Codex Juris Bavarici
Judiciarii de anno 1753 Zweyte Auflag. Mit Ihro churfürstl. Durchl. in Baiern,
etc. etc. gnädigst ertheiltem Privilegio. München, druckts und verlegts Johann
Jacob Vötters churfürstl. Hof- und Landschaftsbuchdruckers seel. hinterlassene
Wittwe, und Erben 1771.
Privilegium Impressorium.
Von Gottes Gnaden Wir
Maximilian Joseph in Ober- und Niederbaiern, auch der obern Pfalz Herzog,
Pfalzgraf bey Rhein, des heil. Röm. Reichs Erztruchseß, und Churfürst, Landgraf
zu Leuchtenberg etc. etc. Bekennen offentlich mit diesem Brief, und thun kund
männiglich, wasmassen Uns Unsers Hof- und Landschaftsbuchdruckers Johann Jacob
Vötters nachgelassenen Wittib und Erben in München unterthänigst zu vernehmen
gegeben, welchergestalten das von Uns ihnen ertheilte Privilegium Impressorium
auf den Codicem Judiciarium & Criminalem una cum notis in Folio & 8vo.
mit heurigen Jahr wirklich exspirirt, und dahero Uns selbe gehorsamst
belangt haben, um Wir sothannes exspirirtes Privilegium solchergestalten wieder
zu bestättigen, zu erneuern, und weiters zu erstreken gnädigst geruhen möchten,
damit sich künftighin niemand unterstehen solte, berührte zweyte Edition des
Codicis Judiciarii & Criminalis una cum notis in Folio & 8vo.
nachzudrucken; Da Wir nun erstangezogene Bitte gnädigst angesehen, und
solchemnach berührt Vötterischen Wittib und Erben die besondere Gnade gethan,
daß sie von nun an in die weitere zehen Jahre diese mehrbesagte zweyte Edition
des Codicis Judiciarii & Criminalis una cum notis in Folio & 8vo. in offenen
Druck ausgehen, hin- und wieder ausgeben, feil haben, und verkaufen lassen,
solche aber jemand anderer in Unserem Churfürstenthum und Landen nicht
nachdrucken därfe; Als gebiethen Wir all- und jeden Unseren aufgestelten
Obrigkeiten und Beamten hiemit ernstlich, keinen in unseren Churlanden zu
Baiern, dann dem Herzogthum der obern Pfalz angesessenen Buchdruckeren,
Buchhandleren uud Buchbinderen zu gestatten, daß sie noch jemand anderer
oftbemeldten Codicem Judiciarium & Criminalem una cum notis in Folio &
8vo. weder in dem schon gedruckten noch einem andern Format
nachzudrucken, oder nachgedruckter zu distrahiren, und zu verkaufen, weniger
die ausländische darmit in ermeldt unsere Churlande zu Baiern dann der obern
Pfalz hierin zu handeln sich unterfangen sollen, und dieses bey Vermeidung
Unserer höchsten Ungnad nebst Verworchung einiger Geldstraf von einhundert
Ducaten, wovon die Helfte Unserer Hofkammer, die andere Helfte aber
mehrerwehnten Verlegeren zukommen solle, dann auch bey Verliehrung derselben
Nachdruck, welchen oftmentionirte Vötterische Wittib und Erben mit Hilf und
Zuthun eines jeden Orts Obrigkeit gegen Vorweisung dieser Unser gnädigsten
Verordnung und ertheilten Privilegii, wo man dergleichen finden wird,
alsogleich aus eigenem Gewalt ohne Verhinderung männiglich zu sich nehmen, und
darmit nach Gefallen handeln und thun mögen: Doch solle anderen zur Nachricht
und Wahrnung dieses Unser churfürstl. Privilegium in berührten Codice
Judiciario & Criminali vorangedruckt werden. Geben in Unserer Haupt- und
Residenzstadt München den vierten Monatstag April im eintausend siebenhundert
ein- und siebenzigsten Jahr.
Maximilian Joseph Churfürst.
L. S.
churfürstl.
wirkl. Rath, und geheimer Secretarius Dominicus Schreybaur.
Von Gottes Gnaden
Wir Maximilian Joseph, in Ober- und Niederbaiern, auch der obern Pfalz Herzog,
Pfalzgraf bey Rhein, des heil. Röm. Reichs Erztruchseß, und Churfürst, Landgraf
zu Leuchtenberg, etc. etc.
Entbiethen
männiglich Unsern Gruß, und Gnade zuvor: Nach denen peinlichen Rechten, womit
in Revidirung Unserer Landsstatuten bereits im Jahr 1751 der Anfang gemacht
worden, befinden Wir keinen Theil derselben von größeren Mangel und
Unrichtigkeit zu seyn, als jenen, worin das Gerichts- und Proceßwesen begriffen
ist. Dahero auch in weiterer Fortsetzung jetztgedachter Revision vor andern
hieran Hand anlegen, und solchen in bessere Ordnung, und vollständige
Richtigkeit bringen zu lassen für nöthig ermessen haben. Es seynd zu dem Ende
alle ältere, sowohl gemein- als statutarische Rechten mit Fleiß eingesehen, und
erwogen, sofort ein solch- ordentlich- deutlich- und ausführliches Systema
Juris Judiciarii verfertiget worden, welches bey allen dahin einschlagenden
Händeln und Vorfallenheiten, wie sie immer beschaffen seyn mögen, sowohl
Richtern, als Partheyen und Advocaten zu sicher- und hinlänglicher Maßregel
dienen kann.
Wir haben also
dasselbe nach vorläufig- gutachtlicher Vernehmung Unserer sammentlicher
Justizdicasterien, wie nicht weniger mit räthlichen Zuthun Unser gemeiner Lieb,
und getreuer Landschaft auf Art und Maß, wie der Ausschluß mit mehrerem zu
vernehmen giebt, nicht nur allerdings gnädigst begnehmiget, sondern es ist
anbey Unser chur- und landsfürstlicher Befehl hiermit, daß deme in Unseren
sammentlichen Churlanden zu Baiern, und der obern Pfalz, dann all anderen Uns
zugehörigen Landereyen allenthalben nachgegangen, und zwar soviel das Jus novum
hierin betrift, worin entweder etwas ganz neues verordnet, oder das bisher in
Uebung geweste aufgehoben worden ist, selbes erst auf nächstkünftige Lichtmeß
des 1754sten Jahrs seinen Anfang nehmen, in all übrigen Stücken
hingegen, wo das vorige bloß wiederholt, bestättiget, oder in Thesi dubia &
controversa nur declarirt wird, sowohl quo ad Casus futuros, als praeteritos
allerdings darauf gesprochen, solchemnach auch die untere und subordinirte
Obrigkeiten von denen höheren, benöthigten Falls, jederzeit mit Ernst und
Nachdruck dahin angewiesen, und da endlich mit der Zeit solche Dubia Juris
vorfielen, welche sich weder aus den Worten, noch dem Verstand der neuen
Verordnung decidiren liessen, dieselbe gleichwohl von jeder Obrigkeit selbst
wie vorhin, also noch weiter aus denen gemein- geschrieben- natürlich- und
andern bisherigen Rechts Principiis ihrem besten Wissen und Gewissen nach ohne
Anfrag entschieden werden sollen. Gegeben in Unserer Residenzstadt München, den
14 December 1753.
Ex Commissione
Seren. D(omi)ni D(omi)ni Ducis & Electoris speciali. L. S. Johann
Jacob Miller Hof- und Commercienrathssecretarius.
(1)
Neuverbesserte churbajerische Gerichtsordnung.
Erstes Capitel.
Von den Gerichten
und der Gerichtsbarkeit.
Wie u. wo man
sein Recht suchen soll.
§. 1. Das Recht
soll bey willkührlicher Straf nicht mit Gewalt, sondern vor Gericht, und zwar
dort, wohin der Beklagte seiner Person, oder der strittigen Sache wegen gehört,
gebührend gesucht werden.
Wie das Forum
fundirt werde.
§. 2. Der
ordentliche Gerichtszwang wird theils von häuslichen Anwesen, Verbrechen oder
Betretten, theils von Geding, Verwaltung, Verboth, Lag oder Zusammenhang der strittigen
Sache, zu Latein: domicilio, delicto, deprehensione, contractu,
administratione, arresto, re sita & continentia vel connexione causae
hergeleitet.
Forum Domicili.
§. 3. Wo der
Vater seinen beständigen Wohnplatz hat, da seynd auch seine rechtmäßige Kinder
domicilirt, und dieses heißt zu Latein: Forum originis. Findelkinder überkommen
solches an dem Ort , wo sie gefunden oder erzogen
werden. Uneheliche hingegen folgen dem Domicilio ihrer Mutter. Hat der
rechtmäßige Vater selbst keinen gewissen beständigen Wohnsitz, so ist bey
Kindern mit dem Domicilio originis auf den Ort der Geburt zu sehen, dasselbe
bleibt auch jedem bevor, solang er sich nicht selbst freywillig oder aus Noth
anderwerts in der Absicht aldort zu wohnen wirklich niederlaßt, und da nun
dieses an mehr Orten zugleich in obiger Absicht geschiehet, so wird auch
selbiger Orten überall das Domicilium erlangt, und stehet solchen Falls dem
Kläger frey, ob er ihn dort oder da belangen wolle. Landfahrer und Vaganten
aber mögen aller Orten, wo sie sich immer betretten lassen, belangt, oder durch
offentlichen Verruf und Anschlag in foro originis vorgeladen werden.
(2) Forum
delicti.
§. 4. Um keiner
Verbrechen oder Freveln willen, welche nicht malefizisch seynd, und extra locum
domicilii verübt werden, soll keiner, der im Land anseßig, oder sonst gnugsam
verbürgt ist, in loco delicti angehalten, sondern die Verschaffung von dem
Judice domicilii begehrt, hierunter auch all jenes beobachtet werden, was die
erklärte Landsfreyheit, und soviel die obere Pfalz insonderheit betrift, die
bisherige Obervanz mit sich bringt.
Forum
deprehensionis.
§. 5. Fremde
seynd begangenen Verbrechens halber nicht nur der Obrigkeit des Orts, wo sie
verbrochen haben, sondern auch wo selbe betretten werden, unterworffen.
Forum contractus.
§. 6.
Contrahenten mögen an dem Ort , wo contrahirt worden,
oder die Bezahlung geschehen soll, um das bedungene belangt werden, und ist
hierunter vorzüglich auf den Ort , wo der Contract zum Schluß gekommen ist, zu
sehen. Doch stehet auchallzeit in des Klägers
Willkuhr, ob er in foro contractus oder domicilii klagen wolle. Ersten Falls
wird erfodert, daß sich der Beklagte persönlich aldort befinde. Der bloße
Widerspruch des Contracts hebt diesen Forum nicht auf, wohl hingegen, wenn
ausdrücklich- oder stillschweigende Geding dagegen vorhanden seynd, oder wenn
man mit fremden Durchreisenden wissentlich auf Borg handlet, oder da nicht
soviel auf die Erfüll- sondern Vernichtung des Contracts geklagt wird. Es
sollen sich auch Innländer dieses Fori niemal gegeneinander gebrauchen, sondern
vor ordentlicher Obrigkeit klagen, es seye denn, daß die Bezahlung vermög
ausdrücklichen Gedings an einem gewissen Ort geschehen, oder die Privilegia
loci ein anderes dießfalls mit sich bringen.
Forum
administrationis.
§. 7. Wer um
geführter Verwaltung und Administration wegen, Rechenschaft zu geben hat, soll
solches vor Obrigkeit thun, welche ihn hierzu bestellt hat, und ist auch
derselbe nicht schuldig, sich deßwegen anderwerts einzulassen. Wenn aber der
Verwalter hinterstellig, oder sonst in seiner Verwaltung strafmäßig befunden
wird, soll er zur Leistung dessen, was er zu thun schuldig ist, von seiner
ordentlichen Obrigkeit angehalten werden.
Forum arresti.
§. 8. Hat jemand,
aus was Ursachen es immer seyn mag, eine rechtmäßige Foderung, und stehet in
billicher Sorg, daß er vor ordentlicher Obrigkeit das Seinige ohne sonderbarer
Beschwernuß nicht erlangen werde, so mag er den Gegner an Hab oder Leib durch
die Obrigkeit des Orts, wo sich dessen Person oder Gut immer befindet, so lang
anhalten lassen, bis man von ihm vergnügt, oder daß er in foro arresti
antworten, und dem Judicato nachkommen wolle, durch Pfand oder Bürgen gnugsam
gesichert ist. Man solle aber auch mit dem gebettenen Arrest andergestalt nicht
als vorläufige Bescheinung der gestellten Foderung, und zwar nur gegen Fremde
und Ausländer willfahren, maßen solcher gegen Innländer in folgenden Fällen
allein statt hat. Wenn nämlich 1mo. in loco arresti die Bezahlung zu thun
versprochen worden, desgleichen wenn 2do. der Beklagte weder befreyt noch
angesessen, oder sonst gnugsam vercautionirt ist. Ferner wenn 3tio. ein
Specialprivilegium loci darum vorhanden ist, welches jedoch gegen die von Adel
oder churfl. Bediente niemals Platz greift. Außer Lands sollen die Innländer
gleichfals nicht
(3) einander
arrestiren lassen, es seye denn, daß die Bezahlung aldort zu thun versprochen
worden, oder zu besorgen ist, daß Arrestatus nicht mehr in das Land zurück
komme.
Forum rei sitae.
§. 9. Alle
Klagen, welche mehr auf die Sache selbst als die Person gehen, sollen sowohl in
petitorio als possessorio bey der Obrigkeit des Orts, wo sich die Sache
befindet, ohne Unterschied derselben gestellt werden.
Forum continentiae, vel connexionis causae.
§. 10. Sachen,
welche zusammen gehören, soll man nicht leicht voneinandertrennen, sondern vor
einer Obrigkeit allein verhandeln lassen. Im Fall auch die Klag auf mehr
Sachen, oder gegen mehr Personen, welche unter verschiedenen Obrigkeiten
stehen, gerichtet ist, soll man solche bey der nächsten höheren Obrigkeit
anbringen, Causas exemptas soll man aber unter diesem Vorwand niemal an sich
ziehen. Wie weit hiernächst der Criminalrichter in Civilsachen, oder die
Civilobrigkeit in Criminalsachen ex connexione causae die Hand einschlagen
darf, ist bereits in Cod. Crim. p. 2. c. 1. §. 25. 26. 27. mit mehreren
versehen.
Personen welche a
Foro ordinario ausgenommen seynd.
§. 11. Vornehme
Stands- adelich- und graduirte Personen, wie auch alle Personen in churfürstl.
oder landschaftlichen Pflichten stehende Bediente und Hofschutzverwandte haben
ihr besonders Forum, und stehen entweder unmittelbar unter den churfl.
Justizdicasterien, oder nach Gestalt ihrer Bedienung unter den Hofstäben, oder
anderen churfl. Aemtern. Kriegsofficiers und Soldaten stehen unter ihrer
Militairobrigkeit. Academici unter dem Rectore und Senatu Academico. Geistliche
unter ihren vorgesetzten Obern. Deßgleichen seynd all jene, welche sich des
Gesandschaftsrechts zu erfreuen, oder sonst ein Specialprivilegium exemptionis
Fori erlangt haben, von dem ordentlichen Gerichtszwange befreyet. Dahingegen
mögen sich aber auch all obbenannte Personen auf die besondere Stadt- oder
Localrechten des Orts, wo sie sich aufhalten, nur so weit, als selbe mit den
allgemeinen Rechten und Statuten übereinskommen, oder die bloße Zierlichkeit
der gepflogenen Handlung, oder die aldort liegende Güter betreffen, mit Fug
beziehen.
Fälle, worinn das
Forum Privilegiatum eximirter Personen nicht
statt hat.
§. 12.
Obbemeldtes Forum Privilegiatum hat in folgenden Fällen nicht statt. 1mò. Wenn
die eximirte Person nicht Beklagter, sondern Kläger ist. 2dò. Da dieselbe nicht
eigner, sondern anderer Person halber, z. E. als Erb, Vormund, oder Gewalthaber
belangt wird. 3tiò. In bloßen Realsachen. 4tò. In causis connexis, zumal, wenn
sich die Sachen nicht wohl trennen lassen. 5tò. Mögen sich auch fremde
weltliche Personen mit ihrem Foro Privilegiato nicht schützen, soweit sie sich
nicht des Gesandschaftrechtes, oder wenigist des Hofschutzes sich zu erfreuen
haben. 6tò. Churfl. oder landschaftliche Bediente nach ihrer Entlassung, sofern
nicht die vorige Freyheit in der Dimißion vorbehalten ist. 7mo. Bleibt der
Landfahnen in Gerichts- und anderen bürgerlichen Händeln, so das Fähndl oder
Kriegswesen nicht angehen, unter der vorigen Obrigkeit. 8vò. Gehören auch
churfl. Beamte in bloßen unter sich habenden Amtsstrittigkeiten, wie auch in
Rechnungs- und anderen Cameralsachen ganz allein unter die Hofcammer, und haben
sich die Justizdicasterien hierin nicht einzumischen, wo nicht die Untersuchung
zugleich Parthey- oder Policeysachen mitberührt, oder nach Beschaffenheit der
Sache aus churfl. höchsten Befehl etwan gar peinlich verhandelt werden soll;
Falls jemand
(4) 9nò. mehrley
aufhabender Aemtern wegen, unter verschiedene Obrigkeiten gehört, so stehet in
des Klägers Willkuhr, bey was für einer aus selbigen Obrigkeiten derselbe in
personlichen Sprüchen anbinden wolle. Welchergestalt 10mò. die in hiesigen
Churlanden mit immatriculirten Gütern anseßige Geistlichkeit nicht nur in Real-
sondern auch Geld und Gut betreffenden Personalsprüchen vor weltlicher
Obrigkeit Red und Antwort zu geben habe, ist in der erklärten Landsfreyheit
versehen. 11mò. Lassen es Ihro churfl. Durchl. in Dero eigenen Rechtssachen bey
deme ferner gnädigst bewenden, was ermeldte Landsfreyheit hierinfalls mit sich
bringt.
Sachen, welche
von dem ordentlichen Gerichtszwang ausgenommen seynd.
§. 13. Von dem
ordentlichen Gerichtszwang seynd folgende Sachen eximirt. 1mò. Geistliche
Sachen, soweit sie denen Rechten, Concordaten und der Observanz nach dafür
erkannt seynd, und zwar ohne Unterschied, ob der Beklagte eine geistlich- oder
weltliche Person ist, wohingegen auch keine weltliche Sach, wenn der Beklagte
ein weltlicher ist, an geistliche Gericht gezogen werden soll. 2dò.
Lehensachen, jedoch anderergestalt nicht, als nach Ausweis der neuverbesserten
Hofrathsordnung Art. 3. §. 12. 3tiò. Bloße Militairsachen. 4tò. Contrebanden,
Defraudationes in Mauthaufschlags- und Accissachen nach Maßgab der vorhandener Generalien. 5tò. Jurisdictionsstrittigkeiten
zwischen Hofstäben. 6tò. Churfl. Residenz- und Lustschlösser, wie auch all
andere churfl. Gebäude, deßgleichen offentlich- und schiffreiche Wasserströhm,
samt dem Grund, Ufer und Insulen, soweit nicht ein anderes rechtmäßig darauf
hergebracht ist, endlich auch alle Haupt- Land- Hoch- und Heerstraßen in
Conformität des hierüber ergangenen Generalmandats vom 3ten Jan. 1735. 7mo. All
übrige Sachen, welche aus erheblichen Ursachen mittels churfl. gnädigsten
Specialbefehls von dem ordentlichen Gerichtszwang erimirt werden.
Von dem Foro
accessorio.
§. 14. Ehefrauen,
Kinder und Domestiquen folgen regulariter, wo nicht ein anderes Herkommens ist,
dem Foro ihres Ehemanns, Vaters und respectivè Hausvaters, welches jedoch
wiederum aufhört, wenn das Weib noch in Lebzeiten ihres Ehemanns aus ihrem
Verschulden von ihm geschieden wird, nach seinem Tod aber, entweder den
Wittibstand verruckt, oder sich selbst gutwillig anderer Jurisdiction
unterwirft, wie nicht weniger, da die Kinder mit Bewilligung ihres Vaters sich
von ihm absondern, oder nach dessen Tod nicht mehr in ungetheilter Erbschaft
verbleiben, ingleichen da die Domestiquen aus dem Dienste treten. Im übrigen
repräsentirt die Erbschaft, solang sie liegt, allzeit noch die Person des
Verstorbenen, und wenn die Jurisdiction einmal gegen ihm in Sachen prävenirt
worden, so kann sich auch der Erb derselben, unter dem Vorwand, daß er für
seine Person nicht dahin gehörig seye, hierin keineswegs entziehen.
Forum in der Klag
ex lege diffamari, vel si contendat.
§. 15. Wird ex
lege diffamari vel si contendat geklagt, so soll dieses nicht in Foro des
provocirten, sondern provocirenden Theils, oder dort, wohin die Klag in der
Hauptsache selbst gehörig ist, geschehen.
Von der
præventione fori.
§. 16. Ist das
Forum entweder wegen der dem Kläger zustehender Wahl, oder sonst anderer Ursach
halber an mehr Orten fundirt, so kommt es auf die Prävention an, welche mit der
gerichtlichen Vorladung, und zwar Edictalcitationen von Zeit des offentlichen
Anschlags, bey Realcitationen von Zeit des
(5) Real- oder
Personalarrests, bey mündlich- oder schriftlicher Vorladung aber von Zeit der
Insinuation anfangt. Es soll auch bey willkührlicher Strafe kein Theil von dem
einmal prävenirten Gericht an ein anderes in der nämlichen Sache mehr einen
ungebührlichen Absprung machen.
Von der
Jurisdictione prorogata & voluntaria.
§. 17. Lassen
sich beede Theile coram incompetente mit Wissen und Willen des ordentlichen
Richters selbst gutwillig ohne Protestation ein, so seynd sie schuldig,
denselben, wenn er nur sonst in dergleichen Fällen Jurisdictionem hat, in
selbiger Sach forthin für ihren Richter zu erkennen. Die sogenannte Jurisdictio
voluntaria aber hat außer letztwilliger Dispositionsaufnahm kein
andere Wirkung mehr.
Von der Jurisdictione
delegata.
§. 18. Die
Jurisdiction wird anderen auf dreyerley Weis übertragen. Und zwar 1mò. zu
gänzlicher Entscheidung einer oder mehr Strittsachen, 2dò. Zu bloßer Instruir-
und Untersuchung derselben, 3tiò. zu Verrichtung einer gewissen Handlung. Auf
die erste Weis zu delegiren, sollen sich weder die churfl. Dicasterien noch
andere Obrigkeiten, welche das Gericht nicht erblich oder eigenthümlich
besitzen, sondern nur von Amts wegen exerciren, ohne Vorwissen und Begnehmigung
Sr. churfl. Durchl. anmaßen. Die zweyte und dritte Gattung Delegationen ist
zwar den churfl. Dicasterien nach Beschaffenheit der Sach nicht verwehrt. Die
Beamte hingegen sollen sich auch dieser ohne Anfrag nicht unternehmen. Und da
sich das Commissorium niemal weiter erstreckt, als der Innhalt desselben, oder
die Natur und Eigenschaft des übertragenen Geschäfts in der Folge mit sich
bringt, so kann auch der Commissarius solches ohne Nullität nicht
überschreiten, minder statt seiner einen anderen bestellen, wo er nicht
ausdrücklich dazu begwaltet ist. Seynd nun in der Sache mehr Commissarii
benannt, so mag keiner ohne dem anderen einseitigerweis hierin verfahren, außer
da das Commissorium die Clausulam samt und sonders in sich halt. Sie sollen
auch auf Begehren denen Partheyen ihr Commissorium aufweisen, und thut im übrigen die Commission sowohl durch deren Wiederaufhebung,
als durch den Tod des Commissarii oder Committentens, wie auch durch Endigung
des Geschäfts erlöschen.
Von dem Recht der
ersten Instanz.
§. 19. Bey der
oberen Instanz soll mit Uebergehung der untern nichts angebracht, und
dergleichen unförmliche Absprüng keiner Parthey, wer sie immer seyn mag, ohne
gutwilliger Einverständnuß der anderen bey willkührlicher Straf mehr gestattet
werden, ausgenommen, da der Richter ohngeachtet deren an ihne ergangener
Promotorialien und angedroheter Advocation gleichwohl die Justiz verzögert,
oder gar denegirt. Item wenn derselbe billigmäßigen Verdachts halber
perhorrescirt wird, welchenfalls jedoch nicht nur eine erhebliche Ursach sothaner
Perhorrescenz specificè angezeigt, sondern auch einigermaßen bescheiniget, oder
wenigist bey der nächsten oberen Instanz mit einem Eid erhärtet werden solle.
Von Recusirung
eines Richters.
§. 20. Alles, was
einem Gezeugen verdächtig macht, das kann auch mit Fug einem Richter,
Referenten oder Commissario entgegen gesetzt werden, und kommt solchenfalls die
Sach durch obverstandener Perhorrescenz weg, entweder gleich an das
nächst-höhere Gericht, oder mittels der Recusation dahin, daß ein anderer Richter,
Referens, Commissarius bestellt, oder wenigist adjungirt wird. Ein in mehr
Personen bestehend- ganzes Gericht oder Collegium
(6) aber kann in
corpore niemal recusirt, oder perhorrescirt werden, es seye denn, daß die
eingewendtete erhebliche Ursach alle, oder wenigist die meiste davon betrift,
es soll auch kein Richter in eigener Sach urtheilen, außer, wenn sie ihn nicht
soviel von Personen, als von Amts wegen angehet.
Wie, wo und wann
die Gerichte zu halten.
§. 21. Die
Gerichter sollen auf dem Land alle 14 Täg, oder so oft es die Nothdurft
erheischt, und zwar Vormittags an dem gewöhnlichen Gerichtsort, oder wo kein
eigenes Gerichtshaus vorhanden ist, in denen Pfleghäusern, Hofmarchsschlössern,
und des Richters Wohnung, nicht aber an anderen zumal unanständig- unsicher-
oder von einschichtigen Unterthanen über 3 Meilen entlegenen Orten, vielweniger
gar außer Land, oder ohne höchst andringender Noth an Feyertägen gehalten
werden. Falls sich auch außer der Wirthshäuser und öffentlichen Tafern kein andere bequeme Gelegenheit zu Gerichtsverhören
vorfindet, so soll man sich gleichwohl hierunter alles Zechens, Tanzens, und
anderen ungebührlichen Tumults enthalten.
Wie die
Gerichtsbarkeit erlangt werde, und wiederum erlösche.
§. 22. Die
Gerichtsbarkeit wird entweder von Amts oder Commißion- oder von Eigenthums und
Gerechtigkeits wegen exercirt. Erst- und andernfalls hört sie mit dem Amt, oder
auf gehabter Commißion, drittenfalls aber mit dem Real- oder Personalrecht
wiederum auf, welchem dieselbe nach hiesiger Landsverfassung anklebt.
Zweytes Capitel.
Von den
gerichtlichen Haupt- und Nebenpersonen.
Bestellung der
churfl. und anderen Gerichtern (!).
§. 1. Ihre
churfl. Durchl. gedenken, Dero Dicasterien und andere Aemter der erklärten
Landsfreyheit gemäß zu bestellen, lassen es auch der ersten halber bey der
neuverbesserten Hofrathsordnung ferner bewenden, und versehen sich zu Dero
lieb- und getreuen Ständen und Landsaßen gnädigst, sie werden in Bestellung
ihrer Hofmarchs und niederer Gerichten gleichfalls keinen Mangel erscheinen
lassen, damit den Partheyen allenthalben schleunig- und unpartheyische Justiz
wiederfahren möge.
Richters Eid und
Amt.
§. 2. Ein jeder
Richter soll zufoderist eine schriftliche Urkund von seiner Herrschaft in das
Amt mitbringen, und sofort bey seinem Aufzug unter einem cörperlichen Eid dahin
verpflichtet werden, daß er dem ihm anvertrauten Gericht getreulich, und
fleißig gewarten, nach denen in hiesigen Churlanden eingeführt- löblichen
Rechten, Ordnungen, und Gewohnheiten, wie nicht weniger sowohl Sr . churfl.
Durchl. selbst, als Dero getreuen Ständen, Landsaßen und Unterthanen
zustehenden Freyheiten und Gerechtigkeiten, welche für ihn gebracht werden,
seiner besten Verständnuß nach richten, dem Hoch- und Niederen, Gast und
Landmann, Arm- und Reichen gleiches Recht wiederfahren lassen, von denen
Partheyen, oder anderen um keiner Sache wegen, so vor ihm in Gericht hangt,
oder hangen wird, einige Schankung, oder Nutz, weder, selbst noch durch andere,
wie es immer erdacht werden kann, annehmen, sich auch im Gericht zu keiner
Parthey, und eben so wenig in dem Urtheil einen
(7) gefährlichen
Anhang machen, keinem von beeden Theilen rathen, oder dieselbe warnen,
vielweniger aus dem Gericht vor oder nach dem Urtheil etwas schädlicherweis
eröfnen, und endlich die Sachen aus böser Meynung nicht aufhalten, oder
verziehen, sondern allein Gott, Gerechtigkeit und Wahrheit darin vor Augen
haben wolle (!). Alles getreulich, und ohne Gefährde. Im Fall aber einer bey
Gericht nicht allein, sondern noch mehr neben ihm Recht zu sprechen, und zu
urtheilen hätten, so soll obiger Eidsformul post verba: Seiner besten
Verständnuß nach, die Clausula mit, und nebst anderen geschwornen
Rechtsprechern, und Urtheilern eingeruckt werden. Es ist auch niemand schuldig
vor einem solchen Richter, der sich nicht obverstandener maßen legitimirt, und
geschworen hat, zu erscheinen, und in Rechtfertigung einzulassen, anerwogen
dieselbe nimmermehr von einer Kraft, und Gültigkeit seyn wurde.
Gerichtschreibers
oder Actuarii Pflicht, und Amt.
§. 3. Ein jedes
Gericht, wo kein anderes hergebracht, oder besonders anbefohlen ist, soll auch
einen eigenen Gerichtsschreiber oder Amts Actuarium haben, welcher allen
gerichtlichen Handlungen, wie sie nur Namen haben mögen, nebst dem Richter
beywohnen, und bey seinem Amtsantrit schwören soll, daß er demselben fleißig,
und getreu vorstehen, die von den Partheyen beschehene mündliche Vorträge nebst
Bescheid, und Urtheil redlich aufzeichnen, und ein ordentliches Gerichtsbuch
oder Protocoll darüber halten, solches nebst anderen bey Gericht eingebrachten
Briefen und Urkunden alldort bewahren, was von Sachen in des Richters und
Urtheilers Rathschlägen gehandelt wird, verschwiegen halten, sonderbar aber
heimliche Gerichtshändel niemand eröfnen, lesen, oder sehen lassen, auch ohne
Erlaub- und Erkanntnuß des Gerichts den Partheyen keine Copey von den
eingelegten Briefen, oder Schriften ertheilen, vielweniger denselben, nachdem
die Sach einmal für Gericht gekommen ist, rathen, oder sie warnen, desgleichen
keine Schankung darum annehmen, sondern sich in jeder Sache des ordnungsmäßigen
Lohns begnügen, annebens Sr. churfl. Durchläucht sowohl, als jeden Dero
Landsäßen, und Unterthanen zu ihren Rechten, Gerechtigkeiten und Freyheiten,
soviel selbe sein Amt berühren mögen, zum besten handeln, und in allem deme
weder Gefährde, noch Arglist brauchen wolle. Im übrigen
gebührt auch keinem Gerichtschreiber oder Actuario, bey Gericht seine Stimm zu
geben, oder dem Richter, und Urtheilsprechern bey Abfassung des Bescheids
einzureden.
Von
Gerichtsbeysitzern.
§. 4. An welchen
Orten die Gerichtsbeysitzer bishero üblich gewesen, sollen selbe noch ferner,
sonderbar aber, wenn der Richter keinen Gerichtsschreiber oder Actuarium bey
sich hat, wenigist zwey dergleichen zur Verhör mit beygezogen, und falls in der
Hofmarch selbst keine anständige zu haben waren, von dem Landgericht, oder
nächstgelegener Stadt und Markt darzu requirirt werden. Wobey jedoch dieselbe
nicht als Mitrichter und Urtheilsprecher, sondern nur als Gezeugen dessen, was
bey Gericht vorgehet, zu brauchen, und aber auch ihre Stimmen und Meynungen
abzugeben weder schuldig, noch befugt seynd. In Städten und Märkten hingegen,
wie auch anderer Orten, wo sie solches hergebracht haben, soll es dieß falls
bey dem Gebrauch, und der hierin vorgeschriebener neuer Stadt- u.
Marktsinstruction gehalten, mithin gestalterdingen der Beysitzern Pflicht und
Eid, oder bey bloßer Erstattung des Handgelübds die richterliche Erinnerung
darnach eingerichtet werden.
Von Advocaten,
und Gerichts Procuratoribus.
§. 5. Advocaten
und Gerichts Procuratores sollen 1mò. bey Gericht, wo sie angestellt werden,
schwören, daß sie demselben der Nothdurft nach gewarten, des Gerichts Geschäft,
Geboth, und Ordnung zu jederzeit gehorsamlich nachkommen,
(8) denen
Partheyen auf Ansuchen den Beystand ohne rechtserheblicher Ursache nicht
abschlagen, in Sachen, welche einmal angenommen, oder ihnen anbefohlen worden,
aus ganz treuer Meynung der Gerechtigkeit, Nothdurft, und ihrer besten
Verständnuß nach fleißig fürbringen, rathen, und handeln, wissentlich keinen
falsch- unrecht- oder gefährlichen Auf- oder Anzug darin brauchen, oder suchen,
eben so wenig denen Partheyen dazu anrathen, denenselben gegen kundbare
Rechten, und Landsfreyheiten nicht fürsprechen, sich keinen Theil an der Sach,
worin sie Redner seynd, es seye gleich viel, oder wenig ausdingen, die
Heimlichkeit, Behelf, und Unterricht, so sie von denen Partheyen selbst
empfangen, oder in der Sach bemerken, denselben zu schaden niemand offenbaren,
das Gericht, und die Gerichtspersonen gebührend ehren, sich sowohl aller
überflüßig- als schmählicher Worten, und Lästerungen bey Straf nach Ermäßigung
des Gerichts enthalten, ihre Clienten mit übermäßiger Belohnung nicht
beschweren, sondern sich mit leidentlich- und gebührlichen Lohn, wie solcher
von dem Richter allenfalls gemäßiget, gesetzt, und geordnet wird, begnügen,
endlichen auch der Sachen, so sie bereits angenommen haben, ohne redlicher
Ursach, und des Gerichts Erlaubnuß sich nicht entschlagen, sondern ihrer
Parthey bis zu Ende des Rechtens beystehen, überhaupt aber gegenwärtige neue
Gerichtsordnung in allen Fällen genau befolgen sollen, und wollen, alles
getreulich, und ohne Gefährde. Nebst deme soll 2dò. bey jedem Gericht eine
gewisse Anzahl, und zwar wenigist zwey geschworne Vorsprecher verordnet, und
hierzu lauter ehrbar- verständig- examinirt- und approbirte, auch soviel die
bey denen Justizdicasterien belangt, graduirte Personen von ehrbaren Wandel,
Wesen und Herkommen gebraucht werden. 3tiò. Stehet jedem frey, seine Sach, und
Nothdurft selbst, wenn er dazu tauglich, und geschickt ist, bey Gericht
vorzubringen. 4tò. Hat ein Advocat von mehr Partheyen jährliche Bestallung,
oder Wartgeld, und begiebt sich, daß solche Partheyen in einer, oder mehr
Sachen miteinander zu Streit kommen, soll er keinem von beeden Theilen dienen.
Nachdem aber zuweilen 5to. vermögliche Partheyen die fürnehmste Advocaten an
einem Ort sammentlich in Bestallung nehmen, und ihrem Gegentheil hierdurch die
gute Advocaten und Redner abzuspannen suchen, so soll einer Parthey bey den
Justizdicasterien mehr nicht, als zwey, und bey den untern Gerichtern nur einen
zu bestellen erlaubt seyn. Wenn ferner 6tò. ein Advocat die Sach einmal
angenommen, und die Parthey wenigist ihre Heimlichkeiten und Behelf schon
erofnet hat, so soll er gegen selbige Sach weder in erster noch weiteren
Instanz heimlich oder offentlich, directè oder indirectè bey Vermeidung der in
Cod. Crim. part. 1. cap. 9. §. 2. dictirter Straf mehr dienen. Endlich soll er
7mò. der Parthey nicht nur um den durch erweisliche Versaumnuß, Nachläßigkeit,
oder Gefährde verursachten Schaden haften, sondern auch um das, was er gegen
Pflicht und Ordnung handelt, allzeit unnachläßig gestraft werden.
Von Notariis.
§. 6. Von
Notariis wird folgendes hiemit verordnet: 1mò. Soll sich kein Notarius in
hiesigen Churlanden seines Amts zu gebrauchen unterstehen, wenn er nicht aus
päbstlicher Heiligkeit, oder römisch- kaiserl. Majest. Macht und Gewalt
zugelassen, auch hinfüro bey dem churfl. Hofrath alhier, nach vorläufigen
gnugsamen Examine bestättiget, verpflichtet, und immatriculirt ist.
Ausländische Notarios aber sollen die Innländer niemal gebrauchen, außer auf
den Gränzorten, wo periculum in mora, und kein innländischer Notarius sobald
nicht zu bekommen ist, oder da die in oder außer gerichtliche Handlung, in
welcher der Notarius gebraucht wird, außer Land für sich gehet. Dafern sich
aber jemand pro Notario angiebt, der es entweder gar nicht, oder wenigist nicht
immatriculirt ist, so soll die Handlung für keinen Notariatsact gehalten, und
der angebliche Notarius nicht nur in puncto falsi gestraft, sondern auch zu
Abthuung des etwan dadurch verursachten Schadens angehalten werden. 2dò. Ist
jeder Notarius schuldig, und soll auch vor seiner Immatriculation darauf schworen,
daß er sein Amt aufrecht, getreu, und redlich vertretten,
(9) solches auf
gebührendes Ansuchen, und gegen geziemenden Lohn ohne rechtserheblicher Ursach
niemand abschlagen, sein Protocoll fleißig, förmlich, und nach Ausweis der
Rechten halten, einig Instrument über unzulässig in Rechten verbottene
Handlungen, oder in Sachen, wobey er directè vel indirectè intereßirt ist,
nicht errichten, vielweniger sich gegen die gnädigiste Landsherrschaft ohne
vorläufiger Erlaubnuß gebrauchen lassen, die gewohnliche Clausulen den
Partheyen erinneren, und erklären, niemand als denen, auf deren Begehren das
Instrument errichtet ist, ohne ihr, oder des Richters Vorwissen, Abschrift oder
Nachricht ertheilen, desgleichen, was er zu Verrichtung seines Amts zu wissen
nöthig hat, gründlich zu erlernen trachten, und da ihm ein Fall zu schwer wäre,
sich bey den Rechtsgelehrten Raths erholen, und in Geschäften, worin er bereits
als Notarius gebraucht worden, sich des Sollicitirens, Advocirens und
Procurirens enthalten, sofort all anderes, was ihm denen Rechten nach obliegt,
in fleißige Obacht nehmen wolle. 3tio. Das Protocoll, welches jeder Notarius
über alle von ihm errichtete Instrumenten zu halten hat, soll zu Anfang
desselben die Anruffung des göttlichen Namens, die Jahrzahl der Geburt Christi,
den Namen Sr. päbstlichen Heiligkeit, und kaiserl. Majestät, welche selbiger
Zeit regieren, samt der Zahl deren Regierungsjahren, oder da er allein
päbstlich- oder kaiserlicher Notarius ist, desselben Pabsts, oder Kaisers
Namen, und Regierungsjahr, item die Indiction, oder römische Zinszahl, den
Monat, und Tag, da solches Protocoll angefangen worden, seinen eigenen Namen,
und wo er selbiger Zeit wohnhaft gewest, mit eigener Hand schreiben, auch sein
Notariatszeichen beysetzen. Falls nun eins oder anders von diesen Requisitis
abgehet, so ist zwar das Protocoll unförmlich, und verweißlich, aber gleichwohl
nicht gänzlich null, wenn nur die Zeit, da solches angefangen worden, und der Ort , wo der Notarius damal wohnhaft gewesen, nebst seiner
eigenen Handunterschrift, und Sigill daraus erscheinet. In sothanem Protocoll
soll er alle und jede von ihm errichtete Instrumenten vollkommen von Wort zu
Wort ohne Abbreviation, wie er solche den Theilen mit allen Zierlichkeiten
ertheilen will, mit Benennung der Gezeugen, und wie er requirirt worden, auch
mit Einverleibung des ganzen Handels, oder letzten Willens, wo derselbe nicht
verschlossen ist, entweder mit eigener Hand einschreiben, und unterschreiben,
oder da es durch einen anderen geschrieben wäre, wenigist selbst unterzeichnen,
und warum er jenes selbst eigenhändig zu schreiben nicht vermögt hat, bey der
Unterschrift melden, wie nicht weniger vor der Unterschrift den Partheyen,
welche ihn requirirt haben, dasselbe vorlesen, und wo auf Bewilligung der
intereßirten Theilen etwas corrigirt, oder beygesetzt wird, solches dergestalt
vornehmen, daß die durchstrichene Schrift noch leslich verbleibe, und bey der
Unterschrift die Correctur, oder der Beysatz specificirt, und benennt werde, wo
im übrigen sich der Notarius gegen alles, was sowohl in Ansehen des Papiers,
als der Dinte, und sonst billigen Verdacht erwecken möchte, wohl zu verwahren,
auch nach ausgefertigt- und hinausgegebenem Instrument weder für sich, noch auf
Begehren der intereßirten Theilen an dem Protocoll so wenig, als an dem
Instrument mehr etwas abzuändern, sondern allenfalls auf Ersuchen ein neues
Instrument darüber zu verfertigen hat. Bey Endigung des Jahrs soll er auch
allzeit sein Protocoll mit seiner Handunterschrift und Notariatszeichen
beschlüßen, auf das neue Jahr aber allzeit ein neues Protocoll in obiger Maß
verfassen, auch sein gewöhnliches Notariatszeichen ohne Vorwissen und
Begnehmigung der Obrigkeit niemal eigenmächtig veränderen. 4to. Bey den
Handlungen, wozu er requirirt wird, soll er allzeit in Person gegenwärtig seyn,
die zu deren Rechtskräftigkeit erfoderliche Zierlichkeiten und Requisiten wohl
bemerken, solche den Partheyen, jedoch ohne Maßgebung, in der Hauptsach selbst
anzeigen, die dem Instrument eingeruckte Clausulen, sonderbar die Verzichten
denenselben gnugsam erklären, sowohl ihrer als der anwesender Gezeugen Nämen
von ihnen erforschen, nächtlicherweil sich ohne sonderer Nothdurft nicht
brauchen lassen, oder daß wenigist genugsame Lichter im Zimmer seyen, Vorsehung
thun, sofort alles umständig beschreiben, und was er hierbey
(10) durch selbst
eigen- und leiblichen Sinn erfahren hat, sowohl dem Protocoll, als Instrument
einverleiben. 5tò. Den Partheyen ist er nicht nur Instrumenta in Conformität
des 11ten Capitels, 2ten §. auszufertigen, sondern auch auf Begehren das
Protocoll selbst vorzuweisen schuldig. Wenn er aber das Instrument, welches er
jemand schon einmal gefertiget, und zugestellt hat, nochmal fertigen, und
ertheilen, oder abänderen soll, ist der Unterschied zu bemerken, ob solches nur
von einem allein angegeben, oder noch jemand anderer dardurch verbunden worden
seye. Letzterenfalls gebührt sich nicht dasselbe ohne richterlicher Erlaubnuß
nochmal zu ertheilen, ersterenfalls aber kann dieses, so oft man es begehrt,
ohnbedenklich geschehen, doch soll über die Correction allzeit ein neues
besonderes Instrument errichtet, und das nämliche, was von nochmaliger
Errichtung des Instruments verordnet worden, hierunter beobachtet, einer
dritten Person hingegen ohne Erkanntnuß, und Befehl des Richters weder das
Protocoll aufgewiesen, noch Instrumenten, oder Abschriften daraus ertheilt
werden. Mit Vidimir- und Transumirung deren vorher schon errichteten Notariats-
oder anderer Instrumenten, und Urkunden hat es andere Meynung, weil dieses ein
neuer Act ist, sohin der Notarius mit Beobachtung deren hierzu erfoderlicher
Solennitäten solchen wohl verrichten, und seinem Protocoll einverleiben kann.
6tò. Stirbt ein immatriculirter Notarius, so sollen die hinterlassene Erben das
Protocoll ohne längeren Verzug bey der Obrigkeit des Verstorbenen hinterlegen,
und im Fall solches von dort einem anderen Notario zukommt, soll dieser den
Partheyen weder das Protocoll, noch Instrumenta, oder Abschriften andergestalt,
als nach Maßgab des vorgehenden 5ten num. ediren, sonst aber bey Ausziehung
eines Instruments mit Fleiß beschreiben, wie er des vorigen Notarii Protocoll
befunden habe, sofort über sothane Ausziehung dem vorigen ein neues Instrument
in gebührender Form anhängen. 7mò. Gehet das Notariatsprotocoll verlohren, und
kann der Notarius eidlich erhärten, daß er selbes nicht fürsetzlich verhalte,
soll er zwar dabey gelassen, jedoch wenn dieser Verlurst (!) nicht aus
unversehenem Unglücksfall, sondern aus Unfleiß, und Verschulden geschehen,
nicht nur à proportione der Schuld gestraft, sondern auch zu Indemnisirung
deren dadurch beschädigter Partheyen angehalten werden. Kann er sich nun
solchenfalls erinneren, was für Instrumenta in dem verlohrnen Protocoll
enthalten gewest, mag er selbe von den Partheyen wohl abfoderen, und sie auf
Weigern durch ihre behörige Obrigkeit zu Extradition anhalten lassen, sofort
ein neues Protocoll daraus verfertigen. Bezeigt sich aber, daß er das Protocoll
mit gefährlichem Fürsatz verhalten, oder gar caßirt, und vernichtet habe, so
soll er nicht nur seines Amts entsetzet, sondern nach Maßgab des Codicis
Criminalis part. 1. c. 9. §. 2. gestraft werden. Und damit nun 8vò. all obiges,
was von Vertrettung des Notariatamts verordnet worden, destogewisser beobachtet
werde, soll jedes Orts Obrigkeit die Notariatsprotocollen von Zeit zu Zeit
fleißig einsehen, und die unschicklich- befundene Notarios abstellen, Jene
auch, welche durch ungebührliche Notariatsverrichtungen Schaden gelitten, die
Indemnisation verschaffen. Dahingegen aber auch 9nò. ernstlich hiermit
verordnet wird, daß sich niemand, wer der immer seye, an Notariis, zumal in
Verrichtung ihres Amts, zu vergreiffen unterstehe.
Von Comitibus
Palatinis.
§. 7. Nachdeme
die Erfahrung genugsam belehret hat, was der große Mißbrauch der sogenannten
Comitiven zu vorigen Zeiten sowohl in- als außer Gericht mannigmal für
schädliche Folgerungen nach sich gezogen hat, so bleibt es bey der dagegen
eingeführt- löblicher Observanz, und Ordnung dergestalt, daß in hiesigen Churlanden
keinem Comiti Palatino der Gebrauch seiner Comitivæ andergestalten gestattet
wird, er seye denn nach vorläufig- gnugsamer Examinirung sowohl seines
Diplomatis, als seiner Person, und Geschicklichkeit bey dem churfl. Hofrath
alhier, ordentlich immatriculirt. Es soll sich aber auch der Immatriculirten
Gewalt und Macht, ohngeacht dessen, was die Comitiva etwan mit sich bringt,
niemal weiter erstrecken, als daß sie 1mò. uneheliche
(11) Kinder, welche nicht aus verdammter Geburt seynd, legitimiren. 2do. Taugliche Personen prævio examine zu offentlichen Notarien creiren. 3tio. Wappenbriefe mit Schild und Zeichen, auch ungeöfnet und undurchbrochenen Helm ehrlich, und redlichen Personen ertheilen. 4to. Transumpt und Vidimus von allerhand Documenten und Scripturen machen mögen, dahingegen sollen sie sub pœna nullitatis, und anderer schwerer Ahndung. 1mo. Keine Legitimation ehebrecherisch- blutschänderisch- und anderer dergleichen aus verdammten Beyschlaf erzeugter Personen vornehmen, weniger jemand zu höheren, oder adelichen Würden, und sigelmäßigen Aemtern legitimiren. 2do. Jenen, welche böser Unthaten halber durch Urtheil und Recht obrigkeitlich condemnirt, und abgestraft seynd, Restitutionem famæ nicht mittheilen. 3tio. Adoptionum, Arrogationum, Emancipationum, Testamentorum, Donationum, aut aliorum Contractuum confirmationes, wie auch die Bevormundungen, und all dergleichen Actus Jurisdictionis voluntariæ, aut contentiosæ unterlassen. 4to. Weder Nobiles, noch Doctores, Licenciatos, Magistros, Baccalaureos, oder Poetas Laureatos creiren. 5to. In denen Legitimationsbriefen keine leere Spatia, um etwan anderes nach Gefallen beysetzen zu können, einraumen, und endlich auch 6to. sich um soviel weniger in anderen noch wichtigeren Fällen einer Authorität, oder Obrigkeit anmaßen.
Von gemeinen Stuhlschreibern, Winkelagenten und sogenannten Bauernkönigen.
§. 8. Stuhlschreiber, Supplicisten, und Winkelagenten, welche weder graduirt, noch bey Gericht verpflichtet, oder recipirt seynd, wie auch unstudirte gemeine Burgers- und Bauersleut, welche sich oft aus Gewinnsucht, oder anderen bösen Antrieb für Gerichts- und Rechtsverständige ausgeben, die Partheyen zum Streiten, oder mannigmal wohl gar die Unterthanen gegen ihre Herrschaften aufhetzen, und wie man es von Alters her zu nennen pflegt, rechte Bauernkönige seynd, sollen von keiner Obrigkeit geduldet, minder einige Supplicationen, oder Schriften von ihnen angenommen, sondern dergleichen angemaßt- schädliche Beyständ und Aufwigler nach Gestalt ihres Verhandlens, und geübter Gebühr mit Geld, Gefängnuß, Leib- und Schandstrafen, oder wohl gar mit der Landsverweisung angesehen werden.
Von Fronbothen und Gerichtsdienern.
§. 9. Bey jedem Gericht soll wenigist ein geschworener Gerichtsdiener, oder Fronboth seyn, welcher auf richterlichen Befehl den Partheyen zurecht verkünden, dieselbe für Gericht foderen, was in anderweg des Gerichts Nothdurft ist, mit Ruffen, Gebothen, und Verbothen nach selbigem Gerichtsbrauch und Ordnung zu handeln hat. Darauf soll er auch seiner Herrschaft und dem Richter schwören, daß er dem Gericht, und desselben verordneten zugehorigen Personen mit Fleiß gewarten, und gehorsam seyn, ihren Frommen förderen, und Schaden warnen, und wenden, auch die Urtheilen, Ordnung, Geboth, Verboth, und Geschäft, desgleichen die Lad- und Verkündungen, brieflich- und andere Bothschaften, so ihm von Gerichts wegen befohlen, oder mit Urtheil erkennt werden, nach Ordnung rechtens, und des Richters Befehl getreulich, und mit Fleiß einantworten, verkünden, und vollziehen, und wie es geschehen, wahrlich anzeigen, die Ungehorsame, Widersätzige, Mißhändler und Uebelthäter, soviel ihm möglich ist, erforschen, andeuten und darin nicht verhalten, weder heimliche Geding, und Eigennutz, noch Haß, Neid, oder andere Gefährde hierunter brauchen, die ihm anbefohlene, oder sonst bey Gericht wahrgenommene Sachen, und Heimlichkeiten niemand eröfnen, dafür warnen, oder rathen, die Partheyen, wegen welcher er Amts halben handlet, über den gewöhnlich gesetzt- und gemäßigten Lohn nicht beschweren, sondern sich der Ordnung, und allenfallig- richterlicher Ermäßigung nach hierin halten, auch Seiner churfl. Durchl. und jeden Dero Ständen, Landsassen, und Unterthanen Rechten, Freyheiten, und Gerechtigkeiten, soviel solche sein Amt berühren, zum Besten handeln, darwider wissentlich nichtthun,
(12) und übrigens all anderes, was ihm von Amts wegen gebührt, oder befohlen wird, beobachten, darin niemand verschonen, weder Gab, und Schankung darum nehmen, noch Lieb, Forcht, Freundschaft, Feindschaft in keine Weis ansehen wolle, alles getreulich, und ohne Gefährde. Wollte jemand die Citation und Ladung nicht durch den gewöhnlichen Fronbothen, sondern durch einen immatriculirten Notarium verkünden lassen, stehet ihm solches frey, und sollen sodann sowohl dergleichen Notarii, als Fronbothen währender Verrichtung ihres Amts allenthalben in churfl. Geleit, Sicherheit, und Schirm seyn, mithin jene, welche sich mit Ungebühr an ihnen vergehen, ohnnachläßig, und gestalten Dingen nach, malefizisch gestraft werden.
Von Abwesenheit der Beamten und deren Vertrettung.
§. 10. Was in Cod. Crim. p. 2. cap. 1. §. 2. & 3. von Vetrettung der Beamten auf dem Fall der Abwesenheit, oder Hinternuß versehen ist, das soll auch in allen bürgerlichen Sachen tam voluntariæ, quam contentiosæ Jurisdictionis beobachtet werden.
Drittes Capitel.
Von dem Gerichtsproceß.
Was, und wie vielerley der Proceß seye.
