ZWEYTER THEIL
Erster Titel
Von der Ehe
§. l. Der Hauptzweck der Ehe ist die Erzeugung und Erziehung
der Kinder.
§. 2. Auch zur wechselseitigen Unterstützung allein kann
eine gültige Ehe geschlossen werden.
Erster Abschnitt
Von den Erfordernissen einer gültigen Ehe
Eheverbote wegen zu naher Verwandtschaft.
§. 3. Ehen zwischen Verwandten in auf- und absteigender
Linie sind gänzlich verboten.
§. 4. Auch Ehen zwischen voll- und halbbürtigen in oder
außer der Ehe erzeugten Geschwistern sind unzuläßig.
§. 5. Stief- oder Schwieger-Aeltern dürfen sich mit ihren Stief-
oder Schwieger-Kindern ohne Unterschied des Grades, nicht verheirathen.
§. 6. Diese Eheverbote (§. 5.) dauern fort, wenn gleich die
Ehe, wodurch die Verbindung zwischen Stief- oder Schwieger-Aeltern und Kindern
entstanden war, durch Tod oder richterlichen Ausspruch wieder getrennt worden.
§. 7. In allen übrigen Graden der Verwandtschaft und
Schwägerschaft ist die Ehe erlaubt, und bedarf es dazu keiner Dispensation.
§. 8. Nur wenn jemand die Schwester seines Vaters, oder
seiner Mutter, oder eines weitern Verwandten in aufsteigender Linie, die an
Jahren älter ist, heirathen will, muß er dazu die Erlaubniß des Staats
nachsuchen.
§. 9. Diese Erlaubniß soll nur aus erheblichen Gründen, und
wenn eine solche Ehe beyden Theilen augenscheinlich vortheilhaft ist, ertheilt
werden.
§. 10. In den durch die Gesetze des Staats schlechterdings
verbotenen Graden (§. 3-6.) findet keine Dispensation, sie werde ertheilt von
wem sie will, mit rechtlicher Wirkung statt.
§. 11. In wie fern aber katholische Glaubensgenossen, in den
durch die Landesgesetze erlaubten Fällen, die Dispensation der geistlichen
Obern, nach den Grundsätzen ihrer Religion nachzusuchen haben, bleibt dem
Gewissen derselben überlassen.
§. 12. Doch verliert eine Ehe, welche nach den
Landesgesetzen erlaubt ist, dadurch, daß die Dispensation der geistlichen Obern
nicht nachgesucht, oder versagt worden, nichts von ihrer bürgerlichen
Gültigkeit.
§. 13. Zwischen Personen, deren eine die andere an
Kindesstatt angenommen hat, kann so lange, als die Adoption nicht auf
gesetzmäßige Art wieder aufgehoben worden, keine gültige Heirath geschlossen
werden.
Zwischen Vormündern und Pflegebefohlnen.
§. 14. Ein Vormund soll während seiner Vormundschaft, ohne
vorhergegangene Untersuchung und Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts,
weder sich selbst, noch seine Kinder, mit seinen Pflegebefohlnen verehlichen.
§. 15. Auf Curatoren, welche Pflegebefohlnen bloß zu einem
mit keiner fortwährenden Administration verbundenen einzelnen Geschäfte
zugeordnet worden, ist dieses Eheverbot nicht zu deuten.
Verbot der Polygamie.
§. 16. Ein Mann kann nur Eine Frau, und eine Frau nur Einen
Mann zu gleicher Zeit zur Ehe haben.
Von Ehen schon verheirathet gewesener Personen.
§. 17. Wer zur zweyten und fernern Ehe schreiten will, muß
die Trennung der letztvorhergehenden Ehe sowohl dem Pfarrer, welcher das
Aufgebot, als demjenigen, welcher die Trauung verrichten soll, nachweisen.
§. 18. Sind aus einer vorhergehenden Ehe Kinder vorhanden,
welche wegen minderjährigen Alters, oder sonst, sich selbst nicht vorstehen
können: so muß deren gesetzliche Abfindung nachgewiesen; oder doch ein
Erlaubnißschein des vormundschaftlichen Gerichts vor der Trauung beygebracht
werden.
§. 19. Wittwen und geschiedne Frauen, welche sich aus der
vorigen Ehe geständlich oder notorisch schwanger befinden, müssen, ehe sie zu
einer femern Ehe schreiten können, ihre Entbindung abwarten.
§. 20. Außer diesem Falle dürfen Wittwen und geschiedne
Frauen nicht eher, als Neun Monathe nach Trennung der vorigen Ehe, sich wieder
verheirathen.
§. 21. Ist jedoch die vorige Ehe wegen böslicher Verlassung
getrennt worden: so kann der geschiedene Theil sogleich, nachdem das Urtel die
Rechtskraft erlangt hat, zur fernern Ehe schreiten.
§. 22. Auch in andern Fällen kann der ordentliche Richter
einer Wittwe, oder geschiednen Frau, die anderweitige Verheirathung derselben
noch vor Ablauf der Neun Monathe zulassen, wenn nach den Umständen, und dem
Urtheile der Sachverständigen, eine Schwangerschaft nicht wahrscheinlich ist.
§. 23. Doch soll dergleichen Dispensation vor Ablauf Dreyer
Monathe, nach getrennter voriger Ehe, niemals ertheilt werden.
§. 24. Ein Wittwer kann erst nach Verlauf von Sechs Wochen,
nach dem Ableben der vorigen Frau, sich wieder verheirathen.
Verbot der Ehe zwischen
Personen, welche Ehebruch mit einander getrieben haben.
§. 25. Personen, welche wegen Ehebruchs geschieden wurden,
dürfen diejenigen, mit welchen sie den Ehebruch getrieben haben, nicht
heirathen.
§. 26. Auch diejenigen, welche durch verdächtigen Umgang,
oder sonst gestiftete Mißhelligkeiten, Anlaß zu Trennung einer Ehe gegeben
haben, sollen die geschiedene Person nicht ehelichen.
§. 27. Ist aber der Ehebruch, oder der verdächtige Umgang,
oder die Stiftung von Mißhelligkeiten, in dem Scheidungsprocesse nicht gerügt,
oder von dem Richter nicht als die Ursache der erkannten Scheidung befunden
worden: so verdient eine später erfolgende Anzeige keine Rücksicht.
§. 28. Sind mit dem Ehebruche, oder verdächtigen Umgange,
Nachstellungen gegen das Leben des andern Ehegatten verbunden gewesen: so
findet zwischen dem schuldigen Ehegatten, und dessen Zuhalter, eine Heirath
auch alsdann nicht statt, wenn gleich die vorige Ehe nur durch den Tod getrennt
worden.
§. 29. Vielmehr muß der Richter, wenn ihm ein solcher
Vorfall angezeigt wird, die Untersuchung desselben von Amtswegen in so weit
verfügen, als er dazu in Ansehung eines jeden ihm angezeigten Verbrechens
schuldig ist.
Eheverbot wegen Ungleichheit des Standes.
§. 30. Mannspersonen von Adel können mit Weibspersonen aus
dem Bauer- oder geringerem Bürgerstande keine Ehe zur rechten Hand schließen.
§. 31. Zum hohem Bürgerstande werden hier gerechnet, alle
öffentliche Beamte, (die geringern Subalternen, deren Kinder in der Regel dem
Canton unterworfen sind, ausgenommen;) Gelehrte, Künstler, Kaufleute,
Unternehmer erheblicher Fabriken, und diejenigen, welche gleiche Achtung mit
diesen in der bürgerlichen Gesellschaft genießen.
§. 32. Zu ungleichen Ehen eines Adlichen (§. 30.) kann das
Landes-Justiz-Collegium der Provinz Dispensation ertheilen, wenn der, welcher
eine solche Ehe schließen will, nachweist, daß Drey seiner nächsten Verwandten
desselben Namens und Standes darein willigen.
§. 33. Kann er dergleichen Einwilligung nicht beybringen,
oder findet sich von Verwandten, die mit den Consentirenden gleich nahe sind,
ein Widerspruch: so kann die Dispensation nur von dem Landesherrn unmittelbar
ertheilt werden.
Ehen der Militair-Personen.
§. 34. Officiere, welche in wirklichen Kriegsdiensten
stehen, können ohne königliche Erlaubniß nicht heirathen.
§. 35. Bey Unterofficieren, Soldaten, und allen, welche
gleich diesen zur Fahne geschworen haben, wird die Einwilligung des Chefs oder
Commandeurs von dem Regimente, Bataillon, oder Corps, zu welchem sie gehören,
erfordert.
Erfordernisse einer gültigen Ehe, in Ansehung der Religion,
des Alters.
§. 36. Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath
schließen, welche nach den Grundsätzen ihrer Religion, sich den christlichen
Ehegesetzen zu unterwerfen gehindert werden.
§. 37. Mannspersonen sollen vor zurückgelegtem Achtzehnten,
und Personen weiblichen Geschlechts, vor zurückgelegtem Vierzehnten Jahre nicht
heirathen.
der Freyheit der Einwilligung.
§. 38. Ohne die freye Einwilligung beyder Theile ist keine
Ehe verbindlich.
§. 39. So weit eine Willenserklärung überhaupt, wegen
Mangels persönlicher Fähigkeiten, oder wegen Zwanges, Furcht, oder Betruges,
unverbindlich ist, so weit ist auch eine unter solchen Umständen geschlossene
Ehe ungültig. (Th. I. Tit. IV. §. 31. sqq.)
§. 40. So weit eine jede Willensäußerung wegen Irrthums
unkräftig ist, so weit hebt ein solcher Irrthutn auch die Einwilligung in eine
Heirath auf, wenn in der Person des künftigen Ehegatten, oder in solchen
persönlichen Eigenschaften, welche bey Schließung einer Ehe von dieser Art
vorausgesetzt zu werden pflegen, geirrt worden ist. (Ebend. §. 75-83.)
§. 41. Eine durch Zwang, Betrug, oder Irrthum veranlaßte Ehe
wird verbindlich: wenn sie nach entdecktem Irrthume oder Betruge, oder nach
aufgehobenem Zwange, ausdrücklich genehmigt, oder länger als Sechs Wochen nach
diesem Zeitpunkte freywillig fortgesetzt worden.
§. 42. Ist der angeblich gezwungene, betrogene, oder sonst
im Irrthume gewesene Theil verstorben, ohne die Nichtigkeit der Ehe zu rügen:
so kann die Ehe von dessen Erben nicht mehr angefochten werden.
§. 43. Ist jedoch aus einer angeblich erzwungenen Ehe kein
Kind vorhanden: so haben die Erben des unschuldigen Theils ein Recht, auf die
Nichtigkeit dieser Ehe zu klagen.
§. 44. Die Frist, welche dem Erblasser noch übrig war, wird
den Erben, vom Todestage an gerechnet, verdoppelt.
der Einwilligung des Vaters.
§. 45. Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand können sich,
ohne Einwilligung ihres leiblichen Vaters, nicht gültig verheirathen.
§. 46. Auch solche Kinder, die schon verheirathet gewesen,
ingleichen Söhne, die der väterlichen Gewalt entlassen, und Töchter, die über
vier und zwanzig Jahre alt sind, so wie Kinder aus einer Ehe zur linken Hand,
müssen die väterliche Einwilligung nachsuchen.
§. 47. Wer an Kindesstatt förmlich angenommen worden, bedarf
zu seiner Heirath nur der Genehmigung desjenigen, welcher ihn dazu angenommen
hat.
§. 48. Kinder, welche von ihren natürlichen Aeltern
verlassen, und von andern aufgenommen worden, bedürfen zu ihrer Verheirathung
nur der Einwilligung dererjenigen, welche alsdann in dem Verhältnisse eines
Pflegevaters gegen sie stehen. (Tit. II. Sect. XII.)
der Mutter, der Großältern und des Vormundes.
§. 49. Bey noch minderjährigen vaterlosen Waisen ist die
Einwilligung der Mutter und des Vormundes nothwendig.
§. 50. Ist auch die Mutter verstorben: so muß an
ihrer Stelle die Einwilligung der Großältern nachgesucht werden.
§. 51. Unter mehrern Großältern haben diejenigen den Vorzug,
welche das Kind zu sich genommen und erzogen haben.
§. 52. Sonst gehen die Großväter den Großmüttern, und die
von des Vaters Seite denen von der Mutter Seite vor.
§. 53. Sind auch keine Großältern mehr vorhanden: so ist die
Einwilligung des Vormundes allein hinreichend.
§. 54. Der Vormund kann seinen Consens ohne Genehmigung des
vormundschaftlichen Gerichts nicht ertheilen.
§. 55. Was vorstehend (§. 49-54.) von Minderjährigen
verordnet ist, gilt auch von denen welche als gerichtlich erklärte Verschwender
unter Vormundschaft genommen sind.
§. 56. Steht derjenige, dessen Einwilligung erfordert wird,
selbst unter Vormundschaft, oder ist sein Aufenthalt unbekannt: so ist eben so
zu verfahren, als wenn er gar nicht mehr vorhanden wäre.
§. 57. Die Einwilligung solcher Aeltern und Großältern,
welche außerhalb Europa leben, kann, wenn das Beste des zu verheirathenden
Kindes durch deren Abwartung leiden würde, von dem vormundschaftlichen Gerichte
ergänzt werden.
§. 58. Diejenigen, deren Einwilligung nach obigen
Vorschriften (§. 45. sqq.) erfordert wird, sollen dieselbe nicht ohne
erheblichen Grund versagen.
Gründe zur Versagung dieser Einwilligung.
§. 59. Erhebliche Gründe sind alle diejenigen, aus welchen
eine vernünftige und wahrscheinliche Besorgniß, daß die künftige Ehe
unglücklich und mißvergnügt seyn dürfte, entspringt.
§. 60. Dahin ist besonders zu rechnen, wenn den künftigen
Eheleuten das nöthige Auskommen fehlen würde.
§. 61. Oder wenn der andre Theil zu einer infamirenden, oder
auch nur sonst nach der gemeinen Meinung schimpflichen Strafe, durch ein
rechtskräftiges Criminal-Erkenntniß verurtheilt worden.
§. 62. Ferner, wenn derselbe der Verschwendung, Trunkenheit,
Liederlichkeit, oder sonst einem groben Laster ergeben ist.
§. 63. Desgleichen, wenn er schon einmal geschieden, und in
dem Scheidungsurtel für den schuldigen Theil erklärt worden ist.
§. 64. Oder, wenn er mit epileptischen Zufällen, der
Schwindsucht, venerischen oder andern ansteckenden Krankheiten behaftet ist.
§. 65. Endlich, wenn eine minderjährige Person des Adels
oder höhern Bürgerstandes, sich mit einer solchen, die nach obigen Bestimmungen
(§. 30. 31.) zu einer niedrigen Classe gehört, verheirathen will.
§. 66. Aeltern und Großältern versagen ihre Einwilligung mit
Grunde, wenn sie von dem andern Theile mit Beschimpfungen oder Thätlichkeiten
gröblich beleidigt worden.
§. 67. Oder, wenn die Kinder die nicht erbetene oder
verweigerte Einwilligung durch heimliche Ehegelöbnisse, Entführung, oder andere
unerlaubte Mittel, zu erzwingen gesucht haben.
Ergänzung der ohne Grund versagten Einwilligung.
§. 68. Wenn Aeltern oder Großältern die Einwilligung
verweigern: so muß, auf Anrufen der Kinder, oder des andern Theils, über die
Rechtmäßigkeit dieser Weigerung von dem ordentlichen Richter erkannt werden.
§. 69. Verweigert der Vormund seine Einwilligung: so kann
dieselbe von dem vormundschaftlichen Gerichte durch ein bloßes Dekret ersetzt
werden.
§. 70. Beharret aber der Vormund auf seiner Weigerung: so
steht ihm frey, auf richterliches Gehör und Erkenntniß darüber anzutragen.
§. 71. Eben dazu ist auch derjenige befugt, welchem die
Heirath mit einer unter Vormundschaft stehenden Person, von dem
vormundschaftlichen Gerichte, mit oder ohne Beytritt des Vormundes, oder der
Verwandten, untersagt worden.
§. 72. Sind mehrere Vormünder unter sich nicht einig: so
giebt unter ihnen bloß der Schluß des vormundschaftlichen Gerichts den
Ausschlag.
§. 73. In wie fern die Einwilligung der Gutsherrschaften
erforderlich sey, wird in dem Titel von den Rechten und Pflichten der
Gutsunterthanen bestimmt. (Tit. VII. Sect. IV.)
§. 74. Die rechtlichen Folgen der Vernachläßigung
vorstehender Erfordernisse einer gültigen Ehe sind im Zehnten Abschnitte
festgesetzt.
Zweyter Abschnitt
Von Ehegelöbnissen
Erfordernisse eines gültigen Ehegelöbnisses.
§. 75. Das Ehegelöbniß ist ein Vertrag, wodurch zwey
Personen verschiedenen Geschlechts einander künftig zu heirathen versprechen.
§. 76. Unter Personen, und in Fällen, wo keine
rechtsbeständige Ehe statt findet, kann auch kein gültiges Ehegelöbniß
errichtet werden.
§. 77. Auch dadurch, daß ein zur Zeit des errichteten
Vertrages entgegen gestandenes Eheverbot, durch Dispensation, oder sonst,
gehoben worden, erlangt das von Anfang an ungültige Ehegelöbniß keine
verbindliche Kraft.
§. 78. Besteht hingegen das Ehehinderniß nur in dem Mangel
der Einwilligung dererjenigen, deren Consens zur Gültigkeit der Ehe erfordert
wird: so ist, bis zu dessen Erfolge, das Ehegelöbniß nur für den, welcher einer
solchen Einwilligung bedarf, unverbindlich.
§. 79. Der andre Theil aber kann so lange nicht
zurücktreten, als die Personen, auf deren Einwilligung es ankommt, sich darüber
noch nicht erklärt haben. (Th. I. Tit. V. §. 13.)
§. 80. So lange ein gesetzmäßiges Ehegelöbniß besteht, soll
keiner der Verlobten sich in ein folgendes einlassen. (§. 132. 133. 134.)
§. 81. Es ist nicht nothwendig, daß vor jeder Ehe ein
förmliches Ehegelöbniß hergehe.
Form desselben.
§. 82. Wenn aber aus einem Ehegelöbnisse ein Recht, auf
Vollziehung der Ehe zu klagen, entspringen soll: so muß dasselbe gerichtlich,
oder vor einem Justizcommissario und Notario geschlossen und niedergeschrieben
werden.
§. 83. Gemeine Landleute können ihre Verlobungen vor
Schulzen und Schöppen vollziehen und niederschreiben lassen.
§. 84. Für die schriftliche Aufnehmung des bloßen
Eheversprechens an ordentlicher Gerichtsstelle sollen den Parteyen keine
Gebühren abgefordert werden.
§. 85. Bey der Aufnehmung des Ehegelöbnisses müssen die
Parteyen in Person gegenwärtig seyn.
§. 86. Wenn beyde Theile sich nicht an Einem Orte befinden:
so muß die Aufnehmung des Ehegelöbnisses an dem Aufenthaltsorte der Braut
erfolgen.
§. 87. Alsdann kann der Bräutigam durch einen gerichtlich
ernannten Bevollmächtigten das Geschäfte vollziehen.
§. 88. Ist die Braut großjährig, und nicht mehr unter
väterlicher Gewalt: so muß sie mit einem von ihr selbst gewählten männlichen
Beystande erscheinen.
§. 89. Der Richter oder Justizcommissarius ist schuldig, vor
Aufnehmung des Vertrages Erkundigung einzuziehen: ob vielleicht Ehehindernisse
vorwalten.
§. 90. Was die Verschweigung wirklich vorhandener
Ehehindernisse in Ansehung desjenigen Theils, welcher sich deren schuldig
macht, für Folgen habe, ist gehörigen Orts bestimmt. (Sect. X.)
§. 91. Ehegelöbnisse, bey welchen die gesetztliche Form
nicht beobachtet worden, sind für bloße Unterhandlungen zu achten.
§. 92. Wenn jedoch mit beyder Theile Bewilligung das
Aufgebot schon erfolgt ist: so finden zwischen ihnen eben die Rechte und
Pflichten, wie aus einem förmlichen Ehegelöbnisse statt.
§. 93. Die der Gültigkeit eines förmlichen Ehegelöbnisses
entgegenstehende Mängel, werden durch den hinzukommenden Beyschlaf nicht
gehoben.
§. 94. Was aber überhaupt die Folgen eines unter dem
Versprechen der Ehe vollzogenen Beyschlafs sind, wird unten bestimmt. (Abschn.
XI.)
Bedingte Ehegelöbnisse.
§. 95. Ehegelöbnisse, deren Erfüllung von einer
aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht worden, können, so lange die
Bedingung noch nicht eingetroffen ist, von jedem Theile, auch einseitig,
widerrufen werden.
§. 96. Ein Gleiches gilt von Ehegelöbnissen, deren Erfüllung
auf eine ungewisse Zeit hinausgesetzt worden, so lange der Zeitpunkt noch nicht
eingetroffen ist.
§. 97. Ist in dem
Vertrage wegen der Zeit zur Vollziehung der Ehe gar nichts bestimmt: so ist ein
Theil auf den andern nur zwey Jahre lang zu warten verbunden.
§. 98. Ein gleiches findet statt, wenn die Vollziehung der
Ehe in unbestimmten Ausdrücken, nach Möglichkeit, oder nach Gelegenheit
versprochen, oder wenn dieselbe der Willkühr eines oder des andern Urtel
ausdrücklich überlassen worden.
Erfüllung der Ehegelöbnisse.
§. 99. Uebrigens aber soll niemand, wider den Willen des
Andern, von einem gültigen Ehegelöbnisse, ohne rechtlichen Grund zurücktreten.
Gründe des Rücktritts.
§. 100. Gründe, aus welchen eine schon vollzogene Ehe
getrennt werden könnte, rechtfertigen den Rücktritt von einem Ehegelöbnisse.
(Abschnitt VIII.)
§. 101. Auch bloßer verdächtiger Umgang, geringere
Thätlichkeiten, schimpfliche oder verächtliche Begegnung, können, wenn sie
gleich zur Trennung einer schon vollzogenen Ehe noch nicht hinreichend wären,
dennoch den Rücktritt von einem Ehegelöbnisse begründen.
§. 102. Fehler in dem moralischen Verhalten, des einen
Verlobten, weswegen Aeltern ihre Einwilligung nach §. 61. 62. 63. versagen
könnten, berechtigen den andern Verlobten zum Rücktritte, wenn dieselben erst
nach der Verlobung entstanden, oder ihm bekannt geworden sind.
§. 103. Wegen einer erst nach der Verlobung entdeckten
ekelhaften, ansteckenden, besonders venerischen, ingleichen wegen einer jeden
unheilbaren Krankheit des einen Theils, kann der andre sein Eheversprechen
zurücknehmen.
§. 104. Ein gleiches gilt von einer auffallenden Häßlichkeit
des Körpers, oder einem andern Ekel und Widerwillen erregenden Gebrechen,
welche ein Theil dem andern vor der Verlobung verheimlicht hat.
§. 105. Ein nach der Verlobung entdeckter Irrthum in
Ansehung des Vermögens, rechtfertigt den Rücktritt nur alsdann, wenn es den
künftigen Eheleuten an dem nöthigen Auskommen fehlen würde.
§. 106. Jeder, auch nur in Ansehung des Vermögens, von einem
Verlobten, oder dessen Aeltern verübter Betrug, giebt dem andern ein Recht zum
Rücktritte.
§. 107. Veränderungen, welche nach der Verlobung in der
Person, oder in den persönlichen, oder Vermögensumständen eines Verlobten sich
ereignen, berechtigen denjenigen zum Rücktritte, welcher, wenn er den Fall
hätte voraus sehen können, das Ehegelobniß wahrscheinlich nicht eingegangen
seyn würde.
§. 108. Religionsveränderung giebt nur dem andern Theile,
nicht aber dem Verändernden, ein Recht zum Rücktritte.
§. 109. Wenn ein Theil seine in dem Ehegelöbnisse, oder
Ehevertrage ausdrücklich übernommene Verbindlichkeit nicht erfüllen kann: so
ist der andre zurückzutreten berechtigt.
§. 110. Die bloße Minderjährigkeit hingegen ist kein
rechtmäßiger Grund zum Rücktritte, von einem unter den gesetzlichen
Erfordernissen geschlossenen Ehegelöbnisse.
§. 111. Wenn Umstände, weswegen Aeltern, Großältem, oder
Vormünder, ihre Genehmigung zu versagen befugt sind, sich erst in der Folge
ereignen, oder offenbaren: so können dieselben ihre schon ertheilte
Einwilligung wieder zurücknehmen.
Folgen eines ohne Grund genommenen Rücktritts.
§. 112. Wer ohne rechtlichen Grund die Erfüllung eines
Ehegelöbnisses beharrlich verweigert, oder sich selbst dazu außer Stand setzt;
der verliert die dem andern Theile gemachten Geschenke, muß die von demselben
erhaltenen zurückgeben, und alle wegen des Ehegelöbnisses aufgewendete Kosten
ersetzen.
§. 113. Ist auf den Fall des Rücktritts eine
Conventionalstrafe verabredet: so muß diese noch außerdem entrichtet werden.
§. 114. Ist keine Conventionalstrafe vorbedungen: so muß der
Schuldige noch über die §. 112. bestimmte Entschädigung, dem Unschuldigen mit
dem vierten Theile desjenigen, was in dem Ehegelöbnisse, oder in einem
besondern Ehevertrage, als Mitgabe, oder als Gegenvermächtniß ausgesetzt
worden, abfinden.
§. 115. Ist keine Mitgabe oder kein Gegenvermächtniß vorbedungen,
wohl aber dem Unschuldigen, auf den Fall, wenn er den andern überleben sollte,
eine gewisse in sich bestimmte Summe oder Sache zum Erbtheil verschrieben
worden: so kann derselbe den Vierten Theil davon, als Abfindung fordern.
§. 116. Sind nach Verschiedenheit der Fälle verschiedene
Summen bestimmt: so wird die Abfindung nach der geringsten Summe gerechnet.
§. 117. Kann der Zurücktretende die nach diesen Vorschriften
dem andern Theile gebührende Abfindung aus eigenen Mitteln nicht aufbringen: so
sind seine Aeltern, in so fern dieselben in das Ehegelöbniß gewilligt, und den
Rücktritt veranlaßt oder genehmigt haben, zu deren Entrichtung verbunden.
§. 118. Ist keiner der vorstehenden Fälle zu Bestimmung
einer dem Unschuldigen anzuweisenden Abfindung vorhanden: so muß zwar derselbe
mit der §. 112. bestimmten Entschädigung allein sich begnügen.
§. 119. Doch muß alsdann gegen den ohne rechtmäßigen Grund
zurücktretenden Theil, nach Bewandniß seines bewiesenen Leichtsinnes, und der
der verlassenen Braut zugefügten Kränkung, auf verhältnißmäßige Geld- oder
Gefängnisstrafe erkannt werden.
Folgen eines aus erheblichen Gründen genommenen Rücktritts.
§. 120. Nöthigt ein Verlobter, durch sein moralisches
Verhalten nach der Verlobung, den andern Theil zum Rücktritte: so kann
letzterer die vorstehend (§. 112-119.) bestimmte Entschädigung und Abfindung
fordern.
§. 121. Bezieht sich aber die rechtmäßige Ursache des
Rücktritts auf Umstände, welche schon vor der Verlobung vorhanden gewesen, und
dem andern Theile nicht betrüglicher Weise verheimlicht worden sind: so kommt
dem zurücktretenden Theile nur allein die §. 112. bestimmte Entschädigung zu.
Folgen der ohne Schuld des einen oder andern Theils
unterbleibenden Erfüllung.
§. 122. Wird ein Ehegelöbniß mit beyder Theile Bewilligung,
oder sonst aus rechtlichen Gründen getrennt, ohne daß einem oder dem andern
Theile ein Uebergewicht der Schuld zur Last fällt: so müssen die Geschenke von
beyden Seiten zurückgegeben werden.
§. 123. Wird die Erfüllung des Ehegelöbnisses durch den Tod
des einen Verlobten gehindert: so hat der Ueberlebende die Wahl: ob er die
empfangenen Geschenke behalten, oder sie zurückgeben und die seinigen
widerfordern wolle.
Rechte und Pflichten der Erben aus Ehegelöbnissen der
Erblasser.
§. 124. Das Recht die §. 112-119. bestimmte Entschädigung
und Abfindung zu fordern, geht auf die Erben in der Regel nicht über.
§. 125. Doch kann der Unschuldige gegen die Erben des
schuldigen Theils daraus antragen, wenn letzterer, auf die aus dem
Ehegelöbnisse angestellte Klage, seine Weigerung, die Ehe zu vollziehen,
gerichtlich, oder doch schriftlich erklärt hat.
§. 126. Desgleichen, wenn der Schuldige noch vor seinem Tode
sich an eine andre Person wirklich verheirathet hat.
§. 127. Dagegen können die Erben des unschuldigen Theils die
Entschädigung und Abfindung von dem Schuldigen nur in so fern fordern, als
dieselbe dem Erblasser bereits rechtskräftig zuerkannt ist.
Verjährung des Rechts aus Ehegelöbnissen.
§. 128. Wer vom Ablauf der in dem Ehegelöbnisse zur
Vollziehung desselben bestimmten Zeit, Ein Jahr verstreichen läßt, ohne den
Andern zur Erfüllung aufzufordern, der hat kein Recht mehr daraus zu klagen.
§. 129. Ist keine Zeit bestimmt; und es hat, binnen Zwey
Jahren vom Tage des geschlossenen Ehegelöbnisses, keiner von beyden Theilen zur
Erfüllung desselben bey dem Andern sich gemeldet: so hat das Ehegelöbniß selbst
seine Kraft verloren. (§. 97.)
§. 130. Außerdem erlöscht die Klage zur Erfüllung eines
solchen Ehegelöbnisses nach Verlauf Eines Jahres, von der letzten fruchtlos
geschehenen Aufforderung.
§. 131. Wer selbst früher als der andre Theil heirathet,
kann gegen denselben aus dem Ehegelöbnisse, auch nicht auf Entschädigung,
klagen.
§. 132. Das Recht, nach der Aufhebung des Ehegelöbnisses die
Geschenke zurück zu fordern, (§. 122. 123.) erlöscht, wenn es nicht binnen
Jahresfrist ausgeübt worden.
Von mehrern Ehegelöbnissen.
§. 133. Wer noch gesetzmäßig verlobt ist, und eine andre
Person zu einer spätern Verlobung verleitet, muß derselben, wenn sie
zurücktritt, alles das leisten, was §. 112-119. festgesetzt worden.
§. 134. Ist aber dem später Verlobten das frühere Verlöbniß
des andern Theils bekannt gewesen: so entstehn aus der spätem Verlobung weder
Rechte noch Pflichten.
§. 135. Jede spätere Verlobung des einen Theils giebt dem
Erstverlobten ein Recht, von der frühern Verlobung zurückzutreten, und nicht
nur Entschädigung, sondern auch gesetzmäßige Abfindung zu fordern.
Dritter Abschnitt
Von der Vollziehung einer vollgültigen Ehe
§. 136. Eine vollgültige Ehe wird durch die priesterliche
Trauung vollzogen.
§. 137. Zwischen Personen fremder im Staate geduldeter
Religionen, wird die Vollziehung einer vollgültigen Ehe lediglich nach den
Gebräuchen ihrer Religion beurtheilt.
Aufgebot.
§. 138. Das Aufgebot muß vor der Trauung hergehn.
§. 139. Das Aufgebot muß in beyder Verlobten Parochie
geschehen.
§. 140. Wer zu keiner Parochie gehört, muß dennoch das
Aufgebot in der Kirche, wohin sein Wohnort gehört, veranstalten.
§. 141. Wer noch nicht Ein Jahr an seinem gegenwärtigen
Wohnorte sich aufhält, muß auch in der Kirche seines vormaligen Wohnorts
aufgeboten werden.
§. 142. Gesinde, welches noch nirgend einen festen Wohnsitz
aufgeschlagen hat, muß sich, außer seiner gegenwärtigen Parochie, auch an dem
Orte seiner Geburt, ohne Unterschied der Zeit seiner Entfernung von demselben,
aufbieten lassen. (Tit. XI. Sect. V.)
§. 143. Auch ein Fremder, der in Königlichen Landen getraut
seyn will, muß sich in der Parochie seiner Heimath aufbieten lassen.
§. 144. Kann er dies nicht bewerkstelligen: so muß er durch
gerichtliche oder beglaubte Notariatszeugnisse nachweisen, daß an dem Orte
seiner Heimath kein Ehehinderniß wider ihn bekannt sey.
§. 145. Hat aber ein Fremder sich in hiesigen Landen
niedergelassen, und länger als Ein Jahr darin aufgehalten: so ist das Aufgebot
in seiner hiesigen Parochie, so wie bey Eingebornen, hinreichend.
§. 146. Wird dem Pfarrer, welcher das Aufgebot verrichten
soll, ein in beglaubter Form ausgefertigtes Ehegelöbniß nicht vorgezeigt: so
muß derselbe nach obigen Vorschriften Erkundigung einziehen: ob vielleicht
Ehehindernisse vorhanden sind.
§. 147. Findet der Pfarrer ein Bedenken: so muß er um nähere
Verhaltungsbefehle bey seinen Vorgesetzten anfragen.
§. 148. Das Aufgebot behält inzwischen zwar seinen Fortgang:
die Trauung aber muß bis zum Eingange der Vorbescheidung ausgesetzt bleiben.
§. 149. Hat der Pfarre die Erkundigung unterlassen; oder ein
bekannt gewordenes Hinderniß leichtsinnig übergangen: so soll er deshalb mit
verhältnißmäßiger fiskalischer Strafe belegt werden.
§. 150. Das Aufgebot muß deutlich, mit Benennung des
Standes, Vor- und Zunamens beyder Theile, und der Aeltern der Braut, geschehen.
§. 151. Es muß Drey Sonntage hinter einander von der Kanzel
verlesen werden.
§. 152. Wer nur zweymal für dreymal aufgeboten seyn will,
dem kann, nach Bewandniß der Umstände, die dem Pfarrer der Braut vorgesetzte
Obrigkeit, Dispensation dazu ertheilen.
§. 153. Soll das Aufgebot nur ein- für allemal geschehen: so
muß die Dispensation bey Hofe gesucht werden.
§. 154. Die unterlassene Befolgung obiger Vorschriften wegen
des Aufgebots, macht zwar die Ehe nicht ungültig;
§. 155. Die Parteyen aber, und der Pfarrer, welcher die
Trauung verrichtet, haben, nach Maaßgabe der verschuldeten Unterlassung, und
des daraus für irgend jemanden entstandenen Nachtheils, fiskalische Geld- oder
Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 156. Auch die Strafe fällt weg, wenn wegen plötzlicher
Todesgefahr die Trauung beschleunigt werden mußte, und weder bedenkliche
Umstände vorwalteten, noch die Verfügung der Vorgesetzten abgewartet werden
konnte.
§. 157. Ein Gleiches findet statt, wenn der Bräutigam in
Angelegenheiten des Staats eine langwierige oder gefährliche Reise so schnell
antreten muß, daß zum Aufgebote oder zur Einholung der Dispensation keine Zeit
übrig ist.
Einspruch.
§. 158. Wer Einspruch thun will, kann denselben nur auf ein
älteres förmliches Ehegelöbniß, oder auf eine unter dem Versprechen der Ehe
erfolgte Schwängerung gründen.
§. 159. Wird dem Pfarrer ein dergleichen förmliches
Ehegelöbniß vorgelegt: so muß er mit Aufgebot und Trauung sofort inne halten.
§. 160. Soll eine unter dern Versprechen der Ehe erfolgte
Schwängerung den Einspruch begründen: so muß dieser Klagegrund bey der
Obrigkeit des Orts, wo das Aufgebot oder die Trauung geschehen soll,
bescheinigt, und von dieser das fernere Aufgebot oder die Trauung untersagt
werden.
§. 161. Entsteht darüber ein Prozeß: so gehört dessen
Erörterung vor dasjenige Gericht, welchem der Angesprochene in Sponsalien- und
Ehesachen unterworfen ist.
§. 162. Erklärt sich der angesprochene Theil, die den
Anspruch machende Person nicht heirathen, sondern allenfalls nur nach den
Gesetzen und richterlichem Ermessen abfinden zu wollen: so muß er dieser
Abfindung wegen annehmliche Sicherheit bestellen.
§. 163. Sobald dieses geschehen ist, kann mit dem fernern
Aufgebote und der Trauung verfahren werden.
§. 164. Wird der Einspruch in der Folge ungegründet
befunden: so soll der Einsprechende, als ein Injuriant, nachdrücklich bestraft
werden.
§. 165. Wird dem Richter, vor der Trauung, ein oder anderes
bis dahin nicht bekannt gewesenes Ehehinderniß glaubhaft angezeigt: so muß
Aufgebot sowohl, als Trauung untersagt werden.
§. 166. Die Aufhebung eines solchen Verbots findet nicht
eher statt, als bis das Hinderniß entweder gehoben, oder durch Urtel und Recht
als unerheblich verworfen worden.
Trauung.
§. 167. Privatpersonen können bey der Trauung durch
Bevollmächtigte nicht vertreten werden.
§. 168, Welchem Pfarrer die Trauung zukomme, ist nach den
unten vorgeschriebenen Grundsätzen zu bestimmen. (Tit. XI. Abschn. VI.)
§. 169. Daß die Trauung nicht von dem gehörigen Pfarrer vollzogen
worden, macht die Ehe selbst nicht ungültig.
§. 170. Wer aber, um die Gesetze des Landes unwirksam zu
machen, in fremden Landen sich trauen läßt, hat, außer den übrigen rechtlichen
Folgen der Nichtigkeit oder Ungültigkeit einer solchen gesetzwidrigen Ehe
(Sect. X.), auch noch eine fiskalische Strafe von Zehn bis Dreyhundert Thalern
verwirkt.
§. 171. Die Kosten des Aufgebots, der Trauung, und der
Hochzeit, tragen beyde Eheleute gemeinschaftlich, wenn nicht ein Anderes
ausdrücklich verabredet, oder an dem Orte, wo die Braut wohnt, unter der
Classe, zu welcher sie gehört, hergebracht ist.
§. 172. Das Eigenthum der Hochzeitsgeschenke; wird beyden
Theilen gemein; in so fern nicht der Geschenkgeber ein Anderes ausdrücklich
festgesetzt hat; oder es aus der Beschaffenheit des Geschenks abzunehmen ist.
Vierter Abschnitt
Von den Rechten und Pflichten der Eheleute, in Beziehung
auf ihre Personen
Gemeinschaftliche Rechte und Pflichten der Eheleute.
§. 173. Die Rechte und Pflichten der Eheleute nehmen
sogleich nach vollzogener Trauung ihren Anfang.
§. 174. Eheleute sind schuldig, sich in allen
Vorfallenheiten nach ihren Kräften wechselseitigen Beystand zu leisten.
§. 175. Sie müssen vereint mit einander leben, und dürfen
ihre Verbindung eigenmächtig nicht aufheben.
§. 176. Auch wegen Widerwärtigkeiten dürfen sie einander
nicht verlassen.
§. 177. Oeffentliche Geschäfte, dringende
Privatangelegenheiten, und Gesundheits-Reisen, entschuldigen die Abwesenheit.
§. 178. Eheleute dürfen einander die eheliche Pflicht
anhaltend nicht versagen.
§. 179. Wenn deren Leistung der Gesundheit des einen oder
des andern Ehegatten nachtheilig seyn würde, kann sie nicht gefordert werden.
§. 180. Auch säugende Ehefrauen verweigern die Beywohnung
mit Recht.
§. 181. Zur ehelichen Treue sind beyde Ehegatten
wechselseitig verpflichtet.
§. 182. Die Verletzung derselben von Seiten des einen
Ehegatten berechtigt den andern nicht zu gleichen Vergehungen.
§. 183. Auch Handlungen, welche den Verdacht einer solchen
Verletzung erregen könnten, müssen vermieden werden.
Rechte und Pflichten des Mannes,
§. 184. Der Mann ist das Haupt der ehelichen Gesellschaft;
und sein Entschluß giebt in gemeinschaftlichen Angelegenheiten den Ausschlag.
§. 185. Er ist verbunden, seiner Frau standesmäßigen
Unterhalt zu gewähren.
§. 186. Mit dem nothdürftigen Unterhalte muß sie sich
begnügen, wenn ihr der Mann den standesmäßigen nicht verschaffen kann.
§. 187. Zum Unterhalte der Frau gehören auch die sie
betreffenden Cur- und Prozeßkosten. (§. 229.230.)
§. 188. Der Mann ist schuldig und befugt, die Person, die
Ehre, und das Vermögen seiner Frau, in und außer Gerichten zu vertheidigen.
§. 189. In der Regel kann daher die Frau, ohne Beiziehung
und Einwilligung des Mannes, mit Andern keine Prozeße führen.
§. 190. Auch gegen angestellte Injurienklagen ist der Mann
die Frau auf seine Kosten zu vertheidigen schuldig.
§. 191. Bey Criminal-Untersuchungen gegen die Frau, bleibt
der unschuldige Mann von Tragung der Kosten aus eignen Mitteln in so fern frey,
als das von der Frau begangene Verbrechen ihn auf Ehescheidung anzutragen
berechtigt.
der Frau.
§. 192. Die Frau überkommt durch eine Ehe zur rechten Hand
den Namen des Mannes.
§. 193. Sie nimmt Theil an den Rechten seines Standes, so
weit dieselben nicht allein an seine Person gebunden sind.
§. 194. Sie ist schuldig, dem Hauswesen des Mannes nach
dessen Stande und Range vorzustehn.
§. 195. Wider den Willen des Mannes darf sie für sich selbst
kein besonderes Gewerbe treiben.
§. 196. Ohne des Mannes Einwilligung kann die Frau keine
Verbindungen eingehen, wodurch die Rechte auf ihre Person gekränkt werden.
§. 197. Der Mann kann aber auch, ohne die Einwilligung der
Frau, keine Verbindungen treffen, wodurch ihre Person einem Dritten verhaftet
wird.
§. 198. In allen Fällen, wo die Frau in stehender Ehe zu
etwas, wozu sie die Gesetze nicht verpflichten, dem Manne, oder zu dessen
Vortheile verbindlich gemacht werden soll, muß der Vertrag, oder die
Verhandlung, gerichtlich vollzogen werden.
§. 199. Aus bloßen außergerichtlichen Verträgen zwischen dem
Manne und der Frau, können daher für die letztere zwar Befugnisse, aber keine
Verbindlichkeiten entstehen.
§. 200. Auch bey gerichtlichen Verhandlungen der Frau mit
dem Manne ist die Zuziehung eines entweder selbst gewählten oder von dem
Richter ernannten Beystands für erstere erforderlich.
§. 201. Doch muß der Richter zugleich selbst von Amtswegen
darauf sehen, daß die Frau bey solchen Verhandlungen nicht übereilt, oder
hintergangen werde.
§. 202. Wenn der Mann sich entfernt hat, ohne wegen
Besorgung seiner Angelegenheiten Verfügungen zu treffen, und sein Aufenthalt
unbekannt ist: so ist die Frau berechtigt, alles zu thun, was zu einer
ordentlichen und gewöhnlichen Vermögensverwaltung erforderlich ist.
§. 203. Ein Gleiches findet wegen solcher Geschäfte, wo
Gefahr im Verzuge ist, auch alsdann statt, wenn der Aufenthalt des Mannes zwar
bekannt, aber so entfernt ist, daß seine Willensmeinung darüber nicht eingeholt
werden kann.
§. 204. Wie weit, in Abwesenheit des Mannes, die Frau zum Betriebe
gerichtlicher Angelegenheiten für ihn, auf den Grund einer rechtlich zu
vermuthenden Vollmacht zugelassen werde, bestimmt die Prozeß-Ordnung.
Fünfter Abschnitt
Von den Rechten und Pflichten der Eheleute in Beziehung auf
ihr Vermögen
§. 205. Durch die Vollziehung der Ehe geht das Vermögen der
Frau in die Verwaltung des Mannes über; in so fern diese Verwaltung der Frau
durch Gesetze oder Verträge nicht ausdrücklich vorbehalten worden.
Vorbehaltenes Vermögen der Frau.
§. 206. Zum gesetzlich vorbehaltenen Vermögen gehört, was
nach seiner Beschaffenheit zum Gebrauche der Frau gewidmet, ist.
§. 207. Ferner die bey Schließung der Ehe von dem Manne
versprochene Morgengabe.
§. 208. Was außerdem vorbehaltenes Vermögen seyn soll, muß
durch Verträge dazu ausdrücklich bestimmt werden.
§. 209. Je nachdem dergleichen Vertrag vor, oder nach der
Hochzeit errichtet wird, muß dabey die §. 82. sqq. oder §. 198. sqq. bestimmte
Form beobachtet werden.
Eingebrachtes.
§. 210. Was weder durch solche Verträge, noch vermöge des
Gesetzes, (§. 206. 207.) der Frau vorbehalten ist, hat die Eigenschaft des
Eingebrachten.
§. 211. Was die Frau in stehender Ehe erwirbt, erwirbt sie,
der Regel nach, dem Manne. (§. 219. 220.)
§. 212. Was sie aber während der Ehe, durch Erbschaft,
Geschenke, oder Glücksfälle überkommt, wird dem Eingebrachten beygerechnet.
§. 213. Auch die darunter begriffenen Mobilien und
Kostbarkeiten sind nur dann als vorbehalten anzusehen, wenn sie die §. 206.
angeführte Beschaffenheit haben.
§. 214. Hat der Erblasser oder Geschenkgeber über die
Eigenschaft, welche der Anfall haben soll, etwas bestimmt: so dient diese
Bestimmung zur Richtschnur.
§. 215. Auch die Eheleute können obige gesetzliche
Bestimmung (§. 210-212.) durch ausdrückliche Verträge unter sich abändern.
§. 216. Sollen aber Grundstücke oder Capitalien, welche nach
gesetzlicher Bestimmung zum Eingebrachten gehören, durch solche Verträge die
Eigenschaft des Vorbehaltenen, auch in Beziehung auf einen Dritten, erlangen:
so müssen sie auf den Namen der Frau geschrieben werden.
§. 217. Was die Frau von den Einkünften des vorbehaltenen
Vermögens erspart, wächst diesem Vermögen zu.
§. 218. Es muß aber dergleichen Ersparniß, zur Zeit der
Absonderung des Vermögens beyder Eheleute, auf den Namen der Frau geschrieben
seyn; oder es muß sonst klar erhellen, daß sie den Besitz der ersparten Sachen
oder Gelder noch nicht aufgegeben habe.
§. 219. Grundstücke und Capitalien, die von den Einkünften
eines besondern Gewerbes der Frau angeschafft, und zur Zeit der
Vermögensabsonderung auf ihren Namen geschrieben sind, gehören ebenfalls zum
Vermögen der Frau.
§. 220. Sie haben aber, wenn das Gewerbe nicht bloß mit dem
vorbehaltenen Vermögen der Frau getrieben, oder sonst ein Anderes ausdrücklich
verabredet worden, nur die Eigenschaft des Eingebrachten.
Rechte der Frau im vorbehaltenen Vermögen.
§. 221. In Ansehung des vorbehaltenen Vermögens gebühret der
Frau die Verwaltung, der Nießbrauch, und die freye Disposition, wenn sie sich
nicht des einen oder des andern ausdrücklich begeben hat.
§. 222. Es sind daher, der Regel nach, die von der Frau über
das vorbehaltene Vermögen getroffenen Verfügungen auch, ohne die Einwilligung
des Mannes gültig.
§. 223. Doch soll über Juwelen, Gold, Silber, und andere
bloß zur Pracht bestimmte Sachen, ohne Unterschied, ob sie zum vorbehaltenen
Vermögen gehören, oder nicht, niemand mit einer Frau, ohne Vorbewußt des
Mannes, in Pfand- oder Veräußerungsverträge sich einlassen.
§. 224. Macht die Frau, in Ansehung des gesetzlich
vorbehaltenen Vermögens, sich eines unwirtschaftlichen Betragens verdächtig: so
ist der Mann befugt, Maaßregeln zu dessen Verhütung zu treffen.
§. 225. In Ansehung des durch Vertrag vorbehaltenen
Vermögens aber, kann der Mann die Frau in ihrer Disposition nur alsdann
einschränken, wenn sie sich einer wirklichen Verschwendung schuldig macht.
§. 226. Solchenfalls muß ihr, gleich andern Verschwendern,
ein Curator gerichtlich bestellt werden.
§. 227. In der Regel muß der Mann die Curatel, und mit derselben,
in Ansehung des vorbehaltenen Vermögens, alle Pflichten eines fremden Curators
übernehmen.
§. 228. Die Lasten und Kosten wegen des gesetzlich
vorbehaltenen Vermögens muß der Mann in allen Fällen tragen, wenn die Frau
keine vorbehaltene Capitalien oder Einkünfte besitzt.
§. 229. Dagegen müssen die Lasten und Kosten des durch
Vertrag vorbehaltenen Vermögens von der Frau aus diesem Vermögen bestritten
werden.
§. 230. Prozesse, welche das durch Vertrag vorbehaltene
Vermögen betreffen, kann die Frau auch ohne Zuziehung des Mannes gültig
betreiben.
Rechte des Mannes im eingebrachten Vermögen.
§. 231. In Ansehung des eingebrachten Vermögens der Frau hat
der Mann alle Rechte und Pflichten eines Nießbrauchers. (Th.
I. Tit. XXL Sect. I.)
§. 232. Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche zum
Eingebrachten gehören, kann der Mann, ohne die ausdrückliche Einwilligung der
Frau, weder veräußern, noch verpfänden, noch sonst etwas dabey vornehmen,
wodurch denselben eine bleibende dingliche Last aufgelegt würde.
§. 233. Capitalien, welche auf den Namen der Frau, oder
ihrer Erblasser, oder Geschenkgeber geschrieben sind, kann der Mann ohne
Bewilligung der Frau nicht einziehn, verpfänden, veräußern, oder sonst abhanden
bringen.
§. 234. In die Veräußerung und Verpfändung
eingebrachter Güter und Capitalien, desgleichen in die Einziehung der letztern,
ist die Frau nur in so fern zu willigen verbunden, als nothwendige die Substanz
betreffende Ausgaben, welche aus dem Nießbrauche nicht getragen werden dürfen,
dergleichen Verfugung erfordern.
§. 235. Ferner alsdann, wenn der Mann die Einziehung eines
Capitals wegen besorgter Unsicherheit nöthig findet;
§. 236. Desgleichen wenn das
Capital von dem Schuldner selbst aufgekündigt wird;
§. 237. Oder wenn der Mann ein Capital auf eine andre Art
höher zu nutzen Gelegenheit findet.
§. 238. Doch ist in den zuletzt
benannten drey Fällen der Mann ein solches Capital anderweit auf den Namen der
Frau, entweder bey sich selbst, oder bey einem Dritten, gegen hinlängliche
Sicherheit zu belegen verbunden.
§. 239. Wenn die Frau ihre Einwilligung in Fällen, wo sie
dieselbe zu ertheilen schuldig ist, verweigert, so kann diese Einwilligung von
dem obervormundschaftlichen Gerichte, nach vorhergegangener Untersuchung der
Umstände, ergänzt werden.
§. 240. Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche während der
Ehe aus dem Eingebrachten der Frau angeschafft, oder Capitalien, welche von
diesem Vermögen ausgethan worden, werden nur in so fern ein Eigenthum der Frau,
als sie auf ihren Namen geschrieben sind.
§. 241. Außer diesem Falle ist sie, wegen der solchergestalt
verwendeten Summen nur als Gläubigerin des Mannes anzusehen.
§. 242. Doch genießt sie auch deshalb das in den Gesetzen
dem Eingebrachten überhaupt vor andern Schulden des Mannes beygelegte Vorrecht.
§. 243. Sind Capitalien, welche zum Eingebrachten gehören,
ohne die Einwilligung der Frau eingezogen worden: so muß sie sich deshalb
zuvörderst an den Mann halten.
§. 244. Kann sie aber von diesem nicht befriedigt werden: so
ist sie von dem vorigen Schuldner, welcher ohne ihre Einwilligung gezahlt hat,
Entschädigung zu fordern wohl befugt.
§. 245. Gerichtliche Angelegenheiten, welche die Substanz
des Eingebrachten betreffen, kann der Mann nur mit Zuziehung der Frau betreiben.
§. 246. Doch hat er in den gehörigen Orts näher bestimmten
Fällen, die rechtliche Vermuthung, von der Frau bevollmächtigt zu seyn, für
sich. (Th. I. Tit. XIII. Sect. I.)
Rechte wegen der eingebrachten und vorbehaltenen Mobilien.
§. 247. Ueber die eingebrachten Mobilien hat der Mann die
freye Verfügung.
§. 248. Ueber die vorbehaltenen Mobilien ist er nur mit
Bewilligung der Frau zu verfügen berechtigt.
§. 249. Einseitige Verfügungen des Mannes über solche
Mobilien, welche zu den gesetzlich vorbehaltenen gehören (§. 206.), sind
nichtig.
§. 250. Dagegen hat, in Ansehung der nur durch Vertrag
vorbehaltenen, und von dem Manne einseitig veräußerten Mobilien, die Frau nur
in so weit ein Rückforderungsrecht, als dasselbe jedem Eigenthümer gegen einen
dritten Besitzer zusteht. (Th. I. Tit. XV.)
Abänderung der Gesetze durch Verträge.
§. 251. Was einmal zum eingebrachten oder vorbehaltenen
Vermögen ausgesetzt worden, behält diese Eigenschaft, so lange nicht ein Andres
durch ausdrückliche Verträge bestimmt wird.
§. 252. Solche Verträge können jedoch einem Dritten in
seinen auf dergleichen Vermögen bereits erworbenen Rechten nicht schädlich
seyn.
§. 253. Auch kann die Natur des gesetzlich vorbehaltenen
Vermögens, durch dergleichen Verträge, zum Nachtheile eines Dritten nicht
geändert werden.
Rechte der Frau wegen des Eingebrachten in dem Vermögen des
Mannes.
§. 254. Wenn der Mann Grundstücke besitzt: so kann die Frau,
auch ohne besondre Einwilligung desselben, die wegen ihres Eingebrachten ihr
zukom- menden Rechte in dem Hypothekenbuche vermerken lassen.
§. 255. Außer diesem Falle kann die Frau besondere
Sicherheitsbestellung, wegen ihres Eingebrachten, von dem Manne nur alsdann
fordern, wenn sich Umstände ereignen, welche die wahrscheinliche Besorgniß
eines bevorstehenden Verlustes begründen.
§. 256. So lange der Mann seiner Frau, und den mit ihr
erzeugten Kindern, den nach Verhältniß ihres Standes nothwendigen Unterhalt
gewährt, ist die Frau ihm die Verwaltung und den Nießbrauch des Eingebrachten
zu entziehen nicht berechtigt.
§. 257. Die, auch einseitigen, Gläubiger eines Mannes sind
daher befugt, sich an diesen Nießbrauch zu halten.
§. 258. Wenn aber der Mann diese Verbindlichkeit (§. 256.)
nicht mehr zu erfüllen vermögend ist: so kann die Frau ihr Eingebrachtes
zurückfordern, und allenfalls auf Eröffnung des Concurses über das Vermögen des
Mannes antragen.
§. 259. In welcher Ordnung die Frau aus der Masse befriedigt
werden müsse, wird in der Concursordnung bestimmt.
§. 260. Zum Beweise der geschehenen Einbringung ist, gegen
die Gläubiger des Mannes, die Quittung desselben allein nicht hinreichend.
§. 261. Die Verwaltung und Nutzung des aus dem Concurse
geretteten Eingebrachten fällt an die Frau zurück.
§. 262. Doch muß aus den Einkünften desselben der nöthige
Unterhalt des Mannes, nebst der Verpflegung und Erziehung der mit ihm erzeugten
Kinder, so weit diese Einkünfte dazu erforderlich und hinreichend sind, besorgt
werden.
§. 263. Die Verwaltung der Frau ist in diesem Falle eben den
Einschränkungen von Seiten des Mannes unterworfen, welche sonst bey der
Verwaltung des Mannes von Seiten der Frau statt finden. (§. 232. sqq.)
§. 264. Wenn der Mann wieder zu bessern Vermögensumständen
gelangt: so kann er fordern, daß ihm die Verwaltung und der Nießbrauch des
Eingebrachten zurück gegeben werden.
§. 265. Doch hat die Frau ein Recht zum Widerspruche, wenn
der erste Vermögensfall des Mannes durch seine nachläßige oder
verschwenderische Wirthschaft entstanden ist.
§. 266. So weit dem in Concurs verfallenen Ehemanne, durch
Gesetze oder Verträge, ein Erbrecht auf das Eingebrachte, dessen Entziehung
nicht von dem Willen der Frau abhängt, versichert ist, kann die Frau die
Herausgabe desselben nur gegen bestellte hinlängliche Sicherheit fordern.
§. 267. Kann sie diese nicht leisten: so muß sie sich damit
begnügen, daß ein zu ihrer Befriedigung hinreichendes Capital, bis zur Trennung
der Ehe, in der Masse zurückbleibe: und sie bis zu diesem Erfolge nur die
Zinsen davon erhalte.
§. 268. Hat die Frau, vor oder bey Schließung der Ehe, durch
einen an sich rechtsbeständigen Vertrag sich die Befugniß vorbehalten, auch
über diesen Theil ihres Vermögens, bey einem über den Mann ausbrechenden
Concurse, nach Gutfinden zu verfügen: so ist sie denselben weder in der Masse
zurückzulassen, noch Sicherheit dafür zu bestellen verpflichtet.
§. 269. Die Rechte, welche der Frau, zur Sicherheit ihres
Eingebrachten, in dem Vermögen des Mannes zukommen, gebühren ihr auch wegen der
von dem Manne versprochenen, aber nicht ausgezahlten Morgengabe.
§. 270. Auch wegen des vorbehaltenen und nicht mehr in Natur
vorhandenen Vermögens, dessen Besitz und Verwaltung der Mann in stehender Ehe
überkommen hat, gebühret der Frau, zu ihrer Sicherheit, ein in der Concursordnung
näher bestimmtes Vorrecht vor andern Gläubigern.
§. 271. Hat sie aber dem Manne zinsbare Darlehne aus ihrem
vorbehaltenen Vermögen gemacht: so wird ihr Rang unter den übrigen Gläubigern
lediglich nach der Beschaffenheit der sich ausdrücklich vorbedungenen
Sicherheit beurtheilt.
§. 272. Eine Entsagung der Frau auf ihre gesetzmäßigen
Vorrechte in dem Vermögen des Mannes, ist nicht anders, als wenn sie
gerichtlich erklärt wird, gültig.
§. 273. Begiebt sich eine Frau ihres gesetzlichen Vorrechts zu
Gunsten eines Gläubigers ihres Mannes: so muß, das Eingebrachte mag im
Hypothekenbuche vermerkt seyn, oder nicht, die bey Bürgschaften vorgeschriebene
Verwarnung hinzukommen. (Th. I. Tit. XIV. §. 229. 230.)
§. 274. Dagegen verliert die Frau ihr Vorrecht, und steht
allen andern Gläubigern des Mannes nach, wenn sie in dessen Abwesenheit sein
Vermögen übel verwaltet, und dadurch zu seinem Verfalle Anlaß gegeben hat.
§. 275. Ingleichen, wenn der Mann durch sie zu einer
verschwenderischen Lebensart verleitet worden.
Vom Erbschatze.
§. 276. Aeltern, Verwandte, und Freunde, welche den
Eheleuten etwas aus ihrem eignen Vermögen zuwenden, sind berechtigt,
Bedingungen festzusetzen, unter welchen die Eheleute dasselbe besitzen und
genießen sollen.
§. 277. Verordnen sie, daß dergleichen Zuwendung zum Besten
der aus dieser Ehe erzeugten Kinder aufbewahrt werden solle: so heißt dieses
ein Erbschatz.
§. 278. Verwandte und Fremde können alles, was sie den
Eheleuten zuwenden, zum Erbschatze bestellen.
§. 279. Aeltern haben gleiche Befugniß; jedoch mit Ausschluß
der Mobiliarausstattung und mit Vorbehalt des Rechts der Kinder wegen ihres
Pflichttheiles.
§. 280. Ein Erbschatz kann nur in einer gewissen bestimmten
Summe bestellt werden.
§. 281. Die Bestellung selbst muß allemal schriftlich
geschehen.
§. 282. Will der Besteller des Erbschatzes demselben eine
besondere Sicherheit auf Grundstücke oder ausstehende Capitalien verschaffen:
so muß deren Regulirung gerichtlich erfolgen.
§. 283. Wird die zum Erbschatze bestellte Summe auf ein
Grundstück angewiesen: so muß der Richter dafür sorgen, daß sie in das
Hypothekenbuch eingetragen, und die Eigenschaft des Erbschatzes dabey vermerkt
werde.
§. 284. Wird ein Capital zum Erbschatze bestellt: so muß
diese Bestimmung auf dem Instrumente, und wenn dasselbe eingetragen ist, auch
im Hypothekenbuche bemerkt, und dem Schuldner davon Nachricht ertheilt werden.
§. 285. Wo die über den Erbschatz ausgestellten Instrumente
verwahrt werden sollen, hängt von dem Willen des Bestellers ab.
§. 286. Hat dieser sich nicht erklärt: so gebührt die
Verwahrung der Instrumente demjenigen, welchem der Nießbrauch des Erbschatzes
zukommt.
§. 287. So lange die Ehe, für welche der Erbschatz
ausgesetzt worden, besteht, gebührt die Verwaltung und der Nießbrauch dem
Manne; in so fern nicht der Besteller ein Anderes ausdrücklich verordnet hat.
§. 288. Nach getrennter Ehe fällt der Nießbrauch dem
überlebenden oder unschuldigen Ehegatten zu. (§. 541. sqq.)
§. 289. Auch das Eigenthum fällt demselben anheim, wenn aus
der Ehe, für welche der Erbschatz bestimmt war, keine Kinder vorhanden sind.
§. 290. Sind aber Kinder vorhanden: so erlangen diese das
Eigenthum nach den im folgenden Titel enthaltenen Bestimmungen.
§. 291. Der zum Nießbrauch berechtigte Ehegatte hat, wegen
der Verwaltung des Erbschatzes, nur eben die Rechte, welche einem Ehemanne in
Ansehung der eingebrachten Capitalien seiner Frau beygelegt sind.
§. 292. Nur unter denjenigen Umständen, unter welchen ein
solches Capital von dem Ehemanne, auch ohne den Willen der Frau, eingezogen
werden kann, ist der Nießbraucher des Erbschatzes zu dessen Einziehung
berechtigt.
§. 293. War aber der Erbschatz nach §. 282. sqq. gerichtlich
versichert: so muß auch die Einziehung gerichtlich geschehen, und die dafür
anderweit zu bestellende Sicherheit gerichtlich regulirt werden.
§. 294. So lange der Besteller noch am Leben ist, kann
derselbe, mit Zuziehung der Eheleute, die Eigenschaft des Erbschatzes wieder
aufheben, und demselben die Eigenschaft des eingebrachten oder vorbehaltenen
Vermögens beylegen.
§. 295. Ein gänzlicher Widerruf des Erbschatzes aber kann
nur vom den Gläubigern des Bestellers, und nur unter eben den Umständen
erfolgen, unter welchen eine Schenkung Schulden halber widerrufen werden kann. (Th.
I. Tit. XI. §. 1129.
sqq.)
§. 296. Ist die zum Erbschatze ausgesetzte Summe dem
Ehemanne ohne besondere Sicherheit anvertrauet worden: so kann er zur Bestellung
einer solchen Sicherheit nur in dem Falle, wo er dergleichen für das
Eingebrachte zu leisten verpflichtet ist, angehalten werden.
§. 297. Doch gilt, wegen Eintragung eines solchen
Erbschatzes auf die Grundstücke des Ehemannes, eben das, was wegen der
Eintragung des Eingebrachten verordnet ist. (§. 254. 255.)
§. 298. Nach dem Tode des Bestellers kann die Substanz des
Erbschatzes, auch mit Einwilligung beyder Eheleute, nicht veräußert,
verpfändet, oder sonst geschmälert werden.
§. 299. Doch können die Eheleute, wenn sie unter einander
einig sind, die Hälfte des Erbschatzes zur Ausstattung der Kinder verwenden.
§. 300. Wenn aus der Ehe, für
welche der Erbschatz bestellt worden, keine Kinder vorhanden, auch nach dem
Laufe der Natur, wegen hohen Alters beyder Eheleute, keine mehr zu erwarten
sind: so kann der Erbschatz mit ihrer gemeinschaftlichen Bewilligung,
aufgehoben werden.
§. 301. In allen Fällen, wo nach dem Abgange des Bestellers
eine Veränderung mit dem Erbschatze vorgenommen werden soll, muß der Richter
die alsdann vorhandenen großjährigen Kinder, oder einen den Minderjährigen zu
bestellenden Curator zuziehn.
§. 302. Ist die Substanz des Erbschatzes keinem der beyden
Eheleute in die Hände gegeben, sondern bey einem Dritten auf ein Grundstück
oder Capital angewiesen worden: so kann derselbe, bey einem über das Vermögen
Eines oder beyder Eheleute entstehenden Concurse nicht zur Masse gezogen
werden.
§. 303. Hat aber der Gemeinschuldner den Erbschatz in Händen
gehabt: so gebührt demselben, wenn nicht eine bessere Sicherheit ausdrücklich
bestellt ist, eben das Vorrecht, welches die Gesetze dem Eingebrachten
beylegen.
§. 304. Reicht die Masse zur Bezahlung des Eingebrachten und
des Erbschatzes zugleich nicht hin; so wird der Ueberrest unter beyden, nach
Verhältnis ihres Betrages, vertheilt.
§. 305. Sogleich als über das Vermögen des Verwalters und
Nießbrauchers eines Erbschatzes Concurs entsteht, und der Richter von dem
Daseyn einer solchen Stiftung Nachricht erhält, muß er von Amtswegen dafür
sorgen, daß dem Erbschatze ein Curator bestellt werde.
§. 306. Dieser Curator überkommt sodann die Verwaltung des
Erbschatzes.
§. 307. Die Einkünfte aber müssen nach der Verordnung des
Bestellers, und in deren Ermangelung, nach den Vorschriften der Gesetze, zur
Tragung der Lasten des Ehestandes, besonders zum Unterhalte und zur Erziehung
der Kinder, verwendet werden.
§. 308. Bleibt sodann von den Einkünften noch etwas übrig:
so gehört es den Gläubigern des in Concurs verfallenen Nießbrauchers.
§. 309. Auch an die Substanz können diese Gläubiger sich
halten, sobald dieselbe in der Folge dem Gemeinschuld der als freyes Eigenthum
anheim fällt.
Von Schenkungen unter Eheleuten.
§. 310, Geschenke unter Eheleuten sind, wie unter Fremden,
gültig.
§. 311. Auch der Widerruf ist nur unter solchen Umständen
zuläßig, unter welchen auch ein fremder Geschenkgeber dazu berechtigt seyn
würde.
§. 312. Doch können Schenkungen eines in Concurs verfallenen
Ehegatten, die auf einer bloßen Freygebigkeit beruhen, ohne Unterschied der Zeit,
wann sie gemacht worden, von den Gläubigem desselben widerrufen werden.
§. 313. Erhellet aber, daß die Schenkung zu einer Zeit
geschehen, wo der schenkende Ehegatte noch nicht über sein Vermögen verschuldet
war: so findet der Widerruf nur in so fern statt, als die geschenkte Sache noch
in dem Vermögen des beschenkten Ehegatte vorhanden ist; oder dieser im Besitze
eines durch die Schenkung erlangten Vortheils sich noch wirklich befindet.
§. 314. Was der Mann der Frau zum standesmäßigen Unterhalte,
an Kleidern, oder andern Sachen gegeben hat, wird ein freyes Eigenthum
derselben.
§. 315. Dergleichen Zuwendungen können auch von den
Gläubigern des Mannes, unter dem Vorwande einer Schenkung, nicht widerrufen
werden.
§. 316. Bey demjenigen hingegen, was die Frau an Juwelen,
Gold, Silber, oder sonst zur Pracht, von dem Manne erhalten hat, gilt bey einer
erfolgenden Absonderung des Vermögens die Vermuthung, daß ihr solches nur
geliehen worden.
§. 317. Kann die Schenkung erwiesen werden: so gilt auch von
solchen Effekten alles das, was von Schenkungen unter Eheleuten überhaupt
verordnet ist.
Von den Schulden der Eheleute.
§. 318. Das vorbehaltene Vermögen kann die Frau, auch ohne
die Bewilligung des Mannes, mit Schulden belasten.
§. 319. Doch muß der, welcher einer Ehefrau auf ihr
vorbehaltenes Vermögen Credit giebt, wenn er seine Befriedigung während der Ehe
fordern will, dasselbe durch Eintragung in das Hypothekenbuch, oder durch
Uebergabe des Obligationsinstruments, oder der beweglichen Sache, sich
besonders versichern lassen.
§. 320. In Ansehung des eingebrachten Vermögens sind alle
von der Frau, während der Ehe, ohne Bewilligung des Mannes, gemachten Schulden
nichtig.
§. 321. Hat jedoch die Frau zu gewöhnlichen
Haushaltungsgeschäften oder Nothdurften, Waaren oder Sachen auf Borg genommen;
so muß der Mann, dergleichen Schuld als die seinige anerkennen.
§. 322. Hat eine Frau dergleichen Schulden gemacht, ob ihr
gleich von dem Manne das nöthige Geld zur Besorgung der Wirthschaft
eingehändigt worden: so ist der Mann berechtigt, aus ihrem vorbehaltenen, und
in dessen Ermangelung, aus der Substanz des eingebrachten Vermögens, Ersatz zu
fordern.
§. 323. Kann oder will er dieses nicht: so steht ihm frey,
zur Verhütung künftiger Schulden dieser Art, richterliche Hülfe durch
öffentliche Bekanntmachung, nachzusuchen.
§. 324. Hat die Frau Sachen oder Gelder erborgt, und zum
gemeinschaftlichen Besten beyder Eheleute nützlich verwendet: so wird dadurch
die Schuld verbindlich. (§. 321. 322.)
§. 325. Hat eine Frau, welcher von dem Manne ein Theil
seines Gewerbes übertragen worden, während seiner Abwesenheit, zum Betriebe
desselben Schulden gemacht: so sind dieselben gültig; wenn gleich weder die
Verwendung geschehen, noch der gehoffte Nutzen daraus erfolgt ist.
§. 326. Hat der Mann sich entfernt, ohne wegen des
Unterhalts seiner Familie, oder des Betriebes seines Gewerbes, hinreichende
Verfügungen zu treffen: so muß er diejenigen Schulden, welche die Frau zu
solchem Behufe hat aufnehmen müssen, als die seinigen anerkennen.
§. 327. Ein Gleiches findet statt, wenn der Mann durch eine
anhaltende Krankheit völlig außer Stand gesetzt wird, wegen Unterhaltung der
Hauswirthschaft, oder zum Betriebe seines Gewerbes, die nöthigen Verfügungen zu
treffen.
§. 328. In vorstehend benannten Fällen, (§. 321- 327.) ist
der Gläubiger, wegen der von der Frau gemachten Schuld, sich an den Mann zu
halten wohl befugt.
§. 329. Auch wegen einer solchen Schuld der Frau, in welche
der Mann nur eingewilligt hat, wird seine Person und Vermögen dem Gläubiger
verhaftet.
§. 330. Ausgenommen ist der Fall, wenn der Mann, bey
Ertheilung seines Consenses, sich gegen die Selbsthaftung ausdrücklich verwahrt
hat.
§. 331. Alsdann aber muß der Mann, vermöge seiner
Einwilligung, geschehen lassen, daß der Gläubiger seine Befriedigung gegen die
Frau, allenfalls auch durch persönlichen Arrest derselben nachsuche.
§. 332. Hat der Gläubiger, wegen der von der Frau gemachten
Schuld, sich ein Unterpfandsrecht in dem Vermögen der Frau bestellen lassen: so
ist ihm, der von dem Manne ertheilten Einwilligung ungeachtet, doch nur das
Vermögen der Frau verhaftet.
§. 333. In allen Fällen, wo der Mann, bloß wegen seiner
ertheilten Einwilligung, eine Schuld der Frau bezahlen muß, findet die
Verordnung des §. 322. Anwendung.
§. 334. Ist eine Schuld der Frau, wegen ermangelnder
Einwilligung des Mannes, ganz ungültig: so kann der Gläubiger nur dasjenige
zurückfordern, was von den gegebenen Sachen oder Geldern erweislich noch
vorhanden, oder nützlich verwendet ist. (Th. I.
Tit. XIII. Sect. III.)
§. 335. Die Schulden einer Frau, die für sich ein eignes
Gewerbe treibt, welches seiner Beschaffenheit nach Credit und Verlag erfordert,
bedürfen in keinem Falle einer Genehmigung des Mannes.
§. 336. Vielmehr können die Gläubiger einer solchen Ehefrau
die Execution in ihr bereitetes Vermögen, so wie gegen ihre Person, nachsuchen.
§. 337. Auch der Mann ist ihnen verhaftet, wenn die Frau die
Einkünfte eines solchen besondern Gewerbes sich nicht ausdrücklich vorbehalten
hat.
§. 338. Hat die Frau vor der Heirath Schulden gehabt: so
sind die Gläubiger, sich deshalb an ihre Person und Vermögen ohne Einschränkung
zu halten, wohl befugt.
§. 339. Wird durch solche Schulden, welche die Frau dem
Manne verschwiegen hatte, deren Eingebrachtes vermindert: so kann er den Ersatz
dieses Abgangs aus dem vorbehaltenen Vermögen fordern.
§. 340. Ein Gleiches findet statt, wenn die Frau dem Manne
wissentlich fremde Sachen als ihre eignen eingebracht hat, und dieselben
demnächst, während der Ehe, wieder herausgegeben werden müssen.
Von Bürgschaften der Ehefrauen.
§. 341. Alles, was die Gesetze bey den Bürgschaften einer
Frauensperson überhaupt erfordern, muß auch bey den Verbürgungen einer Ehefrau
beobachtet werden. (Th. I. Tit. XIV. §. 221. sqq.)
§. 342. Soll für die zum Besten eines Fremden geleistete
Bürgschaft auch das Eingebrachte der Ehefrau haften: so ist dazu die
Einwilligung des Mannes nothwendig.
§. 343. In allen Fällen, wo die Frau, während der Ehe,
Bürgschaft für den Mann leisten, seine Schulden übernehmen, oder zum Besten
seiner Gläubiger sich ihrer Vorrechte begeben will, muß die Handlung nicht nur
gerichtlich, sondern auch mit Zuziehung eines ihr bestellten rechtskundigen
Beystandes erfolgen.
§. 344. Auch muß ihr in allen dergleichen Fällen die
vorgeschriebene Verwarnung geschehen, wenn sie gleich bey einer
unverheiratheten Frauensperson nicht erforderlich wäre.
Sechster Abschnitt
Von der Gemeinschaft der Güter
unter Eheleuten
Wie die
Gütergemeinschaft entstehe.
§. 345. Die Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten findet
nur da statt, wo sie durch Provinzialgesetze oder Statuten eingeführt ist.
§. 346. Die bloße statutarische Gütergemeinschaft erstreckt
sich nicht auf Eheleute, die zwar an dem Orte leben, aber vermöge ihres Standes,
von der Gerichtsbarkeit der ordentlichen Obrigkeit des Orts ausgenommen sind.
§. 347. Ist jemand einer doppelten persönlichen
Gerichtsbarkeit unterworfen; und in Einer derselben findet Gütergemeinschaft
statt, in der andern aber nicht: so ist anzunehmen, daß unter diesen Eheleuten
keine Gütergemeinschaft entstanden sey.
§. 348. Gilt unter der einen Gerichtsbarkeit die
Gemeinschaft aller Güter, unter der andern aber nur die Gemeinschaft des
Erwerbes: so findet nur die letztere statt.
§. 349. Sind bey einer in beyderley Gerichtsbarkeiten
geltenden Gemeinschaft von gleicher Art, nur verschiedene Bestimmungen
vorgeschrieben: so gelten diejenigen, welche mit den Vorschriften des
gegenwärtigen Abschnitts am meisten übereinkommen.
§. 350. Durch Provinzialgesetze und Statuten wird die
Gemeinschaft der Güter nur alsdann begründet, wenn an dem Orte, wo die
Eheleute, nach vollzogener Heirath, ihren ersten Wohnsitz nehmen, dergleichen
Gesetze vorhanden sind.
§. 351. Die Veränderung dieses ersten Wohnsitzes verändert
in der Regel nichts an den Rechten, welchen sich die Eheleute vorher
unterworfen haben.
§. 352. Haben jedoch Eheleute ihren Wohnsitz von einem Orte,
wo keine Gütergemeinschaft obwaltet, an einen andern Ort, wo dieselbe statt
findet, verlegt: so müssen alle von ihnen an diesem letztern Orte vorgenommenen
Handlungen, in Beziehung auf einen Dritten, nach den Regeln der
Gütergemeinschaft beurtheilt werden.
§. 353. Was von Veränderungen des Wohnsitzes der Eheleute
vorstehend verordnet ist, gilt auch von andern Veränderungen des
Gerichtsstandes, welchem die Eheleute zur Zeit der geschlossenen Heirath
unterworfen waren.
§. 354. An Orten, wo die Gütergemeinschaft nicht aus
Provinzialgesetzen oder Statuten statt findet, kann sie durch einen Vertrag nur
vor Vollziehung der Heirath eingeführt werden.
§. 355. Wenn jedoch Eheleute ihren Wohnsitz von einem Orte,
wo keine Gütergemeinschaft obwaltet, an einen andern, wo dieselbe statt findet,
verlegt haben: können sie sich derselben, auch in Ansehung der Erbfolge, durch
einen Vertrag unterwerfen. (§. 352.)
§. 356. Jeder Vertrag, wodurch eine Gütergemeinschaft
entstehen soll, muß gerichtlich vollzogen werden.
§. 357. Dabey ist in der Regel die Zuziehung des Vaters der
Ehefrau erforderlich.
§. 358. In dessen Ermangelung muß der Frau ein
rechtskundiger Beystand zugeordnet werden.
§. 359. Ist es, nach der Fassung eines solchen Vertrages,
zweifelhaft, ob dadurch eine Gemeinschaft aller Güter, oder nur des Erwerbes,
hat eingeführt werden sollen: so wird letzteres vermuthet.
I. Rechte bey der Gemeinschaft aller Güter.
§. 360. Wo Verträge, Statuten, oder Provinzialgesetze nicht
ein Anderes ausdrücklich verordnen, da finden, wegen der Gütergemeinschaft, und
deren rechtlichen Folgen, nachstehende allgemeine Vorschriften Anwendung.
§. 361. Die Gemeinschaft der Güter nimmt unmittelbar nach
vollzogener Trauung ihren Anfang.
§. 362. Wird sie erst während der Ehe durch einen Vertrag
eingeführt: so entsteht sie vom Tage der gerichtlich abgegebenen Erklärung.
§. 363. Die Gemeinschaft der Güter erstreckt sich über
alles, was der freyen Veräußerung eines jeden der beyden Ehegatten unterworfen
ist.
§. 364. Doch sind die nothwendigen Kleidungsstücke der Frau
davon ausgenommen.
§. 365. Besitzt einer der Ehegatten Grundstücke unter einer
andern Gerichtsbarkeit, wo sonst keine Gütergemeinschaft statt findet: so muß
das, nach den Gesetzen des Wohnorts, dem andern Ehegatten angefallene
Miteigenthum, im Hypothekenbuche vermerkt werden.
§. 366. Ein Gleiches muß in Ansehung aller Grundstücke
geschehen, wenn die Gemeinschaft bloß durch einen Vertrag eingeführt wird.
§. 367. Ist die Eintragung unterblieben: so kann die
Gütergemeinschaft dem Dritten, welcher sich auf Verträge und andere
Verhandlungen über solche Grundstücke nach den Regeln des gemeinen Rechts
eingelassen hat, nicht nachtheilig werden.
§. 368. Sind dergleichen unbewegliche Sachen außerhalb
Landes gelegen: so muß die Verlautbarung bey den dortigen Gerichten, und nach
den Gesetzen des Orts geschehen.
§. 369. Ist nach den Gesetzen des persönlichen
Gerichtsstandes der Eheleute, keine Gütergemeinschaft unter ihnen vorhanden: so
gilt sie auch nicht in Ansehung auswärtiger Grundstücke; wenn gleich sonst an
dem Orte, wo diese Grundstücke liegen, die Gemeinschaft der Güter obwaltet.
§. 370. Auch von solchen Grundstücken, die an sich der
Gemeinschaft nicht unterworfen sind (§. 363.), gehören die Nutzungen in der
Regel zum gemeinschaftlichen Vermögen.
§. 371. Der Erwerb beyder Ehegatten wächst dem gemeinschaftlichen
Vermögen zu.
§. 372. Was während der Ehe durch Glücksfälle, Geschenke,
Erbschaften oder Vermächtnisse, einem der Ehegatten zufällt, und seiner Natur
nach der Gemeinschaft fähig ist (§. 363.), wird gemeinschaftlich.
§. 373. Doch kann derjenige, welcher einem der Ehegatten ein
Grundstück oder ausstehendes Capital solchergestalt zuwendet, das Miteigenthum
des andern Ehegatten durch eine ausdrückliche Erklärung ausschließen.
§. 374. Er muß aber alsdann dafür sorgen, daß die
Ausschließung in dem Hypothekenbuche des Grundstücks vermerkt, oder dem
Schuldner des Capitals gerichtlich bekannt gemacht werde.
§. 375. Ist die Zuwendung in einer letzten Willensverordnung
geschehen: so muß der Richter, welcher diese Verordnung publicirt, der Ehefrau,
so weit dieselbe dabey ein Interesse hat, zur Besorgung der Eintragung oder
Bekanntmachung, einen Curator bestellen.
§. 376. Ist die Eintragung oder Bekanntmachung unterblieben:
so gilt die Ausschließung der Communion zwar unter den Eheleuten, aber nicht in
Ansehung eines Dritten.
§. 377. Dem Ehemanne gebührt die Verwaltung des
gemeinschaftlichen Vermögens.
§. 378. Doch kann er Grundstücke und Gerechtigkeiten nicht
ohne Einwilligung der Frau verpfänden oder veräußern.
§. 379. Capitalien, die auf den Namen der Frau ihres
Erblassers oder Geschenkgebers, oder auf den Namen beyder Eheleute geschrieben
sind, kann er ohne Bewilligung der Frau nicht aufkündigen oder einziehn.
§. 380. Außerdem gelten alle von dem Manne, in Ansehung des
gemeinschaftlichen Vermögens, auch einseitig getroffenen Verfügungen: und dies
Vermögen haftet für alle während der Ehe von ihm gemachten Schulden.
§. 381. Auch Schenkungen des Mannes aus dem
gemeinschaftlichen Vermögen, kann die Frau der Regel nach nur in so weit
anfechten, als ihr, wenn sie die Schenkung selbst gemacht hätte, der Widerruf
nach den Gesetzen verstattet seyn würde.
§. 382. In so fern aber der Mann durch Schenkungen, die aus
bloßer Freygebigkeit herrühren, das gemeinschaftliche Vermögen, ohne
Einwilligung der Frau, dergestalt erschöpft hätte, daß nach getrennter Ehe die
Frau nicht so viel, als sie in die Gemeinschaft gebracht hat, zurückerhalten
könnte: so ist die Frau berechtigt, dergleichen Schenkungen in so weit zu
widerrufen, als es zur Ergänzung des Fehlenden nothwendig ist.
§. 383. Einseitige Schenkungen des Mannes, welche die Frau
nach vorstehenden Grundsätzen hätte widerrufen können, werden, wenn kein
Widerruf erfolgt, bey der Auseinandersetzung unter den Eheleuten, auf den
Antheil des Mannes gerechnet.
§. 384. Geldstrafen, in welche der Mann verurtheilt wird,
ingleichen die ihm zur Last fallenden Kosten einer gegen ihn verhängten
Untersuchung, können aus dem gemeinschaftlichen Vermögen beygetrieben werden.
§. 385. Doch müssen dergleichen Geldstrafen, so wie die
Inquisitionskosten, bey erfolgender Aufhebung der Gemeinschaft, auf den Antheil
des Mannes angerechnet werden.
§. 386. Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche die Frau in
die Gemeinschaft gebracht hat, können wegen einseitiger Schulden des Mannes,
die derselbe, bei erfolgender Auseinandersetzung, auf seinen Antheil sich
anrechnen lassen müßte, nur alsdann angegriffen werden, wenn das übrige
gemeinschaftliche Vermögen zu deren Bezahlung nicht hinreicht.
§. 387. Hat die Frau gegen eine vorhabende Verfügung des
Mannes demjenigen, mit welchem sie vollzogen werden soll, ihren Widerspruch
ausdrücklich geäußert: so muß die Ergänzung ihrer Einwilligung durch den
Richter abgewartet werden.
§. 388. In allen Fällen, wo die Frau ihre Einwilligung
versagt, kann selbige von dem vormundschaftlichen Gerichte ergänzt werden; wenn
sich nach vorhergegangener Untersuchung findet, daß die Verfügung des Mannes
nach den Umständen nothwendig, oder dem Interesse der Frau unnachtheilig sey.
§. 389. Schulden einer in der Gütergemeinschaft lebenden
Frau sind nur in den §. 321. 324. bis 327. bestimmten Fällen gültig, und in
Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens verbindlich.
§. 390. Doch gilt wegen der Geldstrafen, in welche die Frau
verurtheilt worden, und wegen der Kosten einer gegen sie verhängten
Untersuchung, eben das, was in Ansehung des Mannes §. 385. verordnet ist.
§. 391. Auch solche Schulden beyder Ehegatten, welche schon
vor vollzogener Heirath gemacht worden, werden der Regel nach dergestalt
gemeinschaftlich, daß die Gläubiger sich deswegen an das gemeinschaftliche
Vermögen halten, können.
§. 392. Hat jedoch ein Ehegatte mehr Schulden als Vermögen
in die Gemeinschaft gebracht: so kann der andere innerhalb Zweyer Jahre, nach
vollzogener Ehe, auf die Absonderung des Vermögens antragen.
§. 393. Alsdann können die Gläubiger, deren Forderungen vor
der Heirath entstanden sind, nur an das abgesonderte Vermögen ihres
eigentlichen Schuldners sich halten.
§. 394. Den während der Ehe gemachten Schulden hingegen
bleibt auch in diesem Falle das gemeinschaftliche Vermögen verhaftet.
§. 395. Ist die zweyjährige Frist verstrichen: so kann
selbst dem verschuldeten Ehegatten, oder dessen Erben, bey der
Auseinandersetzung, wegen der vor der Ehe gemachten Schulden nichts angerechnet
werden.
II. Gemeinschaft des Erwerbes.
§. 396. Ist in den Verträgen, Provinzialgesetzen, oder
Statuten, nur eine Gemeinschaft des Erwerbes festgesetzt: so erstreckt sich
diese der Regel nach auf den gesammten Erwerb beyder Eheleute.
§. 397. Gleich bey dem Eintritt in diese Gemeinschaft soll
über das Vermögen eines jeden der Ehegatten ein Verzeichniß aufgenommen werden.
§. 398. In diesem Verzeichnisse sind sowohl bewegliche als
unbewegliche Sachen, zum Behufe einer künftigen Auseinandersetzung, zu einem
gewissen Werthe anzuschlagen.
§. 399. Das Verzeichniß soll gerichtlich beglaubigt, oder
doch von beiden Eheleuten, mit Zuziehung eines rechtskundigen Beystandes von
Seiten der Frau, unterschrieben werden.
§. 400. Von allem, was in diesem Verzeichnisse nicht
angegeben, und doch wirklich vorhanden ist, wird vermuthet, daß es zum Erwerbe
gehöre.
§. 401. Ist kein Verzeichniß aufgenommen worden: so gilt
diese Vermuthung von allem, was bey der Auseinandersetzung vorhanden ist.
§. 402. Erbschaften und Vermächtnisse, welche einem der
Ehegatten zufallen, gehören nicht zu der Gemeinschaft des Erwerbes.
§. 403. Ein Gleiches gilt von Geschenken, die auf einer
bloßen Freygebigkeit beruhen.
§. 404. Alle andre Glücksfälle, die sich nach eingegangener
Gemeinschaft ereignen, gehören ohne Ausnahme zum Erwerbe.
§. 405. Auch werden von allen Stücken, die an sich zur
Gemeinschaft nicht gehören, die Nutzungen dennoch zum gemeinschaftlichen
Erwerbe gezogen.
§. 406. Durch die Gemeinschaft des Erwerbes wird kein
Ehegatte zur Bezahlung der besondern Schulden des andern aus der Substanz
seines Vermögens verpflichtet.
§. 407. Der gemeinschaftliche Erwerb hingegen kann von den
Gläubigern des Mannes, ohne Unterschied, ob die Schulden vor oder nach der
Heirath entstanden sind, angegriffen werden.
§. 408. Auch die Gläubiger der Frau können an den Erwerb
sich halten, wenn ihre Forderungen nach §. 389. gültig, oder noch vor der
Heirath entstanden sind.
§. 409. Wird durch die besondern Gläubiger des einen
Ehegatten der gemeinschaftliche Erwerb geschwächt: so kann der andere Ersatz
aus dem eigenthümlichen Vermögen des erstern fordern.
§. 410. Hat der verschuldete Ehegatte kein eigenthümliches
Vermögen in die Ehe gebracht: so kann der andre, binnen Zwei Jahren nach
eingegangener Gemeinschaft, auf die Absonderung des Erwerbes, jedoch nur in
Ansehung der Zukunft, antragen.
§. 411. Außer vorstehenden Bestimmungen (§. 402-410.) gilt,
wegen der Rechte und Pflichten der Eheleute bey einer Gemeinschaft des
Erwerbes, eben das, was wegen der Gemeinschaft der Güter überhaupt §. 377-388.
verordnet ist.
Ausschließung und Aufhebung der Gemeinschaft.
§. 412. Die Gemeinschaft der, Güter, oder des Erwerbes, kann
durch Vertrage vor der Heirath ausgeschlossen werden.
§. 413. Während der Ehe hingegen findet die Aufhebung einer
solchen auf Provinzialgesetze oder Statuten sich gründenden Gemeinschaft, auch
mit Bewilligung beyder Eheleute, in der Regel nicht statt.
§. 414. Selbst Minderjährige können eine solche
Gemeinschaft, in so fern dieselbe durch ihre Verheirathung einmal entstanden
ist, nach erlangter Volljährigkeit nicht widerrufen.
§. 415. In wie fern aber die Entstehung der Communion bey
der Verheirathung minderjähriger Pflegebefohlnen weiblichen Geschlechts
ausgesetzt bleibe, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XVIII. Abscnn. VIII.)
§. 416. Wenn Eheleute ihren ersten Wohnsitz, wo keine
Gütergemeinschaft war, an einen andern, wo dieselbe statt findet, verlegen: so
können sie die nach §. 352. daraus entstehenden Folgen durch einen Vertrag
ausschließen.
§. 417. Geschieht die Verlegung des Wohnsitzes, in stehender
Ehe, von einem Orte, wo Gemeinschaft der Güter oder des Erwerbes obwaltet, an
einen andern, wo sie nicht statt findet: so kann die unter den Eheleuten
entstandene Gemeinschaft durch einen Vertrag wieder aufgehoben werden.
§. 418. Ueberhaupt stehet es den Eheleuten zu allen Zeiten
frey, die Folgen der Gemeinschaft, so weit sich dieselben nur auf ihre künftige
Succession erstrecken, durch Verträge aufzuheben oder abzuändern.
§. 419. Eine bloß durch Vertrag entstandene Gemeinschaft
kann zu allen Zeiten auch durch Vertrag wieder aufgehoben werden.
§. 420. Auf den einseitigen Antrag des einen Ehegatten kann
die Aufhebung der Gemeinschaft in dem Falle des §. 392. 410. erfolgen.
§. 421. Ferner alsdann, wenn der eine Ehegatte in Concurs
versunken ist, und der andre von der Gemeinschaft für die Zukunft wieder
abgehen will.
§. 422. In allen Fällen, da die
Gemeinschaft der Güter oder des Erwerbes ausgeschlossen, oder aufgehoben werden
soll, muß dieses gerichtlich verlautbart, und in den Zeitungen oder
Intelligenzblättern der Provinz, zu dreyenmalen innerhalb Vier Wochen, bekannt
gemacht werden.
§. 423. Bey Kaufleuten in Handelsstädten muß außerdem die
Bekanntmachung auf der Börse, oder durch die Kaufmannsältesten; und bey
Zunftgenossen durch die Vorsteher der Zunft geschehen.
§. 424. Auch muß die geschehene Ausschließung oder Aufhebung
der Gemeinschaft bey allen Grundstücken, welche sonst der Gemeinschaft
unterworfen seyn würden, im Hypothekenbuche vermerkt werden.
§. 425. In dem Falle des §. 417. muß die Bekanntmachung an
dem Orte des vorigen Wohnsitzes geschehen.
§. 426. Wenn Eheleute, welche die an dem Orte ihres ersten
Wohnsitzes obwaltende Gemeinschaft durch einen Vertrag ausgeschlossen haben, an
einen andern Ort ziehen, wo dergleichen Gemeinschaft ebenfalls statt findet: so
muß die Bekanntmachung des ausschließenden Vertrages daselbst wiederholt
werden.
§. 427. Die Aufhebung der während der Ehe einmal
entstandenen Gemeinschaft äußert ihre Wirkungen, in Ansehung der Eheleute
selbst, vom Tage der gerichtlichen Erklärung.
§. 428. In Ansehung eines Dritten aber, welcher einer
frühern Wissenschaft nicht überführt werden kann, äußern sich diese Wirkungen
erst nach Ablauf des zur Bekanntmachung bestimmten vierwochentlichen Zeitraums.
§. 429. Ist die §. 423. vorgeschriebene Art der
Bekanntmachung unterblieben: so kann die geschehene Ausschließung oder
Aufhebung denjenigen, welchen sie auf diese Art hätte bekannt gemacht werden
sollen, nicht entgegen gesetzt werden.
§. 430. Ist der §. 424. vorgeschriebene Vermerk in den
Hypothekenbüchern unterblieben: so kann die Aufhebung der Gemeinschaft, in
Geschäften, welche dergleichen Grundstücke betreffen, einem Dritten nicht
nachtheilig seyn.
§. 431. Ueberhaupt bleiben, auch nach Aufhebung der
Gemeinschaft, den Gläubigern, deren Forderungen während derselben entstanden
sind, ihre Rechte an das gemeinschaftlich gewesene Vermögen ungeändert
vorbehalten.
§. 432. In allen übrigen Stücken aber werden die Rechte und
Pflichten der Eheleute, sowohl unter sich, als gegen Andre, so beurtheilt, als
ob gar keine Gemeinschaft unter ihnen entstanden wäre.
§. 433. Wie alsdann bey der
Auseinandersetzung und Absonderung des Vermögens zu verfahren sey, ist im
folgenden Abschnitte bestimmt.
Siebenter Abschnitt
Von Trennung der Ehe durch den Tod
Begraben.
§. 434. Wird die Ehe durch den Tod getrennt: so muß der
überlebende Ehegatte den verstorbenen anständig begraben lassen.
§. 435. Können die Begräbnißkosten aus dem Nachlasse nicht
bestritten werden: so ist der Ueberlebende zu deren Bezahlung so weit, als sein
Vermögen hinreicht, verbunden.
Trauer.
§. 436. Die Wittwe mag ein ganzes, der Wittwer aber ein
halbes Jahr, um den verstorbenen Ehegatten trauern.
§. 437. Erfolgt innerhalb der Trauerzeit eine anderweitige
gültige Verheirathung: so wird dadurch die Trauer geendigt.
Erbfolge.
§. 438. Die Rechte des überlebenden Ehegatten auf das
Vermögen des Verstorbenen, müssen zuvörderst nach den obwaltenden Verträgen; in
deren Ermangelung nach gültig errichteten letztwilligen Verordnungen; wenn aber
beyde nicht vorhanden sind, nach den Gesetzen, bestimmt werden.
I. Aus Verträgen.
§. 439. Erbverträge können Eheleute sowohl vor als nach der
Verheirathung schließen.
§. 440. Was von Erbverträgen überhaupt, und von Verträgen
unter Verlobten oder Eheleuten insonderheit verordnet ist, findet auch bey
solchen Erbverträgen Anwendung. (Th. I. Tit. XII. Abschn. II.)
§. 441. Doch ist die gerichtliche Aufnehmung eines
Erbvertrages unter Eheleuten nur alsdann nothwendig, wenn die Frau dadurch an
den nach den Gesetzen ihr zukommenden Rechten etwas verlieren soll.
§. 442. Wenn Erbverträge unter Eheleuten durch gegenseitige
Bewilligung wieder aufgehoben werden sollen: so muß diese Einwilligung, sobald
dabey die Frau im Verhältnisse gegen die in dem Vertrage ihr zugesicherten
Rechte etwas verlieren soll, gerichtlich erklärt werden.
§. 443. So lange dergleichen gerichtliche Erklärung nicht
erfolgt ist, besteht ein solcher Erbvertrag, wenn gleich aus der Ehe Kinder
erzeugt worden, die aber vor den Aeltern wieder verstorben sind.
§. 444. Sind aber bey dem Tode des einen Ehegatten Kinder
oder weitere Abkömmlinge aus dieser Ehe vorhanden, und ist ihrentwegen in dem
Erbvertrage nichts bestimmt: so finden eben die Vorschriften statt, wie in dem
Falle, wenn in einem Testamente wegen nachgeborner Kinder nichts verordnet ist.
(Tit. II. Abschn. V.)
§. 445. Wenn es nach der Fassung des Erbvertrages
zweifelhaft ist: ob der überlebende Ehegatte durch die darin ausgeworfene Summe
oder Sache abgefunden, oder ob ihm selbige nur voraus beschieden seyn solle: so
streitet die Vermuthung für ersteres.
§. 446. Wenn jedoch der Verstorbene Vermögen von
verschiedener Art, z. B. Lehn und freyes Vermögen, besessen hat, und im
Vertrage nur bestimmt ist, was der Ueberlebende aus der einen Art des Vermögens
haben solle: so bleiben ihm in der andern seine Successionsrechte vorbehalten.
§. 447. Wenn es nach der Fassung zweifelhaft ist: ob die
Eheleute einen Erbvertrag, oder nur ein wechselseitiges Testament haben
errichten wollen: so wird letzteres vermuthet.
§. 448. Ist aber die Erbfolge durch einen wirklichen Vertrag
bestimmt: so steht es nicht in der Macht des Ueberlebenden, von dem Vertrage
abzugehen, und die gesetzliche Erbportion zu wählen.
§. 449. Doch kann diese Wahl, in dem Vertrage selbst, dem
überlebenden Ehegatten vorbehalten werden.
§. 450. Auch ohne dergleichen Vorbehalt bleibt die Wahl dem
Ueberlebenden alsdann frey, wenn über den Nachlaß des Verstorbenen in dem
Vertrage ausdrücklich zum Besten einer gewissen bestimmten Person verordnet,
und diese Person zur Zeit des eintretenden Sterbefalles nicht mehr vorhanden
ist.
§. 451. So weit in dem Erbvertrage wegen des eigenthümlichen
Vermögens des überlebenden Ehegatten nichts bestimmt ist; so weit finden darauf
die bey der gesetzlichen Erbfolge vorgeschriebenen Grundsätze Anwendung.
Ehevermächtniß.
§. 452. Der Theil des Vermögens, welchen die Ehefrau dem
Manne auf den Todesfall durch Vertrag aussetzt, heißt das Ehevermächtniß.
§. 453. Während des Lebens beyder Eheleute hat der Mann, des
Ehevermächtnisses wegen, keine besondre Rechte in dem Vermögen der Frau.
§. 454. Ist dem Manne eine bestimmte Sache oder Summe zum
Ehevermächtnisse beschieden: so wird er, in Beziehung auf die Erben der Frau,
als Legatarius angesehen.
§. 455. Besteht aber das Ehevermächtniß aus einem nur in
Verhältniß gegen das Ganze bestimmten Theile (pars quota) des Nachlasses:
so hat der Mann die Rechte und Pflichten eines Miterben.
Gegenvermächtniß, Leibgedinge und Witthum.
§. 456. Was der Mann der Frau aus seinem Vermögen auf den
Todesfall eigenthümlich aussetzt, heißt das Gegenvermächtniß.
§. 457. Wird der Frau nur der Nießbrauch gewisser Güter oder
Capitalien angewiesen: so heißt es ein Leibgedinge.
§. 458. Eine jährliche Summe, die der Frau aus dem Nachlasse
des Mannes zu ihrem Unterhalte während des Wittwenstandes ausgesetzt worden,
wird Witthum genannt.
§. 459. Ist die Summe des Gegenvermächtnisses im Vertrage
nicht bestimmt; wohl aber die Absicht der Contrahenten, daß dasselbe mit dem
Eingebrachten in Verhältniß stehen solle, aus der Fassung und den Umständen
ersichtlich: so ist das Gegenvermächtniß auf die Hälfte des Eingebrachten
festzusetzen.
§. 460. Ist eine solche Rücksicht auf die Summe des
Eingebrachten aus dem Vertrage nicht zu entnehmen: so wird das Gegenvermächtniß
dem Ehevermächtnisse gleich gesetzt.
§. 461. Ist auch kein Ehevermächtniß bestimmt: so ist die
Aussetzung eines solchen ohne Bestimmung einer Summe angewiesenen
Gegenvermächtnisses ohne Wirkung; und die überlebende Ehefrau kann nur auf die
gesetzliche Erbfolge Anspruch machen.
§. 462. Ist die Summe des Witthums im Vertrage unbestimmt
geblieben: so muß der Richter dieselbe auf den, nach Verhältniß des Standes der
Frau, nothdürftigen Unterhalt, so weit die Nutzungen ihres eignen Vermögens
dazu nicht hinreichen, bestimmen.
§. 463. Kann die Frau sich diesen nothdürftigen Unterhalt
aus eignen Mitteln verschaffen: so ist sie dennoch, in dem §. 462. angegebenen
Falle, den vierten Theil der richterlich ausgemessenen Summe aus dem Nachlasse
des Mannes zu fordern berechtigt.
§. 464. Ist eine bestimmte Summe zum Witthume verschrieben,
und auf die Nutzungen eines Grundstücks, oder die Zinsen eines Capitals bloß
angewiesen: so muß, wenn diese Einkünfte oder Zinsen unzureichend sind, das
Fehlende aus dem übrigen Nachlasse des Mannes ergänzt werden.
§. 465. Die Frau hat, wegen der, auf den Todesfall des
Mannes, durch Verträge vor oder während der Ehe ihr ausgesetzten Vortheile, ein
gleiches Recht, Sicherheitsbestellung von dem Manne zu fordern, wie wegen ihres
Eingebrachten.
§. 466. Auch genießt sie, bey entstandenem
Zahlungs-Unvermögen des Mannes, die in der Concursordnung näher bestimmten
Vorrechte.
§. 467. So weit jedoch der Mann, zur Zeit der Einräumung
dieser Vortheile, erweislich schon über sein Vermögen verschuldet war, muß die
Frau damit allen andern Gläubigern nachstehen.
§. 468. Sind diese Vortheile auf einen nur im Verhältniß
gegen das Ganze bestimmten Theil der Verlassenschaft des Mannes (pars quota)
festgesetzt: so kann die Frau, bey entstandenem Zahlungs-Unvermögen des
Mannes, deshalb keinen Anspruch machen.
§. 469. Nach dem Tode des Mannes wird das Gegenvermächtniß
ein freyes und unwiderrufliches Eigenthum der Frau.
§. 470. Leibgedinge und Witthum aber fallen nach dem Tode
der Frau an die Erben, oder Lehns- oder Fideicommiß-Folger des Mannes zurück.
§. 471. Auch hören Leibgedinge und Witthum auf, wenn die
Frau sich wieder verheirathet.
§. 472. Das einer Frau zur Bedingung gesetzte Verbot, ihren
Wittwenstand zu ändern, wird nicht nur in Ansehung des Leibgedinges und
Witthums, sondern auch in Ansehung der von einem Dritten ihr unter dieser
Bedingung zugewendeten Vortheile, außer dem Falle einer wirklichen Heirath, nur
alsdann für übertreten geachtet, wenn dieselbe einer zum öffentlichen Aergerniß
geführten liederlichen Lebensart gerichtlich überwiesen worden.
§. 473. Das durch anderweitige Heirath einmal verlorne
Recht, lebt in dem darauf folgenden verwittweten Stande nicht wieder auf.
§. 474. Hat die Frau, gegen Erhaltung des Leibgedinges oder
Witthums, ihr Eingebrachtes ganz oder zum Theil in der Erbschaftsmasse des
Mannes zurücklassen müssen: so können ihr jene Vortheile auch aus den §. 471.
472. angegebenen Gründen nicht wieder entzogen werden.
§. 475. Ist der Frau die Wahl gelassen: ob sie ihr Vermögen
zurücknehmen, oder Witthum fordern wolle: so ist sie nicht schuldig, sich vor
Ablauf des Trauerjahres zu erklären.
§. 476. Hat sie aber alsdann einmal gewählt: so kann sie von
ihrer Erklärung nicht wieder abgehen.
§. 477. Was sie in der Zwischenzeit aus dem Nachlasse des
Mannes erhalten hat, das wird ihr, nach Maaßgabe ihrer Erklärung, auf ihr
Eingebrachtes, oder auf das Leibgedinge oder Witthum angerechnet.
§. 478. Ein Vertrag, wodurch Eheleute aus eignem Vermögen
einen Erbschatz bestellen, gilt nur als ein Erbvertrag.
§. 479. Es kann also dergleichen Bestellung, während des
Lebens beyder Eheleute mit ihrer gemeinschaftlichen Bewilligung, zu allen
Zeiten; und wenn sie von einem unter ihnen bloß durch einseitige Erklärung
geschehen ist, von dem Besteller auch einseitig widerrufen werden.
§. 480. Wenn aber einer der Ehegatten verstorben ist: so
finden wegen der Succession in den Erbschatz die Vorschriften §. 541. sqq.
Anwendung.
II. Aus letztwilligen Verordnungen.
§. 481. Sind keine Verträge, wodurch die Erbfolge bestimmt
wird, vorhanden: so dient die von dem verstorbenen Ehegatten hinterlassene
letzte Willensverordnung zur Richtschnur.
§. 482. Nur Eheleuten ist es erlaubt, wechselseitige
Testamente über ihren Nachlaß zu errichten. (Th. I.
Tit. XII. §. 614.
sqq.)
§. 483. Um Betrug und Ueberlistung zu vermeiden, sollen nur
solche Testamente als wechselseitig gelten, welche in Einem Instrumente
errichtet worden.
§. 484. Sind dergleichen Testamente von beyden Theilen
unterschrieben, und dem Gerichte übergeben worden: so kommt es nicht darauf an,
wer den Aufsatz selbst gefertigt habe.
§. 485. Dergleichen wechselseitige Testamente, in so fern
dieselben nicht etwa als ein wirklicher Vertrag errichtet, und mit der bey
Erbverträgen vorgeschriebenen Form versehen sind, werden schon durch den
Widerruf eines der Ehegatten vernichtet.
§. 486. Hat jedoch der andere Ehegatte weder seines Orts
ausdrücklich widerrufen, noch eine andre letztwillige Verordnung errichtet: so
bestehen diejenigen Vermächtnisse, welche er in dem wechselseitigen Testamente
andern als solchen Personen, die bloß mit dem Widerrufenden als Verwandte oder
besondre Freunde verbunden sind, ausgesetzt hat.
§. 487. Bloße Aenderungen und Zusätze bey Vermächtnissen,
und andern dergleichen Verfügungen wirken niemals die Vernichtung des
gegenseitigen Testaments.
§. 488. Sie sind aber ungültig, in so fern sie bloß
einseitig gemacht worden, und zum Nachtheile der überlebenden Ehegatten
abzielen.
§. 489. Wenn die Ehe unter den wechselseitig testirenden
Eheleuten durch Scheidung getrennt worden: so verliert das ganze wechselseitige
Testament von selbst seine Gültigkeit.
§. 490. Auch nach dem Tode des einen Ehegatten hat der
überlebende die Wahl: ob er die Erbschaft aus dem Testamente antreten, oder
ausschlagen wolle.
§. 491. Entsagt er der Erbschaft aus dem Testamente: so
finden die Vorschriften des Neunten Titels im Ersten Theile §. 398. sqq.
Anwendung.
§. 492. Nimmt er die Erbschaft aus dem Testamente an: so
kann er auch von seinen eignen Verordnungen nicht wieder abgehen; in so fern
aus der Fassung, oder aus den Umständen erhellet, daß der Erstverstorbene ihm
seinen Nachlaß, in Rücksicht auf diese Verfügungen, zugewendet habe.
§. 493. Dies wird hauptsächlich bey solchen Verordnungen des
überlebenden Ehegatten vermuthet, welche zum Besten der gemeinschaftlichen
Kinder, oder der Verwandten oder besondern Freunde des Erstverstorbenen
abzielen.
§. 494. Wechselseitige Testamente, worin beyde Theile sich
des Widerrufs ausdrücklich begeben haben, sind als Erbverträge anzusehen.
III. Aus Provinzialgesetzen oder Statuten.
§. 495. Haben die Eheleute die Erbfolge weder durch
Verträge, noch durch letzte Willensverordnungen bestimmt: so wird nach den
Statuten oder Provinzialgesetzen des letzten persönlichen Gerichtsstandes des
Verstorbenen verfahren.
§. 496. Haben die Eheleute während der Ehe ihren Wohnsitz
verändert: so hat der überlebende die Wahl: ob er nach den Gesetzen des letzten
persönlichen Gerichtsstandes des Verstorbenen, oder nach den Gesetzen
desjenigen Orts, wo die Eheleute zur Zeit der vollzogenen Heirath ihren ersten
Wohnsitz genommen haben, erben wolle.
§. 497. In zweifelhaften Fällen gilt die Vermuthung, daß der
dem überlebenden Ehegatten durch solche Gesetze bestimmte Erbtheil, demselben
durch Testamente nicht geschmälert oder gar genommen werden könne.
§. 498. Wenn also dem überlebenden Ehegatten in dem
Testamente des Erstverstorbenen weniger, als sein statutarischer Erbtheil
beträgt, ausgesetzt worden: so kann derselbe die Ergänzung des Fehlenden aus
dem übrigen Nachlasse fordern.
§. 499. Nur in so fern, als der überlebende Ehegatte sich
solche Handlungen, die eine Scheidung begründen würden, hat zu Schulden kommen
lassen, kann ihm sein statutarischer Erbtheil durch letztwillige Verordnungen
geschmälert, oder genommen werden.
IV. Nach gemeinen Rechten.
§. 500. Sind wegen der Erbfolge der Eheleute keine oder
nicht hinreichende Bestimmungen in den Provinzial-Gesetzbüchern oder Statuten
enthalten: so soll nach folgenden allgemeinen Vorschriften verfahren werden.
1) Absonderung der zum Nachlasse nicht gehörenden Stücke.
§. 501. Zuvörderst werden die in dem Nachlasse befindlichen
Lehne und Fideicommisse, nebst Zubehör, demjenigen verabfolgt, auf welchen sie
durch den Tod des letzten Besitzers gediehen sind.
2) der Gerade, Niftel und des Heergeräthes.
§. 502. Gleichergestalt nehmen diejenigen, welchen, nach
Provinzialgesetzen oder Statuten, Heergeräthe, Gerade, oder Niftel zukommen,
die dazu gehörenden Stücke.
§. 503. Heergeräthe verläßt nur eine Person männlichen
Geschlechts dem nächsten Anverwandten von männlicher Seite und männlichem
Geschlechte.
§. 504. Sind mehrere männliche Anverwandten in gleichem
Grade vorhanden: so hat derjenige, welcher in Kriegsdiensten des Staats sich
befindet, auf das Heergeräthe vorzüglichen Anspruch.
§. 505. Kann der Streit unter den mehrern gleich nahen
Verwandten nach diesem Bestimmungsgrunde nicht entschieden werden: so hat der
ältere, den Jahren nach, den Vorzug.
§. 506. Catholische Geistliche und protestantische Prediger,
die in einem wirklichen Kirchenamte stehen, nehmen und hinterlassen kein
Heergeräthe.
§. 507. Die Mitglieder geistlicher, auch catholischer
Ritter-Orden, die nicht selbst Priester sind, bleiben hiervon ausgenommen.
§. 508. Gerade nimmt die überlebende Frau aus dem Nachlasse
des Mannes.
§. 509. Niftel verläßt eine Frauensperson derjenigen Person
weiblichen Geschlechts, welche mit ihr durch Weiber am nächsten verwandt ist.
§. 510. Sind mehrere Verwandtinnen von gleichem Grade
vorhanden: so erhalten dieselben die Niftel zu gleichen Theilen.
§. 511. Eheliche Töchter schließen die unehelichen, so wie
diese alle weitere Verwandtinnen aus.
§. 512. Außer der absteigenden Linie begründet die
Verwandtschaft durch uneheliche Geburt keinen Anspruch auf die Niftel.
§. 513. Denenjenigen, welche ein Recht auf Heergeräthe,
Gerade und Niftel zukommt, kann dasselbe durch letztwillige Verordnungen nicht
entzogen werden.
§. 514. Wohl aber sind Verkäufe, Veräußerungen, und andre
Verfügungen unter Lebendigen, sowohl in Ansehung des Ganzen, als einzelner dazu
gehörender Stücke, gültig.
§. 515. Dergleichen Verfügungen können weder unter dem
Vorwande einer Simulation, noch einer Verletzung, angefochten werden.
§. 516. Der bedungene Preis oder Werth tritt auch hier nicht
an die Stelle des Veräußerten.
§. 517. Diejenigen, welchen Heergeräthe oder Niftel zukommt,
müssen sich binnen Jahresfrist, nach erfolgtem Anfalle, zur Ausübung ihres
Rechts, bey Verlust desselben, melden.
§. 518. Wer Heergeräthe oder Niftel zu verlassen nicht fähig
ist, der kann auch dergleichen von andern nicht ziehn.
§. 519. Nach Provinzen, oder Oertern, wo kein Heergeräthe,
oder keine Niftel gegeben wird, darf auch dergleichen nicht verabfolgt werden.
§. 520. In allen Fällen, wo Heergeräthe oder Niftel
denjenigen, welche sonst durch Provinzialgesetze oder Statuten dazu berufen
sind, aus einem oder dem andern der vorstehenden Gründe nicht verabfolgt werden
dürfen, fallen dieselben nicht dem nächsten nach ihm zu, sondern sie bleiben in
dem Nachlasse.
§. 521. Wird jedoch unter mehrern gleich nahen Verwandtinnen
eine oder die andere, aus den vorstehenden Gründen, von der Niftel
ausgeschlossen: so wächst ihr Antheil den übrigen zu.
§. 522. Wo das Vermögen durch Schulden erschöpft wird,
findet weder Gerade, Niftel noch Heergeräthe statt.
§. 523. Das Heergeräthe begreift unter sich das beste Pferd;
den Degen, dessen sich der Verstorbene zum gewöhnlichen Gebrauch bedient hat;
einen vollständigen Anzug von dessen täglichen Kleidern; ein Gebett Bette,
nächst dem besten, bestehend aus einem Ober- und Unterbette, einem Pfühl, zwey
Kopfkissen, nebst dazu gehörigen Ueberzügen, und zwey Bettlaken; ein Tischtuch,
nebst drei Servietten; und zwey Schüsseln von Zinn oder anderen gemeinen
Metalle.
§. 524. Bey den in wirklichen Kriegesdiensten stehenden
Personen wird auch das, was sie im Felde, oder in der Garnison, zu oder bey
Verrichtung ihres Dienstes gewöhnlich gebrauchen, so weit es vorhanden ist, und
nicht bey dem Regimente zurückbleiben muß, zu ihrem Heergeräthe gerechnet.
§. 525. Zur Niftelgerade gehören nur die zum weiblichen
Gebrauche allein gewidmeten Geräthe, Kleidungsstücke, Wäsche und Kostbarkeiten,
nebst den dazu gehörigen Behältnissen.
§. 526. Auch was zur Leibwäsche oder Kleidungsstücken
zugeschnitten, in Arbeit gegeben, oder genommen ist, wird zur Niftel gerechnet.
§. 527. Dagegen hat die Niftelerbin auf Kostbarkeiten,
welche der Frau von dem Manne zum Gebrauche gegeben worden, und nach obigen
Vorschriften nur als geliehen anzusehen sind, keinen Anspruch.
§. 528. Die volle Gerade begreift zuvörderst alles unter
sich, was nach §. 525. 526. zur Niftel-Gerade gehöret.
§. 529. Außerdem werden dazu gerechnet die zum alltäglichen
Gebrauche in der Hauswirthschaft bestimmten Mobilien.
§. 530. Ferner alle Arten von Leinwand, verarbeitet oder
unverarbeitet; wie auch Flachs und Garn, so weit alle diese Sachen zum
Gebrauche in der Wirthschaft bestimmt sind.
§. 531. Auch die zum Hausgebrauche gewidmeten Vorräthe an
Eßwaaren werden zur vollen Gerade gerechnet.
§. 532. Stall- und Kellergeräthschaften gehören nicht zur
Gerade.
§. 533. Auch Mobilien, die bloß zur Pracht dienen, sind
darunter nicht mit begriffen.
§. 534. Nur bey Adlichen werden Kutsche und Pferde, deren
sich die Eheleute zu ihrem persönlichen Gebrauche gewöhnlich bedient haben, zur
vollen Gerade gerechnet.
§. 535. Sind mehrere Stücke von dieser Art vorhanden: so
kommt die Wahl der Wittwe zu.
§. 536. Vorstehende Bestimmungen in Ansehung der Gerade, der
Niftel, und des Heergeräthes, gelten insgesammt nur auf den Fall, wenn in den
Provinzial- oder statutarischen Gesetzen ein Anderes nicht ausdrücklich
verordnet ist.
§. 537. Die Vorschriften der Provinzial- und statutarischen
Gesetze müssen genau nach den Worten angewendet werden; und es finden dabey
keine ausdehnende Erklärungen statt.
§. 538. Dunkle Vorschriften solcher Provinzial- oder
statutarischen Gesetze müssen nach den Grundsätzen dieses allgemeinen
Gesetzbuchs erklärt werden.
§. 539. In Provinzen, wo bisher kein Heergeräthe oder keine
Gerade üblich gewesen sind, sollen dieselben auf den Grund des gegenwärtigen
Gesetzbuchs nicht eingeführt werden.
3) des
Erbschatzes.
§. 540. Ferner wird der Erbschatz,
wenn dergleichen vorhanden ist, von dem Nachlasse abgesondert. (§. 276. sqq.)
§. 541. Weder die Substanz des Erbschatzes, noch die davon
zu ziehenden Nutzungen, können dem überlebenden Ehegatten auf sein
gesetzmäßiges Erbtheil angerechnet werden.
§. 542. Wohl aber wird in dem Falle des §. 463. bey
Bestimmung des der überlebenden Ehefrau auszusetzenden Witthums, auf die ihr zu
gute kommenden Nutzungen des Erbschatzes mit Rücksicht genommen.
4) des
eigenthümliehen Vermögens des überlebenden Ehegatten,
§. 543. Auch das eigenthümliche Vermögen des überlebenden
Ehegatten ist von dem Nachlasse des Verstorbenen abzusondern.
§. 544. Bey dieser Absonderung kommt dem Manne, dessen Erben
oder Gläubigem, im zweifelhaften Falle die Vermuthung zu statten, daß das
Vorhandene zu seinem Vermögen gehöre.
a) des vorbehaltenen Vermögens der Frau,
§. 545. Das vorbehaltene Vermögen der Frau muß der Regel
nach in dem Zustande angenommen werden, in welchem es zur Zeit, da die Ehe
getrennt worden, sich befindet.
§. 546. Hat der Mann einer Verfügung über das vorbehaltene
Vermögen der Frau ohne ihren Vorbewußt, oder gar wider ihren Willen, sich
angemaßt: so muß er ihr, oder ihren Erben, für den daraus entstandenen Verlust
und Schaden, gleich einem unredlichen Besitzer, gerecht werden. (Th.
I. Tit. VII. §. 222.
sqq.)
§. 547. Hat die Frau ihr vorbehaltenes Vermögen ganz oder
zum Theil dem Manne zur Verwaltung oder sonstigen Verfügung übergeben: so hat
dasselbe, in Ansehung des Mannes, oder seiner Erben, mit dem Eingebrachten
gleiche Rechte.
b) der
eingebrachten Gelder und Capitalien,
§. 548. Das baar eingebrachte Vermögen der Frau muß in
gleich guter Münzsorte, wie es der Mann erhalten hat, der Frau zurückgegeben,
oder zu gute gerechnet werden.
§. 549. Die Verzinsung aber können die Frau, oder deren
Erben, nur nach dem Ablaufe desjenigen Quartals fordern, in welchem die
Trennung der Ehe durch den Tod erfolgt ist.
§. 550. Hat der Mann das baar eingebrachte Geld auf den
Namen der Frau ausgeliehen: so haben die Frau, oder deren Erben, die Wahl: ob
sie das ausgeliehene Capital übernehmen, oder baare Rückzahlung fordern wollen.
§. 553. Hat aber die Frau in die Belegung des Geldes auf
ihren Namen, bey einem gewissen bestimmten Schuldner, ausdrücklich, wenn auch
nur außergerichtlich, eingewilligt: so wird ein solches in stehender Ehe
ausgeliehenes Capital einem eingebrachten gleich geachtet.
§. 552. Von Capitalien, welche der Mann in stehender Ehe
eingezogen, und auf den Namen der Frau wieder ausgeliehen hat, gilt eben das,
was wegen der baar eingebrachten und von dem Manne auf den Namen der Frau
ausgeliehenen Gelder verordnet ist.
§. 553. Wegen der wirklich eingebrachten, oder denselben
gleich zu achtenden Capitalien, sind der Mann oder dessen Erben nur zur
Ausantwortung der darüber vorhandenen Urkunden verpflichtet.
§. 554. Doch müssen der Mann, oder dessen Erben, für jedes
von ersterem, sowohl bey der Ausleihung, als bey Verwaltung der der Frau
zugehörenden Capitalien, begangenes mäßiges Versehen haften.
§. 555. Bey Bestimmung des Grades der Verschuldung aber muß
auf die persönlichen Fähigkeiten und Einsichten des Mannes Rücksicht genommen
werden.
§. 556. Hat der Mann die baar eingebrachten Gelder, oder
eingezogenen Capitalien der Frau, auf seinen Namen ausgeliehen: so trifft jeder
Verlust ihn oder seine Erben.
§. 557. Sind Capitalien auf den Namen beyder Eheleute
gemeinschaftlich ausgeliehen worden: so sind Theyle Eheleute als Miteigentümer
anzusehen.
§. 558. Es gilt also von der Hälfte der Frau eben das, was
wegen eines ganzen auf ihren alleinigen warnen ausgeliehenen Capitals verordnet
ist.
c) der
eingebrachten Mobilien,
§. 559. Hat die Frau dem Manne Mobilien eingebracht, ohne
daß dieselben zu einem gewissen Werthe angeschlagen worden: so gehören nur die
zur Zeit der getrennten Ehe erweislich noch vorhandnen Stücke zu ihrem
Vermögen.
§. 560. Sind an die Stelle der nicht mehr vorhandenen Stücke
andere angeschafft worden: so können die Frau oder deren Erben diese letzteren,
statt der eingebrachten, zurücknehmen.
§. 561. Außerdem aber sind der Mann, oder dessen Erben, zu
einer Schadloshaltung wegen der nicht
mehr vorhandenen, oder am Werthe verringerten Stücke, nur in so fern
verbunden, als die Vernichtung, Veräußerung, oder Verringerung, durch Vorsatz
oder grobes Versehen des Mannes erfolgt ist.
§. 562. Mobilien, welche die Frau von ihrem vorbehaltenen
Vermögen angeschafft, und zum gemeinschaftlichen Gebrauche hergegeben hat,
werden den eingebrachten gleich geachtet.
§. 563. Hat die Frau ihre eingebrachten Mobilien dem Manne
zu einem gewissen Preise ausdrücklich verkauft: so können sie, oder ihre Erben,
nur den rückständigen Kaufpreis von dem Manne oder aus dessen Nachlasse
fordern.
§. 564. Sind die Mobilien dem Manne nicht verkauft, sondern
nur nach einem gewissen Anschlage eingebracht worden: so haben die Frau, oder
deren Erben, die Wahl zwischen den Mobilien selbst, und deren angeschlagnem
Werthe.
§. 565. Fällt die Wahl auf die Mobilien: so gelten die §.
559-561. vorgeschriebenen Grundsätze.
§. 566. Wird der angeschlagene Werth gewählt: so findet
daran kein Abzug statt, wenn gleich die Mobilien selbst ganz oder zum Theil
nicht mehr vorhanden wären.
§. 567. Hat jedoch die Frau ein oder andres Stück
vorsätzlich oder aus grobem Versehen vernichtet, oder am Werthe verringert,
oder ohne Genehmigung des Mannes veräußert: so ist der Abzug des bestimmten
Werths zuläßig.
§. 568. Sind nur gewisse einzelne Stücke zu einem bestimmten
Werthe eingebracht worden: so steht bey einem jeden solcher Stücke, der Frau,
oder ihren Erben, die Wahl zu: ob sie dasselbe zurücknehmen, oder den
angeschlagenen Werth fordern wollen.
§. 569. In jedem Falle gilt wegen solcher einzelnen Stücke
eben das, was oben wegen der Mobilien überhaupt verordnet ist.
d) der eingebrachten Grundstücke und Gerechtigkeiten,
§. 570. Hat die Frau dem Manne Grundstücke oder
Gerechtigkeiten eingebracht: so hat, wenn sie zuerst stirbt, der Mann die Wahl:
ob er das Grundstück zur Verlassenschaft zurückgeben, oder dafür den Werth
bezahlen wolle.
§. 571. Ist das Grundstück dem Manne nach einem gewissen
Anschlage eingebracht worden: so muß der Mann, wenn er selbiges behalten will,
den angeschlagenen Werth zur Masse vergüten.
§. 572. Ist die Einbringung nicht unter einem gewissen
Anschlage geschehen: so müssen die Erben der Frau den Werth bestimmen; und
alsdann steht es in der Wahl des Mannes: ob er das Grundstück dafür annehmen,
oder den andern Erben überlassen wolle.
§. 573. Wählt der Mann das Grundstück: so muß er den von den
Erben gesetzten Preis bey der Theilung
§. 574. Ueberläßt der Mann das Grundstück den Erben: so muß
dasselbe auch bey der Theilung nach dem von den Erben bestimmten Werthe in
Anschlag gebracht werden.
§. 575. Den Erben der Frau steht es frey, zu ihrer
Information von dem Werthe des Grundstücks, eine gerichtliche Taxe aufnehmen zu
lassen; und der Mann ist schuldig, den Taxatoren die vorhandenen Nachrichten
und Rechnungen auf Erfordern mitzutheilen.
§. 576. Doch sind die Erben an die herausgebrachte Taxe
nicht gebunden, sondern es steht ihnen frey, den Werth auch höher oder
niedriger zu bestimmen.
§. 577. Können mehrere Miterben der Frau über die Bestimmung
des Werths sich nicht vereinigen: so muß eine gerichtliche Taxe aufgenommen
werden.
§. 578, Diese Taxe dient jedoch nur unter den streitenden
Erben selbst, bey Festsetzung des von ihnen nach §. 572. dem Manne zu
bestimmenden Werths, zur Richtschnur.
§. 579. Zögern die Erben länger, als Sechs Monathe nach
erfolgter gerichtlicher Aufforderung, mit der Bestimmung des Werths: so muß der
Richter von Amtswegen eine Taxe aufnehmen lassen, und dieselbe dem Manne zur
Wahl vorlegen.
§. 580. Gegen eine solche Taxe werden den Erben keine
Ausstellungen verstattet.
§. 581. Stirbt der Mann zuerst, und ist das Grundstück nach
einem Anschlage eingebracht worden: so steht es in der Wahl der Frau: ob sie
das Grundstück zurücknehmen, oder den angeschlagenen Werth aus dem Nachlasse
des Mannes fordern wolle.
§. 582. Hat der verstorbene Mann das Grundstück zu keinem
angeschlagenen Werthe übernommen: so muß die Frau mit der Zurücknahme desselben
sich begnügen.
§. 583. In allen Fällen, wo ein Grundstück nach einem
Anschlage eingebracht worden, kann derselbe nur bey der Absonderung des
Vermögens der Frau zur Richtschnur dienen.
§. 584. In so fern hingegen das Grundstück hiernächst, bey
dem Nachlasse der verstorbenen Frau, zur Festsetzung der Erbtheile mit in
Anschlag kommen soll, ist keiner von den Erben an den Anschlag weiter gebunden.
§. 585. In allen Fällen, wo das Grundstück selbst der Frau
oder ihren Erben zurückgegeben wird, muß dasselbe in dem Zustande gewährt
werden, in welchem es sich zur Zeit der getrennten Ehe befunden hat.
Von Verbesserungen, wenn das Grundstück zurückgegeben wird.
§. 586. Wegen gemachter Verbesserungen können der Mann, oder
dessen Erben, nur in so fern Vergütung fordern, als ein Nießbraucher überhaupt
nach den Gesetzen dazu berechtigt ist. (Th. I.
Tit. XXI. Abschn. I.)
§. 587. Die Einwilligung der Frau in eine zu machende
Verbesserung, und in die darauf zu verwendende Summe, ist gültig; sobald sie
gerichtlich, oder auch nur schriftlich, jedoch in diesem Falle mit Zuziehung
eines ihrer nächsten Verwandten, oder eines andern wirthschaftskundigen
Beystandes, abgegeben worden.
§. 588. Wenn die Frau zu einer offenbar vortheilhaften
Verbesserung ihren Consens, ohne hinlänglichen Grund, beharrlich versagt: so
kann derselbe auf das Anrufen des Mannes, durch das vormundschaftliche Gericht
ergänzt werden. (§. 232. sqq.)
§. 589. Auch wegen der Vergütung für die, aus eignen
Mitteln, von dem Manne bewirkte Befreyung des Grundstücks von darauf haftenden
Capitalien, oder andern Real-Lasten, wird der Mann einem andern Nießbraucher
gleich geachtet. (Th. I. Tit. XXI. §. 75-79.)
§. 590. Eben das gilt von dem Ersatze der über den Betrag
des Nießbrauchs verwendeten Erhaltungskosten. (Ebend. §. 87. 88. 89.)
§. 591. Sind durch eine ausdrücklich dem Manne zugedachte
Landesherrliche Gnade, Verbesserungen auf dem eigentlichen Gute veranstaltet
worden: so haben der Mann, oder dessen Erben, wegen deren Vergütung, die Rechte
eines redlichen Besitzers. (Th. I. Tit VII. §. 204. sqq.)
§. 592. Hat der Mann, mit oder ohne Einwilligung der Frau,
Grundstücke oder Gerechtigkeiten, welche von dem eingebrachten Gute ehehin
getrennt worden, damit wieder vereinigt: so können er, oder seine Erben, den
Ersatz der dazu verwendeten Kosten fordern.
§. 593. Hat aber der Mann, ohne Einwilligung der Frau, neue
Grundstücke oder Gerechtigkeiten zugekauft: so haben er, oder seine Erben, die
Wahl: ob sie dieselben bey dem Gute lassen, oder zurücknehmen wollen.
§. 594. Wählen sie ersteres: so sind die Frau, oder deren
Erben, nur zum Ersatze des wahren Werths des zugeschlagenen Stücks, an und für
sich betrachtet, ohne Rücksicht auf die Verbindung mit dem Hauptgute,
verpflichtet.
Von Verringerungen.
§. 595. Auch wegen Verringerung des eingebrachten
Grundstücks haben der Mann, oder dessen Erben, nur das zu vertreten, wozu ein
jeder Nießbraucher schuldig ist. (Th. I. Tit. XXI. §. 132. sqq.)
§. 596. Hat der Mann Pertinenzstücke des Guts mit
Einwilligung der Frau veräußert: so kann letztere, gleich ihren Erben, nur den
dafür gelöseten Werth fordern.
§. 597. Ist die Veräußerung eines Pertinenzstücks ohne Consens
der Frau geschehen: so haben letztere, oder ihre Erben, die Wahl: entweder das
Veräußerte von dem dritten Besitzer, nach Vorschrift des Fünfzehnten Titels im
Ersten Theile, zurückzufordern; oder sich wegen des erweislichen wahren Werths,
wie derselbe zur Zeit der Veräußerung beschaffen war, an den Mann oder dessen
Nachlaß zu halten.
§. 598. In allen Fällen, wo die Frau, oder deren Erben, den
Werth eines einseitig veräußerten Pertinenzstücks von dem Manne, oder aus
dessen Nachlaße fordern, kann denselben die Compensation, wegen der daraus in
den Nutzen der Frau geschehenen Verwendungen, in so fern entgegengesetzt
werden, als die Frau, oder deren Nachlaß, sich dadurch noch wirklich reicher
befinden. (Th. I. Tit. XIII. §. 274.)
§. 599. In gleichem Maaße können auch, wenn das veräußerte
Pertinenzstück zurückgenommen worden, der Mann, oder dessen Erben, Beytrag zur
Entschädigung des an den Mann oder dessen Nachlaß sich haltenden dritten
Besitzers, von der Frau, oder aus deren Nachlasse fordern.
§. 600. Auch der dritte Besitzer, welcher seine
Schadloshaltung von dem Manne, oder aus dessen Nachlasse, ganz oder zum Theil
nicht erlangen kann, ist dieselbe in dem §. 598. bestimmten Maaße von der Frau,
oder aus deren Nachlaße zu fordern befugt.
Von Verbesserungen, wenn der Werth entrichtet wird.
§ 601. In allen Fällen, wo statt des Grundstücks der
angeschlagene Werth gefordert, oder genommen wird, muß derselbe der Frau, oder
deren Erben, in der bedungenen Münzsorte, oder wenn keine Münzsorte verabredet
ist, in dem zur Zeit der Veranschlagung im Gange gewesenen Courantgelde
vergütet werden.
§. 602. Verbesserungen begründen bey einer solchen
Auseinandersetzung keine Erhöhung des einmal angeschlagenen Werths.
§. 603. Auch durch zugeschlagene Pertinenzstücke, in so fern
sie von dem Manne erworben worden, wird der angeschlagene Werth, zu seinem oder
seiner Erben Nachtheile, nicht erhöht.
§. 604. Ist aber außerdem, während der Ehe, dem
eingebrachten Grundstücke eine neue Gerechtigkeit, oder ein für sich selbst
bestehendes Grundstück zugewachsen: so wird dieser Zuwachs als ein besondres
Eingebrachtes betrachtet.
§. 605. Es hängt also von der Frau oder deren Erben ab,
dergleichen Zuwachs entweder zurückzunehmen, oder ihn dem Manne, oder dessen
Erben, mit dem Hauptgute zu überlassen.
§. 606. Im letztern Falle muß der Werth dieses Zuwachses,
nach einer darüber aufzunehmenden Ertragstaxe, der Frau oder ihren Erben
besonders, und noch über den Anschlag des Hauptgutes, vergütet werden.
§. 607. Doch wird alsdann nur der Ertrag des Zuwachses, an
und für sich betrachtet, ohne Rücksicht auf dessen Verbindung mit dem
Hauptgute, in Anschlag gebracht.
§. 608. Verringerungen berechtigen den Mann, oder dessen
Erben, zu einem Abzuge von dem angeschlagenen Werthe nur in dem einzigen Falle,
wenn ein Theil von der Substanz des eingebrachten Grundstücks, ohne grobes oder
mäßiges Versehen des Mannes, verloren gegangen.
§. 609. Behält, in dem Falle des §. 572., der Mann das Gut
für eine von den Erben der Frau gesetzte Taxe: so kann er die Vergütung der von
ihm gemachten Verbesserungen aus dem Nachlasse eben so fordern, als wenn das
Gut selbst wäre zurückgegeben worden.
§. 610. Erhält aber der Mann bey dem Hauptgute ein von ihm
zugeschlagenes Pertinenzstück, wofür er nach §. 594. Vergütung aus der Masse zu
fordern hat: so muß der Werth eines solchen Pertinenzstücks nicht in dessen
Verbindung mit dem Hauptgute, sondern nur einzeln und für sich betrachtet,
abgeschätzt werden.
§. 611. Mit dem Grundstücke, oder der Gerechtigkeit, muß dem
Uebernehmer derselben alles gewährt werden, was nach den Gesetzen als Zubehör
anzusehen ist.
§. 612. Insonderheit muß ein Landgut mit dem Viehe und
Ackergeräthe, wie es zur Zeit der getrennten Sache beschaffen gewesen,
übergeben werden.
§. 613. Veroffenbaren sich dabey, gegen den Zustand der
Einbringung, Verbesserungen, oder Verringerungen: so finden eben die Grundsätze
statt, welche von Verbesserungen oder Verringerungen überhaupt obstehend
vorgeschrieben sind.
e) wegen des Nießbrauchs.
§. 614. Der Nießbrauch des Mannes in dem Eingebrachten der
Frau nimmt mit dem Tode eines oder des andern Ehegatten ein Ende.
§. 615. Sowohl wegen der Nutzungen des Sterbejahres, als
wegen der der frühern Jahre, findet alles das Anwendung, was wegen der
Auseinandersetzung zwischen dem Nießbraucher und Eigenthümer, nach geendigtem
Nießbrauche, verordnet ist. (Th. I. Tit. XXI. Abschn. I.)
§. 616. Doch müssen, bey einem eingebrachten Landgute, aus
den Einkünften des Sterbejahres die Zinsen auch solcher Capitalsschulden der
Frau, die nicht auf dem Gute selbst lasten, in so fern bezahlt werden, als
diese Capitalsschulden überhaupt, nach den Vorschriften des gegenwärtigen
Titels, auch in Beziehung auf den Ehemann gültig sind, die Zinsen aber aus den
Einkünften des übrigen Eingebrachten nicht berichtigt werden können.
§. 617. Auch muß in dem vorhandenen Hause, es gehöre
dasselbe zum Eigenthume des Mannes, oder der Frau, dem überlebenden Ehegatten
die bis daher inne gehabte Wohnung, wenigstens bis zum Ablaufe des nächsten
Vierteljahres, nach demjenigen, in welchem der Sterbefall erfolgt ist, frey
verstattet werden.
f) der
Schulden.
§. 618. Von der nach obigen Regeln (§. 543. bis 617.)
ausgemittelten Verlassenschaft des verstorbenen Ehegatten müssen, noch vor der
Theilung, die Schulden desselben abgerechnet werden.
§. 619. Für Schulden, welche die Frau während der Ehe auf
ihr vorbehaltenes Vermögen einseitig gemacht hat, kann der Gläubiger nur so
weit Bezahlung fordern, als das bey ihrem Ableben noch vorhandene vorbehaltene
Vermögen hinreicht.
§. 620. Hat aber die Frau mit Vorwissen des Mannes, und ohne
dessen Widerspruch, ein besonderes Gewerbe getrieben: so können ihre Gläubiger,
die ihr zu diesem Gewerbe Credit gegeben haben, bey der Unzulänglichkeit des
vorbehaltenen, auch an das eingebrachte Vermögen, nach ihrem Tode sich halten.
g) Successionsordnung.
§. 621. Der solchergestalt ausgemittelte reine Nachlaß des
verstorbenen Ehegatten wird unter den nahen Blutsverwandten und dem
überlebenden Ehegatten vertheilt.
§. 622. Für nahe Verwandte werden diejenigen geachtet,
welche von dem Erblasser nicht weiter, als im sechsten Grade, voller oder
halber Geburt, entfernt sind.
§. 623. Hinterläßt der Verstorbene Verwandten in
absteigender Linie: so ist der überlebende Ehegatte nur Erbe zum vierten
Theile.
§. 624. Sind mehr als drey absteigende Linien vorhanden: so
erbt der überlebende Ehegatte nur Kindes Theil.
§. 625. Hinterläßt der Verstorbene nur Verwandten in
aufsteigender Linie, Geschwister, oder Geschwisterkinder ersten Grads: so ist
der überlebende Ehegatte Erbe zu einem Drittel.
§. 626. Sind nur Verwandte in entferntem Graden vorhanden:
so erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte.
§. 627. Sind gar keine nahe Verwandten vorhanden (§. 622.): so
erbt der überlebende Ehegatte den ganzen Nachlaß.
§. 628. In allen Fällen, wo der überlebende Ehegatte mit
Verwandten des Verstorbenen in der aufsteigenden oder Seitenlinie an der
Erbschaft Theil nimmt, gebührt demselben alles Bett- und Tischzeug, welches die
Eheleute im gewöhnlichen Gebrauche gehabt haben, zum Voraus.
§. 629. Ein gleiches gilt von Möbeln und Hausrath, in so
fern dieselben nicht als Zubehör eines Grundstücks, oder einer Gerechtigkeit
anzusehen sind.
§. 630. Von diesen voraus verschafften Stücken darf der
überlebende Ehegatte, zur Bezahlung der Schulden des Verstorbenen, nur in so
fern beytragen, als der übrige Nachlaß dazu nicht hinreicht.
§. 631. Die Hälfte der durch das Gesetz dem überlebenden
Ehegatten bestimmten Erbportion ist als ein Pflichttheil anzusehen.
§. 632. Diesen Pflichttheil kann ein Ehegatte dem andern nur
wegen solcher Verschuldungen schmälern, oder gar entziehn, die ihn berechtigt
haben würden, auf Scheidung anzutragen.
§. 633. Uebrigens gilt von diesem Pflichttheile alles, was
von der Legitima überhaupt im folgenden Titel verordnet ist.
V. Bey bestandener Gemeinschaft
1) der Güter.
§. 634. Die Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten wird
durch den Tod des Einen von ihnen geendigt.
§. 635. Es muß daher vor allen Dingen das gemeinschaftliche
Vermögen von dem, was nicht in die Gemeinschaft gekommen ist, abgesondert
werden.
§. 636. Was von letzterem dem einen oder dem andern
Ehegatten eigenthümlich gehört, wird in Ansehung der Erbfolge, und sonst, nach
den Vorschriften des gemeinen Rechts beurtheilt.
§. 637. Von dem gemeinschaftlichen Vermögen nimmt der
überlebende Ehegatte die eine Hälfte als sein Eigenthum zurück.
§. 638. Die andre Hälfte wird als der Nachlaß des
verstorbenen Ehegatten angesehen.
§. 639. Hinterläßt der Verstorbene Blutsverwandten in
absteigender Linie, welche aus dem gemeinschaftlichen Vermögen noch nicht
abgefunden sind: so muß der überlebende Ehegatte mit seiner Hälfte sich
begnügen.
§. 640. Doch erhält er die zu seinem eignen persönlichen
Gebrauche bestimmten Kleidungsstücke, Betten und Leibwäsche, vor der Theilung
zum Voraus.
§. 641. Dagegen werden den Kindern des Verstorbenen die zu
dessen persönlichen Gebrauche bestimmt gewesene Kleidungsstücke, Betten und
Leibwäsche, ebenfalls zum Voraus angewiesen.
§. 642. Sind keine unabgefundenen Kinder vorhanden: so
theilt der überlebende Ehegatte die den Nachlaß des Verstorbenen ausmachende
Hälfte mit dessen nahen Blutsverwandten, nach eben den Verhältnissen, wie es
bey der Erbfolge nach dem gemeinen Rechte vorgeschrieben ist (§. 625. 626).
§. 643. Doch erhält alsdann der überlebende Ehegatte, außer
den §. 628. 629. bestimmten Effekten, auch noch diejenigen, die nach §. 640. zu
seinem eignen Gebrauche gewidmet sind, zum Voraus.
§. 644. Abgefundene Kinder haben bey dieser
Erbfolge-Ordnung, in Beziehung auf den überlebenden Ehegatten, nur mit
Seitenverwandten des ersten Grades gleiche Rechte.
§. 645. In allen Fällen, wo der überlebende Ehegatte mit
andern Verwandten, als unabgefundenen Kindern, an dem Nachlasse des
Verstorbenen Theil nimmt, behält er den Nießbrauch des gesammten
gemeinschaftlich gewesenen Vermögens auf Lebenslang.
§. 646. Die Verwandten des Erstverstorbenen, oder deren
alsdann vorhandene Erben, können also, die Ausantwortung ihrer Erbtheile erst
nach dem Tode des Letztlebenden fordern.
§. 647. Sind keine nahe Verwandten des Verstorbenen (§.
622.) vorhanden: so bleibt dem überlebenden Ehegatten das ganze
gemeinschaftlich gewesene Vermögen eigenthümlich.
§. 648. Sind in dem zu theilenden gemeinschaftlichen
Vermögen Grundstücke oder Gerechtigkeiten vorhanden: so hat der überlebende
Ehegatte, eben so, wie in dem Falle des §. 571. sqq. die Wahl, selbige für eine
von den übrigen Erben zu setzende Taxe zu übernehmen.
§. 649. Eben so hängt es von dem überlebenden Ehegatten ab
die zum täglichen Hausgebrauche bestimmten Mobilien, in so fern er dieselben
nach §. 643. nicht zum Voraus empfängt, für eine gehörig aufgenommene
Privattaxe zu behalten, oder sie zur Theilung zu bringen.
§. 650. In Ansehung aller übrigen Mobilien steht es in
seiner Wahl, entweder auf die Naturaltheilung, oder auf den öffentlichen
Verkauf anzutragen.
§. 651. Im erstern Falle legen die Miterben die Theile, und
der überlebende Ehegatte wählt.
§. 652. Doch müssen in einem solchen Falle den Miterben des
überlebenden Ehegatten die auf ihren Theil kommende Mobilien sofort
ausgeantwortet werden; und sie sind dem §. 645. 646. verordneten Nießbrauche
nicht unterworfen.
§. 653. Bis zur wirklichen Auseinandersetzung bleibt der überlebende
Ehegatte mit den Verwandten des Verstorbenen im Miteigenthume der zur Zeit des
Sterbefalls vorhanden gewesenen gemeinschaftlichen Masse.
§. 654. Was also der ungetheilten Masse zuwächst oder von
derselben verloren geht, trifft sämmtliche Miteigenthümer, nach Verhältniß
ihres Antheils.
§. 655. Die bey Trennung der Ehe schon angefangenen
Geschäfte werden nach den Gesetzen der Handlungsgesellschaft fortgeführt und
beendigt.
§. 656. Der überlebende Ehegatte bleibt, bis zur wirklichen
Auseinandersetzung, im Besitze und in der Verwaltung des gemeinschaftlichen
Vermögens.
§. 657. Er muß aber von letzterer, in so fern ihm nicht,
nach §. 645. der Nießbrauch zukommt, seinen Miterben Rechnung legen.
§. 658. Was nach getrennter Ehe durch Erbschaften, Vermächtnisse,
Geschenke, oder andre Glücksfälle, einem der Ehegatten zu Theil wird, das
gehört nicht mehr zum gemeinschaftlichen Vermögen.
§. 659. Es kommt dabey auf den Tag an, wann der Anfall sich
ereignet hat; nicht aber auf den, da er bekannt geworden ist.
§. 660. Was der überlebende Ehegatte, nach dem Tode des
Verstorbenen, ohne Rücksicht auf den Besitz der Erbschaftsmasse erwirbt, darf
er nicht zur Theilung bringen.
§. 661. Wegen der Schulden, die auf dem gemeinschaftlichen
Vermögen haften, und der Befugniß der Gläubiger, sich auch nach erfolgter
Auseinandersetzung an die einzelnen Interessenten zu halten, finden eben die
Vorschriften, wie bey Erbtheilungen überhaupt, Anwendung (Th. I. Tit. XVII.
Abschn. II.2)
des Erwerbes.
§. 662. Hat zwischen den Eheleuten nur eine Gemeinschaft des
Erwerbes obgewaltet, so muß das beyderseitige eigenthümliche Vermögen, nach den
im Sechsten Abschnitte vorgeschriebenen Grundsätzen, von dem Erwerbe
abgesondert werden.
§. 663. In dem eigentümlichen Vermögen des Verstorbenen
findet wegen der Erbfolge eben das statt, was außerhalb der Gütergemeinschaft
verordnet ist.
§. 664. In Ansehung des gemeinschaftlichen Erwerbes wird
nach den §. 637. sqq. gegebnen Vorschriften verfahren.
Von Todeserklärungen.
§. 665. Wird ein Ehegatte durch Urtel und Recht für todt
erklärt: so findet die Erbfolge in sein Vermögen eben so statt, als wenn er am
Tage des publicirten Urtels wirklich gestorben wäre.
§. 666. Dem andern Ehegatten stehet es alsdann frey, sich
wieder zu verheirathen; und diese Ehe besteht, wenn auch der Verschollne wieder
zurück kehrt.
§. 667. Wenn aber die anderweitige Verheirathung nicht
geschehen ist, so wird bei erfolgender Rückkehr des Verschollenen, die vorige
Ehe als fortdauernd angesehen.
Achter Abschnitt
Von Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch
§. 668. Eine an sich gültige Ehe kann durch richterlichen
Ausspruch wieder getrennt werden.
Ursachen zur Ehescheidung.
1) Ehebruch.
§. 669. Doch sollen Ehescheidungen nicht anders als aus sehr
erheblichen Ursachen statt finden.
§. 670. Ehebruch, dessen sich ein Ehegatte schuldig macht,
berechtigt den unschuldigen Theil, auf Scheidung zu klagen.
§. 671. Wenn aber die Frau sich des Ehebruchs schuldig
gemacht hat: so kann sie, unter dem Vorwande, daß dem Manne ein gleiches
Versehen zur Last falle, der Scheidung nicht widersprechen.
§. 672. Sodomiterey, und andere unnatürliche Laster dieser
Art, werden dem Ehebruche gleich geachtet.
§. 673. Eben das gilt von unerlaubtem Umgange, wodurch eine
dringende Vermuthung der verletzten ehelichen Treue begründet wird.
§. 674. Bloßer Verdacht ist zur Trennung der Ehe nicht
hinreichend.
§. 675. Ist jedoch scheinbarer Anlaß zu einem solchen
Argwohne vorhanden, so muß dem beschuldigten Ehegatten, auf Anrufen des andern,
der fernere Umgang mit der verdächtigen Person gerichtlich untersagt werden.
§. 676. Setzt derselbe, dieses Verbots ungeachtet, einen
vertrauten Umgang mit der verdächtigen Person fort; so ist dieses ein erheblicher
Grund zur Ehescheidung.
2) Bösliche Verlassung.
§. 677. Auch wegen böslicher Verlassung kann eine Ehe
getrennt werden.
§. 678. Die bloße Veränderung des bisherigen Aufenthalts ist
für eine bösliche Verlassung noch nicht zu achten.
§. 679. Vielmehr ist, wenn der Mann einen neuen Wohnort
wählt, die Frau ihm dahin zu folgen verbunden.
§. 680. Wenn sie sich dessen auf ergehende richterliche
Verfügung beharrlich weigert: so ist der Mann auf Scheidung anzutragen wohl
befugt.
§. 681. Dagegen ist die Frau dem Manne zu folgen nicht
schuldig, wenn derselbe, wegen begangner Verbrechen, oder sonst wider die
Gesetze, sich aus den Königlichen Landen entfernt hat.
§. 682. Ingleichen, wenn der Frau die Pflicht, dem Manne zu
folgen, durch einen vor der Heirath geschlossenen Vertrag erlassen worden.
§. 683. In allen Fällen ist der Mann die Frau, welche an
seinen veränderten Wohnort ihm folgen will, anzunehmen in der Regel
verpflichtet.
§. 684. Weigert er sich dessen beharrlich, und ohne
hinreichenden Grund (§. 687.): so giebt er dadurch der Frau rechtmäßigen Anlaß,
auf die Scheidung anzutragen.
§. 685. Verläßt die Frau den Mann ohne dessen Einwilligung,
oder rechtmäßigen Grund der Entfernung, so muß sie der Richter zur Rückkehr
anhalten.
§. 686. Bleibt die richterliche Verfügung fruchtlos: so kann
der Mann auf Trennung der Ehe dringen.
§. 687. In keinem Falle ist der Mann die Frau, welche sich
eigenmächtig, und ohne rechtmäßigen Grund von ihm getrennt hat, wenn sie in der
Folge zurückkehrt, eher anzunehmen schuldig, als bis sie ihren inzwischen
geführten unbescholtenen Wandel durch glaubhafte Zeugnisse nachgewiesen hat.
§. 688. Ist der Aufenthalt des entwichenen Ehegatten
unbekannt; oder dergestalt außerhalb den Königlichen Staaten entlegen, daß
keine richterliche Verfügung zur Wiedervereinigung der getrennten Ehe statt
finden kann: so ist der zurückgebliebene Theil auf öffentliche Vorladung, und
wenn auch diese fruchtlos wäre, auf die Scheidung anzutragen berechtigt.
§. 689. Doch müssen solche Umstände der Entfernung bescheinigt
werden, die wenigstens eine dringende Vermuthung des Vorsatzes, den
zurückgebliebenen Ehegatten zu verlassen, begründen.
§. 690. Auch kann die öffentliche Vorladung erst nach
Verlauf eines Jahres von der Zeit an, da die Entfernung des Entwichenen bemerkt
worden, nachgesucht werden.
§. 691. Während dieses Jahres muß der zurückgebliebene
Ehegatte alle ihm mögliche Mühe anwenden, den Aufenthalt des Weggegangenen
auszuforschen.
§. 692. Erhellet aus den Umständen, daß der abwesende
Ehegatte aus erheblichen und erlaubten Gründen sich entfernt habe: so muß der
Zurückgebliebene den Zehnjährigen Zeitraum nach der Entfernung abwarten, und
alsdann auf die Todeserklärung antragen.
§. 693. Kann von den eigentlichen Gründen der ersten
Entfernung mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit nichts ausgemitteit werden: so
findet die Klage auf Trennung der Ehe nach Ablauf Zweyer Jahre von dem §. 690.
bestimmten Zeitpunkte, und unter der §. 691. bestimmten Maaßgabe statt.
3) Versagung
der ehelichen Pflicht.
§. 694. Halsstarrige und fortdauernde Versagung der
ehelichen Pflicht soll der böslichen Verlassung gleich geachtet werden.
§. 695. Ein Ehegatte, welcher durch sein Betragen, bey oder
nach der Beywohnung, die Erreichung des gesetzmäßigen Zwecks derselben
vorsetzlich hindert, giebt dem andern zur Scheidung rechtmäßigen Anlaß.
4) Unvermögen.
§. 696. Ein auch während der Ehe erst entstandnes, gänzlich
und unheilbares Unvermögen zur Leistung der ehelichen Pflicht, begründet
ebenfalls die Scheidung.
§. 697. Ein Gleiches gilt von andern unheilbaren
körperlichen Gebrechen, welche Ekel und Abscheu erregen, oder die Erfüllung der
Zwecke des Ehestandes gänzlich verhindern.
5) Raserey
und Wahnsinn.
§. 698. Raserey und Wahnsinn, in welche ein Ehegatte
verfällt, können die Scheidung nur alsdann begründen, wenn sie über Ein Jahr
ohne wahrscheinliche Hoffnung zur Besserung fortdauern. (§. 759.)
6) Nachstellungen
nach dem Leben.
§. 699. Wenn ein Ehegatte dem andern nach dem Leben
getrachtet; oder solche Thätlichkeiten an ihm verübt hat, welche desselben
Leben oder Gesundheit in Gefahr setzen: so ist der Beleidigte die Trennung der
Ehe zu suchen berechtigt.
§. 700. Ein Gleiches gilt von groben und widerrechtlichen
Kränkungen der Ehre, oder der persönlichen Freyheit des andern Ehegatten.
§. 701. Wegen bloß mündlicher Beleidigungen oder Drohungen,
ingleichen wegen geringerer Thätlichkeiten sollen Eheleute gemeinen Standes
nicht geschieden werden.
§. 702. Auch unter Personen mittlern und höhern Standes kann
die Scheidung nur alsdann statt finden, wenn der beleidigende Ehegatte sich
solcher Thätlichkeiten und Beschimpfungen, ohne dringende Veranlassung,
muthwillig und wiederholt schuldig macht.
§. 703. Unverträglichkeit und Zanksucht werden eine
gegründete Scheidungsursache, wenn sie zu einem solchen Grade der Bosheit
steigen, daß dadurch des unschuldigen Theiles Leben oder Gesundheit in Gefahr
gesetzt wird.
7) Grobe
Verbrechen.
§. 704. Grobe Verbrechen gegen andre, wegen welcher ein
Ehegatte harte und schmähliche Zuchthaus- oder Festungsstrafe nach Urtel und
Recht erlitten hat, berechtigen den daran unschuldigen Theil, die Scheidung zu
suchen.
§. 705. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Ehegatte den
andern solcher Verbrechen vor Gericht, gegen besseres Bewußtseyn, fälschlich
beschuldigt.
§. 706. Ferner, wenn ein Ehegatte durch vorsetzliche
unerlaubte Handlungen den andern in Gefahr bringt, Leben, Ehre, Amt oder
Gewerbe zu verlieren.
§. 707. Wenn ein Ehegatte ein schimpfliches Gewerbe
ergreift: so kann der andere auf die Scheidung antragen.
8) Unordentliche
Lebensart.
§. 708. Wegen Trunkenheit, Verschwendung, oder
unordentlicher Wirthschaft des einen Ehegatten, soll die Ehe nicht sogleich
getrennt werden.
§. 709. Der Richter aber soll, auf Anrufen des andern
Theiles, solche Verfügungen treffen, wodurch der Schuldige gebessert, und den
nachtheiligen Folgen einer solchen unordentlichen Lebensart vorgebeugt werden
kann.
§. 710. Vereitelt der schuldige Theil diese richterlichen
Veranstaltungen; und fährt er in seinen Unordnungen beharrlich fort: so kann,
auf ferneres Anrufen des Unschuldigen, eine solche Ehe getrennt werden.
9) Versagung
des Unterhalts.
§. 711. Mangel an Unterhalte berechtigt die Frau nur alsdann
zur Scheidung, wenn der Mann durch begangene Verbrechen, Ausschweifungen, oder
unordentliche Wirthschaft, sich selbst außer Stand, sie zu ernähren, versetzt
hat.
§. 712. Versagt aber der Mann der Frau den Unterhalt: so muß
der Richter die Verpflegung der Frau nach den Umständen des Mannes bestimmen,
und letztern dazu durch Zwangsmittel anhalten.
§. 713. Fährt dessen ungeachtet der Mann beharrlich fort,
der Frau den Unterhalt zu versagen: so kann letztere zur Ehescheidungsklage
gelassen werden.
§. 714. Ueberhaupt muß in allen Fällen, wo die Scheidung
gesucht wird, der Richter von Amtswegen bemüht seyn, das gute Vernehmen unter
den in Zwietracht gerathenen Eheleuten wieder herzustellen, und die Ursachen
der entstandenen Mißhelligkeiten aus dem Wege zu räumen.
10) Veränderung der Religion.
§. 715. In so weit als der Unterschied der Religion von
Anfang an ein Ehehinderniß ist (§. 36.), in so fern giebt ein Ehegatte, durch
Veränderung seiner bisherigen Religion, dem andern rechtmäßigen Anlaß, auf die
Scheidung zu klagen.
11) Unüberwindliche
Abneigung.
§. 716. Ganz kinderlose Ehen können auf den Grund
gegenseitiger Einwilligung getrennt werden, sobald weder Leichtsinn oder
Uebereilung, noch heimlicher Zwang an einer oder der andern Seite zu besorgen
ist.
§. 717. Außer diesem Falle aber findet, bloß wegen behaupteter
Abneigung, sobald dieselbe mit keinen gesetzmäßigen Gründen unterstützt ist,
die Trennung der Ehe in der Regel keinesweges statt.
§. 718. Doch soll dem Richter erlaubt seyn, in besondern
Fällen, wo nach dem Inhalte der Akten der Widerwille so heftig und tief
eingewurzelt ist, daß zu einer Aussöhnung und zur Erreichung der Zwecke des
Ehestandes gar keine Hoffnung mehr übrig bleibt, eine solche unglückliche Ehe
zu trennen.
§. 718. b. Es muß aber in diesem Falle derjenige Ehegatte,
welcher solchergestalt ohne eigentlichen gesetzmäßigen Grund, wider den Willen
des Andern, auf der Scheidung beharret, für den schuldigen Theil erkläret, und
in die Scheidungs-Strafen nach §. 786. verurtheilt werden.
Von der Compemation bey Ehescheidungsklagen.
§. 719. Wenn der auf die Scheidung dringende Ehegatte den
andern, welcher die Ehe fortsetzen will, zu denjenigen Vergehungen, worauf die
Klage gegründet wird, durch sein unsittliches Betragen selbst veranlaßt hat: so
findet die Scheidungsklage nicht statt.
Von der Remission.
§. 720. Beleidigungen, welche einmal ausdrücklich verziehen
worden, können in der Folge nicht weiter als Ehescheidungs-Ursachen gerügt
werden.
§. 721. Einer ausdrücklichen Verzeihung wird gleich
geachtet, wenn der beleidigte Ehegatte, nach erhaltener überzeugender Kenntniß,
die Ehe Ein Jahr hindurch fortgesetzt hat.
§. 722. Bloß aus Leistung der ehelichen Pflicht, wozu beyde
Theile vor Anstellung der Klage verbunden waren, soll kein Verzicht auf das
Recht zur Scheidungsklage gefolgert werden.
Was während des Scheidungsprozesses Rechtens.
§. 723. Während des Scheidungsprozesses kann ein Theil,
wider den Willen des andern, sich von demselben nicht eigenmächtig absondern.
§. 724. Wenn aber die Scheidung aus Gründen gesucht wird,
die eine dem Leben oder der Gesundheit des klagenden Theils drohende Gefahr
enthalten; und diese Gründe einigermaaßen bescheinigt sind: so kann der Richter
gestatten, daß die Parteyen während des Prozesses von einander getrennt leben.
§. 725. Nur in diesem Falle kann die Frau verlangen, daß der
Mann ihre Verpflegung auch außer dem Hause besorge.
§. 726. Die Kosten des Prozesses muß der Mann, auf Verlangen
der Frau, aus ihrem Eingebrachten, und in dessen Ermangelung aus eignen Mitteln
vorschießen.
§. 727. Ist die Scheidung nur aus den §. 675. 676. 702. 703.
709. 710. 711. bemerkten minder wichtigen Ursachen verlangt, und bey dem
Sühnsversuche noch einige Hoffnung einer künftigen Versöhnung bemerkt worden:
so kann der Richter die Publication des Erkenntnisses eine Zeitlang, jedoch nicht
über ein Jahr, aussetzen.
§. 728. Während dieser Zeit kann den Eheleuten erlaubt
werden, von einander getrennt zu leben.
§. 729. Wie es inzwischen mit dem Unterhalte der Ehefrau,
mit Erziehung und Verpflegung der Kinder; auch mit einstweiliger Sicherung des
Vermögens zu halten sey, muß der Richter, den Umständen gemäß, nach billigem
Ermessen, ohne Gestattung eines besondern Prozesses darüber, festsetzen.
§. 730. Nach Verlauf der bestimmten Frist muß ein
nochmaliger Sühnsversuch von Amtwegen angestellt, und wenn auch dieser
fruchtlos ist, das Erkenntniß ohne weitern Verzug eröffnet werden.
§. 731. Die Trennung des Ehebündnisses durch richterlichen
Ausspruch erfolgt von dem Zeitpunkte an, da das Scheidungsurtel die Rechtskraft
erlangt hat.
Wirkungen der Ehescheidung.
§. 732. Dergleichen Urtel wirkt eine gänzliche Aufhebung der
Ehe, und aller ihrer Folgen, in Ansehung beyder Theile.
§. 733. Auf bloße Scheidung von Tisch und Bette soll nicht
erkannt werden, sobald auch nur Einer der Ehegatten der protestantischen
Religion zugethan ist.
§. 734. Wird unter catholischen Ehegatten auf eine
beständige Separation von Tisch und Bette erkannt: so hat dieses alle
bürgerlichen Wirkungen einer gänzlichen Ehescheidung.
§. 735. In wie fern aber ein geschiedener Ehegatte, nach den
Grundsätzen seiner Religion, von dieser erfolgten Trennung der vorigen Ehe zur
Vollziehung einer andern Gebrauch machen könne und dürfe, bleibt seinem
Gewissen überlassen.
§. 736. Wenn bey dem Scheidungsprozesse sich Umstände
veroffenbart haben, welche die Wiederverheirathung des einen geschiednen
Ehegatten mit einer bestimmten andern Person, nach den Vorschriften §. 25. sqq.
unzuläßig machen: so muß diesem Ehegatten in dem Urtel die anderweitige
Verheirathung überhaupt, nur unter dem Vorbehalte einer besonders
nachzusuchenden Erlaubniß, gestattet werden.
§. 737. Diese Erlaubniß muß aber von dem Richter, welcher
die Scheidung erkannt hat, sofort ertheilt werden, als aus den Scheidungsakten
nicht erhellet, daß die Person, welche der geschiedne Theil heirathen will,
diejenige sey, auf welche das angeführte Eheverbot Anwendung findet.
§. 738. Die geschiedene Frau behält in der Regel den
bisherigen Stand und Rang des Mannes.
§. 739. Ist sie aber ausdrücklich für den schuldigen Theil
erklärt: so fällt sie in den vor der Ehe gehabten niedrigern Stand zurück.
§. 740. Ist sie nicht für den schuldigen Theil erklärt
worden: so kann sie in den höhern Stand, welchen sie vor der Heirath hatte,
wieder hinauftreten.
§. 741. In der Regel hat die Frau die Wahl: ob sie den Namen
des geschiedenen Mannes beybehalten, oder ob sie, besonders in dem Falle des §.
740. ihren vorigen Geschlechts- oder Wittwen-Namen wieder annehmen wolle.
§. 742. Ist sie aber ausdrücklich für den schuldigen Theil
erklärt: so darf sie den Namen des Mannes wider dessen Willen nicht ferner
führen.
Auseinandersetzung wegen des Vermögens.
§. 743. Nach getrennter Ehe müssen die gewesenen Eheleute
wegen ihres Vermögens auseinandergesetzt werden.
§. 744. Diese Auseinandersetzung gehört, wenn sie
gerichtlich erfolgen soll, vor den ordentlichen persönlichen Gerichtsstand des
Mannes.
§. 745. Bey dem Ehescheidungsprozesse aber muß die Frage: ob
und welcher von den Ehegatten für den schuldigen Theil zu achten sey, mit zur Untersuchung
gezogen, und das Erforderliche darüber in dem Scheidungsurtel festgesetzt
werden.
§. 746. Haben beyde Theile sich gegenseitiger Vergehungen
schuldig gemacht: so muß bestimmt werden: ob und bey welchem Theile ein
Uebergewicht der Schuld obwalte.
§. 747. Vergehungen, welche eine unmittelbare Verletzung der
aus dem Ehebündnisse entspringenden besondern Pflichten enthalten, wirken ein
Uebergewicht der Schuld gegen solche, wodurch diese Pflichten nur mittelbar
verletzt worden.
§. 748. Ehebruch (§. 670-673.), bösliche Verlassung (§.
677-692.), Versagung der ehelichen Pflicht (§. 694. 695.), selbstverschuldetes
Unvermögen (§. 696. 697.), Nachstellungen nach Leben, Gesundheit, Freyheit und
Ehre (§. 699. 700.), falsche Beschuldigung begangener grober Verbrechen,
Gefährdung des Lebens, der Ehre, oder des Amts (§. 705. 706.), sind in dieser
Rücksicht für gleich schwere Vergehungen zu achten.
§. 749. Wenn also ein Ehegatte sich solcher Verletzungen
schuldig gemacht hat; dem andern aber nur minder schwere Vergehungen zur Last
fallen: so ist das Uebergewicht der Schuld auf der Seite des erstern.
§. 750. Bey wechselseitigen Verschuldungen von gleicher Art,
soll ein Uebergewicht der Schuld nur alsdann angenommen werden, wenn erhellet,
daß die Vergehungen des einen Ehegatten aus überlegtem Vorsatze, die des andern
aber nur aus Leichtsinn, Uebereilung, oder Heftigkeit der Leidenschaft
entstanden sind.
a) Wenn kein Theil für den schuldigen erklärt worden.
§. 751. Ist bey dem Scheidungsprozesse kein Uebergewicht der
Schuld des einen Ehegatten ausgemittelt: so erfolgt zwar, wenn keine
Gütergemeinschaft obgewaltet hat, die Auseinandersetzung wegen des Vermögens
überhaupt, nach den bey der Trennung der Ehe durch den Tod vorgeschriebenen
Grundsätzen;
§. 752. Doch fällt alsdann die in den §. 564. bis 584. dem
überlebenden Ehegatten vorbehaltene Wahl hinweg; und die Frau nimmt die ihr
zukommenden Vermögensstücke selbst zurück.
§. 753. In Ansehung der an den eingebrachten Grundstücken
gemachten Verbesserungen, oder Verringerungen, hat der Mann die Rechte und
Pflichten eines redlichen Besitzers.
§. 754. Jeder Theil behält die von dem andern vor, bey, oder
während der Ehe ihm gemachten Geschenke; und die Hochzeitsgeschenke, die nicht
einem oder dem andern Ehegatten zugedacht worden (§. 172.), werden für
gemeinschaftlich angesehen.
§. 755. Hat unter den geschiedenen Eheleuten Gemeinschaft
der Güter obgewaltet: so nimmt jeder Theil sein in die Ehe gebrachtes, oder
während derselben durch Erbschaften, Vermächtnisse, Geschenke, oder bloße
Glücksfälle erlangtes Vermögen zurück, und das übrige wird unter beyde Eheleute
gleich getheilt.
§. 756. Alles, wovon nicht nachgewiesen werden kann, daß es
von Einem der beyden Eheleute in die Ehe gebracht worden, wird als
gemeinschaftlich angesehen.
§. 757. Doch werden durch diese Auseinandersetzung die
Rechte der Gläubiger, in Ansehung des gemeinschaftlich gewesenen Vermögens, in
nichts geändert.
§. 758. Es finden aber auch in diesem Falle die Vorschriften
des §. 661. Anwendung.
§. 759. Wird die Ehe wegen Wahnsinnes oder Raserey des einen
Theiles getrennt: so bleibt der andre Ehegatte verpflichtet, für die nach
Verhältniß des Standes nothdürftige Verpflegung des Unglücklichen, in so fern
ihm dieselbe aus eignen Mitteln nicht verschafft werden kann, nach seinem
Vermögen und Kräften zu sorgen. (§. 698.).
§. 760. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Ehegatte, wegen
eines dem andern während der Ehe unverschuldet zugestoßenen Unvermögens zur
Leistung der ehelichen Pflicht, oder andern körperlichen Gebrechens, (§. 696.
697.) die Scheidung gesucht hat.
§. 761. Ist zum Besten der getrennten Ehe ein Erbschatz von
einem Dritten bestellt worden: so fällt das Eigenthum den daraus erzeugten
Kindern zu; und der Nießbrauch verbleibt beyden geschiedenen Eheleuten zu
gleichen Theilen.
§. 762. Sind keine Kinder vorhanden; und der Besteller ist
noch am Leben: so kann dieser über den Erbschatz frey verfügen.
§. 763. Ist der Besteller bereits verstorben: so fällt auch
das Eigenthum des Erbschatzes jedem der geschiedenen Eheleute zur Hälfte zu.
§. 764. Ist jedoch der Erbschatz hauptsächlich zu Gunsten
des einen Ehegatten bestellt worden: so überkommt dieser das Eigenthum des
Ganzen; und dem andern Ehegatten bleibt nur der Nießbrauch der Hälfte auf Lebenslang.
§. 765. Daß der Erbschatz zu Gunsten des Einen Ehegatten
bestellt worden, wird vermuthet, wenn die Bestellung von einem seiner
Verwandten geschehen ist.
b) Wenn ein Theil für schuldig erklärt worden.
A. Außer dem Falle der Gütergemeinschaft.
1. Auseinandersetzung des Vermögens.
§. 766. Ist in dem Scheidungsprozesse der eine Ehegatte für
den schuldigen Theil erklärt worden: so erfolgt, wenn keine Gütergemeinschaft
vorgewaltet hat, die Auseinandersetzung wegen des Vermögens, überall nach den
bey der Trennung, der Ehe durch den Tod vorgeschriebenen Grundsätzen.
§. 767. Alle Begünstigungen, welche das Gesetz dem
überlebenden Ehegatten beylegt, genießt in diesem Falle der Unschuldige.
§. 768. Nur in dem Falle des §. 573. tritt an die Stelle der
von den Erben der Frau zu bestimmenden, eine gerichtlich aufzunehmende Taxe.
§. 769. Der Nießbrauch des Mannes in dem Eingebrachten der
Frau endigt sich allemal mit dem Tage, da das Scheidungsurtel publiciret
worden.
§. 770. Hat der schuldige Theil die Rechtskraft des Urtels
durch ungegründete Rechtsmittel aufgehalten: so kann er daraus niemals einen
Vortheil ziehen.
§. 771. Es wird also der Zeitpunkt
der Scheidung, soweit es ihm nachtheilig ist, auf den Tag des in den folgenden
Instanzen bestätigten ersten Scheidungsurtels zurück gerechnet.
§. 772. Ist der Mann für den schuldigen Theil erklärt: so
hängt es von der Wahl der Frau ab, die Verwaltung des eingebrachten
Grundstücks, bis zum Ablauf des Wirthschaftsjahres, selbst zu übernehmen, oder
die Bestellung eines gemeinschaftlichen Verwalters auf Kosten des Mannes zu
suchen.
§. 773. Der unschuldige Theil behält die empfangenen
Brautgeschenke; und kann die gegebenen, in so fern sie noch vorhanden sind,
zurückfordern.
§. 774. Der unschuldige Mann behält die versprochene
Morgengabe; und kann die wirklich schon gegebene von dem Vermögen der Frau als
eine Schuld abziehn.
§. 775. Auch die während der Ehe gemachten Schenkungen kann
der unschuldige Theil, wegen der von dem schuldigen begangenen Undankbarkeit,
widerrufen. (Th. I. Tit. XI. §. 1151. sqq.)
§. 776. Die zur Hochzeit, oder sonst, während der Ehe, von
einem Dritten gemachten Schenkungen werden, wenn sie nicht Einem Theile
ausdrücklich zugewendet, oder ihrer Beschaffenheit nach zu seinem alleinigen
Gebrauche bestimmt sind, als gemeinschaftlich angesehen.
§. 777. Wegen verwendeter Hochzeitskosten findet in keinem
Falle ein gegenseitiger Anspruch statt.
§. 778. Ist ein von einem Dritten bestellter Erbschatz
vorhanden: so bleibt der Nießbrauch davon dem unschuldigen Theile; und das
Eigenthum fällt den aus der geschiedenen Ehe erzeugten Kindern zu.
§. 779. Der unschuldige Theil kann sich nicht entbrechen,
von den Einkünften des Erbschatzes einen verhältnißmäßigen Beytrag zur
Erziehung und Verpflegung der Kinder zu leisten; in so fern diese Kosten von
dem Schuldigen ganz oder zum Theil nicht aufgebracht werden können.
§. 780. Sind keine Kinder vorhanden, und der Besteller des
Erbschatzes ist noch am Leben: so kann dieser frey darüber verfügen.
§. 781. Ist der Besteller verstorben: so fällt Eigenthum und
Nießbrauch des Erbschatzes dem unschuldigen Ehegatten anheim.
§. 782, Ist aber der Erbschatz nach §. 764. 765. zu Gunsten
des schuldigen Theiles bestellt worden: so können die Erben des Bestellers das
Eigenthum zurückfordern; und der unschuldige Ehegatte behält nur den Nießbrauch
auf Lebenslang.
2) Abfindung des unschuldigen Theiles.
§. 783. Wenn nun nach obigen Vorschriften das Vermögen der
beyden geschiedenen Eheleute von einander abgesondert worden: so ist der
schuldige Ehegatte den unschuldigen, wegen der künftigen Erbfolge, aus seinem
Vermögen abzufinden schuldig.
§. 784. Es wird alsdann angenommen, als ob der schuldige
Theil an dem Tage des publicirten und rechtskräftig gewordenen Scheidungsurtels
(§. 769. 770. 771.) gestorben wäre.
§. 785. Sind über die künftige Erbfolge keine Verträge
vorhanden; und ist die Ehe wegen der §. 748. benannten groben Vergehungen
getrennt worden: so besteht die Abfindung des Unschuldigen in dem Vierten
Theile von dem Vermögen des Schuldigen.
§. 786. Sind aber nur minder schwere Vergehungen die Ursache
der Scheidung gewesen: so wird die Abfindung auf den Sechsten Theil bestimmt.
§. 787. Lehne, Fideicommisse, und was sonst der freyen
Veräußerung des schuldigen Theiles nicht unterworfen ist, kommt bey der
Berechnung seines Vermögens, zum Behufe der zu bestimmenden Abfindung, nicht
mit in Anschlag.
§. 788. Mobilien, Grundstücke und Gerechtigkeiten, wenn
keine gültige Vereinbarung über ihren Werth Platz greift, werden nur nach einer
gerichtlich aufzunehmenden Taxe gerechnet.
§. 789. Es kann also auch der schuldige Theil zum Verkaufe
solcher Vermögensstücke, bloß um den Werth derselben auszumitteln, niemals
gezwungen werden.
§. 790. Von dem Vermögen des schuldigen Theiles werden nur
solche Schulden abgerechnet, die zur Zeit der angemeldeten Scheidungsklage
schon vorhanden waren.
§. 791. Was der unschuldige Theil aus dem Erbschatze erhält,
kann ihm auf seine Abfindung niemals, und in keinem Falle, angerechnet werden.
§. 792. Ist die künftige Erbfolge durch Verträge bestimmt:
so erhält der unschuldige Theil in der Regel alles das, was ihm darin, auf den
Todesfall des Schuldigen, verschrieben worden.
§. 793. Sind die nach den Verträgen dem Unschuldigen zukommenden
Vortheile geringer, als die gesetzliche Abfindung: so kann derselbe diese
letztere, statt der Abfindung, aus den Verträgen wählen.
§. 794. Sind aber Kinder aus dieser Ehe vorhanden: so kann
der unschuldige Theil nur die geringere vertragsmäßige Abfindung fördern.
§. 795. Ist die vertragsmäßige Abfindung des unschuldigen
Theiles stärker, als die gesetzliche; und es sind aus der getrennten Ehe Kinder
vorhanden: so muß der Unschuldige mit der gesetzlichen Abfindung sich begnügen.
§. 796. Sind keine Kinder vorhanden: so kann zwar der
unschuldige Theil an den Vertrag sich halten;
§. 797. Doch kann auch alsdann dem Schuldigen niemals mehr,
als höchstens die Hälfte von der Substanz, oder dem Nießbrauche seines
Vermögens, genommen werden.
§. 798. Statt der Abfindung, welche nach obigen Vorschriften
dem unschuldigen Theile aus Verträgen oder Gesetzen zukommt, kann die Frau
standesmäßige Verpflegung, bis an ihren Tod, aus den Mitteln des schuldigen
Mannes fordern.
§. 799. Diesen standesmäßigen Unterhalt müssen die Gerichte,
nach Verhältniß des Gewerbes oder Verdienstes, oder der sonstigen Einkünfte des
schuldigen Ehemannes, bestimmen.
§. 800. Jedem Theile steht frey, zum Behufe dieser nähern
Bestimmung, einen Standes- oder Zunftgenossen des Mannes vorzuschlagen; und
zwischen dem Gutachten derselben giebt der Befund des Richters den Ausschlag.
§. 801. Die Einkünfte des zurückgenommenen eigenthümlichen
Vermögens der Frau, ingleichen der ihr etwa zugefallene Nießbrauch eines
Erbschatzes, werden ihr auf die ausgemittelten Verpflegungsgelder angerechnet.
§. 802. Der Mann ist verbunden, die der Frau zu reichenden
Verpflegungsgelder aus seinem bereitesten Vermögen anzuweisen, und zu
versichern.
§. 803. Bey verbesserten Vermögensumständen des Mannes kann
zwar die Frau keine Erhöhung, wohl aber eine bessere Versicherung ihrer
Verpflegungsgelder fordern.
§. 804. Uebrigens kann die geschiedene Frau, wenn sie einmal
Verpflegungsgelder gewählt hat, davon in der Regel nicht wieder abgehn, und die
gesetz- oder vertragsmäßige Abfindung fordern.
§. 805. Dagegen behält sie aber auch die Verpflegungsgelder,
wenn sie gleich zu einer andern Ehe schreitet.
§. 806. Nur in dem Falle, wenn bey dem Ableben des Mannes so
wenig Vermögen vorhanden ist, daß die Verpflegungsgelder mehr, als die Hälfte
von dem Ertrage des Nachlasses ausmachen, hat die Frau die Wahl: ob sie sich
eine Heruntersetzung bis auf diese Hälfte gefallen lassen, oder aus der
Substanz des Nachlasses die gesetzliche Abfindung Ein- für allemal fordern
wolle.
§. 807. Bey dieser Abfindung wird der Betrag des bey der
Scheidung vorhanden gewesenen Vermögens, oder der des Nachlasses, je nachdem
einer oder der andere geringer ist, zum Grunde genommen.
§. 808. Dagegen aber dürfen auch der Frau die bis zum Tode
des geschiedenen Mannes genossene Verpflegungsgelder auf ihre Abfindung nicht
angerechnet werden.
§. 809. Ist der unschuldige Ehemann wegen Alters, Krankheit,
oder anderer Unglücksfälle, sich seinen Unterhalt selbst zu verdienen nicht im
Stande: so kann er, statt der aus dem Vermögen der schuldigen Frau ihm
gebührenden Abfindung, standesmäßige Verpflegung wählen.
§. 810. Solchenfalls gilt für ihn alles, was zum Besten der
unschuldigen Ehefrau vorstehend verordnet ist.
B. Wenn Gütergemeinschaft vorgewaltet hat.
§. 811. Hat unter den geschiedenen Eheleuten eine
Gemeinschaft aller Güter vorgewaltet: so kann der unschuldige Theil wählen: ob
er die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens fordern, oder auf Absonderung
der Güter antragen wolle.
§. 812. Wählt er letzteres: so erfolgt die Absonderung nach
den §. 755-758. ertheilten Vorschriften.
§. 813. Aus dem solchergestalt ausgemittelten besondern
Vermögen des schuldigen Theiles gebührt dem Unschuldigen eben die Abfindung,
welche er, außer dem Falle der Gütergemeinschaft, zu fordern hat.
§. 814. Wählt der unschuldige Theil die Hälfte des
gemeinschaftlichen Vermögens: so kann er, außer derselben, weiter keine
besondere Abfindung fordern.
§. 815. Doch erhält, bey der Theilung, der Unschuldige die
§. 640. bestimmten Effekten zum Voraus.
§. 816. Wegen der übrigen Effekten hat er eben die Wahl,
welche §. 648. 649. und 650. dem überlebenden Ehegatten vorbehalten ist.
§. 817. Sind Grundstücke und Gerechtigkeiten in dem zu
theilenden gemeinschaftlichen Vermögen vorhanden: so muß der Werth derselben,
wenn keine gütliche Vereinbarung statt findet, nach einer gerichtlich
aufzunehmenden Taxe in Anschlag gebracht werden.
§. 818. Alsdann hat der unschuldige Theil die Wahl, ob er
diese Güter für die Taxe annehmen, oder dem Schuldigen überlassen wolle.
§. 819. Auch steht dem unschuldigen Theile frey, auf eine
Privatversteigerung zwischen ihm und dem Schuldigen anzutragen.
§. 820. Nur solche Schulden, welche vor angemeldeter
Scheidungsklage entstanden sind, können, zur Last des unschuldigen Theiles, von
dem gemeinschaftlichen Vermögen abgezogen werden.
§. 821. Haben die Eheleute nur in einer Gemeinschaft des
Erwerbes gelebt: so geschieht die Absonderung des eigenthümlichen Vermögens
beyder Theile nach der Vorschrift §. 662. sqq.
§. 822. Der Erwerb wird getheilt, und die dem schuldigen
Ehegatten zufallende Hälfte wird dem Vermögen beygerechnet, woraus dem
Unschuldigen die gesetzliche Abfindung gebührt.
C. Wenn der schuldige Theil gar kein Vermögen hat.
§. 823. Kann der schuldige Ehegatte dem unschuldigen weder
Abfindung, noch Verpflegungsgelder gewähren: so soll ersterer für die
Vergehungen, wodurch er zur Scheidung Anlaß gegeben hat, nach Verhältniß der
Größe und Schwere derselben, und nach Bewandniß der übrigen vorkommenden
Umstände, mit Gefängniß oder Strafarbeit auf Vierzehn Tage bis Drey Monathe
belegt werden.
Verträge über die Abfindung,
§. 824. Außergerichtliche Verträge, wodurch der unschuldige
Ehegatte der nach den Gesetzen ihm zukommenden Abfindung sich begiebt, sind für
denselben unverbindlich.
§. 825. Verträge hingegen, wodurch die Abfindung, zur
Vermeidung von Weitläuftigkeiten und Prozessen; auf gewisse Summen oder Sachen
bestimmt worden, sind, so wie andre Verträge unter Eheleuten, gültig.
§. 826. Doch können auch durch solche Verträge weder die
Gläubiger, noch die aus der Ehe erzeugten Kinder, an ihren Rechten verkürzt
werden.
Rechte der Erben.
§. 827. Die Erben des beleidigten Ehegatten sind befugt, die
Scheidungsklage, zum Behufe der Auseinandersetzung des Vermögens, zu verfolgen;
in so fern der Erblasser erst nach fruchtlos angestelltem Sühnsversuche
gestorben ist.
§. 828. Auch können sie selbst auf die Herausgabe des
gesammten Vermögens ihres Erblassers klagen, wenn der überlebende Ehegatte den
Tod des Erblassers verursacht, oder ihn durch gewaltsame Mittel zu klagen
verhindert hat.
§. 829. In beyden Fällen §. 827. 828. muß die Absonderung
des Vermögens nach den Vorschriften §. 766. sqq. erfolgen; und der schuldige
Ehegatte verliert alle Vortheile, die er sonst aus dem Nachlasse des Verstorbenen
zu erwarten hatte.
§. 830. Dagegen können die Erben des unschuldigen Theils
eine Abfindung aus dem Vermögen des Schuldigen nur alsdann fordern, wenn
dieselbe dem Erblasser bey seinem Leben bereits zuerkannt war; und das Urtel,
vor oder nach seinem Tode, rechtskräftig, oder in den folgenden Instanzen
bestätigt wird.
§. 831. Doch bleibt, bey vorgewalteter Gütergemeinschaft,
auch den Erben des unschuldigen Theils, in allen Fällen, die dem Erblasser nach
§. 811. zugestandene Wahl vorbehalten.
§. 832. Ist statt der Abfindung
auf standesmäßige Verpflegungsgelder erkannt: so können die Erben nur die bis
zum Ableben des Erblassers etwa verbliebenen Rückstände fordern.
§. 833. Stirbt der schuldige Ehegatte vor rechtskräftig
entschiedenem Prozesse: so sind alle von ihm hinterlassene letztwillige
Verordnungen, so weit dieselben auf Schmälerung des dem Unschuldigen aus
Gesetzen oder Verträgen zukommenden Erbtheils abzielen, unkräftig.
§. 834. Was bey Ehescheidungen wegen Erziehung, Verpflegung,
und Versorgung der Kinder statt finde, ist im folgenden Titel vorgeschrieben.
Neunter Abschnitt
Von der Ehe zur linken Hand
Begriff.
§. 835. Ehen zur linken Hand unterscheiden sich von andern
Ehen bloß darinn, daß die Frau durch selbige nicht alle Standes- und
Familienrechte erlangt, welche die Gesetze einer wirklichen Ehefrau beylegen.
Fälle, in welchen solche Ehen zuläßig sind.
§. 836. Dergleichen Ehen sind in der Regel nicht zuläßig;
vielmehr erfordern sie allemal, wenn sie statt finden sollen, die unmittelbare
Landesherrliche Erlaubniß.
§. 837. Diese Erlaubniß kann nur von Mannspersonen höhern
Standes, in außerordentlichen Fällen, und aus erheblichen Gründen nachgesucht
werden.
§. 838. Zu den erheblichen Gründen gehört besonders, wenn
der Mann nicht Vermögen oder Einkünfte genug besitzt, um eine Frau und Familie
standesmäßig zu ernähren und zu versorgen.
§. 839. Ferner, wenn er durch eine zweyte standesmäßige
Heirath das den Kindern erster Ehe bestimmte Familien-Vermögen zu sehr zu
belasten oder zu schmälern besorgt.
§. 840. Die Richtigkeit dieser Gründe muß sofort
bescheinigt, oder gehörig untersucht werden.
§. 841. Die Beurtheilung ihrer Erheblichkeit aber bleibt dem
höchsten Landesherrn allein vorbehalten.
Erfordernisse derselben.
§. 842. Alles was die Schließung einer Ehe überhaupt
hindert, das steht auch einer Ehe zur linken Hand entgegen.
§. 843. Nur die Ungleichheit des Standes macht hier kein
Hinderniß.
§. 844. So weit zu einer vollgültigen Ehe die Einwilligung
der Eltern und Vormünder erfordert wird, ist dieselbe auch bey Ehen zur linken
Hand nothwendig.
§. 845. Diese Einwilligung kann, wenn sie verweigert worden,
von dem Richter niemals ergänzt werden.
Ehe-Contrakt.
§. 846. Die Schließung einer Ehe zur linken Hand setzt einen
schriftlichen Contrakt nothwendig voraus.
§. 847. Bey dessen Errichtung muß alles beobachtet werden,
was in Ansehung der Form der Ehegelöbnisse vorgeschrieben ist. (§. 82. sqq.)
§. 848. In dem Ehecontrakte muß der Verlobten jedesmal eine
gewisse Abfindung, zu ihrem auskömmlichen Unterhalte auf den Fall der
getrennten Ehe, bestimmt seyn.
§. 849. Diese Abfindung kann in jährlichen
Verpflegungsgeldern, oder auch in einer ein für allemal zu entrichtenden
Capitalssumme bestehen.
§. 850. In dem Contrakte muß zugleich bestimmt seyn: wie der
Verlobten diese Abfindung versichert werden solle.
§. 851. Ist darin nichts bestimmt, so hat dieselbe eben die
Rechte, welche bey einer vollgültigen Ehe dem Gegenvermächtnisse beygelegt
worden. (§. 466. sqq.)
§. 852. Vor Errichtung eines solchen Contrakts, in welchem die
Abfindung der Verlobten bestimmt ist, soll die Erlaubniß zur Vollziehung der
Ehe nicht ertheilt werden.
§. 853. Wenn nach würklich geschlossenem Ehecontrakte ein
oder beyde Theile vor der Vollziehung der Ehe wiederum davon abgehen wollen, so
findet eben das Statt, als bey dem Rücktritte von einem gültigen Ehegelöbnisse.
(§. 99. sqq.)
§. 854. Wer also ohne Grund zurücktritt, oder den andern
Theil zum Rücktritte veranlaßt, muß demselben so viel, als der Vierte Theil des
im Ehecontrakte bestimmten Capitals, oder der zu Capital zu rechnenden
Verpflegungsgelder ausmacht, zur Schadloshaltung entrichten.
§. 855. Der Vollziehung der Ehe zur linken Hand muß, so wie
bey einer vollgültigen Ehe, das Aufgebot vorangehen.
§. 856. Es ist jedoch hinreichend, wenn in Ansehung eines
jeden Theils nur bekannt gemacht wird, daß derselbe eine eheliche Verbindung
schließen wolle.
§. 857. Daß bey der Proklamation des Bräutigams der Name der
Braut, oder bey dem Aufgebot der Braut der Name des Bräutigams genannt werde,
ist nicht nothwendig.
Vollziehung der Ehe.
§. 858. Nach erhaltner Landesherrlicher Erlaubniß, müssen
beyde Theile bey dem Landes-Justizcollegio der Provinz sich melden, und den
unter ihnen geschlossenen Contrakt zur Bestätigung vorlegen.
§. 859. Zu diesem Contrakte müssen sie sich vor dem
Gerichte, oder einem Commissario desselben persönlich bekennen, und die
Festhaltung durch Handschlag angeloben.*
§. 870. Nach dieser geschehenen Verlautbarung muß die Ehe
durch die wirkliche Trauung an die linke Hand vollzogen werden.
§. 871. Bey der Eintragung der erfolgten Copulation in das
Kirchenbuch muß ausdrücklich bemerkt werden, daß die Ehe zur linken Hand
geschlossen worden.
Rechte und Pflichten aus dieser Ehe.
§. 872. Alle persönliche Pflichten, welche bey der
vollgültigen Ehe stattfinden, gelten der Regel nach auch zwischen denjenigen,
welche sich durch eine Ehe zur linken Hand verbinden.
§. 873. Die Frau erlangt jedoch weder den Namen, noch den
Stand und Rang des Mannes, sondern behält diejenigen, welche sie vor der Ehe
gehabt hat.
§. 874. War sie Wittwe, so muß sie ihren Geschlechtsnamen
wieder annehmen.
§. 875. Sie tritt nicht in die Familie des Mannes, und darf
sich seines Titels und Wappens nicht bedienen.
§. 876. Doch geht sie in diejenige Gerichtsbarkeit über,
welcher der Mann unterworfen ist.
§. 877. Steht sie noch unter Vormundschaft, so wird diese
bis zur erlangten Volljährigkeit ungeändert fortgesetzt.
§. 878. Außerdem aber wird eine solche Frau, in Ansehung der
Befugniß, mit andern verbindliche Geschäfte vorzunehmen, wie eine
unverheyrathete volljährige Frauensperson betrachtet.
§. 879. Doch kann sie, ohne des Mannes Einwilligung, keine
Verbindungen eingehn, wodurch ihre Person während der Ehe verhaftet wird.
§. 880. Die Frau zur linken Hand kann von dem Manne nur
einen ihrem Stande gemäßen Unterhalt fordern.
§. 881. Curkosten sind unter diesem Unterhalte mit
begriffen; nicht aber Prozeßkosten, als in so fern diese bloß die Person der
Frau betreffen.
§. 882. Den Mann macht die Frau zur linken Hand, ohne seine
ausdrückliche Einwilligung, nur in so fern verbindlich, als er durch die
Handlungen der Ehefrau verhaftet wird. (§. 321. sqq.)
besonders in Ansehung des Vermögens.
§. 883. Ist die Frau zur linken Hand noch minderjährig, so
behält ihr Vater oder Vormund die Verwaltung ihres Vermögens.
§. 884. Ist sie volljährig, so verbleibt ihr selbst die
uneingeschränkte Verwaltung desselben.
§. 885. Der Mann kann auf den Nießbrauch davon niemals
Anspruch machen.
§. 886. Die nach Statuten oder Provinzialgesetzen unter
Eheleuten obwaltende Gemeinschaft der Güter oder des Erwerbs, entsteht niemals
durch eine Ehe zur linken Hand.
§. 887. Auch durch Verträge kann unter solchen Eheleuten
eine Gütergemeinschaft nicht eingeführt werden.
§. 888. Hat die Frau etwas von ihrem Vermögen dem Manne zum
Gebrauch, zur Verwahrung, oder Verwaltung überlassen, so hat sie deshalb eben
die Rechte gegen ihn, als gegen einen Fremden.
§. 889. Hat der Mann sich etwas von ihrem Vermögen
eigenmächtig angemaaßt, so kann sie dasselbe auch noch in stehender Ehe zurück
fordern.
§. 890. Geräth der Mann in Concurs, so hat die Frau, wegen
ihrer von demselben eigenmächtig an sich genommenen Vermögens-Stücke, eben die
Rechte, wie die Ehefrau wegen ihres vorbehaltenen Vermögens.
§. 891. Hat der Mann von dem eigenmächtig an sich genommenen
Vermögen der Frau etwas verzehrt, veräußert, oder sonst abhanden gebracht, oder
auch die Sache beschädigt, oder sonst verringert, so muß er auch in Ansehung
des Werths alles vertreten, wozu ein unredlicher Besitzer verpflichtet ist. (Th.
I. Tit. VII. §. 222.
sqq.).
§. 892. Sind aber bewegliche Sachen der Frau in der
Wirthschaft des Mannes verbraucht oder abgenutzt worden, so wird der Mann, in
Rücksicht der Vertretung, als ein Leiher angesehn. (Th. I.
Tit. XXI. §. 248.
sqq.)
der Geschenke.
§. 893. Während der Ehe kann der Mann seiner Frau zur linken
Hand keine Geschenke machen, so lange Kinder oder Enkel aus einer vollgültigen
Ehe vorhanden sind.
§. 894. Auch durch den nachher erfolgenden Abgang solcher
Kinder oder Enkel gelangen die vorhin gemachten Geschenke nicht zur Gültigkeit.
§. 895. Hat aber der Mann keine Verwandten in absteigender
Linie, so sind seine der Frau zur linken Hand gemachten Geschenke, wie unter
Fremden gültig.
§. 896. Was die Frau von dem Manne an Juwelen,
Kostbarkeiten, und überhaupt zur Pracht erhält, wird in zweifelhaftem Falle nur
für geliehen geachtet.
§. 897. Dergleichen Sachen kann der Mann von der Frau, oder
auch von einem Dritten, welcher sie von ihr ohne des Mannes Einwilligung
erhalten hat, zu allen Zeiten zurück fordern.
§. 898. Auch gültige Geschenke fallen, jedoch nur in so
fern, als sie noch vorhanden sind, an den Mann zurück, wenn die Frau vor dem
Manne stirbt, und keine Abkömmlinge aus der mit ihm geführten Ehe verläßt.
§. 899. Dagegen bleibt jederzeit, und ohne Unterschied der
Fälle, dasjenige, was der Mann seiner Frau zur linken Hand an Kleidern, Wäsche
oder sonst, zu einem ihrem Stande gemässen Unterhalte gegeben hat, wenn es auch
zur Zeit der getrennten Ehe noch vorhanden ist, ihr unwiderrufliches Eigenthum.
§. 900. Alles, was vorstehend §. 893. 894. 895. von
Geschenken des Mannes verordnet ist, gilt auch von solchen, welche die Frau dem
Manne macht, je nachdem dieselbe andere, als mit ihm erzeugte Abkömmlinge hat,
oder nicht.
der Bürgschaften.
§. 901. Will eine Frau zur linken Hand sich für den Mann
verbürgen, so müssen die Vorschriften §. 343. 344. beobachtet werden.
§. 902. Wegen Bürgschaften für Fremde wird eine solche Frau
nur als eine andere unverheyrathete Frauensperson angesehen.
Trennung der Ehe zur linken Hand durch den Tod.
§. 903. Wird die Ehe zur linken Hand durch den Tod getrennt;
so findet wegen der Beerdigung und Trauer alles Statt, was bey vollgültigen
Ehen verordnet ist.
§. 904. Doch darf die Frau zur linken Hand nur ihrem Stande
gemäß begraben werden; und nach dem Tode des Mannes, die Trauer nur so, wie sie
unter Leuten ihres Standes gewöhnlich ist, anlegen.
§. 905. Auf den Nachlaß der Frau kann der überlebende Mann
sich keines Erbrechts anmaaßen.
§. 906. Sie kann aber darüber, auch zum Besten des Mannes,
durch Erbvertrag oder Testament, wie für einen Fremden, verfügen.
§. 907. Sind aus der Ehe zur linken Hand Kinder vorhanden,
so bleibt diesen die in dem Ehecontrakte der Mutter verschriebene Abfindung.
§. 908. Andre Erben der Frau hingegen können auf diese
Abfindung keinen Anspruch machen.
§. 909. Nach dem Tode des Mannes, erhält die überlebende
Frau die ihr im Ehecontrakte verschriebene Abfindung aus dem Nachlasse, als
eine Schuld.
§. 910. Verläßt jedoch der Mann Kinder oder Enkel aus
vollgültiger Ehe, und nicht so viel Vermögen, daß dieselben zusammen wenigstens
halb so viel, als die Abfindung beträgt, zum Erbtheile übrig behalten; so muß
das an dieser Hälfte Fehlende aus der Abfindung ergänzt werden.
§. 911. Ein Gleiches findet statt, wenn die Abfindung in
Verpflegungsgeldern besteht, und der Ertrag des den Abkömmlingen übrig
bleibenden Nachlasses nicht halb so viel, als diese Verpflegungsgelder,
ausmacht.
§. 912. Die Frau zur linken Hand behält aber auch die
Verpflegungsgelder, selbst wenn sie wieder heyrathet.
§. 913. Außer der Abfindung hat die Frau zur linken Hand an
dem Nachlasse des Mannes kein gesetzliches Erbrecht.
§. 914. Durch Erbvertrag oder Testament kann der Mann, zum
Vortheile der Frau, wie für einen Fremden verordnen, wenn er zur Zeit der
geschlossenen Heirath keine Kinder aus einer vollgültigen Ehe am Leben hatte.
§. 915. Waren aber damals dergleichen Kinder vorhanden, so
kann, selbst wenn dieselben in der Zwischenzeit gestorben sind, der Mann seiner
Frau zur linken Hand nicht mehr, als den Zehnten Theil seines eigenthümlichen
freyen Nachlasses, letztwillig zuwenden.
§. 916. Die Abfindung aus dem
Ehecontrakte wird, wenn die Masse zum Behufe der Ausmittelung dieses Zehntels
bestimmt werden soll, als eine Schuld abgerechnet.
§. 917. Die Frau erhält also ein
solches nach den Gesetzen zuläßiges Vermächtniß noch, über ihre Abfindung.
§. 918. Beträgt das Vermächtniß mehr als den Zehnten Theil
des Nachlasses, so muß dasselbe auf so weit heruntergesetzt werden.
Verwandlung in eine vollgültige Ehe.
§. 919. Die Ehe zur linken Hand kann in eine vollgültige Ehe
verwandelt; werden.
§. 920. Dazu wird die freye Einwilligung,beyder Theile, und
wenn eine gänzliche Ungleichheit des Standes obwaltet, auch der Consens der
nächsten Anverwandten erfordert. (§. 30-33.)
§. 921. Hatten die Eltern des Mannes nur in eine Ehe zur
linken Hand gewilligt, so ist zu deren Verwandlung in eine vollgültige Ehe ein
nochmaliger Consens derselben nothwendig.
§. 923. Ueberhaupt aber muß in allen Fällen die
ausdrückliche Landesherrliche Erlaubnis hinzukommen.
|
§. 924. Auf diese Erlaubniß soll niemals angetragen werden,
wenn die Kinder aus einer vollgültigen Ehe, zu deren Begünstigung die Heirath
zur linken Hand geschlossen worden, in der Zwischenzeit gestorben oder sonst
abgegangen sind; und auch nur ein entfernter Verdacht vorhanden ist, daß dieser
Abgang durch Vernachläßigung, üble Behandlung, oder auf andre Art, von Seiten
der Eltern veranlaßt oder befördert worden.
Rechte einräume.
§. 925. Nach erfolgter Landesherrlichen Erlaubniß muß der
Mann vor dem Landes-Justizcollegium der Provinz, oder einem Commissario
desselben, persönlich erklären, daß er die Frau nunmehr für seine würkliche
Ehefrau erkenne, und ihr alle mit diesem Stande verbundenen Rechte einräume.
§. 927. Diese Erklärung muß die Frau, der Regel nach, in
Person annehmen.
§. 928. Ihr muß darüber eine förmliche Ausfertigung ertheilt
werden.
§. 929. Ein Aufgebot ist so wenig, als eine nochmalige
Trauung nothwendig.
§. 930. Doch muß davon dem gehörigen Pfarrer, zur Eintragung
in das Kirchenbuch, Anzeige geschehen.
Durch richterlichen Ausspruch.
§. 931. Die Trennung einer Ehe zur
linken Hand kann, durch richterlichen Ausspruch, nur in eben den Fällen
erfolgen, in welchen eine andere Ehe, nach den Vorschriften des Achten Abschnitts, getrennt werden kann.
|
§. 932. Doch sind Vergehungen, welche zwischen anderen
Eheleuten die Trennung der Ehe nach §. 699-703. nur in einem höhern Grade
begründen können, auch in einem mindern Grade schon hinreichend, den Mann zu
dem Antrage auf Scheidung einer Ehe zur linken Hand zu berechtigen.
§. 933. Auch muß der Richter, wenn die Frau wegen bloß
mündlicher Beleidigungen, oder geringerer Thätlichkeiten die Scheidung
verlangt, auf die Verschiedenheit des Standes zwischen solchen Eheleuten
billige Rücksicht nehmen.
Ehescheidungs-Strafen.
§. 934. Wird die Ehe zur linken Hand durch Urtel und Recht
getrennt, und die Frau für den schuldigen Theyl erklärt, so verliert sie die im
Ehecontrakte ihre versprochene Abfindung.
§. 935. Auch muß sie die Braut- und die von dem Manne
während der Ehe erhaltenen Geschenke, in so fern dieselben noch vorhanden sind,
oder sie dadurch noch wirklich reicher ist, zurückgeben.
§. 936. Die §. 899. bemerkten Sachen sind jedoch auch in
diesem Fälle keiner Rückgabe unterworfen.
§. 937. Kommt der Anlaß zur Scheidung zwar von Seiten der
Frau, aber ohne moralisches Verschulden derselben; so behält sie die Geschenke,
und der Mann muß ihr die im Ehecontrakte verschriebene Abfindung entrichten.
§. 938. Ist der Mann der schuldige Theil; so wird die der
Frau gebührende Abfindung nach richterlichem Ermessen bestimmt.
§. 939. Diese Abfindung kann, bewandten Umständen nach, bis
auf das Doppelte der im Ehecontrakte verschriebenen Summe erhöht werden.
§. 940. Giebt der Mann zwar, jedoch ohne sein moralisches
Verschulden, Anlaß zur Scheidung; so findet die Vorschrift §. 937. Anwendung.
§. 941. In allen Fällen, wo der Frau Verpflegungsgelder
statt der Abfindung zuerkannt sind, behält sie dieselben auch nach
geschlossener anderweitigen Ehe.
§. 942. Die Frau kann für diese Verpflegungsgelder
Eintragung auf die Grundstücke des Mannes fordern.
§. 943. Ist dergleichen besondre Sicherheit nicht bestellt,
so haben solche Verpflegungsgelder das Vorrecht der auf gerichtliche
Verschreibungen gegründeten Ansprüche.
§. 944. Von den Rechten und Pflichten der aus einer Ehe zur
linken Hand erzeugten Kinder wird im Achten Abschnitt des folgenden Titels
gehandelt.
Zehnter Abschnitt
Von den rechtlichen Folgen gesetzwidrig geschlossener Ehe
Begriffe.
§. 945. Ehen, welche wegen obwaltender Verbotsgesetze
niemals bestehen können, heißen nichtig.
§. 946. Ehen, welche zwar von Anfang an gesetzliche
Hindernisse im Weg stehen, die aber doch in der Folge, durch Hebung dieser
Hindernisse, verbindliche Kraft erlangen können, werden ungültig genannt.
I. Von nichtigen Ehen.
§. 947. Nichtig sind Ehen, welche innerhalb der durch die
Gesetze verbotenen Grade geschlossen worden. (§. 3. 4. 5.)
§. 948. Ferner diejenigen, bey deren Schließung Einer oder
beyde Theile annoch anderweitig verheirathet waren. (§. 16.)
§. 949. Ein Gleiches gilt von Ehen zwischen einer
geschiedenen Person, und derjenigen, welche sie, wegen des zur Scheidung
gegebenen Anlasses, nach den Gesetzen nicht heirathen darf. (§. 25-29.)
§. 950. Auch solche Ehen, die von Militairpersonen, ohne
die, in Ansehung ihrer, nach den Gesetzen besonders erforderliche Einwilligung
geschlossen worden, sind nichtig. (§. 34. 35.)
§. 951. Eben das findet in Fällen statt, wo der Unterschied
der Religionen ein gesetzliches Ehehinderniß ausmacht. (§. 36.)
§. 952. Ehen, welche die Gesetze wegen Ungleichheit des
Standes verbieten, werden, wenn sie ohne die erforderliche Dispensation dennoch
geschlossen worden, ebenfalls für nichtig angesehen. (§. 30-33.)
§. 953. Auch wenn in den Fällen des §. 948. 950. 951. 952.
das Ehehinderniß in der Folge gehoben werden könnte; bleibt die Ehe in der
Regel dennoch nichtig.
§. 954. Nur in dem Falle des §. 948., wenn die vorige Ehe
aus einem unverschuldeten Irrthume für getrennt angenommen worden, da sie doch
noch wirklich bestanden hat, ist die spätere Ehe keinesweges nichtig, sondern
nur ungültig.
§. 955. Wenn also das der spätern Ehe zur Zeit ihrer
Vollziehung entgegen gestandene Ehehinderniß durch eine nachher wirklich
erfolgende Trennung der frühern gehoben worden: so ist die spätere Ehe als von
Anfang an gültig anzusehn.
§. 956. Für einen unverschuldeten Irrthum ist es zu halten,
wenn der wirklich noch nicht erfolgte Tod des vorigen Ehegatten gesetzmäßig
bescheinigt war: oder wenn die vorige Ehe durch ein richterliches Erkenntniß,
dem aber ein wesentliches Erforderniß der Gültigkeit ermangelte, für getrennt
erklärt worden.
§. 957. Hat aber der vor Trennung der frühern zu einer
nachherigen Ehe schreitende Theil den vorgefallenen Fehler vorsetzlich, oder
durch sein eignes grobes oder mäßiges Versehen, selbst veranlaßt: so bleibt die
Ehe von Anfang an nichtig.
§. 958. Soll außer dem Falle des §. 948. die nichtige Ehe
nach gehobnem Hindernisse zur Gültigkeit gelangen: so muß sie auf die in den
Gesetzen vorgeschriebene Art nochmals feyerlich vollzogen werden.
§. 959. Mit dem Zeitpunkte dieser nochmaligen Vollziehung
nimmt die Gültigkeit einer solchen Ehe erst ihren Anfang.
§. 960. Ist eine Ehe, in dem Falle des §. 8. ohne die
erforderliche Dispensation geschlossen worden: so ist sie nicht nichtig,
sondern nur ungültig; und besteht also von Anfang an, wenn die Dispensation in
der Folge noch ertheilt wird.
§. 961. Doch finden, wegen des übertretnen Ehegesetzes, auch
in diesem Falle die unten verordneten Strafen statt.
§. 962. Die Fortsetzung nichtiger Ehen ist der Richter zu
dulden nicht befugt.
§. 963. Vielmehr muß er, sobald dieselben zu seiner Kenntniß
gelangen, die Verbundenen von Amtswegen trennen, und einen fiskalischen
Bedienten anweisen, auf die förmliche Nichtigkeitserklärung anzutragen.
§. 964. Aus einer solchen nichtigen Verbindung entstehen
daher auch unter den Verbundnen selbst niemals Rechte und Pflichten, wie aus
einer wirklichen Ehe.
§. 965. Hat der Mann das Vermögen der Frau in seine
Verwaltung überkommen: so muß er alles leisten und vertreten, wozu ein
Verwalter fremder Güter verpflichtet ist. (Th. I.
Tit. XIV. Sect. II.)
§. 966. Doch darf er von den während dieser Verbindung
gezogenen Nutzungen in der Regel keine Rechnung ablegen.
§. 967. Vielmehr werden diese Nutzungen gegen das, was zum
Unterhalte der Frau verwendet worden, aufgehoben.
§. 968. Hat aber der Mann das Ehehinderniß gewußt; und der
Frau ist selbiges unbekannt gewesen: so wird der Mann als ein unredlicher
Besitzer des in seine Verwaltung übernommenen Vermögens der Frau angesehn.
§. 969. Er muß also auch wegen der Nutzungen dieses
Vermögens alles vertreten, wozu ein unredlicher Besitzer verpflichtet wird; und
kann nur das, was zum Unterhalte der Frau, oder sonst in ihren Nutzen
erweislich verwendet worden, davon abziehn.
§. 970. In allen Fällen, wo das Ehehinderniß der Frau
unbekannt gewesen ist, hat dieselbe zur Sicherheit ihres dem Manne überlaßnen
Vermögens das Vorzugsrecht der Fünften Classe, von dem Tage an, da der Mann die
Verwaltung übernommen hat.
§. 971. Ist das Ehehinderniß der Frau bekannt, dem Manne
aber unbekannt gewesen: so darf letzterer, bey seiner Verwaltung, nur für ein
grobes Versehen haften.
§. 972. Daraus, daß eine Ehe für nichtig erklärt wird, kann
einem Dritten, welchem das obwaltende Ehehinderniß anbekannt gewesen, niemals
ein Nachtheil erwachsen.
§. 973. Wer also mit einem oder dem andern der vermeinten
Eheleute redlicher Weise in Geschäfte sich eingelassen hat, der erlangt daraus
eben die Rechte, als wenn unter ihnen eine gültige Ehe bestanden hätte.
§. 974. Doch können in dem Falle des §. 948. durch die Verhandlungen
eines Dritten mit dem vermeinten zweyten Ehegatten, die Rechte des ersten und
wahren Ehegatten nicht gekränkt werden.
§. 975. Wenn ein Theil den andern, durch Verschweigung oder
Verheimlichung des obwaltenden Ehehindernisses, oder sonst durch betrügliche
Vorspiegelungen, zur Schließung einer nichtigen Ehe verleitet hat: so muß der
Schuldige den Unschuldigen schadlos halten.
§. 976. Zur Bestimmung dieser Schadloshaltung dienen die
Ehescheidungsstrafen, welche, bey Trennung einer an sich gültigen Ehe, der
schuldige Theil dem unschuldigen entrichten muß, zum Maaßstabe.
§. 977. Doch muß in der Regel auf den höchsten Satz der
Ehescheidungsstrafen erkannt werden.
§. 978. Entsteht die Nichtigkeit der Ehe aus einer
Ungleichheit des Standes, so hat die Unschuldige die Wahl: ob und wie lange sie
auf die von dem Schuldigen nachzusuchende Dispensation warten; oder ob sie
sogleich auf die Strafen der Ehescheidung antragen wolle.
§. 979. Hat derjenige Theil, welcher an Schließung einer
nichtigen Ehe unschuldig war, während derselben solche Handlungen begangen,
welche die Trennung einer gültigen Ehe, und die Ehescheidungsstrafe nach sich
ziehen würden: so hat er sein Recht auf Schadloshaltung verloren.
II. Von ungültigen Ehen.
§. 980. Ungültig sind Ehen, die ein Vormund für sich, oder
seine Kinder, mit seinen Pflegebefohlnen, ohne Erlaubniß des
vormundschaftlichen Gerichts, geschlossen hat. (§. 14.)
§. 981. Ferner solche, die mit einer an Kindesstatt
angenommenen Person, ohne vorhergegangene Aufhebung der Adoption, geschlossen
worden (§. 13.)
§. 982. Ein Gleiches gilt von Heirathen mit einer Person,
die das mannbare Alter noch nicht erreicht hat. (§. 37.)
§. 983. Auch Heirathen, wobey es von der einen Seite an der
freyen Einwilligung ermangelt, sind ungültig. (§. 38-44.)
§. 984. Eben das findet von Ehen statt, bey welchen die
Einwilligung derjenigen, deren Consens die Gesetze zur Gültigkeit einer Ehe
erfordern, nicht beygebracht ist. (§. 45. 49. 50. 52.)
§. 985. Ungültige Ehen können nur auf das Anrufen
desjenigen, welcher das Ehehinderniß zu rügen, nach den Gesetzen berechtigt
ist, als nichtig aufgehoben werden.
§. 986. Erfolgt dergleichen Nichtigkeitserklärung: so findet
bey ungültigen Ehen alles das Anwendung, was von den absolut nichtigen
vorstehend §. 964-977. 979. verordnet ist.
§. 987. Wird aber das Ehehinderniß in der Folge gehoben: so
muß angenommen werden, daß die Ehe von Anfang an gültig gewesen sey.
§. 988. Ist das Ehehinderniß von dem, welcher dazu
berechtigt ist, innerhalb der durch die Gesetze bestimmten Frist nicht gerügt
worden: so wird dasselbe für gehoben angesehen. (§. 41-44.)
Insonderheit von Ehen zwischen Vormündern und
Pfegebefohlnen.
§. 989. Hat ein Vormund sich selbst, oder sein Kind, mit
einer seiner Pflege befohlnen Person gesetzwidrig verheirathet: so muß er der
Vormundschaft sofort entsetzt, und dem Pflegebefohlnen ein andrer Vormund
bestellt werden.
§. 990. Dieser muß unter Aufsicht des vormundschaftlichen
Gerichts genau prüfen: ob die pflegbefohlne Person die Ehe fortsetzen wolle,
und ob ihr deren Fortsetzung zuträglich sey.
§. 991. Findet sich dabey eine wirkliche Abneigung der
Pflegebefohlnen: oder sonst ein überwiegender Nachtheil für sie: so muß auf die
förmliche Nichtigkeitserklärung bey dem Richter angetragen werden.
§. 992. Wird aber die Fortsetzung der Ehe von dem
vormundschaftlichen Gerichte nachgegeben: so verbleibt dennoch das Vermögen der
Frau, bis zur erlangten Volljährigkeit, unter der Verwaltung des neubestellten
Vormundes.
§. 993. Der Mann kann bis dahin auf die Einkünfte dieses
Vermögens nur in so weit Anspruch machen, als dieselben zum standesmäßigen
Unterhalte der Frau, nach dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichts,
nothwendig sind.
§. 994. Alle Zuwendungen, welche die Frau einem solchen
Manne in einem vor erreichter Volljährigkeit gemachten Vertrage oder Testamente
bestimmt hat, sind ungültig.
§. 995. Nach erlangter Volljährigkeit hängt es von dem
freyen Entschlusse der Frau ab, was sie von ihrem Vermögen dem Manne
einbringen, oder sich vorbehalten wolle.
§. 996. Ist während der Minderjährigkeit einer
solchergestalt gesetzwidrig verheiratheten pflegebefohlnen Person, die
Ungültigkeit der Ehe nicht gerügt worden: so bleibt ihr selbst das Recht dazu
noch innerhalb sechs Monathen nach zurückgelegtem vier und zwanzigstem Jahre
vorbehalten.
Zwischen angenommenen Aeltern und Kindern,
§. 997. Hat jemand sein angenommenes Kind wider die Gesetze
geheirathet; und ist dasselbe noch minderjährig: so muß dem angenommenen Kinde
ein Curator bestellt, und alsdann eben so, wie bey der gesetzwidrigen Heirath
eines Vormundes mit seiner Pflegebefohlnen, verfahren werden.
§. 998. War die an Kindesstatt angenommene Person bereits
volljährig: so kann dieselbe die Ungültigkeit der Ehe nur innerhalb Sechs
Monathen nach deren Vollziehung rügen.
§. 999. In allen Fällen, wo eine solche Ehe für nichtig
erklärt wird, verliert der Mann alle aus der Annahme an Kindesstatt, über die
Person und das Vermögen der Adoptirten entstandenen Rechte.
§. 1000. Dagegen bleiben der Adoptirten die ihr auf das
Vermögen des angenommenen Vaters, so wohl unter Lebendigen, als von Todeswegen,
zukommende Ansprüche vorbehalten.
§. 1001. Wird eine solche Ehe in der Folge gültig: so werden
alle aus der Annahme an Kindesstatt wechselseitig entstandene Rechte und
Verbindlichkeiten für erloschen angesehen.
mit noch nicht mannbaren Personen,
§. 1002. Bestand das Ehehinderniß in dem noch nicht
erreichten gesetzmäßigen Alter: so wird die Ehe gültig, wenn der Mangel nicht
innerhalb Sechs Monathen nach Zurücklegung dieses Alters, gerügt worden.
§. 1003. Sollte jedoch eine Person, die weder unter
väterlicher Gewalt, noch unter einem Vormunde steht, solchergestalt
gesetzwidrig verheirathet werden: so muß ihr der Richter, sobald er davon
Kenntniß erlangt, einen Vormund von Amtswegen bestellen.
§. 1004. Von diesem muß alsdann nach den Vorschriften §.
990-995. weiter verfahren werden.
wobey die freye Einwilligung oder
§. 1005. Wegen des aus dem Mangel der freyen Einwilligung
bey einer der verheiratheten Personen entstehenden Hindernisses hat es bey den
Vorschriften §. 41-44. sein Bewenden.
der Consens der Aeltern ermangelt.
§. 1006. Die Ungültigkeit einer Ehe, bey welcher es von der
einen oder andern Seite an der Einwilligung des leiblichen Vaters ermangelt,
muß von diesem innerhalb Sechs Monathen, nach erhaltener Nachricht von der
Vollziehung der Ehe, gerichtlich gerügt werden.
§. 1007. Ist dieses nicht geschehen: so behält zwar die Ehe
selbst ihre volle Wirkung;
§. 1008. Doch ist der Vater alsdann das ungehorsame Kind bis
auf die Hälfte des Pflichttheils zu enterben berechtigt.
§. 1009. Hat ein Sohn, der nicht mehr unter väterlicher
Gewalt sich befindet, oder eine Tochter nach zurückgelegtem vier und
zwanzigsten Jahre, ohne väterliche Einwilligung geheirathet: so bewirkt dieser
Mangel keine Ungültigkeit der Ehe.
§. 1010. Dem Vater bleibt aber, auch in diesem Falle, das
Recht zur Enterbung bis auf die Hälfte des Pflichttheils vorbehalten.
§. 1011. Wenn minderjährige vaterlose Waisen, ohne
Einwilligung der Mutter, Großältem, oder Vormünder heirathen: so findet eben
das statt, was bey einer zwischen, dem Vormunde und seinen Pflegebefohlnen ohne
obervormundschaftliche Erlaubniß geschlossenen Ehe §. 990. bis 996. verordnet
ist.
§. 1012. Die Mutter kann ein, nach des Vaters Tode, ohne
ihre Einwilligung heirathendes minder- oder großjähriges Kind.auf die Hälfte
des Pflichttheils, gleich dem Vater, enterben.
III. Von Uebertretung anderer Ehegesetze.
§. 1013. Schreitet jemand zu einer fernern Ehe, ohne sich
zuvor mit seinen Kindern aus voriger Ehe auseinandergesetzt zu haben (§. 18.)
so entsteht zwar daraus keine Ungültigkeit der neuen Ehe;
§. 1014. Der Vater verliert aber die Verwaltung des
Vermögens der Kinder, und kann aus dem Nießbrauche desselben nur so viel
verlangen, als zum Unterhalte der Kinder, in so fern sich selbige noch in
seiner Verpflegung befinden, nach dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichts
erforderlich ist.
§. 1015. Sind die Kinder noch minderjährig: so muß das
vormundschaftliche Gericht die Auseinandersetzung derselben, mit den zur
fernern Ehe geschrittenen Aeltern, von Amstwegen betreiben.
§. 1016. So lange, bis den Kindern ihr Vermögen gehörig
nachgewiesen und ausgeantwortet, oder versichert worden, kann der neue Ehegatte
in den Gütern des andern keine Rechte, zum Nachtheile dieses Vermögens der
Kinder aus voriger Ehe erlangen.
§. 1017. Vielmehr haftet das eigne Vermögen des Stiefvaters,
oder der Stiefmutter, den Kindern zu ihrer Sicherheit, in so fern dieselben aus
dem Vermögen ihrer leiblichen Aeltern ihre Befriedigung nicht erhalten können.
§. 1018. Wenn verwittwete oder geschiedene Personen früher
heirathen, als es ihnen die Gesetze verstatten: (§. 19. sqq.) so entsteht zwar
daraus ebenfalls keine Ungültigkeit einer solchen Ehe;
§. 1019. War aber die zu frühzeitig heirathende Wittwe oder
Geschiedene schwanger: so bleiben dem Kinde seine Rechte, sowohl in Ansehung
der Auseinandersetzung, als sonst, nach den Vorschriften des folgenden Titels
vorbehalten.
IV. Strafen derer, welche Ehegesetze übertreten.
§. 1020. Wenn bey Schließung einer Ehe, eins der vorstehend
angeführten Ehegesetze wissentlich übertreten worden, muß diese Uebertretung an
dem schuldigen Theile zur öffentlichen Genugthuung geahndet werden.
§. 1021. In so fern die Uebertretung des Ehegesetzes ein
Verbrechen enthält, auf welches schon an und für sich eine gewisse Strafe in
den Gesetzen bestimmt ist, hat es bey dieser sein Bewenden.
§. 1022. Außerdem aber muß der vorsetzliche Uebertreter
eines Ehegesetzes, nach Bewandniß der Umstände, des Grades der Moralität, und
des aus der Uebertretung wirklich entstandenen, oder doch zu fürchten gewesenen
Schadens, mit einer fiskalischen Geldbuße von Zehn bis Dreyhundert Thalern,
oder verhältnismäßiger Gefängnißstrafe, belegt werden.
§. 1023. Wird in den Fällen des §. 983. 984. die
Ungültigkeit der Ehe selbst von dem unschuldigen Theile, oder von dem Vater,
nicht gerügt: so ist der Richter Untersuchung und Bestrafung von Amtswegen zu
verfügen nicht berechtigt.
§. 1024. Ueberhaupt fällt die Strafe weg, sobald das Recht
zur Rügung der Ungültigkeit der Ehe selbst erloschen ist.
§. 1025. Die Strafen der Prediger, welche mit Uebertretung
oder Vernachläßigung eines Ehegesetzes, eine ungültige Ehe durch die
Trauung vollziehn, werden unten bestimmt. (Tit. XL Abschn. VI.)
§. 1026. Was die Aushebung einer nichtigen oder ungültigen
Ehe, in Ansehung der daraus erzeugten Kinder für rechtliche Folgen habe, ist im
Zweyten Titel festgesetzt.
Eilfter Abschnitt
Von den rechtlichen Folgen des unehelichen Beyschlafes
I. Erste Art der Entschädigung, Entbindungs- und Wochenkosten.
§. 1027. Wer eine Person außer der Ehe schwängert, muß die
Geschwächte entschädigen, und das Kind versorgen.
§. 1028. In der Regel kann jede Geschwächte von dem
Schwängerer Niederkunfts- und Taufkosten, ingleichen sechswöchentliche ihrem
Stande gemäße Verpflegung fordern.
§. 1029. Auch andere während der Schwangerschaft, oder nach
der Niederkunft, aufgelaufene unvermeidlich gewesene Kosten, ist der
Schwängerer zu übernehmen verbunden.
§. 1030. Wenn die Geschwächte während der Wochen stirbt: so
muß der Schwängerer die Begräbnißkosten tragen; in so fern dieselben aus ihrem
Nachlasse nicht bestritten werden können.
§. 1031. Die §. 1028. beschriebenen Kosten und
Verpflegungsgelder kann die Geschwächte noch vor der Niederkunft einklagen.
§. 1032. Ist die Schwangerschaft ausgemittelt, und der
Beyschlaf überhaupt eingestanden, oder einigermaßen bescheinigt: so muß der
Richter die Summe dieser Kosten durch ein vorläufiges Dekret festsetzen.
§. 1033. Doch steht dem Beklagten
frey, diesen festgesetzten Betrag, bis zur erfolgenden Entbindung, gerichtlich
niederzulegen.
§. 1034. Erfolgt innerhalb der gesetzmäßigen Zeit (§. 1089.)
keine Entbindung: so kann er die niedergelegte Summe zurückfordern.
§. 1035. Auch findet die Rückforderung in sofern statt, als
wegen erfolgten Absterbens der Mutter, oder des Kindes, die Verpflegungs- oder
Taufkosten nicht gebraucht worden sind.
§. 1036. Der Einwand, daß die Geschwächte auch Andern den
Beyschlaf gestattet habe, befreyet den Beklagten nicht von dieser ersten Art
der Entschädigung.
Wer diese Entschädigung nicht fordern könne.
§. 1037. Frauenspersonen, die sich in öffentlichen
Hurenhäusern aufhalten, können selbst auf diese geringere Entschädigung keinen
Anspruch machen.
§. 1038. Ein Gleiches gilt von solchen, die sich
Mannspersonen gegen Bezahlung zur Wollust überlassen.
§. 1039. Ferner von Ehefrauen, die bey ihren Männern leben,
wenn sie auch während der Ehe sich mit andern fleischlich vermischt hätten.
§. 1040. Frauenspersonen, welche die Mannspersonen zum
Beyschlafe verleitet haben, können diese geringere Art der Entschädigung nur
alsdann fordern, wenn sie die Kosten der Niederkunft, der Taufe, und der
Wochen, ganz oder zum Theil, aus eignen Mitteln zu bestreiten nicht vermögend
sind.
Wer sich damit begnügen müsse.
§. 1041. Mit dieser ersten Art der Entschädigung müssen
diejenigen für ihre Person sich begnügen, die vorhin schon außer der Ehe
geschwängert worden.
§. 1042. Ferner die Ehefrauen, welche zwar noch in der Ehe,
aber von ihren Männern getrennt leben.
§. 1043. Desgleichen diejenigen, welche sich vormals in
Hurenhäusern aufgehalten haben, oder wegen eines unzüchtigen Lebenswandels
berüchtiget sind.
II. Zweyte Art der Entschädigung.
§. 1044. Wer aber eine unbescholtene ledige Weibsperson
außer der Ehe schwängert, der ist ihr deshalb möglichst vollständige
Genugthuung zu leisten verbunden.
§. 1045. Wittwen werden, in ähnlichen Fällen, den Jungfrauen
gleich geachtet.
§. 1046. Auch geschiedene Frauen haben gleiche Rechte, wenn
sie nicht begangenen Ehebruchs halber geschieden worden.
1) Wenn die Ehe versprochen worden, und keine Ehehindernisse
entgegen stehn.
§. 1047. Hat der Verführer die Geschwächte unter dem Versprechen
der Ehe geschwängert, und stehen keine Ehehindernisse entgegen; so muß derselbe
von dem Richter, allenfalls mit Zuziehung eines Geistlichen, ernstlich
aufgefordert und angemahnet werden, die Ehe mit der Geschwächten wirklich zu
vollziehen.
§. 1048. Weigert er sich dessen beharrlich, so soll zwar
kein Zwang zur Vollziehung der Ehe durch priesterliche Copulation statt finden.
§. 1049. Dagegen sollen aber in dem abzufassenden
Erkenntnisse der Geschwächten der Name, Stand und Rang des Schwängerers, so wie
überhaupt alle Rechte einer geschiedenen für den unschuldigen Theil erklärten
Ehefrau desselben, beygelegt werden.
§. 1050. Dieser Rechte soll sie sich im bürgerlichen Leben,
und bey allen Verhandlungen desselben, würklich zu erfreuen haben.
§. 1051. Auch sind ihr, zu ihrer Abfindung, die gesetzlichen
Ehescheidungsstrafen aus dem Vermögen, oder den Einkünften des Schwängerers
zuzuerkennen.
§. 1052. Ob diese Strafen nach §. 785. auf den Vierten, oder
nach §. 786. nur auf den Sechsten Theil zu bestimmen, bleibt nach Bewandniß der
Umstände eines jeden Falles, der mehrern oder mindern von dem Verführer
gebrauchten Arglist, der Größe seines Vermögens, und des Standes der
Geschwächten, richterlichem Ermessen vorbehalten.
2) Wenn
Ehehindernisse entgegenstehn.
§. 1053. Wenn der Ehe des Schwängerers mit der Geschwächten
gesetzliche Hindernisse, außer der Ungleichheit des Standes, (§. 1066.)
entgegenstehen, so muß der Richter gleich bey Aufnehmung der Klage prüfen: ob
diese Hindernisse gehoben werden können.
§. 1054. Sind die Hindernisse so beschaffen, daß eine Hebung
derselben nach gesetzlichen Vorschriften erfolgen kann; so muß dem Schwängerer
eine verhältnißmäßige Zeit bestimmt werden, binnen welcher derselbe das
Hinderniß aus dem Wege räumen, und sodann die Ehe würklich vollziehen solle.
§. 1055. Kann oder will er dieses nicht bewürken; so kann
zwar auf Vollziehung der Ehe nicht geklagt werden.
§. 1056. Dagegen muß aber der Schwängerer der Geschwächten
die Ehescheidungsstrafen, nach Bestimmung §. 1052., zu ihrer Abfindung
entrichten.
§. 1057. Auch wird der Geschwächten in dem Urtel die
Befugniß beygelegt, bis zu ihrer wirklichen Verheirathung den Namen des
Schwängerers zu führen.
§. 1058. Vermöge eben dieses Urtels hat sie sich in der
bürgerlichen Gesellschaft aller Befugnisse einer rechtmäßigen, obwohl
geschiedenen Ehefrau zu erfreuen.
§. 1059. Bey dem Genusse dieser Rechte soll sie gegen jeden,
der ihr den begangenen Fehler auf irgend eine Art vorrücken wollte, von dem
Richter nachdrücklich geschützt werden.
§. 1060. Brgiebt sich schon bey Aufnehmung der Klage, daß
das Hinderniß nicht gehoben werden könne oder wolle (§. 1054.) so bedarf es
zwar keiner Bestimmung einer Frist zur Vollziehung der Ehe.
§. 1061. Dagegen finden alle Vorschriften §. 1056-1059. auch
in diesem Falle Anwendung.
§. 1062. Auf Führung des Namens des Schwängerers soll nicht
erkannt werden, wenn das Ehehinderniß in zu naher Verwandschaft besteht.
§. 1063. Auch alsdann nicht, wenn der Schwängerer schon
verheyrathet ist.
§. 1064. Ueberhaupt kann die Geschwächte, wenn sie nicht
selbst adlichen Standes ist, sich des adlichen Namens und Wappens des
Schwängerers in keinem Falle (§. 1049. 1057.) bedienen.
§. 1065. In allen Fällen, wo der Geschwächten der Name des
Schwängerers nicht beygelegt werden kann, muß sie von demselben dafür noch
besonders, außer der eigentlichen Abfindung, entschädigt werden.
3) Wenn
Ungleichheit des Standes das Ehehinderniß ist.
§. 1066. Besteht das Ehehinderniß bloß in der Ungleichheit
des Standes: (§. 30-33.) so muß der Schwängerer binnen einer zu bestimmenden
Frist erklären: ob er die landesherrliche Erlaubniß zu einer Ehe zur linken
Hand mit der Geschwächten nachsuchen könne und wolle.
§. 1067. Sucht und erhält er diese Erlaubniß würklich, so
ist ferner nach den Vorschriften des Neunten Abschnitts zu verfahren.
§. 1068. Kann oder will er die Erlaubniß nicht suchen, oder
wird ihm dieselbe versagt; so finden die Vorschriften §. 1056. 1058. 1059. und
1065. Anwendung.
§. 1069. Nach eben diesen Vorschriften ist zu verfahren,
wenn die Geschwächte von Anfang an erkläret, den Schwängerer zur linken Hand
nicht heyrathen zu wollen; oder wenn gleich bey Aufnehmung der Klage sich mit
Gewißheit ergiebt, daß der Schwängerer die Erlaubniß nicht suchen könne, oder
dieselbe nicht suchen zu wollen, fest entschlossen sey.
§. 1070. In beyden Fällen (§. 1068. 1069.) soll jedoch nur
auf die Ehescheidungsstrafen nach §. 786. erkannt werden.
4) Wenn die Geschwächte das Ehehindernißgewußt hat.
§. 1071. Alle obige Vorschriften (§. 1053-1070.) gelten nur
in dem Falle, wenn der Geschwächten das Ehehinderniß unbekannt gewesen.
§. 1072. Hat sie aber dasselbe gewußt, und ist ihr
insonderheit bekannt gewesen, daß der Schwängerer unter Aeltern, Vormündern,
oder andern Personen stehe, ohne deren Consens er keine gültige Ehe schließen
kann, so muß sie mit einer bloßen Abfindung sich begnügen.
5) Wenn kein
Eheversprechen geschehen.
§. 1073. Ein Gleiches findet statt, wenn die Schwängerung
nicht unter dem Versprechen der Ehe geschehen ist, und der Schwängerer die
Geschwächte nicht heyrathen will.
6) Wenn
kein lebendiges Kind gebohren worden.
§. 1074. Ferner, wenn kein lebendiges Kind aus dem
Beischlafe zur Welt gebohren worden.
§. 1075. Ist die Frucht in der Geburt, oder binnen vier und
zwanzig Stunden nach derselben verstorben; so kann die Geschwächte ebenfalls
nur Abfindung fordern.
7) Wenn
die Geschwächte die Verführerin ist. Nähere Bestimmungen wegen der Ausstattung.
§. 1076. Was Rechtens sey, wenn die Geschwächte selbst den
Schwängerer zum Beyschlafe verleitet hat, ist §. 1040. verordnet.
§. 1077. Die Ausstattung muß in allen Fällen, wo darauf
erkannt wird, nach dem Stande der Geschwächten, und dem Vermögen des
Schwängerers bestimmt werden.
§. 1078. Insonderheit ist bey dieser Bestimmung darauf zu
sehen, daß die Geschwächte Hoffnung erhalte, eine ihrem Stande gemäße Heirath
zu finden.
§. 1079. Ist nur die beharrliche Weigerung des Schwängerers,
die Geschwächte zu heirathen, der Grund, warum Ausstattung gegeben werden muß:
so ist sie höher zu bestimmen, als wenn gesetzliche Ehehindernisse im Wege
stehn. (§. 1071.)
§. 1080. Mit einer geringern Ausstattung muß die Geschwächte
sich begnügen, wenn aus dem Beyschlafe zwar eine Schwangerschaft erfolgt, aber
kein lebendiges Kind zur Welt gekommen ist. (§. 1075.)
§. 1081. Auch die höchste Ausstattung darf den höchsten Satz
der Ehescheidungsstrafe nicht übersteigen.
§. 1082. Ob die erkannte Ausstattung der Geschwächten
sogleich zu verabfolgen; oder nur gerichtlich sicher zu stellen, und bis zu
ihrer wirklichen Verheirathung zu verzinsen sey bleibt richterlichem Ermessen,
nach Bewandniß der Umstände, vorbehalten.
§. 1083. Kann die Geschwächte von dem Schwängerer, aus
Mangel an Capitals-Vermögen, nicht nach §. 1078. hinreichend ausgestattet
werden: so ist er schuldig, ihr aus seinen Einkünften oder Erwerbe, einen
jährlichen damit in Verhältniß stehenden Beytrag zu ihrem standesmäßigen
Unterhalte, zu entrichten.
§. 1084. Diesen Beytrag muß er in bestimmten Antheilen, und
zwar zu Anfange eines jeden Termins, voraus bezahlen.
§. 1085. Auch muß selbiger der Geschwächten aus den
sichersten und bereitesten Einkünften oder Erwerbnissen des Schwängerers
angewiesen werden.
§. 1086. Die Geschwächte verliert diesen Beytrag nicht, wenn
sie sich gleich wirklich verheirathet.
§. 1087. Gelangt der Verführer zu bessern
Vermögensumständen: so kann die Geschwächte Erhöhung des Beytrages, oder an
dessen Stelle, Bezahlung eines Capitals zu ihrer vollständigen Ausstattung
fordern.
§. 1088. Die Aeltern des Verführers sind nur alsdann
schuldig, zur Ausstattung beyzutragen, wenn die Geschwächte seinen Namen zu
führen berechtigt ist, und sie sich dieses nicht gefallen lassen wollen.
IV. Fälle, wo die Entschädigung wegfällt.
§. 1089. Alle vorstehend bestimmten gesetzlichen
Entschädigungen kann die Geschwächte nur alsdann fordern, wenn die Niederkunft
innerhalb des Zweyhundert und zehnten, und Zweyhundert fünf und achtzigsten
Tages, nach dem Beyschlafe erfolgt ist.
§. 1090. Doch verliert sie durch eine frühere Niederkunft
das Recht zu der §. 1028. 1029. bestimmten Entschädigung, ingleichen zur
Ausstattung noch nicht, wenn das Alter der Frucht, nach dem Urtheile der
Sachverständigen, mit der Zeit des Beyschlafes übereinstimmt.
§. 1091. Hat die Geschwächte sich nach dem Beyschlafe
solcher Handlungen schuldig gemacht, die nach den Gesetzen die Trennung, selbst
einer gültigen Ehe begründen können: so verliert sie dadurch ihr Recht, auf
Ehelichung oder Ausstattung zu klagen.
§. 1092. Ein Gleiches findet statt, wenn sie sich, vor
angestellter Klage gegen den Schwängerer, mit einem Andern wirklich
verheirathet.
§. 1093. Ist der Schwängerer erbötig, die Ehe mit der
Geschwächten zu vollziehen, und diese weigert sich dessen: so kann sie auch
keine Ausstattung verlangen.
§. 1094. Doch ist sie zu einer Ausstattung alsdann
berechtigt, wenn ihr der Schwängerer, durch sein Betragen nach der
Schwängerung, solchen Anlaß zur Abneigung gegeben hat, welcher den Rücktritt
von einem gültigen Ehegelöbnisse rechtfertigen würde. (§. 120.)
§. 1095. Die ganze Klage aus der Schwängerung erlöscht, wenn
sie nicht binnen Zwey Jahren nach erfolgter Niederkunft angemeldet worden.
§. 1096. Hat der Schwängerer während dieser Zwey Jahre für
den Unterhalt der Geschwächten gesorgt: so kann letztere, nach Ablaufe
derselben, zwar nicht mehr auf Vollziehung der Ehe, wohl aber auf Ausstattung
klagen.
§. 1097. Hat der Schwängerer innerhalb dieser Zwey Jahre
seinen bisherigen Aufenthalt verlassen: so wird die Zeit, während welcher sein
neuer Aufenthalt der Geschwächten unbekannt gewesen, von der Verjährungsfrist
abgerechnet.
§. 1098. Den Tag, wo die Geschwächte den nachherigen
Aufenthalt des abwesenden Schwängerers erfahren hat, muß dieselbe allenfalls
eidlich angeben.
§. 1099. Auch wenn der Schwängerer seinen Wohnsitz verändert
hat, ist die Geschwächte ihre Klage in dessen vorigen Gerichtsstande
anzustellen wohl befugt.
§. 1100. Die Erben der Geschwächten können von dem
Schwängerer eine Ausstattung nur in so fern fordern, als dieselbe der
Erblasserin in einer Capitalssumme bereits rechtskräftig zuerkannt war.
§. 1101. Dagegen ist die Geschwächte gegen die Erben des
Schwängerers in allen Fällen, auch wenn sie von ihm selbst Vollziehung der Ehe
fordern könnte, auf Ausstattung zu klagen berechtigt.
§. 1102. Wenn mehrere Geschwächte gegen eben denselben
Schwängerer auf Vollziehung der Ehe klagen: so kann darauf nur zum Besten
derjenigen, deren Recht durch den frühem dergleichen Klage begründenden
Beyschlaf zuerst entstanden ist, erkannt werden.
§. 1103. Die übrigen müssen, wegen des ihnen solchergestalt
entgegenstehenden Ehehindernisses, mit einer Ausstattung sich begnügen.
V. Gesetzliche Vermuthungen:
l) wenn der Beyschlaf geläugnet wird,
§. 1104. Wird bey einer angestellten Schwängerungsklage der
Beyschlaf geläugnet, so muß der Richter im Mangel eines vollständigen Beweises,
allemal eher auf einen nothwendigen, als auf einen zugeschobenen Eid erkennen.
§. 1105. Ein zugeschobener Eid findet also nur in solchen
Fällen statt, wo auch keine Vermuthungen, welche den Richter zu einem
nothwendigen Eide bestimmen könnten, vorhanden sind.
§. 1106. Ob die Klägerin zum Erfüllungs- oder der Beklagte
zum Reinigungseide zu lassen sey, bleibt hauptsächlich richterlichem Ermessen,
nach den wegen der nothwendigen Eide überhaupt gegebenen Anweisungen,
vorbehalten.
§. 1107. Doch soll der Richter dabey, in Fällen dieser Art,
auf nachstehende gesetzliche Vermuthungen, in so fern dieselben nicht durch
andere besondre Umstände entkräftet werden, vorzügliche Rücksicht nehmen.
§. 1108. Wenn ein vorhergegangener vertrauter Umgang
zwischen beyden Theilen nachgewiesen; die Klägerin sonst von unbescholtener
Aufführung, der Lebenswandel des Beklagten aber so beschaffen gewesen ist, daß
man sich der That zu ihm wohl versehen kann: so ist eher auf den Erfüllungs-
als auf den Reinigungseid zu erkennen.
§. 1109. Ein Gleiches findet statt, wenn der Beklagte den
Beyschlaf außergerichtlich zugestanden hat, obwohl die Zeit desselben nicht
genau angegeben worden.
§. 1110. Privatunterhandlungen, welche mit der Klägerin,
wegen ihrer Abfindung, gepflogen worden, werden einem solchen
außergerichtlichen Geständnisse nur alsdann gleich geachtet, wenn der bisherige
Lebenswandel beyder Theile diese Vermuthung unterstützt.
§. 1111. Hat der Beklagte sich unzüchtiger Vertraulichkeiten
mit der Klägerin berühmt: so kann dieses die Zulassung der letztern zum
Erfüllungseide begründen.
§. 1112. Der Einwand, daß dergleichen Aeußerungen (§.
1109-1111.) nur Scherz gewesen, soll diese gesetzliche Vermuthung nicht
entkräften.
§. 1113. Zum Reinigungseide muß der Beklagte vornehmlich
alsdann gelassen werden, wenn er bis dahin einen unbescholtenen Wandel geführt,
die Klägerin aber sich einer schlechten Aufführung verdächtig gemacht hat.
§. 1114. Der Verdacht einer schlechten Aufführung (§.
1108-1113.) trifft diejenigen, die eines vorhin mit Andern gepflogenen
unehelichen Beyschlafes überführt sind.
§. 1115. Ferner diejenigen, welche unzüchtige oder der
Hurerey wegen verdächtige Häuser besuchen, ohne daß ihr Beruf sie dazu
veranlaßt.
§. 1116. Desgleichen diejenigen, welche mehrmalen an
einsamen Orten mit verdächtigen Personen betroffen worden.
§. 1117. Endlich diejenigen, welche sich unanständige und
freche Reden, Gebärden, oder Handlungen zur Gewohnheit werden lassen.
§. 1118. Ist wegen der gegen beyde Theile vorhandnen
gesetzlichen Vermuthungen, das Erkenntniß zwischen dem Erfüllungs- und
Reinigungseide zweifelhaft: so ist allemal eher auf ersteren, als auf letzteren
zu erkennen.
§. 1119. Doch kann in einem solchen sehr zweifelhaften Falle
der Beklagte niemals zu etwas anderm, als zu der §. 1028. bestimmten
Entschädigung, und zu einer minder beträchtlichen Ausstattung verurtheilt
werden.
2) wenn die Zeit desselben geläugnet wird;
§. 1120. Ist der Beyschlaf selbst ausgemittelt, die Angabe
der Klägerin aber von der Zeit desselben widersprochen: so finden die aus dem
Charakter und bisherigen Lebenswandel der Parteyen hergenommenen gesetzlichen
Vermuthungen hier ebenfalls Anwendung.
§. 1121. Besonders aber muß die Klägerin zum Erfüllungseide
gelassen werden, wenn der Beklagte den Beyschlaf oder verdächtigen Umgang
anfänglich geläugnet, nachher aber eingestanden hat, oder dessen überführt
worden ist.
3) wenn das Eheversprechen geläugnet wird;
§. 1122. Wenn die Schwängerung zwar eingestanden, oder
bewiesen, das Eheversprechen aber geläugnet worden: so ist die Klägerin, in
Ermangelung anderer Beweismittel, vornehmlich alsdann zum Erfüllungseide zu
lassen, wenn der Beklagte sie für seine Braut ausgegeben, oder gegen Andre, sie
heirathen zu wollen, sich hat verlauten lassen.
4) wenn Verführung von Seiten der Geschwängerten behauptet
wird.
§. 1123. Wenn der Beklagte behauptet, daß er von der
Klägerin zum Beyschlafe verleitet, oder das Eheversprechen ihm abgelockt worden
sey: so finden, bey der Bestimmung zwischen dem Erfüllungs- und Reinigungseide,
eben die aus dem persönlichen Charakter und bisherigen Lebenswandel beyder
Theile hergenommenen Vermuthungen gleichfalls Anwendung.
§. 1124. Besonders aber wird eine gesetzliche Vermuthung
gegen die Klägerin dadurch begründet, wenn sie bereits die Volljährigkeit, der
Beklagte aber dieselbe noch nicht erreicht hat.
§. 1125. Sind beyde Theile noch minderjährig; oder beyde
bereits volljährig: so streitet die Vermuthung für die Mannsperson, wenn
dieselbe Ein, Zwey oder mehrere Jahre jünger ist, als die Geschwängerte.
§. 1126. Gleiche Vermuthung für den Beklagten findet statt,
wenn der Beyschlaf in seinem Wohngelasse vollzogen worden, und die Klägerin
keine erhebliche Veranlassung, warum sie sich damals daselbst eingefunden habe,
nachweisen kann.
VI. Folgen eines durch Nothzucht
verübten Beyschlafs.
§. 1127. Ist ein Beyschlaf durch Nothzucht in gesetzlichem
Verstande bewerkstelliget worden: so muß der Verführer der Geschwächten alles
das leisten, wozu er in dem Falle einer unter dem Versprechen der Ehe erfolgten
Schwängerung verpflichtet seyn würde.
§. 1128. Kann oder will die Geschwächte die Ehe mit ihm
nicht vollziehen und fortsetzen: so ist sie die Ehescheidungsstrafe, nach dem
höchsten Satze, zu fordern berechtigt.
VII. Folgen der Entfernung des der Schwängerung Angeklagten.
§. 1129. Wenn eine Mannsperson, welche wegen unehelicher
Schwängerung belangt worden, nach angemeldeter Klage heimlich entweicht: so
wird dieselbe so lange für den wirklichen Vater angesehn, bis das Gegentheil
klar gemacht worden.
§. 1130. Es wird daher sein zurückgelassenes Vermögen so
lange in Beschlag genommen, bis entweder das Gegentheil der Vermuthung
ausgemittelt, oder der Geschwängerten gesetzmäßige Genugthuung geleistet
worden.
§. 1131. Stirbt der angegebene Vater, ohne die wider ihn
streitende Vermuthung abgelehnt zu haben: so müssen Mutter und Kind aus seinem Nachlasse
befriedigt werden.
Zweyter Titel
Von den wechselseitigen Rechten und Pflichten der Aeltern
und Kinder
Erster Abschnitt Von ehelichen Kindern
Rechtmäßigkeit der Kinder, welche
I) in stehender Ehe;
§. 1. Die Gesetze gründen die Vermuthung, daß Kinder, die
während einer Ehe erzeugt, oder geboren worden, von dem Manne erzeugt sind.
§. 2. Gegen diese gesetzliche Vermuthung soll der Mann nur
alsdann gehört werden, wenn er überzeugend nachweisen kann, daß er der Frau in
dem Zwischenraume, vom dreyhundert zweyten, bis zum zweyhundert zehnten Tage
vor der Geburt des Kindes, nicht ehelich beygewohnt habe.
§. 3. Gründet er sich dabey in einem Zeugungsunvermögen; so
muß er nachweisen, daß dergleichen völliges Unvermögen, während dieses ganzen
Zeitraums bey ihm obgewaltet habe.
§. 4. Gründet er sich in der Abwesenheit; so muß
nachgewiesen werden, daß der Mann in eben diesem ganzen Zeitraume dergestalt
ununterbrochen von der Frau entfernt gewesen, daß er ihr die eheliche Pflicht
nicht leisten können.
§. 5. Der bloße Nachweis, daß die Mutter um die Zeit, da das
Kind gezeugt worden, Ehebruch getrieben habe, ist noch nicht hinreichend, dem
Kinde die Rechte der ehelichen Geburt zu entziehen.
§. 6. Das Zeugniß der Mutter soll weder für, noch wider die
Rechtmäßigkeit eines in stehender Ehe erzeugten oder gebornen Kindes, etwas
beweisen.
§. 7. Der Ehemann, welcher solchergestalt die Rechtmäßigkeit
eines von seiner Frau während der Ehe gebornen Kindes anfechten will, muß sich
darüber binnen Jahresfrist, nach erhaltner Nachricht von der Geburt desselben,
bey Verlust seines Rechts, gerichtlich erklären.
§. 8. Wird diese Erklärung vor einem andern, als dem
ordentlichen Gerichte des Orts, wo die Mutter mit dem Kinde wohnet, abgegeben:
so muß der Mann dafür sorgen, daß dieselbe diesem Gerichte ohne Verzug bekannt
gemacht werde,
§. 9. Das ordentliche Gericht muß für die Bestellung eines
Curators, welcher die Rechte des Kindes wahrnehme, von Amtswegen Sorge tragen.
§. 10. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache muß
der Ehemann die Kosten zur Verpflegung des Kindes hergeben.
§. 11. Wird das Kind durch richterlichen Ausspruch für
unehelich erklärt: so fallen zwischen ihm und dem Ehemanne alle Rechte und
Pflichten, welche zwischen Aeltern und Kindern statt finden, hinweg.
§. 12. Der Ehemann kann die auf das Kind verwendeten Kosten
von dem unehelichen Vater, oder aus dem vorbehaltenen Vermögen der Mutter, oder
aus der Substanz ihres Eingebrachten zurückfordern.
§. 13. In Ansehung der Mutter hingegen, und des natürlichen
Vaters, bleiben dem Kinde seine Rechte vorbehalten. (Abschn. IX.)
§. 14. Hat der Ehemann nach Vorschrift §. 7. und 8. sich
gehörig erklärt, daß er das Kind nicht für das seinige erkenne: so sind, wenn
er auch vor dem Austrage der Sache verstirbt, seine Verwandten zu deren
Fortsetzung wohl befugt.
§. 15. Eine gleiche Befugniß steht den Verwandten innerhalb
der §. 7. bestimmten Frist zu, wenn der Mann, vor dem Ablaufe derselben, ohne
sich zu erklären, verstorben ist.
§. 16. Hat aber der Mann, bey seiner Lebenszeit, das Kind
für das seinige ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt: so können die
Verwandten desselben die Rechtmäßigkeit des Kindes niemals anfechten.
§. 17. Dagegen können Lehns- und Fideicommiß-Anwarter die
Rechtmäßigkeit eines Kindes, so weit dessen Succession in das Lehn- oder
Fideicommiß davon abhängt, annoch binnen Drey Jahren nach dem Tode des
vorgeblichen Vaters anfechten.
§. 18. Auch durch das Anerkenntniß dieses letztern kann den
Lehns- und Fideicommiß-Anwartern ihr Recht nicht benommen werden
2) nach dem Tode des Ehemannes;
§. 19. Ein Kind, welches bis zum Dreyhundert zweyten Tage
nach dem Tode des Ehemannes geboren worden, wird für das eheliche Kind
desselben geachtet.
§. 20. Die Erben des Mannes können die eheliche Geburt eines
solchen Kindes nur innerhalb der Zeit, und nur aus den Gründen anfechten, wo
und aus welchen der Verstorbene selbst dazu berechtigt seyn würde. (§. 2. 3. 4.
7.)
§. 21. Ergiebt sich jedoch aus der Beschaffenheit eines zu
frühzeitig gebornen Kindes, daß nach dem ordentlichen Laufe der Natur, der
Zeitpunkt seiner Erzeugung nicht mehr in das Leben des Ehemannes treffe; und
kann zugleich die Wittwe eines nach seinem Tode mit andern Mannspersonen
gepflogenen verdächtigen Umgangs überführt werden: so ist das Kind für ein
uneheliches zu achten.
§. 22. Hat die Wittwe wider die Vorschrift der Gesetze (Tit.
I. §. 20.) zu früh geheirathet, dergestalt daß gezweifelt werden kann: ob das
nach der anderweitigen Trauung geborne Kind in dieser oder in der vorigen Ehe
erzeugt worden: so ist auf den gewöhnlichen Zeitpunkt, nehmlich den Zweyhundert
und siebenzigsten Tag vor der Geburt, Rücksicht zu nehmen.
§. 23. Fällt dieser noch in die Lebenszeit des vorigen
Mannes: so ist die Frucht für ein eheliches Kind desselben zu achten, welches
also zu seiner Familie gehört, und an seinem Nachlasse Theil nimmt.
§. 24. Es muß aber auch der zweyte Ehemann, welcher durch
die zu frühe Verheirathung mit der Mutter den Stand des Kindes zweifelhaft
gemacht hat, demselben alle Pflichten eines leiblichen Vaters leisten, ohne
sich der diesfälligen Rechte über selbiges anmaßen zu dürfen.
§. 25. Doch hat ein solches Kind auf den Nachlaß des zweyten
Ehemannes kein gesetzliches Erbrecht.
§. 26. Nach dem Tode eines Ehemannes können die Erben von
der Wittwe Erklärung fordern: ob sie sich für schwanger halte.
§. 27. Behauptet oder vermuthet die Wittwe eine
Schwangerschaft: so können die Erben verlangen, daß auf ihre Kosten der Wittwe
eine anständige Gesellschafterin zugeordnet werde.
§. 28. Bleibt nach Ablauf von Fünf Monathen, seit des Mannes
Tode, die Wittwe bey der Angabe einer Schwangerschaft: so muß sie, auf
Verlangen der Erben, Untersuchung durch eine Hebamme gestatten.
§. 29. Ein Gleiches muß geschehen, sobald die Wittwe eine
anfänglich nicht bemerkte noch vermuthete Schwangerschaft angiebt.
§. 30. Findet in beyden Fällen die Hebamme keine Zeichen
einer vorhandenen Schwangerschaft; und die Wittwe beharret dennoch bey ihrer
Behauptung: so muß die Beobachtung durch die Gesellschafterin bis zum Verlaufe
des gesetzmäßigen Termins fortgesetzt, auch die Untersuchung durch die Hebamme
von Zeit zu Zeit wiederholt werden.
§. 31. Selbst wenn die Wirklichkeit der Schwangerschaft
ausgemittelt ist, steht es den Erben frey, die Aufsicht durch die
Gesellschafterin bis zur Entbindung, oder bis zum Ablaufe des gesetzmäßigen
Termins, fortsetzen zu lassen.
§. 32. Außerdem können sie verlangen, daß eine von dem
Gerichte auf ihre Kosten zu bestellende ehrbare Matrone bey der Entbindung
zugegen sey.
§. 33. Sowohl diese Matrone, als die nach §. 27. zu
bestellende Gesellschafterin, müssen unbescholtene vertragsame Personen seyn,
die mit der Wittwe nicht in Feindschaft und Widerwillen leben.
§. 34. Auch müssen dazu solche Personen gewählt werden,
denen keiner von beyden Theilen Ausstellungen, die einen Zeugen verwerflich
oder verdächtig machen, entgegen setzen kann.
§. 35. Ihre wirkliche Vereidung aber ist erst alsdann
nothwendig, wenn sie über Thatsachen, die während der Schwangerschaft, oder bey
der Entbindung vorgefallen sind, Zeugniß ablegen sollen.
§. 36. Die Hebamme sowohl als die Gesellschafterin,
ingleichen die Hausgenossen der Wittwe, müssen, wenn die Entbindung herannahet,
dafür sorgen, daß die vom Gerichte bestellte Matrone in Zeiten herbeygerufen
werde.
§. 37. Daraus, daß die Entbindung in Abwesenheit dieser
Matrone erfolgt ist, entsteht zwar einiger Verdacht gegen die Rechtmäßigkeit
des Kindes;
§. 38. Doch ist derselbe für sich allein, und wenn nicht
andre den Beweis eines vorgefallenen Betruges begründende Umstände hinzu
treten, noch nicht hinreichend, die für das Kind streitende gesetzliche
Vermuthung aufzuheben.
§. 39. Eine Wittwe aber, welche gegen obstehende gesetzliche
Vorschriften, ihre Schwangerschaft oder Niederkunft aus Vorsatz verheimlicht
hat, soll um den Vierten Theil alles dessen, was sie aus dem Nachlasse des
Mannes erbt, zum Vortheile der Verwandten desselben bestraft werden.
3) nach geschiedener Ehe geboren worden.
§. 40. Wird eine Ehe durch richterlichen Ausspruch getrennt:
so hat das nachgeborne Kind die Rechte eines ehelichen, wenn es bis zum
Dreyhundert und zweyten Tage nach rechtskräftig erkannter Scheidung zur Welt
gekommen ist.
§. 41. Will der geschiedene Mann das Kind nicht für das
seinige erkennen: so findet alles das Anwendung, was §. 2-18. verordnet ist.
§. 42. Auch stehet dem Manne frey, die den Erben §. 26. sqq.
nachgelassene Sicherheits-Maaßregeln vorzukehren.
§. 43. Eine Frau, welche schon vor der Scheidung von dem
Manne abgesondert gelebt hat, muß, sobald sie nach dieser Absonderung eine
Schwangerschaft verspürt, dem Manne davon sofort gerichtlich Anzeige machen.
§. 44. Alsdann ist der Mann auf eben diese
Sicherheits-Maaßregeln anzutragen berechtigt.
§. 45. Die Unterlassung dieser Anzeige ist zwar, für sich
allein, noch nicht hinreichend, dem Kinde die Rechte der ehelichen Geburt zu
entziehen;
§. 46. Die Mutter aber, welche die Anzeige unterlassen hat,
kann durch ein solches Kind niemals irgend einige Rechte oder Vortheile aus dem
Vermögen des geschiedenen Mannes erlangen.
§. 47. Wenn der Mann eine Schwangerschaft der geschiedenen
Frau behauptet, oder vermuthet; die Frau aber dieselbe läugnet: so ist ersterer
auf Untersuchung einer vereideten Hebamme anzutragen berechtigt.
§. 48. Erklärt diese die Frau für schwanger: so kann der
Mann die Vorkehrung der §. 27. sqq. bestimmten Sicherheits-Maaßregeln, zur
Verhütung alles Unterschleifs oder Unterschlagung des Kindes, verlangen.
§. 49. Hat dessen ungeachtet die Frau das Kind
unterschlagen: so soll sie dafür, als eine Betrügerin, peinlich bestraft
werden.
Von Kindern aus nichtigen und ungültigen Ehen.
§. 50. Wird eine Ehe aus den Tit. I. §. 947. 948. 949. 951.
angeführten Gründen für nichtig erklärt: so haben die daraus erzeugten Kinder,
in Ansehung ihrer unmittelbaren Aeltern, dennoch alle Rechte der ehelichen.
§. 51. Sie treten aber nicht in die Familie, weder des Einen
noch des Andern von beyden Aeltern, und können also auch auf die Erbfolge,
weder der aufsteigenden, noch der Seitenverwandten, noch der Abkömmlinge der
Aeltern aus andern Verbindungen, Anspruch machen.
§. 52. Unter sich selbst aber haben sie alle Rechte
ehelicher Geschwister.
§. 53. Auch führen solche Kinder in der Regel den Namen der
Mutter.
§. 54. In so fern beyde Aeltern oder auch eins von ihnen
dergleichen nichtige Ehe wissentlich geschlossen haben, erlangen sie über die
daraus erzeugten Kinder keine älterlichen Rechte.
§. 55. Doch kommen ihnen, in so fern sie die Erziehung und
Verpflegung der Kinder besorgen, diejenigen persönlichen Rechte zu, welche die
Gesetze den Pflegeältern beylegen. (Abschn. XII.)
§. 56. Sind Ehen aus den Tit. I. §. 950.952. angeführten
Gründen nichtig: so haben die daraus erzeugten Kinder die Rechte der Kinder aus
einer Ehe zur linken Hand. (Abschn. VTfl.)
§. 57. Werden ungültige Ehen in der Folge als nichtig wieder
aufgehoben: so gilt von den daraus erzeugten Kindern alles, was von Kindern aus
einer an sich nichtigen Ehe vorstehend §. 50 bis 55. verordnet ist.
Zweyter Abschnitt
Von den Rechten und Pflichten der Aeltern und der aus einer
Ehe zur rechten Hand erzeugten Kinder, so lange die letztern unter väterlicher
Gewalt stehn
Allgemeine Rechte ehelicher Kinder.
§. 58. Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand führen den
Namen des Vaters.
§. 59. Sie erlangen die Rechte seiner Familie und seines
Standes, in so fern letztere durch die bloße Geburt fortgepflanzt worden.
§. 60. Sie sind eben der Gerichtsbarkeit, wie der Vater,
unterworfen, und bleiben darunter auch nach seinem Tode, so lange sie diesen
Gerichtsstand auf eine gesetzmäßige Art nicht verändert haben.
Allgemeine Pflichten derselben
§. 61. Kinder sind beyden Aeltern Ehrfurcht und Gehorsam
schuldig.
§. 62. Vorzüglich aber stehen sie unter väterlicher Gewalt.
§. 63. Sie sind verbunden die Aeltern in Unglück und
Dürftigkeit nach ihren Kräften und Vermögen zu unterstützen, und besonders in
Krankheiten deren Pflege und Wartung zu übernehmen.
Rechte und Pflichten der Aeltern:
1) wegen der Verpflegung,
§. 64. Beyde Eheleute müssen für standesmäßigen Unterhalt
und Erziehung der Kinder mit vereinigten Kräften Sorge tragen.
§. 65. Hauptsächlich muß jedoch der Vater die Kosten zur
Verpflegung der Kinder hergeben.
§. 66. Körperliche Pflege und Wartung, so lange die
Kinder deren bedürfen, muß die Mutter selbst, oder unter ihrer Aufsicht
besorgen.
§. 67. Eine gesunde Mutter ist ihr Kind selbst zu säugen
verpflichtet.
§. 68. Wie lange sie aber dem Kinde die Brust reichen solle,
hängt von der Bestimmung des Vaters ab.
§. 69. Doch muß dieser, wenn die Gesundheit der Mutter oder
des Kindes unter seiner Bestimmung leiden würde, dem Gutachten der
Sachverständigen sich unterwerfen.
§. 70. Vor zurückgelegtem Vierten Jahre kann der Vater das
Kind, wider den Willen der Mutter, ihrer Aufsicht und Pflege nicht entziehen.
§. 71. Es wäre denn, daß es der Mutter an Kräften, oder am
Willen fehlte, ihrer Obliegenheit ein Gnuge zu leisten.
§. 72. Entsteht darüber ein Streit unter den Eheleuten: so
muß das vormundschaftliche Gericht die Sache untersuchen, und den Streit,
jedoch ohne Zulassung eines förmlichen Prozesses, entscheiden.
§. 73. Bey der Untersuchung muß jedoch ein am Orte
befindlicher Verwandter von Seiten eines jeden der beyden Eheleute, oder in
deren Ermangelung, zwey Bekannte und Standesgenossen zugezogen werden.
2) wegen der Erziehung und des Unterrichts.
§. 74. Die Anordnung der Art, wie das Kind erzogen werden
soll, kommt hauptsächlich dem Vater zu.
§. 75. Dieser muß vorzüglich dafür sorgen, daß das Kind in
der Religion und nützlichen Kenntnissen den nöthigen Unterricht, nach seinem
Stande und Umständen, erhalte.
§. 76. Sind die Aeltern verschiednen Glaubensbekenntnissen
zugethan: so müssen, bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre, die Söhne in
der Religion des Vaters, die Töchter aber in dem Glaubensbekenntnisse der
Mutter unterrichtet werden.
§. 77. Zu Abweichungen von diesen gesetzlichen Vorschriften
kann keines der Aeltern das Andere, auch nicht durch Verträge, verpflichten.
§. 78. So lange jedoch Aeltern, über den ihren Kindern zu ertheilenden
Religionsunterricht einig sind, hat kein Dritter ein Recht, ihnen darin zu
widersprechen.
§. 79. Uebrigens benimmt die Verschiedenheit des kirchlichen
Glaubensbekenntnisses keinem der Aeltern die ihm sonst wegen der Erziehung
zustehenden Rechte.
§. 80. Auch nach dem Tode der Aeltern muß der Unterricht der
Kinder in dem Glaubensbekenntnisse desjenigen von ihnen, zu dessen Geschlecht
sie gehören, fortgesetzt werden.
§. 81. Auf eine in der letzten Krankheit erst erfolgte
Religionsänderung wird dabey keine Rücksicht genommen.
§. 82. Hat aber der verstorbene Ehegatte ein zu seinem
Geschlechte gehöriges Kind, wenigstens durch das ganze letzte Jahr vor seinem
Tode, in dem Glaubensbekenntnisse des andern Ehegatten unterrichten lassen: so
muß dieser Unterricht in eben der Art, auch nach seinem Tode, bis zum
vollendeten Vierzehnten Jahre des Kindes, fortgesetzt werden.
§. 83. Vor zurückgelegtem Vierzehnten Jahre darf keine
Religionsgesellschaft ein Kind zur Annahme, oder zum öffentlichen Bekenntnisse
einer andern Religion, als wozu dasselbe nach vorstehenden gesetzlichen
Bestimmungen gehört, selbst nicht mit Einwilligung der Aeltern seines
Geschlechts zulassen.
§. 84. Nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre hingegen steht
es lediglich in der Wahl der Kinder, zu welcher Religionspartey sie sich
bekennen wollen.
§. 85. Auch wenn das Kind eine andere, als die Religion
beyder Aeltern wählt, wird dadurch in den Rechten und Pflichten der Aeltern,
wegen der Erziehung, Verpflegung und Versorgung, nichts geändert.
3) Rechte der älterlichen Zucht,
§. 86. Die Aeltern sind berechtigt, zur Bildung der Kinder
alle der Gesundheit derselben unschädliche Zwangsmittel zu gebrauchen.
§. 87. Finden sie diese nicht hinreichend: so muß ihnen das
vormundschaftliche Gericht, auf gebührendes Anmelden, hülfreiche Hand leisten.
§. 88. Dies Gericht muß das Verhalten der Aeltern sowohl,
als des Kindes, summarisch, und ohne Zulassung eines förmlichen Prozesses
untersuchen.
§. 89. Nach Befinden der Umstände muß alsdann die Art und
Dauer der anzuwendenden Besserungsmittel von ihm bestimmt werden.
§. 90. Sollten Aeltern ihre Kinder grausam mißhandeln; oder
zum Bösen verleiten; oder ihnen den nothdürftigen Unterhalt versagen: so ist
das vormundschaftliche Gericht schuldig, sich der Kinder von Amts wegen
anzunehmen.
§. 91. Nach Befund der Umstände kann den Aeltern, in einem
solchen Falle, die Erziehung genommen, und auf ihre Kosten andern zuverläßigen
Personen anvertrauet werden.
4) Von Erziehung der Kinder aus geschiedenen Ehen.
§. 92. Sind die Aeltern geschieden worden: so müssen die
Kinder der Regel nach bey dem unschuldigen Theile erzogen werden.
§. 93. Ist der Vater zwar der schuldige Theil; die Ursache
der Scheidung aber nicht so beschaffen, daß daraus die gegründete Besorgniß
einer schlechten Erziehung entsteht: so kann er verlangen, daß ihm die
Erziehung der Söhne gelassen werde.
§. 94. Die Pflege der Kinder, welche das Vierte Jahr noch
nicht zurückgelegt haben, verbleibt, ohne Unterschied des Geschlechts, bis zur
Zurücklegung dieses Alters der auch für schuldig erklärten Mutter; in so fern
die vorgekommenen Scheidungsursachen nicht von einer solchen Verderbniß des
moralischen Charakters zeugen, daß dadurch erhebliche Besorgnisse einer
Vernachlässigung der Kinder begründet werden.
§. 95. Ist Keiner der Aeltern für den schuldigen Theil
erklärt: so werden die Kinder bis nach vollendetem Vierten Jahre bey der
Mutter, sodann aber bey dem Vater erzogen.
§. 96. Doch kann, wenn Töchter darunter sind, der Richter
die Erziehung derselben überhaupt, bewandten Umständen nach, der Mutter
anvertrauen.
§. 97. Die Anordnungen, welche wegen Erziehung der Kinder
bey dem Einen der gewesenen Ehegatten nach obigen Grundsätzen getroffen worden,
können auf das Anrufen des Andern wieder aufgehoben werden, wenn eine erhebliche
Besorgniß der Vernachläßigung, oder schlechten Erziehung erst in der Folge
eintritt, oder zum Vorschein kommt.
§. 98. Hat dergleichen Besorgniß sich bey der Scheidung in
Ansehung beyder gewesenen Eheleute Offenbart: so muß der den Kindern bestellte
Curator, wegen deren Erziehung an einem dritten Orte Vorschläge machen.
§. 99. Der Richter muß alsdann das Nöthige deshalb von Amts
wegen verordnen.
§. 100. Ein Gleiches kann geschehen, ohne daß es nöthig ist,
den Antrag des andern geschiedenen Theils abzuwarten, wenn die Gründe einer
solchen erheblichen Besorgniß erst nach der Scheidung eintreten oder bekannt
werden.
§. 101. Sind beyde Aeltern, oder eins derselben, von der
Erziehung ausgeschlossen: so soll ihnen doch der Zutritt zu den Kindern nicht
gänzlich versagt werden.
§. 102. Es bleibt aber richterlichem Ermessen vorbehalten,
wie oft, und unter welcher Aufsicht dergleichen Besuche zu gestatten sind.
§. 103. Die Kosten der Erziehung müssen, auch nach der
Scheidung, hauptsächlich von dem Vater getragen werden.
§. 104. Doch kann derselbe von der für schuldig erklärten
Mutter einen Beytrag, nach Verhältniß ihres Vermögens oder Erwerbes, bis
höchstens auf die Hälfte des erforderlichen baaren Aufwandes verlangen.
§. 105. In so fern nach §. 94. der für schuldig erklärten Mutter dennoch die
Erziehung der Kinder bis zum Vierten Jahre gelassen wird, muß sie die Kosten
derselben allein übernehmen.
§. 106. Muß die Pflege der Kinder bis zu diesem Alter Andern
anvertraut werden: so fallen die dabey auflaufenden baaren Auslagen
hauptsächlich der Mutter zur Last.
§. 107. Ist der Vater die Kosten der Erziehung ganz oder zum
Theil aufzubringen unvermögend: so bleibt allemal, und ohne Unterschied der
Fälle, den Kindern ihr Recht deshalb an die auch unschuldige Mutter
vorbehalten.
§. 108. Die Aeltern sind schuldig, ihre Kinder zu künftigen
brauchbaren Mitgliedern des Staats, in einer nützlichen Wissenschaft, Kunst,
oder Gewerbe, vorzubereiten.
5) Rechte und Pflichten der Aeltern bey der Wahl einer
Lebensart für die Kinder.
§. 109. Die Bestimmung der künftigen Lebensart der Söhne
hängt zunächst von dem Ermessen des Vaters ab.
§. 110. Er muß aber dabey auf die Neigung, Fähigkeiten, und
körperlichen Umstände des Sohnes vorzügliche Rücksicht nehmen.
§. 111. Bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre muß sich
der Sohn der Anordnung des Vaters schlechterdings unterwerfen.
§. 112. Bey alsdann fortdauernder gänzlicher Abneigung des
Sohnes gegen die von dem Vater gewählte Lebensart, muß das vormundschaftliche
Gericht, mit Zuziehung eines oder zweyer am Orte befindlichen nächsten
Verwandten, und der Lehrer des Sohns, die beyderseitigen Gründe prüfen.
§. 113. Das Gericht muß solche Einrichtungen zu treffen
bemüht seyn, daß die der Neigung und Fähigkeit des Sohnes, so wie dem Stande
und Vermögen des Vaters gemäßeste Lebensart gewählt werden.
§. 114. In zweifelhaften Fällen ist diejenige Einrichtung,
welche der Vater treffen will, zu genehmigen; und von dieser kann nur alsdann
abgegangen werden, wenn auf eine überzeugende Art erhellet, daß dieselbe zu
einem erheblichen und dauernden Nachtheile für den Sohn ausschlagen möchte.
§. 115. Doch soll der Sohn wider seinen Willen zum Studiren
niemals angehalten; noch der Vater, die Kosten des Studirens für den Sohn
herzugeben, wider seinen Willen jemals genöthigt werden.
§. 116. Will der Sohn von der einmal mit Zustimmung des
Vaters, oder sonst, freywillig gewählten Lebensart zu einer andern übergehn: so
ist der Vater, die durch eine solche Veränderung entstehenden größern Kosten
herzugeben, in der Regel nicht schuldig.
§. 117. Kann jedoch der Sohn erhebliche Gründe dazu
anführen: so muß nach der Vorschrift §. 112-115. verfahren werden.
§. 118. In wie fern nach des Vaters Tode der Mutter ein
Einfluß auf die Wahl der Lebensart der Kinder gebühre, wird in dem Titel von
Vormundschaften verordnet.
6) bey der Verheirathung der Kinder.
§. 119. Aeltern können ihre Kinder zur Wahl eines künftigen
Ehegatten nicht zwingen.
§. 120. In wie fern aber die Einwilligung der Aeltern zur
Verheirathung der Kinder erforderlich sey, oder von dem Richter ergänzt werden
könne, ist im Ersten Titel vorgeschrieben. (Tit. I. §. 45-74.)
7) Pflicht der Kinder zu häuslichen Diensten.
§. 121. Die Kinder sind schuldig, den Aeltern in deren
Wirthschaft und Gewerbe nach ihren Kräften hülfreiche Hand zu leisten.
§. 122. Es darf aber den Kindern dadurch die zu ihrem
Unterrichte und Ausbildung nöthige Zeit nicht entzogen werden.
8) Wie weit Kinder etwas erwerben, oder sich oder die
Aeltern verpflichten können.
§. 123. Was die Kinder bey solchen Gelegenheiten erwerben,
das erwerben sie den Aeltern.
§. 124. Bey jeder andern Gelegenheit können die Kinder
Vermögen und Gerechtsame für sich selbst, auch ohne den Beytritt des Vaters
erwerben.
§. 125. Wenn aber mit dergleichen Vortheilen zugleich Lasten
und Verbindlichkeiten übernommen werden sollen: so hängt die
Rechtsbeständigkeit der Handlung des Kindes von der vorhergehenden oder
hinzukommenden Einwilligung des Vaters ab. (Th. I.
Tit. IV. §. 21. 22.
Tit. V. §. 11.12. 13.)
§. 126. Nur in so fern, als jemand überhaupt durch die
Handlung eines Dritten, vermöge seines Auftrages, seiner Genehmigung, oder
einer in seinen Nutzen erfolgten Verwendung verpflichtet wird, kann auch ein
Vater durch die Handlungen seiner Kinder verpflichtet werden.
§. 127. Wenn ein Vater sein Kind zu einer gewissen
Bestimmung außer seinem Hause widmet: so genehmigt er eben dadurch alle
Handlungen und Verträge desselben, ohne welche das Kind diese Bestimmung nicht
erfüllen kann.
§. 128. Dagegen soll daraus, daß ein Vater die Schulden des
Kindes einmal, oder auch öfter bezahlt hat, eine Genehmigung mehrerer oder
neuer Schulden Niemals gefolgert werden.
§. 129. Nur das, was jemand einem außerhalb des väterlichen
Hauses lebenden Kinde zu den nothwendigsten und dringendsten Bedürfnissen des
Lebens giebt, soll in allen Fällen, als in den Nutzen des Vaters verwendet,
angesehen werden.
§. 130. Für Sachen und Gelder, die zu andern Bedürfnissen
des Kindes gegeben und verwendet worden, haftet das Vermögen des Vaters nur
alsdann, wenn die Kinder keine Gelegenheit gehabt, die nöthige Unterstützung
von ihm selbst zu erhalten.
§. 131. In allen Fällen, wo die Handlungen und Verträge der
Kinder in Ansehung des Vaters unverbindlich sind, sind sie auch in Ansehung
ihrer selbst der Regel nach ungültig.
§. 132. Auch nach aufgehobener väterlicher Gewalt sind daher
die Kinder, dergleichen von Anfang an ungültige Schulden zu bezahlen, nicht
verbunden.
§. 133. Nur in Fällen, wo für Personen, die nach ihrer
Qualität für sich Verträge zu schließen unfähig sind, vermöge allgemeiner
gesetzlichen Vorschriften, die Verbindlichkeit zum Ersatze aus der bloßen
nützlichen Verwendung entsteht, müssen Kinder dergleichen Ersatz, nach
aufgehobener väterlichen Gewalt, aus eignem Vermögen leisten. (Th.
I. Tit. XIII- Abschn.
III.)
§. 134. Der Vorwand, daß sich jemand für einen solchen, der
nicht mehr unter väterlicher Gewalt steht, ausgegeben habe, macht den Vertrag
oder die Schuld nicht gültig.
§. 135. Doch kann der Gläubiger, der von einem solchen
Schuldner, ohne sein eignes mäßiges Versehen, wirklich hintergangen worden, aus
desselben Vermögen, nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, Schadloshaltung
fordern. (Th. I. Tit. V. §. 33-36. Tit. VI. §.
10. sqq.)
§. 136. Die von einem unter väterlicher Gewalt stehenden
Kinde von Anfang an ungültig gemachten Schulden werden gültig, wenn sich der
Schuldner, nach aufgehobener väterlichen Gewalt, zu deren Bezahlung
verpflichtet. (Th. I. Tit. V. §. 37. 38.)
§. 137. Doch soll nur auf ein
ausdrückliches, vor Gerichten, oder vor einem Justizcommissario erklärtes
Anerkenntniß, Rücksicht genommen werden. |
§. 138. Was auf die an sich ungültige Schulden eines Kindes,
vor oder nach aufgehobener väterlichen Gewalt, wirklich bezahlt worden, kann
der Zahlende nicht zurückfordern.
9) Von den Verpflichtungen aus unerlaubten Handlungen der
Kinder.
§. 139. Den aus Verbrechen der Kinder entstehenden Schaden
darf der Vater aus eignem Vermögen der Regel nach nicht vertreten.
§. 140. Er muß ihn aber vertreten, wenn er die unerlaubte
Handlung veranlaßt, oder das Kind durch sein Beyspiel dazu verleitet hat.
§. 141. Aus einer nach der That erklärten Billigung
derselben entsteht gegen den Vater die Vermuthung, daß er sie veranlaßt habe.
§. 142. Auch haftet der Vater für den entstandenen Schaden,
wenn er denselben nicht verhütet hat, da es doch in seinem Vermögen gestanden
hätte.
§. 143. Ferner alsdann, wenn er den Unterricht, die
Erziehung, und die Aufsicht über die Kinder gröblich vernachläßigt hat.
§. 144. In den Fällen des §. 140-142. haftet auch die Mutter
für den aus dem Verbrechen des Kindes entstandenen Schaden.
§. 145. Ein Gleiches findet auch in dem Falle des §. 143.
statt, wenn, nach dem Abgange des Vaters, die Erziehung des Kindes der Mutter
überlassen gewesen.
§. 146. Das Kind selbst bleibt zum Schadensersatze
verhaftet, wenn es eigenthümliches Vermögen hat, oder nach aufgehobener
väterlichen Gewalt dazu gelangt.
Dritter Abschnitt
Von dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder
Was zu dem freyen Vermögen der Kinder,
§. 147. Das eigenthümliche Vermögen der Kinder, welches dem
väterlichen Nießbrauche nicht unterworfen ist, wird ihr freyes Vermögen
genannt.
§. 148. Zum freyen Vermögen der Kinder gehört alles, was
dieselben, außerhalb des Betriebes der väterlichen Geschäfte, durch Fleiß und
Geschicklichkeit erwerben.
§. 149. Desgleichen dasjenige, was sie in Kriegs- oder
Civil-Diensten vor sich bringen, oder bey Gelegenheit derselben, von ihren Aeltern
oder Andern, zur Ausrüstung oder Beyhülfe erhalten.
§. 150. Auch Lehne, die den Kindern verliehen, oder wozu
dieselben in die Gesammtehand mit aufgenommen worden, werden, sobald sie zum
Besitze gelangen, in Beziehung auf den Vater, ihrem freyen Vermögen
beygerechnet.
§. 151. Ferner die Belohnungen ihres Fleißes und ihrer
Geschicklichkeit, die ihnen von den Aeltern, oder auch von Andern ertheilt
worden.
§. 152. Alle Geschenke und Vermächtnisse, die ihnen aus
Erkenntlichkeit für geleistete Dienste, oder für erwiesene Gefälligkeiten
zufließen.
§. 153. Alles, was sie von demjenigen ersparen, was ihnen
von den Aeltern zu ihrem Unterhalte außer dem väterlichen Hause, oder sonst zu
ihren Ausgaben, angewiesen worden.
§. 154. Endlich alles, was ihnen von Aeltern, Verwandten,
oder Fremden, unter der ausdrücklichen Bestimmung, daß es dem väterlichen
Nießbrauche nicht unterworfen seyn solle, zugewendet wird.
§. 155. Nur Verwandte in aufsteigender Linie, die den
Kindern einen Pflichttheil zu verlassen schuldig sind, können den Vater von dem
Nießbrauche desselben nicht ausschließen.
was zu ihrem nicht freyen Vermögen gehöre.
§. 156. Alles andre, was den Kindern durch bloße
Schenkungen, Erbschaften, Vermächtnisse, oder Glücksfälle zukommt, gehört zu
ihrem nicht freyen Vermögen.
§. 157. Auch die Pathengeschenke werden dem nicht freyen
Vermögen der Kinder beygerechnet.
I. Rechte des Vaters und der Kinder, in Ansehung des freyen
Vermögens.
§. 158. Ueber das freye Vermögen haben die Kinder eben die
Rechte, die einem nicht unter väterlicher Gewalt stehenden Menschen über sein
Eigenthum zukommen.
§. 159. Wenn sie noch minderjährig, oder sonst ihren Sachen
selbst vorzustehen unfähig sind: so gebührt dem Vater die vormundschaftliche
Verwaltung desselben.
§. 160. Doch steht es bey dem, welcher dergleichen Vermögen
den Kindern, unter Lebendigen, oder von Todes wegen zuwendet, zu bestimmen: ob
die Verwaltung dem Vater, oder einem Dritten anvertrauet, und wie dieselbe
geführt werden solle.
§. 161. Die Nutzungen dieses freyen Vermögens kann der Vater
zur Verpflegung und Erziehung der Kinder, so weit sie dazu nach dem Ermessen
des vormundschaftlichen Gerichts erforderlich sind, mit verwenden.
§. 162. So weit diese Nutzungen hierzu nicht gebraucht
werden, wachsen sie der Vermögens-Substanz zu.
§. 163. Nach erlangter Großjährigkeit, oder wegfallenden
anderweitigen Gründen einer vormundschaftlichen Verwaltung, können die Kinder
über ihr freyes Vermögen eben so, als wenn sie nicht mehr unter väterlicher
Gewalt wären, verfügen.
§. 164. Doch müssen sie auch alsdann die Einkünfte dieses
Vermögens zu ihrem eignem Unterhalte, so weit dieselben dazu hinreichen, auf
Verlangen des Vaters vorzüglich anwenden.
§. 165. Alle Verträge, die sie nach erlangter
Großjährigkeit in Ansehung ihres freyen Vermögens schließen, sind auch ohne
Beytritt des Vaters gültig.
§. 166. Doch muß der, welcher einem noch unter väterlicher
Gewalt stehenden, obwohl großjährigen Kinde, auf sein freyes Vermögen Credit
geben will, sich dasselbe durch Eintragung in das Hypothekenbuch, oder durch
Uebergabe des Obligations-Instruments, oder der verpfändeten beweglichen Sache,
besonders versichern lassen.
§. 167. Der Ersatz des von einem Kinde durch unerlaubte
Handlungen verursachten Schadens muß hauptsächlich aus dessen freyen Vermögen
erfolgen.
II. In Ansehung des nicht freyen Vermögens. Verwaltung
desselben.
§. 168. Von dem nicht freyen Vermögen der Kinder gebührt dem
Vater, so lange die väterliche Gewalt dauert, die Verwaltung und der
Nießbrauch.
§. 169. Ausstehende Capitalien der Kinder kann der Vater
nach Gutfinden einziehn, anderweitig belegen, oder auch sich selbst zum
Schuldner der Kinder dafür bestellen; in so fern nicht ein solches Capital den
Kindern zur Sicherheit besonders verschrieben, oder die Verwaltung des Vaters
darüber durch besondere Gesetze oder rechtsgültige Willenserklärungen
eingeschränkt ist.
§. 170. Bey andern Vermögensstücken muß der Vater, so lange
die Kinder noch minderjährig sind, zu allen Veränderungen der Substanz, die ein
Nießbraucher nicht ohne den Eigenthümer vornehmen kann, die Einwilligung des
vormundschaftlichen Gerichts einholen. (Th. I.
Tit. XXI. Abschn. I.)
§. 171. Dies muß besonders geschehen, wenn Grundstücke, oder
Gerechtigkeiten, während der Minderjährigkeit der Kinder veräußert, verpfändet,
oder mit andern bleibenden Reallasten belegt werden sollen.
§. 172. Das Gericht darf die Einwilligung nicht versagen,
wenn der Vater die Notwendigkeit der Verpfändung oder Veräußerung, oder einen
den Kindern daraus entstehenden erheblichen Nutzen nachweist.
§. 173. Außer dieser Einwilligung sind zur Gültigkeit des
Geschäfts keine weitere Förmlichkeiten erforderlich.
§. 174. Geschieht jedoch eine solche Veräußerung bloß des
Nutzens wegen: so muß das gelösete Kaufgeld entweder anderweitig zu
Grundstücken auf den Namen der Kinder verwendet; oder auf Hypothek angelegt;
oder von dem Vater besondere Caution dafür bestellt werden.
§. 175. So weit ein Nießbraucher zur Begründung einer
Meliorationsforderung der Einwilligung des Eigenthümers bedarf, muß der Vater
minderjähriger Kinder, wenn er dergleichen Vergütung künftig verlangen will, um
die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts zu den vorzunehmenden
Verbesserungen sich bewerben.
Gesetzliches Vorrecht.
§. 176. Zur Sicherheit des Vermögens, welches auf die Kinder
von der Mutter gediehen ist, behalten die Kinder in den Gütern des Vaters eben
das Vorrecht, welches der Mutter, wegen ihres Eingebrachten, in dem Vermögen
des Mannes zustand. (Tit. I. §. 254. sqq.)
§. 177. Auch wegen des übrigen nicht freyen Vermögens haben
die Kinder in den Gütern des Vaters das Vorrecht der Vierten Classe, von der
Zeit an, da der Vater das Vermögen der Kinder an sich genommen hat.
§. 178. Außer diesem gesetzlichen Vorrechte, ist der Vater,
besondere Sicherheit für das seiner Verwaltung anvertrauete Vermögen der Kinder
zu bestellen, nach der Regel nicht schuldig.
Fälle, wo besondre Sicherheit bestellt werden muß.
§. 179. Nur alsdann kann dem Vater dergleichen besondre
Sicherstellung abgefordert werden, wenn er auf Behandlung oder Indult gegen
seine Gläubiger anträgt; wenn Sequestration seiner Grundstücke, oder
Auspfändung seiner Mobilien verhängt; oder Wechselexecution gegen ihn
vollstreckt wird; oder wenn er sonst offenbar in Verfall seines Vermögens zu
gerathen anfängt.
§. 180. Ferner, wenn er wegen eines Amts, einer Casse oder
Pachtung, dem Fiskus oder einer andern mit fiskalischen Rechten versehenen
Anstalt verhaftet ist; oder dergleichen Amt, Casse oder Pachtung auch erst
nachher, da er das Vermögen der Kinder schon erhalten hat, übernimmt.
§. 181. Desgleichen alsdann, wenn er zu der Zeit, da das
Vermögen der Kinder in seine Verwaltung gelangt, schon in den Diensten einer
andern öffentlichen Anstalt steht, welcher die Gesetze das Vorrecht der Vierten
Classe in den Gütern ihrer Cassenbedienten und Administratoren einräumen.
§. 182. Kann oder will der Vater in allen diesen Fällen
keine Sicherheit leisten: so muß ihm die Verwaltung des Vermögens der Kinder
genommen, und einem besondern Curator, unter näherer Aufsicht des
vormundschaftlichen Gerichts, übertragen werden.
§. 183. Nur alsdann kann das Gericht dem Vater, in den
Fällen des §. 180. 181. die besondere Sicherstellung erlassen, wenn erhellet,
daß er sonst die Bedienung nicht erlangen oder behalten könnte; und er
gleichwohl ohne dieselbe, den Unterhalt und die Erziehung der Kinder gehörig zu
besorgen, außer Stande seyn würde.
§. 184. Doch muß ein solcher Vater dem vormundschaftlichen
Gerichte ein Attest seiner vorgesetzten Behörde über den richtigen Befund der
Casse und Rechnung alljährig vorlegen.
§. 185. Unterläßt er dieses: so muß nach der Vorschrift §.
182. wider ihn verfahren werden.
§. 186. In wie fern eine
Amtscaution, welche für den Vater aus dem den Kindern zugefallenen Vermögen
bestellt ist, während der Minderjährigkeit der Kinder stehen gelassen, oder aus
dem Vermögen derselben neu bestellt werden könne, ist nach den für einen
ähnlichen Fall in dem Titel von Vormundschaften vorgeschriebenen Grundsätzen zu
bestimmen. (Tit. XVIII. Abschn. VIII.) .
§. 187. Schreitet ein Vater, welcher liegende Grunde oder
Gerechtigkeiten besitzt, zur anderweitigen Verehelichung: so muß er das
Vermögen der Kinder aus voriger Ehe auf diese Grundstücke eintragen lassen.
§. 188. Diese Eintragung hat jedoch nur eben die Rechte, wie
eine eingetragne vormundschaftliche Caution.
Wer für diese Sicherstellung zu sorgen habe.
§. 189. Sind die Kinder großjährig, und auch sonst ihren
eignen Sachen vorzustehen fähig: so können dieselben, auch wenn sie noch unter
väterlicher Gewalt sind, in den Fällen des §. 179. 180. 181. 187. auf die von
dem Vater zu leistende Sicherheit selbst antragen.
§. 190. Außer ihnen hat alsdann niemand ein Recht, sich in
diese Angelegenheit zu mischen.
§. 191. Sind aber diese Kinder noch minderjährig, oder sonst
unfähig, ihren Sachen selbst vorzustehen: so muß der bey der Auseinandersetzung
mit dem Vater ihnen zugeordnete Curator für die Bestellung der Sicherheit, nach
näherer Anweisung des Vormundschaftsrechts sorgen.
