, wird unter allen Gesellschafteren gemein. Gleichwie aber sie insgesammt des Gewinns theilhaftig werden, also haben sie auch den Verlust zu leiden, wann von der Einlage wenig oder nichts herauskommet, oder gar der Schaden sich noch über die Einlage erstrecket.

[3, 14, § 5] 42. Unter dem Gewinn wird all Jenes verstanden, was nach Abzug aller Schäden und Unkosten über die Einlage erübriget wird, wie dagegen ein Verlust sich nur damals ergiebt, wann mit Einbegriff alles Erworbenen von der Einlage nicht so vieles herausfallet, als in die Gesellschaft beigetragen worden.

[3, 14, § 5] 43. Es muß dahero, um den Gewinn und Verlust verläßlich zu wissen, auf einer Seite Alles, was in die Gesellschaft eingeleget, und darinnen erworben worden, mit allen ausständigen richtigen Forderungen und auf der anderen Seite aller Aufwand und Verlust, mit denen Schulden der Gesellschaft in eine Summe zusammgerechnet, beide Summen gegeneinander gehalten, und die mindere von der größeren abgezogen werden, woraus sich sofort der Gewinn oder Verlust zeigen wird, also zwar, daß, was nach Abzug des Schuldenstands den Betrag der Einlage übersteiget, für den Gewinn, und was in Gegentheil nach Abzug des Vermögenstands der Einlage abgehet, für den Verlust zu halten seie.

[3, 14, § 5] 44. In dem Vermögenstand (!) der Gesellschaft ist nebst der Einlage Alles einzuziehen, was durch das gemeinsame Gewerb, oder wegen der Sache, worüber die Gesellschaft bestehet, erworben worden, nicht aber auch Dasjenige, was ein oder anderer Theilhaber, obschon aus Gelegenheit der Gesellschaft, jedoch nicht unmittelbar durch dieselbe für sich gewonnen hat, als da derselbe von Jemanden für einen ihme obschon in Betreibung des gemeinschaftlichen Gewerbs ohne Nachtheil des gesellschaftlichen Nutzens erwiesenen Dienst eine Verehrung oder Vermächtnuß für sich erhielte, oder zum Erben eingesetzet würde.

[3, 14, § 5] 45. Wann nur dabei von ihme das gemeinschaftliche Beste zu Beförderung seines eigenen Nutzens nicht bei Seiten gesetzet worden, maßen er ansonst so vieles, als der Gesellschaft andurch erweislich entgangen, von seinem Gewinn in dieselbe einzuwerfen schuldig ist, als da er in Rucksicht einer Verehrung die gemeinschaftliche Waaren wohlfeiler, als er sie sonst hätte ausbringen können, hintangelassen hätte.

[3, 14, § 5] 46. Desgleichen sind unter den Schuldenstand der Gesellschaft nebst deme, was dieselbe hinauszuzahlen hat, nur diejenige Schäden zu rechnen, welche ohne Schuld des Gesellschafters entweder an dem gemeinschaftlichen Gut, oder auch an des Gesellschafters eigenen Sachen, jedoch aus nothwendigen Zusammenhang mit denen gesellschaftlichen Geschäften verursachet worden.

[3, 14, § 5] 47. Jene Schäden hingegen können der Gesellschaft nicht angerechnet werden,

(3-250) welche aus Schuld des Gesellschafters an dem gemeinschaftlichen Gut, oder auch an des Gesellschafters eigenen Sachen außer dem nothwendigen Zusammenhang mit dem gemeinsamen Gewerb, wiewohlen solches Gelegenheit darzu gegeben hätte, entstehen, als da ein Gesellschafter wegen Besorgnuß gemeinschaftlicher Geschäften seine eigene vernachlässiget, oder einer ihme zugedachten Erbschaft oder Vermächtniß, oder sonstigen zu erwarten gehabten Nutzens verlustiget worden wäre.

[3, 14, § 5] 48. Wohl aber gehören unter dem Schuldenstand der Gesellschaft alle Auslagen und Unkosten, welche auf das gemeinschaftliche Gewerb entweder mit Willen aller Theilhaberen, oder auch nur von Einem allein aus unumgänglicher Nothwendigkeit verwendet worden; dahero müssen einem Gesellschafter die auf unternommene nothwendige Reisen, Anschaffung deren zu dem gemeinsamen Gewerb erforderlichen Waaren, Pflegung des nöthigen Briefwechsels, und andere derlei unumgängliche Gesellschaftsgeschäften ausgelegte Unkosten aus dem gemeinschaftlichen Gut ersetzet und vergütet werden.

[3, 14, § 5] 49. Bei Vertheilung des Gewinns und Verlusts muß allemal eine genaue Gleichheit beobachtet werden. Diese aber ist in verschiedener Betrachtung dreierlei, als entweder deren Theilen unter sich nach Anzahl deren theilnehmenden Personen, oder deren Theilen mit der Einlage, oder endlich deren Theilen des Gewinns mit denen Theilen des Verlusts unter sich.

[3, 14, § 5] 50. Die erstere Art der Gleichheit, wann nemlich das gemeinschaftliche Gut nach Anzahl deren Theilhaberen ohne Rucksicht, ob von einem mehr oder weniger in die Gesellschaft eingeleget worden, unter sie dergestalten gleich vertheilet wird, daß Keiner mehr oder weniger, als der Andere hieran beziehe, hat nur bei der einzig und allein zwischen Eheleuten gestatteten allgemeinen Gesellschaft des sammentlichen Hab und Vermögens statt, wann nichts Anderes ausdrücklich ausbedungen worden.

[3, 14, § 5] 51. Die zweite Art hingegen, wann die Theile des Gewinns und Verlusts nach dem Betrag der Einlage abgemessen werden, ist der Natur deren besonderen Gesellschaftscontracten über einzle Sachen oder Gewerbe eigen, also zwar, daß, wann die Gesellschafter sich keines Anderen untereinander verglichen haben, auf deren Jeden so viele Theile des Gewinns und Verlusts ausfallen, als mehr oder weniger seine Einlage gegen der Einlage des Anderen betraget.

[3, 14, § 5] 52. Endlich ist die dritte Art der Gleichheit in Uebereinstimmung deren Theilen des Gewinns mit denen Theilen des Verlusts unter sich insoweit die wesentliche Erfordernuß eines jeden Gesellschaftscontracts, daß solche ohne rechtmäßiger Ursache nicht überschritten, noch weniger dem Einem der ganze Gewinn zugeeignet, und dem Anderen der ganze Verlust aufgelastet werden darf, sondern ein solches Beding solle für null und nichtig, und die ganze Handlung für wucherlich geachtet werden.

[3, 14, § 5] 53. Wo aber die hienach beschriebene rechtmäßige Ursachen einer Ungleichheit zwischen denen Theilen des Gewinns und Verlusts vorhanden sind, können zwar Einem mehrere Theile des Gewinns und mindere des Verlusts, oder dagegen mehrere von diesem, und mindere von jenem, oder auch gar keine des Verlusts zugeleget werden; doch solle der Gewinn niemalen anderst gerechnet werden können, als was nach Abzug aller Schäden übrig bleibet, wann gleich in einem Theil des gemeinschaftlichen Gewerbs nur Schaden, in dem anderen hingegen ein Gewinn sich ergeben hätte.

[3, 14, § 5] 54. Nach diesen vorausgesetzten Maßregeln geschieht die Vertheilung des Gewinns und Verlusts bei allen besonderen Gesellschaftscontracten entweder aus der Natur der Handlung oder aus Vorschrift des beigefügten Bedings.

[3, 14, § 5] 55. Die Vertheilung aus der Natur der Handlung hat allemal statt, wann von denen Gesellschafteren keine Theile bestimmet worden, und muß dabei sowohl die Gleichheit deren Theilen des Gewinns und Verlusts mit eines Jeden Einlage,


(3-251) als die Gleichheit deren Theilen des Gewinns mit denen Theilen des Verlusts unter sich in acht genommen werden.

[3, 14, § 5] 56. Sind nun die Einlagen allerseits gleich, haben auch die Einlegende gleiche Theile zu empfangen, als da von zweien Gesellschafteren ein jeder 100 fl. in die Gesellschaft eingebracht hätte, und damit 60 fl. gewonnen worden wären, gebühren hiervon zu gleichen Theilen einem jeden 30 fl. Wäre aber die Einlage von Einem mit 100 fl. und von dem Anderen mit 50 fl. geleistet worden, hätte der Erstere von 60 fl. Gewinn zwei Drittel mit 40 fl. und der Andere ein Drittel mit 20 fl. zu beziehen, und in Gegentheil, wann von der Einlage etwas eingebüßet worden wäre, ein Jeder hieran so vieles zu verlieren, als ihme an Gewinn zugegangen wäre.

[3, 14, § 5] 57. Die Einlage ist nicht nur damals gleich, wann von Jedem gleich vieles an Geld oder Gut in die Gesellschaft eingebracht worden, sondern sie ist auch in jenem Fall für gleich zu halten, wann nur von Einem Geld oder Gut, und von dem Anderen hieran nichts, sondern blos seine Mühe und Arbeit beigetragen wird; dann diese ist in Rucksicht des damit beschafften Nutzens allemal der Einlage an Geld oder Gut gleich zu schätzen, wann von denen Contrahenten nichts Anderes ausdrücklich beliebet worden.

[3, 14, § 5] 58. Woferne jedoch die Einlage zwar beiderseits an Geld oder Gut entweder gleich oder ungleich geschehen, von Einem aber viel mehrere Mühe, Fleiß und Arbeit, als nicht von dem Anderen, oder solche auch nur von dem Einem und von dem Anderen gar keine dabei angewendet worden wäre, so ist dessen ohnerachtet der Gewinn und Verlust nach Maß der Einlage unter sie zu vertheilen, und kommt die Mühe und Arbeit in keine Betrachtung, sondern derjenige Theilhaber, welcher solche beigetragen, hat sich selbst beizumessen, daß er sich keinen mehreren Gewinn oder minderen Verlust ausbedungen hat.

[3, 14, § 5] 59. Aus Vorschrift des beigefügten Bedings wird der Gewinn und Verlust vertheilet, wann ohne Rucksicht auf die mehrere oder wenigere Einlage gleich Anfangs der Handlung bestimmet worden, was für Theile einem jeden Gesellschafter zufallen sollen. Diese Bestimmung kann auf zweierlei Art geschehen, als entweder mit Beobachtung der Gleichförmigkeit zwischen denen Theilen des Gewinns und Verlusts oder ohne derselben.

[3, 14, § 5] 60. Die erstere Art ist allerdings an sich zulässig, obschon die Einlage dessen, welchem mindere Theile zugeleget werden, mit des Anderen seiner gleich gewesen wäre; also können Einem zwei Theile des Gewinns und Verlusts und dem Anderen der dritte Theil von beiden zugewendet werden, wiewohlen von so Einem, als Anderen gleich vieles in die Gesellschaft beigetragen worden wäre.

[3, 14, § 5] 61. Und hat dieses Beding wegen des untheilbaren Zusammenhangs von Gewinn und Verlust die Wirkung, daß, wann auch nur die Theile des Gewinns ohne jenen des Verlusts, oder dagegen diese ohne jenen bestimmet worden wären, eben dergleichen Theile des nicht ausgedruckten Gewinns oder Verlusts darunter verstanden werden.

[3, 14, § 5] 62. Die zweite Art des Bedings hingegen, worinnen von der Gleichheit zwischen denen Theilen des Gewinns und jenen des Verlusts dergestalten abgewichen wird, daß Einem mehrere Theile des Gewinns und mindere des Verlusts, und dagegen dem Anderen mehrere von diesem und mindere von jenem oder auch von Verlust gar keine zugeeignet werden, solle nicht anderst gestattet sein, als wann diese Ungleichheit durch eine erweisliche hinlängliche Ursach gerechtfertiget werden mag, in deren Abgang dieses Beding für null und nichtig zu achten, und die Vertheilung ebenso, als ob keine Bestimmung deren Theilen vorhergegangen wäre, aus der Natur des Contracts nach Maß der Einlage vorzunehmen ist.

[3, 14, § 5] 63. Derlei rechtmäßige Ursachen der Ungleichheit zwischen Gewinn und Verlust sind entweder eine mehrere Einlage auf einer, als nicht auf der anderen Seite,

(3-252) oder eine besondere Mühewaltung, welche eine größere Belohnung verdienet, oder die Uebernehmung größerer Gefahr oder mehreren Aufwands, oder endlich eine sowohl aus Freigebigkeit, als aus Vergeltung oder Erkenntlichkeit herrührende Schankung.

[3, 14, § 5] 64. Also kann z. B. ein Beding getroffen werden, daß Jener, welcher Geld oder Gut eingeleget, zwei Theile des Gewinns und einen des Verlusts und der Andere, welcher nur seine Mühe und Arbeit beigetragen, zwei Theile des Verlusts, und einen des Gewinns haben, oder dagegen dieser für seinen Fleiß mehreren Gewinn genießen und minderen Verlust tragen solle.

[3, 14, § 5] 65. Desgleichen ist Jener, welcher mehr eingeleget, befugt, sich einen gewissen Betrag des ungewissen Gewinns auszubedingen, und das Uebrige, was darüber erworben würde, dem Anderen zu überlassen, in welchem Fall aber dieser zu nichts Mehreren verbunden wird, als was an dem Gewinn erhalten worden, wann gleich nicht so vieles, als bestimmet worden, gewonnen würde.

[3, 14, § 5] 66. Dagegen ist auch das Beding giltig, worinnen Jener, welcher in der Gesellschaft seine Mühe und Arbeit beigetragen, auf dem Fall, da die Mascopei unglücklich abliefe, sich zum Wenigsten einen jährlichen Lohn oder Besoldung ausbedungen hat.

[3, 14, § 5] 67. Nicht weniger kann auch Jener, welcher seine Mühe und Arbeit beiträgt, die Gefahr des Verlusts der Einlage des Anderen nicht nur zum Theil, sondern auch ganz übernehmen, wann ihme nur dagegen auch ein größerer Antheil des sich ergebenden Gewinns vorbehalten worden.

[3, 14, § 5] 68. Und überhaupt kann ein Gesellschafter dem anderen seine Einlage auf dem Fall des Verlusts gewähren und versicheren, wann er entweder sich größere Theile des Gewinns ausbedungen, oder weniger, oder auch gar nichts eingeleget, dann solchen Falls ist die übernommene Gefahr der Einlage für einen wirklichen Beitrag zu achten.

[3, 14, § 5] 69. Ebenso können zwar Schankungs halber Jemanden in einer Gesellschaft bessere Bedingnussen eingestanden, niemalen aber Einem allein der ganze Gewinn zugetheilet werden, noch weniger mit Jemanden, der gar nichts beigetragen, wegen bloßer Schankung ein Gesellschaftscontract bestehen.

[3, 14, § 5] 70. Dahingegen ist nicht erlaubet, daß ein Gesellschafter dem anderen seine Einlage sammt dem Gewinn gewähre und versichere, welches Gewährungsbeding für null und nichtig, und wann nach Beschaffenheit der Handlung der Gewinn die erlaubte Zinsen übersteigen würde, für wucherlich gehalten werden solle.

[3, 14, § 5] 71. Die Theile des Gewinns und Verlusts werden nicht nur allein von denen Gesellschafteren gleich Anfangs der Handlung bestimmet, sondern sie können auch untereinander dahin übereinkommen, daß nach geendigter Gesellschaft entweder einer von ihnen, oder auch ein Dritter, welcher mit ihrer allseitigen Einwilligung zum Schiedsmann erkieset worden, die Theile legen solle.

[3, 14, § 5] 72. Dieser Gesellschafter oder Schiedsmann, welcher die Theile zu legen hat, darf jedoch nicht nach eigener Willkür und Gefallen in der Theilung fürgehen, sondern derselbe ist dabei an die ihme mit Einverständniß aller Theihaberen (= Theilhaberen) vorgelegte Richtschnur, oder in deren Ermanglung an die Natur des Contracts gebunden, nach welcher er die Theilung vorzunehmen hat; inwieweit aber dem andurch verkürzten Theil wider den schiedsrichterlichen Ausspruch eine Rechtshilfe zu statten komme, wird unten in achzehenten Capitel, wo eigends von Schiedsmännern gehandlet wird, erkläret werden.

[3, 14, § 5] 73. Ereignete es sich hingegen, daß der erkieste Theilleger noch vor wirklicher Bestimmung deren Theilen verstürbe, so ist zu unterscheiden, ob die Gesellschaft schon durch die geleistete Einlage und Treibung des Gewerbs ihren Anfang genommen oder nicht, sondern die Sache sich noch in ihrer Gänze befinde.

[3, 14, § 5] 74. Ersteren Falls bestehet nichtsdestoweniger der Contract bei Kräften, und

(3-253) die Theilung hat nach der Natur der Handlung eben also zu geschehen, als ob dieses Beding niemalen beigesetzet worden wäre, letzteren Falls aber zerfallet die Handlung aus Abgang der Bedingnuß, unter welcher sie geschlossen worden.

§. VI.

[3, 14, § 6] 75. Der Gesellschaftscontract ist seiner Natur nach zweibündig, woraus alle Theilhabere schon Anfangs in der Hauptsache gegen einander gleich verbunden werden. Diese Verbindlichkeit enthaltet drei wesentliche Stücke, als:

[3, 14, § 6] 76. Erstens, die Leistung oder Erlag des gemeinschaftlichen Beitrags in die Gesellschaft in derjenigen Maß, wie deren Jeder sich hierzu bei Errichtung des Contracts anheischig gemacht hat; zweitens, die Theilung des Gewinns und Verlusts nach denen in gleichvorhergehenden §. vorgeschriebenen Maßregeln, und endlich

[3, 14, § 6] 77. Drittens, die Verwaltung des gemeinschaftlichen Guts, mit welcher folgende Schuldigkeiten verknüpfet seind, daß derjenige Gesellschafter, deme die Verwaltung und Besorgnuß des gemeinschaftlichen Gewerbs anvertrauet ist, vor Allem eine verläßliche Beschreibung oder Inventarium sowohl aller in die Gesellschaft gehörigen Güter, Habschaften und Forderungen, als deren Schulden in Beisein und mit Zuziehung aller übrigen Theilhaberen verfasse.

[3, 14, § 6] 78. Würde er aber ohne Errichtung eines Inventarii sich in die Verwaltung einlassen, so ist er nicht allein für Alles, was die übrige Theilhabere an dem gemeinschaftlichen Gut zur Zeit der von ihme angetretenen Verwaltung vorhanden gewesen zu sein erweisen würden, Red und Antwort zu geben, und für das Abgängige zu haften, sondern auch, da sie ein Mehreres, als er nicht angegeben, anderer Gestalt nicht zu erweisen vermöchten, sein Angeben auf jedesmaliges Erforderen mit einem körperlichen Eid, daß nichts Mehreres vorhanden ware, zu bestärken schuldig.

[3, 14, § 6] 79. Nicht weniger lieget ihme ob über seine Verwaltung ordentliche und richtige Rechnungen entweder nach Kaufmannsgebrauch, oder doch wenigstens mit Beobachtung deren allgemeinen zur Rechnungsrichtigkeit nothwendigen Erfordernussen, wie es die Verschiedenheit deren zu besorgen habenden Geschäften mit sich bringet, also daß er solche jederzeit mit guten Gewissen beschwören möge, zu führen, und nicht allein denen anderen Theilhaberen zu allen Zeiten die freie Einsicht hierein zu gestatten, sondern auch selbe, wann und so oft es begehret wird, zu ihren Handen zu erlegen.

[3, 14, § 6] 80. In diese Rechnungen muß die Einnahme und Ausgabe getreulich eingetragen, von dem Empfang nichts unterschlagen, noch etwas in Ausgab geleget werden, was nicht erwiesen werden kann, und überhaupt ist jeder Gesellschafter schuldig in Verwaltung deren gesellschaftlichen Geschäften einen gleichen Fleiß und Sorgfalt, wie in seinen eigenen Sachen anzuwenden, und für allen aus seiner Gefährde oder Schuld verursachten Schaden zu haften.

[3, 14, § 6] 81. Es ist ihme dahero nicht erlaubet die durch seine Schuld zugefügte Schäden der Gesellschaft anzurechnen, noch weniger solche mit dem andererseits von ihme verschafften Gewinn auszugleichen und zu vergelten, sondern der Schaden

(3-254) solle von ihme denen übrigen Gesellschafteren entweder mittelst Abzugs an seinem Antheil, oder mit baaren Ersatz vergütet werden, wann er denjenigen Fleiß nicht angewendet, zu deme er aus der Natur des Contracts verbunden ware.

[3, 14, § 6] 82. Er hätte dann mit dem gemeinschaftlichen Gut über die genommene Abrede ein besonderes Gewerb auf seine Gefahr angestoßen, wodurch derselbe zwar auf einer Seite eingebüßet, auf der anderen aber einen so beträchtlichen Gewinn erworben hätte, daß hieran über Abzug des Verlusts noch so vieles erübriget würde, als nicht sonst von dem Anfangs der Handlung verabredeten Gewerb zu erwarten gewesen wäre. In diesem Fall allein ist es billig, daß der Schaden, wiewohlen er aus Schuld des Gesellschafters geschehen, der Gesellschaft angerechnet, und vorher von dem Gewinn abgezohen werde, ehe solcher unter die Gesellschaft vertheilet wird.

[3, 14, § 6] 83. Dagegen aber müssen dem verwaltenden Gesellschafter alle zu Beförderung des gemeinsamen Nutzens gemachte nothwendige Auslagen, und die auch an seinen eigenen Sachen aus unmittelbaren Zusammenhang mit der Gesellschaft erlittene Schäden, als z. B. sein ihme auf einer zum Nutzen der Gesellschaft unternommenen nothwendigen Reise geraubtes Gut, so viel hieran erweislich ist, aus dem gemeinsamen Gut ersetzet, und überhaupt jedem Gesellschafter all Jenes geleistet werden, zu was sich dieselbe untereinander verbunden haben, oder was die Natur des Contracts erforderet.

[3, 14, § 6] 84. Aus dieser Verbindlichkeit erwachset die einem jeden Gesellschafter und seinen Erben wider den Anderen und dessen Erben zustehende Rechtsforderung zu Leistung alles dessen, was ihme entweder aus der Natur des Contracts, oder aus der genommenen Abrede gebühret.

[3, 14, § 6] 85. Dann wiewohlen die Erben eines Gesellschafters zu Fortsetzung der Gesellschaft nicht verhalten werden mögen, so treten sie doch sowohl in die Rechten, als in die Verbindlichkeit ihres Erblassers insoweit ein, daß sie nicht allein alles Dasjenige, was ihme aus der Gesellschaft bis zu seinem Absterben hinauszuzahlen gewesen, anzuforderen befugt, sondern auch, was derselbe in die Gesellschaft zu ersetzen gehabt, zu leisten schuldig sind.

[3, 14, § 6] 86. Diese Rechtsforderung kann entweder bei noch bestehenden Gesellschaftscontract, oder nach dessen Endigung angestrenget werden, und zwar ersteren Falls zu Leistung des versprochenen Beitrags, zu Ergänzung des durch Schuld oder Gefährde verringerten, oder zu Beischaffung des vorenthaltenen gemeinsamen Guts, zu Ersetzung deren wegen gemeinsamen Nutzens gemachten erweislichen Auslagen und erlittenen Schäden, zu Legung deren Gesellschaftsrechnungen, und zu Erfüllung alles dessen, zu was die Gesellschaftere sich wegen Verwaltung deren gemeinschaftlichen Geschäften untereinander verglichen haben.

[3, 14, § 6] 87. Letzteren Falls aber über alles dieses auch zu Vertheilung des Gewinns und Verlusts; solange hingegen der Gesellschaftscontract fürwähret, kann die Vertheilung des Gewinns und Verlusts nicht anbegehret, noch weniger von einem Gesellschafter wider Willen des anderen von dem Gewinn etwas herausgezogen werden.

[3, 14, § 6] 88. Es seie dann, daß schon Anfangs die Zeit gesetzet worden, wann jedesmal die Ausgleichung oder Bilanz gezogen, und der Gewinn vertheilet werden solle, oder daß der Zustand deren Theilhaberen solches erheischete, als da sie Bauersleute, Handwerker oder sonstige arme Personen wären, die sich von ihrem täglichen Verdienst ernähren müssen.

[3, 14, § 6] 89. Oder auch daß der eine Gesellschafter ausdrücklich, oder stillschweigend hierein willigte, als da er dem Anderen etwas aus der Gesellschaft herauszunehmen wissentlich und ohne Widerrede gestattete, in welchem Fall aber gleichermaßen ihme eben so vieles herauszuziehen nicht verwehret werden kann, oder daß endlich ein

(3-255) Gesellschafter nach der Zeit in einen solchen Nothstand verfiele, woraus ihme in andere Wege nicht geholfen werden könnte.

[3, 14, § 6] 90. Wo aber die Theilung des Gewinns vorgenommen würde, und entweder noch einige unabgestattete Schulden der Gesellschaft vorhanden, oder einem Gesellschafter außer deme, was er empfangen, etwas nach Erfolg einer noch hangenden Bedingnuß hinaus gebührete, oder von ihme an Ausständen, oder an dem zu leisten habenden Ersatz in die Theilung nachzutragen wäre, oder sonst eine noch zu gewärtigen habende gemeinschaftliche Einbuße oder Auslage bevorstünde, sind jene Gesellschaftere, welche auf diese Fälle denen Anderen etwas zu erstatten hätten, für so vieles, als auf eines Jeden Antheil hieran ausfiele, eine hinlängliche Bürgschaft einzulegen, oder so viel von ihrem Antheil indessen zuruckzulassen schuldig.

§. VII.

[3, 14, § 7] 91. Der von seinem Mitgesellschafter aus diesem Contract belangte Gesellschafter hat die Rechtswohlthat der Selbstbedürfnuß, oder des ihme zu belassen habenden nothdürftigen Unterhalts, wann derselbe nicht so viel in Vermögen hätte den Kläger seiner Forderung halber vollständig zu vergnügen, oder doch sein nach Abstattung des eingeklagten Betrags erübrigendes Vermögen zu seinen ohnentbehrlichen Lebensunterhalt nicht zureichend wäre.

[3, 14, § 7] 92. Damit aber der beklagte Gesellschafter sich dieser Rechtswohlthat erfreuen möge, ist erforderlich, erstens, daß Kläger mit seiner Einlage vollkommen befriediget worden, oder da er nur seine Mühe und Arbeit beigetragen, an der Einlage nichts zu forderen hätte, und es also blos um Beziehung des Gewinns zu thun seie.

[3, 14, § 7] 93. Zweitens, daß Beklagter ein Gesellschafter zu sein nicht boshafter Weise gelaugnet, weder sich dieser Rechtswohlthat begeben, noch sich zu Verkürzung des Klägers einer geflissentlichen Gefährde schuldig gemacht habe, sondern der Ersatz lediglich wegen einer seinerseits unterwaltenden Schuld zu leisten seie.

[3, 14, § 7] 94. Drittens, daß seine Unvermögenheit kundbar, oder doch rechtsbehörig erwiesen werde, und von dem Kläger die Mitteln, woraus er ohne Abbruch des bedürftigen Unterhalts für den Beklagten seine Befriedigung erholen könnte, nicht ausgewiesen werden mögen.

[3, 14, § 7] 95. Wann nun alle diese Erfordernussen zusammentreffen, so ist Kläger von dem ihme zuerkannten Gewinnsantheil so vieles, als zu des Beklagten Mitgesellschafters nothdürftigen Lebensunterhalt nach Beschaffenheit seines Standes durch richterliche Ausmessung bestimmet werden wird, dergestalten zuruckzulassen schuldig, daß dem Beklagten lediglich auf Lebszeiten, und bis daß er nicht zu besseren Vermögensumständen gelangen würde, der Genuß davon gebühren, das Eigenthum aber ihme Klägern versicheret bleiben solle.

[3, 14, § 7] 96. Diese Rechtswohlthat aber erstrecket sich über die Person des Mitgesellschafters nicht, und kann weder dessen Erb, noch Bürge, noch auch der Gesellschafter wider die Ruckforderung des Bürgens solche vorschützen.

§. VIII.

[3, 14, § 8] 97. Aus Absicht des gemeinschaftlichen Nutzens aller Theilhaberen, worauf der Gesellschaftscontract abzielet, erwachset ihre allseitige Verfänglichkeit gegeneinander

(256) für Gefährde, dann die große und leichte oder mittlere Schuld, welche aber nicht nach dem anderen Leuten sonst gemeinen Fleiß und Sorgfalt, sondern nach demjenigen Grad des Fleißes abzumessen ist, welchen ein Gesellschafter in seinen eigenen Geschäften anzuwenden pfleget.

[3, 14, § 8] 98. Was also der Gesellschaft aus Gefährde, dann großen oder leichten Schuld des Gesellschafters entgehet, ist derselbe zu ersetzen schuldig, und da er in dem richterlichen Urtheil eine vorsätzliche Veruntreuung des gesellschaftlichen Guts ausgedrucket würde, solle ein solcher Gesellschafter für ehrlos gehalten werden.

[3, 14, § 8] 99. Ansonsten aber, wann derselbe in dem Urtheil keiner Veruntreuung schuldig zu sein erkannt würde, ist ihme der zu leisten auferlegte Ersatz, wozu er verurtheilet wird, an seiner Ehre und guten Namen unschädlich, obgleich in dem Urtheil keine ausdrückliche Ehrenverwahrung enthalten wäre.

[3, 14, § 8] 100. Für zufällige Schäden hingegen, wozu die Verwahrlosung und Fahrlässigkeit des Gesellschafters keinen Anlaß gegeben, ist kein Gesellschafter dem anderen zu haften schuldig, sondern diese sind von Allen nach Maß des entweder aus der Natur des Contracts, oder aus dem getroffenen Beding auf deren jeden ausfallenden Antheils zu tragen, woferne solche nicht von Einem oder Mehreren allein übernommen worden wären, oder sich nur an der Einlage dessen ereigneten, welcher sich deren Eigenthum vorbehalten hat, in welchem Fall auch dieser allein die sich hieran ohne Schuld des Anderen ergebende Einbuße zu leiden hat.

§. IX.

[3, 14, § 9] 101. Aus dem Band der Gesellschaft fließen nicht nur allein die Rechten und Verbindlichkeiten deren Gesellschafteren untereinander, sondern dieses wirket auch so viel, daß ein Dritter aus einer mit der Gesellschaft geschlossenen Handlung derselben verbunden werde, und dagegen sich solche verbindlich mache.

[3, 14, § 9] 102. Es sind aber dabei die mannigfältige Fälle wohl zu unterscheiden, ob nemlich die Handlung mit einem Dritten von allen Gesellschafteren mit gemeinsamer Einwilligung, oder von deren Einigen, oder nur von Einem allein entweder in Namen der Gesellschaft, oder für sich zu seinen eigenen Handen eingegangen worden.

[3, 14, § 9] 103. Geschieht solches mit gemeinsamer Einwilligung aller Gesellschafteren, es seie gleich durch sich selbst, oder durch einen gemeinschaftlich bestellten Handlungsvorgesetzten, wann dieser die Vollmacht nicht überschreitet, so werden sie auch Alle nach Maß ihres in der Gesellschaft habenden Antheils dem Dritten verbunden, und machen sich auch diesen dagegen verbindlich, also zwar, daß Alle zusammen denselben um die ganze Schuld, ein Jeder insonderheit aber nur für seinen Antheil belangen, und hingegen auch wiederum von ihm in eben dieser Maß belanget werden können.

[3, 14, § 9] 104. Es seie dann, daß Alle sich sammt und sonders gegen dem Dritten, oder dieser sich gegen dieselbe mit ungetheilter Hand verbunden hätte, in welchem Fall der Dritte von einem Jeden, und dagegen deren Jeder von dem Dritten die ganze Schuld einforderen kann, wie es in ersten Capitel, §. III, mit Mehreren erkläret worden.

[3, 14, § 9] 105. Oder daß ein Dritter von allen Gesellschafteren, oder diese von Jenem durch Gefährde und Arglist verkürzet worden wären, welchen Falls, wann die Gefährde erweislich ist, auch deren Jeder von dem Dritten so wie dieser

(3-257) von einem jeden Gesellschafter um den ganzen Betrag des Schadens besprochen werden mag.

[3, 14, § 9] 106. Die Verbindlichkeit gegen einem Dritten gehet aber sowohl in vorstehenden, als folgenden Fällen nicht auf den Betrag der Einlage allein, sondern wann gleich diese zu Abstattung der Schuld nicht hinlänglich wäre, auch auf deren Theilhaberen übriges Hab und Vermögen, was in die Gesellschaft nicht eingebracht worden, also daß das Verhältniß deren gebührenden Antheilen nur die Maß der von einem Jeden zu leisten habenden Zahlung bestimme, nicht aber die Forderung eines Dritten auf die Einlage allein beschränke.

[3, 14, § 9] 107. Wäre aber die Handlung nur von einigen Gesellschafteren ohne Zuthat deren Uebrigen in Namen der Gesellschaft mit einem Dritten geschlossen worden, werden zwar diese, welche die Handlung eingegangen, gegen dem Dritten, und dieser gegen dieselbe hieraus verbindlich, doch kann denen Uebrigen weder ein Recht wider den Dritten, noch eine Verbindlichkeit gegen demselben aus einer solchen Handlung erwachsen, wann sie nicht entweder ausdrücklich übereinsgekommen, das was von Einem veranlasset, auch von allen Uebrigen genehm gehalten, oder die Gesellschaft von ihnen sammt und sonders betrieben werden solle, oder sie denen Anderen hierzu die Vollmacht entweder ausdrücklich oder stillschweigend gegeben haben.

[3, 14, § 9] 108. Eine solche stillschweigende Vollmacht wird vermuthet, wann ein jeder Gesellschafter insonderheit einen verschiedenen Theil deren Geschäften besorget, als Einer den Waarenhandel, der Andere den Geldwechsel, oder auch einerlei Geschäften in verschiedenen Orten, als Einer zu Wien, der Andere zu Prag, in welchen Fällen der Eine auch aus der Handlung des Anderen mit einem Dritten nach Maß seines Antheils verbindlich wird, wann nicht ausdrücklich bedungen worden, daß Keiner ohne Wissen und Willen deren Anderen in Namen der Gesellschaft etwas vorzunehmen befugt sein solle.

[3, 14, § 9] 109. Wo aber ein solches Beding eingegangen worden, oder sonst keiner von vorerwähnten Umständen unterwaltete, werden weder die übrige Gesellschaftere aus der Handlung Anderer dem Dritten, noch dieser ihnen verbindlich, außer insoweit derselbe das Seinige zum Nutzen der Gesellschaft verwendet worden zu sein, oder diese, daß die an ihme zu forderen habende Schuld ein gesellschaftliches Gut seie, zu erweisen vermögen.

[3, 14, § 9] 110. Würde hingegen die Handlung nur von einem Gesellschafter allein in Namen der Gesellschaft mit einem Dritten eingegangen, so wird dieser dem Dritten für den ganzen Betrag der Schuld, wann gleich solche seine in der Gesellschaft habende Einlage weit überstiege, verbindlich, gleichwie er auch dagegen von dem Dritten für sich allein Alles, was er aus dieser Handlung zu erstatten schuldig ist, einforderen kann.

[3, 14, § 9] 111. Bei seinen Mitgesellschafteren aber ist darauf zu sehen, ob derselbe von ihnen zu Besorgung deren gemeinschaftlichen Geschäften vorgesetzet, oder ihme auf die oben in num. 107 und 108 erklärte Weis ausdrücklich oder stillschweigend die Vollmacht hierzu gegeben worden, oder nicht.

[3, 14, § 9] 112. Ersteren Falls werden sie aus der Handlung ihres Mitgesellschafters, wann er sich der ihme aufgetragenen Vollmacht gemäß verhält, und solche nicht überschreitet, nur nach Maß ihrer in der Gesellschaft habenden Antheilen, und gegentheils der Dritte ihnen in eben dieser Maß verbunden, außer es wäre unter ihnen ausgemacht worden, daß sie Alle für derlei Handlungen sammt und sonders haften wollen, oder der Dritte sich gegen alle Gesellschaftere mit ungeschiedener Hand verstricket hätte.

[3, 14, § 9] 113. Außer diesem Beding hat der Dritte die Auswahl, ob er denjenigen Gesellschafter, der die Handlung mit ihme eingegangen, um den ganzen Betrag der Schuld belangen, oder solche von einem jeden Mitgesellschafter nach Maß seines in der Gesellschaft habenden Antheils einforderen wolle.

(3-258) [3, 14, § 9] 114. Erwählet er das Erstere, und das Vermögen des Beklagten wäre nicht hinlänglich ihn seiner Forderung halber zu vergnügen, so bleibet ihme noch allemal bevor, das Uebrige von den anderen Mitgesellschafteren zu erholen, obschon solches des vorgesetzten Mitgesellschafters Antheil übertreffen würde, dann die gegebene Vollmacht wirket so vieles, daß Jenes, was von dem Bevollmächtigten nicht erholet werden kann, denen Theilen deren Befehlsgebere zuwachse.

[3, 14, § 9] 115. Letzteren Falls aber, wo der mit einem Dritten, wiewohlen in Namen der Gesellschaft, eine Handlung schließende Mitgesellschafter von denen Uebrigen weder eine ausdrückliche, noch stillschweigende Vollmacht hierzu bekommen, weder auch ein Beding eingegangen worden, welches sie hieraus verbindlich machen könnte, gehet ihnen aus derlei Handlung weder ein Recht, noch Verbindlichkeit zu, außer insoweit der Dritte sein Geld oder Gut zum Nutzen der Gesellschaft verwendet worden zu sein, oder dagegen die Gesellschaftere, daß die Schuld ein gesellschaftliches Gut seie, erweisen könnten.

[3, 14, § 9] 116. Desgleichen, wo ihme die Vollmacht nur von Einigen, und nicht von Allen ertheilet worden wäre, werden nur Jene, welche die Vollmacht gegeben, nicht aber auch die Andere hieraus verbindlich, wann nicht die Verwendung zu ihrer Aller gemeinschaftlichen Nutzen erweislich ist.

[3, 14, § 9] 117. Ebensowenig kann denen übrigen Gesellschafteren eine Verbindlichkeit aus derlei Handlungen erwachsen, wann der Vorgesetzte oder bevollmächtigte Mitgesellschafter seine Vollmacht oder das Beding der Gesellschaft überschreitet, als da er die Handlung in einem anderen Ort, oder mit einer anderen Gattung von Waaren, als nicht in dem Gesellschaftscontract beliebet, oder in der Vollmacht ausgemessen worden, eigenwillig treiben würde.

[3, 14, § 9] 118. Noch weit minder aber können jene Handlungen, welche von einem Mitgesellschafter für sich allein zu seinen Handen, und nicht in Namen der Gesellschaft mit einem Dritten eingegangen werden, und wofür alle zu halten sind, worinnen von der Gesellschaft keine ausdrückliche Meldung geschieht, die übrige Gesellschaftere in die Verbindlichkeit mit einziehen.

[3, 14, § 9] 119. Und dieses hat auch statt, wann gleich der Dritte ohne Einwilligung deren Anderen von ihme zu seinem Mitgesellschafter aufgenommen, oder die gemeinsame Verbindlichkeit aller Gesellschafteren für Alles, was Einer von ihnen in Namen der Gesellschaft unternehmen würde, bedungen, oder der für sich eine Verbindung treffende Mitgesellschafter zu Besorgnuß deren gemeinschaftlichen Geschäften vorgesetzet und bestellet worden wäre, oder auch die Sache selbst, welche die Verbindung betrifft, ein in die Gesellschaft gehöriges Gut gewesen wäre.

[3, 14, § 9] 120. Es könnte dann der Dritte darzeigen, daß das beim Mitgesellschafter zu seinen Handen gegebene Geld oder Gut in die Gesellschaft eingebracht, oder zu ihrem Nutzen verwendet worden, in welchem Fall auch Alle nach Maß ihrer Antheilen dafür verfänglich sind.

§. X.

[3, 14, § 10] 121. Die Gesellschaft endiget sich auf viererlei Art, als erstens, durch Absterben eines Gesellschafters, wann gleich die Zeit, wie lang dieselbe fürzuwähren habe, bestimmet gewesen wäre, und derselbe binnen solcher verstürbe; andurch aber wird die Gesellschaft nicht nur an Seiten des Verstorbenen, sondern auch an Seiten deren überlebenden Mitgesellschafteren unterbrochen, wann sie nachhero nicht

(3-259) durch ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung von ihnen wieder erneueret wird, oder die Gesellschaftere nicht schon Anfangs dahin übereingekommen, daß auch nach Ableben eines Theilhabers die Gesellschaft gleichwohlen noch unter denen Uebrigen fortdaueren solle.

[3, 14, § 10] 122. Die Erben des Verstorbenen können dahero, obschon es Anfangs von ihme also bedungen worden wäre, nicht wider ihren Willen zu Fortsetzung der Gesellschaft, wohl aber zu Leistung dessen, was ihr Erblasser in die Gesellschaft einzubringen schuldig ware, angehalten werden, gleichwie ihnen auch alles Dasjenige gebühret, was der Verstorbene aus der Gesellschaft bis auf dem Tag seines Ablebens rechtmäßig zu forderen hatte.

[3, 14, § 10] 123. Da aber der Erblasser in seinem letzten Willen die Erben dahin verbunden hätte, bei Verlust der Erbschaft die Gesellschaft fortzuführen, sind sie zwar den Willen ihres Erblassers zu erfüllen, und in die Gesellschaft einzutreten schuldig, wann sie der Erbschaft nicht verlustig sein wollen; die Mitgesellschaftere des Verstorbenen hingegen können deswegen nicht gezwungen werden, wann sie nicht wollen, die Erben in die Gesellschaft einzunehmen, woferne dieselbe nicht schon durch ein vorheriges Beding sich hierzu anheischig gemacht haben.

[3, 14, § 10] 124. Ergäbe sich jedoch, daß die überlebende Theilhabere noch ehe und bevor ihnen der Todsfall ihres Mitgesellschafters bekannt würde, die gemeinschaftliche Geschäften fortgeführet hätten, so sind die Erben des Verstorbenen auch alle hierauf verwendete Auslagen, und die sich ereignete Schäden eben sowohl nach Maß des auf sie ausfallenden Antheils mitzutragen, als dagegen die übrige Theilhabere den Gewinn mit ihnen zu theilen schuldig.

[3, 14, § 10] 125. Um damit also die Erben von aller weiteren Verfänglichkeit sich entledigen mögen, müssen sie den Todsfall ihres Erblassers denen übrigen Theilhaberen bedeuten, gleichwie in Gegentheil diese, wann sie fernershin mit Jenen den Gewinn nicht theilen wollen, denenselben ihre aus der Gesellschaft hinaus gebührende Antheile auszufolgen haben, dann solange mit dem denen Erben angehörigen Gut das gemeinschaftliche Gewerb ohne ein- oder anderseitigen Widerspruch fortgetrieben wird, nehmen sie Theil an Gewinn und Verlust.

[3, 14, § 10] 126. Was von Absterben eins Mitgesellschafters gemeldet worden, verstehet sich auch von allen Fällen, worinnen ein Mitgesellschafter die freie Verwaltung seines Vermögens verlieret, oder in einem solchen Zustand versetzet wird, in welchem die Gesellschaft gleich Anfangs mit ihme nicht hätte bestehen können, als da er die feierliche Ordensgelübde ablegete oder Schulden halber sein Vermögen in gerichtlichen Beschlag genommen, oder wegen Verbrechens zu Handen Unserer Kammer eingezogen, oder er des Landes verwiesen, oder für ehrlos erkläret würde.

[3, 14, § 10] 127. Zweitens höret die Gesellschaft auf durch willkürlichen Abstand entweder aller Gesellschafteren, oder auch nur eines allein, maßen Niemand wider seinen Willen in einer Gesellschaft zu verharren gezwungen werden kann, wann nur der Abstand nicht zur Unzeit geschieht, und denen übrigen Mitgesellschafteren ordentlich bedeutet wird.

[3, 14, § 10] 128. Zur Unzeit aber tritt ein Gesellschafter aus, wann er entweder aus Gefährde zur vorsätzlichen Benachtheilung deren übrigen Mitgesellschafteren sich von der Gesellschaft absönderet, als etwan um sich den Gewinn allein zuzueignen, oder den ganzen Schaden denen Anderen aufzulasten, oder da die Gesellschaft auf eine bestimmte Zeit eingegangen worden wäre, ein Gesellschafter vor deren Verlauf ohne rechtmäßiger Ursach davon abstehen wollte.

[3, 14, § 10] 129. In diesen Fällen wirket ein solcher unzeitiger Abstand die Auflösung der gesellschaftlichen Verbindlichkeit nur an Seiten deren übrigen Mitgesellschafteren, nicht aber auch an Seiten des Abstehenden, also daß von dieser Zeit an diese von ihme, nicht aber er von jenen befreiet werde, sondern derselbe von den nachherigen

(3-260) Schaden allein zu tragen, den Gewinn aber noch allemal in die Theilung zu legen verbunden bleibe.

[3, 14, § 10] 130. Die rechtmäßige Ursachen eines vor der Zeit erlaubten Abstands von der Gesellschaft sind nicht nur alle diejenige, welche oben num. 126 erwähnet worden, sondern auch alles das, was aus Schuld des anderen Mitgesellschafters die Betreibung des gemeinschaftlichen Gewerbs verhinderet, als da derselbe seinerseits die contractmäßige Verabredung nicht erfüllet, oder sich fahrläßig oder unruhig betragen, oder sonst zu einem befahrenden beträchtlichen Schaden seines Mitgesellschafters Anlaß gegeben hätte.

[3, 14, § 10] 131. Wo aber Jemandens Austritt aus der Gesellschaft dem abwesenden Mitgesellschafter bedeutet würde, währet die gesellschaftliche Verbindung auf beiden Seiten unter dieser Zeit so lange fort, bis daß der Abwesende des Anderen Gesinnung in Erfahrnuß gebracht hat.

[3, 14, § 10] 132. Drittens erlöschet die Gesellschaft mit Beendigung deren Geschäften, oder Verlust deren Sachen, wegen welcher dieselbe geschlossen worden, also daß nichts erübrige, womit das gemeinschaftliche Gewerb betrieben werden könne.

[3, 14, § 10] 133. Viertens mit Verlauf der Zeit, worauf die Gesellschaft eingegangen worden, wann gleich das angefangene Geschäft noch nicht bis dahin vollbracht worden wäre; es seie dann, daß die Gesellschaft entweder ausdrücklich oder stillschweigend von denen Theilhaberen erneueret würde, als da alle insgesammt ohne Jemands Widerrede die gesellschaftliche Geschäften gemeinschaftlich entweder selbst fortführeten oder doch fortführen ließen.

[3, 14, § 10] 134. Auf was immer für Art aber die Gesellschaft beendiget würde, stehet sonach jedem Theilhaber frei die Theilung des gemeinschaftlichen Guts mit der unten in neunzehenten Capitel, §. IV, beschriebenen Rechtsforderung anzubegehren.

(3-261) Caput XV.

Von Befehlscontract.

Inhalt:

§. I. Von der Natur und Eigenschaft des Befehlscontracts. §. II. Von der Art und Weis Befehle aufzutragen. §. III. Von der Afterbestellung. §. IV. Von Beschaffenheit deren anbefohlenen Geschäften. §. V. Von Verbindlichkeit des Befehlshabers oder Gewalttragers, und der wider ihn gebührenden Hauptforderung. §. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Befehlenden oder Macht- und Gewaltgebers, und der wider ihn entstehenden Ruckforderung. §. VII. Von Verständlichkeit für Schuld und Gefährde gegeneinander. §. VIII. Von Aufhebung und Erlöschung des Befehls.

§. I.

[3, 15, § 1] Num. 1. Der Befehlscontract ist eine gutwillige Vereinigung, wodurch Jemand ein ihme von dem Anderen aufgetragenes Geschäft umsonst auszurichten auf sich nimmt.

[3, 15, § 1] 2. Dieser Contract kommt nicht weniger, als alle vorherbeschriebene durch bloße Einwilligung beider Theilen zu Stand, also daß, sobald als der Eine dem Anderen etwas anstatt seiner, und in seinen Namen zu verrichten aufträgt oder befiehlt, und dieser solches aus Freundschaft und guten Willen zu verrichten verspricht und über sich nimmt, der Befehlscontract schon geschlossen ist, und heißet sodann der Auftrag, wann ihn der Andere übernommen, ein Befehl, Gewalt und Vollmacht.

[3, 15, § 1] 3. Es ist dahero diese Handlung ihrer Natur nach an sich ganz ohnentgeltlich, wodurch dieselbe sich von einem Dingungscontract unterscheidet, worinnen für die Verrichtung fremder Geschäften ein Lohn bedungen wird, wohingegen in dem Befehlscontract die Ausrichtung des aufgetragenen Geschäfts umsonst und ohnentgeltlich übernommen werden muß.

[3, 15, § 1] 4. Die Wesenheit des Contracts wird aber andurch nicht geänderet, wann gleich nach vollbrachter Ausrichtung eine Belohnung, Verehrung oder Vergeltung zur Dankbarkeit abgereichet, oder auch gleich Anfangs etwas dafür zu geben versprochen, oder endlich ohne vorherigen Beding von jenen Personen, die von Betreibung einer gewissen Gattung Geschäften ihren Unterhalt suchen, als da sind

(3-262) die Rechtsfreunde, Notarien, Unterhändler u. dgl., etwas für ihre Bemühung geforderet wird.

[3, 15, § 1] 5. Desgleichen ist der Unterschied eines Befehls sowohl von Anempfehlung einer gewissen Person oder Geschäfts, als von einem blos ertheilten Rathe wohl zu bemerken; dann eine Anempfehlung geschieht nicht in Absicht sich daraus verbinden zu wollen, und Lobworte sind keine Bindworte, sondern Derjenige, welchem von dem Anderen empfehlungsweise eine Person oder Geschäft gelobet und angerühmet wird, behält noch allzeit die freie Willkür es zu thun oder nicht, ohne daß der Andere gesinnet wäre, wann dieser es gleich thäte, und ihme ein Schaden daraus entstünde, dafür verfänglich zu werden.

[3, 15, § 1] 6. Ebenso macht ein bloßer Rath den Rathgeber nicht verbindlich, wann gleich solcher zu Schaden dessen, der demselben gefolget, ausschlüge; dann ein Rath erforderet nur Ueberlegung, verbindet aber nicht zur Folge, sondern es hanget noch allemal von dem Willen Desjenigen ab, deme der Rath gegeben worden, demselben zu folgen oder nicht, welcher sich dahero den widrigen Ausschlag selbst zuschreiben muß, wann er ohne die Sache genugsam erwogen zu haben sich auf den ihme ertheilten Rath eingelassen hat.

[3, 15, § 1] 7. Beide aber, sowohl die Empfehlung, als die Rathsertheilung können an Seiten des Empfehlenden oder Rathgebenden verbindlich werden, wann entweder eine vorsätzliche Gefährde und Arglist seinerseits dabei unterwaltet, oder derselbe die Grenzen einer bloßen Empfehlung oder Rathgebung überschreitet.

[3, 15, § 1] 8. Doch läßt sich die Gefährde und Arglist bei Ertheilung eines Raths, oder bei Anempfehlung einer Sache nicht bloß aus dem Erfolg schließen, dann auch der beste Rath kann die übleste Folge haben, ohne daß der Rathgeber hieran Schuld trüge, sondern es muß der Vorsatz und Willen dem Anderen zu schaden erwiesen werden, als da Jemand einen wissentlich boshaften und untreuen Menschen dem Anderen um ihme sein Gut anzuvertrauen, oder in seine Dienste zu nehmen anrühmete und empfehlete, oder eine Sache mit boshafter Verschweigung der Gefahr zu unternehmen anrathete, die schon vorhero ihme selbst übel ausgeschlagen wäre.

[3, 15, § 1] 9. Die Grenzen eines Raths oder Empfehlung werden überschritten, wann Jemand es bei bloßer Anrühmung oder Anrathung nicht bewenden ließe, sondern den Anderen durch allerlei Ueberredungen, fälschliche Eingebungen und sonstige Zudringlichkeiten wider seinen Willen zu etwas verführete, oder die Genugthuung für den daraus entspringenden Schaden ausdrücklich verheißen, oder die Gefahr des Ausgangs dessen, was er anempfohlen oder angerathen, auf sich genommen, oder endlich Jemand, der sich einer Kunst oder Hantierung kündig zu sein ausgäbe, aus Unerfahrenheit einen schädlichen Rath ertheilet hätte.

[3, 15, § 1] 10. In allen diesen Fällen, wo dem Anderen ein Schaden hieraus erwachsete, und er an dem Betrug keinen Theil nähme, ist der Empfehlende oder Rathgebende dafür zu stehen schuldig; wo aber der Andere in dem auf die Benachtheiligung eines Dritten abzielenden Betrug mit verflochten wäre, und dabei zu Schaden käme, kann er zwar an dem Rathgeber keinen Ersatz anforderen, dahingegen sind Beide dem Dritten insoweit, als er andurch verkürzet worden, verfänglich.

[3, 15, § 1] 11. Ein Befehl wird entweder ausdrücklich oder stillschweigend aufgetragen, wann Jemand wissentlich und ohne Widerrede seine Geschäften durch den Anderen verrichten läßt; durch bloßes Stillschweigen hingegen wird kein Befehl übernommen, wann nicht die wirkliche Zuthat dessen, deme solcher aufgetragen worden, hinzutritt, wie es in zweiten Capitel, §. XI, num. 98 erkläret worden, oder Derjenige, deme der Befehl aufgetragen worden, ein Amt auf sich hätte, welches zu Besorgung derlei Geschäften gewidmet wäre, und er dem Auftrag nicht in der Zeit widerspräche.

[3, 15, § 1] 12. Nach Verschiedenheit des Gegenstands ist eine Vollmacht entweder

(3-263) allgemein auf alle wie immer Namen habende Geschäften, oder sonderheitlich nur auf ein oder mehrere bestimmte Geschäften allein.

[3, 15, § 1] 13. Beide werden entweder mit freier Macht und Gewalt nach eigenem Gutbefund zu schalten und zu walten aufgetragen oder nicht. Der auf erstere Art lautende Befehl giebt dem Befehlshaber die Befugnuß alles Dasjenige zu verrichten, worzu sonst eine absonderliche Vollmacht erforderlich wäre, nicht aber der andere.

[3, 15, § 1] 14. Ferners werden die Vollmachten in gerichtliche und außergerichtliche eingetheilet, nach deme sie gerichtliche oder außergerichtliche Handlungen betreffen; von gerichtlichen Vollmachten wird in vierten Theil bei der Gerichtsordnung gehandlet werden.

[3, 15, § 1] 15. Die außergerichtlichen sind entweder zeigbar oder geheim, und nur blos zu des Bevollmächtigten seinem eigenen Unterricht; erstere verbinden den Befehlenden auch gegen Demjenigen, mit deme die Handlung geschlossen wird, letztere aber wirken nur die Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber und Befehlshaber allein.

§. II.

[3, 15, § 2] 16. Befehle, sowohl auftragen, als annehmen kann Jedermann, der Verbindungen zu treffen fähig ist, außer insoweit gewissen Personen in vierten Theil in der Gerichtsordnung die Uebernehmung gerichtlicher Vollmachten untersaget wird.

[3, 15, § 2] 17. Derjenige, welcher dem Anderen einen Befehl aufträgt, wird der Befehls-, Macht- oder Gewaltgeber, und der Andere, welcher dessen Ausrichtung auf sich nimmt, der Befehlshaber, Gewaltträger, Bevollmächtigter oder Bestellter, und bei gerichtlichen Handlungen eigends der Anwalt benamset.

[3, 15, § 2] 18. Ein Befehl zielet entweder nur auf Eines oder auf Mehrerer Nutzen ab, und zwar nur zu Nutzen des Einen allein auf zweierlei Art, als entweder auf den alleinigen Nutzen des Befehlenden, wann derselbe die Besorgnuß seiner eignen Geschäften dem Anderen aufträgt, oder ihn für sich zum Bürgen stellet, oder auf den alleinigen Nutzen eines Dritten, wann Jemand dem Anderen befiehlt die Geschäften eines Dritten zu besorgen, oder für ihn Bürgschaft zu leisten.

[3, 15, § 2] 19. Dahingegen kann kein Befehlscontract zum alleinigen Nutzen dessen, deme der Befehl gegeben wird, bestehen, noch weniger eine Verbindlichkeit wirken, sondern dieses ist bloß ein Rath und kein Befehl, wann dabei nicht wenigstens mittelbar auf den Nutzen entweder des Befehlenden, oder eines Dritten die Absicht gerichtet ist.

[3, 15, § 2] 20. Zum Nutzen Mehrerer kann ein Befehl auf dreierlei Art gereichen, als entweder erstens, zum beiderseitigen Nutzen sowohl des Befehlsgebers, als Befehlshabers, wann z. B. ein Schuldner seinem Gläubiger auftrüge sich mit einer bei dem Dritten ausständigen Schuld bezahlt zu machen, oder zweitens, zu Nutzen des Befehlsgebers und eines Dritten, wann z. B. Jemand seine eigene, und eines Dritten Geschäften zugleich von dem Anderen besorgen läßt, oder ihn für sich und einen Dritten zum Bürgen stellet, oder endlich drittens, zum Nutzen des Befehlshabers und eines Dritten, wann z. B. Jemand dem Anderen befiehlt einem Dritten Geld auf Zinsen vorzuleihen.

[3, 15, § 2] 21. In allen diesen Fällen aber, wo der Befehl gleich Anfangs nicht mit auf den Nutzen des Befehlenden, sondern eines Dritten abzielet, wird der Befehlsgeber jegleichwohlen in der Folge sowohl dem Befehlshaber, wann diesem wegen des vollzogenen Befehls eine Rückforderung gebührete, als auch dem Dritten, wann dessen Geschäften von dem Befehlshaber nicht getreulich verwaltet worden, für den erweislichen Schaden zu haften verbunden.

[3, 15, § 2] 22. Außergerichtliche Befehle können Einem nur allein, oder auch Mehreren dergestalten aufgetragen werden, daß entweder Allen sammt und sonders die

(3-264) anbefohlene Geschäften zu verrichten gestattet, oder solche zwischen ihnen getheilet, oder aber ausdrücklich mit beigesetzet werde, daß Keiner ohne dem Anderen etwas vorzunehmen befugt sein solle.

[3, 15, § 2] 23. Vollmachten können entweder mündlich oder schriftlich ertheilet werden; es hat aber sowohl der nur mündlich Bevollmächtigte, als Jener, welcher sich mit ihme ohne Vorzeignug einer schriftlichen Vollmacht eingelassen, sich nachhero selbst beizumessen, wann sie auf Erforderungsfall mit dem Beweis des mündlichen Auftrags nicht aufzukommen vermögen.

[3, 15, § 2] 24. Eine schriftliche Vollmacht ist dahero sowohl für den Befehlshaber selbst, als für den Dritten, welcher mit ihme zu thun hat, allemal sicherer, um damit von dem Befehlgeber nicht allein jener keiner Ueberschreitung des Befehls beschuldiget, sondern auch die mit diesem geschlossene Handlung aus Vorwand der abgängigen Gewalt nicht entkräftet werden möge.

[3, 15, § 2] 25. Zur Giltigkeit einer schriftlich aufgesetzten Vollmacht wird erforderet, daß solche sowohl den Namen des Befehlsgebers, als Befehlshabers, dann das Geschäft, welches zu verrichten aufgetragen wird, entweder mit Vorschrift der Vollziehungsart, oder mit dem ausdrücklichen Beisatz der versicherten Beangenehmung und Schadloshaltung, daß nemlich der Befehlsgeber alles das, was der Befehlshaber in Sachen thun und verrichten würde, ebenso als wann er es selbst gethan hätte, genehm halten, und denselben in Allen schadlos halten wolle, und endlich die eigenhändige Unterschrift und Petschaft des Ausstellers, wie nicht weniger Jahr und Tag der Ausstellung deutlich enthalte.

[3, 15, § 2] 26. Dann wiewohlen die Schuldigkeit der Genehmhaltung und Schadloshaltung, wann der Befehlshaber die Vollmacht nicht überschreitet, schon aus der Natur der Handlung in einer jeden Vollmacht, wann sie auch darinnen nicht ausgedrucket worden, verstanden wird, so ist doch dieser Beisatz sowohl zur Sicherheit des Befehlshabers, als des Dritten, der sich mit ihme eingelassen, in jenem Fall unumgänglich nothwendig, wo die Weise des Vollzugs in dem Auftrag nicht mit vorgeschrieben worden.

[3, 15, § 2] 27. Und obschon jedem Aussteller freistehet eine förmlich aufgesetzte Vollmacht auszufertigen, oder auch nur ein Blanquet oder Carta bianca zu deren Aufsetzung unter seiner Handschrift und Petschaft von sich zu geben, so müssen doch auch in einem solchen Blanquet alle obbemelte Erfordernussen auf der umgeschlagenen Seiten des Blatts, worauf jenseits die Unterschrift befindlich ist, mit eigener Hand des Ausstellers also gewiß vermerket werden, wie im Widrigen eine solche Vollmacht ganz und gar ungiltig sein solle.

[3, 15, § 2] 28. Wo aber Jemand eine zwar auf seinen Namen, doch unter Fertigung seines Bevollmächtigten ausgestellte Urkunde in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einzulegen hätte, ist über all Obiges noch nöthig, daß die Vollmacht mit denen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung ausgemessenen Erfordernussen versehen, und neben der Urkunde zugleich in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen werde.

[3, 15, § 2] 29. Es ist jedoch dabei nicht erforderlich, daß zu einer jeden solchen Urkunde allemal eine absonderliche Vollmacht ausgestellet werde, sondern da Jemand mehrere derlei auf landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibungen gerichtete Geschäften auszuführen hätte, kann derselbe eine Vollmacht auf alle bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorkommende Fälle ausfertigen, und solche zum Voraus einverleiben lassen, wo sonach der auf diese Art bestellte Befehlshaber ein landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Bevollmächtigter heißet, und Alles bei der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern in Namen seines Befehlsgebers zu verrichten begewaltiget wird, worauf sich die alldort einverleibte Vollmacht erstrecket.

[3, 15, § 2] 30. Wann aber der Aussteller außerhalb des Landes, in welchem die Einverleibung einer von seinem Bevollmächtigten gefertigten Urkunde vorgenommen

(3-265) werden solle, befindlich ist, muß noch über das die Vollmacht mit dem Insiegel und Zeugnuß desjenigen Gerichts, unter welchem der Aussteller sich zur Zeit der Ausstellung aufhaltet, beglaubiget worden sein.

§. III.

[3, 15, § 3] 31. Derjenige, welcher ein ihme aufgetragenes außergerichtliches Geschäft zu verrichten auf sich genommen, kann solches entweder selbst vollziehen, oder es durch einen Dritten, den er anstatt seiner bestellet, ausführen lassen, wann ihme solches von dem Befehlsgeber nicht ausdrücklich untersaget worden. Inwieweit aber ein gerichtlicher Befehlshaber oder Bevollmächtigter anstatt seiner jemand Anderen bestellen könne, wird in vierten Theil bei der Gerichtsordnung ausgemessen werden.

[3, 15, § 3] 32. Ein solcher weiterer Auftrag des aufhabenden Befehls an einen Dritten heißet eine Afterbestellung, und Jener, der ihn von dem Befehlshaber übernimmt, ein Afterbestellter; es ist aber dabei zu unterscheiden, ob der Befehlsgeber dem Bevollmächtigten die Gewalt ausdrücklich eingeraumet habe einen Anderen statt seiner zu bestellen oder nicht.

[3, 15, § 3] 33. Ersteren Falls ist der Bevollmächtigte für die Handlung des Afterbestellten in nichten verfänglich; es wäre dann, daß er einen solchen Menschen, dessen Untreue, übler Namen, liederliche Gebahrung, und Unkündigkeit des aufgetragenen Geschäfts, oder Unfähigkeit dasselbe zu verrichten kundbar wäre, bestellet, oder in der Afterbestellung die Grenzen seiner Vollmacht überschritten hätte, oder sonst auch seinerseits eine Schuld oder Gefährde dabei unterliefe, oder endlich von ihme nicht Derjenige, welcher von dem Befehlsgeber namentlich bestimmet worden, sondern ein Anderer zum Afterbestellten ernennet worden wäre.

[3, 15, § 3] 34. In allen diesen Fällen bleibet der Bevollmächtigte ebenso, als wie in jenem Fall, wann ihme von dem Befehlgeber die Befugnuß anstatt seiner jemand Anderen zu bestellen nicht gegeben worden wäre, noch allezeit in der Verbindlichkeit für die Handlung des Afterbestellten Red und Antwort zu geben, wie dann die Schuld oder Gefährde des Afterbestellten auch ihme zur Last fallet, und der Befehlsgeber sich deshalben seiner zu halten berechtiget ist, obschon dieser sich anwiederum an dem Afterbestellten erholen mag.

[3, 15, § 3] 35. Bei landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Vollmachten hingegen hat der Bevollmächtigte diese Befugnuß nicht, wann ihme solche in der Vollmacht nicht wortdeutlich eingestanden worden; woferne aber die Gewalt einen Anderen zu bestellen darinnen ausgedrucket wäre, solle bei der Afterbestellung, wann es auf die Einverleibung einiger von dem Afterbestellten gefertigten Urkunden ankäme, alles dieses beobachtet werden, was von derlei Vollmachten selbst in dem gleich vorhergehenden §. geordnet worden.

§. IV.

[3, 15, § 4] 36. Alle erlaubte Verrichtungen können befehlsweise aufgetragen werden, wann sie nur ein gewisses, und an sich zulässiges Geschäft betreffen. Hierinnen bestehet der wesentliche Unterschied zwischen einem Befehl und einer Gutheißung; dann zukünftige Handlungen werden befohlen, vergangene aber gutgeheißen, obschon sowohl der vorhergegangene Befehl als die nachfolgende Gutheißung einerlei Wirkung haben, und Denjenigen, in dessen Namen das Geschäft vollzohen worden, in gleicher Maß verbinden.

[3, 15, § 4] 37. Das befehlsweise aufgetragene Geschäft muß entweder an sich, oder doch wenigstens durch Beziehung auf ohnfehlbare Umstände wornach der Befehlshaber seinen Verhalt zu nehmen hat, gewiß und bestimmet sein, widrigens ist der Befehl von keiner Giltigkeit; also da jemand dem Anderen auftrüge für ihn ein Haus oder Gut zu kaufen, muß von ihme entweder das Haus oder Gut, welches erkaufet

(3-266) werden solle, namentlich angezeiget, oder doch wenigstens der Werth oder die Kaufsumme, worein sich der Befehlshaber einlassen möge, benennet werden.

[3, 15, § 4] 38. Desgleichen muß die aufgetragene Verrichtung erlaubet sein, dann der Auftrag unzulässiger Handlungen wirket gar keine Verbindlichkeit weder an Seiten des Befehlshabers zu dessen Vollzug, noch an Seiten des Befehlsgebers zur Schadloshaltung des Befehlshabers, wohl aber werden Beide nicht allein zum Ersatz des einem Dritten andurch zugefügten Schadens, sondern auch zur Strafe nach Gestalt des Verbrechens verbunden.

[3, 15, § 4] 39. Es können auch in einer Vollmacht entweder mehrere, oder überhaupt alle den Befehlenden angehende Geschäften, oder aber nur eins allein aufgetragen werden, doch giebt es gewisse Geschäften, welche in einer allgemeinen Vollmacht nicht mitbegriffen werden, sondern entweder in derselben den ausdrücklichen Beisatz der dem Bevollmächtigten eingeraumten freien Macht und Gewalt nach eigenem Gutbefund zu schalten und zu walten, oder aber eine besondere Vollmacht erheischen.

[3, 15, § 4] 40. Von dieser Eigenschaft sind alle Schankungen, Veräußerungen, Vergleiche, Einschuldigungen, Erlassungen, Abtretungen und Anweisungen einer Schuld, und überhaupt alle Handlungen, welche die Verminderung des Vermögens des Befehlenden nach sich ziehen; wo es aber dabei auf landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Handlungen ankäme, wird bei der Vollmacht über das noch jenes erforderet, was oben im §. II ausgemessen worden.

§. V.

[3, 15, § 5] 41. Ein Befehlscontract kann insgemein auf zweierlei Art betrachtet werden, nemlich erstens als eine zwischen dem Befehlsgeber und Befehlshaber allein bestehende Handlung, dann andertens insoweit hieraus Beide gegen einem Dritten, welcher sich mit dem Befehlshaber auf die Vollmacht eingelassen, und dieser gegen jene verbunden werden.

[3, 15, § 5] 42. Doch entspringet diese letztere Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber und Befehlshaber auf einer, und einem Dritten auf der anderen Seiten nicht aus dem Befehlscontract selbst, sondern aus derjenigen Handlung, welche in Folge der Vollmacht von dem Befehlshaber in Namen des Befehlenden mit einem Dritten geschlossen worden; dahero wird solche unten in achtzehenten Capitel eigends erkläret, hier aber nur von der aus dem Befehlscontract unmittelbar entstehenden Verbindlichkeit des Befehlshabers und Befehlsgebers gegeneinander gehandlet werden.

[3, 15, § 5] 43. Der Befehlscontract ist seiner Natur nach in der Folge zweibündig, woraus gleich Anfangs der Befehlshaber dem Befehlsgeber in der Hauptsache zu getreulicher Vollziehung des ihme aufgetragenen Befehls, und zu Erstattung alles dessen, was ihme des anbefohlenen Geschäfts halber zugekommen, verbunden, dagegen aber auch diesem der Befehlsgeber nachhero zu seiner Schadloshaltung ruckverbindlich wird.

[3, 15, § 5] 44. Der getreuliche Vollzug des aufgetragenen Befehls bestehet darinnen, daß, sobald der Befehlshaber solchen angenommen, derselbe das anbefohlene Geschäft mit aller Treue und Redlichkeit verrichte, hierbei allen Fleiß, wie in seinen eigenen Sachen anwende, Schaden und Nachtheil verhüte, und die vorgeschriebene Maß des Befehls nicht überschreite, noch darwider handle, oder etwas dagegen vornehme, sondern sich deme, so ihme befohlen worden, in Allen gemäß verhalte.

[3, 15, § 5] 45. Woferne aber der Befehlshaber, nachdeme er den Befehl übernommen, solchen nicht vollziehen wollte, noch auch denselben in der Zeit, da die Sache sich noch in ihrer Gänze befunden, aufgesaget hätte, und der Befehlsgeber deshalben zu Schaden käme, so ist der Befehlshaber schuldig ihme den erweislichen Schaden zu ersetzen.

[3, 15, § 5] 46. Er könnte dann dessen Unterlassung mit einer rechtmäßigen Ursach, als

(3-267) Krankheit, feindlicher Ueberziehung, oder sonstiger Zufall, wodurch er in Verrichtung seiner selbsteigenen Geschäften verhinderet worden wäre, entschuldigen.

[3, 15, § 5] 47. Ein Gleiches verstehet sich von jenem Fall, wo bei Vollziehung des Befehls aus Schuld des Befehlshabers durch Ueberschreitung des Befehls, oder dessen sonstige Fahrlässigkeit dem Befehlenden ein Schaden zugefüget worden; in was für einen Grad der Schuld aber der Befehlshaber verfänglich werde, wird in nachfolgenden §. VII ausgemessen werden.

[3, 15, § 5] 48. Ueberschritten wird ein Befehl, wann die darinnen vorgeschriebene Maß nicht beobachtet wird, und dem Befehlenden hieraus ein Nachtheil entstehet; wo aber keine gewisse Maß zum Nachverhalt des Befehlshabers vorgeschrieben worden wäre, kann auch ein solcher an sich unbeschränkter Befehl überschritten werden, wann der Befehlshaber entweder in dessen Verrichtung etwas verabsaumet, oder Widriges unternimmt, was zum Schaden und Nachtheil des Befehlsgebers gereichet.

[3, 15, § 5] 49. Dahero muß allemal entweder der Schaden des Befehlenden, oder eines Dritten, zu dessen Nutzen der Befehl gegeben worden, oder wenigstens die Verfehlung der von dem Befehlenden dabei gehegten Absicht erweislich sein, wann wegen Ueberschreitung des Befehls geklaget wird, dann wo der Erfolg zu des Einen oder Anderen mehreren Nutzen ausschlüge, oder die Absicht des Befehlenden auch auf eine andere Art, als nicht vorgeschrieben ware, jegleichwohlen erreichet würde, kann der Befehlshaber keiner Ueberschreitung beschuldiget werden.

[3, 15, § 5] 50. Als da Jemand den Befehl hätte eine Sache in dem gesetzten Preis zu erkaufen oder zu verkaufen, er aber dieselbe wohlfeiler verkaufen oder theuerer verkaufen würde, überschreitet er den Befehl nicht, wohl aber, wann er die Sache über den bestimmten Preis theuerer erkaufet, oder darunter wohlfeiler hintangelassen hätte, weilen ersteres zum Nutzen, letzteres hingegen zum Schaden des Befehlenden gereichet.

[3, 15, § 5] 51. Ebensowenig ist es eine Ueberschreitung des Befehls, wann Jener, der für den Anderen Bürgschaft zu leisten ersuchet worden wäre, ein Pfand für ihn einlegen, oder auch einen Dritten statt seiner zum Bürgen stellen würde, weilen es dem Befehlenden einerlei sein muß, ob dem Schuldner auf diese oder jene Art getrauet, und zu dem benöthigten Darlehen verholfen werde.

[3, 15, § 5] 52. Es wäre dann, daß aus denen darmit verknüpften Nebenumständen oder unmittelbaren Folgen dem Befehlsgeber ein Nachtheil erwachsete, als da in dem zuerst gegebenen Beispiel wegen des wohlfeileren Einkaufs die Verkaufere, oder wegen des vertheuerten Preises die Abnehmere abgewendet worden wären, und dem Befehlsgeber andurch ersteren Falls die Anschaffung deren benöthigen Waaren, und letzteren Falls der Verschleiß seiner Feilschaften erschweret würde.

[3, 15, § 5] 53. Ferners muß auch die Ueberschreitung also beschaffen sein, daß der Schaden nicht erfolget wäre, wann der Befehlshaber sich der Vorschrift gemäß verhalten hätte. Wo aber auch bei Erfolgung der vorgeschriebenen Maß der Schaden gleichwohlen ohnfehlbar geschehen wäre, wird der Befehlshaber deswegen nicht verfänglich; also da Jemand den Befehl bekommen hätte eine Sache durch die hierzu benannte Person abzuschicken, und er gäbe solche einem Anderen auf, Beide aber würden unterwegs ausgeraubet, ist der Befehlshaber den Schaden zu ersetzen nicht schuldig.

[3, 15, § 5] 54. Doch können sich gewisse Fälle ergeben, wo der Befehlshaber auch bei Beobachtung der Vorschrift eine Verantwortung auf sich ladet, und dahero solche zu überschreiten schuldig ist, wann er nemlich vernünftiger Weise vorsiehet, daß die Befolgung der vorgeschriebenen Maß wegen eines dem Befehlsgeber zur Zeit des Auftrags unbekannten Umstands demselben zum ohnfehlbaren Nachtheil gereichen würde.

[3, 15, § 5] 55. Als da die in einem bestimmten Werth zum Verkauf gegebene Waaren in dem Ort des Verschleißes nach dem durchgängigen Preis viel höher an Mann

(3-268) gebracht werden könnten, oder der von Jemanden zu Abholung Gelds oder Guts Abgefertigte von dem Befehlshaber in einer offenbaren Untreue betreten worden wäre.

[3, 15, § 5] 56. Der Vollzug des aufgetragenen Befehls ist dahero allemal nach dem Erfolg zu beurtheilen, ob solcher zum Nutzen oder Schaden des Befehlsgebers ausschlage, und dessen Absicht dadurch erreichet worden seie oder nicht; ist es das erstere, so lieget nichts daran, ob der Befehlshaber den Befehl nach der vorgeschriebenen oder einer anderen Art vollzohen habe, wann nur nicht etwan durch Außerachtlassung der Vorschrift ein größerer Nutzen entgangen wäre.

[3, 15, § 5] 57. Ist es aber das letztere, und die Vorschrift wäre von dem Befehlshaber nicht beobachtet, oder sonst nicht getreulich gehandlet worden, so hat dieser den erweislichen Schaden zu ersetzen; ob und inwieweit jedoch der Befehlsgeber sowohl, als der Befehlshaber aus einer vorschriftswidrigen Handlung gegen einem Dritten verfänglich werde, wird in achzehenten Capitel erkläret werden.

[3, 15, § 5] 58. Damit aber ein Befehlshaber das Beste des Befehlsgebers in acht zu nehmen aus Abgang der Gewalt nicht außer Stand gesetzet werde, so wird überhaupt unter dem Befehl alles Dasjenige verstanden, ohne deme solcher nicht vollzohen werden kann; also hat Jener, deme befohlen worden etwas zu verkaufen, auch die Macht das Kaufgeld dafür einzuheben, und deme aufgetragen worden eine Schuld einzunehmen, ist auch begewaltiget solche einzutreiben, und die Quittung darüber auszustellen, wann gleich solches in der Vollmacht nicht mitausgedrucket worden wäre.

[3, 15, § 5] 59 Die zweite wesentliche Schuldigkeit eines Befehlshabers ist die Wiedererstattung alles dessen was ihme des aufgetragenen Geschäfts wegen zu Handen gekommen ist, mit allen davon aus Saumsal vertagten Zinsen, Schäden und Unkosten, wann gleich derselbe dabei wider den Willen des Befehlenden, oder auch außer der Vorschrift des Auftrags gehandelt hätte.

[3, 15, § 5] 60. Also da Jemand eine Summe Gelds zur Erkaufung einer Sache empfangen und solche, ehe sich die Gelegenheit des Ankaufs ergeben, auf Zinsen ausgeliehen hätte, darf er sich die Zinsen nicht zueignen. Desgleichen, da er die Sache wohlfeiler erkaufete oder eine andere theuerer verkaufete, als ihme nicht befohlen worden, ist derselbe nicht befugt, das erübrigte oder erlöste mehrere Kaufgeld für sich zu behalten, sondern ist schuldig, solches dem Befehlenden getreulich auszufolgen, woferne nicht etwan ihme der Gewinn unter oder über dem angeschlagenen Werth durch ein ausdrückliches Beding zur Vergeltung seiner Mühe oder in anderer Absicht überlassen worden.

[3, 15, § 5] 61. Zu welchem Ende der Befehlshaber, wann es die Nothdurft nach Beschaffenheit deren aufgetragenen Geschäften erforderet, nicht nur allein über das ihme anvertraute Gut ordentliche Rechnung zu führen, sondern auch solche auf jedesmaliges Verlangen des Befehlshabers zu legen verbunden ist.

[3, 15, § 5] 62. Daferne aber ein Befehlshaber sich soweit vergienge, das ihme anvertraute Gut des Befehlsgebers wider dessen Willen zu seinem eigenen Gebrauch zu verwenden oder zu unterschlagen, so wird derselbe über Zuruckstellung des Gelds oder Guts nicht allein zu Bezahlung deren Zinsen von dem Tag der eigenmächtigen Verwendung oder Unterschlagung verbunden, sondern er verfallet auch zugleich in die Ehrlosigkeit, wann in dem richterlichen Urtheil der Veruntreuung ausdrücklich gedacht wird.

[3, 15, § 5] 63. Aus dieser Verbindlichkeit des Befehlshabers entspringet die dem Befehlgeber und seinen Erben wider den Befehlshaber und dessen Erben gebührende Hauptforderung zu Leistung alles dessen, worzu dieser gegen jenem aus dem Befehlscontract verbindlich ist.

[3, 15, § 5] 64. Wo aber Jemands Geschäften Mehreren zugleich aufgetragen worden wären, ist zu unterscheiden, ob die Verrichtungen von dem Befehlgeber selbst unter

(3-269) sie vertheilet worden oder nicht; ersteren Falls ist deren Jeder nur für die ihme aufgetragene Verrichtung verbunden und Keiner für den Anderen verfänglich, wann er nicht an dessen Betrug oder Gefährde mit Theil genommen hat.

[3, 15, § 5] 65. Letzteren Falls hingegen ist darauf zu sehen, ob die mehrere Befehlshabere sich zu der anbefohlenen Verrichtung sammt und sonders anheischig gemacht haben oder nicht; dann, wo die Verrichtung des Geschäfts ausdrücklich mit gesammter Hand von ihnen übernommen worden wäre, ist auch deren jeder für den ganzen Betrag des Schadens verbunden, sie mögen gleich die Verrichtung unter sich getheilet haben oder nicht, doch also, daß der Befehlshaber Dasjenige, was er hieran an dem Einen erholet, an dem Anderen nicht mehr anforderen kann, und was Einer über seinen Antheil bezahlet, dieser an denen Uebrigen anzusuchen berechtiget ist, welche sich mit ihme in gleicher Schuld finden.

[3, 15, § 5] 66. Wann jedoch die Verbindung nicht mit gesammter Hand eingegangen worden wäre, solle der Ersatz zwischen ihnen gleich getheilet werden und Keiner für ein Mehreres, als auf seinen Antheil ausfallet, verfangen sein, woferne er nicht in dem Betrug des Anderen mit verflochten wäre, welcher jeden hieran Theilhabenden für den ganzen Betrag des Schadens verbindlich machet. So ein als anderen Falls aber stehet ihnen unter sich frei, das Bezahlte von Denenjenigen zurückzufordern, welche an dem verursachten Schaden die Schuld allein tragen.

§. VI.

[3, 15, § 6] 67. Der Befehlscontract gehet allemal auf Gewinn und Verlust des Befehlenden allein; folglich erforderet auch die natürliche Billigkeit, daß der Befehlshaber wegen Desjenigen, was ihme des verrichteten Geschäfts halber an seinem Gut entgangen ist und etwan sonst aus einem Nebenbeding gebühret, von dem Befehlsgeber vollkommen entschädiget werde.

[3, 15, § 6] 68. Aus diesem Grundsatz fließet demnach die Rückverbindlichkeit des Befehlenden zur schuldigen Schadloshaltung des Befehlshabers, welche sich auf folgende drei Gegenstände, als nemlich auf den Ersatz des erweislichen Aufwands, dann die Vergütung der durch Vollziehung des aufgetragenen Geschäfts verursachten oder die Entledigung des noch ohnfehlbar daraus zu gewarten habenden Schadens, und endlich die Entrichtung der verheißenen oder sonst nach Eigenschaft der Person angebührenden Vergeltung erstrecket.

[3, 15, § 6] 69. Wiewohlen aber das übernommene Geschäft ohne Schuld des Befehlshabers nicht zu Ende gebracht und vollzogen worden wäre, oder auch gar einen widrigen Ausgang gehabt hätte, so bleibet der Befehlsgeber jegleichwohlen noch zur Schadloshaltung des Befehlshabers ruckverbindlich, weilen dieser nur für die gehörige Besorgniß des Geschäfts, nicht aber für den Erfolg zu haften hat.

[3, 15, § 6] 70. Unter dem schuldigen Ersatz des Aufwands sind alle Auslagen begriffen, welche der Befehlshaber auf die Verrichtung der aufgetragenen Geschäfte entweder aus Nothwendigkeit oder zum Nutzen des Befehlsgebers ohne Gefährde erweislich verwendet hat, obgleich der Befehlende selbst die Sache mit minderen Kosten hätte berichtigen können, dann in diesem Fall hat er sich beizumessen, daß er in dem Auftrag die Maß des Aufwands nicht bestimmet habe.

[3, 15, § 6] 71. Es wären dann die zuruckforderende Auslagen zum Theil allzu übermäßig, oder unnöthig, oder unnütz, welche allerdings nach richterlichen Befund auf ein Billiges gemäßiget werden sollen. Die verheißene oder auch gegebene Vergeltung hingegen enthebet den Befehlsgeber von Ersatz deren Auslagen keineswegs, sondern solche wird blos allein für die Mühewaltung abgereichet, wann sonst nichts Anderes bedungen woren.

[3, 15, § 6] 72. Der Befehlshaber ist auch nicht schuldig mit dem Ersatz deren Auslagen bis zur Vollendung des Geschäfts zuzuwarten, wann der Verzug nicht aus seiner Schuld herrühret, und da es der Befehlsgeber auf die gerichtliche Klag ankommen

(3-270) ließe, kann er auch insgemein die von Zeit der gerichtlichen Belangung davon vertagte Zinsen anforderen. In welchen Fällen aber ihme die Zinsen davon von dem Tag der Auslage gebühren, wird unten in siebenzehenten Capitel erkläret werden.

[3, 15, § 6] 73. Nicht weniger sind dem Befehlshaber diejenige Schäden zu vergüten, welche ihme an seinem Gut wegen Ausrichtung des anbefohlenen Geschäfts auch aus leichtester Schuld des Befehlsgebers widerfahren, nicht aber auch jene, welche aus ungefähren Zufall entstehen oder worzu seine selbsteigene Schuld Anlaß gegeben hätte.

[3, 15, § 6] 74. Also da Jemanden befohlen worden wäre, eine gewisse Person bei sich zu beherbergen und der Befehlshaber würde von derselben ohne einer seinerseits unterlaufenden Fahrlässigkeit bestohlen, ist der Befehlsgeber den Werth des gestohlenen Guts zu ersetzen schuldig, weilen ihm zur Schuld beizumessen ist, daß er sich um die Eigenschaften dieser Person nicht genugsam erkundiget habe.

[3, 15, § 6] 75. Dahingegen, da Jemand ersuchet worden wäre für den Anderen einen tauglichen Dienstboten zu verschaffen, ohne eine gewisse Person zu benennen, und der Befehlshaber suchte einen aus, von deme er Zeit des ihme bei sich gegebenen Aufenthaltes bestohlen würde, ist der Befehlsgeber für nichts verfänglich, sondern es unterwaltet dabei des Befehlshabers eigene Schuld, daß er in Auswählung der Person nicht fürsichtiger gehandlet.

[3, 15, § 6] 76. Umso minder können zufällige Schäden, welche der Befehlshaber in Ausrichtung des aufgetragenen Geschäfts an seinem Gut erleidet, dem Befehlsgeber zur Last gehen, wann seinerseits dabei keine Schuld unterlaufet, noch auch etwan zum voraus dem Befehlshaber die Schadloshaltung für derlei Zufälle verheißen worden; also da Jemand auf der zu Ausrichtung des Befehls unternommenen Reise ausgeraubet würde, hat er den Schaden allein zu büßen.

[3, 15, § 6] 77. Es wäre dann die Gefahr dem Befehlsgeber wohl bekannt gewesen und der Befehlshaber von ihme nicht gewarnet, sondern das aufgetragene Geschäft von diesem, ohne etwas Arges zu vermuthen, mit guten Glauben auf sich genommen worden, oder dieser hätte die Ausrichtung des Befehls nicht willkürlich, sondern aus schuldigen Gehorsam gegen den Befehlsgeber übernommen, in welchen Fällen der Befehlsgeber den auch durch bloßen Zufall an dem Gut des Befehlshabers widerfahrenen Schaden, wann solcher sonst bei nicht aufgetragenen Befehl vermieden worden wäre, billig zu ersetzen hat.

[3, 15, § 6] 78. In dieser aus der natürlichen Billigkeit fließenden Schuldigkeit zur Schadloshaltung des Befehlshabers gründet sich die in achten Capitel, von Bürgschaften, §. VI. beschriebene dem Bürgen wider den Schuldner gebührende Ruckforderung, welche nicht nur allein auf die Wiedererlangung dessen, was er für den Schuldner erweislich bezahlet, sondern auch in denen in gleichbemelten Capitel, §. VII, von num. 113 bis num. 116 erklärten Fällen auf die Befreiung von der Bürgschaft, folglich auf die Abwendung des erst bevorstehenden Schadens abzielet und auch außer der Bürgschaftsleistung in allen andern Handlungen, worinnen der Befehlshaber für den Befehlsgeber mit einem Dritten eine Verbindung eingegangen, zu dem Ende angestrenget werden kann, damit derselbe hievon befreiet werde.

[3, 15, § 6] 79. Endlich ist auch der Befehlsgeber verbunden dem Befehlshaber diejenige Belohnung oder Verehrung abzureichen, welche demselben entweder von ihme zur Vergeltung seiner Bemühung versprochen worden, oder sonst auch außer einer ausdrücklichen Verheißung nach Eigenschaft deren sich zur entgeltlichen Betreibung gewisser Geschäften widmenden Personen gebühret.

[3, 15, § 6] 80. Wo aber in diesem letzteren Fall, oder da auch eine Belohnung nur überhaupt, ohne die Summe zu bestimmen, versprochen worden wäre, der Befehlsgeber und Befehlshaber sich über die Gebühr nicht einigen könnten, hat solche der

(3-271) Richter nach Erwägung der gehabten Mühe, Beschaffenheit der Person, des Geschäfts und anderer Umständen auszumessen.

[3, 15, § 6] 81. Aus dieser Rückverbindlichkeit des Befehlsgebers entstehet die dem Befehlshaber und seinen Erben wider ihn und dessen Erben zu seiner völligen Schadloshaltung gebührende Ruckforderung, welche aber nur insoweit statt hat, als der Befehlshaber sich der Vorschrift des Befehls gemäß verhalten hat.

[3, 15, § 6] 82. Dann, insoferne der Befehl überschritten und der Befehlshaber durch diese Ueberschreitung zu Schaden gekommen wäre, ist ihme der Befehlsgeber solchen zu ersetzen nicht schuldig, wann er nicht etwan die Ueberschreitung entweder ausdrücklich oder stillschweigend gutgeheißen hätte, als da er eine von dem Befehlshaber über den bestimmten Preis theuerer erkaufte Sache wissentlich ohne Widerrede annähme, welchen Falls er auch das ganze Kaufgeld, was dieser dafür ausgeleget, ihme wieder zu erstatten hat.

[3, 15, § 6] 83. Diese Ruckforderung aus dem Befehlscontract kann nicht weniger, als in anderen Handlungen, worinnen dem Hauptverbundenen wider den anderen Theil eine Ruckforderung gebühret, entweder als eine besondere Klage, oder als eine Gegenklage oder Einrede wider die Hauptforderung des Anderen angebracht werden und hat ingleichen der Befehlshaber wegen dessen, was ihme der Befehlsgeber seiner Rückforderung halber zu ersetzen hat, an deme, was er diesem dagegen herauszugeben hätte, sowohl das Recht der Innehaltung als das Recht der Gegenvergeltung.

[3, 15, § 6] 84. Doch sollen alle diese auf den ein- oder anderweitigen Ersatz gerichtete Forderungen, welche ein Theil an den anderen aus dem Befehlscontract zu stellen Willens ist, binnen der in fünften Capitel, von Leihen zum Gebrauch, §. IV, num. 34 und §. V num. 50 und 51 ausgemessenen Zeitfrist bei Gericht eingeklaget und auf die daselbst vorgeschriebene Art und Weis erörteret, widerigens aber nach Verlauf dieser Zeit von dem Tag der an Seiten des Befehlsgebers ohne Verwahrung erfolgten Annehmung oder der an Seiten des Befehlhabers ohne Vorbehalt geleisteten Ausfolgung verschwiegen werden, wovon die alleinige Ruckforderung des Bürgens an den Schuldner auszunehmen ist, welche nicht anderst, als durch die in zweiten Theil bestimmte Zeit verjähret wird.

§. VII.

[3, 15, § 7] 85. Aus dem Befehlscontract hat zwar insgemein der Befehlshaber wenig oder gar keinen Nutzen; nichtsdestoweniger wirket doch seinerseits die Uebernehmung fremder Geschäften auch die Verbindlichkeit zu demjenigen Grad des Fleißes, welchen Treu und Glauben bei Verrichtung eines fremden Geschäfts von ihme nicht weniger als in seinen eigenen Sachen erforderet.

[3, 15, § 7] 86. Der Befehlshaber ist dahero aus der willkürlichen Uebernehmung eines fremden Geschäfts so wie der Befehlsgeber wegen seines dabei vorzüglich unterwaltenden Nutzens für die Gefährde, die große und leichte Schuld zu haften schuldig.