§. 1. Die Wesenheit des gerichtlichen Proceß bestehet darin, das die strittige Sach vor behöriger Obrigkeit angebracht, mit genugsamer Vernehmung aller intereßirter Theilen der Nothdurft nach untersucht, durch richterlichen Ausspruch entschieden, und endlich derselbe auch zum Vollzug gebracht werde. Es wird solcher nach dem Unterschied der Personen und Sachen oder der Art zu verfahren auf vielerley Weis, hauptsächlich aber in Summarium, Ordinarium, & Summarissimum, dann in Possessorium, & Petitorium getheilt.
Wann, und wie der Ordinarius insonderheit Platz greift.
§. 2. Ordinarius Processus hat nicht statt in Gand- oder Concurssachen, oder wo die Capitalsumma im Werth nicht 50 fl. betragt, oder da ex leg. diffam. vel si contendat geklagt wird, oder in Sachen, welche laut folgenden 3ten §. summarissimè verhandlet werden, und endlich wo man das Summarium schon einmal angetretten hat, maßen nachhero das Ordinarium nur noch auf jenen Fall allein gestattet wird, wenn solches den 1ten Julii anno 1750. zwischen den streitenden Theilen schon wirklich angefangen worden ist, maßen ihnen hierin den Streit bis zu gänzlichen Ausgang fortzusetzen unbenommen bleibt. Außer jetzt specificirter Fällen hat der Kläger die Wahl, ob er gegen den Beklagten in Summario, oder Ordinario anbinden wolle, wenn er aber eins aus beiden einmal ergriffen hat, so ist ihm zu den anderen zu schreiten nicht mehr erlaubt, und soll im übrigen zwischen beiden kein anderer Unterschied mehr seyn, als welcher in diesem und nachfolgenden Capiteln besonders ausgedruckt ist.
Von dem Processu
Summarissimo, & Executivo.
§. 3. 1mo. Soll man in Kleinigkeiten, welche nicht 50 fl. in Capitali betragen, gar keinen, oder wenigist keinen schriftlichen Proceß, minder weitläufige Proben gestatten, sondern dieselbe gleich durch mündliche Verhör, oder Commißion in Güte zu heben, oder der Billigkeit nach, sonderbar da es unvermögliche
(13) Partheyen betrift, zu entscheiden trachten. 2do. In Sachen zwischen eheleiblichen Kindern und Eltern ist auf die nämliche Weis zu verfahren. 3tio. Hat es mit dem Possessorio momentaneo vel Summarissimo gleiche Beschaffenheit, und ist hievon unten §vo 5to das mehrere versehen. 4to. In offenbaren kündigen Frevlen, Vergwaltigungen und Attentaten, wie auch in Sachen das Policey und gemeine Wesen betreffend. Item in Bevormundung minderjähriger Personen, Ablegung hinterstelliger Vormundschaftsrechnungen, wie auch in Alimentations- und anderen dergleichen ohne Gefahr nicht leicht verschieblichen Dingen, nicht weniger in bloßen Incidentien und Nebensachen, welche die Hauptsach selbst nicht berühren, soll man ebenfalls ohne Schriftenwechsel lediglich in via commissionali mit summarischer Einsicht und abgekürzten Terminen, auch wo es auf einen Beweis ankommt, nach Maßgab des 9ten Capitels 4ten §vi, dann 10ten Capitels 3ten §vi verfahren, und was hierunter etwan einer mehreren Erörderung (!) bedarf, von dem Liquid- und unverschieblichen Absöndern, und gestalten Dingen nach per Processum separatum, oder mit der Hauptsache selbst ausführen lassen. 5to. Mag zwar in verbrieft- und liquiden Schuldfoderungen, woraus sowohl das Quantum, oder Quale, nebst der Person des Schuldners und Glaubigers genugsam erscheint, die Klag communicirt werden, man soll aber auch allzeit zugleich eine Commißion ad producendum Originale anberaumen, und wenn hierbey das Instrument weder diffitirt, noch durch andere rechtserheblich- und in continenti liquidirliche Einwendungen abgeleint werden kann, ohne weiteres zur Execution schreiten, und all übriges, was altioris indaginis ist, gleichwohl præstitâ cautione ad separatum processum verweisen.
Von dem Petitorio
und Possessorio plenario.
§. 4. Die Klag gehet entweder auf das Recht und Eigenthum der strittigen Sache selbst, oder nur auf bloßes Inhaben derselben. Erstenfalls heißt es Petitorium, anderenfalls Possessorium, und zwar, wenn nur von dem gegenwärtigen Stand der Posseßion, wie sich selber kurz vor entstandener Irrung befunden hat, eine summarische Einsicht genohmen wird, Possessorium momentaneum vel summarissimum, oder wenn auf die ältere Posseßion zuruck gegangen, und zugleich die Art, wie solche erlangt worden, ordentlich untersucht wird, Possessorium plenarium vel ordinarium. Von dem Momentaneo siehe §vum seq. 5tum. Das Possessorium plenarium und Petitorium hingegen betreffend, kann 1mo. jeder Kläger gleich anfänglich eins oder anderes allein, oder gestalten Dingen nach beedes zugleich cumultativè antretten. Und da nun 2do. das Possessorium plenarium allein anhanden genommen wird, als welcher außer der Grunddienstbarkeiten und anderen specialiter ausgenommenen Fällen regularitèr in allen Posseßionsklagen statt hat, so soll man 3tio. auf die zu bloßer Colorir- und Beschönigung des Inhabens beygebrachte petitorische Gründe, zumal jene, welche nicht gleich in continenti dargethan werden können, sondern altioris indaginis seynd, weder ein- noch andererseits attendiren, minder den Proceß dadurch aufhalten, im übrigen aber 4to. alle sowohl dilatorisch als peremptorische Exceptiones, soviel von den letzteren das Inhaben betrift, ohne Unterschied hierin zu lassen, sofort endlich 5to. mit Vorbehaltung des Petitorii, als welches sich zwar ohnehin allzeit stillschweigend darunter verstehet, lediglich in bemeldtem Possessorio plenario sprechen, mithin 6to. den obsiegenden Theil bey seinem erprobten Inhaben entweder beschützen und handhaben, oder wenn er solches noch nicht hat, gegen Leistung annehmlicher Caution in casum succumbentiæ einraumen. Maßen auch 7mo. vor ergangenen Bescheid jedem Theil nach Maßgab folgenden §vi II. 4. von der Posseßionsklag abzustehen, und das Petitorium zu ergreifen bevorstehet. Falls nun 8vo. jetztbemeldtes Petitorium entweder nach geendigtem Possessorio, oder gleich anfänglich allein vorgenommen wird, so soll hierunter auf die Fundamenta possessoria außer dem Fall, wo der Titulus, oder Grund der petitorischen Klag, oder Exception auf dem Herkommen, oder der Verjährung beruhet, gar nicht gesehen, vielweniger 9no. solchenfalls auf das
(14) Possessorium gesprochen, oder zu selbigen mit Verlaß- oder Suspendirung des angestellten Petitorii geschritten werden. In Spoliensachen, da die Entwehrung kündig oder leicht zu erweisen ist, hat 10mo. keine petitorische Klag wider den Entwehrten von Seiten des Entwehrers statt, bis das Punctum spolii gänzlich abgethan ist. Desgleichen kann 11mo. der in Possessorio obsiegende Theil weder vor gänzlicher Ausricht- und Vollziehung des hierin für ihn ergangenen Spruchs zur Einlassung in Petitorio wider Willen angehalten, noch 12mo. auf den Fall, da er in Petitorio unterliegt, zu Vergütung deren bis dahin verfallender Früchten, oder verursachter Streitskösten und Schäden, wo nicht mala fides in petitorio offenbar entdecket wird, condemnirt werden. Soviel nun 13tio. die Cummulirung des Petitorii und Possessorii plenarii betrift, hat zwar beedes unter sich keine Gemeinschaft, es soll aber gleichwohl den Partheyen weder in Erlang- noch Recupetir- oder Erhaltung der Posseßion das Petitorium wenigist alternativè & eventualiter, wenn anderst der nämliche Richter auch in beeden Competens, und annebens keins von beeden abgemacht ist, mit einzumischen verwehrt seyn, und im Fall nun dieses 14to. ohne ausdrücklicher Protestation ein- oder anderer Parthey geschiehet, so mag der Richter in ein- oder anderen, welches er am ersten von beeden instruirt findet, zwar allerdings sprechen, jedoch dergestalt, dass 15to. bey erfolgenden Spruch in Petitorio von dem Possessorio im Hauptwerk allzeit abstrahirt werde. Gleiche Bewandnuß hat es 16to. auf den Fall, wenn sich zwar weder aus dem Klaglibell, noch anderen Actis genugsam äußert, ob in Possessorio, oder Petitorio gehandelt worden. Dafern sich aber 17mo. über den ergangenen richterlichen Ausspruch selbst ein billigmäßiger Zweifel hierinfalls ergiebt, so ist die Muthmaßung pro Petitorio, im übrigen soll 18vo. in beeden durchgehends gleicher Modus procedendi beobachtet, auch 19no. alle Remedia Juris ordinaria in einem wie in dem anderen gestattet werden, folglich die in Possessorio ergangene Res Judicata an Ergreifung des Petitorii niemal hinterlich seyn. Und wenn 20mo. das Possessorium geendiget ist, soll man dem condemnirten Theil auf Anruffen der obsiegenden Parthey zur Klagstellung in Petitorio einen peremptorischen Termin sub pœna perpetui silentii präfigiren, nach ausgestrittenem Petitorio aber hat es 21mo. ein für allemal, ohne weiteren Proceß, dabey sein Bewenden.
Von dem
Possessorio momentaneo & summarissimo.
§. 5. Possessorium momentaneum vel summarissimum, Kraft dessen derjenige, welcher Jahr und Tag vor entstandener Irrung in ruhigen Besitz der strittigen Sache gewest zu seyn beweisen kann, so lang hierbey gehandhabt werden soll, bis in Possessorio plenario oder Petitorio ein anderes dargethan ist, hat zwar 1mo. regulariter in allen Sachen, mithin auch in Grunddienstbarkeiten, und anderen dergleichen Incorporalrechten, ausgenommen in Jurisdictionalien und Regalien, oder wo sonst ein ausdrückliches Verboth entgegenstehet, jedoch 2do. niemal anders Platz, als wenn das Inhaben sowohl auf ein- als andererseit strittig und zweifelbar, annebens 3tio. große Gefahr ob dem Verzug, oder Gewaltthätigkeit zwischen beeden Theilen zu besorgen ist. Zufoderist soll aber auch 4to. obbemeldt- jährliches Inhaben auf Seiten desjenigen, welcher darin beschützt zu werden verlangt, wenigist durch zwey unverwerfliche Gezeugen, oder sonstig liquid- und richtigen Beweis genugsam dargethan seyn. Wobey man 5to. in dem Proceß gestalten Dingen nach, entweder von Amts wegen, oder auf Anrufen, jedoch allzeit schleunigist, und mit möglicher Abkürzung desselben verfahren, folglich das erste Anbringen, oder Klag dem Gegentheil zwar communiciren, hierüber aber keinen Schriftenwechsel gestatten, sondern die Partheyen nur mündlich ad protocollum gegen einander vernehmen, und ihre vermeynte Behelf produciren lassen soll. Der Beweis durch lebendige Gezeugschaft soll 6to. wie in anderen Causis summarissimis nach Maßgab des 10ten Capitels 3ten §vi geführt, und das nämliche 7mo. mit dem Gegenbeweis allenfalls beobachtet, sofort auch alle, was 8vo. sowohl excipiendo, als interveniendo, oder sonst hierunter eingebracht wird, und
(15) etwan altioris indaginis, und aufzüglich ist, alsogleich separirt, und ad Possessorium plenarium vel Petitorium verwiesen werden. Sofern nun 9no. einem Theil das Inhaben in Possessorio summarissimo zuerkannt worden ist, so stehet dem andern Theil frey, ob er gleich unmittelbar in Possessorio, oder aber in Possessorio plenario, wenn anderst die Causa nicht davon ausgenommen ist, Klag stellen wolle. Doch soll 10mo. der obsiegende Theil hierauf zu antworten eher nicht schuldig seyn, bis dem Spruch in Summarissimo gegen Caution ein vollkommenes Genügen geschehen ist. Und da auch derselbe 11mo. in Petorio vel Possessorio unterliegt, so restituirt er gleichwohl die bis dahin verfallene Früchten, und verursachte Kösten, oder Schäden nicht, es seye denn, daß er bey dem weiteren Proceß in mala fide gewesen zu seyn befunden worden. Nach bereits incaminirtem Possessorio plenario vel petitorio kann 12mo. nichts destoweniger das Summarissimum suppositis supponendis vor dem Beschluß der Sache allzeit noch an Hand genommen werden, welchenfalls man auch das letztere vor all anderen fest zu setzen, und durch den Proceß in der Hauptsache nicht hintern zu lassen hat. Der in Summarissimo gemachte Beweis mag ferner 13tio. denen Partheyen auch in Possessorio plenario aut petitorio, soweit dahin er gehet, zum Behuf dienen, doch sollen solchenfalls die Gezeugen, wenn sie noch bey Leben seynd, auf Begehren ein- oder anderer Parthey nochmal und ordentlich verhört, wie nichtweniger weitere Production sowohl von neuen Gezeugen, als anderen Beweisthum zugelassen werden. Hat aber 14to. kein Theil in Summarissimo das ruhige Inhaben von Jahr und Tag vor erhobenen Zweytracht genüglich dargethan, oder seynd etwan die Proben auf beeden Seiten gleich, so soll man sie ad Possessorium plenarium vel petitorium verweisen, und bey andaurender Gefahr, oder besorglicher Thätlichkeit einsweilen die Sequestration der strittigen Sache vorkehren. Fallt endlich 15to. der Zweifel vor, ob in Possessorio plenario oder momentaneo gesprochen worden seye, und will solches ex actis nicht genugsam erscheinen, so soll man das erste dafür halten. Und übrigens 16to. nach geendigtem Summarissimo dem verlustigen Theil auf Anruffen des Obsiegenden einen peremptorischen Termin sub pœna præclusi zu Ergreifung des Possessorii ordinarii, oder petitorii anberaumen.
Wer Proceß führen könne.
§. 6. Für Gericht kann jeder sowohl activè als passivè stehen, der seiner selbst mächtig, und auch sonst keiner rechtmäßiger Ausstellung, oder Bedenklichkeit hierinfalls unterworfen ist, insonderheitaber soll man weder churfl. Beamte in Causis Domini, noch Städt und Märkt, welche dem rentmeisterischen Umritt untergeben seynd, zum Proceß kommen lassen, wenn nicht jene den cameral- und diese den rentmeisterischen Consens beybringen, welcher jedoch ohne sonders erheblicher Ursache weder versagt, noch aufgehalten, und in Sachen, welche keinen Verschub leiden, oder sonst ad Summarissium qualificirt seynd, nicht erfodert werden solle.
Was vor dem Proceß zu beachten.
§. 7. Jeder Kläger soll sich vor Anfang des Proceß wohl bedenken, und das Seinige in Güte zu erlangen best- möglichsten Fleiß anwenden, in Entstehung deren aber sich bey Rechtsverständigen mit wahrhaft- und unverdunkleter Erzählung der Geschichte und aller Umstände Raths erholen, welches auch der Beklagte seines Orts ebenfalls zu beobachten hat.
Von arm- und unvermöglichen Partheyen.
§. 8. Bey unvermöglichen Partheyen, welche zum Armenrecht gelassen werden wollen, soll sich die Obrigkeit zufoderist ihres Zustands erkundigen, und sie dem Befund nach schwören lassen, dass sie in dieser Absicht von ihrer
(16) Hab nichts veräußert, oder vergeben haben, oder vergeben wollen, auch da sie wiederum zu Kräften kommen wurden, gebührliche Ausricht- und Zahlung thun werden. Præstito Juramento sollen sie nicht nur aller Gerichtsgebühren enthoben, sondern auch der Advocat, oder Procurator denenselben gratis zu dienen schuldig seyn, es seye denn, daß ihn der Handel unrecht zu seyn bedunkt, und er solches mit einem Eid zu erhärten getrauet, welchenfalls er des Beystands entlediget seyn soll. Man soll auch dergleichen Partheyen auf befundenen Muthwillen am Leibe strafen.
Von dem Anfang, Fort- und Ausgang des Streits.
§. 9. Der Anfang des Streits wird zwar 1mo. in Ansehen des Richters um das Jus præventionis gegen andere Obrigkeiten zu bewirken von Zeit der Vorladung angerechnet, zwischen den Theilen selbst aber fangt derselbe von der Zeit an, da sie sich in der Hauptsache miteinander einlassen. Unnöthige Aufzüg sollen hierin 2do. nicht nur nicht geduldet, sondern vielmehr, wo man eine Geflissenheit hierunter verspührt, sowohl die Partheyen als Advocaten, und Unterrichter empfindlich hierum gestraft werden. Auf Absterben einer Parthey ist 3tio. eine Citation ad reassumendum Processum nicht nöthig, sondern die Gegenparthey zeigt den Todfall an, benennt zugleich den Successorem, und wird in Processu weiter gegen ihn fortgeschritten, es seye denn, daß er sich aus erheblichen Ursachen nicht einlassen will, welchenfalls in der Hauptsache solang still gestanden wird, bis die Präliminarfrag ausgemacht ist. Der Streit wird theils durch Bescheid, Vergleich, Compromiß, theils durch gutwilligen Abstand, oder Verjährung geendiget. Von den ersten dreyen, siehe unten cap. 14. & 17. §. 1. & 2. Soviel den Abstand von der Action, oder dem Streit betrift, stehet solcher 4to. jedem Theil, sofern nur die Gegenparthey dabey beruhiget ist, sowohl vor, als nach der Kriegsbefestigung bis zum Endsbescheid frey. Durch die Verjährung aber hört 5to. der Streit auf, wenn von der Zeit des in dem strittigen Punct vorgegangenen letzten Judicialact vierzig Jahr verflossen seynd, ohne daß sich ein oder andere Parthey bey Gericht hierunter mehr gemeldet hat.
Beobachtung gegenwärtiger Proceßordnung.
§. 10. Gegenwärtige Proceßordnung soll in hiesigen Churlanden von jedermann ohne Unterschied, es betreffe gleich In- oder Ausländer durchgehends beobachtet werden. Immaßen Ihro churfl. Durchl. selbst, wie all anderen, also auch in Dero eignen Sachen der Gerechtigkeit nicht nur ihren graden ordnungsmäßigen Lauf lassen, sondern auch dieselbe dergestalt befördert wissen wollen, daß sich niemand hierüber mit Fug zu beschweren Ursach haben soll.
Viertes Capitel.
Von gerichtlichen Klagen, Klaglibellen, und andern sowohl mündlich, als schriftlichen Anbringen.
Was, und wie vielerley die Klag seye.
§. 1. Die Klagen oder Actiones, wodurch man das, was jedem von Rechts wegen wirklich zustehet, in dem Weg Rechtens zu erlangen sucht, werden zwar theils nach dem Unterschied des Rechts, worauf sie sich gründen, theils nach ihrem Endzweck und Gegenstand, theils auch nach der Natur des Geschäfts selbst, und sonst anderer Ursachen halber, auf verschiedene Weis eingetheilt, und benamset. Wovon aber überhaupt nur folgendes alhier zu bemerken ist.
(17) Ob, und wie die Actiones auf die Erben gehen.
§. 2. Auf Seiten des Klägers gehen 1mo. alle Actiones ohne Unterschied auf die Erben, und zwar, wenn derselben mehr seynd, auf jeden nach Maß seiner Erbportion, ausgenommen, wenn sie 2do. durch Gesatz oder Geding auf des Erblassers Person allein eingeschrenkt seynd. Auf Seiten des Beklagtens gehen 3tio. die Realactionen gegen seine Erben nur so weit, als sie im Inhaben der Sache seynd, oder wenigist denen Rechten nach für Inhaber geachtet werden. Persönliche Klagen rühren entweder von Contract oder Verbrechen her. Jene erstrecken sich 4to. ohne Unterschied auf des Beklagtens Erben, ausgenommen, da durch besondere Rechten oder Geding, Maß und Ziel gesetzt ist, oder, wo das Factum, welches der Erblasser zu prästiren gehabt hat, sein bloßes Personale betrift. Anderer Klagen halber, welche aus peinlichen Verbrechen erwachsen, bleibt es 5to. bey dem Cod. Crim. part. 1. cap. 1. §. 41. Soviel aber 6to. die in das Criminale nicht einschlagende Verbrechen belangt, soll man dahin sehen, ob der Krieg mit dem Erblasser schon befestiget gewest, oder nicht, erstenfalls haften die Erben soweit, als es nicht auf Leib und Leben gehet, anderenfalls aber nur soweit, als ihnen von des Erblassers Verbrechen zu guten ergangen ist.
Wie die Actiones erlöschen.
§. 3. Alle Actiones erlöschen von der Zeit an, da sie hätten gestellt werden mögen, regulariter mit 30 Jahren, wo keine länger- oder kürzere Zeit besonders bestimmet ist. Nach Ablauf deren, greift die Klag, unter dem Vorwand, daß der andere Theil gute Wissenschaft davon gehabt hat, nicht mehr Platz, es seye denn zu erweisen, daß man die ganze Zeit über an der Klag gehindert, oder der Gegentheil ermahnt worden. Uebrigens ist eines, ob die Klag von sich selbst erlöscht, oder durch eine standhafte Einred entkräftet werde.
Ob man zur Klag gezwungen werden möge.
§. 4. Wer nicht besonderer Pflichten halber zur Klag verbunden ist, soll auch nicht dazu angehalten werden, außer, da man ex lege diffamari rechtlich dahin ausgefodert wird.
Von der Klag ex lege diffamari.
§. 5. Bey der Klag ex lege diffamari ist 1mo. das Judicium diffamatorium von dem Judicio causæ principalis, wohl zu unterscheiden, und wie nun jenes nur die Vorbereitung von diesem ist, so muß auch 2do. der diffamirte Theil, welcher in dem ersten die Stell des Klägers zu vertretten hat, seine Klag nicht vor dem Richter des Diffamantens, sondern dort, wohin die Hauptsache selbst gehörig ist, gebührend incaminiren, und 3tio. die angebliche Diffamation, falls solche widersprochen wird, wenigist summarie beweisen, mithin soviel darthun, daß er von seinem Gegner und Wort oder, Werk, entweder an seiner Ehr, oder an Gütern, Rechten und Gerechtigkeiten auf nachtheilige Weis angegriffen worden sey. Welchenfalls auch 4to. der Diffamant zur Klagstellung in der Hauptsache selbst mit Anberaumung eines peremptorischen Termins, und unter Androhung ewigen Stillschweigens angehalten, wie nicht weniger 5to. ein gleiches beobachtet werden soll, wenn derselbige in Judicio diffamatorio nicht erscheint, oder Ausflüchten sucht, und unerhebliche Einwendungen macht. Dafern sich aber 6to. der Diffamant im wirklichen Besitz des angerühmten Rechts befindet, so mag er auch ex lege diffamari zur Klag in der Hauptsache nicht ausgefodert werden, sondern der vermeyntliche Diffamatus ist vielmehr selbst dahin an- und in mehr bemeldtem Diffamatorio abzuweisen.
(18) Von der Klag ex lege si contendat.
§. 6. Es geschiehet vielmal, daß der Kläger seine Klag mit Fleis, oder aus Langmuth solang verschiebt, bis der Beklagte, oder seine Erben aus Unwissenheit, oder anderen Zufällen um ihre rechtmäßige Exceptiones kommen. In solchen Fällen mag vor behöriger Obrigkeit begehrt werden, daß der säumige Kläger zu Verhütung besorglichen Schadens angehalten werde, um sich über die ihm entgegenstehende peremtorirische (!) Exceptiones zu dem Ende vernehmen zu lassen, damit über deren Statthaftigkeit erkennet werden möge. Und da nun der Gegentheil weder gegen diese Klag selbst etwas erhebliches einzuwenden, noch die vorgebrachte Exceptiones replicando abzuleinen vermag, oder gar ungehorsam ist, so soll man ihm alsofort ein ewiges Stillschweigen aufladen. Dahingegen, wenn die Exceptiones von dem Anbringer nicht genugsam bewiesen, oder per Replicas entkräftet seynd, sollen sie zwar verworfen, und unstatthaft erklärt, jedoch solchenfalls im Hauptwerk selbst eher nicht gesprochen werden, bis gleichwohl von dem provocirten Theil ordentlich geklagt wird, immaßen ihm dieses statt der abgefoderten Replic zu thun, und der Klag dadurch auszuweichen ohnehin bevorstehet.
Innerliche Requisita eines Klaglibells.
§. 7. 1mo. Soll in dem Klaglibell, sowohl der Richter, als Kläger und Beklagte, und da derselben mehr seynd, jeder specificè benannt seyn. 2do. Ist die Geschicht rein, deutlich, und kurz, jedoch mit Anführung all- erfoderlicher Umständen vorzutragen. Desgleichen auch 3tio. nach Beschaffenheit jeder Klag der Grund, worauf selbe hauptsächlich beruhet, zu Latein: Causa petendi, & medium concludendi anzuführen. 4to. Muß das Petitum so eingerichtet werden, daß es sich nicht nur auf die Geschicht, und den Grund der Klag wohl schickt, sondern auch was, wieviel, und von welcher Gattung die eingeklagte Sach seye, genugsam daraus ermessen werden möge. 5to. Soll kein mehrers, als was der Grund der Klag ausweiset, begehrt, und all- geflissener Exceß hierinfalls mit Verwerfung der Klagschrift, Aufseilung (!) der Kösten, und anderer willkührlicher Straf angesehen werden. 6to. Hat der Richter alles, was der Klag ihrer Eigenschaft nach anhängig ist, allzeit von Amts wegen zu ersetzen, mithin auch der Kösten, Schäden, Zinsen und Früchten halber, wenn schon in dem Petito davon abstrahirt werden, das nämliche zu beobachten.
Von Benennung der Action.
§. 8. Den eigentlichen Namen der Klag, zu Latein: Genus actionis ist der Kläger anzugeben nicht schuldig, weil der Richter solches selbst schon aus der Geschicht, dann dem Medio concludendi, und Petito erkennet, mithin auch allzeit die dem Kläger am meisten nutzlich- und auf das Petitum schicklichiste Action zu erwählen hat, wenn gleich dieselbe gar nicht, oder etwan eine andere unschickliche Action benamset worden wäre. Dafern aber aus der Klag nicht einmal das rechte Objectum zu erkennen, oder das Petitum so unschicklich ist, daß nach denen vorausgehenden Narratis gar keine Action darauf gehet, so soll man Klägern gleich von Amts wegen ab- und zur Stellung einer förmlichen Klag anweisen.
Von Cumulirung der Actiones.
§. 9. Mehrley Actiones, welche entweder unterschiedliche nicht miteinander zu verhandlende Sachen, oder unterschiedliche in keinem Litis consortio stehende Partheyen betreffen, sollen in einem Klaglibell niemal vermischt, sondern gleich abgesöndert, und auch zu Verhütung aller Confusion besonders registrirt werden. Falls aber jemand mehr Actiones, welche einerley Ursprung haben, gegen einer Parthey hat, so mag er solche zwar in einem Klaglibell
(19) zusammen nehmen, es seyen denn selbe einander widersprechend, oder präjudicial, oder so beschaffen, daß eine durch Erwählung der anderen aufgehoben wird, welchenfalls sie entweder gar nicht, oder höchstens nur alternativè, und in subsidium cumulirt werden mögen.
Aeußerliche Form der Klag.
§. 10. Bey Gerichten, wo keine offentliche Audientien, oder Verhören üblich seynd, soll man 1mo. die Klag, oder das erste Anbringen schriftlich, in deutscher Sprach, leserlich, correct, und in Processu ordinario doppelt übergeben, auch all unnöthig- unwahrhaft- ungebührlich- oder zweydeutige Anzüg, wie auch geflissene sub- & obreptiones bey willkührlicher Straf unterlassen. Sigelmäßigen Personen ist 2do. vergönnt, die Klag verschlossen unter eigner Handunterschrift und Petschaft einzureichen. Wohingegen 3tio. all übrige in offener Form einlangen, und die Klag nicht nur selbst, sondern auch durch einen recipirten Advocaten, oder bey Untergerichten durch einen Procuratoren mit-unterzeichnen lassen sollen, welcher aber zugleich allzeit den für die Schrift, oder Unterzeichnung empfangenen, oder restirenden Tax bey willkührlicher Straf vorzumerken hat. Außenher ist 4to. sowohl die offen- als verschlossene Klag zu rubriciren, folglich des Gerichts, dann beeder Partheyen, und der Sach selbst mit kurzem Erwehnung zu thun. Seynd endlich 5to. Beylagen mitzuübergeben, so soll man sie numeriren, die Numeros sowohl in dem Context, als der Rubrick anziehen, und die in ausländischer Sprach gefaßte Originalia durch Sprachverständige übersetzt einreichen.
Von dem Libello simplici & articulato.
§. 11. Libellus simplex ist, da man die Klag mit summarischer Erzählung der Geschichte in einer Ordnung und Connexion vortragt; Articulus, da die Klag mit dem Wort: ja und wahr in gewisse Absätz und Artickel gebracht wird. Wie nun die letzte Art zu libelliren in hiesigen Churlanden nur quò ad ordinarium bishero gebräuchig gewest, so soll es ferner dabey bleiben, wobey man aber nicht nur all obiges, was §vis præced. geordnet worden, wohl beobachten, sondern sich auch in Articulis aller Zweydeutigkeiten, Captiositäten, auch undienlich- und zur Sache nicht gehörig- oder gar contradictorischer Sachen enthalten, verschiedene Umstände nicht in einem Artickel zusammenfassen, sondern in mehr Artickeln vertheilen, und endlich nur auf das, was Facti ist, articuliren soll, außer, da das Jus auf unbekannten Localstatuten, oder Herkommen beruhet. In Summario hingegen soll man nur simpliciter libelliren, wobey jedoch dem Kläger unbenommen ist, seine Klag gestaltendingen nach punctatim zu fassen, oder auch Beweisartickel mit zu überbringen, damit der Gegentheil gleich anfänglich sub pœna confessi darauf zu antworten angehalten werden möge.
Abführung der Beweis in der Klag, wie auch von Allegationen und Responsis Juris.
§. 12. Beruhet die Geschicht der Klag auf brieflichen Urkunden dergestalt, daß der ganze Streit ohne anderen Beweis dadurch gehoben werden mag, so soll der Kläger sothane Brief gleich mit der Klag übergeben, und allenfalls durch Verwerfung des Klaglibells, oder sonst dahin angehalten werden. Im übrigen mögen sich die Theile in ihren Klag- und anderen Schriften zwar wichtiger Allegationen bedienen, nichtweniger Responsa Juris beybringen, doch sollen sie sich hierunter aller Falschheiten, unnöthiger Weitläufigkeiten, und abgeschmackter Trivialien bey willkührlicher Straf, und Zuruckgab der Schrift enthalten, die Consilia aber sollen nur pro informatione dienen.
(20) De
emendatione, mutatione, & clausulis libelli.
§. 13. Will der Kläger an seiner Klag im Hauptwerke etwas abänderen, so soll solches noch vor der Kriegsbefestigung geschehen, nachhero aber andergestalt nicht mehr statt haben, es seye denn, daß ein ganz neues Klaglibell übergeben, und der Gegentheil seines vergeblichen Köstenaufwands indemnisirt werde. Im übrigen ist der Richter sein Amt auch ungebettener zu thun schuldig, und soll demnach auf die sogenannte Clausulam salutarem weiter nicht gesehen, denen anderen Clausulen aber gleichfalls keine mehrere Kraft, als was denenselben von Rechts und Gewohnheits wegen zukommt, beygemessen werden.
Von Uebergab, Präsentir- Einschreib- dann Retrahir- und Reexhibirung der Klag.
§. 14. Die Klag soll nach der Uebergab bey Gericht gleich auf den nämlichen Tag, Monat und Jahr präsentirt, und in das Protocollum rerum exhibitarum, wo dergleichen üblich, eingetragen werden, auf selbiges Begehren der Parthey aber, soll man weder das Exhibitum, zumal nach beschehener Communication, noch die Beylagen, außer der Originalien, ohne erheblicher Ursache mehr zuruckgeben, auch was davon ab Actis verlohren gehet, alsogleich wiederum reexhibiren lassen.
Von den übrigen Schriften, mündlichen Vorträgen, Recessen und Protocollen.
§. 15. Was sowohl im nächst- vorhergehenden, als obigen §vo 10. von Klagschriften verordnet worden, soll auch bey all- übrigen gerichtlichen Schriften beobachtet werden. Mündliche Klagen und Handlungen sollen fleißig protocollirt, und wo man von Amts wegen verfahrt, von der Obrigkeit selbst, in Partheysachen aber von ihnen, oder ihren Procuratoren und Advocaten von Mund aus in die Feder dictirt, alle unnöthige Weitläufigkeit und ungebührliche Anzüg bey Straf hierin vermieden, endlich das Protocoll von sammentlichen Theilen, oder ihren Vertretteren unterzeichnet, und alle, welche von Seiten des Gerichts gegenwärtig gewest, samt dem Tag, Monat und Jahr, wann das Protocoll gehalten worden, darin vorgemerkt werden, immaßen die Rentmeister bey ihrem Umritt hierauf Obacht zu geben, und die dießfalls befindende Mängel alsofort gebührend abzustellen haben.
Wer in Zweifel für den Kläger zu halten.
§. 16. Wenn Zweifel ist, wer von beeden Theilen für den Kläger oder Beklagten zu halten seye, wie es vielmal geschiehet, wenn beede gegen einander Beschwerden führen, so soll in solchen Fällen jener, der sich am ersten meldet, für den Kläger zu achten seyn. Dafern alle beede zugleich mit ihrer Klag erscheinen, so soll der Zweifel durch das Loos entschieden werden.
Von offenbar ungegründeten Klagen.
§. 17. Erscheint der Ungrund der gestellten Klag gleich aus des Klägers eigenen Narratis, oder ist etwan die Sach vorhin abgeurtheilt, oder judicialiter verglichen, und bezeigt sich auch solches ex retro actis, so soll der Kläger gleich ohne Communication der Klag von Amts wegen abgewiesen, und weiter nicht mehr angehört werden, bis er nicht erstenfalls seine Klag besser begründet, und anderenfalls wahrscheinlich darthut, daß ihm res judicata vel transacta, für seine Person niemal betroffen habe.
(21) Fünftes Capitel.
Von gerichtlichen Citationen, Communicationen, und Mandaten, dann derselben Insinuation- und Contumacialhandlungen.
Was und wie vielerley die Citation sey.
§. 1. Der Beklagte soll bey Vermeidung unheilbarer Nullität über die Klag, oder gegentheiliges Anbringen gehört, und zu dem Ende bey Gericht fürgeladen werden, welches theils mündlich, und schriftlich, theils durch offentlichen Verruf, und Anschlag, oder zuweilen gar durch persönlichen Arrest zu Latein: verbaliter, edictaliter, realiter, und zwar entweder unmittelbar, oder mittelbar, durch Requisition, und Compaßschreiben in subsidium bewerkstelliget wird.
Von der Verbal- Real- und Subsidialcitation.
§. 2. Mündliche Vorladung ist 1mo. durch den Gerichtsbothen nur gegen gemeine Leut, wie auch in Kleinigkeiten, oder in Policeysachen, und Causis Disciplinaribus, aut Criminalibus üblich. In all übrigen Sachen soll selbe 2do. schriftlich, und zwar, wenn es eine Siegelmäßige Person ist, durch verschlossenen Befehl, oder Schreiben, gegen andere aber per Signaturam, oder offentliche Amtszettel geschehen. Die Realcitation, da man jemand persönlich anhalten, und für Gericht bringen läßt, hat 3tio. in Civilsachen nur statt, wo periculum fugæ, oder Citatus beständig ungehorsam ist. Im Fall auch 4to. der vorzuladende Theil nicht unmittelbar unter dem Gerichtszwang stehet, sondern unter einer anderen Obrigkeit wohnt, oder Forum privilegiatum hat, so wird die Citation durch Requisition, und Compaßschreiben, oder wenn es eine niedere Obrigkeit ist, durch Befehl an dieselbe verfügt.
Von der Edictalcitation.
§. 3. Die Edictalcitation wird erkannt 1mo. gegen Vaganten, oder Abwesende, wenn man den Ort ihres Aufenthalts nicht weis, oder sich selbe außer Land befinden. 2do. Gegen Glaubiger in Concurssachen. 3tio. Gegen unbekannte Erben, wenn der Fiscus die Verlassenschaft des Verstorbenen, als vacant anspricht. 4to. Wenn die um Verschaffung ersuchte Obrigkeit sich der Citation ohne rechtserheblicher Ursache weigert, und was dergleichen Fälle mehr seynd, worin jedoch allzeit nöthig ist, daß die Citation an offenen Orten, damit es jedermann sehen, und lesen kann, angeschlagen, und ein längerer Termin wenigist von zwey Monaten anberaumt, oder wie auf dem Land gebräuchig ist, drey Sonntage nacheinander in der Pfarrkirche vor versammleter Gemeinde ablesen, und verkünden, auch auf den Fall, da die Obrigkeit wahrscheinlich muthmaßet, daß der Citandus sich an ein- oder anderen Orten aufhalten möchte, der offentliche Anschlag entweder aldort, oder wenn dieses nicht thunlich ist, in der Nachbarschaft verfügt werde.
Requisita Citationis.
§. 4. Eine förmliche Citation erfodert (!) folgende Stücke: 1mo. Muß man sowohl den Richter, als Kläger, und Beklagten, oder wenn derselben mehr seynd, sammentliche daraus erkennen, außer soviel den in §vo. præced. 3. num. 2. & 3.
(22) bemerkten Casum betrift. 2do. Wo keine gewiß- und gewöhnliche Gerichtsstelle vorhanden ist, soll man auch des Orts darin Erwehnung thun. 3tio. Ist ferner in Partheysachen, worin nicht von Amts wegen verfahren wird, allzeit die Ursach der Citation zu melden, und wenn die Klag bereits schriftlich übergeben ist, selbe der Vorladung in gleichlautender Schrift samt allen Beylagen einzuverleiben, sofort endlich 4to. eine gewisse Zeit zu bestimmen, inner welcher sich der Citirte bey Gericht stellen, oder verantworten soll.
Aeußerliche Form der Citation in ordinario.
§. 5. In Ordinario wird die Citation sowohl an den Kläger, als an den Beklagten dahin erkannt, daß sie beede den nächsten Gerichtstag durch gevollmächtige Anwäld erscheinen, ihre rechtliche Nothdurft bestellen, und ausführen, all folgenden Gerichtstagen und Terminen, bis zu gänzlichen Austrag der Sache abwarten, und die Gebühr beobachten sollen.
Von Communicationen und Mandaten.
§. 6. Jetzt-bemeldte Citationsformel ist in Summario nicht gebräuchig, sondern hierin wird entweder die Klag dem beklagten Theil unter Anberaumung eines gewissen Termins zu seiner Verantwortung, und Exception communicirt, oder es wird gleich à Præcepto vel Mandato angefangen, folglich dem Beklagten etwas zu thun, oder zu unterlassen aufgetragen, welches auch gestalten Dingen nach bald mit der Clausul: Wenn die Sach angebrachtermaßen beschaffen, bald aber ohne derselben, und zwar letzterenfalls allemal mit Anhängung einer gewissen Geldstrafe, oder anderer scharfen Bedrohungen geschehen soll.
Von Mandatis sine Clausula.
§. 7. Obschon Mandata sine Clausula obgedachte Clausulam allzeit stillschweigend in sich halten, mithin dem Beklagten seine rechtliche Nothdurft dagegen vorzubringen, und welchergestalt das Mandat nur sub- & obreptitiè erschlichen, oder sonst denen Rechten nach nicht beständig seye, summariè darzuthun unbenommen ist; so soll doch sothane Clausul in Fällen, wo Unterthanen gegen Herrschaften, und Obrigkeiten klagen, nicht leicht, in anderen Fällen aber nur alsdenn unterlassen werden, wenn die Narrata supplicæ einigermaßen bescheiniget seynd, und annebens ein ganz offenbar- unrecht- und auf keinerley Weis justificirliches Factum obhanden, oder die Sach so beschaffen ist, daß das gemeine Wesen darunter leidet, oder Gefahr halber keinen Verschub gestattet, in welchen Fällen die Clausul unterbleiben, sofort in möglicher Kürze summarillimè verfahren, und was den Proceß hierin aufhalten mochte, gleichwohl zur besonderen Ausführung verwiesen werden solle.
Insinuirung der Citation.
§. 8. Dem Kläger liegt 1mo. ob, die ausgewirkte Citation, Communication, oder andere Verordnung dem Beklagten durch sichere Bestellung gebührend insinuiren, und verkünden zu lassen, also, und dergestalt, daß ihm 2do. die Insinuation selbst unter Augen, oder da er in seiner Wohnung nicht anzutreffen ist, seiner Eheconsortin, erwachsenen Kindern, oder Domestiquen geschehen soll, wenn gleich der Streit nicht soviel die Person, als dessen Güter oder Hofmärchen betreffen wurde. Bey verschlossener Thür mag 3tio. die Citation in Gegenwart zweyer beygeruffener Gezeugen, entweder an das Hausthor genagelt, oder mündlich offentlich verkündet werden. Bey der Edictalcitation aber vertritt 4to. der offentliche Anschlag die Insinuation. Unvertheilten Erben soll man 5to. die Einlieferung an dem Ort thun, wo die Erbschaft liegt, oder der Erblasser zur Zeit seines Absterbens bewohnt
(23) gewest. Seynd aber die Erben bereits vertheilt, so muß 6to. die Insinuation jedem besonders, oder dem gemeinschaftlichen Anwald, wenn sie dergleichen schon haben, beschehen, und also soll es auch auf dem Fall, wo mehr Litis Consortes seynd, beobachtet werden; ferner soll man 7mo. ganzen Gemeinden, Handwerkszünften, Städten, und Märkten, Stiften, Klöstern, Kindern, Bevormundeten, oder Abwesenden die Insinuation bey ihren respectivè Gemeinden, und Handwerksführern, amtierenden Burgermeistern, Stiftsdechanten, Klosterportnern, Eltern, Curatoren, und Mandatariis verrichten lassen. Damit auch gedachte Insinuation desto leichter zu beweisen, und zu bewerkstelligen seye, so soll 8vo. der Citirte bey 3 Rthlr. Straf, und anderer Ahndung ein eigenhändig-unterschriebenes Recipisse, wenn eines von ihm begehrt wird, unweigerlich ausstellen, und falls die Partheyen in loco Judicii nicht wohnhaft seynd, so soll 9no. der Kläger gleich mit der Klagschrift, und der Beklagte mit der Antwort bey 3 Rthlr. Straf einen Anwald ad Acta bestellen, damit ihme sofort Insinuanda insinuirt werden mögen. Verpflichtete Gerichtsbothen aber sollen 10mo. ordentliche Bücher darüber halten; den Tag, Monat, und Jahr der beschehener Insinuation, samt der Anmerkung, wie, wo, und wem solche geschehen seye, fleißig einschreiben, und da sie etwan des Schreibens nicht kündig, durch eine andere verpflichtete Person einschreiben lassen. Notarii sollen sich 11mo. mit der Insinuation verhalten, wie bereits oben Cap. 2. §vo. 6. deutlich vorgeschrieben ist, inmaßen hierinfalls 12mo. sowohl dem Notario auf sein ausgestelltes Instrument, als dem verpflichteten Gerichtsbothen auf seine gerichtlich-erstattete Relation, auch ohne specialen Eid soweit geglaubt wird, 13tio. das Widerspiel entweder klar bewiesen, oder wenigist per Juramentum purgatorium erhärtet werden muß, welch-letzteres jedoch nur auf den Fall statt hat, wenn die Insinuation nicht dem Citato selbst unter Augen, sondern nur in Abwesenheit zu Haus geschehen ist, oder gegen die Aussag des Bothens starke Muthmaßungen obwalten.
Wirkung insinuirter Citation.
§. 9. Die Wirkung von erkannt- und insinuirter Citation ist 1mo. daß dadurch die Jurisdiction auf Seiten des Richters gegen andere etwan concurrirende Obrigkeiten in selbiger Sach prävenirt wird. 2do. Auf Seiten des Citati mala fides daraus entstehet. 3tio. Derselbe sogar auf jenen Fall, wenn er gleich selbigen Richter pro incompetente ansieht, wenigist cum Protestatione Red und Antwort geben, sich auch dessen sub poena contumaciæ nicht weigeren soll, ausgenommen, wo die Incompetentia kund, und offenbar ist, welchenfalls zwar Citatus weder zu antworten, noch zu erscheinen verbunden ist, doch soll er auch in diesem Fall bey willkührlicher Straf weder die Citation spöttisch, oder schimpflich tractiren, noch der Obrigkeit selbst, oder dem Bothen auf solche Weis begegnen, sondern das Richteramt allzeit in behörige Obacht ziehen, und die vermeynte Incompetenz in gebührlichen Terminis anzeigen.
Wie gegen Ungehorsame verfahren werde.
§. 10. 1mo. Seynd unterschiedliche Weg, worin gegen Ungehorsame, welche inner den präfigirten Termin weder erscheinen, noch dem richterlichen Auftrag ohne ehehafter Hinternuß nachkommen, auf Anruffen des Gegentheils verfahren zu werden pflegt, und zwar auf Seiten des Beklagten wird demselben entweder ein Geldstraf gesetzt, oder Lis pro negativè contestata gehalten, oder die Klag für liquid, und bekannt angenommen, mithin der Beklagte zugleich definitivè condemnirt. In dem ersten Contumacialweg soll 2do. eine ergiebige Geldstraf von 6. 12. 24. und mehr Thaler à Proportion des Vermögens dictirt, solche bey fortdaurenden Ungehorsam allzeit duplirt, und durch Pfändung, oder Personalarrest samst denen verursachten Kosten executivè beygetrieben, sofort die Helfte sothaner Straf der Gegenparthey, die andere
(24) Helfte aber dem Richter zugetheilt werden. In zweyten Weg soll man 3tio. dem Kläger ad probandum zulassen, sowohl mit den Terminen, als sonst dem Proceß gemäß verfahren, und nach gemachter Prob den Beklagten nicht nur in der Hauptsache, sondern auch in alle Gerichtskösten condemniren, bey ermanglender Prob aber denselben zwar in der Hauptsache absolviren, ihm jedoch die durch seinen Ungehorsam verursachte Kosten allzeit aufladen, immaßen derselbe auch auf den Fall, wenn er nach der Hand in Decursu Processus mit seiner Nothdurftsbeobachtung erscheint, zu Abtragung verstandener Kosten, wie auch zur Annehmung der Causæ in statu quo allzeit verbunden ist. Der dritte Weg hat 4to. nur in Fällen Platz, wo sich die Klag lediglich auf briefliche Urkunden begründet, und aus denselben allein ohne anderen Beweis entscheiden läßt; auf Seiten des Klägers hingegen wird 5to. die Contumacia folgendermaßen bestraft, daß man ihn entweder zur Klag nicht eher wiederum zuläßt, bis er dem Gegentheil die verursachte Kosten gutgemacht, und Caucionem de lite prosequenda prästirt, oder daß man den Beklagten zum Beweis seiner Exception kommen laßt, und wenn selber gemacht ist, ihn in der Hauptsache selbst absolvirt, dem Kläger hingegen die Kosten aufseilt(?), oder daß man diesen ex lege diffamari zur Stell- oder Fortsetzung seiner vermeynten Klag auf Art und Weis, wie oben Cap. 4. §vo 5to. verordnet worden, bey Vermeidung ewigen Stillschweigens ausforderet. Im übrigen wird 6to. das sogenannte Bannum Contumaciæ, wie auch 7mo. die Immissio ex primo, vel secundo Decreto hiermit gänzlich abgeschaft. All obige Contumacialweg aber verstehen sich 8vo. auf den Fall, wo man mit der Klag, und respectivè Antwort contumacirt werden soll, denn soviel die Replicas, Duplicas, und andere dergleichen Nothdurft belangt, soll der säumig- oder ungehorsame Theil weiter nicht als mit Präcludirung sothaner Schrift, oder Nothdurft gestraft, und hiernächst dem gehorsamen Theil mit seiner Nothdurftsbeobachtung, bis ad Conclusionem Causæ zu verfahren gestattet, oder auferladen werden, im Fall auch 9no. ein Vormund, oder Administrator ex capite Contumaciæ gestraft wird, soll er die Straf ohne Entgelt seines Curandi aus eigenem Säckl bezahlen.
Von der Contumacialerkanntnuß, derselben Requisiten und Wirkung.
§. 11. Die Contumacialerkanntnuß soll 1mo. andergestalt nicht, als auf Anruffen des gehorsamen Theils, und zwar wenn ihm die Einlieferung obliegt, nach derselben vorläufig genugsamer Bescheinigung beschehen. 2do. Soll auf dem Fall, wenn es um die Contumacirung der Klag, oder Antwort zu thun ist, vor wirklichen Contumacialspruch nicht nur ein peremtorischer kurzer Termin von 8 oder 14 Tägen, sondern auch wie, und auf was Weis man den Ungehorsam ansehen werde, ausdrückliche Commination voraus gehen. Doch ist 3tio. der Kläqer solchen zweyten Termins halber die Lieferung weiter zu thun, oder zu bescheinigen nicht schuldig, wenn selbe nur bey dem ersten Termin richtig beschehen, und docirt worden ist. 4to. Stehet dem gehorsamen Theil frey, einen aus vorgedachten drey Contumacialwegen zu erwählen, worin ihm auch der Richter von Amts wegen niemal vorgreifen soll. Wenn aber 5to. die Wahl einmal geschehen, und das Petitum gestellt ist, so laßt sich nicht mehr davon abweichen, es seye denn, daß der neu vorgeschlagene Weg, nicht den nämlichen, sondern einen anderen Puncten betreffe, oder ein unschicklicher Weg vorgeschlagen worden, welch- letzterenfalls man Imploranten zu Stellung eines formlich- und rechtlichen Petiti anweisen soll. Dafern nun 6to. nebst der Contumacialerkanntnuß zugleich auch in der Hauptsache gesprochen wird, soll man solches in dem Spruch deutlich exprimiren. 7mo. Mag der namliche Richter die Contumacialerkanntnuß wiederum aufheben, wenn der condemnirte Theil zeigen kann, daß er den richterlichen Auftrag inner dem anberaumten Termin weder zu befolgen, noch vor Ausfluß dessen um weitere Duation zu bitten aus ehehaften Ursachen verhindert gewest seye, doch soll die angebliche Entschuldigung nicht nur summariè bewiesen, sondern auch längst
(25) inner 14 Tägen von der Zeit an, da die Hinternisse aus dem Weg geraumt ist, bey Gericht angezeigt, und übrigens keine weitläufige Handlung darüber gestattet, sondern die Sach mit Vernehmung des Gegentheils, oder auch gestalten Dingen nach brevi manu in möglicher Kürze abgemacht werden.
Sechstes Capitel
Von der Kriegsbefestigung, oder Litis Contestation, Exception, Re- und Duplik, denn weitern Schriftwechslungen, und Terminen.
Was und wie vielerley die Kriegsbefestigung seye.
§. 1. Die Antwort auf die Klag sowohl in Summario, als Ordinario soll so beschaffen seyn, daß man deutlich, und genugsam daraus erkennen mag, was der Beklagte dem Kläger in der Hauptsach einzuräumen, oder zu widersprechen gemeynt seye, und dieses heißt eigentlich die Kriegsbefestigung, oder Litis Contestatio, welche theils in fictam & veram, theils in solennem & minus solennem, wie auch in puram, & eventualem getheilt wird. Ficta ist, wenn wegen Ungehorsam des Beklagtens Lis pro contestata gehalten wird. Solennis & specialis wird sie genannt, da man sich auf alle und jede Puncten, oder Artickeln der Klag entweder beja- oder verneinungsweis specificè vernehmen laßt. Minus solennis, & generalis, da man die Klag, und die Narrata nur überhaupt, wie sie angebracht seynd, widerspricht, oder eingestehet, und diese ist meistentheils nur in Summario, jene hingegen in Ordinario gebräuchig. Pura Litis Contestatio heißt, da man sich ohne Geding, und Protestation auf die Hauptsach selbst mit förmlich- und verständiger Antwort einlasst; Eventualis aber, da die Einlassung nur unter gewisser Bedingnuß, und Protestation geschieht, welche mithin auch erst alsdenn, wenn die Bedingnuß purificirt ist, ihren Effect erreicht.
Alle Exceptiones müßen auf einmal angebracht werden.
§. 2. Die Kriegsbefestigung soll gleich auf dem ersten vorgesetzten Termin geschehen, mithin auch alle Exceptiones dilatoriæ & peremptoriæ, wodurch man die Klag entweder gänzlich, oder nur auf eine Zeit abzuleinen sucht, sowohl in Ordinario, als Summario zugleich, und auf einmal eingebracht werden, im widrigen Fall aber allzeit ipso Facto präcludirt seyn. Es seye denn, daß sie sich erst nach der Hand in Verlauf des Streits hervorgethan haben, und solches durch einen körperlichen Eid, oder sonst genugsam dargethan werden kann.
Ausnahm von dieser Regel.
§. 3. Von dieser Regel werden folgende Exceptiones ausgenommen: 1mo. Fori declinatoriæ. 2do. Exceptio Spolii aut Litis finitæ, da man solche anders ex actis judicialibus, oder sonst durch briefliche Urkunden ohne weitläufigen Beweis gleich auf der Stelle darthun kann. 3tio. Alle Exceptiones, welche Naturam Præjudicii an sich haben, mithin so beschaffen seynd, daß sie richterlicher Ermäßigung nach eine vorläufige Erörterung vor anderen Exceptionen erfoderen.
(26) Dilatorische Exceptiones soll man vor anderen abmachen.