§. 192. Ist den Kindern noch kein Curator bestellt: so muß
das vormundschaftliche Gericht für dessen Anordnung von Amtswegen sorgen,
sobald der Fall, wo es einer besondern Sicherheit bedarf, zu seiner
Wissenschaft gelanget.
§. 193. Zu einer desfalls dem Gerichte zu machenden Anzeige
ist besonders die Mutter, und in deren Ermangelung derjenige befugt, welchem
nächst dem Vater das Erbrecht zusteht.
§. 194. Ist dieser selbst noch minderjährig: so tritt der
nächste nach ihm an seine Stelle.
§. 195. Auch den fiskalischen Bedienten liegt ob, sobald ein
Fall der für das Vermögen minderjähriger Kinder von deren Vater zu leistenden
Sicherheit zu ihrer Kenntniß gelangt, dem vormundschaftlichen Gerichte davon
Anzeige zu machen.
§. 196. Wird durch diese Anzeige das Vermögen der Kinder von
der Gefahr eines besorglichen Verlusts gerettet: so soll aus den Nutzungen
desselben dem fiskalischen Bedienten eine verhältnißmäßige Belohnung seiner
Wachsamkeit angewiesen werden.
§. 197. Auch diejenigen, welche jemanden ein Amt übertragen,
wodurch das Vermögen desselben einem gesetzmäßigen Vorrechte unterworfen wird,
sollen schuldig seyn, dem ordentlichen persönlichen Gerichtsstande des Beamten,
sogleich nach seiner Einführung, davon Nachricht zu geben.
§. 198. Ist dieses von ihnen vorsetzlich, oder aus grobem
Versehen unterlassen worden: so bleiben sie den Kindern, wegen des daraus
entstehenden Nachtheils, verantwortlich.
§. 199. Hauptsächlich aber muß jeder Vater, welcher Vermögen
von seinen Kindern in Händen hat, sobald der Fall eintritt, wo er nach den
Gesetzen besondere Sicherheit dafür zu bestellen verbunden ist, es dem
vormundschaftlichen Gerichte selbst anzeigen.
§. 200. Ein Vater, der diese Pflicht mit Vorsatz verabsäumt,
wird seines Nießbrauchs verlustig.
Rechte der Kinder in Ansehung des nicht freyen Vermögens.
§. 201. So lange Kinder noch unter väterlicher Gewalt sind,
können sie über ihr nicht freyes Vermögen, ohne Beytritt und Einwilligung des
Vaters, unter Lebendigen keine gültige Verfügung treffen.
§. 202. Vielmehr gilt von den Verträgen und Schulden auch
solcher Kinder, eben das, was in Ansehung der noch unter väterlicher Gewalt
stehenden Kinder überhaupt §. 124. sqq. verordnet ist.
§. 203. Haben Kinder durch unerlaubte Handlungen jemand
Schaden zugefügt: so muß der Ersatz, in Ermangelung eines freyen Vermögens, aus
dem nicht freyen, so weit dasselbe hinreicht, so fort erfolgen.
Vom väterlichen Nießbrauche.
§. 204. So lange der Vater der Kinder standesmäßigen
Unterhalt und Erziehung besorgt, hängt die Verwendung der Einkünfte ihres nicht
freyen Vermögens lediglich von seinem Gutfinden ab.
§. 205. Auch seine eigne Gläubiger können aus diesen
Einkünften ihre Befriedigung suchen.
§. 206. Wenn aber der Vater in Concurs verfällt, oder sonst
außer Stand kommt, die Kinder standesmäßig zu verpflegen und zu erziehen: so
verliert er die Verwaltung und den Nießbrauch ihres nicht freyen Vermögens.
§. 207. Beydes fällt den Kindern anheim, in so fern
dieselben großjährig, und sonst ihren Sachen selbst vorzustehen fähig sind.
§. 208. Außerdem muß den Kindern ein Curator bestellt, und
durch diesen ihr nicht freyes Vermögen, unter Aufsicht des vormundschaftlichen
Gerichts, zum Besten der Kinder verwaltet werden.
§. 209. Doch ist der Vater, die benöthigte Unterstützung zu
seinem Unterhalte aus den Einkünften dieses Vermögens zu fordern, in jedem
Falle wohl befugt.
Vierter Abschnitt
Von Aufhebung der väterlichen Gewalt
Aufhebung der väterlichen Gewalt bey einem großjährigen
Sohne;
§. 210. Wenn ein Sohn nach erlangter Großjährigkeit eine
eigne von den Aeltern abgesonderte Wirthschaft errichtet: so geht er dadurch
aus der väterlichen Gewalt.
§. 211. Wenn der Vater ihn seiner Gewalt noch nicht
entlassen will: so muß er seinen Widerspruch gerichtlich anzeigen, und Gründe
dazu beybringen, welche hinreichen, den Sohn für einen Verschwender erklären zu
lassen.
§. 212. a) Wenn ein großjähriger Sohn ein eignes Gewerbe
treibt, oder ein öffentliches Amt bekleidet: so ist er für entlassen aus der
väterlichen Gewalt anzusehn.
§. 212. b) Die fortwährende Unterstützung von Seiten des
Vaters, durch Gebung des Tisches, und sonst, macht dabey keinen Unterschied.
§. 213. Einem großjährigen Sohne, welcher sich mit seinem
Gewerbe ohne weitere Unterstützung des Vaters ernähren kann, ist letzterer die
Anstellung eines solchen Gewerbes zu verstatten, und ihn dadurch aus seiner
Gewalt zu entlassen verbunden.
bey einem minderjährigen;
§. 214. Ein noch minderjähriger Sohn kann vor zurückgelegtem
Zwanzigsten Jahre, selbst mit Einwilligung des Vaters, der väterlichen Gewalt
nicht entlassen werden.
§. 215. Nach zurückgelegtem Zwanzigsten Jahre, und bis zur
erlangten Volljährigkeit des Sohnes, kann der Vater nicht genöthigt werden,
denselben aus seiner Gewalt zu entlassen.
§. 216. Wenn aber der Vater in diesem Zeiträume seinen
Willen, den Sohn zu entlassen, mit Beystimmung des Sohnes, bey dem
vormundschaftlichen Gerichte verlautbart: so hat dieses zugleich alle Wirkungen
einer Majorennitäts-Erklärung.
§. 217. Dem Sohne muß ein beglaubtes Zeugniß darüber von dem
vormundschaftlichen Gerichte ausgefertigt werden.
§. 218. Wenn der Vater ausdrücklich oder stillschweigend
einwilligt, daß der noch minderjährige Sohn ein besonderes Gewerbe für eigne
Rechnung anfange: so hat dieses die Wirkung einer ausdrücklich erklärten
Entlassung.
§. 219. Durch die Uebernehmung eines öffentlichen Amts geht
ein noch minderjähriger Sohn, auch wenn er zugleich eine besondre Wirthschaft
anstellt, doch noch nicht aus der väterlichen Gewalt.
§. 220. Will ihn aber der Vater derselben entlassen, so muß
er diesen seinen Willen nach Vorschrift §. 216. 217. gerichtlich erklären.
§. 221. So lange der Vater dergleichen Erklärung noch nicht
abgegeben hat, ist der Sohn zwar in den Geschäften seines Amts, nicht aber in
seinen Privatangelegenheiten, für einen solchen, der nicht mehr unter
väterlicher Gewalt stehet, zu achten.
§. 222. Cassenbedienungen und Pachtungen, wodurch jemand dem
Fiskus oder einer öffentlichen Anstalt verhaftet wird, sollen einem
Minderjährigen, der noch unter väterlicher Gewalt steht, nicht anders
übertragen werden, als wenn er zuvor von dem Vater ausdrücklich und gerichtlich
entlassen worden.
§. 223. Auch daraus, daß der Vater seinem noch
minderjährigen Sohne die Errichtung einer besondern Wirthschaft, aus seinem
eignen, oder dem Vermögen seiner Frau gestattet hat, folgt noch nicht, daß
derselbe der väterlichen Gewalt entlassen sey.
§. 224. Wer also mit einem Minderjährigen, dessen Vater noch
am Leben ist, sich einlassen will, muß sich überzeugen, daß derselbe entweder
mit Einwilligung des Vaters ein besonderes Gewerbe für eigne Rechnung treibe,
oder daß ihn der Vater ausdrücklich entlassen habe.
§. 225. In allen Fällen aber, wo der Sohn eine zuerst ohne
väterliche Einwilligung oder Entlassung angefangene besondere Wirthschaft, bis
nach zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre fortsetzt, ohne daß der Vater
seinen Widerspruch gerichtlich erklärt, und ihn zur Wiederaufgebung dieser
abgesonderten Wirthschaft wirklich angehalten hat, geht er mit dem Zeitpunkte
der erlangten Volljährigkeit zugleich aus der väterlichen Gewalt.
§ 226. Ein Sohn, welcher während der Minderjährigkeit der
väterlichen Gewalt entlassen worden, kann dennoch seine Grundstücke und
Gerechtigkeiten nur mit Beytritt seines Vaters verpfänden und veräußern.
§. 227. Sobald aber der Vater seine Einwilligung in solche
Verfügungen gerichtlich erklärt, bedarf es weiter keiner Untersuchung oder
Genehmigung von Seiten des vormundschaftlichen Gerichts.
bey einer Tochter.
§. 228. Wenn eine Tochter, unter ertheilter, oder von dem
Richter ergänzter Einwilligung des Vaters heirathet: so hört die väterliche
Gewalt über sie auf.
§. 229. Ist sie aber noch minderjährig: so bleiben dem
Vater, bis zur erlangten Volljährigkeit, alle Rechte und Pflichten eines einer
verheiratheten Pflegebefohlnen bestellten Vormundes. (Tit. XVIII. Abschn. VHI.)
§. 230. Eine unverheirathete Tochter kann, auch wenn sie
großjährig ist, nicht anders, als durch ausdrückliche Erklärung, der
väterlichen Gewalt entlassen werden.
Folgen dieser Aufhebung:
1) Herausgabe
des eignen Vermögens der Kinder.
§. 231. Nach aufgehobener väterlichen Gewalt ist der Vater
schuldig, dem Kinde das bisher unter seiner Verwaltung gestandene
eigenthümliche Vermögen desselben, nach den im folgenden Abschnitt,
vorgeschriebenen Bestimmungen, heraus zu geben.
2) Ausstattung
derselben.
§. 232. Söhne, welche eine abgesonderte Wirthschaft
anfangen, müssen zu deren ersten Einrichtung, und zur Anschaffung der
Gerätschaften, welche zum Betriebe ihres Gewerbes unentbehrlich sind, mit einer
Ausstattung versehen werden.
§. 233. Auch den heirathenden Töchtern gebührt dergleichen
Ausstattung, so weit dieselbe zur Hochzeit, und zur ersten Einrichtung ihres
Hauswesens erforderlich ist.
§. 234. Haben die Kinder eignes Vermögen: so können die
Kosten der Ausstattung aus der Substanz desselben genommen werden.
§. 235. So weit sie kein eignes, oder kein hinreichendes
Vermögen haben, ist der Vater aus dem Seinigen für diese Ausstattung zu sorgen
verpflichtet.
§. 236. Ist der Vater nicht mehr am Leben; oder selbst
unvermögend: so muß die Mutter, in Ansehung dieser Pflicht, an seine Stelle
treten.
§. 237. Der Regel nach hängt es lediglich von dem Ermessen
der Aeltern ab, wie viel sie zu vorgedachter Ausstattung der Kinder aus ihrem
Vermögen hergeben wollen.
§. 238. Sollten jedoch Aeltern sich dieser ihrer Pflicht
dergestalt entziehen wollen, daß sie ihren Kindern gar keine, oder nur eine
ganz unzureichende Ausstattung bewilligten: so steht den Kindern frey, den Beystand
des vormundschaftlichen Gerichts nachzusuchen.
§. 239. Dieses muß mit Zuziehung zweyer der nächsten
Verwandten, oder zweyer Standes- oder Zunftgenossen des Vaters, billig
ermessen: wie viel zur Ausstattung des Kindes nach den §. 232. 233. angegebenen
Bestimmungen erforderlich sey; und sodann den Vater zur Bewilligung dieser
Nothdurft zu vermögen, sich angelegen seyn lassen.
§. 240. Es muß aber darüber kein Prozeß zugelassen, und am
wenigsten der Vater zur Offenlegung seines Vermögenszustandes genöthigt werden.
§. 241. Vielmehr, wenn die Aeltern auf Pflicht und Gewissen
versichern, daß sie nach ihren Umständen, ohne wirklichen Nachtheil für sich
und ihre übrigen Kinder, dem auszustattenden so viel, als das
vormundschaftliche Gericht billig gefunden hat, nicht aussetzen können: so
müssen dieses Gericht sowohl, als das auszustattende Kind, bey einer solchen
Versicherung sich beruhigen.
§. 242. Kinder, die schon einmal ausgestattet sind, haben,
unter keinerley Umständen, das Recht, eine nochmalige Ausstattung zu verlangen.
§. 243. Außer der vorbestimmten Ausstattung sind Kinder,
vermöge der Gesetze, niemals befugt, eine Mitgabe oder Brautschatz von den
Aeltern zu fordern.
§. 244. Auch wenn die Aeltern eine Mitgabe, ohne weitere
Bestimmung einer gewissen Summe oder Sache, versprochen haben, sind sie nur zu
dieser Ausstattung (§. 232. 233.) verpflichtet.
§. 245. Haben sie aber den Kindern einen Brautschatz oder
Mitgabe, über die Ausstattung, aus eigner Bewegung wirklich zukommen lassen: so
wird im zweifelhaften Falle vermuthet, daß dieselben aus dem eigenthümlichen
Vermögen der Kinder, so weit dasselbe dazu hingereicht hat, genommen worden.
§. 246. Haben die Kinder kein eigenthümliches Vermögen: so
gilt die Vermuthung, daß der Brautschatz oder die Mitgabe aus dem Vermögen des
Vaters gegeben sey.
§. 247. Ist der Vater nicht mehr am Leben: so wird der
Brautschatz oder die Mitgabe aus dem Vermögen der Mutter, ohne Beytrag des
Stiefvaters, genommen zu seyn geachtet, wenn gleich letzterer ausdrücklich
darein gewilligt hätte.
§. 248. Nur bey der Gemeinschaft aller Güter wird jederzeit
vermuthet, daß der den Kindern gegebene, und nicht aus ihrem eigenthümlichen
Vermögen geflossene Brautschatz, aus dem gemeinschaftlichen Vermögen genommen
worden.
Rechte der Aeltern nach aufgehobener Gewalt,
§. 249. Auch nach aufgehobener väterlichen Gewalt sind die
Kinder den Aeltern kindliche Ehrerbietung schuldig.
§. 250. Die Pflicht, ihre Einwilligung zu einer Heirath
nachzusuchen, wird durch Endigung der väterlichen Gewalt nicht aufgehoben.
(Tit. I. §. 1009.
sqq.)
insonderheit wegen wechselseitiger Unterstützung.
§. 251. Auch nach aufgehobener väterlichen Gewalt sind
Kinder und Aeltern einander wechselseitig zu unterstützen, und eins das andre,
wenn es sich selbst nicht ernähren kann, mit Unterhalt zu versehen schuldig.
§. 252. Ist das Unvermögen, sich selbst zu ernähren, durch
Krankheit, Unglücksfälle, oder sonst unverschuldet entstanden: so sind die
Kinder den Aeltern, und diese jenen, anständigen Unterhalt nach ihrem Vermögen
zu reichen verbunden.
§. 253. Ist aber der hülfsbedürftige Theil durch eigne
Schuld verarmt; oder hat er sich gegen den andern so betragen, daß dieser ihn
zu enterben berechtigt seyn würde: so muß er mit dem bloß notdürftigen
Unterhalte sich begnügen.
§. 254. Kinder, die nach aufgehobener väterlichen Gewalt,
von den Aeltern noch ernährt werden müssen, sind alsdann auch verbunden, den
Aeltern in deren Wirthschaft und Gewerbe nach ihren Kräften behülflich zu seyn.
Besondere Fälle, wo die väterliche Gewalt aufhört.
§. 255. Außer den §. 210-230. bestimmten gewöhnlichen
Fällen, hört die väterliche Gewalt von selbst auf, wenn der Vater wegen grober
Verbrechen zu harter und schmählicher Zuchthaus- oder Festungs-Arbeit, zu
Zehnjährigem oder lebenswierigem Gefängnisse, oder zur Landesverweisung
verurtheilt worden.
§. 256. Ferner alsdann, wenn er gerichtlich für einen
Verschwender erklärt wird.
§. 257. Auch alsdann, wenn er ohne Vorwissen des Staats in
der Absicht, sich seinen Unterthanspflichten zu entziehn, aus den Königlichen
Landen entweicht.
§. 258. Endlich, wenn er vorsetzlicher Weise die Kinder
hülflos und ohne Aufsicht verlassen hat.
§. 259. In allen diesen Fällen erlangt er die väterliche
Gewalt nicht wieder; auch wenn der Grund ihres Verlustes in der Folge gehoben
worden.
§. 260. Dagegen ruht die väterliche Gewalt, wenn der Vater
nur zu Bürgerlichem oder Festungsgefängnisse, auf länger als Zwey, aber weniger
als Zehn Jahre, verurtheilt worden.
§. 261. Ingleichen alsdann, wenn der Vater in Raserey oder
Blödsinn verfallen ist.
§. 262. Nach ausgestandener Strafe, erhaltener Begnadigung,
oder erfolgter Wiederherstellung, tritt der Vater wiederum in alle seine
Rechte.
§. 263. Sind die Kinder zur Zeit der solchergestalt aufgehobenen
oder außer Wirkung gesetzten väterlichen Gewalt noch minderjährig: so muß ihnen
ein Vormund bestellt werden.
§. 264. Der Nießbrauch ihres Vermögens wird, so weit er zu
ihrer Verpflegung und Erziehung, oder zur Unterstützung des Vaters nicht erforderlich
ist, der Substanz zugeschlagen.
§. 265. Waren die Kinder zu der Zeit, als die väterliche
Gewalt außer Wirkung gesetzt wurde, bereits großjährig; oder sind sie es in der
Zwischenzeit geworden: so fallen sie nicht mehr unter dieselbe zurück.
Einschränkungen derselben.
§. 266. Eingeschränkt wird die väterliche Gewalt in Ansehung
der Erziehung, wenn der Vater dieselbe vernachläßigt; die Kinder grausam
mißhandelt; sie zum Bösen verleitet; oder ihnen den nöthigen Unterhalt versagt.
(§. 90. 91.)
§. 267. Ferner in Ansehung der Verwaltung des Vermögens der
Kinder, wenn der Vater die besondre Sicherheit dafür, wozu er aus gesetzlichen
Gründen verpflichtet ist, nicht bestellen kann oder will. (§. 179. sqq.)
§. 268. Endlich in Ansehung der Verwaltung und des Nießbrauchs
zugleich, wenn der Vater in Concurs verfällt, oder sonst die Kinder
standesmäßig zu verpflegen und zu erziehen, unvermögend wird. (§. 204-209.)
§. 269. In allen Fällen, da solchergestalt die Rechte der
väterlichen Gewalt aufgehoben, außer Wirkung gesetzt, oder eingeschränkt worden
(§. 255-268.) bleiben der Vater und sein Vermögen zur Erfüllung der damit
verbundenen Pflichten dennoch verhaftet.
§. 270. Durch den bürgerlichen oder natürlichen Tod des
Vaters nehmen sowohl die Rechte als Pflichten der väterlichen Gewalt ein Ende.
Fünfter Abschnitt
Von der Erbfolge der Kinder und andrer Verwandten in
absteigender Linie
§. 271. Die Erbfolge in den Nachlaß verstorbener Aeltern
wird entweder durch Verträge, oder, in deren Ermangelung, durch letztwillige
Verordnungen, oder, wenn auch diese nicht vorhanden sind, durch Statuten oder
Provinzialgesetze bestimmt.
§. 272. Sind in den Statuten oder Provinzialgesetzen keine,
oder nicht hinreichende Verordnungen enthalten: so soll nach folgenden
Vorschriften verfahren werden.
1) Absonderung der zum Nachlasse nicht gehörenden Stücke,
§. 273. Vor allen Dingen werden Lehne, Fideicommisse und
andre Vermögensstücke, in welche nach Gesetzen oder Familienverträgen eine
eigne Successionsordnung statt findet, von dem Nachlasse abgesondert. (Tit. I.
§. 502-539.)
§. 274. Ist ein überlebender Ehegatte vorhanden: so wird
demselben sein eigenthümliches Vermögen nach den Vorschriften des Ersten Titels
verabfolgt. (Tit. I. §. 544. sqq.)
insonderheit des eigenthümlichen Vermögens der Kinder,
§. 275. Hat der verstorbene Vater eignes Vermögen der Kinder
zur Verwaltung gehabt: so muß jedem Kinde das Seinige aus dem Nachlasse, als
eine Schuld, herausgegeben werden.
§. 276. Bey der Absonderung des eignen Vermögens der Kinder
von dem väterlichen Nachlasse, finden überhaupt diejenigen Grundsätze statt,
welche im Ersten Titel auf den Fall vorgeschrieben sind, wenn die Frau nach dem
Tode des Mannes ihr Vermögen aus dessen Nachlaß zurücknimmt. (Tit. I. §. 544. sqq.)
§. 277. Das eigenthümliche freye Vermögen der Kinder wird
dabey dem vorbehaltnen Vermögen der Frau, und das nichtfreye dem Eingebrachten
gleich geachtet.
§. 278. In allen Fällen, wo durch jene Vorschriften der Frau
die Wahl gelassen ist, gebührt sie hier dem Kinde.
§. 279. Hat der Vater Mobilien und Effekten des Kindes in
seiner Gewahrsam gehabt: so muß das Kind dieselben vollständig zurück erhalten.
§. 280. Sind sie in dem Zustande, wie sie der Vater
übernommen hat, nicht mehr vorhanden: so muß dem Kinde der wahre Werth, nach
dem Zeitpunkte der Uebernehmung, vergütet werden.
§. 281. Doch ist der Vater für einen durch Zufall
entstandenen Verlust oder Verminderung des Werths so wenig, wie ein andrer
Verwahrer, zu haften schuldig.
§. 282. Ein mäßiger Gebrauch der Effekten des Kindes, so
weit er ohne Abnutzung derselben statt finden kann, ist dem Vater vergönnt.
§. 283. Will er sich aber solcher Mobilien, die ohne
Abnutzung nicht gebraucht werden können, zu seinem Gebrauche bedienen: so muß
er dafür sorgen, daß sie gerichtlich abgeschätzt werden.
§. 284. Alsdann hat das Kind, wenn ihm sein Vermögen
verabfolgt werden soll, die Wahl: ob es die Mobilien, so wie sie sind,
annehmen, oder den taxirten Werth fordern wolle.
§. 285. Hat der Vater keine Taxe aufnehmen lassen: so müssen
dergleichen von ihm gebrauchte Mobilien dem Kinde nach dem Werthe, welchen
vollkommen brauchbare Sachen dieser Art zur Zeit der Uebernehmung gehabt haben,
vergütet werden.
§. 286. Doch darf von solchen Effekten, die zum alleinigen
persönlichen Gebrauche des Kindes verwendet worden, der Vater, in keinem Falle,
weder den Verbrauch, noch die Abnutzung vertreten.
§. 287. Kosten, welche der Vater auf die Kinder verwendet
hat, werden denenselben auf die Substanz ihres eigenthümlichen Vermögens nicht
angerechnet.
§. 288. Selbst bey der eigentlichen Ausstattung findet
dergleichen Anrechnung in der Regel nicht statt.
§. 289. Wann aber der Vater ausdrücklich erklärt hat, daß
dergleichen Verwendungen den Kindern auf ihr eigenthümliches Vermögen angerechnet
werden sollen: so müssen diese sich die Anrechnung in so weit gefallen lassen,
als die Verwendungen den Nießbrauch, welchen der Vater von ihrem Vermögen
gehabt hat, übersteigen.
§. 290. Es wird aber alsdann eine deutliche, bestimmte, und
gewisse, wenn gleich nur mündliche, Willenserklärung des Vaters erfordert.
§. 291. Die bloße Anzeichnung der auf ein Kind verwendeten
Kosten ist für eine solche Erklärung nicht zu achten.
§. 292. Hat der Vater Kindern, die eignes Vermögen besitzen,
bey ihrer Verheirathung oder anderweitigen Niederlassung, außer der
eigentlichen Ausstattung, einen Brautschatz oder Mitgabe zugewendet: so gilt
die rechtliche Vermuthung, daß es aus dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder
geschehen sey. (§. 245.)
§. 293. Dergleichen besondere
Mitgabe muß sich also das Kind auf sein Vermögen anrechnen lassen; in so fern
nicht der Vater das Gegentheil deutlich und bestimmt erklärt hat.
des Erbschatzes.
§. 294. Auch der Erbschatz, welcher für die durch den Tod
Eines der Aeltern getrennten Ehe bestellt worden, muß von dem Nachlasse des
Verstorbenen abgesondert werden.
§. 295. Das Eigenthum desselben fällt den Abkömmlingen aus
dieser Ehe nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu.
§. 296. Jeder derselben kann über seinen Antheil, als über
sein freyes Eigenthum, jedoch mit Vorbehalt des dem letztlebenden Ehegatten
zukommenden Nießbrauchs, verfügen. (Tit. I. §. 288. sqq.)
§. 297. Haben einige Kinder aus dem Erbschatze eine
Ausstattung erhalten: so muß den andern eben so viel, vor der Theilung, zum Voraus
bezahlt werden. (Ebend. §. 299.)
§. 298. Reicht der noch vorhandene Theil des Erbschatzes
nicht hin, um die unausgestatteten Kinder den ausgestatteten gleich zu setzen:
so muß das Fehlende aus dem Vermögen oder Nachlasse des Ausstattenden als eine
Schuld ergänzt werden.
§. 299. Kann dieses, wegen Unzulänglichkeit des Vermögens
oder Nachlasses, nicht geschehen: so müssen die ausgestatteten Kinder, nach
Verhältniß des Empfangenen, so viel zurückgeben, daß ihre Geschwister zur
gleichen Theilnahme mit ihnen an dem Erbschatze gelangen können.
2) Gesetzliche Erbfolge der Kinder des ersten Grades.
§. 300. Wenn nun nach obigen Anweisungen (§. 273-299.) von
dem Nachlasse des Verstorbenen dasjenige, was zu seiner Erbschaft nicht gehört,
abgesondert worden: so gelangen in das Uebrige seine sämmtlichen aus einer Ehe
zur rechten Hand erzeugten Kinder zur Erbfolge.
§. 301. In wie fern der überlebende Ehegatte mit den Kindern
zugleich an der Erbschaft Theil nehme, ist im Ersten Titel §. 623. 624.
verordnet.
§. 302. Kinder beerben ihre Aeltern zu gleichen Theilen.
Ausgleichung unter denselben wegen der Ausstattungen und
anderer Zuwendungen.
§. 303. Haben einige Kinder von dem Erblasser, bey dessen
Lebenszeit, etwas zur Ausstattung erhalten: so muß jedem der übrigen eben so
viel aus der Erbschaft, vor deren Theilung, zum Voraus verabfolgt werden.
§. 304. Unter Ausstattung wird hier alles verstanden, was
Kinder bey ihrer Verheirathung, bey Errichtung einer besondern Wirthschaft, bey
Anstellung eines eignen Gewerbes, oder bey Uebernehmung eines Amts, von den
Aeltern erhalten haben.
§. 305. Die Mitgabe der Töchter; ein für sie oder die Söhne
aus dem Vermögen der Aeltern bestellter Erbschatz; Ehevermächtniß;
Gegenvermächtniß oder Witthum; die Kosten einer dem Kinde zu seiner Versorgung
angekauften Präbende, oder andern Rente; die Brautgeschenke; und überhaupt
alles, was von den Aeltern zu dem Ende gegeben worden, damit das Kind in den
Stand gesetzt werde, seine Heirath zu vollziehen, oder die abgesonderte
Wirthschaft, das Gewerbe oder Amt anzutreten, gehören in diesem Verstande zur
Ausstattung.
§. 306. Ob dergleichen Ausstattung noch vorhanden sey, oder
nicht, macht bey der Erbtheilung in der Regel keinen Unterschied. (§. 347.)
§. 307. Zinsen oder andere Nutzungen aber kommen dabey
niemals in Anrechnung.
§. 308. Eine durch schriftlichen Vertrag versprochene, aber
noch nicht wirklich gegebene Ausstattung, wird als Schuld von dem Nachlasse
abgezogen; und hat übrigens mit der wirklich gegebenen gleiche Rechte.
§. 309. Sind mehrere Kinder ausgestattet, und haben sie dazu
nicht gleich viel erhalten: so können die weniger Begünstigten das zur völligen
Ausgleichung Erforderliche aus der Erbschaft voraus verlangen.
§. 310. Wird die Erbschaft durch diese Ausgleichung der
entweder noch gar nicht, oder minder reichlich ausgestatteten Kinder mit den
reichlicher versorgten erschöpft: so bleiben letztere von der Theilung
ausgeschlossen.
§. 311. Die übrigen entweder noch gar nicht, oder minder
reichlich versorgten Kinder theilen sich alsdann in die Erbschaft dergestalt,
daß unter ihnen die möglichste Gleichheit beobachtet werde.
§. 312. Die von dem Erblasser bey seiner Lebenszeit
ausgestatteten Kinder, dürfen von dem Erhaltenen an ihre Geschwister niemals
etwas herausgeben.
§. 313. Ist jedoch in dem Nachlasse des verstorbenen Vaters
nicht so viel vorhanden, daß die noch unversorgten Kinder die §. 232. 233.
beschriebene nothdürftige Ausstattung daraus erhalten können: so müssen ihre
versorgten Geschwister das daran Fehlende ergänzen.
§. 314. Sind mehrere aussgestattete Geschwister vorhanden:
so müssen sie zu dieser Austattung der noch unversorgten, nach Verhältniß des
Empfangenen, beytragen.
§. 315. Doch kann keinem derselben ein höherer Beytrag, als
ein Drittel der selbst erhaltenen Ausstattung, abgefordert werden.
§. 316. Dieser den unversorgten Geschwistern von den
ausgestatteten zu leistende Beytrag, muß zwar sogleich bey der Erbtheilung
ausgemittelt und festgesetzt werden;
§. 317. Doch bleibt dasselbe bey denjenigen, die ihn zu
leisten haben, so lange ohne Verzinsung stehen, bis der Fall, wo die
unversorgten Geschwister wirklich ausgestattet werden sollen, eintritt.
§. 318. Bis dahin haben die unausgestatteten Kinder, zur
Sicherheit dieses Beytrags, in dem Vermögen der ausgestatteten das Vorrecht der
Fünften Classe, vom Tage der erfolgten Erbtheilung.
§. 319. Stirbt das unausgestattete Kind, ehe es der
Ausstattung wirklich bedarf: so fällt der ausgesetzte Beytrag in das Vermögen
desjenigen, der zu dessen Leistung verbunden war, zurück.
§. 320. Ein Gleiches findet statt, wenn das unversorgte
Kind, durch Erbschaften oder andere Glücksfälle, sich in solchen Umständen
befindet, oder auch nach des Vaters Tode darein versetzt wird, daß es zu seiner
nothdürftigen Ausstattung eines Beytrags der Geschwister nicht bedarf.
§. 321. Dagegen müssen aber auch Geschwister, die bey des
Vaters Lebenszeit versorgt worden, die Kosten der nothdürftigen Erziehung und
Verpflegung ihrer noch unerzogenen von dem Vater hülflos zurückgelassenen
Geschwister übernehmen.
§. 322. Doch tritt die §. 313. sqq. bestimmte
Verbindlichkeit der versorgten Geschwister zur Erziehung, Verpflegung und Ausstattung
der noch unversorgten nur in so fern ein, als diese dergleichen Unterstützung
auch von der Mutter nicht erhalten können. (§. 236. sqq.)
§. 323. Die §. 303. beschriebene Ausgleichung wegen der
Ausstattungen geschieht nur zwischen den Kindern unter sich; und geht den
miterbenden überlebenden Ehegatten nichts an.
§. 324. Dieser nimmt also den ihm zukommenden Erbtheil aus
der Masse, ehe noch die Ausgleichungssummen für die unausgestatteten Kinder
davon abgezogen werden.
§. 325. Dagegen kann aber auch der überlebende Ehegatte den
ausgestatteten Kindern niemals etwas anrechnen, noch von ihnen zurückfordern.
§. 326. Hat jedoch ein in der Gütergemeinschaft lebender
Ehemann seine Kinder aus frühern Ehen, während einer folgenden, ohne Einwilligung
der Ehefrau reichlich ausgestattet; und beträgt, nach seinem Abgange, das
gemeinschaftliche Vermögen nicht so viel, daß die Ehefrau wenigstens das, was
sie in die Gemeinschaft gebracht hat, zurückerhalten kann: so müssen ihr die
ausgestatteten Kinder das Fehlende so weit, und in dem Verhältnisse ersetzen,
wie sie mehr, als die eigentliche Nothdurft, zur Ausstattung erhalten haben.
§. 327. Alles, was von der Ausstattung der Kinder, und der
deshalb unter ihnen zu treffenden Gleichheit vorstehend §. 303. sqq. verordnet
ist, gilt auch in Ansehung der denselben von dem Erblasser gemachten Geschenke.
§. 328. Doch ist dieses nur auf solche Schenkungen zu
deuten, die in Grundstücken, Gerechtigkeiten, oder ausstehenden Capitalien
bestanden haben.
§. 329. Auf alles Uebrige, was außer der Ausstattung, und
den vorbeschriebenen Schenkungen, ein und anderes Kind von den Aeltern, bey
deren Lebenszeit, erhalten hat, wird bey der Theilung des Nachlasses, nach den
Regeln der gesetzlichen Erbfolge, keine Rücksicht genommen.
§. 330. Doch haben, wegen des Widerrufs übermäßiger
Schenkungen, die andern Kinder, so wie der überlebende Ehegatte, gegen das
beschenkte Kind eben die Rechte, wie gegen einen Fremden. (Th. I. Tit. XI. §.
1091. sqq.)
Grundsätze zu Bestimmung des Betrags dieser Ausstattungen
und Zuwendungen.
§. 331. Der Betrag desjenigen, was einige Kinder bey des
Erblassers Lebenszeit von ihm erhalten haben, und den übrigen Kindern, nach
vorstehenden Grundsätzen, aus dem Nachlasse zum voraus gebühret, soll nach
folgenden Regeln bestimmt werden.
§. 332. Sind baare Gelder oder ausstehende Capitalien
gegeben worden: so ist deren eigentlicher Betrag auszumitteln.
§. 333. Sind Grundstücke oder Gerechtigkeiten, ohne
Bestimmung eines Werths, gegeben worden: so muß der Werth, welchen sie zur Zeit
der Zuwendung gehabt haben, nach dem damaligen Ertrage derselben ausgemittelt
werden.
§. 334. Kann dieser Ertrag, aus Mangel an Nachrichten, nicht
mit hinlänglicher Zuverläßigkeit bestimmt werden: so dient der ehemalige
Erwerbungspreis, für welchen, der Erblasser das Grundstück oder die
Gerechtigkeit an sich gebracht hat, zum Maaßstabe.
§. 335. Doch bleibt den Parteyen der Nachweis offen: daß und
um wie viel das Grundstück, während der Besitzzeit des Erblassers, bis zur
Zuwendung an das damit ausgestattete oder beschenkte Kind, an seiner Substanz
verbessert oder verringert worden.
§. 336. Hat der Erblasser, bey der Zuwendung des Grundstücks
oder der Gerechtigkeit, einen gewissen Werth bestimmt; so muß dieser zur
Richtschnur angenommen werden.
§. 337. Auf die Angabe der Parteyen, daß dieser Werth zu
hoch oder zu niedrig sey, ist in der Regel keine Rücksicht zu nehmen.
§. 338. Ist jedoch der angeschlagene Werth dergestalt
offenbar zu niedrig, daß der wahre Werth zur Zeit der Zuwendung, den Anschlag
um mehr als die Hälfte übersteigt: so muß das ausgestattete Kind sich die
Hälfte des eigentlichen Werths statt des Anschlages anrechnen lassen.
§. 339. Sobald daher die übrigen Kinder eine erhebliche
Abweichung des angeschlagenen von dem wirklichen Werthe einigermaßen
bescheinigen können, sind sie auf die Ausmittelung des letztern, nach den
Vorschriften §. 333-335., anzutragen wohl befugt.
§. 340. Ein Kind, welches ein Grundstück, oder eine
Gerechtigkeit, für einen von dem Erblasser bestimmten Werth einmal übernommen
hat, kann diese Bestimmung unter dem Vorwande, daß sie zu hoch sey, niemals
anfechten.
§. 341. Hat aber der Erblasser den Werth, nach der
Uebernehmung, bloß einseitig bestimmt: so ist das Kind auf die Ausmittelung des
wahren Werths, zur Zeit der Uebernehmung, anzutragen berechtigt.
§. 342. Alsdann hat das ausgestattete Kind die Wahl: ob es
das Grundstück für den ausgemittelten Werth behalten, und sich denselben
anrechnen lassen, oder ob es das Grundstück selbst zur Masse zurückgeben, und
alsdann mit seinen Geschwistern gleich theilen wolle.
§. 343. Wählt es das letztere: so muß es die seit der
Uebernahme entstandenen Verringerungen, gleich einem redlichen Besitzer, zur
Masse vergüten.
§. 344. Verbesserungen kann es gegen solche Verringerungen
nur compensiren; nicht aber Ersatz dafür aus der Masse fordern.
§. 345. Sind Mobilien zur Ausstattung gegeben worden, und
der Erblasser hat den Werth derselben zum Behufe der Anrechnung bestimmt: so
dient dieser Anschlag zur alleinigen Richtschnur.
§. 346. Ist keine solche Bestimmung des Erblassers
vorhanden: so muß der Werth nur so, wie er zur Zeit der Erbtheilung wirklich
ist, angeschlagen werden.
§. 347. Auf Stücke, die durch den Gebrauch oder sonst, ohne
eignes grobes Versehen des ausgestatteten Kindes, vernichtet oder verloren
worden, wird bey der Anrechnung der Ausstattungen keine Rücksicht genommen.
3) Gesetzliche Erbfolge der Enkel und übrigen Abkömmlinge
weiterer Grade.
§. 348. Enkel und Abkömmlinge weiterer Grade gelangen zur
Erbfolge nach den Linien, in welchen sie von dem Erblasser abstammen.
§. 349. Sind also Kinder des ersten Grades, und Enkel oder
Urenkel von andern vor dem Erblasser verstorbenen Kindern vorhanden: so müssen
so viel Theile gemacht werden, als Linien sind, die von dem Erblasser
unmittelbar entspringen.
§. 350. Ein Gleiches muß geschehen, wenn gar keine Kinder
ersten Grades, sondern nur noch lauter Abkömmlinge weiterer Grade vorhanden
sind.
§. 351. So wie in den ganzen Nachlaß die unmittelbar von dem
Erblasser entspringenden Hauptlinien succediren: so succediren die unter einer
Hauptlinie stehenden Unterlinien in den Antheil dieser Hauptlinie.
§. 352. So oft daher in einer Linie der nähere Descendent
nicht Erbe seyn kann, oder will, fällt sein Erbrecht auf die von ihm
abstammenden weitern Descendenten.
§. 353. Enkel gelangen also zur Erbfolge der Großältern,
auch wenn sie ihrer vorher verstorbenen Aeltern Erben nicht geworden sind.
§. 354. Nicht weniger alsdann, wenn ihre Aeltern von den
Großältern enterbt worden sind.
§. 355. Ingleichen alsdann, wenn ihre Aeltern der Erbschaft
der Großältern entsagt haben.
§. 356. Wie weit ein Kind der Erbschaft seiner Aeltern zum
Nachtheile seiner Gläubiger entsagen könne, ist nach den allgemeinen
Grundsätzen von Entsagungen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XVI. Abschn. VII.)
§. 357. Haben Kinder über ihr Erbrecht auf den Nachlaß der
Aeltern, durch einen mit den Aeltern selbst, oder auch mit Andern geschlossenen
Vertrag verfügt: so können, in so fern sie selbst den Erbanfall erleben, ihre
Abkömmlinge dergleichen Vertrag nicht anfechten.
§. 358. Sind aber die Kinder, welche dergleichen Vertrag
geschlossen haben, vor wirklich eingetretenem Erbanfalle verstorben: so sind
deren Descendenten nur so weit, als sie ihrer Aeltern Erben geworden, an den
Vertrag gebunden.
§. 359. In allen Fällen, wo nach den §. 303. sqq.
vorgeschriebenen Grundsätzen, eine Ausgleichung unter den Kindern ersten Grades
wegen der Ausstattungen und Geschenke erfolgen müßte, muß dieselbe auch unter
den Linien geschehen; wenn gleich in einer oder der andern Linie nur
entferntere Abkömmlinge zur Erbfolge gelangen.
§. 360. So müssen, z. B., Enkel, die den Großvater
unmittelbar beerben, die Ausstattung, die ihr Vater erhalten hat, von dessen
Geschwistern sich anrechnen lassen.
§. 361. Dagegen sind aber auch, umgekehrt, Enkel von einem
unausgestatteten Kinde, ihres Vaters ausgestatteten Geschwistern das, was diese
von dem Erblasser erhalten haben, anzurechnen wohl befugt.
§. 362. Bey dieser Ausgleichung unter den Linien macht es
keinen Unterschied: ob die zur Succession gelangenden Abkömmlinge weiterer
Grade ihrer unmittelbaren Aeltern Erben geworden sind, oder nicht.
§. 363. Was Enkel oder Abkömmlinge weiterer Grade, während
der Lebenszeit ihrer unmittelbaren Aeltern, von den Großältern erhalten haben,
kann weder den Aeltern, noch ihnen selbst, bey der Theilung mit den andern
Linien, angerechnet werden.
§. 364. Haben aber Großältern, nach dem Tode ihrer Kinder,
einem von selbigen hinterlassenen Enkel eine Ausstattung, oder ein nach §. 328.
der Anrechnung überhaupt unterworfenes Geschenk zugewendet: so wird dasselbe
der Linie, wozu der Ausgestattete oder Beschenkte gehört, allerdings
angerechnet.
§. 365. Unter denTheilnehmern in einer und derselben Linie
geschieht die Ausgleichung eben so, als wenn der begünstigte Enkel die
Ausstattung oder das Geschenk von seinen unmittelbaren Aeltern erhalten hätte.
4) Erbfolge der Descendenten bey der Gütergemeinschaft.
§. 366. Hat der Erblasser in der Gütergemeinschaft gelebt:
so finden, wegen der Auseinandersetzung, zwischen den hinterlassenen Ehegatten
und den Kindern, die Vorschriften des Ersten Titels §. 635. sqq. Anwendung.
§. 367. In demjenigen, was nach diesen Vorschriften der Nachlaß
des Verstorbenen ausmacht, erben dessen Abkömmlinge eben so, als vorstehend
wegen der gesetzlichen Erbfolge nach gemeinem Rechte verordnet ist.
§. 368. Doch steht den Aeltern frey, die Kinder schon bey
ihrer Lebenszeit wegen des Erbrechts an den künftigen Nachlaß abzufinden.
§. 369. Dergleichen Abfindung muß aber durch einen
förmlichen Erbvertrag festgesetzt werden.
§. 370. Der Regel nach erstreckt sich die Abfindung nur auf
den Nachlaß desjenigen von beyden Aeltern, welcher zuerst verstirbt.
§. 371. Sie geht aber auf alles, was dieser zuerst
Versterbende an freyem Vermögen hinterläßt; es mag in die Gemeinschaft gekommen
seyn, oder nicht.
§. 372. In der Regel wird angenommen, daß die Abfindung nur
zu Gunsten des überlebenden Ehegatten geschehen sey.
§. 373. Stirbt also eins von den abfindenden Aeltern: so
kann das abgefundene Kind an den Nachlaß desselben gar keinen Anspruch machen.
§. 374. Vielmehr verbleibt dasjenige, was ihm etwa noch von
diesem Nachlasse, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, zukommen würde,
dem Ueberlebenden der Aeltern.
§. 375. Stirbt aber auch dieser: so beerbt ihn das
abgefundene Kind eben so, als wenn gar keine Abfindung geschehen wäre.
§. 376. Sind alsdann abgefundene und unabgefundene Kinder
vorhanden: so geschieht zwischen denselben die Ausgleichung, wegen der
Abfindung der erstern, und der aus dem Nachlasse des erstverstorbenen Ehegatten
erhaltenen Erbtheile der letztern, nach eben den Regeln, welche §. 303. sqq.
wegen der Ausstattungen vorgeschrieben sind.
§. 377. Soll durch einen solchen Abfindungsvertrag ein Kind
von dem Nachlasse beyder Aeltern, auch zu Gunsten seiner übrigen Geschwister,
oder eines Dritten, ausgeschlossen werden: so ist der Vertrag nach den wegen
der Erbverträge zwischen Aeltern und Kindern überhaupt vorgeschriebenen
Grundsätzen zu beurtheilen.
5) Erbfolge der Descendenten aus letztwilligen Verordnungen.
§. 378. Von vorstehenden Gesetzen über die Erbfolge der
Kinder und weitern Abkömmlinge (§. 300-376.) können die Aeltern durch
letztwillige Verordnungen abweichen.
§. 379. Soll dadurch den Kindern und weitern Abkömmlingen
ihr Erbrecht genommen werden: so muß dergleichen letztwillige Verordnung mit
allen gesetzlichen Erfordernissen eines gültigen Testaments versehen seyn. (§.
431.)
§. 380. a) Betrifft hingegen die Verordnung nur die
Grundsätze, oder die Art der Theilung unter den Kindern: so ist es genug, wenn
sie nur von dem Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben, oder vor
einem Justizcommissario und zweyen Zeugen mündlich zum Protocolle erklärt
worden.
§. 380. b) Auch ist es zur Gültigkeit einer solchen
Verordnung unter den Kindern hinreichend, wenn der Erblasser eine zwar nicht
von ihm selbst geschriebene, aber doch auf allen Blättern und am Schlüsse
unterschriebene Disposition, vor einem Justizcommissario und zweyen Zeugen, als
die seinige, unter der ausdrücklichen Versicherung, sie vorher durchgelesen zu
haben, anerkennt, und dies Anerkenntniß unter dem Originale gehörig verzeichnet
wird.
§. 380. c) Ist in diesem Falle (§. 380. b.) der Verordnende
aus dem Bauer- oder gemeinen Bürgerstande: so muß der Justizcommissarius sich
vergewissern, daß derselbe Geschriebenes lesen könne; und wie solches
geschehen, in der aufzunehmenden Registratur mit bemerken.
§. 380. d) Doch schadet die Unterlassung dieses Vermerks der
Gültigkeit der Verordnung nichts, wenn nur die Fähigkeit des Verordnenden,
Geschriebenes zu lesen, auf andre Art nachgewiesen werden kann.
§. 381. Ist in einer solchen ohne die Förmlichkeiten eines
eigentlichen Testaments abgefaßten letztwilligen Verordnung (§. 380. a. 380.
b), zu Gunsten des überlebenden Ehegatten, oder auch eines Dritten, etwas
verfügt: so wird dasselbe für nicht geschrieben angesehn.
§. 382. Die Verordnung selbst aber bleibt, so weit sie die
Kinder betrifft, dennoch bey Kräften.
§. 383. Aeltern können durch letztwillige, entweder in der
Form eines wirklichen Testaments, oder auch einer privilegirten Disposition
unter Kindern, abgefaßte Verordnungen, ihren Nachlaß unter die Kinder ungleich
vertheilen.
§. 384. Sie können verfügen, daß die noch Unausgestatteten
vor den Ausgestatteten weniger, als die Ausstattungen oder Schenkungen der letzern betragen, oder auch gar nichts zum
Voraus nehmen sollen.
§. 385. Sie können bestimmen: wie hoch die Ausstattungen
oder Schenkungen, die einige Kinder von ihnen erhalten haben, bey der Theilung
mit den übrigen angerechnet werden sollen.
§. 386. Sie können eins oder das andere von den Kindern
verpflichten, sich auch solche von ihnen erhaltene Gelder oder Sachen, oder auf
sie verwendete Kosten, auf ihren Erbtheil anrechnen zu lassen auf welche sonst
bey der gesetzlichen Erbfolge keine Rücksicht genommen wird. (§. 329.)
§. 387. Wenn jedoch die Aeltern dergleichen Anrechnung (§.
385. 386.) verordnen: so müssen sie den Betrag entweder in der Disposition
selbst, oder durch Bezug auf eine von ihnen anderswo geschehene Anzeichnung,
hinlänglich bestimmen.
§. 388. Ermangelt diese Bestimmung: so wird der Befehl der
Anrechnung selbst für nicht geschrieben geachtet.
§. 389. Auch durch letztwillige Verordnungen können Aeltern
ein Kind nicht verpflichten, etwas von demjenigen, was dasselbe einmal von
ihnen eigenthümlich erhalten hat, wieder heraus zu geben.
§. 390. Was in der letztwilligen Verordnung der Aeltern
nicht bestimmt ist, muß nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge beurtheilt
werden.
Vom Pflichtteile.
§. 391. Alles, was vorstehend §. 383. sqq. von der Befugniß
der Aeltern, über ihr Vermögen unter den Kindern nach Willkühr zu verfügen,
festgesetzt ist, versteht sich jedoch mit Vorbehalt des den Kindern zukommenden
Pflichttheils.
§. 392. Der Pflichtteil ist, wenn nur Ein oder nur Zwey
Kinder vorhanden sind, Ein Drittel; wenn Drey oder Vier Kinder vorhanden sind,
die Hälfte, und wenn mehr als Vier Kinder vorhanden sind, Zwey Drittel
desjenigen, was jedes Kind zum Erbtheile erhalten haben würde, wenn die
gesetzliche Erbfolge statt gefunden hätte.
§. 393. Nur der wirkliche Beytrag der erhaltenen
Ausstattung, und der §. 328. beschriebenen Geschenke, ist ein Kind sich auf
diesen Pflichttheil anrechnen zu lassen schuldig. (§. 331. sqq.)
§. 394. Durch andre Anrechnungen können die Aeltern
denselben nicht schmälern.
§. 395. Hat jedoch der Erblasser für einen seiner
Abkömmlinge Schulden, zu deren Anerkennung er nach den Gesetzen nicht verpflichtet
war, dennoch bezahlt: so ist er das Gezahlte demselben auch auf seinen
Pflichttheil anzurechnen wohl befugt.
§. 396. Alles was einem Kinde auf den Sterbefall, es sey
unter welchen Namen es wolle, von den Aeltern zugewendet wird, ist auf den Pflichttheil
anzurechnen.
§. 397. Gerade, Niftel, Heergeräthe, Lehne, Fideicommisse,
und überhaupt alles, was die Kinder nicht von den Aeltern, sondern nur durch
die Aeltern erhalten, ist darunter nicht mit begriffen.
§. 398. Der Pflichttheil kann mit Bedingungen oder andern
Einschränkungen nicht belastet werden.
Von der Enterbung.
§. 399. Doch sollen die Aeltern zur gänzlichen Enterbung
eines Kindes berechtigt seyn: 1) wenn dasselbe des Hochverraths, oder des
Lasters der beleidigten Majestät gegen die Person des Oberhaupts im Staate,
schuldig erkannt worden;
§. 400.2) Wenn es einem der leiblichen oder Stiefältern nach
dem Leben getrachtet hat;
§. 401. 3) Wenn es Eins der leiblichen Aeltern eines
Verbrechens, auf welches eine härtere als Geld- oder bloße bürgerliche
Gefängnißstrafe verordnet ist, wider besseres Wissen, fälschlich in Gerichten
angeschuldigt hat;
§. 402.4) Wenn es sich an einem der leiblichen Aeltern mit
Thätlichkeiten, außer dem Falle einer wirklichen Nothwehr, vergriffen hat;
§. 403.5) Wenn es die Ehre des Erblassers mit groben
Schmähungen angetastet hat.
§. 404. Ob die §. 400-403. beschrieben Beleidigungen den
Aeltern von dem Kinde unmittelbar, oder durch Andre zugefügt worden, macht
keinen Unterschied.
§. 405. 6) Wenn Kinder mit dem andern Theile der leiblichen
oder Stiefältern blutschänderischen oder ehebrecherischen Umgang gepflogen
haben;
§. 406. 7) Wenn das Kind durch grobe Verbrechen dem
Erblasser einen beträchtlichen Theil seines Vermögens entzogen hat.
§. 407. Für beträchtlich wird ein solcher Schade angesehen,
wenn er wenigstens den Betrag des dem Kinde sonst zukommenden Pflichttheils
erreicht.
§. 408. 8) Wenn das Kind den Erblasser, als derselbe
nothleidend gewesen, nicht hat unterstützen wollen.
§. 409. 9) Wenn es, bey erhaltener ehrbaren Erziehung, durch
grobe Laster, schändliche Aufführung, oder durch die Wahl einer
niederträchtigen Lebensart, sich bey seinen Standesgenossen öffentlich entehrt
hat.
§. 410. Nur aus diesen §. 399-409. angeführten, nicht aber
aus andern, wenn auch demselben gleich oder ähnlich scheinenden Ursachen, kann
die gänzliche Enterbung eines Kindes statt finden.
§. 411. Aus eben diesen Ursachen können die Aeltern dem
Kinde den Pflichttheil schmälern.
§. 412. Daß Aeltern ein Kind, welches ohne ihre ertheilte,
oder von dem Richter ergänzte Einwilligung heirathet, bis auf die Hälfte des
Pflichttheils enterben können, ist im Ersten Titel §. 1008. 1010. 1012.
verordnet.
§. 413. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Kind durch
unehelichen Beyschlaf die Einwilligung der Aeltern in seine Heirath hat
erzwingen wollen.
§. 414. Die in einem Testamente geschehene Enterbung besteht
so lange, als der Erblasser dies Testament nicht widerrufen, oder seinen
Willen, die Enterbung wieder aufzuheben, nicht deutlich erklart hat.
§. 415. Dergleichen Erklärung muß, in Ansehung der äußern
Form, wenigstens mit den bey einer letztwilligen Verordnung unter Kindern §.
380. vorgeschriebenen Erfordernissen versehen seyn.
§. 416. Die bloße Versöhnung mit dem Kinde, so wie dessen
Wiederaufnehmung in das väterliche Haus, ist für einen Widerruf der Enterbung
noch nicht zu achten.
§. 417. Ein rechtmäßig enterbtes Kind wird bey Berechnung
des Pflichttheils der übrigen mitgezählt.
§. 418. Aus eben den Gründen, warum Aeltern ihren Kindern
den Pflichttheil zu nehmen, oder zu schmälern berechtigt sind, können sie auch
denselben mit Bedingungen belasten, oder die Verfügung des Kindes darüber
sowohl unter Lebendigen, als von Todeswegen, einschränken.
Von der Enterbung aus guter Absicht.
§. 419. Außerdem können Aeltern die Kinder in der Verfügung
über den Pflichttheil alsdann einschränken, wenn das Kind dergestalt in
Schulden versunken ist, daß durch selbige sein Pflichttheil ganz, oder doch so
weit, daß ihm davon der nöthige Unterhalt übrig bliebe, verzehrt werden würde.
§. 420. Ferner alsdann, wenn das Kind sich einer
unordentlichen und verschwenderischen Wirthschaft schuldig gemacht hat.
§. 421. Endlich, wenn das Kind wegen Wahn- oder Blödsinnes,
seinen Sachen selbst vorzustehen, unfähig ist.
§. 422. In allen Fällen aber muß die gesetzmäßige Ursache
der Einschränkung ausdrücklich angeführt seyn.
§. 423. Aus einer solchen gesetzmäßigen Ursache können
Aeltern dem Kinde die Verfügung unter Lebendigen, auch in Ansehung des
Pflichttheils, gänzlich untersagen.
§. 424. Sie können verordnen, daß die gegenwärtigen und
künftigen Gläubiger des Kindes sich an die Substanz des Erbtheils zu halten
nicht berechtigt seyn sollen.
§. 425. Sie können aber dem Kinde den Nießbrauch des
Pflichttheils nicht entziehen.
§. 426. Auch können sie dasselbe in der Verfügung auf den
Todesfall, in Ansehung des Pflichttheils, nur zum Besten seiner Abkömmlinge
einschränken.
§. 427. Doch können sie ihm, wenn er ohne Kinder versterben
sollte, seine Geschwister, und deren Abkömmlinge, auch im Pflichttheile
substituiren.
§. 428. Wenn Aeltern ihre Kinder solchergestalt in der
Verfügung über ihren Antheil eingeschränkt haben: so muß der Richter
dergleichen Einschränkungen auf die unbeweglichen Güter eintragen lassen; dieselben
öffentlich bekannt machen; auch, nach Befinden der Umstände, dem Kinde einen
Curator bestellen.
§. 429. Auf den nach §. 425. dem Kinde verbleibenden
Nießbrauch können die Gläubiger desselben nur in so fern Anspruch machen, als
er zum nothdürftigen Unterhalte des Kindes nicht erforderlich ist.
§. 430. Verlassen Aeltern einem Kinde sein volles Erbtheil;
verfügen aber dabey, daß selbiges für die Enkel erhalten werden soll: so muß
das Kind sich dieser Verordnung unterwerfen, und kann statt dessen den Pflichttheil
nicht wählen.
§. 431. Alle letztwillige Verfügungen, wodurch den Kindern
ihr Pflichttheil genommen, geschmälert, oder belastet werden soll, müssen, bey
Strafe der Richtigkeit, in der Form eines wirklichen Testaments abgefaßt seyn;
und die Form einer privilegirten Disposition unter Kindern ist dazu nicht
hinreichend.
Rechtliche Folgen einer widergesetzlichen Enterbung oder
Uebergehung.
§. 432. Behauptet ein in seinem Pflichttheile enterbtes,
verkürztes, oder sonst belastetes Kind, daß ihm ein solcher Nachtheil aus einer
nicht gesetzmäßigen, oder nicht gegründeten Ursache zugefügt worden: so muß
demselben rechtliches Gehör darüber verstattet werden.
§. 433. Findet der Richter die Beschwerde gegründet: so muß
dem Kinde sein Pflichttheil aus der Erbschaft verabfolgt, oder ergänzt, oder
die darauf gelegte Last oder Einschränkung durch Urtel und Recht für aufgehoben
erklärt werden.
§. 434. Zur Entrichtung oder Ergänzung des einem solchen
Kinde zukommenden Pflichttheils, müssen die übrigen Erben und Legatarien nach
Verhältniß ihrer Portionen beytragen.
§. 435. Hat aber der Erblasser den dem enterbten Kinde
entzogenen Erbtheil einem der Miterben oder Legatarien ausdrücklich beschieden:
so muß dieser allein das zur Ungebühr enterbte Kind abfinden.
§. 436. In allen andern die Enterbung nicht betreffenden
Stücken bleibt die letztwillige Verordnung bey Kräften.
§. 437. Was im Vorstehenden von Enterbung der Kinder
verordnet ist, gilt auch von Enkeln und andern Abkömmlingen weiterer Grade, in
so weit denselben ein gesetzmäßiges Erbrecht zusteht.
§. 438. Wenn der Enterbte das Testament einmal ausdrücklich
anerkannt hat: so kann er dasselbe in der Folge nicht mehr anfechten.
§. 439. Die bloße Annahme eines im Testamente ausgesetzten Vermächtnisses
ist für ein solches Anerkenntniß noch nicht zu achten.
§. 440. Wenn der Enterbte die Verfügung der Aeltern zwey
Jahre lang, nachdem er Kenntniß davon erhalten, gerichtlich nicht angefochten
hat: so ist seine Befugniß dazu durch Verjährung erloschen.
§. 441. Haben Aeltern ein Kind zwar enterbt, aber gar keine
Ursache der Enterbung, oder einen nicht gesetzmäßigen Grund angeführt: so
finden die Vorschriften §. 432-436. Anwendung.
§. 442. Eben das gilt, wenn ein Kind oder Enkel in der
letzten Willensverordnung ganz mit Stillschweigen übergangen worden.
§. 443. Ist aber ein im Testamente eingesetztes Kind vor dem
Erblasser verstorben: so treten dessen Abkömmlinge ganz an seine Stelle, wenn
auch ihrer im Testamente nicht ausdrücklich gedacht wäre.
§. 444. Wenn erhellet, daß die Uebergehung eines Kindes oder
Enkels nur daher rühre, weil der Erblasser das Daseyn desselben nicht gewußt;
oder selbiges aus Irrthum für todt gehalten habe: so muß der Uebergangene aus
dem Nachlasse so viel erhalten, als im Testamente dem am mindesten begünstigten
Erben ausgesetzt worden.
§. 445. Ist nur Ein Erbe, oder sind mehrere zu gleichen
Theilen eingesetzt: so muß der Uebergangene so viel, als jeder der Eingesetzten
erhalten.
§. 446. Ist dem am wenigsten Begünstigten weniger
beschieden, als der Pflichttheil des Uebergangenen ausmachen würde: so muß
letzterer den Pflichttheil erhalten.
§. 447. Zu dieser Abfindung des Uebergangenen müssen die
eingesetzten Erben und Legatarien, nach Vorschrift §. 434., beytragen.
§. 448. Auch der minder Begünstigte, welchem der
Uebergangene gleich gesetzt werden soll, kann sich diesem Beytrage, nach
Verhältniß seiner Erbquote, nicht entziehn.
§. 449. In allen andern Stücken bleibt auch eine solche
letzte Willensverordnung (§. 444.) bey Kräften.
§. 450. Ist jedoch der aus Irrthum Uebergangene nach
errichtetem Testamente zurückgekehrt; oder sonst dem Erblasser das Daseyn oder
Leben dasselben erweislich bekannt geworden; und hat der Erblasser nach diesem
Zeitpunkte Ein Jahr verstreichen lassen, ohne in Ansehung seiner etwas zu
verfügen: so verliert das Testament seine Kraft.
§. 451. Es wird also in einem solchen Falle den Kindern die
gesetzliche Erbfolge eröffnet.
§. 452. Wird ein Abwesender, welcher im Testamente
übergangen worden, erst nach erfolgtem Erbanfalle, weil der eigentliche
Zeitpunkt seines Ablebens nicht ausgemittelt werden kann, durch Urtel und Recht
für todt erklärt: so kann wegen dieser später erfolgten Todeserklärung, doch
noch nicht angenommen werden, daß er den Erbanfall erlebt habe.
§. 453. Vielmehr muß die Befugniß seiner etwanigen Erben,
auf den Nachlaß des Testators aus dem §. 444. Anspruch zu machen, lediglich
nach der Vorschrift des Ersten Theils Tit. I. §. 38. beurtheilt werden.
§. 454. Werden dem Erblasser nach errichtetem Testamente,
Kinder oder Enkel, die zur unmittelbaren Erbfolge berechtigt sind, geboren; und
er verstirbt nach Verlauf Eines Jahres, ohne in Ansehung ihrer etwas verfügt zu
haben: so finden die Vorschriften §. 450. 451. Anwendung.
§. 455. Ist aber der Erblasser vor Ablauf Eines Jahres nach
der Geburt eines solchen Kindes oder Enkels verstorben: so bleibt es bey den
Vorschriften §. 444-449.
§. 456. Hat Jemand, nach errichtetem Testamente, einen
Andern förmlich an Kindesstatt angenommen, ohne wegen der Erbfolge desselben
etwas verfügt zu haben: so verliert das Testament eben dadurch seine Kraft.
Pflichtteil der Kinder aus geschiednen Ehen.
§. 457. Nur in einem einzigen Falle sind Aeltern schuldig,
ihren Kindern, noch bey Lebenszeiten, einen Pflichttheil auszusetzen.
§. 458. Wenn nähmlich bey Ehescheidungen Einer von den
Aeltern für den schuldigen Theil erklärt wird: so muß er den aus solcher Ehe
erzeugten Kindern so viel aussetzen, als ihr Pflichttheil betragen haben würde,
wenn die Ehe durch seinen Tod wäre getrennt worden.
§. 459. Bey der Berechnung dieses Pflichttheils kommt das
Vermögen des Schuldigen nur nach Abzug der dem Unschuldigen daraus gebührenden
Abfindung in Anschlag.
§. 460. Findet sich bey der Scheidung, daß beyde Aeltern in
gleichem Grade schuldig sind: so muß den Kindern ihr Pflichttheil aus beyder
Vermögen angewiesen werden.
§. 461. Dieser den Kindern ausgesetzte Pfiichttheil wird das
wahre Eigenthum derselben.
§. 462. Doch bleibt demjenigen, aus dessen Vermögen der
Aussatz geschehen ist, die Verwaltung und der Nießbrauch davon auf Lebenslang.
§. 463. Sicherheit darf er dafür nur in denjenigen Fällen
leisten, wo ein Vater dergleichen für das eigenthümliche Vermögen der Kinder zu
bestellen schuldig ist.
§. 464. Ist keine besondere Sicherheit bestellt worden: so
haben die Kinder deshalb in dem Vermögen des Aussetzenden eben das Vorrecht,
was ihnen die Gesetze, wegen ihres eigenthümlichen nicht freyen Vermögens, in
den Gütern des Vaters beylegen.
§. 465. So lange derjenige, aus dessen Vermögen der
Pflichttheil ausgesetzt worden, noch am Leben ist, können die Kinder, weder
unter Lebendigen, noch von Todeswegen, darüber verfügen.
§. 466. Doch vererben sie denselben auf ihre Abkömmlinge,
nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
§. 467. Stirbt ein solches Kind ohne erbfähige Abkömmlinge:
so wächst der Pflichttheil seinen vollbürtigen Geschwistern und deren
Abkömmlingen zu.
§. 468. Sind dergleichen Geschwister oder Geschwister Kinder
nicht vorhanden: so fällt derselbe in das Vermögen des Aussetzenden zurück; und
der andre Theil der geschiednen Aeltern hat darauf keinen Anspruch.
§. 469. Geht ein noch nicht ausgestattetes Kind, welchem der
Pfiichttheil ausgesetzt worden, aus der väterlichen Gewalt, und errichtet eine
besondere Wirthschaft: so kann es die Ausantwortung der ausgesetzten Summe,
statt der ihm sonst gebührenden Ausstattung fordern.
§. 470. Alsdann erlangt es darüber ein uneingeschränktes
Eigenthum.
§. 471. Durch die vorläufige Aussetzung des Pflichttheils
werden die Kinder von der künftigen Erbfolge der geschiedenen Aeltern nicht
ausgeschlossen.
§. 472. Ist der, welcher ihnen den Pflichttheil hat
aussetzen müssen, ohne letztwillige Verordnung gestorben: so haben sie in
seinem Nachlasse ein volles gesetzliches Erbrecht, gleich jedem andern
Verwandten in absteigender Linie.
§. 473. Auch ihnen ist ein solcher Erblasser, wenn er
letztwillig verfügen will, wenigstens den Pflichttheil aus seinem alsdann
vorhandnen Vermögen zu hinterlassen verbunden.
§. 474. Den bey der Scheidung ausgesetzten Pflichttheil
nehmen sie aus dem Nachlasse gleich einer Schuld.
§. 475. Nur in dem einzigen Falle, wenn Halbgeschwister
vorhanden sind, welche der Aussetzende aus einer andern Ehe erzeugt hat, müssen
sie sich diesen ersten Pflichttheil eben so, wie oben wegen der Ausstattungen
verordnet ist, anrechnen lassen.
§. 476. Sind zur Zeit der Scheidung die Kinder aus der zu
trennenden Ehe bereits volljährig; so bleibt es ihnen überlassen, in wie fern
sie von der Befugniß, auf die Aussetzung des Pflichttheils anzutragen, gegen
den schuldigen Theil der Aeltern Gebrauch machen wollen.
§. 477. Sind aber die Kinder noch minderjährig: so muß der
in dem Scheidungsprozesse ihnen zu bestellende Curator für die Ausmittelung,
und erforderlichen Falls auch für die Sicherstellung dieses Pflichttheils
sorgen.
§. 478. Ist der Betrag des Pflichttheils durch ein Abkommen
zwischen dem schuldigen und unschuldigen Theile der Aeltern festgesetzt worden:
so muß in der Regel der Curator sich dabey beruhigen.
§. 479. Eben das findet statt, wenn beyde schuldige Theile
dergleichen Bestimmung, in Ansehung ihres beyderseitigen Vermögens, unter sich
festgesetzt haben; und jeder Theil erbötig ist, die Richtigkeit derselben,
sowohl in Ansehung seines eignen, als in Ansehung seiner Wissenschaft von dem
Vermögen des Andern, an Eidesstatt zu bestärken.
§. 480. Doch muß, in beyden Fällen, der Curator mit dem
Antrage auf nähere Ausmittelung des Pflichttheils gehört werden, wenn er
erhebliche Gründe des Verdachts, daß die Kinder durch die Bestimmung der
Aeltern darin verkürzt worden, anführen und bescheinigen kann.
9) Erbfolge der Descendenten aus Verträgen.
§. 481. Auch durch Verträge kann die Erbfolge der Kinder
bestimmt werden.
§. 482. Dergleichen Verträge, welche die Aeltern unter sich,
oder mit einem Dritten geschlossen haben, müssen die Kinder sich gefallen
lassen; in so fern sie dadurch in dem aus dem künftigen Nachlasse der Aeltern
ihnen gebührenden Pflichttheile nicht verkürzt werden.
§. 483. Auch mit den Kindern selbst können Aeltern
dergleichen Erbverträge schließen.
§. 484. Doch können Verträge, wodurch ein Kind von dem
Nachlasse der Aeltern ganz ausgeschlossen, oder im Pflichttheile verkürzt
werden soll, nur mit volljährigen der väterlichen Gewalt entlassenen Kindern,
und nur vor deren ordentlichen Gerichten geschlossen werden.
§. 485. Ist aber der Vertrag solchergestalt geschlossen
worden: so kann das Kind denselben unter keinerley Vorwande, auch nicht wegen
veränderter Vermögensumstände der Aeltern, weiter anfechten.
§. 486. Sind aber die andern Kinder, oder der Ehegatte, oder
zu wessen Gunsten sonst der Vertrag geschlossen worden, vor dem Eintritte des
Erbenfalls abgegangen; und hat auch der den Vertrag schließende Theil der Aeltern
keine letzte Willensverordnung hinterlassen: so gelangt das vorhin
ausgeschloßne Kind dennoch zur gesetzlichen Erbfolge.
§. 487. Verwandten in der aufsteigenden und Seitenlinie
können daher ein solches Kind von dem Nachlasse der Aeltern nur in so fern
ausschließen, als der Vertrag mit demselben ausdrücklich zu ihren Gunsten
errichtet worden.
§. 488. Kinder, die ihrem Erbrechte durch einen gültigen
Vertrag entsagt haben, werden bey Berechnung des Pflichttheils der übrigen
mitgezählt.
Sechster Abschnitt
Von der Erbfolge der Aeltern und andrer Verwandten in
aufsteigender Linie
Erbfolge der Aeltern ersten Grades.
§. 489. In Ermangelung der Verwandten absteigender Linie,
gelangen die leiblichen Aeltern des Verstorbenen, mit Ausschließung seiner
Geschwister, zur gesetzlichen Erbfolge.
§. 490. Sind beyde Aeltern noch am Leben: so erben
dieselben zu gleichen Theilen.
§. 491. Ist nur noch Eins von den Aeltern vorhanden: so
überkommt dasselbe den ganzen Nachlaß.
der weitern Ascendenten.
§. 492. Ist Keines von den Aeltern mehr am Leben: so werden
die weitern Verwandten in aufsteigender Linie von den vorhandenen vollbürtigen
Geschwistern des Erblassers und deren Abkömmlingen ausgeschlossen.
§. 493. Hinterläßt der Verstorbene nur halbbürtige
Geschwister, oder davon Abkömmlinge: so gelangen diese, mit den aufsteigenden
Verwandten weiterer Grade, zugleich zur Erbfolge.
§. 494. Die Halbgeschwister und deren Descendenten nehmen
alsdann die eine, und die Verwandten in aufsteigender Linie die andere Hälfte
des Nachlasses.
§. 495. Hinterläßt der Verstorbene gar keine Geschwister,
noch deren Descendenten: so beerben ihn die Verwandten in aufsteigender Linie
allein; mit Ausschließung aller übrigen Seiten-Verwandten.
§. 496. In welcher Ordnung Geschwister und
Geschwister-Kinder unter sich dem Verstorbenen folgen, ist im Dritten Titel
vorgeschrieben.
§. 497. Unter den Verwandten in aufsteigender Linie, sie
mögen allein, oder mit Halbgeschwistern zugleich zur Erbfolge gelangen,
schließt allemal der dem Grade nach nähere die entferntem aus.
§. 498. Sind mehrere gleich nahe Verwandte in aufsteigender
Linie vorhanden: so erben dieselben die Portion dieser Linie zu gleichen
Theilen.
§. 499. Bey der ganzen Erbfolge in aufsteigender Linie, und
bey der Theilung des Nachlasses unter die väterlichen und mütterlichen
Verwandten, macht es keinen Unterschied: woher und von welcher Seite das
Vermögen dem verstorbenen Kinde zugefallen sey.
Letztwillige Verordnungen der Kinder.
§. 500. Die Kinder sind berechtigt, diese gesetzliche
Erbfolge der Verwandten in aufsteigender Linie durch ein mit den gehörigen
Erfordernissen versehenes Testament zu ändern.
Pflichttheil der Ascendenten.
§. 501. Doch können sie, auch durch eine solche letztwillige
Verordnung, den Aeltern und übrigen durch das Gesetz zur Erbfolge berufenen
Ascendenten den Pflichttheil nicht entziehen.
§. 502. Der Pflichttheil ist bey jedem Verwandten in
aufsteigender Linie, ohne Unterschied der Zahl, die Hälfte des ihm nach der
gesetzlichen Erbfolge zukommenden Antheils.
§. 503. Diesen Pflichttheil können die Kinder nicht
schmälern, noch durch Bedingungen einschränken, oder mit Lasten beschweren.
§. 504. Hinterläßt der Verstorbene zwar Verwandte in
absteigender Linie, die er aber aus einer wahren und gesetzmäßigen Ursache
enterbt hat: so muß er denjenigen Ascendenten, welche das Gesetz, in
Ermangelung der Abkömmlinge, zur Erbfolge ruft, den Pflichttheil verlassen.
§. 505. Haben aber die Abkömmlinge des Verstorbenen sich
ihres Erbrechts begeben: so können, wenn diese den Erbanfall erleben, die
Ascendenten einen Pflichttheil nur in so weit fordern, als die Entsagung
ausdrücklich zu ihren Gunsten geschehen ist.
Enterbungsursachen.
§. 506. Kinder können ihre Aeltern und weitere Ascendenten
auch im Pflichttheile enterben, 1) wenn dieselben des Hochverraths, oder des
Lasters der beleidigten Majestät gegen die Person des Oberhaupts im Staate
schuldig erkannt worden;
§. 507. 2) Wenn sie dem Erblasser, oder dessen Ehegatten,
oder Abkömmlingen, nach dem Leben getrachtet haben;
§. 508. 3) Wenn sie durch üble Behandlung der Gesundheit des
Erblassers einen erheblichen und dauernden Schaden boshafter Weise zugefügt
haben;
§. 509. 4) Wenn sie denselben eines groben Verbrechens,
worauf in den Gesetzen Zuchthaus- oder Festungsstrafe verordnet ist, wider besseres
Wissen, fälschlich in Gerichten angeschuldigt haben.
§. 510. Auch bey diesen Enterbungsursachen (§. 507-509.)
findet die Vorschrift §. 404. Anwendung,
§. 511. 5) Wenn der enterbte Ascendent mit dem Ehegatten des
enterbenden Kindes, während der Ehe, ehebrecherischen Umgang gepflogen hat.
§. 512. 6) Wenn der Enterbte bey der körperlichen oder
sittlichen Erziehung des Enterbenden die nach den Gesetzen ihm obliegenden
Pflichten gröblich verletzt hat.
§. 513. 7) Wenn er sich der gesetzmäßigen Obliegenheit zur
Ernährung des ohne grobes Verschulden in Mangel und Elend gerathenen Kindes,
bey eignem hinreichenden Vermögen dazu vorsetzlich entzogen hat.
§. 514. Aus eben diesen Ursachen (§. 506-513.) kann das Kind
den Pflichttheil der Ascendenten schmälern, durch Bedingungen einschränken,
oder mit Lasten beschweren.
§. 515. Wegen Enterbung der Ascendenten aus guter Absicht
finden eben die Vorschriften Anwendung, welche wegen dieser Art von Enterbung
bey Kindern §. 419. sqq. festgesetzt sind.
Folgen der widerrechtlichen Enterbung oder Uebergehung.
§. 516. Auch gilt von der Befugniß der zur Ungebühr
enterbten, oder übergangenen, oder im Pflichttheile belasteten Aeltern, alles
das, was für die gleichen Fälle, in Ansehung der Kinder, §. 432. sqq. verordnet
ist.
§. 517. Nur treten in dem Falle, wenn die im Testamente
eingesetzten Aeltern ersten Grades vor dem Erblasser verstorben sind, deren
Aeltern nicht an ihre Stelle. (§. 433.)
§. 518. Vielmehr können diese, wenn ihrer im Testamente
nicht gedacht worden, nur den Pflichttheil, und auch diesen nur in so fern
fordern, als bey dem Ableben des Erblassers keine vollbürtige Geschwister, noch
deren Kinder, vorhanden sind.
Erbfolge der Ascendenten in der Gütergemeinschaft.
§. 519. An Orten, wo Gemeinschaft der Güter obwaltet, bleibt
es wegen der Erbfolge in dem Nachlasse abgefundener oder unabgefundener Kinder,
bey den Vorschriften der statutarischen oder Provinzialgesetze.
§. 520. Wo diese nichts Besonderes verordnen, da finden
wegen der Erbfolge der Verwandten in aufsteigender Linie die Regeln der
gesetzlichen Erbfolge nach gemeinen Rechten Anwendung.
Siebenter Abschnitt
Von der Pupillar-Substitution
Substitution für unmündige Kinder.
§. 521. Aeltern sind berechtigt, über das Vermögen, welches
die Kinder von ihnen erben, auf den Fall, wenn letztere die Jahre der
Mündigkeit nicht erreichen sollten, gleich jedem andern Erblasser, letztwillig
zu verordnen.
§. 522. Diese Befugniß erstreckt sich, in Ansehung beyder
Aeltern, auch auf den von jedem derselben dem Kinde hinterlassenen
Pflichttheil.
§. 523. Dagegen hat nur der Vater das Recht, über das
eigenthümliche Vermögen der Kinder, auf den Fall, wenn diese in der
Unmündigkeit versterben, dergleichen Substitution zu errichten.
§. 524. Enterbten Kindern kann der Vater solchergestalt nur
alsdann substituiren, wenn die Enterbung nach §. 419. sqq. aus guter Absicht
geschehen ist.
§. 525. Die §. 523. beschriebene Substitution kann der Vater
in seiner eignen letztwilligen Verordnung entrichten, wenn diese mit den
Förmlichkeiten eines Testaments versehen ist.
§. 526. Er kann aber auch ein besonderes Testament für sich,
und ein besonderes für das Kind errichten.
§. 527. Selbst wenn er über seinen eignen Nachlaß ein
Testament zu hinterlassen nicht nöthig findet, kann er dennoch für das Kind in
einer besondern letztwilligen Verordnung disponiren.
§. 528. Auch wenn die Verfügung des Vaters über seinen
eigenen Nachlaß, und über das Vermögen des Kindes, nur in Einer Verordnung
enthalten ist, wird dennoch jede dieser Verfügungen als eine für sich selbst
bestehende Disposition angesehen.
§. 529. Wenn also gleich der Vater eben denjenigen, welchen
er zu seinem eignen Erben einsetzt, auch in dem Vermögen des Kindes
substituirt: so steht es diesem dennoch frey, nur die eine von beyden
Erbschaften anzunehmen, und der andern zu entsagen.
Wie der Vater disponiren könne.
§. 530. Denjenigen, welchen ein Pflichttheil aus dem
Nachlasse des Kindes gebühret, kann ihr gesetzlicher Erbtheil, auch in einer
von dem Vater für das Kind errichteten Disposition, nicht genommen oder
geschmälert werden.
§. 531. Doch kann der Vater einem solchen nothwendigen Erben
auch den Pflichttheil aus dem Nachlasse des Kindes wegen solcher Ursachen
entziehen, aus welchen das Kind selbst, wenn es letztwillig verfügen könnte,
zur Enterbung berechtigt seyn würde,
§. 532. Hat das Kind Geschwister voller oder halber Geburt,
oder Geschwister-Kinder: so kann der Vater, außer dem Falle des §. 531, keins
derselben von der gesetzlichen Erbfolge ganz ausschließen.
§. 533. Es kann aber den Nachlaß des Kindes unter sie auch
ungleich vertheilen.
§. 534. Doch muß er jedem
derselben wenigstens die Hälfte desjenigen lassen, was ihm nach den Regem der
gesetzlichen Erbfolge zukommen würde.
§. 535. Hat das Kind weder Verwandte in aufsteigender Linie,
noch Geschwister oder Geschwister-Kinder, sondern nur entferntere Verwandte: so
kann der Vater unter diesen über den Nachlaß des Kindes nach Gutfinden
verfügen.
§. 536. Er kann also, statt des nähern entferntere, oder
auch aus mehrern gleich nahen Verwandten nur Einen, zur Erbfolge des Kindes
berufen.
§. 537. Fremden, mit dem Kinde in gar keiner
Blutsverwandtschaft stehenden Personen, kann der Vater den Nachlaß des Kindes
weder ganz, noch zum Theil, zuwenden.
§. 538. So weit der Vater in seiner für das Kind gemachten
Verordnung diese gesetzmäßigen Schranken überschritten hat, wird es für nicht
geschrieben geachtet.
§. 539. Hat er bloß Fremde zur Erbfolge berufen: so ist die
Verordnung ungültig.
Wie lange die väterliche Substitution gelte.
§. 540. Eben so verliert dergleichen Verordnung ihre Kraft,
sobald das Kind, für welches sie errichtet worden, die Jahre der Unmündigkeit
zurückgelegt hat.
§. 541. Es macht dabey keinen Unterschied, ob ein solches
Kind selbst letztwillig verordnet hat, oder nicht.
§. 542. Wenn das Kind, nach errichteter Substitution, von
einem Dritten mit Bewilligung des Vaters förmlich an Kindesstatt angenommen
wird: so erlöscht die Substitution.
§. 543. Wenn der, welcher in den Nachlaß des Kindes substituirt
worden, vor dem Kinde verstirbt: so geht das Recht aus der Substitution auf
seine Erben nicht über.
Pupillar-Substitution von Seiten der Mutter.
§. 544. Alles, was vorstehend von der Befugniß des Vaters,
dem Kinde in sein eigenthümliches Vermögen, mit Inbegriff des von ihm ererbten
Pflichttheils, zu substituiren verordnet ist, gilt auch von der Mutter, in
Ansehung des von ihr dem Kinde verlassenen Pflichttheils. (§. 525-543.)
Pupillar-Substitution für wahn- und blödsinnige Kinder.
§. 545. Für Kinder, welche wegen Wahn- oder Blödsinnes eine
eigne letzte Willensverordnung nicht errichten können, ist der Vater eben so
auf ihren Todesfall zu verfügen berechtigt.
§. 546. Ein Gleiches gilt von Tauben und Stummen, in so fern
sie selbst ein Testament zu errichten unfähig sind.
§. 547. Ist eine solche Unfähigkeit der Kinder, selbst
letztwillig zu verordnen (§. 545. 546.), bey dem Ableben des Vaters wirklich
vorhanden: so gilt die Substitution; auch wenn zu der Zeit, da sie errichtet
wurde, dergleichen Unfähigkeit noch nicht da gewesen wäre.
§. 548. Hat jedoch das Kind, ehe es noch in die Wahn- oder
Blödsinnigkeit verfallen ist, ein an sich rechtsbeständiges Testament
errichtet: so kann der Vater dergleichen Verfügung, durch seine Substitution,
weder in Ansehung des eigenthümlichen Vermögens des Kindes, noch in Ansehung
des von ihm dem Kinde verlassenen Pflichttheils, entkräften.
§. 549. So weit der Vater wahn- oder blödsinnigen, der
taubstummen Kindern in ihren Nachlaß substituiren kann, so weit kommt diese Befugniß
auch der Mutter zu, wenn der Vater von seinem Rechte Keinen Gebrauch gemacht
hat.
§. 550. Bey dieser Art der Substitution (§. 545. sqq.) muß
übrigens alles das beobachtet werden, was vorstehend auf den Fall der
Unmündigkeit verordnet ist.
Wenn diese Substitution aufhöre.
§. 551, Dergleichen Substitution verliert ihre Kraft, wenn
das Kind mit Hinterlassung einer Ehefrau, oder ehelicher Abkömmlinge verstirbt.
§. 552. Ein Gleiches geschieht, wenn das Kind wieder zu
Verstande kommt, und daher der Vormundschaft entlassen wird.
§. 553. Muß wegen eines Rückfalls das Kind abermals unter
Vormundschaft genommen werden: so gelangt dennoch die Substitution nicht wieder
zu Kräften; auch alsdann nicht, wenn das Kind in der Zwischenzeit nicht selbst
verfügt hat.
§. 554. Uebrigens hindert die Pupillar-Substitution in
keinem Falle die über das Vermögen des Kindes unter Lebendigen zu treffenden
Verfügungen, sobald das Beste des Kindes dergleichen erfordert.
Achter Abschnitt
Von den Kindern aus einer Ehe zur linken Hand
§. 555. Von Kindern aus einer Ehe zur linken Hand gilt
alles, was in Ansehung der ehelichen Kinder überhaupt im Vorstehenden verordnet
ist; in so fern die Gesetze Ausnahmen davon nicht ausdrücklich bestimmen.
§. 556. In diesen ausgenommenen Fällen aber können solchen
Kindern die Rechte der Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand, nur durch
Vollziehung einer solchen Ehe mit der Mutter, oder durch Legitimation beygelegt
werden.
Stand und Familienrechte solcher Kinder.
§. 557. Kinder aus einer Ehe zur linken Hand führen nicht
den Namen des Vaters.
§. 558. Sie treten nicht in seine Familie, und können auf
die Vorrechte seines Standes und Charakters keinen Anspruch machen.
§. 559. Dagegen führen solche Kinder den Geschlechtsnamen
der Mutter.
§. 560. Sie treten in die Familie derselben, so weit als die
Mutter Familienrechte hat, und auf ihre ehelichen Abkömmlinge übertragen kann.
§. 561. Ueber die Person solcher Kinder hat der Vater alle
Rechte der väterlichen Gewalt; über ihr Vermögen hingegen kann er sich dieser
Rechte nicht anmaßen.
Unterhalt und Erziehung.
§. 562. Kinder aus einer Ehe zur linken Hand haben von den
Aeltern Unterhalt und Erziehung zu fordern.
§. 563. Beydes muß der Regel nach dem Stande der Mutter
gemäß eingerichtet werden.
§. 564. Ist jedoch die Mutter von bürgerlicher Herkunft: so
ist der Vater die Erziehung und den Unterhalt der Kinder nur so einzurichten
verbunden, wie ein handwerktreibender Bürger seine ehelichen Kinder zu ernähren
und zu erziehen pflegt.
§. 565. Eben dieses Verhältniß dienet auch bey der Wahl der
künftigen Lebensart, und bey der Ausstattung solcher Kinder zur Richtschnur.
Verhältniß in Ansehung des Vermögens.
§. 566. Von dem eigenthümlichen Vermögen solcher Kinder
gebührt dem Vater kein Nießbrauch.
§. 567. Wohl aber kommt ihm die Verwaltung desselben bis zur
erlangten Großjährigkeit des Kindes zu.
§. 568. Dabey hat er die Rechte und Pflichten eines
Vormundes.
§. 569. So lange das Kind noch minderjährig ist, wird es, in
Ansehung der Fähigkeit sich zu verpflichten, einem andern Pflegebefohlnen
gleich geachtet.
Rechte auf die Erbschaft des Vaters.
§. 570. Sind Kinder aus einer Ehe zur linken Hand bey des
Vaters Absterben noch nicht erzogen und ausgestattet: so muß das zu ihrer
Verpflegung und Ausstattung Erforderliche aus dem Nachlasse angewiesen, und von
den Erben sicher gestellt werden.
§. 571. Wie hoch die Erziehungskosten zu bestimmen, und bis
zu welchem Alter des Kindes sie zu rechnen sind, muß bey entstehendem Streite
nach der Art, wie der Vater das Kind zu erziehen schuldig gewesen, und der
Bestimmung, wozu er selbiges gewidmet hat, von dem Richter billig ermessen
werden.
§. 572. Sind keine Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand
vorhanden: so nehmen die Kinder aus der Ehe zur linken Hand diese Erziehungs-
und Ausstattungskosten, nach Art einer Schuld, aus dem Nachlasse vorweg.
§. 573. Sind aber Kinder zur rechten Hand vorhanden: so
können zwar die zur linken Hand die nach §. 571. ihnen gebührende Ausstattung
auch alsdann aus dem Nachlasse fordern;
§. 574. Doch muß, wenn der Nachlaß unzureichend ist, die
Eintheilung so gemacht werden, daß jedes Kind zur rechten Hand wenigstens noch
einmal so viel, als ein Kind zur linken Hand, aus dem Vermögen des Vaters
erhält.
§. 575. Uebrigens bleibt es, wegen der den Kindern zur
rechten Hand obliegenden Verpflegung ihrer Geschwister aus einer Ehe zur linken
Hand, bey der den Geschwistern überhaupt im folgenden Titel vorgeschriebenen
Verbindlichkeit.
§. 576. Hat der Vater in Ansehung der Erbfolge solcher
Kinder in seinem Nachlasse etwas verfügt: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 577. Doch kann er auch durch eine solche Verfügung den
Kindern die nach §. 571. ihnen gebührende Verpflegung und Ausstattung nicht
entziehen.
§. 578. Auch ist er zu einer Pupillar-Substitution in dem
eignen Vermögen dieser Kinder nicht berechtigt.
§. 579. Hat der Vater nichts verfügt, und hinterläßt er
Abkömmlinge aus einer Ehe zur rechten Hand: so gebührt den andern Kindern kein
Erbtheil.
§. 580. Verläßt er aber keine Abkömmlinge aus einer Ehe zur
rechten Hand: so erhalten die Kinder aus der Ehe zur linken Hand, wenn deren
nur Drey oder weniger sind, den Dritten Theil, und wenn ihrer mehr als Drey
sind, die Hälfte der Erbschaft.
§. 581. Mehrere dergleichen aus einer Ehe zur linken Hand
abstammende Descendenten, theilen sich in diese gesetzliche Erbportion, nach
den im Fünften Abschnitte, wegen der Erbfolge der Descendenten überhaupt,
vorgeschriebenen Grundsätzen.
§. 582. Verläßt der Vater zwar keine andere Descendenten;
wohl aber eine Ehefrau: so erhalten die Kinder zur linken Hand ihren Antheil
erst nach Abzug der der Ehefrau gebührenden Erbportion.
§. 583. Auch die Abfindung der zurückgelassenen Hausfrau, es
mag die Mutter der Kinder seyn, oder nicht, wird vor Berechnung des den Kindern
zukommenden Antheils, von der Erbschaft abgezogen.
§. 584. Sind weder eine Ehefrau, noch andre nahe Verwandten
(Tit. I. §. 622.) vorhanden: so gelangen die Kinder zur linken Hand zur vollen
gesetzlichen Erbfolge in den eigenthümlichen freyen Nachlaß des Vaters.
§. 585. Einen Pflichttheil ist der Vater seinen Kindern aus
einer Ehe zur linken Hand in keinem Falle zu hinterlassen schuldig.
Auf den Nachlaß der Mutter und ihrer Verwandten.
§. 586. In dem Nachlasse der Mutter haben die Kinder, sie
mögen aus einer Ehe zur rechten oder zur linken Hand geboren seyn, ein
gesetzliches Erbrecht.
§. 587. Auch die mütterlichen Verwandten beerben sie eben
so, als wenn sie aus einer Ehe zur rechten Hand abstammten.
Erbfolge der Aeltern.
§. 588. In dem Vermögen des Kindes haben der Vater und
dessen Verwandten kein gesetzliches Erbrecht.
§. 589. Dagegen finden, wegen der Erbfolge der Mutter und
deren Verwandten, eben die Vorschriften statt, wie bey Kindern aus einer Ehe
zur rechten Hand.
Rechte der Kinder bey getrennter Ehe zur linken Hand.
§. 590. Wird die Ehe zur linken Hand durch richterlichen
Spruch getrennt: so muß die schuldige Mutter den daraus erzeugten Kindern den
Pflichttheil eben so aussetzen, wie in Ansehung der Kinder aus einer Ehe zur
rechten Hand vorgeschrieben ist.
§. 591. Eben so muß der für schuldig erkannte Vater, den
Kindern zur linken Hand die ihnen gebührende Ausstattungvon seinem
Vermögenaussetzen.
Neunter Abschnitt
Von den aus unehelichem Beyschlafe erzeugten Kindern
Legitimation unehelicher Kinder durch richterlichen
Ausspruch,
§. 592. Die aus unehelichem Beyschlafe erzeugten Kinder
erhalten in allen Fällen, wo der Mutter die Rechte einer würklichen
Ehefrau des Schwängerers durch richterlichen Ausspruch beygelegt worden, die
Rechte der aus einer vollgültigen Ehe erzeugten Kinder.
§. 593. Diese Rechte verbleiben ihnen, auch wenn die Ehe
zwischen den Aeltern, wegen beharrlicher Weigerung des Vaters, durch die
Trauung nicht vollzogen wird.
§. 594. Hat aber die Mutter innerhalb der gesetzlichen Frist
(Tit. I. §. 1095.) auf die Vollziehung der Ehe nicht geklagt: so können die
Kinder der davon abhängenden Rechte der ehelichen Geburt sich niemals anmaßen;
§. 595. Doch können die Kinder den von der Mutter bereits
angestellten Prozeß, wenn sie vor dessen Entscheidung verstirbt, zu dem Ende
fortsetzen, daß ihnen selbst die Rechte ehelicher Kinder zuerkannt werden
mögen.
durch Heirath mit der Mutter,
§. 596. Wenn ein Schwängerer die Geschwächte, auch ohne
Prozeß und Erkenntniß, wirklich heirathet: so erlangt das aus dem unehelichen
Beyschlafe erzeugte Kind, eben dadurch, in allen durch besondere Gesetze nicht
ausdrücklich ausgenommenen Fällen, die Rechte und Verbindlichkeiten eines
ehelichen.
durch gerichtliche Erklärung des Vaters,
§. 597. Ein mit einer förmlich verlobten Braut erzeugtes
Kind, erlangt die Rechte eines ehelichen schon durch die bloße gerichtliche
Erklärung des Vaters, wenn gleich die Ehe mit der Mutter nicht wirklich
vollzogen worden.
§. 598. Wenn die Legitimation eines unehelich erzeugten
Kindes durch wirkliche Verheirathung mit der Mutter erfolgt: so bestimmt die
Trauung, und in dem Falle des §. 597. die gerichtliche Erklärung, den
Zeitpunkt, wo die Rechte und Pflichten des Kindes als eines ehelichen ihren
Anfang nehmen.
§. 599. In dem Falle des §. 592. hingegen wird dieser
Zeitpunkt auf den Tag der angemeldeten Klage zurückgesetzt.
§. 600. Ist zur Zeit der unter den Aeltern geschlossenen
Ehe, das aus dem unehelichen Beyschlafe erzeugte Kind bereits verstorben: hat
aber eheliche Abkömmlinge verlassen: so erlangen diese, auch in Ansehung der
Großältern, alle Rechte und Pflichten ehelicher Descendenten.
durch obrigkeitliche Declaratian.
§. 601. Hat unter den Aeltern keine Ehe statt gefunden: so
kann dennoch der Vater auf die Legitimation des unehelich erzeugten Kindes bey
Hofe antragen.
§. 602. Bey der Prüfung eines solchen Gesuchs muß zugleich
darauf: ob die Legitimation dem Kinde zuträglich sey, gesehen, und wenn dabey
ein Bedenken sich findet, das Kind selbst, oder wenn dasselbe noch minderjährig
ist, ein ihm zu bestellender Curator vernommen werden.
§. 603. Durch diese Legitimation erhält das Kind den Stand
des Vaters, und in Ansehung seiner, alle Kechte und Pflichten eines ehelichen
Kindes.
§. 604. Es tritt aber dadurch nicht in die Familie des
Vaters.
§. 605. Soll es auch in diese aufgenommen werden: so muß
solches durch einen Familienvertrag geschehen;
§. 606. Doch entsteht zwischen den ehelichen Kindern des
Legitimirenden, und dem Legitimirten selbst, das Verhältniß, wie zwischen
ehelichen Halbgeschwistern von Einem Vater.
§. 607. Hatte der Vater zu der Zeit, als er das uneheliche
Kind legitimiren ließ, schon eheliche Descendenten, und verläßt er in der Folge
einem derselben nur den Pflichttheil: so wird bey dessen Berechnung das
legitimirte Kind nicht mit gezählt.
§. 608. Auch zwischen dem Legitimirten, und den Verwandten
seiner Mutter, wird durch eine ohne deren ausdrückliche Einwilligung erfolgte
Legitimation kein anderes Familienverhältniß, als aus der unehelichen Geburt
selbst schon entstanden war, begründet.
§. 609. Kindern, die aus einer Ehe zur linken Hand erzeugt
worden, kann die Eigenschaft eines rechten Kindes, in Ansehung des Vaters,
durch Landesherrliche Legitimation beygelegt werden.
§. 610. Doch hat es, wenn zur Zeit der Legitimation schon
Abkömmlinge aus einer Ehe zur rechten Hand da sind, bey der Vorschrift des §.
607. sein Bewenden.
§. 611. Ihre Aufnahme in die Familie des Vaters aber kann
ebenfalls nur durch einen Familienvertrag geschehen.
Rechte der unehelichen Kinder, Verpflegung und Erziehung.
§. 612. Unehelich geborne Kinder, welche weder durch eine
nachfolgende Verheirathung der Aeltern, noch durch richterlichen Ausspruch,
noch durch Legitimation, die Rechte der ehelichen erlangt haben, können von dem
Vater bloß Unterhalt und Erziehung fordern.
§. 613. Dazu ist der Vater verpflichtet, auch wenn die
Mutter, nach dem Eilften Abschnitte des Ersten Titels, entweder gar keine, oder
nur die geringere Art der Entschädigung zu fordern hat.
§. 614. Sobald das Daseyn eines unehelichen Kindes, es sey
durch einen unter den Aeltern entstehenden Prozeß, oder sonst durch
glaubwürdige Anzeigen, dem vormundschaftlichen Gerichte bekannt wird, muß
dasselbe dem Kinde von Amtswegen einen Vormund bestellen.
§. 615. Dieser muß die Rechte des Kindes gegen den
unehelichen Vater wahrnehmen; und mit beyden Aeltern, wegen dessen Erziehung
und Verpflegung, die nöthigen Einrichtungen, unter Aufsicht des
vormundschaftlichen Gerichts, verabreden.
§. 616. Der Vormund ist befugt und schuldig, darauf zu
sehen, daß die getroffene Einrichtung befolgt werde; und wenn dieses nicht
geschieht, dem vormundschaftlichen Gerichte davon, zur weitern Verfügung,
Anzeige zu machen.
§. 617. Läugnet der angegebne Vater, daß das Kind von ihm
erzeugt sey: so muß der Vormund, auch wenn es die Mutter auf den Prozeß nicht
ankommen lassen will, dennoch zum Besten des Kindes auf rechtliches Gehör und
Erkenntniß darüber antragen.
§. 618. Bey der Untersuchung und Beurtheilung: ob das Kind
von dem angegebenen Vater erzeugt sey, muß nach den im Eilften Abschnitte des
vorigen Titels enthaltenen Grundsätzen verfahren werden.
§. 619. Hat die Mutter in dem Zeiträume, in welchem, nach
diesen Grundsätzen, die Erzeugung des Kindes trifft, mit mehrern Mannspersonen
zugehalten: so hängt es von dem nach den Umständen sich richtenden Befunde des
Vormundes ab, welchen derselben er, auf Erfüllung der einem unehelichen Kinde
schuldigen Pflichten, zuerst in Anspruch nehmen wolle.
§. 620. Wird aber dieser entbunden; oder ist er diese
Pflichten zu erfüllen unvermögend: so kann der Vormund die Rechte des Kindes
auch gegen die übrigen Zuhalter, einen nach dem andern, geltend machen.
§. 621. Die Verpflegung und Erziehung des Kindes, bis nach
zurückgelegtem Vierten Jahre, muß in der Regel der Mutter, auf Kosten des
Vaters, überlassen werden.
§. 622. Nach zurückgelegtem Vierten Jahre hängt es von der
Wahl des Vaters ab, die Verpflegung und Erziehung des Kindes selbst zu
besorgen, oder sie der Mutter auf seine Kosten ferner zu überlassen.
§. 623. Will die Mutter die Erziehung und Verpflegung des
Kindes auf ihre alleinige Kosten übernehmen: so hat der Vater kein Recht zum
Widerspruche.
§. 624. Findet das vormundschaftliche Gericht, daß dem
Vater, ohne Besorgniß eines Nachttheils für das Kind, die Erziehung nicht
anvertrauet werden könne: so kann es dieselbe, auf Kosten des Vaters, der
Mutter übertragen.
§. 625. Ist die Aufführung beyder Aeltern so beschaffen, daß
Keinem von ihnen die Erziehung des Kindes anvertrauet werden kann: so muß das vormundschaftliche
Gericht nach der Vorschrift §. 89. sqq. verfahren.
§. 626. In allen Fällen, wo die Verpflegungs- und
Erziehungskosten nach Gelde bestimmt werden sollen, ist nur auf das zu rechnen,
was Leuten vom Bauer- oder gemeinen Bürgerstande die Erziehung eines ehelichen
Kindes, nebst dem Schul- und Lehrgelde, kosten würde.
§. 627. Dabey muß auf die jeden Orts gewöhnlichen Preise,
und auf die mit zunehmenden Jahren wachsenden Bedürfnisse des Kindes Rücksicht
genommen werden.
§. 628. Ist der Vater für den Unterhalt und die Erziehung
des Kindes solchergestalt zu sorgen nicht vermögend: so geht diese Pflicht auf
die Großältern von väterlicher Seite über.
§. 629. Erst in deren Ermangelung, oder bey deren
Unvermögen, sind die Mutter und die mütterlichen Großältern dazu verpflichtet.
§. 630. Besitzt jedoch die Mutter so viel eigenthümliches
Vermögen, daß sie aus den Einkünften desselben, ohne Abbruch ihres eigenen
Unterhalts, das Kind ernähren kann: so ist sie dazu nächst dem unehelichen
Vater, und vorzüglich vor dessen Aeltern verbunden.
§. 631. Kann der Vater eines unehelichen Kindes nicht
ausgemittelt werden: so fällt die Pflicht der Verpflegung und Erziehung
unmittelbar auf die Mutter, und deren Aeltern.
§. 632. Sind auch diese nicht mehr vorhanden, oder
unvermögend: so ist der Staat für den Unterhalt und die Erziehung solcher
Kinder, durch die jeden Orts bestehenden Armenanstalten, zu sorgen
verpflichtet.
deren Dauer.
§. 633. Die Verbindlichkeit der Aeltern zur Verpflegung
unehelicher Kinder dauert nur bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre.
§. 634. Nach diesem Zeitpunkte müssen die Kinder sich ihren
Unterhalt selbst erwerben.
§. 635. Sind jedoch unehelich gebome Söhne zu einem
Handwerke oder Profession gegeben worden: so muß der Vater auch das fernere
Lehr-ingleichen das Lossprechegeld berichtigen.
§. 636. Hat, auch außerdem, der Vater das Kind zu einem
Gewerbe erziehen lassen, mit welchem es sich nach zurückgelegtem Vierzehnten
Jahre seinen Unterhalt noch nicht verdienen kann: so muß der Vater die
Verpflegung so lange fortsetzen, bis das Kind mit diesem von ihm gewählten
Gewerbe sich selbst zu ernähren vermögend ist.
§. 637. Werden uneheliche Kinder durch Krankheit, oder sonst
fehlerhafte Leibes- oder Gemüthsbeschaffenheit, außer Stand gesetzt, sich ihren
Unterhalt zu erwerben: so können sie von den Aeltern oder Großältern die
notwendige Verpflegung auch ferner fordern.
§. 638. Dagegen müssen aber auch uneheliche Kinder die
nothleidenden Aeltern und Großältern, in Ermangelung anderer dazu näher verpflichteten
Personen, nach ihrem Vermögen unterstützen,
Rechte des Standes und der Familie,
§. 639. Uneheliche Kinder treten weder in die Familie des
Vaters, noch der Mutter.
§. 640. Doch führen sie den Geschlechtsnamen der Mutter, und
gehören zu demjenigen Stande, in welchem die Mutter, zur Zeit der Geburt, sich
befunden hat.
§. 641. Ist aber die Mutter von adlicher Herkunft: so kann
dennoch das uneheliche Kind adlichen Namens und Wappens sich nicht anmaßen.
§. 642. Uneheliche Kinder werden bis zum geendigten
Vierzehnten Jahre in dem Glaubensbekenntnisse der Mutter erzogen.
§. 643. Doch muß, wenn der Vater ein Christ, die Mutter aber
irgend einer andern Religions-Partey zugethan ist, ein solches uneheliches
Kind, bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre, in der christlichen Religion
erzogen werden.
§. 644. Uneheliche Kinder stehen nicht unter der Gewalt des
Vaters, sondern nur unter der vom Staate für sie verordneten Vormundschaft.
§. 645. Die persönlichen Rechte der Aeltern über sie
erstrecken sich nicht weiter, als es der Zweck der Erziehung erfordert.
§. 646. Insonderheit hängt die Wahl der Lebensart, zu
welcher das Kind gewidmet werden soll, nicht von dem Vater, sondern von der
Vormundschaft ab.
Rechte auf den Nachlaß des Vaters,
§. 647. Stirbt der Vater vor vollendeter Erziehung: so
können die unehelichen Kinder die Aussetzung des dazu noch Fehlenden aus dem
Nachlasse fordern.
§. 648. Sind eheliche Kinder vorhanden: so kann dieser
Aussatz nur auf die Nutzung des Nachlasses angewiesen werden, und darf dieselbe
nicht übersteigen.
§. 649. Sind aber keine eheliche Kinder vorhanden: so muß
das Fehlende, erforderlichen Falls, auch aus der Substanz genommen werden.
§. 650. Sind alle vorhandenen ehelichen Kinder, oder einige
derselben, ebenfalls noch unerzogen; und sind die Nutzungen des Nachlasses zu
ihrer aller Erziehung nicht hinreichend: so ist die Einrichtung so zu treffen,
daß den ehelichen noch einmal so viel, als den unehelichen ausgesetzt werde.
§. 651. Außerdem haben uneheliche Kinder, wenn der Vater
Abkömmlinge aus einer Ehe zur rechten oder zur linken Hand hinterläßt, in
seinem Nachlasse gar kein gesetzliches Erbrecht.
§. 652. Sind keine dergleichen eheliche Abkömmlinge, und
auch keine letztwillige Verordnung des Vaters vorhanden: so gebührt den
unehelichen Kindern der Sechste Theil des Nachlasses nach den §. 581. 582. 583.
enthaltenen näheren Bestimmungen.
§. 653. Uneheliche Kinder, deren Mutter um die Zeit ihrer
Erzeugung mit mehrern Mannspersonen zugehalten hat, können dergleichen Erbtheil
nicht fordern.
§. 654. Es müssen daher uneheliche Kinder, die sich eines
solchen Erbrechts anmaßen wollen, entweder ein freywilliges Anerkenntniß des
vorgeblichen Vaters nachweisen; oder ein rechtskräftiges Urtel, wodurch ihnen
noch bey Lebenszeit des Vaters ein dergleichen Erbrecht vorbehalten worden,
beybringen.
§. 655. Einen Pflichtteil ist der Vater in keinem Falle
seinen unehelichen Kindern zu hinterlassen schuldig.
auf den Nachlaß der Mutter.
§. 656. Auf den Nachlaß der Mutter hat das uneheliche Kind
derselben ein gleiches gesetzliches Erbrecht mit den ehelichen Kindern.
§. 657. Doch erhalten die letztern dasjenige zum Voraus, was
die Mutter von dem Vater dieser Kinder, oder dessen Ascendenten, durch
Verträge, letztwillige Verordnungen, oder gesetzliche Erbfolge überkommen hat.
Erbrechte der Aeltern in dem Nachlasse des Kindes.
§. 658. An dem Nachlasse eines unehelichen Kindes gebührt
dem Vater desselben gar kein Anspruch.
§. 659. Von der Mutter hingegen wird ein solches Kind mit
eben dem Rechte, wie die ehelichen, beerbt.
Erbrechte der Kinder in dem Nachlasse der väterlichen und
mütterlichen Verwandten.
§. 660. Zwischen unehelichen Kindern, und den verwandten
beyderley Aeltern, findet in der Regel keine gesetzliche Erbfolge statt. Tit.
III. §. 6.7.8.
§. 661. Uneheliche Kinder haben also auch aus dem Nachlasse
der mütterlichen Großältern keinen Pflichttheil zu fordern.
§. 662. In den Angelegenheiten des bürgerlichen Lebens haben
uneheliche Kinder mit den ehelich gebornen, oder dafür erklärten, gleiche
Rechte.
Legitimation zum bloßen Behufe des bessern Fortkommens.
§. 663. Wird zum bessern Fortkommen der Kinder eine
besondere Ausfertigung darüber erfordert: so kann dieselbe von Einem der
Aeltern, oder auch von dem Kinde selbst, oder von dessen Vormund nachgesucht
werden.
§. 664. Die Ausfertigung einer solchen Legitimation gehört
für das Obergericht der Provinz.
§. 665. Es wird aber dadurch in dem übrigen Verhältnisse des
Kindes gegen die Aeltern und deren Familien nichts geändert.
Zehnter Abschnitt
Von der Annahme an Kindesstatt
Wie die Adoption geschehen könne.
§. 666. Die Annahme an Kindesstatt kann nur durch einen
schriftlichen Vertrag erfolgen.
§. 667. Dieser Vertrag muß dem Obergerichte der Provinz, in
welcher der Annehmende seinen Wohnsitz hat, zur Prüfung und Bestätigung
vorgelegt werden.
Wer adoptiren könne.
§. 668. Nur Personen, die das Fünfzigste Jahr zurückgelegt
haben, soll es erlaubt seyn, andre an Kinderstatt anzunehmen.
§. 669. Doch kann es auch Jüngern Personen, aber nur unter
besonderer Landesherrlichen Erlaubniß, gestattet werden; wenn nach ihrem
körperlichen oder Gesundheitszustande, die Erzeugung natürlicher Kinder von
ihnen nicht zu vermuthen ist.
§. 670. Uebrigens werden nur diejenigen, welche vermöge
ihres Standes zur Ehelosigkeit verpflichtet sind, von der Befugniß, an
Kindesstatt anzunehmen, ausgeschlossen.
§. 671. Wer noch eheliche Abkömmlinge am Leben hat, kann
nicht an Kindesstatt annehmen.
§. 672. Die Einwilligung der Aeltern des Annehmenden ist,
der Regel nach, erforderlich.
§. 673. Doch wirkt der Abgang dieser Einwilligung nur so
viel, daß den Aeltern ihr Recht auf den Pflichttheil von dem Nachlasse des
Annehmenden, bey dessen künftigen Ableben, vorbehalten bleibt.
§. 674. Auch Personen weiblichen Geschlechts können zu
Kindesstatt annehmen.
§. 675. Sind sie aber verheirathet: so kann dieses nur mit
Einwilligung des Mannes geschehen.
§. 676. Hat der Mann jemand ohne Einwilligung der Frau an
Kindesstatt angenommen: so wird dadurch in dem Erbrechte dieser letztern auf
den künftigen Nachlaß des Mannes nichts geändert.
Wer adoptirt werden könne.
§. 677. Derjenige, welcher an Kindesstatt angenommen werden
soll, muß den Jahren nach jünger seyn, als der Annehmende.
§. 678. Hat er die Jahre der Unmündigkeit zurückgelegt, so
ist seine freye Einwilligung erforderlich.
§. 679. Ist sein Vater noch am Leben: so ist auch dessen
Einwilligung nothwendig.
§. 680. Steht er unter Vormundschaft: so muß die Genehmigung
des vormundschaftlichen Gerichts beygebracht werden.
Wirkungen der Adoption,
§. 681. Durch die Adoption entstehen zwischen dem
angenommenen Vater und Kinde in der Regel die Rechte und Pflichten, wie
zwischen leiblichen Aeltern, und den aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugten
Kindern.
in Ansehung der Person,
§. 682. Das angenommene Kind erhält den Namen des
annehmenden Vaters.
§. 683. Es überkommt alle Rechte seines Standes, so weit
dieselben durch die Geburt aus einer wirklichen Ehe zur rechten Hand
fortgepflanzt werden.
§. 684. Ist jedoch der Annehmende von Adel, und der
Angenommene von bürgerlicher Herkunft: so kann letzterer die Vorrechte und
Unterscheidungen des Adels nur mittelst besonderer Landesherrlichen Begnadigung
erhalten.
§. 685. Ist der Annehmende bürgerlichen Standes, und der
Angenommene adlicher Herkunft: so verliert letzterer zwar nicht die Rechte des
Adels; er muß aber, außer dem Namen des Adoptirenden (§. 682.), zugleich seinen
adlichen Familiennamen beybehalten.
§. 686. Ist der Annehmende verheirathet: so entstehen
zwischen seiner Frau, und dem angenommenen Kinde, nur die Verhältnisse, wie
zwischen Stiefältern und Stiefkindern.
§. 687. Ist aber die Annahme an Kindesstatt von beyden
Eheleuten gemeinschaftlich geschehen: so tritt der Angenommene auch gegen beyde
in das Verhältniß eines leiblichen Kindes.
§. 688. Hat eine Person weiblichen Geschlechts jemand an
Kindesstatt angenommen: so erhält derselbe den Geschlechtsnamen der Mutter, und
den Stand, zu welchem dieselbe zur Zeit der Annahme gehöret hat.
§. 689. Der Name und Stand des gewesenen Mannes kann einem
solchen Kinde nur unter besondern Umständen, welche die Besorgniß eines
Widerspruchs von der Familie des Mannes ausschließen, und nur durch ausdrückliche
Landesherrliche Begnadigung, beigelegt werden.
§. 690. Uebrigens erlangt die annehmende Mutter gegen das
angenommene Kind alle Rechte und Pflichten einer leiblichen Mutter.
in Ansehung des Vermögens des Adoptirenden, und Familienverhältnisse.
§. 691. Auch auf das Vermögen der annehmenden Aeltern, so
weit dasselbe der freyen Verfügung derselben unterworfen ist, erlangt das
angenommene Kind alle Rechte der aus einer Ehe zur rechten Hand herstammenden
Kinder.
§. 692. Alles daher, was von der Verpflegung, Erziehung,
Ausstattung, und Erbfolge solcher Kinder verordnet ist, gilt auch von
angenommenen Kindern.
§. 693. Auch mit leiblichen Kindern, die der Annehmende nach
der Adoption etwa noch erzeugt hat, kommen dem Angenommenen, in Ansehung
seiner, gleiche Rechte zu.
des Adoptirten.
§. 694. Hingegen erlangt der annehmende Vater, über das
Vermögen des angenommenen Kindes, die Rechte des natürlichen Vaters weder unter
Lebendigen, noch auf den Todesfall.
§. 695. Ist das angenommene Kind großjährig: so muß ihm sein
eigenthümliches Vermögen zur freyen Verwaltung und Nutzung überlassen werden.
§. 696. Ist es noch minderjährig: so bleibt sein
eigentümliches Vermögen unter der bisherigen väterlichen oder
vormundschaftlichen Verwaltung.
§. 697. Aber auch der natürliche Vater verliert den ihm
sonst zukommenden Nießbrauch.
§. 698. Er muß also das Vermögen des Kindes nur für dessen
Rechnung verwalten, und die Einkünfte davon, zur Vermehrung des Hauptstuhls,
oder sonst zum Behufe des Kindes, nützlich verwenden.
§. 699. Stirbt der natürliche Vater des angenommenen Kindes
nach der Adoption: so kann die Vormundschaft über das Vermögen des Kindes dem
angenommenen Vater aufgetragen werden.
§. 700. Doch ist das vormundschaftliche Gericht an die
Person desselben nicht gebunden.
§. 701. Stirbt das angenommene Kind vor den natürlichen
Aeltern: so wird letzteren, und nicht den Annehmenden, die gesetzliche Erbfolge
eröffnet.
§. 702. Dagegen bleibt dem angenommenen Kinde sein
gesetzliches Erbrecht auch auf den Nachlaß seiner natürlichen Aeltern.
Nähere Bestimmungen durch Verträge.
§. 703. Vorstehende gesetzliche Bestimmungen (§. 682-702.)
können durch den bey der Annahme geschlossenen Vertrag anders festgesetzt
werden.
§. 704. In Ansehung der persönlichen Verhältnisse finden
dergleichen Abänderungen in so weit statt, als dadurch das Wesentliche des
Geschäfts nicht aufgehoben wird.
§. 705. Sollen die gesetzlichen Bestimmungen in Ansehung des
Vermögens durch den Vertrag geändert werden; und ist das anzunehmende Kind noch
minderjährig: so muß das vormundschaftliche Gericht dergleichen Aenderungen,
und ob unter denselben die Adoption dem Kinde zuträglich sey, besonders prüfen.
§. 706. Ein Vertrag, wodurch dem zu adoptirenden Kinde sogar
der Pflichttheil von dem künftigen Nachlasse seiner natürlichen Aeltern
entzogen wird, kann nur mit einem Großjährigen geschlossen werden.
§. 707. Durch die Adoption treten auch die damals schon
vorhandnen, und nachher erzeugten Abkömmlinge des angenommenen Kindes, gegen
die annehmenden Aeltern in eben das Verhältniß, wie Blutsverwandte in
absteigender gegen die in aufsteigender Linie.
§. 708. Uebrigens aber entsteht zwischen dem angenommenen
Kinde, und der Familie des Annehmenden, durch die Adoption gar keine
Verbindung.
§. 709. Auch die nach der Adoption etwa erzeugten
natürlichen Kinder des Annehmenden treten mit dem Angenommenen nicht in das
Verhältniß als Geschwister.
§. 710. Soll durch die Adoption zugleich eine
Familienverbindung bewirkt werden: so muß dieses durch einen besonderen
Familienvertrag geschehen.
§. 711. Dagegen verbleibt das angenommene Kind ein Mitglied
der Familie, in welcher es geboren worden.
§. 712. Es bestehen also zwischen ihm, und seinen
natürlichen Verwandten, alle Rechte und Pflichten eben so, als wenn keine
Adoption erfolgt wäre.
§. 713. Um die Verdunkelung dieser Rechte zu verhüten, ist
das angenommene Kind, mit dem Namen des Annehmenden zugleich, seinen eignen
Familiennamen zu führen, berechtigt.
Aufhebung der Adoption.
§. 714. Die einmal gesetzmäßig erfolgte Adoption kann nur
eben so, wie sie zu Stande gekommen ist, mit Einwilligung der Interessenten,
und unter gerichtlicher Bestätigung, wieder aufgehoben werden.
§. 715. Dadurch verliert sie alle Wirkungen, und die Rechte
und Pflichten der Interessenten sind so, als wenn niemals eine Adoption
geschehen wäre, zu beurtheilen.
§. 716. Die aus der Adoption entspringende väterliche Gewalt
des Annehmenden wird eben so, wie die des natürlichen Vaters, geendigt und
aufgehoben.
Eilfter Abschnitt
Von der Einkindschaft
§. 717. Zwischen Stiefältern und Stiefkindern bestehen keine
Familienverhältnisse.
§. 718. Doch können solche Verhältnisse in gewisser Maaße
durch Einkindschaft begründet werden.
§. 719. Dergleichen Einkindschaft findet statt, wenn von
Personen, die einander zur rechten Hand heirathen, entweder einer oder beyde,
aus einer solchen vorhergehenden Ehe Kinder am Leben haben.
§. 720. Die Absicht der Einkindschaft ist, daß zwischen den
Stiefältern, und Stiefkindern, die persönlichen Rechte und Pflichten, wie
zwischen leiblichen Aeltern und Kindern, ingleichen wechselseitige
Successionsrechte hervorgebracht werden sollen.
§. 721. Die Einkindschaft kann nur durch einen gerichtlich
vollzogenen und bestätigten Vertrag errichtet werden.
§. 722. Dieses kann sowohl in dem Ehevertrage unter den sich
heirathenden Aeltern, als nach bereits geschlossener Ehe durch ein besonderes
Abkommen geschehen.
§. 723. Die freye Einwilligung der Aeltern sowohl, als der
zusammen zu bringenden Kinder, ist dazu nothwendig.
§. 724. Sind die Kinder noch minderjährig: so muß das
vormundschaftliche Gericht mit Zuziehung ihres Curators prüfen: ob die
Einkindschaft, und die Bedingungen des darüber geschlossenen Abkommens, den
Kindern zuträglich sind.
§. 725. Jedes der Aeltern, welches schon vorhandene Kinder
in die Einkindschaft bringt, muß denselben aus seinem alsdann besitzenden
Vermögen eine gewisse Summe, auf seinen künftigen Todesfall, zum Voraus
bescheiden.
§. 726. Dieser Aussatz muß wenigstens die Hälfte ues
Vermögens betragen, welches von den aussetzenden Aeltern in die neue Ehe
gebracht wird.
§. 727. Wegen Bestimmung der Summe dieses Aussatzes, muß der
Richter bey der pflichtmäßigen Angabe der Aeltern sich beruhigen, und kann
dieselben zur Offenlegung ihres Vermögenszustandes nicht anhalten.
§. 728. Hat Einer oder der Andere der die Einkindschaft
errichtenden Ehegatten Verwandte in aufsteigender Linie: so muß er die
Einwilligung derselben beybringen.
§. 729. Ist diese nicht erfolgt: so bleibt solchen
Ascendenten ihr Recht auf den Pflichttheil von dem künftigen Nachlasse des die
Einkindschaft schließenden Abkömmlings vorbehalten.
§. 730. Stammen die zusammen zu bringenden Kinder aus einer
durch richterlichen Spruch getrennten Ehe: so finden, wegen beyzubringender
Einwilligung des andern Theils der geschiedenen Aeltern, eben die Vorschriften
§. 728. 729. wie bey den Ascendenten Anwendung.
§. 731. Die rechtlichen Folgen der Einkindschaft werden
hauptsächlich durch den Inhalt des darüber errichteten Vertrages bestimmt.
§. 732. Ist in diesem nichts besonders festgesetzt: so
erlangen der Stiefvater, oder die Stiefmutter, über die Person der in die
Einkindschaft gebrachten Stiefkinder alle Rechte leiblicher Aeltern.
§. 733. Dagegen erwirbt der Stiefvater auf das Vermögen der
Stiefkinder keinesweges die einem leiblichen Vater unter Lebendigen zukommenden
Rechte.
§. 734. Wohl aber werden dadurch gleiche und gegenseitige
Erbrechte zwischen den Aeltern und den in die Einkindschaft gebrachten Kindern
begründet.
§. 735. Diese Rechte erstrecken sich jedoch nur über das der
freyen Verfügung eines jeden unterworfne Vermögen.
§. 736. Auch dasjenige Vermögen, welches den Kindern nach
geschlossener Einkindschaft anderwärts her, als von den dieselbe schließenden
Aeltern, zugefallen, ist diesen Suceessioinsrechten nicht unterworfen.
§. 737. Wenn Eins der Aeltern verstirbt: so erben die
leiblichen und Stiefkinder den Nachlaß desselben mit gleichem Rechte.
§. 738. Doch nehmen alsdann die leiblichen Kinder des
Erblassers aus voriger Ehe das ihnen nach §. 725. bey Schließung der
Einkindschaft ausgesetzte Quantum zum Voraus.
§. 739. Die leiblichen Kinder des Erblassers aus derjenigen
Ehe, zu deren Behuf die Einkindschaft geschlossen worden, können auf einen
solchen vorzüglichen Antheil, als ihren Halbgeschwistern ausgesetzt ist, keinen
Anspruch machen.
§. 740. Vielmehr wird der übrige Nachlaß unter die
sämmtlichen leiblichen und Stiefkinder des Verstorbenen, nach der Regel der
gesetzlichen Erbfolge, gleich getheilt.
§. 741. Auch, wenn nur Stiefkinder vorhanden sind, schließen
diese die Verwandten des Verstorbenen in der aufsteigenden und Seitenlinie von
der Erbfolge desselben aus.
§. 742. Doch hat es in Ansehung des den Ascendenten
zukommenden Pflichttheils, wenn diese in die Einkindschaft nicht gewilligt
haben, bey dem Vorbehalte des §. 729. sein Bewenden.
§. 743. Wenn Eins von den in die Einkindschaft gebrachten
Kindern ohne eheliche Abkömmlinge verstirbt: so wird selbiges von den
leiblichen und Stiefältern mit gleichem Rechte beerbt.
§. 744. Auch wenn nur der Stiefvater, oder die Stiefmutter
noch am Leben ist, werden die Blutsverwandten des Kindes von diesen
ausgeschlossen.
§. 745. Doch erstreckt sich dieses Erbrecht der Stiefältern
nur auf das in die Einkindschaft gekommene Vermögen.
§. 746. In dasjenige, was nach §. 736. davon ausgenommen
ist, findet die gemeine gesetzliche Erbfolge statt.
§. 747. Die durch den Vertrag begründete Erbfolge kann der
eine Theil, zum Schaden des Andern, durch letztwillige Verfügungen nicht
aufheben.
§. 748. Aeltern können also nur über dasjenige Vermögen, was
bey der Einkindschaft etwa ausdrücklich vorbehalten worden, und Kinder nur über
das, was nach §. 736. in die Einkindschaft nicht gekommen ist, letztwillig
verordnen.
§. 749. Doch können zusammengebrachte Aeltern und Kinder aus
eben den Ursachen, wie leibliche Aeltern und Kinder, einander enterben. (§.
399. sqq. §. 506. sqq.)
§. 750. Wird die Ehe, zu deren Behufe die Einkindschaft
geschlossen worden, durch richterlichen Spruch wieder getrennt: so hört die
Einkindschaft mit allen ihren rechtlichen Folgen von selbst auf.
§. 751. Außerdem kann dieselbe nur mit freyer gerichtlich
erklärten Einstimmung sämmtlicher Interessenten wieder aufgehoben werden.
§. 752. Durch die Einkindschaft entsteht weder
Verwandschaft, noch Erbrecht, unter den zusammengebrachten Kindern, noch mit
oder unter ihren wechselseitigen Familien.
Zwölfter Abschnitt
§. 753. Wer ein von seinen Aeltern verlassenes Kind in seine
Pflege nimmt, erlangt über dasselbe alle persönlichen Rechte leiblicher
Aeltern.
§. 754. Er ist schuldig, das Kind in einer von den im Staate
aufgenommenen Religionen zu erziehen, und dasselbe zu irgend einem nützlichen
Gewerbe anzuführen.
§. 755. Sind die Aeltern des Kindes mit dem Pflegevater von
gleichem oder höherem Stande: so ist letzterer schuldig, das Kind, wie seine
eignen, zu verpflegen und zu erziehen.
§. 756. Sind die Aeltern von geringerem Stande, oder ist der
Stand derselben ganz unbekannt: so hängt es lediglich von dem Pflegevater ab,
welche Art des Unterhalts und der Erziehung er dem Kinde will angedeihen
lassen.
§. 757. Auch bey der Wahl der künftigen Lebensart des Kindes
hat der Pflegevater alle Rechte des leiblichen Vaters.
§. 758. Bey der Verheirathung des Pflegekindes ist seine,
und nicht der leiblichen Aeltern Einwilligung erforderlich.
§. 759. Hingegen erlangt der Pflegevater auf das etwanige
Vermögen des Kindes gar kein Recht.
§. 760. Vielmehr wird es mit diesem Vermögen eben so
gehalten, wie wegen des Vermögens angenommener Kinder verordnet ist. (§. 694.
sqq.)
§. 761. Auch entstehen zwischen Pflegeältern und Kindern
keine gesetzlichen Erbrechte.
§. 762. Doch treten die Pflegeältern, bey der gesetzlichen
Erbfolge, in die Stelle solcher Verwandten des Kindes, die sich desselben, da
es verlassen war, anzunehmen wissentlich und vorsetzlich geweigert haben.
§. 763. Auch können die Pflegeältern die außer dem
Unterhalte und der gewöhnlichen Bekleidung dem Pflegekinde gemachten Geschenke
aus dem Nachlasse desselben, so weit sie darin noch vorhanden sind,
zurücknehmen.
§. 764. Von Pflegekindern gemeiner oder unbekannter Herkunft
können die Pflegeältern Dienstleistungen zur Entschädigung fordern.
§. 765. Das Kind muß alsdann, nach zurückgelegtem
Vierzehnten Jahre, so viel Jahre ohne Lohn dienen, als es vorher verpflegt
worden.
§. 766. Während der Dienstzeit muß dem Kinde, außer der
nothwendigen Kleidung, ein solcher Lebensunterhalt gereicht werden, wie ihn
andere gleiche Dienste leistende Personen erhalten.
§. 767. Die Dienste der Pflegekinder dürfen an Fremde nicht
überlassen werden.
§. 768. Sie hören auf, wenn die Pflegeältern mit Tode
abgehen.
§. 769. Zu einer Heirath des Pflegekindes können die Pflegeältern
bloß um deswillen, weil die Dienstzeit desselben noch nicht geendigt ist, ihre
Einwilligung nicht versagen.
§. 770. Mißbrauchen die Pflegeältern ihre Rechte dergestalt,
daß Leben, Gesundheit, Ehre, Sitten, oder Gewissensfreyheit des Kindes darüber
in Gefahr kommen: so ist das Kind von fernerer Dienstleistung freyzusprechen.
§. 771. Alle persönliche Rechte
der Pflegeältern über das Kind gehen verloren, wenn sie vor vollendeter
Erziehung desselben ihren Beystand wieder zurücknehmen.
§. 772. Wenn jemand ein fremdes Kind, außer dem Falle der
Hülflosigkeit, zur Verpflegung und Erziehung übernimmt: so müssen seine
Verhältnisse gegen dasselbe hauptsächlich nach dem Inhalte des darüber
geschlossenen Vertrages beurtheilt werden.
§. 773. In so fern seine Rechte und Pflichten solchergestalt
nicht bestimmt sind, erstrecken sie sich nicht weiter, als es der Zweck der
übernommenen Erziehung unmittelbar erfordert.
Dritter Titel
Von den Rechten und Pflichten der übrigen Mitglieder einer
Familie
Wie Familienverbindungen entstehn.
§. 1. Personen, die durch Blutsfreundschaft mit einander
verwandt sind, werden zu Einer Familie gerechnet. (Th. I. Tit. I. §. 42-45.)
§. 2. Die Ehefrau nimmt nur für ihre Person an den Rechten
der Familie des Mannes durch die Heirath so weit Antheil, als ihr diese Rechte
durch den Mann übertragen werden können. (Tit. I. §. 192.)
§. 3. In wie fern durch Zeugung und Geburt aus einer Ehe zur
linken Hand, aus unehelichem Beyschlafe, durch Landesherrliche oder
obrigkeitliche Legitimation, durch Annahme an Kindesstatt, oder durch
Einkindschaft, Familienverbindungen entstehen, oder nicht, ist im vorigen Titel
verordnet.
§. 4. Kinder, die von einerley Vater und Mutter in
rechtmäßiger Ehe erzeugt, oder durch eine solche Ehe legitimiret werden, haben
unter einander die Rechte vollbürtiger Geschwister.
§. 5. Haben sie nur einen gemeinschaftlichen Vater, oder nur
eine gemeinschaftliche Mutter: so sind sie nur als Halbgeschwister mit einander
verbunden.
§. 6. Uneheliche Kinder eben derselben Mutter werden, wenn
sie auch einen gemeinschaftlichen Vater haben, dennoch, so lange die Aeltern
einander nicht heirathen, nur als Halbgeschwister von der Mutter-Seite
angesehn.
§. 7. Zwischen unehelichen Kindern, die eben derselbe Vater
mit verschiedenen Müttern erzeugt hat, besteht gar kein bürgerliches
Familien-Verhältniß.
§. 8. Uneheliche Kinder befinden sich mit denjenigen, welche
die Mutter in der mit einem andern Vater geschlossenen Ehe erzeugt, ebenfalls
in keiner dergleichen Verbindung.
Allgemeine Familienrechte und Pflichten
1) Sorge für die Mitglieder der
Familie.
§. 9. Alle Mitglieder einer Familie haben, als solche,
vermöge der Gesetze, gewisse allgemeine Rechte und Pflichten.
§. 10. Darunter wird vornehmlich die Sorge für die zur
Familie gehörenden Kinder und andre Personen, die sich selbst vorzustehen nicht
fähig sind, gerechnet.
welche sich selbst nicht vorstehen können.
§. 11. Wenn Aeltern die gegen ihre Kinder ihnen obliegenden
Pflichten der Erziehung und Pflege gröblich hinten ansetzen: so sind die
Familien-Mitglieder, ohne Rücksicht des Grades der Verwandtschaft, befugt und
schuldig, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu machen, und
Untersuchung zu fordern.
§. 12. Von der Pflicht der Verwandten, für die Bevormundung
solcher Familien-Mitglieder, welche deren bedürfen, zu sorgen, und dergleichen
Vormundschaften selbst zu übernehmen, wird in dem Titel von Vormundschaften
gehandelt. (Tit. XVIII. Abschn. II.III.)
2) Familientrauer.
§. 13. Ob und wie lange Mitglieder einer Familie einander
betrauern dürfen, bestimmen die Polizeyordnungen.
3) Pflicht
zur gegenseitigen Unterstützung.
§. 14. Verwandte in auf- und absteigender Linie sind
einander, nach den wegen der Aeltern und Kinder im vorigen Titel enthaltenen
nähern Bestimmungen, zu ernähren verbunden. (Tit. II. §. 251-254.)
§. 15. Auch Geschwister ersten Grades müssen ihren
Geschwistern, die sich selbst zu ernähren ganz unfähig sind, den nothdürftigen
Unterhalt reichen.
§. 16. Es macht dabey keinen Unterschied: ob sie mit solchen
Geschwistern durch volle oder halbe Geburt, aus einer Ehe zur rechten oder zur
linken Hand verwandt sind.
§. 17. Doch richtet sich überhaupt die Verbindlichkeit der
Verwandten, hülflose Familien-Mitglieder zu ernähren, nach den Regeln der
gesetzlichen Erbfolge.
§. 18. Derjenige also, welcher der nächste Erbe des zu
ernährenden Verwandten seyn würde, hat auch die nächste Verbindlichkeit, für
seinen Unterhalt zu sorgen.
§. 19. Wenn jedoch der zunächst Verpflichtete selbst
unvermögend ist: so muß der auf ihn Folgende an seine Stelle treten.
§. 20. Mehrere gleich nahe Verwandten müssen den Unterhalt
des dürftigen Familien-Mitgliedes gemeinschaftlich, jedoch nach Verhältniß
ihres Vermögens, bestreiten.
§. 21. Nur Geschwister sind berechtigt, das, was der
Unterhalt ihrer unvermögenden Geschwister sie gekostet hat, von diesen
zurückzufordern; wenn die Umstände der letztern sich in der Folge dergestalt
verbessern, daß sie diesen Ersatz ohne Abbruch ihrer eignen und der Ihrigen
Nothdurft leisten können.
§. 22. Andere Seitenverwandte, außer den Geschwistern ersten
Grades, können zur Ernährung unvermögender Familien-Mitglieder nicht gezwungen
werden.
§. 23. Doch verlieren diejenigen, die ihre unvermögenden
Verwandten gegen ihre natürliche Pflicht hülflos lassen, ihr gesetzliches
Erbrecht.
§. 24. Dieser Verlust des Erbrechts kann aber nur alsdann
statt finden, wenn der Verwandte, welchen derselbe treffen soll, zur Ernährung
seines unvermögenden Verwandten ausdrücklich aufgefordert worden ist, und sich
dessen geweigert hat.
§. 25. Alsdenn tritt derjenige an seine Stelle, welcher sich
eines solchen hülflosen Menschen angenommen hat.
§. 26. Haben Mehrere zu der Vorsorge für den Unterhalt und
die Verpflegung desselben sich mit einander vereinigt: so beerben sie ihn nach
Verhältniß ihrer Beyträge.
§. 27. Bloße Almosen und Geschenke, wenn sie auch in
gewissen bestimmten Summen und Terminen gegeben worden, begründen niemals ein
Erbrecht.
§. 28. Von dem Erbrechte öffentlicher Anstalten in den
Nachlaß der darin aufgenommenen Personen, wird im Titel von
Armenanstalten gehandelt. (Tit. XIX.)
§. 29. Verwandte, die nur durch eignes Unvermögen ihre
hülflosen Verwandte zu ernähren verhindert worden, können niemals mit dem
Verluste ihres Erbrechts bestraft werden.
§. 30. Sie müssen aber demjenigen, der den Erblasser ernährt
hat, die darauf verwendeten Kosten, als eine Schuld, aus dem Nachlasse
ersetzen.
Erbfolge der Geschwister:
§. 31. Unter den Seitenverwandten werden zuerst die
Geschwister zur gesetzlichen Erbfolge berufen.
§. 32. Sie können aber davon durch Verträge und letzte
Willensverordnungen völlig ausgeschlossen werden.
§. 33. Geschwister haben von einander keinen Pflichttheil zu
fordern.
§. 34. In wie fern sie die Verwandten in aufsteigender Linie
ausschließen, oder mit ihnen zugleich erben, ist im vorigen Titel bestimmt.
der vollbürtigen,
§. 35. Vollbürtige Geschwister und deren Abkömmlinge
schließen die halbbürtigen aus.
§. 36. Mehrere vollbürtige Geschwister theilen unter sich
die Erbschaft nach der Personenzahl.
§. 37. Sind von denselben einige oder alle, mit
Hinterlassung von Abkömmlingen, vor dem Erblasser gestorben: so wird die
Erbschaft nach den Linien getheilt.
§. 38. In die Portion jeder Linie theilen sich die unter
denselben stehenden Unterlinien, nach eben den Regeln, die bey der Erbfolge der
Descendenten im Zweyten Titel §. 351-358. vorgeschrieben worden.
§. 39. So oft daher in Einer Linie eine dem Erblasser dem
Grade nach nähere Person dessen Erbe nicht seyn kann oder will, fällt ihr
Erbrecht auf die von ihr abstammenden weitern Descendenten.
§. 40. Wenn gleich Abkömmlinge von Geschwistern ihrer eignen
Aeltern Erben nicht geworden sind: so hat doch dieses auf ihr Erbrecht in dem
Nachlasse der Geschwister ihrer Aeltern keinen Einfluß.
der Halbgeschwister,
§. 41. Sind weder vollbürtige Geschwister, noch Abkömmlinge
von selbigen vorhanden: so gelangen die Halbgeschwister und deren Descendenten
zur Erbfolge.
§. 42. Bey diesen, wenn ihrer mehrere sind, findet eben die
Successionsordnung nach Linien statt, wie unter den vollbürtigen Geschwistern
und deren Abkömmlingen.
§. 43. Zwischen Halbgeschwistern von väterlicher und
mütterlicher Seite ist der Regel nach kein Unterschied.
§. 44. Auch kommt es darauf nicht an: ob das Vermögen des
Erblassers demselben von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite
zugefallen sey.
§. 45. In wie fern bey Lehnen, Fideicommissen, und
Stammgütern, Halbgeschwister von Vatersseite mit den Vollbürtigen zugleich zur
Succession gelangen, und die Halbgeschwister von Seiten der Mutter
ausschließen, ist gehörigen Orts festgesetzt.
der übrigen Seitenverwandten.
§. 46. Sind weder Verwandten in auf- oder absteigender
Linie, noch Geschwister oder deren Abkömmlinge vorhanden: so gelangen die
übrigen Seitenverwandten zur Erbfolge.
§. 47. In wie fern diese mit dem überlebenden Ehegatten
zugleich an der Erbschaft Theil nehmen, oder von demselben ausgeschlossen
werden, ist im Ersten Titel §. 622. sqq. bestimmt.
§. 48. Seitenverwandte erben nach der Nähe des Grades ihrer
Verwandtschaft mit dem Erblasser.
§. 49. Der nähere Grad schließt die Entfernteren aus.
§. 50. Aeltern, die vor dem Erblasser verstorben sind,
verfallen dabey niemals ihr Erbrecht auf ihre Kinder.
§. 51. Mehrere Personen gleichen Grades erben zu gleichen
Theilen.
§. 52. Es macht keinen Unterschied: ob die Seitenverwandten
von des Vaters oder von der Mutterseite, durch volle oder nur durch halbe
Geburt, mit dem Erblasser verbunden sind.
§. 53. Wegen der Folge der Seitenverwandten in Lehne,
Fideicommisse, oder Stammgüter, hat es bey den vorgeschriebenen besondern
Successionsordnungen sein Bewenden.
Vierter Titel Von gemeinschaftlichen Familienrechten
Erster Abschnitt
Von gemeinschaftlichen Familienrechten überhaupt
Theilnehmung an Familienrechten.
§. 1. An gemeinschaftlichen Familienrechten nehmen
sämmtliche Mitglieder der Familie, ohne Unterschied der Art oder des Grades der
Verwandschaft, Antheil.
§. 2. Wenn von Familienrechten überhaupt die Rede ist: so
kommen dieselben auch Personen weiblichen Geschlechts, und denenjenigen zu,
welche durch Abstammung von solchen Personen mit der Familie verbunden sind.
§. 3. Nur in Fällen, wo Stiftungsbriefe, Familienverträge,
oder besondere Gesetze dieses bestimmen, werden Weibspersonen, und die durch
sie mit der Familie verwandt sind, von solchen Gerechtsamen ausgeschlossen.
Ausübung derselben.
§. 4. Ist ein gemeinschaftliches Familienrecht so
beschaffen, daß es nicht von allen zugleich, sondern nur von Einem ausgeübt
werden kann: so kommt, wenn nicht Stiftungsbriefe oder Familienverträge ein
Anderes mit sich bringen, die Ausübung eines solchen Rechts demjenigen zu,
welcher dem ersten Erwerber, dem Grade nach, am nächsten verwandt ist.
§. 5. Ist kein erster Erwerber bekannt; oder sind mehrere
ihm gleich nahe Familienmitglieder vorhanden: so kommt die Ausübung des
Familienrechts demjenigen zu, welcher der Aeltere den Jahren nach ist.
§. 6. Giebt auch das Alter keine entscheidende Bestimmung:
so muß dieselbe dem Loose überlassen werden.
Familienschlüsse.
§. 7. Gemeinschaftliche Familienangelegenheiten müssen durch
Berathschlagungen und Schlüsse der ganzen Familie angeordnet werden.
§. 8. In wie fern dieses durch die Mehrheit der Stimmen, oder
nur durch den einhelligen Schluß sämmtlicher Familienmitglieder geschehen
könne, ist, in so fern Stiftungsbriefe oder Familienverträge nichts Besonderes
festsetzen, nach den allgemeinen Vorschriften vom Rechte der Gesellschaften zu
bestimmen.
Vorsteher der Familie.
§. 9. Zu dergleichen Beratschlagungen muß der Vorsteher der
Familie dieselbe zusammenberufen.
§. 10. Wer als Vorsteher der Familie anzusehen sey, wird
durch die Wahl der übrigen Mitglieder, und wenn keine Wahl geschehen, oder
überhaupt in der Familie nicht gewöhnlich ist, durch das Alter den Jahren nach
bestimmt.
§. 11. Personen weiblichen Geschlechts können nur durch
Stiftungsbriefe, oder durch die Wahl der übrigen Mitglieder, zu Vorstehern der
Familie bestellt werden.
§. 12. Dem Vorsteher der Familie liegt vorzüglich ob, für
die Erhaltung der Familienrechte zu sorgen.
§. 13. Doch muß er in Prozessen Vollmacht von den übrigen
Familienmitgliedern beybringen.
§. 14. In Fällen aber, wo Gefahr aus dem Verzuge für die
Familie entstehen könnte, muß er, vermöge einer zu vermuthenden Vollmacht,
zugelassen werden. (Th. I. Tit. XIII. §. 119. sqq.)
§. 15. Die von ihm auf den Grund einer solchen wirklich
ertheilten, oder zu vermuthenden Vollmacht aufgewendeten Kosten, muß ihm die
Familie erstatten.
§. 16. Die Vertheilung dieser Kosten geschieht in der Regel
nach der Zahl der zu der Familie gehörenden Personen.
§. 17. Doch werden Kinder, deren Aeltern noch am Leben sind,
nur in so fern gerechnet, als sie eigentümliches freyes Vermögen besitzen, oder
bereits eine abgesonderte Wirthschaft angestellt haben.
§. 18. Unvermögende Familienmitglieder müssen von den
vermögenden übertragen werden.
§. 19. Die Verwahrung der die gemeinschaftlichen
Familienrechte betreffenden Urkunden gebühret dem Vorsteher der Familie.
§. 20. Ist aber ein gemeinschaftliches Stammhaus vorhanden:
so müssen die Familienurkunden der Regel nach in diesem aufbewahrt werden.
Zweyter Abschnitt
Von Familienstiftungen
Was Familienstiftungen, und
§. 21. Unter Familienstiftungen werden hier Anordnungen
verstanden, wodurch jemand gewisse Hebungen von bestimmten Grundstücken oder
Capitalien für eine Familie aussetzt und anweiset.
§. 22. Auch ist es für eine Familienstiftung zu achten, wenn
jemand die Ausübung gewisser Vorrechte und Befugnisse einer Familie verschafft
und zueignet.
Fideicommisse sind
§. 23. Wenn aber jemand verordnet, daß ein gewisses
Grundstück oder Capital, entweder für beständig, oder doch durch mehrere
Geschlechtsfolgen, bey einer Familie verbleiben solle: so wird solches ein
Familien-Fideicommiß genannt.
§. 24. Wenn jemand verordnet, daß die Zinsen eines gewissen
Capitals einer Familie zu gute kommen sollen: so ist dergleichen Verordnung, im
zweifelhaften Falle, eher für eine bloße Familienstiftung, als für ein
Fideicommiß zu achten.
§. 25. Ist ein bestimmter Zinsfuß eines gewissen Capitals
als der Maaßstab der der Familie zugedachten jährlichen Hebung vorgeschrieben:
so müssen, bey erfolgender Verminderung des Zinsfußes, auch die Theilnehmer
eine Verminderung ihrer jährlichen Hebungen sich gefallen lassen.
§. 26. Ist jedoch das Capital selbst bey dem Schuldner
desselben auf eine ihn rechtlich verpflichtende Art unablöslich bestätigt
worden: so kann derselbe auf eine Herabsetzung der Zinsen niemals antragen.
Von Errichtung der Familienstiftungen.
§. 27. Familienstiftungen zu machen, ist jeder Einwohner des
Staats in so weit berechtigt, als er überhaupt über sein Vermögen schalten
kann.
§. 28. Dergleichen Familienstiftungen können durch Verträge,
durch einseitige Verfügungen unter Lebendigen, und durch letzte
Willensverordnungen errichtet werden.
§. 29. Diese Stiftungsurkunden sollen künftig allemal vor
dem ordentlichen persönlichen Richter des Stifters verlautbart, und demselben
zur Bestätigung vorgelegt werden.
§. 30. Diese Verlautbarung muß, wenn sie der Stifter nicht
selbst schon bey seiner Lebenszeit bewirkt, durch den Vorsteher der zum Genusse
der Stiftung berufenen Familie besorgt werden.
§. 31. Der Richter ist schuldig, nach näherer Anweisung der
Gesetze, welche die gerichtliche Verfahrungsart in nicht streitigen
Rechtsangelegenheiten vorschreiben, darauf zu sehen, daß dergleichen Urkunden
deutlich und bestimmt gefaßt, auch künftigen Zweifeln und Prozessen möglichst
vorgebeugt werde.
§. 32. So lange die Stiftungsurkunde nicht gerichtlich
verlautbart worden, soll keine Klage daraus angenommen werden.
§. 33. Wird aber die Gültigkeit der Urkunde selbst, vor oder
nach der Verlautbarung angefochten: so muß darüber rechtliches Gehör verstattet
werden.
Rechte und Pflichten der Familienmitglieder dabey.
§. 34. Die wegen einer solchen Stiftung den
Familienmitgliedern zukommenden Rechte und Pflichten, sind lediglich nach dem
Inhalte der Stiftungsurkunde zu bestimmen.
§. 35. Bey entstehendem Streite: in welcher Ordnung die
Familienmitglieder zum Genusse der Stiftung gelangen sollen, gilt die
Vermuthung, daß der Stifter auf die Regeln der gesetzlichen Erbfolge, in
Beziehung auf den gemeinschaftlichen Stammvater der berufenen Familie,
Rücksicht genommen habe.
§. 36. Hat der Stifter eine gewisse namentlich bezeichnete
Familie zum Genusse der Stiftung berufen: so sind diejenigen, welche den
Familiennamen nicht führen, wenn sie gleich sonst zur Verwandtschaft gehören,
dennoch für ausgeschlossen zu achten.
§. 37. Hat aber der Stifter in allgemeinen Ausdrücken, zum Besten
seiner Verwandten, Nachkommen u. s. w. verordnet: so nehmen auch Verwandte
weiblichen Geschlechts, und die durch selbige zu der Familie gehören, an der
Stiftung Theil.
§. 38. Die Sorge für die Beobachtung der Stiftungsurkunde,
und für die Aufrechthaltung der daraus der Familie zukommenden Rechte, liegt,
wenn der Stifter nichts Besonderes darüber festgesetzt hat, dem Vorsteher der
Familie hauptsächlich ob.
Wie weit Familienschlüsse über solche Stiftungen gelten.
§. 39. Der wesentliche Inhalt der Stiftungsurkunde kann
durch einen auch einstimmigen Schluß der Familie nicht aufgehoben, noch
abgeändert werden.
§. 40. Dagegen ist die Erklärung einer undeutlichen, oder
die Ergänzung einer mangelhaften Vorschrift dieser Urkunde, durch einen solchen
einstimmigen Familienschluß zuläßig.
§. 41. Durch eben dergleichen Schluß können auch in der Art
der Sicherstellung oder Verwendung der Stiftungseinkünfte, die den veränderten
Zeitumständen angemessenen Veränderungen getroffen werden.
§. 42. Zur Abfassung eines solchen Familienschlusses müssen
alle Mitglieder zugezogen, und denjenigen, welche wegen minderjährigen Alters,
oder sonst, ihren Sachen nicht selbst vorstehen können, Vormünder bestellt
werden.
§. 43. Letzteres muß geschehen, auch wenn die Väter solcher
minderjährigen Familienmitglieder noch am Leben sind.
§. 44. Wenn neue Familienmitglieder innerhalb des
Dreyhundert zweyten Tages nach der von ihren Aeltern geschehenen Vollziehung
des Familienschlusses geboren werden: so sind in Ansehung ihrer die
Vorschriften §. 42. 43. zu beobachten.
§. 45. Später geborne Familienmitglieder müssen den Schluß
der Familie schlechterdings anerkennen.
§. 46. Dergleichen Familienschlüsse sollen gerichtlich
geprüft und bestätigt werden. (§. 29-33.)
Dritter Abschnitt
Von beständigen Familien - Fideicommissen
§. 47. Jedem Einwohner des Staats ist erlaubt, in seinem
Vermögen nach eignem Gutfinden Fideicommiß-Substitutionen, nach näherer
Bestimmung des Titels von letztwilligen Verordnungen, auch zum Besten einer
gewissen Familie zu errichten. (Th. I. Tit. XII. §. 53. sqq.)
Was zu beständigen Familien-Fideicommissen gewidmet werden
könne.
§. 48. Zu beständigen Familien-Fideicommissen aber können
nur Capitalien und Grundstücke, mit welchen Ackerbau und Viehzucht verbunden
ist, gewidmet werden.
§. 49. Nur freye und keiner grundherrschaftlichen
Botmäßigkeit unterworfene Grundstücke können mit einem solchen beständigen
Familien-Fideicommiß belegt werden.
§. 50. Lehne können zwar in Fideicommisse nicht verwandelt;
wohl aber darin eine Successionsordnung, wie bey Fideicommissen, mit
Beystimmung sämmtlicher Interessenten, eingeführt werden.
§. 51. Ein Landgut, welches zum beständigen
Familien-Fideicommiß gewidmet werden soll, muß wenigstens einen reinen Ertrag
von Zweytausend Fünf hundert Thalern, nach einem landüblichen
Wirthschaftsanschlage gewähren.
§. 52. Dieser Ertrag darf weder mit Zinsen von Schuldposten,
die auf dem Gute haften, noch mit Abgaben an Familienmitglieder oder Fremde
belastet seyn.
§. 53. Nur mit Prästationen zum Besten der Kinder des
jedesmaligen Fideicommiß-Besitzers; zur Aufsammlung eines Capitals für künftige
Unglücksfälle; oder zur Erweiterung und Verbesserung des Fideicommisses, kann
der Ertrag desselben, bis zur Hälfte der gesetzmäßigen Summe, in dem
Stiftungsbriefe belegt werden.
§. 54. Es muß also, bey jedem künftig zu errichtenden
Fideicommiß, dem zeitigen Besitzer wenigstens ein reiner Ertrag von
Zwölfhundert und Fünfzig Thalern zur freyen Verwendung übrig bleiben.
§. 55. Grundstücke, die schon an und für sich den reinen
Ertrag von Zweytausend Fünfhundert Thalern nicht gewähren, können nur in so
fern zu einem beständigen Fideicommiß gewidmet werden, als damit ein Capital,
dessen Nutzung das Fehlende ergänzt, untrennbar verbunden wird.
§. 56. Für eben dieselbe Familie soll in Zukunft kein
Fideicommiß, welches den reinen Ertrag von Zehntausend Thalern übersteigt, ohne
besondere Landesherrliche Genehmigung gestiftet werden.
§. 57. Auch ein nachfolgender Fideicommiß-Besitzer kann das
von seinen Vorfahren auf ihn verfällte Fideicommiß über diesen Ertrag nicht
vergrößern.
§. 58. Sobald aber eine Familie in mehrere neben einander
fortlaufende Linien sich theilt, kann für jede dieser Linien ein besonderes
Fideicommiß gestiftet werden.
§. 59. Zu einem bloßen für sich allein bestehenden
Geld-Fideicommiß ist ein Capital von Zehntausend Thalern hinreichend.
§. 60. Aus bloßen Häusern und Gebäuden, ingleichen aus
Mobilien und Kostbarkeiten allein, kann kein beständiges Familien-Fideicommiß
errichtet werden.
§. 61. Wohl aber können dergleichen Gebäude, Mobilien, und
Kostbarkeiten, einem andern für sich bestehenden Fideicommiß zugeschlagen
werden.
Von Errichtung der Familienfideicommisse.
§. 62. Von Errichtung und Verlautbarung der Fideicommiß-Urkunden
gilt eben das, was in Ansehung der Familienstiftungen verordnet ist, (§. 29.
sqq.)
§. 63. Doch muß, wenn das Fideicommiß in einem Grundstücke
besteht, die Verlautbarung vor demjenigen Richter geschehen, unter welchem das
Grundstück belegen ist.
§. 64. Dieser muß von Amtswegen dafür sorgen, daß das
Fideicommiß auf das dazu gewidmete Grundstück im Hypothekenbuche eingetragen
werde.
§. 65. Auch die zur Zeit der
Errichtung des Fideicommisses vorhandnen bekannten Familienmitglieder, welche
dazu mit berufen sind, müssen ihre Namen, und die Art ihrer Verwandtschaft mit
dem Stifter, im Hypothekenbuche vermerken lassen.
§. 66. Ist nach dem Inhalte der Stiftungs-Urkunde zu
vermuthen, daß noch unbekannte Theilnehmer vorhanden seyn möchten: so muß der
Richter dieselben zur Anmeldung ihrer Gerechtsame, zum Behufe der Eintragung,
öffentlich auffordern.
§. 67. Auch in der Folge, wenn neue Familienmitglieder
entstehen, sind dieselben, sobald sie aus väterlicher Gewalt kommen, und eine
abgesonderte Wirthschaft anfangen, sich in der Eigenschaft, als Anwärter zum
Fideicommiß, im Hypothekenbuche vermerken zu lassen schuldig.
§. 68. Nur die aus dem Hypothekenbuche bekannten
Familienmitglieder ist der Richter bey Verhandlungen über das Fideicommiß
zuzuziehen verbunden.
§. 69. Diejenigen, welche sich zur Eintragung nicht gemeldet
haben, müssen sich alles, was mit den eingetragenen gerichtlich verhandelt, und
von diesen beschlossen worden, ohne alle Widerrede gefallen lassen.
§. 70. In allen Fällen, wo ein nicht eingetragenes Mitglied
seinen Anspruch auf das Fideicommiß durch eine besondere Legitimation
nachweisen muß, ist dasselbe schuldig, auch wenn es in der Hauptsache ein
obsiegliches Urtel erhält, alle durch diese Legitimationsführung verursachten
Kosten allein zu tragen.
§. 71. Uebrigens soll künftig, bey Errichtung eines jeden
Fideicommisses, von den dazu gehörenden Pertinenz- und Inventarienstücken ein
vollständiges beglaubtes Verzeichniß aufgenommen, und ein Exemplar davon bey den
Akten des Hypothekenbuchs verwahrt werden.
Rechte und Pflichten des Fideicommiß-Besitzers.
§. 72. Dem jedesmaligen Fideicommiß-Besitzer gebührt das
nutzbare Eigenthum des Fideicommisses.
§. 73. Das Obereigenthum befindet sich bey der ganzen
Familie.
§. 74. Die Rechte und Pflichten des Fideicommiß-Besitzers
sind hauptsächlich nach dem Inhalte des Stiftungsbriefes, übrigens aber nach
den Vorschriften der Gesetze vom nutzbaren Eigenthume zu beurtheilen.
§. 75. Wenn der Sinn des Stiftungsbriefes nicht wahr ist: so
muß derselbe jedesmal so gedeutet werden, wie es dem Zwecke der Erhaltung des
Fideicommisses bey der Familie am gemäßesten ist.
§. 76. In allen Fällen, wenn bey getheiltem Eigenthume die
Einwilligung des Obereigenthümers zu einer Verfügung erforderlich ist, muß
dieselbe bey Fideicommissen durch einen Familienschluß getroffen werden.
§. 77. Wegen Aufnehmung eines solchen Familienschlusses gilt
bey Fideicommissen alles das, was bey Familienstiftungen vorgeschrieben ist.
(§. 41. sqq.)
§. 78. Wenn also mit der Substanz der zum Fideicommisse
gewidmeten Güter, durch Tausch, oder sonst, Veränderungen vorgenommen werden
sollen: so muß dieses durch einen Familienschluß geschehen.
§. 79. Ist dergleichen Schluß nicht zu Stande Bekommen: so
kann jedes Familienmitglied, welches nicht eingewilligt hat, sobald es zur
Succession gelangt, die Handlung anfechten, und auf Versetzung der Sache in den
vorigen Stand antragen.
insonderheit bey Verschuldungen des Fideicommisses.
§. 80. Nur allein bey Aufnehmung notwendiger Darlehne auf
die Einkünfte des Fideicommisses, ist nicht die Zuziehung aller, sondern bloß
gewisser Familienmitglieder erforderlich.
§. 81. Für notwendige Schulden sind diejenigen Summen zu
achten, welche zur Wiederherstellung der durch Unglücksfälle, ingleichen durch
Alter, ohne eignes Verschulden des Besitzers ruinirten, oder in Verfall
gerathenen Gebäude aufgenommen werden müssen.
§. 82. Doch soll künftig jeder Fideicommißbesitzer schuldig
seyn, die zum Fideicommisse gehörigen Gebäude in die Feuer-Versicherungs-Gesellschaft
aufnehmen, zu lassen.
§. 83. Ist dieses durch seine Schuld unterblieben: so kann
er wegen Feuerschäden, deren Vergütung durch Beiträge der Gesellschaft erfolgt
seyn würde, die Einkünfte des Fideicommisses, zum Nachttheile künftiger Besitzer,
mit Schulden nicht beschweren.
§. 84. Dagegen ist ein Fideicommiß-Folger, welcher die
Gebäude von seinen Vorfahren in so schlechten Umständen überkommen hat, daß sie
eines neuen Baues, oder einer Hauptreparatur bedürfen, die dazu erforderliche
Summe auf die Nutzungen des Fideicommisses aufzunehmen berechtigt, wenn das
freye Vermögen des Vorfahren zum Ersatze derselben nicht hinreicht.
§. 85. Wenn an dem Fideicommiß-Inventario überhaupt, oder
auch an einzelnen Rubriken desselben, durch Brand, Krieg, Wasserfluthen, oder
andre Unglücksfälle, ein solcher Schaden entstanden ist, daß derselbe, zu Gelde
gerechnet, den vierten Theil der Fideicommiß-Einkünfte nach einem ungefähren
Anschlag, übersteigt: so ist der Besitzer ebenfalls berechtigt, die zur Wiederherstellung
des Inventarii nöthige Summe auf die Nutzungen des Fideicommisses aufzunehmen.
§. 86. Wenn das Gut durch Krieg, oder sonst durch höhere
Gewalt dergestalt verheert worden, daß der Besitzer in einem oder dem andern
Jahre nicht so viel Nutzungen, als zur Abführung der stiftungsmäßigen
Prästationen erforderlich sind, daraus hat ziehen können: so ist er berechtigt,
so viel, als zu dieser Abgeltung ermangelt, auf die künftigen Revenüen
aufzunehmen und zu versichern.
§. 87. In allen Fällen, wo das Fideicommiß mit einer neuen
Schuld beschwert werden soll, müssen bey Regulirung der Sache Zwey der
Fideicommiß-Anwärter zugezogen werden.
§. 88. Besteht die zum Fideicommiß berufene Familie aus
mehrern Linien: so wird die Zuziehung des nächsten Anwärters aus der im Besitze
befindlichen, und des Aeltesten aus derjenigen Linie, welche nach ihr die
nächste ist, erfordert.
§. 89. Ist nur eine Linie vorhanden: so müssen aus dieser
die beyden nächsten Anwärter zugezogen werden.
§. 90. Unter die zuzuziehenden Fideicommiß-Anwärter sind die
Kinder des Besitzers nicht mitzurechnen.
§. 91. Stehen die zuzuziehenden Anwärter unter
Vormundschaft: so müssen sie, auch bey diesem Geschäfte, von ihren Vormündern
vertreten werden.
§. 92. Sind keine andre Anwärter, außer den Kindern des
Fideicommiß-Besitzers, vorhanden: so ist deren Zuziehung hinreichend.
§. 93. Ihnen muß, wenn sie ihren Sachen nicht selbst
vorstehen können, ein besonderer Curator zu diesem Geschäfte bestellt werden.
§. 94. Ist überhaupt nur Ein Anwärter vorhanden: so ist
dessen Einwilligung hinreichend.
§. 95. Ist kein Anwärter bekannt: doch aber auch noch nicht
entschieden; ob das Fideicommiß in den Händen des gegenwärtigen Besitzers
erlöschen werde: so muß dieser, wenn er ein Darlehn aufnehmen will, bey dem
Richter der Sache auf Bestellung eines Curators für das Fideicommiß, und auf
dessen Zuziehung antragen.
§. 96. Bey Aufnehmung eines solchen Darlehns sind allemal
gewisse Termine zu dessen Rückzahlung, durch Uebereinkommen mit den zugezogenen
Anwärtern, oder in dessen Ermangelung nach richterlichem Ermessen, zu
bestimmen.
§. 97. Der Fideicommiß-Besitzer ist nicht schuldig, höhere
Rückzahlungstermine auf Ein Jahr zu übernehmen, als der Vierte Theil der
gewöhnlichen Einkünfte, nach einem ungefähren Ueberschlage beträgt.
§. 98. Dieser Ueberschlag ist jedoch nicht nach der
gegenwärtigen etwa verfallenen Beschaffenheit des Gutes, sondern darnach
einzurichten, was das Gut, wenn es sich in gewöhnlich gutem Wirthschaftsstande
befunden, sonst getragen hat.
§. 99. Dem Besitzer muß aber auch, zur Wiederherstellung des
Gutes durch Verwendung der aufzunehmenden Summe, eine verhältnißmäßige Zeit
gelassen werden, ehe er mit den Rückzahlungen anzufangen schuldig ist.
§. 100. Mindere Termine, als das Viertel der gewöhnlichen
Einkünfte beträgt, sind die zugezogenen Anwärter dem Besitzer zu bewilligen nur
in so fern befugt, als das Fideicommiß dadurch dennoch binnen Zehn Jahren von
der Schuld wieder befreyet werden kann.
§. 101. Die Regulirung eines solchen Darlehnsgeschäfts muß
allemal gerichtlich erfolgen.
§. 102. Der Richter, unter welchem das Fideicommiß gelegen
ist, muß dabey von Amtswegen dahin sehen, daß die vorstehenden Erfordernisse
beobachtet werden.
§. 103. Giebt der Gläubiger wegen der bestimmten Rückzahlungstermine
freywillig Nachsicht: so geschieht es auf seine Gefahr. (Th. I. Tit. XVIII. §.
252. 253.)
§. 104. Schulden des Fideicommiß-Stifters, mit welchen er
selbst das Fideicommiß bey dessen Errichtung belastet hat; oder die aus seinem
übrigen Vermögen nicht bezahlt werden können, sind als ursprüngliche, die
Substanz angehende Fideicommiß-Schulden anzusehen.
§. 105. Dergleichen Schulden ist der Fideicommiß-Folger aus
den Einkünften zu bezahlen nicht verbunden.
§. 106. Hat er sie bezahlt: so findet dabey eben das statt,
was wegen der Lehnsschulden verordnet ist. (Th. I. Tit. XVIII. §. 592. sqq.)
§. 107. Ein Gleiches gilt auch alsdann, wenn der
Fideicommiß-Besitzer auf die terminlich zurückzuzahlenden Schulden, Zahlungen,
die erst in die Zeiten seines Nachfolgers treffen würden, zum Voraus geleistet
hat.
§. 108. Wegen solcher Schulden, die nach §. 80. sqq. in
gewissen Terminen aus den Einkünften wieder abgestoßen werden sollen, kann die
Subhastation des Fideicommiß-Gutes selbst niemals erfolgen.
§. 109. Vielmehr kann der
Gläubiger, wegen solcher zurückbleibenden Zahlungen, nur an die Einkünfte durch
den Weg der gerichtlichen Sequestration sich halten.
§. 110. Wegen solcher Schulden aber, die nach §. 104. aus
der Substanz des Fideicommisses selbst bezahlt werden müssen, kann der
Gläubiger, im Verfolge der Execution, auch auf den gerichtlichen Verkauf des
Guts selbst antragen.
§. 111. Was aber von dem Kaufgelde, nach Abzug dieser
Schulden noch übrig bleibt, muß zum Fideicommiß angelegt werden.
§. 112. Der Käufer eines solchen Guts kann also nur in das
gerichtliche Depositum mit Sicherheit zahlen.
§. 113. Wie die anderweitige Anlegung zum Fideicommiß
geschehen solle, muß durch einen Familienschluß angeordnet werden.
§. 114. Ein solcher Familienschluß ist auch alsdann
nothwendig, wenn in außerordentlichen Fällen zur Wiederherstellung eines
ruinirten Fideicommisses ein so starker Vorschuß erforderlich ist, daß derselbe
aus den bloßen Einkünften nicht zurückgezahlt werden kann.
§. 115. Wird durch Versandungen, oder andere dergleichen aus
höherer Macht herrührende Unglücksfälle, das Fideicommiß-Gut dergestalt
verringert, daß die nach §. 53. auf das Gut gelegten stiftungsmäßigen
Prästationen daraus nicht mehr genommen werden können: so müssen diese so weit
zurückstehen, als es nothwendig ist, um dem Fideicommiß-Besitzer den §. 54.
ausgemessenen reinen Ertrag zu gewähren.
§. 116. Doch dauert dieser Nachlaß nur so lange, bis das Gut
so weit, als zur Aufbringung der vorigen Prästationen erforderlich ist, wieder
hat hergestellt werden können.
Bey Prozessen.
§. 117. Bey Prozessen, welche die Substanz des
Fideicommisses betreffen, ist zwar der jedesmalige Besitzer die Rechte
desselben, auf den Grund einer zu vermuthenden Vollmacht, wahrzunehmen befugt
und schuldig;
§. 118. Er muß aber im Fortgange des Prozesses die nächsten
Anwärter, nach obiger Bestimmung (§. 87.) zuziehen, oder Vollmacht von selbigen
beybringen.
§. 119. Was in einem solchergestalt geführten Prozesse entschieden,
oder mit Beytritt der Anwärter durch Vergleich festgesetzt worden, daran ist
die ganze Familie, und jeder künftige Fideicommiß-Besitzer aus selbiger
gebunden.
§. 120. Alle Prozeß- und andere
Gerichtskosten ist der Fideicommiß-Besitzer aus den Einkünften zu tragen
verpflichtet.
§. 121. Ist aber der Besitzer, wider seinen Willen, auf
Verlangen der Anwärter, einen Prozeß fortzusetzen genöthigt worden; und geht
derselbe demnach verloren: so fallen diejenigen Kosten, welche seit dem
Zeitpunkte, wo der Besitzer sich vergleichen, oder dem Prozesse entsagen
wollen, aufgelaufen sind, den Anwärtern, auf deren Andringen die Sache hat
fortgesetzt werden müssen, allein zur Last.
Wegen der Verjährung.
§. 122. Einzelne Rechte des Fideicommisses, oder auf
dasselbe, können durch dreyßigjährige Präscription erlöschen, oder gegen das
Fideicommiß erworben werden.
§. 123. Die Eigenschaft des Fideicommisses selbst aber kann
durch keine Verjährung verloren gehen.
§. 124. Wenn also das Successionsrecht eines zum Fideicommiß
mitberufenen Anwärters durch Verjährung erloschen ist: so steht diese
Verjährung ihm und seinen Abkömmlingen, in Ansehung aller übrigen zum
Fideicommiß berechtigten Personen, nicht aber in Ansehung eines Fremden,
entgegen.
§. 125. Wenn daher alle übrige zum Fideicommiß berufene
Personen abgegangen sind: so kann der durch Verjährung ausgeschlossene auf den
Besitz desselben wiederum Anspruch machen.
Von Geld-Fideicomissen.
§. 126. Bey Geld-Fideicommissen schränkt sich das Recht des
Besitzers der Regel nach bloß auf die Erhebung und den Genuß der Zinsen ein.
§. 127. Er ist nicht berechtigt, das Capital selbst
eigenmächtig einzuziehn, an Andere abzutreten, zu verpfänden, oder sonst zu
belasten.
§. 128. Ereignet sich etwas, wodurch die Sicherheit des
Capitals bedenklich wird: so muß er, mit Zuziehung der nächsten Anwärter, nach
obiger Bestimmung §. 87. sqq. für dessen Einziehung und anderweitige
Unterbringung sorgen.
§. 129. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Schuldner das
Capital aufzukündigen berechtigt ist, und wirklich aufkündigt.
§. 130. In beyden Fällen muß, wenn die Stiftungsurkunde
nicht das Gegentheil verordnet, die anderweitige Belegung unter gerichtlicher
Aufsicht erfolgen.
§. 131. Der Schuldner eines Fideicommiß-Capitals, der diese
Eigenschaft desselben weiß, oder zu wissen schuldig ist, kann dasselbe nur auf
richterlichen Befehl, oder in das gerichtliche Depositum sicher bezahlen.
§. 132. Alle bey solcher Gelegenheit vorfallende Kosten muß
der zeitige Besitzer des Fideicommisses wagen; und die Substanz des letztern
kann dadurch niemals geschmälert werden.
§. 133. Sollen mit dem Fideicommiß-Capitale andere
Veränderungen vorgenommen, oder Grundstücke statt des Capitals dazu gewidmet
werden: so kann solches nur durch einen Familienschluß geschehen.
Vierter Abschnitt
Von der Successionsordnung in Familien-Fideicommisse
Successionsordnung bey schon errichteten Fideicomnissen.
§. 134. In den bisher schon, unter ausdrücklicher oder
stillschweigender Genehmigung des Staats errichteten Familien-Fideicommissen,
hat es bey der von dem Stifter vorgeschriebenen Successionsordnung lediglich
sein Bewenden.
Von Senioraten.
§. 135. Hat der Stifter verordnet, daß jedesmal der Aelteste
aus der Familie zur Succession gelangen solle: so heißt die Stiftung ein
Seniorat.
§. 136. Auf Seniorate haben alle männliche Nachkommen des
Stifters Anspruch.
§. 137. Es succedirt also, bey dem Abgange des jedesmaligen
Besitzers, der Weiteste den Jahren nach, ohne Rücksicht auf die Linie oder den
Grad der Verwandschaft.
§. 138. Machen zwey Familienmitglieder, welche den Jahren
nach die gleich ältesten sind, Anspruch; und der genaue Zeitpunkt ihrer Geburt
kann nicht ausgemittelt werden: so muß das Loos unter ihnen entscheiden.
§. 139. Ist die männliche Nachkommenschaft ganz erloschen;
und der Stifter hat auf diesen Fall nichts Ausdrückliches verordnet: so wird
das Fideicommiß ein freyes Vermögen des letzten Besitzers.
Successionsordnung bey künftig zu errichtenden
Fideicommissen.
§. 140. In Zukunft sollen Landgüter zu Senioraten nicht mehr
gewidmet werden.
§. 141. Auch sollen Verordnungen, vermöge welcher ein
Landgut sich in einer Familie nur nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge
verfallen würde, künftig nur als fideicommissarische Substitutionen gelten.
(Th. I. Tit. XII. §. 53. sqq.)
§. 142. Ein künftiger Fideicommißstifter muß also eine
solche Successionsordnung bestimmen, nach welcher ein dazu gewidmetes einzelnes
Landgut immer nur Einem aus der Familie zu Theil werde.
§. 143. Besteht das Fideicommiß aus mehrern abgesonderten
Landgütern: so kann zwar der Stifter eine Theilung derselben unter mehrern
Linien, sowohl von Anfang an, als bey künftig vorkommenden, Successionsfallen
anordnen;
§. 144. Doch ist dergleichen Anordnung nur in so fern zu
Recht beständig, als jeder solcher Antheil, für sich allein, seinem künftigen
Besitzer wenigstens den §. 51. sqq. bestimmten reinen gesetzmäßigen Ertrag
gewähren kann.
Von Majoraten.
§. 145. Verordnet der Stifter, daß zwar der nächste aus der
Familie, dem Grade nach, zur Succession gelangen, unter mehrern gleich nahen
aber der ältere, den Jahren nach, die Jüngern ausschließen solle: so heißt die
Stiftung ein Majorat.
Von Minoraten.
§. 146. Ist die Succession zwar ebenfalls nach der Nähe des
Grades, jedoch dergestalt angeordnet, daß unter mehrern gleich nahen der
jüngere den ältern ausschließt: so wird ein solches Fideicommiß ein Minorat
genannt.
§. 147. Primogenituren heißen solche Fideicommisse, wo die
Sucession nach Linien mit dem Rechte der Erstgeburt angeordnet ist.
§. 148. Bey der Succession in Majorate und Minorate finden
die bey den Senioraten §. 135-139. vorgeschriebenen Regeln ebenfalls Anwendung.
Von Primogenituren.
§. 149. In Primogenituren gelangt zuvörderst der erstgeborne
Sohn des Stifters, mit Ausschließung aller seiner nachgebornen Brüder, zum
Besitze des Fideicommisses.
§. 150. Bey dessen vor oder nach dem Stifter erfolgenden
Abgange, succedirt hinwiederum sein erstgeborner Sohn.
§. 151. Mit gleicher Ordnung geschieht die Succession in den
übrigen Geschlechtsfolgen; dergestalt, daß immer der erstgeborne Sohn des
Besitzers, und desselben Descendenten, die nachgebornen Brüder und übrigen
Verwandten ausschließen.
§. 152. Geht ein Nebenast in der erstgebornen Hauptlinie
gänzlich aus: so gelangt die Succession an den zweyten Nebenast, so wie sich
derselbe der Erstgeburt am nächsten zieht.
§. 153. Auf den Grad der Verwandschaft mit dem letzten
Besitzer kommt es dabey gar nicht an.
§. 154. Hinterläßt also der letzte Besitzer keine männliche
Descendenz; wohl aber Brüder, Bruders Söhne, oder männliche Nachkommen von
Brüdern in weiteren Graden: so succedirt unter diesen der ältere Bruder, oder
dessen erstgeborner Sohn, oder des erstgebornen Sohnes ältester Sohn, mit
gänzlicher Ausschließung aller nachgebornen, so wie der etwa vorhandenen
Vaters-Brüder.
§. 155. Eben so, wenn der letzte Besitzer weder
Descendenten, noch Brüder, noch männliche Nachkommen von Brüdern verläßt,
gelangt die Succession auf den nächstgebornen Bruder seines Vaters, und dessen
männliche Descendenz, nach gleicher Ordnung der Erstgeburt.
§. 156. Sind auch keine Vaters-Brüder oder männliche
Nachkommen von selbigen mehr vorhanden: so wird der nächstgeborne Bruder von
dem Großvater des letzten Besitzers, nebst dessen männlichen Nachkommen, überall
nach der Ordnung der Erstgeburt, zur Succession berufen.
§. 157. So lange von dem erstgebornen Sohne des Stifters
noch ein männlicher Abkömmling vorhanden ist, bleibt das Fideicommiß immer in
derselben Linie, mit Ausschließung aller übrigen.
§. 158. Nach gänzlicher Erlöschung dieser Linie gelangt die
Linie von dem zweyten Sohne des Stifters zur Succession, und schließt die
jüngeren Linien aus. §. 159. In dieser zweyten Linie gilt, wegen der beständig
zu beobachtenden Ordnung der Succession nach dem Rechte der Erstgeburt, ohne
Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft mit dem letzten Besitzer, eben das,
was wegen der ersten Linie vorgeschrieben ist.
§. 160. Es gelangt also, nach erloschener ersten Linie,
unter den männlichen Descendenten von des Stifters zweytem Sohne, derjenige zur
Succession, welcher von desselben erstgebornem Sohne herstammt, und unter den
übrigen sich am nächsten zur Erstgeburt zieht.
§. 161. Nach eben diesen Grundsätzen wird die
Successionsordnung auch in der dritten, vierten, und den folgenden Linien,
welche von dem Stifter absteigen, bestimmt.
§. 162. Uebrigens wird, bey dieser ganzen Succession, auf
Halbbrüder von der Mutter-Seite, und deren Abkömmlinge, keine Rücksicht
genommen.
§. 163. Dagegen ist zwischen vollbürtigen und Halbbrüdern
von des Vaters Seite, nebst ihren männlichen Descendenten, kein Unterschied.
§. 164. Es hängt zwar von dem Stifter ab, zu verordnen, daß
nicht die erstgebornen, sondern eine der nachgebornen von ihm abstammenden
Linien, zuerst zur Succession in das Fideicommiß gelangen solle.
§. 165. Ist aber diese zuerst berufene Linie erloschen, und
der Stifter hat auf solchen Fall wegen der Succession der übrigen Linien nicht
ausdrücklich verfügt: so richtet sich die Successions-Ordnung dennoch nach der
Erstgeburt; dergestalt, daß die jüngeren Linien immer von den ältern
ausgeschlossen werden,
Wenn in einer Familie mehrere Fideicommisse von einem
Stifter, oder
§. 166. Hat aber der Stifter Zwey oder mehrere
Fideicommisse, eines für die erstgeborne, und die andern zum Besten der
nachgebornen Linien errichtet: so gelangen die Descendenten des Stifters aus
der ersten Linien in dem Zweyten Fideicommisse niemals zur Succession, so lange
noch ein anderer von den Stiftern entsprossener Mannsstamm vorhanden ist.
§. 167. Geht die Zweyte männliche Linie aus; oder gelangt
dieselbe, durch Erlöschung der ältern, zur Succession in dem Ersten
Fideicommisse: so verfällt das Zweyte an die von dem Dritten Sohne des Stifters
abstammende Linie.
§. 168. Nach gleichen Grundsätzen geht die Succession auf
die Vierte und folgenden von dem Stifter entsprossenen Linien, in so fern
dergleichen noch vorhanden sind.
§. 169. Sind zuletzt alle von dem Stifter herstammende
männliche Linien bis auf Eine erloschen: so kommen zwar in dieser beyde
Fideicommisse zusammen;
§. 170. Sind aber in dieser Linie noch Zwey oder mehrere
Nebenäste vorhanden: so fällt das Zweyte Fideicommiß an denjenigen Ast, welcher
nicht im Besitze des Ersten, jedoch zur Succession in selbiges, nach den
Grundsätzen der Primogenitur, am nächsten ist.
§. 171. Dasjenige Mitglied dieses Nebenastes gelangt zur
Succession, welches sich unter den übrigen der Erstgeburt, im Verhältniß gegen
den Stifter, am nächsten zieht.
§. 172. Sind in der noch übrigen Linie keine weitern
Abkömmlinge des Stifters mehr vorhanden, als der Besitzer des Ersten
Fideicommisses, und dessen Descendenz: so erhält dieser beyde Fideicommisse.
§. 173. Sie bleiben alsdann so lange bey einander, bis
wiederum Zwey oder mehrere Linien entstehn.
§. 174. Geschieht dieses: so
bleibt das Erste Fideicommiß bey der erstgebornen Linie, und das Zweyte
verfällt auf die nächste nach ihr.
§. 175. Nach eben diesen Grundsätzen ist die
Successions-Ordnung zu bestimmen, wenn in einer Familie Drey oder mehrere von
eben demselben Stifter herrührende Fideicommisse vorhanden sind.
§. 176. Hat der Stifter jeder von ihm abstammenden Linien
ein Fideicommiß hinterlassen: so gelangt, wenn eine dieser Linien erlöscht, das
für sie gestiftete Fideicommiß an die erstgeborne, oder, wenn auch diese schon
erloschen ist, an diejenige Linie, die sich nach ihr der Erstgeburt am nächsten
zieht.
§. 177. Besteht diese Linie aus
mehrern Nebenästen: so finden auch alsdann die Vorschriften §. 169. 170.
Anwendung.
§. 178. In allen Fällen, da ein Mitglied der Familie ein
nach der Successions-Ordnung auf ihn verfälltes Fideicommiß bloß um deswillen
nicht erlangen kann, weil er sich schon im Besitze eines andern befindet, hat
derselbe die Wahl: ob er das neu auf ihn verfällte Fideicommiß übernehmen, und
dagegen das bisher besessene abgeben wolle.
von verschiedenen Stiftern sind.
§. 179. Hat für eine schon mit einem Fideicommiß versehene
Familie, eine andre von dem Ersten Stifter verschiedene Person ein besonderes
Fideicommiß errichtet: so wird bey der Successions-Ordnung in dieses auf den
Ersten Stifter, und das Verhältniß der Personen und Linien gegen denselben, gar
keine Rücksicht genommen.
§. 180. Sind also die von dem Zweyten Stifter zur Succession
berufenen Linien erloschen; und es soll, seiner Verordnung zu Folge, das
Fideicommiß dennoch bey der Familie bleiben: so kommt in dasselbe dasjenige
Familienmitglied zur Succession, welches dem letzten Besitzer aus den von dem
Zweyten Stifter berufenen Linien dem Grade nach am nächsten ist.
§. 181. Dabey macht es keinen Unterschied, wenn auch das
hiernach zur Succession in das Zweyte Fideicommiß gelangende Familienmitglied
sich schon im Besitze des von dem Ersten Stifter herrührenden Fideicommisses
befindet.
§. 182. Hat aber der Zweyte Stifter ausdrücklich erklärt,
daß das von ihm errichtete mit dem von dem Ersten Stifter herrührenden
Fideicommisse niemals zusammenkommen solle: so ist doch dergleichen Erklärung
im zweifelhaften Falle nur so zu deuten, daß die Vereinigung beyder
Fideicommisse nicht in Einer Person geschehen solle.
§. 183. Es kommt daher alsdann, wenn der Nächste dem Grade
nach im Besitze des Ersten Fideicommisses ist, der Nächste nach ihm zur
Succession in das Zweyte.
§. 184. Sind bey dem Abgange der von dem Zweyten Stifter
berufenen Linien, Zwey oder mehrere gleich nahe successionsfähige Verwandten
des letzten Besitzers vorhanden; so hängt es von diesem ab: welchem unter ihnen
er das Zweyte Fideicommiß bescheiden wolle.
§. 185. Hat er sich darüber nicht erklärt: so muß unter
diesen mehrern gleich nahen successionsfähigen Anwärtern das Loos entscheiden.
§. 186. Ist in dem Falle des §. 180. nur noch Ein Mitglied
der von dem Zweyten Stifter berufenen Familie vorhanden: so erlangt zwar
derselbe, wenn der Stifter auf diesen Fall nicht ausdrücklich verordnet hat,
den Besitz beyder Fideicommisse.
§. 187. Sobald aber von ihm mehrere successionsfähige
Familienmitglieder entspringen: so müssen die Fideicommisse unter selbige nach
den obigen Regeln §. 170. 171. wiederum getheilt werden.
§. 188. Wenn Zwey oder mehrere von Anfang an abgesonderte
Fideicommisse in der Folge der Succession auf Eine Person zusammen fallen: so
macht ein den gesetzmäßigen Satz §. 56. übersteigender Ertrag dabey kein
Hinderniß.
Weibliche Succession.
§. 189. Wenn die gesammte männliche Descendenz eines
Fideicommiß-Stifters erlöscht; und derselbe zum Besten seiner weiblichen
Nachkommen nichts verordnet hat: so wird das Fideicommiß in den Händen des
letzten männlichen Descendenten freyes eigentümliches Vermögen.
§. 190. Hat aber der Stifter auch die weibliche Descendenz
zum Fideicommiß berufen, und für dieselbe eine Successions-Ordnung bestimmt: so
muß diese genau beobachtet werden.
§. 191. Hat er keine dergleichen Successions-Ordnung
bestimmt: so gelangen, nach dem Tode des letzten männlichen Descendenten, die
erstgeborne Tochter desselben, und deren männliche Abkömmlinge, zur Succession.
§. 192. Wenn also die älteste Tochter des letzten Besitzers
vor oder nach dem Vater mit Tode abgeht: so fällt das Fideicommiß auf ihre
Söhne, und deren männliche Descendenten, überall nach der Regel der Erstgeburt.
§. 193. Hat sie weder Söhne, noch Enkel von Söhnen: so
kommen die Enkel ihrer Töchter, nach der Ordnung der Erstgeburt, zur
Succession.
§. 194. Ist bey dem Ableben des letzten männlichen Descendenten
von dem Stifter, dessen älteste Tochter noch am Leben: so gelangt sie zum
Besitze des Fideicommisses; auch wenn sie alsdann noch keine successionsfähige
männliche Nachkommen hätte.
§. 195. Stirbt sie aber, ohne dergleichen Nachkommen zu
hinterlassen: so geht die Succession auf die Zweyte Tochter des letzten
Besitzers, und deren männliche Descendenten, nach eben den Regeln über.
§. 196. Ein Gleiches findet statt, wenn die älteste Tochter
des letzten Besitzers vor dem Vater verstorben ist, und auch bey seinem Ableben
noch keine successionsfähige männliche Nachkommen von dieser ältern Tochter
vorhanden sind.
§. 197. Nach eben den Grundsätzen bestimmt sich das
Successions-Recht der Dritten, und mehrerer folgender Töchter des letzten
Besitzers, und ihrer männlichen Descendenten.
§. 198. Ist nach diesen Grundsätzen, ein durch Weiber von
dem Ersten Stifter abstammender männlicher Descendent einmal zum Besitze des
Fideicommisses gelangt: so fängt mit ihm eine neue Successions-Ordnung an; und
nach dem Verhältnisse gegen ihn richtet sich die Fideicommiß-Folge unter seiner
Nachkommenschaft.
§. 199. Sind bey dem Ableben des letzten von dem Ersten
Stifter herstammenden männlichen Abkömmlings, keine Töchter und keine zur
Succession fähige Descendenten derselben vorhanden; oder sterben seine
hinterlassenen Töchter insgesammt, ohne dergleichen successionsfähige
Nachkommenschaft: so geht das Fideicommiß auf die andern von dem Ersten Stifter
durch Weiber abstammende männliche Descendenten über.
§. 200. Dabey wird wiederum auf die Ordnung der Erstgeburt,
in Verhältniß gegen den Ersten Stifter oder Erwerber, Rücksicht genommen.
§. 201. Es schließt also z. B. die Linie der ältern Tochter
des Ersten Stifters alle jüngere Linien, und in dieser ältern Linie, der sich
am nächsten zur Primogenitur ziehende Nebenast, alle übrigen aus.
§. 202. Wenn aber, nach dieser Regel, ein durch Weiber von
dem Ersten Stifter entsprossener männlicher Descendent einmal zum Besitze des Fideicommisses
gelangt ist: so findet wegen der durch ihn entstehenden neuen
Successions-Ordnung die Vorschrift des §. 198. ebenfalls Anwendung.
Allgemeine Regeln wegen der Fideicommiß-Succession.
§. 203. Bey jedem Anfalle eines Fideicommisses wird, so fern
nicht im Vorstehenden etwas Besonderes ausdrücklich verordnet ist, nach dem
Zeitpunkte, wo der letzte Besitzer gestorben ist, bestimmt: wer unter den
alsdann vorhandenen Mitgliedern zur Succession der Nächste sey.
§. 204. Wenn also auch in einem Minorat derjenige, welcher
bey dem Ableben des letzten Besitzers der Jüngste war, das Fideicommiß einmal
erhalten hat; und in der Folge ein noch Jüngerer geboren wird: so kann doch
dieser letztere die bereits erworbenen Gerechtsame des nunmehrigen Besitzers
nicht weiter anfechten.
§. 205. Doch werden in der ganzen Fideicommiß-Succession
diejenigen, welche innerhalb des Dreyhundert und Zweyten Tages nach dem Ableben
des letzten Besitzers zur Welt kommen, dafür, daß sie in dem Zeitpunkte der
eröffneten Succession schon vorhanden gewesen, angesehen.
Fünfter Abschnitt
Von der Auseinandersetzung zwischen dem Fideicommiß-Folger
und den Erben des letzten Besitzers
§. 206. Das nutzbare Eigenthum des Fideicommisses geht mit
dem Augenblicke, da der bisherige Besitzer verstirbt, auf den Nachfolger über.
§. 207. Diesem müssen die Erben des letzten Besitzers das
Fideicommiß so ausantworten, wie dasselbe von dem Stifter auf ihren Erblasser
gediehen ist.
§. 208. Besteht das Fideicommiß in liegenden Gründen: so muß
das bey Errichtung desselben aufgenommene Inventarium (§. 71.) vollständig
gewährt werden.
§. 209. Wegen eines dabey sich ereignenden Mangels oder
Ueberschusses gilt alles, was wegen der Lehns-Inventarien verordnet ist. (Th.
I. Tit. XVIII. §. 511. sqq.)
§. 210. Es versteht sich von selbst, daß die bey Lehnen
wegen Zuziehung und Mitwirkung des Lehnsherrn ertheilten Vorschriften bey
Fideicommissen keine Anwendung finden.
§. 211. Wegen der bey der Substanz des Fideicommisses selbst
sich ereignenden Verbesserungen, oder Verringerungen, finden eben die
Vorschriften Anwendung, welche für die Auseinandersetzung zwischen dem
Lehnsfolger und Allodial-Erben ertheilt worden. (Th. I. Tit. XVIII. §. 527.
sqq.)
§. 212. Wegen der Nutzungen des letzten Jahres, ingleichen
wegen der noch vorhandnen Früchte, und der noch rückständigen Lasten früherer
Jahre, geschieht die Auseinandersetzung zwischen dem Fideicommiß-Folger, und
den Erben des letzten Besitzers, nach den bey der Lehre vom Nießbrauche
ertheilten Vorschriften. (Th. I. Tit. XXI. §. 143. sqq.)
§. 213. An Schulden darf der Fideicommiß-Folger nur
diejenigen übernehmen, welche nach Vorschrift §. 104. aus der Substanz, oder
nach Vorschrift §. 81. sqq. aus den Einkünften des Fideicommisses zu bezahlen
sind.
§. 214. Diese letztern muß er auch alsdann übernehmen, wenn
er damals, als das Darlehn gemacht worden, unter die nächsten Anwärter nicht
gehört hat, und daher seine Einwilligung nicht erfordert worden.
§. 215. Doch ist er nur zur Entrichtung derjenigen Termine
verbunden, welche nach den gleich von Anfang festgesetzten Bestimmungen (§.
96.) auf die Jahre seiner Besitzzeit treffen.
§. 216. Hat der Gläubiger, wegen der frühern Termine, auf
seine Gefahr Nachsicht gegeben (§. 103.): so kann er sich dieserhalb nur an den
übrigen Nachlaß halten.
§. 217. Der Termin desjenigen Jahres, in welchem der letzte
Besitzer gestorben ist, muß aus den Einkünften dieses Jahres berichtigt werden.
§. 218. Hat der Fideicommiß-Besitzer in Fällen, wo er die
Aufnehmung eines Darlehns auf die Einkünfte des Fideicommisses zu suchen
berechtigt gewesen, solches nicht gethan, sondern die Wiederherstellung aus
eignen Mitteln oder durch Privatcredit bewerkstelligt; so können seine
Allodial-Erben dafür keine Vergütung fordern.
§. 219. Auch der Gläubiger, welcher Privatvorschüsse dazu
gemacht hat, kann an die dem Fideicommiß-Folger zukommenden Einkünfte des
Fideicommisses sich nicht halten, wenn er gleich nachweisen könnte, daß das von
ihm gegebene Darlehn in das Fideicommiß wirklich verwendet worden.
§. 220. Hat hingegen der Fideicommiß-Besitzer die
Wiederherstellung, wegen obwaltender Gefahr im Verzuge, zwar aus eignen Mitteln
oder auf Privatcredit bewirkt, aber zugleich den Consens zu Aufnehmung eines
Darlehns nachgesucht: so muß der Nachfolger dieses Darlehn anerkennen; wenn
gleich der Consens erst nach geschehener Verwendung, oder erst nach dem Tode
des vorigen Besitzers, ertheilt oder ergänzt worden ist.
§. 221. In so weit, als der verstorbene Besitzer, zur
Abgeltung stiftungsmäßiger Prästationen, ein Darlehn auf die Einkünfte des
Fideicommisses aufzunehmen berechtigt gewesen wäre (§. 86.), ist der neue
Besitzer das im Rückstande Verbliebene aus den folgenden Einkünften zu
entrichten verbunden.
§. 222. Halten sich die Berechtigten wegen solcher
Rückstände an den Allodial-Nachlaß: so können die Erben den Ersatz aus den
Fideicommiß-Einkünften fordern.
§. 223. Doch findet auch in diesem Falle die Vorschrift des
§. 561. 562. im Titel von Lehnen Anwendung.
§. 224. Andere, als die vorstehend bestimmten Schulden, ist
der Nachfolger aus dem Fideicommisse zu bezahlen nicht verbunden; auch wenn er
zugleich des vorigen Besitzers Erbe geworden wäre.
§. 225. Vielmehr muß der Gläubiger sich an den übrigen
freyen Nachlaß seines Schuldners lediglich halten.
§. 226. Hat jedoch der Fideicommiß-Folger in eine andre als
eigentliche Fideicommiß-Schuld ausdrücklich gewilligt; oder sind die Termine,
welche der vorige Besitzer entrichten sollen, mit seiner ausdrücklichen
Genehmigung verlängert worden: so ist der Gläubiger berechtigt, sich dieserhalb
an die Nutzungen des Fideicommisses, so lange sie der Einwilligende genießt zu
halten.
Sechster Abschnitt
Von dem Näherrechte auf Familiengüter
§. 227. Aus der bloßen Familienverbindung entsteht für die
Mitglieder derselben kein Recht, die ehemals bey der Familie gewesenen Güter
von einem Dritten zurückzufordern.
§. 228. Wo also dergleichen Näherrecht durch
Provinzialgesetze, Statuten, oder gültige Familienverträge nicht bereits
eingeführt ist, soll dasselbe künftig nicht ausgeübt werden.
§. 229. Alle Näherrechte, die bloß auf Familienverträge sich
gründen, sollen, bey Verlust derselben, binnen Drey Jahren nach der
Bekanntmachung des gegenwärtigen Gesetzbuchs, auf sämmtliche Güter, über welche
der Vertrag sich erstreckt, im Hypothekenbuche eingetragen werden.
§. 230. In so fern die Ausübung des Familien-Näherrechts
durch besondere Gesetze oder Verträge nicht anders bestimmt ist, sollen dabey
folgende Vorschriften zur Richtschnur dienen.
§. 231. Das Näherrecht erstreckt sich nur auf Güter, die
wenigstens schon von Zwey Mitgliedern der Familie nach einander, den
gegenwärtigen Veräußerer ungerechnet, besessen worden.
§. 232. Es findet nur statt, wenn die Veräußerung an einen
Fremden, nicht aber, wenn sie an ein obgleich entfernteres Mitglied der Familie
erfolgt.
§. 233. Weibliche Mitglieder der Familie, und deren, auch
männliche, Descendenten können das Näherrecht nicht ausüben.
§. 234. Unter den männlichen Mitgliedern richtet sich die
Befugniß zu dessen Ausübung nach der Ordnung der gesetzlichen Erbfolge.
§. 235. Der nähere Verwandte des Veräußerers schließt also
die Entfernteren aus.
§. 236. Es kommt dabey auf den Zeitpunkt an, wo der Vertrag
von beyden Theilen, oder doch von dem Veräußerer, unterschrieben worden.
§. 237. Unter mehrern gleich nahen Verwandten hat derjenige,
welcher sich zuerst bey dem Richter der Sache meldet, den Vorzug.
§. 238. Melden sich mehrere gleich nahe Verwandten zu
gleicher Zeit, so entscheidet unter ihnen das Loos.
§. 239. Wenn der, welcher zur Zeit der Vollziehung des
Vertrags der Nächste war, vor Ablauf der gesetzmäßigen Verjährungsfrist des
Näherrechts stirbt: so geht die Befugniß zur Ausübung desselben auf seinen
gesetzlichen Erben über, auch wenn derselbe dem Grade nach entfernter wäre.
§. 240. Uebrigens aber kommt diese Befugniß den Verwandten
aus eignem Rechte zu.
§. 241. Es kann also auch der Sohn das Näherrecht ausüben,
wenn er seines veräußernden Vaters Erbe entweder gar nicht, oder nur im
Pflichttheile geworden ist.
§. 242. Wenn der nächste Verwandte dieses Recht nicht
ausüben kann, oder will: so geht selbiges auf den nächsten nach ihm, und so
ferner, über.
§. 243. Es müssen daher auch entferntere Verwandte innerhalb
der gesetzmäßigen Verjährungsfrist zur Ausübung des Näherrechts sich melden.
§. 244. Doch muß, ehe dies Recht von ihnen wirklich ausgeübt
werden kann, der Ablauf dieser Frist, und ob innerhalb derselben kein Näherer
Anspruch mache, abgewartet werden.
§. 245. So lange das Gut sich noch in den Händen eines Familienmitglieds
befindet, bleibt der Familie ihr Näherrecht darauf vorbehalten.
§. 246. Es kann also kein Familienmitglied durch seine bloße
Erklärung: daß er das Gut nur als ein Fremder kaufe, der Familie ihr Näherrecht
bey künftigen Veräußerungsfällen benehmen.
§. 247. Nur wenn bey der nothwendigen Subhastation eines
solchen Guts jemand aus der Familie mitbiethet: so geht durch den an ihn
erfolgenden Zuschlag, wenn kein anderes Familienmitglied das Näherrecht dabey
ausübt, dieses Recht selbst verloren.
§. 248. Wenn aber ein Gut einmal aus der Familie
herausgegangen, und das Näherrecht durch Verjährung erloschen ist: so lebt
letzteres nicht wieder auf, wenn gleich in der Folge wieder ein
Familienmitglied zum Besitze des Gutes gelangt.
§. 249. Hat jedoch der fremde Erwerber eines solchen Guts
dasselbe, noch ehe er seinen Besitztitel darauf im Hypothekenbuche eintragen
lassen, wieder einem Familienmitgliede übereignet: so wird das Näherrecht nicht
für erloschen geachtet.
§. 250. Uebrigens gilt von dem Familien-Näherrechte alles,
was von dem Näherrechte überhaupt verordnet ist. (Th. I. Tit. XX. Abschnitt
III.)
Fünfter Titel
Von den Rechten und Pflichten der Herrschaften und des
Gesindes
1) Von gemeinem Gesinde.
§. 1. Das Verhältniß zwischen Herrschaft und Gesinde gründet
sich auf einen Vertrag, wodurch der eine Theil zur Leistung gewisser häuslichen
Dienste auf eine bestimmte Zeit, so wie der andere zu einer dafür zu gebenden
bestimmten Belohnung sich verpflichtet.
Wer Gesinde miethen kann.
§. 2. In der ehelichen Gesellschaft kommt es dem Manne zu,
das nöthige Gesinde zum Gebrauche der Familie zu miethen.
§. 3. Weibliche Dienstboten kann die Frau annehmen, ohne daß
es dazu der ausdrücklichen Einwilligung des Mannes bedarf.
§. 4. Doch kann der Mann, wenn ihm das angenommene Gesinde
nicht anständig ist, dessen Wegschaffung, nach verflossener gesetzmäßigen
Dienstzeit, ohne Rücksicht auf die im Contrakte bestimmte, verfügen.
Wer als Gesinde sich vermiethen kann.
§. 5. Wer sich als Gesinde vermiethen will, muß über seine
Person frey zu schalten berechtigt seyn.
§. 6. Kinder, die unter väterlicher Gewalt stehen, dürfen
ohne Einwilligung des Vaters, und Minderjährige ohne Genehmigung ihres
Vormunds, sich nicht vermiethen.
§. 7. Verheirathete Frauen dürfen nur mit Einwilligung ihrer
Männer als Ammen, oder sonst, in Dienste gehn.
§. 8. Nur wenn die Einwilligung in den Fällen des §. 6. und
7. auf eine gewisse Zeit, oder zu einer bestimmten Dienstherrschaft,
ausdrücklich eingeschränkt worden, ist die Erneuerung derselben zur
Verlängerung der Zeit, oder bey einer Veränderung der Herrschaft, erforderlich.
§. 9. Dienstboten, welche schon vermiethet gewesen, müssen
bey dem Antritte eines neuen Dienstes die rechtmäßige Verlassung der vorigen
Herrschaft nachweisen.
§. 10. Leute, die bisher noch nicht gedient zu haben
angeben, müssen durch ein Zeugniß ihrer Obrigkeit darthun, daß bey ihrer
Annehmung als Gesinde kein Bedenken obwalte.
§. 11. Hat jemand mit Verabsäumung der Vorschriften § 9. 10.
ein Gesinde angenommen: so muß, wenn ein Anderer, dem ein Recht über die Person
oder auf die Dienste des Angenommenen zusteht, sich meldet, der Miethcontrakt,
als ungültig, sofort wieder aufgehoben werden.
§. 12. Außerdem hat der Annehmende, durch Uebertretung
dieser Vorschriften, eine Geldbuße von einem bis Zehn Thalern an die Armencasse
des Orts verwirkt.
Gesindemäkler.
§. 13. Niemand darf mit Gesindemäkeln sich abgeben, der
nicht dazu von der Obrigkeit des Orts bestellt und verpflichtet worden.
§. 14. Dergleichen Gesindemäkler müssen sich nach den
Personen, die durch ihre Vermittelung in Dienste kommen wollen, sorgfältig
erkundigen.
§. 15. Insonderheit müssen sie nachforschen: ob dieselben,
nach den gesetzlichen Vorschriften, sich zu vermiethen berechtigt sind.
§. 16. Gesinde, welches schon in Diensten steht, müssen sie
unter keinerley Vorwande zu deren Verlassung und Annehmung anderer Dienste
anreizen.
§. 17. Thun sie dieses: so müssen sie dafür das erstemal mit
Zwey bis Fünf Thaler Geld- oder verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe angesehn; im
Wiederholungsfalle aber noch außerdem von fernerer Treibung des Mäklergewerbes
ausgeschlossen werden.
§. 18. Sie müssen den Herrschaften, die durch ihre
Vermittelung Gesinde annehmen wollen, die Eigenschaften der vorgeschlagenen
Person getreulich und nach ihrem besten Wissen anzeigen.
§. 19. Wenn sie untaugliches oder untreues Gesinde, wider
besseres Wissen, als brauchbar oder zuverläßig empfehlen: so müssen sie für den
durch dergleichen Gesinde verursachten Schaden selbst haften.
§. 20. Außerdem müssen sie nach Vorschrift §. 17. ernstlich
bestraft, und diese Strafe, bey ihrem Unvermögen zum Schadensersatz, allenfalls
bis zum doppelten geschärft werden.
§. 21. Die Bestimmung des Mäklerlohns bleibt den Polizey-und
Gesindeordnungen jeden Orts vorbehalten.
Schließung des Miethsvertrages.
§. 22. Zur Annehmung des gemeinen Gesindes bedarf es keines
schriftlichen Contrakts.
§. 23. Die Gebung und Annehmung des Miethgeldes vertritt die
Stelle desselben.
§. 24. Wo der Betrag des Miethgeldes durch besondere Gesetze
nicht bestimmt ist, hängt derselbe von dem Uebereinkommen der Interessenten ab.
§. 25. Das Miethgeld wird der Regel nach auf den Lohn
abgerechnet.
§. 26. Auch da, wo dergleichen Abrechnung sonst nicht statt
findet, ist dennoch die Herrschaft dazu berechtigt, wenn das Gesinde aus eigner
Schuld die verabredete Dienstzeit nicht aushält.
§. 27. Hat sich ein Dienstbote bey mehrern Herrschaften
zugleich vermiethet: so gebührt derjenigen, von welcher er das Miethgeld zuerst
angenommen hat der Vorzug.
§. 28. Die Herrschaft, welche nachstehen muß, oder sich
ihres Anspruchs freywillig begiebt, kann das Miethgeld und Mäklerlohn von den
Dienstboten zurückfordern.
§. 29. Auch muß ihr, wenn sie die frühere Vermiethung nicht
gewußt hat, der Dienstbote den Schaden ersetzen, welcher daraus entsteht, daß
sie ein anderes Gesinde für höhern Lohn miethen muß.
§. 30. Die Herrschaft, bey welcher der Dienstbote bleibt,
muß auf Verlangen diesen Betrag (§. 28. 29.) von seinem Lohne abziehen, und der
andern Herrschaft zustellen.
§. 31. Außerdem muß der Dienstbote, der sich solchergestalt
an mehrere Herrschaften zugleich vermiethet hat, den Betrag des von der zweyten
und folgenden erhaltenen Miethgeldes, als Strafe, zur Armencasse des Orts
entrichten.
Lohn und Kost.
§. 32. Lohn und Kostgeld des Gesindes, welches besondere
Gesetze bestimmen, darf nicht überschritten werden.
§. 33. Verabredungen, welche solchen Gesetzen zuwider
laufen, sind unverbindlich.
§. 34. Weihnachts- Neujahrs- und andre dergleichen Geschenke
kann das Gesinde, auch auf den Grund eines Versprechens, niemals gerichtlich
einklagen.
§. 35. Wo keine gesetzliche Bestimmung vorhanden ist, hängt
dieselbe, sowohl wegen des Lohnes und Kostgeldes, als wegen der Geschenke, von
dem bey Schließung des Miethcontrakts getroffenen Uebereinkommen ab.
§. 36. In allen Fällen, wo Weihnachts- oder
Neujahrsgeschenke, während eines Dienstjahres, schon wirklich gegeben worden,
kann die Herrschaft dieselben auf den Lohn anrechnen, wenn der Contrakt im
Laufe dieses Jahres durch Schuld des Gesindes wieder aufgehoben wird.
§. 37. Bey männlichen Bedienten ist die Livree ein Theil des
Lohnes; und fällt, nach Ablauf der durch Vertrag oder Gewohnheit des Orts
bestimmten Zeit, denselben eigenthümlich zu.
§. 38. Wird außer derselben noch besondere Staatslivree
gegeben: so hat auf diese der Bediente keinen Anspruch.
§. 39. Mäntel, Kutscherpelze, und dergleichen, gehören nicht
zur ordinairen Livree.
Dauer der Dienstzeit.
§. 40. Wo die Dauer der Dienstzeit nicht durch besondre
Gesetze bestimmt ist, hängt dieselbe von der Verabredung der Interessenten ab.
§. 41. Ist nichts Besonderes verabredet worden: so wird die
Miethe, bey städtischem Gesinde, auf Ein Vierteljahr; bey Landgesinde aber auf
Ein ganzes Jahr für geschlossen angenommen.
Antritt des Dienstes.
§. 42. Die Antrittszeit ist in Ansehung des städtischen
Gesindes der zweyte Januar, April, Julius, und Oktober jedes Jahres.
§. 43. Bey Landgesinde wird dieselbe, wenn nicht
Provinzial-Gesindeordnungen ein Anderes bestimmen, auf den zweyten Januar
festgesetzt.
§. 44. Vor dem Antrittstage darf das Gesinde den Dienst der
vorigen Herrschaft, wider deren Willen, nicht verlassen.
§. 45. Nach einmal gegebenem und genommenem Miethgelde ist
die Herrschaft schuldig, das Gesinde anzunehmen; und letzteres, den Dienst zur
bestimmten Zeit anzutreten.
§. 46. Weder der eine noch der andere Theil kann sich davon
durch Ueberlassung oder Zurückgabe des Miethgeldes losmachen.
§. 47. Weigert sich die Herrschaft, das Gesinde anzunehmen:
so verliert sie das Miethgeld, und muß das Gesinde eben so schadlos halten, wie
auf den Fall, wenn das Gesinde unter der Zeit ohne rechtlichen Grund entlassen
worden, unten verordnet wird. (§. 160. sqq.)
§. 48. Doch kann die Herrschaft von dem Contrakte, vor
Antritt des Dienstes, aus eben den Gründen abgehen, aus welchen sie berechtigt
seyn würde, das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit wieder zu entlassen. (§. 116.
sqq.)
§. 49. Auch ist sie dazu berechtigt, wenn das Gesinde zuerst
den Dienst anzutreten sich geweigert hat.
§. 50. In beyderley Fällen kann die Herrschaft das gegebene
Miethgeld zurückfordern.
§. 51. Weigert sich das Gesinde, den Dienst anzutreten: so
muß es dazu von der Obrigkeit durch Zwangsmittel angehalten werden.
§. 52. Verursacht das Gesinde durch beharrliche Weigerung,
daß die Herrschaft einen andern Dienstboten an seine Stelle mit mehrern Kosten
annehmen muß: so muß es diesen Schaden ersetzen, und das Miethgeld zurückgeben.
§. 53. Wird das Gesinde durch Zufall, ohne seine Schuld, den
Dienst anzutreten verhindert: so muß die Herrschaft mit Rückgabe des
Miethgeldes sich begnügen.
§. 54. Erhält weibliches Gesinde vor dem Antritte der
Dienstzeit Gelegenheit, zu heirathen: so steht demselben frey, eine andere
taugliche Person, zur Versehung des Dienstes an seiner statt, zu stellen.
§. 55. Ist es dazu nicht im Stande: so muß auch dergleichen
Gesinde den Dienst in Städten auf ein Viertel-, und bey Landwirtschaften auf
ein halbes Jahr antreten.
§. 56. Nur zu erlaubten Geschäften können Dienstboten
gemiethet werden.
Pflichten des Gesindes in seinen Diensten,
§. 57. Gemeines Gesinde, welches nicht ausschliessend zu
gewissen bestimmten Geschäften gemiethet worden, muß sich allen häuslichen
Verrichtungen nach dem Willen der Herrschaft unterziehen.
§. 58. Allen zur herrschaftlichen Familie gehörenden, oder
darin aufgenommenen Personen, ist es diese Dienste zu leisten schuldig.
§. 59. Dem Haupte der Familie kommt es zu, die Art und
Ordnung zu bestimmen, in welcher ein jedes Mitglied der Familie die Dienste
gebrauchen soll.
§. 60. Auch Gesinde, welches zu gewissen Arten der Dienste
angenommen ist, muß dennoch, auf Verlangen der Herrschaft, andre häusliche
Verrichtungen mit übernehmen, wenn das dazu bestimmte Nebengesinde durch
Krankheit, oder sonst, auf eine Zeitlang daran verhindert wird.
§. 61. Wenn unter dem Gesinde Streit entsteht, welcher von
ihnen diese oder jene Arbeit nach seiner Bestimmung zu verrichten schuldig sey:
so entscheidet allein der Wille der Herrschaft.
§. 62. Das Gesinde ist ohne Erlaubniß der Herrschaft nicht
berechtigt, sich in den ihm aufgetragenen Geschäften von andern vertreten zu
lassen.
§. 63. Hat das Gesinde der Herrschaft eine untaugliche oder
verdächtigte Person zu seiner Vertretung wissentlich vorgeschlagen: so muß es
für den durch selbige Verursachten Schaden haften.
§. 64. Das Gesinde ist schuldig, seine Dienste treu,
fleißig, und aufmerksam zu verrichten.
§. 65. Fügt es der Herrschaft vorsetzlich, oder aus grobem
oder mäßigen Versehen Schaden zu: so muß es denselben ersetzen.
§. 66. Wegen geringer Versehen ist ein Dienstbote nur
alsdann zum Schadensersatze verpflichtet, wenn er wider den ausdrücklichen
Befehl der Herrschaft gehandelt hat.
§. 67. Desgleichen, wenn er sich zu solchen Arten der
Geschäfte hat annehmen lassen, die einen vorzüglichen Grad von Aufmerksamkeit
oder Geschicklichkeit voraussetzen.
§. 68. Wegen der Entschädigung, zu welcher ein Dienstbote
verpflichtet ist, kann die Herrschaft an den Lohn desselben sich halten.
§. 69. Kann der Schade weder aus rückständigem Lohne, noch
aus andern Habseligkeiten des Dienstboten ersetzt werden: so muß er denselben
durch unentgeltliche Dienstleistung auf eine verhältnißmäßige Zeit vergüten.
außer seinen Diensten.
§. 70. Auch außer seinen Diensten ist das Gesinde schuldig,
der Herrschaft Bestes zu befördern, Schaden und Nachtheil aber, so viel an ihm
ist, abzuwenden.
§. 71. Bemerkte Untreue des Nebengesindes ist es der
Herrschaft anzuzeigen verbunden.
§. 72. Verschweigt es dieselbe: so muß es für allen Schaden,
welcher durch die Anzeige hätte verhütet werden können, bey dem Unvermögen des
Hauptschuldners, selbst haften.
§. 73. Allen häuslichen Einrichtungen und Anordnungen der
Herrschaft muß das Gesinde sich unterwerfen.
§. 74. Ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft darf es
sich, auch in eignen Angelegenheiten, vom Hause nicht entfernen.
§. 75. Die dazu von der Herrschaft gegebene Erlaubniß darf
nicht überschritten werden.
§. 76. Die Befehle der Herrschaft, und ihre Verweise, muß
das Gesinde mit Ehrerbietung und Bescheidenheit annehmen.
§. 77. Reizt das Gesinde die Herrschaft durch ungebührliches
Betragen zum Zorn, und wird in selbigem von ihr mit Scheltworten, oder geringen
Thätlichkeiten behandelt: so kann es dafür keine gerichtliche Genugthuung
fördern.
§. 78. Auch solche Ausdrücke oder Handlungen, die zwischen
andern Personen als Zeichen der Geringschätzung oder Verachtung anerkannt sind,
begründen gegen die Herrschaft noch nicht die Vermuthung, daß sie die Ehre des
Gesindes dadurch habe kränken wollen.
§. 79. Außer dem Falle, wo das Leben oder die Gesundheit des
Dienstboten durch Mißhandlungen der Herrschaft in gegenwärtige und
unvermeidliche Gefahr geräth, darf er sich der Herrschaft nicht thätig
widersetzen.
§. 80. Vergehungen des Gesindes gegen die Herrschaft müssen
durch Gefängniß, oder öffentliche Strafarbeit, nach den Grundsätzen des
Criminalrechts, geahndet werden.
§. 81. Auf die Zeit, durch welche das Gesinde, wegen
Erleidung solcher Strafen, seine Dienste nicht verrichten kann, ist die
Herrschaft befugt, dieselben durch andere auf dessen Kosten besorgen zu lassen.
Pflichten der Herrschaft.
§. 82. Die Herrschaft ist schuldig, dem Gesinde Lohn und
Kleidung zu den bestimmten Zeiten promt zu entrichten.
§. 83. Ist auch Kost versprochen worden: so muß selbige in
den jeden Orts gewöhnlichen Speisen, bis zur Sättigung gegeben werden.
§. 84. Die Herrschaft muß dem Gesinde die nöthige Zeit zur
Abwartung des öffentlichen Gottesdienstes lassen, und dasselbe dazu fleißig anhalten.
§. 85. Sie muß ihm nicht mehrere noch schwerere Dienste
zumuthen, als das Gesinde, nach seiner Leibesbeschaffenheit und Kräften, ohne
Verlust seiner Gesundheit bestreiten kann.
§. 86. Zieht ein Dienstbote sich durch den Dienst, oder bey
Gelegenheit desselben, eine Krankheit zu: so ist die Herrschaft schuldig, für
seine Cur und Verpflegung zu sorgen.
§. 87. Dafür darf dem Gesinde an seinem Lohne nichts
abgezogen werden.
§. 88. Außerdem ist die Herrschaft zur Vorsorge für kranke
Dienstboten nur alsdann verpflichtet, wenn dieselben keine Verwandten in der
Nähe haben, die sich ihrer anzunehmen vermögend, und nach den Gesetzen schuldig
sind.
§. 89. Weigern sich die Verwandten dieser Pflicht: so muß
die Herrschaft dieselbe einstweilen, und bis zum Austrage der Sache, mit
Vorbehalt ihres Rechts, übernehmen.
§. 90. Sind öffentliche Anstalten vorhanden, wo dergleichen
Kranke aufgenommen werden: so muß das Gesinde es sich gefallen lassen, wenn die
Herrschaft seine Unterbringung daselbst veranstaltet.
§. 91. In dem §. 88. bestimmten Falle kann die Herrschaft
die Curkosten von dem auf diesen Zeitraum fallenden Lohne des kranken
Dienstboten abziehen.
§. 92. Dauert eine solche Krankheit über die Dienstzeit
hinaus: so hört mit dieser die äußere Verbindlichkeit der Herrschaft, für die
Cur und Pflege des kranken Dienstboten zu sorgen, auf.
§. 93. Doch muß sie davon der Obrigkeit des Orts in Zeiten
Anzeige machen, damit diese für das Unterkommen eines dergleichen verlassenen
Kranken sor- gen könne.
§. 94. Unter den Umständen, wo ein Machtgeber einen dem
Bevollmächtigten bey Ausrichtung des Geschäftes durch Zufall zugestoßenen
Schaden vergüten muß, ist auch die Herrschaft schuldig, für das in ihrem
Dienste, oder bey Gelegenheit desselben, zu Schaden gekommene Gesinde, auch
über die Dienstzeit hinaus zu sorgen. (Th. I. Tit. XIII. §. 80. 81.)
§. 95. Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nur auf die
Curkosten, und auf den nothdürftigen Unterhalt des Gesindes, so lange, bis
dasselbe sich sein Brod selbst zu verdienen wieder in Stand kommt.
§. 96. Ist aber der Dienstbote durch Mißhandlungen der
Herrschaft, ohne sein grobes Verschulden, an seiner Gesundheit beschädigt
worden: so hat er von ihr vollständige Schadloshaltung, nach den allgemeinen
Vorschriften der Gesetze, zu fordern.
§. 97. Auch für solche Beschimpfungen und üble Nachreden,
wodurch dem Gesinde sein künftiges Fortkommen erschwert wird, gebührt demselben
gerichtliche Genugthuung.
§. 98. In wie fern eine Herrschaft durch Handlungen des
Gesindes, in oder außer seinem Dienste, verantwortlich werde, ist gehörigen
Orts bestimmt. (Th. I. Tit. VI. §. 60. sqq.)
Aufhebung des Vertrages durch den Tod;
§. 99. Stirbt ein Dienstbote: so
können seine Erben Lohn und Kostgeld nur so weit fordern, als selbiges nach
Verhältniß der Zeit bis zum Krankenlager rückständig ist.
§. 100. Begräbnißkosten ist die Herrschaft für das Gesinde
zu bezahlen in keinem Falle schuldig.
§. 101. Stirbt die Herrschaft vor Ablauf der gewöhnlichen
Aufkündigungsfrist: so sind die Erben dem Gesinde Lohn und Kost nur bis zum
Ende des laufenden Quartals zu reichen verbunden.
§. 102. Erfolgt der Todesfall nach Verlauf der
Aufkündigungsfrist, und die Erben wollen das Gesinde nicht länger behalten: so
müssen sie demselben außer dem Lohne und der Kost des laufenden, annoch den
Lohn für das folgende Vierteljahr, jedoch ohne Kost vergüten.
§. 103. Männliche Dienstboten behalten die ganze Livree,
wenn sie der verstorbenen Herrschaft schon ein halbes Jahr oder länger gedient
haben.
§. 104. Sind sie noch nicht so
lange in ihren Diensten gewesen: so müssen sie Rock, Weste und Hut
zurücklassen.
§. 105. War der Bediente nur
monathweise gemietet: so erhält er Lohn und Kostgeld, wenn die Herrschaft vor
dem Fünfzehnten Monathstage stirbt, nur auf den laufenden, sonst aber auch auf
den folgenden Monath.
§. 106. Entsteht Concurs über das
Vermögen der Herrschaft: so finden die Vorschriften §. 101 bis 105. Anwendung.
§. 107. Der Tag des eröffneten Concurses wird in dieser
Beziehung dem Todestage gleich geachtet.
§. 108. Wegen des alsdann rückständigen Gesindelohns bleibt
es bey den Vorschriften der Concursordnung.
nach vorhergegangener Aufkündigung;
§. 109. Außer diesen Fällen kann der Miethcontrakt, während
der Dienstzeit, einseitig nicht aufgehoben werden.
§. 110. Welcher Theil denselben nach Ablauf der Dienstzeit
nicht fortsetzen will, muß innerhalb der gehörigen Frist aufkündigen.
§. 111. Ist die Aufkündigungsfrist durch besondre Gesetze
nicht bestimmt: so wird sie bey städtischem Gesinde auf Sechs Wochen, und bey
Landgesinde auf Drey Monathe vor dem Ablaufe der Dienstzeit angenommen.
§. 112. Bey monathweise gemietheten Dienstboten findet die
Aufkündigung noch am Fünfzehnten eines jeden Monaths statt.
§. 113. Ist keine Aufkündigung erfolgt: so wird der Vertrag
als stillschweigend verlängert angesehn.
§. 114. Bey städtischem Gesinde wird die Verlängerung auf
Ein Viertel-, und bey Landgesinde auf Ein ganzes Jahr gerechnet.
§. 115. Bey monathweise gemiethetem Gesinde versteht sich
die Verlängerung immer nur auf Einen Monath.
ohne Aufkündigung von Seiten der Herrschaft;
§. 116. Ohne Aufkündigung kann die Herrschaft ein Gesinde so
fort entlassen: 1) wenn dasselbe die Herrschaft, oder deren Familie, durch
Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte, oder ehrenrührige Nachreden
beleidigt; oder durch boshafte Verhetzungen Zwistigkeiten in der Familie
anzurichten sucht;
§. 117. 2) Wenn es sich beharrlichen Ungehorsam und
Widerspenstigkeit gegen die Befehle der Herrschaft zu Schulden kommen läßt;
§. 118. 3) Wenn es sich den zur Aufsicht über das gemeine
Gesinde bestellten Hausofficianten mit Thätlichkeiten, oder groben Schimpf- und
Schmähreden, in ihrem Amte widersetzt;
§. 119. 4) Wenn es die Kinder der Herrschaft zum Bösen
verleitet, oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt;
§. 120. 5) Wenn es sich des Diebstahls oder der Veruntreuung
gegen die Herrschaft schuldig macht;
§. 121. 6) Wenn es sein Nebengesinde zu dergleichen Lastern
verleitet;
§. 122. 7) Wenn es auf der Herrschaft Namen, ohne deren
Vorwissen, Geld oder Waaren auf Borg nimmt;
§. 123. 8) Wenn es die noch nicht verdiente Livree ganz oder
zum Theil verkauft, oder versetzt;
§. 124. 9) Wenn es sich zur Gewohnheit macht, ohne Vorwissen
und Erlaubniß der Herrschaft, über Nacht aus dem Hause zu bleiben;
§. 125. 10) Wenn es mit Feuer und Licht, gegen
vorhergegangene Warnungen, unvorsichtig umgeht;
§. 126.11) Wenn, auch ohne vorhergegangene Warnung, aus
dergleichen unvorsichtigem Betragen wirklich schon Feuer entstanden ist;
§. 127.12) Wenn das Gesinde sich durch liederliche
Aufführung ansteckende oder ekelhafte Krankheiten zugezogen hat;
§. 128. 13) Wenn ein Dienstbote von der Obrigkeit auf
längere Zeit, als Acht Tage, gefänglich eingezogen wird;
§. 129.14) Wenn ein Gesinde weiblichen Geschlechts schwanger
wird; in welchem Falle jedoch der Obrigkeit Anzeige geschehen, und die
wirkliche Entlassung nicht eher, als bis von dieser die gesetzmäßigen Anstalten
zur Verhütung alles Unglücks getroffen worden, erfolgen muß;
§. 130. 15) Wenn die Herrschaft von dem Gesinde bey der Annahme
durch Vorzeigung falscher Zeugnisse hintergangen worden;
§. 131. 16) Wenn das Gesinde in seinem vorigen Dienste sich
eines solchen Betragens, weshalb dasselbe nach §. 116-127. hätte entlassen
werden können, schuldig gemacht, und die vorige Herrschaft dieses in dem
ausgestellten Zeugnisse verschwiegen, auch das Gesinde selbst es der neuen
Herrschaft bey der Annahme nicht offenherzig bekannt hat.
von Seiten des Gesindes.
§. 132. Das Gesinde kann den Dienst ohne vorhergehende
Aufkündigung verlassen: 1) wenn es durch Mißhandlungen der Herrschaft in Gefahr
des Lebens oder der Gesundheit versetzt worden;
§. 133. 2) Wenn die Herrschaft dasselbe auch ohne solche
Gefahr, jedoch mit ausschweifender und ungewöhnlicher Härte, behandelt hat;
§. 134. 3) Wenn die Herrschaft dasselbe zu Handlungen,
welche wider die Gesetze oder wider die guten Sitten laufen, hat verleiten
wollen;
§. 135. 4) Wenn dieselbe das Gesinde vor dergleichen
unerlaubten Anmuthungen gegen Personen, die zur Familie gehören, oder sonst im
Hause aus- und eingehen, nicht hat schützen wollen;
§. 136. 5) Wenn die Herrschaft dem Gesinde das Kostgeld
gänzlich vorenthält, oder ihm selbst die nothdürftige Kost verweigert;
§. 137. 6) Wenn die Herrschaft auf eine das laufende
Dienstjahr übersteigende Zeit bloße Privatreisen in fremde Länder vornimmt;
§. 138. 7) Wenn sie in öffentlichen Angelegenheiten außer
Landes verschickt wird; oder wenn sie ihren Wohnsitz an einen andern Ort
innerhalb der Königlichen Lande verlegt; und in beyden Fällen es nicht
übernehmen will, den Dienstboten nach abgelaufener Dienstzeit auf ihre Kosten
zurückzuschicken;
§. 139. 8) Wenn der Dienstbote durch schwere Krankheit zur
Fortsetzung des Dienstes unvermögend wird.
Unter der Zeit, doch nach vorhergegangener Aufkündigung: von
Seiten der Herrschaft;
§. 140. Vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach
vorhergegangener Aufkündigung, kann die Herrschaft einen Dienstboten entlassen:
1) wenn demselben die nöthige Geschicklichkeit zu den nach seiner Bestimmung
ihm obliegenden Geschäften ermangelt;
§. 141. 2) Wenn das Gesinde, ohne Erlaubniß der Herrschaft,
seines Vergnügens wegen ausläuft; oder ohne Noth über die erlaubte oder zu dem
Geschäfte erforderliche Zeit auszubleiben pflegt; oder sonst den Dienst
muthwillig vernachläßigt;
§. 142. 3) Wenn der Dienstbote dem Trunk oder Spiele ergeben
ist; oder durch Zänkereyen oder Schlägereyen mit seinem Nebengesinde den
Hausfrieden stört, und sich von solchem Betragen, auf geschehene Vermahnung,
nicht bessert;
§. 143. 4) Wenn nach geschlossenem Miethsvertrage die
Vermögensumstände der Herrschaft dergestalt in Abnahme gerathen, daß sie sich
entweder ganz ohne Gesinde behelfen, oder doch dessen Zahl einschränken muß.
von Seiten des Gesindes.
§. 144. Dienstboten können vor Ablauf der Dienstzeit, jedoch
nach vorhergegangener Aufkündigung, den Dienst verlassen: 1) wenn die
Herrschaft den bedungenen Lohn in den festgesetzten Terminen nicht richtig
bezahlt;
§. 145. 2) Wenn die Herrschaft das Gesinde einer
öffentlichen Beschimpfung eigenmächtig aussetzt;
§. 146. 3) Wenn der Dienstbote durch Heirath, oder auf
andere Art, zur Anstellung einer eignen Wirthschaft vortheilhafte Gelegenheit
erhält, die er durch Ausdaurung der Miethszeit versäumen müßte.
§. 147. In allen Fällen, wo der Miethvertrag innerhalb der
Dienstzeit, jedoch nur nach vorhergegangener Aufkündigung, aufgehoben werden
kann, muß dennoch das laufende Vierteljahr, und bey Monathweise gemiethetem
Gesinde der laufende Monath, ausgehalten werden.
§. 148. Wenn die Aeltern des Dienstboten, wegen einer erst
nach der Vermiethung vorgefallenen Veränderung ihrer Umstände, ihn in ihrer
Wirthschaft nicht entbehren können; oder der Dienstbote in eignen
Angelegenheiten eine weite Reise zu unternehmen genöthigt wird: so kann er zwar
ebenfalls seine Entlassung fordern;
§. 149. Er muß aber alsdann einen andern tauglichen
Dienstboten statt seiner stellen, und sich mit demselben, wegen Lohn, Kost, und
Livree, ohne Schaden der Herrschaft abfinden.
Was alsdann wegen Lohn, Kost und Livree Rechtens.
§. 150. In allen Fällen, wo die Herrschaft einen
Dienstboten, während der Dienstzeit, mit oder ohne Aufkündigung zu entlassen
berechtigt ist (§. 116-131. §. 140-143.) kann der Dienstbote Lohn und Kost,
oder Kostgeld nur nach Verhältniß der Zeit fordern, wo er wirklich gedient hat.
§. 151. Ein Gleiches gilt von denjenigen Fällen, wo der
Dienstbote zwar vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorhergängiger
Aufkündigung, den Dienst verlassen kann. (§. 144. 145. 146.)
§. 152. In Fällen, wo der Dienstbote sofort, und ohne
Aufkündigung, den Dienst zu verlassen berechtigt ist (§. 132-139.), muß ihm
Lohn und Kost auf das laufende Vierteljahr, und wenn er monathweise gemiethet
worden, auf den laufenden Monath vergütet werden.
§. 153. Hat die Ursache zum gesetzmäßigen Austritte erst
nach Ablauf der Aufkündigungsfrist sich ereignet: so muß die Herrschaft diese
Vergütung auch für das folgende Vierteljahr, oder für den folgenden Monath
leisten.
§. 154. In der Regel behält der Dienstbote die als ein Theil
des Lohns anzusehende Livree vollständig, wenn er aus den §. 132-139.
bestimmten Ursachen den Dienst verläßt.
§. 155. Geschieht der Austritt nur aus den §. 140-143.
enthaltenen Gründen; und hat der Bediente noch kein halbes Jahr gedient: so muß
er Rock und Hut zurücklassen.
§. 156. In den Fällen, wo das Gesinde nach §. 116-131.
140-143. von der Herrschaft entlassen wird, kann letztere der Regel nach die
ganze Livree zurückbehalten,
§. 157. Doch gebühren dem Bedienten die kleinen
Montirungsstücke, wenn er schon ein halbes Jahr gedient hat, und nur aus den §.
140-143. angeführten Gründen entlassen wird.
§. 158. Wenn das Gesinde aus dem §. 144. und 145.
angeführten Grunde, nach vorhergegangener Aufkündigung, seinen Abschied nimmt:
so finden die Vorschriften §. 154. 155. Anwendung.
§. 159. Erfolgt aber der Austritt nur aus der §. 146.
bestimmten Ursache: so muß der Dienstbote mit den kleinen Montirungsstücken
sich begnügen.
Rechtliche Folgen einer ohne Grund geschehenen Entlassung
oder
§. 160. Eine Herrschaft, die aus andern, als gesetzmäßigen
Ursachen, das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit entläßt, muß von der Obrigkeit,
dasselbe wieder anzunehmen, und den Contrakt fortzusetzen, angehalten werden.
§. 161. Weigert sie sich dessen beharrlich: so muß sie dem
Dienstboten Lohn und Livree auf die noch rückständige Dienstzeit entrichten.
§. 162. Auch für die Kost muß die Herrschaft bis dahin
sorgen.
§. 163. Kann aber das Gesinde,
noch vor Ablauf der Dienstzeit, ein anderweitiges Unterkommen erhalten: so
erstreckt sich die Vergütigungs-Verbindlichkeit der Herrschaft nur bis zu
diesem Zeitpunkte; und weiter hinaus nur in so fern, als das Gesinde sich in
dem neuen Dienste mit einem geringern Lohne hat begnügen müssen.
§. 164. Ist die Herrschaft das entlassene Gesinde wieder
anzunehmen bereit; das Gesinde hingegen weigert sich, den Dienst wieder
anzutreten: so kann letzteres in der Regel gar keine Vergütung fordern.
§. 165. Weist aber das Gesinde einen solchen Grund seiner
Weigerung nach, weswegen es, seines Orts, den Dienst zu verlassen berechtigt
seyn würde: so gebührt demselben die §. 152. sqq. bestimmte Vergütung.
§. 166. Kann das Gesinde den vorigen Dienst, wegen eines
inzwischen erhaltenen anderweitigen Unterkommens, nicht wieder antreten: so
findet die Vorschrift §. 163. Anwendung.
Verlassung des Dienstes.
§. 167. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit, ohne
gesetzmäßige Ursache, den Dienst verläßt, muß durch Zwangsmittel zu dessen
Fortsetzung angehalten werden.
§. 168. Will aber die Herrschaft ein solches Gesinde nicht
wieder annehmen: so ist sie berechtigt, ein anderes an seiner Stelle zu
miethen; und der ausgetretene Dienstbote ist schuldig, die dadurch verursachten
mehrern Kosten zu erstatten.
§. 169. Das abziehende Gesinde ist schuldig, alles was ihm
zum Gebrauche in seinen Geschäften, oder sonst zu seiner Aufbewahrung
anvertraut worden, der Herrschaft richtig zurück zu liefern.
§. 170. Den daran durch seine Schuld entstandenen Schaden
muß es der Herrschaft ersetzen, (§. 65-69.)
Abschied.
§. 171. Bey dem Abzüge ist die Herrschaft dem Gesinde einen
schriftlichen Abschied, und ein der Wahrheit gemäßes Zeugniß über seine
geleisteten Dienste zu ertheilen schuldig.
§. 172. Werden dem Gesinde in diesem Abschiede
Beschuldigungen zur Last gelegt, die sein weiteres Fortkommen hindern würden:
so kann es auf richterliche Untersuchung antragen.
§. 173. Wird dabey die Beschuldigung ungegründet befunden:
so muß die Obrigkeit dem Gesinde den Abschied auf Kosten der Herrschaft
ausfertigen lassen, und letzterer fernere üble Nachreden, bey namhafter
Geldstrafe, untersagen.
§. 174. Hat hingegen die Herrschaft einem Gesinde, welches
sich grober Laster und Veruntreuungen schuldig gemacht hat, das Gegentheil
wider besseres Wissen bezeugt: so muß sie für allen einem Dritten daraus
entstehenden Schaden haften.
§. 175. Die folgende Herrschaft kann sich also an sie, wegen
des derselben durch solche Laster oder Veruntreuungen des Dienstboten
verursachten Nachtheils halten.
§. 176. Auch soll eine solche Herrschaft mit einer Geldstrafe,
von Einem bis Fünf Thaler, zum Besten der Armencasse des Orts belegt werden.
II. Von Hausofficianten.
§. 177. Hausofficianten, denen nur ein gewisses bestimmtes
Geschäfte in der Haushaltung oder Wirthschaft, oder die Aufsicht über einen
gewissen Theil derselben aufgetragen wird, müssen durch einen schriftlichen
Contrakt angenommen werden.
§. 178. Mündliche Verabredungen sind ungültig, wenn auch
Miethgeld gegeben, und angenommen worden.
§. 179. Doch muß derjenige Theil, welcher von der mündlichen
Verabredung wieder abgehn will, das Miethgeld fahren lassen, oder zurück geben.
§. 180. Ist der Dienst auf den Grund eines bloß mündlichen
Vertrages wirklich angetreten: so kann der eine, so wie der andere Theil, mit
Ablauf eines jeden Vierteljahres, jedoch unter Beobachtung einer
sechswöchentlichen Aufkündigungsfrist, wieder abgehn.
§. 181. Die Belohnung für die in der Zwischenzeit
geleisteten Dienste wird nach der mündlichen Abrede; und in deren Ermangelung
nach dem, was dem Hausofficianten bisher wirklich gegeben worden; oder, wenn
auch hiernach der Streit nicht entschieden werden kann, nach dem, was Leute
dieser Classe an demselben Orte gewöhnlich erhalten, durch richterliches
Ermessen bestimmt.
§. 182. Hausofficianten sind nur zu solchen Verrichtungen
schuldig, welche mit dem Dienste wozu sie angenommen worden, nach seiner
Bestimmung verbunden sind.
§. 183. Andern häuslichen Geschäften sich zu unterziehen,
sind sie nur im dringenden Nothfalle verpflichtet.
§. 184. In dem Geschäfte, wozu sie angenommen worden, müssen
sie für jedes mäßige Versehen haften.
§. 185. Wegen grober Schimpf-und Schmähworte, ingleichen
wegen Thätlichkeiten, womit Hausofficianten von der Herrschaft unverschuldet
behandelt worden, können sie, noch vor Ablauf der Dienstzeit, Entlassung fordern.
§. 186. In allen übrigen Stücken haben Hausofficianten mit
dem gemeinen Gesinde gleiche Rechte und Pflichten.
Erzieher und Erzieherinnen.
§. 187. Personen beyderley Geschlechts, welche zur Erziehung
der Kinder angenommen worden, ingleichen Privatsekretairs, Kapläne, und andere,
die mit erlernten Wissenschaften und schönen Künsten im Hause Dienste leisten,
sind nicht für bloße Hausofficianten zu achten.
§. 188. Vielmehr müssen die Rechte und Pflichten derselben
nach dem Inhalte des mit ihnen geschlossenen schriftlichen Vertrages; nach der
Natur, der Absicht, und den Erfordernissen des übernommenen Geschäfts; und nach
den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von Verträgen, und von Veräußerung
der Sachen gegen Handlungen, beurtheilt werden. (Th. I. Tit. XI. §. 869. sqq.)
§. 189. Dergleichen Personen sind zu häuslichen Diensten in
keinem Falle verbunden.
§. 190. Sie gehören unter diejenigen Mitglieder der Familie,
denen das gemeine Gesinde, nach der Anordnung der Herrschaft, seine Dienste
leisten muß. (§. 58. 59.)
§. 191. Erzieher und Erzieherinnen können wegen bloßer
Züchtigungen der Kinder, die in keine Mißhandlungen ausarten, nicht entlassen
werden.
§. 192. Sind auch bloße körperliche Züchtigungen bey
Schließung des Vertrages untersagt worden: so begründet eine Uebertretung
dieses Verbots das Recht zur Aufkündigung.
§. 193. Die gesetzmäßige Dauer der Dienstzeit solcher §.
187. beschriebenen Personen wird, wenn der Vertrag nicht ein Andres bestimmt,
auf Ein Jahr gerechnet.
§. 194. Wegen deren stillschweigenden Verlängerung gilt
alles das, was bey dem gemeinen Gesinde vorgeschrieben ist.
§. 195. Die Aufkündigungsfrist wird, wenn im Contrakte nicht
ein Anderes festgesetzt ist, auf ein Vierteljahr bestimmt.
III. Von Sklaven.
§. 196. Sklaverey soll in den Königlichen Staaten nicht
geduldet werden.
§. 197. Kein Königlicher Unterthan kann und darf sich zur
Sklaverey verpflichten.
§. 198. Fremde, die sich nur eine Zeitlang in Königlichen
Landen befinden, behalten ihre Rechte über die mitgebrachten Sklaven.
§. 199. Doch muß ihnen die Obrigkeit Schranken setzen, wenn
sie diese Rechte bis zu lebensgefährlichen Mißhandlungen, der Sklaven ausdehnen
wollten.
§. 200. Wenn dergleichen Fremde sich in Königlichen Landen
niederlassen; oder auch, wenn Königliche Unterthanen auswärts erkaufte Sklaven
in hiesige Lande bringen: so hört die Sklaverey auf.
§. 201. Der Herr hat also kein persönliches Eigenthum über
den gewesenen Sklaven.
§. 202. Doch muß letzterer von solcher Zeit an dem Herrn
ohne Lohn so lange dienen, bis er denselben dadurch für die auf seinen Ankauf
etwa verwendeten Kosten entschädigt hat.
§. 203. Bey der Berechnung dieser Entschädigung wird der
Lohn, welchen das Gesinde, für Dienste dieser Art, am Orte oder in der Provinz
gewöhnlich erhält, zum Maaßstabe angenommen.
§. 204. Während der ohnentgeltlichen Dienstzeit muß dem
gewesenen Sklaven nothdürftige Kleidung und Kost, gleich dem Gesinde, gereicht
werden.
§. 205. Auch in allen übrigen Stücken hat er gleiche Rechte
und Pflichten mit dem gemeinen und freyen Gesinde.
§. 206. Hat die Herrschaft der von einem solchen gewesenen
Sklaven erzeugten Kinder sich angenommen: so gebühren ihr auf die Dienste
derselben gleiche Rechte, wie auf andre in Pflege und Erziehung genommene
verlassene Kinder. (Tit. II. §. 753-771.)
§. 207. Einen gewesenen Sklaven kann der Herr auch einem
Landgute als Unterthanen zuschlagen.
§. 208. Geschieht dieses: so hat derselbe mit andern
Gutsunterthanen gleiche Rechte und Verbindlichkeiten.
Sechster Titel
Von Gesellschaften überhaupt, und von Corporationen und
Gemeinen
insonderheit
Gesellschaften überhaupt
§. 1. Unter Gesellschaften überhaupt werden hier
Verbindungen mehrerer Mitglieder des Staats zu einem gemeinschaftlichen
Endzwecke verstanden.
erlaubte;
§. 2. In so fern dieser Zweck mit dem gemeinen Wohl bestehen
kann, sind dergleichen Gesellschaften erlaubt.
unerlaubte.
§. 3. Gesellschaften aber, deren Zweck und Geschäfte der
gemeinen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung zuwiderlaufen, sind unzuläßig, und
sollen im Staate nicht geduldet werden.
§. 4. Auch an sich nicht unzuläßige Gesellschaften kann der
Staat verbieten, sobald sich findet, daß dieselben andern gemeinnützigen
Absichten oder Anstalten hinderlich oder nachtheilig sind.
§. 5. Dergleichen ausdrücklich verbotne Gesellschaften sind,
von Zeit des ergangenen Verbots, den an sich unzuläßigen gleich zu achten.
§. 6. Unzuläßige und verbotne Gesellschaften haben, als
solche, gar keine Rechte, weder gegen ihre Mitglieder, noch gegen Andre.
§. 7. Die Mitglieder derselben sind, wegen unerlaubter Handlungen,
die von ihnen gemeinschaftlich, oder auch von Einzelnen nach dem Zwecke der
Gesellschaft vorgenommen worden, zum Schadensersatze und zur Strafe eben so
verhaftet, wie andere Mitgenossen eines Verbrechens.
§. 8. Doch sind diejenigen Mitglieder davon befreyt, welche
weder von dem gemeinschädlichen Zwecke der Gesellschaft gewußt, noch an den
unerlaubten Handlungen der übrigen Theil genommen haben.
§. 9. Dergleichen Mitglieder können vielmehr, wenn ihnen aus
einer solchen Verbindung Schaden entsteht, den Ersatz desselben von denjenigen,
durch welche sie zum Beytritte verleitet worden, so wie von den Vorstehern der
Gesellschaft fordern.
§. 10. Wer einer vom Staate ausdrücklich verbotnen
Gesellschaft beytritt, kann gegen die in dem Verbotsgesetze bestimmte Strafe,
durch Vorschützung der Unwissenheit des unerlaubten Zwecks sich nicht
entschuldigen.
Rechte der erlaubten Privatgesellschaften.
§. 11. Die Rechte und Pflichten der Mitglieder erlaubter
Gesellschaften unter sich, werden nach dem unter ihnen bestehenden Vertrage, in
dessen Ermangelung, nach den für die verschiedenen Arten solcher Gesellschaften
ergangnen besondern Gesetzen, und wo auch diese nicht entscheiden, nach dem
Zwecke ihrer Verbindung beurtheilt.
§. 12. Bey Handlungen, woraus Rechte und Verbindlichkeiten
gegen Andere entstehen, werden sie nur als Theilnehmer eines gemeinsamen
Rechts, oder einer gemeinsamen Verbindlichkeit betrachtet.
§. 13. Dergleichen Gesellschaften stellen im Verhältnisse
gegen andre, außer ihnen, keine moralische Person vor, und können daher auch,
als solche, weder Grundstücke, noch Capitalien auf den Namen der Gesellschaft
erwerben.
§. 14. Unter sich aber haben dergleichen Gesellschaften, so
lange sie bestehen, die innern Rechte der Corporationen und Gemeinen. (§. 25.
sqq.)
§. 15. Es kann daher ein ausscheidendes Mitglied von dem
Gesellschaftsvermögen nur in so fern einen Antheil fordern, als das Mitglied
einer Corporation und Gemeine dazu berechtigt ist.
§. 16. Handlungsgesellschaften werden lediglich nach den
Vorschriften des Dritten Abschnitts des Siebenzehnten Titels im Ersten Theile,
und des Siebenten Abschnitts, Achten Titels, im Zweyten Theile, beurtheilt.
§. 17. Alles, was einer solchen Gesellschaft zufällt, wird
nur das gemeinschaftliche Eigenthum der dermaligen Mitglieder.
§. 18. Es kann also jedes ausscheidende Mitglied seinen
Antheil davon, so wie von dem übrigen im gemeinschaftlichen Eigenthume
befindlichen Vermögen fordern.
§. 19. Ist bey der Erwerbung oder Zuwendung das Gegentheil
ausdrücklich festgesetzt worden: so hat zwar, so lange die Gesellschaft
besteht, ein ausscheidendes Mitglied an dergleichen Sachen keinen Anspruch;
§. 20. Wenn aber die Gesellschaft ganz aufhört; so wird auch
eine solche Sache, gleich dem übrigen gemeinschaftlichen Vermögen, unter die
alsdann vorhandenen Mitglieder getheilt.
§. 21. Schenkungen, die einer erlaubten Privatgesellschaft,
welche aber keine Handlungsgesellschaft ist, zu einem gewissen Zwecke gemacht
worden, fallen, wenn bey erfolgender Aufhebung der Gesellschaft der Zweck nicht
mehr erreicht werden kann, in so fern sie noch vorhanden sind, an den
Geschenkgeber, oder dessen Erben zurück. (Th. I. Tit. XVI. §. 201. sqq.)
Privilegirte Gesellschaften.
§. 22. Die Rechte und Verhältnisse einer vom Staate ausdrücklich
genehmigten oder privilegirten Gesellschaft, müssen hauptsächlich nach dem
Inhalte des ihr ertheilten Privilegii beurtheilt werden.
§. 23. So weit aber in diesem nichts Besonderes festgesetzt
ist, haben dergleichen privilegirte Gesellschaften mit andern erlaubten in der
Regel nur gleiche Rechte.
§. 24. Doch kann der Staat eine von ihm ausdrücklich
privilegirte Gesellschaft nur aus eben den Gründen, aus welchen ein Privilegium
überhaupt zurückgenommen werden kann, wieder aufheben.
Corporationen und Gemeinen.
§. 25. Die Rechte der Corporationen und Gemeinen kommen nur
solchen vom Staate genehmigten Gesellschaften zu, die sich zu einem
fortdauernden gemeinnützigen Zwecke verbunden haben.
§. 26. Die Verhältnisse und Rechte der Corporationen und
Gemeinen sind hauptsächlich nach den bey ihrer Errichtung geschlossenen
Verträgen, oder ergangenen Stiftungsbriefen; nach den vom Staate erhaltenen
Privilegien und Concessionen; und nach den auch in der Folge unter Genehmigung
des Staats abgefaßten Schlüssen zu beurtheilen.
I. Grundverfassung derselben.
§. 27. Die
solchergestalt bestimmten Rechte und Pflichten der Gesellschaft und ihrer
Mitglieder, so wie die wegen des Betriebes der gemeinschaftlichen Angelegenheiten
getroffenen Einrichtungen, machen die Verfassung dieser Corporation aus.
§. 28. So weit dadurch der Zweck der Gesellschaft, und
solche Mittel, ohne welche dieser Zweck nicht erreicht werden kann, bestimmt
sind, gehören dieselben zur Grundverfassung.
§. 29. Grundverfassungen können nur in so weit geändert oder
abgeschafft werden, als die Corporation selbst aufgehoben werden kann.
§. 30. Auch andre Verfassungen kann die Corporation
eigenmächtig, ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats, nicht abändern.
§. 31. Wie weit aber dergleichen Aenderungen durch einen
nach Mehrheit der Stimmen abzufassenden Gesellschaftsschluß, unter Approbation
des Staats, erfolgen können, ist nach den unten vorkommenden Regeln zu
beurtheilen.
§. 32. Bey der Auslegung dunkler und zweifelhafter Stellen
in den Verfassungsgesetzen einer Gesellschaft, finden die allgemeinen Regeln
von Auslegung der Verträge, Gesetze, und Privilegien überhaupt, Anwendung.
§. 33. Doch ist dabey auch auf die bisherige Gewohnheit bey
der Gesellschaft, so weit dieselbe ihrer Grundverfassung und den allgemeinen
Gesetzen des Staats nicht widerspricht, vorzügliche Rücksicht zu nehmen.
§. 34. Soll über dergleichen dunkle oder zweifelhafte
Stellen eine allgemeine Erklärung für die Zukunft abgefaßt werden: so kann dies
nur durch Schlüsse der Corporation, unter Genehmigung des Staats geschehen.
§. 35. Kann kein solcher Schluß zu Stande kommen; oder
betrifft die Sache Rechte und Pflichten der Corporation gegen andre außer ihr:
so kommt dieses Erklärungsrecht nur allein dem Staate zu.
§. 36. Behauptet aber ein Dritter, daß er durch solche
Deklarationen in seinen schon erworbenen Befugnissen gekränkt sey: so muß ihm
darüber rechtliches Gehör verstattet werden.
§. 37. Jedes in die Corporation neu eintretende Mitglied
unterwirft sich eben dadurch den Verfassungen derselben.
§. 38. Von deren Beobachtung, so weit es dabey auf
Grundverfassungen ankommt, können auch einzelne Mitglieder niemals befreyt
werden.
§. 39. In wie fern aber Corporationen, oder deren
Vorgesetzte, einzelne Mitglieder von andern zur Grundverfassung nicht
gehörenden Verbindlichkeiten und Lasten dispensiren können, hängt von den
besondern Einrichtungen einer jeden Art der Corporationen ab.
§. 40. So weit die Verfassung einer Corporation aus den
bisher (§. 26-36.) angegebenen Quellen nicht zu bestimmen ist, muß auf die
wegen der verschiedenen Arten der Corporationen ergangenen besondern Gesetze
Rücksicht genommen werden.
§. 41. Wo auch diese nichts näheres bestimmen, da treten
nachstehende allgemeine Vorschriften ein.
II. Innere Rechte.
§. 42. Jedes Mitglied einer Corporation ist schuldig, seine
Handlungen dem gemeinschaftlichen Zwecke gemäß einzurichten, und zur Erreichung
desselben mitzuwürken.
§. 43. Die Corporation ist berechtigt, Mitglieder, welche
diesem Zwecke vorsetzlich, oder sonst beharrlich zuwider handeln, auszustoßen.
§. 44. Sie kann aber diese Befugniß nur unter Aufsicht des
Staats, und nach den von ihm vorgeschriebenen Gesetzen ausüben.
§. 45. Ein eigentliches Strafrecht gegen ihre Mitglieder
kann einer Corporation nur wegen Vergehungen, die von den Mitgliedern in dieser
Eigenschaft begangen worden, und nur in so fern zukommen, als ihr der Staat
dergleichen Recht ausdrücklich verliehen hat.
§. 46. Aber auch in diesem Falle muß die Corporation, bey
Ausübung ihres Strafrechts, die in den Gesetzen allgemein vorgeschriebene
Ordnung und Verfahrungsart beobachten.
§. 47. Auch findet gegen solche Strafverfügungen die
Berufung auf die vom Staate angeordneten Richterstühle statt.
§. 48. Die Corporation hat das Recht, neue Mitglieder, mit
Vorwissen und Beystimmung des Staats aufzunehmen.
§. 49. Rechte und Vorzüge, welche einer Corporation oder
Gemeine vom Staate beygelegt sind, kommen der Regel nach allen gegenwärtigen
und künftigen Mitgliedern derselben zu statten.
§. 50. Doch können auf Vorrechte, welche nur der ganzen
Gesellschaft, als einer moralischen Person betrachtet, verliehen sind, einzelne
Mitglieder für ihre Personen, und in ihren Privatangelegenheiten, keinen Anspruch
machen.
Berathschlagungen und Schlüsse;
§. 51. Die innern Angelegenheiten einer Corporation werden
durch Berathschlagungen und Schlüsse der Mitglieder angeordnet.
§. 52. Bey gewöhnlichen Vorfällen, und in den ein für
allemal dazu bestimmten Versammlungen entscheidet der Schluß der in dieser
Versammlung gegenwärtigen Mitglieder.
§. 53. Bey außerordentlichen Vorfällen, deren Verhandlungen
in den Stiftungsgesetzen den ordinairen Versammlungen nicht beigelegt ist,
müssen sämmtliche Mitglieder ausdrücklich eingeladen werden.
§. 54. Ist bey der Einladung zu solchen außerordentlichen
Versammlungen zugleich der Gegenstand der Berathschlagung angezeigt worden: so
können die erscheinenden Mitglieder, ohne Rücksicht auf ihre Anzahl, einen
gültigen Schluß abfassen.
§. 55. Ist aber eine solche ausdrückliche Bekanntmachung des
Gegenstandes der Berathschlagung nicht geschehen: so müssen wenigstens zwey
Drittel der Mitglieder gegenwärtig seyn, wenn ein Schluß zu Stande kommen soll.
§. 56. Ist die Einladung nicht gehörig geschehen, oder in
dem Falle des §. 55. nicht die erforderliche Anzahl von Mitgliedern gegenwärtig
gewesen: so ist ein dennoch abgefaßter Schluß nichtig.
§. 57. Es ist hinreichend, wenn die Einladung an dem
gewöhnlichen Wohnorte eines jeden Mitgliedes, auf die in der Prozeßordnung
vorgeschriebene Art insinuirt wird.
§. 58. Mitglieder, welche ihren bisherigen bekannten
Aufenthaltsort verändern, ohne den Vorstehern der Corporation Nachricht zu
geben, wo sie anzutreffen sind, ist die Corporation besonders einzuladen nicht
schuldig.
§. 59. Eben das gilt wegen solcher Mitglieder, die ihren
Wohnsitz aus der Provinz verlegen, ohne der Corporation einen Bevollmächtigten
anzuzeigen, an welchen die Einladung in vorkommenden Fällen gerichtet werden
solle.
§. 60. Abwesende Mitglieder können den Versammlungen auch
durch Bevollmächtigte beywohnen.
§. 61. Dergleichen Vollmacht kann aber nur einem Mitgliede
der Corporation aufgetragen werden.
§. 62. Die Schlüsse der Gesellschaft werden nach der
Mehrheit der Stimmen abgefaßt.
§. 63. Bey vorhandener Stimmengleichheit gebührt die
Entscheidung derjenigen Behörde, der es sonst zukommt, die Schlüsse der
Corporation zu bestätigen.
insonderheit bey neuen Anlagen;
§. 64. Zu neuen Beyträgen, die weder in der
Stiftungsverfassung, noch in den allgemeinen Gesetzen des Staats gegründet
sind, ist die Einwilligung aller Mitglieder erforderlich.
§. 65. Sind jedoch dergleichen Anlagen zur Erfüllung des
Zwecks der Corporation, oder einer von ihr vorhin schon rechtsgültig
übernommenen Verbindlichkeit nothwendig: so muß auch in dergleichen
Angelegenheiten die geringere Zahl der Mehrheit der Stimmen sich unterwerfen.
§. 66. In keinem Falle können neue Anlagen ohne
Vorwissen und Genehmigung des Staats gemacht werden.
§. 67. Was von neuen Beyträgen verordnet ist, gilt auch von
Erhöhung der bisher nur gewöhnlichen.
§. 68. Gesellschaftliche Rechte, welche nicht sämmtlichen
Mitgliedern, sondern nur einem oder dem andern unter ihnen, als Mitgliede, zukommen,
können denselben, wider ihren Willen, durch die bloße Stimmenmehrheit nicht
genommen oder eingeschränkt werden.
§. 69. Eben das gilt, wenn nicht allen, sondern nur Einem
oder etlichen Mitgliedern, neue Lasten oder Verbindlichkeiten aufgelegt werden sollen.
wegen des Vermögens;
§. 70. Auch die Verwaltung und Nutzung des der Corporation
zustehenden gemeinschaftlichen Vermögens wird durch Schlüsse der Corporation
angeordnet.
§. 71. Die Verwendung muß zur Beförderung des
gemeinschaftlichen Besten der Gesellschaft, und zur Erreichung ihres Endzwecks
geschehen.
§. 72. Derjenige Theil des Gesellschaftsvermögens, wovon die
Nutzungen für die einzelnen Mitglieder bestimmt sind, muß nach den Rechten des
gemeinsamen Eigenthums behandelt werden. (Th. I. Tit. XVII. Abschn. I.)
wegen der Stiftungen.
§. 73. Die Corporation ist nicht befugt, von demjenigen, was
ein Mitglied, oder auch ein Fremder, ihr zu einem gewissen bestimmten Zwecke
zugewendet hat, ohne dessen Genehmigung einen andern Gebrauch zu machen.
§. 74. In wie fern aber bey veränderten Umständen der Staat,
nach dem Ableben des Stifters, der Stiftung eine andere Richtung geben könne,
ist nach dem unten §. 193. vorkommenden Grundsatze zu beurtheilen.
§. 75. In allen Fällen, wo dergleichen Verfügung getroffen werden
soll, muß die noch bestehende Corporation mit ihrem Gutachten zuvörderst
darüber vernommen, und von diesem Gutachten, ohne überwiegende Gründe, nicht
abgewichen werden.
§. 76. Auch von den zur Erreichung des Zwecks einer solchen
Stiftung vorgeschriebenen Mitteln darf die Corporation eigenmächtig nicht
abgehen.
§. 77. Der Staat selbst ist, diese Mittel und Einrichtungen
abzuändern, nur alsdann berechtigt, wenn klar erhellet, daß dadurch der Zweck
nicht erreicht werden könne, oder gar verfehlt werden würde.
§. 78. Sind dabey Verordnungen zu Gunsten gewisser
bestimmter Personen gemacht: so kann davon, ohne die Einwilligung oder
vollständige Entschädigung solcher Personen, nicht abgegangen werden.
§. 79. Ist in dem Falle, wenn die Einrichtungen des Stifters
nicht buchstäblich befolgt würden, einem Dritten ein Recht auf die zur Stiftung
gewidmete Sache oder Summe beygelegt: so findet eine Aenderung ohne die
Zuziehung oder Einwilligung dieses Dritten nicht statt.
§. 80. Werden die von dem Stifter gemachten Einrichtungen
schon zu der Zeit, da die Stiftung errichtet, und der Corporation aufgetragen
worden, zweckwidrig befunden: so muß der Corporation die Annahme einer solchen
Stiftung nicht gestattet werden.
III. Aeußere Rechte:
§. 81. Corporationen und Gemeinen stellen in den Geschäften
des bürgerlichen Lebens Eine moralische Person vor.
§. 82. Sie werden in Rücksicht auf ihre Rechte und
Verbindlichkeiten gegen Andre, außer ihnen, nach eben den Gesetzen, wie andre
einzelne Mitglieder des Staats, beurtheilt.
§. 83. Doch können sie, ohne besondere Einwilligung der
ihnen vorgesetzten Behörde, unbewegliche Sachen weder an sich bringen, noch
veräußern oder verpfänden.
§. 84. Dergleichen von einem Dritten ohne diese Einwilligung
mit ihnen vollzogne Handlungen sind nichtig.
§. 85. Auch bey Schulden, für welche die Substanz des
unbeweglichen Gesellschaftsvermögens, oder die Nutzungen desselben, auf länger
als Ein Jahr haften sollen, ist die Einwilligung der vorgesetzten Behörde
nothwendig.
§. 86. Die Ausübung der äußern Gesellschaftsrechte wird
durch Schlüsse der Corporation angeordnet.
§. 87. Von Abfassung dieser Schlüsse gilt alles das, was bey
den innern Angelegenheiten der Corporation bestimmt ist.
§. 88. Auch diejenigen Angelegenheiten, welche zwar nicht
die Corporation, als Eine moralische Person betrachtet, aber doch die
sämmtlichen Mitglieder derselben, als solche, betreffen, werden durch Schlüsse
der Corporation bestimmt.
§. 89. Ist jedoch von Befugnissen oder Leistungen die Rede,
welche auf die einzelnen Mitglieder dergestalt vertheilt werden können, daß
jeder für sich das Recht ausüben, oder die Pflicht leisten kann, ohne dadurch
die Rechte der andern einzuschränken, oder ihre Pflichten zu erschweren: so
sind die einzelnen Mitglieder an einen durch Mehrheit der Stimmen der übrigen
gefaßten Schluß nicht gebunden.
§. 90. Sie überkommen also auch durch die, vermöge eines
solchen Schlusses, ferner erfolgenden Verhandlungen, für ihre Personen weder
Rechte, noch Verbindlichkeiten.
insonderheit wegen der Schulden.
§. 91. Für die von der Corporation gehörig übernommenen
Schulden haftet das gemeinschaftliche Vermögen derselben.
§. 92. An denjenigen Theil des Gesellschaftsvermögens, wovon
die Nutzungen den einzelnen Mitgliedern zukommen, kann der Gläubiger nur in
Ermangelung eines andern gemeinschaftlichen Vermögens sich halten.
§. 93. Auch kann dieser Theil des Gesellschaftsvermögens nur
in so fern angegriffen werden, als der Schluß, wodurch die Verbindlichkeit
übernommen worden, nach Vorschrift §. 62. bis 69. jedes einzelne Mitglied
verpflichtet.
§. 94. Das Privatvermögen der Mitglieder haftet nur alsdann,
wenn sich dieselben dazu ausdrücklich anheischig gemacht haben.
§. 95. Zu einer solchen Verpflichtung können die
widersprechenden auch durch eine überwiegende Stimmenmehrheit nicht angehalten
werden.
§. 96. Dagegen haften die einzelnen Mitglieder, selbst ohne
ausdrückliche Einwilligung, für Schulden, die zu solchen Bedürfnissen der
Commune gemacht worden, zu deren Bestreitung sie neue oder erhöhete Beyträge,
auch wider ihren Willen hätten übernehmen müssen. (§. 65.)
§. 97. Ist eine wahre Gesellschaftsschuld vorhanden, welche
durch neue oder erhöhete Beyträge getilgt werden muß: so hat die Gesellschaft
das Recht, diese Beyträge, unter Aufsicht und Genehmigung des Staats dergestalt
einzurichten, daß das Erforderliche nur nach und nach zusammen gebracht, und
die Last sowohl unter die gegenwärtigen als künftigen Mitglieder billig
vertheilt werde.
§. 98. Auch der Gläubiger muß sich eine solche nur nach und
nach zu leistende Zahlung gefallen lassen, wenn nicht ein gemeinschaftliches
Vermögen, an welches er sich halten kann, vorhanden, oder in dem Vertrage mit
der Gesellschaft ein anderes verabredet ist.
§. 99. So weit nach Vorschrift §. 97. Gesellschaftsschulden
durch Beyträge der Mitglieder nach und nach getilgt werden müssen; so weit sind
auch neue Mitglieder diese fortlaufenden Beyträge mit zu übernehmen, verbunden.
§. 100. Doch muß ihnen dieses bey ihrer Aufnahme bekannt
gemacht werden.
§. 101. Weigern sie sich alsdann, die fernern Beyträge zu
übernehmen: so kann ihnen die Aufnahme in die Gesellschaft versagt werden.
§. 102. Ist die Bekanntmachung nicht geschehen: so haften
die Vorsteher der Gesellschaft, durch deren Schuld dieselbe unterblieben ist,
für die Beyträge solcher Mitglieder.
§. 103. Durch den Austritt aus der Gesellschaft werden
einzelne Mitglieder von ferneren Beyträgen in der Regel frey.
§. 104. Auch die Erben verstorbener Mitglieder sind, als
solche, zu fernern Beyträgen nicht verpflichtet.
§. 105. Von diesen Regeln (§. 103. 104.) findet eine
Ausnahme statt, wenn ein Mitglied eine Gesellschaftsschuld, ganz oder zum
Theil, nicht bloß in der Eigenschaft eines Mitgliedes, sondern als seine
Privatschuld, ausdrücklich übernommen hat.
§. 106. Sind Privatgrundstücke oder Gerechtigkeiten für eine
Gesellschaftsschuld verpfändet worden: so geht die Schuld auf jeden Besitzer
derselben über.
§. 107. Haben die Mitglieder einer Corporation zwar durch
einen an sich rechtsbeständigen Schluß, aber zu einem Behufe, welcher nicht das
fortwährende Beste der Corporation, sondern nur die gegenwärtigen Mitglieder
betrifft, Schulden gemacht: so sind auch nur diese, und ihre Erben, zu deren
Abtragung verpflichtet.
§. 108. Von dieser Pflicht können sie sich durch den Austritt
aus der Gesellschaft nur alsdann befreyen, wenn sie ein anderes Mitglied
stellen, welches die ferneren Beyträge an ihrer Statt zu übernehmen erbötig,
und dafür hinlänglich sicher ist.
§. 109. Dagegen ist die Weigerung eines neuen Mitgliedes,
Beyträge zu Schulden von dieser Art zu übernehmen, für sich allein noch kein
hinreichender Grund, demselben die Aufnahme zu versagen.
§. 110. Das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschaft
haftet dem Gläubiger, welcher mit ihr, unter Beobachtung der gesetzlichen
Erfordernisse, einen gültigen Vertrag geschlossen hat; wenn gleich das Gegebene
oder Geleistete nicht zum Besten der Gesellschaft verwendet worden.
§. 111. Der Staat aber ist, so wie die Gesellschaft selbst,
in einem solchen Falle dafür zu sorgen berechtigt, daß das gemeinschaftliche
Vermögen von der daraufgelegten Verpflichtung durch diejenigen, welche den
Vortheil davon gezogen haben, oder durch deren Verschulden die Verwendung zum
Besten der Gesellschaft unterblieben ist, wieder befreyet werde.
§. 112. Eben diese Vorschriften (§. 110. 111.) finden auch
Anwendung, wenn wegen Schulden von der §. 107. beschriebenen Art das
Gesellschaftsvermögen angegriffen worden.
§. 113. Auch wenn kein Vertrag vorhanden ist, oder es
demselben an den gesetzlichen Erfordernissen mangelt, wird die Corporation
durch die geschehene Verwendung in den gemeinschaftlichen Nutzen, gleich einer
Privatperson verhaftet. (Th. I. Tit. XIII. Abschn. III)
IV. Repräsentanten.
§. 114. Die Ausübung der Gesellschaftsrechte kann einzelnen
Personen, als Repräsentanten oder Stellvertretern der Gesellschaft, übertragen
werden.
§. 115. Ist die Bestellung von Repräsentanten in den
Stiftungsverträgen oder Gesetzen nicht angeordnet: so gehört die Entscheidung
der Frage: ob Repräsentanten bestellt werden sollen, zu denjenigen
Angelegenheiten, welche in außerordentlichen Versammlungen, nach
vorhergegangener Einladung sämmtlicher Mitglieder, abgethan werden müssen.
§. 116. Zur bejahenden Entscheidung dieser Frage wird eine
Mehrheit von zwey Dritteln der Stimmen der auf gehörige Einladung erschienenen
Mitglieder; zur Wahl der Personen aber nur eine Mehrheit der Stimmen überhaupt
erfordert.
§. 117. Den Repräsentanten einer Corporation kommt nur die
Ausübung der äußern Rechte der Gesellschaft, und die Besorgung der Geschäfte
derselben mit Fremden außer ihr zu.
§. 118. Dergleichen Geschäfte sind die Repräsentanten in der
Regel ohne weitere Rückfrage mit der Gesellschaft abzuthun berechtigt.
§. 119. Dagegen sind sie, wegen solcher Geschäfte, mit der
Gesellschaft Rücksprache zu nehmen verbunden, wodurch unbewegliche Sachen
derselben veräußert, oder verschuldet, oder die Mitglieder zu neuen oder
erhöheten Beyträgen verpflichtet werden sollen.
§. 120. Sind den Repräsentanten mehrere Einschränkungen nur durch
ihre Instruktion, oder vermöge eines besondern Herkommens in der Corporation,
gemacht: so ist ein Fremder, der mit ihnen in Verhandlungen sich einläßt, an
solche Einschränkungen nur so weit gebunden, als ihm dieselben hätten bekannt
seyn können und sollen.
§. 121. Daß eigentliche Repräsentanten durch besondere
Instruktion mehr, als die öffentlich bekannte Verfassung der Gesellschaft, oder
die Landesgesetze mit sich bringen, eingeschränkt sind, wird nicht vermuthet.
§. 122. Eine Corporation also, welche solche besondere
Einschränkungen machen will, muß dafür sorgen, die ihren Repräsentanten
ertheilte Instruktion dergestalt öffentlich bekannt zu machen, daß dieselbe
niemanden, der mit den Repräsentanten etwas verhandelt, ohne sein eignes grobes
oder mäßiges Versehen verborgen bleiben könne.
§. 123. Dagegen muß der fremde Contrahent die gewöhnliche
Aufmerksamkeit anwenden, daß er solchen Einschränkungen der Repräsentanten,
welche auf einem ununterbrochenen Herkommen bey der Gesellschaft beruhen, nicht
zuwider handle.
§. 124. Ob Repräsentanten, welche mit einem Fremden in ihrem
eignen Namen Verhandlungen vornehmen, demselben dadurch nur sich selbst, oder
die Gesellschaft verpflichten, muß nach eben den Regeln, wie bey
Bevollmächtigten, beurtheilt werden. (Th. I, Tit. XIII. §. 153-156.)
§. 125. Innere Gesellschaftsrechte kommen den Repräsentanten
nur in so fern zu, als ihnen dergleichen durch die Stiftungsgesetze, durch ihre
Instruktion, oder durch ein ununterbrochenes Herkommen übertragen worden.
§. 126. Von den Schlüssen der Repräsentanten gilt in der
Regel alles, was von den Schlüssen der Gesellschaft verordnet ist.
§. 127. Wenn die Zahl der Repräsentanten bestimmt; und eine
Stelle darunter durch den Tod oder sonst erledigt ist: so müssen alle
Angelegenheiten, bey welchen keine Gefahr im Verzuge obwaltet, bis zu deren
Wiederbesetzung verschoben werden.
§. 128. Ist der Auftrag der Repräsentanten durch die
Verfassung der Corporation auf eine gewisse Zeit eingeschränkt: so sind alle
nach Ablauf dieser Zeit vorgenommene Handlungen derselben für die Gesellschaft
unverbindlich.
§. 129. Ist keine Zeit dazu bestimmt: so dauert ihr Auftrag
so lange, als er nicht durch einen Schluß der Gesellschaft widerrufen, oder von
ihnen selbst aufgekündigt worden.
§. 130. Sollen Repräsentanten in Ansehung der Dauer ihres
Auftrages nur durch ihre Instruktion, oder durch besondere
Gesellschaftsschlüsse eingeschränkt werden: so gilt, wegen öffentlicher
Bekanntmachung solcher Einschränkungen, eben das, was §. 122. verordnet ist.
§. 131. Die Repräsentanten sind der Corporation von ihren
Handlungen Rechenschaft abzulegen verbunden.
§. 132. Dabey, so wie überhaupt wegen aller den
Repräsentanten gegen die Corporation zukommenden Rechte und Verbindlichkeiten,
worüber in den Stiftungsgesetzen, in ihrer Instruktion, oder in besondern
gesetzlichen Vorschriften nicht abweichende Bestimmungen vorhanden sind, werden
die Repräsentanten als Bevollmächtigte, und wenn sie zugleich das
Gesellschaftsvermögen administriren, als Verwalter fremder Güter angesehen und
beurtheilt. (Th. I. Tit. XIII. Abschn. I. Tit. XIV. Abschn. II.)
§. 133. Die Corporation hat das Recht, ihre gefaßten
Schlüsse wieder aufzuheben, und die von ihnen getroffenen Anordnungen zu
widerrufen.
§. 134. Die Mißbilligung der Corporation giebt ihr aber
nicht die Befugniß, von Verhandlungen, welche die Repräsentanten mit Andern
außer der Gesellschaft einmal gültig geschlossen, und woraus letztere ein Recht
erworben haben, abzugehen.
§. 135. Diejenigen, welche von der Gesellschaft nur zu einem
gewissen bestimmten Geschäfte bestellt worden, sind, wenn sie gleich den Namen
der Repräsentanten führen, dennoch nur als Bevollmächtigung der Gesellschaft
anzusehen.
§. 136. Die Ausstellung einer Vollmacht im Namen der
Gesellschaft gehört zu denjenigen Angelegenheiten, welche in außerordentlichen
Versammlungen, nach vorhergegangener Einladung sämmtlicher Mitglieder,
verhandelt, und nach der Mehrheit der Stimmen berichtigt werden müssen.
V. Vorsteher.
§. 137. Jede Corporation muß wenigstens Einen Vorsteher
haben.
§. 138. Ob deren mehrere, und wie viele seyn sollen, hängt,
wenn es in der Verfassung nicht ein- für allemal bestimmt ist, von dem
Beschlusse der Corporation ab.
§. 139. Die Wahl der Vorsteher gebührt in der Regel der
Corporation.
§. 140. Diese Wahl gehört zu den außerordentlichen
Angelegenheiten, welche durch die Mehrheit der Stimmen, nach vorhergegangener
Einladung sämmtlicher Mitglieder, entschieden werden müssen.
§. 141. Die Vorsteher der Gesellschaft haben das Recht und
die Pflicht, alles zu thun, was zur guten Ordnung in den Geschäften und
Verhandlungen, und zum gewöhnlichen nützlichen Betriebe der gemeinsamen
Angelegenheiten erforderlich ist.
§. 142. Zu ihrem Amte gehört es, Versammlungen zu berufen; die
Direktion in selbigen zu führen; die Gegenstände der Berathschlagung
vorzutragen; die Stimmen zu sammeln; und nach selbigen den Schluß abzufassen.
§. 143. Insonderheit ist es ihre Pflicht, darauf zu sehen,
daß nichts wider die Stiftungsgesetze, und wider die Rechte des Staats
vorgenommen und beschlossen werde.
§. 144. Die Unterbedienten der Gesellschaft sind ihrer
Direktion und Aufsicht unterworfen.
§. 145. Die Befugniß, die Vorsteher über ihre Amtsführung
zur Rechenschaft zu ziehen, kann der Corporation durch einen auch einmüthigen
Beschluß sämtlicher gegenwärtigen Mitglieder, für die Zukunft nicht entzogen
werden.
§. 146. Bey erfolgendem Abgange eines Vorstehers, muß sein
Amt bis zu dessen anderweitig geschehener Besetzung, von demjenigen, welcher
ihm nach der in der Gesellschaft eingeführten Ordnung der nächste ist,
wahrgenommen werden.
VI. Beamte.
§. 147. Auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Güter
einer Corporation kann gewissen Beamten übertragen werden.
§. 148. Zur Betreibung ihrer Rechts-Angelegenheiten kann die
Corporation einen Syndicum bestellen.
S. 149. Zur Bestellung eines Syndici kann keine Korporation
gezwungen; wohl aber, wenn sie aus mehr als Drey Personen besteht, von dem
Richter angehalten werden, die Verhandlung ihrer Rechts-Angelegenheiten durch
zwey oder drey aus ihrer Mitte zu wählende Deputirten abzuwarten.
§. 150. Zur Uebernehmung eines Auftrages als Deputirte in
einzelnen Fällen, können Mitglieder gegen hinlängliche Entschädigung, auch
wider ihren Willen angehalten werden.
§. 151. Die Rechte und Pflichten eines Gesellschaftsbeamten
und Syndici sind nach ihren Bestallungen nach Amts-Instruktionen, übrigens aber
nach der Lehre von Vollmachts-Aufträgen zu beurtheilen.
§. 152. Auch ein wirklicher Syndicus ist nicht berechtigt,
ohne Rückfrage mit der Corporation, Klagen in ihrem Namen anzustellen, oder auf
solche, die wider sie angestellt worden, sich einzulassen.
§. 153. Die Verwalter der Gesellschaftsgüter sind nicht
befugt, Grundstücke Gerechtigkeiten und Capitalien der Gesellschaft zu
veräußern, oder auf irgend eine Art zu belasten.
§. 154. Aus den von ihnen allein geschlossenen Verträgen
wird die Gesellschaft nicht verhaftet.
§. 155. Doch muß sie, wenn daraus etwas in ihren gemeinsamen
Nutzen verwendet worden, dem andern Contrahenten, nach allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften, dafür gerecht werden.
§. 156. Auch muß sie die Handlungen und Verträge der Beamten
so weit vertreten, als diese nach der Natur ihres Auftrages, denselben, ohne
dergleichen Handlungen vorzunehmen, nicht würden ausführen können.
§. 157. Hat eine Commune ihre Vorsteher oder Beamten
überhaupt zur Veräußerung und Verpfändung des Communvermögens nach Gutfinden im
Voraus bevollmächtigt: so ist dieses dennoch nur von dem Falle, wenn eine
solche Veräußerung oder Verpfändung zur Bestreitung gemeinschaftlicher
Bedürfnisse nothwendig ist, zu verstehen.
§. 158. Doch bindet diese Einschränkung nur die Vorsteher
oder Beamten; steht aber einem Dritten, welcher sich mit ihnen auf den Grund
einer solchen uneingeschränkten Bevollmächtigung eingelassen hat, nicht
entgegen.
§. 159. Der Regel nach ist die Corporation befugt, sich ihre
Beamten selbst zu wählen.
§. 160. Es muß jedoch die Wahl der vorgesetzten Obrigkeit
zur Genehmigung angezeigt werden.
§. 161. Ein Mitglied der Corporation ist die auf ihn
gefallene Wahl anzunehmen verbunden, wenn ihm nicht eben die Gründe der
Entschuldigung, aus welchen eine aufgetragene Vormundschaft abgelehnt werden
kann, zu statten kommen.
§. 162. Die Beurtheilung der angeführten Entschuldigungsursachen
gebührt der Obrigkeit.
§. 163. Die von der Corporation geschehene und von dem
Gewählten angenommene Wahl kann die Obrigkeit dennoch verwerfen, wenn der
Gewählte die Eigenschaft nicht besitzt, welche nach allgemeinen oder nach den
Gesetzen der Gesellschaft zu dieser Stelle erforderlich sind.
§. 164. Wird die Wahl verworfen: so muß die Corporation, von
neuem wählen.
§. 165. Fällt auch diese Wahl auf einen Untüchtigen: so
verliert die Corporation für diesen Fall ihr Wahlrecht, und die Stelle wird von
der Obrigkeit besetzt.
§. 166. Abweichungen von obigen Regeln beruhen auf besondern
Gesetzen und Verfassungen.
§. 167. Die Wahl der Vorsteher und Beamten gehört zu den
innern Rechten der Gesellschaft.
§. 168. Sie ist ein Gegenstand der außerordentlichen
Zusammenkünfte. (§. 53. sqq.)
§. 169. Ist die Dauer ihrer Amtsführung weder in der
Verfassung, noch durch die Natur des Auftrages selbst bestimmt: so hängt sie
von dem Schlusse der Gesellschaft bey der Wahl ab.
§. 170. Ist auch dadurch keine gewisse Zeit bestimmt: so
wird angenommen, daß Vorsteher und Beamte auf Lebenszeit bestellt worden.
§. 171. Weder die auf Lebenslang, noch die auf eine kürzere
bestimmte Zeit angesetzte Vorsteher und Beamte, können von der Corporation nach
bloßer Willkühr wieder abgesetzt werden.
§. 172. Der Staat aber kann sie aus eben den Gründen, aus
welchen Beamte überhaupt ihres Amtes verlustig erklärt werden können, absetzen
oder entlassen.
§. 173. Die Corporation hat nur das Recht, bemerkte Gründe
dieser Art dem Staate zur Untersuchung anzuzeigen.
§. 174. Doch kann sie, bis zur erfolgenden Verfügung der
Obrigkeit, den angeschuldigten Beamten in der Verwaltung seines Amtes so weit
einschränken, als es nothwendig ist, um fernern besorglichen Schaden
abzuwenden.
§. 175. Auch Beamte können ihr ohne Einschränkung auf eine
gewisse Zeit: übernommenes Amt niemals, und wenn eine Zeit bestimmt ist, nicht
vor Ablauf derselben eher niederlegen, als bis zu dessen Wiederbesetzung die
nöthige Verfügung getroffen ist.
§. 176. Wenn es aber an tauglichen Personen dazu nicht
ermangelt; und die Corporation gleichwohl mit Vornehmung einer neuen Wahl
zögert: so kann der abgehende Beamte bey dem Staate darauf antragen, daß ihr
die Anstellung einer solchen Wahl in einer zu bestimmenden Frist aufgegeben,
und wenn diese fruchtlos verläuft, die Stelle für diesmal von dem Staate
unmittelbar besetzt werde.
VII. Dauer.
§. 177. Corporationen und Communen dauern fort, wenn auch
nur noch Ein Mitglied vorhanden ist.
§. 178. Dieses Mitglied kann alle Rechte der Gesellschaft in
deren Namen ausüben; es muß aber auch alle ihre Pflichten erfüllen.
§. 179. Kann letzteres nach der Natur und dem Zwecke der
Gesellschaft nicht geschehen: oder erlöscht die Gesellschaft durch das
Absterben auch des letzten Mitgliedes von selbst: so finden die Vorschriften §.
192. sqq. Anwendung.
§. 180. Auch mit Einwilligung sämmtlicher Mitglieder kann
eine öffentliche Gesellschaft nicht anders, als unter Genehmigung des Staats
aufgehoben werden.
§. 181. Auch unter Genehmigung des Staats kann zum
Nachtheile eines Dritten, der ein gegründetes Recht, auf der Fortdauer der
Corporation zu bestehen, nachzuweisen vermag, die Aufhebung derselben nicht
erfolgen.
VIII. Austritt einzelner Mitglieder.
§. 182. In der Regel kann jedes Mitglied einer Corporation
dieselbe nach Gutfinden wieder verlassen.
§. 183. Das austretende Mitglied muß aber seinen Vorsatz dem
Vorsteher der Gesellschaft gehörig anzeigen.
§. 184. Der Austritt selbst muß bis zum Ablaufe eines
solchen Zeitraumes ausgesetzt werden, in welchem die Vortheile und Lasten, die
aus der gesellschaftlichen Verbindung auf einzelne Mitglieder treffen, sich am
füglichsten gegen einander abwägen lassen.
§. 185. Es kann also, zum Beyspiel, ein Mitglied, welches
die gesellschaftlichen Vortheile Eines Jahres ganz oder zum Theil bereits
genossen hat, vor Ablauf dieses Jahres nicht anders austreten, als wenn es auch
alle in dies Jahr fallende Lasten entrichtet hat, oder die Corporation dafür
entschädigt.
§. 186. Auch in Fällen, wo sonst die Aufnehmung neuer
Mitglieder nur der Corporation zukommt, ist der Staat dazu berechtigt, wenn zu
besorgen ist, daß durch den Abgang der bisherigen die Gesellschaft erlöschen
würde.
§. 187. Eine gleiche Befugniß steht dem Staate in allen
Fällen zu, wo wegen des Austrittes mehrerer Mitglieder, oder wegen veränderter
Umstände überhaupt, die gegründete Besorgniß entsteht, daß die noch vorhandene
Anzahl nicht hinreichen werde, dem Zwecke ein Genüge zu leisten, zu welchem die
Corporation von dem Staate gestiftet, oder privilegirt worden ist.
§. 188. Doch muß bey solchen Vermehrungen (§. 187.) auch auf
die Conservation der schon vorhandenen Mitglieder allemal Rücksicht genommen
werden.
IX. Aufhebung der Corporationen und Gemeinen.
§. 189. Wenn der im Grundvertrage vorgeschriebene Zweck
einer Corporation oder Gemeine nicht ferner erreicht werden kann, oder gänzlich
hinwegfällt: so ist der Staat berechtigt, sie aufzuheben.
§. 190. Ein Gleiches findet statt, wenn dieser Zweck, wegen
veränderter Umstände, dem gemeinen Wohl offenbar schädlich wird.
§. 191. Wird nur durch Mißbräuche oder Mängel der innern
Verfassungen die Erreichung des Zweckes gehindert, oder Nachttheil für das
gemeine Wohl hervorgebracht: so ist der Staat nur befugt, zur Abschaffung der
Mißbräuche, und Wiederherstellung der guten Ordnung, zweckmäßige Mittel
vorzukehren.
§. 192. Wird eine öffentliche Gesellschaft ganz aufgehoben,
und sind für diesen Fall über das gemeinschaftliche Vermögen derselben keine
anderweitigen Bestimmungen in ihren Stiftungsgesetzen vorgeschrieben: so fällt
dieses Vermögen dem Staate zur anderweitigen Verwendung für das gemeine Wohl
anheim.
§. 193. Sind jedoch darunter Gelder oder Sachen, die zu
einer gewissen bestimmten Absicht und Verwendung der Verwaltung der
aufgehobenen Corporation anvertraut gewesen: so muß der Staat dafür sorgen, daß
die Absicht des Stifters, nach der von selbigem vorgeschriebenen Bestimmung,
fernerhin, so viel als möglich, erreicht werde.
§. 194. Kann oder will der Staat dieses nicht thun: so sind
der Stifter, oder dessen Erben, die Stiftungsgüter oder Capitalien zurück zu
nehmen berechtigt.
§. 195. Ist der Stifter nicht mehr vorhanden, und sind seine
Erben nicht auszumitteln: so gebühret das, was zu der ehemaligen Stiftung
gewidmet war, als eine herrnlose Sache, nach Maasgabe §. 192. dem Staate.
§. 196. Dasjenige, was die noch vorhandenen Mitglieder, bey
ihrem Eintritte, oder sonst, durch außerordentliche Beyträge oder Zuwendungen,
zur Vermehrung des Gesellschaftsvermögens, oder Bezahlung der Capitalsschulden
entrichtet haben, muß ihnen daraus zurückgegeben werden.
§. 197. Die ordinairen zur Bestreitung der gewöhnlichen
fortlaufenden Bedürfnisse der Gesellschaft geleisteten Beyträge, sind unter
dieser Vorschrift nicht mit begriffen.
§. 198. Von demjenigen Gesellschaftsvermögen, dessen Nutzung
den einzelnen Mitgliedern bestimmt war, muß den zur Zeit der Aufhebung noch
vorhandenen Mitgliedern derjenige Antheil, den sie bis dahin genossen haben,
auf Lebenslang gelassen werden.
§. 199. Eben so muß der Staat aus demjenigen
Gesellschaftsvermögen, welches zum Unterhalte der Mitglieder überhaupt bestimmt
war, den zur Zeit der Aufhebung vorhandenen Mitgliedern lebenslängliche
Verpflegung, so wie sie dieselbe bisher genossen haben, anweisen.
§. 200. Doch ist der Staat, von den nach §. 199. ihm
obliegenden Leistungen, landübliche Zinsen dessen, was den Mitgliedern nach §.
196. zurückgegeben wird, in Abzug zu bringen berechtigt.
§. 201. Gegen diejenigen, welche Forderungen an die
erloschene Gesellschaft haben, tritt der Staat an die Stelle derselben.
§. 202. Auch diejenigen Personen oder Familien, welche zur
Zeit der Aufhebung im wohlerworbenen Besitze gewisser Ehrenrechte in Beziehung
auf die Gesellschaft sich befanden, müssen dabey ferner gelassen, oder wenn
dies nicht geschehen kann, dafür entschädigt werden.
Siebenter Titel
Vom Bauerstande
Erster Abschnitt
Vom Bauerstande überhaupt
Wer Bauer sey.
§. 1. Unter dem Bauerstande sind alle Bewohner des platten
Landes begriffen, welche sich mit dem unmittelbaren Betriebe des Ackerbaues und
der Landwirthschaft beschäftigen; in so fern sie nicht durch adliche Geburt,
Amt, oder besondre Rechte, von diesem Stande ausgenommen sind.
§. 2. Wer zum Bauerstande gehört, darf, ohne Erlaubniß des
Staats, weder selbst ein bürgerliches Gewerbe treiben, noch seine Kinder dazu
widmen.
(§. 173.)
§. 3. Welche Arten der
Gewerbe, außer dem Ackerbaue und der Landwirtschaft, auch ohne besondere
Erlaubniß, auf dem Lande getrieben werden dürfen, ist im folgenden Titel
bestimmt.
§. 4. Durch die Erlaubniß, ein bürgerliches Gewerbe zu
treiben, verändert der Landmann seinen Stand und persönliche Beziehungen noch
nicht.
§. 5. Der bloße Erwerb und Besitz eines bäuerlichen
Grundstücks, benimmt dem zu einem andern Stande gehörigen Bürger des Staats
nichts von seinen persönlichen Rechten.
§. 6. Er tritt aber in den Bauerstand über, wenn er den
Stand, in welchem er bisher gelebt hat, gänzlich verläßt, und sich bloß als
Bauer nähret.
§. 7. In beyden Fällen (§. 5. 6.) übernimmt er, mit dem
Bauergute zugleich, alle auf demselben haftenden Pflichten.
allgemeine Rechte und Pflichten des Bauerstandes.
§. 8. Ein jeder Landmann ist die Cultur seines Grundstücks,
auch zur Unterstützung der gemeinen Nothdurft, wirthschaftlich zu betreiben
schuldig.
§. 9. Er kann also dazu von dem Staate auch durch
Zwangsmittel genöthigt, und bey beharrlicher Vernachläßigung, sein Grundstück
an einen Andern zu überlassen angehalten werden.
§. 10. Veränderungen und Verbesserungen in der Natur stehen
einem jeden so weit frey, als dadurch das Recht eines Dritten nicht gekränkt
wird.
§. 11. Sobald es eine dringende Nothdurft des Staats
verordert, kann auch der Landmann angehalten werden, den Ueberschuß seiner
Erzeugnisse zum Verkauf auszubieten. (Th. I. Tit. XL §. 7.)
§. 12. Keinem Bauer ist es erlaubt, seine Früchte auf dem
Halme zu verkaufen.
§. 13. Der Bauerstand ist dem Staate zu Hand- und
Spanndiensten besonders verpflichtet.
§. 14. Die Anzahl der bäuerlichen Besitzungen auf dem Lande
soll weder durch Einziehung der Stellen, und der dazu gehörigen Realitäten,
noch durch das Zusammenschlagen derselben vermindert werden.
§. 15. Vielmehr sind die Gutsherrschaften, für die gehörige
Besetzung der vorhandenen beackerten Stellen und Nahrungen in den Dörfern, bey
eigner Vertretung zu sorgen schuldig.
§. 16. Auch Verwandlungen solcher Bauernahrungen, auf
welchen Gespann gehalten werden muß, in andre, wo dergleichen nicht gehalten
wird, dürfen, ohne besondere Genehmigung des Staats, nicht vorgenommen werden.
§. 17. In allen nicht besonders ausgenommenen Fällen wird
der Bauerstand nach den im Staate geltenden gemeinen Rechten beurtheilt.
Zweyter Abschnitt
Von Dorfgemeinen
Rechte und Pflichten der Dorfgemeinen.
§. 18. Die Besitzer der in einem Dorfe oder in dessen
Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke, machen zusammen die Dorfgemeine
aus.
§. 19. Dorfgemeinen haben die Rechte der öffentlichen
Corporationen. (Tit. VI.)
§. 20. Nur die angesessenen Wirthe nehmen, als Mitglieder
der Gemeinen, an den Berathschlagungen derselben Theil.
§. 21. Die Gemeine kann aber, zum Nachtheil der Rechte der
übrigen Dorfseinwohner, nichts beschliessen.
§. 22. Die Stimmen werden in der Regel nach den Personen der
angesessenen Wirthe gezählt.