[3, 15, § 7] 87. Es wäre dann das Geschäft von solcher Beschaffenheit, daß es keinen besonderen Fleiß erheische, als z. B. die Leistung einer Bürgschaft, welchen Falls der Befehlshaber auch nur für die Gefährde und große Schuld verfänglich wird.

[3, 15, § 7] 88. Für bloße Zufälle hingegen wird Keiner dem Anderen verbindlich, sondern Jeder hat den Schaden, welcher an seinem Gut durch Zufall geschieht, selbst zu leiden, wann solche nicht durch ein ausdrückliches Beding übernommen worden, oder sonst eine von denen in ersten Capitel, §. IX, von num. 126 bis num. 128 beschriebenen Ursachen unterwaltete, welche auch für bloße Zufälle verfänglich machet.

[3, 15, § 7] 89. Wann demnach die dem Befehlshaber anvertraute Sachen des Befehlsgebers zufälliger Weise zu Grund giengen, kann dieser an jenem so wenig, als


(3-272) gegentheils jener an diesen einen Ersatz forderen, wann etwan er in Ausrichtung des aufgetragenen Geschäfts an seinen Sachen einen zufälligen Schaden erlitten hätte.

§. VIII.

[3, 15, § 8] 90. Der Befehlscontract erlöschet entweder durch beiderseitige Willkür oder durch Abstand oder Todsfall des einen oder anderen Theils. Durch beiderseitige Willkür kann der Befehlscontract zu allen Zeiten aufgehoben werden, die Sache möge sich in ihrer Gänze befinden oder nicht, wann nur letzteren Falls die vollständige Wiedererstattung alles dessen, was beide Theile des Contracts halber einander schuldig worden, erfolget und kein Nachtheil eines Dritten, deme zu dem Vollzug des aufgetragenen Befehls ein Recht gebühret, aus der Aufhebung erwachset.

[3, 15, § 8] 91. Dahingegen kann der einseitige Abstand nur insolange den abstehenden Theil von der Verbindlichkeit entledigen, als die Sache sich noch in ihrer Gänze befindet und dieser Abstand heißet an Seiten des Befehlsgebers die Widerrufung und an Seiten des Befehlshabers die Aufsagung des Befehls.

[3, 15, § 8] 92. Dem Befehlsgeber stehet dahero frei den ertheilten Befehl bis dahin zu widerrufen, solange der Befehlshaber das übernommene Geschäft noch nicht zu verrichten angefangen, weder von ihme einige Unkosten aufgewendet, noch auch ihme durch die Widerrufung sein bei Schließung des Contracts vorzüglich mitabgesehener Nutzen entzogen wird.

[3, 15, § 8] 93. Es ist aber an der Widerrufung des Befehlsgebers allein nicht genug, sondern es solle auch solche dem Befehlshaber bedeutet und kund gemacht werden; dann ansonsten ist nicht allein alles Dasjenige, was dieser vor der erhaltenen Wissenschaft der Widerrufung nach Vorschrift des Befehls unternimmt, giltig und bündig, sondern es bleibet ihme auch der Befehlsgeber ebenso verbunden, als ob er den Befehl in der Zeit nicht widerrufen hätte.

[3, 15, § 8] 94. Hierdurch unterscheidet sich ein Bot oder Jener, deme eine mündliche Botschaft dem Anderen zu überbringen aufgetragen worden, von einem Befehlshaber; dann, wann gleich der Bot die Widerrufung später erfahret, als er die Botschaft ausgerichtet, ist jegleichwohlen das Ausgerichtete von keiner Giltigkeit, wann der Aufgeber solches vor der Ausrichtung widerrufen hat, obschon die Widerrufung dem Boten erst nach der Ausrichtung zu seiner Wissenschaft gelanget.

[3, 15, § 8] 95. Wäre aber die Sache zur Zeit der Widerrufung in ihrer Gänze nicht mehr befindlich, so kann zwar nach widerrufenen Befehl von dem Befehlshaber in der Verrichtung des aufgetragenen Geschäfts nicht weiter fortgeschritten werden, es bleiben aber Beide für das, was noch vor der kundgemachten Widerrufung hieran verrichtet worden oder verrichtet werden sollen, aus dem Befehlscontract einander verbindlich.

[3, 15, § 8] 96. Eine verheißene Belohnung oder Vergeltung hinderet jedoch nicht, daß der Befehl von dem Befehlsgeber widerrufen werden könne, sondern solchen Falls gebühret dem Befehlshaber hieran nur so vieles, als er bis zu der ihme bedeuteten Widerrufung für seine Mühe erweislich verdienet hat.

[3, 15, § 8] 97. Desgleichen kann der Befehlshaber den übernommenen Befehl aufsagen, solange dem Befehlsgeber nichts daran lieget, ob solcher durch diesen oder jemand Anderen vollzogen werde; wo er aber nach übernommenen Befehl solchen zur Unzeit aufsagen und der Befehlsgeber deshalben zu Schaden kommen würde, so ist er nicht allein solchen demselben zu ersetzen schuldig, sondern kann auch, wann dem Befehlsgeber daran gelegen ist, zum Vollzug des übernommenen Geschäfts verhalten werden.

[3, 15, § 8] 98. Er hätte dann eine rechtmäßige Ursach den Befehl aufzusagen, als da sind Krankheit oder Veränderung seines Zustandes, wodurch er zu Verrichtung des aufgetragenen Geschäfts unfähig oder unvermögend gemacht würde, ein große,

(3-273) zwischen ihme und dem Befehlsgeber ausgebrochene Feindschaft, vorgefallene nothwendige Reise und überhaupt alle Zufälle, welche gleich Anfangs die Annehmung des Befehls verhinderet haben würden.

[3, 15, § 8] 99. In welchen Fällen jedoch derselbe dem Befehlsgeber, damit dieser in der Zeit eine andere Vorsehung machen könne, sogleich, als er es zu thun im Stand ist, hiervon Nachricht zu geben und insolange, als diesem die Aufsagung nicht zukommt, für allen aus Vernachlässigung des Geschäfts entstehenden Schaden, insoweit er solchen abzuwenden vermögend ware, zu haften schuldig ist.

[3, 15, § 8] 100. Durch Absterben des Befehlsgebers wird der Befehl, wann solcher noch nicht zu verrichten angefangen worden, sondern die Sache sich in ihrer Gänze befindet, dergestalten aufgehoben, daß weder der Befehlshaber solchen zu vollziehen, noch auch die Erben des Befehlsgebers, wann gleich der Befehlshaber wohl wissend, daß jener verstorben seie, sich in die Verrichtung des Geschäfts eingelassen hätte, zu seiner Schadloshaltung weiter verbunden sind, als der ihnen andurch verschaffte Nutzen erweislich ist.

[3, 15, § 8] 101. Es wäre dann das aufgetragene Geschäft also beschaffen, daß es nicht ehender, als nach dem Tod des Befehlsgebers verrichtet werden könnte, als z. B. die Erbauung eines Grabmals, die Ausfolgung einer Vermächtniß und dergleichen, oder der Befehlshaber hätte zur Zeit des verrichteten Geschäfts von dem Tod des Befehlsgebers keine Wissenschaft gehabt, oder endlich das aufgetragene Geschäft gereichete auch hauptsächlich mit zum Nutzen des Befehlshabers, als da die gegebene Vollmacht dahin lautete eine bei dem Dritten angewiesene Summe für sich selbst einzutreiben.

[3, 15, § 8] 102. Woferne aber die Verrichtung des Geschäfts bei Absterben des Befehlsgebers schon angefangen gewesen wäre, oder doch vorhero ihren Anfang hätte nehmen sollen, bleibet zwar die Verbindlichkeit für das schon Verrichtete oder verrichtet worden sein Sollende auf beiden Seiten; doch kann und darf der Befehlshaber ohne einer neuen Vollmacht deren Erben in der Sache weiter nichts vornehmen; es habe dann das noch zu verrichten Uebrige mit dem Vorhergegangenen einen so unzertrennlichen Zusammenhang, daß aus dessen Unterlassung die Erben selbst verkürzet würden, oder einem Dritten schon aus der vorgegangenen Handlung ein Recht zu deren Vollzug erwachsen wäre.

[3, 15, § 8] 103. Also kann ein Befehlshaber für die von ihme bei Lebszeiten des Befehlsgebers verkaufte Sachen auch nach dessen Absterben das ausständige Kaufgeld ohne einer neuen Vollmacht einforderen, wie auch ein Handlungsvorgesetzter nach Absterben des Eigenthümers die Handlung fortführen, nicht weniger ist Jener, bei deme die Auszahlung einer Summe an einen Dritten angewiesen worden, wann er die Anweisung bei Lebszeiten des Befehlsgebers einmal angenommen auch nach dessen Absterben solche dem Dritten hinauszuzahlen schuldig.

[3, 15, § 8] 104. Gleichergestalten erlöschet der Befehl durch Absterben des Befehlshabers, wann die Sache sich noch in ihrer Gänze befindet, und sind dessen Erben weder befugt noch minder schuldig das dem Verstorbenen aufgetragene Geschäft zu verrichten.

[3, 15, § 8] 105. Da jedoch die Ausrichtung des Geschäfts von dem Verstorbenen schon angefangen oder von ihme zum Schaden des Befehlsgebers hierinnen etwas vernachlässiget worden wäre, währet nicht nur für das schon Verrichtete oder Verabsaumte so ein- als anderseitige Verbindlichkeit fort, sondern die Erben, wann sie es zu thun fähig sind, und nicht etwan die Wahl des abgelebten Befehlshabers auf seine Kündigkeit und Geschicklichkeit besonders gerichtet ware, können auch zu dessen Ausführung und Vollendung verhalten werden.

(3-274) Caput XVI.

Von Gewährungs- oder Versicherungscontract.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Gewährungs- oder Versicherungscontracts. §. II. Von Art und Weis der Gewährung oder Versicherung. §. III. Von Verbindlichkeit des Gewährenden oder Versicherenden, und der Gegenverbindlichkeit dessen, deme gewähret wird, und von der gegeneinander habenden Rechtsforderung. §. IV. Von Aufhebung und Erlöschung des Gewährs- oder Versicherungscontracts.

§. I.

[3, 16, § 1] Num. 1. Die Gefahren, welchen die Versendung deren Waaren besonders zu Wasser unterworfen ist, haben unter Handelsleuten zu Erfindung einer Art von Contracten Anlaß gegeben, wodurch der Eigenthumer deren versendeten Waaren wegen des dabei besorgenden Verlusts von dem Anderen, der die Gefahr auf sich nimmt, gegen einer demselben dafür abgereichten Vergeltung sicher gestellet wird.

[3, 16, § 1] 2. Dieser Contract heißet eine Gewährung oder Versicherung und ist einer gutwillige Vereinigung wegen Uebernehmung der Gefahr deren entweder zu Wasser oder zu Land versendeten Waaren für eine dafür nach Größe der Gefahr abgemessene gewisse Summe Gelds.

[3, 16, § 1] 3. Er kommt nicht weniger als alle vorbeschriebene Consensualcontracten durch die bloße beiderseitige Einwilligung zu Stande und erforderet zu seiner Wesenheit folgende drei Stücke, als erstens, die gutwillige Vereinigung beider Theilen, zweitens, die Uebernehmung der Gefahr, und endlich drittens, die Vergeltung oder den Preis der übernommenen Gefahr.

[3, 16, § 1] 4. Die Gefahr oder der Risico muß wirklich obschweben und der Erfolg, ob die Fracht von Waaren an dem Ort ihrer Bestimmung angekommen, noch ungewiß sein, welches jedoch nur in Absicht auf die Contrahenten zu verstehen ist, bei denen die Gefahr so lange fortdauret, als sie von dem Erfolg keine verläßliche Nachricht haben, wiewohlen das Schicksal deren Waaren schon vorhero an sich gewiß wäre.

[3, 16, § 1] 5. Dahero ist an deme genug, daß die Contrahenten zur Zeit des Contracts noch in der Ungewißheit des Erfolgs befangen sind, obschon vor dieser Zeit die Waaren bereits an dem bestimmten Ort abgesetzet, oder in Verlust gegangen wären; dann solchen Falls wird die getroffene Verabredung auch auf die vergangene

(3-275) Zeit erstrecket, woferne dieselbe nicht ausdrücklich nur auf die von Zeit des Contracts sich ereignen mögende Unfälle beschränket wird.

[3, 16, § 1] 6. Da aber zur Zeit der Versicherung der Eigenthümer deren Waaren von seinem erlittenen Verlust, oder der Versicherer von deren richtigen Absetzung schon benachrichtiget gewesen wäre, und so Einer als der Andere der bereits davon gehabten guten Wissenschaft überführet werden könnte, so ist die Handlung an sich null und nichtig, und hat nicht nur kein Theil dem anderen etwas hierauf zu erstatten, sondern es ist auch deren jeder befugt das Darangegebene anwiederum zuruckzuforderen.

[3, 16, § 1] 7. Für die übernommene Gefahr wird dagegen dem Versicherer eine Vergeltung oder ein Preis, welcher insgemein Prime genannt wird, zu geben bedungen, dessen Betrag nach dem Gebrauch eines jeden Handelsplatzes, oder nach Größe der Gefahr, oder sonst nach eigenem Belieben deren Contrahenten in Verhältniß mit dem Werth deren versicherten Waaren, als auf zwei, drei oder auch mehrere von Hundert ausgemessen werden kann. Wo aber keine Prime bedungen wurde, ist die Handlung keine Versicherung, sondern ein Befehlscontract oder Schenkung nach Absicht dessen, von deme die Gefahr ohnentgeltlich übernommen worden.

[3, 16, § 1] 8. Und hierinnen bestehet der wesentliche Unterschied zwischen einem Versicherungscontract und dem bei Gesellschaftscontracten üblichen Versicherungsbeding, wodurch ein Theilhaber dem anderen seine Einlage gegen einem für sich bedungenen größeren Gewinnsantheil versicheret, ohne sich außer dem ihme nach der genommenen Abrede gebührenden Gewinnsbetrag eine besondere Vergeltung der übernommenen Gefahr auszubedingen.

§. II.

[3, 16, § 2] 9. Versicherungscontracten können von Jedermann eingegangen werden, der sich zu verbinden fähig ist, und ist nicht verwehret, daß auch einerlei Waaren oder nur ein Schiff von Mehreren, wie dagegen verschiedene Waaren und Schiffe von Einem versicheret werden mögen.

[3, 16, § 2] 10. Wiewohlen aber dieser Contract sowohl mündlich als schriftlich geschlossen werden kann, so solle doch hierauf keine Gerichtshilfe ertheilet werden, wann Kläger darüber keine schriftliche Urkunden, worinnen die Bedingungen dieses Contracts enthalten sind, und die von dem Versicherer unterschrieben sind, aufzuzeigen vermag.

[3, 16, § 2] 11. Eine solche Urkunde wird insgemein unter Handelsleuten Police oder Polliza genennet und solle nicht allein den Namen des Schiffers, des Schiffs oder des Fuhrmanns, deme die Waaren zu verführen aufgegeben worden, sondern auch den Namen des Orts, wo das Schiff oder der Wagen befrachtet wird, und dasjenige, wohin die Fahrt gerichtet ist, wie nicht minder die Bestimmung des Laufs des Schiffes oder des Wegs, in welchen der Fuhrmann sich zu halten hat, oder die ausdrückliche Freiheit den Weg nach Belieben des Schiffers oder Fuhrmanns, wie er immer wolle, nehmen zu dürfen, deutlich enthalten.

[3, 16, § 2] 12. Diese Bedingungen wirken so vieles, daß, woferne der Versicherte einen anderen Schiffer oder Fuhrmann, oder ein anderes Schiff, als nicht in dem Vertrag benennet worden, zur Verführung deren Waaren dingen, oder das Schiff oder den Wagen wider die genommene Abrede in einem anderen Ort befrachten,

(3-276) oder an einen anderes Ort abschicken, oder endlich der darinnen vorgeschriebene Lauf oder Weg nicht beobachtet worden sein würde, der Versicherer zu nichts verbunden seie.

[3, 16, § 2] 13. Wo aber diese Bedingungen nicht beigesetzet worden wären, vermag die Natur des Contracts, daß der Willkür des Versicherten frei gestellet bleibe, durch wen, auf was Weise, von wannen, und wohin derselbe die versicherte Waaren versenden wolle, und die Versicherung verstehet sich solchen Falls bis auf dasjenige Ort, wo sonst die Waaren von dem Versicherten abgesetzet zu werden pflegen.

[3, 16, § 2] 14. Nicht minder muß darinnen die Zeit, von welcher die Versicherung anzufangen, und wie lang solche fürzuwähren habe, ausgedrucket werden, nach deren Verlauf der Versicherer von seiner Verbindlichkeit ledig und los ist, welche aber bei nicht ausgesetzter Zeit so lang fortdaueret, bis die Waaren an dem Ort ihrer Bestimmung angelanget sind.

[3, 16, § 2] 15. Ferners solle in der Versicherungsurkunde der Betrag und die Gattung deren Waaren, welche versicheret worden, mit ihrem Werth angedeutet werden; dann in Ermanglung der vorgängigen Schätzung lieget hernach dem Versicherten ob deren wahren Werth nach dem in dem Ort der Ladung gängigen Preis zu erweisen.

[3, 16, § 2] 16. Gleichergestalten muß die Uebernehmung der Gefahr oder des Risico an Seiten des Versicherers mit Anmerkung deren besorgenden Unfällen, wofür er zu stehen gelobet, und mit Aussetzung derjenigen Summe, worzu er sich verbunden hat, darinnen begriffen sein; ansonsten, wo von ihme besondere Gefahren nicht erwähnet, noch auch die Summe, worauf er die Versicherung eingegangen, ausgemessen worden, hat derselbe für alle sich immer ereignen mögende Unfälle zu haften, und den ganzen Werth deren verlorenen Waaren zu ersetzen.

[3, 16, § 2] 17. An Seiten des Versicherten hingegen muß darinnen der Betrag der für die Versicherung gegebenen oder verheißenen Prime, oder Vergeltung vermerket sein, in deren Ermanglung kein Versicherungscontract bestehen kann; doch lieget nichts daran, ob solche gleich bei Schließung des Contracts bezahlet, oder zu einer gesetzten Zeit zu erlegen verheißen werde.

[3, 16, § 2] 18. Endlich ist diese Urkunde, damit sie für einen rechtsbeständigen Beweis angesehen werden könne, sowohl von dem versicherenden, als dem versicherten Theil mit eigenhändiger Unterschrift zu bewähren; außerdeme stehet denen Contrahenten frei was immer für Bedinge, welche ihnen gefällig, uns sonst zulässig sind, dem Contract beizufügen.

§. III.

[3, 16, § 3] 19. Der solchergestalten errichtete Versicherungscontract ist gleich Anfangs in der Hauptsache zweibündig, woraus einerseits der Versicherer zu Bezahlung der auf dem Fall des Verlusts versicherten Summe, oder da keine bestimmet worden, des ganzen Werths deren von ihme versicherten verlorenen Waaren, andererseits aber der Versicherte zu Erlegung der Prime der Versicherung verbunden wird.

[3, 16, § 3] 20. Hieraus entstehet die dem Einem und seinen Erben wider den Anderen und dessen Erben gebührende beiderseitige Hauptforderung zu Leistung Desjenigen, worzu Einer dem Anderen aus dem Versicherungscontract verbindlich worden.

[3, 16, § 3] 21. Der Versicherer kann zwar seine Forderung auf den Erlag der bedungenen Prime, wann sonst von ihme in der Abrede hierzu keine längere Frist eingestanden worden, sogleich nach Schließung des Contracts anstrengen, maßen ihme die Prime, der Unfall möge sich an denen versicherten Waaren ereignen oder nicht, allemal gebühret.

[3, 16, § 3] 22. Gleichwie er aber sich gegen dem Versicherten nur auf dem Fall des Verlusts verbindlich gemacht, also kann auch dieser wider jenen seine Forderung

(3-277) nicht ehender regen, als bis daß derselbe den sich ergebenen Unfall an denen versicherten Waaren durch glaubwürdige Beweise darzuthun im Stande ist.

[3, 16, § 3] 23. Wann jedoch an der Vollständigkeit des Beweises noch ein Zweifel übrig wäre, und der Versicherer um einen hinlänglichen Zeitraum die verläßliche Kundschaft über die eigentliche Beschaffenheit der Sache einholen zu mögen anhielte, ist ihme solcher nach richterlichen Befund zu verstatten.

[3, 16, § 3] 24. Daferne hingegen derselbe die versicherte Summe, oder den Werth deren für verloren angegebenen Waaren bezahlet hätte, und der Eigenthümer nachhero etwas davon, wofür er bereits die Entschädigung erhalten, anwiederum zu Handen brächte, so ist dieser schuldig so vieles, als ihme hieran zugekommen, dem Versicherer von dem empfangenen Betrag zuruckzuerfolgen.

[3, 16, § 3] 25. Um damit aber auch der Eigenthümer in Erwartung des ungewissen Erfolgs wegen der versicherten Summe auf dem Fall, da mittlerweil das Vermögen des Versicherers in Abnehm geriethe, gesicheret sein möge, so solle demselben unverwehret sein nach Darzeigung der Gefahr an demselben seine Sicherheit vorsichtsweise anzusuchen.

§. IV.

[3, 16, § 4] 26. Der Versicherungscontract endiget sich auf verschiedene Art, als erstens mit beiderseitigen Abstand; Einer aber allein kann ohne Willen des Anderen von dem Contract nicht abweichen, sondern da der versicherte Theil davon abstünde, verlieret derselbe die dem Versicherer gegebene oder verheißene Prime.

[3, 16, § 4] 27. Zweitens, mit Verlauf der Zeit, worauf die Versicherung gelautet, oder binnen welcher die Anzeige des an denen versicherten Waaren erlittenen Verlusts oder Schadens geschehen sollen, so insgemein bei Verlust der Forderung dem Contract beigesetzet zu werden pfleget; dem Versicherer aber verbleibet solchen Falls die Prime nicht weniger, als wann der Erfolg unter dieser Zeit sich ereignet hätte.

[3, 16, § 4] 28. Drittens, durch contractwidriges Benehmen des versicherten Theils, wann derselbe sich der Abrede gemäß in der Weis, Zeit oder Ort nicht verhalten, oder zu dem Verlust deren versicherten Gütern aus eigener Schuld Anlaß gegeben, als da dieselbe wegen Betretung mitgeladener verbotener Waaren, oder von ihme überfahrenen Zolls oder Mauth, oder sonstiger getriebenen Einschwärzung oder Schleichhandels eingezogen würden.

[3, 16, § 4] 29. Wo aber ein solcher Verlust sich aus Schuld des Schiffers oder Fuhrmanns ohne Theilnehmung des Versicherten ergäbe, bleibet der Versicherer jegleichwohlen dafür zu haften verbunden, gleichwie in Gegentheil dieser, wann der Schaden sich aus Schuld des Versicherten ereignet, oder von ihme die contractmäßige Weis nicht beobachtet worden wäre, die Prime gewinnet.

[3, 16, § 4] 30. Viertens, durch nichterfolgte Versendung deren versicherten Waaren, als da in der bestimmten Zeit das versicherte Schiff nicht abseglete, oder der Fuhrmann nicht abgienge, oder die Waaren vor der Befrachtung des Schiffs oder Wagens, oder nach ihrer Ausladung an dem Ort der Absetzung zu Grund giengen. Doch ist in diesen Fällen zu unterscheiden, ob die Versendung deren versicherten Waaren aus Schuld oder bloßen Willen des Versicherten, oder aber aus Zufall unterbleibe.

[3, 16, § 4] 31. Ersteren Falls behält nicht nur der Versicherer die schon empfangene Prime, sondern er kann auch die verheißene annoch abforderen, wann sich dabei der Versicherte deren Zuruckstellung bei unterlassener Versendung nicht ausdrücklich ausbedungen hat; letzteren Falls hingegen solle der Contract auf beiden Seiten gänzlich aufgehoben, und der Versicherer die erhaltene Prime dem Versicherten zuruckzuzahlen schuldig sein, woferne nichts Anderes verabredet worden.

(3-278) [3, 16, § 4] 32. Wo aber nicht alle versicherte Waaren, sondern nur ein Theil derenselben versendet würde, bleibet der Versicherer nur für den Betrag des Werths deren abgeschickten in der Verbindlichkeit, ohne jedoch an der ihme dafür gebührenden Prime einen Abbruch zu leiden. Ueberhaupt ist Unser Willen, daß in jenen Orten, wo besondere Handlungsgesetze oder Mercantilordnungen vorgeschrieben sind, auch bei Versicherungscontracten sich in Allem nach solchen geachtet werden solle.

Caput XVII.

Von Zinsen, Nutzungen und anderen aus Contracten schuldigen Nebengebührnussen.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Zinsen.

§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit deren Zinsen oder Interessen. §. II. Von Ursachen der Verzinsungsschuldigkeit. §. III. Von Verzug und Saumsal. §. IV. Von rechtmäßigen Betrag deren Zinsen und von Wucher. §. V. Von Zuschlagung deren Zinsen. §. VI. Von Erlöschung der Verzinsungsschuldigkeit.

§. I.

[3, 17, § 1] Num. 1. Die aus verbindlichen Handlungen entspringende Schuldigkeit bestehet nicht allein in Leistung dessen, worzu Jemand hauptsächlich verbunden ist, sondern auch in Abtrag aller Nebengebührnussen, deren Erstattung sowohl Treu und Glauben, wann solche mitverheißen worden, als die Billigkeit, damit Niemand an Schuld des Anderen verkürzet, oder gegenseits mit Schaden des Anderen bereicheret werde, erheischet, obschon deswegen keine ausdrückliche Verabredung vorhergegangen ist.

[3, 17, § 1] 2. Diese Nebengebührnussen sind nach Verschiedenheit deren Handlungen vielerlei, und können auch Mehrere nach Beschaffenheit deren Umständen, und nach

(3-279) Gestalt der Hauptsache, warum es zu thun ist, bei einer Handlung zusammentreffen.

[3, 17, § 1] 3. Sie werden dahero in folgende fünferlei Gattungen abgetheilet, als: Erstens, Zinsen oder Interessen; zweitens, Nutzungen oder Früchten; drittens, Zuwachs oder Zugänge; viertens, Aufwand und Verbesserungskosten; fünftens, Schäden und Unkosten, von deren jeder in gegenwärtigen Capitel unter besonderen Artikeln gehandlet wird.

[3, 17, § 1] 4. Die Zinsen werden in der vorliegenden Bedeutung zum Unterschied von anderen aus Mieth-, Pacht- oder Bestand- und Zinscontracten gebührenden Zinsungen, welche bei diesen Contracten den hauptsächlichen Gegenstand der Verbindung ausmachen, insgemein Interessen genannt, und sind nichts Anderes, als eine gewisse über den Hauptstamm oder das Capital für dessen Gebrauch dem Glaubiger von dem Schuldner in Dingen von gleicher Art, worinnen das Capital bestehet, zu entrichten schuldige Gebühr.

[3, 17, § 1] 5. Sie erforderen dahero zu ihrer Wesenheit erstens, daß selbe schon an sich in ihrem Betrag gewiß, und nach dem Verhältnuß der Hauptsumme bestimmet sein müssen, als z. B. fünf oder sechs von Hundert, wodurch dieselbe sich von der Entschädigungsgebühr unterscheiden, als welche meistens zur Zeit, wann solche geforderet wird, noch ungewiß ist, und erst durch richterliche Ausmessung bestimmet wird.

[3, 17, § 1] 6. Zweitens, daß allemal eine Hauptsumme vorhergehe, wovon sie für deren Gebrauch abgestattet werden, dahingegen die übrige Nebengebührnussen aus anderen Ursachen herfließen, wie es aus denen nachfolgenden Artikeln erhellen wird.

[3, 17, § 1] 7. Die Hauptsumme aber wird auch der Hauptstamm, Hauptstuhl, oder das Capital genannt, und ist ein gewisser schuldiger Betrag Gelds oder anderen in Handel und Wandel nach der Zahl, Gewicht oder Maß geschätzten Guts, worzu Jemand hauptsächlich verbunden ist.

[3, 17, § 1] 8. Dadurch unterscheiden sich die Interessen von denen Nutzungen, welche von anderen Dingen, die sonst in Handel und Wandel ihrer Gestalt nach und stuckweis geschätzet werden, abfallen, und nicht als eine Vergeltung des Gebrauchs, wie die Interessen, sondern als eine Folge und Theil der Hauptsache gebühren.

[3, 17, § 1] 9. Drittens, daß die Interessen in gleicher Art Dingen mit der Hauptsumme bestehen, es seie in baaren Geld, oder anderen nach Zahl, Gewicht oder Maß geschätzten Sachen, wann sie nur von gleicher Gattung mit der Hauptsumme sind, als z. B. von hundert Gulden sechs Gulden, von hundert Metzen Haber sechs Metzen.

[3, 17, § 1] 10. Wiewohlen aber der Glaubiger anstatt deren schuldigen Interessen auch andere Sachen in dem angeschlagenen Werth annehmen mag, wann solcher den erlaubten Betrag deren Interessen nicht übersteiget, so solle jedoch das Beding, mittelst wessen gleich Anfangs der Handlung dem Glaubiger andere von der Art der Hauptsumme unterschiedene Sachen anstatt deren Interessen zu geben verheißen oder verschrieben werden, nicht zulässig, sondern null und nichtig sein, und für wucherlich geachtet werden.

[3, 17, § 1] 11. Die Zinsen oder Interessen sind erlaubt oder unerlaubt. Die erlaubten sind, welche nach dem ausgesetzten rechtmäßigen Betrag abgemessen sind; die unerlaubten hingegen, welche solchen übersteigen, und deshalben eigends wucherliche Zinsen genennet werden.

[3, 17, § 1] 12. Die erlaubten sind anwiederum bedungen oder unbedungen. Erstere gebühren aus einem ausdrücklich eingegangenen Beding, letztere aber auch ohne Beding aus Verzug oder Saumsal des Schuldners.

(3-280) §. II.

[3, 17, § 2] 13. Die Zinsen oder Interessen gebühren dahero entweder aus einem Beding und Verschreibung, oder aus Verzug und Saumsal des Schuldners; die erstere Ursach der Verzinsungsschuldigkeit wird in diesem, und die zweite in gleich folgenden §. erkläret.

[3, 17, § 2] 14. Das Beding der Verzinsung kann entweder gleich in der Hauptverbindung eingegangen, und die Interessen mitverschrieben, oder solches erst nach der schon bestehenden Hauptverbindung getroffen, und aus einem Anfangs unverzinslichen Capital eine verzinsliche Schuld gemacht werden, wann der Schuldner sich nach der Zeit hierzu verbindet; es möge aber gleich in Anfang, oder darnach geschlossen werden, so ist es einen Weg, wie den anderen giltig und bündig.

[3, 17, § 2] 15. Dieses einmal eingegangene Beding währet auch bis zur vollständigen Hinauszahlung der verzinslichen Hauptsumme immer fort, wann gleich die ausgesetzte Zeit der Zahlung verstrichen wäre; dann die Verfallzeit hebet die Verbindlichkeit nicht auf.

[3, 17, § 2] 16. Es ist auch nicht nothwendig, daß allemal ein ausdrückliches Beding erweislich seie, wann sonst von dem Glaubiger die von dem Schuldner zeither unweigerlich geleistete Interessenabfuhr dargethan werden mag.

[3, 17, § 2] 17. Damit aber aus der alleinigen Interessenabfuhr ein stillschweigendes Verzinsungsbeding gefolgeret werden könne, ist nothwendig, daß die Hauptverbindung des Schuldners richtig und ungezweiflet, wie auch die Abfuhr deren Interessen von ihme wenigstens durch dreimal in dreien auf einander folgenden Terminen freiwillig und ohne Vorbehalt geschehen seie, woraus dann die unstrittige Verbindlichkeit auch zur künftigen Verzinsung erwachset.

[3, 17, § 2] 18. Es wäre dann die Hauptschuld ungiltig oder schon erloschen, oder der Schuldner durch Arglist und Zudringlichkeiten des Glaubigers vor der Verfallzeit zur Bezahlung deren Interessen verleitet worden, in welchen Fällen ihme noch

(3-281) allemal bevorstehet das zur Ungebühr hieran Bezahlte zuruckzuforderen, oder an der zu entrichten habenden Hauptschuld abzuziehen.

[3, 17, § 2] 19. Um so viel weniger kann dahero Jemanden eine auch durch die längste Zeit aus Irrthum geleistete Verzinsung für das Künftige verfänglich machen, wann sich nachhero zeiget, daß gar keine Hauptverbindung jemalen vorhergegangen seie.

[3, 17, § 2] 20. Gleichwie aber da, wo die Hauptverbindung ihre Richtigkeit hat, die Verzinsungsschuldigkeit durch ein stillschweigendes Beding hergestellet werden kann, also wird auch eine stillschweigende Erneuerung der vorhergegangenen Verbindlichkeit in jenem Fall vermuthet, wann der Schuldner größere Zinsen, als nicht die Verschreibung ausweiset, durch dreimal in dreien auf einander folgenden Terminen freiwillig und ohne einigen Vorbehalt bezahlet.

[3, 17, § 2] 21. Dieses wirket so viel, daß obgleich die Verschreibung auf einen minderen Betrag lautete, und der Glaubiger mit dem Beweis der ausdrücklichen Erneuerung nicht aufzukommen vermögete, der Schuldner jegleichwohlen zu dem höheren Betrag in Zukunft verbunden bleibe, wann nur der erhöhete Betrag die erlaubte Maß nicht übersteiget, als da fünfe von Hundert verschrieben und sechse gezahlet worden wären, hat der Schuldner auch in Hinkunft ohnerachtet der nur auf fünfe lautenden Verschreibung sechse zu bezahlen, worwider weiter kein Gegenbeweis zugelassen sein solle.

[3, 17, § 2] 22. Dahingegen entstehet aus ein- oder andermaliger Abfuhr größerer Interessen, als nicht verschrieben worden, nicht nur allein keine Verbindlichkeit für das Künftige, sondern der Schuldner kann auch das hieran mehr Bezahlte ebensowohl, als Dasjenige, was an der Hauptsumme zur Ungebühr abgeführet worden wäre, entweder zuruckbegehren, oder an der künftig leistenden Zahlung abziehen.

[3, 17, § 2] 23. In Gegentheil wird auch an Seiten des Glaubigers ein stillschweigender Nachlaß für das Künftige vermuthet, wann von ihme durch dreimal in dreien aufeinander folgenden Fristen mindere Interessen unter dem verschriebenen Betrag ohne ausdrücklicher Verwahrung und Vorbehalt des Uebrigen, und ohne in der Quittung anzumerken, daß die Zahlung auf Abschlag geschehen, angenommen worden, und dieses von dem Schuldner durch die Quittungen behörig erwiesen werden kann, als da sechse von Hundert verschrieben worden wären, und der Glaubiger sich durch dreimaligen Erlag mit fünfen von Hundert begnüget hätte.

[3, 17, § 2] 24. Die Interessen können entweder mit dem Capital zugleich in einer Rechtsforderung eingeklaget, oder auch besonders ohne demselben geforderet werden, wann der Glaubiger die Anheimzahlung des Capitals zur Zeit nicht anbegehren will oder kann, als da die Verfallzeit noch nicht herangekommen, oder noch keine Aufkündung geschehen wäre.

[3, 17, § 2] 25. Nicht weniger kommt denen Interessen eben diejenige Sicherheit an verschriebenen oder gegebenen Unterpfand, oder an geleisteter Bürgschaft zu statten, welche für das Capital selbst bestellet worden, woran der Gläubiger sich wegen deren schuldigen Interessen eben so, wie wegen des Capitals zu halten befugt ist. Was aber für ein Vorrecht denenselben bei Auflauf deren Glaubigeren gebühre, wird in vierten Theil bei der Gant- oder Crida-Ordnung erkläret werden.

§. III.

[3, 17, § 3] 26. Die zweite Ursach, woraus die Verzinsungsschuldigkeit entspringet, ist der Verzug oder Saumsal des Schuldners, wodurch nichts Anderes verstanden wird, als eine unbillige und nachtheilige Verzögerung der zu leisten schuldigen Zahlung.

[3, 17, § 3] 27. Gleichwie in Gegensatz der Verzug des Glaubigers in widerrechtlich verweigerter Annehmung der von dem Schuldner in gehöriger Zeit, Ort und Weis angebotenen Zahlung bestehet. Diese beiderlei Verzüge aber haben verschiedene


(3-282) Wirkungen; dann der an Seiten des Glaubigers hebet sofort die weitere obschon bedungene Verzinsungsschuldigkeit auf, und befreiet nicht allein den Schuldner, wann der gerichtliche Erlag der Schuld erfolget, von der Verbindlichkeit, sondern übertraget auch die Gefahr der zu Gericht erlegten Schuld auf den Glaubiger, wie es unten im letzten Capitel mit Mehreren erkläret werden wird.

[3, 17, § 3] 28. Jener an Seiten des Schuldners hingegen wirket die Verzinsungsschuldigkeit, wann solche auch nicht bedungen worden wäre, von der Zeit an, wo die Zahlung der schuldigen Hauptsumme hätte geleistet werden sollen. Dieser Verzug rühret entweder aus vorläufiger Einforderung des Glaubigers, oder aus Beschaffenheit der Schuld selbst her.

[3, 17, § 3] 29. Durch die Einforderung des Glaubigers wird nicht jedwede auch außergerichtliche Erinnerung und Einmahnung, sondern nur allein die gerichtliche Belangung des Schuldners verstanden, also daß derselbe, wann er die Schuld nicht sogleich bezahlet, noch auch die Forderung des Glaubigers mit einer rechtsbeständigen Einwendung abzuleinen vermag, sofort hierdurch in Verzug gesetzet, und von dem Tag der ihme zugekommenen gerichtlichen Klage die Hauptsumme zu verinteressiren schuldig werde, obschon kein Verzinsungsbeding vorhergegangen, wann dem Kläger solche nachhero durch den richterlichen Spruch zuerkannt werden.

[3, 17, § 3] 30. Diese Schuldigkeit der Verzinsung währet auch fort, wann gleich der Glaubiger vor empfangener, oder der Schuldner vor geleisteter Zahlung verstürbe, und behalten so die Erben des Ersteren das Recht die Zinsen wegen Verzugs einzufordern, wie die Erben des Letzteren solche zu bezahlen schuldig verbleiben; es wäre dann der Glaubiger von der Eintreibung des Capitals durch Verstattung längerer Zahlungsfrist anwiederum abgestanden.

[3, 17, § 3] 31. Aus Beschaffenheit der Schuld selbst ohne vorgängiger Einmahnung des Glaubigers entsteht der Verzug durch die alleinige Verzögerung der Zahlung, wann entweder hierzu eine gewisse Frist oder Verfallzeit ausgesetzet worden, oder es die natürliche Billigkeit erforderet, daß der Jemanden durch Anmaßung seines Guts entzogen, oder gegenseits ihme von dem Anderen durch Anwendung seines eigenen Guts verschaffte Nutzen auf diese Art ersetzet werde.

[3, 17, § 3] 32. Wann ein gewisser Tag in der Verschreibung oder sonstigen Handlung zur Zahlung bestimmet worden, so mahnet der Tag anstatt des Glaubigers, und wo der Schuldner nicht zahlete, wird er von diesem Tag an ohne aller weiteren Ermahnung die Interessen von der schuldigen Hauptsumme zu entrichten verbunden.

[3, 17, § 3] 33. Und ist einerlei, ob der Tag von denen Contrahenten selbst ausdrücklich beigesetzet, oder stillschweigend darunter verstanden werde, oder von dem Richter, oder auch schon von dem Gesatz selbst bestimmet seie. Stillschweigend wird die Ansetzung des Tags in allen denenjenigen Handlungen verstanden, worinnen die Verbindung auf die Schuldigkeit etwas zur gehörigen Zeit zu thun abzielet; dann die Zeit, wann das Werk, oder die That hätte vollbracht werden sollen, hat eben die Wirkung, als ob solche ausdrücklich zur Zuruckzahlung des Empfangenen beigefügt worden wäre.

[3, 17, § 3] 34. Davon sind jedoch die unter Bedingnussen geschlossene Handlungen ausgenommen, bei welchen der alleinige Erfolg der Bedingnuß den Schuldner nicht sofort in den Verzug setzet, sondern nur allein aus einer vorhin bedingten, nachhero eine unbedingte Handlung machet, wobei aber allemal die vorhergehende Einmahnung des Glaubigers erforderlich ist, wann nicht etwan schon zum voraus auf den Fall der erfolgenden Bedingnuß wegen der Zahlungszeit ein Anderes vorgesehen worden.

[3, 17, § 3] 35. Nicht weniger Wirkung hat das in Rechtskräften erwachsene richterliche Urtheil, oder sonstige gerichtliche Auflage, als die Verabredung deren Parten selbst; dann, wann die zur Genugthuung des Glaubigers anberaumte Zeit

(3-283) verstrichen, wird der Schuldner von dieser Zeit an zu Zahlung deren Interessen verbunden, wann gleich solche in dem Urtheil wegen Verzugs nicht zugesprochen worden wären.

[3, 17, § 3] 36. Desgleichen, wo das Gesatz eine Zeitfrist ausmesset; binnen welcher die Abfuhr der Schuld geschehen solle, laufen von solcher Zeit die Zinsen, obschon keine Einmahnung des Glaubigers vorhergegangen; also ist der Erb schuldig von denen Geld-Vermächtnussen, bei denen von dem Erblasser keine Zeit der Abfuhr bestimmet worden, nach Verlauf eines Jahrs von dem Absterben des Erblassers die Zinsen zu bezahlen, wann gleich Eine, denen sie verschaffet worden, solche nicht eingemahnet hätten.

[3, 17, § 3] 37. Aus natürlicher Billigkeit gebühren die Interessen ohne aller vorhergesehenen Erinnerung sogleich von dem Tag der sich zugezogenen Hauptverbindlichkeit in folgenden Fällen, erstens: Wann jemand fremdes ihme anvertrautes Geld oder Gut zu seinem eigenen Gebrauch verwendet.

[3, 17, § 3] 38. Als da ein Befehlshaber, Anwalt, Sachwalter, Vormund, Curator, Mitgesellschafter oder Jener, zu dessen getreuen Handen etwas hinterleget wird, das anvertraute, oder bei ihme aufbewahrte Geld oder Gut verthan, oder verzehret hätte, wird ein solcher gleich von dem Tag der Verwendung zu Bezahlung deren Interessen von der verwendeten Summe, oder dem geschätzten Werth des verzehrten Guts verbindlich, wann gleich das unterschlagene Geld nur in eingehobenen Interessen, welche er sich eigenmächtig zugeeignet hätte, bestanden wäre.

[3, 17, § 3] 39. Zweitens, wann von Jemanden, als z. B. einem Befehlshaber, oder Sachwalter auf eine fremde Sache zu Guten des Eigenthümers, der die Nutzungen davon zu beziehen hat, nothwendige oder nutzliche Auslagen aufgewendet worden wären, gebühren hiervon die Zinsen von dem Tag der Auslagen.

[3, 17, § 3] 40. Drittens, wann Vormündere, oder Gerhaben und Curatores Waisengeld eigenwillig ohne gerichtlicher Beangenehmigung todt erliegen lassen, sind dieselbe die Interessen für die Zeit, als das Geld aus ihrer Schuld ohne Fruchtbringung geblieben, davon zu vergüten schuldig, wie es in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft mit Mehreren angedeutet worden.

[3, 17, § 3] 41. Viertens, wann Befehlshabere entweder ausdrücklich befehliget sind, eine Summe Gelds auf Zinsen auszuleihen, oder das aufgetragene Geschäft also beschaffen gewesen wäre, daß solches ohne Ausleihung der Summe nicht habe vollbracht werden können, oder endlich ein Befehlshaber oder Sachwalter für sich ein auf Zinsen sicher angelegtes Capital ohne aller Noth einheben und todt erliegen lassen würden, haben dieselben die Interessen, deren der Eigenthümer aus ihrer Schuld entbehren müssen, ihme zu ersetzen.

[3, 17, § 3] 42. Fünftens, wann fremdes Geld oder Gut gestohlen oder geraubet, oder boshafter Weise verderbet wird, ist die Wiedererstattung des gestohlenen oder geraubten Gelds, oder wo das Gut nicht mehr zuruckgestellet werden könnte, der Ersatz des Werths desselben mit denen von dem Tag des Diebstahls, Raubs, oder sonstiger Beschädigung davon laufender Interessen zu leisten.

[3, 17, § 3] 43. Sechstens, wann der Schuldner sich boshafter Weise verborgen hielte, oder gar zahlflüchtig würde und der Glaubiger seine Forderung bei Gericht anmeldete, oder einen gerichtlichen Kummer, Verbot oder Zuspruch auf das Vermögen des zahlflüchtigen Schuldners loswirkete, oder in die ihme verschriebene Hypothek die Execution ergriffe, gebühren demselben die Interessen von dem Tag der Anmeldung, oder der angestrengten Execution, woferne sie nicht vorhero bedungen, oder die Hauptsumme nicht schon ehender eingeklaget worden.

[3, 17, § 3] 44. Die bloße gegenseitige Erfüllung des Contracts hingegen in einer zweibündigen Handlung, worinnen keine Zeit der schuldigen Entrichtung bestimmet worden, setzet für sich allein den Schuldner nicht in Verzug, solange nicht dessen gerichtliche Belangung erfolget, noch weniger ziehet ihme solche die Verbindlichkeit

(3-284) der Verzinsung zu, wann sie nicht ausdrücklich mitbedungen worden, oder nicht einer deren vorbemelten Fällen unterwaltet, wobei die natürliche Billigkeit die Verzinsung erheischet.

[3, 17, § 3] 45. Zum Beispiel desset (!) dienet das, was oben in neunten Capitel, §. IX, num. 135 von dem rückständigen Kaufgeld geordnet ist, welches, obschon der Verkaufer die verkaufte Sache dem Kaufer übergeben hätte, dieser jegleichwohlen zu verinteressiren nicht schuldig ist, wann nicht solches vorhero in dem Contract bedungen, oder eine gewisse Zeit zu Bezahlung des Kaufschilings bestimmet, oder der Kaufer von dem Verkaufer hierum gerichtlich geklaget worden

[3, 17, § 3] 46. Der Verzug an Seiten des Schuldners wirket über die Verzinsungsschuldigkeit annebst noch nicht allein für das Verfallene die Fortwährigkeit der persönlichen oder zeitlichen Verbindlichkeit, und deren Uebertragung auf die Erben des Schuldners, obgleich solche von der Beschaffenheit wäre, daß sie für das Künftige mit dessen Absterben, oder mit Verlauf der Zeit erlöschen, sondern auch die Verfänglichkeit des Schuldners für die Gefahr der zu leisten schuldigen Sache, welche vor seinem Verzug oder Saumsal der Glaubiger zu tragen gehabt hätte, wie es in ersten Capitel, §. IX, num. 127 erkläret worden.

[3, 17, § 3] 47. Der Verzug des Selbstschuldners schadet auch dem Bürgen, wann er sich nicht dagegen durch ein ausdrückliches Beding verwahret hat, wie es in achten Capitel, §. V, num. 65 ausgemessen worden. Der Verzug eines Mitschuldners hingegen schadet dem anderen mit ungeschiedener Hand Mitverbundeten nur insoweit, als solcher als Beschaffenheit der Schuld selbst herrühret, nicht aber auch jener, welcher bloß aus der Einforderung des Glaubigers entstehet.

[3, 17, § 3] 48. Doch können rechtmäßige Ursachen oder Ehehaften sein, welche den Verzug entschuldigen, und den Schuldner vor dessen Wirkungen verwahren; derlei Ursachen bestehen entweder in dem eigenen Willen des Glaubigers, oder in der Zuthat des Schuldners.

[3, 17, § 3] 49. Mit Willen des Glaubigers höret der Verzug des Schuldners auf, wann solcher demselben von ihme durch weitere Fristung ausdrücklich oder stillschweigend erlassen wird, als da eine Erneuerung der vorigen Verbindlichkeit vorgenommen worden wäre, welche allemal die Erlassung des Verzugs zugleich bewirket, wodurch zwar der Schuldner von der Verzinsung für das Künftige, nicht aber auch für das Vergangene befreit wird, woferne nicht auch dieses dabei ausgedrucket worden.

[3, 17, § 3] 50. Durch Zuthat des Schuldners wird der Verzug abgeleinet, wann von ihme entweder nach der von dem Glaubiger unbillig verweigerten Annehmung der Zahlung die Schuld bei Gericht erleget, oder die Forderung des Glaubigers mit einer rechtsbeständigen Einrede entkräftet, oder die Ausantwortung der schuldigen Sache aus Beschaffenheit deren Umständen selbst verzögeret wird.

[3, 17, § 3] 51. Die erstere Art enthebet den Schuldner von der künftigen, nicht aber auch von der bis dahin verfallenen Verzinsung; die zweite hingegen von allen sowohl für das Künftige, als Vergangene anforderenden Interessen und allen übrigen Wirkungen des Verzugs, und endlich die dritte, welche nur in Fällen, wo gewisse bestimmte Dinge ihrer Gestalt und nicht dem Betrag nach abzustatten sind, Platz greifet, lediglich von der Verfänglichkeit für die Gefahr der Sache, als da der Verkaufer ohne seiner Schuld durch Zufall verhinderet würde, die verkaufte Sache an den Kaufer zu übergeben.

[3, 17, § 3] 52. Dahingegen stellet die bloße Verkümmerung einer ausstehenden Schuld den Lauf deren Interessen nicht ein, wann selbe vorhero aus einem Beding oder Verzug gebühren, noch weniger kann solche den Verzug entschuldigen, sondern der Schuldner bleibet dessen ohnerachtet die Interessen, es seie aus einem Beding oder Verzug, zu bezahlen verbunden, wovon er sich nicht anders, als durch gerichtlichen

(3-285) Erlag der Schuld entledigen kann. Wo aber vor der erfolgten Verkümmerung keine gebühret hätten, können auch darnach wegen des Verzugs keine zu laufen anfangen, so lange das verkümmerte Capital dem Verbotleger nicht zugesprochen wird.

§. IV.

[3, 17, § 4] 53. Bei denen Zinsen oder Interessen kommt es auf dreierlei Gegenstände an, als den Betrag, die Dauer, die Vermehrung.

[3, 17, § 4] 54. Den Betrag deren bedungenen Interessen bestimmen Wir auf sechs von Hundert jährlich dergestalten, daß zwar Niemanden sich mindere, als z. B. : fünf, vier oder auch drei von Hundert jährlich auszubedingen verwehret, niemalen aber unter was immer für erdenklichen Vorwand größere, als sechs von Hundert jährlich zu bedingen, noch weniger abzunehmen bei der unten ausgesetzten Strafe des Wuchers erlaubet sein solle.

[3, 17, § 4] 55. Die aus Verzug gebührende Interessen aber messen Wir nur auf fünf von Hundert jährlich aus, wann nicht mindere, oder höhere schon vorhero bedungen, oder verschrieben worden wären, dann solchenfalls hat es auch in Hinzutretung des Verzugs bei dem getroffenen Beding sein Verbleiben; wo jedoch ein derlei Beding ermanglete, solle keinem Richter gestattet sein aus Verzug höhere Interessen, als fünf von Hundert zuzusprechen.

[3, 17, § 4] 56. Bei denen bedungenen Interessen sind jedoch zwei Fälle anzunehmen, worinnen solche auf einen höheren Betrag über sechs von Hundert ansteigen können, als erstlich bei Leibrenten, welche in dreizehnten Capitel, in zweiten Artikel, §. VII, num. 86 beschrieben worden, und worinnen in Anbetracht des mit Absterben der Person, welche sie gebühren, in Verlust gehenden Capitals auch größere Zinsen nach Maß ihres mehreren oder minderen Alters gestattet werden, dann

[3, 17, § 4] 57. Zweitens, bei Handlungen zwischen Kauf- und Handelsleuten untereinander, welche nach denen jeden Orts eingeführten Mercantil- und Wechselordnungen

(3-286) beurtheilet werden sollen; wohingegen auch die Kauf- und Handelsleute in jenen Handlungen, die mit einem Anderen, welcher kein Kauf- und Handelsmann ist, geschlossen werden, den oben ausgemessenen Interessenbetrag bei Strafe des Wuchers nicht überschreiten dürfen.

[3, 17, § 4] 58. Damit aber außer gleichbemelten zweien Fällen der ausgseetzte Betrag deren Interessen nicht nur durch kein ausdrückliches Beding, sondern auch nicht heimlich, und unter keinerlei Vorwand und Deckmantel überschritten werden möge, so solle unter dem Wucher aller entweder durch übermäßige Zinsen oder Interessen, oder durch verbotene Zuschläge, oder durch sonstige Benachtheiligung des Entlehners von dem Darleiher abgesehener unerlaubter Gewinn verstanden sein.

[3, 17, § 4] 59. Es wird dahero bei denen Interessen ein offenbarer Wucher begangen, wann mehrere Zinsen, als höchstens sechs von Hundert jährlich bedungen, obschon noch nicht angenommen, oder gegentheils nachhero angenommen, obschon Anfangs nicht bedungen worden.

[3, 17, § 4] 60. Die Interessen, mögen in ganze, halbe oder viertel Jahre, Monate, Wochen oder Tage eingetheilet sein oder nicht, so ist es doch ein Wucher, wann nur die Summe für diese Zeit mehr austrägt, als die Interessen jahrweis gerechnet zu sechs von Hundert abwerfen würden, als z. B. monatlich, wöchentlich, oder auch wohl täglich von Gulden ein Kreuzer bedungen oder angenommen worden wäre, so die rechtmäßige Interessen weit übersteiget.

[3, 17, § 4] 61. Nicht weniger ist eine wucherliche Handlung, wann die Interessen von dem Capital vorhinein abgezogen, oder wohl gar mit Außerachtlassung der im folgenden Paragraph hierbei eigends angeordneten Vorsehung zu Capital geschlagen, und Interessen von Interessen bedungen oder angenommen werden.

[3, 17, § 4] 62. Inwieweit aber die Benutzung eines zum Unterpfand verschriebenen oder verpfändeten Guts für wucherlich zu halten seie, ist bereits in siebenten Capitel, in zweiten Artikel, § XIV, von num. 145 bis 152 erkläret worden.

(3-287) [3, 17, § 4] 63. Durch Zuschläge oder sogenannten Partiten und Sattlungen wird ein Wucher begangen, wann auf eine nur auf Bargeld allein lautende Verschreibung nicht lauter baares Geld, sondern ganz, oder zum Theil Waaren gegeben werden, welcherlei Zuschläge, wann über die Schuld nur Eine Verschreibung oder Urkunde ausgefertiget worden, es möge darinnen von dem Zuschlag eine Meldung geschehen oder nicht gänzlich verboten sein, und für wucherlich gehalten werden sollen, ohne vorerst zu untersuchen, ob selbe dem Entlehner schädlich sind oder nicht?

[3, 17, § 4] 64. Welches ingleichen von Waarenauszügeln, worinnen ein vorgestrecktes baares Geld mit einkommt, zu verstehen ist, und umsomehr bei heimlichen Zuschlägen statt hat, wann nemlich weniger an baarem Geld, oder falls auch die Verschreibung bloß auf Waaren lautete, minder an Waaren oder anderen Sachen, als die Verschreibung besaget, gegeben worden.

[3, 17, § 4] 65. Ueberhaupt aber solle niemalen in der nemlichen Verschreibung Geld und andere Sachen vermischet, auch niemalen mehr oder was Anderes, als gegeben worden, angesetzet werden, wo ansonsten es für einen verbotenen Zuschlag, folglich für eine wucherliche Handlung angesehen werden solle.

[3, 17, § 4] 66. Und obschon Jedermann freistehet eine eigene ältere Schuld, die er selbst in seinem Namen bei dem Entlehner zu forderen gehabt, in ein späteres Darlehen mitteilt einer Erneuerung einzuschließen und beide in eine Summe zusammenzuziehen, so solle jedoch die Makel des Wuchers, womit etwan die ältere Schuld behaftet ware, andurch nicht ausgelöschet, sondern sowohl die alte wucherliche, als auch die neue, obschon nicht wucherliche Schuldpost wegen der erfolgten Vermischung und zur Strafe der andurch gesuchten Bemäntlung des wiewohlen älteren Wuchers Uns verfallen sein.

[3, 17, § 4] 67. Damit aber diese Unsere heilsame Vorsehung durch Errichtung mehrerer über einerlei Handlung auch etwan unter anderem Namen und Vorwand, als da sind eines Darlehens, Kaufes, oder sonstigen Deckmantels zu Verhehlung verbotener Zuschlägen ausgefertigten Verschreibungen oder Urkunden nicht vereitlet werde, so wollen und ordnen Wir hiemit, daß ein wucherlicher Handel sein und bleiben solle, wann gleich in zwei oder mehreren Verschreibungen ein wucherlicher Contract entweder unter wahrem oder unter erdichtetem Namen an einem Tag geschlossen, oder da auch die Verschreibungen auf verschiedene Tage lauteten, entweder alle, oder auch nur eine davon zu Bedeckung des wucherlichen Zuschlags auf einen anderen Tag falsch gesetzet worden, welchen Falls, wann dieses erweislich ist, die ganze obschon in mehreren Verschreibungen enthaltene Handlung für wucherlich geachtet, und der ganze betreffende Betrag Uns verfallen sein solle.

[3, 17, § 4] 68. Wann aber nicht erwiesen werden könnte, daß die in verschiedenen Verschreibungen enthaltene, obschon zum Theil wucherliche Handlungen an einem Tag gemacht worden, so solle nur die in denen wucherlich befundenen verschriebene Summe verfallen sein, die übrigen Handlungen aber derowegen nicht für wucherlich geachtet werden.

[3, 17, § 4] 69. Doch erwachset in dem Fall, wo eine von mehreren von dem nemlichen Entlehner ausgestellten, obschon auf verschiedene Täge gesetzten Verschreibungen oder Schuldbriefen wucherlich zu sein entdecket worden, die Muthmaßung auch wegen deren übrigen wider den Darleiher, daß solche nur erdichtet worden, und von gleicher Beschaffenheit mit jener sind, weshalben ihme das Widerspiel zu erweisen oblieget, wann die Verschreibungen nicht von glaubwürdigen Zeugen mitunterfertiget oder vor Gericht bestätiget worden.

[3, 17, § 4] 70. Wie dann auch jene Handlungen, in welchen Jemand dem Anderen solche Waaren borget, die er nicht selbst führet oder verfertiget, oder auch deren der Entlehner zu seinem Gebrauch nicht nöthig hat, oder deren Betrag so groß und übermäßig ist, daß der Entlehner solche (vernünftiger Weis davon zu urtheilen) nicht verbrauchen mag, oder endlich deren Betrag und Preis gar nicht angesetzet

(3-288) worden, für wucherlich gehalten werden sollen, wann der Darleiher deren Rechtmäßigkeit nicht darthun kann.

[3, 17, § 4] 71. Wer dahero Jemanden nebst einem baaren Gelddarlehen auch entweder zugleich, oder vor, oder darnach vor noch zuruckgezahlten Geld, Waaren, oder andere Sachen auf Borg geben, oder mittelst Borgung Borgung des Preises verkaufen will, hat zu Abwendung allen Verdachts einer wucherlichen Handlung oder unerlaubten Zuschlags, und damit er nicht die Probe des Widerspiels auf sich zu nehmen bemüssiget sein möge, sich nicht allein mit zwei oder mehreren Verschreibungen, sondern auch mit glaubwürdigen Zeugen zu versehen, und von denenselben solche mit unterfertigen zu lassen, oder seinen Contract vor Gericht zu machen, und so ein, als anderen Falls die auf Borg gegebenen Waaren oder Sachen, wie in einem Auszügel, mit getreulicher Anzeige ihres Betrags und Preises wohl zu beschreiben.

[3, 17, § 4] 72. Wo aber der Darleiher ein Kauf- und Handelsmann wäre, solle derselbe schuldig sein die geborgte Waaren, in seine Bücher ordentlich einzutragen, und wann deren Werth hundert Gulden übersteiget, den Conto oder Auszügel entweder durch glaubwürdige Zeugen fertigen, oder vor Gericht errichten zu lassen.

[3, 17, § 4] 73. Dann auch Kauf- und Handelsleuten solle in denen mit einem Anderen, so kein Kauf- und Handelsmann ist, schließenden Contracten sich deren nur unter ihnen gestatteten schon üblichen Handlungsarten zu bedienen nicht erlaubet, sondern so wie Anderen mit Waarenzuschlag, oder sonst wucherlich zu handlen unter denen hienach ausgemessenen Strafen verboten sein.

[3, 17, § 4] 74. Durch sonstige Benachtheiligung des Schuldners wird auch außer des Bezugs übermäßiger Interessen oder unerlaubter Zuschlägen ein Wucher entweder offenbar oder heimlich verübet, wann der Darleiher über die erlaubte Interessen, unter was immer für einem Vorwand, sich ein Mehreres an Geld oder Waaren zuruckzuzahlen bedungen, oder von dem Entlehner angenommen hat, als von ihme wirklich gegeben worden.

[3, 17, § 4] 75. Offenbar geschiehet solches nicht nur, wann der Darleiher sich eine größere Summe, als er wirklich zugezählet, verschrieben läßt, sondern auch wann er die Münzen in einem höheren Werth, als sie zur Zeit des Darlehens gangbar gewesen, ausgeliehen, oder die geborgte Waaren in einem viel größeren Werth, als sie damals insgemein gegolten haben, angeschlagen, oder sich die Heimfälligkeit des etwan gegebenen Pfands bei nicht einhaltender Zahlung ausbedungen hat.

[3, 17, § 4] 76. Ein Gleiches ist, wann der Darleiher sonst über die zulässige Interessen, von dem Schuldner sich entweder für die Abreichung des Darlehens, oder auch für die längere Nachfristung über die Verfallzeit etwas, es seie an Geld oder Geldswerth, als ein Strafgeld der Nichteinhaltung, oder zur Vergeltung und Belohnung ausbedungen oder angenommen, obgleich der Schuldner solches selbst freiwillig zur Abwendung der Execution anerboten hätte.

[3, 17, § 4] 77. Ein heimlicher Wucher ist, wann ein Darlehen unter dem Namen und Gestalt einer anderen Handlung vertuschet und bemäntlet wird. Von dieser Eigenschaft ist die Handlung, wodurch von Jemanden Waaren auf Borg herausgenommen, demselben aber, um baares Geld zu bekommen, gleich wiederum mittel- oder unmittelbar um einen minderen Werth verkaufet werden.

[3, 17, § 4] 78. Dahin gehören alle zu Bedeckung des Wuchers verstellte Kaufhandlungen, wobei der Verkaufer unter Vorspieglung eines anderen eingegangenen Bedings oder Contracts entweder in dem Besitz der verkauften Sache verbleibet, oder doch solche anwiederum einzulösen, oder der Kaufer dieselbe heimzulagen sich vorbehält, wann aus der Beschaffenheit deren Personen, dem Verhältniß des Preises gegen der dafür gegebenen Sache, und anderen Umständen erhellet, daß in der That nichts Anderes, als ein bloßer Darlehenscontract geschlossen, und nur zu Bemäntlung des Wuchers sich derlei Scheinhandlungen bedienet worden.

(3-289) [3, 17, § 4] 79. Nicht weniger solle in Zukunft das Beding für einen heimlichen Wucher angesehen werden, wodurch der Schuldner die Entrichtung der Vermögensteuer oder sonstigen von dem Capital, oder Interessen abzustatten kommenden Abgaben, welche der Darleiher zu bezahlen hat, ohne solche von denen Interessen abzuziehen, auf sich nimmt, wann diese Abgaben mit Einbegriff dessen, was an Interessen bedungen worden, den sonst erlaubten Betrag deren Interessen übersteigen und diese Uebermaß schon zur Zeit des eingegangenen Bedings bekannt ware; widrigens aber, wann zu jener Zeit die Uebermaß noch nicht bekannt gewesen, bestehet das Beding nur nach dem erlaubten Betrag deren Interessen, für Dasjenige aber um was die Abgaben solchen übertreffen, ist dasselbe null und nichtig. Desgleichen ist ein heimlicher Wucher, wo dem Entlehner eine zur Zeit des Darlehens schon uneintreibliche oder sonst unrichtige, oder mit großem Verlust einbringen mögende Forderung des Darleihers abgetreten und statt baaren Gelds in das Darlehen mit eingerechnet, von ihme aber eine Verschreibung auf die ganze Summe, als ob solche in baaren Geld bestünde, ausgestellet wird.

[3, 17, § 4] 80. Inwieweit aber bei Zinscontracten ein Wucher unterlaufe, ist bereits oben in dreizehenten Capitel, zweiten Artikel, §. VIII, erkläret worden, und da nicht möglich ist, alle Arten des Wuchers, welche die Bosheit deren Menschen zu Bemäntlung ihrer schändlichen Gewinnsucht erfinden mag, hier zu beschreiben, so sollen überhaupt alle Handlungen, was immer für ein Namen oder Gestalt denenselben gegeben werde, für wucherlich gehalten werden, in welchen der Darleiher von Demjenigen, was er vorgeliehen, über die davon gebührende erlaubte Interessen sich unter was immer für einem dabei gebrauchenden Vorwand einen größeren Gewinn zuzueignen anmaßet.

[3, 17, § 4] 81. In derlei auf was immer für Art geschlossenen wucherlichen Handlungen solle Alles, was hierdurch vorgeliehen oder vorzuleihen bedungen worden, es seie an Geld oder Waaren Uns verfallen, und dahero der Entlehner Dasjenige, was er sonst dem Darleiher, wann keine wucherliche Handlung unterwaltete, zuruckzuzahlen verbunden wäre, nebst denen davon ausständigen Interessen nicht ihme, sondern zu Handen Unseres Fisci zu erlegen und diesem von denen erborgten Waaren jenes, was noch davon vorhändig, auszufolgen, dann für jene, welche mittlerweil verkaufet worden, den dafür erlösten, oder für die verschenkte und verbrauchte den billig geschätzten Werth zu ersetzen schuldig sein.

[3, 17, § 4] 82. Wohingegen in Betreff jener Sachen, welche von dem Entlehner etwan weiters versetzet worden wären, der Fiscus in das Recht des Entlehners einzutreten und dieselbe für das ihme darauf dargezählte Geld auslösen zu mögen befugt sein solle.

[3, 17, § 4] 83. Welches jedoch bei jenen Personen eine Ausnahm leidet, die für sich keinen Contract rechtsgiltig zu schließen fähig sind, als unter väterlicher Gewalt stehende Kinder, Waisen, Minderjährige und andere Pflegebefohlene, in deren Rucksicht es auch in dem Fall, da sie zu einer wucherlichen Handlung verleitet worden wären, bei deme sein Verbleiben hat, was in ersten Theil, in dem Capitel von der Vormundschaft geordnet worden, wo mithin dem in das Recht des Darleihers eintretenden Fisco nur so vieles heimfallet, als nach der dortigen Ausmessung dem Darleiher, wann er sich keiner wucherlichen Handlung verfänglich gemacht hätte, hieran zuruckzuzahlen gewesen wäre.

[3, 17, § 4] 84. Ingleichen ist der Darleiher gehalten über den Verlust seiner schon an Uns verfallenen noch habenden Forderung jenes, was er aus einem solchen wucherlichen Beding dem Entlehner noch zuzuzählen, oder von diesem an Capital oder Interessen, oder sonsten überkommen, oder auch von einem Dritten, deme etwan die wucherliche Schuldverschreibung, Wechselbriefe oder Schuldscheine abgetreten oder überlassen worden, dafür empfangen hätte, oder wohl gar die ganze Schuld, falls sie ihme von dem Entlehner oder einem Dritten schon gezahlet, oder von

(3-290) ihme die verschriebene Summe dem Entlehner noch nicht zugezählet worden wäre, dem Fisco zuruckzustellen, wobei jedoch der Entlehner jenes, was der Darleiher über die rechtmäßige Interessen an wucherlichen Gewinn bezogen hat, von dem Capital abschlagen mag.

[3, 17, § 4] 85. Ferners müssen auch die Unterhandler Alles, was sie wegen des wucherlichen Contracts empfangen, wie nicht weniger die falsche Namenträger, wissentlich hinzugetretenen Bürgen, Uebernehmer einer solchen wucherlichen Schuld, als da sind die Giratarii und Cessionarii jenes, was sie wegen einer solchen Namenstragung, Bürgschaft, Giro oder Cession bekommen, dem Fisco zuruckgeben.

[3, 17, § 4] 86. Dann durch Abtretung, Giro oder Cession einer wucherlichen Schuld an einen Dritten wird deren Bewirkung nicht aufgehoben, sondern wo Jemand eine Schuld an sich gelöset hätte, die nachhero wucherlich zu sein befunden würde, und derselbe sich nicht durch seine Handlungsbücher, unverdächtigte Zeugen, oder gerichtliche Bestätigung ausweisen könnte, daß er hierbei aufrecht gehandlet habe, so ist er durch einen körperlichen Eid sich von dem Verdacht des Wuchers zu befreien schuldig, nach dessen Ablegung ihme zwar seine Forderung bei dem Schuldner für den hieran rechtmäßig gebührenden Betrag unbenommen bleibet, doch hat derselbe dem Fisco jenes, was er dem Darleiher auf den Giro oder Cession noch hinauszuzahlen hätte, so wie dieser Dasjenige, was er schon sowohl von dem Entlehner, als Cessionario hierauf empfangen, zu erlegen und stehet dem Giratario oder Cessionario sodann frei sich wegen des mehr Hinausgegebenen, als er dagegen von dem Schuldner einzunehmen hat, an dem Abtreter, Giranten oder Cedenten zu erholen.

[3, 17, § 4] 87. Ueber das sind sowohl der Darleiher, als Entlehner, wann dieser solches nicht vor seiner gerichtlichen Belangung bei Gericht anzeiget, wie auch die Unterhandlere, falsche Namensträgere und dabei wissentlich mit verflochtene Bürgen, Giratarii und Cessionarii mit allen denenjenigen Strafen unnachsichtlich zu belegen, welche in Unserer peinlichen Gerichtsordnung auf wucherliche Handlungen ausgesetzet sind.

[3, 17, § 4] 88. Um damit aber diesem so ärgerlichen Unfug desto ausgiebiger gesteueret und die Uebertretere, um so gewisser zur wohlverdienten Strafe gezogen werden mögen, so solle dem Angeber eines solchen wucherlichen Handels, wann es gleich der Entlehner, Unterhandler, oder sonst eine hieran mittheilnehmende Person wäre, im Fall, da der verwirkte Betrag sich nicht über viertausend Gulden erstreckete, die Hälfte, in jenem Fall aber, wann die verfallene Summe sich über viertausend Gulden beliefe, das Drittel dessen, was dem Fisco davon zukommet, abgereichet und dabei der Namen des Angebers je und alleweil verschwiegen gehalten werden.

[3, 17, § 4] 89. Bei der Dauer deren Interessen ist einerseits auf die Zeit, wann solche zu bezahlen sind, und andererseits auf die Maß, wie hoch sie auch nach dem erlaubten Betrag ansteigen können, zu sehen. Die Zeit der Zahlung erhält insgemein durch das eingegangene Beding ihre Bestimmung, und wo gar keine gewisse Erlagszeit ausgemessen, sondern die jährliche Interessen nur überhaupt verschrieben oder bedungen werden, können sie mit Verlauf jeden Jahrs geforderet werden.

[3, 17, § 4] 90. Doch ist bereits oben bei Strafe wucherlicher Handlungen verboten worden, daß solche weder vorhinein bezahlet, noch weniger von der Hauptsumme gleich bei deren Vorstreckung zum voraus abgezogen werden sollen, sondern, gleichwie sie nur zur Vergeltung des Gebrauchs entrichtet werden, also gebühren sie auch nur für Zeit des Gebrauchs.

[3, 17, § 4] 91. Uebrigens sind die Zinsen oder Interessen, insolange das Capital bei dem nemlichen Schuldner anliegen bleibet, zur gesetzten Zeit jedes Mal richtig abzuführen und lieget nichts daran, wann gleich die nach und nach bezahlte Interessen das Kapital weit übersteigen.

(3-291) [3, 17, § 4] 92. Woferne aber der Glaubiger in Eintreibung deren Interessen sich saumselig bezeigte, und solche bei dem Schuldner dermassen fort und fort anwachsen ließe, daß der Ruckstand an Interessen die Capitalssumme übertreffen würde, so solle derselbe in jenem Fall, wo es um den alleinigen Nachtheil des Schuldners zu thun ist, an vertagten Interessen keine größere Summe, als welche dem Betrag des Capitals gleichkommet, von dem Schuldner einzuforderen berechtiget sein, noch auch der Richter, sie mögen aus einem Beding oder Verzug gebühren, hieran ein Mehreres zusprechen können.

[3, 17, § 4] 93. Es wäre dann, daß er unter der Zeit, oder wenigstens in dem letzten Jahr, noch ehe und bevor die ausstehende Interessen die Summe des Capitals erreichet haben, den Schuldner hierum gerichtlich belanget und dessen gerichtliche Betreibung fortgesetzet, folglich den Verzug andurch von sich abgeleinet hätte.

[3, 17, § 4] 94. Dahingegen wird in jenem Fall, wobei Auflauf deren Glaubigeren der Anwachs ausständiger Interessen von dem Capital des ersteren zur Schmälerung und Verkürzung deren späteren Glaubigeren an ihren Capitalien gereichete, in dem vierten Theil bei der Gant- oder Cridaordnung ausgemessen werden, bis auf was für einen Betrag die ausständige Interessen des Vorhergehenden den Vorzug vor denen nachfolgenden Glauberen zu genießen haben.

§. V.

[3, 17, § 5] 95. Durch die Vermehrung oder Vervielfältigung deren Interessen wird nichts Anderes verstanden als die Erzeugung deren Interessen von Interessen, welche bei dem nemlichen Schuldner zum Capital geschlagen, und davon neue Interessen bedungen werden.

[3, 17, § 5] 96. Es mögen aber die Interessen auf eine noch so große Summe angewachsen sein und gleich aus einem Beding oder aus Saumsal herrühren, oder durch richterliches Urtheil zuerkannt, oder auch der Glaubiger wegen verzögerter Zahlung deren Interessen zu seiner ohnausweichlichen Bedürfnuß anderswo ein Darlehen verzinslich aufzunehmen und solchergestalten Interessen von dem Betrag deren ihme schuldigen Interessen zu bezahlen bemüssiget worden sein, so ist jedoch derselbe nicht befugt die Interessen zu dem Capital zu schlagen und also von dem nemlichen Schuldner Interessen von den ruckständigen Interessen zu forderen.

[3, 17, § 5] 97. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann schon die Interessen von Interessen in einer Summe mit diesen zusammengezogen den sonst erlaubten Betrag

(3-292) deren Interessen nicht übersteigen, oder auch von dem Glaubiger die Schuld mit denen ruckständigen Interessen wiederum an seinen Glaubiger abgetreten oder angewiesen und dabei die Interessen in das Capital mit eingerechnet würden.

[3, 17, § 5] 98. Nur in dem alleinigen Fall solle zwischen denen nemlichen Personen Interessen von Interessen zu bedingen und anzunehmen erlaubet sein, wann sowohl der Glaubiger, als der Schuldner die Schuld erneueren wollten und wenigstens zweijährige Interessen versessen sind.

[3, 17, § 5] 99. In welchem Fall denenselben freistehet mit ihrer beiderseitigen Einwilligung sich miteinander zu berechnen und nach solcher vorgehenden ordentlichen Abraitung die ruckständige Interessen mit dem Capital in eine Summe zusammenzuziehen, sonach aber über diese ganze ausfallende Summe, als über eine neue verzinsliche Schuld mit Aufhebung der alten eine neue Schuldverschreibung auszustellen.

[3, 17, § 5] 100. Es müssen dahero bei einer so beschaffenen Handlung, um allen widrigen Verdacht einer wucherlichen Absicht anzuwenden, folgende wesentliche Erfordernussen beobachtet werden, als erstens, daß die Interessen, welche zum Capital geschlagen werden wollen, nicht unter zwei Jahren und auch nicht über den Betrag der Capitalssumme nach der in vorigen §., num. 92, enthaltenen Ausmessung versessen sind; zweitens, daß die beiderseitige Einwilligung und ordentliche Berechnung vorhergehe; dann drittens, daß eine neue Schuldverschreibung ausgestellet werde. Wo aber nur eine dieser Erfordernussen ermanglete, ist der Zuschlag deren Interessen für einen offenbaren Wucher anzusehen.

[3, 17, § 5] 101. Wann jedoch die Interessen von dem Schuldner einmal abgeführet worden, ist dem Glaubiger nicht verwehret, solche anwiederum als ein Capital auszuleihen und sich Interessen davon zu bedingen; dann die eingehobene Interessen werden nicht mehr als Interessen, sondern als ein wahres Capital betrachtet, welches für den von einem Anderen darlehensweise davon gemachten Gebrauch sowohl aus einem Beding als Verzug verinteressirlich ist.

[3, 17, § 5] 102. Also ist bereits oben §. III, num. 38 geordnet worden, daß, wann ein Vormund, Curator, Befehlshaber oder Sachverwalter von denen Schuldneren des Waisen, Pflegbefohlenen, Befehlsgebers oder Desjenigen, dessen Geschäften besorget werden, die Interessen erhebet und zu seinem Gebrauch verwendet, hiervon die Interessen von dem Tag der Verwendung zu entrichten schuldig seie.

[3, 17, § 5] 103. Gleichwie in Gegentheil, wann Jemand für einen Anderen die Interessen aus seinem Eigenen abführet, als z.B. ein Bürge, Befehlshaber oder Sachwalter, auch ihme von dem hierauf ausgelegten Betrag die Interessen bezahlet werden müssen.

[3, 17, § 5] 104. Wovon aber der Fall anzunehmen ist, wann ein Glaubiger ein bei dem Anderen von dem gemeinsamen Schuldner versetztes Pfand, oder eine dem Anderen verschriebene Hypothek zu seiner mehreren Sicherheit, oder zu Erlangung des Vorrechts mit Bezahlung des Capitals und Interessen an sich löset, welcher von denen für den Schuldner bezahlten Interessen keine Interessen zu forderen befugt ist, weilen von ihme die Einlösung des Pfands oder die Ablösung der Hypothek nicht zum Nutzen des Schuldners, sondern zu seinem eigenen Bestens geschehen.

[3, 17, § 5] 105. Es wäre dann, daß ein Dritter, welcher an dem Schuldner nichts zu forderen hätte, aus Freundschaft und guten Willen und nicht zu seiner selbsteigenen Bedeckung das Pfand einlösete, welcher solchen Falls für einen Sachwalter anzusehen wäre, und dahero die Interessen von dem ganzen an Capital und Interessen für den Schuldner hinausbezahlten Betrag billig zuruckzuforderen hätte.

[3, 17, § 5] 106. Mit denen Interessen sind jedoch die aus Zinscontracten schuldige Zinsungen nicht zu vermischen, weilen solche keine Nebengebührnuß, sondern eine aus dem Zinscontract zu leisten kommende Hauptgebühr sind, und ebendahero

(3-293) hiervon aus Verzug und Saumsal des Zinsmanns die Interessen allerdings anbegehret werden mögen.

§. VI.

[3, 17, § 6] 107. Die Verinteressirungsschuldigkeit, sie möge aus einem Beding, oder Verzug herrühren, höret auf: Erstens, mit Erlöschung der Hauptverbindlichkeit, es seie durch Bezahlung oder gerichtliche Erlegung der schuldigen Hauptsumme, Erlassung oder Erneuerung der Schuld, oder sonstige Befriedigung des Glaubigers.

[3, 17, § 6] 108. Welches sich auch auf die vorhin vertagte Interessen in jenem Fall erstrecket, wann der Glaubiger die ganze Capitalssumme ohne Vorbehalt und Verwahrung deren noch ruckständigen Interessen von dem Schuldner annimmt und demselben entweder die Schuldverschreibung zurückgiebt, oder hierüber eine unbeschränkte Quittung ausstellet, wodurch die vor Heimzahlung des Capitals versessene Interessen für nachgesehen zu halten sind und von dem Glaubiger nicht mehr geforderet werden können.

[3, 17, § 6] 109. Zweitens, bei noch fürdaurender Hauptverbindlichkeit durch besondere Erlassung deren Interessen, so viel nemlich hieran dem Schuldner nachgesehen werden; drittens, durch Ansteigung deren Interessen über den Betrag des Capitals, wann keine gerichtliche Belangung vorhergegangen, wie solches §. IV, num. 92 und 93 erkläret worden; viertens, durch Ausschreibung der Crida nach Maßgebung dessen, was deshalben in vierten Theil bei der Gant- oder Cridaordnung festgesetzet werden wird.

[3, 17, § 6] 110. Fünftens, erlöschen die aus Verzug gebührende Interessen insonderheit durch die in §. III von num. 48 bis num. 51 vorgesehene Entschuldigung des Verzugs oder Saumsals.

Zweiter Artikel.

Von Nutzungen und Früchten

§. VII. Von der Verschiedenheit deren Nutzungen. §. VIII. Von der Erstattung deren Nutzungen mit der Hauptsache.

§. VII.

[3, 17, § 7] 111. Die zweite Gattung deren aus Contracten schuldigen Nebengebührnussen sind die Nutzungen oder Früchten einer Sache, worunter alle Nutzbarkeit, welche von der Schuldigen die Hauptsache abfallet, verstanden wird.


(3-294) [3, 17, § 7] 112. Diese sind nach dem bereits in zweiten Theil erklärten Unterschied dreierlei, als: Eine, welche die Natur von sich selbst ohne menschliche Zuthat, oder doch ohne Mitwirkung eines sonderbaren Fleißes hervorbringet, als die Wolle auf denen Schafen, das Kalb von der Kuhe, das Obst auf den Bäumen, das Gras auf der Wiesen etc.

[3, 17, § 7] 113. Die zweite, deren Erzeugung nebst der Wirksamkeit der Natur einen besonderen menschlichen Fleiß und Zuthat, als die Beurbarung, die Aussaat, den Anbau oder die Pflanzung erforderet. Von dieser Gattung sind das Getreide, der Wein und allerhand andere Gewächse, die mit Ankehrung besonderen Fleißes hervorgebracht werden.

[3, 17, § 7] 114. Die dritte, welche nicht von der Natur aus der Sache selbst erzeuget werden, sondern blos allein wegen derselben durch Wirkung des menschlichen Fleißes aus denen hierüber eingegangenen Verträgen und Bedingen herrühren, als Bestandzinse, Pachtgelder und dergleichen.

[3, 17, § 7] 115. Alle drei Gattungen sind entweder noch hangend und ausständig, oder schon abgesondert und eingehoben, oder aus Schuld des Besitzers nicht mehr einbringlich; die eingehobenen aber sind entweder noch vorhanden oder schon verthan.

§. VIII.

[3, 17, § 8] 116. Die Erstattung deren Nutzungen mit der Hauptsache gebühret nicht allein, wann die Sache aus einem hieran haftenden dinglichen Recht, sondern auch, wann solche aus einem Vertrag, Contract oder sonstiger persönlichen Verbindlichkeit geforderet wird. Von dem ersteren Fall ist allschon in zweiten Theil gehandlet worden. Es erübriget solchem nach nur noch den zweiten Fall zu erklären.

[3, 17, § 8] 117. Bei persönlichen Verbindungen kommen die Nutzungen als eine aus dem Contract oder Vertrag schuldige Nebengebührnuß ein, worzu Jemand entweder aus einem ausdrücklichen Beding oder aus dem an der Hauptsache dem Anderen zustehenden Eigenthumsrecht, oder aus der Natur der Handlung, oder endlich aus Saumsal verbunden ist.

[3, 17, § 8] 118. Und zwar anförderist hat es bei deme sein festes Verbleiben, wessen sich die Contrahenten untereinander deren mit der Hauptsache zu erstatten habenden Nutzungen halber verglichen haben, wann gleich sonsten außerdeme das Recht des Eigenthums, oder die Natur der Handlung ein Anderes erforderet haben würde. Also können sich der Kaufer und Verkaufer untereinander wegen deren Nutzungen nach Gefallen vergleichen.

[3, 17, § 8] 119. Wo aber derowegen ein ausdrückliches Beding ermanglet, ist darauf zu sehen, ob die zuruckforderende Sache dem Kläger schon vorhin eigenthumlich zugehöre oder nicht. Unterwaltet an Seiten des Klägers das Eigenthum ganz oder zum Theil, obschon die Forderung aus einem Vertrag oder Contract herrühret, gebühren ihme auch nach Maß des Eigenthums ganz oder zum Theil alle sowohl noch hangende, als schon eingehobene, vorräthige oder bereits verthane

(3-295) Nutzungen, für welche letztere der Werth auf diejenige Weis zu erstatten ist, wie solche in zweiten Theil erwähnet worden.

[3, 17, § 8] 120. Davon ist jedoch jener Fall ausgenommen, wo der Eigenthümer die Nutzungen dem Anderen ausdrücklich überlassen hat. Also kann der Vermiether oder Verpachter, obgleich derselbe Eigenthümer des vermietheten oder verpachteten Guts ist, die Nutzungen für die Zeit des Contracts nicht ansprechen, weilen solche dem Miether oder Pachter für den Zins überlassen waren.

[3, 17, § 8] 121. Dahingegen sind in Befehls-, Hinterlegungs- und Pfandcontracten dem Befehlsgeber, Hinterleger und Schuldner alle von dem anvertrauten, hinterlegten oder verpfändeten Gut abgefallene Nutzungen, so wie überhaupt in allen anderen Fällen, wo die Sache als das Eigenthum des Klägers zuruckgeforderet wird, zu erstatten, außer insoweit solche der andere Theil ihme durch ein ausdrückliches Beding überlassen worden zu sein erweisen mag.

[3, 17, § 8] 122. Desgleichen gebühren in Gesellschaftscontract, in Theilung der Erbschaft oder gemeinschaftlichen Guts die Nutzungen nur nach jenem Antheil, welcher an der Hauptsache auf den Gesellschafter, Miterben oder Mitbesitzer in der Theilung ausfallet.

[3, 17, § 8] 123. Was jedoch die einzuheben unterlassene und nicht mehr einbringliche Nutzungen anbelanget, so ist deren Ersatz nur nach demjenigen Grad der Schuld abzumessen, worzu Jemand entweder aus dem Beding oder aus der Natur der Handlung verbunden ware, deme gemäß jener, welcher aus Mangel des nach dem Contract anzuwenden gehabten Fleißes und Sorgfalt einige Nutzungen einzuheben verabsaumet hat, auch solche zu ersetzen schuldig ist.

[3, 17, § 8] 124. Gehörete aber die Sache dem Kläger nicht eigenthumlich zu, so sind die Nutzungen mit der Hauptsache nach der Natur der Handlung zu erstatten, wie solches bei jedem Contract als bei Kaufen, Tauschen und Pachtungen bereits oben ausgemessen worden.

[3, 17, § 8] 125. Endlich, wo weder durch ein ausdrückliches Beding, weder durch das Eigenthum der Sache, noch aus der Natur der Handlung deren Nutzungen halber etwas Gewisses bestimmt werden kann, gebühren solche aus dem alleinigen Saumsal in Ausfolgung der schuldigen Hauptsache, wessen sich der Beklagte in Rücksicht deren Nutzungen auf eben die Art und Weis, wie es wegen deren Interessen oben geordnet worden, verfänglich machet.

[3, 17, § 8] 126. In deme aber ist zwischen denen Interessen und Nutzungen ein Unterschied, daß, obschon eine hinlängliche Entschuldigung des Saumsals von der Verinteressirung der schuldigen Hauptsumme entheben kann, diese jegleichwohlen den Beklagten von Erstattung deren Nutzungen nicht entlediget, so lange er die Sache dem Kläger auszufolgen verbunden bleibet, sondern solche sollen noch allemal dem Kläger mit der Hauptsache zugesprochen werden.

[3, 17, § 8] 127. Weiters erlöschet auch die Verinteressirungsschuldigkeit sowohl aus einem Beding, als aus Saumsal für das Vergangene durch Bezahlung der Schuld, wann solche ohne ausdrücklichen Vorbehalt deren bis dahin verfallenen Interessen angenommen worden; dahingegen höret die Verbindlichkeit zu Erstattung deren eingehobenen Nutzungen durch die ohne deren Vorbehalt erfolgte Annehmung der Hauptsache nur in jenem Fall allein auf, wann solche lediglich aus Saumsal gebühren.

[3, 17, § 8] 128. Wo aber dieselbe entweder aus einem Beding, oder aus dem Recht des Eigenthums, oder aus der Natur der Handlung mit der Hauptsache abzustatten sind, kann aus Annehmung der Hauptsache deren Nachlaß nicht gefolgeret, sondern solche nichtsdestoweniger noch besonders anbegehret werden.

[3, 17, § 8] 129. Es wäre dann, daß es auf die gerichtliche Klage ankäme, welchen Falls die Nutzungen, sie mögen aus was immer für einer Ursache gebühren, allemal zugleich mit der Hauptsache eingeklaget werden müssen.

(3-296) [3, 17, § 8] 130. In Widrigen und da Kläger in seiner eingebrachten Klage die Nutzungen zugleich mit der Hauptsache anzuforderen unterlassen hätte, und ihme hierauf in der richterlichen Erkanntnuß nur allein die Sache ohne Nutzungen zugesprochen worden wäre, solle er in diesem Falle solche nicht mehr anzusuchen befugt, noch weniger derowegen eine besondere Rechtsklage weiter zugelassen sein.

Dritter Artikel.

Von Zuwachs oder Zugängen zur schuldigen Sache.

§. IX. Von dem eigentlichen Verstand des Zuwachses oder Zugängen zur schuldigen Sache.

§. X. Von Uebergebung des Zuwachses oder Zugängen mit der schuldigen Sache.

§. IX.

[3, 17, § 9] 131. Die dritte Gattung deren aus Contracten schuldigen Nebengebührnussen sind der Zuwachs oder Zugänge zur schuldigen Sache, welche in weiten Verstand alle Nebengebührnussen begreifen und entweder unmittelbar aus der Sache wegen derselben herrühren, und eigentlich Einkünften genannt werden, als die Interessen, Früchten und Nutzungen, wovon in denen zweien vorhergehenden Artikeln gehandlet worden.

[3, 17, § 9] 132. Oder sie sind solche, welche der Sache durch einen äußerlichen Zuwachs oder Zunahme zugehen, es geschehe gleich von der Natur, als durch Anspülung oder Anwurf des Erdreichs von der Gewalt des Stroms, oder durch menschlichen Fleiß und Arbeit, als durch den Einbau, Einpflanzung, Einsäung oder sonstiger Zusatz, welche Zugehörungen heißen und in gegenwärtigen Artikel erkläret werden.

§. X.

[3, 17, § 10] 133. Diese Zugehörungen zur schuldigen Sache gebühren aus denen nemlichen Ursachen, woraus die Verbindlichkeit zu Erstattung deren Nutzungen mit der Hauptsache entspringet, als entweder aus einem Beding oder aus dem Recht des Eigenthums, oder aus der Natur der Handlung, oder aus Saumsal.

[3, 17, § 10] 134. Und zwar giebt anförderist das Beding Ziel und Maß, was für Zugehörungen mit der schuldigen Sache zu übergeben sind. In Ermanglung eines Bedings aber ist auf das Eigenthumsrecht des Klägers zu sehen, dann insoweit derselbe Eigenthümer der aus einem Contract oder Vertrag anforderenden Sache ist, gebühren ihme auch alle von Zeit der von dem Anderen eingegangenen Verbindlichkeit sich hieran ergebene Zugänge in derjenigen Maß, wie solche in zweiten Theil in der Abhandlung von dem Eigenthum beschrieben worden.

[3, 17, § 10] 135. Dahingegen, wo Kläger das Eigenthum der Sache nicht hat, bestimmet die Natur der Handlung, was an Zugehörungen mit der schuldigen Sache erfolget werden solle, als bei Kaufen und Tauschen.