§. 4. Auf dem Fall, wenn zugleich dilatorisch- und peremptorische Exceptiones vorkommen, ist man Litem anderergestalt, als eventualiter zu contestiren nicht schuldig, und kann auch solches dem Beklagten niemal präjudicirlich seyn, da sich etwan nach der Hand seine eingewendtete dilatorische Einreden von Erheblichkeit zu seyn bezeigen. Der Richter soll auch über sothane dilatorische Exceptiones, sobald sie genugsam erörtert seynd, vor all anderen erkennen, und ehe solches geschieht, den Beklagten in der Hauptsache weiter zu verfahren nicht anhalten, es seye denn, daß er sich selbst gutwillig ohne Protestation hierauf einlasset, und seiner dilatorischen Exception dadurch stillschweigend renunciret.
Vom Recht zu excipiren, und ob sich solches auf Dritte erstrecke.
§. 5. Wer ein Jus agendi hat, der hat um soviel mehr ein Jus excipiendi. Es erstrecket sich solches auch regulariter auf Erben, Nachkommen und Bürgen, wo nicht ein Anderes besonders bedungen, oder verordnet ist. Exceptio de Jure Tertii greift niemals Platz, außer wo solches dergestalten beschaffen ist, daß auf Seiten des Klägers das Jus agendi gänzlich dadurch ausgeschlossen wird, oder wo der Dritte allenfalls gegen den Beklagten selbst mit der Zeit den Regreß suchen könnte, oder wo die Rechten sonst ein Besonders verordnen, oder der Beklagte den Dritten zu vertretten hat.
Von dem Beweis der Exception.
§. 6. Gleichwie dem Kläger dasjenige, was er zu Behauptung seiner Klag, und Intention angiebt, der Nothdurft nach zu beweisen obliegt, also auch liegt dem Beklagten in Ansehen seiner sowohl dilatorisch- als peremptorischer Exception ein gleiches ob, doch soll man über dilatorische Exceptiones keinen weitläufigen Beweis gestatten, sondern soviel möglich, damit abschneiden, und summariè hierin verfahren.
Wer excipirt, bekennt nicht.
§. 7. Wenn die Klag in der Exception nicht absolutè, sondern nur bedingungsweis eingestanden, oder in Zweifel gezogen wird, so muß der Kläger seine Klag, und der Antworter seine Exception der Nothdurft nach beweisen, und kann keine Geständnuß daraus gefolgert werden.
In- und Außerliche Form der Exceptionsschrift.
§. 8. Die Exceptiones sollen deutlich, ordentlich, und umständig, jedoch ohne Einmischung unnöthiger, zur Sache nicht gehöriger, oder unerfindlicher Dingen vorgetragen, dilatorisch- und peremtorische Einwendungen nicht durch einander geworfen, sondern jene vorausgesetzt, auch wenn die Klag in mehr Puncten bestehet, solche punctatim in der nämlichen Ordnung beantwortet, im übrigen aber quo ad formam externam all jenes hierbey beobachtet werden, was oben Cap. 4to. §vo 10. von der Klag, und all anderen gerichtlichen Schriften vorgeschrieben worden. Alles bey unvermeidlicher Straf gegen die Uebertretter, sonderbar wenn sie sich unwahrhaft- schmählich- oder sonst ungebührlicher Anzügen hierin gebrauchen.
Officium Judicis in Supplirung unterlassener Exceptiones.
§. 9. Der Richter ist nicht schuldig die von dem beklagten Theil unterlassene Exceptiones von Amts wegen zu ersetzen, außer wo solches etwan die Nothdurft zu Verhütung großer Unförmlichkeiten oder gänzlicher Nullität des
(27) Proceß erforderet, oder wo die Exception sich mit all erfoderlichen Requisiten ex actis von selbst solchergestalt ergiebt, daß man einer weiteren Prob nicht mehr dabey bedarf. Welchenfalls dieselbe sowohl in Facto, als Jure ohne Unterschied von Amts wegen ersetzt werden mag, jedoch niemal weiter, als es das Petitum des Beklagten mit sich bringt.
Wie die Exceptiones verlohren gehen.
§. 10. Exceptiones, welche einmal mit Recht verworfen, präcludirt, durch rechtmäßige Renuntiation vergeben, oder gar verjährt seynd, sollen nicht mehr attendirt werden. Die Verjährung hat aber nur gegen jene Exceptiones statt, welche auch klagweis hätten angebracht werden mögen.
Was der Richter nach abgegebener Antwort zu thun hat.
§. 11. Wenn der Beklagte der Klag sowohl in Facto, als Jure durchaus geständig ist, soll man ohne weiteren Schriftenwechsel executivè gegen ihn verfahren. Widerspricht er aber dieselbe, so soll der Richter sehen, ob der ganze Streit einig und allein an der Geschicht hafte, und ohne vorgängigen Beweis nicht zu entscheiden, oder ob solches noch zweifelhaft, und einer mehreren Erläuterung bedürftig seye. Ersterenfalls soll er dem Beklagten ebenfalls ohne weiteren Schriftenwechsel alsogleich den benöthigten Beweis, sofern solcher nicht schon selbst in Exceptionibus mit übergeben ist, durch einen Vorbescheid aufladen, anderenfalls hingegen die Exception unter Präsigirung eines Termins pro Replicis communiciren.
Von der Replik.
§. 12. In Replicis soll man sich gegen die Exception eben so, wie mit der Exception gegen die Klag verhalten, mithin auch alles, was man sowohl in Facto, als Jure dagegen anzubringen hat, gleich auf einmal bey Vermeidung der Präclusion anbringen, sofort beschlüßen, und auf dem Endsbescheid submittiren.
Von der Duplik.
§. 13. Dem Beklagten gebühret sowohl in Summario, als Ordinario regulariter allzeit das letzte Wort, derowegen ihm auch die Replicæ pro Duplicis sub Termino communicirt werden sollen, damit er seine Exceptiones desto mehr bestärken, was Replicando dagegen eingewendet worden, ableinen, sich auch benöthigtenfalls zum Beweis, oder Gegenbeweis anschicken, oder da man dessen nicht bedarf, seines Orts ebenfalls in Causa concludiren möge. Nachdeme aber auch dem Beklagten seine Nothdurft gleich mit der Exception anzubringen obliegt, so sollen die in Duplicis von ihm angebrachte Nova in Facto nicht attendirt werden, es seye denn, daß in Replicis dazu Anlaß gegeben worden, oder sich sothane Nova erst neuerlich hervorgethan hätten, und solches durch einen Eid erhärtet werden mag.
Von der Triplik, Quadruplik, und weitere Schriftenwechsel.
§. 14. Ueber die Duplik soll kein weiterer Schfriftenwechsel mehr gestattet, sondern die Sache allenfalls von Amts wegen für beschlossen angenommen werden, es seye denn, daß erhebliche, und nach Maß des vorhergehenden §vi zuläßige Nova quo ad Factum hierin vorkommen, welchenfalls jedoch nur über die Nova allein, und soweit es die unausweichliche Nothdurft erheischt, weitere Handlung gestattet werden mag.
(28) Uebergebung und Insinuation der Schriften.
§. 15. Jeder von beeden Theilen soll seine Exceptiones, und respectivè Replik, Duplik, oder weitere Nothdurft selbst bey Gericht inner dem vorgesetzten Termin überreichen, und solche sofort auf eigene Kösten dem anderen Theil, oder dessen bey Gericht bestellten Anwalt mit allen Beylagen, und darüber ergangenen Exceptionen gebührend insinuiren lassen. Was aber nicht auf Instanz, sondern von Amts wegen beschlossen, und expedirt wird, soll von dem Kläger, oder wenigist auf seine Kösten einsweilen behörig insinuirt werden. Falls auch die Obrigkeit in diesem Stucke auf ein- oder anderer Seite einen geflissenen Saumsal verspühren thäte, soll sie zumal auf Begehren des Gegentheils, die Insinuation ohnaufhaltlich vorkehren, und sowohl die gebührende Tax, als Lieferungskösten von dem saumigen Theil executivè einbringen lassen, oder dem Gegentheil, welcher die Nothdurft einsweilen besorgt, und den Vorschuß gethan hat, schleunigist wiederum darzu verhelfen.
Von Terminen ad
excipiendum re- vel duplicandum.
§.
16. Termini ad excipiendum, re- & duplicandum sollen 1mo. in Ordinario von
einem Gerichtstag zu dem anderen, und auf dem Land von einer Verhör zu der
andern ertheilt, sonst aber regulariter eine monatliche Frist zu 30 Tagen, wo
nicht etwan die besondere Beschaffenheit der Sach, oder Person, eine mehr- oder
mindere Zeit erfodert, anberaumt werden, welcher Termin zwar 2do. erst von dem
Tag der Insinuation, jedoch ohne Einrechnung selbigen Tages, seinen Anfang
nimmt, und wenn der letzte Tag auf einen Kirchenfeyertag fallt, alsdenn am
nächstfolgenden Werktage Abends aufhöret. Nach verstrichener Frist soll man
3tio. von Amts wegen weiter nicht fürschreiten, sondern zuforderist
Accusationem Contumaciæ von dem gehorsamen Theil erwarten, folglich sowohl mit
Androhung des von ihm vorgeschlagenen Contumacialwegs, als Präfigirung eines
weiteren, doch abgekürzt- und peremptorischen Termins von 8 oder höchstens 14
Tägen in der Maß verfahren, wie bereits oben Cap. 5to. §vo 10. & 11. mit
mehreren verordnet ist. Welches sich jedoch 4to. nur auf dem Fall verstehet,
wenn der ungehorsame Theil entweder mit seiner Klag oder Antwort contumacirt
werden soll. Wohingegen derselbe mit der Re- oder Duplik, und anderweiter
Handlung allzeit gleich ipso Facto präcludirt seyn soll, wenn er inner dem
ersten Termin weder damit einlangt, noch auf gebührende Weis Prolongation
sucht. Es soll auch 5to. mit dem Prolongationsgesuch niemal willfahrt werden,
es seye denn noch vor Ausgang des Termins darum gebetten, annebens eine erheb-
und wahrscheinliche Hinterungsursache bey dem zweyten, dritten und weiteren
Dilationsgesuch durch Abschwörung des Juramenti Calumniæ bestättiget, oder
sonst genugsam docirt, und bescheiniget worden. Es soll ferners 6to. bey
Ertheilung sothaner Prolongation niemal über die Petita partium hinausgegangen,
sondern der ertheilte neue Termin vielmehr nach Möglichkeit abgekürzt, und auch
allzeit von dem Tag an, da der vorige exspirirt ist, gerechnet, wie nicht
weniger dem Gegentheil auf des Impetrantens Kosten davon Nachricht geben:
endlich aber auch 7mo. all- muthwillig- oder durch falsche Vorspieglung
erschlichenes Dilationsgesuch der Gebühr nach bestraft werden.
Siebendes Capitel
Von der Legitimation, und Vollmacht.
Wenn die Legitimation erforderlich.
§. 1. Jedem stehet frey in eigener Sache bey Gericht selbst zu erscheinen, wenn er nur selbige vorzutragen die Geschicklichkeit, und zugleich bey Gericht selbst vorzustehen Fug und Macht hat. Wer aber andere hierinfalls vertretten
(29) will, soll sich allzeit durch genugsame Vollmacht legitimiren, damit keine unheilbare Nullität daraus entstehe. Derawegen man auch von Amts wegen darauf Obacht zu geben, und unbevollmächtigte Fürsprecher nicht anzuhören, sondern sie vielmehr bey ergiebiger Geldstraf zur Legitimation anzuweisen hat. Abwesende Partheyen sollen auch allzeit gleich mit ihrem ersten Einlangen, sowohl ein- als andererseits, statt ihrer einen Anwalt in loco Judicii wenigist um der Einlieferung willen bestellen, da im widrigen Fall die Expeditiones pro Insinuatis gehalten, sofort gegen den Abwesenden gleichwohl weiter verfahren werden soll.
Wie die Vollmacht beschaffen sein muß.
§. 2. In jeder Vollmacht soll 1mo. nicht nur der, welcher sich (!) giebt, sondern auch jener, dem sie gegeben wird, nebst dem Gegenpart mit Namen genannt, hiernächst 2do. sowohl die Streitsach, als das Gericht, wo selbe wirklich anhängig ist, oder anhängig werden soll, wie nicht weniger 3tio. die Zeit, wenn solche ausgestellt worden, mit Jahr, Monat und Tag hierin angeführt werden. Gemein- und unsiegelmäßige Personen sollen 4to. ihre Anwält obrigkeitlich, und zwar entweder von jener Obrigkeit, wo die Sach hangt, oder worunter sie ihrer Person halber stehen, bestellen, und letzterenfalls die schriftliche Vollmacht von derselben verfertigen, erstenfalls aber protocolliren lassen. Siegelmäßige Personen mögen 5to. ihre Vollmacht selbst mittels eigener Petschaft und Handunterschrift, ganze Corpora aber mittels alleiniger Beydruckung ihres Insiegels, wo es bisher also üblich gewest, auch ohne Unterschrift fertigen. 6to. Von Ausländern, welche nicht genugsam bekannt, oder nicht siegelmäßig seynd, soll man ebenfalls kein andere, als obrigkeitlich- oder wenigist von einem Notario, oder von zwey bekannt- siegelmäßigen Personen mitgefertigte Vollmächten annehmen. 7mo. Ein bloßes Blanquet oder Handschreiben, worin nicht all obige Requisita befindlich seynd, ist auch bey siegelmäßigen Personen nicht hinlänglich. Die an der überreichten Vollmacht verspührte Mängel soll man 8vo. längst inner Monatsfrist bey willkührlicher Straf ersetzen lassen. 9no. Wenn die Sach nicht einen allein, sondern mehr Litis Consortes betrift, soll man die Vollmacht, wo nicht gleich Anfangs, doch noch der Hand von allen Interessatis beybringen, oder das Litis Consortium allenfalls ex Officio formiren lassen, außer wo nur einer um seinen Antheil allein klagt.
Wer Vollmacht geben kann.
§. 3. Wem 1mo. vermög vorstehenden 3ten Cap. 6ten §vi Proceß zu führen verwehrt ist, deme ist auch einen anderen statt seiner hierin zu bevollmächtigen nicht erlaubt. 2do. Kann der Bevollmächtigte weder vor, noch nach der Kriegsbefestigung einen anderen statt seiner begwalten, wenn nicht die Vollmacht Clausulam substituendi ausdrücklich in sich halt, welchenfalls aber 3tio. nebst dem Aftergewalt auch allzeit der Hauptgewalt beygebracht werden muß. Desgleichen mögen zwar 4to. Vormunder, Administratores, Curatores in ihrer Pflegbefohlener Sachen Anwält bestellen, dafern aber die angebliche Curatel, Vormundschaft, oder Administration bey Gericht nicht artenmaßig kundbar ist, so soll man sich hierüber gebührend legitimiren.
Wem man Vollmacht geben könne.
§. 4. Jederman kann als Anwalt bey Gericht gebraucht werden, deme es nicht ausdrücklich in denen Rechten verbotten ist. Hierunter aber gehoren 1mo. all jene, welchen es an genugsamen Verstand oder Geschicklichkeit mangelt, insonderheit alle curatelmäßige Personen, und Minderjährige unter 20 Jahren, desgleichen auch Ehrlose, oder welchen die Anwaltschaft verübter Ungebühr halber bereits niedergelegt ist, nichtweniger geistliche Ordenspersonen ohne
(30) Consens ihrer Oberen, dann Weibsleute, ausgenommen in Sachen ihre Befreunde betreffend, und endlich alle in churfürstl. Diensten und Pflichten stehende Räth und Beamte ohne vorgängig churfürstl. gnädigster Erlaubnuß, soweit es nicht ihre Befreunde oder nah- angehende Personen betrift. Es mag auch einer 2do. in der nämlichen Sache wohl mehr Anwält zugleich bestellen, wenn es nur substitutionsweis geschiehet, damit nicht widrigenfalls einer den andern hinteren, und dadurch unnöthigen Aufzug, oder beschwerliche Kösten verursachen möge. Ganze Corpora und Gemeinden sollen 3tio. einen gemeinschaftlichen Anwalt bestellen, welches auch bey anderen Litis Consorten zu beobachten, oder da sie sich hierüber nicht vergleichen konnen, allenfalls ex Officio vorzugreiffen, und ein gemeinschaftlicher Anwalt Nomine omnium zu ernennen ist.
De Præsumpto, vel quasi Procuratore.
§. 5. Zuweilen wird die Vollmacht vermuthet, und zwar 1mo. bey Verwandten in auf- oder absteigender Linie. 2do. In der Seitenlinie, wie auch bey Geschwägerten bis auf den dritten Grad nach weltlichen Rechten gerechnet. 3tio. Bey Verehelichten sowohl, was den Mann als das Weib betrift. 4to. Bey Litis Consorten. 5to. Bey verpflicht- und immatriculirten Advocaten und Procuratoren, wenn sie die zur Sache gehörige Instrumenten mitbringen. All jetztbenannte Personen werden 6to. in Sachen, wo kein Mandatum speciale, sondern generale erfoderlich ist, auch ohne Vollmacht zugelassen, jedoch dergestalt, daß sie 7mo. die Ratification dessen, was solchergestalt von ihnen gehandelt wird, inner gewisser von der Obrigkeit zu präfigirender Frist beybringen, auch indessen ohne Unterschied, ob der Kläger oder Beklagte vertretten wird, entweder durch Bürgen, oder Unterpfand und Verschreibung ihrer Güter, oder wenigist mittels gerichtlicher Angelobung, oder schriftlich de Rato caviren, welche Caution aber 8vo. sowohl dem Vater, als Ehemann nachgelassen wird, wenn sie sich um Bona adventitia, und respectivè dotalia vel paraphernalia annehmen.
In was für Sachen kein Anwalt zugelassen werde.
§. 6.
Die Anwaltschaft greift auch ohne Entschuldigung des Principalens in allen
Fällen Platz, ausgenommen wo der Richter die persönliche Erscheinung aus
besonders erheblichen Ursachen für nothig findet. Von Causis Criminalibus aber siehe
Codicem Crim. part. 2. cap. 2. §. 6.
De Procuratore
falso.
§. 7. Angebliche falsche Anwält, welche weder mit wahr- noch muthmaßlicher Vollmacht versehen seynd, soll man zwar gleich von Amts wegen abweisen. Wenn sie aber gleichwohl aus Uebersehen zugelassen worden, so ist nicht nur alles, was von ihnen verhandelt worden, nichtig und kraftloß, sondern sie sollen auch mit Geld, Gefängnuß, Suspension, und gestalten Dingen nach wohl gar nach Ausweis des Codicis Criminal. par. 1. cap. 9. §vo. 2do. abgestraft, annebens in all- verursachten Schäden, und Kösten condemnirt werden, es seye denn, daß die Ratification auf Seiten des Principalens vor oder nach ergangenen Endsbescheid noch erfolgt, annebens auch von dem Gegentheil wider die Anwaltschaft niemal excipirt worden ist.
Communication der Vollmacht.
§. 8. Wird die Vollmacht und Legitimation gleich mit der Klag, oder Exception übergeben, so wird solche auch, wie all andere Beylagen, dem Gegentheil zugleich abschriftlich communicirt. Kommt sie aber besonders ein, so soll auch die Communication besonders geschehen, beedes zu dem Ende, damit
(31) man allenfalls seine dagegen einzuwenden-habende rechtliche
Bedenken anzeigen, und was hierunter etwan noch zu ersetzen, oder zu beweisen
seyn därfte, in möglicher Kürze ersetzen, oder summariè beweisen lassen möge.
Wie weit sich die Special- und Generalvollmacht erstrecke.
§. 9. Die Gränzen einer Specialvollmacht gehen 1mo. niemal weiter, als allein auf selben Specialact, welcher auch ohne Nullität von dem Mandatario nicht überschritten werden darf. Dahingegen erstreckt sich 2do. eine Generalvollmacht auf alles, was der Proceß sowohl in Causa Con- als Reconventionis directè, vel indirectè mit sich bringt. Es kann und soll mithin der Bevollmächtigte nicht nur Schriften wechseln, sondern auch Gezeugschaften und Documenten produciren, recognosciren, diffitiren, den Eid leisten, anerbieten, zuruckschieben, in Causa concludiren, der Bescheidspublication beywohnen, und solchen seinem Principalen zeitlich zu wissen machen, damit er dagegen appelliren, oder andere Remedia Juris in Zeiten ergreiffen möge. Desgleichen mag er auch 3tio. zwar gegen die Sentenz appelliren, und allandere nach Beschaffenheit der Sach zuständige Rechtsbehelf und Remedia an die Hand nehmen, wie nicht weniger die Execution des in Kraft rechtens erwachsenen Bescheids, mithin auch nöthigenfalls die Immißion, Subhastation, und Adjudication suchen, oder bey entstehenden Concurs sich mit anderen Creditoribus sowohl liquidando, als sonst einlassen, doch ist er zu all diesen ohne weiterer oder vorgängiger Specialvollmacht nicht verbunden, und was endlich 4to. von gar großen Präjudiz zu seyn scheint, z. E. sich vergleichen, dem Streit, oder Appellation gänzlich renunciren, compromittiren, substituiren, in der Execution Gelder empfangen, oder bezahlen, und dergleichen ist der Anwalt in Kraft seiner aufhabender Generalvollmacht, ungeachtet die Clausula cum libera, vel rati, grati, mandati darin enthalten wäre, ohne Specialausdrückung niemal befugt.
Wirkung der Vollmacht auf Seiten des Principalens und Mandatarii.
§. 10. Soweit nun der Bevollmächtigte inner obverstandenen Gränzen
seiner aufhabender Special- oder Generalvollmacht verbleibt, soweit ist auch der
Principal nicht nur zur Schadloshaltung des Mandatarii, sondern im Hauptwerke
selbst an alles, was hierunter verhandelt worden, gebunden. Dahingegen ist der
Anwalt seinem Principalen nicht nur allen Schaden, welchen er ihm durch seinen
Unfleiß oder Verschulden zugefügt hat, abzuthun schuldig, sondern, wenn er
nicht mehr solvendo ist, soll er nur desto härter am Leib darum bestraft, im
übrigen aber solch-letzterenfalls mit Restituirung des Principalens gleichwohl
die Billigkeit beobachtet werden.
Wie die Vollmacht aufgehoben werde.
§. 11. Die Vollmacht wird 1mo. auf Seiten des Mandatarii durch die
Renunciation, und wenn er keinen Substituten hat, durch den Tod, auf Seiten des
Principalens aber 2do. nur durch die Widerruffung aufgehoben, weil sie sich auf
seine Erben, und Nachkommen erstreckt, wenn schon in der Vollmacht hievon keine
ausdrückliche Meldung geschehen ist. Die Renunciation und Widerruffung ist
3tio. sowohl vor, als nach der Kriegsbefestigung zuläßig, wenn die erste nur
auf solche Art geschiehet, daß weder der Proceß merklich dadurch gehemmt wird,
noch dem Principalen eine Präjudiz zugehet, und er sich noch in Zeiten vor
Ausfluß der Fatalien, oder des peremptorischen Termins um einen andern
Mandatarium umsehen kann. Es soll auch 4to. bey dergleichen Veränderungen
allzeit gleich gerichtliche Anzeig darüber beschehen, annebens statt des
vorigen Anwalts ein anderer bestellt, und dem Gegentheil Nachricht davon
ertheilt werden, damit er sich Puncto Legitimationis gebührend vernehmen lassen
könne. Gleichwie im übrigen 5to. der Principal mit seinem
(32) Gevollmächtigten allzeit soweit concurrirt, daß ihm währenden
Proceß die Hand einzuschlagen, und seine Causam selbst, mit oder ohne ihm, zu
besorgen frey stehet, so ist aus solchbloßen (!) Beystand eben kein
stillschweigende Widerruffung zu folgeren, wohl aber, wenn ein anderer statt
des vorigen in der nämlichen Sach bevollmächtiget wird, und dieser sich bey
Gericht mit seiner neuen Vollmacht wirklich meldet. Endlich wird auch 6to. der
Gewalt dardurch nicht aufgehoben, wenn nur das Instrument davon verlohren
gehet, denn es kann solcher allenfalls durch gerichtliche Attestation, oder
auch durch summariter abgehörte Gezeugschaft genugsam bewiesen werden.
Achtes Capitel
Von der Reconvention, Litis Denunciation, Nomination, Intervention,
Caution, Arrest und Sequestration.
Von der Reconventien, oder Wiederklag.
§. 1. Wenn der Beklagte eine rechtmäßige Gegenfoderung (!) an den Kläger
zu haben vermeynt, so mag er solche 1mo. vor dem nämlichen Richter, wo mit der
Klag angebunden worden, anbringen, ungeachtet der Kläger etwan ein Forum
privilegiatum hat, und unter selbigen Richters ordentlichen Gerichtszwang nicht
stehet. Doch ist hierbey 2do. ein wohl merklicher Unterschied zwischen In- und
Ausländeren zu machen. Jene mag man nur alsdenn reconveniren, wenn die
Reconvention mit der Klag einige Verwandtschaft hat, außer dessen soll
Reconvenient zur besonderen Klag, oder da der Gegentheil unter andere Obrigkeit
gehört, dahin angewiesen werden. Die Ausländer aber mag man auch um ganz
andere, und mit der Klag die geringste Connexion nicht habende Foderungen
reconveniren. Falls nun 3tio. die Wiederklag gleich mit der Exception, oder
Kriegsbefestigung gestellt wird, so soll man sie auch in der Verhandlung von
der Klag nicht absondern, sondern beede mit einander verhandeln, und auch in
einem Urtheil zugleich entscheiden, ausgenommen wo das Punctum Con- aut
Reconventionis so beschaffen ist, daß ein Punct vorläufige Erörterung erfodert.
Ist aber 4to. die Wiederklag erst nach der Exception, und Litis Contestation
angebracht, so soll selbe von dem nämlichen Gericht vor ergangenen Endurtheil
zwar noch angenommen, die Klag aber solchenfalls dadurch nicht mehr gehintert,
sondern gleichwohl besonders tractirt, und entschieden werden. 5to. Soll man in
Sachen, welche von der Jurisdiction selbigen Gerichts eximirt seynd, gar keine
Reconvention gestatten, sondern dergleichen Wiederklagen allzeit gleich ab- und
an die Behorde (!) verweisen. Was aber 6to. die Spolienklagen, und andere ad
Processum Summarissimum gehörige Causas betrift, soll hierin die Wiederklag
weiter nicht als quo ad effectum Jurisdictionis & Prorogartonis Platz
greifen, es seye denn dieselbe von gleicher Gattung und Beschaffenheit,
welchenfalls auch der Effectus simultanei Processus statt haben soll, wenn nur
die Reconvention gleich mit der Exception, sohin in rechter Zeit angebracht
wird. Wo im übrigen es 7mo. mit der Reconvention durchaus, wie mit der
Conventionsklag zu halten ist, und hindert hieran nicht, wenn der Kläger etwan
von der Klag abstehet.
Von der Streitverkündung, oder Litis Denunciation.
§. 2. Wer der strittigen Sache halber die Gewehrschaft entweder aus
besonderem Geding, oder nach der Eigenschaft des Geschäfts an einen dritten mit
Recht zu suchen hat, der soll 1mo. ihm, oder wo es mehr seynd, denenselben
sammentlich, doch allzeit dem Nächsten vorzüglich, den Streit verkünden lassen,
damit er von ihm oder ihnen bey Gericht vertretten, oder wenigist auf allen
(33) Fall schadlos gehalten werde. Es soll aber 2do. die Verkündung
gerichtlich, und zwar bey der ersten Instanz noch vor der Kriegsbefestigung,
oder wenigist zu gleicher Zeit, sofern es auf diese Weis immer möglich, und
thunlich ist, mit abschriftlicher Communication dessen, was in der Sach bereits
angebracht worden, geschehen, stehet auch 3tio. dem Denunciaten hierauf frey,
ob er dem Denuncianten nur beystandsweis in dem Streit aßistiren, oder solchen
gänzlich auf sich nehmen, und ohne Beyziehung desselben ausführen wolle, in
welchen beeden Fällen er jedoch 4to. bey dem nämlichen Gericht die Causam
allzeit in dem Stand, worin sie sich zur Zeit der Denunciation befindet,
anzunehmen hat. Wenn er aber 5to. gar nicht erscheint, oder sich unter dem
Vorwand, daß er weder zur Gewehrschaft noch Schadloshaltung verbunden seye, auf
nichts einlassen will, so soll Denunciant auf Denunciatens Gefahr in dem Streit
verfahren, sodann aber die Einwendung, ob wäre der Gebühr nach hierin nicht
gehandelt worden, von Seiten des Denunciatens niemal mehr Platz greifen. Dafern
sich auch 6to. hernach bezeigt, daß ihm die Gewehrschaft, oder Vertrett- und
Schadloshaltung obgelegen seye, so soll er nicht nur in der Hauptsach, wenn
solche verlohren gehet, dem Denuncianten gebührende Satisfaction leisten,
sondern auch 7mo. ein gleiches aller Kösten halber, es mag der Bescheid im
Hauptwerke ausfallen, wie er will, zu prästiren haben. Ist hingegen 8vo. der
Streit gar nicht, oder wenigist nicht in gebührender Zeit verkündet worden, so
fallt der Regreß- und Schadloshaltungsgesuch gänzlich hinweg, außer wo man der
Streitsverkündung durch ausdrückliche Geding begeben ist. Hat 9no. der
Denunciat ebenfalls die Gewehrschaft an einen anderen zu suchen, so soll er
demselben gleicherweis Litem denunciren lassen, und hierauf in obiger Maße
durchgehends verfahren werden. Dafern endlich 10mo. zwischen Denuncianten und
Denunciaten ein Streit entstehet, ob der letzte zur Gewehrschaft oder
Schadloshaltung verbunden seye, soll dieser Punct mit der Hauptsach selbst
nicht vermischt, sondern erst nach Ausgang derselben, oder wenigist besonders
verhandelt, und die Acta separirt, oder da Denunciat unter ein anderes Forum
gehört, jetzt gedachter Evictions- oder Indemnisationsstreit dahin verwiesen
werden.
Von der Nominatione Authoris.
§. 3. Wenn der Beklagte die Sach, warum er Actione reali belangt wird,
nicht für sich selbst, sondern von eines anderen wegen inhat, mag er 1mo. den
Gutshern oder Eigenthümer, und zwar wenn derselben mehr seynd, sammentliche zu
dem Ende gerichtlich namhaft machen, damit der Kläger dahin angewiesen, und der
Beklagte des Streits, soweit er ihne nicht betrift, begeben werden möge. Es
soll aber 2do. diese Anzeig gleich anfänglich, und mit der ersten Antwort auf
die Klag geschehen, außer dessen aber der Beklagte des Streits andergestalt
nicht, als gegen Vergütung der verursachten Kösten entlassen werden. Da nun
3tio. Nominatus auf die abgeänderte neue Klag nach vorläufiger peremtorischer
Citation, welche der Kläger allzeit auf seine Kösten insinuiren zu lassen hat,
erscheint, und Antwort giebt, so soll hierauf weiter in dem Proceß verfahren
werden, wie Rechtens ist. Erscheint er aber 4to. gar nicht, oder widerspricht
wenigist Eigenthümer von der strittigen Sache zu seyn, so soll man den Kläger
sowohl ein- als anderenfalls, wenn anderst die Klag wahrscheinlich ist,
alsofort in die Posseßion setzen, jedoch erstenfalls dem Nominato das
Petitorium vorbehalten, im übrigen 5to. den Nominanten zum Beweis seines
Angebens niemal anhalten.
Von der Intervention.
§. 4. Die Intervention greift zwar 1mo. in allen Sachen Platz, wobey ein
dritter in der Folge soweit intereßirt ist, daß er Nutzen oder Schaden davon zu
gewarten hat. Damit sie aber 2do. zu keinem geflissenen Aufzug in der Sach
diene, so soll sie andergestalt nicht zugelassen werden, es habe denn
(34) zufoderist der Intervenient, oder wo derselben mehr seynd, jeder
besonders sein bey der Sach habend- wahr- und nicht allzuweit hergesuchtes
Interesse summariè dargethan, annebens sich ausdrücklich erklärt, ob er nur
beystandsweis, oder für sich selbst principaliter interveniren wolle.
Erstenfalls soll er 3tio. die Sach allzeit bey dem nämlichen Richter, und in
dem nämlichen Stand, wie, und wo sie sich selbiger Zeit befindet, unweigerlich
annehmen, mithin demselben niemal ein mehrers, als was die Hauptparthey selbst
noch von Rechts wegen thun oder handeln könnte, gestattet, sondern eine
durchgehende Gleichheit in dem Proceß gehalten, und eins mit dem anderen
ausgemacht, jedoch dasjenige, was sowohl von der Haupt- als intervenirenden
Parthey ein- oder andererseits verabsaumt wird, dem anderen Theil nicht zu Last
gelegt werden. Letztenfalls hingegen soll 4to. die Intervention in Form einer
ganz besonderen Klag tractirt, folglich bey der ersten gehörigen Instanz
angebracht, die Hauptsach selbst aber ohne sonders erheblicher Ursache
keineswegs dadurch aufgehalten, vielweniger die Execution gehemmt werden, es
seye denn, daß Intervenient von dem Hauptproceß vorher keine Wissenschaft
erlangt, oder sein angebliches Interesse nicht eher in Erfahrung gebracht zu
haben eidlich erhärten, annebens das Interventionsrecht gleich auf der Stelle
durch klare briefliche Urkund, oder sonst ohne weitläufiger Prob genugsam
darthun, oder wenigist, daß ihm durch die Execution ein unwiederbringlicher
Schaden unfehlbar zugehen wurde, sattsam beweisen könnte. Außer dessen aber
soll man die Execution unter dem Vorwand der Intervention nicht einstellen,
sondern derselben gegen allfallig-hinlänglicher Caution den gestracken Lauf
lassen. 5to. Soll der Richter selbst auf das bey jeder Sach obwaltende Recht
und Interesse eines Drittens allzeit von Amts wegen fleißige Obacht halten, und
wo er dergleichen ex actis bemerken wurde, demselben alsogleich Nachricht von
dem Streit ertheilen, oder daß er gute Wissenschaft davon habe, den Partheyen
glaubhafte Urkund darüber beyzubringen auflegen, und vorher in Sachen weiter
nicht verfahren. Welche Meynung es auch 6to. auf dem Fall hat, da die Partheyen
sich selbst auf einen Dritten belenden, und aus allen Umständen erscheinet, daß
solches nicht in böser Absicht, oder bloßen Aufschubs wegen geschehen seye.
Wenn nun 7mo. von dem Richter etwas hierin außer Acht gelassen worden ist, so
mag zwar die bereits in rem judicatam erwachsene Verhandlung unter diesem
Vorwand von denen Hauptpartheyen selbst nicht mehr angefochten werden. Dem
Intervenienten hingegen soll solche 8vo. nur soweit im Weg stehen, daß er die
Execution nicht mehr dadurch hemmen kann, wo im übrigen demselben gleichwohl
besondere Klag zu stellen frey stehet, ausgenommen, wenn der Fall so beschaffen
ist, daß sich Res judicata in Kraft folgenden 14ten Capitels 11ten §vi auch auf
Tertium intervenientem erstrecken mag. Es soll auch 9no. der Obsieg des
intervenirenden Theils der bereits verlustigten Hauptpartheyen allenfalls nur
soweit, als es ein unzertrennliches Interesse betrift, zu Guten gehen.
Von der Caution de Judicio sisti & Judicatum solvi.
§. 5. Sowohl der Kläger, als Beklagte soll entweder durch Bürgen, oder
Unterpfand, und zwar wenn er mit liegenden Gütern in hiesigen Landen genugsam
angesessen ist, durch förmliche Verschreibung derselben annehmlich- und
hinlängliche Caution auf Begehren bestellen, daß er dem Gericht in der
rechtshängigen Sache gewarten, sohin alles, was aldort mit Recht und Urtheil
ausgesprochen wird, vergnüglich ausrichten wolle. Wenn er aber gleichwohl all-
angewendeten Fleiß ungeacht dergleichen Caution nicht aufzubringen vermag, so
soll man ihn, wo kein sonderbar erhebliches Bedenken dagegen obhanden ist, ad
Cautionem juratoriam kommen lassen, im übrigen aber das Punctum Cautionis, wenn
darüber Streit entstehet, allzeit nur summariè instruiren, und sich hierunter
bey Inländern eben nicht so rigorosè bezeigen.
Von Arresten.
§. 6. Ausländer soll man 1mo. ohne Bewilligung der Gegenparthey ad
Cautionem juratoriam, soviel wenigist die Hauptsach se(l)bst betrift, niemal
zulassen,
(35) sondern in Ermanglung anderweit annehmlicher Versicherung auf
impetrantisches Begehren, und allenfalls
nöthigen Kösten Vorschuß mit Real- oder Personalarrest obrigkeitlich, jedoch
ohne Verzug, anhalten, und ein gleiches auch 2do. gegen ungefreyt- und
unangesessene Inländer beobachten, wenn sie entweder schlechten Leumuths
halber, oder, wegen Gefahr der Entfliehung zur juratorischen Caution in der
Hauptsache nicht zugelassen werden können. Dahingegen soll man 3tio. in solchen
Fällen den Impetranten allzeit zu vorläufiger Bescheinigung seiner angeblicher
Foderung, und nach erkannten Personalarrest längst inner 3 Tagen zu Uebergebung
seiner Prob anhalten, sofort hierin mit abgekürzten peremptorischen Terminen,
zumal wenn der Beklagt- und Arrestirte ein Ausländer, und der Klag nicht
geständig ist, soviel immer möglich, schleunig und summarissimè verfahren, da
aber von Seiten des Impetranten ein geflissener Aufschub verspührt wurde, soll
man 4to. den Arrest alsofort wiederum aufheben, und die Partheyen gleichwohl
zum ordentlichen Rechtsweg verweisen, außer dessen mit selben bis zu gänzlichen
Austrag der Sach, oder geleisteter genugsamer Caution continuiren. Wo im
übrigen 5to. gegen dergleichen verhängten bürgerlichen Real- oder
Personalarrest ohne sonders erheblicher Ursach zwar nicht leicht ein
Appellation oder Effectus suspensivus gestattet, hingegen aber auch der
Impetrant, oder die Obrigkeit selbst wegen verhängt- widerrechtlichen Arrests
zu Abthuung aller Kösten und Schäden angehalten werden solle.
Von Sequestrationen.
§. 7. Die Sequestration, da man sowohl liegend als fahrendes Gut,
welches im Streit ist, einem Dritten bis zu Erörterung, und Ausgang des Streits
anvertrauet, oder zu Obrigkeits Handen nimmt, geschiehet 1mo. entweder aus
gutwilliger Einverständnuß beeder streitender Partheyen, oder wird auch gegen
ihren Willen von der Obrigkeit aus rechtserheblicher Ursach erkannt.
Dergleichen Ursachen seynd 2do. wenn Gefahr ist, daß der Gutsinhaber solches währenden
Streit abschwenden, oder gar verthun möcht, oder da dasselbe ein fahrendes Gut,
und der Inhaber der Flucht halber in rechtmäßigen Verdacht ist. Item wenn nach
Beschaffenheit der Partheyen zu beförchten ist, daß sie Gewalt gegen einander
brauchen wurden, und das Inhaben solch-strittigen Guts durch die in momentaneo
Possessorio eingezogene Kundschaft nicht entschieden werden mag. Wurde nun
3tio. außer jetzt gesetzten Fällen jemand mit einer Sequestration beschwert, so
soll der Impetrant, oder allenfalls in Subsidium der Richter selbst dem
beschwerten Theil alle dadurch erlittene Schäden und Kosten zu erstatten
schuldig seyn, annebens von dem oberen Richter derowegen gestraft werden. Es
soll auch 4to. derjenige, welcher bereits vor der Sequestration, oder
Arrestirung in rechtlichem Inhaben des sequestrirt- oder arrestirten Guts
gewesen ist, sein Inhaben dadurch niemal verliehren, und wenn er 5to. durch
Bürgen, oder Unterpfand (maßen die Caution durch Eid, oder bloßes Versprechen
nicht genug ist) hinlängliche Versicherung thut, so soll die Sequestration, und
Arrestation nicht vorgenommen, oder da sie schon geschehen, alsobald wiederum
aufgehoben werden.
Neuntes Capitel.
Von dem Beweis, und Gegenbeweis überhaupt.
Nothwendigkeit des Beweis(.)
§. 1. Der Kläger sowohl, als der Beklagte muß den Grund seiner Klag,
oder respectivè Exception, und anderes Anbringen dem Richter genüglich
beweisen.
(36) Unterschied desselben.
§. 2. Der Beweis wird entweder vollständig, oder unvollständig,
ordentlich, oder summarisch vollbracht. Ein vollständiger Beweis ist, welcher
soweit hinreicht, daß der Richter definitivè darauf sprechen kann, ein
unvollständiger, welcher zum endlichen Spruch nicht hinlänglich ist, sondern
noch besseren Beweis erheischt, ein ordentlicher, welcher durch
Probatorialartickel, und legale Gezeugschaft nach Schärfe der Rechten, ein
summarischer aber, welcher nach Maßgab des folgenden 5ten §vi geführt wird. Wie
und auf was Weis nun ein vollständiger Beweis bewirket werden möge, ist zwar in
folgenden Capiteln mit mehreren versehen, anbey aber zu merken, daß mehr
unvollkommene Proben in Fällen von großer Wichtigkeit gegen den Beklagten Theil
niemal einen vollständigen Beweis ausmachen mögen.
Sachen, welche nicht bewiesen werden därfen.
§. 3. Was 1mo. weder specialiter, noch generaliter widersprochen wird,
das braucht auch keinen Beweis. 2do. Soll man nur die Geschicht, nicht aber das
Recht selbst beweisen, Particularstatuten, und Gewohnheiten ausgenommen,
welche, wenn sie nicht offentlich kundbar seynd, ebenfalls dargethan werden
müßen. 3tio. Ist auch kein Theil schuldig, den Beweis dessen, was er nur
schlechterdings verneint hat, zu Latein: Probationem negativam auf sich zu
nehmen, es seye denn, daß man sich darauf gründet, und solche annebens durch
die Zeit, und das Ort in gewisser Maß eingeschrenkt, oder doch so beschaffen
ist, daß sie nur den Worten nach eine Verneinung, im Werk selbst aber mehr eine
Bejahung in sich halt.
Proceß bey dem ordentlichen Beweis.
§. 4. Bey dem ordentlichen Beweis ist folgendergestalt zu verfahren:
1mo. Uebergiebt der Articulant seine Beweisartickel, und nach beschehener
Communication der Articulat seine Responsiones. 2do. Spricht der Richter über
die Relevantiam Articulorum, und werden hierauf von Articulanten die
Gezeugspersonen benannt. 3tio. Wird der Tag zur Verhör anberaumt, die
vorgeschlagene Gezeugen vorgeruffen, desgleichen beede Theile ad videndum &
audiendum jurare testes, respectivè dandum interrogatoria citirt, sofort 4to.
nicht nur zur wirklicher Zeugenverhör, sondern auch zu allenfalliger
Production, Collation, und Recognition der brieflichen Urkunden, wie auch zum
Augenschein, sofern man sich anders in Beweis darauf beruft, geschritten,
endlich aber 5to. die Zeugenaussag den Theilen eröfnet, abschriftlich
communicirt, und der Beweis mit denen beederseitigen Schriften, oder
Disputationssätzen beschlossen, alles nach weiteren Inhalt gegenwärtigen, und
folgender Capiteln.
Vom Proceß bey dem summarischen Beweis.
§. 5. Bey dem summarischen Beweis, welcher von den Partheyen nur durch
Urkunden, Augenschein, Eid, und dergleichen kurze Probsmittel geführt wird,
soll man weder Articulos probatoriales annehmen, noch Responsiones, oder
Disputationssätz gestatten, wie aber bey sothanen Beweis durch lebendige
Gezeugschaft zu verfahren seye, siehe unten Cap. 10. §vo 3.
Von denen Probatorialartickeln.
§. 6. Wem der Beweis durch richterlichen Auftrag, und Vorbescheid
auferlegt ist, der soll 1mo. inner dem anberaumten Termin seine
Probatorialartickel so gewiß, und unfehlbar übergeben, als im widrigen Fall der
Beweis ipso facto für desert, und verabsaumt anzusehen ist. Es stehet aber
gleichwohl 2do. jedem Theil frey, solchen auch unerwartet des richterlichen
Auftrags
(37) nach widersprochener Geschicht seiner Klag, und respectivè
Exception alsobald selbst anzutretten, mithin ermeldte Probatorialartickel
gleich statt der Re- und respectivè Duplicatum zu übergeben, welchenfalls auch
sowohl mit denen Terminen, als sonst in der nämlichen Maß, wie auf dem Fall
eines vorgegangenen richterlichen Interlocuti verfahren werden soll. Nebst deme
ist 3tio. jeden Articulanten vergönnt, dasjenige, was in den Articulis außer
Acht gelassen worden, mittels Additionalartickeln nachzutragen, und zu
ersetzen, oder die vorigen Artickeln gar abzuänderen, und ganz neu zu
übergeben. Es soll jedoch dieses allzeit noch vor der wirklichen Zeugenverhör
geschehen, und hernach andergestalt nicht, als nach abgelegten Eidschwur, daß
sich die Umständ in Facto, worauf in Additionalibus articulirt wird, erst
neuerlich hervorgethan hätten, oder zur Wissenschaft gekommen wären, solches
auch aus den Umständen glaubwürdig erscheint, mehr gestattet werden. Die
vollige Abänderung der Artickeln aber hat ebenfalls nur bis zur Zeugenverhör,
und nach vorgängiger Refundirung deren dem Gegentheil dadurch verursachter
Kösten statt. Additionales additionalium soll man 4to. ohne Abschwörung
obgedachten Eids weder vor noch nach der
Gezeugenverhör mehr zulassen. Die Probatorialartickeln selbst sollen 5to.
lediglich aus der widersprochenen Geschicht gezogen, und, soviel möglich, kurz,
deutlich, bündig, und umständig mit dem Wort Ja, und Wahr abgefaßt werden. Und
wie nun 6to. der articulirte Libell mit denen Probatorialartickeln
meistentheils übereinskommt, so ist auch in Ordinario nicht nöthig, besondere
Probatoriales zu übergeben, sondern es kann besagter Klaglibell, soweit er in
Facto widersprochen worden, statt der Probatorialium kurz repetirt, und sich in
Directorio testium, & documentorum darauf bezogen werden. Falls auch 7mo.
in bemeldten Probatorialartickeln, oder sonst ein mehrers, als was man von
Rechts wegen schuldig ist, zum Beweis übernommen worden, so soll dieser
Ueberfluß dem Articulanten, da es ihm an genugsamer Prob hierin gebrechen
würde, nicht nachtheilig seyn.
Von Responsionibus auf die Probatorialartickel.
§. 7. Die Probatorialartickel sollen 1mo. dem Gegentheil communicirt,
und hierauf 2do. der Ordnung nach, wie sie vorgetragen seynd, von Artickel zu
Artickel mit dem Wort Ja und Wahr, oder soviel fremde Geschicht betrift, mit
dem Wort: Glaub wahr, und nicht wahr, klar, lauter, und positivè beantwortet,
auch da 3tio. der Artickel etwan mehr Umstände in sich halt, solche in der
Antwort unterschieden werden. Was 4to. in denen Artickeln, irrelevant,
impertinent, oder sonst ungebührlich und unzuläßig ist, soll Articulant nicht
destoweniger mit obgedachten Worten, jedoch salvo Jure beantworten. 5to. Ist
die Ersetzung des verspührenden Mangels jedesmal von Amts wegen zu verfügen,
und da endlich Articulat inner dem vorgesetzten Termin entweder seine
Responsiones nicht übergiebt, oder zufolge, des weiteren Auftrags den
verspührten Mangel nicht ersetzt, so seynd sammentliche, oder wenigist die
nicht förmlich beantwortete relevante Artickel auch ohne vorläufiger
Commination ipso Facto für eingestanden zu halten, es seye denn, daß Articulat
durch ehehafte Ursachen hieran gehindert worden, welchenfalls er prævia
cognitione causæ noch damit zugelassen werden soll.
Wie das Punctum Relevantiæ Articulorum zu verhandeln.
§. 8. Von denen Responsionibus soll man zwar dem Articulanten allzeit
Abschrift ad Notitiam ertheilen, einen weiteren Schriftenwechsel aber super
revelantia Articulorum niemal gestatten, sondern über diesen Puncten gleich
nach eingelangten Responsionibus sprechen, und auf die nämliche Art auch mit
denen Additionalartickeln, wenn dergleichen einkommen, verfahren. Wo nun
ermeldter Relevanz, oder Irrelevanz halber Zweifel obhanden ist, soll der
Richter die Artickel salvo Jure impertinentium, & non admittendorum
zulassen. Wenn aber die Impertinenz, und Nachläßigkeit derselben ganz offenbar
ist, so soll er solche gleich von Amts wegen verwerfen, und pro Responsionibus
nicht einmal communiciren.
(38) Von Producirung der Gezeugen, und Originaldocumenten, dann
Vornehmung des Augenscheins.
§. 9. Nach publicirten Spruch super Relevantia Articulorum soll
Articulant demnächst die Denominationem Testium cum Directorio übergeben, und
da der Beweis eben nicht auf Gezeugschaften allein, sondern zum Theil auf
schriftlichen Urkünden oder Augenschein mitberuhet, soll solches in dem
Directorio nicht nur specificè bemerket, sondern auch die Documenten gleich
abschriftlich beygelegt, sofort der Tag zur Zeugenverhör und allenfalliger
Production, Collation und Recognition der Documenten, dann Vornehmung des
Augenscheins unverzüglich anberaumt werden.
Von denen Schriften, und Disputationssätzen.
§. 10. Nach eröfneter Zeugenaussag soll beeden Theilen Abschrift davon
ertheilt, ein gleiches auch mit den producirten Documenten und
Augenscheinsprotocollen, sofern dergleichen vorkommen, beobachtet, solchemnach
statt deren bishero üblich gewester vier Schriften und Disputationssätzen jedem
Theil hinfüro mehr nicht, als eine gestattet werden, dergestalt, daß dem
Articulanten zu Bestärk- und Ausführung seines vermeynten Beweis, dem
Articulaten aber zu Widerlegung desselben ein peremptorischer Termin von 30
Tagen, à die Communicationis Attestatorum anfangend, sub pœnâ Præclusionis
anzuberaumen ist, welche beede Schriften auch zugleich statt der
Conclusionsschrift dienen, mithin kein Theil hierin etwas neues in Facto mehr
anzubringen, vielweniger neue Gezeugschaft, Documenten, oder anderen Beweis zu
produciren haben solle, es seye denn, daß sich solche erst hervorgethan hätten,
und dieses durch körperlichen Eid erhärtet, oder sonst genüglich dargethan
werden könnte, immaßen auch obverstandene beede Schriften den Partheyen anderst
nicht, als auf Begehren, und nur ad Notitiam, nicht aber zur weiteren Handlung
hinc inde communicirt werden sollen.
Von Terminis Probatoriis, dann der Exhibition und Insinuation bey dem
ordentlichen Beweis.
§. 11. Alle Terminen bey dem ordentlichen Beweis seynd durchaus ipso
Jure peremptorisch, und präclusiv, wenn gleich keine ausdrückliche Meldung oder
Commination hierin geschiehet, werden auch gemeiniglich, wo nicht die besondere
Umständ ein anderes erheischen, auf 30 Tage ertheilet, und laufen von Zeit der
Insinuation, oder wenn es eine Sentenz ist, von der Publication an, sollen
annebens ad Instantiam partium ohne besonders erheblich- und genugsam bescheinigt-
oder gestalten Dingen nach gar mit dem Juramento calumniæ bestättigter Ursach
nicht leicht prolongirt, oder wo man dieses für nöthig findet, der weitere
Termin allzeit von dem Ausgang des vorigen angerechnet werden. Mit der
Uebergab, und Insinuation der Artickeln, Responsionen, und Disputationssätzen
aber soll man es halten, wie oben Cap. 6to. §. 15. von den Schriften überhaupt
geordnet worden ist.
Vom Gegenbeweis.
§. 12. Der Gegenbeweis, wodurch man entweder den Beweis nur zu
widerlegen, oder die gemachte Einwendungen darzuthun sucht, soll nicht so lang,
bis der Beweis vollendet ist, verschoben, sondern zugleich mit, und nebst
demselben geführt, folglich die Schirmartickel, und andere zum Gegenbeweis
dienliche Behelf, soweit sich solche nicht erst später hervorthun, allzeit
gleich mit denen Responsionibus, und zwar sub pœna desertionis überreicht,
solche sofort dem Gegentheil um seine gleichmäßige Responsiones communicirt,
mithin über beederseitige Artickel Puncto relevantiæ zugleich gesprochen, und so
weiter mit denen Additionalibus Elisivorum, & Reprobatorialium, wie auch
mit denen Gezeugschaften, Documenten, und anderen Behelffen, dann denen
Disputationsschriften, und hierunter ertheilten Terminen, Insinuation, und
(39) Exhibition durchaus, wie bey dem Beweis selbst verfahren werden,
dergestalt, daß die Probationsschrift respectu der Reprobatorialium zugleich
die Refutation, und hingegen die Refutationsschrift respectu Probatorialium die
Probation heißen, und zu rubriciren seyn soll.
Beschleunigung des Beweis und Gegenbeweis.
§. 13. Sowohl der Beweis, als Gegenbeweis soll auf alle mögliche Weis
beschleuniget, und denen Theilen kein ungebührlicher Aufzug gestattet, mithin
auch über den vollendeten Beweis, oder Gegenbeweis kein weiterer Beweis oder
Gegenbeweis andergestalt, als per evidentiam Facti, oder per Juramentum Litis
Decisorium, Suppletorium vel Purgatorium, oder ex Capite novorum mehr
zugelassen werden. Doch soll man auch keinen Theil an deme, was zu gründlicher
Erforschung der Wahrheit, und genüglicher Ausführung seines Rechts erfoderlich
ist, allzusehr einschrenken, und ihn an seinen vermeyntlichen Behelfen, und
Probsmitteln zu verkürzen suchen.
Was bey jeder Sach zu beweisen seye.