§. 23. Wo aber von Rechten oder Leistungen, welche auf die
verschiedenen Classen der Gemeindeglieder sich beziehen, die Rede ist, da
können die Mitglieder der einen Classe, wenn sie auch an sich eine überwiegende
Stimmenmehrheit ausmachen, zum Nachtheil der andern Classen nichts festsetzen.
§. 24. Die Mitglieder der einzelnen Classen machen unter
sich keine besondere Corporation aus.
§. 25. In so fern sie, zusammen genommen, gemeinschaftliche
Angelegenheiten betreiben, sind sie als bloße Privatgesellschaften anzusehen.
(Tit. VI.)
§. 26. Wenn ein vorkommendes Geschäft nur eine solche
einzelne Classe allein betrifft: so sind auch nur die Mitglieder dieser Classe
allein zum Stimmen berechtigt.
§. 27. In solchen Fällen wird der Schluß, so wie bey
wirklichen Corporationen, durch die Mehrheit der Stimmen in dieser Classe
festgesetzt.
Rechte der einzelnen Mitglieder.
§. 28. Alle Glieder der Dorfgemeinen sind zur Nutzung der
Gemeingründe durch Hütung, Holzung u. s. w. berechtigt; in so fern ihnen nicht
ausdrückliche Gesetze oder Verträge entgegen stehen.
§. 29. Sie nehmen an den gemeinschaftlichen Nutzungen nach
eben dem Maaßstabe Theil, nach welchem sie die gemeinen Lasten zu tragen
schuldig sind.
§. 30. Auf Gemeinweiden mag jeder Dorfseinwohner so viel
Vieh treiben, als zur gehörigen Bestellung seiner Wirthschaft von ihm gehalten
werden muß.
§. 31. Wo zwischen den angesessenen Wirthen, und den übrigen
Dorfseinwohnern, oder auch zwischen den verschiedenen Classen der erstern,
gewisse Verhältnisse in Ansehung der Nutzungen und der gemeinen Lasten, durch
Verträge oder hergebrachte Gewohnheit festgesetzt sind, hat es dabey auch
ferner sein Bewenden.
§. 32. Bey erfolgender Theilung der Gemeingründe, muß ein
gleiches Verhältniß, wie bey der Nutzung, beobachtet werden. (Th. I. Tit. XVII.
Abschn. IV.)
Einschränkung der Dorfgemeinen.
§. 33. Dorfgemeinen können, ohne Vorwissen und Erlaubniß
ihrer Gerichtsobrigkeit, keine unbeweglichen Güter durch einen lästigen Vertrag
an sich bringen.
§. 34. Auch wenn eine Gemeine eine Pachtung außerhalb der
Feldflur eingehen will, wird dazu die Genehmigung der Gerichtsobrigkeit
erfordert.
§. 35. Zur Veräußerung von Gemeingründen und
Gerechtigkeiten, so wie zu Schulden, welche die Gemeine verpflichten sollen,
ist ebenfalls die Einwilligung der Gerichtsobrigkeit nothwendig.
§. 36. Versagt die Gerichtsobrigkeit ihre Erlaubniß oder
Genehmigung ohne erheblichen Grund: so kann die Gemeine auf deren Ergänzung
durch die Behörde antragen.
Gemeinarbeiten.
§. 37. Zu den Gemeinarbeiten, und andern nachbarlichen
Pflichten, zu welchen ein jedes Mitglied der Gemeine Dienste und Beyträge
leisten muß, werden der Regel nach gerechnet:
1)
die Ausbesserung der
gemeinschaftlichen Wege und Brücken;
2)
die Räumung der Dorf-
und gemeinen Feldgräben;
3)
die Einhegung der
Nachtkoppeln und Viehtriften;
4)
der Bau und die
Besserung gemeinschaftlicher Dorfgebäude, Schmieden, Hirtenhäuser, Brunnen u.
s. w.
5)
die Versorgung der
Dorfhirten, und andrer im Dienste der Gemeine stehenden Personen;
6)
die Versehung der
Nachtwachen, oder die Versorgung des Dorfwächters;
7)
die Anhaltung und
Bewachung der Verbrecher;
8)
der Transport, und
die Begleitung, der nach Landes-Polizeygesetzen von einem Orte zum andern zu
bringenden Verbrecher, oder Landstreicher;
9)
die sogenannten
Deserteurwachen;
10)das Herbeyholen und
Zurückführen des Gerichtshalters, und andrer zur gehörigen Besetzung des
Gerichts, ingleichen bey Criminal-Untersuchungen nöthigen Personen;
11)die Unterhaltung des
Dorfbullen und Zuchtebers;
12)die Unterhaltung der
Dorfsprützen, und anderer gemeinschaftlichen Feuer-Löschinstrumente;
13)Das Feuerlöschen im
Dorfe, und den dazu gehörenden Waldungen.
§. 38. In so fern die hierunter begriffenen Gemeindienste
mit Gespann zu verrichten sind, müssen dieselben von den damit versehenen
Gemeinegliedern allein besorgt werden.
§. 39. In wie fern die darunter mit begriffenen Handdienste
nur von den mit keinem Gespann versehenen Gemeinegliedern, oder von allen
angesessenen Wirthen ohne Unterschied zu verrichten sind, ist hauptsächlich
nach den jedes Orts bestehenden Verträgen, oder hergebrachten Gewohnheiten zu
bestimmen.
§. 40. Im zweifelhaften Falle wird vermuthet, daß die
bespannten Ackerbesitzer nur bey solchen Arbeiten, bey welchen sogleich Spanndienste
vorkommen, von den Handdiensten frey sind.
§. 41. Die Leistung der gemeinen Spanndienste geschieht nach
Verhältniß der Classen, in welchen die bespannten Ackerbesitzer, als
Vierspänner, Dreyspänner, Zweyspänner u. s. f., an jedem Orte eingetheilt werden.
§. 42. Die Handdienste hingegen werden nach der Zahl der
dazu verpflichteten Wirthe vertheilt.
§. 43. Die baaren Geldausgaben
werden in der Regel nach dem Verhältnisse der Landesherrlichen Steuern
aufgebracht.
§. 44. Unangesessene Dorfseinwohner sind zu solchen
Gemeinlasten, wovon bloß die angesessenen Wirthe den Vortheil ziehn,
beyzutragen nicht schuldig.
§. 45. Wenn in einem Dorfe mehrere Gerichtsbarkeiten sind:
so tragen zu den §. 37. No. 7. 8. 10 bemerkten Lasten nur diejenigen bey,
welche der Gerichtsbarkeit, in welcher der Fall sich ereignet, unterworfen
sind.
Von Schulzen oder Dorfrichtern.
§. 46. Der Schulze oder Dorfrichter ist der Vorsteher der
Gemeine.
§. 47. Er wird von der Gutsherrschaft ernannt, die aber dazu
ein angesessenes Mitglied aus der Gemeine, so lange es darunter an einer mit
den erforderlichen Eigenschaften
versehenen Person nicht ermangelt, bestellen muß.
§. 48. Ist dieses Amt mit dem Besitze eines bestimmten Guts
verbunden: so muß der neue Besitzer eines solchen Guts, vor Antritt seines
Amts, der Gerichtsobrigkeit zur Prüfung und Bestätigung vorgestellt werden.
§. 49. Fehlt es ihm an den erforderlichen Eigenschaften und
Fähigkeiten: so ist die Herrschaft einen Stellvertreter zu ernennen berechtigt.
§. 50. Diesem muß, für die Uebernehmung des Amts, eine
billige Belohnung ausgesetzt, und von dem Lehn- oder Erbschulzen entrichtet
werden.
§. 51. Wer zum Schulzenamte bestellt werden soll, muß des
Lesens und Schreibens nothdürftig kundig, und von untadelhaften Sitten seyn.
§. 52. Dem Schulzen kommt es zu, bey nöthigen
Berathschlagungen die Gemeine zusammen zu rufen, die Versammlung zu dirigiren,
und den Schluß nach der Mehrheit der Stimmen abzufassen.
§. 53. Er muß der Gemeine die Landesherrlichen und obrigkeitlichen
Verfügungen bekannt machen, und für deren Befolgung sorgen.
§. 54. Die Steuern und andere öffentliche Abgaben müssen,
wenn es die Gemeine verlangt, von dem Schulzen eingesammelt, und gehörigen Orts
abgeliefert werden.
§. 55. Bey öffentlichen Arbeiten und Diensten, welche die
Gemeine dem Staate zu leisten schuldig ist, ingleichen bey Vertheilung der das
Dorf treffenden Einquartierungen, führt der Schulze die Aufsicht.
§. 56. Dem Schulzen gebührt, mit Zuziehung der Schoppen oder
Dorfgerichte, die Verwaltung des Vermögens der Gemeine; und er ist schuldig,
Rechnung darüber abzulegen.
§. 57. Wo besondre Verwalter der Gemeingüter bestellt sind,
hat der Schulze die Aufsicht über dieselben; und muß sie zur Rechnungslegung
anhalten.
§. 58. Er muß dafür sorgen, daß die Gränzen des Dorfs und
der Feldmarken nicht verrückt oder verdunkelt werden.
§. 59. Auf genaue Befolgung der Dorf- und
Landes-Polizeyordnungen zu halten, liegt ihm vorzüglich ob.
§. 60. Besonders muß er bey ausbrechenden Viehseuchen, und
andern dergleichen Landplagen, dem Landrathe davon sofort Anzeige machen.
§. 61. Müßiggänger, Bettler, unvergeleitete Juden, Zigeuner,
und andre unbekannte oder verdächtige Personen, welche sich durch
obrigkeitliche Pässe und glaubwürdige Zeugnisse nicht ausweisen können, muß er
im Dorfe nicht dulden, sondern dieselben als Landstreicher sofort in Verhaft
nehmen, und an die Behörde abliefern.
§. 62. Bey vorkommendem Zanke und Schlägereyen muß der
Schulze sich sofort ins Mittel legen, und allen Gewaltthätigkeiten vorbeugen.
§. 63. Bey Visitationen, die im Dorfe auf Verlangen der
Obrigkeit, oder andrer von den Polizey-Accise- oder sonstigen Behörden dazu
legitimirten Personen angestellt werden sollen, muß er den nöthigen Beystand
unweigerlich leisten.
§. 64. Wer sich bey dergleichen Fällen (§. 61. 62.) der
Anordnung des Schulzen, oder der Dorfgerichte widersetzt, oder sich gar an
denselben vergreift, soll nach Vorschrift der Criminalgesetze, gleich
demjenigen, der sich einem Unterbedienten des Staats in seinem Amte widersetzt,
bestraft werden.
§. 65. Der Schulze muß dafür haften, daß fremdes Gesinde,
oder andre Leute, von den Dorfseinwohnern ohne Kundschaft nicht aufgenommen
werden.
§. 66. Feld- und Gartendiebstähle, so wie alle übrige
zu seiner Wissenschaft gelangenden Uebertretungen der Polizey- und
Criminalgesetze, muß er der Obrigkeit ohne Zeitverlust anzeigen.
§. 67. Er muß darauf sehen, daß alle im Dorfe verwaiseten
Kinder, und wahn- oder blödsinnige Personen, dem Gerichtshalter zur
Bevormundung angezeigt werden.
§. 68. Nachtwächter, Hirten, Flurschützen, und andre im
Dienste der Gemeine stehende Personen, muß er mit Ernst zu ihrer Schuldigkeit
anhalten.
§. 69. Diejenigen Dorfseinwohner, welche ihre Wirthschaft
oder Gebäude vernachläßigen, oder mit Feuer und Licht unvorsichtig umgehen, muß
er der Obrigkeit sogleich anzeigen.
§. 70. Er muß dahin sehen, daß die
Feuerlösch-Geräthschaften, sowohl bey der Gemeine, als bey jedem einzelnen
Wirthe, in brauchbarem Stande erhalten werden.
§. 71. Er muß dafür sorgen, daß jeder Hauswirth seine
Schornsteine in gehörigem Stande halte, und zu rechter Zeit fegen lasse.
§. 72. Die dem Schulzen für seine Bemühungen etwa
zukommenden Vortheile oder Freyheiten sind nach der Verfassung eines jeden Orts
bestimmt.
Von Schoppen und Gerichtsmännern.
§. 73. Dem Schulzen müssen von der Gerichtsobrigkeit
wenigstens zwey Schoppen oder Gerichtsmänner beygeordnet, und diese sowohl, als
jener, dem Staate, der Herrschaft, so wie der Gemeine, zur getreuen Besorgung
ihrer Amtsangelegenheiten, in Gegenwart der letztern eidlich verpflichtet
werden.
§. 74. Zu Schoppen oder Gerichtsleuten muß die Herrschaft,
so viel als möglich, angesessene Wirthe, und Leute von unbescholtenem Rufe und
untadelhaften Sitten bestellen.
§. 75. Das von der Behörde ihm aufgetragene Schulzen- und
Schöppenamt, kann ein Mitglied der Gemeine nur aus solchen Gründen ablehnen,
die ihn von der Uebernehmung einer Vormundschaft entschuldigen würden.
§. 76. Die Pflicht der Schoppen ist, dem Schulzen in seinen
Amtsverrichtungen beyzustehen.
§. 77. In Abwesenheit oder bey Verhinderungen desselben
vertreten sie seine Stelle.
§. 78. In Fällen, wo der Schulze seine Pflichten zu
beobachten unterläßt, sind die Schoppen, bey Vermeidung gleicher Verantwortung,
ihr Amt zu thun, oder der Obrigkeit die nöthige Anzeige zu machen verpflichtet.
Von Dorfgerichten.
§. 79. Schulze und Schoppen machen zusammen die Dorfgerichte
aus.
§. 80. Dorfgerichte sollen sich in Entscheidung streitiger
Rechtshändel nicht mischen.
§. 81. Doch sind Uebertretungen der inneren
Dorfs-Polizeyordnung, auf welche nur kleine zur Gemeine-Casse fließende, Einen
Thaler nicht erreichende Strafen gesetzt worden, ihrer Untersuchung und
Entscheidung, mit Vorbehalt der Berufung auf die Gerichtsobrigkeit, unterworfen.
§. 82. Dorfgerichte können, mit Zuziehung eines vereideten
Gerichtsschreibers, gerichtliche Handlungen, bey welchen es auf keine
Rechtskenntnisse, sondern auf bloße Beglaubigung ankömmt, gültig vornehmen.
§. 83. Doch müssen sie auch solche Verhandlungen, zur
Beurtheilung der Gesetzmäßigkeit, oder näherer Berichtigung, dem ordentlichen
Gerichtshalter ohne Zeitverlust vorlegen.
§. 84. Ist dieses unterlassen worden: so müssen die
Dorfgerichte allen dadurch entstandenen Schaden ersetzen; und sollen nach
Verhältniß desselben mit Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 85. Unter der Direction des Gerichtshalters vertreten die
Dorfgerichte die Stelle des ermangelnden Gerichtsschreibers, oder
Protokollführers.
§. 86. Der Gerichtshalter kann den Dorfgerichten die
Aufnahme von Inventarien und Taxen unter seiner Aufsicht übertragen, auch sich
ihrer zu Vollstreckung der Executionen bedienen.
Dritter Abschnitt
Von unterthänigen Landbewohnern, und ihrem Verhältnisse
gegen ihre Herrschaften
Einleitung.
§. 87. Die Verhältnisse der Gutsunterthanen auf dem Lande
gegen ihre Gutsherrschaften sollen, nach der Verschiedenheit der Provinzen, in
den Provinzial-Gesetzbüchern gehörig bestimmt, und dabey die bisherigen
Provinzial-Gesetze und darauf beruhende wohlhergebrachten Verfassungen lediglich
zum Grunde gelegt werden.
§. 88. Wo bisher die Gutsunterthanen diese Eigenschaft nicht
vermöge ihres Standes, sondern nur vermöge des Besitzes eines der
Gutsherrschaft unterworfenen Grundstücks, oder vermöge ihres unter
grundherrlicher Gerichtsbarkeit aufgeschlagenen Wohnsitzes gehabt haben; da
behält es auch ferner dabey sein unabänderliches Bewenden.
§. 89. Was also in der Folge von den persönlichen
Verhältnissen solcher Unterthanen, die für ihre Personen, und vermöge ihres
Standes, einer Gutsherrschaft unterworfen sind, verordnet wird, kann auf solche
persönlich freye Dorfseinwohner (§. 88.) nicht angewendet werden.
§. 90. Die Vorschriften des allgemeinen Gesetzbuchs aber,
welche die der Gutsherrschaft von den unterthänigen Stellen zu leistenden Dienste
und Abgaben betreffen, finden auf die Unterthanen aller Provinzen in so weit,
als besondre Gesetze und Verfassungen keine Ausnahme bestimmen, Anwendung.
Wer Unterthanen haben könne.
§. 91. Nur die Besitzer von Rittergütern können in der Regel
Unterthanen haben; und herrschaftliche Rechte über dergleichen Leute ausüben.
§. 92. Besitzer andrer freyer Landgüter, welche dieses
Vorrecht zu haben behaupten, müssen desselbe durch Provinzialgesetze, Privilegia,
oder Verjährung, besonders begründen.
Wie die Untertänigkeit entstehe.
§. 93. Kinder unterthäniger Aeltern werden derjenigen
Herrschaft unterthan, welcher die Aeltern zur Zeit der Geburt unterworfen
waren.
§. 94. Waren die Aeltern ungleichen Standes: so folgen, auch
in Ansehung der Unterthänigkeit, eheliche Kinder dem Vater, uneheliche aber der
Mutter.
§. 95. Wird ein von einem freyen Manne mit einer
unterthänigen Weibsperson außer der Ehe erzeugtes Kind, durch eine nach der
Geburt zwischen den Aeltern rechtmäßig geschlossene Ehe zur rechten Hand
legitimirt: so muß dasselbe der Unterthänigkeit entlassen werden.
§. 96. Personen weiblichen Geschlechts, welche einen
unterthänigen Mann heirathen, treten in die Unterthänigkeit, zu welcher dieser
verpflichtet ist.
§. 97. Wenn während der Ehe der freye Mann sich in die
Unterthänigkeit begiebt: so kann die Frau, ihm dahin zu folgen, in der Regel
nicht gezwungen werden.
§. 98. Vielmehr ist sie auf Trennung der Ehe, und daß der
Mann für den schuldigen Theil erkannt werde, anzutragen berechtigt.
§. 99. Findet jedoch der Richter, daß die von dem Manne
beschlossene Veränderung seines Standes zum gemeinschaftlichen Besten beyder
Eheleute gereiche: so muß er die Frau anhalten, dem Manne auch in die
Unterthänigkeit zu folgen.
§. 100. Weigert sie sich dessen beharrlich: so kann zwar die
Ehe getrennt, der Mann aber kann nicht für den schuldigen Theil erklärt werden.
§. 101. Folgt die Frau dem Manne freywillig, ohne gegen die
Gutsherrschaft, in deren Unterthänigkeit er sich begiebt, wegen ihrer
persönlichen Freyheit binnen acht Tagen, nachdem ihr der Entschluß des Mannes
bekannt geworden ist, sich etwas vorzubehalten: so wird auch sie unterthänig.
§. 102. In Provinzen, wo die noch in der Aeltern Brot und
Erziehung stehenden Kinder eines in die Unterthänigkeit sich begebenden
Menschen, dem Vater nach bisherigen Gesetzen dahin gefolgt sind, mag es auch
ferner dabey sein Bewenden haben.
§. 103. Wo aber die Provinzialgesetze dergleichen bisher
nicht verordnet haben, da soll auch ferner der Vater nicht berechtigt seyn, die
unmündigen noch in seiner Gewalt befindlichen Kinder zur Unterthänigkeit zu
verpflichten.
§. 104. Doch müssen dergleichen Kinder, so lange sie bey dem
Vater sich aufhalten, der Gutsherrschaft eben das leisten, wozu andre wirklich
unterthänige Kinder verpflichtet sind.
§. 105. Eine Wittwe kann ihre mit einem freyen Ehemanne
erzeugten Kinder, in keinem Falle, ohne besondre Einwilligung des
vormundschaftlichen Gerichts, mit sich in die Unterthänigkeit bringen.
§. 106. Personen des Bauerstandes, welche ein zur
Unterthänigkeit verhaftetes Gut ohne schriftlichen Vorbehalt ihrer persönlichen
Freyheit übernehmen, treten dadurch in die Unterthänigkeit der Gutsherrschaft.
§. 107. Hingegen wird ein Mensch
bürgerlichen Standes, bloß durch die Uebernehmung einer unterthänigen Stelle,
noch kein Unterthan; in so fern er sich nicht seiner persönlichen Freyheit
ausdrücklich und schriftlich begeben hat.
§. 108. Doch ist auch ein solcher Mensch, so lange er das
Gut besitzt, zu allen davon der Herrschaft zu leistenden Diensten und Abgaben,
gleich einem Unterthan, verpflichtet.
§. 109. Personen adlichen Standes können keine persönliche
Unterthänigkeit übernehmen, oder dazu angenommen werden.
§. 110. Was Rechtens sey, wenn eine solche Person, mit
Verschweigung oder Verläugnung ihres Standes, sich in die Unterthänigkeit,
begiebt, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. IX.)
§. 111. Nur Personen des gemeinen Bürger- und Bauerstandes
können, auch ohne Uebernehmung eines unterthänigen Grundstücks, durch einen
Vertrag in die persönliche Unterthänigkeit einer Gutsherrschaft sich begeben.
§. 112. Zur Gültigkeit eines solchen Vertrages ist die
schriftliche Abfassung desselben allemal nothwendig.
Von Schutzunterthanen.
§. 113. Wenn dergleichen freye Personen (§. 111.) in einem
Dorfe sich niederlassen, ohne weder ein unterthäniges Gut zu übernehmen, noch
sich zur persönlichen Unterthänigkeit zu verpflichten: so werden sie
Schutzunterthanen oder Einlieger genannt.
§. 114. Dergleichen Einlieger darf kein Dorfseinwohner ohne
Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft aufnehmen.
§. 115. Leute, die wegen ihres bisherigen Wandels und
Verhaltens sich durch glaubwürdige Zeugnisse nicht ausweisen können, ist die
Herrschaft in ihren Schutz aufzunehmen, und im Dorfe zu dulden, nicht
verpflichtet.
§. 116. Das Verhältniß solcher von der Herrschaft, oder mit
ihrer Einwilligung aufgenommenen Einlieger, ist hauptsächlich nach den bey
ihrer Aufnahme geschlossenen Verträgen, und in deren Ermangelung, nach den
Gesetzen und Verfassungen einer jeden Provinz zu beurtheilen.
§. 117. In Ermangelung solcher Verträge oder
Provinzialgesetze, sind dergleichen Leute nur der Gerichtsbarkeit der
Herrschaft unterworfen.
§. 118. Wenn sie sich als Tagelöhner nähren: so sind sie
schuldig, der Herrschaft für das gesetzmäßig bestimmte, oder im Mangel einer
solchen Bestimmung, für das in der Gegend übliche Tagelohn, vorzüglich zu
arbeiten.
§. 119. Wenn sie ein auf dem Lande erlaubtes Handwerk
treiben: so müssen sie auch damit, gegen das obstehendermaßen zu bestimmende
Arbeitslohn, der Herrschaft, vorzüglich vor Andern, Dienste leisten.
§. 120. Auch ihre Kinder, in so fern dieselben nicht auf ein
Handwerk gegeben sind, müssen der Herrschaft, vorzüglich vor Andern, als
Gesinde gegen das gesetzmäßige fremde Lohn dienen.
§. 121. Dagegen steht es solchen Einliegern frey, mit ihren
Kindern aus dem Dorfe wegzuziehen, und sich anderwärts niederzulassen; ohne daß
sie eine Loslassung bey der Herrschaft zu suchen schuldig sind.
Allgemeine Pflichten der Gutsherrschaften.
§. 122. Eine jede Gutsherrschaft ist schuldig, sich ihrer
Unterthanen in vorkommenden Nothfällen werkthätig anzunehmen.
§. 123. Sie muß denjenigen unter ihnen, welche noch nicht
angesessen sind, zum Erwerbe ihres Unterhalts, so viel an ihr liegt,
Gelegenheit verschaffen.
§. 124. Kann sie dieses nicht: so muß sie ihnen, auf
gebührendes Ansuchen, erlauben, ihr Brot auswärts zu verdienen, und ihnen dazu
die erforderliche Kundschaft ertheilen.
§. 125. Der Gutsherrschaft liegt besonders ob: für eine gute
und christliche Erziehung der Kinder ihrer Unterthanen zu sorgen.
§. 126. Sie muß daher auf die Aeltern ein wachsames Auge
haben; und wenn dieselben bey der Erziehung etwas versäumen, die Kinder nicht
ordentlich zur Kirche und Schule schicken, oder sie nicht zur Arbeit oder
irgend einem nützlichen Gewerbe erziehen, die Aeltern zur Beobachtung dieser
ihrer Pflichten mit Nachdruck anhalten.
§. 127. Gutsherrschaften, welche sich der verwaiseten oder
sonst von ihren Aeltern verlassenen Kinder nicht annehmen wollen, verlieren auf
dieselben ihre Rechte.
§. 128. Diese Rechte erhält dagegen diejenige
Gutsherrschaft, welche die Erziehung und Verpflegung eines solchen Kindes bis
in die Jahre, wo es sich seinen Unterhalt selbst erwerben kann, übernommen hat.
§. 129. Aelternlose Waisen, die ohne Zuthun der Herrschaft
in öffentlichen Armenanstalten des Staats erzogen worden, sind von der
Unterthänigkeit, in welcher sie geboren worden, frey.
§. 130. Sind ansäßige Unterthanen, nach erlittenen harten
Unglücksfällen, fremden Beystandes bedürftig: so ist die Herrschaft, sich
derselben nach ihren Kräften werkthätig anzunehmen, vorzüglich verpflichtet.
§. 131. Sie muß die Unterthanen gegen wucherliche
Behandlungen und Uebervortheilungen zu sichern bemüht seyn.
§. 132. Zur Erstattung der von ihr selbst den Unterthanen
gemachten Vorschüsse, müssen denselben billige Termine gesetzt, und sie bey
deren Ablaufe nicht übereilt werden.
Allgemeine Pflichten der Unterthanen.
§. 133. Unterthanen sind ihrer Herrschaft Treue, Ehrfurcht,
und Gehorsam schuldig.
§. 134. Sie sind derselben zu Diensten und Abgaben, nach den
unten näher folgenden Bestimmungen, verpflichtet.
§. 135. Die Herrschaft ist von ihnen eidliches Angelöbniß
der Treue und Unterthänigkeit zu fordern berechtigt;
Quellen der Rechte und Pflichten zwischen Herrschaften und
Unterthanen.
§. 136. Die Pflichten der Unterthanen gegen ihre Herrschaft
müssen jedoch den Pflichten gegen den Staat, wenn beyde nicht zusammen bestehen
können, weichen.
§. 137. Die Pflichten der Unterthanen gegen ihre Herrschaft
werden hauptsächlich nach den Kauf- oder Annahmebriefen; hiernächst nach den
gesetzmäßigen Erb- und Dienstregistern oder Urbarien; und endlich nach den
Provinzialgesetzen beurtheilt.
§. 138. Den neu angehenden Besitzern unterthäniger Stellen
sollen die vorhin darauf gehafteten Lasten und Abgaben willkührlich nicht
erhöhet werden.
§. 139. Wenn aber dergleichen Abänderung erforderlich ist:
so muß der Grund davon, und worin die der Stelle, gegen die Uebernehmung neuer
oder größerer Lasten, zugewendeten neuen Vortheile bestehen, in dem Kauf- oder
Annahmebriefe ausdrücklich angezeigt seyn.
§. 140. Dergleichen Annehmungs- oder Kaufbriefe (§. 139.),
so wie überhaupt alle Verträge, durch welche die bisherigen Obliegenheiten der
Unterthanen gegen ihre Herrschaft Abänderung leiden sollen, müssen mit aller
Vorsicht, und gerichtlich abgeschlossen werden.
§. 141. Neue Dienstregister und Urbarien zwischen
Herrschaften und Unterthanen, müssen von dem Landescollegio untersucht, und,
nach Befinden der Umstände, bestätigt werden.
§. 142. Von dergleichen Urbarien und Dienstregistern ist
allemal ein Exemplar in der Dorf- und Schöppenlade der Gemeine aufzubewahren.
§. 143. Gegen den deutlichen Inhalt solcher von den
Landes-Collegiis bestätigten Urbarien, findet weder für den einen, noch für den
andern Theil, eine Verjährung statt.
§. 144. Wo es an einem vollständigen Urbario oder
Dienstregister bisher gemangelt hat, da können, durch rechtsgültige Verjährung,
Dienste und Abgaben von der Herrschaft erworben; auch Unterhanen dadurch von
Pflichten und Abgaben befreyt werden.
§. 145. Die Abänderung oder Verwandlung gewisser Arten von
Diensten und Abgaben steht der Herrschaft nur in so weit frey, als dadurch die
Lasten der Unterthanen nicht erschwert werden.
§. 146. Nur alsdann, wenn Verträge, Urbarien,
Provinzialgesetze, oder Verjährung, die Streitigkeiten zwischen Herrschaften
und Unterthanen nicht entscheiden, finden die Vorschriften des allgemeinen
Gesetzbuchs Anwendung.
Vierter Abschnitt
Von den persönlichen Pflichten und Rechten der Unterthanen
Persönliche Freyheit der Unterthanen.
§. 147. Unterthanen werden, außer der Beziehung auf das Gut,
zu welchem sie geschlagen sind, in ihren Geschäften und Verhandlungen als freye
Bürger des Staats angesehen.
§. 148. Es findet daher die ehemalige Leibeigenschaft, als
eine Art der persönlichen Sklaverey, auch in Ansehung der unterthänigen
Bewohner des platten Landes, nicht statt.
§. 149. Sie sind fähig, Eigenthum und Rechte zu erwerben,
und dieselben gegen jedermann, auch gerichtlich, zu vertheidigen.
Dingliche Rechte der Herrschaft auf dieselben.
§. 150. Sie dürfen das Gut, zu welchem sie geschlagen sind,
ohne Bewilligung ihrer Grundherrschaft nicht verlassen.
§. 151. Sie können aber auch von der Herrschaft, ohne das
Gut, zu welchem sie gehören, nicht verkauft, vertauscht, oder sonst an einen
Andern wider ihren Willen abgetreten werden.
§. 152. Wo es bisher zuläßig gewesen, daß Unterthanen, mit
ihren Stellen zugleich, von einer Gutsherrschaft an die andre überlassen
worden, da mag es zwar auch ferner dabey sein Bewenden haben;
§. 153. Doch darf durch eine solche Veränderung der Zustand
der Unterthanen auf keinerley Weise erschwert oder verschlimmert werden.
§. 154. In Provinzen, wo eine dergleichen Veräußerung (§.
152.) bisher nicht statt gefunden hat, bleibt dieselbe auch für die Zukunft
gänzlich untersagt.
§. 155. Entwichene Unterthanen kann die Herrschaft überall
und zu allen Zeiten aufsuchen, und zur Rückkehr nöthigen.
§. 156. Niemand darf ihr dieselben vorenthalten, oder
entwichene Unterthanen bey sich verheimlichen.
§. 157. Wer dieses thut, hat die in den
Landes-Polizeygesetzen bestimmte, oder im Mangel einer solchen Bestimmung, Fünf
bis Zwanzig Thaler Geldstrafe verwürkt.
§. 158. Wer einen fremden Unterthan ohne Kundschaft in
Dienste nimmt, soll auf gleiche Art bestraft, und zum Ersatze aller dadurch
verursachten Schäden und Kosten angehalten werden.
§. 159. Auch die auswärts gebornen Kinder entwichener
Unterthanen ist die Herrschaft zurückzufordern berechtigt.
§. 160. Nur alsdann verliert sie ihr Recht, wenn sie den
Aufenthalt solcher Kinder gewußt, und dieselben innerhalb Zehn Jahren nach dem
Tode des Vaters nicht zurückgefordert hat.
Heirathen.
§. 161. Unterthanen sind bey ihrer vorhabenden Heirath die
herrschaftliche Genehmigung nachzusuchen verbunden.
§. 162. Die Herrschaft aber kann ihnen die Erlaubniß ohne
gesetzmäßige Ursache nicht versagen.
§. 163. Gesetzmäßige Weigerungsursachen sind, wenn die
Person, welche der Unterthan heirathen will, sich grober Verbrechen schuldig
gemacht hat;
§. 164. Ferner, wenn diese Person wegen Liederlichkeit,
Faulheit, oder Widerspänstigkeit bekannt ist, und dessen durch glaubwürdige
Zeugnisse überführt werden kann;
§. 165. Ingleichen, wenn dieselbe wegen körperlicher
Gebrechen unfähig ist, den wirthschaftlichen Arbeiten, deren Verrichtung ihr
obliegt, gehörig vorzustehn.
§. 166. Auch Leuten, welche selbst, körperlicher Gebrechen
wegen, sich und eine Familie zu ernähren außer Stande sind, kann die Herrschaft
die Erlaubnis zu einer Heirath, durch welche ihre Umstände nicht verbessert
werden, versagen.
§. 167. Der Unterthan männlichen Geschlechts, welcher die
Erlaubniß zur Heirath nachsucht, muß in der Regel, wenn es die Herrschaft
verlangt, an dem Orte, wo er unterthänig ist, sich häuslich niederlassen. (§.
114. 516. 517.)
§. 168. Ehen, die ohne herrschaftliche Erlaubniß geschlossen
worden, sind zwar gültig; die Uebertreter aber mögen mit verhältnißmäßiger
Gefängnißstrate oder Strafarbeit, von Drey Tagen bis Vier Wochen belegt werden.
§. 169. Hat ein angesessener Unterthan eine Person, welcher
die §. 163. 164. erwähnte Ausstellungen entgegen stehen, ohne Consens der
Herrschaft geheirathet: so ist die Herrschaft auf seine Entsetzung aus der
Stelle anzutragen berechtigt.
§. 170. Wenn die Herrschaft, nach erfolgter gehörigen Begrüßung,
ihren Consens in die Heirath eines Unterthans ohne rechtlichen Grund versagt:
so muß derselbe, auf Anrufen des Unterthans, durch das Obergericht der Provinz
ergänzt werden.
Erziehung und Bestimmung der Kinder.
§. 171. Kinder der Unterthanen müssen in der Regel dem
Bauerstande, und dem Gewerbe der Aeltern sich widmen.
§. 172. Ohne ausdrückliche Erlaubniß der Gutsherrschaft
können sie zur Erlernung eines bürgerlichen Gewerbes, oder zum Studiren nicht
gelassen werden.
§. 173. Dagegen kann auch die Herrschaft die Kinder der
Unterthanen zur Wahl einer andern Lebensart, wider den Willen der Aeltern oder
Vormünder, nicht nöthigen.
§. 174. Aeltern, welche ein erlaubtes Handwerk auf dem Lande
treiben, können Einen ihrer Söhne, nach ihrer eignen Wahl, zu diesem Gewerbe
bestimmen.
§. 175. Kindern, welche nach ihrer körperlichen
Beschaffenheit zu schwerer Handarbeit nicht tauglich sind, darf die Herrschaft
die Erlaubniß, ein leichteres Gewerbe zu erlernen, nicht versagen.
§. 176. Wenn ein Kind, nach dem Befunde fachkundiger Männer,
zu einer Kunst oder Wissenschaft vorzüglich Talente, und die erforderlichen
Hülfsmittel zu deren Erlernung besitzt: so darf ihm auch dazu die Erlaubniß
nicht verweigert werden.
§. 177. Hat ein Unterthan eine Kunst oder ein Handwerk,
womit er der Herrschaft persönlich, oder in ihrer Wirthschaft Dienste leisten
kann, auf Kosten derselben erlernt: so muß er ihr damit, gegen das gewöhnliche
Lohn, so lange dienen, bis durch verhältnißmäßige Abzüge von diesem Lohne, die
für ihn gemachten Auslagen erstattet sind.
§. 178. Will die Herrschaft an dem einem solchen Unterthan
zu gebenden fremden Lohne keine Abzüge machen: so muß letzterer derselben so
lange dienen, als er bey der auf ihre Kosten erlernten Kunst oder Profession
bleiben will.
§. 179. Kann oder will die Herrschaft einen solchen
Unterthan, der auf ihre Kosten eine Kunst oder ein Handwerk gelernt hat, nicht
selbst solchergestalt in ihre Dienste nehmen; oder ist die erlernte Kunst oder
Profession von der Art, daß dieselbe bey der Person der Herrschaft, oder in
ihrer Wirthschaft gewöhnlich nicht gebraucht wird: so kann die Herrschaft einem
solchen Unterthan die Erlaubniß, sich damit sein Brot anderwärts zu erwerben,
nicht versagen.
§. 180. Doch muß auch ein solcher Unterthan, wenn hiernächst
auf diese seine Kunst oder Profession sich niederlassen will, die Herrschaft
wegen der auf
ihn verwendeten Kosten baldmöglichst entschädigen.
§. 181. Die zur Landwirtschaft erzogenen Söhne der
Unterthanen können, nach zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre, angehalten
werden, ledige Stellen in den Gütern, wozu sie gehören, anzunehmen.
§. 182. Gutseinwohner, die sich als Tagelöhner nähren,
müssen, wenn sie auch nicht dienstpflichtig sind, der Gutsherrschaft, vor andern,
gegen den gesetzmäßigen Tagelohn arbeiten.
§. 183. Hat ein angesessener Wirth dergleichen Tagelöhner
mit Bewilligung der Herrschaft zu sich genommen: so gebührt diesem, noch vor
der Herrschaft, auf die Hülfe des Tagelöhners ein vorzüglicher Anspruch.
§. 184. Genießt ein Tagelöhner an Hutung, Holz, oder sonst,
Vortheile von der Gemeine: so muß er dieser vorzüglich vor Fremden dienen.
Gesindedienste der Unterthanenkinder.
§. 185. Die Kinder aller Unterthanen, welche in fremde
Dienste gehen wollen, müssen sich zuvor der Herrschaft zum Dienen anbieten.
§. 186. Dies Anbieten muß spätestens Drey Monathe vor
Weihnachten, oder dem sonstigen durch Provinzialgesetze bestimmten
Antrittstermine des Landgesindes geschehen.
§. 187. Die Herrschaft muß in den ersten Vierzehn Tagen
dieses Vierteljahrs sich erklären: ob sie ein solches Gesinde in ihre Dienste
nehmen wolle.
§. 188. Wo gewisse Gestellungstage eingeführt sind, an
welchen die diensttauglichen Kinder der Unterthanen sich melden, und die
Herrschaft wählen muß, welche derselben sie auf das folgende Jahr in ihre
Dienste nehmen wolle, hat es dabey auch noch ferner sein Bewenden.
§. 189. Verlangt die Herrschaft die Dienste eines solchen
Unterthanenkindes nicht: so kann sie ihm den Erlaubnißschein zum Auswärtsdienen
nicht versagen.
§. 190. Dergleichen Erlaubnißscheine gelten, wenn sie nicht
ausdrücklich auf längere Zeit ertheilt worden, nur auf Ein Jahr; können aber
auch vor Ablauf dieses Jahres nicht widerrufen werden.
§. 191. Verlangt der auswärts dienende Unterthan eine
Verlängerung seines Urlaubs: so muß er sich zu rechter Zeit melden, und die
Erklärung der Herrschaft darüber abwarten.
§. 192. Wegen der Fristen, wo dieses Anmelden geschehen, und
wo die Herrschaft sich darüber erklären muß, finden die Vorschriften §. 186.
187. 188. Anwendung.
§. 193. Versagt die Herrschaft einem Unterthanenkinde die zu
rechter Zeit nachgesuchte Erlaubniß; oder hindert sie dasselbe durch ihre
Verzögerung an seinem auswärtigen Unterkommen: so ist sie ihm, bis zum nächsten
Vermiethungstermine, Unterhalt und Lohn auf andre Art zu gewähren verbunden.
§. 194. Zu einem fremden Dienste aber kann ihn die
Herrschaft niemals zwingen.
§. 195. Die Herrschaft kann die Kinder der Unterthanen nicht
eher zu ihren Diensten nöthigen, als bis sie das Alter und die Leibesstärke
erlangt haben, welche zu der Art des Dienstes, wozu sie gebraucht werden
sollen, erforderlich sind.
§. 196. Kinder, welche die Aeltern, in ihrer eignen
Wirthschaft, als Knechte oder Mägde nöthig haben, müssen denselben gelassen
werden.
§. 197. In diesem Falle hat der unterthänige Gutsbesitzer
die Wahl, welches der Kinder er für sich behalten wolle.
§. 198. Söhne, welche in Kriegsdiensten stehen, und nur als
Beurlaubte bey ihren Aeltern sich aufhalten, können zu den, den Aeltern Dienste
leistenden Kindern nicht gerechnet werden.
§. 199. Töchter können so wenig dem einen als dem andern
Theile für männliche, und Söhne nicht als weibliche Dienstboten aufgedrungen
werden.
§. 200. Ein einzelnes Kind kann den Aeltern, auch wenn es in
ihrer eignen Wirthschaft entbehrlich wäre, dennoch nicht entzogen werden.
§. 201. Entgeht dem Unterthan die Hülfe des ihm zu seiner
Wirthschaft gelaßnen Kindes: so kann er das der Herrschaft dienende Kind mit
Ende des laufenden Dienstjahres zurück fordern.
§. 202. Ein Gleiches findet statt, wenn Eins der Aeltern,
durch einen in seiner eignen Person sich ereignenden Zufall, zur Arbeit
untauglich wird.
§. 203. Vormünder und Andre, welche eine Stelle für vaterlose
Kinder verwalten, haben, zum Behufe des Wirthschaftsbetriebes auf derselben,
mit den Aeltern gleiche Rechte.
§. 204. Das in den Gesindeordnungen bestimmte Lohn,
ingleichen die an jedem Orte bisher üblich gewesene Kost des Gesindes, kann die
Herrschaft eigenmächtig nicht vermindern.
§. 205. Eine bloße Veränderung der bisher gewöhnlichen
Speisen kann, mit Einwilligung der mehresten in dem Dorfe angesessenen Wirthe,
wohl vorgenommen werden.
§. 206. Wo das Gesindedienen der Unterthanenkinder auf
gewisse Jahre nicht bestimmt ist, müssen sie dasselbe auf Verlangen der
Herrschaft so lange fortsetzen, bis sie Gelegenheit finden, eine Stelle
anzunehmen, oder eine Heirath zu schließen, mit welcher der Gesindedienst nicht
bestehen kann.
§. 207. Dagegen kann die Herrschaft den zu solchen
ungemessenen Gesindediensten verbundenen Unterthanen die Erlaubniß, von einer
solchen Gelegenheit Gebrauch zu machen, bloß um deswillen, weil sie noch nicht
als Gesinde gedient haben, keinesweges versagen; noch Vergütung für die nicht
geleisteten Dienste von ihnen fordern.
§. 208. Sind die Gesindedienste der Unterthanenkinder auf
gewisse Jahre bestimmt: so hängt es von der Herrschaft ab: zu welcher Zeit sie
deren Leistung fordern wolle.
§. 209. Doch kann auch in diesem Falle die Herrschaft
solcher Kindern, wegen noch nicht abgedienter Hofjahre, die Gelegenheit, durch
Annehmung einer Stelle, oder durch eine Heirath ihr Unterkommen zu erhalten,
nicht entziehen, oder Vergütung dafür verlangen.
§. 210. Wenn aber ein solches Kind der Unterthänigkeit
entlassen seyn will: so muß dasselbe, nach der Wahl der Herrschaft, entweder
zum Abdienen der noch rückständigen Jahre eine andere taugliche Person für sich
stellen, oder den Unterschied zwischen dem Hofe-, und dem einem freyen
Dienstboten in der Gesindeordnung ausgesetzten fremden Lohne vergüten.
§. 211. Auch an Orten, wo die bestimmten Dienstjahre mit
einem Dienstgelde abgelöst zu werden pflegen; ist die Herrschaft den Dienst in
Natur zu fordern berechtigt; und kann zur Annahme des Dienstgeldes nicht
gezwungen werden.
§. 212. Dagegen kann sie aber auch den Unterthan, welcher in
Natur zu dienen bereit ist, zur Entrichtung des Dienstgeldes nicht nöthigen.
§. 213. Sind aber Herrschaft und Unterthan über die
Entrichtung des Dienstgeldes mit einander einig: so hat an Orten, wo die
Ablösung der Dienstjahre üblich ist, kein Dritter ein Recht zum Widerspruch.
§. 214. Wenn ein solches Kind der Unterthänigkeit entlassen
seyn will: so muß es für die noch rückstandigen Dienstjahre das Dienstgeld
entrichten.
§. 215. Uebrigens findet auch in diesem Falle (§. 211.) die
Vorschrift §. 209. Anwendung.
§. 216. Das angefangene Dienstjahr muß das Gesinde in allen
Fällen bis zum Ende desselben fortsetzen, und kann der Herrschaft einen Andern
an seiner Stelle nicht aufdringen.
§. 217. Wird die Dienstzeit durch die Schuld des Gesindes,
oder durch eine in seiner Person sich ereignende Veranlassung unterbrochen: so
muß dasselbe die versäumte Zeit nachdienen.
§. 218. Entsteht aber die Unterbrechung durch Krankheit des
Gesindes, oder sonst durch höhere Gewalt: so kann die fehlende Zeit des
laufenden Dienstjahres dem Gesinde nicht zur Last gerechnet werden.
§. 219. Eben das gilt, wenn das laufende Dienstjahr durch
die Schuld der Herrschaft, oder durch einen in ihrer Person oder Wirthschaft
sich ereigneten Zufall unterbrochen worden.
§. 220. Wenn ein Kind nach Vorschrift §. 174. bis 176. die
Erlaubniß zur Erlernung einer Profession, Kunst, oder Wissenschaft zu fordern
berechtigt ist: so kann ihm dieselbe, wegen noch nicht geleisteter
Gesindedienste, nicht versagt werden.
§. 221. Die Herrschaft aber kann alsdann das Dienstgeld, an
Orten, wo es eingeführt ist, fordern; oder wo dieses nicht ist, bey Ertheilung
der Erlaubniß sich zur Bedingung machen, daß eine andere diensttaugliche Person
für ein solches Kind gestellt werde.
§. 222. In dem Falle des §. 175. aber kann die Herrschaft
weder Dienstgeld, noch Stellung eines andern Dienstboten verlangen.
§. 223. Ist in den übrigen Fällen die Erlaubniß einmal ohne
Vorbehalt ertheilt worden: so findet ein Anspruch an ein solches Kind, wegen
noch nicht geleisteter Gesindedienste, nicht mehr statt.
§. 224. Wenn zwischen Herrschaften und Unterthanen über das
Kinderdienen Streit entsteht: so muß der Gerichtshalter die Sache sofort
untersuchen und entscheiden.
§. 225. Will bey dieser Entscheidung ein oder der andere
Theil sich nicht beruhigen: so muß der Gerichtshalter die Akten sofort an die
höhere Instanz, zur ferneren Beurtheilung: ob und mit welcher Wirkung die
Appellation dagegen statt finden soll, einsenden.
§. 226. Uebrigens finden, wegen des Verhältnisses zwischen
der Herrschaft, und den ihr als Gesinde dienenden Unterthanenkindern, die
Vorschriften der Gesetze von Herrschaften und Gesinde überhaupt Anwendung; so
weit nicht Abweichungen davon durch den gegenwärtigen Abschnitt begründet
werden.
Züchtigungsrecht der Herrschaft.
§. 227. Faules, unordentliches, und widerspenstiges Gesinde,
kann die Herrschaft durch mäßige Züchtigungen zu seiner Pflicht anhalten; auch
dieses Recht ihren Pächtern und Wirthschaftsbeamten übertragen.
§. 228. Eine gleiche Befugniß steht der Herrschaft in
Ansehung des Gesindes der Unterthanen zu, wenn dasselbe von diesen zum
Hofedienste geschickt wird, und sich dabey faul, unordentlich, oder
widerspenstig bezeiget.
§. 229. Bey solchen Züchtigungen aber muß nicht die
Gesundheit, viel weniger das Leben des Gesindes in Gefahr gesetzt werden.
§. 230. Auch muß die Herrschaft solcher Züchtigungsarten,
wodurch die Schamhaftigkeit, besonders bey dem Gesinde weiblichen Geschlechts,
verletzt wird, sich enthalten.
§. 231. Dergleichen grobe Mißhandlungen der Unterthanen (§.
229. 230.) sollen, außer der denselben zukommenden vollständigen Entschädigung,
nach Vorschrift der Criminalgesetze, nachdrücklich geahndet werden.
§. 232. Auch angesessene Wirthe, und deren Weiber, kann die
Herrschaft durch Gefängnißstrafe oder Strafarbeit zu ihrer Pflicht anhalten,
wenn dieselben, bey Leistung unstreitiger Dienste, sich der Widersetzlichkeit,
beharrlichen Faulheit, vorsetzlichen Vernachläßigung, oder eines andern
dergleichen Vergehens schuldig machen.
§. 233. Ist das Vergehen so beschaffen, daß die Herrschaft
zu dessen Ahndung eine gewöhnliche Gefängnißstrafe von höchstens Acht und
Vierzig Stunden hinreichend findet: so ist sie, bey der Untersuchung, nur die
Dorfgerichte zuzuziehen verbunden.
§. 234. Findet sich aber bey einer nachher, auf Anmelden der
solchergestalt bestraften Unterthanen, von dem Landes-Justizcollegio veranlaßten
Untersuchung, daß die Strafe zur Ungebühr verhängt worden: so muß die
Herrschaft den Unterthan vollständig entschädigen; und außerdem, wegen des
Mißbrauchs ihrer Gewalt, nach Vorschrift der Criminalgesetze bestraft werden.
§. 235. Findet die Herrschaft längeres Gefängniß, oder eine
andere Strafart nöthig: so muß sie die Untersuchung und das Erkenntniß dem
Gerichtshalter überlassen.
§. 236. Fällt der Spruch des Gerichtshalters auf achttägigen
oder kürzeren gewöhnlichen Arrest oder Strafarbeit aus: so findet dagegen kein
Rechtsmittel statt.
§. 237. Wohl aber haftet alsdann, in dem Falle des §. 234.,
der Gerichtshalter, gleich der Herrschaft, den zur Ungebühr bestraften
Unterthanen zur Schadloshaltung, und dem gemeinen Wesen zur Strafe.
§. 238. Erkennt der Gerichtshalter auf eine längere oder
härtere, als die §. 236. bestimmte Strafe: so findet dagegen die Berufung auf
das höhere Gericht mit voller Wirkung statt.
§. 239. Wie es zu halten sey, wenn sich Unterthanen ihrer
Herrschaft, oder den Beamten derselben, thätig widersetzen, ist im
Criminalrechte vorgeschrieben.
Fünfter Abschnitt
Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen in Ansehung
ihres Vermögens
Grundsatz.
§. 240. Unterthanen können, gleich andern Bürgern des
Staats, freyes Vermögen erwerben und besitzen.
Persönliche Verbindlichkeiten.
§. 241. Verbindlichkeiten in Ansehung ihrer Person, wodurch
sie ihren Dienstpflichten entzogen werden, können sie ohne Einwilligung der
Herrschaft nicht übernehmen.
§. 242. Sie können also auch wegen Schulden, die sie ohne
herrschaftliche Einwilligung gemacht haben, nicht in persönlichen Verhaft
genommen werden.
§. 243. Erlaubt die Herrschaft ausdrücklich oder
stillschweigend, daß ein Unterthan, außer der Landwirthschaft, noch ein anderes
Gewerbe treibe, bey welchem gewöhnlich Credit gegeben und genommen wird: so
kann sie, wegen solcher Schulden des Unterthans, der Execution durch
Personalarrest nicht widersprechen.
§. 244. Schenk- und Gastwirthe sollen dem Gesinde auf dem
Lande Getränke und Eßwaaren, ohne ausdrückliche Einwilligung der Herrschaft,
bey Verlust ihrer Forderung, nicht anders, als gegen baare Zahlung verabfolgen.
§. 245. Auch sollen sie von dergleichen Leuten Naturalien
und Kleidungsstücke, bey einer nach Verhältniß des Werths der Sache zu
bestimmenden Gefängnißstrafe, oder Strafarbeit, an Zahlungsstatt nicht
annehmen.
Rechte der Unterthanen auf ihre Grundstücke:
1) wenn sie Eigenthümer sind.
§. 246. In der Regel, und wo das Gegentheil nach
Provinzialgesetzen und Verfassungen, oder sonst, nicht erhellet, sind
angesessene Unterthanen als würkliche Eigenthümer ihrer Stellen und Güter
anzusehn, und in vorkommenden Fällen zu beurtheilen.
a) Bey Verfügungen unter Lebendigen;
§. 247. Sie können aber dieselben ohne herrschaftlichen
Consens weder veräußern, noch durch Tausch, oder andre Abtrennung einzelner
unbeweglicher Pertinenzstücke schwächen.
§. 248. Eben so wenig können sie, ohne diesen Consens,
Dienstbarkeits- oder andre fortwährende Lasten ihren Gütern auflegen.
§. 249. Auch zu Verpfändungen ist die Einwilligung der
Herrschaft nothwendig.
§. 250. Diese Einwilligung kann die Herrschaft so weit, als
die zu versichernde Summe die Hälfte des im Hypothekenbuche eingetragenen
Werths nicht übersteigt, nicht versagen.
§. 251. In Verpfändungen über diese Hälfte ist die
Herrschaft nur alsdann zu willigen verbunden, wenn der Vorschuß zur Erhaltung
und Wiederherstellung des ohne grobes Verschulden des Besitzers
zurückgekommenen Guts erforderlich ist.
§. 252. In diesem Falle ist aber auch die Herrschaft befugt,
Nachweis von der gehörigen Verwendung des Darlehns zu fordern; und, nach
Bewandniß der Umstände, billige Fristen zur Wiederbezahlung desselben zu
bestimmen.
§. 253. Wenn eine Hypothek über die Hälfte des Werths, zur
Versicherung oder Abfindung der Erben des Besitzers nothwendig wird: so kann
die Herrschaft ihre Einwilligung dazu nicht versagen.
§. 254. Bey Schulden, da die Gesetze selbst das Recht,
Eintragung dafür zu fordern, begründen, bedarf es dazu keiner Einwilligung der
Herrschaft. (Th. I. Tit. XX. §. 3. 4.)
§. 255. Die Einwilligung der Herrschaft giebt dem Gläubiger
ein dingliches Recht auf das ein untrennbares Ganze ausmachende Gut; wenn auch
dieselbe ausdrücklich nur auf gewisse einzelne dazu gehörende Grundstücke
gerichtet war.
§. 256. In allen Fällen, wo nach obigen Vorschriften, die
Einwilligung der Herrschaft nothwendig, und weder ertheilt, noch von dem
Richter ergänzt ist, kann der Gläubiger, wider den Willen der Herrschaft, weder
die Substanz des Guts, noch das zu dessen ordentlicher Bewirthschaftung nöthige
Inventarium angreifen.
§. 257. Doch kann er an das über den Wirthschaftsbedarf
vorhandene Vieh und Geräthe; an den Ueberschuß der Früchte, nach Abzug der
Wirthschaftsnothdurft, ingleichen der öffentlichen und gutsherrlichen Abgaben;
und an das übrige zum Gute nicht gehörende Vermögen des Schuldners sich halten.
§. 258. Auch zu Veräußerungen, ingleichen zur Belegung des
Guts mit Dienstbarkeits- und andern fortwährenden Lasten, soll die Herrschaft
ihre Einwilligung ohne erhebliche Gründe nicht versagen.
§. 259. Zur Veräußerung des Guts an einen neuen Besitzer
versagt sie die Einwilligung mit Grunde, wenn es demselben an Vermögen und
Tüchtigkeit, der Wirthschaft vorzustehen, und die Dienste gehörig zu leisten,
ermangelt.
§. 260. Desgleichen, wenn der neue Besitzer, wegen seiner
schlechten Wirthschaft, Faulheit, Liederlichkeit, oder Widerspänstigkeit, schon
bekannt ist.
§. 261. In Abtrennung von Pertinenzstücken, oder in andere
Belastungen, ist die Herrschaft zu willigen nicht verbunden, wenn dadurch das
Gut an seinem Ertrage, im Ganzen genommen, einen dauernden Abfall erleiden
würde.
§. 262. Was zur Abtrennung unbeweglicher Pertinenzstücke von
Bauergütern, außer dem Consens der Herrschaft, noch erforderlich sey, bestimmen
die Landes-Polizeygesetze.
§. 263. Der Gerichtsherr, wenn derselbe von dem Gutsherrn
unterschieden ist, muß in Fällen, da die Einwilligung des letztern zu einer
Verfügung über das Grundstück nothwendig ist, die Beybringung derselben
erfordern, ehe die Handlung von ihm bestätigt und eingetragen wird.
§. 264. Auch bey notwendigen Subhastationen darf er mit dem
Zuschlage an den Meistbietenden nicht eher verfahren, als bis die Einwilligung
des Gutsherrn nachgewiesen worden.
§. 265. Hat der Gerichtsherr diese Vorschriften verabsäumt:
so ist die Bestätigung oder Eintragung nichtig, und der Gerichtsherr haftet den
Interessenten für allen daraus entstehenden Nachtheil.
§. 266. Nur derjenige, dem die Verwaltung des Inbegriffs der
gutsherrlichen Rechte übertragen ist, nicht aber ein bloßer Wirthschaftsbeamter
oder Pächter, kann im Namen der Herrschaft Einwilligungen ertheilen.
b) bey Verfügungen von Todeswegen.
§. 267. Ueber sein eigentümliches Vermögen kann ein
Unterthan, gleich andern Bürgern des Staats, auch letztwillig verfügen.
§. 268. Er kann bestimmen, welches unter mehrern Kindern
sein Gut überkommen solle.
§. 269. Auch den Preis, für welchen eins der Kinder das Gut
annehmen solle, kann der unterthänige Erblasser, gleich jedem andern Vater, bestimmen.
§. 270. Uebersteigt aber der väterliche Anschlag den Werth,
welcher nach den unten folgenden Grundsätzen, bey einer Erbtheilung ohne
Testament dem Gute beyzulegen seyn würde: so kann die Herrschaft auf eine
billige Heruntersetzung dieses Anschlags antragen.
§. 271. Im Mangel letztwilliger Verordnungen finden, auch
bey Unterthanen, die Regeln der gemeinen gesetzlichen Erbfolge statt.
§. 272. In der Regel kann die Herrschaft demjenigen unter
mehrern Miterben, welchen sie für den Tüchtigsten hält, das Gut zuwenden.
§. 273. Wenn aber die Miterben wegen Ueberlassung des Guts
an einen unter ihnen, oder auch an einen Dritten, sich vereinigen: so kann die
Herrschaft ihre Einwilligung nur so weit versagen, als sie überhaupt einen
vorgeschlagenen neuen Besitzer zu verwerfen berechtigt ist.
§. 274. Einem vermöge letztwilliger Verfügung, oder vermöge
der gesetzlichen Successionsordnung, zum Besitze des Guts berufenen Erben, kann
die Herrschaft die Annahme aus eben den Gründen verweigern, aus welchen sie
überhaupt der Veräußerung des Guts an einen neuen Besitzer widersprechen kann.
(§. 259. 260.)
§. 275. Der Mangel des erforderlichen Alters, dem Gute
gehörig vorzustehen, ist in der Regel keine rechtmäßige Verweigerungsursache.
§. 276. Vielmehr muß sich die Herrschaft die Annahme eines
auch noch unmündigen Gutserben in so fern gefallen lassen, als Anstalten
getroffen werden können, daß das Gut so lange, bis es der Erbe selbst
übernehmen kann, ordentlich bewirtschaftet, und die der Herrschaft davon
gebührenden Dienste und Abgaben gehörig geleistet werden.
§. 277. Ist der durch Testament oder Gesetz zum Besitze des
Guts berufene Erbe kein Unterthan der Herrschaft; und kann oder will er sich
auch nicht in ihre Unterthänigkeit begeben: so ist die Herrschaft berechtigt,
ihn auszuschließen.
§. 278. In allen Fällen, wo nach obigen Vorschriften (§.
274. sqq.) die Herrschaft das Recht hat, den Erben von dem Besitze des Gutes
auszuschließen, muß demselben eine Frist von Sechs Wochen bis Drey Monathen,
von dem Tode des Erblassers an gerechnet, verstattet werden, um das Gut an
einen andern fähigen Besitzer zu bringen.
§. 279. Nach Ablauf dieser Frist kann die Herrschaft auf
öffentlichen gerichtlichen Verkauf antragen.
§. 280. In allen Fällen, wo der neue Besitzer Miterben
abzufinden hat, muß der Werth des Guts, und des zur Wirthschaft erforderlichen
Inventarii, nach einer gemäßigten Taxe angeschlagen werden.
§. 281. Bey Aufnehmung einer solchen Taxe muß nicht nur auf
sämmtliche Lasten und Abgaben, sondern auch auf den nothdürftigen Unterhalt des
neuen Besitzers, und seiner Frau, Rücksicht genommen werden.
§. 282. Nähere Bestimmungen der Abschätzungsgrundsätze
bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 283. Den nach einer solchen Taxe bestimmten Werth müssen
sämmtliche Theilnehmer ohne Widerrede sich gefallen lassen.
§. 284. Zur Herauszahlung der den übrigen Teilnehmern
zukommenden Abfindungen müssen billige, den Vermögensumständen des Uebernehmers
angemessene Termine bestimmt werden.
§. 285. Wo es nicht verabredet ist, werden dergleichen
Kaufgeldertermine, außer dem Falle einer Verzögerung, nicht verzinset.
§. 286. In Ansehung des Nachweises der von dem Regimente
erhaltenen Entlassung, welchen jeder cantonpflichtige Gutserbe vor Uebernehmung
der Stelle beibringen muß, hat es bey den Cantonverfassungen sein Bewenden.
Von der Entsetzung solcher Eigenthümer aus ihren Stellen.
§. 287. Die Herrschaft darf einen Unterthan, der sein Gut
eigentümlich besitzt, desselben ohne erhebliche Ursache und richterliches
Erkenntniß nicht entsetzen.
§. 288. Der Unterthan kann aber zum Verkaufe seines Guts
genöthigt werden, wenn er dasselbe, oder das dazu gehörige Inventarium, durch
liederliche Wirthschaft ruinirt.
§. 289. Ein Gleiches findet statt, wenn er sich boshafter
Wiederspänstigkeit, Aufwiegelung der Gemeine, oder vorsetzlicher Vergehungen
gegen die Herrschaft, wodurch die ihr gebührende Ehrfurcht gröblich verletzt
wird, schuldig macht.
§. 290. Desgleichen alsdann, wenn er einen überwiegenden
Hang zu Diebereyen, und andern die Sicherheit des Eigenthums kränkenden
Verbrechen, an den Tag legt; oder durch schändliche Vergehungen ein
öffentliches Aergerniß in der Gemeine giebt; und auch durch ausgestandene
leichtere Strafen nicht hat gebessert werden können.
§. 291. Einen Unterthan, gegen welchen wegen seiner
Verbrechen mehr als Einjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verhängt worden,
ist die Herrschaft in Besitz seines Guts zu lassen nicht schuldig.
§. 292. Wenn ein Unterthan das nach §. 251. mit Bewilligung
der Herrschaft über die Hälfte seines Gutswerthes aufgenommene Darlehn
liederlich verschwendet: so ist die Herrschaft ihn zum Verkauf anzuhalten
ebenfalls berechtigt.
§. 293. Wenn ein Unterthan durch hohes Alter, oder
unheilbare Krankheit, außer Stand gesetzt wird, der Wirthschaft ferner gehörig
vorzustehn: so kann die Herrschaft ihn anhalten, daß er das Gut einem andern
tüchtigen Wirthe überlasse.
§. 294. Doch muß alsdann für den Unterhalt des abgehenden
Wirthes nach Nothdurft gesorgt, und wenn er Kinder hat, das Gut für dieselben
so viel als möglich erhalten werden.
§. 295. In so fern, außer dem Falle des §. 291., der
Unterthan seiner Wirthschaft gehörig vorzustehen bloß auf eine Zeitlang
verhindert wird, muß die Wirthschaft durch eine wohl angeordnete Verwaltung ihm
zu helfen sich angelegen seyn lassen.
§. 296. Ist auf den Verkauf erkannt worden: so muß derselbe
durch gerichtliche Subhastation erfolgen: der Unterthan aber kann, bis zum
wirklichen Zuschlage, das Gut aus freyer Hand an einen andern annehmlichen
Besitzer veräußern.
§. 297. Dadurch, daß der Unterthan zum Verkaufe seines Guts
aus vorstehenden Gründen angehalten worden, wird derselbe von der persönlichen
Unterthäigkeit noch nicht frey.
Rechte der Unterthanen auf ihre Güter:
2) wenn sie nicht Eigenthümer sind.
§. 298. Wenn die von Unterthanen besessenen Güter der
Herrschaft eigenthümlich gehören: den Besitzern aber auch nicht in Zeit- oder
Erbpacht, sondern ohne Zeitbestimmung, zur Cultur und zum Genüsse eingeräumt
sind: so werden die Rechte der Unterthanen, in Ansehung solcher Güter, nach den
Vorschriften des Vierten Abschnitts im Ein und zwanzigsten Titel des Ersten
Theils beurtheilt.
§. 299. Außer den daselbst angeführten Ursachen, kann ein
solcher Gutsbesitzer, wenn er zugleich ein Unterthan ist, aus eben den Gründen
seiner Stelle entsetzt werden, aus welchen ein Eigenthümer zum Verkauf seines
Guts angehalten werden kann. (§. 288. sqq.)
§. 300. Ein unterthäniger Gutsbesitzer dieser Art ist, seine
Stelle ohne besondere Einwilligung der Herrschaft aufzugeben, nicht berechtigt.
§. 301. Die Einwilligung kann ihm aber nicht versagt werden,
wenn er der Herrschaft einen annehmlichen Wirth zur Uebernehmung des Guts zu
stellen vermag.
§. 302. Wenn die Herrschaft dergleichen auf andere Art ledig
gewordene Stellen an Unterthanen, welche dieselben nach §. 181. zu übernehmen
schuldig sind, austhut: so ist sie die Bedingungen, unter welchen das Gut
vorhin verliehen und besessen worden, zu erschweren nicht berechtiget.
§. 303. Wird jedoch eine solche Stelle, durch Zuschlagung
neuer nutzbarer Pertinenzstücke und Zubehörungen, oder sonst, in ihrem Ertrage
dauernd verbessert: so muß der neu anzusetzende Besitzer eine verhältnißmäßige
Erhöhung der Dienste und Abgaben, allenfalls nach richterlichem Ermessen, sich
gefallen lassen. (§. 138-140.)
§. 304. Die Besitzer bloß verpachteter Güter werden, als
Erb- oder Zeitpächter, nach dem Inhalte ihrer Verträge beurtheilt.
§. 305. Im zweifelhaften Falle streitet die Vermuthung für
die Erbpacht.
§. 306. Daraus, daß die Abgabe, welche der unterthänige
Besitzer der Herrschaft für den Genuß des Guts entrichtet, Erbzins genannt
wird, folgt noch nicht daß das Gut selbst die Erbzinseigenschaft im
gesetzlichen Sinne habe.
§. 307. Auch unterthänige Pacht- oder Erbzinsbesitzer können
aus eben den Gründen, wie die Eigenthümer, zur Aufgebung und zum Verkauf ihrer
Stellen, oder der daran habenden Rechte, gerichtlich angehalten werden.
Sechster Abschnitt
Von den Diensten der Unterthanen
Wozu die Dienste geleistet werden müssen.
§. 308. Die Dienste, welche die Unterthanen ihrer Herrschaft
zu leisten haben, sind eigentlich zur Bewirthschaftung und Benutzung der
herrschaftlichen Grundstücke bestimmt.
§. 309. Auf andern Gütern, als wozu die Unterthanen bisher
geschlagen waren, können sie zu dienen nicht gezwungen werden.
§. 310. Wenn nicht ausgemittelt werden kann, zu welchem Gute
oder herrschaftlichen Vorwerke Unterthanen, die bisher Dienstgeld bezahlt
haben, die Naturaldienste zu leisten schuldig sind: so können sie dazu nur in
Ansehung der im Dorfe oder zunächst demselben gelegenen Vorwerke, wo die
Dienste gebraucht werden können, angehalten werden.
§. 311. In der Regel sind die zu Diensten verpflichtete
Unterthanen alle Arten von Fuhren und Handarbeiten, welche zur
landwirtschaftlichen Benutzung des herrschaftlichen Guts erfordert werden, zu
verrichten schuldig.
§. 312. Dagegen können ihnen andre Arbeiten, besonders
solche, die eine auf dem Lande nicht gewöhnliche Fabrication oder Handlung zur
Absicht haben, im Hofedienste nicht zugemuthet werden.
§. 313. Wo jedoch schon zur Zeit der Publikation dieses
Gesetzbuchs, Unterthanen auch solche Dienste, vermöge vorhandener Verträge,
oder einer seit rechtsverjährter Zeit wohlhergebrachten Verfassung, haben
leisten müssen, hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
Möglichste Festsetzung gemessener Dienste.
§. 314. Alle Arten der Hofedienste sollen künftig, so viel
als möglich, nach Zeit, Ort, Maaß, oder Gewicht, bestimmt werden.
§. 315. Bey Bestimmung der ungemessenen Dienste ist sowohl
auf die Nothdurft des Guts, zu dessen Cultur die Unterthanen angesetzt sind,
als auf deren eigne Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.
§. 316. In Fällen, wo die Herrschaft, durch eigne Züge oder
Handarbeiter, zur Cultur ihres Guts mit geholfen hat, muß, bey Berechnung der
Nothdurft dieses Guts, dergleichen Beyhülfe zu Gunsten der Unterthanen
allerdings mit angeschlagen werden.
§. 317. Bey bisher ungemessenen Arten von Diensten, welche
nicht zur gewöhnlichen Bewirthschaftung des Guts gehören, sondern nur bey
außerordentlichen Gelegenheiten, oder in besonderen Fällen vorkommen, ist die
Herrschaft nicht schuldig, sich eine Bestimmung derselben gefallen zu lassen.
§. 318. Ungemessene Baudienste können daher, wider den
Willen der Herrschaft, niemals in gemessene verwandelt werden.
§. 319. Bey Festsetzung und Vertheilung der Dienste ist
darauf zu sehen, daß den Unterthanen die nöthige Zeit zur Bestellung ihrer
eignen Wirthschaften, und zum Erwerbe ihrer Nothdurft übrig bleibe.
§. 320. Bey streitiger Bestimmung ungemessener Dienste
müssen von beyden Theilen Sachverständige vorgeschlagen; diese von dem Richter
mit ihrem Gutachten gehört; und auf dies Gutachten, bey Abfassung des Urtels,
vorzügliche Rücksicht genommen werden.
§. 321. In Ansehung solcher Güter, welche die Unterthanen,
ohne herrschaftliche Hülfe, bisher bearbeitet haben, hat es dabey ferner sein
Bewenden.
§. 322. Es darf aber alsdann die Herrschaft, ohne
Einstimmung der Dienstleute, weder Erweiterungen, noch Veränderungen in dem
Betriebe der Wirthschaft vornehmen, durch welche die Dienste erschwert werden.
Spanndienste.
§. 323. Welche Classe von Unterthanen zu Spanndiensten
verpflichtet; mit welchen Arten von Zugvieh, und mit wie vielen Stücken
desselben ein jeder von ihnen dabey zu erscheinen schuldig sey, ist nach der
Verfassung eines jeden Orts bestimmt.
§. 324. Von diesen Einrichtungen ist kein Theil ohne des
andern Einwilligung abzugehen berechtigt.
§. 325. Im zweifelhaften Falle gilt die Vermuthung, daß die
Bauern mit Pferden zu dienen schuldig sind.
§. 326. Unterthanen, die zur Bearbeitung ihrer eignen Güter
kein Zugvieh nöthig haben, können auch zu herrschaftlichen Spanndiensten nicht
angehalten werden.
§. 327. Die Unterthanen sind schuldig, ihre Dienste, nach
deren Bestimmung, den Anweisungen der Herrschaft gemäß, mit Fleiß, Sorgfalt,
und Treue zu verrichten.
Von gemessenen Diensttagen.
§. 328. Wo die Dienste auf eine gewisse Zahl von Tagen in
der Woche oder im Jahre bestimmt sind, hängt es von der Herrschaft ab, welche
Wochentage sie zu wählen für gut finde.
§. 329. Die nach den Landesgesetzen beybehaltenen Feyertage
haben mit den Sonntagen gleiche Rechte.
§. 330. An den durch Landesgesetze abgeschafften Feyertagen
können die Unterthanen den Dienst, auf Erfordern, zu thun sich nicht weigern.
§. 331. Wo aber die Unterthanen alltäglich zu dienen
schuldig sind, da können sie an den dritten Feyertagen von den sogenannten drey
hohen Festtagen, dem grünen Donnerstage, und den drey aufgehobenen Bußtagen,
zum Hofedienste, außer der Erndte, nicht angehalten werden.
§. 332. Gewöhnlich muß die am andern Tage vorzunehmende
Arbeit den Unterthanen am Abende vorher angesagt werden.
§. 333. Doch bleibt in vorkommenden unvermutheten Fällen der
Herrschaft frey, noch den folgenden Morgen die vorzunehmenden Arbeiten auf
andre Art anzuordnen, oder noch gänzlich abzubestellen.
§. 334. Hat aber der Unterthan dadurch, daß er mit seinem
Zugviehe bereits ausgezogen war, oder sonst, den Dienst schon wirklich angetreten:
so muß ihm, wenn diese Arbeit nicht fortgesetzt wird, eine andere angewiesen,
oder die angefangene Arbeit an seiner gemessenen Dienstzeit verhältnißmäßig
abgerechnet werden.
§. 335. Wird der Unterthan noch an demselben Vormittage
wieder nach Hause entlassen: so wird ihm ein halber; wenn aber die
Nachmittagsarbeit schon angefangen war, der ganze Diensttag zu gute gerechnet.
§. 336. Wo es hergebracht ist, daß die Arbeit nach Gespannen
eingetheilt und berechnet wird, da ist in diesem Falle jedes angefangene
Gespann für vollendet zu achten.
§. 337. Außer diesem Falle einer durch Veränderung der
Umstände nothwendig gewordenen Abrechnung der angefangenen Dienste, ist die
Herrschaft nicht berechtigt, die schuldigen Hofetage in halbe Tage, oder
einzelne Gespanne, nach Willkühr zu verwandeln.
§. 338. Ist die angefangene Arbeit durch Schuld des
Unterthans unterbrochen worden: so muß er die rückständig gebliebenen Stunden
nachdienen.
§. 339. Wöchentlich bestimmte Spanndienste, welche in dem
festgesetzten Zeitraume nicht gefordert worden, können nur auf Eine;
Handdienste aber auf Zwey Wochen zurück, nachgefordert werden.
§. 340. Beträgt der ordinaire Hofedienst auf die Woche mehr
als Drey Tage, so kann wöchentlich nur ein Tag nachgefordert werden.
§. 341. Auch findet eine Nachforderung der Spanndienste
nicht statt, wenn der Unterthan in gleicher Noth und Verlegenheit mit der
Herrschaft ist.
§. 342. Es kann also in der Erndtezeit, wenn der Unterthan
mit seiner Erndte noch nicht fertig ist, die Herrschaft von ihm Spanndienste,
die er selbst zur Einbringung seiner eignen Feldfrüchte nöthig hat, nicht
nachfordern.
§. 343. Ein Vorausfordern der Dienste findet gegen den
Willen der Unterthanen niemals statt.
Gemessene Dienste nach Ackermaaß.
§. 344. Sind die Spanndienste der Unterthanen auf ein
gewisses Acker- oder Wiesenmaaß festgesetzt: so müssen dieselben zu gehöriger
Jahreszeit, und nach den Regeln einer guten Wirthschaft verrichtet werden.
§. 345. Ein Gleiches findet statt, wenn die Unterthanen im
gemessenen Hofedienste gewisse bestimmte Acker- oder Wiesenhecke zu bearbeiten
haben.
§. 346. Auch in diesen Fällen sind die Unterthanen schuldig,
bey der Arbeit der Anweisung der Herrschaft zu folgen, und können von ihr, vermöge
des Dienstzwanges, dazu angehalten werden.
§. 347. Wird die Bestellung nachläßig und schlecht befunden:
so muß dieselbe sofort, und ohne Widerrede, auch ohne Anrechnung auf den
ordinairen Hofedienst, verbessert werden.
Nach Zeit- und Ackermaaß zugleich.
§. 348. Sind die Dienste der Unterthanen zum Theil auf Tage;
zum Theil aber auf Acker- oder Wiesenmaaß, oder gewisse Fuhren bestimmt: so
finden bey jeder dieser Arten von Diensten, die dafür oben besonders ertheilten
Vorschriften Anwendung.
Handdienste spannpflichtiger Unterthanen.
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§. 349. Zur Ableistung der Spanndienste müssen außer dem
Zugviehe, auch die zur Führung des Wagens, des Pfluges und der Egge
erforderlichen Personen gestellt werden.
§. 350. Diese sind sowohl beym Ackerbaue, als bey dem Auf-
und Abladen der Wagen, zu helfen schuldig.
§. 351. In keinem Falle kann der mitgeschickte Ablader auf
längere Zeit, oder zu schwerern Diensten, als ihm nach §. 350. obliegen,
gebraucht werden.
§. 352. Ist ein zu Spanndiensten Pflichtiger Unterthan, auch
eine oder mehrere Personen zu besondrer Handarbeit zu stellen verbunden: so
können der Regel nach, beyderley Arten von Diensten nicht zu gleicher Zeit
gefordert werden.
§. 353. Es steht dem Unterthan frey: ob er die Hofarbeit
selbst verrichten, oder durch tüchtiges Gesinde oder diensttaugliche Kinder
leisten wolle.
§. 354. Männertage können nicht durch Weiber oder Mägde;
wohl aber die sogenannten Weibertage durch Mannspersonen abgedingt werden.
§. 355. Sind jedoch in diesen gewisse Arbeiten zu
verrichten, welche von Mannspersonen nicht gehörig geleistet werden können: so
ist die Herrschaft diese, statt der Weiber oder Mägde, anzunehmen nicht
schuldig.
§. 356. Unterthanen, welche von der ordinairen Hofearbeit
befreyt, und dagegen für das ganze Jahr nur zu einer bestimmten Anzahl von
Hofetagen verbunden sind, müssen dieselben zu der Zeit, wo die Herrschaft sie
am nöthigsten braucht, unweigerlich entrichten.
§. 357. Eben das gilt von den sogenannten Beytagen, welche
manche Unterthanen außer der ordinairen Hofearbeit zu leisten haben.
Geräthschaften.
§. 358. Die Unterthanen müssen zum Hofedienste diejenigen
Geräthschaften in tüchtigem Stande mitbringen, die sie zur Hofwehr erhalten
haben, oder die sie, zu Arbeiten von derselben Art, in ihrer eignen Wirthschaft
brauchen.
§. 359. Ist der Unterthan zu solchen Arten von Arbeit
verpflichtet, die in seiner eignen Wirthschaft nicht vorfallen, so müssen ihm
die dazu besonders erforderlichen Geräthschaften von der Herrschaft gegeben
werden.
§. 360. Nur dann, wenn er dergleichen Geräthschaften
vorsetzlich, oder aus grober Fahrläßigkeit verdirbt, muß er den dadurch
verursachten Schaden ersetzen.
Anfang und Ende der Tagarbeit.
§. 361. Wo nach dem Landesgebrauche keine andere Bestimmungen
angenommen sind, muß der Unterthan vom Fünfzehnten April, bis zu Ende des
Monaths August, früh von Fünf Uhr an; in der übrigen Jahreszeit aber mit
Sonnenaufgang den Dienst antreten, und in allen Fällen denselben vor
Sonnenuntergang nicht wieder verlassen.
§. 362. Doch muß bey diesen Zeitbestimmungen auf die
Entfernung des Orts, wo der Dienst geleistet werden soll, von dem Wohnorte des
Unterthans, billige Rücksicht genommen werden.
Ruhestunden.
§. 363. Bey Spanndiensten sowohl, als bey Handarbeiten, müssen
den Unterthanen die jeden Orts gewöhnlichen Ruhestunden zum Frühstücke, zum
Mittage, und zur Vesper gelassen werden.
§. 364. Wo die Gewohnheit des Orts nichts Bestimmtes
festsetzt, da sind den Unterthanen, bey Spanndiensten, am Vormittage Eine, zu
Mittage Zwey, und den Nachmittag wieder Eine; so wie bey Handdiensten, auf jede
der drey Tagezeiten, Eine Ruhestunde zu gestatten.
§. 365. Im Winter, vom Ein und zwanzigsten September bis Ein
und zwanzigsten März, fallen die Früchstücks- und Vesperstunden weg; und es
können an Orten, wo mehr als Ein Gespann auch in kurzen Tagen gemacht wird, nur
die Futterstunden gerechnet werden.
Anderweitige Dienstbestimmungen.
§. 366. Wo das Tagewerk nach Maaß, Gewicht, Zahl, oder
Entfernung nicht bestimmt ist, muß der Unterthan mit seinem Gespanne dem
mittlern oder schwächern Hofezuge gleich arbeiten.
§. 367. Bey Handdiensten müssen die Unterthanen dem von der
Herrschaft bestellten Vorarbeiter folgen.
§. 368. Dieser Vorarbeiter, so wie in dem Falle des §. 366.
der Hofezug, dürfen an demselben Tage nicht gewechselt oder abgelöst werden.
Baudienste.
§. 369. Baudienste müssen von den Unterthanen in der Regel
außer dem ordinairen Hofedienste geleistet werden.
§. 370. Die Unterthanen sind dieselben sowohl zur Erbauung
neuer, als zur Wiederherstellung und Besserung alter Gebäude, zu leisten
verbunden.
§. 371. Sie werden allein durch die Bedürfniß der
Wirthschafts- und unentbehrlichen Wohngebäude, auf demjenigen Gute, zu welchem
die Dienstpflichtigen als Unterthanen gehören, bestimmt.
§. 372. Ob solche Gebäude innerhalb der Einschließung des
Rittersitzes, oder außerhalb derselben liegen; und ob sie auf der vorigen, oder
auf einer andern Stelle wieder erbauet werden sollen, macht keinen Unterschied.
§. 373. Zu Gebäuden, welche bloß zur Pracht, oder zum
Vergnügen dienen, können die Unterthanen nicht anders, als in den gemessenen
Hofetagen, Dienste zu leisten angehalten werden.
§. 374. Gleiche Bewandniß hat es in Ansehung derjenigen
Gebäude, die für ein besonderes die Landwirthschaft nicht betreffendes Gewerbe
errichtet sind.
§. 375. In Fällen, wo die Unterthanen ungemessene Baudienste
zu leisten schuldig sind, müssen sie alle zum Baue erforderliche Materialien
und Geräthschaften anfahren.
§. 376. Findet die Herrschaft für gut, zum Behufe des
bevorstehenden Baues einen Ziegel- oder Kalkofen anzulegen: so können die
Unterthanen sich nicht weigern, das zum Ziegel- oder Kalkbrennen erforderliche
Holz, so weit als diese Materialien zum eignen Gebrauche zubereitet werden, im
Baudienste anzufahren.
§. 377. Dagegen sind sie nicht schuldig, zum Baue des
Ziegel- oder Kalkofens selbst, außer den ordinairen Hofetagen, Dienste zu
leisten.
§. 378. Das Anfahren der Pflastersteine und des Sandes zu
Ställen und Mistplätzen, so wie des Holzes zu Einfassung der Brunnen und
Düngerstellen, gehört zum Baudienste.
§. 379. Dagegen wird die Anfuhre des Holzes und der Steine
zu Gartenmauern und Planken, zum Baudienste in der Regel nicht gerechnet.
§. 380. Das Bauholz aus dem Walde sind die Unterthanen auch
unbeschlagen anzufahren schuldig; es muß aber abgewipfelt und ausgeästet seyn.
§. 381. Sägeblöcke, welche zum Behufe des Baues zu Brettern
geschnitten werden sollen, müssen die Unterthanen im Baudienste zur
Schneidemühle anfahren, und die Bretter daselbst wieder abholen.
§. 382. Den Bauplatz müssen die Unterthanen zwar abräumen;
das Wegfahren des Schuttes aber, ingleichen der abgebrochenen Bretter, Balken,
Dielen, und andrer alten Baumaterialien, gehört nicht zum Baudienste.
§. 383. Die Baumaterialien müssen die Unterthanen an
denjenigen Orten abholen, wo ihnen dieselben von der Herrschaft angewiesen
werden.
§. 384. Doch sind sie Bauholz, und Steine aller Art, in
einer weitern Entfernung, als sechs Meilen, herbey zu holen niemals
verpflichtet.
§. 385. Andre Baumaterialien müssen sie auch weiter holen,
wenn dieselben mehr in der Nähe gar nicht zu haben sind.
§. 386. Kann aber die Herrschaft brauchbare Baumaterialien
dieser Art unter sechs Meilen erhalten: so ist sie weitere Fuhren, unter dem
Vorwande der bessern Güte, oder des wohlfeilern Preises, von den Unterthanen zu
fordern nicht berechtigt.
§. 387. In einer Entfernung von sechs Meilen hingegen können
die Unterthanen sich nicht weigern, die Baumaterialien da zu holen, wo sie
ihnen von der Herrschaft angewiesen werden; wenn auch dieselben mehr in der
Nähe, aber von schlechterer Beschaffenheit, oder in allzu theuerem Preise zu
haben wären.
§. 388. Allzu theuer ist der Preis, wenn die nähern
Materialien Ein Viertel oder darüber mehr kosten, als die entfernteren.
§. 389. Die etwanige vorzügliche Güte entfernterer
Materialien berechtigt die Herrschaft nicht, weitere Fuhren von den Unterthanen
zu verlangen, sobald die näheren Materialien nur an und für sich brauchbar
sind.
§. 390. Handlangerdienste, und alle übrige Arten von
Arbeiten, die ein Unterthan bey dem Baue und der Besserung seiner eignen
Gebäude nach Landesgebrauch zu verrichten pflegt, muß er auch im
herrschaftlichen Baudienste übernehmen.
§. 391. Arbeiten, welche handwerksmäßige Kenntniß erfordern,
ist er solchergestalt zu verrichten nicht schuldig.
§. 392. Bey dem sogenannten Heben und Legen, oder dem
Richten herrschaftlicher Wirtschaftsgebäude, ist ein jeder Unterthan auf
Erfordern hülfreiche Hand zu leisten, zu allen Zeiten verpflichtet.
§. 393. Die Herrschaft muß die ihr zukommenden Baudienste
mit solcher Mäßigung fordern, daß die Wirthschaft der Unterthanen dabey
bestehen kann.
§. 394. So weit die Herrschaft von den in Cultur habenden
bäuerlichen Grundstücken bäuerliche Prästationen entrichten muß, ist sie auch
schuldig, zu den Baudiensten der Unterthanen verhältnißmäßig mitzuwirken.
§. 395. Zum Baue und zur Besserung der Gebäude auf
unterthänigen Stellen, welche die Herrschaft, nach der gemeinen Verfassung des
Orts, zu unterhalten schuldig ist, sind die Unterthanen Baudienste zu leisten
verbunden.
Forstdienste.
§. 396. Forstdienste werden in der Regel zu den ordinairen
in den gemessenen Tagen zu leistenden Hofediensten gerechnet.
§. 397. Unterthanen also, welche noch ungemessene Dienste haben,
sind in der Regel Forstdienste zu leisten nicht schuldig.
§. 398. In wie fern die Unterthanen auch Jagddienste zu
verrichten schuldig sind, bleibt nach den besonderen Verfassungen einer jeden
Provinz, der nähern Bestimmung in ihren Gesetzbüchern vorbehalten.
Marktfuhren.
§. 399. Zum ordinairen Hofedienste spannpflichtiger
Unterthanen gehört auch die Verfahrung aller Arten von Erzeugnissen des Guts,
zu welchem sie geschlagen sind, an Feld- und Gartenfrüchten, dergleichen an
Vieh; so wie die Herbeyholung aller Arten der zu dessen Bewirthschaftung
erforderlichen Bedürfnisse.
Reisefuhren.
§. 400. Sind die Unterthanen, noch außer dem ordinairen
Hofedienste, zu unbestimmten Reisefuhren verpflichtet: so müssen sie dieselben
der Person des Herrn, seiner Ehegattin, und den in seinem Hause sich
aufhaltenden Kindern leisten.
§. 401. Auch zur Abholung und Zurückfahrung des Arztes, des
Wundarztes, des Geburtshelfers, und der Hebamme, können sie diese Fuhren nicht
versagen.
§. 402. Zur Herbeyholung, nicht aber zur Abführung der
Wirthschaftsbedienten, sind die Unterthanen der Regel nach verbunden.
§. 403. Ein Gleiches gilt von Erziehern und Erzieherinnen,
für die bey der Herrschaft sich aufhaltenden Kinder derselben.
Weite der Fuhren.
§. 404. Sowohl bey diesen außerordentlichen, als bey den im
ordinairen Hofedienste zu leistenden Fuhren, außerhalb der Gränze des Guts
hängt die Bestimmung: wie weit dieselben zu leisten; wie viel Meilen auf einen
Hofetag zu rechnen; wie viel Ladung der Unterthan zu nehmen schuldig u. s. w.,
von der Verfassung jedes Orts ab, und muß in den Provinzialgesetzen näher
darüber verordnet werden.
§. 405. Wenn über dergleichen Fragen Streit entsteht: so hat
es, bis zur Endschaft des Prozesses, bey demjenigen sein Bewenden, was bisher
geschehen, oder sonst in der Gegend üblich ist.
Rückladungen.
§. 406. Bey Fuhren, welche außerhalb der Gränze des Guts
geleistet werden müssen, sind die spannpflichtigen Unterthanen Rückladungen für
die Herrschaft anzunehmen verbunden.
§. 407. Beträgt die Rückladung nur die Hälfte der vollen
Ladung, oder weniger: so wird den Unterthanen dafür nichts gut gerechnet.
§. 408. Beträgt aber die Rückladung mehr; oder muß der
Unterthan länger, als einen halben Tag, darauf warten: so muß ihm auf seine schuldigen
Diensttage für die Rückfuhre eben so viel, als für die Hinfuhre abgeschrieben
werden.
§. 409. Ueber Vier und Zwanzig Stunden auf Rückladung
zu warten, ist der Unterthan niemals verbunden.
Botengehen.
§. 410. Die Verbindlichkeit, in herrschaftlichen
Angelegenheiten Boten zu gehen, trifft gewöhnlich nur die zu Spanndiensten
nicht verpflichteten Unterthanen.
§. 411. Das Botenlaufen gehört in
der Regel zu den außerordentlichen Diensten; doch können die ordinairen
Diensttage, welche während der durch eine Verschickung veranlaßten Abwesenheit
des Unterthans verflossen sind, niemals nachgefordert werden.
§. 412. Die Zeit, welche der
Unterthan, über einen halben Tag, an dem Orte, wohin er verschickt woden ist,
auf die Abfertigung warten muß, ist ihm auf die schuldigen Diensttage, in so
fern diese nachgefordert werden können, gut zu schreiben.
§. 413. Ein Botenläufer ist im
herrschaftlichen Dienste
Fünfzehn bis Achtzehn, und wenn die Entfernung weiter ist, als daß er noch an
demselben Tage zurückkommen könnte, Zehn bis Zwölf Pfund mitzutragen schuldig.
§. 414. Lasten, die nur mit einem Schiebekarren, oder mit
einer Radbare fortgebracht werden können, sind die Unterthanen im Botendienste
mitzunehmen, der Regel nach nicht verbunden.
§. 415. Wo sie aber dazu verpflichtet sind, da darf eine
solche Last die Schwere von Fünfzig bis Sechzig Pfund niemals übersteigen.
§. 416. Wegen Bestimmung der Weite hat es bey den
Vorschriften §. 404. 405. sein Bewenden.
Von der Saat- und Erndtezeit.
§. 417. Außerordentliche Dienste, welche die Unterthanen
über die ordinaire Hofearbeit zu leisten schuldig sind, insonderheit aber
Baudienste, können zur Saat- und Erndtezeit, außer dem Falle einer dringenden
Noth, von ihnen nicht gefordert werden.
§. 418. Auf jede Saatzeit werden Vier, und auf die
Erndtezeit Sechs Wochen gerechnet.
Vergütungen hey den Diensten.
§. 419. Die Bestimmungen: was den Unterthanen für ihre
Dienste an Lohn, Kost, oder Futter gebühre, bleiben den Verfassungen eines
jeden Orts; und der Gesetzen der Provinz überlassen.
§. 420. Doch müssen ihnen überall das Zoll-, Wege-, Brücken-
und Fährgeld, ingleichen, wenn sie im herrschaftlichen Dienste über Nacht
ausbleiben müssen, bey Spanndiensten das Stall-, und bey dem Botengehen das
Schlafgeld, so wie alle andern extraordinairen Auslagen dieser Art, vergütet
werden.
Verwandlung der Dienste in Dienstgeld.
§. 421. Mit Einwilligung der Unterthanen kann die Herrschaft
Naturaldienste in Dienstgeld, und mit ihrer Zuziehung ungemessene Dienste aller
Art in gemessene verwandeln.
§. 422. In so fern aber durch dergleichen in den Diensten
einzelner Unterthanen vorzunehmende Veränderung, die unbestimmten Lasten der
übrigen erschweret werden können, ist die Einwilligung aller Theilnehmer
erforderlich.
§. 423. Wo jeder Unterthan bestimmte Dienste zu leisten hat,
da bedarf es zur Verwandlung derselben in Geld- oder andern Abgaben, auch bey
einzelnen Unterthanen, keiner Einwilligung von Seiten der übrigen.
§. 424. Ist der Unterthan zu Naturaldiensten oder zu
Dienstgeld verpflichtet: so gebührt der Herrschaft die Wahl: welches von beyden
sie fordern wolle.
§. 425. Sie muß aber, wenn sie von dem, was bisher geschehen
ist, abgehen will, den Anfang eines neuen Wirthschaftsjahres abwarten, und die
Unterthanen wenigstens in den ersten Drey Monathen des nächstvorhergehenden
Wirthschaftsjahres davon benachrichtigen.
§. 426. Ein Gleiches muß von den Unterthanen geschehen, wenn
diesen die Wahl: ob sie Dienstgeld zahlen, oder die Dienste in Natur leisten
wollen, ausdrücklich vorbehalten ist.
§. 427. Haben sich Herrschaft und Unterthanen durch
schriftliche Verträge auf Dienstgeld vereinigt: so hat es bey dem wörtlichen
Inhalte dieser Verträge sein Bewenden.
§. 428. Ist aber kein schriftlicher Vertrag vorhanden: so
kann der Herrschaft, wenn auch dieselbe seit noch so langer Zeit nur das
Dienstgeld gefordert und angenommen hat, die Forderung der Dienste in Natur
dennoch nicht gewehrt werden.
§. 429. Eine Verjährung findet in diesem Falle nur von der
Zeit an statt, wo die Herrschaft die Dienste in Natur gefordert, der Unterthan
deren Leistung verweigert, und die Herrschaft das Dienstgeld von ihm ferner
angenommen hat.
§. 430. Sind den Unterthanen innerhalb Fünfzig Jahren die
Dienste in Natur nicht abgefordert, sondern nur Dienstgeld von ihnen entrichtet
worden: so muß es der Regel nach auch ferner dabey sein Bewenden haben.
§. 431. Kann jedoch klar nachgewiesen werden, daß die
Unterthanen in noch ältern Zeiten wirklich Naturaldienste geleistet haben: so
bleibt es bey den §. 428. und 429. enthaltenen Verordnungen.
Aussetzung der Dienste.
§. 432. Wenn der Unterthan dem Staate dienen muß, und in
derselben Zeit nicht zugleich die herrschaftlichen Dienste leisten kann: so muß
er zwar damit in diesem Zeiträume verschont; es müssen aber, die solchergestalt
rückständig gebliebenen herrschaftlichen Dienste in den zunächst folgenden
Tagen oder Wochen von ihm nachgeleistet werden. (§. 339. sqq.)
§. 433. Eben das findet statt, wenn der Unterthan, durch von
ihm zu leistende Gemeinarbeit, an der Ableistung der herrschaftlichen Dienste
eine Zeitlang verhindert worden.
§. 434. Doch muß den Unterthanen durch dieses Nachdienen die
nothwendige Bestellung ihrer eignen Wirthschaft nicht unmöglich gemacht werden.
Erlaß der Dienste.
§. 435. Bey erlittenem beträchtlichen Brandschaden an Wohn-
oder Wirthschaftsgebäuden, kann der Unterthan einen verhältnißmäßigen Erlaß an
den Diensten verlangen; in so fern die Herrschaft den Wiederaufbau nicht selbst
zu besorgen übernimmt.
§. 436. Die Dauer dieses Erlasses ist auf die Hälfte der Zeit
zu bestimmen, während welcher dem verunglückten Unterthan ein Nachlaß an den
Kreisprästationen zu statten kommt.
§. 437. Hat der Unterthan durch Feuer oder Seuche das zum
Spanndienste erforderliche Zugvieh verloren: so muß ihm ebenfalls für die
Hälfte der Zeit, während welcher der Kreis Remission giebt, der Spanndienst
erlassen werden.
§. 438. Doch muß er in diesem Falle, auf Verlangen der
Herrschaft, statt des Spanndienstes, eben so viel Tage mit der Hand dienen.
§. 439 Bey dem Verluste des Zugviehes durch andre
Unglücksfälle, kann der Unterthan nur auf so viel Zeit, als zu dessen
Wiederanschaffung nothwendig ist, Nachlaß an den schuldigen Spanndiensten
fordern.
§. 440. Wenn es dem Unterthan durch seine eigne, oder der
Seinigen Krankheit unmöglich wird, die Dienste zu leisten: so kann die
Herrschaft dieselben nicht nachfordern.
§. 441. Doch kann in diesem Falle der spanndienstpflichtige
Unterthan sein Zugvieh dem herrschaftlichen Dienste nicht vorenthalten.
§. 442. Die Frau des dienstbaren Unterthans bleibt nach
ihrer Niederkunft, durch Sechs Wochen, von den ihr sonst obliegenden
Weiberdiensten frey.
§. 443. Wenn der Wirth oder die Wirthin gestorben ist: so
können von der Stelle Acht Tage lang keine Dienste gefordert werden.
Unmöglichkeit der Dienste.
§. 444. Auf einem immerwährenden Erlaß an den schuldigen
Diensten, wegen angeblicher Unmöglichkeit, können Unterthanen nur alsdann
antragen, wenn sie durch Zufall, höhere Gewalt, oder den Anspruch eines
Dritten, einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Grundstücke, oder eine dazu
gehörende nutzbare Gerechtigkeit verloren haben.
§. 445. Ferner alsdann, wenn durch einen solchen
Unglücksfall die Grundstücke zu der bisher gewöhnlichen Cultur ganz oder zum
Theil unbrauchbar geworden sind.
§. 446. Wird durch Nachweisung solcher Umstände die
Unmöglichkeitsklage begründet: so muß durch Sachverständige ausgemittelt
werden: um wie viel die Stelle durch den erlittenen Unglücksfall an ihrem
Ertrage vermindert worden.
§. 447. Alsdann muß die Herrschaft entweder den vormaligen
Ertrag durch Anweisung andrer Realitäten wieder ergänzen, oder sich nach
Verhältmß der entstandenen Verschlimmerung, eine Heruntersetzung der Dienste
gefallen lassen.
§. 448. Behauptet die Herrschaft, daß die Unterthanen, des
erlittenen Verlustes ungeachtet, die schuldigen Dienste dennoch leisten können:
so steht ihr frey, die Möglichkeit derselben entweder durch nähere Ausmittelung
der gegenwärtigen Beschaffenheit der Güter, oder durch Vergleichung mit andern
eben solche Dienste in gleichem Maaße wirklich leistenden Stellen,
nachzuweisen.
§. 449. Wählt die Herrschaft den ersten Weg: so muß
ausgemittelt werden: ob die Stelle bey einer gewöhnlichen Bewirthschaftung so
viel eintragen könne, als zur Unterhaltung des Besitzers und semer Familie, so
wie des zur Bestellung der Wirthschaft und zum Hofedienst notwendigen Gespanns
und Gesindes, erforderlich ist.
§. 450. Ingleichen: ob, wenn die schuldigen Dienste in ihrem
bisherigen Maaß und Umfang ferner geleistet werden müßten, dem Besitzer die
nöthige Zeit übrig bleibe, seine Wirthschaft gehörig zu bestellen, und sowohl
die öffentlichen, als Gemeindedienste zu leisten.
§. 451. Auch muß bey dieser Zeitberechnung darauf gesehen
werden: ob und wie viel Zeit der Unterthan nöthig habe, um den etwa
unzureichend befundenen Ertrag der Stelle durch Nebenverdienst zu ergänzen; und
in wie fern Gelegenheit zu einem solchen Nebenverdienste in der Gegend
vorhanden sey.
§. 452. Nach dem, was hiedurch ausgemittelt worden, und nach
dem pflichtmäßigen Ermessen vereideter Sachverständigen, muß der Richter
festsetzen: ob und in welchem Maaße die Herrschaft einen Theil der schuldigen
Dienste zu erlassen verbunden sey.
§. 453. Will die Herrschaft den Weg der Vergleichung wählen
(§. 448.): so steht ihr frey, diejenigen Stellen, mit welchem die Vergleichung
angestellt werden soll, in Vorschlag zu bringen.
§. 454. Alsdann muß untersucht werden: ob diese
vorgeschlagenen Stellen mit denjenigen, für welche der Erlaß gefordert wird
sowohl in Ansehung der Dienste und übrigen Lasten, als des Umfangs und der
Beschaffenheit der dabey befindlichen nutzbaren Realitäten, wirklich in
gleichem Verhältnisse stehen.
§. 455. Auch auf die mehr oder minder bequeme Lage, und
Gelegenheit zum Nebenverdienste, muß dabey Rücksicht genommen werden.
§. 456. Findet der Richter, nach dem Ermessen der
Sachverständigen, daß die zur Vergleichung schickliche eben dieselben Dienste
leistende Stelle, von eben der, oder gar noch schlechterer Qualität sey: so ist
die Unmöglichkeitsklage als ungegründet zu verwerfen.
§. 457. Findet sich aber, daß die gleiche Dienste leistende
Stellen von besserer Qualität sind: so muß die Herrschaft entweder diejenigen,
für welche der Erlaß gefordert wird, so weit, daß sie jenen gleich werden,
verbessern; oder nach Verhältniß der schlechtern Qualität, eine Heruntersetzung
der Dienste sich gefallen lassen.
§. 458. Sind durch Erweiterung oder Verbesserung der
herrschaftlichen Wirthschaft, ungemessene Dienste der Unterthanen dergestalt
vermehrt worden, daß denselben die erforderliche Zeit zu ihrer eignen Nothdurft
nicht übrig bleibt: so ist die Herrschaft schuldig, dabey mit eignen Zügen oder
Lohnarbeitern, nach Verhältniß der Erweiterung, mitzuwirken.
§. 459. Obige Vorschriften (§. 444-458.) gelten auch
alsdann, wenn die Unterthanen ihre Stellen nicht eigenthümlich besitzen,
sondern dieselben der Herrschaft gehören.
§. 460. Will jedoch die Herrschaft sich mit einem solchen
Unterthan auf den Prozeß über die vorgeschützte Unmöglichkeit der Dienste gar
nicht einlassen: so steht ihr frey, die Stelle zurückzunehmen.
§. 461. Sie muß aber alsdann den Unterthan, sein Weib, und
die nach dem Achten Abschnitte ihm folgenden Kinder, wenn er anderwärts im
Lande sein Unterkommen finden kann, der Untertänigkeit auf sein Verlangen
unentgeltlich entlassen, und für die Wiederbesetzung der Stelle mit einem
tauglichen Wirthe bey eigner Vertretung sorgen.
§. 462. Ist der Unterthan bloß Zeitpächter: so muß sein
Befugniß, Erlaß der Dienste zu fordern, nach dem Inhalte seines Contraktes,
hiernächst aber nach den bey Pachtungen überhaupt vorgeschriebenen Grundsätzen
beurtheilt werden.
Dienststreitigkeiten.
§. 463. Bey entstehenden Dienststreitigkeiten müssen die
Unterthanen diejenigen Dienste, welche sie in dem letzten Jahre vor erfolgtem
Widerspruche, auf Geheiß der Herrschaft, ohne schriftlichen Vorbehalt geleistet
haben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache fortsetzen.
§. 464. Bau- und andre nicht alljährig wiederkommende
Dienste müssen, wenn der Besitzstand streitig ist, während des Prozesses nach
dem Provinzial-, und wo diese nichts bestimmen, nach dem allgemeinen
Gesetzbuche geleistet und angenommen werden.
§. 465. Gegen diese einstweilige Leistung der streitigen
Dienste, können die Unterthanen sich mit dem Einwande, daß diese Dienste in den
vorhandenen Verträgen oder Urbarien mit Stillschweigen übergangen sind,
keinesweges schützen.
§. 466. Doch hat es in Ansehung der nach Vorschrift §. 141.
aufgenommenen Urbarien, bey der Verordnung des §. 143. sein Bewenden.
§. 467. Findet es sich am Ende des Prozesses, daß die
Herrschaft die streitigen Dienste zur Ungebühr gefordert habe: so muß sie
dieselben den Unterthanen, von der Zeit des ersten Widerspruchs an, nach dem
doppelten Satze des in der Gegend gewöhnlichen Cammeranschlages vergüten.
§. 468. Bey Unmöglichkeitsklagen müssen die Unterthanen die
schuldigen Dienste bis zu dem Erkenntniß in erster Instanz dennoch leisten.
§. 469. Was aber in dieser Instanz erkannt worden, muß
einstweilen gelten, bis ein Andres rechtskräftig festgesetzt ist.
§. 470, Wird auf einen Erlaß rechtskräftig erkannt: so muß
die Herrschaft die Unterthanen wegen dessen, was sie während dem Prozesse, um
dennoch die Dienste zu leisten, haben aufwenden, oder in ihrer Wirthschaft
verabsäumen müssen, entschädigen.
§. 471. Besitzer dienstpflichtiger Bauergüter, wenn sie auch
für ihre Personen keine Unterthanen wären, sind dennoch in Ansehung der von
ihrer Stelle der Herrschaft zu leistenden Dienste und Abgaben, nach eben den
Grundsätzen, wie die unterthänigen Besitzer zu beurtheilen.
Siebenter Abschnitt
Von den Zinsen und Abgaben der Unterthanen
Allgemeine Grundsätze.
§. 472. Grundzinsen und andre Abgaben, welche die
Unterthanen der Herrschaft von ihren Stellen zu entrichten haben, sollen
künftig, so wie die Dienste, in den Urbarien oder Kauf- und Annehmebriefen,
möglichst genau bestimmt werden.
§. 473. Daß Unterthanen außer den auf eine oder die andre
Weise bestimmten, noch andre oder mehrere Abgaben an die Herrschaft zu leisten
schuldig sind, wird nicht vermuthet.
Natural-Abgaben.
§. 474. Gebührt der Herrschaft ein verhältnißmäßiger Antheil
(pars quota) gewisser Erzeugnisse, es sey als Zehent, oder unter einem
andern Namen: so finden die Vorschriften vom Zehentrecht Anwendung. (Tit. XI.
Abschn. XI.)
§. 475. Abgaben, die in einem gewissen bestimmten Maaße von
Früchten, oder andern Naturalien bestehen, müssen so, wie sie auf dem zinsbaren
Gute gewonnen worden, rein und unvermengt entrichtet und angenommen werden.
§. 476. Sind dem Unterthan dergleichen Naturalien in einem
oder dem andern Jahre nicht zugewachsen: so muß er dafür den zur Verfallzeit
gestandenen mittleren Preis der nächsten Marktstadt entrichten.
§. 477. Doch steht dem Unterthan frey, die ihm mißrathenen
Naturalien selbst anzukaufen, und solchergestalt in Natur an die Herrschaft
abzuliefern.
§. 478. Dergleichen Abgaben müssen am Verfalltage, oder
spätestens innerhalb Vier Wochen nach demselben, abgeführt werden.
§. 479. Fällt dem Unterthan eine Saumseligkeit erweislich
zur Last: so steht es in der Wahl der Herrschaft: ob sie nach dem Verfalltage
noch die Natural-Lieferung, oder baare Bezahlung, nach dem am Verfalltage
gestandenen mittleren Marktpreise, fordern wolle.
§. 480. a) Wählt sie letzteres: so muß der Unterthan von der
schuldigen Geldsumme Zögerungszinsen seit dem Verfalltage entrichten.
§. 480. b) Nach Ablauf der Vier Wochen (§. 478.) hat der
Unterthan die Vermuthung der Saumseligkeit wider sich.
Geldzinsen.
§. 481. Zu Zögerungszinsen ist der Unterthan in Ansehung
aller Geldabgaben, die nicht an dem bestimmten Termine erlegt worden,
verpflichtet.
§. 482. Geldzinsen müssen in derjenigen Münzsorte bezahlt
und angenommen werden, in welcher der Unterthan die öffentlichen Abgaben zu
entrichten hat.
§. 483. Sollte in Zukunft ein leichterer Münzfuß eingeführt
werden: so dient bey Bestimmung der von den Unterthanen zu entrichtenden,
alsdann schon bestehenden Zinsen, der gegenwärtige Münzfuß zur Richtschnur.
Beytreibung der Zinsen.
§. 484. Unstreitige Zinsen kann die Herrschaft, auch wenn
sie selbst die Gerichtsbarkeit nicht hat, durch die Dorfgerichte des Orts
unmittelbar beytreiben lassen.
§. 485. Doch müssen dabey die Vorschriften der
Executionsordnung beobachtet, und wenn es auf einen öffentlichen gerichtlichen
Verkauf ankommt, die Direktion desselben dem ordentlichen Richter überlassen
werden.
§. 486. Bestreitet aber der Unterthan die Verbindlichkeit zu
den geforderten Zinsen oder Abgaben: so ist ihm darüber rechtliches Gehör und
Erkenntniß nicht zu versagen.
§. 487. Er muß aber, wenn die Herrschaft sich bisher im
Besitze der streitig gewordenen Zinsen befunden hat, dieselben während des
Prozesses, mit Vorbehalt seines Rechts, entrichten, oder Sicherheit dafür
bestellen.
Erlaß an den Zinsen.
§. 488. Wegen erlittener Unglücksfälle können Unterthanen an
den herrschaftlichen Zinsen und Abgaben nur alsdann einen Nachlaß fordern, wenn
ihnen dergleichen an der landesherrlichen Contribution zu statten kommt.
§. 489. Das den Unterthanen zu erlassende Quantum muß nach
der Hälfte der Zeit, für welche der Landesherr die Steuern erläßt, berechnet
werden.
§. 490. Wenn also z. B. der Landesherr einem Unterthan,
wegen erlittener Unglücksfälle, sechsmonathliche Steuern nachläßt: so kommt
diesem, an den jährlichen herrschaftlichen Zinsen und Abgaben, der Erlaß eines
Viertels zu gute.
§. 491. Unterthanen, die ihre Güter auf den Grund eines
wirklichen Zeit- oder Erbpachtcontrakts besitzen, müssen, auch in Ansehung der
Remissionen bey Unglücksfällen, nach den bey Zeit- oder Erbpachten geltenden
Gesetzen beurtheilt werden.
§. 492. Andre zinspflichtige Besitzer, die nicht Unterthanen
sind, haben auf die nach §. 488. sqq. den Unterthanen zu statten kommenden
Remissionen keinen Anspruch.
§. 493. Wegen rückständig gebliebener Zinsen und Abgaben hat
die Herrschaft, bey einem über das Vermögen des Schuldners entstehenden
Concurs, das Vorrecht der Zweyten Classe, nach näherer Bestimmung der
Concursordnung.
§. 494. Von der Verjährung solcher Zinsen gilt alles, was
die Gesetze bey jährlichen Prästationen überhaupt verordnen. (Th. I. Tit. IX.
§. 509. 510.)
Achter Abschnitt
Von der Entlassung aus der Unterthänigkeit
Allgemeine Grundsätze.
§. 495. Wer die Entlassung aus der Unterthänigkeit verlangt,
muß sie bey seiner Herrschaft suchen.
§. 496. Nur der wirkliche Eigenthümer des Guts, nicht aber
der Pfandinhaber, oder der ein bloßes Nutzungsrecht hat, kann Unterthanen
entlassen.
§. 497. Der Vormund, oder der Curator eines Schuldenwesens,
kann Entlassungen nur aus den in den Gesetzen ausdrücklich gebilligten Ursachen
ertheilen.
§. 498. Die Herrschaft soll keinem Unterthan die Entlassung
bewilligen, der nicht vorher auf eine glaubhafte Art angezeigt hat, womit er
sich künftig im Lande nähren wolle.
§. 499. Hat die Herrschaft diese Vorschrift nicht befolgt;
und fällt der Entlassene dem Lande hiernächst als Bettler oder Landstreicher
zur Last: so bleiben, der Herrschaft in dieser Rücksicht alle
Verbindlichkeiten, als wenn er noch wirklich ihr Unterthan wäre.
§. 500. Die Ursache der Entlassung muß in dem Losbriefe oder
in der Kundschaft ausgedrückt werden.
§. 501. Ist die von dem Unterthan angegebene und in dem
Losbriefe ausgedrückte Ursache falsch und erdichtet: so ist die Entlassung
ungültig; und die Herrschaft kann den Unterthan innerhalb rechtsverjährter Zeit
zurückfordern.
§. 502. Das entrichtete Losgeld muß zwar zurück gegeben
werden; fällt aber, zur Strafe des betrügerischen Unterthans, der Armenkasse
des Dorfs anheim.
Fälle, wo die Loslassung nicht versagt werden kann.
§. 503. Die gesuchte Entlassung kann einem noch
unangesessenen Unterthan nicht versagt werden, wenn derselbe, unter ertheilter
oder ergänzter Erlaubnis der Herrschaft, auf andre als herrschaftliche Kosten,
eine Wissenschaft, Kunst, oder Profession erlernt hat, womit er sich auf dem
Lande nicht nähren kann.
§. 504. Was in Ansehung solcher Unterthanen, die eine Kunst,
oder ein Handwerk auf herrschaftliche Kosten erlernt haben, Rechtens sey, ist
oben verordnet. (§. 178. sqq.)
§. 505. Ein noch nicht angesessener Unterthan kann die Entlassung
fordern, wenn er durch eine bürgerliche, Kirchen- oder Schulbedienung, oder auf
andere erlaubte Art, sein Glück zu verbessern Gelegenheit findet.
§. 506. Wenn ein noch nicht angesessener, aber großjähriger
Unterthan, sich auswärts ansäßig machen kann: so ist die Herrschaft ihn zu
entlassen verbunden. §. 507. Kann aber die Herrschaft einem solchen Unterthan
in den Gütern, zu welchen er mit Unterthänigkeit verpflichtet ist, eine Stelle
anweisen: so muß er dieselbe entweder annehmen, oder der Herrschaft, gegen
seine Entlassung, einen andern tauglichen und annehmlichen Wirth zu dieser
Stelle verschaffen.
§. 508. Ob die dem Unterthan von der Herrschaft anzuweisende
Stelle von eben der Beschaffenheit, Umfange, oder Werthe ist, als diejenige,
die der Unterthan auswärts übernehmen will, macht dabey keinen Unterschied.
§. 509. Soll aber der Unterthan diese Stelle gegen ein
Entgeld übernehmen, welches seine Vermögensumstände übersteigt: so kann ihm
dieselbe nicht aufgedrungen, noch er an Uebernehmung der auswärtigen Stelle,
die er unentgeltlich, oder unter leichteren seinem Vermögen angemessenem
Bedingungen erhalten kann, gehindert werden.
§. 510. Ist der Unterthan, welcher wegen Uebernehmung einer
auswärtigen Stelle die Entlassung sucht, der einzige zur Landwirthschaft
tüchtige Sohn eines unter derselben Herrschaft angesessenen, schon bejahrten,
oder mit Gebrechlichkeit oder Leibesschwäche behafteten Vaters: so ist die
Herrschaft befugt, die Entlassung zu versagen, und ihn anzuweisen, daß er die
Erledigung der väterlichen Stelle abwarte.
§. 511. Kann die Herrschaft dem Unterthan, der sich auswärts
mit einer unterthänigen Stelle ansäßig machen will, zwar nicht in dem Gute, zu
welchem er unterthänig ist, aber doch auf einem andern ihr zugeordneten Gute,
in demselben Kreise, eine Stelle anweisen: so ist der Unterthan diese letztere
vorzüglich anzunehmen verbunden.
§. 512. Doch muß alsdann die von der Herrschaft anzuweisende
Stelle wenigstens eben so gut, als die fremde, und die Annahme derselben muß
mit keinen lästigern Bedingungen verknüpft seyn.
§. 513. Auch muß der Unterthan in dem herrschaftlichen
Dorfe, wo ihm die Stelle angewiesen wird, gegen das fremde Dorf, wo er die
Stelle annehmen wollte, in Ansehung der Dienste, und anderer aus der
Unterthänigkeit fließenden persönlichen Verhältnisse, sich nicht verschlimmern.
§. 514. Auf Gütern, die in einem andern Kreise liegen, kann
die Herrschaft dem Unterthan eine Stelle niemals aufdringen.
§. 515. Auch kann sie ihn zur Annehmung einer Stelle auf
einem andern Gute, wozu er nicht unterthänig ist, nicht nöthigen, wenn er die
fremde Stelle durch eine Heirath erwerben soll, und seine Braut ihm auf das
herrschaftliche Gut nicht folgen will.
§. 516. Kann der Unterthan durch Heirath zum Besitze einer
von der persönlichen Unterthänigkeit freyen Stelle, von welcher er sich und
eine Familie ernähren kann, gelangen; oder durch den Eintritt in eine
bürgerliche Nahrung, sein Glück dauerhaft verbessern: so muß ihm die Entlassung
ertheilt; und es ihm eine unterthänige Stelle, selbst in dem Dorfe, wohin er
bisher gehört hat, nicht aufgedrungen werden.
§. 517. Ein Gleiches findet statt, wenn die Stelle, zu
welcher der Unterthan durch die Heirath gelangen kann, zwar einer
Gutsherrschaft unterthänig ist; die Braut aber demselben auf diejenige, welche
die bisherige Herrschaft ihm anweisen will, zu folgen sich weigert.
§. 518. Außer diesen Fällen ist die Verheirathung einer
unterthänigen Mannsperson kein Grund, die Entlassung zu fordern.
§. 519. Einer unterthänigen Weibsperson, die durch auswärtige
Heirath ihre Versorgung finden kann, mag die Herrschaft die Entlassung nicht
versagen.
§. 520. Ein Unterthan, welchen die Herrschaft ohne Urtel und
Recht gemißhandelt hat, ist seine Entlassung unentgeltlich zu fordern wohl
befugt.
§. 521. Auch ein schon angesessener Wirth kann seine und
seines Weibes Entlassung fordern, wenn er den §. 498. vorgeschriebenen Nachweis
führen, und einen andern gleich tüchtigen Wirth an seine Stelle schaffen kann.
§. 522. Die schon dienstfähigen Kinder ist die Herrschaft
mit ihren Aeltern abziehen zu lassen nicht weiter gehalten, als ihr der Verlust
durch die Familie des neu anziehenden Wirthes ersetzt wird.
§. 523. Behält die Herrschaft Kinder, welche noch nicht
großjährig sind, zurück: so muß sie dieselben entweder selbst in ihre Dienste
nehmen, oder auf andre Art für deren Unterhalt und Fortkommen sorgen.
§. 524. Kinder unter Vierzehn Jahren kann die Herrschaft
ihren wegziehenden Aeltern, wider deren Willen, niemals vorenthalten.
§. 525. Wenn der Unterthan aus dem §. 520. angeführten
Grunde seine Entlassung zu fordern berechtigt ist: so müssen ihm auch alle noch
in seinem Brote befindliche Kinder unentgeltlich verabfolgt werden.
§. 526. Die Kinder einer abziehenden Wittwe ist die
Herrschaft der Unterthänigkeit mit der Mutter zugleich zu entlassen nicht
verbunden.
§. 527. Wie weit durch Verjährung die Unterthänigkeit
aufhöre ist §. 155-160. bestimmt.
Fälle, wo der Unterthan des Rechts, die Entlassung zu
fordern, verlustig wird.
§. 528. Ein Unterthan macht sich des Rechts, seine
Entlassung zu fordern, in allen Fällen verlustig, wenn er grober Vergehungen
gegen die Herrschaft, oder deren Familie, schuldig erkannt worden.
§. 529. Unter welchen Umständen das zum herrschaftlichen
Hofedienste verpflichtete Gesinde, wenn es die schuldigen Dienstjahre noch
nicht geleistet hat, seine Entlassung fordern könne, ist nach den Vorschriften
§. 206-216. zu beurtheilen.
§. 530. Wenn ein abziehender Unterthan unter seiner
bisherigen Gerichtsbarkeit in Prozeß verwickelt ist, kann er sowohl wegen der
Kosten, als wegen dessen, was in der Hauptsache erkannt werden möchte, einen
hinlänglichen Vorstand zu bestellen angehalten werden.
Loslassungs- und Abzugsgeld.
§. 531. Ob und was der abziehende Unterthan für sich, seine
Familie, und sein Vermögen, an Loslassungs- und Abzugsgelde zu bezahlen habe,
wird in den Provinzialgesetzen näher bestimmt.
§. 532. Diese Bestimmungen ist die Herrschaft in Fällen, wo
der Unterthan eine gesetzmäßige Ursache zur Entlassung für sich hat, zu überschreiten
nicht berechtigt.
§. 533. Ist bey der Annehmung eines Unterthans, wegen des
von ihm im Falle seiner Entlassung zu entrichtenden Losgeldes, im Voraus etwas
bedungen worden: so ist ein solcher Vertrag nach der Vorschrift §. 139. 140. zu
beurtheilen.
Unterbrechung der Unterthänigkeit durch den Kriegesdienst.
§. 534. Durch die Aufnahme eines Unterthans in Königliche
Kriegsdienste, wird desselben Unterthänigkeit nur unterbrochen, aber nicht
aufgehoben.
§. 535. Besitzt derselbe eine unterthänige Stelle: so bleibt
er zu allen mit diesem Besitze verbundnen Diensten und Abgaben, gleich andern
Unterthanen, verpflichtet.
§. 536. Seinem Weibe kann die Herrschaft nicht wehren, ihrem
Manne in sein Standquartier zu folgen.
§. 537. Auch ist der Vater seine Kinder, welche das
Vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, mit sich zu nehmen wohl befugt.
§. 538. Kinder von höherem Alter ist die Herrschaft in das
Standquartier des Vaters verabfolgen zu lassen nicht schuldig.
§. 539. Sie muß aber solche Kinder entweder selbst in ihre
Dienste nehmen, oder für deren Unterhalt und Fortkommen auf andre Art sorgen.
§. 540. Wird der zu Kriegesdiensten eingezogene Unterthan
derselben entlassen: so tritt er, der Regel nach, wieder in alle die
Verbindlichkeiten gegen seine Herrschaft, in welchen er vor übernommenen
Kriegesdiensten gestanden hat.
§. 541. Will er aber der Unterthänigkeit gegen Entrichtung
des gesetzmäßigen Losgeldes entlassen seyn: so kann ihm dieses von der
Herrschaft nicht versagt werden.
§. 542. Erhält er bey seiner Entlassung eine Versorgung mit
einem Civildienste, welcher mit der Unterthänigkeit nicht bestehen kann: so muß
er derselben unentgeltlich entlassen werden.
§. 543. In so fern der Mann, nach erhaltenem Abschiede, in
die Unterthänigkeit zurückkehrt, müssen auch sein Weib, und die während seines
Soldatenstandes erzeugten Kinder, ihm dahin folgen.
§. 544. Alle Kinder hingegen, welche der Vater, während
seines Soldatenstandes, bey sich im Standquartier erzogen, und so weit versorgt
hat, daß sie hinfort ihr Brot selbst zu verdienen im Stande sind, bleiben von
der Unterthänigkeit frey.
§. 545. Auch nach dem Tode des aus dem Soldatenstande in die
Unterthänigkeit zurückgekehrten Mannes, bleibt das Weib desselben, nebst den
noch unversorgten Kindern in der Unterthänigkeit.
§. 546. Hat der verabschiedete Soldat während seiner
Kriegesdienste eine freye Person geheirathet: so muß diese, nach des Mannes
Tode, der Unterthänigkeit auf ihr Verlangen unentgeltlich entlassen werden.
§. 547. Ein Cantonist, welcher durch sein Wohlverhalten in
Kriegesdiensten, bis zur Stelle eines Oberofficiers gestiegen, ist für sich und
seine Familie von aller persönlichen Verpflichtung gegen seine vormalige
Grundherrschaft frey, und bedarf keiner Entlassung.
§. 548. Wer es in den Kriegesdiensten des Staats bis zum
Feldwebel oder Wachtmeister gebracht hat, muß unentgeltlich entlassen werden.
Achter Titel
Vom Bürgerstande
Erster Abschnitt
Vom Bürgerstande überhaupt
Begriffe und Grundsätze.
§. 1. Der Bürgerstand begreift alle Einwohner des Staats
unter sich, welche, ihrer Geburt nach, weder zum Adel, noch zum Bauerstande
gerechnet werden können; und auch nachher keinem dieser Stände einverleibt
sind.
§. 2. Ein Bürger im eigentlichen Verstande wird derjenige
genannt, welcher in einer Stadt seinen Wohnsitz aufgeschlagen, und daselbst das
Bürgerrecht gewonnen hat.
§. 3. Personen des Bürgerstandes in und außer den Städten,
welche durch ihre Aemter, Würden, oder besondere Privilegien, von der
Gerichtsbarkeit ihres Wohnorts befreyt sind, werden Eximirte genannt.
§. 4. Wenn auch den Gerichten des Wohnorts die Jurisdiction
über Personen, die an sich zu den Eximirten gehören, durch besondere Privilegia
verliehen ist: so ändert dieses nichts in den sonstigen Rechten solcher
Personen.
§. 5. Einwohner der Städte, welche weder eigentliche Bürger,
noch Eximirte sind, heißen Schutzverwandte.
§. 6. Bürger und Schutzverwandte der Stadt werden nach den
Statuten ihres Wohnorts; Eximirte hingegen nach den Provinzialgesetzen, und in
deren Ermangelung, nach dem allgemeinen Gesetzbuche beurtheilt.
§. 7. Personen bürgerlichen Standes, welche adliche Güter
besitzen, sind dieses Besitzes wegen nicht anders für eximirt zu achten, als
wenn sie zugleich ihren beständigen Wohnsitz auf ihren Gütern genommen haben.
§. 8. Doch sind, auch außer diesem Falle, dergleichen
bürgerliche Gutsbesitzer, in Ansehung solcher Handlungen und Geschäfte, welche
auf den Besitz des adlichen Guts sich unmittelbar beziehen, dem Gerichtsstande,
unter welchem das Gut gelegen ist, und den Gesetzen desselben unterworfen.
§. 9. Dagegen stehen adliche Gutsbesitzer bürgerlichen
Standes, welche bürgerliches Gewerbe treiben, unter der Gerichtsbarkeit und den
Statuten der Stadt, wenn sie auch bald in der Stadt, bald auf ihren Gütern
leben, und also einen doppelten Wohnsitz haben.
§. 10. Die eigentlich nur dem Adelstande gegebenen Gesetze
und Privilegien, finden weder bey bürgerlichen Besitzern adlicher Güter, noch
überhaupt bey Eximirten Anwendung.
§. 11. Alle übrige nicht eximirte Personen des
Bürgerstandes, welche außer den Städten wohnen, werden nach den Gesetzen ihres
Wohnorts gerichtet; auch wenn sie ihres Gewerbes wegen in eine städtische Zunft
aufgenommen sind.
§. 12. In wie fern dergleichen Landbewohner sich auf die
Gesetze der benachbarten Städte, oder auf ein Weichbildsrecht zu berufen befugt
sind, ist in den Provinzialgesetzen bestimmt.
Bürgerrecht.
§. 13. Das Bürgerrecht besteht in dem Inbegriffe aller
Vorzüge und Befugnisse, welche den Mitgliedern einer Stadtgemeine vom Staate
verliehen sind.
Erlangung desselben.
§. 14. Das Bürgerrecht wird in der Regel durch den Magistrat
des Orts ertheilt.
§. 15. Gutsunterthanen können, ohne Entlassung von ihren
Grundherrschaften; Soldaten und Cantonisten ohne Abschied vom Regimente, oder
schriftliche Einwilligung des Chefs oder Commandeurs, zu Bürgern nicht
aufgenommen werden.
§. 16. Auch kann ein Minderjähriger, ohne vorhergegangene
Majorennitätserklärung, in die Bürgerrolle nicht eingeschrieben werden.
§. 17. Wo die Statuten eines Orts nicht noch besondre
Erfordernisse zu Erlangung des Bürgerrechts vorschreiben, da darf die
Ertheilung desselben keinem, welcher hinlängliche Fähigkeit zum Betriebe eines
städtischen Gewerbes besitzt, und von unbescholtnem Wandel ist, versagt werden.
§. 18. Jeder, der ein bürgerliches Gewerbe in einer Stadt
treiben will, ist schuldig, sich um Ertheilung des Bürgerrechts zu melden.
§. 19. So weit die Ertheilung des Bürgerrechts die Befugniß,
bürgerliche Gewerbe in einer Stadt zu treiben, in sich schließt, kann ein
Fremder, welcher sich daselbst nicht häuslich niederlassen will, darauf keinen
Anspruch machen.
§. 20. Findet der Magistrat für gut, einem solchen Fremden
das Bürgerrecht zu ertheilen: so muß für die Bestellung eines tauglichen
Repräsentanten am Orte selbst, an welchen man wegen aller bürgerlichen Lasten
und Pflichten sich halten könne, gesorgt werden.
§. 21. Wer Bürger werden will, muß in der Regel auch den
Bürgereid ableisten.
§. 22. Kinder, welche zu der Zeit, als ihre Aeltern das
Bürgerrecht gewonnen haben, noch in väterlicher Gewalt gewesen sind, gehen,
außer den im vorigen in §. 522. sqq. vorkommenden Fällen, wo die Kinder eines
entlassenen Unterthans der Herrschaft ferner unterthänig bleiben, mit dem Vater
zugleich in den Bürgerstand über.
§. 23. Sie erlangen, gleich den nachher gebornen, die
Rechte, welche nach den Statuten, Verfassungen, oder besondern Privilegiis und
Willenserklärungen, den wirklichen Bürgerkindern beygelegt sind.
§. 24. Aber auch Bürgerkinder müssen, wenn sie wirkliche
Bürger werden wollen, das Bürgerrecht besonders gewinnen.
Allgemeine Rechte und Pflichten der Bürger.
§. 25. Die Bürger in den Städten sind in Polizey- und
Gewerbesangelegenheiten dem Magistrate unterworfen.
§. 26. Der Magistrat ist seinen Bürgern Schutz, und
erforderlichenfalls Beystand zu leisten verbunden.
§. 27. Rechte und Nutzungen, welche nur der Bürgerschaft
verliehen worden, kommen den übrigen Einwohnern des Orts nicht zu statten.
§. 28. Nach welchem Verhältnisse die Bürger und Besitzer
bürgerlicher Grundstücke an den gemeinschaftlichen Nutzungen Theil nehmen, und
die gemeinschaftlichen Lasten zu übertragen haben, hängt von den besondern
Verfassungen eines jeden Orts ab.
§. 29. Jeder Bürger ist schuldig, öffentliche Stadtämter,
denen er vorzustehen fähig ist, zu übernehmen.
§. 30. Ist für die Verwaltung solcher Aemter keine besondere
Belohnung ausgesetzt: so muß zwar der dazu berufene Bürger dieselben auch
unentgeltlich übernehmen;
§. 31. Es müssen ihm aber die
dabey vorfallenden Kosten von der Gemeine vergütet werden.
§. 32. Auch kann er in der Regel, wo die Statuten nicht eine
längere, oder eine immerwährende Dauer ausdrücklich bestimmen, ein solches
unentgeltlich zu führendes Amt über Ein Jahr zu behalten nicht genöthiget
werden.
§. 33. Auch zu andern persönlichen Diensten sind die Bürger,
in jedem Nothfalle, der gemeinen Stadt verpflichtet.
§. 34. Wenn nicht wegen außerordentlicher Gefahr, oder
andrer besondrer Umstände, die persönliche Gegenwart der Bürger ausdrücklich
gefordert wird: so können sie diese persönlichen Dienste auch durch andre
taugliche Personen an ihrer Stelle verrichten lassen.
§. 35. Kunst- und Handwerksdienste sind die Bürger
unentgeltlich zu leisten nicht schuldig.
§. 36. Neue bisher ungewöhnliche Dienste kann der Magistrat,
ohne Zuziehung und Einwilligung der Bürgergemeine, außer einem dringenden
Nothfalle nicht fordern, noch die Art der Vertheilung ändern.
§. 37. Ein Gleiches gilt von neuen bisher nicht gewöhnlichen
Geld- oder andern Beyträgen.
§. 38. Dagegen kann aber auch die Bürgerschaft keine
Beyträge, ohne die Einwilligung der Obrigkeit, unter sich bestimmen und
einsammeln.
§. 39. Die Befreyung von allgemeinen persönlichen Lasten der
Bürger können einzelne Mitglieder, ohne die Einwilligung der übrigen, zu deren
Nachtheil nicht erlangen.
§. 40. Besondre Gesellschaften der Stadtgemeine hingegen
können, auch durch Verjährung, von den Lasten der gemeinen Bürger befreyt
werden.
§. 41. Wo mit dem Besitze gewisser Grundstücke, oder mit
gewissen Geschäften oder Würden, eine persönliche Befreyung von gemeinen
bürgerlichen Lasten, nach einer seit rechtsverjährter Zeit wohl hergebrachten
Verfassung, bisher verbunden gewesen, da hat es auch fernerhin dabey sein
Bewenden.
Verlust des Bärgerrechts.
§. 42. Wer seinen Wohnsitz an einen andern Ort verlegt,
verliert dadurch das Bürgerrecht in der verlassenen Stadt.
§. 43. Will er sich selbiges erhalten: so muß er die
Erlaubniß dazu längstens binnen Jahr und Tag, nach seinem Abzuge bey dem Magistrate
nachsuchen.
§. 44. Gründe des gemeinen Besten, und der Beförderung des
Wohlstandes der Stadt und Bürgerschaft, müssen über die Ertheilung oder
Versagung dieser Erlaubniß den Ausschlag geben.
§. 45. Ein solcher abwesender Bürger ist zwar, so lange
seine Abwesenheit dauert, von den persönlichen bürgerlichen Pflichten frey; er
kann aber auch von den der Person anklebenden Rechten eines Bürgers keinen
Gebrauch machen.
§. 46. Will der abwesende Bürger, auf den Grund der
erhaltenen besondern Erlaubniß, sein Gewerbe an seinem vorigen Wohnorte durch
andere fortsetzen: so findet die Vorschrift des §. 20. auf ihn Anwendung.
§. 47. Wer, ohne einen andern Wohnsitz zu nehmen, sich aus
der Stadt entfernt, verliert sein Bürgerrecht nur durch die gewöhnliche
Verjährung.
§. 48. Ein Bürger, welcher in die Classe der Eximirten
übergeht, verliert bloß dadurch sein Bürgerrecht noch nicht.
§. 49. Giebt er aber die bisher getriebene bürgerliche
Nahrung auf, und entzieht sich der fernern Leistung bürgerlicher Lasten und
Pflichten: so kann er auch auf das Bürgerrecht nicht ferner Anspruch machen.
§. 50. Wenn der Vater durch die Veränderung seines Wohnorts,
oder durch den Uebergang in die Classe der Eximirten, sein Bürgerrecht verliert:
so verlieren auch die noch in seiner Gewalt stehenden Kinder die Vorrechte der
Bürgerkinder.
§. 51. Hat der Vater sein Bürgerrecht nur durch eine
ausdrückliche Concession erhalten (§. 43. sqq.): so bleiben allen seinen
Kindern die Vorrechte der Bürgerkinder so lange, bis sie selbst einen eignen
Wohnsitz außerhalb dem Orte, wo der Vater Bürger war, aufschlagen.
§. 52. Hat der Vater sein Bürgerrecht durch die bloße
Entfernung verloren (§. 47.) so bleiben den zur Zeit der Entfernung schon
vorhandenen Kindern die Vorrechte der Bürgerkinder so lange, als sich mit ihnen
nicht eine Veränderung zuträgt, durch welche sie, wenn sie selbst schon
wirklich Bürger wären, des Bürgerrechts verlustig gehen würden.
§. 53. Kinder hingegen, welche erst nach der Entfernung erzeugt
worden, verlieren die Vorrechte der Bürgerkinder, sobald der Vater selbst des
Bürgerrechts verlustig wird.
§. 54. Wer für ehrlos erklärt, des Landes verwiesen, oder
nach ergriffener Flucht des Todes schuldig erkannt worden, verliert sein
Bürgerrecht.
§. 55. Andre Verbrechen wirken den Verlust des Bürgerrechts
nur alsdann, wenn darauf nach Vorschrift der Criminalgesetze ausdrücklich
erkannt worden.
§. 56. Wenn der Vater durch seine Verbrechen das Bürgerrecht
verliert: so werden, außer dem Falle des Hochverraths, die vorher erzeugten
Kinder der Vorrechte der Bürgerkinder dadurch nicht verlustig.
§. 57. Auch Wittwen, und geschiedene, aber nicht
ausdrücklich für den schuldigen Theil erklärte Ehefrauen, nehmen an den
bürgerlichen Rechten ihrer gewesenen Männer, in so fern diese nicht an deren
Person gebunden waren, so lange Theil, als sie selbst ihren Stand nicht
verändern.
§. 58. In wie fern sie aber das bürgerliche Gewerbe ihrer
Männer fortsetzen können, ist unten bestimmt.
Von Eximirten.
§. 59. Adliche und Eximirte, die in Städten wohnen, müssen
sich, gleich wirklichen Bürgern, nach der allgemeinen städtischen
Polizeyeinrichtung achten; und sind in vorkommenden Fällen den Polizeystrafen
unterworfen.
§. 60. Kaufmannschaft, oder andre bürgerliche Gewerbe, können
sie, ohne das Bürgerrecht erlangt zu haben, nicht treiben.
§. 61. Wenn sie nach erlangtem Bürgerrechte, ein solches
Gewerbe wirklich treiben: so müssen sie in allen dasselbe betreffenden
Angelegenheiten, die städtische Gerichtsbarkeit und Polizeyverordnungen
anerkennen.
§. 62. Hingegen behalten sie in allen ihren übrigen
persönlichen Angelegenheiten die Rechte und den Gerichtsstand der Eximirten.
§. 63. Sie müssen aber die gemeinen bürgerlichen Lasten und
Dienste bey der Stadt, gleich andern Bürgern, leisten.
§. 64. Doch können sie zur Leistung persönlicher Dienste in
eigner Person niemals gezwungen werden.
§. 65. Wollen eximirte Personen bürgerliche Grundstücke
besitzen: so müssen sie damit zugleich alle darauf haftenden bürgerlichen
Lasten übernehmen.
§. 66. Auch persönliche Leistungen, die mit dem Besitze
bürgerlicher Grundstücke verbunden sind, müssen sie entweder selbst, oder durch
taugliche Substituten verrichten.
§. 67. Sie können aber zu deren selbst eignen Leistung
niemals gezwungen werden.
§. 68. In allen auch persönlichen Angelegenheiten, die sich
auf ihre Eigenschaft als Grundbesitzer beziehen, müssen sie die städtische
Gerichtsbarkeit und Gesetze anerkennen.
§. 69. Zu diesen Obliegenheiten müssen sie sich, auf
Verlangen des Magistrats, durch einen schriftlichen Revers verpflichten.
§. 70. Die Kinder der Eximirten genießen, so lange sie unter
väterlicher Gewalt stehen, die Exemtion der Aeltern.
§. 71. Wenn Eximirte durch Urtel und Recht ihrer Aemter und
Würden entsetzt worden: so fallen sie in die Classe, in welche sie nach ihrer
Geburt gehörten, zurück.
Schutzverwandte.
§. 72. Schutzverwandte sind, auch für ihre Personen, der
Jurisdiktion der städtischen Obrigkeiten der Regel nach unterworfen.
§. 73. So lange sie das Bürgerrecht nicht gewonnen haben,
dürfen sie weder bürgerliche Gewerbe treiben, noch andre Rechte wirklicher
Bürger ausüben.
§. 74. In wie fern sie zu den bürgerlichen Lasten mit
beizutragen, und Abgaben an die gemeine Stadt zu entrichten schuldig sind,
hängt von der besondern Verfassung eines jeden Orts ab.
§. 75. Im Mangel näherer Bestimmungen sind sie zu
Persönlichen Diensten nur in dringenden Nothfällen, wo die Mitwirkung der
eigentlichen Bürger allein zur Abwendung einer der Stadt drohenden Gefahr nicht
hinreichen würde, verpflichtet.
§. 76. Dagegen müssen sie zu öffentlichen Anstalten, wenn
sie den Vortheil davon mit genießen, einen billigen Beytrag leisten.
§. 77. Doch kann ihnen, auch in diesem Falle, ein Mehreres,
als den Bürgern der geringsten Classe, nicht abgefordert werden.
Bürgerhäuser.
§. 78. Die Zahl der Bürgerhäuser soll erhalten: und mehrere
derselben sollen, ohne besondere Erlaubniß des Magistrats, nicht in Eins
zusammengezogen werden.
§. 79. Diese Erlaubniß darf der Magistrat nur aus
erheblichen Gründen des gemeinen Wohls der Stadt, und nur in so weit ertheilen,
als dadurch den Einwohnern der nöthige Platz zu Wohnungen, und zum Betriebe der
Gewerbe, nicht entzogen wird.
§. 80. Wer in einer Stadt Burglehne, oder andere von den
gemeinen bürgerlichen Lasten befreyete Häuser besitzt, darf kein damit
gränzendes Bürgerhaus an sich bringen.
§. 81. Wenn dergleichen gemeine Bürger- und befreyete Häuser
durch Erbgangsrecht in Einer Person zusammen kommen: so muß der Magistrat die
nöthigen Maaßregeln zur Verhütung aller Vermischungen der Gränzen und
Gerechtsame, auf Kosten des Besitzers, besonders festsetzen.
§. 82. Die zu Bürgerhäusern gehörende Aecker und Wiesen sind
in der Regel von den Häusern, zu welchen sie bisher geschlagen gewesen, nicht
untrennbar; sondern können von einem Hausbesitzer auf den andern übertragen,
oder auch von andern Einwohnern der Stadt, als für sich bestehende Grundstücke
besessen werden.
§. 83. Fremde, die nicht in der Stadt wohnen, können
dergleichen Grundstücke in der Regel nicht erwerben, noch besitzen.
§. 84. Insonderheit können Besitzer von Landgütern, die mit
solchen Aeckern oder Wiesen gränzen, oder damit vermischt liegen, dieselben
nicht an sich bringen.
§. 85. Geschieht eine solche Vereinigung durch Erbgangsrecht:
so findet die Vorschrift (§. 81.) Anwendung.
Zweyter Abschnitt
Von Städten und Stadtgemeinen
Rechte der Städte.
§. 86. Städte sind hauptsächlich zum Aufenthalt solcher
Einwohner des Staats bestimmt, welche sich mit der Verarbeitung oder
Verfeinerung der Naturerzeugnisse, und mit dem Handel beschäftigen.
§. 87. Das Stadtrecht kann von niemanden als dem Oberhaupte
des Staats ertheilt werden.
§. 88. Das Stadtrecht erstreckt sich in der Regel nicht auf
die Vorstädte.
§. 89. Doch werden die Einwohner dieser letztern, so weit
sie der Gerichtsbarkeit des Magistrats unmittelbar unterworfen sind, in ihren
Rechtsangelegenheit, nach den Statuten der Stadt beurtheilt.
Bannmeile.
§. 90. Das Recht der Bannmeile ist keine Folge des
Stadtrechts, und muß besonders nachgewiesen werden.
§. 91. Wenn einer Stadt das Meilenrecht wirklich zukommt: so
dürfen innerhalb der Meile auch solche städtische Gewerbe, die sonst auf dem
Lande zugelassen sind, nicht getrieben werden.
§. 92. Wer innerhalb der Meile ein solches Gewerbe treiben
will, muß seine durch besondre rechtsgültige Privilegia oder durch Verjährung
erlangte Befugniß dazu gehörig nachweisen.
§. 93. Doch erstreckt sich das Meilenrecht in der Regel
nicht auf solche Handwerker, welche bey dem Betriebe der Landwirtschaft
unentbehrlich sind.
§. 94. Nähere Bestimmungen, was für Handwerker auf dem Lande
überhaupt, und innerhalb einer städtischen Bannmeile insonderheit, angesetzt
werden können, oder nicht, bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 95. Die mit dem Meilenrechte versehenen Städte sind
ausschließend befugt, alle innerhalb der Meile gelegenen Dörfer mit dem in der
Stadt verfertigten Biere und Branntwein zu verlegen. (Th. I. Tit. XXIII. §. 53.
sqq.)
§. 96. Die Bannmeile ist nach dem in jeder Provinz
gewöhnlichen Meilenmaaße zu bestimmen.
§. 97. Wo in einer Provinz kein besondres Meilenmaaß
eingeführt ist, da ist unter der Bannmeile eine geographische, von
Neunzehnhundert Neun und Sechzig Rheinländischen Ruthen, zu verstehen.
§. 98. Wenn ein Streit entsteht: ob einDorf inn- oder
außerhalb der Meile liege: so muß dieses durch Vermessung ausgemittelt werden.
§. 99. Die Vermessung wird vom Stadtthore angefangen, und
bis zum Dorfgehege fortgesetzt.
§. 100. Kann erwiesen werden, daß seit der Verleihung des
Bannrechts, der Bezirk der Stadt oder des Dorfes erweitert, oder sonst
verändert worden: so sind die Punkte der Vermessung nach der in frühem Zeiten
nach der Verleihung bestandenen Lage zu bestimmen.
§. 101. Die Messung muß durch die gewöhnliche Landstraße;
nicht aber durch Fußsteige oder Feld- und Nebenwege geschehen.
§. 102. Ist die Landstraße in neuern Zeiten verändert, oder
durch geradere Ziehung abgekürzt worden: so muß die vormalige Richtung
derselben so weit als möglich ausgemittelt, und darnach die Messung angestellt
werden.
Marktrecht.
§. 103. Messen, Jahr-, Wochen-, Woll- und Viehmärkte, sollen
der Regel nach nur in Städten gehalten werden.
§. 104. Wochenmärkte kann die Städtische Obrigkeit unter
Genehmigung der Landespolizey-Behörde anordnen.
§. 105. Das Meß- oder Jahrmarktsrecht zu ertheilen, gebührt
allein dem Landesherrn.
§. 106. Zur Zeit der Messen und Jahrmärkte steht auch
Fremden der öffentliche Verkauf ihrer Waaren frey.
§. 107. Die Einschränkung dieser Freyheit in Kauf und
Verkauf wird nicht vermuthet, sondern muß durch besondre landesherrliche
Verordnungen nachgewiesen werden.
Stadtgemeinen.
§. 108. Stadtgemeinen haben die Rechte privilegirter
Corporationen. (Tit. VI. §. 23. sqq.)
§. 109. Alle, die in der Bürgerrolle eingetragen stehn, sind
als Mitglieder einer solchen Gemeine zu betrachten.
§. 110. Gemeinschaftliche Angelegenheiten werden durch
Berathschlagungen und Schlüsse der Stadtgemeinen, den Vorschriften des Sechstes
Titels gemäß, regulirt und entschieden.
§. 111. Der Regel nach werden dergleichen Angelegenheiten
nicht in allgemeinen Versammlungen der ganzen Bürgerschaft, sondern nur mit den
Repräsentanten derselben verhandelt.
§. 112. Diese müssen aber mit den Vorstehern der Zünfte, und
übrigen einzelnen in der Stadtgemeine befindlichen Corporationen, so wie diese
hinwiederum, ein jeder mit den Mitgliedern seiner Zunft oder Corporation,
darüber Rücksprache nehmen.
§. 113. Wegen der Versammlungen und Schlüsse dieser Classen
und Corporationen, in welche die Stadtgemeine getheilt ist, gelten ebenfalls,
im Mangel besondrer Bestimmungen, die Vorschriften des Sechsten Titel.
§. 114. Auch die Repräsentanten einer Stadtgemeine sind nach
den daselbst ertheilten Vorschriften von Repräsentanten überhaupt zu
beurtheilen.
Statuten.
§. 115. Stadtgemeinen haben das Recht, Statuten, welche die
innere Einrichtung und Polizey der Gemeine, oder gewisser Classen derselben
betreffen, durch ordnungsmäßig abgefaßte Schlüsse zu errichten.
§. 116. Doch müssen dergleichen
Schlüsse; ehe sie als Statuten die Gemeine und deren einzelne Mitglieder
verpflichten können, allemal erst der vorgesetzten Landes-Polizey-Instanz zur
Prüfung vorgelegt werden.
§. 117. Bey Errichtung neuer Statuten, wodurch die äußern
Rechte der Gemeine, oder die Privatrechte ihrer einzelnen Mitglieder bestimmt
werden sollen, ist alles das zu beobachten, was wegen Abfassung neuer Gesetze
vorgeschrieben worden. (Einleit. §. 7-9)
§. 118. Auch finden eben diese allgemeinen Vorschriften
Anwendung, wenn von der Abänderung oder Aufhebung solcher Statuten die Rede
ist. (Ebend. §. 59. sqq.)
Magistrate.
§. 119. Der Magistrat ist der Vorsteher der Stadtgemeine.
§. 120. Ob derselbe gewählt, oder vom Landesherrn bestellt
werde, ist nach den Privilegien und Statuten jedes Orts, und bey deren
Ermangelung, nach den Provinzialgesetzen zu beurtheilen.
§. 121. Im zweifelhaften Falle wird vermuthet, daß der
Gemeine das Wahlrecht zustehe.
§. 122. Wo die Gemeine das Wahlrecht hat, da wird selbiges
der Regel nach durch den Magistrat ausgeübt.
§. 123. Die Magistrate müssen alsdann zu den erledigten
Stellen taugliche Subjekte wählen, und dieselben dem vorgesetzten
Landescollegio zur Prüfung darstellen.
§. 124. Wer mit einer Magistratsperson im Vierten Grade oder
näher verwandt, oder durch Schwägerschaft (Th. I. Tit. I. §. 43.) in eben
diesem Grade mit ihr verbunden ist, darf zur Besetzung einer erledigten Stelle
nicht vorgeschlagen werden.
§. 125. Das Recht, Unterbedienten zu wählen, kommt in der
Regel dem Magistrate zu.
§. 126. Von der Wahl der Stadtsekretarien gilt alles, was
wegen der eigentlichen Mitglieder des Magistrats verordnet ist.
§. 127. Was wegen andrer Unterbedienten statt finde, ist
lediglich nach der hergebrachten Verfassung eines jeden Orts zu bestimmen.
Rechte und Pflichten des Magistrats.
§. 128. Dem Magistrate gebühret, als Vorstehern der
Bürgerschaft, vermöge seines Amts, die Ausübung der Stadtpolizey.
§. 129. In so weit sind alle, auch die eximirten Einwohner
der Stadt, seiner Direction und Aufsicht unterworfen.
§. 130. Vermöge der Stadtpolizey ist der Magistrat
berechtigt, die den Einwohnern der Stadt obliegenden unstreitigen Abgaben, und
andre Beyträge zu den gemeinschaftlichen Lasten der Stadt einzufordern; auch
über die Beobachtung der Polizeyverordnungen zu halten, und die nach selbigen
unstreitig verwirkten Geldstrafen einzuziehen.
§. 131. Sobald aber wegen der Verbindlichkeit zu den
abgeforderten Beyträgen, oder über die Verwirkung einer Polizeystrafe Streit
entsteht, muß derselbe der Erörterung und Entscheidung des gehörigen Richters
überlassen werden.
§. 132. Die Gränzen zwischen der städtischen Polizey- und
Criminalgerichtsbarkeit, sind an jedem Orte durch besondre Verordnungen, so wie
die Gränzen der Polizey- und Criminalgerichtsbarkeit, unten im Siebzehnten
Titel bestimmt.
§. 133. Alle der Stadtgemeine untergeordnete Collegia,
Corporationen, und öffentliche Anstalten, sind der Aufsicht des. Magistrats
unterworfen.
§. 134. Der Magistrat ist schuldig und befugt, die Rechte
der Stadtgemeine in und außer Gerichten wahrzunehmen und, zu vertheidigen.
§. 135. Ihm liegt ob, die zur Stadt gehörenden, deren Rechte
und Verfassungen betreffenden Urkunden aufzubewahren.
§. 136. Das Archiv eines Stadtmagistrats hat, wenn gleich
dem Magistrate die Gerichtsbarkeit nicht zukommt, dennoch mit einem
gerichtlichen Archive gleiche Rechte.
§. 137. Doch muß ein Magistrat, der seinem Archive dieses
Recht erhalten will, dasselbe durch besonders dazu verpflichtete Personen
verwahren lassen.
Cämmerey.
§. 138. Das Cämmereyvermögen der Stadt, steht unter der
Verwaltung des Magistrats.
§. 139. Zum Cämmereyvermögen gehört alles, was zur
Bestreitung der gemeinschaftlichen Lasten und Ausgaben der Stadtgemeine
bestimmt ist.
§. 140. Auch solche Güter, von deren Ertrage die-
Unterhaltung der Magistratspersonen ganz oder zum Theil bestritten werden soll,
gehören zum Cämmereyvermögen.
§. 141. Ist ein besonderer Cämmerer bestellt: so muß der
Magistrat über dessen Amtsführung genaue und sorgfältige Aufsicht haben.
§. 142. Unrichtigkeiten des Cämmerers muß der Magistrat in
so weit vertreten, als er bey dessen Bestellung nicht die gehörige Vorsicht
gebraucht, oder die Aufsicht über ihn vernachläßigt hat.
§. 143. Wenn Streit entsteht: in wie fern der Magistrat sich
dabey eine Vertretung zugezogen habe: so muß dieser Streit, im Mangel besondrer
Vorschriften, nach eben den Grundsätzen entschieden werden, welche wegen
Vertretung der Unrichtigkeiten eines Vormunds durch das vormundschaftliche
Gericht vorgeschrieben sind.
§. 144. Der Cämmerer hat alle Rechte und Pflichten eines
Verwalters fremder Güter. (Th. I. Tit. XIV. Abschn. II.)
§. 145. Der Stadtgemeine gebührt in seinem Vermögen ein in
der Concursordnung näher bestimmtes Vorzugsrecht.
§. 146. An Orten, wo die Ausfälle bey der Cämmerey, durch
Beyträge der Bürgerschaft aus ihren eignen Mitteln, getragen und ergänzt werden
müssen, muß die Bürgerschaft, durch ihre Repräsentanten, bey der
Rechnungslegung des Cämmerers zugezogen werden.
§. 147. Diese Repräsentanten sind befugt, über alles, was
die Verwaltung der Stadtgüter, ingleichen die Einziehung, und Verwendung der
Einkünfte betrifft, von dem Magistrate Nachweis und Erläuterung zu fordern.
§. 148. Befundene Unrichtigkeiten, oder vorgefallene
Bedenklichkeiten, denen nicht so fort abgeholfen wird, müssen sie der höhern
Instanz zur Untersuchung und Berichtigung anzeigen.
§. 149. Das Vermögen der Cämmereyen steht unter der
Oberaufsicht des Staats.
§. 150. Der Staat ist berechtigt, darauf zu sehen, daß
dieses Vermögen ordentlich verwaltet, und die Einkünfte davon zweckmäßig
verwendet werden.
§. 151. Außer den Fällen, wo nach den Gesetzen von
Corporationen und Gemeinen überhaupt, die Genehmigung der vom Staate
vorgesetzten Behörde, zu den Verhandlungen einer Stadtgemeine in Ansehung ihres
Vermögens erfordert wird, ist diese Genehmigung in allen Fällen nothwendig, wo
das Cämmereyvermögen mit einer Capitalschuld belastet werden soll.
§. 152. Wie weit es, auch bey Verpachtungen der
Cämmereygüter und Gerechtigkeiten, bey außerordentlichen Holzverkäufen, und bey
Verfügungen über Activcapitalien der Cämmerey, einer Einwilligung der
vorgesetzten Behörde bedürfe, bleibt, in Ermangelung specieller Vorschriften,
den Bestimmungen der Provinzialgesetze überlassen.
§. 153. Die Zuziehung und Einwilligung der Bürgerschaft ist
nothwendig, wenn Cämmereygüter oder Gerechtigkeiten veräußert, in Erbpacht
ausgethan, verpfändet, oder mit Dienstbarkeiten belegt, oder neue Schulden auf
die Cämmerey gemacht werden sollen, die aus Cämmereyeinkünften, ohne Abbruch
der übrigen nöthigen Ausgaben, nicht getilgt werden können.
§. 154. Die Einwilligung der Repräsentanten allein ist in
dergleichen Fällen nicht hinreichend; sondern diese müssen darüber mit den
verschiedenen Classen der Bürgerschaft, nach Vorschrift §. 112. Rücksprache
nehmen, und sich von denselben mit schriftlichen Erklärungen versehen lassen.
§. 155. Wegen gültiger Cämmereyschulden können zwar auch
unbewegliche Cämmereygüter angegriffen, und im Wege der Execution veräußert
werden, ohne daß es zu dieser Veräußerung eines besondern Consenses von der
Gemeine oder vom Staate bedarf.
§. 156. Doch können Gebäude, welche zum Betriebe der
öffentlichen Angelegenheiten und zu andern gemeinen Nothdurften, nicht bloß für
die Stadtgemeine, sondern zugleich für alle am Orte Geschäfte treibende
Einwohner und Fremde bestimmt sind, wegen Cämmereyschulden nicht angegriffen
werden.
§. 157. Uebrigens genießen Stadtgemeinen, in Ansehung ihres
Cämmereyvermögens, die Rechte der Minderjährigen.
§. 158. Auch gebührt den Cämmereyen, in dem Vermögen ihrer
Schuldner, das in der Concursordnung näher bestimmte Vorzugsrecht.
Bürgervermögen.
§. 159. Auf die Verwaltung desjenigen gemeinschaftlichen
Vermögens, dessen Nutzungen den einzelnen Mitgliedern der Bürgergemeine
zukommen, hat der Magistrat, vermöge seines Amtes, keinen Anspruch.
§. 160. Vielmehr wird, so weit darüber in der Verfassung
nichts bestimmt ist, die Verwaltung dieses Bürgervermögens durch Schlüsse der
Bürgerschaft angeordnet, und überhaupt dergleichen Vermögen nach den Regeln des
gemeinsamen Eigenthums beurtheilt.
§. 161. Doch steht das Bürgervermögen unter der Aufsicht des
Magistrats.
§. 162. In Fällen, wo zu Verfügungen über das
Cämmereyvermögen die Genehmigung des Staats erfordert wird, gilt die
Vermuthung, daß zu solchen Verfügungen über das Bürgervermögen die Einwilligung
des Magistrats nachgesucht werden müsse. (§. 151. 152.)
§. 163. Die Einwilligung des Staats in Verfügungen über das
Bürgervermögen ist der Regel nach nur in denjenigen Fällen nothwendig, wo
dieselbe in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens der Corporation überhaupt
erfordert wird.
§. 164. Das Bürgervermögen haftet für gültige
Cämmereyschulden nur so weit, als das Cämmereyvermögen zu deren Tilgung nicht
hinreichend ist.
§. 165. Auch außer dem Falle eines notwendigen Verkaufs, ist
zur Veräußerung unbeweglicher Güter und Gerechtigkeiten einer Cämmerey oder
Bürgergemeine, die öffentliche Versteigerung nothwendig.
Von Mediatstädten.
§. 166. Zwischen mittel- und unmittelbaren Städten waltet
der Regel nach nur derjenige Unterschied ob, welcher aus der Abhängigkeit der
erstern noch von einer andern Herrschaft außer dem Landesherrn entsteht.
§. 167. Wenn die Herrschaft mit der Gerichtsbarkeit überhaupt
beliehen ist: so wird vermuthet, daß ihr dieselbe auch über ihre Mediatstadt
zukomme.
§. 168. Der Regel nach hat die Herrschaft das Recht, die
städtischen Beamten zu wählen und zu bestellen.
§. 169. Auch wenn dem Magistrate oder der Bürgerschaft mittelbarer
Städte das Wahlrecht beygelegt ist, gebührt der Herrschaft die Bestätigung und
Verpflichtung.
§. 170. Wenn der Staat in einer Mediatstadt besondere
Polizeybeamten anzusetzen nöthig findet: so gebühret die Bestellung derselben
der Landes-Polizeybehörde.
§. 171. Ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft kann
niemanden das Bürgerrecht in einer Mediatstadt verliehen werden.
§. 172. Was für Rechte dem Mediatherrn bey der Verwaltung,
Veräußerung und Verschuldung der Cämmerey- und Bürgergüter zukommen, bleibt den
nähern Bestimmungen der Provinzialgesetze vorbehalten.
§. 173. Aber auch in Ansehung dieser ihm wirklich
zukommenden Rechte, steht der Mediatherr unter der Oberaufsicht des Staats, und
unter den von diesem vorgeschriebenen Gesetzen.
§. 174. Auch kommen in jedem Falle dem Staate, in Ansehung
solcher Angelegenheiten der Mediatstädte, eben die Rechte zu, die ihm im
Sechsten Titel wegen des Vermögens der Corporationen und Gemeinen überhaupt
beygelegt sind.
§. 175. Die Rechte der Mediatherrschaft über die einzelnen
Bürger hängen von dem Unterschiede des Verhältnisses ab, nach welchem die
letztern entweder der Unterthänigkeit, oder nur der Gerichtsbarkeit der erstern
unterworfen sind.
Flecken.
§. 176. Flecken unterscheiden sich von Dörfern nur durch die
ihren Einwohnern zukommende Befugniß, gewisse städtische Gewerbe zu treiben.
§. 177. Doch können in Flecken, der Regel nach, zum Betriebe
solcher Gewerbe keine Corporationen und Innungen errichtet werden.
§. 178. Die in Flecken angeordneten Magisträte haben der
Regel nach nur eben die Rechte, wie Dorfgerichte.
Dritter Abschnitt
Von Handwerkern und Zünften
Allgemeine Grundsätze.
§. 179. Wo bisher eine Art von Gewerbe in keine Zunft oder
Innung eingeschlossen gewesen ist, da soll auch ferner der Betrieb desselben
einem jeden, welcher damit fortzukommen sich getrauet, frey und unverschränkt
seyn.
§. 180. Doch muß jeder, welcher dergleichen Gewerbe
anstellen will, zuvor der Obrigkeit des Orts davon Anzeige machen.
§. 181. Wo Zünfte sind, muß ein jeder, der in der Stadt ein
zunftmäßiges Gewerbe treiben will, sich in dieselben aufnehmen lassen.
§. 182. Neue Zünfte zu errichten kommt allein dem
Landesherrn zu.
§. 183. Der Landesherr allein hat das Recht, eine bisher
ungeschlossen gewesene Zunft in eine geschlossene zu verwandeln; d. h., die
Zahl der Mitglieder, aus welchen die Zunft an einem Orte bestehen soll, zu
bestimmen.
§. 184. Auch wo geschlossene Zünfte sind, bleibt dem Staate
nach wie vor das Recht, nach Befinden der Umstände, Freymeister anzustellen.
Landhandwerker.
§. 185. Landhandwerker sind der Regel nach schuldig, sich zu
einer städtischen Zunft zu halten, wenn die Profession, welche sie treiben, an
und für sich eine geschlossene Innung hat.
§. 186. Auch die innerhalb einer städtischen Bannmeile
geduldeten Landhandwerker sind in der Regel verbunden, zunftmäßig zu werden.
§. 187. Wo die Landhandwerker nach Provinzialgesetzen,
Innungsartikeln, Verträgen, oder einer seit rechtsverjährter Zeit wohl
hergebrachten Observanz, zünftig zu werden nicht schuldig sind, hat es dabey,
so wie bey den von ihnen an die Zunft zu leistenden Beyträgen, auch noch ferner
sein Bewenden.
§. 188. In wie fern Landhandwerker, ingleichen die in
kleinen Städten und in Flecken einzeln wohnende Meister, Lehrlinge annehmen,
und Gesellen halten können, bleibt der nähern Bestimmung der Provinzialgesetze
vorbehalten.
§. 189. Zimmerleute, Maurer, und Schmiede, sind
durchgehends, auch wenn sie nicht zur Zunft gehören, Gesellen und Jungen zu
halten berechtigt.
Verfassung der Zünfte.
§. 190. Zur Errichtung einer eignen Zunft in einer Stadt
werden wenigstens Drey daselbst wohnende Meister erfordert.
§. 191. Die Zünfte haben, gleich, der ganzen städtischen
Gemeine, zu welcher sie gehören, die Rechte privilegirter Corporationen.
§. 192. Ihre innere Verfassung, und die Rechte und Pflichten
der Zunftgenossen, sind hauptsächlich nach den vom Staate ertheilten oder
bestätigten Gildebriefen, Innungsprivilegiis, und Zunftartikeln zu beurtheilen.
§. 193. Sie stehen unter der Aufsicht des Magistrats, und
der von demselben verordneten Beysitzer.
§. 194. Außerordentliche Versammlungen können nur mit
Vorwissen und Genehmigung des Beysitzers veranlaßt werden.
§. 195. Der Beysitzer muß bey allen gewöhnlichen und
außerordentlichen Zusammenkünften der Zunft gegenwärtig seyn.
§. 196. Die Schlüsse und Ausfertigungen werden durch seine
Mitunterschrift, und durch Beydrückung des ihm anvertraueten Gewerkssiegels
bekräftigt.
§. 197. Nur eigentliche Zunftangelegenheiten können durch
Zunftschlüsse regulirt werden.
§. 198. Die Zünfte können in ihren Versammlungen nichts
beschließen, was allgemeinen Polizeygesetzen zuwider ist, oder dem gemeinen
Besten überhaupt nachtheilig werden könnte.
§. 199. Sie dürfen keinen Preis der von den Zunftgenossen zu
verfertigenden Arbeiten bestimmen.
§. 200. Sie müssen es der Obrigkeit allein überlassen: ob
die Festsetzung einer Taxe nothwendig und rathsam sey.
§. 201. Soll jedoch dergleichen Taxe bestimmt werden: so muß
die Obrigkeit die Zunftältesten zuziehen, und mit ihrem Gutachten hören.
§. 202. Keine Zunft ist berechtigt, ihren Genossen die
Vollendung der von einem andern angefangenen Arbeit zu untersagen.
§. 203. Keine Zunft darf durch ihre Schlüsse den neu
aufzunehmenden Mitgliedern neue bisher nicht gewöhnliche Lasten aufbürden.
§. 204. Beyträge und Strafen darf die Zunft von ihren
Mitgliedern nur so weit fordern, als es in den vom Staate gegebenen oder
bestätigten Innungsartikeln, mit Bestimmung der Fälle, auch der Summe des
Beytrages, oder der Strafe, ausdrücklich zugelassen ist.
§. 205. Wie weit übrigens zu den Zunftschlüssen
obrigkeitliche oder landesherrliche Genehmigung und Bestätigung hinzukommen
müsse, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von Corporationen überhaupt, und
von Stadtcommunen insonderheit zu bestimmen.
§. 206. Neue Zunftartikel vorzuschreiben, ist der Landesherr
allein berechtigt.
§. 207. Auch bleibt dem Staate das Recht, die bisherigen
Innungsartikel, nach den Erfordernissen des gemeinen Besten, zu bestimmen und
abzuändern.
§. 208. Doch sollen in beyden Fällen (§. 206. 207.) die
Zünfte zuvörderst allemal mit ihrer Nothdurft und etwanigen Gegengründen
vernommen werden.
§. 209. In so fern durch Abänderung oder Aufhebung der
Zunftartikel, einzelne Mitglieder einen wirklichen Nachtheil erleiden, finden
wegen der ihnen zukommenden Entschädigung, die Grundsätze von Privilegiis
Anwendung. (Einleit. §§. 70-72.)
§. 210. Von dem gemeinschaftlichen Vermögen der Zünfte gilt
in der Regel eben das, was von dem Vermögen der Corporationen und Gemeinen
überhaupt, so wie der Stadtgemeinen insonderheit, vorgeschrieben ist.
§. 211. In Fällen, wo zu Verfügungen über das
Cämmereyvermögen die Genehmigung des Staats nachgesucht werden muß, ist zu
Verfügungen über das gemeinschaftliche Zunftvermögen die Approbation des
Magistrats erforderlich.
§. 212. Der Genehmigung des Staats selbst bedarf es der
Regel nach nur in solchen Fällen, wo dieselbe bey Corporationen und Gemeinen
überhaupt erfordert wird.
§. 213. Die Zunftältesten sind die Verwalter des
gemeinschaftlichen Zunftvermögens.
§. 214. Sie stehen dabey zunächst unter der Aufsicht des
Beysitzers; und mittelbar unter der Oberaufsicht des Magistrats.
§. 215. Sie sind schuldig, der Zunft von ihrer Verwaltung
alljährig Rechnung abzulegen.
§. 216. Nähere Bestimmungen: wie die Verwaltung geführt, und
in wie fern von den Aeltesten Caution deshalb geleistet werden solle, bleiben
den Zunftartikeln vorbehalten.
§. 217. In Fällen, wo das Zunftvermögen in
gemeinschaftlichem Beschlüsse mehrerer Aeltesten und des Beysitzers gehalten
wird, kann der Regel nach Cautionsbestellung nicht gefordert werden.
§. 218. Zünfte genießen zwar nicht in dem Vermögen ihrer
Verwalter das den Stadtcommunen in dem Vermögen des Cämmerers beygelegte
besondere Vorrecht;
§. 219. Sie haben sich aber vor andern Privatgläubigern
eines solchen Verwalters, des in der Concursordnung näher bestimmten Vorzugs in
der Fünften Classe zu erfreuen.
Allgemeine Pflichten der Zünfte gegen die Kinder der
Zunftgenossen
§. 220. Die Zünfte und deren Aeltesten sind schuldig und
befugt, für die Bevormundung und Erziehung der von ihren verstorbenen
Zunftgenossen zurückgelassenen unmündigen und minderjährigen Kinder zu sorgen.
§. 221. Die Aeltesten müssen daher den Tod eines solchen
Mitgenossen dem vormundschaftlichen Gerichte zur erforderlichen Verfügung
anzeigen.
§. 222. Zunftgenossen sind die Vormundschaft über unmündige
und minderjährige Kinder ihrer Mitgenossen, vorzüglich vor andern, zu
übernehmen verbunden.
§. 223. Die Aeltesten sind schuldig, wenn es auf die
Erziehung und Vorbereitung der Pflegebefohlnen zu einer künftigen Lebensart
ankommt, dem vormundschaftlichen Gerichte, auf Erfordern, mit Rath und
Gutachten an die Hand zu gehen.
Zunftzwang.
§. 224. Der Zunftzwang besteht in dem Rechte, die Treibung
eines zunftmäßigen Gewerbes, innerhalb des der Zunft angewiesenen Distrikts,
allen, welche weder zur Zunft gehören, noch vom Staate besonders privilegirt
sind, zu untersagen.
§. 225. Handwerker, welche als Freymeister, oder sonst, ein
besondres Priyilegium vom Staate erhalten haben, müssen die darin gesetzten
Schranken, bey Verlust ihres Rechts, genau beobachten.
§. 226. Wer den Rechten der Zünfte unbefugter Weise Eingriff
thut, dem soll das Handwerkszeug genommen, und zum Besten der Zunftcasse an den
Meistbietenden verkauft werden.
§. 227. Bey beharrlicher Fortsetzung solcher Eingriffe ist
die Zunft berechtigt, auf die Wegschaffung des Fuschers aus ihrem
Zunftdistrikte anzutragen.
§. 228. Die Zünfte sind aber nicht berechtigt, den
Zunftzwang eigenmächtig auszuüben.
§. 229. Vielmehr müssen sie die vorfallenden Störungen dem
Magistrate zur ungesäumten und nachdrücklichen Verfügung anzeigen.
§. 230. Wohnt die Person, welche den Eintrag in die Rechte
der Zunft begangen hat, unter einer andern Gerichtsbarkeit: so muß der
Magistrat diesen ordentlichen Richter um die nöthigen Verfügungen, zur
Aufrechthaltung des Zunftzwangs, und Bestrafung des Fuschers ersuchen.
§. 231. Eine jede Gerichtsobrigkeit ist aber bey eigner
Vertretung schuldig, solchen Requisitionen des Magistrats unverzüglich und
unweigerlich ein Gnüge zu leisten.
§. 232. Auch kann sie sich nicht entbrechen, bey der
anzustellenden Visitation Deputirten der beeinträchtigten Zunft zuzulassen.
§. 233. Wenn der Angeschuldigte ein besonderes Recht zur
Treibung des zünftigen Gewerbes, ohne ein Mitglied der Zunft zu seyn,
behauptet: so muß er darüber bey seinem ordentlichen Richter rechtlich gehört
werden.
§. 234. Gründet er sein Recht auf eine besondere seiner
Person anklebende Eigenschaft, oder auf ein besonderes Privilegium: so muß er
dasselbe so fort wenigstens einigermaßen bescheinigen; und wenn er dies nicht
vermag, der Treibung des Gewerbes, bis zum Austrage des Prozesses, sich
enthalten.
§. 235. Wird aber das Recht des Angeschuldigten auf das
Recht der Gerichtsobrigkeit, unter welcher er wohnt, oder auf eine Ausnahme
dieses Orts vom Zunftdistrikte gegründet: so finden, wegen des Besitzstandes
während des Prozesses, die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften Anwendung.
§. 236. Privatpersonen sind nicht schuldig zu wissen: ob
der, welcher ein Gewerbe treibt, zunftmäßig sey, oder nicht; und können daher
auch, wenn sie bey einem Unbefugten arbeiten lassen, dafür nicht bestraft
werden.
§. 237. Nur wenn von Obrigkeits wegen die Unbefugniß eines
solchen Menschen öffentlich und namentlich bekannt gemacht worden, hat
derjenige, welcher nachher gleichwohl bey ihm arbeiten läßt, eine Polizeystrafe
bis zu Fünf Thalern verwirkt.
§. 238. Die Wittwe eines Zunftgenossen kann, wo nicht die
Zunftartikel ein Andres verordnen, das Gewerbe ihres Mannes durch Gesellen
fortsetzen.
§. 239. Sie muß aber zur Zunft, gleich andern Meistern mit
beytragen.
§. 240. Sie verliert ihr Recht nur durch eine anderweitige
Verheirathung.
§. 241. Zu seinem eignen, und der in seinem Hause lebenden
Familie Gebrauche, kann ein jeder auch solche Arbeiten verfertigen, wozu sonst
nur Zunftgenossen berechtigt sind.
§. 242. Nur das, was er seinen Dienstboten als einen Theil
ihres Lohns geben muß, kann er selbst verfertigen.
§. 243. Niemand aber darf, auch für sich selbst, ohne
Zuziehung eines werkverständigen Meisters, Arbeiten unternehmen, aus deren
unvollständigen oder unregelmäßigen Verfertigung Nachtheil für einen Dritten,
oder für das gemeine Wesen entstehen könnte. (Th. I. Tit. VIII. §. 69.70.)
§. 244. Handwerker, die als Gesinde in Dienste treten, sind
für andre, außer ihrer Herrschaft und deren Familie, nach näherer Bestimmung §.
241. und 242. Arbeiten zu verfertigen nicht befugt.
§. 245. Keine Zunft darf der andern Eingriffe in ihre
Geschäfte thun.
§. 246. Kein Zunftgenosse darf die Vollendung einer Arbeit,
die nach der Verfassung für eine andre Zunft gehört, weder selbst, noch durch
unzünftige Gehülfen bewirken.
Meisterrecht; dessen Erlangung.
§. 247. Was außer der Gewinnung des Bürgerrechts, zur
Aufnahme in eine Zunft, als Meister, erforderlich sey, bestimmen die
Zunftartikel und Gildebriefe.
§. 248. Niemanden soll die Aufnahme in eine Zunft, als
Meister, bloß aus dem Grunde, weil er bereits verheirathet ist, versagt werden.
§. 249. Wer einmal als Lehrbursche, und in der Folge als
Geselle, in eine Zunft gehörig aufgenommen worden, dem darf die Zunft die
Aufnahme als Meister, wenn er übrigens den Erfordernissen der Innungsartikel
ein Gnüge leistet, unter keinerley Vorwand verweigern.
§. 250. Wer Meister werden will, muß seinen Lehrbrief und
seine Kundschaft der Zunft vorlegen, und dadurch seine bisherige gute
Aufführung nachweisen.
§. 251. Vor der Aufnahme muß er ein Meisterstück, unter
Aufsicht der Aeltesten, ohne fremde Beyhülfe verfertigen.
§. 252. Durch Aufgebung allzu kostbarer oder unverkäuflicher
Meisterstücke, soll niemanden der Eintritt in die Zunft erschwert werden.
§. 253. Das Meisterstück ist den versammelten Zunftgenossen
zur Prüfung vorzulegen.
§. 254. Erklärt die Mehrheit der Stimmen das Meisterstück
für untauglich: so muß die Zunft den Aufzunehmenden so lange zurückweisen, bis
er die erlangte hinreichende Geschicklichkeit durch ein besseres Meisterstück
nachgewiesen hat.
§. 255. Wer zum drittenmale ein untaugliches Meisterstück
liefert, muß für immer abgewiesen. werden.
§. 256. Wenn die Zunft ein Meisterstück verwirft: so muß sie
die Gründe ihres Tadels dem Beysitzer zum Protocolle geben.
§. 257. Der Beysitzer muß darauf sehen, daß kein Tadel, der
bloßen Eigensinn oder Gelderpressungen zum Grunde hat, zugelassen werde.
§. 258. Der Abgewiesene kann auf obrigkeitliche Untersuchung
der Gründe seiner Abweisung antragen.
§. 259. Findet der Magistrat diese Gründe zweifelhaft: so
muß er das Gutachten einer Zunft eines andern benachbarten Orts, unter
Vorlegung des Meisterstücks, und des darüber aufgenommenen Protocolls,
einziehen.
§. 260. Wenn ein bereits aufgenommener Zunftgenosse seinen
Wohnsitz verändert: so muß er sich in die Zunft des neuen Wohnorts, sobald er
daselbst sein Gewerbe fortsetzen will, aufnehmen lassen.
§. 261. Ein neues Meisterstück aber darf alsdann von ihm in
der Regel nicht gefordert werden.
§. 262. Wenn jedoch ein Landhandwerker, der als solcher nur
ein geringeres Meisterstück zu verfertigen angehalten worden, sich in einer
Stadt, wo ein größeres und schwereres erfordert wird, niederlassen will, kann
die Zunft annoch die Anfertigung des letztern von ihm fordern.
Recht zum feilen Verkaufe.
§. 263. Jeder zünftige Meister ist befugt, die von ihm
verfertigte Arbeit in seinem Zunftbezirke, auch außerhalb des Hauses, feil zu
bieten.
§. 264. Er darf aber damit nicht hausiren gehn, sondern kann
den feilen Verkauf, außer seinem Hause, nur in seinem Laden, oder in seiner
Bude ausüben.
§. 265. Wenn das öffentliche Feilbieten gewisser Arbeiten
durch besondre Gesetze ausdrücklich verboten ist: so sind auch zünftige Meister
diesem Verbote unterworfen.
§. 266. Wie lange, und unter welchen Einschränkungen, fremde
Handwerker auf Jahrmärkten oder Messen ihre Waaren feilbieten dürfen, ist nach
den Verfassungen eines jeden Orts bestimmt.
§. 267. Auf Bestellung kann ein Zunftgenosse auch für
auswärts Wohnende arbeiten.
Recht, Gesellen und Lehrlinge zu halten.
§. 268. Nur zünftige Meister haben das Recht, Lehrburschen
anzunehmen und Gesellen zu halten.
§. 269. Doch kann diese Befugniß auch den vom Staate
gesetzten Freymeistern nicht bestritten werden.
§. 270. Die Annahme und das Lossprechen solcher Lehrburschen
muß aber bey der Zunft des Orts geschehen.
§. 271. Wer nach erlerntem Handwerke in den Soldatenstand
getreten ist, mag nach erhaltenem ehrlichen Abschiede, sich mit seinem
Handwerke ferner nähren, ohne daß er das Meisterrecht zu erlangen schuldig ist.
§. 272. Will er aber Lehrburschen annehmen, oder, Gesellen
halten: so muß er sich, gleich jedem Andern, als Meister gehörig aufnehmen
lassen.
Verlust des Meisterrechts.
§. 273. Ein Meister, welcher die ihm anvertrauten
Materialien veruntreuet, soll das erstemal nach den allgemeinen Vorschriften
der Criminalgesetze um Geld gestraft; im Wiederholungsfalle aber, außer der
sonst verwirkten Strafe, aus der Innung gestoßen wenden.
§. 274. Wer durch Urtel und Recht seiner Ehre verlustig
erklärt wird: der verliert auch sein Meisterrecht.
§. 275. Außerdem ziehen andere Verbrechen den Verlust des
Meisterrechts nur alsdann nach sich, wenn darauf ausdrücklich erkannt worden.
§. 276. Auf den Verlust des Meisterrechts soll nur in Fällen
erkannt werden, wo es die Gesetze ausdrücklich Vorschreiben: oder wo ein
besonderer überwiegender und gefährlicher Hang zu Verbrechen gegen das
Eigenthum und Vermögen Anderer, aus den Akten klar erhellet.
§. 277. So lange ein Meister in gefänglicher Haft sich
befindet, und selbst das Meisterrecht noch nicht verloren hat, mag seine Frau
das Gewerbe durch Gesellen fortsetzen.
Von Lehrlingen. Aufnahme derselben.
§. 278. Wer Lehrbursche werden will, muß sich bey der Zunft
einschreiben lassen.
§. 279. Wegen unehelicher Geburt soll niemanden, welcher die
Legitimation erhalten hat, (Tit. II. §. 592-608.), die Aufnahme in die Lehre
versagt werden.
§. 280, Nur diejenigen, welche bisher die Geschäfte eines
Schinders oder Abdeckers wirklich getrieben haben, ist eine Zunft oder Innung
aufzunehmen nicht schuldig.
§. 281. Außerdem kann eine Zunft nur die Aufnahme solcher
Lehrlinge verweigern, die wegen eines Körperlichen Gebrechens, oder eines
offenbaren Mangels an Verstandeskräften, zur Erlernung des Handwerks, dem sie
sich widmen wollen, untauglich sind.
§. 282. In wie fern Personen, die einer Herrschaft
unterthänig sind, bey einer Zunft als Lehrburschen angenommen werden können,
ist im vorigen Titel verordnet. (Th, VIL §. 172 sqq.)
§. 283. Die Wahl des Meisters, bey welchem jemand in die
Lehre treten soll, steht dessen Aeltern, Vormündern, oder den Vorstehern
öffentlicher Anstalten, in welchen der künftige Lehrling erzogen wird, frey.
§. 284. Kann ein Lehrling keinen Lehrmeister finden: so sind
die Innungsältesten schuldig, für die Unterbringung desselben möglichst zu
sorgen.
§. 285. Meister, die noch keine Lehrburschen, und doch
hinlängliche Arbeit haben, können durch einen Beschluß der Zunft zur Annahme
eines solchen Lehrlings, auch wider ihren Willen, angehalten werden.
§. 286. Nur alsdann,
wenn alle Innungsmeister an einem Orte mit einer hinlänglichen Anzahl von
Lehrlingen schon versehen sind, kann die Zunft den, welcher sich zur Aufnahme
meldet, vor der Hand, und bis unter den vorhandenen Lehrlingen eine Stelle ledig
wird, abweisen.
§. 287. Sicherheitsbestellung kann von einem Lehrlinge nur
alsdann gefordert werden, wenn nach der Natur der Kunst oder Professton, dem
Lehrlinge Sachen und Materialien von beträchtlichem Werthe, oder baare Gelder
anvertrauet werden müssen.
§. 288. Ingleichen, wenn sich derselbe vorhin schon der
Untreue, oder sonst einer schlechten Aufführung verdächtig gemacht hat.
§. 289. Ferner wenn der Lehrling schon bey einem andern
Meister gestanden, und demselben durch Nachläßigkeit oder Leichtsinn einen
erheblichen Schaden verursacht hat.
§. 290. Wo das Lehrgeld und die Lehrjahre in den
Zunftartikeln nicht festgesetzt sind, muß beydes entweder durch einen
schriftlichen Vertrag, oder in dem bey der Aufnahme des Lehrlings abzuhaltenden
Protokolle festgesetzt werden.
§. 291. Ist weder eines noch das andre geschehen: so müssen
der Meister sowohl als der Lehrling, die Festsetzung der Zunft in Ansehung der
Lehrjahre und des Lehrgeldes, nach dem, was bey der Innung gewöhnlich ist, sich
gefallen lassen.
Pflichten des Meisters.
§. 292. Die Pflicht des Meisters ist, dem Lehrlinge die
nöthige Anweisung zu den Kenntnissen zu geben, welche zu einem ordentlichen
Betriebe des Gewerbes erforderlich sind.
§. 293. Auch muß er denselben zu guten Sitten und fleißiger
Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes anhalten, für Ausschweifungen und
Gelegenheiten zu Lastern möglichst hüten; und zu einer anhaltenden nützlichen
Thätigkeit gewöhnen.
§. 294. Wer einen Lehrling annimmt, welcher im Lesen und
Schreiben, und in der Religion, den nöthigen Unterricht noch nicht erhalten
hat, ist schuldig, denselben bis zur Erlangung dieser Kenntnisse zur Schule zu
halten.
Pflichten des Lehrlings.
§. 295. Der Lehrling muß, sowohl in Gewerks- als häuslichen
Angelegenheiten, den Anordnungen des Lehrherrn Gehorsam leisten.
§. 296. In Geschäften, welche den Betrieb des Handwerks
betreffen, muß er, bey Abwesenheit oder Verhinderung des Lehrherrn, auch den
Anweisungen des ersten Gesellen gehorchen.
§. 297. Zu Gesindediensten darf der Meister den Lehrling nur
in so fern brauchen, als dadurch die Erlernung des Handwerkes nicht versäumt
wird.
Recht der Zucht.
§. 298. Dem Lehrherrn gebührt das Recht, den Lehrling, nach
Erforderniß der Umstände, mäßig zu züchtigen.
§. 299. Er darf aber dabey die einem Vater vorgeschriebenen
Gränzen nicht überschreiten. (Tit. II. §. 86. sqq.)
§. 300. In Abwesenheit, oder bey Verhinderungen des
Meisters, kann nur der erste oder Meistergeselle, und auch dieser nur in
Gewerkssachen, das Recht der mäßigen Züchtigung über den Lehrling ausüben.
§. 301. Ein von dem Meister gemißhandelter Lehrbursche soll
von den Aeltesten, bis zur Vollendung seiner Lehrjahre, bey einem andern
Meister untergebracht werden.
§. 302. Die dazu erforderlichen Kosten muß der vorige
Meister tragen; doch kommt demselben darauf das bey der Annahme des Lehrlings
etwa bedungene, und noch rückständige Lehrgeld zu gute.
Aufhebung des Vertrages zwischen dem Meister und Lehrlinge.
a) durch den Tod des erstern ;
§. 303. Stirbt der Meister: so haben der Lehrling, oder
dessen Aeltern, Vormünder, oder Pfleger die Wahl: ob sie ihn bey der das
Handwerk fortsetzenden Wittwe lassen, oder zu einem andern Meister bringen
wollen.
§. 304. Letztern Falls muß von dem etwa vorausbezahlten
Lehrgelde so viel zurückgegeben werden, als auf die noch unvollendete Lehrzeit,
nach dem Befinden der Zunftältesten, verhältnißmäßig zu rechnen ist.
§. 305. Ein Gleiches findet statt, wenn die Wittwe das
Handwerk nicht fortsetzt, oder der Meister selbst, dasselbe ferner zu treiben,
außer Stand kommt.
§. 306. Zur Unterbringung eines solchen Lehrburschen müssen
nöthigen Falls die Aeltesten, nach Vorschrift §. 284. sqq. hülfreiche Hand
leisten.
§. 307. Bey eintretendem Collisionsfalle gebührt einem schon
aufgenommenen Lehrlinge, der zu einem andern Meister gebracht werden muß, vor
einem noch erst aufzunehmenden allemal der Vorzug.
b) durch
Entweichung des letztern;
§. 308. Wenn der Lehrbursche ohne gegebene Ursache aus der
Lehre entläuft: so muß dem Meister das Lehrgeld auch für das ganze noch
laufende Jahr bezahlt, und er überdem, wegen des, aus dem Verluste des
Lehrlings, oder den Kosten bey der Annahme eines Andern, etwa entstandenen
Nachtheils schadlos gehalten werden.
§. 309. Auch muß ein solcher Lehrling, wenn er in der Folge
wiederum zu einem Meister gebracht wird, die Lehrjahre, auf Verlangen
desselben, von neuem anfangen.
c) durch
Ergreifung eines andern Gewerbes.
§. 310. Wenn der Lehrbursche ein anderes Gewerbe ergreifen
will: so hat der Meister das Lehrgeld nicht nur für die verflossenen Lehrjahre,
sondern auch für das ganze noch laufende zu fordern.
Rechte des Meisters in Ansehung des Lehrgeldes.
§. 311. So lange das Lehrgeld nicht vollständig berichtigt
ist, kann der Meister den Lehrling loszusprechen nicht angehalten werden.
§. 312. Ist der Lehrling das rückständige Lehrgeld zu
entrichten unvermögend: so muß er dem Meister eine gewisse Zeit, noch über die
gewöhnlichen oder bedungenen Lehrjahre, unentgeltlich dienen.
§. 313. Ist in den Zunftartikeln keine Zeit bestimmt: so muß
dieselbe nach dem billigen Ermessen der Gewerksältesten, und allenfalls durch
einen Zunftschluß, festgesetzt werden.
§. 314. Das rückständige Lehrgeld hat ein in der
Concursordnung bestimmtes Vorzugsrecht.
§. 315. Einen Lehrling, welcher sich grober Veruntreuungen
schuldig macht; oder sich den Anweisungen des Meisters hartnäckig widersetzt;
oder den Meister, oder dessen Familie, durch Thätlichkeiten, oder andre grobe
Beschimpfungen vorsätzlich beleidigt; oder sich, aller Ermahnungen und
Züchtigungen ungeachtet, einem liederlichen Wandel ergiebt; oder nach dem
Befinden der Aeltesten zu der Erlernung des Handwerks gar keine Fähigkeit
zeigt, kann der Meister zurückschicken.
§. 316. In diesen, so wie in allen übrigen vorstehend nicht
bestimmten Fällen, wo die Lehrzeit ohne Schuld des Meisters nicht ausgehalten
wird, kann derselbe das rückständige Lehrgeld, nach Verhältniß der verflossenen
Zeit, und für das ganze laufende Jahr fordern.
Krankheiten der Lehrlinge.
§. 317. Die Verpflegung eines kranken Lehrlings aus eignen
Mitteln, kann einem Meister, welcher dieselbe im Vertrage nicht ausdrücklich
übernommen hat, nicht zugemuthet werden.
§. 318. Wird der Lehrling durch eine kürzer als Drey Monathe
dauernde Krankheit an der Fortsetzung der Lehre gehindert: so wird ihm dieser
Zwischenraum auf die gesetzmäßige oder verabredete Lehrzeit nicht abgerechnet.
§. 319. Hat aber die Krankheit länger gedauert: so kommt es
auf die Beurtheilung des Meisters und der Zunftältesten an: in wie fern der
Lehrling die versäumte Zeit nachlernen müsse.
Lehrzeit.
§. 320. Dem Lehrherrn steht frey, dem Lehrburschen, zur
Belohnung seines Fleißes, einen Theil der Lehrzeit zu erlassen.
§. 321. Ist die Lehrzeit gesetzlich bestimmt: so kann
höchstens nur der Dritte Theil derselben erlassen werden.
§. 322. Allemal aber ist zu einem solchen Erlasse die
Einwilligung der Aeltesten, nach angestellter Prüfung, erforderlich.
Lossprechen.
§. 323. Nach geendigter Lehrzeit, muß der Meister den
Lehrburschen der versammelten Zunft, zur Prüfung und Aufnahme als Geselle,
vorstellen.
§. 324. Bey dieser Aufnahme sind weder Schmausereyen auf
Kosten des Gesellen, noch andre Erpressungen, auch keine unanständige oder der
Gesundheit nachtheilige Gebräuche zuläßig.
Von Gesellen.
§. 325. Dem neu aufgenommenen Gesellen muß einen Lehrbrief,
unter Vollziehung der Aeltesten und des Beysitzers, mit Beydrückung des
Gewerkssiegels, ausgefertigt werden.
Wanderschaft, und Verhalten auf derselben.
§. 326. Wie lange die Wanderschaft
des neu aufgenommenen Gesellen dauern müsse, bestimmen die Innungsartikel einer
jeden Zunft.
§. 327. Ein Geselle kann zwar, ohne Nachtheil seines
Standes, bey einer Herrschaft in Dienste treten;
§. 328. Die daselbst zugebrachte Zeit aber wird ihm auf
seine Wanderjahre nicht abgerechnet.
§. 329. Nur die Landes-Polizey-Instanz kann, nach Bewandniß
der Umstände, die Zeit der Wanderschaft verkürzen, oder auch eine gänzliche
Befreyung davon ertheilen.
§. 330. Die Wanderschaft soll in der Regel niemals außerhalb
Landes gehn.
§. 331. Nur in besondern Fällen kann die
Landes-Polizey-Instanz die Erlaubniß dazu ertheilen.
§. 332. Wandernde Gesellen müssen ihren Aeltern, Vormündern,
oder Verwandten, über den Ort ihres Aufenthalts von Zeit zu Zeit Nachricht
geben.
§. 333. Unterlassen sie dieses durch die in den Gesetzen
bestimmte Zeit: so findet wider sie das gegen Verschollene vorgeschriebene
Verfahren statt. (Tit. XVIII.)
§. 334. Das Betteln um Zehrpfennige ist auch den wandernden
Gesellen nicht erlaubt.
§. 335. Sie müssen sich gleich nach ihrer Ankunft an einem
Orte bey den Gewerksältesten melden.
§. 336. Diese müssen dem Eingewanderten sogleich seine
Kundschaft abfordern.
§. 337. Kann er keine Kundschaft vorzeigen: so muß er an den
Ort seines vorigen Aufenthalts zurückgewiesen werden.
§. 338. Leistet er dieser Anweisung keine Folge: so muß ihn
die Obrigkeit auf die Anzeige der Aeltesten fortschaffen lassen.
§. 339. Legitimirt sich aber der Geselle durch die gehörige
Kundschaft: so muß ihm dieselbe abgenommen, und bis er seine Wanderschaft
fortsetzen will, in der Gewerkslade aufbewahrt werden.
§. 340. Einem solchen Gesellen müssen die Aeltesten Arbeit
bey einem Meister zu verschaffen bemüht seyn, und ihm bis dahin diejenige
Unterstützung reichen, welche der Zunftgebrauch mit sich bringt.
§. 341. Können die Aeltesten den Gesellen bey dem Meister
nicht unterbringen: so muß er, nach verlauf von Drey Tagen, seine Wanderschaft
fortzusetzen angewiesen werden.
§. 342. Verweilt er ohne besondere Erlaubniß der Hörigkeit
noch länger an dem Orte: so findet gegen ihn die Vorschrift §. 338. Anwendung.
§. 343. In wie fern der Geselle den Meister, bey welchem er
in Arbeit treten will, selbst wählen könne, oder die Anweisung der
Zunftältesten abwarten müsse, ist in den Innungsartikeln bestimmt.
§. 344. Die Zunftältesten müssen die Meister, welche
Gesellen verlangen, genau aufzeichnen, und den zuerst ankommenden Gesellen,
welcher sich selbst einen Meister nicht wählen kann oder will, an den noch
unversorgten Meister, welcher sich zuerst gemeldet hat, weisen.
§. 345. Doch müssen Wittwen, welche das Handwerk fortsetzen;
ingleichen Meister, welche wegen langwieriger Krankheiten, oder andrer
unverschuldeter Unglücksfälle, dem Handwerke nicht selbst vorstehen können, mit
tüchtigen Gesellen vor allen andern versorgt werden.
§. 346. Von diesem Vorrechte kann jedoch eine Witwe nicht
öfter als Dreymal Gebrauch machen.
§. 347. Hat ein Meister einen Gesellen auf eigne Kosten
verschrieben, und es dem Aeltesten noch vor der Ankunft des Gesellen gemeldet:
so muß ihm derselbe in allen Fällen gelassen werden.
§. 348. In Haupt-Handlungs- und Seestädten soll kein Meister
in der Zahl der von ihm zu haltenden Lehrburschen und Gesellen durch Gesetze
eingeschränkt werden.
§. 349. An andern Orten bleibt diese Bestimmung der zur
Aufsicht über die Landespolizey gesetzten Behörde vorbehalten.
Lohn und Kost der Gesellen.
§. 350. Lohn und Kostgeld, oder Beköstigung der Gesellen,
muß die Zunft unter Direktion der Obrigkeit, bestimmen.
§. 351. Diese Bestimmung darf kein Meister überschreiten.
§. 352. Das rückständig gebliebne Lohn und Kostgeld der
Gesellen hat, auch im Concurs, mit dem Gesindelohn gleiche Rechte.
Verpflegung kranker Gesellen.
§. 353. Die Cur und Verpflegung eines eingewanderten und
krank gewordenen Gesellen, er stehe bereits in Arbeit, oder nicht, muß, wenn er
selbst unvermögend ist, aus der Gesellenlade, und in deren Ermangelung aus der
Gewerkscasse bestritten werden.
§. 354. Ist diese nicht hinreichend: so muß die Armenkasse
des Orts, und bey deren Unzulänglichkeit, die Stadt- oder Cämmereykasse
zutreten.
§. 355. Der Magistrat muß also bey eigner Vertretung dafür
sorgen, daß ein krank gewordener unvermögender Geselle nicht hülflos gelassen,
oder vor erfolgter hinlänglicher Wiederherstellung fortgeschafft werde.
Rechte und Pflichten zwischen Meistern und Gesellen.
§. 356. Der Meister ist befugt und schuldig, über das
Betragen der Gesellen Aufsicht zu führen; sie zur Besuchung des öffentlichen
Gottesdienstes, und zu einem stillen und regelmäßigen Lebenswandel fleißig
anzumahnen; von Lastern und Ausschweifungen aber, so viel an ihm ist,
abzuhalten.
§. 357. Der Geselle ist verpflichtet, die ihm aufgetragne
Arbeit willig zu übernehmen, und treu und fleißig auszurichten.
§. 358. Nur an Sonn- und solchen Festtagen, deren Feyer nach
den Gesetzen des Staats verordnet ist, mag er die Arbeit unterlassen.
§. 359. Gesellen, welche an den nach den Gesetzen des Staats
zur Arbeit bestimmten Tagen sich derselben entziehen, sollen mit Gefängniß bey Wasser
und Brot, das erstemal auf Drey Tage, und im Wiederholungsfalle auf Vierzehn
Tage, bestraft werden.
§. 360. Bey hartnäckiger Fortsetzung eines solchen
Mißbrauchs wird der Geselle auf Vier Wochen zum Zuchthause abgeliefert, und ihm
sein Lehrbrief abgenommen.
§. 361. Diesen erhält er nicht eher wieder zurück, als bis
er nach ausgestandener Strafe Besserung gelobt, und die Obrigkeit von der
Aufrichtigkeit dieses Angelöbnisses sich überzeugt hält
§. 362. Jeder Meister, dessen Gesellen sich an den zur Arbeit
bestimmten Tagen derselben entziehn, ist schuldig, bey Ein bis Drey Thaler
Strafe zur Gewerkscasse, der Obrigkeit davon Anzeige zu machen.
§. 363. Kein Wirth, oder sogenannter Krugvater in einer
Gewerksherberge, soll an den zur Arbeit bestimmten Tagen, besonders aber an
Montagen, einen in Arbeit stehenden Gesellen während der gewöhnlichen
Arbeitsstunden bey sich dulden; vielweniger demselben Speisen oder Getränke
verabfolgen.
§. 364. Wer diesem Verbote zuwider handelt, soll mit einer
Polizeystrafe von Zwey bis Fünf Thalern belegt werden.
§. 365. Jeder Geselle ist schuldig, den häuslichen
Einrichtungen seines Meisters, so lange er bey ihm arbeitet, Folge zu leisten.
§. 366. Häusliche Dienste kann kein Meister von seinem
Gesellen fordern.
§. 367. Kein Geselle darf andre, als die von seinem Meister
ihm angewiesene Arbeit verfertigen.
§. 368. Kein Meister soll dem andern die bey ihm in Arbeit
stehenden Gesellen abwendig machen.
§. 369. Geschieht dieses: so muß der Meister um Zwey bis
Fünf Thaler zur Gewerkscasse bestraft, und der Geselle weiter zu wandern
angehalten werden.
§. 370. Nur den Meisterwittwen, welche das Handwerk
fortsetzen, muß der geschickteste Geselle nach ihrer Auswahl verabfolgt werden.
§. 371. Wenn aber ein Meister nur Einen Gesellen hat, und
denselben der Wittwe überlassen muß: so ist er befugt, von einem der
Mitmeister, welche mehrere Gesellen halten, die Abgabe Eines derselben zu
fordern.
§. 372. Melden sich mehrere Wittwen um Ueberlassung eines
tüchtigen Gesellen: so entscheidet unter ihnen die Zeit der bey dem Gewerke
geschehenen Anmeldung.
§. 373. Auch dieses Vorrecht kann von jeder Meisterswittwe
nur dreymal ausgeübt werden. (§. 346.)
§. 374. Verfällt ein Meister in langwierige Krankheit: so
kann er die Abtretung eines Gesellen von seinen Zunftgenossen verlangen.
§. 375. Zu dieser Abtretung ist derjenige Meister vorzüglich
verpflichtet, bey welchem die meisten Gesellen in Arbeit stehn.
§. 376. Ist die Zahl der Gesellen bey mehrern Meistern
gleich: so trift die Abtretung den Jüngsten unter ihnen.
§. 377. Nach erfolgter Genesung muß der krank gewesene
Meister den solchergestalt erhaltenen Gesellen dem vorigen Meister, auf dessen
Verlangen, zurück geben.
Abschaffung der Gesellen.
§. 378. Wenn der Meister einen Gesellen abschaffen will, muß
er ihm solches Vierzehn Tage zuvor ankündigen.
§. 379. Ohne dergleichen Aufkündigung kann der Meister einen
Gesellen sofort entlassen: 1) wenn derselbe ihn oder seine Familie durch
Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte, oder ehrenrührige Nachreden beleidigt;
§. 380. 2) Wenn er sich beharrlichen Ungehorsams und
Widerspänstigkeit gegen die Anweisungen des Meisters schuldig macht;
§. 381. 3) Wenn er die Frau oder die Kinder des Meisters zum
Bösen verleitet, oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt;
§. 382.4) Wenn er sich Diebstahl oder Veruntreuung gegen den
Meister zu Schulden kommen läßt;
§. 383. 5) Wenn er sich zur Gewohnheit macht, ohne Vorwissen
und Erlaubniß des Meisters über Nacht aus dem Hause zu bleiben;
§. 384. 6) Wenn er mit Feuer und Licht unvorsichtig umgeht,
und einer ihm deshalb ertheilten Warnung keine Folge leistet.
Abgang des Gesellen.
§. 385. Auch der Geselle kann den Meister verlassen; er muß
aber demselben Vierzehn Tage vorher aufsagen.
§. 386. Doch ist der Meister die Aufkündigung anzunehmen
nicht verbunden, wenn die Zeit des Abzuges auf eine Messe, oder einen
Jahrmarkt, oder innerhalb Vierzehn Tagen vor den Messen und Jahrmärkten, oder
von den hohen Festen einfallen würde.
§. 387. Vielmehr kann alsdann der Geselle erst nach dem
Feste, oder nach dem Ende der Messe, oder des Jahrmarkts abziehen.
§. 388. Hat der Meister sich an dem Gesellen, ohne gegebene
dringende Veranlassung, thätlich vergriffen: so ist der Geselle sofort aus der
Arbeit zu gehen berechtigt.
§. 389. Will der Geselle seine Wanderschaft fortsetzen: so
darf ihm seine Kundschaft, ohne Einwilligung des Meisters, bey welchem er
zuletzt gearbeitet hat, nicht verabfolgt werden.
§. 390. Der Meister darf in die Aushändigung der Kundschaft
bey eigner Vertretung nicht willigen, wenn er weiß, daß der Geselle Schulden
gemacht, oder Verbrechen begangen hat.
§. 391. Vielmehr muß er seine Wissenschaft davon dem
Gewerksbeysitzer anzeigen.
§. 392. Findet der Meister gegen den Abzug des Gesellen kein
Bedenken; oder ist der vorgewaltete Anstand hinlänglich gehoben: so muß die
Kundschaft dem Gesellen zurückgegeben, und darunter vermerkt werden: wie lange
der Geselle an dem Orte sich aufgehalten, und wie er, nach dem Zeugnisse seiner
Meister, sich betragen habe.
§. 393. Nach zurückerhaltener Kundschaft muß der Geselle
seine Reise sofort antreten.
§. 394. Wird er daran durch Zufall verhindert: so muß er die
Kundschaft bey dem Gewerke anderweit niederlegen.
§. 395. Thut er beydes nicht: so muß ihn die Obrigkeit, auf
des Gewerkes Anzeige, als einen Landstreicher ansehen und behandeln.
Rechte der Gesellen überhaupt.
§. 396. Die Gesellen machen unter sich keine Commune oder
privilegirte Gesellschaft aus.
§. 397. Sie sind nicht berechtigt, eigenmächtiger Weise
Versammlungen zu halten.
§. 398. In Fällen, wo ihnen dergleichen Versammlungen nach
den Zunftartikeln oder Polizeygesetzen gestattet sind, müssen dieselben nur mit
Vorwissen der Gewerksältesten gehalten werden.
§. 399. Uebrigens hat es bey den Polizeygesetzen und
Zunftartikeln, wonach den Gesellen erlaubt ist, einen Altgesellen zu wählen,
und unter dessen Rechnungsführung eine eigne Casse aus ihren Beyträgen, zu
gemeinschaftlichen Bedürfnissen, besonders zur Verpflegung kranker oder sonst
verunglückter Gesellen zu errichten, auch noch ferner sein Bewenden.
§. 400. Doch sind die Gesellen, auch in diesen
Angelegenheiten, der Aufsicht der Gewerksältesten und des Beysitzers
unterworfen.
Vierter Abschnitt
Von Künstlern und Fabrikanten
Künstler.
§. 401. Von Künstlern, deren Gewerbe in eine Innung oder
Gilde eingeschlossen ist, gilt alles, was von Zünften und deren Mitgliedern im
vorhergehenden Abschnitte verordnet wird.
§. 402. Wo keine dergleichen Innung vorhanden ist, da kann
eine Kunst der Regel nach von einem jeden, welcher damit fortzukommen sich
getrauet, ausgeübt werden. (§. 179. 180.)
§. 403. Auch ist ein jeder solcher Künstler die von ihm
selbst verfertigten Arbeiten, sowohl inn- als außerhalb seiner Wohnung, gleich
einem zünftigen Meister, (§. 263. sqq.) zum Verkauf feil zu bieten berechtigt.
Vorrechte der akademischen Künstler.
§. 404. Ein Künstler, welcher bey der Akademie der Künste
aufgenommen und eingeschrieben worden, kann sein Gewerbe überall in Königlichen
Landen treiben, ohne daß irgend einer Zunft oder Gilde ein Recht zum
Widerspruche dagegen zusteht.
§. 405. Wer einem solchen akademischen Künstler ein selbst
erfundenes von der Akademie anerkanntes Kunstwerk ohne seine Genehmigung
nachmacht, und zu seinem Nachtheile verkauft, der soll mit Fünfzig Thalern
Strafe belegt werden.
§. 406. Erben des Künstlers, auf welche das Privilegium
nicht besonders und ausdrücklich erstreckt worden, haben sich dieses Vorrechts
nur zum Behuf des Absatzes der noch von dem Erblasser verfertigten und
hinterlassenen Vorräthe zu erfreuen.
Fabriken.
§. 407, Anstalten, in welchen die Verarbeitung oder
Verfeinerung gewisser Naturerzeugnisse im Großen getrieben wird, werden
Fabriken genannt.
Fabrik- Unternehmer und Fabrikanten.
§. 408. Der, welcher eine dergleichen Anstalt für eine
Rechnung betreibt, heißt ein Fabrik-Unternehmer, und diejenigen, welche in
einer solchen Mitarbeiten, führen den Namen der Fabrikanten.
§. 409. Diejenigen, welche eine zunftmäßige oder andre
Profeßion für eigne Rechnung einzeln
betreiben, sind, wenn sie auch im gemeinen Leben Fabrikanten heißen, dennoch
nur nach den Vorschriften des vorhergehenden Abschnitts, je nachdem das Gewerbe
in eine Innung eingeschlossen ist, oder nicht, zu beurtheilen.
Wer Fabriken anlegen könne.
§. 410. Die Erlaubniß zur Anlegung einer Fabrik ertheilen,
kommt allein dem Staate zu.
§. 411. Dergleichen Erlaubniß ist als ein Privilegium
anzusehen und zu deuten.
§. 412. Wird die Erlaubniß zur Anlegung einer neuen Fabrik
für ein an sich zunftmäßiges Gewerbe, in einem Orte, wo schon eine solche Zunft
vorhanden ist, oder in der Nähe desselben nachgesucht: so soll vor deren
Ertheilung zuvörderst allemal die Zunft, deren Interesse es betrifft, vernommen
werden.
Rechte der Fabrikunternehmer.
§. 413. Die Unternehmer der Fabriken haben, in Rücksicht auf
den Betrieb derselben, und den Absatz der darin verfertigten Waaren,
kaufmännische Rechte.
§. 414. Sie bedürfen zu deren Ausübung keiner Aufnahme in
die Kaufmannsgilde, auch da nicht, wo dergleichen Gilde sonst vorhanden ist.
§. 415. Zur Vereinzelung ihrer Fabrikwaaren sind sie in der
Regel nicht berechtigt.
§. 416. Sie genießen in dem Vermögen ihrer Arbeiter und
Abnehmer, bey einem darüber entstehenden Concurs, das in der Concursordnung
näher bestimmte Vorrecht.
Rechte der Fabrikanten.
§. 417. Eigentliche Fabrikanten (§. 408.) sind dem
Zunftzwange und den Statuten der Zünfte nicht unterworfen.
§. 418. Sie nehmen aber auch an den Vorrechten und
Privilegien der Zünfte keinen Antheil.
§. 419. Die von ihnen ausgelernten Arbeiter haben sich der
Rechte der Zunftlehrlinge und Gesellen nicht zu erfreuen.
§. 420. Doch kann ein Zunftgenosse, ohne Nachtheil seiner
Zunftrechte, sich als Arbeiter in Fabriken brauchen lassen.
§. 421. Eigentliche Fabrikanten sind nicht berechtigt, die
von ihnen verfertigten Waaren für eigne Rechnung feil zu bieten; sondern sie
sollen bloß für den Unternehmer der Fabrik, und nach dessen Bestellung
arbeiten.
§. 422. Kein Fabrikunternehmer soll diejenigen, welche in
einer ähnlichen Anstalt bisher gearbeitet haben, in die seinige aufnehmen, ehe
dieselben ihre Entlassung durch ein schriftliches Zeugniß dargethan haben.
§. 423. Uebrigens sind die Verhältnisse zwischen dem
Fabrikunternehmer, und den Fabrikanten, nach dem Inhalte des unter ihnen
bestehenden Contrakts, und nach den über dergleichen Contrakte sprechenden
Gesetzen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XI. Abschn. VIII.)
Fünfter Abschnitt
Von Brauern, Gastwirthen, Garköchen, und Andern, welche mit
dem Verkaufe zubereiteter Speisen oder Getränke ein Gewerbe treiben
Allgemeine Grundsätze.
§. 424. Jeder, der in einer Stadt den Verkauf zubereiteter
Speisen oder Getränke als ein bürgerliches Gewerbe treibt, ist schuldig, die
diesem Gewerbe nach den Statuten und Polizeyordnungen des Orts vorgeschriebenen
Gränzen genau zu beobachten.
§. 425. Neue bisher nicht vorgeschriebene Einschränkungen
ist kein Stadtmagistrat, ohne ausdrückliche Genehmigung der
Landes-Polizey-Instanz, festzusetzen befugt.
Brauerey.
§. 426. Ob die Braugerechtigkeit in einer Stadt zum
Cämmereyvermögen gehöre; oder einzelnen Bürgern beygelegt sey, ist nach der
hergebrachten Verfassung eines jeden Orts zu bestimmen.
§. 427. Nach eben diesen Verfassungen muß beurtheilt werden:
ob die den einzelnen Bürgern beygelegte Braugerechtigkeit auf gewissen Häusern
hafte, oder gewissen ausschließend dazu berechtigten Personen zukomme.
§. 428. Ferner: ob jeder Berechtigte zu allen Zeiten, oder
nur nach einer gewissen Reihe, und ob er ohne, oder mit Einschränkung auf ein
gewisses Maaß zu brauen befugt sey.
§. 429. Wo das Braurecht einzelnen Bürgern oder
Hausbesitzern zukommt, da müssen dieselben in der Regel der dazu öffentlich
bestellten und verpflichteten Personen, so wie des vorhandenen
gemeinschaftlichen Brau-, Malz- und Darrhauses sich bedienen.
§. 430. Braugerechtigkeiten, die auf Häusern haften, können
in der Regel ohne diese Grundstücke nicht veräußert werden.
§. 431. Doch kann der Berechtigte die Ausübung seines
Rechts, von einer Zeit, oder von einem Falle zum andern, auch einem Dritten
übertragen.
§. 432. Wo das Reihebrauen unter den Bürgern oder
Hausbesitzern eingeführt ist, da ist in der Regel ein jeder befugt, das von ihm
in seiner Ordnung gebrauete Bier auch in seinem Hause auszuschenken; wenn ihm
gleich sonst die Schenkgerechtigkeit oder der Ausschank nicht zukommen.
§. 433. Wo die Brauerey in einer Gilde oder Innung
eingeschlossen ist, da finden die Vorschriften des Dritten Abschnittes auch in
Rücksicht des Zunftzwanges Anwendung.
Garküchen und Gastwirtschaften.
§. 434. Garköche sind berechtigt, die von ihnen verfertigten
Speisen auch außerhalb ihrer Wohnungen zu verkaufen.
§. 435. Gastwirthe dürfen bloß in ihren Wohnungen Gäste für
Geld mit warmen Speisen bewirthen.
§. 436. Sie haben, mit Ausschließung der Garköche, Bier-,
Wein-, und Kaffeeschenken, das Recht, Fremde für Geld zu beherbergen.
§. 437. An Orten, wo Gasthöfe vorhanden sind, sollen auch
andre Einwohner fremde Reisende, die in dem Gasthofe unterkommen können, für
Geld nicht aufnehmen.
§. 438. Verdächtige mit Pässen nicht versehene Leute dürfen
Gastwirthe weder aufnehmen noch dulden.
§. 439. Sie sind schuldig, die zur Nachtherberge bey ihnen
einkehrenden Personen, in Städten dem Magistrat, auf den Dörfern aber dem
Schulzen anzuzeigen.
§. 440. Ueberhaupt sind Gastwirthe der genauesten Aufsicht
der Polizey unterworfen, und müssen sich alle zur Erhaltung der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit nöthig gefundene Veranstaltungen ohne Widerrede gefallen
lassen.
§. 441. Auch die von der Polizey vorgeschriebene Taxe dürfen
sie unter keinerley Vorwande überschreiten.
§. 442. Gastwirthe, die sich wiederholter Uebertretungen der
ihnen vorgeschriebenen Polizeygesetze, oder beharrlicher Widerspänstigkeit
gegen die Anordnungen der Polizey schuldig machen, sollen ihres
Gastwirthsrechts durch richterliches Erkenntniß für verlustig erklärt werden.
§. 443. Wie Gastwirthe, welche wissentlich Diebe oder
Diebeshehler bey sich aufnehmen und dulden, bestraft werden sollen, verordnen
die Criminalgesetze.
Rechte zwischen den Gastwirthen und Reisenden.
§. 444. Gastwirthe sind schuldig, für alles zu haften, was
die von ihnen, oder ihren dazu bestellten Leuten, aufgenommene Reisende in das
Gasthaus gebracht haben.
§. 445. Mehrere, welche eine Gastwirthschaft gemeinschaftlich
treiben, haften den Reisenden, Einer für alle, und alle für Einen.
§. 446. Diejenigen Personen, deren sich der Gastwirth zur
Anweisung des Platzes für die Reisenden, ihre Wagen und Sachen bedient, sind
für solche zu achten, die er zu deren Aufnahme bestellt hat.
§. 447. Von der Vertretung eines an den aufgenommenen Sachen
entstandenen Verlustes oder Schadens, ist der Gastwirth nur alsdann frey, wenn
ausgemittelt werden kann, daß dieser Schade durch eignes grobes oder mäßiges
Verschulden des Reisenden, oder durch äußere Gewalt und Zufälle, die der Wirth,
bey der sorgfältigsten Aufmerksamkeit, weder vorher sehen, noch verhüten
können, entstanden sind.
§. 448. Erklärt der Gastwirth sogleich bey der Aufnahme, daß
er für die eingebrachten Sachen nicht stehen wolle: so haftet er nur für einen
solchen Verlust, welcher von ihm selbst, oder von seinen Leuten, aus grobem
oder mäßigen Versehen, verursacht worden.
§. 449. Unter die Personen, für welche der Wirth haften muß,
gehören auch die dem Reisenden von ihm empfohlnen Lohnkutscher und
Lohnbediente.
§. 450. Dadurch, daß der Wirth dem Reisenden ein zum
Verschließen eingerichtetes Behältniß für seine Sachen anweiset, und ihm die
Schlüssel dazu einhändigt, wird er von der Vertretung nicht frey.
§. 451. Ist aber der Reisende bey dem Verschließen
nachläßig, oder in Aufbewahrung der Schlüssel unvorsichtig gewesen: so muß er
einen Schaden, der nicht erweislich durch den Wirth oder seine Leute entstanden
ist, selbst tragen.
§. 452. Hat der Reisende dem Wirthe die in verschlossenen
Koffern, Kisten, oder andern Behältnisse enthaltene Sachen nicht namentlich
angezeigt: so muß er, bey angeblich erlittenem Verluste, die Beschaffenheit und
den Betrag der weggekommenen Sachen nachweisen.
§. 453. Ist jedoch der Reisende eine unverdächtige Person,
die nach ihrem Stande und Gewerbe, dergleichen Sachen, als ihr vorgeblich
weggekommen sind, bey sich zu führen pflegt: so muß dieselbe, in Ermangelung
andrer Beweismittel, zur eidlichen Bestärkung ihrer Angabe über die Beschaffenheit
und den Werth der weggekommenen Sachen gelassen werden.
§. 454. Hat der Reisende dem Gastwirthe etwas von den
eingebrachten Sachen zu desselben eigner unmittelbarer Aufbewahrung anvertraut:
so hat der Gastwirth dabey alle Pflichten und Vertretungen eines Verwahrers.
(Th. I. Tit. XIV. Abschn. I.)
§. 455. Dem Gastwirthe gebühren, wegen seiner Bezahlung für
Quartier und Bewirthung, auf die eingebrachten Sachen eben die Rechte, wie
einem Vermiether wegen des zu fordern habenden Miethgelds. (Th. I. Tit. XXI. §.
395.)
Sechster Abschnitt
Von Apothekern
Rechte der Apotheker.
§. 456. Apotheker sind zur Zubereitung der Arzeneymittel,
ingleichen zum Verkaufe derselben, und der Gifte, ausschließend berechtigt.
§. 457. Naturerzeugnisse, welche, außer der Medicin, auch zu
andern Fabriken-, Haus- oder Küchenbedürfnissen gebraucht werden, mögen
Apotheker ebenfalls führen, und, jedoch nur in kleinern Quantitäten, verkaufen.
§. 458. Zum Handel mit Gewürz- oder andern Materialwaaren
sind die Apotheker, als solche, nicht berechtigt.
§. 459. Doch hat an Orten, wo kein besonderer
Gewürzkrämer oder Materialist angesetzt ist, der Apotheker die Vermuthung für
sich, daß er auch mit Gewürzen und Materialwaaren zu handeln ausschließend
berechtigt sey.
§. 460. Aerzte und Wundärzte müssen sich der eignen
Zubereitung der den Kranken zu reichenden Arzeneyen, an Orten, wo Apotheker
sind, der Regel nach enthalten.
§. 461. Auch sogenannte Arkane darf niemand, ohne besondere
Erlaubniß der dem Medicinalwesen in der Provinz vorgesetzten Behörde, zum
Verkaufe verfertigen.
§. 462. Das Recht, zur Anlegung neuer Apotkeken Erlaubniß zu
geben, kommt allein dem Staate zu.
§. 463. Dergleichen neue Concessionen sind nach den
Vorschriften von Privilegien zu beurtheilen.
Pflichten derselben.
§. 464. Die Apotheker sind der unmittelbaren Aufsicht des
Staats, und den von ihm angeordneten Medicinalbehörden unterworfen.
§. 465. Nur diejenigen, welche die Apothekerkunst ordentlich
erlernt haben; zu deren Ausübung, nach angestellter Prüfung, von der
Medicinalbehörde tüchtig befunden; und zur Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten
durch diese Behörde verpflichtet worden, sind fähig, einer Apotheke
vorzustehen.
§. 466. Wem es an diesen Erfordernissen mangelt, der muß,
zur Verwaltung einer durch Erbgangsrecht oder sonst ihm zugefallenen Apotheke,
einen nach obiger Vorschrift qualificirten Provisor bestellen.
§. 467. Ein solcher Provisor hat die Rechte und Pflichten
eines Handlungsfaktors.
§. 468. Kein Arzt soll in der Regel eine eigne Apotheke
besitzen, oder dieselbe durch sich selbst, oder durch andre verwalten.
§. 469. Ein Apotheker ist, bey Verlust seines Rechts,
schuldig, dafür zu sorgen, daß die nöthigen Arzeneymittel bey ihm in gehöriger
Güte zu allen Zeiten zu haben sind.
§. 470. Auch muß er solche Veranstaltungen treffen, daß das
Publikum und die Kranken mit deren Zubereitung, es sey bey Tage, oder bey
Nacht, schleunig gefördert werden.
§. 471. Die Pflichten der Apotheker wegen der Zubereitung,
des Verkaufs, und der Verwahrung der Arzeneyen und Gifte, ingleichen wegen des
Curirens der Krankheiten, sind im Criminalrechte bestimmt.
Besondre Privilegia der Apotheker.
§. 472. Apotheker genießen, wegen der einem Gemeinschuldner
auf Credit gereichten Arzeneyen, das in der Concursordnung näher bestimmte
Vorrecht.
§. 473. Die von ihnen nach kaufmännischer Art geführten
Bücher, haben die Rechte und die Glaubwürdigkeit der Handlungsbücher.
§. 474. Auch in Ansehung des Wechselausstellens genießen sie
die Rechte der Kaufleute.
Siebenter Abschnitt
Von Kaufleuten
I. Wem die Rechte der Kaufleute zukommen.
§. 475. Werden Handel
mit Waaren oder Wechseln als sein Hauptgeschäft treibt, wird ein Kaufmann
genannt.
§. 476. Will jemand unter dem Schutze des Staats
kaufmännische Geschäfte treiben: so muß er dazu die Erlaubniß der Obrigkeit
nachsuchen.
§. 477. Ein Minderjähriger soll zu Treibung kaufmännischer
Geschäfte erst nach erhaltener Großjährigkeits-Erklärung gelassen werden.
§. 478. Ein Großjähriger, welcher mit Vorwissen seines noch
am Leben befindlichen Vaters, und ohne dessen ausdrücklich erklärten
Widerspruch, kaufmännische Geschäfte zu betreiben anfängt, geht eben dadurch
aus der väterlichen Gewalt. (Tit. II. §. 212. 218.)
§. 479. Wo Kaufmannsgilden oder Innungen vorhanden sind, muß
ein darin aufzunehmendes Mitglied den Erfordernissen der Innungsartikel, sowohl
in Ansehung der Lehrjahre, als sonst, ein Genüge leisten.
§. 480. An Orten, wo dergleichen Innungen bestehn, hat nur
der, welcher darin aufgenommen ist, die Rechte eines Kaufmanns.
§. 481. Doch bleibt dem Staate, auch an solchen Orten, das
Recht, einzelnen Personen außerhalb der Innung, die Befugniß zum Handel durch
besondere Concessionen zu ertheilen. (§. 184.)
§. 482. Wo gar keine Gilden vorhanden, oder wo dieselben nur
für gewisse Arten der Kaufleute errichtet sind, haben alle diejenigen, welche
einen fortdauernden Waarenhandel, oder ein dergleichen Wechselverkehr treiben,
die Rechte der Kaufleute.
§. 483. Die Unternehmer der Fabriken haben, in Rücksicht auf
den Betrieb derselben, und den Absatz der darin verfertigten Waaren,
kaufmännische Rechte.
§. 484. Eben dies gilt von Schiffsrhedern, in Ansehung der
auf die Rhederey unmittelbar Bezug habenden Geschäfte.
§. 485. Bewohner des platten Landes, die nur mit selbst
erzeugten, oder durch landwirthschaftliche Mittel veredelten Produkten;
ingleichen Handwerker und Fabrikanten, welche mit den von ihnen selbst
verfertigten Arbeiten Verkehr treiben, sind für Kaufleute nicht zu achten.
§. 486. Krämer in Dörfern und Flecken, Hausirer, Trödler,
und gemeine Viktualienhändler, haben nicht die Rechte der Kaufleute.
§. 487. Wer nur einzelne Lieferungen übernimmt, wird dadurch
noch kein Kaufmann.
II. Von Kaufmannschaft treibenden Frauenspersonen.
§. 488. Eine Frauensperson, welche für eigne Rechnung
Kaufmannschaft treibt, kann bey den dahin einschlagenden Geschäften und
Verbindungen, auf die Vorrechte und Begünstigungen ihres Geschlechts keinen
Anspruch machen.
§. 489. In ihren übrigen Angelegenheiten aber bleiben ihr
diese Rechte vorbehalten.
§. 490. In zweifelhaften Fällen wird vermuthet, daß eine
solche Person (§. 488.) die eingegangenen Verbindlichkeiten als
handlungstreibende Frau übernommen habe.
§. 491. Auch wird von einer Frauensperson, welche
Eigenthümerin einer Handlung ist, so lange angenommen, daß sie dieser Handlung
selbst vorstehe, bis von ihr ein Disponent bestellt, und die Prokura nach §.
500. sqq. gehörig bekannt geworden ist.
§. 492. Alsdann hat sie ferner für ihre Person weder die
Rechte, noch die Verbindlichkeiten eines Kaufmanns.
§. 493. Jedoch ist sie schuldig, alle der bekannt gemachten
Prokura gemäß, vorgenommenen Handlungen ihres Disponenten, sowohl mit dem
Handlungs-, als mit ihrem übrigen Vermögen, zu vertreten.
§. 494. Die Verheirathung einer Frauensperson, welche
Eigenthümerin einer Handlung ist, ändert ihre Rechte und Verbindlichkeiten, in
Absicht der Handlung und deren Betriebes, an und für sich nicht ab.
§. 495. Ist eine Frauensperson mit ihrem Ehemanne, oder
einem Dritten, in Societätshandlung getreten: so hat sie die Rechte und
Verbindlichkeiten einer Kaufmannschaft treibenden Frau nur alsdann, wenn
zugleich verabredet und bekannt gemacht worden, daß sie der Handlung mit
vorstehen solle.
§. 496. Die Ehefrau eines Kaufmanns, welche dem Manne in
seinen Geschäften bloß hülfreiche Hand leistet, ist selbst an Orten, wo
Gemeinschaft der Güter unter ihnen obwaltet, für eine Kaufmannschaft treibende
Frauensperson noch nicht zu achten.
III. Von Faktoren und Disponenten.
§. 497. Wer von dem
Eigenthümer einer Handlung, welcher derselben nicht vorstehen kann oder will,
den Auftrag erhalten hat, seine Stelle zu vertreten, wird Faktor, Disponent,
oder Handlungsvorsteher genannt.
a) Ausstellung
der Prokura.
§. 498. Steht der Eigenthümer einer Handlung unter
väterlicher Gewalt oder Vormundschaft: so muß die Prokura von demjenigen
ausgestellt werden, dem die Verwaltung seines Vermögens gebührt.
§. 499. Ist dieser ein Vormund oder Curator; oder gehört die
Handlung zum freyen Vermögen eines noch unter väterlicher Gewalt stehenden
Minderjährigen: so muß die obervormundschaftliche Genehmigung hinzukommen.
§. 500. Die Ertheilung der Prokura muß schriftlich
geschehen, und gehörig bekannt gemacht werden.
b) Umfang.
§. 501. Ist der Disponent einer Handlung überhaupt
vorgesetzt: so erstreckt sich der Auftrag über alle Arten der Geschäfte, welche
bey der ihm übertragenen Handlung vorfallen.
§. 502. Soll die Macht des Disponenten in besondern Fällen
eingeschränkt seyn: so muß dieses in der Prokura bestimmt, und mit derselben
gehörigen Orts bekannt gemacht werden.
c) Bekanntmachung.
§. 503. Für eine gehörige Bekanntmachung ist anzusehen, wenn
die Kaufmannschaft des Orts wo die Handlung etablirt ist, auf der Börse oder
durch ihre Vorsteher; ingleichen die auswärtigen Correspondenten, mit welchen
die Handlung in Verbindung steht, durch Briefe davon benachrichtiget werden.
§. 504. Die Firma oder Unterschrift, deren sich der
Disponent bedienen soll, muß unter dessen Handschrift den Correspondenten
mitgetheilt, und auf der Börse verwahrlich niedergelegt werden.
§. 505. An Orten, wo keine ordentlich eingerichteten Börsen
oder Kaufmannsinnungen sind, muß, außer der schriftlichen Bekanntmachung an die
Correspondenten, die Ertheilung der Prokura den ordentlichen Gerichten
angezeigt; die Firma bey diesen niedergelegt; und den Kaufleuten des Orts durch
die Gerichte davon Nachricht ertheilt werden.
§. 506. Einschränkungen der Prokura, die nicht gehörig
bekannt gemacht worden, kommen dem Eigenthümer gegen einen Dritten, der mit dem
Disponenten sich eingelassen hat, nur in so fern zu statten, als ausgemittelt
werden kann, daß diese Einschränkungen zeitig genug, auf andre Art, zur
Wissenschaft des Dritten gelangt sind.
§. 507. Hat der Eigenthümer einer Handlung jemanden, dem er
keine Prokura ertheilt, gleichwohl für seinen Faktor schriftlich oder mündlich
angegeben: so wird er denjenigen verhaftet, welche dadurch verleitet worden,
sich mit denselben einzulassen.
§. 508. So weit die Bekanntmachung gehörig erfolgt ist,
steht es in dem freyen Willen des Eigenthümers, ob er die von dem Faktor außer
den Schranken der Prokura unternommenen Geschäfte genehmigen wolle, oder nicht.
§. 509. Wegen einer hinzukommenden ausdrücklichen oder
stillschweigenden Genehmigung finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit.
V. §. 185. bis 191. und Tit. XIII. §. 143. 144. Anwendung.
§. 510. Auch muß ein Handlungseigenthümer, sobald er von dem
Faktor oder von dem Dritten, mit welchem ein Geschäft verhandelt worden,
Nachricht erhält, daß der Faktor dabey die Schranken der Prokura überschritten
habe, sich innerhalb der im Ersten Theile, Tit. V. §. 90. sqq. bestimmten
Fristen, über die Billigung oder Mißbilligung erklären, oder allen aus dieser
Unterlassung entstandenen Schaden vertreten. (Th. I. Tit. XIII. §. 145. 146.)
§. 511. Auch wenn ein Faktor nur zu einer besondern Art von
Geschäften bestellt worden, muß dennoch die Bekanntmachung an dem Orte, wo er
die Geschäfte betreiben soll, ingleichen an auswärtige
Handlungscorrespondenten, nach obigen Vorschriften geschehen.
§. 512. Einschränkungen, die sich aus der Natur des
Auftrages von selbst ergeben, bedürfen keiner ausdrücklichen Bekanntmachung.
§. 513. Ein Faktor, der nur zum Waareneinkauf oder Verkauf
auf Märkten und Messen bestellt ist, verbindet den Prinzipal nur durch solche
Handlungen, ohne die er seinen Auftrag nicht vollziehen könnte.
§. 514. Soll ein solcher Faktor Wechselverbindungen für den
Prinzipal übernehmen können: so muß die Prokura ausdrücklich darauf gerichtet
seyn.
d) Wie
weit unerlaubte Handlungen des Faktors den Prinzipal verbinden.
§. 515. Hat ein Faktor, bey Vollziehung seines Auftrages,
eine unerlaubte Handlung oder gar ein Verbrechen begangen: so ist der Prinzipal
dem Beschädigten nur in so weit zum Schadensersatze verhaftet, als überhaupt
ein Dritter dazu für schuldig geachtet werden kann. (Th. I. Tit. VI. §. 50.
sqq.)
§. 516. Die vom Faktor bey Handlungsangelegenheiten
verwirkte Confiskation trifft den Prinzipal, mit Vorbehalt des Regresses gegen
den Faktor.
§. 517. Hat jedoch der Prinzipal schon vormals ähnliche
Handlungen des Faktors gebilligt: so findet der Regreß nicht statt.
§. 518. Auch haftet der Prinzipal, bey dem Unvermögen des
Faktors, für die Geldstrafen wegen der von demselben in
Handlungsangelegenheiten, obgleich ohne sein Vorwissen, begangenen Vergehungen
wider die Accise- und Zoll-Gesetze.
§. 519. Bey andern Verbrechen des Faktors hingegen ist der
Eigenthümer für die demselben zuerkannte Geldstrafe an und für sich nicht
verhaftet.
e) Ob
ein Faktor substituiren könne.
§. 520. Ohne ausdrückliche Einwilligung des Prinzipals ist
der Faktor nicht berechtigt, die erhaltene Prokura einem Anderen zu übertragen.
§. 521. Doch kann er zu einzelnen Angelegenheiten bevollmächtigte
bestellen; auch sich zu solchen Geschäften, die ein Kaufmann durch
Handlungsdiener und Lehrlinge zu betreiben pflegt, dieser Beyhülfe bedienen.
f) Verhältnisse zwischen dem Prinzipal und Faktor.
§. 522. Die Rechte und Pflichten zwischen dem Prinzipal und
Faktor sind hauptsächlich nach dem Inhalte des unter ihnen geschlossenen
Abkommens, und wo dieses nichts bestimmt, nach den allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften von Vollmachtsaufträgen zu beurtheilen. (Th. I. tit. XIII. §. 49.
sqq)
§. 523. Ohne ausdrückliche Erlaubniß des Prinzipals darf
kein Faktor Handlungsgeschäfte auf eigne Rechnung treiben.
§. 524. Hat er es dennoch gethan: so gehört aller dadurch
erhaltener Gewinn dem Prinzipale.
§. 525. Besteht eine solche Handlungsunternehmung aus mehrem
verbundenen Geschäften: so muß der Prinzipal, wenn er sich den Vortheil bey dem
Einen Geschäfte zueignen will, auch den Schaden bey den übrigen mit übernehmen.
§. 526. Der Faktor
hat nach aufgehobener Prokura das Recht, die in seiner Gewahrsam befindlichen
Waaren und Sachen des Prinzipals so lange zurückzubehalten, bis er wegen seiner
bey Gelegenheit der gehabten Prokura entstandenen Forderungen befriedigt
worden.
§. 527. Doch kann dies Retentionsrecht nicht weiter
ausgedehnt werden, als bis zum Betrage der auf wahrscheinlichen Gründen
beruhenden Forderung des Faktors. (Th. I. Tit. XX. §. 536. sqq.)
§. 528. Auch ohne ausdrückliches Versprechen kann ein Faktor
für seine Bemühungen billige Vergütung fordern, wenn er nicht schon vorher
gegen ein bestimmtes Lohn im Dienste des Prinzipals gestanden hat.
§. 529. Diese Vergütung muß, wenn die Parteyen sich darüber
nicht einigen können, nach dem Umfange der Geschäfte, und des dadurch bewirkten
Vortheils, von vereideten Sachverständigen bestimmt werden.
g) Aufhebung der Prokura.
§. 530. Will der Handlungseigenthümer seinen Auftrag
widerrufen: so muß er die Prokura zurücknehmen, und es gehörig bekannt machen.
§. 531. Diese Bekanntmachung muß nach Vorschrift des §. 503.
sqq. geschehen.
§. 532. Denjenigen, welchen die Zurücknahme der Prokura
solchergestalt bekannt gemacht worden, wird den Handlungseigenthümer aus ihren
hier- nächst mit dem gewesenen Faktor geschlossenen Verträgen und Geschäften
ferner nicht verantwortlich.
§. 533. Gegen Andre aber kann der Handlungseigenthümer sich
nur dadurch sicher stellen, daß er die Zurücknahme der Prokura viermal, von
acht zu acht Tagen, durch die Zeitungen und Intelligenzblätter der Provinz, wo
der Sitz der Handlung ist, bekannt macht; außerdem aber an der Börse,
ingleichen an der Thüre des Hauses, wo das Comtoir befindlich gewesen ist, eine
schriftliche Nachricht darüber anschlagen, und Vier Wochen lang aushängen läßt.
§. 534. Sind diese Maaßregeln nicht beobachtet worden: so
wird der Prinzipal solchen Personen auch aus den nachherigen der vorhin
ertheilten Prokura gemäßen Handlungen des gewesenen Faktors verhaftet; in so
fern nicht ausgemittelt werden kann, daß sie von dem Widerrufe auf andre Art
Wissenschaft erhalten haben.
§. 535. Ist ein Faktor nur auf eine gewisse bestimmte Zeit
bestellt: so bedarf es nach Ablauf dieser Zeit keines ausdrücklichen Widerrufs,
in Absicht derjenigen, denen diese Einschränkung gehörig bekannt gemacht
worden, oder die davon auf andre Art erweislich Wissenschaft erhalten haben.
§. 536. Gegen alle übrigen ist zur Sicherstellung des
Prinzipals, die Bekanntmachung der aufgehobenen Prokura in der §. 533.
vorgeschriebenen Art nothwendig.
§. 537. Will der Handlungseigenthümer sich wegen der von dem
Faktor, während seiner Verwaltung, vorgenommenen Geschäfte, gegen unbekannte
Ansprüche sicher stellen: so kann er ein gerichtliches Aufgebot nachsuchen.
§. 538. Zu diesem Aufgebote muß der Termin auf Achtzehn
Monathe hinausgesetzt werden, und die in der Prozeßordnung vorgeschriebene
Bekanntmachung, außer den Zeitungen und Intelligenzblättern der Provinz, auch
durch die öffentlichen Blätter derjenigen Orte, wohin das Verkehr der Handlung
hauptsächlich gerichtet gewesen ist, geschehen.
§. 539. Werden nach ergangenem Präclusionsurtel annoch
Forderungen angebracht, welche aus den Büchern und andern vorhandenen
Nachrichten nicht bekannt gewesen sind: so ist der Prinzipal nur für dasjenige
verhaftet, was aus dem Geschäfte wirklich an die Handlung gekommen ist.
§. 540. Stirbt der Handlungseigenthümer: so bleibt die von
demselben ertheilte, auf eine gewisse Zeit, oder auf seine Lebenszeit
ausdrücklich nicht eingeschränkte Prokura, so lange bey Kräften, bis selbige
von den Erben oder von den Gerichten widerrufen wird.
h) Verhältnisse zwischen dem Faktor, und denen, mit welchen
er Geschäfte getrieben hat.
§. 541. So lange die Prokura des Faktors dauert, haben
diejenigen, mit welchen er Handlungsgeschäfte getrieben hat, die Wahl: ob sie
ihn oder den Prinzipal belangen wollen.
§. 542. Doch darf der Faktor solchen Handlungsgläubigern
nicht weiter, als auf den Betrag des in seinen Händen befindlichen
Handlungsfonds gerecht werden.
§. 543. Die ausstehenden Forderungen der Handlung können
gleichfalls, so lange die Prokura dauert, entweder von dem Prinzipale selbst,
oder von dem Faktor eingezogen werden.
§. 544. Nach geschehener Aufhebung der Prokura kann nur der
Prinzipal belangt werden, auch nur von ihm die Einziehung der ausstehenden
Forderungen geschehen.
§. 545. Jedoch ist sowohl vor, als nach aufgehobener
Prokura, der Faktor aus eignen Mitteln verhaftet, wenn er sich ausdrücklich
zugleich für seine Person verbindlich gemacht, oder die Schranken seines
Auftrages überschritten hat.
I.V Von Handlungsdienern und Lehrlingen.
§. 546. Handlungsdiener oder Lehrlinge, die in offenen
Gewölben oder Laden angestellt worden, sind zu den daselbst gewöhnlich
vorfallenden Handlungsgeschäften für bevollmächtigt zu achten.
§. 547. Sie können im Laden oder Gewölbe die daselbst
befindlichen Waaren verkaufen, das Geld dafür in Empfang nehmen, und darüber
quittiren.
§. 548. Auch Rechnungen über ausgenommene Waaren können im
Laden oder Gewölbe, gegen die von ihnen ausgestellten Quittungen, sicher
bezahlt werden.
§. 549. Zu Geldanleihen, zum Wechselausstellen, Acceptiren,
oder Indossiren, zum Einkaufe, ingleichen zum Verkaufe auf Credit, oder in
großen Partien, sind bloße Handlungsdiener oder Lehrlinge nicht für
bevollmächtigt anzusehen.
§. 550. Außer dem Laden oder Gewölbe, kann an sie nur in so
fern sicher bezahlt werden, als sie die Waaren, wofür die Zahlung erfolgt, oder
die mit Quittungen versehenen Wechsel, Assignationen, Rechnungen, und andere
Schuldbriefe überbracht haben.
§. 551. Cassirer der Bankiers und andrer Kaufleute,
ingleichen Handlungsbediente, die auf Messen oder Märkte verschickt werden,
sind in Absicht der mit ihrer Bestimmung verknüpften und daraus folgenden
Geschäfte, auch ohne besondre Bekanntmachung, als Faktors anzusehen.
§. 552. In wie fern, außer diesen Fällen, ein
Handlungseigenthümer durch die von seinen Handlungsbedienten oder Lehrlingen
vorgenommenen Geschäfte verbindlich werde, ist nach den Grundsätzen von
Vollmachtsaufträgen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XIII. §. 98. sqq.)
§. 553. Für die unerlaubten Handlungen derselben haftet er
nur in so weit, als die unerlaubten Handlungen eines Faktors ihn verbinden. (§.
515. sqq.)
V. Vom Ausnehmen der Waaren durch Dienstboten.
§. 554. Ein Kaufmann, welcher auf jemandes Namen und Credit,
an dessen Hausgenossen, Dienstboten, oder Handwerker, Waaren verabfolgt, thut
dieses bloß auf seine Gefahr.
§. 555. Will er sich an den, auf dessen Namen die Waaren
abgeholt worden, wegen der Bezahlung halten: so muß er sich einer schriftlichen
Einwilligung desselben versichern.
§. 556. Ist diese Einwilligung nur auf Eine Lieferung
gerichtet: so berechtigt sie den Kaufmann nicht zu mehrern folgenden
Lieferungen.
§. 557. Hat aber jemand einem Andern die Vollmacht, auf
seinen Namen Waaren abzuholen, ohne Einschränkung ertheilt: so kann der
Kaufmann mit der Verabfolgung an diesen Bevollmächtigten so lange fortfahren,
bis ihm die Zurücknahme der Vollmacht ausdrücklich bekannt gemacht wird.
§. 558. Hält der Abnehmer mit dem Kaufmanne ein Buch, in
welches die gelieferten Waaren, und der bedungene Preis eingeschrieben werden:
so ist jeder Abholer der Waaren, welcher dies Buch dem Kaufmanne vorzeigt, zum
Empfange derselben für bevollmächtiget zu achten.
§. 559. Hat jemand einen Hausgenossen, Dienstboten, oder
Handwerker bevollmächtigt, Waaren auf seinen Namen von einem oder mehrern
ausdrücklich benannten Handlungshäusern auszunehmen: so giebt dieses andern
Kaufleuten keine Befugniß, demselben in gleicher Art Waaren zu verabfolgen.
§. 560. Selbst der Empfang der Waaren, die auf jemandes
Namen einem Andern ohne gehörige Legitimation verabfolgt worden, verpflichtet
den Empfänger, in so fern derselbe nur sonst für einen redlichen Besitzer zu
achten ist, noch nicht zu deren Bezahlung.
§. 561. Vielmehr haftet ein solcher Empfänger für den Werth
der Waare nur so weit, als er sich sonst mit dem Schaden des Verkäufers
bereichern würde.
VI. Von Handlungsbüchern.
§. 562. Ein Kaufmann kann sich seiner Handlungsbücher, wenn
dieselben gehörig geführt sind, zum Beweise bey seinen streitig gewordenen
Forderungen bedienen.
§. 563. Diese Beweiskraft erstreckt sich jedoch nur auf das
zur Handlung gehörende Waaren- und Wechselverkehr.
§. 564. Bey Anlehnen und Bürgschaften; wegen eingebrachten
Vermögens der Ehefrauen; und anderer Geschäfte, haben Vermerke in den
Handlungsbüchern keine mehrere Glaubwürdigkeit als andere Privatverzeichnisse.
§. 565. Wenn auch dergleichen Forderungen (§. 564.) mit dem
Handlungsverkehre in Beziehung oder Verbindung stehen: so können dennoch,
sobald sie nicht selbst aus einem Waaren- oder Wechselverkehre entsprungen
sind, die Handlungsbücher als Beweismittel dabey nicht gebraucht werden.
§. 566. Sollen Handlungsbücher Beweiskraft haben so müssen
sie nach kaufmännischer Art geführt seyn.
§. 567. Mit dem Hauptbuche zugleich müssen, nach dem
Verlangen des Gegentheils, auch die übrigen Bücher, auf die dasselbe sich
bezieht, vorgelegt werden.
§. 568. Diese Bücher müssen sowohl unter sich, als mit dem
Hauptbuche, bey den durch Sachverständige zu machenden Proben, übereinstimmen.
§. 569. Unter Kaufleuten haben dergleichen Handlungsbücher
volle Beweiskraft.
§. 570. Weichen die Vermerke in den Büchern der in Streit
befangenen Kaufleute von einander ab, und sind beyderley Bücher gehörig
geführt: so kann keins derselben als ein Beweismittel für den vorliegenden Fall
gebraucht werden.
§. 571. Finden sich aber gegen das Eine von beyden Büchern
erhebliche Ausstellungen: so hat das andere, welches untadelhaft geführt
worden, so lange Beweiskraft, als das Gegentheil nicht auf andere Art
ausgemittelt ist.
§. 572. Gegen Andere, als Kaufleute, kann nur bey streitigen
Warenlieferungen ein Beweis aus den Handlungsbüchern genommen werden; wenn
durch Geständniß, oder sonst, bereits ausgemittelt ist, daß die Waaren
geliefert worden.
§. 573. Alsdann kann die Zeit der geschehenen Lieferung; der
Betrag und die Beschaffenheit der gelieferten Waaren; der Preis, wofür sie
behandelt oder verabfolgt worden; und die Zeit, binnen welcher die
Zahlungerfolgen sollen, aus den Handlungsbüchern bewiesen werden.
§. 574. Auch über den Umstand: ob die Lieferung unmittelbar
an den Beklagten, oder an dessen Hausgenossen, Dienstboten, Handwerker u. s. w.
geschehen sey, ist der Beweis aus den Handlungsbüchern zuläßig.
§. 575. Doch wirken die Bücher des Kaufmanns gegen einen,
der kein Kaufmann ist, in jedem Falle nur einen halben Beweis.
§. 576. Wird dieser halbe Beweis durch Gegenbeweismittel
nicht geschwächt, oder aufgehoben: so muß der Kaufmann zur eidlichen Bestärkung
seiner Bücher zugelassen werden.
§. 577. Bey Societätshandlungen sind die sämmtlichen
Theilnehmer, welche zur Zeit der geschehenen Lieferung der Handlung an dem Orte
vorgestanden haben, zur eidlichen Bestärkung verbunden.
§. 578. Haben die Theilnehmer einen von ihnen, oder einen
Fremden, der ganzen Handlung, oder doch der Art von Geschäften, woraus die
Schuld entstanden ist, vorgesetzt: so ist nur dieser zur eidlichen Bestärkung
verpflichtet.
§. 579. Sind die Bücher von einem Buchhalter geführt worden:
so muß, auf Verlangen des Gegenteils, außer dem Handlungseigenthümer oder
Disponenten, auch der Buchhalter den Eid ableisten.
§. 580. Ist letzterer gestorben, oder sein Aufenthalt
unbekannt: so ist der Eid des Eigenthümers oder Disponenten allein hinreichend.
§. 581. Wie zu verfahren sey, wenn der Buchhalter den Eid
abzuleisten Anstand nimmt, ist in der Prozeßordnung vorgeschrieben.
§. 582. Die Erben eines Kaufmanns müssen die Richtigkeit der
Bücher der Regel nach insgesammt, jedoch nur auf die Art, wie Erben überhaupt
Handlungen des Erblassers zu bekräftigen verbunden sind, eidlich bestärken.
§. 583. Hat aber Einer von den Erben die Direction die
Handlung übernommen, und solche bereits länger als Ein Jahr geführt: so ist
dessen alleinige eidliche Bestärkung hinreichend.
§. 584. Der eidlichen Bestärkung bedarf es nicht, beyden von
vereideten Buchhaltern geführten Büchern der Königlichen Bank, der
Seehandlungs-Gesellschaft, des Lagerhauses, der Gold- und Silbermanufaktur, und
andrer öffentlichen Anstalten, die mit diesem Privilegio ausdrücklich versehen
sind.
§. 585. Den Handlungsbüchern der Juden, welchen die Rechte
christlicher Kaufleute verliehen worden, kommt eben die Beweiskraft zu, als den
Büchern christlicher Kaufieute.
§. 586. Diese Beweiskraft schränkt sich jedoch nur auf
solche Handlungsgeschäfte ein, die nach dem Zeitpunkte vorgefallen sind, da der
Jude die Rechte christlicher Kaufleute erhalten hat.
§. 587. Hat ein mit diesen Rechten nicht versehener Jude die
christliche Religion angenommen: so haben seine Bücher nur in Absicht der
nachher betriebenen Handlungsgeschäfte Beweiskraft.
§. 588. Die Handlungsbücher der Juden, welche die Rechte
christlicher Kaufieute nicht haben, beweisen nur gegen deren Glaubensgenossen.
§. 589. Ist jedoch ein solcher Jude Unternehmer einer
Fabrike, oder ein Bankier: so beweisen seine Bücher auch gegen christliche
Kaufleute, die sich in Wechsel- oder Fabrikengeschäfte mit ihm eingelassen
haben.
§. 590. In allen Fällen aber können Handlungsbücher, welche
in jüdischer Sprache geführt sind, als Beweismittel nicht gebraucht werden.
§. 591. Bücher der Brauer, Bäcker, oder anderer Personen,
welche ein öffentliches Gewerbe treiben, ingleichen der Krämer in Dörfern und
Flecken, haben keine Beweiskraft, wenn sie auch an sich auf kaufmännische Art
geführt wären.
§. 592. Ist aber mit dem Abnehmer ein Gegenbuch gehalten,
und sind in selbigem die ausgenommenen Waaren oder geleisteten Zahlungen
eingeschrieben worden: so bewirkt dies in den Händen des Abnehmers befindliche
Gegenbuch wider ihn, ohne Unterschied des Standes, vollen Beweis, wenn er Acht
Tage nach Einzeichnung der Lieferung verstreichen läßt, ohne wider die
Richtigkeit des in dem Gegenbuche enthaltenen Vermerks gerichtlich zu
protestiren.
§. 593. Geht ein solches Gegenbuch ohne Verschulden des
Lieferanten verloren: so kann derselbe, gleich einem Kaufmanne, zur eidlichen
Bestärkung des in seinen Händen befindlichen Exemplars verstattet werden.
§. 594. In Ansehung der von Kaufleuten unter einander
betriebenen Geschäfte, ist die Beweiskraft der Handlungsbücher auf keine
bestimmte Frist eingeschränkt.
§. 595. Gegen die Erben eines Kaufmanns dauert die
Beweiskraft eines Handlungsbuchs nur Fünf Jahre, vom Todestage des Erblassers.
§. 596. Gegen einen, der kein Kaufmann ist, hat das
Handlungsbuch nur binnen Jahresfrist von Zeit jeder Lieferung an gerechnet, die
Kraft eines halben Beweises.
§. 597. Nach Verlauf dieses Jahres erlöscht zwar die
Beweiskraft, nicht aber das Recht des Kaufmanns, aus dem eingetragenen
Vermerke, als aus einem schriftlichen Contrakte, zu klagen.
§. 598. Auch die Beweiskraft kann dem Handlungsbuche durch
Einlegung eines Protestes erhalten werden, wenn der Abnehmer die Königlichen
Lande verlassen hat, oder sein Aufenthalt dem Kaufmanne unbekannt ist.
§. 599. Ein solcher Protest muß aber vor Ablauf des Jahres
(§. 596.) vor Gerichten, oder vor einem Justizcommissario und Notario eingelegt
werden.
§. 600. Der Kaufmann muß dabey entweder die Entfernung des
Abnehmers außerhalb der Königlichen Lande bescheinigen, oder an Eidesstatt
erhärten, daß er, aller angewendeten Mühe ungeachtet, den gegenwärtigen
Aufenthalt desselben nicht erforschen können.
§. 601. Er muß ferner sein Hauptbuch vorlegen, und die
Stellen desselben, worin seine Forderung enthalten ist, dem Proteste einrücken
lassen.
§. 602. Durch den solchergestalt aufgenommenen Protest wird
die Beweiskraft des Handlungsbuchs bis auf Fünf Jahre vom Dato desselben
erhalten; und sie kann auch nachher, von Zeit zu Zeit, durch Wiederholung des
Protestes verlängert werden.
§. 603. Durch einen dergleichen Protest kann ein Kaufmann
die Beweiskraft seines Handlungsbuchs, auch gegen die Erben eines andern
Kaufmanns, über die §. 595. bestimmte Frist verlängern.
§. 604. Uebrigens wird ein Kaufmann dadurch, daß die
Beweiskraft seiner Handlungsbücher erloschen ist, seiner Forderung selbst noch
nicht verlustig.
§. 605. Ein Handlungsbuch hat keine Beweiskraft, wenn darin
Blätter eingeklebt, eingeheftet, oder ausgerissen; oder wenn Stellen darin
befindlich sind, die durch Aenderungen unleserlich gemacht worden.
§. 606. Eben das findet statt, wenn der Kaufmann, bey
Führung der Bücher, Unrichtigkeiten begangen hat, die zu seinem Vortheile
abzielen.
§. 607. Finden sich Unrichtigkeiten anderer Art, und sind
deren mehrere: so muß nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen beurtheilt
werden: ob dieselben so beschaffen sind, daß dadurch die Glaubwürdigkeit der
Bücher ganz entkräftet werde.
§. 608. Handlungsbücher eines Kaufmanns, der eines
Meineides, oder falschen Zeugnisses überführt; oder eines anderen seinen
ehrlichen Namen schändenden Verbrechens durch Urtel und Recht schuldig; oder
für unfähig, einen Eid zu schwören, erklärt worden, verdienen gar keinen
Glauben.
§. 609. Ein Gleiches findet statt, wenn der Kaufmann einen
betrüglichen oder muthwilligen Bankrut gemacht hat. (Tit. XX. Abschn. XV.)
§. 610. Ist er nur eines fahrläßigen, oder unbesonnenen
Bankruts schuldig befunden worden: so können seine Bücher zur Unterstützung
anderer vorhandenen Beweismittel gebraucht werden.
§. 611. Hat ein Kaufmann auf den Grund seiner Bücher eine
Forderung eingeklagt, deren bereits erfolgte Zahlung ausgemittelt wird: so geht
die Beweiskraft seiner Bücher auf immer verloren.
§. 612. Wird jedoch erwiesen, daß er bloß wegen Untreue,
oder Unordnung eines seiner Handlungsbedienten, von der geschehenen Zahlung
keine Wissenschaft erhalten habe: so ist die Beweiskraft seiner Bücher nur in
Ansehung des Zeitraums, in welchem ein solcher Handlungsbedienter zur Führung
der Bücher, oder Einkassirung der Gelder gebraucht worden, geschwächt.
§. 613. Aber auch für diesen Zeitraum können die Bücher zur
Unterstützung anderer vorhandenen Beweismittel gebraucht werden.
VII. Von Handlungsgesellschaften
A. überhaupt;
§. 614. Bey Handlungsgesellschaften finden die allgemeinen
Vorschriften von Gesellschaftsverträgen überhaupt, in so fern dieselben hier
nicht abgeändert worden, Anwendung. (Th. I. Tit. XVII. §. 186. sqq.)
§. 615. Hat die Handlungsgesellschaft nur einzelne bestimmte
Geschäfte und Unternehmungen zum Gegenstande: so ist keine öffentliche
Bekanntmachung nöthig.
§. 616. Auch bedarf es dazu unter Kaufleuten keines
schriftlichen Contrakts, in so weit dessen Stelle durch gehörig geführte
Handlungsbücher des einen oder andern Gesellschafters ersetzt wird.
B. von Societätshctndlungen besonders,
a) Form.
§. 617. Soll aber eine fortwährende Societätshandlung unter
einer gemeinschaftlichen Firma errichtet werden: so sind bloße Vermerke in den
Handlungsbüchern dazu nicht hinreichend; sondern die Verbundenen müssen einen
schriftlichen Contrakt darüber abfassen. (Th. I. Tit. V. §. 155. sqq.)
§. 618. Die Gesellschafter müssen ferner die unter ihnen
geschlossene Societät der Kaufmannschaft des Orts, wo die Handlung errichtet
ist, auf der Börse, oder durch deren Vorsteher, bekannt machen.
§. 619. Ist an demselben Orte keine Kaufmannsinnung
befindlich: so muß die errichtete Societät der Obrigkeit des Orts angezeigt
werden.
§. 620. In dem Einen so wie im andern Falle, muß zugleich
die Firma, unter welcher die Societät ihre Geschäfte zu treiben gedenkt,
angezeigt, und die Handschrift derer, die sie zu führen berechtigt seyn sollen,
auf der Börse, oder bey den Gerichten, niedergelegt werden.
§. 621. Bey Bestimmung der Firma ist darauf zu sehen, daß
sich dieselbe von allen bereits öffentlich bekannt gemachten hinlänglich unterscheide.
§. 622. Ergiebt sich in der Folge, daß eine andere bereits
errichtete Handlung dergleichen Firma führe: so ist die später geschlossene
Societät verbunden, ihre Firma zu ändern.
§. 623. Soll das eine oder andre Mitglied von Betreibung der
Geschäfte ganz oder zum Theil ausgeschlossen seyn: so muß dies in der
Bekanntmachung ausdrücklich bemerkt werden.
§. 624. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Rechte und
Pflichten einzelner Mitglieder anders, als es die Gesetze an die Hand geben,
bestimmt seyn sollen.
§. 625. So lange die gehörige Bekanntmachung nicht erfolgt
ist, kann die Gesellschaft sich der Rechte einer Handlungssocietät gegen einen
Dritten nicht bedienen.
§. 626. Sie selbst aber macht sich durch die inzwischen
vorgenommene Geschäfte gegen einen Dritten allerdings verbindlich.
§. 627. Eine gleiche Bekanntmachung (§. 618. 619.) muß
allemal erfolgen, wenn in dem vorhin bekannt gemachten Inhalte des Vertrages,
in Absicht der Firma, oder der Personen, welche der Handlung vorstehen, eine
Veränderung vorgenommen werden soll.
§. 628. Auch muß von einer solchen Veränderung denjenigen
auswärtigen Handelshäusern, mit welchen die Societät bisher schon in Verbindung
gestanden hat, noch besonders Nachricht ertheilt werden.
b) Rechte und Pflichten der Gesellschafter
1) in Ansehung der Beyträge.
§. 629. Die Verbindlichkeit unter den Contrahenten selbst,
nimmt mit dem Tage des geschlossenen Vertrages ihren Anfang.
§. 630. Wegen der Beyträge zum gemeinschaftlichen Fonds
finden die Grundsätze des Ersten Theils, Tit. XVII. §. 189. sqq. Anwendung.
§. 631. Sollen jedoch die Geschäfte der Societätshandlung
durch neue Beyträge erweitert werden: so kann dies nur durch Uebereinstimmung
sämmtlicher Mitglieder geschehen.
§. 632. Hat das eine oder andre Mitglied ohne eine solche
Uebereinstimmung seinen Beytrag verstärkt, und damit die Geschäfte der
Societätshandlung erweitert: so ist er als ein solcher zu betrachten, der
fremde Geschäfte ohne vorhergegangenen Auftrag besorgt hat. (Th. I. Tit. XIII.
§. 228. sqq.)
2) Bey dem Betriebe der Geschäfte.
§. 633. Wenn der bekannt gemachte Inhalt des
Societätscontrakts nicht ein Andres bestimmt: so ist jedes Mitglied in Absicht
der gemeinschaftlichen Angelegenheiten als Faktor anzusehen.
§. 634. Sind aber die Societätsgeschäfte unter verschiedene
Mitglieder vertheilt, und ist dies gehörig bekannt gemacht: so wird jeder nur
in seinem Sache als Faktor betrachtet.
§. 635. Jedoch können auch alsdann diejenigen Geschäfte,
welche den Handlungsdienern oder Lehrlingen zustehn, von jedem Mitgliede,
welches nicht ausdrücklich von allen Geschäften ausgeschlossen ist, gültig
vollzogen werden.
§. 636. Ein Mitglied, welches von dem Betriebe der
Societätsgeschäfte nicht ganz ausgeschlossen ist, darf ohne Genehmigung der
übrigen keine eigne Handlung, von eben der Art, als die Societätshandlung ist,
errichten, oder als Gesellschafter daran Theil nehmen.
§. 637. Hat aber ein Gesellschafter schon zur Zeit seiner
Aufnahme in die Societät eine eigne Handlung gehabt: so kann er sie fortsetzen,
in so fern die Niederlegung derselben nicht ausdrücklich vorbedungen worden.
§. 638. Wenn ein Mitglied, ohne die ausdrückliche
Einwilligung der übrigen, seinen Societätsantheil einem Fremden überläßt: so
kann dieser von den übrigen Gesellschaftern, weder die Einsicht der
Handlungsbücher, noch Rechnungsablegung, noch andre Nachweisungen über die
betriebenen Geschäfte, sondern nur die Mittheilung des jährlichen Abschlusses
fordern. (Th. I. Tit. XVII. §. 217. sqq.)
3) Wegen der Rechnungsablegung.
§. 639. Jeder Gesellschafter ist schuldig, dahin zu sehen,
daß über die durch ihn besorgten Geschäfte ordentliche Bücher kaufmännischer
Art geführt werden.
§. 640. Wer dies unterläßt, verliert bey der
Rechnungslegung, in Absicht der durch ihn betriebenen und nicht gehörig
eingetragenen Geschäfte, die Befugniß zur eidlichen Bestärkung. (Th. I. Tit.
XVII.§.. 220)
§. 641. Auch ist er den übrigen Mitgliedern für allen
dadurch entstehenden Schaden verhaftet.
§. 642. Sind in dem Contrakte keine besondre Verabredungen
getroffen: so kann jedes Mitglied verlangen, daß am Ende des Jahres ein
Inventarium über das gesammte Societätsvermögen aufgenommen; alsdann der
Abschluß aus den Handlungsbüchern angefertigt; und nach demselben Gewinn oder
Verlust vertheilt werde.
§. 643. Bey dem Mangel andrer Bestimmungen muß dies am Ende
des Monaths Dezember in jedem Jahre geschehen.
§. 644. Sind in dem Contrakte keine besondere Abreden
getroffen: so werden, bey Aufnahme des Inventarii, die zum Handlungsvermögen
gehörende Vorräthe an Materialien und Waaren nur zu dem Preise, wofür sie
angeschaft sind, und wenn der gangbare Werth zur Zeit der Inventur niedriger
ist, nur zu diesem niedrigeren Preise angesetzt.
§. 645. Von solchen Materialien und Waaren, deren Werth
durch das Liegen im Lager vermindert wird, ingleichen von den Geräthschaften,
welche sich durch den Gebrauch abnutzen, muß außerdem noch ein
verhältnißmäßiger Abzug gemacht werden.
§. 646. Die ausstehenden Forderungen der Handlung, welche
nicht beygetrieben werden können, müssen ganz abgeschrieben; die zweifelhaften
aber nur mit einem verhältnißmäßigen Abzug angesetzt werden.
4) Bey
den Verhältnissen gegen andere.
§. 647. Die Gesellschaft wird sowohl durch gemeinschaftlich
abgeschlossene und unterschriebene Verträge, als durch die Handlungen einzelner
Mitglieder, in so fern dieselben als Faktors zu betrachten sind (§. 633-635.)
verpflichtet.
§. 648. Wegen der übernommenen Wechselverbindlichkeiten ist
das Nöthige im folgenden Abschnitte vorgeschrieben.
§. 649. Wenn ein Gesellschafter nicht im Namen der Societät,
oder unter deren Firma Verträge schließt: so finden die Vorschriften des Ersten
Theils Tit. XVII. §. 232. sqq. Anwendung.
§. 650. Hat ein Mitglied der Societät die Schranken seines
Auftrages überschritten, oder unerlaubte Handlungen vorgenommen: so ist die
Verbindlichkeit der übrigen Mitglieder nach den Grundsätzen von Faktoren zu
beurtheilen. §. 516. sqq.
§. 651. Derjenige, welcher der Societät ein bestimmtes
Capital mit der Bedingung anvertrauet hat, daß er, statt der Zinsen, am Gewinne
oder Verluste nach Verhältniß dieses Capitals Theil nehmen wolle, wird ein
stiller Gesellschafter (Associé en commendite) genannt.
§. 652. Ist sein Name in der Firma nicht mit enthalten, noch
er sonst als ein Gesellschafter ausdrücklich bekannt gemacht: so haftet er den
Societätsgläubigern nur mit seinem in der Handlung stehenden Capitale; und kann
ein Mehreres zu den Societätsschulden beyzutragen, nicht angehalten werden.
5) Wegen
Gewinnstes und Verlustes.
§. 653. Jedes Mitglied ist von seinem eingelegten Capitale
gewöhnliche Zinsen zu fordern befugt, wenn nicht das Gegentheil im Contrakte
festgesetzt worden.
§. 654. Vor angefertigtem jährlichen Abschlusse, und darnach
angelegter Vertheilung des Gewinnstes, kann kein Mitglied, ohne Genehmigung der
übrigen, mehr als landübliche Zinsen seines eingelegten Capitals aus der
Handlung nehmen.
§. 655. Geschieht es dennoch: so muß von der mehr
herausgenommenen Summe der höchste erlaubte Zinssatz entrichtet, auch dieselbe,
auf Verlangen des einen oder andern Gesellschafters, sogleich wieder herbey
geschaft werden.
§. 656. Nach angefertigtem Abschlusse, und angelegter
Vertheilung hingegen, ist jeder befugt, sich seinen Antheil am Gewinne, in so
fern es ohne Zerrüttung der fortlaufenden Geschäfte möglich ist, baar
herauszahlen zu lassen.
§. 657. Läßt ein Gesellschafter seinen ausgemittelten
Antheil am Gewinne, mit ausdrücklicher oder stillschweigender Bewilligung der
übrigen, in der Handlung stehen: so muß ihm derselbe vom Ablaufe des nach §. 643.
zu bestimmenden Societätsjahres, gleich dem eingelegten Capitale, verzinset
werden.
c) Von Aufhebung der Societät.
1) Austritt einzelner Mitglieder.
§. 658. Wenn ein einzelnes Mitglied aus der Societät
scheidet: so muß dieses jedesmal, nach Vorschrift §. 627. 628. gehörig bekannt
gemacht werden.
§. 659. So lange diese Bekanntmachung nicht geschehen ist,
bleibt das ausgetretene Mitglied, auch in Ansehung der nach dem Austritte
vorgenommenen Geschäfte, denjenigen Societätsgläubigern, welche davon keine
Wissenschaft erhalten haben, verhaftet.
§. 660. Dies findet auch alsdann statt, wenn ein Mitglied
von der Gesellschaft ausgeschlossen worden. (Th. I. Tit. XVII. §. 273. sqq.)
§. 661. Stirbt ein Gesellschafter, welcher der
gemeinschaftlichen Handlung, oder einem Theile derselben, mit vorgestanden hat:
so sind, im Mangel entgegenstehender gültiger Verabredungen, die Erben
desselben berechtigt, mit dem Ablaufe des nach §. 643. zu bestimmenden
Societätsjahres, in welchem das Absterben erfolgt ist, die Societät zu
verlassen.
§. 662. Auf gleiche Art sind die übrigen Mitglieder befugt,
den Erben die Societät zu kündigen.
§. 663. Bis zum Ablaufe des Jahres nehmen die Erben an dem
Gewinne oder Verluste der Societät, gleich dem Erblasser, Theil.
§. 664. Die übrigen Mitglieder, oder deren Faktors,
betreiben so lange die Geschäfte unter der Firma für gemeinschaftliche
Rechnung; und den Erben des Verstorbenen steht bloß frey, zu Wahrnehmung ihrer
Rechte einen vereideten Sachverständigen als Aufseher zu bestellen.
§. 665. Die ausscheidenden Erben müssen dafür sorgen, daß
vor Ablauf des Jahres das Absterben ihres Erblassers, und ihr bevorstehender
Austritt, nach Vorschrift §. 658. gehörig bekannt gemacht werde.
§. 666. Welche Wirkungen, außer dem §. 661. bestimmten Falle,
das Absterben eines Gesellschafters habe, ist nach den allgemeinen Vorschriften
des Ersten Theils, Tit. XVTI. §. 280. zu beurtheilen.
§. 667. Wird über das eigne Vermögen eines Gesellschafters
Concurs eröffnet: so hört in Ansehung desselben die Societät mit dem Tage der
Concurseröffnung auf; und die übrigen Mitglieder sind befugt, sich nach näherer
Vorschrift der Prozeßordnung, mit seiner Creditmasse aus einander zu setzen.
§. 668. Will außerdem ein Mitglied aus der Gesellschaft
treten: so muß dasselbe seinen Vorsatz den Uebrigen Sechs Monathe vor Ablauf
des Societätsjahres ankündigen.
§. 669. In Ansehung der bey dem Ablaufe des Jahres ohne
ausdrücklichen Widerspruch des austretenden Gesellschafters, schon wirklich
geschlossenen Societätsgeschäfte, ist derselbe bis zu deren völligen Beendigung
mit verhaftet.
§. 670. Bey der Auseinandersetzung selbst finden die
Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XVII. §. 295. sqq. Anwendung.
§. 671. Hiernach muß auch bestimmt werden: in wie fern der
austretende Gesellschafter sein eingelegtes Capital sogleich zurück fordern
könne; oder selbiges gegen kaufmännische Zinsen noch länger stehen lassen
müsse.
§. 672. Allen Societätsgläubigern, welchen der Austritt
gehörig bekannt gemacht worden, bleibt der ausgetretene Gesellschafter nur auf
Ein Jahr, seit dem Ablaufe des Societäts-Jahres, verhaftet.
§. 673. Wird eine Forderung erst nach Ablauf dieses Jahres
fällig: so ist die Jahresfrist von dem Verfalltage an zu rechnen.
§. 674. Nach Ablauf dieses Zeitraums (§. 672. 673.) können
dergleichen Societätsgläubiger sich nur an die übrigen in der Societät
verbliebenen Mitglieder halten.
§. 675. Ist die Führung der ganzen Societätshandlung, oder
eines Theils derselben, dem ausgetretenen Mitgliede allein übertragen gewesen:
so können die in der Societät verbleibenden Mitglieder, gegen unbekannte
Ansprüche aus den von ihm vorgenommenen Handlungen, sich eben so, wie der
Prinzipal gegen die Handlungen des gewesenen Faktors (§. 537. sqq.) durch ein
öffentliches Aufgebot sicher stellen. (§. 539.)
§. 676. Den Societätsgläubigern, welche sich bey diesem
Aufgebote nicht gemeldet haben, bleibt jedoch ihr Recht gegen den gewesenen
Gesellschafter, welcher seinen Austritt nicht gehörig bekannt gemacht hat,
vorbehalten.
2) Gänzliche Trennung und Aufhebung der Societät.
§. 677. Soll die Societätshandlung ganz aufgehoben werden:
so muß darüber öffentliche Bekanntmachung, nach Vorschrift §. 618. sqq.
erfolgen.
§. 678. Ist diese Bekanntmachung unterblieben: so haftet
jedes Mitglied denjenigen, welche auch sonst von der erfolgten Aufhebung der
Societät keine Wissenschaft erlangt haben, für die von Einem oder dem Andern
der gewesenen Gesellschafter, im Namen der Societät, oder unter deren Firma,
geschloßnen Verträgen eben so, als wenn die Societät nicht aufgehoben wäre.
§. 679. Entsteht ein Streit darüber, welcher von den
gewesenen Gesellschaftern die bisherige Firma behalten solle: so muß dieselbe
demjenigen zugeeignet werden, welcher den darin enthaltenen Hauptnamen zu
führen berechtigt ist.
§. 680. Kann der Streit nach diesem Grundsatze nicht
entschieden werden: so gebührt demjenigen, welcher von Anfang an ein Mitglied
der Societät gewesen ist, oder dessen Erben, der Vorzug vor einem später
aufgenommenen Gesellschafter.
§. 681. Kann auch hiernach die Streitfrage nicht bestimmt
werden: so muß das Loos entscheiden.
§. 682. Wegen Verhaftung der gewesenen gegen die
Societätsgläubiger, nach geschehener Bekanntmachung, findet eben das statt, was
im Ersten Theile Tit. XVII. §. 307. sqq. verordnet worden.
§. 683. Doch kann unter den §. 537. sqq. vorgeschriebenen
Bestimmungen, die öffentliche Vorladung der unbekannten Gläubiger gesucht
werden.
VIII. Von kaufmännischen Zinsen.
§. 684. Hat ein Kaufmann einem Andern, der kein Kaufmann
ist, Waaren auf Borg gegeben: so kann er, wenn keine Zahlungsfrist bestimmt
worden, nach Verlauf von Vierzehn Tagen, vom Tage der geschehenen Einmahnung
gerechnet, landübliche Zinsen fordern.
§. 685. Der ausdrücklichen Einmahnung soll es gleich
geachtet werden, wenn der Kaufmann dem Abnehmer Rechnung zuschickt.
§. 686. Zum Beweise, daß, und wenn die Einmahnung geschehen,
oder bis zu welchem Tage der Credit gegeben sey, soll der eidlich bestärkte
Vermerk in den Büchern des Kaufmanns hinreichen.
§. 687. Kann die geschehene Einmahnung, oder der Tag, bis zu
welchem Credit gegeben worden, nicht nachgewiesen werden: so tritt die
Verzinsung erst mit Verlauf eines Jahres vom Tage der geschehenen Lieferung
ein.
§. 688. Ist der Credit bis zu einem bestimmten Tage gegeben
worden: so laufen von diesem an, die Verzögerungszinsen.
§. 689. Vorstehende Befugniß, Zinsen zu fordern (§. 684.687.
688.) wird nicht aufgehoben, wenn gleich der Kaufmann demselben Abnehmer in der
Folge noch mehr Waaren auf Credit giebt.
§. 690. Den zur Bestimmung des Zinssatzes ergangenen Landes-
oder Provinzialgesetzen sind auch Kaufleute der Regel nach unterworfen.
§. 691. Bey Darlehnen der Kaufleute finden die Vorschriften
des ersten Theils Tit. XI. §. 805. Anwendung.
§. 692. Wenn jedoch einem Kaufmanne, der mit Waaren im
Großen handelt, Gelder gegen bloße Handschrift oder Wechsel, und ohne besondre
Sicherheit, auf eine Sechs Monathe nicht übersteigende Zeit vorgeliehen worden:
so soll die Bestimmung des Zinssatzes lediglich der Vereinigung der
Interessenten überlassen seyn.
§. 693. Nach Verlauf der Sechs Monathe aber finden nur die
gesetzmäßigen Zinsen statt.
§. 694. Wird auch noch während der Sechs Monathe über des
Schuldners Vermögen Concurs eröffnet: so kann der Gläubiger nur die
gesetzmäßigen Zinsen aus der Masse fordern.
§. 695. Von den Vorschüssen, welche ein Kaufmann, bey
Gelegenheit eines demselben ertheilten Auftrages macht, ist er vom Tage der
Verwendung an Sechs vom Hundert jährliche Zinsen zu fordern berechtigt.
§. 696. Kaufleute untereinander können in
Handlungsgeschäften, auch ohne ausdrückliche Verabredung, die am Orte zwischen
Kaufleuten gewöhnlichen Zinsen fordern.
§. 697. Wenn Kaufleute sich untereinander wegen
wechselseitiger Forderungen an Capital und Zinsen berechnen: so ist der,
welchem ein Ueberschuß gebührt, von dem ganzen Betrage desselben, wenn gleich
darunter Interessen mit begriffen sind, Zinsen seit dem Tage des Abschlusses
anzusetzen berechtigt.
IX. Provision.
§. 698. Ein Kaufmann, welcher kaufmännische Geschäfte für
einen andern, er sey Kaufmann oder nicht, besorgt, kann dafür, auch ohne
ausdrückliche Verabredung, Provision fordern.
§. 699. Diese Provision wird bey dem Waareneinkauf oder
Verkauf, von dem Betrage des Kaufgeldes; bey Zahlungen oder Geldhebungen, von
dem Betrage der zu zahlenden oder zu erhebenden Summe; und bey Versicherungen
von dem gezeichneten Versicherungsquanto gegeben.
§. 700. Sind Waaren bey einem Kaufmanne niedergelegt worden:
so kann derselbe für deren Aufbewahrung Lagergeld, auch ohne vorhergegangene
ausdrückliche Verabredung fordern.
§. 701. Der Satz der Provision und des Lagergeldes muß nach
demjenigen bestimmt werden, was unter Kaufleuten am Orte oder in der Provinz
gewöhnlich ist.
X. Von
kaufmännischen Empfehlungen.
§. 702. Kaufleute sind schuldig, Aufmerksamkeit anzuwenden,
daß nicht andere Kaufleute durch ihre Empfehlungen verleitet werden, sich mit
unsichern Personen in Handlungsgeschäfte einzulassen.
§. 703. Hat ein Kaufmann jemanden von mißlichen Vermögensumständen,
oder unzuverläßigem Charakter, einem andern Kaufmanne, wider besseres Wissen,
als einen sichern guten Mann empfohlen: so muß er allen Schaden ersetzen,
welcher bey den durch diese falsche Empfehlung unmittelbar veranlaßten
Geschäften, aus dem Unvermögen oder unzuverläßigen Charakter des Empfohlnen
entsteht.
§. 704. Hat er von den mißlichen Vermögensumständen, oder
dem unzuverläßigen Charakter des Empfohlnen keine Wissenschaft gehabt: so ist
er den Schaden nur alsdann zu vertreten schuldig, wenn er den Irrthum bey
Anwendung der gewöhnlichen Aufmerksamkeit hätte vermeiden können.
§. 705. Ist die Empfehlung auf vorhergegangene Anfrage des
andern Kaufmannes erfolgt: so haftet er nur für ein grobes Versehen.
§. 706. In allen Fällen ist der Empfehlende von der
Vertretung frey, wenn ausgemittelt werden kann, daß der Beschädigte durch die
Empfehlung nicht bewogen worden, sich mit dem Empfohlnen einzulassen.
§. 707. Desgleichen alsdann, wenn die Unsicherheit oder
Unzuverläßigkeit bey dem Empfohlnen erst nach der geschehenen Empfehlung
entstanden ist.
§. 708. Auch erstreckt sich die Vertretung allemal nur auf
diejenigen Geschäfte, welche unmittelbar nach der Empfehlung mit dem Empfohlnen
geschlossen worden.
§. 709. Hat der Beschädigte in der Zwischenzeit Gelegenheit
gehabt, von den Vermögensumständen oder Charakter des Empfohlnen sich selbst zu
überzeugen: so fällt die Vertretung hinweg.
§. 710. Wenn ein Kaufmann einem andern Kaufmanne schriftlich
oder mündlich erklärt, daß derselbe einem Dritten auf seine Gefahr Credit geben
könne: so ist er als Bürge zu betrachten.
§. 711. Sowohl wegen einer solchen Bürgschaft überhaupt, als
wegen der Dauer und des Umfanges derselben, finden die Vorschriften des Ersten
Theils Tit. XIV. §. 258. sqq. Anwendung.
§. 712. Hat aber ein Kaufmann an jemanden einen Creditbrief
ertheilt, und seinem Correspondenten angewiesen, dem Ueberbringer auf seine
Rechnung zu zahlen: so wird er jenem als Hauptschuldner verhaftet.
Achter Abschnitt
Von Wechseln
A. Von Wechseln überhaupt.
§. 713. Die nach einer bestimmten gesetzlichen Form
abgefaßten Verschreibungen, wodurch jemand verpflichtet wird, eine Summe Geldes
bey Vermeidung des sogleich erfolgenden persönlichen Arrestes zu bezahlen,
werden Wechsel genannt.
§. 714. Hat der Aussteller die Zahlung selbst zu leisten
versprochen: so ist ein trockner oder eigner Wechsel; wenn aber die Zahlung
einem Dritten aufgetragen worden, ein gezogner Wechsel vorhanden.
1) Wer wechselfähig ist;
§. 715. Wer überhaupt unfähig ist, Verträge zu schließen,
kann sich nicht wechselmäßig verbinden. (Th. I. Tit. V. §. 9-31.)
§. 716. Wer in Ansehung der Fähigkeit, Darlehnsverträge zu
schließen, eingeschränkt ist, kann keine Wechselverpflichtung übernehmen. (Th.
I. Tit. XI. §. 675. sqq.)
§. 717. Selbst in den Fällen, da die von dergleichen
Personen geschlossenen Verträge, oder aufgenommenen Darlehne, unter gewissen
Umständen gültig werden, findet gegen sie weder wechselmäßiges Verfahren, noch
Wechselexecution statt. (Th. I. Tit. XI. §. 707. sqq.)
§. 718. In der Regel ist nur derjenige wechselfähig, welcher
die Rechte eines Kaufmannes hat.
§. 719. Diese Wechselfähigkeit hört, auch nach
niedergelegter Handlung, nicht eher auf, als bis eine Veränderung des Standes
vorgegangen ist. (Th. I. Tit. I.§. 6.)
§. 720. Die Inhaber der Fabriken, ingleichen die Apotheker,
sind in Ansehung der Wechselgeschäfte den Kaufleuten gleich zu achten.
§. 721. Eben dies findet in Absicht derjenigen statt, welche
nach den besondern Verfassungen eines jeden Ortes, die Befugniß erhalten haben,
für eigne Rechnung zur See oder auf Ströhmen Schifffahrt zu treiben.
§. 722. Diesen wird, bey Seeschiffen, der Capitain, oder
derjenige, welchem die Führung des ganzen Schiffes anvertrauet worden, gleich
geachtet.
§. 723. Auch Juden ohne Unterschied sind dem Wechselrechte
unterworfen.
§. 724. Frauenspersonen, welche Kaufmannschaft treiben,
bleiben wegen der in dieser Qualität geschlossenen Wechselgeschäfte ihren
Gläubigern, auch nach niedergelegter Handlung, wechselmäßig verpflichtet.
§. 725. Alle übrige Personen weiblichen Geschlechts, ohne
Unterschied, sind an sich nicht wechselfähig.
§. 726. Wirkliche Besitzer adlicher Güter, ferner die Haupt-
oder Generalpächter Landesherrlicher oder Prinzlicher Aemter, sind für
wechselfähig zu achten.
§. 727. Wenn der Besitztitel eines adlichen Gutsbesitzers im
Hypothekenbuche gelöscht worden; oder wenn die Pacht aufgehoben ist: so
erlöscht die darauf gegründete Wechselfähigkeit.
§. 728. Alle übrige Landeseinwohner, außer vorstehend
benannten Personen, (§. 718-724. 726.) können sich in der Regel nicht
wechselmäßig verpflichten (§. 931. 932.).
§. 729. Auch dadurch, daß jemand sich für einen
Wechselfähigen ausgegeben, und diese Angabe sogar eidlich bestärkt hat, erlangt
der Gläubiger kein Wechselrecht. (Th. I. Tit. V. §. 35. 36.)
§. 730 a. Die von solchen nicht wechselfähigen Personen
ausgestellte trockne Wechsel werden als bloße Schuldscheine angesehen; und
andre von ihnen übernommene Wechselverbindungen werden nach der Natur des dabey
eigentlich zum Grunde liegenden Geschäfts beurtheilt.
§. 730 b. Wenn jedoch dergleichen an sich nicht
wechselfähige Personen an eine öffentliche Casse oder Anstalt Wechsel
ausstellen, so entsteht daraus gegen sie, so weit sie überhaupt Darlehne
aufzunehmen fähig sind, auch wechselmäßige Verpflichtung.
§. 731. Wenn jemand, der nach den Gesetzen nicht
wechselfähig ist, zur Unterstützung oder Ausbreitung seines Verkehrs oder
Gewerbes, sich die Wechselfähigkeit verschaffen will: so muß er sich bey seinem
ordentlichen persönlichen Richter melden, und die Beylegung der Befugniß,
Wechselverbindungen einzugehen, nachsuchen.
§. 732. Die Anmeldung muß entweder in Person geschehen, oder
es muß dazu eine gerichtliche Specialvollmacht ausgestellt werden.
§. 733. Der Richter muß dabey genau untersuchen: ob der,
welcher um die Wechselfähigkeit sich meldet, die Eigenschaften,
Verstandeskräfte, und Erfordernisse besitze, die ein jeder haben muß, welcher
Verträge zu schließen, und Darlehne aufzunehmen, befugt seyn soll.
§. 734. Er muß sich ferner, jedoch nur im Allgemeinen,
überzeugen, daß derselbe ein nützliches Gewerbe treibe, zu dessen Beförderung
die Wechselfähigkeit gereichen kann.
§. 735. Auf eine genaue Untersuchung über den Umfang dieses
Gewerbes, und über die Vermögensumstände des Ansuchenden, ist der Richter sich
einzulassen weder befugt, noch schuldig.
§. 736. Ist der Ansuchende einer Patrimonial-Gerichtsbarkeit
unterworfen: so muß sich der Gerichtshalter die Genehmigung der
Grundherrschaft, oder deren Stellvertreter, beybringen lassen.
§. 737. Den Personen weiblichen Geschlechts, ingleichen den
Mannspersonen vom Bauer- oder geringern Bürgerstande, muß der Richter, bey
Vermeidung nachdrücklicher Ahndung, die Vorschriften und Folgen des
Wechselrechts erklären und bekannt machen.
§. 738. Findet der Richter bey dem Antrage, nach vorstehend
erfolgter Prüfung desselben, kein Bedenken: so muß er dem Ansuchenden ein
Certificat dahin ausfertigen: daß derselbe sich um die Befugniß, wechselmäßige
Verbindungen einzugehen, gebührend gemeldet habe, und dazu hiermit für fähig
erklärt werde.
§. 739. Ein solches Certificat macht denjenigen, der es
erhalten hat, nicht nur für den Fall, bey dessen Gelegenheit selbiges
nachgesucht worden, sondern auch für alle künftige Fälle wechselfähig.
§. 740. Bey Wechselgeschäften einer Frauensperson, welcher
ein solches Certificat ertheilt worden, ist weder die Gegenwart eines
Assistenten oder Geschlechtsvormundes, noch eine nochmalige Erklärung der Strenge
des Wechselrechts nothwendig.
§. 741. Hat jemand, der entweder Verträge überhaupt zu
schließen, oder Darlehne aufzunehmen unfähig ist, ein solches Certificat
erhalten: so bestehen zwar die mit ihm auf den Grund desselben geschlossenen
Wechselverbindungen;
§. 742. Der Richter aber, welcher das Certificat ausgestellt
hat, haftet nach den allgemeinen Grundsätzen vom Schadensersatze, für allen dem
Unfähigen daraus entstandenen Nachtheil; und soll überdies, wegen vorsätzlicher
Ueberschreitung oder grober Vernachläßigung seiner Amtspflichten, nach
Vorschrift der Criminalgesetze bestraft werden.
§. 743. Das Certificat selbst muß dem Unfähigen sofort
abgenommen und cassirt werden.
§. 744. Kann selbiges nicht wieder herbeygeschafft werden:
so muß eine gerichtliche Mortificirung desselben, durch öffentliches Aufgebot,
und Bekanntmachung in den Zeitungen und Intelligenzblättern der Provinz
erfolgen. (Th. I. Tit. XVI. §. 130.132.)
§. 745. Wenn jemand, welcher die Wechselfähigkeit durch eine
richterliche Beglaubigung erhalten hat, in der Folge die Befugniß, Verträge zu
schließen, oder Darlehne frey aufzunehmen, verliert: so müssen, wegen
Zurücknahme und Cassation des Certificats oder wegen dessen Mortificirung, die
obigen Vorschriften (§. 743. 744.) ebenfalls beobachtet werden.
§. 746. Jedes Gericht muß von den bey ihm nachgesuchten und
ertheilten Certificaten ein genaues und vollständiges Verzeichniß führen; damit
in jedem Falle ohne Weitläuftigkeit ausgemittelt werden könne: ob jemand,
welcher zu den §. 718. 720-724. und 726. benannten Personen nicht gehört, die
Wechselfähigkeit besonders erhalten habe.
§. 747. In diesem Verzeichnisse müssen die nach §. 743-745.
zurückgenommenen oder mortificirten Certificate sogleich wiederum gelöscht
werden.
II. Allgemeine Erfordernisse eines Wechsels:
a) das Wort: Wechsel;
§. 748. Ein Instrument, welches Wechselkraft haben soll, muß
in dem Contexte ausdrücklich als Wechsel, oder Wechselbrief, benannt seyn.
§. 749. Ist dies geschehen: so kommt es nicht darauf an: ob
außerdem noch der Ausdruck: "nach Wechselrecht," gebraucht worden.
b) bestimmte Geldsummen;
§. 750. Sowohl eigene, als gezogene Wechsel, können nur auf
bestimmte Geldzahlungen, nicht auf Warenlieferungen, oder Dienstleistungen,
gerichtet werden.
§. 751. Verschreibungen, worin dem Schuldner die Wahl,
entweder Geld zu zahlen, oder Waaren zu liefern, gelassen wird, sollen nicht
als Wechsel gelten.
§. 752. Die zu verschreibende Geldsumme muß in jedem Wechsel
bestimmt ausgedrückt werden.
§. 753. Die Bezeichnung der Summe kann mit Buchstaben, oder
Ziffern, oder durch beyde zugleich geschehen.
§. 754. Ist die Summe bloß mit Ziffern ausgedrückt, und an
diesen eine Correctur ersichtlich: so hat das Instrument keine Wechselkraft.
§. 755. Eben dieses findet statt, wenn die Summe bloß mit
Buchstaben ausgedrückt worden, und sich an diesen eine Correctur findet.
§. 756. Ist die in der Ueberschrift oder unter dem Wechsel
vermerkte Summe von der im Contexte ausgedrückten verschieden: so wird nur auf
die letztere Rücksicht genommen.
§. 757. Weicht im Wechsel selbst, die mit Ziffern
bezeichnete Summe von der mit Buchstaben geschriebenen ab: so ist letztere für
die richtige zu achten.
§. 758. Behauptet jemand, daß in den hiernach §. 756. 757.
anzunehmenden Summen ein Irrthum vorgefallen sey: so bleibt ihm der Nachweis
dieses Irrthums, jedoch außer dem Wechselprozesse, unbenommen.
c) Münzsorte.
§. 759. Die Münzsorte, worin die Zahlung zu leisten ist,
kann nach Bancopfunden und andern bekannten Rechnungsmünzen, oder in klingendem
Gelde, bestimmt werden.
§. 760. Lautet jedoch ein in hiesigen Landen zahlbarer
Wechsel auf Scheidemünze, oder auf eine zur Zeit der Ausstellung schon
verrufene Geldsorte: so hat er keine Wechselkraft.
d) Name
des Empfängers.
§. 761. Auch derjenige, an welchen, oder auf dessen Ordre
die Zahlung geschehen soll, muß der Regel nach im Wechselbriefe benannt seyn.
§. 762. Doch können auch die Wechsel solcher Personen,
welche kaufmännische Rechte haben (§. 718-724.), an jeden Briefsinhaber
gestellt seyn.
§. 763. Wer sich aber einen solchen Wechsel ausstellen läßt,
muß es lediglich sich selbst beymessen, wenn dieser Wechsel von einem
unrechtmäßigen Besitzer, von dem er keine Schadloshaltung erlangen kann,
eincassirt wird.
§. 764. Ist jedoch ein solcher auf jeden Inhaber lautende
Wechsel an einen Dritten namentlich indossirt worden: so kann die Zahlung nur
an den durch dergleichen Indossement berechtigten Inhaber geschehen.
e) Valuta.
§. 765. Jeder Wechsel muß das Bekenntniß des Ausstellers von
dem Empfange der Valuta, oder des Werths, enthalten.