[3, 17, § 10] 136. Endlichen, da auch aus der Natur der Handlung nichts Gewisses zu entnehmen wäre, gebühren aus Saumsal in Ausantwortung der schuldigen Sache alle diejenigen Zugehörungen, welche derselben durch die Zeit der Vorenthaltung von der Natur selbst zugegangen sind.

(3-297) [3, 17, § 10] 137. Bei jenen aber, welche durch Fleiß und Arbeit hervorgebracht werden, ist zu unterscheiden, ob dieselbe sich ohne Beschädigung der Sache davon absonderen lassen, oder nicht. Ersteren Falls verbleiben sie Demjenigen, der sie hinzugefüget; letzteren Falls aber ist darmit nach der in zweiten Theil enthaltenen Ausmessung fürzugehen.

Vierter Artikel.

Von Aufwand und Verbesserungskosten.

§. XI. Von Verschiedenheit des auf eine fremde Sache gemachten Aufwands und ausgelegten Verbesserungskosten. §. XII. Von Ersatz und Vergütung deren auf eine fremde Sache verwendeten Auslagen.

§. XI.

[3, 17, § 11] 138. Die vierte Gattung deren aus Contracten schuldigen Nebengebührnussen sind die auf eine dem Anderen gehörige Sache verwendete Auslagen und Verbesserungskosten, welche zwar auch, insoweit sie durch die Ruck- oder Gegenforderung alleinig anbegehret werden, folglich den wesentlichen Gegenstand der Ruck- oder Gegenverbindlichkeit ausmachen, als eine gegenseitige Hauptgebührnuß angesehen werden können.

[3, 17, § 11] 139. Die Auslagen geschehen entweder nach dem ordentlichen Wirthschaftstrieb auf Erzeugung, Einhebung und Einsammlung deren Früchten und Nutzungen, wohin auch die Abführung deren schuldigen Steuern und Anlagen gehöret, oder sie werden auf die Sache selbst zu deren Erhaltung, Verbesserung oder Auszierung und Verschaffung mehrerer Lust, Bequemlichkeit, Pracht und Ansehens verwendet.

[3, 17, § 11] 140. Diese letztere sind dahero nach ihrer Beschaffenheit dreierlei, als die nothwendigen, welche aus Noth zu beharrlicher Erhaltung der Sache geschehen, ohne deren Aufwand derselben Verlust, Untergang oder sonstige Beschädigung unvermeidlich gewesen sein würde, als da sind die Ausbesserung eines baufälligen Hauses, die Befestigung des Ufers wider die eindringende Gewalt des Stroms und dergleichen.

[3, 17, § 11] 141. Die nutzlichen, worzu zwar keine dringende Nothwendigkeit Anlaß giebt, doch aber andurch ein größerer Nutzen verschaffet und die Sache merklich verbesseret wird. Diese heißen eigentlich Verbesserung eines Grundes oder Guts, und dahin gehöret der auf bessere Einrichtung der Wirthschaft und Vermehrung deren Einkünften gemachte Aufwand, die Aufführung nutzlicher Wirthschaftsgebäuden, die Verwahrung und Versicherung für einen mit Grund beförchtenden Schaden und andere mehrere.

(3-298) [3, 17, § 11] 142. Die lustbringenden, welche weder aus Noth, weder zum Nutzen geschehen, noch die Einkünfte vermehren, sondern blos zur Lust und Bequemlichkeit oder Auszierung gemacht werden. Von dieser Art sind Gemälde, Bildsäulen, Erbauung prächtiger Schlösser und gemächlicher Wohnungen, Anlegung deren Lust- und Ziergärten, Springbrunnen und Wasserkünsten und anderer derlei Dingen, welche gar keinen Nutzen schaffen.

[3, 17, § 11] 143. Nach ihrem Betrag sind die Auslagen entweder gering oder groß. Unter denen geringen wird insgemein der zu gegenwärtiger Erhaltung der Sache, als des Gebäudes in Dach und Fach, oder zu deren Bewahrung zu machen bemüssigte Aufwand verstanden. Große Auslagen aber sind jene, welche zu beharrlicher Erhaltung oder mehrer Benutzung der Sache gereichen.

§. XII.

[3, 17, § 12] 144. Der Ersatz deren auf eine fremde Sache gemachten Auslagen gründet sich in der natürlichen Billigkeit, damit Niemand mit Schaden des Anderen bereicheret werde.

[3, 17, § 12] 145. Gleichwie aber die Maßregeln, wornach der Ersatz deren Auslagen in denen Fällen, da die Sache aus einem hieran habenden dinglichen Recht geforderet wird, zu geschehen habe, bereits in zweiten Theil bei Abhandlung deren dinglichen Rechten erkläret worden, also hat auch in jenen Fällen, wo dem Kläger aus persönlicher Verbindlichkeit des Anderen das Recht zustehet die Sache mit oder ohne denen Nutzungen anzubegehren, dagegen der Beklagte die Befugnuß, die erweisliche Auslagen zuruckzuforderen, wobei jedoch der Unterschied in Absicht auf die verschiedene Beschaffenheit deren Auslagen zu beobachten ist.

[3, 17, § 12] 146. Die Auslagen auf die Nutzungen hat allemal Jener zu tragen, der solche beziehet, für diejenige Zeit und nach derjenigen Maß, als sie ihme gebühren; dann Früchten und Nutzungen werden nicht anderst verstanden, als nach Abzug deren aufgewandten Kosten.

[3, 17, § 12] 147. Es wäre dann Jemand durch ein besonderes Beding zu einem mehreren oder minderen Beitrag deren Kosten verbunden, in welchem Fall der Ersatz deren Auslagen nicht nach dem Verhältnuß deren Nutzungen, sondern nach Gestalt des Bedings abzumessen ist.

[3, 17, § 12] 148. Und dieses hat auch statt, obgleich zufälliger Weise die Nutzungen, worauf die Auslagen verwendet worden, nicht erzeuget und eingehoben worden wären, wann nur zu jener Zeit, als die Auslagen geschehen, die Nutzungen nicht dem Inhaber der Sache, sondern dem Anderen, der sie zu forderen hat, gebühret haben, und die Auslagen die sonst gewöhnliche Maß nicht übersteigen.

[3, 17, § 12] 149. Desgleichen hat in allen Contracten die nothwendigen und nutzlichen Auslagen auf die Sache, welche von Zeit der eingegangenen Verbindlichkeit darein verwendet werden, Derjenige, der die Sache zu forderen hat, entweder ganz oder zum Theil zu ersetzen, nachdeme ihme die Sache ganz oder zum Theil gebühret.

[3, 17, § 12] 150. Diese Regel aber leidet in folgenden dreien Fällen eine Ausnahme, als erstens, wann Jemand sich in dem Contract ausdrücklich verbunden hat, Zeit seiner Inhabung der Sache gewisse Auslagen oder Verbesserungen zu machen, als da ein Miether oder Pachter sich zu Verbesserung des gemietheten Hauses oder gepachteten Guts anheischig gemacht, oder ein Gesellschafter einen größeren Antheil an Kosten und einen minderen an Gewinn auf sich genommen hätte, dann jene Auslagen und Unkosten, welche Jemand freiwillig übernimmt, kann er nicht zuruckforderen.

[3, 17, § 12] 151. Zweitens, wann die Verbindlichkeit zu dem Aufwand und Verbesserung der Sache aus der Natur des Contracts entspringet, gleichwie in dem Erbzinscontract

(3-299) an Seiten des Erbzinsmanns, welcher dahero keine Verbesserungskosten anzubegehren befugt ist.

[3, 17, § 12] 152. Nicht weniger ist in dem Entlehnungscontract der Entlehner, so wie in Mieth- und Pachtungscontract der Miether oder Pachter verbunden, die zu gegenwärtiger Erhaltung der Sache aufzuwenden nöthige Auslagen, welche keine Nutzbarkeit nach Ausgang des Contracts für den Ausleiher, Vermiether oder Verpachter zurucklassen, selbst zu tragen, wie solches in fünften Capitel, §. V, num. 48 geordnet worden.

[3, 17, § 12] 153. Drittens, wann in Gegentheil Jemanden ausdrücklich verboten ist, einen Aufwand zu machen, in welchen Fall zwar die nothwendigen, nicht aber auch die nutzlichen Auslagen zu vergüten sind, sondern mit diesen letzteren solle es eben also gehalten werden, wie es deren lustbringenden halber gleich hienach ausgemessen werden wird.

[3, 17, § 12] 154. Der Verbot des Aufwands aber kann entweder in allen Handlungen durch ein besonderes Beding nach Willkür deren Contrahenten geschehen, oder aber solcher ist schon in dem Gesatz ausdrücklich enthalten, als bei Pfandcontracten, wie davon in siebenten Capitel, §. VI, num. 69 bis 71 mit Mehreren gehandlet worden.

[3, 17, § 12] 155. Bei lustbringenden Auslagen ist zu unterscheiden, ob sie jegleichwohlen einigen Nutzen schaffen oder durchaus unnütz und zur bloßen Lust gewidmet sind. Für nutzbare aber können sie gehalten werden, wann entweder der Eigenthümer der Sache solche selbst gemacht haben würde, oder seinen Willen ausdrücklich oder stillschweigend (da er deren Zuruckhaltung oder Absonderung, wann solche ohne Schaden füglich geschehen könnte, nicht gestatten will) darzu gegeben hätte, oder eine feilgebotene oder zu verlassen stehende Sache andurch in einen solchen Werth versetzet worden wäre, daß sie um einen höheren Preis angebracht, oder um einen größeren Zins vermiethet oder verpachtet werden könnte.

[3, 17, § 12] 156. In diesen Fällen sind auch solche wegen des dem Eigenthümer wenigstens mittelbar daraus zugehenden Nutzens dem Inhaber der Sache zu vergüten. Ansonst aber, da sie gar keinen Nutzen bringen, ist der Eigenthümer nicht schuldig dieselbe abzulösen, sondern, wann er deren Vergütung verweigeret, stehet dem Inhaber frei, solche hinwegzunehmen, insoweit sie ohne Beschädigung der Sache davon abgesonderet werden mögen; dagegen aber bleibet derselbe noch allzeit in der Verbindlichkeit die Sache in ihren vorigen Stand zu setzen.

[3, 17, § 12] 157. Doch hat der Eigenthümer allemal die Auswahl, ob er dem Inhaber den wahren Werth, wie solche nach deren Absonderung geschätzet werden, bezahlen oder deren thunliche Absonderung leiden wolle.

[3, 17, § 12] 158. Bei Schätzung deren Auslagen ist sowohl auf deren verschiedene Beschaffenheit, als ihren Betrag zu sehen. Nach der Beschaffenheit sind jederzeit jene Auslagen für nothwendig zu halten, welche der Eigenthümer selbst aufzuwenden bemüssiget gewesen wäre, doch mit Bemerkung des Unterschieds, ob sie nur zu gegenwärtiger oder zu beharrlicher Erhaltung der Sache gereichen; dann die von ersterer Art hat Jener zu büßen, deme für die Zeit der Gebrauch oder Genuß der Sache aus dem Contract gebühret.

[3, 17, § 12] 159. Für nutzliche Auslagen sind jene zu achten, woraus dem Eigenthümer oder Demjenigen, welcher die Sache zu forderen hat, ein Nutzen erwachset, dieser möge beharrlich oder nur zeitlich sein; dann auch nach einen zeitlichen Nutzen muß der Werth deren Auslagen, wodurch derselbe verschaffet wird, geschätzet werden.

[3, 17, § 12] 160. Wo aber dem Eigenthümer gar kein Nutzen verbleibet, obschon dem Inhaber Zeit seiner Inhabung hieraus der größte Vortheil zugegangen wäre, ist Ersterer hieran nichts zu vergüten schuldig. Wie dann auch derjenige Fleiß und Arbeit, wodurch der Inhaber, welcher die Nutzungen selbst beziehet, als z. B. ein Miether, Pachter oder Bestandmann ohne einigen Aufwand aus dem Seinigen die

(3-300) Einkünften vermehret und die Ertragnuß auch noch einmal so hoch hinauf getrieben hat, in keine Betrachtung kommet.

[3, 17, § 12] 161. Dahingegen, wo die Sache sammt denen Nutzungen dem Eigenthümer zuruckgestellet wird, als in Befehls- und Hinterlegungscontract, erforderet die Billigkeit, daß der für die Zeit, als der Eigenthümer die Nutzungen beziehet, angewendete Fleiß und Arbeit, wann das Beding oder die Natur des Contract nichts Anderes vermag, nach richterlichen Befund in Anschlag gebracht, und dessen Belohnung von denen Nutzungen abgezogen werde.

[3, 17, § 12] 162. Die Auslagen auf die Nutzungen sind insgemein für nothwendig anzusehen, und nur damals für nutzlich zu halten, wann dadurch in der That ein größerer Nutzen erzeuget wird, oder doch nach dem Wirthschaftstrieb außer ohngefähren Zufällen gewiß und ohnfehlbar zu gewarten ist.

[3, 17, § 12] 163. Nach dem Betrag sind die nothwendigen Auslagen in keiner anderen Maß zu schätzen, als so viel nach Gestalt der Sache oder nach dem gemeinen Wirthschaftstrieb, Landesbrauch oder sonstiger Gewohnheit erforderlich ware, oder so viel der Eigenthümer selbst aufzuwenden bemüssiget gewesen, oder wenigstens aus denen vorjährigen Rechnungen von ihme sonst aufgewendet worden zu sein erweislich wäre.

[3, 17, § 12] 164. Bei denen nutzlichen Auslagen oder Verbesserungskosten aber, deren Betrag nicht allezeit mit jenem des darmit verschafften Nutzens übereinstimmet, sondern sich meistens höher zu belaufen pfleget, kann zum öfteren ein Zweifel entstehen, ob deren Ersatz nach dem Betrag des Aufwands oder nach dem Betrag des erzeugten Nutzens und wirklicher Verbesserung zu geschehen habe.

[3, 17, § 12] 165. Um nun hierinfalls eine gewisse Richtschnur zu haben, ist dabei in acht zu nehmen, ob der Inhaber einer fremden Sache zu deren Inhaltung aus dem Contract nicht berechtiget, folglich auch ihme der Ersatz deren nutzlichen Auslagen lediglich aus natürlicher Billigkeit wegen des andurch verschafften Nutzens zu leisten seie, oder aber ob der Inhaber aus dem Contract die Sache innenzuhalten befugt und ihme dagegen der Eigenthümer aus eben diesem Contract zu Vergütung des Aufwands ruck- oder gegenverbunden seie.

[3, 17, § 12] 166. Ersteren Falls hat der Ersatz nicht nach dem Betrag des Aufwands, sondern nach dem Betrag des wirklich verschafften Nutzens und wesentlichen Verbesserung zu geschehen, ohne Rücksicht, ob viel oder wenig ausgelegt worden und ob der Nutzen den Aufwand oder dieser jenen übertreffe.

[3, 17, § 12] 167. Also da ein Uebergang der verkauften Sache saumiger Verkaufer nach geschlossenen Kauf oder ein Pachter nach ausgegangener Pachtzeit zweihundert Gulden aufwendete, wodurch die Sache nur um einhundert Gulden in Werth und in der Benutzung verbesseret würde, sind ihme hieran nur einhundert Gulden zu vergüten, also daß jedesmal der erzeugte mehrere Nutzen zum Capital geschlagen und der ausfallende Capitalsbetrag ersetzet werde.

[3, 17, § 12] 168. Letzteren Falls aber, wo der Eigenthümer aus der Natur des Contracts zum Ersatz des nutzlichen Aufwands ruck- oder gegenverbindlich ist, welches in allen Fällen geschieht, wo Jemandens Sachen mit seiner ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung von einem Anderen verwaltet oder besorget und verwahret werden, solle der Ersatz deren nutzlichen Auslagen nach dem Betrag des Aufwands geleistet werden, wann gleich der erzeugte Nutzen nicht so viel abwirft, als darein gestecket worden.

[3, 17, § 12] 169. Auf diese Art solle dem Entlehner, deme, zu dessen getreuen Handen ein Gut anvertrauet worden, dem Miether oder Pachter, dem Befehlshaber, Sachwalter, Vormund oder Gerhaben der nutzliche Aufwand, welchen sie Zeit des Contracts oder der fürwährenden Vormundschaft gemacht haben, ersetzet werden. Wovon jedoch der alleinige Pfandcontract auszunehmen ist; dann, obschon der Schuldner hieraus zur Vergütung deren Auslagen ruckverbindlich ist, so solle doch

(3-301) laut obiger Ausmessung der Ersatz nicht nach dem Betrag des Aufwands, sondern nach der sich wirklich zeigenden Verbesserung geschehen.

[3, 17, § 12] 170. Gleichergestalten hat die letztere Art der Schätzung des Aufwands in jenen Handlungen statt, wo die Auslagen von allen Contrahenten getragen werden müssen, als in Gesellschaftscontracten, Theilungen der Erbschaften oder gemeinschaftlichen Güter, wobei nur auf jenes, was wirklich ausgeleget worden, zu sehen ist.

[3, 17, § 12] 171. Es hat aber der Richter bei Untersuchung deren nutzlichen Auslagen den Bedacht dahin zu nehmen, damit keine andere zum Ersatz angerechnet werden, als welche unmittelbar zu Verschaffung des abgesehenen Nutzens abgezielet und zu dessen Erzeugung nothwendig waren.

[3, 17, § 12] 172. Dann woferne mit minderen Unkosten der nemliche Nutzen hätte verschaffet werden können, so ist auch hieran nicht mehr zu ersetzen, als was zu Erreichung dieses Nutzens auszulegen nöthig gewesen wäre, woferne nicht etwan der Eigenthümer selbst den größeren Aufwand anbefohlen oder genehm gehalten hätte.

[3, 17, § 12] 173. Ferners ist nothwendig, daß die Auslagen von Demjenigen, welcher deren Vergütung forderet, behörig erwiesen und bewähret werden. Bei dem nothwendigen Aufwand, er geschehe auf die Nutzungen oder auf die Sache selbst, kann der Beweis durch die Rechnungen von vorgängigen Jahren oder durch Quittungen und Auszügeln oder durch Zeugen, oder, wann der Aufwand noch sichtbar ist, durch Einnehmung des Augenscheines und eidliche Schätzung deren Kunst- oder Wirthschaftserfahrenen, oder endlich in Ermanglung alles anderen Beweises durch den Eid dessen, welcher die Auslagen gemacht hat, hergestellet werden.

[3, 17, § 12] 174. Ueber die nutzlichen Auslagen ist der Beweis nach dem Unterschied, ob die Vergütung nach dem Betrag des Nutzens oder nach dem Betrag des Aufwands gebühre, zu führen, und ersteren Falls die eidliche Schätzung deren Kunst- oder Wirthschaftserfahrenen vorzunehmen, letzteren Falls aber auf eben die Art, wie bei denen nothwendigen Auslagen zu verfahren.

[3, 17, § 12] 175. Unter den Ersatz sowohl des nothwendigen, als nutzlichen Aufwands sind jedoch jene Auslagen nicht einzurechnen, welche von dem Grund selbst bestritten werden, als Steine, Holz, Frohndienste oder Roboten, sondern nur die Auslagen allein, welche Jemand aus seinem eigenen Säckel aufwendet, als der denen Arbeitsleuten bezahlte Hand- oder Taglohn, der Preis für den erkauften nöthigen Zeug und andere Erfordernussen.

[3, 17, § 12] 176. Die lustbringenden Auslagen sind in dem Fall, wann sie der Eigenthümer ablösen will, oder deren Absonderung ohne Schaden der Sache nicht geschehen kann, nur nach demjenigen Werth durch Kunsterfahrene zu schätzen, was sie nach ihrer Absonderung gelten würden, nicht aber nach dem Betrag des Aufwands oder was sie wirklich gelten, wann sie bei der Sache verbleiben. Woferne jedoch die Auslagen mit Willen des Eigenthümers geschehen, ist deren Ersatz allemal nach dem Betrag des Aufwands zu leisten.

[3, 17, § 12] 177. In gewissen Fällen hat auch der Eigenthümer die Auslagen, wann er zu deren Ersatz aus dem Contract verbunden ist und die Nutzungen zu beziehen hat oder der Aufwand auf seinen Befehl geschehen, von dem Tag des Aufwands zu verinteressiren, wie es oben in ersten Capitel, §. III, num. 39, ausgemessen worden. Also sind dem Entlehner, deme, zu dessen Handen ein Gut hinterleget wird, dem Befehlshaber oder Sachwalter, dem Vormund oder Gerhaben und Curatori die Interessen von dem Betrag deren nothwendigen oder nutzlichen Auslagen von dem Tag des Aufwands zu bezahlen.

[3, 17, § 12] 178. Dahingegen, wo der Inhaber selbst die Nutzungen beziehet, als bei Mieth- und Pachtungen, oder der Ersatz nur nach dem Betrag des verschafften Nutzens zu geschehen hat, als bei Pfandcontracten, oder es nur um Ablösung deren

(3-302) ohne Willen des Eigenthümers gemachten lustbringenden Auslagen zu thun wäre, in solchen Fällen gebühren hievon keine Interessen.

[3, 17, § 12] 179. Zu Wiedererlangung des gemachten Aufwands auf eine fremde Sache sind mehrere rechtliche Hilfsmittel hergebracht, deren einige vor Ausantwortung der Sache, andere darnach und andere vor oder nach gebrauchet werden können.

[3, 17, § 12] 180. Vor Ausantwortung der Sache gebühret dem Inhaber das Recht des Abzugs deren Auslagen von denen Nutzungen, wann er diese zugleich zuruckzustellen bemüssiget ist, obschon in dem richterlichen Urtheil des Abzugs nicht gedacht worden wäre. Was er aber sich hieran über die Gebühr abziehen würde, ist er zuruckzustellen schuldig.

[3, 17, § 12] 181. Woferne jedoch der Aufwand die Nutzungen übersteiget, oder er die Sache ohne Nutzungen zuruckzustellen hätte, hat er die Macht die Sache so lange zuruckzuhalten, bis er deren erweislichen Auslagen halber vergnüget worden.

[3, 17, § 12] 182. Die Befugnuß der Innenhaltung höret aber auf, wann entweder der Eigenthümer eine genügliche und annehmliche Bürgschaft für den Betrag deren Auslagen darstellete, oder aber der Inhaber der Sache die Vergütung derenselben wider die Forderung des Klägers einzuwenden unterlassen hätte, welchen Falls der Punkt deren Auslagen durch eine besondere Rechtstheidigung ausgemacht und die Sache deshalben dem Eigenthümer weiter nicht vorenthalten werden solle.

[3, 17, § 12] 183. Nach ausgeantworteter Sache muß die Vergütung deren Auslagen durch die aus dem Contract oder Beding gebührende Haupt- oder Ruckforderung anbegehret werden.

[3, 17, § 12] 184. Endlich hat Jener, welcher nutzliche oder lustbringende Auslagen in eine fremde Sache verwendet, sowohl vor, als nach deren Zuruckstellung die Macht die Verbesserungen und Auszierungen hinwegzunehmen, wann deren Absonderung ohne Beschädigung der Sache geschehen kann, doch mit dem Unterschied, daß, solange die Sache in seinen Handen befindlich ist, er solche auch wider Willen des Eigenthümers, nach deren Ausantwortung aber nicht anderst, als mit dessen Einwilligung hinwegnehmen möge, woferne jedoch dieser deren Absonderung verweigerete, so ist er schuldig die nach deren Unterschied oben ausgemessene Vergütung dafür zu leisten.

Fünfter Artikel.

Von Schäden und Unkosten.

§. XIII. Von Ersatz deren Schäden. §. XIV. Von Ersatz deren Unkosten.

§. XIII.

[3, 17, § 13] 185. Die fünfte Gattung deren aus Contracten schuldigen Nebengebührnussen sind Schäden und Unkosten, von deren ersteren in gegenwärtigen, von denen anderen aber in gleichnachfolgenden §. gehandlet werden wird.

[3, 17, § 13] 186. Unter denen Schäden werden hier nicht jene verstanden, welche aus Verbrechen entstehen und weshalben nach Gestalt des Verbrechens besondere Rechtsforderungen

(3-303) hergebracht sind, wodurch deren Ersatz als eine vornehmlich einkommende Hauptgebühr angesuchet wird, wie solche unter in einundzwanzigsten Capitel von Verbrechen und in zweiundzwanzigsten Capitel von denen für Verbrechen geachteten Handlungen eigends beschrieben werden.

[3, 17, § 13] 187. Sondern unter denen Nebengebührnussen werden nur jene Schäden begriffen, welche durch die aus Verträgen oder Contracten zustehende Rechtsforderungen entweder anstatt der nicht mehr zu leisten mögenden Hauptgebühr oder aber als eine Nebensache eingeklaget werden.

[3, 17, § 13] 188. Durch den Schaden wird also hier nichts Anderes angedeutet, als was Jemanden aus Schuld oder Saumsal seines Schuldners an seinem Vermögen entgehet, welches nicht nur damals geschieht, wann Jemand seines zugehörigen Guts verlustiget, sondern auch, wann der ihme rechtmäßig angebührende Nutzen von dem Anderen entzogen wird. Das erstere heißet eigentlich ein erwachsener Schaden und das andere ein entgangener Gewinn; Beides aber gereichet zum Nachtheil und Verringerung des Vermögens.

[3, 17, § 13] 189. Anstatt der Hauptgebühr wird der so auf eine, als die andere Art erleidende Schaden eingeklaget, wann Dasjenige, was Jemand zu geben oder zu thun aus dem Contract verbunden ist, aus seiner Schuld nicht mehr geleistet werden mag, als da der Verkaufer die verkaufte Sache aus seiner Schuld hätte zu Grund gehen lassen, oder Jener, der zur gesetzten Zeit etwas zu thun verheißen, was nach der Zeit unnütz und vergeblich wäre, solches zu befolgen unterließe.

[3, 17, § 13] 190. Als ein Nebenbeding aber kommt der Schaden ein, wann zwar die Sache oder die That, warum es sich handlet, noch geleistet werden kann, Kläger aber jegleichwohlen entweder durch Beschädigung der Sache oder durch Verspätung oder sonstige widrige Art des Vollzugs aus Schuld oder Saumsal des Schuldners dabei benachtheiliget worden wäre.

[3, 17, § 13] 191. Der Betrag der Entschädigung ist gewiß oder ungewiß; gewiß ist derselbe, wann er durch das Gesatz oder Beding an sich bestimmet ist. Wo aber solcher durch dieses Unser Gesatz bestimmet wird, solle die von Uns vorgeschriebene Maß weder durch richterliche Ausmessung, noch durch ein Beding deren Contrahenten unter keinerlei Vorwand überschritten werden können.

[3, 17, § 13] 192. Also solle die Entschädigung von einer schuldigen Summe Gelds, die Schuld möge aus einem Darlehen, oder aus was immer für einen anderen Contract herrühren, über die Bezahlung der Hauptsumme bei Ermanglung eines anderen Bedings in nicht mehr, als fünfen von Hundert bestehen, und durch ein Beding zwar mindere, niemalen aber höhere Interessen als sechs von Hundert zu verschreiben bei Strafe des Wuchers gestattet sein, wie es bereits oben in ersten Artikel mit Mehreren erkläret worden.

[3, 17, § 13] 193. Desgleichen haben Wir oben in gewissen Fällen, als bei Kaufen und anderen Contracten die Entschädigung über Wiedererstattung des Empfangenen auf den achten Theil des Werths ausgesetzet, worüber dieselbe aus keinerlei Ursache erstrecket werden darf.

[3, 17, § 13] 194. Weilen jedoch nicht in allen Handlungen so, wie bei Kaufen, der Werth der zu leisten schuldigen oder zu Schaden gekommenen Sache schon an sich

(3-304) bestimmet ist, sondern meistens erst durch gerichtliche Schätzung ausgemessen werden muß, so sind jene Dinge, deren Werth steigend und fallend ist, allemal in den höchsten Preis mit Rücksicht auf die bedungene Zeit und Ort, was selbe bis zu der erfolgenden richterlichen Erkanntnuß gegolten haben, nach Maßgebung dessen, was deshalben in vierten Capitel von Darlehen, §. IV, von num. 58 bis 60 festgestellet worden, anzuschlagen.

[3, 17, § 13] 195. Bei anderen Sachen aber solle darmit dergestalten verfahren werden, daß, wo nur aus einer Schuld des Beklagten die Sache in Verlust gerathen oder verdorben worden wäre, von Klägern der wahre Werth durch ordentliche Beweise und in deren Ermanglung durch den Eid der Wahrheit, wie er sich die Sache gewissenhaft schätzet, erprobet werden müsse.

[3, 17, § 13] 196. Wo aber eine geflissentliche Arglist und Gefährde des Beklagten unterwaltete, und der eigentliche Werth der Sache in andere Wege nicht dargethan werden könnte, ist Kläger zu dem Eid der willkürlichen Schätzung so hoch, als derselbe sich solche nach seiner eigenen Neigung und Anständigkeit gehalten, zuzulassen, dem Richter hingegen lieget jegleichwohlen ob, wann er die Schätzung allzu übertrieben zu sein befinden würde, solche nach Billigkeit zu mäßigen.

[3, 17, § 13] 197. Durch Bedinge können zwar die Contrahenten ihre Entschädigung auf einen minderen, keineswegs aber auf einen höheren Betrag, als solcher durch diese Unsere Anordnung ausgemessen worden, untereinander festsetzen. Und überhaupt solle auch die bedungene Entschädigung über Ersatz des Schadens den achten Theil des Werths der Sache, warum es zu thun ist, nicht übersteigen. Woferne jedoch der Werth Desjenigen, was aus dem Contract gebührete, weder an sich bestimmet wäre, noch eine verläßliche Schätzung annehmen könnte, und die auf den Nichteinhaltungsfall bedungene Entschädigung allzu übermäßig wäre, so hat der Richter die Macht auf Belangen des beschwerten Theils nach Erwägung deren Umständen solche auf ein Billiges herabzusetzen.

[3, 17, § 13] 198. Ungewiß ist der Betrag der Entschädigung in allen denenjenigen Handlungen, worinnen es weder um eine gewisse Geldsumme, noch um eine Sache, die um einen gewissen Werth geschätzet werden mag, zu thun ist, als da Jemand dem Anderen zu einer gesetzten Zeit ein Darlehen vorzustrecken versprochen und nachhero diese seine Zusage nicht gehalten hätte.

[3, 17, § 13] 199. In allen diesen Fällen kommet es der richterlichen Erkanntnuß zu, den erleidenden Nachtheil nach Maß des erwachsenen Schadens und entgangenen Nutzens zu schätzen, und dabei auf den gemeinen Werth und Anschlag deren Sachen, nicht aber auf die besondere Zuneigung und Werthhaltung des einen oder anderen Theils den Bedacht zu nehmen.

[3, 17, § 13] 200. Damit jedoch auf den entgangenen Nutzen oder Gewinn die Rücksicht genommen werden möge, muß solcher also beschaffen sein, daß derselbe einerseits rechtmäßig, gewiß, ungezweiflet und in der Macht des verkürzten Theils, nicht aber etwan nur blos zufällig gewesen wäre, und daß er andererseits unmittelbar aus der zu leisten schuldigen Sache oder That hergerühret hätte.

[3, 17, § 13] 201. Also, da in dem gegebenen Beispiel Kläger durch Anlegung der ihme vorzuleihen versprochenen Summe zehen oder zwölf von Hundert an Interessen hätte beziehen, oder die erforderliche Auslagen zu Erlangung einer ergiebigen Bedienstung mit dessen Verwendung bestreiten, oder in einem mit diesem Geld erkauften Hause einen Schatz finden, oder darmit ein ihme sehr vortheilhaftes Gewerb anstellen können, kommet der Entgang eines so beschaffenen Gewinns in keine Betrachtung, weilen solcher in dem ersten Fall nicht rechtmäßig, in dem zweiten nicht gewiß und ungezweiflet, in dem dritten bloß zufällig, und endlich in dem letzteren nicht unmittelbar aus der Sache selbst hergeflossen wäre.

[3, 17, § 13] 202. Dahingegen, woferne das Geld zu Erkaufung gewisser Waaren vorzustrecken verheißen worden wäre, welche Kläger damals erweislicher Maßen wohlfeiler


(3-305) oder unter dem marktgängigen Preis sich hätte anschaffen können, nach der Zeit aber theuerer zu bezahlen bemüssiget worden wäre, hat der Beklagte den ihme andurch entgangenen Gewinn billig zu ersetzen.

[3, 17, § 13] 203. Gleichergestalten ist bei Schätzung des erwachsenen Schadens auf die nächste und unmittelbare, nicht aber auf die entfernete und mittelbare Ursache zu sehen, woraus solcher entstanden ist.

[3, 17, § 13] 204. Also, da Kläger aus Mangel der Barschaft zu Leistung bringender Zahlungen seine Sachen um ein Geringes zu verstoßen oder sonst eine Verminderung seines Vermögens zu leiden genöthiget worden wäre, so er vermieden haben würde, wann er das versprochene Darlehen zur gesetzten Zeit erhalten hätte, kann er keine Vergütung des Schadens forderen, weilen solcher nicht aus dem nicht eingehaltenen Darlehen, sondern aus seiner eigenen Schuld entsprungen, daß er sich nicht um andere Aushilfsmitteln beworben habe.

[3, 17, § 13] 205. Wann hingegen das Darlehen zu einer gewissen keinen Verzug leidenden Bestimmung unter dem gewöhnlichen Interessebetrag oder auch ganz ohne Interessen vorzuleihen versprochen worden wäre, und Kläger zu diesem Ende anderswo Geld um ein höheres Interesse, doch binnen dem erlaubten Betrag hätte aufnehmen müssen, so ist der Beklagte schuldig ihme das hieran erweislich mehr Bezahlte zu vergüten.

[3, 17, § 13] 206. Und in diesem unterscheidet sich die Schätzung des erwachsenen Schadens von der Schätzung des entgangenen Gewinns, daß kein anderer Gewinn zum Ersatz angerechnet werden könne, als welcher unmittelbar aus der zu Schaden gekommenen oder zu leisten schuldigen Sache oder That hergekommen wäre, bei Schäden aber auch jener zu vergüten seie, welcher außer der gegebenen oder verheißenen Sache an dem anderweitigen Vermögen entstehet, wann nur diese dessen nächste und unmittelbare Ursache gewesen.

§. XIV.

[3, 17, § 14] 207. Unter denen Unkosten wird entweder überhaupt aller wegen einer Sache gemachter Aufwand verstanden, in welcher Bedeutung auch die auf die Sache selbst verwendete Kosten darunter begriffen sind, wovon oben in vierten Artikel gehandlet worden, oder es werden andurch nur jene Auslagen angedeutet, welche sowohl auf die Ausfertigung und Einverleibung des Contracts als auf die Betreibung der zu forderen habenden Sache aufgehen.

[3, 17, § 14] 208. Und in diesem Verstand unterscheiden sich die Unkosten von dem auf die Sache gemachten Aufwand, weilen dieser auf die Erhaltung und Verbesserung einer fremden Sache, jene aber auf die Sicherstellung und Betreibung der eigenen Sache ausgeleget werden.

[3, 17, § 14] 209. Diese sind entweder gerichtlich oder außergerichtlich. Die gerichtlichen heißen eigentlich Gerichtskosten, von denen in vierten Theil bei der Gerichtsordnung

(3-306) gehandlet werden wird; die außergerichtlichen aber sind jene, welche außer dem gerichtlichen Verfahren auf die Sicherstellung und Betreibung einer habenden Forderung verwendet werden.

[3, 17, § 14] 210. Hierunter sind vornehmlich die Einverleibungsunkosten begriffen, welche für die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einlage des Contracts oder Vertrags entrichtet werden müssen.

[3, 17, § 14] 211. Deren Berichtigung lieget zwar allemal Demjenigen ob, der die Einverleibung ansuchet; wegen deren Ersetzung aber ist zu unterscheiden, ob deshalben zwischen denen Contrahenten, was hieran deren einer oder anderer zu tragen habe, bedungen worden oder nicht.

[3, 17, § 14] 212. Ersteren Falls hat es bei dem eingegangenen Beding sein Bewenden, und ist Einer dem Anderen Dasjenige, was er über den auf sich genommenen Antheil hieran mehr bezahlet hat, zu ersetzen schuldig.

[3, 17, § 14] 213. Wo aber derowegen nichts bedungen worden, hat jener die Einverleibungsunkosten zu tragen, zu dessen Nutzen und Vortheil der Contract oder Vertrag vornehmlich gereichet; also, da solcher nur den Nutzen des einen Contrahenten betrifft, hat auch nur dieser die Unkosten der Einlage zu bezahlen, als ein Schuldner, ein Befehlsgeber, ein Erbzinsmann und Derjenige, deme etwas geschenket oder abgetreten wird.

[3, 17, § 14] 214. Welches auch statt hat, obgleich der beigefügte Nebencontract hauptsächlich zum Nutzen und Sicherheit des anderen Theils abzielete, als z. B. die Verschreibung einer Hypothek oder Bestellung einer Bürgschaft, weilen nur auf die Natur und Eigenschaft des Hauptgeschäfts zu sehen ist, also daß auch Jener die Unkosten zu tragen hat, der eine Hypothek verschreibt oder für den eine Bürgschaft bestellet wird.

[3, 17, § 14] 215. Dahingegen, wo die Handlung auf beiderseitigen Nutzen gleich abgesehen wäre, als in Kaufen und Verkaufen, Tauschen, Miethen und Vermiethen, haben Beide die Einverleibungsunkosten zu gleichen Theilen zu bestreiten.

[3, 17, § 14] 216. Bei Gesellschaften aber und Gemeinschaften deren Gütern und Erbschaften sind diese Unkosten nach Maß des einem Jeden hieran gebührenden Antheils zu vertheilen.

[3, 17, § 14] 217. Alle andere auf die Betreibung einer zu forderen habenden Sache erweislich ausgelegte Unkosten hat allemal jener Theil zu vergüten, der durch seine Schuld oder Saumsal zu deren Aufwand Anlaß gegeben; doch stehet ihme dabei frei deren richterliche Mäßigung anzubegehren.

[3, 17, § 14] 218. Wo übrigens alle sowohl gerichtliche, als außergerichtliche Unkosten eben diejenige Vorzüglichkeit und entweder durch Pfandschaft oder Verbürgung bestellte Sicherheit zu genießen haben, welche der schuldigen Hauptsumme zu statten kommen.

[3, 17, § 14] 219. Alle in diesem Capital (= Capitel) bishero beschriebene Gattungen deren Nebengebührnussen können zwar in einer Forderung, wann mehrerlei Dinge aus einem Contract angebühren, nach deren verschiedener Gestalt und Beschaffenheit zusammentreffen.

[3, 17, § 14] 220. Niemalen aber sollen von einerlei Ding die Interessen mit denen Nutzungen, noch dagegen diese mit jenen zugleich anbegehret werden können; Schäden hingegen, insoweit sie nicht schon unter dem Interesse enthalten sind, und Unkosten mögen mit einer jeden anderen Gattung von Nebengebührnussen zugleich geforderet werden.

(3-307) Caput XVIII.

Von Unterhändleren, Handlungsvorgesetzten, Schiedsmännern und anderen bei Contracten einkommenden Personen.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Unterhändleren.

§. I. Von dem Amt und Verschiedenheit deren Unterhändleren. §. II. Von dem ihnen gebührenden Lohn. §. III. Von deren Verfänglichkeit für den von ihnen verursachten Schaden.

§. I.

[3, 18, § 1] Num. 1. Außer denen Contrahenten kommen bei Contracten noch verschiedene andere Nebenpersonen ein, welche theils vor, theils in, theils nach Schließung des Contracts hinzutreten, nach deren dreierlei Gattung gegenwärtiges Capitel in drei Artikeln eingetheilet wird.

[3, 18, § 1] 2. Vor Schließung des Contracts werden zum öfteren Unterhändlere gebrauchet, welche dessen Zustandbringung vermittlen und beförderen, und denen Contrahenten zu Erleichterung des Geschäfts an die Hand gehen.

[3, 18, § 1] 3. In dem Contract selbst kommen Mittelspersonen ein, als Befehlshabere, Bevollmächtigte und Handlungsvorgesetzte, welche den Contract zwar selbst, aber nicht für sich, sondern in Namen eines Dritten schließen, den sie hieraus Anderen oder Andere ihme verbindlich machen.

[3, 18, § 1] 4. Nach dem Schluß des Contracts handlen insgemein die Schiedsmänner ihr Amt, welche aus gemeinsamen Auftrag deren Contrahenten die aus Contracten entstehende Strittigkeiten zwischen ihnen beilegen und auseinander setzen. Von denen Unterhändleren wird in diesem, von denen zweien anderen Gattungen Mittelspersonen aber in folgenden zweien Artikeln gehandlet werden.

[3, 18, § 1] 5. Die Unterhändlere heißen auch anderst nach Gestalt des Geschäfts, wobei sie einkommen, Mäkler, Zubringer, Unterkäufer, Sensalen und sind Personen, welche zu Beförderung eines Geschäfts ihre Vermittlung beizutragen pflegen.

[3, 18, § 1] 6. Diese sind entweder öffentliche Personen, welche von der Obrigkeit an einigen Orten in gewisser Anzahl bestellet und eigends zu diesem Amt beeidiget werden, als die Wechselsensalen und geschworene Sollicitatores, oder sie werden von denen contrahirenden Theilen selbst nach Gefallen erwählet.

[3, 18, § 1] 7. Jene, welche von der Obrigkeit hierzu bestellet werden, müssen die zu diesem Amt erforderliche Eigenschaften, als Redlichkeit, Fähigkeit, Erfahrenheit und Geschicklichkeit zu Verrichtung deren ihnen auftragenden Geschäften besitzen.

[3, 18, § 1] 8. Die aber von denen Parteien nach eigener Willkür erwählet werden, können in einer Sache Unterhandlere abgeben, wann sie gleich sonst einen Contract einzugehen unfähig wären, maßen die Contrahenten sich selbst beizumessen

(3-308) haben, wann dieselbe sich minder tüchtiger Unterhändleren bedienen und dadurch zu Schaden kommen.

[3, 18, § 1] 9. Doch sollen obrigkeitliche Personen in jene Sachen, welche dereinstens für sie zu ihrer richterlichen Erkanntnuß gelangen könnten, sich aller Unterhandlung zu enthalten schuldig sein und jene Richtere, die in einer Sache, worinnen sie sich als Unterhändlere gebrauchen lassen, ihr Amt handlen, mit allen in der Gerichtsordnung auf parteiliche Richtere ausgesetzten Strafen beleget werden.

[3, 18, § 1] 10. Ansonsten können in allen erlaubten Handlungen Unterhändlere einkommen, wann sich die contrahirende Theile derenselben bedienen wollen; aus unerlaubten aber sollen sie nicht allein keinen Gewinn beziehen, sondern auch als Mitgehilfen des Verbrechens bestrafet werden.

§. II.

[3, 18, § 2] 11. Die Unterhändlere sollen die ihnen aufgetragene Geschäften mit aller Treu und Redlichkeit verrichten, und dabei den gehörigen Fleiß anwenden, wofür sie die gebührende Belohnung zu empfangen, gleichwie dagegen für den aus ihrer Schuld verursachten Schaden zu stehen haben.

[3, 18, § 2] 12. Die Belohnung gebühret ihnen damals, wann durch ihren Fleiß und Zuthat das behandlete Geschäft zu Stand gebracht und ihnen dafür einen Lohn zu geben versprochen worden, oder solcher denenselben auch in Ermanglung einer ausdrücklichen Verheißung nach Gestalt und Beschaffenheit ihres aufhabenden Amts oder treibenden Hantierung abzureichen ist.

[3, 18, § 2] 13. Doch solle sich diese Belohnung in Fällen, wo es um eine gewisse Summe Gelds, oder um Sachen von bestimmten Werth zu thun ist, niemalen höher, als auf Eines von Hundert nach Maß der Summe oder des Werths der Sache, welche die Handlung betrifft, erstrecken, noch weniger dem Unterhändler darüber ein Mehreres zu nehmen, oder auch nur sich zu bedingen bei Strafe des Wuchers gestattet sein.

[3, 18, § 2] 14. Und ob zwar ein jeder contrahirender Theil sich seines eigenen Unterhandlers bedienen kann, folglich auch deren Jedwedem erlaubet ist den ganzen Betrag der ausgesetzten Belohnung von demjenigen Theil, zu dessen Handen derselbe sich gebrauchen lassen, einzuforderen, so solle jedoch in jenem Fall, wo ein Unterhändler seine Bemühung zu Handen beider Theilen angewendet, Dasjenige, was er von Beiden empfanget, zusammen Ein von Hundert nicht übersteigen.

[3, 18, § 2] 15. Welches in gleichen von mehreren zu Handen des einen Theils gebrauchten Unterhändleren zu verstehen ist, welche zusammen an ihrer Belohnung nicht mehr, als Ein von Hundert zu nehmen befugt sind; so sich aber auf den Wechsel- und Handelsbrauch nicht erstrecket, sondern hierbei solle es nach wie vor sein ferneres Verbleiben haben.

[3, 18, § 2] 16. Ist es hingegen um keine gewisse Summe Gelds zu thun, oder der Werth der Sache, um die es sich handlet, nicht bestimmet, so hat es auch bei dem bedungenen Lohn sein Bewenden, oder, wo keiner versprochen worden und doch nach Eigenschaft des Unterhandlers ihme eine Belohnung gebührete, solle solche der Richter nach Beschaffenheit der Handlung und nach Maß der dabei gehabten Bemühung ausmessen.

§. III.

[3, 18, § 3] 17. In Gegentheil, woferne die Unterhändlere aus ihrer Schuld, Unvorsichtigkeit oder gar arglistiger und gefährlicher Weise einem oder dem anderen Theil einen Schaden und Nachtheil zuzieheten, können dieselbe nicht nur keine Belohnung forderen, sondern sie sind auch die schon empfangene zuruckzugeben und den verursachten Schaden zu ersetzen schuldig, als da sie eine wissentlich mangelhafte

(3-309) Sache anrühmeten, die Mängeln vertuscheten oder sonst an dem Betrug theilnähmen.

[3, 18, § 3] 18. Wo aber eine durch Zuthat des Unterhandlers mit gutem Glauben zu Stand gebrachte Handlung nachhero ohne seine Schuld und ohne die Ursache, warum der andere Theil verkürzet worden, zuvor zu wissen, zuruckgienge und aufgehoben würde, wird derselbe seiner Belohnung nicht verlustiget.

Zweiter Artikel.

Von denen für andere contrahirenden Personen.

§. IV. Von Verschiedenheit deren für andere contrahirenden Personen, als Befehlshaberen, Sachwalteren und Handlungsvorgesetzten oder Factoren. §. V. Von deren hieraus entstehenden eigenen Verbindlichkeit. § VI. Von des Befehlenden oder Vorsetzenden hieraus erwachsenden Recht und Verbindlichkeit.

§. IV.

[3, 18, § 4] 19. Daß aus Handlungen Anderer Jemand sowohl verbunden, als ihme ein Recht erworben werden könne, ist bereits in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. IV, gemeldet worden. Gleichwie dahero Jedermann befugt ist, den Contract durch sich selbst oder durch Andere, welchen er die Vollmacht hierzu ertheilet, einzugehen, also kommen auch jene Personen, die eine Handlung in Namen und anstatt eines Dritten schließen, nicht weniger als Derjenige, zu dessen Handen solche geschlossen wird, in dem Contract selbst ein.

[3, 18, § 4] 20. Dann ein jeder Auftrag fremder Geschäften wirket nach der in fünfzehenten Capitel von Befehlscontract, §. V, num. 41 und 42 gemachten Anmerkung nicht nur die Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber und Befehlshaber allein, sondern auch zwischen diesen Beiden und einem Dritten, welcher sich auf die Vollmacht in die Handlung eingelassen hat. Die erstere ist bereits alldort erkläret worden; mithin erübriget nur noch von der anderen allhier zu handlen.

[3, 18, § 4] 21. Die Personen, welchen die Besorgnuß und Verwaltung fremder Geschäften anvertrauet wird, sind nach der Art ihrer Bestellung und nach Mannigfaltigkeit deren betreffenden Gegenständen verschieden. Insgemein heißen dieselbe bei einzlen Geschäften und die keine besondere Eigenschaft haben, Befehlshabere, Bevollmächtigte und Sachwaltere.

(3-310) [3, 18, § 4] 22. Bei gewinnstigen Gewerben und Kaufmannschaften werden sie eigends Handlungsvorgesetzte oder Factors und in Apotheken Provisores benamset, wovon aber die Buchhaltere, Ladendiener und Kaufmannsjungen wohl zu unterscheiden sind; maßen die Buchhaltere nur die Handlungsbücher zu führen, dann die Ladendiener und Kaufmannsjungen die Waaren in dem von dem Kaufmann vorgeschriebenen Preis zu verkaufen haben, Keiner hingegen von allen diesen der Handlung vorgesetzet, noch weniger ihnen die freie Macht das Gewerb zu führen eingeraumet ist.

[3, 18, § 4] 23. Es wird also durch einen Handlungsvorgesetzten oder Factor nur Jener verstanden, der von dem Eigenthümer zu Treibung eines Gewerbs oder Führung einer Handlung in Namen und anstatt seiner bestellet und vorgesetzet wird.

[3, 18, § 4] 24. Jene dahero, welche nur zu Bewahrung eines Waarenlagers und zu Versendung oder Verführung deren Kaufmannsgütern gebrauchet werden, oder als Unterhändlere die Handlungsgeschäften durch ihre Vermittlung beförderen helfen, sind keine Handlungsvorgesetzte, weilen ihnen nicht zustehet die Handlung selbst zu führen.

[3, 18, § 4] 25. Die Macht deren Handlungsvorgesetzten erstrecket sich entweder auf alle von dem Bestellenden treibende Gewerbe, oder auch nur auf ein besonderes Gewerb oder einen Theil der Handlung allein, nachdeme ihnen eine mehrere oder mindere Gewalt von dem Eigenthümer eingestanden wird.

[3, 18, § 4] 26. Zu Handlungsvorgesetzten kann Jedermann sowohl bestellen als bestellet werden, der sich zu verbinden fähig ist, das Gewerb möge zu Land oder zu Wasser getrieben werden, und in was immer für einer Handlung bestehen, wann es nur auf Kaufmannsart geführet wird, dann bei anderen häuslichen oder Wirthschaftsgewerben giebt es keine Handlungsvorgesetzte, sondern Verwaltere, Befehlshabere und Bevollmächtigte.

[3, 18, § 4] 27. Die Bestellung geschieht einerseits durch den Auftrag des Vorsetzenden und anderseits durch die Annehmung des Vorgesetzten und schlaget entweder in den Befehlscontract oder in den Dingungscontract ein, nachdeme der Vorgesetzte die Besorgnuß der Handlung entweder unentgeltlich oder für einen bedungenen Lohn auf sich nimmt.

[3, 18, § 4] 28. Der nun auf eine oder die andere Art der Handlung vorgesetzet worden, kann auch weiters einen Anderen hierzu bestellen, wann ihme solches von dem Vorsetzenden nicht ausdrücklich untersaget worden; inwieweit aber dieser aus der Handlung des Afterbestellten verbindlich werde, wird unten in §. VI erkäret (= erkläret) werden.

§. V.

[3, 18, § 5] 29. Aus dem Auftrag fremder Geschäften erwachset ein dreifaches Band der Verbindlichkeit, als eines zwischen dem Auftragenden und Jenem, von deme deren Vollziehung übernommen wird, welches nach der Natur deren schon oben beschriebenen Befehls- oder Dingungscontracten abzumessen ist, nachdeme die Uebernehmung des Auftrags ohnentgeltlich oder für einen bedungenen Lohn erfolget.

[3, 18, § 5] 30. Das zweite Band der Verbindlichkeit entstehet zwischen dem Befehlshaber oder Handlungsvorgesetzten und einem Dritten, welcher sich auf die Vollmacht mit ihme in einen Contract eingelassen hat, wovon in gegenwärtigen §. gehandlet wird.

[3, 18, § 5] 31. Und endlich entspringet hieraus das dritte Band der Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber oder Jenem, der seine Geschäften durch jemand Anderen verrichten läßt, und dem Dritten, welcher mit dessen Befehlshaber oder Handlungsvorgesetzten eine Verbindung eingegangen, wie es in gleich nachfolgenden §. erkläret werden wird.

(3-311)[3, 18, § 5] 32. Doch rühren die beide letztere Verbindlichkeiten nicht unmittelbar aus dem Auftrag fremder Geschäften selbst, sondern aus jenem Contract her, welcher in Folge des Auftrags mit einem Dritten geschlossen wird, also daß der Auftrag nur für die veranlassende mittelbare, nicht aber für die unmittelbar selbst wirkende Ursache anzusehen seie.

[3, 18, § 5] 33. Die zwischen dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor und einem Dritten, welcher mit diesem contrahiret hat, bestehende Verbindlichkeit wirket so vieles, daß so lange sein Amt fortwähret und er die Handlung noch unter Handen hat, derselbe sowohl in Namen des Befehlenden oder Vorsetzenden aus dem mit einem Dritten geschlossenen Contract diesen belangen, als auch dagegen von ihme in solcher Eigenschaft belanget werden könne, wann dieser seine Klage nicht wider den Befehlsgeber oder Vorsetzenden selbst anstrengen will, als weswegen ihme, wie es unten folgen wird, die Auswahl zustehet.

[3, 18, § 5] 34. Die Forderung eines Dritten aber kann sich wider den Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor nicht weiter erstrecken, als auf die Genugthuung aus der zu verwalten habenden Handlung und des Befehlsgebers oder Vorsetzenden eigenthumlichen Gut.

[3, 18, § 5] 35. Dann überhaupt hat bei allen in fremden Namen abschließenden Handlungen die Grundregel statt, daß Jener, der in Namen eines Anderen contrahiret, die Vergnügung und Zahlung nicht aus seinem eigenen, sondern aus dessen Gut, in wessen Namen die Handlung geschlossen worden, verheiße und hierzu nur in dieser und keiner weiteren Maß sich verbinde, noch weniger seine eigene Person oder Gut in etwas verstricke.

[3, 18, § 5] 36. Wann dahero das unter Handen habende Gut des Befehlsgebers oder Vorsetzenden zu Befriedigung des Glaubigers nicht zureichend wäre, so ist weder derselbe von dem Seinigen etwas beizutragen schuldig, noch weniger kann wider seine Person oder Gut die Execution angestrenget werden.

[3, 18, § 5] 37. Da jedoch derselbe freiwillig aus dem Seinigen für den Befehlsgeber oder Vorsetzenden gezahlet hätte, kann er solches von dem Glaubiger nicht mehr zuruckforderen, sondern hat sich lediglich deshalben an seinem Befehlsgeber oder Vorsetzenden zu halten, wann gleich dieser außer Zahlungsstand gesetzet wäre; es seie dann von ihme erweislich, daß der Befehlsgeber oder Vorsetzende selbst nichts schuldig gewesen, folglich die Zahlung wegen Unrechtmäßigkeit der Schuld zur Ungebühr geleistet worden seie.

[3, 18, § 5] 38. Nach Ablegung des Amts eines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors hingegen ist auch darmit die Eigenschaft erloschen, unter welcher er einem Dritten oder dieser ihme verbindlich ware, also daß derselbe darnach aus denen in Namen seines Befehlsgebers oder Vorsetzenden geschlossenen Contracten, weder Jemanden mehr belangen, noch selbst belanget werden kann.

[3, 18, § 5] 39. Hiervon aber sind jene Fälle auszunehmen, worinnen er bei der Handlung mit einem Dritten seine eigene Person verbunden hat, als erstens, da ein Befehlshaber, Handlungsvorgesetzter oder Factor in seinem eigenen Namen contrahiret und die Eigenschaft seines aufhabenden Amts dem Dritten, mit deme er die Handlung abgeschlossen, verschwiegen hätte, obschon nicht allemal erforderlich ist, daß die Eigenschaft eines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors ausgedrucket werde, wann solche sonst kündig ist.

[3, 18, § 5] 40. Zweitens, wann der Dritte, welcher sich mit ihme in eine Handlung einläßt, sich deutlich dahin verwahrete, daß er mit seinem Befehlsgeber oder Vorsetzenden nichts zu thun haben, sondern blos allein mit ihme Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor contrahiren wolle und dieser dabei beruhete.

[3, 18, § 5] 41. Drittens, wann der Befehlshaber, Handlungsvorgesetzte oder Factor dafür gutgestanden oder selbst Zahler zu sein versprochen oder auch sonst sich und seine Erben darzu verbunden hätte.

(3-312) [3, 18, § 5] 42. Viertens, wann er die Grenzen des Befehls oder der Vorsetzung dabei überschreiten würde, oder sonst ohne Befehl gehandlet hätte, nach Maßgebung dessen, was davon in fünfzehenten Capitel, von Befehlscontract, §. V, von num. 48. bis 57 geordnet werden.

[3, 18, § 5] 43. Fünftens, wann derselbe sich fälschlich für einen Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor ausgegeben und den Dritten dadurch mit ihme in Namen eines Anderen zu contrahiren verleitet hätte, ohne daß nachhero die Gutheißung und Beangenehmung des Eigenthümers hierüber erfolget wäre.

[3, 18, § 5] 44. In allen diesen Fällen kann ein solcher Befehlshaber, Handlungsvorgesetzter oder Factor, sowohl bei noch aufhabenden, als nach schon niedergelegten Amt zur Zahlung aus seinem Eigenen angehalten werden.

[3, 18, § 5] 45. Wo aber in dem mit einem Dritten eingegangenen Contract nicht ausgedrucket worden wäre, daß solcher in Namen und anstatt des Befehlsgebers oder Vorsetzenden geschlossen worden, und auch dem Dritten sonst die Eigenschaft des Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors nicht bekannt gewesen sein würde, da ist allemal dafür zu halten, daß der Contract in eigenen Namen des Befehlshabers eingegangen worden, woferne nicht erweislich ist, daß entweder das Empfangene zum Nutzen des Befehlsgebers verwendet worden oder dessen nachherige Gutheißung erfolget sei.

§. VI.

[3, 18, § 6] 46. Nachdem Derjenige, welcher mit einem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor unter dieser Eigenschaft contrahiret, allezeit auf den Glauben dessen siehet, der es ihme geheißen und befohlen hat, als entstehet hieraus das dritte Band der Verbindlichkeit zwischen dem Befehlsgeber oder Vorsetzenden und einem Dritten, welcher mit seinem Befehlshaber contrahiret hat.

[3, 18, § 6] 47. Diese Verbindlichkeit hat die Wirkung, daß der Dritte, welcher sich mit dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor in einem Contract eingelassen, hieraus sowohl den Befehlsgeber oder Vorsetzenden belangen, als auch dagegen von ihme belanget werden könne.

[3, 18, § 6] 48. Damit aber wider den Befehlsgeber oder Vorsetzenden aus dem Contract seines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors die Forderung mit Bestand gestellet werden möge, muß solche also beschaffen sein, daß erstens, dieselbe sich nicht weiter erstrecke, als was dem Kläger aus dem mit dessen Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor eingegangenen Contract gebühret.

[3, 18, § 6] 49. Dann für den aus Betrug oder Schuld des Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors einem Dritten zugefügten Schaden hat der Befehlsgeber oder Vorsetzende nicht weiter zu haften, als insoferne seinerseits eine von denen oben in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. IV, num. 37, beschriebenen Ursachen unterwaltet, aus der Jemand auch für die Schuld des Anderen verfänglich wird.

[3, 18, § 6] 50. Zweitens, daß die Forderung aus einem mit dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor Zeit seines aufgehabten Amts geschlossenen Contract herrühre, dann, wo schon nach Niederlegung seines Amts mit ihme contrahiret worden wäre, wird der Befehlsgeber oder Vorsetzende daraus zu nicht verbunden.

[3, 18, § 6] 51. Woferne aber der Befehlshaber, Handlungsvorgesetzte oder Factor nach dem Tod des Befehlsgebers oder Vorsetzenden einen Contract abschließete, werden jegleichwohlen die Erben des Letzteren hieraus verbindlich, weilen durch Absterben des Befehlsgebers oder Vorsetzenden das Amt des Ersteren nicht erlöschet, insolange die Erben ihn davon nicht abrufen, und die von dem Verstorbenen gegebene Gewalt anwiederum aufheben.

[3, 18, § 6] 52. Drittens, daß der Contract über solche Dinge, worüber dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor die Verwaltung und Besorgnuß aufgetragen

(3-313) ist, und nach Maß, Gestalt und Inhalt des Auftrags, Befehls oder der Vorsetzung geschlossen worden seie.

[3, 18, § 6] 53. Die Macht und Gewalt eines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors aber ist nicht blos nach dem buchstäblichen Inhalt des Auftrags abzumessen, sondern solche erstrecket sich auch auf jene Handlungen, welche zu Vollziehung des Auftrags unumgänglich nöthig oder doch nützlich sind, und ohne welchen der Auftrag entweder gar nicht, oder doch nicht füglich verrichtet werden könnte.

[3, 18, § 6] 54. Also, da Jemand gewisse Waaren zu erkaufen befehliget worden wäre, ohne von dem Befehlsgeber das nöthige Geld darauf empfangen zu haben, und dahero solches von einem Dritten hierzu auf den Namen des Befehlsgebers ausborgete, wird dieser zu dessen Zuruckzahlung verbunden, wann es nur ausdrücklich auf seinen Namen, zu diesem Ende, und auch nicht mehr, als darzu nöthig ware, vorgeliehen worden.

[3, 18, § 6] 55. Desgleichen, wo Jemand, deme die Verwaltung eines Hauses, Grunds oder Guts aufgetragen worden, zu Bestreitung deren vorfallenden nothwendigen oder nutzlichen Auslagen, worauf derselbe weder von dem Eigenthümer etwas empfangen, noch auch die davon eingehobene Einkünften zu diesem Aufwand erklecklich wären, ein Darlehen aufnähme, ist der Eigenthümer solches zuruckzuzahlen schuldig, wann das aufgenommene Geld wirklich zu dem Ende verwendet worden.

[3, 18, § 6] 56. Und wird derselbe der sich dadurch zugezogenen Verbindlichkeit nicht entlediget, wann gleich das von seinem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor in seinem des Befehlsgebers oder Vorsetzenden Namen nach Maß des Auftrags ausgeborgte Geld nicht zu seinem, sondern des Befehlshabers eigenen Nutzen verwendet worden wäre, woferne die Vollmacht ausdrücklich auf die Aufnahme des Darlehens gelautet hat.

[3, 18, § 6] 57. Ueberhaupt aber solle die von einem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor in denen nach Maß des Auftrags mit einem Dritten geschlossenen Handlungen begangene Gefährde, Betrug und Arglist allemal dem Befehlsgeber oder Vorsetzenden und nicht dem Dritten, welcher sich mit guten Glauben auf die Vollmacht eingelassen, zum Nachtheil gereichen, woferne nicht dieser an dem Betrug mit Theil genommen hätte.

[3, 18, § 6] 58. Was hingegen ein Befehlshaber, Handlungsvorgesetzter oder Factor außer des Auftrags, oder wider oder über die Maß desselben unternimmt, dafür ist der Befehlsgeber oder Vorsetzende einem Dritten nicht verbunden, und lieget dahero Jedermann ob, der mit einem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor contrahiret, sich nach dem Inhalt, Gestalt und Maß des Auftrags oder Befehls wohl zu erkundigen, widrigens aber, und da er sich darwider oder darüber in etwas eingelassen, hat derselbe sich selbst beizumessen, wann er sich sonach, insoweit der Auftrag oder Befehl überschritten worden, an dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor allein zu halten bemüssiget ist.

[3, 18, § 6] 59. Es wäre dann, daß der Befehlshaber, Handlungsvorgesetzte oder Factor mit zweierlei Vollmachten als einer zeigbaren und geheimen versehen wäre, und derselbe dabei nur die ihme allein bekannte Willensmeinung des Befehlsgebers oder Vorsetzenden überschreitete, sonst aber die von ihme geschlossene Handlung mit dem Inhalt der zeigbaren Vollmacht oder Auftrags übereinstimmete.

[3, 18, § 6] 60. In welchem Fall er zwar seinem Befehlsgeber oder Vorsetzenden zum Ersatz des ihme andurch verursachten Schadens verbunden wird, die geschlossene Handlung aber, wann sie dem zeigbaren Auftrag gemäß ist, bleibet sowohl an sich giltig und bündig, als auch der Befehlsgeber oder Vorsetzende gegen dem Dritten daraus verfänglich.

[3, 18, § 6] 61. Also, da Jemand einer fremden Handlung dem Aeußerlichen nach ohne einiger Beschränkung vorgesetzet, und ihme dabei in Geheim verboten würde, sich


(3-314) in diesen oder jenen Contract einzulassen, er aber jegleichwohlen wider diesen Verbot mit einem Dritten contrahirete, wird der Vorsetzende dessen ohnerachtet hieraus verbunden, außer er hätte solchen Verbot ausdrücklich kund gemacht, oder der Contract wäre auf die Handlung, welche der Vorgesetzte oder Factor zu verwalten hat, nicht gerichtet.

[3, 18, § 6] 62. Gleichergestalten, wann Jemanden ein Pfand für eine gewisse Summe zu versetzen anvertrauet würde, und dieser solches um eine größere Summe versetzete, bestehet das Pfand nichtsdestoweniger für die darauf ausgenommene Summe, obschon der Eigenthümer nicht so vieles, als darauf geliehen worden oder auch gar nichts davon empfangen hätte.

[3, 18, § 6] 63. Nicht weniger wird der Befehlsgeber oder Vorsetzende auch bei Ueberschreitung des Befehls oder Auftrags aus der Handlung seines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors verbindlich, wann entweder seine ausdrückliche oder stillschweigende Gutheißung und Genehmhaltung erfolget, als da er davon gewußt, und da er widersprechen können, nicht widersprochen, oder jenes, worzu ein Dritter sich in einer solchen Handlung verbunden, wissentlich eingeforderet oder angenommen hätte.

[3, 18, § 6] 64. Desgleichen wird der Befehlsgeber oder Vorsetzende verbunden, wann der Auftrag oder die Vollmacht nur in gleichgiltigen Nebendingen überschritten worden wäre, ohne daß ihme dadurch in dem Wesentlichen ein Nachtheil zugezogen würde.

[3, 18, § 6] 65. Noch vielmehr aber bleibet derselbe verfänglich, wann der Auftrag oder die Vollmacht listig und betrügerisch gefasset und auf Hintergehung eines Dritten gerichtet worden wäre, obschon solche überschritten würde.

[3, 18, § 6] 66. Was bishero von der Verbindlichkeit des Befehlsgebers oder Vorsetzenden aus dem Contract seines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors gemeldet worden, erstrecket sich auch auf die Contracten Desjenigen, welcher von dem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor anstatt seiner hierzu bestellet worden, wann ihme die Macht jemand Anderen statt seiner zu bestellen von dem Befehlsgeber oder Vorsetzenden ausdrücklich eingeraumet und der Contract von dem Afterbestellten nach Maß des Auftrags geschlossen worden.

[3, 18, § 6] 67. Wo aber demselben diese Macht nicht gegeben worden wäre und er jegleichwohlen die ihme aufgetragene Handlung durch jemand Anderen vollziehen ließe, wird der Befehlsgeber oder Vorsetzende ohne Hinzutretung seiner Gutheißung und Genehmhaltung hieraus nicht verbindlich.

[3, 18, § 6] 68. Einem Dritten, welcher mit einem Befehlshaber, Handlungsvorgesetzten oder Factor in Namen des Befehlsgebers oder Vorsetzenden contrahiret hat, stehet frei, insolange der Handlungsvorgesetzte oder Befehlshaber noch etwas von dem Gut des Vorsetzenden oder Befehlsgebers in Handen hat, entweder den Einen oder den Anderen zu belangen, und was er von dem Einen nicht erhalten kann, an dem Anderen nachzuholen.

[3, 18, § 6] 69. Doch solle die Execution nur an des Befehlsgebers oder Vorsetzenden eigenen Vermögen, niemalen aber an dem Gut des Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors verführet werden können, außer insoweit derselbe in denen in vorigen §. erwähnten Fällen sich selbst dabei verstricket hätte.

[3, 18, § 6] 70. Da aber ein Befehlshaber, Handlungsvorgesetzter oder Factor von mehreren Befehlsgeberen oder Vorsetzenden bestellet worden wäre, hat deren jeder nur nach Maß seines Antheils zu haften, wann dieselbe sich in dem Auftrag oder der Vollmacht nicht ausdrücklich dahin verbunden haben, für die Handlungen ihres Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors sammt und sonders, oder mit ungeschiedener Hand stehen zu wollen.

(3-315) Dritter Artikel.

Von Schiedsmännern.

§. VII. Von Eigenschaft und Verschiedenheit deren Schiedsmännern. §. VIII. Von der Art und Weis ihrer Erkiesung. §. IX. Von Fähigkeit deren Erkiesenden und Erkiesten. §. X. Von denen Fällen, in welchen Schiedsmänner erkieset werden mögen. §. XI. Von dem Amt und Obliegenheit deren erkiesten Schiedsmännern. §. XII. Von Verbindlichkeit deren Erkiesenden. §. XIII. Von der wider den Ausspruch deren Schiedsmännern gebührenden Rechtshilfe. §. XIV. Von Erlöschung und Aufhebung des schiedsrichterlichen Amts.

§. VII.

[3, 18, § 7] 71. Da es in der Willkür deren Contrahenten beruhet die aus Contracten entstehende Strittigkeiten, wann sie entweder sich darüber untereinander nicht gütlich vergleichen oder nicht vor dem ordentlichen Richter verfahren wollen, mit ihrer gemeinsamen Einwilligung durch schiedsrichterlichen Ausspruch entscheiden zu lassen, als sind die Schiedsmänner solche Mittelspersonen, welche insgemein nach schon geschlossenen Contracten aus einmüthiger Erkiesung deren Contrahenten dabei einkommen.

[3, 18, § 7] 72. Die Schiedsmänner werden auch Schiedsrichter und in gewissen Fall Obmänner genannt, und werden aus freier Willkür deren Contrahenten entweder zur Vermittlung, Beilegung und gütlichen Auseinandersetzung ihrer Irrungen oder aber, um solche durch rechtlichen Ausspruch zu entscheiden, erkieset.

[3, 18, § 7] 73. Jene heißen eigentlich Schiedsmänner oder gütliche Unterhändlere, welche ihre Vermittlung ohne Beobachtung eines rechtlichen Verfahrens anwenden, und sich in keine richterliche Entscheidung einzulassen vermögen, also daß denen Parten noch allemal bevorstehet, wann sie bei ihrer Vermittlung nicht beruhen wollen, die Strittsache vor den ordentlichen Richter zu bringen.

[3, 18, § 7] 74. Diese aber sind Schiedsrichter, welche die ihrer Erkanntnuß überlassene Strittigkeit nach Ordnung Rechtes auszumachen haben, und Derjenige, welcher bei Verschiedenheit deren schiedsrichterlichen Meinungen den Ausschlag geben kann, wird besonders der Obmann genannt.

[3, 18, § 7] 75. Ein Schiedsrichter ist dahero eine mit beiderseitiger Einwilligung zweier streitenden Theilen zum Richter erkieste Person, welche aus eigenen freien Willen ihre Strittigkeiten durch rechtlichen Ausspruch zu entscheiden auf sich genommen hat.

§. VIII.

[3, 18, § 8] 76. Die Schiedsrichtere werden einerseits durch willkürliche Erkiesung deren streitenden Theilen und andererseits durch ihre selbst eigene freie Annehmung bestellet. Die Erkiesung eines Schiedsrichters ist also ein willkürliches Beding, wodurch die streitende Theile Jemanden um über ihre Strittigkeiten nach denen Rechten zu erkennen und solche zu entscheiden erwählen, und zugleich bei seinem Ausspruch beruhen zu wollen sich untereinander verbinden.

(3-316) [3, 18, § 8] 77. Es bestehet dahero die Erkiesung deren Schiedsrichteren in zweien wesentlichen Punkten, als nemlich in der Wahl deren zu Schiedrichteren erkorenen Personen und in der allseitigen Verstrickung gegeneinander sich dem schiedsrichterlichen Ausspruch fügen zu wollen, also daß, wo eine dieser Erfordernussen ermanglete, das Beding der schiedsrichterlichen Erkiesung null und nichtig seie.

[3, 18, § 8] 78. Dann Beides hanget einzig und allein von freier Willkür und einhelliger Einverständnuß aller in Stritt verfangenen Theilen ab, also zwar daß, obschon Alle sich in der Erkiesung der Person vereiniget, Einige aber aus ihnen dem Ausspruch Folge zu leisten nicht gelobet hätten, oder auch dagegen dieses zwar von Allen versprochen, sich aber nicht in der Person geeiniget worden wäre, ein solches Beding nicht die mindeste Kraft und Bündigkeit habe, und weder der erkieste Schiedsrichter zu Verhandlung seines Amts, noch die Parten zu Eingehung dieses Bedings wider Willen verhalten werden können.

[3, 18, § 8] 79. Uebrigens aber kann die Bestellung deren Schiedsrichteren entweder mündlich oder durch Handstreich oder auch schriftlich geschehen. Doch solle kein anderer Beweis einer schiedsrichterlichen Erkiesung bei Gericht zugelassen werden, als entweder die gerichtliche Vormerkung, daß solche vor Gericht geschehen oder aber eine von allen strittigen Theilen unter ihrer Handunterschrift und Petschaft gefertigte und nach obigen Erfordernussen eingerichtete, schriftliche Urkunde.

[3, 18, § 8] 80. Es stehet auch denen Parten frei, sich unter einem bedungenen Strafgeld dergestalten gegen einander zu verbinden, daß, wo Einer aus ihnen von dem eingegangenen Beding nachhero abweichen oder sich dem schiedsrichterlichen Ausspruch nicht fügen wollte, derselbe denen Anderen einen gewissen Betrag an Geld zur Strafe des Abstands zu erlegen schuldig sein solle, wann nur solcher den achten Theil des Werths der strittigen Sache nicht übersteiget.

[3, 18, § 8] 81. Nicht weniger können dieselbe die Verbindlichkeit dieses Bedings auf eine gewisse Zeit einschränken, daß, wann binnen der gesetzten Zeit der schiedsrichterliche Ausspruch nicht erfolget, sie hieran nicht weiter gebunden sein wollen.

[3, 18, § 8] 82. Diese Zeit aber, wann nichts Anderes beliebet worden, fangt ihren Lauf nicht von dem Tag des eingegangenen Bedings an, sondern von dem Tag der von denen erkiesten Schiedsrichteren erfolgten Annehmung.

[3, 18, § 8] 83. Gleichwie es jedoch von der Willkür deren Parten abhanget Schiedsrichtere zu erkiesen, also beruhet es auch blos bei dem freien Willen deren hierzu Erkiesten dieses Amt auf sich zu nehmen und sich dem Auftrag zu unterziehen.

[3, 18, § 8] 84. Aus der alleinigen Wissenschaft ihrer Erkiesung aber kann noch keine Annehmung gefolgeret werden, sondern es muß nothwendig ihre Erklärung, daß sie dieses Amt übernehmen, oder doch ihre wirkliche Zuthat, wodurch sie sich in die Verhandlung der Sache einlassen, hinzutreten.

§. IX.

[3, 18, § 9] 85. In eigenen Sachen ist Niemanden verwehret Schiedsrichtere zu erkiesen, der die freie Verwaltung seines Vermögens hat und sich sonst zu verbinden fähig ist; in fremden Geschäften aber können Befehlshabere ohne ausdrücklichen sonderheitlichen Befehl oder ohne der ihnen eingeraumten freien Macht und Gewalt nach eigenen Gutbefund zu schalten und zu walten so wenig, als die Vormündere oder Gerhaben und Curatores ohne gerichtlicher Genehmhaltung sich in eine schiedsrichterliche Erkiesung einlassen.

[3, 18, § 9] 86. Es wird dahero allemal an Seiten deren Erkiesenden die Verbindungsfähigkeit zur Zeit des eingegangenen Bedings vorausgesetzet, also zwar daß, wo ein Fähiger mit einem Unfähigen zusammentrifft, das ganze Beding ungiltig seie, wann gleich nachhero der Unfähige zur Fähigkeit gelangete.

(3-317) [3, 18, § 9] 87. Woferne jedoch deren Erkiesenden dreie oder mehrere wären und nur einem darunter die Fähigkeit ermanglete, so ist zu unterscheiden, ob die Sache, warum es sich handlet, theilbar oder untheilbar seie; ersteren Falls bestehet zwar das Beding ab Seiten deren Fähigen, ohne daß jedoch hieraus für den Unfähigen der mindeste Nachtheil erwachsen könne, letzteren Falls aber ist es ganz und gar null und nichtig.

[3, 18, § 9] 88. Ingleichen kann Jedermann zum Schiedsrichter erkieset werden, deme solches nicht von der Natur oder von dem Gesatz verwehret ist; also können aus natürlichen Gebrechen Blödsinnige, Aberwitzige, Kinder, Stumme und Taube keine Schiedsrichtere abgeben.

[3, 18, § 9] 89. Durch dieses Unser Gesatz aber werden Weiber, wann sie sonst keine Gerichtsbarkeit haben, Minderjährige, Ehrlose und überhaupt alle Personen, welche von der Strittsache auf was immer für Art und Weis einen Nutzen oder Schaden zu gewarten haben, von dem schiedsrichterlichen Amt ausgeschlossen; um so viel weniger kann also Jemand in seiner eigenen Sache Schiedsrichter sein.

[3, 18, § 9] 90. Auch die eigene ordentliche Richtere, Obrigkeiten und Magistraten mögen in Sachen, die sonst unter ihre Gerichtsbarkeit gehören, zu Schiedsrichteren erkieset werden, doch dergestalten, daß sie zwar in der Verhandlung und Erkanntnuß an die ihnen in dem Erkiesungsbeding vorgeschriebene Form gebunden sind, die Entscheidung aber nicht aus einer von Willkür deren Parten herrührenden Macht, sondern aus der denenselben ohnedies zustehenden ordentlichen Gerichtsbarkeit erfolge, und dahero auch von ihrem Ausspruch der Zug an den oberen Richter nicht verschränket seie, wann die Parten sich dessen in dem Beding nicht ausdrücklich begeben haben.

[3, 18, § 9] 91. Nicht nur Einer allein, sondern auch Mehrere können in einer Strittsache zu Schiedsrichteren entweder wechselweise, daß dieser oder jener darüber erkennen solle, oder aber zusammen erkieset werden. Sind sie wechselweise bestellet, gilt der Ausspruch dessen, der solchen zuerst gefället hat, wann dieser nur darzu fähig ware, obgleich der andere wechselweise Bestellte die Fähigkeit darzu nicht gehabt hätte oder abwesend gewesen wäre.

[3, 18, § 9] 92. Sind aber Mehrere zusammen erkieset worden, so müssen auch Alle fähig und bei der Entscheidung gegenwärtig sein, also daß die Unfähigkeit oder Abwesenheit des Einen das ganze Beding vernichte. Wann jedoch einem ganzen Mittel oder einer Gerichtsstelle die schiedsrichterliche Erkanntnuß aufgetragen würde, so erstrecket sich die Erkiesung nur auf so viele Mitglieder, als sonst zu Entscheidung einer Strittsache nach Ausmessung Unserer Gerichtsordnung erforderet werden, woferne in dem Erkiesungsbeding nichts Anderes ausgedrucket worden.

§. X.

[3, 18, § 10] 93. Schiedsrichtere können insgemein in allen Streitfällen, sie mögen bei dem ordentlichen Gericht schon hangend sein oder nicht, bestellet, und die Parten aus keinerlei Ursache davon abgehalten werden, wann es nicht solche Strittsachen betrifft, die wegen ihrer Wichtigkeit besonders ausgenommen sind.

[3, 18, § 10] 94. Es sollen aber nachfolgende von der schiedsrichterlichen Erkanntnuß ausgenommen sein, als erstens, peinliche Sachen, obschon nicht peinlich verfahren, sondern die Forderung nur auf Entschädigung des Beleidigten gerichtet werde.

[3, 18, § 10] 95. Zweitens, die Strittigkeiten über den Stand der Freiheit, die Verwandtschaft, Kindschaft und die eheliche Geburt; drittens, des Schiedrichters eigene Streithändlen oder wobei sonst dessen Nutzen oder Schaden mit verflochten wäre.

[3, 18, § 10] 96. Viertens, die durch richterliche Erkanntnuß schon entschiedene Sachen, wann diese in Rechtskräften erwachsen ist, außer es handlete sich bloß um die Schätzung oder Ausweisung der zuerkannten Gebühr oder um sonstige von weiterer Ausmessung abhangende Nebendinge.

(3-318) [3, 18, § 10] 97. Fünftens, die Unsere Kammer betreffende Strittigkeiten ohne Unserer hierzu eigends ertheilten Einwilligung; sechstens, die über gewisse Vorrechte einer ganzen Gemeinde oder Mittels obschwebende Strittsachen.

§. XI.

[3, 18, § 11] 98. Wiewohlen Niemand wider Willen einen Schiedsrichter abzugeben gezwungen werden mag, so können jedoch Jene, welche einmal das schiedsrichterliche Amt auf sich genommen, zu dessen Verhandlung und Vollendung von demjenigen Gerichtsstand, deme sie sonst untergeben sind, mit allem Nachdruck verhalten werden.

[3, 18, § 11] 99. Es bestehet aber die Obliegenheit und das Amt eines Schiedsrichters sowohl in der Verhandlung, als in der Entscheidung der Strittsache. Bei der Verhandlung sind die Schiedsrichtere an diejenige Art und Weis des Verfahrens gebunden, welche ihnen in dem Erkiesungsbeding vorgeschrieben worden.

[3, 18, § 11] 100. Wo aber darinnen wegen einer besonderen Verfahrungsart nichts vorgesehen wäre, sollen sie diejenige beobachten, welche überhaupt in Unserer Gerichtsordnung nach Eigenschaft der entweder eine ordentliche oder beschleunigte Erkanntnuß erforderenden Strittsache ausgemessen ist; dann auch die schiedsrichterliche Verhandlungen dürfen von denen wesentlichen Erfordernussen eines gerichtlichen Verfahrens nicht abweichen.

[3, 18, § 11] 101. Nicht weniger müssen die Schiedsrichtere in Entscheidung der verhandleten Strittsache Unsere Gesetze vor Augen halten, und ihren Anspruch nach allen Demjenigen einrichten, was zur Giltigkeit eines richterlichen Urtheils in Unserer Gerichtsordnung erheischet wird.

[3, 18, § 11] 102. Könnten sich aber ihre Meinungen nicht einigen, so gilt die Mehrheit deren Stimmen, wornach der Ausspruch gefasset werden solle; dahingegen, woferne für zweierlei Meinungen gleiche Stimmen ausfielen, ist darauf zu sehen, ob die Erkiesenden gleich Anfangs auf solchen Fall einen Obmann ernennet haben oder nicht.

[3, 18, § 11] 103. Ist ein Obmann bestellet worden, so hat dieser den Ausspruch zu fällen; wäre aber keiner bestimmet worden, so hat bei gleich getheilten schiedsrichterlichen Meinungen das Erkiesungsbeding gar keine Wirkung, sondern die Parten sind bei so bewandten Umständen bemüssiget, entweder ein neues Erkiesungsbeding einzugehen oder aber ihre Strittsache bei dem ordentlichen Gerichtsstand anzubringen.

[3, 18, § 11] 104. Um dahero die Nichtigkeit der Erkiesung bei Gleichheit deren verschiedenen Meinungen zu vermeiden, ist nothwendig entweder die Schiedsrichtere in ungleicher Anzahl zu erkiesen, oder gleich Anfangs einen Obmann zu benennen, der in solchem Fall den Ausschlag geben mag.

[3, 18, § 11] 105. Doch dörfen die Schiedsrichtere ihre Erkanntnuß nicht weiter und auf keine andere, als die ihnen aufgetragene Strittsache erstrecken, wann sie auch mit dieser einen noch so genauen Zusammenhang hätte. Ueber die einkommende Nebengebührnussen aber, als Interessen, Nutzungen, Aufwand, Schäden und Unkosten können dieselben allerdings erkennen, obschon deren in dem Erkiesungsbeding ausdrücklich nicht gedacht worden.

§. XII.

[3, 18, § 12] 106. Dagegen sind auch die erkiesenden Theile verbunden, sowohl bei der einmal beliebten schiedsrichterlichen Verhandlung zu beharren, als dem erfolgenden Ausspruch Genügen zu leisten. Wann dahero das Erkiesungsbeding durch die Einwilligung deren Erkiesenden auf einer, und durch Annehmung deren erkiesten Schiedsrichteren auf der anderen Seiten zu seiner vollständigen Bündigkeit gediehen, kann kein Theil, wo er sich solches nicht ausdrücklich vorbehalten, davon abweichen, noch weniger die Sache für das Gericht ziehen, sondern Jeder ist schuldig, den schiedsrichterlichen Ausspruch abzuwarten.

(3-319) [3, 18, § 12] 107. Würde aber dieser zur Ungebühr in die Länge verzögeret, und ein oder anderer Theil fände sich andurch wider Billigkeit beschweret, so ist zu unterscheiden, ob eine Zeit zur Beendigung der Sache gleich Anfangs vorgeschrieben worden seie oder nicht.

[3, 18, § 12] 108. Ueber die bestimmte Zeit sind zwar die Parten länger nachzuwarten nicht schuldig; doch solle der abweichen wollende Theil nach Verlauf dieser Zeit seinen vorhabenden Abstand sowohl dem Gegentheil, als denen Schiedsrichteren bedeuten. Wo in Widrigen, und da von keinem Theil vor gefällten schiedsrichterlichen Ausspruch die Erklärung seines Abstands erfolgete, durch ihr Stillschweigen das Erkiesungsbeding verlängeret, und so Einer, als der Andere durch den auch nach Ausgang der anberaumten Zeitfrist gefällten Ausspruch verbunden wird, woferne nicht gleich Anfangs ausdrücklich bedungen worden, daß nach Verlauf dieser Zeit die bis dahin noch nicht ausgemachte schiedsrichterliche Verhandlung null und nichtig sein solle.

[3, 18, § 12] 109. Wäre aber Anfangs keine gewisse Zeit festgesetzet worden, so stehet jedem Theil frei, sich wider den unbilligen Verzug deren Schiedsrichteren bei demjenigen Gericht, deme diese untergeben sind, zu beschweren, und die Anfügung einer nach Beschaffenheit und Wichtigkeit der Strittsache abgemessenen Zeitfrist zu derselben Beendigung anzusuchen, nach deren Ablauf es eben also zu halten ist, gleichwie es vorhin in dem Fall der schon Anfangs von denen Erkiesenden selbst bestimmten Zeit geordnet worden.

[3, 18, § 12] 110. Nach beendigter Verhandlung, und wann der schiedsrichterliche Ausspruch gefället worden, sind die Parten schuldig all Jenes zu leisten, was darinnen dem einem oder anderen Theil auferleget worden, worzu derselbe entweder durch Eintreibung des auf dem Fall des Abstands oder Ungehorsams bedungenen Strafgelds, oder aber durch die bei dem ordentlichen Gerichtsstand von dem obsiegenden Theil aus dem Erkiesungsbeding anzustrengen habende Rechtsforderung verhalten werden kann, bei welcher der Richter nicht mehr in die Sache selbst hineinzugehen, sondern, wann der schiedsrichterliche Ausspruch in Rechtskräften erwachsen ist, sofort die Execution wider den Beklagten zu ertheilen hat.

[3, 18, § 12] 111. Und obwohlen das Erkiesungsbeding vor ergangenen schiedsrichterlichen Ausspruch durch Absterben eines deren erkiesenden Theilen erlöschet, wann solches nicht ausdrücklich mit auf die Erben erstrecket worden, so gehet doch die Verbindlichkeit des Ausspruchs auch auf die Erben, wann solcher noch bei Lebszeiten aller erkiesenden Theilen gefället worden.

[3, 18, § 12] 112. Der schiedsrichterliche Ausspruch kommt einem richterlichen Urtheil in seiner Wirkung vollkommen bei, obschon deren Ursache sich zwischen beiden in deme unterscheidet, daß die Bindungskraft eines richterlichen Urtheils aus der ordentlichen von Unserer gesatzgebenden Macht verliehenen Gerichtsbarkeit, jene des schiedsrichterlichen Ausspruchs aber aus der anfänglichen eigenen Willkür deren Parten herrühre.

[3, 18, § 12] 113. Gleichwie dahero kein richterliches Urtheil ehender verbinden kann, als bis es nicht in Rechtskräften erwachsen ist, also kann auch kein schiedsrichterlicher Ausspruch die Verbindlichkeit wirken, solange nicht solcher entweder durch ausdrückliche Genehmhaltung und Unterschreibung deren Parten oder durch Verlauf der in der Gerichtsordnung zu rechtlicher Bestätigung eines Urtheils ausgemessenen Zeit zu Rechtskräften gelanget ist.

[3, 18, § 12] 114. Nicht weniger unterbricht das Erkiesungsbeding den Lauf der Verjährung, hebet das gerichtliche Verfahren und die Weisung auf, und die in der schiedsrichterlichen Verhandlung verführte Beweise machen auch bei Gericht vollkommenen Glauben, wann einmal der Ausspruch in Rechtskräften erwachsen ist.

(3-320) §. XIII.

[3, 18, § 13] 115. Von dem schiedsrichterlichen Ausspruch wird zwar insgemein der Zug an den ordentlichen Richter nicht zugelassen, außer in jenen Fällen, wo derselbe mit einer offenbaren Nichtigkeit und Ungiltigkeit behaftet wäre.

[3, 18, § 13] 116. Derlei Fälle sind: Erstens, wann das Erkiesungsbeding entweder wegen Unfähigkeit eines erkiesten Schiedsrichters oder eines deren Erkiesenden gleich Anfangs nicht hätte bestehen können oder auch in der Folge vor dem Ausspruch durch einen solchen Zwischenfall entkräftet worden wäre, welcher es schon Anfangs vernichtet haben würde.

[3, 18, § 13] 117. Zweitens, wann die Schiedsrichtere die Grenzen ihrer Erkanntnuß, oder die ihnen in dem Erkiesungsbeding vorgeschriebene Verfahrungsart überschritten, oder etwas hieran verabsaumet, oder die wesentliche Erfordernussen des rechtlichen Verfahrens nicht beobachtet, oder sonst ihr Ausspruch in der vorgeschriebenen Form ein sichtbarliches Gebrechen enthielte.

[3, 18, § 13] 118. Drittens, wann der schiedsrichterliche Ausspruch aus erweislicher Feindschaft, Rache, offenbarer Parteilichkeit oder Bestechung des Gegentheils hergeflossen; viertens, wann der Ausspruch etwas wider Unsere Gesetze oder die Ehrbarkeit und gute Sitten oder sonst eine offenbare Ungerechtigkeit in sich begreifen würde, welche jedoch nicht anderst, als durch die in der schiedsrichterlichen Verhandlung schon eingekommene Urkunden sogleich ohne weiterer Rechtstheidigung erwiesen und dargethan werden muß.

[3, 18, § 13] 119. In allen diesen Fällen ist dem beschwerten Theil unverwehret von dem schiedsrichterlichen Ausspruch den Zug an den ordentlichen Richter, zu dessen Erkanntnuß die Sache gleich Anfangs gehörig gewesen wäre, binnen der zu dessen rechtlichen Bestätigung ausgesetzten Zeit und ehe und bevor er sich demselben durch seine Genehmhaltung unterzogen, einzuwenden.

[3, 18, § 13] 120. Dem Richter aber lieget ob die sammentliche, bei denen Schiedsrichteren verhandlete Nothdurften abzuforderen, und vor Allem nach schleuniger Vernehmung beider Theilen über die Giltigkeit des schiedsrichterlichen Ausspruchs zu erkennen, sonach bei dessen befundener Ungiltigkeit eine neue Verhandlung der Strittsache nach rechtlicher Ordnung zu veranlassen, und alsdann hierüber, was Rechtens ist, auszusprechen. Im Fall aber der wider die Giltigkeit des schiedsrichterlichen Ausspruchs eingewandte Zug für unstandhaft erkennet würde, solle wider denjenigen Theil, der den Zug eingewendet, mit der auf die frevelhafte Streithändeln in der Gerichtsordnung ausgemessenen Strafe unnachsichtlich fürgegangen werden.