§. 14. Was bey jeder Sach insonderheit zu beweisen seye, das laßt sich
wegen allzugroßer Menge der unterschiedlichen Fällen alhier nicht beschreiben,
sondern muß sich aus der Beschaffenheit der Sache selbst, und denen hierbey
vorfallenden Umständen ergeben. Zuforderist aber ist nöthig, daß sich die
Partheyen, und Advocaten die Art und Eigenschaft der angebrachten Klag, oder
Exception samt allen dazu erfoderlichen Requisitis sattsam bekannt machen, und
nach Gestaltsame deren ihren Beweis gebührend einrichten.
Zehentes Capitel.
Von dem Beweis durch Gezeugschaft.
Proceß bey diesem Beweis.
§. 1. Nach publicirten Spruch super Relevantia Articulorum, und
übergebener Denominatione Testium & Directorio soll der Tag zur
Zeugenverhör benannt, und sowohl die Gezeugen zur Vernehmung, als die Theile
selbst ad videndum, & audiendum jurare vorgeladen, folglich sowohl mit der
Verhör, als Publication, und soweiter verfahren werden, wie in folgenden §vis
versehen ist.
Von außer gerichtlichen Zeugenverhör.
§. 2. Den Partheyen ist nicht verwehrt, die Gezeugen pro informatione,
und damit sie ihren Beweis hiernach einrichten mögen, durch einen Notarium,
Comitem Palatinum, oder jemand anderen vorläufig vernehmen zu lassen. Wie aber
dergleichen außer gerichtliche Verhör sowenig, als was coram incompetente, oder
wenigist nicht in forma legali vorgenommen wird, einen rechtlichen Beweis
machen kann, sondern höchstens nur zur Bescheinigung dient, so müßen derley
verhörte Gezeugen, wenn sie etwas beweisen sollen, nochmal und ordentlich
verhört werden.
Von summarischen Beweis durch Gezeugschaften.
§. 3. Bey dem summarischen Beweis durch Gezeugen hat 1mo. derjenige,
welchem die Prob obliegt, nicht nur Articulos Probatoriales zu übergeben,
sondern auch die Gezeugen gleich mit vorzuschlagen. 2do. Ist zwar dem
Gegentheil
(40) hiervon Abschrift, jedoch nicht pro Responsionibus, sondern nur ad
Notitiam, und damit er sich seines Orts gleichfalls mit nöthigen Gegenbeweis in
der Maß, wie sein Gegentheil, zeitlich gefaßt machen möge, zu ertheilen.
Dahingegen soll man 3tio. weder super Relevantia Articulorum sprechen, oder bey
der Verhör die Theile ad videndum & audiendum jurare, vel dandum
interrogatoria zulassen, noch 4to. die Aussag förmlich publiciren, oder
überdas, was nur nachrichtsweis hievon communicirt wird, einen Schriftenwechsel
gestatten, sondern vielmehr gleich darauf erkennen, und was etwan 5to. sowohl
gegen die Beweisartickel, als Gezeugspersonen, oder deren Deposition mit Fug
einzuwenden wäre, gleichwohl von Amts wegen beobachten, wie nicht weniger 6to.
all unnöthigen Ueberfluß und Aufzug hierin abzuschneiden trachten, ingleichen
7mo. die Gezeugen in geringen Sachen unter 50 fl. im Werth nur bey Gelübd an
Eids statt vernehmen, und hierunter 8vo. soviel immer möglich mit abgekürzten
Terminen verfahren. Es soll aber auch 9no. jetzt gedachter summarischer Beweis
außer denen in Cap. 3. §vo 3. benannten Causis summarissimis ohne Bewilligung
beeder Partheyen niemal Platz greifen, und obwohl endlich 10mo. dem Richter
gestalten Umständen nach, nebst den vorgeschlagenen- auch andere Gezeugen von
Amts wegen in Summarissimo zu verhören nicht verwehrt ist, so soll doch solches
in bloßen Parthey- oder bürgerlichen Sachen, wo nicht das Interesse Publici
miteinschlagt, nicht geschehen.
Commißion zur Zeugenverhör.
§. 4. Bey churfl. Justizdicasterien, wie auch bey bürgerlichen
Magistraten in Städten und Märkten soll man die Gezeugen andergestalt nicht,
als durch Commissarios verhören lassen, die übrige Gerichtsbeamte aber, sollen
die Verhör, wie all andere Gerichtshändel selbst vornehmen, und anderen
eigenmächtigerweis nicht überlassen.
Von Vernehmung unter anderen Gericht stehender Zeugen.
§. 5. Wenn die Gezeugen nicht unmittelbar unter dem nämlichen Gericht,
wo der Beweis geführt wird, sondern unter einemanderen stehen, so soll selbes
1mo. durch Compaßschreiben ersucht werden, entweder dieselbe zu verschaffen,
oder selbst servato Juris ordine zu vernehmen, und das Verhörprotocoll gegen
Gebühr ad Acta zu übersenden. Zu welchem Ende 2do. in dem Compaßschreiben die
Artickel samt dem Directorio, und Interrogatoriis allzeit gleich eventualiter
mitbeygeschlossen werden sollen. Wo nun 3tio. die Verschaffung Herkommens ist,
da soll solche ferner unweigerlich geschehen, außer dessen aber der requirirte
Richter die Gezeugen selbst verhören, und den Partheyen den Tag der Verhör in Zeiten
vernachrichten, damit sie erscheinen, und die Gezeugen schwören, sehen, und
hören mögen. Wenn aber 4to. zugleich ein Augenschein vorzunehmen, und die
Gezeugen ad Locum zu führen vonnöthen wäre, ist man dieselbe allzeit dahin zu
verschaffen schuldig.
Vorschlag und Citation der Gezeugen.
§. 6. Die Gezeugen sollen nicht von der Obrigkeit, sondern von den
Partheyen selbst vorgeschlagen, sohin die Vorgeschlagene gebührend ritirt, und
vernommen werden. Wer aber um erstattender Gezeugnuß willen von freyen Stücken,
oder auch auf Veranlassen des Producentens ohne vorläufiger
Citation sich bey Gericht meldet, wird für verdächtig, und exceptionsmäßig
geachtet.
Verköstung der Gezeugen.
§. 7. Der Producent ist schuldig die Gezeugschaft auf seine Kösten zu
bewirten, folglich denen von ihme vorgeschlagenen Zeugen die Reiszehrung und
Versaumnuß zu vergüten, worüber er sich mit ihnen zu vergleichen, oder der
(41) Richter gebührende Einsicht, und Ermäßigung zu thun hat. Ist aber der Producent bereits zum Armenrecht gelassen, so mag sich der Gezeug unter dem Vorwand der Verköstung, wenn er nicht selbst arm und bedürftig ist, des Erscheinens nicht weigern, doch soll ihm seiner Zeit bey dem Ausgang der Sache, wenn der Producent zu Kräften kommt, Satisfaction verschaft werden.
Vom Zwang der Gezeugen.
§. 8. Wer sich ohne rechtserheblicher Ursache der Gezeugschaftsleistung weigert, soll allenfalls mit Gefängnuß, geringer Atzung oder Geldstraf dahin angehalten, annebens in die durch seine Widerspenstigkeit verursachte Kosten condemnirt werden.
Renunciation auf die vorgeschlagene Gezeugschaft.
§. 9. Producent kann von der vorgeschlagener Gezeugschaft vor beschehener Realproduction allzeit wiederum, nachhero aber ohne Bewilligung des Gegentheils nicht mehr abstehen, es seye denn, daß er zugleich von dem Beweis völlig abstehen wolle.
Von untüchtigen Gezeugen.
§. 10. Für untüchtige Gezeugen werden geachtet 1mo. Kinder und andere unter 14 Jahren. 2do. Blöde und Unsinnige. 3tio. Blinde, Stumme oder Taube. 4to. Ehrlose. 5to. Gezeugen in einer Sache. 6to. Beichtväter in Sachen, welche ihnen mittels der Beicht kund werden. Doch soll man ad 1mum erwegen, ob der Gezeug noch wirklich zur zeitleistender (!) Gezeugschaft unvogtbar, oder nur damal, als sich die attestirt€e Geschicht zugetragen hat, in solchem Stand gewest seye. Letztenfalls mag er für untüchtig nicht geachtet werden, wenn nur die Geschicht so beschaffen ist, daß es ein Unfochtbarer wohl begreifen kann, und solches auch aus der Aussag selbst genugsam erscheint. Ad 2dum ist das Gezeugnuß eines Toll- und Unsinnigen nicht zu verwerffen, wenn er Tempore dilucidi intervalli von Sachen, welche sich hierunter anbegeben haben deutlich, verständig, und mit allen Erfordernüßen deponirt. Ad 3tium mag ein Blind- Stumm- oder Tauber von deme, was er vor solchem Zustand, oder auch während selben durch andere leiblichen Sinnen wohl begriffen hat, und sich genugsam darüber erklären kann, tüchtige Zeugschaft leisten. Ad 4tum fallt die Untüchtigkeit bey ehrlosen Leuten wiederum weg, wenn sie zur zeitleistender Gezeugschaft schon wiederum in integrum restituirt seynd.
Von exceptionsmäßigen Gezeugen.
§. 11. Exceptionsmäßig seynd 1mo. des Producenten Blutsverwandte in auf- oder absteigender Linie, soweit es immer gehet, in der Seitenlinie aber bis inclusivè den sechsten, und soviel die Verschwägerte betrift, bis in den vierten Grad nach weltlichen Rechten gerechnet, ausgenommen, wo die Blutsverwandt- oder Schwägerschaft auf beyden Seiten gleich, oder der Gegentheil, wider welchen die Production geschiehet, selbst nichts dagegen einwendet, oder die Aussag nicht für - sondern wider den Befreundten gehet, oder die Wahrheit nach Bechaffenheit der Sach auf andere Weis nicht zu erholen, oder sonst eine besondere Ausnahm in denen Rechten gemacht ist. 2do. Leut von unbekannten Herkommen, Stand, Wesen, unehelicher Geburt ohne Legitimation, schlechter Leumuth, oder verächtlicher Profeßion, ausgenommen gegen Leut von gleicher Gattung. 3tio. Alle, welche bey der Sach per indirectum intereßirt seynd. 4to. Arme, Unvermögliche, wenn sie nicht sonderbar guten Rufs und ehrbaren Wandels seynd. 5to. Juden und Unglaubige, wenn ihre Religionsgenossene mit Christen streiten. 6to. Was dem Producenten mit ehelich- oder
(42) anderen Pflichten, Gevater- oder Hausgenossenschaft, großer Familiarität und Neigung, Schuldobligation, und dergleichen beygethan, oder 7mo. einer Bestechung, Subornation, oder etwan gar wider den Gegentheil tragender großer Feindschaft halber verdächtig ist.
Unterschied zwischen untüchtig-und exceptionsmäßigen Zeugen.
§. 12. Untüchtige Gezeugen beweisen 1mo. gar nichts, und sollen auch bey notorischer Untüchtigkeit in bürgerlichen Sachen nicht einmal verhört, sondern von Amtes wegen verworfen werden, wenn gleich nicht excipirt wurde, oder die Wahrheit auf andere Weis nicht zu erlangen wäre. Ist aber 2do. die Untüchtigkeit in Zweifel, so soll man sie salvo Jure zulassen. 3tio. Kann durch exceptionsmäßige Gezeugen, wenn die gemachte Einwendung erheblich, und bewiesen ist, zwar kein vollständiger Beweis bewirket werden, wohl aber stehet 4to. zur richterlicher Ermäßigung, ob, und wie weit selbe zum halben Beweis dienen kann. Es soll auch 5to. sowohl der Untüchtig- als der Exceptionsmäßigkeit halber, allzeit auf die Zeit der Verhör gesehen werden, soweit es hierunter nur auf die Prob, und nicht auf die Zierlichkeit der gepflogener Handlung ankommt.
Anzahl der Gezeugen.
§. 13. Dem Producenten stehet zwar 1mo. frey, soviel Zeugen aufzubringen, als ihm beliebig ist. Sollte man aber einen geflissenen Aufzug, oder Ueberfluß hierunter verspühren, ist solcher von Amts wegen abzustellen. In Regula, wo die Rechten kein besonders verordnen, wird 2do. ein vollständiger Beweis durch zwey unverwerflich und legale Gezeugen bewirkt, bey welcher Regel es auch 3tio. in der sogenannten Prob über dem moltigen Mund, ungeacht dessen, was die ältere Gerichtsordnungen dießfalls mit sich bringen, hinfüro ohne Unterschied verbleiben soll. Desgleichen, obschon 4to. die gemeine Rechten bey Erprobung der Bezahlung in gewissen Umständen fünf Gezeugen erfoderen, so laßt man es aber auch hierin bey obiger Regel bewenden. 5to. Macht endlich ein einziger Gezeug höchstens nur einen halben, niemal aber einen vollständigen Beweis, ausgenommen in Sachen von geringen Präjudiz, oder wo nur bloße Bescheinigung erforderlich, oder sonst in denen Rechten ein besonderer Absatz zu finden ist.
Beeidigung der Gezeugen.
§. 14. Unbeeidigten Gezeugen wird kein Glauben beygemessen, es soll demnach 1mo. die Beeidigung derselben nicht unterlassen, sondern in Beyseyn beider Partheyen, und zwar allzeit vor wirklicher Verhör nach genugsam erinnerter Schwere des Meineids vorgenommen werden. Die gewöhnliche Eidsformel lautet aber 2do. folgendergestalten: Ich schwöre zu Gott einen Eid, dass ich in der Sach, darum ich zum Zeugen fürgestellt bin, und gefragt wird, eine ganz lautere Wahrheit sagen will, soviel mir kund, und wissend ist, und darin nichts verhalten, noch Unwahrheit einmischen, weder aus Feindschaft, noch Freundschaft, oder um eigen Nutz willen, auch weder aus Lieb, Neid, Forcht, Gab, oder Schankung, noch einiger anderer Sache wegen, auch solch mein Gezeugnuß, und Aussag verschweigen, bis sie rechtlich geöfnet wird, getreulich, und ohne Gefehrde, also helfe mir Gott, und alle Heilige. Wenn nun 3tio. jetzt bemeldter Zeugeneid aus Verstoß unterlassen worden, so muß solcher ersetzt werden, es seye denn, dass die Partheyen selbst nichts dagegen einwenden, und es mithin bey solcher Verhör bewenden lassen, oder die Aussag durch christliches Absterben des Gezeugens bestättiget wird. Prälaten, adelich- oder graduirte Personen leisten 4to. ihr Gezeugschaft nicht bey körperlichen Eid, sondern nur bey ihren Ehren, Würden, Trauen, und Glauben, übergeben auch solche auf die ihnen communicirte Artickeln und Interrogatoria schriftlich, und verschlossen
(43) unter ihren Insiegeln, und Petschaften, welches sich jedoch lediglich auf die Civilsachen, und den Eid der Gezeugschaft, nicht aber auf das juramentum Litis decisorium, suppletorium, purgatorium, in Litem, und dergleichen in eigener Sach abzulegende Eidschwür, vielweniger auf Causas Criminales verstehet, sondern darin müßen auch all obige sonst befreyte Personen beeidiget werden. Ob, und wie weit 5to. der Gezeugen Eid in Amtssachen erfoderlich seye, kommt in denen nicht specialiter benannten Fällen auf richterliches Gutbedunken an. Und soll im übrigen 6to. derselbe allzeit in Person selbst, niemal aber durch einen Anwalt, außer soviel die stumme Personen betrift, abgelegt werden.
Von Interrogatoria.
§. 15. Interrogatoria seynd 1mo. jene Puncten, welche von dem Articulaten theils über die Qualität der Gezeugen, theils über die Beweisartickel abgefasset, und dem Richter vor oder bey dem Verhörsact zu dem Ende übergeben zu werden pflegen, damit er die Gezeugen zu gleicher Zeit, wenn er sie über gedachte Beweisartickeln examinirt, auch über sothane Puncten befrage, und die Wahrheit dadurch desto umständiger zu erforschen suche. Sie werden 2do. in die sogenannten Præliminaria ad causam principalem, dann Generalia, und Specialia abgetheilt. Die erste seynd als unnothwendig, und überflüßig hiemit abgeschaft. Generalia werden 3tio. lediglich auf die Person, und Eigenschaften des Gezeugen um seine Untüchtigkeit, und andere ihm entgegenstehende Exceptiones dadurch zu entdecken, Specialia hingegen 4to. auf die Hauptsach selbst, und die Beweisartickel gerichtet, um die Zeit, das Ort, und all jene Umständ, welche in den Artickeln ausgelassen worden, nebst denen Ursachen der von dem Gezeugen angeblicher Wissenschaft dadurch zu erforschen. Bey Verfertigung sothaner Interrogatorien soll man sich 5to. unnöthiger Weitläufigkeit enthalten, und über einen Beweisartickel mehr nicht, als zwey oder drey Interrogatoria stellen, auch keine Documenten mitbeylegen, vielweniger Sachen einfließen lassen, welche zu des Deponenten eigner Schand, oder Schaden gereichen, oder seinen Begriff übersteigen, wie auch was captios, oder sonst zur Sache nicht dienlich, und gehörig ist, immaßen all dergleichen Dinge von Amts wegen zu verwerfen seynd. Es sollen ferner 6to. die interrogatoria allzeit vor der Verhör oder Vernehmung der Gezeugen übergeben, nachhero aber nicht mehr angenommen, vielweniger Additional, oder super Interrogatoria zugelassen werden. 7mo. Stehet dem Richter frey, denen Gezeugen sowohl generalia, als specialia Interrogatoria, wie auch nicht weniger dessen Partheyen selbst, nach Gestalt und Erfodernuß der Sache, zu Erforschung der gründlichen Wahrheit, vor und nach dem Beschluß der Sache von Amts wegen Fragstücke zu stellen, welch- letzteres jedoch allzeit mit Bescheidenheit, und nur bey Dicasteriis, von anderen Obrigkeiten aber niemal geschehen soll. 8vo. Wenn die Gezeugen auf die überreichte Interrogatoria aus Verstoß nicht vernommen worden, soll zwar das Examen derwegen nicht ungiltig seyn, gleichwohl aber auf Begehren vor ergangenen Eidsbescheid nochmal förmlich wiederholet, und der Abgang ersetzt werden. Gleichwie endlich 9no. bey dem Gegenbeweis der Articulant die Stelle des Articulaten zu vertretten hat, so mag er über die Articulos reprobatoriales Interrogatoria verfassen, und solche bey der Behörde zeitlich überreichen. Doch sollen sie weder in dem Beweis, noch Gegenbeweis der anderen Parthey vor publicirter Zeugenaussag communicirt werden.
Von der Zeugenverhör.
§. 16. Zufoderist, und pro 1mo. soll der Richter die Gezeugen jener Pflicht, womit sie etwan einem von beeden Theilen wissentlich haften, ad hunc actum specialem entbinden, und hierauf nach Masgab des vorhergehenden §vi in Beyseyn beeder Theilen mit sammentlichen Gezeugen den Beeidigungsact vornehmen, nach selben aber 2do. die Partheyen wiederum abtretten lassen, und
(44) zur wirklichen Verhör schreiten, sofort 3tio. einen Gezeugen nach dem anderen, jeden besonders ohne Beyseyn der übrigen, und zwar erstlich über die Interrogatoria generalia, sodenn über die Beweisartickel und Interrogatoria specialia derjenigen Ordnung nach, wie sie von denen Theilen übergeben worden, und das Directorium ausweiset, verhören, und mit dem Examine selbigen und folgenden Tag solang continuiren, bis alle und jede Gezeugen vernommen seynd, woran man sich auch 4to. durch die Abwesenheit einiger Gezeugen, oder der Partheyen selbst, wenn die letztere nur behörig citirt worden seynd, niemal hinderen zu lassen, sondern ein- als anderen Wegs fortzufahren, und die ausgebliebene Gezeugen unter obverstandenen Zwangsmitteln auf einen anderen Tag vorzurüffen, und die Beeidigung, respectivè Verhör in obiger Maß mit selben zu reassumiren, auch jene, welche Krankheit oder anderer Hindernuß halber bey Gericht nicht zu erscheinen vermögen, in ihrer Wohnung zu vernehmen hat. Was nun 5to. in des Gezeugen Antwort, sowohl auf die Artickel, als Interrogatoria, dunkel, zweifelhaft, zweydeutig, oder gar contradictorisch scheint, soll der Richter gleich von ihm erläuteren, und da der Artickel, oder das Interrogatorium mehr Umständ in sich halt, jeden besonders, und distinctè beantworten lassen, auch was die Partheyen etwan in Interrogatoriis außer Acht gelassen haben, von Amts wegen, nöthiger Dingen suppliren, sich aber dochg hierunter aller Suggestionen enthalten. In Protocollirung der Aussag soll der Richter 6to. all möglichen Fleiß verwenden, die eigene Wort eines jeden Gezeugen ohne Mehr- oder Minderung beybehalten, und endlich nach nochmaliger Vorles- und Bestättigung der Aussag das Protocoll von ihm, oder statt seiner durch einen anderen in seinem Beyseyn unterschreiben lassen, und imposito Silentio dimittiren. Bey Gezeugen, welche der deutschen Sprach nicht kündig seynd, soll man 7mo. wenigist einen zu dem Ende eigens beeidigten Dolmetscher brauchen, durch selben die Artickel und Interrogatoria in des Gezeugen Sprach übersetzen, ihme sofort solche zu schriftlich- oder mündlicher Beantwortung vorlegen, und die Aussag wiederum verdolmetschter (!) zu Papier bringen lassen. 8vo. Soll der Richter währendem Examine auch auf die äußerliche Gebärden des Gezeugen, insonderheit, ob er sich wankend, verzagt, oder hitzig hierbey bezeigt, fleißig obacht geben, sohin über diese und dergleichen bedenkliche Umstände, wodurch der Glauben geschwächt zu werden pflegt, ein besonderes Protocoll halten, und ad acta legen, auch seiner Zeit mit der Zeugenaussag denen Theilen abschriftlich communiciren. 9no. Werden schriftliche Depositiones von keiner ungefreyten Person, außer von Stummen und Tauben, wenn sie anders des Schreibens kündig seynd, angenommen, welche letztere jedoch ihre Aussag auf die ihnen vorgelegt- schriftliche Articulos und Interrogatoria in Gegenwart der Obrigkeit schreiben sollen.
Wie die Aussag beschaffen seyn muß, wenn sie beweisen soll.
§. 17. Eine Gezeugschaft, welche vollständig erweisen soll, muß 1mo. zur Hauptsache gehörig, 2do. deutlich, 3tio. glaubhaft, 4to. auf eigenes gutes Wissen, zu Latein: proprium sensum corporalem, gegründet, und 5to. mit anderer Gezeugschaft dergestalt gleichförmig seyn, dass ein Gezeug wenigist noch mit einem anderen Gezeugen über das, was zu beweisen ist, in seiner Aussag einstimmig seye.
Von dem Zeugen, Rotulo, und der Publication.
§. 18. Nach vollendeter Verhör soll der Richter die Aussag verschlossener ad Conservatorium legen, sofort auf Begehren ein oder anderer Parthey den Tag zur Publication benennen, und hierbey beede Theile mit ihrer Erklärung vernehmen, ob sie noch mehr Gezeugen produciren, oder es lediglich bey der vorigen Production, und Aussag bewenden lassen wollten. Erstenfalls hat er nach vorläufiger Benennung der neuen Gezeugen, und Uebergebung des
(45) Directorii die weitere Verhör, wiemit denen vorigen zu verfügen, anderenfalls hingegen mit Publicirung der Aussag zu verfahren, und da die Theile nicht darauf submittiren wollen, denenselben nicht nur von dem Rotulo Abschrift auf Begehren zu ertheilen, sondern auch einen peremtorischen Termin zu Einbringung ihrer beyderseitiger Disputationsschrift sub pœna præclusi anzuberaumen.
Ob noch weitere Zeugenverhör nach der Publication zugelassen werde.
§. 19. Nach beschehener Submißion oder eröfneter Zeugenaussag soll man keine weitere Zeugenverhör mehr zulassen, außer wo sich entweder erheblich- und vorhin nicht bekannt geweste neue Umständ noch vor dem Endsbescheid herverthun, oder etwan bey der ersten Zeugenverhör nicht ordnungsmäßig verfahren worden, in welchen beeden Fällen zwar andere und neue, oder auch respectivè die nämliche Gezeugen wiederum vernommen werden mögen, doch soll weder eins noch anderes auf einseitige Instanz ohne Vernehmung der Gegenparthey geschehen, und da der Richter die Wiederholung der ersten Verhör von Amtswegen für nöthig findet, soll er solches denen Theilen zeitlich notificiren, damit sie allenfalls ihre vermeynte Beschwerde höherer Orten dagegen einbringen können, dafern auch des zum zweytenmal vernommenen Gezeugen nochmalige Aussag mit der ersten nicht einstimmig ist, soll man keiner von beeden Glauben beymessen.
Von gegeneinander laufender Gezeugschaft und deren Entscheidung.
§. 20. Wenn die Gezeugen selbst einander in ihrer Aussag widersprechen, hat der Richter 1mo. zu sehen, ob solcher Widerspruch nur Nebenumstände, oder die Hauptsach selbst betreffe. Erstenfalls wird seiner Ermäßigung anheimgestellt, ob, und wie weit er dergleichen widersprochenes Gezeugnuß sowohl ein- als andererseits für kräftig halten wolle, oder nicht, sonderbar da die Nebenumständ in solchen Kleinigkeiten, und Sachen bestehen, welche man eben nicht allzeit so genau zu beobachten, oder auch leicht wiederum aus der Gedächtnuß zu lassen pflegt. Anderenfalls aber ist zufoderist, und pro 2do auf die Qualität, und sofort auf die Anzahl der Gezeugen zu sehen. Untüchtige Gezeugen, soviel deren immer seynd, schwächen die Aussag eines tüchtig- und exceptionsfreyen Gezeugen, wenn sie mit ihm in Widerspruch stehen, niemal soweit, daß seine Aussag nicht dennoch ihren sonst gewöhnlichen Effect thut. Wie weit ihm aber 3tio. zu glauben seye, wenn demselben zwar keine untüchtige, doch exceptionsmäßige Gezeugen entgegenstehen, kommt auf richterliches Gutbedunken an, dergestalt, daß in solchem Fall bald dem Juramento suppletorio, bald dem purgatorio gestalten Dingen und Umständen nach Platz gegeben werden kann. Falls endlich 4to. die einander widersprechende Gezeugen der Qualität nach gleich, und alle unmangelhaft seynd, so kommt es auf die Zahl an, also und dergestalten, daß 5to. ein einschichtiger Gezeug den anderen widrigen Gezeugen, und eben so auch mehr einschichtige widrige Gezeugen, soviel deren immer seynd, gänzlich einander entkräften, folglich keiner von ihnen etwas beweisen mag. Wenn aber 6to. ein einschichtiger Gezeug zwey anderen unter sich gleichförmigen widerspricht, so werden diese nur zur Hälfte entkräftet, und machen demnach halbe Prob. Drey oder mehr gleich förmige Zeugen hingegen wider einen einzigen, beweisen ganz und vollständig. 7mo. Wo zwey oder mehr Gleichförmige gegen zwey oder mehr dergleichen stehen, so ist weder auf die Anzahl und Würde derselben, sondern lediglich auf die Wahrscheinlichkeit der Aussagen zu sehen, mithin eine, welche am wahrscheinlichsten deponiren, oder wenn sie auch darin gleich seynd, die zu guten des ver(k)lagten Theils deponirende Gezeugen den anderen vorzuziehen. Von Widersprechung der Gezeugschaften und Instrumeneten, siehe Cap. seq. 11 §vo 11.
Von der Gezeugschaft zur ewigen Gedächtnuß.
§. 21. Es wird zuweilen von denen Theilen begehrt, daß man ihre Gezeugen noch vor der Kriegsbefestigung bey Gericht verhören solle, und dieses heist man
(46) die Gezeugschaft zur ewigen Gedächtnuß, zu Latein: ad perpetuam rei memoriam. Wenn nun der Kläger solche Verhör bey der Behörde begehrt, wird selbe andergestalt nicht bewilliget, er bescheinige denn zuforderist, und 1mo. daß er an rechtlicher Stell- oder Fortsetzung seiner Klag noch zur Zeit nicht nur gehindert, sondern auch bey längeren Anstand um die Beweismittel zu kommen in Gefahr seye. Dem beklagten Theil hingegen wird 2do. mit dieser gebettener Verhör vor der Kriegsbefestigung allzeit willfahrt, und ist seines Orts obbemeldte Bescheinigung, wie bey dem Kläger nicht erfoderlich. Es liegt auch 3tio. dem Impetranten solchenfalls ob, daß er die Beweisartickel cum denominatione Testium, & Directorio gleich mit seiner Bittschrift übergebe, welche auch dem Gegentheil zwar nicht pro Responsionibus, wohl aber ad dandum Interrogatoria communicirt, annebens derselbe auf dem bestimmten Verhörtag, wenn anders die obschwebende Gefahr solches noch zulaßt, ad videndeum & audiendum jurare Testes citirt werden solle. Nach der Verhör wird und bleibt 4to. der Rotulus Testium solange bey Gericht verschlossen, bis es gleichwohl seiner Zeit nach gestellter Klag in dem Proceß auf die Publication ankommt. Es ist aber auch 5to. der Kläger längst inner Jahr und Tag von der Zeit, da die Verhör geschehen, oder wenn er an der Klagstellung etwan weiter verhindert gewest, von Zeit, da die Hindernuß gehoben ist, seine rechtliche Klag zu stellen schuldig, widrigenfalls wird nach Verfließung solcher Zeit das Gezeugnuß für erloschen gehalten, und kann sich der Kläger dessen zum Beweis weiter nicht mehr bedienen, wohingegen der Beklagte an diesem Termin nicht gebunden ist. Nachdem nun 7mo. jenen Theil, welcher die Gezeugen zur ewigen Gedächtnuß hat verhören lassen, seiner Zeit nach wirklich gestellter Klag in dem Proceß die Ordnung zum Beweis betrift, so stehet ihm frey, ob er sothane Gezeugschaft gänzlich fallen lassen wolle, oder nicht. Erstenfalls mag er neue Articulos übergeben, und sofort dem Proceß gemäß gleichwohl weiter hierin verfahren. Anderenfalls aber beziehet er sich nur auf seine vorige bey denen Actis liegende Articulos, & denominationem Testium, welche man auch alsdenn erst pro Responsionibus communiciren, und nach deren Einlangung super relevantia Articulorum zu sprechen, folglich wenn die Partheyen keine weitere Zeugen mehr produciren wollen, zur Publication des verschlossenen Rotuli, und soweiter zu denen Disputationssätzen zu schreiten lassen.
Eilftes Kapitel.
Von dem Beweis durch schriftliche Urkunden.
Von schriftlichen Urkunden überhaupt.
§. 1. Das zweyte Mittel, wodurch etwas bewiesen werden mag, seynd briefliche Urkunden, zu Latein: Documenta, welche in Publica & Privata, Originalia & Transumpta getheilt zu werden pflegen.
Von Documentis publicis.
§. 2. Unter die Documenta publica, welche vollständigen Beweis machen, gehört 1mo. alles, was authoritate publica verhandelt wird, z. E. Gerichtsbücher, Acten, Protocollen, archivalische Urkunden, dann Pfarr- und Kirchenbücher. Soviel aber die Grund- Urbar- Saal- und Lagerbücher, dann Stift- Zins- Scharwerks-Registers, und dergleichen betrift, mögen selbe gestalten Dingen nach allein, oder wenigist mittels des Eids wohl vollständig beweisen, wenn selbe entweder mit Zuzieh- und Einstimmung sammentlicher Grund- respectivè Jurisdictionsunterthanen und Interessenten förmlich errichtet, oder durch das Alter, und zugleich andere miteinschlagende
(47) Behelf unterstützt seynd. 2do. Werden Documentis publicis gleichgeschätzt die von immatriculirt- und recipirten Notariis förmlich verfertigte Instrumenten, wozu aber folgende Stück erfoderlich seynd. Nämlich die Anruffung des göttlichen Namens, die Jahrzahl unsers Heilands, nebst der römischen Zinszahl, der Nam des pro tempore regierenden römischen Kaisers, Monat und Tag, wie auch der Ort, wo der Act vorbeygegangen, die Specialrequisition des Notarii, eine umständige Erzählung von dem ganzen Hergang der Sach mit allen Zugehörungen, ferner die Erwehnung des Tauf- und Zunamens deren dazu gebrauchter Gezeugen, welcher allzeit wenigist zwey seyn sollen, wo nicht die Natur des Geschäfts um der Zierlichkeit willen mehr Gezeugen erfordert, item die Vorlesung des Inhalts von dem Instrument, und endlich die Unterschrift des Notarii samt der Vordruckung seines gewöhnlichen Notariatszeichen. Falls aber ein- oder anderes hieran ermangelt, soll das Instrument nicht mehr pro Notariali angesehen werden. Dafern endlich 3tio. eine Urkund von bekannten zwey siegelmäßigen Personen gefertiget, oder da nur eine siegelmäßig wäre, neben ihr wenigist noch von zwey anderen kund- und ehrbaren Männern mitunterschrieben ist, welche beede dem Unterzeichnungsact selbst persönlich mitbeygewohnt zu haben in ihrer Unterschrift bezeugen, so wird eine solche Urkund ebenfalls pro Instrumento publico gehalten, wenn gleich von bemeldten Sieglern oder Siegelsgezeugen niemand mehr bey Leben ist, von welchen die Handschrift- und Pettschaften allenfalls noch recognoscirt werden könnten.
Von Documentis privatis.
§. 3. All übrige Schriften, welche nicht in obgedachter Maß verfertiget seynd, werden 1mo. ohne Unterschied, von wem sie immer seyn mögen, pro Privatis gehalten, und mögen regulariter für den Schriftensteller niemal, wohl aber gegen denselben vollständig beweisen, soweit man von seiner Handschrift, und respectivè Pettschaft durch deren Recognition, oder sonst genugsam gesichert ist. Von dieser Regel seynd aber 2do. die Handelsbücher dergestalt ausgenommen, daß sie auch für den Handelsmann in Sachen, seine Handelschaft betreffend, Beweis machen, wenn derselbe von guten Leumuth, annebens das Handelsbuch mit Einnahm und Ausgab ordentlich gehalten, die Causa debendi nebst dem Dato specifice darin ausgedruckt, wie nicht weniger von ihm selbst, oder seinen Erben mit einem körperlichen Eid bekräftiget ist, welch aller sich jedoch nur von ordentlich eingezünfteten Handels- und Krammersleuten, nicht aber von Handwerkeren, und anderen verstehet, außer wo die Schuld in Substantia bereits richtig, und der Zweifel nur noch de quantitate debiti ist. Mit denen zumal unter gemeinen Leuten sehr üblichen Spän- und Körbhölzern soll es 3tio. solchergestalt gehalten werden, daß wenn sie mit beederseitigen Willen errichtet, und bey der Production im Hauptwerke gleichförmig befunden werden, denenselben sowohl quo ad Substantiam, als quantitatem debiti vollkommener Glauben beygemessen, und darauf gesprochen werden muß. Würde aber ein Theil dem anderen keines Körbholzes geständig seyn, oder dasselbe nicht fürzeigen wollen, oder sich etwan in den Schnitten eine Ungleichheit bezeigen, oder über die Ursach, warum das Körbholz errichtet worden, eine Irrung entstehen, soll der Richter jeder Parthey Stand, Wesen, Behelf, und andere Umständ in fleißige Erwegung ziehen, sofort nach Beschaffenheit derselben ermäßigen, ob, und welchem Theil der Erfüll- und Reinigungseid, oder anderweite Prob auferlegt werden solle.
Von Orignalien und Transumpten.
§. 4. Abschriften beweisen 1mo. für sich alleine nichts, ausgenommen wenn sie sehr alt, und annebens entweder in Archivo findig, oder wenigist von einer bekannten Gerichts- oder Kanzleyhand geschrieben, und zugleich durch andere derley Behelf mitunterstützt seynd, in welchen Umständen erst zur richterlicher Ermäßigung stehet, ob, und wie weit denselben Glauben beyzumessen seye.
(48) Vidimirte Abschriften, welche vollständige Prob machen sollen, müßen 2do. folgende Requisita an sich haben. Es soll nämlich die Vidimation andergestalt nicht, als auf Begehren vor ordentlicher Obrigkeit aus erheblicher Ursach, und nach vorläufiger Citirung der intereßirten Theilen von dem Gerichts-Actuario, oder bestellten Commissario von Wort zu Wort getreulich vorgenommen, das transumirte Original selbst allerseits genugsam eingesehen, und ob solches an Schrift, Siegel, und Unterzeichen unbemahlet und unverletzt seye, wohl examinirt, sofort in dem Vidimus und Transumpt selbst von all diesen merkwürdigen Umständen, und an dem Original befundenen Mängeln ausdrückliche Meldung gemacht werden. Andere Vidimus, welche 3tio. nur von Notariis, Comitibus Palatinis, oder auch ohne Beobachtung obiger Requisiten bey Gericht selbst verfertiget werden, mögen zwar wohl zur bloßen Bescheinigung, und gestalten Umständen nach zum Behelf dienen, aber niemal zur ganz- oder halben Prob hinreichen. Vielweniger mag 4to. durch ein bloßes Transumptum Transumpti vel Copiæ eine rechtliche Prob erstehen, wenn nicht das erste Transumpt, oder Vidimus obige Essentialstück in sich begreift, und bey dem anderen das nämliche wiederum beobachtet worden ist.
Von Producir- und Uebergebung der Documenten.
§. 5. Documenta, worauf man sich in der Klag, Antwort, Re- und Duplik beziehet, sollen 1mo. allzeit gleich abschriftlich mitbeygelegt werden, sonderbar wenn sie so beschaffen seynd, daß der Streit dadurch allein ohne anderen Beweis gehoben werden kann. Es ist auch 2do. solchenfalls nicht nöthig, Articulos probatoriales zu übergeben, und ordentlichen Beweis zu führen, sondern derselbe wird nur summariè ohne Artickeln geführt, ungeacht die Prob etwan durch richterlichen Vorbescheid auferlegt worden, doch müßen solchenfalls die Documenten wenigist inner dem präfigirirten Termino probatorio sub pœna præclusi übergeben werden. Wenn aber 3tio. dieselbe allein den völligen Ausschlag in Sachen zu geben nicht vermögen, sondern solcher etwan auch auf Gezeugschaften mitankommt, so soll man die Abschriften gleich mit dem Directorio & Denominatione Testium einreichen, und dabey anzeigen, was für Artickel dadurch erwiesen werden sollen, damit sich der andere Theil mit allenfälligen Gegenbeweis, oder sonst darnach richten kann. Die Originaldocumenten selbst müßen 4to. in dem ordentlichen Beweis, welcher per Articulos gehet, zur nämlichen Zeit, da man auch zur Zeugenverhör schreitet, in dem summarischen Beweis aber an dem durch die Obrigkeit bestimmten Tag in Beyseyn des Gegentheils producirt werden, also, und dergestalt, daß wenn die Production dabey verabsaumt wird, solche alsdenn nicht mehr zuzulassen, sondern das Document ipso facto für verworfen zu halten ist, es seye denn, daß man 5to. durch ehehafte Noth daran verhinderet worden, oder das Originale erst hernach zum Vorschein gekommen, auch ein- so anderes mit einem körperlichen Eid zu erhärten, oder sonst erweislich ist. Bey der Production und Uebergab ist 6to. zwischen Documentis connexis, welche nur einerley, oder zwar verschiedene, doch in gewisser Maß miteinander verbundene Sachen in sich begreiffen, & non connexis ein wohl merklicher Unterschied zu beobachten, jene müßen ganz und integraliter producirt werden, bey diesen aber kann die Production extractsweis quo ad passus concernentes geschehen, und ist man nicht schuldig, dem Gegentheil das ganze Originaldocument einsehen zu lassen. Wohl hingegen kann man sich dessen gegen dem Richter niemal weigern, wenn er die Einsicht von dem ganzen Document zu nehmen verlangt, damit er desto sicherer urtheilen könne, ob, und wie weit etwan dem Gegentheil an gleichmäßiger weiterer Einsicht gelegen seye. Wenn sich ferner 7mo. das producirte Document auf ein anderes beziehet, so muß dieses zugleich mitproducirt werden, es seye denn offenbar, daß der Gegentheil solches zu seiner Defension nicht bedarf. Was nun 8vo. schon einmal in Forma Authentica producirt worden, und sich wirklich bey den Actis befindet, braucht keiner weiteren Production mehr, ausgenommen, wenn die Sach ad Concursum kommt,
(49) dergleichen wenn der Richter ex Officio, vel ad Instantiam nochmalig- und weitere Einsicht von dem Originaldocument zu nehmen für nöthig finden wurde, so kann die abermalige Production nicht verweigert werden, es seye denn das Productum von dem Gegentheil selbst weder per Generalia, noch Specialia widersprochen. 9no. Kann auch dasjenige, was Originali vel Copia schon einmal bey Gericht zum Beweis übergeben worden, von dem Producenten ohne Bewilligung des Gegentheils nicht wiederum zurück genommen werden, sondern dient auch diesem, wenn es anders Documentum connexum ist, allenfalls zur Gegenprob, ohngeacht die Production mit der ausdrücklichen Protestation, daß sich solche auf widrige Passus nicht erstrecken sollte, geschehen ist. Im übrigen mag 10mo. Productio Documentorum ad perpetuam rei memoriam bey obschwebender Gefahr ebenfalls, wie bey Gezeugschaften vorgenommen werden.
Von Herausgeb-und Edirung der Urkunden.
§. 6. Die Herausgebung deren zur Prob nöthiger Urkunden kann zwar von dem Besitzer, jedoch mit folgendem Unterschied begehrt werden: 1mo. Ist der Kläger schuldig, alle in Handen habende Briefschaften ohne Unterschied, ob er sie selbst in dem Proceß für sich gebrauchen wolle, oder nicht, dem Beklagten zu seiner Defension, und damit er seine Exceptiones daraus beweisen möge, auf Begehren zu ediren, ausgenommen wenn selbe zu sein des Klägers eigner Schand gereichen, oder die dadurch zu erprobende Exception auch klagweis vorgebracht werden könnte, und mehr eine Reconvention, als Compensation in sich hielte. Dahingegen ist 2do. der Beklagte dem Kläger Documenten zu ediren nicht schuldig, außer wenn selbe dem letzteren zugehörig, oder wenigist gemeinschaftlich seynd, oder wo er solche zum Beweis seiner Replik nöthig hat, oder wo es sonst der Richter für billig zu seyn finden wurde. Desgleichen mag auch 3tio. ein dritter Briefsinhaber zu Edition nicht angehalten werden, wenn er nicht dem anruffenden Theil zugehörig, oder wenigist gemeinschaftlich ist. 4to. Muß in all obigen Fällen die herauszugebende Urkund zur Sache dienlich, und dem Impetranten daran gelegen, annebens genugsame erprobt, und dargethan seyn, daß der andere das Document wirklich besitze, oder wenigist gefährlicherweis von Handen gelassen habe, außer dessen, und da es hierinfalls an hinlänglichen Beweis ermangelt, so ist zwar der widersprechende Theil 5to. bey obwaltenden billigen Verdacht auf gegentheiliges Anruffen dahin zu beeidigen, daß er das gefoderte Document weder besitze, noch gefährlich von Handen gelassen habe, auch nicht wisse, wo selbes zu finden, oder wer dessen dermal habhaft seyn möchte. Nach abgelegten Eid aber mag die Exhibition weiter nicht mehr an ihne begehrt werden, es seye denn, daß das Gegentheil von dem, was beschworen worden, per nova reperta vollständig bewiesen werden kann. Wer nun 6to. weder gedachtes Jurament abschwören, noch auf gemachte Prob das Document heraus geben will, soll mit seiner Klag, wenn er der Kläger ist, bis auf geleistete Parition nicht mehr angehört werden. Gegen den Beklagten aber wird solchenfalls der Gegentheil zu Beschwörung des vermeyntlichen Inhalts von dem Document gelassen, und hierauf in der nämlichen Maß verfahren, ob wäre dasselbe wirklich producirt, und richtig befunden worden. Ein dritter Besitzer hingegen soll dießfalls entweder mit Geld- oder Gefängnußstrafe zur Gebühr angehalten werden.
Von Recognoscirung der Documenten(.)
§. 7. Documenta privata machen ohne vorläufiger Recognition keinen Beweis, dahero sich auch der Gegentheil pro 1mo. nach beschehener Production, oder Communication allzeit gleich in der ersten Antwort, ohne Unterschied, ob das Document ihne selbst, oder auf einen anderen lautet, deutlich, und zuverläßig erklären solle, ob er die Documenta recognosciren, diffitiren, oder ein- so anderes bis zur Production, und Einsicht der Orginalien ausgestellt seyn lassen wolle. Falls sich nun 2do. auf keins von allen dreyen erklärt wird,
(50) soll das Document ohne weiterer Communication pro recognito gehalten seyn. Auf dem Fall der Diffeßion aber ist nach Maßgab folgenden §vi 8vi zu verfahren, und da endlich die vorläufige Production des Originals selbst anverlangt wird, so hat der Richter eine Tagsfahrt ad producendum Originalia zu bestimmen, wobey die Recognition, oder Diffeßion unvermeidlich geschehen, oder das Document pro recognito gehalten werden solle. 3tio. Brauchen zwar Documenta publica zu ihren Beweis keiner Recognition, müßen aber gleichwohl dem Gegentheil auf Begehren in Originali zur Einsicht vorgelegt werden, damit er sich hierüber vernehmen lassen, und was er allenfalls dagegen mit Recht einzuwenden hat, desto füglicher anbringen möge. Immaßen 4to. auch durch besehene Recognition eines Documents niemand an seinen übrigen etwan dagegen habenden Exceptionen etwas benommen seyn solle.
Von Diffitirung der Documenten.
§. 8. Wenn der Gegentheil das producirte Instrument von ihm oder dem angeblichen Aussteller zu seyn widerspricht, so muß 1mo. Producent den Inhalt des Documents auf andere Weis als durch das diffitirte Instrument, oder wenigist soviel beweisen, daß solches von dem Aussteller selbst, oder mit seinem Wissen und Willen von einem anderen gefertiget, oder sonst für das Seinige schon einmal mit Worten oder Werken erkannt worden seye. Es ist auch 2do. zu diesem Beweis, da er anders vollständig seyn soll, nicht hinlänglich, wenn die Gezeugen nur sagen, daß sie die Schrift oder Unterschrift für des Ausstellers Seinige halten, sondern es ist nöthig, daß sie gegenwärtig gewest, auch gehört und gesehen haben, wie das Document von ihm selbst, oder mit seinem Willen von einem anderen geschrieben, oder unterschrieben, oder sonst für das Seinige schon einmal mit Wort oder Werk erkannt worden. Desgleichen ist auch 3tio. die bloße Vergleichung der Handschriften, zu Latein: Comparatio Litterarum vel Sigillorum, da nämlich eine von dem Aussteller unwidersprechlich herrührende Handschrift oder Insiegel mit der diffitirt- und widersprochenen, nach Befund und eidlicher Aussag unpartheyischer Kennern genau übereins kommt, zu einem vollständigen Beweis, sonderbar, wenn nicht das ganze Document, sondern nur die Unterschrift allein von seiner Hand zu seyn angegeben wird, keineswegs erklecklich, sondern macht höchstens nur auf den Fall, wenn auch andere Adminicula dazukommen, eine halbe Prob, dergestalt, daß bewandten Dingen nach entweder Juramentum Suppletorium, oder wo solches etwan aus Mangel anderer Erfodernussen nicht Platz greiffen kann, Purgatorium erkannt werden mag. Documenta publica leiden 4to. keine Diffeßion, folglich muß Diffitent, welcher ein solches Instrument abläugnet, den Beweis auf sich nehmen. Ferner kann auch 5to. der Inhalt des Documents, nachdem die Unterzeichnung einmal recognoscirt worden, nicht mehr diffitirt werden, und muß mithin derjenige, welcher vorgiebt, daß das Instrument ein bloßes Blanquet gewest, und wider Willen des Ausstellers extendirt worden, oder sonst ein Betrug hierunter vorbeygegangen seye, solches gebührend beweisen. 6to. Ist Diffitent schuldig, seine Diffeßion auf gegentheiliges Begehren mit einem körperlichen Eid sub pœna recogniti dahin zu erhärten, daß er das Document weder selbst geschrieben, noch unterschrieben, oder unterzeichnet, minder solches durch einen anderen wissentlich habe thun lassen, mithin besagtes Document für das seinige weder erkenne, noch jemal erkannt habe. Im Fall es aber nicht auf eigner, sondern fremder Hand Diffitirung ankommt, soll Diffitent wenigist de Credulitate schwören, daß er weder wisse, noch dafür halte, daß der Aussteller, auf welchen das Document lautet, solches selbst, oder durch einen anderen geschrieben, unterzeichnet, oder sonst ausgestellt, und für das seinige einmal erkannt habe. Nach abgelegten Eid soll 7mo. Producent zu keiner weiteren Prob, als ex noviter repertis mehr gelassen werden, hingegen 8vo. Diffitent auf den Fall, wenn er seine eigene Hand und Petschaft gefährlicherweis abgeläugnet zu haben überführt wird, nicht nur all seiner übrigen Exception, welche er sonst gegen das Document
(51)
in der Hauptsache zu machen gehabt hätte, gänzlich dadurch verlustiget, sondern
auch in pœnam dupli, und nach Gestalt der Gefährde gar in malefizische Straf,
als ein Falsarius und Meineidiger verfallen seyn.
Von
sichtigen Mänglen eines Documents.
§.
9. Documenta, welche mit sichtigen Mängeln behaftet seynd, werden 1mo.
gestalten Dingen nach entweder gar für falsch, oder wenigist für verdächtig
gehalten, und beweisen mithin wenig, oder gar nichts. Doch soll der Richter
2do. hierbey alle Umstände, insonderheit, ob der Mangel nur bloße Neben- und
gleichgültige Dinge betrift, item, ob solcher sich etwan nur von Alterthums-
oder ander unversehener Zufällen halber, und bona fide ergeben habe, genau
beobachten. Obschon im übrigen 3tio. der Abgang des Dati, oder Causæ debendi
außer deren in den Rechten specialiter benannter Fällen eben kein
Essentialfehler von einem Instrument ist, so soll man doch solchen auch für
keine gleichgültige Sache ansehen, indem die Entscheidung des Streits vielmal
davon abhangt. Nebst deme wird 4to. auch hiermit geordnet, daß all- jene
Mängel, welche sich erst aus der Einsicht des Documents äußeren, entweder
gleich bey Producirung des Originals, oder wenigist inner dem nächst präfigirt-
peremtorischen Termin angezeigt, im widrigen Fall aber nicht mehr attendirt
werden sollen.
Von
Documentis contrariis.
§. 10. Wenn
die producirten Documenta sich selbst widersprechen, soll der Richter 1mo. den
Widerspruch durch schickliche Auslegung, soviel immer thunlich, zu vereinigen
trachten, und da solches wegen allzu sichtiger Contradiction nicht angehet, so
hat er 2do. fürnämlich darauf zu sehen, ob dergleichen Urkunden von
unterschiedlichen Partheyen, oder von einer allein selbst freywillig producirt
worden. Letztenfalls macht keines von beeden einen Beweis, sondern es wird
vielmehr eins durch das andere ohne Unterschied entkräftet, welche Meynung es
auch hat, wenn zwar nur ein einziges, jedoch Contradictoria in sich haltendes
Document producirt wird, ungeacht solches von dem Producenten etwan
wiederruffen worden, als welches nach beschehener Realproduction ohne
Bewilligung des Gegentheils nicht angehet. Erstenfalls aber soll 3tio. das
Protocoll allzeit dem daraus verfertigten Instrument, und unter zweyen
Instrumenten das unmangelhafte dem mangelhaften, oder wenn beede ohne Mangel
seynd, das Publicum dem Privato, und da auch hierin eine Gleichheit ist, das
wahrscheinlichere dem minder wahrscheinlicheren, die mehrere an der Zahl dem
wenigeren, und endlich wo gar alles gleich ist, dasjenige, welches zur
Absolution dient, vorgezogen werden. Falls aber auch 4to die Documenta so
beschaffen seynd, daß eins durch das andere nicht soviel widersprochen, als
aufgehoben wird, so soll dieses letztere allein bey Kräften bleiben, und vor
jenem den Vorzug haben.
Von
Contrarietät der Documenten, u. Gezeugschaften.
§. 11. Wenn
die Urkunden, und Gezeugschaften einander widersprechen, so wird jenen mehr
Glauben beygemessen in alten Sachen, welche über 40 oder mehr Jahr zurück
gehen. Item, wo durch Gesatz und Gewohnheit die Schrift erfodert wird, ferner
in Sachen, welche der menschlichen Gedächtnuß leicht entweichen, und endlich,
wenn die Causa debendi gegen eigne schriftliche Geständnuß widersprochen wird.
Außer jetztgedachter vier Fällen aber wird sowohl denen Instruments- als
anderen Gezeugen, wenn sie nur legal, und zur vollständigen Prob hinlänglich,
auch nicht durch anderweiten Gegenbeweis widerlegt seynd, mehr als denen
Urkunden geglaubt.
(52)
Wie zu probiren seye, wenn die Documenten verlohren gegangen.
§. 12. Wer
seines Documents nicht aus eigenen Verschulden oder Fürsatz, sondern durch
Raub, Diebstahl, Brand, Wassernoth, und dergleichen unversehene Zufälle
verlustigt wird, soll zwar 1mo. in der Prob soweit erleichtert werden, daß er
den Inhalt des verlohren gegangenen Documents, und was nach Beschaffenheit des
Geschäfts zu dessen Valor sowohl in- als äußerlicher Form nach de Jure erfodert
wird, vollständig zu beweisen nicht schuldig ist, sondern es kann auch eine
halbe Prob benebst dem Eid hierzu erklecken, wenn nur 2do. zuforderist der
angebliche Casus fortuitus genugsam erprobt, und annebens 3tio. durch
wahrscheinliche Muthmaßungen glaublich dargethan, auch gestalten Dingen nach
mit einem körperlichen Eid erhärtet ist, daß das Document andergestalt nicht,
als durch sothanen Unglücksfall zur Verlust gegangen seye. Dafern man aber 4to.
von dem Gegentheil selbst betrüglich- aber gewaltthätigerweis um das Document
gebracht wird, so soll gegen ihn auf die Exhibition geklagt, und hierüber
weiter verfahren werden, wie obstehender §vus 6tus des mehreren mit sich
bringet.