§. 766. Ist nur der Ausdruck: "Valuta oder
Werth", gebraucht: so kommt es übrigens auf die Worte, womit das
Empfangsbekenntniß ausgedrückt worden, nicht an.
§. 767. Die Bestimmung, worin oder von wem Valuta gegeben
worden, ist zur Gültigkeit eines Wechsels nicht nothwendig.
§. 768. Auch der Ausdruck: "Valuta in Rechnung",
oder: "den Werth in Rechnung", ist hinreichend.
§. 769. Doch sind die Wechsel der §. 726. benannten Personen
nur in so fern als Wechsel gültig, wenn darin ein Bekenntniß des Ausstellers,
die Valuta baar empfangen zu haben, enthalten ist.
f) Datum.
§. 770. Jeder Wechsel muß auch den Ort der Ausstellung,
ingleichen die Zeit derselben, nach Tag, Monath, und Jahr bestimmt, enthalten.
§. 771. Es ist gleichgültig, ob dieser Vermerk am Anfange
oder an einer andern Stelle des Wechsels sich befinde.
g) Zahlungszeit.
§. 772. In dem Wechsel muß ferner die Zahlungszeit genau
bestimmt werden.
§. 773. Diese Bestimmung kann durch Benennung eines gewissen
Tages, Monaths und Jahres; oder eines gewissen Marktes, oder einer Messe; oder
durch Angebung eines nach Tagen, Wochen, Monathen, oder Jahren ausgemessenen
Zeitraumes, geschehen.
§. 774. Auch ist die Beziehung auf eine bestimmte Handlung,
oder Begebenheit, von deren Erfüllung oder Wirklichkeit die Verbindlichkeit zur
Zahlung abhängen soll, hinreichend.
§. 775. Ein Wechsel kann auch auf Sicht, oder auf Uso
gestellt werden. (§. 849. sqq.)
h) Unterzeichnung.
§. 776. Endlich muß jeder Wechsel
von dem Aussteller unterzeichnet seyn.
§. 777. Bey Kaufleuten, die als Eigenthümer, Gesellschafter,
oder Disponenten einer Handlung, eine gewisse bekannt gemachte Firma führen,
müssen Wechsel, durch welche die Handlung verpflichtet werden soll, unter
dieser Firma ausgestellt werden.
§. 778. In allen übrigen Fällen muß entweder der Vor- und
Geschlechtsname, oder der Geschlechtsname und Charakter des Ausstellers, oder
ein anderes deutliches Kennzeichen, zur Unterscheidung desselben von andern
Personen gleiches Namens, beygefügt werden.
§. 779. Wird jemand durch Zufall außer Stand gesetzt, selbst
zu schreiben: so kann er einen Andern zur Unterzeichnung seiner Wechsel Procura
geben.
§. 780. Dergleichen Procura muß wie jede andre
Specialvollmacht ausgestellt werden. (Th. I. Tit. XIII. §. 110. sqq.)
§. 781. Wechsel, die bloß mit Kreuzen oder andern Zeichen
unterschrieben sind, haben keine Gültigkeit.
§. 782. Daß der Aussteller den Context des Wechsels
eigenhändig schreibe, ist nicht nothwendig.
§. 783. Bey anerkannter Unterschrift, kann sich der Aussteller
mit dem Einwande, daß der Wechsel selbst ohne seine Genehmigung geschrieben
worden, im Wechselprozesse nicht schützen.
§. 784. Das Vorgeben des Ausstellers, daß er der Sprache,
worin der Wechsel abgefaßt ist, nicht kundig sey, benimmt dem Instrumente nichts
an seiner Wechselkraft.
III. Von mehrern Wechselverpflichteten.
§. 785. Ist ein Wechsel in der einfachen Zahl ausgestellt,
und von mehrern unterschrieben: so wird der zuerst Unterzeichnete als
Hauptschuldner betrachtet, und die übrigen haften nur als Bürgen.
§. 786. Lautet aber der Inhalt des von Mehrern
unterschriebenen Wechsels in der mehreren Zahl: so ist anzunehmen, daß sie
Einer für alle und alle für Einen haften. (Th. I. Tit. V. §. 430. sqq.)
§. 787. Wer also bey einem solchen Wechsel, den er mit
unterzeichnet, nur als Bürge, Assistent, oder Zeuge betrachtet seyn will, muß
diese Eigenschaft seiner Unterschrift ausdrücklich bey fügen.
§. 788. Ein Faktor oder Disponent, der nicht zugleich
Miteigenthümer der Handlung ist, kann wegen der von ihm unter der
Handlungsfirma übernommenen Wechselyerbindlichkeiten, für seine Person nicht in
wechselmäßigen Anspruch genommen werden.
§. 789. Er ist aber diesem Ansprüche unterworfen, wenn er
sich ausdrücklich für seine Person verpflichtet, oder die Schranken seines
Auftrages überschritten hat.
§. 790. Hat ein Faktor oder Disponent das Wechselgeschäft
nicht unter der Firma, sondern bloß in seinem Namen geschlossen: so ist nur er
selbst, nicht aber die Handlung, wechselmäßig verhaftet.
§. 791. Die Erfüllung der von einer Firma übernommenen
Wechselverbindlichkeit, muß von dem gefordert werden, welcher der Handlung
vorsteht.
§. 792. Wird sie von diesem nicht geleistet: so hält sich
der Wechselgläubiger an den Eigenthümer der Handlung wechselmäßig.
§. 793. Ist es eine Societätshandlung: so kann der
Wechselgläubiger sich an sämmtliche Gesellschafter, oder auch nur an Einen oder
etliche derselben halten. §. 794. Keiner darf vorschützen, daß die zu zahlende
Summe seinen Antheil an der gemeinschaftlichen Handlung übersteige.
§. 795. Ein stiller Gesellschafter (Associe en commondite
§. 651. 652.) wird aus einer unter der Firma der Gesellschaft übernommenen
Wechselverbindlichkeit niemals wechselmäßig verhaftet.
§. 796. Ist der Eigenthümer einer Handlung, oder der Eine
von den Gesellschaftern für seine Person nicht wechselfähig: so hat dies weiter
keinen Einfluß, als daß der eigentliche Wechselarrest wider ihn nicht statt
findet.
§. 797. Sind außerdem mehrere wechselfähige Personen aus
einem Wechselgeschäfte Selbstschuldner: so hat der Gläubiger die Wahl, von
welchem unter ihnen er Zahlung fordern wolle.
§. 798. Dieser muß die Zahlung vollständig leisten; wenn
auch das Geld, ganz oder zum Theil, zum Besten seiner Mitschuldner verwendet
seyn sollte.
§. 799. In wie fern er sich, nach geleisteter Zahlung, an
seinen Mitschuldner halten könne, ist nach den Vorschriften des Ersten Theils
Tit. V. §. 443. sqq. zu beurtheilen.
§. 800. Ihm stehen in so weit alle Rechte eines Bürgen zu.
§. 801. In wie fern derjenige, welcher aus einem Wechsel als
Bürge verhaftet ist, wechselmäßig belangt werden kann, ist im Ersten Theile
Tit. XIV. §. 290. sqq. bestimmt.
§. 802. Der Bürge, welcher statt des Hauptschuldners einen
Wechsel einlöset, tritt ohne Cession in alle Rechte des Wechselgläubigers.
§. 803. Ist ein Wechselbürge nicht
wechselfähig: so haftet er nicht wechselmäßig, sondern nur gleich einem
gemeinen Bürgen.
§. 804. Eben dies findet statt, wenn die Bürgschaft nicht im
Wechsel selbst, sondern außer demselben, in einer andern Verschreibung
übernommen worden.
IV. Vom Indossament.
§. 805. Wenn der in, oder auf dem Wechsel benannte Inhaber,
denselben einem andern übertragt: so wird dieses ein Indossament genannt.
§. 806. Geschieht die Uebertragung in der Absicht, den
Andern zum Eigenthümer oder Herrn des Wechsels zu machen: so ist ein
eigentliches Indossament; wenn aber dem Andern bloß die Einforderung der
verschriebenen Schuld aufgetragen wird, ein Indossament pro cura vorhanden.
§. 807. Bey einem Indossament pro cura gelten
zwischen dem Indossanten, und dem Indossatarius, die Grundsätze von
Vollmachtsaufträgen. (Th. I. Tit. XIII. §. 49. sqq.)
§. 808. Im zweifelhaften Falle wird angenommen, daß ein
eigentliches Indossament, durch welches dem Indossatarius das Eigenthum des
Wechsels übertragen werden sollen, vorgegangen sey.
§. 809. Durch den bloßen Besitz eines Wechsels wird jemand,
der in oder auf dem Wechsel selbst nicht benannt ist, zur Einziehung der darin
verschriebenen Summe nicht berechtigt.
§. 810. Ist jedoch der Wechsel auf jeden Briefsinhaber
gestellt, und es befindet sich darauf kein Indossament: so ist jeder Besitzer
zur Erhebung der verschriebenen Summe legitimirt. (§. 763.)
Erfordernisse eines Indossaments.
§. 811. Das Indossament muß auf dem Wechsel selbst
verzeichnet werden.
§. 812. Ist jedoch bey langen auf entfernte Plätze gezognen
Wechseln, wegen Mangel des Raumes, die Fortsetzung des Indossaments auf dem
Wechsel selbst nicht möglich: so kann dieselbe auf einem eingeklebten Blatte
gültig geschehen.
§. 813. Außer diesem Falle hat die nicht auf dem Wechsel
geschehene Uebertragung desselben nur die Wirkung einer Cession. (Th. I. Tit.
XI. §. 402 sqq.)
§. 814. Ist dabey der Wechsel dem Cessionarius nicht
überliefert; sondern einem Dritten gehörig indossirt worden; so geht letzterer,
wenn ihm die frühere Cession nicht bekannt gewesen ist, dem erstern vor.(Th. I.
Tit. X. §. 23. 25.)
§. 815. Der Regel nach muß das Indossament den Namen
desjenigen, welchem der Wechsel übertragen wird, enthalten.
§. 816 Doch kann dasselbe ausdrücklich auf jeden
Briefsinhaber gerichtet werden; es findet aber alsdann die Vorschrift des §.
763. und 810. Anwendung.
§. 817. Die bloße Namensunterschrift des vorigen Inhabers
ist nicht hinreichend, den gegenwärtigen
zu Verfügungen über den Wechsel zu berechtigen.
§. 818. Wenn aber ein gehörig ausgefülltes Indossament
vorgezeigt wird: so kann der vorige Inhaber, welcher seine Namensunterschrift
anerkennen muß, sich mit dem Einwande, daß er den Wechsel bloß in Blanco
indossirt habe, und die Ausfüllung ohne sein Vorwissen geschehen sey, im
Wechselprozesse nicht schützen.
§. 819. Das Indossament muß ferner ein Empfangsbekenntniß
der Valuta oder des Werths eben so enthalten, wie bey den Wechseln selbst
vorgeschrieben ist. (§. 765-769)
§. 820. Ist dergleichen Bekenntniß aus dem Indossament nicht
zu ersehen: so wird derjenige, auf welchen dasselbe lautet, nur als
Specialbevollmächtigter des Indossanten betrachtet. (§. 807.)
§. 821. Auch muß beym Indossament die Zeit, wann es
geschehen ist, nach Tag, Monath, und Jahr ausgedrückt werden.
§. 822. Fehlt dies Erforderniß: so wird angenommen, daß nur
ein Indossament pro cura vorhanden
§. 823. Die Bestimmung des Orts, wo das Indossament
ausgestellt worden, ist nicht nothwendig.
§. 824. Hingegen muß das Indossament von dem Indossanten
eben so unterschrieben seyn, wie es bey Wechseln verordnet ist. (§. 777. sqq.)
Wie lange das Indossament geschehen könne.
§. 825. Das Indossament eines Wechsels kann so lange
geschehen, als die Wechselkraft nicht erloschen ist.
§. 826. Ein nach erloschener Wechselkraft erfolgtes
Indossament hat nur mit der Cession eines Schuldscheins gleiche Wirkung. (Th.
I. Tit. XI. §. 402. sqq.)
§. 827. Eben das findet statt, wenn das indossirte
Instrument, wegen darin vorhandener Mängel, nicht für einen Wechsel gelten
kann.
Wirkungen des Indossaments.
§. 828. Der Indossatarius tritt in alle Rechte des
Indossanten gegen den Wechselschuldner, und die übrigen Wechselverpflichteten.
§. 829. Ein Indossatarius, welcher Herr des Wechsels ist,
kann denselben, ohne Unterschied ob er auf Ordre lautet, oder nicht, weiter
indossiren.
§. 830. Ist er aber nur als Specialbevollmächtigter
anzusehen, so kann er nur weiter indossiren, wenn das Indossament, vermöge
dessen der Wechsel an ihn gediehen ist, auf Ordre lautet.
§. 831. Der Indossant haftet dem Indossatario wechselmäßig,
sowohl für die Richtigkeit des Wechsels, als für die Bezahlung der
verschriebenen Summe zur bestimmten Zeit.
§. 832. Erhellet jedoch seine Eigenschaft als bloßer Bevollmächtigter
aus dem Indossament: so wird er für seine Person den Hintermännern nur zur
Entschädigung, gleich jedem andern Bevollmächtigten, im gewöhnlichen Prozesse
verhaftet. (Th. I. Tit. XIII. §. 150. sqq.)
§. 833. Ist ein Instrument in gehöriger Wechselform
abgefaßt, der Aussteller aber zu Wechselgeschäften nicht fähig: so haftet
dennoch jeder wechselfähige Indossant seinen Hintermännern wechselmäßig.
§. 834. Auch dadurch, daß der Wechsel an sich falsch ist,
wird die durch richtige Indossamente entstandene Verbindlichkeit der
Indossanten gegen ihre Hintermänner nicht verändert.
§. 835. Eben das gilt, wenn ein an sich richtiger Wechsel
durch ein falsches Indossament an einen Inhaber gekommen ist, der damals von
dieser Verfälschung keine Wissenschaft gehabt hatte.
§. 836. Indossanten, die sich wechselmäßig nicht verbinden
können, haften zwar selbst ihren Hintermännern nur im ordentlichen Prozesse;
nach der Beschaffenheit des bey der Uebertragung des Wechsels zum Grunde
gelegenen Geschäftes.
§. 837. An ihre Vormänner aber können auch sie sich
wechselmäßig halten.
§. 838. Hat jemand, welcher sich überhaupt rechtlich
verbinden, und gültig Darlehne aufnehmen kann, aber nur von Wechselgeschäften
ausgeschlossen gewesen ist, in der Folge die Wechselfähigkeit erlangt: so ist
er auch aus seinen frühern noch nicht verjährten Indossamenten wechselmäßig
verhaftet.
§. 839. Ist ein Wechsel mehrmals indossirt: so hat der
Inhaber die Wahl, auf welchen von den wechselmäßig verpflichteten Vormännern er
zurückgehen will.
§. 840. Auch wenn er gewählt hat, kann er dennoch innerhalb
der unten (§. 1047. 1211.) bestimmten Fristen von dieser Wahl wieder abgehen,
und nach seinem Gutfinden einen andern seiner Vormänner in Anspruch nehmen,
ohne sich an die Ordnung zu binden.
§. 841. Der in Anspruch genommene Vormann muß dem Inhaber
alles leisten, wozu der eigentliche Wechselschuldner verpflichtet ist; auch
demselben die nothwendig gewesenen Kosten erstatten.
§. 842. Sobald der in Anspruch genommene Vormann dieser
Verbindlichkeit ein Genüge leistet, hat er gegen seine Vormänner, und gegen den
eigentlichen Wechselschuldner, die Rechte des von ihm befriedigten Inhabers.
§. 843. Auch muß ihm letzterer den Originalwechsel
aushändigen.
§. 844. Der befriedigte Inhaber hat jedoch das Recht, vor der
Auslieferung des Wechsels, sein eignes und seiner Hintermänner Giro
auszustreichen.
V. Von Erfüllung der Wechselverbindlichkeiten.
§. 845. Vor der Verfallzeit kann aus Wechseln nicht Zahlung,
wohl aber, wenn gesetzmäßige Gründe zum Arrestschlage eintreten, Sicherheit
gefordert werden.
§. 846. Von Erfüllung der Wechselverbindlichkeiten gelten
die allgemeinen Grundsätze von Erfüllung der Verbindlichkeiten überhaupt (Th.
I. Tit. XVI. §. 11. sqq.); in so fern nichts Abweichendes in gegenwärtigem
Abschnitte verordnet ist.
a) Verfallzeit.
§. 847. Der Wechselinhaber ist, die Zahlung vor der
Verfallzeit wider seinen Willen anzunehmen, nicht schuldig.
§. 848. Ist in dem Wechsel ein Zahlungstag bestimmt; so
tritt die Verfallzeit noch an demselben Tage ein.
§. 849. Ein auf Sicht, ohne weitern Beysatz, gerichteter
Wechsel ist Vier und zwanzig Stunden nach der Vorzeigung zahlbar.
§. 850. Ist der Wechsel nach Sicht, mit Bestimmung gewisser
Tage, gestellt: so werden diese von dem Tage an gerechnet, da der Wechsel
vorgezeigt worden.
§. 851. Die Verfallzeit eines Usowechsels wird durch die
Handlungsgesetze des Zahlungsortes bestimmt.
§. 852. Der Regel nach wird ein Usowechsel einem vierzehn
Tage nach der Vorzeigung zahlbaren Wechsel gleich geachtet.
§. 853. Bey Sicht- und solchen Usobriefen, deren Verfallzeit
vom Tage der Präsentation läuft, wird der Tag der Präsentation nicht
mitgerechnet.
§. 854. Ist die Verfallzeit nach Wochen bestimmt: so tritt
sie in der letzten Woche an eben dem Tage ein, an welchem der Wechsel
ausgestellt worden.
§. 855. Lautet der Wechsel auf Monathe: so wird jeder
Monath, ohne Rücksicht auf die Zahl seiner Tage, mit dem Monathstage geendigt,
an welchem die Ausstellung geschehen ist.
§. 856. Ist ein solcher Wechsel am letzten Tage eines
Monaths ausgestellt, und der Monath, worin die Zahlung geschehen solle, hat
weniger Tage: so tritt die Verfallzeit am letzten Tage des Zahlungsmonaths ein.
§. 857. War die Zahlung in der Mitte eines bestimmten
Monaths festgesetzt: so wird der Fünfzehnte für den Verfalltag geachtet; wenn
auch der Monath mehr oder weniger als Dreyßig Tage hätte.
§. 858. Ist die Verfallzeit des Wechsels nach Jahren
bestimmt: so ist selbiger an eben dem Monathstage des Zahlungsjahres verfallen,
an welchem er ausgestellt worden.
§. 859. Sollte in diesem Falle der Wechsel in einem
Schaltjahre am Neun und zwanzigsten Februar ausgestellt seyn: so tritt im
Zahlungsjahre, wenn dasselbe kein Schaltjahr ist, der Acht und zwanzigste an
dessen Stelle.
§. 860. Der Ausdruck eines halben oder Vierteljahres ist dem
von Sechs oder Drey Monathen gleich zu achten.
§. 861. Ist in dem Wechsel auf eine gewisse Handlung oder
Begebenheit, von deren Erfüllung oder Wirklichkeit die Verbindlichkeit zur
Zahlung abhängen soll, Bezug genommen: so tritt der Verfalltag ein, sobald die
bestimmte Handlung oder Begebenheit wirklich geworden ist.
§. 862. Bey Meß- und Marktwechseln bestimmen die
Handlungsgesetze jedes Orts den Verfalltag.
§. 863. Königsbergische Wechsel müssen, nach der Wahl des
Schuldners, am Vierten oder Fünften Tage der Zahlwoche, bis Abends um Sieben
Uhr berichtigt werden.
§. 864. Wechsel auf Elbingschen Märkten zahlbar, sind am
Sechsten, Siebenten und Achten Tage, wenn ausgeläutet worden, bis um Zwölf Uhr
Mittags zu berichtigen.
§. 865. Wechsel auf Breslauer Messen oder Märkten, müssen
vom Montage in der Zweyten, bis zum Donnerstage in derselben Woche, Vormittags
um Neun Uhr, eingelöst werden, wenn der Schuldner ein Christ ist; Juden aber
müssen den Tag vor der Ausläutung der Messe Zahlung leisten.
§. 866. In Magdeburg, und Frankfurt an der Oder, muß die
Einlösung der Wechsel längstens den Vierten Tag der Zahlwoche erfolgen.
b) Zahlungszeit.
§. 867. Der Verfalltag ist in der Regel auch der Zahlungstag
eines Wechsels.
§. 868. Nur in so weit findet eine Ausnahme statt, als bey
gezogenen Wechseln noch Respit- oder Discretionstage zugelassen werden. (§.
1092. sqq.)
§. 869. Am Zahlungstage kann in der Regel nach Zwölf Uhr
Mittags, bis Sieben Uhr Abends, die Zahlung gefordert werden. (§. 863. 865.)
§. 870. Trifft der Zahlungstag auf
einen Sonnhohen Fest- oder Bußtag(, wohin auch der Neujahrs- und Charfreytag
gehören: so muß der Gläubiger den nächsten Werkeltag abwarten.
§. 871. Es macht keinen Unterschied, wenn auch der Schuldner
einer andern als der christlichen Religion zugethan wäre.
§. 872. Trifft aber der Zahlungstag auf einen Sonnabend oder
jüdischen Feyertag: so muß ein Jude, wenn er auch sonst christliche Rechte erhalten
hat, schon an dem zunächst vorhergehenden Werkeltage Zahlung leisten.
c) Ort der Zahlung.
§. 873. Ist wegen des Zahlungsortes im Wechsel nichts
Besonderes bestimmt: so muß, bey gezogenen Wechseln, der Gläubiger das Geld in
der Wohnung des Acceptanten abholen.
§. 874. Bey trockenen Wechseln hingegen finden die
Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. §. 769. sqq. Anwendung.
§. 875. Zahlungen an die Bank muß der Schuldner in allen Fällen
auf das Bankokomtoir des Orts bringen.
d) Münzsorte.
§. 876. Alle Wechselzahlungen innerhalb Landes sollen nur in
Gold- oder Silbermünzen, welche durch die Landesgesetze Curs erhalten haben,
geleistet und angenommen werden.
§. 877. Lautet der Wechsel auf eine andere Münzsorte, oder
auf eine Rechnungsmünze: so wird das Verhältniß derselben gegen die zu
zahlende, nach dem Curs des Zahlungsortes am Verfalltage berechnet.
§. 878. Ist keine Münzsorte im Wechsel bestimmt; letzterer
aber in hiesigen Landen zahlbar: so wird angenommen, daß das Wechselgeschäft
auf Preussisches Silber-Courant geschlossen sey.
§. 879. Ist in einem solchen Wechsel die Zahlung in Golde,
ohne Bestimmung einer gewissen Sorte, verschrieben: so werden Preußische
Goldmünzen, die zu Fünf Thalern ausgeprägt sind, verstanden.
§. 880. Sind Dukaten ohne weitere Bestimmung verschrieben:
so werden vollwichtige Dukaten nach Preußischem oder Holländischem Münzfuße
verstanden.
§. 881. Ist der Wechsel auf eine gewisse Anzahl von Stücken
an Friedrichsd'or oder Dukaten, gestellt: so muß genau diese Zahl entrichtet
werden.
§. 882. Lautet der Wechsel nur auf eine gewisse Summe in
Friedrichsd'or oder Dukaten, ohne Bestimmung der Stücke: so wird bey der
Berechnung: wie viel Stücke zu zahlen sind, der Friedrichsd'or zu Fünf
Reichsthalern, der Dukaten aber zu Zwey Drey Viertel Reichsthalern
angeschlagen.
§. 883. Ist der Wechsel außerhalb Landes zahlbar gewesen: so
wird, bey ermangelnder Bestimmung oer Münzsorte, das gewöhnliche Silbercourant
des Zahlungsortes verstanden.
§. 884. Eben dies gilt von dem gewöhnlichen Gold-Curant des
auswärtigen Zahlungsortes, wenn der Wechsel in Golde, ohne weitere Bestimmung,
gestellt ist,
§. 885. War der Wechsel an mehrern Orten wahlsweise (alternative),
oder aller Orten, wo der Schuldner anzutreffen, zahlbar: so muß die
unbestimmt gelassene Münzsorte nach dem Orte der Ausstellung festgesetzt
werden.
e) Was gezahlt werden muß.
§. 886. Außer der im Wechsel verschriebenen, nach
vorstehenden Grundsätzen zu bestimmenden Summe, kann der Wechselinhaber in der
Regel keine Zinsen fordern.
§. 887. Sind Zinsen im Contexte des Wechsels mit
verschrieben: so müssen dieselben, so weit sie zuläßig sind, mit dem Capitale
zugleich bezahlt werden. (684. sqq.)
§. 888. Sind keine Zinsen verschrieben: so laufen, vom
Verfalltage an, nur die gesetzmäßigen Zögerungszinsen. (Th. I. Tit. XI. §. 827.
sqq.)
§. 889. Wo ein Wechselregreß statt findet, müssen vom Wechselinhaber auch die
ohne seine Schuld entstandenen Kosten erstattet werden.
f) Verfahren bey der Zahlung selbst.
§. 890. Meldet sich der Gläubiger am Zahlungstage nicht: so
kann der Schuldner, nach Anleitung des Ersten Theils, Tit. XVI. §. 214. sqq.
die Zulassung zur Deposition nachsuchen.
§. 891. Ist über das Vermögen des Wechselinhabers vor
eingetretenem Zahlungstage Concurs entstanden: so muß der Schuldner die Zahlung
in das gerichtliche Depositorium leisten.
§. 892. Die deponirte Valuta gehört alsdann der Masse des im
Concurs versunkenen Wechselinhabers, wenn nicht ausgemittelt wird, daß derselbe
bloß Bevollmächtigter gewesen sey.
§. 893. Ist der Wechselinhaber vor der Zahlung gestorben: so
muß der Schuldner von den sich meldenden Erben Legitimation fordern.
§. 894. Er ist jedoch auf Verlangen der Erben verbunden, bis
zur Beybringung der Legitimation, die schuldige Summe auf ihre Kosten
gerichtlich niederzulegen.
§. 895. Eben dazu ist er berechtigt, wenn er sich auf die
Untersuchung einer nicht sofort klaren Legitimation der Erben nicht einlassen
will.
§. 896. Ist der Wechselschuldner vor der Verfallzeit
verstorben: so kann der Inhaber dessen Erben wechselmäßig in Anspruch nehmen.
§. 897. Berufen sich die Erben auf die gesetzliche
Bedenkzeit, oder tragen gar auf Eröffnung des Liquidationsprozesses an: so kann
wider sie nicht wechselmäßig verfahren werden.
§. 898. Doch kann der Inhaber inzwischen durch Arrestschlag,
oder gerichtliche Siegelung des Nachlasses, für seine Sicherheit sorgen.
§. 899. Was er außerdem bey gezogenen Wechseln zur Erhaltung
seines Regresses zu beobachten hat, ist §. 980.1045. sqq. verordnet.
§. 900. Nach gehörig geleisteter Zahlung muß dem Schuldner
der Wechsel ausgehändigt werden.
§. 901. Auch kann er verlangen, daß über die Zahlung auf dem
zurückgegebenen Wechsel quittirt werde.
§. 902. Was zu beobachten sey, wenn der Wechsel verloren
gegangen ist, wird unten §. 1159. sqq. und 1199. sqq. vorgeschrieben.
VI. Von Verjährung der Wechselverbindlichkeit.
§. 903. Die Wechselverbindlichkeit erlöscht nach Ablauf Eines
Jahres, vom Verfalltage an gerechnet.
§. 904. Hierbey wird nur auf den Verfalltag gesehen, welcher
in dem Wechsel selbst, oder durch die neueste schriftliche Verlängerung
festgesetzt worden.
§. 905. Durch den Vermerk einer Abschlagszahlung, oder durch
außergerichtliches Einmahnen, wird die Verjährung der Wechselkraft nicht
unterbrochen.
§. 906. Ein dem Schuldner bewilligter Indult unterbricht nur
die Verjährung der Wechselverbindlichkeit solcher Personen, die nicht
kaufmännische Rechte haben. (§. 726.)
§. 907. Bey diesen nimmt eine neue einjährige
Präscriptionsfrist mit dem Tage des aufgehobenen Indults ihren Anfang.
§. 908. Durch gerichtlich angestellte Klage wird die
Wechselkraft gegen den beklagten Schuldner so lange erhalten, bis das
Instrument auch als Schuldschein verjährt ist. (Th. I. Tit. XI. §. 752. sqq.)
§. 909. Dies findet statt, sobald dem Schuldner die
gerichtliche Vorladung eingehändigt worden: wenn auch demnächst der Prozeß
nicht fortgesetzt wäre.
§. 910. Doch muß die geschehene Insinuation der
Wechselladung auf die in der Prozeßordnung vorgeschriebene Art hinlänglich
nachgewiesen seyn.
§. 911. Auch durch einen gehörig aufgenommenen Protest wird
die Verjährung der Wechselverbindlichkeit unterbrochen.
§. 912. Sind mehrere Personen als Selbstschuldner verhaftet:
so kann durch den Protest die Wechselkraft nur in Absicht derjenigen, gegen
welche selbiger aufgenommen worden, erhalten werden.
§. 913. Die Form und die übrigen Wirkungen des aufgenommenen
Protestes bey gezogenen und trocknen Wechseln sind §. 1035. sqq. und §. 1204.
sqq. bestimmt.
VII. Vom Wechselprozesse.
§. 914. Das bey Wechselklagen zu beobachtende Verfahren ist
in der Prozeßordnung vorgeschrieben.
§. 915. Gehört der Beklagte nicht zu den nach §. 718-727. an
und für sich wechselfähigen Personen: so kann die Wechselklage nicht eher
angenommen werden, als bis der Kläger nachgewiesen hat, daß dem Beklagten durch
ein Certiflcat die Wechselfähigkeit beygelegt sey.
§. 916. Der Wechselbeklagte kann, außer dem Einwande der dem
Kläger bereits geleisteten Zahlung, nur solcher Einwendungen, die aus
gegenwärtigem Wechselrechte hergekommen sind, sich bedienen.
§. 917. Dergleichen Einwendungen müssen jedoch sofort durch
Urkunden, Eideszuschiebung, oder Aussagen solcher Zeugen, die sogleich zur Stelle
gebracht sind, dargethan werden.
§. 918. Auswärtige Zeugenverhöre, wenn sie gleich im Termine
beigebracht worden, gelten nur so weit, als sie mit Zuziehung des Gegentheils,
oder eines von ihm selbst dazu bestellten Bevollmächtigten aufgenommen worden.
§. 919. Aus der bloßen Unterschrift kann, bey erbotener
eidlichen Diffession derselben, keine Vergleichung der Handschriften angestellt
werden.
§. 920. Hat der Wechselbeklagte, außer seinem Vor- und
Geschlechtsnamen, auch seinen Charakter oder Wohnort beygesetzt: so findet die
Vergleichung nur wider dessen Erben, und zwar bloß zur Unterstützung anderer
vorhandenen Beweismittel statt.
§. 921. Hat er aber mehrere Worte oder Zeilen, zur
Bekräftigung des Inhalts, oder der Unterschrift, eigenhändig beygefügt: so kann
aus diesen die Vergleichung der Handschrift mit voller gesetzmäßigen Wirkung
geschehen.
§. 922. Wie weit der Einwand der nicht erhaltnen Valuta bey
gezognen und trockenen Wechseln statt finde, ist unten näher bestimmt. (§.
1078.1242. sqq.)
§. 923. Abrechnungen und Gegenforderungen finden nur in so
weit statt; als sie aus Wechselgeschäften entspringen, und auch sonst mit den
gesetzmäßigen Erfordernissen zur Compensation versehen sind. (Th. I. Tit. XVI.
§. 302. sqq.)
§. 924. Sind jedoch Einwendungen oder Gegenforderungen,
welche an sich im Wechselprozesse zuläßig wären, aber nur nicht sofort
dargethan werden können, so beschaffen, daß sie einen Arrestschlag begründen:
so ist der Wechselbeklagte nur in das gerichtliche Depositorium zu zahlen
verbunden.
§. 925. In allen Fällen, da gerichtliche Deposition statt
findet, kann dem Kläger die Auszahlung gegen hinlängliche Caution nicht
geweigert werden.
§. 926. Ist der Kläger bloß Bevollmächtigter, oder nach §.
820. und §. 822. dafür zu achten: so muß er alle zuläßigen Einwendungen und
Gegenforderungen, welche dem Beklagten gegen den Herrn des Wechsels zustehn,
wider sich gelten lassen.
§. 927. Außer diesem Falle kann der Beklagte in der Regel
sich nur solcher Einwendungen und Gegenforderungen bedienen, welche ihm wider
den klagenden Wechselgläubiger selbst zukommen.
§. 928. Sobald der Kläger Herr des Wechsels ist, findet die
Vorschrift §. 927. statt, auch wenn der Wechsel nicht auf Ordre lautet.
§. 929. Was wegen der Klausel: auf Ordre, bey
trocknen Wechseln statt finde, wird unten verordnet. (§. 1244-1247.)
VIII. Priorität der Wechsel im
Concurse.
§. 930. Die sowohl bey gezogenen als trockenen Wechseln
entstandenen wechselmäßigen Forderungen gehören, nach ausgebrochenem Concurse
über das Vermögen des Schuldners, in die Sechste Classe.
IX. Retorsion in Wechselsachen.
§. 931. Fremde Reisende sind in Ansehung der Fähigkeit,
Wechselverbindlichkeiten zu übernehmen, den Einschränkungen des hiesigen
Wechselrechts nicht unterworfen.
§. 932. Uebrigens aber werden die von ihnen in hiesigen
Landen vorgenommenen Wechselgeschäfte, nach der Vorschrift der Einleitung §.
34. 35. beurtheilt.
§. 933. Auswärtige Gläubiger sollen in Wechselsachen eben
die Rechte genießen, welche in gegenwärtiger Ordnung für die Landeseinwohner
festgesetzt sind.
§. 934. Hiervon sind allein die Fälle ausgenommen, da nach
rechtlichen Grundsätzen eine Retorsion statt findet. Einleit. §. 43.
§. 9135. Doch sollen die Gerichte, wenn der Fall zur
Ausübung des Retorsionsrechts nicht ganz klar ist, zuvörderst bey dem
Justizdepartement darüber anfragen.
X. Van auswärtig vorgenommenen Wechselgeschäften.
§. 936. Außerhalb Landes vorgenommene Wechselgeschäfte, sind
nach den Gesetzen des Orts, wo sie verhandelt worden, zu beurtheilen.
§. 937. Besonders müssen die Erfordernisse emes gültigen
Wechsels, oder Indossaments, nach den Gesetzen des Orts der Ausstellung
bestimmt werden.
§. 938. Hat aber ein Landeseinwohner mit einem andern
Landeseinwohner, welcher nicht wechselfähig ist, außerhalb Landes ein Wechselgeschäft
geschlossen: so ist selbiges nur eben so zu beurtheilen, als wenn es innerhalb
Landes geschlossen wäre.
B) Von gezogenen Wechseln.
1) Ihre Erfordernisse.
a) Name des Bezogenen.
§. 939. Zu gezogenen Wechseln ist der Gebrauch des
Stempelpapiers nicht erforderlich.
§. 940. Außer den allgemeinen Erfordernissen eines Wechsels
(§. 748. sqq.) muß der Name des Bezogenen, welcher die Zahlung leisten soll, im
Contexte des Wechsels, oder unter demselben deutlich ausgedrückt seyn.
§. 941. Dessen Vornamen oder Charakter beyzufügen, ist nicht
nothwendig; wohl aber zur Vermeidung besorglicher Irrungen rathsam.
b) Ort der Zahlung.
§. 942. Soll die Zahlung an einem andern Orte, als wo der
Bezogene wohnt, geschehen: so muß auch der Ort der Zahlung im Wechsel
ausgedrückt seyn.
§. 943. Ermangelt eines
der vorgeschriebenen Erfordernisse: so kann ein dergleichen gezogener Wechsel
allenfalls nur als Assignation gelten. (Abschn. IX.)
II. Von mehrern Exemplaren eines gezogenen Wechsels.
§. 944. Werden mehrere Exemplare als Prima, Secunda u. s. w.
Wechsel ausgefertigt: so muß in jedem Exemplare ausgedrückt werden, ob solches
Prima, Secunda u. s. w. sey.
§. 945. Ist dieserhalb im Wechsel nichts bemerkt: so wird
angenommen, daß selbiger nur ein Solawechsel sey.
§. 946. Hat der Trassant ohne diese Bemerkung mehrere
Exemplare ausgestellt: so haftet er für jedes Exemplar, gleich einem
Sola-Wechsel, mit Vorbehalt des Rechts an den Remittenten, und die übrigen
Theilnehmer eines vorgefallenen Betruges.
III. Pflichten des Trassanten und Remittenten bey Schließung
des Geschäfts.
§. 947. Die Verabredung wegen eines gezogenen Wechsels, kann
zwischen dem Trassanten und dem Remittenten unmittelbar, oder durch einen
Mäkler geschlossen werden.
§. 948. Ist das Geschäft durch einen Mäkler geschlossen
worden: so beweiset das von diesem aus seinem Journal gegebene Attest die
Bedingungen des getroffenen Handels.
§. 949. Haben der Trassant und Remittent den Handel
unmittelbar geschlossen: so vertreten, bey Personen, welche kaufmännische
Rechte haben, die Handlungsbücher die Stelle des schriftlichen Contrakts.
§. 950. Bey Personen, welche nicht kaufmännische Rechte
haben, finden die allgemeinen Vorschriften von schriftlichen Verträgen
Anwendung. (Th. I. Tit. V. §. 155. sqq.)
§. 951. Der Trassant muß, nach dem Verlangen des
Remittenten, entweder einen Sola-Wechsel ausstellen, oder denselben in mehrern
Exemplaren, als Prima, Secunda u. s. w. Wechsel ausfertigen.
§. 952. Soll das Eine
Exemplar zur Präsentation versendet; das andere aber indossirt werden: so ist
auf letzterem zu bemerken, in wessen Händen sich das zur Präsentation
versendete Exemplar befindet.
§. 953. Der Trassant muß dem Bezogenen bey Zeiten Nachricht
geben, damit die Annahme des Wechsels nicht verweigert werde.
§. 954. Den Avis-Brief kann der Trassant unmittelbar
absenden, oder ihn dem Remittenten, auf dessen Verlangen, zur Bestellung
einhändigen.
§. 955. Im letztern Falle haftet er jedoch gegen den dritten
Inhaber für Schäden und Kosten, wenn der Avisbrief dem Bezogenen nicht gehörig
zugestellet wird, und kann sich bloß an den Remittenten halten.
§. 956. Verzögert der Trassant, nach Empfang der Valuta, die
Aushändigung des Wechsels länger, als Vier und zwanzig Stunden über die
bedungene Zeit: so kann ihn der Remittent dazu im executiven Prozesse anhalten.
§. 957. Wie und zu welcher Zeit die Valuta vom Remittenten
berichtigt werden solle, hängt von dem Uebereinkommen der Interessenten ab.
§. 958. Der Remittent ist dem Trassanten, für die
verabredete Berichtigung der Valuta, des erhaltenen Wechsels, bis zu Ablauf
Eines Jahres, vom Tage des geschlossenen Handels an gerechnet, im executiven
Prozesse verhaftet.
§. 959. Entsteht binnen dieser Jahresfrist Concurs über das
Vermögen des Remittenten: so hat der Trassant, wegen der rückständigen Valuta,
das Vorzugsrecht der privilegirten Schuldinstrumente.
§. 960. Hat er aber die bestimmte Einjährige Frist ablaufen
lassen, ohne die Klage gehörig anzustellen: so hört sowohl der schnellere
Prozeß, als das Vorzugsrecht im Concurse auf; und es ist bloß die Klage im
ordentlichen Prozesse zuläßig.
§. 961. Hat der Trassant den Wechsel für fremde Rechnung
gezogen, und denselben, ohne ausdrückliche Ordre, vor Berichtigung der Valuta
ausgehändigt: so muß er demjenigen, für dessen Rechnung er trassirt hat, wegen
alles daraus entstehenden Nachtheils gerecht werden.
§. 962. Die Acceptation eines Einmal ausgehändigten Wechsels
kann der Aussteller den Bezogenen, wegen nicht erhaltener Valuta, nicht
untersagen; selbst wenn der Wechsel auf Ordre lautet.
VI. Von Präsentation des Wechsels.
§. 963. Der Inhaber des Wechsels ist schuldig, dafür zu
sorgen, daß der Wechsel dem Bezognen zur gehörigen Zeit zur Annahme vorgezeigt
werde.
§. 964. Bey Meßwechseln bestimmen die Handlungsgesetze und
Gewohnheiten jedes Orts, an welchem Tage die Präsentation geschehen müsse.
§. 965. Zu Königsberg in Preußen muß die Präsentation am
ersten oder andern Tage des eingetretnen Marktes geschehen.
§. 966. Zu Frankfurth an der Oder, und Magdeburg, müssen
Meßwechsel am dritten oder vierten Tage der Zahlwoche präsentirt werden.
§. 967. Zu Breslau kann die Präsentation vom Montage der
ersten Meßwoche, bis zum Freytage in eben derselben Vormittags um zehn Uhr,
erfolgen.
§. 968. Wechsel, auf Elbinger Märkten zahlbar, sind am
Ersten, zweyten, oder Dritten Tage zu präsentiren.
§. 969. Bey Dato- und solchen Usowechseln, deren Verfallzeit
vom Tage der Ausstellung an gerechnet wird, muß die Präsentation spätestens an
dem Tage geschehen, da der Wechsel zahlbar ist.
§. 970. Bey Sicht- und solchen Usowechseln, deren
Verfallzeit vom Tage der Präsentation berechnet wird, kann der Aussteller die
Zeit, innerhalb welcher sie zur Präsentation gebracht werden sollen, in dem
Wechsel selbst bestimmen.
§. 971. Ist dieses nicht geschehen: so muß der Inhaber die
Präsentation binnen Achtzehen Monathen nach dem Tage der Ausstellung, bey
Verlust seines Rechts, besorgen.
§. 972. An den hiernach zu bestimmenden Tagen, kann die
Präsentation von acht bis zwölf Uhr Vormittags, und von zwey bis sieben Uhr
Nachmittags geschehen.
§. 973. Sind diese Präsentations-Fristen, §. 965. sqq. von
dem Inhaber verabsäumt: so kann er, bey verweigerter Annahme oder Zahlung,
weder an den Aussteller, noch an die Indossanten wechselmäßig zurückgehen.
§. 974. Doch bleiben ihm, wegen der gezahlten Valuta, seine
Rechte gegen den Aussteller und die Indossanten, in so fern sich der Eine oder
Andere sonst mit seinem Schaden bereichern würde, im ordentlichen Prozesse
vorbehalten.
b) Wer präsentiren könne.
§. 975. Zur Präsentation ist ein jeder für bevollmächtigt zu
achten, der sich im Besitze des Originalwechsels befindet.
c) Wem die Präsentation geschehen müsse.
§. 976. Der Wechsel muß dem Bezognen selbst, oder demjenigen
vorgelegt werden, der von ihm mit Procura versehen ist.
§. 977. Hat sich der Bezogne von seinem Wohnorte entfernt,
und keine Procura zurück gelassen; oder ist er in den gesetzlichen
Präsentationsstunden an dem Orte, wo er sonst seine Geschäfte treibt, nicht
anzutreffen: so ist der Inhaber zur Aufnahme des Protestes berechtigt.
§. 978. Ein Gleiches findet bey Meßwechseln statt, wenn der
Bezogene die Messe weder selbst, noch durch Procura besucht; oder sich vor
Ablauf der bestimmten Präsentationsfristen wieder entfernt hat.
§. 979. Ist der Bezogene verstorben, so muß sich der Inhaber
des Wechsels damit in seinem Comtoir, oder im Sterbehause melden.
§. 980. Findet sich daselbst niemand, der zur Acceptation
befugt und bereit ist: so muß mit Aufnehmung des Protestes verfahren werden.
§. 981. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Erben von der
gesetzlichen Bedenkzeit zur Erbeserklärung Gebrauch machen wollen.
§. 982. Wird über das Vermögen des Bezogenen vor der
Präsentation Concurs eröfnet: so muß sofort, nach erhaltener Wissenschaft
davon, der Protest aufgenommen werden.
V. Von der Acceptation.
§. 983. Durch die Annahme des präsentirten Wechsels
verpflichtet sich der Bezogne wechselmäßig, die beschriebene Summe zur
bestimmten Zeit zu berichtigen.
§. 984. Das außer dem Wechsel geschehene Versprechen, für
Rechnung eines Dritten eine bestimmte Summe zu acceptiren, ist bloß nach den
Vorschriften von Bürgschaften zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XIV. §. 257. sqq.)
a) Wann solche verlangt werden könne.
§. 985. An Sonnhohen Fest- und Bußtagen, ingleichen am
Neujahrs- und Charfreytage, kann die Annahme eines präsentirten Wechsels nicht
verlangt werden.
§. 986. Der Präsentant muß vielmehr den nächstfolgenden
Werkeltag abwarten.
§. 987. Auch wenn der Bezogne ein Jude, und der Präsentant
ein Christ ist, kann letzterer den Wechsel an einem Sonnhohen Fest- oder
Bußtage zu präsentiren, nicht verpflichtet werden.
§. 988. Er kann vielmehr, ohne Nachtheil seines Rechts, den
nächstfolgenden Werkeltag abwarten.
§. 989. Dagegen kann auch von einem Juden, während eines
Sabbaths, oder solchen jüdischen Festes, an welchem er keine Handlungsgeschäfte
treiben darf, die Acceptation eines auf ihn gezogenen Wechsels nicht verlangt
werden.
§. 990. Jedoch ist er an dem nächst vorhergehenden
Werkeltage sich darüber, auf Verlangen des Präsentanten, zu erklären schuldig.
b) Wie die Acceptation geschehen müsse.
§. 991. Die Annahme muß von dem Bezognen selbst, oder von
demjenigen, welcher dazu mit gehöriger Procura versehen ist, eigenhändig auf
dem Wechsel verzeichnet werden.
§. 992. Bloß mündlich geschehene Acceptationen sollen in
Königlichen Landen kein Wechselverfahren begründen.
§. 993. Behält aber der Bezogne den ihm selbst vorgezeigten
und eingehändigten Wechsel, ohne Erinnerung, über Nacht bey sich: so wird
dieses für eine stillschweigende Acceptation geachtet.
§. 994. Die Vermerkung der Annahme ist an keine Form
gebunden.
§. 995. Der Bezogne ist nicht berechtigt, das Gegentheil,
nämlich, daß er nicht acceptiren wolle, auf den Wechsel zu verzeichnen.
§. 996. Thut er es dennoch: so ist er dem Präsentanten, und
allen übrigen Interessenten, wegen des daraus entstehenden Nachtheils
verhaftet.
§. 997. Die einmal geschehene Acceptation kann der Bezogne
nicht wieder zurück nehmen, noch auf dem Wechsel ausstreichen.
§. 998. Auch wenn er das letztere gethan hat, bleibt er
dennoch aus der Acceptation verhaftet.
§. 999. Soll nach dem Inhalte des Wechsels die Zahlung nicht
an dem Wohnorte des Bezognen erfolgen (§. 942.): so muß derselbe bey der
Annahme vermerken, wo sich der Inhaber seiner Befriedigung wegen zu melden
habe.
§. 1000. Ist dieses unterblieben: so haftet der Acceptant
für den daraus entstehenden Schaden, und kann an seinem Wohnorte zur
wechselmäßigen Zahlung angehalten werden.
§. 1001. Nur bey Sicht- oder solchen Usobriefen, deren
Zahlungszeit von der Präsentation läuft, ist der Bezogne zur Bemerkung des
Tages der Annahme verbunden.
§. 1002. Auch muß das Datum der Präsentation beygefügt
werden, wenn die Zeit der Präsentation und der Annahme verschieden sind. (§.
985. 990.)
§. 1003. Doch wird auch in diesen Fällen die Annahme selbst
durch den Mangel des Datum nicht entkräftet.
§. 1004. Nur muß der Inhaber, wenn über den eigentlichen
Verfalltag Streit entsteht, die Zeit der Präsentation auf andere Art
nachweisen.
§. 1005. Ergiebt der Inhalt des Wechsels, daß davon mehrere
Exemplare ausgestellt worden: so ist der Bezogne nur das erste Exemplar,
welches ihm präsentirt wird, zu acceptiren schuldig,
VI. Vom Protest, wegen verweigerter Annahme.
§. 1006. Weigert der Bezogne die Annahme des Wechsels: so
muß sofort mit Aufnehmung des Protestes verfahren werden.
§. 1007. Die Aufnahme des Protestes muß der Regel nach am
Tage der Präsentation noch vor Sonnenuntergang geschehen.
§. 1008. Doch kann der Präsentant, bey Meßwechseln mit dem
Proteste so lange Anstand nehmen, bis die an jedem Orte bestimmten
Präsentationsfristen zu Ende gehen.
§. 1009. Auch bey Dato- Sicht- und Uso-Wechseln kann die
Aufnahme des Protestes so lange verschoben werden, daß selbiger noch mit
nächster Post abgehen könne.
§. 1010. Ist jedoch in diesem Falle der Eigenthümer,
Aussteller, oder Girant, am Orte wohnhaft: so kann der Präsentant ohne dessen
Einwilligung die Aufnahme des Protestes nicht verschieben.
§. 1011. Will der Bezogne den Wechsel nur auf einen Theil
der darin verschriebenen Summe annehmen: so ist der Präsentant nicht schuldig,
sich dieses gefallen zu lassen; sondern er kann, wegen der ganzen im Wechsel
verschriebenen Summe, mit Einlegung des Protestes verfahren.
§. 1012. Will er aber die Acceptation auf einen Theil
geschehen lassen: so muß er dennoch den Protest wegen des Ueberrests besorgen.
§. 1013. Es macht keinen Unterschied: ob der Präsentant
Eigenthümer des Wechsels, oder nur Bevollmächtigter ist, wenn er in dem letzten
Falle keine ausdrückliche Ordre hat, sich die Annahme auch nur auf einen Theil
der verschriebenen Summe gefallen zu lassen.
§. 1014. Läßt der Präsentant die Annahme mit einem
Vorbehalte, unter einer Bedingung, oder auf einen spätem Zahlungstermin
geschehen: so verliert er das Wechselrecht gegen seine Vormänner.
§. 1015. Doch kann er sich, wenn der Acceptant nicht Zahlung
leistet, an diejenigen unter diesen Vormännern, welche sich sonst mit seinem
Schaden bereichern würden, im Wege des ordentlichen Prozesses halten.
§. 1016. War der Präsentant bloß Bevollmächtigter: so bleibt
er dem Eigenthümer des Wechsels, wegen alles aus dieser seiner Einwilligung (§.
1014.) entstandenen Schadens verhaftet.
§. 1017. Wird also von dem Bezogenen der Annahme ein
Vorbehalt oder eine Bedingung beygefügt; oder geschieht die Annahme auf eine
spätere Zahlungszeit: so muß der Präsentant ebenfalls, zur Wahrnehmung seines
Rechts, mit Einlegung des Protestes gehörig verfahren.
§. 1018. Ist auf dem Wechsel jemand benannt, bey welchem
sich der Inhaber, im Falle verweigerter Annahme, melden solle: so ist letzterer
schuldig, sobald der Protest gegen den Bezogenen aufgenommen worden, sich an
die Addresse zu wenden.
§. 1019. Wird auch von der Addresse die Annahme verweigert:
so muß der Inhaber deshalb von neuem Protest aufnehmen lassen.
VII. Von der Acceptation per honor.
§. 1020. Meldet sich jemand, der auf dem Wechsel nicht
benannt ist, zur Acceptation: so ist der Inhaber deselbe nur gegen baare
Zahlung zu gestatten verbunden.
§. 1021. Will aber der Bezogene selbst den Wechsel zur Ehre
des Ausstellers, oder Eines der Indossanten acceptiren: so muß der Inhaber sich
dieses gefallen lassen.
§. 1022. Wer einen Wechsel per honor acceptiren will,
muß zuvörderst den Protest aufnehmen, und sich denselben von dem Inhaber, gegen
Erstattung der Kosten, einhändigen lassen.
§. 1023. DieAcceptation per honor muß nothwendig
schriftlich und ausdrücklich geschehen; und kann weder zurückgenommen, noch
ausgestrichen werden.
§. 1024. Die der Acceptation hinzugefügten Buchstaben S.
P. (sopra protesto) sind dazu nicht hinreichend; und es macht keine
Ausnahme, wenn gleich der Eine oder Andere von den Indossanten sein Giro dem
Acceptanten rekommandirt haben sollte.
§. 1025. Ein besondrer Auftrag ist dazu nicht nöthig.
§. 1026. Der Acceptant per honor tritt in alle
Verbindlichkeiten, welche der Bezogene durch die gewöhnliche Annahme eingehen
würde.
§. 1027. Dagegen tritt er auch, nach geleisteter Zahlung, in
die Rechte des Inhabers gegen denjenigen der Wechselverpflichteten, zu dessen
Ehren er den Wechsel angenommen hat.
§. 1028. Ist bey der Annahme nicht ausdrücklich bemerkt, zu
wessen Ehren dieselbe geschehen sey: so wird angenommen, daß sie nur zu Ehren
des Ausstellers erfolge; und der Acceptant kann also auch nur an diesen sich
halten.
§. 1029. Eben das, was dem Inhaber wegen Remission des
Protestes vorgeschrieben ist, muß auch der Acceptant per honor beobachten.
§. 1030. Ist etwas davon verabsäumt: so erhält der Acceptant
per honor nur die Rechte, welche dem Bezogenen, wenn er Zahlung
geleistet hätte, gegen den Aussteller zugekommen seyn würden.
§. 1031. Hat der Bezogene selbst per honor acceptirt:
so erhält er mit einem solchen fremden Acceptanten völlig gleiche Rechte.
§. 1032. Er wird dadurch von der Verbindlichkeit frey, sich
die im Avis-Briefe von dem Aussteller, wegen der Deckung, oder sonst,
getroffenen Verfügungen gefallen zu lassen.
§. 1033. Hat derjenige, an welchen der Wechselinhaber von
dem Aussteller bey Ermangelung des Bezogenen addressirt worden (§. 1018.), den
Wechsel acceptirt: so stehen ihm mit einem Acceptanten per honor gleiche
Rechte zu.
§. 1034. Unter mehrern Addressen hat derjenige den Vorzug,
welcher zu Ehren des Trassanten, oder eines frühern Indossanten, acceptiren
will.
VIII. Form der Proteste.
§. 1035. Die Proteste sollen in Königlichen Landen, entweder
von einer Gerichtsperson, oder von einem Justizcommissario oder Notario
aufgenommen werden.
§. 1036. Eine Gerichtsperson bedarf dazu so wenig eines
besondern Protokollführers, als ein Notarius, der bey andern
Notariatshandlungen erforderlichen Zeugen.
§. 1037. Derjenige, welcher den Protest aufnimmt, muß sich
von den bey der Sache vorkommenden Hauptumständen, besonders denjenigen, welche
die Person des Bezogenen betreffen, die erforderliche Gewißheit verschaffen;
über den ganzen Vorgang ein ordentliches Protokoll aufnehmen; und nach dessen
Inhalte hiernächst den Protest ausfertigen.
§. 1038. Daß dergleichen besonderes Protokoll nicht
aufgenommen worden, benimmt zwar dem Proteste nichts an seiner Gültigkeit.
§. 1039. Die Gerichtsperson aber, der Justizcommissarius,
oder der Notarius, welche ein solches Versehen begangen haben, haften den
Interessenten für allen daraus etwa entstandenen Nachtheil; und sollen überdies
um den vierfachen Betrag der erhaltenen Protestgebühren fiskalisch bestraft
werden.
§. 1040. Wer schon einmal wegen einer dergleichen
Vernachläßigung bestraft worden, ist im Wiederholungsfälle für unfähig zur Aufnehmung
eines Wechselprotestes zu erklären, und dieses der Kaufmannschaft des Orts
bekannt zu machen.
§. 1041. Außer den allgemeinen Erfordernissen eines
Protokolls, oder Notariatsinstruments, muß ein Wechselprotest enthalten:
1) eine genaue Abschrift des Wechsels;
2) die vollständige Bemerkung der Umstände,
weshalb die Annahme oder Zahlung nicht erfolgt ist.
§. 1042. Ist der Bezogene anwesend: so muß die Anfrage an
denselben: ob, und in welcher Art er den Wechsel acceptiren oder zahlen wolle?
mit der bestimmten wörtlich niederzuschreibenden Antwort darauf, dem Proteste
eingerückt werden.
§. 1043. Hat der Bezogene sich von seinem Wohnorte entfernt;
oder ist er an dem Orte, wo er in den gesetzlichen Präsentationsstunden sonst
seine Geschäfte treibt, nicht anzutreffen: so wird, nach vorher gehaltener
Nachfrage, in dem Protokolle bemerkt: daß in dem Comtoir, Laden, Gewölbe, und
Behausung des Schuldners Erkundigung eingezogen, und niemand angetroffen
worden, welcher acceptiren können und wollen.
§. 1044. Ein Gleiches findet bey Meßwechseln statt, wenn der
Aussteller nicht zur Messe gekommen, oder vor der Präsentations- oder
Verfallzeit wieder abgereiset ist.
§. 1045. Ferner alsdann, wenn der Protest, wegen erfolgten
Absterbens des Bezogenen, oder wegen des über sein Vermögen eröffneten
Concurses, nach §. 979-983. aufgenommen werden muß.
IX. Verfahren nach aufgenommenem Proteste.
§. 1046. Ist der Präsentant nur Bevollmächtigter: so muß er
den aufgenommenen Protest unfehlbar mit nächster Post an seinen Machtgeber
überschicken; widrigenfalls er demselben für allen daraus entstehenden Schaden
haftet.
§. 1047. Ist er aber Eigenthümer des Wechsels: so muß er
denjenigen von den Vormännern, an welchen er sich wechselmäßig halten will, mit
nächster Post von dem aufgenommenen Proteste benachrichtigen.
§. 1048. Es hängt von ihm ab, dieser Nachricht den
Originalprotest beyzufügen; oder letzteren einem Bevollmächtigten, zur
Vorzeigung an den Vormann, gegen welchen der Regreß gerichtet wird, zu
übersenden.
§. 1049. Hat er letzteres gethan: so haftet er für das von
dem Bevollmächtigten bey der Vorlegung etwa begangene Versehen eben so, als ob
er den Protest selbst nicht remittirt, und den Vormann nicht benachrichtigt
hätte.
§. 1050. Die Zurücksendung des Wechsels selbst kann der
Präsentant noch einen Posttag verschieben, und abwarten, ob der Bezogene sich
bis dahin zur Annahme noch entschließen werde.
§. 1051. Auch kann diese Rücksendung, bey Dato- und
Usowechseln, bis zum letzten Respittage ausgesetzt werden, wenn keine Gegenordre
vorhanden ist.
§. 1052. Will der Bezogene nach aufgenommenem Proteste den
Wechsel noch acceptiren: so muß es der Präsentant gegen Erstattung der Kosten
geschehen lassen.
§. 1053. Auch alsdann, wenn der Bezogene die Erstattung der
Protestkosten verweigert, muß der Präsentant die Acceptation zulassen; jedoch,
zur Erhaltung seines Rechts wegen der Kosten, einen besondern Protest aufnehmen
lassen.
§. 1054. Sind die gesetzlichen Vorschriften bey Aufnahme und
Versendung des Protestes wegen nicht geschehener Annahme verabsäumt: so
verliert der Eigenthümer des Wechsels den Wechselregreß an die Vormänner, und
kann nur seinen etwanigen Anspruch an einen oder den andern unter ihnen, nach
§. 974. im ordentlichen Prozesse ausführen.
§. 1055. Es entschuldigt den Präsentanten nicht, wenn gleich
der Posttag zur Versendung des Protestes auf einen Sonn-, Fest- oder Bußtag,
oder bey Juden auf einen Sonnabend, oder andern jüdischen Feyertag fällt,
sobald es ihm nur möglich gewesen ist, zur Beförderung des Briefes auf die Post
noch vorher die nöthigen Anstalten zu treffen.
X. Rechte des Eigenthümers eines nicht acceptirten Wechsels.
§. 1056. Sind aber die gesetzlichen Vorschriften bey
Aufnahme und Versendung des Protestes beobachtet worden: so ist der Eigenthümer
eines wegen nicht geschehener Annahme protestirten Wechsels, außer der darin
verschriebenen Summe, ingleichen außer den durch den Protest verursachten
Kosten, auch für Provision, Courtage, und Briefporto, ein halb Prozent zu
fordern berechtigt.
§. 1057. Die verschriebene Summe muß nach dem Curse am
Zahlungstage des protestirten Wechsels berechnet werden.
§. 1058. Von dieser Zeit an laufen auch die Zinsen, und die
Respittage kommen dabey nicht in Betrachtung.
§. 1059. Ist der Wechsel mehrmals indossirt: so hat der letzte
Inhaber die Wahl: ob er sofort auf den Aussteller, oder an welchen der
Indossanten, er zurückgehen will.
§. 1060. Hat er gewählt; aber binnen Vier und zwanzig
Stunden keine vollständige Befriedigung erhalten, so muß er gegen einen solchen
Vormann auf eben die Art, als gegen den Bezogenen, sofort Protest
einlegen.
§. 1061. Alsdann kann er binnen der §. 1047. sqq. bestimmten
Frist wiederum von einem andern Indossanten, oder von dem Aussteller, nach
eignem Gutfinden, Zahlung fordern, und so weiter bis zu seiner gänzlichen
Befriedigung fortfahren, ohne sich an die Ordnung, wie seine Vormänner auf
einander folgen, zu binden.
§. 1062. Dadurch erlangt er die Befugniß, jeden der
Vormänner binnen Jahresfrist, von Zeit des wider denselben aufgenommenen
Protestes, wegen desjenigen, was an seiner völligen Befriedigung fehlt,
wechselmäßig in Anspruch zu nehmen.
§. 1063. Hat er jedoch bey Aufnahme oder Versendung des
Protestes etwas versäumt: so geht das Wechselrecht gegen denjenigen
Indossanten, bey welchem das Versehen vorgefallen ist, so wie gegen alle
übrigen, gegen welche die gesetzlichen Vorschriften nicht beobachtet worden,
verloren; und es findet nur der Anspruch im ordentlichen Prozesse nach §. 974.
statt.
§. 1064. Gegen diejenigen Indossanten aber, gegen welche er
die gesetzlichen Vorschriften wegen Aufnahme und Remission des Protestes
befolgt, und dieselben dadurch in den Stand gesetzt hat, weiter auf ihre
Vormänner zurück zu gehen, bleibt ihm sein Wechselrecht nach §. 1062.
vorbehalten. (§. 1067.)
§. 1065. Läßt der Inhaber einen der Indossanten sein Giro
ausstreichen: so verliert er sein Recht gegen alle Hintermänner desselben; im
Uebrigen aber behält der Wechsel, und der Protest, gegen alle Vormänner des
Ausgestrichenen seine Kraft.
§. 1066. Hat der Wechselinhaber von dem Bezogenen, oder von
dem zuerst in Anspruch genommenen Indossanten, Abschlagszahlung erhalten: so
kann er dennoch den Ueberrest von einem der Giranten, oder von dem Aussteller
fordern, wenn mit Aufnahme und Versendung des Protestes gehörig verfahren
worden.
§. 1067. Will der in Anspruch genommene Indossant sich
wieder an Einen seiner Vormänner halten: so muß er den von dem Wechselinhaber
erhaltenen Protest, binnen der §. 1047. sqq. bestimmten Frist nach dessen
Empfang, gehörig versenden.
§. 1068. Ein solcher Indossant hat, gleich dem auf ihn
zurückgehenden Präsentanten, die Wahl, an welchen seiner Vormänner er sich
halten wolle.
§. 1069. Hingegen kann er die von dem vorigen Inhaber einmal
Uebergangenen, die seine Hintermänner sind, nicht in Anspruch nehmen.
§. 1070. Hat ein Indossant nur Abschlagszahlung geleistet:
so kann er dieselben auf dem Originalwechsel verzeichnen, und eine beglaubte
Abschrift des Wechsels anfertigen lassen.
§. 1071. Alsdann hat er gegen seine Vormänner, und gegen den
Wechselschuldner, wegen der bezahlten Summe, die Rechte des Inhabers einer
kaufmännischen Assignation. (Abschn. IX.)
§. 1072. Die Wechselklage kann in den Fällen des §.
1056-1068. sogleich angestellt werden, wenn derjenige, an welchen der Inhaber
seinen Regreß zu nehmen hat, nicht binnen Vier und zwanzig Stunden nach
Vorzeigung des Protestes und Wechsels Zahlung leistet.
§. 1073. Der Präsentant ist weder schuldig, die Zahlungszeit
abzuwarten, noch alsdann, wegen Nichtbezahlung, gegen den Bezogenen von neuen
protestiren zu lassen.
§. 1074. Nur alsdann, wenn aus dem Proteste erhellet, daß
die Acceptation wegen Mangels des Advis, oder wegen fehlender Remesse
verweigert worden, und der Wechsel noch nicht verfallen ist, muß zuvörderst der
Zahlungstag abgewartet, und der nochmalige Protest wegen Nichtbezahlung,
gehörig aufgenommen, und versendet werden.
§. 1075 Doch kann der Wechselinhaber immittelst auf blosse
Vorzeigung des Protestes, die Bestellung hinlänglicher Sicherheit bis zum
Zahlungstage fordern.
§. 1076. Der Wechselregreß findet auch wider den Aussteller
einer für Rechnung eines Dritten gezogenen Tratte statt.
§. 1077. Es kann also auch ein solcher Aussteller den
Inhaber an denjenigen, für dessen Rechnung gezogen worden, nicht verweisen;
sondern es ist lediglich seine Sache, sich mit letztern aus einander zusetzen.
§. 1078. Des Einwandes der nicht erhaltenen Valuta kann
derjenige, gegen welchen der Wechselregreß gerichtet wird, sich im
Wechselprozesse nicht bedienen.
§. 1079. Läßt der Wechselinhaber Ein Jahr, Vom Zahlungstage
des Wechsels an gerechnet, verstreichen, ohne die Klage anzumelden: so verliert
er sein Wechselrecht.
§. 1080. Es bleibt ihm alsdann nur wegen der gezahlten
Valuta, der Zinsen, Schäden und Kosten, die Ausführung seiner Rechte im
ordentlichen Prozesse nach §. 974. vorbehalten.
§. 1081. Ueber die nach §. 1056. sqq. zu bestimmende
Schadloshaltung, kann der jedesmalige Inhaber, statt der Klage, einen
Rückwechsel auf denjenigen von den Vormännern ziehn, an welchen er seinen
Regreß zu nehmen hat.
§. 1082. Ein solcher Rückwechsel muß unmittelbar (à
drittura) gestellt werden, wenn zwischen beyden Plätzen
Wechselverkehr ist.
§. 1083. Findet aber von dem Wohnorte des Inhabers, nach dem
des Vormannes, gegen welchen der wechselmäßige Regreß gerichtet wird, kein
Wechselverkehr statt: so muß der Rückwechsel auf denjenigen Platz gezogen
werden, über welchen beyde Oerter gewöhnlich ihre Wechselgeschäfte machen.
XL Rechte und Pflichten des Inhabers nach der Acceptation.
§. 1084. Ist der Wechsel acceptirt worden: so muß der
Inhaber die Verfallzeit abwarten.
§. 1085. Jedoch kann er, wenn in der Zwischenzeit solche
Umstände eintreten, welche nach gesetzlichen Vorschriften den Arrestschläg
begründen, von dem Acceptanten Sicherheitsbestellung fordern.
§. 1086. Er wird aber, im Falle der Unterlassung, den
Vormännern nur alsdann verantwortlich, wenn er dabey ein grobes Versehen
begangen hat.
§. 1087. Kann oder will der Acceptant die
Sicherheitsbestellung nicht leisten: so ist der Inhaber Arrest auszubringen
berechtigt.
§. 1088. Hat er Realarrest ausgebracht, und will nach
eingetretener Verfallzeit die Wechselexecution suchen: so muß er dem
Realarreste wieder entsagen.
§. 1089. Wird vor der Verfallzeit über des Acceptanten
Vermögen Concurs eröffnet: so muß der Inhaber sofort nach erhaltener
Wissenschaft davon, mit der Aufnahme und Versendung des Protestes verfahren.
XII. Verfallzeit.
§. 1090. Wegen Berechnung des Verfalltages treten die
Vorschriften des §. 847. sqq. überall ein.
§. 1091. Bey Sicht, und solchen Usowechseln, deren
Verfallzeit vom Tage der Präsentation läuft, muß die Verfallzeit nach dem Dato
der Präsentation berechnet werden; wenn gleich die Acceptation, wegen eines
dazwischen gekommenen Festtages, erst am folgenden Werkeltage geschehen wäre
(§. 985. sqq.)
§. 1092. Bey Meß- und Marktwechseln finden keine Respit-
oder Discretionstage statt.
§. 1093. Auch bey Sicht- und solchen Briefen, die auf halb
Uso oder weniger gestellt sind, kann der Acceptant dergleichen nicht verlangen.
§. 1094. Bey andern gezogenen Wechseln, kommen in
Königlichen Landen dem Acceptanten, nach dem Verfalltage, noch Drey Respittage
zu statten, an deren Drittem er erst zur Zahlung angehalten werden kann.
§. 1095. Ist der Dritte Respittag ein Sonn-, Fest- oder
Bußtag: so muß die Zahlung am Zweyten Respittage erfolgen.
§. 1096. Ein gleiches gilt, wenn der Wechselacceptant ein
Jude ist, und der Dritte Respittag auf einen Sonnabend oder jüdischen Feyertag
fällt.
§. 1097. Sind alle Drey Respittage Sonn- und Feyertage: so
muß die Zahlung am Verfalltage selbst geleistet werden.
§. 1098. Ist gleich der acceptirte Wechsel erst nach dem
Verfalltage zur Zahlung präsentirt worden, so werden dennoch die Respittage von
der Verfallzeit an gerechnet.
§. 1099. Sind daher, von diesem Zeitpunkte an gerechnet,
schon Drey Tage verstrichen, so finden weiter keine Respittage statt.
§. 1100. An dem hiernach zu bestimmenden Zahlungstage, kann
von Zwölf Uhr Mittags, bis Sieben Uhr Abends, Zahlung gefordert werden.
§. 1101. Wegen der Zahlung treten die Vorschriften des §.
873. sqq. überall ein.
§. 1102. Ergiebt der Wechsel, daß davon mehrere Exemplare
ausgefertigt worden, so müssen wenigstens diejenigen, worauf die Acceptation,
und die ganze Folge der Indossamente befindlich ist, bey der Zahlung
ausgeliefert werden.
§. 1103. Kann dies nicht geschehen, so ist der Acceptant nur
zur gerichtlichen Deposition verbunden.
XIII. Folgen der Zahlung.
§. 1104. Durch die Zahlung des Wechsels erlangt der
Bezogene, außer dem Falle einer von ihm geschehenen Acceptation per honor (§.
1021. 1028.) gegen den Aussteller kein Wechselrecht.
§. 1105. Hat er ohne hinlängliche Deckung gezahlt, so kann
er diese, nebst kaufmännischen Zinsen, seit dem Tage der Zahlung, von dem
Aussteller nur in dem Wege des ordentlichen Prozesses fordern.
§. 1106. Hat der Bezogene gewußt, daß der Wechsel von dem
Aussteller für Rechnung eines Dritten gezogen worden: so kann er, außer dem
Falle einer Annahme per honor, sich nur an diesen Dritten
Committenten halten.
XIV. Verfahren bey nicht gehörig geleisteter Zahlung.
§. 1107. Ist der Acceptant vor der Zahlung verstorben, so
finden die Vorschriften des §. 979. sqq. Anwendung.
§. 1108. Leisten die Erben nicht gehörige wechselmäßige
Zahlung, und der Inhaber will sich an die Aussteller, oder die Vormänner
regressiren: so muß er sofort, wegen nicht geleisteter Zahlung, Protest
einlegen, und denselben binnen der §. 1047. sqq. vorgeschriebenen Frist
ersenden.
§. 1109. Ein Gleiches muß geschehen, wenn kein
Handlungsfaktor vorhanden ist, und die Erben ungewiß, unbekannt, oder an einem
andern Orte wohnhaft sind.
§. 1110. Ueberhaupt muß der Inhaber, wenn die Zahlung zur
bestimmten Zeit nicht richtig erfolgt; und er sich an die Vormänner, oder an
den Aussteller wechselmäßig halten will, sofort den Protest aufnehmen lassen.
§. 1111. Er kann jedoch den nach §. 846. sqq. zu
bestimmenden Zahlungstag abwarten, wenn auch der Acceptant vorher erklärt haben
sollte, daß er nicht zahlen werde.
§. 1112. Ist in dem Falle des §. 999. der Präsentant an eine
Addresse verwiesen, und diese leistet die Zahlung nicht: so muß ebenfalls
Protest aufgenommen werden.
§. 1113. Alsdann ist der Acceptant, welcher den
Wechselinhaber an die Addresse verwiesen hat, wechselmäßig verhaftet.
§. 1114. Gegen den aber, welchem die Zahlung von dem
Acceptanten aufgetragen worden, findet kein Wechselanspruch von Seiten des
Inhabers statt; sondern es treten nur die Vorschriften von kaufmännischen
Assignationen ein. (Abschnitt IX.)
§. 1115. Ist auf dem Wechsel jemand benannt, bey welchem
sich der Inhaber, im Falle der Nichtzahlung, melden solle: so finden die
Vorschriften des §. 1018. 1019. Anwendung.
§. 1116. Die abschlägliche Zahlung eines Theils der
verschriebenen Summe ist der Inhaber nur alsdann anzunehmen schuldig, wenn er
bloß Bevollmächtigter, und zur Annahme von Abschlagszahlungen ausdrücklich
angewiesen ist.
§. 1117. Hat er Abschlagszahlungen angenommen, und will sich
wegen des Ueberrestes wechselmäßig regressiren: so muß er deshalb Protest
aufnehmen lassen.
§. 1118. Statt baarer Zahlung Assignation anzunehmen, ist
der Präsentant nicht schuldig.
§. 1119. Hat er dergleichen angenommen, und ist darüber die
Zeit zur Aufnahme des Protestes verstrichen: so geht der wechselmäßige Regreß
an die Vormänner und den Aussteller verloren.
§. 1120. Ist in solchem Falle der Präsentant nur
Bevollmächtigter: so wird er dem Eigenthümer zur völligen Schadloshaltung
verhaftet.
XV. Rechte des Inhabers aus einem wegen Nichtzahlung
protestirten Wechsel.
§. 1121. Wegen Aufnahme und Versendung des Protestes über
Nichtbezahlung; ingleichen wegen des wechselmäßigen Regresses an die Vormänner,
und an den Aussteller, finden die Vorschriften §. 1006. sqq. überall Anwendung.
§. 1122. Auch hat der Inhaber die Wahl, ob er sogleich von
den Vormännern Zahlung fordern, oder zuvor den Acceptanten wechselmäßig
belangen wolle.
§. 1123. Will der Inhaber zuerst den Acceptanten in Anspruch
nehmen: so ist er nicht schuldig, mit dem Proteste zugleich den Wechsel zu
versenden.
§. 1124. Er kann jedoch alsdann von den Vormännern, und dem
Aussteller, weder Zahlungs- noch Sicherheitsbestellung eher fordern, als wenn
der Wechsel beygebracht wird.
§. 1125. Will aber der Inhaber, mit Uebergehung des
Acceptanten, sich gleich an Einen der Vormänner, oder an den Aussteller halten:
so muß der Wechsel zugleich mit dem Proteste versendet werden.
§. 1126. Alsdann ist der Vormann, oder Aussteuer zur
Leistung der im §. 1056. sqq. beschriebenen Zahlung, binnen Vier und zwanzig
Stunden von Zeit der geschehenen Vorzeigung des Protestes und Wechsels,
verbunden.
§. 1127. Wegen Veränderung der Wahl hat der Inhaber die
Rechte des §. 1059. sqq.
§. 1128. Auch kann er nach §. 1081. sqq. einen Rückwechsel
ziehen.
§. 1129. Wegen der Rechte des in Anspruch genommenen Indossanten
gegen seine Vormänner, finden gleichfalls die Vorschriften des §. 1067. bis
1072. Anwendung.
§. 1130. In allen diesen Fällen (§. 1125. 1127. 1129.)
verliert jedoch der Inhaber sein Wechselrecht, wenn er binnen Jahresfrist, von
Zeit des aufgenommenen Protestes, wider denjenigen, an welchen er zum Behuf des
Regresses den Protest gesendet hat, die Wechselklage nicht gehörig anstellt.
§. 1131. Ist aber dies geschehen, und die Klage gehörig
eingehändigt worden: so wird dadurch das Wechselrecht gegen den Beklagten so
lange, bis der Wechsel auch als Schuldschein verjährt ist, erhalten.
XVI. Rechte des Ausstellers gegen den nicht zahlenden
Acceptanten.
§. 1132. Der Aussteller, welcher einen acceptirten Wechsel
einlöset, erlangt dadurch gegen den Acceptanten kein Wechselrecht.
§. 1133. Er kann sich auch von dem Inhaber, zum Nachtheile
des Acceptanten, seine Rechte gegen letztern nicht abtreten lassen.
§. 1134. Dagegen bleiben dem Aussteller gegen den bezogenen,
wegen bereits erhaltener Deckung, oder sonst, sein Recht im gewöhnlichen
Prozesse vorbehalten.
§. 1135. Wird in diesem dargethan, daß der Acceptant von dem
Aussteller wirklich Deckung erhalten habe: so hat der Aussteller, bis zum
Betrage der am Zahlungstage in des Acceptanten Händen befindlich gewesenen
Deckung, bey entstehendem Concurs über dessen Vermögen das Vorzugsrecht der
Sechsten Classe.
§. 1136. Einer gegebenen Deckung ist gleich zu achten, wenn
der Acceptant am Zahlungstage Schuldner des Ausstellers gewesen ist.
Von Verfälschungen bey gezogenen Wechseln:
a) falsche Wechsel.
§. 1137. Jedermann, welchem ein gezogener Wechsel zur
Annahme der Zahlung präsentirt wird, ist schuldig denselben zu untersuchen, und
sich von von desses Richtigkeit zu überzeugen.
§. 1138. Wer einen falschen Wechsel bezahlt, kann sich nur
an den Urheber des Betrugs, und an die Theilnehmer halten.
§. 1139 Wird ein Wechsel präsentirt, an welchem sich scheinbare Spuren der
Verfälschung finden: so kann der Bezogene denselben an sich behalten; muß auch
sofort dem gehörigen Richter davon Anzeige machen und das verdächtige
Instrument gerichtlich niederlegen.
§. 1140.
Eben dies findet statt, wenn der Bezogene durch den angeblichen Trassanten von der
Verfälschung benach richtigt, und der Präsentant eine unbekannte oder
verdächtige Person ist.
§. 1141. In beyden Fällen bleibt dem Ermessen des Richters
überlassen, nach Vorschrift der Prozeßordnung, je nachdem der Verdacht der
Unrichtigkeit mehr oder weniger bescheinigt ist, zu beurtheilen: ob und auf wie
hoch vpn dem Bezognen, wegen Schäden und Kosten, Caution zu bestellen sey. (Th.
I. Tit. XIV. §. 186. sqq.)
§. 1142. Wird gleich der Wechsel bis zur weitern
Untersuchung in gerichtliche Verwahrung genommen: so kann der Inhaber dennoch
mit Aufnahme und Versendung des Protestes wegen Nichtacceptation verfahren.
§. 1143. Der Richter muß ihm zu diesem Behuf schleunig eine
beglaubte Abschrift des Wechsels ertheilen, und einen Depositalschein darüber
ausfertigen lassen.
§. 1144. Dadurch erlangt der Inhaber das Recht, binnen der
gesetzmäßigen Frist auf seine Vormänner zurück zu gehen, und bis zur
ausgemachten Sache Sicherheitsbestellung von ihnen zu fordern.
§. 1145. Nach einmal geschehener Acceptation kann der
Bezogene unter dem Vorwande, daß der Wechsel falsch sey, die Zahlung nicht
weigern.
§. 1146. Es muß aber die Zahlung in das gerichtliche
Depositorium geschehen, so bald der Acceptant einen ihm zugekommenen Advis von
der vorgeblichen Falschheit des Wechsels vorzeigen kann.
§. 1147. Eben dahin muß auch der angeblich falsche Wechsel
abgeliefert werden.
§. 1148. Der Inhaber muß alsdann den Erfolg des
gerichtlichen Verfahrens abwarten, und ist nicht befugt, sich vorher an die
Vormänner wechselmäßig zu regressiren.
§. 1149. Jedoch kann ihm die Auszahlung der deponirten
Valuta gegen hinreichende Caution nicht versagt werden.
b) verfälschte Wechselsumme;
§. 1150. Ist in einem an sich richtigen Wechsel die Summe
verfälscht worden; und der Bezogne hat mehr bezahlt, als im Avisbriefe enthalten
war: so kann er sich wegen des daraus entstandenen Schadens nur an denjenigen
halten, der die Verfälschung vorgenommen hat.
§. 1151. War die Summe im Wechsel nur mit Ziffern
ausgedrückt, und sind diese unmerklich verfälscht: so ist der Aussteller einem
Dritten dadurch Hintergangenen Inhaber zum Schadens-Ersatze verhaftet.
§. 1152. Ist die mit Buchstaben ausgedrückte Summe
verfälscht: so muß jeder Inhaber sich an seinen Vormann so lange halten, bis
man auf den zurückkommt, der nur die wahre Summe empfangen hat.
c) falsches Indossament.
§. 1153. Auch die Richtigkeit des letzten Indossaments muß
der Bezogne gehörig untersuchen.
§. 1154. Wer aus grobem Versehen auf ein falsches
Indossament Zahlung leistet, oder mit einer verdächtigen Person (Th. I. Tit. XV.
§. 19.), von der es sich in der Folge findet, daß sie unredlicher Inhaber
gewesen sey, auf dergleichen Zahlung sich einläßt, bleibt dem Eigenthümer des
Wechsels im ordentlichen Prozesse verhaftet, und kann sich nur an den Urheber
des Betrugs, und die Theilnehmer desselben halten.
§. 1155. Ist jedoch ein Wechsel in Blanko indossirt worden:
so finden die Vorschriften des §. 815. sqq. Anwendung.
§. 1156. Die etwanige Verfälschung eines vorhergehenden
Indossaments ist dem Bezogenen unschädlich, wenn nur der letzte Inhaber
redlicher Besitzer gewesen ist. (Th. I. Tit. VII. §. 10. sqq.)
§. 1157. Sind gegen den letzten Inhaber scheinbare Spuren
des Verdachts vorhanden: so findet eben das statt, was §. 1139. sqq. von
falschen Wechseln verordnet ist.
§. 1158. Kommen die Spuren der Verfälschung erst nach der
Acceptation zum Vorschein: so muß der Acceptant die Vorschriften des §. 1146.
1147. beobachten.
XVIII. Von verloren gegangenen Wechseln.
§. 1159. Geht ein gezogner Wechsel verloren: so muß der
bisherige Inhaber diesen Verlust dem Aussteller und dem Bezogenen unverzüglich
melden.
§. 1160. Hat der Bezogne von dem Verluste des Wechsels keine
Nachricht erhalten, und daher denselben zur Verfallzeit einem unverdächtigen
Inhaber bezahlt: so muß der Eigenthümer, der den Wechsel angeblich verloren
hat, den Schaden tragen, und kann sich nur an denjenigen, welcher unredlicher
Weise zum Besitze der Tratte gelangt ist, halten.
§. 1161. Hat aber der Bezogne vor dem Verfalltage Zahlung
geleistet: so darf ihm der Aussteller dafür nicht gerecht werden.
§. 1162. Der Eigenthümer hingegen, welcher den Wechsel
verloren hat, kann alsdann von dem Aussteller im ordentlichen Prozesse
Entschädigung fordern; und hat bey entstehendem Concurse über dessen Vermögen
das Vorzugsrecht der Sechsten Classe.
§. 1163. Kommt die Nachricht vom Verluste des Wechsels dem
Bezogenen noch vor der Acceptation zu; und der Wechsel wird demselben
präsentirt: so muß nach der Vorschrift §. 1139. sqq. verfahren werden.
§. 1164. Dem sich meldenden Inhaber kommen alsdann gegen die
Vormänner die Vorschriften des §. 1142. sqq. zu statten.
§. 1165. Wird aber bis zum Zahlungstage der Wechsel nicht
präsentirt: so kann sich derjenige, welcher den Wechsel verloren hat, nur an
den Aussteller halten.
§. 1166. Es findet auch hier weder Wechselprozeß, noch
Wechselexecution statt, jedoch wird der Vorzug im Concurs nicht verändert.
§. 1167. Kommt die Nachricht von dem Verluste des Wechsels
dem Bezogenen erst nach der Acceptation, jedoch vor der Zahlung zu: so muß er
letztere in das gerichtliche Depositorium leisten.
§. 1168. Alsdann ist zwischen dem letzten Inhaber, und
demjenigen, welcher den Wechsel angeblich verloren hat, auszumachen, wem von
ihnen die deponirte Valuta zukomme.
§. 1169. Kann der letzte Inhaber darthun, daß er redlicher
Besitzer des Wechsels sey: so wird ihm das Geld verabfolgt; und derjenige,
welcher den Wechsel verloren hat, kann sich nur an den vormaligen unredlichen
Besitzer halten.
§. 1170. Es steht in diesem Falle weder dem Wechselinhaber,
noch demjenigen, welcher den Wechsel angeblich verloren hat, der Wechselregreß
gegen die übrigen Vormänner und gegen den Aussteller zu; und die Aufnahme eines
Protestes ist unwirksam.
§. 1171. Wird ein schon acceptirter nachher verloren
gegangener Wechsel zur Zahlungszeit nicht zum Vorschein gebracht; und der
Bezogne ist der Acceptation geständig, oder kann deren sofort überführt werden:
so muß er wechselmäßig Zahlung leisten.
§. 1172. Diese Zahlung darf jedoch nur in das gerichtliche
Depositorium geschehen; und es muß auf Kosten desjenigen, der den Wechsel
verloren hat, ein öffentliches gesetzmäßiges Aufgebot veranlaßt werden.
§. 1173. Meldet sich dabey kein andrer Inhaber: so ist der
Präsentant die deponirte Valuta zu erheben berechtigt, und der verlorne Wechsel
wird für mortificirt erklärt.
§. 1174. Meldet sich hingegen ein andrer Inhaber, so findet
die Vorschrift §. 1168. Anwendung.
§. 1175. Ist die Acceptation weder zugestanden, noch sofort
erwiesen: so kann derjenige, welcher den Wechsel verloren hat, auf seine Kosten
ein öffentliches Aufgebot veranstalten.
§. 1176. Meldet sich dabey kein Inhaber: so wird der Wechsel
mortificirt, und der Verlierer hält sich nach Vorschrift §. 1162. an den
Aussteller.
§. 1177. Dem Verlierer steht jedoch frey, in der
Zwischenzeit die Acceptation gegen den Bezognen im Wege des ordentlichen
Prozesses nachzuweisen.
§. 1178. Erstreitet er darüber ein rechtskräftiges Urtel: so
findet die Wechselexecution gegen den Acceptanten statt; doch muß die Zahlung
so lange, bis der Wechsel mortificirt ist, in das gerichtliche Depositum
geleistet werden. (§. 1172. 1173.)
§. 1179. Obige Vorschriften (§. 1167. sqq.) sind auch auf
den Fall anzuwenden, wenn ein Wechsel nach aufgenommenem Proteste verloren
geht.
§. 1180. Jedoch wird durch eine beglaubte Abschrift des bey
dem Proteste aufgenommenen Protokolls, der darin benannte rechtmäßige Inhaber
berechtigt, von demjenigen Vormann, an welchen er sich halten will, Caution zu
fordern.
c. Von trockenen Wechseln:
1) Erfordernisse;
§. 1181. Auch bey trocknen Wechseln sind die §. 748 bis §.
784 bestimmten Eigenschaften erforderlich.
§. 1182. Ein Instrument wird bloß dadurch, daß darin die
Zahlung nach Wechselrecht versprochen worden, kein gültiger Wechsel.
§. 1183. Wie bey trockenen Wechseln der Empfang der Valuta
ausgedrückt werden müsse, ist §. 765-765. bestimmt.
§. 1184. Ist in trockenen Wechseln der §. 726. benannten
Personen der Empfang der Valuta nicht in baarem Gelde ausgedrückt; oder kann
sofort nachgewiesen werden, daß der Aussteller die Valuta nicht baar erhalten
habe: so findet gegen ihn kein wechselmäßiges Verfahren statt.
§. 1185. Vielmehr soll die Sache im Wege des ordentlichen
Prozesses erörtert, und dabey dasjenige Geschäft, aus welchem die
Zahlungsverbindlichkeit des Ausstellers entsprungen seyn soll, zum Grunde
gelegt werden.
§. 1186. Auf die Indossamente solcher Personen findet obige
Vorschrift (§. 1184. 1185.) ebenfalls Anwendung.
§. 1187. Bey trockenen Wechseln kann auch der Ablauf einer
bestimmten Aufkündigungsfrist, als Zahlungstag festgesetzt werden.
§. 1188. Alsdann muß bey Anstellung der Klage, entweder die
schriftliche Annahme des Schuldners, oder ein Attest über die gerichtlich oder
durch einen Justizcommissarius und Notarius geschehene Aufkündigung,
beygebracht werden.
§. 1189. Der Name desjenigen, welcher die Zahlung erhalten
soll, muß in einem trockenen Wechsel, bey Verlust der Wechselkraft, angegeben
seyn.
§. 1190. Nur Personen, welche in Absicht der
Wechselfähigkeit kaufmännische Rechte haben (§. 718-724.), können auch trockene
Wechsel gültig auf jeden Briefsinhaber ausstellen.
§. 1191. Trockene Wechsel, denen die Wechselkraft mangelt,
gelten als Schuldscheine, in so fern sie die nach den Vorschriften des Ersten
Theils, Tit. XI. §. 730. sqq. erforderlichen Eigenschaften haben.
§. 1192. Der unterlassene Gebrauch des vorgeschriebenen
Stempelpapiers benimmt der Kraft des Wechsels nichts; sondern verbindet nur den
Aussteller zur ediktmäßigen Strafe.
2) Rechte
des Wechselgläubigers;
§. 1193. Vor der Verfallzeit kann aus trockenen Wechseln
ebenfalls keine Zahlung, sondern nur, nach Anleitung des §. 1085. sqq.,
Sicherheit gefordert werden.
§. 1194. Wird vor der Verfallzeit über den Aussteller
Concurs eröffnet: so kann der Inhaber seine Forderung dabey liquidiren.
§. 1195. Er kann jedoch auch, wenn der Wechsel indossirt
ist, ohne Aufnahme eines Protestes, sogleich an die Indossanten wechselmäßig
zurückgehen.
§. 1196. Doch muß alsdann der Klage ein gerichtliches Attest
über die geschehene Concurseröffnung beygefügt werden.
3) von
der Zahlung.
§. 1197. Wegen der Zahlung finden die Vorschriften des §.
867-924. Anwendung.
§. 1198. Befindet sich der Wechsel nicht mehr in den Händen
des ersten Inhabers: so muß der Schuldner die Richtigkeit des letzten
Indossaments nach Vorschrift des §. 1137. sqq. gehörig untersuchen.
§. 1199. Ist der Wechsel verloren gegangen: so findet nicht
eher wechselmäßige Execution statt, bis die Existenz, der Betrag, und übrige
Inhalt desselben im ordentlichen Prozesse ausgemittelt ist.
§. 1200. Alsdann muß der Wechselgläubiger über am erhaltene
Zahlung eine besondere Quittung ausstellen, und darin zugleich den Wechsel für
erloschen erklären.
§. 1201. In wie fern außer dieser Quittung ein gerichtliches
Aufgebot, und die Mortification des verlornen Wechsels nöthig sey, ist nach den
Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XVI. §. 128. sqq. zu beurtheilen.
§. 1202. In diesem Falle kann der Schuldner, bis
zum Erfolge der gerichtlichen Mortification, nur gegen hinlängliche Caution
wegen seiner Schadloshaltung, wenn der Wechsel in der Folge wieder zum
Vorschein käme, Zahlung zu leisten angehalten werden.
§. 1203, Von dem Falle, wenn der Wechselschuldner verstorben
ist, gilt bey trockenen Wechseln alles das, was bey gezogenen §. 1107. sqq.
verordnet worden.
4) Von Protesten.
§. 1204. Auch ist bey trockenen Wechseln, zum Behufe des
Regresses gegen die Indossanten, in den Fällen des §. 1043-1045. die Aufnahme
eines Protestes nothwendig.
§. 1205. Ist in dem Wechsel kein Zahlungsort bestimmt: so
kann die Aufnahme des Protestes an dem Orte geschehen, wo der Schuldner zuletzt
bekanntlich gewohnt, oder wo er den Wechsel ausgestellt hat.
§. 1206. Ein solcher Protest (§. 1203-1205.) kann nur vor
Gerichten, oder von einer dazu deputirten, zum Protokolle vereideten
Gerichtsperson, aufgenommen werden.
§. 1207. Wegen der Aufnahme selbst, und der Versendung,
finden die Vorschriften des §. 1047. sqq. Anwendung.
§. 1208. Durch einen solchen Protest wird die Befugniß zum
Wechselregresse auf Ein Jahr, von Zeit des aufgenommenen Protestes an
gerechnet, erhalten.
§. 1209. Läßt der Inhaber diese Einjährige Frist
verstreichen, ohne gerichtliche Klage anzustellen: so verliert er den
wechselmäßigen Regreß, und behält nur den Anspruch im ordentlichen Prozesse.
(§. 974.)
§. 1210. Außer diesen Fällen (§. 1194. 1195. §. 1204.
1205.) findet bey trockenen Wechseln der Regreß gegen die Indossanten nicht
eher statt, als wenn zuvor der Wechselschuldner zur Verfallzeit ausgeklagt, und
zum Personalarrest gebracht worden.
§. 1211. Ist dies
geschehen; und die Zahlung nicht binnen Drey Tagen, nach Ablieferung des
Schuldners ins Gefängniß, erfolgt: so muß der Wechselinhaber sich darüber von
dem Gerichte ein Attest ertheilen lassen; und solches, nebst dem Wechsel, nach
Vorschrift des §. 1047. sqq. versenden.
§. 1212. Alsdann treten die Vorschriften des §. 1056. sqq.
überall ein.
§. 1213. Zur Erhaltung der Wechselkraft gegen den Schuldner
selbst, ist die Aufnahme eines Protestes nur alsdann wirksam, wenn solche
Umstände eintreten, daß die an sich zuläßige Wechselklage, vor Ablauf der
Verjährungsfrist wider ihn nicht sogleich angestellt werden kann.
§. 1214. Dahin ist besonders der Fall zu rechnen, wenn der
Wechselinhaber von dem Sitze des Gerichts, wo die Klage angestellt werden muß,
so entfernt sich aufhält, daß vor Anstellung der Klage die Verjährungsfrist
besorglich ablaufen möchte.
§. 1215. Ein solcher Protest kann auch von einem
Justizcommissario oder Notario aufgenommen werden.
§. 1216. Alsdann aber muß, bey Verlust des Wechselrechts,
binnen Acht Tagen, von Zeit des aufgenommenen Protestes, die Klage bey dem
zuständigen Richter des Wechselschuldners angemeldet werden.
§. 1217. Finden sich Umstände, weshalb die Wechselladung
nicht eingehändigt werden kann: so wird dem Kläger darüber ein Attest
ausgefertigt.
§. 1218. Ein solches Attest erhält die Wechselkraft so
lange, bis das Instrument auch als Schuldschein verjährt ist.
5) Von Verlängerung der Wechselverbindlichkeit.
§. 1219. Mit Einstimmung des Wechselgläubigers, und des
Wechselschuldners, kann jeder trockene Wechsel verlängert werden.
§. 1220. Ist der Schuldner zur Zeit der Prolongation nicht
mehr wechselfähig: so hat dieselbe keine Wirkungen.
§. 1221. Die Verlängerung kann vor, bey, oder nach der
Verfallzeit, so lange die Wechselkraft noch dauert, erfolgen.
§. 1222. Eine nach erloschener Wechselkraft geschehene
Prolongation ist der Ausstellung eines neuen trockenen Wechsels gleich zu
achten, wenn die Zahlungszeit gehörig bestimmt, und die Unterzeichnung nach
Vorschrift des §. 776. sqq. geschehen ist.
§. 1223. Im zweifelhaften Falle wird angenommen, daß die
Verlängerung nach erloschener Wechselkraft geschehen sey.
§. 1224. Der Regel nach muß die Verlängerung auf den Wechsel
selbst vermerkt werden.
§. 1225. Doch kann sie auch auf einer Abschrift des Wechsels
geschehen, welche der Gläubiger dem Schuldner zu diesem Behufe zuschickt.
§. 1226. Die Verlängerung muß von dem Schuldner eigenhändig
unterschrieben werden.
§. 1227. Der Ort und das Datum ist dabey nur alsdann
nothwendig, wenn die Prolongation der Ausstellung eines neuen trockenen
Wechsels gleich geachtet werden soll. (§. 1222.)
§. 1228. Von der Unterzeichnung gilt eben das, was von der
Ausstellung selbst verordnet ist. (§. 776. sqq.)
§. 1229. Zum Vermerke der Verlängerung, wenn sie nicht der
Ausstellung eines neuen Wechsels gleich geachtet werden soll, wird keine
besondre Form erfordert.
§. 1230. Es ist genug, wenn daraus erhellet, daß die
Zahlungszeit verschoben seyn solle.
§. 1231. Ist die Dauer der Prolongationszeit nicht
ausgedrückt: so wird sie auf so lange gerechnet, als der Wechsel zuerst ausgestellt
worden; oder wenn schon vorher Prolongationen erfolgt sind, auf den Zeitraum
der nächst vorhergehenden Prolongation.
§. 1232. Wenn zwar die Prolongationszeit bestimmt, aber
nicht ausgedrückt ist, von welchem Zeitpunkte sie anfangen solle; so muß dieselbe
vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet werden.
§. 1233. Dies findet ohne Ausnahme statt, die Prolongation
mag vor, oder nach dem Verfalltage geschehen seyn.
§. 1234. Eben so wird die Frist berechnet, wenn der
Prolongationsvermerk ohne Datum ist.
§. 1235. Bey wiederholten Verlängerungen wird auf die
Verfallzeit gesehen, welche nach der zunächst vorhergehenden Prolongation
eingetreten seyn würde. §. 1236. Die Prolongation eines Wechsels, woraus
mehrere als Selbstschuldner verpflichtet sind, kommt, wenn sie auch, nur von
Einem unterzeichnet ist, allen zu statten, und erhält gegen Alle die
Wechselkraft.
§. 1237. Soll die Wirkung der Prolongation sich nur auf
Einen Wechselschuldner einschränken: so muß dieses in dem Vermerke ausdrücklich
bestimmt seyn.
§. 1238. Verlängert der Wechselinhaber dem Schuldner die
Zahlungsfrist ohne schriftliche Einwilligung des Bürgen: so entläßt er dadurch
diesen Letztern seiner Verpflichtung.
§. 1239. Auf gleiche Art geht der Regreß gegen die Vormänner
verloren.
§. 1240. Dies findet auch alsdann statt, wenn die Anmeldung
der Klage gegen den Wechselschuldner länger als Drey Tage nach der Verfallzeit
verschoben wird.
6) Von den Einwendungen bey trockenen Wechseln.
§. 1241. Wegen der bey trockenen Wechseln zuläßigen
Einwendungen und Gegenforderungen, gelten die §. 916. sqq. gegebenen
Vorschriften.
§. 1242. Der Einwand der nicht erhaltenen Valuta kann nur in
so fern statt finden, als derselbe von dem Aussteller nach Vorschrift des §.
917. sqq. sofort dargethan wird.
§. 1243. Es macht dabey keinen Unterschied, ob ein Christ
oder ein Jude Inhaber des Wechsels ist.
§. 1244. Der Einwand der nicht gezahlten Valuta kann auch
dem Dritten Inhaber, in allen Fällen entgegen gesetzt werden, wenn der Wechsel
nicht auf Ordre lautet, und der Aussteller das Indossament nicht schriftlich
ohne Vorbehalt genehmigt hat.
§. 1245. Lautet der Wechsel auf Ordre, und gehört der
Aussteller unter die §. 718-724. benannten Personen: so kann er von diesem
Einwande gegen einen Dritten Inhaber keinen Gebrauch machen.
§. 1246. Ist aber der Aussteller nur nach §. 726. oder
vermöge eines erhaltenen Certificats, zu Wechselgeschäften fähig: so kann er
den Einwand der nicht erhaltenen Valuta auch einem Dritten Inhaber
entgegensetzen, wenn gleich der Wechsel auf Ordre lautet.
§. 1247. In allen Fällen, wo dieser Einwand an sich statt
findet, wird er weder durch wiederholtes Anerkenntniß des Wechsels, noch durch
geschehene Prolongation, noch durch geleistete Abschlagszahlung ausgeschlossen.
§. 1248. Will, bey einem trockenen Wechsel, der Schuldner
sich durch Einwendungen oder Gegenforderungen, die einer weitläuftigen
Erörterung bedürfen, gegen die Zahlung schützen: so muß er dieselben bey den
Gerichten dergestalt zeitig anbringen, daß er vor Eintritt der Verfallzeit ein
rechtskräftiges Urtel erhalten könne.
§. 1249. Hat er zur Verfallzeit, wegen dieser Einwendungen,
ein obsiegendes, aber noch nicht rechtskräftiges Urtel erhalten, so berechtigt
ihn dasselbe, die verschriebene Wechselsumme gerichtlich zu deponiren.
Neunter Abschnitt
Von Handelsbillets und Assignationeh
Begriffe.
§. 1250. Schuldscheine, welche ein Kaufmann über den Betrag
der auf Zeit erkauften Waaren ausstellt, werden Handelsbillets genannt.
§. 1251. Kaufmännische Assignationen sind solche, welche ein
Kaufmann in Handlungsgeschäften ausgestellt hat.
§. 1252. Wo solchen Handelsbillets und Assignationen durch
besondere Gesetze das Wechselrecht beygelegt worden, hat es ferner dabey sein
Bewenden.
§. 1253. Wegen der Verfallzeit, und der Münzsorten, findet
alles das Anwendung, was bey Wechseln verordnet ist.
7. Von Handelsbillets.
§. 1254. In einem Handelsbillet muß die Summe der Schuld und
die Zeit der Bezahlung enthalten seyn.
§. 1255. Alsdann ist es hinreichend, wenn der Waarenverkauf,
woraus die Schuld entstanden ist, nur allgemein darin bemerkt worden.
§. 1256. Aus solchen Handelsbillets oder Handelsobligationen
soll auch an denjenigen Orten, wo ihnen die Wechselkraft nicht beygelegt ist,
binnen Jahresfrist vom Zahlungstage an gerechnet, der executivische Prozeß
statt finden.
§. 1257. Im Concurse haben sie binnen dieser Zeit mit den
Wechseln gleiches Recht.
§. 1258. Wegen Verlängerung dieser Frist treten die
Vorschriften des §. 1219. und §. 908. ein.
§. 1259. Ist jedoch die Summe der Schuld, oder die Zeit der
Bezahlung nicht gehörig bestimmt; oder die Forderung nicht unmittelbar aus
einem Waarenverkehre entstanden: so ist das Instrument nur als ein gewöhnlicher
Schuldschein zu betrachten.
§. 1260. Wegen der, an einigen Orten üblichen sogenannten Mamres
und Starchos, auch andrer jüdischen Geldscheine, bleibt es bey den
Vorschriften der Provinzialgesetze.
11. Von kaufmännischen Assignationen.
§. 1261. Auch unter Kaufleuten ist Anweisung keine Zahlung.
§. 1262. Nimmt jedoch ein Kaufmann von dem andern statt
Zahlung, eine Assignation ohne Vorbehalt an: so wird das Geschäfte durchgehends
als eine Cession angesehen. (Th. I. Tit. XL §. 402. sqq.)
§. 1263. Kommt alsdann auch die Einwilligung des Assignaten
hinzu: so ist eine Delegation vorhanden. (Th. I. Tit. XVI. §. 264. sqq.)
§. 1264. Ein Gleiches findet statt, wenn mit Einwilligung
sämmtlicher Interessenten, durch Ab- und Zuschreiben in ihren Büchern, eine
Ueberweisung (Scontration) geschehen ist.
§. 1265. In allen diesen Fällen haftet der Anweisende nicht für
die Sicherheit der Assignaten.
§. 1266. Außer diesen Fällen sind, bey kaufmännischen
Assignationen, die Rechte und Pflichten zwischen dem Aussteller und Empfänger,
in der Regel nach den Vorschriften der Gesetze von Assignationen überhaupt zu
beurtheilen. (Th. I. Tit. XVI. §. 268. sqq.)
§. 1267. Zur Gültigkeit kaufmännischer Assignaten ist
hinreichend, wenn nur daraus erhellet, wer Zahlung leisten, und empfangen
solle; ingleichen auf wie hoch, und von wem die Assignation ausgestellt worden.
Obliegenheiten des Assignatarii.
§. 1268. Der Empfänger einer kaufmännischen Assignation muß
vorzüglichen Fleiß anwenden, daß ihm in deren Einziehung keine Saumseligkeit
zur Lastfalle,
§. 1269. Ist in der Assignation keine Zahlungszeit bestimmt;
und der Inhaber findet sich mit dem Assignaten an einem Orte: so muß derselbe
sich spätestens binnen Acht Tagen nach dem Empfange bey dem Assignaten melden,
und Bezahlung fordern.
§. 1270. Befindet der Inhaber sich nicht an Einem Orte mit
dem Assignaten: so muß die Assignation mit der nächsten Post zur Einkassirung
abgeschickt werden.
§. 1271. Soll die Assignation während einer Messe oder eines
Marktes bezahlt werden: so finden wegen der Präsentation die Vorschriften des
§. 964. sqq. Anwendung.
§. 1272. Ist ein Zahlungstermin bestimmt: so muß die
Anmeldung spätestens den ersten Tag nach der Verfallzeit erfolgen.
§. 1273. Wird die Assignation von dem Assignaten nicht
angenommen: so kann und muß der Inhaber dieselbe spätestens innerhalb Vier und
zwanzig Stunden dem Assignanten, wenn dieser an demselben Orte wohnhaft ist,
zurückgeben.
§. 1274. Wohnt der Assignant an einem andern Orte: so muß
der Inhaber sofort Protest aufnehmen lassen, und denselben mit nächster Post versenden.
§. 1275. Bey Aufnahme und Remission eines solchen Protestes
muß alles beobachtet werden, was im vorigen Abschnitte von Wechselprotesten
vorgeschrieben ist.
§. 1276. Auch wegen der Fälle, wenn die obigen Fristen auf
einen christlichen oder jüdischen Feyertag treffen, finden die wegen der
Wechsel gegebenen Vorschriften Anwendung.
§. 1277. Hat der Inhaber die Präsentation in den
gesetzlichen Fristen verabsäumt: so haftet er für allen daraus entstehenden
Schaden, und hat den Regreß nur im ordentlichen Prozesse. (§. 974.)
§. 1278. Ist die Assignation acceptirt: so treten die
Vorschriften des §. 1084. ein.
§. 1279. In den Fällen, da bey wechselmäßigen Zahlungen
Respit- oder Discretionstage zugelassen sind, finden dieselben auch bey
kaufmännischen Assignationen statt.
§. 1280. Erfolgt die Zahlung der acceptirten Assignation
nicht zu der nach §. 867. sqq. zu bestimmenden Verfallzeit: so muß der Inhaber
ebenfalls wie bey acceptirten und nicht gehörig bezahlten Wechseln, nach
Vorschrift §. 1107. sqq. verfahren.
§. 1281. Er ist aber, wenn der Assignant nicht an demselben
Orte wohnt, außer der Aufnahme und Versendung des Protestes, bey Verlust seines
Rechts an den Assignanten, schuldig, auf dessen Kosten die Klage wider den
Assignaten sogleich anzustellen, und den Prozeß so lange gehörig fortzusetzen,
bis der Assignant dazu, nach dem gewöhnlichen Laufe der Posten, selbst die
nöthigsten Verfügungen treffen kann.
Obliegenheiten des Assignanten.
§. 1282. Kommt der Protest innerhalb der bestimmten Fristen
zurück: so muß der Assignant die Assignation unweigerlich wieder zurück nehmen.
§. 1283. Hat er die Assignation zur Tilgung einer Schuld,
womit er dem Empfänger verhaftet war, ertheilt: so steht letzterem frey, seine
Schuld eben so einzufordern, als ob das Assignationsgeschäft gar nicht
geschehen wäre.
§. 1284. Hat aber der Empfänger die Assignation von dem
Aussteller gekauft: so kann er, gegen Rückgabe derselben, die Erstattung der
bezahlten Summe nebst Zinsen und Kosten fordern.
§. 1285. Enthält in diesem Falle die Assignation ein
Empfangsbekenntniß der baar bezahlten Valuta: so findet gegen den Aussteller,
binnen Jahresfrist nach dem Verfalltage, der executivische Prozeß statt.
§. 1286. Auch wegen des Vorzugs bey entstehendem Concurse
findet binnen dieser Frist die Vorschrift des §. 1257. Anwendung.
§. 1287. Ist dergleichen Empfangsbekenntniß (§. 1285.) im
Instrumente selbst nicht enthalten: so muß der Empfänger seine Schadloshaltung
von dem Aussteller mittelst ordentlichen Prozesses suchen.
§. 1288. Hat der Inhaber die Fristen zur Aufnahme und
Versendung des Protestes wegen Nichtzahlung versäumt; oder dem Assignaten nach
der Acceptation irgend eine Nachsicht gestattet: so haftet ihm der Assignat nur
als Bürge im ordentlichen Prozesse, für den ohne sein Verschulden entstandenen
Ausfall.
Obliegenheiten des Assignaten.
§. 1289. Derjenige, auf welchen assignirt worden, ist dem
Inhaber nur alsdann verhaftet, wenn er die Assignation schriftlich acceptirt
hat.
§. 1290. Es treten hier die Vorschriften von Acceptation
eines gezogenen Wechsels §. 984. überall ein.
§. 1291. Vor der Acceptation kann der Assignat an den
Aussteller sicher zahlen, wenn er gleich sonst von der Assignation Wissenschaft
gehabt hat.
§. 1292. Auch kann der Aussteller dem Assignaten die Zahlung
an den Inhaber vor der Acceptation untersagen.
§. 1293. Hat der Assignat die Anweisung acceptirt: so muß er
dem Inhaber Zahlung leisten, und kann sich mit einer schon erfolgten
Befriedigung des Ausstellers nicht schützen.
§. 1294. Auch andre Einwendungen, die dem Acceptanten gegen
den Aussteller zusteht), kann er dem Inhaber nach der Acceptation nicht mehr
entgegen setzen.
§. 1295. Ist jedoch über das Vermögen des Ausstellers vor
eingetretenem Verfalltage Concurs entstanden: so ist der Assignat dem Inhaber,
auch auf eine schon acceptirte Assignation Zahlung zu leisten weder schuldig,
noch berechtigt.
§. 1296. Hat er nach eingetretnem Verfalltage die Zahlung
geleistet, ehe die gerichtliche Bekanntmachung der Concurseröfnung zu seiner
Wissenschaft gelangt ist: so wird er dadurch von seiner Verbindlichkeit gegen
den Aussteller, und dessen Masse, allerdings befreyet.
§. 1297. Aus einer acceptirten Assignation kann gegen einen
Kaufmann zwar nicht wechselmäßäg, aber doch, binnen Jahresfrist vom Verfalltage
an gerechnet, executivisch geklagt werden.
§. 1298. Binnen gleicher Frist hat eine solche kaufmännische
Assignation mit einem Wechsel im Concurs gleiche Rechte. (§. 1257.)
Von indossirten Handelsbilttlets und kaufmännischen
Assignationen.
§. 1299. Der Inhaber eines Handelsbillets, oder einer
kaufmännischen Assignation, ist dieselbe zu indossiren berechtigt.
§. 1300. Zur Gültigkeit eines solchen Indossaments wird eben
das erfordert, was bey Wechseln vorgeschrieben ist.
§. 1301. Der Indossant steht mit dem Indossatario in eben
dem Verhältnisse, wie der Aussteller mit dem ersten Inhaber.
§. 1302. Sind mehrere Indossamente geschehen: so treten an
solchen Orten, wo den Handelsbillets oder kaufmännischen Assignationen durch
besondere Gesetze das Wechselrecht beygelegt worden, in Absicht des Regresses
gegen die Vormänner, und den Aussteller, die Vorschriften, wie bey Wechseln,
überall ein.
§. 1303. An solchen Orten aber, wo den Handelsbillets, oder
kaufmännischen Assignationen das Wechselrecht nicht beygelegt ist, hat der
Inhaber bloß die Wahl, sich entweder an seinen unmittelbaren Vormann, oder an
den Aussteller zu halten.
§. 1304. Er muß jedoch auch alsdann die Vorschriften des
Wechselrechts, wegen Aufnahme und Remission des Protestes, gehörig beobachten;
auch wenn die Assignation acceptirt worden, nach Vorschrift §. 1281.
einstweilen die Klage gegen den Acceptanten anstellen und fortsetzen.
Zehnter Abschnitt
Von Mäklern
§. 1305. Den Kaufleuten steht frey, ihre Geschäfte ohne Mäkler,
selbst, oder durch ihre Handlungsbedienten, mit einander zu verhandeln und
abzuschließen.
§. 1306. Wer ein Geschäft durch einen Mäkler abschließt, muß
die Handlungen desselben eben so vertreten, wie der Vollmachtgeber die
Handlungen des Bevollmächtigten. (Th. I. Tit. XIII. §. 85.)
Von unbefugten Mäklern.
§. 1307. Geschäfte und Verträge, die durch unbefugte oder
unvereidete Mäkler geschlossen worden, sind so zu betrachten, als ob dabey kein
Mäkler zugezogen wäre.
§. 1308. Wer sich ohne gesetzmäßige Bestellung und
Verpflichtung in kaufmännische Geschäfte als Mäkler einmischt, soll den
doppelten Betrag des gesetzmäßigen Mäklerlohns zur Strafe erlegen, und des
bedungenen Mäklerlohns verlustig seyn.
§. 1309. Bey der Wiederholung ist die Strafe jedesmal zu verdoppeln.
§. 1310. Das Zeugniß eines unbefugten Mäklers über das durch
ihn geschlossene Geschäft hat in keinem Falle Beweiskraft.
Bestellung der Mäkler.
§. 1311. Wer sich der Vermittelung und Unterhandlung bey
kaufmännischen Geschäften widmen will, muß dazu gehörig bestellt und vereidet
seyn.
§. 1312. Ob die Bestellung von der Kaufmannschaft selbst,
oder auf deren Vorschlag durch ihre Aeltesten, von der Obrigkeit geschehe,
bestimmt eines jeden Orts Verfassung.
§. 1313. Wenn besondre Verfassungen keine Ausnahme machen:
so müssen dazu jedesmal von der Kaufmannschaft wenigstens Zwey Subjekte in
Vorschlag gebracht werden, von welchen die Obrigkeit Einen wählt.
§. 1314. Es soll aber in keinem Falle der Kaufmannschaft
eine Person, zu welcher sie kein Vertrauen hat, zum Mäkler aufgedrungen werden.
Erfordernisse.
§. 1315. Ein Mäkler muß von unbescholtnem Ruf, über Vier und
zwanzig Jahr alt, und der Handlungsgeschäfte des Orts sattsam kundig seyn.
§. 1316. Boshafte und muthwillige Bankerutiers sollen nicht
zu Mäklern genommen werden.
§. 1317. Von einem Wechselmäkler und Sensal wird außerdem
erfordert, daß er sich eine genaue Kenntniß aller im Handel vorkommenden
Münzsorten, ihrer Verhältnisse, der Ursachen des steigenden oder fallenden
Curses, und des Wechselrechts, erworben habe.
§. 1318. Ein Waarenmäkler muß sich auf die Waaren selbst,
ihre Kennzeichen, Eigenschaften, regelmäßige Länge, Breite oder Größe, ihre
Güte, Fehler, und Verfälschungen, wohl verstehn.
§. 1319. Ein Schiffsmäkler muß in fremden Sprachen und im
Rechnungswesen geübt seyn, auch die Bauart eines Schiffes, die Seerechte,
ingleichen die Accise- und Zollgesetze hinreichend kennen.
§. 1320. Ob der Mäkler Caution, und wie hoch leisten müsse,
bleibt dem Gutfinden der Kaufmannschaft des Orts überlassen.
§. 1321. Sind an einem Orte zum Waaren- und Wechselhandel
eigne Mäkler bestellt: so muß jeder auf die ihm angewiesene Art von Geschäften
sich einschränken.
Ausschließung der Mäkler von eignem Verkehr.
§. 1322. Kein Mäkler darf, mittel- oder unmittelbar, für
eigne Rechnung Waarenhandlung oder Wechselgeschäfte treiben.
§. 1323. Eben so wenig ist einem Mäkler erlaubt, in
Handlungsgesellschaften zu treten, oder sich Schiffsparten oder sonst, Antheil
an dem Gewinne oder Gewerbe Andrer zu bedingen.
§. 1324. Es macht hiervon keine Ausnahme, wenn er gleich nur
zu einer besondern Art von Geschäften als Mäkler angestellt seyn sollte.
§ 1325. Commissionen, Speditionen, oder Faktoreyen für
auswärtige Kaufleute darf kein Mäkler übernehmen.
§. 1326. Auch auf Versicherungen, Bodmerey, und Bürgschaften
für Kaufleute soll er sich nicht einlassen.
§. 1327. Desgleichen muß sich ein Mäkler des Treibens der
Gastwirthschaft, Wein-, Kaffe-, Branntwein- und Bierschanks gänzlich enthalten.
§. 1328. Welcher Mäkler wider vorstehende Verordnungen §.
1322. sqq. handelt, der soll seines Amtes entsetzt, und mit willkührlicher
Geld- oder Leibesstrafe belegt werden.
§. 1329. Die von einem Mäkler wider das Verbot §. 1321. unternommenen Geschäfte sind null
und nichtig; und er muß demjenigen, welcher dadurch ohne seine eigne Schuld
Nachtheil erleidet, dafür gerecht werden.
§. 1330. Wenn ein Mäkler, bey öffentlichen Versteigerungen,
oder sonst, Waaren ersteht, muß er auf Erfordern des Verkäufers, oder des
Gerichts, seinen Committenten sogleich namhaft machen.
§. 1331. Kann er keinen Käufer anzeigen, der binnen Drey
Tagen die Waaren empfängt, und die Bedingungen des Kaufes erfüllt: so sind die
Waaren, auf Gefahr und Kosten des Mäklers, anderweit öffentlich zu verkaufen.
Befugniß zum Substituiren.
§. 1332. Bey langwierigen Krankheiten oder Reisen, kann sich
ein Mäkler einen andern vereideten Mäkler zum Substituten wählen.
§. 1333. Ist ein solcher am Orte nicht vorhanden: so muß
dazu ein der Kaufmannschaft annehmliches Subjekt ausgesucht, und der Obrigkeit
zur Vereidung dargestellt werden.
Verrichtungen der Mäkler.
§. 1334. Unerfordert darf sich kein Mäkler in Wechsel- oder
Handlungsgeschäfte mischen, noch seine Dienste jemanden aufdringen.
§. 1335. Wechselmäkler müssen jedoch täglich die Börse, so
wie auch die Banquiers und angesehensten Kaufleute im Hause besuchen, und sich
von dem Zustande der Geschäfte, von deren Conjunkturen, und dem Steigen oder
Fallen der Preise unterrichten.
§. 1336. Ist an dem Orte eine Bankodirektion: so sind sie
gehalten, derselben an jedem Posttage die Curszettel gehörig einzuliefern.
§. 1337. Der Mäkler muß demjenigen, der seinen Dienst zuerst
verlangt, allein dienen.
§. 1338. Er muß, bis zum Abschlusse des übernommenen
Geschäftes, alle Anträge von sich ablehnen, woraus seiner Partey ein Nachtheil
entstehen könnte.
§. 1339. Den Nutzen seiner Partey muß er durch erlaubte
Mittel, mit Redlichkeit, Aufmerksamkeit; und Fleiß zu befördern suchen und für
jeden durch ein mäßiges Versehen entstandenen Schaden haften.
§. 1340. Wegen besorglichen Nachtheils muß der Mäkler, auf
erhaltene glaubwürdige Nachricht, die an ihn sich wendenden Interessenten
unverzüglich warnen.
§. 1341. Doch muß er auch, bey Verlust seines Amtes, sich
sorgfältig hüten, auf leere Gerüchte, oder gar aus gefährlichen Absichten, den
Credit der Kaufleute zu schwächen, und ihnen das Vertrauen im Handel zu
entziehen.
§. 1342. Beym Wechselhandel muß der Mäkler die Briefe bloß
antragen, ohne ihre Güte zu beurtheilen, noch sie anzupreisen, oder zu
verachten; auch wenn sie von der Hand gewiesen werden, ohne die Ursachen der
Verweigerung erforschen zu wollen, oder die Partey zur Annahme zu überreden.
§. 1343. Schiffsmäkler sind, bey Verlust ihres Amtes,
schuldig, innerhalb Vier Tagen nach der Ankunft eines jeden Schiffes, das
Manifest der Ladung der Zoll- und Accisebehörde einzuliefern; auch daselbst
binnen Vier Tagen nach der Entladung eines Schiffes, ein genaues Verzeichniß
jedes Empfängers solcher Waaren, worüber die Conossemente an Ordre lauten,
einzureichen.
§. 1344. Bey gleicher Strafe sind sie verbunden, keinem
abgehenden Schiffer seine Connossemente und Schiffspapiere auszuhändigen, bevor
nicht die Entrichtung der Zoll- und Accisegefälle, ingleichen der Hafen- und
Pilotagegelder, gehörig nachgewiesen worden.
§. 1345. Von jedem abgehenden Schiffe müssen sie, innerhalb
Vier Tagen nach dem Abgange, das Manifest bey der Zoll- und Accisebehörde
einreichen.
§. 1346. Es steht ihnen frey, die Gefälle für das Schiff
oder die Waaren selbst vorzuschießen; da sie denn, binnen Sechs Wochen vom Tage
jedes geleisteten Vorschusses, alle die Rechte genießen, welche der
öffentlichen Casse selbst wegen der vorgeschoßnen Gefälle zustehen würden.
§. 1347. Andere besondere Pflichten der Schiffsmäkler
bestimmen die Hafen-Ordnungen jedes Orts.
§. 1348. Bey Assecuranz-Aufträgen ist ein Mäkler verbunden,
dem Versicherer, bey Schließung des Contrakts, alle ihm bekannten, die
Assecuranz betreffenden Nachrichten, aufrichtig anzuzeigen, und keine
Assekuranz zu schließen, wenn er schon eine bedenkliche oder böse Nachricht
darüber weiß, ohne sie in die Police zu setzen.
§. 1349. Jeder Mäkler muß die ihm anvertraueten Geheimnisse
treulich bewahren; und soll, wenn er dieser Pflicht zuwider handelt, allen
daraus entstehenden Schaden vertreten; im Wiederholungsfälle aber, noch
außerdem, seines Dienstes entsetzt werden.
§. 1350. Jedoch darf kein Mäkler Schleichhandel und
Beeinträchtigung landesherrlicher und öffentlicher Gefälle begünstigen,
vielmehr muß er die Parteyen an die gesetzlichen Vorschriften erinnern, und vor
deren Uebertretung ernstlich, warnen.
§. 1351. Ist diese Warnung fruchtlos: so muß er, bey eigner
Verantwortung, wenn das Vergehen noch verhütet werden kann, gehörigen Orts
schleunige Anzeige thun; und soll alsdann sein Name verschwiegen werden.
§. 1352. Auch muß kein Mäkler einen in den Gesetzen
verbotenen Handel, Wechsel, oder andres kaufmännisches Geschäft schließen, noch
dazu beyräthig oder behülflich seyn.
§. 1353. Thut er es dennoch: so soll er kassirt, und als
Theilnehmer an der unerlaubten Handlung bestraft werden.
§. 1354. Eben dies findet statt, wenn einem an sich
erlaubten Geschäfte verbotene Nebenabreden beygefügt werden.
§. 1355. Bey gleicher Strafe darf kein Mäkler zu unerlaubtem
Vor- und Aufkaufe, oder sonst zur Steigerung des Preises der gemeinen
Lebensbedürfnisse, sich gebrauchen lassen.
§. 1356. Wenn er einen Waarenhandel schließt, muß er von den
verhandelten Waaren, auf Verlangen der Interessenten, eine von dem Verkäufer
versiegelte Probe so lange behalten, und aufbewahren, bis die Waare geliefert,
und von dem Käufer ohne Einwendung gegen ihre Qualität angenommen worden.
§. 1357. Eben dergleichen Probe muß er dem Käufer, auf
dessen Verlangen, unter seinem eigenen Siegel zustellen; auch die bedungenen
Preise und Lieferungstermine eigenhändig darauf bemerken.
§. 1358. Dergleichen Proben werden dem Käufer, bey der
Lieferung, am Gewicht oder Maaße mit angerechnet.
Tagebuch des Mäklers.
§. 1359. Jeder Mäkler muß die von ihm geschloßnen Geschäfte,
in Gegenwart der beyden schließenden Theile, in sein Taschen- oder Handbuch
aufzeichnen, und hiernächst selbige in ein dazu bestimmtes paraphirtes Journal
eintragen.
§. 1360. Diese Eintragung muß allemal an dem Tage, da das
Geschäft geschlossen worden, oder längstens am folgenden Tage bewerkstelliget
werden.
§. 1361. Sie muß dergestalt vollständig geschehen, daß
daraus sowohl das Hauptgeschäft, als die dabey verabredeten Bedingungen zu
entnehmen sind.
§. 1362. Insonderheit müssen auch Frachtschließungen,
Bodmereyen, und Assekuranzen, in dies Journal eingetragen, und dabey alles
vermerkt werden, was sonst zum wesentlichen Inhalt einer Chartepartie oder Police
gehört.
§. 1363. Auch jüdische Mäkler müssen ihr Journal in
deutscher Sprache führen.
§. 1364. Jedem Interessenten muß der Mäkler einen Auszug
dieses Journals, so weit es das Geschäft betrifft, unter seiner Unterschrift,
längstens am folgenden Tage, ohne besondere Bezahlung aushändigen.
§. 1365. Andern, welche an dem eingetragenen Geschäfte
keinen Theil haben, darf er dergleichen Extrakt, ohne Einwilligung, wenigstens
von Einem der Interessenten, oder ohne Verfügung des Richters, nicht
verabfolgen.
Beweiskraft desselben.
§. 1366. Die im Journale des Mäklers, er sey Christ oder
Jude, eingetragenen Vermerke machen, wenn deren Richtigkeit von ihm eidlich
bestärkt worden, einen vollen Beweis.
§. 1367. Sind bey einem Geschäfte mehrere Mäkler gebraucht,
und die darüber in ihren Journalen gemachten Vermerke in dem einen oder andern
Punkte nicht übereinstimmend: so findet eben das statt, was §. 570. sqq. bey
Handlungsbüchern verordnet worden.
§. 1368. Ist der Mäkler gestorben oder sein gegenwärtiger
Aufenthalt unbekannt: so haben die in sein Journal eingetragenen Vermerke so
viel Gewicht, als die Aussage eines vereideten glaubwürdigen Zeugen.
§. 1369. Es müssen daher die Bücher des Mäklers, wenn er
stirbt, oder sein Amt niederlegt, versiegelt, und zur gerichtlichen
Aufbewahrung abgeliefert werden.
§. 1370. Die Bücher eines Mäklers verlieren ihre
Glaubwürdigkeit, wenn derselbe wegen Betrügereyen seines Amts entsetzt worden.
§. 1371. Was die Glaubwürdigkeit der Handlungsbücher
schwächt, hat eben die Wirkung auch bey den Büchern der Mäkler.
§. 1372. Erhellet aus den Büchern, daß ein Geschäft nicht
binnen der §. 1360. vorgeschriebenen Zeit eingetragen worden: so hat der
Vermerk, in Ansehung dieses Geschäfts, keinen Glauben.
§. 1373. Der Mäkler, welcher sich einer solchen verspäteten
Eintragung schuldig gemacht hat, soll das erstemal mit einer willkührlichen
Geldbuße belegt; bey der Wiederholung aber seines Amts entsetzt werden.
§. 1374. Doch kann der Richter sich der Vermerke auch in
solchen Fällen (§. 1370. sqq.) zu Hülfsmitteln bedienen, um näher auf den Grund
der Sache zu kommen.
§. 1375. Es müssen daher auch die Bücher eines kassirten
Mäklers zur gerichtlichen Verwahrung abgeliefert werden.
§. 1376. In allen Fällen, da Mäklerjournale im Gerichte
vorzulegen sind, müssen die Blätter, welche das streitige Geschäft nicht
betreffen, versiegelt werden.
§. 1377. Müssen dergleichen Blätter entsiegelt werden, um
bey bestrittener Glaubwürdigkeit des Journals zu untersuchen: ob selbiges
vorschriftmäßig geführt sey: so ist eben so zu verfahren, als für den Fall,
wenn ein Dokument mehrere auf den Prozeß keinen Bezug habende Stellen enthält,
in der Prozeßordnung vorgeschrieben ist.
§. 1378. Ein von einem vereideten Mäkler attestirter Wechsel
kann nicht eidlich diffitirt werden.
Gebühren des Mäklers.
§. 1379. Die Gebühren der Mäkler sind, nach Unterschied der
Geschäfte, jeden Orts bestimmt.
§. 1380. Wo dergleichen Bestimmungen fehlen, kann beym
Waarenhandel nur Eins, bey Darlehnen und Versicherungen Ein Viertel vom
Hundert; bey Geldwechselungen Eins vom Tausend; und beym Wechselhandel Zwey vom
Tausend gefordert werden.
§. 1381. Wenn weder durch besondere Gesetze, noch durch
Verabredungen der Parteyen, etwas festgesetzt ist: so hat der Mäkler seine
Gebühren, bey dem Waarenhandel von dem Verkäufer, und bey Versicherungen von
dem Versicherten allein, zu erhalten.
§. 1382. Bey andern Geschäften müssen ihm dieselben von
jedem beyder Theile zur Hälfte entrichtet werden.
§. 1383. Hat jede Partey ihren besondern Mäkler: so erhält
jeder Mäkler von seiner Partey die Hälfte des vorgeschriebenen Satzes.
§. 1384. Wer an Mäklerlohn mehr, als die erlaubten Sätze,
fordert oder annimmt, soll zum erstenmale um den doppelten Betrag der
rechtmäßigen Gebühren bestraft, und im Wiederholungsfalle seines Dienstes
entsetzt werden.
Verbotener Verkehr und Strafe desselben.
§. 1385. Mehrere Mäkler sollen, bey nahmhafter Strafe, keine
Gesellschaften unter sich errichten, und keine Theilungen des Verdienstes
verabreden.
§. 1386. Wird ein Mäkler
begangener oder begünstigter Betrügereyen überführt: so soll er den Schaden
ersetzen, kassirt, und noch außerdem, nach Beschaffenheit des begangenen
Verbrechens, und Vorschrift des Criminalrechts, bestraft werden.
Was bey Entlassung oder Dienstentsetzung der Mäkler zu beobachten.
§. 1387. Will ein Mäkler seinen Dienst niederlegen: so muß
er die Entlassung bey der Obrigkeit suchen, welche ihn bestellt hat; damit sein
Posten sogleich weder besetzt werden könne.
§. 1388. Die Dienstentsetzung, oder auch freywillige
Abdankung eines Mäklers, soll an der Börse, und durch die Zeitungen und
Intelligenzblätter der Provinz bekannt gemacht werden.
Eilfter Abschnitt
Von Rhedern, Schiffern, und Befrachtern
I. Von Schiffen überhaupt.
§. 1389. Jeder, welcher gültige Verträge schliessen kann,
ist befugt. Frachtschiffe bauen und ausrüsten zu lassen.
§. 1390. Er muß jedoch zuvor die Erlaubniß der Obrigkeit
dazu nachsuchen, und dahin sehen, daß bey dem Baue des Schiffes die wegen der
Größe desselben, der Beschaffenheit der Materialien, der Regelmäßigkeit und
Festigkeit des Baues, oder sonst ergangenen Vorschriften, genau befolgt werden.
§. 1391. Ist das Eine oder Andere versäumt: so muß die
Obrigkeit, sobald sich gegen die Einrichtung des Baues, und ob selbiger
vorschriftsmäßig geführt sey, ein erhebliches Bedenken findet, das Schiff
auseinander nehmen, und die Materialien, für Rechnung des unbefugt Bauenden, an
den Meistbietenden verkaufen lassen.
§. 1392. Kein Schiff soll zum Transport der Frachten
gebraucht werden, wenn es nicht mit einem Atteste der Obrigkeit über den
vorschriftsmäßigen Bau desselben (Bey-Brief) versehen ist.
§. 1393. Derjenige ist für den Eigenthümer des Schiffes zu
halten, auf dessen Veranstaltung selbiges erbauet worden, wenn gleich die
Materialien einem Dritten gehört haben.
§. 1394. Er muß aber, im letzten Falle, den Dritten nach
Vorschrift des Ersten Theils, Tit. IX. §. 305. und 306. entschädigen.
§. 1395. Beym Verkaufe eines Schiffes finden die Grundsätze
des Ersten Theils, Tit. XI. §. 12. sqq. statt.
§. 1396. Wenn nicht das Gegentheil ausdrücklich bedungen
worden: so wird angenommen, daß die Uebergabe durch Vollziehung des Contrakts
geschehen sey.
§. 1397. Welche Stücke als Zubehör eines Schiffes anzusehen
sind, ist im Ersten Theile, Tit. II. §. 91. verordnet.
§. 1398. Auch das Boot wird als Zubehör des Schiffes
betrachtet.
§. 1399. So oft ein Schiff verkauft, oder sonst von einem
Eigenthümer auf den andern gebracht wird, soll ein ordentliches Inventarium
aller darauf vorhandenen Geräthschaft aufgerichtet, und von beyden Theilen
unterschrieben werden.
§. 1400. Ist kein solches Inventarium vorhanden: so werden
nur diejenigen Stücke, welche im Contrakte ausdrücklich benannt, oder nach
Vorschrift des Ersten Theils, Tit. II. §. 91. für Zubehör zu achten sind, für
mitverkauft geachtet.
§. 1401. Befindet sich das Schiff zur Zeit des Verkaufs auf
der Reise: so werden die Frachtgelder für diese Reise, bey dem Mangel
besonderer Verabredungen, als ein Vorbehalt des Verkäufers angesehen.
§. 1402. Der Verkäufer eines Frachtschiffes ist schuldig,
das Schiff frey in allen Häfen und Ströhmen zu gewähren. (Th. I. Tit. XI. §.
135. sqq.)
§. 1403. Wer von einem Boots- oder andern Schiffsmann
einiges Schiffsgeräthe, als Tauwerk, Segel, Ruder, und dergleichen, ohne
Vorwissen des Schiffers kauft, oder sonst an sich bringt, soll nicht allein
selbiges ohne Entgelt wieder herausgeben, sondern auch überdies, gleich
demjenigen, der von verdächtigen Personen gekauft hat, bestraft werden. (Tit.
XX. Abschn. XIV.)
§. 1404. Bey Vermiethung eines ganzen Schiffes gelten die
Grundsätze des Ersten Theils, Tit. XXI, §. 258. sqq.
§. 1405. Hat jemand ein Schiff auf den ganzen Sommer
gemiethet: so läuft der Contrakt bis Martini.
§. 1406. Wird der Miether, ohne seine Schuld, durch
Unglücksfälle genöthigt, über die bestimmte Zeit in See zu bleiben: so ist er
zu keiner Erhöhung der Miethe verbunden.
§. 1407. Wegen Verpfändung der Schiffe und Schiffsgefäße
treten die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XX. §. 300. sqq. ein.
§. 1408. In jedem Falle, da ein Pfandrecht sich nur auf eine
oder mehrere Schiffsparten erstreckt, sind die übrigen Mitrheder befugt, von
dem Pfandgläubiger, gegen Bezahlung der Schuld, die Abtretung seiner Rechte zu
fordern.
Von Schiffsarresten.
§. 1409. Weder ein zum Auslaufen fertiges und beladenes,
noch ein im Laden begriffenes Schiff, kann wegen Schulden mit Arrest belegt
werden.
§. 1410. Sind solche Umstände vorhanden, daß sonst nach
Vorschrift der Prozeßordnung der Realarrest zuläßig seyn würde: so muß der
Richter statt dessen dem Gläubiger, nach Anleitung des Ersten Theils Tit. XX.
§. 303. sqq. ein vorläufiges Pfandrecht auf das Schiff bestellen, und den
Schiffer als Sequester vereiden.
§. 1411. Eben dieses findet statt, wenn Waaren, welche sich
schon über dem Bord des Hauptschiffes befinden, wegen Schulden mit Arrest
belegt werden, und ist alsdann bey deren Verpfändung nach Vorschrift des Ersten
Theils, Tit. XX. §. 374. sqq. zu verfahren.
§. 1412. Alsdann haftet demjenigen, welcher den Arrest
ausgebracht hat, das Schiff oder die Waare bis zum Betrage desjenigen, was er
demnächst an Capital, Zinsen und Kosten rechtskräftig erstreitet.
§. 1413. Ist das Schiff oder die Waare entweder gar nicht,
oder nicht bis zum vollen zu bestimmenden Werthe versichert: so kann der
Arrestleger die Versicherung ergänzen.
§. 1414. Er muß zwar alsdann die Prämie vorschiessen; kann
aber diesen Vorschuß, nach rechtskräftig erstrittener Hauptforderung, unter den
übrigen vermöge §. 1412. ihm zukommenden Erstattungen zurückfordern.
§. 1415. Wenn ein Schiff segelfertig liegt: so kann kein
Schiffsmann wegen Schulden oder andrer bürgerlichen Ansprüche, ohne Genehmigung
des Schiffers daraus genommen, und zur persönlichen Haft gebracht werden.
§. 1416. Wird aber dem Schiffer sofort ein anderer tüchtiger
und annehmlicher Schiffsmann für dieselbige Heuer gestellt: so muß er sich den
Arrest gefallen lassen.
§. 1417. Dagegen kann in jedem Falle der Gläubiger eines
Schiffsmannes desselben bewegliche Sachen und Effekten, in sofern selbige nicht
zur Fortsetzung der Reise unentbehrlich sind, in Beschlag nehmen lassen.
§. 1418. Auch auf die rückständige Heuer kann bis zur Hälfte
Arrest angelegt werden; nicht aber auf die künftige Heuer.
§. 1419. Wird ein Arrest auf Schiff oder Ladung nicht wegen
Schulden, sondern wegen Eigenthumsansprüche, oder aus andern Gründen angelegt:
so treten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von Arresten ein.
II. Von Rhederey überhaupt.
§. 1420. Wer unter dem
Schutze des Staats, den Transport der Frachten mit Seeschiffen als
Hauptgeschäft treibt, wird Schiffsrheder genannt.
§. 1421. Wer Rhederey treiben könne, muß nach den Gesetzen
und Verfassungen jedes Orts beurtheilt werden.
§. 1422. Wo diese keine deutliche Entscheidung enthalten,
findet eben das statt, was im Siebenten Abschnitte §. 476. sqq. von der
Befugniß, Kaufmannschaft zu treiben, verordnet worden.
§. 1423. Wer die Rechte eines Kaufmanns gehörig erlangt hat,
ist dadurch in der Regel zur Rhederey befugt.
§. 1424. Die Rheder sind verbunden, ihr Schiff mit tüchtigen
Beyl-, See- und Kaufbriefen und Pässen zu versehen; widrigenfalls sie, wenn
wegen Mangels derselben, dem Schiffer und Volke, oder andern Interessenten,
Schaden entsteht, dafür verhaftet sind.
§. 1425. Die Schiffspässe und Beylbriefe, desgleichen die in
Seesachen gewöhnlichen Protestationen, Verklärungen der Schiffsleute, oder
andere dergleichen öffentliche und gerichtliche Instrumente, welche in hiesigen
Landen aufgenommen werden, sollen von keiner Kraft seyn, wenn sie nicht bey der
Königlichen Admiralität, oder bey der Licent-Cammer, oder wohin sonst an jeden
Ort die Schiffs- und Seesachen gewiesen sind, in glaubwürdiger Form
ausgefertigt worden.
Verhältniß der Rheder unter sich.
§. 1426. Mehrere Rheder stehen unter einander in eben dem
Verhältnisse, als die Interessenten einer auf bestimmte Geschäfte gerichteten
Gesellschaft. (Th. I. Tit. XVII. §. 186. sqq.)
§. 1427. Die Vertheilung des Gewinns und Verlustes
geschieht, bey dem Mangel besondrer Abreden, nach Verhältniß der Schiffsparten.
§. 1428. Darnach werden auch die Stimmen berechnet, wenn
über gemeinschaftliche Angelegenheiten ein Schluß abgefaßt werden soll. (Th. I.
Tit. XVII. §. 12. sqq.)
§. 1429. Ist jedoch von einer
Ausbesserung des Schiffs die Rede, welche der Schiffer und ein vereideter
Schiffsbaumeister nothwendig finden: so muß damit, ohne Rücksicht auf die
Mehrheit der Stimmen verfahren werden.
§. 1430. Will der größere Theil der Rheder sich dieses nicht
gefallen lassen: so steht denselben frey auf den öffentlichen Verkauf des
Schiffes anzutragen.
§. 1431. Ein von den Rhedern zur Verwaltung ihres
gemeinschaftlichen Interesse bestellter Schiffs-Direktor, hat alle Rechte und
Pflichten eines Handlungsfaktors oder Disponenten. (§. 497. sqq.)
§. 1432. Ist die Bestellung eines solchen Schiffs-Direktors
von sämmtlichen Rhedern dem Schwer bekannt gemacht worden: so ist dieser
schuldig, so lange bis sämmtliche Rheder ihm andere gemessene Anweisungen
ertheilen, den Verfügungen desselben allein Folge zu leisten.
Vom Austritte aus der Rhederey.
§. 1433. So lange ein Schiff auf der Fahrt begriffen ist,
kann keiner der Interessenten die Aufhebung der Gesellschaft verlangen.
§. 1434. Wird jedoch über das Vermögen eines Rheders Concurs
eröffnet: so sind die übrigen Mitrheder sogleich befugt, sich nach näherer
Vorschrift der Concursordnung, mit seiner Creditmasse aus einander zu setzen.
§. 1435. Eben dies findet statt, wenn der Fall eintritt, daß
ein Mitrheder von den übrigen ausgeschlossen werden kann. (Th. I. Tit. XVII. §.
273. 274.)
§. 1436. Nach Endigung einer Fahrt steht einem jeden frey,
auf den öffentlichen Verkauf des Schiffes anzutragen, wenn der Contrakt nicht
das Gegentheil einhält.
Vom Vorkaufs- und Rückforderungsrechte.
§. 1437. Will ein einzelner Rheder nur seine Schiffspart
verkaufen: so steht den Mitgliedern ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu. (Th. I.
Tit. XX. §. 573.)
§. 1438. Sie müssen sich aber, bey
Verlust ihres Rechts, binnen Drey Tagen, nachdem ihnen die gehörige
Bekanntmachung geschehen ist, erklären: ob sie den Vorkauf ausüben wollen, oder
nicht. (Th. I. Tit. XX. §. 610. sqq.)
§. 1439. Haben die Rheder einen Schiffsdirektor bestellt: so
ist es hinreichend, wenn die Bekanntmachung nur an diesen geschieht; und die
Mitrheder verlieren durch seine Versäumniß ihr Vorkaufsrecht.
§. 1440. Ist der Verkauf ohne gehörige Bekanntmachung, oder
vor Ablauf der dreytägigen Frist geschehen: so stehet den Mitrhedern das
Rückforderungsrecht binnen Vier Wochen zu. (Th. I. Tit. XX. §. 631. sqq.)
§. 1441. Wollen mehrere Mitrheder zur Ausübung des Vorkaufs-
oder Näherrechts gelassen seyn: so hat derjenige den Vorzug, welcher sich dazu
bey dem gehörigen Gerichte zuerst gemeldet hat.
§. 1442. Haben sich mehrere zugleich gemeldet: so steht dem
bisherigen Besitzer die Wahl frey, mit welchem unter ihnen er sich einlassen
wolle. (Erster Theil, Tit. XVII. §. 62.)
§. 1443. Ein Mitrheder, welcher zugleich zum Schiffer
bestellt worden, erlangt dadurch, weder in Ansehung des Vorkaufs, noch sonst,
ein besonderes Vorrecht vor den übrigen Rhedern; und wird in allem, was die
Führung des Schiffes betrifft, nur einem andern Schiffer gleich geachtet.
§. 1444. Es macht dabey keinen Unterschied, wenn er auch die
Führung des Schiffes, bey seinem Eintritte in die Rhederey, sich zur besondern
Bedingung gemacht hätte.
Verhältnis zwischen Rhedern und Schiffern.
§. 1445. Derjenige, welchem die Aufsicht und Fuhrung des
ganzen Schiffs von den Rhedern übertragen ist, wird, ohne Rücksicht auf den ihm
etwa beygelegten besondern Namen, als Schiffer betrachtet.
Bestellung des Schiffers.
§. 1446. Es soll niemand in hiesigen Landen zum Schiffer
angenommen werden, der nicht zuvor von dem Schiffer-Alten mit Zuziehung eines
geschickten Mathematikers geprüft, und mit einem Atteste versehen worden: daß
er in der Steuermannskunst erfahren sey; durch Reisen schon die nöthigen Land-
und Revierkenntnisse erlangt habe; den Schiffbau verstehe; auch in den
Seerechten und Gebräuchen hinreichend bewandert sey.
§. 1447. Die Rheder müssen bey eigner Vertretung keinen zum
Schiffer bestellen oder behalten, der die Schifffahrt nicht versteht, oder
solche grobe Fehler an sich hat, die ihn zur Wahrnehmung seiner Pflichten
untüchtig machen. (Th. I. Tit. VI. §. 62. sqq.)
§. 1448. Auch dürfen sie einen Schiffer, der bereits ein
Schiff geführt hat, nicht eher annehmen, als bis die geschehene Entlassung aus
seinem vorigen Dienste gehörig nachgewiesen ist.
§. 1449. Das Verhältniß zwischen Rhedern und Schiffern ist,
im Allgemeinen, nach den Gesetzen von Verträgen über Handlungen zu beurtheilen.
(Th. I. Tit. XI. Abschn. VIII.)
§. 1450. Zu Verhütung alles Streites muß mit dem Schiffer,
wegen der Heuer und anderer Conditionen, ein schriftlicher Contrakt geschlossen
werden.
§. 1451. Unter Abwesenden vertritt die zwischen den
Schiffern und den Rhedern, oder deren Bevollmächtigten, gepflogene
Correspondenz die Stelle des Contrakts.
§. 1452. So weit aus dieser ein Anderes nicht erhellet, wird
angenommen, daß der neue Schiffer in den Contrakt des vorigen getreten sey.
§. 1453. Bey dem Mangel eines schriftlichen Contraktes
finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. V. §. 155. sqq. Anwendung; und
in so weit es dabey auf eine mündliche Abrede ankommt, wird der Schiffer zu
deren eidlichen Bestärkung gelassen.
Entlassung desselben.
§. 1454. Hat sich jemand zum Schiffer annehmen lassen, der
die zur Schifffahrt nöthigen Kenntnisse nicht besitzt: so sind die Rheder an
den geschlossenen Contrakt nicht gebunden.
§. 1455. Vielmehr soll dergleichen Schiffer zur Rückgabe
alles Empfangenen, und zum Ersatze des verursachten Schadens, durch rechtliches
Erkenntniß angehalten, auch noch überdies mit willkührlicher Geld- oder
Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 1456. Finden, außer diesem Falle, die Rheder nöthig, den
Schiffer vor Ablauf der im Contrakte bestimmten Zeit zu entlassen: so ist
derselbe zwar schuldig, sobald ihm diese Entschließung der Rheder bekannt wird,
sich aller Verfügungen über das Schiff zu enthalten.
§. 1457. Wird aber hiernächst ausgemittelt, daß die Rheder
den Schiffer ohne genugsam erhebliche Ursache zu frühzeitig entlassen haben: so
müssen sie denselben vollkommen schadlos halten; und es soll ihm auf Kosten der
Rheder ein gerichtliches Attest über seine Unschuld ertheilt werden.
Pflichten des Schiffers gegen die Rheder überhaupt.
§. 1458. Sobald dem Schiffer das Schiff übergeben ist, muß
er die Beschaffenheit desselben und der Schiffsgeräthe genau untersuchen, die
daran entdeckten Mängel den Rhedern anzeigen, und wenn sie nicht am Orte
gegenwärtig sind, deren schleunige Abhelfung besorgen.
§. 1459. Wird von den am Orte gegenwärtigen Rhedern die
nöthige Ausbesserung entweder gar nicht, oder nicht hinreichend vorgenommen: so
muß er der Admiralität oder Licentcammer, oder wohin sonst jedes Orts die
Schiffs- und Seesachen gewiesen sind, davon schleunige Anzeige thun.
§. 1460. Unterläßt er das Eine oder Andere: so wird er für
allen dadurch entstehenden Schaden mit verhaftet.
§. 1461. Der Schiffer ist schuldig, der Rheder Vortheil in
allen Schiffsgeschäften möglichst zu befördern, und allen besorglichen
Nachtheil nach seinen Kräften abzuwenden.
§. 1462. Dabey muß er die Versehen vertreten, die ein
vorsichtiger und erfahrner Schiffer sich nicht würde zu Schulden kommen lassen.
§. 1463. Bey wichtigen und bedenklichen Fällen, da Schiff, Ladung,
und Menschen in Gefahr stehen, sowohl im Hafen, als auf der See, muß er mit
seinen Schiffsleuten Seemannschaft oder Schiffsrath halten.
§. 1464. Es ist jedoch zur Deckung des Schiffers
hinreichend, wenn zu einem solchen Schiffsrathe nur der Steuermann,
Hochbootsmann, und Zimmermann gezogen werden.
§. 1465. Fehlt einer von diesen: so muß der Schiffer an
dessen Stelle wenigstens einen andern erfahrnen Schiffsmann zuziehen.
§. 1466. An die Meinung des Schiffsraths ist der Schiffer
zwar nicht gebunden; wenn er aber demselben ohne erhebliche von ihm klar zu
erweisende Gründe zuwider handelt: so macht er sich wegen des daraus
entstehenden Schadens verantwortlich.
§. 1467. Der Schiffer darf das Schiff, vor beendigter Reise,
ohne der Rheder Einwilligung, unter keinem Vorwande verlassen.
§. 1468. Selbst in dem Falle, wenn der Schiffer nur auf eine
bestimmte Zeit gedungen worden, und die Reise binnen dieser Frist nicht
geendigt werden kann, muß er dennoch das Schiff an den Ort seiner Bestimmung
abliefern.
§. 1469. Wird der Schiffer durch Krankheit oder andern
Zufall verhindert, die Reise fortzusetzen: so muß er den Rhedern, oder deren
Bevollmächtigten, davon Nachricht geben, und ihre Verfügung abwarten.
§. 1470. Kann die Fortsetzung der Reise bis zum Eingang dieser
Verfügung nicht verschoben werden: so ist er berechtigt, einem andern an seiner
Stelle die Führung des Schiffes aufzutragen.
§. 1471. Für die Handlungen eines in solchem Falle
bestellten Substituten haftet er nur in so fern, als er bey der Auswahl desselben
ein mäßiges Versehen begangen hat.
Bey Ladung des Schiffes.
§. 1472. Ehe ein Schiffer Ladung einnimmt, muß er,
allenfalls mit Zuziehung der nöthigen Sachverständigen, das Schiff genau
untersuchen, und sich hinreichende Gewißheit verschaffen, daß selbiges zu der
vorhabenden Reise tüchtig und genugsam ausgerüstet sey.
§. 1473. Finden sich bey dieser Untersuchung Mängel am
Schiffe, oder an der Ausrüstung: so muß der Schiffer nach Vorschrift des §.
1458. 1459. verfahren.
§. 1474. Wird ausgemittelt, daß ein Schiffer Ladung
eingenommen habe, obgleich das Schiff nicht tüchtig und genugsam ausgerüstet
gewesen: so soll er sowohl den Rhedern und Befrachtern, als den Versicherern,
für allen Schaden haften; und außerdem, wegen der durch diese seine
Fahrläßigkeit irgend jemanden an Leben, Leib oder Vermögen zugestoßenen
Verletzungen, nach Vorschrift des Criminalrechts bestraft werden.
§. 1475. Für die gehörige Beladung des Schiffes muß der
Schiffer vorzügliche Sorgfalt anwenden; und besonders darauf sehen: daß das Schiff
nicht zu leicht geladen, sondern allenfalls mit dem nöthigen Ballaste versehen,
auch weder im Grunde, noch oben, noch auf Einer Seite zu sehr belastet werde,
sondern eine bequeme Fahrt habe.
§. 1476. Er muß ferner leckende Güter nicht auf trockene stauen;
keine schwache Packlage unterlegen; und die Güter gut garniren.
§. 1477. Nimmt er eine lose Ladung ein, oder fährt er mit
Ballast: so soll er in der Mitte ein tüchtiges Schloß machen, damit die Ladung
nicht übergehen könne.
§. 1478. Auch muß er die Ladung feste stauen, und sie
gehörig mit Holz unterschlagen.
§. 1479. Bedient er sich bey dem Stauen der Schrauben oder
Wagewinden: so muß er Bretter vor die Schraube, oder Holz zwischen die Klau
legen, damit er nicht die Packlage verderbe.
§. 1480. Sind diese Vorschriften (§. 1475 bis 1479.) von ihm
oder seinem Volke verabsäumt worden: so haftet er für allen Schaden.
§. 1481. An solchen Orten, wo verordnete Stauer sind, muß er
dahin sehen, daß diese keinen Fehler an der Stauung begehen; und wenn sie sich
nicht abhalten lassen wollen, dagegen Protest aufnehmen lassen.
§. 1482. Hat er dies verabsäumt: so soll ihm die
Entschuldigung, daß der Fehler durch die Stauer veranlaßt sey, nicht zu statten
kommen.
§. 1483. Die Ueberladung des Schiffes muß der Schiffer mit
gleicher Sorgfalt vermeiden, und kann, bey dadurch entstehendem Schaden, sich
mit dem Verlangen der Befrachter oder Spediteurs gegen die Vertretung nicht
schützen.
§. 1484. In allen Fällen, wenn auch kein Schade geschehen
ist, muß der Schiffer den doppelten Betrag der bedungenen Fracht, für jede zu
viel eingenommene Last, zur Schiffer-Armencasse als Strafe entrichten.
§. 1485. Ein Schiffer, der von einem unbekannten oder
unsicheren Befrachter Güter an Bord nimmt, deren Qualität er nicht genau kennt,
haftet für den Schaden, welcher aus der verborgenen Qualität entsteht.
§. 1486. Eben dieses findet statt, wenn er, ohne der Rheder
und Befrachter Einwilligung, Contrebande, oder andere dergleichen Güter ladet,
welche das ganze Schiff und die übrige Ladung in Gefahr setzen.
§. 1487. Ferner, wenn er in Kriegeszeiten Güter einnimmt,
deren äußere Beschaffenheit eine unrichtige Angabe des Befrachters vermuthen
läßt.
Bey Führung desselben.
§. 1488. Der Schiffer darf nach beendigter Ladung nicht ohne
Noth vom Schiffe gehn, vielweniger auf dem Lande übernachten.
§. 1489. Wird er durch vorfallende Umstände dazu genöthigt,
so muß er die Aufsicht über das Schiff während seiner Abwesenheit dem
Steuermanne auftragen.
§. 1490. Schiffer und Steuermann dürfen sich also niemals zu
gleicher Zeit vom Schiffe entfernen.
§. 1491. Der Schiffer darf ohne
Noth den ihm vorgeschriebenen Curs nicht ändern, noch in andere als die ihm
bestimmte Häfen einlaufen; widrigenfalls er den Rhedern und Befrachtern für
allen daraus entstehenden Schaden haftet.
§. 1492. Ist ihm kein Curs vorgeschrieben: so muß er den
nächsten und sichersten Weg zum Orte seiner Bestimmung nehmen.
§. 1493. Wird er durch Nothfälle den Curs zu ändern, oder
einen andern Hafen zu suchen veranlaßt: so muß er den Rhedern baldmöglichst
davon Nachricht geben.
§. 1494. Segelt der Schiffer unter Convoy, oder errichteter
Admiralschaft: so muß er dieselbe nicht vorsätzlich brechen, noch sich von den
übrigen Schiffen ohne Noth entfernen.
§. 1495. Hat er diesem zuwider gehandelt: so haftet er den
Rhedern und Befrachtern wegen eines jeden Verlustes, der durch Haltung der
Admiralschaft wäre vermieden worden; so wie den übrigen Schiffen wegen seines
etwanigen Kostenbeytrages.
§. 1496. Jeder Schiffer ist bey eigner Vertretung schuldig,
er mag unter Segel oder vor Anker seyn, die Schiffsleuchte bey Nacht
aufzustecken; auch wenn er vor Anker liegt, über demselben den sogenannten
Wächter befestigen, und schwimmen zu lassen.
§. 1497. Außer dem höchsten Nothfalle muß er, bey gleicher
Verantwortung, nicht ohne die dazu bestellten Piloten oder Lootsen ein- und
ausseegeln; dem Piloten im Ein- und Ausbringen des Schiffes das Commando
lediglich überlassen; auch sein Schiffsvolk anhalten, demselben in allen
Stücken, besonders bey Regierung des Ruders und der Segel, genau zu folgen.
Bey der Einlaufung in einen Hafen.
§. 1498. Läuft er nach der Abfahrt vom Ladungsplatze in
einen Hafen ein, wo ein ihm bekannt gemachter Bevollmächtigter der Rheder sich
befindet: so muß er sich bey diesem unverzüglich melden, und ohne Vorwissen und
Einwilligung desselben nichts von Erheblichkeit unternehmen.
Bey Aufnehmung der nöthigen Gelder.
§. 1499. Ist der Schiffer an einem fremden Orte, wo keine
Bevollmächtigte der Rheder sich befinden, Gelder zur Fortsetzung der Reise
aufzunehmen genöthigt: so muß er dieselben darlehnsweise auf die möglichst
bestehenden Bedingungen zu erhalten suchen.
§. 1500. Kann er dergleichen Darlehn nicht aufbringen: so
muß er sich die benöthigten Gelder auf Bodmerey zu verschaffen bemüht seyn.
§. 1501. Findet weder das eine noch das andere statt: so
steht ihm frey, von den geladenen Waaren, oder von den entbehrlichen
Schiffsgeräthschaften, so viel als zur Bestreitung solcher Ausgaben
unumgänglich nothwendig ist, zu verpfänden, oder zu veräußern.
§. 1502. Er muß aber in allen vorstehenden Fällen (§. 1499.
1500. 1501.) die Umstände, welche ihn in Verlegenheit setzen, dem Seegerichte
des Orts, wo er vor Anker liegt, anzeigen; dieselben, nebst dem Steuermanne und
zweyen Schiffsleuten, eidlich erhärten; und ein Instrument darüber errichten
lassen.
§. 1503. Vernachläßigt er diese Vorschrift: so muß er wenn
demnächst die Rheder oder Befrachter die Notwendigkeit des Darlehns oder der
Veräußerung nicht anerkennen wollen, dieselbe vollständig erweisen; und soll
zum Erfüllungseide darüber nicht gelassen werden.
Wegen der Correspondenz mit den Rhedern.
§. 1504. Der Schiffer ist schuldig, die Rheder, so viel als
möglich, von allen auf der Reise sich ereignenden erheblichen Vorfällen zu
benachrichtigen.
§. 1505. Insonderheit muß er ihnen die Ankunft und Abreise,
Frachtschließung über Waaren und Personen, Ablieferung der Fracht und
Frachtgelder, das Einlaufen in einen Nothhafen, u. d. m. bey erster Gelegenheit
melden.
Wegen Führung des Tagebuches.
§. 1506. Außerdem muß er ein richtiges und vollständiges
Tagebuch über die ganze Reise entweder selbst führen, oder durch den Steuermann
führen lassen.
§. 1507. In diesem Tagebuche müssen alle merkwürdige, vor,
während, und nach der Reise sich ereignete Vorfälle verzeichnet werden.
§. 1508. Besonders gehören dahin die bedungene Fracht; die
Annahme oder Abdankung des Volkes; der Empfang und die Ablieferung der Waaren;
die Abfertigung bey den Zöllen und Licenten; die während der Reise vorgefallenen
Veränderungen des Windes und Wetters, und dergleichen.
§. 1509. Auch die während der Reise sich auf dem Schiffe
ereigneten Todesfälle, ingleichen die vorgefallene Beschädigungen an Schiff
oder Ladung, müssen in das Tagebuch genau eingetragen werden.
§. 1510. Der Schiffer und Steuermann müssen dieses Journal
dergestalt getreulich führen, daß sie die Richtigkeit desselben auf Erfordern
eidlich bestärken können.
§. 1511. Sie müssen dasselbe innerhalb Vier und zwanzig
Stunden nach ihrer Ankunft dem Seegerichte des Loosungsplatzes, wenn aber die
Beschaffenheit der Gewässer eine frühere Brechung der Ladung nothwendig macht,
dem Gerichte des Vorhafens im Original übergeben.
§. 1512. Ist das Tagebuch nicht gehalten, oder nicht gehörig
fortgeführt worden: so sollen der Schiffer und Steuermann, außer der Verhaftung
für allen daraus entstehenden Schaden, wenn der Fehler aus bloßer Nachläßigkeit
entstanden ist, den Vierten Theil der verdienten Heuer zur Strafe entrichten;
bey ausgemitteltem bösen Vorsatze aber als Verfälscher bestraft werden.
§. 1513. Außerdem muß der Schiffer eine jede seiner Angaben,
worauf er für sich einen Anspruch oder Verteidigung gründen will, durch andre
rechtliche Beweismittel vollständig darthun; und kann darüber zum
Erfüllungseide nicht gelassen werden.
Wegen der Fracht.
§. 1514. Der Schiffer muß an der mit den Rhedern bedungenen
Heuer sich begnügen, und darf ohne deren Genehmigung keine Waaren für eigne
Rechnung, weder in dem Räume, noch auf der Decke, noch in den Kellern, auch
nicht in der Cajüte mitnehmen.
§. 1515. Handelt er diesem Verbote zuwider: so soll er den
Vierten Theil des Werths der mitgenommenen Waare den Rhedern zur Strafe
entrichten.
§. 1516. Ist aber der Schiffer zugleich Mitrheder, oder hat
er für einen der Rheder, ohne die Fracht zu bedingen, Waaren einladen lassen:
so muß er den mittlern Satz des zu derselben Zeit am Ladungsplatze gewöhnlichen
Frachtlohnes bezahlen.
§. 1517. Ferner muß er, bey Annehmung der Fracht,
vornehmlich seiner Rheder Nutzen zu befördern suchen, und um der Kaplaken,
Schreibegeldes, oder andres eigenen Vortheils willen, keine gute Fracht
ausschlagen.
§. 1518. Auch darf er an Kaplaken, Schreibegeld, oder sonst,
wenn ihm dergleichen Vortheile von den Rhedern zugestanden worden, nicht mehr
als den Dreyßigsten Theil der Fracht nehmen, widrigenfalls er den doppelten
Betrag des ganzen erhaltenen Kaplakens, Schreibegeldes, oder andern Vortheils,
der Schiffer-Armencasse zur Strafe erlegen soll.
Wegen der Rechnungsablegung.
§. 1519. Bey Endigung jeder Reise muß der Schiffer den
Rhedern genaue Rechnung ablegen, auch während derselben, so oft es von den
Rhedern, oder demjenigen, welchem sie dazu Auftrag ertheilt haben, verlangt
wird, Auskunft über die vorgefallenen Einnahmen und Ausgaben ertheilen.
§. 1520. Hat ein Schiffer von der Fracht oder
Schiffsprovision etwas unterschlagen: so soll er zum doppelten Ersatze
angehalten, und außerdem als ein Betrüger gestraft werden.
§. 1521. Eben dies findet statt, wenn der Schiffer, zum
Nachtheile der Rheder oder Versicherer, mit den Schiffshandwerkern und
Lieferanten sich einversteht.
Verpflichtung der Rheder durch die Handlungen des Schiffers.
§. 1522. Zum Verkaufe des ganzen Schiffes aus freyer Hand,
ist der Schiffer ohne ausdrückliche Einwilligung der Rheder, oder ihrer
Bevollmächtigten, nicht befugt.
§. 1523. Sollten besondre Umstände den schleunigen Verkauf
desselben nothwendig oder für die Rheder nützlich machen: so muß der Schiffer
diese Umstände den Gerichten des Orts anzeigen, eine Taxe durch vereidete Sachverständige
aufnehmen lassen, und den Verkauf durch öffentliche Licitation veranstalten.
§. 1524. Unterläßt er dies: so muß er den Werth des Schiffes
zur Zeit der Abfahrt bezahlen, wenn er nicht die Nothwendigkeit oder
Nützlichkeit des vorgenommenen Verkaufes vollständig darthun kann.
§. 1525. Durch andre von dem Schiffer, während der Reise,
wegen des ihm untergebenen Schiffes eingegangene Verbindlichkeiten, werden die
Rheder eben so, als ein Handlungseigenthümer durch die Unternehmungen seines
Faktors oder Disponenten verhaftet. (§. 497. sqq.)
§. 1526. Gegen diese Verbindlichkeiten können die Rheder
durch den Vorwand, daß der Schiffer die ihm ertheilte Vollmacht überschritten
habe, sich nicht schützen.
§. 1527. Auch werden die Rheder von dieser Vertretung nicht
frey, wenn gleich der Schiffer selbst das ganze Schiff gemiethet haben sollte.
§. 1528. Den durch die Schuld des Schiffers oder der
Schiffsleute an der Ladung oder den Reisenden verursachten Schaden, müssen die
Rheder in so weit vertreten, als der Beschädiger selbst zum Ersatze unvermögend
ist.
§. 1529. Doch können die Rheder von diesen durch die
Handlungen des Schiffers ihnen zur Last fallenden Verbindlichkeiten, mittelst
Abtretung ihrer Schiffsparte, und aller während der Reise davon gehabten
Vortheile, sich befreyen.
§. 1530. Ist das Schiff versichert gewesen: so müssen den
Gläubigern auch die Rechte gegen den Versicherer abgetreten werden.
§. 1531. Haben die Rheder nach Endigung der Reise, während
welcher eine solche ihnen bekannt gewordene Forderung entstanden ist, das
Schiff aufs neue in See gehn lassen: so können sie sich durch Abtretung ihrer
Schiffsparte nicht mehr davon losmachen; sondern haften auch mit ihrem übrigen
Vermögen.
§. 1532. Für die Vergehungen des Schiffers sind die Rheder
nur so, als ein Prinzipal für die Vergehungen seines Faktors verhaftet. (§.
515. sqq.)
§. 1533. Es findet aber auch alsdann die Abtretung des
Schiffes nicht statt.
III. Verhältniß zwischen dem Schiffer und Schiffsvolke. Annehmung
des Schiffsvolkes.
§. 1534. Das Schiffsvolk steht gegen den Schiffer in eben
dem Verhältnisse, wie das Gesinde gegen seine Dienstherrschaft. (Th. II. Tit.
V.)
§. 1535. Der Schiffer ist schuldig, ehe er in See geht, mit
dem Volke einen schriftlichen Verdung, oder sogenannte Musterrolle zu
errichten.
§. 1536. Die Heuer des Volkes kann entweder monathweise,
oder für die Reise überhaupt in Pausch und Bogen, bedungen werden.
§. 1537. Dadurch, daß der Verdung monathweise geschehen ist,
wird keiner von beyden Theilen berechtigt, vor beendigter Losung von dem
Contrakte einseitig abzugehn.
§. 1538. Muß, wegen Kürze der Zeit, ein oder andrer
Schiffsmann ohne vorher errichteten schriftlichen Contrakt angenommen werden:
so ist die Heuer nach Verhältniß derjenigen zu bestimmen, die der Schiffer
selbst von den Rhedern empfängt.
§. 1539. Ein Steuer- und Schiffszimmermann erhalten alsdann
jeder Zwey Drittel; ein Koch und Hochbootsmann jeder die Hälfte; ein Matrose
Ein Drittel; und ein Schiffsjunge Ein Sechstel so viel, als dem Schiffer von
den Rhedern ausgesetzt ist.
§. 1540. Ein Schiffsmann, der sich an zwey Schüler zugleich
verheuert, soll die Hälfte der vom letzten versprochenen Heuer als Strafe, zum
Besten der See-Armen, entrichten.
§. 1541. Auf gleiche Art ist der Schiffer zu bestrafen, der
einen schon von einem Andern gemietheten Schiffsmann, ungeachtet ihm solches
bekannt ist, in Dienste nimmt.
§. 1542. Ein Schiffsmann, der mit der empfangenen Heuer
entläuft, oder sich verborgen hält, um dem übernommenen Dienste sich zu
entziehn, soll als ein Dieb angesehen und bestraft werden.
§. 1543. Wer sich für einen Steuermann, Zimmermann, oder
andern Schiffs-Officianten verheuert, nachgehends aber untüchtig dazu befunden
wird gegen den finden die Vorschriften §. 1454. 1455. Anwendung.
Abdankung des Schiffsvolks;
a) durch eigne Schuld;
§. 1544. Ein Matrose, oder andrer gemeiner Schiffsmann aber,
der auf der Reise untüchtig befunden wird, soll seiner noch rückständigen Heuer
verlustig seyn, und mit einer nach Beschaffenheit der Umstände zu bestimmenden
willkührlichen Leibesstrafe belegt werden.
§. 1545. Muß ein Schiffsmann vor vollendeter Reise entlassen
werden, weil er sich zum Dienste untüchtig gemacht hat; oder weil er mit einer
venerischen Krankheit behaftet ist: so kann er nicht mehr an Lohn fordern, als
er bis dahin wirklich verdient hat.
§. 1546. Sollte ein Schiffsmann vor vollendeter Reise
eigenmächtig aus dem Dienste treten: so kann er zu dessen Fortsetzung durch
Zwangsmittel angehalten werden.
§. 1547. Will der Schiffer einen ausgetretnen Schiffsmann
nicht wieder annehmen: so muß der letztere alles Empfangene an Handgeld und
Heuer zurück geben; auch wegen seines Unfugs, mit einer nach Bewandniß der
Umstände zu bestimmenden Leibesstrafe belegt werden.
§. 1548. Findet ein Steuer- oder andrer Schiffsmann
Gelegenheit, selbst als Schiffer angesetzt zu werden: so muß ihn sein
bisheriger Schiffer, auch noch vor vollendeter Reise, des Dienstes entlassen.
§. 1549. Der Abgehende ist aber alsdann schuldig, einen
andern tüchtigen Mann an seine Statt zu stellen, und sich mit demselben wegen
des Soldes ohne des Schiffers Schaden zu vereinigen.
§. 1550. So lange dieses nicht geschehen ist, muß auch ein
solcher Schiffsmann seinen bisherigen Dienst nothwendig fortsetzen.
§. 1551. Eben dies findet statt, wenn ein Steuer- oder
anderer Schiffsmann vor der Abreise Gelegenheit erhält, sich zu verheirathen;
und er diese Gelegenheit durch seine Reise zu verabsäumen Gefahr läuft.
b) durch
Zuthun des Schiffers;
§. 1552. Verabschiedet der Schiffer einen Schiffsmann ohne
rechtlichen Grund, noch vor dem Antritte der Reise: so muß er demselben wenn in
Pausch und Bogen gedungen worden, die halbe Heuer, und wenn Monathsweise
gedungen ist, einen doppelten Monathssold entrichten.
§. 1553. Geschieht aber die Verabschiedung während der
Reise: so gebührt dem Verabschiedeten, außer den Retourkosten, nach
Verschiedenheit des Verdungs, die ganze Heuer, oder ein Viermonatlicher Sold.
c) Krankheit;
§. 1554. Muß ein Schiffsmann, noch vor angetretener Reise,
wegen eines Zufalls abgedankt werden, der ihn ohne seine Schuld zum Dienste
untauglich macht: so kann er, nach Verschiedenheit des Verdungs, den Vierten
Theil der Heuer, oder Einen Monathssold fordern.
§. 1555. Ereignet der Fall sich während der Reise: so muß
der Schiffer die Verpflegungs-, Heilungs- und Retourkosten für den Schiffsmann
bezahlen.
§. 1556. Hat jedoch der Zufall sich außer dem Dienste
ereignet: so fällt dem Schiffer an solchen Kosten zusammen, nach
Verschiedenheit des Verdungs, nicht mehr, als der Betrag der halben Heuer, oder
eines Zweymonathlichen Soldes, außer dem schon verdienten Lohne, zur Last; und
das mehr verwendete muß von dem Beschädigten demnächst stattet werden.
§. 1557. Einen in Geschäften seines Dienstes verwundeten
oder beschädigten Schiffsmann, muß der Schiffer, auf der Rheder Kosten, heilen
und verpflegen lassen.
§. 1558. Auch für einen durch eigne Schuld erkrankten oder
sonst beschädigten Schiffsmann, muß der Schiffer so lange sorgen, bis er ihn an
ein bewohntes Land aussetzen kann.
§. 1559. Doch ist der Schiffer alsdann berechtigt, die
gemachten Auslagen von der dem Kranken etwa noch zukommenden Heuer in Abzug zu
bringen.
§. 1560. In keinem Falle kann ein kranker Schiffsmann
verlangen, daß der Schiffer um seinetwillen die Reise verzögern, oder an einem
Orte, wohin er nicht bestimmt ist, landen solle.
d) Absterben.
§. 1561. Stirbt ein Schiffsmann, bevor mit der Ladung
angefangen worden: so können dessen Erben, nach Verschiedenheit des Verdungs,
den Vierten Theil der Heuer, oder Einen Monathssold fordern.
§. 1562. Stirbt er während der Hinreise: so gebührt den
Erben, nach Verschiedenheit des Verdungs, die halbe Heuer, oder ein doppelter
Monathssold; und wenn er auf der Rückreise stirbt, die ganze Heuer, oder ein
Viermonathlicher Sold.
§. 1563. Der Schiffer aber kann davon die dem Verstorbenen
gegebenen Vorschüsse, und die ausgelegten Begräbnißkosten, in Abzug bringen.
§. 1564. In allen vorstehenden Fällen wird der Anfang der Hin-
oder Rückreise nach Vorschrift des Vierzehnten Abschnitts berechnet.
§. 1565. Der Wittwe oder den Kindern eines bey Verteidigung
des Schiffs getödteten, oder an seinen Wunden gestorbenen Schiffsmanns, muß in
jedem Falle doppelte, andern Erben hingegen die einfache Heuer gezahlt werden.
§. 1566. Davon wird bloß in Abzug gebracht, was der
verstorbene Schiffsmann auf die bedungene Heuer schon bey seinem Leben erhalten
hat.
Rechte des Schiffsvolks wegen der Heuer:
a) wenn
die Reise nicht angetreten,
§. 1567. Wird die Reise, wozu das Schiffsvolk gedungen
worden, auf Veranlassung der Rheder ganz rückgängig: so gebühret dem Volke die
halbe Heuer; oder wenn monathsweise gedungen ist, Zweymonathlicher Sold.
§. 1568. Ein Gleiches findet alsdann statt, wenn die Reise
durch einen auf das Schiff gerichtlich angelegten Arrest rückgängig wird.
§. 1569. Wird aber das Schiff, ohne Verschulden der Rheder,
oder des Schiffers, durch höhere Macht, oder unvermuthete Kriegs- oder
Räubergefahr, in See zu gehn verhindert: so kann das Volk, außer dem Handgelde,
nur die Heuer des laufenden Monaths, oder wenn die Heuer für die ganze Reise in
Pausch und Bogen bedungen worden, eine verhältnißmäßige Vergütung für die schon
wirklich geleisteten Dienste fordern.
§. 1570. Ist in vorstehenden Fällen ein Schiffsmann von
einem fremden Orte verschrieben worden: so muß ihm die Hin- und Rückreise noch
besonders vergütet werden.
b) wenn
die Antretung der Reise verzögert,
§. 1571. Wird die Antretung der Reise über die verabredete
Zeit, ohne Zuthun des Schiffers oder Rheders verzögert; und der Schiffer will
das Volk beybehalten: so darf er demselben, während dieses Aufenthalts, nur den
halben Monathssold, oder wenn es auf die ganze Reise gedungen ist, eine billige
Verbesserung entrichten.
§. 1572. Wird die Antretung der Reise durch der Rheder oder
des Schiffers Zuthun verzögert: so kann dem Volke an seinem Monathssolde nichts
gekürzt werden; und wenn es in Pausch und Bogen gedungen ist, gebührt demselben
eine verhältnißmäßige Zulage.
c) wenn die Reise nicht vollendet,
§. 1573. Wird die bereits angetretene Reise aus Veranlassung
der Rheder nicht vollendet: so muß das Volk, auf Kosten der Rheder, frey nach
dem bestimmten Retourplatze zurückgeschafft, und demselben die Heuer entrichtet
werden.
§. 1574. Ist monathsweise gedungen, und die Abbrechung der
Reise geschieht jenseit des Canals: so hat das Volk, außer der bereits
verdienten, eine dreymonathliche; diesseit des Canals aber nur eine
zweymonathliche Heuer zu fordern.
§. 1575. Wird die Reise durch einen bloßen Zufall
abgebrochen: so muß das Volk, außer der freyen Rückreise, wenn monathsweise
gedungen worden, sich mit der Heuer des laufenden Monaths, und wenn in Pausch
und Bogen gedungen ist, mit so viel an Heuer begnügen, als im Verhältniß gegen
die ganze Reise für verdient zu achten ist.
§. 1576. Wird das Schiff von Feinden oder Räubern genommen;
oder geht es sonst durch Zufall ganz verloren: so kann das Volk weiter keinen
Anspruch machen.
§. 1577. Wird jedoch das Schiff, oder ein Theil der Ladung,
wieder frey gegeben; oder von dem verunglückten Schiffe, dessen Geräthschaften,
oder Waaren etwas geborgen: so muß davon zuvörderst das Bergelohn abgezogen
werden.
§. 1578. Von dem, was alsdann noch übrig bleibt, ist das
Volk, nach Anleitung des §. 1573. sqq., zu befriedigen.
§. 1579. Es macht keinen Unterschied: ob das Schiff und die
Ladung versichert ist, oder nicht.
d) abgekürzt,
§. 1580. Wird die Reise durch eine Veränderung des Curs,
oder der Bestimmung des Schiffes abgekürzt: so muß dem Volke die in Pausch und
Bogen bedungene Heuer dennoch vollständig bezahlt werden.
e) verlängert wird,
§. 1581. Wird die Reise ohne Schuld und Zuthun des Schiffers
verlängert: so kann das in Pausch und Bogen bedungene Volk, außer der
gewöhnlichen Verpflegung, keine Vermehrung der Heuer fordern.
§. 1582. Dahin gehört besonders, wenn das Schiff durch
widrige Winde aufgehalten, oder einen Nothhafen zu suchen, oder Winterlage zu
machen genöthigt wird.
§. 1583. Wird jedoch ein solcher Unglücksfall als große
Haverey vergütet: so muß auch dem Schiffsvolke eine billige Entschädigung
gegeben werden.
§. 1584. Ist das Schiff von Feinden oder Räubern genommen,
und nachher wieder befreyet worden: so kann das Volk, wegen des daraus
entstandenen Aufenthaltes, dennoch keine Erhöhung der in Pausch und Bogen
bedungenen Heuer fordern.
§. 1585. Wird die Reise durch Zuthun des Schiffers
verlängert: so ist das Volk eine verhältnißmäßige Erhöhung der in Pausch und
Bogen bedungenen Heuer zu fordern berechtigt.
§. 1586. Dies gilt besonders in den Fällen, wenn der
Schiffer in einen weiter entlegenen Hafen geht; oder ohne Noth in einen nicht
verabredeten Hafen einläuft; oder zum Besten der Rheder, oder Befrachter,
freywillig Winterlage macht.
§. 1587. Die alsdann dem Volke gebührende Zulage muß nach
dem Verhältnisse der zu der verabredeten Reise, nach gewöhnlicher Rechnung,
erforderlichen Zeit, gegen diejenige, um welche die Reise durch einen solchen
Vorfall verlängert worden, berechnet werden.
Pflichten des Schiffsvolks vor Antritt der Reise;
§. 1588. Auf den ersten Befehl des Schiffers muß das Volk
sich auf das Schiff, zu welchem es gedungen worden, begeben.
§. 1589. Sobald und so lange dem Volke die Schiffskost
gereicht wird, darf selbiges, bey nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe,
außer dem Schiffe nicht übernachten.
§. 1590. Ist das Schiff segelfertig: so darf, auch bey Tage,
keiner von den Schiffsleuten, ohne des Schiffers ausdrückliche Erlaubniß, von
dem Schiffe ans Land gehen, oder wegbleiben.
§. 1591. Viel weniger darf einer der Schiffsleute das Boot,
ohne des Schiffers Befehl, vom Schiffe wegführen.
§. 1592. Ohne des Schiffers Genehmigung darf kein
Schiffsmann irgend jemanden, er sey ein Anverwandter oder Fremder, das Schiff
besteigen lassen.
§. 1593. Das Schiffsvolk ist schuldig, nach Erfordern und
Befehl des Schiffers, jederzeit, es sey im Hafen oder auf der See, bey Tage
oder bey Nacht, auf dem Schiffe fleißige Wache zu halten, und dabey auf das
Licht in der Laterne genau Acht zu geben.
§. 1594. Wer dabey schlafend oder
unachtsam befunden wird, oder von seiner Wache abgeht, ehe und bevor er von
einem Andern abgelöset worden, soll für allen dadurch entstandenen Schaden
haften, und noch überdies mit einer nachdrücklichen Leibesstrafe belegt werden.
§. 1595. Ohne Erlaubniß des
Schiffers dürfen die Schiffsleute nicht das Geringste an Waaren oder Gütern
ein- oder ausladen.
§. 1596. Für eigene Rechnung dürfen sie nur so viel
unverbotene Waaren oder Sachen mitnehmen, als sie in ihrer Schlafstelle und
Kiste bergen können.
§. 1597. Bey Empfang, Einladung,
und Loosung der Güter, soll das Schiffsvolk, insonderheit der Hochbootsmann,
oder in dessen Ermangelung der Steuermann, alle Vorsicht gebrauchen, daß kein
Schade daran geschehe.
§. 1598. Bemerken sie einen Mangel an dem Takelwerke, oder
den andern dazu gehörenden Geräthschaften: so müssen sie es dem Schiffer
sogleich anzeigen, oder selbst für die Ausbesserung sorgen, widrigenfalls sie,
besonders aber der Steuer- und Hochbootsmann, den dadurch entstandenen Schaden
vorzüglich verantworten müssen.
während der Reise.
§. 1599. Ferner ist das Schiifsvolk schuldig, die
eingeladenen Waaren, so oft es vom Schiffer oder Steuermanne erfordert wird, zu
stauen, umzulegen, auch bey vorfallenden Unglücksfällen, so viel als möglich,
Schiff, Gerätschaft, und Güter zu bergen, und in Sicherheit zu bringen.
§. 1600. Zur Aufsicht über die Waaren ist besonders der
Steuermann und Hochbootsmann verpflichtet.
§. 1601. Allen, zum Dienste des Schiffes, und zur Erhaltung
guter Ordnung, von dem Schiffer getroffenen Verfügungen, muß das Schiffsvolk
ungesäumte und willige Folge leisten.
§. 1602. Ist der Schiffer abwesend, oder sonst verhindert:
so muß das Volk den Befehlen des Steuermannes gehorchen; und dieser ist
verbunden, die gehörige Aufsicht auf das Schiff und Volk zu haben.
§. 1603. Erfolgt während der Reise in der Person des
Schiffers eine Veränderung: so muß das Volk dem neuen Schiffer eben den
Gehorsam leisten, als dem vorigen.
Rechte des Schiffers über das Schiffsvolk.
§. 1604. Der Schiffer ist befugt, das Volk durch die
erforderlichen Zwangsmittel und Strafen, welche sich jedoch über mäßige
Schläge, achttägiges Gefängniß, oder Fünf Thaler Geldbuße nicht erstrecken
dürfen, zu seiner Schuldigkeit anzuhalten.
§. 1605. Er muß dahin sehen, daß sie friedlich unter einander
leben, und keiner den andern beleidige, schimpfe, oder sonst ungebührlich
behandle.
§. 1606. Macht ein Schiffsmann sich auf der See einer
Gewalttätigkeit, Aufstands, oder Meuterey gegen den Schiffer, oder eines andern
schweren Verbrechens schuldig: so ist der Schiffer bey, nachdrücklicher Strafe
verpflichtet, einen solchen Missethäter in Verhaft bringen zu lassen.
§. 1607. Er muß alsdann, mit Zuziehung des Schiffsraths, und
anderer auf dem Schiffe befindlicher vernünftiger Leute, alles dasjenige genau
aufzeichnen, was auf die künftige Bestrafung des Verbrechers Einfluß haben
kann.
§. 1608. Insonderheit müssen, wenn ein Todtschlag geschehen
ist, und die Leiche vor der Landung über Bord geworfen werden muß, die Stelle
und Beschaffenheit der Wunde; die Zeit, wie lange der Verwundete noch gelebt;
die Speise, die er genossen hat; und die Mittel, die zu seiner Heilung
angewendet worden, genau verzeichnet werden.
§. 1609. Ist auf dem Schiffe ein Arzt, oder Wundarzt: so muß
dieser, in Gegenwart des Schiffraths, am Besichtigung vornehmen, und darüber
sein ausführliches Gutachten dem Schiffsjournale so beyfügen, wie er es eidlich
bestärken kann.
§. 1610. Den in Verhaft genommenen Verbrecher muß der
Schiffer, wenn er auf der Reise nach einem inländischen Hafen begriffen ist, am
Bestimmungs-, sonst aber an dem Orte, von welchem er abgesegelt ist, den
Gerichten zur fernern Untersuchung und Bestrafung ausliefern.
§. 1611. Doch steht ihm frey, wenn er die längere
Aufbewahrung eines solchen Verbrechers bedenklich oder gefährlich findet, ihn
den Gerichten des ersten Landungsortes zur gebührenden Bestrafung zu
überliefern.
§. 1612. Mit dem Verbrecher zugleich müssen dem Gerichte die
vorbeschriebenen Vermerke zugestellt werden. (§. 1607-1609.)
§. 1613. Wenn bey einer vorgefallenen Meuterey, der Schiffer
einen oder etliche unter den Schiffsleuten als die Rädelsführer angiebt; und
seine Angabe mit wahrscheinlichen Gründen unterstützt: so soll, falls die
Wahrheit nicht anders ausgemittelt werden kann, und der Schiffer überhaupt die
Eigenschaften eines glaubwürdigen Zeugen hat, die Aussage desselben für einen
vollen Beweis gelten.
§. 1614. Doch kann, auf den Grund eines solchen Beweises,
immer nur eine geringere, als Zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe,
erkannt werden.
§. 1615. Alles Schiffsvolk ist schuldig, dem Schiffer zur
Bestrafung eines ungehorsamen Schiffsmannes, so wie zur Verhaftnehmung eines
jeden Verbrechers im Schiffe, hülfreiche Hand zu leisten.
§. 1616. Wer sich dessen weigert, soll der ganzen Heuer
verlustig seyn, und noch außerdem, nach den Grundsätzen von der Theilnehmung an
dem Verbrechen Anderer, bestraft werden.
Rechte und Pflichten des Schiffsvolkes nach vollendeter
Reise.
§. 1617. Nach geendigter Reise darf das Schiffsvolk nicht
eher abgehn, als bis die Waaren ausgeladen, die Segel abgenommen, das Schiff an
Ort und Stelle gebracht, auch wasserfest gemacht worden.
§. 1618. Verzögert der Schiffer die Losung zur Ungebühr: so
muß er dem Volke die Kost, und das am Losungsorte gewöhnliche Wartegeld
entrichten.
§. 1619. Eben dazu ist er verpflichtet, wenn die Zahlung der
rückständigen Heuer von ihm verzögert wird.
IV. Verhältniß zwischen den Schiffern und den Befrachtern.
§. 1620. Wer ein ganzes Schiff befrachtet, muß mit dem
Schiffer eine Charte Partie, oder schriftlichen Contrakt errichten.
§. 1621. Darin müssen alle wegen der Befrachtung getroffenen
Abreden genau und bestimmt enthalten seyn.
§. 1622. Wird das Schiff nach Lasten, Packen oder Fässern,
stückweise beladen, und der Schiffer hat die Fracht mit den Befrachtern
unmittelbar geschlossen: so muß er ebenfalls einen schriftlichen Contrakt
darüber mit jeden von ihnen errichten.
§. 1623. Ist die Fracht durch einen Mäkler geschlossen
worden: so muß dieser die Bedingungen in sein Journal eintragen, und daraus ein
Attest oder sogenanntes Manifest ertheilen.
§. 1624. Die Charte Partie, oder das Manifest muß, außer dem
Namen des Schiffers und des Befrachters, hauptsächlich enthalten: die
Beschreibung des Schiffes nach seiner Benennung und Größe; die Zeit und den Ort
der Ladung und Losung; ein genaues Verzeichniß der geladenen Güter; die
bedungenen Fracht-, Liege- und Ungelder.
§. 1625. Nach diesen schriftlichen Verabredungen müssen die
Verhältnisse zwischen den Schiffern und den Befrachtern vorzüglich beurtheilt
werden.
Was bey der Ladung zu beobachten.
§. 1626. Ist wegen der Einladungs- oder Ausladungskosten
nichts verabredet: so muß der Befrachter die Waaren an Bord liefern, oder von
da abholen lassen; der Schiffer aber das Gut durch seine Leute vom Bord bis in
den Schiffsraum, oder von diesem bis an den Bord bringen lassen.
§. 1627. Soll die Waare frey ins Schiff geliefert werden: so
bezahlt der Befrachter auch das Arbeitslohn, um die Waare in den Schiffsraum zu
bringen.
§. 1628. Hat ein Schiffer Ladung angenommen, ohne
schriftlichen Contrakt oder Manifest darüber zu errichten: so muß er mit dem
niedrigsten zur Zeit der Ladung gestandenen Frachtlohne sich begnügen.
§. 1629. Hat aber jemand ohne des Schiffers Vorwissen Waaren
an Bord gebracht: so kann der Schiffer dieselben, auf des Einladers Gefahr und
Kosten, wieder ans Land setzen; oder wenn er sie zum Transport behält, davon
die höchste am Losungsorte übliche Fracht für die Rheder einfordern.
§. 1630. Ist in dem schriftlichen Contrakte eine gewisse
Zeit bestimmt, binnen welcher die Ladung erfolgen solle: so müssen beyde Theile
dieselbe genau einhalten.
§. 1631. Ist dergleichen Zeit nicht ausdrücklich bestimmt:
so muß der Befrachter das Gut, auf des Schiffers Verlangen, spätestens am
Dritten Tage an Bord, oder wenn es so bedungen worden, ins Schiff liefern.
§. 1632. Der Befrachter ist ferner schuldig, das Gut, nach
seiner verschiedenen Beschaffenheit, in Fässern, Packen, Kisten, oder sonst, zu
der bestimmten Reise gehörig zu verwahren.
§. 1633. Findet der Schiffer dabey einen Mangel: so muß er
selbigen den Befrachtern sogleich anzeigen, und die Waaren nicht eher einladen,
bis der Erinnerung abgeholfen worden.
§. 1634. Hat er die Waaren eingeladen: so ist die Vermuthung
gegen ihn, daß selbige gehörig verpackt und verwahrt gewesen sind.
§. 1635. Sobald mit der Ladung wirklich der Anfang gemacht
worden, muß ein Schiff von Fünfzig Lasten und darunter, bey ermangelnder andern
Verabredung, binnen Acht Tagen; und Eins von Fünfzig bis hundert Lasten binnen
Vierzehn Tagen völlig zugeladen seyn.
§. 1636. Ist das Schiff über Hundert Lasten groß: so werden
auf jede Fünfzig Lasten Acht Tage zum Laden gerechnet.
§. 1637. Unter Lasten werden hier Commerzlasten, so wie sie
am Orte der Ladung gebräuchlich sind, verstanden.
§. 1638. Hinderungen, welche Wind und Wetter im Laden
verursachen, dürfen weder vom Schiffer noch von den Befrachtern vertreten
werden.
Was Rechtens sey, wenn die Ladung nicht zu rechter Zeit
angewiesen wird.
§. 1639. Wird binnen der contrakt- oder gesetzmäßigen Zeit
dem Schiffer die Ladung nicht angewiesen: so muß er Protest aufnehmen lassen.
§. 1640. Von diesem Zeitpunkte an ist der Befrachter
schuldig, dem Schiffer alle Versäumnißkosten zu erstatten.
§. 1641. Es macht keinen Unterschied, wenn gleich die
Ausfuhre der zum Einladen bestimmten Waaren verboten, oder der Befrachter sonst
durch einen Zufall verhindert seyn sollte, die versprochene Ladung anzuweisen.
§. 1642. Kann hiernächst der Schiffer andere Ladung
erhalten: so muß der erste Befrachter, außer den Versäumnißkosten, auch den
etwa durch die niedere Fracht entstandenen Verlust dem Schiffer ersetzen.
§. 1643. Hat der Befrachter das ganze Schiff bedungen, aber
gar keine Ladung angewiesen; und der Schiffer kann innerhalb Vierzehn Tagen von
Zeit des eingelegten Protestes keine andere Ladung erhalten: so muß ihm der
Befrachter die Hälfte der versprochenen Fracht entrichten.
§. 1644. Hat der Befrachter nur einen Theil der Ladung
angewiesen; und der Schiffer das Fehlende binnen Vierzehn Tagen von Andern
nicht erhalten können: so muß die ganze versprochene Fracht bezahlt werden.
§. 1645. Ist jedoch bey Schließung der Fracht bedungen
worden, daß der Schiffer, gegen Entrichtungeines gewissen Warte- oder
Liegegeldes, auch nach Verfliessung der in der Charte Partie, oder nach §.
1635. und 1636. bestimmten Ladungszeit, liegen bleiben, und die Einlieferung
der Ladung abwarten solle: so ist er schuldig, so lange zu liegen, bis entweder
der Befrachter die fehlende Ladung angewiesen hat, oder die dazu vom Richter zu
bestimmende Frist verlaufen ist. (Th. I. Tit. V. §. 234.)
§. 1646. Hat der Schiffer aufs Stück angelegt, und einer
oder etliche der Befrachter bleiben mit Anweisung der versprochenen Ladung
zurück: so ist der Schiffer, nach aufgenommenem Proteste, länger zu warten, und
darüber günstigen Wind und Witterung zu versäumen, weder befugt noch schuldig.
§. 1647. Vielmehr muß ihm, wenn er die ausgebliebene Ladung
nicht noch vor dem wirklichen Auslaufen erhalten kann, die ganze bedungene
Fracht vergütet werden.
Wenn der Schiffer vor beendigter Ladung krank wird, oder
stirbt.
§. 1648. Die Krankheit oder das Absterben des Schiffers
während der Ladung, ändert in dem Verhältnisse der Rheder und Befrachter
nichts, sondern es ist die Sache der Rheder, oder deren Bevollmächtigten, auf
diesen Fall, wegen Führung des Schiffes die nöthige Veranstaltung baldmöglichst
zu treffen.
Wenn die Expedition rückgängig wird.
§. 1649. Wird das Schiff auf eine oder die andre Art, durch
Veranlassung des Schiffers; oder der Rheder, verhindert, die bedungene Reise zu
thun: so müssen letztere den Befrachtern allen daraus entstehenden Schaden
vergüten.
§. 1650. Verunglückt das Schiff, ehe mit Eingebung der Güter
der Anfang gemacht worden: so hören alle wechselseitige Verbindlichkeiten
zwischen dem Schiffer und Befrachtern auf.
§. 1651. Ein Gleiches findet statt, wenn die verdungenen
Güter vor dem Anfange der Einladung verunglücken; es wäre denn, daß der
Befrachter andre Waaren statt der verlornen einschiffen wollte.
§. 1652. Will der Befrachter die eingeladenen Güter ganz
oder zum Theil wieder zurück nehmen: so findet eben das statt, was auf den Fall
verordnet ist, wenn die Ladung ganz oder zum Theil nicht geliefert werden kann.
(§. 1643. sqq.)
§. 1653. Erhält in solchem Falle der Schiffer andre Ladung:
so kann er von dem ersten Befrachter noch insbesondre ein billiges Arbeitslohn
für das Aus- und Einladen fordern.
§. 1654. Wollte jemand aus einem Schiffe, welches von
mehrern Befrachtern beladen ist, sein eingegebenes Gut wieder herausnehmen: so
muß er, außer der vorstehenden Abfindung des Schiffers, auch den Mitbefrachtern
für allen durch die Versäumniß, oder sonst, erwachsenden Nachtheil haften, und
auf Erfordern annehmliche Sicherheit deshalb leisten.
§. 1655. Auch darf der Schiffer, wenn die Connossemente
bereits ausgefertigt sind, die Zurücknahme der eingeladenen Güter weder ganz,
noch zum Theil, eher gestatten, als bis alle Exemplare der Connossemente
herbeygeschafft und kassirt worden.
§. 1656. Hat er dieser Vorschrift zuwider gehandelt: so
haftet er jedem dritten redlichen Inhaber eines solchen Connossements eben so,
als wenn die eingeladenen Güter nicht wären zurück gegeben worden.
Wenn die Waaren auf ein anderes Schiff verdungen, oder
§. 1657. Hat der Schiffer das ihm überlieferte Gut, ohne des
Befrachters Einwilligung, am Ladungsorte auf ein andres Schiff geladen: so muß
er allen Schaden, welcher den Waaren auf diesem andern Schiffe zustößt, so weit
als selbiger den Befrachter trifft, vertreten.
§. 1658. Von dieser Vertretung wird er nur alsdann frey,
wenn sein Schiff auf der bestimmten Reise ganz verloren geht.
zurückgelassen worden.
§. 1659. Hat der Schiffer, aus Mangel an Raum, oder sonst
durch seine Schuld, einen Theil des verdungenen Guts zurück gelassen: so kann
der Befrachter entweder sein Gut zur eignen Disposition zurücknehmen; oder
selbiges auf Gefahr und Kosten des Schiffers nachsenden.
§. 1660. Nimmt der Befrachter sein Gut zur eignen
Disposition zurück: so werden dadurch die Verbindlichkeiten zwischen ihm, und
dem Schiffer, in Ansehung dieses Theils der Ladung aufgehoben.
§. 1661. Will der Befrachter sein Gut nicht zur eignen
Disposition zurück nehmen: so muß er binnen vier und zwanzig Stunden, nach
erhaltener Nachricht, Protest einlegen, und zugleich die nöthigen Vorkehrungen
treffen, um die Waaren für Schaden möglichst zu sichern.
§. 1662. Meldet sich nach aufgenommenem Proteste niemand,
dem der Schiffer die Nachsendung der zurückgebliebenen Waaren aufgetragen hat:
so muß der Befrachter selbige, so wie auch die anderweitige Versicherung, auf
des Schiffers Kosten, nach Möglichkeit besorgen.
§. 1663. Nach der Ankunft am Losungsplatze muß der Schiffer
die Versäumnißkosten, höhere Fracht, und den Ausfall am Preise wegen späterer Ankunft der Waaren,
desgleichen die Kosten wegen veränderter Assecuranz, Ristorno u. s. w.
ersetzen.
§. 1664. Von diesem Ersatze wird er nur alsdann bey, wenn
das von ihm selbst geführte Schiff auf derselben Reise verloren geht; jedoch
muß er die Kosten wegen der veränderten Assekuranz in jedem Falle tragen.
§. 1665. Wird ein Schiffer durch Sturm, oder sonst ohne
seine Schuld, genöthigt, vor eingenommener neuen Ladung in See zu gehn: so kann
der Eigenthümer der zurückgelassenen Güter keine Schadloshaltung fordern;
sondern die bedungene Fracht wird alsdann nur verhältnißmäßig vermindert.
§. 1666. Auf das Verdeck darf der Schiffer, ohne des
Befrachters ausdrückliche Einwilligung, keine Waaren legen, noch an die Seiten
des Schiffes anhängen lassen.
§. 1667. Ueber die geladenen Waaren oder Stückgüter muß der
Schiffer eine richtige Rolle, mit deutlicher Verzeichnung der Anzahl,
ingleichen der Nummern und Merkzeichen von allen und jeden Packen, Kasten,
Fässern und dergleichen Stücken verfertigen, und im Schiffe aufbehalten.
Pflichten des Schiffers nach geendigter Ladung.
Connossement.
§. 1668. Nach geendigter Ladung muß jedem Befrachter ein
Empfangschein, oder sogenanntes Connossement, unter des Schiffers Unterschrift
zugestellt werden.
§. 1669. Darin müssen die Waaren und deren Qualität, mit
ihren Zeichen und Nummern; der Ort ihrer Bestimmung; der Name des Befrachters
und Empfängers; die bedungene Fracht; auch ob und was darauf schon bezahlt
worden, ausgedrückt seyn.
§. 1670. Von jedem Connossement muß der Schiffer Drey
Exemplare, und wenn der Befrachter es verlangt, auch das Vierte unterzeichnen;
zugleich aber dahin sehen, daß sie völlig gleichlautend sind; und daß in jedem
die Zahl der ausgefertigten Exemplare bemerkt werde.
§. 1671. Hat der Schiffer diese Vorsicht unterlassen: so
bleibt er für den Schaden, welcher daraus in der Folge einem Dritten redlichen
Inhaber des Connossements, oder auch dem Versicherer entsteht, verantwortlich.
§. 1672. Die Anzahl der Collis soll in den Connossements mit
Buchstaben geschrieben, und die leer gebliebenen Plätze sollen durchstrichen
werden.
§. 1673. Das Eine besonders zu bezeichnende Exemplar behält
der Schiffer, die übrigen sind dem Befrachter zum Gebrauche zuzustellen.
§. 1674. Werden diese Exemplare nachher nicht gleichlautend
befunden: so beweist das dem Schiffer zugestellte Exemplar so lange wider ihn,
bis die Richtigkeit der Abweichung von einem der übrigen Exemplare auf andere
Art dargethan worden; zu seinem Vortheile aber nur in so weit, als es mit den
andern unstreitig richtigen Exemplaren völlig übereinstimmt.
§. 1675. Sobald der Schiffer seine Abfertigung erhalten hat,
muß er mit dem ersten günstigen Winde in See gehen.
§. 1676. Unterläßt er dieses: so muß er den Befrachtern für
allen aus seiner Nachläßigkeit entstandenen Schaden haften.
Was Rechtens sey, wenn die Reise rückgängig, oder
§. 1677. Wird vor dem Auslaufen des Schiffs der Handel mit
dem Bestimmungsplatze vom Landesherm verboten: so hören alle gegenseitige
Verbindlichkeiten zwischen dem Schiffer und den Befrachtern auf.
§. 1678. Die Befrachter sind in diesem Falle nur die Kosten
des Ein- und Ausladens zu erstatten schuldig.
§. 1679. Ein Gleiches findet statt, wenn der Hafen, nach
welchem das Schiff bestimmt war, gesperrt; oder die Fahrt dahin durch einen
erst, nach Schließung des Frachtcontrakts ausgebrochenen Krieg unsicher
gemacht; oder die im Hafen befindlichen Schiffe zum Landesherrlichen Dienste in
Beschlag genommen worden.
§. 1680. Ferner alsdann, wenn das Schiff, wegen widrigen
Windes und erlittener Beschädigungen, genöthigt wird zurück zu laufen, und die
ganze Ladung gelost werden muß, um das Schiff auszubessern.
§. 1681. Wird hingegen die Antretung der Reise durch
dergleichen oder irgend einen andern Zufall, ohne Zuthun des Schiffers oder der
Befrachter, nur verzögert; so bleibt der zwischen ihnen errichtete Contrakt bey
Kräften, und kein Theil kann wegen eines solchen Verzugs von dem andern
Entschädigung fordern.
§. 1682. Entsteht der Aufenthalt dadurch, weil ein Theil der
Ladung, wegen verbotener Ausfuhr, oder aus andern Ursachen, wider Willen des
Befrachters herausgenommen werden muß: so ist dieser schuldig, den Schiffer
nach §. 1646, sqq. schadlos zu halten; zugleich aber auch den übrigen
Mitbefrachtern nach Vorschrift §. 1654. gerecht zu werden.
§. 1683. Wenn durch einen nach Schließung des
Frachtcontrakts ausgebrochenen Krieg ein Theil der Ladung unfrey geworden ist:
so hat auch jeder der Mitbefrachter das Recht, die Herausnahme und
Zurücklassung derselben zu verlangen.
§. 1684. Der Anfang und das Ende eines Krieges ist nach
Vorschrift §. 1966. 1967. zu beurtheilen.
§. 1685. Der Schiffer muß auch in diesen Fällen die
Vorschrift des §. 1645. beobachten.
wenn dieselbe abgebrochen wird.
§. 1686. Ist das Schiff schon auf der Reise begriffen, und
die Handlung oder Fahrt nach dem Bestimmungsplatze wird durch dergleichen
Zufall ganz unterbrochen: so muß der Schiffer in den nächsten sichern Hafen
einlaufen, und den Rhedern, oder dem nächsten Correspondenten derselben, so wie
auch den Befrachtern, davon schleunige Nachricht geben.
§. 1687. Dieß muß besonders geschehen, wenn wegen eines
während der Reise ausgebrochnen Kriegs, das Schiff oder die Ladung, oder ein
Theil der letztern unfrey wird; also, daß bey Fortsetzung der Reise nach dem
Bestimmungsorte, Gefahr des Aufbringens zu besorgen ist.
§. 1688. Ist nur ein Theil der Ladung unfrey geworden: so
muß der Schiffer selbigen auf Gefahr und Kosten des Eigenthümers losen; diesen,
so wie den im Connossement benannten Empfänger, davon benachrichtigen; und mit
der übrigen Ladung die Reise fortsetzen.
§. 1689. Ist das Schiff unfrey geworden; die Ladung aber
ganz oder zum Theil frey geblieben: so finden die folgenden Vorschriften §.
1696. 1697. Anwendung.
§. 1690. Ist die ganze Ladung unfrey geworden: so muß der
Schiffer die weiteren Verfügungen der Befrachter oder ihres Correspondenten
abwarten, und in der Zwischenzeit für die Erhaltung der Waaren sorgen.
§. 1691. Wird er alsdann zurückberufen, oder ihm ein andrer
Losunsgplatz bestimmt: so muß die Fracht, nach Verhältniß der bedungenen, gegen
die wirklich zurückgelegte Reise, billigmäßig erhöhet, oder heruntergesetzt
werden.
Wenn ihre Vollendung verzögert wird.
§. 1692. Wird die Reise durch einen unterweges, aus Schuld
des Schiifers, auf das Schiff gelegten obrigkeitlichen Beschlag verzögert, oder
ganz verhindert: so ist der Schiffer den Befrachtern zum Ersatz des aus dieser
Versäumniß entstandenen Schadens verhaftet.
§. 1693. Auch steht den Befrachtern in diesem Falle frey,
die Ladung auf Gefahr und Kosten des Schiffers lösen, und durch ein anderes
Schiff an den Bestimmungsort bringen zu lassen.
§. 1694. Ist dergleichen Aufenthalt durch die Schuld des
einen oder andern der Befrachter entstanden: so muß dieser dem Schiffer, außer
der bedungenen Fracht, alle Versäumnißkosten ersetzen; und den übrigen
Mitbefrachtern nach Vorschrift §. 1654. gerecht werden.
§. 1695. Ist das Schiff von der Obrigkeit, ohne Schuld des
Schiffers und der Befrachter, in Beschlag genommen, oder aufgehalten worden: so
müssen beyde Theile die Befreyung abwarten; ohne daß einer von dem andern
deshalb Entschädigung fordern kann.
§. 1696. Sollten jedoch in diesem Falle die Waaren im
Schiffe leicht verderben, oder Schaden leiden können: so steht den Befrachtern
frey, dieselben auf ihre Kosten lösen, und durch ein anderes Schiff an den
Bestimmungsort bringen zu lassen.
§. 1697. Alsdann sind sie nur schuldig, den Schiffer nach
Verhältniß der zurückgelegten Reise zu befriedigen.
§. 1698. Ist das Schiff schon bey dem Auslaufen nicht in
gehörigem Stande gewesen; und die Fortsetzung der Reise muß wegen
erforderlicher Ausbesserung eine geraume Zeit hindurch unterbrochen, oder gar
eingestellt werden: so wird der Schiffer seiner ganzen Fracht verlustig; und
muß überdies den Befrachtern allen an der Waare, oder sonst, wirklich
erlittenen Schaden ersetzen.
§. 1699. Verlangen die Befrachter, daß er auch den Vortheil
ersetzen solle, der ihnen dadurch, weil die Waaren an dem Losungsplatze nicht
zu rechter Zeit angekommen sind, entgangen ist: so müssen sie sich darauf die
bedungene Fracht abrechnen lassen.
§. 1700. Alles Vorstehende (§. 1698. 1699.) gilt auch
alsdann, wenn das Schiff erst auf dem Wege durch Schuld des Schiffers schadhaft,
und dadurch die Ausbesserung nothwendig geworden ist.
§. 1701. Ist aber der Schade ohne Schuld des Schiffers
entstanden: so kann der Befrachter wegen des Aufenthaltes keine Vergütung
fordern.
§. 1702. Will alsdann der Befrachter die Ausbesserung nicht
abwarten; und seine Waaren auf ein anderes Schiff bringen lassen: so muß er die
Fracht nach Verhältniß der zurückgelegten Reise bezahlen.
§. 1703. Kann das Schiff gar nicht, oder erst in einer so
langen Zeit ausgebessert werden, daß darüber die zur Schiffahrt bequeme
Witterung verstreichen, oder die Ladung verderben würde: so muß der Schiffer,
wenn Gefahr beym Verzuge ist, die Ladung auf Kosten der Befrachter, durch ein
anderes Schiff nach dem Losungsplatze baldmöglichst befördern.
§. 1704. Kann der Schiffer keine Gelegenheit zu solcher
Nachsendung finden: so muß er die Waaren an dem Orte, wo er gelandet ist, in
sichere Gewahrsam bringen, und den Befrachtern davon Nachricht geben.
§. 1705. In beyden Fällen, (§. 1703. 1704.) muß der Schiffer
mit der nach Verhältniß der zurückgelegten gegen die bedungene Reise ihm
gebührenden Fracht sich begnügen.
§. 1706. Eben dies (§. 1703. sqq.) findet statt, wenn ein
Theil der Ladung, nach der in der Charte Partie angegebenen Beschaffenheit
während des durch die Ausbesserung des Schiffes entstehenden Aufenthaltes
verderben könnte.
Aufsicht des Schiffers über die Waaren.
§. 1707. Während der Reise muß der Schiffer nicht nur dahin
sehen, daß der Steuer- und Oberbootsmann die nach §. 1600. ihnen obliegende
Aufsicht über die geladenen Waaren gehörig führen; sondern auch selbst Sorge
tragen, die Waaren in gutem Stande zu erhalten.
§. 1708. Zu diesem Behufe muß er auch, wenn sich Güter im
Schiffe befinden, die durch das Anfressen und Zernagen der Mäuse oder Ratten
Schaden leiden können, eine hinreichende Zahl von Katzen an Bord nehmen und
unterhalten.
§. 1709. Wenn er an flüßigen Gütern Leckage bemerkt, muß er
das weitere Lecken zu verhindern; auch andere verderbliche Sachen durch
Oeffnung der Lucken, durch Umstechen u.s.w. für Schaden zu verwahren suchen.
Wenn der Schiffer Waaren verkaufen muß.
§. 1710. Muß der Schiffer, während der Reise, einen Theil
der geladenen Waaren zu seinen, oder des-Schiffsvolks, oder des Schiffes
Bedürfnissen, aus Noth verwenden, oder veräußern: so ist er den Bewachtern,
nach deren Wahl, entweder das erhaltene Kaufgeld, oder den zur Zeit seiner
Ankunft am Losungsorte gangbaren mittleren Preis zu ersetzen schuldig.
§. 1711. Dagegen kommt ihm aber auch die volle Pracht für
dergleichen Güter oder Waaren zu.
§. 1712. Hat der Schiffer, ohne unverschuldete Noth, Waaren
an einem andern, als dem Bestimmungsorte, gelandet: so kann der Befrachter die
Bezahlung des Mittelpreises am Losungsorte, zu der Zeit, als das Schiff
daselbst nach dem gewöhnlichen Laufe angelangt seyn würde, fordern.
§. 1713. Dagegen muß er die Waaren dem Schiffer überlassen,
und demselben die volle Fracht vergüten.
§. 1714. Will er dieses nicht: so steht ihm frey, dem
Schiffer noch eine angemessene Frist zu setzen, binnen welcher er die Waaren,
auf eigne Gefahr und Kosten, an den Ort ihrer Bestimmung schaffen solle.
§. 1715. Wird dies von dem Schiffer nicht bewerkstelligt: so
muß derselbe für allen erweislichen Schaden und entgangenen Vortheil haften:
wovon ihm aber die volle Fracht gut gerechnet wird.
Pflichten des Schiffers nach seiner Ankunft am
Bestimmungsorte.
§. 1716. Sobald der Schiffer an den Ort seiner Bestimmung
gelangt ist, muß er die Waaren, nach der in der Charte Partie und in dem
Connossement enthaltenen Anweisung abliefern; jedoch dabey, wegen Aushändigung
aller Exemplare der unterzeichneten Connossemente, die Vorschrift des §. 1655.
genau beobachten.
§. 1717. Die Ablieferung und Empfangnehmung muß, wenn Wind
und Wetter es nicht verhindern, binnen der in dem Frachtcontrakte verabredeten
Zeit geschehen.
§. 1718. Ist keine Frist verabredet: so findet bey dem
Loosen eben das statt, was wegen des Einladens oben verordnet ist. (§. 1635.
1636.)
§. 1719. Wird die Empfangnehmung der Waaren verweigert, oder
verzögert: so muß der Schiffer deshalb Protest einlegen; den Befrachter davon
unverzüglich benachrichtigen; und das Gut auf dessen Gefahr und Kosten in
sichere Verwahrung bringen lassen.
§. 1720. Dazu ist er auch befugt und verpflichtet, wenn alle
Exemplare der Connossemente nicht herbey geschafft, und deshalb keine
hinreichende Sicherheit bestellt worden.
§. 1721. Von solchem Gute kann der Schiffer so viel
gerichtlich verkaufen lassen, als zu seiner Befriedigung wegen Fracht, Zoll,
und anderer Auslagen erforderlich ist.
Rechte des Schiffers wegen der Fracht.
§. 1722. Die Zahlung der Fracht ist der Schiffer, sogleich
nach Ablieferung sämmtlicher Waaren, von dem im Connossement bestimmten
Empfänger derselben zu fordern berechtigt.
§. 1723. Hat er gegen den Empfänger erheblichen Verdacht,
daß dieser die Fracht nicht werde bezahlen können, oder wollen: so ist er
befugt, von der Waare so viel zurück zu behalten, als zu seiner Deckung nöthig
ist.
§. 1724. Bleibt der Empfänger, nach schon erfolgter
Ablieferung, mit Bezahlung der Fracht zurück: so kann der Schiffer von den
gelieferten Waaren so viel, als zu seiner Befriedigung erforderlich ist, in
gerichtlichen Beschlag nehmen lassen.
§. 1725. Von dieser Befugniß kann er auch gegen den dritten
Besitzer der Waaren, binnen Sechs Tagen nach der dem ersten Empfänger
geschehenen Ablieferung, Gebrauch machen.
§. 1726. Hat jedoch der dritte Besitzer die Waaren dem
ersten Empfänger baar bezahlt, ehe er von des Schiffers Ansprüche Wissenschaft
bekommen: so kann sich der Schiffer nur an den ersten Empfänger halten.
§. 1727. Für Güter, welche auf der Reise, oder vor der
Ablieferung verloren gegangen sind, kann der Schiffer nur in so weit die Fracht
fordern, als der Werth solcher Güter durch die große Havereyrechnung vergütet
wird.
§. 1728. Hat sich jedoch der Verlust durch einen
Unglücksfall in der Zeit ereignet, da der Empfänger mit Uebernehmung der Waaren
säumig gewesen ist: so muß derselbe die Fracht bezahlen.
§. 1729. Einen Theil der Ladung für die Fracht an
Zahlungsstatt anzunehmen, ist der Schiffer nicht schuldig.
§. 1730. Werden aber bey der Losung die Fässer und
Behältnisse fließender und leckender Waaren ganz oder zum Theil ledig befunden:
so steht dem Empfänger frey, dieselben dem Schiffer statt der davon zu
bezahlenden Fracht zu überlassen.
§. 1731. Darüber muß er sich jedoch erklären, ehe er noch
diese Güter in Empfang genommen hat.
Vertretung des Schiffers gegen die Befrachter.
§. 1732. Haben sich während der Reise solche Vorfälle
ereignet, woraus zu vermuthen ist, dlcgen dair (=daß) ein Theil der Ladung
verdorben oder beschädigt sey: so muß der Schiffer diese Vorfälle den
Empfängern binnen den ersten Vier und zwanzig Stunden nach seiner Ankunft
bekannt machen.
§. 1733. Diese können alsdann darauf antragen, daß der
Schade, noch vor der Uebernahme, in Beyseyn des Schiffers, durch
Sachverständige gerichtlich untersucht und gewürdigt werde.
§. 1734. Den ausgemittelten Schaden muß der Schiffer
ersetzen, wenn er nicht nachweisen kann, daß selbiger durch innern Verderb der
Waare, oder durch einen äußern Zufall entstanden sey, dessen Abwendung er nicht
in seiner Gewalt gehabt.
§. 1735. Auf gleiche Art muß der Schiffer auch für gänzlich
verlorne Waaren und Güter haften, wenn er einen äußern unvermeidlich gewesenen
Zufall, durch welchen der Verlust entstanden sey, nicht nachzuweisen vermag.
§. 1736. Sind dem Schiffer Kisten, Fässer, oder Packen,
verschlossen oder versiegelt zugestellt worden: so findet die Vorschrift vom
Verwahrungsvertrage Anwendung. (Th. I. Tit. XIV. §. 26-34.)
§. 1737. Ist aber die Versiegelung oder Verschliessung in
Gegenwart des Schiffers geschehen: nachdem ihm zuvor der Inhalt der Behältnisse
vorgezeigt worden: so haben dergleichen Waaren mit andern, die der Schiffer
unverschlossen oder unversiegelt übernommen hat, gleiche Rechte.
§. 1738. Die von dem Schiffer zu leistende Vergütung, ist
nach den Vorschriften des Ersten Theils Tit. VI. §. 82. sqq. zu bestimmen; nur
treten in Absicht der Quantität und des Werths der Waaren, die Vorschriften des
folgenden Abschnittes ein.
Von der Rückladung.
§. 1739. Ist mit dem Schiffer bey seiner Absendung auch die
Rückfracht bedungen worden: so gilt, wegen deren Anweisung und Einnehmung,
alles das, was wegen der ersten Ladung festgesetzt ist. (§. 1630. sqq.)
§. 1740. Auch muß in diesem Falle, wenn der Schiffer mit dem
ledigen Schiffsraume zurückzugehn genöthigt wird, demselben die volle
Rückfracht, nebst den Versäumnißkosten, erstattet werden.
§. 1741. Von dieser Verbindlichkeit der Befrachter macht es
keine Ausnahme, wenn das Schiff, nach fruchtloser Abwartung der gesetzmäßigen
Frist, auf der Rückreise verunglückt.
V. Verhältnisse zwischen dem Schiffer und den Reisenden.
§. 1742. Kein Schiffer soll, bey nachdrücklicher Strafe,
einen Reisenden annehmen, der ihm nicht zuvor die nach jeden Ortes Einrichtung
erforderlichen Pässe vorgezeigt hat.
§. 1743. Ist das Schiff nicht ausdrücklich als ein
Postschiff oder Paketboot zum Transport der Reisenden bestimmt: so kann dem
Schiffer wider seinen Willen nicht angemuthet werden, Reisende mitzunehmen, die
kein Intersse bey der Ladung haben.
§. 1744. Das Verhältniß zwischen Schiffer und Reisenden, muß
hauptsächlich nach dem unter ihnen errichteten Contrakte beurtheilt werden.
§. 1745. Ist kein schriftlicher Contrakt errichtet worden,
die Ueberfahrt aber wirklich geschehen: so muß der Schiffer sich mit einer nach
dem Gutachten der Sachverständigen, und dem Ermessen des Gerichts zu
bestimmenden Fracht begnügen.
§. 1746. Die Reisenden müssen sich auf das erste Verlangen
des Schiffers an Bord begeben, und wenn das Schiff schon segelfertig ist, sich
nicht ohne des Schiffers Genehmigung, auch nur auf eine Zeitlang, davon
entfernen.
§. 1747. Handeln sie dem zuwider: so kann der Schiffer, ohne
auf sie zu warten, in See stechen, und dennoch die Fracht fordern.
§. 1748. Der Regel nach müssen die Reisenden sich selbst
beköstigen.
§. 1749. Ist die Kost ohne weitere Bestimmung in die Fracht
mit eingedungen: so können Reisende nur die gewöhnliche Kost der Schiffsleute
verlangen.
§. 1750. Am Ladungsorte darf kein Schiffer, ohne Vorwissen
und Einwilligung der Rheder, Reisende in Kost übernehmen.
§. 1751. Hat er es gethan: so muß er den Rhedern, nach deren
Wahl, die den Reisenden gegebene Provision vergüten, oder ihnen das von
denselben außer der Fracht bezahlte Kostgeld berechnen.
§. 1752. Nimmt der Schiffer auf der Rückreise Passagiers
ein: so kann er mit ihnen wegen der Kost Verabredung treffen.
§. 1753. Ist der Vorrath solcher Reisenden, welche sich
selbst beköstigen sollen, durch Unglücksfälle, oder unvermuthete Verlängerung
der Reise unzureichend geworden: so können sie von dem Schiffer nothdürftigen
Lebensunterhalt fordern.
§. 1754. Sie müssen aber die ihnen gereichte Provision, noch
außer der Fracht, nach einer billigen Taxe bezahlen.
§. 1755. Dagegen müssen auch Reisende, wenn auf dem Schiffe
Mangel entsteht, dem Schiffe mit ihrem entbehrlichen Vorrathe gegen billige
Bezahlung zu Hülfe kommen.
§. 1756. Um der Reisenden willen ist der Schiffer seinen
Lauf zu unterbrechen, und andre als die verabredeten Hafen anzusegeln, weder
schuldig noch befugt.
§. 1757. Es muß daher auch ein krank gewordener Reisender,
der ans Land gesetzt seyn will, so lange warten, bis sich dazu, ohne
Unterbrechung der Reise und Veränderung des Laufes derselben, eine Gelegenheit
findet.
§. 1758. Dagegen muß ein mit ansteckender Krankheit
befallener Reisender sich, auch wider seinen Willen, an den nächsten bewohnten
Ort, wo der Schiffer landet, aussetzen lassen.
§. 1759. Ein Reisender, welcher Krankheits- oder anderer
Ursachen wegen, das Schiff noch vor vollendeter Reise verläßt, muß dennoch die
ganze bedungene Fracht entrichten, sobald ihm dabey auch nur das geringste
Verschulden zur Last fällt.
§. 1760. Hat der Reisende die bey sich habenden Effekten dem
Schiffer zur Aufbewahrung überliefert: so hat er in Ansehung derselben mit
einem Befrachter gleiche Rechte.
§. 1761. Hat er aber selbige dem Schiffer nicht übergeben,
und sie also in eigner Gewahrsam behalten, so haftet der Schiffer nur für einen
durch seine oder seiner Leute Schuld entstandenen Verlust und Schaden.
§. 1762. Die Reisenden müssen allen Anweisungen des
Schiffers Folge leisten, welche auf Beobachtung guter Ordnung im Schiffe, oder
auf Erhaltung des Schiffes und der Ladung abzielen.
§. 1763. In dringenden Nothfällen müssen Reisende, zur
Rettung des Schiffes, nach ihren Kräften hülfreiche Hand leisten.
§. 1764. Hat ein Reisender auf dem Schiffe ein Verbrechen
begangen: so muß der Schiffer mit ihm eben so verfahren, als wegen eines ein
Verbrechen begehenden Schiffmannes vorgeschrieben ist. (§. 1606. sqq.)
§. 1765. Wird während der Reise entdeckt, daß ein Reisender
vor der Einschiffung sich eines wirklichen Hochverraths oder Aufruhrs schuldig
gemacht habe: so muß ihn der Schiffer in Verhaft nehmen, und im nächsten
inländischen Hafen den Gerichten ausliefern, oder auf andre sichere Art dahin
schaffen.
Zwölfter Abschnitt
Von Haverey und Seeschäden
Von der Gemeinschaft zwischen Schiff und Ladung,
§. 1766. Zwischen einem Schiffe und seiner Ladung besteht
eine Gemeinschaft zur Uebertragung der beyde zugleich treffenden Gefahr und
Kosten.
§. 1767. Diese Gemeinschaft nimmt, in Ansehung eines jeden
Stücks der Waare, ihren Anfang, sobald dasselbe über den Bord des Hauptschiffes
gebracht ist.
§. 1768. Wenn, auch während der Reise, geworfenes oder sonst
verloren gegangenes Gut von dem Befrachter durch andres ersetzt, oder von dem
Schiffer zur Vollständigkeit der Ladung Waare eingenommen wird: so treten auch
diese von Zeit der Einladung an in die Havereygemeinschaft.
§. 1769. Wenn während der Reise ein Theil der geladenen
Waaren, auf Veranstaltung des Schiffers, in ein kleineres Fahrzeug gebracht,
oder gar gelandet werden muß: so wird dadurch die Gemeinschaft nicht unterbrochen.
§. 1770. Dagegen endigt sich die Gemeinschaft, in Ansehung
eines jeden geladenen Guts, sobald dasselbe, am Orte seiner Bestimmung, vom
Borde des Hauptschiffes gebracht worden.
§. 1771. Wenn Waaren zum Behufe des Ein- und Ausschiffens in
kleine Fahrzeuge, als Lichter, Bordings, und dergleichen mehr, geladen werden:
so entsteht zwischen diesen Waaren eine Gemeinschaft für die Zwischenzeit, da
jede derselben über den Bord des Fahrzeugs ein- und wieder herausgebracht
worden.
§. 1772. Zwischen dem Fahrzeuge selbst aber, und den darin
geladenen Waaren, ist keine Gemeinschaft vorhanden.
§. 1773. Nur in dem einzigen Falle, wenn zur Rettung eines
solchen Fahrzeugs, und der Ladung desselben, ein Theil der letztern geworfen
werden muß, ist der Eigentümer des Fahrzeugs den Verlust mit zu übertragen
verbunden.
Von der ordinairen oder kleinen Haverey.
§. 1774. Die Ungelder, und andere Ausgaben, welche zum
gemeinen Besten des Schiffs und seiner Ladung verwendet werden müssen, um die
Schiffahrt und Reise zu befördern, werden die ordinaire oder kleine Haverey
genannt.
§. 1775. Es macht keinen Unterschied, ob dergleichen
Ausgaben am Ladungs- oder Losungsplatze, oder auf der Reise vorgefallen sind.
§. 1776. Jedoch müssen die zur kleinen Haverey gehörenden
Ausgaben, welche an dem Orte der Ladung geschehen, und daselbst berechnet
werden können, auch allda wieder bezahlt und abgemacht werden.
§. 1777. Es kann also weder der Schiffer dem Empfänger der
Waaren, noch dieser jenem, deshalb in der Regel etwas anschlagen oder abfordern;
sondern es werden nur solche Kosten, die sich erweislich nach der Absegelung,
oder am Losungsorte ereignet haben, in Rechnung gebracht.
Was dazu gehöre.
§. 1778. Zur kleinen Haverey gehören vornehmlich Anker-,
Pilotage-, Lootsen-, Grund-, Feuer-, Back-, Prahmen-, Lichter-, Pfahl-,
Brücken- und ordinaire Quarantainegelder, und dergleichen mehr.
§. 1779. Ferner die Ausgaben an die Admiralitäten der
Ladungs- oder Losungsplätze, und an die Castelle, bey welchem das Schiff vorbey
segelt; so wie auch Zölle, welche nicht für das Schiff allein, oder für die
Ladung allein entrichtet werden; desgleichen die Kosten der Convoyen und
Seynbriefe.
§. 1780. Ferner die Aufeisungskosten eines eingefrornen
Schiffes, wenn selbige zu Bergung des Schiffs und der Güter verwendet worden,
und nur Einen Thaler oder weniger auf die Last betragen.
Wie solche von den Interessenten zu tragen.
§. 1781. Wie die kleine Haverey von den Interessenten zu
tragen sey, ist hauptsächlich nach der zwischen ihnen darüber getroffenen
Abrede zu beurtheilen.
§. 1782. Wenn keine Abrede darüber getroffen ist, müssen die
Rheder Ein Drittel, und die Empfänger der Waare Zwey Drittel übernehmen.
§. 1783. Der Beytrag der Empfänger wird unter sie nicht nach
dem Werthe der Waaren, sondern nach der Zahl der Schiffslasten vertheilt.
§. 1784. Reisende sind, für ihre Person und
Reisegeräthschaften, zur kleinen Haverey beyzutragen nicht schuldig.
II. Von der extraordinairen oder großen Haverey.
§. 1785. Alles, was bey vorhandener Noth und Gefahr des
Schiffes und der Ladung, zur Abwendung oder Verminderung derselben aufgeopfert
oder verwendet wird, ist für große oder extraordinaire Haverey zu achten.
§. 1786. Es gehören dahin alle Verwendungen an Geld oder
Geldeswerth, welche zur Vermeidung oder Minderung einer solchen Gefahr gemacht
worden; ingleichen die Beschädigungen, welche zu einem solchen Zwecke am
Schiffe oder der Ladung absichtlich verursacht worden, oder eine natürliche
Folge der dazu getroffenen Anstalten sind.
§. 1787. Dahin gehöret besonders, wenn ein Schiff bey Sturm
oder Seesturz so viel Wasser eingenommen hat, daß Löcher im Verdeck gemacht,
oder in die Seiten des Schiffs gehauen, oder sonst der Körper des Schiffes
beschädigt werden müssen, um das Wasser zu den Pumpen zu leiten; ingleichen,
wenn dadurch Waaren beschädigt oder verdorben worden.
§. 1788. Ferner, wenn zur Rettung des Schiffes oder Guts,
Masten, Seegel, Stangen, Takelwerk, Anker, oder andere Schiffsgeräthschaften
absichtlich gekappt, geschlitzt, verschlissen, oder sonst beschädigt, oder über
Bord geworfen worden; ingleichen, wenn zu solchem Endzwecke das Boot von seiner
Befestigung auf dem Verdeck gekappt, und über Bord gesetzt werden muß.
§. 1789. Schäden, welche zwar bey Gelegenheit einer
gemeinschaftlichen Gefahr, aber durch bloßen Zufall, oder durch jemandes Schuld
entstanden sind, können nicht zur großen Haverey gerechnet werden.
§. 1790. Bey der Verbindlichkeit zur gemeinsamen
Uebertragung wird aber auch vorausgesetzt, daß durch die Verwendung oder
Beschädigung der Zweck der Rettung wirklich, ganz oder zum Theil, erreicht
worden.
§. 1791. Ein Schiff muß zur großen Haverey beytragen, wenn
dasselbe nach überstandener Gefahr einen Hafen erreicht hat; sollte es auch für
untüchtig zum Dienste erklärt werden.
§. 1792. Ist aber nach überstandener Gefahr Schiff und
Ladung durch neue Unglücksfälle verloren gegangen: so findet keine Vertheilung
statt, sondern ein jeder trägt seinen Schaden.
§. 1793. Wird hingegen ein Theil der Ladung geborgen, oder
frey gegeben: so müssen dessen Eigenthümer davon zu der bey dem vorigen
Unglücksfalle entstandenen großen Haverey eben so beitragen, als ob der neue
Unglücksfall sich nicht ereignet hätte.
§. 1794. Ein Gleiches gilt von den Rhedern, wenn das genommene
Schiff wieder frey gegeben, oder ausgelöst wird; ferner, wenn zwar das Schiff
durch Wind und Wetter neue Unfälle erlitten hat, jedoch nicht ganz verloren
gegangen, sondern davon mehr gerettet ist, als die Bergungskosten betragen.
Von den vorzüglichsten Fällen, welche zur großen Haverey
gehören.
a) Seewurf;
§. 1795. Der Seewurf kann nur alsdann geschehen, wenn Sturm,
Seenoth, oder feindliche Verfolgung es nothwendig machen, das Schiff zu
erleichtern.
§. 1796. Nur ein auf Veranlassung oder Befehl des Schiffers,
oder dessen, der seine Stelle vertritt, erfolgter Seewurf, kann zur großen
Haverey gezogen werden.
§. 1797. Ehe der Schiffer dazu schreitet, muß er mit den an
Bord befindlichen Befrachtern, oder deren Bevollmächtigten, ingleichen mit dem
Schiffsvolke Seerath halten.
§. 1798. Leidet die dringende Gefahr dieses nicht: so muß er
wenigstens den Steuer-, Hochboots- und Zimmermann mit ihrem Gutachten
vernehmen.
§. 1799. Reisende und Befrachter können sich weder der vom
Schiffer beschlossenen Werfung widersetzen, noch den Schiffer wider seinen
Willen zum Seewurfe nöthigen; sondern in jedem Falle nur verlangen, daß darüber
Seerath gehalten werde.
§. 1800. Bey der Werfung selbst muß mit den Waaren, die auf
dem Verdecke, Ueberlaufe, Back und Schanze liegen, oder an den Seiten des
Schiffs angehängt sind, der Anfang gemacht werden.
§. 1801. Ein Gleiches gilt von den Waaren, die in das Boot
oder die Schaluppe geladen worden.
§. 1802. Sodann müssen, so viel als möglich, nur Stücke,
Fässer, Kasten, oder Packe von Waaren, welche die geringsten am Werthe sind,
und das Schiff am meisten beschweren, geworfen werden.
§. 1803. Dagegen sind solche Behältmisse vorzüglich zu
schonen, in welchen Edelsteine, Perlen, gemünztes oder umgemünztes Gold oder
Silber, oder sonst Kostbarkeiten und Kleinodien sich befinden.
§. 1804. Hat jemand dergleichen Sachen unter andere Waaren
gepackt, und dieses bey der Einschiffung verschwiegen: so muß er den Schaden,
der ihm aus der Verheimlichung entstanden ist, allein tragen.
§. 1805. Zeigt er aber dem Schiffer die verschwiegene
Beschaffenheit noch in Zeiten an: so muß ein solches Pack mit dem Wurfe
verschont werden.
§. 1806. Findet sich hiernächst, daß die Anzeige unrichtig
gewesen: so soll eine solche verschonte Waare nach ihrem vierfachen wirklichen
Werthe in Havereyrechnung gebracht werden.
§. 1807. Auch Mund- und Kriegesbedürfnisse, Kleider und
Geräthschaften des Schiffers, des Schiffsvolks, und der Passagiers, kommen,
wenn sie geworfen worden, bey der großen Haverey mit in Anschlag.
§. 1808. Ein Gleiches gilt von Waaren, die das Schiffsvolk
für eigne Rechnung mitzunehmen befugt ist.
§. 1809. Auch Waaren und Sachen, die zwar nicht geworfen,
aber durch die bey Gelegenheit des Wurfs getroffenen Anstalten beschädigt,
verdorben, oder in eine solche Lage gekommen sind, daß sie von den Wellen
weggespült worden, müssen vergütet werden.
§. 1810. Wenn das Schiff zwar in eben der Noth, da der Wurf
geschehen ist, durch Wind und Wellen Schaden gelitten hat; dieser Schade jedoch
weder absichtlich zu Rettung des Schiffes und der Ladung verursacht worden,
noch eine natürliche Folge der dazu getroffenen Anstalten gewesen ist: so
können die Rheder in so weit von den Befrachtern keinen Havereybeytrag fordern.
§. 1811. Eben dies findet von der auf solche Art sich
ereignenden Beschädigung der geladenen Güter Anwendung.
§. 1812. Wenn zur Erleichterung des Schiffes Waaren in ein
kleineres Fahrzeug geladen, und daselbst verdorben, oder verloren worden: so
gehört dieser Schade zur großen Haverey.
§. 1813. Ist der Schade durch Untauglichkeit des kleineren
Fahrzeuges geschehen: so können sich die übrigen Interessenten, wegen ihres
Havereybeytrages, an den Eigenthütner desselben halten.
§. 1814. Ein Gleiches findet statt, wenn der Schade aus
Verwahrlosung oder Untreue der Mannschaft des kleineren Fahrzeuges entstanden
ist.
§. 1815. Der Schiffer des Hauptschiffes ist nur alsdann
verhaftet, wenn er ein untaugliches Fahrzeug ohne Noth gewählt hat.
§. 1816. Hat von der in ein kleineres Fahrzeug während der
Reise geladenen Waare, zur Rettung desselben und seiner Ladung, etwas geworfen
werden müssen: so wird dieser Schade von dem Bording, und seiner übrigen
Ladung, als große Haverey getragen: und was die Bordingsladung dazu beyträgt,
wird alsdann vom Hauptschiffe und dessen übriger ganzen Ladung vergütet.
§. 1817. Sobald ein Seewurf nach Vorschrift des §. 1795.
geschehen ist, muß die Vergütung als große Haverey ohne Widerrede statt finden.
§. 1818. Mit dem Vorwande, daß bey dem Wurfe selbst, oder
bey der Auswahl der zu werfenden Sachen, übereilt oder sonst vorschriftswidrig
verfahren worden, kann sich kein Interessent gegen den Beytrag schützen;
sondern nur den Regreß an den Schiffer, oder andern Urheber des Schadens
nehmen.
§. 1819. Hat jedoch der Schiffer das Schiff überladen; und
muß zu dessen Erleichterung die auf dem Verdecke liegenden Güter werfen: so
können die Eigenthümer dieser letztern sich nur an den Schiffer halten; und es
findet die Vergütung als große Haverey nicht statt.
b) vorsetzliche Strandung;
§. 1820. Hat der Schiffer, um die Ladung zu retten, das
Schiff absichtlich zum Stranden gebracht: so gehört der dabey am Schiffe und an
der Ladung entstandene Schade, nebst allen dadurch verursachten Kosten, zur
großen Haverey.
§. 1821. Erhellet aus den Umständen klar, daß die Strandung
bloß in der Absicht geschehen ist, um das Leben oder die Freyheit der Equipage
zu retten: so wird der entstandene Schade selbst alsdann, wenn die ganze Ladung
gerettet worden, nur für partikulaire Haverey geachtet. (§. 1900. sqq.)
c) Erleichterung des auf eine
Klippe oder Sandbank gerathenen Schiffes;
§. 1822. Ist ein Schiff durch Zufall auf den Grund oder auf
eine Klippe gerathen; und wird durch das Abbringen beschädigt: so muß die
Vergütung als große Haverey geschehen.
§. 1823. Dahin gehören auch die bey solcher Gelegenheit der
Ladung zugefügten Beschädigungen; die Aus- und Einladungskosten; ingleichen die
Kosten, wodurch das Schiff befreyet worden.
d) Prangen;
§. 1824. Wird ein Schiffer, um Strand und Klippen zu
vermeiden, genöthigt, das Schiff zur gemeinschaftlichen Erhaltung zu prangen:
so ist der dadurch am Schiffe und dessen Geräthschaften entstandene Schade
ebenfalls als große Haverey zu vergüten.
e) Einlaufen in einen Nothhafen;
§. 1825. Muß ein Schiff, wegen erhaltenen Lecks, oder andrer
Gefahr, in einen Nothhafen einlaufen: so gehören alle Kosten des Ein- und
Ausladens, ingleichen der Unterhalt des Schiffsvolks während des Aufenthalts im
Nothhafen, so wie die Heuer desselben, in so fern ihr Betrag durch eine solche
Verlängerung der Reise vermehrt wird, zur großen Haverey.
§. 1826. Ein Gleiches gilt von den Aus- so wie von den
Einladungskosten, wenn zum Behufe der Ausbesserung des Schiffes, oder sonst aus
erheblichen Gründen, die Ladung im Nothhafen geloset wird.
f) Stilliegen wegen Convoy;
§. 1827. Muß ein Schiff auf Convoy warten, oder sonst, wegen
besorglicher Feindesgefahr, in einem neutralen Hafen eine Zeitlang liegen
bleiben: so werden die Heuer und der Unterhalt des Schiffsvolks für diesen
Zeitraum nach näherer Bestimmung §. 1825. als große Haverey vergütet.
§. 1828. Es macht keine Ausnahme, wenn gleich zur Zeit des
Auslaufens die Gefahr schon bekannt gewesen, und wegen der Convoy nichts
verabredet seyn sollte.
g) Ranzionirung des Schiffes;
§. 1829. Hat der Schiffer feindlichen Kapern oder
Seeräubern, um Schiff und Gut zu retten, gewisse Waaren oder
Schiffsgeräthschaften angewiesen, oder übergeben: so wird deren Werth als große
Haverey vergütet.
§. 1830. Ist in Fällen dieser Art ein bedungenes Lösegeld
baar bezahlt worden: so muß die Auslage auf gleiche Art erstattet werden.
§. 1831. Haben die
Feinde den Schiffer, oder andre am Bord befindliche Personen, als Geisel für
das bedungene Lösegeld mitgenommen: so müssen, außer dem Lösegelde, auch die
dadurch den Geiseln verursachten Zehrungs- und andere Kosten, als große Haverey
ersetzt werden.
§. 1832. Von der Zahlung können die Rheder und Befrachter,
in diesem besondern Falle, durch Abtretung ihrer Antheile am Schiffe oder an
der Ladung sich nicht befreyen.
§. 1833. Sie sind vielmehr selbst alsdann dafür verhaftet,
wenn gleich das Schiff oder die Ladung durch nachherige Unglücksfälle verloren
gegangen seyn sollte.
§. 1834. Wenn auch ein nicht feindlicher Kaper den Schiffer
genöthigt hat, ihm Provision, Geräthschaften, oder Waaren, gegen versprochene
aber nicht erfolgte Bezahlung zu überlassen: so gehört dieser Verlust zur
großen Haverey.
h) Vertheidigung des Schiffes gegen feindliche Anfälle;
§. 1835. Wird bey der Vertheidigung gegen Kaper oder
Seeräuber Schiff und Gut beschädigt: so geschieht der Ersatz dieses Schadens,
nebst der im Gefechte verbrauchten Ammunition, als große Haverey.
§. 1836. Sind bey einer solchen Gelegenheit dem Schiffsvolke
zur Aufmunterung Belohnungen versprochen, oder gegeben worden: so wird eine
solche Auslage gleichfalls vergütet.
§. 1837. Eben dahin gehören alle Kosten zur Heilung und
bessern Verpflegung der Verwundeten, zum Begräbniß der Getödteten, und zur
Abfindung der untauglich gewordenen Schiffsleute.
§. 1838. Auch dasjenige, was den Wittwen und Kindern der
Getödteten, oder an ihren Wunden gestorbenen Schiffsleuten gereicht werden muß,
ist in Rechnung zu bringen.
i) von außerordentlichen Kosten überhaupt;
§. 1839. Außer diesen Fällen gehören auch alle
außerordentliche Kosten, welche zur Fortsetzung der Reise verwendet werden
müssen, und Einen Thaler, auf die Schiffslast gerechnet, übersteigen, ebenfalls
zur großen Haverey. (§. 1774. sqq.)
Wo die Havereyrechnung anzulegen.
§. 1840. Jeden zur großen Haverey gehörenden Fall muß der
Schiffer, sobald er sich ereignet, und es die Umstände gestatten, in sein
Tagebuch umständlich verzeichnen, und den erlittenen Schaden so genau als
möglich bemerken.
§. 1841. Ist der Fall eines Seewurfs vorhanden: so muß der
Schiffsschreiber, oder wer sonst seine Stelle vertritt, oder auch der Schiffer
oder Steuermann selbst, die vorwaltenden Umstände, die Meinungen der
Schiffsleute und Eigenthümer, ingleichen die geworfenen, oder auch durch die
Werfung beschädigten Waaren, nach den Packen, Kisten, Tonnen, mit ihren Nummern
und Zeichen, genau aufschreiben.
§. 1842. Wenn Zeit und Gefahr dergleichen pünktliche
Aufzeichung nicht erlauben: so soll so viel als möglich bemerkt; der Beweis des
übrigen aber durch die eidlichen Aussagen und Angaben der Schiffsleute geführt
werden.
§. 1843. In dem ersten Hafen, wo der Schiffer landet, muß er
den Havereyfall und entstandenen Schaden den dortigen Seegerichten, oder dem
Consul der Nation umständlich anzeigen, und sich darüber ein Attest ausstellen
lassen.
§. 1844. Auch muß er den Rhedern und Befrachtern, ingleichen
den Correspondenten derselben am Bestimmungsorte, sobald als möglich davon
Nachricht geben.
§. 1845. Wenn er am Orte der Bestimmung anlangt, muß er den
erlittenen Havereyfall den Gerichten, den Empfängern der Waaren, und den etwa
daselbst befindlichen Bevollmächtigten der Rheder, noch vor der Losung
anzeigen.
§. 1846. Er muß zugleich den Seegerichten sein Tagebuch
vorlegen, und nebst den vornehmsten des Schiffsvolks den Inhalt desselben, so
wie die Wahrheit seiner Angabe, eidlich bestärken.
Wie der Schade, welcher vergütet werden soll, zu bestimmen.
§. 1847. Bey der Untersuchung des zu vergütenden Schadens
müssen zuvörderst diejenigen Sachen abgesondert werden, welche, wenn sie auch
bey einem Havereyfalle beschädigt worden, dennoch keine Vergütung erhalten.
§. 1848. Dahin gehören vornehmlich die Güter, welche der
Schiffer als Ueberfracht eingenommen hat.
§. 1849. Ferner die Waaren, welche auf den Verdeck,
Ueberlauf, Back, oder Schanze gelegt, in das Schiffsboot gepackt, oder an die
Seiten des Schiffes gehängt worden.
§. 1850. Der Eigenthümer solcher Waaren hat keine Vergütung
durch Havereyrechnung zu fordern, wenn gleich diese Art der Unterbringung (§.
1848. 1849.) ohne sein Vorwissen geschehen ist; sondern er kann sich deshalb
nur an den Schiffer und das Schiff halten.
§. 1851. Güter, wovon gar kein Connossement vorhanden ist,
ingleichen heimlich ins Schiff gebrachte Waaren, erhalten keine Vergütung.
§. 1852. Eben dies findet von solchen Gütern statt, welche
der Eigenthümer, oder dessen Bevollmächtigter, bey entstehender Seegefahr, ohne
des Schiffers und Schiffsvolks Einwilligung, wegnehmen und anderswo hinbringen
läßt.
§. 1853. Eben so wird auch der Schade am Schiffsboote nicht
vergütet, wenn dasselbe nicht auf dem Verdecke befestigt gewesen.
Wie der Betrag des Schadens auszumitteln.
§. 1854. Der Betrag des zu vergütenden Schadens selbst muß
entweder durch Vereinigung sämmtlicher Interessenten, oder durch die in den
Gesetzen vorgeschriebenen Beweismittel festgesetzt werden.
§. 1855. Schiffsprovisionen, Geräthschaften, oder andre zur
eigentlichen Ladung nicht gehörende Sachen, werden nach dem gemeinen Werthe des
Orts, wo sie wieder angeschafft werden, müssen, geschätzt; jedoch werden bey
Geräthschaften, und solchen Sachen, die durch den Gebrauch abgenutzt werden,
nur Zwey Drittheile dieses Werths in Rechnung gebracht.
§. 1856. Ist der Körper des Schiffs selbst beschädigt: so
müssen die Ausbesserungskosten durch den Anschlag vereideter Sachverständigen
festgesetzt werden.
§. 1857. Eben dies gilt, jedoch unter der §. 1855. in
Ansehung des Werths gegebenen Bestimmung, wenn Schiffsgeräthschaften nicht
verloren, sondern nur beschädigt worden.
§. 1858. Sind Waaren verloren gegangen: so wird bey
Bestimmung ihrer Art und Quantität die Chartepartie, das Connossement, die
Faktur, oder andere bey der Einschiffung geschehene Declaration, zum Grunde
gelegt.
§. 1859. Kann dargethan werden, daß die Angabe bey der
Einschiffung zu hoch gewesen sey: so ist nur auf die erwiesene Art und
Quantität zu sehen.
§. 1860. Dagegen wird auf die Behauptung des Eigenthümers,
daß in dem verlornen Packe, Fasse u. s. w. mehrere oder bessere Waare gewesen,
als angegeben worden, keine Rücksicht genommen.
§. 1861. Der Werth verlorner Waaren wird nach dem comptanten
Marktpreise am Losungsorte, zur Zeit der Losung, angeschlagen.
§. 1862. Davon sind jedoch die kleine Haverey, die
Ausladungskosten und andere Ungelder abzuziehen, welche von der Waare, wenn sie
wirklich angekommen wäre, hätten entrichtet werden müssen.
§. 1863. Die Fracht hingegen, wenn sie dem Schiffer bezahlt
werden muß, kommt nicht in Abzug.
§. 1864. Sind die verlornen
Waaren, zur Zeit des Havereyfalls, durch Seesturz oder andern Zufall schon
beschädigt gewesen: so werden sie nur nach dem Werthe, den sie bey dem Verluste
wirklich noch hatten, vergütet.
§. 1865. Dieser Werth muß auf den Grund der eidlichen Angabe
des Schiffers, und seiner Leute, über den Zustand der Waaren zur Zeit des
Verlustes, durch das Gutachten der Sachverständigen billig bestimmt werden.
§. 1866. Sind Waaren nicht ganz verloren, sondern nur
beschädigt worden: so werden sie auf gemeinschaftliche Kosten öffentlich
verkauft, und die daraus gelöseten Gelder dem Eigenthümer zugestellt; außerdem
aber wird demselben der Unterschied mit dem nach §. 1861-1863. zu bestimmenden
Werthe vergütet.
Wie der Beytrag zur großen Haverey festzusetzen.
Vom Schiffe.
§. 1867. Ist solchergestalt der
Betrag der zu vergütenden großen Haverey ausgemittelt: so muß derselbe zwischen
Schiff und Ladung verhältnißmäßig vertheilt werden.
§. 1868. Zur Bestimmung dieses Verhältnisses muß der Werth
des Schiffes nebst Zubehör nach demjenigen Zustande, in dem es aus der See
gekommen ist, durch vereidete Sachverständige geschätzt werden.
§. 1869. Die zur Fortsetzung der Reise oder zur Retour
bestimmten Mund- und Kriegsprovisionen kommen nicht in Anschlag; wohl aber das
durch die zurückgelegte Reise verdiente Frachtgeld, nach Abzug desjenigen, was
die Rheder daraus noch zu bezahlen haben, besonders der noch rückständigen
Heuer des Schiffers und des Volks, ingleichen des Beytrags zur kleinen Haverey.
§. 1870. Nach dem solchergestalt ausgemittelten Werthe des
Schiffs wird dessen Beytrag zur großen Haverey bestimmt.
Von der Ladung.
§. 1871. In Absicht der Ladung müssen zuvörderst diejenigen
Stücke abgesondert werden, welche von dem Beytrage zur großen Haverey frey
sind.
§. 1872. Dahin gehören alle Waaren, welche erst nach dem
Havereyfalle über den Bord des Hauptschiffes gebracht worden.
§. 1873. Ferner diejenigen, welche zu der Zeit, da sich der
Havereyfall ereignet, am Bestimmungsorte schon vom Borde des Hauptschiffes
gebracht sind.
§. 1874. Ferner die Heuer und Equipage des Schiffers und
Schiffsvolks; so wie auch diejenigen Waaren, welche dasselbe für eigne Rechnung
vermöge der ihm §. 1596. beygelegten Befugniß mitgenommen hat.
§. 1875. Desgleichen die Kleidungsstücke und
Reisebedürfnisse der Passagiers.
§. 1876. Hat bey einem Schiffbruche jemand die ihm
zugehörigen Sachen an sich genommen, und mit eigner Lebensgefahr gerettet: so
kann ihm davon kein Beytrag abgefordert werden.
§. 1877. Ein Gleiches gilt von den, durch solche Taucher,
welche ein Befrachter für eigne Rechnung gedungen hat, herausgebrachten Waaren.
§. 1878. Außer vorstehenden, müssen alle im Schiffe
befindlich gewesene Waaren und Effekten zur großen Haverey beytragen.
§. 1879. Dieses gilt sowohl von den verloren gegangenen oder
beschädigten, und in der Berechnung als große Haverey vergüteten, als von den
geretteten Waaren.
§. 1880. Selbst geworfene Waaren müssen, auch bey der
nachher während der Reise sich ereigneten Unglücksfällen, den Beytrag zur
großen Haverey erlegen.
§. 1881. Die Art und Quantität der geretteten Waaren wird
nach Vorschrift des §. 1858. sqq. angenommen.
§. 1882. Kann dargethan werden, daß die Qualität oder
Quantität einer Waare zu niedrig angegeben worden: so muß die durch
gerichtliche Besichtigung auszumittelnde wahre Beschaffenheit in Anschlag
kommen.
§. 1883. Eben dies findet von denjenigen Waaren statt,
worüber keine Connossemente vorhanden sind.
§. 1884. Auch die Bestimmung des Werths der geretteten
Waaren geschieht nach Vorschrift des §. 1861-1866.
§. 1885. Wegen der bey einem Seewurfe unrichtig angezeigten
und verschonten Waaren findet die Vorschrift des §. 1806. Anwendung.
§. 1886. Waaren deren Werth, während der Reise, durch
inneren Verderb, oder andre zur großen Haverey nicht gehörende Unglücksfälle,
verringert worden, dürfen nur nach demjenigen Werthe beytragen, den sie zur
Zeit der Losung noch wirklich haben.
§. 1887. Effekten, welche keinen gewöhnlichen Marktpreis
haben, sind nach ihrem wirklichen Werthe zur Zeit der Losung, durch vereidete
Sachverständige zu schätzen.
§. 1888. Heimlich eingebrachte, ingleichen die in Absicht
der Art oder Quantität unrichtig deklarirte Waaren, werden nach den höchsten
zur Losungszeit am Losungsorte geltenden Preisen berechnet.
§. 1889. Der Empfänger solcher Waaren, von welchen ein
Beytrag zur großen Haverey zu entrichten ist, haftet nach geschehener
Andeutung, für den festzusetzenden Beytrag als Selbstschuldner.
§. 1890. Er ist verbunden, längstens binnen Acht Tagen nach
der Abladung, den Werth derselben, vorstehenden Grundsätzen gemäß, genau und
richtig anzugeben, und auf Erfordern eidlich zu erhärten.
§. 1891. Sind ihm die Waaren zur weitern Spedition
überschickt: so muß er sie nicht eher versenden, als bis die vorgeschriebene
Angabe des Werths geschehen ist.
§. 1892. Wird die Richtigkeit des angegebenen Werths
bezweifelt: so können die übrigen Interessenten, auf Kosten des verlierenden
Theils, eine gerichtliche Taxe durch vereidete Sachverständige verlangen.
§. 1893. Wer überführt wird, vorsätzlich, oder aus grobem
Versehen, den Werth einer empfangenen Waare zu niedrig angegeben zu haben, soll
von dem wirklichen Werthe vierfachen Beytrag entrichten, und die Kosten
erstatten.
§. 1894. Wenn solchergestalt die Summe, nach welcher ein
jeder Interessent zu dem Havereyschaden beytragen muß, ausgemitelt worden: so
geschieht die Vertheilung des Beytrages unter die sämmtlichen Interessenten
nach der Sodetätsregel.
§. 1895. Werden hiernach auf ihn fallenden Beytrag verweigert,
den kann und muß der Schiffer, bey eigner Verhaftung, zur Bestellung
hinreichender Sicherheit anhalten, oder die Waaren mit Arrest belegen.
§. 1896. Auch kann der Schiffer auf öffentlichen
gerichtlichen Verkauf der Waaren, so viel dazu nöthig ist, antragen.
§. 1897. Das Schiff darf nicht eher aus dem Hafen gelassen
werden, als bis die Rheder ihren Beytrag zur Haverey davon entrichtet, oder
hinreichende Sicherheit dafür bestellt haben.
§. 1898. Den Vorzug des rückständigen Beytrages zur großen
Haverey bey entstehendem Concurse, bestimmen die Vorschriften des Ersten Theils
Tit. XX. §. 326. in Absicht des Schiffes, und die Prozeßordnung in Absicht der
Waaren.
§. 1899. Werden geworfene, oder sonst verunglückte Güter,
nach schon geschlossener Havereyrechnung gerettet: so muß der nach Abzug der
Bergungs- und andern Kosten übrig bleibende Werth den Interessenten, nach
Verhältniß ihrer Beyträge, wieder zu gute kommen.
III. Von der Particulairhaverey.
§. 1900. Alle übrige nach vorstehenden Grundsätzen weder zur
großen noch zur kleinen Haverey gehörende Schäden und Kosten, welche bey
Gelegenheit der Schiffahrt und Reise, das Schiff oder die Ladung treffen,
werden für particulaire oder besondre Haverey geachtet; und müssen von dem
Eigenthümer der Sache, über welche sie ergangen sind, allein getragen werden.
§. 1901. Wenn also ein Schiff auf den Grund oder auf eine
Klippe gerathen ist, und nicht durch das Abbringen selbst beschädigt wird: so
gehört die daraus entstandene Beschädigung zur besondern Haverey; die Kosten
aber, durch welche das Schiff befreyet wird, sind große Haverey.
§. 1902. Wenn ein Schiff, oder dessen Geräthschaften, durch
Gewalt des Windes verdorben, oder verloren worden: so ist die daraus
entstandene Beschädigung ebenfalls besondre Haverey; es wäre denn, daß der
Schiffer, um Strand und Klippen zu vermeiden, genöthigt wäre, das Schiff zu
prangen. (§. 1824.)
§. 1903. Wenn Kaper oder Seeräuber Schiffsgeräthschaften,
Ammunition, oder Lebensmittel vom Schiffe wegnehmen: so trägt das Schiff den
Schaden allein.
§. 1904. Eben so trifft, wenn von Kapern oder Seeräubern
Waaren aus dem Schiffe entwendet worden, der Verlust die Eigenthümer der
Waaren.
§. 1905. Ein Gleiches findet statt, wenn Waaren bloß durch
Sturm oder Seesturz beschädigt, verdorben, oder weggespült worden.
Von Schiffscontrebanden.
§. 1906. Sind in einem neutralen Schiffe verbotne Waaren
oder Sachen gefunden worden: so gehört der aus der Confiscation entstehende
Schade nicht zur großen Haverey.
§. 1907. Welche Waaren und Sachen für verboten zu achten
sind, wird unten (§. 2034. sqq.) bestimmt.
§. 1908. Schiffer und Rheder, welche wissentlich, oder aus
grobem Verschulden, verbotne Waaren oder Sachen eingenommen haben, sind den
übrigen Befrachtern zum Ersatze des dadurch verursachten Schadens verhaftet.
§. 1909. Haben aber die übrigen Befrachter von der
verbotenen Qualität Wissenschaft gehabt: so muß, wenn Schiff oder Ladung
deshalb aufgebracht worden, ein jeder seinen Schaden allein tragen.
§. 1910. Entsteht Verlust oder Schaden daher, weil ein
Schiff nicht mit den gehörigen Pässen, Chartepartie, Connossements, oder sonst
nöthigen Briefschaften versehen ist: so müssen der Schiffer und diejenigen,
welchen die Besorgung dieser Erfordernisse obgelegen hat, dafür haften.
Von Beschädigung der Schiffe durch An- und Uebersegeln.
§. 1911. Wenn zwey unter Segel sich befindende Schiffe, ohne
grobes Verschulden des einen oder des andern Schiffers, aufeinander ansegeln,
oder stoßen; dergestalt, daß eins oder das andere, oder beyde Schaden leiden:
so muß der beyderseitige Verlust und Schade berechnet, und zusammengeschlagen
werden.
§. 1912. Von der ganzen Summe trägt jedes Schiff die Hälfte.
§. 1913. Ist das An- oder Uebersegeln von einem der Schiffer
vorsätzlich, oder durch grobe Schuld verursacht worden: so muß derselbe seinen
Schaden allein tragen, und dem andern Schiffe den ganzen erlittenen Schaden
vergüten.
§. 1914. So weit, als der Schade aus dem Vermögen des
Schiffers, ingleichen aus dem Schiffe und dessen Frachtgeldern nicht ersetzt
wird, ist er als Particularhaverey zu betrachten.
§. 1915. Eben dies findet statt, wenn das Schiff, welches
durch Zufall, oder grobe Schuld des Schiffers, ein anderes auf gedachte Art
beschädigt hat, nicht ausgemittelt werden kann.
§. 1916. Wird ein vor Anker liegendes, oder am Lande
festgemachtes Schiff, von einem segelnden Schiffe beschädigt: so muß des
letztern Schiffer allen verursachten Schaden erstatten; er könnte denn
nachweisen, daß er durch einen ganz unvermeidlichen Zufall zum An- oder Uebersegeln
genöthigt worden; in welchem Falle die Vorschrift §. 1911. 1912. Anwendung
findet.
§. 1917. Hat in diesem Falle der festliegende Schiffer der
Gefahr ausweichen können, und es vorsätzlich, oder aus grober Schuld
unterlassen: so ist derselbe zum Schadensersatze nach §. 1913. verhaftet.
Antreiben und Stoßen.
§. 1918. Liegen zwey oder mehrere Schiffe vor Anker, und
kommen einander gefährlicher Weise zu nahe: so muß der voranliegende Schiffer,
auf des andern Zuruf, den Anker lichten und ablegen.
§. 1919. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Schiffe in
Gefahr stehen, durch Ablaufen des Wassers auf den Grund zu gerathen.
§. 1920. Hat der voranliegende Schiffer diese Vorschriften
vorsätzlich oder aus grober Schuld unbefolgt gelassen: so muß er den ganzen
dadurch veranlaßten Schaden ersetzen.
§. 1921. Leidet der Schiffer, welcher ausweichen soll, bey
dem Versuche dazu, ohne sein grobes Verschulden, selbst Schaden: so kann er von
dem Zurufenden Vergütung fordern.
§. 1922. Ist der Zurufende, bey dem Ausweichen, ohne grobes
Verschulden des andern beschädigt worden: so bleibt der Ausweichende von der
Verantwortung frey.
§. 1923. Werden zwey festliegende Schiffe durch Gewalt der
Wellen, oder des Windes, dergestalt zusammen gestoßen, daß eines oder beyde
gequetscht, gedrückt, oder sonst beschädigt worden: so finden die Vorschriften
§. 1911. Anwendung.
§. 1924. Eben das gilt, wenn zwey festliegende Schiffe zu
Einer Zeit loskommen, an einander treiben, und dadurch bey einem oder beyden
Schaden entsteht.
§. 1925. Ist aber ein vor Anker liegendes Schiff wegen
Untauglichkeit seiner Taue, oder sonst durch grobes Verschulden des Schiffers,
los und treibend geworden: so muß der Schiffer allen an den festliegenden
Schiffen verursachten Schaden erstatten.
§. 1926. Ist hingegen ein Schiff ohne grobes Verschulden des
Schiffers los und treibend geworden, so muß der Schade des Anstoßens, nach den
Vorschriften §. 1911. gemeinschaftlich getragen werden.
§. 1927. Hat der antreibende
Schiffer dem festliegenden zugerufen, den Tau schießen zu lassen, und letzterer
hat es nicht gethan, da es doch die Umstände gestattet hätten: so ist ersterer
zur Entschädigung nicht verbunden.
§. 1928. Sind in den §. 1911. 1916. 1921. 1922. 1923. 1926.
beschriebenen Fällen, auch die geladenen Waaren zu Schaden gekommen: so kann
der daran erlittene Verlust bey der Schadenberechnung nicht mit in Anschlag
kommen, sondern wird als particulaire Haverey betrachtet.
§. 1929. Fällt nach obigen Grundsätzen die Vergütung einem
der Schiffer zur Last: so müssen, bey seinem Unvermögen, dessen Rheder, so weit
ihre Schiffsparten reichen, den Ausfall vertreten.
§. 1930. Sind beyde Schiffer an dem einander zugefügten
Schaden schuld, so findet die Vorschrift des Ersten Theils, Tit. VI. §. 22.
statt.
§. 1931. Ein solcher durch An- oder Uebersegeln, Antreiben
und Stoßen entstandener Unglücksfall, wenn er im Hafen geschehen ist, muß
binnen Acht und vierzig Stunden nach der Ereigniß, bey Verlust des Rechts, den
gehörigen Gerichten angezeigt werden.
§. 1932. Geschieht der Unglücksfall auf der See: so muß von
jedem Schiffer die Vorschrift des §. 1840. sqq. beobachtet werden.
§. 1933. Bey Stromschiffen finden gleiche Grundsätze statt.
Dreyzehnter Abschnitt
Von Versicherungen
§. 1934. Bey einer Versicherung, oder Assekuranz, übernimmt
der Versicherer, gegen Erhaltung einer gewissen Abgabe oder Prämie, die
Vergütung des aus einer bestimmten Gefahr die versicherte Sache treffenden
Schadens.
§. 1935. Ist keine Prämie bedungen worden: so wird das
Geschäfte nicht als eine Assekuranz, sondern als eine Schenkung betrachtet.
(Erster Theil, Tit. XL §. 1089. sqq.)
§. 1936. Mäkler und Schiffsklarirer sollen weder Schiffe,
noch Schiffsparten, noch Kaufmannsgüter und Waaren, bey Vermeidung der §. 1328.
bestimmten Strafe, auf eigne Rechnung versichern lassen.
§. 1937. Schiffer und Schiffsleute dürfen über ihre Heuer
oder Lohn keine Versicherung nehmen; bey Verlust des Rechts und der Prämie,
deren doppelter Betrag von dem Versicherer zur Strafe an die Casse der Seearmen
erlegt werden soll.
§. 1938. Versicherungen ertheilen, setzt nothwendig die
Befugniß voraus, einen lästigen Vertrag zu schließen. (Erster Theil, Tit. V. §.
11.)
§. 1939. Mäkler, Schiffsklarirer und Abrechner; öffentlich
bestellte Dispascheurs, Schadentaxatoren, und richterliche Personen in
Assekuranzstreitigkeiten; Vorsteher und Bediente der Bank; Vorsteher und
Bediente der Assekuranzkompagnie; Officianten, sowohl bey Landesherrlichen, als
andern öffentlichen Cassen; ingleichen Zoll- und Accisebediente, dürfen für
eigne Rechnung, weder unmittelbar noch mittelbar, Versicherungen ertheilen.
§. 1940. Wird diesem Verbote zuwider gehandelt: so ist der
Vertrag nichtig; die bedungene Prämie fällt dem Fiskus anheim; und der
unbefugte Versicherer soll seines Amts entsetzt werden.
§. 1941. Hat in solchem Falle der Versicherte, ohne sein
Verschulden, die dem Versicherer entgegen stehende Eigenschaft nicht gewußt: so
haftet ihm letzterer zur Entschädigung.
§. 1942. Wer den Auftrag hat, für einen Dritten Versicherung
zu suchen, darf dieselbe ohne besondere Genehmigung des Auftragenden nicht
selbst übernehmen; widrigenfalls er die Prämie herausgeben muß, und für die
übernommene Gefahr nichts desto weniger verhaftet ist.
§. 1943. Einem jeden steht frey, Versicherungen da zu
nehmen, wo er es am rathsamsten findet.
§. 1944. Die Rechte einer zu Versicherungen besonders
privilegirten Gesellschaft sind aus dem ihr ertheilten Privilegio zu
beurtheilen.
§. 1945. Wer für fremde Rechnung Versicherung nimmt, muß
dazu mit Vollmacht oder Auftrag versehen seyn; widrigenfalls die Versicherung
ungültig, und die bedungene Prämie verfallen ist.
§. 1946. Jedoch können Handlungsfaktore und Disponenten,
auch ohne besondere Vollmacht, für Rechnung ihres Principals Versicherung
nehmen.
§. 1947. Soll ihnen diese Befugniß nicht zustehen: so muß
eine solche Einschränkung gehörig bekannt gemacht seyn. (§. 503. sqq.)
§. 1948. Wer für fremde Rechnung ohne Specialvollmacht
zeichnet, haftet nur für seine Person.
§. 1949. Eben dies findet auch von Handlungsfaktoren und
Disponenten statt, wenn sie nicht durch Specialvollmacht, oder ein für allemal
in ihrer Prokura, dazu legitimirt sind.
§. 1950. So wie jeder ohne Vollmacht im Namen eines Andern
geschlossener Vertrag, durch desselben nachher hinzukommende Genehmigung zu
Kräften gelangt: so findet ein Gleiches auch bey dem Versicherungsvertrage
statt.
§. 1951. Einer stillschweigenden Genehmigung ist gleich zu
achten, wenn derjenige, in dessen Namen die Versicherung genommen oder ertheilt
worden, nach davon erlangter Wissenschaft, binnen der im Ersten Theil, Tit. V.
§. 95. sqq. bestimmten Fristen, keinen gerichtlichen Protest dagegen einlegt.
Gegenstände in den Versicherungen.
§. 1952. Ueber alles, was der Gegenstand eines
rechtsgültigen Vertrags seyn kann, können auch Versicherungen geschlossen
werden. (Th. I. Tit. V. §. 39. sqq.)
§. 1953. Jede künftige Gefahr, die nicht mit verbotnen
Handlungen verknüpft ist, kann der Versicherer übernehmen.
§. 1954. Ist eine Versicherung über die Gefahr bey verbotnen
Handlungen geschlossen: so muß jeder Theil die gezeichnete Summe zur Strafe
erlegen.
§. 1955. Sind Waaren und Güter, welche wider die
Landesgesetze aus-, ein-, oder durchgeführt werden sollen, versichert: so ist
der Versicherte aller Vortheile aus dem Vertrage verlustig, und der Fiskus tritt
an seine Stelle.
§. 1956. Hat der Versicherer wissentlich auf solche Waare
gezeichnet: so wird er als Theilnehmer bestraft, und die Prämie verfällt dem
Fiskus.
§. 1957. Ist die Versicherung nur zum Theil auf dergleichen
Waaren gerichtet: so besteht sie in Ansehung der unverbotenen.
§. 1958. Werden jedoch diese mit der verbotenen zugleich
konfiscirt, oder zur Bezahlung der verwirkten Strafe verwendet: so ist der
Versicherer zur Vergütung nicht schuldig.
§. 1959. In Kriegszeiten darf kein Unterthan auf Kriegsbedürfnisse,
die feindlichen Unterthanen gehören, oder ihnen sonst zugewendet werden sollen,
Versicherung geben. (§. 2034. sqq.)
§. 1960. Ein Gleiches gilt von Lebensmitteln aller Art, die
in feindliche Magazine, für feindliche Armeen und Festungen gehören, oder dahin
geliefert werden sollen.
§. 1961. Ingleichen von allen Waaren und Sachen, worüber der
Handel mit feindlichen Unterthanen während des Kriegs verboten ist.
§. 1962. Hat jemand, diesen Vorschriften zuwider, auf solche
Sachen Versicherung gegeben: so ist der Vertrag ungültig.
§. 1963. Hat er es wissentlich gethan: so muß er die
gezeichnete Summe dem Fiskus zur Strafe bezahlen.
§. 1964. Ist aber dem Versicherer die verbotene Qualität der
Waare nicht bekannt gewesen: so ist er nur die erhaltene Prämie an den Fiskus
herauszugeben schuldig.
§. 1965. Die Strafe des Versicherten ist nach Vorschrift des
Criminalrechts zu bestimmen.
§. 1966. Der Anfang eines Kriegs wird von der Zeit an
gerechnet, da die Land- oder Seemacht sich zu Kriegsoperationen gegen den Feind
in Bewegung setzt.
§. 1967. Nur mit Bekanntmachung der geschlossenen
Friedenspräliminarien wird ein Krieg für beendigt geachtet.
§. 1968. Jedermann kann sein eignes Leben versichern lassen.
§. 1969. Auf einen durch Verbrechen verwirkten Verlust des
Lebens kann jedoch eine solche Versicherung weder gegeben, noch gedeutet
werden.
§. 1970. Hat aber jemand das Leben eines Dritten versichern
lassen: so haftet der Versicherer für jeden auch von dem Dritten selbst
verschuldeten Verlust des Lebens; wenn nicht das Gegentheil festgesetzt
worden.
§. 1971. Aeltern,
Kinder, Ehegatten, oder Verlobte, können für eigne Rechnung das Leben ihrer
Kinder, Aeltern, des andern Ehegatten oder Verlobten, versichern lassen.
§. 1972. Unter Kindern werden eheliche Descendenten in
absteigender Linie überhaupt verstanden. (Th. I. Tit. I. §. 40. 41.)
§. 1973. Außer diesen kann niemand, zu seinem eignen
Vortheile, auf das Leben eines Dritten, ohne dessen gerichtliche Einwilligung,
Versicherung nehmen.
§. 1974. Ist dies dennoch geschehen: so muß jeder, sowohl
der Versicherer, als der Versicherte, die gezeichnete Summe, zum Besten der
Armen, als Strafe erlegen.
§. 1975. Auch die Freyheit eines Menschen kann gegen See-
und Türkengefahr, barbarische Seeräubereyen, feindliche Aufbringung, oder
Gefangenschaft, versichert werden.
§. 1976. Wird auf solche Art die Freyheit eines Dritten
versichert: so ist dessen Einwilligung dazu nicht nöthig.
§. 1977. Versicherungen der Freyheit auf andre Arten des
Verlustes, sind ungültig, wenn der Dritte, dessen Freyheit versichert worden,
nicht seine Einwilligung dazu gerichtlich ertheilt hat.
§. 1978. Bey erfolgter Einwilligung aber findet die
Vorschrift des §. 1970. statt.
§. 1979. Derjenige, welcher die Loskaufung eines von Feinden
oder Seeräubern Gefangenen übernommen hat, kann sich das Lösegeld nebst den
Kosten wieder versichern lassen.
§. 1980. Ein Bodmereygeber kann, auf den Betrag seines
Capitals, nebst kaufmännischen Zinsen davon, und der Assekuranzprämie,
Versicherung nehmen.
§. 1981. Auch auf das den Schiffsleuten gegebene Handgeld,
und die vorausbezahlte Heuer, kann von dem Rheder Versicherung genommen werden.
§. 1982. Eben dies findet von Frachtgeldern statt.
Wie weit Versicherungen genommen und gegeben werden können.
§. 1983. Durch Versicherungen muß der Versicherte sich nur
gegen Schaden decken, nicht aber Bereicherung dadurch suchen.
§. 1984. Niemand darf eine Sache höher versichern lassen,
als bis zum gemeinen Werthe derselben zur Zeit des geschlossenen Vertrages.
(Th. I. Tit. II. §. 111.)
§. 1985. Bey Versicherung auf das Casco eines Schiffes,
werden in dessen Würdigung alle Unkosten der Ausrhedung und Ausrüstung; die
Provision; die vorausbezahlte Volksheuer; und die Assekuranzprämie mit und
eingerechnet; und der Werth des Schiffes wird so bestimmt, wie er zur Zeit der
Absegelung wirklich gewesen ist.
§. 1986. Werden aber die Frachtgelder besonders versichert:
so darf die Versicherung des Casco nur bis zu demjenigen Werthe, welchen das
Schiff, nebst Geräthe, ohne die Ausrüstungskosten, beym Abgange gehabt hat,
geschlossen werden.
§. 1987. Versicherungen auf Waaren sollen den Einkaufspreis
nicht übersteigen.
§. 1988. Jedoch kann der Versicherte alle Zölle, Abgaben und
Unkosten zuschlagen, die er darauf bis zu der Zeit, da sie wirklich an Bord
gebracht, oder sonst abgesendet sind, hat verwenden müssen.
§. 1989. Auch die Versicherungsprämie selbst kann er mit in
Anschlag bringen.
§. 1990. Eine Versicherung auf Frachtgelder darf den Betrag
der durch Connossemente oder Charte Partie festgesetzten Fracht, und der
kleinen Haverey, nicht übersteigen.
§. 1991. Versicherungen auf gehofften oder sogenannten
imaginairen Gewinn sind nur in so weit gültig, als sie ausdrücklich darauf
geschlossen, und zugleich der Gegenstand, von welchem der Gewinn erwartet wird,
bestimmt angegeben worden.
§. 1992. Versicherungen auf das Bestehen, Steigen und Fallen
der Waarenpreise, sind nur den Kaufleuten erlaubt.
§. 1993. Es muß jedoch dadurch keine dem gemeinen Wesen
nachtheilige Preissteigerung beabsichtiget werden.
§. 1994. Liegt diese zum Grunde: so ist der Vertrag
ungültig; die Prämie verfällt dem Fiskus; und die Contrahenten müssen nach
Vorschrift des Criminalrechts bestraft werden.
§. 1995. Versicherungen auf Interesse oder Nichtinteresse
sind auf keine höhere Summe gültig, als das in der Police angezeigte Interesse
wirklich beträgt.
§. 1996. Wird von dem Versicherer nachgewiesen, daß das
wirkliche Interesse weniger, als die gezeichnete Summe betrage: so findet
verhältnißmäßig das Ristorno statt.
§. 1997. Dagegen darf, auch bey dieser Art von
Versicherungen, ein Mehreres, als die gezeichnete Summe, von dem Versicherer
niemals vertreten werden.
§. 1998. In so weit Schiffe oder Güter bereits verbodmet
sind, sollen sie von dem Bodmereynehmer, bey Verlust der bedungenen Prämie, und
Nichtigkeit des Vertrages, nicht versichert werden.
§. 1999. Diejenige Summe aber, welche an dem vollen Werthe
fehlt, so wie auch die Art der Gefahr, welche der Bodmereygeber nicht
übernommen hat, kann besonders versichert werden.
Verbot mehrerer Versicherungen über den vollen Werth eines
und eben desselben Gegenstandes.
§. 2000. Niemand soll über einen und eben denselben
Gegenstand, auf dessen nach §. 1984. sqq. zu bestimmenden Werth, mehrere
Versicherungen nehmen,
§. 2001. Wer Versicherung sucht, muß gewissenhaft anzeigen:
ob und in welcher Art er bereits an einem andern Orte Versicherung genommen,
oder zu deren Schließung Ordre ertheilet habe.
§. 2002. Wer bey einer solchen Anzeige eine vorsätzliche
Unrichtigkeit, zum Schaden des Versicherers, oder eines Dritten begeht, soll
außer dem Verluste seines Rechts aus den beyden oder mehrern Versicherungen,
als ein Betrüger gestraft werden.
§. 2003. Ist die Anzeige aus grobem oder mäßigen Versehen
unterlassen worden: so bleibt nur die älteste Versicherung bey Kräften, und es
muß nichtsdestoweniger die bey der jüngeren Versicherung bedungene Prämie
bezahlt werden.
§. 2004. Das Datum der geschehenen Zeichnung bestimmt,
welcher Contrakt der ältere sey, wenn auch die Police ein anderes Datum
enthalten sollte.
§. 2005. Diese Vorschrift findet in der Regel auch alsdann
Anwendung, wenn die eine Versicherung von dem Principale selbst, und die andre
von dem Faktor geschlossen worden.
§. 2006. Hat aber jemand einem Correspondenten Ordre
ertheilt, Versicherung für ihn zu nehmen, und nachher sich selbst darüber
Versicherung ertheilen lassen: so wird auf das Datum der gegebenen Ordre
gesehen. (Erster Theil, Tit. XIII. §. 88.)
§. 2007. Hat ein Correspondent ohne Ordre Versicherung für
jemand genommen; dieser aber, weil es ihm unbekannt gewesen, einen solchen
Vertrag ebenfalls geschlossen: so wird diejenige, welche zuletzt gezeichnet
worden, ristornirt.
§. 2008. Ist in vorstehenden Fällen, §. 2003. sqq., durch
den ältern Contrakt eine Summe versichert, die den vollen nach §. 1984. sqq. zu
bestimmenden Werth der Sache noch nicht erreicht: so gilt der zweyte auf das an
diesem vollen Werthe noch fehlende Quantum; und in Ansehung des Ueberrestes findet
die Rückforderung der Prämie nur in dem Falle des §. 2007. statt.
§. 2009. Ist ein Gegenstand nur auf eine gewisse bestimmte
Zeit versichert: so kann derselbe, wegen Verlustes und Schadens, welche sich
vor dem Eintritte dieser Zeit, oder nach deren Ablauf ereignen, anderweitig
versichert werden.
§. 2010. Wenn eine Sache nur bis zu einem gewissen Orte
versichert worden: so ist die fernere Versicherung derselben von diesem bis zu
einem andern Orte zuläßig.
§. 2011. Es ist auch erlaubt, über die Zahlungsfähigkeit
seines Versicherers Versicherung zu nehmen.
§. 2012. Wird über das Vermögen des Versicherers vor
beendigter Gefahr Concurs eröffnet: so steht dem Versicherten frey,
anderweitige Versicherung zu nehmen.
§. 2013. Alsdann kann er die Prämie von dem ersten
Versicherer ohne Abzug zurückfordern, wenn gleich die bey der anderweitigen
Versicherung bedungene Prämie geringer seyn sollte.
§. 2014. Er muß aber, bey Vermeidung der §. 2002. bestimmten
Strafe, sogleich, als er die anderweitige Versicherung sucht, oder dazu Ordre
giebt, den Curator der Masse des ersten Versicherers davon benachrichtigen.
§. 2015. Will er bey dem Vertrage bleiben: so kann er, wenn
der Versicherer Rückversicherung genommen hatte, gegen Erstattung der dafür
bezahlten Prämie und Kosten, verlangen, daß ihm alle Rechte gegen den
Rückversicherer abgetreten werden.
Von der Rückversicherung.
§. 2016. Der Versicherer kann sich die gezeichnete Summe,
ganz oder zum Theil, von einem Andern wider versichern lassen.
§. 2017. Er muß aber außer den §. 2001. sqq.
vorgeschriebenen Pflichten, bey Verlust seines Rechts, ausdrücklich anzeigen,
daß er eine Rückversicherung verlange.
§. 2018. Die Rückversicherung kann auf das ganze versicherte
Quantum, mit Einrechnung der Prämie für die Assekuranz, genommen werden.
§. 2019. Zwischen demjenigen, welcher die Rückversicherung
nimmt, und seinem Versicherer, finden eben die Verhältnisse statt, als zwischen
denjenigen, welche die erste Versicherung geschlossen haben.
§. 2020. Die Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem
ersten Versicherer und Versicherten, werden durch die Rückversicherung in
nichts geändert.
§. 2021. Eben so wenig ändert sich das Verhältniß des ersten
Versicherers gegen seinen Rückversicherer, wenn jener, ohne Genehmigung des
letztern, sich mit seinem Versicherten über das bey entstandenem Unglücksfalle
zu vergütende Quantum vergleicht.
§. 2022. Ist aber dem ersten Versicherer von der liquiden
Vergütungssumme etwas erlassen: so kommt dieses auch dem Rückversicherer zu
statten.
§. 2023. Wird über des ersten Versicherers Vermögen Concurs
eröffnet: so muß der Rückversicherer nichts desto weniger an dessen Creditmasse
eben so die volle Vergütung bezahlen, als ob kein Concurs entstanden wäre.
Pflichten der Contrahenten vor und bey Schließung des Vertrages.
§. 2024. Bey Schließung des Versicherungsvertrages sind
beyde Theile zu besondrer Treue, Redlichkeit und Aufrichtigkeit verpflichtet;
und es finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. §. 539. sqq.
Anwendung.
§. 2025. Hat der Versicherer, vor Schließung des Contrakts,
gewisse oder wahrscheinliche Nachricht, daß die Sache bereits in Sicherheit,
oder die Gefahr, für welche die Versicherung ertheilt werden soll, schon ganz
überstanden sey, erhalten, und dieselbe dem Versicherten verschwiegen: so muß
er die ganze Prämie zurückgeben, und den doppelten Betrag derselben zur Strafe
erlegen.
§. 2026. Verschweigt der Versicherte Umstände, welche, nach
dem vernünftigen Ermessen der Sachkundigen, auf den Entschluß des Versicherers,
sich in den Vertrag einzulassen, hätten Einfluß haben können: so ist die
Assecuranz unverbindlich, und die Prämie verfallen.
§. 2027. Dagegen soll dem Versicherten die Entschuldigung,
daß die erhaltene und verschwiegene Nachricht noch unzuverläßig oder
zweifelhaft gewesen sey, nicht zu statten kommen.
§. 2028. Kann er überführt werden, vor Schließung des
Contrakts, von einem die Sache betroffenen Unglücksfalle sichere Nachricht
gehabt zu haben: so soll er noch außerdem als Betrüger gestraft werden.
§. 2029. Wird die Versicherung durch einen Bevollmächtigten
genommen: so muß der Versicherte dessen Fehler als seine eignen vertreten.
§. 2030. Soll ein Schiff versichert werden: so muß der
Versicherte, bey Vermeidung der §. 2026. festgesetzten Strafe, die Bauart,
Größe, und den gegenwärtigen Zustand desselben, nach seiner besten Wissenschaft
angeben; auch anzeigen: ob es von anderem als eichnem Holze erbauet sey; die
wievielste Reise es thue; und ob es mit den erforderlichen Dokumenten
vollständig versehen sey.
§. 2031. Der Versicherte muß ferner, bey gleicher Strafe,
dafür sorgen, damit das Schiff zu der vorhabenden Reise in tüchtigen Stand
gesetzt, und gehörig ausgerüstet werde.
§. 2032. Ist das Schiff ein genommenes oder Prisenschiff: so
muß er, bey gleicher Strafe, dem Versicherer eröffnen, ob es schon auf einer
freyen Rhede, oder in einem freyen Hafen gewesen ist.
§. 2033. Soll eine Cascoversicherung zu Kriegeszeiten
geschlossen werden: so muß der Versicherte getreulich angeben: ob auf dem
Schiffe Waaren oder Sachen befindlich sind, welche für verboten geachtet
werden, oder von den kriegführenden Mächten dafür erklärt worden.
§. 2034. Verbotene Waaren sind grobes Geschütz und die dazu
gehörende Ammunition, Granaten, Bajonette, Flinten, Karabiner, Pistolen,
Kugeln, Flintensteine, Lunten, Pulver, Salpeter, Schwefel, Picken, Säbel,
Degen, Sättel, Hauptgestelle, Zelte, und was sonst durch besondere Verträge
zwischen den verschiedenen Nationen einzunehmen verboten ist.
§. 2035. Von Sachen dieser Art darf in der Regel kein
Kauffarteyschiff in Kriegszeiten mehr einnehmen, als zur eigenen Bedürfniß
erfordert wird.
§. 2036. Masten, Schiffholz, Taue, Segeltuch, Hanf, Pech,
Korn, und andere Materialien, die in Kriegesbedürfnisse verwandelt werden
können, ingleichen Pferde, gehören nicht unter die verbotenen Güter.
§. 2037. Land- oder Seeofficire und Soldaten der
kriegführenden Mächte sollen von neutralen Schiffen nicht an Bord genommen
werden.
§. 2038. Von dem Schiffsvolke darf höchstens nur der Dritte
Theil zu einer der kriegführenden Nationen gehören.
§. 2039. Jede Ladung eines neutralen Schiffes, die in einen
belagerten, blockirten, oder nahe eingeschlossenen Hafen gebracht werden soll,
ist für verbotenes Gut zu achten.
§. 2040. In wie fern ein Platz oder Hafen für eingeschlossen
zu achten sey, ist nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. IX. §. 219. zu
beurtheilen.
§. 2041. Hat der Versicherte von dergleichen
Contrebandewaaren etwas verschwiegen: so ist der Vertrag, in so weit als aus
dieser Qualität der Waaren ein Schade entsteht, für den Versicherer
unverbindlich, und der Versicherte muß gleichwohl die Prämie bezahlen.
§. 2042. Eben so muß, bey Waarenversicherungen zu
Kriegeszeiten genau angezeigt werden: ob unter dem versicherten Gute, oder
sonst auf dem Schiffe, dergleichen verbotene Stücke befindlich sind.
§. 2043. Der Versicherte muß ferner anzeigen: ob das Schiff
mit oder ohne Bedeckung und Convoy gehe; auch wo es darunter kommen, oder dazu
stoßen solle.
§. 2044. Ist die Anzeige unterblieben: so haftet der
Versicherer nicht, wenn das Schiff auf der Reise zur Convoy genommen wird.
§. 2045. Soll ein bereits abgesegeltes Schiff, oder dessen
Ladung, versichert werden: so muß der Versicherte den Ort und die Zeit der
Absegelung, so wie den Ort der Bestimmung, so weit ihm diese Umstände bekannt
sind, treulich anzeigen; auch alle ihm davon zugekommene Nachrichten und
Zeitungen vollständig mittheilen.
§. 2046. Sollen Waaren gegen Seegefahr versichert werden;
und es befinden sich solche darunter, die leicht dem Verderben ausgesetzt sind:
so müssen dieselben nach ihrer Beschaffenheit und Quantität genau angegeben
werden.
§. 2047. Für verderbliche Waaren sind zu achten, Getreyde
und alle Sämereyen; alle Salze, als Zucker, Syrup, Vitriol, Alaun, Pot- und
Weidasche; frische, getrocknete, und eingemachte Früchte und Kräuter;
Blumenzwiebeln und Wurzeln; alle getrocknete Gallerte, vornehmlich Leim und
Lakritzensaft; alle Arten von Gummi; Rosinen, Wein, Oel, Flachs, Hanf, Käse,
Wolle, getrocknete Fische, Heringe, Pelzwerk, ungetheertes Tauwerk und Kabelgarn,
künstliche Instrumente, Papier und Bücher.
§. 2048. Sind dergleichen Waaren nur unter dem allgemeinen
Namen von Kaufmannsgütern, Schiffsladung, u. d. m. mit begriffen worden: so ist
der Versicherer einen aus der verderblichen Qualität entstehenden Schaden zu
vergüten nicht verbunden.
§. 2049. Ein Gleiches gilt, wenn Sklaven oder lebendige
Thiere nicht angegeben, sondern nur unter allgemeinen Ausdrücken mit in die
Versicherung gezogen worden.
§. 2050. Bey Versicherungen über das Leben eines Menschen
muß vorzüglich dessen Alter, Gesundheitszustand, und Gewerbe angezeigt werden.
§. 2051. Soll jemandes Freyheit versichert werden: so ist
besonders die genaue Anzeige darüber nothwendig, ob er in einer für seine
Person gefährlichen Unternehmung begriffen sey, oder dergleichen vorhabe.
§. 2052. Wer die Fracht vom Salz, oder anderen dem Schmelzen
unterworfenen lose ins Schiff geladenen Waaren versichern läßt, muß
ausdrücklich anzeigen: ob die Fracht für das eingenommene, oder für das
auszuliefernde Maaß festgesetzt sey; widrigenfalls das Letztere angenommen, und
nur darnach die Vergütung geleistet wird.
§. 2053. Werden Waaren, Mobilien und Effekten gegen
Feuersgefahr versichert: so muß der Versicherte die Qualität dieser Sachen
getreulich anzeigen.
§. 2054. Sind Schießpulver, Schwefel, Salpeter, Heu, Stroh,
ungedroschenes Getreyde, Tabaksblätter, Hanf, Flachs, Heede, getheertes
Tauwerk, Pech, Theer, Talch, Terpentinöl und Thran darunter befindlich: so müssen
sie, bey Verlust des Rechts und der Prämie, ausdrücklich benannt werden.
§. 2055. Gold, Silber, Gold- und Silbergeschirr, Juwelen,
Porzellain, Emaille, Spiegel, Gläser, Gemälde, Kupferstiche. Cabinette von
Antiquitäten-Naturalien oder Kunstsachen, Zeichnungen, Banknoten, Pfandbriefe,
Wechsel oder andere Schuldverschreibungen, Contrakte oder Schriften,
Handlungsbücher und Rechnungen, ingleichen Moventien (Th. I. Tit. II. §. 17.)
sind nicht für versichert zu achten, wenn sie nicht ausdrücklich genannt, und
die Versicherung darauf mit gerichtet worden.
§. 2056. Ferner muß derjenige, welcher Versicherung gegen
Feuersgefahr sucht, gewissenhaft angeben: ob die Sachen in feuerfesten Gebäuden
aufbewahrt werden, und ob sie gefährliche Nachbarschaft haben.
§. 2057. Feuerfeste Gebäude sind solche, welche von allen
Seiten massive Mauern und Schornsteine haben.
§. 2058. Ein Gebäude, welches ganz oder zum Theil mit einer
leicht brennbaren Materie, als Schindeln, Bretter, Stroh, Rohr, Schilf u. d. m.
gedeckt ist, kann für feuerfest nicht geachtet werden.
§. 2059. Für gefährliche Nachbarschaft wird gehalten, wenn
im Gebäude selbst, oder in einem der drey nächsten Häuser, welche das
versicherte Gebäude umgeben, gefährliche Gewerbe getrieben werden.
§. 2060. Ferner, wenn in einem dieser Gebäude feuerfangende
Sachen in größerer Quantität, als zum gewöhnlichen Wirthschaftsgebrauche
erforderlich ist, aufbewahrt sind.
§. 2061. Desgleichen, wenn eins der drey nächsten Gebäude,
welche das Haus, worin sich die versicherten Sachen befinden, umgeben, mit
leicht brennbaren Materien ganz oder zum Theil gedeckt ist. (§. 2058.)