§. XIV.

[3, 18, § 14] 121. Das Erkiesungsbeding erlöschet auf verschiedene Art, als erstens, durch Absterben oder erfolgte Untüchtigkeit auch nur eines Schiedsrichters von mehreren zusammen Erkiesten vor gefällten Ausspruch; wo aber mehrere wechselweise erkieset worden wären, kann noch der Ueberlebende oder tüchtig Bleibende sein Amt handlen.

[3, 18, § 14] 122. Wie dann auch, wann ein gewisses Mittel zu Schiedsrichteren erkieset worden, das Erkiesungsbeding durch Ableben oder Untüchtigkeit des einen oder anderen Mitglieds nicht entkräftet wird, wann nur deren so viele übrig bleiben, als zur Entscheidung einer Strittsache erforderet werden, oder die von denen Erkiesenden bestimmte Anzahl vorschreibet.

[3, 18, § 14] 123. Nach gefällten Ausspruch aber, obgleich solcher noch nicht in Rechtskräften erwachsen wäre, wird durch Absterben oder erfolgende Unfähigkeit des einen oder anderen Schiedsrichters das Erkiesungsbeding nicht mehr beirret, wann nur wenigstens Einer übrig bleibet, welchem in allen deme, was bei ihme verhandlet

(3-321) worden, auch ohne eidlicher Bestätigung seiner Aussage vollkommener Glauben beigemessen werden solle.

[3, 18, § 14] 124. Zweitens, durch Absterben des einen oder anderen Erkiesenden vor gefällten schiedsrichterlichen Ausspruch, wann das Erkiesungsbeding nicht zugleich mit auf ihre Erben erstrecket worden; dahingegen werden aus dem bei Lebszeiten deren Erkiesenden ergangenen Ausspruch auch ihre Erben verbunden.

[3, 18, § 14] 125. Wo aber eine ganze Gemeinde Schiedsrichtere erkieset hätte, bleibet das Beding jegleichwohlen bei Kräften, obschon noch so viele Mitglieder derselben vor dem schiedsrichterlichen Ausspruch verstorben wären.

[3, 18, § 14] 126. Drittens, durch Vernichtung der Sache, worüber das Erkiesungsbeding getroffen worden, außer die Forderung erstreckete sich auch auf deren Werth oder auf die Entschädigungsgebühr.

[3, 18, § 14] 127. Viertens, durch beiderseitigen willkürlichen Abstand oder auch nur durch Abweichung des einen Theils, wann solche Anfangs gegen Erlag eines gewissen Strafgelds ausbedungen worden.

[3, 18, § 14] 128. Fünftens, durch Verlauf der Zeit, welche nach obiger Ausmessung dem Beding beigesetzet oder von Gericht bestimmet worden, wann der eine oder andere Theil seinen Abstand ordentlich erkläret oder gleich zum voraus nach Verfließung dieser Zeit die Nichtigkeit des Bedings vorgesehen worden.

[3, 18, § 14] 129. Sechstens, höret das schiedsrichterliche Amt durch dessen beendigte Verhandlung und Fällung des Ausspruchs auf, obschon die Verbindlichkeit hieraus bleibet, wann solcher in Rechtskräften erwachsen ist.

[3, 18, § 14] 130. Siebentens, durch den eingewandten Zug an den ordentlichen Richter in jenen Fällen, wo solcher nach Inhalt des gleich vorgehenden §. zulässig ist, und die von demselben hierauf erfolgende Erklärung der Nichtigkeit des schiedsrichterlichen Ausspruchs.

(3-322) Caput XIX.

Von denen Handlungen, welche denen Contracten gleichkommen.

Inhalt:

§. I. Von Natur und Wesenheit deren denen Contracten gleichkommenden Handlungen und insonderheit von Verwaltung fremder Geschäften. §. II. Von Verwaltung der Vormundschaft. §. III. Von Zahlung aus Irrthum. §. IV. Von Gemeinschaft eines Guts. §. V. Von Gemeinschaft der Erbschaft. §. VI. Von der Grenzscheidung. §. VII. Von Antretung der Erbschaft. §. VIII. Von Aufladung auf ein Schiff oder Wagen oder Abladung in einen Gasthof. §. IX. Von Befestigung des Kriegs.

§. I.

[3, 19, § 1] Num. 1. Die dritte Gattung verbindlicher Handlungen sind jene, welche denen Contracten insoweit gleichkommen, daß sie zwar aus Mangel einer wahren Vereinigung unter die Contracten nicht gezählet werden können, doch aber aus einer von dem Gesatz wegen unterwaltender Billigkeit auf einer oder auch auf beiden Seiten vermutheten oder dafürgehaltenen Einwilligung die Verbindlichkeit wirken.

[3, 19, § 1] 2. Sie haben zwar ihre eigene Benamsung, die Gestalt und Form aber bekommen dieselben von ihrer Aehnlichkeit mit denen wahren Contracten; in welcherlei Fällen jedoch die Einwilligung vermuthet, oder Jemand für einwilligend gehalten werde, ist bereits in zweiten Capitel, von Zusagen, Verträgen und Vergleichen in zweiten Artikel, §. XI, num. 87 und 88 erkläret worden.

[3, 19, § 1] 3. Diese Vermuthung oder Darfürhaltung geschieht entweder nur auf einer Seiten, wann von der anderen die wahre Einwilligung hinzutritt, als z. B. in Verwaltung fremder Geschäften und Verwaltung der Vormundschaft, oder aber auf beiden Seiten, wann von keinem Theil eine wahre Einwilligung geäußeret wird, als z. B. in Gemeinschaft eines Guts oder Erbschaft und in Befestigung des Kriegs.

[3, 19, § 1] 4. Es ist demnach ein solches denen Contracten gleichkommendes Beding eine aus der von dem Gesatz vermutheten oder dafürgehaltenen Einwilligung verbindende Handlung, welche ihre eigene Benamsung hat, die Gestalt aber von demjenigen benannten Contract annimmt, deme sie in ihrer Art zum nächsten beikommt. Deren sind in dritten Capitel, von benannten Contracten insgemein, §. VII,

(3-323) neunerlei erwähnet worden, welche nun in diesem und denen nachfolgenden §§. beschrieben werden.

[3, 19, § 1] 5. Die Erste ist die Verwaltung fremder Geschäften, welche nichts Anderes ist, als eine dem Befehlscontract gleichkommende Handlung, wodurch Jemand die Besorgnuß fremder Geschäften ohne Befehl und Vollmacht aus Freundschaft und guten Willen auf sich nimmt in Absicht sich den Anderen, dessen Geschäften er verwaltet, zu seiner Schadloshaltung zu verbinden.

[3, 19, § 1] 6. Dann gleichwie bei Befehlscontracten, welche fast insgemein auf Gewinn und Verlust des Befehlsgebers abzielen, dieser zu der dem Befehlshaber gebührenden Entschädigung durch seine wahre Einwilligung verstricket wird, also erforderet auch nicht weniger die Billigkeit, daß, wo Jemand ohne ausdrücklichen Auftrag der Genehmigung fremde Geschäften zu Jemands Nutzen besorget, dieser dagegen für einwilligend gehalten, und aus seiner vermutheten oder darfürgehaltenen Einwilligung zur Schadloshaltung des Verwaltenden ruckverbindlich werde.

[3, 19, § 1] 7. Nur Jene, die ausdrückliche Befehle anzunehmen fähig sind, können auch stillschweigend sich in Verwaltung fremder Geschäften einlassen, dahingegen Jedermanns Geschäften besorget werden mögen, wann gleich derselbe sonst Befehl und Vollmacht zu ertheilen nicht vermögend wäre.

[3, 19, § 1] 8. Also können die Geschäften eines Waisen, Minderjährigen, Blödsinnigen oder auch einer noch erblosen Verlassenschaft zu ihren Nutzen besorget werden; doch sind Jene, welche sich sonst durch wahre Contracten zu verbinden nicht fähig sind, auch aus einer solchen denenselben gleichkommenden Handlung nicht weiter verbindlich, als andurch ihr Nutzen erweislich vermehret worden.

[3, 19, § 1] 9. Dieser Personen Gegenwart und Wissenschaft, welche sich durch wahre Einwilligung zu verstricken nicht vermögen, änderet die Wesenheit dieser Handlung nicht, weilen es einerlei ist, nicht einwilligen oder nicht einwilligen können.

[3, 19, § 1] 10. Außerdeme aber wird bei allen anderen einer wahren Einwilligung fähigen Personen, deren Geschäften von jemand Anderen besorget werden, entweder ihre Abwesenheit oder, wo sie auch gegenwärtig wären, wenigstens ihre Unwissenheit von deme, was gehandlet wird, zur Wesenheit dieser Handlung erforderet.

[3, 19, § 1] 11. Dann, wo sie es wissen und schweigen, da sie es durch ihren Widerspruch verhinderen können, ist schon an Seiten ihrer eine wahre Einwilligung, folglich auch ein wahrer Befehlscontract und keine demselben nur gleichende Handlung.

[3, 19, § 1] 12. Nicht weniger müssen die Geschäften, deren Verwaltung Jemand auf sich nimmt, fremd sein, welche auf viererlei Art einen Anderen angehen können, als erstens, wegen deren aufhabender Besorgnuß, als da in Abwesenheit eines Befehlshabers, Handlungsvorgesetzten oder Factors etwas zu verrichten vorfiele; zweitens, wegen Eigenthums der Sache selbst, als da Jemand etwas auf die Sache des Anderen aufwendet, welche er einem Dritten gehörig zu sein vermeinet; drittens, wegen erfolgender Gutheißung, wann Jemand das zwar zu seinen Handen verrichtete, allein einem Dritten angehörige Geschäft als das seinige genehmhaltet; und endlich viertens, wegen der Verwaltung selbst, wann die Geschäften wirkliche Demjenigen angehören, zu dessen Handen sie besorget werden.

[3, 19, § 1] 13. Wann dahero Jemand sein eigenes Geschäft in Meinung ein fremdes zu sein besorget, so macht sich derselbe den Anderen, in dessen Namen er solches verrichtet, daraus in keinerlei Wege verbindlich. Wie dann auch, wann Jemand das Geschäft eines Anderen in Meinung solches einem Dritten gehörig zu sein verwaltete, Derjenige, den das Geschäft angehet und nicht dieser, in dessen Namen es verrichtet worden, hieraus verbunden wird; dann in solchen Fällen dringet die Wahrheit aller Muthmaßung vor.

[3, 19, § 1] 14. Wo aber in Gegentheil Jemand fremde Geschäften als seine eigene in seinem Namen und zu eigenem Nutzen verwaltete, wird zwar derselbe dem Eigenthümer

(3-324) deshalben verstricket; dieser aber ihme nur damals verbindlich, wann des Verwaltenden guter Glauben, daß er sie ungezweiflet für die Seinige gehalten, erweislich ist oder da solcher ermanglete, nur nach Maß dessen, als er andurch bereicheret worden.

[3, 19, § 1] 15. Ferners da Jemand gemeinsame Geschäften ohne Auftrag in Abwesenheit deren übrigen Theilhaberen besorgete, werden diese ihme nur nach Maß ihrer Antheilen deswegen verbindlich, obschon ein gemeinsames Geschäft blos damals für fremd angesehen werden kann, wann der Verwaltende seinen Antheil davon füglich absönderen können, folglich ohne einen Schaden für sich zu befahren, deren übrigen Theilen sich anzunehmen nicht nöthig gehabt hätte.

[3, 19, § 1] 16. Eine weitere wesentliche Erfordernuß dieser Handlung ist, daß kein ausdrücklicher oder stillschweigender Auftrag vor übernommener Verwaltung vorhergehe, noch weniger eine Gutheißung oder Genehmhaltung in wirklicher Verwaltung einkomme; dann durch so Ein- als Anderes würde eine wahre Einwilligung geäußeret, folglich auch die Handlung in einen wahren Befehlscontract verwandlet.

[3, 19, § 1] 17. Da aber die Gutheißung oder Genehmhaltung schon nach verrichteten Geschäften erfolgete, oder der Auftrag nicht von dem Eigenthümer selbst, den das Geschäft angehet, sondern von einem Dritten geschehen wäre, behält die Handlung noch allzeit ihre Gestalt, und wird sowohl der Verwaltende dem Eigenthümer, als dieser jenem daraus verbindlich.

[3, 19, § 1] 18. Nicht minder hat die Uebernehmung fremder Geschäften lediglich aus Freundschaft und guten Willen ohne allem vorhergegangenen Beding oder sonstigen Schuldigkeit zu geschehen; dann, wo solche aus einer hierzu verpflichtenden Ursache herrührete, hat die Handlung die Gestalt eines wahren Vertrags oder Contracts.

[3, 19, § 1] 19. Endlichen muß auch die Verwaltung in Absicht sich den Anderen verbinden zu wollen übernommen werden, folglich das Geschäft also beschaffen sein, daß eine solche Absicht aller Wahrscheinlichkeit nach dabei vermuthet werden möge; dann, da ein Umstand unterwaltete, woraus eine widrige Vermuthung vordringete, oder eine andere Ursache erhellen würde, höret derowegen alle Forderung auf.

[3, 19, § 1] 20. Also können die Eltern, was sie auf die Ernährung, Erziehung und Ausstattung ihrer Kinder auslegen, oder ein Mann, was er auf die Unterhaltung seines Weibs aufwendet, nicht zuruckforderen, obschon sie jenes, was sie auf die Güter ihres Weibs und Kinder auslegen, zuruckbegehren mögen, weilen sie zwar das erstere, nicht aber das andere zu thun schuldig sind.

[3, 19, § 1] 21. Noch viel weniger aber kann eine solche Absicht wider den ausdrücklichen Verbot dessen, den die Geschäften angehen, sich durchaus nicht dareinzumengen, gefolgeret werden, sondern jener, der solche jegleichwohlen wider den Verbot auf sich nimmt, hat wider denselben nicht die mindeste Forderung, wann er gleich noch so vieles aus dem Seinigen darauf verwendet hätte.

[3, 19, § 1] 22. Es wäre dann, daß ein gemeinwesiger Nutzen die Vollstreckung eines verbotenen Geschäfts erheischete, als die Abwendung der aus dem Einsturz eines baufälligen Hauses besorgenden Gefahr, oder die Beerdigung einer unbestattet erliegen gelassenen Leiche und andere dergleichen Fälle, worinnen aus unterlassenden Vollzug ein gemeinschädlicher Nachtheil erwachsen könnte.

[3, 19, § 1] 23. Diese Handlung ist eben also, wie der Befehlscontract selbst, in der Folge zweibündig, woraus Derjenige, welcher sich in die Verwaltung fremder Geschäften eingelassen, gleich Anfangs in der Hauptsumme zu getreulicher Verwaltung deren übernommenen Geschäften, wie nicht weniger zum Erlag deren Rechnungen und zu Erstattung alles dessen, was ihme dieser Geschäften halber zugekommen, verbunden; dagegen aber auch ihme der Eigenthümer oder Jener, dessen Geschäften besorget worden, in der Folge zu seiner Schadloshaltung ruckverbindlich wird.


(3-325) [3, 19, § 1] 24. Desgleichen wirket die Uebernehmung fremder Geschäften, so wie bei Befehlscontracten, die Schuldigkeit zu Anwendung desjenigen Fleißes, welchen die Natur und Beschaffenheit deren Geschäften erheischet; dahero hat insgemein der Verwaltende für

Arglist, die große und leichte Schuld zu haften.

[3, 19, § 1] 25. Für die leichteste Schuld aber wird er nur damals verfänglich, wann entweder die Natur des Geschäfts den ausbündigsten Fleiß erforderet oder von ihme ein sonst fleißigerer Sachwalter, der diese Geschäften zu besorgen bereit gewesen, davon verdrungen worden wäre.

[3, 19, § 1] 26. Noch weniger hat derselbe zufällige Schäden, woran er keine Schuld trägt, zu ersetzen, außer derselbe hätte etwas Gefährliches und was der Eigenthümer nicht hat zu thun pflegen, mit dem fremden Gut vorgenommen, oder mit solchem wissentlich, daß es fremd seie, als mit seinem eigenen Gut und zu seinem eigenen Nutzen geschaltet.

[3, 19, § 1] 27. Dahingegen ist derselbe in jenem Fall, wo er die Besorgnuß einiger in größter Gefahr des Verlusts stehenden Sachen, deren sich Niemand annehmen wollen, auf sich genommen, nur allein für die Gefährde und große Schuld verantwortlich.

[3, 19, § 1] 28. Für diejenige Güter aber, welche er nicht zugleich mit verwaltet, hat er gar nicht zu stehen, woferne diese mit denen anderen keinen so genauen Zusammenhang hätten, daß ohne beider Besorgnuß die eine unausweichlich zu Schaden kommen müssen, oder nicht etwan ein Anderer, welcher beide zusammen besorget haben würde, von dem Verwaltenden ausgeschlossen worden wäre.

[3, 19, § 1] 29. Aus der Verbindlichkeit des Verwaltenden fließet die Demjenigen, dessen Geschäften besorget worden, und seinen Erben wider ihn und dessen Erben gebührende Hauptforderung zu Erstattung alles dessen, was derselbe der übernommenen Verwaltung wegen zu leisten schuldig ist.

[3, 19, § 1] 30. Dagegen aber ist auch der Andere, dessen Geschäften verwaltet worden, so wie ein jeder Befehlsgeber den Verwaltenden völlig schadlos zu halten, und ihme Alles, was er aus Nothwendigkeit oder zu seinem Nutzen erweislich verwendet, zu ersetzen verbunden, woraus die dem Verwaltenden und seinen Erben wider den Eigenthümer und dessen Erben zu seiner Schadloshaltung gebührende Ruckforderung entspringet.

[3, 19, § 1] 31. Beide diese Forderungen kommen mit jenen, welche aus dem Befehlscontract herrühren, vollkommen überein, folglich ist auch hierbei alles Dasjenige zu beobachten, was in fünfzehenten Capitel, von Befehlscontract, §. V und VI, geordnet worden.

[3, 19, § 1] 32. Zu der Ruckforderung aus Verwaltung fremder Geschäften gehöret auch die Forderung wegen deren Begräbnußunkosten, welche Jenem, der einen Verstorbenen auf seine Unkosten beerdigen lassen, wider den Erben des Abgelebten oder seine Verlassenschaft, oder da nach ihme gar kein Vermögen nachgeblieben wäre, wider Diejenige, denen diese Schuldigkeit sonst obgelegen wäre, als Vater, Mutter oder Ehemann zu Wiedererstattung deren verwendeten Unkosten gebühret, die jedoch nach dem Stand des Verstorbenen auf den jeden Orts vorgeschriebenen Aussatz zu mäßigen seind.

§. II.

[3, 19, § 2] 33. Die zweite dem Befehlscontract gleichkommende Handlung ist die Verwaltung der Vormundschaft, welche bereits in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft beschrieben worden; dann gleichwie in Befehlscontract der Befehlshaber dem Befehlsgeber gleich Anfangs in der Hauptsache verstricket, und dagegen dieser jenem in der Folge zu Schadloshaltung ruckverbindlich wird, also verhält sich auch die beiderseitige Verbindlichkeit zwischen dem Vormund und Waisen gegeneinander.

(3-326) [3, 19, § 2] 34. Weilen aber die Waisen und Minderjährige keiner wahren verbindlichen Einwilligung fähig sind, so kann auch diese Handlung denen wahren Contracten nicht beigezählet werden; doch erforderet gleichwohlen die Billigkeit, daß, da solche vornehmlich zum Nutzen deren Waisen gereichet, dieselben von dem Gesatz für einwilligend gehalten werden.

[3, 19, § 2] 35. Aus dieser darfür gehaltenen Einwilligung fließet die Ruckverbindlichkeit deren Waisen zur Schadloshaltung des Vormunds, worinnen sich die ihme wider jene gebührende Ruckforderung, gleichwie andererseits die denen Waisen wider den Vormund zustehende Hauptforderung sich in dessen bei Uebernehmung der Vormundschaft geäußerten wahren Einwilligung gründet und die Eigenschaft einer denen wahren Contracten gleichkommenden Handlung bestehet.

§. III.

[3, 19, § 3] 36. Die dritte ist die Zahlung aus Irrthum, welche eine insgemein dem Darlehenscontract gleichende Handlung ist, wodurch Jener, deme von dem Anderen etwas, was dieser ihme nicht schuldig gewesen, in Meinung es schuldig zu sein, bezahlet oder gegeben worden, zu dessen Zuruckstellung verbunden wird.

[3, 19, § 3] 37. Dann, weilen der Eine das, was er bezahlet, schuldig zu sein vermeinet und der Andere Dasjenige, was er empfanget, ihme zu gebühren glaubet, ist keinerseits eine wahre Einwilligung zu einem Darlehen vorhanden, folglich ermanglet auch die Wesenheit eines wahren Contracts.

[3, 19, § 3] 38. Nachdeme aber doch die Billigkeit erheischet, daß in einem solchen Fall, wo keine Ursache einer Verbindlichkeit an Seiten des Gebenden unterwaltet, der Nehmende nicht mit dessen Schaden bereicheret werde, so wird von dem Gesatz auf beiden Seiten die Einwilligung vermuthet, daß das Empfangene nur in der Absicht gegeben und angenommen worden, damit nach Gestalt der Sache eben so vieles oder eben Dasjenige, was gegeben worden, wieder erstattet werde.

[3, 19, § 3] 39. Diese Handlung gleichet dahero meistens dem Darlehenscontract, wann das Gegebene in Dingen von Zahl, Gewicht oder Maß bestehet, doch nimmt sie auch in jenem Fall die Natur eines Hinterlegungscontracts an, wann Sachen, die ihrer Gestalt nach und stuckweis geschätzet werden, Jemanden auf vorbemelte Art gegeben worden.

[3, 19, § 3] 40. Nach diesem Unterschied des Gegebenen wird der Nehmende aus der von dem Gesatz vermutheten Einwilligung entweder so wie der Schuldner aus dem Darlehenscontract eben so vieles oder aber wie Derjenige, zu dessen getreuen Handen etwas hinterleget worden, eben Dasjenige, was er empfangen, dem Gebenden wieder zu erstatten, verbunden.

[3, 19, § 3] 41. Jedermann, der etwas aus Irrthum bezahlet oder giebt, kann solches zuruckforderen, die Zahlung möge in seinem eigenen oder fremden Namen geschehen sein, als von einem Vormund oder Gerhaben, Befehlshaber oder Bürgen und

(3-327) da von Jedem zweier mit ungeschiedener Hand verbundenen Mitschuldneren oder von dem Schuldner und Bürgen die Zahlung der nemlichen Schuld, und also zu zweien Malen geleistet worden wäre, kann Jener welcher zuletzt gezahlet, das von, das von ihme Bezahlte zuruckbegehren, wann der Glaubiger durch die erste Zahlung schon vollkommen vergnüget worden.

[3, 19, § 3] 42. Desgleichen ist Jedermann schuldig das zur Ungebühr Empfangene auf Erforderen zuruckzustellen, er möge es in eigenen oder fremden Namen angenommen haben; da aber ein vorhergegangener Befehl, Anweisung oder nachgefolgte Gutheißung Desjenigen, in wessen Namen es empfangen worden, erweislich wäre, machet sich auch dieser dafür verfänglich, wann gleich das Empfangene von dem Nehmenden zu seinem eigenen Nutzen verzehret oder verthan worden wäre.

[3, 19, § 3] 43. Wovon nur Jene, welche sich zu verbinden unfähig sind, als Waisen, Minderjährige, Blödsinnige und andere Pflegbefohlene ausgenommen werden, die zur Zuruckstellung des ihnen ohne Zuthat oder Vorwissen ihrer Vormünderen oder Curatorum Bezahlten oder Gegebenen nur insoweit verbunden sind, als so viel davon noch bei ihnen vorhanden ist oder zu ihrem erweislichen Nutzen verwendet worden.

[3, 19, § 3] 44. Damit aber die Zuruckforderung des aus Irrthum Bezahlten statt haben könne, ist nothwendig, daß erstens wirklich etwas bezahlet oder gegeben oder was Jemand rechtmäßig zu forderen hatte, von ihme erlassen worden.

[3, 19, § 3] 45. Zweitens, daß die Zahlung aus einer vermeintlich vorhergegangenen verpflichtenden Ursache und nicht etwan aus einem irrigen willkürlichen Bewegungsgrund oder sonst aus guten Willen geschehen; was dahero Jemand freiwillig oder auch vergleichsweise und nicht aus vermeinter Schuldigkeit zahlt oder giebt, kann er nicht zuruckforderen, obschon der Bewegungsgrund nachhero falsch zu sein befunden würde.

[3, 19, § 3] 46. Also da Jemand dem Anderen wegen vermeintlich von ihme empfangener Wohlthaten aus Erkenntlichkeit etwas gäbe, kann er solches nicht mehr zurückbegehren, wann gleich der Irrthum entdecket würde, daß keine Wohlthatserzeugung vorhergegangen.

[3, 19, § 3] 47. Drittens, daß die vermeinte verbindliche Ursache wirklich falsch zu sein, folglich die Zahlung zur Ungebühr geleistet zu haben, erwiesen werden könne; wobei aber der Unterschied wohl zu bemerken ist, ob der Nehmende gar kein Recht gehabt, das Bezahlte zu forderen, oder ob ihme zwar eine Forderung zugestanden, welche aber von dem Gebenden durch eine rechtserhebliche Einrede oder Einwendung, deren er sich aus Irrthum nicht bedienet, hätte entkräftet werden können.

[3, 19, § 3] 48. Ersteren Falls gebühret allemal die Zuruckforderung des zur Ungebühr Bezahlten, wann der Irrthum oder die Unwissenheit erweislich ist, der Zahlende möge sich in dem Recht oder in der Sache, in der eigenen oder fremden That geirret haben, weilen der Nehmende gar kein Recht hat, das Empfangene zu behalten.

[3, 19, § 3] 49. Also kann Jener, der eine ihme geschenkte Sache in Meinung, daß ihme solche nur geliehen oder verkaufet worden, bezahlet, oder ein Schuldner, der eine schon bezahlte Schuld nochmalen abführet, das Bezahlte zuruckforderen.

[3, 19, § 3] 50. Desgleichen kann ein Erb die aus einem unstandhaften Testament, welches er giltig zu sein vermeinet, abgestattete Vermächtnussen, wie nicht weniger ein Notherb an denen hinausbezahlten Vermächtnussen bei sich nachhero zeigender Verkürzung seines Pflichtheils so vieles zuruckbegehren, als zur Ergänzung seines Pflichttheils erforderlich ist.

[3, 19, § 3] 51. Die nemliche Zurückforderung kommt auch Demjenigen zu statten, welcher etwas bezahlet, wovon er schon durch die Verjährung oder durch ein in Rechtskräften erwachsenes richterliches Urtheil befreiet worden; daferne aber das Urtheil noch nicht zu Rechtskräften gediehen wäre, und er jegleichwohlen Dasjenige,

(3-328) wovon er darinnen ledig gesprochen worden, bezahlete, kann er solches so wenig zurückforderen, als da er es noch währenden Rechtsstritt vor dem richterlichen Spruch vergleichsweise bezahlet hätte.

[3, 19, § 3] 52. Nichtweniger hat Jener, der unter einer wahren Bedingnuß, deren Ausgang noch ungewiß ist, oder auf einen ungewissen Tag, wovon nicht wissend ist, ob und wann, oder auch nur ob solcher sich ereignen werde, etwas zu leisten verstricket ist, die Befugnuß das vor dem Erfolg der Bedingnuß oder des ungewissen Tags aus Irrthum Bezahlte, insolange zurückzubegehren, bis daß solcher sich nicht ergeben hat.

[3, 19, § 3] 53. Letzteren Falls aber, wo zwar dem Nehmenden eine Forderung gebühret hätte, solche hingegen von dem Gebenden durch eine rechtserhebliche Einwendung oder ihme sonsten zu statten kommende Rechtswohlthat, wann er sich deren bedienet haben würde, entkräftet werden mögen, kann insgemein das aus Irrthum Bezahlte nicht mehr zuruckgeforderet werden.

[3, 19, § 3] 54. Also kann ein Weib, was sie ohne Begebung ihrer weiblichen Gerechtigkeit für den Anderen freiwillig bezahlet, ein Schadlosbürge, wann er die Rechtswohlthat der vorzüglichen Belangung des Schuldners einzuwenden unterlassen, oder ein mit geschiedener Hand verbundener Mitschuldner, was er ohne die Abtheilung der Zahlung zu verlangen, für seinen Mitschuldner bezahlet, ein Schuldner, welcher sich der Rechtswohlthat der Selbstbedürfnuß in jenen Fällen, wo ihme solche von denen Gesetzen verstattet wird, nicht bedienet, oder auch Jener, der etwas, was ihme durch einen, obschon unbilligen richterlichen Spruch auferlegt worden, vor dessen rechtlicher Bestätigung zahlet, nicht mehr zuruckbegehren.

[3, 19, § 3] 55. Gleichergestalten höret die Zuruckforderung dessen auf, was vor der Zeit, als es gebühret hätte, geleistet worden, wann der Tag der Gebühr ungezweifelt erfolgen muß, obschon die Zeit der Ereignuß noch ungewiß wäre; noch weniger können die mittlerweilige Interessen oder Nutzungen von dem früher Gezahlten anverlanget werden.

[3, 19, § 3] 56. Dieses leidet jedoch in jenen Fällen eine Ausnahme, wo zwar die Forderung an sich selbst rechtmäßig, allein in Absicht auf die daraus verbundene Person von denen Gesetzen entkräftet und vernichtet wäre; also kann das von Waisen, Minderjährigen, gerichtlich erklärten Verschwendern und anderen pflegbefohlenen Personen aus ihren eingegangenen Verbindungen Bezahlte oder Gegebene noch allzeit zuruckgeforderet werden.

[3, 19, § 3] 57. Der Unterschied, ob an Seiten des Nehmenden eine Forderung vorhanden gewesen seie oder nicht, höret auch damals auf, wann die ungebührliche Zahlung nicht wirklich erfolget, sondern blos aus einer vermeintlich vorhergegangenen verpflichtenden Ursache etwas zu leisten versprochen worden, in welchem Fall Demjenigen, der ein solches ungebührliches Versprechen gethan, der Beweis des Irrthums noch allemal bevorstehet.

[3, 19, § 3] 58. Viertens, ist zur ungebührlichen Zahlung erforderlich, daß der Zahlende wirklich in einem Irrthum oder Unwissenheit befangen gewesen seie, er möge wirklich eine der Wahrheit widrige Meinung geheget, oder an der wahren Beschaffenheit der Sache gezweifelt oder solche gar nicht gewußt haben.

[3, 19, § 3] 59. Wo aber Jemand etwas wissentlich es nicht schuldig zu sein bezahlete oder versprechete, kann solches von ihme nicht mehr zuruckbegehret, noch das Versprechen widerrufen werden, sondern was freiwillig gegeben wird, ist für ein Geschenk zu halten; also kann das vergleichsweise Bezahlte oder Versprochene, oder was die Eltern für ihre Kinder, oder der Mann für das Weib auslegen, oder worzu dieselbe sich für sie verstricken, nicht mehr zurückgefordert oder widerrufen werden.

[3, 19, § 3] 60. Es wäre dann, daß deme ein Verbot des Gesetzes entweder wegen der gegebenen oder versprochenen Sache, als bei denen über den erlaubten Betrag

(3-329) verschriebenen oder abgeführten Zinsen, oder bei einer den bestimmten Betrag übersteigenden, bei Gericht nicht angemeldeten Schankung, oder wegen der Verbindungsunfähigkeit der zahlenden oder gelobenden Person, als bei Waisen, Minderjährigen, Verschwenderen oder anderen pflegbefohlenen Personen entgegenstünde, in derem ersterem Fall die Uebermaß, in letzterem aber das Ganze, was gegeben oder versprochen worden, noch allzeit zuruckgeforderet oder widerrufen werden kann.

[3, 19, § 3] 61. An Seiten des Nehmenden ist zwar zur Wesenheit dieser dem Darlehenscontract gleichkommenden Handlung ebenmäßig der Irrthum oder die Unwissenheit und der daherrührende gute Glauben, daß er das Bezahlte oder Versprochene ihme wirklich zu gebühren vermeine, nicht aber zu dem Ende erforderlich, daß, wann er es ihme nicht zu gebühren wüßte, deshalben die Zuruckforderung des zur Ungebühr Bezahlten aufhöre; dann er möge die Ungebührlichkeit der Zahlung wissen oder nicht, bleibet er jegleichwohlen einen Weg, wie den anderen das Empfangene zurückzustellen schuldig.

[3, 19, § 3] 62. Der Unterschied bestehet dahero lediglich in der Ursach der Verbindlichkeit zur Zuruckstellung, weilen, wo der Nehmende gleichfalls in Irrthum oder Unwissenheit verfangen ware, die Vermuthung seiner Einwilligung in die Zuruckstellung Platz greifen kann, folglich auch eine denen wahren Contracten gleichkommende Handlung unterwaltet; dahingegen, wo er die Zahlung wider besseres Wissen angenommen zu haben überwiesen werden könnte, wider die Wahrheit keine widrige Vermuthung statt haben kann, sondern derselbe machet sich eines Betrugs, folglich eines wahren Verbrechens schuldig, woraus er zur Zuruckstellung verbunden wird.

[3, 19, § 3] 63. Wann nun alle diese Erfordernussen zusammentreffen, so wird der Nehmende zu Wiedererstattung des Empfangenen verbunden, woraus die dem aus Irrthum oder Unwissenheit Zahlenden und dessen Erben wider den Nehmenden und seine Erben zur Zuruckstellung des zur Ungebühr empfangenen zustehende Rechtsforderung entspringet.

[3, 19, § 3] 64. Der zur Ungebühr empfangene Betrag ist solchen Falls, wie ein anderes Darlehen, wovon keine Zinsen bedungen worden, mit denen von dem Tag der gerichtlichen Belangung, oder bei erweislicher Gefährde des Nehmenden, von dem Tag des Empfangs an laufenden Interessen zu erstatten; wäre aber eine gewisse Sache aus Irrthum gegeben worden, solle solche ebenfalls, wann sie bei dem Nehmenden noch vorhanden ist, in demjenigen Stand, in welchem er sie bekommen, mit allen ihren Zugehörungen und mittlerweil davon behobenen Nutzungen nach Abzug dessen, was hierauf erweislich verwendet worden, anwiederum zuruckgestellet werden.

[3, 19, § 3] 65. Dahingegen, wo die Sache etwan vor deren Zuruckforderung an einen Dritten veräußeret worden wäre, kann zwar dieser, der sie rechtmäßig an sich gebracht, deshalben nicht angefochten werden; Derjenige aber, deme solche Anfangs zur Ungebühr gegeben worden, ist jenes, was er dafür empfangen, oder da die Sache aus seiner Schuld beschädiget oder gar zu Grund gegangen wäre, den erweislichen Werth zu ersetzen schuldig.

[3, 19, § 3] 66. Er hat jedoch lediglich für die große Schuld allein zu haften; dahero derselbe weder für einen minderen Grad der Schuld, noch weniger für zufälligen Schaden verfänglich ist, außer er hätte, wohlwissend, daß ihme die Sache nicht gebühre, solche jegleichwohlen arglistiger Weise angenommen, in welchem Fall, wann auch dieselbe durch Zufall in Verlust gienge, er deren Werth, wie solchen der Gebende nach eigener Neigung und Anständigkeit eidlich schätzen wird, zu erlegen hat.

[3, 19, § 3] 67. Wer aber das aus Irrthum Bezahlte oder Gegebene zuruckforderet, dem lieget ob nicht nur allein die wirklich geleistete Zahlung dessen, was er

(3-330) zuruckbegehret, sondern auch, daß solche aus Irrthum oder Unwissenheit, folglich zur Ungebühr geschehen, zu erweisen.

[3, 19, § 3] 68. Doch wird Kläger von dem Beweis dieses letzteren Punkts in folgenden Fällen enthoben, wann entweder der Beklagte die Zahlung empfangen zu haben arglistig gelaugnet und nachhero überführet würde, oder die Ursache, aus welcher die Zahlung geschehen, schon von dem Gesatz entkräftet und vernichtet wäre, oder der Beklagte aus dem Beding oder aus der Natur der Handlung zu Legung deren Rechnungen verbunden sein würde, in welchen Fällen dieser den Beweis, daß ihme die Zahlung gebühret habe, zu verführen hat.

[3, 19, § 3] 69. Nicht weniger, da etwas zu zahlen oder zu geben aus Irrthum oder Unwissenheit versprochen, und die Ursach der Schuld in der Zusage oder Verschreibung ausgedrucket worden wäre, hat der Gelobende deren Falschheit oder Unbestand zu erweisen, wann es etwan kein solcher Fall ist, wo ihme die begünstigte Einwendung der nicht geschehenen Zuzählung annoch zu statten käme; wo aber die Ursach der Schuld in der Zusage oder Verschreibung nicht mitangedeutet worden wäre, hat der Gegentheil, deme etwas versprochen oder verschrieben worden, solche zu erweisen.

[3, 19, § 3] 70. Die Zuruckforderung des zur Ungebühr Bezahlten wird auch nicht ausgeschlossen, obschon der Zahlende oder Gebende sich derselben ausdrücklich verziehen hätte; doch solle diese Rechtsforderung nur insolange angestrenget werden können, als bis die in zweitem Theil für alle Forderungen überhaupt ausgemessene Verjährungszeit nicht verstrichen ist.

§. IV.

[3, 19, § 4] 71. Die vierte denen wahren Contracten gleichkommende Handlung ist die Gemeinschaft eines Guts, welche zwar an sich selbst betrachtet unter die Contracten nicht gezählet werden mag, sondern ein gemeinschaftliches Eigenthum oder ein sonstiges Mehreren zusammen an einerlei Sache zustehendes dingliches Recht bedeutet.

[3, 19, § 4] 72. In diesem Verstand wirket dieselbe die allseitige Verbindlichkeit zur Theilung des gemeinschaftlichen Guts, wann solche auch nur von einem Mitbesitzer verlanget wird. Insoweit aber, als der gemeinschaftliche Besitz eines Guts auch dessen gemeinsame Verwaltung entweder von allen Mitbesitzeren zusammen oder zwar nur von einem, doch im Namen aller erheischet, so entstehet hieraus eine dem Gesellschaftscontract gleichende Handlung, wodurch ein jeder Theilhaber zu Erstattung alles dessen, was dieselbe sich untereinander deshalben zu leisten schuldig sind, verbunden wird.

[3, 19, § 4] 73. Dann ein wahrer Gesellschaftscontract kann nur damals bestehen, wann die wahre Einwilligung, eine Gesellschaft einzugehen, allerseits geäußert und die Sache in Absicht auf die Gesellschaft gemein gemacht wird; dahingegen, wo ein Gut von Mehreren ohne dieser Absicht gemeinschaftlich erworben und verwaltet wird, ermanglet auch in solchem Fall die wahre Einwilligung in eine Gesellschaft.

[3, 19, § 4] 74. Weilen aber doch die Billigkeit erforderet, daß deren jeder nach Maß seines Antheils hiervon so den Nutzen zu beziehen, wie den Schaden zu tragen habe, und Jener, der in ein gemeinschaftliches Gut etwas verwendet, dabei die Absicht, sich den Anderen zu verbinden, heget, so wird von dem Gesatz die Einwilligung zu Leistung allseitiger Gebührnussen nach Beschaffenheit deren einzuwilligen fähigen oder unfähigen Personen entweder vermuthet oder darfürgehalten, folglich eine denen wahren Contracten gleichende Handlung hieraus gefolgeret.

(3-331) [3, 19, § 4] 75. Die Gemeinschaft eines Guts erwachset dahero aus dessen rechtmäßiger gemeinschaftlicher Erwerbung, als da eine Sache von Mehreren erkaufet oder Mehreren zusammen vermachet oder geschenket wurde, und kann nur zwischen Jenen bestehen, die entweder das Eigenthum einer Sache oder sonst hieran ein anderes dingliches Recht, als den Fruchtgenuß oder das Pfandrecht miteinander gemein haben.

[3, 19, § 4] 76. Die Sache aber möge von Allen zusammen oder auch nur von Einem oder wohl gar von deren Keinem, sondern von einem Dritten besessen werden, so hindert jedoch der Mangel des Besitzes die Gemeinschaft des Guts nicht, wann nur das gemeinsame Eigenthum oder sonstige Recht an der Sache erweislich ist.

[3, 19, § 4] 77. Das gemeinschaftliche Eigenthum oder sonstige dingliche Recht ist demnach die wesentliche Ursache, woraus die Gemeinschaft des Guts entspringet, in deren Ermanglung auch diese nicht erzeuget werden kann. Also ist zwischen Jenen, welche kein dingliches Recht an der Sache, sondern nur aus persönlicher Verbindlichkeit eines Dritten ein Recht zu derselben haben, als da Mehreren zusammen eine Sache ausgeliehen oder vermiethet worden wäre, keine Gemeinschaft des Guts; noch weniger aber kann ein Gut zwischen mehreren unrechtmäßigen Besitzeren, welche solches ohne allem Recht an sich gezogen, gemein werden.

[3, 19, § 4] 78. Wann nun solchergestalten Mehrere zusammen eines Dings wegen in die Gemeinschaft gerathen, so erwachset hieraus zwischen denenselben eine zweifache Verbindlichkeit, als die eine aus dem einem Jeden hieran gebührenden Recht zur Theilung des gemeinschaftlichen Guts, und die andere aus der gemeinsamen Verwaltung zu Leistung deren daherrührenden persönlichen Gebührnussen.

[3, 19, § 4] 79. Dann Niemand ist schuldig, in der Gemeinschaft eines Guts wider seinen Willen zu beharren, also zwar, daß weder das Beding einer immerwährenden Gemeinschaft gültig seie, noch auch ein Erblasser seine Erben auf allzeit hierzu verbinden könne, obschon die Gemeinschaft auf eine gewisse Zeit festgesetzet werden mag.

[3, 19, § 4] 80. Es stehet dahero Jedwedem frei, auch wider Willen des Anderen die Theilung des gemeinschaftlichen Guts anzubegehren, und da der Andere sich dessen weigerete, ihn hierwegen gerichtlich zu belangen. Unmündige aber und andere pflegbefohlene Personen können die Theilung nicht für sich selbst anbegehren, sondern ihre Vormündere oder Gerhaben und Curatores sollen in ihren Namen hierum bei Gericht einkommen.

[3, 19, § 4] 81. Dahingegen haltet die Unmündigkeit oder sonstige Verwaltungsunfähigkeit an Seiten deren übrigen Mitbesitzeren, welche um die Theilung belanget werden, das Theilungsgeschäft nicht auf, sondern dieses solle gleichwohlen seinen Fortgang haben, wann dieselbe nur mit einem dabei keinen eigenen Antheil habenden Vormund oder Curatore hierzu versehen sind, und die Theilung zu Abwendung alles Schadens gerichtlich vorgenommen wird.

[3, 19, § 4] 82. Allermaßen, wo bei einer Theilung Waisen oder andere Personen, welche der eigenen Verwaltung ihres Vermögens nicht fähig sind, einkommen, hat solche allemal gerichtlich zu geschehen; ansonsten aber kann dieselbe auch außergerichtlich vollbracht werden, und wessen sich die Theilhabere unter einander gutwillig vergleichen, hierbei solle es auch sein festes Verbleiben haben.

[3, 19, § 4] 83. Wie kann auch bei jenen gerichtlichen Theilungen, welche unter Geschwistern oder Bruders und Schwesters Kindern vorgehen, die nemliche Theilungsart beobachtet werden solle, welche in zweiten Theil bei Erbtheilungen vorgeschrieben worden.

[3, 19, § 4] 84. Außer diesem Fall aber kommt es darauf an, ob die Sache, um welche es zu thun ist, sich füglich theilen lasse oder nicht. Ist dieselbe theilbar, hat der Richter den einem Jeden hieran gebührenden Antheil auszumessen und zu bestimmen.

[3, 19, § 4] 85. Ließe sich hingegen die Sache ohne Schmälerung ihres Werths nicht theilen, hat der Richter anförderist unter denen Theilhaberen einen gütlichen

(3-332) Vergleich zu versuchen, ob dieselben sich der Theilung halber vereinigen können; wann jedoch kein gütliches Abkommen zu bewirken wäre, so solle der Richter die Sache nach deren vorläufiger Schätzung mittelst öffentlicher Feilbietung gerichtlich veräußeren, und einem Jeden seinen Antheil an dem dafür erlösten Geld herausgeben.

[3, 19, § 4] 86. Würde aber bei wirklicher Steigerung ein Theilhaber eben so vieles, als was ein Fremder angeboten, mit denen nemlichen Kaufbedingnussen dafür geben wollen, so ist er allerdings dem Fremden in dem Kauf vorzuziehen. Wollten hingegen mehrere oder gar alle Theilhabere die Sache an sich bringen, solle Jener das Vorrecht haben, deme der größte Antheil hieran gebühret, oder da Alle gleiche Theile hätten, welcher den Einstand zuerst angemeldet hat, welches jedoch lediglich von gemeinschaftlichen unbeweglichen Gütern zu verstehen ist.

[3, 19, § 4] 87. Ueber die zu Stand gebrachte Theilungen liegender Güter und anderen landtäflicher, stadt- oder grundbücherlichen Rechten und Forderungen sollen ordentliche Urkunden unter aller Theilhaberen Unterschrift und Petschaft mit allen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage gehörigen Erfordernussen ausgefertiget, und also in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher, worinnen der getheilte Grund inlieget oder das Recht oder die Forderung haftet, eingetragen werden, bis zu dessen Erfolg die Theilung keine rechtliche Wirkung hat, sondern die Gemeinschaft noch immerfort bestehet.

[3, 19, § 4] 88. Die zweite aus der gemeinsamen Verwaltung herrührende und der Natur einer denen wahren Contracten gleichkommenden Handlung eigene Verbindlichkeit zu Leistung deren Gebührnussen zielet auf die allseitige Ausgleichung sowohl des von dem gemeinschaftlichen Gut eingegangenen Nutzens, als des sich hieran ergebenden Schadens ab.

[3, 19, § 4] 89. Unter dieser Ausgleichung wird nicht allein die Vertheilung deren von Zeit der bestehenden Gemeinschaft aus dem gemeinsamen Gut eingehobenen Nutzungen, sondern auch die Vergütung deren hierauf erweislich verwendeten nothwendigen und nützlichen Auslagen, und der Ersatz aller aus Gefährde, großer und leichter Schuld eines oder des anderen Theilhabers verursachten Schäden begriffen.

[3, 19, § 4] 90. Aus dieser zweifachen Verbindlichkeit erwachset die einem jeden Theilhaber und seinen Erben wider die andere und ihre Erben zustehende Rechtsforderung zu Theilung des gemeinschaftlichen Guts und zu Erstattung alles dessen, was dieselben sich untereinander deshalben zu leisten schuldig sind.

[3, 19, § 4] 91. Diese Rechtsforderung kann entweder auf Erfüllung beider Schuldigkeiten zugleich, oder aber auch bei noch bestehender Gemeinschaft nur auf die Leistung deren persönlichen Gebührnussen, und zwar so oft, als entweder etwas zu theilen übrig ist oder bei noch ungetheilten Gut der Eine dem Anderen etwas herauszugeben oder zu ersetzen schuldig wird, angestrenget werden.

[3, 19, § 4] 92. In welchem letzteren Fall dieselbe die Eigenschaft deren sonst aus Verwaltung fremder Geschäften gebührenden Rechtsforderungen annimmt, folglich auch alles Dasjenige dabei statt hat, was von diesen Rechtsforderungen bereits oben §. I geordnet worden.

§. V.

[3, 19, § 5] 93. Die fünfte denen wahren Contracten gleichende Handlung ist die Gemeinschaft der Erbschaft, wann eine Erbschaft mehreren Miterben zusammen anfallet und sie in deren ungetheilten Besitz beharren, deren allseitige Einwilligung zu Leistung alles dessen, worzu ein Miterb dem anderen aus gemeinsamer Verwaltung derselben verbunden ist, ebenso wie bei der Gemeinschaft eines Guts von dem Gesatz vermuthet oder dafürgehalten wird.

[3, 19, § 5] 94. Hieraus entstehet eine dem Gesellschaftscontract gleichkommende Handlung, woraus die Miterben untereinander zu Erstattung allseitiger Gebührnussen

(3-333) verstricket werden, deren Wirkungen bereits in zweiten Theil in der Abhandlung von Erbtheilungen ausführlich beschrieben worden.

§. VI.

[3, 19, § 6] 95. Die sechste denen wahren Contracten gleichkommende Handlung ist die Grenzscheidung aus einer durch höhere Gewalt, als da sind Ueberschwemmungen, Erdbeben und feindliche Verwüstungen oder wegen deren durch Länge der Zeit unkenntlich gemachten Rainsteinen und Grenzmalen vorhergegangenen Vermischung deren Grenzen; dann wo Jemand boshafter Weise die Grenzen veränderete, ist es ein wahres Verbrechen, wovon in dem einundzwanzigsten Capitel, vom Verbrechen gehandelt werden wird.

[3, 19, § 6] 96. Dahingegen entstehet aus einer zufälligen Vermischung deren Grenzen zwischen denen Eigenthümern deren benachbarten Gründen eine Art der Gemeinschaft, folglich eine dem Gesellschaftscontract gleichende Handlung, woraus Einer dem Anderen zu Wiederherstellung deren Grenzen, Ersetzung des Schadens und Erstattung deren von des Anderen Grund eingehobenen Nutzungen verbunden wird.

Wie aber bei Grenzscheidungen verfahren, und was dabei zu beobachten seie, ist allschon in zweiten Theil, in der Abhandlung von dem Recht des Besitzes erkläret worden.

§. VII.

[3, 19, § 7] 97. Die siebente denen wahren Contracten gleichende Handlung ist die Antretung der Erbschaft insoweit als ein Erb Jenen, welchen von dem Erblasser etwas verschaffet worden, zu Abstattung deren Vermächtnussen hieraus verbunden wird, wie solches in zweiten Theil, in der Abhandlung von der Erbsantretung mit Mehreren erkläret worden.

[3, 19, § 7] 98. Dann sobald ein Erb durch Antretung der Erbschaft den Willen des Erblassers anerkennt, wird auch seine Einwilligung zu Vollziehung alles dessen, was dieser in seinem letzten Willen geordnet hat, von dem Gesatz hieraus vermuthet oder dafürgehalten, und aus dieser einem Befehlscontract gleichenden Handlung seine Verbindlichkeit zu Abführung deren Vermächtnussen hergeleitet.

§. VIII.

[3, 19, § 8] 99. Die achte denen wahren Contracten gleichkommende Handlung ist die Aufladung auf ein Schiff oder Wagen oder Abladung in einem Gasthof, weilen Schiffer, Fuhrleute und Gastwirthe durch bloße Uebernehmung deren in ihre Gewahrsame übergebenen Sachen ihres treibenden Gewerbs halber schon von den Gesatz zu deren getreulicher Verwahrung und Zuruckstellung verstricket sind, wann gleich dieselbe sich hierzu ausdrücklich nicht verbunden haben.

[3, 19, § 8] 100. Aus ihrer solchergestalten von dem Gesatz vermutheten Einwilligung gründet sich diese dem Hinterlegungscontract gleichende Handlung, welche aber in der Verfänglichkeit noch jenen übertrifft, und in deme bündiger ist, daß derlei Personen von schuldiger Zuruckstellung deren in ihre Gewahrsame übernommenen Sachen nichts als ein erweislicher ungefährer Zufall, wodurch dieselbe vermisset worden, entledigen könne, folglich auch sie für den mindesten Grad einer ihrerseits dabei unterlaufenden Fahrlässigkeit oder Unvorsichtigkeit und also für die leichteste Schuld zu haften haben.

(3-334) [3, 19, § 8] 101. Diese Verfänglichkeit aber gehet nur auf die Schiffer, Fuhrleute und Gastwirthe, deren Gewerb alle Treue und Sorgfalt in Verwahrung deren ihnen übergebenen Sachen erforderet, nicht aber auch auf andere Personen, die fremde Sachen in ihre Verwahrung nehmen, sondern bei diesen wird eine wahre Einwilligung hierzu erheischet, woraus ein wahrer Contract entstehet, nach dessen Natur und Eigenschaft ihre Verbindlichkeit abzumessen ist.

[3, 19, § 8] 102. Doch ist an deme nicht genug, daß Sachen auf ein Schiff oder Wagen oder in einen Gasthof auch mit Wissen deren Schiffern, Fuhrleuten und Gastwirthen gebracht werden; sondern daß sie dafür zu stehen haben, ist erforderlich, damit die dahin bringende Sachen von ihnen oder ihren darzu bestellten Leuten in dieser Eigenschaft und nicht etwan aus einer anderen Ursach oder Absicht übernommen werden, die Uebernahme möge mit oder ohne Entgeld geschehen.

[3, 19, § 8] 103. Wann dahero die Sachen von ihnen nicht in dieser Gewerbseigenschaft, sondern aus Freundschaft, guten Willen oder sonstiger Ursache übernommen worden, als da Jemand einem Schiffer oder Fuhrmann etwas nicht zum verführen, sondern blos aufzuheben, oder auch einem Gastwirth, ohne bei ihme einzukehren, was in die Verwahrung gäbe oder verpfändete, oder in einem Gasthof ein Gewölb zum Waarenlager oder zu Treibung des Handels, oder eine Wohnung für einen bedungenen Zins in Bestand nähme, erstrecket sich deren Verbindlichkeit nicht weiter als nach Maß desjenigen Contracts, dessen Gestalt die Handlung auf sich hat.

[3, 19, § 8] 104. Desgleichen, wo die Sachen nicht von ihnen oder ihren darzu bestellten Leuten, als Schiffmännern, Kutschern und Kellnern, sondern von anderen, welche hierzu nicht angewiesen sind, obschon in ihren Diensten befindlichen Personen, als Schiff-, Stall- und Hausknechten, ohne ihrem ausdrücklichen Geheiß übernommen werden, haben sie dafür nicht zu haften, außer insoweit durch ihre Haus- oder Dienstleute ein Schaden hieran erweislich zugefüget worden, wie es in zweiundzwanzigsten Capitel, von denen für Verbrechen geachteten Handlungen erkläret werden wird.

[3, 19, § 8] 105. Noch viel weniger haben sie für jene Sachen zu stehen, die ihrer Gewahrsame nicht übergeben, sondern von dem dahin Bringenden in seiner eigenen Verwahrung behalten werden, wann sonst ab Seiten derenselben oder ihrer Leuten hierbei keine Schuld unterlaufet.

[3, 19, § 8] 106. Es ist aber nicht nothwendig, daß dieselben die getreuliche Verwahrung deren übernommenen Sachen ausdrücklich angeloben und gewähren, sondern die bloße Uebernahme wirket schon diese Verbindlichkeit; es wäre dann, daß dieselben in der Zeit und wo die Dahinkommenden noch eine andere Vorsehung zu treffen vermögen würden, ihnen angedeutet hätten, daß sie nicht dafür stehen könnten.

[3, 19, § 8] 107. Eben so wenig ist nöthig, daß bei Uebernahme eines auf ein Schiff oder Wagen aufladenden, oder in einen Gasthof abladenden Kastens, Ballens, Fasses, Gades, Truhen oder anderer Behältnussen dem Schiffer, Fuhrmann oder Gastwirth, was darinnen enthalten seie, oder was solches an Maß, Zahl oder Gewicht betrage, angezeiget oder Stuck für Stuck übergeben und vorgezählet werde. Woferne aber aus Unwissenheit des darinnen Enthaltenen wegen unterlassener nöthigen Vorsicht hieran ein Schaden geschehen, hat sich solchen der Uebergeber selbst beizumessen.

[3, 19, § 8] 108. Aus dieser Verbindlichkeit erwachset die Denenjenigen, deren Sachen solchergestatlten auf ein Schiff, Wagen oder in einem Gasthof übernommen worden, und ihren Erben wider die Schiffere, Fuhrleute, Gastwirthe und deren Erben gebührende Rechtsforderung zur Zurückstellung deren von diesen Letzteren übernommenen Sachen, oder da solche vermisset worden wären, zum Ersatz ihres erweislichen Werths.

[3, 19, § 8] 109. Kläger muß dahero sowohl deren wirkliche Dahinbringung und Uebernahme, als ihren Betrag und Werth behörig erweisen. In Ermanglung des vollständigen


(3-335) Beweises aber ist derselbe zu dem Eid nicht anderst zuzulassen, als da seine Redlichkeit bekannt, und daß er diejenige Sachen, welche er angegeben, bei sich gehabt, vermuthet werden kann, folglich kein Meineid zu besorgen ist.

[3, 19, § 8] 110. Der Beklagte hingegen kann sich von dem schuldigen Ersatz des Werths deren übernommenen Sachen nicht anderst entledigen, als wo er erweisen könnte, daß er entweder gleich Anfangs bei der Uebernahme dafür nicht stehen zu können sich ausdrücklich verwahret und dieses dem Uebergebenden bedeutet habe, oder die Sachen ohne eigener oder seiner Leuten Schuld durch Ohngefähr, aus höherer Gewalt entstandene oder doch nicht verhütet werden mögende Zufälle, als feindliche Bemächtigung, Schiffbruch und gewaltsamen Raub entwendet oder zu Grund gegangen wären.

[3, 19, § 8] 111. Solche Zufälle jedoch, welche insgemein aus menschlicher Unvorsichtigkeit und Unachtsamkeit veranlasset worden, als heimliche Diebstähle und in dem eigenen Haus ausgekommene Feuersbrünste entheben den Beklagten von seiner Verbindlichkeit nicht.

[3, 19, § 8] 112. Er erweise dann, daß er zu Vermeidung eines solchen Zufalls Alles, was in seiner Macht gestanden, angekehret, folglich weder seinerseits, noch von seinen Leuten eine Verwahrlosung dabei fürgegangen, oder daß die Schuld an dem Uebergeber selbst oder seinen Leuten hafte, oder daß dieser die vermißte Sache in eigener Gewahrsam gehabt, als da er die Sachen bei sich behalten oder einen eigenen Wächter darzu gestellet hätte.

[3, 19, § 8] 113. Dadurch aber, daß er die Schlüsseln von dem Zimmer, Gewölb, Keller oder Stall, worinnen die entwendete Sachen befindlich waren, zu sich genommen, wird der Gastwirth von dem Ersatz nicht befreiet, wann die Sachen mit oder ohne Erbrechung des Behältnisses daraus verloren gehen, außer derselbe hätte dem Gast die Schlüsseln mit der ausdrücklichen Vewahrung, daß er nicht dafür stehen könne, übergeben.

[3, 19, § 8] 114. In Gegentheil hat auch der Schiffer, Fuhrmann oder Gastwirth das Recht, die übernommene Sachen so lange innenzuhalten, bis daß er wegen seiner Forderung vollständig vergnüget worden, wie er dann auch Dasjenige, was ihme der Andere schuldig worden, von dem zu ersetzen habenden Werth deren vermißten Sachen abzuziehen befugt ist.

§. IX.

[3, 19, § 9] 115. Die neunte, denen wahren Contracten gleichkommende Handlung ist die Befestigung des Kriegs zwischen denen vor Gericht streitenden Parteien; dann sobald als Kläger seine Klage bei Gericht eingebracht und Beklagter sich hierauf eingelassen, wird von dem Gesatz ihre beiderseitige Einwilligung vermuthet, allen Demjenigen nachzukommen, was das in Rechtskräften erwachsene richterliche Urtheil ausmessen wird.

[3, 19, § 9] 116. Hierinnen gründet sich nun diese einen wahren Vertrag gleichende Handlung, woraus beide Theile zur schuldigen Befolgung und Erfüllung des zur rechtlichen Bestätigung gedeihenden richterlichen Ausspruchs verstricket werden, wovon in vierten Theil bei der Gerichtsordnung gehandlet werden wird.

(3-336) Caput XX.

Von denen aus bloßer natürlicher Billigkeit verbindenden Handlungen.

Inhalt:

§. 1. Von denen Grundregeln der natürlichen Billigkeit, woraus ohne Vertrag eine persönliche Verbindlichkeit herfließet. §. II. Von Zuruckforderung einer Sache wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben worden. §. III. Von Zuruckforderung einer aus ungebührlicher oder unbilliger Ursache empfangenen Sache. §. IV. Von Zuruckforderung des ohne Ursach vorenthaltenen fremden Guts. §. V. Von Wiedererstattung des zu Jemands Nutzen verwendeten fremden Guts. §. VI. Von gleichen Beitrag zu Vergütung eines in Nothfällen wegen gemeinsamer Rettung erlittenen Schadens.

§. I.

[3, 20, § 1] Num. 1. Die vierte Gattung verbindlicher Handlungen sind jene, woraus ohne Vertrag aus bloßer natürlicher Billigkeit eine persönliche Verbindung entstehet, maßen unzählige Fälle erübrigen, wo weder eine wahre, noch vermuthete Einwilligung in einen Vertrag, weder ein wahres, noch dafür geachtetes Verbrechen unterwaltet, und doch die Billigkeit Einen dem Andern etwas zu leisten verbindet.

[3, 20, § 1] 2. Alle diese Fälle aber fassen folgende zwei Grundregeln der Billigkeit in sich, als die eine, daß Jedermann Dasjenige thue oder zulasse, was ohne seinen Schaden dem Andern zum Nutzen gereichen kann, und die andere, damit Alles,

(3-337) was Jemanden von fremden Gut ohne rechtmäßige Ursache zu Handen kommt oder zu seinem Nutzen verwendet wird, dem Eigenthümer zurückgestellet oder ersetzet, und also Niemand mit Schaden des Andern bereicheret werde.

[3, 20, § 1] 3. Aus der ersteren fließen mehrere Rechtsforderungen und rechtliche Hilfsmitteln, wodurch Einer den Andern verhalten kann, daß dieser etwas thue oder zu thun gestatte, was ihme keinen Schaden, jenem aber Nutzen bringen oder doch vor Schaden bewahren kann.

[3, 20, § 1] 4. Von dieser Art sind die Forderungen zu Vorlegung und Darstellung Jemands in fremden Handen befindlichen Sache und überhaupt zu Ausübung der natürlichen Befugnuß, die Jedermänniglich zustehet, sich Nutzen und Gemächlichkeit, worzu er berechtiget ist, ohne Schaden des Anderen zu verschaffen, oder ohne Benachtheiligung des Anderen Schaden von seinem Gut abzuwenden, wovon aber bereits in zweiten Theil ausführlicher gehandlet worden.

[3, 20, § 1] 5. Aus der anderen Grundregel entspringet die Rechtsforderung in allen Fällen, wo fremdes Gut ohne rechtmäßige Ursach zu Jemands Handen gekommen oder zu seinem Nutzen verwendet worden, oder wo die gemeinsame Rettung mehrerer in gleicher Gefahr befindlichen Personen zum Ersatz des daher erlittenen Schadens auch von Allen einen gemeinsamen Beitrag erheischet.

[3, 20, § 1] 6. Daher rühren die Zuruckforderung einer Sache wegen nicht erfolgter Ursach, aus der sie gegeben worden, die Zurückforderung einer aus ungebührlicher oder unbilliger Ursache empfangenen Sache, die Zurückforderung des ohne Ursach vorenthaltenen fremden Guts, die Forderung der Wiedererstattung dessen, was von fremdem Gut zu Jemands Nutzen verwendet worden, und endlich die Forderung zu Leistung eines gleichen Beitrags zur Vergütung des wegen gemeinsamer Rettung erlittenen Schadens, welche alle in den hier folgenden Paragraphen beschrieben werden.

§. II.

[3, 20, § 2] 7. Die Zurückforderung einer Sache wegen nicht erfolgter Ursach, aus der sie gegeben worden, hat in allen, sowohl unbenannten als benannten Contracten und Verträgen damals statt, wann der Nehmende Jenes, was er dagegen zu thun oder zu geben verbunden ist, entweder aus Saumsal oder durch eigene Schuld nicht mehr leisten kann oder nicht will, oder von dem Gebenden auf den Fall der Nichteinhaltung die Freiheit der Reue sich ausdrücklich vorbehalten worden.

[3, 20, § 2] 8. In solchen Fällen hat der Gebende jedesmal die Auswahl, ob er mit der aus dem Contract gebührenden Rechtsforderung da, wo die contractmäßige Schuldigkeit noch geleistet werden kann, auf deren Erfüllung, oder wo solche aus Schuld des Nehmenden zu bewirken wäre, auf seine vollkommene Entschädigung anbringen, oder aber das Gegebene wegen nicht erfolgter Ursache, aus der es gegeben worden, zuruckforderen wolle.

[3, 20, § 2] 9. Damit jedoch eine Sache auf diese Art zuruckgeforderet werden möge, muß die Handlung folgender Gestalt beschaffen sein: Erstens, daß wirklich etwas gegeben und auf den Nehmenden eigenthümlich übertragen worden, es geschehe gleich durch eine körperliche Uebergabe oder durch Erlassung, Anweisung oder Vergeltung; dahero kann in jenem Fall, wo Einer gegen deme etwas gethan, daß der Andere ihme dafür etwas gebe oder thue, diese Rechtsforderung nicht Platz greifen, weilen eine schon vollbrachte That nicht mehr zuruckgezogen werden mag.

(3-338) [3, 20, § 2] 10. Zweitens, daß es aus einer künftigen Endursach, damit dagegen anwiederum etwas geleistet werde, gegeben und solche dabei ausgedrücket worden, oder doch wenigstens aus der Natur der Handlung allschon stillschweigend darunter verstanden seie.

[3, 20, § 2] 11. Wann demnach etwas aus einer vergangenen, obschon nachher falsch befundenen Ursach gegeben, oder aber die künftige Endursach, warum es gegeben werde, dabei nicht ausgedrücket worden, kann das Gegebene wegen nicht erfolgter Ursach nicht zuruckforderet, sondern ersteren Falls müßte in Hinzutretung deren übrigen in neunzehenten Capitel, §. III, bei Zahlung aus Irrthum beschriebenen Erfordernussen der unterwaltende Irrthum oder Unwissenheit erwiesen werden, und letzteren Falls hat sich der Gebende selbst beizumessen, daß er seine Willensmeinung nicht deutlicher erkläret habe.

[3, 20, § 2] 12. Es wäre dann vorbemelter Maßen die Endursache, warumen etwas gegeben worden, schon aus der Natur der Handlung stillschweigend darunter verstanden; also da Jemanden ein Heirathgut versprochen oder gegeben worden wäre und die Heirath würde nicht erfolgen, kann das Versprechen widerrufen oder das Gegebene wegen nicht erfolgter Ursach zuruckbegehret werden, wiewohlen der Heirath selbst dabei nicht gedacht worden wäre, weilen das Heirathgut nothwendig die Ursach der erfolgenden Heirath voraussetzet.

[3, 20, § 2] 13. Drittens, daß die Ursach, wegen welcher etwas gegeben worden, möglich, erlaubt und von denen Gesetzen nicht verboten seie; dann wo aus ungebührlicher Ursach etwas gegeben oder genommen würde, ist jenes zu beobachten, was in gleichnachfolgenden §. deshalben geordnet werden wird.

[3, 20, § 2] 14. Und da die Unmöglichkeit der Befolgung dem Gebenden gleich Anfangs bekannt gewesen wäre, wird das Gegebene für ein Geschenk geachtet und kann nicht mehr zuruckbegehret werden; wo aber derselbe die Unmöglichkeit Anfangs nicht eingesehen hätte, wird andurch die Zuruckforderung des Gegebenen nicht verschränket.

[3, 20, § 2] 15. Viertens, daß die Ursach, wegen welcher etwas gegeben worden, aus Schuld des Nehmenden nicht erfolget, noch auch von ihme zu befolgen angefangen worden seie, und also derselbe die contractmäßige Schuldigkeit nicht erfüllen könne oder doch nicht wolle; dann, wo er seinerseits hierauf schon etwas abgeführet hätte, oder aber das Bedungene zu erfüllen bereit und vermögend wäre, kann das Gegebene nicht zuruckgeforderet werden.

[3, 20, § 2] 16. Nicht weniger höret die Zuruckforderung des Gegebenen auf, wann die dafür zu empfangen habende Sache bei dem Nehmenden aus Zufall, ohne durch seine Schuld oder Saumsal hierzu Anlaß gegeben zu haben, zu Grund gienge.

[3, 20, § 2] 17. Dahingegen, wo für das Gegebene etwas zu thun oder zu verrichten versprochen worden wäre, und der Nehmende würde auch nur zufälliger Weise ohne aller seiner Schuld solches zu vollziehen außer Stand gesetzet, kann das Gegebene noch allzeit zuruckgeforderet werden; woferne aber die Verhindernuß aus Schuld oder Zuthat des Gebenden herrührete, bleibet das Gegebene dem Nehmenden.

[3, 20, § 2] 18. Wann nun alle vorerdente (!) Erfordernussen zusammentreffen, gebühret dem Gebenden und seinen Erben wider den Nehmenden und dessen Erben die Rechtsforderung zur Zuruckstellung der gegebenen Sache wegen nicht erfolgter Ursach, aus der sie gegeben worden, mit allen ihren Zugängen und von Zeit der Uebergabe davon eingehobenen Nutzungen, oder da Geld gegeben worden wäre, mit denen aus Saumsal vertagten Zinsen.

[3, 20, § 2] 19. Würde aber die gegebene Sache nicht mehr in Handen des Nehmenden befindlich, sondern entweder von ihme schon an einen Dritten weiter veräußeret oder sonst, es seie aus seiner Schuld oder aus Zufall, zu Grund gegangen sein, kann solche auch nicht mehr zuruckgeforderet werden.

(3-339) [3, 20, § 2] 20. Dem Gebenden jedoch bleibet solchen Falls die aus dem Vertrag oder Contract gebührende anderweitige Rechtsforderung entweder zu Erfüllung des Contracts, wo solches noch geschehen kann, oder in Widrigen zu Leistung seiner völligen Entschädigung bevor.

§. III.

[3, 20, § 3] 21. Die Zuruckforderung einer aus ungebührlicher oder unbilliger Ursach empfangenen Sache wird in jeden Fällen gestattet, wo Jemanden etwas gegeben, versprochen oder erlassen wird, um dagegen etwas zu thun oder zu lassen, welches er zu thun oder zu unterlassen schon durch die Gesetze verpflichtet ist.

[3, 20, § 3] 22. Die Ungeziemlichkeit oder der Unfug muß also allemal an Seiten des Nehmenden allein sein; als da Jemanden etwas gegeben worden, damit derselbe sich eines Raubs, Diebstahls oder sonstigen Beleidigung eines Anderen enthalte oder damit er das wissentlich vorenthaltende entfremdete Gut zuruckstelle, kann das Gegebene zuruckgeforderet werden.

[3, 20, § 3] 23. Es muß jedoch lediglich wegen dieser künftigen Endursache und nicht etwan freiwillig und aus guten Willen für das Vergangene zu Belohnung oder Vergeltung gegeben oder versprochen worden sein; als da Jenem, der ein gestohlenes oder verlorenes Gut zuruckbrächte oder einen Dieb und Rauber anzeigete, etwas zur Belohnung gereichet oder versprochen würde, kann weder das Versprechen widerrufen, noch das Gegebene zuruckbegehret werden.

[3, 20, § 3] 24. Dahingegen, wo die Ungebührlichkeit oder der Unfug entweder an Seiten des Gebenden zugleich oder auch allein und keine an Seiten des Nehmenden unterwaltete, wird ersteren Falls, als z. B. bei einem Wucher oder bei Bestechung des Richters ein wahres Verbrechen begangen, und fallt dahero nicht allein das Gegebene Unserer Kammer anheim, sondern es sind auch Beide mit denen nach Gestalt des Verbrechens ausgemessenen Strafen zu belegen; letzteren Falls aber wird dem Gebenden wegen Entdeckung seiner eigenen Schand alle Rechtshilfe billig versaget.

[3, 20, § 3] 25. Wann also das Gegebene diese Beschaffenheit hat, daß der Nehmende sich allein in dem Unfug befinde, wird er aus natürlicher Billigkeit zur Zuruckstellung des Empfangenen verbunden, wann solches von dem Gebenden zuruckverlanget wird, die Ursach, wegen welcher es gegeben worden, möge erfolget sein oder nicht, und über das macht sich derselbe, wo etwan wegen unerlaubter Zudringlichkeiten ein Verbrechen mit unterlaufet, der darauf ausgesetzten Strafe verfänglich.

[3, 20, § 3] 26. Zu diesem Ende gebühret dem Gebenden und seinen Erben die Rechtsforderung wider den Nehmenden und seine Erben zur Zuruckstellung der wegen einer an Seiten des Letzteren allein unterwaltenden ungebührlichen oder unbilligen Ursach gegebenen Sache mit allen ihren Zugehörungen und behobenen Nutzungen, oder da Geld gegeben worden, mit denen aus Saumsal vertagten Zinsen.

[3, 20, § 3] 27. Wäre aber die Sache bei dem Nehmenden ohne seiner Schuld, durch Zufall zu Grund gegangen, wird zwar derselbe durch deren Untergang von der

(3-340) Zuruckstellung befreiet, doch bleibet er jegleichwohlen verbunden das, was etwan noch entweder von der Sache selbst oder ihren Zugehörungen und Nutzungen in seinen Handen befindlich ist, dem Gebenden auszufolgen; dahingegen, wo seine Schuld oder Saumsal zum Verlust der Sache Anlaß gegeben oder er dieselbe an einen Dritten veräußeret hätte, ist er den Werth dafür zu erlegen schuldig.

[3, 20, § 3] 28. Desgleichen kann bei Verheißungen aus ungebührlichen oder unbilligen Ursachen das Versprochene nicht geforderet werden; sondern, wo derlei Ursach dabei ausgedrucket oder solche sonst erprobet würde, ist die Zusage null und nichtig, und Kläger mit seiner Forderung abzuweisen.

§. IV.

[3, 20, § 4] 29. Ueberhaupt ist Jedermann befugt, sein in Handen eines Anderen ohne rechtmäßiger Ursach vorenthaltendes Gut, wodurch dieser mit seinen Schaden bereicheret würde, zuruckzuforderen, dasselbe möge entweder gleich Anfangs aus einer ungiltigen und nichtigen Ursach ihme zugekommen, oder die Ursach, wegen welcher es gegeben worden, seinerseits nicht erfolget, oder solche zwar Anfangs bestanden, nachher aber erloschen sein.

[3, 20, § 4] 30. Daher entstehet die dem Eigenthümer eines in Handen des Anderen ohne rechtmäßiger Ursach vorenthaltenden Guts wider den Inhaber gebührende Rechtsforderung zu dessen Zuruckstellung mit allen Nutzungen und Zugehörungen, und da es in Geld bestünde, mit denen aus Saumsal davon vertagten Zinsen.

[3, 20, § 4] 31. Also, da Jemand über eine verlorene Wette oder Spielschuld einen Schuldschein oder Verschreibung ausgestellet hätte, kann dieser solche, ohne daß es seiner Ehre und guten Namen zum mindesten Nachtheil gereichen solle, von einem jeden Inhaber mit dieser Rechtsforderung zuruckbegehren, weilen alle Wetten und Spielschulden oben in zweiten Capitel, in zweiten Artikel, von Verträgen §. XII, num. 160, entkräftet und darüber alle Rechtshilfe versaget worden, folglich schon gleich Anfangs eine rechtsgiltige Ursach hierzu ermanglet.

[3, 20, § 4] 32. Wo aber eine solche Schuld freiwillig bezahlet worden wäre, kann zwar das Bezahlte nicht mehr zuruckgeforderet werden; wann es jedoch verbotene Spiele wären, bleibet nichtsdestoweniger die in Unseren anderweiten Verordnungen darauf ausgesetzte Strafe wider die Uebertretere allemal vorbehalten.

[3, 20, § 4] 33. Eben so, da Jemand das zu Ausrichtung eines ihme aufgetragenen Befehls, welchen er nicht übernehmen wollen oder können, empfangene Geld oder Gut vorenthielte, kann solches zuruckgeforderet werden, weilen die Ursach wegen welcher es gegeben worden, nicht erfolget.

[3, 20, § 4] 34. Nicht weniger, wann für eine aus Schuld des Nehmenden in Verlust gegangene entlehnte, hinterlegte oder verpfändete Sache dem Eigenthümer der Werth bezahlet worden, und dieser solche anwiederum ohnverringerter zu Handen bekäme, kann der bezahlte Werth von ihme zuruckgefordert werden, weilen die Anfangs bestandene Ursach nachhero aufhöret, warumen er mit Schaden des Anderen den Werth dafür behalten könnte.

§. V.

[3, 20, § 5] 35. Aus eben dieser Grundregel der Billigkeit, welche sich mit Schaden des Anderen zu bereicheren verbietet, wird Jener, zu wessen Nutzen ein fremdes

(3-341) Gut verwendet worden, zu dessen Wiedererstattung verpflichtet, wann gleich derselbe aus keinerlei sonstigen Ursache sich dem Anderen verbindlich gemacht hätte, oder die zwischen ihnen fürgeweste Handlung von denen Gesetzen dergestalten entkräftet wäre, daß keine Forderung hieraus gebührete.

[3, 20, § 5] 36. Dessen ohnerachtet hat auch in Ermanglung aller anderen Rechtshilfe da, wo die nützliche Verwendung erweislich ist, Derjenige, dessen Gut zum Nutzen eines Anderen verwendet worden, und seine Erben wider diesen und dessen Erben die Rechtsforderung zu Wiedererstattung des verwendeten Betrags mit denen aus Saumsal davon vertagten Zinsen.

[3, 20, § 5] 37. Diese Rechtsforderung hat in zweierlei Fällen statt, als erstens, wann aus einem mit Jemanden, der die Geschäften eines Dritten besorget, eingegangenen Contract, worzu dieser entweder gar keine Vollmacht hätte, oder doch die bekommene Vollmacht sich hierauf nicht erstreckete, etwas zum Nutzen des Dritten verwendet worden.

[3, 20, § 5] 38. Wo aber der Contract der ertheilten Vollmacht gemäß wäre, bedarf es dieser Rechtsforderung nicht, sondern der Gläubiger kann den Befehlsgeber aus dem mit seinem Bevollmächtigten geschlossenen Contract selbst belangen. Gleichwie dann auch in jenem Fall, wo Jemand selbst außer eines mit dem Anderen getroffenen Contracts zum Nutzen des Dritten etwas verwendet hätte, nicht mit dieser, sondern mit der aus Verwaltung fremder Geschäften gebührenden Rechtsforderung zu verfahren ist.

[3, 20, § 5] 39. Zweitens wird die Rechtsforderung wegen nutzlicher Verwendung, wann solche erweislich ist, in jenen Handlungen verstattet, welche wegen Unfähigkeit deren contrahirenden Personen von denen Gesetzen entkräftet und vernichtet werden; also da Jemand Waisen, Minderjährigen oder anderen Pflegebefohlenen ohne Wissen und Willen ihrer Vormünderen, Gerhaben und Curatoren etwas borgete, obschon die Handlung an sich null und nichtig ist, stehet ihme doch die Rechtsforderung wegen nutzlicher Verwendung noch allemal bevor, insoweit er das Geborgte zu ihrem Nutzen verwendet worden zu sein erweisen mag.

[3, 20, § 5] 40. Desgleichen wo Jemand auf Bürgschaft eines Weibs ohne Begebung ihrer Gerechtigkeit geborget hätte, hat er wider das Weib keine Forderung, außer insoweit das Geborgte zu ihrem Nutzen verwendet worden.

[3, 20, § 5] 41. Es lieget dahero in solchen Fällen Klägern allezeit ob, die nützliche Verwendung zu erweisen, und ist weder an der in dem ausgestellten Schuldschein enthaltenen Bekanntnuß der Verwendung, noch auch an der darinnen auf die Einwendung der nicht geschehenen Verwendung gemachten Verzicht genug, sondern dessen ohnerachtet muß die wirkliche nutzliche Verwendung erprobet werden.

[3, 20, § 5] 42. Wohingegen, da zwar die Verwendung keinem Zweifel unterliegete, solche aber nicht zum Nutzen des Beklagten, sondern eines Dritten gereichete, hat die Rechtsforderung nur wider Denjenigen statt, dessen Nutzen andurch verschaffet worden.

[3, 20, § 5] 43. Da aber die Verwendung unnütz oder nur zur Lust, Pracht und Ueppigkeit ohne Erzeugung eines Nutzens geschehen wäre, höret auch wegen des verthanen und verzehrten Betrags diese Rechtsforderung auf; mit Demjenigen aber, was noch davon vorhanden ist, solle es eben also, wie es in siebenzehenten Capitel, in vierten Artikel, von Aufwand und Verbesserungskosten, §. XII, wegen deren lustbringenden Auslagen geordnet worden, gehalten werden.

[3, 20, § 5] 44. Desgleichen, da das wiewohlen zum Nutzen Verwendete schon wiederum Demjenigen, der das Geld von einem Dritten ohne einer hierzu habenden Vollmacht darauf ausgenommen, erweislich bezahlet oder in andere Wege vergütet worden wäre, bleibet dem Glaubiger lediglich die Forderung wider Denjenigen, mit deme er contrahiret hat, bevor.

§. VI.

(3-342) [3, 20, § 6] 45. Endlich erforderet auch die Billigkeit, daß der in Nothfällen zu gemeinsamer Rettung verursachte Schaden auch von Allen insgesammt getragen werde, wann die Umstände dergestalten beschaffen sein, daß die Noth zufällig, der Untergang ohne diesem Rettungsmittel unvermeidlich, und die Erhaltung der Uebrigen daraus ohnfehlbar erfolget seie.

[3, 20, § 6] 46. Also, da bei augenscheinlicher Gefahr des Schiffbruchs zu Erleichterung des Schiffs einige darauf geladene Waaren über Bord geworfen und das Schiff andurch gerettet worden wäre, ist der Schaden Denenjenigen, deren Güter ausgeworfen worden, von denen Anderen, deren Güter hierdurch erhalten worden, billig zu ersetzen.

[3, 20, § 6] 47. Dabei sind sowohl die Umstände der Auswerfung, als die Art und Wie des Beitrags zu betrachten. Jene müssen denen oberwähnten Erfordernussen gemäß sein, also daß die Gefahr des Schiffbruchs nicht aus Schuld, Unvorsichtigkeit oder Unerfahrenheit des Schiffers, oder wegen schlechter Beschaffenheit des Schiffs, sondern durch bloßen Zufall, als durch Sturm, Ungestüme der See oder aus sonstigen, nicht vermeiden mögenden Unglück entstanden seie.

[3, 20, § 6] 48. Dann widrigens, wo die Schuld des Schiffers erweislich wäre, können Diejenigen, deren Güter ausgeworfen worden, von denen Andern keinen Ersatz ihres Schadens anbegehren, sondern haben solchen lediglich an dem Schiffer, aus dessen Schuld derselbe veranlasset worden, anzusuchen; es wäre dann derselbe den Schaden abzustatten nicht vermögend, welchen Falls für das Uebrige noch Alle zu dem gemeinsamen Beitrag verbunden bleiben.

[3, 20, § 6] 49. Es muß auch die unvermeidliche Nothwendigkeit der Auswerfung fürgewaltet haben, und solche entweder mit Genehmhaltung aller oder des größten Theiles deren auf dem Schiff befindlich gewesten Leuten, oder da diese nicht hätten darein willigen wollen, auf Gutbefinden des Schiffers und wenigstens zweier oder dreier von seinem Schiffsvolk geschehen sein, welche es nachher, da sie zu Lande kommen, auf Begehren Derjenigen, die andurch Schaden erlitten, eidlich bestätigen sollen, daß es die Noth erforderet habe. Für das hingegen, was außer einem dergleichen Nothfall freventlich und ohne dringender Ursach in das Wasser geworfen wird, haben die Anderen keinen Ersatz zu leisten.

[3, 20, § 6] 50. Nicht weniger muß die Erhaltung des Schiffs und deren übrigen Waaren aus dessen Erleichterung ohnfehlbar erfolget sein. Dann wo ohnerachtet deren ausgeworfenen Waaren in solcher anhaltenden Noth jegleichwohlen das Schiff gescheiteret oder untergangen wäre, obschon nach erlitttenen Schiffbruch einige Güter an das Ufer geschlagen oder sonst geberget oder gerettet würden, in diesem Fall ist Keiner dem Anderen etwas zu ersetzen schuldig, weilen deren Erhaltung nicht durch die Auswerfung, sondern blos zufällig bewirket worden ; es wäre dann, daß zwar die fürgeweste Gefahr überstanden, und das Schiff durch die Auswerfung deren Waaren erhalten, nachhero aber durch einen anderen Unfall verunglücket wäre, in welchem Fall die Verbindlichkeit zu dem Ersatz von denen nach dem letzteren Schiffbruch etwan aus dem Wasser herausgezogenen oder sonst noch geretteten Gütern annoch besteht.

(3-343) [3, 20, § 6] 51. Desgleichen, wo das Schiff durch Sturm oder Wetterstrahl zu Schaden käme oder einige Waaren durch das eindringende Gewässer außer dem Fall, daß andere ausgeworfen wurden, beschädiget oder gar von dem Bord weggespület worden wären, kann von denen Anderen kein Beitrag zum Ersatz des Schaden geforderet werden, weilen solcher nicht zu ihrer Erhaltung geschehen, sondern diese einem bloßen Zufall beizumessen ist.

[3, 20, § 6] 52. Bei der Auswerfung selbst, wann die instehende Gefahr noch so viele Zeit zur Auswahl übrig läßt, solle allemal mit Waaren von mehrerer Schwere und minderen Werth der Anfang gemacht, ansonst aber, wo die obschwebende äußerste Noth keine Zeit gestattet, können auch noch so kostbare Waaren, die zum nächsten an der Hand sind, ohne Unterschied des mehreren oder minderen Werths über Bord geworfen werden, wann nur deren Auswerfung zu Erleichterung des Schiffs etwas beiträgt.

[3, 20, § 6] 53. Eben also, da in einem solchen Nothfall zu Abwendung der gemeinsamen Gefahr oder mit Willen deren in Schiff Befindlichen zu Errettung des Schiffs und Guts der Mast abgehauen oder das Schiff sonst beschädiget würde, ist der Schaden nicht weniger als das ausgeworfene Gut von Allen zu ersetzen.

[3, 20, § 6] 54. Wann nun der Seewurf mit allen vorbemelten Umständen begleitet ist, gehet der Schaden deren geworfenen Gütern über Schiff und Gut, welches in dem Schiff erhalten wird, dergestalten, daß solcher sowohl von dem Schiff als denen darauf befindlichen Waaren nach eines Jeden hieran habenden Antheil sogleich bei Anländung in dem Hafen, wohin die Fahrt gerichtet ware, oder wo die Güter abgeladen werden, ersetzet werden muß; doch haben auch die Eigenthümer deren geworfenen Waaren den auf ihren Antheil ausfallenden Verlust zu büßen.

[3, 20, § 6] 55. Der gemeinsame Beitrag zu diesem Ersatz wird insgemein die Haverey oder das Havereyrecht benamset, und hat also zu geschehen, daß nichts von allem deme, was vor dem Seewurf auf dem Schiff befindlich ware, außer denen anhabenden Kleidungen, Proviant und deme, was nach wohlhergebrachten Gewohnheiten sonst davon ausgenommen wird, von diesem Beitrag freigelassen, sondern sowohl der Werth des Schiffes, als aller geworfener und erhaltener Güter geschätzet werden solle.

[3, 20, § 6] 56. Es ist auch kein Unterschied dabei zu beobachten, ob die Waaren das Schiff viel oder wenig beschweren, also daß nicht allein das bei sich habende baare Geld, Edelgesteine und andere Kostbarkeiten, sie mögen vor dem Seewurf angesaget worden sein oder nicht, sondern auch des Schiffers eigene Fracht und der bedungene Schifferlohn in Anschlag gebracht werden müsse; jene Kostbarkeiten hingegen, welche unter einer anderen Gattung von Waaren, die ausgeworfen worden, gepacket waren, kommen nicht in Anschlag, wann sie nicht vor dem Seewurf angesaget worden.

[3, 20, § 6] 57. In der Schätzung selbst aber sind andere Maßregeln in Betrachtung des Schiffes und andere bei denen geworfenen und erhaltenen Waaren zu Richtschnur zu nehmen. Den Werth des Schiffes hat der Schiffer selbst anzusetzen, und haben die Uebrigen, welche zu dem Beitrag verbunden sind, die Auswahl, ob sie das Schiff in dem angeschlagenen Werth annehmen und für sich behalten, oder dem Schiffer überlassen wollen.

[3, 20, § 6] 58. Dahingegen sind sowohl die geworfene, als die durch den Seewurf erhaltene Waaren (unter deren ersteren auch die zur Zeit des Seewurfs von dem eingedrungenen Wasser weggespülte Waren [!] zu verstehen seind) allemal nach dem Werth, was sie bei deren Absetzung an dem Ort ihrer Bestimmung gelten oder gegolten haben mögen, zu schätzen.

[3, 20, § 6] 59. Es wäre dann, daß die zwar erhaltene außer der Ereignuß eines Seewurfs sonst auf dem Schiff beschädiget worden sein würden, in welchem Fall

(3-344) sie nach ihrer dermaligen Beschaffenheit und nicht, was sie außer der Beschädigung gegolten hätten, angeschlagen werden sollen.

[3, 20, § 6] 60. Wo aber die Beschädigung durch den Seewurf verursachet worden wäre, ist es mit denenselben eben also, wie mit denen geworfenen Waaren zu halten, und der hieran erleidende Schaden in Anschlag zu bringen, wo er sich höher, als der von dem Gut zu leisten habende Beitrag beliefe, widrigens aber, und da der Schaden weniger beträgt, nach Abzug des Schadens der Beitrag davon zu leisten.

[3, 20, § 6] 61. Nach der also veranlaßten Schätzung ist einerseits der Werth des Schiffs sammt dem Schifferlohn, des Schiffers eigener Fracht, und aller sowohl geworfener als erhaltener Waaren in eine Summe zusammenzuziehen, doch also, daß die Unkosten, als Mauth, Zoll und der von einem jeden Theilhaber für seinen Antheil besonders bedungene Schifferlohn bevor davon abgeschlagen werde; auf der anderen Seiten aber ist der durch den Seewurf erlittene Schaden gleichfalls in eine Summe zusammenzurechnen, dann eines jeden Antheil an Schiff und Waaren, und zwar von allen ohne Unterschied besonders anzusetzen, und der Betrag des Schadens nach denen Regeln der Gesellschaft unter sie insgesammt einzutheilen.

[3, 20, § 6] 62. Als zum Beispiel Schiff, Lohn, Fracht und Waaren würden nach Abzug deren Kosten, und zwar letztere nach dem Anschlag des Preises in dem Ort der Absetzung zusammen betragen 12.000 fl. Der Schaden aber an ausgeworfenen Gütern gleichfalls nach diesem Anschlag 4000 fl. An der ersteren Summe hätte der Schiffer für Schiff und Lohn einen Antheil von 6000 fl., und vier Kaufleute, der Erste mit 3000 fl., der Andere mit 1500. fl., der Dritte mit 1000 fl., und der Vierte mit 500 fl. So wäre dann beizutragen, von des Schiffers 6000 fl. – 2000 fl., von des ersten Kaufmanns 3000 fl. – 1000 fl., von des zweiten 1500 fl. – 500 fl., des dritten 1000 fl. – 333 1/3 fl., von des vierten 500 fl. – 166 2/3 fl. Summe des ganzen Anschlags 12.000 fl., des Beitrags 4000 fl.

[3, 20, § 6] 63. Wobei aber Diejenige, deren Waaren ausgeworfen worden, den auf ihren Antheil ausfallenden Verlust selbst mitzutragen haben, also, daß da in dem gegebenen Beispiel ihr Antheil an dem Gut 4000 fl. oder ein Drittel von der ganzen Summe betraget, sie dahero auch an dem Schaden ein Drittel einbüßen, und ihnen von denen geretteten Waaren nur zwei Dritteln des Schadens ersetzet werden, folglich sie von dem auf 4000 f. angeschlagenenen Schaden ein Drittel mit 1333 1/3 fl. zu verlieren und nur zwei Dritteln mit 2666 2/3 von denen Uebrigen zu empfangen hätten.