Zwölftes
Capitel.
Von dem
Beweis durch eigene Geständnuß, Vermuthung, Augenschein, Calculation,
Notorietät, und gemeinen Ruf.
Von der
Confession.
§. 1. Die
eigene Geständnuß wird zwar in denen Rechten für die stärkist- und
vollkommeniste Prob geschätzt, also, und dergestalt, daß es gegen den
Geständigen keiner Erkanntnuß mehr bedarf, sondern gleich mit starker Execution
verfahren werden mag. Es ist aber gleichwohl folgendes hierbey zu beobachten:
1mo. Muß Confessus seiner selbst mächtig, ungezwungenen freyen Willens, und bey
gutem Verstand seyn. Wer sich aber 2do. ungebührlichen Zwangs, Irrthums, oder
Hinterlists beschwert, muß sein dießfalliges Vorgeben beweisen. 3tio. Soll das
Geständnuß mit Worten, Schriften, oder Zeichen dergestalt klar, und deutlich zu
Tag liegen, daß man nicht nur den Willen überhaupt, sondern auch was, und wie
viel man dardurch einzuraumen vermeynt seye, genugsam erkennen möge, maßen in
Zweifel die Auslegung allzeit dem Confesso zum Besten gepflogen wird. 4to. Hat
die Geständnuß keine Kraft, welche nur das Jus, oder zukünftig- und unmögliche
Dinge betrift. 5to. Ist nöthig, daß dieselbe gerichtlich, und zwar von dem in
selbiger Sach competirend- oder wenigist von beeden Theilen erkiesten
Schiedsrichter, oder ordentlich bestellten Commissario geschehe, wobey jedoch
die Gegenwart des anderen Theils nicht erfodert wird. Ein
außergerichtliches Geständnuß macht 6to. mehr nicht, als einen halben
Beweis, es seye denn, daß des Confessi Handschrift darüber vorhanden, und
solche auch behörig recognoscirt seye. Was 7mo. zwar von dem Richter, aber
nicht in gewöhnlicher Gerichtsform, sondern nur etwan in zufälliger Gegenwart
desselben, oder in einer ganz anderen Streitsache incidenter eingestanden wird,
ist nur für ein außergerichtliches Wesen zu halten. Das bloße Stillschweigen
wird 8vo. in Extrajudicialibus niemal, und in Judicialibus alsdenn für eine
wahre Geständnuß geachtet, wenn man dem gegentheiligen Fürgeben in Facto weder
generaliter, noch specialiter widerspricht. Ob, und wie weit aber Contumax pro
Confesso zu halten seye, ist bereits in den vorhergehenden Capiteln mit
mehreren versehen. 9no. Hat man die Acceptation weder ingerichtlich- noch
außergerichtlicher Geständnuß zu beweisen nöthig, sondern es wird solche solang
präsumirt, bis das Widerspiel erprobt ist. Was hiernächst 10mo. nur
bedingnußweis (?)
(53)
eingestanden wird, kann auch dergestalt nicht, als mit der nämlichen Bedingnuß
auf- und angenommen werden. 11mo. Präjudicirt sowohl schriftlich- als mündlich-
und anderes Geständnuß allzeit nur dem geständigen Theil, und seinen Erben
allein, niemal aber einem Dritten, folglich auch keinem Successori singulari,
soweit nicht dieser etwan sein Recht erst nach beschehener Geständnuß von dem
Confesso erlangt hat. Dahingegen stehet 12mo. die
Bekanntnuß des Vaters, Vormunders, Curatoris oder Anwalts ihren respectivè
Kindern, Pflegbefohlenen, und Principalen, wo sie statt Ihrer Red und Antwort
zu geben suldig (!) seynd, allerdings im Weg, und soviel endlich 13tio. die
Bekanntnuß in peinlichen Sachen belangt, auch was hierzu von Rechts wegen
erfoderlich seye, siehe Cod. Crim. part. 2. cap. 5. §vo. 2. & seq.
Von Præsumtionibus.
§. 2. Der
Beweis durch Muthmaßungen wird zu Latein Probatio artificialis, conjecturalis,
aut præsumptiva
genannt, und beruhet lediglich auf solchen Umständen, welche dem Richter die
Sach glaubhaft machen können. Falls nun 1mo. die Muthmaßung kein ausdrückliches
Gesatz für sich hat, so heißt es Præsumptio Hominis, und kann für sich allein niemal eine ganz- oder halbe
Prob ausmachen, oder den Beweis auf den Gegentheil schieben, sondern höchstens
nur zum Behelf, und soweit dienlich seyn, daß, wo mehr dergleichen zusammen
kommen, gestalten Dingen nach ad Juramentum Suppletorium vel Purgatorium
gesprochen werden mag. Ist aber dieselbe 2do. in dem Gesatz selbst gegründet,
so heißt sie Præsumptio
Juris, und wird theils in simplicem, qualificatam & violentam, theils in Præsumptionem Juris & de Jure
getheilt. Mit der Simplici hat es 3tio. die nämliche Beschaffenheit, wie mit
der Præsumptione
Hominis, hingegen wird 4to. in Qualificata die Sach solang für wahr geachtet,
bis das Widerspiel durch zwey unverwerfliche Gezeugen, oder sonst vollständig
dargethan ist. Violenta erfodert 5to. zu Beweisung des Widerspiels Evidentiam
Facti, mithin ein mehrers, als die ordinari Prob, und endlich laßt 6to. Præsumptio Juris & de Jure gar keine
widerige Proben mehr zu. Dafern nun 7mo. die Präsumption etwan auf einem Facto
beruhet, so muß dieses nicht nur in Zeiten, wie andere Nothdurft allegirt,
sondern auch genugsam bewiesen werden. Wohingegen die nur in Jure allein
gegründeten Muthmaßungen weder einer Allgation, noch Prob bedarfen, sondern
allenfalls von dem Richter selbst ex Officio supplirt werden müßen. Bey mehr
gegeneinander lauffenden Präsumptionen ist 8vo. die Regel, daß erstlich die
Gemeine den Besonderen, sodenn die Schwächere den Stärkeren, und wenn endlich
alles auf beeden Seiten gleich ist, die pro Condemnatione denen pro Absolutione
ausweichen sollen. Welch- alles jedoch 9no. meistentheils auf richterliche
Ermäßigung ankommt, wo im übrigen auch 10mo. bey gar
zweifelhaften Vorfällen es allzeit vorzüglich bey deme verbleibt, was das
Gesatz hierin ausdrücklich bestimmt, ungeacht etwan verschiedene Præsumptiones dagegen verwalten.
Vom Beweis
durch Augenschein.
§. 3. Der
Augenschein des strittigen Orts, oder der Sache, macht den sicheristen Beweis,
und kann benöthigtenfalls nicht nur vor angefangenem Streit zur ewigen
Gedächtnuß, sondern auch währenden Streit, sowohl vor als nach dem Beschluß der
Sache bey dem nämlichen Gericht, ja sogar noch in der Appellationsinstanz bey
dem höheren Richter, wenn solcher in unterer Instanz entweder gar noch nicht,
oder wenigist nicht gebührend vorgenommen worden, begehrt werden, ausgenommen,
da bereits res judicata in Sachen vorhanden ist, welchenfalls derselbe
andergestalt nicht, als ex Capite Restitutionis in integrum, soweit der Fall
sich darauf qualificirt, mehr Platz greift. Es ist aber auch hierbey allzeit
folgendes zu beobachten. 1mo. Soll man alle intereßirte Theil ordentlich, und
zeitlich darzu citiren, denn ein einseitiger Augenschein beweiset nichts, und
muß allenfalls wiederholet werden,
(54)
ausgenommen, wenn die citirten Theile selbst ungehorsam ausgeblieben seynd.
2do. Wenn die Sach so beschaffen ist, daß es auf gutachtliche Meynung Kunst-
und Handwerks verständiger Leuten, zu Latein: Peritorum in Arte ankommt, so
soll der Richter dergleichen unpartheyischen Personen, und zwar in wichtigeren
Sachen allzeit zwey, in kleineren aber, oder wo nicht mehr gelegentlich zu
haben seynd, wenigist einen zum Augenschein mit beyziehen, selben, oder
dieselbige in Gegenwart der Partheyen vor allem beeidigen, oder da sie etwan
schon generaliter zu dergleichen Sachen verpflichtet seynd, ihrer Pflicht dahin
erinneren, daß sie bey dem Augenschein alles genau betrachten, und soviel sie
hiervon verstehen, und in Erfahrung bringen werden, ihrem besten Wissen und
Gewissen nach getreulich sagen, und eröfnen wollen, immaßen dieselbe auch nach
der Beaugenscheinigung mit ihrem Gutachten schriftlich, oder mündlich ad
Protocollum zu vernehmen seynd, und im Fall sie etwan in ihren Meynungen nicht
zusammen kommen, die Sach eines unpartheyischen Drittens gutächtlichen
Ausschlag überlassen, oder von beeden differenten Meynungen derjenigen Beyfall
gegeben werden soll, welche mit hinlänglich- und schließigen Ursachen dem
Richter am begreiflichisten dargelegt worden ist. In Sachen, wonebst dem
Augenschein auch ordentlicherweis durch Gezeugen geführt wird, soll man 3tio.
dieselbe ad Locum führen, und ihnen zwar vor dem Augenschein die Erinnerung
thun, was sie hauptsächlich dabey zu betrachten haben, mit der wirklichen
Beeidigung, und Verhör selbst aber erst nach dem Augenschein, und zwar noch (!)
selbigen, oder da die Gezeugen nicht mehr nüchtern seynd, folgenden Tags
fruhzeitig verfahren, anbey all jenes, was oben Cap. 10. von der Zeugenverhör
verordnet worden, genau beobachten. Denen Partheyen stehet 4to. dabey frey, ob
sie sich nach beschlossenem Augenschein über das, was derselbe gegeben hat,
durch mündlichen Receß ad Protocollum gegeneinander vernehmen lassen wollen
oder nicht. In beeden Fällen liegt dem Richter selbst ob, über den ganzen Actum
mit fleißiger Anmerkung aller hierbey vorkommender Umständen, sonderbar jener,
worin die Partheyen nicht einig seynd, ein besonders Protocoll zu halten,
solches ad Acta zu legen, auch beeden Theilen auf Begehren Abschrift davon zu
ertheilen. Der Augenschein selbst wird 5to. allzeit auf des verlustigten Theils
Kösten erkannt, welche aber von dem Impetranten allein, oder wenn der Richter
von Amts wegen hierin verfahrt, von beeden Theilen einsweilen vorgeschossen,
oder erholet werden sollen. Giebt 6to. eine Parthey vor, daß bey dem
Augenschein ein Irrthum, oder anderer Fehler vorbeygegangen seye, so mag
solcher richterlichen Gutbefinden nach, auf derselben Parthey Kösten nochmal,
jedoch nicht öfters wiederholet werden. 7mo Soll endlich denen streitenden
Theilen vor dem Augenschein auferlegt werden, daß sie beede miteinander, oder
jeder insonderheit über den strittigen Ort wenigist einen Handriß verfassen,
und bey Gericht übergeben sollen, damit derselbe sodenn bey dem Augenschein
selbst dem Ort entgegengehalten, dessen Zuverläßigkeit examinirt, der etwan
befundene Unterschied in dem Augenscheinsprotocoll vorgemerkt, sofort gedachter
Grundriß ad Acta gelegt, oder wenn die Partheyen in ihren eingereichten
Schematismis selbst übereins kommen, und das Objectum Licis sich sattsam daraus
abnehmen laßt, der Augenschein zu Erspahrung unnöthiger Kösten gänzlich
unterlassen werden mag.
Von der
Calculation.
§. 4. Die
Calculation ist eine Gattung von Augenschein, und kann 1mo. zu allen Zeiten,
sogar in der Execution selbst noch begehrt werden, wobey jedoch erfoderlich
ist, daß 2do. der angebliche Rechnungsfehler, zu Latein: Error Calculi, gleich
specificè angezeigt, sofort die Rechnung 3tio. durch zwey von der Obrigkeit
selbst benannte Unpartheyische ad hunc Actum specialiter beeidigt, oder da sie
ohnehin schon darzu verpflichtet seynd, ihrer Pflicht genugsam erinnerte
Rechnungsjustificanten genau durchgangen, der Calculus in Beyseyn beeder
Partheyen richtig, und ordentlich gezogen, sohin der allegirte Fehler dardurch
ausfindig gemacht werde, wornach zwar 4to. der Gegentheil,
(55)
welcher es nicht dabey beruhen lassen will, auf seine Kösten eine zweyte, und
nochmalige Calculation anderer zwey unpartheyischer Rechnungsverständiger,
sodann aber eine weitere und dritte Calculation nimmermehr begehren mag. Es
verstehet sich aber 5to. all dieses nur allein von dem Errore Calculi, das ist,
einem solchen sichtigen Rechnungsfehler, welcher lediglich auf Unrichtigkeit
der Zifferzahlen beruhet, dann soviel 6to. die andere angebliche
Rechnungsfehler, Bedenken, und Ausstellungen betrift, wird mit selben keine
besondere Ausnahm gemacht, sondern, wenn die Rechnung einmal ordentlich
abgelegt, die hieraus formirte Bedenken beantwortet, und in Judicio
contradictorio bey seiner Behörde verabschiedet, oder sonst durch gütliche
Verständnuß beygelegt seynd, soll es hierin ratione rei judicatae aut
transactae, wie mit anderen Strittigkeiten durchaus gehalten werden.
Von der
Notarietät.
§. 5. Was
bey Gericht vorhin schon legaliter bekannt, und notorisch ist, darf von denen
Partheyen weiter nicht mehr erwiesen, sondern nur allegirt werden. Falls aber
das angebliche Notorium widersprochen, und in Zweifel ist, muß derjenige,
welcher sich darauf besteift, den Beweis machen.
Von
gemeinem Ruf, od. Fama publica.
§. 6. Ob es
wohl um gemeinen Ruf eine sehr betrüglich- und ungewisse Sach zu seyn pflegt,
so mag doch derselbe in altvergangenen, oder schwer zu erweisenden Sachen, wenn
er wenigist von zehen Jähren her beständig, gleichförmig, und durch zwey
glaubwürdige Gezeugen bewiesen ist, soweit dienen, daß der Richter gestalten
Dingen nach wenigist mittels des Eids darauf sprechen, und erkennen mag.
Dreyzehendes
Capitel.
Von dem
Eidschwur, wie auch dem Beweis, welcher dadurch gemacht wird.
Von dem Eid
überhaupt.
§. 1. Der
Eid, wodurch man Gott zum Zeugen der Wahrheit, und Rächern des Meineids anruft,
wird in Promissorium & Assertorium getheilt. Promissorium ist, da man unter
einem gerichtlich- oder außergerichtlichen Eid etwas verspricht. Assertorium,
da man die Wahrheit einer Sach eidlich betheuret, und zwar entweder aus eigenem
guten Wissen, zu Latein: ex certa scientia, & sensu corporeo, oder aber nur
aus wahrscheinlich- glaublichen Ursachen. Jenes heißt Juramentum Veritatis,
dieses aber: Credulitatis. Von dem Juramento Assertorio seynd hauptsächlich
folgende Species zu merken, nämlich das Juramentum Litis Decisorium,
Suppletorium, Purgatorium, in Litem, Manifestationis, Calumniæ, und der Zeugen Eid, von welch-
letzteren bereits oben in Cap. 10. §. 14. das mehrere enthalten ist. Ueberhaupt
wird von dem Eid hiermit verordnet, daß 1mo. weder meineidig- und ehrlose, noch
unvogtbar- oder andere von dem Eid keinen genugsamen Begrif habende Personen
zum Schwur gelassen werden sollen. 2do. Mag der Eid in Regula, wo nicht ein
anderes in denen Rechten specialiter verordnet, oder sonst von der Obrigkeit
aus erheblichen Ursachen für nöthig befunden wird, durch einen Anwalt in die
Seel seines Principalens abgeschworen werden, jedoch dergestalten, daß der Anwalt
allzeit zugleich in seine eigene Seel mitschwöre, wasmaßen er gänzlich glaube,
und dafür halte, daß auch sein Principal den Eid
(56) mit
gutem Gewissen ablegen könne. 3tio. Wird statt unvogtbarer der Vormund, wenn er
anders nöthige Wissenschaft von der Sach zu haben scheint, zum Schwur gelassen,
und da die Klag ex Jure cesso herrührt, soll nicht nur Cessionarius, sondern
auch gestalten Dingen nach Cedens schworen (!). Der Eidschwur selbst soll 4to.
wissentlich, wohlbedächtlich, klar, und deutlich ohne Gefährde, und heimlichen
Vorbehalt, wie nicht weniger, soviel die gerichtliche Eidschwür betrift,
mündlich, und in gewöhnlicher Form geschehen. Können sich aber 5to. die
Partheyen über den Inhalt, oder Formulam Juramenti nicht miteinander verstehen,
so soll der Richter den Ausspruch darüber thun, und solchen publiciren, damit
derjenige, welcher dadurch beschwert zu seyn vermeynt, allenfalls gegen diesen
Auftrag appelliren könne. Die wirkliche Beeidigung soll 6to. bey gerichtlichen
Eidschwüren allzeit vor gesessenem Gericht, wo die Streitsach hangt, oder bey
weitentlegenen Partheyen vor dem Richter, welcher dazu requirirt worden, oder
bey churfürstl. Dicasteriis coram Commissione, und zwar wenn die Parthey
Krankheit halber zu erscheinen nicht im Stand ist, in ihrer Behausung, doch in
all diesen Fällen jedesmal mit Adcitirung des Gegentheils ad vivendum, &
audiendum jurare vorgenommen, auch gegen gemein- ungelehrt- oder leichtsinnige
Leut die vorläufige genugsame Meineidserinnerung niemal unterlassen, und endlich
über den ganzen Beeidigungsact ein ordentliches Protocoll verfaßt, und ad Acta
gelegt werden.
Vom
Juramento Litis Decisorio.
§. 2. Da
manchmal ein- oder anderer Theil sein Fürgehen darum nicht beweisen kann, weil
bey der strittigen Geschicht niemand gegenwärtig gewest, und derowegen der
andere Theil oft so keck, und gewissenlos ist, daß er dasjenige, was ihm doch
wohl bewust, schlechterdings abläugnet, so ist in solchem Fall erlaubt, seinem
Widersacher den Eid anzubieten, damit er nämlich schwöre, daß die Geschicht
fürgegebenermaßen nicht vorgegangen seye, und dieses heißt man zu Latein:
Juramentum Litis Decisorium, welches ebenfalls unter die übrige Probsmittel zu
zählen, und hierbey folgendes zu merken ist: 1mo. Kann jeder diesen Eid
deferiren, wer seiner selbst mächtig ist, und mag auch derselbe jedem deferirt
werden, der einen Eid zu schwören fähig ist. 2do. Hat selber in allen Sachen,
ausgenommen in Criminalibus Platz, doch muß er an sich relevant, und annebens
die Geschicht, worüber der Eid deferirt wird, so beschaffen seyn, daß der
andere Theil selbst eigenes gutes Wissen davon haben kann, dann über fremde-
oder auch solche Geschicht, welche wegen Länge der Zeit vermuthlich schon aus
der Gedächtnuß entwichen ist, kann dieser Eid nicht deferirt werden. 3tio. Mag
man solchen zu aller Zeit in dem Prozeß sogar nach geführten Beweis, und
eröfneter Zeugenaussag, da etwan die Geschicht nicht genugsam dadurch erwiesen
worden, in solange deferiren, bis in der Sache gänzlich beschlossen worden. Es
soll aber 4to. jedesmal die Formula Juramenti zugleich mit der Delation
übergehen, und hierauf der andere Theil nach erfolgt- richterlichen Auftrag
inner dem präfigirten Termin nicht nur in quæstione an, ob er nämlich den anerbottenen Eid
acceptiren, oder dem Deferenten zuruckschieben, und referiren, oder aber das
Widerspiel, soweit es etwan nicht schon geschehen ist, auf andere Art beweisen
wolle, deutlich, und positivè erklären, sondern auch auf die erste zwey Fälle
seine vermeynte Einwendungen gegen die ihm communicirte Eidsformel alsogleich
überreichen. Ehe und bevor nun 5to. der Eid gerichtlich acceptirt, oder
zuruckgeschoben ist, mag die Delation von dem Deferenten wiederruffen, und der
ordentliche Beweis durch Zeugen und Documenten, wenn dergleichen nicht vorhin
schon geführt worden, angetretten werden, welchenfalls jedoch dem Gegentheil
nicht nur die durch solche Wiederruffung verursachte Kösten zu vergüten seynd,
sondern es mag auch sodenn der wiederruffene Eid weiter nicht mehr angebotten
werden. Man ist auch 6to. zu schwören nicht schuldig, bis Deferent vorhero das
Juramentum Calumniæ
abgelegt hat, dessen sich derselbe um so weniger entbrechen soll, als im
widrigenfall das deferirte Jurament ohne Ausnahm pro præstito
(57)
gehalten wird. Begiebt sich nun 7mo. daß derjenige, welcher sich zum Eid schon
gerichtlich anerbotten hat, vor der wirklichen Eidsleistung christlich stirbt,
ohne daß er seines Orts jemal mit dem Schwur säumig gewest, oder seines
geführten Lebenswandels, und sonst ein erhebliches Bedenken auf sich gehabt
hat, so wird der Tod statt des Juraments, mithin der Eid pro præstito gehalten, und stehet annebens
zur richterlicher Ermäßigung, ob man die Erben des Verstorbenen in solchem Fall
ad Juramentum Credulitaris anhalten wolle, oder nicht, welches nicht nur bey
gegenwärtigen, sonder auch bey all anderen von dem richterlichen Auftrag
abhangenden Juramenten, soweit sich obige Requisita hierbey einfinden,
beobachtet werden soll. 8vo. Hat die Zuruckschiebung des Eids, zu Latein:
Relatio Juramenti, Kraft dessen der Deferent selbst die Wahrheit seiner
angeblichen Geschicht beschwören soll, wohl merklich nur in gegenwärtigem Eid
allein statt, und supponirt nicht nur auf Seiten des Referenten die Macht und
Fähigkeit seiner Sache sebst (!) vorzustehen, sondern auch allzeit eine solche
Geschicht, wovon beede Theil gute Wissenschaft haben können, außer dessen
greift die Relation nicht Platz, und hat ein solcher Eid, wenn er allenfalls
aus Unschicklichkeit zugelassen wird, keine Wirkung. Es kann ferner der
zuruckgeschobene Eid unter dem Vorwand, daß man die Prob auf andere Art machen
wolle, weder von dem Referenten widerruffen, noch von seinem Gegentheil mehr
verweigert, oder abgeleint werden. Soviel hiernächst 9no. den Beweis betrift,
welcher obverstandenermaßen dem Delato zu Vermeidung des ihm aufgetragenen Eids
an Hand zunehmen frey stehet, soll solcher inner dem präfigirten Termin sub
pœna Juramenti pro recusato habendi, mittels Uebergebung der Documenten, oder
Probatorialartickeln angetretten, und hierunter lediglich auf das Factum,
welches hätte beschworen werden müßen, ohne Einmischung anderer dahin nicht
gehöriger Sachen articulirt werden. Vor Antrettung dieses Beweis aber muß der
Gegentheil zuforderist das Juramentum Calumniæ bey Verlust der Sache abschwören. Zu dem
Beweis selbst hingegen wird allenthalben, wie sonst verfahren, außer daß man
hierin weder einen Gegenbeweis zu führen, noch sich dieser Eidsdilation oder
Relation hierunter mehr zu bedienen gestattet wird. Ist nun der Beweis
vollständig, und der Gebühr nach gemacht, so wird Articulant nicht nur von
Leistung des deferirten Eids, sondern zugleich in der
Hauptsach definitivè absolvirt. Ist aber die Prob nur halb, oder gar nicht
gemacht, oder verabsaumt, oder wiederum darauf renuncirt worden, so wird der
Eid pro recusato gehalten, und hat die Zuruckschiebung desselben ohnehin nicht
mehr statt. 10mo. Besteher der Effect von wirklich beschehener Leistung eines
rechtmäßig angebotten- oder referirten Eids darin, daß für den schwörenden
Theil erkannt wird. Wenn aber gleichwohl nach der Hand ein begangener Meineid
durch ganz neu hervorgekommene, und vorhin nicht bekannt geweste Proben
vollständig dargethan werden kan, so bleibt sowohl bey gegenwärtig als anderen
dergleichen falschen Juramenten wider den Meineidigen nicht nur die
Restitution, sondern auch nach Maßgab des Cod. Crim. part. 1. cap. 9. §. 3. die
gebührende Straf bevor. Wird hingegen 11mo. der angebotten- oder referirte Eid
ohne rechtmäßiger Ursach recusirt, oder pro recusato gehalten, so soll der
Recusant nicht nur in der Hauptsach, sondern auch in alle verursachte Kösten,
und Schäden condemuirt, im übrigen 12mo. der eingewendten Appellation in obigen
Fällen nicht Platz gegeben werden, außer wo die Erheblichkeit des angebrachten
Gravaminis ganz klar, und offenbar zu Tag liegt.
Von dem
Juramento Suppletorio, und Purgatorio.
§. 3. Der
sogenannte Erfüllungseid, zu Latein: Juramentum Suppletorium, wodurch eine
unvollkommene Prob ergänzt werden soll, erfodert folgende Stücke: 1mo. Muß
derjenige, welcher den Eid leisten soll, ausdrücklich darum einlangen, und zwar
noch vor dem Beschluß der Sache. 2do. Soll er halben Beweis für sich haben,
welcher nicht durch halben Gegenbeweis wiederum entkräftet ist, denn in diesem
Fall soll man den Beklagten entweder gleich absolviren, oder wenn der halbe
Beweis auf beeden Seiten gleich ist, jenen
(58)
wenigist vor dem Kläger zum Schwur kommen lassen. 3tio. Soll auch die Sach,
welche zu schwören ist, so beschaffen seyn, daß sie der schwörende Theil allem
Vermuthen nach wohl wissen kann, und ist kein unehrlich- verleumdt-
leichtfertig- oder verdächtige Person zu diesem Eid zuzulassen. Wobeynebens
4to. auch die strittige Sach selbst zu erwegen ist, maßen solcher Eid in
wichtigen Sachen, welche entweder Ehr, Leib, und Leben betreffen, oder sonst
nach Gelegenheit der Umständen und Personen von gar großer Consideration seynd,
niemal statt hat, außer wo es etwan dem Beklagten Theil zu Guten kommmen wurde.
Der sogenannte Reinigungseid, zu Latein, Juramentum Purgatorium, soll 5to.
sowohl auf Begehren der Partheyen, als von Amts wegen aufgetragen werden, wenn
einerseits weder ein vollständig- noch halber Beweis gemacht, oder die Sach
etwan anderen Mangels halber auf obgedachtes Juramentum Suppletorium nicht
genugsam qualificirt ist, andererseits aber gleichwohl noch ein billiger
Zweifel, oder Verdacht gegen den, welcher den Eid schwören soll, obwaltet.
Sobald nun 6to. jetztgedachter Reinig- oder Erfüllungseid einmal aufgetragen
worden, kann solcher von dem nämlichen Richter nicht mehr wiederruffen werden,
außer aus erheblichen Novis, welche sich erst nach beschehenen Auftrag
hervorgethan haben. Wenn aber 7mo. der Eid wirklich geleistet, oder aus
unerheblichen Ursachen verweigert wird, so soll es damit gehalten werden, wie
bey dem Juramento Litis Decisorio in solchen Fällen §vo præced. 2. num. 11. 12. mit mehrern
geordnet ist. Dieweil endlich 8vo. der Richter öfters billigen Anstand nimmt,
welchen von beeden Theilen derselbe das Juramentum Suppletorium, oder
Purgatorium aufzulegen habe, so soll er zufoderist die Requisita beederley
Juramenten, sofort die Umständ der Sach selbst, und die sowohl pro, als contra
hieraus entspringende Vermuthungen, dann die Eigenschaft beeder Partheyen,
ihren Stand, Würde, Wandel, und Leumuth, auch wer von ihnen am glaubwürdigsten
seye, wohl in Obdacht nehmen, und da endlich dieses alles auf beeden Seiten
gleich ist, den beklagten Theil vor dem Kläger ad Jurandum zulassen.
Vom
Juramento in Litem.
§. 4. Wenn
1mo. die Restitution der strittigen Sach in Natura aus des Gegentheils eignen
Verschulden nicht mehr zu haben, und solche annebens von der Beschaffenheit
ist, daß sie keinen gewiß- oder gesetzten Preiß hat, so soll sowohl dem Kläger,
als seinen Erben und Nachkommen dieselbe mittels ihres Eids, und zwar, da das
gegentheilige Verschulden groß und sehr merklich ist, nicht nur nach dem
wahren, sondern gar nach eingebildeten Werth zur Straf anschlagen zu därfen
ohne Unterschied der Personen vergönnt seyn. Außer dessen aber, und da 2do. das
Verschulden nur mittelmäßig oder gering ist, welches gleichwohl bey
richterlicher Ermäßigung stehet, so soll der Kläger nur auf den gemeinen wahren
Werth schwören, jedoch 3tio. der Richter sowohl auf ein- als anderen Fall die
befundene Uebermaß milderen, und auf ein billig- mäßiges Quantum
heruntersetzen, sofort dem Kläger dazu verhilflich seyn, welcher auch 4to. nach
erhaltenen Werth zur Sach selbst keinen Anspruch mehr hat. Desgleichen mag 5to.
in Klagen um zugefügter Schäden willen, wenn nur die Beschädigung selbst einmal
genug erwiesen ist, und sich hierunter ein Betrug, oder Gewaltthätigkeit
bezeigt, die Größe des dadurch erlittenen Schadens durch des Klägers Eid
erwiesen werden. Ist aber 6to. der Schaden nicht gefährlich, oder gewaltthätig,
sondern auf andere Weis geschehen, so soll man auch die Größe desselben nicht
durch den Eid, sondern durch Gezeugen, oder sonst, wie Rechtens, beweisen.
Von dem
Juramento Manifestationis.
§. 5. Wer
sich fremd- oder in Ausspruch (!) genommener Sachen ohne Gefährde unterziehet,
ist auf Begehren der intereßirten Theile nach vorläuffiger Bescheinigung ihres
habenden Interesse in Ermanglung eines legalen Inventarii
(59)
zuverläßig- und eidliche Specification darüber heraus zu geben schuldig. Falls
er sich aber dessen ohne erheblicher Ursach weigert,
so hat das Juramentum in Litem gegen ihn statt.
Von dem Eid
vor Gefährde, oder Juramento Calumniæ.
§. 6.
Juramentum Calumniæ
generale, welches in Absicht auf den ganzen Proceß geleistet wird, soll 1mo.
folgendergestalt lauten: Ich schwöre zu Gott einen Eid, daß eine gute gerechte
Sach zu haben gänzlich glaube, zu geflissener Verzögerung derselben nichts
suchen, oder begehren, die Wahrheit hierin fürbringen, solche, so oft ich in
Rechten gefragt wird (!), nicht verhalten, auch gefährlicherweis mit Gab, und
Schankung niemand bewegen wolle um ein anderes Urtheil, als das Recht zulaßt,
zu erlangen. Juramentum Calumniæ speciale vel Malitiæ aber, welches nur einen besonderen Judicialact betrift, soll man 2do.
dahin ablegen: Ich schöre zu Gott einen Eid, daß mich z. E. dieser Schrift,
Einred, Terminprolongation, oder NB. anderer Handlung nicht aus Boßheit zu
Verzögerung der Sach, und dem Gegentheil zum Schaden, sondern aus guten,
gerechten wahren Grund, und weil ich solche meiner Sache dienstlich zu seyn
vermeyne, gebraucht habe. Beedes mag 3tio. zu aller Zeit in dem Proceß sowohl
begehrt, als von Amts wegen aufgetragen werden. Es soll sich auch 4to. dessen
keine Parthey, und zwar soviel das Juramentum generale betrift, bey Verlust der
ganzen Sache, des Specialeids aber bey Verlust selbiger Handlung, warum es zu
thun ist, weigern, ausgenommen 5to. die Eltern, wie auch die Lehenherrn,
Fiscalen, und Cammeradvocaten, welchen man ohne sonders erheblicher
Ursach diesen Eid nicht zumuthen soll. Im übrigen soll
auch 6to. das Juramentum Calumniæ statt des sogenannten Juramenti dandorum & respondendorum dienen,
folglich das letztere, welches in Summario ohnehin niemal gebräuchig gewest,
hinfüro auch in Ordinario abgeschaft seyn.
Von dem
Juramento promissorio.
§. 7.
Obwohl jeder zu Erfüllung seines eidlichen Versprechens, soweit solches denen
Rechten nach bestehen mag, nicht nur anzuhalten, sondern auch wenn er demselben
gefährlicherweis zuwider handelt, mit willkührlicher, und zwar soviel den
gerichtlichen Eid betrift, gar mit malefizischer Straf anzusehen ist, so wird
doch dem Eid in Foro externo niemal soviel Kraft beygelegt, daß derselbe aus
ungültigen Handlungen gültige, aus verbottenen zuläßige, aus wiederruflichen
unwiederrufliche machen, oder sonst die Natur und Eigenschaft der Sache
veränderen kann, sondern es soll die Haupthandlung selbst, wie sie immer Namen
haben mag, allzeit bleiben, wie sie ist, folglich auch niemand seine dagegen
habende vermeyntliche Einwendungen, und Rechtswohlthaten unter dem Vormund des
beygefügten Eids benommen seyn.
Vierzehendes
Capitel.
Von
richterlicher Entscheidung des Streits.
Was, und
wie vielerley die Sentenz seye.
§. 1. Der
richterliche Ausspruch über die strittige Sach geschiehet auf zweyerley Weis,
denn entweder wird die Hauptsach selbst dadurch entschieden, und der Beklagte
zum theil, oder ganz absolvirt, oder condemnirt, und dieses heißt ein
Endsbescheid, Urtheil, und Erkanntnuß, zu Latein: Sententia definitiva, oder
der Richter spricht nicht über die Hauptsach selbst, sondern nur
(60) über
einen Incident- oder Nebenpuncten, so heißt es ein Vorbescheid, Beyurtheil,
oder Interlocut, und zwar simplex, wenn selbes die Hauptsach gar nicht berührt,
sondern nur den Modum præcedendi
betrift, mixta, vel vim definitivæ habens hingegen, wenn selbes zugleich die Hauptsach mitangehet, und
einem Theil ein großes Präjudiz dadurch zuwachset, z. E. da der Beweis
injungirt, die Appellation für defect erkannt, super Relevantia Articulorum,
oder in Contumaciam gesprochen wird. Interlocutoriae simplices, welche nur auf
Instanz eines Theils ohne vorläufiger Vernehmung des anderen Theils, mithin
absque Causæ cognitione
ergehen, werden für keine Sentenz gehalten, und können folglich auch jene
Kraft, wovon unten §. 11. Erwehnung geschiehet, nimmermehr erlangen.
Von dem
Beschluß der Sache vor der Entscheidung.
§. 2. Jede
Sach, welche förmlich entschieden werden soll, muß 1mo. auch genugsam dahin
instruirt, und entweder von den Partheyen selbst, oder von Amts wegen darin
beschlossen seyn, immaßen auch 2do. nach solchen Beschluß keine weitere
Handlung mehr zugelassen werden soll. Außer soviel 3tio. die privilegirte
Probsmittel per Evidentiam facti, oder churfürstl. Interessesachen, und Causas
Domini betrift, oder wo sich erhebliche, vorhin nicht bekannt geweste Nova hervorthun,
oder die Partheyen selbst Causà non satis instructà voreilig beschließen, oder
der Richter sonst noch zu seinem Unterricht mehr Auskunft vonnöthen hat. Außer
dessen aber soll 4to. mit dem Endsbescheid verfahren, und all weitere unnöthige
Interlocutiones, oder Provisionalverordnungen beyseit gesetzt werden.
Von
Inrotulir- und Ergänzung der Acten.
§. 3.
Sowohl bey hoh- als niederen Gerichten sollen über die Acta richtige Renner und
Register, in Sachen von großer Wichtigkeit aber vor endlicher Entscheidung auf
Begehren ein ordentlicher Rotulus darüber verfaßt, derselbe von den anwesenden
Theilen, oder deren Procuratoren in Beyseyn des Richters, oder Commissarii
unterschrieben, das Abgängige, soviel immer möglich und zur Entscheidung nöthig
ist, ergänzt, sofort sammentliche Acta numerirt, zusammengeheft, und in
Pergament eingebunden werden. Nebstdeme soll man den Partheyen und
Interessenten, so oft sie es verlangen, in Gegenwart des Actuarii, oder
Registratoris, jedoch allzeit mit Removirung deren dabey findiger Relationen,
oder von Dicasterien erstatteter Berichten ad Statum videndi vorlegen.
Communication
der Acten ad Cameram vor der Entscheidung in churfl. Interessesachen.
§. 4. In
Causis Domini, oder wo das churfürstl. höchste Ineresse miteinschlagt,
wie nicht weniger in churfürstl. Lehensachen, wenn gleich der Streit nicht mit
dem Lehenhof selbst, sondern nur zwischen Vasallen, oder auch anderen obwaltet,
liegt denen Justizdicasterien sub pœna nullitatis sententiæ ob, die beschlossene Acta vor
wirklicher Entscheidung (es seye gleich um eine Definitivam, oder vim
definitivae habentem zu thun) um der gewohnlicher Erinnerungs willen ad Cameram
zu geben, welche bey der Relation nicht nur, ehe man zum Votiren schreitet,
abgelesen, sondern auch der Gebühr nach justizmäßig attendirt, und da etwan
circa Factum etwas neues darin vorkommt, die Gegenparthey non obstante
Conclusione der Nothdurft nach darüber vernommen werden soll, und obwohl
hierbey kein Dicasterium schuldig ist, der churfürstl. Hofkammer ihre Rationes
decidendi mit denen Actis zu communiciren, so sollen doch die bey denen
Hofrathsacten findige Regierungsrelationen, und Berichten nicht davon removirt,
sondern ebenfalls mit dahin gegeben werden, ungeacht die Acta schon vorhin von
denen Regierungen ad Cameram communicirt worden seynd. Dagegen versehen sich
auch Se. churfürstl.
(61) Durchläucht zu Dero Hofkammer gänzlich, und gnädigst, daß man die
Kammeralerinnerung nicht lang aufziehen, und dadurch denen Partheyen zu
billigmäßigen Beschwerden super protracta vel denegata Justitia etwan Anlaß geben werde. Gleichwie im übrigen
obverstandene Communicatio Actorum ad Cameram bey dem churfürstl. Revisorio
bisher nicht üblich gewest, so ist auch in Zukunft dergleichen nicht vonnöthen.
Von Verschickung der Acten an unpartheyische Universitäten, u. Rechtsgelehrte.
§. 5. Das sogenannte Beneficium transmissionis Actorum soll, wie bishero, also noch in Zukunft, weder auf Begehren der Parthey, noch von Amts wegen statt haben. Desgleichen sollen auch die richterliche Anfragen höheren Orten von Amts wegen in bloßen Justiz- und bürgerlichen Partheysachen unterlassen werden, mithin jede Obrigkeit gleichwohl selbst hierin verfügen, was ihrer Pflicht gemäß ist, und sich dieselbe seiner Zeit vor Gott, und der höheren Obrigkeit zu verantworten getrauet.
Wer die Sentenz gebe, und wie die Stimmen dabey zu zählen.
§. 6. Wenn das ordinari Gericht nicht in einer Person allein, sondern in mehr Stimmen besteher, so sollen 1mo. bey Fassung des Urtheils wenigist soviel Votanten vorhanden seyn, als die Ordnung und Observanz eines jeden Gerichts mit sich bringt, und was nun 2do. solchenfalls die mehrere Stimmen geben, dabey soll es verbleiben. Wo aber 3tio. dieselbe auf beeden Seiten gleich seynd, da giebt der Präsident, oder jener, welcher den Vorsitz, oder das Recht die Stimmen zu sammlen hat, mit der seinigen den Ausschlag, bezeigt sich endlich 4to. in Vocando eine solche Discrepanz, daß in der Hauptsache selbst drey, vier, oder mehrley Meynungen herauskommen, so soll es damit gehalten werden, wie bereits in Cod. Crim. p. 2. c. 10. §. 12. geordnet ist.
Wie die Sentenz gefaßt werden solle.
§. 7. Zu einem förmlich- und rechtlichen
Bescheid gehören folgende Stück: 1mo.
Soll derselbe schriftlich gefasset, und nicht nur des Richters, und beeder
Partheyen, oder ad Acta legitimirter
Anwälten Namen, sondern auch mit kurzen
Worten die Causa selbst, und deren Entledigung hierin begriffen seyn. 2do. Soll der Richter mit dem Bescheid über die
in Actis enthaltene Petita, soviel
das Objectum Litis in der Hauptsach selbst betrift, nicht hinaus gehen, und ein
anderes, oder mehrers hierauf erkennen. 3tio. Hat man seithero vielmal im
Brauch gehabt, daß die Sentenz conditionatè mit der angehengten Clausel: Es seye
denn, daß dieses, oder jenes genugsam bewiesen werden könnte, gefaßt worden, welche Clausel man aber
hinfüro zu unterlassen, und wo nöthig, denen Partheyen die Prob nur mit dem
Anhang, daß alsdenn gestalten Dingen nach weiterer Bescheid erfolgen werde,
unter Anberaumung eines gewissen peremtorischen Termins aufzutragen hat. 4to. Ist
auch erfoderlich, daß soviel immer nach Beschaffenheit der Sachen und Personen
thunlich ist, auf ein gewisses gesprochen werde. 5to. Soll man die
Alternationes, da nämlich auf eins, oder anderes gesprochen wird, ebenfalls
hierin vermeiden, wo nicht die angestellte Klag selbst alternativ, oder der
Richter in Zweifel ist, ob die eingeklagte Sach noch existire, welchenfalls
entweder auf dieselbe in Natura, oder auf den Werth und das Interesse sententionirt
werden mag. 6to. Ist nicht nöthig Rationes decidendi der Sentenz einzuverleiben,
oder denen Partheyen zu communiciren. 7mo. soll endlich der Richter in Facto lediglich
nach dem, was actenmäßig, und legaliter bekannt ist, in Jure aber nach denen in
hiesigen Churlanden vorgeschriebenen Rechten, Statuten, Freyheiten, und jedes Orts
hergebrachten loblichen Gewohnheiten richten, und urtheilen. Nachdem sich aber auch
8vo. vielmal begiebt, daß die Localstatuten, oder Gewohnheiten unterschiedlich seynd,
und
(62) ein anderes in loco contractus, ein
anderes in loco rei sitæ, aut Judicii statuirt, und Herkommens ist, so hat der Richter fürnemlich dahin zu sehen, ob
das Statutum nur die bloße Form, und Solennität
einer gepflogenen Handlung, oder die Personen, und Güter selbst betreffe. Erstenfalls soll nach dem
Statuto, oder Gewohnheit des Orts, wo die
Handlung gepflogen wird, gesprochen werden. Lezterenfalls aber erstreckt sich das Statutum oder Herkommen weiter
nicht, als auf die in selbigen Ort befindliche
Güter, und wohnhafte Personen, nicht aber auf das, was sich außerhalb desselben befindet.
Von Publicir- und Intimirung der Sentenzen.
§. 8. Jede Sentenz muß, wenn sie anderst eine Kraft erlangen soll, denen Partheyen kund gemacht werden, und zwar 1mo. auf zweyerley Weis, nämlich da der Bescheid in Gegenwart des Richters, oder Commissarii, und beeder Partheyen von dem Actuario abgelesen, und ordentlich publicirt, oder aber nur extrajudicialiter einer Parthey zugeschickt, und der anderen Notification davon ertheilt wird. In Ordinario sollen 2do. alle sowohl interlocutorische, als Definitivurtheil ohne Unterschied an den gewöhnlichen Gerichtstagen nach geendigter Seßion in Pleno publicirt werden, und ist nicht nöthig, die Partheyen, oder ihre Anwält hierzu besonders citiren zu lassen. In Summario hingegen sollen 3tio. bey churfürstl. Iustizdicasterien nur die Difinitivæ, aut vim Definitivæ habentes, und zwar nach vorläufiger Citation der Partheyen der Seßion commissionaliter publicirt, alle übrige Interlocutoriæ, oder Resolutiones aber denen Partheyen nur extrajudicialiter insinuirt, und respective notificirt werden. Bey unteren Gerichten ist 4to. die Publication allzeit gleich in nämlichen, oder soviel die wichtigere Sachen betrift, wenigist in der nächsten Verhör citatis partibus vorzunehmen. 5to. Soll man die Publication bey gesessenen Gericht, auch zu rechter Zeit und an gewöhnlichen Ort vornehmen, die schriftlich verfaßte Sentenz ablesen, und den Theilen auf Begehren Abschrift davon ertheilen, nebstdeme aber den Publicationsact nicht schlechterdings auf dem Concept des Urtheils vormerken (!), sondern ein eigenes Protocoll hierüber halten, den Tag, Monat und Jahrslauf, samt denen sowohl ab- als anwesenden Partheyen, oder Anwält darin verzeichnen, wie nicht weniger bey Anwesenheit ein- oder anderer Parthey sich über die Lieferung der Citation von Amts wegen erkundigen,und den Befund dem Protocoll gleichfalls eintragen lassen. Immaßen 6to. wenn die Citation und Lieferung sich richtig bezeigt, die Fatalia auch gegen Abwesende à die Publicationis, außer dessen aber erst à die Insinuationis anfangen. Derowegen man 1mo. dem ausbleibenden Theil das Urtheil auf seine Kösten durch eignen Bothen zusenden, selben bey seiner Zuruckkunft ad Protocollum vernehmen, und dieses sofort ad Acta legen soll. In causis Domini, oder churfürstl. Interessesachen soll man 8vo. die Acta nach der Bescheidspublication alsofort ad Cameram geben, um erheischender Nothdurft nach die behörige Remedia Juris in Zeiten dagegen vorkehren zu können, wie denn die Fatalia in solchen Fällen nicht à die publicatæ sententiæ, sondern von dem Tag obiger Acteneinlieferung, welcher von dem Hofkammerregistrator allzeit fleißig bescheiniget werden soll, zu laufen anfangen. Von Publication deren in Appellatorio ergangenen Sentenzen, siehe besonders in Cap. seq. 15. §. 11.
Von Abänder- oder Erklärung eines Bescheids oder Raths-Conclusi.
§. 9. Wenn einmal cum Cognitione Causæ, das ist, mit Vernehmung beeder Theilen entschieden ist, soll 1mo. nach beschehener Publication, oder Notification weder von dem nämlichen, noch einem anderen Unterrichter andergestalt, als mittels Einwendung eines rechtmäßigen Remedii Juris geändert, oder umgestossen werden, welches auch 2do. unter dem Vorwand der Declaration von keiner unteren, oder subordinirter Instanz ohne Bewilligung beeder Partheyen geschehen soll, sondern wenn anderst eine Erklärung vonnöthen ist, solche
(63) gleichwohl bey dem höheren Richter in dem Appellationsweg zu suchen ist. Im übrigen sollen 3tio. ordentlich verfaßte Rathsconclusen auch vor der Publication, oder Notification ohne sonders erheblicher Ursach und Bewilligung des Pleni weder abgeändert, noch die Expedition oder Publication derselben aufgehalten werden.
Von Remediis Juris contra sententiam.
§. 10. Remedia Juris, wodurch eine Sentenz wiederum
umgestossen werden kann, seynd entweder Ordinaria, oder Extraordinaria,
Suspensiva, oder Devolutiva. Unter die ordinaria Remedia gehört die Appellation
und Revision. Unter die Extraordinaria aber Remedium nullitatis, und die
Restitutio in integrum. Von den ersten beeden, siehe cap. seq. 15. und von den
übrigen Cap. seq. 16. Remedium suspensivum unterscheidet sich von Devolutivo
darin, daß zwar beede eine neue Untersuchung leiden, hingegen durch das
letztere die Execution der Sentenz nicht gehemmt wird.
Von der Re judicata,
u(nd) derselben Wirkung.
§. 11. Wenn der Bescheid entweder mit
Worten, oder Werken einmal agnoscirt, oder wenigist kein rechtmäßiges Remedium
Juris ordinarium für die Parthey mehr übrig ist, erlangt derselbe 1mo.
vollständige Rechtskraft, zu Latein: vim rei judicatæ, welche 2do. darin bestehet,
daß die Sentenz andergestalt, als durch ein rechtmäßiges Remedium Juris
extraordinarium nimmermehr umgestossen werden kann. 3tio. Mögen Provisionalverordnungen,
wie auch Interlocutoriae simplices, welche absque cognitione causæ ergehen,
desgleichen definitivæ vor der Publication oder Notification, seiner Rationes
decidendi, und endlich alle contra rem judicatam lauffende, oder sonst mit
unheilbarer Nullität behaftete Erkanntnuß nimmermehr die Kraft Rechtens
erlangen.
4to. Betrift auch res judicata nur die streitende Theil und ihre Erben allein, einem Dritten aber kann selbe weder nutzen, noch schaden, außer in folgenden drey Fällen: Erstlich, wenn er von dem streitenden Theil erst nach erhobenen Streit sein Recht zur strittigen Sache erlangt hat. Zweytens, wenn er zwar selbst ein gemeinschaftlich- und vorzügliches Recht bey der strittigen Sache, und annebeus von dem Streit gutes Wissen gehabt, gleichwohl aber sich desselben nicht angenommen hat. Drittens, wenn die Sach mit dem rechtmäßigen Contradictore einmal ausgestritten worden ist, und anbey in Ansehen des Dritten die nemliche, oder noch stärkere Ursachen obwalten.
Von dem Beweis, und Auslegung eines
Urtheils.
§. 12. Gleichwie alle Gerichtshandlungen
überhaupt, wenn die Schriften und Acta verlohren gegangen seynd, allenfalls
durch zwey unverwerfliche Gezeugen bewiesen werden mögen, so kann auch ein
gleiches mit der ab actis verlohren gegangener Urtheil geschehen, und ist
hierunter nicht nöthig, daß die Gezeugen alle Wort derselben, wie sie gelautet
hat, in ihrer Aussag anführen, sondern es ist genug, wenn nur der Sinn und
wesentliche Inhalt deutlich hieraus erhellet. Im übrigen
ist res judicata niemal weiter auszudeuten, als es der trockene klare
Buchstaben mit sich bringt.
Fünfzehendes Capitel.
Von Apellationen, und Revisionen.
Was die Appellation seye, und wie man solche
einwende.
§. 1. Die Appellation, mittels welcher man
sich bey dem oberen Richter gegen den unteren über sein ungerecht- oder
nichtiges Verfahren förmlich beschwert, soll nach hiesigen Landsgebrauch weder
vor einem Notario, noch
(64) dem Unterrichter eingelegt,
sondern gleich bey dem höheren Richter selbst inner dem unten bestimmten Termin auf die in nachfolgenden §vi.
vorgeschriebene Art und Weis eingerichtet werden.
Wer appelliren kann.
§. 2. Nicht nur von den streitenden Theilen, oder, ihren rechtmäßigen Vertrettern, sondern auch von einem Dritten, soweit ihm (!) das Gravamen directè oder indirectè mitzubetreffen scheint, mag die Appellation sowohl beystandsweis, als für sich selbst, wenn gleich die Hauptparthey solche gänzlich unterließe, allerdings ergriffen werden.
In was für Sachen keine Appellation statt
habe.
§. 3. Die Appellation soll in folgenden Fallen
entweder gar nicht, oder wenigist quò ad effectum suspensivum nicht statt
haben. 1mo. Von Interlocutoriis simplicibus, welche weder vim definitivæ haben,
noch sonst merkliches Präjudiz nach sich ziehen. 2do. Von bloßen
Provisionalverordnungen in Sachen, welche Gefahr halber keinen längeren Verzug
leiden, sonderbar aber in Causis Possessorii summarissimi, & momentanei.
3tio. Von Verhören zur ewigen Geodächtnuß. 4to. Von der Execution, außer soviel
den Modum derselben betrift. 5to. Von Verhandlungen in bloßen Policeysachen, welche
kein Jus reale vel perpetuum betreffen. 6to. Von geringen Händlen unter 50 fl.
an Geld oder Gelds Werth, ohne Einrechnung deren hierab verfallener Zinsen, und
mit Ausschluß der Jurium incorporalium, oder anderer nicht leicht in Anschlag zubringender
Sachen. Es thut sich aber auch 7mo. all obiges nur von solchen Appellationen
verstehen, welche gegen die bey churfürstl. Justizdicasterien hierin
vorgenommene Verhandlungen bey der höheren Instanz eingewendet werden. Doch
soll man auch gegen all andere Untergerichte in obbemeldten sechs Fällen die
Appellation, oder den Effectum suspensivum ohne sonders erheblicher
Ursach so leicht nicht gestatten. Begiebt sich aber 8vo. der Zweifel, ob die
Sach für appellabel zu halten, oder auf den Effectum suspensivum qualificirt
seye, so hat nicht der untere, sondern der obere Richter hierinfalls den
Ausspruch zu thun. Und wenn endlich 9no. wegen nicht beschehener Verwerfung
anzüglich- oder schmählicher Schriften appellirt wird, so soll man den unteren
Richter ohne Weitläufigkeit, und Berichtserfoderung gleich zur Mundirung
sothaner Schriften cum Clausula, wenn die Sach also beschaffen ist, anweisen,
oder die Schrift selbst abfoderen, und dem Befund nach mundirt zurückschicken.
Von dem Judice à quo, & ad quem, dann
denen verschiedenen Appellationsinstanzen.