§. 2062. Gefährliche Gewerbe sind Pulvermühlen,
Stückgießereyen, Vitriol- und Salmiak-Fabriken, Zuckersiedereyen, chemische
Laboratoria, Apotheken, Goldschmiede, Kupferschmiede, Gelbgießer, Grobschmiede,
Destillateurs, Brauer, Brandweinbrenner, Bäcker, Färber, Seifensieder,
Lichtgießer und Töpfer.
§. 2063. Als leicht feuerfangende Sachen werden die im §.
2054. genannten betrachtet.
Form des Contrakts.
§. 2064. Jeder Versicherungsvertrag, welcher zwischen
Königlichen Unterthanen, oder in hiesigen Landen zwischen Königlichen
Unterthanen und fremden geschlossen wird, muß bey Strafe der Ungültigkeit
schriftlich abgefaßt werden.
§. 2065. Wird eine Versicherung durch Mäkler geschlossen: so
vertritt der aus ihrem Journale zu ertheilende Auszug die Stelle des
schriftlichen Contrakts.
§. 2066. Sobald solchergestalt der Contrakt geschlossen ist,
muß der Versicherer, gegen Bezahlung der bedungenen Prämie, den
Versicherungsbrief, oder die Police nach den festgesetzten Bedingungen
ausfertigen und unterschreiben.
§. 2067. Verzögert der Versicherte, nach Empfang der Police,
die Aushändigung der Prämie über Vier und zwanzig Stunden: so kann er dazu im
Wege des executivischen Prozesses angehalten werden.
§. 2068. Ist keine besondere schriftliche Verabredung
vorhergegangen: so wird der Contrakt in Ansehung eines jeden Versicherers für
geschlossen geachtet, sobald derselbe den Versicherungsbrief oder die Police unterzeichnet
hat.
Erfordernisse der Police:
a) Name des Versicherten;
§. 2069. In der Police muß der Name des Versicherten
ausgedrückt seyn.
§. 2070. Ein Commissionair, der Waaren auf fremde Rechnung
versendet, kann die Versicherung auf seinen, oder auf des Eigenthümers Namen
schließen.
§. 2071. Nur Kaufleuten ist erlaubt, mit Verschweigung ihres
Namens, unter dem Ausdrucke: An Zeigern dieses, oder für Rechnung des, dem es
angeht, Versicherung zu nehmen.
§. 2072. Soll aber demnächst der Versicherer Vergütung
leisten: so kann er verlangen, daß ihm der Versicherte genannt, und
vollständige Legitimation beygebracht werde.
b) Gegenstand der Versicherung;
§. 2073. Die Police muß ferner den Gegenstand der
Versicherung nach denjenigen Kennzeichen, die ihn von andern hinlänglich
unterscheiden, enthalten.
§. 2074. Bey Seeversicherungen muß der Name des Schiffers
und Schiffes genannt seyn.
§. 2075. Wird aus Irrthum der Name des Schiffes ganz
unrichtig angegeben: so ist die Versicherung ungültig, und die Prämie muß ohne Abzug
zurück gegeben werden.
§. 2076. Ist aber der Versicherte durch eignes grobes oder
mäßiges Versehen in einen solchen Irrthum gerathen: so kann der Versicherer den
bey dem Ristorno statt findenden Abzug machen. (Th. I. Tit. IV. §. 79.)
§. 2077. Ein Irrthum in Nebenbenennungen schadet nicht; auch
hat es keinen Einfluß, wenn dem Schiffe nachher, ohne Betrug, ein anderer Name
gegeben worden.
§. 2078. Wird die Größe und Beschaffenheit des Schiffes
unrichtig angegeben; und dadurch der Versicherer veranlaßt, die Gefahr für
geringer zu halten, als sie wirklich ist: so tritt die Vorschrift des §. 2076.
ein.
§. 2079. Eben dies findet statt, wenn der Name des Schiffers
unrichtig angegeben worden.
§. 2080. Will jemand Waaren, die er aus weit entlegenen
Gegenden erwartet, versichern lassen, bevor er den Namen des Schiffs und
Schiffers erfahren hat: so kann zwar der Contrakt über Güter in ungenannten
Schiffen geschlossen werden;
§. 2081. Der Versicherte muß aber in diesem Falle dafür
sorgen, daß alle Umstände, wodurch diese Bestellung von andern gleicher Art
unterschieden werden kann, so genau als möglich ausgedrückt werden.
§. 2082. Besonders ist die Qualität der Waare; wo möglich
auch die Zahl der Packen, Kisten oder Fässer, mit ihren Zeichen; der Ort der
Absendung; der Name des Absenders; das Datum der Bestellungsordre und des
Advisbriefs, in der Police zu bemerken.
§. 2083. Sobald der Versicherte, nach gezeichneter Police,
von dem Namen des Schiffers und Schiffes, welches die Waaren überbringen soll,
Nachricht erhält, muß er, bey Strafe doppelter Prämie, dieselbe dem Versicherer
unverzüglich mittheilen.
§. 2084. Bey Stromversicherungen muß der Schiffer, und bey
Landversicherungen der Fuhrmann, oder die Post, mit welchen die Versendung
geschehen ist, in der Police benannt werden.
§. 2085. Wird das Leben, oder die Freyheit eines Dritten
versichert: so muß dessen Vor- und Geschlechtsname, oder der Geschlechtsname
und Charakter desselben, oder ein anderes deutliches Kennzeichen, wodurch er
sich von anderen Personen gleiches Namens unterscheidet, in der Police
ausgedrückt werden.
§. 2086. Bey Feuerversicherungen ist der Ort und die Lage
des Gebäudes, worinn die versicherten Sachen sich befinden, zu benennen.
§. 2087. Haben die Contrahenten den Werth des versicherten
Gegenstands unter sich bestimmt: so muß selbiger in der Police angegeben seyn.
c) Betrag der Versicherungssumme;
§. 2088. Es muß ferner die Versicherungssumme genau bestimmt
werden.
§. 2089. In allen Fällen, wenn das Leben oder die Freyheit
eines Menschen versichert wird, muß im Contrakte genau festgesetzt seyn, was
der Versicherer zu bezahlen oder zu leisten habe; widrigenfalls der Contrakt
ungültig ist.
§. 2090. Zeichnen mehrere Versicherer eine und eben dieselbe
Police: so muß jeder von ihnen bey seiner Unterschrift bemerken: auf welches
Quantum er die Versicherung übernehme.
§. 2091. Ist dies unterblieben, und von keinem das
Versicherungsquantum bestimmt: so haften sie sämmtlich als Selbstschuldner.
§. 2092. Hat aber der eine oder andere das
Versicherungsquantum bestimmt: so haftet jeder für das Quantum seines nächsten
Vormannes.
§. 2093. Wird dadurch die Versicherungssumme überschritten:
so haftet der letzte nur für dasjenige, was an der Versicherungssumme noch
fehlt.
d) Art
und Dauer der Gefahr;
§. 2094. Sowohl die Art, als die Dauer der übernommenen
Gefahr, muß nach ihrem Anfange und Ende genau bestimmt werden.
§. 2095. Zu dem Ende muß bey See- und Stromversicherungen
der Ort der Ein- und Ausladung oder Bestimmung, desgleichen, so viel als
möglich, auch die Zeit der Absegelung angegeben seyn.
§. 2096. Uebernimmt der Versicherer nur eine gewisse Art der
Gefahr: so muß dieselbe deutlich angegeben werden.
e) Unterzeichnung.
§. 2097. Zuletzt muß in der Police auch der Ort, wo sie
gezeichnet worden, ingleichen die Unterschrift des Versicherers, beygefügt
werden.
§. 2098. Haben Mehrere auf Eine Police gezeichnet; und Einer
derselben hat das Datum nicht beygesetzt: so wird derjenige Tag angenommen,
welchen sein nächster am Orte befindlicher Vormann beygefügt hat.
§. 2099. Von der Unterschrift des Versicherers gilt
dasjenige, was §. 776. sqq. bey Wechseln vorgeschrieben worden.
Pflichten aus dem Contrakte.
§. 2100. Die Pflichten des Versicherers und Versicherten aus
dem Contrakte sind hauptsächlich nach dem Inhalte desselben zu beurtheilen.
§. 2101. Abweichungen von der Regel, Nebenbedingungen, und
Einschränkungen, sind nur in so weit gültig, als sie in der Police, oder bey
der Zeichnung, ausdrücklich bemerkt worden.
§. 2102. Ist darin etwas dunkel oder zweydeutig: so wird
jederzeit angenommen, daß die Contrahenten in so weit von den allgemeinen
gesetzlichen Vorschriften nicht haben abweichen wollen.
§. 2103. Die der Police eingerückte Clausel: frey von
Haverey, hat die Wirkung, daß der Versicherer, außer dem Beytrage zur großen
Haverey, für keine particulaire Beschädigung, sondern nur alsdann haftet, wenn
die versicherte Sache ganz oder zum Theil verloren worden.
7. Pflichten des Versicherten:
a) in Absicht der versicherten Prämie;
§. 2104. Der Versicherte ist hauptsächlich zur Entrichtung
der versprochenen Prämie verbunden.
§. 2105. Ein Commissionair, welcher nicht auf den Namen des
Committenten, sondern auf seinen eigenen Versicherung nimmt, haftet für die
Prämie als Selbstschuldner.
§. 2106. Der Versicherer ist aber auch befugt, die Prämie,
wenn er will, von dem Committenten selbst zu fordern. (Th. I. Tit. XIII. §. 85.
sqq.)
§. 2107. Die Prämie kann in Gelde, oder auch in andern
erlaubten Vortheilen, die dem Versicherer eingeräumt werden, bestehen.
§. 2108. Soll bey Seeversicherungen, im Fall das Schiff mit
Convoy gienge, ein Theil der Prämie zurückgezahlt, oder im Falle das Schiff
ohne Convoy gienge, die Prämie erhöhet werden: so muß dieses ausdrücklich
festgesetzt seyn; widrigenfalls weder Verminderung noch Erhöhung der Prämie
statt findet.
§. 2109. Ist keine spätere Frist festgesetzt: so muß die
Zahlung der Prämie bey Aushändigung der unterzeichneten Police erfolgen.
§. 2110. Wird die Zahlung verzögert: so kann der Säumige
dazu, binnen Dreyßig Tagen nach der Zeichnung, im Executivprozesse angehalten
werden; und muß zugleich von der Prämie Eins vom Hundert monathlich an Zinsen
bezahlen. (§. 2067.)
§. 2111. War die Prämie nicht in Gelde bedungen: so wird
statt der Zinsen das volle Interesse vergütet. (Th. I. Tit. V. §. 287.)
§. 2112. Ist die Versicherung durch einen Mäkler geschlossen
worden: so haftet dieser für die Prämie nur alsdann, wenn er sie ausgehändigt
erhalten hat.
§. 2113. In diesem Falle muß er die Prämie unverzüglich
abliefern; und wird, wenn er damit zögert, außer der Verbindlichkeit zur
Entrichtung der Zinsen, oder des Interesse, seines Mäklerlohns für das Geschäft
verlustig.
§. 2114. Hat der Versicherer in der Police selbst über den
Empfang der Prämie quittirt: so soll ihm diese Quittung nicht im Wege stehn,
wenn er die Prämie innerhalb Dreyßig Tagen nach der Zeichnung gerichtlich
einfordert.
§. 2115. Entsteht Concurs über das Vermögen des
Versicherten: so hat der Versicherer, wegen der noch unbezahlten Prämie, vor
Ablauf der Dreyßig Tage, das Vorzugsrecht der Zweyten; nach Ablauf derselben
aber das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht der Vierten Classe.
§. 2116. Jedoch kann auch im letzten Falle, wenn ein Schade
vergütet werden muß, die rückständige Prämie, nebst Zinsen oder Interesse,
davon abgerechnet werden.
b) bey vorgehenden Veränderungen.
§. 2117. Während der Versicherungszeit darf der Versicherte,
bey Verlust seines Rechts, nichts vornehmen, oder durch Andere vornehmen
lassen, wodurch die Umstände, unter welchen die Versicherung geschlossen
worden, zu des Versicheres Nachtheil geändert werden, oder seine Gefahr
vergrößert wird.
§. 2118. Ereignen sich Vorfälle dieser Art, ohne Zuthun des
Versicherten: so muß er die erhaltenen Nachrichten, bey Verlust seines Rechts
in Ansehung aller nachher sich ereignenden Unglücksfälle, dem Versicherer
binnen der im Ersten Theile Tit. V. §. 94. sqq. bestimmten Fristen mittheilen;
auch zur Abwendung des daraus entstehenden Nachtheils, schleunig zweckmäßige
Vorkehrungen treffen.
§. 2119. In so weit der Versicherte, oder dessen
Commissionair, durch eigne Schuld oder Nachläßigkeit, irgend einigen Schaden
veranlaßt haben, ist der Versicherer zu dessen Vergütung nicht verbunden.
§. 2120. Welchen Grad des Versehens ein Versicherter zu
vertreten habe, ist nach den allgemeinen Vorschriften des Tit. V. §. 278. sqq.
zu beurtheilen.
§. 2121. Soll bey der Seeversicherung ein Schiff unter
Convoy gehen; und der Versicherte veranlaßt, daß es ohne Convoy segelt, oder
später, oder an einem andern Orte, als er angezeigt hat, dazu stößt: so haftet
der Versicherer für keinen Schaden, zu dessen Abwendung die Convoy bestimmt
war.
§. 2122. Läßt, bey Seeversicherungen, der Versicherte die Reise
ohne Noth, oder ohne Einwilligung des Versicherers verlängern, verkürzen, oder
sonst verändern; oder das Schiff nach andern, als den in der Police benannten
Häfen und Oertern segeln: so ist die Assekuranz erloschen, und die Prämie
verfallen.
§. 2123. Die Assekuranz erlöscht jedoch nur von dem
Zeitpunkte an, da das Schiff, wegen der veränderten Bestimmung, seinen Lauf
wirklich geändert hat.
§. 2124. Machen Seesturm und Ungewitter, Verfolgung von
Feinden oder Räubern, oder andere unvermeidliche Zufälle, eine Veränderung der
Reise nothwendig: so muß der Versicherte, sobald er solches in Erfahrung
bringt, den Versicherer davon binnen der im Ersten Theile, Tit. V. §. 95. sqq.
bestimmten Frist benachrichtigen.
§. 2125. Ist dieses geschehen: so bleibt, der veränderten
Umstände ungeachtet, die Versicherung bey Kräften.
§. 2126. Wird die Reise zwar nicht verändert; aber ohne
Schuld des Versicherten bis zu einer gefährlichen Jahreszeit aufgeschoben: so
muß er, sobald ihm dieses bekannt wird, dem Versicherer davon Nachricht geben.
§. 2127. Versäumt er dies: so ist die Versicherung
erloschen, und die Prämie verfallen.
§. 2128. Ist aber die Anzeige zu rechter Zeit geschehen: so
bleibt der Versicherer zwar an den Contrakt gebunden; kann jedoch eine
verhältnißmäßige Erholung der bedungenen Prämie fordern.
§. 2129. So viel als möglich müssen die Parteyen, gleich in
der Police, den Betrag der zu erhöhenden Prämie im Voraus festsetzen.
§. 2130. Bey dem Mangel einer solchen Bestimmung, und wenn
die Interessenten über den Betrag der Zulage sich nicht vereinigen können, muß
selbige durch vereidete, von beyden Theilen zu erwählende Sachverständige, nach
demjenigen Satze bestimmt werden, der zur Zeit des wirklichen Antrittes der
Reise am Orte der Versicherung gangbar ist.
§. 2131. Die Erhöhung der Prämie findet besonders statt,
wenn bey einer vor dem Ein und zwanzigsten Junius geschlossenen
Cascoversicherung, das Schiff am Vierzehnten Tage nach dem Ein und zwanzigsten
Junius noch nicht segelfertig ist.
§. 2132. Bey einer nach dem Ein und zwanzigsten Junius
geschlossenen Versicherung, werden die Vierzehn Tage vom Ablaufe der in der
Police bestimmten Ladungszeit an gerechnet.
§. 2133. Diese Grundsätze finden auch bey Versicherungen
einer ganzen Schiffsladung statt.
§. 2134. Bey Versicherungen über Stückgüter hingegen, sie
mögen vor oder nach dem längsten Tage geschlossen seyn, werden Vier Wochen von
der Zeit an gerechnet, da mit der Ladung angefangen worden.
§. 2135. Hat der Versicherte durch seine Schuld die Abreise
so lange aufgeschoben, daß die Gefahr bey derselben vermehrt ist: so muß er,
bey Verlust seines Rechts, den Versicherer davon noch vor dem wirklichen
Antritte der Reise benachrichtigen.
§. 2136. Alsdann hängt es von dem Versicherer ab, gegen eine
verhältnißmäßige Erhöhung der Prämie bey dem Contrakte zu bleiben, oder das
Ristorno statt finden zu lassen.
§. 2137. Will er das Letzte wählen: so muß er sich binnen
der im Ersten Theile, Tit. V. §. 94. bis 102. bestimmten Fristen darüber
erklären; widrigenfalls er an den Contrakt gebunden ist, und nur eine
verhältnißmäßige Erhöhung der Prämie fordern kann.
§. 2138. Haben mehrere Versicherer die Police zu besondern
Antheilen gezeichnet: so läuft einem jeden diese Frist von Zeit der ihm
geschehenen Bekanntmachung; ohne Unterschied: ob sie gemeinschaftlich, oder ein
jeder nur für seinen Antheil gezeichnet haben. (Th. I. Tit. V. §. 438.)
§. 2139. Eben diese Vorschrift §. 2124. und 2135. findet
statt, wenn vor der Abreise das Schiff oder der Schiffer verändert wird.
§. 2140. Bleibt von den versicherten Waaren ein Theil
zurück: so muß der Versicherte, sobald er es in Erfahrung bringt, dem
Versicherer davon Nachricht geben.
§. 2141. Geschiehet dies: so findet, nach Verhältniß der
zurückgebliebenen Waare, das Ristorno statt.
§. 2142. Hat aber der Versicherte diese Anzeige in Zeiten zu
thun unterlassen: so kann er von der Prämie nichts abziehen, oder
zurückfordern.
§. 2143. Sollen die versicherten Waaren nach der Abrede in
verschiedene Schiffe geladen werden; und der Versicherte beschließt, sie
sämmtlich nur mit Einem Schiffe zu versenden: so muß er den Versicherer von
dieser Aenderung noch vor dem Abgange des Schiffes benachrichtigen.
§. 2144. Hat er dies unterlassen: so haftet der Versicherer
nur für diejenigen Güter, welche nach der Abrede in das abgesegelte Schiff
haben geladen werden sollen; und gewinnt dennoch die ganze Prämie.
§. 2145. Ist aber die Anzeige zu rechter Zeit geschehen: so
hat der Versicherer binnen der §. 2137. vorgeschriebenen Frist die Wahl: ob er
bey der Versicherung bleiben, oder davon ganz abgehen wolle.
§. 2146. Wählt er letzteres: so findet das Ristorno statt.
§. 2147. Eben dies gilt, wenn der Versicherte Waaren, die
nach der Abrede mit Einem Schiffe versendet werden sollen, in mehrere Schiffe
vertheilt, und den Versicherer noch vor der Absegelung davon benachrichtigt.
§. 2148. Ist dies aber unterblieben: so haftet der
Versicherer nur für denjenigen Theil der Waare, welcher in dem durch die Police
benannten Schiffe wirklich abgegangen ist, und gewinnt die ganze Prämie.
§. 2149. Hat der Versicherte Waaren, die bereits an Bord
gebracht worden, ohne Noth wieder aus- oder umladen lassen: so haftet der
Versicherer weder für die Kosten, noch für die Schäden, welche bey einer
solchen Gelegenheit entstanden sind.
§. 2150. Hat, bey Versicherungen auf Frachtgelder, der
Versicherte den Einladern die Waaren gegen einen Theil der Fracht
zurückgegeben: so kann er von dem Versicherer für den Ausfall keine Vergütung
fordern.
§. 2151. Wird er wegen der Zurückgabe belangt: so muß er
binnen der §. 2137. bestimmten Frist, mit dem Versicherer über die Fortsetzung
des Prozesses Rücksprache halten, und dessen Willen befolgen.
§. 2152. Hat jemand sein eignes Leben versichern lassen: so
hört die Versicherung auf, wenn er ohne des Versicherers Einwilligung außer
Europa, oder in den Krieg, oder zur See geht, oder sonst eine für sein Leben
gefährliche Lebensart ergreift; es sey denn, daß die Versicherung auf diese
Fälle ausdrücklich gerichtet worden.
§. 2153. Giebt aber der Versicherte noch in Zeiten dem
Versicherer von einem solchen Vorhaben Nachricht, so findet für die noch nicht
abgelaufene Zeit das Ristorno statt.
§. 2154. Hat jemand das Leben eines Dritten versichern
lassen: so heben dergleichen Vorfälle an und für sich den Contrakt nicht auf,
wenn sie sich ohne Zuthun des Versicherten ereignen.
§. 2155. Gleiche Grundsätze finden bey Versicherung der
Freyheit statt.
§. 2156. Bey Feuerversicherungen haftet der Versicherer für
keinen Schaden, der von dem Versicherten selbst, dessen Ehegatten, Kindern,
oder Enkeln verursacht worden.
§. 2157. Wird ein Theil der versicherten Sache an einen
andern als den in der Police bestimmten Ort der Aufbewahrung gebracht: so hört
die Gefahr des Versicherers in so weit auf, und er behält dennoch die ganze
Prämie.
§. 2158. Wird aber des Versicherten Wohnung, oder der in der
Police bestimmte Ort der Aufbewahrung sämmtlicher versicherten Sachen
verändert: so muß dieses, bey Verlust des Rechts, dem Versicherer schleunig
bekannt gemacht werden.
§. 2159. Alsdann hat der Versicherer innerhalb der §. 2137.
bestimmten Frist die Wahl: ob er den Contrakt fortsetzen, oder davon abgehen,
und nach Verhältniß der noch nicht abgelaufenen Zeit, das Ristorno statt finden
lassen wolle.
§. 2160. Wenn durch Veranlassung des Versicherten eine
gefährliche Nachbarschaft entsteht: so ist der Versicherer für den daraus
erwachsenden Schaden nicht verhaftet.
§. 2161. Ein Gleiches findet statt, wenn die gefährliche
Nachbarschaft zwar ohne des Versicherten Zuthun entstanden ist, derselbe aber
die davon erhaltene Nachricht dem Versicherer nicht binnen der §. 2137.
bestimmten Frist mitgetheilt hat.
§. 2162. Ist die Anzeige gehörig geschehen: so hat es bey
der Vorschrift des §. 2159. sein Bewenden.
§. 2163. Eine Veränderung in der Person des Eigenthümers der
versicherten Sache, ändert nichts in der Versicherung, wenn nicht damit
zugleich eine Veränderung des Orts, der Aufsicht, der Art der Aufbewahrung,
oder der Nachbarschaft verbunden ist.
e) bey entstehendem Schaden.
§. 2164. Sobald der Versicherte in Erfahrung bringt, daß der
Gegenstand der Versicherung verunglückt oder beschädigt sey, muß er, bey
Verlust seines Rechts, den Versicherer binnen der §. 2137. bestimmten Frist
davon benachrichtigen; und sich über die ferner zu treffenden Maasregeln mit
demselben berathschlagen, auch nach dessen Anweisung verfahren.
§. 2165. In der Zwischenzeit muß er alles, was zur Abwendung
oder Verminderung des Schadens gereichen kann, vorkehren.
§. 2166. Er ist jedoch befugt, von dem Versicherer dazu
einen verhältnißmäßigen Vorschuß zu fordern.
§. 2167. Sind Schiffe oder Waaren aufgebracht, oder in
Beschlag genommen worden: so muß der Versicherte deren Freygebung betreiben,
und wenn darüber ein Confiscationsprozeß entsteht, während desselben für die
sichere Aufbewahrung der Güter bis zum Austrage der Sache sorgen.
§. 2168. Sind verderbliche Waaren unter dem aufgebrachten,
verunglückten, oder beschädigten Gute: so muß er den öffentlichen Verkauf
derselben bewirken.
§. 2169. In jedem Falle, wenn er die Vergütung eines
Schadens fordert, muß er darthun, daß die versicherten Stücke wirklich der
Gefahr ausgesetzt gewesen sind; daß und welche davon beschädigt oder verloren
worden; und wie viel der daran entstandene Schade mit Inbegriff der Kosten
betrage.
§. 2170. Nur von dem Nachweise des Werths ist der
Versicherte frey, wenn derselbe schon in der Police bestimmt worden; jedoch
steht dem Versicherer der Beweis offen, daß diese Taxe mehr als Zehn Prozent
über den nach §. 1984. sqq. zu bestimmenden vollen Werth betrage.
II. Pflichten des Versicherers.
§. 2171. Die Hauptpflicht des Versicherers besteht in der
Vergütung des Schadens, welchen die versicherte Sache bey der übernommenen
Gefahr erlitten hat.
Zeit der Gefahr.
§. 2172. Ist die Dauer der Gefahr in der Police nach Tagen,
Monathen, oder Jahren bestimmt: so ist sie nach dem Calender zu berechnen.
§. 2173. Die Tage werden von Mitternacht bis Mitternacht an
dem Versicherungsorte gerechnet, ohne auf die Zeit des Sonnenauf- oder
Unterganges Rücksicht zu nehmen.
§. 2174. Die Dauer einer solchen bestimmten
Versicherungszeit kann durch keine Zwischenfälle, von welcher Art sie auch seyn
mögen, unterbrochen werden.
§. 2175. Geht bey Seeversicherungen von der auf eine
bestimmte Zeit versicherten Sache gar keine Nachricht ein: so wird angenommen,
daß ein Unglücksfall daran während des Laufes der Versicherungszeit geschehen
sey.
§. 2176. Ist die Versicherung so geschlossen, daß die Gefahr
von einem bestimmten Tage anfangen soll; das Schiff aber von diesem Tage schon
in See gegangen, und nachher nichts weiter von ihm gehört worden; so muß der
Versicherte darthun, daß selbiges erst nach diesem Tage verunglückt sey.
§. 2177. Ist die Versicherung dergestalt geschlossen, daß
sie erst von einem auf der Reise des Schiffs gelegenen zum An- oder Einlaufen
bestimmten Ort anfangen soll; das Schiff aber ist diesen Ort vorbey gesegelt:
so haftet der Versicherer nicht für den Schaden.
§. 2178. War aber der Ort nicht zum An- oder Einlaufen
bestimmt, sondern nur als ein Punkt im Wege des Schiffes, von welchem die
Versicherung gelten solle, angegeben: so haftet der Versicherer für den
Schaden, sobald das Schiff diesen Ort vorbey gesegelt ist.
§. 2179. Ist wegen des Anfangs der Gefahr in der Police
nichts bestimmt: so wird, bey einer Cascoversicherung, der Versicherer von dem
Augenblicke an verhaftet, da der Schiffer Ladung oder Ballast einzunehmen
anfängt.
§. 2180. War die Versicherung bloß auf die Hinreise
geschlossen: so dauert die Gefahr des Versicherers bis zur Ankunft am Bestimmungsorte,
und daselbst geendigten Losung.
§. 2181. Nimmt jedoch das Schiff auf neue Ladung ein: so
endigt sich die Gefahr, sobald mit der neuen Ladung angefangen worden.
§. 2182. Ist das Casco auf die doppelte Reise versichert: so
dauert die Gefahr durch die Zeit, während welcher das Schiff auf die Rückladung
wartet, bis zur geendigten Losung der Retourfracht.
§. 2183. Geht die Versicherung des Casco bloß auf die
Rückreise: so fängt sich die Gefahr an, sobald der Schiffer Rückladung
einnimmt, wenn auch die überbrachte Fracht noch nicht völlig geloset wäre.
§. 2184. Bey versicherten Waaren und Gütern nimmt die Gefahr
ihren Anfang, sobald jedes Pack, Faß, oder Kiste, über den Bord des Schiffes
gelangt, oder zum Behufe der Einschiffung in leichtere Fahrzeuge geladen
worden.
§. 2185. Die Gefahr hört auf, sobald jedes Stück unmittelbar
vom Schiffe, oder von den zur Losung gebrauchten Fahrzeugen, am Bestimmungsorte
gelandet ist.
§. 2186. Der Versicherer ist daher verhaftet, wenn die
Waaren in Quarantainehäuser gebracht werden müssen, und daselbst Schaden
leiden.
§. 2187. Liegen jedoch die Quarantainehäuser dergestalt auf
dem festen Lande des Bestimmungsortes, daß kein weiterer Transport auf der See
erfordert wird: so haftet derjenige, welcher bloß auf Seegefahr gezeichnet hat,
für keinen in diesen Häusern vorgefallenen Schaden.
§. 2188. Auch haftet der Versicherer, wenn bey dem Ein- oder
Ausladen das Hebezeug oder der Windetakel zerbricht, und dadurch die
versicherten Waaren Schaden leiden.
§. 2189. Die Losung muß möglichst beschleunigt, und ohne
erhebliche Hindernisse deren Beendigung nicht über Fünfzehn Tage nach der
Ankunft verzögert werden.
§. 2190. Selbst im Falle erheblicher Hindernisse haftet der
Versicherer nicht länger, als Ein und zwanzig Tage nach der Ankunft.
§. 2191. Eben diese Grundsätze (§. 2184. sqq.) finden bey
Versicherungen auf Frachtgelder Anwendung.
§. 2192. Ist auf das Casco allein gezeichnet, ohne
ausdrücklich zu bestimmen, daß die Gefahr nur auf die Hinreise eingeschränkt
sey: so geht die Versicherung auf die doppelte Reise.
§. 2193. Ist auf Waaren allein ohne solche Bestimmung
gezeichnet: so versteht sich die Versicherung nur von Einer Reise.
§. 2194. Dies gilt auch bey Versicherungen auf Frachtgelder.
§. 2195. Ist auf Casco und Waaren zugleich ohne weitere
Bestimmung gezeichnet: so geht die Versicherung, auch in Ansehung des Casco,
nur auf Eine Reise.
§. 2196. Sind in der Police mehrere Bestimmungsörter durch
den Beysatz "und" mit einander verbunden: so hat der
Versicherte die Wahl: ob und wieviel er von der Ladung an jedem Orte absetzen
will.
§. 2197. Der Versicherer haftet alsdann so lange, bis die
ganze Ladung an einem oder mehreren dieser Oerter geloset ist.
§. 2198. Sind aber die mehrern bestimmten Oerter durch den
Beysatz "oder" verbunden: so muß der Versicherte an Einem
derselben die ganze Ladung losen.
§. 2199. Setzt er an Einem derselben ohne Noth nur einen
Theil der Ladung ab: so ist der Versicherer für den Ueberrest der
Waaren, und bey Cascoversicherungen, für die nachherigen Beschädigungen nicht
weiter verhaftet.
§. 2200. War zur Zeit der gezeichneten Police das
versicherte Schiff oder Gut bereits verunglückt oder beschädigt, und der
Versicherte hat davon Nachricht gehabt: so finden die Vorschriften §.
2026-2028. Anwendung.
§. 2201. Ob er dergleichen Nachricht gehabt habe, darüber
kann der Versicherer eidliche Angabe von ihm fordern.
§. 2202. Kann nicht ausgemittelt werden, daß der Versicherte
bereits Nachricht gehabt; er hätte aber dergleichen schon haben können: so ist
dennoch der Versicherer für einen solchen Verlust nicht verhaftet; sondern es
findet das Ristorno statt.
§. 2203. Ob der Versicherte einen vor Zeichnung der Police
sich ereigneten Unglücksfall habe wissen können, muß nach dem Zeitverlaufe
beurtheilt werden, binnen welchem eine Nachricht vom Orte der Ereigniß, bis zu
demjenigen, wo die Versicherung geschlossen worden, gelangen kann.
§. 2204. Dabey wird auf den gewöhnlichen Lauf der Posten
Rücksicht genommen; im zweifelhaften Falle aber werden Zwey Stunden auf jede
deutsche Meile gerechnet.
§. 2205. Muß die Nachricht ganz oder zum Theil über See
kommen: so ist in so weit diejenige Zeit zu rechnen, binnen welcher ein
Paketboot die Reise gewöhnlich zu machen pflegt.
§. 2206. Hat sich der Unglücksfall auf offner See ereignet:
so wird für den Zwischenraum, vom Orte der Ereigniß, bis an den nächsten
Handelsplatz, von welchem die Nachricht hat gegeben werden können, eine
verhältnißmäßige Zeit, nehmlich Zwey Stunden auf die Meile gerechnet.
§. 2207. Kann nach vorstehenden Grundsätzen nicht
ausgemittelt werden, daß der Versicherte vor Zeichnung der Police von dem sich
ereigneten Unglücksfalle Nachricht haben können: so ist die Versicherung
verbindlich.
§. 2208. War jedoch das versicherte Schiff oder Gut zur Zeit
der Zeichnung schon über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben: so haftet der
Versicherer für die vorher sich ereigneten Unglücksfälle nur alsdann, wenn der
Versicherte alle zu seiner Wissenschaft gelangten Umstände redlich angezeigt
hat, und der Contrakt ausdrücklich auf alle gute und schlimme Zeitungen
geschlossen worden.
Art der Gefahr.
§. 2209. Ist bey See- und Strohmversicherungen keine
besondere Art der Gefahr bestimmt, für welche der Versicherer nur haften soll:
so trifft ihn jeder Schade, den die Sache durch äußere Vorfälle leidet.
§. 2210. Dahin gehört besonders Sturm, Ungewitter,
Schiffbruch, An- und Uebersegelung, Triebeis, Strandung, Brand, Repressalien,
feindliche Aufbringung, oder Plünderung von Kriegesschiffen, Kreuzern, Kapern
und Seeräubern; Diebstahl und dergleichen.
§. 2211. Hat das Schiff nach der Police unter Convoy segeln
sollen; ist aber durch Wind und Wetter zu ihr zu stoßen verhindert, oder von
ihr getrennt worden: so muß der Versicherer auch die Folgen eines solchen
Zufalls tragen.
§. 2212. Ist das versicherte Schiff oder Gut wegen des von
einem Dritten, der die Stelle des Versicherten nicht vertritt, ohne des
letztern Vorwissen getriebenen Contrebandehandels, unrichtiger Deklaration,
Einlaufens in verbotene Häfen, oder sonstiger Uebertretung der vorhandenen
Gesetze und Ordnungen, angehalten und eingezogen worden: so muß der Versicherer
für den Schaden haften.
§. 2213. Sind die versicherten Waaren selbst, wegen eines
dem Versicherten unbekannt gewesenen Verbots, außerhalb Landes confiscirt
worden: so haftet der Versicherer dafür nur in dem Falle, wenn das Verbot
während der Reise ergangen ist.
§. 2214. Doch muß der Versicherte zuvor auf Erfordern
eidlich erhärten, daß er weder von einem schon vorhanden gewesenen, noch von
einem bevorgestandenen Verbote Kenntniß gehabt habe.
§. 2215. Aller Schade, welcher dem versicherten Gute durch
Schuld der Rheder, oder eines Dritten, der nicht die Stelle des Versicherten
vertritt, ohne des letztern Zuthun entsteht, muß von dem Versicherer getragen
werden; welcher dagegen seinen Regreß an den Urheber des Schadens zu nehmen
hat.
§. 2216. Ferner haftet der Versicherer für allen Schaden,
der dem versicherten Schiffe oder Gute, durch des Schiffers, der Steuerleute,
oder des Volks Unerfahrenheit, Unvorsichtigkeit, Nachläßigkeit, Muthwillen oder
Bosheit zugefügt wird; in soweit der Versicherte aus dem Vermögen des
Schuldigen, und aus dem Schiffe, nebst der Fracht, seine Befriedigung nicht
erlangen kann.
§. 2217. Dahin gehört besonders, wenn das Schiff übel
versehen und gedichtet, oder die Güter schlecht gestauet, oder durch darauf
gelegte nasse und fliessende Waaren verdorben sind.
§. 2218. Hat jedoch ein Rheder bey der Auswahl des Schiffers
ein grobes Versehen begangen: so kann er von seinem Versicherer keinen Ersatz
der durch den Schiffer verursachten Schäden fordern.
§. 2219. Eben dies findet statt, wenn ein Befrachter bey
Auswahl des Schiffes ein grobes Versehen begangen hat.
§. 2220. Der Versicherer eines Casco ist nicht zum Ersatze
verbunden, wenn die Schiffsgeräthschaften während der Reise durch den
ordentlichen Gebrauch brechen, oder abgenutzt und zernichtet werden.
§. 2221. Dahin gehört auch das Brechen der Masten oder der
Taue, ingleichen der Verlust der Anker oder Segel, wenn der Schaden nicht durch
Sturm, oder sonst durch außerordentliche Zufälle veranlaßt wird.
§. 2222. Eben so haftet der Versicherer bey Waaren und
Gütern für keinen Schaden, der aus der natürlichen Beschaffenheit selbst, aus
ihren innern Fehlern und Mängeln, und aus der schlechten Fustage oder Emballage
entsteht.
§. 2223. Wenn also Weine sauer werden; Oele verderben;
Früchte faulen oder sonst umkommen; Getreyde oder Kastanien sich anstecken; oder
die Waare durch innerlich erzeugtes Ungeziefer beschädigt wird: so trifft der
Schade den Versicherten allein.
§. 2224. Eben dies gilt von einem durch Anfressen, Benagen
und Zernichten, von Mäusen, Ratten oder anderem Ungeziefer verursachten
Schaden.
§. 2225. Ist aber die Reise durch Zufall ungewöhnlich
verzögert worden: so muß der Versicherer auch dergleichen bey verderblichen
Waaren aus solchem Aufenthalte entstandenen Schaden tragen.
§. 2226. Ferner haftet der Versicherer nicht, wenn Weine,
Oele, oder andere flüßige Waaren verlecken, ohne daß dieses eine Folge vom
Stoßen des Schiffes, vom Stranden, oder von einem andern Unglücke ist.
§. 2227. Bey Negersklaven haftet der Versicherer nicht für
das Leben derselben, wenn sie an Krankheiten sterben; oder sich selbst
umbringen; oder eine Revolte anfangen, und dabey Schaden leiden.
§. 2228. Ohne ausdrückliche Abrede darf der Versicherer den
aus dem Fallen der Preise entstehenden Nachtheil nicht vergüten.
§. 2229. Auch solchen Schaden, der durch die große Havereyrechnung
wirklich vergütet wird, darf der Versicherer nicht übernehmen.
§. 2230. Dagegen muß er aber den etwanigen Ausfall, so wie
auch den Beytrag, welcher von der versicherten Sache zur großen Haverey hat
entrichtet werden müssen, vergüten.
§. 2231. Außer dem Schaden, muß der Versicherer zugleich für
alle besondere und extraordinaire Kosten haften, welche der versicherten Sache
wegen vorgefallen sind, und durch die große Haverey nicht vergütet werden.
§. 2232. Der Versicherer eines Schiffes muß die Liegekosten
vertreten, wenn das Schiff, ohne Veranlassung der Rheder oder Befrachter, durch
höhere Macht angehalten, oder auszulaufen verhindert worden.
§. 2233. Eben so muß, bey Waaren, ein Versicherer für die
Schäden und Kosten haften, welche durch das Umladen der Waaren entstanden sind;
im Fall dies Umladen durch einen Zufall, oder durch die Schuld des Schiffers
oder seiner Leute verursacht worden.
§. 2234. Hauptsächlich aber muß der Versicherer diejenigen
Kosten vertreten, welche bey sich ereignetem Unglücksfalle, zum Besten der
versicherten Sache verwendet werden müssen.
Besonders bey Feuerversicherungen.
§. 2235. Bey Feuerversicherungen haftet der Versicherer für
allen Feuerschaden, welcher der versicherten Sache, ohne Verschulden des
Versicherten selbst, dessen Ehegatten, Kinder oder Enkel, verursacht wird.
§. 2236. Er haftet auch alsdann wenn das Feuer durch
Verschuldung der Hausgenossen und Domestiken des Versicherten entstanden ist.
§. 2237. Unter Hausgenossen sind alle diejenigen zu
verstehen, welche in den Gebäuden, wo die versicherten Stücke aufbewahrt
werden, ihren Aufenthalt haben.
§. 2238. Geschwister, und entferntere Verwandten des
Versicherten, werden zu den Hausgenossen gerechnet.
§. 2239. Nur alsdann ist der Versicherer frey, wenn solche
Umstände vorhanden sind, daß der Versicherte, nach Vorschrift des Ersten Theils
Tit. VI. §. 56-64., auch die unerlaubten Handlungen seiner Hausgenossen oder
Dienstboten vertreten muß.
§. 2240. Sind, bey entstandener Feuersgefahr, die
versicherten Sachen bey dem Retten und Fortschaffen beschädigt oder verloren
worden: so muß der Versicherer auch dafür Vergütung leisten.
§. 2241. Für die zur Rettung der versicherten Sachen
verwendeten Kosten muß der Versicherer ebenfalls haften.
Ausmittelung des Schadens.
§. 2242. Ist nach vorstehenden Grundsätzen an einem
versicherten Schiffe, Gute, oder andern Objekte ein Totalschade entstanden,
welchen der Versicherer zu vertreten hat: so bestimmt sich das von ihm zu
entrichtende Quantum aus der Police von selbst.
§. 2243. Ist die Versicherung auf Schiff und Ladung
gerichtet, ohne daß der Werth eines jeden in der Police besonders bestimmt
wäre; und das Schiff wird während der Reise für unbrauchbar erklärt: so wird
ein Drittheil der gezeichneten Summe für das Schiff gerechnet, bis ein höherer
oder geringerer Werth desselben, in Verhältniß gegen die Ladung, nachgewiesen
werden kann.
§. 2244. Wenn bey Frachtversicherungen die Police nicht
taxirt ist: so zahlt der Versicherer, im Falle eines Totalschadens, die durch
Connossemente oder Charte Partie zu erweisende, wirklich bedungen gewesene
Fracht, und die zur kleinen Haverey gehörenden Auslagen, bis zum Betrage der
gezeichneten Summe.
§. 2245. Sind Waaren für Rechnung der Rheder geladen; oder
ist sonst keine Fracht bedungen: so wird die Fracht zum Grunde gelegt, welche
am Ladungsorte, zu der Zeit, als das Schiff in Ladung gelegen hat, für ähnliche
Waaren und Reisen gewöhnlich gewesen ist.
§. 2246. Ist die versicherte Sache nur beschädigt worden,
oder nur zum Theil verloren gegangen: so muß der eigentliche Betrag des
Schadens ausgemittelt werden.
§. 2247. Bey Schiffen bestimmt denselben die vor der
Ausbesserung vorzunehmende Untersuchung, und der darnach anzufertigende
Kostenanschlag.
§. 2248. Zu dieser Untersuchung muß ein erfahrner Schiffer,
Schiffsbaumeister, Repschläger und Segelmacher, entweder durch Uebereinkunft
der Interessenten gewählt, oder von der Obrigkeit ernannt, und in beyden Fällen
vereidet werden.
§. 2249. Bey Waaren müssen die beschädigten Stücke von den
unbeschädigten gehörig abgesondert, und erstere durch vereidete Taxatoren
gewürdiget, hiernächst aber öffentlich verkauft werden.
§. 2250. Sind keine öffentlich bestellte kunsterfahrne
Taxatoren zu haben: so können auch andere von beyden Theilen zu erwählende
glaubwürdige Männer gebraucht werden.
§. 2251. Die Taxe muß geschehen, ehe noch der Empfänger die
Güter in seine Gewahrsam übernimmt.
§. 2252. Hat der Empfänger die Waaren angenommen, ohne den
Schaden vorher untersuchen und abschätzen zu lassen: so wird der Versicherer
frey.
§. 2253. Ist der Empfänger nur Bevollmächtigter gewesen: so
bleibt derselbe dem Versicherten verantwortlich.
§. 2254. Ist nach dem Gutachten der Taxatoren der Schade an
den versicherten Waaren so beschaffen, daß sie zu ihrer eigentlichen Bestimmung
gar nicht weiter zu gebrauchen sind: so müssen selbige für Rechnung des
Versicherers, ohne weitere Rücksprache sogleich öffentlich an den
Meistbietenden verkauft werden.
§. 2255. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die beschädigten
Waaren an sich unter die verderblichen gehören.
§. 2256. Außer diesen beyden Fällen ist der Versicherte,
oder dessen Commissionair schuldig, nach aufgenommener Taxe zuvor mit dem
Versicherer über den Verkauf Rücksprache zu halten, und dessen Anweisung zu
befolgen.
§. 2257. Das aus solchem Verkaufe gelösete Geld erhält der
Versicherte, auf Abschlag der ihm von dem Versicherer zukommenden Vergütung.
§. 2258. Die Würdigung muß bey Schiffen an dem Orte, wo sie
zuerst einlaufen, und bey Waaren an dem Orte, wo sie ausgeladen werden,
geschehen.
§. 2259. Der daselbst gegenwärtige Versicherer, oder dessen
dem Schiffer bekannt gemachter Commissionair, muß dabey mit zugezogen; außerdem
aber dem Versicherer ein zuverläßiger Mann, zur Wahrnehmung seiner Rechte,
zugeordnet werden.
§. 2260. Die Würdigung muß unter gerichtlicher Aufsicht
erfolgen.
§. 2261. Doch soll, wenn die Schadensaufnehmung außerhalb
Landes geschieht, auch die Zuziehung des Consuls der Nation, von welcher der
Versicherer ist, oder eines Notarii und zweyer Zeugen hinreichend seyn.
Berechnung des Schadens.
§. 2262. Die Schadenberechnung selbst muß, wenn beyde Theile
darüber uneinig sind, von vereideten Sachkundigen oder Dispacheurs, nach den
ihnen vorzulegenden richtig befundenen Briefschaften und Beweismitteln,
angefertigt werden.
§. 2263. Bey beschädigten Schiffen ergiebt sich der Betrag
dessen, was der Versicherer vergüten muß, aus dem aufgenommenen Anschlage. (§.
2247.)
§. 2264. Ist der vormalige Werth des Schiffes in der Police
bestimmt, und nicht voll versichert: so wird der Schade nur nach Verhältniß der
gezeichneten Summe vom Versicherer vergütet.
§. 2265. Bey beschädigten Waaren ergiebt sich die zu
vergütende Summe aus Vergleichung des gelöseten Geldes, gegen den comptanten
Marktpreis am Bestimmungsorte.
§. 2266. Wird aber die beschädigte Waare im Nothhafen
verkauft: so muß der Einkaufspreis ausgemittelt werden.
§. 2267. Dies geschieht auf den Grund der Faktur und
Einkaufsrechnung, mit Zuschlagung der Ladungskosten, der Fracht, des Beytrages
zur kleinen Haverey, der Versicherungsprämie, und anderer Unkosten, welche die
Waare gewöhnlich bis zum Verkauf am Bestimmungsorte erfordert.
§. 2268. Beträgt die gezeichnete Summe weniger, als der nach
vorstehenden Grundsätzen auszumittelnde Werth der Waaren: so muß der Schade
zwischen beyden Theilen, nach Verhältniß des Versicherungsquanti zum
ausgemittelten Werthe, vertheilt werden.
§. 2269. Sind Waaren von gleicher Art bey Mehrern
versichert, und es kann nicht ausgemittelt werden, von wem die beschädigten
versichert sind: so tragen sämmtliche Versicherer den Schaden auf vorstehende
Art, nach Verhältniß der gezeichneten Summen.
§. 2270. Ist zur Zeit des entstandenen Unglücks die
versicherte Sache schon durch solche Vorfälle, wofür der Versicherer nicht
einsteht, beschädigt gewesen: so wird der Betrag dieses Schadens nach dem
Gutachten vereideter Sachverständigen in Abzug gebracht.
§. 2271. Bey Frachtversicherungen wird, im Falle eines
Partialschadens, auf die Taxe in der Police keine Rücksicht genommen, sondern
der Versicherte muß durch Connossemente und Charte Partie die bedungen gewesene
Fracht, und die kleine Haverey erweisen.
§. 2272. Was er weniger erhält, wird, in Verhältniß des
ausgemittelten Betrages der bedungenen Fracht und der kleinen Haverey,
prozentweise berechnet; und der Versicherer bezahlt so viel Prozente von der
gezeichneten Summe.
§. 2273. Wenn aber die gezeichnete Summe die wirklich
bedungene Fracht und kleine Haverey übersteigt: so bezahlt der Versicherer nur
jene Differenz.
§. 2274. Beträgt bey an sich verderblichen Waaren, der
Schade nur Zehn; bey unverderblichen aber, ingleichen bey Cascoversicherungen,
unter Drey Prozent von der versicherten Summe gerechnet: so kann der
Versicherte keine Vergütung fordern.
§. 2275. Ist ein Schade durch Schuld und Versehen des
Schiffers, der Steuerleute, oder des Schiffsvolks geschehen: so muß der
Versicherte alle Mühe anwenden, auf Kosten des Versicherers, aus des Schuldigen
Vermögen, aus dem Schiffe oder dessen Frachtgeldern, den Ersatz seines Schadens
zu erhalten.
§. 2276. Nur so weit, als er solchergestalt zu seiner
Befriedigung ganz; oder zum Theil nicht gelangen kann, ist er dieselbe von dem
Versicherer zu fordern berechtigt.
§. 2277. Dem Versicherer steht jedoch frey, den Prozeß gegen
den Schuldigen selbst zu übernehmen, ohne daß er dazu eine Vollmacht oder
Cession nöthig hat; er muß aber alsdann dem Versicherten die Vergütungssumme
auf dessen Verlangen sogleich bezahlen.
§. 2278. Hat außer dem Schiffer oder Schiffsvolke, sonst ein
Dritter, der nicht die Stelle des Versicherten vertritt, den Schaden
verursacht: so ist der Versicherte schuldig, die Klage wider denselben sogleich
anzustellen, und den Prozeß, auf Kosten des Versicherers, so lange gehörig
fortzusetzen, als dieser, nach dem Laufe der Posten, dazu die nöthigen
Verfügungen selbst treffen kann.
Von Zahlung der Vergütungssumme.
§. 2279. Wegen der Münzsorte, worin die Zahlung von dem
Versicherer geleistet werden muß, gelten die Vorschriften des Ersten Theils,
Tit. XVI. §. 74. sqq.
§. 2280. Die Zahlung muß an denjenigen geschehen, auf dessen
Namen die Police lautet, oder dem sie von diesem cedirt worden.
§. 2281. Ist nach §. 2071. die Versicherung an Zeigern
dieses, oder für Rechnung des, den es angeht, geschlossen: so kann der
Versicherer zwar an jeden Inhaber sicher zahlen; jedoch hängt es von ihm ab,
von der Vorschrift des §. 2072. Gebrauch zu machen.
§. 2282. Von der zu zahlenden Vergütungssumme kann der
Versicherer Zwey Procent in Abzug bringen, wenn er dieser Befugniß nicht
ausdrücklich entsagt hat.
§. 2283. Bey einem Totalschaden sowohl, als bey
Partialschäden, muß die Vergütung binnen Zwey Monathen, vom Tage der
Bekanntmachung und Andeutung, entrichtet werden; wenn binnen dieser Zeit die
erforderlichen Beweise beygebracht werden.
§. 2284. Werden die erforderlichen Beweise später
beygebracht: so ist die Zahlung binnen Acht Tagen vom Tage der angelegten
Dispache zu leisten.
§. 2285. Von der hiernach zu bestimmenden Zahlungszeit, oder
wenn die zu leistende Vergütung erst durch Prozeß festgesetzt wird, vom Tage
der eingehändigten Klage, kann der Versicherte auch die im Ersten Theile, Tit.
XI. §. 827. sqq. bestimmten Verzögerungszinsen fordern.
§. 2286. Auf die Zwischenzeit kann er in denjenigen Fällen
Sicherheitsbestellung verlangen, da gesetzmäßige Gründe zum Arrestschlage
vorhanden sind.
§. 2287. Bey Versicherungen der Freyheit eines Menschen, muß
der Versicherer die gezeichnete Summe binnen Acht Tagen von dem Tage an bezahlen,
da ihm die eingegangene glaubhafte Nachricht von der Gefangennehmung des
Versicherten angedeutet, oder in Ermangelung vollständiger Beweise, bis zur
Beybringung derselben hinreichende Sicherheit bestellt worden.
§. 2288. Der §. 2282. bestimmte Abzug der Zwey von Hundert
findet in einem solchen Falle nicht statt.
§. 2289. Ist der Versicherte ohne Lösegeld frey gekommen: so
wird der Versicherer dadurch nicht außer Verbindlichkeit gesetzt, noch kann er
die bereits gezahlte Summe zurückfordern.
§. 2290. Dagegen findet die Zurückforderung statt, wenn der
Versicherte vor der Auslösung gestorben ist; jedoch muß alsdann der Wittwe und
den Kindern des Verstorbenen der Vierte Theil der gezeichneten Summe gelassen
werden.
§. 2291. Ist auf die Freyheit eines Menschen keine bestimmte
Summe in der Police gezeichnet: so muß der Versicherer für alle Kosten zu der
versuchten Losmachung des Gefangenen haften.
§. 2292. Doch soll, bey ermangelnder Vereinigung, auf den
Antrag des Versicherers, ein Dritter von der Obrigkeit bestellt werden, der das
Auslösungsgeschäft auf Rechnung des Versicherers, welcher den Vorschuß dazu
hergeben muß, betreibe.
§. 2293. Ist das Leben eines Menschen versichert: so muß die
gezeichnete Summe binnen Zwey Monathen, nach dem Tage, da die von seinem
Absterben eingegangene glaubhafte Nachricht dem Versicherer angedeutet worden,
bezahlt werden.
§. 2294. Ist der zur Dauer der Versicherung bestimmte
Zeitpunkt verflossen, ohne daß von dem Leben oder Tode der versicherten Person
Nachricht eingegangen wäre: so ist der Versicherer zu nichts verbunden, bis das
Absterben während der Versicherungszeit erwiesen wird.
§. 2295. War die Versicherung ausdrücklich zum Behufe einer
bevorstehenden Gefahr geschlossen, und die versicherte Person ist dieser Gefahr
wirklich ausgesetzt gewesen: so muß der Inhaber der Police die gesetzliche
Frist, nach deren Verlauf ein Verschollner für todt erklärt werden kann,
abwarten.
§. 2296. Die Todesklärung muß der Inhaber auf seine Kosten
suchen, nach deren Erfolg aber kann er die gezeichnete Summe fordern.
§. 2297. In der Zwischenzeit kann er verlangen, daß ihm
landübliche Zinsen von der gezeichneten Summe, seit dem Ablaufe der zur Dauer
der Versicherung bestimmten Zeit, gezahlt werden.
§. 2298. Wird hiernächst erwiesen, daß der Versicherte
während des zur Dauer der Versicherung bestimmten Zeitpunktes verstorben sey:
so muß nichts destoweniger die volle gezeichnete Summe bezahlt werden; wird
aber dieser Beweis nicht geführt: so werden die genossenen Zinsen von der gezeichneten
Summe abgerechnet.
§. 2299. Findet sich hiernächst der Verschollne wieder ein,
oder kann sonst erwiesen werden, daß er die Jahre der Versicherung überlebt
habe: so muß der Empfänger die gezeichnete Summe, jedoch ohne Zinsen,
zurückzahlen.
Vom Abandonniren.
§. 2300. Von vorstehenden aus dem Assecuranzvertrage
fließenden Verbindlichkeiten kann keine von beyden Parteyen sich, weder ganz
noch zum Theil, einseitig losmachen.
1) des
Versicherers;
§. 2301. Doch kann der Versicherer von den zur Rettung oder
Freymachung der versicherten Sache erforderlichen Kosten sich befreyen, wenn er
sich, nach entstandenem Unglücksfalle, zur Zahlung der ganzen gezeichneten
Summe erbietet.
§. 2302. Er muß sich aber darüber binnen der im ersten
Theile. Tit. V. §. 95. vorgeschriebenen Frist, von der Zeit an gerechnet, da
ihm der geschehene Unglücksfall mit den Hauptumständen vollständig gemeldet
worden, schriftlich erklären.
§. 2303. Zögert er damit: so muß er alle bis zum Zeitpunkte
der Erklärung bereits verwendete Kosten, noch außer dem Versicherungsquanto,
bezahlen.
2) des
Versicherten.
§. 2304. Der Versicherte kann sich seiner Verbindkeit, zur
Rettung der versicherten Sache ferner allen Fleiß und Mühe anzuwenden, nur in
dem Falle entziehn, wenn bey Seeversicherungen ein Totalschade
höchstwahrscheinlich ist; und dies durch gehörig beygebrachte Beweise dargethan
worden.
§. 2305. Dies findet besonders statt, wenn ein Schiff über
die zur Reise gewöhnliche Zeit ausbleibt, und davon keine Nachricht eingeht;
welches der Versicherte auf Erfordern eidlich bestärken muß.
§. 2306. Ferner, wenn das Schiff, ohne daß ein Fehler in der
Bauart oder Ausrüstung daran Ursache wäre, während der Reise unbrauchbar wird;
und entweder gar nicht, oder nicht ohne sehr erhebliche Kosten ausgebessert
werden kann.
§. 2307. Die Kosten werden für erheblich geachtet, wenn sie
mehr betragen, als das Schiff, nach der Reparatur, den Werth des Wraks
abgerechnet, werth seyn würde.
§. 2308. Auch wenn ein Schiff und Gut aufgebracht,
angehalten, oder in Beschlag genommen worden, und dessen Befreyung oder
Losmachung ungewiß und weit aussehend ist, kann dasselbe von dem Versicherten
abandonnirt werden.
§. 2309. In allen Fällen des §. 2304. kann der Versicherte
dem Versicherer andeuten, daß er ihm die versicherte Sache überlasse, und
dagegen die Zahlung der gezeichneten Summe von ihm verlange.
§. 2310. Zwey Monath nach dem Tage der ihm zugekommenen
Andeutung muß der Versicherer, gegen Aushändigung der nöthigen Documente,
Zahlung leisten.
§. 2311. Will der Versicherte Schiff und Gut abandonniren,
weil selbiges über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben ist: so kann, wenn das
Schiff von und nach einem Hafen in der Ost- oder Nordsee bestimmt war, die
Andeutung geschehen, sobald Drey Monath über die gewöhnliche Zeit verlaufen
sind.
§. 2312. War aber das Schiff von oder nach einem andern
jedoch europäischen Hafen bestimmt: so muß ein Zeitraum von Sechs Monathen
abgewartet werden.
§. 2313. Zwey Monathe nach dieser Andeutung muß der
Versicherer die gezeichnete Summe zahlen; kann jedoch davon Acht vom Hundert in
Abzug bringen.
§. 2314. Will der Versicherer sich zu dieser Zahlung nicht
bequemen: so muß der Versicherte Ein Jahr und Zwey Monathe, von Zeit der
Absegelung des Schiffes an, in Geduld stehen.
§. 2315. Nach Verlauf dieser Zeit aber muß der Versicherer
die volle gezeichnete Summe, auch ohne Abzug der sonst gewöhnlichen Zwey vom
Hundert, bezahlen.
§. 2316. Soll ein außer Europa bestimmtes Schiff, weil es
über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben ist, abandonnirt werden: so muß der
Versicherte, bey Schiffen, welche die Linie nicht passiren, Ein Jahr und Sechs
Monathe, von Zeit der Absegelung, abwarten.
§. 2317. Hat das Schiff die Linie passiren sollen: so muß
ein Zeitraum von Drey Jahren abgewartet werden.
§. 2318. Ist nach Ablauf dieser Fristen noch keine Nachricht
eingegangen: so muß der Versicherer binnen Acht Tagen, ohne Abzug der Zwey
Procent, Zahlung leisten.
§. 2319. Ein angehaltenes, weggenommenes, oder aufgebrachtes
Schiff oder Gut, dessen Befreyung ungewiß, oder weitaussehend ist, kann nach
Sechs Monathen von der Zeit an, da die erfolgte Beschlagnehmung dem Versicherer
bekannt gemacht worden, abandonnirt werden.
§. 2320. Ist die Aufbringung außerhalb Europa geschehen: so
muß der Versicherte den Verlauf Eines Jahres abwarten.
§. 2321. Kann jedoch der Versicherte beybringen, daß ein
solches Schiff mittelst rechtlichen Erkenntnisses für verwirkt, oder für eine
gute Prise erklärt worden: so steht ihm frey, es sofort zu abandonniren, und
von dem Versicherer nach §. 2310. Zahlung zu fordern.
§. 2322. Die Andeutung des Abandonnements muß gerichtlich,
oder durch einen Notarium, oder vereideten Mäkler geschehen.
§. 2323. Es muß unbedingt geschehen, und kann nicht wieder
zurückgenommen werden.
§. 2324. Auch muß die ganze versicherte Sache abandonnirt
werden, wenn sie gleich nicht zum vollen Werthe versichert gewesen seyn sollte.
§. 2325. Bey einer Cascoversicherung müssen die Rheder auch
die Fracht mit abandonniren; außer wenn das Schiff ohne die Einrechnung der
Ausrüstungskosten versichert worden. (§. 1986.)
§. 2326. Ist während der Reise Ein Theil der versicherten
Waaren ausgeladen worden: so kann der Versicherte die gezeichnete Summe nur
nach Verhältniß des Werths der nicht ausgeladenen Waaren fordern.
§. 2327. Nach geschehenem Abandonnement hängt es lediglich
von dem Versicherer ab, was für Mühe oder Kosten er zur Rettung oder
Freymachung der Sache anwenden wolle.
§. 2328. Der Versicherte ist jedoch verbunden, ihm dazu
behülflich zu seyn, so weit dies ohne seine Kosten, und ohne besondre Mühe oder
Beschwerde geschehen kann.
§. 2329. Alles, was noch gerettet wird, kommt dem
Versicherer zu gute, wenn auch die abandonnirte Sache nicht zum vollen Werthe
versichert gewesen seyn sollte.
§. 2330. Bey allen übrigen Arten von Versicherungen findet
gar kein Abandonnement statt.
§. 2331. Hat aber, bey Feuerassecuranzen, der Versicherer
die gezeichnete Summe bezahlt: so gehört ihm alles, was von den versicherten
Sachen gerettet, oder aufgefunden wird.
§. 2332. Der Versicherte ist schuldig, dem Versicherer dazu
die ihm bekannt gewordenen Nachrichten mitzutheilen, und sich auf Erfordern
darüber eidlich zu reinigen.
Vom Ristorno.
§. 2333. Wenn der Assekuranzcontrakt ohne Schuld des
Versicherten rückgängig wird; und also der Versicherer gar keine Gefahr
gelaufen ist: so muß letzterer die bereits erhaltene Prämie zurückzahlen.
§. 2334. Er kann sich jedoch ein halb Procent von dem
versicherten Capitale abziehen und einbehalten.
§. 2335. Beträgt die Prämie selbst nicht über Zwey Procent:
so kann nur Ein Viertel der Prämie abgezogen werden.
§. 2336. Das Ristorno findet alsdann statt, wenn mehrere
Versicherungen über den vollen Werth der Sache ohne Schuld des Versicherten
geschlossen worden, und also die eine wieder aufgehoben werden muß. (§. 2007.
2008.)
§. 2337. Ferner, wenn der Versicherte die Unternehmung, auf
welche die Versicherung geschlossen worden, aus erheblichen Gründen gänzlich
einstellt.
§. 2338. Auch alsdann, wenn sonst wegen vorgefallener
Zufälle und Hindernisse, die Unternehmung gänzlich unterbleibt.
§. 2339. Muß aber ein bereits ausgelaufenes Schiff, wegen
widrigen Windes, oder aus andern Ursachen, wieder zurückkehren, und die Reise
gänzlich einstellen: so kann der Versicherer, außer dem halben Procent, noch
einen verhältnißmäßigen Abzug machen.
§. 2340. Dieser Abzug muß nach Verhältniß der bereits
ausgestandenen Gefahr, allenfalls durch schiedsrichterlichen Ausspruch,
bestimmt werden.
§. 2341. Die Reise wird für ganz eingestellt geachtet, wenn
die Ladung ganz geloset werden muß, um das Schiff auszubessern.
§. 2342. Wird aber von dem Versicherer irgend ein Schade aus
dem Contrakte vergütet: so findet das Ristorno nicht statt, und die
Versicherung ist beendigt.
§. 2343. Ist ein Schiff oder Gut auf mehrere Orte zugleich
versichert; und auf jeden Ort eine besondere Prämie bestimmt: so findet das
Ristorno in Ansehung derjenigen Prämien statt, welche für Orte bestimmt waren,
wohin das Schiff oder Gut nicht wirklich gegangen ist.
§. 2344. In Ansehung eines Theils der Prämie findet das
Ristorno, in den §. 2141. 2146. 2153. 2159. bestimmten Fällen Anwendung.
§. 2345. Bey Versicherungen auf imaginairen Gewinn ist das
Ristorno nur alsdann zuläßig, wenn die Unternehmung, worauf selbige geschlossen
worden, ohne Schuld des Versicherten nicht statt findet.
Verjährung.
§. 2346. Kann der Versicherte zu seiner Befriedigung nicht
gelangen: so muß er deshalb richterliche Hülfe nachsuchen.
§. 2347. Die Klage muß binnen Sechs Monathen angestellt werden,
wenn der Schade in der Nord- oder Ostsee, oder in einem Hafen an diesen Küsten
geschehen ist.
§. 2348. Hat sich aber der Schade im mittelländischen Meere
und dessen Häfen, in der Levante, dem Archipelagus, oder an den Küsten der
Barbarey zugetragen: so muß die Anstellung der Klage binnen Jahresfrist
erfolgen.
§. 2349. Bey einem in andern entferntern Welttheilen
vorgefallenen Schaden, findet ein Zweyjähriger Zeitraum statt.
§. 2350. Diese Fristen laufen, bey einem Totalschaden, von
dem Augenblicke an, da der Versicherte über die Hauptumstände vollständige
Nachricht erhalten hat.
§. 2351. Ist ein gehöriges Abandonnement erfolgt: so läuft
die Verjährung von dem Tage der Andeutung desselben, ohne Rücksicht auf die
nachher etwa eingegangene Nachricht.
§. 2352. In allen übrigen Fällen hingegen fängt die
Verjährung von der Zeit an, da der Schade so weit liquide geworden ist, daß die
Klage angestellt werden können.
§. 2353. Sind diese Fristen verflossen, und der Versicherte
kann keine solche Umstände nachweisen, welche nach Vorschrift des Ersten Theils
Tit. IX. §. 512-534. den Anfang
der Verjährung hindern, oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
begründen: so ist sein Anspruch ganz erloschen.
§. 2354. Die Verjährung kann nur durch Anstellung einer
gerichtlichen Klage, oder dadurch unterbrochen werden, daß der Versicherer sich
schriftlich zur Vergütung erboten hat.
§. 2355. Sind über die Vergütung Unterhandlungen gepflogen
worden: so wird die darauf verwendete Zeit, bis zu dem Zeitpunkte, da selbige
wegen der Weigerung des Versicherers abgebrochen worden, in die Verjährungszeit
nicht mit eingerechnet.
§. 2356. Ist die Verjährung einmal unterbrochen: so dauert
der Anspruch dreyßig Jahre.
§. 2357. Wegen rückständig gebliebener Prämie erlöscht die
Klage nur innerhalb der gewöhnlichen Verjährungsfristen.
§. 2358. Mit Einforderung des Ristorno hat es gleiche
Bewandniß.
Vierzehnter Abschnitt
Von der Bodmerey
Was Bodmerey ist.
§. 2359. Bodmerey ist ein Darlehnscontrakt, bey welchem der
Gläubiger, gegen Verpfändung eines Schiffes, oder der Ladung desselben, oder
beyder zusammen, die Seegefahr übernimmt.
§. 2360. Dagegen kann er sich ein den erlaubten Zinssatz
übersteigendes Aufgeld verschreiben lassen.
§. 2361. Die Bestimmung dieses Aufgeldes hängt lediglich von
der Vereinigung beyder Theile ab.
§. 2362. Ein Darlehn auf Schiff oder Ladung, bey welchem der
Gläubiger keine Seegefahr übernimmt, hat nicht die Vorrechte einer Bodmerey.
§. 2363. Sind in einem solchen Abkommen höhere als die an
dem Orte des geschlossenen Contrakts unter Kaufleuten erlaubten Zinsen bedungen
worden: so ist dasselbe für einen wucherlichen Contrakt zu achten.
Wer Bodmerey schließen könne.
§. 2364. Diejenigen Personen, welchen nach §. 1939-1942.
untersagt ist, Versicherungen zu ertheilen, dürfen auch, bey gleicher Strafe,
kein Geld oder Geldeswerth auf Bodmerey geben.
§. 2365. Wer in der Fähigkeit, Darlehne aufzunehmen,
eingeschränkt ist, kann keine Bodmerey nehmen. (Th. I. Tit. XI. §. 675. sqq.)
§. 2366. Jeder einzelne Rheder kann seine Schiffspart
verbodmen.
§. 2367. Auch kann das ganze Schiff von allen Rhedern
zusammen, oder von ihrem gemeinschaftlichen Faktor verbodmet werden.
§. 2368. Auf die Schiffspart eines einzelnen Rheders können
die übrigen, oder deren Disponent, auch wider des Eigenthümers Willen, Bodmerey
nehmen, wenn derselbe den schuldigen Beytrag zur Ausrüstung oder Ausbesserung
des Schiffs verweigert, oder zur Ungebühr verzögert.
§. 2369. Bodmerey auf die Fracht allein findet nicht statt.
§. 2370. Eben so wenig kann sie über die Heuer des
Schiffsvolks geschlossen werden.
§. 2371. In beyden Fällen ist der Vertrag ungültig; und das
gegebene Darlehn zum Besten der Seearmen verfallen.
§. 2372. Jeder einzelne Befrachter kann seinen Theil der
Ladung verbodmen.
§. 2373. Diese Befugniß steht auch dem Schiffer und dem
Schiffsvolke, in Absicht der unter Billigung der Gesetze, oder Bewilligung der
Rheder. für eigene Rechnung mitgenommenen Waaren zu.
§. 2374. Kein Rheder oder Befrachter darf über den gemeinen
Werth des Schiffes, oder der Ladung (Th. I. Tit. II. §. 111. sqq.) am Orte und
zur Zeit des geschlossenen Contrakts, Bodmerey nehmen.
§. 2375. Hat er es gleichwohl gethan: so soll er als ein
Betrüger gestraft werden; und für das mehr empfangene, nebst Sechs Procent
Zinsen, auch alsdann haften, wenn die verbodmete Sache verunglückt.
§. 2376. Bey gleicher Strafe darf weder ein Rheder, noch
Befrachter, Bodmerey über Gegenstände schließen, die bereits zu ihrem vollen
gemeinen Werthe versichert sind.
§. 2377. Geschieht dies dennoch: so muß dem Bodmereygeber
das verschriebene Capital ohne Abzug bezahlt werden, wenn auch die verbodmete
Sache verloren geht.
§. 2378. Ist aber Schiff oder Ladung nur zum Theil
versichert: so kann der freygebliebene Theil, bis zum vollen gemeinen Werthe,
noch besonders verbodmet werden.
§. 2379. Der Schiffer kann nur im Nothhafen Bodmerey
schließen.
§. 2380. Er kann aber alsdann sowohl das Schiff allein, als
auch Schiff und Ladung zusammen, nicht aber die Ladung allein verbodmen.
§. 2381. Es macht in diesem Falle keine Aenderung, wenn
gleich Schiff und Ladung bis zum vollen gemeinen Werthe versichert seyn
sollten.
§. 2382. Eben so wenig hat es Einfluß, wenn glech der
Schiffer Theil an der Rhederey nimmt.
§. 2383. An dem Orte, von welchem er aussegelt und am
Bestimmungsorte, ist er, ohne Specialvollmacht der Rheder oder Befrachter,
nicht befugt, Bodmerey zu schließen.
§. 2384. Auch in einem solchen Zwischenhafen, wo er an
Bevollmächtigte der Rheder oder Befrachter gewiesen worden, soll er, ohne
Vorwissen und Einwilligung derselben, keine Bodmerey nehmen.
§. 2385. Was der Schiffer zu beobachten habe, wenn er in
einem Nothhafen Bodmerey nimmt, ist oben, verordnet. (§. 1499. sqq.)
§. 2386. Wird eine solche Bodmerey in einem hiesigen Hafen
geschlossen: so muß der Geber, bey Verlust der Vorrechte aus dem
Bodmerey-Contrakte, dahin sehen, daß der Schiffer diese Vorschrift genau
beobachte.
§. 2387. In Absicht derjenigen Bodmerey-Contrakte hingegen,
welche in auswärtigen Häfen geschlossen worden, sind die Gesetze des Orts zur
Richtschnur zu nehmen.
§. 2388. Wer einem Schiffer wissentlich zu anderm Gebrauche,
als zum Besten des Schiffs oder Guts, Bodmerey giebt, kann sich nur allein an
den Schiffer und dessen Schiffspart, oder andere Habseligkeit, halten.
§. 2389. Ein Bodmereygeber, welcher sich mit dem Schiffer
zum Schaden der Rheder und Befrachter verstanden hat, muß den Letztern für
allen aus der Bodmerey entstandnen Nachtheil als Selbstschuldner haften, und
soll als ein Betrüger gestraft werden.
Form des Bodmerey-Contraktes.
§. 2390. Bodmerey-Contrakte sollen in Königlichen Landen,
bey Strafe der Ungültigkeit, schriftlich errichtet werden.
§. 2391. Ist jedoch die Bodmerey durch einen Mäkler
geschlossen worden: so kann der von demselben zu ertheilende Auszug seines
Journals die Stelle des. schriftlichen Contrakts vertreten.
§. 2392. Bloß mündliche Verabredungen zur Bodmerey sind
ungültig, wenn auch in der Absicht, einen Bodmerey-Contrakt zu schließen, ein
unausgefülltes. Blanket ausgestellt und unterschrieben worden. (Th. L Tit. V.
§. 155. sqq. Tit. XI. § 727.)
§. 2393. Der Bodmereybrief muß vorzüglich enthalten: die
Namen des Gebers und des Nehmers; die Benennung des Schiffs und des Schiffers;
die zu zahlende Summe; die vom Geber übernommene Seegefahr; und die Bestürmung
der verbodmeten Sache.
§. 2394. Ein Schuldschein, worin bloß allgemein bemerkt
worden, daß die Valuta oder der Werth auf Bodmerey genommen sey, ist für keinen
Bodmereybrief zu achten.
§. 2395. Wegen der Münzsorte findet dasjenige Anwendung, was
§. 759. sqq. bey Wechseln vorgeschrieben ist.
§. 2396. Auch in Absicht der Unterschrift des Namens gilt
alles dasjenige, was §. 776. sqq. bey Wechseln verordnet worden.
§. 2397. Sind wegen der vom Geber übernommenen Seegefahr, im
Bodmereybriefe keine besondern Verabredungen enthalten: so treffen ihn alle die
Vorfälle, für welche, nach §. 2171. sqq., bey der Seeversicherung der
Versicherer einstehen muß.
§. 2398. Ist keine Zahlungszeit bestimmt: so wird
angenommen, daß die Berichtigung binnen Acht Tagen nach der Ankunft der
Schiffes erfolgen solle.
§. 2399. Ist die Bodmerey nicht ausdrücklich nur auf die
Hin- oder auf die Rückreise, oder auf beyde zusammengeschlossen: so muß, bey
verbodmeten Waaren, die Zahlung an dem in der Charte Partie oder im
Connossemente bemerkten Bestimmungssorte geschehen.
§. 2400. Ist in einem solchen Falle das Schiff allein
verbodmet: so wird der Contrakt auf die Hin- und Herreise gezogen.
§. 2401. Doch muß die Bodmereyschuld sogleich bezahlt
werden, wenn das Schiff binnen Zwey Monathen die Retourreise ohne
unverschuldete Hinderungen nicht angetreten hat.
§. 2402. Sind Schiff und Waaren zugleich ohne weitere
Bestimmung verbodmet: so haften dem Bodmereygeber die in Sicherheit gebrachten
Waaren, wenn gleich das Schiff auf der Rückreise verloren geht.
§. 2403. Eben das findet statt, wenn die Waaren verloren
gehn, und das Schiff gerettet wird.
§. 2404. Für die von den Rhedern geschlossene Bodmerey
haftet der Regel nach nur das Schiff, oder die Schiffspart des einzelnen
Rheders, welcher die Bodmerey geschlossen hat.
§. 2405. Eben so wird, für die von einem Befrachter
geschlossene Bodmerey, nur dessen Antheil an der wirklichen Ladung verhaftet.
§. 2406. Dagegen ist für die vom Schiffer im Nothhafen
genommene Bodmerey Schiff und Ladung zugleich verhaftet, wenn nicht das
Gegentheil im Bodmereybriefe festgesetzt worden.
§. 2407. Der Bodmereygeber hält sich an Schiff und Ladung,
oder welchen Theil derselben er will, so lange bis sein Bodmereybrief
berichtigt ist.
§. 2408. Bodmerey, welche der Rheder in Königlichen Landen
nimmt, muß gleich einer Verpfändung, auf den Original-Schiffsurkunden
verzeichnet werden. (Th. I. Tit. XX. §. 301. sqq.)
§. 2409. Eben so sind bey einer Bodmerey auf Waaren, wenn
sie in hiesigen Landen von dem Eigenthümer derselben, oder dessen
Bevollmächtigten geschlossen wird, die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XX.
§. 376. sqq. zu beobachten.
§. 2410. Ist dies verabsäumt worden: so steht die Bodmerey
den Verpfändungen, bey welchen diese Vorschriften beobachtet sind, ohne
Rücksicht des Alters nach.
§. 2411. Nimmt der Schiffer Bodmerey, es sey in- oder
außerhalb Landes: so ist er schuldig dafür zu sorgen, daß selbige auf den
Schiffsurkunden, und wenn Waaren verbodmet worden, auf dem Connossement gehörig
verzeichnet werde; auch muß er, im letztern Falle, den Empfänger der
verbodmeten Waaren sogleich davon benachrichtigen.
§. 2412. Unterläßt er dies: so haftet er jedem Dritten für
allen daraus entstehenden Schaden.
Pflichten bey Schließung des Contraktes.
§. 2413. Bey Schließung des Bodmerey-Contrakts muß von
beyden Theilen alles dasjenige beobachtet werden, was §. 2024. sqq. dem
Versicherten und dem Versicherer zur Pflicht gemacht ist.
§. 2414. In allen Fällen, da wegen unterlassener Befolgung
dieser Vorschriften, eine Seeversicherung ungültig wird, (§. 2025. 2026. 2030.
2031.) findet auch eben dies bey dem Bodmerey-Contrakte statt.
§. 2415. Hat alsdann der Bodmereynehmer den Fehler begangen:
so muß er die völlige Bodmereyschuld, sammt allen erweislichen Kosten bezahlen.
§. 2416. Ist aber der Fehler von Seiten des Bodmereygebers
vorgefallen: so verliert er, zur Strafe, das gegebene Darlehn, und der Nehmer
muß selbiges, nebst Zinsen, vom Tage des Empfanges, zur Armencasse bezahlen.
Vom Ristorno.
§. 2417. In allen den Fällen, da bey Seeversicherungen das
Ristorno zugelassen ist §. 2007. 2136. 2139. 2141. 2202. und 2337. findet
selbiges auch bey der Bodmerey statt.
§. 2418. Bedient der Nehmer sich desselben: so muß er das
erhaltene Darlehn, nebst Sechs Procent Zinsen vom Tage des Empfanges, und der
verursachten Kosten, wohin auch die Kosten der von dem Geber über die Bodmerey
etwa genommenen Versicherung gehören, erstatten.
§. 2419. Sollte der Bodmereynehmer bloß unter Vorspiegelung
einer zu machenden Reise oder Versendung, Geld zu erhalten gesucht haben: so
muß er außerdem die bedungene Bodmereyprämie, in soweit selbige die
gewöhnlichen Zinsen übersteigt, an die Schiffs-Armencasse zur Strafe erlegen.
§. 2420. Wird das Ristorno von dem Geber ausgeübt: so erhält
er bloß das Darlehn ohne Zinsen und Kosten zurück.
§. 2421. In beyden Fällen bleibt ihm, bis zur erfolgenden
Zahlung, die verbodmete Sache eben so verhaftet, als wenn der Contrakt nicht
rückgängig geworden wäre.
Pflichten des Nehmers nach geschlossenem Contrakte.
§. 2422. Auch nach geschlossenem Contrakte liegt dem Nehmer
alles dasjenige ob, was §. 2117. sqq. dem Versicherten zur Pflicht gemacht
worden.
§. 2423. Hat er davon etwas verabsäumt: so wird der Geber
von der übernommenen Seegefahr frey, und es muß demselben die völlige
Bodmereyschuld bezahlt werden, wenn gleich die verbodmete Sache ganz oder zum
Theil verunglückte.
§. 2424. Wird durch das Ristorno die auf Ladung geschlossene
Bodmerey nur zum Theil rückgängig: so finden die Vorschriften des §. 2418. und
2420. nach Verhältniß der zurückgebliebenen, gegen die abgegangenen Waaren,
Anwendung, und es haften, bis zur erfolgenden Zahlung, dem Geber sowohl die
zurückgebliebenen, als die abgegangenen Waaren.
§. 2425. Der Geber haftet für die Seegefahr der verbodmeten
Sache gleich einem Versicherer, und es finden sowohl wegen der Zeit, als wegen
der Art dieser Gefahr die Vorschriften des §. 2180-2190. und 2209-2234.
Anwendung, in so fern im Bodmereybriefe keine ausdrückliche Ausnahme
festgesetzt worden.
§. 2426. Ist die verbodmete Sache durch die nach §. 2209.
sqq. zu beurtheilende Seegefahr ganz verloren gegangen: so erlöscht der
Anspruch des Bodmereygebers.
§. 2427. Ist sie aber nur zum Theil verunglückt: so hängt es
von der Wahl des Nehmers ab: die Bodmereyschuld zu bezahlen, oder dem Geber die
verbodmete Sache zu seiner Befriedigung zu überlassen.
§. 2428. Wählt er das Letztere: so muß er, bey einer auf das
Schiff genommenen Bodmerey, auch die vorhandenen Geräthschaften, Ammunition,
Lebensmittel, und die Fracht der letzten Reise, dem Bodmereygeber abtreten.
§. 2429. Auch muß er in jedem Falle dem Bodmereygeber den
Vortheil aus der über die verbodmete Sache nach §. 2378. etwa besonders
erhaltenen Versicherung überlassen.
§. 2430. Dagegen muß der Bodmereygeber, wenn er sich an den
verbliebenen Werth der verbodmeten Sache hält, den Beytrag zur großen Haverey
mit übernehmen.
§. 2431. Es ist nicht erlaubt, das Gegentheil zu verabreden.
§. 2432. Ist der Unfall durch Versehen des Schiffers, oder
seines Volks veranlaßt worden: so kann sich der Bodmereygeber auf Ladung an den
Schiffer; bey dessen Unvermögen aber an das Schiff selbst halten.
§. 2433. Haben die Rheder unmittelbar, oder die Befrachter,
oder deren Bevollmächtigte, durch Beladung des Schiffes mit verbotenen Waaren,
oder sonst durch ihre Schuld, den Verlust oder Schaden veranlaßt: so kann der
Bodmereygeber von ihnen den Ausfall an der völligen Bodmereyschuld, nebst
Zinsen und Kosten fordern.
§. 2434. Der Bodmereygeber kann auch in gleicher Art gegen
jeden, durch dessen Schuld das Schiff beschädigt oder verloren worden, auf
Entschädigung klagen.
§. 2435. Wenn verbodmete Waaren bloß durch innern Verderb
oder Abschlag des Preises Schaden und Verlust leiden: so kann der Eigenthümer
sich durch Abtretung derselben nicht befreyen: sondern ist schuldig, die
völlige Bodmereyschuld zu bezahlen,
Erfüllung des Bodmereycontrakts.
§. 2436. Ist die verbodmete Sache unbeschädigt an dem Orte
ihrer Bestimmung angekommen; oder will der Nehmer die beschädigte Sache nach §.
2427. dem Geber nicht abtreten: so muß er zu der im Bodmereybriefe
festgesetzten, oder nach §. 2398. sqq. zu bestimmenden Zahlungszeit, die
Bodmereyschuld sogleich baar entrichten.
§. 2437. Auch ist er, von dieser Zeit an, verbunden, davon
die unter Kaufleuten üblichen Zinsen zu entrichten.
§. 2438. Hat der Schiffer die Bodmerey selbst geschlossen;
oder ist ihm dieselbe bekannt gemacht worden: so muß er, ohne Einwilligung des
Gebers, die verbodmeten Waaren nicht eher verabfolgen, als bis die
Bodmereyschuld bezahlt, oder deshalb hinreichende Sicherheit bestellt worden;
widrigenfalls er dem Geber für allen daraus entstehenden Schaden haftet.
§. 2439. Bey ausbleibender Zahlung ist der Bodmereygeber
berechtigt, sogleich den öffentlichen gerichtlichen Verkauf der verbodmeten
Sache zu verlangen.
§. 2440. Hat er die §. 2408. und 2409. angegebenen
Vorsichten beobachtet: so kann sich der Bodmereygeber auch nach Vorschrift des
Ersten Theils Tit. XX. §. 119. an den Dritten Besitzer der verbodmeten Sache
halten.
§. 2441. Sind aber diese Vorsichten nicht beobachtet worden:
so findet der Anspruch wider den Dritten Besitzer nur in so weit statt, als
dieser entweder vor Erlangung des Besitzes von der darauf haftenden Bodmerey
gewußt, oder vor geschehener Anmeldung des Bodmereygebers den Eigenthümer noch
nicht vollständig befriedigt hat.
§. 2442. Ein Bodmereynehmer, welcher die verbodmete Sache,
vor Befriedigung des Gebers, ohne dessen Einwilligung veräußert, oder denselben
auf andere Art vorsätzlich in Schaden gebracht hat, haftet für dessen
vollständige Befriedigung, und soll als Betrüger bestraft werden.
Verjährung.
§. 2443. Hat der Bodmereygeber seine Forderung innerhalb
Jahresfrist nach eingetretenem Zahlungstermine nicht gehörig eingeklagt: so ist
sein dingliches Recht auf die verbodmete Sache und deren Vorzug erloschen.
§. 2444. Das persönliche Recht gegen den Bodmereyschuldner
verbleibt ihm jedoch, bis zum Ablaufe der gewöhnlichen Verjährungsfrist.
Priorität zwischen mehrern Bodmereyforderungen.
§. 2445. Ist wegen derselben Sache mit Mehrern Bodmerey
geschlossen worden: so hat diejenige welche der Schiffer im Nothhafen genommen
hat vor allen vorhergehenden den Vorzug.
§. 2446. Von mehrern durch den Schiffer auf derselben Reise
im Nothhafen geschlossenen Bodmereyen, gebt die jüngste der ältern vor.
§. 2447. Diesen folgen, nach Ordnung der Zeit, diejenigen
Bodmereygläubiger, welche die §. 2408. und 2409. bemerkten Vorsichten
beobachtet haben.
§. 2448. Alle übrige Bodmereyforderungen haben ohne
Unterschied der Zeit, gleiche Rechte.
§. 2449. Sie theilen sich also, bey entstehender
Unzulänglichkeit der verbodmeten Sache, nach Verhältniß ihrer
Bodmereyforderungen an Capital, einjährigen Zinsen, und Kosten.
§. 2450. In wie fern dem Einen oder Andern, wegen
erweislicher Verwendung zum Besten der verbodmeten Sache, ein besonderer Vorzug
zukomme, ist nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. XX. §. 318. zu beurtheilen.
§. 2451. Sind, außer den Bodmereyforderungen, noch andere
Gläubiger vorhanden: so wird die Priorität nach Vorschrift des Ersten Theils,
Tit. XX. §. 321. sqq. bestimmt.
Fünfzehnter Abschnitt
Von Fuhrleuten
§. 2452. Die Inhaber öffentlicher Landkutschen, welche der
Staat bestellt oder besonders privilegirt hat, um Reisende oder Sachen
fortzuschaffen, werden Rhedern; und diejenigen, denen sie die Führung der
Kutsche anvertraut haben, Schiffern gleich geachtet.
§. 2453. Dergleichen Landkutscher müssen, also für alle
Waaren und Sachen haften, die ihnen, und ihren dazu bestellten Leuten, zur
Fortschaffung und Ablieferung an einen gewissen Ort übergeben worden.
§. 2454. Von dieser Verbindlichkeit können sie sich, gleich
den Rhedern, durch Abtretung des Wagens, der Pferde und deren Zubehör,
ingleichen der Frachtgelder, befreyen; wenn nicht solche Umstände vorhanden
sind, da eine Herrschaft, nach Vorschrift des ersten Theils, Tit. VI. §. 61.
sqq., auch für die unerlaubten Handlungen ihrer Dienstboten einstehen muß.
§. 2455. In Absicht der Verhaftung für die Geldstrafen,
wegen der von ihren Knechten begangenen Accise- und Zolldefraudationen, finden
die Vorschriften des §. 515. sqq. Anwendung.
§. 2456. Zwischen den Inhabern der Landkutsche und den von
ihnen bestellten Kutschern oder Fuhrleuten, waltet eben das Verhältniß ob, als
zwischen Rhedern und Schiffern.
§. 2457. In Absicht der Inhaber solcher Fähren, welche zum
Uebersetzen der Reisenden bestimmt sind, finden gleiche Grundsätze statt.
§. 2458. Das Verhältniß zwischen Privatfuhrleuten,
ingleichen Fußboten, und denjenigen, welche sie gedungen haben, ist nach den
Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. Sect. VIII. §. 869-920. zu
beurtheilen.
§. 2459. Dergleichen Fuhrleute müssen jedoch allen Verlust
oder Schaden vertreten, welchen sie, oder die von ihnen bestellten Leute, auch
nur durch ein geringes Versehen verursacht haben,
§. 2460. Besonders müssen sie auch für das geringste
Versehen haften, wenn der Schade oder Verlust durch mangelhafte Beschaffenheit
des Fuhrwerks entstanden ist.
§. 2461. Ferner, wenn sie wissentlich Waaren übernommen
haben, bey deren Aufbewahrung und Transport, nach ihrer besondern Natur und
Beschaffenheit, eine vorzügliche Sorgfalt und Vorsicht erfordert wird, und
durch Verabsäumung derselben Schade entsteht.
§. 2462. Ferner alsdann, wenn sie, noch außer der Fracht,
für die Aufsicht über die Waaren eine besondere Belohnung angenommen haben.
§. 2463. In wie fern Fuhrleute verschlossene Briefe oder
Pakete unter Vierzig Pfund mitnehmen können, ist im Vierten Abschnitte des
Fünfzehnten Titels verordnet.
§. 2464. Was Fuhrleute bey hohlen Wegen und engen Pässen,
ingleichen bey dem Ausweichen, zu beobachten haben, wird im Ersten Abschnitte
des Fünfzehnten Titels vorgeschrieben.
Neunter Titel
Von den Pflichten und Rechten des Adelstandes
Bestimmung des Adelstandes.
§. 1. Dem Adel, als dem ersten Stande im Staate, liegt, nach
seiner Bestimmung, die Vertheidigung des Staats, so wie die Unterstützung der
äußern Würde und innern Verfassung desselben, hauptsächlich ob.
Erlangung des Adels;
1). durch Geburt und Heirath;
§. 2. Zum Adelstande werden nur diejenigen gerechnet, denen
der Geschlechtsadel durch Geburt oder Landesherrliche Verleihung zukommt.
§. 3. Durch die Geburt kommt er allen zu, die von einem
adlichen Vater aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugt, oder darin geboren sind.
§. 4. Der Adel wird also durch den Vater fortgepflanzt, auch
wenn die Mutter nicht von Adel ist.
§. 5. Auch das von einem adlichen Vater außer der Ehe erzeugte
Kind, wird durch gesetzmäßige Vollziehung einer Ehe zur rechten Hand mit der
Mutter, ingleichen durch eine derselben gleich zu achtende gerichtliche
Erklärung des Vaters, des Adelstandes theilhaft. (Tit. II. §. 596. 597.)
§. 6. Eben das geschieht, wenn die Mutter durch Urtel und
Recht für die Ehefrau des adlichen Vaters erklärt wird. (Ebend. §. 592.)
§. 7. In wiefern durch Landesherrliche Legitimation, oder
durch Annahme an Kindesstatt, der Adel erlangt werde, ist gehörigen Orts
bestimmt. (Ebend. §. 603. 604. 605. §. 682-685.)
§. 8. Wenn eine Person weiblichen Geschlechts aus einem
niedern Stande, sich mit einer Mannsperson von Adel zur rechten Hand
verehlicht: so erlangt sie dadurch die äußern Rechte des Adels; in so fern
nicht etwa die Ehe selbst nach den Gesetzen für eine Mißheirath zu achten ist.
(Tit. I. §. 30-33. §. 952.)
2) durch Landesherrliche Verleihung.
§. 9. Nur das Oberhaupt des Staats kann einem Unterthan,
welcher den Adel durch die Geburt nicht hat, denselben verleihen.
§. 10. Auch nur ihm allein kommt es zu, jemanden von einer
niedern Stufe des Adels in eine höhere zu erheben.
§. 11. Die vom Landesherrn verliehene Standeserhöhung kommt
auch den alsdann schon vorhandenen Kindern, sie mögen noch unter väterlicher
Gewalt seyn, oder nicht, zu statten; sobald dieselben nicht ausdrücklich
ausgenommen sind.
§. 12. Standeserhöhungen der Frauen und Wittwen haben auf
ihre Kinder keinen Einfluß.
§. 13. Kein Unterthan des Staats soll, ohne Erlaubniß seines
Landesherrn, Standeserhöhungen bey fremden Staaten suchen; oder deren, welche
ihm etwa aus eigner Bewegung von selbigen verliehen werden, in hiesigen Landen
sich bedienen.
§. 14. Niemand, welcher den Adelstand nicht durch Geburt,
oder Landesherrliche Begnadigung, erlangt hat, darf adlicher Prädikate und
Vorrechte sich anmaßen.
§. 15. Eben so wenig darf jemand aus dem niedern Adel Rechte
oder Prädikate der höhern Stufen sich eigenmächtig beylegen.
§. 16. Niemand darf sich eines adlichen Familienwappens
bedienen, welcher nicht zu der Familie gehört, der dieses Wappen entweder
ausdrücklich beygelegt ist, oder die dasselbe von alten Zeiten her geführt hat.
Ausweis des Adels.
§. 17. Die Aufnahme in adliche Ritterorden und Stifter zu
adlichen Stellen; zu Turnieren; zur Ritterbank auf den Landtagen und in den
Collegien; so wie zu adlichen Hofämtern, beweiset den einer Familie zukommenden
Geschlechtsadel.
§. 18. Wer entweder selbst, oder wessen Vorfahren im Jahre
1740 im wirklichen Besitze des Adels sich befunden, und desselben nach der Zeit
nicht verlustig gemacht haben, der soll in seinen adlichen Rechten durch den
Fiscus nicht beunruhigt werden. (Th. I. Tit. IX. §. 641. sqq.)
§. 19. Wer entweder selbst, oder wessen Vorfahren vier und
vierzig Jahre hindurch sich adlicher Prädikate und Vorrechte ruhig bedient, und
also ein ausdrückliches oder stillschweigendes Anerkenntniß des Staats für sich
hat, für den streitet die rechtliche Vermuthung, daß ihm der Geschlechtsadel
wirklich zukomme.
§. 20. Dagegen ist die nur ein- und anderesmal geschehene
Beylegung adlicher Prädikate, in gerichtlichen oder andern öffentlichen
Ausfertigungen, zum Beweise des Geschlechtsadels für sich allein noch nicht
hinreichend.
Von altem und neuem Adel.
§. 21. In Ansehung der wesentlichen Rechte und Eigenschaften
des Adelstandes ist zwischen älterem und neuerem Adel kein Unterschied.
§. 22. Wo aber Statuten, Privilegien, oder das
ununterbrochene Herkommen eines Ordens, Capituls, oder einer andern
Corporation, einen Stifts- oder turniermäßigen Adel erfordern, hat es dabey
auch ferner sein Bewenden.
§. 23. Die im Ahnenbriefe jemanden ertheilte Ahnen werden in
einem solchen Falle der Regel nach nicht mitgezählt.
§. 24. Auch muß, bey Nachweisung der Ahnen, in der Regel die
adliche Geburt der Vorfahren von beyderley Geschlecht dargethan werden.
§. 25. Der zuerst geadelte Vorfahr, so wie seine etwa mit
ihm zugleich in den Adelstand erhobene Descendenten, werden bey der Nachweisung
der Ahnen in der Regel nicht gerechnet.
§. 26. Wie viel Ahnen nachgewiesen, und wie die
Nachweisungen geführt werden müssen, bleibt hauptsachhch der nähern Bestimmung
der Statuten, der wivilegien, und des Herkommens bey einem jeden, Orden, Stifte
oder Corporation überlassen.
§. 27. Wo jedoch hiedurch über die Art der Führung des Nachweises
nichts Gewisses festgesetzt ist, da muß die Ahnentafel hauptsächlich mit
beglaubten Auszügen aus Kirchenbüchern, Tauf- oder Trauungsregistern, belegt
werden.
§. 28. Wo diese, besonders für ältere Zeiten, nicht
herbeygeschafft werden können, da sind für die in der Ahnentafel vorkommenden
Heirathen und Abstammungen, auch Eheberedungen, Erbrezesse, Lehnbriefe, und
andere unverdächtige Familienurkunden, als Beweismittel zuläßig.
§. 29. Was solchergestalt nicht vollständig nachgewiesen
werden kann, mag durch das eidliche Zeugniß, wenigstens Zweyer Personen, von
bekannten ritterbürtigem und stiftsmäßigem Adel, denen von der Familie, in
welcher der Beweis geführt werden soll, nähere Kenntniß beywohnt, ergänzt
werden.
§. 30. In wie fern noch außerdem die eidliche Versicherung
des Beweisführers: daß, nach den ihm bekannten Familiennachrichten, die
vorgelegte Ahnentafel ihre Richtigkeit habe, erforderlich oder zuläßig sey, ist
nach den allgemeinen Grundsätzen vom Beweise zu beurtheilen.
§. 31. So weit eine Ahnentafel aus einer andern entnommen
ist, die eben derselbe Orden, dasselbe Capitul, oder dieselbe Corporation schon
einmal richtig befunden hat, bedarf es darüber keiner besondern Beweisführung.
Vom Personenadel.
§. 32. Die einem Collegio oder einer Corporation von dem
Landesherrn beygelegte oder mit einem Amte verbundene adliche Rechte, können
über die wörtliche Bestimmung des Gnadenbriefes nicht ausgedehnt werden.
§. 33. Dergleichen Rechte werden durch die Geburt nicht
fortgepflanzt.
Vorrechte des Adels.
§. 34. Personen des Adelstandes sind der Regel nach nur dem
höchsten Gerichte in der Provinz unterworfen.
§. 35. Der Adel ist zu den Ehrenstellen im Staate, wozu er
sich geschickt gemacht hat, vorzüglich berechtigt.
§. 36. Doch bleibt dem Landesherrn die Beurtheilung der
Tüchtigkeit, und die Auswahl unter mehrern Bewerbern unbenommen.
§. 37. Nur der Adel ist zum Besitze adlicher Güter
berechtigt.
§. 38. Welches adliche Güter sind, ist durch die besondern
Verfassungen einer jeden Provinz bestimmt.
§. 39. In wie fern zum Besitze solcher Güter, außer dem
Adel, auch noch das Indigenat erfordert werde, hängt ebenfalls von
Provinzialverfassungen ab.
§. 40. Nur der Adel kann Familien-Fideicommisse aus adlichen
Gütern errichten.
§. 41. Adliche Gutsbesitzer sind zur Ausübung der dem Gute
verliehenen Jagdgerechtigkeiten in ihrem eignen Namen berechtigt.
§. 42. Sie können die dem Gute anklebende Gerichtsbarkeit in
ihrem Namen ausüben lassen.
§. 43. Ihnen kommen die mit dem Kirchenpatronate verbundenen
Ehrenrechte zu.
§. 44. Sie müssen also mit ihrer Familie in das Kirchengebet
ausdrücklich eingeschlossen, und die Kirchentrauer, wo dieselbe üblich ist, muß
für sie angelegt werden.
§. 45. Sie mögen nach dem Gute sich nennen, und in Urkunden,
oder bey öffentlichen Gelegenheiten, sich des Besitzes davon als eines
besondern Titels bedienen.
§. 46. Das Recht, in den Versammlungen des Adels auf Kreis-
und Landtagen zu erscheinen, und über die daselbst vorkommenden Angelegenheiten
zu stimmen, gebührt in der Regel nur dem angesessenen Adel.
§. 47. Unadliche Personen sollen bey solchen Versammlungen,
als Stellvertreter oder Bevollmächtigte adlicher Mitglieder, in der Regel nicht
zugelassen werden.
§. 48. Wenn jedoch ein Gutsbesitzer von Adel, während seiner
Abwesenheit, die Besorgung seiner Gutsangelegenheiten überhaupt einem
Generalbevollmächtigten bürgerlichen Standes aufgetragen hat: so kann dieser
auch das Stimmenrecht seines Machtgebers bey Kreis- und Landtagen ausüben.
§. 49. Auch können die Vormünder der Angesessenen von Adel,
ingleichen die Deputirte der Magisträte, welche adliche Cämmereygüter besitzen,
wenn sie gleich für ihre Personen zum Bürgerstande gehören, von solchen
Versammlungen nicht ausgeschlossen werden.
§. 50. Unadliche Besitzer adlicher Güter sind, wenn sie auch
in Person nicht erscheinen, dennoch ihr Stimmenrecht, von einem Falle zum
andern Adlichen aufzutragen berechtigt.
Von bürgerlichen Besitzern adlicher Güter.
§. 51. Personen bürgerlichen Standes können, ohne besondere
Landesherrliche Erlaubniß, keine adliche Güter besitzen.
§. 52. Eine Frau von bürgerlicher Herkunft, die mit einem
Adlichen eine Ehe zur rechten Hand geschlossen hat, kann zwar, so lange diese
Ehe dauert, oder so lange sie nach des Mannes Tode sich nicht wieder an einen
Unadlichen verheirathet, adliche Güter besitzen.
§. 53. Auch hat eine geschiedene, nicht für den schuldigen
Theil erklärte Frau, in diesem Stücke mit einer Wittwe gleiche Rechte.
§. 54. Eine solche Frau (§. 52. 53.) kann aber den Besitz
ihrer Güter an ihre unadliche Verwandten auch von Todeswegen nicht übertragen.
(§. 68. sqq.)
§. 55. Tritt sie durch anderweitige Heirath, oder sonst, aus
dem adlichen Stande wieder heraus: so kann sie zwar die bis dahin schon
erworbenen adlichen Güter behalten; den Besitz neuer aber nicht erwerben.
§. 56. Eine Person von adlicher Geburt, die sich an einen
Unadlichen verheirathet, behält nur das Recht zum Besitze solcher adlichen
Güter, die ihr schon vor der Heirath gehört haben, oder ihr nach derselben
durch Erbgangsrecht zufallen.
§. 57. Aber auch diese Fähigkeit zum Besitze solcher Güter,
geht auf ihre Verwandten vom Bürgerstande, selbst auf ihre Abkömmlinge nicht
über.
§. 58. Hat der Landesherr einem Bürgerlichen Concession zum
Besitze eines adlichen Guts ohne dessen Benennung ertheilt: so gilt dieselbe
nur auf dasjenige Gut, bey welchem davon zuerst Gebrauch gemacht worden.
§. 59. Bürgerliche Besitzer adlicher Güter erhalten die mit
diesem Besitze sonst verbundenen persönlichen Ehrenrechte nur in so fern, als
dieselben in der ertheilten Concession ausgedrückt sind. (§. 41-50.)
§. 60. Bürgerliche Besitzer können den Besitz ihrer adlichen
Güter an andere Personen bürgerlichen Standes, ohne besondre Concession, nicht
übertragen.
§. 61. In wie fern die Fähigkeit zum Besitze derselben auf
ihre bürgerlichen Anverwandten übergehe, muß lediglich nach dem Inhalte ihrer
Concession beurtheilt werden.
§. 62. Ist ihnen die Concession bloß in allgemeinen
Ausdrücken für sich und ihre Erben verliehen: so sind darunter bloß
Descendenten des Ersten Erwerbers zu verstehen.
§. 63. Doch ist die Wittwe eines solchen Gutsbesitzers das
adliche Gut des Mannes, so lange sie ihren Wittwenstand nicht ändert, zu besitzen
fähig.
§. 64. Nehmen Erben adlichen und bürgerlichen Standes an
einem Nachlasse Theil: so haben erstere auf den Besitz des dazu gehörenden
adlichen Guts ein vorzügliches Recht.
§. 65. Dem adlichen Miterben muß also das Gut, wenn er dafür
eben so viel, und unter gleichen Zahlungsbedingungen, als der bürgerliche
bietet, vor diesem zugeschlagen werden.
§. 66. Dies Vorrecht kommt auch der zwar bürgerlich
gebornen, aber durch Heirath in den Adelstand übergegangnen Miterbin, wenn sie
sich in diesem Stande noch befindet, ingleichen den durch sie zur Erbfolge
mitgelangenden adlichen Abkömmlingen derselben zu.
§. 67. Auch durch letzwillige Verordnung kann der Erblasser
den bürgerlichen Miterben kein Vorrecht zum Besitze des Guts, zum Nachtheile
der Adelichen beylegen.
§. 68. Sind unter den Erben keine zum Besitze fähige
Personen: so muß das Gut innerhalb Jahresfrist, vom Todestage an gerechnet, an
einen adlichen Besitzer aus freyer Hand überlassen werden.
§. 69. Geschieht dieses nicht: so muß das Gut, auf den Antrag
des Fiskus, durch gerichtliche nothwendige Subhastation an einen adlichen
Besitzer gebracht werden.
§. 70. Dabey gilt, auch wegen des Zuschlags, alles, was bey
gerichtlichen nothwendigen Subhastationen überhaupt verordnet ist.
§. 71. Uebrigens finden alle in Vorstehendem enthaltene
Einschränkungen der bürgerlichen Besitzer adlicher Güter nur auf diejenigen
Anwendung, welche dergleichen Güter erst nach den in jeder Provinz ergangenen
besondern Einschränkungsgesetzen, oder erst nach dem 18ten Februar 1775
erworben haben.
Einschränkungen des Adels:
a) bey dem Besitze von bürgerlichen u. bäuerlichen
Grundstücken;
§. 72. In wie fern Adliche bürgerliche Grundstücke erwerben
und besitzen können, ist im vorigen Titel verordnet.
§. 73. Nur unter ausdrücklicher Genehmigung der
Landes-Polizeybehörde, können Personen von Adel Rustikalgründe als eigne für
sich bestehende Güter erwerben.
§. 74. Wegen der Einziehung einzelner Rustikalgrundstücke zu
adlichen Gütern, hat es bey den Vorschriften des Siebenten Titels §. 14. 15.
16. sein Bewenden.
§. 75. In allen Fällen, wo Adlichen der Besitz von
Rustikalgrundstücken verstattet wird, müssen sie die auf selbigen haftenden
dinglichen Lasten und persönlichen Leistungen vertreten.
b) bey bürgerlichen Nahrungen und Gewerben.
§. 76. Adliche sollen in der Regel keine bürgerliche Nahrung
und Gewerbe treiben.
§. 77. Wo die Handlung im Großen an keine Gilde gebunden
ist, kann auch ein Adlicher dergleichen Gewerbe unternehmen.
§. 78. Bey einem Adlichen, welcher ein solches Gewerbe in
einer Stadt treibt, finden die Vorschriften des Achten Titels §. 60 sqq.
Anwendung.
§. 79. In geschlossene Kaufmannsinnungen soll, der Regel
nach, kein Adlicher ohne besondre Landesherrliche Erlaubniß aufgenommen werden.
Besondere Rechte und Pflichten des Adels.
§. 80. Besondre Rechte und Pflichten des Adels, theils als
ganzer Stand betrachtet, theils der einzelnen Mitglieder desselben, in
Rücksicht auf ihre Person und Vermögen, sind nach Verschiedenheit der Provinzen
durch besondere Gesetze und Verfassungen bestimmt.
Verlust des Adels.
§. 81. Wer mit Verschweigung oder Verläugnung seines
adlichen Standes, in eine Zunft oder Innung sich einschleicht, und bürgerliche
Gewerbe treibt, der wird seiner adlichen Rechte verlustig.
§. 82. Noch mehr findet dieses statt, wenn jemand von
adlicher Geburt eine unehrbare, oder auch nur eine solche Lebensart wählt,
wodurch er sich zu dem gemeinen Volke herabsetzt.
§. 83. Wer sich von jemand niedern Standes an Kindesstatt
annehmen läßt, und dabey seinen adlichen Namen verändert, kann ohne besondre
Dispensation des Landesherrn den Adel nicht beybehalten.
§. 84. Personen weiblichen Geschlechts verlieren die
persönlichen Vorrechte des Adels, wenn sie durch Verheirathung mit einem
Unadlichen ihren Geschlechtsnamen ändern.
§. 85. Auch nach getrennter Ehe treten sie, der Regel nach,
in den Adelstand nicht wieder zurück.
§. 86. Ist jedoch die Frau bey der Trennung der Ehe durch
richterliches Erkenntniß nicht für den schuldigen Theil erklärt worden: so
steht ihr frey, in ihren angebohrnen Adelstand wieder einzutreten. (Tit. I. §.
738-742.)
§. 87. Wenn eine Person adlicher Geburt, nachdem ihre Ehe
mit einem Bürgerlichen durch den Tod, oder durch richterliches Erkenntniß
getrennt worden, wiederum einen Adlichen zur rechten Hand heirathet: so kann
ihren Abkömmlingen aus dieser Ehe, wegen der vormaligen Heirath derselben mit
einem Bürgerlichen, auch in Ansehung der Rechte des alten Adels, in der Regel
keine Ausstellung gemacht werden. (§. 90.)
§. 88. Wird die Ehe einer Person von adlicher Geburt mit
einem Bürgerlichen für nichtig erklärt: so kann sie ihren adlichen Stand und
Familiennamen wieder annehmen.
§. 89. Ist sie aber für den schuldigen Theil erklärt: so
kann sie daraus, durch Zurücktretung in den Adelstand, keinen Vortheil ziehen.
§. 90. Ist die Person adlicher Herkunft, welche einen
Bürgerlichen geheirathet hatte, bey der Trennung und Nichtigkeitserklärung
dieser Ehe ausdrücklich für den schuldigen Theil erkannt worden: so kann
dieselbe, wenn sie hiernächst wieder einen Adlichen heirathet, zum Besten der
Abkömmlinge aus dieser spätern Ehe, unter den weiblichen Ahnen nicht
mitgerechnet werden.
§. 91. Wegen grober Verbrechen kann jemand des Adels durch
richterliches Erkenntniß entsetzt werden.
§. 92. In welchen Fällen darauf erkannt werden müsse,
bestimmen die Criminalgesetze.
§. 93. Diese Strafe trifft die Kinder, welche vor dem
Erkenntnisse schon vorhanden gewesen sind, nur in denjenigen Fällen, wo es die
Gesetze ausdrücklich vorschreiben.
§. 94. Durch den bloßen Nichtgebrauch adlicher Rechte und
Titel geht der Adel selbst nicht verloren.
§. 95. Wenn eine adliche Familie sich in zwey
Geschlechtsfolgen ihres Adels nicht bedient hat: so muß derjenige, welcher
davon wieder Gebrauch machen will, sich bey dem Landes-Justizcollegio der
Provinz melden, und seine Befugniß dazu nachweisen.
Erneuerung des Adels.
§. 96. Wer entweder selbst, oder wessen Vorfahren den
Adel verloren haben, der kann die Erneuerung desselben bey dem Landesherrn
nachsuchen.
§. 97. Durch die
Erneuerung des Adelstandes werden die besondern Vorrechte des alten Adels, ohne
ausdrückliche Erklärung des Landesherrn nicht wieder hergestellt. (§. 22.)
§. 98. Ein durch Verbrechen verwirkter Adel kann in der
Person des Verbrechers nicht erneuert werden.
§. 99. Nicht durch bloße Begnadigung des Verbrechers, wohl
aber durch gänzliche Aufhebung und Niederschlagung der Untersuchung (Abolition)
wird der Adel erhalten.
§. 100. Der Landesherr kann zwar, zum Besten der von dem
Verbrecher nach der Verwürkung des Adels erzeugten Kinder, den alten Adel
derselben wieder herstellen; es wird aber alsdann in Fällen, wobey es auf
Zählung der Ahnen ankommt, der Verbrecher nicht mitgerechnet.
Zehnter Titel
Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staats
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Militair- und Civilbediente sind vorzüglich bestimmt,
die Sicherheit, die gute Ordnung, und den Wohlstand des Staats unterhalten und
befördern zu helfen.
§. 2. Sie sind, außer den allgemeinen Unterthanenpflichten,
dem Oberhaupte des Staats besondre Treue und Gehorsam schuldig.
§. 3. Ein jeder ist nach der Beschaffenheit seines Amtes,
und nach dem Inhalte seiner Instruktion, dem Staate noch zu besondern Diensten
durch Eid und Pflicht zugethan.
I. Militairbediente.
Gesetze, nach welchen sie zu beurtheilen sind.
§. 4. Die besondern Pflichten des Soldatenstandes sind
hauptsächlich durch die Kriegsartikel, und andre dahin einschlagende
Verordnungen festgesetzt.
§. 5. Ober- und Unterofficiers von adlicher Herkunft sind,
in ihren persönlichen Privatangelegenheiten, eben den Gesetzen unterworfen, wie
der Adel der Provinz, in welcher sie ihr Standquartier haben.
§. 6. Oberofficiers von. bürgerlicher Herkunft werden in
dergleichen Angelegenheiten nach den Rechten der Eximirten in der Stadt, wo sie
ihr Standquartier haben, beurtheilt.
§. 7. Unterofficiers aus dem Bauer- oder Bürgerstande,
ingleichen gemeine Soldaten, stehen unter den Rechten des Orts, wo das Regiment
oder Corps, zu welchen sie gehören, sein gewöhnliches Standquartier hat.
§. 8. In Fällen, wo es auf die äußere Form, oder
Feyerlichkeit einer Handlung ankommt, haben dergleichen Unterofficiers und
Soldaten, auch wenn sie eine solche Handlung an dem Orte ihres Standquartiers
vornehmen, die Wahl: ob sie den Statuten, oder den Vorschriften des gemeinen
Rechts folgen wollen.
§. 9. Beurlaubte werden, auch in ihren persönlichen
Angelegenheiten, welche den Kriegesdienst nicht betreffen, nach den Rechten
desjenigen Orts, wo sie während der Urlaubzeit sich gewöhnlich aufhalten,
beurtheilt.
§. 10. Doch wird dadurch ihr persönlicher Gerichtsstand
selbst in der Regel nicht verändert.
§. 11. Bey Militairpersonen überhaupt, die noch unter
väterlicher Gewalt stehen, gelten, ihres privilegirten Gerichtsstandes
ungeachtet, in Ansehung ihrer persönlichen Privatangelegenheiten, eben die
Gesetze, welchen ihr Vater unterworfen ist.
§. 12. Alle Militairpersonen werden nach den ihnen hier
beygelegten Rechten beurtheilt, wenn sie auch auf dem Marsche, im Lager, in
Cantonirungs- oder Winterquartieren, in Garnison während des Krieges, oder auf
Werbung sich befinden.
§. 13. Alle Militairpersonen ohne Unterschied sind, in
Ansehung ihrer inne habenden Grundstücke, und ihrer darauf sich beziehenden
Handlungen und Pflichten, den Rechten uad dem Gerichtsstande, unter welchen die
Grundstücke liegen, unterworfen.
§. 14. Officiers, welche zur Landmiliz, oder andern nicht
beständig stehenden Corps gehören, haben die Rechte der Eximirten in der
Provinz; Unterofficiers und Gemeine hingegen sind den Beurlaubten gleich zu
achten.
§. 15. Invaliden, die dem Regimente noch obligat, oder noch
in ein Corps versammelt sind, werden als wirkliche Soldaten; alle andere
Invaliden aber als Verabschiedete angesehen.
Besondere Rechte der Militairpersonen:
§. 16. Militairpersonen haben sich eines privilegirten
persönlichen Gerichtsstandes zu erfreuen.
§. 17. Sie sind der Regel nach von allen persönlichen Lasten
und Pflichten der übrigen Bürger des Staats frey.
§. 18. Ausnahmen von dieser Regel sind durch besondre
Verordnungen bestimmt.
§. 19. Als Besitzer von Grundstücken müssen sie alle mit
diesem Besitze verbundene Lasten tragen.
§. 20. Militairpersonen sollen in die Rechte des
Civilstandes keinen Eingriff thun.
in Ansehung der bürgerlichen Gewerbe;
§. 21. Sie dürfen für sich selbst keine andre bürgerliche
Nahrung treiben, als die ihnen nach der besondern Polizeyverfassung jedes Orts,
unter Genehmigung des Regimentschefs, ausdrücklich zugelassen ist.
§. 22. Auch können überhaupt gemeine Soldaten als Gesellen
bey andern Meistern arbeiten.
§. 23. Haben sie vor Antritt der Kriegesdienste das
Meisterrecht selbst gewonnen: so können sie, auch während derselben, unter
Genehmigung ihres Chefs, ihr Gewerbe fortsetzen.
§. 24. Außer der Einwilligung des Chefs wird in beyden
Fällen (§. 22. 23.) auch die Genehmigung der bürgerlichen Polizeyobrigkeit des
Orts erfordert.
§. 25. Dergleichen ein bürgerliches Gewerbe treibende
Militairpersonen (§. 23.) müssen alle bürgerliche Lasten und Pflichten tragen,
sich zur Zunft halten, und in Handwerks- Polizey- Servis- und
Einquartirungs-Sachen, der Obrigkeit des Orts Folge leisten.
§. 26. In wie fern dergleichen Militairpersonen in
persönlichen Rechtsangelegenheiten, welche auf ihr Gewerbe Beziehung haben, den
Regiments- oder den ordentlichen Civilgerichten des Orts unterworfen sind, wird
in der Prozeßordnung bestimmt.
in Ansehung der Grundstücke.
§. 27. Den Unterofficiers und Soldaten sollen, so lange sie
in wirklichen Kriegesdiensten stehen, weder bürgerliche Grundstücke und Häuser,
noch Ackerwirthschaften, ohne ausdrückliche Genehmigung des Regimentschefs
übergeben werden.
§. 28. So lange dieser Consens nicht beygebracht ist, darf
kein Richter den Erwerbungsvertrag einer solchen Militairperson bestätigen;
noch ihren Besitztitel im Hypothekenbuche vermerken; noch auch dieselbe bey
gerichtlichen Licitationen zum Mitgebothe zulassen.
§. 29. Keine Gutsherrschaft ist schuldig, eine solche
Militairperson zu einer unterthänigen Stelle, von welcher Naturaldienste zu
leisten sind, als Käufer und Gewährmann anzunehmen.
§. 30. Dagegen können auch Unterofficiere und gemeine
Soldaten alle Grundstücke, welche sie bey dem Eintritte in die Kriegesdienste
bereits inne hatten, ferner besitzen.
§. 31. Auch können sie von der Uebernehmung solcher
Grundstücke, die ihnen während des Soldatenstandes durch Erbschaft,
Vermächtniß, Schenkung, oder Heirath zufallen, nicht ausgeschlossen werden.
§. 32. Sind ihnen dergleichen Grundstücke nur mit andern
Miterben gemeinschaftlich zugefallen: so finden, wenn sie dieselben als ihr
alleiniges Eigenthum übernehmen wollen, die Vorschriften §. 27. 28. 29.
Anwendung.
§. 33. In allen Fällen müssen Militairpersonen, welche
Grundstücke besitzen, nicht nur die darauf haftenden Abgaben entrichten,
sondern auch die damit verbundenen persönlichen Prästationen gleich andern
leisten. (§. 19.)
§. 34. Werden sie, letzteres selbst zu thun, durch ihre
Kriegsdienste verhindert: so müssen sie dazu für sich andre taugliche Personen
stellen.
§. 35. Ihre Grundstücke können Unterofficiers und Soldaten,
ohne schriftliche unter dem Regimentssiegel ertheilte Einwilligung des Chefs
oder Commandeurs, nicht veräußern, noch verpfänden.
in Ansehung der Capitalien und Erbschaften;
§. 36. Capitalien und
Erbschaften sollen ihnen, ohne gleichmäßigen Erlaubnißschein des Chefs oder Commandeurs,
nicht in die Hände gegeben werden.
§. 37. Veräußerungen und Verpfändungen, bey welchen die
Vorschrift des §. 35. nicht beobachtet worden, sind nichtig.
§. 38. Zahlungen, die ohne den §. 36. vorgeschriebenen
Consens geleistet worden, können nur den Empfängern selbst, oder deren Erben,
nicht aber einem Dritten, und am wenigsten dem Regimente, oder der
Invalidencasse, die an ihr Vermögen Anspruch zu machen haben, entgegen gesetzt
werden.
§. 39. Ueber die Zinsen der Capitalien, und die Einkünfte
der Grundstücke, können auch Unterofficiers und gemeine Soldaten frey verfügen.
in Ansehung anderer Geschäfte;
§. 40. Auch bey der Einnahme von ihrem übrigen Gewerbe sind
sie keinen besondern Einschränkungen unterworfen.
§. 41. Die besondern Rechte der Militairpersonen in Ansehung
der Verjährung, des Schuldenmachens, der letztwilligen Verordnungen, ihrer
Heirathen, und der Bevormundung ihrer Kinder, sind gehörigen Orts bestimmt. (Th.
I. Tit. IX. §. 522. Tit. XL §. 678-703. T't. XII. §.
177. sqq. Th. II. Tit. I. §. 34. 35. 950. Tit. XVIII. Abschn II.)
§. 42. Von der Aussetzung der Prozesse gegen
Militairpersonen bey ausgebrochenem Kriege, ingleichen von der den
Unterofficiers und Gemeinen zu statten kommenden Sportulfreyheit, handelt die
Prozeßordnung.
Weiber und Kinder der Militairpersonen.
§. 43. Weiber und Kinder der Unterofficiers und Soldaten,
welche sich bey ihren Männern oder Vätern in der Garnison nicht aufhalten,
bleiben unter dem Gerichtsstande ihres Wohnorts.
§. 44. Doch finden in Ansehung der Weiber die §. 27-36.
bestimmten Einschränkungen, wie bey den Männern, statt.
§. 45. Rechtsangelegenheiten solcher Weiber mit ihren
Männern gehören, wenn auch die Frau ihrem Manne in die Garnison nicht gefolgt
ist, dennoch vor den Gerichtsstand des Mannes.
§. 46. Weiber, die den Männern in die Garnison gefolgt sind,
behalten den privilegirten Gerichtsstand, und die Rechte desselben, so lange
der Mann lebt, und noch wirklich zum Soldatenstande gehört.
§. 47. Ist die Ehe einer Militairperson durch richterliches
Erkenntniß getrennt, oder aufgehoben worden: so steht die Frau, wenn sie auch
sonst nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen den Stand und Rang des Mannes
beybehält, dennoch nicht mehr unter der Militair-, sondern unter derjenigen
Civilgerichtsbarkeit, welcher der Mann, wenn er den Abschied erhalten hätte,
unterworfen seyn würde.
Cantonisten.
§. 48. Cantonisten, die bey dem Regimente noch nicht
einrangirt und verpflichtet sind, gehören noch nicht zum Soldatenstande.
§. 49. Doch dürfen sich dergleichen Leute, ohne Vorwissen
des Landraths oder Magistrats des Orts, nicht aus ihrer Heirath; und ohne
Vorwissen der Cammer, nicht aus der Provinz entfernen.
§. 50. Haben sie es dennoch gethan; und können sie
erforderlichen Falls auch von ihren Aeltern und Verwandten nicht gestellt, oder
nachgewiesen werden: so entsteht daraus die rechtliche Vermuthung wider sie,
daß sie, um dem Kriegsdienste sich zu entziehn, aus dem Lande gegangen sind.
§. 51. Wenn Cantonisten ohne Erlaubniß des Regiments, bey
welchem sie eingeschrieben sind, eine Lebensart, die mit ihrer Bestimmung zu
künftigen Kriegsdiensten nicht bestehen kann, ergriffen haben, so können sie
sich damit, gegen die wirkliche Uebernehmung der Kriegsdienste, sobald sie dazu
aufgefordert werden, nicht entschuldigen.
§. 52. Welche Classen der Einwohner des Staats zu den
Cantonisten gehören; und was in diesen Classen für Entschuldigungsursachen von
wirklichen Kriegsdiensten statt finden, ist in den Cantonsreglements verordnet.
Kriegsbeamte.
§. 53. Beamte, die zwar nicht zu wirklichen Kriegsdiensten,
aber doch zum Kriegswesen bey der Armee, oder in der Garnison verpflichtet
sind, gehören zum Soldatenstande.
§. 54. Ob sie die Rechte der Ober- oder Unterofficiers
haben, bestimmt der Rang, der ihnen bey der Armee angewiesen ist.
§. 55. Sie sind jedoch den Kriegsartikeln nicht unterworfen;
in so fern diese nur für diejenigen Militairpersonen gegeben sind, welche zur
Fahne zu schwören pflegen.
§. 56. Die beym Kriegswesen verpflichteten niedern Beamten
und Knechte werden, so lange sie im Solde stehen, den gemeinen Soldaten
gleichmachtet.
Gesinde.
§. 57. Das Gesinde der Militairpersonen steht zwar unter der
Militairgerichtsbarkeit;
§. 58. Es ist aber den Gesetzen des Standquartiers in allen
seinen persönlichen Angelegenheiten unterworfen.
§. 59. Die davon für den Militairstand gemachten Ausnahmen,
in Ansehung der Testamente und sonst, kommen dem Gesinde nur in so fern zu, als
Abwesenheit oder Entfernung von ordentlich besetzten Civilgerichten dergleichen
Ausnahmen nothwendig machen.
Andre Personen, die dem Lager folgen.
§. 60. Andre Personen, welche dem Lager folgen, ohne zum
Kriegswesen verpflichtet zu seyn, gehören nicht zum Soldatenstande;
§. 61. Sie stehen aber unter der Militairgerichtsbarkeit, so
lange sie bey der Armee sich befinden.
§. 62. Sind dergleichen Personen bey gewissen Regimentern,
oder andern Kriegscorps, bey Feldlazarethen, Feldmagazinen, und Bäckereyen u.
s. w. ordentlich angestellt: so haben sie nach Beschaffenheit ihres Ranges mit
den §. 53. 56. beschriebenen Bedienten gleiche Rechte.
§. 63. Dagegen wird bey Civilbeamten, welche nur bey
erfolgendem Ausmarsche der Armee zum Kriegscommissariate, oder andern
dergleichen Anstalten abgeordnet worden, und demnächst zu ihrer eigentlichen
Bedienung zurückkehren, durch diese einstweilige Abordnung, in ihren
Privatrechten, so wie in ihrem Gerichtsstande, nichts geändert.
Wie der Soldatenstand aufhöre.
§. 64. Der Soldatenstand, und die damit verbundenen Rechte und
Pflichten, hören durch den Tod, und durch die ausdrückliche Entlassung aus den
Kriegsdiensten auf.
§. 65. So lange eine entlassene Militairperson noch keinen
anderweitigen Wohnsitz erwählt hat, wird dieselbe von dem Zeitpunkte ihrer
Entlassung an, den Gesetzen und Gerichten des Standquartiers, unter welche
Civilpersonen von gleicher Herkunft gehören, unterworfen.
§. 66. Doch behält ein mit Officiersrang entlassener
Bürgerlicher den Gerichtsstand und die Rechte der Eximirten.
§. 67. Was wegen entlaßener Unterofficiers und
Soldaten, die ihrer Herkunft nach Gutsunterthanen sind Rechtens sey, ist im
Siebenten Titel, §. 540. sqq. bestimmt.
II) Civilbeamte.
§. 68. Alle Beamte des Staates, welche zum Militairstande
nicht gehören, sind unter der allgemeinen Benennung von Civilbedienten
begriffen.
§. 69. Dergleichen Beamte stehen entweder in unmittelbaren
Diensten des Staats, oder gewisser demselben untergeordneter Collegien,
Corporationen und Gemeinen.
Bestellung derselben.
§. 70. Es soll niemanden ein Amt aufgetragen werden, der
sich dazu nicht hinlänglich qualificirt, und Proben seiner Geschicklichkeit
abgelegt hat.
§. 71. Wem die Besetzung der verschiedenen Arten von
Civilbedienungen zukomme? wer zu dergleichen Bedienungen gelangen könne? und
was für Vorbereitungen und Prüfungen dazu vorhergehen müssen? ist nach
Verschiedenheit der Fächer und Stufen solcher Bedienungen, durch specielle
Gesetze und Instructionen bestimmt.
§. 72. Wer sich durch Bestechungen oder andere unerlaubte
Wege in ein Amt eindringt, soll desselben sofort wieder entsetzt werden.
§. 73. Alle Verträge und Versprechungen, wodurch jemanden,
gegen Zuwendung eines Amts, Privatvortheile zugesagt, oder wirklich eingeräumt
worden, sind null und nichtig.
§. 74. Auch Verabredungen zwischen einem abgehenden Beamten,
und dessen Nachfolger, wodurch dem erstern von den Einkünften des Amts etwas
vorbehalten werden soll, sind nur so weit gültig, als sie von der vorgesetzten
Behörde ausdrücklich genehmigt worden.
§. 75. Wer wissentlich eine Bedienung einer dazu nicht
tauglichen Person anvertraut, muß dem Staate, und den einzelnen Bürgern
desselben, für allen durch die Unwissenheit und Untauglichkeit eines solchen
Bedienten entstandenen Nachtheil gerecht werden. (Tit. XX. Abschn. VIII.)
§. 76. Niemand soll sich eigenmächtig der Verwaltung eines
Amts anmaßen, wozu er von der vorgesetzten Behörde nicht angewiesen worden.
§. 77. Wer dieses thut, und vermöge eines solchen Amts
Handlungen vornimmt, zu welchen er nach den Gesetzen überhaupt nicht
qualificirt ist, dessen Handlungen sind unkräftig.
§. 78. Mangelt es ihm nicht an den erforderlichen
Eigenschaften zu Handlungen dieser Art überhaupt: so können zwar seine
Handlungen, zum Nachtheile der Parteyen, in der Regel, und wo nicht besondere
Gesetze ein Anderes vorschreiben, für nichtig nicht angesehen werden.
§. 79. Er hat aber auch in diesem Falle, nach Verhältniß des
Grades seiner Schuld, bey der ungebührlichen Anmaßung des Amts; seiner aus den
Umständen sich ergebenden unerlaubten Absicht dabey; und der aus der Anmaßung
entstandenen schädlichen Folgen, wenn nicht besondere Gesetze die Ahndung näher
bestimmen, willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 80. Alles, was der unbefugte Anmaßer bey Gelegenheit der
von ihm unternommenen Amtshandlungen empfangen hat, muß er zurückgeben.
§. 81. Niemand soll, bey Zehn bis Dreyhundert Thalern
fiskalischer Geldstrafe, sich eines Amts anmaßen, welches ihm nicht auf eine
der eingeführten Ordnung gemäße Art übergeben worden.
§. 82. Allen Schaden, welcher aus solchen ungebührlichen
Anmaßungen für den Staat oder einen Dritten entsteht, muß er ersetzen.
§. 83. Wer einem Cassenbedienten die Casse übergiebt, ehe
und bevor die Amtscaution desselben berichtigt worden, ist für allen daraus
entstandenen Schaden verhaftet.
§. 84. Titel und Rang, welche mit einem Amte verbunden sind,
werden, nebst den davon abhangenden Vorrechten, schon durch die darüber
ausgefertigte Bestallung verliehen.
Rechte und Pflichten derselben in Ansehung ihres Amts.
§. 85. Die Rechte und Pflichten der Civilbedienten, in
Beziehung auf das ihnen anvertrauete Amt, werden durch die darüber ergangenen
besondern Gesetze, und durch ihre Amtsinstructionen bestimmt.
§. 86. Niemand soll sein Amt zur Beleidigung oder
Bevortheilung Anderer mißbrauchen.
§. 87. Was ein Beamter vermöge seines Amts, und nach den
Vorschriften desselben unternimmt, kann gegen ihn als eine Privatbeleidigung
nicht gerügt werden.
§. 88. Wer ein Amt übernimmt, muß auf die pflichtmäßige
Führung desselben die genaueste Aufmerksamkeit wenden.
§. 89. Jedes dabey begangene Versehen, welches bey gehöriger
Aufmerksamkeit, und nach den Kenntnissen, die bey der Verwaltung des Amts
erfordert werden, hätte vermieden werden können und sollen, muß er vertreten.
§. 90. Vorgesetzte, welche durch vorschriftsmäßige
Aufmerksamkeit die Amtsvergehungen ihrer Untergebenen hätten hindern können,
sind für den aus Vernachläßigung dessen entstehenden Schaden, sowohl dem
Staate, als einzelnen Privatpersonen, welche darunter leiden, verhaftet.
§. 91. Doch findet in beyden Fällen (§. 89. 90.) die
Vertretung nur alsdann statt, wenn kein anderes gesetzmäßiges Mittel, wodurch
den nachtheiligen Folgen eines solchen Versehens abgeholfen werden könnte, mehr
übrig ist.
§. 92. Kein Beamter darf den zur Ausübung seines Amts ihm
angewiesenen Wohnort ohne Vorwissen und Genehmigung seiner Vorgesetzten
verlassen.
§. 93. In wie fern zu bloßen Reisen und Entfernungen auf
eine Zeitlang, die Erlaubniß der unmittelbaren oder höhern Vorgesetzten
erforderlich sey, ist nach den einer jeden Classe von Beamten vorgeschriebenen
besondern Gesetzen und Amtsinstructionen zu bestimmen.
Niederlegung, Entsetzung, und Verabschiedung.
§. 94. Bey derjenigen Instanz, von welcher die Besetzung
eines Amts abhängt, muß auch die Entlassung davon gesucht werden.
§. 95. Die Entlassung soll nur alsdann, wenn daraus ein
erheblicher Nachtheil für das gemeine Beste zu erwarten ist, versagt werden.
§. 96. Einem Beamten, dem aus diesem Grunde die Entlassung
versagt wird, steht dagegen die Berufung auf die unmittelbare Landesherrliche
Entscheidung.
§. 97. In keinem Falle aber darf der abgehende Beamte seinen
Posten eher verlassen, als bis wegen Wiederbesetzung oder einstweiliger
Verwaltung desselben Verfügung getroffen ist.
§. 98. Kein Vorgesetzter oder Departements-Chef kann einen
Civilbedienten, wider seinen Willen, entgegensetzen oder verabschieden.
§. 99. Vielmehr muß er, wenn die Verabschiedung nöthig
gefunden wird, den Beamten mit seiner Erklärung oder Verantwortung darüber
ordnungsmäßig hören, und die Sache zum Vortrage im versammelten Staatsrathe
befördern.
§. 100. Was dieser durch die Mehrheit der Stimmen schließt,
dabey hat es lediglich sein Bewenden.
§. 101. Doch muß bey Bedienungen, zu welchen die Bestallung
von dem Landesherrn selbst vollzogen wird, ein auf Entsetzung oder Entlassung
ausgefallener Beschluß des Staatsraths, jedesmal dem Landesherrn zur
unmittelbaren Prüfung und Bestätigung vorgelegt werden.
§. 102. Amtsverbindungen, deren Dauer durch die Natur des
Geschäftes, oder durch ausdrücklichen Vorbehalt, auf eine gewisse Zeit
eingeschränckt ist, erlöschen mit dem Ablaufe dieser Zeit von selbst. (§. 97.)
§. 103. Was bey Entsetzung oder Entlassung der
Justizbedienten statt finde, ist im Siebenzehnten Titel, und in der
Prozeßordnung bestimmt.
Rechte der Civilbedienten in ihren Privatangelegenheiten.
§. 104. Civilbediente werden in ihren Privatangelegenheiten
nach eben den Gesetzen und Rechten, wie andre Bürger des Staats, beurtheilt.
§. 105. Königliche Beamte haben sich, als Eximirte, eines
privilegirten Gerichtsstandes zu erfreuen. (Tit. XVII.)
§. 106. Sie stehen unter eben den Gesetzen, welchen die
übrigen von der gemeinen Gerichtsbarkeit ausgenommenen Personen derselben
Provinz oder desselben Orts unterworfen sind.
§. 107. Sie behalten diese Rechte, wenn auch die Ausübung
der Gerichtsbarkeit über sie einem Untergerichte aufgetragen (delegirt) worden.
§. 108. Beamte, die nicht unmittelbar in den Diensten des
Staats, sondern andrer demselben untergeordneten Collegien, Corporationen und
Gemeinen stehen, haben in der Regel keinen privilegirten Gerichtsstand, und
werden nach den Gesetzen ihres Wohnorts beurtheilt.
§. 109. In sofern jedoch dergleichen Beamte adlichen
Standes, oder vom Landesherrn mit einem Charakter bekleidet sind, genießen sie,
gleich den Königlichen Beamten, die Rechte des privilegirten Gerichtsstandes.
§. 110. Ein Gleiches findet in Ansehung derjenigen statt,
die eine Königliche und eine andere Civilbedienung zugleich verwalten.
§. 111. Ausnahmen von den §. 109. 110. festgesetzten Regeln
müssen durch besondere Privilegia und Verordnungen nachgewiesen werden.
§. 112. Auch in Rücksicht auf bürgerliche Rechte, Lasten und
Pflichten, sind Königliche Beamte als Eximirte zu betrachten.
§. 113. Andere Civilbediente können sich einer solchen
Exemtion nicht anmaßen, wenn ihnen dieselbe nicht besonders ausdrücklich
verliehen worden.
Von Collegiis der Beamten.
§. 114. Wenn mehrere Beamte in ein Collegium zusammengezogen
sind: so gilt wegen ihrer Versammlungen, Berathschlagungen und Schlüsse, in der
Regel eben das, was im Sechsten Titel von öffentlichen Gesellschaften und
Corporationen verordnet ist.
§. 115. Doch können dergleichen Collegia, die von dem
Landesherrn, oder ihrer vorgesetzten Instanz gemachten Einrichtungen, auch
durch einmüthige Beschlüsse, nicht ändern.
§. 116. Eben so wenig können sie über Grundstücke,
Gerechtigkeiten, Capitalien und Einkünfte des ganzen Collegii eigenmächtig
Verfügung treffen.
§. 117. Ueber die Rechte des Collegii können sie, ohne
Genehmigung der vorgesetzten Instanz, keinen Vergleich schließen.
§. 118. Gegenstände, welche zur Behandlung des Collegii
gehören, müssen nach der Mehrheit der Stimmen entschieden werden.
Vorgesetzte solcher Collegien.
§. 119. Auch der unmittelbare Vorgesetzte des Collegii muß
in Sachen, die zur collegialischen Bearbeitung gehören, der Mehrheit der
Stimmen sich unterwerfen.
§. 120. Dem Vorgesetzten des Collegii kommt nur das Recht
zu, die Stimmen zu sammeln, und den Schluß nach der Mehrheit derselben
abzufassen.
§. 121. Wenn aber die Stimmen der Mitglieder über einen
Gegenstand der Berathschlagungen gleich sind: so giebt er durch die seinige den
Ausschlag.
§. 122. Aeußere Ordnung bey dem Collegio, und was dahin
gehört, hängt lediglich von der Direction des Vorgesetzten ab.
§. 123. Doch darf er von der bisherigen Ordnung nicht
abgehen, wenn durch eine Veränderung der Lauf der Geschäfte unterbrochen oder
aufgehalten würde.
§. 124. Die dem Collegio ausdrücklich vorgeschriebene
Instruction darf er eigenmächtig nicht ändern.
§. 125. Die §. 120. 121. bestimmten Verhältnisse des
Vorgesetzten bey der Stimmensammlung, kommen auch demjenigen zu, welcher bey
der Abwesenheit des Erstern desselben Stelle vertritt.
§. 126. Dagegen darf dergleichen bloß einstweiliger
Vorgesetzter in der bisher bey dem Collegio beobachteten Ordnung nichts ändern.
Vertretungsverbindlichkeit.
§. 127. Geschäfte, welche dem ganzen Collegio obliegen,
müssen von allen Mitgliedern desselben vertreten werden.
§. 128. In wie fern die Mitglieder für einen durch Vorsatz
oder Versehen entstandenen Schaden, als Mitschuldner, oder ein jeder nur für
seinen Antheil, haften, ist nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu
bestimmen. (Th. I. Tit. VI. §. 29. sqq.)
§. 129. Kann in Fällen, wo jedes Mitglied nur für seinen
Antheil haftet, von einem oder dem andern dessen Antheil an der Entschädigung
nicht beygetrieben werden, so müssen die übrigen denselben zu gleichen Theilen
vertreten.
§. 130. Der Einwand, daß ein Versehen durch den unrichtigen
Vortrag eines Mitglieds; oder durch die von demselben geschehene Abfassung
einer dem Schlüsse des Collegii nicht gemäßen Verfügung; oder durch andre
Pflichtwidrigkeiten oder Fahrlässigkeiten desselben entstanden sey, befreyt das
Collegium nicht von der Einlassung auf die Klage.
§. 131. Findet sich aber bey der Untersuchung, daß dieser
Einwand seine Richtigkeit habe: so muß der Kläger an dasjenige Mitglied,
welches solchergestalt das Versehen unmittelbar begangen hat, vorzüglich sich
halten.
§. 132. Nächst diesem haftet der Vorgesetzte, wenn er durch
Anwendung der ihm vermöge seines Amtes obliegenden Aufmerksamkeit, (§. 90.) das
vorgefallene Versehen hätte verhüten oder abwenden können und sollen.
§. 133. Die übrigen Mitglieder haften nur, in Ermangelung
beyder, und nur in so fern, als besondre Gesetze ihnen eine vorzüglich eigne
Aufmerksamkeit auf die Handlungen ihrer Collegen bey Geschäften dieser Art,
ausdrücklich zur Pflicht gemacht haben.
§. 134. Hat der Vorgesetzte das Geschäft ohne Zuziehung des Collegii,
oder nur mit Zuziehung einiger Mitglieder vorgenommen: so ist derselbe nur
allein, oder nur mit den zugezogenen Mitgliedern, verantwortlich.
§. 135. Die nicht zugezogenen Mitglieder sind nur alsdann
zur Vertretung gehalten, wenn hiernächst das Geschäft dem Collegio vorgetragen,
und zu einer Zeit, da dem Versehen noch abgeholfen werden konnte, von selbigem
genehmigt worden.
§. 136. Hat das Collegium die Besorgung der verschiedenen
Arten seiner Geschäfte unter seine Mitglieder eigenmächtig vertheilt: so ändert
dieses nichts in der Vertretungsverbindlichkeit der Mitglieder gegen die
Partey.
§. 137. Doch bleibt den übrigen der Regreß gegen diejenigen
Mitglieder vorbehalten, welche die Besorgung des Geschäfts ausschließend
übernommen, und dabey das Versehen begangen haben.
§. 138. Sind aber durch Gesetze, Amtsinstructionen oder
höhere Anweisungen, gewisse Arten von Geschäften einem oder etlichen
Mitgliedern zur ausschließenden Besorgung angewiesen: so müssen diese für ein
dabey begangenes Versehen, und zwar wenn ihrer mehrere sind, nach Vorschrift §.
127. 128. 129. haften.
§. 139. Ist dem einen die eigentliche Besorgung des
Geschäfts, den übrigen aber eine besondre Aufsicht über ihn solchergestalt
angewiesen: so werden letztere nur für Vernachläßigung dieser Aufsicht
verantwortlich.
§. 140. Sind dergleichen zu einem gewissen Geschäfte
besonders verordnete Mitglieder oder Subalternen zum Schadensersatze nicht
vermögend, so haften der Vorgesetzte, und die übrigen Mitglieder, nur in so
fern, als bey der Auswahl oder Bestellung des Subjekts ein grobes oder mäßiges
Versehen begangen, oder die über das Geschäft zu führende allgemeine Aufsicht
vernachläßigt worden.
§. 141. In keinem Falle sind Mitglieder eines Colleg zur
Vertretung gehalten, wenn ihnen bey dem Geschäfte, worin das Versehen
vorgefallen ist, kein Votum zukam;
§. 142. Auch alsdann nicht, wenn sie mit Vorwissen und
Genehmigung des Vergesetzten abwesend waren.
§. 143. Ferner alsdann nicht, wenn
sie durch Krankheit der Versammlung des Collegii beyzuwohnen verhindert worden.
§. 144. Endlich alsdann nicht, wenn sie überstimmt worden,
und ihr Votum schriftlich, unter Anführung der Gründe, zu den Akten gebracht
haben.
§. 145. Auch die Erben der Mitglieder haften für den dem
Erblasser obliegenden Ersatz eben so, wie für andere Schulden desselben.
Eilfter Titel
Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen
Gesellschaften
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und
göttlichen Dingen, der Glaube, und der innere Gottesdienst, können kein
Gegenstand von Zwangsgesetzen seyn.
§. 2. Jedem Einwohner im Staate muß eine vollkommene
Glaubens- und Gewissensfreyheit gestattet werden.
§. 3. Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinungen in
Religionssachen Vorschriften vom Staate anzunehmen.
§. 4. Niemand soll wegen seiner Religionsmeinungen
beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet, oder gar verfolgt werden.
§. 5. Auch der Staat kann von einem einzelnen Unterthan die
Angabe: zu welcher Religionspartey sich derselbe bekenne, nur alsdann fordern,
wenn die Kraft und Gültigkeit gewisser bürgerlichen Handlungen davon abhängt.
§. 6. Aber selbst in diesem Falle können mit dem
Geständnisse abweichender Meinungen nur diejenigen nachtheiligen Folgen für den
Gestehenden verbunden werden, welche aus seiner, dadurch, vermöge der Gesetze,
begründeten Unfähigkeit zu gewissen bürgerlichen Handlungen oder Rechten von
selbst fließen.
Vom häuslichen Gottesdienste.
§. 7. Jeder Hausvater kann seinen häuslichen Dienst nach Gutfinden
anordnen.
§. 8. Er kann aber Mitglieder, die einer andern
Religionspartey zugethan sind, zur Beywohnung desselben wider ihren Willen
nicht anhalten.
§. 9. Heimliche Zusammenkünfte, welche der Ordnung und
Sicherheit des Staats gefährlich werden könnten, sollen, auch unter dem
Vorwande des häuslichen Gottesdienstes, nicht geduldet werden.
Religionsgesellschaften.
§. 10. Wohl aber können mehrere Einwohner des Staats, unter
dessen Genehmigung, zu Religionsübungen sich verbinden.
Kirchengesellschaften.
§. 11. Religionsgesellschaften, welche sich zur ordentlichen
Feyer des Gottesdienstes verbunden haben, werden Kirchengesellschaften genannt.
Geistliche Gesellschaften.
§. 12. Diejenigen, welche zu gewissen andern besondern
Religionsübungen vereinigt sind, führen den Namen der geistlichen
Gesellschaften.
Erster Abschnitt
Von Kirchengesellschaften überhaupt
Grundsatz.
§. 13. Jede Kirchengesellschaft ist verpflichtet, ihren
Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue
gegen den Staat, und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger
einzuflößen.
Unerlaubte Kirchengesellschaften.
§. 14. Religionsgrundsätze, welche diesem zuwider sind,
sollen im Staate nicht gelehrt, und weder mündlich, noch in Volksschriften,
ausgebreitet werden.
§. 15. Nur der Staat hat das Recht, dergleichen Grundsätze,
nach angestellter Prüfung, zu verwerfen, und deren Ausbreitung zu untersagen.
§. 16. Privatmeinungen einzelner Mitglieder machen eine
Religionsgesellschaft nicht verwerflich.
Oeffentlich aufgenommene.
§. 17. Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen
Kirchengesellschaften haben die Rechte privilegirter Corporationen.
§. 18. Die von ihnen zur Ausübung ihres Gottesdienstes
gewidmeten Gebäude werden Kirchen genannt; und sind als privilegirte Gebäude
des Staats anzusehen.
§. 19. Die bey solchen Kirchengesellschaften zur Feyer des
Gottesdienstes und zum Religionsunterrichte bestellten Personen, haben mit
andern Beamten im Staate gleiche Rechte.
Geduldete.
§. 20. Eine Religionsgesellschaft, welche der Staat
genehmigt, ihr aber die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften
nicht beygelegt hat, genießt nur die Befugnisse geduldeter Gesellschaften.
(Tit. VI. §. 11. sqq.)
§. 21. Jede Kirchengesellschaft, die als solche auf die
Rechte einer geduldeten Anspruch machen will, muß sich bey dem Staate gebührend
melden, und nachweisen, daß die von ihr gelehrten Meinungen nichts enthalten,
was dem Grundsatze des §. 13 zuwider läuft.
§. 22. Einer geduldeten Kirchengesellschaft ist die freye
Ausübung ihres Privat-Gottesdienstes verstattet.
§. 23. Zu dieser gehört die Anstellung gottesdienstlicher
Zusammenkünfte in gewissen dazu bestimmten Gebäuden, und die Ausübung der ihren
Religionsgrundsätzen gemäßen Gebräuche, sowohl in diesen Zusammenkünften, als
in den Privatwohnungen der Mitglieder.
§. 24. Eine bloß geduldete Kirchengesellschaft kann aber das
Eigenthum solcher Gebäude ohne besondre Erlaubniß des Staats nicht erwerben.
§. 25. Ihr ist nicht gestattet, sich der Glocken zu
bedienen, oder öffentliche Feyerlichkeiten außerhalb den Mauern ihres
Versammlungshauses anzustellen.
§. 26. Die von ihr zur Feyer ihrer Religionshandlungen
bestellten Personen genießen, als solche, keine besondere persönliche Rechte.
Verhältnis der Kirchengesellschaften gegen den Staat;
§. 27. Sowohl öffentlich aufgenommene, als bloß geduldete
Religions- und Kirchengesellschaften müssen sich, in allen Angelegenheiten, die
sie mit andern bürgerlichen Gesellschaften gemein haben, nach den Gesetzen des
Staats richten.
§. 28. Diesen Gesetzen sind auch die Obern, und die
einzelnen Mitglieder, in allen Vorfällen des bürgerlichen Lebens unterworfen.
§. 29. Soll denselben, wegen ihrer Religionsmeinungen, eine
Ausnahme von gewissen Gesetzen zu statten kommen: so muß dergleichen Ausnahme
vom Staate ausdrücklich zugelaßen seyn.
§. 30. Ist dieses nicht geschehen: so kann zwar der Anhänger
einer solchen Religionsmeinung etwas gegen seine Ueberzeugung zu thun nicht
gezwungen werden;
§. 31. Er muß aber die nachtheiligen Folgen, welche die
Gesetze mit ihrer unterlassenen Beobachtung verbinden, sich gefallen lassen.
§. 32. Die Privat- und öffentliche Religionsübung einer
jeden Kirchengesellschaft ist der Oberaufsicht des Staats unterworfen.
§. 33. Der Staat ist berechtigt, von demjenigen, was in den
Versammlungen der Kirchengesellschaft gelehrt und verhandelt wird, Kenntniß
einzuziehen.
§. 34. Die Anordnung öffentlicher Bet-, Dank- und andrer
außerordentlichen Festtage, hängt allein vom Staate ab.
§. 35. In wie fern die bereits angeordneten Kirchenfeste mit
Einstellung aller Handarbeiten und bürgerlichen Gewerbe begangen werden sollen,
oder nicht, kann nur der Staat bestimmen.
gegen andere Kirchengesellschaften;
§. 36. Mehrere Kirchengesellschaften, wenn sie gleich zu
einerley Religionspartey gehören, stehen dennoch unter sich in keiner
nothwendigen Verbindung.
§. 37. Kirchengesellschaften dürfen so wenig, als einzelne
Mitglieder derselben, einander verfolgen oder beleidigen.
§. 38. Schmähungen und Erbitterung verursachende
Beschuldigungen müssen durchaus vermieden werden.
gegen ihre Mitglieder.
§. 39. Protestantische Kirchengesellschaften des
Augsburgschen Glaubensbekenntnisses sollen ihren Mitgliedern wechselseitig die
Theilnahme auch an ihren eigentümlichen Religionshandlungen nicht versagen,
wenn dieselben keine Kirchenanstalt ihrer eignen Religionspartey, deren sie
sich bedienen können, in der Nähe haben.
§. 40. Jedem Bürger des Staats, welchen die Gesetze fähig
erkennen, für sich selbst zu urtheilen, soll die Wahl der Religionspartey, zu
welcher er sich halten will, frey stehn. (Tit. II. §. 74. sqq.)
§. 41. Der Uebergang von einer Religionspartey zu einer
andern geschieht in der Regel durch ausdrückliche Erklärung.
§. 42. Die Theilnehmung an solchen Religionshandlungen,
wodurch eine Partey sich von der andern wesentlich unterscheidet, hat die Kraft
einer ausdrücklichen Erklärung, wenn nicht das Gegentheil aus den Umständen
deutlich erhellet. (§. 39.)
§. 43. Keine Religionspartey soll die Mitglieder der andern
durch Zwang oder listige Ueberredungen zum Uebergange zu verleiten sich
anmaßen.
§. 44. Unter dem Vorwande des Religionseifers darf niemand
den Hausfrieden stören, oder Familienrechte kränken.
§. 45. Keine Kirchengesellschaft ist befugt, ihren Mitgliedern
Glaubensgesetze wider ihre Ueberzeugung aufzudringen.
§. 46. Wegen der äußern Form und Feyer des Gottesdienstes
kann jede Kirchengesellschaft dienliche Ordnungen einführen,
§. 47. Dergleichen Anordnungen müssen jedoch dem Staate zur
Prüfung, nach dem §. 13. bestimmten Grundsatze, vorgelegt werden.
§. 48. Nach erfolgter Genehmigung haben sie mit andern
Polizeygesetzen gleiche Kraft und Verbindlichkeit.
§. 49. Sie können aber auch ohne Genehmigung des Staats
nicht verändert, noch wieder aufgehoben werden.
§. 50. Jedes Mitglied einer Kirchengesellschaft ist
schuldig, sich der darin eingeführten Kirchenzucht zu unterwerfen.
§. 51. Dergleichen Kirchenzucht soll bloß zur Abstellung
öffentlichen Aergernisses abzielen.
§. 52. Sie darf niemals in Strafen an Leib, Ehre, oder
Vermögen der Mitglieder ausarten.
§. 53. Sind dergleichen Strafen zur Aufrechthaltung der
Ordnung, Ruhe und Sicherheit in der Kirchengesellschaft nothwendig: so muß die
Verfügung der vom Staate gesetzten Obrigkeit überlassen werden.
§. 54. Wenn einzelne Mitglieder durch öffentliche Handlungen
eine Verachtung des Gottesdienstes und der Religionsgebräuche zu erkennen
geben, oder andre in ihrer Andacht stöhren: so ist die Kirchengesellschaft
befugt, dergleichen unwürdigen Mitgliedern, so lange sie sich nicht bessern,
den Zutritt in ihre Versammlungen zu versagen.
§. 55. Wegen bloßer von dem gemeinen Glaubensbekenntnisse
abweichender Meinungen, kann kein Mitglied ausgeschlossen werden.
§. 56. Wenn über die
Rechtmäßigkeit der Ausschließung Streit entsteht: so gebührt die Entscheidung
dem Staate.
§. 57. So weit mit einer solchen Ausschließung nachtheilige
Folgen für die bürgerliche Ehre des Ausgeschlossenen verbunden sind, muß vor
deren Veranlassung die Genehmigung des Staats eingeholt werden.
Zweyter Abschnitt
Von den Mitgliedern der Kirchengesellschaften
§. 58. Die Kirchengesellschaft besteht aus geistlichen und
weltlichen Mitgliedern.
Geistliche Mitglieder.
§. 59. Diejenigen, welche bey einer christlichen
Kirchengemeine zum Unterrichte in der Religiongemeinschaft zur Besorgung des
Gottesdienstes, und zur Verwaltung der Sacramente bestellt sind, werden
Geistliche genannt.
Erfordernisse derselben.
§. 60. Niemand darf ohne Vorwissen und Genehmigung
derjenigen, deren Einwilligung zur Wahl einer Lebensart erfordert wird, zu
einem geistlichen Amte sich bestimmen. (Tit. II. §. 109. sqq. Tit. XVIII.
Abschn. VI.)
§. 61. Ohne vorhergegangene genaue Prüfung seiner
Kenntnisse, und seines bisher geführten Wandels, soll niemand zu einem
geistlichen Amte gelassen werden.
§. 62. Die übrigen Erfordernisse zu einem geistlichen Amte
bleiben, nach Verschiedenheit der Religionsparteyen, den vom Staate genehmigten
Grundgesetzen und Verfassungen derselben vorbehalten.
Bestallung.
§. 63. Die Befugniß zur Ausübung aller geistlichen
Amtsverrichtungen wird durch die Ordination verliehen.
§. 64. Landesunterthanen sollen, ohne besondere Erlaubniß,
die Ordination zu geistlichen Aemtern bey auswärtigen Behörden nicht
nachsuchen, oder annehmen.
§. 65. Die Ordination soll niemanden ertheilt werden, ehe er
ein geistliches Amt, welches ihm seinen Unterhalt gewährt, zu übernehmen
Gelegenheit hat.
Rechte und Pflichten in Ansehung des Amts.
§. 66. Die besondern Rechte und Pflichten eines Katholischen
Priesters, in Ansehung seiner geistlichen Amtsverrichtungen, sind durch die
Vorschriften des canonischen Rechts; der protestantischen Geistlichen aber,
durch die Consistorial- und Kirchenordnungen bestimmt.
§. 67. Alle Geistliche müssen sich, bey Verlust des Amts,
eines ehrbaren und dem Volke unanstößigen Lebenswandels vorzüglich befleißigen.
§. 68. Auch in gleichgültigen Dingen müssen sie alle
Gelegenheit zum Anstoße für die Kirchengemeine sorgfältig vermeiden.
§. 69. Aller zudringlichen Einmischungen in Privat- und
Familienangelegenheiten müssen sie sich enthalten.
§. 70. Durch vorsichtiges und sanftmüthiges Betragen müssen
sie die Liebe und das Vertrauen der Gemeine zu erwerben suchen.
§. 71. Ueberhaupt müssen sie in Lehre und Wandel ihren
Zuhörern mit einem guten Beyspiele der Sanftmuth und Verträglichkeit, selbst
gegen fremde Religionsverwandte, vorgehn.
§. 72. Auch die Personen, welche zu ihrer Familie gehören,
müssen sie zu einer ordentlichen, stillen und bescheidenen Ausführung anhalten.
§. 73. In ihren Amtsvorträgen, und bey dem öffentlichen
Unterrichte, müssen sie, zum Anstoße der Gemeine, nichts einmischen, was den
Grundbegriffen einrer Religionspartey widerspricht.
§. 74. In wie fern sie, bey innerer Ueberzeugung von der
Unrichtigkeit dieser Begriffe, ihr Amt dennoch fortsetzen können, bleibt ihrem
Gewissen überlassen.
§. 75. Auch außer der Kirche müssen Geistliche, denen die
Seelsorge bey einer Kirchengesellschaft anvertraut ist, an der Belehrung und
moralischen Besserung ihrer Mitglieder unermüdet arbeiten.
§. 76. Zu Privatermahnungen, in so fern dieselben mit
Sanftmuth und Bescheidenheit geschehen sind sie berechtigt.
§. 77. Wenn sie einem Mitgliede der Gemeine seine
Vergehungen ins Geheim vorhalten: so sind sie nicht schuldig, die Quelle ihrer
davon erhaltenen Nachrichten anzugeben.
§. 78. Dergleichen geheime Vorhaltungen sollen niemals für
Injurien angesehen werden.
§. 79. Fehlen sie dabey aus Mangel an Sanftmuth und
Bescheidenheit: so müssen die geistlichen Obern sie deshalb zurechtweisen.
§. 80. Was einem Geistlichen unter dem Siegel der Beichte,
oder der geistlichen Amtsverschwiegenheit anvertraut worden, das muß er, bey
Verlust seines Amts, geheim halten.
§. 81. Auch zum gerichtlichen Zeugnisse über den Inhalt
solcher Eröffnungen kann ein Geistlicher, ohne den Willen desjenigen, der ihm
dieselben anvertraut hat, nicht aufgefordert werden.
§. 82. So weit aber die Offenbarung eines solchen
Geheimnisses nothwendig ist, um eine dem Staate drohende Gefahr abzuwenden;
oder ein Verbrechen zu verhüten; oder den schädlichen Folgen eines schon
begangenen Verbrechens abzuhelfen, oder vorzubeugen, muß der Geistliche
dasselbe der Obrigkeit anzeigen.
§. 83. In öffentlichen Vorträgen muß jeder Geistliche aller
persönlichen Anzüglichkeiten sich enthalten.
§. 84. Schilderungen der in einer Gemeine herrschenden
Laster sind keine Anzüglichkeiten.
§. 85. Sie arten aber darin aus, wenn Personen genannt, oder
durch individuelle Nebenumstände kundbar gemacht werden.
§. 86. Kein Geistlicher darf eigenmächtig irgend ein
Mitglied der Gemeine von Beywohnung des Gottesdienstes, oder von den
Sacramenten ausschließen.
§. 87. Findet er Bedenken, jemanden zuzulassen: so muß er
demselben dies Bedenken in Zeiten mit vernünftiger Schonung eröffnen.
§. 88. Besteht derselbe dennoch auf seiner Zulassung: so muß
der Geistliche den Vorfall, mit Verschweigung des Namens, seinen geistlichen
Obern anzeigen, und nach deren Vorbescheidung sich achten.
§. 89. Nur in Fällen, wenn jemand zu einer gottesdienstlichen
Handlung in der Trunkenheit, in anstößiger und ärgerlicher Kleidung, oder sonst
in einem Zustande sich darstellt, in welchem er, ohne offenbaren Anstoß und
grobes Aergerniß der Gemeine, oder seiner Mitgenossen bey dieser Handlung,
nicht zugelassen werden kann, mag der Geistliche einen solchen Menschen, bis
auf weitere Verfügung der Behörde, zurückweisen.
§. 90. Der einmal zurückgewiesene (§. 87. 89.) muß die
Vorbescheidung der geistlichen Obern abwarten.
§. 91. Kein Geistlicher kann ein Mitglied der Gemeine zur
Beywohnung des Gottesdienstes, und zum Gebrauche der Sacramente, durch äußern
Zwang anhalten.
§. 92. Auch zu Haus- und Krankenbesuchen darf er sich
niemanden gegen dessen erklärte Abneigung aufdringen.
Rechte und Pflichten in ihren Privatangelegenheiten.
§. 93. Geistliche dürfen weder für sich selbst, noch durch
die in ihrem Hause lebende Familie, Kaufmannschaft oder bürgerliche Gewerbe
treiben.
§. 94. Wenn ihnen der Genuß gewisser Grundstücke zu ihrem
Unterhalte angewiesen worden: so mögen sie deren Cultur und den Absatz der
darauf gewonnenen Erzeugnisse selbst besorgen.
§. 95. Außerdem dürfen sie nur unter Genehmigung ihrer
Obern, und nur in so fern, als es ohne Vernachläßigung ihres Amts geschehen
kann, sich mit der Landwirthschaft beschäftigen.
§. 96. Die Geistlichen der vom Staate privilegirten
Kirchengesellschaften sind, als Beamte des Staats, der Regel nach von den
persönlichen Lasten und Pflichten des gemeinen Bürgers frey.
§. 97. Sie genießen einen privilegirten Gerichtsstand.
§. 98. In den Angelegenheiten des bürgerlichen Lebens werden
alle Geistliche, ohne Unterschied der Religion, nach den Gesetzen des Staats
beurtheilt.
§. 99. Nach, diesen Gesetzen behalten sowohl alle
protestantische, als die katholischen Weltgeistlichen, die freye Disposition
über ihr Vermögen.
§. 100. Auch dasjenige, was sie aus den Einkünften ihres
geistlichen Amts erworben haben, gehört zu ihrem freyen Eigenthume.
§. 101. Nur da, wo Provinzialgesetze, oder vom Staate
gebilligte Statuten, der Kirche ein Erbrecht auf einen gewissen Theil dieses
Erwerbes beylegen, hat es dabey sein Bewenden.
Wie das geistliche Amt aufhöre.
§. 102. Seinem geistlichen Amte kann ein jeder entsagen.
§. 103. Criminalverbrechen, und grobe Vergehungen gegen die
Kirchenordnungen, und die darin vorgeschriebenen geistlichen Amtspflichten,
ingleichen ein ärgerlicher Lebenswandel, begründen die Entsetzung eines
Geistlichen.
§. 104. Durch öffentliche den geistlichen Obern angezeigte
Entsagung des geistlichen Standes, so wie durch Entsetzung eines Geistlichen
von seinem Amte, gehen alle damit verbundenen äußern Rechte verloren.
§. 105. Auch darf ein solcher gewesener Geistlicher, bey
Vermeidung nachdrücklicher Strafe, sich keiner Amtsverrichtungen mehr anmaßen.
§. 106. Thut er es dennoch, so haben die Amtshandlungen,
deren er sich anmaßt, keine bürgerliche Gültigkeit, und er selbst bleibt denen,
welche dadurch Schaden leiden, verantwortlich. (Tit. X. §. 76-82.)
§. 107. Wenn und wie ein katholischer Priester, bey der
Entsetzung auch seines geistlichen Charakters verlustig werde, ist nach den
Grundsätzen seiner Kirche zu beurtheilen.
Weltliche Mitglieder.
§. 108. Die weltlichen Mitglieder einer Kirchengesellschaft
haben das Recht, sich der Anstalten der Gesellschaft zu ihren
Religionshandlungen zu bedienen.
§. 109. Sie müssen sich aber dabey den bey dieser
Gesellschaft eingeführten Ordnungen, und Verfassungen unterwerfen.
§. 110. So lange sie Mitglieder der Gesellschaft bleiben,
müssen sie zur Unterhaltung der Kirchenanstalten, nach den Verfassungen der
Gesellschaft beytragen.
§. 111. Nur der Staat kann bestimmen, zu welcher der
verschiedenen Kirchengemeinen seiner eignen Religionspartey, jeder Einwohner
als ein beytragendes Mitglied gerechnet werden soll.
§. 112. Auch ist der Staat berechtigt, jeden Einwohner zur
Beobachtung solcher äußern Kirchengebräuche und Einrichtungen derjenigen
Religionspartey, zu der er sich bekennt, in so weit anzuhalten, als davon,
vermöge der Gesetze, die Bestimmung oder Gewißheit bürgerlicher Rechte abhängt.
Dritter Abschnitt
Von den Obern und Vorgesetzten der Kirchengesellschaften
Von dem geistlichen Departement.
§. 113. Die dem Staate über die Kirchengesellschaften nach
den Gesetzen zukommende Rechte, werden von dem geistlichen Departement in so
fern verwaltet, als sie nicht dem Oberhaupte des Staats ausdrücklich
vorbehalten sind.
§. 114. Außerdem aber stehen die Kirchengesellschaften einer
jeden vom Staate aufgenommenen Religionspartey, unter der Direction ihrer
geistlichen Obern.
Von Bischöfen.
§. 115. Bey den katholischen Glaubensgenossen ist der
Bischof der gemeinschaftliche Vorgesetzte aller Kirchengesellschaften des ihm
angewiesenen Distrikts.
§. 116. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats kann keine
Kirchengesellschaft von dieser Unterordnung gegen den Bischof der Diözes
ausgenommen werden.
Verhältniß derselben gegen den Staat.
§. 117. Kein Bischof darf in Religions- und
Kirchenangelegenheiten, ohne Erlaubniß des Staats, neue Verordnungen machen,
oder dergleichen von fremden geistlichen Obern annehmen.
§. 118. Alle päpstliche Bullen, Breven und alle Verordnungen
auswärtiger Obern der Geistlichkeit, müssen vor ihrer Publication und
Vollstreckung, dem Staate zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden.
§. 119. Diejenige Gerechtsame über die
Kirchengesellschaften, welche nach den Gesetzen dem Staate vorbehalten sind,
kann der Bischof nur in so fern ausüben, als ihm eine oder die andre derselben
von dem Staate ausdrücklich verliehen worden.
Diözesanrechte.
§. 120. Ohne Zuthun und Approbation des Bischofs der Diözes,
oder dessen Vicarien, soll niemand zum Priester aufgenommen, zu einem
geistlichen Amte befördert, oder auch nur zum öffentlichen Lehrvortrage in
einer Kirchengemeine zugelassen werden.
§. 121. Dem Bischof gebührt die Aufsicht über die
Amtsführung, Lehre und Wandel der seiner Diözes unterworfenen Geistlichen.
§. 122. Diese sind ihm Ehrfurcht, und in Angelegenheiten
ihres geistlichen Amts Gehorsam schuldig.
§. 123. Der Bischof ist berechtigt, bey den Kirchen seiner
Diöze, so oft er es nöthig findet, Visitationen vorzunehmen.
§. 124. Die Rechte der Kirchenzucht gebühren nur dem
Bischöfe.
§. 125. Vermöge dieses Rechts kann er die ihm
untergeordneten Geistlichen durch geistliche Bußübungen, durch kleine den
Betrag von Zwanzig Thalern nicht übersteigende Geldbußen, oder auch durch eine
die Dauer von Vier Wochen nicht übersteigende Gefängnißstrafe, zum Gehorsame,
und zur Beobachtung ihrer Amtspflichten anhalten.
§. 126. Geistliche katholischer Religion, die sich in ihrer
Amtsführung grober Vergehungen schuldig gemacht haben, müssen nach dem
Erkenntnisse des geistlichen Gerichts bestraft werden.
§. 127. Langwieriges Gefängniß (§. 125.) und andre
körperliche Strafen; ist weder der Bischof, noch ein geistliches Gericht, zu
verhängen berechtigt.
§. 128. In weltlichen Angelegenheiten der Geistlichen kann
sich der Bischof nur in so weit einer Gerichtsbarkeit, und eines Erkenntnisses
anmaßen, als ihm das Recht dazu vom Staate ausdrücklich verliehen worden.
§. 129. Auch über ein Privatinteresse, welches bey
Gelegenheit einer Amtshandlung entstanden ist, gebührt das Erkenntniß in der
Regel den weltlichen Gerichten.
Stellvertreter.
§. 130. Der Bischof kann in den verschiedenen Verrichtungen
seines Amts durch andre Geistliche, die ihm untergeordnet sind, vertreten
werden.
§. 131. Diejenigen, welchen dergleichen Vertretung, nach der
besondern Verfassung einer jeden Diöze, vermöge ihres Amts zukommt und obliegt,
werden zur hohem Geistlichkeit gerechnet.
§. 132. Auch andern Geistlichen kann der Bischof, bey
einzelnen Vorfällen seines Amts, nach Gutfinden Aufträge machen.
§. 133. Die Bestellung eines bischöflichen Generalvicanus
kann ohne Landesherrliche Genehmigung nicht geschehen.
§. 134. Alle Obern der Geistlichkeit sind der Pflicht zur
vorzüglichen Treue und Gehorsam verpflichtet.
Von auswärtigen Bischöfen.
§. 135. Kein auswärtiger Bischof, oder andrer geistlicher
Obere, darf sich in Kirchensachen einer gesetzgebenden Macht anmaßen.
§. 136. Auch darf er irgend einige andre Gewalt, Direction,
oder Gerichtsbarkeit in solchen Sachen, ohne ausdrückliche Einwilligung des
Staats nicht ausüben.
§. 137. Kein Unterthan des Staats, geistlichen oder
weltlichen Standes, kann unter irgend einem Vorwande zu der Gerichtsbarkeit
auswärtiger geistlicher gezogen werden.
§. 138. Ist dergleichen auswärtigen Obern eine Direction
oder Gerichtsbarkeit innerhalb der Gränzen des Staates gestanden: so müssen
sie, zu deren Verwaltung einen vom Staate genehmigten Vicarius innerhalb Landes
bestellen.
§. 139. Ein solcher Vicarius muß nicht nur selbst die den
inländischen Bischöfen vorgeschriebenen Gränzen genau beobachten, sondern auch
nicht gestatten, daß diese Gränzen von seinen auswärtigen Obern überschritten
werden.
§. 140. Vielmehr muß er, wenn etwas dergleichen, so er nicht
hintertreiben kann, unternommen wird, dem Staate davon in Zeiten getreue
Anzeige machen.
Synoden.
§. 141. Zu Kirchenversammlungen innerhalb Landes darf die
Geistlichkeit ohne Vorwissen und Mitwirkung des Staats nicht berufen;
vielweniger können die Schlüsse solcher Versammlungen ohne Genehmigung des
Staats in Ausübung gebracht werden.
§. 142. Den Einladungen zu auswärtigen Kirchenversammlungen
dürfen inländische Geistliche ohne besondere Erlaubniß des Staats nicht Folge
leisten.
Protestantische Consistoria.
§. 143. Bey den Protestanten kommen die Rechte und Pflichten
des Bischofs in Kirchensachen, der Regel nach, den Consistoriis zu.
§. 144. Der Umfang der Geschäfte derselben ist durch die
Consistorial- und Kirchenordnungen, nach den verschiedenen Verfassungen der
Provinzen und Departements, näher bestimmt.
§. 145. Sämmtliche Consistoria der Protestanten stehen unter
der Oberdirection des dazu verordneten Departements des Staatsministerii.
§. 146. Ohne desselben Vorwissen und Genehmigung kann in
Kirchensachen keine Veränderung vorgenommen, noch weniger können neue
Kirchenordnungen eingeführt werden.
Mediatconsistoria.
§. 147. Mediatconsistoria, wo dergleichen vorhanden sind,
stehen der Regel nach unter der Aufsicht des Oberconsistorii der Provinz.
§. 148. Ausnahmen davon, und unmittelbare Unterordnung unter
das geistliche Departement, müssen besonders dargethan werden.
§. 149. Es sollen aber auch die Oberconsistoria den
untergeordneten Mediatconsistoriis in Ausübung ihrer Gerechtsame keinen Eintrag
thun.
Superintendenten, Inspectoren, und Erzpriester.
§. 150. Superintendenten, Inspectoren, und Erzpriester, sind
untergeordnete Aufseher einzelner Diöcesen oder Kreise.
§. 151. Sie stehen unter der Direction des Bischofs oder der
Consistorien, und werden von denselben, unter Genehmigung des Staats,
ausgewählt und bestellt.
§. 152. Ihr Amt besteht eigentlich nur in der Aufsicht über
die zu ihrem Kreise geschlagenen Kirchen und Geistlichen.
§. 153. Letztere sind ihnen von ihrer Amtsführung, Lehre und
Wandel, auf jedesmaliges Verlangen, Rechenschaft zu geben schuldig.
§. 154. Besonders müssen diese Aufseher die
Kirchenvisitationen ordentlich und sorgfältig vornehmen; dabey auch von der
Beschaffenheit und Verwaltung des Kirchenvermögens, so wie von dem Baustande
der Kirchen und Pfarrgebäude, genaue Erkundigung einziehn; und davon sowohl,
als von der Amtsführung der Prediger und übrigen Kirchenbedienten, ihren
vorgesetzten Obern treulich berichten.
§. 155. Zu entscheidenden Verfügungen, so wie überhaupt zu
andern Geschäften, sind sie ohne besondern Auftrag ihrer Obern nicht befugt.
Kirchencollegia.
§. 156. Die Collegia einzelner Kirchen bestehen aus den
Geistlichen, und den ihnen zugeordneten Vorstehern.
§. 157. Diesen kommt die Verwaltung der äußern Rechte der
Kirchengesellschaft zu.
§. 158. Sie sind der Aufsicht der Erzpriester oder
Inspectoren untergeordnet.
§. 159. In außerordentlichen Fällen und Angelegenheiten
müssen von der Gemeine Bevollmächtigte oder Repräsentanten gewählt, und mit der
erforderlichen Instruction versehen werden.
Vierter Abschnitt
Von den Gütern und dem Vermögen der Kirchengesellschaften
Was Kirchenvermögen sey.
§. 160. Zu dem Vermögen der Kirchengesellschaften gehören
die Gebäude, liegende Gründe, Capitalien und alle Einkünfte, welche zur
anständigen Unterhaltung des äußern Gottesdienstes für jede Kirchengemeine nach
deren Verfassung bestimmt sind.
Verhältniß desselben gegen den Staat.
§. 161. Das Kirchenvermögen steht unter der Oberaufsicht und
Direction des Staats.
§. 162. Der Staat ist berechtigt, darauf zu sehen, daß die
Einkünfte der Kirchen zweckmäßig verwendet werden.
§. 163. Ihm kommt es zu, dafür zu sorgen, daß nützliche
Anstalten aus Mangel des Vermögens nicht zu Grunde gehen.
§. 164. Für den Unterhalt der bey einer Kirchengesellschaft
angesetzten Beamten muß die Gesellschaft selbst sorgen.
§. 165. Kirchen, welche, gleich andern Gesellschaften im
Staate, den Schutz desselben bey ihrem Vermögen genießen, sind auch von diesem
Vermögen, so weit ihnen nicht aus besondern Gesetzen und Verfassungen gewisse
Freyheiten zu statten kommen, zu den Lasten des Staats beyzutragen verbunden.
§. 166. Sind Kirchengesellschaften, vermöge besonderer
Privilegien oder Verordnungen, von gewissen Lasten in Ansehung ihrer liegenden
Gründe frey: so kann doch diese Befreyung, wofern das Privilegium, oder die
Verordnung es nicht ausdrücklich festsetzt, auf nachher erst erworbene
Grundstücke nicht ausgedehnt werden.
Gegen die geistlichen Obern.
§. 167. Das Kirchenvermögen steht unter der Aufsicht der
geistlichen Obern.
§. 168. Diese sind schuldig, für die Unterhaltung und
zweckmäßige Verwendung desselben, nach der Verfassung einer jeden
Kirchengesellschaft, zu sorgen.
§. 169. Keinem auswärtigen geistlichen Obern soll erlaubt
seyn, sich irgend einer Aufsicht oder Direction über das Vermögen inländischer
Kirchen unmittelbar anzumaßen.
Kirchengebäude.
§. 170. Kirchen und andere dahin gehörige Gebäude sind
ausschließend das Eigenthum der Kirchengesellschaft, zu deren Gebrauche sie
bestimmt sind.
§. 171. Auch durch Veränderung ihrer Religionsgrundsätze
verliert eine Kirchengesellschaft nicht das Eigenthum der ihr gewidmeten
Kirchengebäude.
§. 172. Wenn aber die Kirchengesellschaft ganz aufhört: so
gilt von diesen Gebäuden alles das, was von dem Vermögen erloschner
Gesellschaften überhaupt im Sechsten Titel §. 189. sqq. verordnet ist.
§. 173. Kirchengebäude, so weit sie zur Feyer des
Gottesdienstes und zu gottesdienstlichen Handlungen bestimmt sind, dürfen ohne
die Einwilligung der Gemeine zu andern Zwecken nicht gebraucht werden.
§. 174. Die Kirchengebäude sind von den gemeinen Lasten des
Staats frey, und genießen alle Vorrechte der dem Staate zustehenden
öffentlichen Gebäude.
§. 175. Sie sollen zu keinen Freystätten für Verbrecher
dienen; sondern die Weltliche Obrigkeit ist berechtigt, diejenigen, welche sich
dahin geflüchtet haben, heraus holen, und ins Gefängniß bringen zu lassen.
Von Errichtung neuer Kirchen.
§. 176. Neue Kirchen können nur unter ausdrücklicher
Genehmigung des Staats erbaut werden.
§. 177. Eine Kirchengesellschaft kann auf diese Erlaubniß
nur alsdann Anspruch machen, wenn sie erhebliche Gründe der Notwendigkeit oder
des Nutzens, und zugleich hinlängliche Mittel zum Baue und zur Unterhaltung
eines solchen neuen Kirchensystems, ohne besorglichen Ruin der gegenwärtigen
und künftigen Mitglieder, nachweisen kann.
§. 178. Durch Errichtung neuer Kirchen sollen die Rechte,
oder vom Staate genehmigten Verfassungen anderer schon vorhandenen
Kirchengesellschaften, nicht beeinträchtigt werden.
Kirchengeräthschaften.
§. 179. Kirchengefäße, und andere zum unmittelbaren
gottesdienstlichen Gebrauche gewidmeten Sachen, haben mit den Kirchengebäuden
der Regel nach gleiche Rechte.
§. 180. Solche Gerätschaften können in der Regel nur wegen
einer dringenden Nothwendigkeit, unter Genehmigung des Staats, und der
geistlichen Obern, veräußert werden.
§. 181. Doch können der Staat, und die geistlichen Obern,
dergleichen Veräußerung überflüßiger Kirchengeräthschaften, auch wegen eines
für die Kirchengesellschaft zu hoffenden sichern und überwiegenden Nutzens
zulassen.
§. 182. Wenn aber solche Geräthschaften aus Stiftungen
herrühren: so finden dabey die Vorschriften des Sechsten Titels §. 73. sqq.
Anwendung.
Kirchhöfe.
§. 183. Kirchhöfe, oder Gottesäcker und Begräbnißplätze,
welche zu den einzelnen Kirchen gehören, sind der Regel nach das Eigenthum der
Kirchengesellschaften.
§. 184. In den Kirchen, und in bewohnten Gegenden der
Städte, sollen keine Leichen beerdigt werden.
§. 185. Bey Verlegungen der Begräbnißplätze können
diejenigen, welche bisher erbliche Familienbegräbnisse in den Kirchen besessen
haben, die unentgeltliche Anweisung eines schicklichen Platzes dazu auf dem
neuen Kirchhofe fordern.
§. 186. Ohne Anzeige bey den geistlichen Obern sollen
Leichen anderswo, als auf einem öffentlichen Kirchhofe, nicht begraben werden.
§. 187. Niemand kann, durch Veranstaltung eines solchen
Privatbegräbnisses, der Kirchencasse und der Geistlichkeit die ihnen
zukommenden Abgaben entziehn.
§. 188. Ohne Erkenntniß des Staats soll niemanden das
ehrliche Begräbniß auf dem öffentlichen Kirchhofe versagt werden.
§. 189. Auch die im Staate aufgenommenen Kirchengesellschaften
der verschiedenen Religionsparteyen, dürfen einander wechselsweise, in
Ermangelung eigner Kirchhöfe, das Begräbniß nicht versagen.
§. 190. Wo der Kirchhof erweislich nicht der
Kirchengesellschaft, sondern der Stadt- oder Dorfgemeine gehört, da kann jedes
Mitglied der Gemeine, ohne Unterschied der Religion, auch auf das Begräbniß
daselbst Anspruch machen.
Geläute.
§. 191. Das bey einer Kirche befindliche Geläute ist in der
Regel als ein Eigenthum der Kirchengesellschaft anzusehen.
§. 192. Wo nach Verträgen, oder hergebrachter Observanz,
auch eine andere Gemeine oder Religionspartey auf den Gebrauch desselben
Anspruch machen kann, da kann dennoch dieser Mitgebrauch während des
Gottesdienstes der Kirchengesellschaft, welcher die Glocken gehören, nicht
verlangt werden.
Uebriges Vermögen.
§. 193. Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen
Kirchengesellschaften sind, auch bey Erwerbung, Verwaltung, und Veräußerung
ihres Vermögens, andern Privilegirten Corporationen gleich zu achten. (Tit. VI.
§. 70. 71. 72. 81. sqq.)
§. 194. Keine Kirchengesellschaft kann ohne ausdrückliche
Bewilligung des Staats liegende Gründe an sich bringen.
§. 195. Ohne Vorwissen und besondere Erlaubniß des
Oberhaupts im Staate, darf, bey Strafe doppelten Ersatzes, keiner ausländischen
Kirche etwas verabfolgt werden.
§. 196. Diese Strafe trifft denjenigen, auf dessen
Veranstaltung die Sache oder Summe der ausländischen Kirche ausgehändigt
worden.
Geschenke und Vermächtnisse.
§. 197. Auch inländische Kirchen dürfen, ohne besondere
Einwilligung des Staats, Geschenke und Vermächtnisse, welche die Summe von
Fünfhundert Thalern übersteigen, nicht annehmen.
§. 198. Geschenke und Vermächtnisse von höherem Werthe
erhalten erst durch die Genehmigung des Staats ihre Gültigkeit.
§. 199. Erst mit dem Tage, da diese Bestätigung dem
Geschenkgeber oder Erben bekannt gemacht worden, nimmt dessen Verbindlichkeit
zur Entrichtung des Geschenks, oder Vermächtnisses, ihren Anfang.
§. 200. Dergleichen Geschenke oder Vermächtnisse zur todten
Hand können nur in so fern auf die Genehmigung des Staats Anspruch machen, als
sie die Summe von Fünfhundert Thalern nicht übersteigen.
§. 201. Mehrere Zuwendungen von einerley Geschenkgeber oder
Erblasser werden, wenn sie auch zu verschiedenen Zeiten bestimmt worden, in
Eine Summe zusammengezogen, und auf obigen Betrag herabgesetzt.
§. 202. Besteht die Zuwendung in einer jährlichen
fortwährenden Prästation: so soll der Betrag derselben mit Vier vom Hundert zu
Capital gerechnet, und wenn er alsdann die erlaubte Summe übersteigt, bis auf
so weit herabgesetzt werden.
§. 203. Ist das herabgesetzte Geschenk mehrern Kirchen
gewidmet: so hängt die Vertheilung der von dem Staate gebilligten Summe von dem
Gutfinden des Gebers ab.
§. 204. Hingegen muß, bey einem für mehrere Kirchen
bestimmten und herabgesetzten Vermächtnisse, die Vertheilung der gebilligten
Summe vom Staate, nach der wahrscheinlichen Absicht des Erblassers, bestimmt
werden.
§. 205. Auch kann der Staat, wenn es dieser Absicht nicht
offenbar entgegen ist, die ganze gebilligte Summe, der unter mehrern berufenen
Kirchen befindlichen unvermögenden, mit Ausschließung der hinlänglich
versorgten Kirchen, zuwenden.
§. 206. Unter dem auf Fünfhundert Thaler eingeschränkten
Betrage der Geschenke und Vermächtnisse soll dasjenige nicht mit begriffen
seyn, was für Seelmessen, die gleich nach dem Tode zu lesen sind, den
katholischen Priestern auf die Hand vertheilt worden.
§. 207. Doch darf auch ein solches Vermächtniß die Summe von
Fünfhundert Thalern nicht übersteigen.
§. 208. Wenn ein Geschenk oder Vermächtniß zur Verbesserung
des Auskommens der bey einer Kirche angestellten, und noch nicht hinlänglich
versorgten Prediger, oder andrer Beamten, gewidmet ist: so soll darüber auch
auf einen höhern Betrag, bis zur wirklichen Nothdurft, die Einwilligung des
Staats in der Regel nicht versagt werden.
§. 209. Ein Gleiches findet statt, wenn das Geschenk oder
Vermächtniß zur Wiederherstellung oder Reparatur eines schon vorhandenen
kirchlichen Gebäudes bestimmt ist.
§. 210. Dem Staate allein aber gebührt die Beurtheilung: ob
die Unterhaltung eines solchen Gebäudes für die Kirchengesellschaft, der es
gewidmet ist, nothwendig und nützlich sey.
§. 211. Zum Baue neuer Kirchen finden Geschenke und
Vermächtnisse nur in so fern statt, als der Staat nach §. 176. sqq. den Bau
selbst genehmigt.
§. 212. Was jemand an Sachen und Effekten, aus eignem
Vorrathe, zur Auszierung einer Kirche schenkt, oder vermacht: dazu soll die
Bestätigung in der Regel, wenn aus den Umständen eine Absicht, das Gesetz zu
vereiteln, nicht erhellet, nicht versagt werden.
§. 213. Uebrigens finden eben die Gründe zum Widerrufe,
welche bey Schenkungen überhaupt eintreten können, auch bey bestätigten
Schenkungen an Kirchen Anwendung. (Th. I. Tit. XI. §. 1089. sqq.)
§. 214. Kirchenvorsteher, welche, den obigen Vorschriften
zuwider, Schenkungen und Vermächtnisse annehmen, ohne davon dem Staate zur
Bestätigung Anzeige zu machen, haben fiskalische Strafe verwirkt.
§. 215. Die Strafe soll, nach Bewandniß der Umstände, und je
nachdem das Geschenk oder Vermächtniß an sich auf die Bestätigung Anspruch
machen könnte, oder nicht, von der Hälfte bis zum doppelten Betrage des Werths
der angenommenen Sache oder Summe bestimmt werden.
§. 216. So weit das Geschenk oder Vermächtniß nicht bestätigt
wird, fällt ersteres an den Geber, oder dessen Erben; so wie letzteres in den
Nachlaß zurück.
Verwaltung des Kirchenvermögens.
§. 217. Die Verwaltung des Kirchenvermögens liegt den
Kirchencollegien, unter Aufsicht der geistlichen Obern, ob.
§. 218. Von diesen gilt, der Regel nach, alles was wegen der
Beamten privilegirter Corporationen verordnet ist. (Tit. VI. §. 147. sqq.)
Veräußerung.
§. 219. Grundstücke und Gerechtigkeiten, die einer Kirche
gehören, können, ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats, nicht veräußert
werden.
§. 220. Bey ganzen Landgütern oder Häusern ist die
Genehmigung des geistlichen Departements nothwendig; bey einzelnen Grundstücken
oder bloßen Gerechtigkeiten hingegen ist der Consens der unmittelbaren
geistlichen Obern hinreichend.
§. 221. Die Genehmigung kann nur alsdann nachgesucht werden,
wenn die Veräußerung zum Besten der Kirche nothwendig, oder von erheblichem
Nutzen ist.
§. 222. Die öffentliche Subhastation ist zur Gültigkeit
einer solchen Veräußerung nicht wesentlich nothwendig.
§. 223. Die ohne den erforderlichen Consens geschehene
Veräußerung eines solchen Eigenthums der Kirche ist nichtig.
§. 224. Dagegen kann dieselbe, wenn die Einwilligung der
Behörde hinzu gekommen ist, unter dem Vorwande, daß sie unnöthig, oder nicht
nützlich gewesen sey, nicht angefochten werden.
§. 225. Vielmehr finden dagegen nur eben die Einwendungen
und Rechtsmittel, wie gegen jede andere Veräußerung, statt.
§. 226. Doch bleibt derjenige, welcher durch unrichtige
Vorspiegelungen, oder sonst, vorsetzlich, oder aus grobem Versehen, die
Einwilligung zu einer nicht nothwendigen oder schädlichen Veräußerung bewirkt
hat, der Kirche zur vollständigen Schadloshaltung verhaftet.
Verpfändung,
§. 227. Zu Verpfändungen des unbeweglichen Kirchenvermögens
ist die Einwilligung des Bischofs, und bey protestantischen Kirchen, des
Consistorii, nothwendig.
Besondre Vorrechte des Kirchenvermögens.
§. 228. Die Kirchengeselschaften genießen, in Ansehung der
mit ihnen selbst, oder mit ihren Repräsentanten und Vorstehern, über ihr
Vermögen verhandelten Geschäfte, und geschlossenen Verträge, die Rechte der
Minderjährigen.
§. 229. Wegen solcher zum Kirchenvermögen gehörenden
beständig fortlaufenden Abgaben und Prästationen, welche, nach Gesetzen und
Verfassungen, auf allen Grundstücken gewisser Art in einem Orte oder Districte
haften, gebührt den Kirchen, bey entstandenem Concurse der Besitzer, ein
vorzügliches Recht in der Zweyten Classe.
§. 230. Eben dergleichen Vorzugsrecht kommt ihnen auch in
Ansehung solcher beständig fortlaufenden persönlichen Abgaben zu, welche in
einem Orte, oder Districte, von allen Einwohnern einer gewissen Classe zu
entrichten sind.
§. 231. Doch ist beyderley Vorzugsrecht, nach näherer
Vorschrift der Concursordnung, nur auf den Rückstand zweyer Jahre
eingeschränkt.
§. 232. Haften dergleichen beständig fortlaufende
Prästationen auf liegenden Gründen nur vermöge besonderer Contrakte, oder
letztwilliger Verordnungen: so gebührt den Kirchen deswegen, bey ermangelnder
gerichtlichen Eintragung, nur ein Vorrecht der fünften Classe.
§. 233. Eben dergleichen Vorrecht kommt den Kirchen in dem
Vermögen derjenigen zu, mit welchen sie Contrakte geschlossen, oder ihnen
Vorschüsse gegeben haben.
§. 234. Hingegen gebührt ihnen das in der Concursordnung
näher bestimmte Vorrecht der Vierten Classe, in dem Vermögen ihrer Vorsteher
und Administratoren, welchen die Verwaltung oder Aufbewahrung ihrer Gelder,
oder anderer Vermögensstücke, anvertrauet worden.
Verhältnisse der Mitglieder.
§. 235. Die Verhältnisse zwischen den Kirchengesellschaften,
und deren Mitgliedern, in Ansehung der Güter und des Vermögens der erstern,
sind nach den allgemeinen Grundsätzen von Corporationen überhaupt, und
demnächst nach der unter Genehmigung des Staats hergebrachten Verfassung einer
jeden einzelnen Kirchengesellschaft bestimmt.
§. 236. Bey eigentlichen Parochialkirchen sind nähere
Bestimmungen gesetzlich vorgeschrieben.
Fünfter Abschnitt
Von Parochien
Begriff.
§. 237. Derjenige Distrikt, in welchem Glaubensverwandte
einer vom Staate öffentlich aufgenommenen Religionspartey zu einer
gemeinschaftlichen Kirche angewiesen sind, wird eine Parochie genannt.
Errichtung und Gränzen.
§. 238. Neue Parochien können nur vom Staate, unter
Zuziehung der geistlichen Obern errichtet, und die Gränzen derselben bestimmt
werden.
§. 239. Bey Veränderungen in schon errichteten Parochien,
muß der Staat alle diejenigen, welche ein Interesse dabey haben, rechtlich
hören, und die ihnen etwa zukommenden Entschädigungen festsetzen.
§. 240. Alle dergleichen Streitigkeiten, so wie diejenigen,
welche über die Gränzen zwischen Zwey oder mehrern Parochien entstehen, müssen
von der weltlichen Obrigkeit durch den ordentlichen Weg Rechtens entschieden
werden.
§. 241. Sind die Gränzen eines Kirchspiels in öffentlichen
Urkunden deutlich bestimmt: so findet dagegen die gewöhnliche Verjährung nicht
statt. (Th. I. Tit. K. §. 660-663.)
§. 242. Fehlt dergleichen deutliche Bestimmung: so muß die
bisherige Gewohnheit, zu welcher Kirche die Bewohner der streitigen Grundstücke
sich in den letzten Zehn Jahren gleichförmig gehalten haben, den Ausschlag
geben.
§. 243. Kann keine solche gleichförmige Observanz
ausgemittelt werden: so ist keine der streitenden Parochien zum Pfarrzwange
über dergleichen Einwohner berechtigt, sondern es finden die Vorschriften §.
293. sqq. Anwendung.
Von Mutter- und Tochter-, ingleichen von vereinigten
Mutterkirchen.
§. 244. Zum Gebrauch einer Parochie können mehrere Kirchen
errichtet, so wie mehrere Parochien zu Einer Kirche, oder unter einem
gemeinschaftlichen Pfarrer zusammen geschlagen werden.
§. 245. Wenn in einer Parochie, außer der Haupt- und
ursprünglichen Pfarrkirche, mehrere Nebenkirchen in entlegenen Gegenden, zur
Bequemlichkeit der daselbst wohnhaften Eingepfarrten errichtet worden: so
werden dieselben Tochterkirchen genannt.
§. 246. Wenn aber, nach Erforderniß der Umstände, und um die
Kosten zur Unterhaltung des öffentlichen Gottesdienstes zu erleichtern, mehrere
Parochien und deren Kirchen zusammen geschlagen werden: so heißen dieselben
vereinigte Mutterkirchen.
§. 247. Von dergleichen zusammen geschlagenen Mutterkirchen
behält jede ihre ursprünglichen Rechte, und sie können, nach Beschaffenheit der
Umstände, unter Genehmigung der geistlichen Obern wieder getrennt werden.
§. 248. Es ändert darunter nichts, wenn gleich derjenigen
Kirche, bey welcher der Prediger nicht wohnt, im gemeinen Sprachgebrauche der
Name Tochterkirche beygelegt worden.
§. 249. Eigentliche Tochterkirchen aber sind von der Haupt-
oder Mutterkirche abhängig, und können sich von ihr ohne Einwilligung der
Hauptgemeine nicht trennen.
§. 250. Im zweifelhaften Falle streitet die Vermuthung gegen
die Eigenschaft einer Tochterkirche.
§. 251. Wenn erhellet, daß die eine Kirche aus den Mitteln
der andern errichtet oder dotirt worden: so ist dies zum Beweise, daß jene eine
Tochterkirche von dieser sey, wenn nicht das Gegentheil aus den vorhandenen
Urkunden klar erhellet, hinreichend.
§. 252. In wie fern die vereinigten Kirchen zum Unterhalte
des gemeinschaftlichen Pfarrers und seiner Gehülfen beytragen müssen, beruht
hauptsächlich auf Verträgen, und ist in deren Ermangelung durch die
hergebrachte Verfassung einer jeden Kirche bestimmt.
Von auswärtigen Parochien.
§. 253. Nach eben dieser Vorschrift ist auch, wenn
diesseitige Unterthanen zu einer auswärtigen Kirche sich halten, oder
inländische Kirchen durch auswärtige benachbarte Pfarrer mit besorgt werden,
das Verhältniß der inländischen Unterthanen oder ihrer Kirche, mit der auswärtigen
Kirche, oder deren Pfarrer, zu beurtheilen.
§. 254. In so fern aber die Zuläßigkeit einer kirchlichen
Handlung, oder deren rechtliche Folgen, durch bürgerliche Gesetze bestimmt
sind, müssen die diesseitigen Unterthanen lediglich nach hiesigen Gesetzen
beurtheilt werden.
§. 255. Weigert sich der auswärtige Pfarrer, eine Handlung
nach hiesigen Gesetzen zu vollziehen: so steht den Interessenten frey, bey
ihrer Landesregierung den Auftrag zur Vollziehung an einen inländischen
Geistlichen nachzusuchen.
§. 256. Auch die Rechte der inländischen mit einer
auswärtigen verbundenen Kirche, werden, so weit sie nicht durch Verträge oder
Herkommen nach §. 252. bestimmt sind, nach hiesigen Gesetzen beurtheilt.
§. 257. Bey Amtshandlungen, welche auswärtige Pfarrer in
hiesigen Kirchen vornehmen, müssen sie schlechterdings die hiesigen
Landesgesetze befolgen, und nach den in hiesigen Landen vorgeschriebenen
Bestimmungen wegen der Pfarrgebühren sich richten.
§. 258. Der ausländische Geistliche ist wegen derjenigen Amtshandlungen,
die er innerhalb Landes verrichtet, der Aufsicht der hiesigen geistlichen Obern
unterworfen.
§. 259. Den Befehlen derselben muß er, auch so weit sie in
die Kirchen- oder allgemeine Landespolizey einschlagen, gebührend Folge
leisten.
Wer zur Parochie gehöre.
§. 260. Wer innerhalb eines Kirchspiels seinen ordentlichen
Wohnsitz aufgeschlagen hat, ist zur Parochialkirche des Bezirks eingepfarrt.
§. 261. Doch soll niemand bey einer Parochialkirche von
einer andern, als derjeniger Religionspartey, zu welcher er selbst sich
bekennt, zu Lasten oder Abgaben, welche aus der Parochialverbindung fließen,
angehalten werden; wenn er gleich in dem Pfarrbezirke wohnt, oder Grundstöcke
darin besitzt.
§. 262. Wer noch keinen beständigen Wohnsitz hat, wird als
Eingepfarrter derjenigen Parochie, zu welcher seine Aeltern gehört haben,
betrachtet.
§. 263. Wer den Wohnsitz seiner Aeltern aufgegeben, und
keinen andern erwählt hat, ist nirgends eingepfarrt.
§. 264. Wer einen doppelten Wohnsitz hat, ist bey der
Parochialkirche eines jeden derselben als Eingepfarrter verpflichtet.
§. 265. In Ansehung seiner Grundstücke trägt er die Lasten
der Parochialverbindung nur bey derjenigen Kirche, in deren Pfarrbezirk die
Grundstücke liegen.
§. 266. Bey Trauungen, Taufen, und andern kirchlichen
Handlungen, die zu gleicher Zeit nur an einem Orte vorgenommen werden können,
hat er die Wahl, welcher von beyden Kirchenanstalten er sich bedienen wolle.
§. 267. Hat jemand an einem Orte, wo mehrere Parochien
seiner Religionspartey sind, seinen Wohnsitz aufgeschlagen: so bestimmt die
Lage des Hauses in dem er wohnt, die Parochie zu welcher er gehört.
§. 268. Durch den bloßen Aufenthalt in einem Kirchspiele, so
lange der Vorsatz, seinen Wohnsitz darin aufzuschlagen, noch nicht erhellet,
wird die Einpfarrung nicht begründet.
§. 269. Die Frau gehört zur Parochie des Mannes nur in so
fern, als sie mit ihm einerley Glaubensbekenntnisse zugethan ist.
§. 270. Ist sie von einer verschiedenen Religionspartey: so
gehört sie der Regel nach in diejenige Parochie, welcher die übrigen Mitglieder
ihrer eigenen Religionspartey, in dem Bezirke, wo der Mann seinen Wohnsitz hat,
unterworfen sind.
§. 271. Sind diese zu keiner Parochie geschlagen: so ist
auch eine solche Frau von dem Pfarrzwange frey.
§. 272. Kinder, die noch unter der Aeltern Gewalt stehn,
gehören zur Parochie desjenigen von den Aeltern, in dessen Glaubensbekenntnisse
sie unterrichtet worden, oder deren Religionspartey sie gewählt haben.
§. 273. Sind dergleichen Kinder von einem andern
Glaubensbekenntnisse als beyde Aeltern: so finden die Vorschriften §. 270. 271.
Anwendung.
§. 274. Wo es durch besondre Gesetze oder wohlhergebrachte
Gewohnheiten zwischen den verschiedenen protestantischen Gemeinen bisher
eingeführt gewesen, daß die Parochialeigenschaft der sämmtlichen Mitglieder
einer Familie nach der Religionspartey, zu welcher das Haupt derselben sich
bekennt, beurtheilt worden, hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
§. 275. Das Gesinde gehört zu der Parochie seiner
Religionspartey an dem Orte, wo es im Dienste der Herrschaft sich aufhält.
§. 276. Eben das gilt von Handwerksgesellen und
Lehrburschen, in Beziehung auf den Wohnort des Meisters.
Exemtionen von der Parochie.
§. 277. Aus der Befreyung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit
des Orts folgt noch nicht die Ausnahme von der Parochie.
§. 278. Sämmtliche zum Militairstande gehörende Personen
sind der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts oder Standquartiers nicht
unterworfen.
§. 279. Vielmehr gehören dieselben, nach näherer Bestimmung
der Militair-Consistorialordnung, zu der Parochie des Regiments oder der
Garnison; zu welcher sie in Absicht ihres Dienstes gewiesen sind.
§. 280. Besitzen sie aber Grundstücke: so müssen von diesen
die Parochiallasten an die Kirche ihrer Religionspartey, in deren Bezirke die
Grundstücke liegen, entrichtet werden.
§. 281. Wo an einem Orte ein Feld- und ein Garnisonprediger
sich befinden, da hat Ersterer nur auf diejenigen als seine Eingepfarrten
Anspruch, welche zu dem Regimente oder Bataillon, bey welchem er angesetzt ist,
gehören.
§. 282. Wo aber kein besonderer Garnisonprediger ist, da
gehören alle am Orte befindliche, unter Militärgerichtsbarkeit stehende
Personen, zu der Gemeine des Feldpredigers; und unter mehrern desjenigen,
welchem der Gouverneur oder Commandant die Geschäfte des Garnisonpredigers
aufgetragen hat.
§. 283. Sämmtliche zum Civilstande gehörige Königliche, in
wirklichen Diensten stehende, oder Titularräthe, und andre Bediente, sind der
Regel nach von der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts ausgenommen.
§. 284. Wo jedoch dergleichen Civilbediente unter der
ordentlichen Gerichtsbarkeit des Orts stehen, da gilt die Vermuthung, daß sie
auch zur Parochie desselben gehören.
§. 285. Dagegen wird durch bloße Uebertragung (Delegation)
der Gerichtsbarkeit von dem Ober- an die ordentlichen Gerichte des Orts,
die Befreyung von der Parochie nicht aufgehoben.
§. 286. In so fern Landesunterthanen, welche einen
auswärtigen Charakter erhalten haben, von der ordentlichen Gerichtsbarkeit
ausgenommen worden, sind sie auch von dem bisherigen Pfarrzwange befreyt.
§. 287. Sind gewisse innerhalb der Gränzen des Kirchspiels
gelegene Häuser von der Parochie ausgenommen: so kommt diese Exemtion allen
Bewohnern zu statten.
§. 288. Alle vom Pfarrzwange Ausgenommene haben in jedem
einzelnen Falle die Wahl, welcher Kirchenanstalt sie sich bedienen wollen.
§. 289. Doch müssen sie sich, bey jeder solchen Handlung,
allen Anordnungen und Abgaben derjenigen Kirchenanstalt, deren sie sich bedienen,
gleich den wirklich Eingepfarrten unterwerfen.
§. 290. Bei den Heirathen derselben muß das Aufgebot
nothwendig in der Pfarrkirche des Wohnorts geschehen.
§. 291. In allen Fällen, wo bey einer ihrer kirchlichen
Handlungen, Ausnahmen von gewissen die Civilperson überhaupt bindenden Gesetzen
gemacht werden sollen, muß die Dispensation dazu, wenn gleich die Handlung
selbst von einem zum Militairstande gehörigen Geistlichen verrichtet wird,
dennoch bey der gehörigen Civilinstanz nachgesucht werden.
§. 292. An Orten, wo kein ordentlich eingerichteter
Garnison-Gottesdienst ist, können auch Eximirte vom Civilstande sich eines
Feldpredigers zu wirklichen Parochialhandlungen nicht bedienen.
Von vagirenden Distrikten und Einwohnern.
§. 293. Einzelne Einwohner des Staats, welche nach obigen
Grundsätzen weder zu einer Parochie gehören, noch vom Pfarrzwange ausdrücklich
eximirt sind, müssen eine Kirche ihrer Religionspartey wählen, zu welcher sie
sich halten wollen.
§. 294. Auch ganze Gemeinen, welche noch zu keinem Kirchspiele
gewiesen sind, müssen sich, unter Vorwissen und Genehmigung der geistlichen
Obern, zu einer benachbarten Kirche schlagen.
§. 295. Der Regel nach hängt die Bestimmung, zu welcher
Kirche sie sich halten wollen, von der Mehrheit der Stimmen einer solchen
Gemeine ab.
§. 296. Doch können, wenn keine Vereinigung statt findet,
die geistlichen Obern, nach Bewandniß der Umstände, einen Theil der Gemeine zu
dieser, und die Uebrigen zu einer andern Kirche weisen.
§. 297. Bey der Zuschlagung solcher Gemeinen zu benachbarten
Kirchen, müssen die Abgaben und Beyträge derselben, so wie ihre Theilnehmung an
einem der Gemeine bey Besetzung der Pfarrstelle zukommenden Wahlrechte, unter
Direction der geistlichen Obern, durch Verträge bestimmt werden.
§. 298. Sind damals keine Verträge geschlossen worden: so
muß die fehlende Bestimmung, in vorkommenden streitigen Fällen, von den
geistlichen Obern, nach der Billigkeit, und nach dem, was unter ähnlichen
Umständen im Kreise oder in der Provinz üblich ist, ergänzt werden.
§. 299. Dergleichen Zuschlag hat zwar nicht die Wirkung
einer beständigen Einpfarrung.
§. 300. Es können aber die zugeschlagenen Gemeinen nur aus
erheblichen Ursachen, und nur unter Approbation der geistlichen Obern, von der
einmal gewählten Kirche wieder abgehen.
§. 301. So lange der Pfarrer, welcher für diese zugeschlagne
Gemeine mit berufen worden, noch im Amte steht, kann zu seinem Nachtheile eine
Abtrennung dieser Gemeine nicht gestattet werden.
§. 302. Dagegen hat der Prediger, während dessen Amtsführung
die Zuschlagung geschehen ist, gegen eine von den geistlichen Obern genehmigte
Wiederabtretung kein Recht zum Widerspruch.
Verlassung der Parochie.
§. 303. Wer von einer Religionspartey zur andern übergeht,
verläßt seine bisherige Parochie.
§. 304. Wer seinen Wohnsitz außer den Gränzen seiner
bisherigen Parochie verlegt, wird dadurch zugleich von dem Pfarrzwange
derselben frey.
§. 305. Ein Gleiches geschieht durch Erlangung eines
Standes, Amts, oder Titels, mit welchem die Befreyung von der ordinairen Parochie
gesetzlich verbunden ist.
Aufhebung der Parochien.
§. 306. Die unter Genehmigung des Staats einmal bestehende
Parochien, können ohne dergleichen Genehmigung nicht wieder aufgehoben werden.
§. 307. Dadurch, daß aus Mangel an Eingepfarrten in einer Kirche
eine Zeitlang keine gottesdienstliche Wandlungen haben vorgenommen werden
können, verliert dieselbe noch nicht die Rechte einer Parochialkirche.
§. 308. Wenn aber, aus Mangel an Eingepfarrten, die Stelle
des Pfarrers länger als Zehn Jahre hindurch unbesetzt gebliebn ist, so kann der
Landesherr, wo nicht besondere Landesverfassungen oder Traktaten entgegen
stehen, über die vakante Kirche verfügen; und alsdann erlöschen auch die
etwanigen Parochialrechte derselben.
vom Simultaneo.
§. 309. Wenn zwey Gemeinen verschiedener Religionsparteyen
zu Einer Kirche berechtigt sind: so müssen die Rechte einer jeden hauptsächlich
nach den vorhandenen besonderen Gesetzen oder Verträgen beurtheilt werden.
§. 310. Mangelt es an solchen Bestimmungen: so wird
vermuthet, daß eine jede dieser Gemeinen mit der anderen gleiche Rechte habe.
§. 311. Die nähern Maaßgaben wegen der Ausübung dieser
Rechte müssen, bey entstehendem Streite, nach dem Einverständnisse der
beyderseitigen Obern, und wenn dies nicht statt findet, durch unmittelbare
Landesherrliche Entscheidung festgesetzt werden.
§. 312. Dabey ist jedoch auf dasjenige, was bisher üblich
gewesen, hauptsächlich Rücksicht zu nehmen.
§. 313. Wird aberr darüber gestritten: ob eine
oder die andere Gemeine zu der Kirche wirklich berechtigt sey; so
gehört die Entscheidung vor den ordentlichen Richter.
§. 314. Wenn nicht erhellet, daß beyde Gemeinen zu der
Kirche wirklich berechtigt sind: so wird angenommen, daß diejenige, welche zu
dem gegenwärtigen Mitgebrauche am spätesten gelangt ist, denselben nur
bittweise, d. h. als eine widerrufliche Gefälligkeit erhalten habe.
§. 315. Selbst ein vieljähriger Mitgebrauch kann, für sich
allein, die Erwerbung eines wirklichen Rechts durch Verjährung in der Regel
nicht begründen. (Th. I. Tit. IX. §. 589.)
§. 316. Wenn jedoch, außer diesem Mitgebrauche, auch die
Unterhaltung der Kirche von beyden Gemeinen gemeinschaftlich bestritten worden:
so begründet dieses die rechtliche Vermuthung, daß auch der später zum
Mitgebrauche gekommenen Gemeine ein wirkliches Recht darauf zustehe.
§. 317. Solange eine Gemeine den Mitgebrauch nur bittweise
hat, muß sie bey jedesmaliger Ausübung einer bisher nicht gewöhnlichen
gottesdienstlichen Handlung die besondre Erlaubniß der Vorsteher dazu nachsuchen.
Sechster Abschnitt
Von dem Pfarrer und dessen Rechten
Begriff.
§. 318. Derjenige Geistliche, welcher zur Direction und
Verwaltung des Gottesdienstes bey einer Parochialkirche bestellt worden, wird
der Pfarrer des Kirchspiels genannt.
Erfordernisse und
§. 319. Ein Pfarrer muß die von einem geschickten und
tugendhaften Geistlichen erforderten Eigenschaften im vorzüglichen Grade
besitzen.
allgemeine Pflichten desselben.
§. 320. Er muß sich den Wohlstand der Kirche, den Unterricht
der Gemeine, und die Beförderung eines guten moralischen Verhaltens ihrer
sämmtlichen Mitglieder, besonders angelegen seyn lassen.
§. 321. Die Sorge für die Gebäude und das Vermögen der
Kirche hat er mit den Vorstehern gemein.
§. 322. Wenn letztere in ihren Pflichten nachläßig sind, ist
er seiner geistlichen Behörde davon Anzeige zu machen schuldig.
§. 323. Dagegen sind aber auch die Vorsteher verbunden, eben
dieser Behörde es anzuzeigen, wenn der Pfarrer seine Amtspflichten
vernachläßigt oder in seinem sittlichen Verhalten zu gegründetem Tadel und
Aergerniß der Gemeinen Veranlassung giebt.
Wahl des Pfarrers überhaupt.
§. 324. Ob die Wahl des Pfarrers von dem Bischofe, dem
Consistorio, einem Privatpatrone, oder den Gliedern der Gemeine abhänge, wird
durch die besondern Verfassungen jeder Provinz und jedes Orts näher bestimmt.
§. 325. Niemals soll ein Subjekt, welches mit der Gemeine in
Streit und Feindschaft lebt, oder gegen dessen Grundsätze, oder moralisches
Verhalten, die Gemeine erhebliche Einwendungen hat, derselben zum Pfarrer
aufgedrungen werden.
§. 326. In allen Fällen muß daher das Subjekt, welches zum
Pfarrer bestellt werden soll, der Gemeine zuvor bekannt gemacht werden.
Insonderheit bey Patronalkirchen.
§. 327. Hat die Pfarrkirche ihren eignen Patron: so gebührt
diesem der Regel nach die Berufung eines neuen Pfarrers.
§. 328. Auch Patronen können, bey ihrer anzustellenden
Auswahl, nur auf solche Subjekte Rücksicht nehmen, die entweder schon in einem
geistlichen Amte stehn, oder doch als Candidaten, von den geistlichen Obern
ihrer Provinz, nach angestellter vorläufiger Prüfung, die Erlaubniß zum
Predigen erhalten haben.
§. 329. Das von dem Patrone ausgewählte Subjekt muß der
Gemeine vorgestellt, und zur Haltung einer Probepredigt und Catechisation
angewiesen werden.
§. 330. Hat der Gewählte schon vorhin in einem geistlichen
Amte gestanden: so muß er dennoch, wenn die Gemeine ihn nicht schon hinlänglich
kennt, eine Gastpredigt und Catechisation halten.
§. 331. Der Tag der zu haltenden Probe- oder Gastpredigt muß
der Gemeine wenigstens Vierzehn Tage vorher bekannt gemacht werden.
§. 332. Sind Zwey oder mehrere Kirchen unter einem Pfarrer
zusammen geschlagen: so muß in jeder eine Probepredigt gehalten werden.
§. 333. Ob auch in eigentlichen Filialkirchen die Haltung
einer Probepredigt nöthig sey, oder ob die Mitglieder einer solchen
Tochtergemeine zu deren Anhörung in der Mutterkirche sich einfinden müssen,
bleibt der hergebrachten Verfassung bey einem jeden Kirchensysteme überlassen.
§. 334. Die Gemeine muß, nach Verlauf von wenigstens Acht
Tagen, mit ihrer Erklärung über das von dem Patrone ausgewählte Subjekt
vernommen werden.
§. 335. Ist der Candidat aus einer andern Diözes oder
Consistorialdepartement: so kann die Gemeine eine längere Frist, allenfalls bis
Vier Wochen, zu ihrer Erklärung verlangen.
§. 336. Ist die Gemeine mit dem Patrone über die Würdigkeit
des von letzterem ausgewählten Subjekts uneins: so müssen die vorgesetzten
geistlichen Obern, ohne prozessualische Weitläufigkeiten, über die
Erheblichkeit der Einwendungen entscheiden.
§. 337. Wer rechtlich überführt wird, daß er sich durch
Bestechungen, oder andre unerlaubte Wege, in ein geistliches Amt
einzuschleichen gesucht habe, wird eines solchen Amts auf immer unfähig.
§. 338. Auf den bloßen, mit keinen erheblichen Gründen
unterstützten Widerspruch einzelner Mitglieder der Gemeine soll keine Rücksicht
genommen werden.
§. 339. Wenn aber ein Subjekt wenigstens Zwey Drittel der
Stimmen sämmtlicher Gemeinglieder gegen sich hat, soll er zu der Pfarrstelle
nicht anders gelassen werden, als wenn sich bey der Untersuchung findet, daß
der Widerspruch durch bloße Verhetzungen und Aufwiegeleyen veranlaßt worden.
§. 340. Ist der Patron dem römisch-katholischen, die Gemeine
aber dem protestantischen Glaubensbekenntnisse zugethan, oder umgekehrt: so muß
der Patron wenigstens Drey Subjekte zur Probepredigt zulassen.
§. 341. Demjenigen unter diesen, welcher bey der Gemeine,
nach der Mehrheit der Stimmen derselben, den vorzüglichsten Beyfall hat, kann
er die Vocation nicht versagen.
§. 342. In diesem sowohl, als in allen übrigen Fällen, wo es
hergebracht ist, daß der Patron der Gemeine mehrere Subjekte zur Auswahl
vorschlage, muß die Gemeine nothwendig eins derselben wählen, in so fern sie
nicht allen Dreyen erhebliche Einwendungen nach Vorschrift §. 336. 337. 338.
entgegensetzen kann.
§. 343. Eben dies findet, im umgekehrten Falle, in Ansehung
des Patrons statt, wenn nach wohlhergebrachter Verfassung demselben mehrere
Subjekte zur Auswahl von der Gemeine vorgeschlagen werden.
§. 344. Nehmen mehrere Patronen mit gleichem Rechte an
Besetzung der Pfarren Theil: so entscheidet, wenn sie sich nicht vereinigen
können, die Mehrheit der Stimmen.
§. 345. Ist keine überwiegende Mehrheit der Stimmen
vorhanden: so müssen die geistlichen Obern den Patronen aufgeben, sich binnen
einer gewissen nach den Umständen zu bestimmenden Frist, über ein
vorzuschlagendes Subjekt zu vereinigen.
§. 346. Erfolgt in der bestimmten Frist kein Einverständniß:
so fällt die Besetzung der Stelle, für diesmal den geistlichen Obern anheim.
§. 347. Diese müssen aber die Stelle in der Regel einem
Dritten, welcher von keinem, der uneinigen Patronen vorgeschlagen worden,
verleihen.
§. 348. Hat eine eigentliche Tochterkirche einen besondern
Patron: so muß dieser in der Regel dem Patrone in der Mutterkirche beytreten,
wenn er nicht gegen das von letzterem ausgewählte Subjekt erhebliche
Einwendungen nach §. 336. 337. zu machen vermag.
§. 349. Wenn in dem Falle des §. 340. 342. der Gemeine von
den mehrern Patronen drey Subjekte vorgeschlagen werden sollen: so finden, wenn
die Patronen sich über diese Auswahl nicht vereinigen können, die Vorschriften
§. 344-347. Anwendung.
§. 350. Wenn also die mehrern Patronen ohne ein vorhandenes
Uebergewicht von Stimmen auf mehr als Drey Subjekte Rücksicht nehmen: so müssen
die geistlichen Obern der Gemeine drey andere vorschlagen.
§. 351. Wenn jedoch alle oder die meisten Patrone sich über
ein oder zwey Subjekte vereinigt hatten: so müssen diese auch von den
geistlichen Obern mit vorgeschlagen; und nur statt derjenigen, wegen welcher
kein solches Einverständniß getroffen werden kann, andre genommen werden.
§. 352. In allen Fällen, wo es auf die Stimmenmehrheit unter
den Patronen ankommt, werden die Stimmen, wenn das Patronatrecht bloß
persönlich ist, nach den Personen; wenn es aber auf Gütern haftet, nach den
Gütern, ohne Rücksicht auf den Werth oder die Größe derselben, gezählt; in
sofern nicht, vermöge vorhandener Verträge, oder einer rechtsverjährten
Gewohnheit, ungleiche Antheile für die mit dem Patronatrechte versehenen Güter
bestimmt sind.
Bey Kirchen, welche keinen Patron haben.
§. 353. Bey Kirchen, welche keinen eigenen Patron haben,
gebührt der Regel nach die Wahl des Pfarrers der Gemeine.
§. 354. In diesem Falle müssen die Kirchenvorsteher der
Gemeine Drey Subjekte vorschlagen.
§. 355. Bey diesem Vorschlage aber müssen sie nur auf solche
Subjekte, die der Gemeine durch Probepredigten, oder sonst, hinlänglich bekannt
sind, Rücksicht nehmen; und besonders solche, von welchen sie Ursache haben zu
glauben, daß mehrere Mitglieder der Gemeine Zuneigung und Vertrauen gegen sie
hegen, nicht übergehen.
§. 356. Bey der Wahl selbst hat in der Regel jedes Mitglied
der Gemeine, welches nicht einem mitwählenden Familienhaupte untergeordnet ist,
ein Stimmrecht.
§. 357. Durch Streitigkeiten über die Befugnisse zum
Stimmrechte soll die Wahl niemals aufgehalten werden.
§. 358. Wer entweder
selbst schon in einem ähnliche Falle ein Stimmrecht bey der Gemeine ausgeübt
hat; oder wer zu einer Classe gehört, deren Mitglieder m vorigen ähnlichen
Fällen zum Stimmen zugelassen worden, dem muß auch bey der gegenwärtigen Wahl
die Abgebung seiner Stimme verstattet werden.
§. 359. Ein Gleiches gilt von demjenigen, der ein Grundstück
besitzt, dessen vorige Inhaber, als Glieder der Gemeine, in ähnlichen Fällen
zur Wahl gelassen Worden.
§. 360. Niemand aber kann ein Stimmrecht sich anmaßen, der
zu einer andern, als derjenigen Religionspartey gehört, für welche der Pfarrer
gewählt werden soll.
§. 361. Die Festsetzung, wie nach diesen Grundsätzen ein
streitig gewordenes Stimmrecht in dem gegenwärtigen Falle ausgeübt werden soll,
kommt den geistlichen Obern zu.
§. 362. Die Entscheidung über das streitige Stimmrecht
selbst aber gehört vor den ordentlichen weltlichen Richter.
§. 363. Die nach der Festsetzung der geistlichen Obern
vorgenommene Wahl (§. 361.) verliert für den gegenwärtigen Fall nichts von
ihrer Gültigkeit, wenn sich hiernächst durch richterliches Erkenntniß jemanden
das ausgeübte Stimmrecht ab-, oder wenn dasselbe einem Ausgeschlossenen
zugesprochen wird.
§. 364. Was vorstehend §. 357-363. wegen eines über das
Stimmrecht gewisser Gemeinglieder entstehenden Streits verordnet ist, gilt,
jedoch mit Ausschließung des §. 360., auch in Fällen, wo unter mehren Patronen
das Berufungsrecht streitig wird.
§. 365. Uebrigens findet bey der von einer Gemeine
anzustellenden Pfarrwahl, dasjenige statt, was wegen Verhandlung und
Entscheidung gemeinschaftlicher Angelegenheiten bey Gemeinen überhaupt
verordnet ist. (Tit. VI. §. 167. 168.)
§. 366. Nehmen mehrere Gemeinen an der Pfarrwahl Theil: so
sind, wenn nicht ein Vertrag, oder eine seit rechtsverjährter Zeit wohl
hergebrachte Gewohnheit etwas Anderes bestimmt, die Mitglieder der
Filialgemeine ihre Stimmen unter der Hauptgemeine abzugeben befugt.
§. 367. Sind mehrere Pfarrgemeinen unter einem
gemeinschaftlichen Pfarrer vereinigt: so hat jede solche Gemeine nach der Regel
ihre eigne Stimme.
§. 368. Entsteht durch Zählung der Stimmen dieser
vereinigten Kirchengemeinen keine überwiegende Mehrheit: so müssen die
einzelnen Stimmen der Mitglieder, ohne Rücksicht auf die verschiedenen
Gemeinen, gezählt werden.
§. 369. In allen Fällen, wo keine entscheidende Mehrheit der
Stimmen zu finden ist, gebührt den geistlichen Obern die Ernennung, unter den
mit gleich viel Stimmen gewählten Personen.
§. 370. Mitglieder bloß zugeschlagener Gemeinen nehmen, wenn
nicht bey der Zuschlagung nach §. 297. ein Anderes festgesetzt worden, an der
Pfarrwahl keinen Theil.
§. 371. Doch ist, wenn von den übrigen Gemeinen ein Pfarrer
gewählt worden, zu welchem der größere Theil der Gastgemeine kein Vertrauen
hat, dieses für einen erheblichen Grund, aus welchem letztere auf die Wiederabtrennung
antragen kann, zu achten.
§. 372. Uebrigens kommt es, auch bey Pfarrwahlen, der
Gerichtsobrigkeit des Kirchspiels in allen Fällen zu, die Wahl zu dirigiren,
und auf Ruhe und Ordnung dabey zu sehen.
§. 373. Sind in dem Kirchspiele mehrere Gerichts-Obrigkeiten
vorhanden: so gebührt die Wahldirection der Gerichtsobrigkeit des Orts, wo jede
Stimmensammlung geschieht.
Vocation.
§. 374. Demjenigen, welcher von dem Patron, oder der
Gemeine, zu der erledigten Pfarrstelle rechtmäßig gewählt worden, muß eine
schriftliche Vocation zugefertigt werden.
§. 375. Wo es bisher gebräuchlich gewesen, daß die Vocation
erst nach erfolgter Prüfung ertheilt worden, da muß dem Gewählten eine
schriftliche Bekanntmachung, welche die Bedingungen zur künftig zu ertheilenden
Vocation enthält, geschehen.
§. 376. Die Ausfertigung der Vocation gebührt dem Patrone,
und in dessen Ermangelung den Kirchenvorstehern.
§. 377. Die Bestimmung der Zeit, binnen welcher der Berufene
sich über die Annahme der Vocation erklären muß, ist willkührlich; und hängt
von dem Gutfinden der Wählenden ab.
§. 378. Kommt binnen dieser Frist die Erklärung des
Berufenen nicht ein: so sind der Patron, oder die Gemeine, zu einer neuen Wahl
zu schreiten sofort berechtigt.
§. 379. Ist keine Zeit zur Erklärung bestimmt: so kann der
Berufene die Vocation so lange annehmen, als ihm nicht ein geschehener Widerruf
derselben bekannt gemacht worden.
§. 380. Hat er sich aber binnen Vierzehn Tagen, nach
erhaltener Vocation, über die Annahme derselben nicht erklärt; und sind, nach
Verlauf dieser Frist, der Patron und die Gemeine zu einer neuen Wahl
geschritten: so hat eine später erfolgte Annahme keine rechtliche Wirkung.
§. 381. Uebrigens gelten von der Annahme der Vocationen, die
von der Annahme bey Verträgen überhaupt vorgeschriebenen Gesetze. (Th. I. Tit.
V. §. 78. sqq.)
§. 382. Ist die Vocation von Mehrern ausgefertigt, so ist es
hinlänglich, wenn die Annahme auch nur gegen Einen derselben erklärt worden.
§. 383. Die von dem Berufenen einmal gültig angenommene
Vocation kann ohne erhebliche Ursachen nicht widerrufen werden.
§. 384. Nur aus eben den Gründen, aus welchen ein schon
bestellter Pfarrer seines Amts entsetzt werden kann, ist auch der Widerruf
einer zu rechter Zeit angenommenen Vocation zuläßig.
§. 385. Es macht dabey keinen Unterschied: ob diese Gründe
schon vor Erlassung der Vocation vorhanden und bekannt gewesen, oder ob sie
erst nachher entstanden, oder zur Wissenschaft des Patrons oder der Gemeine
gelangt sind.
Präsentation.
§. 386. So bald der Berufene die Vocation angenommen hat,
muß er den geistlichen Obern der Diözes, oder des Departments, zur Bestätigung
präsentirt werden.
§. 387. Die Präsentation muß von dem Patrone, und wo deren
mehrere sind, von allen geschehen, welche zur Theilnehmung an der Wahl und
Vocation berechtigt sind.
§. 388. In Ermangelung von Patronen, geschieht die
Präsentation durch die Vorsteher.
§. 389. Der Präsentation muß eine Abschrift der ertheilten
oder noch zu ertheilenden Vocation, ingleichen das Protokoll über die Probe-
oder Gastpredigt, beygelegt werden.
§. 390. In allen Fällen, wo eine Wahl der Gemeine statt
gefunden hat, ist auch die Beylegung des Wahlprotokolls erforderlich.
§. 391. Wird von den Geistlichen Obern der Präsentirte
untauglich, oder die Wahl unregelmäßig befunden: so muß eine neue Wahl und
Präsentation erfolgen.
§. 392. Ist der Patron, welcher ein untaugliches Subjekt
vorgeschlagen hat selbst ein Geistlicher: so verliert er für diesen Fall sein
Präsentationsrecht, und die Besetzung der Pfarre geschieht durch die
geistlichen Obern.
§. 393. Die Präsentation zu einem erledigten Pfarramte muß
innerhalb Sechs Monathen von Zeit der Erledigung geschehen.
§. 394. Ist der Pfarrer auswärts verstorben: so läuft die
Frist von der Zeit an, wo sein Tod dem Patrone oder Kirchenvorstehern bekannt
geworden.
§. 395. Während der Vakanz muß der Gottesdienst in der
Pfarrkirche, auf Veranstaltung des Erzpriesters oder Kreisinspectors, durch
dazu qualificirte Personen versehen werden.
§. 396. In der Regel sind bey Pfarrkirchen, wo nur Ein
Geistlicher angesetzt ist, die benachbarten Pfarrer derselben Inspection, nach
der Anweisung des Erzpriesters oder Inspectors, gegen die hergebrachte
Vergütung aus den Einkünften der erledigten Pfarre, dazu verpflichtet.
§. 397. Auch bey Kirchen, wo mehrere Geistliche sind, findet
eine solche Vertretung der vakanten Stelle statt, wenn nach dem Befinden des
Inspectors, die übrigen Geistlichen die Arbeit allein nicht bestreiten können.
Devolutionsrecht.
§. 398. Kommt die Präsentation innerhalb Sechs Monathen
nicht ein; und ist auch vor Ablauf dieser Frist eine Verlängerung derselben
nicht gesucht, oder nicht zugestanden worden: so fällt die Besetzung der Pfarre
für diesen Fall den geistlichen Obern anheim.
§. 399. Wenn ein hiernächst bey der Prüfung untauglich
befundenes Subjekt präsentirt worden; und darüber die gesetzmäßige Frist
verlaufen ist: so kommt, außer dem Falle des §. 392., dem Präsentirenden noch
eine Nachfrist von Sechs Wochen zu statten.
§. 400. Muß nach §. 343. die Gemeine dem Patron Subjekte zur
Auswahl vorschlagen; oder muß, nach §. 340. 342., ein solcher Vorschlag der
Gemeine von dem Patron geschehen; so fällt nur das Recht desjenigen, welcher in
seiner Obliegenheit säumig gewesen ist, den geistlichen Obern anheim.
§. 401. So lange die geistlichen Obern von ihren
Anfallsrechten noch keinen Gebrauch gemacht haben, können der Patron oder die
Gemeine das Versäumte nachholen.
§. 402. Auch die geistlichen Obern müssen, so oft ihnen die
Ernennung des Pfarrers anheim fällt, wegen Auswahl eines tauglichen Subjekts,
die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften beobachten.
Ordination.
§. 403. Ist der Präsentirte bestätigt: so muß ihm die
Ordination, wenn er selbige nicht wegen eines vorher bekleideten geistlichen
Amts schon erhatten hat, verliehen werden.
Einweisung.
§. 404. Der erwählte und bestätigte Pfarrer muß in sein Amt,
und zu allen Verrichtungen desselben, ordentlich eingewiesen werden.
§. 405. Die Einweisung wird der Regel nach durch den
Erzpriester oder Kreisinspector vollzogen.
§. 406. Die Kosten der Vocation, Präsentation, und
Einweisung, wozu auch die Reisekosten der zur Einweisung nöthigen Personen
gehören, müssen, wo nicht besondere Provinzialverordnungen ein Anderes
festsetzen, aus den Einkünften der Kirche, und in deren Ermangelung, von der
Gemeine bestritten werden.
§. 407. Die Kosten der Prüfung und Ordination hingegen muß
der neue Pfarrer tragen.
§. 408. Auch muß der Regel nach der neue Pfarrer sich auf
seine eigne Kosten an den Ort seiner Bestimmung hinbegeben.
§. 409. Wo es aber durch Provinzialgesetze, oder nach einem
ununterbrochenen Herkommen, eingeführt ist, daß die Reisekosten aus der
Cämmerey- oder Gemeinecasse gegeben, oder daß die Fuhren von den Mitgliedern
der Gemeine unentgeltlich verrichtet werden; da hat es noch ferner dabey sein
Bewenden.
§. 410. Doch soll in keinem Falle der Gemeine zugemuthet
werden, einen Prediger, welchen sie nicht selbst gewählt hat, weiter, als in
einer Entfernung von zwey Tagereisen, abzuholen.
§. 411. An Orten, wo die Gemeine den Prediger zu holen
schuldig ist, muß sie auch die zu seiner Familie gehörenden Personen, und was
er an Kleidung, Wäsche, Hausrath, und Büchern mitbringt, herbeyführen.
Bestellung der Feld- und Garnisonprediger.
§. 412. Die Berufung der Feld- oder Garnisonprediger
geschieht von dem Regimentschef oder Gouverneur; und dieser steht dabey gegen
die geistlichen Obern des Militairstandes in eben dem Verhältnisse, wie der
Patron gegen das Consistorium.
Amtspflichten der Pfarrer.
§. 413. Die Pfarrer müssen sich bey ihren Kirchen beständig
aufhalten, und dürfen die ihnen anvertrauete Gemeine, selbst bey einer
drohenden Gefahr, eigenmächtig nicht verlassen.
§. 414. Wenn sie zu verreisen genöthigt sind: so kann es nur
mit Vorwissen und Erlaubniß des Inspectors oder Erzpriesters geschehen.
§. 415. Dieser muß die Genehmigung der geistlichen Obern
einholen, wenn die Zeit der Abwesenheit mehr, als Einen Sonntag, unter sich
begreift.
§. 416. In allen Fällen muß der Pfarrer, unter Direction des
Erzpriesters oder Inspectors, solche Veranstaltungen treffen, daß die Gemeine
bey seiner Abwesenheit nicht leide.
§. 417. Bey seiner Amtsführung muß der Pfarrer alle den
Geistlichen überhaupt vorgeschriebenen Pflichten sorgfältig beobachten.
Vom Pfarrzwange.
§. 418. Dagegen hat er das Recht, von den Eingepfarrten zu
fordern, daß sie sich in ihren Religionshandlungen, zu deren Vollziehung es der
Mitwirkung eines Pfarrers bedarf, nur seines Amts bedienen sollen.
§. 419. Dieser Verbindlichkeit können auch einzelne Eingepfarrte,
ohne besondere Erlaubniß der geistlichen Obern, sich nicht entziehen.
§. 420. Dergleichen Erlaubniß soll nur aus erheblichen
Gründen, besonders aber alsdann ertheilt werden, wenn aus den Umständen
erhellet, daß die Amtshandlungen dieses Pfarrers bey den Eingeplanten den Zweck
der moralischen Besserung verfehlen dürften.
§. 421. Auch soll, wenn nicht nachgewiesen ist, daß die
Schuld davon auf der Seite des Pfarrers sey, für die Entschädigung desselben
gehörig gesorgt werden.
§. 422. Auch in einzelnen Fällen dürfen Eingepfarrte ihre
Trauungen, Taufen, und Begräbnisse, durch einen andern, als den in ihrer
Parochie bestellten Pfrarrer, ohne dessen Einwilligung nicht vornehmen lassen.
Stolgebühren.
§. 423. Der Pfarrer hat für dergleichen Handlungen die
festgesetzten Stolgebühren zu fordern; und der Richter muß ihm dazu,
nötigenfalls, auf gebührendes Anmelden verhelfen.
§. 424. Er kann aber diese Gebühren niemals voraus ordern,
noch deshalb die von ihm begehrte Amtshandlung verschieben.
§. 425. Das Recht eine Taxordnung für die Stolgebühren
vorzuschreiben, selbige zu erhöhen, oder sie zu ändern, gebührt allein dem
Staate.
§. 426. Kirchenbediente, welche sich mit den ihnen
angewiesenen Gebühren nicht begnügen, sollen um den drey- bis zehnfachen Betrag
des zu viel Geforderten fiskalisch bestraft werden.
§. 427. Kein Geistlicher darf dergleichen Handlungen, die
einer andern Parochie zukommen, ohne ausdruckliche Bewilligung des gehörigen
Pfarrers vornehmen.
§. 428. Dieser aber darf, gegen Empfang der ihm zukommenden
Gebühren, die Einwilligung nicht versagen.
§. 429. Diese Einwilligung muß schriftlich ertheilt, und es
dürfen dafür keine besondere Gebühren gefordert werden.
§. 430. Eine dergleichen Einwilligung berechtigt jeden zu
dergleichen Handlungen überhaupt befugten Geistlichen, die Handlung
vorzunehmen.
§. 431. Soll aber bey einem protestantischen Eingepfarrten
die Handlung von einem katholischen Geistlichen, oder umgekehrt, verrichtet
werden: so ist dazu die Erlaubniß des Staats erforderlich.
§. 432. Soll ein Pfarrer eine an sich ihm gebührende
Handlung in dem Sprengel eines andern Pfarrers von seiner Religionspartey
vornehmen: so muß dazu die Einwilligung des diesem Sprengel vorgesetzten
Pfarrers eingeholt werden.
§. 433. Dieser letztere ist schuldig, die Einwilligung gegen
Empfang der halben Gebühren zu ertheilen; dem die Handlung selbst vollziehenden
Pfarrer aber darf deswegen an seinen Gebühren nichts abgezogen werden.
§. 434. Ein Pfarrer, welcher, obigen Vorschriften zuwider,
eine vor einen andern Pfarrer gehörende Handlung ohne dessen Einwilligung
vornimmt, soll um den doppelten Betrag der erhaltenen Gebühren fiskalisch
bestraft, der gehörige Pfarrer aber von dem Eingepfarrten entschädigt werden.
Trauungen.
§. 435. Die Trauung gebührt der Regel nach dem Pfarrer der
Braut.
§. 436. Wenn ein Theil der Verlobten zur deutsch
reformirten, und der andere zur französisch-reformirten Kirche gehört: so kommt
die Trauung dem Pfarrer des Bräutigams zu.
§. 437. Gehört der Bräutigam zur Militärgerichtsbarkeit: so
muß die Trauung von dem Feld- oder Garnisonprediger geschehen; und zwar ohne
Unterschied, zu welcher Religionspartey der Bräutigam sich bekenne.
§. 438. Gehört der Bräutigam zum Civil-, die Braut aber zum
Militairstande: so gebührt die Trauung dem Pfarrer des Orts, zu dessen
Kirchsprengel der Bräutigam gehört.
§. 439. Soll jedoch die Trauung an einem andern Orte, als wo
der Pfarrer des Bräutigams wohnt, geschehen: so ist auch in diesem Falle der
Pfarrer der Braut dazu berechtigt.
§. 440. Jeder Pfarrer, welcher ein Aufgebot oder eine
Trauung verrichten soll, muß die darüber vorhandenen gesetzlichen Vorschriften
genau beobachten, und sorgfältige Erkundigungen einziehen: ob die rechtlichen
Erfordernisse einer gültigen Ehe vorhanden, oder ob Ehehindernisse im Wege
sind. (Tit. I. Abschn. I. II.)
§. 441. Wenn mit Erlaubniß des ordentlichen Pfarrers die
Trauung durch einen andern Geistlichen verrichtet, und diesem der gehörige
Aufgebotsschein vorgelegt worden: so wird der trauende Pfarrer nur wegen
solcher Mängel und Ehehindernisse verantwortlich, von denen er überführt werden
kann, daß sie ihm wirklich bekannt gewesen sind.
§. 442. Wenn ein katholischer Pfarrer Anstand nimmt, eine
Ehe welche nach den Landesgesetzen erlaubt ist, um deswillen, weil die
Dispensation der geistlichen Obern nicht nachgesucht, oder versagt worden,
durch Aufgebot und Trauung zu vollziehen: so muß er sich gefallen lassen, daß
diese von einem andern Pfarrer verrichtet werden.
§. 443. Das Landes-Justizcollegium ist in einem solchen
Falle, so wie auch alsdann schon, wenn der katholische Pfarrer das Aufgebot aus
einem solchen Grunde versagt, wohl befugt, beydes einem andern Pfarrer,
allenfalls auch von einer verschiedenen Religionspartey, aufzutragen.
§. 444. Uebrigens sind die katholischen Pfarrer bey
fiskalischer Ahndung verbunden, die von ihren geistlichen Obern ihnen
zukommenden Dispensationen, ehe sie davon Gebrauch machen, dem
Landes-Justizcollegio der Provinz vorzulegen.
§. 445. Kein Pfarrer darf, ohne besondere Erlaubniß des
geistlichen Departments, fremde Officiers, die in hiesigen Landen heirathen
wollen, aufbieten oder trauen.
Von Taufen.
§. 446. Die Taufe ehelicher Kinder gebührt in der Regel dem
Pfarrer des Vaters.
§. 447. Sind die Aeltern von verschiedener Religionspartey:
so gebührt die Taufe, bey Söhnen, der Regel nach dem Pfarrer des Vaters; so wie
bey Töchtern dem Pfarrer der Mutter.
§. 448. Die Taufe der unehelichen Kinder kommt dem Pfarrer
der Mutter zu.
§. 449. Steht in beyden Fällen der Vater unter
Militärgerichtsbarkeit: so muß die Taufe von dem Feld- oder Garnisonprediger,
ohne Unterschied der Religionspartey des Vaters, verrichtet werden.
§. 450. Ist die Niederkunft nicht an dem Orte geschehen, wo
der gehörige Pfarrer sich aufhält: so kann auch der Pfarrer des Orts der
Niederkunft die Taufe ohne weitere Rückfrage verrichten.
§. 451. Hat eine Nothtaufe geschehen müssen: so muß dem
ordentlichen Pfarrer davon unverzüglich Anzeige gemacht werden.
§. 452. Für die Handlungen oder Gebräuche, welche
hiernächst, nach Verschiedenheit der Religionsparteyen, bey einem solchen am
Leben bleibenden Kinde vorgenommen werden, hat der Pfarrer eben die Gebühren,
wie für eine Taufe, zu fordern.
Von Begräbnissen.
§. 453. Jeder Eingepfarrte muß der Regel nach in seiner
Parochie begraben werden.
§. 454. Stirbt jemand außer seiner Parochie, jedoch an eben
demselben Orte: so hat der Pfarrer seines Kirchspiels das Recht, zu fordern,
daß die Beerdigung in seiner Parochie geschehe.
§. 455. Stirbt er aber an einem andern Orte: so haben die
Hinterlassenen die Wahl, ob sie ihn da, wo er gestorben ist, begraben, oder in
seine ordentliche Parochie zurückbringen lassen wollen.
§. 456. Ueberhaupt kann jeder Eingepfarrte sein und der
Seinigen Begräbniß auch außerhalb seiner Parochie wählen.
§. 457. Hat der Verstorbene selbst gewählt: so ist es
hinreichend, wenn nur seine Willensmeinung mit genügsamer Gewißheit bekannt
ist.
§. 458. Außer den Fällen des §. 454. 455. müssen aber nicht
nur dem Pfarrer und der Kirche, wo die Beerdigung geschieht, sondern auch dem
Pfarrer und der Kirche, denen sie eigentlich zukommt, die Gebühren entrichtet
werden.
§. 459. Doch haben letztere, wenn nach §. 457. der
Verstorbene selbst gewählt hat, nur solche Gebühren zu fordern, die, nach der
Verfassung jedes Orts, von allen Begräbnissen derjenigen Classe, zu welcher die
Leiche gehört, nothwendig zu entrichten sind.
§. 460. Soll eine Leiche, auf bloßes Verlangen der
Hinterlassenen, außer der gehörigen Parochie begraben werden: so müssen
letztere dem Pfarrer und der Kirche dieser Parochie, außer den nothwendigen
Gebühren, auch diejenigen Handlungen und Feyerlichkeiten, welche sie bey der
fremden Kirche vornehmen lassen, taxmäßig bezahlen.
§. 461. Wer ein Erb- oder Familienbegräbniß außerhalb des
Kirchspiels hat, kann verlangen, daß sein und der Seinigen Leichname dahin
abgeführt werden.
§. 462. Doch sind auch alsdann der Kirche und dem Pfarrer,
für welche das Begräbniß eigentlich gehören würde, der Regel nach, die ihnen
nach §. 459. zukommenden Gebühren ohne Abzug zu entrichten.
§. 463. In allen Fällen, wo eine Leiche durch einen andern
Gerichtsbezirk geführt werden soll, muß bey dem Obergerichte der Provinz ein
Leichenpaß gesucht werden.
§. 464. Kann ein solcher Paß nicht vorgezeigt werden: so hat
die ordentliche Obrigkeit jeden Orts der Durchfuhre das Recht, zu verlangen,
daß der Sarg geöffnet, und ihr die Besichtigung der Leiche gestattet werde.
§. 465. Die Pfarrer, durch deren Kirchspiel die Leiche gebracht
wird, können davon weder für sich, noch für die Kirche, Gebühren fordern.
§. 466. Jeder Pfarrer, von welchem, bey Gelegenheit der
Durchfuhre, gewisse Amtshandlungen oder andere Feyerlichkeiten ausdrücklich
verlangt werden, hat davon die Gebühren, für sich und die Kirche, nach der Taxe
des Orts zu fordern.
§. 467. Ist der Todte an einer ansteckenden Krankheit
verstorben; so, daß durch Wegbringung der Leiche die Ansteckung verbreitet
werden könnte: so muß die Leiche schlechterdings, und ohne Unterschied der
Fälle, da, wo sie ist, beerdigt werden.
§. 468. Alsdann sind aber auch die Gebühren nur dem Pfarrer
und der Kirche der Parochie, wo die Beerdigung wirklich geschehen ist, zu
entrichten.
§. 469. Jeder Todesfall muß dem Pfarrer des Kirchspiels, in
welchem er erfolgt ist, angezeigt werden.
§. 470. Eben das gilt auch bey Personen, die sonst keiner
Parochie unterworfen sind.
§. 471. Auch von todtgebornen, oder vor der Taufe
gestorbenen Kindern, muß die Anzeige dem Pfarrer geschehen.
§. 472. Auch solche Kinder dürfen ohne Vorwissen des
Pfarrers nicht außerhalb dem öffentlichen Kirchhofe begraben werden.
§. 473. Der hinterlassenen Familie, und in deren Ermangelung
dem Wirthe des Hauses, in welchem der Todesfall erfolgt ist, liegt es ob,
denselben anzuzeigen.
§. 474. Der Pfarrer muß sich nach der Todesart erkundigen,
und dem Todtengräber aufgeben, bey der Einlegung der Leiche in den Sarg, und
bey dessen Zuschlagung gegenwärtig zu seyn.
§. 475. So lange es noch im geringsten zweifelhaft ist: ob
die angebliche Leiche wirklich todt sey, muß das Zuschlagen des Sarges nicht
gestattet werden.
§. 476. Die nähern Bestimmungen wegen der zur Verhütung des
Lebendigbegrabens nöthigen Vorsichten, bleiben den besondern
Polizeyverordnungen vorbehalten.
§. 477. Alle gewaltsame Todesarten, so wie deren bey
Besichtigung der Leiche sich ergebende Vermuthungen, muß der Pfarrer der
ordentlichen Obrigkeit schleunigst anzeigen, und vor erfolgter Untersuchung
weder das Begräbniß, noch die Abfuhr gestatten.
§. 478. Ist dem Pfarrer bekannt, daß der Verstorbene
minderjährige, wahn- oder blödsinnige, oder aus andern gesetzlichen Gründen
unter Vormundschaft zu setzende Kinder, oder sonstige Erben hinterlasse: so muß
er der Obrigkeit davon Anzeige machen.
§. 479. Diese Anzeige muß der Regel nach derjenigen Behörde,
unter welcher der Verstorbene seinen persönlichen Gerichtsstand hatte; wenn
aber diese dem Planer unbekannt, oder außerhalb der Provinz ist, dem nächsten
Gerichte geschehen.
§. 480. Sowohl der Pfarrer des Kirchspiels, in welchem der
Todesfall erfolgt, als der, wo die Beerdigung geschehen ist, sind zu dieser
Anzeige verpflichtet.
Kirchenbücher.
§. 481. Die Pfarrer sind schuldig, richtige Kirchenbücher zu
halten, und darin alle von ihnen besorgte, gleichen alle die Eingepfarrten
betreffende und ihnen angezeigte Aufgebote, Trauungen, Geburten, Taufen, und
Begräbnisse, deutlich und leserlich einzuschreiben.
§. 482. Die Eintragung muß sogleich nach vorgenommener
Handlung oder geschehener Anzeige erfolgen, und das Datum muß mit Buchstaben ausgedrückt
werden.
Was zu beobachten bey Eintragung der Trauungen;
§. 483. Bey Trauungen müssen die Vor-, Zu- und
Geschlechtsnamen, ingleichen das Alter beyder Verlobten; auch ob sie schon
verheirathet gewesen, oder nicht; ob sie noch unter Aeltern und Vormündern
stehen, oder nicht, verzeichnet werden.
§. 484. Stehen die Verlobten, oder einer von ihnen, noch
unter Aeltern, oder Vormünder: so muß der Pfarrer dabey bemerken: wie ihm die
Einwilligung derselben nachgewiesen worden.
der Taufen;
§. 485. Bey Geburten und Taufen muß der Pfarrer den Vor-,
Zu- und Geschlechtsnamen, und den Stand der Aeltern, ingleichen den Namen und
Stand der gegenwärtig gewesenen Taufzeugen, nebst den Namen, welche dem Kinde
selbst beygelegt worden, mit eintragen.
§. 486. Auch muß er dabey die Angabe der Aeltern, wer in
deren Ermangelung, der Hebamme, von dem Tage und Stunde der Geburt, bemerken.
§. 487. Giebt die Mutter eines unehelichen Kindes den Vater
nicht an: so muß es der Pfarrer zwar dabey bewenden lassen; zugleich aber sich
sorgfältig erkundigen: ob auch die Mutter das Kind zu verpflegen und zu
erziehen hinlängliche Mittel habe.
§. 488. Findet er dabey ein Bedenken: so muß er selbiges der
Obrigkeit des Orts anzeigen.
§. 489. Wird der Vater des unehelichen Kindes angegeben: so
muß der Pfarrer denselben darüber vernehmen; und wenn er sich dazu bekennt, den
Namen desselben, so wie die Art, wie dies Bekenntniß an ihn, den Pfarrer,
gelangt ist, in das Kirchenbuch mit eintragen.
§. 490. Widerspricht der genannte Vater
der Angabe der Mutter; oder kann derselbe, weil sein Aufenthalt entfernt oder
unbekannt ist, nicht vernommen werden: so darf der Pfarrer seinen Namen in das
Kirchenbuch nicht einschreiben.
§. 491. Er muß aber den Fall der Obrigkeit des Orts, zur
Untersuchung und Obsorge für das Beste des Kindes, so fort anzeigen.
der Todesfälle.
§. 492. Bey Todesfällen muß der Name, der Stand, und das
Alter des Verstorbenen, der Tag des Todes, die Krankheit oder sonstige
Todesart, nach der dem Pfarrer geschehenen Anzeige eingeschrieben werden.
§. 493. Hat der Pfarrer den Verstorbenen nicht persönlich
gekannt: so muß er sich durch die Aussagen glaubwürdiger Personen so viel als
möglich versichern, daß derselbe wirklich derjenige gewesen sey, für den er ihm
angegeben worden.
§. 494. Wie er zu dieser Versicherung gelangt sey, muß in
dem Kirchenbuche mit vermerkt werden.
§. 495. Den Tod und die Beeidigung eines Fremden muß der
Pfarrer, wenn sonst niemand vorhanden ist, welcher davon in die Heimath
desselben Nachricht geben könnte, zu diesem Behufe dem nächsten Gerichte
anzeigen.
Eintragung der in andern Kirchen vorgenommenen Handlungen.
§. 496. In allen Fällen, wo dem Pfarrer eine Handlung, die
in einer andern Parochie vorgenommen werden soll, bloß angezeigt wird, muß er
dennoch diese Anzeige, mit Bemerkung des Orts, wo die Handlung selbst erfolgen
soll, in sein Kirchenbuch einzeichnen.
§. 497. Von solchen bloßen Anzeigen aber muß er, bey
Fertigung der jährlichen Listen, keinen Gebrauch machen.
§. 498. Diejenigen, welche einer bloß geduldeten mit keiner
eignen Kirchenanstalt versehenen Religionspartey zugethan sind, müssen die
unter ihnen vorkommenden Geburten, Heirathen, und Sterbefälle, dem Pfarrer des
Kirchspiels, in dessen Bezirk sie wohnen, zur Eintragung in das Kirchenbuch
anzeigen.
§. 499. Dergleichen Anzeigen gehören mit in die jährlichen
Listen.
§. 500. Wenn bey einer Kirche mehrere Geistliche angesetzt
sind: so muß dennoch nur der eigentliche Pfarrer das Kirchenbuch führen.
Duplicat des Kirchenbuchs.
§. 501. Der Küster muß ein Duplicat des Kirchenbuchs halten,
und darin die von dem Pfarrer eingetragenen Vermerke getreulich abschreiben.
§. 502. Am Ende eines jeden Jahres muß der Pfarrer dies
Duplicat mit seinem Kirchenbuche vergleichen, und die befundene Richtigkeit
darunter bezeugen.
§. 503. Sodann muß dieses Duplicat bey den Gerichten des
Orts verwahrlich niedergelegt werden.
Kirchenzeugnisse.
§. 504. Kirchenzeugnisse müssen jedoch aus dem von dem
Pfarrer geführten Originale, und nur in dessen Ermangelung aus dem Duplicate
ertheilt werden.
§. 505. Auch in diesen Zeugnissen soll, zur Vermeidung aller
Zweifel und Verfälschungen, das Datum, worauf es ankommt, nicht bloß mit
Zahlen, sondern zugleich mit Buchstaben ausgedrückt, und die Zeugnisse selbst
müssen mit dem Kirchensiegel bestärkt werden.
Vertretung des Pfarrers in seinem Amte.
§. 506. Ein Pfarrer, der nur bey einer einzelnen Handlung,
oder nur auf kurze Zeit, sein Amt selbst zu verrichten gehindert wird, kann
sich dabey durch einen andern Geistlichen, welcher zu solchen Handlungen an und
für sich befugt ist, vertreten lassen.
§. 507. Soll die Vertretung länger als Drey Tage dauern: so
muß dem Erzpriester oder dem Kreisinspector Anzeige davon geschehen.
§. 508. Ist die Vertretung auf länger als Vierzehn Tage
erforderlich: so muß der Erzpriester oder Inspector es an das Consistorium
berichten, und die genommenen Maaßregeln zur Genehmigung anzeigen.
§. 509. Verrichtet der Stellvertreter eine Amtshandlung, die
ins Kirchenbuch eingetragen werden muß: so ist er schuldig, seinen eignen
Namen, mit der Angabe seines Amts, und der Ursache der Vertretung, zu
unterzeichnen.
Capelläns.
§. 510. Ein katholischer Pfarrer kann, unter Approbation
seines vorgesetzten Consistorii, einen beständigen Amtsgehülfen oder Capellan
annehmen.
§. 511. Er muß aber dazu ein Subjekt wählen, gegen dessen
Person, Lehre, und Wandel, der Patron so wenig, als die Gemeine, etwas
Erhebliches einwenden können.
§. 512. Der Pfarrer kann einem solchen Capellan, wenn
derselbe die Ordination erhalten hat, alle Arten seiner Amtsgeschäfte ohne
Unterschied auftragen.
§. 513. Die Vertheilung der Geschäfte selbst, die Dauer der
Vertretung, und die dem Capellane dafür zukommende Belohnung, wird lediglich
durch den zwischen ihnen, unter Approbation der geistlichen Obern,
geschlossenen Vertrag bestimmt.
§. 514. Ein solcher Capellan kann jedoch, wenn die
Pfarrerstelle selbst erledigt wird, auf die Nachfolge darin keinen rechtlichen
Anspruch machen.
Pfarrgehülfen.
§. 515. Ein protestantischer Pfarrer kann, mit Vorwissen des
Consistorii, einen Candidaten zu seiner Vertretung, jedoch nur bey dem
Unterrichte der Gemeine, nicht aber bey andern Amtshandlungen annehmen.
§. 516. Wird er durch Krankheit, Schwachheit, oder Alter
verhindert, sein Amt nach dessen ganzen Umfange selbst gehörig zu verwalten;
und verlangt er daher einen beständigen Gehülfen zu allen seinen
Amtsverrichtungen: so muß er dieses demjenigen, welchem bey einer erfolgenden
Erledigung der Pfarre das Wahlrecht zusteht, anzeigen.
§. 517. Alsdann muß, bey der Bestellung eines solchen
Amtsgehülfen, alles das beobachtet werden, was bey der Wahl eines neuen
Pfarrers erforderlich ist.
§. 518. Ehe jedoch zur Wahl geschritten wird, muß dem zu
bestellenden Substituten sein auskömmlicher Unterhalt aus den Einkünften der
Pfarre bestimmt werden.
§. 519. Dieser Aussatz darf niemals in einem Antheile der
einzelnen Pfarreinkünfte (pars quota) bestehen; sondern er muß auf einen
gewissen Betrag an Gelde oder Naturalien, welche der Pfarrer dem Substituten,
oder dieser jenem abzugeben hat, bestimmt werden.
§. 520. Ein solcher Substitut tritt, wenn die Pfarre
erledigt wird, sofort an die Stelle und in alle Rechte eines wirklichen
Pfarrers.
§. 521. Dagegen hat ein nicht förmlich gewählter, sondern
nur von dem Pfarrer selbst, mit Erlaubniß der geistlichen Obern, wenn auch
unter Einwilligung des Patrons oder der Gemeine, angenommener Substitut kein
Recht zur Nachfolge in die erledigte Pfarre.
§. 522. Auch ohne das Gesuch des Pfarrers kann demselben ein
Substitut gegeben werden, wenn aus der Anzeige des Patrons, der Vorsteher, oder
der Gemeine, oder auch des Kreisinspectors, bey einer deshalb von den
geistlichen Obern zu veranlassenden Untersuchung sich ergiebt, daß der Pfarrer,
aus einem der §. 516. angeführten Gründe, seinem Amte vollständig vorzustehen,
nicht mehr vermögend sey.
Niederlegung des Amts.
§. 523. Wenn ein Pfarrer sein Amt niederlegen will: so muß
er dem Patrone und der Gemeine davon Anzeige machen, und die Genehmigung der
geistlichen Obern nachsuchen.
§. 524. Finden diese dabey nichts zu erinnern, so gebührt
weder dem Patrone, noch der Gemeine, ein Recht zum Widerspruche.
§. 525. Nimmt jedoch ein Pfarrer, innerhalb Zehn Jahren von
Zeit seiner Bestellung, einen anderweitigen Ruf an: so ist er schuldig, der
Kirchenkasse, und der Gemeine, alle bey seiner Ansetzung und seinem Anzuge
verwendete Kosten zu erstatten.
§. 526. Auch nach erhaltener Genehmigung der geistlichen
Obern darf der Pfarrer sein Amt nicht eher verlassen, als bis sein Nachfolger
bestellt und eingewiesen worden.
§. 527. Sind erhebliche Gründe vorhanden, warum dieses nicht
abgewartet werden kann: so muß der Erzpriester oder Inspector, unter besonderer
Approbation des Consistorii, für die Versehung des Amts in der Zwischenzeit
sorgen.
§. 528. Einem Pfarrer, der sein untadelhaft geführtes Amt
wegen Alters oder Krankheit niederlegen muß, gebührt ein lebenswieriger
Gnadengehalt.
§. 529. Bey ermangelnder Vereinigung über den Betrag und
Fond desselben, muß das Gehalt auf ein Drittel der sämmtlichen Pfarreinkünfte,
nach einem gemäßigten Anschlage festgesetzt, und der Amtsfolger zu dessen
Entrichtung auf die §. 519. bestimmte Art angewiesen werden.
Vergehungen der Pfarrer.
§. 530. Geringere Amtsvergehungen der Pfarrer müssen von den
geistlichen Obern auf die §. 125. bestimmte Art geahndet werden.
§. 531. Hat ein Pfarrer, ohne bösen Vorsatz, durch
unvorsichtiges Betragen, das Vertrauen seiner Gemeine verloren: so müssen die
geistlichen Obern seine Versetzung an einen andern Ort veranstalten.
§. 532. Hat ein Pfarrer in seinem Amte grobe Excesse
begangen: so müssen die geistlichen Obern ihm die Führung seines Amts vorläufig
untersagen; wegen dessen Wahrnehmumg die erforderlichen Anstalten treffen; die
nähere Untersuchung verhängen; und nach dem Befunde derselben ihm die
Entsetzung andeuten.
§. 533. Will sich der Pfarrer dabey nicht beruhigen, so
steht ihm frey, auf förmliche gerichtliche Untersuchung und Entscheidung
anzutragen.
§. 534. Er muß sich aber dazu binnen Vier Wochen nach
angedeuteter Entsetzung melden.
§. 535. Bey katholischen Pfarrern gebührt das Erkenntniß dem
geistlichen Gerichte; bey protestantischen aber dem Landes-Justizcollegio der
Provinz.
§. 536. Hat ein Pfarrer sich bürgerlicher Verbrechen, die
eine Criminaluntersuchung nach sich ziehn, schuldig gemacht: so müssen die
geistlichen Obern ihn suspendiren, und die Sache der ordentlichen Obrigkeit zur
weitern Verfügung anzeigen.
§. 537. Es kann aber auch die bürgerliche Obrigkeit, ohne
erst die Anzeige abzuwarten, sich des Verbrechers sofort bemächtigen, und ihm
den Prozeß machen.
§. 538. Doch muß sie den geistlichen Obern davon Nachricht
geben; damit diese wegen der Amtsversehung das Nöthige verfügen können.
Nebengeistliche.
§. 539. Die bey größern Parochialkirchen bestellten
Nebengeistlichen machen mit dem Pfarrer ein Collegium aus, worin dem letztern
der Vorsitz und die Direction gebührt.
§. 540. Die Vertheilung der Geschäfte und Einkünfte unter
sie; so wie ihr Verhältniß gegen den Pfarrer und die Gemeine, ist nach den
Verfassungen einer jeden solchen Kirche besonders bestimmt.
§. 541. Der Regel nach sind die Nebengeistlichen der
Aufsicht und der Anweisung des Pfarrers in allen ihren Amtsgeschäften
unterworfen.
§. 542. Weltgeistliche, die zur Abwartung des Gottesdienstes
bey einer Capelle oder bey einem Altar bestimmt sind, dürfen sich keiner
Parochialverrichtungen anmaßen.
§. 543. Auch mehrere dergleichen bey einer Kirche bestellte
Capelläne machen dennoch unter sich kein Kollegium aus.
§. 544. Uebrigens aber haben sie die allgemeinen Rechte und
Obliegenheiten der Geistlichen.
§. 545. Weltgeistliche, die kein bestimmtes geistliches Amt
bey einer Gemeine oder Kirche haben, sollen von den Bischöfen nicht ohne
erhebliche Ursache bestellt, oder in ihre Diöces aufgenommen werden.
§. 546. Sie stehen in Ansehung ihrer geistlichen Functionen
unter dem Bischöfe; und dieser muß dafür sorgen, daß sie weder Unordnung oder
Aergerniß anrichten, noch sonst dem Staate zur Last fallen.
§. 547. So lange sie bey einer Gemeine oder Kirche nicht
wirklich angesetzt sind, haben sie auf die äußern Vorrechte der Geistlichen §.
96. 97. keinen Anspruch.
Schiffs- und
Gesandschaftsprediger.
§. 548. Schiffsprediger stehen unter den geistlichen Obern
der Provinz, wohin das Schiff gehört; und Gesandschaftsprediger unter den
geistlichen Obern derjenigen Provinz, deren Landes-Justizcollegio der Gesandte
in seinen persönlichen Angelegenheiten unterworfen ist.
§. 549. Beyde haben, in Ansehung der ihnen angewiesenen
Kirchengesellschaft, die Rechte und die Glaubwürdigkeit eines wirklichen
Pfarrers.
Siebenter Abschnitt
Von weltlichen Kirchenbedienten
§. 550. Personen, welche zwar zum Dienste der Kirche, aber
nur in mechanischen Verrichtungen, oder weltlichen Angelegenheiten bestimmt sind,
haben nicht die Rechte der Geistlichen.
§. 551. Insonderheit werden sie durch ihre
Kirchenbedienungen von der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht ausgenommen.
Kirchenvorsteher.
§. 552. Kirchenvorsteher werden der Regel nach von dem
Patron bestellt; wo aber dergleichen nicht vorhanden ist, von der Gemeine,
unter Genehmigung der ordentlichen Gerichtsobrigkeit, gewählt.
§. 553. Wo nach bisheriger Observanz die Bestellung der
Vorsteher von andern Personen oder Behörden abgehangen, hat es deshalb, so wie
in Ansehung der Dauer des Amts, bey dieser hergebrachten Gewohnheit sein
Bewenden.
§. 554. Nur Mitglieder der Gemeine können zu
Kirchenvorstehern bestellt werden.
§. 555. Von der Verbindlichkeit des ausgewählten Mitglieds,
dergleichen Amt zu übernehmen, und von den ihm dagegen zu statten kommenden
Entschuldi- gungsursachen, gilt alles das, was wegen der Beamten der
Corporationen überhaupt, und der Bürgergemeinen insonderheit, oben verordnet
ist. (Tit. VI. §. 161. 162. Tit. Vni.)
Küster.
§. 556. Küster, und andere dergleichen niedere
Kirchenbediente, werden der Regel nach von dem Patron bestellt.
§. 557. Dieser muß zwar den Pfarrer mit seinem Gutachten
über das zu bestellende Subject hören; er ist aber an desselben Vorschläge
nicht gebunden.
§. 558. Doch darf dem Pfarrer kein Subjekt aufgedrungen
werden, welches mit ihm in offenbarer Feindschaft lebt, oder sich gröblich
wider ihn vergangen hat.
§. 559. Ist der Küster zugleich Vorleser oder Vorsänger: so
muß er eine Probe vor der versammelten Gemeine ablegen.
§. 560. Die Gemeine hat in diesem Falle ein Recht zum
Widerspruche, wenn sie den geistlichen Obern erhebliche Gründe gegen die
Tüchtigkeit oder Würdigkeit des vorgeschlagnen Subjekts anzeigen und nachweisen
kann.
§. 561. Ist der Küster zugleich Schulhalter: so finden wegen
seiner Prüfung und Bestellung die Vorschriften des folgenden Titels Anwendung.
§. 562. Bey Kirchen, welche keinen eignen Patron haben,
gebührt die Bestellung der niedern Kirchenbedienten dem Pfarrer und den
Kirchenvorstehern; in so fern nicht dieselbe, nach wohlhergebrachter Gewohnheit
des Orts, letztern allein, oder auch der ganzen Gemeine zukommt.
§. 563. In allen Fällen muß der Pfarrer die geschehene
Bestellung eines solchen Kirchenbedienten dem Erzpriester oder Kreisinspector
anzeigen.
§. 564. Ist von einem Küster die Rede: so muß derselbe, ehe
er in das Amt wirklich eingesetzt wird, dem Erzpriester oder Inspector zur
Prüfung vorgestellt werden.
§. 565. Die Pflichten und Verrichtungen der niedern
Kirchenbedienten sind in den Provinzial-Kirchenordnungen, und durch die
besondern Verfassungen einer jeden Parochialkirche bestimmt.
§. 566. Sie stehen in ihrem Amte zunächst unter der Aufsicht
und Direction des Pfarrers, und müssen den Anweisungen desselben bereitwillig
Folge leisten.
§. 567. Uebrigens gilt von der Aufsicht der geistlichen
Obern über sie, von ihrer Bestrafung bey vorkommenden Amtsvergehungen,
ingleichen von ihrer Entsetzung, alles, was im vorigen Abschnitte in Ansehung
der Pfarrer verordnet ist. (§. 530-538.)
Achter Abschnitt
Von Kirchenpatronen
Begriff.
§. 568. Derjenige, welchem die unmittelbare Aufsicht über
eine Kirche, nebst der Sorge für deren Erhaltung und Vertheidigung obliegt,
wird der Kirchenpatron genannt.
Erwerbung des Patronatrechts.
§. 569. Wer eine Kirche baut, oder hinlänglich dotirt,
erlangt dadurch ein Recht zum Patronat.
§. 570. Eben dergleichen Recht erlangt derjenige, welcher
eine verfallene oder verarmte Kirche wieder aufbaut, oder von neuem dotirt.
§. 571. Hat eine solche Kirche bereits einen Patron: so
erlangt der neue Wohlthäter mit demselben gleiche Rechte; doch nur in so fern,
als der bisherige Patron die Kosten des Aufbaues, und der Dotation, nicht hat
übernehmen können oder wollen.
§. 572. Auch durch den Auftrag einer Kirchengesellschaft,
die bisher unter keinem besondern Patrone gestanden hat, kann jemand ein Recht
zum Patronat erhalten.
§. 573. Doch wird in allen vorstehenden Fällen (§. 569-572.)
das Kirchenpatronat selbst erst durch die Verleihung des Staats erworben.
§. 574. Außerdem kann das Kirchenpatronat auch durch
Verjährung erlangt werden.
§. 575. Soll eine dergleichen Erwerbung desselben, gegen den
Staat, oder die Kirchengesellschaft nachgewiesen werden: so müssen die
Erfordernisse der bey Regalien statt findenden Verjährung vorhanden seyn.
§. 576. Wenn aber zwey oder mehrere Privatpersonen über den
Besitz des Patronatrechts mit einander streiten: so ist die gemeine Verjährung
hinreichend.
§. 577. Alle dergleichen über die Zuständigkeit des
Patronatrechts entstehende Streitigkeiten gehören zum Erkenntnisse des
ordentlichen weltlichen Richters.
§. 578. In wie fern das Patronatrecht nur der Person des
Erwerbers und seinen Erben, oder einer gewissen Familie zukomme; oder mit einem
Amte, oder mit dem Besitze eines Guts verbunden sey; ist in vorkommenden Fällen
nach den darüber sprechenden Erwerbungsurkunden zu bestimmen.
§. 579. Im zweifelhaften Falle wird vermuthet, daß das
Kirchenpatronat auf einem Gute oder Grundstücke hafte.
§. 580. Dergleichen Patronat kann von dem Gute, auf welchem
es bisher gehaftet hat, ohne ausdrückliche Einwilligung der geistlichen Obern,
nicht abgesondert werden.
§. 581. Mit dem Gute zugleich aber geht dasselbe auf jeden
Besitzer, ohne Unterschied der Religionspartey, wozu er sich bekennt, über.
§. 582. Doch können Personen, welche zu keiner von den im
Staate aufgenommenen oder geduldeten christlichen Religionsparteyen gehören,
das Patronatrecht über eine Kirche nicht ausüben.
§. 583. Es steht ihnen zwar frey, diese Ausübung einem
Andern während ihrer Besitzzeit zu übertragen; die Beyträge und Leistungen
aber, welche aus dem Patronate fließen, müssen in allen Fällen, aus den
Einkünften des Guts bestritten werden.
Rechte und Pflichten des Patrons.
§. 584. Die dem Patrone obliegende Sorge für die Erhaltung
der Kirche, begreift die Pflicht, dazu, bey Ermangelung eines hinlänglichen
Kirchenvermögens, aus eignen Mitteln beyzutragen, unter sich.
§. 585. Dagegen ist aber auch der Patron berechtigt, die
Verwalter des Kirchenvermögens zu bestellen, und Rechnungslegung von ihnen zu
fordern.
§. 586. Dem Patrone, als Wohlthäter und Erhalter der Kirche,
kommen in Ansehung derselben gewisse Ehrenrechte zu.
§. 587. Er hat das Recht, bey Erledigung der Pfarrstelle den
neuen Pfarrer zu präsentiren. (§. 327. sqq.)
§. 588. Er ist befugt, seinen Kirchstuhl im Chore, oder
sonst in einem vorzüglichen Orte der Kirche zu haben.
§. 589. Der Patronen und ihrer Familie muß im öffentlichen
Kirchengebete besonders gedacht werden.
§. 590. Auch bey der Beerdigung gebührt dem Patrone, seiner
Ehefrau, ehelichen Abkömmlingen, und bey ihm wohnenden Seitenverwandten, ein
Platz in dem Begräbnißgewölbe.
§. 591. Kann in diesem die Beerdigung nach den Gesetzen des
Staats nicht statt finden: so kann der Patron die unentgeltliche Anweisung
einer vorzüglichen Stelle auf dem der Kirchengesellschaft zustehenden
Begräbnißplatze fordern. (§. 185.)
§. 592. Auch ist er berechtigt, Ehrenmäler für sich und
seine Familie in der Kirche zu errichten.
§. 593. Bey seinem und seiner Ehegatten Absterben findet,
durch den nach jedes Orts Gewohnheit bestimmten Zeitraum, das Trauergeläute
statt.
§. 594. Wo die Kirchentrauer für den Patron und seine
Familie bey deren Absterben hergebracht ist, hat es dabey auch fernerhin sein
Bewenden.
§. 595. Verarmte Patronen genugsam dotirter Kirchen haben
aus dem Kirchenschatze nothdürftigen Unterhalt zu fordern.
§. 596. Doch ist die Kirche zu dieser Competenz nur in so
fern verpflichtet, als die Einkünfte des Vermögens, womit sie dotirt worden,
nach Abzug aller zur Unterhaltung ihrer Anstalten erforderlichen Ausgaben, dazu
hinreichen.
§. 597. Auch tritt die Verbindlichkeit der Kirche nur
alsdann ein, wenn außer ihr niemand mehr vorhanden ist, der zur Ernährung des verarmten
Patrons nach den Gesetzen verpflichtet wäre.
Wem die Ausübung eines Real-Patronatrechts zukomme.
§. 598. Die Ausübung des auf einem Gute haftenden
Patronatrechts gebührt demjenigen, welchem das bürgerliche Eigenthum (Dominium
civile) des Guts zukommt.
§. 599. Wem die Gesetze die Verwaltung des Inbegriffs der
Güter und Gerechtsame eines Andern übertragen haben, der ist auch das dazu
gehörende Kirchenpatronat in dessen Namen auszuüben berechtigt.
§. 600. Ein bloßes Verwaltungs-, Nutzungs- oder Erbpachtrecht
an dem mit dem Patronate versehenen Gute, giebt noch keine Befugniß zur
Ausübung des letztern.
§. 601. Dagegen ist die Leibgedings-Frau zu solcher Ausübung
während ihres Besitzes berechtigt.
§. 602. Wenn ein Gut Schulden halber in Beschlag genommen
worden: so bleibt die Ausübung des Patronatrechts dennoch dem Eigenthümer; und
nur diejenigen Befugnisse und Pflichten, welche auf das Kirchenvermögen
Beziehung haben, müssen von dem gerichtlich bestellten Administrator
wahrgenommen werden.
§. 603. Dagegen müssen die Lasten des Patronats, auch in
diesem Falle, aus den Einkünften des Guts getragen werden.
§. 604. Verfällt ein mit dem Patronatrechte versehenes Gut,
aus andern Ursachen, als Schulden halber, auf den Antrag des Fiskus in
gerichtlichen Beschlag: so kommt es, während desselben, dem Staate zu, für die
Ausübung der diesfälligen Rechte und Plichten zu sorgen.
Von mehrern Patronen.
§. 605. Wenn das Patronatrecht über eben dieselbe Kirche auf
mehrern Gütern mit gleichem Rechte haftet: so sind die Besitzer dieser Güter,
in Ansehung der damit verbundenen Befugnisse und Pflichten, als Inhaber eines
gemeinsamen Rechts, oder einer gemeinsamen Verbindlichkeit, zu betrachten.
§. 606. Doch kann jeder von ihnen die §. 586. bis 594.
beschriebenen Ehrenrechte für seine Person fordern und ausüben.
§. 607. Hat eine Kirche mehrere Patronen: so kann derjenige,
in dessen Gute die Kirche liegt, in gemeinschaftlichen Geschäften das
Directorium, und den dahin gehörenden Vorzug in der Unterschrift verlangen.
§. 608. Sind mehrere Kirchen unter gemeinschaftlichen
Geistlichen und Patronen vereinigt: so kommt das Directorium in
gemeinschaftlichen Angelegenheiten dem Patrone des Orts zu, wo der Pfarrer
wohnt.
§. 609. In Angelegenheiten aber, welche nur eine einzelne
Kirche betreffen, findet die Vorschrift §. 607. ebenfalls Anwendung.
Wie das Patronatrecht aufhöre.
§. 610. Niemand kann, ohne ausdrückliche Einwilligung der
Gemeine, und ohne Genehmigung der geistlichen Obern, des Patronatrechts, und
der damit verbundenen Obliegenheiten sich begeben.
§. 611. Dagegen verliert aber auch der Patron seine Rechte
keinesweges durch den bloßen Nichtgebrauch.
§. 612. Hat er aber geschehen lassen, daß einzelne unter dem
Patronatrechte begriffene Befugnisse von der Gemeine, oder deren Vorstehern,
oder auch von einem Dritten, durch eine zur gewöhnlichen Verjährung
hinreichende Frist, als ein ihnen zukommendes Recht ausgeübt worden: so hat er
diese Befugnisse verloren.
§. 613. Wer um Bestechung, oder andrer unerlaubter
Privatvortheile willen, jemand zu einer Pfarrstelle präsentirt, verliert für
seine Person das Wahl- und Präsentationsrecht bey dieser und allen folgenden
Vakanzen.
§. 614. In diesem und allen übrigen Fällen, wo der Patron
das Wahl- und Präsentationsrecht für seine Person verliert, kommt die Besetzung
der vakanten Pfarrstelle den geistlichen Obern zu. (§. 398. sqq.)
§. 615. Auch einem Collegio, Corporation, oder Commune, kann
das Kirchenpatronat zukommen.
§. 616. Ein solches Collegium u. s. f. kann zwar die
Ausübung desselben jemanden aus seinem Mittel übertragen, oder selbige mit
einem gewissen Amte verknüpfen;
§. 617. Es kann sich aber dadurch der zum Patronate
gehörigen Pflichten, zum Nachtheile der Kirche, nicht entledigen.
Neunter Abschnitt
Von der Verwaltung der Güter und des Vermögens der
Pfarrkirchen
Allgemeiner Grundsatz.
§. 618. Von den Gütern und dem Vermögen der Parochialkirchen
gilt alles, was vom Vermögen der Kirchen überhaupt im Vierten Abschnitte
verordnet ist.
Art der Verwaltung.
§. 619. Die Verwaltung des Kirchenvermögens gebührt in der
Regel den Kirchenvorstehem.
§. 620. Auf die Amtsführung derselben findet alles das
Anwendung, was von den Vorstehern der Kirchengesellschaften überhaupt §. 156.
sqq. ingleichen §. 552. sqq. verordnet ist.
§. 621. Doch sind sie, bey Patronatkirchen, in Rücksicht auf
diese Verwaltung, auch der besondern und unmittelbaren Aufsicht des Patrons
unterworfen.
§. 622. Ein Gleiches gilt bey städtischen und andern größern
Kirchen, welche keinen besondern Patron haben, in Ansehung eines, noch außer
den administrirenden Vorstehern, angeordneten Kirchencollegii.
Rechte und Pflichten der Kirchenverwalter.
§. 623. Sie müssen, bey ihrer Verwaltung, eben die
Aufmerksamkeit anwenden, und eben den Grad der Schuld vertreten, wozu Vormünder
nach den Gesetzen verpflichtet sind.
§. 624. Bey einer jeden Pfarrkirche müssen wenigstens Zwey
Vorsteher bestellt werden.
§. 625. Sie müssen die der Kirche zustehenden Gelder,
Schuldinstrumente, und andre Urkunden, dergestalt unter gemeinschaftlichem
Beschlüsse halten, daß keiner von ihnen einseitig, und ohne die übrigen,
darüber verfügen könne.
§. 626. Wo der Kasten, in welchem die Kirchengelder und
Urkunden unter solchem gemeinsamen Beschlusse aufzubewahren sind, am sichersten
untergebracht werden könne, müssen die Vorsteher mit dem Patrone und Pfarrer in
Ueberlegung nehmen; allenfalls aber muß dieses von dem Inspector oder
Erzpriester nach den Umständen bestimmt werden.
§. 627. Wo es, besonders auf dem Lande, an tauglichen und im
Rechnungswesen hinlänglich geübten Subjekten zu Kirchenvorstehern ermangelt, da
kann der Pfarrer sich nicht entbrechen, dieses Geschäft mit zu übernehmen, und die
Schreibereyen, nebst dem Rechnungswesen, zu besorgen.
§. 628. Was also hier von Kirchenvorstehern überhaupt
verordnet wird, gilt in diesem Falle auch von dem Pfarrer, und den ihm an die
Seite gesetzten Nebenvorstehern.
Von Kirchencapitalien.
§. 629. Ausstehende Kirchencapitalien können die Vorsteher,
ohne Vorwissen und Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, wo dergleichen
vorhanden ist, nicht aufkündigen.
§. 630. Geschieht die Aufkündigung von dem Schuldner: so
müssen sie dem Patrone oder Kirchencollegio davon sofort Anzeige machen.
§. 631. Wo weder ein Patron, noch ein Kirchencollegium
vorhanden sind, da müssen Aufkündigungen nicht anders, als mit Zuziehung des
Inspectors oder Erzpriesters, gethan oder angenommen werden.
§. 632. Der Patron, das Kirchencollegium, oder der
Inspector, müssen den Zahler anweisen: ob die Zahlung an die Vorsteher allein
geleistet, oder wer noch außer ihnen dabey zugezogen werden solle.
§. 633. Nach dieser Anweisung muß sich der Zahler richten;
und nur eine derselben gemäß ausgestellte Quittung kann gegen die Kirche die
Zahlung beweisen.
§. 634. Sobald aus den Einkünften der Kirche ein Bestand von
Fünfzig Thalern oder mehr erübrigt werden kann, müssen die Vorsteher für dessen
sichere und zinsbare Unterbringung zum Besten der Kirche sorgen.
§. 635. So lange sich zu einer solchen Unterbringung gegen
höhere Zinsen, unter gesetzmäßiger Sicherheit, keine Gelegenheit findet, müssen
dergleichen aufgesammelte Capitalien bey der Königlichen Bank belegt werden.
§. 636. Kirchencapitalien sollen in der Regel nicht anders,
als gegen gerichtliche Sicherheit und Eintragung auf unbewegliche Güter,
ausgeliehen werden.
§. 637. Die Ausleihung muß mit Vorwissen und Genehmigung des
Patrons oder Kirchencollegii, in deren Ermangelung aber mit Zuziehung des
Pfarrers geschehen.
§. 638. In allen Fällen muß die vorhabende Ausleihung, und
die dagegen der Kirche zu verschaffende Sicherheit, dem Erzpriester oder
Inspector angezeigt werden.
§. 639. Beträgt das auszuleihende Capital mehr, als Fünfzig
Thaler: so muß er bey den angesetzten geistlichen Obern darüber anfragen.
§. 640. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Inspector, auch
bey einer minderen Summe, die Sicherheit bedenklich findet.
§. 641. Dem Patrone selbst dürfen das Kirchencollegium, der
Pfarrer, und die Vorsteher, bey eigner Vertretung, ohne besondere Genehmigung
der geistlichen Obern, keine Kirchengelder zum Darlehn geben, oder sonst
überlassen.
§. 642. Ein Gleiches gilt von Darlehnen, die einem
Vorsteher, oder einem Mitgliede des Kirchencollegii, oder auch dem Pfarrer
gemacht werden sollen.
§. 643. Die geistlichen Obern machen sich der Kirche
verantwortlich, wenn sie ohne eine solche Sicherheit, als die Gesetze bey
Verleihung der Mündelgelder aus dem gerichtlichen Deposito erfordern, in dergleichen
Darlehne (§. 641. 642.) willigen.
§. 644. An Personen, welche zu den geistlichen Obern
gehören, dürfen weder die Vorsteher, noch der Patron oder die Kirchencollegia,
bey eigner Vertretung, Darlehne aus dem Kirchenvermögen machen.
Von Schulden der Kirche.
§. 645. Sollen Capitalien für die Kirche aufgenommen werden:
so ist dazu der Beytritt des Patrons oder Kirchencollegii, oder in beyder
Ermangelung, der Gemeine, oder deren Repräsentanten, nebst der Genehmigung der
geistlichen Obern erforderlich.
§. 646. Wer ohne diese Erfordernisse in ein solches
Darlehnsgeschäft sich einläßt, der erlangt daraus ein Recht an die Kirche und
deren Vermögen nur so weit, als er die geschehene Verwendung in ihren Nutzen
nachweisen kann.
Grundstücke.
§. 647. In die Veräußerung eines Kirchenguts muß außer dem
Patrone, wo dergleichen vorhanden ist, auch die Gemeine durch ihre zu
bestellende Repräsentanten einwilligen.
§. 648. Keine Veräußerung aber kann ohne vorhergegangene
Untersuchung und Approbation der geistlichen Obern, und ohne Erlaubniß des
geistlichen Departements im Staatsministerio, gültig geschehen.
§. 649. Zu Erbverpachtungen, oder Austhuung gegen Erbzins,
ist die Einwilligung der geistlichen Obern hinreichend.
Prozesse.
§. 650. Wenn die Kirche wegen ihrer Güter und Vermögens in
Prozesse verwickelt wird: so liegt der Betrieb derselben den Vorstehern ob.
§. 651. Der Patron muß die Vorsteher in Ausführung und
Vertheidigung der Kirchengerechtsame unterstützen.
§. 652. Soll die Kirche Klägers Stelle vertreten: so müssen
der Patron und die Vorsteher, noch vor dem Anfange des Prozesses, die
Approbation der geistlichen Obern darüber einholen.
§. 653. Unterlassen sie dieses: so wird der Prozeß auf ihre
Gefahr und Kosten geführt, und der Kirche kann daraus kein Nachtheil erwachsen.
§. 654. Auch wenn die Kirche von andern rechtlich belangt
wird, müssen der Patron und die Vorsteher den geistlichen Obern davon sofort
Anzeige machen,
§. 655. Das Approbationsdekret der geistlichen Obern ist
zwar zur Einlassung auf die Klage nicht nothwendig.
§. 656. Wenn aber die Vorsteher dergleichen Dekret nicht
nachbringen: so geht der Prozeß auf ihre Gefahr und Kosten.
§. 657. Die Kosten können jedoch sowohl in diesem, als in
dem Falle des §. 653., aus dem Kirchenvermögen zurückgefordert werden, wenn
durch einen günstigen Ausgang des Prozesses ein die Kosten übersteigender
Nutzen für die Kirche verschafft worden.
§. 658. Die Vollmacht zum Betriebe eines Prozesses muß,
außer den Vorstehern, von dem Patrone, dem Kirchencollegio, oder in deren
Ermangelung, von dem Pfarrer mit unterschrieben werden.
§. 659. In Fällen, wo die Vorsteher, der Patron, oder die
Kirchencollegia, wirkliche Rechte der Kirche in Gerichten auszuführen oder zu
vertheidigen beharrlich verweigern, müssen die geistlichen Obern der Kirche
einen Bevollmächtigten dazu von Amtswegen bestellen.
§. 660. Die durch die ungegründete Weigerung entstandnen
mehrern Kosten muß der Weigerer aus eignen Mitteln ersetzen.
§. 661. Auch wenn gegen den Patron oder das Kirchencollegium
selbst ein gerichtliches Verfahren erforderlich ist, muß der Kirche von den
geistlichen Obern ein Bevollmächtigter dazu von Amts wegen bestellt werden.
Vergleiche.
§. 662. Ohne Genehmigung der geistlichen Obern kann über
Kirchengüter und Rechte kein Vergleich geschlossen werden.
§. 663. Enthält der Vergleich eine Art von Veräußerung
solcher Güter und Rechte: so müssen noch außerdem die §. 648. vorgeschriebenen
Erfordernisse einer gültigen Veräußerung von Kirchengütern überhaupt hinzukommen.
Einkünfte.
§. 664. Die Kirchenvorsteher müssen insonderheit die
ordentliche und prompte Einziehung der Kircheneinkünfte besorgen.
§. 665. Der Ertrag des Klingelbeutels, oder ausgestellten
Beckens, gehört der Regel nach zu den Kircheneinkünften, und muß, nach
vollendeter Einsammlung, von den Vorstehern, mit Zuziehung des Pfarrers,
übernommen werden.
§. 666. Ein Gleiches gilt von den persönlichen Abgaben,
welche von Eingepfarrten oder andern, die sich dieser Anstalt bedienen wollen,
für gewisse kirchliche Handlungen, nach einer vom Staate genehmigten Taxe, an
die Kirche selbst zu entrichten sind.
§. 667. Desgleichen von den Stellgeldern, die nach
Gewohnheit des Orts, für die Begräbnißplätze auf den Kirchhöfen entrichtet
werden müssen.
Vermiethen und Verpachten der Grundstücke.
§. 668. Grundstücke der Kirche können die Vorsteher, unter
Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, vermiethen oder verpachten, und
die Miethen oder Pachtgelder davon einziehen.
§. 669. Die Ausbietung eines solchen Grundstückes zur Miethe
oder Pacht, muß allemal öffentlich geschehen.
§. 670. Hat die bisherige Miethe oder Pacht, oder der
bisherige Ertrag, Fünfzig Thaler nicht überstiegen, und soll die Austhuung
nicht auf längere Zeit als Sechs Jahre geschehen: so ist es hinreichend, wenn
die Bekanntmachung, und die Aufforderung der Mieth- oder Pachtlustigen, sich an
einem bestimmten Tage in der Wohnung des Patrons, oder der Kirchenvorsteher zu
melden, Drey Sonntage hintereinander von der Kanzel geschieht.
§. 671. Alsdann kann der Contrakt mit dem Meistbietenden,
unter Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, von den Vorstehern, ohne
Dazwischenkunft der Gerichte oder der geistlichen Obern, gültig abgeschlossen
werden.
§. 672. Soll das Grundstück auf länger als Sechs Jahre
ausgethan werden, oder übersteigt der Ertrag desselben Fünfzig Thaler: so muß
außer der Bekanntmachung von den Kanzeln, eine öffentliche gerichtliche
Aufforderung der Mieth- oder Pachtlustigen vorhergehn.
§. 673. Dabey müssen die gesetzlichen Vorschriften von
freywilligen Subhastationen beobachtet, und es muß vor dem Zuschlage die
Genehmigung der geistlichen Obern eingeholt werden.
§. 674. Sollen Grundstücke dem Kirchenpatrone selbst
vermiethet oder verpachtet werden: so ist allemal die Genehmigung der
geistlichen Obern dazu nothwendig.
§. 675. Kann ein Kirchengut zum Besten der Kirche nicht
verpachtet werden: so sind die eingepfarrten Gemeinen, wo nicht ein Andres
hergebracht ist, nur schuldig, die innerhalb der Kirchspielsgränzen gelegenen
Grundstücke, gegen Vergütung der in der Gegend üblichen Bestellungs- und
Erndtekosten zu bearbeiten, und die Früchte davon einzusammeln.
Vermiethung der Kirchstellen.
§. 676. Wo die Vermiethung der Kirchstellen hergebracht ist,
da gebührt selbige den Vorstehern.
§. 677. Sie können die Stelle an Eingepfarrte und an Fremde
zum Gebrauch überlassen; doch haben die erstern den Vorzug.
§. 678. Die Vorsteher können die hergebrachten
Kirchstellen-Gelder ohne Bewilligung der Eingepfarrten nicht erhöhen.
§. 679. Das Vermiethen der Kirchstellen soll niemals nach
Art einer öffentlichen Versteigerung geschehen.
§. 680. Bey neu errichteten Kirchen muß die Vertheilung der
Stellen von der Vorstehern, unter Beystimmung des Patrons oder Kirchencollegii,
und Genehmigung der geistlichen Obern, nach Klassen, oder durch das Loos
besorgt werden.
§. 681. Wo nach besondern Verfassungen Kirchstellen gewissen
Personen oder Familien erblich verliehen sind, da können die Eigenthümer
dieselben an Andre vermiethen, und zum Gebrauche einräumen; auch sie auf ihre
Nachkommen vererben.
§. 682. Dagegen können sie das Eigenthum weder unter
Lebendigen, noch von Todes wegen, an Andre übertragen.
§. 683. Wenn der Eigenthümer einer solchen Stelle ohne
Nachkommen stirbt, oder die Parochie verläßt: so fällt die Stelle an die Kirche
zurück.
§. 684. Kirchstühle, die jemanden in Rücksicht seiner Würde
oder seines Amts angewiesen sind, können von ihm an Andre auf keine Weise
überlassen werden.
§. 685. Kirchstühle, die einem Hause oder Gute für beständig
zugeschlagen sind, gehen mit diesem Grundstücke zugleich auf jeden Besitzer
desselben, auch wenn er einer andern Religionspartey zugethan ist, über.
Ausgaben aus dem Kirchenvermögen.
§. 686. Die bey der Kirche vorkommenden ordentlichen und
bestimmten Ausgaben, sind die Vorsteher, ohne weitere Rückfrage, aus den
Kirchenmitteln zu entrichten befugt.