[3, 20, § 6] 64. Zur Leistung dieses Beitrags gebühret Denenjenigen, welche ihre Güter durch den Seewurf verloren haben, die Rechtsforderung wider den Schiffer, und die Andere, deren Güter andurch erhalten worden, welche sie sogleich, als das Schiff in dem Hafen, dahin es seine Fahrt gerichtet, angekommen, anzustrengen, und bis daß sie deshalben nicht vergnüget worden, sowohl auf das Schiff, als die Waaren einen gerichtlichen Beschlag auszuwirken berechtiget sind, wobei auf das schleunigste zu verfahren ist.

[3, 20, § 6] 65. Es stehet aber so denen Schiffsfreunden, wie denen Eigenthümern deren Waaren frei, wann sie sich solche noch in der Zeit versicheren lassen, Dasjenige, was sie des Seewurfs halber beigetragen, von dem Versicherer anwiederum zuruckzuforderen.

[3, 20, § 6] 66. Was von dem Seewurf bishero geordnet worden, hat auch in allen anderen Fällen statt, wo wegen gemeinsamer Rettung ein Schaden geschieht, welcher billig von Allen zu tragen ist, wann nur die Noth zufällig und die Rettung ohnfehlbar andurch erfolget; also, da ein Schiff wegen allzuschwerer Befrachtung in den Hafen nicht einlaufen könnte, und dahero Waaren in Booten ausgeladen würden, welche darmit zu Grund giengen, oder um das Schiff von Seeraubern loszukaufen ein Lösgeld bezahlet würde, haben zu dem Ersatz Alle beizutragen.


(3-345) [3, 20, § 6] 67. Ein Gleiches verstehet sich von dem Fall, da von einer Stadt zu Abwendung der feindlichen Plünderung eine Brandschatzung abgeführet werden müßte, worzu alle Inwohner beizusteueren schuldig sind; dahingegen, wo der Schaden deren Einen zu der erfolgten Erhaltung deren Anderen nichts beigetragen, als da die in Booten ausgeladene Waaren erhalten, das Schiff aber untergangen wäre, oder nur Einer allein seine Güter von dem Seerauber ausgelöset, oder eine Stadt oder Gegend für andere Orte, welche der Feind noch nicht in seiner Gewalt gehabt, eine Brandschatzung erleget hätte, kann von denen Anderen kein Ersatz des Verlusts geforderet werden.

[3, 20, § 6] 68. Eben so wenig kann bei Feuersbrünsten Jener, dessen Haus, um der Flamme Einhalt zu thun, niedergerissen worden, von denen Nachbarn einen Beitrag ansuchen, weilen ihre Häuser nicht so der nächsten Gefahr der Einäscherung, wie alle auf einem Schiff befindliche Güter der nächsten Gefahr des Schiffsbruchs ausgesetzet sind; wohl aber mag er sich an Jenem, durch wessen Verwahrlosung das Feuer ausgekommen, seines Schadens halber erholen.

(3-346) Caput XXI.

Von Verbrechen.

Inhalt:

Erster Artikel.

Von Verbrechen insgemein.

§. I. Von Verschiedenheit deren Verbrechen. §. II. Von Art und Weis wie ein Verbrechen begangen werde. §. III. Von denen wahren Verbrechen und denen für Verbrechen geachteten Handlungen. §. IV. Von Fähigkeit deren Verbrechenden. §. V. Von der aus Verbrechen erwachsenden Verbindlichkeit. §. VI. Von der aus Verbrechen eines Dritten entstehenden Verbindlichkeit. §. VII. Von Verbindlichkeit deren Erben aus Verbrechen ihres Erblassers. §. VIII. Von Zusammentreffung des peinlichen Verfahrens mit der bürgerlichen Rechtsforderung. §. IX. Von Erlöschung der Verbindlichkeit aus Verbrechen.

§. I.

[3, 21, § 1] Num. 1. Die verbindliche Handlungen sind nach dem in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. VIII, num. 87 bemerkten Unterschied in erlaubte und unerlaubte eingetheilet und bishero die viererlei Gattungen deren erlaubten Handlungen erkläret worden; auf diese folgen nun die unerlaubte, welche außer

(3-347) einem Vertrag Jemanden aus eigener Schuld oder Gefährde verbinden, und dahero Verbrechen sind, wovon in diesem und in folgenden Capitel gehandlet werden wird.

[3, 21, § 1] 2. Die fünfte Gattung verbindlicher Handlungen sind demnach die Verbrechen, wodurch nichts Anderes verstanden wird, als eine unerlaubte Handlung, welche freiwillig wider die Gesetze und Ehrbarkeit begangen wird.

[3, 21, § 1] 3. Hieraus folget, daß zur Wesenheit eines Verbrechens folgende zwei Erfordernussen zusammentreffen müssen, als erstens, eine unzulässige That entweder in Ausübung dessen, was verboten ist, oder in Unterlassung dessen, was Jemand zu thun schuldig ist, wodurch aber auf so eine, als andere Art dem Anderen geschadet, oder worauf von denen Gesetzen eine Strafe ausgesetzet wird.

[3, 21, § 1] 4. Dann, obschon eine That an sich denen Gesetzen oder der Ehrbarkeit widerstrebete, doch hierdurch weder Jemanden geschadet, noch hierauf von denen Gesetzen eine Strafe ausgemessen wäre, bleibet zwar solche allemal eine ungeziemende Handlung, welche das eigene Gewissen beschweret, ist aber dem Aeußerlichen nach noch kein Verbrechen, welches eine Verfänglichkeit zur Strafe oder Genugthuung wirkete.

[3, 21, § 1] 5. Inwieweit aber der bloße Willen und Vorsatz eine Missethat zu begehen, und in welcherlei Fällen für ein Verbrechen zu halten, und mit was für einer Strafe zu belegen seie, wird in Unserer peinlichen Gerichtsordnung mit Mehreren erkläret.

[3, 21, § 1] 6. Zweitens wird erforderert, daß die That freiwillig entweder aus bösen Vorsatz oder doch mit guten Wissen und Willen, oder aber aus Schuld durch Unvorsichtigkeit, Unkundigkeit oder Nachlässigkeit geschehen, dann wo ein Schaden zufälliger Weise ohne Schuld des Anderen verursachet würde, da ist auch kein Verbrechen.

[3, 21, § 1] 7. Die Verbrechen werden entweder als mittel- oder unmittelbar zu Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit gereichende, folgsam gleich für sich selbst, oder doch in der Folge gemeinschädliche Handlungen betrachtet und in diesem Verstand eigentlich Missethaten und Laster genennet, woraus die Verbindlichkeit zur öffentlichen Genugthuung und der andurch verwirkten Strafe entstehet.

[3, 21, § 1] 8. Oder sie werden nur als Jemanden insonderheit schadende Handlungen angesehen, und in diesem Verstand wirken dieselben die Verbindlichkeit zur Entschädigung und Genugthuung dessen, welcher andurch beleidiget worden.

[3, 21, § 1] 9. Dieser Unterschied aber bestehet nicht so viel in der Sache selbst, als in dem verschiedenen Begriff, den man sich von einem Verbrechen nach Verschiedenheit dieses zweifachen Gegenstands, welcher andurch beleidiget worden, der Verfahrungsart und des Endzwecks, welcher dabei abgesehen ist, machen kann.

[3, 21, § 1] 10. Dann durch Missethaten wird der öffentliche Wohl- und Ruhestand mittel- oder unmittelbar gestöret, folglich hierbei peinlich zu dem Ende verfahren, damit dem andurch beleidigten gemeinen Wesen die öffentliche Genugthuung durch Verhängung der verwirkten Strafe verschaffet werde.

[3, 21, § 1] 11. Insoweit aber andurch Jemanden insonderheit geschadet worden, hat das Verbrechen beinebst auch die ihme andurch zugefügte Verkürzung oder sonstige Beleidigung zum Gegenstand, wobei mit der ordentlichen Rechtsforderung zur Entschädigung und Genugthuung des Beleidigten zu verfahren ist.

[3, 21, § 1] 12. Es kann dahero einerlei Verbrechen in diesem zweifachen Verstand betrachtet werden, wann nebst der gebührenden Entschädigung des Beleidigten nach Schwere des Verbrechens von denen Gesetzen zugleich auch eine öffentliche Genugthuung erheischet wird, als z. B. in Raub oder Diebstahl.

[3, 21, § 1] 13. Dagegen giebt es auch andere Verbrechen, welche nur in dem einen Verstand genommen werden können, als Eine, welche nur Missethaten sind, und zur öffentlichen Genugthuung verbinden, hieraus aber keine Verbindlichkeit zu

(3-348) Jemandens Entschädigung erwachset, weilen Niemand insonderheit andurch beschädiget worden, als z. B. das Laster der beleidigten, göttlichen und weltlichen Majestät.

[3, 21, § 1] 14. Die Anderen, wodurch zwar Jemand insonderheit beleidiget wird, das Verbrechen aber so gering ist, daß die Gesetze es bei Erstattung des Schadens oder Genugthuung des Beleidigten bewenden lassen, ohne eine Strafe zu verhängen, als da sind Ehrenhändeln und überhaupt die nicht aus bösen Willen, sondern aus bloßer Schuld an Jemands Gut zufügende Beschädigungen.

[3, 21, § 1] 15. Die für Missethaten gebührende öffentliche Genugthuung bestehet in denen daraus ausgesetzten öffentlichen Strafen, welche sammt der peinlichen Verfahrungsart in Unserer peinlichen Gerichtsordnung ausgemessen sind. In gegenwärtigen Capitel aber wird nur die aus Verbrechen erwachsende persönliche Verbindlichkeit zur Entschädigung und Genugthuung des Beleidigten und zu Abtrag der ihme zukommenden Strafe abgehandlet.

[3, 21, § 1] 16. Gleichwie aber durch Verbrechen Jemanden entweder an seiner Person oder an seinem Recht, Hab und Gut, oder an seiner Ehre und guten Leumund geschadet wird, also werden auch dieselbe hier nach dem Unterschied dieses dreifachen Vorwurfs beschrieben, und sonach gegenwärtiges Capitel in vier Artikeln abgetheilet, deren ersterer von Verbrechen insgemein, jeder deren drei folgenden aber von einer dieser dreierlei Gattungen insonderheit handlet.

§. II.

[3, 21, § 2] 17. Ein Verbrechen wird von Jemanden nicht nur allein damals verübet, wann er unmittelbar selbst die That begehet, sondern auch, wann derselbe aus was immer für Art und Weis entweder durch sein Geheiß oder Befehl oder durch Hilfleistung oder durch Anrathung, oder endlich durch seine Einwilligung und Zulassung, wo es zu verhinderen in seiner Macht gestanden wäre, dabei mitwirket.

[3, 21, § 2] 18. Also, da Jemand dem Anderen befiehlt einem Dritten einen Schaden zuzufügen, wird dieser nicht weniger, als der Befehlshaber daraus verbindlich, obschon er nicht die Beschädigung selbst, doch aber etwas Unerlaubtes zu thun befohlen hätte, welches die unmittelbare und nächste Ursach des Schadens gewesen.

[3, 21, § 2] 19. Und in diesem Fall, wo eine unerlaubte That befohlen worden, bleibet auch der Befehlsgeber für Jenes verfänglich, worinnen der Befehlshaber den Befehl überschritten hat, wann die befohlene That auf die daraus entstandene Folgen gerichtet ware, als da Jemand dem Anderen befohlen hätte, einen Dritten nur leicht zu verwunden oder aus Rachbegierde zu zeichnen, welcher aber von dem Befehlshaber entleibet worden, oder von der empfangenen Wunden verstorben wäre, wird der Befehlsgeber dessen ohnerachtet des Todtschlags schuldig, wann er gleich sich ausdrücklich gegen dem Befehlshaber verwahret hätte, für die Ueberschreitung des Befehls nicht haften zu wollen.

[3, 21, § 2] 20. Wo aber der gegebene Befehl vor vollbrachter That widerrufen, und dieses noch in der Zeit dem Befehlshaber kund gemacht worden, oder die befohlene That auf den erfolgten Ausgang nicht gerichtet, oder endlich dieselbe nach Maß des Auftrags an sich erlaubt gewesen wäre, wird der Befehlsgeber für den Ausgang nicht verfänglich.

[3, 21, § 2] 21. Als, da der Befehl dahin gelautet hätte, Jemanden mit einem geringen Stock oder sonstigen zum Todtschlag nicht geschickten Zeug zu schlagen oder ihme eine Maulschelle zu geben, und dieser würde von dem Befehlshaber entleibet oder schwer verwundet, so hat der Befehlsgeber für den Erfolg nicht zu haften, weilen der Auftrag nicht darauf gerichtet ware.

[3, 21, § 2] 22. Desgleichen, wo Jemand dem Anderen die Vertheidigung wider den unbefugten Angriff oder Antastung eines Dritten befohlen hätte, wobei der Befehlshaber die Maß der unbeschuldeten Nothwehr überschritte, kann dem Befehlsgeber

(3-349) keine Schuld beigemessen werden, weilen der Auftrag an sich erlaubt ware, wann nicht etwan schon die vorgeschriebene Weis der Vertheidigung sich über die Maß der unbeschuldeten Nothwehr erstrecket hat.

[3, 21, § 2] 23. Nicht nur aber der vor der That vorhergegangene Befehl, sondern auch die nachgefolgte Gutheißung und Genehmhaltung kann Jemanden des verübten Verbrechens theilhaftig machen, und ihme die daraus erwachsende Verbindlichkeit zuziehen, wann er entweder die That, als ob sie von ihme selbst oder doch mit seinem Willen und auf sein Geheiß begangen worden wäre, ausdrücklich auf sich nimmt oder doch wissentlich aus dem Verbrechen einen Nutzen ziehet.

[3, 21, § 2] 24. Eben also wird Jener eines Verbrechens schuldig, der zu dessen Ausübung mit guten Wissen, vorsätzlicher Weise eine werkthätige Hilfe leistet, diese geschehe vor-, in- oder nach begangener That, als vor derselben, da z. B. der Eine falsche Schlüsseln oder sogenannte Dietriche dem Anderen zum Diebstahl hergäbe, um die Thüren und Kästen darmit zu öffnen, oder die Leiter zum Einsteigen anlegete, oder die Gelegenheit zu Unterredungen und Berathschlagungen in Absicht auf das zu begehen vorhabende Verbrechen wissentlich verschaffete.

[3, 21, § 2] 25. In wirklicher That selbst, da zum Beispiel der Eine auf der Wache stünde, damit die Anderen ungestört und mit destoweniger Scheu die That vollbringen können, oder dem Angegriffenen die Gelegenheit zu seiner Rettung abgeschnitten und verhinderet hätte, oder sonst bei Ausübung der That, obschon er selbst nicht Hand mit angeleget hätte, doch zu dem Ende gegenwärtig gewesen wäre, damit solche leichter verübet und durch sein Beisein der Angegriffene verzagter und forchtsamer, die Angreifenden hingegen um so kühner und verwegener gemacht wurden.

[3, 21, § 2] 26. Nach der That, da z. B. Mörder, Rauber, Diebe und dergleichen böse Leute von Jemanden verborgen, oder ihnen sonst Unterschleif gegeben, oder die gestohlene und geraubte Sachen ihnen wissentlich abgekaufet, verhehlet, vertuschet oder zum Verkauf ausgetragen, oder denenselben Gelegenheit zur Flucht verschaffet würde, es seie durch Reichung deren Kleidern, Zeigung des Wegs oder auch durch geflissentliche Unterlassung ihrer Anhaltung oder Entdeckung, da es zu thun in seiner Macht gestanden wäre.

[3, 21, § 2] 27. Auch durch boshafte Anrathung eines Verbrechens macht sich Jemand nicht weniger, als der Thäter selbst, dessen verfänglich, sie geschehe gleich durch bloßes Zureden und Aneiferen oder durch wirkliche Ueberredung, Anstiftung und Unterrichtung, wie, auf was für Art und bei welcher Gelegenheit das Verbrechen zu vollbringen seie, wann nur die angerathene That erfolget, obschon dabei die Maß des Raths oder Unterrichts überschritten worden wäre.

[3, 21, § 2] 28. Obschon aber noch vor vollbrachter That das Angerathene nachhero widerrathen, solches aber jegleichwohlen vollzogen würde, bleibet nichtsdestoweniger der Rathgeber noch allemal mit verfangen, wann er nicht zugleich Denjenigen, auf dessen Beschädigung oder Beleidigung der Rath abgezielet, um sich dafür in acht zu nehmen, in der Zeit gewarnet hat.

[3, 21, § 2] 29. Endlich wird Jemand ein Mitschuldiger des Verbrechens, wann er, da es in seiner Macht gestanden, dessen Ausübung zu verhinderen, hierein williget und solches zu vollziehen gestattet; die alleinige Wissenschaft des zu begehen vorhabenden Verbrechens hingegen macht Niemanden zum Ersatz des andurch zugefügten Schadens und einer dem Beleidigten zu leisten habenden Genugthuung verbindlich, wann sonst seinerseits auf keinerlei Weise dabei mitgewirket worden.

[3, 21, § 2] 30. Wie aber Befehlsgeber, Mitgehilfen, Verhehlere, Rathgebere, Beförderer und in was für Fällen auch Jene, so von der verübten Missethat gute Wissenschaft gehabt und hiervon die Anzeige oder Warnung in der Zeit zu machen unterlassen haben, zur öffentlichen Genugthuung zu bestrafen seind, wird in der peinlichen Gerichtsordnung ausgemessen.

(3-350) §. III.

[3, 21, § 3] 31. Da auch Jemanden eine fremde Schuld, wodurch ein Verbrechen begangen wird, beigemessen werden kann, wann er hierzu Anlaß oder Gelegenheit gegeben hat, als werden die Verbrechen in wahre und die nur für Verbrechen geachtete Handlungen eingetheilet.

[3, 21, § 3] 32. Wahre Verbrechen sind, welche aus eigener Schuld oder Gefährde verübet werden, und in Absicht auf den Unterschied der verwirkten Strafe anwiederum zweierlei sind, als die Einen, welche aus Bosheit und Arglist mit Vorsatz und Willen begangen werden, und die Anderen, welche nur aus einer Schuld durch Unvorsichtigkeit, Nachlässigkeit oder sträfliche Unwissenheit geschehen, obschon beide zum Ersatz des andurch zugefügten Schadens einerlei Verbindlichkeit wirken.

[3, 21, § 3] 33. Jene Handlungen hingegen werden nur für Verbrechen geachtet, wobei in der That selbst keine eigene wahre Schuld unterwaltet, doch aber die That Jemanden insoweit beigemessen werden kann, daß seinerseits in deme eine Schuld unterlaufe, aus dessen Anlaß und Gelegenheit der Schaden erfolget ist; von denen wahren Verbrechen wird in gegenwärtigen, von denen für Verbrechen geachteten Handlungen aber in nachfolgenden zweiundzwanzigsten Capitel gehandelt werden.

§. IV.

[3, 21, § 4] 34. Eines Verbrechens ist nur Jener fähig, der den Gebrauch seines Verstandes hat, wann gleich die Macht sich durch Verträge oder Contracten zu verbinden von denen Gesetzen eingeschränket ist.

[3, 21, § 4] 35. Jene dahero, welchen der Gebrauch ihrer Vernunft und Willens entweder schon von Natur oder durch Zufall gebricht, können weder Verbrechen begehen, noch weniger hieraus verbunden werden.

[3, 21, § 4] 36. Als da sind Kinder, Blödsinnige, Wahnwitzige, Mondsüchtige, Schlafgänger und dergleichen, wann sie in wirklichen Wahnwitz, Blödsinnigkeit oder Schlaf Jemanden einen Schaden zufügen; sondern dafür haben Diejenigen zu haften, denen ihre Obsorge, Wartung und Verwahrung oblieget, daferne ihrerseits eine Schuld unterlaufet, daß es an Anwendung der gehörigen Absicht und Sorgfalt ermanglet habe.

[3, 21, § 4] 37. Dahingegen werden derlei Personen von der Verbindlichkeit aus denen bei noch gesunder Vernunft verübten Verbrechen zur Entschädigung und Genugthuung des Beleidigten durch den nachher erfolgenden Wahnwitz nicht befreiet, obschon dieselben währenden Wahnwitzes zur öffentlichen Genugthuung nicht bestrafet werden können; dann die Entledigung von der Strafe wirket nicht allemal die Entbindung von der Schuld.

[3, 21, § 4] 38. Nicht weniger sind sie auch für die in dem Schlaf oder Wahnwitz verursachende Schäden in jenem Fall verbindlich, wann sie bei vernünftigen Zwischenstunden genugsame Einsehungskraft haben, daß sie in derlei ihnen zustoßenden Zufällen Anderen zu schaden pflegen, und nichtsdestoweniger zu dessen Verhütung die erforderliche Vorsicht anzukehren unterlassen.

[3, 21, § 4] 39. Um so mehr sind jene zum Ersatz des Schadens und Genugthuung des Beleidigten verbunden, welche aus eigener Schuld durch übermäßige Trunkenheit ihren Verstand betauben und in der Trunkenheit Anderen Schaden zufügen; wie aber die in der Trunkenheit begangene Verbrechen zu bestrafen sind, wird in der peinlichen Gerichtsordnung erkläret.

[3, 21, § 4] 40. Unmündige, wann sie die Kindheit schon überstiegen und einigen Gebrauch der Vernunft haben, daß sie das Böse von dem Guten zu unterscheiden wissen, wie auch Minderjährige und gerichtlich erklärte Verschwendere, obschon dieselben sich aus Contracten zu verbinden nicht fähig sind, werden gleichwohlen aus Verbrechen sowohl zur Entschädigung, als zur Strafe verbindlich; inwieweit aber

(3-351) die letztere wegen unmündigen Alters zu milderen seie, messet die peinliche Gerichtsordnung aus.

§. V.

[3, 21, § 5] 41. Gleichwie ein Verbrechen in der obbemelten verschiedenen Absicht entweder als eine Missethat oder als eine Jemanden insonderheit schädliche Handlung betrachtet werden kann; also erwachset auch hieraus eine zweifache Verbindlichkeit, als die eine zur öffentlichen und die andere zur sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten.

[3, 21, § 5] 42. Die öffentliche Genugthuung bestehet in Verhängung deren auf die Missethaten von denen Gesetzen ausgemessenen oder der Willkür des Richters überlassenen Strafen, deren nach Schwere des Verbrechens verschiedene Gattungen sind, als Todesstrafen, Leibesstrafen, Geld- und andere Strafen, die nicht an Haut und Haar gehen, wie solche in der peinlichen Gerichtsordnung auf jedes Verbrechen ausgesetzet sind.

[3, 21, § 5] 43. Die sonderheitliche Genugthuung des Beleidigten enthaltet nicht allein die Entschädigung oder den Ersatz des verursachten Schadens, sondern auch die dem beleidigten Theil zukommende Strafe, und zwar nach Unterschied deren Verbrechen entweder beide zusammen oder auch nur eine allein.

[3, 21, § 5] 44. Also ist zuweilen sowohl der Schaden zu ersetzen, als noch darüber dem Beleidigten eine Strafe zu erlegen, wann das Verbrechen so beschaffen ist, daß keine öffentliche Strafe darwider verhänget, sondern die Geldbuße dem Beleidigten von denen Gesetzen zugeeignet wird; dahingegen kommt es bei allen nur aus leichter Schuld verursachten Beschädigungen einzig und allein auf Erstattung des Schadens an, ohne Entgeltung einer Strafe.

[3, 21, § 5] 45. So wie in Widerspiel bei Verbrechen, wodurch kein Schaden zugefüget wird, als z. B. in Frevel es allein an Erlegung der in solchen Fällen dem

(3-352) Beleidigten zuerkannten Strafe genug ist, wie alles dieses in denen nachfolgenden Artikeln, welche von jeder Gattung deren Verbrechen insonderheit handlen, mit Mehreren erkläret wird.

[3, 21, § 5] 46. Durch Schäden wird hier alle Beschädigung verstanden, die Jemanden aus Unbild des Anderen zugefüget worden, worunter alle Verringerung des Vermögens oder die Verderbung und Schmälerung einer Sache begriffen wird, welche aber von einer Beleidigung in deme unterschieden ist, daß eigentlich diese die Person, jene aber das Gut betreffen.

[3, 21, § 5] 47. Daß jedoch eine Beschädigung aus Unbild geschehe, muß der Schaden entweder aus Gefährde und Arglist oder wenigstens aus großer oder leichter Schuld erfolget sein; dahingegen aus leichtester Schuld nur damals ein Verbrechen entspringet, wann die Natur der Sache, warum es zu thun ist, oder die Beschaffenheit der Handlung die ausbündigste Achtsamkeit, Vorsicht und Sorgfalt erforderet.

[3, 21, § 5] 48. Um so weniger aber kann ein rechtmäßiger Weise als in Handlung seines Amts oder in eigener Vertheidigung, wann dabei die rechte Maß der Befugnuß oder der Nothwehr nicht überschritten wird, oder ein durch Zufall Jemanden verursachter Schaden zum Verbrechen gerechnet werden.

[3, 21, § 5] 49. Es wird aber, wann von Verbrechen die Rede ist, allemal nur derjenige Schaden angedeutet, der außer einem Vertrag oder Contract geschehen; dann wo derselbe aus Contracten entstehet, gebühret dem beschädigten Theil die Rechtsforderung aus dem Contract und nicht aus einem Verbrechen, noch ist auch der Beschädigende anderer Gestalt verfänglich, als für denjenigen Grad der Schuld, worzu derselbe entweder nach der Natur der Handlung oder nach Inhalt des Bedings verbunden ist.

[3, 21, § 5] 50. Also, da Jemand, zu dessen getreuen Handen eine Sache hinterleget worden, solche aus leichter Schuld verderben oder zu Grunde gehen ließe, kann ihme hierinnen kein Verbrechen angeschuldet werden, weilen er nach der Natur der Handlung nur für die große Schuld zu haften hat.

[3, 21, § 5] 51. Die Verfänglichkeit aus Verbrechen erstrecket sich nicht über die Personen Derenjenigen, die verbrochen haben, obschon die Schuldigkeit zum Ersatz des Schadens auch auf ihre Erben gehet. Da aber Mehrere zusammen eines Verbrechens schuldig wären, ist in Absicht auf Leistung der gebührenden Genugthuung der Ersatz des Schadens von der Strafe zu unterscheiden.

[3, 21, § 5] 52. Zum Ersatz des Schadens, wann das Verbrechen aus boshafter Arglist und Gefährde verübet worden, sind Alle sammt und sonders und mit ungeschiedener Hand verbunden, also daß dem Beschädigten freistehet, welchen von ihnen derselbe um den ganzen Betrag belangen wolle; doch was Einer hierauf bezahlet, kann von denen Uebrigen nicht mehr geforderet, sondern nur der Abgang erholet werden.

[3, 21, § 5] 53. Wo aber das Verbrechen nicht aus Arglist, sondern blos auch Schuld Mehrerer herrührete, so ist der Betrag der Entschädigung unter Alle gleich zu theilen, also daß ein Jeder nur für seinen Antheil zu haften habe, wann nicht dieselbe sich durch ein Beding mit ungeschiedener Hand verbunden haben.

[3, 21, § 5] 54. Zur Strafe hingegen ist Jeder insonderheit verbunden; dann so viel Verbrechere sind, so viele sind es auch Verbrechen. Und dieses Alles hat nach dem obigen Unterschied auch in dem Fall statt, wo ein ganzes Mittel oder Gemeinde in dieser Form und Gestalt sich eines Verbrechens schuldig macht, wovon alle Mitglieder, welche hierein gewilliget und solches gutgeheißen haben, für Mitschuldige zu halten sind.

§. VI.

[3, 21, § 6] 55. Aus dem vorangeführten Grundsatz, daß die Verbindlichkeit aus Verbrechen über die Personen deren Verbrecheren nicht hinausgehe, fließet der andere, daß Niemand aus eines Anderen Verbrechen verbindlich werden könne; es seie

(3-353) dann, daß er dabei selbst mitgewirket und sich auf eine von denen oben im §. II beschriebenen Arten dessen theilhaftig gemacht habe.

[3, 21, § 6] 56. Außer diesem Fall ist Niemand auch für die Verbrechen deren unter seiner Gewalt stehenden Personen verantwortlich; also hat weder ein Herr für seine Knechte, Dienstboten und Unterthanen, weder der Mann für das Weib, noch der Vater für seine Kinder zu haften.

[3, 21, § 6] 57. Es unterwalte dann einer von denen in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. IV., num. 37, ausgenommenen Fällen, wobei dessen eigene Schuld entweder in wissentlicher Gestattung, Auftragung oder Gutheißung ihrer bösen und schädlichen Handlungen oder in wissentlicher Haltung böser und Anderen zu schaden gewohnter Leuten mit unterliese, welche denselben allerdings zu Leistung der gebührenden Genugthuung verbindet.

[3, 21, § 6] 58. Ansonsten, wo kein solcher Umstand hinzugetreten, woraus sich seinerseits eine Schuld ergäbe, obgleich die seiner Gewalt Untergebene in der ihnen aufgetragenen an sich unschädlichen Verrichtung durch Ueberschreitung des Befehls oder anderweite Mißhandlung verbrochen hätten, ist derselbe dafür in nichts verfänglich.

[3, 21, § 6] 59. Doch ist der beschädigte Theil befugt, wegen des ihme von fremden Dienstboten, Unterthanen und Kindern zugefügten Schadens sowohl sich an dem etwan noch in Handen des Herrn befindlichen rückständigen Lohn oder dem unter der Verwaltung des Vaters stehenden eigenen Vermögen deren Kindern zu erholen, als auch deren Anhaltung anzubegehren.

[3, 21, § 6] 60. Würde aber der Herr oder Vater auf das ihm gestellte Ansuchen, sie anzuhalten und zu Gerichts Handen auszulieferen, verweigeren, oder die That gutheißen, oder ihnen, da er von dem begangenen Verbrechen gewußt, zur Flucht oder Verhehlung beförderlich oder behilflich sein, so ladet er andurch die Verbindlichkeit zur Entschädigung aus dem Verbrechen auf sich.

§. VII.

[3, 21, § 7] 61. Die aus Verbrechen dem Beleidigten zu leisten schuldige Genugthuung wird durch dessen Absterben nicht aufgehoben, sondern solche kann nach Maßgebung dessen, was deshalben in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. V, num. 42, geordnet worden, auch von seinen Erben anbegehret werden, woferne es nicht blose persönliche Beschimpfungen und Ehrenhändeln betrifft, die, wann sie nicht noch bei Lebzeiten des Beschimpften angeklaget werden, mit seinem Tode erlöschen.

[3, 21, § 7] 62. Dahingegen bleiben die Erben des Verbrechens nur allein zum Ersatz des Schadens, insoweit die Kräften der Erbschaft zureichen, verbunden, es möge aus dem Verbrechen denenselben etwas zugekommen sein oder nicht; zur Strafe aber können sie nicht verhalten werden, wann gleich solche nur in einer blosen dem Beleidigten gebührenden Geldbuße bestünde, außer ihr Erblasser wäre noch bei seinen Lebzeiten dieses Verbrechens halber gerichtlich belanget worden, oder auch das Verbrechen von solcher Beschaffenheit, daß schon durch die That selbst Hab und Gut des Verbrechers ganz oder zum Theil verwirket worden wäre.

§. VIII.

[3, 21, § 8] 63. Nachdeme das peinliche und bürgerliche Verfahren wider einen Verbrecher auf einen ganz unterschiedenen Endzweck gerichtet sind, maßen jenes die öffentliche, dieses aber die sonderheitliche Genugthuung des Beleidigten zu Absicht hat, als wird auch Eines durch das Andere nicht ausgeschlossen, sondern es kann insgemein wider einen Verbrecher auf beiderlei Art zugleich verfahren werden,

(3-354) wann das Verbrechen also beschaffen ist, daß es zugleich für eine Missethat angesehen werden möge.

[3, 21, § 8] 64. Würde aber zuerst peinlich verfahren und der Beschuldigte des Verbrechens überwiesen und verurtheilt, wirket solches den vollkommenen Beweis in dem bürgerlichen Verfahren, also daß Kläger von aller weiteren Beweisführung des begangenen Verbrechens halber andurch enthoben werde, und lediglich den anforderenden Betrag der Entschädigung, wann solcher nicht schon bei dem peinlichen Verfahren erhoben worden, darzuthun habe.

[3, 21, § 8] 65. In Gegentheil macht das wegen eines Verbrechens vorhergegangene bürgerliche Verfahren, wann gleich der Beklagte durch richterlichen Spruch verurtheilet und dieser in Rechtskräften erwachsen sein würde, keinen vollständigen Beweis in dem nachherigen peinlichen Verfahren, sondern nur eine erhebliche Inzicht zur Untersuchung, und gestalter Dingen nach auch zur peinlichen Frage; dann bei dem peinlichen Verfahren wird eine weit mehrere Klarheit, Verläßlichkeit und Ueberzeugung als nicht bei dem bürgerlichen erforderet.

[3, 21, § 8] 66. Hieraus folget, daß Jener, der in dem peinlichen Verfahren von dem angeschuldeten Verbrechen losgesprochen wird, aus eben diesem Verbrechen mit der bürgerlichen Rechtsforderung nicht mehr belanget werden könne.

[3, 21, § 8] 67. In Widerspiel aber kann durch das bürgerliche Verfahren, obschon der Beklagte von der Klage losgezählet würde, dem peinlichen kein Eintrag geschehen, wann anderweite hinreichende Inzichten vorhanden sind.

[3, 21, § 8] 68. Doch in dem alleinigen Fall deren Ehrenhändeln, wo die hieraus entstehende Rechtsforderung schon auf Rächung der Unbild abzielet, so wie in jenen geringen Verbrechen, worinnen es die Gesetze bei der sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten ohne Verhängung einer öffentlichen Strafe bewenden lassen, kann nicht zugleich bürgerlich und peinlich verfahren werden, sondern Kläger hat sich mit der bürgerlichen Rechtsforderung zu begnügen.

§. IX.

[3, 21, § 9] 69. Die Verbindlichkeit aus Verbrechen zur Entschädigung des Beleidigten erlöschet nicht anderst, als auf diejenige Art und Weis, wodurch die Verbindungen aus Verträgen und Contracten aufgehoben werden, wie solche unten in vierundzwanzigsten Capitel beschrieben wird.

[3, 21, § 9] 70. Die Verbindlichkeit hingegen zu der dem Beleidigten zukommenden Strafe wird in folgenden Fällen vernichtet, als erstens, durch Absterben des Verbrechers, wann er nicht noch bei seinen Lebzeiten deshalben gerichtlich belanget worden; zweitens, durch Vergleich, Erlassung oder sonstige Verzicht des Beleidigten; drittens, durch Verlauf eines Jahres von dem Tag des verübten Verbrechens, er wäre dann durch erweisliche, rechtmäßige Ehehaften an Einbringung der Klage unter diesem Jahreslauf verhinderet worden. Ob und wann aber durch Verjährung das peinliche Verfahren ausgeschlossen werde, hierinnen giebt die peinliche Gerichtsordnung Ziel und Maß.


(3-355) Zweiter Artikel.

Von denen an Jemands Person ausübenden Verbrechen.

§. X. Von denen verschiedenen Gattungen deren an Jemands Person ausübenden Verbrechen §. XI. Von der Verbindlichkeit aus Todtschlägen und Verwundungen. §. XII. Von der aus Menschenraub, gewaltsamer oder arglistiger Entführung, widerrechtlicher Aufhaltung und eigenmächtiger Gefängnuß entstehenden Verbindlichkeit. §. XIII. Von der Verbindlichkeit aus Ehebruch und Nothzucht.

§. X.

[3, 21, § 10] 71. Deren wider Jemands Person begehenden Verbrechen sind dreierlei Gattungen; dann entweder wird andurch an Leib und Leben geschadet, oder die natürliche Freiheit beschränket, oder die häusliche Ehre beleidiget.

[3, 21, § 10] 72. Von der ersteren Gattung sind Todtschläge und Verwundungen; von der zweiten Menschenraub, Entführung, widerrechtliche Anhaltung und eigenmächtige Gefängnuß; von der dritten, Ehebruch und Nothzucht, welche alle nebst der Verfänglichkeit zur öffentlichen Strafe auch die Verbindlichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten wirken, die nach Gestalt eines jeden Verbrechens in den nachfolgenden §§. bestimmet wird.

§. XI.

[3, 21, § 11] 73. Ein Mörder und Todtschläger, die Entleibung möge vorsätzlich und hinterlistig oder mit Wissen und Willen, oder auch nur aus sträflicher Unachtsamkeit

(3-356) geschehen sein, ist über die wider ihn verhängte öffentliche Strafe zur sonderheitlichen Genugthuung schuldig, nicht allein die für den Stand und Würde des Entleibten geziemende Begräbnuß-Unkosten zu tragen, sondern auch dessen nachgelassenen Weib und Kindern, wann diese Letztere noch in seinem Brod gewesen, ihren standesgemäßen Unterhalt, welchen der Entleibte sonst herzugeben pflegen oder worzu er verbunden ware, in derjenigen Maß, wie solche durch richterliches Ermessen bestimmet werden wird, abzureichen.

[3, 21, § 11] 74. Zu welchem Ende so vieles aus dem Vermögen des Todtschlägers hergenommen werden solle, als der Richter nach Verschiedenheit des Standes hierzu genug zu sein befinden wird. Dieser Betrag nun ist in dem Fall eines mit Vorsatz oder doch mit Wissen und Willen begangenen Todtschlags dem Weib und Kindern zu gleichen Theilen eigenthümlich zuzuwenden.

[3, 21, § 11] 75. Wo aber der Todtschlag nur aus sträflicher Unachtsamkeit herrührete, gebühret von diesem Betrag bloß die Nutznießung dem Weib für die Zeit ihres Wittibstands und denen Kindern bis zu ihrer erreichten Großjährigkeit zu gleichen Theilen; das Eigenthum hingegen bleibet dem Todtschläger.

[3, 21, § 11] 76. Von dieser Verbindlichkeit wird derselbe auch nicht entlediget, obschon der Entleibte nicht gleich, sondern erst in einiger kurzen oder längeren Zeit darnach verstorben, wann nur durch rechtsbewährte Zeugnussen erfahrener Aerzten erprobet werden mag, daß der Tod aus der beigebrachten Verwundung ohnerachtet einer längeren Zwischenzeit, als sonst in der peinlichen Gerichtsordnung ausgesetzet ist, jegleichwohlen nothwendig erfolget seie, in welchem Fall der Verwundende noch über all Obiges die obschon vergeblich angewendete Heilungsunkosten zu erstatten hat.

[3, 21, § 11] 77. Nebstdeme solle ein Todtschläger aller derenjenigen Wohlthaten, die ihme von dem Entleibten durch Schankung oder Erbschaft zugeflossen oder zufließen können, unwürdig und verlustig sein, und alles dieses denen Erben des Entleibten mit Ausschließung des Todtschlägers zukommen.

[3, 21, § 11] 78. Da aber ein Todtschläger rechtsflüchtig wäre, und sich auf die an ihn ergangene Ladung in der anberaumten Zeit zu Gericht nicht gestellen würde, solle jegleichwohlen aus seinem Vermögen die oben ausgemessene Schadloshaltung hergenommen werden; wie hingegen wider einen solchen weiter zu verfahren sein, wird in der peinlichen Gerichtsordnung vorgeschrieben.

[3, 21, § 11] 79. Wäre jedoch der Entleibte keine freie Person, sondern ein Unterthan gewesen, so solle auch noch besonders die Herrschaft wegen dieses ihr entfallenen Unterthans nach einer jeden Landesverfassung, oder wo diese nichts Gewisses ausmäße, mit so viel als nach richterlichen Befund die ihr andurch entgangenen Dienste geschätzet werden mögen, aus dem Vermögen des Todtschlägers entschädiget werden.

[3, 21, § 11] 80. Desgleichen erwachset aus vorsätzlicher, muthwilliger oder durch sträfliche Unachtsamkeit sich ereignender Verwundung die Verbindlichkeit sowohl zu Ersetzung deren erweislich aufgewendeten Heilungsunkosten, als auch zu Erstattung des nach richterlichen Ermessen zu bestimmen kommenden Gewinns oder Verdienstes, dessen der Verwundete andurch beraubet worden oder in Zukunft deswegen verlustig sein müsse.

§. XII.

[3, 21, § 12] 81. Diejenigen, welche boshafter Weise Menschen wider ihren Willen mit Gewalt oder Arglist wegen eines Gewinns, Nutzens oder sonstiger bösen Absicht entführen, sind über die verwirkte öffentliche Strafe dem Entführten Alles, was er unter der Zeit, als derselbe seiner Freiheit beraubet ware, sich hätte erweislich erwerben oder verdienen können, nebst der durch richterliche Ausmessung zu bestimmen habenden Schätzung der erlittenen Unbild zu ersetzen schuldig, und können außerdeme auch Jenes, was sie dem Entführten, um ihn zur Einwilligung in seine Entführung zu bewegen, gegeben, nicht mehr zurückforderen.

[3, 21, § 12] 82. Wo aber die Entführung mit Willen des Entführten geschieht, hat zwar die sonderheitliche Genugthuung nicht statt, doch bleiben Diejenigen, welche Unsere Unterthanen zu eigenmächtiger Austretung aus Unseren Staaten verleiten, überreden, anreizen oder gar zu fremden Diensten anwerben oder ihnen sonst hierzu Vorschub geben und beförderlich sein, der Strafe unterworfen, die in Unserer peinlichen Gerichtsordnung wider derlei Verführer verhänget wird.

[3, 21, § 12] 83. In Entführung wohlverhaltener Weibspersonen, sie seien Jungfrauen, Eheweiber oder Witwen, wider Willen des Vaters, Vormunds, Manns oder unter wessen Gewalt und Obsicht dieselben stehen, wann die Entführung ohne ihrer Einwilligung mit Gewalt oder boshafter List geschieht, wird sowohl der Entführer als Jener, der zu diesem Raub auf was immer für Weise behilflich ist, außer der darauf ausgemessenen öffentlichen Strafe des dritten Theils seines Vermögens verlustig, welcher der Beraubten zugesprochen werden solle, sie möge von ihme geschändet worden sein oder nicht; woferne aber die Einwilligung der Entführten in ihre Entführung erweislich wäre, höret auch die sonderheitliche Genugthuung wegen der Entführung auf.

[3, 21, § 12] 84. Der eine freie Person wider ihren Willen widerrechtlich aufhält oder gar ohne hierzu habender Befugnuß bei sich eigenmächtig in Gefangnuß einschließet, ist derselben alle erweisliche Versaumnuß sammt billigmäßiger Schätzung der zugefügten Unbild zu ersetzen schuldig. Wegen Aufhaltung fremder Unterthanen aber lassen Wir es bei deme bewenden, was deshalben nach einer jeden Landesverfassung hergebracht ist.

§. XIII.

[3, 21, § 13] 85. In Ehebruch verlieret nicht nur allein der schuldige Theil zur sonderheitlichen Genugthuung des Unschuldigen Alles, was ihme aus dem Heiratsbrief gebühret hätte, sondern er ist auch das hierauf Empfangene zurückzustellen schuldig, und wird deren Heiratssprüchen (!) halber Alles in denjenigen Stand versetzet, als ob durch den Tod des schuldigen Theils die Ehe aufgelöset worden wäre.

[3, 21, § 13] 86. Es kann dahero derselbe weder aus der Verlassenschaft des Unschuldigen den ihme in Ermanglung eines Heiratsbriefs sonst gebührenden ehegattlichen Antheil anforderen, noch ist auch der unschuldige Theil verbunden, ihme einen Unterhalt abzureichen; es könnte dann der schuldige Theil erweisen, daß ihme entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch die nachherige eheliche Beiwohnung sein Vergehen anwiederum erlassen worden.

[3, 21, § 13] 87. Nicht weniger wird diejenige Person, die sich mit einem fremden Ehegatten vergangen, aller Wohlthaten verlustig, die ihr von dem unschuldigen Theil durch Schankung oder Erbschaft zukommen oder zukommen können.

[3, 21, § 13] 88. Denen Kindern aber schadet der Ehebruch der Mutter an der Rechtmäßigkeit ihrer ehelichen Geburt nicht, wann nur durch längere Abwesenheit des Ehemanns die Vermuthung der ehelichen Erzeugung nicht ausgeschlossen werden mag; dann in diesem Fall ist das Kind für unehelich zu halten und Derjenige, der mit einem fremden Eheweib den Ehebruch begangen, woraus das Kind erzeuget worden, solches zu ernähren und zu unterhalten schuldig.

[3, 21, § 13] 89. In Nothzucht wird Jener, der eine ehrliche Jungfrau, Eheweib oder Witwe mit Gewalt schändet, des dritten Theils seines Vermögens verlustig, welches der Geschändeten zu ihrer Genugthuung zugewendet werden solle.

[3, 21, § 13] 90. Der aber eine ledige Weibsperson mit ihren Willen schwächet, ist schuldig, entweder sie zu ehelichen oder ein nach dem Stand des Vaters und nach dem Betrag, was dieser seiner Tochter sonst mitgegeben haben würde, oder, da er arm und unbemittelt wäre, nach dem Stand der Geschwächten durch richterlichen Befund abgemessenes Heiratsgut abzureichen.

(3-358) [3, 21, § 13] 91. Er hat dahero insgemein die Auswahl, ob er das Eine oder das Andere erfüllen wolle, und gehöret der Punkt der Ehe zu dem geistlichen, die Ausmessung des Heiratsguts aber zum weltlichen Gericht. Wo er jedoch die Ausstattung der von ihme Geschwächten gewählet hätte, haben auch ihre Erben das Recht, solche zu forderen, obschon dieselbe noch vor einer sich ergebenden Heirat (!) verstorben wäre.

[3, 21, § 13] 92. Die Auswahl der Ausstattung hingegen höret auf, wann er entweder kein Vermögen besitzet oder ihr die Ehe versprochen und die also in Hoffnung künftiger Ehe geschwächet hätte, in welchen Fällen er mit ihr die Heirat zu vollziehen verbunden, und da er sich dessen weigerete, die Erkanntnuß hierüber lediglich zu dem geistlichen Gericht gehörig ist.

[3, 21, § 13] 93. In Gegentheil hat die Auswahl der Eheligung nicht statt, wo die Geschwächte schon vorhero mit einem Anderen versprochen gewesen wäre, der sie ohnerachtet ihrer Schwächung jegleichwohlen eheligen wollte, oder ihr Vater die Heirat mit deme, der sie geschwächet hat, aus solchen beträchtlichen Ursachen, welche sonst zur Auflösung eines ehelichen Versprechens denen Rechten nach zureichend wären, nicht zugeben wollte, wo dann der Schwächende lediglich zur Ausstattung verbunden bleibet.

[3, 21, § 13] 94. Würde sich aber die Geschwächte ohne erheblich findender Ursach weigeren, ihn zu eheligen, oder zu der Unzucht selbst Gelegenheit gegeben, oder dafür etwas angenommen, oder ihme die Genugthuung erlassen haben, wird er auch von aller Verbindlichkeit gegen dieselbe entlediget.

[3, 21, § 13] 95. Doch ist derselbe noch in alle Wege schuldig, sowohl die Kindbettsunkosten, als die Ernährung und Unterhaltung des Kinds, wie auch, da dieses verstürbe, die Begräbnußunkosten zu bestreiten, und da er auf die Unterhaltung oder Versorgung des Kinds eine Summe überhaupt gegeben oder zu geben versprochen hätte, fallt solche nach Absterben des Kinds der Mutter allein zu.

[3, 21, § 13] 96. Und diese Verbindlichkeit zu Unterhaltung des Kinds lieget auch in allen anderen fleischlichen Verbrechen, als Blutschand, gotteslästerlichen Schändungen und der gemeinen Hurerei, worinnen der Geschwächten keine Genugthuung gebühret, dem erweislichen Vater ob.

Dritter Artikel.

Von denen zum Abbruch fremder Rechten und Gütern gereichenden Verbrechen.

§. XIV. Von denen verschiedenen Gattungen deren Jemanden an seinen Rechten, Hab und Gut schadenden Verbrechen. §. XV. Von arglistiger Entfremdung. §. XVI. Von unrechtmäßiger Gewalt. §. XVII. Von Zufügung allerlei Schadens. §. XVIII. Von der zu Abwendung eines befahrenden Schadens gebührenden Rechtshilfe. §. XIX. Von Betrug und Arglist. §. XX. Von allerlei zu Benachtheiligung fremder Gerechtsamen gereichenden Handlungen.

§. XIV.

[3, 21, § 14] 97. Die Jemanden an seinen Rechten, Hab und Gut schadenden Verbrechen bestehen aus fünf Gattungen, als erstens, in arglistiger Entfremdung, worunter

(3-359) Diebstähle, Entwendung des ehegattlichen Vermögens, Beraubung der Erbschaft, Verhehlung gestohlener Sachen, Eingriffe, Unterschlagung und Veruntreuung öffentlicher, gemeiner oder sonst auch fremder anvertrauten Gelder begriffen sind.

[3, 21, § 14] 98. Zweitens in unrechtmäßiger Gewalt, wohin der Raub, Beraubung deren Gräbern, gewaltsame Antastung und Ueberfall, eigenmächtige Thathandlung und Anmaßung fremder Gerechtsamen, ungebührliche Abschreckung und widerrechtliche Abnöthigung gehören.

[3, 21, § 14] 99. Drittens, in Zufügung allerlei Schadens, wodurch alle entweder durch sich selbst oder durch Andere auf was immer für Art aus Gefährde oder Schuld an fremden Gut verursachende Beschädigung angedeutet wird.

[3, 21, § 14] 100. Viertens, in Betrug und Arglist, worunter alle Arten von Betrügereien, Falschheiten, Gefährden und Arglistigkeiten enthalten sind, die auf Jemands Benachtheiligung und Verkürzung abzielen.

[3, 21, § 14] 101. Fünftens, in allerlei zu Bekränkung fremder Gerechtsamen gereichenden Handlungen, als Bestechung des Richters, Umtriebe und Verläumdungen, Einverständnuß eines Rechtsfreunds mit dem Gegentheil, Verhehlung deren Missethätern, verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Verführung fremder Kinder, Dienstboten und anderer Jemands Gewalt oder Obsorge untergebenen Personen.

§. XV.

[3, 21, § 15] 102. In Diebstählen muß das entfremdete Gut dem Eigenthümer oder Jenem, der sonst hierzu eine Befugnuß hat und sich behörig ausweiset, wann es

(3-360) noch vorhanden ist, oder da es schon verthan, oder auch durch Zufall zu Grund gegangen wäre, dessen Werth, wie solchen derselbe eidlich erhärtet, nebst völligem Ersatz des etwan noch sonst durch den Diebstahl zugefügten Schadens, dann allen Zugehörungen mit denen davon noch vorhandenen, behobenen und zu beheben unterlassenen Nutzungen, oder da es auf Erstattung des beschworenen Werths oder entwendeten baaren Gelds ankäme, mit denen von dem Tag der Entfremdung an laufenden Interessen zuruckgestellet werden, wann der Dieb so vieles in Vermögen hat.

[3, 21, § 15] 103. Es bedarf auch der Beschädigte keiner besonderen Rechtsforderung, sondern wo der begangene Diebstahl erweislich ist, und derselbe sich zu dem gestohlenen Gut der Erfordernuß nach ausweisen kann, ist der Richter von amtswegen schuldig, ihme zu seiner vollständigen Entschädigung zu verhelfen, und das bei dem Dieb oder einem wissentlichen Verhehler vorgefundene gestohlene Gut sogleich ohne allem Entgelt auszufolgen.

[3, 21, § 15] 104. Wie es aber in jenem Fall zu halten seie, wo Derjenige, bei deme ein gestohlenes Gut betreten wird, solches rechtmäßig an sich gebracht zu haben darzuthun vermag, ist bereits in zweiten Theil erkläret worden.

[3, 21, § 15] 105. Zwischen Eheleuten, Eltern und Kindern und denen nächsten Blutsfreunden bis auf den vierten Grad wird eigentlich kein Diebstahl begangen, sondern wo unter solchen Personen Einer dem Anderen etwas entfremdete, heißet es bloß eine Entwendung, und gleichwie solche nach Unserer peinlichen Gerichtsordnung nicht mit der auf die Diebstähle ausgesetzten ordentlichen, sondern nur mit einer willkürlichen Strafe beleget wird, also können auch dergleichen Personen sich untereinander zur sonderheitlichen Genugthuung keines Diebstahls halber anklagen, sondern

(3-361) lediglich die Zurückstellung des Entwendeten oder dessen Ersatz nach dem erweislichen Werth anverlangen.

[3, 21, § 15] 106. Desgleichen kann ein Miterb, welcher aus der noch ungetheilten Verlassenschaft Etwas entwendet, keines Diebstahls halber belanget werden, sondern dieser ist schuldig, das Herausgenommene anwiederum einzubringen, oder sich an seinem Antheil abziehen zu lassen, und da der Werth des Entwendeten solchen überstiege, das Uebrige herauszugeben. Wo aber ein Dritter aus einer noch unangetretenen Erbschaft etwas entfremdete, wird das Verbrechen eigentlich eine Beraubung der Erbschaft genannt, und es ist ein Solcher wie ein anderer Dieb anzusehen.

[3, 21, § 15] 107. In Verhehlung gestohlener Sachen ladet der wissentliche Verhehler die Verfänglichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung wie der Dieb selbst, doch mit dem Unterschied auf sich, daß, wo er zugleich ein Mitgehilf des verübten Diebstahls gewesen, ebenso wie der Dieb für Alles, was durch diesen Diebstahl entfremdet worden, ohne Rücksicht, ob er viel oder wenig davon bekommen, zu haften, daferne er aber von dem Diebstahl ohne selbsteigener Mitwirkung nur allein Wissenschaft gehabt hätte, lediglich Jenes, was hiervon zu seinen Handen gekommen, zu erstatten oder zu ersetzen habe.

[3, 21, § 15] 108. Doch solle Niemanden erlaubet sein, eigenmächtige Haussuchungen in fremden Wohnungen zu Erforschung seines gestohlenen Guts, wann ihme solches der Hausinhaber oder Inwohner nicht gutwillig gestattet, vorzunehmen; sondern wann Jemand sattsame Anzeigen oder Inzichten, daß das gestohlene Gut irgendwo verhehlet seie, zu haben vermeinet, hat er solche bei Gericht anzugeben, welchem allein zukommt, nach deren reifer Erwägung und bei Befund, daß man sich der Missethat zu der beschuldigten Person versehen könne, auf Gefahr des Angebers derlei Haussuchungen zu veranlassen.

[3, 21, § 15] 109. Die Entwendung öffentlicher Gelder, wann sie von Jemanden entfremdet werden, deme sie nicht anvertrauet worden, ist wie ein anderer Diebstahl zu achten. Wo aber solche von Jenen, denen sie auf Verrechnung oder pachtweise übergeben und anvertrauet worden, entwendet, unterschlagen, vorenthalten, zu eigenen oder anderen Gebrauch verwendet oder sonsten, wie es immer geschehen möge, veruntreuet würden, schlaget eine solche Missethat in das Laster der Untreue und gestalter Dingen nach, wann der untreue Beamte hierzu eigends beeidet gewesen wäre, auch in den Meineid ein; doch ist so ein- als anderen Falls der Ersatz des Entwendeten nebst denen von dem Tag der Entwendung oder Unterschlagung davon vertagten Zinsen zu leisten.

[3, 21, § 15] 110. Es sollen aber unter öffentlichen oder Gemeingeldern nicht allein Unsere eigene landesfürstliche Gefälle, Renten und Einkünften, sondern auch Regiments-, ständische, kreisamtliche und unterthänige Steuergelder, wie nicht weniger jene deren Städten und Märkten, auch anderer Gemeinden, dann deren Gotteshäusern, Bruderschaften, Spitälern, Invaliden-, Armen- und Waisenhäusern oder anderen dergleichen milden Stiftungen verstanden sein.

[3, 21, § 15] 111. Nicht weniger sind Jene, deren Obsorge fremdes Geld und Gut anvertrauet ist, als Befehlshabere, Vormundere oder Gerhaben und Curatores, wie auch Diejenigen, bei denen etwas hinterleget oder zum Gebrauch ausgeliehen oder verpfändet worden, nicht minder Boten, Fuhrleute und Andere, denen was zu verführen oder zu übertragen aufgegeben worden, das von ihnen Veruntreute oder Unterschlagene und zu eigenen oder anderen Nutzen Verwendete mit allen davon vertagten Zinsen zu ersetzen schuldig.

§. XVI.

[3, 21, § 16] 112. Die zweite Gattung, deren Jemand an seinen Rechten, Hab und Gut schadenden Verbrechen sind Jene, welche von unrechtmäßiger Gewalt herrühren.

(3-362) Die Gewalt ist in diesem Verstand nichts Anderes, als ein stärkerer Anfall, deme nicht widerstanden werden kann.

[3, 21, § 16] 113. Daß aber dieselbe für ein Verbrechen geachtet werden könne, muß sie unrechtmäßig sein, das ist entweder von Jemanden, der über den Anderen gar keine Gewalt hat, zugefüget, oder doch, wann er eine hat, mißbrauchet werden. Also kann Jener, welcher durch den Zwang Rechtens zu Bezahlung der Schuld angehalten worden, sich über keine Gewalt beschweren; dahingegen, wo ein Richter seine Gewalt um Jemanden, was er nicht schuldig ist, abzunöthigen, widerrechtlich mißbrauchete, ist eine solche Thathandlung allerdings eine unrechtmäßige Gewalt.

[3, 21, § 16] 114. Rechtmäßig im Gegentheil ist die Gewalt, welche wider einen unbefugten Anfall zu Abwendung eines zufügen wollenden Schadens oder Beleidigung gebrauchet wird, wann man dabei die gehörige Maß der unbeschuldeten Nothwehr nicht überschreitet; dann Jedermann ist berechtiget zu Vertheidigung seiner Person und Guts Gewalt mit Gewalt abzutreiben. Wider die obrigkeitliche und richterliche Gewalt aber ist keine Vertheidigung zulässig, sondern diese wäre eine sträfliche Widersetzung.

[3, 21, § 16] 115. Die unrechtmäßige Gewalt wird in die öffentliche und sonderheitliche eingetheilet. Jene störet den gemeinen Ruhestand und die öffentliche Sicherheit; durch diese aber wird nur Jemanden in Sonderheit geschadet.

[3, 21, § 16] 116. Beide verbinden in Absicht auf die sonderheitliche Genugthuung zum Ersatz des zugefügten Schadens und Zuruckstellung des Abgenommenen und kann einerlei Gewalt nach Beschaffenheit deren Umständen sowohl für öffentlich als sonderheitlich geachtet werden. Insoweit es aber eine öffentliche Vergewaltigung ist, erheischet die That noch über das eine öffentliche Genugthuung durch Verhängung der darauf ausgesetzten Strafe; dahingegen wird die andere, wann kein größeres Verbrechen hinzutritt, insgemein mit einer dem Beleidigten zukommenden Geldbuße bestrafet.

[3, 21, § 16] 117. Die Arten, womit eine Gewalt verübet wird, sind sechserlei, als entweder durch Beraubung, Entsetzung, Störung, Antastung, Beunruhigung oder Abnöthigung. Zur ersten Art der Vergewaltigung gehöret der Raub und ist der Rauber zur sonderheitlichen Genugthuung schuldig, das geraubte Gut mit allen Zugehörungen und Nutzungen, oder da solches nicht mehr vorhanden wäre, dessen Werth mit denen Zinsen von dem Tag des begangenen Raubs zu erstatten.

[3, 21, § 16] 118. Wo aber zur Zeit einer Feuersbrunst, Wassersnoth, Schiffbruchs, Aufruhrs oder sonstigen gemeinsamen Nothstandes, wo die Nothleidenden nur auf Rettung ihres Lebens bedacht sind, ein Raub, obgleich ohne Vergewaltigung, verübet würde, hat es zwar bei der vorausgemessenen sonderheitlichen Genugthuung sein Bewenden, die Strafe hingegen ist denen Umständen nach zu verschärfen.

[3, 21, § 16] 119. Von dieser Art ist auch weiters die Beraubung deren Gräbern, und hat Derjenige, der sich an todten Körpern vergreifet und solche beraubet, über die verwirkte öffentliche Strafe den oben ausgemessenen vollständigen Ersatz des Geraubten zu leisten.

[3, 21, § 16] 120. Von der zweiten Art ist die Gewalt, wodurch Jemand von dem Besitz eines liegenden Guts entsetzet, verdrungen, verstoßen und vertrieben wird, welcher aber sogleich anwiederum durch richterliche Hilfe nach schleuniger Erkanntnuß der Vergewaltigung in den vorigen Besitz eingesetzet und der Vergewaltiger zum Ersatz aller entgangenen Nutzungen, dann erweislichen Schäden und Unkosten angehalten werden solle, wie davon in zweiten Theil, von dem Recht des Besitzes das Mehrere geordnet worden.

[3, 21, § 16] 121. Da aber Jemand seine eigene Sachen dem Anderen, zu dessen Handen sie auf rechtmäßige Weise gekommen, folglich der nicht selbst der Dieb oder Rauber oder ein Mitgehilf oder ein wissentlicher Verhehler wäre, mit Gewalt hinwegnähme oder hinwegrisse, verlieret derselbe das Eigenthum einer solchen Sache und ist sie Demjenigen, welchem er sie mit Gewalt abgenommen, auszuantworten schuldig.

(3-363) [3, 21, § 16] 122. Desgleichen wird ein Glaubiger, welcher sich gewaltsamer Weise aus dem Gut seines nicht rechtsflüchtigen Schuldners bezahlt machen will und sich dasselbe eigenmächtig zueignet, nebst schuldiger Erstattung des Abgenommenen der Schuld verlustig.

[3, 21, § 16] 123. Eben also solle Jener, der sich in ein liegendes Gut, dessen Eigenthum oder sonst hieran forderendes dingliches Recht strittig ist, vor Ausgang des Rechtsstritts eigenmächtig einführet, und mit Gewalt den Besitz ergreifet, all sein hieran habendes Recht nebst Erstattung aller behobenen Nutzungen und erweislichen Schäden und Unkosten verlieren.

[3, 21, § 16] 124. Woferne aber Jemand aus seinem eigenthumlichen Gut, in dessen rechtlichen Besitz sich derselbe befindet, einen Anderen, der in solches nicht gerichtlich eingeführet worden, mit Gewalt vertreibet, wird er deshalben des Eigenthums nicht verlustig, obschon er sich andurch wegen gebrauchter Gewalt nach Gestalt der Sache verfänglich machet.

[3, 21, § 16] 125. Von der dritten Art ist die Störung, Beeinträchtigung und Anmaßung fremder Gerechtsamen in der Absicht, sich solche selbst zuzueignen. Diese Art der Vergewaltigung schlagt entweder nach Beschaffenheit deren Umständen in die öffentliche Gewalt ein, und ist über den Ersatz des zugefügten Schadens auch mit einer öffentlichen Strafe zu belegen, oder sie betrifft mindere Fälle, worauf keine öffentliche Strafe ausgesetzet ist, und welche insgemein Hochmuth oder Frevel benamset werden.

[3, 21, § 16] 126. Derlei mindere Vergewaltigungen sind z. B. wann Jemand in des Anderen Wäldern Holz schlagen, in fremden Wiesen mähen, in Flüssen, Bächen oder Behälteren fischen würde, oder da Einer dem Anderen seine Gründe zu betreten verboten hätte, und derselbe, deme sie verboten wären (außer freier Wege und Stege) solcher nicht müßig gehen wollte, oder Jemand auf des Anderen Grund entweder selbst oder durch seine dahin abgeschickte Leute einen Schaden zufügete, oder Jemand eines Anderen Boten schlüge oder ihme die Briefschaften abnehmete und solche ohne billiger Ursach aufbrechete und eröffnete.

[3, 21, § 16] 127. Ueberhaupt aber gehöret unter diese Art der Vergewaltigung alle unbefugte Anmaßung fremder Gerechtsamen, sie mögen von was immer für Beschaffenheit sein und in persönlichen oder dinglichen Rechten bestehen, in welcherlei Fällen der Vergewaltiger schuldig ist, über den Ersatz des erweislichen Schadens und aller Gerichtsunkosten dem Vergewaltigten einhundert Gulden zur Strafe zu erlegen, gleichwie auch dagegen Kläger, wo er die angeschuldete Gewalt nicht erweisen würde, dem Beklagten nebst Erstattung deren Unkosten in eben so vieles verfallen sein solle, welche Geldbuße jedoch nach Beschaffenheit deren Umständen und Personen durch richterliche Erkanntnuß erhöhet werden kann.

[3, 21, § 16] 128. Diese Geldbuße kann jedoch in jenem Fall nicht eingeforderet werden, wann das Verbrechen durch die hinzutretende Umstände also erschweret wird, daß es für eine Missethat anzusehen und dahero mit einer öffentlichen Strafe zu belegen komme, als da Todtschläge, gefährliche Verwundungen, Befehdungen und Absagungen auf Leib und Leben, Empörungen oder Beraubungen mit unterliefen, oder die Vergewaltigung schon für sich selbst ein schärferes Eingehen erheischete, als da fremde Teiche oder Weiher abgegraben, Dämme durchstochen oder Rainsteine, Grenzbäume und Merkzeichen arglistiger Weise veränderet, verrucket, abgethan oder vernichtet würden.

[3, 21, § 16] 129. Von der vierten Art ist die gewaltsame Antastung und Ueberfall, wodurch Jemands Person beleidiget wird, welche, insoweit dieselbe mit Todtschlägen, Verwundungen, Befehdungen und Absagungen vergesellschaftet ist, in das Laster der öffentlichen Gewalt einschlaget, und nicht allein mit öffentlicher Strafe zu belegen ist, sondern auch nach Gestalt der Beleidigung die Verbindlichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung wirket. Außer derlei erschwerenden Umständen aber gehöret (3-364) alle andere zufügende persönliche Unbild unter die Ehrenhändeln, wovon in dem nachfolgenden vierten Artikel gehandelt werden wird.

[3, 21, § 16] 130. Von der fünften Art ist die Beunruhigung in dem Besitz eines Guts oder in dem Genuß deren Jemanden angebührenden Gerechtsamen nicht zwar um sich solche selbst zuzueignen, sondern bloß aus Muthwillen oder Bosheit, um den Anderen zu behelligen, welche aber, da anmit der Besitz eines liegenden Guts oder andere dingliche Rechten beeinträchtiget würden, ebenso wie die obbeschriebene dritte Art der Vergewaltigung anzusehen ist, insoferne hingegen andurch Jemands Person beleidiget wird, unter die Ehrenhändeln gehöret.

[3, 21, § 16] 131. Von der sechsten Art ist endlich die ungebührliche Abschreckung und widerrechtliche Abnöthigung, wodurch Jemand wider seinen Willen Etwas zu thun gezwungen wird, was er mit freien Willen niemal gethan haben würde, in welchem Fall Alles, was solcher Gestalten aus Forcht geschieht, an sich null und nichtig ist und nicht die mindeste Bindungskraft hat.

[3, 21, § 16] 132. Gleichwie aber die dabei gebrauchende Gewalt an Seiten des Vergewaltigers unrechtmäßig, also muß auch dagegen die Forcht an Seiten des Vergewaltigten rechtmäßig sein, worzu Folgendes erforderet wird, als:

[3, 21, § 16] 133. Erstens, daß ein gegenwärtiges, ohnfehlbar gleich bevorstehendes Uebel beforchten werde, darob sich auch der standhafteste Mann entsetzen würde, als der Tod, Entführung, widerrechtliche Einkerkerung, Nothzucht, Schläge, gewaltsame Mißhandlung und Verlust der Güter.

[3, 21, § 16] 134. Zweitens, daß die Forcht aus unrechtmäßiger Ursach vom Demjenigen, deme etwas auf solche Art versprochen oder gegeben worden, entweder durch ihn selbst oder durch Andere auf seine Veranleitung eingejaget werde; überhaupt aber, da die Menschen nach ihren verschiedenen Gemüthsarten mehr oder weniger schreckbar sind, lieget dem Richter ob, nach Beschaffenheit deren Umständen zu beurtheilen, ob die angebliche Forcht rechtmäßig seie oder nicht.

[3, 21, § 16] 135. Eine eitle Forcht ist dahero nicht rechtmäßig, wann entweder das Uebel, was beforchten wird, nicht bevorstehet, oder nur ein bloßer Verdacht und Argwohn eines besorglichen Uebels obhanden ist, oder doch in der Macht des darmit Bedroheten stehet, sich damit zu schützen und solches abzuwenden, oder der Bedrohende die Macht nicht hat, das angedrohete Uebel zuzufügen, oder die Ursach des befahrenden Uebels rechtmäßig ist, oder endlich Derjenige, mit dem auf Veranlassung der von einem Dritten eingejagten Forcht die Handlung getroffen worden, an der Abschreckung gar keinen Theil hat.

[3, 21, § 16] 136. Also sind bloße Drohworte, wann deren Ausführung nicht mit Grund besorget werden kann, außer da wider die Gewalt des Drohenden kein Rettungsmittel übrig wäre und dieser seine Drohungen zu bewerkstelligen pflegete, keine hinlängliche Ursach einer rechtmäßigen Forcht, weilen das angedrohete Uebel noch nicht bevorgestanden.

[3, 21, § 16] 137. Desgleichen, was aus Beisorge der Uebermacht eines Anderen oder aus Ehrerbietigkeit gegen die Eltern oder seine Vorgesetzte geschieht, kann mit keiner rechtmäßigen Forcht entschuldiget werden, wann nicht die Uebermacht oder die Gewalt deren Eltern und Vorgesetzten durch allzu hartes Verfahren, unerlaubten Zwang und sonstige Zudringlichkeiten sich bis zur Ungebühr erstrecket.

[3, 21, § 16] 138. Nicht minder sind Behelligungen, Nachstellungen, Schimpfungen und Ehrenantastungen keine hinlägliche Ursach, weilen wider die eine sich durch gerichtliche Hilfe Ruhe und Sicherheit verschaffet, die Ehre aber Niemanden anderst, als durch die Macht Rechtens benommen werden kann.

[3, 21, § 16] 139. Eben so wenig kann ein Schuldner, der aus Forcht deren angedroheten gerichtlichen Zwangsmitteln die Schuld bezahlet, sich mit einer Forcht entschuldigen, weilen die Ursach rechtmäßig ist, wie dann auch Jener, der aus Forcht eines feindlichen Ueberfalls seine Waaren um ein Geringes verstoßet oder zu Bezahlung


(3-365) des von einem Rauber ihme abgenöthigten Lösegelds solches von einem Dritten ausborget, die Waaren nicht mehr zuruckforderen oder sich von der Schuld entledigen kann, weilen die Abnehmer oder Darleihere seine Forcht nicht verursacht haben, folglich auch hieran keine Schuld tragen.

[3, 21, § 16] 140. Die Forcht bleibet aber doch regelmäßig, wann gleich Demjenigen, der auf unerlaubter That, als in wirklicher Unzucht, Ehebruch, Entfremdung und dergleichen Mißhandlungen betreten würde, etwas mit Gewalt abgenöthiget, erpresset oder abgenommen worden wäre, dann obwohlen Jedermann befugt ist, Lastern zu steueren und die darinnen Betretene anzuhalten, so wird doch nicht gestattet unter diesem Vorwand unerlaubte Erpressungen auszuüben.

[3, 21, § 16] 141. Und wird eine derlei Vergewaltigung noch um so strafbarer, wann eine obrigkeitliche Person ihr aufhabendes Amt darzu mißbrauchet, um etwas von Jemanden widerrechtlich zu erpressen oder sich an seinem Feind zu rächen.

[3, 21, § 16] 142. Wann nun die Forcht also beschaffen ist, solle Alles, was aus einem solchen Zwang gehandlet worden, null und nichtig, folglich nicht allein das aus Forcht abgenöthigte Versprechen, Zusage oder Verschreibung ganz und gar ungiltig sein und von dem Vergewaltigten widerrufen, sondern auch das widerrechtlich Abgenöthigte, Erpreßte oder Abgenommene mit allen Zugehörungen, Zugängen und Nutzungen oder dessen eidlich geschätzter Werth mit denen von dem Tag der Abnöthigung davon vertagten Zinsen zuruckgefordert werden können.

[3, 21, § 16] 143. Es muß aber der Vergewaltigte längstens binnen sechs Wochen von der Zeit an zu rechnen, wo er in Freiheit gesetzet worden, die Gerichtshilfe ansuchen, seine Klage eingeben, oder da der Vergewaltiger nicht zu Stand Rechtens zu bringen wäre, binnen dieser Zeit sich wider alle aus einer solchen abgezwungenen Handlung über kurz oder lang wider ihn erregen mögende Ansprüche und Forderungen bei Gericht verwahren und so ein- als anderen Falls die ihme zugefügte Vergewaltigung und daher erleidenden Schaden behörig erweisen; wo jedoch derselbe unter dieser Zeit verstürbe, wird denen Erben von dem Tag seines Todes noch ein Jahr hierzu verstattet.

[3, 21, § 16] 144. Nach Verlauf dieser ausgemessenen Fristen hingegen solle keine Gewaltsklage mehr zugelassen, sondern Alles, was aus Zwang oder Forcht geschehen zu sein vorgegeben werden will, für freiwillig gutgeheißen und genehmiget geachtet werden; woferne aber Jemand seine eigenthümliche Sache dem Anderen, zu dessen Handen sie auf rechtmäßige Weise gekommen, oder ein Glaubiger seinem Schuldner die Bezahlung der Schuld durch derlei unerlaubte Zwangsmitteln abschrecken oder abnöthigen würde, solle es in solchem Fall eben also gehalten werden, wie es oben num. 121 und 122 von gewaltsamer Abnehmung eigener Sachen geordnet worden.

§. XVII.

[3, 21, § 17] 145. Die dritte Gattung deren zum Abbruch und Schmälerung fremder Rechten, Hab und Guts gereichenden Verbrechen bestehet in dem hieran auf was immer für Art und Weis zugefügten Schaden; was aber unter dem Schaden überhaupt verstanden werde, ist bereits oben im ersten Artikel, von Verbrechen insgemein, §. V, von num.46 bis 50, erkläret worden.

[3, 21, § 17] 146. In diesem weiten Begriff enthaltet zwar der Schaden alle Arten der Beschädigung, sie geschehe durch Entfremdung, Beraubung, Betrug oder Verletzung und Verderbung deren Sachen; hier aber wird nur von jener gehandlet, wodurch Sachen verletzet, verdorben, verringeret oder geschmäleret werden, und also eine besondere von denen übrigen Arten der Beschädigung unterschiedene Gattung des Verbrechens angedeutet wird.

[3, 21, § 17] 147. Daß jedoch eine solche Beschädigung für ein Verbrechen geachtet werden möge, ist erforderlich erstens, damit an des Anderen Gut wirklich ein Schaden

(3-366) geschehen seie; dann, wo Jemand seine eigene Sachen beschädiget, ist er in nichts verantwortlich, außer insoweit ein Anderer hieran ein Recht hätte, welches andurch geschmäleret würde, als da der Eigenthümer einer Sache, wovon dem Anderen der Fruchtgenuß gebühret, solche zu dessen Verkürzung, oder ein Fideicommißbesitzer das Gut zum Schaden deren Anwarteren, oder ein Schuldner die verpfändete Sache zum Nachtheil des Glaubigers verdorben hätte.

[3, 21, § 17] 148. Zweitens, daß der Schaden aus Unbill des Beschädigenden und ohne selbst eigener Schuld des Beschädigten zugefüget worden seie, wodurch sich dieses Verbrechen von denen Schäden, die von fremden Vieh oder unbelebten Dingen widerfahren, unterscheidet, als welche keiner Unbill fähig sind, und eben dahero ist eine solche Beschädigung kein wahres Verbrechen, sondern wird nur für ein Verbrechen geachtet und hiervon in dem folgenden zweiundzwanzigsten Capitel eigends gehandlet.

[3, 21, § 17] 149. Wo aber die selbsteigene Schuld des Beschädigten mitunterwaltet, als da der Angreifende von dem angegriffenen Theil verwundet würde, obschon dieser dabei die Grenzen der unbeschuldeten Nothwehr überschritten hätte, kann er deshalben an dem Beschädigenden keinen Anspruch zur sonderheitlichen Genugthuung machen; dann den Schaden, den Jemand aus eigener Schuld leidet, obgleich solcher durch unerlaubte Thathandlung des Anderen zugefügt worden, hat er billig selbst zu tragen.

[3, 21, § 17] 150. Eben also ist in jenem Fall, da der Verwundete aus eigener Schuld und Nachlässigkeit die nöthige Heilungsmitteln anzuwenden unterlassen und aus eigener Verwahrlosung sich den Tod zugezogen haben würde, der Verwundende nur für die Verwundung, nicht aber für einen Todtschlag verfänglich, wann nicht erweislich ist, daß der Tod unfehlbar von der Wunden erfolgen müssen.

[3, 21, § 17] 151. Unter der Unbill des Beschädigenden wird sowohl dessen Gefährde und vorsätzlicher Willen zu schaden, als dessen große und leichte Schuld, nicht aber auch die leichteste verstanden, außer in dem oben §. V, num. 47, bemerkten Fall, und ist bereits in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. IX, num.101, erinneret worden, daß eine Schuld sowohl in Ausübung dessen was sich nicht zu thun geziemet, als in Unterlassung Desjenigen, was Jemanden zu thun oblieget, bestehe.

[3, 21, § 17] 152. Jene Schäden aber, welche rechtmäßiger Weise oder aus ungefähren Zufall geschehen, sind keine Verbrechen. Welche rechtmäßig sind, ist schon §. V, num. 48, erwähnet worden; für zufällig hingegen werden alle Beschädigungen gehalten, wann deme, von welchem sie zugefüget worden, nichts beigemessen werden kann, als da Jemanden von einem Kind, Rasenden oder Wahnwitzigen oder von einem wilden Thier geschadet würde, woferne nicht Diejenigen, denen die Obsorge und Verwahrung darüber obliegt, hieran Schuld tragen.

[3, 21, § 17] 153. Eben so wenig ist der Beschädigende verfänglich, wann der Beschädigte sich selbst der Gefahr ausgesetzet und den Schaden aus eigener Schuld zugezogen, als da Jemand bei einer Schießstatt oder sonst einen anderen zu Feuergewehrsübungen gewidmeten Platz zur Zeit des Schießens, oder bei einem Haus oder Baum, wovon etwas herabgeworfen oder abgehauen würde, ohnerachtet der Warnung und Anschreiens vorüber gienge und verwundet, erschossen oder erschlagen würde, oder jemand sich und seine Sachen einem wissentlich betrunkenen Fuhrmann oder Schiffer, da es noch in seiner Macht gestanden sich einen anderen auszuwählen, anvertrauete und darüber zu Schaden käme.

[3, 21, § 17] 154. Damit also Jemanden eine Schuld zugemuthet werden möge, muß der Schaden aus seiner Unvorsichtigkeit, Nachlässigkeit, sträflicher Einfalt, Unverstand oder Unerfahrenheit entstanden sein, als z.B. aus Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit, wann Jemand aus einem Hause auf offene Straßen, ohne die Vorübergehende zu warnen oder anzuschreien, etwas herabwirft oder ausgießt oder ein schädliches

(3-366) Thier ohne der nöthigen Vorsicht auf der Straßen führet oder treibet, welches die Leute beschädigen würde, oder in solchen Orten hielte, wo es Anderen schaden könne, oder Jemand Licht und Feuer verwahrlosete, wodurch eine Brunft auskäme.

[3, 21, § 17] 155. Aus sträflicher Einfalt und Unverstand in Sachen, welche Alle wissen sollen, wann Jemand nach einem Vogel auf ein Haus oder Stadel schießet und andurch das Haus oder Stadel anzündet, oder ein Lehrmeister durch unmäßige Züchtigung seinem Lehrling schadete, oder Einer dem Anderen in Scherz einen Schaden zufügete; dann was Jemanden zu Schaden und Nachtheil gereichet, kann für keinen Scherz gehalten werden.

[3, 21, § 17] 156. Aus Unerfahrenheit oder Unwissenheit, wann Jener, der sich einer Zunft oder Gewerbs kündig und erfahren zu sein ausgiebt, solches nicht verstehet und dadurch Anderen schadet, als, da ein Arzt dem Kranken durch seine Unwissenheit und Unerfahrenheit den Tod zuziehen oder sonst seiner Gesundheit Nachtheil bringen, oder ein ungeschickter und unerfahrener Wundarzt wegen seiner Unwissenheit Jemanden an denen Gliedmaßen verstümmlen oder ein Handwerksmann das in die Arbeit übernommene Werk verderben würde; dahingegen die Unwissenheit dessen, was Jemand zu wissen nicht schuldig ist, noch es zu wissen ausgiebt, Niemanden verantwortlich machet.

[3, 21, § 17] 157. Es muß aber der Schaden unmittelbar aus des Anderen Schuld und nicht etwan aus einer anderen Ursach erfolget sein. Also, da Jemands ein Gewehr in keiner bösen Absicht frei liegen ließe, welches der Andere in Zorn angreifete und einen Dritten darmit verwundete oder entleibete, kann dem Ersteren dieser Erfolg nicht angeschuldet werden; wohl aber wäre derselbe verfänglich, wann er dem Anderen das Gewehr selbst gereichet oder gegeben hätte, um den Dritten zu verwunden oder zu entleiben.

[3, 21, § 17] 158. Wann also der Schaden auf vorbeschriebene Art beschaffen und solcher sowohl, als die Schuld des Beschädigenden erweislich ist, hat Jener, welcher den Schaden zugefüget, denselben zu ersetzen, und zwar bei Todtschlägen und Verwundungen nach der in zweiten Artikel, §. XI, enthaltenen Ausmessung; an anderen Sachen aber in derjenigen Maß, was die beschädigte Sache in dem nächstergangenen Jahr von dem Tag der Beschädigung an zu rechnen in dem höchsten Werth gegolten hat, mit allen davon vertagten Zinsen und Gerichtsunkosten.

[3, 21, § 17] 159. Die Schätzung des Schadens hat allemal also zu geschehen, daß solcher in peinlichen Fällen nach Ausmessung Unserer peinlichen Gerichtsordnung behörig erhoben, in anderen Fällen aber, wo allein mit der bürgerlichen Rechtsforderung verfahren wird, da wo der Schaden mittelst Einnehmung des Augenscheins geschätzet werden mag, die Beaugenscheinigung und Schätzung in denen Städten von denen betreffenden Gerichtsstellen, wohin die Sache gehörig, und auf dem Lande von denen Ortsobrigkeiten, welche die Gerichtsbarkeit haben, oder von denen Kreisämtern durch zwei entweder schon vorhin hierzu eigends beeidigte oder doch sonach über den angebenden Befund bei Gericht besonders zu beeidigen kommende unparteiische erfahrene Leute vorgenommen, insoweit hingegen der Schaden nicht ersichtlich wäre, der Beschädigte zur eidlichen Bestärkung seines Angebens jedoch allemal mit Vorbehalt der richterlichen Mäßigung zugelassen werden solle.

[3, 21, § 17] 160. Es muß jedoch die Einnehmung des Augenscheins, so lange der Schaden noch ersichtlich ist, angesuchet werden; dann insoferne solches unterlassen, und die Sache sodann aus eigener Schuld des Beschädigten eine andere Gestalt annehmen oder in einem solchen Stand versetzet würde, daß der Schaden durch den Augenschein nicht mehr erhoben werden könnte, solle der Beschädigte nicht weiter gehöret, noch weniger zur eidlichen Schätzung zugelassen werden.

[3, 21, § 17] 161. Durch diese sonderheitliche Genugthuung aber entlediget sich der Beschädigende von der öffentlichen Strafe nicht, wann der Schaden aus bösen Vorsatz

(3-368) geschieht oder ein solches Verbrechen dabei unterwaltet, worauf in Unserer peinlichen Gerichtsordnung eine öffentliche Strafe ausgesetzet ist.

[3, 21, § 17] 162. Und bleibet derselbe in alle Wege verfänglich, es möge der Schaden von ihme selbst oder durch Andere auf sein Geheiß und mit seinem Willen zugefüget worden sein. Inwieweit aber Jemand für die durch seine Untergebene verursachende Schäden verantwortlich werde, wird in nachfolgenden zweiundzwanzigsten Capitel, §. V, erkläret werden.

§. XVIII.

[3, 21, § 18] 163. Niemand ist jedoch schuldig die wirkliche Zufügung des ihme androhenden Schadens abzuwarten, wann er solchen abwenden kann, sondern, gleichwie die selbsteigene Vertheidigung wider den unbefugten Anfall eines Anderen in der natürlichen Billigkeit gegründet ist, also hat auch Jedermann die Befugnuß seine Person und Güter wider die Anmaßung eines Anderen zu schützen.

[3, 21, § 18] 164. Dahero werden zu Abwendung einer mit Grund befahrenden Beschädigung sowohl gerichtliche, als eigenmächtige Hilfs- und Verwahrungsmitteln nach dem Unterschied der mehr oder weniger dringenden Gefahr verstattet, welche letztere aber, wann sie mit Verletzung des Anderen oder sonstiger Gewaltthätigkeit begleitet sind, nur in äußersten Nothfällen, wo die Zudringlichkeit der Gefahr die gerichtliche Hilfe anzusuchen nicht erlaubet, in der hienach bestimmten Maß zugelassen werden.

[3, 21, § 18] 165. Dann, soferne der bevorstehende Schaden durch Hilfe des Gerichts abgewendet werden kann, sind alle eigenmächtige Thathandlungen verboten. Die gerichtliche Hilfsmitteln betreffen entweder die Sicherheit der Person oder deren Gütern, von welchen letzteren, weilen dieselbe vornehmlich aus dem Recht des Besitzes fließen, allschon in zweiten Theil bei dessen Abhandlung ausführlichere Erwähnung geschehen.

[3, 21, § 18] 166. Wegen Sicherheit der Person aber hat Jener, der von dem Anderen eine Beleidigung mit Grund befahrete und dieses zu erweisen vermögete, Fug und Macht ihn bei Gericht um Leistung einer hinlänglichen und anständigen Bürgschaft, kraft welcher er sich zu verstricken schuldig ist, daß er Klägern nicht beleidigen wolle, zu belangen.

[3, 21, § 18] 167. Doch ist hierzu erforderlich, erstens, daß wahre, ernstliche, aus eine gewisse Beleidigung abzielende und gefährliche Drohungen von einer solchen Person, zu welcher man sich deren Ausübung halber vorsehen kann, ausgestoßen worden; dann, wo nur aus Scherz, Trunkenheit, Uebereilung, Ruhmsucht oder auch nur überhaupt, ohne auf eine gewisse Beleidigung zu deuten, gedrohet worden wäre, als, ich will mich schon rächen, ich will Dich wohl finden, kann deshalben keine Verstrickung geforderet werden, wann nicht sonst aus anderen hinzutretenden Umständen der feste Vorsatz dem Anderen zu Schaden geschlossen werden mag.

[3, 21, § 18] 168. Zweitens, daß die angegebene Drohung von dem Kläger behörig erwiesen werde, in welchem Fall der Beklagte bei Gericht solange arrestirlich angehalten werden solle, bis daß er entweder durch anständige Bürgen oder Verschreibung und Einlegung eines hinlänglichen Unterpfands eine nach richterlichen Befund zu bestimmen habende Sicherheit, daß er sich an dem Kläger nicht vergreifen wolle, verschaffet haben wird.

[3, 21, § 18] 169. Zur eidlichen Angelobung aber ist er nur sodann zuzulassen, wann er weder mit Bürgen, noch mit einem Unterpfand aufkommen zu können, erweisen mag, wo beinebst derselbe noch über das nach Beschaffenheit deren Drohungen, besonders da solche Absagungen und Befehdungen enthielten, oder gar in Nachstellungen oder gefährliche Thathandlungen ausgebrochen wären, der andurch verwirkten öffentlichen Strafe unterliegt.

(3-369) [3, 21, § 18] 170. Eigenmächtige Hilfsmitteln, insoweit sie ohne Gewalt und ohne Verletzung des Anderen vorgekehret werden können, sind zu allen Zeiten erlaubet, und stehet Jedermann frei, wie er seine Person und Güter vor Nachstellungen und Anmaßungen böser Leuten ohne Schaden eines Dritten verwahren und sicherstellen wolle.

[3, 21, § 18] 171. Wo aber solche gewaltthätig wären und zu Verletzungen des Anderen gereicheten, sind selbe nur in jenem Fall zulässig, wo die bringende Gefahr die Gerichtshilfe anzusuchen und seine Person und Gut anderer Gestalt zu retten nicht verstattet; doch muss dabei sowohl alle mögliche Gleichheit zwischen der Vertheidigung und Beleidigung, als auch die rechte Maß einer unbeschuldeten Nothwehr in der Vertheidigung selbst mit Rucksicht auf deren Ursach, Weis und Zeit beobachtet werden.

[3, 21, § 18] 172. Erstere bestehet darinnen, daß durch die Vertheidigung dem Angreifenden kein größerer Schaden zugefüget werde, als dem Angegriffenen durch die Beleidigung hätte widerfahren können; also ist nicht erlaubet einen Dieb oder Rauber todtzuschlagen, wann keine Lebensgefahr angedrohet worden, weilen der Verlust des Guts ersetzlich, jener des Lebens hingegen unersetzlich ist, folglich hierunter keine Gleichheit fürwaltet; dagegen ist von bewaffneten Raubern und Nachtdieben eine Lebensgefahr billig zu besorgen.

[3, 21, § 18] 173. Letztere wird in Unserer peinlichen Gerichtsordnung bestimmet, deren Ueberschreitung zwar die öffentliche Strafe nach sich ziehet, nicht aber auch zur sonderheitlichen Genugthuung verbindet; sondern der Angreifende hat den an seinem Leib oder Gut erleidenden Schaden seinem verübten Unfug selbst beizumessen.

§. XIX.

[3, 21, § 19] 174. Die vierte Gattung deren Jemanden an seinen Rechten, Hab und Gut verkürzenden Verbrechen sind Betrug, Falschheit, Gefährde und Arglist, wovon überhaupt bereits in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. IX, von num. 98 bis 100, gehandlet worden.

[3, 21, § 19] 175. Dahin gehören der Meineid oder falsches Schwören, falsche Zeugnussen, Verfälschung deren Testamenten und anderer schriftlicher Urkunden, Gebrauch falscher und unrichtiger Maß und Gewichts, Verfälschung der Münze und alle übrigen Arten von Falschheiten, wie solche in Unserer peinlichen Gerichtsordnung beschrieben werden.

[3, 21, § 19] 176. Unter die Betrügereien wird gezählet, die Einforderung einer wissentlich schon bezahlten Schuld, die Veräußerung einer in wirklichen Rechtsstritt hangenden Sache zum Umtrieb des Gegentheils, wovon in zweiten Capitel, zweiten Artikel, von Verträgen, §. XII, num. 158. und 159, dann die arglistige Verlaugnung und Abneinung eines bei Jemanden zu getreuen Handen hinterlegten Guts, wovon in sechsten Capitel, §. IV, gehandlet worden.

[3, 21, § 19] 177. Wie nicht weniger, wann ein Schuldner arglistiger und gefährlicher Weise zu Verkürzung seiner treuherzigen Glaubigeren seine Habseligkeiten verstoßet, vertuschet und veräußeret, wie davon in vierten Theil bei der Gant- oder Cridaordnung ausführlichere Erwähnung geschehen wird, und überhaupt alle Arten des Betrugs, wodurch Jemand mit seinem Schaden hintergangen wird, welche, insoferne sie in keine besondere Gattung von Verbrechen einschlagen, insgemein Schalkheiten oder Partiten benamset werden.