§. 4. Judex à quo wird 1mo. genannt, von
welchem man appellirt, und ad quem, an welchen appellirt wird. Wie nun 2do. die
Appellation allzeit von dem niederen zum höheren, und zwar an den nächsten
Richter, niemal aber von dem nemlichen wiederum dahin, vielweniger von oben
herunter gehet, so soll 3tio. von dem, welcher entweder keinen höheren mehr
über sich, oder wenigist ein Privilegium de non appellando hat, nicht weiter
appellirt werden, derowegen auch 4to. churfürstl. Unterthanen weder in- noch
außer Lands die Appellation an die höchste Reichsgerichte,
in Sachen, wie sie immer Namen haben mögen, gestattet, sonder 5to. das pro
surrogato aufgestellte churfürstl. Revisionsdicasterium für die oberiste, und
letzte Appellationsinstanz geachtet werden. Von delegirten Richtern, oder
Commissariis, welchen nicht nur die Untersuch- sondern auch die Entscheidung
der Sache aufgetragen ist, soll 6to. niemal an den Deleganten, sondern allzeit
gleich unmittelbar an des Deleganten nächst- oberen Richter appellirt werden,
ausgenommen, wenn der untere Richter aus erheblicher Recusationsursach in einer
Sach nicht Richter seyn kann, mithin statt seiner ein anderer von dem höheren
Richter in selbiger
(65) Sache delegirt wird,
welchenfalls die Appellation à Delegato ad Delegantem gehen soll. Nachdeme auch 7mo. die vierte Instanz alschon per
Generale von 5ten Maji Anno
1750. aufgehoben, und anbey befohlen worden, daß von Bescheiden, welche bey
denen vier Regierungen: Amberg, Landshut, Straubing, und Burghausen nicht in
erster, sondern zweyter Instanz ergehen, gleich unmittelbar an das churfürstl.
Revisorium mit Uebergehung des churfürstl. Hofraths appellirt werden soll, so
hat es hierbey ohne Unterschied des Summarii & Ordinarii noch ferner sein Bewenden.
Von
der Appellationsschrift, und dem Libello Gravaminum.
§. 5. Die Appellation soll folgendermaßen geschehen: 1mo. Ist nicht genug, dieselbe mündlich höherer Orten anzubringen, sondern sie muß sub pœna desertionis schriftlich, und summariè verfaßt, sohin im Judicio, ad quem bey der Behörde übergeben werden. 2do. Soll man unter der nemlichen Straf hierin nicht nur den Inhalt der Sentenz oder Verordnung, wodurch man gravirt zu seyn vermeynt, anführen, sondern auch dieselbe samt denen Sentenzen voriger Instanzen, wo mehr seynd, abschriftlich mitbeylegen, oder wenn aus Verschulden des Unterrichters keine Abschrift zu haben ist, solches ausdrücklich melden, damit gebührendes Einsehen hierunter vorgekehrt, und der Richter dem Befund nach zur Straf gezogen werden möge. Die Gravamina sollen 3tio. nicht nur an sich erheblich, und wahrscheinlich, sondern auch in der Appellationsschrift selbst, oder einem besonders mitbeygelegten Libello Gravaminum inner dem §vo seq. 6to. bestimmten Termino fatali sub pœna desertionis dergestalt deducirt seyn, daß man 4to. deutlich und specificè daraus ersehen kann, worin Appellant eigentlich gravirt zu seyn vermeyne, dahero weder eine bloße vorläufige Appellationsinsinuation, noch da man sich lediglich ohne Erwehnung ein- oder anderer Specialität ad Acta priora beziehet, für eine Appellationsschrift an- und aufgenommen werden solle, wenn nicht obbemeldte Deductio Gravaminum noch vor Ausgang der Fatalien nachfolgt. 5to. Kann auch von einem zwar noch nicht wirklich zugefügt- gleichwohl aber nächst bevorstehenden Gravamine, zumal wenn gar groß- oder nicht so leicht wiederbringlicher Schaden davon zu besorgen ist, wie nicht weniger 6to. von einem Gravamine extrajudiciali, welches zwar extra viam & ordinem processus, jedoch in Kraft obrigkeitlichen Amts verhengt wird, allerdings appellirt werden, und ist man 7mo. weder bey jetzt verstandenen Gravamine extrajudiciali, noch futuro an die Appellationsformalien und Fatalien so genau gebunden, solange wenigist nicht ein ordentliche Erkanntnuß oder Verordnung cum plena Causæ cognitione darüber ergangen ist. 8vo. Ist zwar keiner Parthey verwehrt, in Appellatorio, das, was in voriger Instanz bereits eingekommen ist, circa facti veritatem aut circumstantias besser zu erklären, und auszuführen, außer dessen aber soll man hierein keine Nova mehr attendiren, es wären denn solche erst nach der Sentenz hervorkommen, oder in Erfahrung gebracht worden, solches auch mittels eines körperlichen Eids erhärtet werden könnte, welchenfalls sie zwar noch in Appellatorio zugelassen, der Gegentheil aber solchenfalls mit seiner Nothdurft allzeit darüber vernommen, und hierunter das nemliche, was §vo. 7. n. 9. verordnet ist, beobachtet werden solle. 9no. Ist endlich auch all jenes, was das 4te Cap. 10te §. von äußerlicher Form gerichtlicher Schriften mit sich bringt, in Appellationsschriften bey Vermeidung willkührlicher Straf und Zurückgab derselben nicht, außer Acht zu lassen.
Von denen Appellationsfatalien.
§. 6. Die Appellationsschrift soll 1mo. sowohl in Summario, als Ordinario längst inner 60 Tagen bey der behöriger Appellationsinstanz sub pœna desertionis übergeben, und hierauf nicht soviel ad instantiam partium, als von Amts wegen Obacht getragen werden, es lauft auch 2do. dieses Fatale à die Publicationis vel Notitiæ, jedoch mit Ausschluß selbigen Tags dergestalt fort, daß
(66) die Appellationsschrift noch den ganzen
letzten Tag bis gegen Abend, oder da derselbe etwan ein von der Kirch
gebottener Feyertag ist, nächst folgenden Werktag darauf übergeben werden mag,
wohingegen die mittlere Feyertagein das 60tagige Fatale miteinzurechnen seynd.
Ist nun 3tio. die Appellation aus Verstoß bey der höheren Obrigkeit mit
Ueberspringung der mittleren, und nächsten Instanz, jedoch noch
erweislichermaßen in tempore eingereicht worden; so soll zwar dieselbe an seine
Behörde remittirt werden, die Fatalia seynd aber gleichwohl dadurch salvirt.
4to. Soll Dies Publicationis vel Notitiæ von dem Appellanten allzeit gleich in
der Appellationsschrift sub pœna desertionis bemerkt werden, damit der Richter
solche allenfalls, wenn sich das Fatale bereits verstrichen bezeigt, gleich
ohne Berichtserfoderung verwerfen möge. Immaßen auch dem Appellanten
hierinfalls solang geglaubt wird, bis gleichwohl ex Actis oder gegentheiliger
Prob ein anderes erhellet, welchenfalls jedoch die befundene falsche
Vorspieglung niemals ungestraft bleiben soll. Es soll ferner 5to. keinem
Richter erlaubt seyn, die Fatalia Appellationis zu prolongiren, wenn aber
gleichwohl dieselbe ohne Verschulden des Appellanten verstrichen seynd, und er
sich dießfalls durch Beybring- und Bescheinigung hinlänglicher Ursachen, wozu
jedoch der vorgeschutzte Saumsal des in Sachen gebrauchten Advocaten oder
Anwalts nicht hinreichen soll, genugsam purgiren, und entschuldigen kann, so
mag er bey dem Appellationsgericht auf Begehren entweder nach vorläufiger
Vernehmung des Gegentheils, oder wenn die ehehafte Hindernuß ganz offenbar, und
kündig ist, brevi manu, das ist, ohne Vernehmung des Gegentheils contra lapsum
Fatalium in integrum restituirt werden. 6to. Soll auch die Appellation gegen auferlegten
Beweis inner 30 Tagen sub pœna desertionis eingereicht, und das nemliche Fatale
durch all weitere Instantien sowohl ein- als andererseits hierin beobachtet,
endlich nach erfolgt- und in rem judicatam erwachsener Confirmatoria die
Beweisartickel inner dem vorhin präfigirt- und pendente Appellatione suspendirt
gewesten Termin, welcher auch à die Publicationis ultimæ sententiæ
confirmatoriae allzeit ohne weiteren Auftrag zu lauffen anfangt, sub pœna
præclusi bey dem Richter erster Instanz überreicht werden 7mo. Seynd bey einer
bloßen Inhäsivsentenz die Fatalia niemal von der letzteren, sondern von der
ersten Erkanntnuß, wenn sie anders definitiva, oder vim definitivæ habens ist,
zu rechnen, und wie im übrigen 8vo. hiesigen Landsbrauch nach, der Appellant
von dem Unterrichter weder Apostolos zu begehren, noch Acta requiriren, minder
die Appellation bey ihm zu lnsinuiren hat, so fallen auch die nach gemeinen
Rechten hierauf gesetzte besondere Fatalia von selbst hinweg.
Vom Proceβ in Appellatorio.
§. 7. Sobald die Appellation einmal für devolut, und auch sonst unmangelhaft befunden wird, soll sie 1mo. dem judici à quo um Bericht, Acta, und nach Gestalt der Sach auch um gegentheilige Verantwortung zugeschlossen werden, damit nun aber 2do. die Verfassung des Berichts desto weniger Anstand leide, so seynd bey Entscheidung jeder Streitsach die Rationes decidendi allzeit gleich schriftlich mit ad Acta zu legen, bey selben fleißig zu verwahren, und auf erhaltenen Befehl mit einem Remiß an den höheren Richter einzusenden. Die Acta selbst sollen 3tio. allemal in Originali, oder da keine Schriften gewechselt worden, wenigist gleichlautende Protocollsextract nebst obverstandenen Remiß eingeschickt, und ein gleiches auch mit den Actis prioris Instantiæ, wenn etwan die Appellation von der zweyten an die dritte Instanz gegangen ist, beobachtet, sofort der Unterrichtet in Casum moræ mit Geldstraf, Abschickung eigner Bothen auf seine eigne Kösten, und dergleichen Zwangsmitteln angehalten, und da sich ein churfürstl. Justizdicasterium so säumig finden lassen wurde, solches höchster Orten angezeigt werden. 4to. Soll man in Appellations- und Partheysachen Bericht und Acta nicht bis zur Auslosung zuruck halten, vielweniger den Partheyen selbst der Lieferung halber zustellen, sondern gleich nach erhaltenen Befehl längst inner 8 Tagen einsenden, und die gewohnliche Gebühr gleichwohl von dem Appellanten allenfalls executive erholen, welches
(67) hingegen auch 5to. der obere mit denen an den unteren Richter ergehenden Expeditionen zu beobachten hat. Unerfoderte Berichten, Gutachten, und Intercessiones soll man 6to. in Partheysachen bey Vermeidung unbeliebiger Ahndung unterlassen. Soviel 7mo. die Verantwortung des appellatischen Theils über die ihm communicirte Appellationsschrift belangt, soll er nur alsdenn damit vernommen werden, wenn nicht gegen ein churfürstl. Justizdicasterium, sondern gegen ein anderes Untergericht appellirt wird, wobey auch Judex à quo sothane Verantwortung von appellatischen Theil unter Anberaumung eines peremptorisch- 30tägigen Termins, und zwar sub pœna præclusionis abzufoderen, und solche sofort nebst seinen Bericht an den Judicem ad quem einzuschicken hat. Re- und Duplicas soll man 8vo. in Appellatorio niemal mehr zulassen, sondern entweder auf Bericht, Acta, und gegentheilige Verantwortung sprechen, oder da 9no. die Sach in Facto noch nicht genugsam erörtert ist, solche zur ersten Instanz um der nöthigen Erörterung willen remittiren, welchenfalls jedoch Judex 1mæ. nicht mehr von neuen darin sprechen, sondern die unerörterte Puncten nur der Nothdurft nach zu instruiren, den Spruch aber derjenigen Instanz, wo die Appellation hangt, zu überlassen, und die Acta dahin einzuschicken hat. Außer da es etwan auf einen ordentlichen Beweis ankommt, welcher nicht nur allzeit in erster Instanz instruirt, sondern auch salvà ulteriori Appellatione aldort entschieden werden soll. Was endlich 10mo. den Appellationseid, wie auch die Caution wegen Fortsetzung der Appellation, und die sogenannte Solennia betrift, ist dieses alles in hiesigen Churlanden als ungebräuchig abgeschaft.
Vom Stillstand, und denen Attentatis.
§. 8. Was 1mo. von einer Parthey, oder von
dem Unterrichter selbst nach ergangener Inhibition, oder insinuirter
Appellation, oder aber auch vor beschehener Insinuation, doch noch vor Ausgang
der Fatalien, zu Abbruch und Nachtheil der in Appellatorio rechtshängiger Sache
unternommen wird, ist eine Neuerung, zu Latein: Attentatum, und soll 2do. nicht
nur mit willkührlicher Bestrafung des Attentanten angesehen, sondern auch 3tio.
auf seine eigene Kosten alles in vorigen Stand, wie es vor der Neuerung gewest,
prævià summarià causæ cognitione unverzüglich gestellt, in der Hauptsach selbst
aber 4to. nicht verfahren werden, bis die Restitution geschehen ist. Falls 5to.
das eingeklagte Attentatum nicht klar, und offenbar, sondern zweifelhaft, und
altioris Indaginis zu seyn scheint, soll man solches zwar förderlich, doch
genugsam untersuchen, die Hauptsach aber weder dadurch aufhalten, noch mit diesem
Incidentpunct vermischen, sondern jeden gleichwohl besonders verhandeln, die
Acta separiren, sofort entweder beede Puncten zugleich, oder gestalten Dingen
einen nach dem anderen entscheiden. 6to. Soll man auf Anruffen der Unterthanen
gegen ihre Obrigkeiten, oder Grundherrschaften, wie nicht weniger in causis
possessoriis, wo der Status Possessionis nicht genugsam bescheiniget, oder
sonst offenbar ist, desgleichen in Beytreibung landsherrlich- und
landschaftlicher Prästationen, endlich auch in allen ohne Gefahr nicht wohl
verschieblichen Dingen mit Stillständen behutsam verfahren, und solche entweder
gar nicht, oder wenigist nur sub Clausula, wenn die Sach angebrachtermaßen
beschaffen ist, ertheilen.
Vom Effect der Appellation.
§. 9. Durch die Appellation wird 1mo. die Streitsach nach Maß der eingewendter Special-Gravaminum, samt allen, was davon abhangt, an den höheren Richter devolvirt, dem unteren hingegen 2do. in der nemlichen Maß die Hand dergestalt gebunden, daß er hierin weiter nichts mehr thun kann, sondern den Ausspruch des oberen Richters erwarten muß. Nebst deme kommt 3tio. auch die einmal rechtmäßig angewendte Appellation dem appellatischen Theil soweit zu Guten, daß er derselben in sammentlichen durch das gravirliche Urtheil
(68) entschiedenen Puncten, welche mit sein des
Appellanten Gravaminibus Connexion haben, und aus einer Quelle fließen, sogar
nach schon verflossenen Fatalibus annoch adhäririn (!) kann, wenn nur sothane
Adhäsion noch vor dem Appellationsspruch geschiehet, und die Gravamina specificè
darin deducirt werden. Soviel aber 4to. Puncta separata betrift, soll Appellat,
soweit er hierin beschwert zu seyn vermeynt, gleichwohl seine ordentliche
Appellation auf die nemliche Art, wie der Appellant, mithin auch intra Fatalia
sub pœna desertionis einbringen, welches 5to. ein dritter Intereßirter
gleichfalls zu beobachten hat, wenn er nicht bloß beystandsweis, sondern für sich
selbst principaliter in Appellatorio erscheint.
Von Renuncirung auf die Appellation.
§. l0. Obwohl 1mo. jedem frey stehet, sich
der Appellation sowohl ausdrücklich, als stillschweigend zu begeben, so soll
doch solches nach beschehener Introduction, und übergebener
Appellationsschrift, weder zu Präjudiz des Gegentheils, noch anderer intereßirter
Theilen ohne ihrer (!) Bewilligung mehr angehen. Für eine stillschweigende Renunciation
aber soll 2do. unter anderen auch gehalten werden, wenn derjenige, welchem der
Beweis auferlegt wird, ohne Protestation oder Reservation entweder die
Beweisartickel übergiebt, oder um Verlängerung des Termini probatorii bittet,
und dergleichen.
Von der Appellationssentenz.
§. 11. Bey Entscheidung der Appellationsstrittigkeit soll der Richter zuforderist, und pro 1mo. die Formalia Appellationis sowohl bey selbiger, als voriger Instanz ansehen, und wenn ein offenbarer Mangel daran befunden wird, die Causam mit Uebergehung der Hauptsach von Amts wegen alsofort pro deserta, vel non devoluta erkennen. Falls aber 2do. die Formalia in Richtigkeit, oder wenigist zweifelhaft seynd, mag er über die Hauptsach selbst sprechen, folglich dem rechtlichen Befund nach die Sententiam à quo entweder zum Theil, oder ganz bestättigen, reformiren, oder erklären. Es soll aber 3tio. hierbey in Appellatorio allzeit vorzüglich auf die bey erster Instanz übliche Rechten, Gewohn- und Freyheiten attendirt werden. Nach erfolgten Appellationsbescheid seynd 4to. sammentliche Acta mit der Erkanntnuß an das nächste Judicium à quo, und von dort allenfalls weiter an die erste Instanz zu remittiren. 5to. Ist die Publication des Appellationsbescheids ebenfalls in 1ma. Instantia vorzunehmen, außer in Casu reformatoriæ Sententiæ, welchenfalls zu des höheren Richters Ermäßigung stehet, ob er seinen Bescheid selbst publiciren wolle, oder nicht. 6to. Sollen muthwillige Appellationes, deren offenbarer Ungrund oder Desertion aus der Appellationsschrift selbst erscheint, zwar gleich anfänglich verworffen, und ohne Gerichtserfoderung vor der Hand abgewiesen werden, wenn aber der Muthwillen erst nachhero aus dem eingesendteten Bericht und Actis sich äußert, so soll weder die appellirende Parthey selbst, noch der hierunter gebrauchte Advocat dießfalls ungestraft bleiben, wie nicht weniger 7mo. jene Appellanten, welche sich gegen die Untergerichte mit schmählichen groben Anzügen in ihren Schriften vergehen, allzeit exemplarisch, und unnachläßig gestraft werden. 8vo. Wird die Verfassung der Appellationssentenz eben so, wie mit der Sententia à quo durchgehends verfahren, und die Appellationssachen überhaupt, soviel immer möglich, und thunlich ist, zum Ausgang befördert, auch wenn 9no. an dem Unterrichter etwas zu ahnten (!), oder zu erweisen ist, solches den Partheyen weder publicirt, noch communicirt, sondern zu Beybehaltung richterlicher Authorität in Geheim gehalten werden. Endlich soll 10mo. eine obsiegliche Appellationserkanntnuß sowohl dem Appellanten, als all übrigen nicht appellirenden Litis Consorten, welche sich der Appellation nicht ausdrücklich begeben haben, soweit zu Guten kommen, als sie entweder Causam individuam, oder wenigist communem, und zwar letztenfalls gleiche, oder noch stärkere Rationes decidendi
(69) für sich haben, soviel aber andere Litis Consortes, oder dritte Personen betrift, soll es bey der in Cap. 14. §. 11. gemachter Verordnung, auch in Appellationserkanntnussen, sein Verbleiben haben.
Von der Revision.
§. 12. Zwischen der Appellation und Revision soll, wie bishero, also noch ferner kein Unterschied, sondern sowohl der Fatalien halber, als sonst in all- andere Weg eine durchgängige Gleichheit seyn, ausgenommen, daß über die Revisionserkanntnuß keine weitere Appellation, oder Superrevision mehr Platz greift.
Sechszehendes Capitel.
Von der Restitutione in integrum, dann der
Nullitat, und anderen Remediis Juris.
Von dem Remedio Restitutionis in integrum.
§. 1. Restitutio in integrum kann zwar sowohl gegen Ertrajudicial- als Judicialhandlungen, von minderjährig- und anderen Personen, aus Rechtserheblichen Ursachen, in gewisser Maaß und Zeit, principaliter und incidenter gesucht werden. Wann man sich aber dessen, als ein Remedium Juris contra sententias gebraucht, so ist folgendes zu beobachten. 1mo. Hat selbe weder bey minderjährig noch anderen statt, so lange noch ein Remedium ordinarium, z. E. Appellatio, Revisio, Possessorium plenarium aut petitorium noch übrig ist. 2do. Kann sie andergestalt nicht, als aus solchen Novis ergriffen werden, welche die Hauptsach selbst in Facto merklich alteriren, mithin nicht nur an sich erheblich, sondern auch vollständig und genugsam erwiesen seynd. Nebst deme muß der Impetrant auf gegentheiliges Begehren mit seinem Eid oder in anderweg darthun, daß er von sothanen Novis entweder nichts gewust, oder solche wenigst legaliter beyzubringen ante sententiam nicht vermögt habe. Minderjährige selbst sollen sich der Restitution contra sententiam andergestalt nicht, als ex Novis zu erfreuen haben, es seye dann, daß zu ihren merklichen Nachtheil in Processu etwas ihrer Seits unterlassen, oder anderer Seits gefährlicher Weis begangen worden zu seyn, sich äußeren wolte. 3tio. Soll sie von der Zeit an, da sich verstandene Nova vermög abgelegten Eids hervorgethan haben, oder da es noch währender Minderjährigkeit geschehen, von der Zeit der nach hiesigen Landrechten, oder sonst aus Specialgnad erlangter Majorennität, längst inner vier Monat sub pœna desertionis angebracht werden, und zwar 4to. allzeit vor dem Richter erster Instanz, ohngeacht etwan die Sentenz bey dem oberen Richter ergangen ist. 5to. Soll man niemand ohne vorläufige Vernehmung des Gegentheils, dann gnugsamer Untersuchung und vollständiger Prob der eingewendeter Restitutionsursachen in integrum restituiren. 6to. Kirchen, Gemeinde, causæ piæ, und dergleichen sollen den Minderjährigen hierinfalls gleich geachtet werden, ausgenommen so viel den Lauf des Fatalis Quadrimestris belangt, welches bey ihnen von der Zeit, da sich die angebliche Nova hervorgethan haben, oder wann sie nicht ex Capite novorum, sondern ob læsionem ex propria negligentia vel dolo adversarii restituirt zu werden verlangen, a die publicatæ sententiæ, oder falls sich sothane Læsion erst nach der Hand geäußert hätte, von solcher Zeit seinen Anfang nehmen solle. 7mo. Hat gegenwärtiges Remedium nur in so fern Effectum suspensivum, als es noch vor wirklicher Execution gebührend interponirt, und annebens die Causa Restitutionis, oder das angebliche Novum so weit deducirt und bescheiniget ist, daß der
(70) Richter solches nicht ohne Grund zu seyn,
leicht erachten kann. Durch muthwillig-
an obgedachten Requisiten offenbaren Mangel leidendes Restitutionsgesuch aber
soll 8vo. die Execution nicht nur nicht gehemmt, sondern solches vielmehr
gleich von Amtswegen ohne vorläufiger Communication abgewiesen werden. Und wie nun 9no. nebst
dem Puncto restitutionis auch allzeit zugleich die Hauptsach verhandlet und
instruirt werden solle, also auch soll am Ende allzeit über beedes zugleich gesprochen werden. Und obwohl 10mo.
jeder Parthey, welche durch Abschlag- oder Bewilligung der Restitution
beschwert zu seyn vermeynt, der Appellationsweg an den höheren Richter annoch
bevor stehet, so soll doch über die Restitution keine weitere Restitution in
den nämlichen Punkten, ohne daß sich Nova in obiger Maaße hervorthun, mehrmal
gestattet werden. So viel aber 11mo. Restitutionem in integrum betrift, welche
nur contra lapsum Fatalium, Termini præjudicialis, oder sonst incidenter
gesucht wird, ist erstlich die bloße Minderjährigkeit, oder andere
Rechtserheblich- und genugsam bescheinigte Ursach dazu hinlänglich, zweytens
soll solche contra lapsum Fatalium aut Termini præjudicialis allemal inner so
viel Zeit, als man zuvor re adhuc integra gehabt hätte, und zwar erstenfalls
bey dem höheren Richter, letztenfalls aber bey dem Richter, welcher den
Terminum præjudicialem ertheilt hat, gesucht werden. Drittens soll die
Untersuchung respective Prob hierinfalls nur summarie geschehen, sofort gestalten
Dingen nach nicht nur Minderjährigen, sondern auch anderen auf beygebracht-
genugsame Bescheinigung ihres Alters, oder anderer erheblicher Restitutionsursachen
allenfalls auch ohne Vornehmung des Gegentheils, zu Latein: brevi manu mit der
gebettener Restitution willfahrt werden. Endlich kan 12mo. Restitutio ex capite
minorennitatis sowohl contra sententiam, als sonst in anderweg den volljährigen
Litis Consorten nur soweit zu Guten kommen, als sich die Gerechtsame des
Minderjährigen von der Ihrigen nicht absöndern laßt.
Von dem Remedio Nullitatis.
§. 2. Eine Sentenz, welche aus Mangel der
Citation oder Jurisdiction mit unheilbarer Nullität behaftet ist, erwachset 1mo. niemal in rem judicatam, und kann folglich
2do. nicht ad Executionem gebracht, sondern vielmehr 3tio. sowohl bey höheren,
als nämlichen Richter, wann er nur competens ist, inner 30 Jahren Klags- und
Exceptionsweis angefochten werden. All übrige aus obigen
Mangel nicht herrührende Nullitäten sollen 4to. durch die Appellation, oder
gestalten Dingen nach durch die Restitution gehoben, mithin auch alles, was zu
ein oder anderen Remedium erforderlich ist, sub pœna desertionis beobachtet,
wie nicht weniger 5to. auf den Fall, wann von der Nullität, ob und wie weit sie
heilbar seye, der Zweifel ist, allzeit der Appellationsweg eventualiter zu
Vermeidung der Desertionsstraf an Hand genommen werden.
De Syndicatu.
§. 3. Bey der sogenannten Syndicatsklag soll zwar dem Klager 1mo. auf gemachten genugsamen Beweis zu Ersetzung des ihm durch ungerecht- und schuldhaftes Verfahren des Richters zugegangenen Schadens verholfen, die in rem judicatam erwachsene Erkanntnuß aber 2do. derwegen nicht umgestossen werden, es seye denn 3tio. zugleich gnüglich bewiesen, daß der Gegentheil mit dem Richter colludirt, und an der gespielten Gefährde Antheil genommen habe. Wurde es aber 4to. dem Kläger an der Prob ermanglen, so soll er nicht nur zur Abbitt, sondern auch zu Abthuung aller Kosten und Schäden angehalten, annebens mit Geld, Gefängnuß, und anderer exemplarischer Straf angesehen werden.
Von dem Recursu ad Principem.
§. 4. Wiewohl denen bedrangten Partheyen in Casu protractæ, vel denegatæ Justitiæ der Recurs von denen Justitzdicasteriis ad manus Serenissimas niemal gesperrt seyn solle, so gedenken doch Ihro churfürstl. Durchleucht res
(71) judicatas nicht nur dadurch nicht abzuänderen, oder umzustossen, sondern wollen vielmehr die Partheyen hierbey selbst kräftigst manutenirt wissen, in der gänzlich gnädigsten Zuversicht, daß man sich bey dero Justitzdicasteriis Rathsordnungsmäßig verhalten, mithin zu dergleichen Recursen, und Beschwerden keinen Anlaß geben werde.
Von zulässigen Remediis Juris
§. 5. Alle übrige Remedia Juris, insonderheit die sogenannte Reductio ad arbitrium boni Viri, Recursus a Judice male informato ad melius informandum, Provocatio ad vallem Josaphat, und dergleichen sollen nicht nur niemal zugelassen, sondern die Partheyen, welche sich derselben unterfangen, gebührend bestraft werden.
Siebenzehendes Capitel.
Von Endigung des Streits durch Vergleich, Compromiß, und das Loos, dann deren Streitskösten, und Schäden.
Von dem Vergleich.
§. 1. 1mo. Thun nicht nur die Partheyen wohl und gut, wenn sie sich entweder vor- oder nach entstandenen Proceß selbst miteinander in Güte verstehen, sondern es liegt auch 2do. jeder Obrigkeit ob, in Sachen, welche geringschätzig, oder dunkel und zweifelhaft seynd, oder wo es um Ehr, und guten Leumuth zu thun ist, oder da nahe Befreunde, adelich- oder sonst fürnehme Personen unter sich streiten, all möglichen Fleiß anzuwenden, damit der Streit in Güte beygelegt werde, zu welchem Ende beeden Theilen in solchen Fällen die aus bevorstehender Rechtfertigung zu gewartende Beschwerden genugsam, jedoch 3tio. allzeit mit solcher Bescheidenheit zu erinneren seynd, damit sich hierinfalls niemand ungebührlichen Zwangs, oder Drohung beklagen möge. Es muß aber auch 4to. derjenige, welcher sich vergleichen will, seiner selbst mächtig, und mit anderen zu handlen berechtiget seyn, da im wiedrigen Fall ein solcher Vertrag ohngeacht des etwan beygefügten Juraments von keiner Gültigkeit ist. Die Sach selbst worüber sich 5to. verglichen wird, soll bereits strittig, oder doch ein künftiger Streit darum zu beförchten, auch an sich zweifelhaft, und 6to. so beschaffen seyn, daß denen Transigenten darüber zu handlen und zu disponiren frey steht. Curatores und Vormünder mögen 7mo. in Sachen ihre Pflegbefohlene betreffend, sich zwar wohl vergleichen, wenn es aber unbeweglich- oder solche Güter betrift, welche sich leicht erhalten lassen, so soll von des Pflegbefohlenen Ordinariobrigkeit, oder wenigst dort, wo der Streit hangt, der Consens erholet, solcher auch bey vorwaltend- erheblicher Ursach nach derselben vorläufig genugsamer Einsicht weder erschwert, noch abgeschlagen, sondern unweigerlich, und zwar ohne der bishero öfters gebrauchter Clausula: Salvo Jure pupillari hierauf ertheilet werden. 8vo. Ist nöthig, daß bey jedem Vergleich etwas gegeben, und behalten werde. Wenn es aber entweder an diesem oder obigigen Requisitis sub num. 5to. ermanglet, so ist zwar der Handel deswegen nicht unkräftig, kann hingegen auch für keinen Vergleich angesehen werden. 9no. Soll derselbe vor ordentlicher Obrigkeit, wo gestritten wird, oder worunter wenigst einer von beeden Theilen, oder die strittige Sach selbst gehörig ist, angegeben, protocollirt, und das Protocoll nicht nur mundirt, sondern auch von den Theilen selbst, wann sie schreiben können, eigenhändig unterzeichnet, oder da die Summa über 50fl. im Werth betragt, Taxordnungsmäßig verbrieft werden. Falls auch die Partheyen sich vor der Obrigkeit unterer Instanz oder extrajudicialiter vergleichen, während daß die Causa bey der höheren Instanz anhängig
(72) ist, so soll man dieser zu dem Ende, damit sie nicht weiter hierhin verfahre, schleunige Nachricht davon ertheilen, wiedrigenfalls die erforderliche Relationssportuln, und andere verursachte Kösten, und Canzleytaxen zu erstatten haben. 10mo. Seynd siegelmäßige Personen ihre Vergleich obrigkeitlich zu errichten zwar nicht schuldig, sollen aber gleichwohl dieselbe allzeit schriftlich verfassen, sofort mit eigner Handunterschrift, und Petschaft fertigen, und da die Transigenten theils siegelmäßig, theils unsiegelmäßig seynd, so soll statt der letzteren die Obrigkeit mitfertigen. Solange nun 11mo. obverstandene Protocollir- oder respective beederseitige Fertigung nicht geschehen ist, soll die ganze Handlung sowohl unter siegelmäßigen, als anderen Personen, ob sie schon mit Gezeugen bewiesen werden kunte, weder in Kraft eines Vergleichs, noch sonst unter anderen Namen bestehen, ausgenommen, da sie schon ganz, oder zum Theil in Erfüllung gebracht worden ist. Was aber 12mo. auf obgedachte Weis einmal mit beederseitigen guten Wissen und Willen verglichen ist, kann weder ex capite erroris, læsionis ultra dimidium, vel Instrumentorum noviter repertorum, aut non inspectorum, noch in ander Weg mehr angefochten werden, es seye denn, daß ein offenbare Gefährde mit unterloffen seye, oder da es minderjährige Personen betrift, eine merklich- und augenscheinliche Læsion dargethan werden mag. Die Reue soll 13tio. in einem geschlossenen Vergleich ohne beederseitige Bewilligung niemal statt haben, und derselbe sogar unter dem Vorwand gegentheiliger Contravention nicht angefochten, sondern solchenfalls die Klag vielmehr dahin gestellt werden, daß der Gegentheil zu gebührender Erfüllung obrigkeitlich angehalten werde, ausgenommen, da demselben etwan die Clausula Cassatoria auf dem Contraventionsfall ausdrücklich mit einverleibt worden, und derjenige, welcher in Kraft dieser Clausul die Cassation begehrt, seines Orts nicht selbst in mora adimplendi ist. Gleichwie im übrigen 14to. aus dem Vergleich niemal eine Novation präsumirt wird, so bleibt den Transigenten ihre vorige Hypothek, welche sie etwan schon vor dem Vergleich gehabt haben, allzeit noch bevor, wenn nicht ein anderes ausdrücklich bedungen ist. 15to. Sollen endlich die Advocaten und Procuratores, welche die Partheyen von dem Vergleich abhalten, und zum Streit anreitzen, nach aller Schärfe gestraft werden.
Von Compromissen.
§. 2. Ein Compromiß ist, wenn sich die Theil so weit miteinander gütlich verstehen, daß sie ihre Nothdurft schrift- oder mündlich einem oder mehr die Sachen verständigen Schiedsrichtern fürbringen, und den Ausspruch von selben gewärtigen wollen. Wer nun 1mo. sich nicht vergleichen kann, der kann auch kein gültiges Compromiß angeben. 2do. Ist zwar niemand schuldig, das Schiedsrichteramt auf sich zu nehmen, wenn es aber einmal geschehen ist, so kann man sich dessen ohne Rechtserheblicher Ursach nicht mehr entschlagen. 3tio. Hat das Compromiß regulariter in allen bürgerlichen Sachen, wenn es einen Vergleich leidet, mithin auch in jenen, welche schon wirklich bey Gericht im Streit hangen, allerdings statt. 4tio. Soll der Innhalt desselben genau beobachtet, außer dessen aber sich an die gemeine Vorschrift der Rechten gehalten werden, dergestalt, daß der Schiedsrichter, wie jede andere Obrigkeit, und zwar ohne Unterschied inter Arbitros und Arbitratores in der Sach, und was derselben anhangt, zu handlen und zu richten, jedoch die Execution selbst niemal vorzunehmen, sondern solche gleichwohl dem ordentlichen Richter zu überlassen, wie nicht weniger, wenn Gezeugen zu vernehmen seynd, die Obrigkeit, worunter selbe unmittelbar stehen, um deren Verhör zu ersuchen hat. 5to. Wo mehr taugliche Schiedsrichter in der Sach zugleich erwählet seynd, soll keiner ohne dem anderen richten, und bleibt es in solchen Fall bey den mehrern Stimmen, gleiche Stimmen aber gehen gegen einander auf, außer da auf solchen Fall entweder von denen Compromittenten selbst, oder mit deren Bewilligung von denen Schiedsrichtern ein Obmann erwählet wird, welcher mit seiner Stimm den Ausschlag zu geben hat. Nach publicirten Ausspruch stehet 6to. jedem Theil frey, an jene Obrigkeit, welche sonst in derselben
(73) Sach ordentlicher Richter ist, oder wenn die Obrigkeit selbst zum Schiedmann erkieset worden, an die nächste höhere Obrigkeit, und Instanz, dafern noch eine übrig ist, zu appelliren, wobey auch 7mo. all jenes genau zu beobachten kommt, was oben Cap. 9. von Appellationen, und Revisionen überhaupt verordnet worden. Die Appellation fallt aber 8vo. hinweg, wenn in der Compromiß ausdrucklich bedungen worden, daß gegen dem Ausspruch nicht appellirt werden solle, oder wenn die Compromittenten sich auf ein gewisses Strafgeld verstanden haben, welches einer dem anderen auf den Fall, da er sich dem Ausspruch nicht fügen wolte, zu bezahlen hätte, denn in solchen Fall wird man durch die Bezahlung der gesetzten Straf von der Verbindlichkeit des ergangenen Ausspruchs auch ohne Appellation entlediget, wenn nicht der Pönfall sub Clausula: salvo manente laudo, ausdrucklich bedungen ist, welchenfalls man sich dem Ausspruch zu fügen, oder gleichwohl die Appellation in Zeiten dagegen zu ergreiffen hat. Sobald nun 9no. das Laudum in rem judicatam erwachsen ist, so soll solches von siegelmäßigen Partheyen mit eigner Handschrift und Petschaft gefertiget, von unsiegelmäßigen bey der ordentlichen Obrigkeit angebracht, protocollirt, oder wo die Summa in Werth über 50 fl. betragt, verbrieft, im wiedrigen Fall aber auf dergleichen Lauda, wenn die Theil in neue Mißhelligkeiten darüber gerathen, nicht attendirt werden, dafern sich auch etwan ein Theil der Fertigung weigerte, soll ihn die Obrigkeit auf Anrufen des anderen anhalten. Restitutionem in integrum kann 10mo. der Schiedsrichter zwar incidenter, nicht aber, wenn solche per modum Remedii gegen den Compromißausspruch gesucht wird, ertheilen, sondern man muß solche allenfalls bey der ordentlichen Obrigkeit, wohin die Sach in erster Instanz gehörig ist, und zwar auf Art und Maaß des 16 ten. Cap. 1ten. §vi suchen. 11mo. Hort das Compromiß vor publicirten Spruch auf, wenn sammentliche Compromittenten selbst wiederum davon abstehen, oder einer aus ihnen stirbt, dergleichen wenn sich auf Seiten der Schiedsrichtern ein Todsfall ergiebt, oder bereits nach beschehenen Compromiß gegen selbe samt oder sonders erheblich, und vorhin nicht bekannt geweste Recusationsursachen hervorkommen. Soviel endlich 12mo. die durch letztwillig, und andere Dispositiones verordnete Compromissen belangt, kann sich deren kein Successor ohne Bewilligung anderer mit interißirter entschlagen, wo im übrigen es aber mit dergleichen Schiedsrichtern die nämliche Beschaffenheit hat, wie mit jenen, welche sich die Partheyen selbst aus freyen Willen erwählet haben, und soll der hierin vorgeschriebene Modus allzeit ohnabweichlich beybehalten werden.
Von dem Loos.
§. 3. Durch das Loos soll der Streit nicht geendiget werden, außer wo die Partheyen selbst dahin einwilligen, oder da es die Rechten specialiter zulassen, und verordnen.
Von Gerichtskösten, und Schäden.
§. 4. Die Gerichtskösten, und Schäden mögen 1mo. aus dreyerley Ursachen begehrt werden. Nämlich wegen Ungehorsam des Gegentheils, oder geflissener Proceßverzögerung, oder erhaltenen obsieglichen Urtheils. Die von erster, und zweyter Gattung sollen alsobald auf Begehren noch vor ergangenen Endurtheil durch die Obrigkeit verschaft werden. Die von der dritten Gattung aber soll 2do. der Richter allzeit bis zu dem Endurtheil verschieben, alsdann aber solche dem obsiegenden Theil, sowohl in erster, als zweyter, und weiterer Instanz, entweder auf Begehren, oder allenfalls von Amtswegen mit, und nebst der Hauptsach regulariter zuerkennen, ausgenommen, da 3tio. der verlustigte Theil redliche Ursach zum Streiten gehabt, welches der Richter lediglich aus denen in Actis vorkommenden Behelfen zu ermäßigen, und hierunter weder auf die Personen, noch die strittige Sach selbst, und eben so wenig auf die Kriegsbefestigung, oder Publication der Zeugenaussag, und die von ein- oder anderen Theil abgelegte Juramenten zu sehen hat. Wird
(74) nun 4to. in der Sentenz von den Kösten abstrahirt, so seynd selbe pro Conpensatis zu halten, und mögen bey dem nämlichen Richter weiter nicht mehr begehrt, oder zuerkannt werden. Dahingegen stehet sodann dem Theil, welcher dadurch beschwert zu seyn vermeint, gleichwohl das Appellatorium an die höhere Instanz bevor, allwo auf diesem Nebenpunct, es seye gleich hierinn appellirt worden, oder nicht, ohnehin allzeit von Amtswegen reflectirt werden soll. Zu Abschneidung aller Weitläufigkeiten, welche 5to. sich bishero über das Quantum expensarum ergeben haben, soll künftighin bey Aufseilung der Kösten allzeit gleich auf ein gewisses proportionirliches Quantum gesprochen werden, und damit man desto leichter eine Proportion hierin treffen mag, sollen beede Partheyen vor dem Endsbescheid ihre Expensaria übergeben, und da sie dieses nicht für sich selbst thun, mit Präfigirung eines Präclusiv- und peremptorischen Termins von 8 oder 14 Tägen dessen ermahnt, auch bemeldte Expensaria niemal communicirt, sondern ex Officio secundum æquum & bonum darauf gesprochen, und das hierinfalls bestimmte Adversionsquantum dem Spruch in der Hauptsach mit einverleibt werden. Doch soll sich dieses 6to. nur von jenen Gerichtskösten verstehen, welche sich beyläufig ex Actis ermessen lassen, als da z. E. seynd die gewöhnliche Gerichtscanzley und Advocatengebühren, Schreiber- und Botenlohn, auch was auf Verschaffung der Gezeugen erlauft, und dergleichen. Dahingegen 7mo. all übrige mit Gelegenheit des Streits, durch Reisen, Zehrungen, Versäumnüssen, und sonst erlittene außergerichtliche Schäden unter obigen Gerichtskösten niemal begriffen seynd, folglich auch allzeit benebst denen verfallenen Zinsen und Früchten in dem Urtheil besonders ausgedruckt, und da selbes einmal in rem judicatam erwachsen ist, bey der ersten Instanz ordentlich specificirt, sofort mit summarisch doch gnüglichen Vernehmung des Gegentheils instruirt, und durch richterlichen Ausspruch, salva tamen ulteriori Appellatione auf ein gewisses determinirt werden sollen. 8vo. Soll man endlich zu Verhütung mutwillig- und unnöthiger Strittigkeiten die Kösten nicht so leicht compensiren, oder übergehen, auch das Quantum bey dem Ausspruch per aversum in dubio allzeit mehr erhöheren, als verminderen, die unvermögliche Partheyen aber, welche mit Geld oder Gut nicht bezahlen können, hart und exemplarisch an Leib straffen.
Achtzehendes Capitel.
Von der Execution.
Wann und wie die Execution erkennt werden soll?
§. 1. Mit Vollstreckung des in rem judicatam erwachsenen Urtheils soll auf Anrufen des obsiegenden Theils zwar schleunig, jedoch allzeit mit vorläufiger Commination und Anberaumung eines- zwey- drey(-) oder höchstens sechswochigen Termins verfahren, und da etwan das Quantum noch nicht allerdings in Richtigkeit ist, oder der Streit in mehr Puncten bestanden hat, das Liquidum mit dem Illiquido niemal gesperrt werden.
Durch wen die Execution geschehen soll.
§. 2. Die Execution soll 1mo. nicht eigenen Gewalts, sondern obrigkeitlich, und zwar wo rechtserhebliches Bedenken dagegen obhanden ist, durch den Richter erster Instanz, oder 2do. da die Person oder das Gut, woran dieselbe vollbracht werden soll, nicht unter selbigen, sondern anderen Gerichtszwang gehört, durch die in Subsidium requirirte Obrigkeit verfügt werden. Welche sich auch 3tio. derselben weder zu weigern, noch einer Cognition anzumaßen hat, außer in Sachen, welche nur den Modum Executionis betreffen,
(75) oder da etwan die Execution von ausländischen Obrigkeiten gegen einen Innländer gesucht wird, welch letzterenfalls man auf blosse Requisition ohne vorläufig summarischer Einsicht der Hauptsach selbst, dafern sich Exequendus über Nullitäten und Ungerechtigkeiten mit Wahrscheinlichkeit beklagt, nicht so leichterdings verfahren soll. Saumig- oder wiederspenstige Obrigkeiten seynd 4to. von dem höheren Richter durch ergiebige Zwangsmittel zur Amtsgebühr anzuhalten, oder die Execution auf ihre eigene Kosten einer anderen Obrigkeit zu übertragen. Durch das Militare aber soll man 5to. niemal exequiren lassen, wo nicht großer Wiederstand zu besorgen ist, und der Ordinarigerichtszwang nicht mehr hinreicht.
Von Sachen, woran die Execution vollbracht werden soll.
§. 3. Wenn 1mo. durch das Urtheil ein gewisses beweglich- oder unbewegliches Gut abgesprochen wird, und der verlustigte Theil solches inner dem anberaumten Termin gütlich nicht abtritt, so soll es ihm die Obrigkeit mit Gewalt abnehmen, und dem obsiegenden Theil einraumen, sofort denselben dabey handhaben, ist aber 2do. erwehntes Gut nicht mehr in Natura vorhanden, oder das Objectum Executionis sonst ungewiß, z. E. da es auf die Erstattung des Werths, oder eine Summa Geld ankommt, so soll man andere thunliche Executionsmittel vorschlagen, solchemnach dem verlustigten Theil erstlich in seiner fahrenden Haab, sodann in denen liegend- und unbeweglichen Gütern, ferner in ausstehenden Activschulden, und Forderungen endlichen aber, wo all dieses nicht hinreichen will, in seiner Person selbst angreiffen, also, und dergestalt, daß man 3tio. von Mobilien, pro Quantitate debiti durch die bestellte Executores wegnehmen laßt, sofort in der Maaß, wie unten §vo. 7mo. mit mehreren geordnet ist, damit verfahrt. Wo keine Mobilia vorhanden, oder nicht erklecklich seynd, soll man 4to. Immobilia, oder die demselben gleich geschätzte Gerechtigkeiten z. E. Jagden, Fischereyen, und dergleichen, soweit als nöthig, angreiffen, sohin, entweder mit der Immißion des Creditoris oder wenn er sich von denen Nutzungen nach, und nach nicht befriedigen lassen will, mit Verkauf- und offentlicher Feilbietung derselben nach Maaßgab folgenden §vi. 7mi. verfahren. Mit der Execution auf die Avtivschulden, und Forderung soll es 5to. folgendermaßen gehalten werden, daß man nämlich des verlustigten Theils Debitoribus bey Straf doppelte Ersetzung ihme nichts mehr zu bezahlen, sondern das Geld entweder dem obsiegenden Theil selbst, oder der Obrigkeit gegen Schein auszulieferen auftragt, wo beynebens man auch Exequendo die seiner Activforderungen halber in Handen habende Briefschaften abfordert, oder wegnimmt, oder da er solche nicht mehr hat, die Obligation ex Officio caßirt, und dem Schuldner einen gerichtlichen Mortificationsschein darüber ausfolgen laßt. Alle bisher erwehnte Executionsmittel sollen 6to. soviel immer ohne Abbruch der Justiz möglich ist, solchergestalt an Hand genommen werden, daß der Debitor gleichwohl dabey conservirt, mithin zuforderist allzeit in jenen Gütern angegriffen werde, welche ihm den wenigsten Schaden thun, und am leichtsten von ihm zu entbehren seynd. In Ermanglung hinlänglicher Zahlungsmittlen soll 7mo. die Execution an des Schuldners Person vorgekehrt, und da er aus eignen Verschulden in solchen Umstand und Unvermöglichkeit gerathen ist, nicht nur mit Personalarrest, sondern auch nach Beschaffenheit des bösen Fürsatz und verursachten Schadens mit Relegation, oder anderer Straf nach Verordnung des Cod. Crim. P. I. C. 9. §. 2. verfahren, desgleichen dem flüchtigen Schuldner nirgend Unterschleif gestattet, sondern derselbe auf Betretten aller Orten handfest gemacht, und an die Obrigkeit, worunter er die Schulden boshafter Weis gemacht hat, ohnweigerlich ausgeliefert werden. Wenn endlich 8vo. jemand etwas zu thun, oder zu unterlassen, z. E. die Scharwerk zu leisten, den Weidgang zu meiden, und dergleichen condemnirt wird, so soll man ein gewisse Geld- Gefängnuß- oder andere ergiebige Strafe setzen, um bey Vermeidung derselben dem Judicato nachzukommen.
(76) Sachen worin die Execution nicht statt hat.
§. 4. 1mo. Soll man weder Kindbetherinnen, noch Kranken, oder sonst presthaften Personen ihr Beth, Leinwand, und anderes, was sie in solch erbarmungswürdigen Zustand unentbehrlich vonnöthen haben, durch die Execution abnehmen. Desgleichen 2do. Bauers- und Handwerksleute an ihrem Pflug, Schif, und Geschirr, Handwerkszeug, oder Saamen- und Speißgetreid, gebrödte Diener an ihrem Liedlohn, Kriegsleut an Waffen, und Rüstungen, wie auch jene, welche von Studiis Profeßion machen, an ihren Bücheren, und endlich all andere an ihrer täglicher Kleidung so lange nicht exequiren, als noch von anderen Mittlen etwas übrig ist. 3tio. Wenn die Execution in eines minderjährigen Vermögen vorzunehmen ist, soll selbe auf Verlangen des Vormunds in Immobilibus eher nicht vollstreckt werden, bis keine andere anständige Executionsmittel an leicht zu versilberenden Mobilien, und flüßigen Activschulden mehr vorhanden seynd. 4to. Die Besoldungen churfürstl. oder landschaftlicher Bedienten sollen in Ermanglung anderer Mittlen mit Arrest, oder Execution weiter niemalen, als zu einem Drittel belegt, die übrige zwey Drittel aber frey gelassen werden. Bey immatriculirten Fideicommißgütern mag man zwar 5to. auf die Nutzungen, und sogar in Fällen, wo die Rechten eine Veräußerung hierhin gestatten, und auf das Eigenthum, jedoch niemal anders, als in Ermanglung anderer frey eigenthümlicher Gütern exequiren. Gleiche Beschaffenheit hat es zwar 6to. mit Ritterlehen, doch wenn die Execution nur auf die Nutzungen gehet, soll diese nur solang dauern, als der Lehenmann lebt, immaßen er nicht nur auf dem Lehen zu verbleiben hat, sondern man soll ihm auch von gedachten Nutzungen so viel übrig lassen, daß er den Lehendienst damit leisten, und bestreiten kann. Auf die Beutellehen soll zwar die Execution allzeit mit Consens des Lehenherrs geschehen, solcher aber nicht geweigert, sofort hiemit wie bey anderen eigenthumlichen Gütern verfahren werden.
Von der Execution gegen einen Dritten.
§. 5. Obwohl die Execution gegen einen Dritten regulariter nicht Platz greift, so leidet doch dieses bey dem Iunhaber der strittigen Sach einen Absatz, wenn er entweder 1mo. dieselbe erst währenden Streit an sich gebracht, oder 2do. sonst male fide innhat, oder 3tio. die Sach so beschaffen ist: daß sich res judicata nach Ausweis obigen 14ten. Capituls, 11ten. §vi. auf ihne erstrecken mag.
Von der Immißion.
§. 6. 1mo. Die gerichtliche Immißion, welche auf liegende Güter, und Grundstück ex causa rei judicatæ, & Executionis vorgenommen wird, soll allzeit durch einen Actum realem geschehen, welcher Zeit an Immissus 2do nicht nur den rechtlichen Besitz von dem eingeantworteten Gut, und die Befugnus solches in Abschlag seiner Forderung auf hauswirthschaftliche Art zu benutzen, sondern auch eine legale Hypothec, wenn er dergleichen nicht vorhin schon um seine Prätension darauf gehabt hat, erlangt. Dagegen ist er 3tio. schuldig, alle Gutsnutzungen, welche von ihm Deductis deducendis wirklich eingebracht worden, oder gemeiner Hauswirthschaft nach wenigst hätten eingebracht werden können, und sollen, an seiner Forderung, und zwar erstlich an paßirlichen Zinsen, und Kösten, sodann an dem Capital selbst abgehen zu lassen, und derowegen getreuliche Rechnung zu erstatten, solche auch allenfalls auf Begehren mit dem Juramento manifestationis zu bestättigen. 4to. Stehet Immisso frey, ob er die Administration selbst über sich nehmen, oder solche durch einen verpflichteten Verwalter führen lassen wolle. Letztenfalls hat dieser allein Rechenschaft hiervon zu geben, und die eingehobene Nutzungen entweder zu Gericht, oder gleich unmittelbar dem Immisso gegen Schein von Zeit zu Zeit auszuhändigen. Die Pachter, welchen 5to. das Gut schon vor Immißion
(79) (!) bona Fide verpachtet gewesen, sollen vor Ausgang bedungener Pachtzeit ohne legaler Ursach nicht vertrieben, oder gesteigert werden, es seye denn, daß Immissus schon vor dem Pacht ein älteres Recht auf dem Gut gehabt hat. Wenn 6to. nach beschehener Immißion sich ein privilegirt- und älterer Hypothecglaubiger um gleichmäßige Immißion meldet, so muß ihm Immissius auf Begehren solang weichen, bis jener um seiner privilegirten Schuld wegen völlig befriediget ist. Einem Gleichprivilegierten aber ist er schuldig in die Coimmißion mit einzunehmen, und zum proportionirlichen Mitgenuß der Gutsnutzungen kommen zu lassen. Ein Minderprivilegirter aber kann die Coimmißion nur soweit prätendiren, als die Gutsnutzungen zu Befriedigung beeder, und sammentlicher Glaubigern hinreichen. Die Immißion hört 7mo. wiederum auf, wenn Immissus völlig befriediget ist, oder wenn das Recht des Debitoris, und seiner Erben auf dem ausgeantworteten Gut exspirirt. Durch den General-Concursum Creditorum wird zwar 8vo. die vorhin schon beschehene Immißion eines Particularglaubigers nicht aufgehoben, es müßen aber gleichwohl die erst währenden Concurs verfallende Fructus ad massam generalem conferirt, und bis zur Vertheilung ad Depositum judiciale genommen werden. Im übrigen soll auch 9no. mit Immißionen, oder Sequestrationen ganzer Hofmarchscorporum, und Landgütern, zumal dem Creditori selten viel dadurch geholfen, der Debitor aber gemeiniglich gar zu Grund gerichtet wird, soviel immer möglich, und ohne Abbruch der Justiz thunlich ist, an sich gehalten werden.