§. 687. In Ansehung der außerordentlichen Ausgaben hingegen,
sollen bey jeder Kirche gewisse Summen, nach Bewandniß der Umstände, von den
geistlichen Obern bestimmt werden, welche die Vorsteher nicht ohne Genehmigung
des Patrons oder Kirchencollegii, und diese nicht ohne Approbation der
geistlichen Obern, überschreiten dürfen.
Rechnungslegung.
§. 688. Bey jeder Parochialkirche sind gewisse Termine zu
bestimmen, in welchen die Vorsteher von ihrer Administration Rechnung legen
müssen.
§. 689. Bey Patronatkirchen gebührt die Abnahme der Rechnung
dem Patron; und muß auf dessen Verlangen in seiner Behausung geschehen.
§. 690. Ist der Patron nicht selbst am Orte wohnhaft: so
hängt die Bestimmung, wo die Rechnung am Orte abgenommen werden solle, von ihm
ab.
§. 691. Die Kirchengemeine ist der Rechnungsabnahme durch
ihre Repräsentanten oder Bevollmächtigte beyzuwohnen berechtigt.
§. 692. Hat die Kirche keinen Patron: so müssen die
Vorsteher dem Kirchencollegio die Rechnung ablegen, und findet auch dabey die
Vorschrift §. 691. Anwendung.
§. 693. Ist auch kein Kirchencollegium vorhanden: so muß die
Rechnung den von der Kirchengemeine dazu ernannten Deputaten abgelegt werden.
§. 694. In allen Fällen ist der Pfarrer, auch wenn er nicht
Vorsteher wäre, bey der Rechnungsabnahme zuzuziehen.
§. 695. Die geistlichen Obern müssen von Amts wegen darauf
halten, daß die Rechnungslegung zur bestimmten Zeit gehörig erfolge.
§. 696. Bey Gelegenheit einer jeden Kirchenvisitation muß
der Erzpriester oder Inspector die, seit der letztvorhergehenden, gelegten
Rechnungen nachsehen, und einen Extrakt, in Ansehung der verschiedenen Rubriken
von Einnahme und Ausgabe, den geistlichen Obern einsenden.
§. 697. Findet er bey den abgelegten Rechnungen noch Zweifel
oder Bedenken: so muß er die Vorsteher darüber vernehmen, und die Sache den
geistlichen Obern zur weitern Beurtheilung und Verfügung anzeigen.
§. 698. Die Rechnungen von Königlichen Patronatkirchen;
ingleichen von denjenigen, worüber Magistraten oder Communen in den Städten das
Patronatrecht zusteht, müssen an das Consistorium zur Revision; und wenn die
jährliche Einnahme über Fünfhundert Thaler beträgt, von dem Consistorio an die
Oberrechencammer eingesendet werden.
Bau und Besserung der Kirchengebäude.
§. 699. Für die Unterhaltung der Kirchengebäude und Geräthe
müssen die Kirchenvorsteher, nebst dem Pfarrer, vorzüglich Sorge tragen.
§. 700. Bey vorfallenden Bauen und Reparaturen muß dem
Patron oder Kirchencollegio jedesmal Anzeige gemacht werden.
§. 701. Wo kein Patron oder Kirchencollegium vorhanden ist,
mögen die Vorsteher kleine Reparaturen, welche Zehn Thaler nicht übersteigen,
bloß mit Zuziehung des Pfarrers, ohne weitere Rückfrage, veranstalten.
§. 702. Ist eine höhere Summe erforderlich: so muß dem
Inspector oder Erzpriester davon Anzeige gemacht werden.
§. 703. Dieser kann, wenn die Kosten unter Fünfzig Thalern
betragen, und er bey angestellter Prüfung kein Bedenken findet, den Bau oder
die Reparatur ohne Rückfrage genehmigen.
§. 704. Sollen aber zu einem Baue, oder zu einer Reparatur,
mehr als Fünfzig Thaler aus dem Kirchenvermögen verwendet werden: so wird
allemal, auch wenn ein Patron oder Kirchencollegium vorhanden sind, die
Genehmigung der geistlichen Obern erfordert.
§. 705. Diesen muß der Erzpriester oder Inspector, nach
angestellter Untersuchung, darüber berichten, und einen von Sachverständigen
aufgenommenen Kostenanschlag beylegen.
§. 706. Ist von einem neuen Anbaue, oder von einer
Erweiterung der Kirchengebäude die Rede: so muß, ohne Unterschied der Fälle,
die Approbation der geistlichen Obern eingeholt werden.
Untersuchung der Notwendigkeit und Erforderniß des Baues.
§. 707. Die geistlichen Obern müssen die Nothwendigkeit des
Baues prüfen, und die Art desselben bestimmen.
§. 708. In allen Fällen, wo über die Nothwendigkeit oder Art
des Baues, oder der Reparatur, oder wegen des dazu zu leistenden Beytrages,
unter den Interessenten Streit entsteht, müssen die geistlichen Obern, die
Sache gütlich zu reguliren, sich angelegen seyn lassen.
§. 709. Findet die Güte nicht statt: so müssen sie die
rechtliche Entscheidung des Streits an die weltliche Obrigkeit verweisen;
zugleich aber festsetzen: wie es inzwischen mit dem Baue oder der Reparatur
gehalten werden solle.
Woher die Kosten zu nehmen.
§. 710. Wo in Ansehung der Kosten zum Baue, und zur
Unterhaltung der Kirchengebäude, durch Verträge, rechtskräftige Erkenntnisse,
ununterbrochene Gewohnheiten, oder besondere Provinzialgesetze, gewisse Regeln
bestimmt sind, da hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
§. 711. In so weit aber, als es an dergleichen besondern
Bestimmungen ermangelt, finden nachstehende allgemeine Vorschriften Anwendung.
§. 712. Die Kosten zum Baue und zur Unterhaltung der
Kirchengebäude müssen hauptsächlich aus dem Kirchenvermögen genommen werden.
§. 713. Es darf aber davon nicht mehr verwendet werden, als
ohne Nachtheil der aus der Kirchencasse zu bestreitenden jährlichen Ausgaben
geschehen kann.
§. 714. Auch müssen, bey Landkirchen, die Eingepfarrten in
jedem Falle, ohne Unterschied, die nöthigen Hand- und Spanndienste
unentgeltlich leisten.
§. 715. Die Vertheilung der Hand- und Spanndienste unter die
Eingepfarrten muß nach eben dem Verhältniße geschehen, wie bey Gemeindiensten. (Tit.
VII. §. 37. sqq.)
§. 716. Eingepfarrte, welche nicht zu der Gemeine des Dorfs,
wo die Kirche liegt, gehören, oder aus irgend einem Grunde von den
Gemeindiensten frey sind, müssen dennoch zu den Hand- und Spanndiensten bey
Kirchenbauen und Reparaturen beytragen.
§. 717. Ihr Verhältniß dabey wird, in Ansehung der
Handdienste, nach der Zahl der Familien, so wie in Ansehung der Spanndienste,
nach dem auf ihren Stellen angeschlagenen oder gewöhnlich gehaltenen Gespanne
bestimmt.
§. 718. Zu unentgeltlicher Leistung von Arbeiten, welche
kunst- oder handwerksmäßige Kenntniß erfordern, ist, auch bey Kirchenbauen und
Reparaturen, kein Eingepfarrter verpflichtet.
§. 719. Bey Stadtkirchen werden die erforderlichen Hand- und
Spanndienste zu den übrigen Kosten geschlagen.
1720. Ist das Kirchenvermögen zur Bestreitung der Kosten
ganz oder zum Theil nicht hinreichend: so muß der Ausfall von dem Patron und
den Eingepfarrten gemeinschaftlich getragen werden.
§. 721. Kein Eingepfarrter kann sich dieser Verbindlichkeit
entziehen, und wer eine doppelte Parochie hat, ist in beyden dazu verpflichtet.
§. 722. Auch diejenigen, welche nur vermöge eines besondern
Privilegii vom Pfarrzwange der Parochialkirche ihrer Religionspartey befreyt
sind, müssen dennoch von ihren im Kirchspiele eigentlich inne habenden
Grundstücken zum Baue und Unterhaltung der Pfarrkirche beytragen.
§. 723. Auch Gastgemeinen, welche zu einer benachbarten
Kirche gewiesen worden, (§. 294. sqq.) müssen dazu Beytrag leisten.
§. 724. Ist die nothwendige Reparatur während der Zeit ihrer
Verbindung entstanden: so können sie sich dieser Pflicht durch Wiederabtrennung
von der Kirche, auch bey sonst vorwaltenden erheblichen Gründen einer solchen
Trennung, nicht entziehen.
§. 725. Sind mehrere Kirchen nur unter Einem
gemeinschaftlichen Pfarrer vereinigt: so dürfen der Patron und die
Eingepfarrten einer jeden solchen Kirche nur zur Unterhaltung ihrer eignen
Gebäude beytragen.
§. 726. Sind aber mehrere Haupt- oder Filialgemeinen zu
Einer gemeinschaftlichen Kirche geschlagen: so sind sämmtliche Patronen und
Eingeplante zu deren Unterhaltung verpflichtet.
§. 727. Hat der Patron einer zugeschlagenen Mutter- oder
Filialgemeine, bey der Zuschlagung, mit Einwilligung des Hauptpatrons, sich
seines Patronalrechts zu Gunsten dieses Letztern gänzlich begeben: so kann er
auch bey vorfallenden Bauen und Reparaturen, als Patron, zum Beytrage nicht
gezogen werden.
§. 728. Ist einem Theile der Gemeine die Errichtung einer
besondern Capelle, oder eines Bethhauses, in einer entlegneren Gegend des
Kirchspiels verstattet worden: so muß dennoch dergleichen Capelle, so wie die
Hauptkirche, von denjenigen, die zu letztrer verpflichtet sind, unterhalten
werden.
§. 729. Baumaterialien, welche der Patron oder die
Kirchengemeine selbst hat, müssen von ihnen zum Bau geliefert werden.
§. 730. Doch wird jedem Theile der anschlagsmäßige Preis
derselben auf seinen Geldbeytrag zu gute gerechnet.
§. 731. Der Geldbeytrag wird, bey Landkirchen, zwischen dem
Patrone und der Kirchengemeine dergestalt vertheilt, daß der Patron Zwey
Drittel, die Eingepfarrten aber Ein Drittel entrichten.
§. 732. Besitzt der Patron Rustikalhufen im Kirchspiele: so
trägt er davon noch besonders, wie ein andrer Eingepfarrter, mit bey.
§. 733. Wenn mehrere Patronen zum Beytrage verpflichtet
sind: so tragen die Patronen die ihnen obliegenden Zwey Drittel unter sich,
nach Verhältniß ihres Antheils am Patronatrechte.
§. 734. Der nach §. 731. bestimmte Beytrag der Eingepfarrten
wird unter sie nach dem Contributionsfuße vertheilt.
§. 735. Kirchen- Pfarr- Schul- und Hospitaläcker werden zu
keinem Beytrage gezogen.
§. 736. Eingepfarrte, deren Grundstücke der Contribution
nicht unterworfen sind, müssen ihren Beytrag dennoch nach Verhältniß des Maaßes
und Ertrages dieser Grundstücke entrichten.
§. 737. Zu dem Ende werden diese Grundstücke, nach den im
Steuercatastro für die contribuablen Aecker der Feldmark angenommenen Classen
und Sätzen, durch Sachverständige gewürdigt, und solchergestalt das Verhältniß
des zu leistenden Beytrages gegen die steuerbaren Grundstücke bestimmt.
§. 738. Eingepfarrte Gemeinglieder, die keine Grundstücke
besitzen, sondern nur von ihren Nahrungen und Gewerben beytragen sollen, werden
dazu nach eben dem Verhältnisse angeschlagen, nach welchem sie zu andern
Gemeinlasten mit den angesessenen Mitgliedern Beytrag leisten müssen,
§. 739. Wer in Zwey Kirchspielen eingepfarrt ist, trägt in
jedem nur nach Verhältniß der in demselben besitzenden Grundstücke, oder des in
demselben treibenden Gewerbes bey.
§. 740. Bey Stadtkirchen geschieht die Vertheilung zwischen
dem Patrone und den Eingepfarrten dergestalt, daß Ersterer Ein Drittel,
Letztere aber Zwey Drittel beytragen.
§. 741. Die Vertheilung unter den Eingepfarrten geschieht
auf eben die Art, wie andre gemeine persönliche Lasten und Abgaben nach eines
jeden Orts Verfassung aufgebracht werden.
§. 742. Sind Filial- oder auch Mutterkirchen eingegangen,
und die dazu eingepfarrt gewesenen Gemeinen zu einer andern benachbarten Kirche
geschlagen worden: so werden in der Regel die Mitglieder derselben nach
einerley Grundsätzen, wie die Mitglieder der Hauptgemeine, zum Beytrage
gezogen.
§. 743. Die einzelnen Mitglieder bloßer Gastgemeinen entrichten
jeder den Vierten Theil dessen, was ein Contribuent von eben der Classe aus der
eigentlichen Pfarrgemeine zu leisten hat.
§. 744. Ist ihnen aber bey der Zuschlagung die Theilnehmung
an dem Wahlrechte zur Besetzung der Pfarrstelle zugestanden worden: so müssen
sie auch zu den Bau- und Reparaturkosten der Kirche, gleich den Mitgliedern der
eigentlichen Pfarrgemeinen beytragen.
§. 745. Einwohner des Kirchspiels, die zu einer andern
Religionspartey gehören, müssen dennoch nach eben diesen Grundsätzen beytragen,
sobald sie sich der Kirche zu ihrem Gottesdienste mit bedienen.
§. 746. Außer diesem Falle sind sie zwar zu Beyträgen in der
Regel nicht verpflichtet.
§. 747. Es dürfen aber auch, wegen ihres Ausfalles, die
Beyträge der übrigen, wider deren Willen, nicht erhöhet werden; sondern die
geistlichen Obern müssen für die Uebertragung eines solchen Ausfalles auf andre
Art sorgen.
§. 748. Gleiche Grundsätze gelten auch bey der Vertheilung
der Hand- und Spanndienste.
§. 749. Auf die Ausfälle, welche durch den zurückbleibenden
Beytrag solcher nicht eingepfarrten Gemeinglieder entstehn, muß vornämlich der
von der Kirche, nach Maßgabe ihres Vermögens, zu entrichtende Zuschuß gerechnet
werden.
§. 750. Kann der Ausfall dadurch nicht gedeckt werden: so
können die geistlichen Obern die Bewilligung einer Collekte bey dem Staate
nachsuchen.
§. 751. Sind gar keine andre Mittel, den Ausfall zu decken,
vorhanden: so muß derselbe von den Eingepfarrten, so weit es ohne ihre
erhebliche Bedrückung geschehen kann, übertragen werden.
§. 752. Hat aber die Zahl der Eingepfarrten dergestallt
abgenommen, daß die noch übrigen den ihnen obliegenden Beytrag, ohne ihren zu
besorgenden Ruin, nicht mehr auf bringen können: so müssen die geistlichen
Obern, unter Genehmigung des Staats, eine solche Parochie zu einer andern
benachbarten schlagen.
§. 753. Dergleichen zusammengeschlagene Parochien stehen in
dem Verhältnisse gegen einander als Mutterkirchen.
§. 754. Wie weit der Patron und die Eingepfarrten der
zugeschlagenen Parochie, auch in Ansehung der Bestellung des Pfarrers und der
Unterhaltung der Kirche, so wie in Ansehung der übrigen Rechte und Pflichten,
zur Theilnehmung mit dem Patrone und den Eingepfarrten der Kirche, bey welcher
sie vereinigt sind, gelangen sollen, muß in dem Einigungsvertrage, unter
Vermittelung der geistlichen Obern, deutlich bestimmt werden.
§. 755. So weit dergleichen Bestimmung nicht erfolgt, treten
die Regeln der Gesetze über die Verhältnisse vereinigter Mutterkirchen, ihrer
Patronen und Eingepfarrten ein.
§. 756. Das Vermögen jeder Parochie wird in der Regel nach
wie vor besonders verwaltet; doch muß jedes derselben zur Unterhaltung der
gemeinschaftlichen Kirche, so lange die Vereinigung dauert, in gleichem
Verhältnisse beytragen.
Aufsicht über den Bau.
§. 757. Die Aufsicht über den Bau, und die Einsammlung der
Beyträge dazu, liegt den Kirchenvorstehern ob.
§. 758. Der weltliche Richter kann denselben, zur
Beytreibung der letztern, die rechtliche Hülfe auf gebührendes Anmelden nicht
versagen.
§. 759. Auch während eines über die Verbindlichkeit, oder
das Quantum des Beytrages entstandenen Prozesses, muß letzterer nach der
Festsetzung der geistlichen Obern entrichtet werden.
§. 760. Wenn aber der klagende Interessent durch Urtel und
Recht von diesem Beyträge ganz oder zum Theil frey gesprochen wird: so muß
demselben das Gezahlte, nebst Zinsen, von den übrigen Contribuenten
zurückgegeben werden.
Bau und Besserung der Kirchhöfe.
§. 761. Die Unterhaltung der Begräbnißplätze ist gemeine
Last, und liegt allen ob, die an dem Kirchhofe Theil zu nehmen berechtigt sind.
(§. 183. sqq.)
§. 762. Erhält jedoch die Kirche Bezahlung für die
Grabstellen: so muß der Kirchhof aus der Kirchencasse auf eben die Art, wie die
Kirche selbst, unterhalten werden.
§. 763. Der Patron ist der Regel nach zur Unterhaltung des
Kirchhofes beyzutragen in keinem Falle verpflichtet.
§. 764. Die Anlegung neuer Begräbnißsplätze soll nur aus
erheblichen Ursachen, und nur unter Einwilligung der geistlichen Obern, so wie
der Polizeyvorgesetzten des Orts, statt finden.
§. 765. Durch dergleichen neue Anlagen soll dem Pfarrer und
Kirchenbedienten an ihren bisherigen Gebühren nichts entzogen werden.
Unterhaltung des Geläutes.
§. 766. In wie fern eine Kirchengesellschaft, welche sich
des Geläutes einer andern Kirche bedient, zur Unterhaltung desselben,
ingleichen des Glockenstuhls und Thurmes, beytragen müsse, hängt hauptsächlich
von Verträgen, und der bisherigen ununterbrochenen Gewohnheit eines jeden Orts
ab.
§. 767. Fehlen dergleichen Bestimmungen: so kommt es darauf
an: ob die fremde Kirchengesellschaft derjenigen, welcher die Glocken gehören,
für den Mitgebrauch derselben etwas entrichte, oder ob sie sich dieses
Mitgebrauchs unentgeltlich zu erfreuen habe.
§. 768. Entrichtet die fremde Kirchengesellschaft etwas für
den Mitgebrauch: so kann diejenige, welcher das Geläute gehört, zur
Unterhaltung desselben keinen Beytrag fordern.
§. 769. Eben das findet statt, wenn auch nur die Mitglieder
der fremden Kirchengesellschaft für den Gebrauch der Glocken, in einzelnen
Fällen mehr, als die Mitglieder derjenigen, welcher das Geläute gehört, zur
Kirchencasse entrichten müssen.
§. 770. Ist der Mitgebrauch ganz unentgeltlich; oder zahlen
die Mitglieder der fremden Gesellschaft dafür in einzelnen Fällen nur eben so
viel, als die eigentlichen Eingepfarrten: so müssen erstere zur Unterhaltung
des Geläutes nach eben dem Verhältnisse, wie letztere, beytragen.
§. 771. Werden in diesem Falle die Kosten aus der
Kirchencasse genommen; also, daß die eigentlichen Eingepfarrten nichts
beytragen dürfen: so muß dennoch die fremde Kirchengesellschaft einen von den
geistlichen Obern billig zu bestimmenden Beytrag leisten.
Zehnter Abschnitt
Von Pfarrgütern und Einkünften
Was zum Pfarrvermögen gehöre.
§. 772. Von dem Kirchenvermögen müssen die unmittelbar zur
Unterhaltung des Pfarrers und der übrigen Kirchenbedienten bestimmten Güter und
Einkünfte unterschieden werden.
§. 773. Zu letzern
gehören auch die von den Parochialverrichtungen zu erlegenden Stolgebühren.
Rechte desselben überhaupt.
§. 774. Pfarrgüter haben eben die äußern Rechte, als
Kirchengüter.
§. 775. Sie sind der Regel nach von allen Prästationen und
Abgaben an die Gutsherrschaft oder Stadtcämmerey, so wie von den gemeinen
Lasten frey.
§. 776. Zu solchen Ausgaben der Gemeine, wovon der Pfarrer
und die Gemeine unmittelbaren Vortheil ziehen, müssen sie mit beytragen.
§. 777. Pfarr- und Küstergüter sind, gleich den
Kirchengütern, von der ordentlichen Realgerichtsbarkeit des Orts ausgenommen.
Nießbrauch des Pfarrers.
§. 778. Die Verwaltung und der Nießbrauch der Pfarrgüter
gebührt dem Pfarrer.
§. 779. Der Patron und die Kirchenvorsteher sind schuldig
und befugt, darauf zu sehen, daß der Pfarrer die Wiedmuthsstücke ordentlich
verwalte, und wirthschaftlich nutze.
§. 780. Besonders müssen sie dafür sorgen: daß ein richtiges
und vollständiges Wohnungs-, Wirthschafts-, Garten- und Feldinventarium
gehalten werde.
§. 781. Wenn Streit entsteht, was an Grundstücken, Gebäuden,
Inventarien, Capitalien, oder jährlichen Hebungen, zur Kirche oder Pfarre
gehöre: so muß bey dessen Entscheidung auf die vorhandenen Kirchenmatrikeln
vorzüglich Rücksicht genommen werden.
§. 782. Der Pfarrer kann seine Wohngebäude nur mit
Einwilligung des Patrons und der Kirchenvorsteher vermiethen; diese aber dürfen
ihm die Einwilligung ohne erhebliche Gründe nicht versagen.
§. 783. Bey Aufnehmung der Fremden ist der Pfarrer den
Polizeygesetzen, gleich jedem andern Einwohner, unterworfen.
Unterhaltung der Gebäude.
§. 784. Die Unterhaltung der Zäune und Gehege, so wie kleine
Reparaturen an den Gebäuden, müssen die Pfarrer und Kirchenbedienten aus eignen
Mitteln besorgen.
§. 785. Für kleine Reparaturen sind diejenigen zu achten,
die entweder gar keine baaren Auslagen erfordern, oder wo die Kosten, von jeder
einzeln genommen, für den Pfarrer nicht über Drey, und für den Kirchenbedienten
nicht über Einen Thaler betragen.
§. 786. Thüren, Fenster, Oefen, Schlösser, und andere
dergleichen innere Pertinenzstücke der Gebäude, müssen von dem Nießbraucher,
mit eignen Kosten, ohne Rücksicht auf den Betrag derselben, unterhalten werden.
§. 787. Auch zu größern Reparaturen der Pfarrgebäude, so wie
zu neuen Bauen, muß der Pfarrer die Materialien, so weit als dieselben bey der
Pfarre über die Wirthschaftsnothdurft befindlich sind, unentgeltlich hergeben.
§. 788. Woher die übrigen Kosten, in Ermangelung eines
eignen dazu bestimmten Fonds, zu nehmen sind, ist nach den vorhandenen
verschiedenen Provinzialgesetzen zu bestimmen.
§. 789. Wo darüber keine besondere gesetzliche Bestimmung
vorhanden ist, da müssen diese Kosten, gleich den Bau- und Reparaturkosten der
Kirche selbst, aus dem Kirchenvermögen genommen; bey dessen Unzulänglichkeit
aber, von dem Patron und den Eingepfarrten getragen werden.
§. 790. Wegen Aufbringung und Vertheilung der Beyträge
finden eben die Grundsätze wie bey Kirchengebäuden statt.
§. 791. Doch sind Filial- und zugeschlagene Gemeinen von
allen Beiträgen zu Pfarr- und Küstergebäuden bey der gemeinschaftlichen Kirche
frey, wenn sie eigne dergleichen Gebäude zu unterhalten haben.
§. 792. Dagegen ist eine solche Filial- und zugeschlagene
Gemeine von dem Beyträge zur Unterhaltung des Küstergebäudes bey der
gemeinschaftlichen Kirche nicht frey, wenn sie gleich einen eignen Schulmeister
hat; sobald dieser das Küsteramt bey dem Gottesdienste nicht zugleich mit
versieht.
§. 793. Predigerwittwenhäuser ist in der Regel weder die
Kirchencasse, noch der Patron, oder die Gemeine, zu unterhalten verbunden.
§. 794. Vielmehr müssen die Kosten aus dem von dem Erbauer
dazu ausgesetzten Fond genommen; und bey dessen Ermangelung oder
Unzulänglichkeit, von der Wittwe, gegen den ihr zu gute kommenden Genuß der
freyen Wohnung, getragen werden.
§. 795. Ist aber das Haus von dem Patrone und der Gemeine
selbst errichtet; oder sonst mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung zu Pfarre
geschlagen worden: so gilt von desselben Unterhaltung alles, was von
Unterhaltung der Pfarrgebäude verordnet ist.
§. 796. Den Kirchenvorstehern liegt vorzüglich ob, darauf zu
sehen, daß der Pfarrer, und die übrigen zu kleinen Reparaturen verpflichteten
Personen, den Schaden nicht größer werden lassen.
§. 797. Die geistlichen Obern müssen, bey Gelegenheit der
Visitationen, die Pfarrer und Kirchenbedienten zu ihrer Schuldigkeit, auch in
diesem Stücke, ernstlich anhalten lassen.
§. 798. Hat ein Pfarrer oder Kirchenbedienter durch
Vernachläßigung der kleinen Reparaturen, oder durch schuldbar unterlassene
Anzeige eines vorhandenen beträchtlichen Schadens, zur Vergrößerung desselben
Anlaß gegeben: so muß die Wiederherstellung auf desselben eigne Kosten
geschehen.
Unterhaltung des Inventarii.
§. 799. Für die Unterhaltung des Garten-, Feld- und
Wirthschaftsinventarii muß der Pfarrer als Nießbraucher sorgen.
Benutzung der Pfarräcker.
§. 800. Pfarräcker kann der Pfarrer ohne weitere Rückfrage
verpachten; sein Amtsfolger ist aber an den von ihm geschlossenen Vertrag nicht
gebunden.
§. 801. Doch muß der Amtsfolger, wenn die Aecker in gewisse
Felder getheilt sind, den Pächter so lange dulden, bis derselbe mit der Nutzung
wenigstens Einmal, von Anfang der Pacht an, durch alle Felder herumgekommen
ist.
§. 802. Trift die Anstellung des Nachfolgers in eine Zeit,
da der Pächter die Benutzung der Felder nach der Reihe bereits von neuem wieder
angefangen hat: so muß der Nachfolger sich die Fortsetzung der Pacht so lange,
bis die Reihe wieder herum ist, gefallen lassen.
§. 803. Ist der Pachtcontrakt mit Zuziehung des Patrons und
der Vorsteher, und unter ausdrücklicher Bestätigung der geistlichen Obern
geschlossen worden: so ist auch, der Amtsfolger daran gebunden.
Benutzung des Pfarrwaldes.
§. 804. Gehört ein Wald zur Pfarre: so kann der jedesmalige
Pfarrer denselben nach den Regeln der Forstordnung nutzen.
§. 805. Er ist aber Bauholz daraus zu verkaufen nicht
berechtigt.
§. 806. Dergleichen Bauholz muß, so weit es ohne Abbruch des
benöthigten Brennholzes für den Pfarrer geschehen kann, geschont, und zu
vorkommenden Bauen und Reparaturen an den Pfarrer- und Küstergebäuden
aufbewahrt werden.
§. 807. Ist überflüßiges Bauholz vorhanden: so können die
Vorsteher, unter Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, oder in deren
Ermangelung, der Gemeine, oder ihrer Repräsentanten, dasselbe verkaufen, und
das gelösete Geld zinsbar belegen.
§. 808. Dergleichen Capital gehört zum Pfarrvermögen, und
muß vorzüglich zu vorkommenden Bau- und Reparaturkosten an den Pfarr- und
Küstergebäuden verwendet werden.
§. 809. So lange es aber zu diesem Behufe noch nicht
gebraucht wird, kommen die Zinsen davon dem jedesmaligen Pfarrer zu gute.
§. 810. Auch Brennholz ist der Pfarrer nur so weit zu
verkaufen berechtigt, als entweder der Pfarrwald in gewisse Schläge
eingetheilt, und ihm solchergestalt zum Nießbrauche eingeräumt, oder ihm ein
gewisses Deputat daraus angewiesen ist, und er von diesem etwas erübrigen kann.
§. 811. Außer diesem Falle findet bey Brennholz, wenn etwas
davon ohne Abbruch der Nothdurft des Pfarrers verkauft werden kann, eben das
statt, was §. 807-809. wegen des Bauholzes verordnet ist.
§. 812. Ist auf dem eigentlichen Hufenschlage der Pfarre
Holz gewachsen: so kann ein nachfolgender Pfarrer zwar verlangen, daß dasselbe
entweder auf Kosten desjenigen, der eine solche Veränderung in der
ursprünglichen Bestimmung des Grundes eigenmächtig vorgenommen hat, oder auf
Kosten der Pfarr- oder Kirchencasse, weggeschafft und geradet werde.
§. 813. Er kann aber weder an das geschlagene Holz, noch an
das dafür gelösete Geld Anspruch machen; sondern dieses verbleibt demjenigen,
welcher die Kosten der Radung getragen hat.
§. 814. Die Früchte und wirtschaftlichen Nutzungen von
einzelnen auf dem Felde stehenden Obst- und andern Bäumen, gehören dem Pfarrer;
an die Substanz der Bäume hingegen hat er keinen Anspruch.
Von Pfarrbauern.
§. 815. Wo gewisse Dienst- oder Frohnleute zur Pfarre
geschlagen sind, hat der Pfarrer, in Ansehung ihrer Dienste, eben die Rechte,
wie ein Gutsherr gegen seine Unterthanen.
§. 816. Gerichtsbarkeit und andre gutsherrliche Rechte
stehen dem Pfarrer über sie nur alsdann zu, wenn er dergleichen Gerechtsame
durch Beleihung vom Staate, oder durch Verjährung, besonders erworben hat.
§. 817. Sind dergleichen Rechte in der Matrikel mit
aufgeführt: so streitet die Vermuthung für den Pfarrer, daß dieselben auf eine
rechtsgültige Weise zur Pfarre erworben worden.
Nutzung des Kirchhofes.
§. 818. Die Nutzung des Kirchhofs gehört der Regel nach
nicht dem Pfarrer, sondern zu den Kircheneinkünften.
§. 819. Wenn jedoch ein Pfarrer den Kirchhof mit
Maulbeerbäumen bepflanzt, und für deren Abwartung und Cultur gehörig sorgt: so
gebührt demselben die ganze Nutzung des Kirchhofs, sowohl an Gras als Früchten.
§. 820. Will der Pfarrer sich mit Anpflanzung und Cultur der
Maulbeerbäume solchergestalt nicht befassen: so steht dieses dem Küster frey;
welcher dagegen eben dieselben Vortheile von dem Kirchhofe zu genießen hat.
§. 821. Ob und in wie fern den Pfarrern, und andern
Kirchenbedienten, die Accise- oder Abschoßfreyheit, das Recht zum Haustrunke,
und andre dergleichen besondre persönliche Vorrechte zukommen, wird in den
Provinzialgesetzen näher bestimmt.
Auseinandersetzung zwischen dem an- und abziehenden Pfarrer.
§. 822. Bey der Einweisung eines neuen Pfarrers, muß
demselben Wohnung und Wirthschaft von den Vorstehern, unter Aufsicht und
Direction des Patrons, oder des Erzpriesters, oder Kreisinspectors, nach dem
Inventario übergeben werden.
§. 823. Die Auseinandersetzung zwischen dem abgehenden
Pfarrer oder dessen Erben, und der Kirche, in Ansehung der Substanz; so wie mit
dem neuen Pfarrer, in Ansehung der Nutzungen, geschieht nach den in der Lehre
vom Nießbrauche vorgeschriebenen Gesetzen. (Th. I.
Tit. XXI. §. 111.
sqq.)
§. 824. Wo daselbst zu Verbesserungen, die dem Nießbraucher
vergütet werden müssen, die Einwilligung des Eigenthümers erfordert wird, da
ist bey einem Pfarrer die Einwilligung des Patrons oder Kirchencollegii, und
die Genehmigung der geistlichen Obern erforderlich.
§. 825. So weit dergleichen Verbesserungen dem abgehenden
Pfarrer, oder dessen Erben, vergütet worden, werden dieselben der Pfarre
einverleibt; und es gilt davon, in Ansehung der folgenden Fälle, alles das, was
von Pfarrgütern überhaupt verordnet ist.
§. 826. Hat der neue Pfarrer die Vergütung solcher
Verbesserungen aus eignen Mitteln geleistet: so können er, oder seine Erben,
bey seinem erfolgenden Abgange, die Vergütung des dafür Gezahlten von dem
Nachfolger fordern.
§. 827. Dergleichen einem Vorgänger von seinem Nachfolger zu
leistende Vergütung dauert, auch bey nachherigen Amtsveränderungen, so lange
fort, als nicht etwa auch dieser Werth der Verbesserung, so wie die
Verbesserung selbst, der Pfarre einverleibt worden.
§. 828. Hat aber der neue Pfarrer dem abgehenden, oder
dessen Erben, Verbesserung, für welche dieselben keine Vergütung fordern,
sondern sie nur zurücknehmen konnten, bezahlt: so werden dieselben der Pfarre
dadurch nicht einverleibt; der Pfarrer kann aber auch dafür, bey seinem
demnächst erfolgenden Abgange, keinen Ersatz fordern.
§. 829. Vielmehr tritt er, in Ansehung der Befugniß zur
Zurücknahme, nur in die Rechte des ursprünglichen Verbesserers.
§. 830. Soll gegen diese Regeln etwas durch Vertrag,
zwischen der Kirche und Pfarre an einer, und dem abgehenden Pfarrer oder dessen
Erben, ingleichen dem neuen Pfarrer, an der andern Seite, festgesetzt werden:
so ist dazu die Genehmigung der geistlichen Obern nothwendig.
§. 831. Auch wegen der Auseinandersetzung über die Nutzungen
gelten, so weit ausdrückliche Provinzialgesetze nicht ein Andres bestimmen, die
bey dem Nießbrauche vorgeschriebenen Regeln. (Th. I.
Tit. XXI. §. 143.
sqq.)
§. 832. Doch kommen die Stolgebühren nur demjenigen zu,
welcher die Handlung verrichtet hat.
Sterbequartal.
§. 833. Das Sterbequartal kommt der Wittwe und den Kindern
des im Amte gestorbenen Pfarrers zu gute.
§. 834. Doch müssen dieselben davon die Begräbnißkosten, so
weit die Einkünfte dazu hinreichen, bestreiten.
§. 835. Zum Nachtheile der Gläubiger des verstorbenen
Pfarrers, können auch seine Wittwe und Kinder auf das Sterbequartal keinen
Anspruch machen.
§. 836. Dagegen kann ihnen der Mann und Vater diesen Genuß
durch letztwillige Verordnung, zu Gunsten andrer Erben, nicht entziehen.
§. 837. Sowohl das Amtsjahr, als das Sterbequartal, werden
von dem ersten Tage desjenigen Monaths, in welchem der Pfarrer eingewiesen
worden, berechnet.
Gnadenjahr.
§. 838. Das Gnadenjahr, oder die Gnadenzeit, findet nur bey
den protestantischen Pfarren, und nur an Orten statt, wo es durch
Provinzial-Kirchenordnungen eingeführt, oder durch Gewohnheit hergebracht ist.
§. 839. Es gebührt nur der hinterlassenen Wittwe, und
solchen Kindern des Pfarrers, die sich bey seinem Absterben noch in seiner
väterlichen Gewalt befunden haben.
§. 840. Enkel und bloß angenommene Kinder des verstorbenen
Pfarrers können darauf nur in so fern Anspruch machen, als sie sich zur Zeit
seines Ablebens in seinem Hause und in seiner Verpflegung befunden haben.
§. 841. Wittwen, welche nach der Verfassung des Orts einen
Wittwengehalt empfangen, können in der Regel kein Gnadenjahr fordern.
§. 842. Den Wittwen und den Kindern eines Pfarrers, der sein
Amt gänzlich niedergelegt, und nur noch ein Gnadengehalt davon genossen hat,
gebührt kein Gnadenjahr.
§. 843. War aber der Pfarrer noch im Amte geblieben, und war
ihm nur ein Substistut zugeordnet worden: so genießen seine Wittwe und Kinder
die ihm vorbehaltnen Einkünfte während der Gnadenzeit.
§. 844. Die Dauer der Gnadenzeit ist nach jedes Orts
Gewohnheit bestimmt.
§. 845. Das Sterbequartal wird in die Gnadenzeit nicht mit
eingerechnet.
§. 846. Das Gnadenjahr bleibt der Wittwe und den Kindern,
wenn sie auch ihres Mannes und Vaters Erben nicht geworden sind.
§. 847. Doch können rechtmäßig enterbte Kinder keinen
Anspruch darauf machen.
§. 848. Ist eine Wittwe vorhanden, so gebührt derselben
allein das Gnadenjahr; sie muß aber dagegen für den Unterhalt des Kindes
unentgeltlich sorgen.
§. 849. Stirbt die Wittwe während des Gnadenjahrs, so wird
der Genuß von den nach §. 839. 840. dazu berechtigten Kindern des Pfarrers
fortgesetzt.
§. 850. Genießen nur Kinder das Gnadenjahr; und stirbt
während des Genusses eins derselben: so wächst dessen Portion den übrigen zu.
§. 851. Andre als die §. 839. 840. benannte Wittwen und
Kinder des verstorbenen Pfarrers, können auf eine Gnadenzeit niemals Anspruch
machen.
§. 852. Was von den Einkünften der Pfarre während der
Vacanz, nach Abzug der Vertretungskosten, übrig bleibt, wächst, wo kein
Gnadenjahr statt findet, dem Pfarrvermögen zu.
§. 853. Die Stolgebühren gehören der Regel nach weder zum
Gnadenjahre, noch zum Pfarrvermögen; sondern sie kommen demjenigen zu, der die
Handlung, wofür sie erlegt werden müssen, verrichtet hat.
§. 854. Wo es hergebracht ist, daß auch die Stolgebühren zum
Gnadenjahre gehören, da müssen die im Genusse des Letztern befindliche Wittwe
und Kinder diejenigen, welche die Handlung verrichtet haben, für die dabey
vorgefallenen Reise- und Zehrungskosten schadlos halten.
§. 855. Sowohl im Sterbequartale, als im Gnadenjahre, müssen
diejenigen, welche die Pfarreinkünfte genießen, denjenigen, welche den Gottesdienst
versehen, die in der Provinz oder im Kreise gewöhnliche Entschädigung, so weit
sie nicht durch die Stolgebühren erfolgt, gewähren.
§. 856. Kommt das Sterbequartal und Gnadenjahr verschiedenen
Personen zu: so müssen die Nutzungen unter sie nach Verhältniß der Zeit
getheilt werden.
Eilfter Abschnitt
Von Zehnten und andern Pfarrabgaben
Grundsätze.
§. 857. Der eigentliche Zehnte ist eine Abgabe von Früchten,
die auf der zur Parochie gehörigen Feldmark erzeugt werden.
§. 858. Ursprünglich ist der Zehnte zur Unterhaltung des
Pfarrers bestimmt; er kann aber auch von der Kirche, so wie von jedem Andern,
erworben und besessen werden.
§. 859. Bey Zehnten, die sich in den Händen eines weltlichen
Besitzers befinden, hat, wenn sie auch ursprünglich Pfarrzehnten sind, die
Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses auf das Recht, sie zu fordern, keinen
Einfluß.
§. 860. Daraus, daß eine Kirche die Eigenschaft einer
Parochialkirche hat, folgt noch nicht, daß die Eingepfarrten zur Entrichtung
eines Zehenten verbunden sind.
Erwerbung des Zehentrechts.
§. 861. Der Pfarrer und die Kirche können das Zehentrecht
auf eben die Art, wie jedes andere Recht, auch durch die ordentliche Verjährung
erwerben.
§. 862. Wenn ein Laye den durch Verjährung geschehenen
Erwerb eines ursprünglichen Pfarr- oder Kirchenzehnten gegen den Pfarrer oder
die Kirche behaupten will: so müssen alle Erfordernisse der Kirchenverjährung
vorhanden seyn.
§. 863. Zwischen Layen, die über den Besitz eines
ursprünglichen Kirchen- oder Pfarrzehenten unter einander streiten, ist die
gewöhnliche Verjährung zur Entscheidung hinreichend.
§. 864. Alle, auch über Pfarr- und Kirchenzehnten
entstehende Streitigkeiten, gehören zur Entscheidung des weltlichen Richters.
Umfang desselben.
§. 865. Sobald ausgemittelt ist, daß dem Zehentberechtigten,
der einen ursprünglichen Pfarr- oder Kirchenzehent besitzt, das Zehentrecht
über eine gewisse Feldmark zustehe, gilt die Vermuthung, daß alle in dieser
Feldmark gelegene Grundstücke demselben unterworfen sind.
§. 866. Zehentsteine beweisen kein allgemeines Zehentrecht;
sondern nur, daß derjenige, dessen Zeichen darauf befindlich ist, ein
Zehentrecht in dem innerhalb der Steine gelegenen Bezirke auszuüben befugt sey.
§. 867. Wer zehentfreye Aecker neben zehentpflichtigen
erwirbt, oder zehentfreye Wiesen, Weiden, und Holzungen, in Saatland
verwandeln, und mit zehentpflichtigen Ländereyen vereinigen will, muß dem
Zehentherrn davon Anzeige machen, und in Gegenwart desselben, oder dessen
Bevollmächtigten, das zehentfreye Land von dem zehentpflichtigen durch
Gränzmale absondern.
§. 868. Hat er dies nicht beobachtet: so ist die Vermuthung
wider ihn; und er muß bey entstehendem Streite, die Gränzen des zehentfreyen
Landes vollständig nachweisen.
Erlöschung des Zehentrechts.
§. 869. Die sonstigen Eigenschaften und Vorrechte eines
innerhalb des Zehentbezirks gelegenen Grundstückes begründen noch nicht die
Befreyung vom Zehenten.
§. 870. Wenn jedoch der Inhaber sich seit Zehn Jahren im
ruhigen Besitze der Zehentfreyheit befindet; so wird dadurch die aus der Lage
des Grundstücks entstandene rechtliche Vermuthung gehoben.
§. 871. Kann aber die zehentpfiichtige Eigenschaft des
Grundstücks auf andere Art nachgewiesen werden: so geht die Befugniß, den
Zehenten zu fordern, für die Kirche oder dem Pfarrer nur durch einen Vier und
vierzigjährigen Nichtgebrauch, unter den im Titel von der Verjährung
enthaltenen Bestimmungen verloren. (Th. I. Tit. IX. §. 509. 510. 511.)
§. 872. Wenn der Besitzer eines an sich zehentbaren
Grundstückes, für seine Person, wegen Verschiedenheit seines
Religionsbekenntnisses, von Entrichtung des Zehenten frey ist: so ruht
inzwischen das Zehentrecht; und es kann, während dieses Besitzes, keine
Verjährung wider die Kirche oder den Pfarrer anfangen.
§. 873. Auch werden die Jahre eines solchen Besitzes von dem
Zeitraume, in welchem die Verjährung gegen die Kirche oder den Pfarrer gehörig
angefangen und fortgesetzt worden, abgerechnet.
§. 874. Der Zehente besteht, der Regel nach, in dem Zehenten
Theile der auf dem zehentpflichtigen Lande gewachsenen, und dem Zehentrechte
unterworfenen Früchte.
Von Großzehenten.
§. 875. Wo der Zehente überhaupt und ohne weitere Bestimmung
hergebracht ist, wird darunter nur der sogenannte Großzehente verstanden.
§. 876. Dieser muß von allen Erzeugnissen der
zehentpflichtigen Aecker und Wiesen, welche der Halm trägt, entrichtet werden.
§. 877. Der Zehentberechtigte kann dem Zehentpflichtigen
nicht vorschreiben: wie derselbe das Grundstück bestellen und nutzen solle.
§. 878. Baut aber der Zehentpfiichtige eine andre Art von
Erzeugnissen, als wozu das Grundstück bisher gewöhnlich genutzt worden: so muß
er auch davon den Zehenten entrichten.
§. 879. Kann diese Art der Berichtigung, nach der Natur und
Beschaffenheit des anderweitig gebaueten Erzeugnisses, oder aus andern Ursachen
nicht statt finden: so muß der Zehentpflichtige eben so viel, als der Zehente
von einem Acker gleicher Größe, in demselben Felde beträgt, in dem Erzeugnisse
der gewöhnlichen Art entrichten.
§. 880. Früchte, die im Brachfelde gebauet werden, sind der
Regel nach zehentfrey.
§. 881. Hat aber der Zehentpflichtige das Brachfeld so
genutzt, daß dadurch der Ertrag der künftigen Erndte offenbar geschmälert wird:
so muß er den Zehentberechtigten deshalb entschädigen.
§. 882. Sowohl, ob eine solche dem Zehentberechtigten
schädliche Brachnutzung vorhanden sey; als wie viel der demselben daraus
entstandene Ausfall betrage, muß, wenn kein gütliches Abkommen statt findet,
nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen bestimmt werden.
§. 883. Diese müssen dabey auf das Verhältniß des Ertrages
benachbarter Aecker von eben derselben Beschaffenheit, bey welchen die Brache
landüblich genutzt worden, Rücksicht nehmen.
§. 884. Läßt der Zehentpflichtige die zum Winter- oder
Sommerfelde gehörigen Ländereyen, aus Nachläßigkeit, oder unordentlicher
Wirthschaft, ganz oder zum Theil unbebauet liegen: so ist der Zehentberechtigte
befugt, dieselben in Cultur zu nehmen; und der Eigentümer hat auf die davon
gewonnenen Früchte gar keinen Anspruch.
§. 885. Nimmt der Zehentpflichtige eine Art von Cultur vor,
wodurch die Gestalt und Bestimmung des Grundstücks gänzlich verändert wird: so
muß er den Zehentberechtigten, wegen des dadurch erleidenden Verlustes, auf
andre Art schadlos halten.
§. 886. Zum Maaßstabe dieser Entschädigung muß der
Durchschnitt des Zehentertrages von den letzten Sechs Jahren vor der
Veränderung angenommen werden.
§. 887. Können die Parteyen sich über diese Art der
Entschädigung nicht vereinigen: so muß dieselbe, für jedes Jahr, nach der
Vorschrift des §. 879. bestimmt werden.
§. 888. Eine bloße Veränderung in der Eintheilung der
Felder, oder in der Art der Bedüngung, oder die Verminderung der Aussaat durch
Anlegung künstlicher Wiesen, geben dem Zehentberechtigten keinen Anspruch auf
Schadloshaltung.
§. 889. Auch von solchen Aeckern, welche nicht gewöhnlich,
sondern, nur zuweilen gebauet werden, ist der Zehente, so oft sie wirklich
bestellt sind, zu entrichten.
Vom Neulande.
§. 890. Kirchen- und Pfarrzehente können zwar auch von
ausgetrockneten Sümpfen, geradeten Wäldern und Wiesen, und andern ganz neu in
Cultur gebrachten Aeckern, in so fern dieselben im Zehentdistricte liegen,
gefordert werden.
§. 891. Es kommt aber den Besitzern eine zwölfjährige
Befreyung, von der Zeit an, wo dergleichen Neuland zuerst wirklich bestellt
worden, zu statten.
§. 892. Zehentberechtigte weltlichen.Standes können
den Zehenten von solchem Neulande nur alsdann fordern, wenn er ihnen ausdrücklich
mit verliehen worden.
§. 893. Für Neuland ist es nicht zu achten, wenn der
Zehentpflichtige Hecken, Bäume, Gesträuche oder Graben, welche an sich auf dem
zehentbaren Lande befindlich sind, auf eine oder die andre Art zu Acker
einrichtet, und bestellt.
Art der Entrichtung des Großzehenten.
§. 894. Der Zehente muß von den Früchten, ohne Abzug der
Bestellungskosten und Abgaben, entrichtet werden.
§. 895. Der Empfänger muß denselben auf dem Felde, aus den
aufgesetzten Garben oder Haufen, wie sie folgen, annehmen; doch kann er mit dem
Abzählen da, wo er selbst will, den Anfang machen.
§. 896. Auch kann er von einem Acker, auf einen andern des
nämlichen Besitzers, die Garben oder Haufen fortzählen.
§. 897. Bey diesem Fortzählen steht es ihm frey: ob er an
dem obern oder untern Ende des folgenden Ackers den Anfang machen will.
§. 898. Bleiben zuletzt noch Früchte übrig, die keine
Zehentgarbe ausmachen: so werden dieselben, zur Mitzählung auf das folgende
Jahr, dem Berechtigten vorbehalten.
§. 899. Wo die Feldfrüchte in Mandeln oder Hocken aufgesetzt
werden, da kann der Zehentberechtigte verlangen, daß die bey der Abzählung
übrig gebliebenen einzelnen Mandeln oder Hocken auseinander genommen, und ihm
von den darin enthaltenen Farben der Zehente verabfolgt werde.
§. 900. Der Zehentberechtigte muß, wenn er zur Zeit der
Erndte nicht selbst gegenwärtig seyn kann oder will, einen Abzehentner in der
Nähe bestellen, und denselben dem Zehentpflichtigen zeitig bekannt machen.
§. 901. So bald dem Zehentberechtigten, oder dessen
Abzehntner, gemeldet worden, daß die Früchte zum Abzählen, in Bereitschaft
stehen, müssen sich dieselben unverzüglich einfinden.
§. 902. Der Zehentpflichtige ist nicht schuldig, länger als
Zwölf Stunden nach der Anzeige auf das Abzählen zu warten.
§. 903. Vielmehr kann er alsdann, in Gegenwart oder mit
Zuziehung der Dorfgerichte, oder zweyer an sich glaubwürdigen Zeugen, auf
Kosten des Berechtigten den Zehenten selbst ausstoßen, und auf dem Felde liegen
lassen.
§. 904. Nöthigt die Witterung den Zehentpflichtigen, mit der
Einführung der Früchte zu eilen: so ist es genug, wenn die Anzeige dem
Zehentherrn, oder dessen Abzehntner, nur Sechs Stunden vor dem Einfahren
geschieht.
§. 905. Dagegen ist aber auch der Zehentpflichtige schuldig,
wenn der Zehentsammler auf der Flur mit der Abzählung schon wirklich
beschäftigt ist, so lange zu warten, bis derselbe auf seinen Acker kommen kann.
§. 906. Säumt der Zehentsammler geflissentlich: so haftet er
dem Zehentpflichtigen für allen dadurch erweislich entstandenen Schaden.
§. 907. Sind aber, mit Vernachläßigung obiger Vorschriften,
die Früchte vor Ausstoßung des Zehenten eingeführet worden: so muß derselbe dem
Berechtigten noch aus der Scheune verabfolgt werden.
§. 908. Ist die zu frühe Einführung von dem Verpflichteten
vorsätzlich, oder durch eignes grobes Verschulden geschehen: so muß er, wenn
besondere Provinzialgesetze nicht ein Anderes bestimmen, dem Berechtigten auf
Zehn Garben Eine; bey einem obwaltenden nur mäßigen Versehen aber, auf Zwanzig
Garben Eine Garbe mehr abliefern.
§. 909. Die Einfuhre des auf dem Felde abgezählten Zehenten
muß der Empfänger, der Regel nach, und wo nicht ein Anderes durch
ununterbrochene Gewohnheit hergebracht ist, selbst besorgen.
Von Kleinzehenten.
§. 910. Wo der Klein-Zehente ausdrücklich eingeführt ist,
muß derselbe in der Regel von allen Garten- und Baumfrüchten, ohne Unterschied,
ob sie im Garten, oder auf dem Felde gebauet worden, entrichtet werden.
§. 911. Weder an Groß- noch Klein-Zehenten kann der
Zehentpflichtige, wegen erlittener Unglücksfälle, Erlaß fordern.
§. 912. Weder bey dem Verkaufe der Zehentfrüchte noch bey
Verpachtungen des Zehentrechts, gebührt dem Zehentpflichtigen ein Vorkaufs-
oder Näherrecht.
§. 913. Eben das gilt, wenn das Zehentrecht mit dem Gute
oder Grundstücke, worauf dasselbe haftet, verkauf wird.
§. 914. Wenn hingegen das Zehentrecht über eine ganze
Feldflur, oder auch über einzelne in derselben gelegene Grundstücke, für sich
allein verkauft werden soll: so kommt im ersten Falle der Gemeine, so wie im
letzteren dem Besitzer des Pflichtigen Grundstücks, das Vorkaufs- und
Näherrecht zu.
Von Blutzehenten.
§. 915. Die Befugniß, Fleisch- oder Blutzehenten zu nehmen,
erstreckt sich auf alle Arten von Vieh, welches zur Haus- und Feldwirthschaft
gehört.
§. 916. Der Regel nach muß das zehentbare Vieh von einem
Jahre ins andere aufgezählt, und darnach das zehnte Stück geliefert werden.
§. 917. Die vor der wirklichen Aufzählung gestorbenen Stücke
werden bey Berechnung des Zehenten nicht mitgezählt.
§. 918. Die Zeit der Abzählung ist nach jedes Orts Herkommen
bestimmt.
§. 919. Kälber, Lämmer, und Schweine ist der
Zehentberechtigte nicht eher, als bis sie zum Verkaufe tauglich; Fohlen nicht
eher, als bis sie abgesogen sind; und Federvieh erst, wenn es befiedert ist,
anzunehmen verbunden.
§. 920. Von allen Sorten dürfen nur Stücke mittlerer Güte
zum Zehenten gegeben und angenommen werden.
Abschaffung des Personalzehenten.
Vom Sackzehenten.
§. 921. Ein Personalzehent von dem, was durch bloßen
menschlichen Fleiß erworben worden, soll nirgend weder gefordert, noch gegeben
werden.
§. 922. Wenn der Zehente auf gewisse Quantitäten oder Maaße
von gedroschnem Getreyde oder gewonnenen Früchten bestimmt ist: so heißt
derselbe ein Sackzehente.
§. 923. Wenn erhellet, daß der Berechtigte einen
Naturalzehenten zu fordern habe: so hat derselbe sein Recht, diesen Zehenten in
Natur zu ziehen, nicht verloren, wenn er gleich seit länger als
rechtsverjährter Zeit selbigen in gedroschenen Körnern angenommen hätte.
§. 924. Hat aber der Berechtigte sein Recht zum Zugzehenten
ausüben wollen; der Verpflichtete demselben widersprochen; und ersterer seit
diesem Widerspruche, durch rechtsverjährte Zeit, den Zehenten in gedroschenem
Getreyde angenommen: so ist eine Verwandlung des Zug in einen Sackzehnten durch
Verjährung erfolgt.
§. 925. Der Sackzehente muß gleich durch, wie der
Zehentpflichtige die Früchte gewonnen hat, entrichtet und angenommen werden.
§. 926. Doch ist der Zehentpflichtige in jedem Falle
marktgängiges Getreyde abzuliefern verbunden.
§. 927. Die Ablieferung muß in der Regel nach gestrichenem
Maaße geschehen.
§. 928. Die Abfuhre in die Wohnung, oder auf den Boden des
Empfängers, muß der Zehentpflichtige besorgen.
§. 929. Ist der Zehentpflichtige in der Ablieferung säumig
gewesen: so finden die Vorschriften des Siebenten Titels, §. 479. 480.,
Anwendung.
§. 930. Hat der Zehentpflichtige totalen Mißwachs erlitten:
so kann der Empfänger den Sackzehenten nur in so fern fordern, als die
gewonnenen Früchte, nach Abzug der Wirthschaftsnothdurften, an Saamen, Brod,
Speisung des Gesindes, und Futterung, dazu noch hinreichen.
§. 931. Hat sich der Mißwachs nur in einer oder der andern
Getreydesorte, z. B. nur in den Winter- oder nur in den Sommerfrüchten,
ereignet: so muß der Zehentpflichtige den in der mißrathenen Sorte zu
entrichtenden Sackzehnten, entweder nach den in der Provinz oder Gegend
üblichen Anschlagspreisen bezahlen, oder denselben in einer andern
Getreidesorte, nach Verhältniß eben dieser Preise, abliefern,
§. 932. Der Zehentpflichtige, welcher von einem dieser
Befugnisse Gebrauch machen will, muß wegen der dem Berechtigten von dem
vorhandenen Mißwachse in Zeiten zu machenden Anzeige, die einem Pächter
ertheilten Vorschriften beobachten. (Th. I. Tit. XXI. §. 480-483.)
§. 933. Auch findet keine von diesen Befugnissen statt, wenn
der Zehentpflichtige allen Remissionen ausdrücklich entsagt hat.
§. 934. Was hier von dem Erlasse bey geistlichen
Sackzehenten verordnet ist, findet auf andere Naturalabgaben, welche nicht als
Pfarr- oder Kirchenzehenten entrichtet werden, keine Anwendung.
Von Geldzehenten.
§. 935. Wenn der Zehentberechtigte, statt des
Naturalzehenten, eine beständig gleichförmige Abgabe in Gelde durch
rechtsverjährte Zeit angenommen hat: so finden die Vorschriften §. 923. und
924. Anwendung.
§. 936. Ein solcher Zehentpflichtiger kann, wegen erlittener
Unglücksfälle, nur in so weit Nachsicht oder Erlaß fordern, als dergleichen
einem Erbzinsmanne wegen des schuldigen Canons zu statten kommt (Th. I. Tit.
XVIII. §. 758. sqq.)
Von andern Pfarrabgaben.
§. 937. Offertoria, Pröven, Ostereyer, Wettergarben, und
andre dergleichen Pfarr- und Küsterabgaben, müssen lediglich nach jedes Orts
Gewohnheit bestimmt werden.
§. 938. Für dergleichen Prästationen kann niemals Erlaß
gefordert werden.
Zwölfter Abschnitt
Von geistlichen Gesellschaften überhaupt
Begriff und Grundsätze.
§. 939. Unter geistlichen Gesellschaften, deren Mitglieder
sich mit andern Religionsübungen, als der Seelsorge, hauptsächlich
beschäftigen, werden die vom Staate aufgenommenen Stifter, Klöster, und Orden
verstanden.
§. 940. Diese haben unter dem Namen der Capitel und
Convente, mit andern Corporationen im Staate gleiche Rechte. (Tit. VI.)
§. 941. Sie stehen unter der Direction ihrer besondern
Vorgesetzten, welche, nach Verschiedenheit der Verfassung, entweder von den
Mitgliedern gewählt, oder von einem Dritten bestellt werden.
Geistliche Verrichtungen.
§. 942. Sie sind in ihren geistlichen Beschäftigungen, der
Regel nach, der Aufsicht des Bischofs der Diözes unterworfen; und müssen, wenn
sie davon befreyt zu seyn behaupten, eine besondre vom Staate genehmigte
Exemtion nachweisen.
§. 943. Sie dürfen den Pfarrern in ihre Amtsverrichtungen
keine Eingriffe thun, und sich auch einzelner zur Seelsorge gehörigen
Handlungen, ohne besondere Erlaubniß des Bischofs, nicht anmaßen.
§. 944. Doch sind sie selbst vom Pfarrzwange ausgenommen,
und können für sich einen eignen Gottesdienst unterhalten.
§. 945. Wo einer geistlichen Gesellschaft Parochialrechte
über einen gewissen Distrikt verliehen sind, da muß dieselbe die Verwaltung des
Pfarramts einem dazu gehörig qualificirten Subjekte aus ihrem Mittel
übertragen.
§. 946. Geistliche Gesellschaften sind berechtigt, ihre
Mitglieder durch geistliche Busübungen zur Erfüllung der Pflichten ihrer
Verbindung, und zur Vermeidung alles Aergernisses anzuhalten.
§. 947. Körperliche oder Geldstrafen gegen ihre Mitglieder
zu verhängen, sind sie nur so weit berechtigt, als ihnen die Befugniß dazu
durch besondere Gesetze, oder in ihren vom Staate bestätigten Statuten,
ausdrücklich eingeräumt worden.
Aeußere Rechte.
in Beziehung auf den Staat,
§. 948. Die Rechte des Staats über solche geistliche
Gesellschaften, und deren Vermögen, sind hauptsächlich nach den von ihm
bestätigten Grundverfassungen, nach den vorhandenen Recessen und Verträgen, und
nach den die Angelegenheiten derselben betreffenden Friedenschlüssen und andern
Traktaten zu beurtheilen.
§. 949. In der Regel kommen dem Staate eben die Rechte über
sie zu, wie über die Kirchengesellschaften.
§. 950. Sie genießen, gleich diesen, in ihren
Rechtsangelegenheiten einen privilegirten Gerichtsstand.
in Ansehung ihres Vermögens,
§. 951. Das ihnen vom Staate zugewendete oder überlassene
Vermögen muß zur Aufrechthaltung ihrer geistlichen Anstalten, nach der vom
Staate gebilligten Verfassung, und zum Unterhalte der Mitglieder verwendet
werden.
§. 952. Sie sind dabey eben den Einschränkungen unterworfen,
und genießen eben die Vorrechte, wie Kirchengesellschaften.
§. 953. Doch haben sie, in Ansehung ihrer beständig
fortlaufenden jährlichen Hebungen, auf das den Kirchengesellschaften §. 229.
verliehene besondre Pnvilegium keinen Anspruch.
§. 954. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens
kommt dem Capitel zu, welches, zur Besorgung der dabey vorfallenden Einnahmen
und Ausgaben, unterbediente Zubestellen berechtigt ist.
Innere Verfassung.
§. 955. Die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der
geistlichen Corporationen werden in ihren Zusammenkünften oder Capiteltagen
verhandelt.
§. 956. Dem Vorsteher gebührt der Vorsitz und die Direction
in dem Capitel; er muß aber, bey Abfassung der Schlüsse, sich nach der Mehrheit
der Stimmen richten.
Versammlungen.
§. 957. Die Schlüsse selbst müssen nothwendig im
versammelten Capitel abgefaßt werden.
§. 958. Die ordinairen Zusammenkünfte, oder Capiteltage,
sind nach der besondern Einrichtung einer Jeden Corporation festgesetzt, und
zur Verhandlung desjenigen bestimmt, was zur Verwaltung und Conservation der
Rechte und innern Verfassung der Corporation gehört.
§. 959. So oft in der Grundverfassung des Stifts etwas
geändert werden soll, wird eine außerordentliche Zusammenberufung des Capitels;
die Einwilligung des Bischofs der Diözes; und die Genehmigung des Staats
erfordert.
§. 960. Eben dies findet statt, wenn unbewegliche Güter,
Kostbarkeiten, oder Rechte der Stiftung vertauscht, verpfändet, oder veräußert
werden sollen.
§. 961. Geistliche Gesellschaften dürfen, ohne ausdrückliche
Erlaubniß des Staats, weder Capitalien außerhalb Landes verleihen, noch weniger
auswärtigen geistlichen Obern, oder Stiftungen, etwas von ihrem Vermögen, bey
einer gleich hohen Geldstrafe, zuwenden.
§. 962. Die Verwendung der aus dem Stiftsvermögen den
einzelnen Mitgliedern bestimmten Hebungen zu andern Zwecken, kann nur in
außerordentlichen Zusammenkünften, mit einmüthiger Bewilligung sämmtlicher
Mitglieder, beschlossen werden.
§. 963. Auch die Wahl eines neuen Vorgesetzten, Beamten,
oder Mitglieds der Corporation, kann nur in solchen außerordentlichen
Zusammenkünften geschehen.
§. 964. Abwesende Mitglieder des Capitels, oder Convents,
müssen zu dergleichen außerordentlichen Versammlungen besonders eingeladen
werden.
§. 965. Ist dieses unterlassen worden: so können sie dieser
Uebergehung wegen (ob contemtum) auf Vernichtung des von den übrigen
Mitgliedern gefaßten Schlusses antragen.
§. 966. Es ist aber genug, wenn die Einladung nur in die
gewöhnliche Wohnung oder Curie solcher abwesender Mitglieder insinuirt wird.
§. 967. Ein Mitglied des Capitels, welches persönlich zu
erscheinen verhindert ist, kann seine Stimme nur einem andern Mitgliede
auftragen.
§. 968. Wer auf gehörige Einladung weder selbst erscheinet,
noch einen qualificirten Bevollmächtigten bestellt, muß sich dasjenige gefallen
lassen, was von den übrigen Mitgliedern beschlossen worden.
§. 969. In gewöhnlichen Angelegenheiten und Zusammenkünften
entscheidet die Mehrheit der Stimmen der gegenwärtigen Mitglieder.
§. 970. In wie fern, und bey welchen Geschäften, die
Mehrheit der Stimmen sämmtlicher Mitglieder, oder eine gewisse überwiegende
Mehrheit erfordert werde, ist nach der besondern Verfassung einer jeden
Corporation bestimmt, und wird unten vorkommen.
Rechte des Vorstehers.
§. 971. Eben so bestimmt die Verfassung einer jeden
geistlichen Corporation, was der Vorsteher ohne Rückfrage an das Capitel zu
beschließen und vorzunehmen berechtigt sey.
§. 972. Uebernimmt er außerdem eine Verbindlichkeit ohne
Zuziehung des Capitels: so haftet dieses nur so weit dafür, als etwas aus einem
solchen Geschäfte in den Nutzen der Gesellschaft wirklich verwendet worden.
§. 973. Welchen Personen die Verwaltung der Rechte und
Obliegenheiten eines abwesenden, oder sonst verhinderten, ingleichen eines
gänzlich abgegangenen Vorstehers, vermöge ihres Amts zukomme, muß nach den
besondern Stiftsverfassungen beurtheilt werden.
Rechte des Capitels bey vakantem Vorsteheramte.
§. 974. Der Regel nach fallen die Rechte des mit Tode
abgegangenen Vorstehers an das Capitel zurück.
§. 975. Das Capitel kann dieselben entweder selbst ausüben,
oder deren Verwaltung inzwischen andern übertragen.
§. 976. Doch ist das Capitel die an die Person des
Vorstehers besonders gebundnen Rechte, ohne dringende Nothwendigkeit auszuüben,
oder an Andere zu übertragen, nicht berechtigt.
§. 977. Während der Vakanz darf keine Neuerung in den
Angelegenheiten des Stifts vorgenommen werden.
§. 978. Die besondern Einkünfte des Vorstehers müssen
während der Vakanz aufbewahrt, und seinem Nachfolger übergeben werden.
Wahl und Postulation.
§. 979. Wo die Wahl des Vorgesetzten dem Capitel oder
Convente zusteht, muß dieselbe innerhalb Dreyer Monathe nach dem Abgange des
vorigen, bey Verlust des Wahlrechts, erfolgen.
§. 980. Der zu wählende Candidat muß alle zu solchem Amte
nach dem canonischen Rechte und den Statuten des Stifts erforderlichen
Eigenschaften besitzen.
§. 981. Wem eine oder die andere derselben ermangelt, der
kann nur nach vorhergegangener Postulation, und erfolgter Dispensation des
geistlichen Obern, zu der vacanten Würde gelangen.
§. 982. Das Wahlgeschäft ist der Landesherr durch dazu
bestellte Commissarien zu dirigiren berechtigt.
§. 983. Wo nicht besondere Statuten entgegen stehn, werden
die Stimmen von diesen Commissarien als Scrutatoren eingesammelt.
§. 984. Die Stimmen werden mittelst verschlossener Zettel
abgegeben.
§. 985. Finden sich nach geendigter Stimmensammlung mehr
oder weniger Wahlzettel, als wählende Personen sind: so müssen die sämmtlichen
Zettel uneröffnet verbrannt, und die Stimmen aufs neue gesammelt werden.
§. 986. Nach richtig befundenen Wahlzetteln werden dieselben
eröffnet, und die Stimmen, so wie sie sich hinter einander finden, in das
Wahlprotocoll eingetragen.
§. 987. Nur der ist für regelmäßig gewählt zu achten,
welcher wenigstens Eine Stimme über die Hälfte der Stimmen sämmtlicher
Mitglieder des Capitels oder Convents für sich hat.
§. 988. Wenn ein Candidat, welcher nur postulirt werden kann,
mit einem völlig Wahlfähigen zusammen kommt: so kann die Postulation des ersten
nur alsdann erfolgen, wenn er mehr als Zwey Drittel sämmtlicher Wahlstimmen für
sich hat.
§. 989. In dessen Entstehung wird der Wahlfähige vorgezogen,
wenn auch nur Ein Drittel sämmtlicher Stimmen sich für ihn erklärt hätte.
§. 990. Wenn aber sämmtliche Candidaten nur postulirt werden
können: so muß die Postulation für denjenigen erfolgen, der mehr als die Hälfte
der sämmtlichen Wahlstimmen für sich hat.
§. 991. Hat keiner der Candidaten so viel Stimmen, als nach
obigen Vorschriften zu einer gültigen Wahl oder Postulation erfordert werden:
so ist der ganze Wahlactus ohne Wirkung.
§. 992. Die Wahl kann auch durch Compromiß auf
ein oder mehrere Mitglieder des Capitels geschehen.
§. 993. Auch die Errichtung eines solchen Compromisses muß
unter Direction der Landesherrlichen Commissarien erfolgen.
§. 994. Zu dergleichen Compromiß ist die Einwilligung
sämmtlicher Mitglieder erforderlich.
§. 995. Nur durch gleichmäßige allgemeine Einwilligung kann
das Compromiß, wenn es einmal zu Stande gekommen ist, wieder aufgehoben werden.
§. 996. Diejenigen, auf welche compromittirt worden,
müssen sich nach dem Inhalte des ihnen von dem Capitel geschehenen Auftrages
genau achten.
§. 997. Ist in diesem Auftrage nicht ein Anderes bestimmt:
so ist derjenige für gewählt oder postulirt zu achten, welcher die Mehrheit der
Stimmen der Compromissarien für sich hat.
§. 998. Haben die Compromissarien einen ganz Unwürdigen gewählt:
so fällt das Wahlrecht an das Capitel oder Convent zurück.
Capitulation.
§. 999. Das Capitel oder Convent kann mit dem gewählten oder
postulirten Vorsteher eine Capitulation errichten.
§. 1000. Dadurch können aber klare und entschiedene Rechte
des Vorgesetzten nicht geschmälert, noch die Grundverfassungen des Stifts
geändert werden.
§. 1001. Auch die Capitulation, wenn dergleichen errichtet
wird, muß dem Landesherrn zur Genehmigung vorgelegt werden.
Confirmation.
§. 1002. Der Gewählte oder Postulirte muß, bey Verlust
seines Rechts, innerhalb Monatsfrist über die Annahme der ihm zugedachten Würde
sich erklären, und hiernächst innerhalb Dreyer Monathe die Confirmation oder
Zulassung desjenigen geistlichen Obern, dem das Stift unmittelbar untergeordnet
ist, nachsuchen.
§. 1003. Die einmal geschehene Wahl kann von dem Capitel
niemals, die Postulation aber nur so lange, als sie dem geistlichen Obern noch
nicht angezeigt ist, zurückgenommen werden.
§. 1004. Einem regelmäßig Gewählten, welchem die nach §.
980. erforderlichen Eigenschaften nicht ermangeln, darf der geistliche Obere
die Confirmation nicht versagen.
§. 1005. Auch die Postulation muß er zulassen, wenn der
Mangel des Erfordernisses denselben des zugedachten Amtes nicht unwürdig, oder
zur Ausübung der damit verbundenen Pflichten ganz unfähig macht.
§. 1006. Die Zulassung einer Postulation hat mit der
Bestätigung einer Wahl gleiche Wirkung.
§. 1007. Wird die Wahl unregelmäßig, oder die Postulation
unzuläßig befunden: so verliert das Capitel für diesen Fall sein Wahlrecht.
Consecration.
§. 1008. Der Bestätigte oder Zugelassene gelangt durch die
Einweihung zum Besitze seines geistlichen Amts.
Landesherrliche Approbation.
§. 1009. Es darf aber kein Gewählter oder Postulirter die
Bestätigung oder Zulassung der geistlichen Obern eher nachsuchen, als bis er
dazu die Genehmigung des Landesherrn erhalten hat.
§. 1010. Vor dem Erfolge dieser Genehmigung soll die
Einweihung nicht statt finden; noch der Gewählte oder Postulirte zur Ausübung
der Functionen seines Vorsteheramts, oder zum Besitze und Genusse der damit
verbundenen weltlichen Rechte und Einkünfte gelassen werden.
§. 1011. Wenn der Landesherr, aus Gründen des gemeinen
Wohls, oder der Erhaltung der äußern und innern Ruhe des Staats, das
präsentirte Subject verwirft: so muß eine neue Wahl veranlaßt werden.
§. 1012. In Fällen, wo das Capitel oder Convent wegen seiner
schuldbaren Saumseligkeit, oder wegen der bey der Wahl oder Postulation
vorgefallenen Unregelmäßigkeiten, seines Wahlrechts verlustig wird, fällt die
Besetzung der Stelle für diesesmal, nach Verschiedenheit der Verfassungen in
den Provinzen, entweder dem Landesherrn, oder den geistlichen Obern anheim.
§. 1013. Aber auch letztere müssen, bey ihrer Ernennung, die
gesetzlichen Vorschriften wegen der Tüchtigkeit des zu bestellenden Subjects
beobachten, und dasselbe dem Landesherrn zur Genehmigung vorschlagen.
§. 1014. Wo es hergebracht ist, daß dem Landesherrn mehrere
Subjecte zur Ernennung vorgeschlagen werden müssen, da ist das Capitel oder
Convent, bey der Auswahl dieser Subjecte, die §. 979. sqq. enthaltenen
Vorschriften ebenfalls zu beobachten schuldig.
Von Coadjutoren.
§. 1015. Einem Stiftsvorgesetzten, der durch Alter, Krankheit,
oder andre Ursachen, an gehöriger Verwaltung seines Amtes verhindert ist, kann
ein Coadjutor bestellt werden.
§. 1016. Die Wahl eines solchen Coadjutors kommt dem Capitel
oder Convent in so fern zu, als ihm die Wahl des Vorgesetzten selbst gebührt.
§. 1017. Die Gründe zur Bestellung eines Coadjutors müssen
von den umittelbaren geistlichen Obern des Stifts, und von dem Landesherrn,
geprüft und genehmigt werden.
§. 1018. Es hängt von dem Vorgesetzten ab, in wie fern er
sich seines Coadjutors bedienen will; und dieser darf sich wider seinen Willen
keiner Amtsver- nchtungen anmaßen.
§. 1019. Dagegen darf aber auch der Vorgesetzte diejenigen
Amtsgeschäfte, die er selbst nicht verrichten kann, oder will, einem Andern,
als seinem Coadjutor, nicht auftragen.
§. 1020. Soll der Coadjutor Verrichtungen vornehmen, die bey
bloßer Abwesenheit, oder temporeller Verhinderung des Vorgesetzten, gewissen
Mitgliedern des Capitels vermöge ihres Amts zukommen: so wird zu deren
Uebertragung der Consens des Capitels erfordert.
§. 1021. Bey gänzlichem Abgang des Vorgesetzten tritt der
ihm zugeordnete Coadjutor sofort an dessen Stelle.
Dreyzehnter Abschnitt
Von katholischen Domstiftern und Capiteln
Bestimmung der Domcapitel.
§. 1022. Domcapitel sind geistliche Corporationen, deren
Mitglieder zur Abwartung des feyerlichen Gottesdienstes in der Hauptkirche der
Diözes bestimmt, und dem Bischofe, in wichtigen Angelegenheiten des Bißthums,
und der Diözes, zur Seite gesetzt sind.
Rechte derselben, als für sich bestehender Corporationen.
§. 1023. Nur diejenigen sind als Mitglieder dieses Collegii
zu betrachten, welche bey dem Stifte eine Gründe oder ein Canonicat besitzen.
§. 1024. Der Bischof hat also darin weder Sitz noch Stimme,
als in so fern er zugleich mit einem Canonicat bey dem Stifte versehen ist.
§. 1025. Alle gemeinschaftliche Rechte des Stifts werden
also, mit Ausschluß des Bischofes, durch das Capitel allein ausgeübt.
§. 1026. Insonderheit gebührt dem Capitel die alleinige
Verwaltung des Stiftsvermögens.
§. 1027. Das Capitel steht in diesen gemeinschaftlichen
Angelegenheiten unter der Direction des Dechanten.
§. 1028. Die übrigen Würden und Aemter im Capitel sind,
nebst ihren Rechten und Obliegenheiten, nach den besondern Verfassungen eines
jeden Stifts bestimmt
§. 1029. Das Capitel ist zur Vertheidigung seiner Rechte
einen Syndicum; und andre Unterbediente, zur Besorgung seiner
Vermögensangelegenheiten, ohne Zuziehung des Bischofes zu bestellen berechtigt.
Verhältniß gegen den Bischof.
§. 1030. Das Capitel ist dem Bischöfe subordinirt, welcher
berechtigt ist, Visitationen bey dem Capitel vorzunehmen, und die dabey
vorgefundenen Mißbräuche abzustellen.
§. 1031. Der Bischof soll in allen wichtigen Angelegenheiten
des Bißthums, und der Diözes, das Domcapitel mit seinem Rathe und Gutachten
vernehmen.
§. 1032. Die Einwilligung des Domcapitels ist nothwendig,
wenn unbewegliche Güter oder Gerechtigkeiten des Bißthums, oder einer Kirche in
der Diözes, verpfändet oder veräußert; Pfarren und Pfründen, die zur
gemeinschaftlichen Collatur des Bischofs und Capitels stehen, vergeben; und
Kirchen oder Pfründen zusammenschlagen oder aufgehoben werden sollen.
§. 1033. In welchen Fällen es außerdem, zur Gültigkeit einer
von dem Bischöfe vorgenommenen Handlung, der Einwilligung des Domcapitels
bedürfe, ist nach der besondern Verfassung einer jeden Diözes bestimmt.
§. 1034. Zur anderweitigen Verleihung von Lehn- und
Erbzinßgütern, die sich an das Bißthum eröffnen, ist die Einwilligung des
Capitels in der Regel nicht erforderlich.
§. 1035. In gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Bischofs
und Capitels, geschieht die Zusammenberufung von Seiten des erstern; und ihm
gebührt alsdann die Direction der Berathschlagung.
§. 1036. Der Regel nach wird die Versammlung in der
Capitelsstube gehalten.
§. 1037. In allen Fällen, wo zu einem Geschäfte die
Einwilligung des Capitels nothwendig ist, hat der Bischof für sich Eine, und
das Capitel zusammen genommen die Zweyte Stimme.
§. 1038. Es kann also nichts beschlossen werden, als worin
der Bischof von einer, und die Mehrheit der Stimmen des Domcapitels von der
andern Seite willigen.
§. 1039. In so fern der Bischof
zugleich Canonicus ist, muß seine Stimme auch unter den Stimmen der Mitglieder
des Capitels mitgezählt werden.
§. 1040. Das Capitel kann in
Angelegenheiten des Bißthums und der Diözes, ohne den Bischof, oder gegen
desselben Gutbefinden, auch durch einhelligen Beschluß, nichts entscheiden.
Rechte des Capitels während der Vacanz des Bißthums.
§. 1041. Wenn der bischöfliche Stuhl entweder gänzlich, oder
auf eine Zeitlang erledigt; oder dessen Wiederbesetzung, ohne die Schuld des
Capitels, verzögert wird: so kommt die Verwaltung der bischöflichen Rechte dem
Dömcapitel zu.
§. 1042. Dieses muß dabey alles beobachten, was §. 974. sqq.
bey der Vacanz eines geistlichen Vorstehers überhaupt vorgeschrieben ist.
§. 1043. Die Verwaltung der geistlichen Angelegenheiten des
Bißthums kann das Capitel einem Vicarius auftragen; wenn aber dergleichen
Vicarius von dem abgegangenen Bischöfe schon bestellt worden: so muß das
Capitel denselben bestätigen.
§. 1044. Functionen, die mit der Person und Würde des
Bischofs untrennbar verknüpft sind, kann weder das Capitel, noch der von ihm
gesetzte Vicarius ausüben.
§. 1045. Zur Verwaltung der weltlichen Gerichtsbarkeit, in
so fern dergleichen mit dem Bißthume verbunden ist, muß ein Offlcial bestellt;
oder der von dem Bischöfe geordnete bestätigt werden.
§. 1046. Rechte, welche nach den Gesetzen und Verfassungen,
für den Bischof und das Capitel gemeinschaftlich gehören, können, während der
Vacanz, von dem Capitel allein nur in dringenden Nothfällen ausgeübt werden.
§. 1047. Eigne Angelegenheiten des Capitels, zu deren
Rechtsbeständigkeit die Einwilligung des Bischofs nothwendig ist, müssen der
Regel nach während der Vacanz ausgesetzt bleiben.
§. 1048. Pfründen, welche zur alleinigen Verleihung des
Bischofs stehen, können von dem Capitel, während einer gänzlichen Vacanz, nicht
vergeben werden; sondern es muß deren Besetzung dem neuen Bischöfe aufbewahrt
bleiben.
§. 1049. Wird aber die Wiederbesetzung des bischöflichen
Stuhls ohne Schuld des Domcapitels verhindert: so kann letzteres über
dergleichen Pfründen in so fern verfügen, als das Wohl der Kirche deren baldige
Verleihung erfordert.
§. 1050. Zum Besten des Bißthums kann das Domcapitel,
während einer Vakanz, Verträge schließen, welche zur Conservation der
Gerechtsame desselben nothwendig sind.
Wahl des Bischofs
§. 1051. Wo die Ernennung des Bischofs dem Landesherrn nicht
vorbehalten ist, da kommt die Wahl desselben dem Domcapitel zu.
§. 1052. Dieses muß dabey alles beobachten, was im vorigen
Abschnitte von der Wahl eines Stiftsobern verordnet ist.
§. 1053. Ein Gleiches findet statt, wenn dem Bischöfe ein
Coadjutor bestellt werden soll.
Vierzehnter Abschnitt
Von Collegiatstiftern
§. 1054. Geistliche Corporationen, die bey einer andern, als
der Hauptkirche der Diözes, zur feyerlichen Begehung des Gottesdienstes
verordnet sind, werden Collegiatstifter genannt.
§. 1055. Sie unterscheiden sich von den Domstiftern nur
darin, daß ihre Mitglieder an den Angelegenheiten des Bißthums und der Diözes
keinen Theil nehmen.
§. 1056. Die dem weiblichen Geschlechte gewidmete
weltgeistlichen Stifter haben mit den Collegiatstiftern gleiche Rechte.
Fünfzehnter Abschnitt
Von Klostergesellschaften
Begriff.
§. 1057. Klostergesellschaften sind geistliche
Corporationen, deren Mitglieder zu gemeinschaftlichem Leben und
gemeinschaftlicher Religionsübung, nach gewissen von der Kirche bestätigten
Regeln, durch feyerliche Gelübde sich verpflichtet haben.
Geistliche Obern.
§. 1058. Den einzelnen Klostergesellschaften sind eigne
Obern, unter dem Nahmen der Aebte, Prioren, Pröbste, Guardiane, oder Rectoren
vorgesetzt.
§. 1059. Alle Klostergesellschaften einer Provinz, welche zu
einerley Ordensregel sich bekennen, stehen unter dem Provinzial; und
sämmtlichen Provinzen ist der General des Ordens vorgesetzt.
§. 1060. Diese Ordens-Obern dürfen den Bischöfen der Diözes
in ihre Gerechtsame nicht eingreifen.
§. 1061. Wenn sie außerhalb Landes wohnen: so gut von ihnen
alles das, was von auswärtigen Obern der Kirchengesellschaften verordnet ist.
(§. 135. sqq.)
§. 1062. Auch da, wo die Besetzung der vacanten Stelle eines
Kloster-Obern von einem höhern Ordens-Obern abhängt, muß über das von diesem
ausgewählte Subject, vor dessen Einsetzung und Annahme, die Approbation des
Staats eingeholt werden.
§. 1063. Visitationen bey einländischen Klöstern dürfen
auswärtige Ordens-Obern ohne ausdrückliche Erlaubniß des Staats nicht
vornehmen.
Capitel und Convente.
§. 1064. Ob und in welchen Angelegenheiten dem Kloster-Obern
ein Capitel oder Convent an die Seite gesetzt sey, ist durch die Regeln eines
jeden Ordens bestimmt.
§. 1065. Nur wirkliche Klostergeistliche, nicht aber bloße
Layenbrüder, haben in dem Capitel oder Convent Sitz und Stimme.
Klosterzucht.
§. 1066. Die Kloster-Obern müssen die ihnen zukommende
Klosterzucht nach den §. 946. 947. vorgeschriebenen Gesetzen ausüben, und
machen sieh durch deren Uebertretung dem Staate verantwortlich.
§. 1067. Kloster-Obern, welche diesen Vorschriften zuwider
handeln, haben vom Staate eben die Strafen zu erwarten, welche gegen
eigenmächtige Privatgewalt im Criminalrechte verordnet sind.
Aufnahme und Versetzung der Mitglieder.
§. 1068. Ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats, dürfen
sie keine Mitglieder außerhalb Landes verschicken, oder in auswärtige Klöster
versetzen, oder auswärtige Mitglieder in einländische Klöster aufnehmen.
§. 1069. Kloster-Obern, welche
diesem zuwider handeln, sollen in ihrem Amte nicht ferner geduldet, und noch
außerdem verhältnißmäßig bestraft; auch zur Zurückschaffung des aus dem Lande
gebrachten Mitglieds durch rechtliche Zwangsmittel angehalten werden.
Sechszehnter Abschnitt
Von geistlichen Ritterorden
§. 1070. Der Deutsche, und der Maltheser- oder
Johanniterorden, genießen bey ihren innerhalb der Königlichen Staaten zu
betreibenden Geschäften oder Angelegenheiten, die Rechte der geistlichen
Corporationen.
§. 1071. Die inneren Verfassungen
der Capitel dieser Orden, so wie die Rechte und Pflichten ihrer Obern und
Beamten, müssen in vorkommenden Fällen lediglich nach den Statuten des Ordens
beurtheilt werden.
§. 1072. Die Versammlungen der zur Abwartung des
Gottesdienstes bey den Ordenskirchen bestimmten Mitglieder der geistlichen
Ritterorden sind den Klostergesellsehaften gleich zu achten.
Siebzehnter Abschnitt
Von weltgeistlichen Canonicis
Was Canonici sind.
§. 1073. Die Mitglieder der Dom- und Collegiatstifter führen
beyde den Namen Canonici.
Classen derselben.
§. 1074. Nur diejenigen Canonici, welche innerhalb der bey
jedem Stifte nach der Fundation bestimmten Anzahl aufgenommen sind, haben Sitz
und Stimme in Capitel; und werden bey Cathedralstiftern Domcapitularen genannt.
§. 1075. Diejenigen, welche nach der Observanz eines Stift
über die ursprüngliche Zahl angesetzt worden, heißen mindere Canonici, oder bey
Domstiftern, Domicellaren.
§. 1076. Sogenannte regulirte Canonici sind nach den
Vorschriften des folgenden Abschnitts zu beurtheilen.
Erfordernisse eines Canonici.
§. 1077. Wer bey einem Stifte Canonicus werden will, muß
derjenigen Religionspartey, zu welcher das Stift selbst gehört, zugethan seyn.
§. 1078. Bey vermischten Stiftern muß, in den zum deutschen
Reiche gehörenden Provinzen, der Besitzstand des Ersten Januars des Jahres 1624
beobachtet werden.
§. 1079. Das Alter, welches erforderlich ist, wenn jemand
befugt seyn soll, um ein Canonicat sich zu bewerben, Sitz und Stimme im Capitel
zu verlangen, und auf die höhern Würden im Stifte Anspruch zu machen, muß
hauptsachlich nach den Statuten und wohlhergebrachten Gewohnheiten eines jeden
Stifts beurtheilt werden.
§. 1080. Der Regel nach kann nur derjenige, welcher das
Vierzehnte Jahr zurückgelegt hat, um ein Canonicat sich bewerben.
§. 1081. Eben so kann in der Regel niemand, welcher das Zwey
und zwanzigste Jahr noch nicht zurückgelegt hat, Sitz und Stimme im Capitel
haben.
§. 1082, Zur Bekleidung höherer Würden im Stifte wird ein
Alter von Fünf und zwanzig, und zum Bißthume von Dreyßig Jahren erfordert,
§. 1083. Wer Canonicus werden will, muß wenigstens die erste
Tonsur erhalten haben.
§. 1084. Sitz und Stimme im Capitel kann nur der erlangen,
welcher zum Subdiaconat eingeweiht ist, und Drey Jahre hindurch den Studien auf
hohen Schulen obgelegen hat.
§. 1085. Zu höhern Würden im Capitel ist derjenige
Ordensgrad erforderlich, den die damit verbundene geistliche Verrichtungen
voraussetzen.
§. 1086. Wo nach den Statuten des Stifts adliche Herkunft
zur Aufnahme erfordert wird, muß dieselbe gehörig nachgewiesen, (Tit. IX. §.
17. bis 20.) und ein darüber entstandener Streit vor dem weltlichen Richter
entschieden werden.
Verleihung des Canonicats.
§. 1087. Wem die Verleihung der Canonicate gebühre,
bestimmen die Statuten und Gewohnheiten eines jeden Stifts.
§. 1088. Wo die Verleihung zwischen dem Capitel und dem
Landesherrn, oder dem geistlichen Obern, nach Monathen abwechselt, wird der
Ablauf des Monaths auf die Mitternachtsstunde des letzten Tages festgesetzt.
§. 1089. Die Wahl des Capitels geschieht durch die Mehrheit
der Stimmen sämmtlicher Capitularen, mit Ausschluß des Bischofs.
§. 1090. Wo es hergebracht ist, daß gewisse Präbenden, nach
einer festgesetzten Ordnung oder Reihe, von einzelnen Canonicis vergeben
werden, da übt derjenige, an welchem die Reihe steht, nur ein Recht des
Capitels aus.
§. 1091. In der Regel kann also derjenige, welcher zur Zeit
der Erledigung noch nicht Sitz und Stimme im Capitel hatte, auf dieses Recht
keinen Anspruch machen.
§. 1092. Wo die Reihe mit jedem Monathe abwechselt, geht das
Verleihungsrecht mit Ablauf jedes Monaths sofort an den Folgenden über.
Devolutionsrecht.
§. 1093. Wenn aber das Capitel, oder die einzelnen Canonici,
welche an die Reihe kommen, mit Verleihung der Präbende über Sechs Monathe
zögern: so fällt das Recht dazu dem Bischöfe anheim.
Recht der ersten Bitte.
§. 1094. Bey Stiftern, wo das Recht der ersten Bitte
hergebracht ist, wird selbiges von demjenigen, welchem es zukommt, auf die
erste zur Verleihung des Capitels stehende Vacanz ausgeübt.
§. 1095. Dem Precisten bleibt sein dadurch erlangter
Anspruch, wenn auch derjenige, von welchem er vorgeschlagen worden, vor
wirklich entstehender Vacanz verstirbt.
§. 1096. Durch die Ausübung des Rechts der ersten Bitte wird
übrigens die abwechselnde Ordnung der Collation an sich nicht geändert.
§. 1097. Der Precist ist, bey Verlust seines Rechts,
schuldig, sich spätestens innerhalb Vier Wochen, nach entstandener Vacanz, bey
dem, welchem das Verleihungsrecht zukommt, zu melden.
§. 1098. Sein durch den Vorschlag erlangtes Recht kann er
nur unter ausdrücklicher Bewilligung desjenigen, welcher ihm dasselbe verliehen
hat, einem Andern abtreten.
Resignation.
§. 1099. Durch Resignation kann jemanden eine Präbende
übertragen werden.
§. 1100. Doch muß der, zu dessen Gunsten die Resignation
geschieht, alle zu einem Canonico erforderlichen Eigenschaften besitzen.
§. 1101. Außerdem findet bey der Resignation alles statt,
was die Gesetze von Abtretung der Rechte überhaupt verordnen.
§. 1102. Der Resignant kann sich eine Pension auf die
Revenüen der Präbende zu seiner Nothdurft vorbehalten.
§. 1103. Die Resignation muß in die Hände desjenigen
geschehen, der dem Resignanten die Präbende verliehen hat.
§. 1104. Erst durch die Genehmigung des vormaligen Collators
erhält die Resignation ihre Gültigkeit; und kann also noch bis dahin
zurückgenommen werden.
§. 1105. Eben so findet die Zurücknahme statt, wenn der
Resignatarius die Präbende nicht annehmen kann oder will; oder wenn der
Collator nicht alle Bedingungen der Resignation genehmigt.
§. 1106. Wo es hergebracht ist, daß die Resignation auch der
von einem einzelnen Canonico erhaltenen Präbende in die Hände des Capitels
geschehen muß, hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
§. 1107. Stirbt der Resignirende binnen Ein und zwanzig
Tagen, von dem Tage an gerechnet, da die Resignation dem Collator angezeigt
worden: so ist dieselbe für nicht geschehen zu achten.
§. 1108. Jeder neu bestellte Canonicus wird der letzte im
Capitel, und tritt also, auch bey Resignationen, nicht in die Stelle und den
Rang seines Vorfahren.
§. 1109. Nur bey Prälaturen erhält der neue Prälat
denjenigen Rang, welchen die Würde mit sich bringt.
Von mehrern Ordnungen der Canonicorum.
§. 1110. Bey Stiftern, wo mehrere Ordnungen von Canonicis
sind, wird der neue Canonicus der letzte in derjenigen Ordnung, zu welcher sein
Vorfahr gehört hat.
§. 1111. Wo aber das Einrücken aus einer niedem in eine
höhere Ordnung hergebracht ist, da muß die Art und Weise dieses Einrückens
lediglich nach den Statuten und Gewohnheiten des Stifts beurtheilt werden.
§. 1112. Der Regel nach können mindere Canonici in ein
höhere Ordnung nur in so fern einrücken, als die in dieser Ordnung vacante
Stelle zur Collatur desjenigen steht, von welchem ihnen das mindere Canonicat
verliehen worden.
Von Canonicaten, die an Unfähige verliehen werden.
§. 1113. Wenn der Landesherr ein Canonicat an ein Subject
verleiht, dem es an den persönlichen Eigenschaften mangelt: so erhält derselbe
dadurch nur das Recht, diese Stelle an ein andres fähiges Subject abzutreten.
§. 1114. Letzterer aber erlangt dadurch die Präbende mit
vollem Rechte, und in eben der Qualität, wie sich dieselbe an den Landesherrn
erledigt hatte.
In wie fern Eine Person mehrere Canonicate besitzen könne.
§. 1115. Niemand soll zwey oder mehrere geistliche Pfründen
bey einem und eben demselben Stifte besitzen.
§. 1116. Wohl aber kann ein Canonicus zugleich eine
geistliche Würde bey eben demselben Stifte bekleiden.
§. 1117. Auch bey verschiedenen Stiftern kann Eine Person
mehrere Pfründen zugleich alsdann nicht besitzen, wenn diese Pfründen die
Verbindlichkeit zur Residenz bey sich führen.
§. 1118. Wenn also die verschiedenen Stifter an Einem Orte,
oder zwar an verschiedenen, jedoch so gelegen, oder beschaffen sind, daß die
Residenzzeit in jedem derselben gehörig abgewartet werden kann: so ist der
Besitz solcher mehrern Pfründen in Einer Person erlaubt.
§. 1119. Wer von der Residenz bey dem Stifte, wo er dieselbe
nicht abwarten kann, befreyet ist, (§. 1131.) auf den findet in so weit die
Vorschrift des §. 1117. nicht Anwendung.
§. 1120. Ein Gleiches gilt, wenn bey einem Stifte die
Residenz nicht nothwendig, sondern nur eine statutenmäßige Geldstrafe, oder die
Einbuße gewisser Arten von Einkünften, mit deren Unterlassung verbunden ist.
Vorbereitung zum Canonicat.
§. 1121. Jeder neue Canonicus muß sich vor seiner Aufnahme
der nach den Statuten des Stifts bestimmten Prüfung, an dem Orte, wo das Stift
seinen Sitz hat, unterwerfen.
§. 1122. Doch genießt er, auch während der Probezeit, der
Regel nach alle zu seiner Stelle gehörigen Hebungen.
Aufnahme.
§. 1123. Erst nach geendigter Probezeit erfolgt die
feyerliche Aufnahme, bey welcher der neue Canonicus auf die vom Staate
genehmigten Statuten verpflichtet wird.
§. 1124. Vor der Aufnahme muß jeder neue Canonicus, wenn er
nicht vom Landesherrn selbst bestellt worden, demselben zur Genehmigung und
Bestätigung präsentirt werden.
Pflichten
§. 1125. Die allgemeinen Pflichten der Geistlichen, so weit
dieselben nicht auf das Lehramt Beziehung haben, liegen auch den Canonicis ob.
(§. 67. sqq.)
§. 1126. Ihre Amtsverrichtungen sind durch die Statuten des
Stifts, und durch die Vorschriften des canonischen Rechts bestimmt.
§. 1127. Insonderheit sind sie schuldig, den Gottesdienst im
Chore durch die geordneten Stunden regelmäßig abzuwarten.
Residenz.
§. 1128. Sie sind verpflichtet, an dem Sitze des Stifts
ordentlich Residenz zu halten.
§. 1129. Eine beharrliche Unterlassung dieser Pflicht wird
mit dem Verluste der Stelle; eine Vernachläßigung aber, mit einer
verhältnißmäßigen Geldbuße; und zwar, wenn die Statuten nichts Näheres
festsetzen, mit dem Verluste des Vierten Theils, oder der Hälfte der Einkünfte,
geahndet.
§. 1130. Die Art und Dauer der Residenz ist nach den
Statuten eines jeden Stifts zu beurtheilen.
§. 1131. Wer durch öffentliche Bedienungen, durch Reisen in
Angelegenheiten des Staats, oder der Kirche, Studirens halber, durch Alter,
Krankheit, oder ungefähren Zufall, an der wirklichen Residenz verhindert ist,
nimmt dennoch auch an solchen Hebungen Theil, die nur für die Residirenden
bestimmt sind.
§. 1132. Dagegen kann er auf die sogenannten
Präsidentiengelder keinen Anspruch machen.
§. 1133. Wer aus bloßer Gnade von der Residenz dispensirt
ist, muß sich mit den Nutzungen seiner Pfründe begnügen.
Vicarien.
§. 1134. Die Canonici können sich in ihren geistlichen
Verrichtungen, an deren eigenen Abwartung sie verhindert sind, durch Vicarien
vertreten lassen.
§. 1135. Solche Vicarien müssen diejenigen Eigenschaften
besitzen, welche zu den Functionen, die sie übernehmen sollen, nach dem
canonischen Rechte erforderlich sind.
§. 1136. Der Regel nach kommt die Bestellung eines solchen
Vicarii demjenigen Canonico zu, dessen Stelle derselbe vertreten soll.
§. 1137. Dieser muß sich mit seinem Vicario wegen einer
billigen Abgabe für die Vertretung einigen; er kann aber auch seinen Auftrag,
wenn nicht ein Anderes ausdrücklich verabredet worden, nach eigenem Auffinden
zurücknehmen.
§. 1138. Bey Stiftern, wo beständige Vicarien gestellt sind,
bekleiden dieselben ein eigenes geistliches Amt, und können nur aus eben den
Gründen, wie andere Geistliche, wieder entsetzt werden.
Rechte und Pflichten der Canonicorum.
§. 1139. Canonici genießen, in Ansehung ihrer Person, und
eigenen Vermögens, alle äußere Vorrechte der Geistlichen überhaupt; sind aber
auch dabey eben denselben Einschränkungen unterworfen. (§. 93. sqq.)
§. 1140. Sie behalten, des Eintritts in den geistlichen Stand
ungeachtet, alle Familienrechte; und sind der Succession in Lehne und
Fideicommisse fähig.
§. 1141. Katholische Canonici nehmen und hinterlassen kein
Heergeräthe; wo aber Niftelgerade hergebracht ist, da sind sie dergleichen von
ihren weiblichen Verwandten in aufsteigender Linie zu erben fähig.
besonders in Ansehung ihrer Präbenden.
§. 1142. Auf ihre Präbenden haben die Canonici alle mit dem
Nießbrauche verbundene Rechte und Pflichten.
§. 1143. Insonderheit müssen sie die dazu gehörigen Gebäude
aus den Einkünften der Präbende in baulichem Wesen unterhalten.
§. 1144. Bey vorfallenden Hauptreparaturen kann, mit
Einwilligung des Capitels, ein Capital aufgenommen werden, welches aus den
Einkünften verzinset, und in gewissen bestimmten Terminen zurückgezahlt werden
muß.
§. 1145. Dergleichen Zinsen und Terminszahlungen muß auch
der Nachfolger in der Präbende, für die Zeit, wo er die Nutzungen hat,
übernehmen.
§. 1146. Die Gläubiger eines Canonici sind berechtigt, aus
den Einkünften der Präbende Befriedigung zu suchen.
§. 1147. Doch muß daraus dem Präbendaten, in Ermangelung
eigenen Vermögens, eine Competenz, nach näherer Vorschrift der Prozeßordnung,
gelassen werden.
§. 1148. Auch über das aus der Präbende erworbene Vermögen
können Canonici letzwillig verfügen; ohne das es eines päbstlichen oder
bischöflichen Indults dazu bedarf.
§. 1149. Keinem auswärtigen geistlichen Obern soll erlaubt
seyn, sich eines Spolienrechts auf inländische Präbenden anzumaaßen.
§. 1150. Den Erben eines Canonici gebühren auch die Nutzungen
des Sterbejahrs (annus deservitus), die der Erblasser noch nicht erhoben
hat.
§. 1151. Der Anfang und die Dauer dieses letzten Jahres
richten sich nach dem Capiteljahre, so wie dieses an jedem Orte hergebracht
ist.
§. 1152. Welche Nutzungen zum Sterbejahre gehören, ist
ebenfalls nach den Statuten und Verfassungen der einzelnen Stifter bestimmt.
§. 1153. Hebungen, die nicht zu einer besondern Präbende
gehören, kommen den Erben nur alsdann zu, wenn der Erblasser die
Mitternachtsstunde vor dem Tage, wo sie fällig sind, überlebt hat.
§. 1154. Gehört ein Landgut oder anderes Grundstück zur
Präbende: so erfolgt die Auseinandersetzung, wegen der Nutzungen,
Verbesserungen, Verschlimmerungen u. s. w., nach den im Titel vom Nießbrauche
ertheilten Vorschriften. (Th. I. Tit. XXI. §. 111. sqq.)
§. 1155. Die Verwaltung aber während des Ueberrestes des
letzten Wirthschaftsjahres, gebührt der Regel nach dem neuen Präbendaten.
§. 1156. Die Nutzungen des letzten Jahres behält auch der,
welcher eine Präbende resignirt; es wäre denn die Resignation darauf
ausdrücklich mit gerichtet worden.
§. 1157. Gnaden- oder Nachjahre finden bey Canonicaten der
Regel nach keine Statt.
§. 1158. Bey Stiftern, wo sie
eingeführt sind, muß alles nach den Statuten, und in deren Ermangelung, nach
der hergebrachten Observanz bestimmt werden.
Von weltgeistlichen Frauenstiftern.
§. 1159. Von den Mitgliedern weltgeistlicher Frauenstifter
gilt der Regel nach alles das, was von weltgeistlichen Canonicis männlichen
Geschlechts verordnet ist; außer wo Abweichungen davon durch den Unterschied
des Geschlechts begründet werden.
Achtzehnter Abschnitt
Von Mönchen und Ordensleuten
Erfordernisse zum Mönchs- und Nonnenstande.
§. 1160. Niemand darf ohne Vorwissen und Genehmigung
derjenigen, deren Einwilligung zur Wahl einer Lebensart nach den Gesetzen
erforderlich ist, zum Klosterleben sich bestimmen.
§. 1161. Kein Königlicher Unterthan, männlichen oder
weiblichen Geschlechts, soll ohne Vorwissen und Erlaubniß des Staats in ein
Kloster aufgenommen werden.
§. 1162. Vor zurückgelegtem Fünf und zwanzigsten Jahre darf
keine Mannsperson, und vor zurückgelegtem Ein und zwanzigsten Jahre keine
Person weiblichen Geschlechts, zur Ablegung des Klostergelübdes zugelassen
werden.
§. 1163. Ein obigen Vorschriften (§. 1160. 1161. 1162.)
zuwider abgelegtes Gelübde, ist von Anfang an nichtig.
§. 1164. Ein Stift oder Kloster, welches diesen Vorschriften
entgegen handelt, soll mit fiskalischer Geldstrafe, allenfalls bis zu Hundert
Dukaten, belegt; und bey beharrlicher Wiederholung solcher Uebertretungen,
bewandten Umständen nach, ganz aufgehoben werden.
§. 1165. Aeltern oder Vormünder, welche ihre Kinder oder
Pflegebefohlnen, gegen die Vorschriften §. 1161. 1162. das Klostergelübde
ablegen lassen, haben fiskalische Geldstrafe, allenfalls bis zu Hundert
Dukaten; oder verhältnißmäßige Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 1166. Verehelichte Personen dürfen gar nicht, und
Verlobte nur mit ertheilter oder von dem Richter ergänzter Einwilligung des
andern Theils, in ein Kloster aufgenommen werden.
§. 1167. Verschuldete können durch Ergreifung des
Klosterstandes die Rechte ihrer Gläubiger auf ihre Person oder ihr Vermögen
nicht vereiteln.
§. 1168. Personen, welche fremde Güter verwaltet, und die
Rechnung darüber noch nicht abgelegt haben, können durch den Eintritt in das
Kloster weder dieser ihrer Verbindlichkeit, noch dem Erkenntnisse des gehörigen
weltlichen Richters sich entziehen.
§. 1169. Die innere Tüchtigkeit eines Candidaten zu solchem
Stande ist nach den Regeln des Ordens zu beurtheilen.
Probejahr.
§. 1170. Der wirklichen Aufnahme in das Kloster muß das
Probejahr vorangehn, welches unter keinerley Vorwande abgekürzt werden kann.
Gelübde.
§. 1171. Nach geendigtem Probejahre geschieht die Aufnahme
durch die feyerliche Ablegung des Klostergelübdes.
§. 1172. Alles, was die Rechtsgültigkeit einer
Willenserklärung vereitelt, benimmt auch dem Klostergelübde seine Kraft.
§. 1173. Auch die geistlichen Obern sind nicht berechtigt,
irgend jemanden, auch nicht einen Weltgeistlichen, unter dem Vorwande einer
geistlichen Züchtigung, zum Klosterleben zu nöthigen.
§. 1174. In allen Fällen, wo, nach vorstehenden Grundsätzen,
die Ablegung des Klostergelübdes nichtig und ungültig ist, kann dessen förmliche
Aufhebung bey dem Bischöfe der Diözes zu allen Zeiten nachgesucht werden.
§. 1175. Wird von diesem das Gehör versagt: so hat der Staat
das Recht, die Sache zu untersuchen, und befundenen Umständen nach, die
Nichtigkeitserklärung in Ansehung der äußern Folgen des Gelübdes zu erkennen.
§. 1176. Der gewesene Klostergeistliche tritt alsdann in
alle Rechte und Verhältnisse eines andern Staatsbürgers zurück.
§. 1177. Wird das Gelübde von Anfang an für nichtig erklärt:
so erstreckt sich die Wirkung dieser Erklärung bis auf den Zeitpunkt des
nichtig abgelegten Gelübdes zurück.
§. 1178. Wird aber jemand nur aus andern Ursachen von seinem
Gelübde durch die geistlichen Obern entbunden: so nehmen die bürgerlichen
Wirkungen dieser Dispensation nur von dem Tage, an welchem sie erfolgt ist,
ihren Anfang.
§. 1179. Die geistlichen Obern sind nicht berechtigt, unter
dem Vorwande des abgelegten Gelübdes, irgend jemanden einen Gewissenszwang
anzulegen; ihm die freye Wahl der Religionspartey, zu welcher er sich halten
will, zu verschränken; oder ihn wider seinen Willen im Kloster zurückzuhalten.
Geistliche Obliegenheiten.
§. 1180. Die geistlichen Obliegenheiten und Verrichtungen
der Mönche und Nonnen, sind durch die Ordensregeln bestimmt.
§. 1181. Diese Regeln können ohne Vorwissen und Genehmigung
des Staats nicht geändert werden.
Rechte in Ansehung des Vermögens während des Probejahrs.
§. 1182. Personen, die sich dem Mönchs- oder Nonnenstande
widmen wollen, können, so lange sie im Probejahre stehn, über ihr Vermögen,
gleich andern Bürgern des Staats, frey verfügen.
§. 1183. Sie können dem Kloster, in welches sie treten
wollen, nach Verhältniß der Nothdurft ihres Unterhalts, einen Theil ihrer
Einkünfte, jedoch nicht über Vier Prozent von dem Betrage ihrer gesammten
Vermögensubstanz, auf ihre Lebenszeit verschreiben.
§. 1184. Wenn sie aber ihren Vorsatz wegen Ablegung des
Klostergelübdes ändern: so sind sie berechtigt, alle während des Probejahrs
über ihr Vermögen getroffenen Verfügungen, welche mit dem intendirten
Klosterleben Verbindung oder Beziehung darauf haben, zu widerrufen.
Von geistlichen Brautschätzen.
§. 1185. Wo bey dem Eintritte in ein Kloster die Bestellung
eines geistlichen Brautschatzes gewöhnlich ist, mag es dabey auch ferner sein
Bewenden haben.
§. 1186. Es muß aber diese Gewohnheit weder auf genugsam
dotirte, noch auf Klöster der Bettelmönche ausgedehnt werden.
§. 1187. Auch soll dergleichen Brautschatz die Summe von
Fünfhundert Thalern nicht übersteigen.
§. 1188. Höhere Summen können nur unter ausdrücklicher
Genehmigung des Staats, auf vorhergegangne Untersuchung der Umstände, nach der
besondern Nothdurft des Klosters, und der zur Unterhaltung des Conventualen
erforderlichen mehrern Kosten, ausgesetzt werden.
§. 1189. Den zur Wartung der Kranken bestimmten geistlichen
Orden können höhere Brautschätze, ingleichen Vermächtnisse und Schenkungen,
ohne Einschränkung auf eine gewisse Summe, zugewendet werden.
§. 1190. Aber auch bey diesen ist, wenn die Summe mehr als
Fünfhundert Thaler beträgt, die ausdrückliche Genehmigung des Staats
nothwendig.
§. 1191. Unter dem geistlichen Brautschatze sind die Kosten
der sogenannten geistlichen Hochzeit und Ausstattung nicht mit begriffen.
§. 1192. Doch dürfen auch diese die Summe von Fünfhundert
Thalern niemals übersteigen.
§. 1193. Der Werth der Sachen und Effekten, welche der in
das Kloster tretenden Person zu ihrem eignen Gebrauche mit gegeben werden, sind
unter keiner der obigen Summen begriffen.
§. 1194. Doch fallen die darunter befindlichen Juwelen und
Kostbarkeiten, nach dem Abgange der Klosterperson, nicht dem Kloster, sondern
deren alsdann vorhandnen nächsten Erben zu.
§. 1195. Hat ein Kloster höhere Einkünfte, als nach §. 1183.
zuläßig sind, oder einen höheren Brautschatz, oder ein mehreres zur Ausstattung
und Hochzeit, als Fünfhundert Thaler, ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats
angenommen: so verfällt der ganze Betrag dem Fiskus; und das Kloster muß, noch
außerdem, den doppelten Betrag des zu viel genommenen als Strafe entrichten.
§. 1196. Haben weltliche Verwalter der Klostergüter
dergleichen übermäßigen Brautschatz, oder Ausstattung und Hochzeitskosten
angenommen: so trift sie die Strafe, und das Kloster verliert nur das
Empfangene.
§. 1197. Haben dergleichen Verwalter den Betrag solcher
Zuwendungen in den Rechnungen verschwiegen, oder verheimlicht: so müssen sie
die dreyfache Summe zur Strafe entrichten.
§. 1198. Kann die verwirkte Summe und Strafe von dem Kloster
oder dessen Verwaltern nicht beygetrieben werden: so haften dafür diejenigen,
von welchen die gesetzwidrige Zahlung geleistet worden.
Aeußere Rechte nach abgelegtem Gelübde.
§. 1199. Nach abgelegtem Klostergelübde werden Mönche und
Nonnen, in Ansehung aller weltlichen Geschäfte, als verstorben angesehen.
§. 1200. Sie sind unfähig, Eigenthum oder andre Rechte zu
erwerben, zu besitzen, oder darüber zu verfügen.
§. 1201. Bey Erb- und andern Anfällen treten diejenigen an
ihre Stelle, denen ein solcher Anfall zukommen würde, wenn jene gar nicht mehr
vorhanden wären.
§. 1202. Sie sind, auch vor Ablegung des Klostergelübdes,
über dergleichen künftigen Anfall zu verordnen, und sich etwas davon, für die
Zeit ihres Klosterlebens vorzubehalten, nicht berechtigt.
§. 1203. Aeltern sind nicht schuldig, ihren Kindern, welche
das Klostergelübde abgelegt haben, etwas zu hinterlassen; und diese so wenig,
als das Kloster, können aus dem Nachlasse der Aeltern einen Erb- oder
Pflichtheil fordern.
§. 1204. Haben Aeltern solchen Kindern in einer an sich zu
Recht beständigen letztwilligen Verordnung etwas ausgesetzt: so erhält das
Kloster, so lange der Geistliche lebt, die Zinsen davon mit Vier vom Hundert;
nach dessen Ableben aber fällt von dem Hauptstuhle so viel, als gesetzmäßig
einem Kloster vermacht werden kann, an dieses, und der Ueberrest an die Erben
des Testators.
§. 1205. Doch steht den Aeltern frey, den Rückfall der sonst
gesetzmäßig erlaubten Summe an das Kloster, in ihrer letzwilligen Verordnung zu
untersagen.
Aeußere Rechte, nach aufgehobenem Gelübde.
§. 1206. Wenn ein Klostergelübde, als von Anfang an nichtig,
aufgehoben wird: so kann der gewesene Klostergeistliche dasjenige, was bey
seinem Eintritte an das Kloster aus seinem Vermögen entrichtet worden, jedoch
ohne Zinsen, zurückfordern.
§. 1207. Auch kann er die Herausgabe der während seines
Klosterstandes an ihn sich ereigneten Anfälle von denjenigen, welche dieselben
in Ermangelung seiner, nach §. 1201. überkommen haben, verlangen.
§. 1208. In so fern aber diesen keine Theilnehmung oder
Mitwirkung an den bey seiner Aufnahme vorgefallenen Nichtigkeiten beygemessen
werden kann, ist die gewesene Klosterperson nicht berechtigt, Ersatz der
genossenen Früchte und gezognen Nutzungen zu fordern; und muß vielmehr mit dem,
was von dem Hauptstuhle noch wirklich vorhanden, oder so weit der Inhaber davon
noch wirklich reicher ist, sich begnügen.
§. 1209. Wird aber jemand von einem an sich gültigen
Klostergelübde aus andern Ursachen entbunden: so kann er weder das dem Kloster
Gezahlte zurückfordern, noch auf die Anfälle, welche während seines
Klosterstandes sich ereignet haben, Anspruch machen.
Neunzehnter Abschnitt
Von den Mitgliedern der geistlichen Ritterorden
§. 1210. Die Deutschen und Maltheserordens-Ritter werden als
Geistliche betrachtet, und sind durch Gelübde verpflichtet.
§. 1211. Sie sind aber zu einem gemeinschaftlichen
Klosterleben nicht verbunden.
§. 1212. Die besondern Pflichten und Obliegenheiten ihres
Standes sind durch die Ordensstatuten bestimmt.
§. 1213. Es kann aber kein Königlicher Unterthan, durch den
Eintritt in einen Ritterorden, Verbindlichkeiten übernehmen, welche den
Gesetzen des Staats zuwider sind.
§. 1214. In Ansehung ihrer äußern persönlichen Rechte und
Vermögens gilt von ihnen alles, was im Siebzehnten Abschnitte von den
weltgeistlichen Canonicis verordnet ist.
§. 1215. Doch nehmen und verlassen sie Heergeräthe, in
Provinzen, wo dasselbe üblich ist; sie succediren aber nicht, wie die Canonici,
in die Gerade.
§. 1216. Auf ihre Commenden, und deren Einkünfte haben sie
gleiche Rechte, wie die weltgeistlichen Canonici auf ihre Pfründen.
§. 1217. Die zu den Ritterorden gehörigen Priester sind
andern Mönchen und Ordensleuten gleich zu achten.
Zwanzigster Abschnitt
Von protestantischen Stiftern, Klöstern, Ritterorden, und
deren Mitgliedern
Rechte, der geistliche Gesellschaften;
§. 1218. Die protestantischen Stifter und Klöster haben,
vermöge ihres Ursprungs und ihrer Fundation, die Rechte der geistlichen
Gesellschaften.
als Corporationen.
§. 1219. Als Corporationen werden sie hauptsächlich nach
ihren Statuten und hergebrachten Observanzen: demnächst aber nach eben den
Gesetzen, wie katholische Stifter gleicher Art, beurtheilt.
Rechte des Landesherrn.
§. 1220. Der Landesherr hat, in Beziehung auf dieselben,
alle Rechte, welche den Bischöfen, oder andern geistlichen Obern, auf
katholische Stiftungen gleicher Art eingeräumt worden.
§. 1221. Dagegen können protestantische Stifter, wenn sie
auch an sich die Würde der Cathedralstifter haben, dennoch einiger Theilnehmung
an den Angelegenheiten der Kirche oder der Diözes sich nicht anmaßen.
Rechte der einzelnen Mitglieder.
§. 1222. Bey den einzelnen Mitgliedern der protestantischen
Stifter, Klöster, und Ritterorden, werden die äußern persönlichen Rechte und
Pflichten derselben, sowohl in Beziehung auf den Staat, als auf die übrigen
Einwohner, durch die Aufnahme in eine solche Gesellschaft nicht verändert.
§. 1223. Auch sind dieselben weder an Gelübde, noch an andre
auf den Gottesdienst sich beziehende Regeln und Vorschriften ähnlicher
katholischen Stiftungen gebunden.
§. 1224. Was sie aber in dieser Rücksicht bey einem oder dem
andern Stifte besonders zu beobachten haben, ist lediglich nach den Statuten
und Gewohnheiten desselben zu bestimmen.
§. 1225. Wegen der Art, zu einer Präbende oder Stelle zu
gelangen, und der in Ansehung derselben dem Präbendaten zukommenden Rechte und
Pflichten, finden, der Regel nach, die bey katholischen Stiftern von gleicher
Art ertheilten Vorschriften Anwendung.
§. 1226. Bey den Erfordernissen zur Aufnahme; wegen der
Probezeit; Verbindlichkeit zur Residenz; und Vereinigung mehrerer Pfründen in
Einer Person, kommt dem Landesherrn das Dispensationsrecht in allen Fällen zu,
wo nicht besondre Gesetze oder Verträge entgegen stehn.
Von Anwartschaften.
§. 1227. Sowohl der Landesherr, als das Capitel, können auf
Präbenden und Stellen, die künftig zu ihrer Verleihung erledigt werden,
Anwartschaften ertheilen.
§. 1228. Unter mehrern Anwärtern, gebührt der Regel nach die
erste zur Verleihung des Collators derselben vacanten Stelle demjenigen, welcher
die älteste Anwartschaft hat.
§. 1229. Ist in den Statuten eine Zeit bestimmt, binnen
welcher, nach Entstehung der Vacanz, der Anwärter sich melden muß: so geht
durch deren Verabsäumung sein Recht für diesen Fall verloren.
§. 1230. So lange der Anwärter noch nicht immatrikulirt
worden, kann die Anwartschaft zurückgenommen werden.
§. 1231. Uebrigens gilt von dem Falle, wenn mehrere Anwärter
auf eine zur Verleihung desselben Collators erledigte Präbende Anspruch machen,
eben das, was in einem gleichen Falle bey Lehnsanwartschaften verordnet ist. (Th.
I. Tit. XVIII. §.
458. sqq.)
§. 1232. Die Immatriculation vertritt dabey die Stelle der
Eventualbelehnung.
Zwölfter Titel
Von niedern und höhern Schulen
Begriff.
§. 1. Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des
Staats, welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und
Wissenschaften zur Absicht haben.
§. 2. Dergleichen Anstalten sollen nur mit Vorwissen und
Genehmigung des Staats errichtet werden.
Von Privaterziehungsanstalten.
§. 3. Wer eine Privaterziehungs- oder sogenannte
Pensionsanstalt errichten will, muß bey derjenigen Behörde, welcher die
Aufsicht über das Schul- und Erziehungswesen des Orts aufgetragen ist, seine
Tüchtigkeit zu diesem Geschäfte nachweisen, und seinen Plan, sowohl in Ansehung
der Erziehung, als des Unterrichts, zur Genehmigung vorlegen.
§. 4. Auch solche Privat- Schul- und Erziehungsanstalten
sind der Aufsicht dieser Behörde unterworfen; welche von der Art, wie die
Kinder gehalten und verpflegt, wie die physische und moralische Erziehung
derselben besorgt, und wie ihnen der erforderliche Unterricht gegeben werde,
Kenntniß einzuziehen befugt und verpflichtet ist.
§. 5. Schädliche Unordnungen und Mißbräuche, welche sie
dabey bemerkt, muß sie der dem Schul- und Erziehungswesen in der Provinz
vorgesetzten Behörde zur nähern Prüfung und Abstellung anzeigen.
§. 6. Auf dem Lande, und in kleinern Städten, wo öffentliche
Schulanstalten sind, sollen keine Neben- oder sogenannte Winkelschulen ohne
besondere Erlaubniß geduldet werden.
Von der häuslichen Erziehung.
§. 7. Aeltern steht zwar frey, nach den im Zweyten Titel
enthaltenen Bestimmungen, den Unterricht und die Erziehung ihrer Kinder auch in
ihren Häusern zu besorgen.
§. 8. Diejenigen aber, welche ein Gewerbe daraus machen, daß
sie Lehrstunden in den Häusern geben, müssen sich wegen ihrer Tüchtigkeit dazu,
bey der §. 3. bezeichneten Behörde ausweisen, und sich von derselben mit einem
Zeugnisse darüber versehen lassen.
Von öffentlichen Schulen.
§. 9. Alle öffentliche Schul- und Erziehungsanstalten stehen
unter der Aufsicht des Staats, und müssen sich den Prüfungen und Visitationen
desselben zu allen Zeiten unterwerfen.
§. 10. Niemanden soll, wegen Verschiedenheit des
Glaubensbekenntnisses, der Zutritt in öffentliche Schulen versagt werden.
§. 11. Kinder, die in einer andern Religion, als welche in
der öffentlichen Schule gelehrt wird, nach den Gesetzen des Staats erzogen
werden sollen, können dem Religionsunterricht in derselben beyzuwohnen nicht
angehalten werden.
I. Von gemeinen Schulen.
Aufsicht und Direction derselben.
§. 12. Gemeine Schulen, die dem ersten Unterrichte der
Jugend gewidmet sind, stehen unter der Direction der Gerichtsobrigkeit eines
jeden Orts, welche dabey die Geistlichkeit der Gemeine, zu welcher die Schule
gehört, zuziehen muß.
§. 13. Die Kirchenvorsteher einer jeden Gemeine, auf dem
Lande und in kleinen Städten, so wie in Ermangelung derselben, Schulzen und
Gerichte, ingleichen die Polizeymagistrate, sind schuldig, unter Direction der
Obrigkeit und der Geistlichen, die Aufsicht über die äußere Verfassung der
Schulanstalt, und über die Aufrechthaltung der dabey eingeführten Ordnung zu
übernehmen.
§. 14. Alle dabey bemerkten Mängel, Versäumnisse, und
Unordnungen, müssen sie der Obrigkeit und dem Geistlichen, zur nähern
Untersuchung und Abstellung anzeigen.
§. 15. Die Obrigkeit und der Geistliche müssen sich nach den
vom Staate ertheilten oder genehmigten Schulordnungen achten; und nichts, was
denselben zuwider ist, eigenmächtig vornehmen und einführen.
§. 16. Finden sie bey der Anwendung der ergangenen
allgemeinen Vorschriften auf die ihrer Aufsicht anvertraute Schule, Zweifel
oder Bedenklichkeiten: so muß der geistliche Vorsteher der dem Schulwesen in
der Provinz vorgesetzten Behörde davon Anzeige machen.
§. 17. Eben dieser Behörde gebührt die Entscheidung, wenn
die Obrigkeit sich mit dem geistlichen Schulvorsteher über eine oder die andere
bey der Schule zu treffende Anstalt oder Einrichtung sich(!) nicht vereinigen
kann.
Aeußere Rechte der Schulanstalten.
§. 18. Schulgebäude genießen eben die Vorrechte, wie die
Kirchengebäude. (Tit. XI. §. 170. sqq.)
§. 19. Auch von den Grundstücken und übrigem Vermögen der
Schulen gilt in der Regel alles das, was vom Kirchenvermögen verordnet ist. (Ebend.
§. 193. sqq. Sect. IX.)
§. 20. Doch sind Vermögen und Grundstücke, die zu einer
gemeinen Schule gehören, von der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht
ausgenommen.
§. 21. Auch sind inländische Schulen, bey Schenkungen und
Vermächtnissen, den Einschränkungen der Kirchen und geistlichen Gesellschaften
nicht unterworfen. (Th. I. Tit. XL §. 1075.)
Bestellung der Schullehrer.
§. 22. Die Bestellung der Schullehrer kommt in der Regel der
Gerichtsobrigkeit zu.
§. 23. Durch wen diese Befugniß in Ansehung der auf
Domainen- oder andern Königlichen Gütern zu bestellenden Schulmeister ausgeübt
werde, ist nach den Verfassungen einer jeden Provinz bestimmt.
§. 24. Ueberall aber soll kein Schulmeister bestellt und
angenommen werden, der nicht zuvor, nach angestellter Prüfung, ein Zeugniß der
Tüchtigkeit zu einem solchen Amte erhalten hat.
§. 25. Es muß also jeder neu anzunehmende Schullehrer dem
Kreisinspector oder Erzpriester angezeigt, und wenn er noch mit keinem
Zeugnisse seiner Tüchtigkeit versehen ist, demselben zur Prüfung vorgestellt
werden.
Rechte und Pflichten derselben.
§. 26. Gemeine Schullehrer haben keinen privilegirten
Gerichtsstand, sondern sind der ordentlichen Gerichtsobrigkeit des Orts
unterworfen.
§. 27. Dieser gebührt, mit Zuziehung des geistlichen
Schulvorstehers, auch die Aufsicht über die Amtsführung; und sie hat wegen
Ahndung der solchen gemeinen Schullehrern in ihrem Amte zur Last fallenden
Vergehungen, eben die Rechte, welche in Ansehung der Kirchenbedienten den
geistlichen Obern beygelegt sind.
§. 28. Dagegen finden auch in Ansehung der Schullehrer, wenn
dieselben ihres Amts entsetzt werden sollen, die Vorschriften des
vorhergehenden Titels Anwendung.
Unterhalt.
§. 29. Wo keine Stiftungen für die gemeinen Schulen
vorhanden sind, liegt die Unterhaltung der Lehrer den sämmtlichen Hausvätern
jedes Orts, ohne Unterschied, ob sie Kinder haben, oder nicht, und ohne
Unterschied des Glaubensbekenntnisses ob.
§. 30. Sind jedoch für die Einwohner verschiedenen
Glaubensbekenntnisses an Einem Orte mehrere gemeine Schulen errichtet: so ist
jeder Einwohner nur zur Unterhaltung des Schullehrers von seiner
Religionspartey beyzutragen verbunden.
§. 31. Die Beyträge, sie bestehen nun in Gelde oder
Naturalien, müssen unter die Hausväter nach Verhältniß ihrer Besitzungen und
Nahrungen billig vertheilt, und von der Gerichtsobrigkeit ausgeschrieben
werden.
§. 32. Gegen Erlegung dieser Beyträge sind alsdann die
Kinder der Contribuenten von Entrichtung eines Schulgeldes für immer frey.
§. 33. Gutsherrschaften auf dem Lande sind verpflichtet,
ihre Unterthanen, welche zur Aufbringung ihres schuldigen Beytrags ganz oder
zum Theil auf eine Zeitlang unvermögend sind, dabey nach Nothdurft zu
unterstützen.
Schulgebäude.
§. 34. Auch die Unterhaltung der Schulgebäude und
Schulmeister-Wohnungen muß, als gemeine Last, von allen zu einer solchen Schule
gewiesenen Einwohnern ohne Unterschied getragen werden.
§. 35. Doch trägt das Mitglied einer fremden zugeschlagenen
Gemeine zur Unterhaltung der Gebäude nur halb so viel bey, als ein Einwohner
von gleicher Classe an dem Orte, wo die Schule befindlich ist.
§. 36. Bey Bauen und Reparaturen der Schulgebäude müssen die
Magisträte in den Städten, und die Gutsherrschaften auf dem Lande, die auf dem
Gute oder Cämmereyeigenthume, wo die Schule sich befindet, gewachsenen oder
gewonnenen Materialien, so weit selbige hinreichend vorhanden, und zum Baue
nothwendig sind, unentgeltlich verabfolgen.
§. 37. Wo das Schulhaus zugleich die Küsterwohnung ist, muß
in der Regel die Unterhaltung desselben auf eben die Art, wie bey Pfarrbauen
vorgeschrieben ist, besorgt werden.
§. 38. Doch kann kein Mitglied der Gemeine, wegen
Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses, dem Beytrage zur Unterhaltung
solcher Gebäude sich, entziehen.
Pflicht der Schulgemeine zur Herbeyholung neuer
Schulmeister.
§. 39. Die Gemeinen sind in der Regel verbunden, einen neuen
Schulmeister herbeyzuholen.
§. 40. Diese Verbindlichkeit erstreckt sich auch auf die zur
Familie des Schulmeisters gehörenden Personen, und was derselbe an Kleidung,
Wäsche, Hausrath und Büchern mitbringt.
§. 41. Doch findet dabey, in Ansehung der Entfernung, eben
die Einschränkung auf Zwey Tagereisen, wie bey Abholung der Pfarrer durch die
Kirchengemeine statt.
§. 42. Auch findet die Vorschrift des Eilften Titels §. 525.
auf Schulmeister ebenfalls Anwendung.
Pflicht der Aeltern, ihre Kinder zur Schule zu halten.
§. 43. Jeder Einwohner, welcher den nöthigen Unterricht für
seine Kinder in seinem Hause nicht besorgen kann, oder will, ist schuldig,
dieselben nach zurückgelegtem Fünften Jahre zur Schule zu schicken.
§. 44. Nur unter Genehmigung der Obrigkeit, und des
geistlichen Schulvorstehers, kann ein Kind länger von der Schule
zurückgehalten, oder der Schulunterricht desselben, wegen vorkommender
Hindernisse, für einige Zeit ausgesetzt werden.
§. 45. Zum Besten derjenigen Kinder, welche wegen häuslicher
Geschäfte die ordinairen Schulstunden, zu gewissen nothwendiger Arbeit
gewidmeten Jahreszeiten, nicht mehr ununterbrochen besuchen können, soll am
Sonntage, in den Feyerstunden zwischen der Arbeit, und zu andern schicklichen
Zeiten, besondrer Unterricht gegeben werden.
§. 46. Der Schulunterricht muß so lange fortgesetzt werden,
bis ein Kind, nach dem Befunde seines Seelsorgers, die einem jeden vernünftigen
Menschen seines Standes nothwendigen Kenntnisse gefaßt hat.
Pflichten der Schulaufseher.
§. 47. Die Schulaufseher müssen darauf Acht haben, daß der
Schulmeister sein Amt mit Treue und Fleiß abwarte.
§. 48. Ihnen liegt es ob, unter Beystand der Obrigkeit,
darauf zu sehen, daß alle schulfähige Kinder, nach obigen Bestimmungen (§. 43.
sqq.), erforderlichen Falls durch Zwangsmittel, und Bestrafung der nachläßigen
Aeltern, zur Besuchung der Lehrstunden angehalten werden.
Pflichten des Predigers.
§. 49. Der Prediger des Orts ist schuldig, nicht nur durch
Aufsicht, sondern auch durch eignen Unterricht, des Schulmeisters sowohl, als
der Kinder, zur Erreichung des Zwecks der Schulanstaltea thätig mitzuwirken.
Schulzucht.
§. 50. Die Schulzucht darf niemals bis zu Mißhandlungen,
welche der Gesundheit der Kinder auch nur auf entfernte Art schädlich werden
könnten, ausgedehnt werden.
§. 51. Glaubt der Schullehrer, daß durch geringere
Züchtigungen der eingewurzelten Unart eines Kindes, oder dem überwiegenden
Hange desselben zu Lastern und Ausschweifungen nicht hinlänglich gesteuert
werden könne: so muß er der Obrigkeit und dem geistlichen Schulvorsteher davon
Anzeige machen.
§. 52. Diese müssen alsdann, mit Zuziehung der Aeltern oder
Vormünder, die Sache näher prüfen, und zweckmäßige Besserungsmittel verfügen.
§. 53. Aber auch dabey dürfen die der älterlichen Zucht
vorgeschriebenen Gränzen nicht überschritten werden.
II. Von gelehrten Schulen und Gymnasien.
§. 54. Schulen und Gymnasia, in welchen die Jugend zu hohem
Wissenschaften, oder auch zu Künsten und bürgerlichen Gewerben, durch
Beybringung der dabey nöthigen oder nützlichen wissenschaftlichen Kenntnisse
vorbereitet werden soll, haben die äußern Rechte der Corporationen.
§. 55. Diese Rechte werden durch die Schulcollegia, nach der
eingeführten Schulordnung jedes Orts, ausgeübt.
§. 56. Dergleichen Schulen stehen unter der nähern Direction
der dem Schul- und Erziehungswesen, vom Staate vorgesetzten Behörde; welche
besonders darauf sehen muß, daß der Unterricht zweckmäßig eingerichtet, und die
Schule unter beständiger Aufsicht gehalten werde.
§. 57. Von den Gebäuden, Grundstücken, und Vermögen solcher
Anstalten gilt alles, was in Ansehung der Kirchen und deren Vermögen im vorigen
Titel verordnet ist.
§. 58. Doch sind Gymnasia und Realschulen, in Ansehung der
Schenkungen und Vermächtnisse, den Einschränkungen der Kirchengesellschaften
eben so wenig, wie die gemeinen Schulen, unterworfen.
§. 59. Wo die Bestellung der Lehrer und Schulaufseher nicht
etwa gewissen Personen oder Corporationen, vermöge der Stiftung, oder eines
besondern Privilegii zukommt, da gebührt dieselbe dem Staate.
§. 60. Auch da, wo die unmittelbare Aufsicht über
dergleichen Schulen, oder die Bestellung der Lehrer, gewissen Privatpersonen
oder Corporationen überlassen ist, können dennoch, ohne Vorwissen und
Genehmigung der dem Schulwesen in der Provinz vorgesetzten Behörde, weder neue
Lehrer bestellt, noch wesentliche Veränderungen in der Einrichtung des Schulwesens,
und der Art des Unterrichts, vorgenommen werden.
§. 61. Zu Aufsehern müssen Leute von hinlänglichen
Kenntnissen; guten Sitten; und richtiger Beurtheilungskraft gewählt werden.
§. 62. Diese müssen junge Leute, welche sich einer
Lebensart, die gelehrte Kenntnisse erfordert, widmen, und zu dem Ende die
Universität beziehen wollen; gleichwohl aber sich durch Geistesfähigkeiten und
Anlagen zu einer gründlichen Gelehrsamkeit nicht auszeichnen, vom Studiren
ernstlich abmahnen, und deren Aeltern oder Vormünder dahin zu vermögen suchen,
daß sie dergleichen mittelmäßige Subjecte zu andern nützlichen Gewerben in
Zeiten anhalten.
§. 63. Dagegen sollen junge Leute, welche vorzügliche
Fähigkeiten und Anlagen zeigen, zur Fortsetzung ihrer Studien aufgemuntert und unterstützt
werden.
§. 64. Kein Landeseingeborner, welcher eine öffentliche
Schule besucht hat, soll ohne ein von den Lehrern und Schulaufsehern
unterschriebenes Zeugniß über die Beschaffenheit der sich erworbenen
Kenntnisse, und seines sittlichen Verhaltens, von der Schule entlassen werden.
§. 65. Die Lehrer bey den Gymnasiis und andern hohem
Schulen, werden als Beamte des Staats angesehen, und genießen der Regel nach
einen privilegirten Gerichtsstand.
§. 66. Rückständig gebliebenes Schulgeld, so wie bey gemeinen
Schulen, der zum Unterhalte des Schullehrers zu leistende Beytrag, genießen,
bey einem über das Vermögen der Aeltern entstandenen Concurs, das in der
Concursordnung näher bestimmte Vorrecht.
III. Von Universitäten.
§. 67. Universitäten haben alle Rechte privilegirter
Corporationen.
Innere Verfassung.
§. 68. Die innere Verfassung derselben, die Rechte des
academischen Senats, und seines jedesmaligen Vorstehers, in Besorgung und
Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten, sind durch Privilegien, und
die vom Staate genehmigte Statuten einer jeden Universität bestimmt.
Gerichtsbarkeit.
§. 69. Zur nachdrücklichen Aufrechthaltung der Ruhe und
Ordnung auf Academien, ist dem academischen Senate die Gerichtsbarkeit über
alle sowohl lehrende als lernende Mitglieder verliehen.
§. 70. Diese Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch auf die
Officianten der Universität, so wie auf die Familien und das Gesinde aller
derer, die für ihre Personen derselben unterworfen sind.
§. 71. Sie ist aber nur eine persönliche Gerichtsbarkeit,
und kann auf Grundstücke, welche diese Personen besitzen, in der Regel nicht
ausgedehnt werden.
§. 72. Soll sie auch auf die Grundstücke sich erstrecken,
oder sollen noch andre als die vorbenannten Personen derselben unterworfen
seyn: so muß dergleichen Ausdehnung durch ausdrückliche Privilegia, oder aus
andern Rechtsgründen, besonders nachgewiesen werden.
Rechte der Lehrer.
§. 73. Alle sowohl ordentliche als außerordentliche
Professores, Lehrer und Officianten auf Universitäten, genießen, außer was den
Gerichtsstand betrifft, die Rechte der Königlichen Beamten. (Tit.
X. §. 104. sqq.)
Aufnahme der Studirenden.
§. 74. Die Aufnahme der Studirenden unter die Mitglieder der
Universität, geschieht durch das Einschreiben in die Matrikel.
§. 75. Wer einmal eingeschrieben worden, bleibt ein Mitglied
der Universität, so lange er sich am Sitze derselben aufhält, und daselbst
keinen besondern Stand, oder Lebensart, die ihn einer andern Gerichtsbarkeit
unterwerfen, ergriffen hat.
§. 76. Wer sich Studirenshalber auf eine Universität
begiebt, ist schuldig, bey dem Vorsteher des academischen Senats sich zur
Einschreibung zu melden.
§. 77. Der Einzuschreibende muß sein mitgebrachtes
Schulzeugniß (§. 64.) vorlegen.
§. 78. Wenn er dergleichen, weil er Privatunterricht
genossen, nicht mitgebracht hat: ist der Rector denselben, an die zur Prüfung
solcher neuen Ankömmlinge verordnete Commission zu verweisen schuldig.
§. 79. Wer bey dieser Prüfung noch nicht reif genug in
Ansehung seiner Vorkenntnisse befunden wird, muß entweder zurückgewiesen, oder
mit der nöthigen Anleitung zur Ergänzung des ihm noch fehlenden versehen
werden.
§. 80. Der Rector muß einem jeden ankommenden Studenten die
academischen und Polizeygesetze des Orts bekannt machen, und ihn zu deren
gehörigen Beobachtung anweisen.
Aufsicht über ihre Studien, und Lebensart.
§. 81. Nach geschehener Immatriculation muß der Student
seine Matrikel dem Decanus der Facultät vorlegen.
§. 82. Bemerkt der Decanus an einem zu seiner Facultät
gehörenden Studenten Unfleiß oder unordentliche Lebensart: so muß er davon dem
academischen Senate Anzeige machen.
§. 83. Dieser muß den Studirenden durch nachdrückliche
Ermahnungen zu bessern suchen, und wenn dieselben fruchtlos sind, seinen
Aeltern oder Vormündern, so wie denjenigen, von welchen sie Stipendia genießen,
davon Nachricht geben.
Von der academischen Disciplin.
§. 84. Alle Studirende müssen den allgemeinen
Polizeygesetzen des Landes und Orts sowohl, als den besondern die academische
Zucht betreffenden Vorschriften und Anordnungen, die genaueste Folge leisten.
§. 85. Besonders müssen Schlägereyen, Schwelgereyen, und
andre zum öffentlichen Aergerniß, oder zur Stöhrung der gemeinen Ruhe und
Sicherheit gereichende Excesse der Studenten, nachdrücklich geahndet werden.
§. 86. Der Rector oder Prorector ist vorzüglich, und nach
ihm der academische Senat, für alle entstandene Unordnungen, welche durch
genauere Aufmerksamkeit und Sorgfalt hätten vermieden werden können, dem Staate
verantwortlich.
§. 87. Gefängnißstrafe muß an Studirenden nur zu solchen
Zeiten und Stunden, wo sie dadurch an Besuchung der Collegien nicht verhindert
sind, vollzogen werden.
§. 88. Sie muß mit gänzlicher Entfernung aller Gesellschaft,
und Entziehung der gewöhnlichen Bequemlichkeiten des Lebens verbunden seyn.
§. 89. Wiederholte grobe Excesse, Widersetzlichkeit gegen
den academischen Senat, und dessen zur Ausübung der academischen Zucht
verordnete Bediente; Aufwiegeleyen, Rottenstiftungen, und Verführung Anderer,
müssen mit Relegation bestraft werden.
§. 90. Von der erkannten Relegation muß den Aeltern oder
Vormündern der Straffälligen sofort Nachricht gegeben; er selbst aber so lange
in gefänglicher Haft behalten werden, bis dieselben seinetwegen weitere
Verfügungen treffen.
§. 91. Von jeder erkannten Relegation muß dem der
Universität vorgesetzten Departement, mit Beylegung des Erkenntnisses, Anzeige
geschehen; damit dieses, nach Beschaffenheit der Umstände, die übrigen
Universitäten gegen die Aufnahme eines solchen Subjects, vor hinlänglich
nachgewiesener Besserung, warnen; auch dem Departement, von welchem der
Relegirte, nach der Facultät, zu welcher er gehört, eine künftige Beförderung
zu erwarten hat, davon Nachricht geben könne.
§. 92. Ein Relegirter soll weder am Orte, noch in der
Nachbarschaft, unter irgend einem Vorwande geduldet werden.
§. 93. Jede angrenzende Gerichtsobrigkeit ist schuldig, ihn
auf Requisition des academischen Senats aus ihrer Botmäßigkeit fortzuschaffen.
§. 94. Grobe Excesse, wenn sie sich auch noch nicht zur
Relegation qualificiren, sollen dennoch mit Gefängniß-, niemals aber mit bloßer
Geldstrafe geahndet werden.
§. 95. So wenig die Relegation, als eine nach den Gesetzen
verwirkte Gefängnißstrafe, kann mit Gelde abgekauft werden.
§. 96. In Ansehung wirklicher Verbrechen der Studirenden hat
es bey den Vorschriften der Criminalgesetze sein Bewenden.
Rechte der Studirenden in ihren Privatangelegenheiten.
§. 97. In ihren Privatangelegenheiten bleiben Studirende der
Regel nach den Gesetzen ihres Geburtsorts, oder ihrer Heimath unterworfen.
§. 98. So lange Studirende noch unter Aeltern oder
Vormündern stehn, bleibt es, wegen ihrer Unfähigkeit, für sich allein
verbindliche Verträge zu schließen, bey den allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften.
Besonders in Ansehung des Schuldenmachens.
§. 99. Kein Studirender, er mag der väterlichen oder
vormundschaftlichen Gewalt noch unterworfen sen(! =sein), oder nicht, kann, so
lange er auf Universitäten ist, ohne Vorwissen und Consens des academischen
Gerichts gültig Schulden contrahiren oder Bürgschaften übernehmen.
§. 100. Kostgeld, Waschgeld, Perukenmacher- und Barbierlohn,
soll nicht über Einen Monath; Stubenmiethe, Bettzins und Aufwartung nicht über
Ein Vierteljahr; Arzeneyen und Arztlohn nicht über Ein halbes Jahr; und das
Honorarium für die Collegia höchstens nur bis zum Ende des Collegii geborgt
werden.
§. 101. Schneider und Schuster können nur auf Zehn, so wie
Buchbinder nur auf Drey Thaler Credit geben; und müssen diesen Credit auf
länger als Einen Monat nicht ausdehnen.
§. 102. Das Honorarium für den Unterricht in Sprachen und
Leibesübungen darf nicht über Drey Monathe creditirt werden.
§. 103. Alle vorstehend (§. 100.101. 102.) benannte
Gläubiger müssen, wenn die Zahlung mit Ablauf der bestimmten Frist nicht erfolgt,
ihre Forderungen längstens binnen Acht Tagen, bey Verlust derselben,
gerichtlich einklagen.
§. 104. Alle andere Privatschulden eines Studirenden sind
nichtig, und begründen keine Klage.
§. 105. Auch die Verträge, wodurch Sicherheit oder
Bürgschaft dafür bestellt worden, sind unkräftig.
§. 106. Die dafür eingelegten Pfänder müssen unentgeltlich
zurückgegeben werden.
§. 107. Ist auf eine solche ungültige Schuld von dem
Studenten etwas bezahlt worden: so können die Aeltern oder Vormünder dasselbe
unter fiskalischer Assistenz zurückfordern.
§. 108. Hat jemand einem Studirenden Geld oder Geldeswerth
zu unnützen Ausgaben, oder gar zur Ueppigkeit und Schwelgerey geliehen, oder
sonst creditirt: so soll er, außer dem Verluste der Schuld, auch noch um den
ganzen Betrag derselben fiskalisch bestraft werden.
§. 109. Hat der Schuldner ein solches Darlehn ganz oder zum
Theil bezahlt: so ist der Fiskus, außer der Strafe, auch das Gezahlte von dem
Gläubiger beyzutreiben berechtigt.
§. 110. Wenn aber ein Studirender, durch das Außenbleiben
der ihm zu seinem Unterhalte ausgesetzten Gelder, oder durch andere für ihn
unvermeidliche Zufälle, in die Notwendigkeit, ein Darlehn zu seiner Subsistenz
aufzunehmen, gesetzt ist: so muß er sich mit seinem Gläubiger bey dem academischen
Gerichte melden, und dessen Einwilligung nachsuchen.
§. 111. Das Gericht muß die angebliche Notwendigkeit und
Bedürfniß des Schuldners, so wie die übrigen Umstände der Sache, genau prüfen;
und wenn sich nichts dabey zu erinnern findet, den Consens unter das
auszustellende Instrument verzeichnen.
§. 112. Besonders muß darauf gesehen werden, daß die Summe
des aufzunehmenden Darlehns die wirkliche gegenwärtige Bedürfniß des Schuldners
nicht übersteige.
§. 113. Der Regel nach darf das academische Gericht für
einen Studirenden nicht mehr an Schulden consentiren, als der Vierte Theil der
ihm zu seinem jährlichen Unterhalte bestimmten Summe beträgt.
§. 114. Wenn also ein Studirender dergleichen Consens sucht,
muß er zuvörderst glaubhaft angeben, wie viel ihm zu seinem Unterhalte auf der
Academie bestimmt worden.
§. 115. Findet sich das academische Gericht durch besondere
Umstände veranlaßt, den Credit des Studirenden auf ein höheres Quantum zu
erstrecken: so muß dieses, und die Gründe davon, in dem Consens ausdrücklich
bemerkt werden.
§. 116. Gleich nach ertheiltem Consens muß das Gericht den
Aeltern oder Vormündern des Schuldners davon Nachricht geben.
§. 117. Der Consens selbst muß allemal nur auf eine gewisse
Zeit, und zwar nur auf so lange gegeben werden, als nöthig ist, um den Aeltern
oder Vormündern zu Treffung der nöthigen Zahlungsanstalten Raum zu lassen.
§. 118. Mit dem Ablaufe dieser Frist muß der Gläubiger, wenn
er inzwischen nicht befriedigt worden, es dem academischen Gerichte, bey Verlust
seines Rechts, anzeigen.
§. 119. Das Gericht muß alsdann die den Aeltern oder
Vormündern des Schuldners vorgesetzte Obrigkeit, mit Zufertigung des
Instruments, requiriren, diese zu Abtragung der Schuld allenfalls executivisch
anzuhalten.
§. 120. Alle Gerichte in Königlichen Landen sollen gehalten
seyn, dergleichen Requisitionen, wegen Beytreibung einer gesetzmäßig
consentirten Schuld, ohne Gestattung prozessualischer Weitläuftigkeiten Folge
zu leisten.
§. 121. Glauben die Aeltern oder Vormünder, erhebliche
Einwendungen gegen die Schuld zu haben: so müssen sie den Betrag bey dem
requirirten Gerichte niederlegen, und die Einwendungen gegen den Gläubiger vor
dem academischen Gerichte ausführen.
§. 122. Gegen diese den consentirten Gläubigern zu verschaffende
promte Rechtshülfe, dürfen sie den Schuldner selbst, während des Laufes seiner
Studien, mit Executionen nicht beunruhigen.
§. 123. Steht der Studirende nicht mehr unter Aeltern oder
Vormündern: so kann der Gläubiger sich auf die Person und das Vermögen des
Schuldners selbst, der gesetzmäßigen Executionsmittel bedienen.
§. 124. Hat ein solcher Schuldner die Universität ohne
Befriedigung seiner consentirten Gläubiger verlassen, so steht diesen frey, ihn
überall, wo er sich betreffen läßt, mit Personalarrest zu verfolgen.
§. 125. Für die dem academischen Gerichte in dergleichen
Angelegenheiten zufallenden Bemühungen, soll demselben eine billige Belohnung
in der ihm vorzuschreibenden Sportultaxe bestimmt werden.
§. 126. Dagegen soll aber auch das academische Gericht, wenn
es pflichtwidriger Weise in unnütze und übermäßige Schulden gewilligt, oder
sonst, durch Collusion mit einem Studirenden, jemand zum Borgen an denselben
verleitet hat, einem solchen Gläubiger für seine Forderung selbst haften.
Von academischen Zeugnissen.
§. 127. Jeder Studirende muß, wenn er die Universität
verlassen will, bey seinen Lehrern Zeugnisse seines Fleißes und seiner Ordnung
in Abwartung der Lehrstunden nachsuchen, und selbige dem Vorsteher des
academischen Senats zustellen.
§. 128. Dieser muß die Richtigkeit derselben unter dem
Siegel der Universität bekräftigen, und zugleich bemerken: ob gegen das
sittliche Betragen des Abgehenden, während seines Aufenthalts auf der Academie,
etwas nachtheiliges bekannt geworden sey.
§. 129. Jeder Landeseingeborne, welcher sich zu Uebernehmung
eines Amts, oder sonst zur Ausübung seiner Wissenschaft qualificiren will, muß
dergleichen Zeugniß von einer inländischen Academie vorlegen.
Dreyzehnter Titel
Von den Rechten und Pflichten des Staats überhaupt
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Alle Rechte und Pflichten des Staats gegen seine
Bürger und Schutzverwandten vereinigen sich in dem Oberhaupte desselben.
§. 2. Die vorzügliche Pflicht des Oberhaupts im Staate ist,
sowohl die äußere als innere Ruhe und Sicherheit zu erhalten, und einen jeden
bey dem Seinigen gegen Gewalt und Störungen zu schützen.
§. 3. Ihm kommt es zu, für Anstalten zu sorgen, wodurch den
Einwohnern Mittel und Gelegenheiten verschafft werden, ihre Fähigkeiten und
Kräfte auszubilden, und dieselben zur Beförderung ihres Wohlstandes anzuwenden.
§. 4. Dem Oberhaupte im Staate gebühren daher alle Vorzüge
und Rechte, welche zur Erreichung dieser Endzwecke erforderlich sind.
Majestätsrechte.
§. 5. Die Verteidigung des Staats gegen auswärtige Feinde
anzuordnen; Kriege zu führen; Frieden zu schließen; Bündnisse und Verträge mit
fremden Staaten zu errichten, kommt allein dem Oberhaupte des Staats zu.
§. 6. Das Recht, Gesetze und allgemeine Polizeyverordnungen
zu geben, dieselben wieder aufzuheben, und Erklärungen darüber mit gesetzlicher
Kraft zu ertheilen, ist ein Majestätsrecht.
§. 7. Privilegia, als Ausnahmen von dergleichen Gesetzen zu
bewilligen, Standeserhöhungen, Staatsämter und Würden zu verleihen, gebühret
nur dem Oberhaupte des Staats.
§. 8. Todesurtel, ingleichen solche, die eine Zehnjährige
Gefängniß- oder noch längere oder härtere Strafe festsetzen, können ohne
ausdrückliche Bestätigung des Oberhaupts im Staate nicht vollzogen werden.
§. 9. Das Recht, aus erheblichen Gründen Verbrechen zu
verzeihen; Untersuchungen niederzuschlagen; Verbrecher ganz oder zum Theil zu
begnadigen; Zuchthaus-, Festungs- oder andere härtere Leibesstrafen in
gelindere zu verwandeln, kann nur von dem Oberhaupte des Staats unmittelbar
ausgeübt werden; so weit er nicht dasselbe, für gewisse Arten von Verbrechen
oder Strafen, einer ihm untergeordneten Behörde ausdrücklich übertragen hat.
§. 10. Durch dergleichen Aufhebung eines Verbrechens, oder
durch die erfolgende Begnadigung des Verbrechers, sollen aber die aus der That
selbst wohl erworbenen Privatrechte eines Dritten niemals gekränkt werden.
§. 11. Vielmehr bleibt diesem, wenn auch die peinliche
Untersuchung gegen den Angeschuldigten niedergeschlagen worden, dennoch frey,
die Richtigkeit der Thatsache, so weit es zur Begründung seines Rechts
erforderlich ist, im Wege des Civilprozesses nachzuweisen.
§. 12. Das Recht, Münzen, Maaß und Gewicht zu bestimmen,
gehört zu den Majestätsrechten.
§. 13. Alle im Staate vorhandene und entstehende
Gesellschaften, und öffentliche Anstalten, sind der Aufsicht des Landesherrn,
nach dem Zwecke der allgemeinen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung unterworfen.
§. 14. Damit das Oberhaupt des Staats die ihm obliegenden
Pflichten erfüllen, und die dazu erforderlichen Kosten bestreiten könne, sind
ihm gewisse Einkünfte und nutzbare Rechte beygelegt.
§. 15. Das Recht, zur Bestreitung der Staatsbedürfnisse, das
Privatvermögen, die Personen, ihre Gewerbe Produkte, oder Consumtion mit
Abgaben zu belegen, ist ein Majestätsrecht.
§. 16. So weit die Besorgung gewisser zu den Rechten und
Pflichten des Staats gehörender Angelegenheiten und Geschäfte den Beamten des
Staats vermöge ihres Amte obliegt (§. 7.), muß diesen, innerhalb der Gränzen
ihres Auftrags, eben so, wie dem Landesherrn selbst, Folge geleistet werden.
Privatrechte des Landesherrn und seiner Familie,
§. 17. Rechtsangelegenheiten, welche die Personen- und
Familienrechte des Landesherrn und seines Hauses betreffen, werden nach den
Hausverfassungen uüd Verträgen bestimmt.
§. 18. Andre Privathandlungen und Geschäfte derselben sind
nach den Gesetzen des Landes zu beurtheilen.
Vierzehnter Titel
Von den Staatseinkünften und fiskalischen Rechten
Begriff des Fiskus.
§. 1. Alle Arten der Staatseinkünfte, welche aus dem
Besteurungsrechte, aus dem besondern Staatseigenthume den nutzbaren Regalien,
und andern Staatsabgaben fließen, werden unter der Benennung des Fiskus
begriffen, und haben besondere Vorzugsrechte.
Besteurungsrecht.
§. 2. Dem Besteurungsrechte, als einem Hoheitsrechte des
Staats (Tit. Xm. §. 15.), sind alle diejenigen unterworfen, die für ihre
Personen, Vermögen, oder Gewerbe, den Schutz des Staats genießen.
§. 3. Welchen Classen von Landeseinwohnern oder Besitzungen die
Befreyung von einer oder der andern Art der Staatsabgaben zukomme, ist, nach
Verschiedenheit der Provinzen, in den besondern Gesetzen derselben bestimmt.
§. 4. Einzelne Landeseinwohner, Corporationen oder Gemeinen
können die Befreyung von den Abgaben derjenigen Classe, zu welcher sie gehören,
in der Regel nur durch Verträge oder ausdrückliche Privilegia erlangen.
§. 5. In wie fern dergleichen Befreyung durch Verjährung
erworben werden könne, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. I.
Tit. IX. §. 656-659.)
§. 6. Alle solche ausdrücklich oder stillschweigend erlangte
Befreyungen sind nach den Vorschriften der Einleitung §. 54-58. und §. 62-72.
zu beurtheilen.
§. 7. Durch dergleichen Ausnahmen sollen die übrigen
Mitglieder derselben Classe mit höhern Lasten nicht beschwert werden.
§. 8. Wer ein solches zur Belastung der übrigen Mitglieder
gereichendes Privilegium für sich anführt, gegen den gilt die Vermuthung, daß
er selbiges erschlichen habe.
§. 9. Streitigkeiten, welche über die Vertheilung der aus
dem Besteurungsrechte fließenden Abgaben unter den Contribuenten entstehn,
werden, in Ermangelung hinlänglicher durch Verträge, wohlhergebrachte
Gewohnheiten, oder besondre Gesetze begründeter Bestimmungen, nach den Regeln
einer ohne ausdrücklichen Vertrag entstandnen Gemeinschaft (Th. I. Tit. XVTL
Abschn. I.) beurtheilt.
§. 10. Streitigkeiten über Befreyungen sollen nach obigen
Gesetzen (§. 2-8.), übrigens aber nach denjenigen, welche über den angeführten
Grund der Exemtion ergangen sind, entschieden werden.
Domainen.
§. 11. Einzelne Grundstücke, Gefälle, und Rechte, deren
besonderes Eigenthum dem Staate, und die ausschließende Benutzung dem
Oberhaupte desselben zukommt, werden Domainen- oder Cammergüter genannt.
§. 12. Auch diejenigen Güter, deren Einkünfte zum Unterhalte
der Familie des Landesherrn gewidmet worden, sind als Domainengüter anzusehen.
§. 13. Was Personen aus der Familie des Landesherrn durch
eigene Ersparniß, oder auf andere Art, gültig erworben haben, wird, so lange
von dem Erwerber oder seinen Erben keine ausdrückliche Einverleibung erfolgt,
und so weit darüber durch Familienverträge und Hausverfassungen nicht ein
Anderes bestimmt ist, als Privateigenthum betrachtet.
§. 14. Eben das gilt von Gütern und Sachen, welche der
Landesherr selbst aus eigenen Ersparnissen, oder durch irgend eine andere auch
bey Privatpersonen statt findende Erwerbungsart, an sich gebracht hat.
§. 15. Hat jedoch derjenige Landesherr, welcher ein solcher
erster Erwerber war, über unbewegliche von ihm auf dergleichen Art erworbene
Sachen, weder unter Lebendigen, noch von Todeswegen verfügt: so sind dieselben
für einverleibt in die Domainen des Staats, anzusehn.
§. 16. Domainengüter können nur in so weit an einen
Privatbesitzer gültig gelangen, als der Staat dagegen auf andere Art schadlos
gehalten worden.
§. 17. Insonderheit können sie gegen andere Güter
vertauscht, in Erbpacht ausgethan, oder gegen fortwährende Zinsen den
Unterthanen zum erblichen Besitze vertheilt werden.
§. 18. Uebrigens gilt, wenn ein Domainengut einer Privatperson
gegen Entschädigung überlassen worden, die Verantwortung, daß die
Schadloshaltung verhältnißmäßig gewesen sey.
§. 19. Wer aber wissentlich den Besitz eines Domainenguts
ohne dergleichen Schadloshaltung an sich gebracht hat, der ist als ein
unredlicher Besitzer anzusehen. (Th. L.Tit. VII. §. 10. sqq. §. 40. 41.42.)
§. 20. Lehne, welche dem Oberhaupte des Staats von seinen
Vasallen heimfallen, ingleichen Erbzinsgüter, kann derselbe zu allen Zeiten
wieder verleihen.
§. 21. Die Land- und Heerstraßen, die von Natur schiffbaren
Ströhme, das Ufer des Meeres und die Hafen, sind ein gemeines Eigenthum des
Staats. (Tit. XV. Abschn. I. II.)
§. 22. Eben dahin wird auch das ausschließende Recht,
gewisse Arten der herrenlosen Sachen in Besitz zu nehmen, gerechnet. (Tit.
XVI.)
§. 23. Ein Gleiches gilt, nach gemeinen Rechten, von der
Befugniß, verwirkte Güter einzuziehn, große Geldstrafen aufzulegen, und
Abzugsgelder zu fordern. (Tit. XVII.)
Niedere Regalien.
§. 24. Die Nutzungsrechte vorstehender Arten des
Staatseigentums (§. 21. 22. 23.), werden niedere Regalien genannt.
§. 25. Dies gemeine Staatseigentum selbst ist den Domainen
völlig gleich zu achten.
§. 26. Die einzelnen Nutzungsrechte oder niedern Regalien
aber, können von Privatpersonen und Communen erworben und besessen werden.
§. 27. Ist ein dergleichen niederes Regale, zur Zeit der
Verleihung, von dem Staate schon wirklich benutzt worden: so finden dabey die
Vorschriften §. 16-19., wie bey Domainen, Anwendung.
§. 28. Wem das Oberhaupt des Staats dergleichen
Nutzungsrecht verliehen hat, der kann, zur Vertheidigung desselben, auf den
Beystand des fiskalischen Amts gegründeten Anspruch machen.
§. 29. Es darf aber der Privatbesitzer die Benutzung der vom
Staate ihm übertragenen Rechte nicht weiter ausdehnen, als der Staat selbst
dergleichen Regalien zur Zeit der Uebertragung genutzt hat.
§. 30. Sind Art und Schranken der Benutzung bey der
Verleihung selbst ausdrücklich bestimmt worden: so kann der Privatbesitzer sein
Recht, unter keinerley Vorwande, auf andere Art, oder in einem weitern Umfange
ausüben.
§. 31. Ueberhaupt versteht sich dergleichen Verleihung
allemal unter der Einschränkung auf den bestimmten Ort, oder auf die
vorausgesetzten Fälle oder Begebenheiten.
§. 32. Innerhalb dieser bestimmten Gränzen aber gilt die
Vermuthung, daß das Regale dem Privatbesitzer ausschließend zukomme, und der
Staat sich der Mitausübung begeben habe.
§. 33. Sind die Gränzen
des Rechts in der Verleihungsurkunde nicht deutlich bestimmt: so findet wegen
deren Auslegung alles statt, was von Auslegung der Privilegien verordnet ist.
(Einleitung §. 54-58.)
§. 34. Wenn der Staat einem Privatbesitzer ein Gut mit
allen Regalien (!), oder mit Regalien überhaupt, ohne weitere
Bestimmung verliehen hat: so werden darunter nur diejenigen niedern Regalien
verstanden, welche andern Gütern derselben Art, in derselben Provinz, oder in
eben dem Distrikte, gewöhnlich beygelegt sind.
Von der Verjährung bey Regalien und Domainen.
§. 35. Von der Verjährung der Regalien gilt alles, was von
der Verjährung gegen den Fiskus überhaupt verordnet ist. (Th.
I. Tit. IX. §. 629.
sqq.)
§. 36. Das Eigenthum der Domainen hingegen kann dem Staate
auch durch eine solche Verjährung nicht entzogen werden.
§. 37. Vielmehr muß derjenige, der eines solchen Eigenthums
sich anmaaßt, des für sich habenden Besitzes ungeachtet, den Titel oder
Rechtsgrund, auf welchem sein Besitz beruhet, gegen den Fiskus angeben und
nachweisen.
§. 38. Doch soll die Verjährung durch den Besitz vom Jahre
1740 auch bey Domainengütern statt finden. (Th. I.
Tit. IX. §. 641.
sqq.)
§. 39. Auch hat derjenige, welcher sich in einem Vier und
vierzigjährigen ruhigen Besitze eines Domainenguts befindet, die Vermuthung für
sich, daß er es aus einem rechtsgültigen Titel besitze.
§. 40. Er muß also bey diesem Besitze so lange geschützt
werden, als nicht ausgemittelt worden, daß bey der ersten Veräußerung entweder
gar kein rechtsgültiger Titel zum Grunde gelegen habe, oder daß dabey die
Vorschrift des §. 16. nicht beobachtet worden sey.
§. 41. Wer nach Verlauf von Zwanzig Jahren, vom Tage der
erfolgten Abtrennung von den Domainen an gerechnet, ein solches Gut redlicher
Weise an sich gebracht hat, dem kommen, wenn auch Fiskus(!) zur Rückforderung
an sich berechtigt ist, die Vorschriften des Fünfzehnten Titels im Ersten
Theile §. 24. sqq. zu statten.
§. 42. Wird nicht über das Eigenthum eines Domainenguts,
sondern nur über einzelne Pertinenzstücke desselben, oder über Dienstbarkeits-
und andere Rechte, deren das Domainenamt gegen einen Dritten, oder dieser gegen
das Amt, sich anmaaßt, gestritten: so finden auch bey Domainen die allgemeinen
Grundsätze von der Verjährung gegen den Fiskus Anwendung. (Th.
I. Tit. IX. §. 629.
sqq.)
§. 43. Eben das gilt bey den zwischen einem Domainen- und
einem andern Privatgute entstehenden Gränzstreitigkeiten.
Fiskalische Rechte.
§. 44. Die Art der Erhebung und Verwaltung der verschiedenen
Staatseinkünfte hängt von dem Oberhaupte des Staats ab.
1) Vorrechte der Staatscassen in dem Vermögen der
Cassenbedienten, Domainenbeamten und Pächter.
§. 45. Der Staat hat, zu seiner Sicherheit, in dem Vermögen
seiner Cassenbedienten, Domainenbeamten und Pächter, ein in der Concursordnung
näher bestimmtes gesetzliches Vorzugsrecht.
§. 46. Unter Cassenbedienten sind hier Rendanten,
Controlleur, Cassirer, Cassenschreiber, und Diener oder Boten zu verstehen.
§. 47. Das fiskalische Vorrecht erstreckt sich auf das
gesammte Vermögen des Schuldners, welches sich zu der Zeit, wo er, wegen der
ihm zur Last fallenden Vertretung, in rechtlichen Anspruch genommen wird, in
seinem Eigenthume noch befindet.
§. 48. Auf einen dritten redlichen Besitzer einer zu dem
Vermögen des Cassenbedienten gehörig gewesenen Sache, geht die Belastung mit
diesem Vorrechte, mit der Sache zugleich, nur alsdann über, wenn es eine
unbewegliche Sache, und wenn die Eigenschaft des vorigen Besitzers, als eines
Cassenbedienten, Domainenbeamten, oder Pächters, im Hypothekenbuche
ausdrücklich vermerkt ist.
§. 49. Dagegen haftet ein solcher Cassenschuldner mit seinem
gesammten in dem §. 47. bemerkten Zeitpunkte vorhandenen Vermögen, für alles,
was er aus seiner Amtsführung, oder aus seinem Pachtcontrakte, dem Fiskus zu
leisten oder zu ersetzen hat.
§ 50. Nur diejenigen Privatgläubiger gehen in dem Vermögen
des Schuldners dem Fiskus vor, welche ihr Eigenthum zurückfordern; oder die
durch gültige Verpfändung beweglicher, oder durch dergleichen Eintragung auf
unbewegliche Vermögensstücke, ein dingliches Recht erlangt haben.
§. 51. Die Gültigkeit einer Verpfändung, welche vor
angelegtem allgemeinen oder besondern Beschläge auf das ganze Vermögen des
Schuldners, oder auf gewisse Stücke desselben, von ihm vorgenommen worden, ist
nach eben den Grundsätzen zu beurtheilen, welche die Concursordnung für den
Fall vorschreibt, wenn ein Gemeinschuldner, vor oder nach eröffnetem Concurse,
Verfügungen über sein Vermögen getroffen hat.
§. 52. Nur solche gerichtliche Eintragungen sind zum
Nachtheile des Cassenvorrechts gültig, welche geschehen sind, ehe noch der
Cassen-oder Domainenbeamte das Amt, oder der Pächter die Pachtung übernommen
hat.
§. 53. Ferner diejenigen, die auf eine unbewegliche Sache
vermerkt worden, ehe noch dieselbe an den Beamten oder Pächter gelangt ist.
§. 54. Endlich diejenigen, welche der Beamte oder Pächter,
bey Uebernehmung eines während seiner Amtsführung oder Pacht erworbenen
Grundstücks, mit seinem Besitztitel zugleich, in das Hypothekenbuch hat
eintragen lassen.
§. 55. Doch gilt Letzteres (§. 54.) nur von rückständigen
Kaufgeldern, oder andern aus dem Erwerbungsvertrage entspringenden
Verbindlichkeiten; ingleichen von Vermächtnissen, oder andern Abgaben,
Bedingungen und Leistungen, mit welchen ein dem Beamten oder Pächter durch
Erbgangsrecht zugefallenes Gut auf denselben übergegangen ist.
§. 56. Was vorstehend §. 52. 55. von Grundstücken selbst
verordnet ist, gilt auch von deren Zubehörungen und Inventarienstücken.
§. 57. Wenn die Krieges- und Domainencammer, oder andere dem
Beamten oder Pächter in der Provinz vorgesetzte höchste Behörde, in die
Eintragung einer Schuld ausdrücklich gewilligt hat: so muß die Casse einem
solchen Gläubiger mit ihrem Vorrechte in Ansehung dieses Grundstücks nachstehn.
§. 58. Wenn für einen Beamten oder Pächter eine gewisse
bestimmte Caution festgesetzt, und dieselbe auf seine Grundstücke eingetragen
worden: so kann die Casse von ihrem Vorrechte, in Ansehung dieses Grundstücks,
nur nach Höhe der bestimmten Stimme Gebrauch machen; und steht mit dem
Ueberschusse ihrer Forderung sämmtlichen eingetragenen Gläubigern nach.
§. 59. Wie die Mißbräuche des Cassenvorrechts zu bestrafen,
und die dadurch veranlagten Hintergehungen anderer Gläubiger zu ahnden, ist im
Zwanzigsten Titel verordnet. (Abschn. VIII.)
§. 60. In dem Vermögen desjenigen, welcher ein Finanz- oder
Cassengeschäft bloß als einen besondern und außerordentlichen Auftrag zu
besorgen hat, gebührt dem Staate, bey entstehender Unzulänglichkeit, nur das in
der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht der Vierten Classe.
§. 61. Das Privilegium der Staatscassen kann nur auf solche
Kreiscassen, in welche die Landesherrlichen Steuern entrichtet werden müssen,
nicht aber auf Commun- und andere öffentliche Cassen im Staate ausgedehnt
werden, wenn gleich ein Theil der Einkünfte dieser letztern in die Staatscasse
fließt.
§. 62. Die Cassenbedienten bey den Prinzlichen Cammern
werden, auch in Ansehung des Cassenvorrechts, den Landesherrlichen
Cassenbedienten gleich geachtet.
§. 63. Eben das gilt von den Verwaltern und Pachtern solcher
Prinzlichen Güter, welche nach §. 12. zu den Domainen des Staats gehören.
§. 64. Hingegen sind Beamte und Pächter auf solchen
Prinzlichen Gütern, welche den Domainen des Staats noch nicht einverleibt
worden, diesem Cassenvorrechte nicht unterworfen.
2) in dem Vermögen andrer Cassenschuldner.
§. 65. In Ansehung der fixirten beständigen Abgaben gebührt
den Staatscassen das Vorzugsrecht vor allen andern Gläubigern, auf einen
Rückstand der beyden letzten Jahre, nach näherer Vorschrift der Concursordnung.
§. 66. Alle andere Forderungen des Fiskus, sie mögen
entspringen woher sie wollen, Geldstrafen allein ausgenommen, genießen das in
eben diesem Gesetze bestimmte Vorrecht der Vierten Classe.
§. 67. In Ansehung der erkannten Geldstrafen steht der
Fiskus allen übrigen Glaubigem des Schuldners nach.
§. 68. Kann jedoch nachgewiesen werden, daß eine Schuld bloß
zur Vereitelung der Strafe gemacht worden, und dieses dem Gläubiger bekannt
gewesen sey: so muß derselbe dem Fiskus weichen.
§. 69. Confiscirte Sachen nimmt der Staat als sein Eigenthum
an sich.
§. 70. Doch geht auch eine solche Sache mit den zur Zeit der
Confiscation darauf haftenden Lasten an den Fiskus über.
§. 71. Wo nach besondern Gesetzen der Werth an die Stelle
der sonst zu confiscirenden Sache tritt, hat der Fiskus diesen Werth in der
Vierten Classe zu fordern.
§. 72. Die Bank, und andre dem Staate gehörende
Handlungsanstalten, genießen die fiskalischen Rechte nur so weit, als ihnen
dieselben durch ein besondres Privilegium ausdrücklich beygelegt worden.
§. 73. Eine minder privilegirte Casse erhält dadurch, daß
ihre Einkünfte zu einer mehr privilegirten bestimmt und angewiesen worden, kein
größeres Recht.
§. 74. Wie weit eine Privatperson, der eine fiskalische
Forderung cedirt worden, in die Rechte des Fiskus trete, und wie weit der
Fiskus, der eine Privatforderung übernimmt, dabey von seinen Vorrechten
Gebrauch machen könne, ist nach den allgemeinen Vorschriften von Cessionen zu
beurtheilen. (Th. I. Tit, XI. §. 492-406.)
§. 75. In wie fern besonders die fiskalische Vorrechte bey
der Verjährung, in Ansehung der Sachen und Rechte, welche der Fiskus einer
Privatperson überlassen, oder von derselben überkommen hat, statt finden, ist
am gehörigen Orte bestimmt. (Th. I. Tit. IX. §. 635-640.)
3) Bey
der Administration der Domainen und Regalien.
§. 76. Bey dem Gebrauche, der Benutzung und Verwaltung der
Domainen und Regalien, kommen dem Staate der Regel nach, nur eben die Rechte
zu, wie einem jeden Privateigenthümer.
4) In
besondern Angelegenheiten.
§. 77. Besondre Vorrechte des Staats bey gewissen
Angelegenheiten und Geschäften müssen durch ausdrückliche Gesetze bestimmt
seyn.
5) Bey
Prozessen.
§. 78. Ueber die Verbindlichkeit zur Entrichtung allgemeiner
Anlagen, denen sämmtliche Einwohner des Staats, oder alle Mitglieder einer
gewissen Classe derselben, nach der bestehenden Landesverfassung unterworfen
sind, (§. 2. 3.) findet kein Prozeß statt.
§. 79. Behauptet aber jemand aus besondern Gründen die
Befreyung von einer solchen Abgabe, (§. 4-8.) oder behauptet er in der
Bestimmung seines Antheils über die Gebühr belastet zu seyn: (§. 9.) so soll er
darüber rechtlich gehört werden.
§. 80. Doch muß der, welcher sich über Prägravation
beschwert, in allen Fällen; so wie der, welcher eine Exemtion behauptet, wenn
er nicht wenigstens seit Zwey Jahren im Besitze der Freyheit sich befindet, die
von ihm geforderten Abgaben, während des Prozesses, mit Vorbehalt seines
Rechts, entrichten.
§. 81. Alle Streitigkeiten zwischen dem Fiskus und in(!)
Privatpersonen, über Befugnisse und Obliegenheiten, welche nicht auf solchen
allgemeinen Anlagen beruhen, sollen im ordentlichen Wege Rechtens, nach den
Gesetzen des Staats, erörtert und entschieden werden.
§. 82. Insonderheit ist jeder, mit welchem der Fiskus
Verträge oder andre einzelne Geschäfte sich eingelassen hat, bey entstehendem
Streite, rechtliches Gehör und Erkenntniß darüber zu verlangen befugt.
§. 83. Auch die vermöge allgemeiner Anlagen zu fordern
habenden Rückstände, muß der Fiskus, durch seine Beamten, im Wege Rechtens
einfordern, sobald es dabey auf ein Vorzugsrecht gegen einen Dritten ankommt.
§. 84. Doch genießt der Fiskus in allen seinen Prozessen
einen privilegirten Gerichtsstand, und die Befreyung von den sonst gewöhnlichen
Gerichtsgebühren.
§. 85. Wenn Diener des Staats, oder fiskalische Beamte,
andre Privatpersonen mit ungegründeten fiskalischen Prozessen vorsätzlich
beunruhigen: so müssen sie denselben die dadurch verursachten Kosten aus
eigenen Mitteln ersetzen.
Fünfzehnter Titel
Von den Rechten und Regalien des Staats in Ansehung der
Landstraßen, Ströhme, Hafen, und Meeresufer
Erster Abschnitt
Von Land- und Heerstraßen
Begriff.
§. 1. Wege, die von einer Gränze des Landes zu einer andern,
oder von einer Stadt, von einem Post- oder Zollamte, entweder zu einem andern,
oder zu Meeren und Hauptströhmen führen, werden Land- oder Heerstraßen genannt.
Rechte des Staats.
§. 2. Ohne besondre Erlaubniß des Staats darf sich niemand
einer Verfügung über solche Straßen anmaßen.
§. 3. Auch alsdann nicht, wenn die Verfügung an sich dem
Gebrauche der Straße für die Reisenden unschädlich wäre.
§. 4. Der Staat higegen(! = hingegen) ist berechtigt, die
Land- und Heerstraßen, so wie er es zum gemeinen Besten dienlich findet, zu
verändern und zu verlegen.
§. 5. Doch muß er alsdann die Eigenthümer der Grundstücke,
über welche die verlegte Straße geht, entschädigen.
§. 6. Wird durch Verlegung einer Straße, die nicht aus
unvermeidlicher Nothwendigkeit vorgenommen worden, einem Privatbesitzer ein
nutzbares Recht, welches ihm ausdrücklich in Beziehung auf diese Straße vom
Staate verliehen war, ganz entzogen, oder beträchtlich geschmälert: so findet
wegen seiner Entschädigung eben das statt, was wegen Aufhebung der Privilegien
verordnet ist. (Einleit. §§. 70. 71.)
§. 7. Der freye Gebrauch der Land- und Heerstraßen ist einem
jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet.
§. 8. Alle andere Nutzungen aber, welche von solchen Straßen
gezogen werden können, gehören nach gemeinen Rechten zu den niedern Regalien.
§. 9. Die Nutzungen der an den Landstraßen gepflanzten Bäume
kommen in der Regel demjenigen zu gute, welcher die Bäume gepflanzt hat.
§. 10. Muß ein Andrer, als der, welcher die Pflanzung zuerst
angelegt hat, dieselbe unterhalten: so kommt diesem die Nutzung der Bäume zu.
Pflicht des Staats.
§. 11. Gegen den Genuß der dem Staate von den Landstraßen
zukommenden Nutzungen, ist er verpflichtet, für die Unterhaltung der Sicherheit
und Bequemlichkeit derselben zu sorgen.
§. 12. Für den aus Unterlassung dieser Pflicht entstandenen
Schaden sind diejenigen, welche bey der vom Staate ihnen aufgetragenen Sorge
dafür, sich eines groben oder mäßigen Versehens schuldig gemacht haben,
verantwortlich.
Unterhaltung der Wege.
§. 13. Die Einwohner der an der Straße liegenden Gegend
sind, nach gemeinen Rechten, zur Arbeit mit Hand- und Spanndiensten bey
Unterhaltung und Besserung der Wege, nach der Anordnung des Staats verbunden.
§. 14. Diese Verbindlichkeit erstreckt sich auf alle
Einwohner, durch deren Distrikt, Kreis, oder Kirchspiel, dergleichen Landstraße
geht, und die nach den Gesetzen oder Landesverfassungen zur Gemeinarbeit
verpflichtet sind.
§. 15. Wo durch Provinzialgesetze oder besondere
Wegeordnungen, die Verbindlichkeit zu Unterhaltung der Landstraßen näher oder
anders bestimmt ist, hat es dabey, auch in Zukunft, lediglich sein Bewenden.
Anlegung neuer Wege.
§. 16. Auch bey Anlegung neuer Wege kann der Staat von den
nach der Landesverfassung zur Wegearbeit überhaupt verpflichteten Einwohnern,
welche von dem neuen Wege Vortheil haben, Hand- und Spanndienste fordern.
Besonders der Dammstraße.
§. 17. Bey der Anlegung von Chausseen oder Dammstraßen,
statt ordinairer Landstraßen, sind die zur Wegearbeit verpflichteten Einwohner
nur nach dem Maaße zu helfen schuldig, nach welchem sie bey Anlegung einer
gewöhnlichen Landstraße Dienste thun müßten.
§. 18. Den zur Anlegung, Verbreitung, oder geraden Führung
einer solchen Dammstraße erforderlichen Boden, ingleichen die dazu nöthigen,
auf der benachbarten Feldflur besindlichen(! = befindlichen) Materialien, ist
ein jeder dem Staate zu überlassen verbunden.
§. 19. Er muß aber dafür von dem Staate entschädigt werden.
§. 20. Zu dieser Entschädigung ist der Staat denjenigen
Boden, oder dessen Werth, vorzüglich anzuwenden berechtigt, welcher dadurch
gewonnen wird, daß die neue Dammstraße nicht die ganze Breite des bisher
gewöhnlichen Weges erfordert, oder daß durch die geradere Führung der
Dammstraße ein Theil des bisherigen Weges liegen bleibt.
§. 21. Doch kann über solche Ersparnisse des Bodens, die auf
einer Feldmark sich befinden, nur zu Entschädigung für Grundbesitzer in eben
der Feldmark verfügt werden.
§. 22. Auch bleiben demjenigen, welcher nachweisen kann, daß
der ersparte Boden zu seinem Eigenthum, gehöre, und bloß mißbrauchsweise zu dem
ehemaligen Wege gezogen worden sey, seine Rechte darauf vorbehalten.
§. 23. Von der gewöhnlichen Unterhaltung solcher Dammstraßen
gilt alles, was von der Unterhaltung der Wege verordnet ist. (§. 13. 14.15.)
§. 24. Zu Hauptreparaturen hingegen, die ohne Verschulden
der zur Wegearbeit verpflichteten Einwohner entstanden sind, sind dieselben nur
in eben dem Maaße, wie bey der Anlegung, zu helfen verbunden. (§. 17.)
Vorschriften wegen des Ausweichens auf den Straßen.
§. 25. Den nach §. 7. einem jeden freystehenden Gebrauch der
Landstraßen muß ein jeder so ausüben, daß der Andere an dem gleichmäßigen
Gebrauche des Weges nicht gehindert, noch, zu Zänkereyen oder gar
Thätlichkeiten über das Ausweichen Anlaß gegeben werde.
§. 26. Alle Fuhr- und Landleute, auch andere Reisende ohne
Unterschied des Standes, müssen den ordinairen und Extraposten, wenn diese
hinter ihnen kommen, oder ihnen begegnen, aus dem Wege fahren, und sie ohne
Schwierigkeit vorbeylassen, sobald der Postillion ins Hörn stößt.
§. 27. Außer diesen Fällen müssen ledige oder bloß mit
Personen besetzte Wagen und Kutschen, allen mit Sachen und Effekten beladenen
Wagen, wohin auch Kutschen, die Koffer oder sonstige Bagage führen, zu rechnen
sind, ausweichen.
§. 28. Begegnen sich zwey beladene oder zwey ledige Wagen:
so müssen beyde auf der rechten Seite zur Hälfte ausweichen.
§. 29. Kann einer rechter Hand nicht ausweichen: so muß
dieses von dem andern ganz geschehen.
§. 30. Fehlt es auch dazu am Raume: so muß in dem Falle des
§. 27. derjenige, welcher zum Ausweichen verbunden ist, so wie in dem Falle des
§. 28. der, welcher den andern zuerst gewahr wird, an einem schicklichen Orte
so lange still halten, bis der andere Wagen vorüber ist.
§. 31. Kommt ein Wagen von einem Berge oder von einer
steilen Anhöhe herunter, und ein anderer Wagen fährt hinauf: so ist der
letztere jederzeit zum Ausweichen verbunden; er mag schwerer beladen seyn, oder
nicht.
§. 32. Bey hohlen Wegen, oder andern engen Pässen, muß jeder
zuvor stille halten, und nach gegebenem deutlichen Zeichen mit dem Horne, mit
der Peitsche, oder auf andere Art, so lange warten, bis er versichert ist, daß
kein anderer Wagen sich schon darin befindet.
§. 33. Ist der hohle Weg oder enge Paß von solcher Länge,
daß die gegebenen Zeichen von einem Ende bis zum andern nicht deutlich gehört
oder wahrgenommen werden können: so muß an solchen Plätzen, wo Raum zum
Ausweichen ist, aufs neue gewartet, und das Zeichen wiederholt werden.
§. 34. Außer den Posten, muß jeder vorfahrende Wagen dem
hinten folgenden und schneller fahrenden, wenn dieser nicht anders vorbeykommen
kann, und der Raum es erlaubt, auf ein gegebenes Zeichen, so weit ausweichen,
als es nöthig ist, damit letzterer seinen Weg fortsetzen könne.
§. 35. Wer durch Verabsäumung dieser Vorschriften dem Andern
Schaden zufügt, muß denselben nach Beschaffenheit der ihm zur Last fallenden
Schuld ersetzen. (Th. I. Tit. VI. §. 11. sqq.)
§. 36. Hat der Beschädigte durch sein eigenes Versehen dazu
Anlaß gegeben: so treten die Vorschriften des Tit. VI. §. 18. sqq. ein.
§. 37. Fuhrleute haften für ihre Knechte nach Vorschrift des
Zweyten Theils Tit. VIII. Abschn. XV.; andere Dienstherrschaften aber nur nach
Vorschrift des Ersten Theils Tit. VI. §. 61. sqq.
Zweyter Abschnitt
Von Ströhmen, Hafen, und Meeresufern
Begriff.
§. 38. Die Nutzungen solcher Ströhme, die von Natur
schiffbar sind, gehören zu den Regalien des Staats.
§. 39. Privatflüsse können, zum Nachtheile der bisherigen
Eigenthümer, in schiffbare Ströhme nicht verwandelt werden.
§. 40. Findet der Staat die Schiffbarmachung eines
Privatflusses dem gemeinen Besten zuträglich: so muß er den bisherigen
Eigenthümern für die dadurch verlornen Nutzungen, und vermehrten Lasten,
vollständige Schadloshaltung anweisen.
§. 41. Uebrigens gehen durch die Schiffbarmachung eines
Privatflusses die Eigentumsrechte, so weit dieselben mit der nunmehrigen
Bestimmung des Flusses bestehen können, noch nicht verloren.
§. 42. Der Staat kann zwar den Eigenthümer eines auch nicht
schiffbaren Privatflusses nöthigen, den Gebrauch desselben zum Holzflößen zu
gestatten;
§. 43. Er muß aber auch für die vollständige Entschädigung
eines solchen Eigenthümers sorgen.
Flußwasser.
§. 44. Der Gebrauch des Flußwassers aus öffentlichen
Ströhmen, durch Schöpfen, Baden, und Tränken, ist einem Jeden unverwehrt.
§. 45. Doch muß jeder, welcher Vieh aus einem Flusse tränken
will, der dazu bereits vorhandenen Tränk- und Schwemmstätte sich bedienen.
Wasserleitungen.
§. 46. Wasserleitungen dürfen aus öffentlichen Ströhmen ohne
besondre Erlaubniß des Staats nicht geführt, noch Wasch- oder Badehäuser daran,
ohne dergleichen Erlaubniß, angelegt werden.
Schifffahrt.
§. 47. Die Schifffahrt auf solchen Flüssen ist, unter den
vom Staate festgesetzten Bedingungen, einem Jeden erlaubt.
§. 48. An Provinzen oder Orten, wo Schiffergilden und
Innungen eingeführt sind, müssen andere Einwohner derselben Provinz, oder
desselben Orts, sich der Frachtschifffahrt enthalten.
Flößungsrecht.
§. 49. Unverbundnes Holz auf schiffbaren Ströhmen zu flößen,
ist nach gemeinen Rechten ein Vorbehalt des Staats; und darf, ohne Vorwissen
desselben, von Privatpersonen nicht unternommen werden.
Fähren und Prahmen.
§. 50. Fähren und Prahmen zum eignen Gebrauche kann jeder
Anwohner eines solchen Flusses halten.
§. 51. Das Recht aber, Fähren und Prahmen zur Uebersetzung
für Geld zu halten, gehört zu den Regalien des Staats.
Brücken.
§. 52. Neue Brücken über öffentliche Ströhme darf niemand,
auch auf eignen Grund und Boden, ohne besondre Erlaubniß des Staats anlegen.
§. 53. Die Unterhaltung der Brücken über öffentliche Ströhme
liegt in der Regel demjenigen ob, welcher daselbst die Nutzung des Strohms hat.
§. 54. Brücken über Privatflüsse, welche bloß, oder doch
hauptsächlich, zum Uebergange der Reisenden bestimmt sind, müssen von
denjenigen, welchen die Besserung des Weges obliegt, unterhalten werden,
Ufer.
§. 55. Die Ufer der öffentlichen Flüsse gehören der Regel
nach den Eigenthümern der unmittelbar daran stoßenden Grundstücke.
§. 56. Auch die Vergrößerung des Ufers durch angesetztes
Land wächst den Eigenthümern des Ufers zu. (Th. I.
Tit. IX. §. 225-241.)
§. 57. Die Eigenthümer der Ufer öffentlicher Flüsse können
den Schifffahrenden nicht wehren, sich des Leinpfads an selbigen zu bedienen;
daran zu landen; die Schiffe zu befestigen; und die Ladung, im Nothfalle, eine
Zeitlang an das Ufer auszusetzen.
§. 58. Wird aber dadurch das Ufer selbst, oder dessen
Befestigung beschädigt; oder wird dem Eigenthümer die Nutzung des Ufers
entzogen, oder geschmälert: so kann er von den Urhebern des Schadens Ersatz
fordern.
§. 59. In wie fern er, zur Deckung dieses Schadens, gegen
fremde oder unbekannte Schifffahrer zur Pfändung schreiten könne, ist nach den
allgemeinen Grundsätzen von Pfändungen zu beurtheilen. (Th. I.
Tit. XIV. Abschn.
IV.)
§. 60. Was vorstehend von dem den Schifffahrenden zu
gestattenden Gebrauch des Ufers, und der dem Eigenthümer dafür zukommenden
Schadloshaltung verordnet ist, findet auf Holzflöße ebenfalls Anwendung.
§. 61. Niemand darf an seinem Ufer etwas anlegen, wodurch
der Lauf des Flusses zum Nachtheile der Schifffahrt gehemmet, eingeschränkt,
oder sonst verändert wird.
§. 62. Es soll daher auch niemand an oder in öffentlichen
Flüssen, Wasserbaue führen, ohne sich vorher bey dem Staate gemeldet, und die
Genehmigung desselben erhalten zu haben.
Dämme.
§. 63. Ordinaire Befestigungen der Ufer, ingleichen Dämme,
wodurch nur die zunächst daran stoßende Felder gegen Ueberschwemmungen gedeckt
werden sollen, müssen der Regel nach von den Eigenthümern der Ufer unterhalten
werden.
§. 64. Zur Anlegung und Unterhaltung von Hauptdämmen, die
einer ganzen Gegend zum Schutze gegen die Ueberschwemmungen dienen sollen,
müssen die Eigenthümer sämmtlicher dadurch geschützter Grundstücke beytragen.
§. 65. Die Art und das Maaß des Beytrags ist nach den
vorhandenen Verträgen oder Damm- und Uferordnungen; in deren Ermangelung aber
nach dem Verhältnisse des drohenden Schadens, welcher durch den Damm abgewendet
wird, zu bestimmen.
§. 66. Entsteht die Nothwendigkeit, einen neuen Damm zu
führen, aus einer von dem Staate zu seinem besondern Vortheile in oder an dem
Flusse gemachter Veranstaltung: so muß der Staat für die Kosten der Anlage und
Unterhaltung des Dammes, ohne neue Belastung der Anwohner sorgen.
Inseln.
§. 67. In welchen öffentlichen Flüssen die entstehenden
Inseln dem Staate gehören, oder von den Eigenthümern der Ufer in Besitz
genommen werden können, wird nach Verschiedenheit der bisherigen Observanz, in
den Provinzial-Gesetzbüchern bestimmt. (Th. I.
Tit. IX. §. 242.
sqq.)
Flußbette.
§. 68. Je nachdem die Inseln in einem Flusse dem Staate oder
den Uferbesitzern gehören, fällt auch das vom Flusse verlassene Bette jenem
oder diesen anheim. (Ebend. §. 270.)
§. 69. Auch der Staat ist, so wie ein jeder Privatbesitzer,
schuldig, das ihm zugefallene Flußbette, oder dessen Werth, zur Entschädigung
dererjenigen Unterthanen, welche durch den neuen Canal des Flusses an ihrem
Eigenthume gelitten haben, anzuwenden. (Ebend. §. 271.)
§. 70. Hat der Staat durch veranlaßte Durchstiche dem
Strohme einen andern Lauf angewiesen: so ist er in allen Fällen berechtigt,
über das verlassene Bette Verfügungen zu treffen.
§. 71. Er muß aber auch in diesen Fällen sowohl die Anwohner
des verlassenen Canals, als diejenigen, über deren Grundstücke der neue Canal
geführt ist, so wie bey Landstraßen, vollständig entschädigen.
§. 72. Eine gleiche Entschädigung haben auch die
Fischereyberechtigten zu fordern, wenn der verlassene Canal von ihnen nicht
mehr befischt werden kann, und der neue Canal ihnen nicht eine Fischerey von
gleicher Art gewähret.
Fischerey.
§. 73. Der Fischfang in öffentlichen Ströhmen gehört zu den
Regalien.
§. 74. Wem die Fischereygerechtigkeit, ohne Bestimmung
gewisser Gränzen, vom Staate verliehen worden, der kann dieselbe nur so weit
ausüben, als sein Besitz am Ufer sich erstreckt.
§. 75. Wem die Fischerey bloß zum häuslichen Gebrauche
verliehen ist, der kann sie weder verpachten, noch mit den gefangenen Fischen
Handel treiben.
§. 76. Ist jedoch der Fischfang zum Hausgebrauche nicht
gewissen bestimmten Personen, sondern einem Grundstücke und dessen Besitzern
bey gelegt: so kann er dem Pächter des Grundstücks, mit diesem zugleich, zu
solchem Gebrauche überlassen werden.
§. 77. Uebrigens finden die allgemeinen Bestimmungen wegen
der einer Person oder Familie beygelegten, oder mit einem Amte verbundenen
Nutzungsrechte, auch auf die solchergestalt verliehene Fischerey-Gerechtigkeit
Anwendung. (Th. I. Tit. XIX. §. 22-28.)
§. 78. Auch sind der Umfang, die Gränzen, und
Einschränkungen einer jeden Fischereygerechtigkeit, gehörigen Orts festgesetzt.
(Th. I. Tit. IX. §. 170-192.)
Pflicht des Staats.
§. 79. Gegen die dem Staate zukommende Nutzung der
schiffbaren Ströhme ist derselbe verpflichtet, für die zur Sicherheit und
Bequemlichkeit der Schifffahrt nöthigen Anstalten zu sorgen. (§. 11.12.)
Hafen und Meeresufer.
§. 80. Die Hafen und Meeresufer, und was auf diese von der
See angespült oder ausgeworfen wird, sind nach gemeinen Rechten ein Eigenthum
des Staats.
§. 81. Jedoch begiebt sich derselbe des sogenannten
Strandrechts, zum Besten der zur See Verunglückten.
§. 82. Jedes Orts Obrigkeit, und die zur Beobachtung des
Strandes angesetzte Beamten, sind schuldig, dafür zu sorgen, daß gestrandete
Sachen gerettet, erhalten, und den Eigenthümern zurückgegeben werden.
§. 83. Auch keine Privatperson darf solcher gestrandeten von
ihr gefundenen Sachen sich anmaßen.
§. 84. Vielmehr sind dabey die von gefundenen Sachen im
Ersten Theile Tit. IX. §. 19. sqq. gegebenen Vorschriften anzuwenden.
§. 85. Die Eigenthümer der gestrandeten Sachen sind
schuldig, außer den aufgelaufenen Kosten, ein billiges in den
Strandungsordnungen jeder Provinz näher bestimmtes Bergelohn zu entrichten.
§. 86. Gestrandete Sachen, zu welchen kein Eigenthümer sich
meldet, gehören dem Staate. (§. 80.)
§. 87. Gegen fremde Nationen, welche das Strandrecht noch
ausüben, behält sich der Staat eben dieses Recht, zur Schadloshaltung seiner
verunglückten Unterthanen, ausdrücklich vor.
Dritter Abschnitt
Von der Zollgerechtigkeit
Begriffe.
§. 88. Das Recht, von denjenigen, welche sich der Hafen,
Ströhme, Wege, Brücken und Fähren bedienen, eine gewisse bestimmte Abgabe zu
fordern, wird die Zollgerechtigkeit genannt.
§. 89. Der eigentliche Zoll wird von Sachen und Waaren;
Brücken-, Fähr- und Wegegeld aber nur von den Personen, dem Viehe, und den
Fuhrwerken, welche die Brücke, die Fähre, oder den Weg passiren, entrichtet.
Grundsätze von Verleihung und Erwerbung der
Zollgerechtigkeit.
§. 90. Zoll, Brücken- und Wegegeld darf niemand erheben, als
dem das Recht dazu vom Staate verliehen, oder aufgetragen worden.
§. 91. Nur allein der Staat kann die Zollabgaben, das
Hafen-, Wege- und Brückengeld bestimmen, und den Tarif darüber vorschreiben.
§. 92. Es macht in der Art des Rechts keinen Unterschied: ob
die Abgabe im Tarif nach Geld, oder auf einen gewissen Theil der zollbaren Waaren
bestimmt ist.
§. 93. Ohne einen vom Staate vorgeschriebenen Tarif kann
weder Zoll, noch Wege- oder Brückengeld gefordert werden.
§. 94. Wer nach §. 51. eine Prahmgerechtigkeit hat, muß die
Bestimmung der für das Uebersetzen zu nehmenden Abgabe vom Staate erwarten.
§. 95. So lange der Staat noch keine Abgabe festgesetzt hat,
hängt die Bestimmung derselben, in jedem einzelnen Falle, von dem Abkommen
zwischen dem Berechtigten, und denen, welche sich des Prahms bedienen wollen, ab.
§. 96. So lange ein Prahmberechtigter noch mit keinem Tarif
vom Staate versehen ist, kann er den Reisenden, auch in derselben Gegend, nicht
wehren, sich andrer Mittel zum Uebersetzen zu bedienen.
§. 97. Ueber Privatbrücken und Wege darf niemanden ein Uebergang,
zum Nachtheile der Zolleinkünfte des Staats, oder derer, welche von diesem
berechtigt sind, gestattet werden.
Veränderungen in den Abgaben.
§. 98. Die von dem Staate einmal bestimmten Zollabgaben,
Wege-, Prahm- und Brückengelder, dürfen von Privatberechtigten eigenmächtig
nicht erhöht werden.
§. 99. Auch eine vom Staate vorgenommene Erhöhung solcher
Abgaben ertheilt den Privatbesitzern noch kein Recht zu einer gleichen
Steigerung des ihnen verliehenen Privatzolls oder Brückengeldes.
§. 100. So weit jedoch dergleichen Erhöhung sich bloß auf
eine Veränderung des Münzfußes gründet, hat der Privatbesitzer auf die
Zugestehung gleichmäßiger Sätze rechtlichen Anspruch.
Zollbefreyungen.
§. 101. Zollbefreyungen können nur durch ausdrückliche
Provinzialgesetze, oder durch besondere Pnvilegia oder Verträge, begründet
werden.
§. 102. Allgemeine Zollbefreyungen, welche der Staat der
Handlung zum Besten festsetzt, ist derselbe auch auf die Befreyung von
Privatzöllen auszudehnen wohl befugt.
§. 103. Doch gilt, wegen der dem Privatberechtigten alsdann
zukommenden Entschädigung, alles das, was wegen Aufhebung und Einschränkung der
Privilegien überhaupt verordnet ist. (Einleit. §§. 70.71.)
§. 104. Alles, was zum eignen Gebrauche des Staats, oder des
Landesherrn, und seiner Hofhaltung transportirt wird, genießt in der Regel, wo
nicht Provinzialgesetze und besondere Verfassungen ein Anderes mit sich
bringen, die Befreyung auch von den Privatzöllen.
§. 105. Diese Landesherrliche Zollfreyheit aber kann an
Privatpersonen, bloß zu deren Begünstigung, mit dem Nachtheile anderer
Privatzollberechtigten, nicht abgetreten werden.
§. 106. Eben so gelten einzelne Zollbefreyungen, oder
sogenannte Freypässe, nur in den Zollstätten des Staats; nicht aber zum
Nachtheile der Privatzollberechtigten.
Nebenzölle.
§. 107. Ein Zollberechtigter darf die ihm angewiesene
Zollstätte ohne Genehmigung des Staats nicht verlegen.
§. 108. Zur Bequemlichkeit der Reisenden können, so weit es
ohne Nachtheil eines Dritten geschieht, Nebenzölle angelegt werden.
§. 109. Doch sind Privatberechtigte nicht befugt,
dergleichen Einrichtungen ohne Vorwissen des Staats zu treffen.
Pflichten der Reisenden, den Zoll nicht zu verfahren.
§. 110. Niemand darf, zum Nachtheile des Zolles, die
Reisenden von der Zollstraße ableiten, oder ihnen, bey Bereisung derselben,
Hindernisse in den Weg legen.
§. 111. Niemand, der zollbare Waaren führt, darf, innerhalb
des Zolldistricts, von der ordinairen Zollstraße abweichen, und Nebenwege zur
Vermeidung des Zolles aufsuchen.
§. 112. Wer jedoch auf dem gewöhnlichen zu seiner Wohnung
führenden Wege zwar einen Theil der Zollstraße, nicht aber die Zollstätte
selbst passirt, ist die Zollabgaben zu entrichten nicht schuldig.
§. 113. Auch da, wo zu Unterhaltung der Landstraßen oder
Brücken, nur ein Wege- oder Brückengeld festgesetzt ist, darf, dem Staate oder
dessen Beliehenen zum Nachtheile, kein Nebenweg gesucht werden.
§. 114. Wem also die Anlegung neuer Wege oder Brücken zu
seiner Bequemlichkeit gestattet worden, der darf nicht zulassen, daß dieselben
zum Nachtheile des Staats, oder eines Privatberechtigten, gemißbraucht werden.
§. 115. Jeder Reisende ist schuldig, sich an der Zollstätte,
zur Entrichtung des Zolles, auch unerfordert zu melden, und die bey sich
führenden Waaren getreulich anzuzeigen.
§. 116. Auch derjenige, dem eine Befreyung zu statten kommt,
ist von der Meldung im Zollamte nicht ausgenommen; und muß auf Erfordern sein
Angeben bescheinigen.
Pflichten der Zollberechtigten.
§. 117. Jeder Zollberechtigte muß solche Anstalten treffen,
wodurch die Zollstätte jedermann kenntlich gemacht werde; und die von den
Reisenden nicht leicht übersehen werden können.
§. 118. Eben so muß der Zollberechtigte dafür sorgen, daß
diejenigen, welche sich zur Entrichtung des Zolles, Wege-, Fähr- oder
Brückengeldes melden, nicht ungebührlich aufgehalten, sondern prompt
abgefertigt werden.
§. 119. Die Zollbedienten, welche ihre Pflicht darunter
nicht beobachten, sollen nicht nur nach Inhalt der Zollgesetze bestraft,
sondern auch zum Ersatze alles aus der Versäumniß durch ihre Schuld
entstandenen Schadens angehalten werden.
Zolldefraudationen.
§. 120. Niemand soll, zum Nachtheile des Zollberechtigten,
den Zoll verfahren, oder zollbare Waaren verschweigen.
§. 121. Wer innerhalb des Zolldistricts, auf Nebenwegen, die
Zollstätte vorbeygegangen ist, wird als ein Zolldefraudant angesehn.
§. 122. Damit sich niemand mit der Unwissenheit
entschuldigen könne: so sollen auf den Straßen, welche zu einer Zollstätte
führen, die gewöhnlichen Zollstangen errichtet, und beständig unterhalten
werden.
§. 123. Was von Verfahrung des Zolles verordnet ist, gilt
auch in Ansehung des vom Staate festgesetzten Wege-, Fähr- und Brückengeldes.
§. 124. Wie die zum Nachtheile des Staats vorsätzlich
begangenen Zolldefraudationen, durch Confiscation und sonst, zu bestrafen, ist
in den Criminalgesetzen verordnet.
§. 125. Zolldefraudationen zum Nachtheile eines
Privatberechtigten, sollen nach Vorschrift seines Privilegii geahndet werden.
§. 126. Ist in diesem keine Strafe bestimmt, und auch in
Provinzialgesetzen keine Vorschrift enthalten: so muß der Zolldefraudant
entweder den zehnfachen Betrag der zu entrichten gewesenen Abgabe als Zoll
erlegen, oder, nach eigener Wahl, die Sache, an welcher die Defraudation
begangen worden, dem Zollberechtigten überlassen.
§. 127. Ist die im Privilegio bestimmte Strafe härter, als
diejenige, welche die allgemeinen oder Provinzialgesetze vorschreiben: so muß
das Privilegium, gleich einem Gesetze, gehörig publicirt werden.
§. 128. Die Strafgefälle bey Zolldefraudationen kommen
allemal demjenigen zu, dessen Rechte durch die Defraudation beeinträchtigt
worden.
§. 129. Wer, um dem Wege- und Brückengeide sich zu
entziehen, unerlaubte Nebenwege sucht, soll, wenn nicht anderweitige
rechtsgültige Strafbestimmungen vorhanden sind, die schuldige Abgabe vierfach,
nebst dem etwanigen Pfandgelde entrichten.
Wem das Erkenntniß über Zolldefraudationen, ingleichen
§. 130. Jeder Privatberechtigte ist befugt, die
Zolldefraudanten innerhalb seines Zolldistricts anzuhalten, zu pfänden, und zur
gesetzmäßigen Strafe zu ziehen.
§. 131. Alle Obrigkeiten und Gerichte innerhalb solchen
Districts sind schuldig, dem Berechtigten die Pfändung der Zolldefraudanten in
ihrem Gebiete zu verstatten, und ihm gegen etwanige Widersetzungen hülfreiche
Hand zu leisten.
§. 132. Sobald der angebliche Uebertreter die Defraudation
läugnet, oder sonst auf rechtliches Gehör sich beruft, muß die Sache von den
ordentlichen Gerichten des Orts, wo der Zoll sich befindet, gesetzmäßig
untersucht, und darüber erkannt werden.
§. 133. Auch außerhalb des Zolldistricts kann der
Zollberechtigte die Uebertreter verfolgen, und ihre Verkümmerung bey den
Gerichten des Orts, wo sie betroffen werden, nachsuchen.
§. 134. Die Untersuchung und Entscheidung eines über die
Contravention entstandenen Streits gehört alsdann vor die Gerichte des Orts, wo
der Uebertreter betroffen worden.
§. 135. Doch kann der Zollberechtigte verlangen, daß die
Sache vor seine Gerichte gezogen, und bey ermangelnder sonstigen Sicherheit,
der Uebertreter zur Verwahrung im Arreste, an dieselben ausgeliefert werde.
über streitige Zollrechte gebühre.
§. 136. Wird demjenigen, der das Recht eines Zolles,
Brücken- oder Wegegeldes behauptet, das Recht selbst bestritten: so gehört die
Untersuchung und Entscheidung vor das Landes-Justizcollegium der Provinz.
§. 137. Behauptet der, welcher einer Uebertretung halber in
Anspruch genommen wird, eine Zollbefreyung auf den Grund eines besondern, oder
auch eines allgemeinen Privilegii seiner Standesgenossen: so muß die Sache
gleichergestalt bey dem Landes-Justizcollegio der Provinz erörtert und
entschieden werden.
Obliegenheiten der Zollberechtigten.
§. 138. Jeder Privatinhaber einer Zoll-, Brücken-, Fähr-
oder Wegegelds-Gerechtigkeit, ist schuldig, die Straßen, Wege, Fähren, und
Brücken, innerhalb des ihm angewiesenen Districts, auf eigene Kosten in
sicherem und tauglichem Stande zu erhalten.
§. 139. Für allen Schaden, der den Reisenden aus der
Unterlassung dieser Pflicht entsteht, muß der Zoll- oder Brückengeldberechtigte
haften.
§. 140. Doch kann ihm ein Schade, welcher durch bloßen
Zufall, oder durch eigene Schuld und Unvorsichtigkeit der Reisenden entstanden
ist, nicht zugerechnet werden.
Vierter Abschnitt
Vom Postregal
I. Begriff des Postregals.
§. 141. Der Staat hat die ausschließende Befugniß, Posten
und Marktschiffe anzulegen, und den Lauf derselben zu ordnen.
§. 142. Damit der Staat diese Anstalten zum gemeinen Besten
unterhalten könne, und wegen deren Benutzung gesichert sey, darf niemand etwas
unternehmen, welches unmittelbar zur Schmälerung der Posteinkünfte gereicht.
Ausschließende Rechte der Posten, wegen Beförderung von
Briefen u. Sachen;
§. 143. Alle versiegelte oder verschlossene Briefe, wohin
auch die zugenäheten gehören, ingleichen alle Pakete von Vierzig Pfund und
darunter, sollen nur durch die Post verschickt werden.
§. 144. Niemand darf Briefe von Andern einsammeln, und zum
Nachtheile der Posteinkünfte unter seinem Couvert versenden.
§. 145. Nur diejenigen werden davon ausgenommen, welche
ihrer eignen Geschäfte wegen, oder aus andern besondern und erheblichen
Ursachen, dergleichen fremde Briefe den ihrigen beyzuschließen genöthiget sind.
§. 146. Eben so wenig dürfen mehrere an verschiedene
Empfänger, oder von verschiedenen Versendern an Einen Empfänger, bestimmten
Pakete von vorgedachtem postmäßigen Gewichte, unter Einen Umschlag
zusammengepackt, und der Post solchergestalt entzogen werden.
§. 147. Es steht zwar einem jeden frey, seine Briefe oder
postmäßigen Pakete durch eigne Boten oder Fuhren abzuschicken;
§. 148. Niemand aber darf, bey solcher Gelegenheit, fremde
Briefe oder postmäßige Pakete zur Bestellung annehmen.
§. 149. Eben so wenig ist dies Reisenden erlaubt.
§. 150. Will jemand besondrer Umstände oder Ursachen wegen
sich eines Reisenden, eines Fuhrmanns oder Schiffers, zur Fortschaffung seiner
Briefe oder postmäßigen Pakete bedienen: so muß er es dem Postamte anzeigen,
und sich mit selbigem über das Porto abfinden.
§. 151. Der Reisende, der Fuhrmann, oder Schiffer, darf die
Briefe oder postmäßigen Pakete nicht eher annehmen, bis er sich hinreichend
überzeugt hat, daß es mit Genehmigung der Post geschehe.
wegen Fortschaffung der Reisenden.
§. 152. Wer sich zu einer Reise von mehr als Einer Meile aus
einer Stadt, wo ein Postamt errichtet ist, eines gedungenen Fuhrmannes bedienen
will, muß es dem Postamte anzeigen, und zu seiner Legitimation den gewöhnlichen
Zettel lösen.
§. 153. An Orten, wo die Post nur Boten hält, bedarf es zu
gedungenen Fuhren keines solchen Zettels.
§. 154. Auch ist dergleichen nicht nöthig, wenn jemand mit
eignen Pferden einen Andern, oder dessen Sachen, umsonst fortschafft.
§. 155. Von Orten, wo keine Posten sind, findet die
Versendung der Briefe und Sachen ohne Unterschied, durch jede selbst gewählte
Gelegenheit, jedoch nur bis zum nächsten auf dem Wege liegenden Postamte statt.
Postcontraventionen.
§. 156. Wie die vorfallenden Postcontraventionen zu
bestrafen, ist in den besondern Postordnungen testgesetzt.
II. Verhältniß der Postämter gegen die Reisenden und
Befrachter überhaupt.
§. 157. Postmeister und Postwärter stehen gegen diejenigen,
welche sich zur Fortschaffung ihrer Person oder Sachen der Post bedienen, in
eben dem Verhältnisse, als die Schiffer gegen Reisende und Befrachter. (Tit.
VIII. §. 1620. sqq. und 1742. sqq.)
§. 158. Sie sind schuldig, für tüchtige Pferde und Fuhrwerk,
auch zuverläßige und verständige Schirrmeister und Postillons(!), zu sorgen.
§. 159. Für die äußere Sicherheit der Posten müssen sie bey
der Behörde die nöthigen Anstalten bewirken.
§. 160. Die commandirenden Officiers, und bürgerliche
Obrigkeiten, müssen ihnen dazu nöthigenfalls hülfreiche Hand leisten.
Gegen die Befrachter insonderheit
1) bey der Annahme;
§. 161. Die Postämter sind zur Annahme und Fortschaffung der
ihnen vorschriftsmäßig überlieferten Briefe und Sachen verbunden.
§. 162. Waaren, die am Gewicht über hundert Pfund wiegen,
Schießpulver, und lebendige Thiere, sind die Postämter anzunehmen nicht
schuldig.
§. 163. Die Ablieferung muß auf dem Postamte, an den
Postmeister, oder an die dazu bestellten Unterbedienten geschehen.
§. 164. An Orten, wo keine Postämter oder Postwärtereyen
sind, können Briefe und Sachen den mit der Post durchgehenden Schirrmeistern,
oder in deren Ermangelung, den Postillons eingeliefert werden.
§. 165. Briefe und Sachen, die zu spät eingeliefert worden,
sind die Postämter anzunehmen nicht verbunden.
§. 166. Die Einlieferung muß wenigstens Zwey Stunden vor dem
Abgange der Post, und wenn diese in der Nacht, oder am folgenden. Morgen vor
Neun Uhr abgeht, bis um Acht Uhr des vorhergehenden Abends geschehen.
§. 167. Briefe, die an Staatsminister, Vorgesetzte der
Departements, und Geheime Cabinetsräthe gerichtet sind, dürfen von den
Postämtern innerhalb Landes nicht anders, als gegen Erlegung des Porto,
angenommen werden.
§. 168. Eben dies findet statt, wenn jemand in seinen
Privatangelegenheiten an die Landescollegia Briefe und Pakete abschickt.
§. 169. Wer ein öffentliches Siegel in seinen Privatangelegenheiten
zur Versteckung von Postcontraventionen mißbraucht, hat wilkührliche Geld- oder
Leibesstrafe verwirkt. (Tit. XX. §. 35.)
§. 170. Briefe müssen gehörig addressirt und versiegelt;
abzuschickende Sachen gehörig bezeichnet, verpackt und verwahrt seyn;
widrigenfalls die Postämter sie anzunehmen nicht schuldig sind.
§. 171. Ueber baare Gelder, und über Briefe, worin Geld oder
Juwelen enthalten sind, können die Absender einen gedruckten vom Postmeister zu
unterschreibenden Empfangsschein fordern.
§. 172. Die Postämter müssen für die ungesäumte und sichere
Fortschaffung der von ihnen angenommenen Briefe und Sachen; in der Zwischenzeit
aber für deren gehörige Aufbewahrung sorgen.
a) unterweges;
§. 173. Kommen Briefe oder Sachen, auf einer unterweges
liegenden Station, eröffnet oder beschädigt an: so ist das Postamt daselbst
schuldig, weitern Schaden nach Möglichkeit zu verhüten, und dergleichen
Poststücke durch besseres Einpacken oder Beydrückung des Postsiegels, zu
verwahren.
§. 174. Die durch einen solchen Zufall nothwendig gewordene
Eröffnung, neue Einpackung, und Verwahrung der Poststücke, muß in Gegenwart der
Reisenden, oder andrer Zeugen geschehen; und die Kosten derselben ist der
Empfänger zu erstatten schuldig, so bald nicht erhellet, daß die Beschädigung
durch Verschulden der Postbedienten geschehen sey.
§. 175. Es müssen ferner die Ursachen der Eröffnung oder
Beschädigung in Gegenwart der Passagiers oder Zeugen genau untersucht, und die
Postämter, sowohl der letzvorhergehenden, als der nächstfolgenden Station,
davon benachrichtigt werden.
§. 176. Haben beschädigte Briefe mit dem Postsiegel wieder
versiegelt werden müssen: so muß der Postbediente auf der Außenseite die
Ursache, und die Zeugen, in deren Gegenwart es geschehen ist, eigenhändig bemerken.
3) bey der Ablieferung;
§. 177. Die Postbedienten müssen dafür sorgen, daß die
Briefe und Sachen an die benannten Empfänger richtig abgeliefert werden.
§. 178. Diejenigen, an welche Briefe oder Sachen gerichtet
sind, müssen dieselben unverzüglich annehmen und auslösen.
§. 179. Kann oder will jemand sich dazu nicht verstehen: so
liegen die Sachen auf seine Gefahr; und das Postamt ist zu einiger fernern
Aufsicht darüber nicht verbunden.
§. 180. Vielmehr kann sich dasselbe, bey beharrlich
verweigerter Auslösung, wegen des ihm zukommenden Porto, sowohl an den
Absender, als an die Sachen selbst halten.
§. 181. Kann ein Empfänger nicht ausgeforscht werden: so muß
das Postamt, nach Verlauf von Vierzehn Tagen, ene(! = eine) besondre Charte
oder Anzeige darüber anfertigen, und in oder vor dem Posthause öffentlich
aushängen.
§. 182. Zugleich muß es den Versuch anstellen, durch
Rückfrage an den Ort der Absendung nähere Nachricht einzuziehn.
§. 183. Ist dies fruchtlos, und meldet sich innerhalb Dreyer
Monathe nach dem Aushange kein Empfänger: so müssen die Briefe oder Pakete dem
General-Postamte eingesendet werden.
§. 184. Sind aber die Sachen, deren Empfänger nicht
ausgeforscht werden kann, der Fäulniß, oder sonst einem schleunigen Verderben
unterworfen: so können die Postbedienten selbige, nach Verlauf von Acht Tagen,
an die Armenanstalt des Orts abliefern.
4) wegen Vertretung der angenommenen Sachen.
§. 185. Die Postämter sind für die zur Post vorschriftsmäßig
eingelieferten Briefe und Sachen, gleich den Schiffern, zu haften schuldig.
§. 186. Alle dabey begangene Versehen der Postbedienten und
Postillons müssen die Postämter vertreten.
§. 187. Sie sind aber von der Vertretung frey, wenn
ausgemittelt werden kann, daß der Schade oder Verlust durch einen bloßen Zufall
oder ungewöhnliche Begebenheit entstanden sey, welche vorherzusehen und zu
verhüten den Postbedienten nicht möglich gewesen.
§. 188. Ferner bey einfachen unbeschwerten Briefen, wenn
dieselben aus dem Posthause abgefordert worden; und der Postbediente eidlich
erhärten kann, daß er seiner Seits mit gutem Glauben verfahren habe.
§. 189. Dagegen soll aber derjenige, welcher andrer
Correspondenten Briefe ohne deren Vorwissen abfordert, oder wohl gar
unterschlägt, mit einer Geldbuße von Fünfzig bis Hundert Thalern, oder
verhältnißmäßiger Leibesstrafe belegt werden.
§. 190. Auch fällt die Vertretung der Königlichen Postämter
weg, wenn sich der Schade oder Verlust auf einem auswärtigen Postamte, über
welches die Post passiren müssen, erweislich zugetragen hat.
§. 191. Der Beschädigte muß sich alsdann an das auswärtige
Postamt und dessen Vorgesetzte wenden; es wird aber das Generalpostamt
demselben seinen Beystand nicht versagen.
§. 192. Wenn ein Brief oder Pack dem Empfänger wohl verwahrt
und versiegelt überliefert, und das Gewicht übereinstimmend gefunden wird: so
darf dasjenige, was bey der Eröffnung an der auf dem Umschlage bemerkten Summe
oder Zahl der Stücke fehlt, von dem Postamte nicht vertreten werden.
§. 193. Sind aber Geld oder Banknoten im Posthause, in
Gegenwart des Postmeisters, oder des zur Annahme gesetzten Postbedienten
versiegelt, und das Postsiegel beygedruckt worden: so haftet das Postamt für
den ganzen auf dem Umschlage vermerkten Betrag.
§. 194. Alsdann muß jedoch auch die Eröffnung des Briefes,
oder Packs, in Gegenwart eines Postbedienten des Ablieferungsorts geschehen
seyn.
§. 195. Sind Geldfässer, Beutel, oder Pakete von Werth, nach
dem Gewichte übernommen worden: so müssen sie vor der Ablieferung von dem
Postamte nachgewogen werden.
§. 196. Findet sich dabey ein erheblicher Unterschied am
Gewichte: so muß das Faß, Beutel, oder Paket, auf dem Posthause, in Gegenwart
des Postmeisters und des Empfängers, oder eines von diesem ernannten
glaubwürdigen Person, eröffnet und nachgesehen werden.
§. 197. Das bey dieser Handlung von dem Postamte
aufgenommene Protocoll ist bey der Beurtheilung: ob und was zu vertreten sey?
zum Grunde zu legen.
§. 198. In jedem Falle dürfen die Postämter nur so viel
vertreten, als bey der Aufgebung auf die Post wirklich declarirt worden.
§. 199. Wer weniger angiebt, kann im Falle eines Verlustes,
nur den Ersatz des an der angegebenen Summe Fehlenden fordern; und soll noch
außerdem um den zehnten Theil des verschwiegenen Werths fiskalisch bestraft
werden.
§. 200. Findet jemand aus einer oder der andern Ursache
Bedenken, den Werth versendeter Juwelen oder Kostbarkeiten auf dem Briefe oder
Packe selbst anzuzeigen: so muß er denselben dem Postmeister, zur Eintragung in
das Postbuch, bey der Aufgebung besonders eröffnen.
§. 201. Hat jemand vorsätzlich schlechte und geringe Sachen
als Juwelen oder Kostbarkeiten declarirt, oder sonst durch unrichtige höhere
Angabe die Post zu gefährden unternommen: so muß er bey erfolgtem Verluste den
Schaden allein tragen, und soll als Betrüger gestraft werden. (Criminalrecht
Tit. XX. Abschn. XV.)
§. 202. Briefe oder Pakete, worauf bloß vermerkt ist, das(!)
Juwelen, Kostbarkeiten, Geld, Banknoten, und dergleichen darin enthalten sind,
ohne daß zugleich ein bestimmter Werth oder Betrag angegeben wird, sollen,
außer dem Falle des §. 200., bey den Postämtern nicht angenommen werden.
§. 203. Ist es dennoch geschehen: so muß, bey erfolgtem
Verluste, der Aufgeber den Betrag vollständig nachweisen, und kann zur bloßen
eidlichen Bestärkung nicht gelassen werden.
§. 204. Die Postbedienten müssen die ankommende und
abgehende Correspondenz verschwiegen halten, und mit wem jemand Briefe
wechsele, keinem andern offenbaren.
§. 205. Ein Postbedienter, welcher eigenmächtig Briefe
erbricht, oder unterschlägt, soll allen Schaden ersetzen, seines Amts
verlustig, und zu allen fernern Bedienungen und Ehrenämtern im Staate unfähig
seyn; außerdem aber noch an Gelde oder am Leibe, nach Maasgabe des durch die
That an sich beabsichtigten oder wirklich begangenen Verbrechens, und nach
Vorschrift der darauf sich beziehenden Criminalgesetze, bestraft werden.
Verhältniß der Postämter gegen die Reisenden.
§. 206. Reisende, welche sich der Post bedienen wollen, müssen
ihren Stand und Namen dem Postamte des Orts, von welchem sie abgehen, richtig
anzeigen.
§. 207. Wer sich dessen weigert, soll zur Post nicht
angenommen werden.
§. 208. Sie müssen sich zur bestimmten Zeit zur Abreise
fertig halten, und können nicht verlangen, daß die Post auf sie warten solle.
§. 209. Bleiben sie durch ihre Schuld und Versäumniß zurück,
so verlieren sie das vorausbezahlte Postgeld.
§. 210. Bey der ordinairen Post haben die zuerst
eingeschriebenen Reisenden die Wahl der Plätze.
§. 211. Diejenigen, welche mit der Post ankommen und weiter
reisen, gehen denen vor, welche am Orte des Durchganges eingeschrieben worden.
§. 212. Diejenigen, welche nur halbe Fracht bezahlen, müssen
allen übrigen, ohne Unterschied der Zeit oder des Orts der Einschreibung,
nachstehn.
§. 213. Sind keine hinlängliche Plätze zur Aufnahme
sämmtlicher sich angebender Passagiers vorhanden: so muß nach eben diesen
Vorschriften bestimmt werden, welche von denselben zurückstehn müssen.
§. 214. Zum Nachtheile der Posteinkünfte darf kein
Reisender, bey der in den Postordnungen bestimmten Strafe, versiegelte Briefe
oder Pakete, Gelder oder Sachen, zur Bestellung an Andere mitnehmen.
§. 215. Während der Reise müssen sich die Reisenden ruhig
und ordentlich betragen, und nichts vornehmen, wodurch ein Aufenthalt oder
Schade an den geladenen Personen und Sachen entstehen könnte.
§. 216. Kein Reisender kann verlangen, daß die Post um
seinetwillen die Reise unterbrechen, oder einen andern, als den vom Postamte
ihr angewiesenen Weg, nehmen solle.
§. 217. Der Postwagen soll unter dem Vorwande, daß eine der
darauf befindlichen Personen zu arretiren sey, auf seinem Wege nicht
angehalten, sondern nur bis zur nächsten Station, wo die Arretirung mit Sicherheit
geschehen kann, begleitet werden.
§. 218. Auf der Station aber dürfen die Postbedienten sich
den Anordnungen der Behörde wegen einer solchen Arretirung nicht widersetzen;
noch dieselben zu vereiteln sich unterfangen.
§. 219. Jeder Reisende ist schuldig, auf seine Sachen selbst
Acht zu haben.
§. 220. Hat aber ein Postbedienter sich zur Verwahrung
solcher Sachen besonders und ausdrücklich anheischig gemacht: so muß derselbe
dafür haften.
Besondere Vorrechte der Posten.
§. 221. Zu Zeiten, wo die ordentlichen Postwege gar nicht,
oder schwer zu passiren sind, steht den fahrenden, reitenden, und Extraposten
frey, sich der Neben- und Feldwege zu bedienen.
§. 222. Auch können sie in einem solchen Nothfalle über
ungehegte Wiesen und unbestellte Aecker fahren; und niemand darf sie durch
Aufwerfung eines Grabens, oder sonst, daran verhindern oder aufhalten.
§. 223. Doch steht den Eigenthümern der Grundstücke frey,
sich durch Haltung verschlossener Schlagbäume gegen den Mißbrauch zu sichern;
sie müssen aber dem vor- und rückwärts liegenden Postamte Schlüssel dazu
einhändigen.
§. 224. Fahren die Postillions(!) über gehegte Wiesen oder
bestellte Aecker: so müssen sie die Eigenthümer vollkommen entschädigen, und
sollen außerdem nachdrücklich bestraft werden.
§. 225. Die Post selbst aber darf niemand, auch aus einer
solchen Ursache, anhalten und pfänden.
§. 226. Wegen des Vorrechts der Posten beym Ausweichen, wenn
Fuhr- und Landleute, oder andere Reisende, hinter ihnen kommen, oder ihnen
begegnen, ist Tit. XV. §. 26. verordnet.
§. 227. Die zur Post gehörenden Geräthe und Pferde sollen
Schulden halber nicht mit Arrest belegt werden.
§. 228. Auch auf die Besoldung der Postbedienten findet nur
wegen solcher Schulden, die zur Anschaffung von Postpferden, Wagen, Geräthschaften,
oder Futter gemacht worden, eine Verkümmerung statt.
Fünfter Abschnitt
Von der Mühlengerechtigkeit
Mühlen an öffentlichen Flüssen.
§. 229. Das Recht, Wasser- und Schiffsmühlen an und in
öffentlichen Flüssen anzulegen, ist ein Vorbehalt des Staats.
§. 230. Wem der Staat die Mühlengerechtigkeit auf einem
schiffbaren Strohme verliehen hat, der muß bey Ausübung seines Rechts, nach dem
Inhalte seines Privilegii, und der vom Staate ertheilten allgemeinen oder
Provinzial-Mühlenordnungen, auf das genaueste sich achten.
§. 231. Will er von seinem Rechte durch Anlegung einer
neuen, bisher noch nicht vorhanden gewesenen Mühle Gebrauch machen: so muß er
sich bey der Landespolizey-Instanz melden, und den Anweisungen derselben Folge
leisten.
§. 232. Ein Gleiches findet statt, wenn eine alte
eingegangene Mühle dieser Art wieder aufgebauet, oder in der gegenwärtigen
Anlage einer wirklich vorhandenen etwas verändert werden soll.
Mühlen an Privatflüssen, und Windmühlen.
§. 233. Mühlen an Privatflüssen, ingleichen Windmühlen, mag
zwar in Provinzen, wo nicht das Gegentheil durch besondere Gesetze oder
Verfassungen bestimmt ist, jeder Eigenthümer auf seinem Grunde und Boden
anlegen.
§. 234. Er ist aber dazu nur in so fern berechtigt, als es
ohne Schmälerung der Befugnisse eines Dritten geschehen kann.
Was Rechtens sey, bey Anlegung neuer, oder Veränderung alter
Mühlen.
§. 235. Es muß daher jeder Mühlenberechtigte ohne
Unterschied, welcher eine neue Mühle bauen; oder eine eingegangene wieder
herstellen; oder sie an einen andern Ort verlegen; oder in eine andere Gattung
verwandeln; oder mit mehrern Gängen versehen will, sich bey der
Landespolizey-Instanz melden, derselben den Plan der vorhabenden Einrichtung
anzeigen, und die weitere Anweisung derselben erwarten.
§. 236. Die Landespolizey-Instanz muß ehe sie die
Approbation ertheilt, die benachbarten Mühlenberechtigten, und Andre, welchen
durch den neuen Bau, oder durch die Abänderung, Schaden erwachsen könnte, darüber
vernehmen.
Wer zum Widerspruche dagegen berechtigt sey, oder nicht.
§. 237. Zum Nachtheile der Zwangsgerechtigkeit einer schon
vorhandenen Mühle, soll der Bau einer andern, oder die Veränderung oder
Erweiterung derselben, nicht zugelassen werden.
§. 238. Auch ist ein neuer Mühlenbau in so fern unzuläßig,
als dadurch den schon vorhandenen Mühlen das zu ihrem Betriebe erforderliche
Wasser entzogen, oder selbiges zu ihrem Nachtheile zurückgestauet wird.
§. 239. Wer aus einem dieser gesetzmäßigen Gründe einem
neuen Mühlenbaue widerspricht, dem soll Gehör darüber, im ordentlichen Wege
Rechtens, verstattet werden.
§. 240. Wer eine Zwangsgerechtigkeit hat, kann dennoch der
Anlegung einer Mühle von anderer Art, als worauf sein Zwangsrecht gerichtet
ist, nicht widersprechen.
§. 241. Der vermeintliche Abgang frey williger Mahlgäste ist
kein hinlänglicher Grund zum Widerspruche, gegen die Anlegung neuer Mühlen.
§. 242. Wenn jedoch in einem Orte und Districte schon
hinlängliche Mühlen zur Versorgung des Publici vorhanden sind: so soll
denjenigen, welche neue Mühlen nicht zum eigenen alleinigen Gebrauche, sondern
vielmehr zum Abbruche der schon vorhandenen Mühlen anlegen wollen, die
Erlaubniß dazu von der Landespolizey-Instanz versagt werden.
Polizeygesetze in Mühlensachen.
§. 243. Erhöhungen des Fachbaumes, und Veränderungen des
Sicherpfahls, können nicht anders, als unter Aufsicht der Landespolizey, mit
Zuziehung der benachbarten Interessenten, und nur so weit es diesen unschädlich
ist, vorgenommen werden.
§. 244. Dagegen sind bewegliche Aufsätze auf dem Fachbaum
bey kleinem Wasser, so lange erlaubt, als den ober- oder unterhalb liegenden
Nachbarn, sowohl Müllern, als Grundbesitzern, daraus kein Nachtheil entsteht.
§. 245. Wer nicht selbst die Mühlengerechtigkeit, sondern
nur die Erlaubniß zur Anlegung einer Mühle, von dem Staate oder einem
Privatmühlenberechtigten erhalten hat, der darf, ohne ausdrückliche Erlaubniß
seines Concedenten, weder einen neuen Gang anlegen, noch seine Mühle in eine
von andrer Art verwandeln.
§. 246. Einer schon vorhandenen Mühle darf ein Nachbar,
durch dessen Grundstücke das zu ihrem Betriebe nöthige Wasser fließt, dasselbe
nicht entziehen. (Th. I. Tit. XXII. §. 3.)
§. 247. Auch ist niemand berechtigt, einer Windmühle, durch
Anpflanzung hoher Bäume, da, wo dergleichen vorher nicht gewesen sind, den
nöthigen Wind zu benehmen.
Sechszehnter(!) Titel
Von den Rechten des Staats auf herrnlose Güter und Sachen
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Auf Sachen, welche noch in keines Menschen Eigenthume
gewesen sind, hat der Staat ein vorzügliches Recht zum Besitze.
§. 2. Sachen dieser Art, welche sich der Staat ausdrücklich
vorbehalten hat, können ohne Einwilligung desselben von keinem Andern in Besitz
genommen werden.
§. 3. Unbewegliche Güter, auf welche noch niemand ein Recht
erlangt hat, oder die von ihren vorigen Eigenthümern wieder verlassen worden,
sind ein Vorbehalt des Staats.
§. 4. Ein Gleiches gilt von Verlassenschaften, auf welche
keinem Andern ein Erbrecht zusteht.
§. 5. Ferner von nutzbaren Landthieren, die noch in ihrer
natürlichen Freyheit leben.
§. 6. Endlich auch von unterirdischen Schätzen der Natur,
auf welche noch niemanden ein besonderes Recht verliehen worden.
§. 7. Andere von Anfang an herrnlose, oder in der Folge
herrnlos gewordene Sachen, die sich der Staat nicht ausdrücklich vorbehalten
hat, können, auch ohne besondere Einwilligung desselben, von Privatpersonen in
Besitz genommen werden.
Erster Abschnitt
Von den Rechten des Staats auf herrnlose Grundstücke
1) Von Grundstücken, die von Anfang an hermlos sind.
§. 8. Grundstücke, welche noch niemandes Eigenthum gewesen,
kann der Staat für sich selbst in Besitz nehmen; oder auch an Andere, sowohl
zum Eigenthum, als zur Nutzung, überlassen.
§. 9. Wer das Eigenthum solcher Grundstücke durch eine
stillschweigende Einwilligung des Staats erlangt zu haben behauptet, muß einen
Vier und vierzigjährigen ruhigen Besitz, oder den Besitzstand des Jahres 1740
nachweisen.
§. 10. Wer ein solches Grundstück auch nur durch eine kürzere
Zeit genutzt hat, behält die Nutzungen, so weit dieselben ohne Widerspruch des
Staats gezogen worden.
§. 11. Er kann aber auch keinen Ersatz der auf die Cultur
des Grundstücks verwendeten Kosten fordern.
2) Von verlassenen Grundstücken.
§. 12. Wenn der Eigenthümer sein Grundstück verlassen, und
dabey seinen Willen, sich desselben begeben zu wollen, ausdrücklich oder
stillschweigend geäußert hat: so gilt von einem solchen Grundstücke eben das,
was von ursprünglich herrnlosen Gütern verordnet ist.
§. 13. Kann eine solche Willensäußerung nicht nachgewiesen
werden; und ist der Aufenthalt des bisherigen Eigenthümers bekannt: so muß der
Richter, auf das Anmelden des Fiskus, einen solchen Eigenthümer zur bestimmten
Erklärung: ob er sich seines Eigenthums an das Grundstück begeben wolle, in
einer nach den Umständen festzusetzenden Frist auffordern.
§. 14. Verweigert der Eigenthümer diese Erklärung
ungehorsamer Weise, oder zögert er damit beharrlich: so muß das Grundstück dem
Fiskus, als herrnloses Gut, durch rechtliches Erkenntniß zugeschlagen werden. (Th.
I. Tit. IX. §. 16.
17.)
§. 15. Ist der Aufenthalt des bisherigen Eigenthümers eines
solchen verlassenen Grundstücks unbekannt: so findet in Ansehung desselben eben
das statt, was wegen des Vermögens eines Abwesenden oder Verschollenen
überhaupt verordnet ist. (Tit. XVIII. Abschn. I. Vm.)
Zweyter Abschnitt
Von den Rechten des Staats auf erblose Verlassenschaften
In welchen Fällen ein Nachlaß dem Staate als erblos anheim
falle.
§. 16. Wenn ein Verstorbener niemanden hinterläßt, dem aus
rechtsgültigen Willenserklärungen, oder vermöge der Gesetze, ein Erbrecht auf
sein Vermögen zukommt: so fällt seine Erbschaft dem Staate anheim.
§. 17. Wenn der durch gültige Willenserklärungen ernannte
Erbe nicht Erbe seyn kann oder will, oder seines Erbrechts, als dessen
unwürdig, verlustig wird; und niemand vorhanden ist, welcher nach der Verfügung
des Erblassers, oder nach Vorschrift der Gesetze, an seine Stelle treten
könnte: so fällt die Erbschaft ebenfalls dem Fiskus anheim.
§. 18. Die bloße Unfähigkeit oder Unwürdigkeit des
gesetzlichen, oder durch Willenserklärungen berufenen Erben, giebt also dem
Staate auf den Nachlaß noch keinen gegründeten Anspruch. (Th.
I. Tit. XII. §. 36.
sqq. §. 599. und 605. sqq.)
§. 19. In welchen Fällen der Nachlaß eines Verbrechers, mit
Ausschließung seiner Erben, von dem Staate eingezogen werde, bestimmt das
Criminalrecht.
In wie fern das Recht, erblose Verlassenschaften in Besitz
zu nehmen, von Privatpersonen;
§. 20. Das Erbrecht des Staats auf erledigte
Verlassenschaften kommt moralischen oder andern Privatpersonen nur in so fern
zu, als sie nachweisen können, dasselbe vom Staate auf eine rechtsgültige Weise
erworben zu haben.
§. 21. In wie fern jemand das Eigenthum einer gewissen
bestimmten Verlassenschaft, mittelst der Verjährung durch Besitz, gegen den
Fiskus erwerben könne, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von der
fiskalischen Verjährung zu beurtheilen.
von milden Stiftungen;
§. 22. Milden Stiftungen bleibt ihr Successionsrecht auf den
erblosen Nachlaß der darin erzogenen, oder bis an ihren Tod verpflegten
Personen, gegen den Fiskus auch alsdann, wenn dem Verstorbenen die
vorgeschriebene Bedeutung nicht geschehen ist. (Tit. XIX.)
von einem Gesellschafter ausgeübt werden könne.
§. 23. Wenn der Landesherr eine Sache oder ein Recht Mehrern
gemeinschaftlich verliehen hat, und die Begünstigten in der Gemeinschaft
geblieben sind: so wächst bey dem erblosen Abgange des Einen von ihnen, der
Antheil desselben den übrigen zu.
Vom Aufgeboth erbloser Verlassenschaften.
§. 24. Ehe der Staat sich eine Erbschaft als erledigt
zueignet, müssen zuvor alle diejenigen, welchen daran ein Recht zustehen
möchte, zu dessen Angabe und Nachweisung öffentlich aufgefordert werden. (Th.
I. Tit. IX. §. 471.
sqq.)
Rechte und Pflichten des Fiskus in Ansehung eines solchen
Nachlasses.
§. 25. Der Fiskus hat, in Beziehung auf einen solchen
Nachlaß, alle Rechte und Pflichten eines gemeinen Erben.
§. 26. Tritt der Fiskus nach §. 17. in die Stelle des die
Erbschaft ausschlagenden, oder dazu nicht fähigen, oder nicht würdigen
Testamentserben: so muß er aus dem Testamente alles leisten, wozu der ernannte
Erbe, wenn derselbe wirklich Erbe geworden wäre, nach den Gesetzen verpflichtet
seyn würde.
Rechte eines präcludirten Erben.
§. 27. Ein rechtmäßiger Erbe, welcher nach erfolgtem
Präclusionsurtel, jedoch innerhalb der gewöhnlichen Verjährungsfrist, sich noch
meldet, hat mit einem Verschollenen, der nach der Todeserklärung zurückkommt,
gleiche Rechte. (Tit. XVHI. Abschn. VIII. §. 847. sqq.)
Theilnehmung mehrerer Privatberechtigten an einem erblosen
Nachlasse.
§. 28. Besaß der Verstorbene Vermögen an verschiedenen
Orten, wo verschiedenen Behörden das Recht, erblose Verlassenschaften in Besitz
zu nehmen, zukommt: so gebührt jedem Berechtigten das zur Zeit des Todes in
seinem Bezirke befindliche bewegliche und unbewegliche Vermögen.
§. 29. Ausstehende Capitalien aber gebühren demjenigen,
welcher an dem letzten eigentlichen Wohnorte des Erblassers zur Einziehung
erbloser Verlassenschaften berechtigt ist.
Dritter Abschnitt
Vom Jagdregal
Begriff.
§. 30. Das Recht, jagdbare wilde Thiere aufzusuchen, und
sich zuzueignen, wird die Jagdgerechtigkeit genannt. (Th. I.
Tit. IX. §. 107-175.)
Was jagdbare Thiere sind.
§. 31. Was zu den jagdbaren Thieren gehöre, oder ein
Gegenstand des freyen Thierfanges sey, wird in den Gesetzen einer jeden Provinz
bestimmt.
§. 32. Im Mangel andrer Bestimmungen gehören vierfüßige
wilde Thiere, und wildes Geflügel, in so fern beyde zur Speise gebraucht zu
werden pflegen, zur ausschließenden Jagdgerechtigkeit.
§. 33. Andre wilde Thiere sind in der Regel ein Gegenstand
des freyen Thierfanges.
§. 34. Dahin gehören auch Wölfe, Bären, und andre
dergleichen schädliche Raubthiere.
§. 35. Doch dürfen dergleichen Thiere (§. 33. 34.) in
Wäldern und Jagdrevieren, von denjenigen, denen daselbst keine
Jagdgerechtigkeit zukommt, nicht aufgesucht, noch weniger Jagden darauf
angestellt werden.
§. 36. Was für Arten der wilden Thiere weder gejagt, noch
sonst eingefangen werden können, muß durch besondre Gesetze und Verordnungen
ausdrücklich bestimmt seyn.
Hohe, mittlere, und niedere Jagd.
§. 37. Zur hohen Jagd werden gewöhnlich nur Hirsche, wilde
Schweine, Auerochsen, Elendthiere, Phasanen, Auerhäne und Hennen gerechnet.
§. 38. Wo die Provinzialgesetze keine mittlere Jagd
bestimmen, gehört alles übrige Wild zur niedern Jagd.
Verleihung des Jagdregals an Privatpersonen.
§. 39. Die Jagdgerechtigkeit gehört zu den niedern Regalien,
und kann von Privatpersonen nur so, wie bey Regalien überhaupt verordnet ist,
erworben und ausgeübt werden. (Tit. XTV. §. 26-35.)
§. 40. Unter der Jagdgerechtigkeit, welche den Rittergütern
gewöhnlich beygelegt ist, wird in der Regel nur die niedere Jagd verstanden.
§. 41. Wer nur mit der Jagd überhaupt beliehen ist, der hat
nur ein Recht zur niedern Jagd.
§. 42. Wer sich also der hohen Jagd anmaßen will, der muß
die auf eine rechtsgültige Art geschehene Erwerbung derselben besonders
nachweisen.
§. 43. Wer aber mit allen Jagden, oder mit allen
Arten der Jagden, oder auch nur mit Jagden in der mehrern Zahl beliehen worden,
der hat auch auf die hohe Jagd gegründeten Anspruch.
Einschränkungen der Jagdgerechtigkeit.
1) in Ansehung der Zeit der Ausübung,
§. 44. So weit als jemand zur Jagd berechtigt ist, kann er
seine Befugniß auf alle an sich erlaubte Arten, das Wild zu jagen, oder zu
fangen, ausüben.
§. 45. Die Setz-, Schon- und Hegezeit aber muß von jedem
Jagdberechtigten genau beobachtet werden.
§. 46. Die Bestimmung der Schonzeit in Ansehung der
verschiedenen Arten des Wildes, und die Ausnahmen in Ansehung einiger Arten
desselben, bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 47. Die Bestimmung dieser Zeiten in unmittelbaren
landesherrlichen Jagdrevieren, hängt lediglich von der Festsetzung der
Landespolizey-Instanz ab.
§. 48. Im Mangel andrer Bestimmungen, dauert die allgemeine
Schonzeit vom Ersten März, bis zum Vier und zwanzigsten August.
§. 49. Alte und tragende rothe Thiere sind vom Ersten November,
bis zum Vier und zwanzigsten August zu schonen.
§. 50. In Wäldern, wo hoch(!) Wild steht, ist das Jagen mit
starken Netzen und Jagdhunden, nur vom Vier und zwanzigsten August, bis zum
letzten October zuläßig.
§. 51. Hirsche, Rehböcke, hauende Schweine oder Keiler,
Erpel oder Entriche zu schießen, ist das ganze Jahr hindurch erlaubt.
§. 52. Haselhäne können bis zum letzten April, Auerhäne bis
zum letzten May, und Birkhäne bis zum Fünfzehnten Junius geschossen werden,
§. 53. Wilde Enten und Gänse, Schnepfen und andre Zugvögel,
sind nur in der Brutzeit, vom Ersten May, bis Vier und zwanzigsten Junius, zu
schonen.
§. 54. Das Schießen junger Hasen, und der Einfang junger
Schwäne, ist nur vom Ersten März bis Zwanzigsten Junius verboten.
§. 55. Bären, Wölfe, und andre schädliche Raubthiere, können
zu allen Zeiten geschlossen werden.
§. 56. Auf Bären und Wölfe ist, auch in geschlossenen
Zeiten, das Jagen mit Netzen und Durchtreiben der Leute zuläßig.
§. 57. Die Eyer von jagdbarem Federwilde dürfen niemals ausgenommen
werden.
2) in Ansehung der Art der Ausübung.
§. 58. Auch ein Jagdberechtigter darf kein Selbstgeschoß
legen.
§. 59. Fuchseisen oder Schlingen dürfen nur an abgelegenen
Oertern, und mit solcher Vorsicht, daß dadurch weder Menschen noch Vieh, ohne eignes
grobes Versehen der erstern, zu Schaden kommen können, gelegt werden. (Th.
I. Tit. IX. §. 152.
153.)
§. 60. Ohne besondre Erlaubniß des Staats darf niemand
verzäunte Gehege, zum Schaden der Nachbarschaft, und Hemmung des Wildwechsels,
errichten; Einsprünge anlegen; oder die Gränzen nächtlich verlappen.
§. 61. Außer den Dohnen sind Schleifen und Schlingen, auch
Garnsäcke, zur Einfangung des Federwildes, gänzlich verboten.
§. 62. Die Einfangung der Rebhüner durch sogenannte
Treibzeuge ist erlaubt.
§. 63. Doch muß von jedem Volke, oder von jeder Kette
Hühner, so nur aus Neun Stücken besteht, die alte Henne und ein junger Hahn;
wenn aber das Volk mehr als Neun Stück ausmacht, überdem noch ein junges Huhn
freygelassen werden.
Von Hunden, auf fremdem Jagdreviere.
§. 64. Niemand darf auf fremden Jagdrevieren Hunde laufen
lassen, die nicht mit einem Knüppel, welcher sie an der Aufsuchung und
Verfolgung des Wildes hindere, versehen sind.
§. 65. Ungeknüppelte gemeine Hunde, ingleichen Katzen, die
auf Jagdrevieren herumlaufen, kann jeder Jagdberechtigte tödten, und der
Eigenthümer muß das Schußgeld bezahlen.
§. 66. Wenn Jagd- oder Windhunde, während der von einem
Jagdberechtigten auf seinem Reviere angefangenen Jagd, bloß überlaufen: so
können sie nicht getödtet; sie müssen aber sofort zurückgerufen werden.
§. 67. Wenn Jagdhunde nicht mit Vorsatz an der Gränze
gelöset worden, sondern nur von ungefähr über die Gränze gelaufen sind: so
können sie aufgefangen, und müssen dem Eigenthümer, gegen Entrichtung eines
Pfandgeldes von Acht Groschen für das Stück, zurückgegeben werden.
§. 68. Wie die Jagdcontraventionen zu bestrafen, ist im
Criminalrechte vorgeschrieben; und wird in den Provinzial-Jagdordnungen näher
bestimmt.
Vierter Abschnitt
Vom Bergwerksregal
A. Ueberhaupt.
Fossilien, welche dazu gehören.
§. 69. Alle Fossilien, woraus Metalle und Halbmetalle
gewonnen werden können, gehören, in Ermangelung besonderer Provinzialgesetze,
ausschließend zum Bergwerksregal.
§. 70. Desgleichen alle Edelsteine und andere Steinarten,
welche nicht §.(!) 73. und 74. ausgenommen sind.
§. 71. Ferner alle Salzarten mit den Salzquellen, vorzüglich
Steinsalz, Salpeter, Vitriol und Alaun; so wie auch Inflammabilien, als
Schwefel, Reißbley, Erdpech, Stein- und Braunkohlen.
§. 72. Andere Fossilien hingegen, die in ihrer natürlichen
Gestalt sogleich zum ökonomischen Gebrauche, bey Künsten, Handwerken, oder zum
Bauen genutzt zu werden pflegen, gehören dem Eigenthümer des Grundes und
Bodens; oder dem Gutsherrn, wenn derselbe nach den Provinzialgesetzen das
Vorrecht darauf hat. (Th. I. Tit. IX. §. 94. sqq.)
§. 73. Besonders werden Marmor, Porphyr, Granit und Basalt,
Serpentinstein, Kalk, Gips, Sandstein, Torf, Thon, Lehm, Mergel, Walker,
Umbra-, Ocker- und andere Farbenerden, in so fern aus letzteren keine Metalle
oder Halbmetalle gewonnen werden können, zu den Regalien nicht gerechnet.
§. 74. Dies findet auch von den nach §. 70. zum
Bergwerksregal gehörenden Steinarten Anwendung, wenn sie entweder auf den
Aeckern liegen, oder durch die Pflugschar ausgerissen, oder bey Gelegenheit
anderer ökonomischer Arbeiten einzeln gefunden werden.
Rechte in Ansehung der dazu nicht gehörenden Fossilien.
§. 75. Fossilien, die kein Regale sind, können diejenigen,
welchen solche nach §. 72. gehören, ohne besondere Erlaubniß aufsuchen, und
durch Verkauf oder auf andere Art benutzen.
§. 76. Sie dürfen aber bey deren Benutzung nichts vornehmen,
was den allgemeinen Berg-Polizeygesetzen zuwider ist.
§. 77. Sollte jemand dergleichen Fossilien gänzlich
unbenutzt lassen: so kann er angehalten werden, sein Recht entweder dem Staate
selbst, oder andern Baulustigen, gegen billige Abfindung zu überlassen.
§. 78. Es muß aber ausgemittelt seyn, daß dadurch der dem
Staate selbst, oder andern Bürgern desselben zu verschärfende Vortheil, die
Unbequemlichkeit oder den Nachtheil, welchen der Eigenthümer durch diese
Einschränkung seines Eigenthumsrechts erleidet, beträchtlich überwiege. (Th.
I. Tit. VIII. §. 30.)
Verleihung des Rechts zum Bergbaue, und Aufsicht darüber.
§. 79. Wer ein Stockwerk, Erzlager, Gang oder Flötz von
solchen Fossilien, welche nach §. 69. 70. und 71. zum Bergwerksregal gehören,
bauen will, muß damit gehörig beliehen seyn.
§. 80. Wasch- und Pochwerke, ingleichen Graben und
Wasserleitungen über Tage, sind unter der Muthung einer Grube nicht mit
begriffen, sondern müssen besonders gemuthet und verliehen werden.
§. 81. Eben dies findet von Wassern verlassener Gruben oder
Stollen statt.
§. 82. Jeder Beliehene muß sein Bergwerkseigenthum den
Grundsätzen der Bergwerkspolizey gemäß benutzen, und kann sich dabey der
Aufsicht und Direction des Bergamtes nicht entziehen.
§. 83. Das Bergamt aber ist schuldig, ihn mit seinen
Vorschlägen zu hören, und bey Beschließung wichtiger Vorrichtungen, welche mit
erheblichen Kosten verbunden sind, jedesmal zuzuziehen.
§. 84. Wegen der besonderen Aufsicht über die Gewerkschaften
ist nachher §. 272. sqq. verordnet.
Anlegung der Hüttenwerke.
§. 85. Hüttenwerke darf niemand ohne Erlaubniß des
vorgesetzten Bergamtes anlegen.
§. 86. Wo der Staat sich den Erzkauf nicht vorbehalten, oder
sonst rechtlich erworben hat, da können Hüttenwerke auch an Privatpersonen
verliehen werden.
§. 87. So lange jedoch die in einer Gegend vorhandenen
Hüttenwerke hinreichend sind; die in den umliegenden nicht über Drey Stunden
oder anderthalb Meilen entfernten Gruben gewonnenen oder zu gewinnenden Erze zu
verarbeiten, sollen keine neue Belehnungen ertheilt werden.
§. 88. Die Anlegung muß unter Aufsicht des Bergamtes
geschehen; und es muß darüber besondere Beleihung nachgesucht werden.
§. 89. Dem ersten Muther eines Hüttenwerks soll die
Beleihung darüber vorzüglich ertheilt werden.
§. 90. Die Anlegung neuer Hüttenwerke findet auch nur in so
fern statt, als dadurch der Provinz das nöthige Brennholz, zum Bedarf der
Einwohner, und zum Betrieb der darin schon vorhandenen Fabriken, nicht entzogen
wird.
§. 91. Doch ist bey dessen Beurtheilung auch auf die in der
Provinz sich befindenden Vorräthe von Torf und Steinkohlen, welche zu dem
Bedarf der Einwohner, und dem Betriebe der Fabriken gebraucht werden können,
Rücksicht zu nehmen.
§. 92. Jeder Beliehene, welcher kein eigenes Hüttenwerk hat,
ist schuldig, sich zu demjenigen zu halten, welches ihm von dem Bergamte
angewiesen worden.
§. 93. Doch darf er sich an kein Hüttenwerk weisen lassen,
welches über Drey Stunden, oder Anderthalb Meilen, von seinen Gruben oder
Pochwerken entfernt ist.
§. 94. Findet das Bergamt nöthig, daß mehrere, welche kein
eignes Hüttenwerk haben, zusammen schmelzen: so kommt es ihm zu, die Ordnung
dabey zu bestimmen, und die erforderliche Erztaxe einzurichten.
Metallkauf.
§. 95. Auf alles von den beliehenen Bergwerkseigenthümern
gewonnene Gold und Silber, hat der Staat, wegen des ihm competirenden Münzregals,
den Vorkauf.
§. 96. Bey andern Metallen und Mineralien haben die
Eigenthümer freye Hand, dieselben nach ihrer Gelegenheit, inn- oder außerhalb
Landes zu verkaufen, in so fern die Provincialgesetze keine Ausnahme machen.
§. 97. Dagegen dürfen Erze, Eisensteine, und überhaupt rohe
Bergwerksprodukte oder Materialien, aus welchen erst durch Zubereitung und
Verarbeitung, Metalle oder mineralische Fabrikate herausgebracht werden, ohne
besondre Erlaubniß des Staats, bey nachdrücklicher Strafe, außerhalb Landes nicht
verfahren werden.
Zehent.
§. 98. Von allen zum Bergwerksregale gehörenden Metallen und
Mineralien, welche die Beliehenen gewinnen, gebührt dem Staate der Zehent.
§. 99. Zu den Berggewinnungskosten dieser Metalle und
Mineralien trägt der Staat wegen seines Zehenten nicht bey.
§. 100. Es muß also von Bergprodukten, welche so wie sie aus
der Erde gebracht worden, ohne weitere Zurichtung verkauft werden können, der
Zehent in Natur, oder das dafür gelösete Geld, ohne Abzug sofort entrichtet
werden.
§. 101. Bey metallischen und mineralischen Werken hingegen,
deren Produkte durch Feuer oder andere Zurichtung erst verkäuflich gemacht
weiden müssen, trägt der Staat zu den Poch-, Wasch-, Hütten- und sonstigen
Zubereitungskosten, nach Verhältniß seines Zehent, mit bey.
§. 102. In Ermangelung besonderer Provinzialordnungen,
genießen die Bergbauenden auf Sechs Jahre die Zehentbefreyung; Steinkohlen
jedoch ausgenommen, bey welchen diese Befreyung nicht statt findet.
Quatember- und Receßgeld.
§. 103. Außer dem Zehent, müssen die Beliehenen, von ihren
gangbaren Gruben oder Stollen, ein in den Provinzialgesetzen bestimmtes
Quatembergeld, zur Unterhaltung des Bergamtes entrichten.
§. 104. Auch muß von jeder Grube, sie sey gangbar oder
nicht, und von jedem andern Bergwerkseigenthume, alle Quartale das in eben
diesen Gesetzen vorgeschriebene Rezeßgeld an das Bergamt abgeführt werden.
§. 105. Hat ein Beliehener die Rezeßgelder, der einmal
geschehenen Erinnerung ungeachtet, durch Vier Quartale, und also durch Ein
ganzes Jahr nicht bezahlt: so fällt sein Bergwerkseigenthum an den Staat
zurück, und kann wieder an einen Andern verliehen werden.
B. Wenn das Bergwerksregal einer Privatperson zusteht.
§. 106. Das Bergwerksregal auf einen gewissen Distrikt, oder
auf ein bestimmtes Objekt, kann gleich andern niedern Regalien, von
Privatpersonen und Communen erworben und besessen werden. (Tit. XIV. §.
24. sqq.)
§. 107. Wem das Bergwerksregal auf solche Art zusteht, dem
kommen alle darunter begriffenen Rechte des Staats zu, welche bey der
Verleihung, oder durch Provinzialgesetze, nicht ausdrücklich ausgenommen
worden.
§. 108. Doch bleibt er dabey allemal der Oberaufsicht des
Staats, den allgemeinen Bergpolizey-Gesetzen, und den Entscheidungen des
Bergamtes unterworfen; ist auch zu Entrichtung der §. 103. und 104. bestimmten
Abgaben verbunden.
C. Verhältniß des Bergwerksregals gegen den Grundbesitzer.
a) Verbindlichkeit
des Grundeigenthümers.
§. 109. Der Grundeigentümer muß an die Bergbauenden den
Grund und Boden überlassen, welcher zur Grube selbst, zu den Stollen, zu Halden
und Wegen, und zu den Gebäuden über der Erde, nothwendig ist, ingleichen das
zum Betriebe der Kunst- Poch- Wasch- und Hüttenwerke erforderliche Wasser.
§. 110. Auch Teiche und Mühlen müssen dem Bergbaue weichen,
wenn es zur Fortsetzung desselben nothwendig ist.
§. 111. Bau- und Kohlenholz, in so fern der Grundherr
dergleichen aus seinen Forsten verkauft, muß er an die bauenden Gewerke
vorzüglich, jedoch nur für eben den Preis, wie an Fremde, überlassen.
§. 112. Dagegen muß für alles, was der Grundeigenthümer zum
Baue und Betriebe des Werks abgetreten oder verloren hat, demselben
vollständige Entschädigung nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. VI. §. 7.
geleistet werden.
b) Rechte
desselben. Entschädigung.
§. 113. Für den abgetretenen Grund und Boden muß der
Eigenthümer sich damit begnügen, daß ihm die nach gedachter Vorschrift
auszumittelnde jährliche Abnutzung in jedem Jahre so lange vergütet werde, bis
der Boden wieder in solchen Stand gesetzt ist, daß er gehörig genutzt werden
kann.
§. 114. Im Mangel gesetzlicher Bestimmung, müssen die
Beliehenen sich mit dem Grundeigenthümer wegen seiner Schadloshaltung besonders
vereinigen.
§. 115. Kann dergleichen Vereinigung in Güte nicht getroffen
werden: so muß das Bergamt die Schadloshaltung, mit Zuziehung sachverständiger
Taxatoren, der Billigkeit gemäß bestimmen.
§. 116. a) Will ein oder anderer Theil bey dieser
Festsetzung sich nicht beruhigen: so steht ihm frey, auf rechtliches Gehör und
Erkenntniß darüber bey den Berggerichten anzutragen.
§. 116. b) Hat jemand Gebäude, Wasserleitungen, Teiche,
Bleichen, und dergleichen, in einem Reviere, wo ein Bergbau schon in solcher
Nähe getrieben wird, daß eine weitere Ausdehnung desselben bis zu diesen neuen
Anlagen vernünftiger Weise vorausgesehen werden konnte, dennoch angelegt, ohne
sich von dem Bergamte die Stelle, wo es ohne seine Gefahr geschehen kann,
anweisen zu lassen: so ist er, wegen der durch den fortgehenden Bergbau daran
entstehenden Schäden, zu keiner Vergütung berechtigt.
Erbkux.
§. 117. Dem Grundeigentümer wird ferner der Erbkux, ohne
Unterschied der Metalle oder Mineralien gegeben.
§. 118. Dieser Erbkux kann von dem Grunde und Boden, auf
welchem das Bergwerk betrieben wird, nicht getrennt, noch besonders veräußert
werden.
§. 119. Wer bey getheiltem Eigenthume den Erbkux erhalte,
ist nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. IX. §. 94., und in wie fern ein
Gutsherr den Vorzug vor dem Grundeigenthümer darauf habe, nach den
Provinzialgesetzen zu beurtheilen.
§. 120. Der Erbkux gebührt demjenigen, in dessen Grunde und
Boden die Fundgrube sich befindet.
§. 121. Liegt die Fundgrube auf der Gränze, und also auf dem
Grunde und Boden zweyer Nachbarn zugleich; so wird der Erbkux zwischen beyden
Grundeigenthümern verhältnißmäßig durch Erkenntniß des Bergamts getheilt.
§. 122. Der Grundeigenthümer ist wegen des Erbkuxes zu
irgend einigem Beytrage, wegen der Kosten oder Abgaben des Baues, nicht
verbunden.
§. 123. Steht ihm aber das Recht des Mitbaues zur Hälfte zu,
und übt er selbiges aus: so muß er, nach Verhältniß seines Antheils an der
Grube, den Erbkux übertragen helfen.
Recht des Mitbaues zur Hälfte.
§. 124. Das Recht des Mitbaues zur Hälfte findet jedoch nur
alsdann statt, wenn besondere Provinzialgesetze dasselbe dem Grundeigenthümer
ausdrücklich beylegen.
§. 125. In solchem Falle muß er, noch ehe die Beleihung an
einen Andern geschiehet, vernommen werden: ob er davon Gebrauch machen wolle.
§. 126. Zur Erklärung darüber ist ihm jedesmal eme
hinlängliche Frist, jedoch niemals unter Drey Monathen, vom Tage, da die
Aufforderung ihm eingehändigt worden, zu bestimmen.
§. 127. Läßt er diese,
ohne sich zu erklären, verstreichen; oder thut er auf sein Recht zum Mitbaue
Verzicht: so kann er sich dessen in der Folge, zum Nachtheile der bauenden
Gewerkschaft, oder des Staats, niemals wieder anmaaßen.
D. Rechte und Pflichten der Bergwerkseigenthümer.
a) vom Bergwerkseigenthume überhaupt.
§. 128. Der Bergbau kann sowohl von einzelnen Personen, als
von Gesellschaften betrieben werden.
§. 129. Mehrere Personen, welche ihren Bau mit eigner
Handarbeit betreiben, werden Eigenlöhner genannt.
§. 130. Eine Gesellschaft von Eigenlöhnern darf aus nicht
mehr als Acht Personen bestehen, und wenigstens Vier derselben müssen die
Arbeit mit eigener Hand verrichten; widrigenfalls sie als Gewerke zu behandeln
sind.
§. 131. Gesammteigenthümer, welche ihre Lehne nicht selbst
bauen und verwalten, führen den Namen einer Gewerkschaft.
§. 132. Die einzelnen Mitglieder einer solchen Gesellschaft
werden Gewerke; und das Bergwerk selbst, welches sie betreiben, wird Zeche oder
Grube genannt.
§. 133. Jedes verliehene Bergwerkseigenthum wird in Hundert
und acht und zwanzig Antheile oder Kuxe getheilt.
§. 134. Außer diesen werden Zwey dem Grundherrn als Erbkux;
auch wenn die Provinzialgesetze keine Ausnahme enthalten, Zwey der Kirche und
Schule, unter deren Sprengel die Zeche liegt, und eben so viel der
Knappschafts- und Armencasse beygelegt.
§. 135. Ein Interessent kann mehrere Kuxe besitzen; auch
kann jeder Kux in mehrere Unterabtheilungen getheilt werden, die jedoch nicht
unter einem Achtel betragen dürfen.
§. 136. Fremde können so gut, als Landeseinwohner, ohne
Unterschied der Religion, an dem Bergbaue Theil nehmen, und genießen dabey mit
diesen völlig gleiche Rechte.
§. 137. Insonderheit sind die Bergantheile derselben, so wie
deren Ausbeute, von aller Confiscation, Abschoß- und Abzugsgeldern frey.
§. 138. Bergbeamte hingegen sollen, bey Strafe der
Confiscation, nur unter ausdrücklicher Genehmigung des Bergwerks- und
Hüttendepartements an dem Bergbaue als Gewerke Antheil nehmen.
§. 139. Diese Genehmigung soll nur auf eine gewisse Anzahl
von Kuxen, welche den Vierten Theil einer Zeche niemals übersteigen darf,
ertheilt werden.
§. 140. Kein Bergbeamter darf streitige Zechen, oder andere
Berggebäude an sich bringen.
Unmittelbare Erlangung desselben.
Vom Schürfen.
§. 141. Niemand hat das Recht auf die nach §. 69. 70. und
71. zum Bergwerksregal gehörenden Fossilien zu schürfen, ohne von dem Bergamte
einen Erlaubnisschein dazu erhalten zu haben.
§. 142. Der Grundeigenthümer kann demjenigen, welcher einen
Schürfschein erhalten hat, das Schürfen nicht wehren noch hindern; es sey denn,
daß er selbst mit einem ältern Schürfscheine versehen worden.
§. 143. Schürfscheine sollen nicht auf ganze Aemter und
Gerichte, sondern nur auf gewisse nach Namen, Lage, Gegend und Gränzen
möglichst genau bestimmte Berge oder Thäler gegeben werden.
§. 144. Sie gelten auf Ein Jahr und Sechs Wochen vom Tage
ihrer Ausfertigung an: und verlieren ihre Kraft, wenn nicht vor dem Ablaufe
dieser Frist ihre Verlängerung bey dem Bergamte nachgesucht worden.
§. 145. Wer einen Schürfschein auf fremden Grund und Boden
erhalten hat, muß sich damit zuvor bey dem Eigenthümer melden; diesem den Ort,
wo er schürfen will, bestimmt anzeigen; und wegen der Zeit mit ihm Abrede
nehmen.
§. 146. Können sich beyde nicht vereinigen: so muß der
Inhaber des Schürfscheins zuvor die Entscheidung des Bergamtes einholen und
abwarten.
§. 147. An solchen Orten, wo Wohn- oder Wirthschaftsgebäude
stehen, und Vier Fuß Rheinländisch vom Umkreise derselben, darf nicht geschürft
werden; es sey denn, daß nach Anleitung des Ersten Theils, Tit. VIII. §. 30.
der Grundherr, durch Erkenntniß des Bergamtes, zu dessen Gestattung, gegen
erhaltene vollständige Schadloshaltung, verurtheilt wäre.
§. 148. Bepflanzte Baum- und Kohlgärten sind bey dem
Schürfen ganz zu verschonen, wenn nicht der Schürfschein ausdrücklich darauf
gerichtet worden.
§. 149. Das Schürfen auf Aeckern und Wiesen muß zu einer
solchen Zeit vorgenommen werden, da die Feldfrüchte dadurch keinen Schaden
leiden.
§. 150. Wird bey dem Schürfen nichts entdeckt; so muß der
Schürfer die aufgeworfene Grube wieder einfüllen, den Ort eben machen, auch
allen durch das Graben verursachten Schaden, und die entzogene Nutzung,
allenfalls nach der Festsetzung des Bergamtes, ersetzen.
§. 151. Ist hingegen ein Stockwerk, Lager, Gang oder Flötz
wirklich entdeckt worden: so muß der Schürf, wenn auch vor der Hand darauf
nicht fortgebauet würde, dennoch offen bleiben.
§. 152. Hat der Grundeigenthümer denselben ohne Genehmigung
des Bergamtes zugeworfen: so muß die Wiedereröffnung auf seine Kosten
geschehen, und er hat außerdem eine Geldbuße von Zehn Thalern zum Besten der
Bergarmen verwirkt.
§. 153. Der Grundeigenthümer ist befugt, wegen seiner
Entschädigung Sicherheit zu verlangen, wenn gesetzmäßige Gründe zum
Arrestschlage vorhanden sind.
Vom Rechte des ersten Finders.
§. 154. Wer auf erhaltenen Schürfschein ein Stockwerk,
Erzlager, Gang oder Flötz zuerst erschürft hat, ist befugt zu verlangen, daß
ihm der Bau auf das entdeckte Werk, innerhalb eines gewissen Districts, vorzüglich
vor allen Andern, verliehen werde.
§. 155. Von diesem Rechte aber muß er, bey Verlust
desselben, innerhalb Vier Wochen von Zeit der wirklichen Entdeckung Gebrauch
machen, und die schriftliche Muthung bey dem Bergamte gehörig niederlegen.
§. 156. Der Umfang des dem Bauenden anzuweisenden Feldes
oder Districts, worauf sich das Recht des ersten Finders erstreckt, ist in
Ermangelung besonderer Provinzialgesetze, auf streichenden Gängen, Stockwerken
und Erzlagern, deren Fallen mehr als fünfzehn Grad beträgt, zwey und vierzig
Lachter Längenmaaß; auf Gängen und Erzlagern, deren Fallen unter fünfzehn Grad
beträgt, zwey und vierzig Lachter ins Gevierte; und auf Flötzen oder
Seifenwerken, ohne Unterschied des Fallens, fünfzig Lachter ins Gevierte.
§. 157. Doch sollen dem Finder, auf ausdrückliches Begehren,
außer seiner Fundgrube, vorzüglich zugetheilt werden: auf Gängen, Stockwerken
und Erzlagern, deren Fallen mehr als fünfzehn Grad beträgt, und welche
gangweise oder nach Längenmaaß vermessen werden, zwölf Maaßen, jede zu acht und
zwanzig Lachtern Feldeslänge; auf Gängen und Erzlagern, deren Fallen unter
fünfzehn Grad beträgt, und die nach geviertem Felde vermessen werden, zwanzig
Maaßen, jede zu acht und zwanzig Lachtern ins Gevierte; auf Flötzen oder
Seifenwerken aber, ohne Unterschied des Fallens, so viel, als füglich in einem
zusammenhängenden Baue gefaßt werden kann, bis zwölf hundert Maaßen, jede zu
vierzehn Lachtern ins Gevierte.
Vom Muthen.
§. 158. Macht der Finder, nach §. 154. sqq., von seinem
Rechte keinen Gebrauch: so tritt derjenige, der am ersten den Gang oder das
Flötz muthet, an dessen Stelle.
Verhältnisse mehrerer Muther untereinander.
§. 159. Der Finder des Ganges geht dem vor, der den Gang nur
überfahren hat.
§. 160. Bey auflässigen Zechen wird derjenige, welcher sie
frey gemacht hat, als Finder betrachtet.
§. 161. Außerdem geht der ältere Muther dem Jüngern vor, und
wird das Alter nach dem Präsentato(!) des Bergamtes beurtheilt.
Pflichten aus der Muthung
§. 162. Der Finder sowohl, als der Muther, müssen mit Fleiß
und unausgesetzter Arbeit bemühet seyn, den gemutheten Gang, das Flötz, oder
die Bank zu entblößen; das ist, selbige mit dem Stollen oder Schürf in vollem
frischen Anbruche zu zeigen.
§. 163. Wer binnen Vier Wochen nach erfolgter Approbation
die Arbeit nicht anfängt, oder sie nicht beständig fortsetzt, wird seines
Rechts verlustig; und das Werk ist ins Freye gefallen.
§. 164. Nur wenn der Finder oder Muther erhebliche Umstände,
welche den Anfang des Baues verhindern, dem Bergamte anzeigt und bescheinigt,
kann ihm eine billige Frist nicht versagt werden.
§. 165. Doch ist auch unter solchen Umständen das Bergamt
mehr als dreymal Fristen zu ertheilen nicht berechtigt.
§. 166. Sind mehrere Theilnehmer vorhanden: so kann die
Frist nur ertheilt werden, wenn sie alle über deren Nachsuchung einig sind.
§. 167. Wer von mehrern Theilnehmern seinen Beytrag zu den
Kosten der Arbeit, nach geschehener Aufforderung durch das Bergamt, nicht
binnen Vier Wochen entrichtet, geht seines Rechts zu Gunsten der übrigen
Theilnehmer verlustig.
§. 168. Sobald ein Gang, Flötz, oder Lager entblößt ist, muß
dem Bergamte davon Anzeige gemacht, und die Untersuchung desselben über die
Bauwürdigkeit des Werkes abgewartet werden.
Beleihung.
§. 169. Wenn hiernächst das Bergamt festgesetzt hat, daß es
ein Gang, Stockwerk, Lager oder Flötz, auch bauwürdig und im Freyen gelegen
sey; so muß der Finder oder Muther binnen Vier Wochen, bey Verlust des Rechts,
die Beleihung nachsuchen.
§. 170. In der Beleihung müssen die verliehenen Stockwerke,
Lager, Gänge oder Flötze, nach deren Gränzen, genau bestimmt, auch selbige dem
Beliehenen ordentlich angewiesen werden.
§. 171. Die über oder unter der Fundgrube, im langen oder im
Quadratfelde liegenden Maaßen, in so fern der Finder oder erste Muther darauf
nach §. 156. und 157. kein Vorzugsrecht hat, ist der Staat berechtigt, andern
Baulustigen zur Aufnahme einer neuen Grube zu verleihen.
Vermessung.
§. 172. Wer beliehen ist, kann sich sein verliehenes Feld
auf der Oberfläche vom Bergamte zumessen lassen; und letzteres darf dieses
nicht verweigern.
§. 173. Wenn das Bergamt die Vermessung nöthig findet, muß
der Beliehene sich dieselbe gefallen lassen.
§. 174. Auch angränzende Gruben sind befugt, zu verlangen,
daß der andern Grube das Vermessen aufgelegt werde, wenn sie ihr Interesse
dabey nachweisen.
§. 175. Dagegen hängt es bloß von dem Beliehenen ab, auch
das Erbbereiten, oder feyerliche Vermessen zu verlangen.
§. 176. Steht die jüngere Grube in Ausbeute, und die ältere
nicht: so kann jene zuerst, jedoch dem Rechte der altern unbeschadet, auf die
Vermessung antragen.
§. 177. Die Fundgrube wird jederzeit vom Puncte des Fundes,
und zwar bey Gängen nach deren Streichen, halb oberwärts, halb unterwärts; bey
gevierten Feldern hingegen, über das Kreutz, winkelrecht vermessen.
§. 178. Das Bergamt kann nur alsdann von dieser Regel
abgehen, wenn nach dessen Ermessen auf der einen Seite des Fundes kein
nutzbarer Bau zu veranstalten ist, und von der andern Seite keine gegründeten
Widersprüche der Feldnachbarn entgegen stehn.
§. 179. Bey Maaßen steht es in dem Gutfinden des Beliehenen:
ob er sie oberhalb oder unterhalb, neben der zuerst vermessenen Fundgrube
verlange.
§. 180. Bey dem Vermessen wird in der Regel da angehalten,
wo der Gang oder Flötz zuerst entblößt wurde, und der Lehnträger muß den Ort
zeigen.
§. 181. Ist daselbst Kübel und Seil eingeworfen: so ist die
Mitte des Rundbaumes der Anhaltungspunct.
§. 182. Entstehen Zweifel: ob dieser Schacht der wahre Ort
des Fundes sey: so wird der Lehnträger, oder ein Vorsteher der Zeche, zur
eidlichen Bestärkung auf den Rundbaum gelassen.
§. 183. Ist ein Grubenbau mit einem Stollen angefangen
worden: so wird am Stollen-Mundloch angehalten.
§. 184. Bey überfahrnen Gängen und Flötzen, bringt der
Markscheider den Ort des Fundes an den Tag, und bezeichnet ihn mit einem
Lochsteine, der zum Anhalten dient.
§. 185. Die Maaßen werden jederzeit an die Fundgrube
gemessen, und wer nur mit Maaßen beliehen ist, muß diejenigen Gränzen für
richtig annehmen, nach welchen die vorliegende Fundgrube vermessen worden.
§. 186. Bey Messung der Vierung eines Ganges wird an dessen
beyden Saalbändern, und bey einem Flötze an dessen Dach und Sohle angehalten.
§. 187. Theilt sich der Gang in Trümme, und bleiben diese in
der Vierung: so ist der Anhaltungspunkt in der Mitte zwischen den Trümmen, wenn
sie aber aus der Vierung fallen, an dem Trum, welches der Lehnträger wählt.
Allgemeine Pflichten aus der Beleihung: fortwährende
Benutzung;
§. 188. Jede Bergwerksbeleihung geschieht unter der
Bedingung, das überkommene Bergwerkseigenthum, bey dessen Verlust, zu dem
beabsichtigten Endzwecke zu benutzen.
§. 189. Berggebäude müssen daher ununterbrochen fortgebauet,
so wie verliehene Schmiedestätte, Wasserläufe, und dergleichen, zu dem Zwecke
angewendet werden, zu welchem sie verliehen sind.
§. 190. Außerdem fallen die Berggebäude, die Räume u. s. w.
welche dem Grundbesitzer zum Bergbaue abgekauft worden, in das Landesherrliche
Freye; die nicht abgekauften Plätze aber zurück an die Grundbesitzer.
§. 191. Zum Fortbaue der Gruben wird überhaupt beständige
Belegung mit Arbeitern erfordert.
§. 192. Für gehörige Belegung ist nur Arbeit in der Grube zu
achten; nicht aber die Arbeit über Tage, außer wenn Wasser zu gewältigen, oder
Wetter zu schaffen sind, oder Abraum nöthig ist.
§. 193. Jede Fundgrube muß wenigstens mit Einem Berghauer
und Einem Schlepper belegt seyn, die täglich Acht Stunden Eine Schicht
arbeiten, und eine ordnungsmäßige Aufsicht haben.
§. 194. Ist die Fundgrube fündig, und das Feld geöffnet, daß
die Wasser auf den Strecken fortgebracht werden: so kann der Beliehene die
Zeche durch tägliche Belegung irgend eines Theiles seines Feldes, mit Einem
Berghauer und Einem Schlepper, bauhaft erhalten.
§. 195. In Eigenlöhnerzechen muß wenigstens wöchentlich Drey
Tage, jeden Tag Vier Stunden, gearbeitet werden.
§. 196. Pochwerke, in welchen weder Zapfen noch Eisen
gefunden wird, oder die Drey Jahre nicht als solche gebraucht worden, sind in
das Freye gefallen.
§. 197. Desgleichen zum Bergbau verliehene Wasser, welche
Ein Jahr lang nach der Belehnung nicht gefaßt worden sind.
§. 198. Zum Verluste des Eigenthums wegen unterlassener
Belegung wird erfordert, daß das Bergamt die Zeche in Einer Woche dreymal, oder
bey Eigenlöhnern eine ganze Woche hindurch, nicht gehörig belegt finde; über
diese Freyfahrung Registraturen aufnehme; und in dem Bergbuche anmerke, daß die
Zeche in das Freye gefallen sey.
§. 199. Auf gleiche Weise wird in Ansehung der Wasser- und
Pochwerke verfahren.
§. 200. Ein neuer Muther kann das Bergamt um diese
Freyfahrung bitten.
§. 201. Wenn das Bergamt bey vorgängiger Untersuchung
gefunden hat, daß wesentliche Hindernisse, die nicht aus einer Verschuldung des
Beliehenen entstanden sind, und die er nicht heben können, keine nutzbare
Belegung der Zeche, oder Benutzung der Pochwerke, Räume und Wasser gestatten:
so kann es demselben auf sein Gesuch eine Frist geben, bis zu welcher er, der unterlassenen
Benutzung ungeachtet, bey seinem Rechte verbleibt.
§. 202. Diese Frist, auch wenn sie auf bestimmte Zeit
gegeben ist, muß das Bergamt zuvörderst dem Beliehenen aufkündigen, ehe ihm das
Bergwerkseigenthum entzogen werden kann.
§. 203. Während des Laufens der Fristen müssen dennoch die
geordneten Rezeßgelder nach §. 103. vierteljährig erlegt werden.
§. 204. Wenn während des Laufens der Frist ein Fremder sich
meldet, welcher den Bau, des Hindernisses ungeachtet, fortsetzen will: so muß
die Frist dem Beliehenen aufgekündiget, und ihm angedeutet werden, daß er nach
deren Ablaufe keine Verlängerung mehr zu gewarten habe.
§. 205. Setzt der Beliehene nach dieser Aufkündigung, und
nach Ablauf der Frist, den Bau nicht fort: so muß alsdann die Grube dem
Baulustigen, welcher sich dazu gemeldet hat, ohne weitern Anstand verliehen
werden.
Raubbau.
§. 206. Niemand darf auf den Raub bauen; das ist: durch
unwirthschaftliche Aushauung der oberen Mittel, und Wegnehmung der nöthigen
Bergfesten und Stollenpfeiler, wenn sie gleich Erze enthalten, die
Wasserabführung und Wetter- auch Berglosung erschweren; die fernere regelmäßige
Fortsetzung des Baues hindern, oder gar unmöglich machen.
§. 207. Eben so wenig dürfen die Sohlen unter der
Stollenstrecke ohne Erlaubniß des Bergamtes verhauen oder unterwerket werden;
und es muß wenigstens ein Vier bis Sechs Lachter dickes Mittel unverritzt
darzwischen liegen bleiben, oder die Sohle verflüdert werden.
§. 208. Wer sich eines Raubbaues schuldig macht, wird mit
dem Verluste der auf solche unerlaubte Art erworbenen Mineralien bestraft.
§. 209. Wird nach geschehener Weisung durch das Bergamt,
dergleichen Raubbau dennoch wiederholt: so zieht dieses den Verlust des aus der
Beleihung erhaltenen Rechts nach sich.
Verstürzen.
§. 210. Wer in einer Zeche die tiefsten Stollen oder
Strecken, oder andere Oerter, stehen lassen, verzimmern, oder verstürzen will,
muß seinen Entschluß zuvor dem Bergamte ansagen, und die Besichtigung
nachsuchen.
§. 211. Wer außerdem eine Zeche, Stolle oder Strecke
verbauet oder verstürzt, soll den hineingestürzten Berg wieder herausschaffen,
und nachdrücklich bestraft werden.
§. 212. Ein Beliehener, welcher anderer Gruben oder
Tagewerke zerstört oder einwirft, Lochsteine verrückt, oder die in der Grube
eingehauenen Merkzeichen (Erbstufen) vernichtet, soll außer dem Schadensersatze
nachdrücklich bestraft, oder gar, nach Bewandniß der Umstände, seiner
erwiesenen Bosheit, und der Größe des verursachten Schadens, seiner Bergtheile,
zum Besten des Fiskus, verlustig erklärt werden.
Pflichten gegen die Bergleute.
§. 213. Den Bergleuten muß ihr Lohn in baarem Gelde, nicht
aber in Erzen, Materialien, oder Lebensmitteln gereicht, und nach den
Anschnitten aus den bereitesten Vorräthen der Grube, bey jeder Lohnung, ohne
Verzug gezahlt werden.
§. 214. Die Bergwerkseigenthümer sind der in ihren Diensten
erkrankten oder beschädigten Bergleute sich anzunehmen verbunden.
§. 215. Einem solchen Arbeiter muß, in Ermangelung
besonderer Vorschrift der Provinzialgesetze, sein Lohn von einer Zubußzeche,
ingleichen von einer Freybau oder Verlag erstattenden Zeche, auf Vier Wochen,
und bey einer Ausbeute-Zeche auf Acht Wochen, wenn die Krankheit so lange
dauert, gereicht werden.
§. 216. Dauert die Krankheit länger: so fällt die
Verpflegung des Kranken oder beschädigten Bergmannes der Knappschaftscasse zur
Last.
§. 217. Die Cur- und Begräbnißkosten eines beschädigten oder
verunglückten Bergmanns müssen aus der Knappschaftscasse bestritten werden.
§. 218. Auch die Wittwe eines Bergmanns hat das §. 215.
bestimmte Gnadenlohn zu fordern.
§. 219. Obige Vortheile der beschädigten oder verunglückten
Bergleute fallen hinweg, wenn sich einer den Schaden oder Tod vorsätzlich, oder
durch grobes Versehen, außer der Bergarbeit zugezogen hat.
§. 220. Ist der Schade oder Tod durch Bosheit oder grobes
Verschulden eines Dritten verursacht worden: so muß dieser die
Knappschaftscasse und Bergwerkseigenthümer entschädigen.
Besondere Pflichten der Stollner.
§. 221. Bey Verleihung eines Stollen, zu Lösung fremder
Zechen, wird nur der Ort, wo er angesetzt, und das Gebirge, in welches er
getrieben werden soll, bestimmt.
§. 222. Ein solcher Stollner ist befugt, seinen Stollen von
dem in der Beleihung bestimmten Punkte in das daselbst bestimmte Gebirge zu
treiben, und kann denselben nach Gefallen in mehrere Flügel theilen.
§. 223. In der Regel müssen alle Hauptstollen sohlig
betrieben werden; wenn nicht, in Absicht des Ansteigens der Wasserseigen,
besondere Abweichungen in den Provinzial-Bergordnungen bestimmt sind.
§. 224. Der Stollner darf, bey Verlust seines Stollenrechts,
ohne ausdrückliche Genehmigung des Bergamts seinen Stollen weder mit größerm
Ansteigen, noch auch die Wasserseige so treiben, daß in derselben Absätze oder
Stufen (Gesprenge) bleiben.
§. 225. Die Erlaubniß zu Gesprengen soll, außer besondern
Umständen, nur auf Flügelörter gegeben werden, die in einige wenige, und zwar
solche Gruben gehen, welche entweder des Stollens vorzüglich bedürfen, oder
wenige, und höher liegende Erzanbrüche haben.
§. 226. Diese gegebene Erlaubniß wird vom Bergamte in den
Bergbüchern angemerkt.
§. 227. Das Feld des Stollners, in welchem er die daselbst
brechenden Mineralien gewinnen kann, ist Fünf Viertel Lachter, von der
Wasserseige seines Stollens in die Höhe, und Fünf Achtel Lachter in die Breite,
oder so weit der Stollen von dem Mundloche an geführt worden.
§. 228. Außer diesen Gränzen steht ihm kein
Bergwerkseigenthum zu, als in so fern er besonders damit beliehen ist.
§. 229. Will der Stollner außer diesen Gränzen über, unter,
oder neben dem Stollen ausbrechen: so muß er zuvörderst dazu vom Bergamte
Erlaubniß erhalten, und letztere in die Bergbücher eingetragen werden.
§. 230. Der Stollner hat das Recht, die Erlaubniß zum
Ausbrechen, und zu Lichtlöchern, vom Bergamte zu fordern, wenn er außerdem
durch Wettermangel, oder durch beschwerliche Forderung, an Forttreibung des
Stollens gehindert würde.
§. 231. Desgleichen wenn der Stollen in Gebäude kommt, die
kein Tiefstes haben, welches die Tiefe der Stollensohle erreichet.
§. 232. Vor Ertheilung der Erlaubniß zu Lichtlöchern, muß
das Bergamt das Bedürfniß des Stollens durch Befahrung auf den Augenschein
untersuchen.
§. 233. Hat der Stollner die Erlaubniß zum Auslenken und zu
Lichtlöchern erhalten: so muß er dieselben, in Ansehung der Richtung und Weite,
ganz nach der Vorschrift des Bergamts, und nie über die Weite eines Schachts
führen.
§. 234. Der Stollner hat an den unverliehenen Gängen und
Flötzen, die er gehörig überfährt, die Rechte des ersten Finders.
§. 235. Er ist, bey Verlust seines Stolleneigenthums,
verpflichtet, den Stollen nach irgend einer Richtung immer weiter zu treiben,
wenn er nicht, nach vorhergegangener Untersuchung, von dem Bergamte Frist
erhalten hat.
§. 236. Doch kann er sich im Eigenthume des Stollens
erhalten, wenn er die anstehenden Stollörter vom Bergamte verstufen läßt.
§. 237. Durch diese Verstufung wird des Stollners Befugniß
zum unbedingten Forttriebe des Stollens (§. 222.) an diesem Orte aufgehoben;
und er hat außer diesen Gränzen kein Recht.
§. 238. Von den verstuften Stollenörtern an kann der Stollen
andern Gruben, oder neuen Muthern verliehen werden.
§. 239. Vorliegende Gruben haben ein Näherrecht vor andern
Muthern, die Verleihung des Stollens zu verlangen; und unter mehrern Gruben
diejenige, welche dem verstuften Stollorte am nächsten liegt.
§. 240. Vorliegende Gruben, welche den Stollen von den
verstuften Stollenörtern, oder von der Markscheide der anliegenden Grube an,
jede Grube in ihrem verliehenen Felde, unter ihre Gebäude führen wollen,
bedürfen keiner besondern Belehnung, sondern sind bloß schuldig, ihr Vorhaben
dem Bergamte anzuzeigen.
§. 241. Wenn ein Stollenort verstuft, und entweder auf
Belehnung (§. 238.) oder auf vorgängige Anzeige bey dem Bergamte (§. 240.)
weiter getrieben worden ist; und weder der zweyte Stollner, noch die Gewerken
entfernterer Gruben, denselben in weiter liegende Gruben fortführen wollen: so
kann der Ort nochmals verstuft werden.
§. 242. Alsdann hat der erste Stollner ein Näherrecht zur
Muthung.
§. 243. Solche Belehnungen (§. 238. sqq.) geben gleiche
Rechte und Pflichten, als die erste Verleihung des Stollens.
§. 244. Unterläßt der Stollner, den Stollen in vorliegende
Gruben zu treiben: so sind diese Gruben, und andere neue Muther, berechtigt,
bey dem Bergamte darauf anzutragen, daß der Stollen an diesem Orte verstuft
werde.
§. 245. Das Bergamt muß alsdann dem Stollner eine billige
Frist zur Forttreibung des Stollens in die desselben bedürfenden Gruben vorschreiben;
und wenn auch diese nicht inne gehalten wird, mit der Verstufung verfahren.
§. 246. Aus der Verstufung Eines Stollenorts folgt noch
nicht der Verlust des Rechts auf die übrigen unverstuft gebliebenen Oerter.
§. 247. Unterläßt der Stollner gänzlich, den Stollen
fortzutreiben, oder verstufen zur lassen: so befährt das Bergamt den Stollen;
verstuft die anstehenden Stollörter; und erklärt, durch Bemerkung im Bergbuche,
den Stollner seines Eigenthums für verlustig.
§. 248. Der Stollen kann alsdann Andern verliehen werden,
welche in alle Rechte und Verbindlichkeiten des ersten Stollners treten.
§. 249. Vorliegende Gruben und neue Muther sind befugt, um
diese Freyfahrung zu bitten.
§. 250. Hierbey haben die vorliegenden Gruben eben die bey
verstuften einzelnen Stollenörtern §. 239. ihnen beygelegten Rechte.
§. 251. Wenn ein solcher auflässiger Stollen verbrochen ist:
so haben die Gruben, in welche der Stollen schon getrieben war, und welche
älter als der neue Stollner beliehen sind, das Recht, den Stollen in ihrem
Felde selbst zu gewältigen; und geben alsdann dem Stollner nur
Wassereinfall-Geld.
§. 252. Der Stollner ist, bey Verlust seines Eigenthums,
verpflichtet, den Stollen in solchem Zustande zu erhatten, daß er nicht
verbricht.
Mittelbare Erwerbung.
Ueberhaupt.
§. 253. Jedes verliehene Bergwerkseigenthum, und also auch
Bergtheile, oder Kuxe, werden zum unbeweglichen Vermögen gerechnet.
§. 254. Ausbeute hingegen gehört zum beweglichen Vermögen,
sobald sie nach den Antheilen der Gewerke abgeschlossen ist, wenn sie gleich
von den Gewerken noch nicht erhoben worden.
§. 255. Was im Ersten Theile Tit. X. §. 6-20. von der
mittelbaren Erwerbung des Eigenthums der Grundstücke überhaupt vorgeschrieben
ist, gilt auch vom Bergwerkseigenthume.
§. 256. Es müssen daher alle Besitzveränderungen bey dem
Bergamte verlautbart; im Berggegenbuche ab- und zugeschrieben; und ein neuer
Gewährschein darüber gelöset werden.
§. 257. Bey dem Ab- und Zuschreiben wird in der Regel alles
dasjenige beobachtet, was in der Hypothekenordnung bey Eintragung des
Besitztitels verordnet ist.
§. 258. Sind jedoch nur einzelne Kuxe, oder gar nur einzelne
Antheile eines Kuxes, von Einem Inhaber auf den andern zu übertragen: so ist es
genug, wenn sich das Bergamt nur überhaupt die rechtliche Gewißheit der von den
Parteyen beschlossenen Uebertragung verschafft hat.