[3, 21, § 19] 178. In allen diesen Fällen hat der Betrüger über die verwirkte öffentliche Strafe dem Betrogenen den vollständigen Ersatz des zugefügten Schadens zu leisten, und nur allein bei boshafter Verlaugnung einer in Nothfällen anvertrauten Sache deren zweifachen Betrag, als nemlich die Sache mit dem Werth, oder da solche nicht mehr zu haben wäre, den doppelten Werth zur Strafe zu erlegen, wie es oben in sechsten Capitel, §. IV, num. 41, geordnet worden.

(3-370) §. XX.

[3, 21, § 20] 179. Unter der fünften Gattung werden alle Jemandens Rechten nachtheilige Handlungen begriffen, welche nicht schon zu einer von vorbemelten Gattungen gehören. Von dieser Art sind die Bestechung des Richters, verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Umtriebe und Verläumdungen, Einverständniß eines Rechtsfreunds mit dem Gegentheil, Verhehlung deren Missethätern und Verführung fremder Kinder, Dienstboten und anderer untergebenen Personen.

[3, 21, § 20] 180. Wo ein Richter sich von einer Partei durch Schankungen, Verehrungen und Verheißungen bestechen ließe, und um Gewinn die Gerechtigkeit gleichsam verkaufete, solle nicht nur allein Alles, was in einer solchen Strittsache, worinnen eine Bestechung fürgegangen, vor diesem Richter verhandlet worden, sammt dem gefällten Urtheil, wann es auch an sich gerecht wäre, schon für sich selbst widerrechtlich und null und nichtig sein, sondern auch ein solcher pflichtvergessener Richter über die in Unserer peinlichen Gerichtsordnung wider ihn verhängte Strafe beim anderen Theil allen daher erlittenen erweislichen Schaden mit denen in diesem Rechtsstritt gehabten Unkosten zu ersetzen haben.

[3, 21, § 20] 181. Der bestechende Theil hingegen solle über die alldort ausgemessene Bestrafung nicht allein das Gegebene nicht mehr zuruckbegehren können, sondern auch von ihme das Verheißene zu Handen unserer Kammer eingetrieben werden, und derselbe über das seiner obschon noch so gerechten Sache, er seie Kläger oder Beklagter, gänzlich und dergestalten verlustig sein, daß wo Kläger sich dieses Verbrechens schuldig gemacht hätte, er mit seiner Klage nicht mehr gehöret, sondern Beklagter hiervon ledig und losgezählet, wo aber dieser den Richter bestochen hätte, dessen Einrede und Einwendung nicht mehr zugelassen werden, sondern er Alles, worauf die Klage gestellet ware, ohneweiters dem Kläger zu leisten schuldig sein solle.

[3, 21, § 20] 182. Woferne jedoch ein Richter von beiden Theilen Geschenke angenommen hätte, bleibet zwar das von ihme Verhandlete null und nichtig, und denen Parteien wird nicht verwehret ihren Rechtsstritt von Neuen anzufangen, Beide aber unterliegen jegleichwohlen der auf derlei Bestechungen ausgesetzten Strafe.

[3, 21, § 20] 183. Wann aber ein Richter die Rechtspflege auf Anrufen der Partei gar verweigerete, oder geflissentlich zur Ungebühr verzögerete, und dieses auf ihn dargethan werden könnte, machet derselbe andurch seine eigene Sache, und ist demjenigen Theil, der durch diese Verweigerung oder Verzögerung an seinem Recht verkürzet worden, den doppelten Werth dessen, um was er zu Schaden gekommen, mit allen Unkosten zu ersetzen schuldig.

[3, 21, § 20] 184. Desgleichen sind Jene, welche ihren Gegentheil aus Gefährde oder Muthwillen mit allerhand Umtrieben herumziehen und an seinem Recht aufhalten, oder gar bei seiner Obrigkeit fälschlich angeben, verläumden und verunglimpfen, ihme den Ersatz aller Schäden und Unkosten zu leisten verbunden, und da dieser zugleich durch boshafte Verläumdungen an seiner Ehre, guten Namen und Leumund angegriffen worden wäre, nicht allein zur öffentlichen Abbitte anzuhalten, sondern auch als falsche Angebere und Verläumdere nach dem Aussatz Unserer peinlichen Gerichtsordnung unnachsichtlich zu bestrafen.

[3, 21, § 20] 185. Nicht weniger solle ein Rechtsfreund, der zweien miteinander streitenden Parteien in einerlei Sache zugleich dienet, oder mit dem Gegentheil seiner Partei öffentliche oder heimliche Einverständnuß pfleget, und demselben die ihme von seiner Partei anvertraute Behelfe und Geheimnussen entdecket, oder wohl gar zu Schaden seiner Partei nachtheilige Rathschläge giebt, über die verwirkte öffentliche Strafe alle erweisliche Schäden zu ersetzen gehalten sein.

[3, 21, § 20] 186. Wer Missethätere wissentlich verbirgt, verhehlet, ihnen Unterschleif giebt oder zur Flucht mit Rath oder That verhilflich ist, hat nebst der Verfänglichkeit

(3-371) der öffentlichen Strafe dem Beschädigten, insoweit er wegen dieser Verhehlung oder Beförderung an Erhohlung seines Schadens verhinderet wird, solchen zu ersetzen.

[3, 21, § 20] 187. Würde Jemand fremde Kinder, Dienstboten oder andere untergebene Personen zu unzulässigen Dingen und Lastern oder Untreue verführen, derselbe ist schuldig über Verwirkung der öffentlichen Strafe Demjenigen, deme daran gelegen, daß diese Leute nicht wären verführet worden, allen durch deren Verführung verursachten Schaden zu vergüten, oder da solcher nicht zu schätzen wäre, ein nach richterlichen Ermessen zu bestimmen habende Genugthuung zu leisten.

[3, 21, § 20] 188. Eine nicht minder nachtheilige Handlung ist jene, wann die Erfüllung einer Bedingnuß, woran dem Anderen gelegen ist, von einem Dritten gefährlicher oder arglistiger Weise, oder doch, wann er den aus dem Erfolg der Bedingnuß dem Anderen bevorstehenden Vortheil gewußt, aus dessen Schuld verhinderet wird, in welchem Fall, woferne ansonst außer der verursachten Verhindernuß deren ohnfehlbarer Erfolg ungezweiflet gewesen wäre, derselbe dem Anderen allen wegen Ermanglung der Bedingnuß erweislich erleidenden Schaden zu vergüten hat; es hätte dann die Erfüllung bei seiner eigenen Willkür beruhet oder er sich sonst dabei seines Rechts bedienet, folglich die Verhinderung von ihme mit Fug geschehen wäre.

Vierter Artikel.

Von Ehrenhändeln, Schandbriefen und anderen Jemandens Ehre und guten Leumund antastenden Verbrechen.

§. XXI. Von Verschiedenheit deren Ehrenantastungen und Schmähungen. §. XXII. Von der hieraus entstehenden Verbindlichkeit und der daher gebührenden Rechtsforderung. §. XXIII. Von Erlöschung der Verbindlichkeit aus Ehrenhändeln. §. XXIV. Von denen Jemandens Person oder Gut nachtheiligen Berühmungen eines hieran habenden Rechts.

§. XXI.

[3, 21, § 21] 189. Unter denen Ehrenhändeln werden alle unerlaubte aus Bosheit herrührende, zu Jemands Verachtung und Verkleinerung gereichende Handlungen

(3-372) begriffen. Diese geschehen auf dreierlei Art, als erstens, mit ehrenverletzenden Schimpf-, Schmäh- und Scheltworten oder Verleumdungen und üblen Nachreden; zweitens, mit thätlicher Beleidigung, als Schlägen, Verwundungen und anderen Jemandens Ehre nachtheiligen Thathandlungen; drittens, schriftlich mit ehrenrührigen Schmähkarten, Schandbriefen und Pasquillen.

[3, 21, § 21] 190. Alle diese Arten von Ehrenantastungen und Schmähungen können nach Beschaffenheit deren Umständen, als des Orts, der Zeit, der beschimpften Person und der That selbst mehr oder minder erschwerend sein, und dahero bald eine mehrere, halb eine mindere Genugthuung erheischen, dessen Beurtheilung dem richterlichen Befund überlassen wird.

(3-373) [3, 21, § 21] 191. Es muß aber die Ehrenantastung und Schmähung aus einem boshaften Willen und Vorsatz, den Anderen zu beleidigen, herrühren; dahero können Jene, die den Gebrauch ihrer Vernunft und Willens nicht haben, sich dieses Verbrechens nicht schuldig machen. Es wäre dann, dass sich das Gebrechen des Verstands aus eigener Schuld, als durch Trunkenheit oder übereilten Zorn zugezogen worden wäre, welchen Falls zwar der Beschimpfte gleichwohlen noch verantwortlich wird; doch aber ist mit ihme nach Maßgebung des gleichfolgenden §. gelinder zu verfahren.

[3, 21, § 21] 192. Auch Richtere und obrigkeitliche Personen können nicht allein für sich als Privatleute, sondern auch in Verwaltung ihres richterlichen und obrigkeitlichen Amts dieses Verbrechens verfänglich werden, wann selbe zu Jemands vorsätzlicher Beleidigung oder widerrechtlicher Bekränkung ihr Amt mißbrauchen und ihme eine Unbill zufügen, welcherlei Fälle in vierten Theil bei der Gerichtsordnung mit Mehreren erkläret werden.

[3, 21, § 21] 193. Dahingegen gereichet die Schmähung, welche von denen Vorgesetzten wider ihre Untergebene ausgestoßen wird, diesen an ihren Ehren zu keinem Nachtheil; also, da der Herr seine Dienstboten und Unterthanen, der Vater seine Kinder, der Mann das Weib und der Lehrmeister seinen Lehrling züchtiget, schmähet oder schimpfet, verfallen sie in dieses Verbrechen nicht, wann sie die Maß der Züchtigung nicht überschreiten.

[3, 21, § 21] 194. Eine Ehrenverletzung kann entweder unmittelbar von Jemandem selbst oder mittelbar durch Andere auf seinen Befehl, Geheiß, Anreizen oder Anstiften verübet werden, und haben solchen Falls Beide, der Befehlsgeber und Befehlshaber, ebenso dafür zu haften, als ob sich Mehrere unmittelbar dessen schuldig gemacht hätten.

[3, 21, § 21] 195. Gleichwie aber an Seiten des Beschimpfenden der böse Willen und Vorsatz, den Anderen zu beleidigen, unterwalten muß, also ist auch an Seiten des Beschimpften erforderlich, daß er die Schmähungen zu beleidigten Gemüth ziehe, folglich solche wider seinen Willen geschehen, oder doch, wann er gleich keiner Einwilligung fähig wäre, von ihme vermuthet werden könne, daß, wann er Dasjenige, was gehandlet wird, verstünde, sich andurch beleidiget halten würde, als Kinder, Wahnwitzige und Blödsinnige, welchen Falls der Vater, Vormund oder Gerhab und Curator die Genugthuung für sie anzusuchen hat.

[3, 21, § 21] 196. Es muß jedoch die Schmähung auf eine gewisse Person gerichtet und diese entweder mit Namen genennet, oder durch Zeichen angedeutet, oder sonst aus denen Umständen erkennbar gemacht werden, sie möge gegenwärtig oder abwesend und dem Beschimpfenden bekannt sein oder nicht; wo aber Jemand überhaupt, ohne eine gewisse Person insonderheit zu meinen, Scheltworte und Lästerungen ausstieße, wird er dieses Verbrechens nicht schuldig, obschon er sonst nach Gestalt der Sache als Lästerer, Störer der Ruhe und unfriedlicher Mensch bestrafet zu werden verdienet.

[3, 21, § 21] 197. Der erweisliche Irrthum in der Person des Beleidigten, als da Jemand in Meinung einen Dritten vor sich zu haben, den Anderen beschimpfete, kann dieses Verbrechen nur damals entschuldigen, wann sonst kein Schaden an Leib und Gut darmit zugefügt worden, und eine solche Person gemeinet ware, die ihme entweder untergeben oder sonst derlei Begegnungen von ihme in Scherz aufzunehmen gewohnet ist.

[3, 21, § 21] 198 Widrigens aber, wo seinerseits ein wirklicher Vorsatz jemand Anderen zu beleidigen geschlossen werden mag, ist er schuldig, sowohl dem aus Irrthum Beleidigten, als auch Demjenigen, welchen er beleidigen wollen, wann dieser die That auf sich gerichtet gewesen zu sein erweisen mag, den Vertrag zu leisten.

[3, 21, § 21] 199. Die Beleidigung kann Jemanden nicht allein unmittelbar in seiner Person selbst, sondern auch mittelbar in jenen Personen, die seiner Gewalt und

(3-374) Schutz untergeben sind, als dem Vater in seinen Kindern, dem Mann in der Person seines Weibs, dem Bräutigam in der Person seiner Braut, dem Erben durch die dem verstorbenen Erblasser zufügende Ehrenverletzung aber auch dessen Leichnam erzeugende Beschimpfungen widerfahren, weshalben auch von allen diesen, als dem Vater, dem Mann, dem Bräutigam und dem Erben die Genugthuung für die obgleich sie selbst nicht unmittelbar betreffende Beleidigung geforderet werden kann.

[3, 21, § 21] 200. Dieses aber erstrecket sich auf andere noch so nahe verwandte Personen nicht, deren keine die Beleidigung der anderen auf sich deuten kann, außer die Beschimpfung betreffete die ganze Verwandtschaft, wodurch auch Jedweder von dieser Verwandtschaft beleidiget wird, und dahero die Genugthuung dafür anzubegehren berechtiget ist.

[3, 21, § 21] 201. Ebensowenig kann ein Herr oder Obrigkeit sich durch ihre Dienstboten und Unterthanen angehende Ehrenhändeln beleidiget halten, wann die Beschimpfung nicht offenbar auf sie selbst gerichtet ist; also, da ein Dienstbot oder Unterthan in Verrichtung des ihme aufgetragenen Geschäfts geschmähet, geschlagen oder sonst mißhandlet würde, gereichet diese Beleidigung zur Verkleinerung des Herrns oder der Obrigkeit.

[3, 21, § 21] 202. Daß aber wegen einer Ehrenverletzung geklaget werden könne, müssen folgende Erfordernisse hinzutreten, als erstens, daß nach dem dreifachen Unterschied deren Ehrenverletzungen wirklich zu Jemands Beleidigung etwas geredet, gethan oder geschrieben werde.

[3, 21, § 21] 203. Alles was zu Jemands Verachtung oder Verkleinerung geschrieben wird, verletzet die Ehre und guten Namen, als da Einer den Anderen eines Lasters bezüchtigte, welches auf denselben entweder gar nicht erwiesen werden könnte, oder wovon er doch bereits losgesprochen und an seinen Ehren verwahret worden, oder wider den Anderen Schimpf- und Scheltworte ausstieße, oder sonst wider die Rechtmäßigkeit seiner Geburt, Vorzüglichkeit des Standes, Würde und Ansehen, Ehrbarkeit und Sittsamkeit, Gesundheit des Leibes oder die Vermögensumstände etwas Nachtheiliges vorwerfe, nachredete oder aussprengete, was ihme bei Anderen zu Verringerung und Schmälerung seines Ansehens, guten Namens, Trauens und Glaubens, oder zu sonstiger Verächtlichkeit und Geringschätzung gereichen könnte.

[3, 21, § 21] 204. Durch die That wird Jemands Ehre verletzet, nicht nur mit wirklicher Vergreifung an seiner Person, als da er gestoßen, geschlagen, zu Boden geworfen, herumgezogen, verwundet oder sonst mißhandlet würde, sondern auch ohne Handanlegung mittelst aller anderer zu dessen Verachtung und Verkleinerung begehenden Thathandlungen, als da auf Jemanden das Gewehr gezogen oder derselbe durch Aufhebung des Stocks oder der Hand mit Schlägen bedrohet, verhöhnet, verspottet, mit Unreinigkeiten beworfen, ihme aufgepasset und nachgestellet, anzügliche und schimpfliche Gemälde und Zeichen ausgehangen, die Ehrbarkeit wohlverhaltener Frauenspersonen, sie seien ledig oder verheiratet (!), durch Nachgehen, unzüchtige Reden, Geberden und Anmuthungen wider ihren Willen angetastet, oder Jemand sonst in dem Gebrauch seiner Rechten, Freiheiten und Vorzügen widerrechtlich aus Muthwillen, Nachbegierde oder Hochmuth des Anderen gestöret und verhinderet würde.

[3, 21, § 21] 205. Schriftlich wird die Ehre verletzet, sowohl wann zu des Anderen Beschimpfungen etwas Schmähliches geschrieben, als auch insonderheit, wann ihme ein Laster oder Missethat, welche die Ehrlosigkeit nach sich ziehet, in öffentlich angehefteten, angeschlagenen, ausgehangenen oder ausgestreuten Schriften vorgeworfen wird.

[3, 21, § 21] 206. Die erste Art heißet eigentlich eine schriftliche Ehrenantastung und wo der rechte Namen des Verfassers nicht unterschrieben wäre, ein Pasquill; die letztere Art aber sind Schandbriefe und Schmähkarten, worunter alle öffentlich angeheftete oder sonst ausgebreitete ehrenrührische Zetteln, Gedichte, Gesänger, Gemälde


(3-375) und sonstige anzügliche Vorstellungen begriffen sind, der Urheber möge seinen Namen beigesetzet haben oder nicht.

[3, 21, § 21] 207. Und wird dieses Verbrechens nicht nur allein der Verfasser selbst, sondern auch jedweder Anderer schuldig, welcher derlei Lasterschriften wissentlich weiter ausbreitet oder ausstreuet und solche nicht allsogleich, da sie ihme zu Handen gekommen, zerreißet, vernichtet und unterdrucket.

[3, 21, § 21] 208. Zweitens wird erfordert, daß der wirkliche Vorsatz und Willen, den Anderen zu beleidigen, unterwalte; was dahero aus Scherz geredet, gethan oder geschrieben wird, so lange der Andere sich eines solchen Scherzes nicht ausdrücklich entäußeret und ihn nicht leiden zu wollen, zu erkennen gibt, oder was zu Jemands Züchtigung geschieht, wann dem Anderen das Recht, ihn zu züchtigen, zustehet, und die Maß der Züchtigung dabei nicht überschritten worden, oder was zur eigenen Vertheidigung in der erlaubten Maß angekehret wird, ist keine Ehrenverletzung, als da ein mit dem Anderen in Rechtsstritt verfangener Theil wider die Züchtigkeit deren geführten Zeugen etwas ihrer Ehre Nachtheiliges, um sie von der Zeugenschaft auszuschließen, einwendete, oder den Richter einer verdächtigen Parteilichkeit oder Abneigung anklagete, wann er so Ein als Anderes zu erweisen vermag.

[3, 21, § 21] 209. Der Willen und Vorsatz, zu beleidigen, wird jedoch nicht vermuthet, sondern muß von Klägern erwiesen werden, insoferne nicht schon die Handlung an sich selbst ehrenverletzend wäre; dann in diesem Fall streitet die Vermuthung wider den Beklagten, und hat er solchem nach zu erproben, daß er Klägern zu beleidigen nicht Willens gewesen seie.

[3, 21, § 21] 210. Denselben aber kann von der aus diesem Verbrechen entstehenden Verbindlichkeit weder die beigefügte Ehrenverwahrung, wann solche der Handlung zuwider ist, noch auch die Wahrheit des vorgeworfenen Gebrechens oder Lasters entschuldigen, wann anderst der Vorsatz zu schmähen und zu schimpfen sich aus denen Umständen veroffenbaret, es würde dann Jemand einer Missethat bezüchtiget, deren Beweis der Vorwerfende auf sich nehmen wollte, zu dessen Verführung er zwar allerdings zugelassen, wo er aber darmit nicht aufkommen könnte, als ein falscher Angeber bestrafet werden solle.

[3, 21, § 21] 211. Desgleichen, wo der Vorwerfende das vorgeruckte Laster oder die ausgestossene Schmähworte von jemanden Anderen gehöret zu haben vorgäbe, ist zu unterscheiden, ob er sich gleich bei der Bezüchtigung oder Antastung auf den Anderen berufen habe oder nicht. Ersteren Falls wird dem Beklagten die Fürstellung des Gewährsmanns zugelassen; letzteren Falls hingegen hilft ihme der Gewährsmann nicht, sondern wo dieser auch wirklich die Schmähung auf sich nähme, hat Einer wie der Andere Klägern dafür zu haften.

[3, 21, § 21] 212. Da aber in ersteren Fall der Beklagte sich durch Namhaftmachung seines Gewährsmanns von der Klage befreien wollte, so ist er schuldig, den selben bei Gericht zu stellen, oder da dieser sich freiwillig nicht gestellen wollte, eine Ladung zur Vertretung auf ihn auszuwirken, oder da er demjenigen Gerichtsstand nicht unterworfen wäre, ihn durch zwei wohlerhaltene Personen, ob er sich hierzu bekenne oder nicht, befragen zu lassen.

[3, 21, § 21] 213. Würde nun derselbe in der ertheilten Antwort dieses von Klägern geredet oder geschrieben zu haben, eingestehen; oder sich selbst zu Gericht gestellen und die Antastung oder Schmähung auf sich nehmen, so wird der Beklagte durch Fürstellung seines Gewährsmanns von der Klage ledig, und Kläger hat sich an den Gewährsmann allein zu halten.

[3, 21, § 21] 214. Woferne aber der ernannte Gewährsmann das Vorgeben widerspräche oder keine deutliche Antwort geben wollte, stehet zwar dem Beklagten frei, den Beweis wider ihn zu verführen, und da er solches auf ihn darthun würde, wird er von aller Verbindlichkeit entlediget; dahingegen, wo derselbe solches auf den Gewährsmann nicht erweisen könnte, oder sich auf einen Verstorbenen, Abwesenden

(3- 376) oder Unbekannten, den er fürzustellen nicht vermögend wäre, bezogen hätte, muß er selbst Klägern hierum gerecht werden.

§. XXII.

[3, 21, § 22] 215. Aus diesem Verbrechen erwachset die Verbindlichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung des Beleidigten, welche sowohl in Wiedererstattung der verletzten Ehre, als auch nach Verschiedenheit der schwereren oder leichteren Beleidigung entweder in öffentlicher Bestrafung oder in einer dem beleidigten Theil zukommenden Geldbuße bestehet.

[3, 21, § 22] 216. Wir ordnen und wollen aber hiermit in Kraft dieses Unseren Gesatzes, daß durch keine Ehrenantastung oder Schmähung, sie möge beschaffen sein, wie sie wolle, Jemanden an seiner Ehre und guten Namen etwas entzogen, sondern der Beleidigte nach wie vor, allenthalben für einen ehrlichen und wohlverhaltenen Mann geachtet, folglich auch deshalben ihme auch von Niemanden etwas vorgeworfen, noch weniger derselbe von Gemeinschaften, Mitteln, Zünften und Handwerken oder anderen Zusammenkünften ausgeschlossen werden solle.

[3, 21, § 22] 217. Woferne hingegen Jemand dieser Unserer Satz- und Ordnung zuwider zu handeln sich jegleichwohlen vermessen, und dem Beleidigten die Schmähung vorhalten, vorrucken, oder sich der Gemeinschaft mit ihme, es seie in gemeinsamer Dienstleistung, Amtsverrichtung, Handwerken oder sonstigen Mitgenossenschaften und Zusammenkünften entäußeren, oder auch gar zur eigenmächtigen Rächung der Unbill wider den Beleidiger anreizen, aufhetzen, anstiften oder Rathschläge geben würde, dieser solle nicht nur allein als ein Mitschuldiger der Beleidigung angesehen und ebensowohl, wie der Beleidiger, zu dem schuldigen Abtrag verhalten, sondern auch als ein freventlicher Uebertreter dieses Unseren Gesatzes nach Gestalt der Sache mit allen denen in Unserer peinlichen Gerichtsordnung wider Diejenige, welche durch Anhetzung, Anrathung oder sonstige Anleitung zu Raufhändeln, Balg- und Schlägereien Anlaß und Gelegenheit geben, ausgesetzten Strafen unnachsichtlich beleget werden.

[3, 21, § 22] 218. Es entgehet dahero Niemanden durch Ehrenantastung und Schmähungen etwas an seiner Ehre, guten Namen und Ansehen, und wird demnach hieran löblich und christlich gehandlet, wann Jemand eine ihme zugefügte Unbill großmüthig verzeihet, nachsehet und ungerochen läßt, ohne daß hierdurch seine Ehre, Stand, Würde und Ansehen der mindeste Abbruch oder Nachtheil zugezogen würde.

[3, 21, § 22] 219. Weilen jedoch Jedermann Fug und Recht hat, seine Ehre und guten Namen nicht weniger als sein Leben, Hab und Gut wider die Bosheit deren Ehrenschändern und Verleumderen zu schützen und zu vertheidigen, als kann auch Niemanden verwehret werden, seine durch Schmähungen angetastete Ehre wider die andurch etwan bei Anderen von ihme erregte üble und verächtliche Meinung und unzeitigen Verdacht unbekränkt und aufrecht zu erhalten.

[3, 21, § 22] 220. Zu diesem Ende gebühret dem Beleidigten wider den Beleidiger die Rechtsforderung zur Leistung des schuldigen Abtrags, welcher allemal in der von dem Beleidiger zu leisten habenden gerichtlichen Abbitte und beinebst nach Beschaffenheit der größeren oder minderen Beleidigung entweder in einer verhängenden öffentlichen Strafe oder in einer Geldbuße zu bestehen hat; doch solle dem Beklagten eine solche Abbitte an seiner Ehre ganz und gar unnachtheilig sein.

[3, 21, § 22] 221. Die Maß der Bestrafung aber hänget von dem richterlichen Befund ab, welche derselbe nach Verschiedenheit deren minderen oder schwereren Ehrenhändeln auszumessen hat; in minderen, worunter insgemein Schmäh- und Schimpfreden unter Leuten von gleichen Stande oder wo der Beleidiger höheren und der Beleidigte niederen Standes ist, verstanden werden, wann sonst keine erschwerende Umstände hinzustoßen, solle der Beleidiger über die Abbitte mit Gefängnuß auf

(3-377) eine nach richterlichen Ermessen bestimmende Zeit von drei oder weniger Monaten bestrafet werden.

[3, 21, § 22] 222. In schwereren Beleidigungen hingegen, von welcher Art alle diejenigen sind, wobei Schlägereien, Raufhändeln und Thätigkeiten unterlaufen, oder wo auch ohne denenselben der Beleidigte höheren und der Beleidiger niederen Standes ist, solle über die Abbitte die Gefängnuß auf mehrere Jahre erstrecket oder auch nach Bewandtnuß deren Umständen mit noch schärferen Strafen fürgegangen, und wo der Beleidigte geschlagen, verwundet oder sonst an seiner Person mißhandelt worden wäre, beinebst noch eine ihme zukommende Geldbuße nach richterlichen Befund ausgemessen, oder da der Beleidiger selber solche zu erlegen außer Stande wäre, die Strafe um so viel mehr verschärfet werden.

[3, 21, § 22] 223. Doch solle der Richter in Ehrenhändeln jedesmal gleich nach eingebrachter Klage zwischen denen streitenden Theilen einen gütlichen Vergleich und Aussöhnung zu Stand zu bringen sich alles Fleißes angelegen halten, und da der erste Versuch der Sühne nichts fruchtete, solche Vergleichshandlung nochmahlen vor Ausspruch des Urtheils wiederholen, sonach aber erst, wann die Parten durchaus nicht zu einem Vergleich zu bewegen wären, mit Fällung des Ausspruchs fürgehen, und darinnen sowohl Klägern als Beklagten an ihren Ehren verwahren.

[3, 21, § 22] 224. Bei Schandbriefen und Schmähkarten, welche für die gröbste und schwereste Beleidigung zu achten sind, solle wider die Urhebere, Verfassere, wissentlich Ausstreuere und Ausbreitere allzeit peinlich verfahren und über die öffentliche Abbitte die in Unserer peinlichen Gerichtsordnung ausgemessene Strafen verhänget werden, der Richter hingegen in dem Urtheil den Geschmäheten an seiner Ehre und guten Namen wider alle Verleumdung auf das kräftigste und ausgiebigste verwahren und handhaben.

[3, 21, § 22] 225. Da es sich aber ergeben würde, daß der Beklagte nach eingebrachter Klage verstürbe, und also weder die Abbitte von ihme geleistet, noch eine öffentliche Strafe wider denselben verhänget werden könnte, solle der Richter die dem Kläger zugefügte Unbill, wann sie von ihme rechtsbehörig erwiesen worden, mit Erwägung aller Umständen auf einen gewissen Betrag an Geld schätzen, und solchen aus der Verlassenschaft des Verstorbenen dem Kläger zu seiner Genugthuung zusprechen, welchen ihme die Erben unweigerlich zu erstatten haben sollen.

§. XXIII.

[3, 21, § 23] 226. Die Verbindlichkeit und somit auch die Rechtsforderung aus diesem Verbrechen erlöschet aus folgende Weise, als erstens, durch Absterben des Beschimpfenden und zwar, vor der gerichtlichen Klage gänzlich und also, daß dessen Erben hierum nicht mehr belanget werden können.

[3, 21, § 23] 227. Nach eingebrachter Klage hingegen höret zwar mit Absterben des Beschimpfenden die Verbindlichkeit zur Abbitte und zur Leibesstrafe, nicht aber auch zu der nach richterlicher Schätzung der Unbill abzumessen habenden Geldbuße auf, als worzu die Erben des Beleidigenden verbunden bleiben, wie es in gleichvorhergehenden §. num. 225, geordnet worden.

[3, 21, § 23] 228. Zweitens, durch Absterben des Beleidigten vor eingereichter Klage, weilen andurch die Unbill erlassen worden zu sein vermuthet wird, wann der Beleidigte bei Lebzeiten die Genugthuung dafür anzusuchen unterlassen hat; wo er aber nach eingebrachter Klage verstürbe, stehet seinen Erben frei, die Rechtsführung wider den Beklagten fortzusetzen, oder da die Unbill dem schon Verstorbenen widerfahren wäre, den Beleidigenden deshalben klagbar zu belangen.

[3, 21, § 23] 229. Drittens, durch ausdrückliche oder stillschweigende Nachsicht, Erlassung und Vergebung der zugefügten Beleidigung. Die stillschweigende Erlassung wird aber aus solchen Handlungen vermuthet, welche die Aussöhnung mit dem Beleidiger

(3-378) an Tag legen, als da der Beleidigte denselben freundschaftlich umarmte, bei sich bewirthete, den vorigen Umgang mit ihme freiwillig pflegete, ohne daß solchen die etwan miteinander gemeinsam aufhabende Amtsverrichtungen oder sonstige Obliegenheiten, Mitgenossenschaft oder auch die Wohlanständigkeit erheischeten.

[3, 21, § 23] 230. Es möge aber die erlittene Unbill ausdrücklich durch Vergleich, Aussöhnung und freimüthige Vergebung oder stillschweigend erlassen worden sein, so solle doch Eines so wenig als das Andere denen sich dergestalten Vergleichenden oder Aussöhnenden an ihrer Ehre in geringsten nachtheilig und abbrüchig sein, sondern eine solche gutwillige Erlassung eben die Kraft und Wirkung haben, als ob beide Theile durch richterliches Urtheil ausdrücklich an ihrer Ehre verwahret worden wären.

[3, 21, § 23] 231. Noch weniger kann die einmal erlasse Beleidigung, wann gleich die dafür zu leisten versprochene Genugthuung nicht eingehalten oder auch eine neue Unbill zugefüget würde, deswegen anwiederum neuerdings erwecket und der vorigen halber Klage geführet werden, obschon die neuere Beleidigung klagbar anzubringen nicht verwehret ist, wie dann auch in jenem Fall, wo Mehrere beleidiget worden wären, die Erlassung des Einen dem Anderen sein Recht nicht benimmt, die Genugthuung fur sich anzusuchen.

[3, 21, § 23] 232. Wo jedoch nebst der Ehrenantastung auch an dem Gut des Beleidigten ein Schaden zugefüget worden wäre, kann aus Vergebung der ersteren nicht auch die Erlassung der gebührenden Entschädigung gefolgeret werden, wann diese letztere nicht zugleich ausdrücklich mit nachgesehen worden; dann die Vergessenheit der Beleidigung wirket nicht auch die Nachsicht des Schadens.

[3, 21, § 23] 233. Viertens, durch Verjährung nach Verlauf eines Jahres von dem Tag der in Erfahrnuß gebrachten Beleidigung, wann solche unter dieser Jahrsfrist nicht eingeklaget worden; es hätte dann der Beleidigte unter dieser Zeit den Beleidigenden nicht zu Stand Rechtens bringen können, welchen Falls er vor Ausgang des Jahrs eine Verwahrung bei Gericht einzubringen hat.

[3, 21, § 23] 234. Fünftens, durch erprobte Wahrheit des vorgeworfenen Lasters oder Missethat, wann der Bezichtigte nicht schon hiervon losgesprochen oder von ihme die Wiedereinsetzung in vorige Ehren ausgewirket worden; sechstens, durch Fürstellung eines Gewährsmanns nach Maßgebung dessen, was von beiden Fällen oben in §. XXI. von num. 210 bis 214, geordnet worden.

[3, 21, § 23] 235. Siebentes, durch eigenmächtige Ehrenrettung oder Widerschmähung, als wodurch zwar die Verbindlichkeit zur sonderheitlichen Genugthuung aufgehoben wird, weilen der Beleidigte sich solche selbst genommen hat; nichtsdestoweniger aber lieget dem Richter ob, sowohl den Schmähenden als Widerschmähenden nach Beschaffenheit deren Umständen zu bestrafen.

[3, 21, § 23] 236. Nur in dem alleinigen Fall solle die eigenmächtige Ehrenrettung ungeahndet bleiben, wann solche wider Schmach- und Schimpfworte gleich darauf und nach Maß der Beleidigung gebrauchet wird, also und dergestalten, daß die Schmähung nur auf den Schmähenden zurückgeschoben werde und die Widerschmähung nicht weiter gehe, als worauf die Schmähung gelautet hat.

[3, 21, § 23] 237. In allen anderen Fällen hingegen, wo diese Maß überschritten, oder es von Worten gar zu Thätigkeiten kommen, oder die Widerschmähung erst in einer Zeit darnach geschehen würde, ist eine solche eigenmächtige Thathandlung nach aller Schärfe zu bestrafen.

[3, 21, § 23] 238. Umsomehr aber sollen wegen Ehrenhändeln alle Ausforderungen und Absagungen ohne Rücksicht deren Personen, von was für einem Stand sie sein mögen, unter denen in Unserer peinlichen Gerichtsordnung darauf ausgesetzten Strafen gänzlich eingestellet und verboten sein.

(3-379) §. XXIV.

[3, 21, § 24] 239. Denen Ehrenhändeln kommen die nachtheilige Berühmungen eines an Jemands Person oder Gut habenden Rechts am nächsten bei, da es sich zum öfteren ergiebt, daß Leute allerlei Sprüche und Forderungen gegen Einem zu haben vorgeben, gleichwohlen aber aus Mangel des Beweises sich nicht getrauen, solche vor Gericht anzubringen und auszuführen, welches demselben nicht selten viel unerträglicher fallet, als wann er an seiner Ehre angetastet worden wäre.

[3, 21, § 24] 240. In solchem Fall, die Berühmung möge dingliche oder persönliche Rechten und Verbindungen betreffen, ist Derjenige, welcher derlei Sprüche besorget, nicht gehalten, so lange zuzuwarten, bis daß dem Berühmenden gelegen seie, seine Forderung bei Gericht anzubringen, sondern wo er die Berühmung erweisen kann, stehet ihme frei, den Berühmenden zu belangen, und eine gerichtliche Auflage, daß er binnen sechs Wochen seine vorgebliche Sprüche nach rechtlicher Ordnung ausführen, oder widrigens ihme ein ewiges Stillschweigen auferleget werden solle, wider ihn auszuwirken.

[3, 21, § 24] 241. Würde aber der Berühmende die eingeklagte Berühmung läugnen, so hat Kläger solche, wie zu Recht erforderlich, zu erweisen, in dessen Entstehung der Beklagte ledig und loszusprechen und Kläger in alle Gerichtsunkosten zu verurtheilen ist.

[3, 21, § 24] 242. Dahingegen, wo der Beklagte die angegebene Berühmung eingestünde oder solche von Klägern auf ihn erwiesen würde, so ist er schuldig, binnen der angesetzten sechswöchentlichen Frist seine angerühmte Gerechtigkeit in der bisherigen Form Rechtens klagbar anzubringen, worüber sodann nach Vorschrift Unserer Gerichtsordnung so wie in einer jeden anderen Rechtstheidigung mit beiderseitigen Nothdurftshandlungen zu verfahren ist.

[3, 21, § 24] 243. Erweiset nun derselbe seine angerühmte Gerechtigkeit, so ist Kläger zu Leistung alles dessen, was sich zu Recht gebühret, nebst Erstattung aller Gerichtsunkosten zu verurtheilen; in Gegentheil aber, da der Berühmende mit dem Beweis nicht aufkommen könnte, oder in der ausgemessenen Zeit auf die Klage gar nichts einbringen, noch auch aus rechtmäßigen Ehehaften die in Unserer Gerichtsordnung zulässige Auszugs- oder Erstreckungsfristen anbegehren würde, so ist ihme der eingeklagten Sache halber ein ewiges Stillschweigen nebst Ersetzung aller Gerichtsunkosten aufzuerlegen.

[3, 21, § 24] 244. Bei einem solchen Rechtshandel kommt es zwar auf zweierlei richterliche Erkanntnussen an, als die eine über die Wahrheit der eingeklagten Berühmung und die andere über die gerühmte Sache selbst, in deren ersterer Derjenige, den die Berühmung angehet, Kläger und der Berühmende der Beklagte, in der anderen aber der Berühmende Kläger, und Jener, wider den die Berühmung lautet, Beklagter ist.

[3, 21, § 24] 245. Nichtsdestoweniger wollen und ordnen Wir doch, daß, obgleich der Berühmende einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen wäre, deshalben jegleichwohlen der Zusammenhang der Sache keineswegs getrennt, noch weniger dieser Rechtshandel zwischen mehreren Gerichtsstellen getheilet, sondern Beides, was sowohl die Berühmung als die berühmte Sache selbst anbetrifft, bei demjenigen Gerichtsstand allein verhandelt werden solle, deme sonst die Erkanntnuß über die angerühmte Forderung und Gerechtigkeit zustehet, oder bei welchem der Berühmende den Anderen hierum zu belangen gehabt hätte.

[3, 21, § 24] 246. Welches jedoch nur von Unseren erbländischen Gerichtsstellen zu verstehen ist; dann in Ansehung auswärtiger Gerichten hat es bei Unseren anderweiten Satz- und Ordnungen sein festes Verbleiben, daß keiner von Unseren Unterthanen weder wegen angeblicher Berühmungen, noch sonst unter was immer für erdenklichen Vorwand dahin gezogen werden könne noch solle.

(3-380) Caput XXII.

Von denen für Verbrechen geachteten Handlungen.

Inhalt:

§. I. Von Wesenheit deren für Verbrechen geachteten Handlungen und der daraus entstehenden Verbindlichkeit. §. II. Von deren viererlei Gattungen überhaupt. §. III. Von Unerfahrenheit eines Richters insonderheit. §. IV. Von schädlicher Hinabwerfung, Ausgießung und gefährlicher Aushängung aus einer Wohnung. §. V. Von Zufügung eines Schadens durch fremde Bedienten. §. VI. Von Beschädigung durch fremdes Vieh.

§. I.

[3, 22, § 1] Num. 1. Die unerlaubte Handlungen sind in gleich vorhergehenden Kapitel, in ersten Artikel, von Verbrechen insgemein §. III, in wahre Verbrechen und nur für Verbrechen geachtete Handlungen eingetheilet worden, welche letztere in gegenwärtigen Kapitel beschrieben werden.

[3, 22, § 1] 2. Die sechste Gattung verbindlicher Handlungen sind demnach jene, welche für Verbrechen geachtet werden, worunter nichts Anderes verstanden wird, als eine Jemanden schädliche Handlung, welche weder aus wahrer Arglist und Gefährde, noch aus wahrer Schuld begangen, doch aber von dem Gesatz eine beimessentliche Schuld zu unterwalten vermuthet oder darfürgehalten wird.

[3, 22, § 1] 3. Der Grund dieser Vermuthung oder Dafürhaltung bestehet entweder in der Unerfahrenheit oder Nachlässigkeit dessen, welcher zu dem Schaden Anlaß und Gelegenheit gegeben, oder in einer schädlichen That Derenjenigen, die unter der Gewalt des Anderen stehen.

[3, 22, § 1] 4. Hieraus ergibt sich der Unterschied von wahren Verbrechen, daß diese niemalen anderst, als aus wahrer Gefährde und Arglist, oder aus wahrer Schuld begangen werden können, und dahero auch von dem Beschädigten allemal die Gefährde oder Schuld erwiesen werden müsse.

[3, 22, § 1] 5. Dahingegen in denen für Verbrechen geachteten Handlungen weder Gefährde, noch eine wahre Schuld unterlaufet, und somit auch diese nicht, sondern nur blos allein der zugefügte Schaden erwiesen und dargezeiget werden darf, um zu der angebührenden Genugthuung gelangen zu mögen.

[3, 22, § 1] 6. Die Verbindlichkeit aus denen für Verbrechen geachteten Handlungen überhaupt ist mit jener aus wahren Verbrechen einerlei, folglich hat auch darinnen all Jenes statt, was in dem vorhergehenden Capitel, in ersten Artikel, von Verbrechen insgemein, §. V, VII und IX, von der Verbindlichkeit sowohl deren Verbrecheren, als ihrer Erben, dann deren Erlöschung geordnet worden.

(3-381) §. II.

[3, 22, § 2] 7. Die für Verbrechen geachtete Handlungen bestehen in vier Gattungen, als erstens, in Unerfahrenheit des Richters; zweitens, in schädlicher Hinabwerfung, Ausgießung und gefährlicher Aushängung aus einer Wohnung.

[3, 22, § 2] 8. Drittens, in Zufügung eines Schadens durch fremde Bedienten; viertens, in Beschädigung durch fremdes Vieh, von deren jeder insonderheit in folgenden vier §§. Gehandelt wird.

§. III.

[3, 22, § 3] 9. Ein Richter, welcher Jemanden entweder durch das geschöpfte Urtheil und richterliche Erkanntnuß oder sonst durch einen widerrechtlichen Fürgang an seiner Gerechtsame verkürzet, machet sich andurch eines Verbrechens schuldig, doch mit dem Unterschied, daß, wo es vorsätzlich aus wahrer Gefährde geschehen, auch seinerseits ein wahres Verbrechen unterwalte, wo aber nur dessen Unerfahrenheit hierzu Anlaß gegeben, solches blos für ein Verbrechen geachtet werde, weilen das Gesatz ihme seine Unerfahrenheit für eine Schuld ausdeutet.

[3, 22, § 3] 10. In so einen als anderen Fall machet derselbe seine eigene Sache daraus und wird dem verkürzten Theil für den Betrag des erleidenden Schadens nebst dem Ersatz aller Gerichtsunkosten verfänglich; doch ist dabei wohl zu unterscheiden, ob die Verkürzung nur durch einen bloßen Fürgang oder Veranlassung auf einseitiges Anrufen des einen Theils, oder durch einen förmlichen Spruch und Urtheil zugefüget worden.

[3, 22, § 3] 11. Ersteren Falls gebühret dem verkürzten Theil die Rechtsforderung wider den Richter und seine Erben zum Ersatz des erweislichen Schadens und Erstattung aller Gerichtsunkosten, welche er bei dem oberen Richter, deme der beklagte untere Richter in dem Umfang seiner Gerichtsbarkeit unterworfen ist, einzubringen hat.

[3, 22, § 3] 12. Letzteren Falls hingegen kann derselbe seine Genugthuung nicht anderst, als durch Einwendung des ordentlichen Zugs an den oberen Richter in der hierzu ausgemessenen Zeit mit Beobachtung aller in der Gerichtsordnung dabei vorgeschriebenen Erfordernussen ansuchen; widrigens, und da das obschon an sich widerrechtliche Urtheil in Rechtskräften erwachsen wäre, höret die Frage, ob wohl oder

(3-382) übel gesprochen worden, auf, und bleibet nichts als die Nothwendigkeit der Befolgung übrig.

[3, 22, § 3] 13. Würde aber bei ordentlich eingewandten Zug der obere Richter die angebrachte Unbilligkeit des von dem unteren Richter geschöpften Urtheils erkennen und die Sache durch dessen Umänderung nicht mehr in den vorigen Stand hergestellet werden können, solle derselbe sogleich, ohne erst eine besondere Rechtsforderung zu veranlassen, den unteren Richter zum Ersatz des dem verkürzten Theil zugefügten Schadens nach Maß des befundenen oder von diesen zu erweisen habenden Betrags verurtheilen.

[3, 22, § 3] 14. Doch sollen nur jene Gerichtsglieder und ihre Erben zu gleichen Theilen dafür zu haften haben, die nach Ausweis des Gerichtsprotokolli oder Vormerkbuchs zu dem nachtheiligen Fürgang oder Urtheil ihre Stimme gegeben haben, nicht aber die Abwesende oder Jene, welche einer anderen Meinung waren, und nicht mit beigestimmet haben; wohingegen, da von dem verkürzten Theil eine wahre Gefährde und Arglist erweislich wäre, jedes Mitglied, so hieran Theil genommen, für den ganzen Betrag dergestalten verfänglich wird, daß, was von dem Einen nicht erholet wird, von dem Anderen eingeforderet werden kann.

§. IV.

[3, 22, § 4] 15. Ebenso wird von dem Gesatz an Seiten Desjenigen eine Schuld vermuthet, aus dessen Wohnung etwas auf die Gassen oder an dem Orte, wo Leute hin- und herzugehen pflegen, hinabgeworfen oder ausgegossen, und dem Vorübergehenden andurch an seinen Kleidern oder anderen zu der Zeit bei sich habenden Sachen ein Schaden zugefüget, oder Jemand an Leibe verwundet oder gar erschlagen würde.

[3, 22, § 4] 16. Für einen solchen Schaden ist allemal der Inwohner derjenigen Wohnung, woraus der Schaden widerfahren, verantwortlich, er möge der Hausherr selbst sein oder nicht; dann ein Jeder ist schuldig auf seine Untergebene acht zu tragen, daß von ihnen denen vorübergehenden Leuten kein Schaden geschehe.

[3, 22, § 4] 17. Wo aber die Wohnung von Mehreren zusammen bewohnet würde, sind auch Alle verfänglich; es wäre dann solche zwischen ihnen getheilet, welchen Falls nur Jener dafür zu haften hat, aus dessen Theil etwas ausgegossen oder hinabgeworfen worden.

[3, 22, § 4] 18. Der Beschädigte darf also die Person, welche ihme den Schaden zugefüget, in seiner Klage nicht ausweisen oder benennen, sondern er kann sich an dem Inwohner halten und hat nichts Anderes zu erweisen, als daß aus dessen Wohnung auf die Gassen oder an dem Orte, wo Leute hin- und herzugehen pflegen, es seie bei Tag oder Nacht, etwas ausgegossen oder hinabgeworfen worden, wodurch ihme ein Schaden widerfahren seie.

(3-383) [3, 22, § 4] 19. Zu dem Ende gebühret ihme und seinen Erben die Rechtsforderung wider den Hausinwohner und dessen Erben zum Ersatz des erweislich erlittenen Schadens mit allen Gerichtsunkosten, doch kann er Dasjenige, was er bezahlet, von dem Thäter, wann er denselben auszuweisen vermag, anwiederum zuruckforderen.

[3, 22, § 4] 20. Der Ersatz des Schadens, wann solcher an Kleidern oder anderen nach ihren Werth geschätzet werden mögenden Sachen geschehen, solle nach der in gleich vorhergehenden Capitel, in dritten Artikel, von denen zum Abbruch fremder Rechten und Gütern gereichenden Verbrechen, §. XVII, von num. 158 bis 160, enthaltenen Ausmessung durch richterlichen Befund bestimmet werden.

[3, 22, § 4] 21. Woferne aber ein Vorübergehender andurch verwundet oder erschlagen worden wäre, ist die gebührende sonderheitliche Genugthuung nach denen in vorbemelten Kapitel, in zweiten Artikel, von denen an Jemands Person ausübenden Verbrechen, §. XI, vorgeschriebenen Maßregeln zu leiten und über dieses wider den Thäter, dessen Erforschung der Richter sich möglichst angelegen zu halten hat, peinlich zu verfahren.

[3, 22, § 4] 22. Es wird demnach diese Thathandlung nur insolange einem Verbrechen gleich geachtet, als nicht der Thäter vorgestellet wird; da aber gegen dem Thäter selbst verfahren würde, rühret die Rechtsforderung aus einem wahren Verbrechen her, und wo auf ihn erwiesen werde könnte, daß die That aus Leichtfertigkeit, Muthwillen und geflissentlichen Vorsatz Klägern zu beleidigen geschehen seie, gebühret demselben über den Ersatz des erweislichen Schadens die in Ehrenhändeln ausgesetzte Genugthuung.

[3, 22, § 4] 23. Gleichergestalten, da etwas aus einem Haufe ausgehangen würde, wobei die Gefahr obhanden wäre, daß durch dessen Herabfallung ein Vorübergehender beschädigt werden könnte, ein solches solle nicht nur jeden Orts Obrigkeit allsogleich abstellen, sondern auch die darüber bei ihr einkommende Beschwerde den Hausinhaber zu dessen Hinwegnehmung schleunig verhalten, und da dieser solches nicht befolgen würde, wegen seines Ungehorsams nach Befund bestrafen.

[3, 22, § 4] 24. Wo aber durch dessen Herabfallung Jemanden wirklich ein Schaden geschehen wäre, ist der Inwohner in eben derjenigen Maß, wie es gleich vorhero von Ausgießung und Hinabwerfung geordnet worden, dessen Ersatz zu leisten schuldig; es wäre dann, daß von dem Gebäu etwas herabfiele, wofür der Hausherr zu haften hat.

§. V.

[3, 22, § 5] 25. Ferners wird unter die für Verbrechen geachtete Handlungen jener Schaden gezählet, welcher Jemanden von denen unter des Anderen Gewalt stehenden Personen, als Kindern, Dienstboten und anderen Leuten, deren er sich in seinen Geschäften oder Hantierungen gebrauchet, ohne dessen unterlaufender wahren Schuld

(3-384) zugefüget wird; dann wo sein Auftrag, Befehl, Geheiß, Genehmhaltung oder sonstige Zuthat hinzutritt, ist seinerseits eine wahre Schuld, folglich auch die Theilnehmung an einem wahren Verbrechen, wie solches in dem vorigen Capitel, in ersten Artikel, von Verbrechen insgemein, §. VI, erkläret worden.

[3, 22, § 5] 26. Dahingegen, wo derselbe die Zufügung des Schadens wissentlich gestattete und, da es in seiner Macht stünde, nicht verhinderete aber auch böse und Anderen zu schaden gewohnte Leute in seinen Diensten oder sonst bei sich wissentlich aufhielte, und dieses auf ihn erwiesen werden könnte, oder sonst seines treibenden Gewerbs oder Hantierung halber zu dem ausbündigsten Fleiß verbunden wäre, wird es aus sothaner für ein Verbrechen geachteten Handlung dem Beschädigten zum vollständigen Ersatz des Schadens verbindlich, obschon er sich deshalben anwiederum an den Thäter, wann er so vieles Vermögen hat, erholen mag.

[3, 22, § 5] 27. Weilen jedoch die Wissenschaft der Beschädigung in jenen obbemerkten Fällen, wo solche die Verbindlichkeit wirket, schwer zu erweisen ist, und nicht allemal das, was zwischen dem Herrn und seinem Untergebenen in Absicht auf die That vorgegangen, dem Beschädigten bekannt sein kann, so ist diesem unverwehret bei einer von des Anderen Leuten widerfahrenen Beschädigung den Herrn durch eine Gerichtsperson schriftlich oder durch zwei untadelhafte Zeugen mündlich befragen zu lassen, ob die That mit seinem Wissen oder Willen geschehen seie.

[3, 22, § 5] 28. Würde nun derselbe hierauf eine unverständliche oder gar keine Antwort geben, oder aber die That mit seinem Willen oder auf seinen Befehl geschehen zu sein eingestehen oder sie gutheißen, oder solches zwar verneinen, der Beschädigte aber das Widerspiel zu erweisen im Stande sein, kann er um den Ersatz des Schadens belanget werden.

[3, 22, § 5] 29. Woferne hingegen derselbe die That zwar auf sich nehmen, anbei aber hierzu befugt zu sein vorschützen würde, so ist vorhero die Frage der Befugnuß rechtlich zu erörtern, und bis zu deren Entscheidung der Punkt der Schadensersetzung in Anstand zu lassen.

[3, 22, § 5] 30. Nur allein Schiffer, Fuhrleute, Gastwirthe und andere ein Gewerb oder Hantierung treibende Leute haben für den an denen von ihnen in ihre Gewahrsame oder in die Arbeit übernommenen Sachen von ihren Hausgenossen oder Dienstleuten zugefügten Schaden zu haften, sie mögen die That gewußt haben oder nicht, weilen sie schon ihr treibendes Gewerb verbindet wegen deren übernommenen Sachen die ausbündigste Sorgfalt zu tragen, um allen Schaden abzuwenden.

§. VI.

[3, 22, § 6] 31. Endlich gehöret unter die für Verbrechen geachtete Handlungen diejenige Beschädigung, welche durch fremdes Vieh zugefüget wird, dieses seie wild ober zahm und der Schaden geschehe wider oder nach dessen Art, wofür allemal der Herr des Viehs zu haften hat, weilen ihme schon die That zur Schuld gerechnet


(3-385) wird, daß er nicht mehrere Vorsicht gebrauchet, um den Schaden zu verhüten.

[3, 22, § 6] 32. Dann wo seinerseits eine wahre Schuld hierzu Anlaß gegeben hätte, als da derselbe ein schädliches Thier auf Jemanden angehetzet, oder sein Vieh vorsätzlich und wissentlich auf fremden Gründen weidete, ist es ein wahres Verbrechen; wo aber die Anhetzung von einem Dritten geschehete oder das Vieh von Jemanden, der nicht zu dessen Hütung (!) bestellet ist, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers auf fremde Gründe getrieben würde, hat dieser und nicht der Herr des Viehs für den Schaden zu stehen.

[3, 22, § 6] 33. Desgleichen, wo der Beschädigte durch Anreizung und Anhetzung fremden Viehs oder sonst durch seine Unvorsichtigkeit den Schaden sich selbst zugezogen hätte, hat er solchen seiner eigenen Schuld beizumessen, und ist ihme der Herr des Viehs dafür in nichts verfänglich.

[3, 22, § 6] 34. Wann dahero der Herr des Viehs zur Entschädigung, es seie aus einem wahren Verbrechen oder aber wegen Unvorsichtigkeit nur aus einer für ein Verbrechen geachteten Handlung verbunden sein solle, muß die Beschädigung ohne Anhetzung oder sonstiger Zuthat eines Dritten, der zu dessen Hütung und Bewahrung nicht bestellet ist, und ohne selbst eigener Schuld des Beschädigten verursachet worden sein.

[3, 22, § 6] 35. Der Ersatz des Schadens ist nach dessen Beschaffenheit also abzumessen, daß, wo Jemand von fremden Vieh verwundet oder gar getödtet würde, die auf Verwundungen und Todtschläge ausgesetzte sonderheitliche Genugthuung gebühre, und beinebst sowohl wider Jenen, deme sothanes Vieh zu verwahren obgelegen oder der sonst hieran Schuld trägt, als auch wider den Herrn des Viehs selbst, wo dessen Gefährde oder wahre Schuld unterliefe, peinlich zu verfahren seie, wo beinebst das Vieh, welches solchergestalten geschadet, zu Vermeidung alles weiter besorgenden Unheils aus dem Weg geraumet werden solle.

[3, 22, § 6] 36. Wofern aber der Schaden durch fremdes Vieh an anderen Sachen geschehen wäre, ist solcher auf die in vorigen Capitel, in dritten Artikel, von denen zum Abbruch fremder Rechten und Gütern gereichenden Verbrechen, §. XVII, von num. 158 bis 160, bestimmte Weise zu schätzen.

[3, 22, § 6] 37. Welches ingleichen in jenem Fall beobachtet werden solle, wann Jemandens Vieh von eines Anderen Vieh beschädigt oder getödtet würde; es wäre dann erweislich, daß der Angriff von dem beschädigten oder getödteten Vieh selbst geschehen oder dieses an einen solchen Ort gekommen seie, wo andere ihme nach ihrer Art schädliche und aufsätzige Thiere aufbehalten oder geweidet worden.

[3, 22, § 6] 38. Widerfahrete hingegen die Beschädigung an fremden Gründen durch Abweidung und Verwüstung deren Aeckern, Gärten, Wiesen oder Triften, so solle der Schaden durch gewissenhafte Beurtheilung zweier unparteischer Wirthschaftserfahrener also geschätzet werden, daß sowohl auf die Zeit der Beschädigung, als der künftigen Ernte oder Einsammlung die Rücksicht genommen werde, um wie viel nämlich der abgeweidete Grund weniger ertragen würde.

[3, 22, § 6] 39. Es stehet dahero dem Beschädigten und seinen Erben die Rechtsforderung wider den Herrn des Viehs und dessen Erben zum Ersatz des erweislichen Schadens zu; doch ist nicht allemal nothwendig mit dieser Rechtsforderung zu verfahren, sondern der Beschädigte hat aus dem Grundsatze der Selbsthilfe und eigenen Vertheidigung andere erlaubte Mitteln sowohl zur Anwendung des befahrenden, als zur Vergütung des schon geschehenen Schadens.

[3, 22, § 6] 40. Und zwar ist Jedermann gestattet, nicht nur allein fremdes Vieh von seinem Grund und Boden abzutreiben, sondern auch, wo die Gefahr der Beschädigung von einem wilden Thier oder sonst zahmen, doch aber zur Wuth gereizten Vieh Jemandens Person oder Gut bevorstünde, dasselbe ohneweiters zu tödten und sich andurch von der Gefahr zu befreien, außer insoweit durch unsere Jagdordnungen

(3-386) wegen des auf fremde Gründe austretenden Wilds ein Anderes vorgesehen ist, wobei es sein festes Verbleiben haben solle.

[3, 22, § 6] 41. Zahmes Vieh hingegen ist nicht erlaubt zu tödten, wann es nicht von solcher Art ist, daß es entweder gar keinen Nutzen bringe, als Hunde und Katzen, oder doch schwer gefangen werden möge, als Gänse, Tauben und anderes zahmes Geflügel. Bei jedem aber, was leichtlich gefangen werden kann, sind Wir zwar gnädigst nicht gemeinet, die bisher durchgängig in Betretung fremden Viehs auf eigenen Gründen übliche Pfändungen abzustellen; doch wollen Wir hierbei folgende Maß und Ordnung beobachtet haben.

[3, 22, § 6] 42. Erstens, daß das fremde Vieh, welches Schaden verursachet, aus eigenen Gründen betreten und allda eingefangen, keineswegs aber bei Strafe gewaltsamer Thathandlungen auf fremden Grund und Boden verfolget, noch weniger von dannen eingetrieben werde.

[3, 22, § 6] 43. Zweitens, daß wirklich ein Schaden entweder zur Zeit der Betretung oder doch vorhero von dem nemlichen Vieh zugefüget worden seie, wann solcher entweder schon vorhin auf die oben vorgeschriebene Art und Weis geschätzet und dem Herrn des Viehs angedeutet worden, oder doch noch sichtbar ist, daß er geschätzet werden möge.

[3, 22, § 6] 44. Außer einem zugefügten Schaden hingegen ist zwar die Abtreibung und Warnung des Herrns des Viehs, nicht aber auch die Anhaltung fremden, obschon auf eigenen Gründen betretenen Viehs zulässig, sondern Jener fällt in die Strafe eigenmächtiger Gewalt, wer ohne Schaden darzeigen zu können, fremdes Vieh pfändet, und solches dem Eigenthümer auf sein Begehren nicht allsogleich ausfolget.

[3, 22, § 6] 45. Drittens, daß die Pfändung dem Betrag des Schadens insoweit gleichkomme, daß solche höchstens dessen zweifachen Werth nicht übersteige, wann mehrere Stucke Viehs gepfändet werden, in welchem Fall der Herr des Grunds nicht mehrere Stucke anhalten solle, als zu seiner Bedeckung für einen zweifachen Werth des Schadens genug sind, welches umsomehr damals in acht zu nehmen ist, wann der Werth eines Stucks schon für sich den Schaden vielfach übersteiget; dann in solchem Fall hat er an Einem allein überflüssige Sicherheit.

[3, 22, § 6] 46. Wo aber derselbe mehrere gepfändet hätte, als der doppelte Werth des Schadens nach der erfolgten Schätzung betragen würde, kann er die auf Unterhaltung und Verwahrung des gepfändeten Viehs aufgewendete Unkosten nur für so viele Stucke zuruckforderen, als zu Erreichung dieses zweifachen Werths erforderlich waren; die übrige hingegen ist er ohnentgeltlich zuruckzustellen schuldig.

[3, 22, § 6] 47. Viertens, daß der Pfändende sogleich den verursachten Schaden durch zwei unparteiische Wirthschaftskündige schätzen lasse, und den ausgefallenen Betrag mit denen auf das Vieh verwendeten Unkosten dem Eigenthümer bedeute.

[3, 22, § 6] 48. Fünftens, daß der Gepfändete binnen acht Tagen von Zeit der Pfändung an zu rechnen den ihme bedeuteten Betrag des geschätzten Schadens mit allen Unkosten ohne alle weiterer Erinnerung ohnweigerlich abführe, und durch dessen Entrichtung das gepfändete Vieh auslöse.

[3, 22, § 6] 49. Daferne aber dieser sich hierzu nicht bequemen würde, so ist der Pfändende nach Verlauf deren acht Tagen länger nachzuwarten nicht schuldig, sondern hat die Befugnuß, so viele Stücke Viehs als zu seiner Entschädigung nöthig sind, durch unparteiische Beamte oder Dorfgerichtsleute abschätzen zu lassen, und entweder in dem geschätztem Werth zu verkaufen und von dem erlösten Kaufschilling so viel als nöthig ist, sich abzuziehen, oder aber auch das Vieh in dem angeschlagenen Werth für sich zu behalten, und das übrige Kaufgeld dem Eigenthümer herauszugeben oder, da er es anzunehmen verweigerete, bei Gericht zu hinterlegen.

[3, 22, § 6] 50. Jene Stücke des gepfändeten Viehs hingegen, welche über Abzug des Schadens und Unkosten erübriget werden, ist er verbunden, dem Gepfändeten ohneweiters

(3-387) zuruckzustellen und ihme wegen deren Uebernehmung die Erinnerung zu machen.

[3, 22, § 6] 51. Da dieser jedoch solche binnen deren nächsten dreien Tagen von der ihme zugekommenen Ankündung nicht zurücknehmen wollte, solle auf gleich vorerwähnte Art zu deren Abschätzung und Verkaufung geschritten, und der erlöste Werth nach Abzug deren neueren Unkosten zu Gerichts Handen hinterleget werden.

[3, 22, § 6] 52. Sechstens, daß der Gepfändete der Pfändung halber sich aller Gegenpfändungen, Pfandbekehrungen und anderer Gewaltthätigkeiten bei Strafe der Gewalt enthalten solle; es wäre dann, daß dagegen das Vieh des Pfändenden auf dem Grund und Boden des Gepfändeten in einer Beschädigung betreten würde, als in welchem Fall allein die Gegenpfändung nicht verwehret wird.

[3, 22, § 6] 53. Siebentens, dass, wann der Gepfändete sich in Schätzung des Schaden beschweret zu sein findete, er zwar den geschätzten Betrag binnen denen oben ausgemessenen acht Tagen dem Pfändenden zu erstatten habe, ihme aber freistehe, nachgehends auf Unkosten des sachfälligen Theils die gerichtliche Abschätzung anzusuchen, welchen Falls, da die vorige Schätzung übertrieben zu sein befunden würde, der Pfändende das, was er hieran sich über die Gebühr zugeeignet, mit allen Gerichtsunkosten dem Gepfändeten zuruckstellen solle.

[3, 22, § 6] 54. Achtens, dass der Pfändende, so lange er das gepfändete Vieh in seiner Gewahrsame behält, solches mit dem nöthigen Futter versehe und so wie sein eigenes besorge, wo im Widrigen und da hiervon Eines aber das Andere aus seiner Schuld umstünde, dessen Werth von dem geschätzten Schadens- und Unkostenbetrag abgezogen oder dem Gepfändeten hinausgezahlet werden solle; dahingegen den ohne erweislicher Schuld des Pfändenden aus Zufall sich hieran ergebenen Schaden der Gepfändete allein zu tragen hat.

[3, 22, § 6] 55. Insoferne aber der Pfändende zur Veräußerung des Viehs, ohne solches vorhero dem Herrn desselben zu bedeuten und ohne die obbestimmte Zeit abzuwarten, fürschreiten würde, verlieret er nicht allein die ihme sonst angebührende Entschädigung, sondern er ist auch schuldig, dem Herrn des Viehs den Werth dafür, wie er sich solchen selbst schätzen wird, zu erstatten.

[3, 22, § 6] 56. Da jedoch dieser nicht zu erforschen wäre, hat der Pfändende die anberaumte acht Täge abzuwarten, und wann sich unter dieser Zeit Niemand hierum meldete, die Schätzung und Veräußerung des gepfändeten Viehs nicht anderst als gerichtlich vornehmen zu lassen.

(3-388) Caput XXIII.

Von Verwandlung und Uebertragung deren Verbindungen an Andere.

Inhalt:

§. I. Von denen verschiedenen Arten Verbindungen zu erneueren und an Andere zu übertragen überhaupt. §. II. Von Erneuerung oder Umlage der Schuld insonderheit. §. III. Von Anweisung des Schuldners. §. IV. Von Abtretung oder Uebergab der Schuld an Andere. §. V. Von Uebernahm einer fremden Schuld.

§. I.

[3, 23, § 1] Num. 1. Nachdeme wie bishero die verschiedene Gattungen deren verpflichtenden Handlungen, woraus die persönliche Verbindungen entspringen, nach ihrer Wesenheit, Eigenschaft und Wirkung beschrieben worden, so folgen auch nunmehro die bereits in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. X, kürzlich angemerkte Tilgungsarten, wodurch solche anwiederum erlöschen und aufgehoben werden.

[3, 23, § 1] 2. Diese sind zweierlei; dann entweder wird anstatt der vorigen Verbindung eine neue eingegangen, und also die alte in eine neue verwandelt, oder aber die Verbindung gänzlich getilget und aufgehoben. Von denen ersteren wird in diesem, und von denen anderen in dem gleich nachfolgenden letzten Capitel gehandlet.

[3, 23, § 1] 3. Die Verwandlung deren Verbindungen wird zwar insgemein eine Erneuerung der Schuld benamset, eigentlich aber kommt dieser Namen nur jener Art der Verwandlung zu, welche zwischen denen nemlichen Personen des Glaubigers und Schuldners bewirket wird; dahingegen, wo eine in der Handlung vorhin nicht mitbegriffene dritte Person dabei einkommet, heißet dieselbe eine Uebertragung der Verbindung von einer Person auf die andere.

[3, 23, § 1] 4. Darunter wird jedoch die erbliche Uebertragung deren Verbindungen nicht mitverstanden, dann diese geschieht aus Macht Rechtens also, dass der Erb mit dem Erblasser für eine Person geachtet werde und in alle Rechten und Verbindlichkeiten des Verstorbenen eintrete, welche in der Person des Erbens bei Kräften verbleiben.

[3, 23, § 1] 5. Es handlet sich dahero hier nur von denen aus Willkür deren Contrahenten veranlaßten Verwandlungen und Uebertragungen deren Verbindungen, welche auf viererlei Art geschehen, als entweder wird zwischen den nemlichen Glaubiger und Schuldner ohne daß dabei eine dritte Person einkomme, in Absicht die Schuld zu erneueren, die vorige Verbindung in eine neue verwandlet, und insonderheit eine Erneuerung oder Umlage der Schuld genennet.

[3, 23, § 1] 6. Oder es wird von dem Schuldner mit seinem Wissen und Willen ein anderer Schuldmann bestellet, und ist eine Anweisung des Schuldners, oder die Schuld wird ohne Wissen des Schuldners von dem Glaubiger an einen Dritten abgetreten und überlassen, und heißet eine Abtretung oder Uebergabe der Schuld, oder endlich wird die Schuld mit oder ohne Wissen des Schuldners von einem Dritten als Selbstschuldner auf sich genommen, und der Erste andurch von der

(3-389) Verbindung befreiet und ist eine Uebernahm fremder Schuld, welche vier Gattungen in denen nachstehenden vier §§. erkläret werden.

§. II.

[3, 23, § 2] 7. Die eigentliche Erneuerung oder Umlage der Schuld ist eine Handlung, wodurch die vorige in eine neue Verbindung zwischen denen nemlichen Personen in Absicht, die Schuld zu erneueren, verwandelt wird, also daß zwar die Ursach, die Art und Weis und der Gegenstand der vorigen Verbindung veränderet werde, doch aber eben derjenige Glaubiger und Schuldner verbleibe, welche es vorhero gewesen sind.

[3, 23, § 2] 8. In der Ursach der Verbindung geschieht die Veränderung, wann z. B. Jemand diejenige Summe, welche er aus einem Kauf-, Pacht- oder anderem Contract dem Anderen schuldig ist, als ein Darlehen übernimmt, in der Art und Weis, wann der Schuldner Jenes, worzu er unter einer Bedingnuß verbunden ware, ohnbedingt zu leisten verspricht, in dem Gegenstand, wann durch ein nachheriges Beding, Vertrag oder Vergleich die schuldige Summe verminderet oder erhöhet, oder auch die Gattung des schuldigen Betrags oder das Ort und die Zeit der Zahlung veränderet wird.

[3, 23, § 2] 9. Doch ist zur Wesenheit einer Erneuerung erforderlich, daß die Absicht und der Willen, die vorige Schuld zu erneueren, ungezweiflet seie, folglich entweder von denen Contrahenten dabei deutlich ausgedrucket werde, daß die vorige Verbindlichkeit gänzlich aufgehoben sein solle, oder aber ein widriges, mit der vorigen Verbindlichkeit, nicht bestehen mögendes Beding eingegangen werde, woraus die Vernichtung der ersteren Verbindung erhelle; dann außerdeme ist die vorige Verbindung durch das spätere Beding nur für vermehret oder verminderet, nicht aber für verwandlet und erneueret zu achten.

[3, 23, § 2] 10. Wann dahero zur Sicherheit einer schon contrahirten Schuld ein Pfand eingeleget, oder eine Hypothek verschrieben, oder eine Bürgschaft bestellet wird, kann keine Erneuerung der vorigen Verbindlichkeit daraus gefolgeret werden, sondern dieser bleibet noch allezeit ihre Giltigkeit, weilen ein solches späteres Nebenbeding blos zur Sicherstellung des Glaubigers und nicht auf eine Erneuerung der Schuld abgesehen ist.

[3, 23, § 2] 11. Eben also, da über eine schon vorhin bestehende Verbindlichkeit eine neue Urkunde ausgestellet wird, bleibet die vorige Schuldigkeit, wann solche in der neuen Urkunde nicht gänzlich vernichtet und aufgehoben wird, in allen denenjenigen Punkten bei Kräften, die nicht in der neuen Urkunde namentlich widerrufen oder abgeänderet werden.

[3, 23, § 2] 12. Bei einer Erneuerung der Schuld müssen allemal zwei Personen mit ihrer beiderseitigen Einwilligung zusammentreffen als der Glaubiger, welcher die vorige Verbindung nachsieht und erlasset, und der Schuldner, welcher anstatt der vorigen eine neue Verbindlichkeit auf sich nimmt.

[3, 23, § 2] 13. Verbindungen erlassen können Alle, welche die freie Verwaltung ihres eigenen oder eines fremden Vermögens haben, als Vormündere oder Gerhaben, Curatores oder Befehlshabere, wann sie hierzu entweder mit einem besonderen, oder doch auf die Befugnuß der freien Schalt- und Waltung lautenden Befehl versehen sind.

(3-390) [3, 23, § 2] 14. Auch ein Mitglaubiger kann eine Schuld, worzu der Schuldner ihme und seinen Mitglaubigeren sammt und sonders mit ungeschiedener Hand verbunden ist, durch die Erneuerung ganz erlassen, ansonst aber, wo der Schuldner Mehreren zusammen nicht ausdrücklich sammt und sonders verbunden wäre, die Schuld nur für denjenigen Antheil erneueren, der ihme hieran gebühret.

[3, 23, § 2] 15. Desgleichen können Alle eine neue Verbindlichkeit auf sich nehmen, die Verbindungen einzugehen fähig sind, insoweit die Erneuerung der Schuld nicht zum Nachtheil eines Dritten gereichet; also kann weder ein Schuldner durch die Erneuerung der Schuld den Bürgen, noch auch ein mit Mehreren sammt und sonders verstrickter Mitschuldner die Andere weiter verbindlich machen, als sie vorhero verstricket waren, wann ihre ausdrückliche Einwilligung in die Erneuerung nicht hinzutritt, obschon ein Mitschuldner die Schuld für seinen Antheil erneueren mag, und der bei der Erneuerung dem Schuldner gemachte Nachlaß auch dem Bürgen und dem mit ungeschiedener Hand verbundenen Mitschuldner zu statten kommt.

[3, 23, § 2] 16. Alle erlaubte und zu Recht bestehende Verbindungen, wann gleich solche von dem künftigen, gewissen oder ungewissen Erfolg abhangen, können ebenso erneueret, wie dagegen ohnbedingte Verbindungen in bedingte verwandlet werden, wann nur obbemelter Maßen der Willen deren Contrahenten entweder ausdrücklich oder durch ein dem Ersteren widerstrebendes Beding sich dahin äußeret, daß die vorige Verbindung aufgehoben sein solle.

[3, 23, § 2] 17. Ueber dieses aber wird bei Erneuerung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten Verbindungen annoch erheischet, daß das Beding der Erneuerung da, wo sich die erstere Verschreibung befindet, eingetragen, und diese andurch ausgelöschet und vernichtet werde; dann insolange die Umlage nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich geschieht, bleibet die erstere daselbst haftende Verbindlichkeit bei ihren vollkommenen Kräften.

[3, 23, § 2] 18. Die Wirkung der Erneuerung ist zweierlei, als eine in Absicht auf die vorige Verbindlichkeit, daß solche andurch mit allen ihren Nebengebührnussen, Vorzügen und Eigenschaften insoweit erlösche, als die Contrahenten sie aufheben zu wollen ausgedrucket haben, und in Absicht auf die neu eingetretene Verbindlichkeit, daß der Schuldner fürohin hieraus verstricket seie. Dahingegen werden Pfandschaften, Pfandsverschreibungen und Bürgschaften durch die Erneuerung der Schuld nicht getilget, wann dieselbe dabei nicht ausdrücklich erlassen oder nicht eine gleich hinreichende Sicherheit ohne Vorbehalt der ersteren von dem Glaubiger angenommen worden.

§. III.

[3, 23, § 3] 19. Die Anweisung des Schuldners ist eine Handlung, wodurch der Schuldner den Glaubiger mit seiner Einwilligung an einen anderen Schuldmann anweiset, also daß dabei die Person des Schuldners geänderet werden, folglich eine in der vorigen Handlung nicht mitbegriffene dritte Person anstatt des ersten Schuldners eintrete.

[3, 23, § 3] 20. Diese Anweisung geschieht auf zweierlei Art, als entweder, daß der vorige Schuldner von der Schuld völlig frei und losgezählet werde, und eine solche Handlung heißet eigentlich eine Ueberweisung oder Anweisung anstatt Zahlung, welche die vorige Verbindlichkeit gänzlich aufhebet, oder daß der Glaubiger jegleichwohlen noch den Anweisenden oder den ersteren Schuldner in der Verbindlichkeit halte, insolange die Zahlung von dem Angewiesenen nicht erfolget, und diese

(3-391) Anweisung ist keine Zahlung, noch weniger wird andurch die vorige Verbindlichkeit getilget.

[3, 23, § 3] 21. Die erstere Anweisungsart enthaltet zwei Handlungen, als die eine zwischen dem anweisenden ersten Schuldner einer- und dem anweisen wollenden neuen Schuldmann andererseits, welche durch den Auftrag des Anweisenden, die Zahlung dem Glaubiger zu leisten und durch die Einwilligung des angewiesenen Schuldmanns zu Stand kommt, massen ohne dessen Einwilligung, und ohne daß dieser die Verbindlichkeit auf sich nehme, der erste Schuldner sich von der Schuld durch die Anweisung nicht entledigen kann.

[3, 23, § 3] 22. Die andere Handlung bestehet zwischen dem angewiesenen neuen Schuldmann und dem Glaubiger, deme die Anweisung geschieht, wodurch derselbe den Angewiesenen zu seinem Schuldner annimmt und dieser dagegen ihme die Zahlung zu leisten verspricht und gelobet.

[3, 23, § 3] 23. Daß jedoch eine wirkliche Verwandlung und Uebertragung der Verbindlichkeit von dem vorigen auf den neuen Schuldmann durch die Anweisung bewirket werden möge, ist erforderlich, damit die Verbindlichkeit des ersten Schuldners von dem Glaubiger ausdrücklich erlassen und aufgehoben werde, in dessen Ermanglung der Glaubiger, wann er von dem angewiesenen Schuldmann die Bezahlung nicht erhaltet, sich noch allezeit an den Anweiser oder ersten Schuldner erholen kann.

[3, 23, § 3] 24. Die Erlassung der Verbindlichkeit des ersten Schuldners kann entweder durch Zerreißung oder Zuruckstellung des Schuldbriefs oder durch die Quittirung geschehen, welche aber, wann die Schuld landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket ist, nothwendig in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen werden muß, weilen eine landtäflich, stadt- oder grundbücherlich haftende Verbindlichkeit nicht anderst als auf gleiche Art, nemlich durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Auslöschung getilget werden kann.

[3, 23, § 3] 25. Insolange also die erste Verbindlichkeit von dem Glaubiger nicht eindrücklich erlassen wird, befreiet die Anweisung den anweisenden ersten Schuldner nicht, sondern dieser bleibet dem Glaubiger verfangen, bis daß die Schuld bezahlet werde.

[3, 23, § 3] 26. Bei Anweisungen kommen allemal drei Personen vor, als der Anweiser, der Angewiesene und der Glaubiger, deme die Anweisung gemacht wird, welche insgesammt die freie Schalt- und Waltung mit ihrem eigenen oder fremden Vermögen haben müssen.

[3, 23, § 3] 27. Ueber dieses aber wird annoch an Seiten des Anweisenden erforderet, daß er ein wirklicher Schuldner, es seie für sich selbst oder in Beitretung zur Verbindung eines Dritten, Desjenigen seie, deme er die Anweisung machet; dann ansonsten ist es eine Schankung oder Uebergabe und keine Anweisung. Doch ist nicht nöthig, daß der Angewiesene allemal ein Schuldner des Anweisenden seie, wann er nur sich zu verbinden fähig ist, und in dem Fall, daß er kein Schuldner des Anweisenden wäre, durch das Gesatz von Bürgschaftsleistungen oder Uebernehmung fremder Schulden nicht ausgeschlossen wird.

[3, 23, § 3] 28. Eine so beschaffen Anweisung, wodurch die Verbindlichkeit des ersten Schuldners auf den Anderen übertragen wird, wirket in Absicht auf den Anweisenden die Aufhebung seiner Hauptverbindlichkeit mit allen ihren Nebengebührnussen, insoweit ihme solche erlassen wurden, also zwar, daß er von dem Glaubiger hierum nicht mehr besprochen werden könne, obschon die angewiesene Schuld uneinbringlich sein würde, weilen der Glaubiger, sobald als er anstatt des vorigen einen neuen Schuldner annimmt und den ersten entlasset, auch andurch die angewiesene Schuld für gut anerkennet und sich es dahero selbst beizumessen hat, daß er für einen guten einen unrichtigen Schuldner angenommen.

(3-392) [3, 23, § 3] 29. Es wäre dann, daß derselbe von dem Schuldner durch Gefährde und Arglist hintergangen oder von diesem die Einbringlichkeit besonders gewähret oder, wo der angewiesene Schuldmann binnen der gesetzten Zeit nicht zahlete, die Zahlung zu leisten versprochen worden wäre.

[3, 23, § 3] 30. Wann aber die Anweisung einmal durch Entbindung des vorigen und Annehmung des neuen Schuldmanns zu ihrer vollständigen Richtigkeit gelanget, hat der Anweisende nicht mehr Fug und Macht die Anweisung zu widerrufen, noch weniger die angewiesene Schuld selbst einzumahnen und den angewiesenen Schuldner hierum zu belangen oder auf was immer für Weise die Zahlung an den Glaubiger zu verhinderen, außer insoweit derselbe wegen einer sonstigen Forderung sich hieran zu halten berechtiget wäre.

[3, 23, § 3] 31. Dann eine so beschaffene Anweisung tilget nicht allein die Verbindlichkeit, mit welcher der erste Schuldner dem Glaubiger, sondern auch jene, womit der angewiesene Schuldner dem Anweisenden verstricket ware, welcher letztere sich andurch alles seines Rechts wider jenen begeben hat.

[3, 23, § 3] 32. Woferne jedoch Jemand die Zahlung einer Summe, welcher derselbe dem Anweisenden nicht schuldig wäre, aus Freundschaft durch Anweisung auf sich nimmt und solche bezahlet, hat er ebenso wie ein Bürge oder anderer Uebernehmer einer fremden Schuld die Ruckforderung aus dem Befehlscontract wider den Anweisenden zu Wiedererstattung des dem Glaubiger hinausbezahlten Betrags.

[3, 23, § 3] 33. Dahingegen wo Jemand aus Irrthum in Meinung, daß er die angewiesene Summe dem Anweisenden schuldig seie, solche dem Glaubiger für ihn bezahlet hätte, und der Irrthum nachhero erwiesen werden könnte, hat derselbe die Rechtsforderung wegen Zahlung aus Irrthum wider den Anweisenden zu Wiedererstattung des zur Ungebühr bezahlten Betrags. Eine Schankung aber kann nur in jenen Fällen vermuthet werden, wo die Rechtsforderung wegen Zahlung aus Irrthum nicht statt zu haben, oben in neunzehenten Capitel, von denen Handlungen, welche denen Contracten gleichkommen, §. III. geordnet worden.

[3, 23, § 3] 34. In Absicht sowohl auf den angewiesenen Schuldmann, als auf den Glaubiger, hat die Anweisung die Wirkung, daß an Seiten des Angewiesenen eine neue Verbindlichkeit gegen dem Glaubiger, so wie an Seiten des Glaubigers eine neue Rechtsforderung wider jenen entstehe.

[3, 23, § 3] 35. Es kann dahero der angewiesene Schuldner, wann er die Zahlung an den Glaubiger zu leisten auf sich genommen, diejenige Einreden und Einwendungen, welche ihme wider den Anweisenden zugestanden, entgegen dem Glaubiger nicht mehr anbringen; sie wären dann von solcher Art, daß sie aus der Unfähigkeit, fremde Schulden zu übernehmen, herrühreten, folglich die sich andurch zugezogene Verbindlichkeit für sich selbst vernichteten, als da ein Weib ohne Begebung ihrer weiblichen Gerechtigkeit oder ein Wais und Minderjähriger ohne Zuthat seines Vormunds durch Anweisung eine fremde Schuld übernommen hätte, welchen Falls aber, wo die Anweisung null und nichtig ist, dem Glaubiger sein Recht wider den Anweisenden ersten Schuldner vorbehalten bleibet.

[3, 23, § 3] 36. Die zweite Anweisungsart, wodurch vor wirklich erfolgter Zahlung die Verbindlichkeit des Anweisenden nicht ausgelöset wird, ist blos eine Uebertragung der Zahlung und nicht der Verbindung selbst, sondern der Anweisende bleibet seinem Glaubiger nach wie vor verstricket, und dem Angewiesenen gehet andurch keine neue Verbindlichkeit zu, wann er die angewiesene Schuld nicht ausdrücklich auf sich nimmt.

[3, 23, § 3] 37. Auf diese Art kann demnach Jedermann anweisen, der Zahlungen zu leisten fähig ist, und auch jedermänniglich eine Anweisung gemacht werden, der die Zahlungen anzunehmen befugt ist; doch kann kein Glaubiger dahin verhalten werden, eine Anweisung anstatt baarer Zahlung anzunehmen, wann nicht der angewiesene Schuldmann sogleich die baare Bezahlung anbietet, oder es nicht dem

(3-393) anweisenden Schuldner an anderen dem Glaubiger anständigen Zahlungsmitteln gebricht.

[3, 23, § 3] 38. Es ist auch zu dieser Art von Anweisungen die Einwilligung des angewiesenen Schuldmanns nicht nothwendig, und können alle Forderungen und Schulden angewiesen werden, deren Abtretung und Uebergabe an Andere nach Inhalt des gleich nachfolgenden §. zulässig ist.

[3, 23, § 3] 39. Doch solle allemal von dem Glaubiger nicht allein die Anweisung dem angewiesenen Schuldmann binnen einem solchem Zeitraum, unter welchem sie zu seiner Wissenschaft gelangen könne, bedeutet, sondern auch die Zahlung zu der in der Anweisung ausgesetzten Zeit betrieben werden.

[3, 23, § 3] 40. Wo aber keine Zahlungsfrist in der Anweisung ausgemessen worden wäre, beruhet es zwar bei der Willkür des Glaubigers, wann und zu welcher Zeit er die Zahlung von dem angewiesenen Schuldmann einforderen wolle, wann nur aus seinem längeren Verzug dem Anweisenden kein Nachtheil erwachet.

[3, 23, § 3] 41. Woferne jedoch der angewiesene Schuldmann die Zahlung zu leisten gar verweigerete, ist der Glaubiger nicht schuldig, denselben hierum gerichtlich zu belangen, sondern noch immer befugt, sich des anweisenden Schuldners zu halten.

[3, 23, § 3] 42. Außer er wollte selbst freiwillig die Rechtsforderung wider den angewiesenen Schuldmann anstrengen, in welchem Fall er hierzu nicht anderst, als in Namen und anstatt des Anweisenden entweder in dessen Vollmacht oder gegen Leistung annehmlicher Bürgschaft wegen seiner erfolgenden Genehmhaltung zugelassen werden solle.

[3, 23, § 3] 43. Desgleichen, wo der angewiesene Schuldner außer Zahlungsstand gesetzet würde, gehet die Gefahr auf den Anweisenden und nicht auf den Glaubiger, wann ihme sonst in der Eintreibung kein Verzug oder sonstige Schuld beigemessen werden mag.

[3, 23, § 3] 44. Um nun alle Schuld von sich abzuleinen, solle der Glaubiger den Saumsal des angewiesenen Schuldners sogleich dem Anweisenden bedeuten, wo im Widrigen derselbe sich von Anschuldigung einer Fahrlässigkeit in Eintreibung der Schuld nicht entledigen kann.

[3, 23, § 3] 45. Und obzwar dem Glaubiger freistehet, die ihme angewiesene Schuld weiters an einen Dritten anzuweisen, so hat doch die Gefahr allemal der erste Anweisende zu tragen, wann weder von dem nachfolgenden Anweiser, noch von deme, an welchen von diesem die weitere Anweisung geschehen, dabei etwas vernachlässiget worden.

[3, 23, § 3] 46. Dann bei Anweisungen muss die angewiesene Schuld nicht weniger gut und einbringlich, als wahr und richtig sein, für deren so eine als andere Eigenschaft der Anweisende zu haften hat und da einerlei Schuld Mehreren angewiesen worden wäre, gebühret Jenem der Vorzug, deme sie zuerst angewiesen worden; es wäre dann, daß der Anweisende ihn allsobald und auf bessere oder doch gleiche Weise wie der angewiesene Schuldner, vergnügen könnte, in welchem Fall auch der Anweisende selbst die Schuld von dem angewiesenen Schuldner einforderen kann, oder es würde dem Späteren vor Anmelden des Ersteren die Zahlung wirklich geleistet worden sein.

[3, 23, § 3] 47. Die Anweisung der Zahlung erlöschet weder durch Absterben des anweisenden Schuldners, weder durch den Tod des Glaubigers, noch des angewiesenen Schuldmanns, sondern sowohl die Erben des Glaubigers können die Zahlung eintreiben, als auch solche von denen Erben des angewiesenen Schuldners eingetrieben werden, wann die Verbindlichkeit nicht also beschaffen ist, daß sie durch Absterben eines von diesen Dreien aufhöre.

[3, 23, § 3] 48. Was jedoch von Anweisungen bishero geordnet worden, leidet in Wechselsachen insoweit eine Ausnahm, als hierwegen in Unserer Wechselordnung ein Anderes vorgesehen worden wornach sich in derlei Fällen geachtet werden solle.

(3-394) §. IV.

[3, 23, § 4] 49. Die Abtretung und Uebergabe an Andere ist eine Handlung, wodurch ein Recht oder Forderung auch ohne Wissen und Willen des Schuldners an einen Anderen übertragen wird, also daß zwar der nemliche Schuldner bleibe, die Person des Glaubigers aber dabei veränderet werde, woraus sich der Unterschied sowohl von der Anweisung der Schuld, als von Anweisung der Zahlung ergiebt.

[3, 23, § 4] 50. Dann erstere kann nicht anderst als mit Wissen und Willen des Schuldners geschehen, wodurch dieser von seinem ersten Glaubiger gänzlich befreiet und statt seiner ein anderer Schuldner bestellet wird; dahingegen wird eine Schuld auch ohne Wissen und Willen des Schuldners abgetreten und dieser von dem Abtretenden nicht sogleich entbunden, wann nicht die hienach ausgemessene Erfordernussen hinzutreten, welche so viel wirken, daß anstatt des vorigen ein anderer Glaubiger eintrete.


(3-395) [3, 23, § 4] 51. Durch die andere Art der Anweisung aber wird nur die Befugnuß, die Zahlung einzutreiben, nicht aber das Recht und die Verbindlichkeit übertragen, mit welcher der angewiesene Schuldner dem Anweisenden noch allezeit verfangen bleibet; wo in Gegentheil durch die Abtretung das ganze Recht, was dem Abtretenden zugestanden, aus einer zu Uebertragung des Eigenthums hinreichenden Ursache dem Anderen übergeben wird.

[3, 23, § 4] 52. Abtreten kann Jedermann, wie auch Rechten und Forderungen an Alle abgetreten werden, welche die freie Verwaltung des Vermögens in eigenen oder fremden Namen haben, wann nur der Andere desjenigen Rechts, welches ihme abgetreten wird, nach der Verfassung jeden Landes fähig ist.

[3, 23, § 4] 53. Von der Macht deren Vormünderen oder Gerhaben und Curatorum, Rechten und Forderungen ihrer Pflegebefohlenen an Andere abzutreten oder von anderen zu übernehmen, ist bereits in ersten Theil, in der Abhandlung von der Vormundschaft die Ausmessung geschehen; Befehlshabere hingegen sollen allemal mit einer besonderen Vollmacht sowohl zur Abtretung als Uebernehmung versehen sein.

[3, 23, § 4] 54. Alle sowohl dingliche als persönliche Rechten, Forderungen und Schulden können abgetreten werden, doch mit Ausnahm jener Gerechtsame und Gebührnussen, welche von der Person des Berechtigten dergestalten unzertrennlich sind, daß sie von niemand Anderen ausgeübet, bezogen oder genossen werden mögen.

[3, 23, § 4] 55. So viel es aber die aus Verbrechen herrührende Forderungen anbelanget, können solche nur insoweit abgetreten werden, als sie auf die Entschädigung und die dem Beleidigten zukommende Geldbuße gerichtet sind, keineswegs jedoch, insoweit sie auf Rächung der Unbild oder eine öffentliche Bestrafung abzielen.

[3, 23, § 3] 56. Die Art und Weis der Abtretung oder Uebergabe einer Forderung ist nach Verschiedenheit deren dinglichen und persönlichen Rechten und Haftungen unterschieden; zur Abtretung deren persönlichen ist die Einwilligung beider Theilen, als nemlich des Abtretenden und Uebernehmenden genug.