Von der Subhastation, Licitation und Adjucation
§. 7. Zur Subhastation, und Vergandung, wodurch des Schuldners Gut mittels offentlichen Verrufs an den Meistbietenden zum Verkauf ausgefeilt wird, soll man 1mo. sowohl was liegend, als fahrend betrift, eher nicht schreiten, bis keine andere annehmliche Mittel den Glaubiger befriedigen zu können, mehr übrig seynd. 2do. Soll auch das Gut, welches man verganden will, allzeit vorhero mit Zuziehung unpartheiisch- und verständiger Leuten besichtiget, und eidlich geschätzt werden, und da es etwan 3tio. um eine Hofmarch, Sitz, oder anderes hochgültig- und ansehnliches Gut, oder zugleich um mehr einschichtige Güter, Hof, Huben, und Solden zu thun wäre, so soll man anfänglich dem Schuldner selbst zu Stellung eines anständigen Käufers drey- vier- oder höchstens sechsmonatliche Frist ertheilen, nach Ablauf derselben aber einen, oder zwey Curatores bonorum ex officio bestellen, und durch selbe nicht nur einen landsgebräuchigen Gutsanschlag verfertigen, sondern auch längst innerhalb Jahrszeit einen Käufer ausfindig machen lassen. Was nun von selben eventualiter beschlossen wird, dabey soll es auch sein Verbleiben haben, dafern nicht durch den Glaubiger, oder Schuldnern selbst ein besserer, und mehrbietender Käufer längst inner 4 Wochen a die Notitiæ dargestellt wird, welchenfalls der erste Käufer entweder dem letzteren zu weichen, oder das nämliche zu prästiren, und sich längst inner 8 Täg darüber zu erklären hat. Wo nun aber über all verwendeten Fleiß von denen Curatoribus inner obigen Termin kein anständiger Käufer aufzubringen wäre, soll alsdenn auch bey obbemeldten hochgültigen Gütern mit der offentlichen Gand auf die nämliche Art, wie bey gemeinen einschichtigen, und geringen Gütern ohne längeren Anstand verfahren werden. Soviel die fahrende Haab betrift, mag zwar solche 4to. nach vorläufig- eidlicher Schätzung durch geschworne Däntler, so gut, und hoch es immer anzubringen ist, verkauft werden, wenn aber gleichwohl der Glaubiger, oder der Schuldner selbst die Vergand- und offentliche Ausrufung hierhin begehrt, soll die Obrigkeit, zumal wenn es Pretiosa, und andere hochgültige Sachen seynd, unweigerlich damit willfahren. Die Ausrufung soll 5to. drei Täg nach einander von 9 Uhr Morgens bis 11 Uhr, und Nachmittag von 1 Uhr bis zum Anzug der Glocken bey dem Englischen Gruß in der Pfarrkirch durch einen geschwornen Gandknecht auf offenen Platz, oder Gandladen geschehen, und wer nun dritten Tages vor Anzug der Glocken, mit welcher den Vermeidung schwerester Straf kein Gunst, oder
(80) Gefährde gebraucht werden soll, das meiste Anbot in Quantitate oder Qualitate, welches allenfalls mit vorläufiger Vernehmung der Interessaten durch richterlichen Ausspruch entschieden werden soll, gethan hat, dem soll das vergandete Gut und das Anbott, wenn es anders so viel, als die Forderung betragt, heimgefallen seyn. Dagegen ist er aber auch 6to. schuldig, längst inner drey Tägen, wenigst zwey Drittel an dargebottener Summa zu Gerichtshanden baar zu erlegen, und den Ueberrest auf leidentlich- und dem Gandglaubiger annehmliche Fristen gnugsam zu versicheren, maßen er auf den Fall, wenn die Fristen nicht beobachtet wurden, allen Schaden, und Kösten derwegen abzuthun schuldig, wie nicht weniger sein ganzes Vermögen hierum verpfändet, und das eingethanene Gut nicht nur von neuem zu verganden, sondern auch solchenfalls in Ansehen anderer seiner Glaubigern Jure seperationis zu tractiren seyn soll. Sobald aber die erste bewilligte Frist einmal von ihm erlegt, und der Ueberrest genugsam versichert worden, so soll ihm der Richter einen ordentlichen Gandbrief mittheilen, und die Einantwortung gerichtlich thun lassen, welch- alles auch bey dem mit denen Curatoribus getroffenen Kauf zu beobachten ist. Dafern 7mo. wie es gar vielmal geschiehet um das feilgebottene Gut entweder gar kein Käufer, oder wenigst kein größeres Anbott, als was die Schuld betragt, vorhanden, annebens kein anderes liegend, oder fahrendes Gut auf Seiten des Schuldners mehr übrig ist, welches in Subsidium mit vergandet werden könte, so soll dem Glaubiger, wenn er allein ist, das feilgebottene Gut, es seye liegend, oder fahrend, gemein, oder hochgültig, um seine Forderung heimgeschlagen, und verkauft seyn. Was nun 8vo. nach offentlichen Ausruf, oder von obbemeldten Curatoribus, wie auch von geschwornen Däntlern auf obrigkeitlichen Befehl verkauft, oder obverstandnermaßen heimgeschlagen wird, ist auch von allen ehemals darauf gelegenen Hypothequen, und Schuldforderungen dergestalt befreyet, daß der Käufer von niemand weder unter dem Vorwand der Unwissenheit, noch anderen immer erdenklichen Prätext mehr belangt werden mag. Dahingegen bleiben die Dienstbarkeiten, ewige Gelder und andere dergleichen Real-Onera, so weit solche schon vor der Gand rechtmäßiger Weis, und bona fide auf das vergandete Gut gekommen seynd, noch ferner darauf liegen, und soll sich auch hiernach in dem Gutsanschlag gerichtet werden. Das Einstandsrecht hat zwar 9no. bey stillen, nicht aber bey offentlichen Gandkäufern statt, ausgenommen, da von einem unbefreyten ein adeliches Landgut auf der Gand eingethan wird, welchenfalls ihm zwar ein jeder Edelmanns Freyheitsfähiger inner Jahr, und Tag einstehen kann, jedoch dergestalt, daß er dem Gandglaubiger alles zu erstatten hat, was er mittels des Gandkaufs verliehrt. Der Schuldner selbst soll 10mo. zur Licitation nicht gelassen werden, wohl aber stehet ihm nach beschehener Licitation die Reluition des vergandeten Guts bis zur wirklichen Adjudication allzeit noch bevor, wenn er anderst die Anforderung gleich baar hindan zu richten, und annebens alle verursachte Schäden, und Kösten abzuthun im Stand ist. Nach der Adjudication aber wird er andergestalt nicht mehr dazu gelassen, außer wenn das Gut etwan gar zu weit über das taxirte Quantum herunter vergandet, und er mithin durch die Heimschlagung allzu sehr damnificirt wird, welchenfalls ihm der Richter in der Adjudication das Jus Reluitionis in obiger Maaß wohl auf ein halb- oder längst ein ganzes Jahr ausdrücklich vorbehalten kann. Restitutio in integrum, wie auch die Rescindir- und Annullirung des Gandkaufs mag 11mo. gegen mehr besagte Adjudication, zumal wenn der pactirte Gandschilling in seiner Richtigkeit ist, unter keinerley Vorwand mehr Platz greiffen. Wie, und welchergestalten es im übrigen 12mo. mit der Adjudication der Güter zu halten, wenn solche nicht auf Instanz eines einzigen, sondern mehr Glaubigern in Concursu vorgenommen wird, solches ist in Cap. seq. 19. mit mehreren versehen. Endlich gebührt auch 13tio. keiner Hofmarchs(-), oder anderen niedergerichtlichen Obrigkeit, welche es nicht von Alters hergebracht hat, liegende Güter offentlich verganden zu lassen, sondern sie soll solchenfalls die Partheyen an das Landgericht, worinn das Gut liegt, verweisen. Wenn
(81) aber der Kauf nicht offentlich durch den Ausruf, sondern wie oben verstanden worden, nur durch Curatores geschiehet, oder wenn die Vergandung nur fahrende Haab betrift, mag selbe wohl damit verfahren, immaßen auch derselben nicht nur die Austheilung der aus dem vergandeten Gut gelöster Geldern, sondern auch in Concursu Creditorum über die Priorität zu sprechen, und dergleichen aller Wegen zustehet.
Von denen Exceptionibus, wie auch von der Appellation, Intervention, Restitution und Nullitätseinwendung gegen die Execution.
§. 8. In der Execution sollen 1mo. keine andere Exceptiones mehr zugelassen werden, als jene, welche den modum & ordinem Executionis betreffen, z. E. Exceptio competentiæ, moratorii, inversi Ordinis exequendi, und dergleichen. So viel hingegen 2do. die Exceptiones Solutionis, Compensationis, Novationis, Divisionis, Excussionis, Rei emptæ non traditæ, Sententiæ ex falsa causa latæ, und andere in die merita Causæ Principalis einschlagende Exceptiones mehr belangt, soll man solche weiter nicht mehr attendiren, es seye denn 3tio. daß sie sich erst nach der re judicata hervorgethan haben, welchenfalls sie aber andergestalt nicht, als per Remedium Restitutionis, mithin nach Maaßgab des 16ten. Capitels 1ten. §vi. sub pœna desertionis angebracht werden sollen. Ob, und wie weit aber 4to. die Execution durch die Intervention, Appellation, Restitution, und Nullitätsklag gehemmt werden möge, siehe oben, und zwar von der Intervention Cap. 8. §. 4. von der Appellation Cap. 15. §. 3. von der Restitution Cap. 16. §. 1. und von der Nullität ibidem §. 2.
Von denen Hilfsmittlen der Debitorum in der Execution.
§. 9. Die rechtliche Aushilfsmittel, womit man verunglückt- und erbarmungswürdigen Schuldnern auf dem Fall, wenn sie zu bezahlen nicht im Stand seynd, beyzuspringen pflegt, bestehen gestalten Umständen nach in dem Beneficio competentiæ, Dationis in solutum, Moratorii, Fristen, oder Nachlässen, dann der sogenannten Cessione Bonorum.
Von dem Beneficio Competentiæ.
§. 10. Beneficium Competentiæ, Kraft dessen dem Debitori nicht auf das gesamte Vermögen exequirt, sondern zu seiner Lebensnothdurft, und Alimentation etwas übrig gelassen werden soll, gebührt 1mo. fürnemlich leiblichen Kindern und Elteren, Geschwiesterten, Eheleuten, Associrten, Verschwägerten sowohl in auf- als absteigender- und Seitenlinie ersten Grads, desgleichen denen von Adel, oder sonst in großen Würden stehenden Personen, nicht minder approbirten Gemeinden, und formirten Corporibus, endlich all jenen, welche von bloßer Schankungswegen belangt werden. Das Quantum Competentiæ hangt 2do. lediglich von den Umständen, und hiernach einzurichtenden obrigkeitlichen Gutbefinden ab, wobey nicht nur der Stand, das Alter und Vermögen des Schuldners, nebst der Anzahl seiner Familie, auch ob er nicht seine Unvermögenheit selbst einigermaßen verschuldet habe, sondern zugleich die Dürftigkeit des Creditoris, die Qualität der Schuldforderung, und was nach Abzug der Competenz zur Bezahlung noch übrig bleibt, und dergleichen betrachtet, mithin das Privilegium nicht über die Gebühr ausgedehnt, sondern soviel immer möglich eingeschrenkt, und hierunter jederzeit mehr dem Glaubiger als dem Schuldner zum Besten gehandlet werden soll. In Concursu Creditorum ist 3tio. gedachtes Quatum zwar allzeit mit vorläufiger Vernehmung der Glaubigern, jedoch nur commißionaliter ohne Gestattung eines Schriftenwechsels zu reguliren, und der Schuldner eheunter nicht aus der Posseßion seiner Güter zu setzen, es erscheinte denn, daß er das Regulativum selbst geflissen hindere, welchenfalls man das Quantum provisionaliter zu bestimmen, und sich mit der Execution nicht aufhalten zu lassen hat. Desgleichen ist 4to. sothaner Ausspruch extra Concursum, und auf den Fall, wenn
(82) die Immißion in des Schuldners sammentliches Vermögen anverlangt wird, unter dem Vorwand der nöthigen Einsicht des Status activi nicht lang zu verschieben, sondern bestmöglichst zu beschleunigen, auch zu dem Ende über den Vermögensstand nur eine summarische, nicht aber, wie bishero öfters geschehen, eine weitläufige Untersuchung mittels all zu genauer Durchgehung der Rechnungen, Stift- Gilt- und Scharwerksregistern anzustellen. Vielweniger soll 5to. die Immißion oder Execution, wenn solche nicht auf alle, sondern nur auf gewisse Güter begehrt wird, durch den Punctum Competentiæ aufgehalten werden, ausgenommen, da der Debitor in continenti darthun kann, daß die übrige Güter zur Competenz nicht hinlänglich seynd. Im übrigen erstreckt sich 6to. das Beneficium Competentiæ weder auf des Schuldners Erben, noch Nachkommen oder Bürgen, sondern nur auf seine Person, und erlöscht auch von selbst wiederum, wenn er so weit zu Kräften kommt, daß er das Ganze bezahlen kann.
Von der Datione in Solutum
§. 11. Der Glaubiger ist nicht schuldig, statt baar Geld sich mit Dargebung anderer Güter befriedigen zu lassen, sondern da der Schuldner mit Geld nicht aufzukommen vermag, soll gleichwohl mit Vergand- und allerfalliger Heimschlagung nach Maaßgab obigen §vi. 7mi. verfahren werden. Falls aber der Glaubiger sich selbst gutwillig auf verstandene Dargebung einlaßt, so hat es hiebey sein Bewenden, und soll es mit selber gehalten werden, wie Kauf Rechtens ist.
Von Eisenbriefen und Moratoriis.
§. 12. Moratoria, wodurch man dem Schuldner auf gewisse Zeit Ruhe vor seinen Glaubigern verschaft, damit er sich desto leichter wiederum erholen, und Satisfaction leisten könne, gehören 1mo. unter die landsherrliche Reservata, und sollen im Land nirgends, als bey der höchsten Stelle gesucht werden. Wie man aber 2do. dieselbe niemal anderst, denn cum cognitione Causæ, und nach vorläufiger Vernehmung der Creditorum zu ertheilen pflegt, so soll der Supplicant zuförderist, und pro 3tio. beweisen, daß er nicht durch Unfleiß, Nachläßigkeit, übermäßigen Pracht, Verschwend- und Unordnung, sondern durch blosse unversehene Unglücksfälle ohne seinem Verschulden in Unvermögenheit gerathen seye. 4to. Hat er einen zuverläßigen, und allenfalls auf Begehren der Creditorum mit einem cörperlichen Eid zu bestättigenden Statum activorum, & passivorum zu überreichen, damit man hieraus ermessen könne, ob, und wie weit er ohne völligen Umsturz und Untergang dermalen solvendo seye, oder nicht, auch ob man sich wahrscheinliche Hofnung dabey machen könne, daß er sich in kurzen Jahren wiederum erholen, und in Zahlungsstand kommen werde, maßen 5to. das Moratorium niemal auf beständig, sondern nur gestalten Dingen nach auf ein, zwey, drey, vier und höchstens fünf Jahr gegeben wird. 6to. Soll er auf Verlangen der Glaubigern durch Bürgen, Unterpfand, oder da er nicht damit aufkommen kann, durch den Eid Caution leisten, daß er nach Ausfluß der bestimmten Jahren mit der Zahlung beyhalten wolle. 7mo. Sistirt zwar das Moratorium regulariter die Execution sowohl in Capital, als Intereße, jedoch nur soweit, als der Inhalt des ertheilten Eisenbriefs besagt. Dahingegen erstreckt sich 8vo. die Kraft desselben niemal auf landsherrlich- oder landschaftliche Forderungen, und eben so wenig auf das was man Armen, Bedürftigen, Liedlöhnern, gemeinen Handwerksleuten, Kirchen, Wittiben, und Waisen schuldig ist, viel minder auf die erst nach erhaltenem Moratorio von neuem gemachte Schulden, oder was nicht Jure Crediti, sondern Jure Dominii, vel Condominii prätendirt wird, z. E. hinterlegt- geliehen- oder verpfändete Sachen, soweit sie noch in Natura vorhanden seynd, wie auch ewige Gelder und dergleichen. 9no. Kommt auch Exceptio Moratorii denen Erben, Nachkommen, und Bürgen niemal zu statten, sondern erlöscht mit dem Tod des Impetrantens, wie nicht weniger mit Ausgang des vorgesetzten Termins, welcher allzeit à die Concessionis anfangt, und endlich auch noch
(81) aber der Kauf nicht offentlich durch den Ausruf, sondern wie oben verstanden worden, nur durch Curatores geschiehet, oder wenn die Vergandung nur fahrende Haab betrift, mag selbe wohl damit verfahren, immaßen auch derselben nicht nur die Austheilung der aus dem vergandeten Gut gelöster Geldern, sondern auch in Concursu Creditorum über die Priorität zu sprechen, und dergleichen aller Wegen zustehet.
Von denen Exceptionibus, wie auch von der Appellation, Intervention, Restitution und Nullitätseinwendung gegen die Execution.
§. 8. In der Execution sollen 1mo. keine andere Exceptiones mehr zugelassen werden, als jene, welche den modum & ordinem Executionis betreffen, z. E. Exceptio competentiæ, moratorii, inversi Ordinis exequendi, und dergleichen. So viel hingegen 2do. die Exceptiones Solutionis, Compensationis, Novationis, Divisionis, Excussionis, Rei emptæ non traditæ, Sententiæ ex falsa causa latæ, und andere in die merita Causæ Principalis einschlagende Exceptiones mehr belangt, soll man solche weiter nicht mehr attendiren, es seye denn 3tio. daß sie sich erst nach der re judicata hervorgethan haben, welchenfalls sie aber andergestalt nicht, als per Remedium Restitutionis, mithin nach Maaßgab des 16ten. Capitels 1ten. §vi. sub pœna desertionis angebracht werden sollen. Ob, und wie weit aber 4to. die Execution durch die Intervention, Appellation, Restitution, und Nullitätsklag gehemmt werden möge, siehe oben, und zwar von der Intervention Cap. 8. §. 4. von der Appellation Cap. 15. §. 3. von der Restitution Cap. 16. §. 1. und von der Nullität ibidem §. 2.
Von denen Hilfsmittlen der Debitorum in der Execution.
§. 9. Die rechtliche Aushilfsmittel, womit man verunglückt- und erbarmungswürdigen Schuldnern auf dem Fall, wenn sie zu bezahlen nicht im Stand seynd, beyzuspringen pflegt, bestehen gestalten Umständen nach in dem Beneficio competentiæ, Dationis in solutum, Moratorii, Fristen, oder Nachlässen, dann der sogenannten Cessione Bonorum.
Von dem Beneficio Competentiæ.
§. 10. Beneficium Competentiæ, kraft dessen dem Debitori nicht auf das gesamte Vermögen exequirt, sondern zu seiner Lebensnothdurft, und Alimentation etwas übrig gelassen werden soll, gebührt 1mo. fürnemlich leiblichen Kindern und Eltern, Geschwiesterten (!), Eheleuten, Associrten, Verschwägerten sowohl in auf- als absteigender- und Seitenlinie ersten Grads, desgleichen denen von Adel, oder sonst in großen Würden stehenden Personen, nicht minder approbirten Gemeinden, und formirten Corporibus, endlich all jenen, welche von bloßer Schankungswegen belangt werden. Das Quantum Competentiæ hangt 2do. lediglich von den Umständen, und hiernach einzurichtenden obrigkeitlichen Gutbefinden ab, wobey nicht nur der Stand, das Alter und Vermögen des Schuldners, nebst der Anzahl seiner Familie, auch ob er nicht seine Unvermögenheit selbst einigermaßen verschuldet habe, sondern zugleich die Dürftigkeit des Creditoris, die Qualität der Schuldforderung, und was nach Abzug der Competenz zur Bezahlung noch übrig bleibt, und dergleichen betrachtet, mithin das Privilegium nicht über die Gebühr ausgedehnt, sondern soviel immer möglich eingeschrenkt, und hierunter jederzeit mehr dem Glaubiger als dem Schuldner zum Besten gehandlet werden soll. In Concursu Creditorum ist 3tio. gedachtes Quantum zwar allzeit mit vorläufiger Vernehmung der Glaubigern, jedoch nur commißionaliter ohne Gestattung eines Schriftenwechsels zu reguliren, und der Schuldner eheunter nicht aus der Posseßion seiner Güter zu setzen, es erscheinte denn, daß er das Regulativum selbst geflissen hindere, welchenfalls man das Quantum provisionaliter zu bestimmen, und sich mit der Execution nicht aufhalten zu lassen hat. Desgleichen ist 4to. sothaner Ausspruch extra Concursum, und auf den Fall, wenn
(82) die Immißion in des Schuldners sammentliches Vermögen anverlangt wird, unter dem Vorwand der nöthigen Einsicht des Status activi nicht lang zu verschieben, sondern bestmöglichst zu beschleunigen, auch zu dem Ende über den Vermögensstand nur eine summarische, nicht aber, wie bishero öfters geschehen, eine weitläufige Untersuchung mittels all zu genauer Durchgehung der Rechnungen, Stift- Gilt- und Scharwerksregistern anzustellen. Vielweniger soll 5to. die Immißion oder Execution, wenn solche nicht auf alle, sondern nur auf gewisse Güter begehrt wird, durch den Punctum Competentiæ aufgehalten werden, ausgenommen, da der Debitor in continenti darthun kann, daß die übrige Güter zur Competenz nicht hinlänglich seynd. Im übrigen erstreckt sich 6to. das Beneficium Competentiæ weder auf des Schuldners Erben, noch Nachkommen oder Bürgen, sondern nur auf seine Person, und erlöscht auch von selbst wiederum, wenn er so weit zu Kräften kommt, daß er das Ganze bezahlen kann.
Von der Datione im Solutum.
§. 11. Der Glaubiger ist nicht schuldig, statt baar Geld sich mit Dargebung anderer Güter befriedigen zu lassen, sondern da der Schuldner mit Geld nicht aufzukommen vermag, soll gleichwohl mit Vergand- und allerfalliger Heimschlagung nach Maaßgab obigen §vi. 7mi. verfahren werden. Falls aber der Glaubiger sich selbst gutwillig auf verstandene Dargebung einlaßt, so hat es hiebey sein Bewenden, und soll es mit selber gehalten werden, wie Kauf Rechtens ist.
Von Eisenbriefen und Moratoriis.
§. 12. Moratoria, wodurch man dem Schuldner auf gewisse Zeit Ruhe vor seinen Glaubigern verschaft, damit er sich desto leichter wiederum erholen, und Satisfaction leisten könne, gehören 1mo. unter die landsherrliche Reservata, und sollen im Land nirgends, als bey der höchsten Stelle gesucht werden. Wie man aber 2do. dieselbe niemal anderst, denn cum cognitione Causæ, und nach vorläufiger Vernehmung der Creditorum zu ertheilen pflegt, so soll der Supplicant zuförderist, und pro 3tio. beweisen, daß er nicht durch Unfleiß, Nachläßigkeit, übermäßigen Pracht, Verschwend- und Unordnung, sondern durch blosse unversehene Unglücksfälle ohne seinem Verschulden in Unvermögenheit gerathen seye. 4to. Hat er einen zuverlässigen, und allenfalls auf Begehren der Creditorum mit einem cörperlichen Eid zu bestättigenden Statum activorum, & passivorum zu überreichen, damit man hieraus ermessen könne, ob, und wie weit er ohne völligen Umsturz und Untergang dermalen solvendo seye, aber nicht, auch ob man sich wahrscheinliche Hofnung dabey machen könne, daß er sich in kurzen Jahren wiederum erholen, und in Zahlungsstand kommen werde, maßen 5to. das Moratorium niemal auf beständig, sondern nur gestalten Dingen nach auf ein, zwey, drey, vier, und höchstens fünf Jahr gegeben wird. 6to. Soll er auf Verlangen der Glaubigern durch Bürgen, Unterpfand, ober da er nicht damit aufkommen kann, durch den Eid Caution leisten, daß er nach Ausfluß der bestimmten Jahren mit der Zahlung beyhalten wolle. 7mo. Sistirt zwar das Moratorium regulariter die Execution sowohl in Capital, als Intereße, jedoch nur soweit, als der Inhalt des ertheilten Eisenbriefs besagt. Dahingegen erstreckt sich 8vo. die kraft desselben niemal auf landsherrlich- oder landschaftliche Forderungen, und eben so wenig auf das was man Armen, Bedürftigen, Liedlöhnern, gemeinen Handwerksleuten, Kirchen, Wittiben, und Waisen schuldig ist, viel minder auf die erst nach erhaltenent Moratorio von neuem gemachte Schulden, oder was nicht Jure Crediti, sondern Jure Dominii, vel Condominii prätendirt wird, z. E. hinterlegt- geliehen- oder verpfändete Sachen, soweit sie noch in Natura vorhanden seynd, wie auch ewige Gelder und dergleichen. 9no. Kommt auch Exceptio Moratorii denen Erben, Nachkommen, und Bürgen niemal zu statten, sondern erlöscht mit dem Tod des Impetrantens, wie nicht weniger mit Ausgang des vorgesetzten Termins, welcher allzeit à die Concessionis anfangt, und endlich auch noch
(83) vor ausgeflossenen Termin, wenn der Impetrant fruhzeitiger zu hinlänglichen Zahlungskräften gelangt, oder wenn sich nach der Hand bezeigt, daß er in dem übergebenen Statu von seinem Vermögen, oder sonst etwas fälschlich verschwiegen, oder angegeben, mithin das Moratorium nur sub- aut obreptitiè erschlichen, oder sich etwan desselben ausdrücklich begeben habe.
Von Fristen, und Nachlässen, welche von den Glaubigern selbst, oder dem mehreren Theil derselben, oder von der Obrigkeit ex Officio geschehen.
§. 13. Wenn sich 1mo. der Creditor selbst mit dem Schuldner auf gütliche Fristen, oder Nachläß verstehet, so hat es hierbey sein Bewenden. Desgleichen was 2do. der mehreren Theil der Glaubigern in- oder außergerichtlich, samt oder sonders dem Schuldner an gewissen Zahlungsfristen und Nachlässen bestimmt, das muß sich auch der mindere Theil von gleich oder weniger befreyten Glaubigern gefallen lassen, und soll der mehrere Theil nicht nach der Anzahl der Personen, sondern nach Größe der Schulden mit Einschluß der ruckständigen Interessen ausgerechnet, oder da Vota paria hierinfalls vorhanden seynd, der Ausspruch nach der Billigkeit gemacht werden. Fristen, und Nachläßbestimmungen von Amtswegen sollen 3tio. von keiner Obrigkeit andergestalt, als in folgender Maaß vorgenommen werden. Erstens muß der Debitor alles auf einmal zu bezahlen außer Stand seyn, und an seiner Unvermögenheit nicht selbst eigene Schuld tragen, sondern daß er lediglich durch unversehene Zufäll dahin gerathen seye, beweisen, annebens den Statum activum, & passivum seines Vermögens getreulich anzeigen, nichts davon verhalten, auch allenfalls auf Begehren der Creditorum mit dem Manifestationseid betheuren. Zweytens müßen es keine privilegirt- oder solche Forderungen seyn, wovon in dem nachst vorhergehenden §vo. 12. num. 8vo. Erwehnung gemacht worden. Drittens soll der Nachlaß nicht an dem Capital selbst, sondern nur an denen Zinsen so weit beschehen, daß die laufende auf gewisse Jahr moderirt, und von 5 pro Cento auf 4 oder 3 herunter gesetzt, die verfallene aber erst nach dem Capital bezahlt: oder mit einem Drittel oder Viertel gar ausgestrichen werden möge. Viertens seynd auch die Fristen in Abzahlung des Capitals, sonderbar wenn solches unverintreßirlich ist, auf eine leidentliche Art zu reguliren, nicht aber mit der Creditoren allzugroßen Schaden über 15 20 und mehr Jahr hinaus zu verlängeren. Fünftens muß endlichen auch auf Seiten des Debitoris kein Verdacht von einer Flucht, oder Verthuung des noch übrigen Vermögens, wohl hingegen wahrscheinliche Hofnung obhanden seyn, daß derselbe auf solche Weis ohne Ruin seiner Glaubigern bey häuslichen Ehren erhalten, und ihme mithin werkthätig dadurch ausgeholfen werden möge. Sechstens hat der Richter mit möglichen Fleiß dahin zu trachten, daß sich die Creditores selbst gutwillig auf Fristen und Nachläß einverstehen und es mithin auf dem Ausspruch von Amts wegen nicht ankommen lassen möchten.
Von der Cessione Bonorum.
§. 14. Zu Abtrettung des sammentlichen Vermögens soll niemand gelassen werden, der nicht durch Unglück überschuldet worden zu seyn darthun kann. Es soll auch der Schuldner zuförderist vor ordentlicher Obrigkeit eine getreue Anzeig von all- seinen Gütern, und zwar auf Begehren der Glaubiger unter cörperlichen Eid übergeben, wie nicht weniger eidlich angeloben, daß, wenn er mit der Zeit wiederum zu Vermögen kommt, seinen Creditoribus den Abgang und Verlust ersetzen wolle, immaßen ihm solchenfalls von den neueroberten Gütern nicht alles genommen, sondern zu seinem Unterhalt etwas übrig gelassen werden soll.
(84) Neunzehendes Capitel
Von dem Concursproceß.
Was und wie vielerley der Concursus Creditorum seye?
§.1. Der Concursproceß ist entweder particularis oder universalis. Jener ergiebt sich, da nicht alle, sondern nur etwelche Creditores zu gleicher Zeit auf die Bezahlung dringen, ihre Forderungen auch nicht das ganze Vermögen des Schuldners, sondern nur einen Theil davon betreffen. Dieser hingegen, da der Debitor nicht mehr solvendo ist, und folglich alle seine Glaubiger durch offentliche Proclamata zu dem Ende zusamberufen werden, damit sie ihre Forderungen behörig stellen, liquidiren, und über den Vorgang rechtlich miteinander certiren sollen.
Forum Concursus universalis & particularis.
§. 2. Der Universal-Concursus soll 1mo. bey der Obrigkeit vorgenommen werden, worunter der Schuldner auch sonst seiner Person halber stehet, ausgenommen, da er den mehreren Theil seiner Güter unter anderer Obrigkeit hat, und dieses so kundbar ist, daß es keiner weitläufigen Untersuchung bedarf. Soviel 2do. den Concursum particularem anlangt, soll man die Pfand- und Realsprüch bey der Obrigkeit des Orts, wo sich das Pfand befindet, anbringen, doch stehet 3tio. dem Glaubiger, welcher kein besonderes Unterpfand, sondern Hypothecam generalem hat, allerdings frey, ob er entweder gegen den Schuldner alldort, wohin derselbe in merè personalibus gehört, auf das verschriebene Haab, und Gut überhaupt, oder auf ein, und mehr sonderbare Stücke desselben vor der Obrigkeit des Orts, wo sie liegen, Klag stellen wolle. Wie weit aber 4to. die bereits ante Concursum universalem anderwerts anhängig gemachte Strittigkeiten dorthin zu ziehen seynd, siehe unten §vo. 13. Und was endlich 5to. die Geistlichkeit hierunter betrift, bleibt es bey dem alten Herkommen, und denen Recessen.
Anfang des Universalconcurs und wenn dazu geschritten werden mag?
§. 3. Mehr gedachter Universalconcurs fangt von der Zeit an, da man mittels offentlichen Anschlags die gewöhnliche Edictstäg ausschreibt, welches jedoch niemal geschehen soll, wenn das Vermögen des Schuldners zu Befriedigung sammentlicher Glaubigern offenbar hinreicht, und gar keine Gefahr von einem künftigen Verlust durch längere Zuwart anscheint, sondern man soll solchenfalls dem Schuldner auf Anrufen der Glaubiger vielmehr einen Termin geben, um Zahlungsmittel anzuschaffen, oder seine Güter zu verkaufen, nach Ablauf dessen aber mit den Verkauf, und allenfalliger Vergandung nach Ausweis vorigen Capitels 7ten. §vi. verfahren, sohin den Kaufschilling gleichwohl unter den Glaubigern vertheilen, und den Ueberrest dem Schuldner ausfolgen lassen.
Von der Citation und Ausschreibung der Edictstägen.
§. 4. Die Edictalcitation, Kraft welcher alle Glaubiger um ihre Forderungen zu liquidiren, und über den Vorzug miteinander zu streiten, sohin denen gewöhnlichen drey Edictstägen abzuwarten vorgeladen werden, soll man 1mo. nicht nur zu jedermanns Wissenschaft offentlich bey Gericht anschlagen, sondern auch jene Glaubiger, deren Forderung vorhin schon bey Gericht bekannt seynd, durch ein Circularpatent vorrufen, und solches von ihnen
(85) unterzeichnen, wie nicht weniger, wenn der Schuldner etwan mit fremden Kaufleuten, oder anderen Ausländern Verkehr- und Handlung getrieben hat, die Proclamata an etlich ausländische Ort verschicken, und durch die Obrigkeiten selbiger Orten gleichfalls offentlich verkünden und anschlagen lassen. 2do. Soll man auch jeden Edictstag nicht nur durch ein besonders Proclama, sondern alle drey in einem Proclamate zugleich ausschreiben, und 3tio. für den ersten Tag ad liquidandum wenigst eine Frist von vier oder sechs, bey größern Concursen aber acht oder zwölf Wochen, für den andern Edictstag ad excipiendum eben so viel, und endlich für den dritten ad concludendum vier Wochen, jedesmal peremptorie, & sub pœna præclusi anberaumen. Nebst deme soll man 4to. den Schuldner selbst, oder da er nicht mehr bey Leben ist, seine Erben um bemelten Edictstägen beyzuwohnen gleichfalls, jedoch nicht edictaliter, sondern wo man seinen Aufenthalt weiß, entweder unter Augen oder bey seinem häuslichen Anwesen nach Inhalt des 5ten. Cap. 8ten. §vi. sub pœna præclusi vorladen. Damit aber auch 5to. in Zukunft wie es bishero öfters geschehen ist, die Proclamata nicht vergeblich angeschlagen, und die Creditores in unnöthige Kösten gesprengt werden, so soll sich der Schuldner, oder wer ihn immer zu vertretten hat, längst inner 14 Täg von Zeit, da die Affigirung besagter Proclamatum beschlossen, und ihme vorläufig kund gemacht worden, bey dem nämlichen Richter schriftlich, oder mündlich ad Protocollum erklären, ob er gegen die vorhabende offentliche Ausschreibung appelliren wolle oder nicht. Erstenfalls soll mit der Affixion so lang Stillstand gehalten werden, bis gleichwohl die Appellation entweder versessen, oder abgemacht ist. Falls sich aber der Schuldner inner obigen Termin nicht positive erklärt, oder sich der Appellation ausdrücklich begiebt, so soll die offentliche Anschläg- und Ausschreibung ihren Fortgang nehmen, sofort keine weitere Weigerung hierwieder mehr Platz greifen.
Von dem ersten Edictstag ad producendum, & liquidandum.
§. 5. Alle, und jede Glaubiger sollen sich 1mo. bey Verlust ihrer Forderung auf den ersten Edictstag melden, und seynd in Zukunft auch jene, welche bereits vorhin schon die Immißion auf des Schuldners Gütern erlangt, oder Faustpfänder in Händen haben, so wenig mehr als andere hiervon befreyet. Wer aber vermög folgenden Capitels Jure Seperationis (!) gaudirt, ist nicht schuldig, sich in den Concurs einzulassen, und falls er solches selbst freywillig thut, vergiebt er dadurch an seinem Recht nichts, sonderbar wenn es nur mit Protestation und eventualiter geschiehet. Man soll auch 2do. denen Creditoribus, oder ihren Anwälden weder bey dem ersten, noch anderen Edictstägen unnöthige Weitläufigkeit, oder schriftliche Handlung gestatten, sondern sie sollen sich mit ihrer Nothdurft in möglicher Kürze ad Protocollum vernehmen lassen, und wenn die Forderung oder Exception so beschaffen ist, daß sie einer weitläufigen Erzehl- oder Ausführung bedarf, ist solche in einen schriftlichen, statt mündlichen Receß zu bringen, und dieser sofort Beylagsweis dahin zu übergeben, und sich mit wenig Worten in dem Protocoll darauf zu beziehen. Falls auch 3tio. die Obligation des Debitoris etwan einiger Bedingnuß, oder unausgemachter Präjudicialfrag halber, oder sonst noch in suspenso wäre, soll dieselbe nichts desto weniger um einsweiliger Vormerkungswillen eventualiter eingeklagt werden, und da endlich 4to. der ad producendum, & liquidandum bestimmte Edictstag wegen Menge der Schuldforderungen nicht erklecklich ist, so mag mit der Production, und Liquidation den zweyten, dritten, vierten, und nächstfolgende Täge darauf so lang damit continuirt werden, bis von sammentlichen Glaubigern, welche sich den ersten Tag gemeldet haben, niemand mehr übrig ist. Im übrigen soll man auch 5to. jede Forderung nicht besonders protocolliren, sondern sammentliche der Ordnung nach, wie sie angegeben werden, in ein Protocoll zusammentragen, sofort solches nach geschlossenen Edictstag heften, paginiren, und ad Acta registriren lassen, welches bey dem zweyten und dritten Edictstag gleichfalls wiederum auf die nemliche Art, geschehen soll.
(86) Von dem zweyten Edictstag ad excipiendum.
§. 6. Bey dem zweyten ad excipiendum anberaumten Edictstag sollen 1mo. sammentliche Exceptiones, welche sowohl der Schuldner selbst, als jeder Glaubiger in Puncto prioritatis, liquidationis, und sonst gegen die gestellte Forderungen, und Ansprüche zu haben vermeynt, ohne Ausnahm auf einmal, und zwar sub pœna præclusi vor- und angebracht werden. 2do. Wird auch durch die von Seiten des Schuldners erst nach erregten Concurs erfolgte Geständnuß, oder Agnition einer Schuldforderung ohne anderen dazukommenden erheblichen Adminiculis denen Mitglaubigern an ihren dagegen habenden rechtlichen Einwendungen nichts benommen, oder präjudicirt, wohl hingegen kommt jedem aus ihnen zu Guten, was der Schuldner gegen diese, oder jene Forderung mit Fug wirklich eingewendet, oder wenigst einzuwenden gehabt hat. Desgleichen kann 3tio. die von einem Creditore gemachte Exception denen anderen Concreditoribus so weit nutzlich seyn, als ihrer Seits etwan die nemliche Causa contradicendi vorhanden ist. Wie weit aber 4to. das richterliche Amt sich in Supplirung unterlassener Exceptionen erstreke, ist bereits oben Cap. 6.§. 9. versehen, welches demnach auch in dem Concursproceß allerdings Platz greift.
Von dem dritten Edictstag ad concludendum.
§. 7. Bey dem dritten, und letzten Edictstag ist zwar sowohl dem Schuldner gegen die Creditores, als diesen unter sich mit ihrer Re- und Dupliksnothdurft gegen einander zu verfahren gegönnt, jedoch soll solches keineswegs durch ordentlichen Schriftenwechsel, sondern nur von Mund aus in die Feder mit möglicher Kürze, oder mittes Uebergebung eines schriftlich- statt mündlichen Receß geschehen, auch über den Dupliksreceß keinem Creditori weitere Handlung mehr gestattet, sondern damit beschlossen, oder wenn sich die Partheyen nicht selbst dazu anschiken wollen, die Causa ex Officio pro conclusa angenommen werden.
Von der Legitimation bey dem Concurs.
§. 8. Wer sich bey dem Concurs nicht in eigner, sondern in fremder Sach meldet, soll sich 1mo. bey Verlust der Forderung genugsam hierzu legitimiren, und zu dem Ende gleich bey dem ersten Edictstag seiner Vollmacht in behöriger Form übergeben. Vormünder und Curatores, welche nicht bey dem nemlichen Gericht, wo der Concurs anhangt, bestellt werden, sollen 2do. an bemeltem Tag das Tutorium, oder Curatorium in forma probante beybringen. Desgleichen haben sich 3tio. Cessionarii, wie auch Creditores Creditorum mittels ihrer Ceßionsinstrumenten, und respectivè richterlicher Erkanntnussen, wodurch ihnen die Forderung allbereits in solutum überlassen worden, zu legitimiren. Jene, welche 4to. in einer Schuldforderungssache vorhin schon bey dem nemlichen Gericht ad totam Causam begewaltet gewest, brauchen auf den Fall, wenn sich nachhero in der Execution selbst, oder sonst ein Concurs ergiebt, keiner neuen Vollmacht sondern ist genug, wenn sie sich auf die vorige Vollmacht belenden (!). 5to. Ist Mandatum præsumptum in concursu so weit erklecklich, daß die Ratification dessen, was in Kraft eines solchen Mandats bey dem ersten Edictstag verhandelt worden, in dem nächstfolgenden Edictstag darauf, jedoch sub pœna præclusi beygebracht werden soll und mag. Falls nun 6to. gegen die beygebrachte Legitimation wegen eines, oder andern daran befindlichen Mangels excipirt wird, so kann der Defect noch bey dem letzten Edictstag, nachhero aber weiter nicht mehr ersetzt werden. Und da endlich 7mo. in puncto legitimationis weder von dem Schuldner selbst, noch von einem Glaubiger etwas eingewendet wird, so hat auch der Richter in Concursprocessen sich von Amts wegen nicht damit aufzuhalten.
(87) Von der Caution, Reconvention, und Comunication, dann der Contumacia, und denen Terminen.
§. 9. Juramentum Calumniæ, wie auch Cautio de Judicio sisti, aut judicatum solvi, mag 1mo. weder dem Schuldner, noch einem Glaubiger in Concursu zugemuthet werden, und eben so wenig greift auch Reconventio hierin Platz. Obgedachte drey Edictstäg, oder Terminen ad producendum, excipiendum, & concludendum sollen auch 2do. auf das genauiste beobachtet, und wenn sie einmal ausgeschrieben seynd, weder auf Instanz der Partheyen, noch von Amts wegen verlängert werden, und ist ferner nicht nöthig, gegen jene, welche sich in Beobachtung jetzt erwehnter Terminen säumig finden lassen, den Ungehorsam zu accusiren, oder Insinuationem zu dociren, viel weniger eine besondere Contumacialerkanntnuß darüber ergehen zu lassen, sondern wer bey dem ersten Edictstag entweder gar nicht erscheint, oder sonst die Schuldigkeit nicht beobachtet, wird in der Haupt- und Prioritätserkanntnuß gänzlich ausgeschlossen. Soviel endlich 3tio. die Communicationes betrift, stehet sowohl dem Schuldner, als jeden Glaubiger frey, nicht nur sammentliche Concurs-Acta in præsentia Judicis, Actuarii, vel Registratoris ad statum videndi zu nehmen, sondern auch Abschriften davon zu begehren, welche gegen Erlegung der gebührender Tax sowohl bey Kanzleyen, als Gerichtschreibereyen ohne weiteren Auftrag allzeit unweigerlich abgefolgt werden sollen, damit sich keiner an seiner behöriger Nothdurftsbeobachtung verkürzet worden zu seyn mit Fug beschweren möge.
Von dem Beweis überhaupt u. insonderheit durch die Gezeugschaft.
§. 10. In dem Concursproceß soll der Richter 1mo. keiner Parthey den Beweis durch Vorbescheid auflegen, sondern jeder Glaubiger dießfalls seine Nothdurft selbst ohne Erwartung richterlichen Auftrags beobachten, mithin 2do. all jenes, was sowohl zu nöthiger Erprobung der Schuld, als des Vorgangs gehört, gleich auf den ersten Edictstag bey Verlust derselben übergeben, nicht aber ein solches erst auf den zweyten oder dritten Edictstag verspahren. Soviel 3tio. den Beweis durch Gezeugschaft insonderheit betrift, soll man gleich bey dem ersten Edictstag sub pœna præclusionis die Probatorialartikel, samt dem Directorio und Denominatione Testium überreichen, worüber sohin 4to. bey dem anderen Edictstag entweder von dem Schuldner selbst, oder denen Mitglaubigern sub pœna liquidi, & Confessi mit denen Exceptionibus, & Responsionibus verfahren hiernächst aber 5to. ohne super relevantia Articulorum zu sprechen gleich zur wirklichen Zeugenverhör geschritten, die Außag (!) bey dem dritten Edictstag publicirt, und hierüber sowohl dem Zeugenführer, als denen gegentheiligen Interessetis (!) mehr nicht, als ein einzige Schrift zur Deduction, und respective Refutation, und Conclusion inner dem zu präfigirenden peremptorischen kurzen Termin gestattet, sondern die Causa alsofort pro Conclusa angenommen werden solle. Da nun 6to. deme zugegen die Articuli probatoriales erst bey dem zweyten, oder dritten Edictstag zum Vorschein kommen, soll man solche pro non productis halten, folglich auch keine Zeugenverhör mehr vornehmen, ausgenommen 7mo. in folgenden Fällen. Erstens wenn durch einen cörperlichen Eid, oder sonst in continenti dargethan werden kann, daß man entweder von dem Anspruch selbst, oder wenigist von dem Beweisthum durch Gezeugen nicht eher Wissenschaft erlangt, oder solchen zu Handen gebracht hat. Zweytens wenn Gegenbeweis geführt, und die vorgeschützte Exception, oder Replic zu erproben gesucht wird. In diesen und dergleichen Fällen ist man 8vo. mit der Prob weder durch Gezeugen noch Documenta an die Edictstäg so genau gebunden, doch soll man auch hierin keine unnöthig- und aufzügliche Weitläufigkeit gestatten, sondern den Beweis bestmöglichist durch abgekürzt- peremtorische Terminen zu beschleunigen trachten.
(88) Von dem Beweis durch Documenta.
§. 11. Die zur Liquidation der eingeklagten Schuldforderungen benöthigte Documenta sollen 1mo. außer obgedachter Specialfällen ebenfalls sub pœna præclusionis ohne Unterschied, ob selbe bey dem nemlichen oder anderen Richter schon einmal producirt worden seynd, bey dem ersten Edictstag in Forma probante producirt, und 2do. sowohl dem Schuldner, als denen Mitglaubigern zur Einsicht vorgelegt, sofort aber von denenselben bey dem zweyten Edictstag entweder recognoscirt, oder Diffitirt werden. Dafern nun 3tio. weder eins noch anderes geschehen ist, so wird das producirte Document pro recognito gehalten. In casu Diffessionis aber hat 4to. der Producent nach Inhalt des 11ten. Capitels 8ten. §vi. den Beweis zu machen, und solchen an dem dritten Edictstag sub pœna præclusi zu übergeben, dahingegen aber auch Diffitens an dem nemlichen Tag zuförderist den Diffeßionseid sub pœna recogniti abzulegen. Im übrigen soll man 5to. die producirte Originalia entweder bey Gericht wohl verwahren, denen Creditoribus, zumal wenn sie deren bedürftig seynd, auf Begehren wiederum zuruckgeben, solch- letztern Falls aber legaliter vidimirte Copien apud Acta zuruckbehalten, welchen Ends wegen 6to. wohl und gut geschiehet, wenn die Partheyen selbst gleich bey dem ersten Edictstag nebst denen Originaldocumenten richtige Copias mitübergeben, und sich die alsobaldige Vornehmung gerichtlicher Collation in Beyseyn der anderen Creditoren ausbitten.
Von dem Beweis durch den Eid.
§. 12. Wo die eingeklagte Schuld gestalten Dingen nach durch das Juramentum decisorium, vel suppletorium bewiesen werden muß, soll jenes 1mo. dem Schuldner gleich am ersten Edictstag deferirt, und am zweyten Edictstag abgelegt, oder referirt, und da weder eins, noch anderes geschiehet, das Jurament pro relato gehalten, mithin am dritten Edictstag von dem Glaubiger wirklich abgelegt werden, ohne daß die Wiederrufung des Eids jemalen mehr Platz greift. Juramentum Suppletorium soll 2do. der Glaubiger, welcher dadurch seine Prob zu ergänzen sucht, am ersten Edictstag begehren, und wenn am zweyten Tag von niemand etwas dagegen eingewendet wird, solches sofort am dritten Tag abschworen (!). Bey vorkommenden Einwendungen hingegen soll der Richter in dem Prioritätsurtheil darüber erkennen, und wo er solches fur statthaft erachtet, den Glaubiger die eingeklagte Schuld in seiner behorigen Claße andergestalt nicht als mit dem Anhang, daß er solche mit seinem Eid erhärte, eventualiter zu sprechen. Wenn 3tio. nicht soviel Klag, als Exception, oder Replic durch obgedachte Juramenten erwiesen werden soll, ist man zwar an bemelte Edictstäg nicht so genau damit angebunden, doch soll auch hierin schleunig, und durch abgekürzte peremptorische Terminen verfahren werden.
Von Liquidirung jener Forderungen, welche schon abgeurtheilt, oder anderwerts Rechtshängig seynd.
§. 13. Obwohl Judicium universale Concursus alle, und jede bey anderen Gerichten bereits anhängige Causas particulares ex capite connexionis an sich ziehet, so verstehet sich doch solches 1mo. nur von dem Puncto Prioritatis, und dem Vorzugsrecht, derowegen 2do. solche Forderungen zwar bey dem ersten Edictstag sub pœna præclusi nicht nur in quanto, & quali angegeben, sondern auch 3tio. an selbigen, und nachfolgenden Edictstägen soweit liquidirt, und instruirt werden sollen, als man zu Entscheidung bemelter Prioritätspuncten vonnöthen hat. Die Haupliquidation selbst aber soll 4to. bey dem Gericht, wo sie einmal angefangen worden, fortgesetzt, und ausgemacht werden, wobey 5to. denen anderen Creditoribus gleichwohlen samt, und sonders zu interveniren, und ihre vermeyntes Intereße zu besorgen frey stehet. Es soll auch 6to. die Prioritätserkanntnuß solcher Particularstrittigkeiten halber niemal aufgeschoben, sondern ein- als anderen Wegs damit verfahren, und die annoch
(89) rechtshängige Forderung einsweilen in ihrer behörigen Claße eventualiter vorgetragen werden. Was aber 7mo. vor entstandenen Concurs bey dem nemlich- oder einem anderen Gericht schon einmal gänzlich abgeurtheilt ist, soll weder dort, noch da in eine weitere Liquidation mehr gezogen, sondern solcher Forderungen halber am ersten Edictstag sich lediglich ad Acta referirt, und hievon nur soviel angeführt werden, als den Prioritätspuncten betreffen mag.
Von weitschichtigen Liquidationen.
§. 14. Forderungen, welche ihrer großen Weitschichtigkeit, oder ganz besonderer Eigenschaft halber in Foro Concursus entweder gar nicht, oder wenigist nicht ohne vieler Beschwernuß, und besorglicher Verwirrung mit, und nebst anderen Ansprüchen liquidirt, und für einander gebracht werden mögen, sollen zwar ebenfalls bey dem ersten Edictstag mit einem beyläufigen, und wahrscheinlichen Quanto sub pœna præclusi angeklagt, und dem Protocoll, wie andere Schuldposten einverleibt werden, damit man sich bey Verfaßung der Prioritätserkanntnuß darnach richten, und in behöriger Stelle die eventuale Vormerkung thun möge. Die Liquidation hingegen soll zu Vermeidung aller Verwirr- und Unordnung von denen übrigen Concurs-Actis gänzlich abgesöndert, und seperatim tractirt, oder nach Beschaffenheit der Sach wohl gar an dasjenige Forum, wohin es sonst von Rechts wegen gehörig, zur gebührenden Verhandl- und Ausmachung verwiesen werden.
Von dem Prioritätsurtheil.
§. 15. In dem Prioritätsurtheil soll 1mo. der Richter jeden Glaubiger præstitis præstandis die ihm laut folgenden Capitels gebührende Stell, ohngeacht daß etwan aus Verstoß ein andere von ihm begehrt worden, anweisen. 2do. Dafern die Statuta loci, wo die eingeklagte Schuldobligation, oder der Contract errichtet worden, mit denen Statutis loci, wo der Concurs verhandelt wird, nicht überreinstimmen, so ist quo ad solennia contractus auf die erste, quo ad jus prioritatis, & classificationis aber auf die letztere Statuta zu sprechen. Zur Publication der Prioritätserkanntnuß ist 3tio. eine Specialcitation der Creditoren nicht vonnöthen, sondern die Sentenz soll ad valvas publicas Judicii affigirt, sofort jedem Creditori auf Anmelden gegen die Gebühr ein Abschrift ertheilt werden. Obwohlen im übrigen 4tio. zur Entscheidung der Concurssachen keine gewisse Zeit bestimmet werden mag, so soll man doch solche zu Verhütung des denen letzteren Creditoribus zugehenden Verlusts, und Schadens auf alle thunliche Weis beförderen, und 5tio. unter dem Vorwand deren etwan anderwerts rechtshängiger, oder ad separatam Liquidationem verwiesener Schuldposten keines Wegs aufhalten, sondern dergleichen Posten obverstandenermassen einsweilen in jener Claße, wohin sie allenfalls gehörig seyn mögen, mit dem angegebenen beyläufigen Quanto eventualiter vortragen.
Von der Appellation, Restitution, u. Nullitätsklag in dem Concursproceß.