§. 259. Wie dieses auf die schicklichste, bequemste, und den
Interessenten am wenigsten lästige Art geschehen könne, muß denselben
allenfalls, nach Beschaffenheit der Umstände, von dem Bergamte an di(! = die)
Hand gegeben werden.
§. 260. Ueberhaupt kann, wenn auch derVerkäufer sich nicht
meldet, der Käufer aber einen gehörig beglaubigten Contrakt, worin ihm das
Eigenthum des Kuxes übertragen worden, beybringt, das Ab- und Zuschreiben auch
ohne Zuziehung des Verkäufers erfolgen.
§. 261. Bey freywilligen Veräußerungen von Bergtheilen,
wovon noch Zubußen rückständig sind, kann die Zuschreibung nicht eher erfolgen,
als wenn entweder der Verkäufer dieselbe, vor Entsagung seines Eigenthums,
berichtigt, oder der Käufer sich erklärt hat, den Rückstand zu übernehmen.
§. 262. Wenn von Bergtheilen, die durch Erbfolge verfällt
werden, noch Zubuße rückständig ist: so erhält der neue Besitzer vor deren
Berichtigung keine Zugewährung.
§. 263. Bey jeder Uebertragung irgend eines
Bergwerkseigenthums, welches nach den im Berggegenbuche vorhandenen Anmerkungen
mit dinglichen Ansprüchen behaftet ist, müssen diese im neuen Gewährscheine
vollständig ausgedrückt werden.
Vom Gesammteigenthume.
§. 264. Was bergmännisch gemuthet und verliehen wird, kann
auch im Gesammteigenthume besessen werden.
Wie es erlangt werden kann.
§. 265. Derjenige, welcher erweislich mit einem
Bergwerkseigenthume beliehen ist, (der Lehnträger), muß sich vor dem Gegenbuche
erklären, daß er die mit Namen anzugebenden Personen in das Gesammteigenthum
aufnehme.
§. 266. Rechte des Gesammteigenthums erlangt jeder
Theilhaber nur durch Eintragung seines Namens in das Gegenbuch; und erhält
darüber vom Bergamte einen Gewährschein, der ihm zum Beweise der erfolgten
Eintragung dient.
§. 267. Nur derjenige ist als wahrer Eigenthümer eines
Bergtheils zu betrachten, der als solcher im Gegenbuche steht.
Rechte und Pflichten der Gesammteigenthümer.
§. 268. Die Verhältnisse der Gesammteigenthümer unter sich,
sind nach dem unter ihnen bestehenden Vertrage, und in dessen Ermangelung nach
den allgemeinen Grundsätzen des Ersten Theils, Tit. XVII. zu beurtheilen.
§. 269. Der Lehnsträger ist Repräsentant der Gewerkschaft,
in allen Angelegenheiten, welche die Beleihung die Bewahrund(! = Bewahrung)
ung(! =und) des Eigenthums betreffen.
§. 270. Besonders muß er bey der Anweisung und Vermessung
zugezogen werden.
§. 271. Er muß aber auch für die gehörige Herbeyschaffung
der Zubuße sorgen.
§. 272. Die Gewerke sind verbunden, dem Bergamte Rechnung
von ihrem Grubenhaushalte abzulegen; dieselbe in zwölf monathliche Anschnitte
oder Spezialrechnungen, und nachher in eine summarische Rechnung zu bringen;
auch die ordnungsmäßigen Gebühren für die Revision derselben zu entrichten.
§. 273. Wie diese Rechnungen geführt, und in welchen
Terminen sie abgelegt werden sollen, ist in den Provinzial-Bergordnungen
enthalten.
In Ansehung der Zubuße.
§. 274. Die Zubuße wird von dem Bergamte, nach Erforderniß
des Baues, vierteljährig berechnet und ausgeschrieben.
§. 275. Die Ausschreibung geschieht nach Verhältniß der
Kuxe, die an Gewerke vertheilt sind.
§. 276. Eben so wird es gehalten, wenn während eines
Quartals, wegen Unzulänglichkeit der eingekommenen Zubuße, eine neue Anlage zur
Fortsetzung des Baues von dem Schichtmeister, unter Genehmigung des Bergamtes,
gemacht werden muß.
§. 277. Doch dürfen von den §. 134. bestimmten Freykuxen
keine Zubußen gefordert, sondern die Antheile derselben müssen von den übrigen
Interessenten übertragen werden.
§. 278. Jeder Interessent ist schuldig, die von dem Bergamte
ausgeschriebene Zubuße, innerhalb Vier Wochen nach geschehener Ausschreibung,
unweigerlich zu entrichten.
§. 279. Der Vorwand der Unwissenheit oder Entfernung, kann
keinem Gewerken gegen die nachtheiligen Folgen der versäumten Zahlung zu
statten kommen.
§. 280. Wer nach Ablauf des Dritten Quartals von der Zeit
an, da die Zubuße entrichtet werden sollte, mehr als die Zubuße des letzten
Quartals schuldig ist, der wird seiner Kuxe, auf die Anzeige des
Schichtmeisters, oder sonstigen Zubußeinnehmers, sofort verlustig.
§. 281. Dazu bedarf es keines förmlichen Gehörs des säumigen
Gewerken, oder ausdrücklichen Erkenntnisses; sondern nur eines vom Bergamte
abzufassenden Decrets.
§. 282. Einen solchen angefallenen Kux kann das Bergamt,
ohne Befragung der übrigen Interessenten, zum Besten der Gewerkschaft
verkaufen; oder auch, gegen Entrichtung der rückständigen Zubuße, einem
sogenannten gehorsamen Gewerken, welchem allemal der Vorzug vor einem Fremden
gebühret, überlassen.
§. 283. Der vorige Inhaber ist nur mit Einwilligung der
Gewerkschaft, und gegen Erlegung der rückständigen Zubuße wiederum zum Besitze
des einmal verlornen Kuxes zu lassen.
§. 284. So lange die der Gewerkschaft zugewachsenen Kuxe
noch nicht wiederum an eigene Inhaber gebracht sind, wird die auf selbige
kommende Zubuße auf die übrigen Mitglieder der Gewerkschaft mit ausgeschrieben.
§. 285. Wer von den übrigen Gewerken die gehörig
ausgeschriebene Zubuße eines angefallenen Kuxes nicht nach Vorschrift des §.
280. zahlt, verliert sein Recht darauf.
§. 286. Wird eine Gewerkschaft so schwach, daß sie die
Beyträge der angefallenen Kuxe nicht entrichten kann oder will; und können
diese angefallenen Kuxe nicht auf andere Art untergebracht werden: so fällt die
ganze Grube in das Landesherrliche Freye.
§. 287. Eben dies findet statt, wenn alle Gewerke ihren
Antheilen entsagt, oder dieselben durch ihre Saumseligkeit in Entrichtung der
Zubuße, (Retardat,) verloren haben.
§. 288. Alsdann muß das Bergamt die Namen der bisherigen
Gewerken im Gegenbuche löschen lassen.
§. 289. Mit dem Verluste des Eigenthums der Zechen und
Bergtheile werden alle dinglichen Rechte aufgehoben, welche die Gewerken daran
gehabt haben.
§. 290. Den Gewerken aufläßiger Zechen verbleiben jedoch die
Vorräthe, welche vor der Freyfahrt über die Hängebank gestürzt sind; ingleichen
alles Andere, was sie über Tage an Mobiliarvermögen besessen haben.
§. 291. Aber auch diese Vorräthe und andere Mobilien fallen
dem Landesherrn zu, wenn sie von den Gewerken nicht vor Ablauf Eines Jahres
nach der Freyfahrung, von der Grube geschafft sind, oder deshalb beym Bergamte
keine Frist nachgesucht und bewilligt ist.
§. 292. Grubenschulden können von Gewerken, deren
Bergwerkseigenthum aufgehoben ist, durch persönliche Klagen nicht
zurückgefordert werden.
§. 293. Jedoch muß der Verlag, welchen Verleger, in Auftrag
der Gewerken, auf ganze Berg- und Hüttenwerke oder Zechen, desgleichen durch
Entrichtung der ausgeschriebenen Zubuße, auf einzelne Bergtheile, geleistet
haben, von den Gewerken ersetzt werden, wenn sie auch nicht mehr
Bergwerkseigenthümer sind.
§. 294. Ein Gleiches gilt in Ansehung derjenigen Schulden,
die Schichtmeister auf besondere Vollmacht der Gewerken aufgenommen haben.
§. 295. In wie fern Hypothekengläubiger sich an die Person
und das übrige Vermögen ihres Schuldners halten können, ist nach Vorschrift des
Ersten Theils, Tit. XX. §. 43. sqq. zu beurtheilen.
In Ansehung der Ausbeute.
§. 296. Wenn die Kosten des Betriebes, ganz oder zum Theil,
noch durch Zuschüsse der Gewerken aufgebracht werden müssen: so wird eine
solche Grube eine Zubußzeche genannt.
§. 297. Reicht das Einkommen aus den gewonnenen und
verkauften Producten zur Bestreitung der Betriebskosten, und zum weitern
Fortbaue der Grube: so ist eine Freybauzeche vorhanden.
§. 298. Eine Grube, bey welcher, nach Abzug der zum
künftigen Betriebe erforderlichen Kosten, ein Ueberschuß verbleibt, heißt eine
Verlagszeche, so lange aus diesem Ueberschusse noch die vorherigen Zubußen, und
die zum Betriebe des Werkes, mit Genehmigung des Bergamts, etwa aufgenommenen
Schulden nach und nach zurückgezahlt werden.
§. 299. Eine Grube hingegen, welche nach wieder erstattetem
Verlage, und nach Abzug der zum künftigen Betriebe nöthigen Kosten, einen
reinen Ueberschuß abwirft, wird eine Ausbeutezeche genannt.
§. 300. Die Bestimmung, wann und wie viel an Verlag
erstattet, oder an Ausbeute bezahlt werden solle, hängt von der Beurtheilung
des Bergamts ab.
§. 301. So lange noch kein hinreichender Cassenbestand, die
Kosten des ferneren Baues wenigstens auf Ein Jahr zu bestreiten, vorhanden ist,
findet weder Verlagserstattung, noch Vertheilung von Ausbeute statt.
§. 302. Auch soll eher keine Ausbeute vertheilt werden, als
bis selbige wenigstens Einen Thaler auf jeden im Gegenbuche zugewährten Kux
beträgt.
§. 303. Eine höhere Ausbeute können die Gewerke erst alsdann
verlangen, wenn nach pflichtmäßigem Ermessen des Bergamts anzunehmen ist, daß
mit solcher Vertheilung auch in der Folge, wenigstens Ein Jahr hindurch,
fortgefahren werden könne.
§. 304. Uebrigens wird die Ausbeute unter sämmtliche
Interessenten, nach Verhältniß der zu einer Zeche gehörenden Kuxe, mit Inbegriff
der Freykuxe vertheilt.
§. 305. So lange hingegen eine Zeche nur noch den Verlag
erstattet, haben die Freykuxe auf irgend einigen Vortheil keinen Anspruch.
§. 306. Dagegen muß ihnen, sobald Ausbeute geschlossen wird,
davon durch das Bergamt Nachricht gegeben werden.
In Ansehung der Bergleute.
§. 307. Die Annahme und Entlassung der Berg- und
Hüttenarbeiter, Steiger, und anderer Bergbedienten, kommt lediglich dem
Bergamte zu.
§. 308. Mitglieder einer Gewerkschaft sollen so wenig, als
deren Aeltern, Kinder, Brüder, und Bruderssöhne, oder Dienstboten, bey
derselben Zeche als Steiger oder Schichtmeister angesetzt werden.
§. 309. Auch müssen Steiger und Schichtmeister unter einander
in keiner solchen nahen Verwandschaft, oder andern genauen Verbindung stehen,
die den Gewerken, oder dem Bergbaue überhaupt, Nachtheil bringen könnte.
Des Schichtmeisters besonders.
§. 310. Bey jedem Berg- und Hüttenwerke und bey jeder Grube,
muß ein Schichtmeister angestellt werden.
§. 311. Die Gewerken haben das Recht, ein tüchtiges Subjekt
dazu in Vorschlag zu bringen, welches nach untersuchter und befundener
Tüchtigkeit, von dem Bergamte bestätigt und verpflichtet wird.
§. 312. Das Bergamt ist befugt, auch ohne Zuziehung der
Gewerken, einen Schichtmeister, wegen grober Nachläßigkeit oder Untreue, seiner
Stelle wieder zu entsetzen.
§. 313. Gewerken können verlangen, daß ihre Schichtmeister
wieder entsetzt werden, wenn sie selbige einer groben Nachläßigkeit oder
Untreue überführen können.
§. 314. Schichtmeister sind als Generalbevollmächtigte der
Gewerken, in allen Angelegenheiten, welche den Betrieb des Werks betreffen, zu
betrachten, und es finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XDI. §. 37.
sqq. Anwendung.
§. 315. Besonders schließen sie im Namen der Gewerken, unter
Aufsicht der Geschwornen, die Contracte mit den Arbeitern, und über die
angeschnittenen Bergmaterialien mit den Verkäufern; erheben diejenigen Gelder,
welche zum Betriebe der Zeche angewendet werden sollen; und verkaufen die
Producte der Grube, ingleichen die unbrauchbaren Inventarienstücke, für die vom
Bergamte festgesetzten Preise; in so fern die Gewerken nicht selbst darüber
disponirt haben.
§. 316. Ferner bezahlen sie von den Gewerkengeldern
diejenigen Ausgaben, welche das Bergamt beym Anschnitte genehmigt; desgleichen
die Gebühren, wozu die Gewerken aus der Belehnung verpflichtet sind.
§. 317. Dagegen sind sie, ohne Specialvollmacht, nicht
befugt, dem Eigenthume eines Theils des gewerkschaftlichen Feldes, der Räume,
Wasser, u. s. w. zu entsagen, oder Schulden auf die Gruben zu machen.
§. 318. Sie müssen durch den Anschnitt, und durch die
Specialrechnungen, nach Vorschrift des Bergamtes, Rechnung ablegen; und werden
als Verfälscher bestraft, wenn sie eingenommene Gelder vorsätzlich nicht zum
Anschnitte im Register bringen.
§. 319. Dagegen sind sie, außer dem Falle des Betrugs, nicht
schuldig, dasjenige zu vertreten, was sie in Anschnitt und Rechnung gebracht
haben, und im Anschnitte schon genehmigt, oder bey den Specialrechnungen nicht
defectirt ist.
§. 320. Vielmehr müssen die Gewerke, wenn sie durch unnütze
oder übertriebene Ausgaben in Schaden gesetzt zu seyn glauben, an diejenigen
Bergbeamten, welche bey dem Anschnitte, oder bey der Durchsicht der Register,
dergleichen Ausgaben zugelassen haben, sich halten.
§. 321. Der Erlaß, welchen Schichtmeister über dasjenige,
was sie zu ersetzen haben, durch Privatpatente von einzelnen Gewerken sich
verschaffen, ist ungültig.
Vom Verkaufe der Kuxe.
§. 322. Bey dem Verkaufe der Kuxe oder Bergtheile findet
kein gesetzliches Vorkaufs- oder Näherrecht, noch eine Klage aus dem Grunde der
Verletzung am Werthe statt.
§. 323. Wenn wegen der Zubuße im Contracte nichts
ausdrücklich festgesetzt worden: so muß der Verkäufer die letzte vor der
Zuschreibung geschlossene Zubuße, der Käufer hingegen diejenigen, welche
nachher abgeschlossen worden, berichtigen.
§. 324. Die vor erfolgter Zuschreibung geschlossene
Verlags-Erstattung oder Ausbeute, bleibt, wenn sie auch noch im Zehenten
vorhanden ist, im Mangel ausdrücklicher Verabredungen, dem Verkäufer.
§. 325. Die Zuschreibung im Gegenbuche muß wenigstens Vier
Wochen nach dem Vertrage geschehen.
§. 326. Hat der Käufer binnen dieser Frist die Zuschreibung
weder erhalten, noch bey dem Bergamte darauf geklagt: so kann der Verkäufer
zurücktreten; in so fern Ersterer nicht glaubhaft nachweisen kann, daß er an
Innehaltung der bestimmten Frist ohne seine Schuld verhindert worden.
§. 327. Uebrigens finden, wegen verzögerter Zuschreibung,
die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. §. 97. sqq. Anwendung.
3) Von Verpfändung des Bergwerkseigenthums.
§. 328. Das Bergwerkseigenthum kann unter Beobachtung der
Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XX. §. 390. sqq. gültig verpfändet werden.
§. 329. Soll der Gläubiger ein dingliches Recht erhalten: so
muß die Verpfändung bey dem Bergamte verlautbart, und in das Berggegenbuch
eingetragen werden.
§. 330. Bey dieser Eintragung ist nach Vorschrift der
Hypothekenordnung zu verfahren.
§. 331. Der Hypothekengläubiger verliert sein dingliches
Recht, wenn das Berg- und Hüttenwerk, oder die Zeche, in das Freye, oder der
Bergtheil in das Retardat verfällt.
§. 332. Wenn es zum gerichtlichen Verkaufe eines
verpfändeten Bergwerkseigenthums kömmt, und sich dazu kein Käufer findet: so
soll dasselbe dem Gläubiger, für Zwey Drittel der Taxe, an Zahlungsstatt
zugeschlagen werden.
§. 333. Der Gläubiger muß von dieser Zuschlagssumme
zuvörderst die Landesherrlichen Gefälle, und die ihm vorstehenden Bergschulden
berichtigen.
§. 334. Verbleibt sodann, nach Abzug seiner eignen
Forderung, noch etwas übrig: so muß er diesen Ueberrest bey dem Bergamte
gerichtlich niederlegen.
4) Von Bergarresten.
§. 335. Wegen Schulden, die das Bergwerk nicht angehen,
findet keine Klage, noch Verkümmerung bey dem Bergamte statt.
§. 336. Auch ein auf das gesammte Vermögen des Schuldners
angelegter Arrest erstreckt sich nicht auf dessen Bergwerkseigenthum, und auf
die noch nicht geschlossene Ausbeute.
§. 337. Wenn aber der ordentliche Richter des verschuldeten
Gewerken das Bergamt um die Verkümmerung des Bergwerkseigenthums ersucht: so
muß dieser Requisition, jedoch ohne Nachtheil der eigentlichen, auch spätern
Bergwerksgläubiger, Folge geleistet, uud die Execution vollstreckt werden.
§. 338. Außerdem kann auf Bergwerkseigenthum, und die davon
noch nicht geschlossene Ausbeute, nur wegen Berghypotheken, und wegen andrer
aus dem Bergbaue herrührender Schulden, Arrest angelegt werden.
§. 339. Wenn dergleichen Arrest angelegt und verstattet
worden: so muß der Arrestleger für die Bezahlung der Zubuße, ingleichen der
Quatember und Receßgelder sorgen.
§. 340. Unterläßt er dieses, und das verpfändete
Bergwerkseigenthum verfällt dadurch: so verliert er nicht nur sein Recht,
sondern muß auch den Eigenthümer entschädigen.
5) Vom Concurse über Bergwerkseigenthum.
§. 341. Wenn über das Vermögen eines Gewerken Concurs
entsteht: so ist dennoch dessen Bergwerkseigenthum, und die noch nicht
geschlossene Ausbeute, zur Masse nicht zu ziehen.
§. 342. Vielmehr muß darüber ein besonderer
Liquidationsprozeß unter den Berggläubigern bey dem Bergamte eröffnet werden.
§. 343. Die Berggläubiger sind dabey nach folgender Ordnung
anzusetzen:
1)das Lohn der
Arbeiter; jedoch nur wegen eines zweyjährigen Rückstandes, vom Tage des
ausgebrochenen Concurses zurückgerechnet;
2)Poch- und
Hüttenkosten auf gleiche Art;
3)der Zehent und
andere Landesherrliche Gebühren, ebenfalls nur in Ansehung eines zweyjährigen
Rückstandes, vom Tage des eröffneten Concurses zurückgerechnet;
4)Der Neunte und
andere Steuern, mit gleicher Einschränkung;
5)die erweislichen Verlagschulden,
und die mit Genehmigung des Bergamts gemachten Anlehne, jedoch nur in so weit
diese Forderungen aus dem letzten Jahre entstanden sind;
6)die
eingetragenenHypotheken, nach der Zeit der erfolgten Eintragung;
7)Diejenigen, welche
erweislich zum Baue, oder zur Erhaltung des Bergwerkseigenthums, Materialien
geliefert, Arbeiten gethan, oder Gelder vorgeschossen haben, welche auch zu
diesem Behufe verwendet worden, nach der Zeit des gegebenen Vorschusses, oder
des geschlossenen Contracts;
8)die mehr als
zweyjährigen Rückstände der bey No. 3. benannten Landesherrlichen Gefälle.
§. 344. Bleibt nach Befriedigung der Berggläubiger von dem
gelösten Werthe des Bergwerkseigenthums noch etwas übrig: so muß selbiges an
den Richter des allgemeinen Concurses, zur Verkeilung unter die andern
Gläubiger, abgeliefert werden.
b) Verhältnisse der Bergwerkseigenthümer unter einander;
Ueberhaupt.
§. 345. Jede Grube und jeder Stollen sind verbunden, jeder
andern Grube oder Stollen, auf Verordnung des Bergamts, den Gebrauch ihrer
Schächte, Strecken, oder Stollen, zur Förderniß, gegen eine bergamtlich
bestimmte Schacht- Strecken- oder Stollensteuer, zu verstatten.
§. 346. Wasser, die mit Stollen in Bergwerken erschroten
worden, können zwar von dem Bergamte demjenigen, welcher selbige muthet,
verliehen werden;
§. 347. Jedoch versteht sich eine solche Verleihung allemal
unter dem Vorbehalte, daß sie den Bergwerken und bauenden Gewerkschaften
unschädlich sey.
§. 348. Auch haben die bauenden Gewerkschaften auf
dergleichen Stollen- und Grubenwasser, zur Zubereitung ihrer Erze, und zu ihren
Kunstzeugen, ein vorzügliches Recht; und können selbige dazu, wenn sie auch
vorher einem Andern verliehen worden, zurückfordern.
2) Mehrerer Gruben untereinander.
§. 349. Jeder Beliehene ist schuldig, bey dem Baue seines
Ganges oder Flötzes, in den bey der Verleihung und Vermessung ihm angewiesenen
Gränzen sich zu halten.
§. 350. Er darf die ihm angewiesenen Ober- und Untermaaßen,
weder zum Nachtheile der Rechte des Staats, noch zur Verkürzung andrer
Beliehenen, überschreiten.
§. 351. Auch die bey der Beleihung bestimmte Breite oder
Vierung des Ganges muß er genau beobachten.
Vom Alter im Felde,
§. 352. Alle Bergwerksbelehnungen geschehen ältern Rechten
unbeschadet, und die jüngern müssen den ältern weichen.
§. 353. Das Alter im Felde giebt besonders den Vorzug, wenn
mehrere Trumme aus dem Hauptgange herausgehen; in welchem Falle die
Gewerkschaft des Hauptganges, und unter mehrern die älteste, einen derselben
wählen, (erkiesen,) und darauf vorzüglich die Beleihung suchen kann.
§. 354. Ferner, wenn eine Gewerkschaft mit dem auf ihrem
Gange fortgetriebenen Baue in das Grubengebäude einer andern Gewerkschaft
kommt; (mit ihr durchschlägig geworden ist.)
§. 355. Besonders alsdann, wenn Zwey Hauptgänge oder Flötze
in Einen sich zusammen vereinigen; (schaaren).
§. 356. Ferner, wenn ein Hauptgang einen andern queer
durchstreicht; (denselben überfährt,) selbst wenn die Arbeit in dem einen Gange
noch nicht bis auf den Punkt, wo selbiger von dem andern überfahren worden,
fortgesetzt wäre.
§. 357. Ferner alsdann, wenn die Flächen Zweyer Gänge sich
gegen einander neigen, und einander berühren; (durchfallen).
§. 358. Auch entscheidet das Alter im Felde, wenn zwischen
Zwey Gewerkschaften über den für beyde nicht hinreichenden Gebrauch des Wassers
zur Gruben- und Pocharbeit gestritten wird, in welchem Falle die jüngere von
Wasserläufen nicht eher und anders Gebrauch machen kann, als in so fern die
ältere des Wassers nicht bedarf, oder es derselben, ohne Benehmung des
Gefälles, wieder zugeführt werden kann.
Beweis des Alters im Felde.
§. 359. Zum Alter wird erfordert, daß der Aeltere im
rechtmäßigen und ältern Eigenthume des Ganges, oder Flötzes und Feldes sey,
woran er das Alter verlangt; und daß der streitige Gang erweislich ein Theil
seines verliehenen Ganges oder Flötzes sey.
§. 360. Das rechtmäßige Eigenthum beruht auf gehrig
erlangter Belehnung, und erweislicher Erfüllung derjenigen Obliegenheiten,
welche bey Verlust des Eigenthums vorgeschrieben sind.
§. 361. Das Alter des Eigenthums wird nach dem Tage der
Belehnung berechnet.
§. 362. Hatte Ein Theil schon gemuthet, ehe der andere
beliehen ward, und selbst später Beleihung erhalten: so giebt das ältere
Präsentatum der gehörig geschehenen Muthung das Alter.
§. 363. Hatte Ein Theil Finderrechte, ehe der andere
beliehen ward, und erst nachher selbst Beleihung erlangt: so hat er, der
spätern Muthung ungeachtet, das Alter.
§. 364. Das Alter erstreckt sich nicht weiter, als auf das
in der Beleihung enthaltene und darnach im Berggegenbuche verzeichnete Feld;
und wenn der streitige Punct außer demselben liegt: so hat der Aeltere kein
Recht daran.
§. 365. Daß der Gang am streitigen Puncte eben derselbe, und
kein anderer, als derjenige sey, worauf dem Aeltern das Alter zusteht, muß
durch offene Durchschläge vom Funde her, nach ordentlichen hängenden und
liegenden, auch kenntlichen Saalbändern erwiesen werden.
§. 366. Bloße offene Markscheider-Durchschläge, ohne
Entblößung richtiger Saalbänder, geben keinen Beweis.
§. 367. Wenn der Gang verdruckt, und in der Vierung seiner
Streichungslinie wieder gefunden worden ist: so wird der wiedergefundene Gang
für denselben gehalten, der vorher verdruckt war, und gehört dem Aeltern.
§. 368. Fällt der Gang des Jüngern in des Aeltern Vierung:
so hat der Letzte in derselben das Alter darauf.
§. 369. Ist der Bau der Grube noch nicht so weit gebracht,
daß daraus obige Umstände §. 359. sqq. klar sind: so muß besondere Beweisarbeit
geführt werden.
§. 370. Der Aeltere darf hierzu nur in seinem eignen Felde
ansetzen.
§. 371. Von der im Falle des §. 187. durch Fortstellung der
Beweisarbeit geschehenen Wahl eines Trummes, kann nicht wieder abgegangen werden.
§. 372. Auf die vom Jüngern in der Grube überfahrnen Gänge
beweiset der Aeltere sein Vorrecht, wenn er sie in seinem Felde Sieben Lachter
vom Tage, wieder mit kenntlichen Saalbändern, auch ordentlichem Hängenden und
Liegenden ausrichtet, und durch des Markscheiders Anzeige beweiset, daß der
ausgerichtete Gang mit dem vom Jüngern überfahrnen Gange gleiches Streichen
habe.
§. 373. Wenn der Beweisführende(!) Theil entweder nach dem
vorherigen Baue, oder nach der geschehenen Beweisarbeit, seinen Beweis für
vollführt erachtet: so muß er das Bergamt um Befahrung bitten.
§. 374. Bey der Befahrung zeigt derselbe in der Grube, daß
die Erfordernisse §. 359. sqq. vorhanden sind; und der Gegentheil ist schuldig,
über die Richtigkeit der angegebenen Umstände sich zu erklären.
§. 375. Findet das Bergamt noch mehrere Beweisarbeit nöthig,
so muß selbige nach dessen Anweisung geführt werden.
§. 376. Sind die Eigenthumsrechte des einen Theils erwiesen:
so muß dem andern Theile, wenn er im Besitze des streitigen Punktes ist, der
Bau an selbigem, auf Ansuchen des Gegentheils, vom Bergamte untersagt werden.
§. 377. In der Regel wird, während der Untersuchung, der Bau
durch besonders dazu angestellte und verpflichtete Schichtmeister und Steiger
fortgestellt, der dazu nöthige Vorschuß, welchen der obsiegende Theil
hiernächst ersetzen muß, von beyden streitenden Parteyen nach §. 274. sqq.
eingezogen; und der Ueberschuß beym Bergamte niedergelegt.
§. 378. Jedoch kann ein solcher Bau, nach dem Befinden des
Bergamts, bis zum Austrage der Sache ganz eingestellt bleiben, ohne daß dem
Gegentheile dabey ein Recht zum Widerspruche gebühret.
§. 379. In so fern der Bau zur Beweisarbeit nöthig ist,
geschieht derselbe zwar nach Anleitung des beweisführenden Theils; jedoch nach
Anordnung des Bergamtes, unter Verwaltung der §. 377. erwähnten besondern
Schichtmeister und Steiger.
§. 380. Die Erze, welche vor dem Verbote des Bergamts über
die Hängebank gestürzt sind, gehören demjenigen Theile, der sie gestürzt hat,
wenn er nicht unredlicher Besitzer gewesen ist; die nachher ausgeförderten
fallen dem zu, dem das Eigenthum des streitigen Feldes zugesprochen wird.
§. 381. Bey Untersuchung und Entscheidung solcher
Streitigkeiten, müssen Bergbediente, die an einer der streitigen Zechen Antheil
haben, sich ihres Amts enthalten; in so fern nicht der Gegentheil in ihre
Zuziehung ausdrücklich willigt.
§. 382. Wird dadurch die Anzahl der zulässigen Bergbedienten
zu sehr vermindert: so können die Parteyen auf Untersuchung und Entscheidung
durch ein benachbartes Bergamt antragen.
3) der Gruben gegen Stollen.
§. 383. Bey allem Auslenken im verliehenen Felde steht den
Grubenbesitzern die Wahl zu, ob sie diese Arbeit selbst übernehmen wollen, oder
das Bergamt dem Stollner dazu Erlaubniß geben soll.
§. 384. Die Erze und Mineralien, welche durch dergleichen
Baue in verliehenem Felde gewonnen werden, gehören demjenigen, auf dessen
Kosten der Bau geschieht.
§. 385. Lichtlöcher, welche mit Erlaubniß des Bergamts in
unverliehenem Felde getrieben werden, gehen, bey Verleihung dieses Feldes zum
Grubenbaue, in das Eigenthum der Grubenbesitzer über.
§. 386. Letztere sind aber verbunden, dem Stollner deren
freyen Gebrauch zu überlassen, und sie so lange gehörig zu unterhalten, als der
Stollner derselben nach Erkenntniß des Bergamts benöthigt ist.
Allgemeine Stollenrechte.
§. 387. Jede Grube ist verbunden, jedem rechtmäßig
beliehenen Stollner den Durchtrieb des Stollens durch ihre Gebäude ungehindert
zu verstatten.
§. 388. Desgleichen den freyen Gebrauch ihrer Schächte, zur
Ausförderung der Erze und Berge; und zur Einhängung des Holzes und anderer
Bergmaterialien, wenn er sich dazu seines eignen Kübels und Seils bedient.
§. 389. Jede Grube, welche so weit niedergebracht ist, daß
ein angefangener Stollen ohne Ueberbrechen in ihre Baue einschlagen kann, muß
dem Stollner gestatten, in ihren Bauen anzusitzen, und den Stollen mit einem
Orte entgegen zu gehen.
§. 390. Sie kann dieses Ort selbst zutreiben; muß aber
alsdann dem Stollner die durch den Stollenhieb gewonnenen Erze und Mineralien,
gegen Ersatz der Gewinnungskosten, auf sein Verlangen überlassen, in so fern er
zum Stollenhiebe berechtigt ist.
§. 391. Gruben, welche ihre Baue nahe bey einem schon
vorhandenen Stollen führen, sind verbunden, nach Erkenntniß des Bergamtes,
entweder die gehörigen Bergfesten stehen zu lassen, oder auf eigne Kosten
solche Vorrichtungen zu veranstalten, daß der Stollen vor Brüchen sicher
gestellt werde.
§. 392. In Ansehung der Grubenschächte hat der Stollner, auf
seine Kosten, durch Gerinne, oder sonst, solche Anstalten zu treffen, daß weder
die Gruben in ihrem Baue gehindert werden, noch die Stollenwasser in die
Tiefsten der Gruben fallen.
§. 393. Werden die Schächte erst nachher unter dem Stollen
abgesunken, nachdem dessen Wasserseige schon an diese Orte gehörig nachgebracht
war: so sind die Gruben verpflichtet, jene Anstalten auf ihre Kosten zu
treffen.
§. 394. Jeder Stollner ist verbunden, alle Wasser auf seinem
Stollen aufzunehmen, die daraufkommen.
§. 395. Jede Grube ist berechtigt, in ihren Bauen solche
Einrichtungen zu machen, daß ihre Wasser auf den Stollen fallen, oder gehoben
werden.
§. 396. Keine Grube darf den Durchlauf der Wasser anderer
Gruben auf dem Stollen, und die dazu nöthigen Vorrichtungen, Einlegung von
Gerinnen u. s. w. verwehren.
§. 397. Sie kann aber verlangen, daß vom Stollner solche
Anstalten getroffen werden, daß ihr Grubenbau dadurch kein Hinderniß leide.
§. 398. Jede dem Stollen vorliegende Grube ist befugt, des
Stollners Erklärung zu fordern: ob er den Stollen in ihre Gebäude bringen will,
oder nicht.
§. 399. Erklärt der Stollner, daß er den Stollen nicht in
die Gebäude der vorliegenden Grube bringen wolle: so kann diese den Stollenort
verstufen lassen. (§. 236. sqq.)
§. 400. Will aber der Stollner den Stollen in die Gebäude
der vorliegenden Grube bringen: so kann diese, gegen besondern Beytrag der
Kosten, eine stärkere Belegung des Stollenorts zu dessen geschwinderem
Forttriebe verlangen.
§. 401. Der Stollner hat alsdann die Wahl: ob er den Stollen
auf eigene Kosten, oder gegen die Beyträge der Gruben, geschwinder forttreiben
will.
§. 402. Nimmt er diese Beyträge an: so geben ihm in der
Folge diese Gruben nur so lange die Hälfte der Stollengebühren, bis dadurch die
Hälfte der erhaltenen Beysteuern ersetzt ist.
§. 403. Zechen, die inzwischen ins Freye gefallen, und neuen
Aufnehmern verliehen sind, können dem Stollner diejenigen Beyträge, welche die
alten Gewerken zum Forttriebe des Stollens gegeben haben, nicht an den
Stollengebühren kürzen.
§. 404. Außer diesen allgemeinen Stollenrechten, erlangt der
Stollner, durch Erfüllung gewisser Erfordernisse, das Recht, von den Gruben
noch den Stollenhieb, und das Neunte zu fordern.
Stollenhieb.
§. 405. Der Stollenhieb ist das Recht des Stollners, die in
den Gränzen des Stollen §. 227. brechenden Erze und Mineralien zu gewinnen, und
in seinem Nutzen zu verwenden.
§. 406. Ein Stollner, der seinen Stollen im verliehenen
Felde einer Grube, in mehrere Flügelörter theilt, und in mehr als einem
Flügelorte beym Stollenhiebe Erz findet, hat die Wahl, von welchem Flügelorte
er die Erze zum Stollenhiebe nehmen will.
§. 407. Die Erze, welche er von den übrigen Flügelörtern
gewinnt, muß er der Grube, auf ihr Verlangen, gegen Ersatz der Gewinnungskosten
überlassen.
§. 408. Hat aber die Grube mehr als ein Tiefstes; und können
die Wasser durch einen Stollenort nicht zugleich den übrigen Tiefsten abgeführt
und weiter gebracht werden: so gebührt dem Stollner der Stollenhieb auch von
den andern Flügelörtern, welche er nach den übrigen Tiefsten treibt.
Vierte Pfennig.
§. 409. Gruben, in deren verliehenem Felde, wegen
ermangelnder Anbrüche, kein Stollenhieb ausgeübt werden kann, geben dem
Stollner dafür den Vierten Theil (Vierten Pfennig) der Kosten, welche er von
dem ersten Durchschlage in das Feld der Grube an, bis dahin, wo er es wieder
verläßt, auf den Forttrieb des Stollens durch ihre Gebäude verwendet.
§. 410. Dazu gehören auch die Kosten für Lichtlöcher und
Durchschläge in die Grubenbaue.
§. 411. Hingegen werden dabey nur Steiger- und Arbeitslöhne,
Bergmaterialien und Schmiedekosten; nicht aber die Kosten über Tage
angerechnet.
§. 412. In allen Gruben, wo der Stollner zum Stollenhiebe
berechtigt ist, hat er die Wahl: ob er den Stollenhieb, oder den Vierten
Pfennig fordern will.
§. 413. Der Vierte Pfennig wird jederzeit erst auf
Anforderung des Stollners, mithin nicht auf diejenigen Kosten gegeben, welche
der Stollner vor der Zeit des geforderten Vierten Pfennigs aufgewendet hat.
§. 414. Es wird für eine stillschweigende Wahl des
Stollenhiebes geachtet, wenn der Stollner den Vierten Pfennig nicht gefordert
hat, und im Stollen Erze oder Mineralien gewinnt.
§. 415. Hat aber der Stollner anfänglich den Vierten Pfennig
genommen: so ist ihm unverwehrt, denselben während des Stollentriebs
aufzukündigen, und den Stollenhieb auszuüben.
§. 416. Gruben, welche dem Stollen den Vierten Pfennig
geben, sind befugt, von demselben die durch den Stollentrieb in ihrem Felde
gewonnenen Erze und Mineralien, gegen Ersatz der Gewinnungskosten,
zurückzufordern.
Neunte.
§. 417. Das Neunte ist der Neunte Theil aller aus einer
Zeche geförderten Erze, und andern Mineralien, welche der Zeche nach Abzug des
Landesherrlichen Zehent verbleiben.
§. 418. Das Neunte wird von allen denjenigen Erzen und
Mineralien gegeben, die nach erfolgtem Durchschlage des Stollens in die
vorgeschriebenen Orte der Zeche (§. 423. 424.) über die Hängebank gestürzt
werden, wenn sie auch vorher in der Grube gewonnen worden sind.
§. 419, Der Stollner erhält das Neunte in Natur, oder in
Gelde; je nachdem der Landesherrliche Zehent in Natur, oder in Gelde entrichtet
wird.
§. 420. Das halbe Neunte wird überall gleich dem ganzen
Neunten berechnet.
Wassereinfall-Geld.
§. 421. In allen denjenigen Fällen, da ein Stollen zum
ganzen oder halben Neunten berechtigt ist; dieses aber wegen ermangelnder
Anbrüche nicht gegeben werden kann; gebührt dem Stollner ein vom Bergamte zu
bestimmendes Wassereinfall-Geld.
§. 422. Neuntes und Wassereinfall-Geld erhält der Stollner
erst von der Zeit an, da er seinen Anspruch, mit Beweis des wirklich erlangten
Rechts Stollengebührnisse zu fordern, ankündigt.
Erfordernisse zu den besondern Stollenrechten.
§. 423. Um dieser Gebührnisse §. 405. sqq. theilhaftig zu
werden, muß der Stollen
a) Vom Bergamte gehörig verliehen, und
b) gesetzmäßig getrieben seyn;
c) mit der Wasserseige in diejenigen Tiefsten der
Gruben einkommen, wo die Baue auf anstehende Erzanbrüche geführt werden,
d) daselbst die Erbteufe einbringen, und
e) den Gruben Wasser ab-, und Wetter zuführen;
mithin vom Mundloche bis an jede Grube, in solchem Stande seyn, daß die Wasser
ohne Hinderung zum Mundloche auslaufen.
§. 424. Unverliehene Stollen, und solche, welche ohne
Erlaubniß des Bergamtes anders, als nach Vorschrift des §. 223-252. getrieben
sind, haben kein Stollenrecht.
§. 425. Es ist nicht nöthig, daß der Stollen an den Orten,
wo die Erzanbrüche sind, in dem tiefsten Punkte einkomme, wenn er sonst nur die
Erbteufe einbringt.
§. 426. Ehe ein Stollen nicht an die gehörigen Orte (§. 423.
c) und 424.) eingekommen ist, erhält er kein Neuntes.
§. 427. Ein Stollen, welcher einer ganzen Zeche Wasser ab-,
und Wetter zuführt; aber nur an die Orte der Grube getrieben ist, wo die
Erzanbrüche stehen, erhält dennoch von dem ganzen Felde der Gewerkschaft das
volle Neunte, so weit als es durchschlägig ist, und von dem Stollen Wasser und
Wetterlosung geschieht.
§. 428. Zur Erbteufe wird erfordert, daß der Stollen an den
gehörigen Orten Zehn Lachter und eine Spanne tief einkomme.
§. 429. Diese Tiefe wird nicht von der obern Einfassung des
Schachts (Hängebank), sondern vom Rasen nieder, bis auf die Wasserseige des
Stollens berechnet.
§. 430. Ein Stollen, dessen Mundloch nicht offen ist, so daß
auf demselben nicht mehr ein- und ausgefahren werden kann; und dessen
Wasserseige nicht gehörig rein gehalten ist, so daß sich die Wasser dadurch
zurückdämmen, erhält von den Gruben, wo dieses geschieht, so lange der Schade
dauert, keine Stollengebührnisse.
§. 431. Jedoch schadet es dem Stollner nicht, wenn ihm sein
Mundloch abgeht, und seine Wasser, mit Genehmigung des Bergamtes, auf einem
tiefern Stollen zu Tage auslaufen.
§. 432. Gruben, die sich des Stollens nicht zur Abführung
der Wasser bedienen, werden dadurch nicht von Entrichtung derjenigen
Gebührnisse befreyet, zu welchen der Stollner an seiner Seite berechtigt ist.
§. 433. Ein Stollen, der gehörige Erlaubniß zu Gesprengen
erhalten hat (§. 224.), ist dadurch der Stollengebührnisse fähig.
§. 434. Ein Stollen, der in das Feld einer Zeche
eingeschlagen hat, der ganzen Zeche die Wasser ab-, und Wetter zuführt; dessen
Wasserseige aber noch nicht an die Orte gebracht ist, wo die Erzanbrüche
stehen, erhält so lange nur das halbe Neunte, bis die Wasserseige diese Orte
erreicht.
§. 435. Hat eine Zeche in Zwey Tiefsten Erzbaue, und hat der
Stollen nur in Eines derselben eingeschlagen, so bekommt er nur von diesem das
Neunte.
§. 436. Benimmt er aber zugleich dem andern Tiefsten die
Wasser, und schafft ihm Wetter: so gebührt ihm zugleich von diesem das halbe
Neunte.
§. 437. Wenn ein Stollen in das Feld einer Grube gebracht
ist; die Wasser aber nicht durch offene Durchschläge, sondern durch Klüfte,
oder Lotten darauffallen: so erhält er, bis zu erfolgtem gehörigen
Durchschlage, nur das halbe Neunte.
§. 438. Hat ein Stollen nicht in das verliehene Feld einer
Grube eingeschlagen; führt ihr aber dennoch Wasser ab, und Wetter zu; also, daß
die Wasser- und Wetterlosung mittelbar durchandere Gruben geschieht: so bekommt
der Stollen von jener Grube Wassereinfall-Geld.
§. 439. Von allen Wassern, die durch verstufte und von
andern weiter getriebene Stollenörter auf den Stollen fallen, wird gleichfalls
dem Stollner von denjenigen, die solche Stollenörter getrieben haben,
Wassereinfall-Geld entrichtet.
§. 440. Auch derjenige, welcher dergleichen Stollenörter
weiter getrieben hat, kann von den Gruben, denen er Wasser ab-, und Wetter
zuführt, unter eben den Umständen als der erste Stollner, ganzes, oder halbes
Neuntes, oder Wassereinfall-Geld fordern.
§. 441. Auf gleiche Art giebt ein oberer Stollen dem
niedern, der seine Wasser abführt, und nicht von diesem enterbt ist, ein
Wassereinfall-Geld.
§. 442. Kann ein Stollen die vorher in einer Zeche
eingebrachte Erbteufe wegen Abfall des Gebirges nicht weiterhin erhalten: so
bekommt er von dem Theile, wo er die Erbteufe verloren hat, die halben
Stollengebührnisse.
§. 443. Ist der Stollen vorher in der Erbteufe unter einem
Schachte des Gebäudes eingekommen, und hat, nach verlorner Erbteufe, das
Tiefste eines Zweyten Schachts oder Gebäudes erreicht; führt auch am letzern Orte die Wasser wirklich ab: so kann
er auch da, wo er keine Erbteufe einbringt, volle Stollengebührnisse fordern.
§. 444. Bringt ein Stollen in einer Zeche nirgend Erbteufe
ein; führt ihr aber dennoch Wasser ab, und Wetter zu: so ist er der
gewöhnlichen Stollengebührnisse unfähig; erhält aber von dieser Zeche eine vom
Bergamte zu bestimmende Stollensteuer.
§. 445. Wenn Gruben durch einen Stollen an Kosten für die
Aushebung der Wasser, und Zuführung frischer Wetter beträchtlich ersparen; und
es entweder gar nicht, oder nur mit beträchtlich höherem Aufwände möglich ist,
den Stollen in einer solchen Tiefe anzusitzen, durch welche er in der Grube
Erbteufe einbringt: so kann demselben durch Verordnung des Bergamts, der
fehlenden Erbteufe ungeachtet, volles Stollenrecht gegeben werden.
§. 446. Wenn Gruben sich mit Stollen, welche keine Erbteufe
haben, wegen der Stollenrechte überhaupt vergleichen, und die Verträge von dem
Bergamte bestätigt werden: so gelten sie auch gegen künftige Aufnehmer in das
Freye gefallener Gruben.
§. 447. Gruben, welche dem Stollen, ob ihm gleich die
Erbteufe fehlt, den Vierten Pfennig geben, gewähren ihm dadurch keine weitere
Stollengebührnisse; sind aber dafür befugt, zum Behufe ihres eigenen
Grubenbaues auf dem Stollen anzusitzen.
Von Wasserschlotten.
§. 448. Was vorstehend von dem Verhältnisse der Gruben gegen
Stollen verordnet ist, §. 383. sqq. findet auch in dem Falle statt, wenn jemand
Wasserstrecken nach oder aus Kalkschlotten treibt; damit die Wasser in
gehöriger Erbteufe den vorliegenden Zechen löset, und die übrigen Erfordernisse
des Stollners hat.
Von Wasserhaltungsmaschinen.
§. 449. Ferner, wenn Gruben mittelst Feuer oder andrer
Wasserhaltungsmaschinen getrocknet werden, und Wetterlosung in ihre Gebäude
gebracht wird.
§. 450. Wer dergleichen Maschinen auf seine Kosten erbauet
und unterhält, auch mit den aus dem Kunstschachte getriebenen Grund- oder
Wasserstrecken die §. 428. sqq. bestimmte Erbteufe auf den geloseten Zechen
einbringt, und die übrigen Erfordernisse des Stollners hat, wird dadurch zu den
§. 405-423. bestimmten Stollengebühren, nach jedesmaliger Festsetzung des
Bergamts berechtigt.
§. 451. Das Neunte darf in diesem Falle nie weniger als den
neunten, und nie mehr als den fünften Theil der wirklichen Förderung, nach
Abzug des Landesherrlichen Zehenten, betragen.
§. 452. Sollten auch entfernte und mit dem Kunstschachte
nicht unmittelbar in Verbindung stehende Grubengebäude, durch abführende und
dem Kunstschachte zuführende Klüfte erweisliche Wasserlosung erhalten: so sind
sie zur Entrichtung des halben Neunten, oder einer von dem Oberbergamte
verhältnißmäßig festzusetzenden Beysteuer verbunden.
4) Der Stollen unter einander.
§. 453. Das Verhältniß mehrerer zusammentreffender Stollen,
so wohl unter sich, als gegen die Gruben, wird so, wie das Verhältniß eines
Stollens gegen jede Grube, lediglich darnach bestimmt, mit welchen
Eigenschaften sie in dem Felde jeder Grube zusammen treffen.
§. 454. Zwischen mehrem Stollen, wovon nur einer, nach den
Erfordernissen des §. 423. gewisser Stollenrechte fähig ist, hat dieser
jederzeit den Vorzug.
§. 455. Erlangt ein Stollen solche Vorzüge, durch welche den
andern ihre Rechte entzogen werden: so sind die andern nie zum Ersatze
desjenigen gehalten, was sie vorher genossen haben.
§. 456. Einem Stollen, welcher zum Stollenhiebe oder Vierten
Pfennige, und zum ganzen Neunten volkommen berechtigt ist, kann ein Zweyter
Stollen nur durch Enterbung seine Stollengerechtigkeit entziehen.
Von der Enterbung.
§. 457. Die Enterbung geschieht dadurch, wenn der Zweyte
Stollen diejenigen Erfordernisse, durch welche Stollen des Stollenhiebs, oder
Vierten Pfennigs, ganzen oder halben Neuntens fähig werden, Sieben Lachter
tiefer als der obere Stollen erfüllt.
§. 458. Diese Sieben Lachter werden senkrecht, von der Sohle
des obern Stollen auf die Sohle des untern, und zwar aus den Orten gemessen, wo
Stollen nach den Gesetzen einkommen sollen. (§. 423. e) 427.)
§. 459. In allen Fällen,
da ein Stollen Wassereinfall-Geld oder Stollensteuer erhält, ist er deren
verlustig, sobald ein andrer Stollen dieselben Wasser in einer mehrern Tiefe
abführt.
§. 460. Zwey Stollen, die zugleich, gegen einander, in Eine
Zeche getrieben werden, erhalten beyde, bis zu erfolgtem Durchschlage, den
Stollenhieb, oder Vierten Pfennig.
§. 461. Kommen sie unter einander ein; und ist noch keiner
an die gehörigen Orte gebracht: so entzieht der tiefere dem obern den
Stollenhieb und Vierten Pfennig.
§. 462. Wird der obere, auf Verlangen oder mit Beiträgen der
Zechen, in ihr Feld getrieben: so kann er durch einen Zweyten Stollen nur
enterbt werden.
§. 463. Wenn ein oberer Stollen in den Fällen des §. 434.
und 435. nur das halbe Neunte bekommt; der tiefere Stollen aber ohne alle
solche Mängel eingekommen ist: so kann der niedere Stollner verlangen, daß das
Bergamt dem obern Stollner eine Frist vorschreibe, binnen welcher er, in so
fern ihn nicht unverschuldete Hindemisse abhalten, bey Verlust jenes halben
Neunten den Mängeln abhelfen soll.
§. 464. In den Fällen des §. 436. und 437. entzieht
derjenige Stollen dem andern das ganze oder halbe Neunte, der eher zum vollen
Neunten berechtigt wird.
§. 465. Wenn mehrere Stollen zugleich, und in gleicher
Tiefe, aber nicht gegen einander, in Eine Zeche getrieben werden: so hat
derjenige überall den Vorzug, der eher in das Feld der Gewerkschaft einschlägt.
§. 466. Wenn nach obigen Vorschriften weder mehrere Tiefe,
noch früheres Einschlagen in die Zeche entscheiden: so treten die Vorrechte des
Alters ein.
§. 467. So oft ein Stollen dem andern durch Enterbung, oder
sonst nach den Gesetzen, Stollenhieb, Vierten Pfennig, oder Neuntes entzieht:
so verbleibt demjenigen, der seine Rechte verliert, alles, was er vor der Zeit,
da der andere ein Vorzugsrecht wirklich erlangte, durch den Stollenhieb an Erz
gewonnen, am Vierten Pfennig erhoben, und von den vorher über die Hängebank der
Zeche gestürzten Erzen, an ganzem oder halben Neunten zu fordern hatte.
Verhältniß der Wasserhaltungs-Maschinen gegen Stollen.
§. 468. Was hier §. 453. sqq. von dem Verhältnisse der
Stollen unter sich verordnet ist, findet auch zwischen Wasserhaltungs-Maschinen
und Stollen Anwendung.
§. 469. Durch solche Maschinen wird ein Stollen gleichfalls
enterbt, wenn vermittelst derselben die Wasser sieben Lachter tiefer gehoben,
und einer Grube dadurch in dieser Tiefe Wasser- und Wetterlosungen verschafft
werden; auch die übrigen Erfordernisse zu den Stollenrechten vorhanden sind.
§. 470. Die sieben Lachter werden von der Stollensohle bis
an die Firste der aus dem Kunstschachte getriebenen Grund- oder Wasserstrecken
gemessen.
§. 471. Wenn ein Stollen die Wasser der Feuermaschine
abnimmt und fortführt: so erhält derselbe eine von dem Ober-Bergamte
festzusetzende Stollensteuer oder Wassereinfall-Geld.
5) der Gruben und Stollen gegen Hüttenwerke.
§. 472. Jedes Hüttenwerk genießt von allen auf der Hütte zu
gute gemachten Erzen, oder Schlichen, eine von dem Bergamte zu bestimmende
Hüttenpacht oder einen Hüttenzins.
§. 473. Die Hüttenwerke sollen einander die Arbeiter nicht
abwendig machen, noch das Holz und andere Bedürfnisse im Preise übersteigern.
§. 474. Jeder kann seine Schlacken in der Hütte, darin sie
gemacht worden, schmelzen, oder zum Zusatz gebrauchen.
§. 475. Wenn aber dergleichen Schlacken von dem Eigenthümer
verlassen werden: so fallen sie in das Landesherrliche Freye; und niemand darf
ohne Genehmigung des Bergamts sich deren anmaßen.
§. 476. Den Eigenthümern stehet frey, ihre Zuschläge, Holz,
und Kohlen, wenn sie sich darüber mit den Hüttenwerken nicht einigen können,
selbst anzuschaffen.
§. 477. Wie viel die Hütte von den zum Schmelzen
eingelieferten und zugewogenen Erzen oder Schlichen, an Metall auszubringen,
und den Eigenthümern zu liefern schuldig sey, muß nach den vor Anfang des
Schmelzens angestellten Proben bestimmt werden.
§. 478. Wenn der Hüttenschreiber, als Probirer der Hütte,
und der Bergprobirer im Gehalte mit einander übereinstimmen: so wird der
gefundene Gehalt zur Berechnung angenommen.
§. 479. Wenn diese Proben, auch nach angestellter
Wiederholung, von einander abweichen, so muß in beyder Gegenwart, mit einer
dazu besonders aufbewahrten Portion der zur Hütte gelieferten Erze oder
Schliche, eine Dritte oder sogenannte Schiedsprobe, welche zwischen beyden den
Ausschlag giebt, vorgenommen werden.
§. 480. Weicht auch diese Probe von den andern beyden ab: so
muß der Gehalt, welchen die Hütte auszubringen verbunden ist, nach einem
Durchschnitte der beyden am nächsten übereinstimmenden Proben festgesetzt
werden.
Siebenzehnter Titel
Von den Rechten und Pflichten des Staats zum besondern
Schatze seiner
Unterthanen
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Der Staat ist für die Sicherheit seiner Unterthanen,
in Ansehung ihrer Personen, ihrer Ehre, ihrer Rechte, und ihres Vermögens, zu
sorgen verpflichtet.
§. 2. Dem Staate kommt es also zu, zur Handhabung der
Gerechtigkeit, zur Vorsorge für diejenigen, welche sich selbst nicht vorstehn
können, und zur Verhütung sowohl, als Bestrafung der Verbrechen, die nöthigen
Anstalten zu treffen.
Erster Abschnitt
Von der Gerichtsbarkeit
Gerichtsbarkeit überhaupt.
§. 3. Die Pflicht des Staats, für die Sicherheit seiner
Einwohner, ihrer Personen, und ihres Vermögens zu sorgen, ist der Grund der
demselben zukommenden allgemeinen und obersten Gerichtsbarkeit.
Bürgerliche,
§. 4. Die bürgerliche Gerichtsbarkeit hat die Untersuchung
und Entscheidung der Streitigkeiten, welche über Rechte und Eigenthum entstehn,
zum Gegenstande.
§. 5. Doch gehört zur Civilgerichtsbarkeit auch das Recht,
Handlungen, die nicht streitig sind, gerichtlich zu vollziehn, zu bestätigen,
und zu beglaubigen.
Criminal-
§. 6. Zur Criminalgerichtsbarkeit gehört die Untersuchung
und Bestrafung der Verbrechen.
§. 7. Die Gränzen beyder Arten von Gerichtsbarkeit sind nach
den verschiednen Provinzialverfassungen näher bestimmt.
§. 8. Symbolische und geringe Realinjurien gehören der Regel
nach vor die bürgerliche Gerichtsbarkeit. (Tit. XX. §. 569. 571.628.)
§. 9. Strafbare Beeinträchtigungen nutzbarer Rechte des
Staats bleiben den darüber besonders bestellten Gerichten vorbehalten.
Polizeygerichtsbarkeit.
§. 10. Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen
Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder
einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt
der Polizey.
§. 11. Die Untersuchung und Bestrafung der gegen solche
Polizeygesetze begangnen Uebertretungen kommt, sobald damit kein vorsätzliches
oder schuldbares Verbrechen verbunden ist, der Polizeygerichtsbarkeit zu.
§. 12. Bey einem jeden Vorfalle, wodurch die unter der
besondern Obsorge der Polizey stehende öffentliche Ruhe und Sicherheit gestört
worden, hat die Polizeygerichtsbarkeit das Recht des ersten Angriffs, und der
vorläufigen Untersuchung.
§. 13. Findet sich aber bey dieser Untersuchung, daß außer
der Uebertretung des Polizeygesetzes, zugleich ein vorsätzliches oder
schuldbares Verbrechen begangen worden: so muß die Polizey die fernere
Verfügung der ordentlichen Gerichtsbarkeit überlassen.
§. 14. Auch müssen in allen Fällen, da ein Mensch
gewaltsamer Weise ums Leben gekommen ist, und überhaupt sobald zur Begründung
einer künftigen Criminaluntersuchung, das Daseyn und die Beschaffenheit einer
gewaltthatigen Handlung, durch Einnehmung des Augenscheins, oder Besichtigung
der Sachverständigen, rechtlich festzusetzen sind, die ordentlichen Gerichte
von der Polizey zugezogen werden.
§. 15. Eigentliche fiskalische Prozesse und Untersuchungen
gehören nicht zur Polizeygerichtsbarkeit.
§. 16. Nähere Bestimmungen der Gränzen zwischen der Polizey-
und der peinlichen oder bürgerlichen Gerichtsbarkeit, bleiben den
Provinzialgesetzen und besondern Polizeyordnungen vorbehalten.
§. 17. Die Vollstreckung eines rechtskräftigen Urtels gehört
der Regel nach derjenigen Gerichtsbarkeit, welcher die Untersuchung und das
Erkenntniß in der Sache gebührt.
Höchste Gerichtsbarkeit des Staats.
§. 18. Die allgemeine und höchste Gerichtsbarkeit im Staate
gebührt dem Oberhaupte desselben, und ist, als ein Hoheitsrecht,
unveräußerlich.
Verleihung der Gerichtsbarkeit an Privatpersonen.
§. 19. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit über bestimmte
Districte, Sachen, Personen, oder Handlungen, kann auch Andern übertragen
werden.
§. 20. Dergleichen Privatgerichtsbarkeit können Personen,
Familien, Corporationen und Gemeinen, gleich andern niedern Regalien, vom
Staate erlangen.
§. 21. Auch kann dieselbe mit dem Besitze gewisser
Grundstücke verbunden seyn.
§. 22. Kein Privatberechtigter kann sich, bey Ausübung
seiner Gerichtsbarkeit, der Oberaufsicht des Staats entziehen.
Patrimonialgerichtsbarkeit.
§. 23. Wo das Recht der Gerichtsbarkeit mit dem Besitze
einer gewissen Art von Gütern überhaupt verbunden, oder gewissen Gütern
besonders beigelegt ist, heißt dasselbe die Patrimonialgerichtsbarkeit.
§. 24. Die Patrimonialgerichtsbarkeit geht mit dem
Eigenthume des Grundstücks, welchem sie beygelegt ist, auf jeden folgenden
Besitzer über.
§. 25. In wie fern bürgerliche Besitzer adlicher Güter der
mit der Gerichtsbarkeit verbundenen Ehrenrechte sich bedienen können, ist nach
dem Inhalte ihrer zum Besitze erhaltnen Concessionen zu beurtheilen. (Tit. IX.
§. 59.)
§. 26. Die nutzbaren Rechte der Gerichtsbarkeit können von
einem jeden Besitzer solcher Grundstücke ausgeübt werden.
§. 27. Die Ehrenrechte bleiben dem im Hypothekenbuche
eingetragenen Besitzer so lange, als der Besitztitel des Guts noch nicht auf
einen Andern überschrieben worden.
§. 28. Eine Wittwe, welche das Gut ihres Mannes als
Leibgedinge besitzt, wird aller Ehrenrechte, welche mit diesem Besitze
verbunden sind, theilhaftig.
§. 29. Ueberhaupt gilt von dem Besitze, und der Uebertragung
der mit dem Besitze verbundenen Ehrenrechte, eben das, was von dem dinglichen
Patronatrechte verordnet ist. (Tit. XL §. 598. sqq.)
§. 30. Wer nur mit der Gerichtsbarkeit überhaupt beliehen
ist, der hat in der Regel nur die Civilgerichtsbarkeit.
§. 31. Wer aber mit den Ober- und Nieder-, oder mit allen
Gerichten beliehen worden, der hat auch die Criminalgerichtsbarkeit, und die
damit verbundenen Rechte.
§. 32. Personen von Adel, Beamte des Staats, und Geistliche,
sind der Privatgerichtsbarkeit in der Regel nicht unterworfen.
§. 33. Auch erstreckt sich die Privatgerichtsbarkeit in der
Regel nicht auf adliche, Kirchen- und Pfarrgüter, und die mit diesen gleiche
Rechte haben.
§. 34. Angelegenheiten und Geschäfte, bey welchen der Fiskus
als Partey oder Theilnehmer anzusehen ist, sind der Privatgerichtsbarkeit nicht
unterworfen.
§. 35. Ein Privatgerichtsherr, welcher sich über dergleichen
Personen, Sachen und Geschäfte einer Gerichtsbarkeit anmaaßen will, muß eine
rechtsgültige Erwerbung derselben besonders nachweisen.
§. 36. Ueberhaupt finden die Vorschriften der Prozeßordnung,
im Titel vom Gerichtstande, auch auf die Befreyungen gewisser Personen, Sachen,
oder Geschäfte, von der Patrimonialgerichtsbarkeit Anwendung.
Von mehrern Theilnehmern an der Patrimonialgerichtsbarkeit.
§. 37. Wo die Patrimonialgerichtsbarkeit unter mehrere
Besitzer Eines Guts getheilt ist, da hat, bey entstehendem Streite über die
Gränzen einer jeden Jurisdiction, derjenige Theil, welcher mit den Ober- und
Niedergerichten zugleich beliehen ist, die Vermuthung eines bessern Rechts für
sich.
§. 38. Sind alle Theilnehmer mit der Gerichtsbarkeit zu
gleichem Rechte, und ohne nähere Bestimmung beliehen: so sind sie der Regel
nach schuldig, zur Verwaltung derselben ein Gesammtgericht zu bestellen.
§. 39. Ist aber in der Verleihungsurkunde ausdrücklich
bestimmt, daß die Prävention unter ihnen statt finden solle: so hat es dabey
sein Bewenden.
§. 40. Wenn die Gerichtsbarkeit über Ein Gut mehrern
Besitzern, jedoch in verschiedenen Districten, verliehen worden: so sind
letztere als so viel verschiedene Gerichtssprengel anzusehen.
In wiefern die Patrimonialgerichtsbarkeit auf die ganze
Gemeine,
§. 41. Der Gerichtsherr kann seine Gerichtsgesessenen in
seinen eigenen Gerichten belangen; er muß sich aber alsdann alles Einflusses
auf die Direction und Entscheidung des Processes enthalten.
§. 42. Was von einzelnen Gerichtsgesessenen verordnet ist,
gilt auch von ganzen Gemeinen; in so fern nicht Provinzialgesetze ein Anderes
bestimmen.
§. 43. Die Gerichtsgesessenen sind, wenn wider sie bey ihrer
Gerichtsobrigkeit geklagt wird, sich außer ihrem Gerichtssprengel zu stellen
nicht schuldig.
auf den Gerichtsherrn selbst, und
§. 44. Der Gerichtsherr kann wider seinen Willen in seinen
eigenen Gerichten nicht belangt werden.
§. 45. Auch kann er seine Gerichtsgesessenen nicht zwingen,
ihre Klagen wider ihn bey seinen Gerichten anzubringen.
auf dessen Familie sich erstrecke.
§. 46. Was von dem Gerichtsherrn verordnet ist, findet auch
auf dessen Kinder, Ehegatten, und andere zu seiner Familie gehörende Personen
Anwendung.
§. 47. Haus- und Wirthschaftsbediente; Gesinde und Pächter
sind, wo nicht Provinzialgesetze oder besondere Verträge entgegen stehn,
der Patrimonialgerichtsbarkeit unterworfen.
Von der Gerichtsbarkeit in nicht streitigen Sachen.
§. 48. Handlungen und Rechtsangelegenheiten, bey welchen es
auf eine bloße Beglaubigung ankommt, können, nach Gutfinden der Parteyen, bey
einem jeden Gerichte vollzogen werden.
§. 49. Doch sind Gerichte, welche nur für gewisse Arten der
Geschäfte bestellt worden (Fora specialia causae), von der Vollziehung
solcher Handlungen in so weit ausgeschlossen, als die Handlung nicht ein
Geschäft derselben Art unmittelbar zum Gegenstande hat.
§. 50. Wer die Befugniß hat, solche nicht streitige
Handlungen zu vollziehen und zu beglaubigen, der hat deswegen noch keine
Gerichtsbarkeit. (Tit. VII. §. 82. 83. 84.)
§. 51. Wie weit Justizcommissarii Handlungen, die eine
öffentliche Beglaubigung erfordern, vornehmen können, ist in der Prozeßordnung
bestimmt.
§. 52. Nur solche Handlungen, bey denen es die Gesetze ausdrücklich
erfordern, müssen vor Gerichten vollzogen werden.
§. 53. In so fern bey Handlungen, welche die Veräußerung
oder Verpfändung eines Grundstücks, oder die Belegung desselben mit einer
bleibenden Reallast betreffen, zum Behufe ihrer Eintragung in das
Hypothekenbuch, ein nochmaliges feyerliches Anerkenntniß, entweder nach den
Vorschriften der Hypothekenordnung, oder nach besondern Gesetzen, erforderlich
ist, muß diese Verlautbarung bey derjenigen Behörde, welche das Hypothekenbuch
führet, geschehen.
§. 54. In wie fern Handlungen, welche Schiffe und
Schiffsgefäße betreffen, vor den besondern See- und Schifffahrtsgerichten
vollzogen werden müssen, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. I.
Tit. XX. §. 300. sqq. Th. II. Tit. VHI. Abschn. XL)
§. 55. Handlungen, die zwar an sich keinen Rechtsstreit
betreffen, dennoch aber vor ihrer Vollziehung eine richterliche Untersuchung
erfordern; können nur vor dem ordentlichen Richter vollzogen werden.
§. 56. Besonders gehören Bevormundungen, Erbsonderungen, und
Errichtung von Einkindschaften, ingleichen Aussetzungen von Altentheilen, nur
vor den ordentlichen Richter der Person; freywillige Subhastationen und
Adjudicationen unbeweglicher Güter aber, vor den Richter der Sache.
§. 57. Verträge, wodurch eine Gemeinschaft der Güter unter
Eheleuten eingeführt, oder an Orten, wo sie nach Provinzialgesetzen und
Statuten statt findet, ausgeschlossen werden soll, gehören vor den ordentlichen
persönlichen Richter. (Th. II. Tit. I. Abschn. VI.)
§. 58. Schenkungen, wenn dieselben die Kraft der
gerichtlichen haben sollen, müssen vor dem ordentlichen Richter des
Geschenkgebers vollzogen werden. (Th. I. Tit. XI. §. 1089. 1092. 1094. 1095.)
§. 59. Handlungen, die statt gerichtlich, nur vor einem
Justizcommissario (§. 52.), oder die statt des gehörigen, vor einem andern
Richter (§. 53-58.) vorgenommen worden, werden als solche, die gar nicht
öffentlich beglaubigt, oder gar nicht gerichtlich vollzogen sind, angesehen;
und gelten nur so weit, als die Handlung, von welcher die Rede ist, als eine
bloße Privathandlung rechtliche Wirkungen hervorbringen kann.
§. 60. Hat ein Richter eine Handlung, zu welcher er an sich
befugt ist, außer seinem Gerichtssprengel vorgenommen : so ist nach den
Vorschriften des Zwölften Titels im Ersten Theile §. 73. sqq. zu verfahren.
Nähere Bestimmungen wegen der bürgerliehen und peinlichen
Gerichtsbarkeit.
§. 61. Wo keine besondre Polizeygerichte vorhanden sind,
liegt dem mit der bürgerlichen Gerichtsbarkeit Beliehenen auch die Untersuchung
und Bestrafung der geringeren Polizeyvergehungen oder Verbrechen ob.
§. 62. Geringere Verbrechen dieser Art sind diejenigen, auf
welche die Gesetze nur höchstens Vierzehntägiges Gefängniß, oder Strafarbeit;
oder bis Fünf Thaler Geldstrafe verordnen.
§. 63. Auch andere Uebertretungen gemeiner Leute, welche
nach den Gesetzen nur mit mäßiger Züchtigung, oder öffentlicher jedoch nicht
entehrender Ausstellung, geahndet werden sollen, gehören zur bürgerlichen
Gerichtsbarkeil.
§. 64. In wie fern geringere Vergehungen des freyen oder
unterthänigen Gesindes, oder der Dienstleute, von jedem Hausvater oder
Gutsherrn geahndet werden können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th.
V. Tit. VII. §. 77. 80. 81. Tit. VII. §. 227. sqq.)
§. 65. Auch in Ansehung wichtigerer Verbrechen ist, in der
Abwesenheit oder bey der Entfernung des Criminalrichters, ein jeder
Gerichtsinhaber verpflichtet, alle keinen Verzug leidende Verfügungen zu
treffen, welche zur Erforschung der Wahrheit, und Festmachung des Thäters
erforderlich sind.
§. 66. Weiter aber darf kein Civilrichter, ohne
ausdrücklichen Auftrag, der peinlichen Gerichtsbarkeit sich anmaßen; sondern er
muß den Inquisiten an die Behörde sofort abliefern.
Einschränkungen der peinlichen Privatgerichtsbarkeit.
§. 67. Ein jedes Urtel, in welchem auf eine wirkliche
Criminalstrafe erkannt worden, muß vor der Publication und Vollstreckung an das
Obergericht der Provinz eingesendet werden.
§. 68. Wirkliche Criminalstrafen heißen hier diejenigen,
welche das Maaß der §. 62. bestimmten Polizeystrafen übersteigen.
§. 69. Die Einsendung der Erkenntnisse muß nach Vorschrift
des §. 67. auch alsdann erfolgen, wenn die Gesetze auf die That selbst, welche
den Gegenstand der Untersuchung ausgemacht hat, Zuchthaus-, Festungs-, oder
eine noch härtere Criminalstrafe verordnen; obgleich gegen den Angeschuldigten
eine geringere oder gar keine Strafe wirklich erkannt worden.
§. 70. In Injurienprozessen, wo über die Privatgenugthuung
und öffentliche Ahndung zugleich erkannt wird, ist die vorläufige Einsendung
des Urtels nicht erforderlich.
§. 71. Wenn ein todter Körper gefunden worden: so muß die
Einsendung der Acten erfolgen; selbst wenn keine gewaltsame Todesart
ausgemittelt, oder niemand, gegen welchen eine Untersuchung deshalb statt
fände, vorhanden ist.
§. 72. In welchen Fällen Criminalurtel dem Oberhaupte des
Staats vorgelegt werden müssen, ist am gehörigen Orte vorgeschrieben. (Tit.
XIII. §. 8.)
Ausübung der Gerichtsbarkeit.
§. 73. Aus der Belehnung mit der Gerichtsbarkeit folgt noch
nicht das Recht zur eignen Ausübung derselben.
§. 74. Wer die ihm verliehene Gerichtsbarkeit in eigner
Person ausüben will, muß sich dazu auf die in den Gesetzen zur Erlangung eines
richterlichen Amtes überhaupt vorgeschriebene Art geschickt machen, und nach
überstandener Prüfung, zur Führung desselben dem Staate besonders verpflichtet
werden.
§. 75. Wer seine eigne Gerichtsbarkeit durch sich selbst
ausübt, kann in seinen eignen Sachen niemals Richter seyn; sondern muß solche
Rechtsstreitigkeiten, bey welchen er selbst, oder Personen aus seiner Familie
ein Interesse haben, der Untersuchung und Entscheidung des Obergerichts der
Provinz überlassen. (§. 41. sqq.)
§. 76. Wer seine Gerichtsbarkeit nicht selbst verwalten kann
oder will, muß einen vom Staate zu dergleichen richterlichem Amte geprüften und
tüchtig befundenen Gerichtshalter bestellen.
§. 77. Einem solchen Gerichtshalter muß die Verwaltung der
Jurisdiction überhaupt durch eine ordentliche Bestallung aufgetragen, und er
nicht bloß in vorkommenden einzelnen Fällen gegen Diäten zugezogen werden.
§. 78. Der Gerichtsherr muß ihn den Gerichtsgesessenen
ordentlich vorstellen, und in ihrer Gegenwart auf rechtschaffene unpartheyische
Rechtspflege, nach den Gesetzen des Staats, verpflichten lassen.
§. 79. Jeder Privat-Gerichtsherr ist schuldig, dem
Obergerichte der Provinz denjenigen, welchen er zum Gerichtshalter gewählt hat,
anzuzeigen, und entweder die Tüchtigkeit desselben nach §. 76. nachzuweisen,
oder ihn zu der erforderlichen Prüfung zu stellen.
§. 80. In Gegenden, wo es an tauglichen Subjekten zu
Uebernehmung der einzelnen Gerichtsverwaltungen mangelt, müssen die
Jurisdictions-Herrn zur Bestellung eines gemeinschaftlichen Gerichtshalters
sich vereinigen.
§. 81. Gerichtshandlungen, welche von einem nicht gehörig
qualificirten Richter vorgenommen worden, sind nichtig.
§. 82. Ein Gerichtsherr, der seine Pflichten in gehöriger
Bestellung seiner Gerichte vernachläßigt, oder sonst in Rücksicht derselben
unbefugte Handlungen unternimmt, macht sich strafbar, und muß allen
verursachten Schaden ersetzen.
§. 83. Auch ist das Obergericht der Provinz befugt und
schuldig, wenn ein Privatgerichtsherr die Besetzung seines Gerichts mit einem
gehörig qualificirten Gerichtshalter vernachläßigt, ihn dazu durch Strafbefehle
anzuhalten.
§. 84. Sind diese fruchtlos: so muß das Obergericht einen
solchen Gerichtshalter selbst ernennen, und dessen Besoldung nach Verhältniß
des Umfanges der Geschäfte bestimmen.
Mißbrauch der Gerichtsbarkeit.
§. 85. Wer seine Gerichtsbarkeit zum Druck der
Gerichtsgesessenen mißbraucht, soll, außer der sonst verwirkten Strafe,
derselben für seine Person auf immer verlustig erklärt werden.
§. 86. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit fällt alsdann auf so
lange, als der Schuldige noch im bürgerlichen Besitze des Guts, mit welchem die
Gerichtsbarkeit verbunden ist, sich befindet, dem Staate anheim; und wird durch
einen von dem Obergerichte der Provinz bestellten Gerichtshalter besorgt.
§. 87. In so fern die Nutzungen der Gerichtsbarkeit zur
Tragung der Lasten derselben nicht hinreichen, muß der entsetzte Gerichtsherr
das Fehlende aus eignen Mitteln zuschießen.
§. 88. Sind mehrere Theilnehmer an der Gerichtsbarkeit
vorhanden: so tritt der Staat nur an die Stelle desjenigen, welcher nach §. 85.
der Gerichtsbarkeit verlustig erklärt worden.
§. 89. Mitglieder einer Corporation, oder Gemeine, welche
sich eines solchen Mißbrauchs der Gerichtsbarkeit schuldig gemacht haben,
verlieren ihr Stimmrecht zur Richterwahl.
Vertretungsverbindlichkeit des Gerichtsherrn.
§. 90. Ein Gerichtsherr, welcher seine Gerichte nach den
Vorschriften der Gesetze gehörig bestellt, ist für die Handlungen oder
Unterlassungen derselben zu haften nicht schuldig.
§. 91. Er macht sich aber den Parteyen, wegen entstehenden
Schadens verantwortlich, wenn er den Gerichten in ihren Verfügungen vorgreift,
oder dieselben an Erfüllung ihrer Pflichten verhindert.
§. 92. Ferner, wenn er die zur ordentlichen Verwaltung der
Justitz erforderlichen Kosten herzugeben, und die dazu nöthigen Anstalten zu
treffen, auf geschehene Erinnerung der Gerichte weigert, oder verabsäumt. (§.
102. 103.)
§. 93. Insonderheit, wenn er zur Haltung des Gerichts, zur
Aufbewahrung der Akten, der Hypothekenbücher, und der in gerichtliche
Verwahrung niederzulegenden Gelder, Urkunden und anderer Sachen, den
erforderlichen anständigen, und nach gesetzlicher Vorschrift hinlänglich
sichern Gelaß nicht anweiset. (§. 104.)
§. 94. Ferner, wenn er nicht für taugliche
Gefängnisse zur Aufbewahrung der Civil- und Criminalarrestanten sorgt. (§.
105.)
§. 95. Desgleichen, wenn er bey der ihm zustehenden Auswahl
der Personen, denen das Depositorium und die Schlüssel dazu anvertraut werden
sollen, ein auch nur mäßiges Versehen begehet.
§. 96. Auch wenn er in Fällen, wo die Depositoria
nicht unter der unmittelbaren Aufsicht des Landes-Justizcollegii stehen, die
Cassenvisitationen, und Rechnungsabnahmen, gehörig zu veranstalten unterläßt.
§. 97. Ueberhaupt in allen Fällen, wenn Unordnungen,
Unregelmäßigkeiten, oder ungebührliche Zögerungen bey der Justizpflege zu
seiner Wissenschaft erweislich gelangt sind, und er davon dem
Landes-Justizcollegio nicht in Zeiten Anzeige gemacht hat.
Verhältniß der Unterrichter gegen den Staat.
§. 98. Uebrigens steht jeder Unterrichter in Ansehung seiner
Amtsgeschäfte unter der Direction des Staats, und des von selbigem ihm
vorgesetzten Obergerichts.
§. 99. Wer ein richterliches Amt bekleidet, kann nur bey den
vorgesetzten Gerichten oder Landescollegiis wegen seiner Amtsführung belangt,
in Untersuchung genommen, bestraft, oder seines Amts entsetzt werden.
Obergerichte.
§. 100. Die verschiedenen Arten der Obergerichte, und
derselben Gränzen, sind in den Ressortreglementts bestimmt.
§. 101. Der Umfang der ordentlichen Gerichtsbarkeit, und die
Fälle, wo Ausnahmen von derselben statt finden, sind in der Prozeßordnung
vorgeschrieben.
Lasten der Gerichtsbarkeit.
§. 102. Wer das Recht zur Gerichtsbarkeit ausübt, muß auch
die zur Unterhaltung wohl bestellter Gerichte erforderlichen Kosten tragen.
§. 103. Ein jeder Justizbedienter soll, nach Verhältniß
seiner Geschäfte, mit einer bestimmten Besoldung versehen; niemals aber auf die
Gerichtsgebühren angewiesen werden.
§. 104. Der Ort, welcher zu den gerichtlichen Verhandlungen
bestimmt ist, muß mit allen Erfordernissen, nach Vorschrift der Registratur-
und Depositalordnungen, versehen seyn.
§. 105. Wem die Criminalgerichtsbarkeit zusteht, der muß
sichere und der Gesundheit der Gefangenen unschädliche Gefängnisse besorgen.
§. 106. In so fern ein Inquisit kein eignes Vermögen hat,
fallen dem Gerichtsbelehnten der nothdürftige Unterhalt desselben, so wie alle
übrige Prozeß- und Executionskosten zur Last.
§. 107. Die Unterhaltung der Familie des Inquisiten gehört
nicht zu den Lasten der Criminalgerichtsbarkeit.
§. 108. Zur Erleichterung vorstehender Kosten und Lasten der
Gerichtsbarkeit durch gemeinschaftliche Uebertragung, steht mehrern
Gerichtsbelehnten frey, mit Vorwissen des Landes-Justizcollegii der Provinz,
Verbindungen und Associationen unter sich zu errichten.
§. 109. Zur Bewachung der Gefangenen, wo dieselbe nöthig
ist, sind die Gerichtseingesessenen verpflichtet.
§. 110. Wenn aber der Gerichtsbelehnte für taugliche
Gefängnisse, nach Vorschrift §. 105. nicht gesorgt hat, und bloß dadurch die
Bewachung der Gefangenen durch längere Zeit, als Acht Tage, nothwendig geworden
ist: so muß er die Gerichtseingesessenen entschädigen.
§. 111. Die Gerichtseingesessenen müssen den Richter und
Inquisitor: so oft es die Noth erfordert, herbeyholen und zurückführen.
§. 112. Wenn aber der Gerichtsherr seinen Gerichtshalter aus
einem entlegenen Orte ohne Noth gewählt hat: so muß er die Fuhren aus eigenen
Mitteln besorgen.
Nutzungen der Gerichtsbarkeit.
§. 113. Zur Uebertragung der Jurisdictionslasten, sind den
Gerichtsbelehnten, nach den verschiedenen Verfassungen der Provinzen, bestimmte
Rechte und Nutzungen beygelegt.
§. 114. Gerichtssporteln,Verschreibungs- und Bestätigungs
Gebühren, ingleichen Geldstrafen, welche die Summe von Fünf Thalern nicht
übersteigen, gehören zu den Einkünften der Civilgerichtsbarkeit.
§. 115. Wo keine besondre Polizeygerichte verordnet sind, da
fallen die durch bloße Polizeygesetze bestimmte Geldstrafen, ohne Unterschied
der Summe, den Civilgerichten anheim.
§. 116. Schutzgelder und Laudemien gehören gewöhlich zu den
Nutzungen der Civilgerichtsbarkeit.
§. 117. Loslassungsgelder von Personen und Vermögen fließen
aus dem Grundherrschaftlichen Rechte.
§. 118. Zu den Einkünften der Criminalgerichtsbarkeit
gehört, außer den gewöhnlichen Gerichtsgebühren, auch der Zehent- oder
sogenannte Gerichtshafer, und der Anfall des gestohlnen Guts, in so fern dessen
Eigenthümer nicht ausfindig gemacht werden kann.
§. 119. Geldstrafen, die in den Gesetzen auf gewisse Arten
der Verbrechen verordnet sind, und die der Staat seinen Straf- oder den
Armencassen nicht besonders vorbehalten hat, gehören dem Inhaber der
Criminalgerichtsbarkeit.
§. 120. Wenn das Gesetz die Wahl zwischen einer Geld- und
Leibesstrafe dem Ermessen des Richters überläßt: so fällt erstere, wenn auch
erst in einer höhern Instanz darauf erkannt worden, dem Criminalgerichtsherrn
der ersten Instanz anheim.
§. 121. Wenn aber das Gesetz nur Leibesstrafe bestimmt, und
dieselbe bloß im Wege der Begnadigung in eine Geldstrafe verwandelt wird: so
gebührt diese dem Fiskus.
§. 122. Geschieht hingegen die Verwandlung der im Gesetze
vorgeschriebenen Leibes- in eine Geldstrafe, aus dem Grunde, weil der
Uebertreter, nach seiner besondern körperlichen Beschaffenheit, mit der
Leibesstrafe nicht belegt werden kann: so soll die Geldstrafe der Armencasse
seines Wohnorts zu gute kommen.
§. 123. In wie fern die Pachte von den Scharfrichtern und
Abdeckern zur Criminal- oder zur Landesherrlichen Obergerichtsbarkeit zu
rechnen sind, beruhet auf den besondern Verfassungen einer jeden Provinz.
§. 124. Ueberhaupt ist kein Gericht befugt, andere oder
mehrere Gebühren zu fordern, als der Staat ausdrücklich gebilligt und
festgesetzt hat.
§. 125. Alle Gerichtsgebühren, und dahin gehörende Einnahmen
der Landes-Justizcollegien, sollen dem Staate berechnet, und besonders zu den
bestimmten Besoldungen, auch andern Nothdurften der Rechtspflege, angewandt
werden.
§. 126. Zu den dem Staate vorbehaltenen nutzbaren Rechten
der obersten Gerichtsbarkeit, gehören besonders die eines Verbrechens wegen
eingezogenen Güter; die fiskalischen Strafen; und die Abfahrtsgelder von außer
Landes gehenden Vermögen und Erbschaften.
Zweyter Abschnitt
Von Auswanderungen, Abfahrts- und Abschoßgeldern
Allgemeine Grundsätze wegen des Auswanderns.
§. 127. Kein Unterthan des Staats darf sich, ohne Vorwissen
desselben, seiner obersten Gerichtsbarkeit durch Auswanderung aus dem Lande
entziehn.
§. 128. In Ansehung der den Regimentern verpflichteten
Cantonisten hat es bey den Vorschriften des Zehnten Titels §. 48. sqq. sein
Bewenden.
§. 129. Vaterlose Waysen dürfen, ohne besondere Einwilligung
des Staats, in auswärtige Lande nicht gebracht werden.
§. 130. Welche Classen der Staatseinwohner, außer den
vorstehenden, einer besondern Erlaubniß des Staats zu ihrer Auswanderung
bedürfen, wird in den Provinzialgesetzen bestimmt.
§. 131. Fremde, die in hiesigen Landen sich zwar
aufgehalten, aber darin weder ein Amt übernommen, noch Grundstücke angekauft,
noch bürgerliche Gewerbe getrieben haben, können das Land zu allen Zeiten nach
eigner Willkühr wieder verlassen.
§. 132. Auch solchen Ausländern, die sich im Lande wirklich
niedergelassen haben, steht es frey, innerhalb der ersten Zehn Jahre nach ihrer
Ankunft wieder auszuwandern; sie müssen aber ihren dazu gefaßten Entschluß dem
Staate anzeigen.
§. 133. Denjenigen, die sich den Wissenschaften und freyen
Künsten gewidmet haben, sollen, wenn sie auch sonst einer besondern Erlaubniß
zum Auswandern bedürfen, die Gelegenheiten, sich durch ein auswärtiges Unterkommen
zu verbessern, durch Versagung dieser Erlaubniß nicht benommen werden.
§. 134. Auch den Personen weiblichen Geschlechts, welche zu
dieser einer besondern Erlaubniß bedürfenden Classe gehören, soll dieselbe,
wenn sie durch eine auswärtige Heirath ihre Versorgung finden können, nicht
versagt werden.
§. 135. Auch Anderen aus dieser Classe, welche mit ihrem
erlernten Gewerbe ihren Unterhalt im Lande nicht finden zu können behaupten,
muß der Staat entweder Gelegenheit dazu anweisen, oder ihnen die gebetene
Erlaubniß zum Auswandern ertheilen.
§. 136. In allen Fällen, wo dem Haupte der Familie das
Auswandern frey steht, oder erlaubt wird, kann er seine Frau, die noch unter
seiner Gewalt befindlichen Kinder, und das von ihm mit ins Land gebrachte, noch
wirklich in seinen Diensten stehende Gesinde mitnehmen.
§. 137. Einheimisches Gesinde nimmt an der dem Hausvater
zustehenden Freyheit, oder gegebenen Erlaubniß zum Auswandern, keinen Theil;
sondern wird nach seiner eignen persönlichen Qualität beurtheilt.
§. 138. Ausländerinnen, die an hiesige Einwohner
verheirathet gewesen sind, können, nach der Männer Absterben, allemal, und ohne
Unterschied der Fälle, in ihr Vaterland zurückkehren.
§. 139. Wer ohne die vorgeschriebene Anzeige, und die
erforderliche Erlaubniß des Staats, auszuwandern unternimmt, hat willkührliche
Geld- oder Leibesstrafe verwirkt.
§. 140. Wer dem Staate das demselben zukommende Abfahrtsgeld
zu entziehen sucht, muß den vierfachen Betrag desselben zur Strafe entrichten.
I. Vom Abfahrtsgelde.
§. 141. Wer von seiner Freyheit, oder erhaltenen Erlaubniß
zum Auswandern, Gebrauch machen will, muß von seinem inländischen Vermögen dem
Staate in der Regel Zehn vom Hundert, als ein Abfahrtsgeld entrichten.
§. 142. Wo mit
auswärtigen Staaten dieserhalb besondere Verträge und Observanzen bestehen, hat
es bey selbigen noch ferner sein Bewenden.
Was für Vermögen und Sachen demselben nicht unterworfen
sind.
§. 143. Von dem Vermögen, welches nur aus Einer Königlichen
Provinz in die andere gehet, wird dem Staate kein Abfahrtsgeld bezahlt.
§. 144. Einkünfte liegender Gründe, Interessen,
Alientgelder, und andere jährliche Hebungen, sind dem Abfahrtsgelde nicht
unterworfen.
§. 145. Wenn jedoch angesessene Vasallen des Staats ohne
ausdrückliche Erlaubniß desselben auswandern, und die Einkünfte ihrer liegenden
Gründe außerhalb Landes verzehren: so müssen sie auch von diesen Einkünften das
Abfahrtsgeld entrichten.
§. 146. Sind auch darüber mit demjenigen Staate, wohin der
Ausgewanderte sich begeben hat, besondere Verträge oder wohlhergebrachte
Gewohnheitsrechte vorhanden: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 147. Wenn auswärtige Unterthanen Capitalien in hiesige
Lande verliehen haben: so wird von diesem solchergestalt ins Land gekommenen
Gelde, bey dessen Rückkehr, kein Abschoß entrichtet.
§. 148. Haben Auswärtige, ohne sich im Lande wirklich
niederzulassen, Grundstücke daselbst angekauft, und in der Folge wieder
veräußert: so können sie von dem erhaltenen Kaufgelde so viel, als sie zu dem
Ankaufe, und zu den an der Substanz gemachten Verbesserungen, von ihrem
auswärtigen Vermögen weislich verwendet haben, frey zurücknehmen.
§. 149. Fremde, die in hiesigen Landen sich nur aufgehalten,
oder noch nicht Zehn Jahre daselbst ihren Wohnsitz gehabt haben (§. 131. 132.),
sind von ihrem mitgebrachten Vermögen Abfahrtsgelder zu entrichten nicht
schuldig.
§. 150. Auch Ausländerinnen, die in hiesigen Landen
verheirathet gewesen sind, erlegen bey ihrer Rückkehr nur von demjenigen, was
sie innerhalb Landes erworben haben, die Abfahrtsgebühren.
Was zu dem, dem Abzüge unterworfenen Vermögen gerechnet,
oder nicht gerechnet werde.
§. 151. Alles, was ein Landeseinwohner mit seinem
inländischen Vermögen außerhalb Landes erworben hat, wird zu dem inländischen
Vermögen desselben gerechnet.
§. 152. Auch der Gewinn auswärtiger mit inländischem
Vermögen errichteter Handlungen kann dem Auswandernden mit in Rechnung gebracht
werden.
§. 153. Behauptet der auswandernde Inländer, daß er seine
auswärtigen Besitzthümer (§. 151. 152.) anders woher, als aus inländischem
Vermögen erworben habe: so muß er die Richtigkeit dieser Behauptung nachweisen.
§. 154. Hölzernes und andres gemeines Haus- und
Wirthschaftsgeräthe; Kleider und Wäsche; Eßwaaren und Getränke, die zum eignen
Gebrauche des Auswandernden bestimmt sind, kommen bey Berechnung des
Abfahrtsgeldes nicht mit in Anschlag.
§. 155. Ein Gleiches gilt von den zum eigenen Gebrauche des
Auswandernden bestimmten Büchern, Bibliotheken, Kunst- und
Naturaliensammlungen.
Wie der Vermögensbetrag auszumitteln sey.
§. 156. Der Auswandernde ist schuldig, sein Vermögen
getreulich, allenfalls eidlich, anzugeben.
§. 157. Findet der Fiskus Bedenken, den mit angegebenen
Werth aller oder einiger Vermögensstücke für richtig anzunehmen: so steht ihm
frey, auf deren gerichtliche Abschätzung anzutragen.
§. 158. Von dem aus dem Lande gehenden Vermögen müssen die
davon zu entrichtenden wahren und wirklichen Schulden, bey Berechnung des
Abfahrtsgeldes, in Abzug gebracht werden.
§. 159. Hat der Auswandernde auswärtiges dem Abzüge nicht
unterworfenes Vermögen, so gilt die Vermuthung, daß die auswärtigen Schulden in
Rücksicht auf dieses Vermögen gemacht worden.
Zu welcher Zeit das Abfahrtsgeld entrichtet werden müsse.
§. 160. Das Abfahrtsgeld ist der Auswandernde sofort, wenn
er für seine Person das Land verläßt, zu entrichten verbunden; und es hängt
bloß von dem Gutfinden des Staats ab, die Erlegung desselben so lange, bis auch
der Rest des Vermögens ausgeführt wird, gegen hinlängliche Sicherheit zu
stunden.
II. Vom Abschosse.
§. 161. Erbschaften eines Landeseinwohners, welche einem
auswärtigen Unterthan zufallen, sind, wenn sie aus dem Lande gehen, dem
Abschosse unterworfen.
§. 162. Ein Gleiches gilt von Brautschätzen, Vermächtnissen,
und Schenkungen aller Arten, die aus dem Vermögen eines Inländers einem
Ausländer zugewendet worden.
§. 163. Wenn das inländische Vermögen eines verstorbenen
Ausländers einem andern Ausländer durch Erbschaft oder Vermächtniß zufällt, und
aus dem Lande gezogen werden soll: so ist dasselbe dem Abschosse nur in so fern
unterworfen, als der Erblasser selbst, wenn er dergleichen Vermögen hätte
herausziehen wollen, Abfahrtsgeld davon zu entrichten schuldig gewesen wäre.
§. 164. Wie es zu halten sey, wenn eine dem Abschosse
unterworffne Erbschaft verkauft worden, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th.
I. Tit. XI. §.
507-510.)
§. 165. Was von dem Abfahrtsgelde §. 141. 142. 143. 144.
151. 152. 153. verordnet ist, gilt in der Regel auch von dem Abschosse.
§. 166. Dagegen sind die nach §. 154. 155. dem Abfahrtsgelde
nicht unterworfene Vermögensstücke von dem Abschosse in der Regel keinesweges
frey.
§. 167. Wenn ein inländischer Erblasser eins oder das andere
seiner Kinder, noch während seiner Lebenszeit, in auswärtigen Landen etablirt
hat: so haftet sein inländischer Nachlaß jedesmal, und ohne Unterschied der
Fälle, für den Abzug oder Abschoß, welchen der Staat von den zu einem solchen
auswärtigen Etablissement verwendeten Geldern zu fordern hat.
§. 168. Wenn zu einem Nachlasse inländisches und auswärtiges
dem Abschosse nicht unterworfenes Vermögen gehört; und inländische sowohl, als
auswärtige Miterben, daran Theil nehmen: so steht den Erben frey, sich wegen
der Auseinandersetzung so zu vereinigen, daß das auswärtige Vermögen den
Ausländern, und das inländische den Inländern, auf ihren Erbtheil angewiesen
werde.
§. 169. Alsdann ist der inländische Nachlaß dem Abschosse
nur so weit unterworfen, als davon noch etwas, zur Ausgleichung mit den
auswärtigen Erben, aus dem Lande verabfolgt werden muß.
§. 170. Der Abschoß muß sogleich entrichtet werden, als der
auswärtige Erbe seinen Willen, sich nicht in hiesigen Landen nieder zu lassen,
erklärt hat.
§. 171. Bis dahin, und so lange noch nicht der ganze Nachlaß
ausgeführt wird, muß der auswärtige Erbe auf den ganzen Betrag des
Abschoßgeldes Sicherheit bestellen.
§. 172. Wie andere Staaten bey den in hiesige Lande zu
verabfolgenden Erbschaften, Vermächtnissen; Brautschätzen, und Schenkungen sich
verhalten, eben so sollen hiesige dahin ziehende Unterthanen, oder dahin
fallende Erbschaften u. s. w. behandelt werden.
§. 173. In so fern
fremde Staaten sich des in ihren Landen befindlichen Nachlasses hiesiger
daselbst verstorbener Unterthanen anmaaßen, soll von Seiten des hiesigen Staats
die Erwiederung statt finden.
III. Verleihung des Abfahrts- und Abschoßrechts an Privatpersonen.
§. 174. Was von der Ewerbung(! = Erwerbung) und dem
Gebrauche der niederen Regalien überhaupt, in Ansehung der Privatpersonen
verordnet ist, das findet auch von , dem Abfahrts- und Abschossrechte statt.
§. 175. Die Gegenstände und Gränzen des den Magisträten und
Gerichtsobrigkeiten verliehenen Abschoßrechts, sind nach dem Inhalte ihrer
Privilegien, und dem seit rechtsverjährter Zeit hergebrachten Besitzstande zu
beurtheilen.
§. 176. Nur diejenigen Magisträte und Gerichtsobrigkeiten,
welche sich vor dem Jahre 1777 in einem auf Privilegia oder auf rechtsgültige
Verjährung gegründeten Besitze, von dem aus ihrer Gerichtsbarkeit an andere
Orte innerhalb der Königlichen Lande gehenden Vermögen, Abfahrts- oder
Abschoßgelder zu fordern, befunden haben, sollen dabey noch ferner geschützt
werden.
§. 177. Uebrigens sind die Fälle und Arten des Vermögens,
die von dem an den Staat zu entrichtenden Abschosse oder Abfahrtsgelde frey
sind, nach eben diesen Gesetzen, auch in Ansehung der Privatberechtigten, in
der Regel zu beurtheilen.
§. 178. Wenn jedoch der Staat mit auswärtigen Mächten über
eine gegenseitige Abzugs- oder Abschoßfreyheit Verträge schließt: so soll dabey
jederzeit auf die Befugnisse der Privatberechtigten die erforderliche Rücksicht
genommen werden.
§. 179. Wenn an demselben Orte, wo der Eine mit den Ober-,
der Andere aber nur mit den Niedergerichten beliehen ist, beyde Gerichtsherren
über die Befugniß zum Abfahrts- oder Abschoßgelde mit einander streiten: so hat
der Erstere die Vermuthung für sich.
§. 180. Eine Privatgerichtsobrigkeit kann den Abzug oder
Abschoß nur von solchem Vermögen fordern, was sich unter ihrer Gerichtsbarkeit
wirklich befindet.
§. 181. Doch werden zu diesem Vermögen auch Capitalien
gerechnet, welche der Auswandernde oder Erblasser, wenn gleich unter einer
andern Gerichtsbarkeit, ausgeliehen hat.
§. 182. Von solchem Vermögen aber, wovon in den Fällen des
§. 151. 152. und 167. der Staat bey Auswanderungen, oder Ausführungen von
Erbschaften, Abzug oder Abschoß fordern kann, ist der Privatberechtigte
dergleichen, wenn der Jurisdictionsgesessene, oder sein Nachlaß, nur unter eine
andere inländische Gerichtsbarkeit geht, zu fordern nicht befugt.
§. 183. So weit Abfahrts- oder Abschoßgelder an sich statt
finden, und der Privatberechtigte dieselben nach vorstehenden Grundsätzen nicht
zu fordern hat, müssen dieselben dem Staate entrichtet werden.
Achtzehnter Titel
Von Vormundschaften und Curatelen
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Personen, welche für sich selbst zu sorgen nicht im
Stande sind, stehen unter der besondern Aufsicht und Vorsorge des Staats.
§. 2. Diese Vorsorge erstreckt sich jedoch auf dergleichen
Personen nur in so fern, als dieselben außer väterlicher Gewalt und Aufsicht
sind, oder die väterliche Vorsorge ihnen nicht zu statten kommen kann.
§. 3. Diejenigen, welchen der Staat die Sorge für seine
Pflegebefohlnen in Ansehung aller ihrer Angelegenheiten aufgetragen hat, werden
Vormünder genannt.
§. 4. Diejenigen, welche denselben entweder bloß zur
persönlichen Aufsicht oder Erziehung, oder nur zur Besorgung gewisser Geschäfte
und Angelegenheiten vom Staate bestellt worden, führen den Namen der Curatoren.
§. 5. Beystände aber heißen diejenigen, welche jemand bey
gewissen Geschäften, die er für sich allein vorzunehmen nach besondern
gesetzlichen Vorschriften nicht fähig ist, oder sie solchergestalt vorzunehmen
sich nicht getrauet, zu Hülfe nimmt.
Erster Abschnitt
Von den Personen, welchen Vormünder oder Curatoren bestellt
werden müssen
Vormünder sind zu bestellen
1) den
Unmündigen, und Minderjährigen.
§. 6. Zu den Pflegebefordnen des Staats gehören zuvörderst
Kinder, Unmündige und Minderjährige. (Th. I. Tit. I. §. 25. 26.)
§. 7. Allen diesen müssen Vormünder vom Staate bestellt
werden.
§. 8. Die Anordnung der Vormundschaft über solche Personen
muß geschehen, wenn dieselben entweder gar nicht in die väterliche Gewalt
kommen, oder sobald diese Gewalt durch den Tod ihre Endschaft erreicht.
§. 9, Was Rechtens sey, wenn die väterliche Gewalt vor
erreichter Volljährigkeit des Kindes, durch väterliche Willenserklärung, oder
durch das Gesetz aufgehoben wird, ist im Vierten Abschnitte des Zweyten Titels
verordnet. (Tit. II. §. 255. sqq.)
§. 10. In allen Fällen, wo einem schon gebornen Menschen
wegen Unmündigkeit ein Vormund zuzuordnen ist, muß der noch ungebornen
Leibesfrucht ein Curator bestellt werden.
§. 11. Dies muß geschehen, sobald eine vorhandene oder auch
nur vermuthete Schwangerschaft angezeigt worden. (Tit. II. §.
26. sqq. §. 614.
sqq.)
2) den
Wahn- und Blödsinnigen;
§. 12. Wahn- und Blödsinnige, welche nicht unter der
Aufsicht eines Vaters oder Ehemannes stehen, müssen vom Staate unter
Vormundschaft genommen werden.
§. 13. Wer für wahn- oder
blödsinnig zu achten sey? muß der Richter, mit Zuziehung sachverständiger
Aerzte, prüfen und festsetzen. (Th. I. Tit. I. §.
29. 30.)
3) den
Verschwendern;
§. 14. Auch den Verschwendern, welche gerichtlich dafür
erklärt werden, muß der Staat Vormünder bestellen. (Ebend. §. 33.)
4) den
Taubstummen;
§. 15. Taub- und Stummgeborne, ingleichen diejenigen, welche
vor zurückgelegtem Vierzehnten Jahre in diesen Zustand gerathen sind, müssen,
sobald sie nicht mehr unter väterlicher Aufsicht stehen, vom Staate bevormundet
werden.
§. 16. Diejenigen, welche erst in spätern Jahren taubstumm
geworden sind, müssen nur alsdann unter Vormundschaft genommen werden, wenn sie
sich durch allgemein verständliehe Zeichen nicht ausdrücken können, und daher
ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen ganz unfähig sind.
§. 17. Denjenigen hingegen, denen der Mangel der Sprache und
des Gehörs den Ausdruck ihrer Gedanken und die Besorgung ihrer Angelegenheiten
nur erschweret, soll wider ihren Willen kein Vormund bestellt werden.
§. 18. Doch sind sie bey gerichtlichen Verhandlungen einen
Beystand zuzuziehn verbunden.
5) den Abwesenden.
§. 19. Abwesenden, deren Aufenthalt unbekannt ist, muß der
Staat zur Erhaltung ihres zurückgelassenen Vermögens, und zur Besorgung ihrer
übrigen Angelegenheiten, Vormünder bestellen.
§. 20. Die Bevormundung muß
alsdann geschehen, wenn ein ganzes Jahr hindurch von dem Abwesenden keine
Nachricht eingegangen ist.
§. 21. Doch muß auch vor Ablauf des ersten Jahres die
Bevormundung geschehen, wenn sich Fälle von Wichtigkeit ereignen, wobey die
Besorgung der Angelegenheiten des Abwesenden keinen Aufschub leidet.
§. 22. Ist der Aufenthalt des Abwesenden zwar bekannt; es
sind aber Nachrichten, oder wahrscheinliche Vermthuungen vorhanden, daß der
Abwesende wider seinen Willen an der eignen Besorgung seiner Angelegenheiten
verhindert werde, so ist ihm ebenfalls ein Vormund zu bestellen.
§. 23. Wer einen Bevollmächtigten zur Besorgung seiner
Angelegenheiten bestellt hat, der bedarf keines Vormundes.
§. 24. Doch muß bey Vorfällen und Angelegenheiten, auf
welche die ertheilte Vollmacht nicht gerichtet ist, dem Abwesenden ein Curator
bestellt werden.
§. 25. Wenn der Bevollmächtigte innerhalb Dreyer Jahre keine
Nachricht von seinem Machtgeber erhalten hat: so kann von den Verwandten des
Abwesenden auf Anordnung einer Vormundschaft für den Letztern angetragen
werden.
§. 26. Hiervon findet eine Ausnahme nur alsdann statt, wenn
der Bevollmächtigte durch einen rechtsgültigen Vertrag zum Erben des Abwesenden
ernannt worden.
§. 27. Wenn der Bevollmächtigte stirbt; die Vollmacht
aufkündigt; das Vermögen übel verwaltet; oder sonst in solche Verfassung oder
Umstände geräth, die den Abwesenden, wenn ihm dieselben bekannt wären, zur
Zurücknahme der Vollmacht wahrscheinlich veranlassen würden: so finden die
Vorschriften §. 25. 26. ebenfalls, Anwendung.
Curatores sind zu bestellen;
1) Vorbenannten Personen, wenn sie noch unter väterlicher
Gewalt stehen;
§. 28. Sind die vorbenannten Personen noch in väterlicher
Gewalt: so ist der Staat nur in solchen Fällen und Angelegenheiten für sie zu
sorgen verbunden, wo ihr Bestes mit dem eignen Vortheile des Vaters in
Collision geräth.
§. 29. Wenn also der Vater mit solchen Kindern Verträge
schließen, oder andere Geschäfte, wodurch die Kinder ihm verpflichtet, oder
gewisser Rechte gegen ihn verlustig werden sollen, mit ihnen vornehmen will: so
muß der Staat den Kindern dazu einen Curator bestellen.
§. 30. Ein Gleiches muß geschehen, wenn mit dem für die
Kinder ausgesetztem Erbschatze eine Veränderung getroffen werden soll.
§. 31. Desgleichen alsdann, wenn mit Fideicommissen, wozu
die Kinder von. dem ersten Stifter mit gerufen sind, Veränderungen oder
Verpfändungen vorgenommen werden sollen.
§. 32. In welchen Fällen auch noch ungebornen
Fideicommiß-Interessenten Curatores bestellt werden müssen, ist gehörigen Orts
verordnet. (Tit. IV. §. 95.)
§. 33. Wenn zwischen den Aeltern noch minderjähriger Kinder
ein Ehescheidungs-Prozeß entsteht: so muß den Kindern ein Curator bestellt
werden.
§. 34. Besonders aber ist den noch unter väterlicher Gewalt
stehenden minderjährigen Kindern ein Curator zu bestellen, wenn zwischen ihnen
und dem Vater eine Auseinandersetzung, wegen des mütterlichen, oder des sonst
den Kindern eigenthümlich zustehenden Vermögens, erfolgen soll.
§. 35. Der Vater muß angehalten werden, sich mit den Kindern
auseinander zu setzen, wenn er zu einer anderweitigen Ehe schreitet.
§. 36. Ferner in allen Fällen, wo er nach Vorschrift der
Gesetze für das Vermögen der Kinder Sicherheit zu bestellen verbunden ist. (Tit.
II. §. 179. sqq.)
§. 37. Wenn solchen Kindern etwas unter der ausdrücklichen
Bedingung, daß der Vater von dessen Verwaltung ausgeschlossen seyn solle,
vermacht, oder sonst zugewendet worden: so muß denselben, wegen eines solchen
Anfalls, ein besonderer Curator bestellt werden.
§. 38. Auch diejenigen, welche den Kindern einen
Pflichttheil schuldig sind, können dem Vater die Verwaltung darüber entziehen.
2) Volljährigen Ehefrauen;
§. 39. Volljährige Ehefrauen bedürfen der Regel nach keiner
Bevormundung vom Staate, wenn sie auch in Umstände gerathen, da bey andern
Personen die Bestellung eines Vormundes nothwendig wäre.
§. 40. Alsdann ist der Mann, so lange er seinen eigenen
Sachen vorstehen kann, in Ansehung des vorbehaltenen Vermögens einer solchen
Frau, als ihr Vormund anzusehen.
§. 41. Sollen aber wegen des Eingebrachten Verfügungen
getroffen werden, wozu die Gesetze die ausdrückliche Einwilligung der Frau
erfordern: so ist derselben dazu ein besonderer Curator zu bestellen. (Tit.
I. §. 232. sqq.)
§. 42. Ein Gleiches muß geschehen, wenn bey einer
Disposition über das vorbehaltene Vermögen, das Interesse des Mannes mit den
Vortheilen der Frau in Collision kommt.
§. 43. Das Vermögen einer Hausfrau steht nicht unter
Verwaltung des Mannes.
§. 44. Es muß ihr also in allen Fällen, wo andere Personen
unter Vormundschaft zu nehmen sind, ein besonderer Vormund vom Staate bestellt
werden.
§. 45. Bey der Auswahl des zu bestellenden Vormunds kann das
vormundschaftliche Gericht, nach Bewandniß der Umstände, auch auf den Mann
Rücksicht nehmen.
3) schon bevormundeten Personen;
§. 46. Einem Bevormundeten wird nur alsdann ein Curator
bestellt, wenn zwischen dem Pflegebefohlnen und dem Vormunde, in den eigenen
Angelegenheiten des Letztern, etwas zu verhandeln ist.
§. 47. Auch kann der Staat dem Pflegebefohlnen zu
Angelegenheiten, welche eine vorzügliche Sachkenntniß, die von dem Vormunde
nicht zu erwarten ist, voraussetzen, einen besondern damit versehenen Curator
bestellen.
§. 48. Wenn zwischen mehrem Pflegebefohlnen, die nur einen
gemeinschaftlichen Vormund haben, wegen eines erheblichen Interesse Collision
entsteht: so muß jedem von beyden Theilen, zur Besorgung dieser Angelegenheit,
ein Curator bestellt werden.
4) unbekannten oder verhinderten Interessenten.
§. 49. Wenn Fälle vorkommen, wo man noch nicht weiß, wer es
sey, der bey einer Sache, oder bey einem Geschäfte ein Interesse habe: so muß
auch den unbekannten Interessenten ein Curator bestellt werden.
§. 50. Ein Gleiches muß geschehen, wenn bey einem Geschäfte,
welches keinen Aufschub leidet, ein an sich bekannter Interessent seine Rechte
schleunig genug selbst wahrzunehmen verhindert ist.
Personen, die sich Beystände wählen müssen.
§. 51. Unter die Personen, welche gewisse Angelegenheiten
nur mit Zuziehung eines Beystandes vornehmen können, gehören:
1)
volljährige
unverheirathete Frauenspersonen;
2)
diejenigen
verheiratheten Frauen, welche weder eines Vormundes noch eines Curators
bedürfen;
3)
Blinde, oder
beständig kranke Personen;
4)
Taubstumme, welche
keines Vormundes bedürfen, (§. 17.);
5)
Personen, welche gar
nicht, oder nicht Geschriebenes lesen, oder nicht selbst schreiben können.
§. 52. In welchen Angelegenheiten dergleichen Personen eines
Beystandes bedürfen, ist bey den dahin gehörigen einzelnen Geschäften, in den
Gesetzen bestimmt.
§. 53. Wo die Gesetze zu einem solchen Beystande einen
Rechtskundigen nicht ausdrücklich erfordern, da kann jede Mannsperson, die
ihren Sachen selbst vorzustehen fähig und berechtigt ist, dazu gewählt werden.
§. 54. Ein Beystand muß von dem, welcher seiner bedarf,
entweder selbst ausgewählt, oder wenn dieser nicht wählen kann oder will, von
dem Richter, bey welchem die Handlung zu vollziehen ist, ihm zugeordnet werden.
§. 55. Uebrigens bedarf die Auswahl oder Annehmung eines
Beystandes keiner richterlichen Bestätigung, noch andrer besondrer
Feyerlichkeiten.
Zweyter Abschnitt
Von denjenigen, welchen die Bestellung der Vormünder und
Curatoren zukommt und obliegt
Wem die Bevormundung der Unmündigen und Minderjährigen;
ingleichen
§. 56. Wenn Kinder wegen noch nicht erreichten volljährigen
Alters bevormundet werden sollen, so ist der Richter, unter welchem der Vater
seinen persönlichen Gerichtsstand entweder zur Zeit seines Ablebens gehabt,
oder zur Zeit des eintretenden Falles wirklich hat, dafür zu sorgen
verpflichtet.
§. 57. Hat der Vater zur Zeit seines Ablebens einen
doppelten persönlichen Gerichtsstand unter einem Ober- und Untergerichte
gehabt, so gebührt die Bevormundung dem erstern.
§. 58. Sind beyde Gerichte von gleicher Qualität, so ist
dasjenige zur Bestellung des Vormundes befugt und verpflichtet, unter welchem
der Vater zuletzt bey seinem Ableben wirklich gewohnt hat.
§. 59. Ist in diesem Falle (§. 58.) der Vater, dessen
Kindern ein Curator bestellt werden soll, noch am Leben, so muß die Bestellung
von demjenigen seiner beyden Gerichtsstände geschehen, bey welchem zuerst
darauf angetragen worden.
§. 60. Soll der Curator zur Verwaltung eines Grundstücks
bestellt werden, welches unter einem der beyden Gerichte (§. 58.) belegen ist,
so gebührt diesem Gerichte der Sache, der Vorzug.
§. 61. Bey minderjährigen Kindern, welche der Eigenschaft
von Kindern aus einer Ehe zur rechten Hand nicht theilhaft worden sind,
bestimmt der persönliche Gerichtsstand der Mutter das Recht und Pflicht zur
Bevormundung.
§. 62. Die Bevormundung ausgesetzter Kinder, deren Aeltern
unbekannt sind, liegt dem Untergerichte des Orts ob, wo sie gefunden worden.
derer, die aus andern Gründen unter Vormundschaft zu setzen
sind.
§. 63. In Fällen, wo Jemanden nicht wegen Minderjährigkeit,
sondern aus andern gesetzlichen Ursachen, ein Vormund oder Curator bestellt
werden muß, ist der Richter seines persönlichen Gerichtsstandes dazu
verpflichtet.
§. 64. Hat ein solcher Mensch einen doppelten persönlichen
Gerichtsstand, so gebührt die Bevormundung dem Obergerichte.
§. 65. Sind beyde Gerichte von gleicher Qualität: so kommt
die Bevormundung demjenigen zu, unter welchem er zur Zeit des eintretenden
Falles wirklich wohnt.
§. 66. Hat er sich damals an einem dritten Orte aufgehalten,
so finden die Vorschriften §. 59. 60. Anwendung.
§. 67. Ist die Ausübung der Gerichtsbarkeit über Personen,
die an sich einen privilegirten persönlichen Gerichtsstand haben, einem
Untergerichte für beständig aufgetragen: so gebührt demselben auch die
Bevormundung.
der Fremden,
§. 68. Fremde, die in hiesigen Landen sich niederzulassen im
Begriff stehen, aber darin noch keinen bestimmten Wohnsitz haben, müssen, so
wie die bey ihrem Absterben etwa zurückgebliebenen Kinder, erforderlichen Falls
von dem Obergerichte der Provinz bevormundet werden.
§. 69. Doch steht dem Obergerichte frey, die Bevormundung,
nach Bewandniß der Umstände, auch einem Untergerichte zu übertragen.
§. 70. Hatte ein Fremder, welcher nach seinem Stande nicht
unter die Eximirten gehört, über den Ort, wo er in hiesigen Landen seinen
Wohnsitz aufschlagen wolle, sich schon deutlich geäußert: so gebührt die
Bevormundung den Gerichten dieses Orts.
§. 71. Anderen Fremden, die entweder selbst in Umstände
gerathen, wo sie eines Vormundes bedürfen, oder welche Kinder, die sich in
diesen Umständen befinden, zurücklassen, muß von dem Gerichte des Orts, wo sie
oder ihre Kinder sich alsdann wirklich aufhalten, ein Curator bestellt werden.
§. 72. Die Pflichten dnes solchen Curators erstreckt sich
jedoch nur auf eine einstweilige Obsorge für die Person dieser Pflegebefohlnen,
und ihr bey sich habendes Vermögen, so lange, bis den Gerichten ihres
auswärtigen Wohnorts von dem Vorfalle Nachricht gegeben, und von diesen weitere
Verfügung getroffen werden kann.
§. 73. Gehört ein solcher fremder Reisender (§. 71.) unter
die Eximirten: so muß zwar das Untergericht seines hiesigen Aufenthaltsorts,
wenn nicht das Obergericht sich an eben demselben Orte befindet, für die
Bevormundung selbst unverzüglich sorgen.
§. 74. Es muß aber dem Obergerichte der Provinz den Vorfall
sofort anzeigen, und demselben die weitere Verfügung überlassen.
der Militairpersonen zukomme.
§. 75. Nach dem Tode eines Vaters vom Militairstande, gehört
die Vormundschaft über seine hinterlassene Kinder vor die Civilgerichte.
§. 76. Demjenigen Gerichte, welchem der Vater, wenn er seine
Dimission erhalten hätte, nach näherer Bestimmung der Prozeßordnung unterworfen
gewesen wäre, liegt auch die Bestellung der Vormundschaft über seine Kinder ob.
§. 77. Zur Bestellung eines Curators für Kinder von
Militairpersonen, die sich noch unter väterlicher Gewalt befinden, sind die
Kriegesgerichte(!) verpflichtet.
§. 78. Sobald jedoch mit Führung der Curatel eine
Vermögensadministration verbunden ist, müssen die Civilgerichte, vor welche,
wenn der Vater gestorben wäre, die Bevormundung gehören würde (§. 76.), die
Direction der Curatel übernehmen.
§. 79. Diesen steht aber frey, zur Führung der
Administration einen besondern Curator, statt desjenigen, welchen das
Militairgericht zur Regulirung der Sache bestellt hatte, auszuwählen, und
denselben dem Militairgerichte zur Verpflichtung vorzuschlagen.
§. 80. Wenn eine Militairperson im Felde mit Tode abgeht: so
können sich die Kriegesgerichte der Sorge für das mit ins Feld genommene
Mobiliarvermögen so lange nicht entziehen, bis selbiges, oder der daraus
gelösete Werth, dem Civilgerichte, welchem die Bevormundung obliegt, mit
Sicherheit abgeliefert werden kann.
Welchem Richter die Direction der Vormundschaft gebühre.
§. 81. Derjenige Richter, welcher den Vormund bestellt, hat
die Direction der Vormundschaft über das ganze Vermögen, in und außer seiner
Gerichtsbarkeit.
§. 82. Besitzt der Pflegebefohlne Güter und Vermögen in
einer andern Königlichen Provinz: so muß der Richter der Sache, auf Ansuchen
des vormundschaftlichen Gerichts, einen besondern Curator bestellen; und die
unmittelbare Aufsicht übernehmen.
§. 83. Besitzen inländische Pflegebefohlne Güter und
Grundstücke in fremden Landen: so muß der auswärtige Richter der Sache ersucht
werden, dieselben in Verwaltung zu nehmen, und die Einkünfte davon dem
inländischen Vormunde zur Berechnung und Ablieferung einhändigen zu lassen.
§. 84. Ein gleiches Verfahren muß im umgekehrten Falle, wenn
nämlich ausländische Pflegebefohlne in hiesigen Landen Güter und Grundstücke
besitzen, von dem inländischen Richter der Sache, jedoch mit Vorbehalt des
Retorsionsrechts, beobachtet werden.
§. 85. Eine Veränderung in dem Wohnorte der Pflegebefohlnen,
oder ihrer Aeltern, wirkt keine Veränderung in der Direction der Vormundschaft.
§. 86. Erfordert es jedoch das Beste der Pflegebefohlnen,
daß die Direction der Vormundschaft dem Richter des veränderten Aufenthalts
übertragen werde: so ist dieser sie zu übernehmen schuldig.
§. 87. Auch muß jedes Gericht, von welchem Kindern noch bey
des Vaters Leben nur ein Curator bestellt worden, die fernere Direction dieser
Curatel demjenigen Gerichte überlassen, welchem die Bevormundung dieser Kinder
nach des Vaters Absterben obliegt.
§. 88. Ist jemanden vom Militairstande, oder dessen Kindern,
ein Vormund oder Curator bey dem Kriegsgerichte bestellt worden: so muß, wenn
demnächst die Militairgerichtsbarkeit auch auf andere Art, als durch den Tod,
gänzlich aufhört, dasjenige Civilgericht, unter welches der Vater nach §. 76.
zurückfällt, auch die fernere Direction der Vormundschaft oder Curatel
übernehmen.
§. 89. Wenn außer diesem Falle, der Vater der
Pflegebefohlnen, während dessen Leben denselben ein besonderer Curator hat
bestellt werden müssen, seinen Wohnsitz oder Gerichtsstand verändert: so bleibt
dennoch die Direction der Curatel bey demjenigen Gerichte wo sie angeordnet
worden; wenn der Vater nicht die Abgebung derselben an das Gericht seines
nunmehrigen Wohnsitzes ausdrücklich verlangt.
Wer auf Bevormundung anzutragen verpflichtet sey.
§. 90. Für die Bevormundung solcher Personen, die sich
selbst nicht vorstehen können, ist sowohl der Richter des Orts, wo sie sich
befinden, als das Gericht, welchem die Bevormundung zukommt, von Amtswegen zu
sorgen verbunden.
§. 91. Ist der Richter des Orts nicht zugleich der
Vormundschaftsrichter, und sind beyde Gerichte nicht an Einem Orte befindlich:
so muß Ersterer dem Letztern von dem vorgekommenen Falle sofort Anzeige machen.
§. 92. Die Verwandten solcher Personen, die Ehegatten, der
überlebende Theil der Aeltern, sollen dem Richter die Eintretung des Falles, wo
nach den Gesetzen eine Vormundschaft angeordnet werden muß, anzeigen, und deren
wirkliche Anordnung betreiben.
§. 93. Prediger, Dorfgerichte, und andere, welchen die
Anzeige der vorkommenden Todesfälle zur Pflicht gemacht ist, sind schuldig,
wenn der Verstorbene, Personen, die der Bevormundung bedürfen, hinterläßt, der
Obrigkeit davon Nachricht zu geben. (Tit. Vn. §. 67. Tit. XI. §. 478-480.)
§. 94. Auch die Zunftältesten und andere Mitbürger, die mit
dem Vater des Pflegebefohlnen, oder mit dem Pflegebefohlnen selbst, als
Handlungsgesellschafter, oder sonst, in nähern Verbindungen gestanden haben,
können sich dieser Obliegenheit nicht entziehen.
§. 95. Ist demjenigen, welchem dergleichen Anzeige zu machen
obliegt, das Gericht, welchem die Bevormundung zukommt, nicht bekannt: so ist
es genug, wenn nur die Anzeige irgend einem am Orte, oder in der Nähe
befindlichen Richter geschieht.
§. 96. Weiß auch dieser nicht, wohin die Vormundschaft
gehöre: so muß er von dem Vorfalle sofort an das Obergericht der Provinz
berichten.
§. 97. Verwandte von Minderjährigen, Wahn- oder
Blödsinnigen, welche, nachdem der Fall zu ihrer Wissenschaft gelangt ist, die
ihnen davon obliegende Anzeige verabsäumen, haften den Pflegebefohlnen für
allen dadurch erlittenen Schaden.
§. 98. Der Nähere haftet vorzüglich vor den Entfernteren,
und mehrere gleich Nahe haften zu gleichen Theilen.
§. 99. In gleicher Art haften Verwandte, welche die Pflicht,
für die Bevormundung eines Wahnsinnigen zu sorgen, vernachläßigen, auch einem
Dritten für den, nach dieser Vernachläßigung, von dem Wahnsinnigen ihm
zugefügten Schaden, in so fern der Ersatz desselben überhaupt statt findet, und
den Beschädigten dazu auf andre Art nicht verholfen werden kann. (Th.
I. Tit. VI. §. 41.
44.)
§. 100. Verwandte, die entweder weiter, als im vierten
Grade, mit dem Pflegebefohlnen stehen, oder die mit ihm nicht an einem Orte
leben, haften nur alsdann, wenn sie die Anzeige vorsätzlich, in der Absicht die
Bevormundung zu hindern, unterlassen haben.
§. 101. Wenn Minderjährige wegen Ableben des Vaters
bevormundet werden sollen: so muß die Mutter die erforderliche Anzeige davon
längstens binnen Sechs Wochen nach dem Tode des Mannes machen.
§. 102. Versäumt sie dieses: so haftet sie nicht nur
vorzüglich vor allen Verwandten, wegen des den Kindern aus der unterbliebenen
Bevormundung entstandenen Schadens; sondern sie verliert auch allen Anspruch
auf die Vormundschaft.
§. 103. Was Rechtens sey, wenn ein Wittwer, oder eine
Wittwe, zur fernern Ehe schreiten, ohne sich mit den Kindern aus voriger Ehe
auseinander gesetzt, und zu dem Ende auf Bestellung eines Vormundes oder
Curators für sie angetragen zu haben, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit.
I. §. 18. sqq. §.
1003. sqq.)
§. 104. In Fällen, wo einer verheiratheten Person ein
Vormund oder Curator bestellt werden muß, ist der andere Ehegatte, die
erforderliche Anzeige zu machen, vorzüglich vor allen Andern verpflichtet.
§. 105. Alle übrige, die nach §. 93. 94. zur Anzeige
verbunden sind, werden im Unterlassungsfalle, wegen dieser Vernachlässigung
ihrer Amtspflicht, nach Bewandniß der Umstände, und nach Verhältniß des daraus
entstandenen Schadens, mit fiskalischer Strafe von Fünf bis Fünfzig Thalern
belegt.
§.106. Wenn einer von den zur Anzeige verpflichteten
Personen dieselbe wirklich macht: so befreyt er dadurch die übrigen von aller
Vertretung wegen des nachher entstehenden Schadens.
§. 107. Ein jeder Richter, welcher in gehöriger Anordnung
der Vormundschaft über seine Pflegebefohlnen seine Pflichten verabsäumt, hat
jedesmal fiskalische Strafe verwirkt; und haftet überdies dem Pflegebefohlnen
für allen Schaden.
§. 108. Gleiche Verantwortung und Strafe trifft den
Unterrichter, der von einem in seiner Jurisdiction vorgekommenen Falle, dem
Obergerichte, zu dessen Besorgung derselbe gehört, keine Nachricht giebt.
Dritter Abschnitt
Von den Personen, welche das Amt eines Vormundes zu
übernehmen schuldig, und dazu fähig sind
Allgemeine Befugniß des Richters bey Bestellung der
Vormünder.
§. 109. Kein Bürger des Staats kann sich einer von der
Obrigkeit ihm aufgetragenen Vormundschaft ohne besondre und erhebliche Ursachen
entziehn.
§. 110. Die Auswahl der Personen, welche zu Vormündern oder
Curatoren bestellt werden sollen, gehört zur Beurtheilung desjenigen Richters,
welchem die Anordnung der Vormundschaft, oder Curatel obliegt. (§. 56. sqq.)
§. 111. Dieser ist berechtigt, Vorschläge eines zu
bestellenden Subjekts von den Anverwandten oder Zunftältesten zu erfordern.
Von Bestellung Eines Vormunds für mehrere Pflegebefohlne;
und mehrerer Vormünder für Einen Pflegen befohlnen.
§. 112. Für mehrere Geschwister ist die Bestellung eines
gemeinschaftlichen Vormunds hinreichend.
§. 113. Es können aber auch mehrere Vormünder einer
einzelnen Person bestellt werden.
§. 114. Im letztern Falle kommt es auf die Anordnung des
Richters an: ob und wie die Geschäfte unter die mehrern Vormünder getheilt,
oder gemeinschaftlich von ihnen besorgt werden sollen.
Verhältniß mehrerer Vormünder untereinander.
§. 115. Mehrere Vormünder, die zur gemeinschaftlichen
Besorgung der Angelegenheiten des Pflegebefohlnen verordnet sind, stellen Eine
moralische Person vor.
§. 116. Was also einer, oder mehrere, ohne Zuziehung der
übrigen vornehmen, ist für den Pflegebefohlnen eben so unverbindlich, als wenn
es von Fremden geschehen wäre.
§. 117. Können die Vormünder sich über das vorzunehmende
Geschäft nicht vereinigen: so entscheidet nicht die Mehrheit der Stimmen;
sondern die Sache muß dem vormundschaftlichen Gerichte zur Entscheidung
vorgetragen werden.
§. 118. Das Verhältniß solcher Vormünder (§. 115.) wird
nicht geändert, wenn sie gleich unter einander in die Besorgung der
verschiedenen vorkommenden Geschäfte sich theilen.
§. 119. Hat der Richter die Geschäfte unter mehrere
Vormünder getheilt, so ist keiner von ihnen zu einer Mitverwaltung bey den
Geschäften des andern befugt oder schuldig.
§. 120. Derjenige, welchem keine
Theilnehmung an der wirklichen Verwaltung der Vormundschaft, sondern bloß die
Aufsicht über die verwaltenden Vormünder angewiesen worden, wird Ehrenvormund
genannt.
§. 121. Mehrere Vormünder, unter welche die Verwaltung von
dem Richter getheilt worden, stehen gegen einander in dem Verhältniß als
Ehrenvormünder.
§. 122. Es soll also einem jeden solchen Vormunde die
Pflicht, über das Betragen der andern zu wachen, und wenn er etwas Verdächtiges
wahrnimmt, davon Anzeige zu thun, gleich bey seiner Bestellung besonders
bekannt gemacht werden.
§. 123. Was vorstehend (§. 115-122.) von mehrern Vormündern
verordnet ist, gilt auch von mehrern Curatoren, welche den Pflegebefohlnen zu
einerley Art von Geschäften, Angelegenheiten, oder Vermögen zugeordnet sind.
§. 124. Hingegen stehen mehrere Curatores, die in Ansehung
verschiedener Angelegenheiten oder Vermögensverwaltungen bestellt worden,
untereinander in keiner Verbindung.
Von der Bestellung eines Vormunds auf oder von einer
gewissen Zeit.
§. 125. Vormünder sollen ohne Noth von dem Richter nicht
bloß auf eine gewisse bestimmte Zeit bestellt werden.
§. 126. Hat aber der Vater verordnet, daß ein von ihm
ernannter Vormund nur bis zu einer gewissen Zeit oder Begebenheit die Vormundschaft
führen solle: so kann der Richter nur aus erheblichen, zum offenbaren Besten
der Pflegebefohlnen gereichenden Gründen, von dieser Vorschrift abgehen.
§. 127. Ein Gleiches gilt, wenn der Vater verordnet hat, daß
die von ihm ernannte Person nur von einem gewissen Erfolge oder Zeitpunkte an,
die Vormundschaft führen solle.
§. 128. Was hier (§. 126. 127.) von der Verordnung des
Vaters bestimmt ist, gilt auch von jedem, welcher den Pflegebefohlnen etwas
zuwendet, und bey Ernennung eines Curators darüber, dergleichen Einschränkungen
beyfügt.
Personen die zur Uebernehmung von Vormundschaften unfähig
sind;
1) in Ansehung aller;
§. 129. Der Richter darf nur solche Personen zu Vormündern
auswählen, bey welchen die erforderlichen Eigenschaften, daß sie das Beste der
Pflegebefohlnen gehörig besorgen können und wollen, mit Grunde vorauszusetzen
sind.
§. 130. Wer seiner eigenen Sache vorzustehen nicht fähig
ist; der kann auch einem Andern niemals, und unter keinerley Umständen, zum
Vormunde oder Curator bestellt werden.
§. 131. Minderjährige sind ausgeschlossen, wenn sie gleich
in ihren eigenen Angelegenheiten für großjährig erklärt worden.
§. 132. Auch wenn sie von dem Vater der Pflegebefohlnen zu
Vormündern ernannt worden, können sie doch erst nach erlangter Großjährigkeit
zur wirklichen Führung der Vormundschaft gelassen werden.
§. 133. Großjährige, die aber noch unter väterlicher Gewalt
stehen, können nur mit Einwilligung des Vaters Vormundschaften übernehmen.
§. 134. Die in einem Kloster ein wirkliches Ordensgelübde
abgelegt haben, können nicht Vormünder oder Curatores seyn.
§. 135. Leute, die wegen grober Verbrechen verurtheilt
worden, oder die bekanntlich ein ruchloses und schändliches Leben führen, sind
zu jeder Vormundschaft oder Curatel unfähig.
§. 136. Auch denjenigen, welche wegen Untreue oder grober
Fahrläßigkeit einer Vormundschaft entsetzt worden, darf keine andere mehr
übertragen werden.
2) in Ansehung gewisser Vormundschaften;
§. 137. Christen können für Personen, die keiner der
christlichen Religionsparteyen zugethan sind, und diese für jene, zu Vormündern
nicht bestellt werden.
§. 138. Wohl aber ist die Bestellung solcher verschiedener
Glaubensgenossen zu Curatoren, in einzelnen bloß das Vermögen betreffenden
Angelegenheiten zuläßig.
§. 139. Stiefväter sind in der Regel nicht, wohl aber in
besondern Fällen, wo nach richterlichem Ermessen ein erheblicher Vortheil für
die Pflegebefohlnen davon zu erwarten ist, ihren Stiefkindern zu Vormündern zu
bestellen.
§. 140. Ehemänner können die Vormundschaft ihrer noch nicht
volljährigen Ehefrauen nur alsdann übernehmen, wenn der Fall der Bevormundung
erst nach vollzogener Heirath eintritt, und das Vermögen der Frau sicher
gestellt ist.
§. 141. Wen der Vater der Pflegebefohlnen von Führung der
Vormundschaft über seine Kinder ausdrücklich ausgeschlossen hat, der kann auch
von dem Richter dazu nicht bestellt werden.
§. 142. Auch steht jedem Andern, welcher dem Pflegebefohlnen
mehr, als einen ihnen schuldigen Pflichttheil hinterläßt, das Recht zu, gewisse
Personen zu bestimmen, die von der vormundschaftlichen Verwaltung solcher
Zuwendungen ausgeschlossen seyn sollen.
§. 143. Frauenspersonen, die leibliche Mutter, und die
Großmutter der Pflegebefohlnen allein ausgenommen, darf der Richter
Vormundschaften oder Curatelen nicht auftragen.
§. 144. Personen, welche mit den Pflegebefohlnen, oder deren
Aeltern, in öffentlicher Feindschaft gelebt haben, oder noch leben, können von
dem Richter zu Vormündern oder Curatoren der ersternerstern nicht gewählt
werden.
§. 145. Gerichtliche Anschuldigungen grober Verbrechen;
verübte Thätlichkeiten gegen das Leben oder die Gesundheit; ehrenrührige
Schmähungen; und Prozesse über einen beträchtlichen Theil des Vermögens,
begründen die rechtliche Vermuthung einer solchen Feindschaft.
§. 146. Sind dergleichen Zwistigkeiten schon vor mehrern
Jahren vorgefallen: so hängt es vom richterlichen Ermessen ab: in wie fern nach
den Umständen angenommen werden könne, daß die feindseligen Gesinnungen durch
eingetretene Wiederaussöhnung, oder durch den Zeitverlauf gehoben worden.
§. 147. Gläubiger und Schuldner der Pflegebefohlnen, und
überhaupt alle diejenigen, deren Recht mit dem Rechte oder Interesse der
Pflegebefohlnen in Widerspruch stehen, kann der Richter zu Vormündern nicht
wählen, so lange über die Richtigkeit der gegenseitigen Ansprüche noch einiger
Zweifel vorhanden ist.
§. 148. Entstehen dergleichen Zweifel erst nach übernommener
Vormundschaft: so muß dem Pflegebefohlnen, zur Berichtigung einer solchen
Angelegenheit, ein besonderer Curator bestellt werden.
§. 149. Ein Schuldner des Pflegebefohlnen, welcher eine an
sich liquide und fällige Schuld nicht bezahlen kann oder will, darf ihm von dem
Richter zum Vormunde nicht bestellt werden.
§. 150. Kein Richter soll, ohne besonders erhebliche
Ursache, jemanden aus einer andern Jurisdiction seinen Pflegebefohlnen zum
Vormunde bestellen.
§. 151. Erhebliche Ursachen sind, wenn der fremde
Gerichtsgesessene mit dem Pflegebefohlnen durch Verwandschaft, oder gemeinsames
Interesse, in näherer Verbindung steht.
§. 152. Oder wenn es dem vorrnundschaftlichen Gerichte an
tauglichen Personen in seiner eigenen Jurisdiction ermangelt.
§. 153. In solchen Fällen muß jedes Gericht in Königlichen
Landen, auf gebührendes Ansuchen, seine Gerichtsgesessenen zur Uebernehmung der
Vormundschaften auch unter fremden Jurisdictionen anhalten.
§. 154. Ein solcher Vormund wird, in allen auf die
Vormundschaft sich beziehenden Geschäften und Angelegenheiten, dem
vormundschaftlichen Gerichte unterworfen.
§. 155. Vormundschaften außerhalb Landes darf niemand, bey
Vermeidung einer nach den Umständen zu bestimmenden fiskalischen Geldstrafe,
ohne Vorwissen und Genehmigung seines inländischen ordentlichen Richters
übernehmen.
§. 156. Fremde, die in Königlichen Landen keinen ordentlichen
Gerichtsstand haben, können inländischen Pflegebefohlnennur aus überwiegenden
Gründen des Bestens derselben, und nur unter Genehmigung; des
Justizdepartements, zu Vormündern bestellt werden.
§. 157. Auch müssen dergleichen Vormünder sich, in allen die
Vormundschaft betreffenden Angelegenheiten, der Jurisdiction des
vormundschaftlichen Gerichts ausdrücklich unterwerfen, und die Einwilligung
ihres eignen auswärtigen Richters in beglaubter Form beybringen.
Personen, die zur Uebernehmung von Vormundschaften einer
besondern Erlaubniß bedürfen.
§. 158. Königliche und Prinzliche Domainen-Pächter und
Beamte, Verwalter und Empfänger Königlicher, Prinzlicher, oder andrer
öffentlicher, ingleichen der den privilegirten Corporationen und milden
Stiftungen zugehörigen Güter, Gelder und Einkünfte, können ohne ausdrückliche
Einwilligung der Behörde, welcher sie wegen solcher Pacht oder Verwaltung
untergeben sind, zu Vormündern nicht bestellt werden.
§. 159. Die Erlaubniß soll nur alsdann von dem
vormundschaftlichen Gerichte angenommen werden, wenn mit der Vormundschaft gar
keine Vermögensadministration verknüpft ist; oder wenn für diese eine
besondere, hinlängliche, und von aller Verhaftung für die Pacht oder die Casse
freye Caution geleistet werden kann.
§. 160. Militairpersonen dürfen
ohne Consens ihres Chefs oder Commandeurs keine Vormundschaft übernehmen.
§. 161. Civilbediente können ohne Vorwissen und Genehmigung
ihrer unmittelbaren Amtsvorgesetzten zu Vormündern nicht bestellt werden.
§. 162. Für Räthe bey Königlichen Collegiis muß die
Erlaubniß des dem Collegio vorgesetzten Departements; für Dirigenten und
Bürgemeister in den Städten aber muß selbige bey dem Landescollegio, dem sie
wegen ihres Amts untergeben sind, nachgesucht werden.
§. 163. Curatelen zu einzelnen Handlungen und Geschäften,
womit keine Vermögensadministration verbunden ist, können die benannten
Personen auch ohne besondre Erlaubniß übernehmen.
Was vorstehende Personen, wenn ihnen eine Vormundschaft
aufgetragen wird, zu beobachten haben.
§. 164. Wer nach vorstehenden Grundsätzen zu Uebernehmung
einer Vormundschaft, entweder durchaus, oder unter gewissen Umständen und
Verhältnissen unfähig ist, muß, wenn er dennoch dazu aufgefordert wird, dem
Richter den Grund seiner Unfähigkeit anzeigen.
§. 165. Ist er zum Vormunden wirklich bestellt worden: so
muß ihm der Richter, sobald seine Unfähigkeit zu dessen Kenntniß gelangt, die
Vormundschaft sofort wieder abnehmen; und er muß alle dafür gezogne Vortheile
oder Belohnungen zurückgeben.
§. 166. Hat er seine Unfähigkeit, auf ausdrückliches
Befragen des Richters, oder sonst, vorsätzlich und geflissentlich verschwiegen:
so haftet er dem Pflegebefohlnen für jedes, auch das geringste Versehen.
§. 167. Außerdem wird derjenige, welcher sein Verhältniß als
Gläubiger des Pflegebefohlnen dem Richter aus Gefährde verheimlicht, seiner
Forderung zum Besten des Pflegebefohlnen verlustig.
§. 168. Der Schuldner des Pflegebefohlnen verliert in
gleichem Falle seine Einwendungen, und muß eine der richtigen Forderung gleiche
Summe als fiskalische Strafe entrichten.
§. 169. Wenn nicht erhellet, daß ein solches Verhältniß
vorsätzlich und aus Gefährde verschwiegen worden: so findet nur willkührliche
Strafe bis zum zehnten Theile der Forderung statt.
§. 170. Der Richter, welcher eine nach diesen Grundsätzen
unfähige Person, wissentlich, oder aus grobem Versehen, zum Vormunde bestellt,
muß für allen den Pflegebefohlnen daraus entstehenden Schaden selbst haften.
§. 171. Wer dem Gerichte einen Unfähigen wissentlich zum
Vormunde vorschlägt, der haftet für denselben als Bürge.
Personen, welche vorzüglich zu Vormündern bestellt werden
müssen:
1) Von den Aeltern ernannte, oder in einem Testament
bestellte;
§. 172. Bey der Auswahl des zu bestellenden Vormundes muß
der Richter auf diejenigen, welche von dem Vater des Pflegebefohlnen dazu
ernannt worden, vorzüglich Rücksicht nehmen.
§. 173. Der vom Vater ernannte Vormund hat die Verwaltung
des gesammten Vermögens der Pflegebefohlnen; es mag dasselbe von dem Vater,
oder auch von einem Andern herrühren.
§. 174. Von einem Vormunde, welchen die Mutter für ihre noch
nicht bevormundete Kinder ernannt hat, gilt eben das, was von einem solchen,
den der Vater ausgewählt hat, verordnet ist.
§. 175. Auch kann ein jeder, welcher den Pflegebefohlnen
etwas, es sey unter Lebendigen, oder von Todes wegen, zuwendet, denselben, wenn
sie gleich schon bevormundet sind, einen besondern Curator zu dessen Verwaltung
ernennen.
§. 176. Die Ernennung eines solchen Vormundes, oder Curators
(§. 173-175.) kann durch eine Erklärung unter Lebendigen, oder auch durch eine
letztwillige Verordnung geschehen.
§. 177. In beyden Fällen bedarf es keiner Feyerlichkeit;
sondern es ist genug, wenn nur die Willensmeynung des Ernennenden dem Richter
mit hinlänglicher Gewißheit bekannt geworden ist.
§. 178. Ist die Ernennung des Vormundes nach Art eines
Vertrags mit dem dazu ausgewählten Subjekte geschehen, so kann dennoch der
Ernennende einen solchen Vertrag auch einseitig widerrufen.
§. 179. Dagegen darf der Richter Personen, welche von dem
Erblasser zur Vormundschaft berufen worden, bloß um deswillen, weil sie von
einer verschiedenen Religion, einer andern Gerichtsbarkeit unterworfen, oder
Gläubiger oder Schuldner der Pflegebefohlnen sind, von der Vormundschaft nicht
ausschließen. (§. 137. 147. 150. sqq.)
§. 180. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn aus den
Umständen erhellet, daß diese Verhältnisse eines solchen Subjekts dem Erblasser
zur Zeit der Ernennung unbekannt gewesen.
§. 181. Frauenspersonen, die leibliche Mutter und Großmutter
des Pflegebefohlnen allein ausgenommen, können auch von einem Erblasser so
wenig, als von dem Richter, zu Vormündern ernannt werden.
§. 182. Hat der Erblasser jemanden, mit welchem er vorhin in
Feindschaft gelebt, zum Vormunde gewählt: so beweist dieses eine erfolgte
Versöhnung.
§. 183. Hat der Erblasser den Ehemann der Pflegebefohlnen zu
ihrem Vormunde ernannt: so kann derselbe nicht ausgeschlossen werden, wenn er
gleich die §. 140. vorgeschriebene Sicherheit zu bestellen nicht vermöchte.
§. 184. Doch ist in allen Fällen der Richter befugt, die von
dem Erblasser ernannte Person zu übergehn, sobald er bey gewissenhafter Prüfung
findet, daß die Bestellung derselben dem Pflegebefohlnen nachtheilig oder
gefährlich seyn könnte.
§. 185. Bey dieser Prüfung muß besonders auf Einwendungen,
welche die Mutter noch unerzogner Pflegebefohlnen gegen das von dem Erblasser
ernannte Subjekt zu machen hat, Rücksicht genommen werden.
2) Mütter;
§. 186. In Ermangelung eines vom Vater ernannten Vormundes,
muß der Richter auf die Mutter, wenn sie zur Uebernehmung der Vormundschaft
fähig, und dazu willig ist, vorzüglich Rücksicht nehmen.
§. 187. Es findet jedoch dabey eben das statt, was wegen
eines vom Vater ernannten Vormundes verordnet ist. (§. 184.)
§. 188. Auch kann eine Mutter, die zu einer anderweitigen
Ehe schreitet, die Vormundschaft über ihre Kinder aus voriger Ehe nicht
behalten.
§. 189. An dieser gesetzlichen Verordnung kann selbst der
Vater der Pflegebefohlnen durch seine Willenserklärung, so wenig unter
Lebendigen, als von Todeswegen, etwas ändern.
§. 190. Auch nach getrennter ferneren(!) Ehe kann die Mutter
die Vormundschaft über die Kinder aus einer vorigen Ehe nicht wieder
übernehmen, sobald aus der spätern Verbindung Kinder vorhanden sind.
§. 191. Sind aber aus der andern wieder getrennten Ehe keine
Kinder vorhanden: so hängt es lediglich vom richterlichen Ermessen ab: der
Mutter die Vormundschaft der Kinder aus voriger Ehe anderweitig zu übertragen.
3) Verwandte;
§. 192. In Ermangelung der Mutter, muß der Richter die
Vormundschaft den Blutsverwandten der Pflegebefohlnen vorzüglich übertragen.
§. 193. Doch kann sich kein Verwandter dem Richter zum
Vormunde über Pflegebefohlne aus seiner Familie aufdringen.
§. 194. Auch ist der Richter bey der Auswahl unter den
Verwandten an die Nähe des Grades nicht gebunden.
§. 195. Selbst alsdann, wenn von der Curatel für einen
Abwesenden die Rede ist, bleibt es der pflichtmäßigen Beurtheilung des Richters
überlassen: ob und welchen Verwandten er dazu bestellen wolle.
§. 196. Kinder können ihren Aeltern nur wenn dieselben wegen
Wahn- oder Blödsinnes; nicht aber, wenn sie wegen Verschwendung unter
Vormundschaft genommen werden müssen, zu Vormündern bestellt werden.
§. 197. Unehelichen Kindern sind in der Regel Fremde, welche
zur Familie der Aeltern nicht gehören, zu Vormündern zuzuordnen.
§. 198. Doch ist dem Richter unbenommen, auch Verwandten der
Aeltern solcher Kinder, wenn sie es verlangen, und der Vortheil der
Pflegebefohlnen dadurch befördert werden kann, zu Vormündern über sie zu
bestellen.
4) Zunftgenossen.
§. 199. Nächst den Verwandten sind die Mitglieder der Zünfte
und Innungen, die Vormundschaften über ihre Zunftgenossen, oder deren
hinterlassene Kinder, zu übernehmen vorzüglich verpflichtet.
Was Rechtens sey, wenn eine zur Vormundsschaft berufene
Person dieselbe von sich ablehnt.
§. 200. Personen, welche durch Ernennung des Erblassers,
oder durch Familienverträge zur Führung einer Vormundschaft vorzüglich
verpflichtet und berechtigt sind, können, wenn sie von dem Richter übergangen
worden, auf rechtliches Gehör und Erkenntniß, nach näherer Vorschrift der
Prozeßordnung antragen.
§. 201. Eben diese Befugniß kommt auch der Mutter, und den
zur Vormundschaft berufenen Verwandten zu, wenn der Richter, mit deren
Uebergehung, einen Fremden dazu verordnet hat.
§. 202. Ein jeder, welcher die Uebernehmung einer von der
Obrigkeit ihm aufgetragenen Vormundschaft oder Curatel ohne erhebliche und
gegründete Ursache verweigert, muß dazu durch Geldstrafe, nach Verhältniß
seiner Vermögensumstände, von dem Richter angehalten werden.
§. 203. Führt er gesetzmäßige Entschuldigungsursachen an: so
ist ihm darüber rechtliches Gehör nach Vorschrift der Prozeßordnung zu
gestatten.
§. 204. Werden aber diese Entschuldigungsursachen verworfen;
und ist durch den daraus in der Bevormundung entstandenen Aufenthalt dem
Pflegebefohlnen ein Schade zugefügt worden: so muß der Weigernde denselben
vergüten.
§. 205. Kann der Weigernde auch durch mäßige Geldstrafen zu
Uebernehmung der ohne rechtlichen Grund abgelehnten Vormundschaft nicht
vermocht werden: so ist zwar den Pflegebefohlnen ein anderer Vormund zu
bestellen;
§. 206. Der Richter ist aber alsdann befugt, diesem ein
Honorarium aus dem Vermögen des Weigernden auszusetzen, und auf dessen
Grundstücke eine Caution für den neuen Vormund eintragen zu lassen.
§. 207. Auch ohne Caution haftet der ungebührlich sich
Weigernde, für den an seiner Statt bestellten Vormund, als Bürge.
Personen, die von Uebernehmung einer Vormundschaft sich
entschuldigen können.
§. 208. Vermöge eines besondern Privilegii können zur
Uebernehmung von Vormundschaften nicht gezwungen werden:
1) Alle in wirklichen Königlichen
Militairdiensten stehende Personen;
2)
Räthe, die in
Königlichen Collegiis Sitz und Stimme haben;
3)
Dirigenten und
Burgemeister (!) in den Städten;
4)
Königliche
Domainenpächter und Beamte;
5)
Wirkliche Verwalter
Königlicher oder anderer öffentlicher nicht unbeträchtlicher Cassen;
6)
Die in öffentlichen
Angelegenheiten außer Landes abwesend sind; oder solchergestalt verschickt zu
werden in Begriff stehen; oder noch nicht über Ein Jahr von dergleichen
Versendung zurückgekommen sind;
7) Alle, die das Sechszigste Jahr
ihres Alters überschritten haben.
§. 209. Eine gleiche Befreyung kommt denen zu gute, die
durch anhaltende Krankheitszufälle dergestallt geschwächt sind, daß ihnen die
eigene gehörige Besorgung der aufgetragenen Vormundschaft dadurch unmöglich
wird.
§. 210. Ferner denjenigen, welche Fünf oder mehr aus einer
Ehe zur rechten oder linken Hand erzeugte, und noch unter ihrer Gewalt
stehende, oder unversorgt in ihrem Hause lebende Kinder haben.
§. 211. Söhne, die in Königlichen Militairdiensten stehen,
oder darin ihr Leben vor dem Feinde verloren haben, müssen zum Besten des einer
Vormundschaft sich weigernden Vaters allemal mitgezählt werden.
§. 212. Wer schon zwey wirkliche mit Vermögensadministration
verknüpfte, oder zwar nur Eine, aber mit sehr vielen und wichtigen Geschäften
verbundene Vormundschaft über sich hat, kann mehrere zu übernehmen, wider
seinen Willen nicht gezwungen werden.
§. 213. Ordentliche Lehrer bey Schulen, Gymnasien, und
Universitäten, ingleichen Geistliche, mit deren Amte eine Seelsorge verknüpft
ist, können nur über Kinder ihrer Verwandten und Amtsgenossen Vormundschaften
zu übernehmen angehalten werden.
§. 214. Hat eine von vorstehenden privilegirten Personen,
des für sich habenden Privilegii ungeachtet, zur Uebernehmung einer
Vormundschaft sich schriftlich verbunden: so kann sie dasselbe zu ihrer
Entschuldigung nicht weiter vorschützen.
§. 215. Vielmehr sind diejenigen unter ihnen, welche zur
Uebernehmung einer Vormundschaft der besondern Erlaubniß ihrer Vorgesetzten
nach §. 158. sqq. bedürfen, diese Erlaubniß nachzusuchen, und nach deren
Erhaltung die Vormundschaft wirklich anzutreten verbunden.
§. 216. Die Befugniß von einer durch den Richter
aufgetragenen Vormundschaft sich zu entschuldigen, kommt auch demjenigen zu
statten, welchen der Erblasser der Pflegebefohlnen zum Vormunde ernannt hat.
§. 217. Ueberhaupt ist ein jeder, welcher sich in Umständen
befindet, um dererwillen er einer gewissen ihm angetragenen Vormundschaft
gehörig vorzustehen sich nicht getrauet, befugt und schuldig, diese Umstände
dem Richter zur nähern Beurtheilung anzuzeigen.
§. 218. Wenn einer im Testamente zum Vormunde bestellten
Person ein Legat hinterlassen worden; so gilt die Vermuthung, daß ihr selbiges
in Rücksicht der zu übernehmenden Vormundschaft ausgesetzt sey.
§. 219. Kann oder will ein solcher Legatarius sich der
Vormundschaft nicht unterziehn: so verliert er das in dieser Rücksicht ihm
zugedachte Vermächtniß.
Vierter Abschnitt
Von Verpflichtung und Bestätigung der Vormünder
Verpflichtung des Vormunds.
§. 220. Der vom Richter gewählte oder genehmigte Vormund muß
zu seinem Amte mittelst Handschlags, an Eidesstatt, verpflichtet werden.
§. 221. Vor der Verpflichtung ist derselbe an seine
Obliegenheiten zu erinnern, oder es sind ihm dieselben, wo es nöthig ist,
wenigstens im Allgemeinen, bekannt zu machen und zu erklären.
Bestallung,
§. 222. Hiernachst muß der Vormund mit einer schriftlichen
Bestallung versehen werden.
§. 223. In dieser Bestallung müssen die Ursachen der
veranlaßten Vormundschaft; der Name des Pflegebefohlnen; wenn derselbe noch
minderjährig ist, sein Alter nach dem beygebrachten Taufscheine; die
Hauptobliegenheiten des vormundschaftlichen Amts; und die dem Vormunde bey
dessen Führung etwa gemachten besondern Einschränkungen, ausgedrückt seyn.
§. 224. Auch muß der Richter in Fällen, wo es einer Caution
bedarf, für die Berichtigung derselben vor, oder doch bald möglichst nach
ausgeantworteter Bestallung, von Amts wegen sorgen. (§. 424. sqq.)
§. 225. Erst durch die Bestallung erhält der Vormund das
Recht und die Pflicht zur Ausübung seines Amts.
§. 226. Doch ist auch schon ein ernannter, obgleich noch
nicht förmlich bestellter Vormund, Angelegenheiten der Pflegebefohlnen, bey
welchen Gefahr im Verzuge seyn könnte, zu besorgen schuldig und berechtigt.
Von Personen, die ohne richterlichen Auftrag
vormundschaftliche Pflichten übernehmen.
§. 227. Wer ohne richterlichen Auftrag gewissen
Angelegenheiten der Pflegebefohlnen sich unterzieht, der übernimmt bloß in
Ansehung dieser Angelegenheiten die Pflichten eines Vormunds.
§. 228. Er muß aber dem Richter sofort Anzeige machen; und
wenn der Pflegebefohlne noch nicht bevormundet ist, auf Bestätigung zum
vormundschaftlichen Amte, oder auf Bestellung eines andern Vormunds antragen.
§. 229. Unterläßt er die Anzeige: so haftet er für allen
Schaden, welchen die Pflegebefohlnen bey dem von ihm angefangnen Geschäfte, und
was damit in Verbindung steht, durch den Mangel der vormundschaftlichen
Aufsicht leiden.
§. 230. Gehört er unter diejenigen, welche nach §. 90. sqq.
auf Bevormundung anzutragen verpflichtet sind: so haftet er, bey unterlassener
Anzeige, auch für den übrigen, aus Mangel der Bevormundung, den Pflegebefohlnen
erwachsenen Nachtheil.
Fünfter Abschnitt
Von den Rechten und Pflichten der Vormünder überhaupt
Allgemeine Grundsätze.
§. 231. Die Pflichten und Befugnisse der Vormünder haben
sowohl die Person, als die Rechte und das Vermögen ihrer Pflegebefohlnen, zum
Gegenstande.
§. 232. Die Sorge derselben für die Person muß sowohl auf
das körperliche, als auf das moralische Wohl der Pflegebefohlnen gerichtet
seyn.
§. 233. Die Sorge für das Vermögen erstreckt sich auf die
Sicherstellung und Erhaltung, auf die ordentliche wirthschaftliche
Administration, und auf die Verbesserung desselben.
§. 234. Die Sorge für das Vermögen muß jedoch, bey
eintretender Collision, der Sorge für das künftige Wohl der Person nachstehn.
Verhältnisse zwischen dem Vormunde und der Obrigkeit.
§. 235. In allen diesen Beziehungen sind die Vormünder als
Bevollmächtigte des Staats anzusehn.
§. 236. Sie sind also schuldig, sich bey Führung ihres Amts
nach den Vorschriften der Gesetze, und den besondern Anweisungen des
vormundschaftlichen Gerichts, sorgfältig zu achten.
§. 237. Das Gericht ist, sie dabey zu dirigiren, und unter
beständiger Aufsicht zu halten, befugt und verpflichtet.
§. 238. So oft in Ansehung der Person oder des Vermögens der
Pflegebefohlnen eine erhebliche Veränderungen(!) vorgenommen werden soll,
müssen die Vormünder dem Gerichte davon Anzeige machen, und dessen Genehmigung
oder nähere Anweisung einholen.
§. 239. Vornehmlich aber muß dieses alsdann geschehen, wenn
von einer Handlung oder einem Vorfalle die Rede ist, woraus bedenkliche oder
gefährliche Folgen für den Pflegebefohlnen entstehen könnten.
Verhältnisse zwischen dem Vormunde und dem Pflegebefohlnen.
§. 240. In Beziehung auf die Pflegebefohlnen, vertreten die
Vormünder zunächst die Stelle der Aeltern.
§. 241. Der Pflegebefohlne ist also seinem Vormunde
Ehrerbietung, Gehorsam, und Folgsamkeit schuldig.
§. 242. Der Vormund kann sich aber auch über die Person
seines Pflegebefohlnen keiner mehrern Befugnisse anmaaßen, als die Gesetze
einem Vater über die noch unter seiner Gewalt stehenden Kinder beylegen.
§. 243. Glaubt der Pflegebefohlne, daß der Vormund bey Ausübung
der Rechte über seine Person die Schranken überschreite, oder etwas vornehme,
welches seinem Besten zuwider sey: so ist er befugt, dem vormundschaftlichen
Gerichte davon Anzeige zu machen.
§. 244. Ein Pflegebefohlner, welcher das Achtzehnte Jahr
zurückgelegt hat, kann verlangen, daß der Vormund ihm von erheblichen
Vorfällen, welche die Substanz seines Vermögens, oder Hauptveränderungen in
dessen Verwaltung betreffen, unterrichte, und seine Meynung darüber vernehme.
§. 245. Der Vormund ist jedoch an diese Meynung des
Pflegebefohlnen nicht gebunden.
§. 246. Hat der Vormund die Meynung des Pflegebefohlnen
nicht eingezogen, oder darauf keine Rücksicht genommen: so steht Letzterem
frey, wenn er glaubt, daß seinem Besten zuwider gehandelt werde, dem vormundschaftlichen
Gerichte davon Anzeige zu machen.
§. 247. Der Pflegebefohlne kann sich, ohne Zuthun des
Vormundes, einem Dritten nicht verpflichten.
§. 248. Weigert sich der Vormund, in eine Handlung zu
willigen, die der Pflegebefohlne für sich zuträglich hält: so kann letzterer
bey dem vormundschaftlichen Gerichte auf nähere Prüfung, und auf Ergänzung
dieser Beystimmung antragen.
§. 249. Von Verträgen der Pflegebefohlnen, von letztwilligen
Verordnungen derselben, von Schadenszufügungen, und von ihren Heirathen, sind
die nöthigen Bestimmungen gehörigen Orts vorgeschrieben. (Th.
I. Tit. V. §. 10. sqq. Tit. VI. §. 41. Tit. XII. §. 16. sqq. Th.
II. Tit. I. §. 49. sqq.)
§. 250. Aus Handlungen, welche der Vormund für sich allein,
ohne den Beytritt des Pflegebefohlnen, unternimmt, entstehen für Letztern,
gegen einen Dritten, Rechte und Pflichten nur in so fern, als der Vormund
ausdrücklich in dieser Eigenschaft die Handlung vollzogen, oder den Vertrag
geschlossen hat.
§. 251. Hat jedoch der Vormund ein Geschäft zwar nur in
seinem eignen Namen abgeschlossen; es ergiebt sich aber aus den damals schon
vorhandenen und dem Dritten bekannt gewesenen Umständen, daß es wirklich ein
vormundschaftliches Geschäft sey: so hat der Dritte die Wahl: ob er an den
Vormund, oder an das Vermögen des Pflegebefohlnen sich halten wolle.
§. 252. Eben so erlangt der Pflegebefohlne Rechte gegen
einen Dritten, wenn zwar der Vormund das Geschäft nur in seinem eignen Namen
abgeschlossen hat; aus den Umständen aber klar erhellet, daß dasselbe wirklich
den Pflegebefohlnen betroffen, und daß dieses dem Dritten bekannt gewesen sey.
§. 253. Mit dem Pflegebefohlnen selbst kann der Vormund
keine Verträge oder Handlungen, wodurch Ersterer ihm verpflichtet werden soll,
vornehmen.
§. 254. Wenn daher ein Vormund etwas in seinen eigenen
Angelegenheiten mit den Pflegebefohlnen zu verhandeln hat: so muß er auf
Bestellung eines besondern Curators dazu antragen.
Vergütungen und Belohnungen, welche dem Vormunde zukommen.
§. 255. Einem Vormunde soll jedoch die pflichtmäßige Führung
seines Amts niemals zum Schaden gereichen.
§. 256. Hat also der Vormund, bey Erfüllung seiner
Pflichten, einen Schaden ohne sein eigenes grobes oder mäßiges Versehen
erlitten, der ihm außerdem nicht widerfahren seyn würde: so hat er Vergütung
dafür aus dem Vermögen des Pflegebefohlnen zu fordern.
§. 257. Muß der Vormund in Angelegenheiten des
Pflegebefohlnen nothwendige Reisen thun; und dadurch in seinem Gewerbe einen
auf keine Weise zu vermeidenden Schaden erleiden: so kann er, außer dem Ersatze
der Reisekosten, auch Diäten nach Verhältniß seines Standes fordern.
§. 258. Von Schäden, die der Vormund bloß bey Gelegenheit
der Besorgung vormundschaftlicher Geschäfte leidet, gilt eben das, was in
ähnlichen Fällen von den Beschädigungen eines Bevollmächtigten verordnet ist.
(Th. I. Tit. XIII. §. 80. 81.)
§. 259. Alle für den Pflegebefohlnen und in dessen
Angelegenheiten nützlich verwendeten Kosten, müssen aus desselben Vermögen dem
Vormunde ersetzt werden.
§. 260. Konnte der Vormund von der Verwendung solcher Kosten
einen verhältnißmäßigen Vortheil für den Pflegebefohlnen vernünftiger Weise
erwarten: so kann er dafür selbst alsdann Ersatz fordern, wenn der
beabsichtigte Nutzen nicht erreicht worden, oder ohne seine Schuld wieder
verloren gegangen ist.
§. 261. Von solchen Auslagen (§. 259. 260.) kann der Vormund
so weit landübliche Zinsen fordern, als zu der Zeit, da sie gemacht werden
müssen, kein dazu hinreichender Vorrath baaren Geldes in dem Vermögen des Pflegebefohlnen,
ohne des Vormundes Schuld, vorhanden gewesen ist.
§. 262. Auch für Dienste, die er mit seiner erlernten
Wissenschaft, Kunst, oder Profession dem Pflegebefohlnen geleistet hat, kann
er, gleich Fremden, Bezahlung fordern.
§. 263. Dagegen ist er für seine vormundschaftliche Arbeiten
und Bemühungen ein Gehalt oder Belohnung zu verlangen nicht berechtigt.
§. 264. Hat jedoch der Vormund, durch vorzüglich kluge und
mühsame Administration, das Vermögen der Pflegebefohlnen vergrößert; oder die
Einkünfte derselben beträchtlich vermehrt: so darf ihm der Richter ein
verhältnißmäßiges Honorarium nicht versagen.
§. 265. Auch kann ihm der Richter dergleichen Honorarium
zubilligen, wenn die Vormundschaft mit einer weitläuftigen und beschwerlichen
Verwaltung verknüpft ist, und von den Einkünften, nach Abzug aller Ausgaben und
Erziehungskosten, ein Ansehnliches erübrigt wird.
§. 266. Ob und auf wie hoch nach diesen Grundsätzen dem
Vormunde ein Honorarium zu bewilligen, muß bey obervormundschaftlichen
Gerichten einer Provinz durch eine überwiegende Mehrheit von Zwey Drittel der
Stimmen entschieden werden.
§. 267. Ist keine solche überwiegende Mehrheit der Stimmen
vorhanden: so ist das Pupillencollegium vor der Festsetzung bey Hofe anzufragen
verbunden.
§. 268. Untergerichte sollen den Vormündern Honoraria,
welche Fünf Thaler auf das Jahr übersteigen, ohne Genehmigung des
Pupillencollegii der Provinz, welches bey deren Bestimmung und Ertheilung die
Vorschrift des §. 266. 267. zu beobachten hat, nicht zubilligen.
§. 269. Hat der Erblasser der Pflegebefohlnen dem Vormunde
ein Honorarium bestimmt: so hat es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 270. Hat der Erblasser dem Vormunde, in Rücksicht auf die
zu übernehmende Vormundschaft, ein Vermächtniß ausgesetzt: so kann letzterer
kein besondres Honorarium fordern. (§. 218.)
§. 271. In beyden Fällen steht es jedoch dem Vormunde frey,
die von dem Erblasser bestimmte Belohnung bey dem Antritte seines Amts
auszuschlagen, und es dagegen auf richterliche Bestimmung ankommen zu lassen.
§. 272. Der Vormund eines Abwesenden kann ein
verhältnißmäßiges Honorarium fordern, sobald von den Einkünften des Vermögens,
nach Abzug der Ausgaben, noch ein reiner Ueberschuß verbleibt.
§. 273. Bey Güterverwaltungen kann dieses Honorarium auf
Eins bis Drey, und bey Capitalsadministrationen bis auf Eins vom Hundert der
Einkünfte bestimmt werden.
§. 274. Der Vormund eines Wahn- und Blödsinnigen hat gleiche
Rechte, (§. 272. 273.) und das vormundschaftliche Gericht kann demselben, wenn
besonders die Vormundschaft über Zehn Jahre dauert, noch ein höheres Honorarium
zubilligen.
Vertretungsverbindlichkeit des Vormundes gegen den
Pflegebefohlnen.
§. 275. Jeder Vormund ist schuldig, auf die Angelegenheiten
seiner Pflegebefohlnen denjenigen Grad der Aufmerksamkeit zu wenden, den ein
ordentlicher Hausvater in seinen eignen Angelegenheiten gewöhnlich anwendet.
§. 276. Er muß also jedes dabey begangene mäßige Versehen
vertreten.
§. 277. Für ein geringes Versehen haftet der Vormund
alsdann, wenn er Umstände, die ihn nach den Gesetzen zur Uebernehmung der
Vormundschaft unfähig machen, auf Befragen des Richters, oder sonst,
geflissentlich verschwiegen hat. (§. 166.)
§. 278. Ferner alsdann, wenn er Geschäfte, die eine besondre
Sachkenntniß erfordern, eigenmächtig, ohne Zuziehung eines Sachverständigen
unternommen hat.
§. 279. Auch alsdann, wenn er selbst ein Sachverständiger
ist, und in dieser Eigenschaft Angelegenheiten des Pflegebefohlnen besorgt hat.
§. 280. Endlich alsdann, wenn er in Fällen, da er nach
ausdrücklichen Gesetzen bey dem vormundschaftlichen Gerichte anfragen sollte,
die Anfrage unterlassen hat.
§. 281. Auch der, welcher vormundschaftliche Angelegenheiten
ohne Auftrag besorgt, haftet von dem Zeitpunkte an, wo er dem Richter die §.
228. vorgeschriebene Anzeige hätte machen können und sollen, für jedes bey der
fortgesetzten Besorgung solcher Angelegenheiten begangene geringe Versehen.
§. 282. Für zufälligen Schaden darf ein Vormund nur in so
fern haften, als der Zufall dem Pflegebefohlnen nicht nachtheilig würde
geworden seyn, wenn nicht von Seiten des Vormundes ein grobes oder mäßiges
Versehen bey Beobachtung seiner Pflichten vorhergegangen wäre. (Th. I. Tit.
III. §. 13.)
§. 283. In so fern der Vormund Geschäfte, die der Vater oder
Erblasser bereits angefangen hat, nur fortsetzt, haftet er nicht für den aus
dieser ersten Einleitung entstandenen Schaden.
§. 284. Sind aber nach dem Antritte seiner Verwaltung
Umstände eingetreten, oder bekannt geworden, die zu einer Abänderung der
genommenen Maaßregeln vernünftiger Weise Anlaß geben könnten: so haftet der
Vormund, welcher dergleichen Maaßregeln nicht genommen hat, dabey für ein
grobes Versehen.
§. 285. Ein Gleiches findet statt, wenn der Pflegebefohlne
aus Handlungen und Geschäften eines abgegangenen Vormundes Schaden erleidet.
§. 286. Dagegen muß jeder Vormund für seinen Mitvormund
haften, wenn er sich in die Verwaltung der Vormundschaft nur durch ein
Privat-Abkommen mit ihm getheilt hat.
§. 287. Doch ist er zur Schadloshaltung der Pflegebefohlnen
nur so weit verbunden, als sie denselben von dem Mitvormunde, welcher
eigentlich das Versehen begangen hat, nicht verschaft werden kann.
§. 288. Mehrere Vormünder, welche die Verwaltung
gemeinschaftlich geführt haben, haften dem Pflegebefohlnen, Einer für Alle, und
Alle für Einen.
§. 289. Es kann aber nicht nur der in Anspruch genommene an
den, welcher den Schaden eigentlich verursacht hat, sondern auch, wenn keinem
von ihnen ein Uebergewicht der Schuld zur Last fällt, ein jeder an die
Uebrigen, für ihre Antheile, sich halten.
§. 290. Ist die Verwaltung der Vormundschaft von dem
Erblasser der Pflegebefohlnen unter mehrere Vormünder vertheilt worden: so hat
ein jeder nur die ihm angewiesenen Geschäfte zu vertreten.
§. 291. Ehrenvormünder, ingleichen diejenigen, unter welche
der Richter die Besorgung der vormundschaftlichen Angelegenheiten vertheilt
hat, haften für die verwaltenden Vormünder, wenn sie bey Führung der Aufsicht
über dieselben ein grobes Versehen begangen haben.
§. 292. In jedem Falle haften sie nur so weit, als der
Pflegebefohlne von den verwaltenden Vormündern nicht entschädigt werden kann.
§. 293. Die Erben eines jeden Vormundes sind nur für ein
grobes von ihrem Erblasser begangenes Versehen zu haften verbunden.
§. 294. Ist aber die Klage noch bey der Lebenszeit des
Erblassers angestellt, und von diesem beantwortet worden: so müssen die Erben
eben den Grad der Schuld vertreten, wozu er selbst verbunden gewesen wäre.
§. 295. Pflegebefohlne haben in dem Vermögen ihrer
Vormünder, so wie derer, welche sich dafür angegeben haben, wegen aller von
denenselben zu vertretenden Defekte, das in der Concursordnung näher bestimmte
Vorrecht der vierten Classe.
§. 296. Die ausgemittelten Defekte können auf die unbeweglichen
Güter der Schuldner, auch ohne Einwilligung derselben, eingetragen werden.
§. 297. Dieses Vorrecht nimmt bey wirklichen Vormündern vom
Tage ihrer Verpflichtung, bey andern aber von dem Tage, da sie sich der
Besorgung der vormundschaftlichen Angelegenheiten angemaßt haben, seinen
Anfang.
§. 298. Es erstreckt sich nicht auf das Vermögen bloßer
Ehrenvormünder, in so fern sich dieselben nicht einer wirklichen Verwaltung
unterzogen haben.
§. 299. Handlungen, die das vormundschaftliche Gericht ohne
Zuziehung des Vormundes, oder gar wider dessen Willen vorgenommen hat, ist kein
Vormund zu vertreten schuldig.
§. 300. Ein Gleiches gilt, wenn der Vormund zwar nach der
Anweisung des vormundschaftlichen Gerichts die Handlung selbst vorgenommen,
diesem aber vorher seinen Widerspruch dagegen wirklich angezeigt hat.
Vertretungsverbindlichkeit des vormundschaftlichen Gerichts.
§. 301. Der Richter ist schuldig, für ein mäßiges Versehen
zu haften, welches er bey Bestellung des Vormundes, oder bey Führung der Aufsicht
und Direction über ihn begangen hat.
§. 302. Doch darf der Richter erst alsdann haften, wenn kein
anderes gesetzmäßiges Mittel, den Pflegebefohlnen zu entschädigen, mehr übrig
ist.
§. 303. Der Richter kann also erst dann in Anspruch genommen
werden, wenn weder die verwaltenden noch die Ehrenvormünder, noch deren Erben
oder Bürgen, den Schaden des Pflegebefohlnen zu ersetzen schuldig oder
vermögend sind.
§. 304. Die Erben des Richter sind, wegen ihrer
Vertretungs-Verbindlichkeit, nach eben den Gesetzen, wie die Erben des
Vormundes zu beurtheilen. (§. 293. 294.)
§. 305. Wegen der Vertretungs-Verbindlichkeit mehrerer
Mitglieder eines vormundschaftlichen Collegii, bleibt es bey den allgemeinen
gesetzlichen Vorschriften. (Tit. X. §. 127. sqq.)
§. 306. Die Nachfolger im Amte haften für ein Versehen ihrer
Vorgänger nur alsdann, wenn sie dasselbe hätten entdecken, und die schädlichen
Folgen davon abwenden können, eins oder das andere aber aus einem groben
Versehen unterlassen haben.
§. 307. Auch haften Nachfolger in jedem Falle nur alsdann,
wenn der Pflegebefohlne von ihren Vorgängern, oder deren Erben, nicht
entschädigt werden kann.
Sechster Abschnitt
Von der Sorge für den Unterhalt, und die Erziehung der
Pflegebefohlnen
Unterhalt der Pflegebefohlnen.
§. 308. Die Vormünder sind vorzüglich für den Unterhalt und
die Erziehung ihrer Pflegebefohlnen zu sorgen verpflichtet.
§. 309. Ist das Vermögen, oder der eigene Verdienst der
Pflegebefohlnen nicht hinreichend: so müssen die, vermöge der
Familienverbindung, dazu gesetzlich verpflichteten Verwandten zutreten. (Tit.
HI. g. 14. sqq.)
§. 310. Ermangelt auch deren Beystand: so haben dergleichen
unvermögende Pflegebefohlne auf die Unterstützung des Staats durch gemeine
Beyhülfe, oder aus den vorhandenen Armenanstalten, vorzüglich Anspruch.
Erziehung.
§. 311. Minderjährige müssen durch eine ihrem Stande,
Vermögen, und Fähigkeiten angemessene Erziehung, zu tugendhaften und
brauchbaren Bürgern möglichst ausgebildet werden.
§. 312. Haben die Aeltern besondere Verfügungen deswegen
getroffen: so dienen diese dem Vormunde und vormundschaftlichen Gerichte zur
Maaßregel.
§. 313. Glaubt jedoch der Vormund, daß der von den Aeltern
bey der vorgeschriebenen Erziehung beabsichtigte Zweck, wegen Mangels an
Fähigkeiten oder Vermögen bey dem Pflegebefohlnen, oder wegen gänzlicher
Abneigung desselben, nicht zu erreichen sey; oder daß der Pflegebefohlne, wegen
seiner vorzüglichen Fähigkeit, noch zu einem bessern Zwecke erzogen werden
könne: so liegt ihm ob, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu
machen.
§. 314. Dieses muß alsdann, mit Zuziehung eines oder des
andern der nächsten, am Orte, oder in der Provinz sich aufhaltenden Verwandten,
die Umstände sorgfältig prüfen, und gewissenhaft festsetzen: welche Abänderungen
in den von den Aeltern vorgeschriebenen Maaßregeln gemacht werden können.
§. 315. Nach dem Tode des Vaters gebührt der Mutter die
Erziehung ihrer Kinder.
§. 316. Sie darf aber, so wenig als der Vormund, von den
Vorschriften des Vaters, ohne erhebliche Gründe, und ohne Genehmigung des
vormundschaftlichen Gerichts, abgehen.
§. 317. Die Erziehung der Kinder soll der Mutter bloß um
deswillen, weil sie nach vorhergegangener gehöriger Auseinandersetzung zur
fernern Ehe geschritten ist, nicht genommen werden.
§. 318. Nach der Mutter haben die Großältern, und nach
diesen die Seitenverwandten, das nächste Recht und die Pflicht zur Erziehung
solcher Pflegebefohlnen.
§. 319. Das vormundschaftliche Gericht aber behält die Wahl
unter den Verwandten, und ist nicht schuldig, sich an die Nähe des Grades zu
binden.
§. 320. Auch hängt es in allen Fällen von der pflichtmäßigen
Beurtheilung der Obrigkeit ab, die Erziehung der Unmündigen, mit Ausschließung
der Mutter und der Verwandten, dem Vormunde oder einem Fremden aufzutragen.
§. 321. Den Grund einer solchen Abweichung von der Regel,
ist der Richter nur seiner vorgesetzten Behörde, auf Erfordern, anzugeben
schuldig.
§. 322. Der bloße Unterschied der Religionspartey unter
Christen ist kein hinreichender Grund, die Mutter oder andere nahe Verwandten
von der Erziehung auszuschließen.
§. 323. Sind jedoch die Kinder noch unmündig: so muß die
Obrigkeit auf genaue Befolgung der Vorschriften des Zweyten Titels §. 76-85.
sorgfältig Acht haben.
§. 324. In Fällen, wo jemand von den Verwandten eines
unvermögenden Pflegebefohlnen die Verpflegung desselben nach §. 309. übernehmen
muß, kann demselben auch die Erziehung des Pflegebefohlnen, wenn er sie
verlangt, nicht entzogen werden.
§. 325. Nur wenn offenbar erhellet, daß die körperliche oder
moralische Erziehung des Pflegebefohlnen bey einem solchen Verwandten gefährdet
seyn würde, ist das vormundschaftliche Gericht befugt, die Erziehung auch einem
Andern, auf Kosten dieses Verwandten, zu übertragen.
§. 326. Wenn gleich die Erziehung dem Vormunde selbst nicht
aufgetragen ist: so liegt ihm dennoch ob, ein wachsames Auge darauf zu richten,
und die bemerkten Fehler der Erzieher der Obrigkeit anzuzeigen.
§. 327. Ueberhaupt muß der Vormund von dem Aufenthalte, der
Verpflegung, und der Erziehung des Pflegebefohlnen, dem vormundschaftlichen
Gerichte, wenigstens Einmal im Jahre, getreue und pflichtmäßige Anzeige machen.
§. 328. Weder der Vormund, noch der Erzieher, dürfen von der
einmal getroffenen Einrichtung der Obrigkeit, wegen der Art und des Orts der
Erziehung, ohne deren Genehmigung abweichen.
Wahl der Lebensart.
§. 329. Die Lebensart, welcher die Kinder gewidmet, und wozu
sie vorbereitet werden sollen, kann nicht anders, als unter Genehmigung der
Obrigkeit, festgesetzt werden.
§. 330. Hat der Vater etwas darüber bestimmt: so finden,
wegen einer darin zu treffenden Veränderung, die Vorschriften §. 312-314.
statt.
§. 331. Hat der Vater nichts bestimmt: so muß sich das
vormundschaftliche Gericht nach den Anweisungen des Zweyten Titels §. 109. sqq.
lediglich achten.
§. 332. Doch sollen in allen Fällen der Vormund und die
Mutter, oder die Großältern, mit ihrem Gutachten darüber vernommen werden.
§. 333. Bey Kindern von Zunftgenossen sind die Zunftältesten
schuldig, dem Richter, auf Erfordern, mit ihrem Rathe und Gutachten an die Hand
zu gehen.
§. 334. Wenn der Pflegebefohlne zum Studiren gewidmet werden
soll: so muß das vormundschaftliche Gericht die Vorschriften des Zwölften
Titels §. 62. 63. 64. genau beobachten.
Erziehungskosten.
§. 335. Die Kosten der Erziehung müssen nach der mit
Rücksicht auf das Vermögen bestimmten Art derselben, und nach der Lebensart, zu
welcher der Pflegebefohlne vorbereitet werden soll, abgemessen und festgesetzt
werden.
§. 336. Der Vormund, welcher den festgesetzten Betrag ohne
Genehmigung des Gerichts überschreitet, macht sich verantwortlich.
§. 337. Wenn die jährlichen Einkünfte des Vermögens zur
Erlangung des gesuchten Zwecks nicht hinreichen: so kann auch die Substanz des
Vermögens dazu verwendet werden.
Verheirathung.
§. 338. Wegen der Verheirathung der Pflegebefohlnen ist das
Erforderliche gehörigen Orts vorgeschrieben. (Tit. I. §. 49. sqq.)
§. 339. Mit Bestimmung und Herbeyschaffung der
Ausstattungskosten, ist es wie mit den Erziehungskosten zu halten.
§. 340. Doch sind, bey unvermögenden Pflegebefohlnen, nur
Verwandte in aufsteigender Linie, und Geschwister, die bereits ausgestattet
sind, zum Beytrage verpflichtet.
Sorge für die Wahn-und Blödsinnigen.
§. 341. Wahn- und Blödsinnige müssen dergestalt unter
beständiger Aufsicht gehalten werden, daß sie weder sich selbst, noch Andern
schaden können.
§. 342. Die Sorge für diese Aufsicht liegt dem Vormunde, die
Führung derselben hingegen denjenigen ob, welchen die Pflicht der Erziehung
zukommt.
§. 343. Doch kann, zur Uebernehmung der Aufsicht über
Rasende, weder ein Verwandter, noch der Vormund, noch eine andere Privatperson
gezwungen werden.
§. 344. Finden der Vormund oder die Verwandten keine andere
Gelegenheit, dergleichen Personen unterzubringen: so liegt dem Staate ob,
dieselben in eine öffentliche Anstalt zur Verwahrung aufzunehmen.
§. 345. Bey bloßen Wahn- und Blödsinnigen, welche kein
Vermögen besitzen, müssen diejenigen, welchen deren Unterhalt nach den Gesetzen
obliegt, auch die Kosten der Aufsicht, welche sie nicht selbst übernehmen
wollen, hergeben.
§. 346. Eben dies gilt von Taubstummen, wenn dieselben,
wegen der mit ihrem körperlichen Mangel verbundenen Gemüthsschwäche, einer
besondern Aufsicht bedürfen.
§. 347. So lange noch eine gegründete Hoffnung zur
Wiederherstellung solcher Personen vorhanden ist, müssen sie mit den nöthigen
Heilungsmitteln nach Möglichkeit versehen werden.
§. 348. Die Heilungskosten haben mit den Erziehungskosten
gleiche Rechte.
Für die Verschwender.
§. 349. Verschwender, auch wenn sie großjährig sind, muß der
Vormund unter beständiger Aufsicht haben; sie zur Arbeit und nützlichen
Thätigkeit anhalten; und sie von ihrem Fehlern möglichst zu bessern bemüht
seyn.
§. 350. Bey beharrlicher Fortsetzung ihrer ausschweifenden
Lebensart hat der Vormund, jedoch nur unter Direction und Genehmigung des
vormundschaftlichen Gerichts, das Recht, den Pflegebefohlnen, auch durch
zweckmäßige Zwangsmittel, zu einer ordentlichen und regelmäßigen Aufführung
anzuhalten. (Tit. II. §. 86. sqq.)
Siebenter Abschnitt
Von der Vorsorge für das Vermögen der Pflegebefohlnen
Sicherungsanstalten.
§. 351. In allen Fällen, wo eine Vormundschaft anzuordnen
ist, muß vor allen Dingen auf die Ausmittelung und Sicherstellung des Vermögens
der Pflegebefohlnen Rücksicht genommen werden.
§. 352. Diese Vorsorge liegt jedem Richter ob, in dessen
Gerichtsbezirke dergleichen Vermögen sich befindet; auch wenn der Erblasser
seiner Gerichtsbarkeit nicht unterworfen war.
§. 353. Befindet das Gericht, unter dessen Gerichtsbarkeit
der Erblasser gestanden hat, sich an eben dem Orte: so ist nur dieses zur
Obsorge für das an demselben Orte vorhandene Vermögen befugt, und verpflichtet.
Siegelung.
§. 354. Der Richter muß das bewegliche Vermögen, an welchem
Pflegebefohlne Theil haben, sogleich auf erhaltene Nachricht in gerichtliche
Sperre nehmen.
§. 355. Auch Dorfgerichte können, in Abwesenheit des
Gerichtshalters, den am Orte befindlichen Nachlaß versiegeln.
§. 356. Sie müssen aber davon dem Gerichtshalter, zur
weitern Besorgung und Verfügung, sofort Anzeige machen.
§. 357. Notarien sind, Siegelungen in Sterbefällen
vorzunehmen, nicht berechtigt; außer wenn sich kein Richter in der Nähe
befindet, und sie darum requirirt; oder wenn es ihnen von dem Richter
aufgetragen worden.
§. 358. Bey dem Absterben solcher Personen, die unter
Militärgerichtsbarkeit stehen, muß derjenige Nachlaß, welchen sie bey und um
sich gehabt haben, von den Kriegsgerichten versiegelt werden.
§. 359. War der Verstorbene im Felde oder auf Commando, an
einem Orte, wo kein Kriegsgericht sich befindet: so liegt dem commandirenden
Officier ob, für den Nachlaß, welchen er bey und um sich hat, zu sorgen.
§. 360. Ist auch kein commandirender Officier vorhanden: so
sind die Civilgerichte des Orts zu dieser Obsorge verpflichtet.
§. 361. Jeder, welcher eine Siegelung vorgenommen hat, muß,
wenn er nicht selbst der vormundschaftliche Richter ist, diesem unverzüglich
davon Nachricht geben.
§. 362. Er muß, wenn von einer in dem Nachlasse vorhandenen
letztwilligen Verordnung Anzeige geschieht, oder Spuren sich finden, dieselbe
mit Zuziehung der im Sterbehause gegenwärtigen Verwandten, Freunde, oder
Hausofficianten des Verstorbenen aufsuchen, und dem gehörigen Richter zur
Verfügung der Publication einsenden.
§. 363. Der siegelnde Richter darf sich über den
vorgefundenen Nachlaß in der Regel keiner Verfügung anmaßen.
§. 364. Er muß jedoch, wenn wegen Entfernung des
vormundschaftlichen Gerichts, oder aus andern Ursachen, die Verfügungen
desselben nicht schnell genug erfolgen können, in schleunigen Fällen die
nöthigen Vorkehrungen zum Besten der Pflegebefohlnen treffen, und auch davon
dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige machen.
§. 365. Er muß also Sachen, welche bey längerer Aufbewahrung
verderben, oder außer Werth kommen würden, sofort öffentlich veräußern.
§. 366. Ein Gleiches liegt ihm in Ansehung solcher Sachen
ob, deren Aufbewahrung mit beträchtlichen und offenbar unnützen Kosten
verknüpft seyn. würde.
§. 367. Auch muß er dafür sorgen, daß Geschäfte, die ihrer
Natur nach ohne augenscheinlichen Nachtheil für den Pflegebefohlnen nicht
unterbrochen werden können, in dem Gange, worin sie sich wirklich befinden,
ohne Veränderung fortgesetzt werden.
§. 368. Eine zum Nachlasse gehörige Handlung darf der
Richter nicht versiegeln; sondern er muß deren Fortführung dem von dem
Erblasser angenommenen Disponenten übertragen.
§. 369. Ist kein solcher Disponent vorhanden: so muß der
Richter sofort einen Aufseher bestellen.
§. 370. Dieser Aufseher muß vereidet, und ein Gleiches auch
in Ansehung des Disponenten, wenn derselbe nicht schon verpflichtet ist,
beobachtet werden.
§. 371. Ist ein Ehegatte des Erblassers im Sterbehause
vorhanden: so darf mit der Siegelung nur auf dessen eignes Ansuchen, oder unter
dessen ausdrücklicher Bewilligung verfahren werden.
§. 372. Einem jeden steht frey, die Siegelung seines
künftigen Nachlasses zu untersagen.
§. 373. Die Erklärung muß jedoch schriftlich, oder gegen das
Gericht mündlich zum Protocolle, geschehen seyn.
§. 374. Auch muß der Richter auf das Verbot der Siegelung
keine Rücksicht nehmen, wenn sich Umstände hervorthun, nach welchen der Nachlaß
einer von dem Erblasser nicht vorhergesehenen Gefahr ausgesetzt ist.
§. 375. Dies findet besonders statt, wenn der Erblasser die
Siegelung mit ausdrücklicher Beziehung auf eine gewisse Person, welcher die
Obsorge und Aufsicht über den Nachlaß von ihm anvertraut worden, verboten hat,
und dieselbe Person bey dem Ableben des Erblassers schon verstorben, oder nicht
am Orte zugegen ist.
Inventur.
§. 376. Sobald dem Pflegebefohlnen ein Vormund bestellt
worden, muß derselbe ohne Zeitverlußt(!) für die Aufnahme eines vollständigen
Verzeichnisses von dem Nachlasse sorgen.
§. 377. Zieht die Berichtigung der Vormundschaft sich in die
Länge; und kann die Aufnahme des Inventarii, ohne des Pflegebefohlnen
Nachtheil, nicht ferner ausgesetzt werden: so muß der Richter dazu einen
besondern Curator bestellen.
§. 378. Die Anordnungen wegen Aufnehmung des Inventarii
gebühren allein dem vormundschaftlichen Gerichte.
§. 379. Dieses muß jedoch wegen solcher Nachlaßstücke, die
an einem Orte sich befinden, der weder seiner unmittelbaren noch mittelbaren
Gerichtsbarkeit unterworfen ist, den gehörigen Richter des Orts um deren
Inventirung ersuchen.
§. 380. Es müssen aber alle dergleichen Specialinventarien
dem vormundschaftlichen Gerichte mitgetheilt werden.
§. 381. Die Inventur des Nachlasses verstorbener
Militairpersonen gebührt, nach geschehener Abnahme der Siegel, den
Civilgerichten in allen Fällen, wo denselben die Bevormundung der
hinterlassenen Pflegebefohlnen obliegt.
§. 382. Von der bevorstehenden Aufnehmung des Inventarii muß
dem Vormunde, ingleichen den außer den Pflegebefohlnen etwa noch vorhandenen
Miterben, in Zeiten Nachricht gegeben, und dieselben müssen, wenn sie sich
melden, dabey zugelassen werden.
Von Privatverzeichnissen.
§. 383. Einer gerichtlichen Inventur bedarf es nicht, wenn
ein überlebender Ehegatte des Erblassers sich in dem Besitze der Erbschaft
befindet, und ein Privatverzeichniß darüber aufzunehmen, und vorzulegen erbötig
ist.
§. 384. Ausserdem kann der Richter in Fällen, wo entweder
eins der Aeltern, oder sonst ein naher Verwandter der Pflegebefohlnen, im
Besitze des Nachlasses sich befindet; oder wo man zum voraus weiß, daß der
Nachlaß nicht beträchtlich sey, und der, welcher ihn hinter sich hat, wegen
seiner Verbindung mit dem Pflegebefohlnen, oder sonst, ein vorzügliches
Vertrauen verdient, statt des gerichtlichen Inventarii, mit der Vorlegung einer
Privatspecification sich begnügen.
§. 385. Eine zum Nachlasse gehörende Handlung darf, so lange
deren Aufhebung nicht erfolgen soll, nicht gerichtlich inventirt werden.
§. 386. Doch muß der Vormund oder Disponent auch darüber ein
vollständiges Privatinventarium aufnehmen und vorlegen.
§. 387. Der Richter ist schuldig, dergleichen
Handlungsinventarium dergestalt zu verwahren, daß das Innere der Handlung zum
Nachtheile der Pflegebefohlnen nicht öffentlich kund werde.
§. 388. Zum Behuf eines solchen Handlungsinventarii müssen
die Bücher bis zum Sterbetage des Erblassers nachgetragen, und sodann
abgeschlossen werden.
§. 389. Ein jeder, welcher zur Aufnahme eines
Privatinventarii verstattet worden, ist die Richtigkeit desselben, auf
Erfordern, eidlich zu bestärken verbunden.
§. 390. Der Regel nach muß diese eidliche Bestärkung sofort
erfolgen.
§. 391. Bey Verwandten in auf- und absteigender Linie,
ingleichen bey Seitenverwandten, die als Respectspersonen für den
Pflegebefohlnen anzusehen sind, kann das vormundschaftliche Gericht die
eidliche Bestärkung, nach Beschaffenheit der Umstände, bis zu einer näheren
Veranlassung aussetzen.
§. 392. Wenn eine Wittwe wieder heirathen will: so muß die
eidliche Bestärkung noch vor Vollziehung dieser Ehe von ihr geleistet werden.
§. 393. Nur ein Erblasser, welcher den Pflegebefohlnen mehr,
als einen ihm schuldigen Pfiichttheil zugewendet hat, kann die eidliche
Bestärkung eines Privatverzeichnisses von seinem Nachlasse untersagen.
§. 394. Aber auch ein solches Verbot ist ohne Wirkung,
sobald gegründete Vermuthungen einer begangenen Unrichtigkeit dem Richter
bekannt werden.
§. 395. Jedem Erblasser steht es frey, die gerichtliche
Inventur seines Nachlasses zu untersagen.
§. 396. Dergleichen Verbot bedarf keiner Feyerlichkeit;
sondern es ist genug, wenn nur der Erblasser seinen Willen schriftlich, oder
mündlich gegen die Gerichte zum Protocolle, geäußert hat.
§. 397. Das Verbot der gerichtlichen Siegelung begreift das
Verbot der gerichtlichen Inventur unter sich.
§. 398. Hat der Erblasser nur eine gewisse Person von der
Herausgebung eines Inventarii befreyt: so kann ein Dritter, welcher zur
Verwaltung des Nachlasses gelangt, sich darauf nicht berufen.
§. 399. Die Aufnahme eines Privatverzeichnisses kann von dem
Erblasser nie verboten, noch durch irgend eine dem Pflegebefohlnen nachtheilige
Bedingung eingeschränkt werden.
§. 400. Der Inhaber des Nachlasses muß also auch in diesem
Falle das Verzeichniß aufnehmen; er darf aber selbiges nur versiegelt in
gerichtliche Verwahrung übergeben.
§. 401. Die Einsiegelung des Verzeichnisses muß in Gegenwart
des vormundschaftlichen Gerichts, oder wenigstens eines Justizcommissarii und
Notarii geschehen.
§. 402. Diese müssen sich davon überzeugen, daß in dem
versiegelten Umschlage wirklich ein Verzeichniß des Nachlasses enthalten sey.
§. 403. Das vormundschaftliche Gericht ist berechtigt, von
dem, welcher das versiegelte Verzeichniß übergiebt, die Versicherung an
Eidesstatt, daß dasselbe mit den gesetzlichen Erfordernissen eines
Nachlaßverzeichnisses versehen, und von ihm nach seiner besten Kenntniß und
Wissenschaft treulich aufgenommen sey, zu fordern. (Th. I.
Tit. IX. §. 434.
435.)
§. 404. Auch wenn Aeltern oder Großältern, die ihren Kindern
eine bestimmte Sache oder Summe zu ihren Erbtheil hinterlassen, die Aufnahme
eines gerichtlichen oder Privatverzeichnisses von ihrem Nachlasse gänzlich
untersagt haben, muß dennoch der Haupterbe zur künftigen Beurtheilung: ob eine
Verletzung im Pflichttheile vorhanden sey, ein Privatverzeichniß aufnehmen, und
bey dem vormundschaftlichen Gerichte versiegelt niederlegen.
§. 405. Der Richter ist ein verschlossenes Privatinventarium
zu eröffnen berechtigt, wenn ein erheblicher Verdacht der Verkürzung des
Pflegebefohlnen im Pflichttheile eintritt; oder ihm eine schlechte Verwaltung,
oder gar Verschwendung, von Seiten desjenigen, der den Nachlaß hinter sich hat,
glaubhaft angezeigt wird.
§. 406. Ferner alsdann, wenn die Gütergemeinschaft zwischen
den Pflegebefohlnen und dem überlebenden Ehegatten des Erblassers aufhört;
mithin eine Auseinandersetzung zwischen ihnen erfolgen muß.
§. 407. Auch alsdann, wenn das Andringen der Gläubiger die
Offenlegung des Vermögenszustandes unvermeidlich macht.
§. 408. Wenn keiner dieser Fälle sich ereignet, so bleibt
das niedergelegte Verzeichniß so lange verschlossen in der Verwahrung des
vormundschaftlichen Gerichts, bis der letzte der Pflegebefohlnen der
Vormundschaft entlassen wird.
Auseinandersetzung.
§. 409. Nach berichtigtem Inventario muß der Pflegebefohlne
mit denjenigen, welchen ein Miteigenthum an der Masse, oder irgend einem Theile
derselben gebühret, auseinandergesetzt werden.
§. 410. Hat jedoch die überlebende Mutter der
Pflegebefohlnen mit dem Vater derselben in der Gütergemeinschaft gelebt: so
steht ihr frey, auf deren Fortsetzung mit den noch nicht abgefundenen Kindern
anzutragen. (Tit. I. §. 634. sqq.)
§. 411. Der Vormund ist in diesem Falle nur alsdann die
Auseinandersetzung zu verlangen berechtigt, wenn die Mutter der Pflegebefohlnen
zur anderweitigen Ehe schreitet.
§. 412. Ferner, wenn die Töchter heirathen, oder die Söhne
eine eigne Wirthschaft anstellen.
§. 413. Endlich, wenn die Mutter sich der Verschwendung,
oder sonst einer schlechten Verwaltung verdächtig macht.
§. 414. Wegen der Auseinandersetzung des Vaters mit seinen
Kindern aus voriger Ehe finden, auch bey der Gütergemeinschaft, die
Vorschriften des §. 35. 36. Anwendung.
§. 415. Hat der Erblasser die Forsetzung der Gemeinschaft der
Pflegebefohlnen unter sich, oder mit einem Dritten verordnet: so kann der
Vormund davon einseitig nicht abgehen.
§. 416. Glaubt derselbe dennoch aus rechtlichen Gründen (Th.
I. Tit. XVII. §. 80.) darauf antragen zu können: so muß der andre Theil darüber
ordentlich gehört, und die Sache durch richterliches Erkenntniß entschieden
werden.
§. 417. In Fällen, wo Erben überhaupt die Gemeinschaft
fortzusetzen schuldig sind, kann auch der Pflegebefohlne sich derselben nicht
entziehen.
§. 418. Der Vormund kann auf Theilung eines
gemeinschaftlichen Grundstücks nur in den Fällen antragen, in welchen die
Veräußerung desselben statt finden würde.
§. 419. Die Auseinandersetzung geschieht in der Regel unter
Direction des vormundschaftlichen Gerichts.
§. 420. Kann aber dieselbe in Güte nicht zu Stande gebracht
werden: so gebührt die rechtliche Entscheidung dem Richter, unter welchem der
Erblasser seinen letzten persönlichen Gerichtsstand hatte.
Einleitung der Administration.
§. 421. Nach erfolgter Ausmittelung des Vermögens der
Pflegebefohlnen, muß das Gericht für die ordentliche Einleitung der
Administration, und für die Sicherheit der Pflegebefohlnen dabey Sorge tragen.
§. 422. Von dem Vermögen der Pflegebefohlnen darf dem
Vormunden in der Regel nur so viel in Händen gelassen werden, als zum
Unterhalte, zur Erziehung, und zur Fortsetzung der Administration nöthig ist.
§. 423. Auch müssen sämmtliche den Pflegebefohlnen gehörende
Schuldinstrumente, die Capitalien mögen schon von dem Erblasser, oder erst
während der Vormundschaft ausgethan seyn, in gerichtliche Verwahrung genommen
werden.
Bestimmung der Caution des Vormundes.
§ 424. Nach Verhältniß desjenigen Theils des Vermögens und
der Einkünfte, welchen der Vormund von Zeit zu Zeit in Händen behält, muß von
ihm Caution bestellt werden.
§. 425. Die Bestellung der Caution kann durch Bürgen oder
Pfänder, oder durch gerichtliche Eintragung auf Grundstücke geschehen.
§. 426. Der Richter ist schuldig, dieser Caution diejenige
Sicherheit zu verschaffen, die der Vormund, nach der Lage seiner Umstände, und
nach Beschaffenheit seines Vermögens, dafür gewähren kann.
§. 427. Doch kann kein Vormund wider seinen Willen
angehalten werden, die erste Hälfte des Werths seiner Grundstücke mit einer
solchen Caution zu belasten.
§. 428. Ist die Caution innerhalb der ersten Hälfte schon
bestellt worden: so muß sie dennoch, auf Verlangen des Vormundes, zum Besten
anderer Eintragungen, bis auf diese Hälfte zurücktreten.
§. 429. Die Sicherheit der Activforderungen, mit welchen der
Vormund die Caution bestellen will, ist nach denjenigen Grundsätzen zu
beurtheilen, welche bey Belegung der Pupillencapitalien selbst unten §. 466,
sqq. vorgeschrieben sind.
§. 430. Ein Bürge, der seine Bürgschaft nicht innerhalb der
ersten Zwey Drittel des Werths seines Grundstücks eintragen lassen kann, oder
will, soll in der Regel zur Caution nicht angenommen werden.
§. 431. Mit Cautionen, die auf keine gewisse Summen bestimmt
sind, soll kein Vormund wider seinen Willen belastet werden.
§. 432. In wie fern in der Zwischenzeit, bis die Caution
bestimmt werden kann, für die Sicherheit der Pflegebefohlnen durch Eintragung
eines vorläufigen Vermerks auf die Grundstücke des Vormundes, oder bey einem
nicht angesessenen Vormunde, auf andere Art, nach den Umständen zu sorgen sey, bleibt
dem pflichtmäßigen Befinden des vormundschaftlichen Gerichts überlassen.
§. 433. Vormünder, die von dem Erblasser der Pflegebefohlnen
ernannt worden, sind von aller Cautionsbestellung so lange frey, als sie sich
nicht einer unordentlichen oder unwirthschaftlichen Administration verdächtig
machen; oder die Ablegung der Rechnungen länger als Sechs Monathe nach dem dazu
bestimmten Termine vernachläßigen.
§. 434. Auch andere Vormünder, die mit einer besondern
Cautionsbestellung gar nicht aufzukommen im Stande sind, können, wenn sie nur
sonst in dem Rufe unbescholtener Redlichkeit und ordentlicher Wirthschaft
stehen, dennoch angenommen und beybehalten werden.
§. 435. Bey gleichem Grade der Tüchtigkeit ist jedoch, unter
Mehrern, derjenige, welcher Caution bestellen kann, vorzuziehen.
§. 436. Bey einem ohne Caution bestellten Vormunde muß das
Gericht, in Ansehung der Interessen, Pacht- und Miethzinsen, und anderer
fixirten Hebungen, so wie selbst in Ansehung der ordinairen Gutseinkünfte,
durch deren unmittelbare Einziehung in das Depositum, oder durch Anweisung an
diejenigen, welche aus dem Vermögen des Pflegebefohlnen Zahlungen zu erhalten
haben, noch genauere Maaßregeln festsetzen; damit dem Vormunde alle Gelegenheit
zu nachtheiligen und willkührlichen Dispositionen so viel als möglich benommen
werde.
§. 437. Dergleichen besondere Maaßregeln müssen in der
vormundschaftlichen Bestallung ausgedrückt werden.
Verwaltung des Vermögens der Pflegebefohlnen:
§. 438. Bey Verwaltung des Vermögens der Pflegebefohlnen,
ist der Vormund schuldig und befugt, alles zu thun und zu besorgen, was einem
guten Hauswirthe in Ansehung seines eigenen Vermögens obliegt; in so fern er
darunter durch ausdrückliche Gesetze, durch den Willen des Erblassers, und
durch besondere richterliche Verordnungen nicht eingeschränkt ist.
1) der Mobilien;
§. 439. Ob und was von den vorhandenen Mobilien verkauft,
aufbewahrt, oder dem Pflegebefohlnen zum eigenen Gebrauche überlassen werden
soll, muß hauptsächlich nach der vorhandenen Verfügung des Erblassers bestimmt
werden.
§. 440. Bey deren Ermangelung muß der Vormund sowohl
darüber, als über die Art des Verkaufs und der Aufbewahrung, nach Lage der
Umstände Beschaffenheit des übrigen Vermögens, und Erforderniß des Bestens(!)
der Pflegebefohlnen, Vorschläge thun, und richterliche Vorbescheidung einholen.
§. 441. Sachen, die ohne Nachtheil der Substanz nicht
füglich aufbehalten werden können; oder bey deren längern Aufbewahrung ihr
Werth vermindert werden würde; oder die der Pflegebefohlne entweder gar nicht,
oder doch in mehrern Jahren noch nicht würde brauchen können, müssen, und zwar
in der Regel durch Auction, verkauft werden.
§. 442. Das vormundschaftliche Gericht kann aber auch, fau(!
= auf) den Antrag des Vormundes, die vorhandenen Mobilien ganz oder zum Theil
der Mutter, oder einem majorennen Miterben, aus freyer Hand zuschlagen lassen,
wenn Bedingungen, die dem Pflegebefohlnen vortheilhafter sind, als
wahrscheinlicher Weise ein Verkauf durch Auction seyn würde, geboten werden.
§. 443. Ein solcher Zuschlag aus freyer Hand setzt jedoch
allemal eine gerichtlich aufgenommene Taxe voraus.
§. 444. Auch an andre Personen, außer der Mutter und
majorennen Miterben, kann der Zuschlag aus freyer Hand geschehen, wenn
wenigstens die volle Taxe geboten wird; und der Vormund, nebst den am Orte
befindlichen nächsten Verwandten, oder, in Ermangelung der Letztern, andere
Sachverständige, welche die Taxe nicht aufgenommen haben, diesen Verkauf dem
Pflegebefohlnen vortheilhaft finden.
§. 445. Juwelen, Kostbarkeiten, Gold- und Silbergeschirr,
müssen auf den Antrag des Vormundes verkauft werden, wenn das Vermögen des
Pflegebefohlnen mit Schulden belastet ist, die auf andre Art nicht getilgt
werden können.
§. 446. Auch kann der Vormund auf die Veräußerung antragen,
wenn in solchen Kostbarkeiten ein beträchtliches Capital steckt; und voraus zu
sehen ist, daß der Pflegebefohlne entweder niemals, oder doch innerhalb Fünf
Jahren noch nicht, davon werde Gebrauch machen können.
§. 447. Ob der Verkauf solcher Sachen nur durch Auction,
oder durch Subhastation geschehen solle, hängt, nach Beschaffenheit und
Beträchtlichkeit des Werths, von dem Befinden des vormundschaftlichen Gerichts
ab.
§. 448. Ein Zuschlag aus freyer Hand findet nur in den
Fällen des §. 442. und 444. statt.
§. 449. Wird die Aufbewahrung solcher Mobilien (§. 445.) den
Pflegebefohlnen zuträglich befunden, so muß dieselbe der Regel nach in dem
Deposito des Vormundschaftsamtes geschehen.
§. 450. Hat jedoch der Vormund auf den ganzen Betrag der
gerichtlichen Taxe Caution bestellt: so kann ihm die Aufbewahrung unter dem
Siegel des Gerichtes überlassen werden.
§. 451. Das Gericht kann den Pflegebefohlnen solche Stücke,
wovon sie nach ihrem Stande und Range Gebrauch machen können, nach dem
Gutachten des Vormundes, und unter der besondern Aufsicht desselben
verabfolgen.
§. 452. Besonders ist dieses den Pflegebefohlnen weiblichen
Geschlechts, bey ihrer Verheirathung, nicht leicht zu versagen.
§. 453. Doch liegt alsdann, außer dem Vormunde, auch dem
Ehemanne der Pflegebefohlnen die Aufsicht über die Conservation solcher Juwelen
und Kostbarkeiten, wenn sie auch an sich zum vorbehaltnen Vermögen der Frau
gehören, gleich einem Vormunde ob.
2) der
baaren Gelder;
§. 454. Die in dem Nachlasse vorgefundenen baaren Gelder
müssen, bis sie untergebracht, oder sonst nützlich verwendet werden können, in
gerichtlicher Verwahrung gehalten werden.
3) der
Capitalien.
§. 455. Sind ausstehende Capitalien vorhanden, so muß der Vormund
die Sicherheit derselben prüfen, und sein Gutachten, welche darunter stehen
bleiben können, oder aufzukündigen und einzuziehen sind, dem Vormundschaftsamte
zur fernern Beurtheilung und Entscheidung vortragen.
§. 456. Forderungen, die weder durch Pfand noch Hypothek
gedeckt sind, müssen sofort, oder doch nach Ablauf der etwa bestimmten
Aufkündigungsfrist, eingezogen werden.
§. 457. Ein Gleiches gilt von Capitalien, welche von dem
Erblasser unzinsbar, wenn auch gegen gerichtliche Sicherheit, ausgeliehen
worden.
§. 458. Hat der Erblasser schriftlich verordnet: daß
dergleichen Capitalien stehen bleiben sollen, so muß diesem Willen so lange
Folge geleistet werden, als nicht eine offenbare Unsicherheit für die Pflegebefohlnen
daraus entsteht.
§. 459. Bemerkt der Vormund Umstände, welche dergleichen
Unsicherheit besorgen lassen: so muß er selbige dem vormundschaftlichen
Gerichte zur Beurtheilung und weitern Verfügung anzeigen.
§. 460. Erhellet aus der Verordnung des Erblassers mit
hinlänglicher Gewißheit, daß nach seinem Willen das Capital bey dem Schuldner
so lange, bis sich dessen Vermögensumstände bessern, stehen bleiben soll: so
sind der Vormund und das Vormundschaftsamt, so lange keine Verletzung am
Pflichttheile vorhanden ist, daran gebunden.
§. 461. Doch können alle solche Capitalien (§. 458-460), die
der Vater der Pflegebefohlnen den Schuldnern nicht gänzlich erlassen, sondern
nur eine längere Stundung derselben vorgeschrieben hat, eingezogen werden,
sobald es die eigne unumgängliche Nothdurft der Kinder erfordert.
§. 462. Bey Beurtheilung der Sicherheit solcher Capitalien,
die der Erblasser auf Pfand oder gerichtliche Hypothek ausgeliehen hat, haftet
der Vormund nur für ein grobes Versehen.
§. 463. Haben sich aber die Umstände des Schuldners, oder
des Unterpfandes, seit der angetretnen Vormundschaft verschlimmert: so muß der
Vormund auch für ein bey der Einziehung und Beytreibung nach dieser Zeit
begangenes mäßiges Versehen haften.
§. 464. Das vormundschaftliche Gericht, welches die
Sicherheit der von dem Erblasser ausgeliehenen Capitalien nach rechtlichen
Grundsätzen zu beurtheilen hat, haftet dabey, wenn der Erblasser selbst ein
Rechtsverständiger war, nur für ein grobes, sonst aber für ein mäßiges
Versehen.
§. 465. In dem Falle des §. 463. muß auch das
vormundschaftliche Amt ein mäßiges von ihm bey der Einziehung begangenes
Versehen verantworten.
§. 466. Die Vormünder sind schuldig, für die sichere und
nutzbare Unterbringung der in dem Vermögen der Pflegebefohlnen vorhandnen, oder
dahin eingehenden baaren Gelder, in so fern dieselben nicht zu nothwendigen
oder andern nützlichen Ausgaben erforderlich sind, nach bestem Vermögen Sorge
zu tragen.
§. 467. Dergleichen neue Darlehne sollen niemals auf Wechsel
oder bloße Schuldverschreibungen gegeben werden.
§. 468. Ist es dennoch geschehen: so muß das
vormundschaftliche Amt, sobald es davon Kenntniß erlangt, die Wiedereinziehung
verordnen.
§. 469. Gegen diese Verfügung kann der Schuldner, welcher
wissentlich Pupillengelder auf Wechsel oder Schuldschein zum Darlehne
angenommen hat, durch einen mit dem Vormunde verabredeten längeren Zahlungs-
oder Aufkündigungstermin sich niemals schützen.
§. 470. Der Vormund haftet für allen Schaden, welcher den
Pflegebefohlnen aus einer solchen gesetzwidrigen Ausleihung entsteht.
§. 471. Auch gegen gerichtliche Sicherheit darf der Vormund
Capitalien seiner Pflegebefohlnen, ohne Vorwissen und Genehmigung der
Obervormundschaft, nicht ausleihen.
§. 472. Bey Prüfung der Sicherheit müssen der Vormund
sowohl, als die Obrigkeit, die gewöhnliche Aufmerksamkeit eines vernünftigen
Hausvaters anwenden.
§. 473. Auch nach geschehener Ausleihung muß der Vormund auf
die Wirthschaft des Schuldners, und auf die mit dem Unterpfande sich
ereignenden Veränderung aufmerksam seyn, und, bey bekannt gewordener
Verschlimmerung, die Aufkündigung und Wiedereinziehung des Capitals betreiben.
§. 474. Geht ein dergleichen Capital ganz oder zum Theil
verloren: so müssen der Vormund, und das vormundschaftliche Gericht, ein dabey
begangenes mäßiges Versehen vertreten.
§. 475. Ist das Versehen bey Beurtheilung der Sicherheit
gegen rechtliche Grundsätze begangen worden; so haftet das Vormundschaftsamt
vorzüglich.
§. 476. Außer diesem Falle ist der Vormund zuerst
verantwortlich.
§. 477. Bey Beurtheilung dieser Vertretung darf der Regel
nach nur auf den Zeitpunkt, wo das Capital ausgeliehen worden, gesehen werden.
§. 478. Hat sich aber die Sicherheit nachher verschlimmert:
so haftet der Vormund, wenn ihm diese Verschlimmerung aus Mangel der
gewöhnlichen Aufmerksamkeit unbekannt geblieben ist; oder wenn er, nach
erlangter Wissenschaft davon, in der Aufkündigung und Beytreibung ein mäßiges
Versehen begangen hat.
§. 479. Einem Vormunde, welcher für die Substanz des
Vermögens seiner Pflegebefohlnen vollständige Sicherheit geleistet hat; kann
die Ausleihung ihrer Capitalien, auch ohne besondre Rückfrage an das
vormundschaftliche Gericht, überlassen werden.
§. 480. Wegen solcher Capitalien, die unmittelbar aus dem
Deposito von dem Vormundschaftsamte selbst, und auf dessen Namen ausgeliehen
worden bleibt es bey den Vorschriften der Depositalordnung.
§. 481. Auch das Erbtheil der Pflegebefohlnen, welches bey
einem ihrer Miterben stehen bleiben soll, muß sichergestellt werden.
§. 482. Bey Beurtheilung dieser Sicherheit finden eben die
Grundsätze statt, wie bey Ausleihung neuer Capitalien.
§. 483. Wenn jedoch Aeltern mit ihren Kindern sich aus
einander setzen, und das Vermögen derselben nicht herausgeben können, ohne
dadurch zur Fortsetzung ihres Amts, oder zum fernern Betriebe ihres Gewerbes
auf den bisherigen Fuß, außer Stand gesetzt zu werden: so müssen der Vormund
und das Gericht mit einer solchen Sicherheit, als die Aeltern nach ihren
Umständen aufzubringen vermögend sind, sich begnügen.
§. 484. Eben das gilt von majorennen Geschwistern, welche
das väterliche Gewerbe übernehmen, und die minderjährigen in ihrer Pflege und
Erziehung behalten.
§. 485. Dem Vormunde, und den Mitgliedern des
vormundschaftlichen Gerichts, darf aus dem Vermögen der Pflegebefohlnen kein
Darlehn gegeben werden.
§. 486. Hat der Vormund Gelder des Pflegebefohlnen für sich
genutzt: so muß er dieselben sofort, bey wechselmäßiger Execution,
zurückzahlen, und Acht vom Hundert an Zinsen entrichten.
§. 487. Ist der Vormund, noch ehe er zu solchem Amte
bestellt worden, dem Pflegebefohlnen schuldig gewesen: so kann ihm das Capital
gelassen werden, wenn die Schuld ohne Widerspruch anerkannt wird; bereits
vollkommen sicher gestellt ist; oder hinreichende Sicherheit dafür, ohne
Abbruch der geleisteten Caution, noch verschafft werden kann.
§. 488. Nach Beschaffenheit der Umstände, und des höhern
oder mindern Betrags eines solchen dem Vormunde zu überlassenden Capitals, muß
der Richter vernünftig beurtheilen; ob dem Pflegebefohlnen wegen dieses
Geschäftes ein besonderer Curator zu bestellen sey.
§. 489. Die Ausleihung der dem Pflegebefohlnen zustehenden
Capitalien, soll nur gegen den bey dem Capitalsverkehre auf Grundstücke in der
Provinz gewöhnlichen Zinssatz geschehen.
§. 490. An Privatpersonen sollen dergleichen Capitalien zu
niedrigern Zinsen als Vier vom Hundert, ohne besondere Genehmigung der dem
Vormundschaftsamte vorgesetzten Behörde, nicht ausgeliehen werden.
§. 491. Eine bessere Sicherheit ist im zweifelhaften Falle
einem höhern Zinssatze vorzuziehen.
§. 492. Die Einziehung der Zinsen gehört in der Regel zu dem
Amte des Vormundes.
§. 493. Saumselige Zinszahler muß der Vormund sofort, und
ohne daß es dazu einer besondern Anweisung bedarf, rechtlich belangen; zugleich
aber dem Vormundschaftsamte davon Anzeige machen, und sein Gutachten über die
etwa erforderliche Aufkündigung des Capitals beyfügen.
§. 494. Sollen die Zinsen nicht dem Vormunde, sondern in das
Depositum, oder an einen Dritten bezahlt werden: so muß die Obrigkeit dieses
den Schuldnern ausdrücklich bekannt machen.
§. 495. Dem Vormunde liegt alsdann nur ob, bey Gelegenheit
der Rechnunglegung(!), nach der Einzahlung solcher Zinsen sich zu erkundigen,
und wenn sie zurückgeblieben sind, die Obrigkeit an deren Beytreibung zu
erinnern.
§. 496. Für die Einziehung der Zinsen von Capitalien, die
unmittelbar aus dem Deposito verliehen worden, muß auch die Obrigkeit allein
und unmittelbar sorgen.
§. 497. Capitalsaufkündigungen des Vormundes sind, auch ohne
besondre obervormundschaftliche Approbation, in Ansehung des Schuldners gültig.
§. 498. Der Obrigkeit aber muß der Vormund die Gründe, die
ihn zur Aufkündigung veranlaßen, vortragen, und deren Approbation, oder wenn
wegen Gefahr im Verzuge die Aufkündigung schon geschehen ist, ihre Genehmigung
einholen.
§. 499. Die Zahlung der Capitalien kann an den Vormund nur
in so fern geschehen, als derselbe zu deren Erhebung, in seiner Bestallung,
oder durch besondre Befehle, ausdrücklich berechtigt ist.
§. 500. Außer diesem Falle muß die Obrigkeit jedesmal
bestimmen, wohin und zu wessen Händen die Zahlung geschehen soll.
4) in Ansehung der Prozesse.
§. 501. Außer dem Falle des §. 493. darf kein Vormund, weder
als Kläger, noch als Wiederkläger oder Intervenient, Prozesse ohne ausdrückliche
Genehmigung des Vormundschaftsamts anstellen.
§. 502. Hat er es dennoch gethan, und kann auch die
obervormundschaftliche Genehmigung nicht nachgebracht werden: so ist die ganze
Verhandlung nichtig; der Vormund muß dem Gegentheile alle Schäden und Kosten
aus eignen Mitteln erstatten, und das Gericht, welches die Klage ohne Decret
angenommen hat, wird der Gebühren verlustig.
§. 503. Nur in Arrestsachen, und andern schleunigen Fällen,
kann die Klage eines Vormundes ohne Decret angenommen; es muß aber selbiges
unverzüglich nachgebracht, und eine den Umständen gemäße Frist dazu von dem
Gerichte bestimmt werden.
§. 504. Wird ein Vormund als Beklagter oder Intervent(!) in
einen Prozeß verwickelt: so bedarf er zur Einlassung keines Decrets; und auch
ohne dasselbe sind seine Verhandlungen rechtsbeständig.
§. 505. Seine Pflicht aber gegen den Pflegebefohlnen
erfordert es, dem vormundschaftlichen Gerichte den gerügten Anspruch ohne
Zeitverlust anzuzeigen, und dessen Anweisung darüber einzuholen.
§. 506. Sind die Personen, welche das vormundschaftliche
Gericht ausmachen, mit denen, aus welchen das den Prozeß dirigirende Gericht
besteht, nicht völlig eben dieselben: so muß der beklagte Vormund bey
letzterm(!) die Befolgung dieser seiner Obliegenheit bescheinigen.
§. 507. Zur Einwendung und Fortsetzung der in den Gesetzen
vorgeschriebenen Rechtsmittel bedarf es keiner besondern richterlichen
Approbation.
§. 508. Doch muß der Vormund von dem Ausfalle des
Erkenntnisses, und dem dagegen eingewendeten Rechtsmittel, dem
vormundschaftlichen Gerichte sofort Anzeige machen; und dieses ist, wenn es die
Beschwerde für ungegründet hält, deren Fortsetzung zu untersagen berechtigt.
§. 509. Hat der Vormund die Anzeige unterlassen: so muß er
die Kosten des solchergestalt eigenmächtig eingewendeten und fortgesetzten
Rechtsmittels selbst tragen.
§. 510. Doch muß ihm ein dadurch dem Pflegebefohlnen
wirklich verschaffter Vortheil auf diese Kosten zu gute gerechnet werden.
§. 511. Glaubt der Vormund sich bey einem wider die
Pflegebefohlnen ausgefallenen Urtel beruhigen zu müssen: so muß er dennoch dem
vormundschaftlichen Gerichte davon sofort Anzeige machen.
§. 512. Findet dieses bey dem Antrage des Vormundes ein
Bedenken: so muß es denselben mit näherer Anweisung unverzüglich versehen.
§. 513. Der Vormund, welcher den Anweisungen des
vormundschaftlichen Gerichts wegen Anstellung oder Fortsetzung eines Prozesses
Folge leistet, wird für einen nachtheiligen Ausschlag nur in so fern
verantwortlich, als er bey Einziehung der Nachrichten ein grobes Versehen
begangen, oder ihm bekannte Umstände, von denen er bey einer gewöhnlichen
Aufmerksamkeit wissen konnte, daß sie auf die Beurtheilung der Sache Einfluß
haben würden, dem vormundschaftlichen Gerichte verschwiegen hat.
§. 514. Das vormundschaftliche Gericht haftet bey der ihm
obliegenden rechtlichen Beurtheilung für ein mäßiges Versehen.
§. 515. Ein Vormund, welcher wider den Willen des
vormundschaftlichen Gerichtes einen Prozeß anfangen oder fortsetzen will, soll
zwar dazu verstattet Werden;
§. 516. Er haftet aber alsdann dem Pflegebefohlnen aus
eignen Mitteln, für allen daraus entstehenden Schaden.
§. 517. Die Vormünder und vormundschaftlichen Gerichte
sollen andere Bürger des Staates mit unnützen, oder offenbar ungegründeten
Prozessen, oder mit Fortsetzung solcher Rechtsmittel nicht belästigen.
§. 518. Werden sie dessen von dem Richter, vor welchem der
Prozeß geführt worden, schuldig befunden: so müssen der Vormund, und das
Gericht, welches einen solchen Prozeß gebilligt hat, Strafe und Kosten aus
eignen Mitteln entrichten.
§. 519. Hat der Vormund die Genehmigung des Gerichtes durch
unrichtige oder unvollständige Anzeigen bewirkt, so treffen diese nachtheilige
Folgen ihn allein.
§. 520. Hat der Vormund durch solche Anzeigen zu den
unnützen oder ungegründeten Prozessen keinen Anlaß gegeben, so treffen diese
Folgen nur das vormundschaftliche Gericht.
und der Vergleiche.
§. 521. Ohne Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes
kann kein Vormund gültige Vergleiche schließen, noch auf Compromisse sich
einlassen.
5) in
Ansehung der Passivschulden§. 522. Auf die Bezahlung der Schulden, womit das Vermögen des
Pflegebefohlnen behaftet ist, muß der Vormund sorgfältig bedacht seyn.
§. 523. Unter mehrern muß er vorzüglich diejenigen
abzuführen suchen, die durch wirklich schon geschehene Aufkündigung, oder durch
hohen Zinssatz, oder durch solche dem Gläubiger eingeräumte Rechte, welche eine
wirtschaftliche Vermögensadministration hemmen, dem Pflegebefohlnen am meisten lästig
sind.
§. 524. Findet sich eine beträchtliche Schuldenlast, so muß
der Vormund, ohne besondere richterliche Approbation, sich auf Zahlungen an
einzelne Gläubiger nicht einlassen, sondern die Vorbescheidung des Gerichtes,
über die wegen Eröfnung eines Liquidationsprozesses, oder sonst, zu nehmenden
Maaßregeln, nachsuchen und abwarten.
§. 525. Neue Darlehne darf kein Vormund ohne ausdrückliche
Approbation des vormundschaftlichen Gerichtes aufnehmen.
§. 526. Wer ohne dergleichen Approbation dem Vormunde ein
Darlehn macht, dem wird das Vermögen des Pflegebefohlnen nur so weit verhaftet,
als das Geld in den Nutzen desselben erweislich verwendet worden.
§. 527. Unter obrigkeitlicher Genehmigung kann der Vormund
selbst seinen Pflegebefohlnen Darlehne machen, und sich dafür eben die
Verzinsung und Sicherheit verschaffen, die, unter ähnlichen Umständen, auch
einem Fremden wäre zugestanden worden.
6) in
Ansehung der Grundstücke.
§. 528. Wegen der Grundstücke des Pflegebefohlnen muß der
Vormund vor allen Dingen sorgen, daß das Besitzrecht des Pflegebefohlnen im
Hypothekenbuche eingetragen werde.
§. 529. Auch muß er um die seinem Pflegebefohlnen auf Lehne
oder andere Grundstücke zustehenden Rechte sich sorgfältig bekümmern, und deren
Verlautbarung und Eintragung bey der Behörde bewirken.
§. 530. Alle auf den Grundstücken des Pflegebefohlnen noch
eingetragene Schulden, und andre Reallasten, welche nach den vorgefundenen
Nachrichten getilgt sind, muß er auf gesetzmäßigen Wegen zur Löschung
befördern.
§. 531. Auch die wirtschaftliche Verwaltung, Verpacht- und
Vermiethung der Grundstücke des Pflegebefohlnen, gehört zu dem Amte des
Vormundes.
§. 532. Einer Anfrage bey dem vormundschaftlichen Gerichte
bedarf es nur alsdann, wenn in der Art der Bewirthschaftung oder Benutzung eine
Haupt-Veränderung vorgenommen werden soll.
§. 533. Soll also z. B. die bisherige Administration in eine
Pacht, oder umgekehrt, verwandelt, oder ein neuer Pächter angenommen, oder der
abgelaufene Contrakt mit dem bisherigen Pächter verlängert werden: so ist der
Vormund zur Anfrage verpflichtet.
§. 534. Auch wenn über den gewöhnlichen Wirthschafts-Etat
ein außerordentlicher Holzschlag in den Forsten vorgenommen werden soll, muß
der Vormund zuvörderst darüber anfragen.
§. 535. Ob die Verpachtung der Grundstücke des
Pflegebefohlnen aus freyer Hand, oder durch Subhastation geschehen solle, hängt
nach Bewandniß der Umstände, nach der Beschaffenheit und Größe des
Grundstückes, nach demVerhältnisse eines geschehenen Privatgebots zu dem
bisherigen Ertrage oder vorhandenen Pachtanschlage, u. s. w. lediglich von dem
pflichtmäßigen Gutachten des Vormundes, und dem vernünftigen Ermessen des
Vormundschaftsamtes ab.
§. 536. Wird eine freywillige Subhastation für gut befunden:
so kann das vormundschaftliche Gericht dieselbe für sich selbst verfügen, wenn
es auch sonst nicht der gehörige Richter der Sache wäre.
§. 537. Neue Baue, Hauptreparaturen, und beträchtliche
Meliorationen darf der Vormund ohne richterliche Approbation nicht unternehmen.
§. 538. Sobald die Summe der Kosten Fünfzig Thaler
übersteigt, muß das Gericht die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der Anstalt,
so wie demnächst die erfolgte zweckmäßige Verwendung, durch Sachverständige
prüfen lassen.
§. 539. Remissionen kann der Vormund dem Pächter in der
Regel eigenmächtig nicht bewilligen.
§. 540. Gleich am Anfange einer jeden Vormundschaft, zu
welcher Grundstücke gehören, muß ein gewisses Quantum festgesetzt werden,
welches der Vormund für sich, und ohne Anfrage, bey dergleichen Ausgaben zu
Bauen, Meliorationen, und Remissionen, nicht übersteigen darf.
§. 541. Gutseinkünfte, Pacht- und Miethgelder einzuziehen,
ist der Vormund der Regel nach befugt und verpflichtet.
§. 542. Ausnahmen von dieser Regel muß der Richter
ausdrücklich festsetzen, und selbige den Schuldnern gehörig bekannt machen.
§. 543. Denjenigen, welche dergleichen Gefälle zu entrichten
haben, ist der Vormund damit ohne Noth, und besonders erhebliche Gründe,
nachzusehen nicht berechtigt.
§. 544. Das vormundschaftliche Gericht muß bey der Revision
der Rechnungen die darin aufgeführten Reste, und die von dem Vormunde
angegebenen Gründe der verstatteten Nachsicht sorgfältig prüfen, und, wo diese
Gründe nicht hinreichend sind, den Vormund zur Beytreibung der Rückstände mit
Nachdruck anhalten.
§. 545. Die Ueberschüsse von dem Vermögen und Einkünften der
Pflegebefohlnen, welche zur Fortsetzung der Administration nicht nothwendig
sind, muß der Vormund in das gerichtliche Depositum abliefern, oder dem Gerichte
anzeigen, wie er selbige zinsbar unterzubringen, oder sonst nutzbar anzulegen
gedenke.
§. 546. Wie ein Vormund, welcher dergleichen Ueberschüsse
selbst nutzt, zu bestrafen sey, ist oben verordnet. (§. 486.)
§. 547. Läßt der Vormund dergleichen Ueberschüsse länger als
Sechs Wochen bey sich ungenutzt liegen: so muß er dieselben, von diesem
Zeitpunkte an, landüblich verzinsen.
§. 548. Ein Vormund, der Gelegenheit hat, die im
gerichtlichen Deposito liegenden, oder nur gegen bankmäßige Zinsen ausgethanen Gelder
seiner Pflegebefohlnen, ohne seinen eignen Schaden, sicher unterzubringen; und
es dem Vormundschaftsamte nicht anzeigt, haftet für den Ausfall an den Zinsen.
§. 549. So wenig der Vormund ohne besondere Genehmigung des
vormundschaftlichen Gerichts die Güter der Pflegebefohlnen verschulden kann, so
wenig darf er dieselben, ohne dergleichen Genehmigung, mit Reallasten
beschweren.
besonders wegen deren Veräußerung;
§. 550. Unbewegliche Güter der Pflegebefohlnen, und was
denselben in Rechten gleich geachtet wird, dürfen ohne wichtige Ursachen, ohne
Untersuchung und Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, und ohne
öffentliche Subhastation, nicht verkauft, oder sonst veräußert werden.
§. 551. Wichtige Ursachen der Veräußerung sind, wenn
Gläubiger auf ihre Bezahlung dringen, welche weder aus dem übrigen Vermögen
befriedigt, noch zur Gestattung eines Indults rechtlich angehalten werden
können;
§. 552. Ferner, wenn dergleichen Güter in einen so großen
Verfall gerathen sind, daß zu ihrer Wiederherstellung das übrige Vermögen nicht
hinreichen würde, und das Grundstück selbst über Zwey Drittel seines Werths
verschuldet werden müßte;
§. 553. Ueberhaupt, wenn erhellet, daß durch deren fernere
Beybehaltung das Vermögen der Pflegebefohlnen in Zukunft einen beträchtlichen
Abbruch erleiden würde.
§. 554. Juwelen und Kostbarkeiten können, außer den §.
551-553. bestimmten Fällen, auch wegen eines dem Pflegebefohlnen dadurch zu
verschaffenden erheblichen Nutzens, unter Genehmigung des vormundschaftlichen
Gerichts, veräußert werden.
§. 555. Auch ist die Veräußerung wegen eines erheblichen
Nutzens zuläßig, bey Häusern; Landgütern, die nicht adliche Rechte haben;
Gärten; Weinbergen; Zehenten; Zinsen und andern Gerechtigkeiten, die nicht
Pertinenzstücke eines adlichen Gutes sind; bey Bergantheilen, die noch keine
Ausbeute tragen; ingleichen bey einzelnen Grundstücken, die weder
Pertinenzstücke eines adlichen Gutes sind, noch mit der Bewirthschaftung
desselben in einer natürlichen Verbindung stehen.
§. 556. Doch muß bey solchen Veräußerungen, (§. 555.) außer
dem Decrete des vormundschaftlichen Gerichts, zugleich die Genehmigung der
diesem Gerichte unmittelbar vorgesetzten höhern Instanz hinzukommen.
§. 557. Diese höhere Instanz haftet bey versagter
Genehmigung niemals, und bey ertheilter, nur für ein grobes Versehen.
§. 558. Auch adliche Güter, und andere in dem §. 555. nicht
mit begriffene Immobilien, können wegen eines erheblichen Nutzens für die
Pflegebefohlnen veräußert werden.
§. 559. Es müssen aber alsdann die Zwey nächsten
Anverwandten des Pflegebefohlnen darüber mit ihrem Gutachten gehört, und die
Genehmigung des Justizdepartements nach Maaßgabe §. 556. 557. eingeholt werden.
§. 560. Hat der Pflegebefohlne das Achtzehnte Jahr
zurückgelegt: so ist derselbe in allen Fällen, wo eine Veräußerung
unbeweglicher Güter des bloßen Nutzens wegen erfolgen soll, mit seiner
Erklärung zu vernehmen. (§. 555. 558.)
§. 561. Widerspricht ein solcher Pflegebefohlner dieser
Veräußerung: so kann dieselbe nicht stattfinden.
§. 562. Zerstückungen ganzer Güter, wegen eines bloßen davon
gehofften Nutzens, sind in keinem Falle zuläßig.
§. 563. Eine Veräußerung ist alsdann für nützlich zu achten,
wenn der dem Pflegebefohlnen dadurch zu verschaffende Vortheil, eine nach
wirtschaftlichen Grundsätzen aufgenommene Taxe des Grundstücks wenigstens um
Ein Viertel übersteigt.
§. 564. Hat der Erblasser der Pflegebefohlnen die
Veräußerung selbst verordnet: so bedarf es keiner weitern Untersuchung über die
Nützlichkeit derselben.
§. 565. Hingegen macht die bloße Erlaubniß des Erblassers
diese Untersuchung nicht überflüssig.
§. 566. Einem volljährigen Miteigenthümer kann auf die
Theilung, und zu dem Ende auf die Veräußerung des Grundstücks zu dringen, nicht
gewehrt werden.
§. 567. Auch der Vormund ist berechtigt, unter
obervormundschaftlicher Approbation auf die Veräußerung des gemeinschaftlichen
Grundstücks anzutragen; wenn erhellet, daß die Fortsetzung der Gemeinschaft dem
Pflegebefohlnen schädlich seyn würde.
§. 568. Sobald das vormundschaftliche Gericht die Veräußerung
genehmigt hat, muß der Richter der Sache, auf Anmelden des Vormundes, mit der
Taxe und Subhastation verfahren; ohne daß es von seiner Seite einer besondern
Untersuchung oder Approbation bedarf.
§. 569. Hat der Erblasser verordnet, daß das Grundstück
einer gewissen Person für einen bestimmten Preis zugeschlagen werden solle: so
bedarf es, wenn diese das Gut anzunehmen erbötig ist, weder einer Taxe noch
Subhastation.
§. 570. Aeußert sich aber eine nicht offenbar ungegründete
Besorgniß, daß unter einer solchen Verordnung eine Verkürzung der
Pflegebefohlnen in einem ihnen zukommenden Pflichttheile verborgen liegen
möchte: so muß mit Aufnehmung der Taxe verfahren werden.
§. 571. Bestätigt der Ausfall der Taxe diese Besorgniß: so
muß der Begünstigte entweder so viel, als zur Ergänzung des Pflichttheils
erforderlich ist, zu dem vom Erblasser bestimmten Preise zulegen; oder sich
gefallen lassen, daß das Gut durch Subhastation, bey der ihm bloß, gleich
Andern, mit zu bieten frey steht, dem Meistbietenden überlassen werde.
§. 572. Hat der Erblasser den Verkauf befohlen, die
Subhastation verboten, dabey aber keinen gewissen Werth des Grundstücks
bestimmt: so kann das Grundstück, aus freyer Hand, nicht unter der Taxe
veräußert werden.
§. 573. Steht dergleichen Gebot aus freyer Hand nicht zu
erhalten: so muß die Subhastation erfolgen.
§. 574. Die Subhastation ist nicht nothwendig, wenn bey
einer Theilung unter mehrere Miterben das Grundstück von dem Pflegebefohlnen
selbst, unter richterlicher Approbation, übernommen werden soll.
§. 575. Diese Vorschrift findet aber nicht Anwendung, wenn
unter den übrigen Miteigenthümern ebenfalls Pflegebefohlne befindlich sind.
§. 576. Ferner bedarf es keiner Subhastation, wenn ein
Miterbe das Grundstück für die Taxe annehmen will; und dabey dem
Pflegebefohlnen Vortheile anbietet, die derselbe von einem Fremden nicht zu
erwarten hat.
§. 577. Auch ein Gebot unter der Taxe kann in diesem Falle
angenommen werden, wenn die dem Pflegebefohlnen angetragnen Vortheile den
Unterschied zwischen Gebot und Taxe an Erheblichkeit übersteigen.
§. 578. Der Vereinigung mehrerer majorennen Miterben,
wornach(!) das Grundstück einem unter ihnen, oder einem Dritten, aus freyer
Hand zugeschlagen werden soll, muß der Vormund der Regel nach beytreten.
§. 579. Er kann und muß aber auf Subhastation dringen, wenn
das Gebot die Taxe nicht erreicht, oder besondere Umstände die Besorgniß eines
Nachtheils für den Pflegebefohlnen begründen.
§. 580. Der Vormund muß also in einem solchen Falle (§.
578.) die Richtigkeit der aufgenommenen Taxe mit vorzüglicher Sorgfalt prüfen.
§. 581. Sollte sich in der Folge finden, daß der Uebernehmer
des Guts den übrigen Interessenten, außer dem gebotenen Preise, noch gewisse
Nebenvortheile heimlich zugestanden habe: so muß er den Pflegebefohlnen das
Doppelte von dem Betrage desjenigen, was der am meisten begünstigte
Mitinteressent an solchen Nebenvortheilen erhalten hat, vergüten.
§. 582. Ist er dazu nicht vermögend: so werden die übrigen
Interessenten solcher mit dem Schaden der Pflegebefohlnen sich verschaften(!)
Nebenvortheile zu deren Besten verlustig.
§. 583. Hat der Erblasser selbst einen Preis des Grundstücks
bestimmt: so darf der Vormund ein minderes Gebot niemals annehmen, so oft die
Veräußerung des bloßen Nutzens wegen geschehen soll.
§. 584. Nothwendige Veräußerungen können durch eine von dem
Erblasser geschehene Bestimmung des Preises nicht aufgehalten werden.
§. 585. Außer den §. 569-583. bestimmten Fällen, ist die
Veräußerung unbeweglicher Güter der Pflegebefohlnen, wenn sie ohne Subhastation
geschehen, nichtig.
§. 586. Sollten jedoch außerordentliche Fälle vorkommen, wo
den Pflegebefohlnen bey einem Verkaufe aus freyer Hand offenbare Vortheile, die
bey einer gerichtlichen Subhastation nicht zu erwarten ständen, verschafft
werden könnten: so soll das Justizdepartement, auf den Antrag des
vormundschaftlichen Gerichtes, nach gehörig geprüfter Sache, von der
Nothwendigkeit einer Subhastation zu dispensiren berechtigt seyn.
§. 587. Der Käufer eines Pupillengutes, bey dessen
Subhastation die gesetzlich nothwendigen Förmlichkeiten beobachtet; oder dem
das Gut in einem der vorstehend bestimmten Fälle, (§. 569 bis 586.) unter
Genehmigung der Behörde aus freyer Hand zugeschlagen worden, erlangt ein
unwiderrufliches Eigenthum; wenn gleich bey Beurtheilung der Nothwendigkeit
oder Nützlichkeit der Veräußerung, bey Aufnehmung der Taxe, oder sonst, von dem
Vormunde oder vorrnundschaftlichen Gerichte gefehlt worden.
§. 588. Vielmehr bleibt alsdann dem Pflegebefohlnen, wegen
des durch eine solche Veräußerung erlittenen Schadens, nur der Regreß an den
oder diejenigen, welchen, nach Maaßgabe eines von ihnen zu vertretenden
Versehens, die Schuld davon zur Last fällt, nach den oben bestimmten Grundsätzen
vorbehalten.
§. 589. Ist aber die Veräußerung nach Vorschrift §. 585.
nichtig, so ist der gewesene Pflegebefohlne, gegen Zurücknahme des Guts, dem
Uebernehmer das von ihm gezahlte Kaufgeld nur so weit, als dasselbe in den
Nutzen des Pflegebefohlnen wirklich verwendet worden, zu erstatten verbunden.
§. 590. Wie es wegen der Nutzungen, Verbesserungen und
Verschlimmerungen zu halten sey, hängt davon ab: in wie fern derjenige, welcher
das Gut an den Pflegebefohlnen zurückgeben muß, nach allgemeinen Grundsätzen
für einen redlichen oder unredlichen Besitzer zu achten ist.
§. 591. Wegen des dem Pflegebefohlnen aus der Veräußerung
erwachsenen Schadens, den er von dem Besitzer nicht erlangen kann, bleiben
demselben seine Rechte gegen den, welcher an der nichtigen Veräußerung schuld
ist, vorbehalten.
§. 592. Die Verhältnisse zwischen dem Inhaber der Sache,
welcher sie zurückgeben muß, und dem Vormunde, durch welchen die Veräußerung
geschehen ist, sind nach den allgemeinen Vorschriften von Schadensersatz und
von Gewährsleistungen zu beurtheilen.
§. 593. Das Recht des Pflegebefohlnen, die nichtig
geschehene Veräußerung zu widerrufen, geht verloren, wenn er dieselbe, nachdem
er der Vormundschaft entlassen worden, ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt
hat.
§. 594. Für eine stillschweigende Genehmigung ist besonders
zu achten, wenn der Pflegebefohlne die Bezahlung der rückständigen Kaufgelder
annimmt, oder wenn er die verkaufte Sache von dem Besitzer pachtet;
§. 595. Ferner, wenn er die durch einen lästigen Vertrag
veräußerte Sache binnen Zehn Jahren nach aufgehobner Vormundschaft nicht zurück
fordert.
§. 596. Daß der Pflegebefohlne des veräußernden Vormundes
Erbe geworden, schließt ihn von der Rückforderung nicht aus: sondern
verpflichtet ihn nur zur Schadloshaltung gegen den Uebernehmer, so weit, als
der Erblasser dazu verbunden war.
wegen des Ankaufes der Grundstücke;
§. 597. Das Vermögen der Pflegebefohlnen kann auch zum
Ankaufe unbeweglicher Güter verwendet werden.
§. 598. Doch ist dabey eine vorzügliche sorgfältige Prüfung
der durch dergleichen Ankauf dem Pflegebefohlnen zu verschaffenden(!)
Vortheile, sowohl von Seiten des Vormundes, als des vormundschaftlichen
Gerichtes, erforderlich.
§. 599. Eine sichere zinsbare Unterbringung der Gelder des
Pflegebefohlnen ist dem Ankaufe von Grundstücken vorzuziehn, wenn nicht von
letzterem besondere Vortheile mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu hoffen
sind.
7) wegen Ankaufung von Leibrenten und Pensionen;
§. 600. Wenn der Vormund einer verheiratheten Frauensperson,
mit Genehmigung des Vormundschaftsamtes, rathsam findet, derselben eine Pension
aus einer öffentlich angeordneten Wittwenverpflegungsanstalt zu versichern: so
muß ihr Ehemann sich die Leistung des Beytrages aus den Einkünften ihres
Vermögens gefallen lassen.
§. 601. Kann und will er aber der Ehefrau eine gleich gute
und sichere Versorgung auf andere Art anweisen: so muß der Vormund von seinem
Vorhaben abstehn.
8) wegen
zu übernehmender Pachtungen;
§. 602. Pachtungen zu übernehmen, und eine Handlung
anzufangen, soll keinem Pflegebefohlnen gestattet werden.
§. 603. Ist der Vater während des Laufes einer Pachtzeit
verstorben: so darf der Vormund seiner hinterlassenen Erben die Pacht in der
Regel nicht länger fortsetzen, als er dazu nach dem Inhalte des Contracts, oder
nach Vorschrift der Gesetze verpflichtet ist. (Th. I.
Tit. XXI. §. 366.
sqq.)
§. 604. Findet der Vormund eine fortzuführende, oder auch
eine neu einzugehende Pachtung vortheilhaft; und hat der zu Geschäften dieser
Art erzogene Pflegebefohlne das Zwanzigste Jahr zurückgelegt: so kann dadurch
der Antrag auf Majorennitätserklärung begründet werden.
9) wegen
einer anzulegenden oder fortzusetzenden Kaufmannshandlung.
§. 605. Das Vermögen der Pflegebefohlnen soll zur Anlegung
einer neuen Handlung nicht verwendet werden.
§. 606. Ist eine schon errichtete Handlung von dem Erblasser
auf den Pflegebefohlnen gediehen: so muß, zur Besorgung der dahin
einschlagenden Angelegenheiten, ein handlungskundiger Vormund bestellt werden.
§. 607. Ob diesem Vormunde noch ein sachkundiger Beystand
zuzuordnen sey, bleibt nach der Beschaffenheit und dem Umfange der Handlung,
und nach Bewandniß der übrigen Umstände, dem Ermessen des vormundschaftlichen
Gerichts überlassen.
§. 608. Ist eine Mutter vorhanden, welche selbst dem
Handlungsgeschäfte vorzustehen fähig und geneigt ist: so bedarf es, außer dem
Sachkundigen(!) Vormunde, keines weitern Beystandes.
§. 609. Zu dergleichen Vormündern und Beyständen darf das
Gericht keine solche Personen wählen, von denen ein Mißbrauch der
Handlungsgeheimnisse des Pflegebefohlnen zu befürchten wäre.
§. 610. Sind taugliche Subjecte unter den Verwandten des
Pflegebefohlnen anzutreffen: so müssen dieselben Fremden vorgezogen werden.
§. 611. Auch die Beystände müssen, zur gewissenhaften Wahrnehmung
des Bestens der Pflegebefohlnen in ihren Handlungsangelegenheiten, feyerlich
verpflichtet werden.
§. 612. Hat der Erblasser die Fortsetzung der Handlung
ausdrücklich verordnet: so muß seinem Willen in allen Stücken so lange
nachgelebt werden, als nicht neue Umstände, welche die Fortsetzung für den
Pflegebefohlnen bedenklich machen, zum Vorschein kommen.
§. 613. Hat der Erblasser den Pflegebefohlnen nur den ihnen
schuldigen Pflichttheil hinterlassen: so sind der Vormund und das Gericht an
seine Disposition wegen Fortsetzung der Handlung nicht gebunden.
§. 614. Hat der Erblasser die Aufhebung der Handlung
verordnet: so muß seinem Willen in allen Fällen Folge geleistet werden.
§. 615. Hat der Erblasser über die Fortsetzung oder
Aufhebung der Handlung nicht verfügt: so muß das Vormundschaftsamt Einen oder
Zwey Sachverständige ernennen, und besonders verpflichten, welche mit Zuziehung
des Vormundes, und Eines oder Zweyer der nächsten am Orte oder in der Provinz
befindlichen Verwandten, die Umstände genau prüfen, und ihr Gutachten: ob die
Handlung fortzusetzen, oder aufzuheben sey, abgeben müssen.
§. 616. Bey der Auswahl dieser Sachverständigen muß der
Richter die Vorschrift des §. 609. beobachten.
§. 617. Bey der Prüfung muß sowohl auf den Zustand und die
Verfassung der Handlung selbst, als auf das Alter und die Fähigkeiten des
Pflegebefohlnen, je nachdem vermöge derselben nähere oder entferntere, oder gar
keine Aussichten, daß er die Handlung künftig werde übernehmen können,
vorhanden sind, Rücksicht genommen werden.
§. 618. Auch die Eigenschaften, Zuverläßigkeit, und übrigen
Umstände derjenigen Person, welche im Falle einer Fortsetzung den Geschäften
vorstehen würde, sind dabey in Betrachtung zu ziehen.
§. 619. Stimmen die Sachkundigen und der Vormund in ihren
Gutachten überein: so dient dieses Gutachten dem Vormundschaftsamte lediglich
zur Richtschnur.
§. 620. Sind aber die Meinungen der Sachkundigen und der
Verwandten verschieden: so müssen andre Sachkundige ernannt, und es muß, mit
deren Zuziehung, die Prüfung von dem Vormunde und den Verwandten wiederholt
werden.
§. 621. Treten diese neue Sachkundige(!) dem vorigen bey: so
giebt die Meinung des Vormundes den Ausschlag.
§. 622. Stimmen aber die neuen Sachkundigen mit den
Verwandten überein: so muß die Sache nach dem Antrage der letztern entschieden
werden.
§. 623. Wenn auch hiernach die Fortsetzung der Handlung
beschlossen worden: so kann doch dieselbe zu allen Zeiten wieder aufgehoben
werden, sobald aus der jährlich einzureichenden Balance sich ergiebt, daß
Schaden dabey herauskomme; und nicht etwa, nach dem Gutachten des Vormundes und
seines Beystandes, ein derselben überwiegender Vortheil in der Folge mit einem
vorzüglichen Grade von Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
§. 624. Die Fortsetzung der Handlung geschieht durch einen
Disponenten, unter Aufsicht des Vormundes.
§. 625. Hat der Erblasser einen Disponenten zur Fortsetzung
der Handlung ausdrücklich ernannt: so muß derselbe beybehalten, und nicht ohne
die erheblichsten Gründe verändert werden.
§. 626. Außer diesem Falle muß der Vormund, wegen
Beybehaltung der bisherigen, oder Bestellung eines neuen Disponenten, dem
vormundschaftlichen Gerichte pflichtmäßige Vorschläge machen.
§. 627. Der Vormund muß durch fleißige Revision der Bücher,
und Nachsehung der Correspondenz, von dem redlichen, ordentlichen, und
vorsichtigen Betriebe des Disponenten sich überzeugen.
§. 628. Bey besonders wichtigen und bedenklichen Vorfällen
muß der Vormund das Gutachten der Beystände einholen, und die Genehmigung des
Gerichts nachsuchen.
§. 629. Dies muß besonders geschehen, wenn die Person des
Disponenten oder der Gegenstand des Handels verändert; oder zur Erlangung eines
besondern Vortheils, ein sonst bey dieser Art von Handlung nicht gewöhnliches
Risico übernommen; oder das Handlungscapital aus dem übrigen Vermögen der
Pflegebefohlnen verstärkt werden soll.
§. 630. Credit zu geben und zu nehmen, ist der Disponent in
so weit ohne Rückfrage berechtigt, als es zum ordinairen Betriebe der Handlung
gehört, und aus dem in der Handlung steckenden Capitale bestritten werden kann.
§. 631. Sollen aber fremde Capitalien zum Behufe des
Handlungsverkehrs aufgenommen werden: so muß der Disponent mit dem Vormunde und
dessen Beystande Rücksprache nehmen.
§. 632. Ist keine Gefahr im Verzüge: so muß zuvörderst die
Approbation des Gerichts eingeholt; sonst aber demselben von dem aufgenommenen
Darlehne Anzeige gemacht; und in einem, so wie in dem andern Falle, die
Nützlichkeit der Verwendung, nebst der Art und Zeit der Wiederbezahlung
nachgewiesen werden.
§. 633. Soll die Handlung nicht fortgesetzt werden: so muß
der Vormund sich Mühe geben, jemanden auszumitteln, der dieselbe im Ganzen
unter möglichst vortheilhaften Bedingungen für den Pflegebefohlnen übernehme.
§. 634. Die Uebernehmung muß auf den Grund eines
vollständigen Handlungsinventarii geschehen; und sowohl die Waaren, als die
ausstehenden Schulden, müssen durch die vereideten Sachverständigen gewürdigt
werden.
§. 635. Sonst bedarf es zu einer solchen Ueberlassung, außer
der obervormundschaftlichen Approbation, keiner Solennitäten.
§. 636. Auch Grundstücke, die mit der Handlung untrennbar
verbunden sind, können einem solchen Uebernehmer ohne förmliche Subhastation
zugeschlagen werden.
§. 637. Findet sich kein tauglicher Uebernehmer der Handlung
im Ganzen: so muß der stückweise Verkauf der Waaren, und die Einziehung der
Schulden, durch den Disponenten unter Aufsicht des Vormundes besorgt werden.
§. 638. Dabey ist überall nach kaufmännischer Handlungsweise
zu verfahren; und neue Geschäfte dürfen nur in so fern, als ohne selbige die
Beendigung der alten entweder gar nicht, oder nur mit erheblichem Schaden des
Pflegebefohlnen zu bewirken seyn würde, unternommen werden.
§. 639. Hat der Erblasser der Pflegebefohlnen zur Zeit
seines Ablebens mit einem Andern in einer Handlungsgesellschaft gestanden: so
bestimmen der Inhalt seiner letzwilligen Verordnung, die Vorschriften des
Contracts, und in deren Ermangelung die Gesetze: ob und wie eine solche
Compagniehandlung fortgesetzt oder aufgehoben werden müsse.
§. 640. Hängt die Fortsetzung oder Aufhebung von dem freyen
Entschlüsse des Vormundes und vormundschaftlichen Gerichts ab: so müssen diese
nach den Vorschriften §. 617. sqq. sich achten.
§. 641. So weit durch rechtsbeständige Verabredungen, oder
Verordnungen des Erblassers, der Vormund von der Einmischung in die
fortzusetzende Societätshandlung nicht ausgeschlossen ist, hat er dabey eben
die §. 627. sqq. ihm beygelegten Rechte und Pflichten.
§. 642. Eben so muß der die Handlung fortsetzende
Gesellschafter, in Rücksicht auf den Vormund und das Gericht, dasjenige
beobachten, was §. 628-632. dem Disponenten vorgeschrieben ist.
10) wegen einer dem Pflegebefohlnen zufallenden Erbschaft.
§. 643. Erbschaften, welche den Pflegebefohlnen während des
Laufes der Vormundschaft zufallen, kann der Vormund ohne besondere Approbation,
jedoch nur mit dem Vorbehalte der Rechtswohlthat des Inventarii, antreten.
§. 644. Soll eine Erbschaft ausdrücklich ohne Vorbehalt
angetreten, oder ausdrücklich abgelehnt werden: so ist dazu die Approbation des
vormundschaftlichen Gerichts nothwendig.
§. 645. In jedem Falle muß der Vormund dergleichen Anfall
dem Gerichte sofort anzeigen, und hiernächst demselben das aufgenommene
Inventarium vorlegen.
§. 646. Wegen Ausmittelung, Regulirung, Sicherstellung, und
Verwaltung einer solchen Erbschaft, ingleichen wegen Bezahlung der Schulden,
finden alle wegen des ursprünglichen Vermögens der Pflegebefohlnen in dem
gegenwärtigen Abschnitte ertheilte Vorschriften Anwendung.
Rechnungslegung(!) des Vormundes.
§. 647. Jeder verwaltende Vormund ist von seiner Verwaltung
alljährig Rechnung abzulegen, und dieselbe spätestens innerhalb Dreyer Monathe
nach dem Ablaufe des Rechnungsjahres, bey dem vormundschaftlichen Gerichte
einzureichen verbunden.
§. 648. Wenn mehrere Vormünder gemeinschaftlich administrirt
haben: so muß von ihnen gemeinschaftlich Rechnung gelegt werden; wenn sie auch
die Verwaltung durch ein Privatabkommen unter sich getheilt hätten.
§. 649. Ist Einem von ihnen nur ein gewisses Fach der
Administration von dem Erblasser, oder von dem Richter angewiesen: so ist er
auch nur darüber Rechnung zu legen verbunden.
§. 650. Ist zwar die Verwaltung unter mehrere Vormünder
getheilt; Einem aber die Hauptdirection übertragen: so muß dieser aus den
Specialrechnungen der Nebenvormünder die Hauptrechnung formiren, und
einreichen.
§. 651. Bey geringern Vormundschaften kann, wenn die
Rechnung des ersten Jahres gelegt und abgenommen ist, der Termin für die
folgenden auf Zwey bis Drey Jahre bestimmt werden.
§. 652. Sind die Einkünfte des Vermögens der Mutter, oder
einem Dritten, oder auch dem Vormunde selbst, gegen die Erziehungs- und
Verpflegungskosten, in Pausch und Bogen überlassen: so vertritt ein alljährig
beizubringender Nachweis von der Substanz des Vermögens die Stelle der
Rechnung.
§. 653. Bey Handlungen dient die alljährig durch einen
vereideten Buchhalter aus den Büchern gezogne, und von dem Vormunde, nach
vorhergegangner Revision, als richtig attestirte Balance statt der Rechnung.
§. 654. Dergleichen Balance muß von dem Richter eben so
verwahrt werden, wie in Ansehung des Inventarii verordnet ist.
§. 655. Das Inventarium oder Verzeichniß, nach welchem dem
Vormunde das Vermögen übergeben worden, ist die Grundlage der Rechnung.
§. 656. Nach Anleitung desselben, und des etwanigen
Theilungsrecesses, muß bey jeder Rechnungslegung der Zustand des Vermögens, wie
er sich am Anfange, und beym Abschlusse der Rechnung verhalten hat,
nachgewiesen werden.
§. 657. Die Rechnung muß ein vollständiges Verzeichniß aller
in dem Rechnungsjahre vorgefallenen Einnahmen und Ausgaben enthalten.
§. 658. Auch die auf unmittelbaren Befehl des Gerichts
erfolgten, oder durch das Depositum desselben gegangnen Einnahmen und Ausgaben,
müssen in der Rechnung mit aufgeführt werden.
§. 659. Das Gericht muß daher dem Vormunde von dergleichen
Zahlungen die erforderlichen Nachrichten und Extracte in Zeiten mittheilen.
§. 660. Die Richtigkeit der Einnahme und Ausgabe muß durch
Beläge, Quittungen, oder andre Bescheinigungen, nothdürftig nachgewiesen
werden.
§. 661. Ueberhaupt hat der administrirende Vormund, bey
Führung und Ablegung der Rechnung, alles zu beobachten, was dabey einem
Verwalter fremder Güter vorgeschrieben ist. (Th. I. Tit.
XIV. Abschn. II.)
§. 662. Das vormundschaftliche Gericht ist schuldig, den
Vormund zur Rechnungslegung von Amts wegen anzuhalten, und die gelegte Rechnung
sorgfältig zu prüfen.
§. 663. Diese Prüfung muß sowohl auf die Richtigkeit der
Rechnung nach den Regeln der Rechenkunst, und der Beläge; als auf den Inhalt,
die Beschaffenheit und Nützlichkeit der vorgefallenen Geschäfte, in Einnahme
und Ausgabe, gerichtet seyn.
§. 664. Ist ein Ehrenvormund bestellt: so muß demselben von
Einlangung der Rechnung, und dem bevorstehenden Termine zu deren Abnahme, von
Amts wegen Nachricht gegeben werden.
§. 665. Der Ehrenvormund ist berechtigt, die Rechnung
nachzusehen, und Ausstellungen dagegen zu machen.
§. 666. Besonders ist er bey der Abnahme derselben schuldig,
das Beste der Pflegebefohlnen zu beobachten.
§. 667. Für die Berichtigung der dem Vormunde gezogenen und
von ihm nicht gehobenen Defecte, muß der Richter von Amts wegen sorgen.
§. 668. Was wegen der Einziehung der Ueberschüsse verordnet
ist, muß auch wegen der aus der Rechnung sich ergebenden Cassenbestände
beobachtet werden. (§. 545. sqq.)
§. 669. In Ansehung des Cassenbestandes, und solcher
Defecte, deren Richtigkeit der Vormund anerkennt, kann das vormundschaftliche
Gericht nöthigen Falls die Execution verfügen, ohne daß es darüber eines
förmlichen Prozesses bedarf.
§. 670. Steht der Vormund unter einer andern Jurisdiction:
so muß der gehörige Richter, auf die bloße Requisition des Vormundschaftsarntes,
die Execution in dergleichen Fällen unweigerlich vollstrecken.
§. 671. Wie es aber zu halten sey, wenn der Vormund die
gezognen Defecte nicht anerkennen will, ist in der Prozeßordnung bestimmt.
§. 672. Ist eine Vormundschaft über mehrere Pflegebefohlne
zugleich, die aber nicht mehr in ungeteilten Gütern leben, angeordnet: so muß
über das Vermögen eines jeden derselben besondere Rechnung geführt, und gelegt
werden.
§. 673. Sind mehrere Pflegebefohlne vorhanden, welche theils
ein gemeinschaftliches, theils jeder für sich ein abgesondertes Vermögen
besitzen: so muß, außer der gemeinschaftlichen, auch für jeden eine besondre
Rechnung geführt, und abgelegt werden.
§. 674. Gehört zu dem Vermögen ein in einer andern
Königlichen Provinz gelegenes Grundstück: so muß die Wirthschaftsrechnung
darüber zwar besonders geführt, und bey dem Richter der Sache abgelegt werden;
§. 675. Der Vormund muß aber den, nach Abzug der
Wirthschaftsausgaben, sich ergebenden Ueberschuß der Gutseinkünfte in der
Vormundschaftsrechnung mit aufführen, und daselbst gehörig nachweisen.
§. 676. Auch muß der Richter der Sache die abgenommene
Wirthschaftsrechnung dem vormundschaftlichen Gerichte zuschicken, und demselben
von seinem Befunde bey der Revision und Abnahme Nachricht geben.
§. 677. Das vormundschaftliche Gericht ist befugt and
schuldig, diese Rechnung nochmals zu prüfen, und mit der bey ihm gelegten
Vormundschaftsrechnung zu vergleichen.
§. 678. Wenn die Rechnung richtig befunden, oder die dagegen
gemachten Ausstellungen gehoben worden: so muß dem Vormunde eine schriftliche
Quittung darüber ertheilt werden.
In wiefern Vormünder von der Obrigkeitlichen Aufsicht
entbunden werden können.
§. 679. Der vorstehend verordneten Obsorge des etaats(! =
Staats) über die Person und das Vermögen der Pflegebefohlnen, können dieselben
durch keine Willenserklärungen oder Verfügungen entzogen werden.
§. 680. Eine Verordnung also, das(!) Pflegebefohlne
bevormundet bleiben sollen, ist unerlaubt und nichtig.
§. 681. Wohl aber kann der Erblasser der Pflegebefohlnen
einen von ihm ernannten Vormund von den §. 422-678. vorgeschriebenen
Einschränkungen der vormundschaftlichen Administration ganz oder zum Theil
befreyen.
§. 682. Dergleichen Befreyung kann aber nur durch eine
gerichtliche Erklärung, oder in einem förmlichen gerichtlich aufgenommenen oder
niedergelegten Testamente, verordnet werden.
§. 683. Auch ist nur ein solcher Erblasser, welcher den
Pflegebefohlnen mehr, als einen ihnen schuldigen Pflichttheil zuwendet, dazu
berechtigt.
§. 684. Aber auch ein solcher Vormund muß zu seinem Amte bey
dem vormundschaftlichen Gerichte verpflichtet, und mit einer schriftlichen
Bestallung, in welcher die nach dem Willen des Erblassers ihm zukommenden
Befreyungen ausgedrückt sind, versehen werden.
§. 685. Der allgemeinen Aufsicht des vormundschaftlichen
Gerichts ist auch ein solcher Vormund unterworfen.
§. 686. Wenn unbewegliche Güter der Pflegebefohlnen
veräußert werden sollen: so muß der Vormund dem vormundschaftlichen Gerichte
davon Anzeige machen,
§. 687. Dieses ist zwar weder befugt noch schuldig, die
Ursache der Veräußerung zu beurtheilen; die Art derselben aber muß, mit seiner
Genehmigung, nach den Gesetzen bestimmt werden.
§. 688. Wenn erhebliche Anzeigen eines unordentlichen,
offenbar unbesonnenen, oder gar unredlichen Verfahrens gegen den Vormund zur
Wissenschaft des vormundschaftlichen Gerichts gelangen: so muß dasselbe diese
Anzeigen sofort näher untersuchen, und für die Sicherheit der Pflegebefohlnen
sorgen.
§. 689. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Vormund in
sichtbaren Vermögensverfall zu gerathen anfängt; oder wenn er, nach
angetretener Vormundschaft, eine Königliche Cassenbedienung,
Domainenadministration, oder Pachtung übernimmt.
§. 690. Doch darf der Richter, bey der über einen solchen
Vormund zu führenden Aufsicht, nur ein grobes Versehen vertreten.
§. 691. Wenn aus vorstehenden Gründen befunden wird, daß der
Vormund auch nur bey einem einzelnen Falle oder Geschäfte, durch offenbare
Unordnungen, oder gar durch unredliches Verfahren, dem Vertrauen des Erblassers
zuwider gehandelt habe: so muß er sich der Aufsicht des vormundschaftlichen
Gerichts durchgehends eben so unterwerfen, als wenn keine ihn davon befreyende
Verordnung des Erblassers vorhanden wäre.
§. 692. Die einem Testamentsvormunde ertheilten Befreyungen
kommen demjenigen, der in seiner Ermangelung, oder bey seinem Abgange, an
seiner Stelle ernannt worden, nicht zu statten, wenn sie nicht ausdrücklich
auch auf ihn mit gerichtet sind.
§. 693. Aus dem Verbote der Herausgabe eines offenen
Privatinventarii folgt die Befreyung des Vormundes von der Rechnungslegung.
§. 694. Aus dem bloßen Verbote der Rechnungsablegung allein,
folgt noch nicht die Befreyung des Vormundes von der, über die Substanz des
Vermögens, nach §. 652. beyzubringenden Nachweisung.
Achter Abschnitt Von Aufhebung der Vormundschaften
Ende der Vormundschaft.
§. 695. Die Vorsorge des Staats für seine Pflegebefohlnen
darf nicht länger fortgesetzt werden, als die Umstände dauern, welche sie nothwendig
gemacht haben.
I. Von Seiten der Pflegebefohlnen:
1) durch erreichte Volljährigkeit;
§. 696. Eine wegen Minderjährigkeit angeordnete
Vormundschaft hört auf, wenn der Pflegebefohlne das Vier und zwangzigste Jahr
zurückgelegt hat.
§. 697. Diesen gesetzlichen Termin der Volljährigkeit kann
in der Regel kein Erblasser der Pflegebefohlnen, weder verlängern, noch
verkürzen.
§. 698. Hat aber der Vater eine Verlängerung der
Vormundschaft zum Besten der Pflegebefohlnen ausdrücklich verordnet: so muß
dieselbe, jedoch nicht weiter, als höchstens Sechs Jahre über den gesetzlichen
Termin der Volljährigkeit, fortgesetzt werden.
§. 699. Hat nicht der Vater, sondern nur ein anderer
Erblasser dergleichen Verlangen geäußert: so ist dennoch das vormundschaftliche
Gericht schuldig, von Amts wegen näher zu prüfen: ob gesetzmäßige Ursachen
vorhanden sind, welche die Fortsetzung der Vormundschaft nothwendig machen.
§. 700. Für gesetzmäßige Gründe sind in diesem Falle nur
solche zu achten, welche hinreichen würden, auch einen Volljährigen, als
Verschwender, unter Vormundschaft zu setzen.
§. 701. Eine erhebliche Gemüthsschwäche, wenn gleich selbige
noch nicht bis zu einem solchen Grade gestiegen wäre, der die Anordnung einer
neuen Vormundschaft nothwendig machen könnte, kann dennoch die auch nur von
einem Fremden angeordnete Fortsetzung derjenigen, welche bisher wegen
minderjährigen Alters angeordnet war, unter der Bestimmung des §. 698.
rechtfertigen.
§. 702. In allen Fällen, wenn eine Verlängerung der
Vormundschaft, es sey nach der Anordnung des Vaters, oder nach dem Befinden des
Richters, für nöthig erachtet wird, kann dem Pflegebefohlnen das rechtliche
Gehör dagegen nicht versagt werden.
§. 703. Doch wird, während des Prozesses, die Vormundschaft
fortgesetzt.
§. 704. In allen Fällen, da eine wegen Minderjährigkeit
angeordnete Vormundschaft über den gesetzlichen Termin der Volljährigkeit
verlängert wird, muß diese Verlängerung eben so, wie bey
Prodigalitätserklärungen verordnet ist, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 705. Damit in dem Verkehre des bürgerlichen Lebens jeder
im Stande sey, sich vollkommen zu vergewissern: ob derjenige mit dem er einen
Vertrag schließen oder ein andres Geschäft verhandeln will, noch unter
Vormundschaft stehe, oder nicht: so soll jedem Pflegebefohlnen, welcher nach
erlangter Volljährigkeit der Vormundschaft entlassen wird, ein schriftliches
Zeugniß darüber von dem vormundschaftlichen Gerichte ertheilt werden.
§. 706. Dergleichen Zeugniß dient aber bloß zur Legitimation
des gewesenen Pflegebefohlnen, und der Mangel desselben bewirkt für sich allein
keine Ungültigkeit in dem mit ihm verhandelten Geschäfte.
§. 707. Uebrigens bleibt zwar dem Vater sowohl als jedem
Andern, welcher einem Pflegebefohlnen mehr, als einen ihm schuldigen
Pflichttheil zuwendet, die Befugniß, seine Disposition darüber auch nach
erlangter Volljährigkeit einzuschränken.
§. 708. Die Kraft solcher Einschränkungen aber erstreckt
sich nur auf die geschehene Zuwendung, und verpflichtet so wenig den Vormund,
als das vormundschaftliche Gericht, sich einer ferneren Aufsicht oder
Administration zu unterziehn.
§. 709. Doch muß das Gericht, ehe es die Vormundschaft
aufhebt, von Amtswegen dafür sorgen, daß dergleichen Einschränkungen, wenn sie
Grundstücke betreffen, im Hypothekenbuche eingetragen, und wenn sie Capitalien
angehen, den Schuldnern derselben bekannt gemacht werden.
§. 710. Auch muß das vormundschaftliche Gericht solche
Einschränkungen in dem nach §. 705. dem gewesenen Pflegebefohlnen zu
ertheilenden Zeugnisse mit bemerken.
§. 711. In wie fern über dergleichen solchen Einschränkungen
unterworfene Gegenstände gültig verfügt werden könne, oder nicht, ist nach den
Vorschriften des Vierten Titels im Ersten Theile, §. 15. sqq. zu beurtheilen.
§. 712. Aus eigner Bewegung darf sich die Obrigkeit der
vormundschaftlichen Obsorge für einen Pflegebefohlnen vor erreichtem
volljährigen Alter desselben, niemals entziehen.
2) durch Majorennitäts-Erklärung.
§. 713. Der Pflegebefohlne hingegen kann die
Majorennitätserklärung suchen, wenn er nachweisen kann, daß er sich selbst
vorzustehen vollkommen fähig sey; und daß die Aufhebung der Vormundschaft
seinen wahren und dauernden Vortheil mehr, als deren Fortsetzung, befördern
werde.
§. 714. Ob dergleichen Umstände vorhanden sind, muß das
vormundschaftliche Gericht, mit Zuziehung des bisherigen Vormundes, der
anwesenden nächsten Verwandten, und derjenigen Personen, unter deren Aufsicht
der Pflegebefohlne bisher gestanden hat, sorgfältig prüfen.
§. 715. Wenn ein Vater für sein Kind die Majorennitätserklärung
selbst nachsucht: so muß die §. 714. verordnete Prüfung des vormundschaftlichen
Gerichts zwar ebenfalls erfolgen;
§. 716. Doch muß diese Prüfung nur darauf gerichtet werden:
ob Umstände vorhanden sind, unter welchen das Interesse des für volljährig zu
erklärenden Kindes mit dem des Vaters in Widerspruch kommen, und also das Kind
durch die Majorennitätserklärung Schaden leiden könnte.
§. 717. Hat der verstorbene Vater der Pflegebefohlnen die
Abkürzung des Termins zur Volljährigkeit gewollt: so bedarf es keiner
Untersuchung; in so fern nicht der Vormund erhebliche Gründe anführt, welche
die Fortsetzung der Vormundschaft zum eigenen Besten des Pflegebefohlnen
rathsam machen.
§. 718. Dagegen ist jedes Gesuch um Majorennitätserklärung
unstatthaft, wenn der Vater dasselbe verboten, oder auch nur seinen Willen, daß
die Vormundschaft bis zur erlangten Volljährigkeit fortdauern solle,
ausdrücklich geäußert hat.
§. 719. Vor zurückgelegtem Achtzehnten Jahre, bey Personen weiblichen,
und vor zurückgelegtem Zwanzigsten, bey Personen männlichen Geschlechts, findet
keine Majorennitätserklärung statt.
§. 720. In Provinzen, wo Personen des Bürger- oder
Bauernstandes, nach bisherigen Rechten, die Volljährigkeit mit zurückgelegtem Ein
und zwanzigsten Jahre erreicht haben, ist das vormundschaftliche Gericht, unter
welchem sie stehen, die Majorennitätserklärung ohne weitere Rückfrage bey einer
höhern Instanz zu ertheilen befugt.
§. 721. In wie fern in Provinzen, wo bisher das Fünf und
zwanzigste Jahr der Termin der Volljährigkeit gewesen ist, so wie bey Adlichen
überhaupt, die Majorennitätserklärung nur von dem Justizdepartement, oder von
einem Landescollegio ertheilt werden könne, soll in den Provinzialgesetzbüchern
näher bestimmt werden.
§. 722. Bis dahin hat es bey der bisherigen Verfassung einer
jeden Provinz in Ansehung dieser Fälle (§. 721.) sein Bewenden.
§. 723. In allen Fällen, wo der Stand eines Pflegebefohlnen
männ- oder weiblichen Geschlechtes auf die Beurtheilung der Frage: von welcher
Behörde die Majorennitätserklärung zu ertheilen sey ? Einfluß hat, soll nur auf
den Stand, welchen eine solche Person zur Zeit der angeordneten Vormundschaft
gehabt hat, gesehen werden.
§. 724. Die Majorennitätserklärung hat mit der wirklich erreichten
Volljährigkeit durchgehends gleiche Wirkung.
§. 725. Nur wegen Veräußerung und Verpfändung unbeweglicher
Güter können derselben Einschränkungen beygefügt; es müssen aber dieselben
alsdann auf das Grundstück selbst eingetragen werden.
§. 726. Dergleichen Einschränkung erstreckt sich niemals auf
Grundstücke, welche der gewesene Pflegebefohlne, erst nach erfolgter
Majorennitätserklärung, von seinem Capitalsvermögen angeschafft oder sonst
erworben hat.
§. 727. So weit der gewesene Pflegebefohlne nach §. 725.
wegen Veräußerungen und Verpfändungen eingeschränkt ist, muß er, wenn
dergleichen Handlungen dennoch vorgenommen werden sollen, die Genehmigung
desjenigen Gerichts, unter dessen Obervormundschaft er gestanden hat,
nachsuchen.
3) in Ansehung der Einkünfte, nach zurückgelegtem
Zwanzigsten Jahre.
§. 728. Einem jeden Pflegebefohlnen kann, nach
zurückgelegtem Zwanzigsten Jahre, der von den Einkünften seines Vermögens, nach
Abzug der Wirthschaftsausgaben, Zinsen, und Administrationskosten, verbleibende
Ueberschuß, zur eignen Verwaltung und Verwendung überlassen werden.
§. 729. Auch die Verwaltung der Vermögenssubstanz selbst
kann ihm auf sein Begehren übertragen werden; wenn er es aber verlangt: so muß
der Vormund dieselbe bis zur erlangten Volljährigkeit fortsetzen.
§. 730. In beyden Fällen bleibt jedoch der Pflegebefohlne
der Aufsicht des Vormundes und vormundschaftlichen Gerichts in so weit
unterworfen, daß er denselben von der Führung seiner Administration, und von
der Verwendung seiner Einkünfte, auf Erfordern Red und Antwort geben muß.
§. 731. In Ansehung seiner Person hingegen, und der Substanz
seiner unbeweglichen Güter, so wie der ausstehenden Capitalien, bleibt auch ein
solcher Pflegebefohlner, bis nach zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre, eben
den Einschränkungen, wie jeder Andere, unterworfen.
§. 732. Er kann also ohne Zuziehung des Vormundes weder
unbewegliche Güter, Juwelen und Kostbarkeiten veräußern, verpfänden, oder sonst
beschweren, noch Capitalien aufkündigen und einziehen.
§. 733. Auch kann er ohne Approbation des
vormundschaftlichen Gerichts keine neue Darlehne aufnehmen.
§. 734. Andere Verträge kann er nur in so fern schließen,
als er, ohne diese Befugniß, die ihm überlassene Verwaltung nicht würde führen
können.
§. 735. Außerordentliche Holzverkäufe aus den Forsten,
welche den gewöhnlichen Etat übersteigen, darf er ohne Einwilligung des
Vormundes, und Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts nicht unternehmen.
4) durch Verheirathung einer Pflegebefohlnen.
§. 736. Durch die Verheirathung der Pflegebefohlnen wird die
Vormundschaft nicht aufgehoben.
§. 737. Es kann aber dem Ehemanne einer Pflegebefohlnen
weiblichen Geschlechts der ihm nach den Gesetzen zukommende Nießbrauch ihres
Vermögens nicht vorenthalten werden.
§. 738. Ob ein Theil des Vermögens der Frau
vorzubehalten, oder zum Erbschatze zu bestellen sey? muß der Vormund, unter
Direction der Obrigkeit, vernünftig beurtheilen, und durch Verträge mit dem
Ehemanne, vor Vollziehung der Heirath, festsetzen.
§. 739. Daß kein Vorbehalt gemacht, oder kein Erbschatz
bestellt worden, soll weder dem Vormunde, noch der Obrigkeit, zur Vertretung
gereichen.
§. 740. Dagegen ist zur Bestellung eines Erbschatzes aus dem
Vermögen der Pflegebefohlnen, die eigne Einwilligung derselben erforderlich.
§. 741. Das vorbehaltene Vermögen, und dessen Einkünfte,
bleiben unter vormundschaftlicher Verwaltung.
§. 742. Von dem Erbschatze, und von dem nicht vorbehaltenen
Vermögen der Pflegebefohlnen, gebühret der Regel nach auch die Verwaltung dem
Ehemanne; die Substanz aber bleibt der Aufsicht des Vormundes und
vormundschaftlichen Gerichts unterworfen.
§. 743. Der Ehemann kann also die unbeweglichen Güter der
Frau selbst bewirthschaften oder verpachten; wegen der Veräußerung und
Verpfändung aber, müssen die gesetzlichen Vorschriften eben so beobachtet
werden, als wenn keine Heirath geschlossen wäre.
§. 744. Gehört ein Wald zu solchen Grundstücken: so kann ihn
der Ehemann forstmäßig nutzen; außerordentliche Holzschläge hingegen darf er,
ohne Einwilligung des Vormundes, und Approbation des vormundschaftlichen
Gerichts, nicht unternehmen.
§. 745. Die Zinsen der Capitalien kann der Ehemann selbst
erheben; hingegen ist er zur Aufkündigung und Einziehung von Capitalien, ohne
Zuthun des Vormundes, und ohne Approbation des Gerichts, nicht berechtigt.
§. 746. In allen Fällen muß der Ehemann der Pflegebefohlnen,
bey jeder mit der Substanz vorzunehmenden Veränderung, mit seinem Gutachten
vernommen werden.
§. 747. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Vormund die
Verwaltung auch nach der Heirath fortsetzt, und in der Art der Administration
eine Veränderung geschehen soll.
§. 748. Doch sind der Vormund und das Gericht an die Meinung
und das Gutachten des Mannes nicht gebunden.
§. 749. Von der eingekommenen Vormundschaftsrechnung, so wie
von dem Termine zur Abnahme derselben, muß dem Ehemanne Nachricht gegeben, und
ihm frey gelassen werden, die Rechnung einzusehen, Ausstellungen dagegen zu
machen, und der Abnahme beyzuwohnen.
§. 750. Verlangt der Ehemann, daß ihm auch die baaren Gelder
oder ausstehenden Capitalien seiner noch nicht volljährigen Frau in die Hände
gegeben werden: so muß er dafür hinlängliche Sicherheit mit Grundstücken, oder
gerichtlich eingetragenen Activforderungen bestellen.
§. 751. Diese Sicherheit muß so beurtheilt und geprüft
werden, wie es bey dem Ausleihen der Mündelgelder vorgeschrieben ist. (§. 467.
sqq.)
§. 752. Alsdann erstreckt sich die Obsorge des Vormundes und
Gerichts nur auf die Conservation dieser Sicherheit.
§. 753. Wenn der Ehemann einer Pflegebefohlnen bey einer
über sich habenden Cassenbedienung, nicht anders als dadurch, daß die Caution
für ihn aus dem Vermögen der Frau bestellt werde, zu erhalten ist: so kann der
Vormund, unter Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, diese Caution aus
dem Vermögen der Pflegebefohlnen leisten.
§. 754. Eben das kann geschehen, wenn der Mann auf Cassen-
und Rechnungssachen sich gelegt, und keinen andern Weg, sich und seiner Familie
standesmäßigen Unterhalt zu erwerben, für sich hat.
§. 755. Doch muß in beyden Fällen der Vormund von den
Fähigkeiten, dem Charakter, und der Wirthschaftlichkeit des Ehemannes mit
möglichster Sorgfalt Erkundigung einziehen.
§. 756. Auch muß die Caution immer nur auf eine gewisse
bestimmte Summe geleistet werden.
§. 757. Der Vormund muß sich und den Pflegebefohlnen einen
nach den Umständen möglichst kurzen Termin zur Aufkündigung der Caution
vorbehalten.
§. 758. Er muß sich von dem Ehemanne alljährig, längstens
binnen Sechs Wochen nach dem Ablaufe des Cassenjahres, die gehörig erfolgte
Ablegung der Rechnung nachweisen: so wie hiernächst die darüber erhaltene
Quittung vorzeigen lassen.
§. 759. Sobald der Ehemann, es sey unter welchem Vorwande es
wolle, den Nachweis oder die Vorzeigung verzögert, muß sich der Vormund nach
den vorgeschützten Ursachen dieser Zögerung, und nach der eigentlichen Lage der
Sache, bey der demselben vorgesetzten Behörde sofort erkundigen.
§. 760. Dem vormundschaftlichen Gerichte muß er von Zeit zu
Zeit, besonders aber, sobald ein irgend bedenklicher Umstand sich äußert, von
dem Verhalten und der Wirthschaft des Mannes, von seiner Ordnung in Führung der
Casse und Ablegung der Rechnung, und von den sich etwa dabey äußernden
Bedenklichkeiten, pflichtmäßig und ohne Rückhalt Anzeige machen.
§. 761. Sobald erhebliche Besorgnisse einer der
Pflegebefohlnen drohenden Vertretung sich äußern, muß das Gericht den Vormund
ohne Zeitverlust anweisen, die Caution sofort zu kündigen, und in der
Zwischenzeit, durch Beygebung eines Aufsehers, oder andre nach den Umständen
schickliche und anwendbare Maaßregeln, die drohende Gefahr möglichst
abzuwenden.
§. 762. Wenn der Ehemann der Pflegebefohlnen durch unverschuldete
Unglücksfälle in Abnahme seiner Nahrung, oder sonst in Verlegenheit gerathen
ist: so kann auch die Substanz des Vermögens der Frau zu seiner Unterstützung
so weit verwendet werden, als es nothwendig ist, ihn in einem Zustande, worin
er sich und seine Familie ernähren könne, zu erhalten, oder darin wieder
herzustellen.
§. 763. Gelangt der Mann wieder in bessere Umstände: so
müssen der Vormund und das Gericht für die Ergänzung des Capitalsvermögens der
Pflegebefohlnen nach Möglichkeit sorgen.
besonders bey der Verheirathung an einen Kaufmann.
§. 764. Ist die Pflegebefohlne an einen Kaufmann
verheirathet; und hat dieser den Ruf einer hinlänglichen Handlungskenntniß und
ordentlichen Wirthschaft für sich: so kann er die Ausantwortung der baaren
Gelder und Capitalien auch ohne besondre Sicherheitsbestellung verlangen.
§. 765. Er muß aber alsdann eine Balance über den Zustand
seiner Handlung dem Vormunde zustellen, und deren Richtigkeit durch Vorlegung
der Bücher nachweisen.
§. 766. Besitzt der Vormund nicht selbst hinlängliche
Handlungskenntniß: so muß ihm zur Prüfung der Balance, und Vergleichung
derselben mit den Büchern, ein sachverständiger Assistent von dem Gerichte
zugeordnet werden.
§. 767. Bezeugen der Vormund und dessen Assistent, mit
Ueberreichung der versiegelten Balance, daß das Vermögen der Pflegebefohlnen in
der Handlung des Mannes, nach deren gegenwärtigen Verfassung, nicht gefährdet
sey: so kann das Gericht in dessen Verabfolgung willigen.
§. 768. Es muß aber auch der Mann fernerhin, und so lange
die Vormundschaft dauert, bey dem jährlichen Abschlusse und Formirung der
Balance, den Vormund und dessen Assistenten zuziehen.
§. 769. Diese jährliche Balance muß ebenfalls, versiegelt,
bey dem vormundschaftlichen Gerichte niedergelegt werden.
§. 770. Auch außer dieser gewöhnlichen Revision, kann der
Vormund, so oft er es nöthig findet, die Vorlegung der Bücher verlangen.
§. 771. Sobald der Vormund, bey einer solchen gewöhnlichen
oder außerordentlichen Revision, eine dem Vermögen der Pflegebefohlnen drohende
Gefahr inne wird, muß er selbige dem Gerichte ohne Rückhalt anzeigen.
§. 772. Auch muß er, unter Direction des Gerichts, die
erforderlichen Vorkehrungen treffen, daß durch Beygebung eines Aufsehers, oder
andere nach den Umständen schickliche Mittel, die drohende Gefahr nach
Möglichkeit abgewendet werde.
§. 773. Will der Mann mit dem Vermögen der Frau erst eine
Handlung anfangen: so kann er dessen Ausantwortung nur gegen vollständige
Sicherheitsbestellung fordern.
§. 774. Will der Mann eine der Pflegebefohlnen von ihrem
Vater oder sonstigem Erblasser zugefallene Handlung fortsetzen: so muß er dazu,
auf beigebrachte glaubwürdige Zeugnisse von seinen Fähigkeiten, Kenntnissen,
und Wirtschaftlichkeit, gelassen werden; sobald nicht überwiegende Gründe zur
gänzlichen Aufhebung einer solchen Handlung, nach dem Gutachten der
Sachverständigen vorhanden sind. (§. 617. sqq.)
§. 775. Wird dem Manne die Fortsetzung der Handlung
gestattet: so ist er als Disponent anzusehen, und steht, als solcher, gegen den
Vormund und das Gericht, in den §. 627. sqq. bestimmten Verhältnissen.
Von Erbverträgen bey der Verheirathung einer
Pflegebefohlnen.
§. 776. Sollen bey Verheirathung eines oder einer
Pflegebefohlnen, Verträge wegen der künftigen Erbfolge geschlossen werden: so
muß der Vormund das Interesse der Pflegebefohlnen redlich besorgen, und die
Approbation des vormundschaftlichen Gerichts einholen.
§. 777. Weder der Vormund, noch das Gericht, machen sich
verantwortlich, wenn sie in Ansehung der Erbfolge bey den Verordnungen der
Gesetze stehen bleiben.
§. 778. Soll durch dergleichen Verträge gewissen Vortheilen
entsagt werden, welche die Gesetze den Pflegebefohlnen in dem künftigen
Nachlasse ihres Ehegatten anweisen: so muß der Vormund die dazu vorwaltenden
Gründe dem vormundschaftlichen Gerichte zur besondern Prüfung anzeigen.
§. 779. Findet das Gericht, daß der Vortheil, welchem
entsagt werden soll, von dem Nutzen, welchen die Pflegebefohlnen aus dieser
Entsagung vernünftiger
Weise erwarten
können, überwogen werde; und genehmigt also dasselbe die Entsagung: so kann
weder ihm, noch dem Vormunde, ein widriger Erfolg zur Last gelegt werden.
Besonders wo Gemeinschaft der Güter stattfindet.
§. 780. Wenn an Orten, wo die Gemeinschaft der Güter
unter Eheleuten nach Provinzialgesetzen oder Statuten eingeführt ist, ein
Pflegebeföhlner männlichen oder weiblichen Geschlechts noch während der
Lebenszeit des Vaters verheirathet; und dabey die Gemeinschaft durch Vertrag
gesetzmäßig nicht ausgeschlossen worden: so können der Vormund und das
vormundschaftliche Gericht die Fortsetzung derselben nicht hindern.
§. 781. Wohl aber können und müssen sie, wenn gesetzmäßige
Gründe der Aufhebung eintreten, davon zum Besten der Pflegebefohlnen Gebrauch
machen. (Tit. I. §. 420. 421.)
§. 782. Wird die Ehe erst während der Vormundschaft
geschlossen: so bleibt die Gemeinschaft bis nach erfolgter Aufhebung der
Vormundschaft ausgesetzt.
§. 783. Doch kann der Vormund, wenn er es dem Besten der
Pflegebefohlnen offenbar zuträglich findet, die Aussetzung mit Genehmigung des vormundschaftlichen
Gerichts sich begeben.
§. 784. Weder die gesetzmäßige Aussetzung der Gemeinschaft,
noch die von dem Vormunde geschehene Entsagung dieser Rechtswohlthat, bedürfen
einer öffentlichen Bekanntmachung.
§. 785. Ist die Gemeinschaft ausgesetzt geblieben: so muß
das Gericht, gleich nach aufgehobener Vormundschaft, die gewesene
Pflegebefohlne vernehmen: ob sie in dergleichen Gemeinschaft mit dem Ehemanne
zu treten gesonnen sey?
§. 786. Der Richter muß ihr alsdann ihre Gerechtsame, die
Folgen der einzugehenden Gemeinschaft, und die Notwendigkeit einer öffentlichen
Bekanntmachung, wen sie ausgeschlossen werden solle, gehörig erklären.
§. 787. Der gewesene Vormund
vertritt dabey die Stelle ihres Assistenten; doch kann sie sich auch, statt
seiner, einen andern Beystand wählen.
§. 788. Daß der Pflegebefohlnen
diese Erklärung angefordert worden; und wohin dieselbe ausgefallen sey? muß in
dem nach §. 705. bey der Entlassung aus der Vormundschaft ihr zu ertheilenden
Zeugnisse ausgedruckt werden.
§. 789. Trägt die gewesene
Pflegebefohlne auf die Ausschließung der Gemeinschaft an: so muß wegen dessen
Bekanntmachung das Erforderliche sofort verfügt werden.
§. 790. Willigt sie in die
Gemeinschaft: so erstrecken sich die Wirkungen derselben auf den Anfang der Ehe
zurück.
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§. 791. Eben das findet statt, wenn
die gewesene Pflegebefohlne Drey Monathe, nach der von dem Richter ihr
ertheilten Belehrung, verstreichen läßt, ohne sich zur Ausschließung der
Gemeinschaft zu erklären, und die gehörige Bekanntmachung zu suchen.
§. 792. Gegen diesen Entschluß der
Pflegebefohlnen, (§. 785.) er falle aus wie er wolle, hat ihr Ehegatte kein
Recht zum Widerspruch.