[3, 23, § 4] 57. Damit aber der Uebernehmende die ihme gemachte Abtretung zu erweisen im Stande sein möge, wird nebst der Ausantwortung des Schuldscheins oder der Schuldverschreibung annoch die Ausfertigung einer besonderen Abtretungs- oder Uebergabsurkunde oder die Aussage zweier geschworener Zeugen erforderet, obschon die Schuldverschreibung ausdrücklich auf alle getreue Briefsinhabere lautete; dann deren alleinige Inhabung giebt nicht das Recht, die Schuld einzuforderen, sondern die förmliche Abtretung, welche nicht anderst als durch eine hierüber ausgefertigte besondere Urkunde oder Zeugen erwiesen werden kann.

[3, 23, § 4] 58. Dingliche Rechten und Haftungen hingegen, welche auf keine andere Art als durch die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher erworben werden mögen, können auch nicht anderst als durch die Landtafel, Stadt- Grundbücher an Andere abgetreten und übertragen werden.

[3, 23, § 4] 59. Welches nur aus zweierlei Art geschehen mag, als entweder durch persönlichen Vorstand und Bekanntnuß sowohl des Abtretenden als Uebernehmenden vor der Landtafel oder derjenigen Gerichtsstelle, welcher die Gerichtsbarkeit über diejenige Bücher, worinnen das übertragen wollende Recht oder Forderung vorgemerket ist, zustehet, oder aber durch eine mit eigener Handunterschrift und Petschaft des Abtretenden und zweier untadelhafter Zeugen (es seie auf Papier oder Pergament) ausgefertigte und mit allen zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage oben in zweiten Capitel, zweiten Artikel, von Verträgen §. XI, num. 76 vorgeschriebenen Erfordernussen versehene Abtretungs- oder Uebergabsurkunde.

[3, 23, § 4] 60. Da aber der Abtretende selbst die Uebergabe oder Abtretung auf eine oder andere Art persönlich nicht vollziehen wollte oder könnte, so stehet ihme zwar frei, hierzu anstatt seiner einen Befehlshaber mittels einer ausdrücklich auf diese Handlung

(3-396) lautenden besonderen Vollmacht zu bestellen; doch solle eine solche Vollmacht alle zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage ausgemessene Erfordernussen haben und mit der von dem Bevollmächtigten abgelegten gerichtlichen Bekanntnuß oder der von ihme ausgestellten Abtretungsurkunde zugleich einverleibet werden, ohne daß weiters nöthig seie, nachhero die persönliche Geständnuß des Abtretenden wiederholen zu lassen.

[3, 23, § 4] 61. Wo beinebst auch in allen Abtretungen sowohl persönlicher als dinglicher Rechten und Forderungen jedesmal die Ursach der Abtretung, warum ein solches Recht oder Forderung auf den Anderen übertragen werde, deutlich ausgedrucket, in Widrigen aber eine derlei mangelhafte Abtretungsurkunde, worinnen die Ursach der Abtretung nicht mehr enthalten ist, weder bei Gericht angenommen, noch minder irgendwo einverleibet oder einige Gerichtshilfe hierauf ertheilet, sondern Jener, der hieraus eine Forderung an den Anderen stellet, vorhero zum ordentlichen Beweis der Ursach der Abtretung angewiesen und nach Vernehmung des Abtretenden hierüber mit rechtlicher Erkanntnuß verfahren werden solle.

[3, 23, § 4] 62. Wo aber derselbe mit dem Beweis einer rechtmäßigen Ursach nicht aufkommen und also darunter eine auf Vereitlung Unserer Gesetzen abgesehene Scheinhandlung entdecket würde, solle nicht nur die Abtretung null und nichtig und das abgetretene Recht oder Forderung Unserer Kammer verfallen sein, sondern auch noch über dieses sowohl der Abtretende als Uebernehmende nach Beschaffenheit deren Umständen bestrafet werden.

[3, 23, § 4] 63. Die Ursach muß allemal rechtmäßig und denen Gesetzen nicht zuwider sein. Daran aber lieget nichts, die Abtretung geschehe entgeltlich oder ohne Entgelt, wann nur letzteren Falls, da die abgetretene Forderung den zu Verschenken zufälligen Betrag übersteiget, solche bei Gericht behörig angemeldet wird, wie davon bei Schankungen das Mehrere geordnet worden.

[3, 23, § 4] 64. Es behält auch die Abtretung nichtsdestoweniger ihre volle Kräften, es möge von dem Uebernehmer für die abgetretene Forderung viel oder wenig gegeben worden sein, und ist jede ausstehende Forderung eben also wie eine Waare zu betrachten, welche soviel gilt, als der Abnehmer dafür geben will; dessen ohnerachtet aber bleibet der Schuldner jegleichwohlen dem Uebernehmer in eben derjenigen Maß wie dem Abtreter verbunden, obgleich dieser weniger dafür empfangen hätte, gleichwie er dann auch zu nichts Mehreren verstricket wird, obschon dem Abtreter eine Mehreres dafür bezahlet worden wäre, massen ihme das, was zwischen diesen Beiden behandlet worden, weder zum Vortheil noch zu einigem Schaden gereichen kann.

[3, 23, § 4] 65. Wovon einzig und allein die Abtretung strittiger Rechten und Forderungen ausgenommen sein und folgender Unterschied dabei beobachtet werden solle, daß, wo derlei zwar zur Zeit der Abtretung noch nicht wirklich rechtsanhängige, doch aber wegen ihres Betrags strittige und nicht anderst als durch richterliche Entscheidung in Richtigkeit gesetzet werden mögende Forderungen abgetreten würden, die Abtretung zwar an sich giltig, der Schuldner aber, wann die Forderung ganz oder zum Theil für richtig erkennet würde, dem Uebernehmer hieran nicht mehr, als was derselbe dem Abtreter dafür erweislich gegeben, zu bezahlen schuldig seie, obschon sonst die Schuld ein Mehreres betragen hätte.

[3, 23, § 4] 66. Dahingegen solle die Abtretung deren bereits eingeklagten und also in wirklichen Rechtsstritt verfangenen Rechten und Forderungen nicht nur an sich null und nichtig sein, folglich Niemand, der von Klägern eine solche Forderung an sich erhandlet, zu Fortsetzung des Rechtsstritts zugelassen, sondern auch der Abtreter, welcher dieselbe wissentlich an den Anderen übertragen, mit Verlust der Forderung, oder da Beklagter in Weg Rechtens davon losgesprochen würde, mit Erlag des eingeklagten Betrags zu Handen Unserer Kammer bestrafet werden.

(3-397) [3, 23, § 4] 67. Beinebst aber hat er dem Uebernehmer einer solchen strittigen Forderung, wann dieser dieselbe mit guten Glauben, ohne von dem Rechtsstritt etwas zu wissen, an sich gebracht, das dafür Empfangene zuruckzustellen; wohingegen, da der Uebernehmer wissentlich wider dieses Unser Gesatz gehandlet hätte, so soll sowohl das Gegebene, als das dafür zu geben Verheißene zu Handen Unserer Kammer eingetrieben werden.

[3, 23, § 4] 68. Doch sollen unter strittigen Forderungen keineswegs auch jene verstanden sein, die in wirklicher Execution stehen, folglich deren Betrag an sich richtig und nur die Einbringung beschwerlich ist; wie dann ingleichen vorstehendes Gesatz sich auf jene Fälle nicht erstrecket, wo die Abtretung einer strittigen Forderung von dem Vater an den Sohn oder vom Weib an den Mann oder dagegen, oder von einem Gesellschafter oder Miterben an den Anderen geschieht, oder wo ein ganzer Umfang von Rechten und Forderungen, worunter einige unrichtig oder auch schon wirklich rechtsanhängig wären, abgetreten würde, als z. B. eine Erbschaft, Handlung oder Gewerb, oder auch ein liegendes Gut, deme einige noch strittige Rechten anklebeten, wann nur das abgetretene Erbrecht oder die Handlung, oder das Gewerb oder Gut an sich selbst nicht strittig ist.

[3, 23, § 4] 69. Die Abtretung und Uebergabe eines Rechts oder Forderung hat in Absicht auf den Abtretenden die Wirkung, daß er für die Wahrheit oder, was eben so viel sagen will, für die Richtigkeit der Forderung zu stehen habe; durch die Richtigkeit aber wird nichts Anderes verstanden, als daß die Forderung für denjenigen Betrag, welcher abgetreten worden, wirklich gebühre, und durch keine Einreden oder Einwendungen des Schuldners abgeleinet oder entkräftet werden möge.

[3, 23, § 4] 70. Hieraus entspringet seine Verbindlichkeit zur Gewährsleistung, wozu er nicht allein in der Maß, wie es in neunten Capitel, von Kauf und Verkauf, §. XII, von Gewährsleistungen überhaupt geordnet worden, verstricket wird, sondern auch, da die Unrichtigkeit der abgetretenen Forderung noch vor Belangung des Schuldners erweislich wäre, solche zurucknehmen und das dafür Empfangene mit allen davon vertagten Zinsen, Schäden und Unkosten zuruckzustellen, und über das, wo ihme die Unrichtigkeit zur Zeit der Abtretung wohl bekannt gewesen wäre, den achten Theil des dafür empfangenen Werths zur Strafe zu erlegen schuldig ist.

[3, 23, § 4] 71. Für die Güte, das ist für die Einbringlichkeit der abgetretenen Schuld aber hat der Abtretende nicht zu haften, sondern der Uebernehmer sich selbst beizumessen, daß er eine schwer oder gar nicht einbringliche Schuld an sich gelöset habe.

[3, 23, § 4] 72. Er könnte dann erweisen, daß der Abtretende ihn zur Einlösung dieser Schuld arglistiger Weise eingeführet, oder solche gut und einbringlich zu sein ausdrücklich gewähret, und die Zahlung zu verschaffen gelobet hätte, in welchen Fällen dem Uebernehmer eine Jahresfrist von dem Tag der Abtretung vergönnet wird, um binnen solcher die Forderung dem Abtretenden zuruckzustellen, nach deren Verlauf derselbe nicht mehr angehöret werden solle.

[3, 23, § 4] 73. Umsoweniger aber wird der Abtretende verfänglich, wann die zur Zeit der Abtretung einbringliche Forderung nachhero ohne seiner Schuld uneinbringlich wird, sondern die Gefahr hat der Uebernehmer, so wie ein jeder anderer Kaufer zu tragen, wann solche von dem Abtretenden nicht ausdrücklich übernommen worden.

[3, 23, § 4] 74. Wann hingegen Jemand eine falsche oder schon bezahlte Schuld wissentlich an einen Anderen abtreten oder dieser solche wissentlich, daß sie schon bezahlet seie, übernehmen und den Schuldner um die Zahlung belangen würde, solle Einer wie der Andere ihrer Ehren verlustig sein, und über das, befindenden Umständen nach, an Leib oder Gut bestraft werden.

[3, 23, § 4] 75. Ohnerachtet aber der Abtretung oder Uebergabe eines Rechtes oder Forderung auf den Uebernehmenden kann jedennoch die Verbindlichkeit des Schuldners, mit welcher derselbe dem Abtretenden verfangen ist, andere Gestalt nicht getilget

(3-398) werden, als wann bei landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Rechten und Forderungen die Abtretungsurkunde in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingetragen oder die Abtretung persönlicher Forderungen dem Schuldner entweder schriftlich oder durch eine geschworne Gerichtsperson bedeutet worden.

[3, 23, § 4] 76. Solang dahero nach Verschiedenheit dieser zweierlei Gattungen von Forderungen Eines oder das Andere nicht geschehen, kann zwar der Abtretende die einmal gemachte Abtretung nicht mehr widerrufen, doch bleibet er noch allezeit Eigenthümer der abgetretenen Forderung, also und dergestalten, daß ihme bis dahin nicht allein von dem Schuldnern bei Zahlung sicher und giltig geleistet werden möge, sondern auch der dem Schuldner hieran gemachte Nachlaß bestehe, obschon er den Uebernehmer für das, was er an der abgetretenen Schuld von dem Schuldner eingehoben oder demselben nachgelassen, gerecht werden muß.

[3, 23, § 4] 77. Wann aber die Abtretung in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher einverleibet oder solche bei persönlichen Forderungen dem Schuldner bedeutet worden, hat der Abtretende hieran weiters kein Recht, sondern alle Verbindlichkeit des Schuldners gegen ihme ist andurch für den abtretenden Betrag gänzlich erloschen, folglich, was etwan sonach ihme an Capital oder Interessen abgeführet wird, zahlet der Schuldner auf seine Gefahr.

[3, 23, § 4] 78. Würde jedoch einerlei Forderung an Zweie abgetreten, so ist bei landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderung allemal Jener, welcher die obschon später ausgestellte Abtretung ehender einverleiben lassen, bei persönlichen Forderungen hingegen Derjenige, deme die Abtretung erweislich zuerst geschehen, dem Anderen vorzuziehen, obgleich dieser dem Schuldner die Abtretung ehender bedeutet hätte.

[3, 23, § 4] 79. Es wäre dann, daß der, welcher die Abtretung zuerst einverleiben lassen oder an den sie zuerst ausgestellet worden, zu Verkürzung des Anderen an dem Betrug mit Theil genommen zu haben überwiesen werden könnte, oder daß der Schuldner noch vor der Einverleibung oder vor den von dem ersten Uebernehmer ihme zugekommenen Bedeutung die Zahlung schon geleistet hätte; dann ersteren Falls hat der Andere den Vorzug und letzteren Falls muß der leer ausgehende Uebernehmer seine Entschädigung an den Abtretenden suchen.

[3, 23, § 4] 80. Welcher jedoch wissentlich eine Forderung an Zweie abtreten würde, ist so wie Jener, der eine schon wissentlich dem Anderen abgetretene Forderung an sich löset, nach Gestalt der Sachen an Leib oder Gut zu bestrafen, und solle über das, was von diesem Letzteren dafür gegeben oder zu geben versprochen worden, an Unsere Kammer verfallen sein.

[3, 23, § 4] 81. In Absicht auf den Uebernehmenden wirket die Abtretung eines Rechtes oder Forderung, daß derselbe bei landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderungen durch Einverleibung der Abtretung und bei persönlichen Forderung durch die dem Schuldner gemachte Ankündung das volle Recht hieran erwerbe und Eigenthümer der abtretenden Forderung werde, also daß er Fug und Macht habe, damit als mit seinem eigenem Gut zu schalten und zu walten.

[3, 23, § 4] 82. Er erwirbt aber andurch nicht allein die Hauptforderung, sondern auch alle davon schuldige Nebengebührnussen, sowohl, welche von dem Tag der Abtretung zu laufen anfangen, wann der Abtretende sich etwan solche nicht namentlich vorbehalten, als welche schon vorhero vertragen sind, insoweit ihme solche mit abgetreten worden, wie nicht weniger alle für abtretende Schuld bestellte Sicherheit, es seie durch Pfandschaft oder Bürgschaft, wann erstere ihme mit übergeben und letztere ohne Benennung des Glaubigers überhaupt für die Schuld, oder gegen einem jeden getreuen Briefsinhaber, oder auch mit Bestellung oder Einlegung eines dem Uebernehmer mit ausgeantworteten Unterpfands geleistet worden.

[3, 23, § 4] 83. Doch ist der Uebernehmer nicht befugt, an den Schuldner Interessen von Interessen zu forderen, obgleich bei Abtretung der Schuld ihme solche von

(3-399) dem Abtreter zum Capital angeschlagen worden wären, wann nicht zugleich der Schuldner sich durch eine gepflogene Erneuerung der Schuld in der in siebenzehnten Capitel, von denen aus Contracten schuldigen Nebengebührnussen, in ersten Artikel, von Zinsen, §. V, num. 100, erlaubten Maß hierzu ausdrücklich verbunden hätte.

[3, 23, § 4] 84. Dann der Uebernehmer einer Forderung tritt nur in die Stelle des vorigen Glaubigers ein, sogleich kann er sich auch keines mehreren Rechtes wider den Schuldner anmaßen, als was Derjenige gehabt, von deme er die Forderung übernommen, noch weniger aber persönliche Vorrechte und Rechtswohlthaten, welche nicht aus der Eigenschaft der Schuld herstammen oder womit die Forderung nicht schon vorhero landtäflich, stadt- oder grundbücherlich behaftet ist, zum Nachtheil des Schuldners oder anderer Glaubiger dabei gelten machen.

[3, 23, § 4] 85. In Absicht auf den Schuldner hat die Abtretung die Wirkung, daß sobald solche bei landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderung einverleibet, oder bei persönlichen demselben angekündet worden, er von dem vorigen Glaubiger für den abgetretenen Betrag befreiet und dagegen dem Uebernehmer in eben derjenigen Maß, als er dem Abtretenden verstricket ware, dafür verbunden werde.

[3, 23, § 4] 86. Es bleiben ihme dahero alle Einreden und Einwendungen, welche demselben der abgetreten Schuld halber wider den Abtretenden gebühret hätten, auch wider den Uebernehmenden bevor, maßen er zu nichts Wenigeren und auch zu nichts Mehreren, als was er dem Abtretenden schuldig ware, dem Uebernehmenden verbindlich wird, woferne zwischen diesem und ihme keine absonderliche Erneuerung der Schuld gepflogen worden, als wornach sodann die neue Verbindlichkeit abzumessen ist.

[3, 23, § 4] 87. Außer deme bleibet die Verbindlichkeit des Schuldners in demjenigen Stand, in welchem solche zur Zeit der Abtretung sich befunden hat und mit erlöschenden Recht des Abtretenden erlöschet auch das Recht des Uebernehmenden, im Falle jenes aus einer der Abtretung vorgehenden Ursache sich endigen würde. Wo aber die Abtretung einmal ordentlich geschehen, wird solche weder durch Absterben des Uebernehmenden, noch des Abtretenden aufgehoben.

§. V.

[3, 23, § 5] 88. Die Uebernahme einer fremden Schuld ist eine Handlung, wodurch Jemand sich mit Willen des Glaubigers für den Anderen zum Selbstschuldner bestellet und dessen Verbindlichkeit dergestalten auf sich nimmt, daß jene des vorigen Schuldners andurch erlösche, wobei eine wahre Erneuerung der Schuld unterwaltet, also daß zwar der nemliche Glaubiger bleibe, die Person des Schuldners aber geänderet werde.

[3, 23, § 5] 89. Diese Handlung kommt einer Bürgschaft in deme bei, daß eine wie die andere eine vorhergehende Verbindlichkeit voraussetze, und nur von Jenen fremde Schulden übernommen werden können, welche zu Leistung einer Bürgschaft fähig sind.

[3, 23, § 5] 90. Dahingegen bestehet der wesentliche Unterschied zwischen einer Bürgschaft und Uebernahme fremder Schulden darinnen, daß ein Bürge der Hauptverbindlichkeit des Schuldners ohne aller Erneuerung nur beitrete, folglich der Schuldner dem Glaubiger noch allzeit verbunden bleibe, die selbsteigene Uebernahme einer fremden Schuld aber die Hauptverbindlichkeit des vorigen Schuldners durch die Eintretung des neuen, mithin durch eine wahre Erneuerung tilge und solche auf den Uebernehmenden übertrage, wobei alles Dasjenige statt hat, was oben in §. III, von Ueberweisung oder Anweisung des Schuldners an Zahlungsstatt geordnet worden, von welcher die Uebernahme fremder Schulden nur in deme unterschieden ist, daß die Ueberweisung nicht anderst, als mit Wissen und Willen des vorigen Schuldners, die Uebernahme aber und Selbsteinschuldigung für den Anderen auch ohne dessen Vorwissen geschehen kann.

Caput XXIV.

Von Aufhebung und Erlöschung deren Verbindungen.

Inhalt:

§. I. Von Zahlung der Schuld. §. II. Von Erlassung der Schuld oder Ledigsprechung des Schuldners. §. III. Von Gegenforderungen. §. IV. Von gerichtlichen Erlag der Schuld. §. V. Von Vermengung und Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person. §. VI. Von Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen. §. VII. Von beiderseitiger Willkür. §. VIII. Von Untergang der schuldigen Sache. §. IX. Von Verlauf der Zeit, Verjährung und Abgang der Bedingnuß. §. X. Von Absterben des Schuldners. §. XI. Von Quittungen. §. XII. Von Tilgung deren Verbindungen durch Einreden oder Einwendungen.

§. I.

[3, 24, § 1] Num. 1. Die Tilgungsarten, wodurch die Verbindungen gänzlich erlöschen und aufgehoben werden, sind allschon in ersten Capitel, von Verbindungen insgemein, §. X, kürzlich bemerket worden; die Tilgung aber geschieht entweder mittelst des

(3-401) Rechts selbst oder durch die dem Verbundenen wider die Forderung des Anderen gebührende rechtsbewährte Einreden oder Einwendungen.

[3, 24, § 1] 2. Mittelst des Rechts selbst werden die Verbindungen vornehmlich durch die vollständige Befriedigung des Glaubigers und die ihme geleistete Genugthuung getilget, als welcher nach Habhaftwerdung dessen, was ihme gebühret, nichts mehr zu fordern hat, folglich auch so an Seiten des Schuldners durch Abtrag der Schuld alle Verbindlichkeit, wie an Seiten des Glaubigers durch seine erhaltene Vergnügung alle weitere Forderung erlöschet.

[3, 24, § 1] 3. Die erste Tilgungsart durch Vergnügung des Glaubigers ist die Zahlung der Schuld, welche in zweierlei Verstand genommen werden kann, als entweder insgemein für eine jedwede Befriedigung des Glaubigers und Entledigung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit, worunter alle dem Glaubiger genugthuende Tilgungsarten begriffen werden, oder aber eigentlich für den wirklichen Abtrag der Schuld, in welcher letzteren Bedeutung dieselbe sich von anderen Tilgungen unterscheidet und nichts Anderes ist, als die wirkliche und rechtmäßige Leistung dessen, was Jemand dem Anderen schuldig ist, in Absicht sich von der Verbindung zu entledigen.

[3, 24, § 1] 4. Die Zahlung geschieht entweder ganz oder zum Theil, wann nemlich entweder der ganze Betrag der Schuld oder nur ein Theil derselben bezahlet wird; erstere wirket die völlige Befreiung von der ganzen Schuld, letztere aber nur für denjenigen Theil, welcher bezahlet worden.

[3, 24, § 1] 5. Die Zahlung kann von jedwedem Schuldner, welcher die freie Verwaltung seines Vermögens hat, nicht nur allein von ihme selbst, sondern auch von jedem Anderen anstatt seiner mit oder ohne seinem Wissen und Willen geleistet werden, welche, wann sie gleich wider seinen Willen geschieht, die Verbindung gegen den Glaubiger jedennoch tilget und aufhebet.

[3, 24, § 1] 6. Damit aber Derjenige, welcher für einen Anderen gezahlet hat, die Ruckforderung dessen, was er erweislich ausgeleget, wider den Schuldner anstrengen möge, ist erforderlich, daß entweder derselbe einen Befehl und Vollmacht zu Verwaltung deren Geschäften dessen, für den er die Zahlung geleistet, auch sich gehabt oder ihme von dem Glaubiger die Forderung ordentlich abgetreten und übergeben, oder von ihme die Wiedererstattung des Bezahlen ausdrücklich vorbehalten, oder

(3-402) das Pfand eingelöset, oder die Bürgschaft gegen ihme erneueret worden seie, oder doch eine erhebliche Ursach erwiesen werden möge, wegen welcher ihme daran gelegen ware, die Schuld für den Anderen zu bezahlen.

[3, 24, § 1] 7. Außer deme, und da keiner von vorberührten Umständen unterwaltete, ist eine Schankung zu vermuthen, woferne ein Widriges nicht erwiesen wird, wie dann auch umsomehr die Ruckforderung des für einen Anderen Bezahlten in jenem Fall aufhöret, wann dieser die Zahlung zu leisten ausdrücklich verboten hat; es wäre dann solche auch wider Willen des Schuldners gerichtlich auferleget oder die Forderung dem Zahlenden von dem Glaubiger abgetreten worden.

[3, 24, § 1] 8. Wo aber ein Dritter in Meinung das, worzu ein Anderer verbunden ist, selbst schuldig zu sein die Zahlung aus Irrthum oder Unwissenheit in seinem eigenen Namen leistete, wird der Schuldner von seiner Verbindlichkeit andurch nicht entlediget, sondern dem Zahlenden gebühret die Zuruckforderung dessen, was er aus Irrthum zur Ungebühr bezahlet hat.

[3, 24, § 1] 9. Ein Mitschuldner befreiet zwar durch Bezahlung der ganzen Schuld nicht allein sich, sondern auch den anderen mit geschiedener oder ungeschiedener Hand Mitverbundenen von dem Glaubiger; dieser aber bleibet nichtsdestoweniger schuldig, ihme einen gleichen oder denjenigen Antheil, worzu er nach Ausweis der getroffenen Handlung verbunden ist, abzustatten.

[3, 24, § 1] 10. Die Zahlung kann nur Jenem rechtsgiltig geleistet werden, welcher solche mit Fug und Recht anzunehmen und die Verbindlichkeit zu erlassen Macht hat, wo im Widrigen der Schuldner, welcher die Zahlung einem Anderen, als der solche anzunehmen befugt ist, geleistet hat, von der Verbindlichkeit gegen seinem Glaubiger nicht befreiet wird, sondern zu Bezahlung der Schuld noch allzeit verstricket bleibet.

[3, 24, § 1] 11. Zur Annehmung der Zahlung ist dahero nur Jener berechtiget, welcher die Schuld rechtmäßig zu forderen, und die freie Verwaltung seines Vermögens hat. Welchen aber diese durch das Gesatz verschränket ist, als unmündigen, blödsinnigen und anderen pflegbefohlenen Personen, denen kann auch keine Zahlung rechtsgiltig werden, sondern solche solle Denjenigen geschehen, welchen die Verwaltung ihres Vermögens aufgetragen ist, als ihren Vormünderen oder Gerhaben und Curatoren.

[3, 24, § 1] 12. Was aber sowohl der Schuldner zu seiner Sicherheit bei denen an Vormündere und Curatores leistenden Zahlung zu beobachten habe, als inwieweit derselbe bei der an den Pflegebefohlenen selbst gemachten Zahlung annoch in der Verbindlichkeit bleibe, ist in ersten Theil in der Abhandlung von der Vormundschaft erkläret worden.

[3, 24, § 1] 13. Jene hingegen, welche die freie Verwaltung ihres Vermögens haben, können Zahlungen entweder selbst oder durch Andere, denen von ihnen die Gewalt hierzu ertheilet worden, annehmen. Einem Dritten kann also die Zahlung rechtsgiltig nicht anderst geleistet werden, als wann der Glaubiger entweder ihme solche bei dem Schuldner angewiesen, oder die Forderung abgetreten, oder zur Einforderung der Schuld eine besondere Vollmacht gegeben, oder die Verwaltung seines gesammten Vermögens aufgetragen hätte, oder endlich wissentlich die Zahlung an ihn geschehen ließe, und da er es thun könnte, deme nicht widerspräche, sondern dabei beruhete, oder es ausdrücklich genehm hielte.

[3, 24, § 1] 14. Demjenigen aber, der nur blos zu Besorgung eines einzelnen Geschäfts, oder auch zu Verführung deren Rechtshändeln bestellet ist, kann die Zahlung nicht geleistet werden, wann ihme nicht deren Annehmung zugleich besonders aufgetragen worden, oder nicht schon in dem anbefohlenen Geschäft der Auftrag, die Zahlung anzunehmen, stillschweigend begriffen würde; also, da Jemanden eine Sache zum Verkauf übergeben worden, hat derselbe auch die Macht, das Kaufgeld einzunehmen, wann solches in der Vollmacht nicht ausdrücklich ausgenommen worden.

(3-403) [3, 24, § 1] 15. Die Macht eines solchergestalten zu Annehmung der Zahlung begewaltigten Befehlshabers daueret jedoch nur so lange, als solche entweder durch Widerrufung oder Absterben des Befehlsgebers nicht anwiederum aufgehoben und dieses dem Schuldner bedeutet, oder sonst das Absterben des Befehlsgebers kund gemacht worden.

[3, 24, § 1] 16. Wann dahero der Schuldner nach erhaltener Wissenschaft von Aufhebung des Befehles jegleichwohlen einem solchen abgerufenen Befehlshaber die Schuld abführet, zahlet er auf seine Gefahr und wird dadurch von seiner Verbindlichkeit gegen dem Glaubiger oder dessen Erben keineswegs entlediget. Da er aber vor der ihme kund gemachten Widerrufung des Befehls gezahlet hätte, wird er von dem Glaubiger befreiet, welcher sich selbst beizumessen hat, daß er die Widerrufung des Befehls dem Schuldner nicht ehender bedeutet, sowie die Erben des Glaubigers, daß sie demselben das Absterben ihres Erblassers nicht früher zu wissen gethan haben.

[3, 24, § 1] 17. Einem Befehlshaber kommt auch Jener bei, deme gleich in der Schuldverschreibung selbst von dem Glaubiger die Zahlung angewiesen worden, welche Anweisung sich jedoch über seine Person nicht erstrecket, folglich auch nicht auf seine Erben gehet und nur bis zur Widerrufung des Glaubigers daueret, wann der Inhalt der Verschreibung nichts Anderes besaget.

[3, 24, § 1] 18.Wer aber zur Annehmung der Zahlung weder für sich selbst, noch in Vollmacht eines Anderen berechtiget ist, deme kann auch solche von dem Schuldner mit Sicherheit nicht geleistet werden, wann er gleich eine ebenso vieles betragende Forderung an den Glaubiger hätte, folglich ein Glaubiger des Glaubigers wäre; es seie dann, daß es mit Willen des Glaubigers geschehe, oder dem Schuldner die Zahlungsleistung an dem Glaubiger seines Glaubigers gerichtlich auferleget worden wäre.

[3, 24, § 1] 19. Ansonsten zahlet er demselben auf seine Gefahr und kann von der Schuld nicht anderst, als mittelst der an ihn gemachten Abtretung der Forderung und der daher rührenden Gegenvergeltung, insoweit sie statthaben mag, befreiet werden, wobei er aber sich aller deren Einwendungen verfänglich machet, welche dem Glaubiger wider die Forderung seines Glaubigers gebühret hätten.

[3, 24, § 1] 20. Noch weniger giebt die alleinige Inhabung des Schuldbriefs Jemanden das Recht, die Zahlung der Schuld anzunehmen, wann gleich der Schuldner sich darinnen ausdrücklich gegen einem jeden dieses Briefs getreuen Inhaber verbunden hätte, sondern es wird darzu eine Vollmacht, Anweisung oder Abtretung des Glaubigers an den Inhaber des Schuldbriefs oder wenigstens die Vorzeigung seiner eigenhändigen Quittung erforderet, wann anderst der Schuldner durch die an diesen leistende Zahlung von seiner Verbindlichkeit befreiet werden solle.

[3, 24, § 1] 21. Da ein Schuldner mehreren Mitglaubigeren mit ungeschiedener Hand oder sammt und sonders verbunden wäre, wird er durch die an Einen gemachte Zahlung nach Maß des abgeführten Betrags auch von dem Anderen befreiet; wo aber die Forderung zwischen mehreren Mitglaubigeren getheilet, folglich die Verbindung gegen Mehrere nicht sammt und sonders eingegangen worden wäre, wird er durch die dem Einen geleistete Zahlung von den hieran zu forderen habenden Antheil des Anderen nicht entlediget, sondern er hat entweder Allen zusammen die ganze Schuld oder einem Jeden seinen gebührenden Antheil abzustatten.

[3, 24, § 1] 22. Damit aber durch die Zahlung die Befreiung des Schuldners bewirket werden möge, muß solche folgender Gestalt beschaffen sein, daß erstens, die schuldige Sache, oder eben Dasjenige, oder eben so vieles, was der Schuldner nach Verschiedenheit deren Handlungen zu leisten schuldig ist, abgestattet werde; dann ein Anderes, als worzu der Schuldner sich verbunden hat, kann dem Glaubiger wider seinen Willen nicht aufgedrungen werden.

(3-404) [3, 24, § 1] 23. Es würde dann der Glaubiger ein solches gutwillig annehmen, oder der Schuldner die schuldige Sache abzugeben außer Stand gesetzet, oder von ihme das, was er zu thun verbunden ware, zur gehörigen Zeit nicht verrichtet, in welchen Fällen zwar der Glaubiger etwas Anderes anzunehmen bemüssiget wird; doch ist es keine eigentliche Zahlung, sondern blos nach dem Unterschied, ob es mit guten Willen des Glaubigers oder aus Nothwendigkeit Rechtens geschehe, entweder eine willkührliche oder nothwendige Annehmung an Zahlungsstatt, welche die Befreiung von der Verbindlichkeit nur insoweit wirket, als die an Zahlungsstatt angenommene Sachen zu Befriedigung des Glaubigers hinreichen.

[3, 24, § 1] 24. Zweitens, daß eben so vieles oder der nemliche Betrag und in der nemlichen Gattung, worzu der Schuldner sich verbunden hat, abgeführet werde, wie solches in vierten Capitel, von Leihen oder Borgen, §. IV, von num. 41 bis 47, mit Mehreren erkläret worden.

[3, 24, § 1] 25. Und obschon nach der alldort enthaltenen Ausmessung bei Geldschulden und Barschaften nicht so viel auf die Gleichheit der Münze, als den gleichen Werth derselben gesehen wird, wann der Schuldner nicht ausdrücklich zur Abfuhr einer gewissen Gattung der Münze verstricket ist, so wollen und befehlen Wir jedoch hiermit gnädigst, daß in Ansehung deren Schiedmünzen, bei allen und jeden Zahlungen sich nach Unseren in Münzsachen ergangenen und noch in Hinkunft ergehen mögenden Verordnungen auf das genaueste geachtet werden solle.

[3, 24, § 1] 26. Es wäre dann der Schuldner ein Mehreres an Schiedmünzen auf das Darlehen anzunehmen bemüssiget gewesen, in welchen Fall der Glaubiger eben so vieles an derlei Schiedmünzen in der Ruckzahlung zurucknehmen schuldig ist, als der Schuldner erweislicher Maßen von ihme hieran empfangen hat.

[3, 24, § 1] 27. Drittens, daß der schuldige Betrag in gleicher Güte, zu welcher sich der Schuldner verbunden hat, abgestattet werde, und da Jemand wechselweise zu Leistung dieser oder jener Sache verstricket wäre, gebühret ihme die Auswahl, welche er geben wolle, woferne solche nicht dem Glaubiger vorbehalten oder eine Sache davon aus seiner Schuld zu Grund gegangen ware; dann solchen Falls ist er lediglich die noch übrige auszuantworten schuldig, und kann die Bezahlung des Werthes nur damals vorwählen, wann der Untergang der Sache durch Zufall geschehen und ihme sonst die Auswahl gebühret hat; wie aber die Güte nach Verschiedenheit deren zu leisten schuldigen Sachen zu beurtheilen seie, ist in gleichbemelten vierten Capitel, §. IV, von num. 48 bis 56, erwähnet worden.

[3, 24, § 1] 28. Gleichwie es jedoch bei baaren Geld nicht allein auf die innerliche Güte oder dessen Gehalt und Gewicht nach Schrott und Korn, sondern auch auf die äußerliche Güte oder den Werth nach dessen bald steigender, bald fallender Würdigung oder Währung ankommt, welcher letztere sich oftmals in der Zwischenzeit von der eingegangenen Verbindung und der zu leisten habenden Zahlung veränderen kann; also ist dabei vornehmlich zu unterscheiden, ob insonderheit eine gewisse und bestimmte Gattung der Münze zuruckzuzahlen bedungen worden oder nicht.

[3, 24, § 1] 29. Ersteren Falls solle die Zahlung allemal in derjenigen Gattung der Münze geschehen, zu welcher sich der Schuldner verbunden hat, deren Werth möge mittlerweil erhöhet sein oder abgefallen sein, doch mit dem Unterschied, daß, wo der innerliche Werth oder Gehalt veränderet worden wäre, die Güte, welche zur Zeit des Contracts gewesen, zu beobachten, folglich die Zahlung in nicht mehr und nicht weniger haltenden Stücken, als sie zur Zeit der Verbindung gehalten haben, oder da keine von gleichen Gehalt mehr zu haben wären, in anderen gangbaren, guten Geld nach dem Werth des zur Zeit des Contracts gehabten Gehalts der verschiedenen Gattung zu leisten seie.

[3, 24, § 1] 30. Dahingegen bei veränderter äußerlichen Währung der Schuldner weder wegen des erhöheten Werths sich von der Hauptsumme etwas abzuziehen befugt,


(3-405) noch wegen des verminderten etwas zuzulegen oder ein Aufgeld zu geben schuldig ist, wann er diesen dem Glaubiger daraus erwachsenden Schaden nicht etwan durch ein ausdrückliches Beding auf sich genommen oder der Glaubiger dessen Vergütung sich nicht vorbehalten hat, oder die Gattung der Münze nicht schon in dem Contract in einen gewissen Werth angeschlagen worden.

[3, 24, § 1] 31. Davon aber sind folgende zwei Ereignussen auszunehmen, als die eine, wann die zu bezahlen gedungene Gattung der Münze nach der Zeit der Verbindung völlig verrufen und außer Umlauf gesetzet worden, oder auch sonst gar nicht mehr zu haben wäre, bei welchen sich ergebenden Umstand der Schuldner jegleichwohlen noch eben so vieles und nicht mehr und nicht weniger, als was die verschriebene Gattung der Münze zur Zeit der Verbindung gegolten, in einer anderen zur Zeit der Zahlung gangbaren, den Werth der vorigen nach ihrem innerlichen Gehalt und Güte ausgleichenden Münz zu bezahlen verbunden bleibet.

[3, 24, § 1] 32. Die andere, wann nebst der schuldigen Hauptsumme auch andere Nebengebührnussen entweder aus einem Beding oder Saumsal abzuführen sind, welche allerdings in anderer gangbarer Münz entrichtet werden mögen, woferne die bedungene Gattung der Münze nicht namentlich auch darauf erstrecket worden.

[3, 24, § 1] 33. Woferne aber die Erhöhung oder Abwürdigung der verschriebenen Gattung der Münze erst nach der Verfallzeit geschehen würde, kann der Schuldner aus seinem Saumsal keinen Vortheil ziehen, sondern derselbe ist schuldig, sowohl bei deren Erhöhung nichtsdestoweniger die verschriebene Gattung in der bedungenen Zahl nach ihrem vollen Werth abzuführen, ohne sich den erhöheten Betrag zu Guten rechnen zu mögen, als bei deren Abwürdigung nach Auswahl des Glaubigers entweder die Zahlung in damals gangbaren Geld nach dem Betrag des Werths, welchen die verschriebene Gattung zur Verfallzeit gehabt, zu leisten, oder zu der abgewürdigten Gattung der Münze so vieles Aufgeld zuzulegen, als solche in ihrer Währung abgefallen ist.

[3, 24, § 1] 34. Letzteren Falls hingegen, da wegen Zuruckzahlung einer gewissen Gattung der Münze nichts bedungen oder die Zahlung überhaupt in guten, gangbaren Geld zu leisten versprochen worden, ist der Unterschied zwischen denen aus Darlehenscontracten und jenen aus anderen Handlungen herrührenden Schulden zu bemerken:

[3, 24, § 1] 35. In Darlehenscontracten, deren Natur erheischet, daß eben so viel, folgsam nicht mehr, nicht weniger, als wie viel sowohl nach dem innerlichen, als äußerlichen Werth der vorgestreckten Münze dargeliehen worden, dem Glaubiger zuruckgestellet werde, solle allemal auf den Werth und Güte des vorgeliehenen Gelds, welchen es zur Zeit des Darlehens gehabt, zuruckgesehen und die Ruckzahlung hienach abgemessen werden.

[3, 24, § 1] 36. Wann dahero die Veränderung sich an der innerlichen Güte oder Gehalt der Münze ergebete, als da ein Darlehen in schlechter ringhaltiger Münze welche nachhero verrufen würde, vorgestrecket worden wäre, folglich die Ruckzahlung in solchem verrufenen Geld nicht mehr geleistet werden könnte, so solle in solchem Fall allezeit auf den innerlichen Werth derlei ringhaltiger Münzen, wie dieser in Verhalt gegen guten Geld nach dem damaligen Wechselcours zur Zeit des Darlehens gewesen, die Rucksicht genommen, und nach solchem das in schlechten Geld dargeliehene Capital auf gutes Geld herabgesetzt, somit aber der Hauptstuhl bestimmet, und nach dessen Betrag die Ruckzahlung in guten, gangbaren Geld geleistet werden.

[3, 24, § 1] 37. Also da hundert Gulden an schlechter vorgeliehener Münze in dem damaligen Verhalt gegen gutes Geld nach ihrem innerlichen Gehalt nur funfzig Gulden Werth gewesen wären, ist auch der Schuldner nicht mehr als funfzig Gulden an guten Geld zuruckzuzahlen verbunden.

[3, 24, § 1] 38. Ingleichen sind nach eben diesen Maßregeln die von dem Tag der Verrufung laufende Interessen auszumessen und hieran nicht mehr, als was nach dem

(3-406) auf gutes Geld herabgesetzten Hauptstuhl ausfallet, zu entrichten; also würden in dem gegebenen Beispiel von dem in hundert Gulden an schlechten Gelde vorgeliehenen, nachhero aber in den Verhalt gegen guten Geld auf funfzig Gulden herabgesetzten Capital die Interessen nur von funfzig Gulden zu bezahlen sein; wohingegen es bei denen schon abgeführten Interessen sein Bewenden hat, gleichwie dann auch die bis zur Verrufung versessene Interessen zur Strafe des Saumsals für voll abgestattet werden müssen.

[3, 24, § 1] 39. Daferne aber in Gegentheil ein in besserer Münze vorgestrecktes Darlehen in schlechterer, ehe solche noch verrufen würde, zuruckgezahlet worden wäre, so solle in dem Fall, wo der Schuldner sich zu keinem Aufgeld verbunden, und der Glaubiger bis Ruckzahlung in schlechterer Münz freiwillig und ohne Vorbehalt angenommen, der Glaubiger mit einigen Vergütungsanspruch nicht mehr gehöret werden.

[3, 24, § 1] 40. Wann jedoch der Schuldner entweder in der Schuldverschreibung oder bei der Ruckzahlung sich zu einem Aufgeld oder zur Vergütung des aus dem Unterschied der Münze dem Glaubiger erwachsenden Schadens ausdrücklich verbunden, oder der Glaubiger in der Quittung und Zahlungsbescheinigung oder sonst erweislicher Maßen bei der Ruckzahlung ein Aufgeld oder Vergütung sich wortdeutlich vorbehalten hätte, so solle demselben die bedungene oder vorbehaltene Vergütung geleistet, und da sowohl die vorgeliehene, als zuruckgezahlte Münze verrufen worden wäre, hierbei das gute Geld, mit welchem ohnedies nach verrufener schlechter Münze der Vergütungsbetrag zu bezahlen kommet, zur Richtschnur genommen, folgsam wie das in besserer Münz dargeliehene Geld zur Zeit des Darlehens und wie die ruckbezahlte schlechtere Münz zur Zeit der Ruckzahlung nach dem Wechselcours gegen guten Geld sich verhalten, dergestalten, und in solcher Ebenmäßigung das Darlehen und die Ruckzahlung nach ihrem beiderseitigen Betrag bestimmet, und was die Ruckzahlung minder betraget, dem Glaubiger von dem Schuldner vergütet werden, anbei aber dieser Vergütung halber dem Glaubiger die nemliche Sicherheit, die wegen des Capitals bestellet worden, zu Guten kommen.

[3, 24, § 1] 41. Nicht weniger, wann die vorgeliehene Münze zwar bei ihrem innerlichen Gehalt und Güte, welche sie zur Zeit des Darlehens gehabt, verbliebe, die äußerliche Währung aber durch deren Erhöhung oder Abwürdigung veränderet würde, ist allemal der Werth des Gelds, was es zur Zeit des Darlehens gegolten, zu betrachten, und hienach die Zahlung zwar in der zur Zeit der Abfuhr gangbaren, jedoch dem zur Zeit des Darlehens empfangenen Werth gleichkommenden Währung zu leisten.

[3, 24, § 1] 42. Als da z. B. hundert Goldstücke geliehen worden wären, welche zur Zeit des Darlehens sechs Gulden gegolten hätten, nachhero aber auf fünf Gulden herabgesetzet würden, so hat der Schuldner jegleichwohlen sechshundert Gulden zu bezahlen; gleichwie in Gegentheil, wo solche zur Zeit des Darlehens nur fünf Gulden gegolten hätten und hernachmals auf sechs Gulden erhöhet worden wären, derselbe nur fünfhundert Gulden zu entrichten hätte, weilen er in diesem Fall nicht mehr als fünfhundert Gulden, wie in jenem nicht weniger als sechshundert Gulden von seinem Glaubiger empfangen, und so eben auch diejenige Summe, die ihme vorgestrecket worden und nicht mehr und nicht weniger zu verinteressiren hat.

[3, 24, § 1] 43. In allen anderen aber außer Darlehenscontracten aus sonstigen Handlungen herrührenden Schulden, sie mögen die Haupt- oder Nebengebühr betreffen, wobei keine gewisse Gattung der Münze zur Zahlung bedungen worden, solle bei deren Entrichtung allemal auf den Werth des Gelds, welchen es zur Zeit der Zahlung hat, gesehen, mithin soviel an damals gangbarer Münz abgeführet werden, als der schuldige Betrag, worzu der Schuldner aus der Handlung verbunden ist, ausmachet.

(3-407) [3, 24, § 1] 44. Es wären dann, daß eine gewisse Gattung der Münze zur Zahlung ausdrücklich bedungen, aber die Verfallzeit noch nicht verstrichen und von dem Schuldner die Zahlung entweder in einer anderen Münze, als bedungen worden, oder vor der ausgesetzten Verfallzeit dem Glaubiger wider dessen Willen und Einstimmung aufgedrungen oder der diesfällige Geldbetrag solcher Gestalten voreilig zu Gerichtshanden hinterleget und die Münze, in welcher der Erlag geschehen, nachhero abgewürdiget oder gar verrufen worden.

[3, 24, § 1] 45. In welchen Fällen eine solche entweder wider das ausdrückliche Beding oder vor der Verfallzeit aufgedrungene Zahlung und gerichtliche Hinterlegung als unbefugt angesehen, und der Schuldner zu Entrichtung der Schuld ersteren Falls in der bedungenen Gattung nach Maßgebung dessen, was gleich oben von num. 29 bis 33 geordnet worden und letzteren Falls in guter gangbarer Münze verhalten werden solle.

[3, 24, § 1] 46. Viertens ist zur Rechtmäßigkeit der Zahlung erforderlich, daß solche vollkommen und auf einmal mit Abstattung des ganzen schuldigen Betrags sowohl an Capital als an Zinsen und anderen Nebengebührnussen geschehe, dann einzelne Zahlungen ist der Glaubiger wider Willen anzunehmen nicht schuldig, wann die Zahlung nicht entweder schon durch das Beding selbst oder nach der Beschaffenheit der Schuld oder durch die Macht Rechtens theilbar ist.

[3, 24, § 1] 47. Durch das Beding ist die Zahlung theilbar, wann einzelne Zahlungen gleich Anfangs mit beiderseitiger Einverständnuß bedungen und zu deren Entrichtung gewisse Fristen ausgesetzet oder sonst von dem Glaubiger hierein gewilliget worden.

[3, 24, § 1] 48. Durch die Beschaffenheit der Schuld wird die Zahlung in zweien Fällen theilbar, als da entweder ein Theil der Schuld richtig und das Uebrige noch unrichtig und strittig wäre, oder die Schuld aus mehreren einzelnen Summen bestünde.

[3, 24, § 1] 49. In dem ersten Fall ist zu unterscheiden, ob die Zahlung des einen Theils der Schuld von dem Richter auferleget, oder ob solche von dem Schuldner freiwillig geleistet werde. Die gerichtliche Auflage ist ihme an seinen wegen des Uebringen wider die Forderung des Glaubigers etwan habenden Rechten und Einwendungen nicht nachtheilig, wann deren Inhalt nichts Anderes ausmesset, wohl aber die freiwillige Anbietung der Zahlung auch nur des einen Theils der Schuld, woferne sowohl der bezahlte, als noch zuruckbehaltene Betrag zusammen aus einerlei Einschuldigungsursache herrühret und unter einer Summe in einerlei Verschreibung begriffen ist.

[3, 24, § 1] 50. Dann aus der freiwilligen Anbietung des einen Theils erwachset die rechtsbeständige Vermuthung auch für die volle Anerkanntnuß und Richtigkeit des Uebrigen, wann vorbemelter Maßen es einerlei Schuld ist, und der Schuldner bei Abstattung des einen Theils sich nicht alle wegen des Uebrigen ihme gebühren mögende Rechtswohlthaten und Einwendungen ausdrücklich vorbehalten hat oder diese widrige Vermuthung durch rechtsbeständige Proben nicht ableinen kann.

[3, 24, § 1] 51. Wo aber die Schuld aus mehreren einzelnen Posten bestünde, die aus unterschiedenen Verbindlichkeiten herrühreten, folglich auch wegen deren jeder besondere Rechtsforderungen gebühreten, kann der Schuldner zu Abführung aller auf einmal nicht angehalten werden, wann nicht solches deutlich bedungen, oder alle diese verschiedene Posten mit beiderseitiger Einwilligung in eine Summe, nebst dem ausdrücklichen Beding zusammengezogen worden, daß deren Bezahlung völlig und auf einmal geleistet werden solle.

[3, 24, § 1] 52. Da jedoch dieses Beding in der Beschreibung nicht mit beigesetzet worden wäre, wird der Schuldner durch die alleinige Zusammenziehung und Berechnung verschiedener einzelner Posten nicht verbunden, solche auf einmal abzustatten, sondern es bleiben dessen ohnerachtet so viele unterschiedene Zahlungen, als Verbindlichkeiten

(3-408) und Forderungen, außer alle diese Posten rühreten aus einer Verbindlichkeit her, folglich sie auch mit einerlei Rechtsforderung anbegehret werden könnten.

[3, 24, § 1] 53. Durch die Macht Rechtens wird die Zahlung nicht allein zwischen mehreren Erben des verstorbenen Schuldners, wann der Glaubiger sich ihrer und nicht her Verlassenschaft haltet, nach Maß ihrer Erbantheilen, sondern auch damals getheilet, wann der Richter entweder wegen Unvermögenheit des Schuldners, oder der Rechtswohlthat der Seldstbedürfnuß in jenen Fällen, wo ihme solche zu statten kommet, oder wegen anderer bei der Gant- oder Cridaordnung vorkommenden rechtlichen Ursachen solche zu zertheilen befindet.

[3, 24, § 1] 54. Es muß aber dasjenige Geld oder Gut, was von dem Schuldner gezahlet oder an Zahlungsstatt gegeben wird, demselben eigenthumlich zugehören oder doch wenigstens der Glaubiger dasselbe mit guten Glauben als ein dem Schuldner eigenthumlich angehöriges Gut annehmen, in welchen Fall er von dem Eigenthümer, da es ein bewegliches Gut wäre, deshalben nicht mehr angefochten werden mag.

[3, 24, § 1] 55. Dahingegen, wo er es fremd zu sein gewußt und gleichwohlen an der Zahlung angenommen hätte, oder das an Zahlungsstatt Angenommene ein liegendes Gut wäre, dessen Besitz sich noch nicht verjähret hätte, kann es von dem Eigenthümer noch allemal zuruckgeforderet und der Schuldner insolange, als der Glaubiger wegen des an Zahlungsstatt Angenommenen dem Anspruch eines Dritten ausgesetzet bleibet, von der Verbindlichkeit gegen ihm nicht befreiet werden.

[3, 24, § 1] 56. Fünftens solle die Zahlung zur gebührenden Zeit geleistet werden, wobei jedoch zu unterscheiden ist, ob eine gewisse Zeit der Zahlung bestimmet seie oder nicht; für bestimmet aber ist nicht nur allein die Zeit zu halten, wann ein gewisser Tag zur Zahlung angesetzet, sondern auch, wann sich ein- oder andererseits oder auch beiderseits durch die freistehende Aufkündung der Schuld die Zeit der Zahlung zu bestimmen in der Beschreibung vorbehalten und bedungen worden.

[3, 24, § 1] 57. Ist nun die Zahlungszeit auf eine oder die andere Art also bestimmet, so ist weder der Glaubiger befugt vor deren Verfall oder vor ein- oder andererseits gemachter Aufkündung die Schuld einzumahnen und einzuforderen, noch auch der Schuldner die Zahlung, wann er gleich darmit gefaßt wäre, ehender zu leisten, sondern Beide sind schuldig die Zeit abzuwarten.

[3, 24, § 1] 58. Doch ist dem Glaubiger nicht verwehret auch mittlerweil, da das Vermögen des Schuldners in Verfall zu gerathen beginnete, sich seiner Sicherheit wegen vorzusehen und zu deren Ausweisung, wo er die Gefahr darzeigen könnte, den Schuldner gerichtlich zu verhalten, wie nicht weniger wegen deren zugleich mit verschriebenen Interessen, wann der Schuldner in denen bedungenen Abfuhrsfristen darmit nicht einhielte, die Execution zu verführen.

[3, 24, § 1] 59. Die Aufkündung, wo eine bedungen worden, solle nicht anderst, als entweder schriftlich oder durch eine geschworne Gerichtsperson geschehen und hierüber kein anderer Beweis, als entweder die von dem anderen Theil ausgestellte schriftliche Annehmung der gemachten Aufkündung oder die von der Gerichtsperson über deren vollzogene Andeutung gefertigte Bescheinigung zulässig sein.

[3, 24, § 1] 60. Damit aber die Aufkündung rechtsgiltig seie und ihre Wirkung haben möge, muß dieselbe zu der gesetzten Zeit und auf die gesetzte Zeit geschehen, welche entweder in der Beschreibung ausbedungen worden oder in Ermanglung eines ausdrücklichen Bedings nach der Gewohnheit eines jeden Landes beobachtet zu werden pfleget.

[3, 24, § 1] 61. Ist hingegen keine gewisse Zeit zur Zahlung bestimmet, oder solche auf jedesmaliges Begehren des Glaubigers zu leisten versprochen worden, so ist sowohl der Glaubiger die Zahlung zu allen Zeiten einzuforderen, wie der Schuldner solche auch ohne Einnahmen anzubieten befugt; doch hat sich in diesem Fall der Glaubiger in die Billigkeit zu finden und dem Schuldner, wann er sogleich mit

(3-409) der Zahlung aufzukommen nicht vermögete, so viele Frist und Nachsicht zu verstatten, als nach Beschaffenheit deren Umständen der Richter dem Schuldner einzuraumen ermessen wird.

[3, 24, § 1] 62. Wo aber die Zahlung der Willkühr des Schuldners nach seinem eigenen Belieben ausdrücklich überlassen worden sein würde, kann zwar dieser solche zu allen Zeiten nach seinem Gefallen leisten, der Glaubiger hingegen die Schuld nicht einmahnen und eintreiben, außer der Schuldner würde noch vor geleisteter Zahlung versterben, in welchem Fall seine hinterlassene Erben, wann es keine mit der Person des Schuldners erloschene Schuld ware, zur Zahlung ohne weiters verhalten werden mögen.

[3, 24, § 1] 63. Sechstens solle die Zahlung an dem gehörigen Ort geschehen; dieses ist entweder in der Verbindung oder Verschreibung bestimmet worden oder nicht. Ersteren Falls ist weder der Glaubiger die Zahlung an einen anderen Ort, als Anfangs beliebet worden, einzuforderen, noch ihme der Schuldner solche anderswo aufzubringen befugt, und da, wo zwei Orte der Zahlung in der Beschreibung benennet worden wären, hat insgemein der Schuldner die Auswahl, an welchem derselbe die Zahlung leisten wolle, wann nichts Anderes ausgedrucket worden.

[3, 24, § 1] 64. Wo aber der Schuldner an dem bestimmten Ort zur gesetzten Zeit mit der Zahlung nicht eingehalten hätte, stehet nicht allein dem Glaubiger nach der Verfallzeit das Recht zu, aller Orten, wo er ihn antrifft, zur Zahlung anzuhalten, sondern dieser ist auch schuldig dem Glaubiger den wegen der an einem anderen Ort anzunehmen bemüssigten Zahlung allenfalls aus dem unterschiedenen Werth der Münze oder sonstiger Ursachen halber erweislich erleidenden Schaden zu vergüten.

[3, 24, § 1] 65. Gleichwie in Gegentheil der Schuldner nicht weniger berechtiget ist, da die Ursach der an dem bestimmten Ort nicht leisten mögenden Zahlung an dem Glaubiger liegen würde, als da er zur gesetzten Zeit weder selbst dahin gekommen wäre, noch jemand Anderen anstatt seiner zur Einnahme der Schuld bestellet hätte, solche dem Glaubiger, wo er ihn findet, anzubieten und bei verweigerter Annehmung zu Gericht zu hinterlegen, hiervon aber so vieles, als er andurch verkürzet worden zu sein rechtsbehörig erweisen mag, sich zu seiner Schadloshaltung abzuziehen.

[3, 24, § 1] 66. Diese so ein- als andererseits gebührende Entschädigung höret jedoch in jenem Fall auf, wann rechtmäßige Ehehaften den Zugang zu dem bestimmten Ort verwehreten, als da solcher durch Feindesgefahr, Ueberschwemmung oder ansteckende Seuche erschweret, oder gar unmöglich gemacht würde, bei welchen sich ergebenden Umständen der Glaubiger die verschriebene oder bedungene Gattung der Münze, wann sie gleich an dem bestimmten Ort mehr, als nicht in dem Ort, wo die Zahlung geschieht, gegolten hätte, ohne allem Aufgeld anzunehmen, oder da solche in dem Ort der leistenden Zahlung gar nicht gangbar wäre, sich mit dem coursmäßigen Werth derselben nach dem Verhalt gegen guten Geld zu begnügen schuldig ist.

[3, 24, § 1] 67. Letzteren Falls aber, wo kein Ort der Zahlung bestimmet worden wäre, hat solche der Schuldner entweder in dem Ort des Contracts oder seiner Wohnung da, wo sie ehender geforderet wird, zu leisten, und ist beinebst zwischen entgeltlichen und ohnentgeltlichen Handlungen der Unterschied zu beobachten, daß in denen ersteren die Schuld dem Glaubiger an dasjenige Ort, wo die Zahlung zu geschehen hat, auf Gefahr und Unkosten des Schuldners überbracht oder überschicket, in denen anderen hingegen die Zahlung bei dem Schuldner von dem Glaubiger selbst abgeholet werden müsse.

[3, 24, § 1] 68. Woferne jedoch der Schuldner sich verborgen hielte, oder rechtsflüchtig wäre, oder wegen seiner verfallenen Vermögensumständen eine erweisliche Gefahr

(3-410) des Verlusts der Schuld obhanden sein würde, kann die Zahlung aller Orten, wo er betreten wird, von dem Glaubiger eingeforderet und eingetrieben werden.

[3, 24, § 1] 69. Eine solchergestalten rechtmäßig geleistete Zahlung wirket an Seiten des Glaubigers die Uebertragung des Eigenthums des bezahlten Gelds, oder der an Zahlungsstatt gegebenen Sache, oder doch desjenigen Rechts, was dem zahlenden Schuldner hieran gebühret hat.

[3, 24, § 1] 70. An Seiten des Schuldners hingegen wird zwar insgemein durch die Zahlung sowohl die Haupt- als alle Nebenverbindlichkeit, dieselbe bestehe in Pfand- oder Bürgschaften, getilget, wann jedoch die Schuldverschreibung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich auf einem liegenden Gut vorgemerket wäre, so ist beinebst noch erforderlich, daß dieselbe zu Befreiung des Guts von dieser Haftung aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf die hienach in §. XI erklärende Art und Weis behörig ausgelöschet werde.

[3, 24, § 1] 71. Der Glaubiger ist dahero schuldig nach empfangener Zahlung nicht allein die Schuldverschreibung und etwan in Handen habende Pfandschaften dem Schuldner auszuantworten, sondern auch ihme zu dessen mehrerer Sicherheit hierüber eine Quittung und, da allenfalls der Schuldbrief in Verlust gerathen wäre, einen Abtödtungs- oder sogenannten Amortisationsschein, kraft dessen die Schuldverschreibung gänzlich vernichtet wird, unter seiner Handschrift und Petschaft auszufertigen.

[3, 24, § 1] 72. Die Einwendung der geleisteten Zahlung kann zu allen Zeiten, und zwar nicht allein gleich auf die Klage des Glaubigers, sondern auch nach dem schon in Rechtskräften erwachsenen richterlichen Spruch in der wirklichen Execution noch angebracht werden, wann nur letzteren Falls solche richtig und durch die eigene Handschrift des Glaubigers oder eine sonstige rechtsbeständige Urkunde alsobald erweislich ist.

[3, 24, § 1] 73. Woferne aber die Zahlung nicht alsogleich rechtsgenüglich erprobet werden könnte, sondern eine weitere Beweisführung erheischete, solle der Glaubiger in der aus einem richterlichen Spruch angestrengten Execution durch dergleichen noch unerwiesene Ausflüchten und Einwendungen nicht gehemmet und aufgehalten werden, sondern der Schuldner sich nicht anderst, als durch die gerichtliche Hinterlegung desjenigen Betrags, worauf die Execution verführet wird, hiervon befreien können, wornach ihme sodann freistehet die eingewendete Zahlung in ordentlichen Weg Rechtens zu erweisen, wie sowohl hiervon, als von dem Fall der aus einer einverleibten Verschreibung verführenden Execution in dem vierten Theil bei der Gerichtsordnung das Mehrere geordnet werden wird.

[3, 24, § 1] 74. Die Zahlung muß dahero allemal behörig erwiesen werden, es seie durch Quittung oder andere Urkunden, worinnen die Bekanntnuß des Glaubigers oder dessen, den er hierzu bestellet hat, über die empfangene Zahlung enthalten ist, oder durch untadelhafte Zeugen.

[3, 24, § 1] 75. Doch werden auch rechtliche Anzeichen und Vermuthungen zu Herstellung des Beweises zugelassen, als da der nemliche Schuldbrief, welchen der Glaubiger für eben denjenigen, welcher an ihn ausgestellet worden, anerkennet hätte, in Handen des Schuldners oder auch bei dem Glaubiger, ohnangesehen er ein dürftiger Mann wäre, doch die Schuld nach der Verfallzeit durch viele Jahre nicht eingemahnet und geforderet, oder selbst von dem Schuldner Geld geborget, und ihme anwiederum zuruckgezahlet hätte, ohne die daraus für die Tilgung der Schuld erwachsende Vermuthung durch einen Gegenbeweis ableinen zu können.

[3, 24, § 1] 76. In allen diesen Fällen bleibet dem richterlichen Befund überlassen, die Hinlänglichkeit dieser vorkommenden Anzeichen und Vermuthungen zu beurtheilen, und nach Verschiedenheit deren Umständen entweder dem einen oder anderen Theil, wider welchen die Vermuthung streitet, den Gegenbeweis aufzuerlegen oder auch

(3-411) dem Einen oder dem Anderen zu Erzielung eines vollen Beweises den Ergänzungseid aufzutragen.

[3, 24, § 1] 77. Daferne aber von dem Schuldner mit Willen des Glaubigers Abschlagszahlungen geleistet würden, so wird auch die Verbindlichkeit des Schuldners andurch nur für denjenigen Betrag getilget, welchen er bezahlet hat, und wo dabei nichts Anderes ausgedrucket worden, sind die Abschlagszahlungen allemal erst auf die vertagte Zinsen und andere Nebengebührnussen anzurechnen, wann erstere mit verschrieben oder aus Saumsal des Schuldners zugesprochen, und letztere entweder von beiden Theilen ordentlich berechnet oder durch richterlichen Spruch schon gemäßiget worden; dann solange diese nicht richtig gestellet sind, kann der Glaubiger zu Annehmung einer Abschlagszahlung auf das Capital selbst nicht verhalten werden.

[3, 24, § 1] 78. Die Abschlagszahlungen sollen demnach anförderist auf die entweder durch selbsteigene Anerkanntnuß des Schuldners oder durch richterliche Mäßigung berichtigte Unkosten und was nach solchen an dem bezahlten Betrag übrig bleibet, auf die bis zu dem Tag der geleisteten Abschlagszahlung versessene Interessen, sodann aber erst Dasjenige, was die bezahlte Summe mehr betraget, auf Abschlag des Capitals angerechnet werden; wohingegen auf die noch nicht in Richtigkeit gesetzte Nebengebührnussen, als die erst zu berechnen kommende Unkosten oder die aus Saumsal anfordernde, noch von richterlicher Erkanntnuß abhangende Interessen keine Abschlagszahlung wider Willen des Schuldners angerechnet werden mag.

[3, 24, § 1] 79. Nachdeme es sich aber öfters ereignet, daß der Schuldner einem Glaubiger mehrere Posten aus verschiedenen Einschuldigungsursachen abzuführen habe, so hat zwar der Schuldner die Auswahl, welche Post derselbe zuerst bezahlen wolle, und der Glaubiger kann die Zahlung anzunehmen nicht verweigeren; wo aber der abführen wollende Betrag zu Abstoßung einer ganzen Post nicht zureichete, sondern nur auf Abschlag geschehete, hanget es von der Willkür des Glaubigers ab, auf welche Post derselbe die Abschlagszahlung annehmen wolle, wann nur solche richtig, wirklich verfallen und somit schon zahlbar ist.

[3, 24, § 1] 80. Dahingegen, wann weder ersteren Falls von dem Schuldner, noch auch letzteren Falls von dem Glaubiger dabei ausgedrucket worden wäre, auf welche Post die Zahlung angenommen werde, wird die Zahlung allemal auf jene Post geleistet worden zu sein vermuthet, welche richtig, und zur Zeit der Zahlung schon verfallen ware; da aber alle oder doch mehrere Posten richtig und schon zahlbar gewesen waren, ist die Anrechnung vorzüglich auf jene Post zu machen, welche dringender ist und eine härtere Verbindlichkeit oder mehrere Verstrickung enthaltet.

[3, 24, § 1] 81. Also hat in solchem Fall jene Post, wofür Bürgschaft geleistet, oder ein Pfand eingeleget, oder eine noch zur Zeit uneinverleibte Hypothek verschrieben, oder welche allbereits durch Urtheil zuerkannt worden oder in wirklicher Execution stehet, oder wofür größere Zinsen verschrieben worden, vor anderen, wie nicht weniger jene, worzu Jemand für sich selbst und in eigenen Namen verbunden ist, vor einer fremden Schuld, für welche er gutgestanden, den Vorzug.

[3, 24, § 1] 82. Wo aber eine Schuldverschreibung schon landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket wäre, kann hierauf in Hinzutretung anderer uneinverleibter Schuldposten eine Abschlagszahlung anderer Gestalt nicht angerechnet werden, als wann hierüber von dem Glaubiger eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittung ausgestellet worden; wann jedoch alle Schuldposten von einerlei Beschaffenheit wären, so lieget zwar dem Schuldner nichts daran, auf welche Post die Zahlung angerechnet werden wolle; woferne aber ein Dritter dabei verfangen wäre, als da zweierlei Posten von unterschiedenen Personen gleich verbürget wären, gebühret der älteren der Vorzug und da auch beide von einerlei Zeit herrühreten, ist die Zahlung nach Maß ihres Betrags von beiden abzuschlagen.

(3-412) §. II.

[3, 24, § 2] 83. Die zweite Tilgungsart ist die Erlassung der Schuld oder Ledigsprechung des Schuldners, wodurch der Glaubiger den Schuldner von der Verbindlichkeit frei, quitt, ledig und losspricht, auf was immer für Art und Weis der Erlassende seine Willensmeinung dabei erkläre.

[3, 24, § 2] 84. Es haben aber nur Jene die Macht Schulden rechtsgiltig zu erlassen, welche nach der in zweiten Theil, in der Abhandlung von Schankungen enthaltenen Ausmessung zu schenken befugt sind; wiewohlen aber die erlassene Schuld den zu verschenken erlaubten Betrag übersteiget, so bestehet jedennoch die Erlassung, obschon solche nicht, wie es sonst bei Schankungen erforderet wird, bei Gericht angemeldet worden.

[3, 24, § 2] 85. Wo mehrere Glaubigere einer Schuld wären, kann die Erlassung des einen die Entbindung von der Schuld nur von seinen hieran habenden Antheil wirken, gleichwie auch die einem von mehreren mit geschiedener Hand verbundenen Mitschuldneren gemachte Erlassung denselben nur für seinen Antheil befreiet; es wären dann alle in einerlei Schuldbrief oder Urkunde unterschrieben, und diese Urkunde dem einen ohne weiteren Vorbehalt zuruckgestellet worden, welchen Falls die Befreiung von der Schuld auch Allen zu statten kommet.

[3, 24, § 2] 86. Eben also, da sie insgesammt mit ungeschiedener Hand oder sammt und sonders verbunden wären, wirket die dem Einen gemachte Erlassung auch die Befreiung deren Uebrigen, wann der Glaubiger sich die Forderung wider dieselbe nicht ausdrücklich dabei vorbehalten oder nicht solche für die Antheile deren Uebrigen dem entledigten Mitschuldner angewiesen, abgetreten oder ihme zu deren Eintreibung die Vollmacht gegeben hat.

[3, 24, § 2] 87. Die Schuld kann entweder ganz oder zum Theil, mit oder ohne beigefügter Bedingnuß, ausdrücklich oder stillschweigend durch Zuruckstellung oder Zerreißung und sonstige Vernichtung der Schuldverschreibung erlassen werden, welche letztere Art bereits oben in zweiten Capitel, in zweiten Artikel, von Verträgen, §. XI, num. 102 und 103, erkläret worden.

[3, 24, § 2] 88. Die Erlassung der Schuld hat die Wirkung, daß sie die Verbindlichkeit ganz oder zum Theil, nachdeme die Schuld ganz oder zum Theil erlassen worden, wann solche nicht landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket ist, gleich oder nach Erfolg der beigefügten Bedingnuß mittelst des Rechts selbst aufhebe, tilge und vernichte; wo aber die erlassene Schuld in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern haftete, berechtiget deren Erlassung den Schuldner, daß der den Glaubiger zu deren behöriger Auslöschung und Ausquittirung verhalten könne.

§. III.

[3, 24, § 3] 89. Die dritte Tilgungsart ist die Vergeltung oder Gegenforderung, welche nicht Anderes ist, als eine Vergleichung beiderseitiger Forderungen zwischen denen

(3-413) nemlichen Personen des Schuldners und Glaubigers gegeneinander, wodurch eine mit der anderen ausgeglichen, getilget und aufgehoben wird.

[3, 24, § 3] 90. Diese hat dahero nur blos allein zwischen jenen Personen statt, die einander wechselweise schuldig sind, also daß Beide an einander Forderungen zu stellen haben, wann gleich dieselbe sonst Zahlungen rechtsgiltig zu leisten oder anzunehmen nicht fähig wären, als Waisen und andere pflegebefohlene Personen; dann Zahlungen und Vergeltungen sind von ganz unterschiedener Eigenschaft, also daß wo auch nicht gezahlet, gleichwohlen vergolten, gleichwie dagegen anwiederum in andere Fällen zwar gezahlet, aber nicht vergolten werden mag.

[3, 24, § 3] 91. Ein jeder Schuldner kann demnach das, was sein Glaubiger an ihn zu fordern hat, mit deme, was dieser dagegen ihme schuldig ist, vergelten und ausgleichen, wovon Wir aber Unsere landesfürstliche Gefälle, Steuern und andere Abgaben, wie auch die Unserer Kammer verfallene Strafgelder ausdrücklich ausgenommen haben wollen, als worwider keine wie immer Namen haben mögende Gegenforderung und Vergeltung zugelassen sein solle.

[3, 24, § 3] 92. Dahingegen in allen anderen Fällen, wo Unsere Kammer entweder aus denen mit Anderen geschlossenen Contracten herrührende oder von Privatpersonen auf sie gediehene Forderungen stellet, wider Unseren Fiscum ebensowohl, als wider einen jedweden Anderen die Gegenforderung eingewendet werden kann, wann nur solche auf jene von Unseren Cassen gerichtet ist, zu deren Handen die Forderung an den Gegenforderenden gestellet wird, maßen in Widrigen die Forderungen der einen Cassa mit denen Gegenforderungen an eine andere nicht vergolten und ausgeglichen werden mögen.

[3, 24, § 3] 93. Obschon aber einer für den Anderen rechtsgiltig zahlen mag, so kann doch Niemand seine Schuld mit der an einen Dritten habenden Forderung ausgleichen und vergelten, noch weniger ist der Glaubiger schuldig, seine Forderung mit der von dem Schuldner nicht an ihn, sondern an einen Dritten stellenden Forderung ausgleichen zu lassen.

[3, 24, § 3] 94. Also kann das, was der Ehemann an Einen forderet, mit deme, was diesem das Weib schuldig ist, oder was der Vormund oder Befehlshaber in seinem eigenen Namen forderet, mit deme, was der Wais oder Befehlsgeber dem Beklagten schuldig ist, oder dagegen jenes, was der Vormund oder Befehlshaber in Namen des Waisen oder Befehlsgebers zu forderen hat, mit deme, was er selbst für sich dem Beklagten schuldig ist, oder auch das, was Jemand an einer ganzen Gemeinde zu forderen hat, mit deme, was er einem oder dem anderen Mitglied derselben insonderheit schuldig ist, oder dagegen, nicht vergolten und ausgeglichen werden.

[3, 24, § 3] 95. Diese Regel leidet jedoch einen Abfall, wo zwar verschiedene Personen, doch aber nur einerlei Recht und Verbindlichkeit wäre; also, da die Verwaltung der Vormundschaft über einerlei Waisen unter mehrere Vormündere vertheilet sein würde, kann jenes, was der Beklagte in eine Vormundschaft schuldig ist, mit deme, was er an der anderen zu forderen hat, nicht weniger, als Dasjenige, was die eine Vormundschaft dem Kläger schuldig ist, mit deme, was die andere an ihn zu forderen hat, allerdings ausgeglichen und vergolten werden, weilen in diesen Fällen nur eine Person des Schuldners und Glaubigers und blos allein die Verwaltung des Vermögens getheilet ist.

[3, 24, § 3] 96. Eben also kann ein Bürge nicht allein das, was er für sich selbst, sondern auch jenes, was der Selbstschuldner an dem Glaubiger zu forderen hat, mit der verbürgten Summe vergelten und ausgleichen; dahingegen kann weder der belangte Selbstschuldner das, was der Glaubiger dem Bürgen schuldig ist, noch auch der Bürge, wann er von dem Schuldner wegen einer sonstigen Schuld belanget wird, die verbürgte Summe, solange er für ihn hierauf nichts bezahlet

(3-414) hat, oder nicht etwan seine Sicherstellung wegen der geleisteten Bürgschaft anzusuchen berechtiget ist, als eine Vergeltung oder Gegenforderung vorschützen.

[3, 24, § 3] 97. Nicht weniger kommt die aus der Gesellschaft herrührende Forderung des einen Mitgesellschafters dem anderen wider den gemeinschaftlichen Glaubiger, so wie dagegen dem gemeinschaftlichen Schuldner die an dem einem Mitgesellschafter aus der Gesellschaft habende Forderung wider den anderen Mitgesellschafter als eine Vergeltung zu statten.

[3, 24, § 3] 98. Desgleichen ist der Uebernehmer einer ihme abgetretenen Forderung befugt, nachdeme er die an ihn gemachte Uebergabe und Abtretung dem abgetretenen Schuldner bedeutet oder solche behöriger Orten einverleiben lassen, dieselbe mit deme, was dieser dagegen an ihn zu forderen hat, zu vergelten.

[3, 24, § 3] 99. Gleichwie in Gegentheil der abgetretene Schuldner das, was ihme der Abtretende vor der Abtretung schuldig ware, oder noch vor deren Einverleibung oder ihme gethanen Bedeutung schuldig worden, als eine Gegenforderung wider den Uebernehmer noch allezeit einwenden kann; was aber der Abtretende erst nach schon einverleibter oder kundgemachter Abtretung dem abgetretenen Schuldner schuldig worden, ein solches kann mit der an einem Dritten abgetretenen Forderung nicht mehr vergolten und ausgeglichen werden.

[3, 24, § 3] 100. Endlich kann sowohl gegen dem Erben Dasjenige, was er an Jemanden in seinem eigenen Namen zu forderen hat, mit deme, was diesem dagegen der Erblasser schuldig ware, als auch von dem Erben gegen einem Anderen das, was der Erb ihme in seinem eigenen Namen schuldig ist, mit deme, was diesem dagegen der Erblasser schuldig ware, als auch von dem Erben gegen einem Anderen das, was der Erb ihme in seinem eigenen Namen schuldig ist, mit deme, was an diesem der verstorbene Erblasser zu forderen hatte, vergolten und ausgeglichen werden; es wäre dann die Erbschaft von ihme mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten worden, welchen Falls die Vergeltung sowohl vor, als wider den Erben nur nach Maß desjenigen Betrags statt haben mag, welcher ihme nach Abzug deren Schulden und Vermächtnussen an der Erbschaft übrig bleibet und da mehrere Erben wären, kann auch bei deren Leben insonderheit die Vergeltung auf nichts Mehreres, als auf den für einen Leben ausfallenden Erbantheil erstrecket werden.

[3, 24, § 3] 101. Alle Schulden und Forderungen können gegeneinander vergolten und ausgeglichen werden, wann sie folgender Gestalt beschaffen sind, daß erstens beiderseitige Forderungen in Sachen von gleicher Gattung und Güte bestehen und nach der Gattung und nicht nach gewissen bestimmten Stucken gebühren; dann die einander zu leisten schuldige Thaten und Werke können zwar erlassen oder in eine andere Schuldigkeit verwandlet und Sachen von ungleicher Gattung und Güte, oder welche stuckweise gebühren, nach der weiter unten folgenden Ausmessung zu Bedeckung eines habenden Gegenanspruchs innenbehalten, aber nicht gegeneinander vergolten und ausgeglichen werden.

[3, 24, § 3] 102. Sie würden dann in einem geschätzten Werth zu Geld geschlagen, und somit Geld gegen Geld ausgeglichen und vergolten; doch ist nicht nöthig, daß beiderlei Forderungen auch in Betrag gleich sind, sondern, wann auch eine Summe die andere übersteigete, so kann nichtsdestoweniger die Vergeltung auch nur mit einem Theil der Schuld geschehen, folglich die mindere von der größeren Summe abgerechnet werden.

[3, 24, § 3] 103. Zweitens, daß die durch Vergeltung in Abzug bringen wollende Gegenforderung wahrhaft, richtig und unlaugbar seie, worüber entweder die selbsteigene Bekanntnuß des Gegentheils oder Recht und Urtheil vorhanden oder doch wenigstens binnen der in Unserer Gerichtsordnung hierzu ausgemessenen Zeitfrist der rechtsbeständige Beweis verführet werden mögen; dann richtige können mit unrichtigen Forderungen nicht vergolten werden. Also leidet jenes, was an sich klar und richtig ist, mit deme, was erst verrechnet werden muß, keine Ausgleichung.

[3, 24, § 3] 104. Drittens, daß die Gegenforderung, mit welcher die Schuld ausgeglichen werden will, zur Zeit der vorschützenden Vergeltung nicht allein gebühre,


(3-415) sondern auch sogleich einbringlich seie, und anbegehret werden möge; widrigens ist das, was erst von künftigen, gewissen oder ungewissen Ereignussen abhanget, mit einer sogleich eintreiblichen Forderung nicht auszugleichen, sondern muß nach der Verfallzeit mittelst einer besonderen Klage angesuchet werden.

[3, 24, § 3] 105. Viertens, daß wirklich also beschaffene Forderungen gegeneinander fürwalten, sie mögen aus einerlei oder verschiedenen Einschuldigungsursachen herrühren, wovon aber die Zuruckstellung eines zu getreuen Handen hinterlegten, so wie eines gestohlenen, geraubten oder sonst unrechtmäßiger Weise an sich gebrachten fremden Guts ausgenommen wird, wider welche, wann es gleich auf Erstattung des Werths desselben ankäme, keine Vergeltung mit anderen noch so richtigen Forderungen zulässig ist.

[3, 24, § 3] 106. Die Vergeltung oder Ausgleichung hat eben diejenige Wirkung wie die Zahlung, daß solche die Verbindlichkeit gleich von der Zeit, als die Gegenforderung entstanden, ganz oder zum Theil in der Maß desjenigen Betrags, worauf sich dieselbe erstrecket, ohne aller weiterer Zuthat mittelst des Rechts selbst, sowohl in der Hauptgebühr, als denen Nebengebührnussen tilge und aufhebe, folglich nicht allein den weiteren Lauf deren Zinsen von dem vergoltenen Betrag einstelle, sondern auch die eingelegten Pfänder und dafür eingekommene Bürgen befreie.

[3, 24, § 3] 107. Wo aber landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Forderungen entweder gegeneinander oder mit anderen unvorgemerkten Forderungen vergolten und ausgeglichen werden wollten, kann solches nicht anderst, als wie bei Zahlungen mittelst ordentlicher Quittirung und Auslöschung bewerkstelliget werden, worzu der Schuldner den Glaubiger, wann dieser jenen wegen seiner Gegenforderung nicht in andere Wege befriedigen wollte, zu verhalten berechtiget ist.

[3, 24, § 3] 108. Die Abrechnung der Gegenforderung solle in eben derjenigen Maß, wie es bei Zahlungen oben in §. I, von num. 77 bis 82, vorgeschrieben worden, gepflogen werden, so wenig jedoch eine zur Gebühr geleistete Zahlung widerrufen werden mag, so wenig kann auch die von einem zu verschiedenen Schuldposten verstrickten Schuldner der einen Schuldforderung entgegengestellte Vergeltung wider die andere eingewendet werden, außer insoweit von der Gegenforderung nach gänzlicher Tilgung der einen Post noch etwas auf Abschlag der anderen erübriget wird.

[3, 24, § 3] 109. Die Gegenvergeltung hat auch die Wirkung wie die Zahlung, daß, wo solche ohne Vorbehalt anderer wider die Forderung des Klägers gebührenden Behelfen und Einreden auch nur wider einen Theil der Schuld vorgeschützet wird, andurch für die Richtigkeit der eingeklagten Schuld die Vermuthung erwachse, wann von dem Beklagten ein Widriges nicht erwiesen werden kann.

[3, 24, § 3] 110. Nicht weniger kann sowohl Derjenige, welcher eine durch die vorgeschützte Gegenvergeltung und ordentlich gepflogene Abrechnung schon getilgte Schuld bezahlet, als auch Jener, deme eine Gegenforderung, worzu er nicht verbunden ware, zur Ungebühr abgezogen und vergolten worden, wann so Einer, wie der Andere den unterwaltenden Irrthum erweisen mag, die Zuruckstellung des zur Ungebühr Bezahlten oder Vergoltenen mittelst der Rechtsforderung wegen Zahlung aus Irrthum zuruckbegehren.

[3, 24, § 3] 111. Damit aber die Gegenvergeltung in ihre Wirksamkeit gesetzet werde, ist erforderlich, daß solche wider die Forderung des Glaubigers ordentlich eingewendet und vorgeschützet worden seie, wo in Widrigen hierauf bei Gericht sein Bedacht genommen werden mag; doch kann diese Einwendung der Vergeltung eben sowohl, als wie es von eingewendeter Zahlung oben §. I, num. 72, geordnet worden, zu allen Zeiten, und sogar wider die schon angestrengte Execution vorgeschützet werden, wann dieselbe nur alsobald erweislich ist, dann ansonsten muß die noch unrichtige Gegenforderung durch eine besondere Gegenklage ausgeführet werden.

(3-416) [3, 24, § 3] 112. Diese besondere Gegenklage bleibet auch dem Beklagten in jenen Fällen vorbehalten; wann er entweder die Schuld, ohne die Gegenvergeltung einzuwenden, bezahlet oder auf die Vergeltung seiner Gegenforderung eine besondere Verzicht namentlich und ausdrücklich gethan hätte; jene Verzicht hingegen, welche nur überhaupt auf alle Rechtswohlthaten und Gegenvergeltungen lautet, ohne die Gegenforderung dabei insonderheit zu benennen, schließet die Einwendung der Gegenvergeltung nicht aus.

[3, 24, § 3] 113. Eben also stehet dem Beklagten diese besondere Gegenklage noch immer bevor, wann der Richter die vorgeschützte Gegenvergeltung entweder wegen Beschaffenheit einer unvergeltlichen Forderung oder wegen ihrer noch unerwiesener Richtigkeit nicht stattzuhaben befinden, und also aussprechen würde, daß der vorgeschützten Gegenforderung, ohnerachtet der Beklagte dem Kläger die Schuld zu bezahlen schuldig seie, oder daß dem Beklagten seine Rechten und Gegensprüche, so er zu haben vermeinet, rechtlicher Ordnung nach in einer besonderen Verhandlung auszuführen vorbehalten sein solle.

[3, 24, § 3] 114. Dahingegen, wo der Richter die Gegenforderung des Beklagten aus Mangel einer unterwaltenden wahren Schuld des Klägers für nichtig und unstandhaft erkennet und Klägern davon losgesprochen hätte, kann auch seine besondere Gegenklage mehr angebracht werden, wann dieses Urtheil einmal in Rechtskräften erwachsen ist, sondern es stehet derselben die Einrede der zu Recht bestätigten richterlichen Erkanntnuß allezeit in Wege.

[3, 24, § 3] 115. Von der Gegenvergeltung ist das Recht der Innenbehaltung unterschieden, weilen hierdurch die Verbindlichkeit nicht getilget und aufgelöset, sondern nur die Gegenforderung sichergestellet wird, und hat dahero die Innenbehaltung auch in jenen Fällen statt, wo keine Vergeltung eingewendet werden kann.

[3, 24, § 3] 116. Die Innenhaltung ist demnach ein dem rechtmäßigen Inhaber einer fremden Sache zustehendes Recht, solche dem Eigenthümer so lange vorzuenthalten, bis daß derselbe von ihme wegen seiner dieser Sache halber habenden richtigen Forderung vollkommen vergnüget und befriediget sein werde.

[3, 24, § 3] 117. Woraus fließet, daß Beklagter sich dieses Rechts nur allein damals gebrauchen könne, wann er die inhabende Sache auf rechtmäßige Weise zu seinen Handen gebracht, und die Gegenforderung lediglich wegen dieser Sache und aus keiner anderen Ursach herrühre, wie auch, daß solche richtig und unstrittig seie.

[3, 24, § 3] 118. Ein unrechtmäßiger Inhaber hingegen darf sich keiner Innenbehaltung anmaßen, und auch ein rechtmäßiger Inhaber ist nicht befugt, zur Sicherstellung anderweiter an dem Eigenthümer habenden und nicht wegen dieser Sache herstammenden Forderungen solche demselben vorzuenthalten, das alleinige Pfand ausgenommen, als welches auch für eine andere richtige Schuld, wofür dasselbe nicht versetzet worden, bis zu deren Abstoßung zuruckgehalten werden mag.

[3, 24, § 3] 119. Gleichwie dann auch in jenem Fall, wo die Gegenforderung noch unrichtig wäre, und erst durch richterliche Erörterung in das Klare gesetzet werden müßte, Beklagter schuldig ist, auf vorhergehende richterliche Erkanntnuß gegen einer ihme von Klägern zu leisten habenden annehmlichen Sicherheit die Sache auszufolgen; doch bleibet ihme in allen diesen Fällen, wo er sich wegen seiner Gegenforderung weder der Vergeltung, noch der Innenbehaltung gebrauchen kann, das Recht einer besonderen Gegenklage, wovon in vierten Theil bei der Gerichtsordnung mit Mehreren gehandlet werden wird, allzeit bevor, wann nicht schon die Gegenforderung selbst vorbesagter Maßen in dem richterlichen Urtheil als nichtig und unstandhaft verworfen worden.

[3, 24, § 3] 120. Wer sich aber des Rechts der Innenbehaltung in Fällen, wo solches zugelassen wird, bedienen will, muß seine Gegenforderung wider die Klage des Gegentheils ordentlich eingewendet haben, dann wo er dieses unterlassen und zu

(3-417) Ausantwortung der innengehabten Sache verurtheilet worden, kann er dieselbe nicht mehr vorenthalten; wohingegen, da ihme in dem richterlichen Urtheil das Recht der Innenbehaltung entweder ausdrücklich oder stillschweigend durch Zusprechung oder Vorbehalt seiner Gegenforderung zuerkennet worden, so ist derselbe, wie ein jedweder anderer rechtmäßiger Besitzer bis zu seiner Befriedigung oder bis zu Ausgang der Gegenklage dabei zu schützen und zu handhaben.

§. IV.

[3, 24, § 4] 121. Die vierte Tilgungsart ist der gerichtliche Erlag der Schuld, welche auch anderst eine gerichtliche Hinterlegung der Schuld benamset wird, und in sich nichts Anderes ist, als eine gerichtliche Handlung, wodurch die dem Glaubiger in gehöriger Maß, Zeit und Stelle angetragene, von ihme aber anzunehmen widerrechtlich verweigerte Schuld zu dem Ende bei Gericht ordentlich hinterleget wird, damit der Schuldner von aller weiteren Verbindlichkeit befreiet werde.

[3, 24, § 4] 122. Die Anbietung der Schuld kann von Allen, welche Zahlungen zu leisten Macht haben, jedwedem Glaubiger, der solche anzunehmen fähig ist, geschehen; doch können, im Fall von ihme deren Annehmung verweigeret würde, nur baares Geld, briefliche Urkunden und solche bewegliche Sachen, welche leicht zu verwahren und durch längere Aufbehaltung seiner Gefahr des Verderbens unterworfen sind, bei Gericht hinterlegt werden.

[3, 24, § 4] 123. Dahingegen sollen alle andere bewegliche Dinge, welche entweder schwer aufzubehalten oder doch leicht verderblich sind, wann sie sonst zur Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Hinterlegung hienach ausgemessene Erfordernussen hinzutreten, mittelst öffentlicher Feilbietung und gerichtlicher Versteigerung verkaufet und der daraus erlöste Werth bei Gericht hinterleget, Gründe und liegende Güter aber in gleichen Fall in gerichtlichen Beschlag und Verwaltung genommen werden.

[3, 24, § 4] 124. Diese gerichtliche Hinterlegung unterscheidet sich von anderen gemeinen Hinterlegungen zu getreuen Handen hauptsächlich in deme, daß jene nicht wie diese nur auf Verwahrung der hinterlegten Sache, sondern vornehmlich auf die Befreiung von der Verbindlichkeit und deren gänzlichen Tilgung und Auflösung abziele, folglich in zweiten wesentlichen Stücken bestehe, als in der wirklichen Anbietung und dem gerichtlichen Erlag.

[3, 24, § 4] 125. Damit aber solche auf rechtmäßiger Art und Weis geschehe, und den Schuldner von der Verbindlichkeit befreien möge, ist erforderlich: Erstens, daß die Schuld wirklich und nicht allein mit bloßen Worten, sondern in der That selbst dem Glaubiger angeboten werde, außer derselbe würde zur Verfallzeit abwesend oder rechtsflüchtig und an dem bestimmten Ort der Zahlung nicht zu finden oder sonst dessen Aufenthalt nicht zu erforschen sein, in welchem Fall es an der erweislichen Bereitfertigkeit des Schuldners die Zahlung zu leisten genug ist, um sich von der Schuld durch deren gerichtlichen Erlag zu entledigen.

[3, 24, § 4] 126. Zweitens, daß die Anbietung der ganzen Schuld oder desjenigen Betrags, welcher zu bezahlen ist, für voll mit allen davon vertagten Zinsen und anderen Nebengebührnussen in der contractmäßigen Güte, und in der gehörigen Gattung der Münze, zur gesetzten Zeit und an bestimmten Ort geschehe, wie alles dieses oben, §. I, von Zahlungen geordnet worden.