§. 16. Mit der Appellation und Revision soll es 1mo. in Concursu, wie mit anderen Appellationssachen gehalten, und ohne weitere Communication, oder Schriftenwechslung allzeit nur über die Acta priora gesprochen werden. 2do. erstreckt sich Effectus suspensivus hierin niemal weiter, als auf die Puncta, worüber in specie appellirt worden, oder was mittels unzertrennlicher Consequenz davon abhangt. 3tio. Kann zwar die von einem Glaubiger eingewandte Appellation auch anderen Mitglaubigern zu Guten kommen, soweit sie die nemliche Causam gravaminis für sich haben. Der Appellant aber soll sich des in Appellatorio erhaltenen obsieglichen Urtheils nur gegen appellatischen Theil allein, niemal aber gegen andere Mitglaubiger zu erfreuen, mithin unter diesem Vorwand den Vorzug vor ihnen nicht zu suchen haben. Restitutionem in integrum belangend, ist 4to. hauptsächlich dahin zu sehen, ob die Gand-Massa unter
(90) denen Glaubigern schon distrahirt, und vertheilt, oder dießfalls noch res integra seye. Erstenfalls hat bemeldte Restitutio weder ex capite minorenitatis (!), noch Instrumentorum noviter repertorum, oder anderen Vorwand gegen jene Creditores, welche das Ihrige in Conformität des Prioritäturtheils schon rechtmäßiger Weis empfangen haben, wie nicht weniger gegen die bereits beschehene Vergandung mehr Platz. Letzterenfalls aber soll man das Restitutionsgesuch auf den nemlichen Fuß in Concursu tractiren, wie bereits oben im 16ten Capitel 1. §vo überhaupt versehen ist. Und soviel endlich 5to. das Remedium nullitatis betrift, hat es hiemit die nemliche Beschaffenheit.
Von der Execution in Concursu.
§. 17. Sobald der Concusus universalis einmal beschlossen ist, soll man pro 1mo. des Schuldners Haab, und Gut, mittels obrigkeitlichen Beschlags, und soviel die ungefreyte Personen betrift, mit Spann- und Wasenschnit angreiffen, solches mit Zuziehung der Glaubigern, oder des bestellten Curatoris bonorum ordentlich inventiren, und durch unpartheyisch- verständige Leut schäzen lassen, sofort ohne weiteren Aufschub nach Vorschrift des vorigen achtzehenden Capitels, siebenden Artikels quanti plurimi verkaufen, und den erlößten Kaufschilling unter denen Glaubigern der Ordnung, und Prioritätserkanntnuß nach, soweit derselbe zureicht, vertheilen. Da nun 2do. um das vergandete Gut kein Käufer vorhanden ist, welcher ein mehrers, oder soviel darbiethet, als die Schuldforderungen insgesamt betragen, so kommt es in Concursu auf das sogenannte Jus delendi an, Kraft dessen dem letzteren Glaubigern nach der dritten offentlichen Ausrufung frey stehet, entweder das vergandete Haab, und Gut gegen gänzlicher Befriedigung all jener Mitglaubigern, welche ein älteres, oder gleiches Recht mit ihm haben, um seine Forderung in Solutum zu übernehmen, oder aber diese zu verliehren, und bemeltes Gut dem nächst- vorhergehenden Glaubiger auf die nemliche Condition zu überlassen. Zu welchem Ende auch jedem dergleichen Glaubiger nicht nur drey Täg Bedenckzeit zu seiner Erklärung gelassen, sondern auch nach derselben eine nochmalige, jedoch letzte, und einzige Anrufung gestattet wird, um zu sehen, ob nicht jemand ein mehreres, oder wenigist soviel als den Betrag sammentlicher Forderungen um das subhastirte Gut zu geben erbiethig seye. Dafern auch 3tio. dasselbe etwan unter einem anderen Gericht, als wo der Concurs tractirt wird, gelegen wäre, so soll die Subhastation von dem Judice loci rei sitæ, wenn er anders derselben sonst berechtiget ist, auf Requisition vorgenommen werden, dahingegen gebührt ihm solchenfalls weder die Adjudication, noch Claßification, und Distribution der Gandkaufschillingsgelder, sondern all dieses, und dergleichen, was nicht den Actum Subhastationis betrift, soll dem Judicio Concursus überlassen werden, welches endlichen auch 4to. die Vertheilung der Geldern unter dem Vorwand, daß noch ein- oder andere Post ad separatam liquidationem ausgestellt, und in dem Claßificationsurtheil einsweilen nur eventualiter vorgemerkt seye, nicht zu verschüben (!), sondern in solchen Fällen entweder soviel, als die vorgemerkt- und in suspendo (!) gelassene Post betragt, interim in deposito zu behalten, oder denen Creditoribus, so in der Prioritätsurtheil, und Execution nachzustehen haben, das Ihrige gegen genugsamer Caution ausfolgen zu lassen hat.
Von dem Curatore
bonorum u. Contradictore communi in Concursu.
§. 18. Wenn 1mo. das auf der Gand stehende Vermögen groß ist, und insonderheit in liegenden Gütern, oder Activschulden bestehet, so soll der Richter zu gleicher Zeit, da man ad Concursum generalem schreitet, durch die Creditores einen tüchtigen Curatorem bonorum per majora erwählen lassen, oder da sie sich nicht darüber vergleichen können, selbst einen von Amts wegen ernennen, und ihme 2do. nach vorläufigen Inventario, und abgelegter Pflicht gedachtes Vermögen zu dem Ende einraumen, daß er 3tio. solches währenden Concursproceß
(91) getreulich verwalte, was zur Gand-Massam von Rechts wegen gehörig, und in anderen Händen befindlich ist, wiederum dahin zu bringen trachte, sich bey hochgiltigen Gütern um anständige Käufer zeitlich bewerbe, die aufstehende Activschulden durch rechtliche Mittel, und Weg beytreibe, auch benöthigten Falls die zahlflüchtige Debitores bey ihrer behörigen Obrigkeit darum belange, und endlich denen sammentlichen Creditoribus seiner geführten Verwaltung halber in Judicio Concursus förmliche Rechnung ablege. Sachen, welche sich 4to. ohne Schaden conserviren lassen, soll der Curator eigenmächtiger Weis von der Massa andergestalt nicht, als auf Ratification der Creditoren veräußeren, auch das baare Geld ohne derselben Wissen, und Willen nicht ausleyhen, vielweniger zu seinem Eigennutz verwenden, sondern solches zu Gerichtshanden ad depolitum lieferen. Denen Creditoribus stehet 5to. frey, den erwählt- oder bestellten Curatorem aus rechtserheblichen Ursachen wiederum abzuänderen, und statt seiner einen anderen aus ihren Mittel, oder sonst per majora zu erwählen, oder wenigst einen, oder mehr zu adjungiren, welchenfalls 6to. keiner ohne dem anderen etwas zu verfügen die Macht hat, wo nicht das Curatorium die Clausulam samt und sonders in sich halt. 7mo. Darf sich ohne erheblicher Ursach niemand weigeren, die ihm angetragene Curatelam zu übernehmen, vielweniger die einmal übernommene wiederum abzulegen. Was ferner 8vo. durch sein des Curatoris bezeigten merklichen Unfleiß den Creditoribus zu Schaden gehet, soll er wiederum ersetzen. Dahingegen gebührt ihm 9no. für seine hierunter gehabte Mühewaltung eine proportionirliche Belohnung, welche ihm die Obrigkeit, falls er sich mit den Creditoribus nicht darüber vergleichen kann, der Billichkeit nach auszusprechen, und sowohl diese, als all andere nöthige Curatelskösten denen gerichtlichen in 1ma. Classe bey Verfassung der Prioritätserkanntnuß gleich zu schätzen hat. Im übrigen kommt 10mo. den Creditoribus in des Curatoris eignen Gütern um seiner geführter Verwaltung wegen, wo nicht ein anderes ausdrücklich bedungen ist, weder eine legale Hypothec, noch anderes Vorzugsrecht zu. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Contradictoris aber, welcher 11mo. die Stell des Schuldners gegen die Glaubiger in Concursu zu vertretten hat, soll an jenen Orten, wo selber bishero nicht üblich gewest, auch in Zukunft unterlassen werden, sondern jeder Glaubiger gleichwohl selbst gegen andere seine Mitglaubiger sowohl in Ab- als Anwesenheit des Schuldners die Stell des Contradictoris so gut er kann, und mag, zu vertretten haben.
Von denen Particularzahl- und Veräußerungen von und nach angefangenem Concurs.
§. 19. Was 1mo. der Schuldner noch vor Anfang des Generalconcurs, oder vor erfolgt- obrigkeitlichen Verbott einem, oder anderen Glaubiger in particulari bezahlt, oder sonst veräußert, kann nur von denen älter- oder gleich privilegirten Creditoribus Hypothecariis wiederruffen werden, es seye denn, daß die veräußerte Sach weder in Natura mehr vorhanden, noch gefährlich verwendet, oder bereits landsgebräuchige Nutz und Gewehr darauf ersessen worden ist. Andere Glaubiger hingegen, welche kein gleich- oder älteres Unterpfand haben, mögen 2do. dergleichen Particularzahl- oder Veräußerungen nur auf den Fall wiederruffen, wenn aus denen Umstanden erscheint, daß solche nicht redlich, sondern gefährlicher Weis zu ihren Präjudiz, und Schaden geschehen seye. Im Fall auch 3tio. der Inhaber der veräußerten Sache einigen Theil an solcher Gefährde hat, oder die Alienation nur Titulo lucrativo geschehen ist, so soll er solche auch ohne Wiederstattung (!) des Werths herausgeben. Was aber 4to. der Debitor erst nach angefangenen Generalconcurs, oder gegen obrigkeitliches Verbott annoch bezahlt, veräußert, verschreibt, verpfändet, oder sonst immer zu Nachtheil, Abbruch, oder Verminderung der Gand-Massa thut, oder unterlasset, ist von gar keiner Kraft, und kann sowohl von dem bestellten Curatore bonorum, als denen Creditoribus ohne Unterschied allzeit wiederum revocirt werden. Es soll sich auch 5to. die Obrigkeit währenden Concursproceß aller Particularzahlungsabschaffungen enthalten, ausgenommen soviel arm- bedürftige Creditores betrift, denn
(92) diesen letzteren mag wohl der nöthige Unterhalt ex Massa einsweilen in Abschlag ihrer Foderung, soweit solches ohne anscheinender Verlustgefahr und Nachtheil anderer gleich- oder mehr privilegirter Glaubigern beschehen kann, verreicht werden. Desgleichen gebührt 6to. der Wittib von ihres Manns hinterlassenen Vermögen, falls sie sich sonst nicht unterhalten könnte, nicht nur die Alimentation nach Gestalt ihres Stands, Heyrathguts, und des Manns Verlassenschaft, sondern sie soll auch solchenfalls wider ihren Willen aus der verlassenen Haab, und Güteren währenden Proceß nicht entsetzt werden, wohingegen dieselbe um alles, was sie über ihre gebührlich, und von dem Richter erkannte Unterhaltung eingenommen hat, ordentliche Rechnung, und da es die Glaubiger begehren, auch genugsame Versicherung zu thun, sofort das, was sie besagter Alimentation halber in Abschlag genossen, seiner Zeit wiederum in Abzug bringen zu lassen hat.
Von Manifestierung des vergandeten Vermögens, u. Obliegenheit des Schuldners nach dem Concursproceß.
§. 20. Der auf die Gand getriebene Schuldner ist 1mo. verbunden, nicht nur sein ganzes Vermögen samt allen ausstehenden Faustpfänderen, und Activschulden bey Errichtung des Inventarii anzuzeigen, sondern auch auf Begehren des Curatoris bonorum, oder der Glaubiger den Manifestationseid darüber abzuschwören. Da er nun 2do. deme ohngeacht wissentlich, und gefährlicher Weis etwas davon hinterhalt, oder unterschlagt, so soll gegen ihne ex capite falsi, & perjurii nach Gestalt der vorkommenden Proben, oder Anzeigungen criminaliter verfahren werden. Im übrigen bleibt 3tio. all jenen, welche sich bey dem Concurs entweder gar nicht gemeldet, oder wenigst das Ihrige nicht erlangt haben, der weitere Regreß sowohl gegen dem Hauptschuldner selbst, wenn er mit der Zeit wiederum zu Kräften kommt, als gegen einem Dritten, welcher vor die Schuld mithaftet, allerdings bevor.
Zwanzigstes Capitel.
Von dem Prioritätsrecht deren Glaubigern, dann denen verschiedenen Claßen derselben, und dem Jure Separationis.
§. 1. Bey dem Vorzug der Glaubigern in Concursu hat man regulariter, wo keine ausdruckliche Ausnahm gemacht ist, folgendes zu bemerken. 1mo. Seynd die in §vo2. & seq. angeordnete Claßen dergestalt einander subordinirt, daß der Glaubiger, welcher in vorhergehender Claße stehet, denen in nachfolgender vorgezogen wird. 2do. Mehr Creditores von unterschiedlicher Art, und Gattung in einer Claße folgen der Ordnung nach, wie sie in jeder Claße hernach benannt seynd, und wenn endlich mehr Glaubiger von einerley Art und Gattung in der nemlichen Claße und Sache zusammkommen, so gehen sie nach dem Alter der Obligation, oder da auch hierin die Gleichheit ist, und die Sach zu allerseitiger Befriedigung nicht hinreicht, concuriren sie pro rata debiti.
Erste Claße.
§. 2. In die erste Claße gehören die auf den Concursproceß erloffene Gerichtskosten, soviel hiervon die Glaubiger insgesamt, nicht aber ein- oder anderen nur in particulari betrift, denn die letztere hat jeder Creditor selbst aus seinen eigenen Mitteln zu bezahlen. Es sollen auch die Kösten nicht Pauschweis, und überhaupt angesetzt, sondern von Posten zu Posten specificirt, und
(93) die Verzeichnuß ad Acta gelegt werden, damit die Uebermaß allenfalls auf Beschweren der Glaubiger von der höheren Obrigkeit gebührend eingesehen, und gemäßiget werden möge.
Zweyte Claße.
§. 3. 1mo. Werden hieher gerechnet die Funeralkösten, welche nemlich auf die Begräbnuß, und den Gottesdienst für den verstorbenen Schuldner verwendet worden, worin jedoch alle Uebermaß abgeschnitten, und darauf gesehen werden soll, ob nicht nach des Abgestorbenen Stand, Herkommen, und Menge der Schulden hierunter zu viel geschehen seye, auermassen die Kleidung der Bedienten, und was sonst mehr zum bloßen Pracht, wie auch auf Zehrungen und sogenannte Todtenmahl verwendet wird, nicht in gegenwärtige Claße, sondern unter die gemeine Curentglaubiger gehört, und allenfalls von jenen zu vergüten ist, welche dergleichen unnöthige Bestellungen machen. 2do. Wird auch hier angesetzt, was in des Schuldners letzter Kranckheit, woran er wirklich verstorben ist, auf die Apothek, dann des damal gebrauchten Medici, Chirurgi, und Krankenwarters billichen Verdienst erloffen ist, was aber der Apotheker an Zucker- Gewürtz- und Schleckerwerk mehr zur Wollust, als nothwendiger Artzney, und Labung wissentlich, und vorsetzlich liefert, wird unter die Curentposten verwiesen.
Dritte Claße.
§. 4. Zur dritten Claße gehört gearnter Liedlohn, welchen der Mann mit seinem Pflug, oder Viehe entweder selbst, oder durch gedingte Ehehalten verdient, wie auch, was ein gedingt und gebrödter Diener oder Ehehalt bey seiner Herrschaft, oder ein Taglöhner bey dem, der ihn um den Taglohn bestellt, zu Verdienst bringt, item jene Handwerksleut, welche um gewissen bedungenen Lohn bey dem Besteller selbst in dessen Wohnung auf der Stör arbeiten. Man soll aber all obigen Personen niemal mehr, als einen Jahrslohn von dem Ruckstand in dieser Stell paßiren lassen, das übrige hingegen für eine unbefreyt- gemeine Schuld achten. Desgleichen gehören auch die Salaria, und Recompensen für Advocaten Procuratores, Notarios, Hofmarchsrichter, Verwalter, und dergleichen lediglich unter die Curentposten, welche Meynung es ebenfalls mit denen allzu überflüßigen, und dem Stand des Schuldners nicht proportionirten Domestiquen hat, immaßen in solchen Fällen, wo sich nemlich eine merckliche Uebermaß bezeigt, die in gegenwärtige Stell gehörige proportionirte Quota unter sammentliche Domestiquen pro rata zu vertheilen ist.
Vierte Claße.
§. 5. In die vierte Claße gehören folgende Posten. 1mo. Was zu nothwendiger Wiedererbau- und Erhaltung eines Gebäu, oder anderer Sache, an Geld, oder Baumaterialien vorgestreckt, und auch wircklich dahin verwendet wird, ohngeacht sich der Darleyher keine ausdruckliche Hypothec hierum ausbedungen hat. 2do. Alle ordinari- und extraordinari Landsteuren, Accis, Umgeld, Aufschläg, und andere dergleichen zum gemeinen Besten gewiedmete landsherrliche Abgaben, welche der Vergandete zu bezahlen gehabt, also, und dergestalten, daß das Vorzugsrecht sich nicht nur auf die Steur, und accisbare Güter, sondern auf das ganze Vermögen erstreckt. 3tio. das vorgeliehene Saamgetreid, wie auch das zu dessen Erkaufung verwendete Geld, welch- beedes bey den Feldfrüchten selbigen Jahrs nicht nur eine stillschweigende Hypothec, sondern auch das Vorzugsrecht vor dem Grundherrn, und anderen nachfolgenden Glaubigeren hat, wenn nur die Felder wircklich damit besäet worden, und erwehnte Früchten selbigen Jahrs noch in Natura vorhanden seynd, sonst ist es eine gemeine Curentpost.
(94) 4to. Was zu Erkauf- oder Neuerbauung eines Hauses, oder anderer Sache unter alsbaldig- und ausdrucklicher derselben Verpfändung dargestreckt und verwendet wird. 5to. Wer sich bey Verkaufung seines Guts zur Zeit, da er solches noch in seiner Gewalt gehabt, hierauf ein ausdrucklich- und Specialunterpfand um den Kaufschilling vorbehalt, gehört ebenfalls anhero, ausgenommen wenn er sich bey obverstandenen Verkauf unreine Generalhypothec auf des Käufers Haab, und Gut, oder zwar eine Specialhypothec auf dem verkauften Gut, jedoch erst nach beschehener Ausantwortung bedingt, denn da gehört die Forderung nicht in diese Stelle, sondern dorthin, wohin auch andere Hypothecarii von Rechtswegen gehorig seynd. 6to. Wo zu Erkauf- oder Neuerbauung eines Guts aus einer Vormundschaft, oder von einer Kirch, Spital, Allmosenkaßa, oder anderer dergleichen von ordentlicher Obrigkeit zugelassen und denen Minderjährigen gleichgeschätzter Communität, oder Confraternität Geld geliehen wird, ist ihnen solches Gut nicht nur hierum stillschweigend verpfändet, sondern sie gehen auch anderen Glaubigeren vor, ausgenommen soviel die in vorhergehenden bemerkte Posten betrift. 7mo. Hat der Grundherr um seine grundherrliche Forderungen an Stift, Gilt, Laudemien, Kuchendienst, und den ganzen Werth des zu Geld angeschlagen- und ohnpartheyisch geschätzten Gutsabschleif auf des Unterthans Gerechtigkeit, und all- vorhandenen Früchten nicht nur ein stillschweigendes Unterpfand, sondern auch den Vorgang, es seyen gleich verstandene Foderungen von ein, oder mehr Jahren angestanden. Borgt aber derselbe die Gilt über drey Jahr, hat er das Vorgangsrecht salvo ceteroquin Jure Hypotecæ nur auf ein Jahrsgilt, er kunnte denn beweisen, daß der Unterthan durch Schauer- und Unglücksfall an seiner Schuldigkeitsbeobachtung gehindert worden sey, oder die Gilt nicht alle Jahr, sondern nur zu zwey, oder drey Jahren gereicht zu werden pflegt, welchenfalls die zwey- oder dreyjährige Gilt allzeit nur für eine geachtet wird. Die auf das Gut gebrachte Fahrnuß betreffend, hat der Grundherr bey derselben gleichwohl auch ein stillschweigendes Unterpfand, gehet aber denen älteren Hypothecariis derwegen nicht vor. 8vo. Gehören die von Schutz, oder Jurisdictionswegen abzureichende Vogteygilten ebenfalls hieher, und verstehet sich endlich 9no. all jenes, was oben num. 1. 4. 6. & 7. von dem Vorgangsrecht geordnet worden, allein auf die also verbessert- erkauft- oder erbaute Güter, und soviel den Grund- oder Vogtherrn betrift, auf des grund- oder vogtbaren Unterthans Gerechtigkeit, und vorhandene Früchten. Wohingegen, wenn einem aus diesen Glaubigeren noch dazu auch andere Güter verschrieben worden, er auf solchen kein Vorgangsrecht vor anderen älteren Hypothecariis zu geniessen hat.
Fünfte Claße.
§. 6. In die Fünfte Claße gehört 1mo. des Schuldners Ehefrau mit dem eingebrachten Heyrathgut, denn deshalb hat sie auf ihres Ehemanns Vermögen von dem Hochzeittag an nicht nur ein stillschweigendes Unterpfand, sondern auch das Jus prælationis vor anderen, obschon älteren stillschweigenden Hypothecen. Wer aber 2do. eine Verschreibung hat, worin des Ehemanns Güter schon vor denen Pactis dotalibus ausdrücklich verpfändet worden, gehört ebenfalls in gegenwärtige Stelle, und gehet dem Heyrathgut vor. Soviel 3tio. die Paraphernalgüter belangt, welche die Frau ihrem Ehemann außer des Heyrathguts zubringt, und sich die Administration hierauf ausdrucklich nicht vorbehalt, hat dieselbe von Zeit der errichteten Ehepacten, oder da hierin keine ausdruckliche Hypothec bedungen worden, von der Zeit, da der Mann das fahrende Gut empfangen, oder da es liegende Stück gewest, und verkauft worden, von der Zeit, da er den Kaufschilling zu Handen gebracht hat, wie auch wegen der Morgengaab, Wiederlag, und Wittibsitz, wenn solcher statt der Wiederlag ist, von dem Hochzeittag an ein stillschweigendes Unterpfand, gehet aber deswegen anderen
(95) ältern Glaubigern nicht vor. 4to. Kann sich keine Ehefrau jetztbemeldter Vor- und Unterpfandsrechten gegen die Creditores in folgenden Fällen mehr bedienen, wenn sie nemlich zu offenen Kram und Marckt sitzt, offene Wirth- oder Gastschaften halt, oder sonst ein solches Handwerck treibt, welches meistentheils in Kaufen, und Verkaufen, mithin in gemeinsamen Gewerb bestehet, wie z. E. bey Mezgern, Becken, Bräuen, Köchen, Lebzeltern, Methschenken etc. Desgleichen wenn sich das Weib in rechtsbehöriger Form entweder als Principalschuldnerin mitverschreibt, oder gut stehet, und sich anbey ihrer weiblichen Freyheiten begiebt, welchenfalls sie jedoch nur jenen Creditoribus in Executione auszuweichen hat, zu deren Favor die Renunciation beschehen ist. Ferner da sie etwan selbst kündig- oder erweislichermassen an des Manns Verderben, und Schuldenlast durch üble Hauswirthschaft Schuld tragt. Und endlich wenn die wirkliche Illation des prätendirten Heyrathguts, oder Paraphernalien rechtsbehörig nicht erwiesen werden kann. Es wird aber 5to. dieser Beweis soviel das Heyrathgut betrift, nicht nur durch Gezeugen, oder schriftliche Urkunden, sondern auch durch des Ehemanns eigene Geständnuß bewirkt, welch- letzterenfalls aber drey Dinge ohne Unterschied, ob die Geständnuß vor- oder nach der Copulation geschehen, zur Prob erfoderlich seynd, nemlich fürs erste, daß das Heyrathgut in denen Pactis dotalibus vorläufig versprochen; zweytens, der Empfang mittels einer besonderen Quittung von dem Ehemann bescheiniget; und drittens, durch zehenjährige Cohabitation bestättiget seye, außer dessen, und da an denen zehen Jahren etwas ermangelt, soll die Quittung durch einen siegelmäßigen Gezeugen nebst dem Ehemann mitgefertiget, oder der Empfang entweder durch einen unverwerflichen Gezeugen, und des Manns Quittung, oder ohne Quittung durch zwey Gezeugen, so von der Erlag hinlängliche Auskunft
geben mögen, bewiesen seyn. Welch alles jedoch nur auf den Fall erfodert wird, wenn der Beweis gegen die Glaubiger, oder Kinder erster Ehe gemacht werden solle, und solche nebst denen heyrathlichen Sprüchen nicht völlig befriediget werden können. Soviel 6to. die Einbringung der Paraphernalium belangt, soll des Ehemanns bloße Geständnuß, ohne daß selbes entweder durch zehenjahrige Cohabitation, oder andere Adminicula bestättiget wird, gleichfalls keine Prob gegen die Creditores in Concursu machen. 7mo. Wird zu förmlichen Heyrathsgedingen entweder die obrigkeitliche Errichtung, oder unter Siegelmäßigen die schriftliche Fertigung nicht nur von denen Principalcontrahenten selbst, sondern auch wenigist von fünf Gezeugen erfodert, wenn anderst dieselbe nicht als ein unwiederrufliches Geding unter Lebendigen, wie es in Zweifel allzeit vermuthet wird, sondern als eine letztwillige erst durch den Tod zu Kräften kommende Handlung gepflogen werden. Was nun 8vo. in anderen unförmlichen Heyraths-Pactis versprochen wird, soll die Freyheit des Heyrathguts nicht genüssen, sondern allenfalls nur für ein Paraphernum wenn nur die Illation bewiesen ist, zu achten seyn.
Sechste Claße.
§. 7. Die Sechste Stell gebührt denen Pupillen, und Minderjährigen, wie auch Kirchen, Spitälern, Almosenämtern, dann Städten Märckten, approbirten Communitäten, und geistlichen Bruderschaften in ihrer Vormünder respective Pfleger, Verwalter, Zunftmeister, und sogenannter geistlicher Vättern Haab, und Gut von der Zeit an, da sie sich Vermög obrigkeitlichen Auftrags, oder sonst eigenmächtiger Weis der Vormundschaft, oder Verwaltung unterzogen haben. Falls aber nicht der Vormund, oder Verwalter selbst, sondern ein anderer Schuldner auf die Gand kommt, so ist desselben Gut stillschweigend nicht darum verpfändet, und gehört dergleichen Schuld nicht in diese Stell.
(96) Siebende Claße.
§. 8. In der siebenden Stell kommt 1mo. der Fiscus, wo er Kraft eines Contracts, oder anvertrauter Verwaltung bey jemand etwas zu foderen hat, doch gebührt ihm 2do. deswegen vor denen älteren sowohl stillschweigend- als ausdrücklichen Hypothecglaubigern kein Vorgangsrecht, außer in jenen Gütern, welche der Debitor Fisci erst nach dem gepflogenen Contract, oder übernommener Administration neuerlich acquirirt hat, immassen er auch hierin 3tio. dem Heyrathgut, und anderen in der sechsten Claße bemelten Personen vorgehet, wenn der Ehemann schon vor Erlegung des Heyrathguts oder der Vormund- und Verwalter schon vor Antrettung der Vormundschaft, und Verwaltung dem Fisco verbunden gewest. Denen Glaubigern in der ersten, anderen, dritten, und vierten Claße aber gehet der Fiscus 4to. weder in gedachten neo-acquisitis, noch anderen Gütern, jemalen vor. Es fangt auch 5to. die Verbindlichkeit bey denen Verwaltungen sowohl in Ansehen des Fisci, als anderer nicht von der Zeit an, da der Verwalter in üble Hauswirthschaft, oder Hinterstelligkeit gerathen ist, sondern von Zeit angetrettener Administration an, und wenn 6to. Zweifel obhanden ist, ob die Güter von dem Schuldner erst hinnach erobert worden, so liegt dem Fisco, falls er sich darauf gegründet, der Beweis ob. Dafern auch 7mo. derselbe nicht Kraft eines Contracts, oder Verwaltung, sondern wegen Straf, Verwürkung, oder Erb- und Herrnlosigkeit etwas fodert, so gehet er hierinfalls allen Creditoribus sowohl Hypothecariis, als Chyrographariis nach. Im übrigen ist 8vo. unter obgedachten fiscalischen Foderungen nicht nur das, was der Landsherrschaft von Fisci wegen zustehet, sondern auch jenes zu verstehen, was die Landschaft der Steuren, Aufschlägen, und dergleichen Gefállen halber bey denen bestellten Einnehmern zu suchen hat. Damit sich aber 9no. dergleichen landschaftliche Restanten desto weniger ergeben mögen, soll nicht nur von Seiten der Landschaft all- möglicher Fleiß mit Beytreibung derselben verwendet, sondern ihr auch von den Justiz-Dicasteriis, mit Mandatis S. C. und wirklicher Execution auf Begehren an Hand gegangen werden.
Achte Claße.
§. 9. In der achten Stelle kommen alle jene, welche zwar aus Vorsehung der Rechten des Vorzugs halber keine Freyheit, wohl aber sich selbst vigilirt, und auf des Schuldners Gütern eine General- oder Specialhypothec und Versicherung haben, wobey folgendes zu merken ist. 1mo. Gehet unter solchen Hypothecglaubigern die ältere Schuld allzeit der jüngeren vor. 2do. Wenn die ausdruckliche Pfandberschreibung älter ist, als eine von denen in der 5ten, 6ten, und 7ten. Claße bemerckten Posten, so gehet sie auch derselben vor, und gehört mithin nicht mehr in diese, sondern in die 5te oder respective 6te und 7te Stell, ausgenommen, soviel die fiscalische Foderungen obverstandenermassen in neo-acquisitis betrift. Denen Gläubigern in der ersten, zweyten, dritt- und vierten Claße hingegen weichet dieselbe ohngeacht des Alters allemal aus. 3tio. Soll die Verpfänd- oder Verschreibung grundbarer Güter mit des Grundherrns Bewilligung geschehen, außer dessen gilt sie nur für eine gemeine Schuld, fangt auch das Unterpfandsrecht erst von Zeit beschehener Bewilligung an, und ist solche dem Grundherrn an seinem Unterpfand und Vorgangsrecht niemal nachtheilig. 4to. Wird auch zu einer ausdrucklichen Hypothec, wenn sie anders in gegenwärtige Stell kommen soll, erfodert, daß sie von dem Schuldner schriftlich unter eigener Fertigung ausgestellt, oder da er keine siegelmäßiqe Person ist, vor der ordentlichen Obrigkeit, worunter die verschriebene Güter liegen, oder der Schuldner seiner Person halber gehörig ist, errichtet, und dem Protocoll
einverleibt worden seye, immassen die Hypotecen, welche nicht gleich anfänglich auf diese Weis errichtet, sondern nur hernach erst von der Obrigkeit
(97) bestättiget seynd, ihre Kraft auch erst von Zeit sothaner Bestättigung erlangen. Die Faustpfänder gehören 5to. ebenfalls in gegenwärtige Stell, und zwar von der Zeit an, da sie der Inhaber empfangen zu haben mit seinem Eid, oder sonst beweisen kann, und soll hierinfalls die Einantwortung des Pfands statt Siegel, Brief und obrigkeitlicher Errichtung gelten. Dafern sich auch 6to. der Verkäufer auf dem verkauften Gut noch vor der Einantwortung ein Unterpfand vorbehalt, so ist die Schrift, und respective obrigkeitliche Erricht- oder Protocollirung hierzu gleichfalls nicht erfoderlich. Für siegelmaßig werden aber 7mo. geachtet, alle geistlich- und weltliche Stände oder Landsassen, adeliche Personen, welche der Edelmannsfreyheit fähig, oder sonst für adelich erkannt, ausgeschrieben, oder edelgebohren seynd, solang sie sich ihrem Stand gemäß halten, item graduirte Personen, welche den Gradum Doctoratus, vel Licentiatus nicht etwan durch Comites Palatinos, sondern auf bewährten Universitäten erlangt haben, alle Oberofficier, Priester, Patricii, oder die von alten Geschlechten in Hauptstädten, dann alle churfürstl. vornehme Beamte, worunter nicht nur die churfürstl. sowohl wirklich- als Titularräth, sondern auch churfürstl. und landschaftliche wirkliche Secretarii, ferner all jene Beamte, so mit Unterbeamten versehen seynd, wie die Pfleger, Landrichter, Pflegsverweser, Kastner, Mautner, Zollner, jedoch mit Ausnahm der bloßen Weg- Neben- oder Beyzollneren, desgleichen die Salzmeyer, und vornehmere Salzbeamte, dann Wild- und Forstmeister bey jenen Aemteren, welche allzeit mit adelichen, und guten Leuten besetzt gewesen, und deren Verrichtungen die Jurisdiction nach sich ziehen, weiter der Hofzahlmeister, nebst denen Bräuverwalteren, und endlich auch die churfürstl. wirkliche Kammerdiener, und Rechnungscommissarii, dann Bürgermeister in denen Hauptstädten verstanden seynd.
Von denen zur achten Claße gehörigen stillschweigenden Pfandschaften.
§. 10. Die stillschweigende Pfandschaften seynd entweder privilegirt, oder unprivilegirt. Jene haben zwar vor denen, obschon älteren, unprivilegirten stillschweigenden Hypothecen allzeit das Jus prælationis, und seynd bereits oben in denen ersten 7 Claßen angeführt worden, diese hingegen gehören in die achte Stell, und wird die ältere jedesmal der jüngeren vorgezogen, welches auch zwischen denselben, und den ausdrucklichen Hvpothecen also zu beobachten ist, ausgenommen wenn diese letztere so beschaffen seynd, daß sie nicht in gegenwärtige, sondern in eine von vorgehenden Claßen gehören, welchenfalls der Vorgang zwischen ihnen lediglich nach dem im 1ten §vo vorgeschriebener erster Regel entschieden werden soll. Unter die stillschweigende unbefreyte Hypothecglaubiger gehören aber nur folgende, nemlich 1mo. der Hausverpachter, zu Latein: Locator prædii Urbani, welchem nicht nur des Pachters, sondern auch des Afterpachters eigenthümlich- und erweisliche Illata, soweit solche in dem Haus entweder verblieben, oder gebraucht werden sollen, von Zeit des getroffenen Pachts um alles, was in Kraft dessen immer zu leisten seyn mag, stillschweigend verpfändet seynd. Es sollen auch die Güter der Minderjährigen nicht hievon ausgenommen seyn. Baar Geld und Kaufmannswaar aber haftet dem Verpachter nur soweit, als zur Zeit des obrigkeitlichen Beschlags im Haus noch wirklich davon vorhanden ist, und wenn der Hauszins über drey Jahr anstehet, so wird nur ein einziger Jahrsgang in dieser Stell paßirt, es seye denn zu beweisen, daß der Pachter mit Unglück befallen, und dadurch an Bezahlung des Zins gehindert worden seye. 2do. Seynd auch dem Verpachtern eines Baurenguts, zu Latein Locatori prædii Rustici die von dem Pachter wirklich eingebracht, und noch in Natura vorhandene Gutsfrüchten um den bedungenen Pachtschilling, und anderes contractmäßiges stillschweigend verpfändet; wie nicht weniger 3tio. dem Handwerksmann das Gut, woran er Hand angelegt hat, um seinen gebührenden Lohn, desgleichen 4to. denen Kindern das vätterliche Vermögen um die von mütterlicher
(98) Seit herrührend- und consumirte Güter von der Zeit, da der Vater die Verwaltung derselben auf sich genommen, oder zu nehmen gehabt hat, ferner 5to. denen Austrägleren, und anderen, welchen die Alimentation gebührt, das Vermögen desjenigen, der den Austrag, oder die Alimenta zu prästiren hat, 6to. dem ex capite Rei Judicatæ, & Executionis gerichtlich immittirten Glaubiger das Gut, worauf er immittirt ist, und zwar von dem Tag wirklich beschehener, oder wenn sie geflissener Weis gehindert wird, von dem Tag beschlossener Immißion, 7mo. denen Legatariis, Fidei-Commissariis particularibus, & mortis causa Donatariis die gesamte Haabschaft des Erblassers von Zeit seines Absterbens um das, was ihnen in dem letzten Willen verschaft worden, womit jedoch dieselbe in Concursu allen
Creditoribus sowohl Chyrographariis, als Hypothecariis nachstehen müßen.
Neunte Claße.
§. 11. Pfandverschreibungen, welche von gemeinen Bauersleuten auf dem Land ohne ordentlich obrigkeitlicher Erricht- oder Protocollirung ausgestellt werden, haben 1mo. ganz, und gar keine Kraft, sondern gehören unter die Curentschulden. Jene Pfandverschreibungen hingegen, welche 2do. nicht von Bauers- sondern von Burgers- und anderen unbefreyten Leuten zwar außergerichtlich, jedoch von einem immatriculirten Notario, oder vor einer siegelmäßigen Person errichtet, oder von ihnen selbst gefertiget und in solchen Fällen entweder mittels eines hierüber verfaßten förmlichen Notariatinstruments, oder wenigst durch eigenhändige Unterschrift dreyer bey dem Contract gegenwärtig gewester Gezeugen genugsam beglaubt werden, seynd in hiesigen Churlanden, jedoch mit Ausschluß der obern Pfalz, zwar nicht ungiltig, müßen aber 3tio. denen vor ordentlicher Obrigkeit errichtet- oder
von siegelmäßigen Schuldnern ausgestellte Hypothecen, wenn sie änderst mit ihnen allein streiten, und keine andere Hypothec dazwischen kommt, ohne Unterschied des Alters allzeit ausweichen, und gehören alsdann in gegenwärtige neunte Stell. Ist hingegen 4to. der Streit nicht zwischen ihnen allein, so soll man sie nicht in gegenwärtige, sondern in die achte Stell setzen, sohin auf die nemliche Art wie obrigkeitliche ansehen.
Zehende Claße.
§. 12. In die zehende Stelle gehören jene Glaubiger, welche zwar kein Unterpfand gleichwohl aber vor anderen gemein- unbefreyten Curentposten die Freyheit des Vorzugs, zu Latein: Privilegium personale simplex haben, nemlich 1mo. da eine Stadt, Marckt, Gemeinde oder andere oben in der sechsten Stelle bemerckt- privilegirte Person zwar eine Foderung, aber kein Unterpfand darum hat, und ist hierinfalls bey den Minderjährigen nicht auf die Zeit der Execution, sondern Obligation zu sehen. 2do. Da man zu Erkaufung eines Guts ohne Pfandverschreibung Geld vorstrekt (!), und solches erweislich dahin verwendet wird. 3tio. Da eine verlobte Braut ihrem Bräutigam das Heyrathgut zubringt, derselbe aber vor wirklicher Ehe auf die Gand kommt, oder die Copulation nicht darauf erfolgt. 4to. Wer mit seinem Geld einen anderen befreyten Glaubiger wirklich entrichtet, sich aber seines gehabten
Unterpfandsrecht, und die Eintrettung in seine Stell nicht ausdrucklich bedingt. 5to. Wer den Schuldner bey dessen behöriger Obrigkeit bereits vor angefangenen Concurs um seine Schuldfoderung nicht nur geklagt, sondern auch einen Befehl, Arrest, oder anderen obrigkeitlichen Auftrag darüber erhalten hat. 6to. Hinterlegtes Gut, welches nicht mehr in natura & specie vorhanden ist. All jetzo bemerkte sechs Posten aber gehen 7mo. in Concursu nicht dem Alter, sondern ihrer Freyheit, und der Ordnung nach, wie es der Inhalt gegenwärtigen §vi mit sich bringt, es seye denn, daß zwey dergleichen befreyte Creditores von einerley Gattung und Freyheit z. E.
(99) zwey geklagt- und geschafte Schuldforderungen, oder zweyerley Deposita consumta, und dergleichen zusammstossen, welchenfalls der Vorzug sich zwischen ihnen nach dem Alter regulirt.
Von ruckständigen Zinsen und Gilten obiger Schuldposten.
§. 13. Der von obigen Schuldposten ruckständiger Jahrsgilten, Zinsen, und Intereßen halber ist es also zu halten, daß 1mo. alle und jede nach wirklicher Anschlagung der Edicten währenden Concurs erst verfallene Zinsen, und Gilten in eben jene Stelle gesetzt werden sollen, wohin das Hauptgut selbst von Rechts wegen gehort. Ein gleiches ist 2do. zu beobachten mit denen vor Anfang des Concurs verfallenen Zinsen, welche von dem Glaubiger alle Jahr bey behöriger Obrigkeit eingeklagt worden. Von denen übrigen aber, welche man nicht alle Jahr eingeklagt hat, paßirt 3tio. nur ein einzige Jahrsgilt in der Stelle des Hauptguts, die andere hingegen gehören insgesamt unter die Curentposten. Hiernächst ist 4to. zu bemerken, daß bey dem Universalconcurs nur auf jene Intereßen allein gesprochen werde, welche man vermög eines ausdrucklichen Gedings zu foderen hat, nicht aber auf die sogenannte Interesse moræ, es seye denn, daß das Vermögen zu deren Entrichtung nebst anderen Foderungen hinreicht. Soviel endlich 5to. die Zinse der sogenannten Ewiggeldcapitalien betrift, sollen sie wie die Hauptsumma selbst Jure separationis tractiert, mithin vor all anderen Glaubigern entrichtet, und in den Concurs niemal gezogen werden.
Von dem Jure offerendi, und der Eintrettung in anderer Glaubigern Stell.
§. 14. Ein jeder Pfandglaubiger hat 1mo. das Recht, den älteren, oder vorgehenden Pfandglaubiger mit baar Geld völlig zu entrichten, und da er 2do. solches nicht annehmen will, das Geld zu Gerichts Handen zu erlegen, welchenfalls 3tio. jener ipso Facto für entrichtet zu halten ist, und tritt der andere 4to. allzeit gleich ohne weiteren Geding in dessen Stell, Unterpfand, Freyheit und Rechten ein. Wenn aber 5to. ein Gläubiger von einem Extraneo, welcher kein Mitgläubiger, oder wenigst kein Hypothecarius ist, entrichtet werden will, so ist jener solches anzunehmen nicht schuldig, oder da er es 6to. auch annimmt, und sich gutwillig von ihm entrichten laßt, so tritt doch solcher deswegen in seine Stelle nicht ein, er habe sich denn 7mo. nicht nur das Unterpfandsrecht, sondern auch, daß er in die nemliche Stell, und Freyheit eintretten solle, ausdrucklich von ihm bedungen. Außer dessen gehört er 8vo. lediglich in die zehende Stell nach der Braut. Obwohlen im übrigen 9no. das Jus Hypothecæ sich auf alle des Glaubigers Erben, Cessionarios, und Nachkommen realiter erstreken (!) thut, so hat es doch 10mo. eine andere Beschaffenheit mit denen Vorrechten, welche nicht so viel der Sach, als der Person anhangen, wie die Privilegia dotis und minderjähriger Personen oder Gemeinden in der fünften, sechsten, und respective zehenden Stell, ausgenommen so viel 11mo. der Ehefrauen leibliche Kinder aus der nemlichen Ehe, und ihre Descedenten (!), dann die Cessionarios vel Successores Fisci betrift, welche sich auch allzeit gedachter Freyheit des Vorzugs zu erfreuen haben sollen.
Von Chyrographariis, oder Curent-Glaubigern.
§. 15. All jene Glaubiger, welchen zwar ihrer Schuldsprüchen halber in puncto Legitimationis keine rechtliche Ausstellung gemacht wird, gleichwohl aber weder eine Hypothec, noch Privilegium personale in des Schuldners Gütern gebührt, heissen gemeine Curentglaubiger, oder Chyrographarii, und werden erst nach denen in obigen 10 Claßen benannten Creditoribus von dem überbleibenden Vermögen nicht nach dem Alter ihrer Foderung, sondern so viel den Gulden betrift, pro rata bezahlt jedoch dergestalt, daß jene, welche nur ex Causa mere lucrativa kommen, all anderen ex Titulo oneroso
(100) herrührenden Schuldposten nachstehen müssen, und bis diese letztere contentirt seynd, keineswegs zur Bezahlung gelangen mögen.
Von dem Jure Separationis ordinario.
§. 16. Jus Separationis, Kraft dessen man das Seinige besonders zu foderen, und sich mit anderen Glaubigern in Concursum nicht einzulassen hat, wird in ordinarium, extraordinarium, & quasi eingetheilt. Das erste gründet sich darauf, daß die prätendirte Sach nicht nur eigenthumlich, sondern auch noch wirklich in Natura & Specie vorhanden seye. Solchemnach gehören z. E. folgende Posten hieher 1mo. alle hinterlegt- verpfändet- verpachtet- geliehen- entwendet- oder mit Gewalt abgenommene Sachen, zu Latein: Res depositæ, pignoratæ, locatæ, commodatæ, furtivæ, vi possessæ, es bestehen solche gleich in baaren Geld oder anderen Gut, wenn nur jenes mit anderen Geld noch nicht vermischt, oder etwan gar schon verzehrt ist. 2do. Was dem Schuldner bloß auf Commißion gegeben wird, es seye denn, daß er die committirte Sach entweder in Natura, oder dem taxirten gewissen Werth nach zu restituiren freye Wahl hat. 3tio. Ewige Gelder an Orten, wo man sie wenigst von 40 Jahren hergebracht hat, und zwar ohne Unterschied, ob sie auf beeden, oder nur auf einer Seiten allein unabloslich seynd. 4to. Verkaufte Sachen, wenn schon die Extradition geschehen, gleichwohl aber der Kaufschilling noch nicht entrichtet, und hierbey entweder das Dominium bis zur Zahlung ausdrucklich vorbehalten, oder aber von dem Verkäufer durch wahrscheinliche Muthmassungen, oder sonst zu beweisen ist, daß er nicht auf Borg, sondern auf baar Geld gehandelt habe. 5to. mütterlich- oder anderes Gut, welches die Kinder ererbt, oder sonst eigenthumlich erlangt haben, wie auch peculium castrense, vel quasi, dann adventitium regulare & irregulare. 6to. Der Ehefrauen sammentliche Heyrath- Paraphernal- und vorbehaltene Güter, desgleichen ihr gebührender Antheil an denen Hochzeitgeschänken, dann gemeiner Hausfahrnuß und Errungenschaft, so weit nemlich dieses alles noch in Natura vorhanden ist, und endlich auch das, was von ihrem Heyrathgut entweder mit oder ohne ihrem Wissen beygeschaft wird, und sie solchenfalls verstandenen Heyrathguts halber in anderweg nicht mehr entrichtet werden mag. Dahingegen soll derselben weder auf denen zu Geld angeschlagen- und dem Ehemann Kaufsweis zugebrachten Mobilien, noch auf der Morgengab oder Wiederlag und Wittibsitz, dann dem Mahl- oder Brautschatz, zu Latein: Arrha sponsalicia, es seye dieses gleich in Natura vorhanden oder nicht, das Jus Seperationis zustehen, sondern es liegt ihr hierinfalls ob, sich mit andern Glaubigern in Concurs einzulassen, und wenn sie auch ihre eigene mit erwehnten Separationsrecht begabte Güter anderen Creditoribus förmlich verschreibt, so ist sie denenselben hierum Red und Antwort zu geben schuldig. 7mo. Soll weder die Ehefrau, noch ein anderer Eigenthümer unter dem Vorwand der Separation eigenmächtigen Gewalts zugreiffen, sondern sein vermeyntliches Recht vor Obrigkeit suchen. So viel endlich 8vo. die Fructus restituendos von dem zu separirenden Hauptgut betrift, sollen solche nur so weit Jure Separationis angesehen werden, als sie noch in Natura & Specie vorhanden seynd, außer dessen aber gehören sie zum Concurs.
Von dem Jure Separationis extraordinario.
§. 17. Jus Separationis extraordinarium heißt 1mo. da die Creditores das Vermögen ihres Schuldners von dem Vermögen seines Erben zu serariren verlangen, damit sie nicht mit denen Creditoribus des letzteren vermischt, sondern jeder gleichwohl von denen Mitteln desjenigen, deme er geborgt hat, befriediget werde. Es kommt aber solches 2do. allen und jeden Creditoribus sowohl Chyrographariis als Hypothecariis, ohne Unterschied, wie nicht weniger denen Legatariis, Donatariis, und Fidei- Commissariis wieder die Creditores
(101) des Erbens (!) zu Guten, wohingegen 3tio. diese letztere wieder die erstere sich sothanen Rechts keineswegs zu erfreuen haben, außer da der Erb das Inventarium gegen
ausdruckliches Begehren seiner Glaubigern zu errichten unterlassen hat. 4to. Muß die Separation vor der ordentlichen Obrigkeit des Erbens, und zwar von allen Creditoribus gesucht werden, denn wer solche nicht ausdrücklich begehrt, wird unter die Creditores des Erbens geworfen. 5to. Soll hierbey allzeit cum causæ cognitione, und mit Zuziehung aller intereßirter Theilen verfahren, auch, wo kein legales Inventarium vorhanden ist, die Sach nach richterlichen Gutbedunken der Billichkeit gemäß geschlichtet werden. Nach der Separation entstehen 6to. zwey verschiedene Massæ bonorum, folglich auch nach Beschaffenheit des beederseitigen status activi & passivi ein zweyfacher Concursproceß, welcher nicht miteinander vermischt werden soll. Und wer nun 7mo. mittels anbegehrter Separation das Seinige bey dem abgesönderten Vermögen nicht hat erlangen konnen, kann sich an das andere Vermögen nicht mehr halten, außer per viam restitutionis in integrum, wenn anderst die dazu behorige Requisita vorhanden seynd. 8vo. Findet endlich mehrgedachtes Jus Separationis in folgenden Fällen nicht Platz. Erstlich, wenn der Erb sowohl für seine, als seines Erblassers Glaubiger solvendo ist. Zweytens, wenn von Zeit der Erbschaftsantrettung fünf Jahr verflossen seynd, ohne sich hierunter um die Separation gemeldet zu haben, wobey die Unwissenheit niemand entschuldigen soll. Drittens, wenn die Erbschaftmittel bereits bona fide von dem Erben distrahirt, veräußert, verzehrt, oder viertens, mit denen Seinigen dergestalt vermischt seynd, daß die Separation nicht wohl mehr moglich ist. Fünftens, da man sich derselben entweder ausdrucklich, oder stillschweigend begeben hat.
Von dem Jure quasi Separationis.
§. 18. Jus quasi Separationis wird nur in folgenden zwey Fällen zugelassen. 1mo. Wenn sich unter des Schuldners Vermögen ein Gut findet, welches schon vorher, ehe es derselbe an sich gebracht hat, einem anderen verpfändet, oder verschrieben gewest, und dieser von seinem Schuldner, dessen Erben oder Bürgen auf andere Weis nicht mehr bezahlt werden kann, so mag er sich an obgedachtes Pfand pro quantitate debiti halten, und die Separation begehren. 2do. Wenn ein zwar noch unter vätterlicher Gewalt stehender Sohn verschiedenen Creditoribus theils vor, theils nach angetrettenen Militärstand z. E. um erkaufte Waaren, und dergleichen schuldig worden ist, so mogen die letztere, welche ihm erst nach sothaner Standsveranderung geborgt haben, Separationem peculii Castrensis begehren, und darin den Vorzug vor denen ersteren Creditoribus prätendiren.
Von besondern Rechten und Freyheiten in der Priorität.
§. 19. Was 1mo. ein oder anderer Stand, oder dessen Zugethanene in hiesigen Landen der Priorität halber aus sonderbaren Rechten, und Freyheiten hergebracht haben, daran soll vorstehende Ordnung ihnen unabbrüchig seyn. Insonderheit soll es 2do. bey der in dem oberpfälzischen Gandproceß vorgeschriebener besonderer Claßification noch ferner verblieben (!), und da etwan 3tio. ein benachtbar- (!) oder auswärtiger Stand seinen Unterthanen vor denen Fremden und Ausländern ein Vorrecht in Concursu einraumt, so soll man gegen einen solchen Stand, oder dessen Unterthanen bey inländischen Gerichten das nemliche beobachten.
(102) Anzeig
Ueber die im Codice Judiciario befindliche Capiteln.
Erstes Capitel
Von denen Gerichten, und der Gerichtsbarkeit.
Zweytes Capitel
Von gerichtlichen Haupt- und Nebenpersonen.
Drittes Capitel
Von dem Gerichtsproceß.
Viertes Capitel
Von gerichtlichen Klagen, Klaglibellen, und anderen sowohl mündlich- als schriftlichen Anbringen
Fünftes Capitel
Von den gerichtlichen Citationen, Communicationen und Mandaten, dann derselben
Insinuation, und Contumacialhandlungen.
Sechstes Capitel
Von der Kriegsbefestigung, oder Litis Contestation, Re- und Duplic, dann weiteren
Schriftenwechslungen und Terminen.
Siebendes Capitel
Von der Legitimation, und Vollmacht.
Achtes Capitel
Von der Reconvention, Litis Denuntiation, Nomination, Intervention, Caution,
Arrest und Sequestration.
Neuntes Capitel
Von dem Beweis und Gegenbeweis überhaupt.
Zehendes Capitel
Von dem Beweis durch Gezeugschaft
Eilftes Capitel
Von dem Beweis durch schriftliche Urkunden.
Zwölftes Capitel
Von dem Beweis durch eigene Geständnuß, Vermuthungen, Augenschein, Calculation,
Notorietät und gemeinen Ruf.
Dreyzehendes Capitel
Von dem Eid, wie auch dem Beweis, welcher dadurch gemacht wird.
Vierzehendes Capitel
Von richterlicher Entscheidung der Streitsach.
Fünfzehendes Capitel
Von Appellationen, und Revisionen.
Sechszehendes Capitel
Von der Restitution in integrum, dann der Nullität und anderen Remediis Juris gegen
eine Sentenz.
Siebenzehendes Capitel
Von Endigung des Streits durch Vergleich, Compromiß, oder das Loos, dann denen
Streitskösten und Schäden.
Achtzehendes Capitel
Von der Execution.
Neunzehendes Capitel
Von dem Concursproceß.
Zwanzigstes Capitel
Von dem Recht der Priorität im Concursproceß, dann denen verschiedenen Claßen
der Glaubigern, und dem Jure Separationis.