[3, 24, § 4] 127. Drittens, daß der Glaubiger die angebotene Zahlung ohne rechtmäßiger Ursach, folglich widerrechtlich verweigere, und sowohl die wirkliche Anbietung

(3-418) des Schuldners, als die Verweigerung des Glaubigers entweder durch Zeugen, oder durch des letzteren eigene Handschrift, oder durch die Bestätigung einer geschworenen Gerichtsperson erwiesen werden möge.

[3, 24, § 4] 128. Viertens, daß der Glaubiger zu dem gerichtlichen Erlag und wirklicher Zuzählung der Schuld vorgeladen werde; und entweder selbst oder ein Anderer in Vollmacht und anstatt seiner dabei gegenwärtig seie, zugleich aber seine etwan darwider habende Behelfe und Ursachen der Verweigerung vorbringe, worüber der Richter mit schleuniger Erkanntnuß zu verfahren hat; woferne hingegen der Glaubiger an dem ihme bestimmten Tag bei Gericht nicht erscheinen würde, solle jegleichwohlen die gerichtliche Hinterlegung, wann sonst alle übrige vor- und nachbeschriebene Erfordernussen dabei beobachtet werden, ihren Fortgang haben.

[3, 24, § 4] 129. Fünftens, daß die Hinterlegung der Schuld vor der gehörigen Gerichtsstelle geschehe; jene ist aber die gehörige Gerichtsstelle, wo entweder die Zahlung geleistet werden solle, oder wo die Schuld vorgemerket ist, oder wo der Contract geschlossen worden, oder auch deren Gerichtsbarkeit der Schuldner oder der Glaubiger unterworfen ist, wann sonst der Schuldner den Richter des Glaubigers angehen will, welches er jedoch zu thun nicht schuldig ist.

[3, 24, § 4] 130. Sechstens, daß der schuldige Betrag ganz und ohne mindesten Abgang entweder bei Gericht, oder auf erfolgte gerichtliche Erkanntnuß bei denen von Uns eigends angestellten Hinterlegungs- oder Depositenämtern der Orten, wo solche befindlich sind, ausgezählet und erleget werde.

[3, 24, § 4] 131. Der nach allen diesen Erfordernussen eingerichtete gerichtliche Erlag der Schuld hat die Wirkung einer rechtsgiltigen Zahlung, also daß hierdurch mittelst des Rechts selbst, sowohl die Haupt- als Nebenverbindlichkeit völlig getilget und aufgelöset, Pfandschaften und Bürgen befreiet, und die Gefahr der hinterlegten Sache oder Summe auf den Glaubiger übertragen, folglich sofort der Schuldner denselben zur Aushändigung der Schuldverschreibung, Pfandschaft und zur Quittirung zu verhalten berechtiget werde.

[3, 24, § 4] 132. Die Gerichte und Hinterlegungs- oder Depositenämter aber sollen in Verwahrung deren hinterlegten Sachen, Barschaften und brieflichen Urkunden alle Sorgfalt anwenden und dabei all’ jenes beobachten, worzu sie die ihnen hierwegen ertheilte Vorschriften und Unterrichte anweisen; wo in Widrigen dieselbe für allen aus ihrer Schuld hieran entstehenden Schaden nicht weniger als jedweder Anderer, zu dessen Handen etwas hinterleget worden, zu haften haben; doch zufällige Schäden hat der Glaubiger selbst zu büßen.

[3, 24, § 4] 133. Wohingegen in Ermanglung auch nur einer dieser vorerwähnten Erfordernussen, oder da der Schuldner die zu Gerichtshanden hinterlegte Schuld anwiederum zurucknehmen würde, welches ihme solange zu thun freistehet, als der Glaubiger solche annehmen zu wollen sich nicht erkläret, oder ein Dritter hierauf keinen gerichtlichen Kummer und Verbot ausgewirket hat, ist die Handlung null und nichtig, und der Schuldner fallet in die vorige Verbindlichkeit, obschon das etwan mittlerweil ausgefolgte Unterpfand so wie die durch die gerichtliche Hinterlegung entledigte Bürgen befreiet bleiben.

[3, 24, § 4] 134. Die alleinige außergerichtliche Anbietung hat dahero ohne dem zu Gerichtshanden wirklich erfolgten Erlag der Schuld diese Wirkung nicht, sondern kann lediglich, wo sie erweislich ist, den Schuldner vor denen Wirkungen des Saumsals verwahren, folglich sowohl von der Verfänglichkeit für die Gefahr einer abzustatten habenden bestimmten Sache entheben, als auch die von der schuldigen Summe sonst aus Saumsal laufende, nicht aber die verschriebene oder aus einem Beding gebührende Zinsen einstellen.

(3-419) §. V.

[3, 24, § 5] 135. Die fünfte Tilgungsart ist die Vermengung und Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person; diese Vermengung geschieht auf zweierlei Weis, als entweder in der Hauptverbindlichkeit oder in der Nebenverbindlichkeit.

[3, 24, § 5] 136. In der Hauptverbindlichkeit, wann der Glaubiger des Schuldners oder dieser jenes Erbe wird, maßen Niemand sein selbsteigener Glaubiger und Schuldner sein kann; es wäre dann von ihme die Erbschaft mit der Rechtswohlthat des Inventarii angetreten worden, als welches so viel wirket, daß die Rechten und Verbindlichkeiten des Erbens von jenen des Verstorbenen völlig abgesonderet erhalten werden.

[3, 24, § 5] 137. Es bleiben dahero in solchem Fall dem Erben die an der Verlassenschaft seines Erblassers habende Ansprüche so wie dieser die ihr wider den Erben gebührende Forderungen noch allezeit bevor, also daß, da der Glaubiger den Schuldner erbete, ihme ebenso wie einem jedweden anderen Glaubiger aus der Verlassenschaft Genügen geschehen müsse, gleichwie in Gegentheil, da der Schuldner den Glaubiger erbete, seine Schuld die Verlassenschaft vermehre und denen Glaubigeren des Verstorbenen freistehe, solche von dem Erben einzutreiben.

[3, 24, § 5] 138. Wo aber die Erbschaft ohne dieser Rechtswohlthat angetreten worden wäre, wird die Verbindlichkeit durch diese Vermengung mittelst des Rechts selbst entweder ganz, da Einer des Anderen alleiniger Erbe wäre, oder wann mehrere Miterben wären, nur nach Maß des deren jedem zukommenden Erbantheils getilget und aufgelöset, also daß im letzteren Fall für den übrigen Theil der Schuld sowohl ihme wider die andere Miterben, als diesen wider jenen die Ansprüche noch immer bevorstehen; und in eben derjenigen Maß, als die Hauptverbindlichkeit getilget worden, werden auch alle Nebenverbindlichkeiten als Pfand- und Bürgschaften aufgehoben und aufgelöset.

[3, 24, § 5] 139. Ingleichen, wo der gemeinsame Glaubiger einen mit ungeschiedener Hand verbundenen Mitschuldner, oder dieser jenen erbete, bleibet nichtsdestoweniger der andere Mitschuldner für seinen Antheil verbunden; gleichwie dagegen, wann der gemeinsame Schuldner einen von mehreren ungeschiedenen Mitglaubigeren erbete, derselbe nur für seinen Antheil befreiet wird, welcher dem Verstorbenen gebühret hat, so wie ein Mitglaubiger, welcher den gemeinsamen Schuldner erbet, seinen Mitglaubigeren ihre Antheile herauszugeben schuldig ist.

[3, 24, § 5] 140. In der Nebenverbindlichkeit geschieht die Vermengung, wann der Bürge den Glaubiger oder Schuldner oder diese jenen erben, wodurch aber die Hauptverbindlichkeit nicht getilget wird, wie es in achten Capitel, von Bürgschaften, §. VIII, von num. 128 bis 132, mit Mehreren erkläret worden; was jedoch bishero von Vermengung deren Verbindlichkeiten geordnet worden, kann sich zum

(3-420) Nachtheil eines Dritten, welcher an einer solchen Schuld oder Forderung einen rechtmäßigen Anspruch hat, nicht erstrecken.

§. VI.

[3, 24, § 6] 141. Die sechste Tilgungsart ist die Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen wegen einerlei Sache in einer Person. Durch die gewinnstige Ursachen werden aber nur jene verstanden, wodurch eine Sache ohnentgeltlich, und ohne daß dafür etwas gegeben oder gethan werde, erworben wird, als Schankung, Vermächtnuß (et)c.; dahingegen alle andere Erwerbungsursachen, aus welchen für die Sache etwas gegeben oder geleistet wird, entgeltlich sind, als Kauf, Tausch und dergleichen.

[3, 24, § 6] 142. Wann demnach in einer Person wegen einerlei Sache zwei gewinnstige Ursachen zusammentreffen, als da die nemliche Sache Jemanden geschenket und vermachet würde, aus deren einer derselbe sie schon erhalten hätte, kann sie von ihme aus der anderen Ursach nicht mehr geforderet werden, sondern die hieraus entstehende Verbindlichkeit ist mittelst des Rechts selbst gänzlich erloschen und aufgehoben.

[3, 24, § 6] 143. Da aber demselben aus der einen Ursach nur ein Theil der Sache, oder auch blos deren Werth zugekommen wäre, kann er noch allemal aus der anderen Ursach den übrigen Theil oder auch die Sache selbst anbegehren, weilen nicht einerlei ist die Sache zum Theil oder ganz zu haben, und, der den Werth erhalten, noch nicht die Sache hat; obschon dagegen, wann Jemand aus einer gewinnstigen Ursach die Sache selbst erworben, nachher aus einer anderen deren Werth nicht mehr forderen mag.

[3, 24, § 6] 144. Dahingegen können entgeltliche mit gewinnstigen Ursachen ganz wohl zusammen bestehen, als Kauf mit Schankung und ohnerachtet die Sache selbst aus einer deren ersteren schon erworben worden, jegleichwohlen noch aus der anderen deren Werth anverlanget, wie nicht weniger auch der nemliche Betrag aus zweien gewinnstigen Ursachen, als da ebensoviel vermachet würde, als geschenket worden, mehrmalen geforderet werden, wann sich die eine nicht ausdrücklich auf die andere also beziehet, daß der wiederholte Betrag nur für einerlei mit dem ersten anzusehen seie.

§. VII.

[3, 24, § 7] 145. Die siebente Tilgungsart ist die beiderseitige Willkühr, sowohl des Glaubigers, als des Schuldners von der eingegangenen Handlung abzugehen und die Verbindlichkeit aufzuheben, wodurch diese mittelst des Rechts selbst getilget wird, welche jedoch blos bei jenen Handlungen, die durch die alleinige Einwilligung deren Contrahenten zu Stand kommen, nicht aber auch bei Realcontracten statt hat, sondern in diesen letzteren die Schuldigkeit zwar erlassen, der Contract selbst aber mittelst beiderseitigen Abstands niemalen anderst, als durch Zuruckstellung der empfangenen Sache aufgehoben werden kann.

[3, 24, § 7] 146. Es ist aber auch bei denen aus bloser Einwilligung bestehenden Handlungen der Unterschied zwischen denen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten und unvorgemerkten wohl zu beobachten; dann jene können auch mit beiderseitiger Willkühr nicht anderst aufgehoben werden, als wann zugleich der Abstand in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket und somit die Haftung ausgelöschet wird. Alle andere unvorgemerkte Handlungen hingegen mögen, solange sich solche noch in ihrer Gänze befinden, mit beiderseitiger Einstimmung allein anwiederum widerrufen werden.

[3, 24, § 7] 147. Wann in Gegentheil dieselbe sich nicht mehr in ihrer Gänze befinden, sondern bereits ein- oder andererseits hierauf etwas erstattet worden, muß noch

(3-421) über das Alles, was empfangen worden, zuruckgegeben, und also die Sache in vorigen Stand hergestellet werden.

[3, 24, § 7] 148. Noch weniger aber ist ein mitcontrahirender Theil für sich allein befugt ohne Willen und Beistimmung des anderen die eingegangene Handlung zu widerrufen und aufzuheben; außer dieselbe wäre ihrer Natur nach so beschaffen, daß sie ihn dabei zu beharren nicht verbinden mag, als die Gesellschaft oder Gemeinschaft eines Guts, oder daß sie lediglich zu seinem Nutzen gereichete, wie alle auf den alleinigen Nutzen des einen Theils abzielende Verträge und Contracten, wann die Widerrufung dem anderen Theil keinen Schaden bringet, oder endlich, daß von dem Gegentheil die contractmäßige Schuldigkeit aus seiner Schuld nicht erfüllet werden konnte oder wollte.

§. VIII.

[3, 24, § 8] 149. Die achte Tilgungsart ist der Untergang der zu leisten schuldigen Sache, wann solcher sich an einem schuldigen, gewissen und bestimmten Stuck ohne Zuthat, Verwahrlosung und Saumsal des Schuldners zugetragen hat.

[3, 24, § 8] 150. Der zufällige Untergang geschieht entweder nach der Natur, wann die schuldige Sache in Verlust gerathet oder sonst verdorben und vernichtet wird; oder nach dem Verstand Rechtens, wann dieselbe aus obrigkeitlicher Macht wegen gemeinwesigen Nutzens oder Bedürfnuß aus dem Handel und Wandel gesetzet wird.

[3, 24, § 8] 151. Der Untergang ereigne sich aber auf eine oder die andere Art, so wird doch andurch die Verbindlichkeit mittelst des Rechts selbst getilget, und in denjenigen Stand versetzet, worinnen sie niemalen würde haben anfangen können, also zwar, daß obgleich die Sache nachher anwiederum handelbar würde, nichtsdestoweniger die schon erloschene Verbindlichkeit nicht mehr auflebe.

[3, 24, § 8] 152. In deme aber ist jegleichwohlen zwischen der ersten und der anderen Art der Unterschied, daß bei dem natürlichen Untergang der schuldigen Sache der von deren Leistung andurch befreite Theil nicht allein alles das behalte, was er dafür bekommen, sondern auch noch Dasjenige forderen könne, was ihme dafür zu geben bedungen worden; dahingegen in dem Fall der nach geschlossenen Contract vor der wirklichen Uebergabe unhandelbar gewordenen Sache die Billigkeit erheischet, daß nicht nur nichts, was dafür zu geben bedungen worden, geforderet werden möge, sondern auch Alles, was bereits daran gegeben worden, anwiederum zuruckgestellet werde.

[3, 24, § 8] 153. Damit also Jemand von der Verbindlichkeit einer zu leisten schuldigen Sache durch ihren Untergang entlediget werde, ist erforderlich, daß erstens eine gewisse, bestimmte Sache nach dem Stuck und nicht nach dem Betrag oder nach der Gattung gebühre; dann eine Gattung oder Betrag kann niemalen untergehen, sondern eines vertritt die Stelle des anderen und der Schuldner bleibet noch allezeit in Stand eben so vieles abzuführen, woferne der Betrag nicht etwan durch Beziehung auf ein gewisses Stuck also beschränket wäre, daß nur dasjenige und nicht ein anderes von gleichen Betrag zu geben bedungen worden. Desgleichen, wo mehrere Sachen zusammen oder wechselweise, daß ist diese oder jene abzustatten wären, gebühret nach Untergang der einen noch die übrige.

[3, 24, § 8] 154. Zweitens, daß die Sache weder aus Saumsal, noch durch Zuthat und Verwahrlosung des Schuldners zu Grund gegangen, folglich der Untergang blos zufällig seie, und der Schuldner auch solchen nicht ausdrücklich auf sich genommen habe; kann in Widrigen machet demselben sowohl sein Saumsal, als seine eigene Schuld und freiwillige Uebernahm für die Gefahr verfänglich.

(3-422) §. IX.

[3, 24, § 9] 155. Die neunte Tilgungsart ist der Verlauf der Zeit, der Abgang der Bedingnuß und die Verjährung; durch Verlauf der Zeit werden jene Verbindungen mittelst des Rechts selbst getilget, welche auf eine gewisse Zeit eingegangen worden, doch nur in derjenigen Maß, daß zwar nach der Zeit die künftige Schuldigkeit aufhöre, nicht aber auch der Schuldner von deme, was für das Vergangene gebühret hat und schon von ihme hätte abgestattet werden sollen, befreiet werde.

[3, 24, § 9] 156. Ingleichen erlöschen bedingte Verbindungen mittelst des Rechts selbst nach dem Unterschied deren beigefügten aufziehenden und verschiebenden oder auflösenden Bedingnussen durch den Abgang und Ermanglung deren ersteren so wie durch den Erfolg deren letzteren, unter welchen sie eingegangen worden.

[3, 24, § 9] 157. Wie aber die Verbindungen durch Verjährung aufgehoben, und was für ein Zeitlauf nach Verschiedenheit deren Handlungen hierzu erforderet werde, ist allschon in zweiten Theil unter der Abhandlung von Verjährung ausgemessen worden.

§. X.

[3, 24, § 10] 158. Die zehnte Tilgungsart ist endlich das Absterben des Schuldners bei jenen Handlungen, deren Verbindlichkeit entweder nach ihrer Natur oder durch ein Beding ausdrücklich nur auf die Person und Lebzeiten des Schuldners beschränket ist.

[3, 24, § 10] 159. Außer einer solchen schon in der Natur der Handlung oder in dem wortdeutlichen Beding begriffenen Einschränkung, welche sich jedoch auf jenes, was der Schuldner noch bei seinen Lebszeiten hätte leisten sollen, nicht erstrecket, gehen sonst aus Verträgen und Contracten alle Rechten und Verbindlichkeiten auf die Erben.

[3, 24, § 10] 160. Wann und inwieweit aber die Verbindlichkeit aus Verbrechen durch Absterben des Verbrechers erlösche, ist nach Verschiedenheit des Gegenstands, welchen derlei Verbindlichkeiten betreffen, bereits oben in einundzwanzigsten Capitel, in ersten Artikel, von Verbrechen insgemein §. VII und §. IX erkläret worden.

§. XI.

[3, 24, § 11] 161. Alle bisher beschriebene Tilgungsarten heben die unvorgemerkten Schulden und Forderungen ohneweiters für sich selbst auf; dahingegen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Haftungen und Verbindungen nicht anderst als durch die Auslöschung aus der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern getilget werden können.

(3-423) [3, 24, § 11] 162. Es wäre dann eine solche Forderung schon in dem Inhalt der Verschreibung selbst auf eine gewisse Zeit oder auf die alleinige Person des Schuldners beschränket, in welchen Fällen auch selbe nach Verlauf der Zeit oder nach Absterben des Schuldners von selbsten für das Künftige erlöschet, obschon die Verbindlichkeit für das Vergangene haften bleibet, so lange solche nicht ausgelöschet wird.

[3, 24, § 11] 163. Die Auslöschung einer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Haftung geschieht auf dreierlei Art, als entweder durch einen wider die Verschreibung in der zu Recht ausgesetzten Zeit eingebrachten Widerspruch und hierauf erfolgtes richterliches Urtheil, wodurch dieselbe für vernichtet erkennet wird, oder durch Einverleibung derjenigen Urkunde, wodurch die erstere Verbindlichkeit aufgelöset und getilget wird, oder endlich durch die Quittirung.

[3, 24, § 11] 164. Von der ersteren Art wird in vierten Theil bei der Gerichtsordnung mit Mehreren gehandlet werden; die zweite aber erforderet nichts Anderes, als daß eine solche auf die Auflösung einer vorhinigen landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Haftung gerichtete Urkunde mit allen zur Einverleibung nöthigen Einfordernussen versehen seie und die anmit tilgen wollende Haftung darinnen deutlich benennet und ausgedrucket werde. Es erübriget also nur noch die dritte Art, nemlich die Quittirung, welche auch die gemeinste ist, hier zu erklären.

[3, 24, § 11] 165. Eine Quittung ist nichts Anderes als eine von dem Glaubiger über die empfangene Bezahlung der Schuld ausgestellte schriftliche Bekanntnuß und Bescheinigung, wodurch dieselbe sich von anderen gemeinen Bescheinigungen unterscheidet, als welche auch über Dinge, die ohne einer darzu verbindenden Schuldigkeit zu Jemands Handen übergeben werden, ausgestattet zu werden pflegen.

[3, 24, § 11] 166. Die Quittungen sind entweder auf die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Einverleibung gerichtet oder nicht, welche letztere blos allein die Bekanntnuß des Glaubigers, daß er die Zahlung empfangen, und dessen eigenhändige Unterschrift erforderen. Wo aber derselbe des Schreibens unkundig wäre, so ist in diesem Fall eben diejenige Vorsicht zu gebrauchen, welche in vierten Capitel, von Leihen oder Borgen, §. VI, num. 87 und 88 bei Schuldbriefen vorgeschrieben worden; gleichwie dann auch die Beidruckung des Siegels bei Quittungen ebensowenig, als bei Schuldbriefen ein wesentliches Stuck ist, sondern blos jene Wirkung hat, welche eben alldort von num. 89 bis 91 erwähnet worden.

[3, 24, § 11] 167. Die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittungen hingegen müssen nicht allein alle die zu derlei Urkunden in zweiten Capitel, in zweiten Artikel, von Verträgen, §. XI, von num. 76 bis 80, überhaupt ausgemessene Feierlichkeiten haben, sondern auch noch besonders klar und deutlich die Aufhebung derjenigen Haftung, welche anmit getilget werden solle, ausdrucken und anzeigen.

[3, 24, § 11] 168. Die Quittungen sind entweder allgemein über einen ganzen Umfang von Rechten und Forderungen, oder nur sonderheitlich über eine oder mehrere einzle Forderungen allein; die allgemeine können jedoch niemalen auf etwas Anderes, was nicht darunter begriffen ist, und worauf bei deren Ausstellung nicht gedacht worden, erstrecket werden.

[3, 24, § 11] 169. Also, da Jemand den Anderen über die Ausfolgung einer Erbschaft, Handlung oder eines von ihme verwalteten Vermögens quittirete und hernach gefunden würde, daß der Ausfolgende in die Erbschaft, Handlung oder in das von ihme verwaltete Vermögen noch etwas schuldig seie, kann die Quittung, wann sie noch so allgemein gefasset wäre, hierauf nicht ausgedeutet werden; eben so, da in einer Quittung eine allgemeine Verzicht auf alle Sprüche und Forderungen gemacht wird, kann solche nur von jenen und keinen anderen verstanden werden, als wovon in der Quittung die Rede ist.

(3-424) [3, 24, § 11] 170. Ferners lauten die Quittungen entweder auf die ganze Schuld oder nur auf einen Theil derselben; erstere werden Hauptquittungen und letztere Abschlags- oder Interims-Quittungen genennet.

[3, 24, § 11] 171. Diese ist der Schuldner gehalten gegen Behändigung der Hauptquittung auszuwechslen und dem Glaubiger zuruckzustellen, oder da ihme solche aus Handen gekommen wären, auf Verlangen des Glaubigers mittelst eines Abtödtungsscheins zu vernichten oder wenigstens in dem Inhalt der Hauptquittung entkräften und widerrufen zu lassen, welches er in gleichen Fall, wo über einerlei Summe mehrere Quittungen ausgestellet worden, in Betreff der ersteren zu thun verbunden ist.

[3, 24, § 11] 172. Quittiren kann Jedermann, der entweder für sich oder für einen Anderen Zahlungen anzunehmen und die Schuld zu erlassen fähig ist; landtäfliche, stadt- und grundbücherliche Quittungen aber können nur von dem Glaubiger und seinen Erben oder Demjenigen, welcher entweder durch die Abtretung des Glaubigers oder in andere rechtmäßige Wege diese Forderung mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern an sich gebracht hat, ausgestellet werden.

[3, 24, § 11] 173. Niemand Anderer kann dahero in Namen und anstatt des Glaubigers landtäflich, stadt- oder grundbücherlich quittiren, als der entweder denselben durch das Gesetz vorstellet, als Vormündere oder Gerhaben oder Curatores, wann der Auftrag der Vormundschaft oder Curatel bereits in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket ist.

[3, 24, § 11] 174. Oder aber Derjenige, deme schon in dem Inhalt der vorgemerkten Verschreibung die Einhebung der Schuld von dem Glaubiger angewiesen, oder eine mit allen zur Einverleibung nöthigen Erfordernussen versehene und entweder schon vorhin in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher eingelegte oder doch mit der Quittung einzuverleiben kommende Vollmacht hierzu ertheilet worden.

[3, 24, § 11] 175. Alle Quittungen haben zwar insgemein die Wirkung, daß sie die geschehene Zahlung und Vergnügung des Glaubigers beweisen, gleichwie in Gegentheil aus deren Ermanglung die Vermuthung der nicht geschehenen Zahlung erwachset, welche dem Schuldner deren Beweis aufbürdet.

[3, 24, § 11] 176. Landtäfliche, stadt- und grundbücherliche Quittungen aber wirken noch insonderheit die Aufhebung und Auflösung der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Haftung für denjenigen Betrag der Schuld, worüber sie ausgestellet werden.

[3, 24, § 11] 177. Da jedoch der Schuldner eine auf die Einverleibung nicht gerichtete Quittung über eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Schuldpost in Handen hätte, oder deren Tilgung in andere Wege erweisen könnte, so hat er Fug und Macht den Glaubiger oder dessen Erben um die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittirung zu belangen, und ihn hierzu zu verhalten.

[3, 24, § 11] 178. Wann aber wegen Länge der Zeit Niemand mehr zu finden wäre, welcher hierüber landtäfliche, stadt- oder grundbücherlich zu quittiren vermögete, so solle von Gericht aus auf Anlangen Desjenigen, welcher sich von einer solchen zur Ungebühr noch haftenden Post entledigen will, nach vorläufiger Erkanntnuß des von ihme hierüber beigebrachten Beweises mit der öffentlichen Vorladung aller Derenjenigen, welche ein Recht hieran zu haben vermeinen, nach Maßgebung Unserer in vierten Theil vorgeschriebenen Gerichtsordnung fürgegangen werden.

[3, 24, § 11] 179. Da sich nun in der anberaumten Zeitfrist Niemand mit einigen Ansprüchen melden würde, ist nach deren Verlauf sofort ein Curator von richterlichen Amts wegen zu bestellen, welcher anstatt Desjenigen, auf dessen Namen eine dergleichen noch haftende Forderung einverleibet ist, die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Quittirung vorzunehmen hat.


(3-425) [3, 24, § 11] 180. Der durch die Quittirung hergestellte Beweis erstrecket sich nicht nur allein auf die Zahlung, worüber die Quittung ausgestellet worden, sondern wirket auch in dem Fall, wo mehrere jährliche oder zu gesetzten Zeiten nach und nach bedungenen Zahlungen zu leisten sind, die Vermuthung für die Abfuhr deren vergangenen, wann sich solche der Glaubiger in der letzten Quittung nicht ausdrücklich vorbehalten hat, also zwar, daß, wann der Schuldner drei letztere aufeinander folgende Abfuhrsquittungen ohne Vorbehalt deren vorhin verfallenen Zahlungen aufweisen mag, dem Glaubiger der Gegenbeweis obliege, daß er die vorhinige Zahlungen nicht empfangen habe.

[3, 24, § 11] 181. Wo aber ein Glaubiger in Hoffnung der erhaltenden Zahlung eine Quittung zum voraus von sich gegeben hätte, ohne das Geld hierauf empfangen zu haben, so solle ihme eine Zeitfrist von dreißig Tagen, oder da er unter dieser Zeit versterben würde, seinen Erben zwei Monate von dem Tag der ausgestellten Quittung an zu rechnen verstattet sein, binnen welcher derselbe sich der besonders begünstigten Einwendung der nichtgeschehenen Zuzählung bedienen kann, kraft welcher der Schuldner den Beweis zu verführen hat, daß er die Zahlung geleistet habe.

[3, 24, § 11] 182. Nach Verlauf dieser begünstigten Zeitfrist hingegen lieget der Beweis der nicht empfangenen Zahlung dem Glaubiger ob, welchen er in ordentlichen Weg Rechtens wider den Schuldner auszuführen hat.

[3, 24, § 11] 183. Von denen Quittungen sind die Gegenscheine unterschieden, welche an sich nichts Anderes sind, als eine über die geleistete Zahlung ausgestellte schriftliche Bekanntnuß des Schuldners.

[3, 24, § 11] 184. Diese Gegenscheine haben nach Verschiedenheit deren Fällen für den Glaubiger vornehmlich den Nutzen, daß derselbe nicht allein in seinen etwan zu legen habenden Rechnungen den Empfang oder die Einnahme der Erfordernuß nach damit belegen, sondern auch den Lauf der Verjährung unterbrechen und die vollkommene Anerkanntnuß der Schuldigkeit andurch erproben möge.

[3, 24, § 11] 185. Noch eine andere Gattung von Bescheinigungen sind die Erlagscheine, wodurch nur die Abfuhr, oder der Erlag der abzustatten gehabten Summe bewähret wird; sie werden meistens von dem Schuldner über das zugezählte Darlehen an den Glaubiger ausgestellet und ihre Wirkung bestehet hauptsächlich in Bestätigung der erfolgten Zuzählung und in Ausschließung der deswegen gebührenden Einwendung.

§. XII.

[3, 24, § 12] 186. Durch Einreden und Einwendungen werden die Verbindungen getilget und aufgehoben, wann zwar noch dem Kläger die Forderung gebühret, solche aber vom Beklagten durch eine zu Recht bestehende Einwendung abgeleinet werden mag, welche sonach von dem Richter für erheblich anerkennet wird.

[3, 24, § 12] 187. Derlei Einwendungen sind nach Verschiedenheit deren Handlungen unzählig, und kommen zwar diese mit denen vorbeschriebenen Tilgungsarten auch in deme überein, daß so eine wie die andere wider die Forderung des Klägers bei Gericht eingewendet und rechtsbehörig erwiesen werden müssen.

[3, 24, § 12] 188. Nichtsdestoweniger bestehet der hauptsächliche Unterschied zwischen beiderlei Tilgungsarten darinnen, daß die Verbindlichkeit da, wo solche nur durch die Kraft der Einwendung abgeleinet werden will, nicht anderst, als durch den in Rechtskräften erwachsenen richterlichen Spruch getilget werden könne; dahingegen die

(3-426) mittelst des Rechts selbst aufgelöste Verbindlichkeiten schon für sich selbst erloschen sind und nur von dem Richter für erloschen erkläret werden.

[3, 24, § 12] 189. Von diesen Einwendungen aber, welche auf die Tilgung und Vernichtung der Verbindlichkeit selbst gerichtet sind, müssen jene wohl unterschieden werden, welche blos allein die Zahlung verschieben, weilen entweder solche nach dem Beding nicht ehender eingeforderet werden mag, oder auch darnach von dem Glaubiger eine Nachsicht verstattet worden.

[3, 24, § 12] 190. Von solcher Art sind die von Uns denen durch Unglück in Verfall ihres Vermögens gerathenen Schuldneren auf eine befindenden Umständen nach ausgemessene Zeit ertheilende Schutz- und Anstandbriefe oder sogenannte Moratorien, wovon in dem vierten Theil eigends gehandlet wird; diese schieben blos die Zahlung der schuldigen Hauptsumme auf und verleihen dem Schuldner eine Nachfrist für die ihme darinnen vergünstigte Zeit, machen aber der Verbindlichkeit gegen seine Glaubiger kein Ende.


(3-427) Uebersicht

der Parallelstellen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und des

Codex Theresianus.

In der Rubrik des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches bezeichnen die Zahlen die Paragraphe; diejenigen §§, für welche es an einer correspondirenden Stelle im Cod. Th. fehlt, wurden übergangen.

Angeführt wurden diejenigen Stellen des Cod. Th., welche denselben Gegenstand, wie die nebenstehend angegebenen §§ des a. b. G. B., wenn auch nur mittelbar, betreffen. Die römischen Ziffern bezeichnen die Theile, die großen arabischen Ziffern die Capitel, die kleinen arabischen Ziffern, wenn sie mit dem Zeichen *) versehen sind, die (in dieser Digitalisierung bewusst nicht aufgenommenen Anmerkungen des Herausgebers, außerdem aber die Absätze (Nummern) des Cod. Th. (Die Anmerkungen sind zu berücksichtigen, wenn sie auch nicht insbesondere ersichtlich gemacht wurden; sie sind nur dann hervorgehoben worden, wenn es im Texte, zu welchem sie gehören, an einer Parallelstelle fehlt.)

Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

1 = I 1. 1-12.

2 = I 1. 25-28.

3 = I 1. 13, 18-26.

4 = I 1. 14-17.

5 = I 1. 29-32.

6 = I 1. 81-83, 87, 88.

7 = I 1. 84-86.

8 = I 1. 31.

9 = I 1. 33.

10 = I 1. 8, 9, 39-50, 83.

11 = I 1. 34-38.

12 = I 1. 49.

13 = I 1. 10, 51-80, 89-92.

14 = I 1. 93-95.

15 = I 1. 96-100.  2. 1-4, 59-64.

16 = I 1. 2, 3.  2. 5-16.  II 12. 17.

17 = I 2. 5, 6.

18 = I 1. 1.  2. 6, 17.

19 = I 1. 95.  III 21. 112-115, 120-124, 163-173.

20 = III 9. 205.  24. 92.

21 = I 6. 6-9.

22, 23 = I 6. 635.  II 12. 87-92.  21. 175-186.

24 = II 21. 33-46.

25 = II 18. 105-108.

26 = I 1. 43, 33.  II 1. 133-155.

27 = I 1. 35-38, 44.

28 = I 2. 17-25.

29-31 = I 2. 26, 53-57.

32 = I 2. 58.

33-37 = I 1. 14.  2. 27-52.  II 11. 16,17, 187-190.  12. 18.

38 = I 1. 3.

39 = I 2. 9*).  6. 132.

40 = I 4. 1-24.

41 = I 4. 25-35.

42 = I 4. 9.

43 = I 4. 40-58.

44 = I 3. 1, 2.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

45 = I 3. 3-5, 43-46.

46 = I 3. 47, 48, 53, 54.

47 = I 3. 6, 7, 30-42.

49 = I 3. 8, 9, 14-29.

52, 53 = I 3. 10-13, 26, 27.

54 = I 3. 42.

89 = I 2. 65, 66.

90 = I 2. 71, 72.

91 = I 2. 67, 68, 86.

92 = I 2. 69, 70.

93 = I 2. 73-75.

94 = I 3. 14, 28.

105 = I 2. 76.

108 = I 2. 77, 79-85.

137 = I 2. 87.  5. 1-3, 7-9.

138 = I 2. 99.

139 = I 2. 88, 94, 111, 115.

141 = I 2. 96-98, 102-104, 109, 110.

142 = I 2. 6*).

143 = I 2. 104-108, 111-113.

144 = I 2. 92, 93.

145 = I 2. 89-91.  5. 48-50.

146 = I 2. 95.

147 = I 2. 88.  5. 4-6, 47.

148 = I 2. 89.

149 = I 5. 51, 52, 64-68, 77.

150 = I 5. 53-77.

151 = I 5. 113, 114.

152 = I 5. 78-88.  III 1. 32-34.

154 = I 2. 114, 116.

155 = I 2. 117, 118.

156-159 = I 2. 99-101.

160 = I 5. 10.

161 = I 5. 11-17.

162 = I 5. 18-20.

163 = I 2. 119, 120.

165 = I 2. 117, 118, 124.

166 = I 2. 121, 122.

167-170 = I 2. 121-123.

(3-428) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

171 = I 2. 123.

172, 173 = I 5. 96-104, 115, 116.

174 = I 5. 107, 114.

175 = I 5. 108-112.

176 = I 5. 89-95.

177, 178 = I 5. 105, 106.

179 = I 5. 21, 22, 40.

180 = I 5. 22-27.

181 = I 5. 23, 28.

182 = I 5. 23, 29, 32, 33.

183, 184 = I 5. 21, 22, 30, 31, 34-39.  6. 489.

185 = I 5. 116.

186 = I 5. 41-44.

187 = I 6. 1-5, 10, 11.

188 = I 6. 217, 587, 588.

189 = I 6. 119, 120.

190 = I 6. 12-14, 157-160.

191 = I 6. 124, 126-128, 131-133.

192 = I 6. 125.

193 = I 6. 134-143.

194 = I 6. 109-112.

195 = I 6. 127, 129, 130, 144-156.

196 = I 6. 15-18, 23-28, 30-34.

197 = I 6. 19-22.

198 = I 6. 35-92.

199 = I 6. 93, 94.

200 = I 6. 29, 95, 96, 108, 118, 121, 123, 161-164.

201 = I 6. 113-117, 122, 165-173.

202 = I 6. 141.

203 = I 6. 62.

204 = I 6. 161-164, 354-368.

205 = I 6. 174, 192.

206 = I 6. 96, 208.

207 = I 6. 209-214.

208 = I 6. 215, 216.

209 = I 6. 26-28.

210 = I 6. 24, 348-353, 557-565.

211 = I 6. 74, 75.

212 = I 6. 76-78.

213 = I 6. 79, 80.

214 = I 6. 81, 82.

215 = I 6. 82.

216 = I 6. 217, 222, 229, 231, 233, 234.

217 = I 6. 232.

218 = I 6. 219-221.

219 = I 6. 224-227.

220 = I 6. 228.

221 = I 6. 223.

222 = I 6. 193.

223 = I 6. 194.

224 = I 6. 195-203, 206.

225 = I 6. 100-107, 205.

226 = I 6. 97-99, 204.

227 = I 6. 105.

228 = I 6. 285, 315, 329, 338.

229 = I 6. 207, 302, 305, 306.

230 = I 6. 207, 300, 303, 304, 322-326, 328.

231 = I 6. 293-299, 301, 302.

232 = I 6. 288.

233 = I 6. 264-292, 322-327, 330-337.

234 = I 6. 309-312.

235 = I 6. 313, 314.

236 = I 6. 307, 308, 316-321.

237 = I 6. 175-191.

238 = I 6. 369, 377-396.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

239 = I 6. 370-376, 388, 389, 422-424.

240 = I 6. 104.

241 = I 6. 397-450, 457-460.

242 = I 6. 451-455.

243 = I 6. 264-275.

244 = I 6. 235-249, 253-260.  III 1. 32-34.

245 = I 3. 22.

246 = I 6. 233, 234.

247 = I 6. 250-252, 495-499.

248 = I 6. 261-263.

249 = I 6. 485-488, 516, 517.

250 = I 5. 94, 95.

251 = I 6. 258, 490-499, 505, 506.

252 = I 6. 250, 507-513.

253 = I 6. 156.

254 = I 6. 156, 519-534.

255 = I 6. 67-73.

256 = I 6. 537.

257 = I 6. 156, 518, 539.

258 = I 6. 43-50.

259 = I 6. 35, 36, 535, 536.

260 = I 6. 500-503.

261 = I 6. 46, 47, 539, 540.

262 = I 6. 538-543.

263 = I 6. 504, 514, 515, 544, 545, 578-586.

264 = I 6. 315, 338-353, 456, 546-568.

265 = I 6. 321, 569-576.

266 = I 6. 461-481.

267 = I 6. 482-484.

268 = I 6. 167-169, 445-450, 477, 481, 533.

269 = I 6. 587.

270 = 101-103, 589, 635, 636.

271 = I 6. 276-284, 543, 577, 636-639.  21. 53.

272 = I 6. 284, 639.

273 = I 6. 590-626.

274 = I 6. 635.

275 = I 6. 594-598.

276 = I 6. 627-634.

277, 278 = II 21. 33-46.

280 = I 6. 599-601, 618-620.

281 = I 6. 632.

282 = I 6. 601, 615, 622, 634.

283 = I 6. 602-604, 620-622, 640.

284 = I 6. 6*).

285 = II 1. 5, 6.

286 = II 1. 7, 8, 10, 16-42, 156.

287 = II 1. 9, 43-125.

288 = II 1. 126-155.

289 = II 1. 15*).

290 = II 1. 126-155.

291 = II 1. 11-15, 163, 196-204.

292 = II 1. 11.

293-297 = II 1. 164-195.

298, 299 = II 1. 205-220.

300 = I 2. 27.

301 = II 1. 200, 201.

302 = II 2. 197.

307 = II 1. 1-4.  2. 1-21.

308 = II 2. 22-35.  24. 1, 2.  30. 55-57.

309 = II 24. 3-9.

310 = II 24. 11, 12, 25-29.

311 = II 24. 13, 14, 30-36.

312-315 = II 24. 13, 18-24, 37-72.

316 = II 24. 13, 15.

(3-429) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

317 = II 24. 6-8.

318 = II 24. 10-12.

319 = II 24. 9, 53-59, 64, 65.

320 = II 24. 67-72.

321 = II 1. 214-218.  2. 10-19.  8. 18, 19.  9. 40.  24. 19, 23, 36, 62.

322 = II 24. 158.

323, 324 = II 24. 82.

325 = II 24. 83.

326 = II 24. 13, 16.

327 = II 24. 17.

328, 329 = II 24. 73-86.

330 = II 3. 83.  5. 156-160.  III 17. 111 bis 137.

331-334 = II 3. 87-89.  III 17. 138-184.

335 = II 3. 84, 85.  5. 160.  III 17. 111 bis 127, 185-220.

336 = II 3. 86, 88, 89.  III. 138-184.

338 = II 3. 78.  5. 158, 159.  III 2. 158, 159.  19. 115, 116.

339 = II 24. 67-72, 90, 91.

340-343 = II 24. 117-140.  III 21. 239-246.

344-348 = II 24. 80-86, 146-160.  III 21. 112-115, 120-124, 163-173.

349-352 = II 24. 87-89, 141-145.

353 = II 1. 219, 220.

354 = II 1. 157, 158.  3. 1-8, 21, 22.

355, 356 = I 2. 27-39, 47-52.  II 1. 16-42.  3. 16-20, 27-40.

357-360 = II 25. 1-6.  26. 1-8.

361 = II 1. 156, 161, 162, 202-204.

362 = II 3. 2*).

364 = II 1. 159.  3. 24-26.

365 = I 1. 74.  II 1. 159, 160.  3. 25, 26.

366 = II 3. 23, 41-49, 57, 69, 72-94.

367, 368 = II 3. 51.  8. 43-70.  III 2. 36.  9. 30.

369 = II 3. 50, 58-68.

370 = II 3. 70, 71.

371 = III 4. 37-40.

372-374 = II 24. 153-160.

375 = II 3. 46, 47.

376-378 = II 3. 48-56.

379 = II 3. 72-89.

380 = II 3. 9-15, 96.  4. 1-5.

381 = II 4. 6, 7.

382 = II 4. 8-22.

383 = II 4. 23-26.

384 = II 4. 27-44.

385 = II 4. 6-8.

386 = II 3. 97-100.

387 = I 2. 6*).

388 = II 3. 97-100.

389-394 = II 4. 56-71.

395-397 = II 4. 72-77.

398-401 = II 4. 78-105.

402 = II 4. 45-55.

404 = II 5. 1-3.

405 = II 5. 4-6, 146-160.

406 = II 5. 5, 6.

407 = II 1. 11*).  5. 19-29.

408-410 = II 1. 54.  5. 30-41.

411, 412 = II 5. 7-18.

413 = II 1. 62-105.

414-416 = II 5. 64-120, 141-145.

417 = II 5. 121-128.

418 = II 5. 129-134.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

419 = II 5. 135-140.

420 = II 5. 42-63.

421, 422 = II 5. 57-63.

423 = II 3. 95.  6. 23-42.

424 = II 3. 10-13.  8. 1-70.

425 = II 3. 13, 14.  6. 1, 2.

426 = II 6. 3, 6, 8, 9, 43.  III 9, 15. 127.

427, 428 = II 6. 4, 10-22.

430 = II 24. 157, 158.  III 2. 149-155.

431 = II 1. 214-218.  2. 10-19.  6. 5, 7, 44.  8. 4, 13, 17-34.  9. 31-33, 101 bis 107.  III 2. 36.  9. 16, 65, 125, 126.

432 = II 8. 23, 29.  III 9. 25.

433 = II 2. 17.  III 9. 66.

434, 435 = II 2. 18.  8. 21.  III 2. 76-80.  4. 4*).  9. 66, 67.

436 = II 2. 19.  8. 25-28.

437 = II 8. 25-28.  16. 361-365.

438, 439 = II 8. 30-34.  III 2. 79, 80.

440 = II 8. 27.  24. 156.  III 2. 149-155.

441 = II 8. 18.

442 = II 6. 28, 45, 46.  III 2. 145-155.

443 = II 30. 37.  III 9. 89-95.

444 = II 8. 24-26.

445 = II 1. 214-218.  2. 10-19.  6. 5, 7.  9. 31-33.  30. 56, 57.  III 2. 76 bis 80, 151, 163.  23. 17, 58-60, 75-79.  24. 70, 107, 146, 161, 162.

446 = I 2. 6*).  II 30. 3*).

447-449 = II 30. 1-6.  III 7. 1-16, 25, 26, 97-103.

450 = II 30. 17-32.  III 7. 48, 49, 101, 102.

451-453 = II 30. 7-16.  III 4. 101-105.  7. 3, 98, 99, 113-128.

454, 455 = III 7. 42-46.

456 = II 30. 42.  III 2. 95.  7. 27-40.

457 = II 30. 3*).  III 7. 47, 124, 125.

458-460 = II 30. 3*).  III 7. 11, 12, 63, 64, 129-131.

461-466 = II 30. 35-53.  III 7. 65, 132-140.

467-469 = II 30. 54.  III 2. 103.  7. 59-65, 79-90, 159-166.

470 = II 30. 35.

471 = II 30. 52, 53.  III 7. 35.  24. 115 bis 120.

472 = II 27. 1-7.

473, 474 = II 27. 8-11, 12-17.  29. 1-10, 14-22.

478 = II 27. 9.  28. 1.

479 = II 27. 9-11.  29. 146, 147.

480 = II 27. 18-30.  29. 11-13.

481 = II 2. 11-15.  27. 31-40.

482-486 = II 27. 6, 41-50.  29. 23-30.

487 = II 29. 31-52, 75-80.

488 = II 29. 53-64.

489-491 = II 29. 65-74.

492-495 = II 29. 81-104.

496, 497 = II 29. 105-120.

498-502 = II 29. 121-138.

503 = II 29. 139-147.

504-508 = II 28. 67-92.

509-520 = II 28. 2-66.

521, 522 = II 28. 93-106.

523 = II 27. 44-50.  29. 6.

524-530 = II 3. 4.  27. 51-66.  28. 51-66, 92, 106.

(3-430) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

531 = II 10. 1, 2, 5-8, 23-33.

532 = II 10. 1, 2, 9-11.

533 = II 10. 3, 4, 12-16.  21. 9.

534 = II 10. 17.  21. 10, 11.

535 = II 11. 191-207.

536, 537 = II 11. 5.  12. 86, 171-175.  18. 105 bis 108.  21. 1-15, 55-64.

538 = I 2. 40-50.  II 12. 15-32.  19. 1 bis 6.  21. 50, 51, 87-100.

539 = II 11. 3*).  14. 4*).

540-543 = II 15. 13-35.  19. 7-24.  20. 87 bis 92, 123-125, 155, 156.

544 = I 2. 15*).

545, 546 = II 12. 29, 30.

547 = II 10. 7.  21. 7, 8, 86.

548 = II 10. 11.  III 1. 39-44.

549 = II 21. 125.

550 = II 22. 65-68.  III 1. 44.

551 = II 12. 175.  21. 7, 8, 86.

552, 553 = II 10. 18, 19.  11. 1-6, 45, 46, 208-214.  12. 1-14.  16. 1-4, 117, 118.

554-562 = II 12. 33-64.

563, 564 = II 12. 65-96.

565 = II 11. 23, 37-44.  16. 6.  18. 9-20, 99-104.

566, 567 = II 11. 24-36.

568 = II 11. 12-14.  18. 85-90.

569 = II 11. 7-10.

570-572 = II 12. 65-70.  16. 51-78, 394, 401-403.

573 = II 11. 11.

574 = II 11. 18-22.  12. 19-21.  18. 85 bis 90.

575, 576 = II 18. 17, 18.

577 = II 11. 47-49.

578 = II 11. 69-76.

579-584 = II 11. 77-100.

585, 586 = II 11. 101-112.

587-590 = II 11. 50-68.

591-596 = II 11. 113-138.

597-600 = II 11. 145-190.

601 = II 11. 139-144, 221-230.  16. 7, 8.  18. 1-8, 21-26, 109, 110.

602 = I 3. 26*).

603 = II 7. 105-136.  16. 5.

604-607 = II 13. 1-3, 16-50.

608 = II 13. 4.

609 = II 13. 5-15.

610-614 = II 13. 59-196.

615 = II 13. 51-58, 257-268.

616 = II 13. 13-15.

617 = II 13. 91-106.

618-646 = II 3. 4*).  13. 59-268.

647 = II 11. 191-230.  12. 32.  16. 1-14, 383-388.

648 = II 16. 15-18, 37.

649 = II 16. 15-18, 30-38.

650-652 = II 16. 19-28, 30-38, 43-50.

653, 654 = II 16. 81-97.

655 = II 16. 29, 51-66, 241-263.  18. 99 bis 104.

656-659 = II 16. 119-130, 205-212, 373-380.

660 = II 16. 111-113.

661 = II 16. 105-110, 388.

662 = II 16. 98-104, 114-116.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

663-668 = II 16. 213-240.

669-671 = II 16. 189-204.

672, 673 = II 16. 131-189, 269-287.

674 = II 16. 274-268.

675-677 = II 16. 244-247, 254, 334-337.

678-679 = II 16. 288-300.

680 = II 16. 280.

681 = II 16. 11-13.

682-683 = II 16. 10, 24.

684 = II 16. 301-308.

685-687 = II 16. 308-358.

688 = II 16. 349-358, 366-372.

689 = II 16. 21-28, 385, 386.

690-693 = II 16. 417-480.  III 19. 97, 98.

695 = II 11. 215-220.  12. 97.  16. 38, 381, 382.

696-712 = II 12. 97-179.  16. 39-80, 87, 88, 387.  18. 110-126.  21. 12-15.

713-723 = II 16. 389-416.  18. 45-84.

724, 725 = II 16. 394-406.

726 = II 18. 91-98.

727, 728 = II 20. 1-16.

729 = II 14. 1-6, 51-54.  18. 111-114, 121, 122.

730-751 = II 10. 20, 21.  20. 17-74, 93-114, 126-148, 151-154.

752, 753 = II 12. 23-28.  20. 82-86, 150.

754 = II 20. 79-81, 149.

755 = II 20. 75-78.

756 = II 20. 115-122.

757-759 = I 3. 280.  II 10. 20, 21.  20. 157-180.

760 = II 10. 20-22.  20. 181-192.

761 = II 11. 15.

762 = II 12. 5-14.  14. 1.

763 = II 14. 7-9, 43, 44.

764 = II 14. 1-6.

765 = II 14. 10-42.

766 = II 14. 43-50.

767 = II 14. 122-124, 131-144.  19. 1-6.

768 = I 3. 16, 21.  II 12. 19-21, 23-28.  15. 13-27, 36.  19. 7-24.  20. 87 bis 92, 123-125.

769 = II 15. 28-36.

770 = II 15. 13-36.  19. 1-6.

771, 772 = II 15. 1-12, 37-40.

773 = II 13. 1*).

774 = II 14. 1-6, 51-54.  18. 111-114, 121, 122.

775 = II 14. 107-130.

776-778 = II 18. 27-44.

779-781 = II 20. 27-30.

782 = II 15. 7.

783 = II 14. 107-144.

784-794 = II 14. 55-106.  23. 1-69.

795 = I 2. 108.

796 = I 3. 28*).  II 163-180.

797 = II 10. 4, 5.  12. 176-179.  16. 359, 360.  21. 1-15.

798 = II 17. 1-65.  21. 16-54, 133-148.

799 = II 21. 65-86.

800-807 = II 21. 101-132.

808 = II 21. 87-100.

809 = II 21. 55.

810 = II 21. 156-159.

811, 812 = II 21. 139, 140.

813-815 = II 21. 127-129, 137-148.

(3-431) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

816, 817 = II 17. 60-65.

819 = II 21. 149-155.

820, 821 = II 22. 65-68.

823, 824 = II 21. 83-85, 159-200.

825-840 = III 19. 71-94.

841-849 = II 22. 1-77.  27. 19.  III 19. 71-92.

850-858 = II 24. 92-116.  III 19. 95, 96.

859 = III 1. 1-6, 87-92.

860 = III 1. 5, 6.

861, 862 = III 1. 18.  2. 32, 43-55, 62-68.  3. 1-36.

863, 864 = III 2. 1, 33-42, 62-68, 85-109.  3. 1-36.

865, 866 = III 1. 7-18.  2. 56, 58.  4. 25-28.

867 = III 1. 16.  2. 196, 197.  4. 29-32.

869-877 = III 2. 110-126.  21. 131-142.

878 = III 1. 45-50.  2. 127-164.

879 = I 3. 37-63.  III 2. 57, 165-168.

880 = III 2. 127, 139.

881 = III 1. 51, 52.  2. 59-61.

883-887 = III 2. 62-109.

888-896 = III 1. 19-31.  24. 9, 21.

897-900 = III 1. 53-78.

901 = III 1. 86.  20. 6-20.

902-905 = III 1. 79-85.

906, 907 = III 1. 94, 95.

908 = III 9. 231-240.

909-911 = III 9. 241-247.

912, 913 = III 17. 131-137.

914-916 = III 2. 171-179.  9. 416-418.

917 = III 1. 129-132.

918 = III 1. 39-44.  2. 34, 35, 169.

919, 920 = III 1. 93-100.  2. 50, 51, 169, 170.  9. 329-344.  20. 7-20.

921 = III 1. 1*).  3. 1-36.

922-930 = III 2. 142-144.  9. 86-88, 383 bis 409, 411.

931, 932 = III 2. 128-132.  9. 171-223.

933 = III 9. 220-223, 410.

934, 935 = III 9. 60-64, 345-382, 411-415.

936 = III 2. 53.

938-943 = II 7. 1-18, 51-60.  III 2. 2-31.

944 = II 7. 19-50.

945 = II 7. 19, 20.

946 = II 7. 61.

947 = II 7. 56, 62, 63.

948, 949 = II 7. 79-94.

951, 952 = II 7. 64-78.

953 = II 3. 4*).  7. 32.   III 21. 177.

954 = II 7. 95-104.

955 = II 7. 52, 53.

956 = II 7. 105-156.

957-960 = III 6. 1-25.

961-967 = III 6. 26-62.

968 = III 6. 12, 63-68.

969 = III 6. 22.

970 = III 6. 5.  19. 99-114.

971 = III 5. 1-22.

972 = III 5. 23-29.

973-981 = III 5. 30-60.

982 = III 5. 34, 50.

983 = III 4. 1-33.

984-992 = III 4. 34-60.  24. 25-45.

993-1000 = III 13. 81-122.  17. 1-110.

1001 = III 4. 61-116.

1002-1008 = III 15. 1-30.  18. 1-10.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

1009-1019 = III 1. 32-36.  15. 31-89.  18. 11-18.

1020-1026 = III 15. 90-105.

1027-1033 = I 7. 31.  III 18. 19-70.

1034 = III 19. 33-35.

1035-1040 = III 1. 36.  17. 138-184.  19. 1-32.

1041, 1042 = III 20. 35-44.

1043 = III 5. 57-59.  20. 45-68.

1045, 1046 = III 10. 1-18.

1047-1052 = III 10. 19-30.

1053, 1054 = III 9. 1-40, 65-78.

1055-1058 = III 9. 41-64.

1059 = III 9. 33-40, 58, 59.

1060 = III 9. 60-64, 345-382.

1061-1064 = III 9. 79-223.

1065 = III 2. 127-138.  9. 24.

1066, 1067 = III 9. 224-230, 248-250.

1068-1071 = III 9. 251-274.

1072-1079 = III 9. 275-316.

1080-1085 = III 9. 317-328.

1086-1089 = III 11. 1-34.

1090, 1091 = III 12. 1-15.

1092-1094 = III 12. 16-44.

1096-1100 = III 12. 26, 73-162.

1101 = II 30. 20-27.

1103 = III 12. 41.

1104-1108 = III 12. 134-156.

1109-1111 = III 12. 108-133.

1112-1119 = III 2. 96.  12. 45-72, 163-194.

1120, 1121 = III 12. 186-192.

1122-1150 = I 2. 6*).  II 25. 1-25.  26. 1-26.  III 13. 1-122.

1151-1162 = III 12. 1-15, 89-98, 113-120, 157-162, 193, 194.

1163 = III 12. 35.

1172 = I 7. 1-150.  III 12. 36.

1173 = III 12. 39.

1174 = III 12. 34.  20. 21-28.

1175-1181 = III 14. 1-25.

1182-1200 = III 14. 26-100.

1201-1204 = III 14. 101-120.

1205-1216 = III 14. 121-134.

1217 = I 3. 49, 64, 65, 281, 282.

1218 = I 3. 66, 67, 85-88, 96-113.

1219 = I 3. 68-71, 89-92.

1220 = I 3. 72, 73, 93.

1221 = I 3. 74-84, 94, 95.

1222 = I 3. 15, 16, 20, 21.

1223 = I 3. 77, 78.

1224 = I 3. 79.

1225 = I 3. 117-124.

1226 = I 3. 125-130.

1227 = I 3. 131-136, 149-144.

1228 = I 3. 137, 138.

1229 = I 3. 114-116, 283-290.

1230, 1231 = I 3. 165-192.

1232 = I 3. 23*).

1233 = I 3. 235, 255, 256.

1234 = I 3. 236, 237, 240-250.

1235 = I 3. 251-254.

1236 = I 3. 238, 239, 242.

1237 = I 3. 204-211.

1238 = I 3. 212, 213, 221-225, 230.

1239, 1240 = I 3. 214-220.

1241 = I 3. 226-229.

1242 = I 3. 257-269, 274-279.

(3-423) Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

1243 = I 3. 266, 270-273.

1244 = I 3. 279.

1245 = I 3. 145-161, 190, 191, 264, 265.

1246 = I 3. 193-203, 231-234, 291-293.

1247 = I 3. 50-56, 200.

1248 = II 11. 181-186.

1249-1254 = I 3. 26*), 27*).

1255-1258 = I 3. 257-280.

1259 = I 5. 45, 46.

1260 = I 3. 162-164.

1263 = I 2. 81.

1264 = I 2. 79-86.  3. 269.

1265 = I 2. 78.  3. 268.

1270-1272 = III 2. 160.

1275, 1276 = III 2. 133-138.

1278-1283 = II 10. 2*).

1288-1292 = III 16. 1-32.

1293-1298 = III 1. 97-128.  21. 1-70.  22. 1-8.

1299, 1300 = III 21. 154-156.

1301-1304 = III 1. 28.  21. 17-30, 51-54.

1305 = III 20. 1-34.

1306-1311 = III 1. 12, 13, 15, 37.  21. 34-40, 148-157.

1312 = III 19. 24-28.

1313 = III 1. 37, 38.  21. 31-33, 55-60.

1314, 1315 = I 2. 6*).  7. 5*).  III 22. 25-29.

1316 = III 19. 99-114.  22. 30.

1318, 1319 = III 22. 15-24.

1320-1322 = II 4. 44.  III 22. 31-56.

1323, 1324 = III 21. 41-54.

1325-1327 = III 21. 71-80.

1328 = III 21. 81-96.

1329 = III 21. 81-84.

1330 = III 21. 189-246.

1331-1336 = III 9. 129, 215, 216, 270, 393, 394.  10. 25.  12. 80.  13. 68.  17. 26-52, 92, 93, 109, 185-220.  18. 80.  21. 97-188.  23. 70.

1337 = III 21. 51, 61, 62.

1338-1340 = III 21. 41-45, 63-68, 158-152.

1341 = III 22. 9-14.

1342-1345 = III 1. 129-132.  23. 1-6.

1346-1348 = III 8. 1-12, 49-80.  23. 88-90.

1349 = III 8. 13-38.

1350-1352 = III 8. 39-48.

1353, 1354 = III 8. 63-80.

1355-1362 = III 8. 81-116.

1363-1367 = III 8. 107-132.

1368-1370 = III 7. 1-166.

1371, 1372 = III 7. 11, 12, 16, 141-158.

1375 = III 1. 130.  23. 1-6.

1376-1379 = III 23. 7-18.

1380-1390 = III 2. 180-220.

1391 = III 18. 71-130.

1392-1399 = III 23. 49-87.

Allg. brgl. Gesetzbuch = Codex Theresianus

1400-1410 = III 23. 19-48.

1411 = III 1. 131, 132.  24. 186-190.

1412-1416 = III 24. 1-4, 22-55, 69, 70.

1417-1420 = III 24. 56-68.

1421-1424 = III 24. 5-21.

1425 = III 24. 121-134.

1426-1430 = III 2. 102.  24. 71-82, 161.

1431-1437 = III 19. 36-70.  20. 7-20.

1438-1443 = III 24. 89-114.

1444 = III 24. 83-88, 145-148.

1445, 1446 = III 24. 135-144.

1447 = III 24. 149-154.

1448 = III 24. 158-160.

1449 = III 24. 155-157.

1450 = I 1. 28.  6. 586.  III 24. 190.

1451, 1452 = II 8. 16.  9. 1-10.

1453 = II 9. 69-76.

1454 = II 9. 116-126.

1455 = II 9. 37, 77-116.

1456 = II 9. 117.

1457 = II 9. 118, 119.

1458 = II 9. 81.

1459 = II 9. 82-95.

1460 = II 9. 38-54.

1461 = II 9. 23-36.

1462 = II 9. 96-116.

1463 = II 9. 11-22.

1464 = II 9. 110-114.

1465 = II 9. 55-64.

1466 = II 9. 133-137.

1467, 1468 = II 8. 30-34.  9. 138-140.

1469, 1470 = II 9. 141-146.  27. 36-40.

1472 = II 9. 127.

1474 = II 9. 6*).

1475 = II 9. 122-126.

1476 = II 9. 108-114.

1477 = II 9. 147-150.

1478 = II 9. 65, 66, 132, 146.

1479 = II 9. 146.  27. 59-66.

1480 = II 9. 130-132.

1481 = II 9. 81.

1482 = II 9. 82-95.

1483 = II 9. 96-100.

1484 = II 9. 127.

1485 = II 9. 127.

1487 = II 12. 31.  17. 57, 58.  III 21. 143, 144.

1489 = III 21. 69, 70.

1493 = II 9. 46-52, 71-76.

1494 = II 9. 120, 121.

1495 = II 9. 120, 121.

1496 = II 9. 122-126.

1497 = II 9. 151-165.

1498, 1499 = II 9. 67, 68, 143-146.  27. 36-40.  III 24. 177-179.

1500 = II 9. 145.


(3-433) Inhalt.

Dritter Theil. Von persönlichen Verbindungen. Seite

Caput I. Von Verbindungen insgemein. n. 1-132  3

§. I. Von Wesenheit und Unterschied der Verbindungen. n. 1-6  3

§. II. Von Fähigkeit deren sich Verbindenden. n. 7-18  6

§. III. Von Verbindung Mehrerer gegen Einen, oder Eines gegen Mehrere. n. 19-31  7

§. IV. Von Verbindung aus der Handlung eines Anderen. n. 32-38  9

§. V. Von erblicher Uebertragung der Verbindungen. n. 39-44  9

§. VI. Von Dingen und Werken, worüber Verbindungen eingegangen werden. n. 45-52  10

§. VII. Von Art und Weis, wie Verbindungen getroffen werden. n. 53-86  11

§. VIII. Von Verschiedenheit deren verbindlichen Handlungen. n. 87-92  15

§. IX. Von Wirkung der Verbindungen, und Haftung für Gefährde, Schuld und Zufall. n. 93-128  16

§. X. Von Verwandlung, Uebertragung und Tilgung der Verbindungen. n. 129-132  21

Caput II. Von Zusagen, Verträgen und Vergleichen. n. 1-220  22

Erster Artikel. Von Zusagen. n. 1-31  22

§. I. Von Verschiedenheit der Zusagen. n. 1-8  22

§. II. Von den zur Ehre Gottes, zu milden Sachen, oder zu gemeinem Besten gemachten Verheißungen. n. 9-13  23

§. III. Von Wirkung dieser letzteren. n. 14-16  23

§. IV. Von Verbindlichkeit der Jemanden insonderheit gemachten Zusagen. n. 17-31  24

Zweiter Artikel. Von Verträgen. n. 32-179  26

§. V. Von Wesenheit und verschiedenen Gattungen der Verträgen. n. 32-37  26

§. VI. Von Eintheilung der Verträgen in ein- und zweibündige. n. 38-42  27

§. VII. Von dem Unterschied zwischen Verträgen und Contracten. n. 43-46  28

§. VIII. Von unbenannten Verträgen. n. 47-51  28

§. IX. Von den bei Contracten vorkommenden Berednussen. n. 52-55  29

§. X. Von Fähigkeit der sich durch Verträge verbindenden Personen. n. 56-61  29

§. XI. Von Ausdruck der Einwilligung bei Verträgen. n. 62-126  30

§. XII. Von Dingen und Werken, worüber Verträge getroffen werden mögen. n. 127-160  39

§. XIII. Von Wirkung des Vertrags wegen Nichtveräußerung einer gewissen Sache. n. 161-164  44

§. XIV. Von Verträgen über die Erbschaft eines Lebenden. n. 165-168  44

§. XV. Von Verbindlichkeit der Verträgen. n. 169, 170  45

§. XVI. Von Auslegung oder Ausdeutung der Verträgen. n. 171-179  45

Dritter Artikel. Von Vergleichen. n. 180-220  46

§. XVII. Von Wesenheit und Unterschied der Vergleichen. n. 180-188  46

§. XVIII. Von Fähigkeit deren sich Vergleichenden. n. 189-191  48

§. XIX. Von denen in Namen und anstatt eines Dritten eingehenden Vergleichen. n. 192-198  48

§. XX. Von Dingen, worüber Vergleiche geschlossen werden. n. 199, 200  49

§. XXI. Von Vergleichen über Nahrungsmittel und Unterhaltsgelder. n. 201, 202  49

(3-434) Seite

§. XXII. Von Vergleichen über Verbrechen. n. 203-206  50

§. XXIII. Von Verbindlichkeit der Vergleichen. n. 207-215  50

§. XXIV. Von Entkräftung und Vernichtung der Vergleichen. n. 216-220  51

Caput III. Von benannten Contracten insgemein. n. 1-36  52

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft der benannten Contracten. n. 1-4  52

§. II. Von Unterschied der ein- und zweibündigen Contracten. n. 5-10  53

§. III. Von Eintheilung der Contracten in wahre, und die denen Contracten gleichkommende Handlungen. n. 11-15  54

§. IV. Von der Eintheilung in Real- und Consensualcontracten. n. 16-20  55

§. V. Von Gattungen der Realcontracten. n. 21-22  56

§. VI. Von Gattungen der Consensualcontracten. n. 23, 24  56

§. VII. Von Gattungen der denen Contracten gleichkommenden Handlungen. n. 25, 26  56

§. VIII. Von dem Unterschied zwischen dem Wesentlichen, Natürlichen und Zufälligen bei einem Contract. n. 27-32  56

§. IX. Von dem Unterschied zwischen einem angefangenen, errichteten und vollbrachten Contract. n. 33-36  57

Caput IV. Von sächlichen oder Realcontracten, und insonderheit von Leihen und Borgen. n. 1-116  58

§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des Darlehencontracts. n. 1-24  58

§. II. Von Fähigkeit der Personen, welche ein Darlehen geben oder nehmen mögen. n. 25-33  62

§. III. Von Sachen, die zum Darlehen gegeben werden können. n. 34-40  63

§. IV. Von Verbindlichkeit des Schuldners. n. 41-60  64

§. V. Von der Rechtsforderung des Darleihers oder Glaubigers. n. 61-64  67

§. VI. Von Schuldbriefen, Schuldscheinen und Schuldverschreibungen. n. 65 bis 100  68

§. VII. Von landtäflichen und stadtbücherlichen Schuldverschreibungen, und deren Erfordernussen. n. 101-105  73

§. VIII. Von der Klage oder Einwendung der nichtgeschehenen Zuzählung. n. 106-116  74

Caput V. Von Leihen zum Gebrauch. n. 1-60  76

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Entlehnungscontracts. n. 1-6  76

§. II. Von Sachen, welche zum Gebrauch ausgeliehen werden können. n. 7 bis 11  78

§. III. Von Erfordernussen des Entlehnungscontracts, n. 12-22  78

§. IV. Von Verbindlichkeit des Entlehners, und von der wider ihn daraus entspringenden Klage. n. 23-43  79

§. V. Von Gegenverbindlichkeit des Ausleihers, und von der wider ihn daher entstehenden Klage. n. 44-52  82

§. VI. Von Haftung für Schuld und Gefährde. n. 53-60  83

Caput VI. Von Anvertrauung oder Hinterlegung eines Guts zu getreuen Handen. n. 1-68  84

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Hinterlegungscontracts. n. 1-14  84

§. II. Von Sachen, welche zu getreuen Handen hinterleget werden können. n. 15-20  87

§. III. Von Erfordernussen des Hinterlegungscontracts. n. 21-25  88

§. IV. Von Verbindlichkeit des Aufnehmers oder Desjenigen, zu wessen Handen ein Gut hinterleget wird, und der daraus wider ihn gebührenden Klage. n. 26-48  88

§. V. Von Gegenverbindlichkeit des Anvertrauenden oder Hinterlegenden, und der daher wider ihn entstehenden Klage. n. 49-54  92

§. VI. Von beiderseitiger Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde. n. 55-62  92

§. VII. Von Beschlag einer strittigen Sache. n. 63-68  94

Caput VII. Von Pfandcontracten. n. 1-166  95

Erster Artikel. Von Pfändern. n. 1-96  95

§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Verschiedenheit des Pfandcontracts. n. 1-16  95

(3-435) Seite

§. II. Von Fähigkeit des Pfandgebers und Pfandnehmers. n. 17-24  97

§. III. Von Sachen, welche verpfändet werden können. n. 25-47  98

§. IV. Von Art und Weis eines bestellenden Unterpfands. n. 48-52  101

§. V. Von der aus dem Pfandcontract entstehenden Verbindlichkeit des Pfandnehmers, und der daher wider ihn gebührenden Klage. n. 53-65  102

§. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Pfandgebers, und der wider ihn daraus entspringenden Klage. n. 66-72  103

§. VII. Von Verfänglichkeit Beider gegeneinander für Schuld und Gefährde. n. 73-78  104

§. VIII. Von Erlöschung und Auflösung des Unterpfands. n. 79-96  105

Zweiter Artikel. Von Pfandsverschreibungen. n. 97-166  107

§. IX. Von Wesenheit und unterschiedener Eigenschaft der Pfandsverschreibungen. n. 97-103  107

§. X. Von Fähigkeit der Verschreibenden und deren, welchen eine Hypothek verschrieben wird. n. 104-112  108

§. XI. Von Sachen, welche zur Hypothek verschrieben werden können. n. 113 bis 125  110

§. XII. Von Art und Weis der Pfandsverschreibungen. n. 126-128  112

§. XIII. Von Wirkungen des Pfandrechts in Ansehen des Glaubigers. n. 129 bis 140  113

§. XIV. Von den bei Pfandcontracten beizufügen pflegenden Bedingen. n. 141 bis 158  115

§. XV. Von Tilgung und Auflösung der Pfandsverschreibungen oder Hypotheken. n. 159-166  117

Caput VIII. Von Bürgschaften. n. 1-132  118

§. I. Von Wesenheit und Natur der Bürgschaft, und von Verschiedenheit der Bürgen. n. 1-12  118

§. II. Von Fähigkeit der Bürgen. n. 13-38  120

§. III. Von Handlungen, worinnen Bürgen einkommen mögen. n. 39-48  123

§. IV. Von Art und Weis der Verbürgungen. n. 49-62  125

§. V. Von Verbindlichkeit der Bürgen, und der wider sie gebührenden Rechtsforderung. n. 63-80  127

§. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Schuldners, und der wider ihn denen Bürgen zustehenden Rechtshilfe. n. 81-96  129

§. VII. Von Rechtswohlthaten der Bürgen. n. 97-116  131

§. VIII. Von Aufhebung und Erlöschung der Bürgschaft. n. 117-132  134

Caput IX. Von Kauf und Verkauf. n. 1-418  137

§. I. Von Wesenheit, Eigenschaft und Unterschied des Kauf- und Verkaufcontracts. n. 1-16  137

§. II. Von Fähigkeit der Contrahenten. n. 17-20  139

§. III. Von Sachen, welche gekaufet und verkaufet werden mögen. n. 21-32  140

§. IV. Von obrigkeitlicher Macht, den Kauf und Verkauf gewisser Sachen zu gebieten, oder zu verbieten. n. 33-36  141

§. V. Von ausschließenden Verkauf, und dem Vor- oder Aufkauf. n. 37-40  142

§. VI. Von Kaufgeld. n. 41-64  142

§. VII. Von Art und Weis den Kauf- und Verkaufcontract zu schließen. n. 65 bis 78  145

§. VIII. Von Verbindlichkeit des Verkaufers, und von der dem Kaufer wider ihn gebührenden Rechtsforderung. n. 79-134  147

§. IX. Von Gegenverbindlichkeit des Kaufers, und von der dem Verkaufer wider ihn zustehenden Rechtsklage. n. 135-150  155

§. X. Von beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde. n. 151-153  157

§. XI. Von Schaden und Nutzen der verkauften Sache. n. 154-170  157

§. XII. Von Leistung der Gewähr oder Schirmung. n. 171-223  159

§. XIII. Von den bei Kauf- und Verkaufcontracten einkommenden Bedingen, und insonderheit von Haftgeld. n. 224-240  167

§. XIV. Von Reukauf oder Reugeld. n. 241-247  170

§. XV. Von Beifügung eines gewissen Tags, Bedingnuß, und Art und Weis. n. 248-250  171

§. XVI. Von Wiederkauf. n. 251-274  171

§. XVII. Von gedingten Einstandrecht, Vor- oder Näherkauf oder Losung. n. 275 bis 288  174

(3-436) Seite

§. XVIII. Von rechtlichen Einstand. n. 289-316  176

§. XIX. Von Beschränkung des Kaufs auf einen bestimmten Tag. n. 317-328  181

§. XX. Von bedungenen Ruckfall der verkauften Sache. n. 329-338  183

§. XXI. Von Aufhebung und Vernichtung des Kauf- und Verkaufcontracts. n. 339 bis 344  184

§. XXII. Von Verkürzung über die Hälfte des rechten Werths. n. 345-382  185

§. XXIII. Von der Rechtshilfe wegen unvorgesehener heimlicher Mängeln. n. 383 bis 415  190

§. XXIV. Von Dunkelheit und Ausdeutung der Kaufcontracten. n. 416-418  194

Caput X. Von Tauschcontract. n. 1-30  195

§. I. Von der Natur und Aehnlichkeit des Tauschcontracts mit dem Kaufen und Verkaufen. n. 1-15  195

§. II. Von dessen Unterschied. n. 16-18  197

§. III. Von Verbindlichkeit deren Tauschenden gegen einander und der daher gebührenden Rechtshilfe. n. 19-28  197

§. IV. Von beiderseitiger Haftung für Schuld und Gefährde, dann von Schaden und Nutzen der vertauschten Sache. n. 29, 30  198

Caput XI. Von Schätzungscontract. n. 1-34  199

§. I. Von Natur und Wesenheit des Schätzungscontracts, und von Verschiedenheit deren Schätzungsarten. n. 1-8  199

§. II. Von der diesem Contract eigenen Schätzungsart, und dessen daher rührenden Unterschied von anderen Handlungen. n. 9-20  200

§. III. Von der Verbindlichkeit des Nehmers, und von Gegenverbindlichkeit des Gebers, dann von der gegen einander hieraus entstehenden Haupt- und Ruckforderung. n. 21-30  201

§. IV. Von Haftung für Gefährde, Schuld und Zufall. n. 31-34  202

Caput XII. Von Mieth-, Pacht-, Bestand- oder Dingungscontract. n. 1-194  203

§. I. Von Natur, Eigenschaft und Unterschied des Mieth-, Pacht-, Bestand- oder Dingungscontracts. n. 1-15  203

§. II. Von Fähigkeit zu miethen und zu vermiethen. n. 16-20  205

§. III. Von Sachen und Werken, welche vermiethet oder verdinget werden mögen. n. 21-36  206

§. IV. Von Zins-, Lohn-, Mieth-, Bestand- oder Pachtgeld, oder Pachtschilling. n. 37-44  208

§. V. Von Art und Weis den Mieth- oder Pachtcontract zu schließen. n. 45 bis 72  209

§. VI. Von Verbindlichkeit des Vermiethers, Verpachters oder Bestandgebers, und der wider ihn gebührenden Rechtsforderung. n. 73-98  213

§. VII. Von Verbindlichkeit des Miethers, Pachters oder Bestandmanns, und der wider ihn daraus entstehenden Klage. n. 99-112  216

§. VIII. Von beiderseitiger Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde. n. 113 bis 125  218

§. IX. Von ungefähren Zufällen. n. 126-162  219

§. X. Von Erlöschung und Aufhebung des Mieth-, Pacht- oder Dingungscontracts. n. 163-194  224

Caput XIII. Von Erbzins- und anderen Zinscontracten. n. 1-122  229

Erster Artikel. Von Erbzinscontract. n. 1-80  229

§. I. Von Wesenheit und Natur des Erbzinscontracts. n. 1-10  229

§. II. Von Art und Weis einen Erbzinscontract zu errichten. n. 11-14  230

§. III. Von Erb- oder Grundzins. n. 15-17  231

§. IV. Von Verbindlichkeit des Grundherrn und Gegenverbindlichkeit des Erbzinsmanns, dann von der Einem wider den Anderen zustehenden Rechtsforderung. n. 18-31  231

§. V. Von Veräußerung eines Erbzinsgrunds, und der dem Grundherrn dafür gebührenden Lehenwaare. n. 32-54  233

§. VI. Von Erlöschung und Auflösung des Erbzinscontracts. n. 55-80  235

Zweiter Artikel. Von blosen Zinscontracten. n. 81-122  239

§. VII. Von Natur und Eigenschaft des Zinscontracts, und dessen verschiedenen Gattungen. n. 81-92  239

(3-437) Seite

§. VIII. Von Beschaffenheit des bedungenen oder verschriebenen Zinses. n. 93-99  241

§. IX. Von Verbindlichkeit des Zinsmanns, und der dem Zinsherrn wider ihn gebührenden Rechtshilfe. n. 100-105  241

§. X. Von Erlöschung des Zinsrechts. n. 106-114  242

§. XI. Von Unterschied des Erneuerungscontracts von Zinscontracten. n. 115 bis 122  243

Caput XIV. Von Gesellschaftscontract. n. 1-134  244

§. I. Von Natur, Wesenheit und Verschiedenheit des Gesellschaftscontracts. n. 1-13  244

§. II. Von Art und Weis einen Gesellschaftscontract zu errichten. n. 14-22  246

§. III. Von Dingen, worüber eine Gesellschaft eingegangen werden könne. n. 23-25  247

§. IV. Von gemeinschaftlichen Beitrag in die Gesellschaft. n. 26-40  247

§. V. Von Theilung des Gewinns und Verlusts. n. 41-74  249

§. VI. Von Verbindlichkeit deren Gesellschafteren gegen einander, und der daraus Einem wider den Anderen gebührenden Rechtsforderung. n. 75-90  253

§. VII. Von der denen Gesellschafteren zu statten kommenden Rechtswohlthat der Selbstbedürfnuß. n. 91-96  255

§. VIII. Von Haftung für Schuld und Gefährde. n. 97-100  255

§. IX. Von denen aus Handlungen mit Anderen denen Gesellschafteren zugehenden Rechten und Verbindungen. n. 101-120  256

§. X. Von Aufhebung und Erlöschung des Gesellschaftscontracts. n. 121-134  258

Caput XV. Von Befehlscontract. n. 1-105  261

§. I. Von der Natur und Eigenschaft des Befehlscontracts. n. 1-15  261

§. II. Von der Art und Weis Befehle aufzutragen. n. 16-30  263

§. III. Von der Afterbestellung. n. 31-35  265

§. IV. Von Beschaffenheit deren anbefohlenen Geschäften. n. 36-40  265

§. V. Von Verbindlichkeit des Befehlshabers oder Gewalttragers und der wider ihn gebührenden Hauptforderung. n. 41-66  266

§. VI. Von Gegenverbindlichkeit des Befehlenden oder Macht- und Gewaltgebers, und der wider ihn entstehenden Ruckforderung. n. 67-84  269

§. VII. Von Verfänglichkeit für Schuld und Gefährde gegeneinander. n. 85 bis 89  271

§. VIII. Von Aufhebung und Erlöschung des Befehls. n. 90-105  272

Caput XVI. Von Gewährungs- oder Versicherungscontract. n. 1-32  274

§. I. Von Wesenheit und Eigenschaft des Gewährungs- oder Versicherungscontracts. n. 1-8  274

§. II. Von Art und Weis der Gewährung oder Versicherung. n. 9-18  275

§. III. Von Verbindlichkeit des Gewährenden oder Versichernden und der Gegenverbindlichkeit dessen, deme gewähret wird, und von der gegeneinander habenden Rechtsforderung. n. 19-25  276

§. IV. Von Aufhebung und Erlöschung des Gewährungs- oder Versicherungscontracts. n. 26-32  277

Caput XVII. Von Zinsen, Nutzungen und anderen aus Contracten schuldigen Nebengebührnussen. n. 1-220  278

Erster Artikel. Von Zinsen. n. 1-110  278

§. I. Von Wesenheit und Verschiedenheit deren Zinsen oder Interessen. n. 1-12  278

§. II. Von Ursachen der Verzinsungsschuldigkeit. n. 13-25  280

§. III. Von Verzug und Saumsal. n. 26-52  281

§. IV. Von rechtmäßigen Betrag deren Zinsen und vom Wucher. n. 53-94  285

§. V. Von Zuschlagung deren Zinsen. n. 95-106  291

§. VI. Von Erlöschung der Verzinsungsschuldigkeit. n. 107-110  293

Zweiter Artikel. Von Nutzungen und Früchten. n. 111-130  293

§. VII. Von Verschiedenheit deren Nutzungen. n. 111-115  293

§. VIII. Von Erstattung deren Nutzungen mit der Hauptsache. n. 116-130  294

Dritter Artikel. Von Zuwachs oder Zugängen. n. 131-137  296

§. IX. Von dem eigentlichen Verstand des Zuwachses oder Zugängen zur schuldigen Sache. n. 131, 132  296

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§. X. Von Uebergebung des Zuwachses oder Zugängen mit der schuldigen Sache. n. 133-137  296

Vierter Artikel. Von Aufwand und Verbesserungskosten. n. 138-184  297

§. XI. Von Verschiedenheit des auf eine fremde Sache gemachten Aufwands und ausgelegten Verbesserungskosten. n. 138-143  297

§. XII. Von Ersatz und Vergütung deren auf eine fremde Sache verwendeten Auslagen. n. 144-184  298

Fünfter Artikel. Von Schäden und Unkosten. n. 185-220  302

§. XIII. Von Ersatz deren Schäden. n. 185-206  302

§. XIV. Von Ersatz deren Unkosten. n. 207-220  305

Caput XVIII. Von Unterhändleren, Handlungsvorgesetzten, Schiedsmännern und anderen bei Contracten einkommenden Personen. n. 1-130  307

Erster Artikel. Von Unterhändleren. n. 1-18  307

§. I. Von dem Amt und Verschiedenheit deren Unterhändleren. n. 1-70  307

§. II. Von dem ihnen gebührenden Lohn. n. 11-16  308

§. III. Von deren Verfänglichkeit für den von ihnen verursachten Schaden. n. 17, 18  308

Zweiter Artikel. Von denen für Andere contrahirenden Personen. n. 19-70  309

§. IV. Von Verschiedenheit deren für Andere contrahirenden Personen, als Befehlshaberen, Sachwalteren und Handlungsvorgesetzten oder Factoren. n. 19-28  309

§. V. Von deren hieraus entstehenden eigenen Verbindlichkeit. n. 29-45  310

§. VI. Von des Befehlenden oder Verfolgenden hieraus erwachsenden Recht und Verbindlichkeit. n. 46-70  312

Dritter Artikel. Von Schiedsmännern. n. 71-130  315

§. VII. Von Eigenschaft und Verschiedenheit deren Schiedsmännern. n. 71-75  315

§. VIII. Von der Art und Weis ihrer Erkiesung. n. 76-84  315

§. IX. Von Fähigkeit deren Erkiesenden und Erkiesten. n. 85-92  316

§. X. Von denen Fällen, in welchen Schiedsmänner erkieset werden mögen. n. 93-97  317

§. XI. Von dem Amt und Obliegenheit deren erkiesten Schiedsmännern. n. 98 bis 105  318

§. XII. Von Verbindlichkeit deren Erkiesenden. n. 106-114  318

§. XIII. Von der wider den Ausspruch deren Schiedsmännern gebührenden Rechtshilfe. n. 115-120  320

§. XIV. Von Erlöschung und Aufhebung des schiedsrichterlichen Amts. n. 121 bis 130  320

Caput XIX. Von denen Handlungen, welche denen Contracten gleichkommen. n. 1-116  322

§. I. Von Natur und Wesenheit deren denen Contracten gleichkommenden Handlungen und insonderheit von Verwaltung fremder Geschäften. n. 1-32  322

§. II. Von Verwaltung der Vormundschaft. n. 33-35  325

§. III. Von Zahlung aus Irrthum. n. 36-70  326

§. IV. Von Gemeinschaft eines Guts. n. 71-92  330

§. V. Von Gemeinschaft der Erbschaft. n. 93, 94  332

§. VI. Von Grenzscheidung. n. 95, 96  333

§. VII. Von Antretung der Erbschaft. n. 97, 98   333

§. VIII. Von Aufladung auf ein Schiff oder Wagen, oder Abladung in einen Gasthof. n. 99-114  333

§. IX. Von Befestigung des Kriegs. n. 115, 116  335

Caput XX. Von denen aus bloßer natürlicher Billigkeit verbindenden Handlungen. n. 1-68  336

§. I. Von denen Grundregeln der natürlichen Billigkeit, woraus ohne Vertrag eine persönliche Verbindlichkeit herfließet. n. 1-6  336

§. II. Von Zuruckforderung einer Sache wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben worden. n. 7-20  337

§. III. Von Zuruckforderung einer aus ungebührlicher oder unbilliger Ursache empfangenen Sache. n. 21-28   339

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§. IV. Von Zuruckforderung des ohne Ursach vorenthaltenen fremden Guts. n. 29-34  340

§. V. Von Wiedererstattung des zu Jemands Nutzen verwendeten fremden Guts. n. 35-44  340

§. VI. Von gleichen Beitrag zu Vergütung eines in Nothfällen wegen gemeinsamer Rettung erlittenen Schadens. n. 45-68  342

Caput XXI. Von Verbrechen. n. 1-246  346

Erster Artikel. Von Verbrechen insgemein. n. 1-70  346

§. I. Von Verschiedenheit deren Verbrechen. n. 1-16  346

§. II. Von Art und Weis, wie ein Verbrechen begangen werde. n. 17-30  348

§. III. Von denen wahren Verbrechen, und denen für Verbrechen geachteten Handlungen. n. 31-33  350

§. IV. Von Fähigkeit deren Verbrechenden. n. 34-40  350

§. V. Von der aus Verbrechen erwachsenden Verbindlichkeit. n. 41-54  351

§. VI. Von der aus Verbrechen eines Dritten entstehenden Verbindlichkeit. n. 55-60  352

§. VII. Von Verbindlichkeit deren Erben aus Verbrechen ihres Erblassers. n. 61, 62  353

§. VIII. Von Zusammentreffung des peinlichen Verfahrens mit der bürgerlichen Rechtsforderung. n. 63-68  353

§. IX. Von Erlöschung der Verbindlichkeit aus Verbrechen. n. 69, 70  354

Zweiter Artikel. Von den an Jemands Person ausübenden Verbrechen. n. 71-96  355

§. X. Von denen verschiedenen Gattungen deren an Jemands Person ausübenden Verbrechen. n. 71, 72  355

§. XI. Von der Verbindlichkeit aus Todtschlägen und Verwundungen. n. 73-80  355

§. XII. Von der aus Menschenraub, gewaltsamer oder arglistiger Entführung, widerrechtlicher Aufhaltung und eigenmächtiger Gefängnuß entstehenden Verbindlichkeit. n. 81-84  356

§. XIII. Von der Verbindlichkeit aus Ehebruch und Nothzucht. n. 85-96  357

Dritter Artikel. Von denen zu Abbruch fremder Rechten und Gütern gereichenden Verbrechen. n. 97-188  358

§. XIV. Von denen verschiedenen Gattungen deren Jemanden an seinen Rechten, Hab und Gut schadenden Verbrechen. n. 97-101  358

§. XV. Von arglistiger Entfremdung. n. 102-111  359

§. XVI. Von unrechtmäßiger Gewalt. n. 112-144  361

§. XVII. Von Zufügung allerlei Schadens. n. 145-162  365

§. XVIII. Von der zu Abwendung eines befahrenden Schadens gebührenden Rechtshilfe. n. 163-173  368

§. XIX. Von Betrug und Arglist. n. 174-178  369

§. XX. Von allerlei zu Benachtheiligung fremder Gerechtsamen gereichenden Handlungen. n. 179-188  370

Vierter Artikel. Von Ehrenhändeln, Schandbriefen und anderen Jemandens Ehre und guten Leumund antastenden Verbrechen. n. 189-246  371

§. XXI. Von Verschiedenheit deren Ehrenantastungen und Schmähungen. n. 189 bis 214  371

§. XXII. Von der hieraus entstehenden Verbindlichkeit und der daher gebührenden Rechtsforderung. n. 215-225  376

§. XXIII. Von Erlöschung der Verbindlichkeit aus Ehrenhändeln. n. 226-238  377

§. XXIV. Von denen Jemandens Person oder Gut nachtheiligen Berühmungen eines hieran habenden Rechts. n. 239-246  379

Caput XXII. Von denen für Verbrechen geachteten Handlungen. n. 1-56  380

§. I. Von Wesenheit deren für Verbrechen geachteten Handlungen und der daraus entstehenden Verbindlichkeit. n. 1-6  380

§. II. Von deren viererlei Gattungen überhaupt. n. 7, 8  381

§. III. Von Unerfahrenheit eines Richters insonderheit. n. 9-14  381

§. IV. Von schädlicher Hinabwerfung, Ausgießung und gefährlicher Aushängung aus einer Wohnung. n. 15-24  382

§. V. Von Zufügung eines Schadens durch fremde Bediente. n. 25-30  383

§. VI. Von Beschädigung durch fremdes Vieh. n. 31-56  384

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Caput XXIII. Von Verwandlung und Uebertragung deren Verbindungen an Andere. n. 1-90  388

§. I. Von denen verschiedenen Arten Verbindungen zu erneuern und an Andere zu übertragen überhaupt. n. 1-6  388

§. II. Von Erneuerung oder Umlage der Schuld insonderheit. n. 7-18  889

§. III. Von Anweisung des Schuldners. n. 19-48  390

§. IV. Von Abtretung oder Uebergabe der Schuld an Andere. n. 49-87  394

§. V. Von Uebernahme einer fremden Schuld. n. 88-90  399

Caput XXIV. Von Aufhebung und Erlöschung deren Verbindungen. n. 1-190  400

§. I. Von Zahlung der Schuld. n. 1-82  400

§. II. Von Erlassung der Schuld oder Ledigsprechung des Schuldners. n. 83 bis 88  412

§. III. Von Gegenforderung. n. 89-120  412

§. IV. Von gerichtlichen Erlag der Schuld. n. 121-134  417

§. V. Von Vermengung und Zusammentreffung des Schuldners und Glaubigers in einer Person. n. 135-140  419

§. VI. Von Zusammentreffung zweier gewinnstiger Ursachen. n. 141-144  420

§. VII. Von beiderseitiger Willkür. n. 145-148  420

§. VIII. Von Untergang der schuldigen Sache. n. 149-154  421

§. IX. Von Verlauf der Zeit, Verjährung und Abgang der Bedingnuß. n. 155 bis 157  422

§. X. Von Absterben des Schuldners. n. 158-160  422

§. XI. Von Quittung. n. 161-185  422

§. XII. Von Tilgung deren Verbindungen durch Einreden oder Einwendungen. n. 186-190  425

Uebersicht der Parallelstellen  427