§. 793. Ist aber gleich bey der Einschreitung der Ehe die
Gemeinschaft, mit Beystimmung des Vormundes, und unter Genehmigung des
vormundschaftlichen Gerichts, ausgeschlossen worden: so hat es dabey, auch nach
erreichter Volljährigkeit der Pflegebefohlnen sein Bewenden.
§. 794. Haben der Vormund, und das vormundschaftliche
Gericht, bey Aufhebung der Vormundschaft, die Erklärung der gewesenen
Pflegebefohlnen nach §. 785. 786. zu fordern verabsäumt; und hat auch diese
innerhalb Dreyer Monathe nach erlangter Volljährigkeit auf die Ausschließung
nicht angetragen: so muß angenommen werden, daß die Gemeinschaft mit der §.
790. bestimmten Wirkung vorhanden sey.
§. 795. Leidet die gewesene Pflegebefohlne dadurch in der
Folge Schaden: so bleibt ihr der Regreß an den Vormund und das Gericht, welche
ihre Pflicht vernachlässigt haben, vorbehalten.
§. 796. Wird die Ehe während der Vormundschaft durch Tod
oder richterliches Erkenntniß getrennt: so ist keine Gemeinschaft der Güter
vorhanden.
§. 797. Erfolgt aber dergleichen Trennung nach aufgehobener
Vormundschaft, und ist keine ausdrückliche Ausschließung geschehen: so wird,
selbst wenn die §. 791. bestimmte Frist noch nicht abgelaufen wäre, dennoch
angenommen, daß die Gemeinschaft statt gefunden habe.
§. 798. Wo nach Provinzialgesetzen oder Statuten, nur eine
Gemeinschaft des Erwerbes durch Heirath entsteht; da hat es, wegen der Ehen der
Pflegebefohlnen, bey den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften sein Bewenden. (Tit.
I. §. 396. sqq.)
§. 799. Gütergemeinschaft durch Vertrag einzugehn, sind der
Vormund und das Gericht nur alsdann berechtigt, wenn davon ein offenbarer
Vortheil für die Pflegebefohlnen mit völliger Sicherheit zu erwarten ist.
Von der Verheirathung einer Pflegebefohlnen zur linken Hand.
§. 800. Heirathet eine Pflegebefohlne zur linken Hand, so
wird dadurch in der Vormundschaft über sie, in der Verwaltung ihres Vermögens,
und ihrer Einkünfte, nichts verändert (Tit. I. §. 874. sqq.)
§. 801. Der Vormund muß aber, bey der Aussetzung und
Sicherstellung der ihr zukommenden Abfindung, ihr Bestes gehörig wahrnehmen.
Von der Verheirathung eines Pflegebefohlnen männlichen
Geschlechts.
§. 802. Heirathet ein Pflegebefohlner männlichen
Geschlechtes: so entsteht dadurch in seinen Verhältnissen wegen der
Vormundschaft gar keine Veränderung.
§. 803. In wie fern er für volljährig zu erklären, oder ihm
die eigne Administration seines Vermögens zu überlassen sey? muß lediglich nach
den obigen Vorschriften beurtheilt werden.
§. 804. Erwerben oder besitzen die von ihm erzeugten Kinder,
vor aufgehobner Vormundschaft über ihn, ein eignes Vermögen: so hat sein
Vormund in Ansehung desselben alle Rechte und Pflichten, die ihm in Ansehung
des eignen Vermögens des Vaters vorgeschrieben sind.
§. 805. Doch können Befreyungen von der
Obervormundschaftlichen(!) Aufsicht, die dem Vormunde, wegen des Vermögens des
Vaters, auf eine an sich rechtsgültige Weise eingeräumt worden, auf einen
solchen nachherigen Vermögensanfall der Kinder nicht ausgedehnt werden.
§. 806. Ueber die Person der Kinder hat der auch unter
Vormundschaft stehende Vater alle Rechte der väterlichen Gewalt, die sich auf
eine Vermögensverwaltung nicht beziehen.
5) Anstellung bürgerlicher Gewerbe.
§. 807. Zur eignen Betreibung bürgerlicher Gewerbe soll kein
Minderjähriger vor erfolgter Majorennitätserklärung zugelassen werden.
§. 808. Ist dieses dennoch geschehen: so wird die
Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit seiner Handlungen und Verträge, in
Ansehung des Dritten, welcher mit ihm sich eingelassen hat, nach den
allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von den Verträgen der Unfähigen beurtheilt.
(Th. I. Tit. V. §. 31. sqq.)
§. 809. Dem Pflegebefohlnen selbst aber, welcher dadurch
Schaden leidet, bleibt der Regreß an den, welcher ihn zu dem Gewerbe
ordnungswidrig zugelassen hat, vorbehalten.
§. 810. Wird jemanden vor erlangter Volljährigkeit ein Amt
übertragen: so hat der Mangel des Alters auf die Verbindlichkeit und
Rechtskraft seiner Amtshandlungen keinen Einfluß.
§. 811. In seinen eignen Angelegenheiten aber bleibt er den
gesetzlichen Einschränkungen der Minderjährigen nach wie vor unterworfen.
§. 812. Wer für einen Verschwender erklärt worden, dem soll
der eigne Betrieb bürgerlicher Gewerbe ferner nicht gestattet werden.
§. 813. In wie fern und mit welcher Wirkung einem
minderjährigen Gutsbesitzer die eigne Verwaltung des Grundstücks überlassen
werden könne, ist §. 728. sqq. bestimmt.
7) Adoption.
§. 814. Durch die Adoption eines Pflegebefohlnen wird die
Vormundschaft über selbigen der Regel nach nicht aufgehoben.
8) Wiederherstellung der Wahn- und
Blödsinnigen.
§. 815. Die Vormundschaft über Rasende, Wahnwitzige, und
Blödsinnige, muß aufgehoben werden, wenn dieselben zum völlig freyen Gebrauche
ihres Verstandes wieder gelangt sind.
§. 816. Ob dieses geschehen sey, muß das vormundschaftliche
Gericht sorgfältig untersuchen.
§. 817. Bey dieser Untersuchung muß, außer dem Vormunde, ein
von dem Gerichte ernannter Sachverständiger, und die anwesenden nächsten
Verwandten, oder in deren Ermangelung, ein dem Pflegebefohlnen besonders zu
bestellender Curator, zugezogen werden.
9) Durch Wiederherstellung der
Taubstummen.
§. 818. Die Vormundschaft über Taubstumme hört auf, wenn bey
angestellter Untersuchung sich findet, daß sie zu der Fähigkeit, ihren Sachen
selbst vorzustehen, gelangt sind.
§. 819. Wenn daher auch der Fehler am Gehöre und an der
Sprache gehoben worden: so muß dennoch erst untersucht werden: ob nicht etwa
Blödsinn oder Schwäche die Fortsetzung der Vormundschaft nothwendig machen?
§. 820. Beyderley Untersuchungen müssen mit Zuziehung der §.
817. benannten Personen angestellt werden.
10) Durch Todeserklärung der Abwesenden.
§. 821. Die Vormundschaft über das Vermögen eines Abwesenden
hört auf, wenn derselbe zurückkommt, oder von seinem Leben und Aufenthalte
Nachricht giebt.
§. 822. Letztern Falls muß er zur Rückkehr, oder zur
Bestellung eines Bevollmächtigten, welcher für die fernere Verwaltung seines
Vermögens sorge, von dem vormundschaftlichen Gerichte aufgefordert werden.
§. 823. Sind aber binnen Zehn Jahren von dem Leben oder Tode
des Abwesenden keine Nachrichten eingegangen: so kann auf seine Todeserklärung
angetragen werden.
§. 824. Die Befugniß, auf die Todeserklärung anzutragen,
kommt den nächsten Verwandten des Abwesenden zu.
§. 825. Wenn sich diese nicht aus eigner Bewegung melden: so
ist das vormundschaftliche Gericht berechtigt, aber nicht verpflichtet, sie
dazu aufzufordern.
§. 826. Sind dem Vormunde und vormundschaftlichen Gerichte
keine Verwandten des Abwesenden bekannt: so kann Letzteres den Ersteren
anweisen, die Todeserklärung selbst nachzusuchen.
§. 827. In diesem Falle aber muß derjenigen Behörde,
welcher, wenn bey der ergehenden Vorladung weder der Abwesende, noch Verwandten
oder Erben von ihm sich melden, das Vermögen als herrnloses Gut zufallen würde,
von der bevorstehenden Verhandlung Nachricht gegeben werden.
§. 828. Der Zehnjährige Zeitraum ist von dem Tage, da die
letzte Nachricht eingegangen, oder wenn gar keine Nachricht eingekommen, von
der Zeit an, da der Abwesende sich entfernt hat, oder vermißt worden ist, zu
rechnen.
§. 829. Ist der Abwesende vor erreichter Großjährigkeit
verschollen: so wird der Zehnjährige Zeitraum erst von dem Tage, wo er majorenn
geworden ist, an gerechnet.
§. 830. Ist er erst in oder nach dem Fünf und sechzigsten
Jahre seines Alters veschollen: so kann er nach Verlauf von Fünf Jahren für
todt erklärt werden.
§. 831. Ist das Alter, in welchem der Abwesende vermißt
worden, nicht bekannt; wohl aber eine gegründete Vermuthung, daß er damals noch
minderjährig gewesen sey, vorhanden: so muß, ehe mit der Todeserklärung
verfahren wird, ein Fünfzehnjähriger Zeitverlauf abgewartet werden.
§. 832. Wird die Abwesenheit eines Verschollenen erst bey
Gelegenheit einer ihm zugefallenen Erbschaft bekannt; und es kann alsdann ein
früherer Zeitpunkt, wo derselbe vermißt worden, nicht ausgemittelt werden: so
ist der Todestag seines Erblassers dafür anzunehmen.
§. 833. Nach Ablauf des gesetzmäßigen Zeitraums, muß mit
öffentlicher Vorladung des Verschollenen, nach Vorschrift der Prozeßordnung
verfahren werden.
§. 834. Nach erfolgter Todeserklärung hört die Vormundschaft
über den Abwesenden auf; und das Vermögen fällt demjenigen zu, welchem es nach
der gesetzlichen Erbfolge gebührt.
§. 835. Bey Bestimmung dieser Erbfolge kommt es auf den Tag
an, an welchem das auf Todeserklärung ergangene Urtel rechtskräftig wird.
§. 836. Stirbt während des Laufes der Untersuchung, oder der
gegen das Erkenntniß zulässigen Rechtsmittel, der nächste Verwandte, welcher
die Todeserklärung betrieben hat: so ist derjenige, welcher durch seinen Tod dem
Verschollenen der Nächste wird, befugt, die Sache für eigne Rechnung, bis zur
Rechtskraft fortzusetzen.
§. 837. Er muß aber alsdann dem Erben des Klägers die bis
dahin aufgewendeten Kosten vergüten.
§. 838. Hat das Erkenntniß auf Todeserklärung einmal die
Rechtskraft erlangt: so können Restitutionsgesuche, und andere außerordentliche
Rechtsmittel, die etwa hernach noch eingewendet werden, einem Dritten, welcher
erst nach der Rechtskraft dem Abwesenden der Nächste geworden ist, nicht zum
Vortheile gereichen.
§. 839. Hat der Abwesende vor seiner Entfernung ein
Testament gerichtlich niedergelegt: so muß dasselbe nach rechtskräftig
feststehender Todeserklärung gehörig publicirt werden.
§. 840. Der Testaments-, ingleichen der Vertragserbe, gehen
auch hier dem gesetzlichen Erben vor.
§. 841. So lange das auf Todeserklärung ergangene Urtel noch
nicht rechtskräftig, oder das nach der Bestimmung §. 834. dem Erben zuerkannte
Vermögen noch nicht verabfolgt ist, muß der Nachweis: daß der Abwesende früher
oder später gestorben, und also der Anfall an einen andern Erben gediehen sey,
zugelassen werden.
§. 842. Ist das Vermögen einmal verabfolgt: so findet der
Nachweis, daß der Abwesende früher oder später gestorben, und nach diesem Zeitpunkte
seines natürlichen Todes das Vermögen einem Andern angefallen sey, nur mit der
Wirkung statt, daß der solchergestalt ausgemittelte wahre Erbe den Nachlaß von
dem Besitzer zwar zurückfordern kann; jedoch dabey nicht mehr Recht hat, als
der Erblasser selbst, wenn er nach der Todeserklärung zurückgekommen wäre,
gehabt haben würde. (§. 847. sqq.)
§. 843. Was hier von Intestaterben verordnet ist, gilt auch
von Testaments- oder Vertragserben, die sich erst nach erfolgter Ausantwortung
des Vermögens melden.
§. 844. Kann aber der, welcher auf den Grund der erkannten
Todeserklärung das Vermögen in Besitz genommen hat, überführt werden, gewußt zu
haben, entweder daß der Verschollene früher gestorben; oder daß er zur Zeit der
Todeserklärung noch am Leben gewesen sey; oder daß er ein Testament oder einen
Erbschaftsvertrag errichtet habe: so muß ein solcher Besitzer demjenigen,
welchem hiernach das Erbrecht wirklich zukommt, das in Besitz genommene
Vermögen zu allen Zeiten vollständig herausgeben.
§. 845. Außerdem muß er gegen denselben die Obliegenheiten
eines unredlichen Besitzers durchgehends vertreten.
§. 846. Die Kosten der Todeserklärung müssen in allen Fällen
aus dem Vermögen des Abwesenden genommen werden.
§. 847. Meldet sich der Abwesende nach der Todeserklärung:
so kann er sein Vermögen, so weit dasselbe, oder dessen Werth noch vorhanden
sind, zurückfordern.
§. 848. Wegen der Nutzungen, Verbesserungen, und
Verschlimmerungen, auch sonst überall, wird der, welcher das Vermögen auf den
Grund der gerichtlichen
Todeserklärung in Besitz genommen hat, außer dem Falle des
§. 844. als ein redlicher Besitzer angesehn.
§. 849. Verfügungen, welche der Besitzer, auf den Grund der
erkannten Todeserklärung, mit einem Dritten getroffen hat, können zum
Nachtheile dieses Dritten, wenn er nicht selbst der Unredlichkeit überführt
werden kann, in keinem Falle angefochten werden.
§. 850. Nur in dem einzigen Falle, wenn der Besitzer etwas
von dem Vermögen, aus einer blossen Freygiebigkeit, und auch nicht durch eine
belohnende Schenkung, an einen Andern übertragen hat; und das Geschenkte oder
dessen Werth sich noch wirklich in den Händen des Uebernehmers befindet, kann
der Zurückgekommene dergleichen Summe oder Sache wieder fordern.
§. 851. Aber auch hier hat der Uebernehmer alle Rechte eines
vollständigen redlichen Besitzers.
§. 852. Meldet sich der Verschollene erst nach Dreyßig
Jahren, von dem Tage der rechtskräftigen Todeserklärung an gerechnet: so kann
er von dem Besitzer des Vermögens, so weit dasselbe dazu hinreicht, nur einen
nach seinem Stande nothdürftigen Unterhalt fordern.
§. 853. Nur die zur Erbfolge berechtigten Abkömmlinge des
Verschollenen haben hierunter, wenn sie sich erst Dreyßig Jahre nach der
Todeserklärung melden, mit ihm gleiche Rechte.
§. 854. Sind seit der Entfernung des Abwesenden, oder seit
der letzten von ihm eingegangenen Nachricht, Vierzig Jahre verflossen, ohne daß
in der Zwischenzeit Todeserklärung gesucht worden: so kann dieselbe auf den
Antrag des alsdann vorhandenen nächsten Verwandten erfolgen, ohne daß es einer
Edictalcitation bedarf.
§. 855. War der Verschollene zur Zeit seiner Entfernung noch
nicht Vier und zwanzig Jahr alt: so werden diese Vierzig Jahre von dem Tage an,
da er das Vier und zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, gerechnet.
11) Durch Besserung des Verschwenders.
§. 856. Die Vormundschaft über einen Verschwender muß
aufgehoben werden, sobald derselbe überzeugende Proben seiner gründlich
erfolgten Besserung beybringt.
§. 857. Die Gründe des Aufhebungsgesuchs müssen von dem
Gerichte, mit Zuziehung des Vormundes und der Verwandten, nach den Vorschriften
der Prozeßordnung sorgfältig geprüft werden.
§. 858. Nur eine anhaltende, wenigstens durch Zwey Jahre
erprobte Besserung, kann zur Begründung eines solchen Gesuchs zugelassen
werden.
§. 859. Einem gewesenen Verschwender muß das Gericht, bey
seiner Entlassung, ein Zeugniß darüber zu dem §. 705. angegebenen Behuf
ertheilen.
12) durch den natürlichen Tod des Pflegebefohlnen
§. 860. Durch den natürlichen Tod des Pflegebefohlnen wird
jede Vormundschaft aufgehoben.
§. 861. Längstens innerhalb Zwey Monathen nach geendigter
Vormundschaft, ist der Vormund die Schlußrechnung einzureichen verbunden.
Nach geendigter Vormundschaft muß
a) die Schlußrechnung gelegt;
§. 862. Ein Gleiches muß geschehen,
wenn die Vormundschaft nur in Rücksicht auf die Erhaltung der Substanz des Vermögens
fortgesetzt wird; die Verwaltung des Vormundes aber gänzlich aufhört.
§. 863. Die Rechnungslegung geschieht dem gewesenen
Pflegebefohlnen, oder dessen Erben.
§. 864. Mit der Schlußrechnung zugleich, müssen dem
Rechnungsnehmer das Inventarium, und die vorhin dem vormundschaftlichen
Gerichte übergebenen Jahresrechnungen, ingleichen die verhandelten
Vormundschaftsacten vorgelegt werden.
§. 865. Dem Pflegebefohlnen steht es frey, bey der
Schlußrechnung auch noch Erinnerungen gegen die schon abgelegten Rechnungen
nachzubringen.
§. 866. Doch kann er gegen Rechnungen, die weiter als auf
Zehn Jahre zurückgehen, und worüber der Vormund von dem Gerichte quittirt
worden ist, nur solche Ausstellungen machen, die auf eine durch Vorsatz oder
grobes Versehen ihm zugefügte Verkürzung sich gründen.
§. 867. Ob die Abnahme der Rechnung gerichtlich geschehen
solle, hängt hauptsächlich von dem Befunde des Rechnungsnehmers ab.
§. 868. Doch können auch der Vormund, ingleichen das
vormundschaftliche Gericht, auf der gerichtlichen Abnahme der Rechnung
bestehen, so bald der Rechnungsnehmer mit Ertheilung der(!) Verzicht zögert.
(§. 894.)
§. 869. Wird nur die Vermögensverwaltung nach §. 729. sqq.
dem Pflegebefohlnen überlassen; die Vormundschaft selbst aber noch fortgesetzt:
so muß die Schlußrechnung, so wie jede andere, bey dem vormundschaftlichen
Gerichte gelegt und abgenommen werden.
|§. 870. Ein Vormund, welcher während der Führung seines
Amtes von der Rechnungslegung an das Gericht befreyt gewesen, kann sich dennoch
der Pflicht, dem gewesenen Pflegebefohlnen, oder dessen Erben, vollständige
Rechnung abzulegen, nicht entziehen.
§. 871. Hat der Erblasser des Pflegebefohlnen den Vormund
nur in allgemeinen Ausdrücken von der Rechnungslegung befreyt: so ist
anzunehmen, daß derselbe dem Vormunde diese Pflicht nur in Ansehung des
vormundschaftlichen Gerichtes habe erlassen wollen. (§. 693. 694.)
§. 872. Ein solcher Vormund kann sich also nicht entbrechen,
Rechnungen zu halten, und dieselben, nach geendigter Vormundschaft, dem
gewesenen Pflegebefohlnen vorzulegen.
§. 873. Doch kann letzterer gegen diese Rechnungen nur
solche Ausstellungen machen, die eine von dem Vormunde aus Vorsatz oder groben
Versehen ihm zugefügte Verkürzung betreffen.
§. 874. Erhellet aber aus der an sich rechtsgültigen
Verordnung des Erblassers, daß der Vormund von aller Rechnungslegung, auch an
den Pflegebefohlnen, befreyt seyn solle: so hat es dabey lediglich sein
Bewenden.
§. 875. Ein solcher Pflegebefohlner muß mit einer
allgemeinen Nachweisung der Substanz, so wie dieselbe zur Zeit der angetretenen
Vormundschaft sich verhalten hat, und gegenwärtig beschaffen ist, sich begnügen.
§. 876. Kann jedoch der gewesene Pflegebefohlne bestimmte
Anzeigen einer bey einem einzelnen Geschäfte von dem Vormunde ihm vorsätzlich
zugefügten Verkürzung anführen und einigermaßen bescheinigen: so kann der
Vormund ihm über dieses Geschäft nähere Auskunft und Rechenschaft zu geben sich
nicht entbrechen.
§. 877. Wird der Vormund auch nur bey einem einzelnen
Geschäfte eines unredlichen Verhaltens überführt: so ist er schuldig, dem
gewesenen Pflegebefohlnen über seine ganze geführte Verwaltung vollständige
Rechnung abzulegen.
§. 878. In allen Fällen, da ein von der Rechnungslegung
befreyt gewesener Vormund gleichwohl aus einem oder dem andern rechtlichen
Grunde dazu für schuldig erklärt wird, und derselbe eine ordentliche Rechnung
nicht ablegen kann oder will, muß er von der in seine Verwaltung übernommenen
Vermögenssubstanz Sechs vom Hundert an Zinsen, ohne den mindesten Abzug
entrichten.
§. 879. Kann auch die Substanz nicht ausgemittelt werden: so
ist der, welchem die Rechnung gelegt werden soll, zur eidlichen Angabe
derselben zu verstatten.
b) das
Vermögen ausgeantwortet,
§. 880. Wenn nicht bloß die vormundschaftliche
Administration, sondern zugleich die ganze Vormundschaft aufhört: so muß dem
gewesenen Pflegebefohlnen, oder dessen Erben, sein gesammtes Vermögen von dem
Vormunde und dem vormundschaftlichen Gerichte ausgeantwortet werden.
§. 881. Diese Ausantwortung kann der gewesene
Pflegebefohlne, gegen Empfangschein, sofort, und noch ehe die Schlußrechnung
abgenommen ist, fordern.
§. 882. Dagegen müssen dem Vormunde alle nach der
Schlußrechnung zu fordern habende Vorschüsse und Auslagen unverzüglich gut
gethan werden.
§. 883. Werden zwar die Vorschüsse von dem Rechnungsnehmer
nicht anerkannt; es findet sich aber, daß die sämmtlichen Ausgaben in der
Rechnung mit unverdächtigen Belägen bestärkt sind: so steht dem Vormunde frey:
ein verhältnißmässiges Quantum von dem auszuantwortenden Vermögen, bis zum
Austrage der Sache, mit Arrest zu belegen.
§. 884. Auch kann er wegen solcher Vorschüsse eine Protestation
auf die Grundstücke des Pflegebefohlnen eintragen lassen.
c) der
Vormund gerichtlich quittirt werden.
§. 885. Nach gelegter Schlußrechnung, und erfolgter
Vermögensausantwortung, ist der gewesene Pflegebefohlne, oder dessen Erbe, den
gewesenen Vormund und das vormundschaftliche Gericht gerichtlich zu quittiren
verbunden.
§. 886. Der Ertheilung dieser Verzicht kann der
Pflegebefohlne sich nicht weigern, wenn auch noch ein oder anderer Punkt aus
der geführten Administration einer nähern, oder gar gerichtlichen Erörterung
bedarf.
§. 887. Vielmehr müssen dergleichen noch unerörterte Punkte
in der Quittung ausdrücklich vorbehalten werden.
§. 888. Mit dem Tage der geleisteten Verzicht hört das §.
295. beschriebene Vorzugsrecht des gewesenen Pflegebefohlnen in den Gütern des
Vormundes auf, und dieser muß von der etwa besonders bestellten Caution
entbunden werden.
§. 889. Die Entbindung von dieser Caution kann jedoch der
Vormund schon alsdann fordern, wenn ihm die Vermögensadministration abgenommen
wird.
§. 890. Doch muß, in dem Falle des §. 886. die Caution so
weit stehen bleiben, als es zur Deckung solcher Ansprüche des Pflegebefohlnen
bis zum Austrage der Sache erforderlich ist.
§. 891. Es steht aber dem gewesenen Vormunde frey, den
Pflegebefohlnen wegen solcher Ansprüche anderweitig zu decken, und dagegen auf
Losgebung der ganzen Caution anzutragen.
§. 892. Das gesetzliche Vorrecht in dem Vermögen des
Vormundes dauert auch in dem Falle des §. 889. so lange fort, bis demselben,
nach völlig aufgehobener Vormundschaft, förmliche Verzicht geleistet worden.
§. 893. Mit Ertheilung der Verzicht muß der gewesene
Pflegebefohlne nicht übereilt werden.
§. 894. Zögert er jedoch damit über Ein Jahr, vom Tage der
ihm zugestellten Schlußrechnung: so können ihn der Vormund, und das
vormundschaftliche Gericht, zu deren Ertheilung, oder zur gerichtlichen
Anbringung seiner Ausstellungen, im ordentlichen Wege Rechtens anhalten.
§. 895. Auch nach ertheilter Generalverzicht, kann der
gewesene Pflegebefohlne den Vormund aus solchen Angelegenheiten und Geschäften
in Anspruch nehmen, die in den Rechnungen, und den ihm vorgelegten Acten, nicht
vorgekommen sind.
§. 896. Außerdem sind alsdann keine weitere Ausstellungen
zuläßig, als welche einen von dem Vormunde begangenen Betrug, und vorsätzliche
Verkürzung zum Grunde haben.
§. 897. Wegen der Rechnungsfehler finden eben die
Vorschriften, wie bey einem Verwalter fremden Eigenthums Anwendung. (Th.
I. Tit. XIV. §. 151.)
§. 898. Die Rechnungslegung, Quittung, und Löschung der
Caution, geschieht auf Kosten des gewesenen Pflegebefohlnen.
§. 899. Auch ein solcher Vormund, der keine Rechnung zu
legen gehabt hat, kann nach erfolgter Ausantwortung des Vermögens,
Quittungsleistung über gehörig geführte Vormundschaft fordern.
II. Endigung der Vormundschaft von Seiten des Vormundes,
1) durch den Tod desselben;
§. 900. Von Seiten des Vormundes, endigt sich das
vormundschaftliche Amt desselben durch sein Absterben.
§. 901. Einen solchen Todesfall müssen die Erben, oder die
zurückgelassene Ehegattin des Vormundes, dem vormundschaftlichen Gerichte, ohne
Zeitverlust, bey eigener Vertretung anzeigen.
§. 902. Eben diese Anzeige liegt auch einem etwa bestellten
Mitvormunde bey gleicher Vertretung ob.
§. 903. Sind die Erben unbekannt, abwesend, oder selbst der
Bevormundung bedürftig; und ist auch von einem bestellten Mitvormunde nichts
bekannt: so muß die Obrigkeit, welche in einem solchen Falle für die Sicherheit
der Verlassenschaft des verstorbenen Vormundes zu sorgen hat, wenn sie nicht
selbst das vormundschaftliche Gericht ist, diesem von dem Abgange des
bisherigen Vormundes Nachricht geben.
§. 904. Das vormundschaftliche Gericht muß sofort für die
Sicherung des bisher unter den Händen des Vormundes gewesenen Vermögens, und
für die Bestellung eines andern Vormundes sorgen.
§. 905. Zieht die neue Bevormundung sich in die Länge: so
muß dem Pflegebefohlnen ein Interimscurator bestellt werden.
§. 906. Die Erben des verstorbenen Vormundes, oder wenn
keine Erben sind, der von der ordentlichen Obrigkeit über dessen Nachlaß
bestellte Curator, sind schuldig, dem neuen Vormunde über das Vermögen der
Pflegebefohlnen Schlußrechnung abzulegen.
§. 907. Dieses muß, wenn lauter großjährige Erben vorhanden
sind, binnen Sechs Wochen nach dem Ablaufe der gesetzlichen Ueberiegungsfrist
geschehen.
§. 908. Sind aber Pflegebefohlne unter ihnen, oder hat ein
Verlassenschaftscurator bestellt werden müssen: so kann diesen eine
dreymonathliche Frist zur Rechnungslegung nicht versagt werden.
§. 909. Die Abnahme der Rechnung muß bey dem
vormundschaftlichen Gericht erfolgen.
§. 910. Der neue Vormund hat dabey alle Rechte und
Pflichten, welche dem Pflegebefohlnen selbst, bey der nach Endigung der
Vormundschaft zu legenden Schlußrechnung zukommen. (§. 863. sqq.)
§. 911. Bey Abforderung der Schlußrechnung, ingleichen bey
Prüfung derselben, haftet der neue Vormund für ein mäßiges Versehen.
§. 912. Dagegen trift ihn, wegen unterlaßner Erinnerungen
gegen die vorhergehenden von dem vormundschaftlichen Gerichte schon
abgenommenen Rechnungen, keine Vertretung, wenn er nur in der Folge, da ihm
Verkürzungen des Pflegebefohlnen bekannt werden, die Rechte desselben nach §.
895. 896. 897. zu beobachten, nicht vernachläßigt.
§. 913. Entsteht ein Rechnungsprozeß: so müssen sich die
Erben des Vormundes darüber vor eben dem Gerichte einlassen, wo der Erblasser
in Angelegenheiten dieser Vormundschaft, Recht zu nehmen schuldig war.
§. 914. Wird über den Nachlaß des gewesenen Vormundes bey
einem andern Gerichte Concurs eröfnet(!): so ist der neue Vormund die demselben
gemachten Austellungen(! = Ausstellungen) bey dem Concurs nur zu dem Ende
anzuzeigen verbunden, damit ihnen in dem Prioritätsurtel ihr gehöriger Ort
angewiesen werde.
§. 915. Alles, was zum Vermögen des Pflegebefohlnen gehört,
müssen die Erben sofort, und ohne die Rechnungslegung abzuwarten, nach der
Anweisung des Gerichts, dem neuen Vormunde, oder dem Gerichte selbst, gegen
Empfangschein verabfolgen.
§. 916. Nach gelegter Schlußrechnung, und ausgeantwortetem
Vermögen, müssen die Erben des Vormundes von dem neuen Vormunde gerichtlich
quittirt werden.
§. 917. Dergleichen Verzichtleistung hat für die Erben eben
die Wirkung, wie diejenige, die nach gänzlich aufgehobener Vormundschaft von dem
gewesenen Pflegebefohlnen selbst ertheilt wird.
2) durch Entlassung;
§. 918. Das vormundschaftliche Gericht kann den von ihm
bestellten Vormund wieder entlassen, und einen andern bestellen, sobald es
solches dem Besten des Pflegebefohlnen zuträglich findet.
§. 919. Nur alsdann, wenn der zu entlassende Vormund
widerspricht, muß ihm über die Ursachen der Entlassung rechtliches Gehör und
Erkenntniß verstattet werden.
§. 920. Personen, welche nach den Gesetzen zu Vormündern
vorzüglich bestellt werden müssen (§. 172. sqq.), ist das Gericht, wenn sie
einmal bestellt worden, nur alsdann wieder zu entlassen berechtigt, wenn
nachgewiesen werden kann, daß ihre längere Beybehaltung den Pflegebefohlaen
schädlich oder gefährlich seyn würde.
§. 921. Andere Vormünder können auch wegen, eines geringeren
Grades von Nachläßigkeit oder Unordnung ihres Amts entlassen werden.
§. 922. Schuldbare Verzögerung in Einbringung der schuldigen
Rechnungen, ist ein rechtmäßiger Grund zur Entlassung eines jeden Vormundes.
§. 923. Wenn während der Vormundschaft Prozesse über
wichtige Forderungen oder Rechte zwischen dem Vormunde und dem Pflegebefohlnen
entstehen (§. 147.): so kann dieses, nach vernünftigem und billigem Ermessen
des Gerichts, für einen hinreichenden Grund zur gänzlichen Entlassung des
Vormundes angenommen werden.
3) durch Remotion;
§. 924. Macht aber der Vormund sich eines unredlichen
Betragens gegen den Pflegebefohlnen verdächtig: so muß die Sache von Amts wegen
untersucht, und über seine Remotion erkannt werden.
§. 925. Besonders findet diese Remotion statt, wenn der
Vormund Gelder und Vermögen des Pflegebefohlnen, ohne Vorwissen des Gerichts,
für sich selbst genutzt hat.
§. 926. Neben- und Ehrenvormünder sind schuldig, wenn sie
ein unredliches Betragen bey dem administrirenden Vormunde wahrnehmen, dasselbe
dem vormundschaftlichen Gerichte, zur nähern Untersuchung, bey eigner
Vertretung anzuzeigen.
§. 927. Die Verwandten des Pflegebefohlnen, welche nach §.
97-100. für seine Bevormundung sorgen müssen, sind auch schuldig, ein zu ihrer
Wissenschaft gelangendes unredliches Verhalten des Vormundes dem Gerichte, bey
gleicher Vertretung, zu eröffnen.
§. 928. Auch gehören dergleichen Anzeigen zu den
Amtspflichten der fiskalischen Bedienten.
§. 929. Jeder Bürger des Staats hat das Recht, wenn er
wahrnimmt, daß ein Vormund mit der Person, oder den Gütern des Pflegebefohlnen
untreu oder sorglos umgehe, die Obrigkeit davon zu benachrichtigen.
§. 930. Der Pflegebefohlne selbst kann die bemerkte
Sorglosigkeit oder Untreue seines Vormundes dem Gerichte anzeigen.
§. 931. Auf dergleichen Anzeigen, wenn sie nothdürftig
bescheinigt sind, oder bey einer vorläufigen ohne Aufsehen anzustellenden
Prüfung nicht ungegründet befunden werden; ingleichen wenn das Gericht selbst
ein pflichtwidriges Verhalten an dem Vormunde wahrnimmt, muß die Untersuchung
wider ihn verfügt werden.
§. 932. Während der Untersuchung ist das vormundschaftliche
Gericht schuldig und befugt, für die Sicherheit des Pflegebefohlnen, durch
Bestellung eines Nebenvormundes, oder Aufsehers; durch Inhibitionen an die
Pächter, oder Schuldner; durch Erhöhung der Caution; und andere nach den
Umständen schickliche Maaßregeln, Sorge zu tragen.
§. 933. Findet sich bey der Untersuchung, daß der Vormund
sich der Veruntreuung und Unredlichkeit in Führung seines Amts schuldig gemacht
habe: so muß er dessen durch Urtel und Recht entsetzt, und dem Pflegebefohlnen
ein anderer Vormund bestellt werden.
§. 934. Dieser muß unverzüglich auf Legung der
Schlußrechnung, ingleichen auf Herausgabe des etwa noch in den Händen des
entsetzten Vormundes befindlichen Vermögens dringen, und für die Beytreibung
alles dessen, was derselbe dem Pflegebefohlnen zu vertreten hat, sorgen.
§. 935. Außerdem muß auf Bestrafung eines solchen wegen
Untreue oder Unredlichkeit entsetzten Vormundes, nach Vorschrift des
Criminalrechts erkannt werden.
§. 936. Wird der Vormund bey der Untersuchung bloß eines
Versehens schuldig befunden: so ist er nur zur Vertretung des dem
Pflegebefohlnen daraus entstandenen Schadens gehalten.
§. 937. In einem solchen Falle muß er zwar von der
angetragenen Remotion ausdrücklich frey gesprochen werden; doch hängt es bloß
von dem Ermessen des Gerichts ab: ob ihm dasselbe die Vormundschaft länger
anvertrauen, oder ihn davon entlassen wolle.
§. 938. Hat ein solcher Vormund ein grobes Versehen
begangen: so verliert er die von dem Erblasser für die anvertrauete
Vormundschaft ihm ausgesetzte Belohnung.
§. 939. Auch wenn der Vormund ganz unschuldig befunden
worden, kann er dennoch gegen solche Denuncianten, welche zur Aufsicht über
ihn. unter Vertretung verpflichtet sind, keine Injurienklage anstellen.
§. 940. Doch findet die Injurienklage statt, wenn
dergleichen Denuncianten den Vormund, wider besseres Wissen Ueberzeugung,
entehrender Handlungen beschuldigt haben.
4) durch
eintretende Gründe zur Excusation.
§. 941. Wenn jemand, während der Führung einer
Vormundschaft, eines von denjenigen Vorrechten erlangt, welche von Uebernehmung
eines vormundschaftlichen Amts befreyen: so giebt ihm dieses dennoch kein
Recht, die einmal übernommene Vormundschaft wider den Willen der Obrigkeit
niederzulegen.
§. 942. Gelangt der Vormund zu einem Amte, oder in ein
Verhältniß, welches für ihn, wenn er eine neue Vormundschaft übernehmen sollte,
die besondere Erlaubniß einer vorgesetzten Behörde nothwendig machen würde: so
muß er diese Veränderung seiner Umstände dem vormundschaftlichen Gerichte
anzeigen, und zugleich die Erlaubniß zur Beybehaltung der Vormundschaft bey der
Behörde nachsuchen. (§. 158-163.)
§. 943. Wird letztere verweigert, oder kann sie das
vormundschaftliche Gericht in dem Falle des §. 158. 159. nicht annehmen: so muß
der Vormund entlassen werden.
5) durch eintretende Unfähigkeit;
§. 944. Geräth ein schon bestellter Vormund in Umstände, wo
er der Vormundschaft fernerhin gehörig vorzustehen sich nicht getrauet: so ist
er befugt und schuldig, dieselben dem vormundschaftlichen Gerichte zur nähern
Beurtheilung anzuzeigen.
§. 945. Auch ohne dergleichen Anzeige muß das Gericht einen
Vormund, welcher in Umstände kommt, wo er seinem Amte nicht mehr gehörig
vorstehen kann, desselben, sobald dergleichen Umstände zu seiner Wissenschaft
gelangen, entlassen, und für die Bestellung eines andern Vormundes sorgen.
§. 946. Muß der Vormund wegen Wahn- oder Blödsinns, oder aus
andern Ursachen, selbst unter Vormundschaft gesetzt werden: so findet alles
statt, was §. 900. sqq. von der Aufhebung der Vormundschaft durch den
natürlichen Tod des Vormundes verordnet ist.
6) durch Wiederverheirathung der zur Vormünderin bestellt
gewesenen Mutter.
§. 947. Die zur Vormünderin bestellte Mutter des
Pflegebefohlnen muß, wenn sie zu einer andern Ehe schreitet, dem
vormundschaftlichen Gerichte, noch vor Vollziehung der Heirath, davon Anzeige
machen.
§. 948. Unterläßt sie dieses: so muß Untersuchung wider sie
verfügt, und sie, nach Befund der Umstände, der Vormundschaft als verdächtig
entsetzt, oder doch entlassen werden.
§. 949. Wenn die Mutter, vor regulirter Sache, ohne
Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes, sich wieder verheirathet hat: so
muß ihr Mann für das, was sie aus der Vormundschaft zu vertreten hat, als
Selbstschuldner haften; und die Pflegebefohlnen haben, zu ihrer Sicherheit, in
seinem Vermögen eben die Rechte, wie in dem Vermögen eines Vormundes.
Pflichten eines entlassenen Vormundes, bis zur erfolgten
Bestellung eines andern.
§. 950. In allen Fällen, wo ein Vormund seines Amtes von dem
vormundschaftlichen Gerichte entlassen werden soll, ist er befugt und schuldig,
dasselbe so lange noch fortzusetzen, bis dem Pflegebefohlnen ein neuer Vormund
wirklich bestellt worden.
§. 951. Alsdann muß ihm, nach gehörig gelegter und
abgenommener Schlußrechnung, auch erfolgter Ausantwortung des in Händen
gehabten Vermögens, von dem neuen Vormunde Quittung geleistet werden.
§. 952. Wenn einem Pflegebefohlnen mehrere Vormünder
bestellt sind, und einer derselben abgeht: so hängt es lediglich von dem
Ermessen des vormundschaftlichen Gerichtes ab: ob seine Stelle wieder ersetzt,
oder die Vormundschaft von dem oder den übrigen allein verwaltet werden solle.
Neunter Abschnitt
Von den Rechten und Pflichten der Curatoren
Von Curatoren überhaupt.
§. 953. Curatores, welche den Pflegebefohlnen nur zu
gewissen Geschäften und Angelegenheiten bestellt werden, haben, in Ansehung
dieser Geschäfte, die Rechte und Pflichten eines Vormundes.
§. 954. Außer dem, was wegen der Militairpersonen §. 77.
sqq. verordnet ist, kommt die Bestellung des Curators eben dem Gerichte zu,
welchem die Bevormundung, wenn der Fall dazu vorhanden wäre, gebühren würde.
§. 955. Doch kann auswärtigen Pflegebefohlnen, welche in
hiesigen Landen einen Prozeß oder ein einzelnes Geschäfte haben, ein Curator
dazu von dem hiesigen Richter, bey welchem der Prozeß oder das Geschäfte zu
betreiben ist, bestellt werden.
§. 956. Bey Curatoren findet alles statt, was vorstehend von
Vormündern verordnet ist; in so fern nicht besondere Vorschriften, oder die
Natur ihres nur ein einzelnes Geschäfte betreffenden Amts, Ausnahmen begründen.
§. 957. Das Geschäfte(! = Geschäft)) oder die Angelegenheit,
zu welchen sie verordnet sind, muß in der ihnen ertheilten Bestallung deutlich
ausgedrückt werden.
§. 958. Ist mit ihrem Auftrage eine Vermögens-Administration
verknüpft: so sind sie, gleich den Vormündern, zur Einreichung eines
Inventarii, zur Cautionsbestellung, und zur Rechnungslegung verbunden.
§. 959. So lange dergleichen Administration dauert, haben
die Pflegebefohlnen in dem Vermögen ihrer Curatoren eben die Vorrechte, wie in
dem Vermögen der Vormünder.
§. 960. Das Amt eines solchen Curators hört auf, sobald das
Geschäft, zu welchem er bestellt ist, beendigt und in Richtigkeit(!) gesetzt
worden.
§. 961. Sobald das vormundschaftliche Gericht, oder der
inzwischen zu der Fähigkeit, sich selbst vorzustehn, gelangte Pflegebefohlne,
das Geschäft für berichtigt ausdrücklich oder stillschweigend angenommen haben,
erreicht auch das dem Pflegebefohlnen in dem Vermögen des Curators zukommende
Vorrecht sein Ende.
I. Von Curatoren einer noch ungebornen Leibesfrucht.
§. 962. Der Curator einer noch ungebornen Leibesfrucht hat
darauf zu sehn, daß die Wittwe aus dem Nachlasse gehörig verpflegt, der Nachlaß
selbst aber sicher aufbewahrt, und weder verbracht(!), noch verdunkelt werde.
§. 963. Die Verwaltung des Nachlasses liegt ihm nur alsdann
ob, wenn er zugleich zum Verlassenschaftscurator bestellt worden. (Th.
I.Tit. IX. §. 371.
sqq.)
§. 964. Diese Curatel endigt sich mit Ablauf des Zeitraums,
binnen welchem nach den Gesetzen entschieden seyn muß: ob ein rechtmäßiges Kind
des Verstorbenen vorhanden sey?
§. 965. Wird binnen dieser Frist die Wittwe von einem
lebendigen Kinde entbunden: so muß der der Leibesfrucht bestellt gewesene Curator
für dessen ordentliche Bevormundung sorgen.
§. 966. Auch der aus unehelicher Schwängerung erzeugten
Leibesfrucht muß ein Curator bestellt werden.
§. 967. Diesem liegt es ob, die Rechte der Leibesfrucht
wegen Ernährung der Mutter, und Ausmittelung der Entbindungs- und
Verpflegungskosten für dieselbe aus dem Vermögen des Schwängerers,
wahrzunehmen.
§. 968. Kommt aus dem unehelichen Beyschlafe ein Kind zur
Welt: so muß der Curator demselben auf gesetzmäßigen Wegen die Rechte eines
Ehelichen, und wo dieses nicht statt findet, den Aussatz(!) der Erziehungs- und
Verpflegungskosten aus dem Vermögen des Schwängerers zu verschaffen bemüht
seyn. (Th. II. Tit. I, Abschn. XI. Tit. II. Abschn. IX.)
§. 969. Kommt ein solches Kind nicht unter die Gewalt seines
natürlichen Vaters: so muß der Curator für das Beste desselben, bis zur
erreichten Volljährigkeit, als Vormund sorgen.
II. Von Curatoren zum Behufe der Auseinandersetzung mit dem
Vater.
§. 970. Ein Curator, welcher solchen Pflegebefohlnen, die
noch unter väterlicher Gewalt stehn, bloß zur Auseinandersetzung mit dem Vater
bestellt worden, ist dafür zu sorgen schuldig, daß das Vermögen des
Pflegebefohlnen vollständig ausgemittelt, und gegen Verdunkelungen bewahrt
werde.
§. 971. Der Verwaltung sich zu unterziehen, ist er weder
befugt noch schuldig; sondern diese verbleibt, unter den gesetzlichen
Einschränkungen, dem Vater.
§. 972. In allen Fällen, wo der Vater zur Sicherstellung
eines solchen Vermögens nach den Gesetzen verbunden ist, muß der Curator, bey
der Auseinandersetzung, auch für die Berichtigung der Sicherheit sorgen. (Th.
II. Titel II. §. 179.
sqq.)
§. 973. Ereignet sich der Fall, daß der Vater das
eigenthümliche Vermögen der Kinder sicher zu stellen verbunden wäre, erst nach
beendigter Auseinandersetzung: so ist der Curator zwar schuldig, auf diese
Sicherstellung bey dem vormundschaftlichen Gerichte anzutragen.
§. 974. Auch liegt ihm ob, für das Beste der Pflegebefohlnen
zu sorgen; wenn die einmal bestellte Sicherheit schlechter wird, oder eine
Veränderung damit vorgenommen werden soll, oder wenn der Vater, bey seiner
Administration, die in den Gesetzen bestimmten Schranken überschreitet.
§. 975. Hat er jedoch eins oder das andre unterlassen: so
darf er den dem Pflegebefohlnen entstandenen Nachtheil nur alsdann vertreten,
wenn er den Vorfall, der seine Obsorge erfordert hätte, wirklich gewußt hat;
oder wenn ihm derselbe ohne grobe Fahrläßigkeit, nicht hätte unbekannt bleiben
können.
Besonders, wenn mit einer solchen Curatel eine
Vermögensadministration verbunden ist.
§. 976. Ist der Curator zugleich zur Verwaltung des
eigentümlichen Vermögens solcher Pflegebefohlnen bestellt: so findet dabey
alles Anwendung, was von der vormundschaftlichen Administration überhaupt im
Siebenten Abschnitte verordnet ist.
§. 977. Ist der Vater nicht wegen seines schlechten
moralischen Verhaltens, sondern nur aus andern Gründen, von der Verwaltung
ausgeschlossen: so steht er mit dem Curator in eben den Verhältnissen, wie ein
Ehren- mit dem verwaltenden Vormunde.
§. 978. Insonderheit muß, wenn von der Veräußerung, oder dem
Ankaufe unbeweglicher Grundstücke die Rede ist, der Vater mit seinem Gutachten
vernommen werden.
§. 979. Ist dem Vater die Verwaltung genommen, der Nießbrauch
aber gelassen worden: so muß der Curator, wenn nicht der Erblasser oder
Wohlthäter der Kinder ein Andres ausdrücklich verordnet hat, über die in der
Art der Verwaltung zu treffenden Hauptveränderungen mit ihm Rücksprache nehmen.
§. 980. Insonderheit muß dieses geschehen, wenn unbewegliche
Güter verpachtet, oder aus der Pacht in Administration gesetzt, neue Baue oder
Hauptreparaturen vorgenommen, Meliorationen gemacht, Capitalien eingezogen,
oder von neuem belegt werden sollen.
§. 981. Doch kommt dem Vater gegen alle dergleichen
Veranstaltungen ein Recht zum Widerspruche nur in so fern zu, als dergleichen
Recht einem jeden Nutzungsberechtigten, gegen Veranstaltungen, wodurch sein
Nießbrauch geschmälert wird, gebühret.
§. 982. Dergleichen verwaltende Curatel wird eben so, wie
eine wirkliche Vormundschaft geendigt.
§. 983. Müssen jedoch die Kinder wegen Abgang des Vaters,
oder sonst, überhaupt unter Vormundschaft genommen werden: so hängt es von dem
Ermessen des Gerichts ab, den bisherigen Curator zum wirklichen Vormunde zu
bestellen; oder ihm die besondere Administration ferner zu lassen; oder ihn von
der Curatel zu entbinden, und seine bisherige Administration dem Vormunde der
Pflegebefohlnen mit aufzutragen.
III. Von dem Vater, als Curator seiner Kinder.
§. 984. Wenn solchen
Kindern, die noch unter väterlicher Gewalt, und ihren eignen Angelegenheiten
vorzustehen nicht fähig sind, eigenthümliches freyes Vermögen zufällt: so ist
der Vater schuldig, davon spätestens in Zwey Monathen, nachdem ihm der Anfall
bekannt geworden, dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige zu machen.
§. 985. Unterläßt er die Anzeige: so verliert er sein Recht
zur Verwaltung des Anfalls; und hat, außerdem, Fünf bis Hundert Thaler
fiskalische Strafe verwirkt.
§. 986. In der Zwischenzeit, bis den Kindern über den Anfall
ein besonderer Curator bestellt werden kann, haftet der Vater auch für das
geringste Versehen.
§. 987. Den Verwandten, welche nach Vorschrift §. 97.-100.
für die Bevormundung der Kinder zu sorgen schuldig seyn würden, liegt bey
gleicher Vertretung ob: von einem solchen Vermögensanfalle (§. 984.), welchen
der Vater verschwiegen hat, sobald derselbe zu ihrer Wissenschaft gelangt, dem
vormundschaftlichen Gerichte Anzeige zu machen.
§. 988. Jedes Gericht, von welchem ein Testament, oder
andere letztwillige Disposition, wonach den Kindern dergleichen Anfall zukommt,
publicirt wird, ist selbigen dem vormundschaftlichen Gerichte bekannt zu machen
verbunden.
§. 989. Hat der Vater den Anfall dem Gerichte gehörig
angezeigt: so gebühren ihm, wegen dessen Verwaltung, die Rechte eines Curators,
auch ohne besondere Verpflichtung.
§. 990. Er muß aber auch, wegen Vorlegung eines
gerichtlichen oder Privatinventarii, bey der Administration selbst, und wegen
der Rechnungslegung, alles beobachten, was nach dem Siebenten Abschnitte einem
andern Vormunde obliegt.
§. 991. Doch ist er mit einer eidlichen Bestärkung eines von
ihm vorgelegten Privatinventarii der Regel nach, und wenn nicht besondere
Gründe eines Verdachts wider ihn vorhanden sind, zu verschonen.
§. 992. Will er das Vermögen selbst in Händen behalten: so
muß er dafür, ohne Unterschied der Fälle, gehörige Sicherheit bestellen.
§. 993. Erklärt er sich aber zu dessen Herausgabe; und ist
selbiges anderwärts untergebracht: so bleibt er von besonderer
Cautionsbestellung wegen der Einkünfte, gleich einem testamentarischen
Vormunde, der Regel nach frey.
§. 994. Nach dem Absterben des Vaters stehen die Kinder,
wegen ihres von demselben verwalteten freyen und nicht freyen Vermögens, gegen
ihre Miterben in eben dem Verhältnisse, wie andere Pflegebefohlne gegen die
Erben ihres verstorbenen Vormundes.
§. 995. Gegen Fremde müssen sie aber die Handlungen des
Vaters, in Ansehung ihres eigenthümlichen Vermögens, so weit vertreten, als sie
des Vaters Erben sind, und ihnen die Rechtswohlthat des Inventarii nicht zu
statten kommt.
IV. Von Lehnscuratoren.
§. 996. Wenn zu dem Vermögen des Pflegebefohlnen ein
Lehn gehört: so muß demselben ein Lehnscurator bestellt werden.
§. 997. Von dieser Curatel ist der nächste Agnat, oder
Mitbelehnte, wenn er selbige übernehmen will, und dazu fähig ist, niemals
auszuschließen.
§. 998. Dieser Curator
hat jedoch nur dasjenige zu besorgen, was zur Ausübung der Lehnrechte und
Lehnspflichten des Pflegebefohlnen bey dem Lehnshofe, und zur Erhaltung der
Substanz des Lehns gehört.
§. 999. Auch die Ausübung des Patronats, und anderer mit dem
Lehne verbundener Ehrenrechte, gehört zu dem Amte des Lehnscurators.
§. 1000. Die gewöhnliche Verwaltung des Lehns und der davon
fallenden Einkünfte, gebührt dem ordentlichen Vormunde.
§. 1001. Angelegenheiten, welche weder die Administration
allein, noch die Substanz allein betreffen, sondern auf beydes zugleich Einfluß
haben, müssen von dem Vormunde, und dem Lehnscurator, gemeinschaftlich besorgt
und betrieben werden.
§. 1002. Wenn also das Lehn verpfändet; wenn Holzungen in
Aecker, Teiche in Wiesen, oder umgekehrt, verwandelt; oder sonst die Gestalt
oder Hauptbestimmung einzelner Stücke oder Zubehörungen des Lehns verändert;
oder Verbesserungen in der Substanz unter dem Vorbehalte eines künftigen
Ersatzes der Kosten vorgenommen werden sollen: so ist die Mitwirkung des
Vormundes und des Lehnscurators erforderlich.
V. Von
Curatoren entfernter oder unbekannter Interessenten.
§. 1003. Ein für unbekannte oder entfernte Interessenten
bestellter Curator muß hauptsächlich dafür sorgen, daß jene ausgeforscht,
diesen aber die erforderlichen Nachrichten zugebracht werden.
§. 1004. Außerdem muß er dafür sorgen, daß die Sache
erhalten, oder das Geschäft gehörig betrieben werde.
VI. Von Beyständen.
§. 1005. Die Pflichten eines Beystandes bestimmen sich
lediglich nach dem Zwecke, zu welchem derselbe dem, der sich seiner bedienen
soll, zugeordnet wird.
§. 1006. Ein Beystand haftet, wenn er sich diesem Zwecke
nicht gemäß verhält, in der Regel nur für den Vorsatz, und für ein grobes
Versehen.
§. 1007. Wozu rechtsverständige Assistenten, in Prozeß- und
andern gerichtlichen Angelegenheiten, ihren Parteyen verpflichtet, und wie weit
sie denselben, bey Vernachlässigung dieser Pflichten, verhaftet sind, ist in
der Prozeßordnung bestimmt.
Neunzehnter Titel
Von Armenanstalten, und andern milden Stiftungen
Grundsätze.
§. 1. Dem Staate kommt es zu, für die Ernährung und Verpflegung
derjenigen Bürger zu sorgen, die sich ihren Unterhalt nicht selbst verschaffen,
und denselben auch von andern Privatpersonen, welche nach besondern Gesetzen
dazu verpflichtet sind, nicht erhalten können.
§. 2. Denjenigen, welchen es nur an Mitteln und Gelegenheit,
ihren und der ihrigen Unterhalt selbst zu verdienen, ermangelt, sollen
Arbeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten gemäß sind, angewiesen werden.
§. 3. Diejenigen, die nur aus Trägheit, Liebe zum
Müßiggange, oder andern unordentlichen Neigungen, die Mittel, sich ihren
Unterhalt selbst zu verdienen, nicht anwenden wollen, sollen durch Zwang und
Strafen zu nützlichen Arbeiten unter gehöriger Aufsicht angehalten werden.
§. 4. Fremde Bettler sollen in das Land nicht gelassen, oder
darin geduldet, und wenn sie sich gleichwohl einschleichen, sofort über die
Gränze zurückgeschafft werden.
§. 5. Auch einheimischen Armen soll das Betteln nicht
gestattet, sondern dieselben an den Ort, wohin sie gehören, und wo für sie nach
den Vorschriften des gegenwärtigen Titels gesorgt werden muß, zurückgeschafft
werden.
§. 6. Der Staat ist berechtigt und verpflichtet, Anstalten
zu treffen, wodurch der Nahrlosigkeit seiner Bürger vorgebeugt, und der
übertriebenen Verschwendung gesteuert werde.
§. 7. Veranlassungen, wodurch ein schädlicher Müßiggang,
besonders unter den niedern Volksclassen, genährt, und der Trieb zur
Arbeitsamkeit geschwächt wird, sollen im Staate nicht geduldet werden.
§. 8. Stiftungen, welche auf die Beförderung und
Begünstigung solcher schädlichen Neigungen abzielen, ist der Staat aufzuheben,
und die Einkünfte derselben zum Besten der Armen zu verwenden berechtigt.
Wem die Versorgung der Armen obliegt.
§. 9. Privilegirte Corporationen, welche einen besondern
Armenfonds haben, oder dergleichen, ihrer Verfassung gemäß, durch Beyträge
unter sich aufbringen, sind ihre unvermögenden Mitglieder zu ernähren
vorzüglich verbunden.
§. 10. Auch Stadt- und Dorfgemeinen müssen für die Ernährung
ihrer verarmten Mitglieder und Einwohner sorgen.
§. 11. In Ansehung der ausdrücklich aufgenommenen Mitglieder
entsteht die Verbindlichkeit, sobald die Aufnahme wirklich geschehen ist.
§. 12. In Ansehung andrer Einwohner hingegen, ist nur
diejenige Stadt- oder Dorfgemeine zur Ernährung eines Verarmten verpflichtet,
bey welcher derselbe zu den gemeinen Lasten zuletzt beygetragen hat.
§. 13. Nach eben den Grundsätzen (§. 9.-12.) müssen auch die
Ehefrauen, Wittwen, und unversorgte Kinder des Verarmten, von den Corporationen
und Gemeinen ernährt werden.
§. 14. Die Vorsteher der Corporationen und Gemeinen sind
schuldig, sich nach den Ursachen des Verfalls ihrer Mitglieder zu erkundigen,
und dieselben der Obrigkeit, zur Abhelfung, in Zeiten anzuzeigen.
§. 15. Aller Armen und Unvermögenden, denen ihr Unterhalt
auf andre Art nicht verschafft werden kann, muß die Polizey-Obrigkeit eines
jeden Ortes, ohne Unterschied des Ranges und sonstigen Gerichtsstandes
derselben, sich annehmen.
Mittel dazu.
§. 16. Arme, deren Versorgung nach obigen Grundsätzen,
einzelnen Privatpersonen, Corporationen, oder Communen nicht obliegt, oder von
denselben nicht bestritten werden kann, sollen durch Vermittelung des Staats in
öffentlichen Landarmenhäusern untergebracht werden.
§. 17. Dies gilt besonders von fremden Bettlern, wenn deren
Zurückschaffung über die Gränze (§. 4.) nicht rathsam gefunden wird, oder der
Zweck, das Land von ihnen zu befreyen, dadurch nicht erreicht werden kann.
§. 18. Die Bettler in solchen Landarmenhäusern sollen zu
nützlichen Arbeiten, so weit es ihre Gesundheit und Kräfte gestatten,
angehalten werden.
§. 19. Sie bleiben in der Anstalt so lange, bis man
versichert seyn kann, daß sie sowohl den Willen, als die Gelegenheit haben,
ihren Unterhalt auf eine andre erlaubte Weise, ohne fernere Belästigung des
Publikums, sich zuverschaffen(! = zu verschaffen.
§. 20. Die Strassenbetteley soll nicht geduldet werden.
§. 21. Vielmehr liegt es den Polizeybehörden jeden Orts ob,
diesem Uebel mit Nachdruck zu steuern.
§. 22. So bald die §. 16. gedachten Anstalten getroffen
sind, darf niemand mehr einem Strassenbettler Almosen geben.
§. 23. Vielmehr müssen die Strassenbettler aufgegriffen, und
an diejenigen, denen nach den Grundsätzen §. 7-16. deren Versorgung obliegt,
abgeliefert werden.
§. 24. Die Ablieferung geschieht auf Kosten desjenigen,
welcher für den Bettler sorgen muß.
§. 25. Die Mittel zur Unterhaltung der Armen sollen, so viel
als möglich, aus den Zinsen der dazu bereits vorhandenen Capitalien und
Stiftungen genommen werden.
§. 26. Auch hat es bey dem zu solchem Ende theils schon
angeordneten, theils nach Bewandniß der Umstände, unter Erlaubniß des Staats,
besonders zu veranstaltenden Kirchen- und Haus-Collekten sein Bewenden.
§. 27. Bey der Unzulänglichkeit dieser Beyträge, sind die
Communen, unter Genehmigung des Staats, den Luxus, die Ostentation, und die
öffentlichen Belustigungen ihrer wohlhabenden Einwohner, mit gemäßigten Taxen
zu belegen berechtigt.
§. 28. Alle Strafgelder, welchen nicht in den ergangenen Strafgesetzen
selbst besondere Bestimmungen angewiesen sind, sollen zur Verpflegung der Armen
angewendet werden.
§. 29. Zur Unterhaltung der öffentlichen Landarmenhäuser ist
vorzüglich der Ertrag der Arbeiten der darinn aufgenommenen Personen bestimmt.
§. 30. Bey dessen Unzulänglichkeit kann der Staat von allen
denjenigen, welche von der Abstellung der Strassenbetteley Vortheil ziehn,
verhältnißmäßige Beyträge fordern.
§. 31. Die nähern Bestimmungen sowohl hierüber, als wegen
der Einrichtung solcher Landarmenhäuser überhaupt, bleiben den besondern für
jede Provinz abzufassenden Reglements vorbehalten.
Von öffentlichen Armenanstalten:
Verhältniß des Staats gegen dieselben.
§. 32. Armenhäuser, Hospitäler, Waisen- und Findel-, Werk-
und Arbeitshäuser, stehen unter dem besondern Schutze des Staats.
§. 33. Werden dergleichen Anstalten von neuem errichtet: so
muß das Vorhaben dem Staate zur Prüfung der Grundsätze ihrer Verfassung,
angezeigt werden.
§. 34. Doch sollen diejenigen Behörden, denen diese Prüfung
nach den verschiedenen Verfassungen in den Provinzen obliegt, nur in Fällen, wo
die Ausführung der Verordnungen des Stifters unmöglich oder gar schädlich seyn
würde, dieselben zu verwerfen berechtigt seyn.
§. 35. Außerdem kann jeder Stifter die innere Einrichtung solcher
Anstalten, die Aufsicht über dieselben, die Bestellung der Verwalter, die
Revision und Abnahme der Rechnungen, nach Gutfinden anordnen.
§. 36. So weit der Stifter nichts verordnet hat, gebühren
alle diese Befugnisse dem Staate.
§. 37. Auch solche Anstalten, denen in der Stiftungsurkunde,
oder sonst, eigne Aufseher vorgesetzt sind, bleiben dennoch der Oberaufsicht
des Staats unterworfen.
§. 38. Diese Oberaufsicht schränkt sich aber nur darauf ein,
daß nach den vom Staate ausdrücklich oder stillschweigend genehmigten
Verordnungen des Stifters verfahren werde, und nichts einschleiche, was dem
allgemeinen Endzwecke solcher Stiftungen zuwider sey.
§. 39. Der Staat ist also berechtigt, Visitationen bey
dergleichen Anstalten zu veranlassen, und die vorgefundenen Mißbräuche und
Mängel, obigen Grundsätzen (§. 38.) gemäß, zu verbessern.
§. 40. Ueberhaupt muß der Staat darauf sehen, daß die
Einkünfte der Armen- und andrer Versorgungsanstalten, zweck- und
vorschriftsmäßig verwendet werden.
§. 41. Wird wegen veränderter Umstände die in der
Stiftungsurkunde vorgeschriebeneVerwendungsart unmöglich, oder gar schädlich:
so muß der Staat die Güter und Einkünfte einer solchen Anstalt zu einem andern,
der wahrscheinlichen Absicht des Stifters so viel als möglich gemäßen Gebrauche
widmen.
Aeußere Rechte solcher Anstalten.
§. 42. Die vom Staate ausdrücklich oder stillschweigend
genehmigten Armen- und andere Versorgungsanstalten, haben die Rechte
moralischer Personen.
§. 43. Ihr Vermögen hat die Rechte der Kirchengüter. Tit.
XI. Abschn. IV.
§. 44. Dagegen sind sie bey den Geschenken und
Vermächtnissen solchen Einschränkungen, wie die geistlichen Anstalten, nicht
unterworfen.
§. 45. Durch dergleichen Vermächtnisse kann jedoch
denjenigen, welchen ein Pflichttheil gebühret, derselbe nicht entzogen oder
geschmälert werden.
§. 46. Würden durch ein solches Vermächtniß Personen,
welchen der Erblasser Alimente zu geben nach den Gesetzen verpflichtet ist,
wegen Unzulänglichkeit des übrigen Nachlasses daran Abbruch erleiden: so sollen
die Einkünfte des Vermächtnisses, so weit dieselben dazu hinreichend und
erforderlich sind, zur Ergänzung des solchen Personen zukommenden Unterhalts
verwendet werden.
§. 47. Sobald aber die Befugniß derselben, Alimente von dem
Erblasser zu fordern, aus irgend einem rechtlichen Grunde sich erledigt, sobald
tritt auch die Armenanstalt in den vollen Genuß der ihr bestimmten Zuwendung.
§. 48. Was vorstehend §. 45. 46. 47. von Vermächtnissen
vorgeschrieben ist, gilt auch von Schenkungen unter Lebendigen, oder von
Todeswegen, in so fern überhaupt, wegen verkürzten Pflichttheils, oder
geschmälerter Alimente, Schenkungen widerrufen werden können. (Th.
I. Tit. XI. §.
1113-1122.)
§. 49. Unvermögenden Verwandten derjenigen, welche milde
Stiftungen errichtet haben, kommt auf den Genuß derselben ein vorzügliches
Recht zu.
Successionsrecht in den Nachlaß der von ihnen verpflegten
Personen,
§. 50. Auf den eigentümlichen freyen Nachlaß solcher
Personen, die in eine öffentliche Anstalt zur unentgeltlichen Verpflegung
aufgenommen worden, und in dieser Verpflegung gestorben sind, hat die Anstalt
ein gesetzliches Erbrecht.
§. 51. Dies Erbrecht erstreckt sich auf den ganzen Nachlaß,
wenn die aufgenommene Person nur Verwandten in aufsteigender, oder in der
Seitenlinie, oder einen Ehemann verläßt.
§. 52. Hat sie aber eheliche Nachkommen oder eine Ehefrau:
so verbleibt denenselben ihr Pflichttheil.
§. 53. Auch geht die Ehefrau in Ansehung desjenigen, was sie
nach ihren Ehepacten zu fordern hat, der Armenanstalt vor.
§. 54. Auch die §. 52. benannten Personen verlieren den
Pflicht- oder vertragsmäßigen Erbtheil zum Besten der Anstalt, wenn sie, bey
hinlänglichem Vermögen, ihren hülflosen Aeltern, oder dem Ehemanne, die
gesuchte Unterstützung versagt haben.
§. 55. Hat die aufgenommene Person die Anstalt vor ihrem
Tode freywillig wieder verlassen: so kann diese die auf sie verwendeten Kosten
aus ihrem Vermögen, oder Nachlasse, als eine Schuld zurückfordern.
§. 56. Wenn aber Kinder, die in einem Waysenhause erzogen
worden, nachdem sie aus demselben herausgekommen sind, und entweder auf ein
Handwerk gethan, oder ihnen andere Gelegenheit zu ihren weitern Fortkommen
angewiesen worden, vor zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre verstorben
sind: so verbleibt dem Waysenhause, des erfolgten Austritts ungeachtet, sein
Erbrecht.
§. 57. Doch erstreckt sich in diesem Falle das Erbrecht nur
auf dasjenige Vermögen, welches ein solches Kind mit in das Waysenhaus gebracht
hat, oder welches ihm, während seiner Verpflegung durch dasselbe, noch vor
seinem Austritte zugefallen ist.
§. 58. Hat eine im Waysenhause erzogene Frauensperson sich
verheirathet: so fällt, wenn auch dieselbe vor erlangter Volljährigkeit
verstorben wäre, das Erbrecht des Waysenhauses ganz hinweg.
§. 59. In keinem Falle darf die Armencasse, wenn ihr auch
nach obigen Vorschriften (§. 50. sqq.) ein wirkliches Erbrecht zukommt, sich
des Nachlasses eigenmächtig anmaßen; sondern sie muß vielmehr, bey eintretendem
Falle, dies ihr Erbrecht dem Richter gehörig anzeigen, und von diesem den
Zuschlag der Verlassenschaft erwarten.
§. 60. Das einer Anstalt nach diesen Vorschriften zustehende
Erbrecht, muß jedem, welcher darin aufgenommen werden soll, bekannt gemacht;
und daß dieses geschehen, in einem von ihm mit zu unterzeichnenden Protocolle
bemerkt werden.
§. 61. Ist der Aufzunehmende seines Verstandes nicht
mächtig; oder in der Befugniß über sein Vermögen zu verfügen eingeschränkt: so
muß die Bekanntmachung den Aeltern, oder wenn er keine Aeltern mehr hat, den
nächsten Verwandten, und den Vormündern geschehen; auch im letzten Falle die
obervormundschaftliche Genehmigung beygebracht werden.
§. 62. Erklärt auf diese Bekanntmachung jemand unter den
Verwandten, daß er für die Verpflegung des Aufzunehmenden selbst sorgen wolle:
so muß ihm dieses gestattet werden; und er erhält sich dadurch das ihm
zukommende gesetzliche Erbrecht.
§. 63. Doch muß er alsdann dem Hülfsbedürftigen wenigstens
eine gleich gute Verpflegung, als derselbe in der öffentlichen Anstalt gefunden
hätte, gewähren.
§. 64. Ist der Aufzunehmende seinen Willen zu erklären
fähig; und er zieht die Versorgung in der Anstalt derjenigen, welche ihm von
seinen Verwandten angeboten wird, vor: so hat es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 65. Ist die Bekanntmachung nicht gehörig erfolgt: so kann
die Anstalt bloß die Vergütung der für den Aufgenommenen verwendeten Kosten,
als eine Schuld, aus dessen Nachlasse fordern.
§. 66. Die Anstalt kann jedoch nur die für den Aufgenommenen
zu Kleidung, Medicin, und sonst gemachten baaren Auslagen, und für den
genossenen Unterhalt ein Kostgeld, welches allenfalls nach pflichtmäßigem
Ermessen der Sachverständigen richterlich zu bestimmen ist, fordern.
§. 67. Wenn jemand nicht in die Anstalt selbst zur
Verpflegung aufgenommen, sondern ihm nur Beyträge daraus zu seinem Unterhalte
bis zu seinem Ableben, gereicht worden: so kann nur der Ersatz dieser Beyträge
aus seinem Nachlasse, so weit derselbe dazu hinreicht, gefordert werden.
§. 68. Hat jemand aus mehrern Anstalten nach §. 67.
Unterstützung genossen; und ist sein Nachlaß zu ihrer aller Befriedigung nicht
hinreichend: so theilen sich die mehrern Anstalten in das Vorhandene, nach
Verhältniß ihrer Forderungen.
§. 69. Hat sich jemand in die Anstalt eingekauft: so gebührt
dieser auf seinen Nachlaß kein weiterer Anspruch.
§. 70. Die bloße Erlegung eines Eintrittsgeldes, welches mit
der zu verwendenden Verpflegung in keinem Verhältnisse steht, schließt das
Erbrecht der Anstalt nicht aus.
§. 71. Hat der Aufgenommene sich mit der Anstalt, wegen des
derselben auf seinen Nachlaß zukommenden Erbrechtes, auf eine gewisse Summe
verglichen: so hat es dabey lediglich sein Bewenden; selbst in dem Falle, wenn
das Vermögen des Aufgenommenen erst in der Folge einen Zuwachs erhält.
§. 72. Werk- und Arbeitshäuser, in welchen die Aufgenommenen
nur in so fern Unterhalt genießen, als sie sich denselben durch ihre Arbeit
verdienen, haben auf den Nachlaß derselben kein Erbrecht.
§. 73. Hingegen wird durch Arbeiten, wozu ein Aufgenommener
überhaupt in jeder Armenanstalt nach §. 87. 88. schuldig ist, oder wofür er
besondre Vergütung erhalten hat, das Erbrecht der Anstalt nicht ausgeschlossen.
§. 74. Anstalten, die bloß zur Heilung der Kranken bestimmt
sind, haben, wenn gleich der Aufgenommene daselbst verstorben ist, dennoch auf
seinen Nachlaß kein Erbrecht; sondern können bloß den Ersatz der auf ihn
verwendeten Kosten nach §. 66. fordern.
§. 75. In Fällen, wo den
Armen- und andern Versorgungsanstalten auf einen Nachlaß ein gesetzliches
Erbrecht beygelegt ist, kann ihnen dasselbe, durch Verfügung auf den Todesfall,
weder entzogen, noch geschmälert werden.
Innere Verfassung solcher Anstalten.
§. 76. Die innere Einrichtung und Verfassung einer jeden öffentlichen
Armen- oder andern Versorgungsanstalt, ist durch die für selbige von dem Staate
vorgeschriebene oder genehmigte Ordnung und Instruction bestimmt.
§. 77. Kirchen und Capellen, welche für dergleichen
Anstalten besonders errichtet sind, stehen, gleich andern, unter der Aufsicht
der geistlichen Obern der Diöces, oder des Districts.
§. 78. Auf die in der Anstalt lebenden Personen und
Officianten gebühren dergleichen Kirchen und Capellen wirkliche
Parochialrechte.
§. 79. Auf diejenigen aber, welche außerhalb der Anstalt
leben, können sie sich solcher Rechte nicht anmaßen.
Vorsteher und Verwalter.
§. 80. Die Vorsteher und Verwalter solcher Anstalten sind
als Diener des Staats anzusehen.
§. 81. Bey Verwaltung der der Anstalt zugehörenden Gelder
und Gefälle, finden eben die Vorschriften, und gleiche Vertretung, wie bey
Königlichen Cassen, statt.
§. 82. Doch kommt der Anstalt in dem Vermögen ihrer
Verwalter nicht das Vorrecht der Zweyten Classe, wie bey Königlichen Cassen,
sondern nur das der vierten Classe zu.
§. 83. Uebrigens müssen dergleichen Vorsteher und
Administratoren, bey Führung ihres Amtes, hauptsächlich nach der
Stiftungsurkunde, und ihren besondern Instructionen; demnächst aber nach den
den Vormündern ertheilten gesetzlichen Vorschriften sich achten.
Aufgenommene Personen.
§. 84. Personen, welche in Armen- und andere öffentliche
Verpflegungsanstalten aufgenommen worden, können sich der darin eingeführten
Zucht und Ordnung unter keinerley Vorwande entziehen.
§. 85. Unruhige und Widerspenstige müssen von denAufsehern,
nöthigenfalls durch dienliche Zwangsmittel, in Ordnung gehalten, oder bewandten
Umständen nach aus der Anstalt fortgeschafft werden.
§. 86. Die Strafen müssen aber die Gränzen einer bloßen
Züchtigung nicht überschreiten; und die Fortschaffung darf niemals ohne
Vorwissen und Genehmigung der Obrigkeit geschehen.
§. 87. Unentgeltlich Aufgenommene sind der Anstalt zu
häuslichen Diensten, so weit es ihre Kräfte und Gesundheitsumstände zulassen,
verpflichtet.
§. 88. In gleichem Maaße können auch andre Arbeiten, die
bloß zum Verbrauche in der Anstalt bestimmt sind, so weit sie Fähigkeiten und
Kräfte dazu besitzen, von ihnen gefordert werden.
§. 89. Uebrigens werden die den aufgenommenen, vermöge ihres
Standes oder sonstigen Verhältnisse, zukommenden Rechte und Pflichten, durch
die Aufnahme in dergleichen Anstalt nicht verändert.
Zwanzigster Titel
Von den Verbrechen und deren Strafen
§. 1. Eine jede Obrigkeit, und jeder Vorgesetzte im
Volke, muß Laster und Verbrechen bey seinen Untergebenen zu verhüten ernstlich
beflissen seyn.
§. 2. Aeltern und Erzieher, Schul- und Volkslehrer, sind
besonders verantwortlich, wenn sie die ihnen obliegenden Pflichten, in Ansehung
der ihrer Aufsicht anvertraueten Personen vernachläßigen.
§. 3. Oeffentliche Verachtung der Religion, und Verführung
der Unschuld sollen gesetzmäßig und nachdrücklich geahndet werden. (Abschn. VI.
XII.)
§. 4. Muthwillige Bettler, Landstreicher, und Müßiggänger,
müssen zur Arbeit angehalten, und wenn sie dazu unbrauchbar sind, auf eine
billige Art versorgt, oder als Fremde aus dem Lande geschafft werden.
§. 5. Diebe und andere Verbrecher, welche ihrer verdorbenen
Neigungen wegen dem gemeinen Wesen gefährlich werden könnten, sollen, auch nach
ausgestandener Strafe, des Verhafts nicht eher entlassen werden, als bis sie
ausgewiesen haben, wie sie sich auf eine ehrliche Art zu ernähren im Stande
sind.
§. 6. Obrigkeiten und Vorgesetzte, welche die
Obsicht(!) und Vorbeugungsmittel gedachter Art vernachläßigen, machen sich der
Verbrechen ihrer Untergebenen, nach Verhältniß der Umstände, mehr oder weniger
theilhaftig.
Erster Abschnitt
Von Verbrechen und Strafen überhaupt
§. 7. Wer durch eine freye Handlung jemanden widerrechtlich
Schaden zufügt, der begehet ein Verbrechen, und macht sich dadurch nicht nur
dem Beleidigten, sondern auch dem Staate, dessen Schutz derselbe genießt,
verantwortlich.
§. 8. Auch durch freye Unterlassung dessen, was die Gesetze
von jemanden fordern, begehet derselbe ein Verbrechen.
§. 9. Handlungen und Unterlassungen, welche nicht in den
Gesetzen verboten sind, können als eigentliche Verbrechen nicht angesehen
werden, wenn gleich Einem oder dem Andern daraus ein wirklicher Nachtheil
entstanden seyn sollte.
§. 10. Eine absichtliche Verletzung der öffentlichen oder
Privatsicherheit kann durch die Unwissenheit der Gesetze nicht entschuldigt
werden.
§. 11. Sonst trift die Strenge der Gesetze nur den, welcher
das Strafgesetz zu wissen schuldig, und im Stande gewesen ist.
§. 12. Nicht nur Unterthanen, sondern auch Fremde, welche
innerhalb der Grenze des Staats sich aufhalten, sind sich um die Gesetze
desselben zu erkundigen verpflichtet. (Einleit. §. 33-41.)
§. 13. Dergleichen Fremde, welche innerhalb Landes
Verbrechen begehen, werden daher auch nach inländischen Gesetzen bestraft.
§. 14. Fremde aber, wenn sie wegen auswärts begangener
Verbrechen zur Strafe gezogen werden sollen, müssen nach den Gesetzen des
Ortes, wo sie das Verbrechen begangen haben, beurtheilt werden.
§. 15. Doch kommt es allen denen, welche wegen auswärts
begangner Verbrechen innerhalb Landes bestraft werden sollen, zu statten, wenn
die hiesigen Gesetze eine gelindere Strafe auf das auswärts begangene
Verbrechen bestimmt haben.
Moralität der Verbrechen.
§. 16. Wer frey zu handeln unvermögend ist, bey dem findet
kein Verbrechen, also auch keine Strafe statt.
§. 17. Unmündige und schwachsinnige Personen können zwar zu
Verhütung fernerer Vergehungen gezüchtiget; niemals aber nach der Strenge der
Gesetze bestraft werden.
§. 18. Alles, was das Vermögen eines Menschen, mit Freyheit
und Ueberlegung zu handeln, mehrt oder mindert, das mehrt oder mindert auch den
Grad der Strafbarkeit.
§. 19. Furcht vor Drohungen, deren Gefahr mit Hülfe des
Staats oder sonst abgewendet werden konnte, rechtfertigt den Verbrecher nicht.
§. 20. In wie fern der Bedrohete die Furcht zu überwinden,
und die Gefahr selbst abzuwenden vermögend gewesen sey? muß nach der Lage der
Umstände, besonders aber nach seiner Gemüths- und Leibesbeschaffenheit
beurtheilt werden.
§. 21. Furcht vor einem bloßen Schaden am Vermögen, oder vor
Uebeln, die in der Folge gehoben werden können, entschuldigt nicht die
vorsetzliche(!) Zufügung eines unersetzlichen Schadens.
§. 22. Wer sich selbst vorsätzlich, oder vermittelst eines
grobens Versehens, es sey durch Trunk oder auf andere Art, in Umstände versetzt
hat, wo das Vermögen, frey zu handeln, aufgehoben oder eingeschränkt ist; dem
wird das unter solchen Umständen begangene Verbrechen nach Verhältniß dieser
seiner Verschuldung zugerechnet.
§. 23. Jemehr(! = Je mehr) Bewegungsgründe jemand gehabt
hat, die begangene strafbare Handlung zu unterlassen, desto mehr muß sie ihm
zugerechnet werden.
§. 24. Jemehr (!= Je mehr) Pflichten jemand gegen den
Andern, oder gegen den Staat hat; desto größer ist das Verbrechen, wenn er
dieselben beleidigt.
§. 25. Je größer und unvermeidlicher der Schade oder die
Gefahr ist, welche aus dem Verbrechen entstehen; desto schärfer muß dasselbe
geahndet werden.
Vorsatz.
§. 26. Wer absichtlich etwas thut oder unterläßt, wodurch
jemand gegen die Vorschrift eines Strafgesetzes beleidigt wird, der begeht ein
vorsätzliches Verbrechen.
§. 27. Ist die Handlung so beschaffen, daß der gesetzwidrige
Erfolg, nach der allgemein oder dem Handelnden besonders bekannten natürlichen
Ordnung der Dinge, nothwendig daraus entstehen mußte: so wird vermuthet, daß
das Verbrechen vorsätzlich sey unternommen worden.
Fahrlässigkeit(!).
§. 28. Wer bey Uebertretung des Strafgesetzes zwar die gesetzwidrige
Folge seiner Handlung nicht wirklich vorausgesehen hat; doch aber bey gehöriger
Aufmerksamkeit und Ueberlegung hätte voraussehen können; der hat sich eines
Verbrechens aus Fahrläßigkeit schuldig gemacht. (Th. I.
Tit. III. §. 25.)
§. 29. Je natürlicher und gewöhnlicher der gesetzwidrige
Erfolg aus der Handlung entsteht; je leichter der Handelnde diesen Zusammenhang
hat voraus sehen können; und je gefährlicher und unerlaubter die Handlung an
sich ist, aus welcher der Schade, obschon wider seinen Willen, entsteht; desto
mehr muß die dabey begangene Fahrläßigkeit bestraft werden.
§. 30. Die verschiedenen Grade der gesetzlichen Strafen
werden von dem Richter in jedem besondern Falle nach Vorschrift §. 23. 24. 25.
bestimmt.
§. 31. Die im Gesetze bestimmte Strafe eines Verbrechens
heißt die ordentliche; und trifft in der Regel nur den, welcher das Verbrechen
vorsätzlich begangen hat.
§. 32. Die nächste Strafe nach der ordentlichen wird dem
zuerkannt, welcher zwar des bösen Vorsatzes nicht überführt ist, dem aber, vor
oder bey der That, die gesetzwidrige Wirkung als eine unmittelbare Folge seiner
Handlung nicht unbekannt seyn konnte.
§. 33. Hat das Gesetz die Strafe eines aus Fahrläßigkeit
begangenen Verbrechens nicht ausdrücklich bestimmt: so wird von dem Richter
eine außerordentliche Strafe nach den Grundsätzen des §. 29. festgesetzt.
§. 34. Findet nur eine außerordentliche Strafe statt; so
kann dieselbe niemals bis zum Tode oder zur Ehrlosigkeit ausgedehnt werden.
§. 35. Wenn die Gesetze eine willkührliche Strafe verordnen:
so darf dieselbe nicht über Gefängniß von Sechs Wochen, oder Fünfzig Thaler
Geldbuße, ausgedehnt werden.
Zufall.
§. 36. Ist der schädliche Erfolg aus einer an sich erlaubten
Handlung durch bloßen Zufall entstanden: so kann er dem Handelnden nicht als
ein Verbrechen zugerechnet werden. (Th. I. Tit. III. §. 6.)
§. 37. Ist die Handlung, welche den zufälligen Erfolg wider
die Absicht des Handelnden gehabt hat, an sich unerlaubt, so ist zwar dieser
Erfolg selbst für kein Verbrechen zu achten.
§. 38. Je leichter aber dessen Möglichkeit von dem
Verbrecher vorausgesehen werden konnte, desto mehr muß, in Rücksicht auf den
daraus entstandenen Schaden, die Strafe der unerlaubten Handlung selbst
geschärfft(!) werden.
Von unternommenen und ausgeführten Verbrechen.
§. 39. Die ordentliche Strafe eines vorsätzlichen
Verbrechens trifft denjenigen, welcher dasselbe wirklich vollbracht hat.
§. 40. Hat der Thäter zu Vollziehung des Verbrechens von
seiner Seite alles gethan; die zum Wesen der strafbaren Handlung erforderliche
Wirkung aber ist durch einen bloßen Zufall verhindert worden; so hat er
diejenige Strafe, welche der ordentlichen am nächsten kommt, verwirkt.
§. 41. Die nächste Strafe nach dieser trifft den, welcher
durch einen bloßen Zufall an der letzten, zur Ausführung des Verbrechens
erforderlichen Handlung gehindert wurde.
§. 42. Hat ein solcher Zufall schon die vorläufigen
Anstalten zu der strafbaren Handlung unterbrochen: so wird die böse Absicht
nach Verhältniß des Fortschrittes zur wirklichen Vollziehung geahndet.
§. 43. Wer aus eigner Bewegung von der Ausführung des
Verbrechens absteht, und dabey solche Anstalten trifft, daß die gesetzwidrige
Wirkung gar nicht erfolgen kann; ingleichen der, welcher durch zeitige
Entdeckung der Mitschuldigen, und ihres Vorhabens, die Ausführung desselben
hintertreibt, kann auf Begnadigung Anspruch machen.
§. 44. Auch bloße Drohungen, ein gewisses Verbrechen begehen
zu wollen, sind strafbar; und verpflichten den Staat zu Maaßregeln, wodurch der
Bedrohete(!) in Sicherheit gesetzt wird.
Von Verschärfung der Strafen.
§. 45. In der Regel kann die Strafe in einem vorkommenden
Falle nicht über das höchste Maaß der gesetzlichen Strafe verschärft werden.
§. 46. Wenn auch eine Verschärfung der ordentlichen Strafe
dem Richter zur Pflicht gemacht worden: so darf doch die im Gesetze bestimmte
Gattung der Strafe nicht geändert, und es muß dabey allemal auf die Vorschrift
des §. 50. Rücksicht genommen werden.
§. 47. Die im Gesetze bestimmten Arten der Todesstrafen
werden durch Schleifung zur Richtstätte, oder durch öffentliche Ausstellung des
Leichnams geschärft.
§. 48. Die Verschärfung der Festungs- und Zuchthausstrafe
geschieht durch längere Dauer, oder durch körperliche Züchtigung.
§. 49. Die Gefängnißstrafe soll durch längere Dauer, oder
durch Beraubung gewohnter Bequemlichkeiten, aber nicht durch solche Mittel
geschärft werden, durch welche das Leben und die Gesundheit des Gefangenen in
Gefahr gesetzt wird.
§. 50. Bey Schärfung der Leibesstrafe muß allemal auf die
körperliche Beschaffenheit des zu Bestrafenden Rücksicht genommen werden.
§. 51. Gegen den, welcher durch Erdichtung falscher Umstände
den Richter hintergehen will, wird die übrigens verwirkte Strafe allemal geschärft.
Von wiederholten Verbrechen.
§. 52. Die Wiederholung gleicher Verbrechen wirkt allemal
Schärfung der auf das einfache Verbrechen im Gesetze bestimmten Strafe.
§. 53. Bey dieser Verschärfung der Strafe ist besonders auf
den Hang des Verbrechers zu dieser Art von Vergehungen, und auf die dem Staate
daraus bevorstehende Gefahr Rücksicht zu nehmen.
Von der Collision mehrerer Verbrechen.
§. 54. Sind mehrere Geldstrafen verwirkt worden: so wird
eine jede aus dem Vermögen des Verbrechers beygetrieben.
§. 55. Eben diese Beytreibung findet statt, wenn derselbe
Verbrecher auch noch außerdem eine Lebens- Leibes-, oder Ehrenstrafe verwirkt
hat.
§. 56. Auch bloße Ehrenstrafen sollen zugleich, neben der
Leibes- oder Geldstrafe vollzogen werden, so weit sie nicht in der körperlichen
begriffen, oder dadurch unnütz gemacht werden.
§. 57. Wenn mehrere Leibesstrafen zusammentreffen: so muß
die Strafe des schwersten Verbrechens verschärft oder verlängert; doch muß die
Summe aller Strafen der verschiedenen Verbrechen nicht überschritten werden.
Milderung der Strafe.
§. 58. Wer die noch unentdeckten Mitschuldigen anzeigt, soll
mit einer gelindern als der gesetzlichen Strafe belegt werden.
§. 59. Wer die That, noch ehe er derselben überführt ist,
freywillig gestellt, gegen den soll die sonst verwirkte Schärfung der Strafe
gemildert, oder wenn keine Schärfung statt findet, die gelindere gesetzliche
Strafe erkannt werden.
§. 60. Reue vor vollführter That, ist nach den Regeln der
unternommenen Verbrechen zu beurtheilen.
§. 61. Wenn der Verbrecher nach vollbrachter That die
schädliche Wirkung derselben, ganz oder zum Theil, sogleich aus eigenem
Antriebe verhindert hat: so findet nur eine außerordentliche Strafe statt.
§. 62. Ist der Schade schon geschehen, aber von dem Thäter
ersetzt worden: so findet eine Milderung der sonst verwirkten Strafe statt.
§. 63. Ist der Verbrecher verborgen geblieben; hat aber seit
mehreren Jahren überzeugende Beweise einer gründlichen Besserung gegeben; und
den Schaden vollständig ersetzt: so kann er auf Begnadigung Anspruch machen.
Theilnehmung an den Verbrechen Anderer.
§. 64. Haben mehrere an Ausführung eines Verbrechens
unmittelbar Theil genommen: so trifft jeden von ihnen, als Urheber, die im
Gesetze bestimmte Strafe.
§. 65. Hat Einer sich als Haupturheber ausgezeichnet, und
die Uebrigen zum Verbrechen verleitet: so wird die ordentliche Strafe gegen ihn
geschärft.
§. 66. Verbrechen, zu deren Begehung sich Mehrere
verbunden haben, müssen schärfer bestraft werden, als eben diese Verbrechen,
wenn sie nur von einzelnen Personen begangen worden.
§. 67. Wer sich eines
Andern zu Ausführung eines Verbrechens bedient, wird eben so bestraft, wie
derjenige, welcher ein solches Verbrechen selbst und unmittelbar begangen hat.
§. 68. Steht er gegen den Thäter im Verhältnisse eines
Vorgesetzten, oder einer Respectsperson: so wird er als der Rädelsführer des
veranstalteten Verbrechens angesehen. (§. 65.)
§. 69. Wegen dieses Verhältnisses des Thäters gegen seinen
Obern kann die Strafe des erstern zwar gemindert, aber nicht erlassen werden.
§. 70. Ist der, welcher den Auftrag gemacht, oder der,
welcher ihn übernommen hat, dem Staate oder dem Beleidigten vorzüglich
verpflichtet: so muß bey der Strafe auch auf dieses besondere Verhältniß
Rücksicht genommen werden.
§. 71. Hat jemand zwar an der Ausführung eines Verbrechens
nicht unmittelbar Theil genommen; aber doch dabey eine solche thätige Hülfe
geleistet, daß ohne dieselbe das Verbrechen nicht hätte begangen werden können:
so findet gegen ihn die ordentliche Strafe statt.
§. 72. Ist der geleistete Beystand zur Ausführung des
Verbrechens nicht nothwendig gewesen: so wird dieser Beystand dennoch nach dem
Verhältnisse, wie er das Verbrechen erleichtert oder befördert hat, und nach
Maaßgabe der Schwere des Verbrechens selbst, an den Hülfeleistenden geahndet.
§. 73. Wenn sich Mehrere zu einem gemeinschaftlich
auszuführenden Verbrechen verbunden haben: so muß jeder von ihnen für
sämmtliche verabredete Handlungen haften, wenn er auch nur zu Einer behülflich
gewesen ist.
§. 74. Wenn jemand, auch ohne vorgängige Verabredung, zu der
Zeit, da die That ausgeführt wird, durch Handreichung, Wache halten, oder
sonst, Hülfe leistet: so wird er in Ansehung der That, bey welcher er
wissentlich und freywillig hilft, als Miturheber angesehen.
§. 75. Hat der Hülfsleistende das Verbrechen, welches
begangen werden sollte, nicht gewußt: so wird seine Strafbarkeit nach seiner
dabey gehabten Absicht beurtheilt.
§. 76. Wer zu einem Verbrechen bestimmten Rath und Anleitung
giebt, wird eben so bestraft, wie der, welcher dazu thätigen Beystand geleistet
hat. (§. 72.)
§. 77. Ist der Rathgeber bey der Vollziehung der That
gegenwärtig gewesen: so wird er zugleich als Urheber angesehen.
§. 78. Wer einen Andern durch Trunk, oder sonst mit Vorsatz,
in Umstände setzt, daß derselbe das Vermögen mit Freyheit und Ueberlegung zu
handeln verliert, der ist wegen des dadurch veranlaßten Verbrechens
verantwortlich.
§. 79. Die Absicht, welche der Verführer bey seinem Vornehmen
gehabt hat, und die mehrere oder mindere Wahrscheinlichkeit des daraus zu
besorgenden schädlichen Erfolgs, bestimmen die Art und den Grad der Strafe.
§. 80. Wer von einem Verbrechen, wodurch die Sicherheit des
Staats, oder Leben, Gesundheit, Ehre oder Vermögen eines Menschen einer
erheblichen Gefahr ausgesetzt werden, vor dessen Ausführung Wissenschaft
erhält, ist schuldig, dasselbe durch Anzeige bey der Obrigkeit, oder durch
Benachrichtigung dessen, gegen welchen das Unternehmen gerichtet ist, zu verhindern.
§. 81. Fehlt es ihm an Zeit und Gelegenheit, das Verbrechen
durch obrigkeitliche Hülfe, oder durch Benachrichtigung dessen, welcher dabey
Gefahr läuft, zu hintertreiben: so muß er selbst, so weit es ohne seine eigene
oder eines Dritten beträchtliche Gefahr geschehen kann, dasselbe zu
hintertreiben bemüht seyn.
§. 82. Wer das Verbrechen auf die §. 80. 81. vorgeschriebene
Art zu hindern unterläßt, ist, wenn er einer zuverläßigen Wissenschaft des
vorhabenden Verbrechens überführt werden kann, nicht nur zum Schadensersatze
verbunden; sondern er muß auch, nach Verhältniß seiner Bosheit oder
Fahrläßigkeit, bestraft werden.
§. 83. Hat jemand an den Vortheilen eines Verbrechens, nach
dessen Ausführung, wissentlich und freywillig, jedoch ohne vorgängige Abrede,
Theil genommen: so trifft ihn eine solche Ahndung, die der ordentlichen Strafe
desjenigen Verbrechens, von welchem er Nutzen gezogen hat, am nächsten kommt.
§. 84. Wer Verbrecher, oder deren unrechtmäßigen Gewinn, zu
verheimlichen sich zum Gewerbe macht, wird nach der Regel eben so, wie die
Verbrecher selbst, bestraft.
Bestimmung der Strafen und ihres Verhältnissen gegen
einander.
§. 85. Geldstrafen sollen gegen unbemittelte Personen der
niedern Volksklasse nicht erkannt, und wo sie gesetzlich bestimmt sind, in eine
verhältnißmäßige Strafarbeit, oder Gefängnißstrafe verwandelt werden.
§. 86. Wenn das Gesetz dem Richter die Wahl überläßt: ob
Geld- oder Leibesstrafe verhängt werden soll: so muß das Nöthige im
Erkenntnisse festgesetzt; niemals aber dem Verbrecher selbst die Wahl
überlassen werden.
§. 87. Zeitige Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe
wird in verhältnißmäßige Geldbuße verwandelt, wenn die Leibesstrafe an der
Person des Verbrechers nicht vollzogen werden kann.
§. 88. Fünf Thaler Geldbuße werden einer Gefängnißstrafe von
Acht Tagen, der Regel nach, gleich geachtet.
§. 89. Doch kann der Richter dieses Verhältniß, nach der
bekannten Beschaffenheit der Vermögensumstände des Verbrechers, auf Zehn bis
Vierzig Thaler, für Acht Tage Gefängniß erhöhen.
§. 90. Wenn die gesetzliche oder erkannte Verschärfung der
Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe nicht anwendbar ist: so muß die
Dauer derselben verlängert werden.
Zweyter Abschnitt
Von Staatsverbrechen überhaupt und vom Hochverrathe
insbesondere
Begriffe.
§. 91. Die freywillige Handlung eines Unterthans, durch
welche der Staat oder dessen Oberhaupt unmittelbar beleidigt werden, heißt ein
Staatsverbrechen.
§. 92. Ein Unternehmen, welches auf eine gewaltsame
Umwälzung der Verfassung des Staats, oder gegen das Leben oder die Freyheit
seines Oberhaupts abzielt, ist Hochverrath.
Strafe der Hochverräther;
§. 93. Wer sich dessen schuldig macht, soll nach Verhältniß
seiner Bosheit, und des angerichteten Schadens, mit der härtesten und
schreckhaftesten Leibes- und Lebensstrafe hingerichtet werden.
§. 94. Diese Strafe trifft sowohl den Rädelsführer, als
diejenigen, welche an dem Verbrechen als Miturheber Theil genommen haben, (§.
64. 67. 71. 73.)
§. 95. Dergleichen Hochverräther werden nicht nur ihres
sämmtlichen Vermögens und aller bürgerlichen Ehre verlustig; sondern tragen
auch die Schuld des Unglücks ihrer Kinder, wenn der Staat, zur Abwendung
künftiger Gefahren, dieselben in beständiger Gefangenschaft zu behalten, oder
zu verbannen nöthig finden sollte.
der Theilnehmer;
§. 96. Auch diejenigen, welche bey einem Hochverrathe
auf entferntere Art, es sey durch Rath oder That, behülflich gewesen sind,
sollen mit dem Schwerdte hingerichtet werden. (§. 72. 76.) des entwichenen oder
gestorbenen Verbrechers, (§. 99.) treffen auch einen Landesverräther der Ersten
Classe.
§. 104. Auch in Ansehung der Miturheber und Theilnehmer
dieses Verbrechens, ingleichen derjenigen, die ihre Wissenschaft von einem solchen
Vornehmen zu entdecken unterlassen haben, finden die Vorschriften §. 94. 96.
97. 98. wie bey dem Hochverrathe Anwendung.
§. 105. Ist eine Landesverrätherey der Ersten Classe vor
deren wirklichem Ausbruche entdeckt, oder doch gänzlich verhindert worden: so
sollen die Urheber mit dem Schwerdte hingerichtet; die Theilnehmer aber mit
lebenswieriger, und die Mitwisser mit Acht- bis Zehnjähriger Festungsstrafe
belegt werden.
der Mitwisser.
§. 97. Wer von dem Vorhaben eines Hochverraths Nachricht
erhält, und der Obrigkeit baldmöglichst Anzeige davon zu machen unterläßt, hat
Zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe verwirkt. (§. 80. 81. 82.)
§. 98. Selbst Aeltern, Kinder und Ehegatten sind, bey
gleicher Strafe, die Ausführung eines solchen Verbrechens, so viel an ihnen
ist, auch durch zeitige Entdeckung ihrer davon erlangten Wissenschaft, zu
hindern verpflichtet.
Strafe entwichener und gestorbener Hochverräther.
§. 99. Wenn jemand, der des Hochverraths schuldig befunden
wird, sich der körperlichen Strafe durch die Flucht entzogen hat, oder vor
Vollstreckung des Urtels gestorben ist: so soll, außer der übrigen die Ehre und
das Vermögen betreffenden Ahndung, auch die Execution der verwirkten
Leibesstrafe an seinem Bildnisse vollzogen werden.
Dritter Abschnitt
Von Verbrechen gegen die äußere Sicherheit des Staats
Landesverrätherey.
§. 100. Ein Unternehmen, wodurch der Staat gegen fremde
Mächte in äußere Gefahr und Unsicherheit gesetzt wird, heißt Landesverrätherey.
Erste Classe derselben.
§. 101. Wer ganze dem Staate gehörige Lande, Kriegesheere,
oder Hauptfestungen, in feindliche Gewalt zu bringen unternimmt, der ist ein
Landesverräther der Ersten Classe.
Strafe.
§. 102. Ein solcher Landesverräther soll zum Richtplatze
geschleift, mit dem Rade von unten herauf getödtet, und der Körper auf das Rad
geflochten werden.
§. 103. Die gegen einen Hochverräther in Ansehung der Ehre,
des Vermögens, und in Beziehung auf seine Familie, nach §. 95. verordnete
Ahndung, ingleichen die Vollstreckung der Leibestrafe an dem Bildnisse
Zweyte Classe der Landesverrätherey.
§. 106. Unternehmungen von minderer Wichtigkeit, die zur
Begünstigung der Feinde des Staats abzielen, sind als Landesverrätherey der
Zweyten Classe anzusehen.
Arten derselben.
§. 107. Wer dem Feinde zur Ausführung seiner Anschläge
beförderlich ist, oder den Kriegesvölkern des Staats in ihren Unternehmungen
gegen den Feind vorsätzlich Hindernisse in den Weg legt, soll durch den Strang
hingerichtet werden.
§. 108. Wer zur Begünstigung des Feindes, Aufruhr in
Festungen erregt, oder Magazine und Vorrathshäuser verderbt, ist der Strafe des
Rades von oben herab schuldig.
§. 109. Wer in gedachter Absicht Städte, Dörfer,
Vorrathshäuser, oder offene Magazine in Brand steckt, soll durch das Feuer vom
Leben zum Tode gebracht werden.
§. 110. Wer die feindlichen Truppen, durch freywillig
übernommene Lieferungen, mit Kriegsbedürfnissen und Lebensmitteln in
beträchtlicher Menge unterstützt, hat die Strafe des Schwerdtes verwirkt.
§. 111. Wer sich als Kundschafter von dem Feinde brauchen
läßt, oder demselben Operationsplane, Festungsrisse, oder andre dergleichen
Nachrichten und Urkunden mittheilt, durch welche derselbe in Stand gesetzt
wird, dem Staate zu schaden, wird mit dem Galgen bestraft.
§. 112. Wer, ohne weitere Theilnehmung, feindliche
Kundschafter, oder einzelne zum Auskundschaften abgeordnete feindliche Truppen
oder Soldaten bey sich verbirgt, soll mit Vier- bis Sechsjähriger
Festungsstrafe belegt werden.
§. 113. Fremde Kundschafter, die sich auf verdächtigen Wegen
betreten lassen, sind nach den Regeln des Kriegsrechts zu behandeln.
§. 114. Feindliche Kriegsgefangene, welche die ihnen
gestattete Befreyung von einer engem Gefangenschaft gegen ihr gegebenes Wort
mißbrauchen, und Aufruhr anrichten, sollen mit dem Schwerdte, oder nach
Bewandniß der Umstände, der Größe der Gefahr, oder des wirklich entstandenen
Schadens, mit dem Rade von oben hingerichtet werden.
Strafe des noch nicht ausgeführten Unternehmens;
§. 115. In Fällen, wo eine Landesverrätherey der Zweyten
Classe noch nicht ausgeführt, oder dem Staate dadurch noch kein Schade zugefügt
worden, soll die Lebensstrafe, nach Bewandniß der Umstände, in Sechs- bis
Zehnjährige Gefangenschaft verwandelt werden.
der Theilnehmer und Mitwisser.
§. 116. Eine gleiche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe trifft
diejenigen, welche an einer solchen Landesverrätherey zwar nicht unmittelbar,
aber doch durch Rathschläge oder entfernte Hülfsleistung Theil genommen haben.
§. 117. Gegen diejenigen, welche ihre Pflicht, zur
Entdeckung der von einer solchen vorhabenden Landesverrätherey, ihnen
beywohnenden Wissenschaft, unterlassen haben, finden die allgemeinen
Vorschriften des §. 80. 81. 82., jedoch nach der Wichtigkeit des Gegenstandes,
der Gefahr, oder des Schadens, in geschärfterem Grade Anwendung.
§. 118. Jeder Mitschuldige an einer Hoch- oder
Landesverrätherey, welcher das böse Vorhaben aus eigner Bewegung noch in Zeiten
entdeckt, und dadurch aller Beschädigung des Staats vorbeugt, kann auf
Milderung der Strafe, oder, nach bewandten Umständen, auf völlige Begnadigung
Anspruch machen.
Vorbeugungsmittel.
§. 119. Wer sich wissentlich in Verbindungen einläßt,
wodurch der Staat auf irgend eine Art in äußere Unsicherheit, oder gefährliche
Verwickelungen gerathen könnte, soll, wenn er auch einer bösen Absicht nicht
überführt, und dem Staate kein Schade geschehen ist, mit Gefängniß- oder
Festungstrafe auf Sechs Monathe bis Zwey Jahre belegt werden.
§. 120. Ohne besondere Erlaubniß der Obrigkeit darf kein
Einwohner des Staats sich, zu Kriegszeiten, mit irgend jemanden von feindlicher
Seite in heimliches Vernehmen einlassen.
§. 121. Wer seiner Privatgeschäfte wegen, zu Kriegszeiten
Reisen in feindliche Lande vornehmen muß, ist die schriftliche Erlaubniß seiner
Obrigkeit nachzusuchen verbunden.
§. 122. Briefwechsel in feindliche Lande darf ohne
dergleichen besondre Erlaubniß nicht anders, als durch den Weg der öffentlichen
Posten, auch nie in Ziffern, oder andern geheimen Zeichen geführt werden.
§. 123. Niemand soll fremde Personen bey sich aufnehmen,
oder deren heimlichen Aufenthalt begünstigen; sondern er ist schuldig, der
Obrigkeit seines Orts davon sofort Nachricht zu geben.
§. 124. Wer diesen Vorschriften (§. 121. 122. 123.) zuwider
handelt, soll, wenn er auch bey näherer Untersuchung einer Verrätherey; oder
der Theilnehmung und Mitwissenschaft davon nicht schuldig befunden wird,
dennoch in eine seinem Vergehen angemessene empfindliche Leibes- oder
verhältnißmäßige Geldstrafe verurtheilt werden.
§. 125. Ohne ausdrückliche Bewilligung des Landesherrn soll
niemand im Lande Befestigungen anlegen, welche den Feinden des Staats zum
Aufenthalte dienen könnten.
§. 126. Niemand soll schweres Geschütz, Waffen, oder
Kriegsvorräthe, heimlich aufsammeln.
§. 127. Niemand soll, ohne Zwang, dem Feinde Lebensmittel
oder Kriegsbedürfnisse zuführen.
§. 128. Niemand soll bewaffnete Leute zusammenbringen, oder
in Sold nehmen, der nicht von dem Staate dazu ausdrücklich bevollmächtigt
worden.
§. 129. Niemand, der nicht vermöge seines Amts dazu berechtigt
ist, soll Risse von Festungen, Operationsplane, und andre geheime Nachrichten,
deren Bekanntwerdung, besonders in Kriegszeiten, dem Staate gefährlich seyn
könnte, sammeln und besitzen; vielmehr dieselben, wenn sie ihm zukommen, an die
Behörde sofort abliefern.
§. 130. Wer wider diese Vorschriften (§. 125. bis 129.)
handelt, der soll, nach Verhältniß seiner Uebertretung, der für den Staat zu
besorgenden Gefahr, und des seine Absicht dabey treffenden Verdachts, mit
nachdrücklicher Geld- oder Leibestrafe, nach Beschaffenheit der Person, und
ihres Vermögens, belegt werden.
§. 131. Jeder Bürger des Staats ist schuldig, die seinem
Vaterlande drohende Gefahr, so viel in seinen Kräften steht, abzuwenden; und
alle ihm bekannt gewordenen verdächtigen oder gefährlich scheinendes
Unternehmungen, welchen er nicht selbst vorbeugen kann, der Obrigkeit
anzuzeigen.
§. 132. Vornehmlich aber liegt allen Obrigkeiten und
fiskalischen Bedienten die genaueste Aufmerksamkeit auf dergleichen Vorfälle
und Begebenheiten ob: also daß, wenn sie dabey etwas pflichtwidrig verabsäumen,
nicht nur mit Cassation, sondern auch, nach Beschaffenheit der Umstände, des
Grades ihrer Nachlässigkeit, und des dem Staate daraus entstandenen Schadens,
mit Gefängniß- oder zeitiger Festungsstrafe wider sie verfahren werden soll.
Dritte Classe der Landesverrätherey.
§. 133. Auch derjenige, welcher den Staat in Unvernehmen(! =
Unternehmen?) und Zwietracht mit fremden nicht feindlichen Mächten zu
verwickeln sucht; ingleichen der, welcher solche fremde Mächte, zum Nachtheile
der Gerechtsame und des Interesse des eignen Staats begünstigt, verletzt die
äußere Sicherheit desselben, und begeht eine Landesverrätherey der Dritten
Classe.
Arten derselben.
§. 134. Wer fremde Mächte gegen den Staat aufwiegelt, und
zum Kriege wider denselben reizt, soll mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 135. Wer das Völkerrecht gegen fremde Staaten, deren
Oberhaupt und Gesandten verletzt, oder dieselben sonst beleidigt, gegen den soll
die durch die That selbst verwirkte Strafe jedesmal geschärft werden.
§. 136. Wer Beleidigungen fremder Unterthanen auch außerhalb
Landes begeht, welche die hiesigen Unterthanen der Gefahr, daß von dem fremden
Staate Repressalien wider sie gebraucht werden möchten, aussetzen, soll eben
so, als wenn er das Verbrechen innerhalb Landes begangen hätte, gestraft
werden.
§. 137. Wer in der Absicht, dem Staate zu schaden, oder ihn
in Streitigkeiten mit seinen Nachbarn zu verwickeln, die Landesgränzen verrückt,
oder verdunkelt, der soll vier- bis achtjährige Gefängniß- oder Zuchthausstrafe
leiden.
§. 138. Wer sich um den Beystand fremder Mächte, zur
Unterstützung seiner Ansprüche gegen den Staat oder einen Mitunterthanen
bewirbt, und dadurch zu unangenehmen Verhandlungen zwischen beyderley Staaten
Anlaß giebt, der hat sechsmonatliche bis zweyjährige Gefängniß- oder
verhältnißmäßige Geldstrafe verwirkt.
§. 139. Diese Strafe soll geschärft werden, wenn der Staat
selbst die vermeintlichen Rechte schon untersucht, und für ungegründet erklärt
hat.
§. 140. Wer die Rechte des Staats gegen fremde Mächte durch
Vernichtung der darüber sprechenden Urkunden, oder auf andre Art, vorsätzlich
verdunkelt, soll mit sechsjähriger bis lebenswieriger Festungsstrafe belegt
werden.
§. 141. Wer fremden nicht feindlichen Mächten
Staatsgeheimnisse offenbaret, oder ihnen Festungs- oder Operationsplane, oder
Urkunden, und andere dergleichen Nachrichten, an deren Geheimhaltung der
Wohlfahrt des Staats gelegen ist, mittheilt, der soll zehnjährigebis
lebenswierige Festungsstrafe leiden.
§. 142. Wer die ihm anvertraueten Staatsgeheimnisse aus
Unvorsichtigkeit, Nachläßigkeit, oder Prahlerey bekannt werden läßt, und
dadurch den Staat in Gefahr setzt, der soll zu fernern Diensten desselben auf
immer für unfähig erklärt, und überdies, nach Verhältniß des Grades seiner
Fahrläßigkeit, der Wichtigkeit des Gegenstandes, und des dem Staate wirklich
zugefügten Schadens, mit zeitiger Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 143. Wer für fremde nicht feindliche Mächte in hiesigen
Landen Werbungen anstellt, oder fremden Werbern aus hiesigen Landen Rekruten
zubringt, der soll, wenn er sich auch gegen die angeworbenen selbst des
Menschenraubs nicht schuldig gemacht hätte, dennoch zwey- bis vierjährige Festungsstrafe
leiden.
§. 144. Wer Personen, die einen besondern Schutz des Staats
genießen, in die Gewalt fremder Mächte verräth, der soll bis zu deren
Wiederbefreyung in Verhaft genommen werden.
§. 145. Verliert der Ausgelieferte vor seiner Befreyung das
Leben: so hat der Verräther zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe
verwirkt.
§. 146. Ist der Verrath an fremde feindliche Mächte
geschehen, so soll der Verräther mit der Strafe des Galgens belegt werden.
§. 147. Wie derjenige zu bestrafen sey, welcher Kriegsleuten
des Staats, die ihre Fahne meineidig verlassen, durchhilft, ist im Achten
Abschnitt §. 474. sqq. verordnet.
§. 148. Wer Fabrikenvorsteher, Bediente und Arbeiter, zum
Auswandern verleitetund ihnen dabey behülflich ist; oder sonst Fabriken- und
Handlungsgeheimnisse Fremden verräth; ingleichen wer seinem Vaterlande andre
Vortheile dieser Art zu Gunsten fremder Staaten vorsätzlich entzieht, der hat
vier bis achtjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
Vierter Abschnitt
Von Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des
Staats
Allgemeiner Grundsatz.
§. 149. Die durch ein Verbrechen verwirkte Strafe wird
allemal geschärft, wenn dasselbe unter Umständen, die an sich die öffentliche
Ruhe, Sicherheit und Ordnung stöhren, verübt worden.
1) Verhinderte
Publication der Gesetze.
§. 150. Wer die Bekanntmachung eines Gesetzes, oder einer
Landesherrlichen Polizeyverordnung, durch Abreißung oder Verdunkelung
derselben, oder auf andre Art, geflissentlich zu verhindern trachtet, der soll
Gefängniß- oder Zuchthaus-Strafe auf drey bis achtzehn Monathe leiden.
2) Erregung
von Mißvergnügen gegen die Regierung,
§. 151. Wer durch frechen unehrerbietigen Tadel, oder
Verspottung der Landesgesetze und Anordnungen im Staate, Mißvergnügen und
Unzufriedenheit der Bürger gegen die Regierung veranlaßt, der hat Gefängniß
oder Festungsstrafe auf sechs Monathe bis zwey Jahre verwirkt.
§. 152. In je größerm Ansehen derjenige steht, welcher
dergleichen Unfug vornimmt, desto strenger muß derselbe bestraft werden.
§. 153. Verkauf und Verbreitung solcher Schandschriften muß,
unter nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe, verboten, und der ganze Vorrath
der vorgefundenen Exemplare vernichtet, oder nach Beschaffenheit der Umstände
öffentlich verbrennt werden.
§. 154. Drucker, Verleger, Abschreiber und Austheiler
solcher aufrührerischer Schriften, trifft, außer dem Verluste ihres
Bürgerrechts und Gewerbes, eine ihrer Verschuldung und der Größe des
Hauptverbrechens angemessene Strafe.
§. 155. Was von Schriften verordnet ist, gilt auch von
Gemählden, Kupferstichen, und andern sinnlichen Darstellungen, welche in einer
solchen unerlaubten Absicht erfunden und bekannt gemacht worden.
§. 156. Dagegen steht einem jeden frey, seine Zweifel,
Einwendungen, und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andre Anordnungen im
Staate, so wie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel und
Verbesserungen, sowohl dem Oberhaupte des Staats, als den Vorgesetzten der
Departements anzuzeigen; und letztere sind dergleichen Anzeigen mit erforderlicher
Aufmerksamkeit zu prüfen verpflichtet.
3) Unerlaubte
Selbsthülfe.
§. 157. Wer, mit Vorbeygehung der Obrigkeit, sich selbst,
ohne besondere Zulassung der Gesetze, Recht zu verschaffen sucht, soll, wenn es
ohne Gewalt an Personen oder Sachen geschieht, mit Geldbuße oder bürgerlichem
Arreste gestraft; sonst aber, nach Verhältniß der ausgeübten Gewalt, mit zwey-
bis sechsmonatlicher Gefängniß- Festungs- oder Zuchthaus-Strafe belegt werden.
§. 158. Wer dergleichen Selbsthülfe der schon erfolgten obrigkeitlichen
Entscheidung zuwider verübt, ist, wenn es ohne Gewalt geschieht, mit
sechswöchentlicher bis sechsmonatlicher, bey gebrauchter Gewalt hingegen, mit
sechsmonatlicher bis zweijähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe zu belegen.
§. 159. Ist bey Ausübung der Selbsthülfe ein andres
Verbrechen, welches schwerere Strafe nach sich zieht, begangen worden: so wird
diese wegen der hinzutretenden Beleidigung des Staats allemal geschärft.
§. 160. a) Wer Personen, zu deren Anzeigung die Unterthanen
des Staats von der Obrigkeit öffentlich besonders aufgefordert werden,
wissentlich verheimlicht, oder ihre Flucht befördert, hat Gefängnißstrafe auf
vierzehn Tage bis drey Monathe verwirkt.
4) Erbrechung der Gefängnisse.
§. 160. b) Wer gefanglich eingezogne Personen der Obrigkeit
mit List entzieht, oder ihnen zur Flucht beförderlich ist, soll mit
vierwöchentlichem bis sechsmonatlichem Gefängnisse bestraft werden.
§. 161. Wer einen Gefangenen mit Gewalt in Freyheit setzt,
hat nach Verhältniß der Schwere des von dem Entledigten begangenen Verbrechens,
und der angewendeten Gewalt, außer der wegen des angerichteten Schadens
verdienten Ahndung, eine ein- bis sechsjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe
verwirkt.
§. 162. Diese Strafe findet statt, sobald das Gefängniß
erbrochen worden, wenn auch der Gefangene nicht wirklich zur Freyheit gelangt
wäre.
§. 163. Wer die Befreyung eines Gefangenen Hoch- oder eines
Landesverräthers der Ersten Classe solchergestalt (§. 160. b.(!) §. 161.)
unternimmt, der hat die Strafe des Schwerdts; und in dem Falle des §. 160. a.
sechs- bis zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 164. Lag bey der unternommenen Befreyung oder
Durchhelfung, eine hoch- oder landesverrätherische Absicht zum Grunde: so wird
der Thäter selbst als ein Theilnehmer an dem Hoch- oder Landesverrathe
bestraft.
§. 165. Ist die gewaltsame Befreyung eines Gefangenen durch
Zusammenrottung mehrerer Menschen geschehen: so findet, außer der durch die
That selbst verwirkten, auch noch die Strafe des Aufruhrs statt.
5) Widerstand gegen die Obrigkeit.
§. 166. Wer sich seiner
Obrigkeit in ihrer Amtsführung, oder deren Abgeordneten in Vollziehung ihrer
Befehle, thätlich widersetzt, der soll, nach Beschaffenheit des Widerstandes,
und der dabey gebrauchten Gewalt, mit Gefängniß-, Zuchthaus- oder
Festungsstrafe auf Zwey Monathe bis Zwey Jahre belegt werden.
6) Aufruhr.
§. 167. Wer eine Classe des Volks, oder die Mitglieder einer
Stadt- oder Dorfgemeine, ganz oder zum Theil zusammenbringt, um sich der
Ausführung obrigkeitlicher Verfügungen mit vereinigter Gewalt zu widersetzen,
oder etwas von der Obrigkeit zu erzwingen; der macht sich eines Aufruhrs
schuldig.
§. 168. Wer einen Aufruhr erregt, der hat, wenn auch noch
keine wirkliche Gewalt verübt worden, und noch kein Schade geschehen ist,
dennoch ein- bis vierjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 169. Ist bey einem solchen Tumulte Gewalt verübt, und
jemand an seinem Leibe oder Gütern beschädigt worden: so soll der Thäter nach
Bewandniß seines Verbrechens gestraft; der Rädelsführer aber auf drey bis sechs
Jahre zur Festung oder ins Zuchthaus gebracht, und sowohl bey seiner Aufnahme,
als Entlassung, mit einer von dem Richter zu bestimmenden Anzahl von
Peitschenschlägen (Willkommen und Abschied,) gezüchtigt werden.
§. 170. Ist bey einem solchen Tumulte ein Todschlag
geschehen: so wird der Thäter selbst als ein Todschläger oder Mörder bestraft;
der Rädelsführer aber mit zehnjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe, und
gleicher körperlicher Züchtigung belegt.
§. 171. Kann bey einem im Tumulte erfolgten Todschlage der
eigentliche Thäter nicht ausgemittelt werden: so soll gegen die Theilnehmer des
Tumults, welche sich in dem Zeitpunkte des geschehenen Mordes in der Nähe des
Orts, wo derselbe verübt worden, befunden haben, und mit Instrumenten, wodurch
ein solcher Mord hat begangen werden können, versehen gewesen sind, nach
Verhältniß des gegen sie obwaltenden Verdachts, vier- bis zehnjährige, gegen
den Rädelsführer aber zehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder
Zuchthausstrafe statt finden.
§. 172. Haben die Aufrührer den Tumult in der Absicht, einen
Mord zu begehen, erregt: so treffen sie die unten §. 839. sqq. bestimmten
härtern Strafen.
§. 173. Wenn obrigkeitliche Personen oder Wachens(!) welche
zur Stillung eines Tumult, herbeyeilen, thätlich behandelt oder gar ums Leben
gebracht werden: so soll der Rädelsführer, so wie der Thäter, nach Bewandniß
des Erfolgs, mit geschärfter Leibes- oder Lebensstrafe belegt werden.
Theilnehmung am Aufruhre.
§. 174. Leute, die sich, ohne Beruf, mit tödlichem Gewehre
oder gleich schädlichen Instrumenten in einen solchen Tumult mischen, haben,
wenn sie auch keine Gewalt gebraucht hätten, dennoch auf sechs Monathe, bis ein
Jahr, Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 175. Wer die Aufrührer mit Gewehr oder andern Werkzeugen
ihres Unfugs versieht; oder die schädlichen Absichten derselben, mit Worten, in
Schriften, oder sonst befördert; der wird mit ein- bis zweyjähriger Festungs-
oder Zuchthausstrafe belegt.
§. 176. Heimliche Consulenten und unbefugte Schriftsteller,
welche hartnäckige Querulanten in ihren gesetzwidrigen Gesuchen oder
Beschwerden mit Rath und That unterstützen und bestärken, sollen, nach
fruchtlos erhaltener Warnung, zu drey- bis sechsmonathlicher Zuchthausstrafe
verurtheilt werden.
§. 177. Haben Justizcommissarien, oder andere
Gerichtspersonen, sich dieses Verbrechens schuldig gemacht: so werden sie,
außer der §. 176. bestimmten Strafe ihres Amts entsetzt.
§. 178. Wer der Obrigkeit die gegen Aufruhr oder Widersetzlichkeit
erforderte Hülfe versagt, da er selbige doch ohne eigene Gefahr zu leisten im
Stande gewesen wäre, hat verhältnißmäßige Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 179. Wer aber zu dergleichen Hülfsleistung durch
besondere Amts- oder Berufspflichten verbunden ist; und sich derselben dennoch
entzieht; hat, außer dem Verluste seines Amts, Gefängniß- oder Festungsstrafe
auf drey Monathe bis zu Einem Jahre verwirkt.
Vorbeugungsmittel.
§. 180. Alle obrigkeitliche Personen, besonders aber die
vorgesetzten der Magisträte, Gerichte, und anderer Collegien, sind schuldig,
einen jeden, welcher sich in Angelegenheiten ihres Amts bey ihnen meldet,
persönlich zu hören, und auf schleunige Untersuchung und Abhelfung gegründeter
Beschwerden bedacht zu seyn.
§. 181. Allem Zusammenlaufe des Volks an ungewöhnlichen
Zeiten und Orten, besonders aber nächtlichen Schwärmereyen, und Beunruhigungen
der Einwohner eines Orts, soll von der Obrigkeit durch ernstliche Mittel
gesteuert werden.
§. 182. Die Anstifter derselben, so wie die Theilnehmer,
welche sich nicht weisen lassen, sind mit Arrest in dem öffentlichen
Gefängnisse auf acht Tage bis sechs Wochen, oder verhältnißmäßiger Geld- oder
anderer Leibesstrafe zu belegen.
§. 183. Muthwillige Buben, welche auf den Straßen, oder sonst,
Unruhe erregen, oder grobe Unsittlichkeiten verüben, sollen mit
verhältnißmäßigem Gefängnisse, körperlicher Züchtigung, oder Zuchthausstrafe
belegt werden.
§. 184. Die Mitglieder aller Gesellschaften im Staate sind
verpflichtet, sich über den Gegenstand und die Absicht ihrer Zusammenkünfte
gegen die Obrigkeit auf Erfordern auszuweisen.
§. 185. Heimliche Verbindungen mehrerer Mitbürger des Staats
müssen, wenn sie auf den Staat selbst, und dessen Sicherheit Einfluß haben
könnten, von den Verbundenen, bey Vermeidung nachdrücklicher Geld- oder
Leibesstrafe, der Obrigkeit zur Prüfung und Genehmigung angezeigt werden.
§. 186. Ohne ausdrückliche Erlaubniß der Polizeyobrigkeit
soll keine Redute, öffentliche Maskerade, oder andre dergleichen öffentliche
Lustbarkeit angestellt werden.
§. 187. Wenn die Obrigkeit die Erlaubniß ertheilt: so muß
sie zugleich die nöthige Aufsicht zu Verhütung aller Unordnungen bey eigner
Vertretung veranstalten.
§. 188. Wenn der Unternehmer solcher Lustbarkeiten sich die
Erlaubniß und den Schutz der Obrigkeit nicht erbethen hat: so soll er, wegen
aller dabey vorgefallner Unordnungen oder Verbrechen, gleich demjenigen,
welcher dazu thäthigen Beystand geleistet hat, bestraft werden. (§. 71.)
§. 189. Ein Gleiches findet statt, wenn der Unternehmer, bey
wirklich entstandnen Unordnungen, die nöthige Hülfe zu deren Beylegung nicht in
Zeiten erfordert; ob er gleich die §. 186. vorgeschriebne Anzeige bey der
Obrigkeit nicht unterlassen hat.
§. 190. Auch bey Gelagen in Wirthshäusern, und andern
Versammlungsplätzen des gemeinen Volks, muß die Obrigkeit durch die Polizey
darauf Acht haben, daß keine Unordnungen vorfallen; und nicht zugeben, daß
solche Zusammenkünfte über die in der Polizeyordnung bestimmte Zeit fortdauern.
§. 191. Fremde Landstreicher, welche nirgend einen festen
Wohnsitz haben, und wovon sie sich ernähren, nicht glaubhaft nachweisen können,
sollen, wenn bey der Untersuchung ihres bisherigen Lebenswandels keine Anzeigen
eines begangnen Verbrechens sich hervorthun, über die Gränze gebracht, und
ihnen die Rückkehr bey Festungsstrafe verboten werden.
§. 192. Finden sie sich dennoch wieder ein: so müssen sie
zweyjährige Festungsstrafe leiden.
§. 193. Nach ausgestandener Strafe werden sie abermals über
die Gränze geschaft; und es wird ihnen lebenswierige Festungsstrafe auf den
Fall der abermaligen Rückkehr angekündigt.
§. 194. Diese Strafe wird an ihnen wirklich vollstreckt,
wenn sie sich als Landstreicher zum Drittenmale in hiesigen Landen betreten
lassen.
§. 195. Vorstehende Andeutungen und Strafen (§. 191-194.)
finden auch alsdann statt, wenn ein fremder Landstreicher in hiesigen Landen
ein Verbrechen begangen, und die erkannte zeitige Gefängniß-, Zuchthaus- oder
Festungsstrafe ausgestanden hat.
Fünfter Abschnitt
Von Verletzungen der Ehrfurcht gegen den Staat
Verbrechen der beleidigten Majestät;
§. 196. Wer das Oberhaupt des Staats in seiner Würde
persönlich beleidigt, ohne daß dabey eine hoch- oder landesverrätherische
Absicht erhellete, der begeht das Verbrechen der beleidigten Majestät.
1) gegen den Landesherrn;
§. 197. Thätliche Beleidigungen dieser Art, wenn sie auch
dem Leben oder der Freyheit des Regenten nicht gefährlich gewesen wären, ziehen
dennoch die Strafe des Schwerdts nach sich.
§. 198. Bey dergleichen minder wichtigen Vergehungen, oder
bey hinzukommenden mildernden Umständen, kann die Todes- in lebenswierige, oder
auch in Sechs- bis Zehnjährige Festungsstrafe verwandelt werden.
§. 199. Wer sich des Verbrechens der beleidigten Majestät
durch ehrenrührige Schmähungen des Oberhaupts im Staate, mit Worten, Schriften,
oder andern sinnlichen Darstellungen, schuldig macht; der hat Zwey- bis
Vierjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 200. Auch schon andre dergleichen boshafte, die Ehrfurcht
gegen den Landesherrn verletzende Aeußerungen, über die Person und Handlungen
desselben, sollen mit Gefängniß- oder Festungsstrafe auf Sechs Monathe bis zu
Einem Jahre geahndet werden.
§. 201. Alle über dies Verbrechen der beleidigten Majestät
(§. 197-.200.) abgefaßte Straferkenntnisse müssen dem Landesherrn besonders
vorgelegt, und ihm anheim gestellt werden: in wie fern er dabey von seinem
Begnadigungsrechte Gebrauch machen wolle.
§. 202. Wenn bey der Untersuchung sich findet, daß das
Verbrechen der beleidigten Majestät aus Wahnsinn und Zerrüttung der
Verstandskräfte begangen worden: so soll der Thäter in eine öffentliche Anstalt
gebracht, und nicht eher wiederum entlassen werden, als bis man von seiner
Wiederherstellung zuverlässig versichert ist.
2) gegen die Familie des
Landesherrn;
§. 203. Wer die Person der Königin, des Kronprinzen, oder
andrer Mitglieder der Königlichen Familie thätlich beschimpft, hat nach
Bewandniß der Umstände, und Schwere der Beleidigung, vier- sechs- bis
zehnjährige, oder auch lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 204. Diese Strafe soll, nach Beschaffenheit des sich
veroffenbarenden Grades der Bosheit, verschärft werden.
§. 205. Wörtliche Injurien dieser Art ziehen Ein- bis zweyjährige
Zuchthaus- oder Festungsstrafe nach sich.
§. 206. Auch in diesen Fällen (§. 203. 204. 205.) findet die
Vorschrift des §. 202. Anwendung.
3) gegen die Bedienten des Staats
in ihrem Amte.
§. 207. Wer einen der ersten Staatsbedienten, in und bey Ausübung
seines Amts, mit Worten oder Thätlichkeiten beschmipft(! = beschimpft), gegen
den soll die durch die Injurie selbst verwirkte Gefängniß-, Zuchthaus- oder
Festungsstrafe, in Rücksicht der zugleich verletzten Ehrfurcht gegen den Staat,
verdoppelt werden.
§. 208. Ist die Beleidigung Mitgliedern der Landescollegien,
oder andern Staatsbedienten und obrigkeitlichen Personen, in oder bey Ausübung
ihres Amts widerfahren: so wird die Dauer der durch die Injurie an sich
verwirkten Strafe um die Hälfte verlängert.
§. 209. Eine Verlängerung auf den Dritten Theil der Zeit
findet satt(! = statt), wenn Unterbediente des Staats in ihrem Amte behscimpft
werden.
Andere Verletzungen der Ehrfurcht gegen den Staat oder das
Publicum.
§. 210. Wer die von der Obrigkeit angeschlagenen Patente,
Verordnungen, und öffentliche Anzeigen, aus Muthwillen abreißt, beschädigt,
oder sonst schimpflich behandelt: der soll, nach Beschaffenheit des verübten
Muthwillens, seines Alters, Standes, und Vermögens, mit körperlicher
Züchtigung, Strafarbeit, Gefängniß auf vier Wochen bis ein Jahr, oder
verhältnißmäßiger Geldstrafe belegt werden.
§. 211. Eine gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher
öffentliche Denkmäler, Statuen, Stadtthore, Meilenzeiger, Warnungstafeln,
Spaziergänge, oder andere zum Gebrauche des Publici bestimmte Werke und Gebäude
verunstaltet, oder beschädigt.
§. 212. Die Strafe eines jeden gemeinen Verbrechens wird
geschärft, wenn damit zugleich eine Verletzung der dem Staate schuldigen
Ehrfurcht verbunden war.
§. 213. Dies findet besonders statt, wenn das Verbrechen in den zur
Residenz des Landesherrn bestimmten Schlössern, Gebäuden, und andern Bezirken
verübt worden.
Sechster
Abschnitt
Von
Beleidigungen der Religionsgesellschaften
Grundsatz.
§. 214. Wer die im Staate aufgenommenen
Religionsgesellschaften, durch Lästerungen in öffentlichen Reden oder
Schriften, oder durch entehrende Handlungen und Geberden beleidigt, soll mit
verhältnismäßiger Gefängniß- oder Zuchthausstrafe, von vier Wochen bis zu sechs
Monathen, belegt werden.
Störung des öffentlichen Gottesdienstes.
§. 215. Wer den öffentlichen Gottesdienst stört, oder die in
dessen Feyer begriffene Gemeine, oder deren mit solchen Amtshandlungen
beschäftigten Lehrer, mit Worten oder Thätlichkeiten angreift; der soll auf
drey bis achtzehn Monath ins Zuchthaus oder auf die Festung gebracht werden.
§. 216. Auch der, welcher sich gegen bloß geduldete Gemeinen
eines solchen Unfugs schuldig macht, hat dadurch eine sechswöchentliche bis
sechsmonatliche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 217. Wer durch öffentlich ausgestoßene grobe
Gotteslästerungen zu einem gemeinen Aergernisse Anlaß giebt, soll auf zwey bis
sechs Monathe ins Gefängniß gebracht, und daselbst über seine Pflichten, und
die Größe seines Verbrechens belehrt werden.
§. 218. Wiederholt der schon bestrafte Verbrecher ein
dergleichen Vergehen: so soll die vorher ihm zuerkannte Strafe verdoppelt
werden.
§. 219. Nach ausgestandener Strafe soll ihm ein Lehrer
seiner Religionspartey, in Gegenwart der Vorsteher der Gemeine, die Größe
seines Vergehens nochmals vorhalten, under der Gemeine, in der Person dieser
ihrer Vorsteher, wegen des gegebenen Aergernisses Abbitte leisten.
Mißbrauch der Religion zu Gaukeleyen.
§. 220. Wer bey sonst ungestörtem Gebrauche seines
Verstandes, gewisse Religionshandlungen, oder zum Gottesdienste bestimmte
Sachen, zu vermeintlichen Zaubereyen, Gespensterbannen, Citiren der
Verstorbenen, Schätze graben, und andern dergleichen abergläubigen Gaukeleyen
mißbraucht, soll zuerst eines bessern belehrt, im Falle der Wiederholung aber
mit vier- bis achtwöchentlicher Gefängniß- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 221. Sind dergleichen Gaukeleyen betrüglicher Weise,
oder, um damit gewisse Nebenabsichten zu erreichen, vorgenommen worden: so
findet gegen den Thäter, außer der durch den Betrug oder Diebstal an sich
verwirkten, annoch Festungs- oder Zuchthausstrafe auf sechs Monathe bis zwey
Jahre statt.
§. 222. Hat ein Geistlicher, oder anderer Kirchenbedienter,
dergleichen abergläubige, oder betrügliche Handlungen unternommen, und dadurch
Aergerniß gegeben: so muß derselbe, noch außer der geordneten Strafe, seines
Amtes entsetzt werden.
§. 223. Wer sich aus Unwissenheit oder Schwärmerey zum
Stifter einer Sekte aufwirft, deren Lehrsätze die Ehrfurcht gegen die Gottheit,
den Gehorsam gegen die Gesetze, oder die Treue gegen den Staat offenbar
angreifen, oder das Volk zu Lastern gerade zu verleiten: der soll in eine
öffentliche Anstalt gebracht; daselbst durch Unterricht und Belehrung, oder
auch, nach bewandten Umständen, durch körperliche Heilungsmittel gebessert; und
nicht eher, als bis man von seiner Besserung überzeugt seyn kann, wieder
entlassen werden.
§. 224. Wer sich zu einem solchen Sektenstifter betrüglicher
Weise, und zur Befriedigung seiner Leidenschaften aufwirft, der soll als ein
Betrüger an den Pranger gestellt, mit Ein- bis dreijähriger Festungs- oder
Zuchthausstrafe belegt, und nach seiner Entlassung, aus der Gegend oder
Provinz, wo er seine Sekte vorhin ausgebreitet hat, verbannt werden.
§. 225. Fällt ein solcher Betrüger dessen ungeachtet in sein
voriges Verbrechen zurück: so ist er Lebenslang(!) auf die Festung zu bringen,
und daselbst in sicherer Verwahrung zu behalten.
§. 226. Ueberhaupt soll bey jedem unter dem Deckmantel der
Religion verübten Verbrechen, die darauf schon an sich in den Gesetzen
bestimmte Strafe, wegen des zugleich begangenen Mißbrauchs der Religion,
verhältnißmäßig geschärft werden.
Verbitterung der Religionsparteyen gegen einander.
§. 227. Wer in Predigten, oder andern öffentlichen Reden,
Haß und Verbitterung unter den verschiedenen im Staate aufgenommenen
Religionsparteyen zu erregen sucht, soll seines Amtes entsetzt; und nach
Verhältniß des angerichteten
Schadens, mit vierwöchentlicher bis sechsmonathlicher Gefängniß- oder
Festungsstrafe belegt werden.
§. 228. Wer aus übel verstandnem Religionseifer, zwischen
Eheleuten oder Aeltern und Kindern verschiedener Religion Mißtrauen und
Uneinigkeiten anrichtet, der soll nach fruchtlos vorhergegangener gerichtlicher
Abmahnung, aus dem Orte, wo er sich solchergestalt in die Familien
eingeschlichen hat, verwiesen werden.
Siebenter Abschnitt
Von Anmaßungen und Beeinträchtigungen der vorbehaltnen
Rechte des Staats
Grundsätze.
§. 229. Wer sich eines der dem Staate allein vorbehaltenen
Hoheits- oder der demselben zukommenden nutzbaren Rechte anmaßt; den soll der
Fiskus deswegen zur Verantwortung ziehen.
§. 230. Hat dergleichen Anmaßung nur Irrthum und
Mißverständniß zum Grunde: so ist der Anmaßende bloß zum Schadensersatze, und
zur Abstellung der im Verfolge seiner Anmaßung etwa gemachten Anstalten
verpflichtet.
§. 231. Auch muß ihm die fernere Fortsetzung solcher
Eingriffe bey nachdrücklicher fiskalischer Geld- oder verhältnißmäßiger
Gefängnißstrafe untersagt werden.
§. 232. Handelt er dem Verbote zuwider: so verwirkt er die
gedrohete Strafe, welche im Wiederholungsfalle jedesmal verdoppelt wird.
Anmassung der Rechte des Staats.
§. 233. Enthält die Anmaßung des Hoheitsrechtes zugleich ein
Vergehen wider die Verfassung des Staats selbst, und dessen Sicherheit: so
finden die §. 92. sqq. ingleichen §. 125. sqq. festgesetzten Bestimmungen der
Strafe statt.
§. 234. Liegt aber bey einer obschon wider besseres Wissen
unternommenen Anmaßung eines Hoheitsrechtes, keine der Ruhe und Sicherheit des
Staats unmittelbar nachtheilige Absicht zum Grunde: so findet nur fiskalische
Geld- oder zeitige Gefängnißstrafe statt.
§. 235. Diese Strafe soll nach Verhältniß der Wichtigkeit
des angemaßten Rechts, und der sonstigen unerlaubten Absicht, welche dabey zum
Grunde liegt, auf dreyhundert bis dreytausend Thaler, oder auf Ein- bis
dreijährigen Festungsarrest bestimmt werden.
§. 236. Wer sich eines nutzbaren Rechts des Staats
wissentlich zur Ungebühr anmaßt, der muß allen dadurch verursachten Schaden
doppelt ersetzen.
§. 237. Außerdem hat er, nach Maaßgabe der Wichtigkeit des
sich zugeeigneten Rechts, und seiner dabey gehegten unerlaubten Absicht,
fünfzig bis tausend Thaler fiskalische Geld- oder verhältnißmäßige Leibesstrafe
verwirkt.
Mißbrauch der vom Staate verliehenen Rechte.
§. 238. Wer in Ausübung eines vom Staate verliehenen Rechts,
die dabey ihm angewiesenen Gränzen vorsätzlich überschreitet, den trifft die
Hälfte der Strafe, welche derjenige verwirkt, der sich eines solchen Rechts
selbst zur Ungebühr anmaßt.
§. 239. Wer bey dieser Ausübung den Polizeygesetzen des
Staats zuwider handelt, ist mit der in den besondern Polizeyordnungen
vorgeschriebenen Strafe zu belegen.
§. 240. Ist die Strafe der Uebertretung in der
Polizeyordnung nicht bestimmt: so muß der Richter, nach Maaßgabe der Gefahr und
Schädlichkeit der Uebertretung, eine die Summe von fünfzig Thalern nicht
übersteigende fiskalische Geld-, oder verhältnißmäßige Arreststrafe festsetzen.
§. 241. Wer aber ein vom Staate verliehenes Recht zum
Nachtheile des Staats selbst, oder zum Drucke der Einwohner und
Schutzverwandten desselben, vorsätzlich mißbraucht, der muß, außer der
verwirkten Polizeystrafe, dieses Rechts für seine Person verlustig erklärt
werden.
Beeinträchtigung der Rechte des Staats.
§. 242. Wer dem Staate die schuldigen Abgaben und Gefälle
betrüglicher Weise vorenthält, ist, wenn nicht besondere Gesetze eine andere
Strafe bestimmen, den vierfachen Betrag des Vorenthaltenen zu erlegen
verbunden.
§. 243. Wer Andern zur Verweigerung oder Unterschlagung
ihrer schuldigen Gefälle mit Rath und That beysteht, oder die dahin abzielenden
Unterschleife begünstigt, soll mit dem Hauptverbrecher gleiche Strafe leiden.
Eingriffe und Beeinträchtigungen des Besteuerungsrechtes.
§. 244. Wer unter dem Vorwande, Privatcollecten für Communen
oder Nothleidende zu sammeln, sich in die Häuser eindrängt, der wird mit zehn
bis fünfzig Thaler Geld- oder verhältnißmäßiger Leibesstrafe belegt.
§. 245. Liegt bey der verbotenen Einsammlung einer Privatcollecte
Eigennutz oder sonst Betrug zum Grunde: so wird die Strafe durch Verlängerung
des Arrestes bis auf die Hälfte der an sich verwirkten Dauer, und durch
Erlegung des vierfachen Betrags von dem Eingesammelten geschärft.
§. 246. Privilegirten Gesellschaften ist die Ausschreibung
und Einsammlung von Geldbeyträgen unter sich nur in so fern erlaubt, als es die
Natur ihrer Verfassung, und die Erreichung ihres vom Staate gebilligten
Endzwecks erfordern.
§. 247. Wenn Gemeinen in den Städten oder auf dem Lande,
ohne Genehmigung ihrer Vorgesetzten, Collecten unter sich auf bringen: so
sollen die Rädelsführer mit sechswöchentlicher bis sechsmonathlicher Gefängniß-
oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 248. Wer ohne besondere Erlaubniß des Staats eine
öffentliche Lotterie unternimmt, der soll um fünfzig bis hundert Thaler
fiskalisch bestraft werden; und außerdem den doppelten Betrag des dadurch
gezogenen Vortheils der Armencasse des Orts entrichten.
§. 249. Wer in auswärtige vom Staate nicht besonders
genehmigte Lotterien einsetzt, muß den Betrag des Einsatzes, und noch über
dieses hundert Thaler, dem Fisco zur Strafe erlegen.
§. 250. Wer öffentliche Aussteuer-, Wittwen- oder
Sterbecassen ohne ausdrückliche Genehmigung desStaats errichtet, der soll den
Interessenten ihre Einsätze zurückgeben, und den doppelten Betrag des an
Besoldung, Provision, oder sonst gezogenen Vortheils, an die Armencasse des
Orts bezahlen.
§. 251. Ist dergleichen Anstalt, vorsätzlich zum Nachtheile
oder zur Berückung einfältiger Leute, errichtet worden: so soll der Stifter,
außer vorstehender Strafe, als ein Betrüger öffentlich ausgestellt, und auf
sechs Monathe bis zwey Jahre zur Festung oder ins Zuchthaus gebracht werden.
Münzverbrechen.
§. 252. Wer eigenmächtig unter Landesherrlichem Gepräge,
Münzen zum Cours im Publico schlägt oder gießt, hat, nach Verhältniß der
ausgeprägten Quantität, zwey- bis dreyjährige Festungsstrafe, nebst einer
fiskalischen Geldbuße, bis zum zehnfachen Betrage des gezogenen Vortheils
verwirkt.
§. 253. Die Hälfte dieser Strafe trifft denjenigen, welcher
zu solchem eigenmächtigen Münzen auswärtiges Gepräge mißbraucht.
§. 254. Wer aber unter Landesherrlichem, oder einem andern
im Lande gesetzmäßig cursirenden Stempel, nicht nur eigenmächtig Münzen prägt
oder gießt, sondern auch zugleich deren innern Gehalt verfälscht, und dadurch
das Publicum betrügt, hat vier- bis zehnjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 255. Außerdem muß er eine fiskalische Geldbuße, welche
dem zehnfachen Betrage des verursachten Schadens, so weit als selbiger
ausgemittelt werden kann, gleich kommt, aus seinem Vermögen entrichten.
§. 256. Sind durch dieses Verbrechen beträchtliche Summen
falscher Münzen ins Publicum gebracht, und dadurch dem Handel und Credit der
Unterthanen des Staats ein erheblicher Schade zugefügt worden: so soll die
Strafe bis zu Staupenschlag und lebenswieriger Festungsarbeit geschärft werden.
§. 257. Münzbediente, welche den Gehalt der von ihnen, oder
unter ihrer Aufsicht, geprägten Gelder verringern, und dadurch nicht nur den
Landesherrn, sondern auch das Publicum vervortheilen(!), sollen mit eben der
Strafe (§. 256.) belegt werden.
§. 258. Hat jemand unter fremden im Lande nicht cursirenden
Stempel falsche geringhaltige Münzen ausgeprägt: so trifft ihn drey- bis
sechsjährige Festungsstrafe.
§. 259. Wer falsche Münzen geprägt; aber noch nicht in das
Publicum verbreitet hat, den trifft die Hälfte der, nach der übrigen
Beschaffenheit seines Verbrechens, verwirkten Strafe.
§. 260. Wer aber dem falschen Münzen zur Verbreitung der von
ihm geprägten Gelder ins Publicum, aus Eigennutz, oder sonst vorsätzlich, Hülfe
geleistet hat, der soll dem Thäter gleich bestraft werden.
§. 261. Wem falsche Münzsorten zu Händen kommen, oder wer
sonst von deren Umlaufe zuverläßige Nachricht erhält, der ist zur
unverzüglichen Anzeige davon an die Obrigkeit verbunden.
§. 262. Wer nicht nur diese Anzeige unterläßt; sondern auch
die ihm zu Händen gekommene falsche Münzsorten wissentlich weiter ausgiebt, der
soll um den vierfachen Betrag derselben, und überdies mit einer Geldbuße von
fünf bis fünfzig Thalern; oder mit Gefängniß auf acht Tage bis sechs Wochen
bestraft werden.
§. 263. Wer die im Lande gangbaren Münzsorten beschneidet,
abfeilt, oder durch andre Künste deren Gehalt schmälert, der soll den zehnfachen Betrag des sich
dadurch verschafften unrechtmäßigen Gewinnes zur Strafcasse erlegen; und nach
Verhältniß des angerichteten Schadens, zwey- bis vierjährige Zuchthausstrafe
leiden.
§. 264. Ist er ein Jude: so wird er, noch außer dieser
Strafe, des ihm vom Staate bisher gegönnten Schutzes verlustig.
§. 265. Wer zum Nachtheile und wider ein Verbot des Staats,
landesherrliche Münzsorten einschmelzt, wird um den vierfachen Betrag des dabey
gesuchten Gewinnes fiskalisch bestraft.
§. 266. Wer verrufene Scheide- oder andre schlechte
Münzsorten, aus Gewinnsucht in das Land einführt und verbreitet, der soll mit
Confiscation derselben, und dem Ersatze des doppelten Betrages der
eingebrachten Summe, bestraft werden.
§. 267. Wer Banknoten, Pfandbriefe, oder Actien, welche
unter landesherrlicher Autorität zum öffentlichen Umlaufe bestimmt sind,
verfälscht oder nachmacht; oder dergleichen verfälschte Papiere im Publico
wissentlich verbreiten hilft, soll gleich demjenigen, welcher falsches Geld unter
landesherrlichem Gepräge gemünzt oder verbreitet hat, bestraft werden.
§. 268. Kein Kupferstecher, Drucker, Stempel- oder
Wappenschneider, soll ohne schriftlichen Befehl von der Obrigkeit, unter
welcher er stehet, Stempel, Siegel, oder Stiche und Platten der Formulare
öffentlicher Papiere, in die Arbeit nehmen, noch an jemand andern, als an das
Landescollegium, von welchem er den Auftrag erhalten hat, gegen Empfangschein
abliefern.
§. 269. Wer diesem Verbote zuwider handelt, soll nach
Verhältniß der daraus für den Staat oder das Publicum entstandnen Gefahr, mit
dreymonathlicher bis zweyjähriger Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt werden.
Stempelcontraventionen.
§. 270. Der unterlassene Gebrauch des vorgeschriebenen
Stempelpapiers in Gnadensachen; bey Kauf-, Pacht- und Miethcontracten um
Grundstücke; bey letztwilligen Verordnungen und Ehestiftungen, soll, außer dem
Ersatze der dem Staate entzogenen Abgabe, mit Verurtheilung in den doppelten
Betrag derselben, fiskalisch geahndet werden.
§. 271. Eben diese Strafe trifft Kaufleute und Juden, welche
ihre Handlungsbücher nicht stempeln lassen.
§. 272. Desgleichen Juden, die sich verheirathen, ohne den
Trauschein mit dem vorgeschriebenen Stempel gelöset zu haben.
§. 273. Wer bey Gesuchen und Verhandlungen vor Gerichten,
oder andern Obrigkeiten und öffentlichen Behörden, ingleichen bey allen
Contracten, außer dem Kaufe, Pacht und Miethe unbeweglicher Güter (§. 270.),
sich des vorgeschriebenen Stempelbogens nicht bedient, muß selbigen noch
beybringen, und Einen Thaler Strafe für jeden Uebertretungsfall entrichten.
§. 274. Wer bey solchen Verhandlungen die in den Edicten
vorgeschriebene Vollmacht nicht gebraucht, muß die zuletzt gedachte Strafe
doppelt entrichten.
§. 275. Der, welchem von Ehegatten, Seitenverwandten, oder
Fremden, eine Erbschaft, Schenkung aller Güter, oder ein Vermächtniß zufällt,
muß binnen drey Monathen, nachdem er von dem Anfalle Wissenschaft erhalten hat,
den vorgeschriebenen Stempelsatz erlegen, oder denselben zur Strafe vierfach
entrichten.
§. 276. Doch wird bey Erbschaften den Erben die
Ueberlegungsfrist zu gute gerechnet; auch sollen diejenigen, welche keine
nähere Kenntniß und Uebung in gerichtlichen Geschäften haben, zuvor an ihre
Pflicht, den Stempelbogen beyzubringen, erinnert werden.
Accise- und Zollverbrechen.
§. 277. Wer Waaren oder Sachen, deren Ein- oder Ausfuhr der
Staat verboten hat, diesem Verbote zuwider ins Land bringt, oder
herauszuschaffen unternimmt, der macht sich des Verbrechens der Contrebande
schuldig.
§. 278. Wer bey der Ein- und Ausfuhr an sich erlaubter
Waaren, die dem Staate davon zukommenden Zoll- oder Accisegefälle demselben zu
entziehen unternimmt, der begeht eine Defraudation.
§. 279. Kaufleute, die ihre zum Handel aus- oder
einzuführende Waaren bey den Zöllen und der Accise entweder gar nicht, oder in
Ansehung der Qualität, Quantität, oder des Werths, vorsätzlich unrichtig
angeben, werden als Defraudanten angesehn(!).
§. 280. Ein gleiches Verbrechen begehen Schiffer und
Frachtfuhrleute, welche den Zoll- und Acciseämtern vorsätzlich ausweichen:
unrichtige oder unvollständige Frachtbriefe wissentlich vorzeigen; oder die auf
den Frachtbriefen nicht befindlichen, von ihnen zugeladenen Waaren anzugeben
unterlassen.
§. 281. Auch andere Reisende, welche accisbare Waaren bey
sich führen, und diese auf der Gränze noch nicht versteuert haben, müssen bey
Strafe der Defraudation in der Zollstraße bleiben.
§. 282 Brauer, Branntweinbrenner, und Andre, welche ein
Gewerbe treiben, von dessen Ausübung in jedem einzelnen Falle dem Staate eine
Abgabe zu entrichten ist, begehen eine Defraudation, wenn sie dergleichen Fälle
der Ausübung entweder gar nicht, oder unrichtig anzeigen.
§. 283. Alle andere Privatpersonen begehen eine
Defraudation, sobald sie die den Gefällen unterworfene Sachen bey der
Visitation verheimlichen.
§. 284. Auch schon alsdann, wenn sie der vorgeschriebenen
Visitation auszuweichen suchen, werden sie als Defraudanten angesehn.
Confiscation.
§. 285. Von. jeder Contrebande oder Defraudation ist die
Confiscation der Waaren oder Sachen, woran selbige verübt worden, die
unmittelbare Folge.
§. 286. Wird die zur Ein- oder Ausfuhre verbotene Waare
gleich bey dem Gränz-Zollamte angezeigt: so muß selbige auf Kosten des
Eigenthümers zurück- geschafft werden.
§. 287. Hat jemand, der kein Kaufmann, Schiffer, oder
Fuhrmann ist, contrebande Waaren oder Sachen bey dem Gränz- Zoll- oder
Acciseamte zwar nicht ausdrücklich angegeben, aber sich doch zur Visitation
gehörig gemeldet: so findet ebenfalls nur die Zurückschaffung auf seine Kosten
statt.
§. 288. Eben diese ist zu beobachten, wenn zur Einführe
verbotene Waaren mit der Post ankommen; und der, an welchen sie gesendet sind,
einer beabsichtigten Contrebande nicht überführt werden kann.
§. 289. Finden sich bey der Visitation erlaubter und
auswärts verschriebener Waaren am Orte der Bestimmung, verbotene mit
eingepackt: so sind selbige verfallen.
§. 290. Der inländische Empfänger bleibt aber von aller
Strafe frey, wenn er durch Vorlegung seiner Correspondenz, oder auf andre Art nachweisen
kann, daß die Beypackung ohne sein Vorwissen geschehen sey.
§. 291. Der aus einer Contravention entstehende Verlust der
Waare oder Sache trift jedesmal den Eigenthümer.
§. 292. Es macht dabey keinen Unterschied: ob derselbe die
Uebertretung unmittelbar begangen hat; oder ob selbige durch seine Angehörigen,
Handlungs- bedienten, oder andre in seinen Diensten stehende Personen verübt
worden.
§. 293. Kaufleute, Juden, Schiffer und Frachtfuhrleute,
Müller, Brauer, Branntweinbrenner und Fleischer müssen für ihr Gesinde, und
ihre im Hause befindliche Ehegatten und Anverwandten ohne Unterschied, haften.
§. 294. Andere Personen haften nur für die Contrebande und
Defraudation ihrer Ehegatten und Kinder, in so fern diese Verbrechen bey
Gelegenheit solcher Geschäfte, wozu sie dieselben zu brauchen pflegen, von
ihnen verübt worden.
§. 295. Haben bloß Schiffer und Frachtfuhrleute, denen der
Transport der Waaren allein anvertrauet worden, die Contravention ohne
Theilnehmung und Mitwissen des Eigenthümers begangen: so geht das Eigenthum der
Waaren nicht verloren.
§. 296. Vielmehr muß alsdann der Schiffer oder Fuhrmann,
außer der sonst verwirkten Strafe, den Werth der Waare statt der Confiscation
entrichten.
§. 297. Das Eigenthum der verfallnen Waaren geht auf den
Staat, oder den von diesem Berechtigten, sogleich, und ohne Rücksicht auf die
Zeit der Publication des Straferkenntnisses, über.
§. 298. Dergleichen Waare oder Sache kann daher, auch wenn
sie schon von dem Accise- oder Zollamte weggebracht worden, gegen den
bisherigen Eigenthümer, so lange er selbige noch besitzt, vindicirt werden.
§. 299. Gegen einen dritten redlichen Besitzer hingegen ist
die Vindication nur in so weit, als sie überhaupt nach allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften gegen einen solchen Besitzer statt(!) finden kann, zuläßig; und
der Uebertreter haftet hauptsächlich für den Werth. (Th. I.
Tit. XV. §. 24. sqq.)
Strafen der Contrebanden und Defraudationen.
§. 300. Außer der Confiscation hat derjenige, welcher eine
Contrebande oder Defraudation begeht, auch noch verhältnißmäßige Geld- oder
Leibesstrafe verwirkt.
§. 301. Kaufleute, Juden, Schiffer und Frachtfuhrleute, die
sich einer solchen Uebertretung schuldig machen, sollen allemal härter, als
andre Privatpersonen, bestraft werden.
§. 302. Unter letztern richtet sich das Verhältniß der
Strafe nach der mehrern oder mindern bey ihnen vorauszusetzenden Kenntniß der
Landesverfassung.
§. 303. Nähere Bestimmungen der in jedem Contraventionsfalle
statt findenden Strafen, werden in den besondern Accise- und Zollverordnungen
festgesetzt.
§. 304, Fremde Kaufleute, Juden, Schiffer und
Frachtfuhrleute, die
bey ihrem Eintritte in hiesige Lande um die Accise- und Zollverfassungen sich
gehörig zu erkundigen unterlassen, sind in Ansehung der Contrebande und
Defraudationen, nach eben den Gesetzen, wie die Einheimischen, zu beurtheilen.
§. 305. In Ansehung anderer Fremden ist es genug,
wenn sie sich bey dem Zoll- oder Acciseamte gemeldet, und der erforderlichen
Visitation unterworfen haben.
§. 306. Haben aber dergleichen Fremde das Zoll- oder
Acciseamt vorsätzlich vermieden, oder Waaren oder Sachen bey der Visitation
versteckt, oder sonst verheimlicht: so trifft sie die Strafe der Confiscation.
§. 307. Ist ein solcher Fremder wegen Contrebande oder
Defraudation schon einmal in Untersuchung gewesen: so wird er im
Wiederholungsfalle gleich den Einheimischen bestraft.
§. 308. Niemand darf sich der Visitation der dazu bestellten
und vereideten Officianten, bey Vermeidung der deshalb durch besondere
Verordnungen bestimmten Strafen, entziehen oder widersetzen.
§. 309. Ein jeder ohne Unterschied, er sey Einhei-mischer
oder Fremder, welcher bey Verübung einer Contrebande oder Defraudation,
geladenes Gewehr, oder andere gleich schädliche Werkzeuge, zum Widerstande
gegen die Beamten des Staats bey sich führt, soll, außer der verwirkten
ordentlichen Strafe, mit dreijährigem Festungsarreste belegt werden.
§. 310. Wer keine bestimmte Nahrung oder Handthierung
nachweisen kann, und wenigstens schon zweymal auf Contrebande betroffen worden,
wird für einen solchen, der aus Treibung der Contrebande ein Gewerbe macht,
angesehn.
§. 311. Dergleichen Leute werden, wenn sie Contrebande bey
sich haben, und sich den Officianten des Staats widersetzen (§. 308.), nach
Vorschrift des §. 309. bestraft; wenn auch der Umstand, daß sie sich des
Gewehrs zum Widerstände gegen die Officianten bedienen wollen, nicht erwiesen
ist.
§. 312. Wer sich des Gewehrs gegen die Officianten oder
Soldaten, welche ihn anhalten wollen, wirklich bedient, hat eine zehnjährige
Festungsstrafe verwirkt.
§. 313. Ist bey einem solchen bewaffneten Widerstande ein
Beamter des Staats verwundet, oder sonst erheblich beschädigt worden: so soll
der Thäter mit Iebenswieriger Festungsstrafe belegt, bey wirklich erfolgter
Tödtung aber als ein Mörder nach §. 877. gestraft werden.
Von Postcontraventionen.
§. 314. Wer gegen die Vorschriften Tit. XV. Abschn. IV. den
Staat in Ausübung und Benutzung des Postregals beeinträchtigt, hat die in den
besondern Postordnungen festgesetzten Strafen verwirkt.
Jagdcontraventionen.
§. 315. Wer auf Königlichen, oder andern Jagdrevieren, des
Jagens, Hetzens, oder Schiessens(!) unbefugter Weise sich unterfängt, der soll
nach der Anzahl des gefangenen oder geschossenen Wildes, mit der in den
besondern Jagdordnungen bestimmten Geld- oder Leibesstrafe belegt werden.
§. 316. Diese Strafe wird verdoppelt, wenn dergleichen
unbefugtes Jagen in verbotenen und geschlossenen Zeiten unternommen worden.
§. 317. Wer vom heimlichen Jagen, Schießen, oder Fangen, ein
Gewerbe macht, der hat, als ein Wilddieb, die geschärfte Strafe des Diebstahls
verwirkt. (§. 1145.)
§. 318. Niemand soll sich auf fremden Grund- und Boden,
außerhalb der ordentlichen Landstraße, in Königlichen oder andern Gehegen und
Jagdrevieren, wo ihm die Jagdgerechtigkeit nicht zusteht, mit Gewehr oder
andern Werkzeugen zur Jagd, wodurch Wild eingefangen zu werden pflegt, finden
lassen.
§. 319. Wer dennoch solchergestalt betroffen wird, soll
schon um deswillen, auch wenn er einer wirklich verübten Contravention nicht
überführt werden kann, des bey sich habenden Gewehrs oder Jagdgeräthes
verlustig seyn; und außerdem, nach Verhältniß des gegen ihn streitenden
Verdachts, mit Geld- oder Gelängnißstrafe belegt werden.
§. 320. Wer sich dergleichen Pfändungen widersetzt, soll
nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. XIV. §. 459. sqq. bestraft werden.
§. 321. Was von Jagdcontraventionen verordnet ist, gilt auch
von Beeinträchtigungen der Fischereygerechtigkeit.
Bergwerkscontraventionen.
§. 322. Wer den Staat in der Ausübung und Benutzung des ihm
vorbehaltenen Bergwerksregals (Tit. XVI. Abschn. IV.) beeinträchtigt, hat die
in den besondern Bergordnungen festgesetzten Strafen zu erwarten.
Achter Abschnitt Von den Verbrechen der Diener des Staats
Grundsätze.
1) Vergehungen bey Erlangung eines Amts.
§. 323. Wer sich eines öffentlichen Amts anmaßt, ohne von
der Behörde dazu bestellt und verpflichtet zu seyn, der haftet für allen durch
ein solches Unternehmen dem Staate oder einem Dritten verursachten Schaden;
auch wenn derselbe nur durch das geringste Versehen veranlaßt worden.
§. 324. In so fern dabey ein Betrug beabsichtigt worden,
treten die §. 1377. sqq. enthaltenen Strafgesetze ein.
§. 325. Wer sich durchGeschenkeoderVersprechungen, es sey an
Gelde, Geldeswerth, oder andern Vortheilen, in ein öffentliches Amt
einschleicht, der soll sofort und ohne weitere Rücksicht cassirt werden.
§. 326. Wer sein Recht zur Ernennung öffentlicher Staats-
oder Kirchenbedienten, gegen die Vorschrift der Landesgesetze, vorsätzlich(!)
mißbraucht, der wird desselben für seine Person auf immer verlustig.
§. 327. Wenn dergleichen Mißbrauch von Collegien und
Corporationen begangen worden: so verlieren die gegenwärtigen Mitglieder,
welche daran Theil genommen haben, ihr Stimmrecht bey solchen Wahlen auf
Lebenszeit.
§. 328. Es kann daher das Wahlrecht von einem solchen
Collegio nicht eher wiederum ausgeübt werden, als bis wenigstens drey
Mitglieder, die an dem vorigen Mißbrauche nicht Theil genommen haben vorhanden
sind.
§. 329. Vorgesetzte, welche jemanden, ohne die
vorgeschriebene Prüfung seiner Fähigkeiten, und seines sittlichen Verhaltens,
zu einem öffentlichen Amte befördern, sind bey entstandenem Schaden nicht nur
dem Staate, sondern auch einem Jeden, der dadurch Nachtheil erlitten hat,
verantwortlich.
§. 330. In den Fällen des §. 325-329. wird die ernannte oder
gewählte Person von dem Amte ausgeschlossen, und dasselbe von der vorgesetzten
Instanz einer andern dazu tüchtigen Person nach Gutfinden übertragen.
§. 331. Vorgesetzte, welche jemanden gegen Geschenke,
Vortheile, oder Versprechungen, zu einem Amte befördern, vorschlagen, oder ihn
sonst dazu verhelfen, sollen nicht nur für allen von einem solchen Officianten
verursachten Schaden selbst haften, sondern haben auch Cassation verwirkt.
§. 332. Außerdem müssen sie in den vierfachen Betrag des
erhaltnen Geschenks oder Vortheils; oder wenn dieser keiner gewissen Schätzung
fähig ist, in eine willkührliche Geldstrafe, nach Höhe ihres Jahrgehalts,
verurtheilt werden.
2) Bey Verwaltung desselben.
§. 333. Wer den Vorschriften seines Amts vorsätzlich zuwider
handelt, der soll sofort cassirt; außerdem, nach Beschaffenheit des Vergehens,
und des verursach- ten Schadens, mit verhältnißmäßiger Geld- Gefängniß- oder
Festungsstrafe belegt; und zu allen fernern öffentlichen Aemtern unfähig
erklärt werden.
§. 334. Wer aus grober Fahrläßigkeit oder Unwissenheit seine
Amtspflichten verletzt, hat verhältnißmäßige Geldstrafe, Degradation, oder
Cassation verwirkt.
§. 335. Wer sich geringer Versehen in seinen Amtspflichten
schuldig gemacht hat, soll durch Warnung, Verweise, und geringe Geldstrafen,
zur bessern Be- obachtung seiner Pflichten angehalten werden.
§. 336. Bewirken aber diese Strafen keine Besserung bey ihm:
so ist er für einen Menschen anzusehen, der aus grober Fahrläßigkeit seinen
Amtspflichten zuwider handelt.
§. 337. Wer sein Amt zum Nachtheile der gemeinen Sicherheit,
zu Erpressungen, oder sonst zum Drucke der Unterthanen des Staats mißbraucht,
soll desselben entsetzt werden, und außerdem verhältnißmäßige Gefängniß- oder
Festungsstrafe leiden.
§. 338. Betrug, Verfälschung, Dieberey, Contrebande,
Defraudation, und andre gemeine Verbrechen, sollen an Beamten, die ihr
Amtsansehen zu deren Begehung oder Verdeckung gemißbraucht haben, außer der
wider sie zu verhängenden Cassation, durch Schärfung der ordentlichen Strafe des
Verbrechens geahndet werden.
§. 339. Auch wenn Beamte ein Verbrechen begehn, welches mit
ihrem Amte in keiner Beziehung steht; wofür aber, nach Vorschrift der Gesetze,
Zuchthaus oder Festungsstrafe gegen sie erkannt werden muß, soll allemal, noch
außer dieser Strafe, ihre Cassation erfolgen.
§. 340. So oft ein Beamter zu Uebertretung seiner
Amtspflichten durch erhaltenen oder versprochenen Gewinn und Vortheil verleitet
worden, soll er, außer der übrigen Strafe seines Verbrechens, wenn nicht
besondre Gesetze ein Andres bestimmen, den vierfachen Betrag dieses Gewinnes
der Strafcasse zu entrichten schuldig seyn.
§. 341. So oft ein Beamter den durch vorsätzliche
Pflichtwidrigkeit dem Staate oder einem Dritten verursachten Schaden nicht
erstatten kann, soll derselbe, nach ausgestandener Strafe, so lange in einer
öffentlichen Anstalt zur Arbeit angehalten werden, bis der Ersatz des Schadens
auf eine oder die andre Art geleistet worden.
3) Strafe der pflichtwidrigen
Vorgesetzten.
§. 342. Gegen Vorgesetzte, welche ihre Untergebenen zu
unerlaubten Handlungen in ihren Diensten verleiten, sollen die Strafen, welche
der Verbrecher selbst verwirkt hat, allenfalls bis zur Verdoppelung geschärft
werden.
§. 343. Gleichwohl soll den Unterbedienten der Vorwand, daß
er zu pflichtwidrigen Handlungen von seinen Obern verleitet worden, von der
Strafe nicht befreyen.
§. 344. Vorgesetzte, welche in der Aufsicht über ihre
Untergebenen sich nachläßig erweisen, und pflichtwidrige Handlungen derselben
nicht bestrafen, oder zur Bestrafung anzeigen, haften für allen aus dergleichen
Amtsvergehungen solcher Untergebenen dem Staate, oder Privatpersonen,
entstandenen Schaden.
§. 345. Rührt die Vernachläßigung der Aufsicht aus Trägheit
oder Leichtsinn her: so ist ein solcher Vorgesetzter mit verhältnißmäßiger
Geldstrafe, oder nach Maaßgabe des von den Untergebenen begangenen Verbrechens,
mit Degradation zu belegen.
§. 346. Hat ein Vorgesetzter pflichtwidrige Vergehungen
seiner Untergebenen wissentlich und vorsätzlich geduldet: so soll ihn eben die
Strafe, wie die pflichtvergessenen Untergebenen selbst, treffen.
§. 347. Ist dergleichen Nachsicht um Geschenke oder andrer
Vortheile willen gestattet worden: so soll die im Gesetze bestimmte Strafe des
Vorgesetzten mit einer Geldbuße auf den vierfachen Betrag des Empfangenen, oder
mit verhältnißmäßiger Festungsstrafe geschärft werden.
Vorbeugungsmittel.
§. 348. Vorgesetzte sollen sich mit ihren Untergebenen in
kein Darlehns-, Bürgschafts-, oder andre Geldesverbindungen, ohne Genehmigung
ihrer Obern einlassen.
§. 349. Geschieht es dennoch: so soll derVorgesetzte schon
allein wegen der unterlassenen Anzeige, in eine nach dessen Umständen
empfindliche Geldstrafe verurtheilt, oder an einen andern Ort, wo er
dergleichen Verbindungen nicht hat, versetzt werden.
§. 350. Auch enge Familienverbindungen sollen Beamte, deren
einer zur Aufsicht über den andern verpflichtet ist, ohne Vorwissen und
Genehmigung ihrer Obern nicht eingehen.
§. 351. Entstehen aber dergleichen Verbindungen dennoch: so
muß der Vorgesetzte solcher Beamten der obern Behörde, bey zehn bis zwanzig
Thaler Strafe, davon ungesäumt Nachricht geben.
4) Vergehungen wider die
Subordination.
§. 352. Ein Untergebener, der sich in seinen
Amtsverrichtungen gegen seinen Vorgesetzten ungehorsam und widerspenstig
bezeigt, soll das erstemal mit einer verhältnißmäßigen Geldbuße belegt, und
wenn diese Strafe nichts fruchtet, im Wiederholungsfalle cassirt werden.
§. 353. Ist der Ungehorsam mit groben Anzüglichkeiten,
Injurien, oder gar Thätlichkeiten verknüpft:
so zieht derselbe schon auf das
erstemal die Cassation nach sich.
§. 354. Vorgesetzte, welche ihre Untergebenen mit Worten
oder Thätlichkeiten mißhandeln, sollen mit richterlichem Verweise, und nach
Beschaffenheit der Beschimpfung oder Mißhandlung mit verhältnißmäßiger Geld-
oder Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 355. Ein Beamter, der sich ohne Genehmigung seiner
Vorgesetzten von seinem Posten entfernt, soll nicht nur allen durch seine
Abwesenheit entstandenen Schaden vertreten; sondern hat auch verhältnißmäßige
Geld- oder Leibesstrafe zu gewärtigen.
§. 356. Ein Gleiches findet gegen denjenigen statt, welcher
ohne erhebliche Ursache über seinen erhaltenen Urlaub ausbleibt.
5) Gebrochene
Amtsverschwiegenheit.
§. 357. Wer außer dem Falle einer Staatsverrätherey (§. 111.
141. 142. 148.) die ihm anvertraueten Amtsgeheimnisse Andern, die sie zu wissen
nicht berechtigt sind, gefährlicher Weise eröffnet, macht sich seines Amtes
verlustig, und soll nach Befinden der Umstände mit zeitiger Gefängnißstrafe
belegt werden.
§. 358. Ist die Entdeckung solcher Amtsgeheimnisse bloß aus
Leichtsinn und Unbedachtsamkeit geschehen: so findet, nach Verhältniß des
dadurch angerichteten Schadens, Geld- oder Gefängnißstrafe statt.
§. 359. Nach fruchtlos angewandter Geld- oder
Gefängnißstrafe soll, im Wiederholungsfalle, die §. 357. vorgeschriebene
Ahndung eintreten.
6) Bestechung.
§. 360. Diener des Staats, welche für die Ausrichtung ihres
Amts Geschenke oder Gaben, wozu die Gesetze sie nicht ausdrücklich berechtigen,
annehmen, oder durch Andere für ihre Rechnung nehmen lassen, sollen, wenn auch
kein Verdacht einer Pflichtwidrigkeit vorhanden ist, um den vierfachen Betrag
des Empfangenen bestraft werden.
§. 361. Waltet aber zugleich ein erheblicher Verdacht einer
begangenen, oder vorgehabten Pflichtwidrigkeit ob: so hat der Beamte, außer der
Geldstrafe, auch die Cassation, und im Falle einer klar erwiesenen Verletzung
der Amtspflicht, überdies noch drey- bis sechsjährige Zuchthaus- oder
Festungsstrafe verwirkt.
7) Im Amte verübte Injurien.
§. 362. Gegen Beamte, welche Personen, mit denen sie im Amte
zu thun haben, bey der Ausübung desselben mit groben Anzüglichkeiten, Injurien,
oder gar Thätlichkeiten beleidigen, soll, außer der dem Beleidigten gebührenden
Privatgenugthuung, die ordentliche Strafe der Injurien, allenfalls bis zur
Degradation, oder gar Cassation, geschärft werden.
8) Unordentliche Lebensart.
§. 363. Beamte, die sich durch unregelmäßige Lebensart,
Spiel, oder Verschwendung in Schulden stürzen; oder sich durch niederträchtige
Aufführung verächtlich machen, sollen ihres Amts entsetzt werden.
§. 364. Können sie solche Schulden nicht bezahlen:
so bleiben sie auf immer zu den Diensten des Staats unfähig.
§. 365. Alles, was vorstehend §. 323-364. von den
Vergehungen der Officianten des Staats verordnet ist, gilt sowohl von den
mittelbaren als unmittelbaren Beamten desselben. (Tit. X. §. 69.)
I. Strafe pflichtwidriger Justizbedienten:
1) bey
verübten Ungerechtigkeiten aus Eigennutz;
§. 366. Ein Richter, welcher von Parteyen, die vor ihm
Prozesse führen, Geschenke nimmt, oder sich versprechen läßt, soll schon
deswegen, wenn er auch sonst keiner Pflichtwidrigkeit überführt werden könnte,
seines Amts entsetzt, und wenn Verdacht oder Ueberführung einer solchen
Pflichtwidrigkeit vorhanden ist, noch außerdem nach Vorschrift des §. 361.
bestraft werden.
§. 367. Wenn eine Gerichtsperson in Amtsangelegenheiten,
welche keinen Prozeß betreffen, Geschenke von den Parteyen annimmt, und es
seinen Vorgesetzten nicht anzeigt: so soll dergleichen Vergehen nach Vorschrift
des §. 360. geahndet werden; im Wiederholungsfalle aber, wenn auch noch keine
andere Strafe vorhergegangen wäre, dennoch die Cassation eintreten.
§. 368. Wer einer Gerichtsperson Geschenke oder Vortheile
anbietet, um sich dieselbe in seinen Rechtsangelegenheiten überhaupt geneigt zu
machen, der wird um den vierfachen Betrag des Angebotenen fiskalisch bestraft.
§. 369. Geschieht das Anmuthen zur Durchsetzung einer
gewissen bestimmten Angelegenheit: so muß der Anbietende eben so viel an Strafe
erlegen, als der Vortheil beträgt, den er dadurch hat erlangen können, oder
wollen.
§. 370. Läßt sich der angebotene oder beabsichtigte Vortheil
nicht in Gelde schätzen: so findet in den Fällen des §. 368. 369. verhältnißmäßige
Gefängnißstrafe statt.
2) aus
Leidenschaften;
§. 371. Justizbediente, die sich aus Animosität,
Privatleidenschaften, oder andern Nebenabsichten, zu pflichtwidrigen Handlungen
in ihrem Amte hinreißen lassen, sollen cassirt, und außerdem mit zwey- bis
fünfjährigem Festungsarreste bestraft werden.
3) aus
Fahrlässigkeit;
§. 372. Diejenigen hingegen, die aus grober Fahrläßigkeit,
oder Unwissenheit, ihren Pflichten zuwider handeln, und dadurch dem Staate,
oder den Parteyen, erheblichen Schaden zufügen, sollen ihres Amts verlustig,
und zu allen fernern Justizbedienungen unfähig erklärt werden.
4) bey Sportelexcessen;
§. 373. Justizbediente, welche durch Ueberschreitung der
vorgeschriebenen Taxen, oder sonst durch geflissentliche Anhäufung unnöthiger
Kosten, die Parteyen bedrücken, werden, wenn ihnen der Selbstgenuß der Sportuln
zukommt, um den zehnfachen Betrag der zu viel genommenen Gebühren bestraft.
§. 374. Haben sie sich des übermäßigen Sportulirens in mehr
als Einem Falle, aus Eigennutz und Gewinnsucht schuldig gemacht: so trifft sie
die Cassation, noch außer der verordneten Geldbuße.
§. 375. Dagegen werden sie nur um den doppelten Betrag der
zu viel genommenen Sportein bestraft, wenn sie dergleichen Gebühren nicht für
eigne Rechnung eingezogen haben.
§. 376. Diese Strafe trifft alsdann denjenigen, welcher die
Gebühren angesetzt hat.
5) bey Depositalverehungen (!
=Depositalvergehungen);
§. 377. Vorgesetzte, Mitglieder, oder Subalternen der
Gerichte, welche aus dem Deposito des Gerichts Darlehne aufnehmen, müssen zur
baldigen Zurückzahlung durch persönlichen Arrest angehalten werden.
§. 378. Ist das Darlehn gegen vorschriftmäßige Sicherheit
genommen worden: so muß sowohl von dem Schuldner, als denjenigen, welche darein
gewilligt haben, der zwanzigste Theil der geliehenen Summe zur Strafe erlegt
werden.
§. 379. Mangelt es an der vorschriftmäßigen Sicherheit: so
wird die im §. 378. bestimmte Strafe verdoppelt.
§. 380. Kann die Rückzahlung nicht geleistet werden: so
treten sowohl in Ansehung des Schuldners, als desjenigen, welcher das Darlehn
bewilligt hatte, die §. 418. sqq. vorgeschriebenen Strafen ein.
6) in Criminalsachen.
§. 381. Läßt ein Richter eben Arrestanten über zweymal vier
und zwanzig Stunden, von der Zeit an, da dessen Verhaftung zu seiner Kenntniß
gelangt ist, ohne die Untersuchung durch seine oder der Zeugen Vernehmung zu
eröffnen, im Arreste sitzen: so soll derselbe für jeden Tag mit einer
Geldstrafe von Fünf Thalern belegt werden.
§. 382. Ist die Eröffnung der Untersuchung gegen den
Arrestanten über einen Monath verzögert worden: so soll der Richter, welchem
diese Verzögerung zur Last fällt, seines Amts entsetzt werden.
§. 383. Nur äußerst dringende Abhaltungen, oder ganz
unüberwindliche Hindernisse, welche jedoch dem Vorgesetzten jedesmal angezeigt
werden müssen, können den Richter wegen eines solchen Verzugs entschuldigen.
§. 384. Wer durch pflichtwidrige Verzögerungen seiner
Amtshandlungen den Arrest verlängert, ist im Falle einer Fahrlässigkeit mit
einer Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern; bey eintretender böser Absicht
aber nach Vorschrift des folgenden §. 385. zu bestrafen.
§. 385. Ein Richter, welcher einen Unschuldigen vorsätzlich
und in der Absicht, denselben an seiner Ehre, seinem Vermögen, oder sonst zu kränken,
zur Criminaluntersuchung zieht, soll cassirt; und ausserdem, nach Verhältniß
des Grades der Bosheit, auf Ein bis vier Jahre zur Festung, oder ins Zuchthaus
gebracht werden.
§. 386. Ein Richter, welcher Criminalstrafen ohne
vorgängiges Erkenntniß der Behörde zur Vollziehung bringt, soll seines Amts
entsetzt; und wenn die eigenmächtige Strafe einen unschuldigen (!) getroffen
hätte, mit einer damit in Verhältniß stehenden Festungs- oder Zuchthausstrafe
belegt werden.
§. 387. Hat die Strafe des Unschuldigen dessen Tod zur Folge
gehabt: so hat ein solcher Richter, nach Beschaffenheit seiner Verschuldung,
die Strafe eines Todschlägers oder Mörders verwirkt.
§. 388. Vorsitzliche (! = Vorsätzliche) Ueberschreitung der
durch Gesetze oder Urtheile bestimmten Strafe ist gleich einer eigenmächtigen
Bestrafung (§. 386.), jedoch nur nach Verhältniß des Uebermaaßes, und des
dadurch verursachten Nachtheils, zu ahnden.
§. 389. Ein Gleiches findet in Ansehung derjenigen statt,
welchen die Vollziehung der Strafe von dem Richter aufgetragen worden.
§. 390. Auch grobe Versehen bey Vollstreckung der Strafe
sind mit Entsetzung vom Amte, und überdies mit der Hälfte der §. 386.
vorgeschriebenen Strafe zu belegen.
§. 391. Mäßige und geringe Versehen sollen willkührlich,
nach Verhältniß der Verschuldung, und des dadurch veranlaßten Nachtheils,
bestraft werden.
§. 392. Was §. 388. sqq. verordnet ist, findet auch bey
eigenmächtiger Verwandlung der gelindern Strafen in härtere statt.
§. 393. Hat der Richter eigenmächtig eine gelindere Strafe
statt der erkannten härtern vollzogen: so soll nach Verhältniß des geschehenen
Nachlasses, und des dazu gehabten Bewegungsgrundes, eine willkührliche Geld-
oder Gefängnißstrafe eintreten.
§. 394. Liegt dabey Eigennutz oder sonst eine unerlaubte
Absicht zum Grunde: so findet die §. 371. bestimmte Strafe statt.
§. 395. Ein Richter, welcher ein ihm angezeigtes Verbrechen
verschweigt, oder unterdrückt, oder dem Verbrecher vorsätzlich Zeit und Raum
läßt, sich der Untersuchung und Strafe zu entziehn, hat nach Bewandniß der
dabey zum Grunde liegenden bösen Absicht, und des unterdrückten oder unbestraft
gelassenen Verbrechens selbst, die §. 366 bis 371. verordneten Strafen
verwirkt.
§. 396. Lag dabey ein unzeitiges Mitleiden zum Grunde: so
soll er, nach Beschaffenheit des aus der gleichen Verbrechen zu besorgenden
Nachtheils, mit Gefängniß oder Degradation bestraft werden.
§. 397. Außerdem haftet er für allen Schaden, welchen der
straflos gebliebene Verbrecher durch Wiederholung seiner Uebelthaten nachher
anrichtet.
§. 398. Hat der Richter bey der Untersuchung, in der
Absicht, einen Verbrecher durchzuhelfen(!), Verfälschung oder andere
Unrichtigkeiten begangen, so findet die Vorschrift §. 338. wider ihn Anwendung.
Von Verfälschung der Acten.
§. 399. Hat außerdem ein Justizbedienter sich einer
wissentlichen Verfälschung gerichtlicher Verhandlungen oder Vermerke schuldig
gemacht: so soll er seines Amts entsetzt, und die sonst nach §. 1384.
eintretende Strafe der Verfälschung, gegen ihn verdoppelt werden. (§. 1385.)
§. 400. Ist die Unrichtigkeit durch Leichtsinn oder
Nachläßigkeit veranlasset, und dadurch ein Schade verursacht worden: so muß die
schuldige Justizperson nicht nur den Schaden ersetzen, sondern auch in eine mit
diesem Schaden in Verhältniß stehende Geld- oder Gefängnißstrafe verurtheilt
werden.
§. 401. Unschädliche Unrichtigkeiten sind nach Vorschrift
der Prozeßordnung zu ahnden.
Bey unerlaubtem Consuliren.
§. 402. Justizbediente, welche in streitigen Sachen, die zu
ihrer Entscheidung gelangen können, zum Schaden einer oder der andern Parthey
Rath ertheilen, sollen zehn bis einhundert Thaler Geldstrafe erlegen; und wenn
sie nach schon einmal erlittener Bestrafung sich eines gleichen Verbrechens
schuldig machen, ihres Amts entsetzt werden.
§. 403. Alle Justizpersonen müssen, bey Strafe der
Suspension, oder gar der Dienstentsetzung, in Sachen, wobey sie oder die
Ihrigen, nach Vorschrift der Prozeßordnung, für interessirt zu achten sind,
sich ihrer Stimme, so wie aller Amtshandlungen enthalten, welche zum Nachtheile
eines andern gereichen, oder zu einem Mißbrauche Anlaß geben könnten.
Bey Cessionen.
§. 404. Justjzbediente sollen Forderungen, welche vor dem
Gerichte, bey dem sie stehen, in Prozessen, oder in der Execution befangen
sind, durch Kauf, Tausch, Cession, oder sonst, weder als Gläubiger, noch als
Schuldner übernehmen.
§. 405. Soll durch dergleichen Uebernahme eine dem
Justizbedienten an den Cedenten vorhin schon zugestandene rechtmäßige
Forderung, oder Passivschuld, ganz oder zum Theil getilgt werden: so muß
derselbe seinem unmittelbaren Vorgesetzten davon Anzeige machen, und dessen
Genehmigung abwarten.
§. 406. Justizbedienten, welche ohne dergleichen Anzeige
oder Genehmigung, streitige Activ- oder Passivschulden von der im §. 404.
beschriebenen Art übernehmen, sollen, wenn sie nach Anleitung des §. 405.
höhere Genehmigung zu hoffen gehabt hätten, den zwanzigsten, außer diesem Falle
aber den vierten Theil des Betrags dieser Schulden zur Strafe erlegen.
§. 407. Ist aber die Uebernahme fremder Activ- oder
Passivschulden in böser Absicht verheimlicht worden; oder hat der Vorgesetzte
selbst dergleichen Schulden übernommen, ohne dem Collegio davon Anzeige zu
machen: so tritt die Strafe der Amtsentsetzung ein.
Wegen Mitbietung bey öffentlichen Verkäufen, welche sie
dirigiren.
§. 408. Wie gegen Justizbedienten, welche bey öffentlichen
Verkäufen, denen sie von Amtswegen beywohnen, mitbieten, zu verfahren sey, ist
gehörigen Orts bestimmt. (Th. I. Tit. XL §. 22. bis 25.)
H. Strafe pflichtwidrig handelnder Finanzbedienten, welchen
der Staat, oder
§. 409. Pflichtwidrig handelnde Finanzbediente sind nach
Maaßgabe §. 323-365., und wenn sie Personen in Verhaft nehmen, ohne sie
vorschriftmäßig zu verhören, oder an die Justizbehörde abzuliefern, nach
Vorschrift des §. 381-401. zu bestrafen.
§. 410. Beamte, welche zur Ausmittelung oder Einziehung
öffentlicher Abgaben und Gefälle bestellt sind, und dabey den Staat vorsätzlich
verkürzen, sollen um den vierfachen Betrag des verursachten Schadens fiskalisch
bestraft, und ihres Amts entsetzt werden.
§. 411. Hat sich ein solcher Beamter zur Verkürzung der
Staatseinkünfte, aus eigennützigen Absichten, um Gewinns oder Vortheils willen
verleiten lassen: so hat er außer der Cassation und Geldstrafe Ein- bis
anderthalbjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 412. Kann der Betrag der dem Staate entzogenen Gefälle
nicht mehr ausgemittelt werden: so wird die Cassation mit Gefängniß geschärft,
oder die Dauer der sonst verwirkten Festungsstrafe, nach bewandten(!) Umständen
verlängert. (Cf. §. 241.)
das Publicum verkürzen.
§. 413. Beamte, welche bey Ausmittelung, Bestimmung, oder
Einziehung der, Abgaben, das Publicum vorsätzlich drücken, sollen das zu viel
Genommene, oder sonst zur Ungebühr Erhobene, dem Beschädigten vierfach
ersetzen.
§. 414. Haben sie das zu viel Erhobene noch dazu
untergeschlagen, und zur Casse nicht abgeliefert: so sind sie denjenigen, die
sich an Cassengeldern ver- greifen, gleich zu achten. (§. 418. sqq.)
§. 415. Ist die Verkürzung des Staats, oder des Publici,
bloß aus Irrthum, Versehen, Nachläßigkeit, oder durch einen Rechnungsfehler
entstanden: so findet nur der einfache Ersatz des Schadens statt.
§. 416. Außerdem muß ein solcher Officiant durch ernstliche
Verweise, und nach Befinden durch verhältnißmäßige Geldstrafe, zu mehrerer
Aufmerksamkeit und Genauigkeit in seinem Dienste angehalten werden.
§. 417. Derjenige, der sich solcher Verkürzungen aus grober
Fahrläßigkeit, nach schon erhaltener Warnung, wiederholt schuldig macht, ist
seines Amts, als dessen unfähig, zu entsetzen.
Cassenverbrechen.
§. 418. Wenn ein Beamter das ihm eingezahlte Cassengeld
nicht sofort in die Casse bringt, sondern in seiner Privatverwahrung behält: so
muß er der Casse dafür Sechs vom Hundert vergüten.
§. 419. Hat er diese Gelder in seinen Privatgebrauch
verwendet; oder die bereits zur Casse gebrachten Gelder, oder Geldwerthen(!)
Papiere, wieder herausgenommen: so hat er die Cassation verwirkt.
§. 420. Wer der ihm anvertraueten Casse, durch Entziehung
der dazu gehörigen Gelder und Verschreibungen, wissentlich Schaden zufügt, der
macht sich einer Veruntreuung der Casse schuldig.
§. 421. Beträgt die veruntreuete Summe nur fünfzig Thaler,
oder weniger: so wird der treulose Beamte cassirt, und zu allen fernern
Diensten des Staats unfähig erklärt.
§. 422. Ist aber der Defect über fünfzig Thaler: so findet
außer der Cassation, zwey- bis vierjährige geschärfte Zuchthaus- oder
Festungsstrafe statt.
§. 423. Hat der Cassenbediente, um den gemachten Defect zu
verbergen, Unrichtigkeiten und Verfälschungen in den Rechnungen oder Extracten
vorgenommen; eingegangene Gelder nicht zu Buche getragen;bereits erhobene
Posten als Reste aufgeführt; oder die Einnahme eines folgenden Jahres zu der
des vorhergehenden gezogen: so soll die Festungsstrafe wider ihn um den halben
Betrag der an sich schon verwirkten Dauer verlängert werden.
§. 424. Kann der gemachte Defect nicht sofort ersetzt
werden: so ist der Verbrecher, nach Vorschrift §. 341., bis zum Erfolge dieses
Ersatzes, oder allenfalls auf Lebenszeit, zur öffentlichen Arbeit anzuhalten,
§. 425. Hat der untreue Cassenbediente zu fliehen, und die
Casse ganz oder zum Theil mit zu nehmen versucht: so hat er Lebenswierige(!)
Festungstrafe, nebst Staupenschlag, und bey besonders erschwerenden Umständen,
Todesstrafe verwirkt.
§. 426. Cassenbediente, welche bessere Münzsorten in
geringere umsetzen, und jene der Casse nicht völlig berechnen, sind denjenigen,
welche Cassengelder veruntreuet haben, gleich zu achten. (§. 420. sqq.)
§. 427. Eben dasselbe gilt von denjenigen, welche Zahlungen,
die aus der Casse zu entrichten sind, nicht
leisten; und
gleichwohl zum Nachtheile derselben, solche Posten als gezahlt in Ausgabe
bringen.
§. 428. Haben sie den Empfängern unbefugte Abzüge gemacht,
und dennoch die Zahlung, als für voll geleistet, in Ausgabe gestellt: so sollen
sie, wenn auch dieCasse dabey nicht gelitten hat, dennoch ihres Amts entsetzt
werden.
§. 429. Ist die Casse den Empfängern dergleichen Abzüge zu
vergüten verbunden; oder ist dabey zugleich das Landesherrliche Interesse
verkürzt worden: so tritt die §. 421. bestimmte Strafe ein.
§. 430. Cassenbediente, welche die in Verwahrung habenden
Bestände, obgleich mit vollkommener Sicherheit der Casse, eigenmächtig
ausleihen oder benutzen, sollen schon um deswillen um den doppelten Betrag des
dadurch sich verschaften(!) Vortheils bestraft werden.
§. 431. Haben sie aber dergleichen Versur(!) mit
Unrichtigkeiten oder Verfälschungen in den Rechnungsbüchern verdecken wollen;
oder sind erhebliche Vermuthungen einer vorgehabten Veruntreuung der
Cassengelder vorhanden: so haben sie, außer der Geldstrafe, die
Dienstentsetzung verwirkt.
§. 432. Gegen Cassenbedienten, die durch Irrthum, Versehen,
oder durch einen Rechnungsfehler die Casse verkürzen, ist die Vorschrift §.
415. bis 417. anzuwenden.
§. 433. Ein Gleiches soll statt finden, wenn ein
Cassenbedienter durch nachläßige Verwahrung der Cassengelder einen Verlust
daran verursacht; eigenmächtige Nachsichten und Zahlungsfristen gestattet;
Reste zur Ungebühr anschwellen läßt; in deren Anzeigung und Herbeyschaffung
saumselig ist; oder sonst durch seine Schuld und Versehen die Casse in Schaden
versetzt.
§. 434. Selbst einen durch Brand, Diebstahl, oder andern
Zufall, der Casse verursachten Schaden muß der Rendant vertreten, wenn er die
Gelder nicht in dem zur Aufbewahrung der Casse bestimmten Orte, sondern, ohne
Noth, in seiner Privatgewahrsam gehalten hat.
§. 435. Sind Gelder aus der Casse selbst gestohlen worden:
so muß der Rendant jede begangene Fahrläßigkeit vertreten, die er nach seinem
Amte, und den ihm dabey obliegenden Pflichten, zu vermeiden schuldig war.
§. 436. Auch wird er wegen eines solchen Diebstahls
verantwortlich, wenn er denselben nicht sogleich, wie er dessen inne wird,
seinen Vorgesetzten und der Obrigkeit des Orts meldet; oder sonst zur
Entdeckung und Festmachung des Thäters, nicht allen Fleiß und Mühe pflichtmäßig
anwendet.
Bey Cassen-Curatoren und Aufsehern.
§. 437. Cassen-Curatores, ControIleurs,und Andere denen eine
besondere und unmittelbare Aufsicht über die Casse anvertrauet ist, haften bey
dem Unvermögen eines pflichtwidrig handelnden Rendanten für allen Schaden, wenn
sie die ihnen obliegende Aufsicht vernachläßigt haben.
§. 438. Haben sie das untreue, oder sonst unrichtige
Verfahren des Rendanten wahrgenommen; und gleichwohl der Behörde nicht
angezeigt: so sollen sie, wenn ein Schade aus der unterlassenen Anzeige
entstanden ist, nicht nur für diesen Schaden haften, sondern auch mit
verhältnißmäßiger Geld- oder Gefängnißstrafe belegt, oder nach Bewandniß der
Umstände cassirt werden.
§. 439. Vorgesetzte und Collegia, welche die ihnen
obliegenden Cassenvisitationen verabsäumen; oder nachläßig dabey zu Werke
gehen; oder die dabey bemerkten Unrichtigkeiten nicht gehörig rügen, haften bey
dem Unvermögen des Rendanten, und der unmittelbaren Aufseher, für allen
entstandenen Schaden, und sollen außerdem mit verhältnißmäßiger Strafe belegt
werden.
§. 440. Gegen Cassenaufseher und Vorgesetzte, welche aus den
ihrer unmittelbaren, oder ihrer Oberaufsicht anvertrauten Cassen Darlehne
nehmen, finden die Vorschriften §. 377. sqq. Anwendung.
§. 441. Wenn dergleichen Personen sich, ohne Genehmigung der
obern Behörde, Besoldungen, oder andere ihnen zukommende Emolumente, für einen
noch nicht eingetretenen Zeitraum aus der Casse vorausbezahlen lassen: so
sollen sie den doppelten Betrag davon zur Strafe enrichten(! = entrichten).
§. 442. Wenn Cassenaufseher oder Vorgesetzte an den
Betrügereyen des Rendanten wirklich Theil nehmen; oder denselben um Gewinns
oder Vortheils willen nachsehn: so sollen dieselben eben so, wie der treulose
Rendant selbst, bestraft werden.
Bey Oßcianten, die nicht eigentlich Cassenbediente sind.
§. 443. Wenn ein Officiant, welcher zwar nicht als Rendant
oder Cassencurator angestellt ist, aber für das Beste der Casse zu sorgen, oder
vermöge seines Amts Gelder zur Casse zu liefern hat, die zu einer solchen Casse
gehörigen Gelder unterschlägt; Sachen, deren Werth zur Casse fließen sollen, in
seinem Privatnutzen verwendet; oder durch Umtauschung oder Umwechselung solcher
Gelder und Sachen die Casse verkürzt, oder dazu behülflich ist: so hat er,
nebst dem Schadensersatze, die Cassation verwirkt.
§. 444. Außerdem soll er den vierfachen Betrag des der Casse
Entzogenen zur Strafe entrichten; oder im Unvermögensfalle, mit
sechsmonatlicher bis zweyjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 445. Vorgesetzte, oder andere Officianten, welche die zu
einer Casse gehörenden Gelder, anstatt die Zahlenden damit an die Casse zu
verweisen, selbst erheben, und die Ablieferung an die Casse ohne Noth
verzögern, sollen, wenn auch die Ablieferung demnächst geschehen ist, dennoch,
dieses Verzugs wegen, mit proportionirlicher Geldstrafe, allenfalls bis zum
vollen Betrage der zurückgehaltenen Summe, belegt werden.
§. 446. Ist ein dringender Verdacht, daß sie die
zurückgehaltenen Gelder in der Zwischenzeit für sich genutzt haben, vorhanden:
so soll die Geldstrafe bis auf den dreyfachen Betrag erhöht; oder anstatt
derselben, nach Bewandniß der Umstände, mit Degradation oder Cassation
verfahren werden.
§. 447. Wer eine Casse übernimmt, ohne daß ihm selbige von
der Behörde ordnungsmäßig übergeben worden, haftet für die etwanigen
Unrichtigkeiten seines Vorgängers.
§. 448. Vorgesetzte, die einen auf Caution und Rechnung
sitzenden Bedienten, ohne vorhergegangene Berichtigung der Caution, wirklich
anstellen, oder ihm die Casse nicht gehörig übergeben, haften für allen von
demselben etwa verursachten Schaden, so weit selbiger aus dem Mangel der
Caution entstanden ist.
§. 449. Wenn kein Schade entstanden ist: so haben sie
zwanzig bis fünfzig Thaler Geldstrafe verwirkt.
§. 450. Auf einstweilige Cassenverwaltung, welche bey
entstehenden Vacanzen, bis zu deren Wiederbesetzung, angeordnet werden müssen,
sind diese Vorschriften (§. 448. 449.) nicht zu ziehen.
§. 451. Auch können dieselben auf Cassenverwaltungen, die
wegen einer bloß zeitigen Verhinderung der ordentlichen Rendanten, bis zu deren
Hebung veranlaßt werden müssen, nicht gezogen werden.
§. 452. Die in beyden Fällen zur interimistischen
Cassenverwaltung angesetzten Personen sind den Pflichten der ordentlichen
Rendanten, und bey deren Verletzung, auch den Strafen derselben unterworfen.
Strafe des gemißbrauchten Cassenvorrechts.
§. 453. Jeder Cassenbediente soll, bey Verlust seines Amts,
nicht nur die Grundstücke, welche er bey dessen Uebernehmung besitzt, sondern
auch diejenigen, welche nachher an ihn gelangen, der in seiner Amtsverwaltung
ihm vorgesetzten Behörde, zum Behufe der Eintragung des Cassenvorrechts,
unverzüglich anzeigen.
§. 454. Ein Gleiches liegt, bey fünfzig Dukaten Strafe,
denjenigen ob, welche Königliche Domainengüter, oder Gefälle, in Pacht oder
Verwaltung übernommen haben.
§. 455. Ist durch die unterlassene Eintragung einem Dritten,
welcher sich, in Unwissenheit des Cassenvorrechts, mit einem solchen Beamten in
Geschäfte eingelassen hat, ein Schade entstanden: so müssen die Behörden,
welche ihre Schuldigkeit verabsäumt haben, die Hälfte desselben ersetzen.
Vorbeugungsmittel.
§. 456. Accise- und Zollbediente sollen mit Kaufleuten,
Brauern, oder andern Personen, welche ihrer Aufsicht und Revision in ihrer
Handlung, oder sonstigem Nahrungsbetriebe, unterworfen sind, sich ohne
Genehmigung ihrer Vorgesetzten, bey Strafe einer nachtheiligen Versetzung, in
keine Geld- oder genaue Familienverbindungen einlassen.
§. 457. Auch sollen dergleichen Beamte, bey eben der Strafe,
keine Handlung oder sonst bürgerliche Nahrung treiben, wodurch sie zur
Verabsäumung oder Uebertretung ihrer Amtspflichten verleitet werden könnten.
III. Strafen pflichtwidriger Polizey-,
§. 458. Polizeybediente, welche die Uebertretung der
Polizeygesetze wissentlich dulden, und sie nicht zur gehörigen Ahndung
anzeigen, sollen mit eben der Strafe, welche der Uebertreter verwirkt hätte,
belegt, und im Wiederholungsfalle cassirt werden.
§. 459. Ist eine solche pflichtwidrige Nachsicht durch
Geschenke oder andere Vortheile erkauft worden: so ist, außer der übrigen
Strafe, auch der vierfache Betrag dieser Vortheile zur Strafcasse zu
entrichten.
§. 460. Polizeybediente, welche ihr Amt zu Erpressungen und
Befriedigung ihrer Privatleidenschaften mißbrauchen; ohne hinlänglichen Grund
zur Verhaftnehmung schreiten; oder dabey die den Justizbedienten §. 381. sqq.
gegebenen Vorschriften verletzen, haben die §. 360. 361. 371., ingleichen die
§. 381. sqq., und im Falle einer bloßen Fahrläßigkeit, die §. 372. festgesetzte
Strafe verwirkt.
IV. Magazin-,
§. 461. Magazin- und ähnliche Staatsbediente, welche durch
unrichtiges oder ungleiches Maaß, oder durch andere Betrügereyen, den Staat
oder das Publi cum vervortheilen, sollen cassirt, und mit ein- bis zweijähriger
Festungsstrafe belegt; auch zum doppelten Ersatze des unrechtmäßiger Weise
gezogenen Vortheils angehalten werden.
V. Archivbedienten.
§. 462. Bey Registratur- und Archivbedienten, welche die in
ihrer Verwahrung befindlichen Acten und Urkunden, Andern, welche dazu nicht berechtigt
sind, vorlegen oder mittheilen, oder dieselben pflichtwidriger Weise
vernichten, tritt die Vorschrift des §. 357. 359. ein.
VI. Militairpersonen.
§. 463. Die Amtsvergehungen der Militairpersonen sollen nach
den Kriegsartikeln beurtheilt und geahndet werden.
Deserteurs.
§. 464. Militairpersonen, welche meineidig den Kriegsdienst
verlassen, sind als Deserteurs anzusehn, und nach Vorschrift der Kriegsartikel
zu bestrafen.
§. 465. Wenn sie aber in die Dienste des Staats wieder
aufgenommen, oder sonst begnadigt werden: so werden auch dadurch alle
rechtliche Folgen des bey der Desertion begangenen Meineides gehoben.
§. 466. Doch wird durch ihre Begnadigung die Gültigkeit der
vor der Desertion errichteten militairischen Testamente nicht wieder
hergestellt. (Th. I. Tit. XII. §. 197.)
§. 467. Das Vermögen der Deserteurs soll durch ein
Erkenntniß der Kriegesgerichte confiscirt werden.
Ausgetretene Cantonisten.
§. 468. Enrollirte, welche bereits zum Kriegesdienste
ausgehoben, obgleich noch nicht vereidet waren, sind, wenn sie austreten, als
Deserteurs anzusehen.
§. 469. Wenn Cantonisten, welche noch nicht als Recruten
ausgehoben worden, die Königlichen Lande verlassen, um sich den Kriegsdiensten
zu entziehn: so soll ihr zurückgelassenes Vermögen durch das Provinzial-Justizcollegium
dem Fisco zuerkannt werden.
§. 470. Zu dem Vermögen eines Deserteurs oder ausgetretenen
Cantonisten, gehört auch dasjenige, was ihm nach seinem Austritte, an
Erbschaften, Vermächtnissen, Geschenken, oder sonst zufällt.
§. 471. Wer ausgetretenen Militairpersonen oder Cantonisten
Schulden bezahlt, Gelder oder andere Sachen zuschickt, oder ihnen sonst etwas
zuwendet, wird dadurch von seiner etwanigen Verbindlichkeit gegen den Fiscum
nicht befreyt, und muß auch den Betrag des Zugewendeten, zur Strafe erlegen.
§. 472. Gegen ausgetretene Cantonisten, welche noch nicht
zum Kriegesdienste ausgehoben worden, findet nach deren Tode der
Confiscationsprozeß nicht mehr statt.
§. 473. a) Eine bloße Todeserklärung kann jedoch, in dieser
Rücksicht, dem wirklichen Tode nicht gleich geachtet werden.
§. 473. b) Der Abschied, welchen ein Cantonist, unter der
Bedingung, sich im Lande zu etabliren, erhalten hat, befreyt denselben nicht
von der Strafe, wenn er, ohne diese Bedingung zu erfüllen, austritt.
§. 473. c) Auch verliert der Fiskus sein Recht nicht, wenn
ein Regiment den Cantonisten, nachdem er bereits ausgetreten ist,
verabschiedet.
Durchhelfung der Deserteurs.
§. 474. Jeder Bürger des Staats und Einwohner des Landes ist
schuldig, das Verbrechen der Desertion, so viel an ihm liegt, zu verhindern.
§. 475. Wie die Deserteurs anzuhalten sind, ist in den
Landespolizeygesetzen vorgeschrieben.
§. 476. Wer von dem Vorhaben einer Militairperson, den
Kriegsdienst meineidig zu verlassen, Wissenschaft erlangt, und dies Vorhaben
nicht sofort verhindert, oder selbiges, wenn er es nicht verhindern kann,
anzuzeigen unterläßt; der soll das erstemal mit sechswöchentlicher bis
sechsmonathlicher Festungsstrafe belegt; im Wiederholungsfalle aber als ein
Beförderer der Desertion bestraft werden.
§. 477. Wer sich des Verbrechens, den Austritt oder die
Flucht eines Deserteurs, durch thätige Beyhülfe befördert zu haben, zum
erstenmale schuldig macht, soll nach Bewandniß der Bewegungsgründe, wodurch er
zu dem Verbrechen veranlaßt worden; der übrigen vorkommenden erschwerenden oder
mildernden Umstände; und der aus der begünstigten Desertion entstandenen oder
zu besorgen gewesenen gefährlichen Folgen, mit Festungsarrest, oder
Zuchthausstrafe, auf acht Monathe bis zwey Jahre, belegt werden.
§. 478. Wer dieses Verbrechen zum zweytenmale begeht,
ungeachtet er das erstemal dafür bestraft worden, soll eben dergleichen
Festungs- oder Zucht hausstrafe auf zwey bis vier Jahre leiden.
§. 479. Wer sich ein solches Verbrechen zum drittenmale zu
Schulden kommen läßt, soll, wenn die Desertion wirklich ihren Fortgang gehabt
hat, mit dem Strange hingerichtet werden.
§. 480. Wenn die Desertion entweder nicht zu Stande
gekommen; oder der Verbrecher, wegen seiner vorigen Vergehungen dieser Art,
noch durch gar keine Strafe gewarnet worden ist; oder sonst besondre mildernde
Umstände für ihn eintreten: so soll eine zehnjährige bis lebenswierige
Festungs- oder Zuchthaus strafe, an die Stelle der Todestrafe treten.
§. 481. Auf die Festsetzung dieser Strafe soll es weiter
keinen hauptsächlichen Einfluß haben: ob der Deserteur selbst, welchem
durchgeholfen worden, sich des Verbrechens der Desertion zum ersten, oder schon
zu wiederholtenmalen schuldig gemacht hat.
§. 482. Wenn Civilpersonen an einem Desertionscomplotte
Antheil nehmen: so soll die Strafe, welche sie bey einer einzelnen Durchhelfung
nach obigen Grundsätzen verwirkt haben würden, in so fern selbige nicht schon
an sich Lebensstrafe wäre, nach Verhältniß der Anzahl der complottirenden
Militairpersonen, in der Dauer erhöht, und allenfalls bis zu lebenswieriger
Festungs- oder Zuchthausstrafe ausgedehnt werden.
Ehefrauen der Deserteurs: 1) Mitschuldige, a)
Zurückbleibende;
§. 483. a) Hat eine Frau die Desertion ihres Mannes thätig
befördert: so finden nicht nur die §. 477. verordneten Strafen, sondern auch
die Confiscation ihres Vermögens, gegen sie statt.
§. 483. b) Ist aber die Entweichung des Mannes von ihr bloß
auf die §. 476. beschriebene Art begünstigt worden: so fällt, statt der in der
angeführten Stelle bestimmten Strafe, ihr zur Zeit der Desertion im Besitze
habendes Vermögen dem Fisco anheim.
§. 484. Das Vermögen aber, welches ihr nach der Desertion
durch Erbschaft, Vermächtniß, oder sonst zufällt, soll so lange in gerichtliche
Verwahrung und Verwaltung genommen werden, bis die Frau den Tod des desertirten
Mannes nachweiset; oder sich von ihm scheiden läßt, und anderweitig
verheirathet; oder sich im Lande ansäßig macht.
§. 485. Stirbt die Frau, ehe sie auf die §. 484. bestimmte
Art zur Empfangnehmung ihres Vermögens und ihrer Erbanfälle die Befugniß
erhalten hat; und es kann nicht nachgewiesen werden, daß der Mann schon vor ihr
mit Tode abgegangen sey: so erhält die Invalidencasse aus ihrem Nachlaß alles
dasjenige, was dem Manne, wenn er nicht entwichen wäre, den Rechten nach daraus
zukommen würde.
§. 486. Doch gebührt auch in diesem Falle der Ueberrest
ihres Nachlasses den Erben der Frau, so weit diese zur Erhebung einer
Erbschaft, in hiesigen Landen fähig sind.
§. 487. Ist der entwichene Mann vor der Frau verstorben: so
verbleibet der gesammte Nachlaß ihren rechtmäßigen Erben.
b) die ihrem Manne folget.
§. 488. Ist die für unschuldig erklärte Frau, nach
erhaltener Auslieferung ihres Vermögens, dem desertirten Manne dennoch
nachgefolgt: so hat zwar die Invalidencasse an ihr zurückgelassenes Vermögen
weiter keinen Anspruch;
§. 489. Es bleiben aber dem Fisco überhaupt seine Rechte
daran in so fern vorbehalten, als nach allgemeinen oder Provinzialgesetzen, das
Vermögen ausgetretener Landesunterthanen überhaupt der Confiscation unterworfen
ist.
§. 490. Folgt die Frau dem desertirten Manne nach, noch ehe
ihr das Vermögen verabfolgt worden: so wird die Administration desselben so
lange fortgesetzt, bis sie entweder zurückkehrt, und sich nach §. 484. zu
dessen Empfangnehmung qualificirt hat; oder nach ihrem Tode ihre Erben sich
melden.
§. 491. Je nachdem in diesem letztern Falle ausgemittelt
wird, daß sie vor oder nach dem Manne verstorben sey, finden die Vorschriften
des §. 485 bis 487. Anwendung; doch bleiben auch hier, wegen des den
rechtmäßigen Erben zukommenden Vermögensantheils, dem Fisco überhaupt seine
Rechte nach §. 489. vorbehalten.
2) Unschuldige Ehefrau.
§. 492. Wird die Ehefrau für unschuldig erklärt: so muß ihr
dasjenige, was sie ihrem Ehemanne erweislich eingebracht hat, oder sonst ihr
Eigenthum ist, oder was ihr nach den Statuten des Orts, oder der Provinz, aus
dem gemeinschaftlichen Vermögen zukommt, gelassen werden.
§. 493. Es muß aber das Vermögen der auch unschuldigen Frau
so lange unter gerichtlicher Verwaltung verbleiben, bis sie entweder den Tod
des desertirten Mannes nachweist; oder sich von demselben scheiden läßt, und
wieder im Lande verheirathet; oder bis sie sich innerhalb Landes ansäßig macht.
§. 494. Je nachdem einer oder der andre dieser Fälle sich
ereignet, treten die oben §. 485-487. gegebenen Vorschriften ein.
3) Wenn die Frau dem Manne gefolgt, und ihre Schuld oder
Unschuld zweifelhaft ist.
§. 495. Ist die Frau mit dem Manne zugleich entwichen; und
das Kriegsgericht findet keinen hinreichenden Grund, sie für schuldig oder
unschuldig zu erklären: so kann dasselbe sein Erkenntniß darüber aussetzen, bis
entweder sie selbst, oder ihre Erben sich melden, und das Vermögen
zurückfordern.
§. 496. Bis dahin bleibt dies Vermögen, so wie alle
nachherige Erbanfälle, unter gerichtlicher Verwaltung.
Einkünfte des in Verwaltung genommenen Vermögens der Ehefrau
des Deserteurs.
§. 497. In allen Fällen, wo die Frau entweder für schuldig
erklärt worden, oder wo sie dem desertirten Manne gefolgt ist, fallen die
Einkünfte ihres in gerichtlichen Beschlag genommenen Vermögens, so lange die
Verwaltung dauert, dem Fisco anheim.
§. 498. Muß aber die Verwaltung bloß um des- willen
fortgesetzt werden, weil die zurückgelassene Frau des Deserteurs noch nicht
Gelegenheit gefunden hat, sich wieder zu verheirathen, oder sonst im Lande
seßhaft zu machen: so müssen die Einkünfte des in Beschlag genommenen Vermögens
zur Substanz geschlagen; auch der Ehefrau, wenn sie sich ihren Unterhalt nicht
selbst verdienen kann, nothdürftige Verpflegungsgelder davon gereicht werden.
VII. Kirchen- und Schulbediente.
§. 499. Kirchen- und Schulbediente, die ihrer Gemeine, oder
ihren Untergebenen durch grobe Laster und Ausschweifungen ein öffentliches
Aergerniß geben, sind, außer der durch das Verbrechen selbst verwirkten Strafe,
ihres Amts, als dessen unwürdig, zu entsetzen.
§. 500. Geistliche, welche, außer den in den Gesetzen
bestimmten Fällen (Tit. XI. §. 82.), Geheimnisse, die ihnen unter dem Siegel
der geistlichen Amtsverschwiegenheit anvertrauet worden, offenbaren, sollen,
nach Bewandniß der Umstände, mit willkührlicher Geldbuße, mit Suspension von
ihren Amtsverrichtungen und Einkünften, oder mit Dienstentsetzunung bestraft
werden.
§. 501. Geistliche, die sich in öffentlichen Vorträgen
persönliche Anzüglichkeiten erlauben, oder die vorgeschriebenen Grenzen der
Kirchenzucht überschreiten, sind als grobe Injurianten anzusehen und zu
bestrafen.
§. 502. Ueberschreiten sie bey Einforderung der Gebühren die
Vorschrift der Taxe: so findet die Tit. XI. §. 426. bestimmte Strafe statt.
§. 503. Ein Pfarrer, welcher der ihm bekannten
Ehehindernisse ungeachtet, die Trauung vollzieht, wird mit der Cassation bestraft.
(Tit. I. §. 149.)
§. 504. Ueberhaupt sollen alle Geistliche und Schullehrer,
welche wegen irgend eines andern schweren Verbrechens zur Criminaluntersuchung
gezogen, und schuldig befunden worden, außer der Strafe dieses Verbrechens,
auch ihres geistlichen Amts entsetzt werden.
Von den Verbrechen derer, welche ohne Officianten zu seyn,
dem gemeinen Wesen besonders verpflichtet sind; Aerzte, Wundärzte und Hebammen.
§. 505. Aerzte, Wundärzte, und Hebammen, sollen die ihnen
bekannt gewordenen Gebrechen und Familiengeheimnisse, in so fern es nicht
Verbrechen sind, bey Vermeidung einer nach den Umständen zu bestimmenden
Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern, niemanden offenbaren.
§. 506. Verschweigen sie ein noch zu begehendes Verbrechen,
welches sie ohne Beyhülfe der Obrigkeit nicht verhindern können: so sind sie
als Theilnehmer daran verantwortlich. (§. 80. 81. 82.)
§. 507. Wie Geburtshelfer und Hebammen, welche den §. 924.
sqq. vorgeschriebenen Pflichten zuwider handeln, bestraft werden sollen, ist
eben daselbst verordnet.
§. 508. Alle Uebrigen, welche, ob sie gleich nicht in
unmittelbaren Diensten des Staats stehen, dennoch demselben, vermöge ihres
Standes, besonders verpflichtet sind, werden bey Uebertretung dieser Pflichten
nach den darüber ergangenen besonderen Verordnungen bestraft.
Neunter Abschnitt Von Privatverbrechen
Vom Schaden.
§. 509. Niemand soll den andern ohne Recht an seiner Ehre,
Gesundheit, Leib, Leben, Freyheit oder Vermögen beschädigen, oder kränken. (Th.
I. Tit. VI.)
Von dessen Bestrafung.
§. 510. Vorsätzliche Beschädigungen sind alle ma(! =
allemal?) strafbar.
§. 511. Auch grobe Fahrläßigkeit, wodurch jemand an Leib,
oder Leben beschädigt worden, zieht Strafe nach sich.
§. 512. Die Uebertretung eines Polizeygesetzes, welches der
Staat zur Verhütung der Beschädigungen seiner Bürger gegeben hat, ist strafbar,
auch wenn dadurch noch kein wirklicher Schade entstanden wäre.
§. 513. Doch findet in beyden Fällen §. 511. 512. förmliche
Untersuchung und Erkenntniß auf Leibes- Ehren- oder Geldstrafen nur in so fern
statt, als auf die Beleidigung oder Uebertretung, eine solche Strafe in den
Gesetzen ausdrücklich verordnet ist.
§. 514. In Fällen, wo der Schadensersatz unter mehrere
vertheilt wird, muß dennoch jeder die auf die unerlaubte Handlung verordnete
ganze Strafe leiden.
Vom Schaden, der durch den Gebrauch des Rechts, oder
§. 515. Wer sich seines Rechts innerhalb der durch die
Gesetze bestimmten Schranken desselben bedient, wird wegen eines dem Andern
daraus entstehenden Schadens nicht strafbar.
§. 516. Er wird aber strafbar, wenn er unter mehrern gleich
möglichen Arten oder Zeiten sein Recht auszu
üben, aus Bosheit oder Schadenfreude, eine Art oder Zeit
wählt, wo der Gebrauch des Rechts einem Andern an dessen Person oder Vermögen
einen unmittelbaren Schaden verursacht.
durch Nothwehr zugefügt worden,
§. 517. Jeder hat die Befugniß, die ihm, oder den Seinigen,
oder seinen Mitbürgern drohende Gefahr einer unrechtmäßigen Beschädigung, durch
der Sache angemessene HüJfsmittel abzuwenden.
§. 518. Die Nothwehr findet aber nur gegen eigenmächtige
Gewalt, und auch gegen diese nur alsdann statt, wenn die obrigkeitliche Hülfe
die Beleidigung weder abwenden, noch den vorigen Zustand wieder herstellen
kann.
§. 519. Die Ausübung der Nothwehr darf nicht weiter getrieben
werden, als die Nothdurft zur Abwendung des drohenden Uebels erfordert.
§. 520. Auch muß das zur Abwendung des Schadens gewählte
Mittel mit dem Schaden selbst, welcher durch die Nothwehr abgewendet werden
soll, in Verhältniß stehen.
§. 521. Lebensgefährliche Beschädigungen des Angreifenden
sind nur erlaubt, wenn gegen dessen Beleidigung die Person des Angegriffenen
anders nicht geschützt werden kann.
§. 522. Dies findet auch zu Vertheidigung des Besitzes
statt, wenn sonst der Schade unersetzlich seyn würde.
§. 523. So lange der Angegriffene sich ohne seine Gefahr dem
Angriffe des Andern zu entziehen vermag, ist er zu dessen lebensgefährlicher
Beschädigung nicht berechtigt.
§. 524. Wer zwar im Stande der Nothwehr, jedoch mit
Ueberschreitung der vorgeschriebenen Gränzen, einen Andern beschädigt, hat eine
verhältnißmäßige Ahndung seines Excesses verwirkt.
Verletzung des Hausrechts.
§. 525. Niemand darf in eines Andern Haus, Wohnung, oder
sonstigen Aufenthaltsort, wider dessen Willen, ohne besondere Befugniß
eindringen.
§. 526. Wer dieses thut, oder wider Willen des Besitzers
innerhalb seines Bezirks Handlungen vornimmt, zu denen er nicht berechtigt ist,
der verletzt das Hausrecht.
§. 527. Der Einwohner ist befugt, den, welcher das Hausrecht
verletzt, nach vorgängiger Warnung zu nöthigen, daß er von dergleichen
zudringlichem oder eigenmächtigem Verfahren abstehe.
§. 528. Doch muß bey dem Gebrauche des Hausrechts, Leib und
Ehre des Eindringenden möglichst geschont werden.
§. 529. Wenn auch ein dergleichen zudringliches oder
eigenmächtiges Verfahren, mit der Absicht zu beleidigen, oder ein Verbrechen zu
begehen, nicht verbunden gewesen: so soll doch der Thäter, wenn er es auf den
Gebrauch der Gewalt hat ankommen lassen, mit einer willkührlichen Geld- oder Gefangnißstrafe
belegt werden.
§. 530. Sind Zudringlichkeiten dieser Art (§. 525. 526.) mit
einem andern Verbrechen, welches nicht schon seiner Natur nach eine Verletzung
des Hausrechts in sich schließt, verbunden gewesen: so soll die ordentliche
Strafe des Verbrechens nach Verhältniß dieser Zudringlichkeit geschärft werden.
§. 531. Was vorstehend §. 525-530. verordnet ist, soll auch
statt finden, wenn dergleichen Handlungen zwar nicht innerhalb eines Hauses,
aber doch innerhalb der Gränze eines mit Mauern, Planken, oder Zäunen umgebnen
Platzes, vorgefallen sind.
§. 532. Eben dieses findet auch auf freyem Felde statt, so
weit der Eigenthümer, durch Anbau oder besondre Merkmale, Andere davon
ausgeschlossen hat. (Th. I. Tit. XXII. §. 64.)
Sicherheitsbestellung wegen künftiger Beleidigung.
§. 533. Wenn gefährliche Drohungen oder Anstalten noch durch
obrigkeitliche Hülfe abgewendet werden können: so muß jede Obrigkeit, wenn sie
auch übrigens nicht die gehörige wäre, die zu Abwendung einer dringenden Gefahr
erforderlichen Anstalten unverzüglich treffen.
§. 534. Der Bedrohete ist befugt, Sicherstellung durch Pfand
oder Bürgen zu fordern, so lange die nach den Umständen wahrscheinliche Gefahr
fortdauert.
§. 535. Die Caution muß auf eine bestimmte Geldsumme
gerichtet, und diese, im Falle der dennoch erfolgten Beleidigung, zu etwaniger
Entschädigung derer, welche dadurch gelitten haben, angewendet werden.
§. 536. Was von der Cautionssumme zu diesem Zwecke nicht
erforderlich ist, soll als eine Geldstrafe der Armencasse zufallen.
§. 537. Hat die Caution auf eine unbestimmte Zeit bestellt
werden müssen: so kann sie nicht eher aufgehoben werden, als nachdem der, zu
dessen Sicherheit sie geleistet worden, über die Gründe der fortdauernden oder
gehobnen Gefahr rechtlich gehört ist.
Zehnter Abschnitt Von Beleidigungen der Ehre
Was Injurien sind.
§. 538. Wer durch geringschätzige Geberden, Worte, oder
Handlungen, jemanden zu kränken, oder ihn widerrechtlich zu beschimpfen sucht,
der begeht eine Injurie.
Von dem Vorsatze der Ehrenkränkung.
§. 539. Wer keine Absicht hat, den andern durch Verachtung
zu kränken, oder ihn zu beschimpfen der macht sich auch keiner Injurie
schuldig.
§. 540. Dagegen ist eine Injurie vorhanden, sobald die
Absicht, die Ehre des Andern zu kränken, klar ist, wenn gleich die Handlung,
oder Aeußerung, an sich, und unter andern Umständen betrachtet, nicht
beschimpfend wäre.
§. 541. Der Vorsatz der Ehrenkränkung wird der Regel nach
nicht vermuthet.
§. 542. Ob dieser Vorsatz vorhanden sey oder nicht, muß nach
gesetzlichen Bestimmungen, und in deren Ermangelung, nach den vorhergehenden,
begleitenden, und nachfolgenden Umständen beurtheilt werden.
§. 543. Wer einem Andern Verbrechen Schuld giebt, die ihm,
wenn die Beschuldigung gegründet wäre, die Ahndung der Gesetze zuziehen würden,
der hat die Vermuthung wider
sich, daß er die Ehre desselben habe kränken wollen.
§. 544. Ein Gleiches gilt von demjenigen, welcher von dem
Andern solche Handlungen behauptet, die denselben, wenn er sie wirklich
begangen hätte, der Verachtung seiner Mitbürger überhaupt, oder der- jenigen
Classe derselben, zu welcher der Beleidigte gehört, aussetzen würde.
§. 545. Wer sich gegen den Andern solcher Ausdrücke oder
Handlungen bedient, die als Zeichen der Geringschätzung und Verachtung im
gemeinen Leben anerkannt sind, wider den streitet eben diese Vermuthung.
Umstände, die ihn nicht ausschließen.
§. 546. Die einer an sich beschimpfenden Handlung oder
Aeußerung beygefügte Protestation, schließt den Vorsatz der Ehrenkränkung noch
nicht aus.
§. 547. Eben so wenig ist die einer beschimpfenden Aeußerung
beygefügte Bedingung für sich allein hinreichend, diesen Vorsatz
auszuschließen.
§. 548. Auch die Wahrheit des Vorwurfs, oder der
Beschuldigung, hebt die gesetzliche Vermuthung des Vorsatzes der Ehrenkränkung
nicht auf.
§. 549. Wer einem Andern ein durch Strafe gebüßtes, oder
sonst gesetzmäßig aufgehobenes Verbrechen vorrückt, hat die Vermuthung der
Absicht zu beleidigen wider sich.
§. 550. Wer aber außerdem seinem Mitbürger dergleichen
Verbrechen vorwirft, muß nicht nur die Wahrheit desselben so weit, als es zur
Veranlassung einer förmlichen Untersuchung darüber erforderlich ist,
bescheinigen; sondern auch die Abwesenheit des Vorsatzes zu beleidigen
nachweisen.
§. 551. Wenn der Richter, bey der von Amts wegen verfügten
Untersuchung seiner Angabe, dieselbe gegründet befindet: so bleibt der
Injuriant, wenn er auch wegen der vorsätzlichen Injurie straffällig befunden
wird, dennoch von der Pflicht der Privatgenugthuung frey.
Umstände und Verhältnisse, die ihn ausschließen.
§. 552. Wer in gerichtlichen Verhandlungen, bloß zur
Ausführung oder Vertheidigung seiner Rechte, seinem Gegner kränkende
Vorhaltungen zu machen genöthigt ist, der begeht keine Injurie.
§. 553. Wohl aber soll derjenige als Injuriant angesehen und
bestraft werden, der seinem Gegner, bey dergleichen Gegenheit, ehrenrührige
Vorwürfe macht, die zu der gegenwärtigen Verhandlung nicht gehören.
§. 554. Eben dieses findet statt, wenn dergleichen
gerichtliche Vorwürfe ungegründet sind, und der, welcher sie machte, sie nicht
ohne sein grobes oder mäßiges Versehen für wahr halten konnte.
§. 555. Richter und fiskalische Bediente, welche vermöge
ihres Amts den Stand oder das moralische Verhalten eines Menschen untersuchen,
und beurtheilen, begehen durch diese Ausübung ihres Amts keine Injurie.
§. 556. Sie sind aber derselben schuldig, wenn sie, mit
Mißbrauch ihres Amtes, jemanden ohne hinlänglichen Grund eines Verbrechens
wegen anklagen.
§. 557. Vorhaltungen und Verweise der Aeltern gegen ihre Kinder,
der Vormünder gegen ihre Pflegebefohlne, der Lehrer gegen ihre Schüler und Lehr
linge, der Dienstherrschaften gegen ihr Gesinde, und der
Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, sind als Injurien nicht anzusehen.
§. 558. Eben das gilt von mäßigen Züchtigungen, die jemand
einem Andern, über welchen ihm das Recht der Zucht beygelegt ist, zufügt.
§. 559. Wird das Maaß in solchen Vorhaltungen oder
Behandlungen überschritten: so muß die Obrigkeit, auf den Antrag des
Beleidigten, den Beleidiger in seine Schranken zurückweisen, und die
Ausschweifungen nach Befinden der Umstände von Amts wegen ahnden. (Th.
II. Tit. II. §. 86-91. Tit. V. §. 76. sqq. §. 97. 132. sqq. §. 145.
185. Tit. VII. §. 227. sqq. Tit. VIII. §. 298. sqq. §. 356. sqq.)
§. 560. In so fern die bürgerliche Ehre des Beleidigten bey
der Ueberschreitung des Züchtigungsrechts gelitten haben sollte, muß die
Obrigkeit auch für die demselben gebührende Genugthuung sorgen.
§. 561. Prediger machen sich in ihren Amtsgeschäften einer
Injurie nur alsdann schuldig, wenn sie bey Privatermahnungen, oder in
öffentlichen Vorträgen, die in den Gesetzen bestimmten Gränzen überschreiten. (Tit.
XI. §. 76. sqq.)
§. 562. Bey öffentlichen Urtheilen über Werke oder
Handlungen der Kunst, des Geistes, oder des Fleißes, wird der Vorsatz der
Ehrenkränkung nicht vermuthet; in so fern sie bloß auf den Werth oder Unwerth
des beurtheilten Gegenstandes eingeschränkt worden.
§. 563. Doch ist der urtheilende(! = Urtheilende) die Gründe
seines Urtheils, auf Verlangen des Beurtheilten, anzugeben verpflichtet.
Von unmittelbaren und mittelbaren Injurien.
§. 564. Beleidigungen, welche einer ganzen Gemeine,
Corporation, oder Familie zugefügt worden, können von deren einzelnen
Mitgliedern, so weit auch sie die Injurie trifft, gerügt werden.
§. 565. Ein Ehemann, Vater, und Vormund, kann, wenn er auch
selbst nicht beleidigt worden, die der Ehefrau, den Kindern, oder
Pflegebefohlnen zugefügte Injurie an ihrer Stelle gerichtlich ahnden.
§. 566. Beleidigungen des Hausgenossen und des Gesindes, welche
denselben in Beziehung auf den Hausvater oder die Dienstherrschaft angethan
worden, sind zugleich als Beleidigungen dieser letztern anzusehen.
§. 567. Vorgesetzte werden in ihren Untergebenen beleidigt,
wenn letztere wegen Ausrichtung der Aufträge der erstern beschimpft werden.
§. 568. Der mittelbar Beleidigte kann auf Genugthuung und
Strafe antragen, auch wenn derjenige, welcher unmittelbar beschimpft worden,
die Injurie nicht rügen kann, oder will.
Von symbolischen Verbal-, und Realinjurien.
§. 569. Verbalinjurien sind solche, welche durch mündlich
ausgesprochene, geschriebene, oder gedruckte Worte geschehen.
§. 570. Beschimpfungen, die in Thätlichkeiten bestehen,
wodurch dem Andern an seinem Körper Gewalt oder Verletzung zugefügt worden,
heißen Realinjurien.
§. 571. Andere Zeichen der Geringschätzung, sie mögen in
Handlungen oder Unterlassungen, in Tönen oder Gebehrden, in Gemälden,
Kupferstichen, oder in andern sinnlichen Darstellungen bestehen, sind unter der
Benennung der symbolischen Injurien begriffen.
§. 572. Injurien, die durch schriftliche Aufsätze, durch
Druckschriften, durch Gemälde, Kupferstiche, oder andre sinnliche Darstellungen
geäußert worden, sind Pasquille, wenn sie der Urheber selbst, oder durch andre,
öffentlich aufgestellt, oder verbreitet hat.
§. 573. Ob der Verfasser sich genannt oder seinen Namen
verschwiegen habe, macht an sich keinen Unterschied.
§. 574. Eben so wenig verändert es die Natur der strafbaren
Handlung, daß der Beleidigte nicht genannt, sondern nur durch individuelle
Nebenumstände kennbar gemacht worden.
§. 575. Wenn Schriften, welche den Wissenschaften, Künsten,
oder sonst der Belehrung oder dem Vergnügen des Publici gewidmet sind, nebenbey
Injurien enthalten: so sind deren Verfasser eben so zu beurtheilen, wie die
Parteyen, welche in gerichtlichen Unterhandlungen ihren Gegnern zur Sache nicht
gehörige Vorwürfe machen. (§. 553.)
Von schweren und geringen Injurien.
§. 576. Realinjurien und Pasquille sind für grobe oder
schwere Injurien zu achten.
§. 577. Bloße symbolische und Verbalinjurien werden, der
Regel nach, als leichte oder geringe Injurien angesehen.
§. 578. Sie arten aber in schwere Injurien aus, wenn die
boshafte Absicht, die bürgerliche Ehre des Andern zu kränken, klar ist.
§. 579. Desgleichen alsdann, wenn sie in Beschuldigungen
solcher Verbrechen bestehen, die, wenn sie gegründet wären, dem Andern die
Ahndung der Gesetze, oder die besondere Verachtung seiner Standesgenossen
zuziehen würden.
§. 580. Ferner alsdann, wenn sie von Unterthanen gegen ihre
Obrigkeit; von Untergebenen gegen ihre Vorgesetzten; von Kindern gegen ihre
Aeltern; von Schülern und Lehrlingen gegen ihre Lehrmeister; oder von
Dienstboten gegen ihre Herrschaften verübt worden.
§. 581. Auch alsdann, wenn sie in einer öffentlichen
Versammlung, oder bey einer feyerlichen Gelegenheit zugefügt sind.
§. 582. Ueberhaupt alsdann, wenn durch die an sich leichte
Beleidigung, die Ehre des Beleidigten, wegen gewisser besonderer Umstände, oder
individueller Verhältnisse desselben, die dem Beleidiger bekannt gewesen,
empfindlich gekränket wird.
§. 583. Auch bloße Unterlassungen können in schwere Injurien
ausarten, wenn sich dabey die boshafte Absicht, die Ehre des Andern zu
verletzen, unter besonders erschwerenden Umständen geäußert hat.
Von der Privatgenugthuung.
§. 584. Wer die Ehre eines andern gekränkt hat, ist
demselben dafür Genugthuung zu leisten verbunden.
§. 585. Der Ersatz des durch die Beleidigung an seinem
Körper, oder äußern Glücksumständen verursachten Schadens, wird nach den im
Sachenrechte enthaltenen Grundsätzen bestimmt. (Th. I.
Tit. VI. §. 79. sqq.)
Wenn der Vorsatz nicht ausgemittelt ist.
§. 586. Wer der Absicht der Ehrenkränkung nicht überführt
ist; aber doch Anlaß gegeben hat, eine dergleichen boshafte Absicht bey ihm
vorauszusetzen, ist schuldig, diesen Verdacht durch eine deutliche und
förmliche Erklärung zu heben.
§. 587. Wenn auch die Handlung oder Aeußerung an sich nicht
beschimpfend, und sogar die Abwesenheit des Vorsatzes, zu beleidigen, klar
erwiesen war: so kann dennoch derjenige, dessen Ehre nach der Meinung Andrer
dadurch gelitten haben soll, eine ausdrückliche Erklärung, daß seine Ehre durch
dergleichen Handlung oder Aeußerung nicht habe gekränkt werden sollen,
verlangen.
§. 588. Ob derjenige, welchem eine dergleichen Verletzung
der Ehre zugeschrieben wird, auch zur Uebernahme der Prozeßkosten verpflichtet
sey, muß darnach beurtheilt werden: in wie fern ihm dabey ein Versehen zur Last
falle.
§. 589. Von Personen höhern Standes gegen Niedere können die
Ehrenerklärungen schriftlich geschehen.
§. 590. Zwischen Personen gleichen Standes muß die
Ehrenerklärung mündlich, in Gegenwart zweyer oder dreyer von dem Kläger dazu
ausgewählter Personen, geleistet werden.
§. 591. Auf gerichtliche Leistung ist zu erkennen, wenn der
Vorfall, welcher zu dem Streite Anlaß gegeben hatte, sich öffentlich zugetragen
hat.
§. 592. Personen niedern Standes müssen gegen Höhere die
Erklärung, auf Erfordern, allemal gerichtlich leisten.
§. 593. Die Art und die Ausdrücke, wie die Erklärung
geleistet werden solle, muß der Richter in dem Urtel jedesmal bestimmen.
§. 594. Wer die rechtskräftig feststehende Erklärung
erkanntermaßen zu leisten sich weigert, muß als ein solcher, der eine wirkliche
Injurie vorsätzlich verübt hat, angesehen und behandelt werden.
Wo derselbe ausgemittelt ist.
§. 595. Wer die Ehre eines Andern vorsätzlich angegriffen
hat, dem soll sein verübter Unfug von dem Richter, in Gegenwart des Beleidigten
oder dessen Bevollmächtigten, feyerlich und nachdrücklich verwiesen; die Ehre
des Beleidigten für ungekränkt öffentlich erklärt; und demselben über die
Verhandlung, auf Kosten des Beleidigers, eine gerichtliche Ausfertigung
ertheilt werden.
§. 596. Ist die Beleidigung öffentlich verübt worden: so muß
die Verhandlung bey offenen Thüren der Gerichtsstube erfolgen.
§. 597. Dem Beleidigten steht alsdann frey, zwey oder drey
Personen seines Standes als Zeugen mitzubringen.
§. 598. Unterthanen, Dienstboten, Kinder, Lehrlinge, und
Untergebene, müssen wegen der ihren Vorgesetzten zugefügten Beleidigungen, nach
Bewandniß der Umstände, und Schwere der Beleidigung, den richterlichen Verweis
kniend empfangen.
§. 599. Bey Injurien, die durch Pasquille zugefügt worden,
muß der richterliche Verweis, auf Verlangen des Beleidigten, und auf Kosten des
Beleidigers, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 600. Wenn der Beleidiger zu einer freywilligen Abbitte
bereit ist, und sich die darüber zu ertheilende Ausfertigung gefallen läßt: so
bedarf es keines richterlichen Verweises.
§. 601. Können die Parteyen über die Art, wie die Abbitte
geleistet werden soll, sich nicht vereinigen: so muß der Richter selbige nach
eben den Grundsätzen, die bey der Ehrenerklärung vorgeschrieben sind, bestimmen.
(§. 589. sqq.)
§. 602. Auch ist in dem Falle des §. 599. dem Beleidigten zu
verstatten, daß er die geleistete Abbitte auf gleiche Art, wie wegen des
richterlichen Verweises geordnet ist, bekannt mache.
§. 603. Ist der Beleidiger vor geleisteter Privatgenugthuung verstorben: so sind seine
Erben nur zum eigentlichen Schadensersatze verpflichtet.
§. 604. Doch muß die Ehre des Beleidigten durch den Richter
für ungekränkt erklärt; und dieses, nach Beschaffenheit der Umstände, auf
Kosten des Nachlasses des Beleidigers, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 605. Dagegen können die Erben
des Beleidigten, wenn dieser vor erhaltener Genugthuung, jedoch nach
Insinuation der Klage gestorben ist, verlangen, daß die Genugthuung dem
Andenken ihres Erblassers geleistet werde.
§. 606. In so fern die Beleidigung zugleich die Erben
trifft(!), treten die im §. 564-568. enthaltnen Verordnungen ein.
Strafe der Injurien:
a) der leichten Verbalinjurien;
§. 607. Leichte Injurien unter Personen gleichen Standes (§.
577.) sollen, wenn beyde Theile zum Bauer- oder gemeinen Bürgerstande gehören,
mit Strafarbeit oder Gefängniß, auf vier und zwanzig Stunden, bis drey Tage,
geahndet werden.
§. 608. Leichte Injurien unter Personen des hohem
Bürgerstandes, werden mit Gefängnißstrafe auf acht bis vierzehn Tage belegt.
§. 609. Gehören beyde Theile zum Adel oder Officierstande,
oder ist beyden der Charakter Königlicher Räthe beygelegt: so findet auf
leichte Injurien Gefängnißstrafe von vierzehn Tagen bis vier Wochen, oder nach
Bewandniß der Umstände, Festungsarrest bis auf drey Monathe statt.
§. 610. Leichte Injurien von Personen höhern Standes gegen
geringere, müssen mit Geldstrafe von zehn bis dreyßig Thalern, oder
verhältnißmäßigem Arreste gebüßt werden.
§. 611. Personen niedern Standes gegen höhere haben, bey
zugefügten leichten Injurien, vierzehn Tage bis vier Wochen Strafarbeit, oder
Gefängniß verwirkt.
Bey schweren Verbalinjurien.
§. 612. Schwere Beleidigungen, die jedoch keine Realinjurien
sind, werden unter Leuten gemeinen Standes, mit vier- bis achttägiger
Strafarbeit oder Gefängniß geahndet.
§. 613. Eben dergleichen
Injurien unter Personen höhern Bürgerstandes, sollen mit Gefängniß auf vierzehn
Tage bis vier Wochen bestraft werden.
§. 614. Unter Personen vom Adel- oder
Militairstande, oder die den Charakter Königlicher Räthe führen, ziehen
dergleichen schwerere Injurien Gefängnißstrafe auf vier bis acht Wochen, und
nach Bewand
niß der Umstände Festungsarrest bis auf sechs Monathe nach
sich.
§. 615. Sind dergleichen Injurien von Personen nie
dern Standes gegen höhere verübt worden: so findet
Gefängnißstrafe auf vier Wochen bis drey Monathe statt.
§. 616. Nach Bewandniß der Umstände, und Schwere der
Beleidigung, kann diese Strafe durch Einschränkungen der Kost im Gefängnisse
geschärft; oder bis zur Zuchthausstrafe, bis auf sechs Monathe, ausgedehnt
werden.
§. 617. Auf eben dergleichen Injurien, die von Personen
höhern Standes Geringeren zugefügt worden, folgt Geldstrafe von vierzig bis
hundert Thalern: oder nach Bewandniß der Umstände, und Schwere der Beleidigung,
Gefängniß- oder Festungsarrest auf Einen bis drey Monathe.
§. 618. Pasquille, welche zwar nicht öffentlich verbreitet,
aber doch durch Schuld des Verfassers im Publico bekannt geworden sind, sind
als schwere Injurien anzusehen.
§. 619. Pasquille, welche auf Veranstaltung des
Pasquillanten schon öffentlich angeschlagen oder verbreitet worden, sollen als
der höchste Grad symbolischer Injurien an dem Verfasser bestraft werden.
§. 620. Die Schmähschrift selbst soll der Gerichtsdiener, in
Gegenwart des Verfassers, und dreyer von dem Beleidigten gewählten Zeugen, vor
dem versammelten Gerichte zerreißen, und mit Füßen treten.
§. 621. Hat der Verfasser sich nicht genannt: so soll das
Pasquill, auf Verlangen des Beleidigten, durch den Henker auf öffentlichem
Platze verbrannt werden.
§. 622. Drucker und Verleger solcher Schandschriften werden,
wenn selbige ohne Censur gedruckt worden, dem Verfasser gleich bestraft.
§. 623. Eben diese Strafe trifft den schuldigen Drucker oder
Verleger, wenn die Schrift zwar die Censur passirt ist, die ausgestrichenen
Stellen aber wieder aufgenommen, oder neue Injurien eingerückt worden.
§. 624. Kann der Urheber des Pasquills nicht ausgemittelt
werden: so wird die Strafe gegen den Drucker und Verleger verdoppelt.
§. 625. Der Censor, welcher den Druck einer Schmähschrift
wissentlich gestattet hat, soll mit dem Verfasser gleiche Strafe leiden, und
seines Censoramts entsetzt werden.
§. 626. Hat der Censor aus Nachläßigkeit dergleichen
Injurien übersehen: so ist diese Verletzung seiner Amtspflicht nach Vorschrift
des §. 334. sqq. zu ahnden.
§. 627. Ehrenrührige Zeichnungen, Gemälde und Kupferstiche,
welche öffentlich ausgestellt und verbreitet werden, sind als Pasquille
anzusehen; und der Besteller wie der Schriftsteller, die Zeichner,
Kupferstecher, und Maler aber, nach Beschaffenheit der Umstände, als
Mitverbrecher oder Gehülfen zu bestrafen.
Bey geringen Realinjurien,
§. 628. Jede schimpfliche Behandlung eines Menschen, durch
Schlagen, Werfen, Stoßen u. s. w. wird, wenn sie ohne merkliche Beschädigung
des Körpers abgelaufen ist, der Regel nach noch einmal so hart, als eine
schwere symbolische Injurie, bestraft.
§. 629. Schlägereyen unter gemeinen Leuten, bey welchen
niemand erheblich verletzt worden, sind mit Strafarbeit, oder Arrest, auf acht
Tage bis vier Wochen, allenfalls halb bey Wasser und Brod, zu ahnden.
§. 630. Bey Realinjurien, welche Unterthanen gegen ihre
Obrigkeit, Dienstboten gegen ihre Herrschaft,
Untergebene gegen ihre
Vorgesetzten, Kinder gegen ihre Aeltern, und Lehrlinge gegen ihre Lehrmeister
verübt haben, tritt auf eben so lange Zeit, als bey Andern, nach obigem
Grundsatze (§. 628. 629.), Gefängnißstrafe statt finden würde, Zuchthausstrafe
an deren Stelle.
§. 631. Diese Strafe kann nach Bewandniß der Umstände, und
Schwere der Injurie, durch körperliche Züchtigung geschärft werden.
§. 632. Realinjurien zwischen Personen vom Adel- und
Officierstande werden, wenn sie nur in Stoßen, Werfen, und andern geringern
Thätlichkeiten bestehen, mit sechsmonatlicher bis zweijähriger; im Falle der
Schläge und anderen groben thätlichen Beschimpfungen aber, mit zwey- bis
vierjährigem Festungsarreste bestraft.
§. 633. Ein Edelmann, der sich so weit vergißt, daß er einem
Andern von gleichem Stande und Geburt aufpaßt, oder ihm aufpassen läßt, und ihn
mit Stock- oder Peitschenschlägen, oder ähnlichen Mißhandlungen beschimpft,
soll als einer, der sich schon durch die That selbst aller Standesrechte und
Würden verlustig gemacht hat, angesehen, und zu acht- bis zehnjährigem
Festungsarreste verurtheilt werden.
§. 634. Von einem solchen Verbrecher kann also der Beleidigte,
ohne Verletzung seiner eigenen Ehre, keine Privatgenugthuung fordern; vielmehr
ist ersterer sofort zu arretiren, und in das Criminalgefängniß abzuliefern.
§. 635. Hat der Gemißhandelte seinen Gegner durch grobe
Verbalinjurien zu der Beleidigung gereizt: so hebt dieses zwar die Strafe
des letzern nicht auf;
§. 636. Doch soll auch der, welcher den Andern zu
dergleichen Mißhandlungen gereizt hat, nach Vorschrift der Gesetze (§. 609.
614. 618. sqq.) bestraft werden.
Von schweren Realinjurien.
§. 637. Sind die bey Realinjurien vorgefallenen
Thätlichkeiten so beschaffen, daß sie für lebensgefährlich angesehen werden
können: so muß der Thäter, ohne Unterschied des Standes, sofort in Verhaft
genommen, und darin so lange behalten werden, bis die Gefahr des Beschädigten
vorüber ist.
§. 638. Wird der Beschädigte völlig wieder hergestellt: so
hat der Thäter Festungs- oder Zuchthausstrafe auf zwey bis drey Jahre verwirkt.
§. 639. Erfolgt eine Verstümmelung oder Verunstaltung des
Beschädigten: so muß der Thäter vier- bis sechsjährige Festungs- oder
Zuchthausstrafe leiden.
§. 640. Stirbt der Beschädige an der empfangenen Verletzung:
so wird der Thäter als ein Todtschläger bestraft.
§. 641. Wenn der Injuriant nach erlittner Strafe sich der
angethanen Beschimpfung rühmt: so findet Wiederholung eben dieser Strafe statt.
§. 642. Wegen Wiederholung derselben Injurie soll die vorher
erlittene Strafe verdoppelt werden.
Von Injurien zwischen Militair- und Civilpersonen.
§. 643. Wenn Injurien zwischen Militair- und Civilpersonen
vorfallen: so wird die Strafe gegen den Schuldigen verdoppelt.
§. 644. Sind solchenfalls Real- oder schwere Verbal- und
symbolische Injurien verübt worden: so soll an die Stelle des Gefängnisses Festungs- oder Zuchthausstrafe
treten.
§. 645. Gehört der Beleidiger zum Militairstande: so soll,
nach Beschaffenheit der Umstände, und der beleidigten Personen, und mit
Rücksicht auf den Rang des zu Bestrafenden, auf Gefängniß, Degradation,
Gassenlaufen, Festungsarbeit, oder Festungsarrest erkannt werden.
Von Injurien gegen Wachen.
§. 646. Die nach §. 643. 644. verwirkte Strafe der Injurien
wird verdoppelt, wenn sie einer im Dienste begriffenen Militairperson zugefügt
worden.
§. 647. Ist damit eine thätliche Widersetzung gegen die
Wache verbunden gewesen: so soll wider den Verbrecher, außer der nach §. 646.
verwirkten, auch nach Beschaffenheit der Umstände die §. 158. oder §. 167- 173.
verordnete Strafe verhängt werden.
§. 648. Wenn Militairpersonen sich den Wachen widersetzen:
so werden sie nach näherer Bestimmung der Kriegsartikel bestraft.
Wann der Richter von Amts wegen zu verfahren habe,
§. 649. Leichte Verbal- und symbolische Injurien ist der
Richter von Amts wegen zu rügen, nicht schuldig.
§. 650. Auch schwere Injurien dieser Art dürfen nur alsdann
von Amts wegen gerügt und bestraft werden, wenn sie an einem öffentlichen Orte,
oder bey einer feyerlichen Gelegenheit vorgefallen sind.
§. 651. Ein Gleiches gilt von geringen Realinjurien §. 649.
650. welche unter Leuten vom Bauer- oder gemeinen Bürgerstande verübt worden.
§. 652. Auch bedarf es des richterlichen Amtes nicht, wenn
dergleichen geringe Realinjurien zwischen Eheleuten, Aeltern und Kindern,
Lehrern und Schülern, Dienstherrschaften und Gesinde vorgefallen sind.
§. 653. Andre Realinjurien hingegen muß der Richter von
Amtswegen untersuchen und bestrafen.
§. 654. Einem jeden, der zum höhern Bürger- oder zum Adel-
oder Militairstande gehört, steht frey, wenn er keine Injurienklage anstellen
will, die ihm von einem andern widerfahrne Ehrenkränkung nebst den
Beweismitteln über die Thatsache, dem Richter bloß zur Untersuchung anzuzeigen.
§. 655. Der Richter muß alsdann, wenn er die Sache dazu
angethan findet, die Untersuchung von Amts wegen verfügen, und über die Strafe
des Beleidigers erkennen.
§. 656. Der Beleidigte hingegen, welcher nicht selbst hat
klagen wollen, kann keine Privatgenugthuung fordern.
Von Remission der Injurien.
§. 657. In allen Fällen, wo der Richter von Amts wegen
verfahren muß, wird die Strafe des Beleidigers dadurch, daß der Beleidigte sich
der Privatgenugthuung begeben hat, nicht aufgehoben.
§. 658. Hingegen kann für die einmal ausdrücklich oder
stillschweigend erlassene Beleidigung, keine Privatgenugthuung mehr gefordert
werden.
§. 659. Die Privatgenugthuung ist nur alsdann für stillschweigend
erlassen anzusehen, wenn der Beleidigte die Injurie, ungeachtet sie und deren
Urheber ihm bekannt
gewesen, innerhalb dreyer Monathe nicht gerügt hat.
§. 660. Dochist auch alsdann das Recht des Beleidigten zum
eigentlichen Schadensersatze noch nicht erloschen.
Von Compensation und Retorsion der Injurien.
§. 661. Wenn Injurien, die noch nicht erloschen
waren, erwiedert worden: so kann keiner von beyden Theilen Privatgenugthuung
fordern.
§. 662. Wenn jedoch Realinjurien durch bloße Verbal- oder
symbolische Injurien auf der Stelle erwiedert werden: so geht durch diese
Erwiederung das Recht, Privatgenugthuung zu fordern, nicht verloren.
§. 663. Die Strafe gegenseitiger Injurien wird durch die
Erwiederung niemals aufgehoben.
§. 664. Doch soll für den, welcher durch eine ihm zugefügte
Injurie selbige sogleich zu erwiedern gereizt worden, eine Minderung der an
sich nach den Gesetzen verwirkten Strafe statt finden.
§. 665. Jede Erwiederung, die erst nach einem Zeitverlaufe
geschehen ist, wirkt für den Erwiedernden keine Entschuldigung.
§. 666. Ueberhaupt darf niemand sich für vermeintlich
erlittene Beleidigungen eigenmächtig Genugthuung nehmen.
Von Duellen überhaupt. Strafen.
§. 667. Insonderheit sollen diejenigen, welche dergleichen
Genugthuung durch Privatzweykampf selbst zu suchen sich unterfangen, dafür mit
der schärfsten Strafe belegt werden.
§. 668. Wer also einen Andern zum Zweykampfe fordert, hat
nach Verhältniß des dazu erhaltenen größern oder geringern Reizes, eine drey-
bis sechsjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 669. Wer die Ausforderung annimmt, und durch sein
Betragen seine Bereitwilligkeit zum Zweykampfe zu erkennen giebt, soll nach
Verhältniß der ihm zu statten kommenden größern oder geringern
Entschuldigungsgründen, ein- bis dreyjährige Festungsstrafe leiden.
§. 670. Durch die Ausforderung, oder die Annahme derselben,
gehen zwar die Parteyen des Rechts, Privatgenugthuung zu fordern, verlustig;
sie haben aber, außer der durch den unternommenen Zweykampf verwirkten Ahndung,
auch noch die Strafe der Injurien zu erwarten.
§. 671. Ist der Zweykampf vor sich gegangen, und ein Theil
dabey getödtet worden: so soll der UeberIebende nach Beschaffenheit seines
Vorsatzes, mit der Todesstrafe der Mörder oder Todschläger belegt werden.
§. 672. Ist niemand getödtet worden, so werden beyde Theile
ihres Adels, und der Ehrenstellen, welche sie bekleiden, verlustig; und noch
außerdem, nach Bewandniß der Umstände, mit zehnjähriger bis lebenswieriger
Festungsstrafe belegt.
§. 673. Wer sich der Strafe des Privatduells durch die
Flucht entzieht, dessen Vermögen soll, in so fern er dergleichen innerhalb
Landes besitzt, so lange er lebt, in Beschlag genommen, ihm selbst davon nicht
das geringste verabfolgt; allemal aber sein Bildniß an einen öffentlichen
Schandpfahl geschlagen werden.
Vorbeugungsmittel.
§. 674. Wer bey einem vorfallenden Wortwechsel zum
tödtlichen Gewehre greift, soll, wenn auch noch kein Schade geschehen ist,
Festungsarrest von sechs Monathen bis zu Einem Jahre leiden.
§. 675. Auch schon derjenige, welcher bloß drohet, einen
Andern zum Duelle nöthigen, oder auf eine schimpfliche Art beleidigen zu
wollen, soll, als ein Friedenstöhrer, mit ein- bis zweijähriger Gefängnißstrafe
belegt werden.
§. 676. Wer einen Andern anreizt, seine vermeintliche
Genugthuung durch einen Zweykampf zu suchen; so wie derjenige, welcher sich zur
Begüngstigung(! = Begünstigung) eines Duells, als Secundant oder Cartellträger,
wissentlich brauchen läßt, hat, wenn jemand getödtet worden, zehnjährige; sonst
aber fünfjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 677. Wer wegen einer durch Vergleich oder Erkenntniß
beygelegten Ehrensache, den Parteyen Vorwürfe macht, oder Verachtung zu
erkennen giebt, wird als ein Verhetzer mit ein- bis fünfjähriger Festungsstrafe
belegt; und außerdem seiner etwanigen Ehrenstellen verlustig.
Verordnungen, welche sich auf den Ort des Duells und die
Qualität der Duellanten beziehen.
§. 678. Wenn Inländer sich zu einem außer Landes zu
haltenden Zweykampfe bestellen: so wird derselbe, ob er schon auswärts
vorgefallen ist, dennoch gleich einem innerhalb Landes vollzogenen Duelle
geahndet.
§. 679. Hat eine in den Königlichen Landen sich aufhaltende
Person einem Ausländer eine Ausforderung zum Zweykampfe zugeschickt, oder eine
dergleichen Ausforderung von ihm innerhalb Landes angenommen: so wird er wegen
der Ausforderung, oder deren Annahme, nach den Landesgesetzen §. 668. sqq.
bestraft.
§. 680. Hat der Inländer, zufolge einer solchen Bestellung,
(§. 679.) mit einem fremden auswärts wohnenden Unterthanen den Zweykampf
außerhalb Landes vollzogen: so findet zwar die Strafe der Duelle, jedoch nur
unter der Einschränkung des §. 15. statt.
§. 681. Mit gleicher Einschränkung soll die Strafe der
Duelle eintreten, wenn ein Inländer, wegen eines auswärts verabredeten und
gehaltenen Duells, auf Ansuchen der Obrigkeit des Orts, wo selbiges vorgefallen
ist, bestraft werden soll.
§. 682. Auch Ausländer, welche innerhalb Landes sich zu
einem Zweykampfe herausfordern, verfallen in die durch die Landesgesetze auf
den Zweykampf verordneten Strafen.
§. 683. Ist von Ausländern ein auswärts verabredeter
Zweykampf innerhalb Landes gehalten worden: so sollen sie in Verhaft genommen,
und ihrer Landesobrigkeit, auf deren Verlangen, ausgeliefert werden.
§. 684. Haben sich Inländer bey einem solchen Zweykampfe als
Secundanten oder Cartelträger brauchen lassen: so haben sie die in den
Landesgesetzen §. 676. verordnete Strafe verwirkt.
§. 685. In allen Fällen, danach obigen Vorschriften, die
Landesgesetze gegen die Duelle auf einen von Inländern außerhalb Landes, oder
von Ausländern im Lande gehaltenen Zweykampf nicht Anwendung finden, sollen
dennoch, wenn dabey jemand verwundet, oder gar getödtet worden, der Thäter nach
den Vorschriften des Eilften Abschnitts von körperlichen Verletzungen, so wie
die Secundanten der Cartelträger als Theilnehmer an diesem Verbrechen, bestraft
werden.
§. 686. Wenn Militairpersonen einander beleidigen, oder zum
Zweykampfe fordern: so finden die darüber ergangenen besondern Verordnungen
statt.
§. 687. Wenn eine Civilperson von einer Militairperson zum
Zweykampfe genöthigt worden: so soll über das Vergehen, der letzern zuerst erkannt, und nach Maaßgabe
dieses Straferkenntnisses, auch die Strafe der Civilperson verhältnißmäßig bestimmt
werden.
§. 688. Dagegen finden die obigen über den Zweykampf
überhaupt ergangenen Verordnungen wider eine Civilperson, welche eine
Militairperson herausfordert, oder sonst zum Duelle nöthigt, nach ihrem ganzen
Umfange Anwendung.
§. 689. Wenn Personen, die weder zum Adel- noch
Officierstande gehören, jemanden mit Seiten- oder Schießgewehr angreifen; oder
ihren Gegner zum Zweykampfe fordern: oder Ausforderungen annehmen: so soll
dergleichen Unternehmen als ein Versuch zum Morde angesehen und bestraft werden.
§. 690. Wenn sich dergleichen Leute auf den Stock, oder
andere minder gefährliche Instrumente herausfordern, oder schlagen: so sollen
dieselben mit der doppelten Strafe der Realinjurien belegt werden.
Eilfter Abschnitt Von körperlichen Verletzungen
Grundsatz.
§. 691. Ein jeder ist schuldig, sein Betragen so
einzurichten, daß er weder durch Handlungen, noch Unterlassungen, Andrer Leben
oder Gesundheit in Gefahr setze.
Vorbeugungsmittel:
§. 692. Alles dasjenige, woraus dergleichen erhebliche
Gefahr entstehen kann, soll durch ernstliche Polizeyverbothe, und
verhältnißmäßige Strafen, möglichst verhütet werden.
1) bey dem Verkaufe des Pulvers der Gifte und Medicamente;
§. 693. Niemand soll Schießpulver, Gifte, Arzeneyen, und
andre Materialien, deren Bearbeitung, Aufbewahrung, und rechter Gebrauch,
besondre Kentnisse voraussetzt, ohne ausdrückliche Erlaubniß des Staats
zubereiten, verkaufen, oder sonst an Andre überlassen.
§. 694. Wer dieses dennoch thut, dem soll, wenn auch kein
Schade dadurch veranlaßt worden, sein Vorrath confiscirt; und er, nach
Verhältniß der entstandenen Gefahr, und des gesuchten oder wirklich gezognen
Gewinns, in eine Geldstrafe von zwanzig bis hundert Thalern verurtheilt werden.
§. 695. Apotheker, und alle diejenigen, denen die Zubereitung
und der Verkauf der Gifte oder Arzeneyen erlaubt ist, sollen dabey mit Vorsicht
und Sorgfalt zu Werke gehn; damit durch einen unrechten oder unmäßigen
Gebrauch, niemand an seinem Leben oder seiner Gesundheit beschädigt werde.
§. 696. Sie sollen keine Arzeneymittel, (die in der
Medicinalordnung benannten Arten allein ausgenommen,) ohne die Vorschrift eines
vom Staate genehmigten Arztes zubereiten, oder verabfolgen.
§. 697. Insonderheit sollen sie gefährliche Arzeneymittel
und Gifte nur denjenigen Personen einhändigen, welche zu deren Empfang durch
den Schein eines solchen Arztes (§. 696.) die Befugniß erhalten haben.
§. 698. An hinlänglich bekannte und unverdächtige Personen,
kann zwar zu einem von ihne (=ihnen) angezeigten rechtmäßigen Gebrauche Gift, auch
ohne solchen Schein, verabfolgt werden.
§. 699. Es müssen aber dergleichen Personen das Gift
entweder selbst abholen; oder der Apotheker muß ihnen dasselbe durch seine
Leute, wohl verschlossen und verwahrt, in ihre Hände überliefern.
§. 700. a) Wer nicht am Orte gegenwärtig ist, muß, bey
eigner Verantwortung, sichere Personen zur Abholung solcher gefährlichen Sachen
wählen, und schriftlich dazu bevollmächtigen; diese aber müssen von dem
Apotheker, wegen deren unschädlichen Fortbringung, die nöthige Anweisung
erhalten.
§. 700. b) Schießpulver muß ebenfalls nur an unverdächtige
Personen, denen man es zutrauen kann, daß sie damit umzugehen wissen,
überlassen, und es muß dabey von denjenigen, welche damit handeln, die
Vorschrift §. 699. 700. a) ebenfalls beobachtet werden.
§. 701. Wer den obstehenden Vorschriften (§. 695. sqq.)
zuwiderhandelt, soll nach Maaßgabe des Grades seiner Fahrläßigkeit, und der
daraus entstandenen Gefahr, mit Geldstrafe von zehn bis fünfzig Thalern belegt;
und nach Bewandniß der Umstände, besonders im Wiederholungsfalle, seines
Privilegii verlustig erklärt werden.
2) bey innern und äußerlichen Curen.
§. 702. Niemand soll, ohne vorher erhaltene Erlaubniß des
Staats, aus der Cur der Wunden oder innerlichen Krankheiten, bey willkührlicher
Geld- oder Gefängnißstrafe, ein Gewerbe machen.
§. 703. Bey gleicher Strafe sollen Apotheker und Wundärzte
sich aller innern Curen enthalten, in so fern ihnen selbige nicht ausdrücklich
verstattet worden.
§. 704. Augen- und Zahnärzte, Stein- und Bruchschneider
sollen sich nicht unterfangen, ihr Gewerbe zu treiben, ehe sie die Erlaubniß
der Behörde dazu, nach vorhergegangener Prüfung ihrer Geschicklichkeit, und
ihres Verfahrens, erhalten haben.
§. 705. Geschieht es dennoch: so haben sie, bloß dadurch,
fünf bis zehn Thaler Geld- oder acht- bis vierzehntägige Gefängnißstrafe
verwirkt.
§. 706. Zahn- und Augenärzte, Bruch- und Steinschneider,
Quacksalber, Wurzel- und Olitätenkrämer(!), Hebammen, Hirten, Schäfer, Scharfrichter,
und alle andere, die aus innern oder äußern Curen, ohne Erlaubniß der
Obrigkeit, oder ohne Zuziehung und Genehmigung eines approbirten Arztes, ein
Gewerbe machen, sollen, nach Bewandniß der Umstände, und nach der mehrern oder
mindern Gefährlichkeit der gebrauchten Mittel, mit Gef ängniß auf Vierzehn Tage
bis sechs Wochen bestraft werden.
§. 707. Haben sie dergleichen unerlaubtes Gewerbe aus
Gewinnsucht getrieben: so sind sie, als Betrüger, mit Zuchthausstrafe auf drey
bis sechs Monathe zu belegen.
§. 708. Wenn solche Winkelärzte Ausländer sind: so sollen
sie, nach ausgestandener Strafe, über die Gränze gebracht; und wenn sie
gleichwohl zur Treibung ihres verbotenen Handwerks zurückkehren, ohne weitere
Umstände als Landstreicher behandelt werden (§. 191. sqq.)
§. 709. Gegen Inländer ist, im Wiederholungsfalle, die
Strafe zu verdoppeln; und sie sind sodann, nach Bewandniß der Umstände, aus dem
Orte, oder der Provinz, wo sie ihr verbotenes Handwerk ausgeübt haben, zu
verweisen.
3) In
Ansehung der Hebammen;
§. 710. Niemand soll, ohne vorhergegangene Prüfung und
Genehmigung des Staats, die Geburtshülfe als ein Gewerbe zu treiben sich
unterfangen.
§. 711. Die es thun, sollen mit achttägiger bis
vierwöchentlicher Gefängnißstrafe belegt, und wenn sie sich dadurch nicht
warnen lassen, aus ihrem bisherigen Aufenthaltsorte verwiesen werden.
§. 712. Wenn bey einer Geburt schwere oder ungewöhnliche
Umstände sich ereignen: so ist die Hebamme schuldig, einen approbirten Arzt, in
so fern ein solcher erlangt werden kann, herbeyrufen zu lassen.
§. 713. Ein Gleiches muß geschehen, wenn in der Geburt die
Mutter oder das Kind das Leben einbüßen.
§. 714. In solchem Falle müssen die Prediger und Küster,
wenn sie von dem sträflichen Betragen der Hebamme Nachricht erhalten, der Obrigkeit
davon Anzeige machen.
§. 715. Die bloße Unterlassung der Anzeige in vorstehenden
Fällen (§. 712-714.) soll mit willkürlicher Geld- oder Gefängnißstrafe geahndet
werden.
§. 716. Wenn Leibesfrüchte, die gar keine menschliche
Gestalt zu haben scheinen, lebendig zur Welt kommen: so sollen dennoch weder
die Aeltern, noch die Hebamme, dergleichen Geburt eigenmächtig fortzuschaffen
sich unterfangen. (Th. I. Tit. I. §. 17. 18.)
§. 717. Vielmehr muß letztere den Vorfall sofort der
Obrigkeit anzeigen; welche denselben mit Z ziehung sachverständiger Personen
genau untersuchen, und an die obere Instanz, zur weitern Verfügung, berichten
muß.
§. 718. Aeltern und Hebammen, welche, diesem zuwider,
dergleichen Mißgeburt eigenmächtig fortschaffen, sollen, nach Beschaffenheit
der Umstände, mit Gefängniß- oder Zuchthausstrafe von vierzehn Tagen bis zu
drey Monathen belegt werden.
§. 719. Wer eine Leibesfrucht vorsätzlich tödtet, hat, wenn
es eine offenbare Mißgeburt war, Gefängniß- oder Zuchthausstrafe von sechs
Wochen bis zu sechs Monathen, sonst aber die Strafe der Mörder verwirkt.
§. 720. Eine Hebamme, die ohne dringende Abhaltung jemanden
ihre Hülfe versagt, soll, auch wenn kein Schade erfolgt ist, willkührliche
Geld- oder Gefängnißstrafe leiden.
§. 721. Hat sie sich dergleichen Undienstfertigheiten zur
Gewohnheit gemacht: so soll ihr die Treibung ihres Gewerbes gänzlich untersagt
und eine andere an ihrer Statt bestellt werden.
4) bey
Nahrungsmitteln und Getränken;
§. 722. Niemand soll Nahrungsmittel oder Getränke, die nach
ihrer Beschaffenheit der Gesundheit nachtheilig sind, bey Vermeidung nachdrücklicher Geld- oder
Leibesstrafe, wissentlieh verkaufen, oder Andern zu ihrem Gebrauche mittheilen.
§. 723. Wer dergleichen Lebensmittel auf eine der Gesundheit
nachtheilige Weise verfälscht; mit schädlichen Materialien vermischt; besonders
aber sich der Bleymittel bey Getränken bedient, soll nach Bewandniß der
Umstände, und der daraus für die Gesundheit entstandenen Gefahr, mit ein- bis
dreyjähriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 724. Außer der Strafe werden diejenigen, welche sich des
wissentlichen Verkaufs verdorbener oder mit schädlichen Zusätzen vermischter
Nahrungsmittel schuldig machen, des Rechts, das gemißbrauchte Gewerbe ferner zu
treiben, auf immer verlustig.
§. 725. Der befundene Vorrath solcher Nahrungsmittel soll,
wenn er keiner Verbesserung fähig ist, sofort vernichtet; sonst aber
eingezogen, auf Kosten des Uebertreters in tauglichen Stand gesetzt, und zum
Besten der Armen verwendet werden.
5) bey den Kleidungen, Federn und Betten;
§. 726. Betten, Kleider, und andere Sachen, welche Personen,
die an pestartigen Krankheiten gestorben sind, an ihrem Leibe oder sonst zu
ihrem gewöhnlichen Gebrauche gehabt haben, müssen bey willkührlicher Leibes-
oder Geldstrafe, sofort verbrannt werden.
§. 727. a) Ist der Kranke an einer andern ansteckenden
Krankheit gestorben: so ist der Gebrauch oder Verkauf solcher Kleider und
Sachen nur alsdann erlaubt, wenn ein approbirter Arzt auf seine Pflicht
bezeugt, daß denselben, durch Anwendung der erforderlichen Mittel, die Gefahr
der Ansteckung benommen worden.
§. 727. b) Wer das Gewicht der Bettfedern durch Bleyweis
vermehrt, hat die §. 723-725. bestimmte Strafe verwirkt.
6) bey
dem ütchengeschirre;
§. 728. Niemand soll sich kupferner nicht überzinnter Gefäße
zur Zubereitung der Speisen bedienen.
§. 729. Kupferschmiede und alle Andere, welche dergleichen
nicht tüchtig überzinntes Geschirr verkaufen, sollen mit Confiscation ihres
Vorraths, und einer Geldbuße von zehn bis zwanzig Thalern bestraft; im
Wiederholungsfalle aber ihres Meisterrechts verlustig erklärt werden.
§. 730. Gleiche Strafe trifft diejenigen Professionisten,
welche zum Ueberzinnen kupferner Küchengeschirre einen Zusatz von Bley
gebrauchen.
§. 731. Der unvorsichtige Gebrauch der Kohlen in
verschlossenen Gemächern, wo der Dampf den darin befindlichen Personen
gefährlich werden könnte, ist, wenn auch noch kein Schade geschehen wäre, mit
drey bis zehn Thaler Geld- oder willkührlicher Gefängnißstrafe zu ahnden.
7) wegen
der öffentlichen Reinlichkeit.
§. 732. Die Obrigkeit jedes Ortes muß bey eigener Vertretung
darauf sehen, daß die zu Unterhaltung der öffentlichen Reinlichkeit an den
Häusern, und auf den Straßen, gegebenen Polizeyverordnungen,
von einem jeden, ohne
Unterschied des Standes, bey willkührlicher Geld- oder Gefängnißstrafe genau
befolgt werden.
8) wegen
des Betragens gegen Schwangere, und ungeborne Kinder;
§. 733. Niemand soll gegen eine Person, deren
Schwangerschaft sichtbar, oder ihm bekannt ist, oder auch wissentlich in deren
Gegenwart, Handlungen vornehmen, wodurch heftige Gemüthsbewegungen erregt zu
werden pflegen.
§. 734. Ist dergleichen Handlung an sich schon strafbar: so
findet in einem solchen Falle Schärfung der Strafe statt.
§. 735. Ist auf die Handlung an sich keine Strafe verordnet:
so soll, je nachdem sie aus Vorsatz, Muthwillen, oder grober Unvorsichtigkeit
begangen worden, willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe, oder körperliche
Züchtigung verhängt werden.
§. 736. Auch diejenigen, denen sonst das Recht der mäßigen
Züchtigung zukommt, dürfen sich dessen gegen dergleichen schwangere Personen,
bey willkührlicher Gefängniß- oder Geldstrafe, so lange die Schwangerschaft dauert,
nicht bedienen.
§. 737. Personen, die während ihrer Schwangerschaft und vor
der Entbindung gestorben sind, dürfen nicht eher beerdigt werden, als bis wegen
Rettung des in Mutterleibe befindlichen Kindes, die erforderlichen Anstalten
mit der nöthigen Vorsicht getroffen worden.
9) Gegen
Säuglinge;
§. 738. Mütter und Ammen sollen Kinder unter zwey Jahren bey
Nachtzeit nicht in ihre Betten nehmen, und bey sich oder andern schlafen
lassen.
§. 739. Die solches thun, haben nach Bewandniß der Umstände,
und der dabey obwaltenden Gefahr, Gefängnißstrafe, oder körperliche Züchtigung
verwirkt.
10) Wegen des Schießens;
§. 740. Niemand soll, ohne wahrscheinliche Gefahr eines
nächtlichen Ueberfalls, geladenes Gewehr in seinem Hause verwahren; noch
weniger selbiges an Orte hinstellen, oder aufhängen, wo Kinder oder andre
unerfahrne Leute dazu kommen können.
§. 741. Auch Reisende, oder Jäger, welche geladenes Gewehr
bey sich führen, müssen, wenn sie in ein Haus treten, oder irgendwo unter
Leuten sich aufhalten, dasselbe beständig in ihrer unmittelbaren Obsicht haben,
oder es des Schusses entledigen.
§. 742. Gastwirthe, bey welchen dergleichen Personen
einkehren, müssen darauf sehen, daß entweder eins oder das andre geschehe; oder
sie müssen das Gewehr dergestalt in eigne sichere Verwahrung nehmen, daß
dadurch kein Schade entstehen kann.
§. 743. Wer diesen Vorschriften (§. 740-742.) zuwider
handelt, soll allemal mit Arrest auf acht bis vierzehn Tage, oder mit fünf bis
zehn Thaler Geldstrafe belegt werden.
§. 744. Wird mit solchem Gewehre, und durch den
unvorsichtigen Gebrauch desselben, jemand am Leben, Leibe, oder Vermögen
beschädigt: so hat nicht nur der, welcher es führt, sondern auch der Haus- oder
Gastwirth, welcher seine Pflicht nicht beobachtet hat, Gefängniß- oder
Festungsstrafe, auf vier Wochen bis zu sechs Monathen verwirkt.
§. 745. Wer in bewohnten, oder gewöhnlich von Menschen
besuchten Orten, sich des Schießgewehrs, der Windbüchsen, oder Armbrüste
bedient, oder Feuerwerke ohne besondere Erlaubniß der Obrigkeit abbrennt, soll,
wenn auch kein Schade geschehen ist, in eine Strafe von fünf bis fünfzig
Thalern genommen werden.
11) Wegen des Tragens heimlicher Waffen;
§. 746. Niemand soll Stilets und dreykantige, oder sogenannte
Schilfklingen führen.
§. 747. Gemeinen Leuten ist, in Stöcken oder auf andre Art
verborgenes Gewehr zu führen, nicht erlaubt.
§. 748. Die bloße Führung solcher verbotenen Waffen soll mit
Confiscation derselben, und fünf bis zwanzig Thaler Geldstrafe geahndet werden.
12) Wegen des Haltens wilder Thiere;
§. 749. Ohne besondre Erlaubniß der Obrigkeit darf niemand
wilde, oder andre von Natur schädliche Thiere halten.
§. 750. Die Obrigkeit muß die Erlaubniß bey eigner
Vertretung nicht ertheilen, wenn sie sich nicht zuvor überzeugt hat, daß
hinlänglich sichere Maaßregeln zur Verhütung alles besorglichen Schadens
genommen worden.
§. 751. Wer ohne Erlaubniß der Obrigkeit schädliche Thiere
hält, muß selbige sofort wegschaffen, und außerdem zwanzig bis fünfzig Thaler
Geldstrafe entrichten.
§. 752. Eine gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher die
obrigkeitliche Erlaubniß zwar erhalten, nachher aber die gehörigen Maaßregeln
zur Verhütung alles Schadens vernachläßigt hat.
§. 753. Eben so wird der Eigenthümer eines sonst zahmen
Thieres bestraft, wenn dasselbe besondre schädliche Eigenschaften hat, und er,
sobald dieses zu seiner Kenntniß gelangt, zur Verhütung des zu besorgenden
Schadens nicht hinlängliche Maaßregeln trifft.
§. 754. Auch die wegen Vorbeugung der Tollheit bey den
Hunden vorgeschriebene Polizeygesetze, ist ein jeder, bey Vermeidung der darin
bestimmten Geld- oder Leibesstrafen, genau zu beobachten verpflichtet.
§. 755. Das Aufhetzen der Hunde gegen Menschen soll, wenn
auch kein Schade daraus entstanden ist, mit willkührlicher Geld- oder
Leibesstrafe belegt werden.
13) wegen des Reitens und Fahrern;
§. 756. Auf Straßen, Brücken, und öffentlichen Plätzen; so
wie in allen bewohnten von Menschen zahlreich besuchten Gegenden, muß ein jeder
des schnellen Reitens und Fahrens sich enthalten.
§. 757. Die Uebertretung dessen soll mit fünf bis zehn
Thalern Geldbuße, oder mit verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe geahndet werden.
§. 758. Sind Fehler des Pferdes an der Uebertretung Schuld:
so bleibt der Reiter oder Fahrende von der Strafe nur alsdann frey, wenn er den
Fehler vorher nicht gewußt hat.
§. 759. Dagegen trifft die Strafe den Eigenthümer des
Pferdes, welcher den andern wegen des Fehlers nicht in Zeiten gewarnt hat.
§. 760. Die §. 757. verordnete Strafe hat auch derjenige
verwirkt, welcher Pferde, ohne die gehörige Aufsicht, auf öffentlichen Plätzen,
Straßen, oder sonst im Freyen, wo sie durch ihr Ausreißen, Beißen, Stoßen, oder
Schlagen, Schaden anrichten können, stehen läßt.
§. 761. Bey gleicher Strafe soll sich niemand unterfangen,
innerhalb der Stadt Pferde einzufahren, oder sich zu Nachtzeit der Schlitten
ohne Schellengeläute zu bedienen.
14) wegen aufgehängter oder
aufgestellter Sachen;
§. 762. Niemand soll in Gegenden, die zum Ab- und Zugange
des Publici bestimmt sind, vor seinen Fenstern, oder an seinem Hause, etwas
ohne gehörige Befestigung aufstellen, oder aufhängen, durch dessen Herabsturz
jemand beschädigt werden könnte.
§. 763. Der Uebertreter muß das Aufgestellte oder
Aufgehängte sofort wegzuschaffen angehalten, und außerden um fünf Thaler
bestraft werden. (Th. I. Tit. Vm. §. 74. sqq.)
§. 764. Gleiche Strafe hat derjenige verwirkt, welcher
Sachen, die den Vorübergehenden schädlich werden könnten, aus dem Hause oder
aus den Fenstern wirft.
15) bey Bauen und Reparaturen;
§. 765. Jeder Eigenthümer ist schuldig, seine Gebäude
dergestalt in baulichem Stande zu unterhalten, daß durch deren Einsturz oder
Abfall, den Einwohnern, oder Vorübergehenden kein Schade widerfahre.
§. 766. Wer dies unterläßt, den soll die Obrigkeit durch
Zwangsmittel dazu anhalten, und seine Nachläßigkeit mit zehn bis dreyßig Thaler
Geld- oder verhältnißmäßiger Leibesstrafe ahnden.
§. 767. Ist der Eigenthümer zu solchen Reparaturen unvermögend:
so muß die Obrigkeit dafür, bey eigner Vertretung, von Amts wegen so weit
sorgen, als es nöthig ist, um die dem Publico drohende Gefahr abzuwenden. (Th.
I. Tit. VIII. §. 40.
sqq.)
§. 768. Baumeister, die bey einem Baue oder einer Reparatur,
oder bey der Auswahl der Materialien dazu, wider die allgemein anerkannten
Regeln der Baukunst dergestalt gehandelt haben, daß daraus eine Gefahr für die
Einwohner oder das Publicum entsteht, sollen den Fehler auf eigne Kosten zu
verbessern angehalten werden.
§. 769. Verfallen sie zum zweytenmale in dergleichen Fehler:
so ist ihnen außerdem die fernere Treibung ihres Gewerbes, bey ein- bis
zweyjähriger Gefängnißstrafe, zu untersagen.
§. 770. Der Vorwand, daß der Bauherr die fehlerhafte Führung
des Baues, oder den Gebrauch der untauglichen Materialien selbst verlangt, oder
genehmigt habe, soll dem Baumeister niemals zu statten kommen.
§. 771. Wenn jemand die ihm obliegende Unterhaltung
öffentlicher Gebäude, Wege, Brücken u. s. w. vernachläßigt, und die an ihn ergangene
Aufforderung fruchtlos gewesen ist: so soll die Obrigkeit die nöthigen
Reparaturen von Amts wegen veranstalten; die Kosten aber von ihm durch
Execution bey treiben lassen.
§. 772. Außerdem hat derselbe eine Geldbuße von fünf bis
dreyßig Thalern, oder verhältnißmäßige Leibesstrafe verwirkt.
§. 773. Bey allen Bauen und Reparaturen müssen die
unmittelbaren Aufseher die erforderlichen Vorkehrungen treffen, damit nicht
durch das Herabfallen der Materialien, den Einsturz der Gerüste, oder auf
andere Art, jemand beschädigt werde.
§. 774. Dergleichen Bauplätze sind mit Stangen dergestalt
einzufassen, daß besonders Kinder und Thiere, von Betretung solcher
gefährlichen Stellen zurückgehalten werden.
§. 775. Die Unterlassung dieser Vorschrift ist an den nachläßigen
Aufsehern mit nachdrücklicher Gefängniß- oder Geldstrafe zu ahnden.
§. 776. Die Uebertretungen der Polizeygesetze ziehen die
dabey verordneten Strafen auch alsdann nach sich, wenn dadurch noch kein
wirklicher Schade entstanden ist.
Von Verletzungen aus Fahrläßigkeit.
§. 777. Ist aber durch die Uebertretung jemand an seiner
Gesundheit oder an seinem Leben wirklich verletzt worden: so wird der
Uebertreter noch ausserdem als einer, der den Schaden aus grober Fahrläßigkeit
zugefügt hat, angesehen.
§. 778. Nach dem Grade dieser Fahrläßigkeit; nach Bewandniß
des mehr oder minder erheblichen Schadens; und je nachdem der Beschädigte
völlig in den vorigen Stand wieder hergestellt werden kann, oder nicht, soll
gegen den Beschädiger Gefängniß- oder Festungsstrafe auf Einen Monath bis zwey
Jahre statt finden.
§. 779. Ist die schwere Beschädigung eines Menschen durch
grobe Vernachläßigung gewisser besonderer Amts- oder Berufspflichten veranlaßt
worden: so soll der Uebertreter, noch außer der nach vorstehender Verordnung
ihn treffenden Strafe, zu einem solchen Amte oder Gewerbe auf immer für unfähig
erklärt werden.
§. 780. Auch derjenige, welcher zwar ohne Uebertretung
ausdrücklicher Gesetze oder besonderer Vorschriften, aber doch durch grobe
Vernachläßigung der allgemeinen nach §. 691. einem jeden obliegenden Vorsicht,
jemanden am Leibe oder Leben beschädigt, hat allemal verhältnißmäßige
Leibesstrafe verwirkt.
§. 781. Diese Strafe soll nach dem Stande und Alter des
Uebertreters; nach Verhältniß des Grades der Fahrläßigkeit selbst; der
Erheblichkeit des Schadens; und der erfolgenden oder nicht erfolgenden
Wiederherstellung des Beschädigten, auf körperliche Züchtigung, oder auf
Gefängnißstrafe von vierzehn Tagen bis zu Einem Jahre bestimmt werden.
Rettung aus Todesgefahr;
§. 782. Wer ohne eigne erhebliche Gefahr, einen Menschen aus
der Hand der Räuber oder Mörder, aus Wasser- und Feuersnoth, oder aus einer
andern drohenden Lebensgefahr retten könnte; und es unterläßt: soll, wenn der
andre wirklich das Leben einbüßt, vierzehntägige Gefängnißstrafe leiden.
§. 783. Außerdem soll seine Lieblosigkeit, und deren
erfolgte Bestrafung, zu seiner Beschämung und andern zur Warnung, öffentlich
bekannt gemacht werden.
§. 784. Dagegen soll der Edelmuth desjenigen, welcher einem
seiner Nebenmenschen das Leben gerettet hat, namentlich und öffentlich bekannt
gemacht, auch sonst nach Befinden belohnt werden.
besonders der Scheintodten.
§. 785. Wer einen Scheintodten antrifft, muß, bey Vermeidung
der §. 782. angedroheten Strafe, ihm schleunige Hülfe leisten, und hat dafür
vom Staate Vergütung der Auslagen, und die in den Polizeygesetzen bestimmte
Belohnung zu erwarten.
§. 786. Begehrt er diese Belohnung nicht: so soll die dazu
bestimmte Geldsumme, uach seiner Anweisung, unter die Armen vertheilt, und ihm
für seine edle Bemühung nach Vorschrift des §. 784. öffentlich gedankt werden.
§. 787. Wenn auch die angewendete Mühe vergeblich gewesen:
so muß dennoch dafür, nebst Vergütung der Auslagen, die Hälfte der im §. 785.
gedachten Belohnung gegeben werden.
§. 788. Entrunkene müssen sogleich aus dem Wasser gezogen;
an schädlichen Dämpfen Erstikte(! = Erstickte) an die freye Luft gebracht;
Gehängte abgelöst; auch dergleichen Scheintodte in jeglichem Falle von
pressenden Kleidungsstücken befreyet werden.
§. 789. Die zuletzt gedachte Vorsicht muß auch bey denen,
welche in schädlichen Dämpfen erstickt sind, beobachtet, und diese müssen
sogleich in die frische Luft gebracht werden.
§. 790. Es muß sobald als möglich ein Arzt oder Wundarzt
herbeygeholt; der nächsten Obrigkeit Nachricht gegeben; und übrigens mit den
Scheintodten nach näheren Vorschriften der Polizeygesetze verfahren werden.
§. 791. Diejenige Obrigkeit, welcher diese Anzeige
geschieht, muß, wenn sie auch nicht die gehörige ist, für die Rettung der
Scheintodten ohne Zeitverlust sorgen.
§. 792. Gerichtsobrigkeiten und Aerzte, welche die
vorgeschriebene Hülfe vernachläßigen, oder nicht anhaltend leisten, sollen zur
Untersuchung gezogen werden, und außer den Kosten der Untersuchung auch
diejenigen tragen, welche sonst, nach Vorschrift des §. 785., aus der
öffentlichen Casse bestritten werden müssen.
§. 793. Ueber dieses soll ihr liebloses Betragen zu ihrer
Beschämung öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 794. Bey allen durch Fahrläßigkeit zugefügten leichtern
Beschädigungen kann, nach Bewandniß der Umstände, statt der§. 778. und 780.
geordneten Leibes- auf verhältnißmäßige Geldstrafe erkannt werden.
§. 795. Daß und wie der Beschädiger den Beschädigten, oder
dessen Familie, wegen des Nachtheils entschädigen müsse, welchen derselbe an
seinen Gliedmaaßen, seiner Gesundheit, oder durch seine Verunstaltung erlitten
hat, ist am gehörigen Orte vor- geschrieben. (Th. I.
Tit. VI. §. 98. sqq.)
Vorsätzliche Beschädigung.
§. 796. Vorsätzlich zugefügte bloße Schläge, oder andere
geringe Verletzungen, die für den Beschädigten von keinen weitem nachtheiligen
Folgen sind, sollen den Realinjurien gleich bestraft werden. (§. 628. sqq.)
§. 797. Hat aber jemand dem Andern schwere Beschädigungen,
woraus für desselben Gesundheit oder Gliedmaaßen ein erheblicher Nachtheil
entstehen können, vorsätzlich zugefügt: so soll allemal verhältnißmäßige
Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden.
§. 798. Nach Beschaffenheit der Verletzung selbst, der
Erheblichkeit des zugefügten Schadens, und der erfolgenden Wiederherstellung
des Beschädigten, solldie Dauer dieser Strafe auf zwey Monathe bis drey Jahre
bestimmt werden.
§. 799. Hat jemand bey einer zugefügten Verletzung, die wirklich
erfolgte Verstümmelung oder Verunstaltung des Beschädigten zur Absicht gehabt:
so kann die Strafe bis auf sechs Jahre verlängert werden.
§. 800. Ist der Beschädigte durch diese Verletzung zu
Verrichtung seiner Geschäfte unbrauchbar geworden: so soll sechs- bis
zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe eintreten.
§. 801. Vorsätzlich verursachter Wahnsinn wird dem
Todschlage gleich geachtet (§. 863.), außer diesem Falle aber wird der, welcher
einen anhaltenden Wahnsinn durch seine Schuld veranlaßt, mit derjenigen Strafe
belegt, welche der im Falle des erfolgten Todes verwirkten am nächsten kommt.
§. 802. Wer sich selbst, durch vorsätzliche Verstümmelung
seines Körpers, zu seinen Bürgerpflichten, oder zu gewissen nach seinem Berufe
ihm obliegenden Geschäften untüchtig macht, der soll öffentliche körper-liche
Züchtigung, und ein- bis dreyjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe leiden.
§. 803. Selbsmörder sollen zwar nach ihrem Tode nicht
beschimpft werden; aber doch alles dessen, womit sonst das Absterben und
Andenken andrer Leute von ihrem Stande oder Range geehrt zu werden pflegt,
verlustig seyn.
§. 804. Leute, die sich selbst das Leben nehmen, um einer
durch grobe Verbrechen verwirkten infamirenden Strafe sich zu entziehen, sollen
nach Befinden des den Prozeß dirigirenden Gerichts, auf dem Richtplatze
verscharrt werden.
§. 805. Ist bereits ein Strafurtel wider sie ergangen: so
soll dasselbe an dem todten Körper, so weit es möglich, anständig, und zur
Abschreckung Andrer dienlich ist, vollzogen werden.
Todschlag.
§. 806. Wer in der feindseligen Absicht, einen Andern zu
beschädigen, solche Handlungen unternimmt, woraus, nach dem gewöhnlichen
allgemein, oder ihm besonders bekannten Laufe der Dinge, der Tod desselben
erfolgen mußte, und ihn dadurch wirklich tödtet; der hat als ein Todschläger
die Strafe des Schwerdtes verwirkt.
§. 807. Beweis eines Irrthums in der Person des Getödteten
kann in der Regel nur Verschärfung; aber nicht eine Minderung der nach §. 806.
verwirkten Strafe nach sich ziehen. (§. 873. sqq.)
§. 808. Nur so weit ein solcher Irrthum die Sträflichkeit
des bösen Vorsatzes, oder die Gefährlichkeit der Handlung mindert, kann deshalb
eine Minderung der nach den Gesetzen eintretenden schwereren Strafe statt
finden.
§. 809. Alle Verletzungen, auf welche der Tod unmittelbar
erfolgt, sind, wenn das Gegentheil nicht wahrscheinlich ist, als die Ursache
des Todes anzusehn.
§. 810. Außerdem muß die Tödlichkeit der Verletzung nach der
individuellen körperlichen Beschaffenheit des Getödteten beurtheilt werden.
§. 811. Hat der Thäter die aus seiner Handlung entstehende
Lebensgefahr auch nur wahrscheinlich vorausgesehen: so hat er dennoch die §.
806. bestimmte Todesstrafe verwirkt.
§. 812. Es wird vermuthet, daß der Thäter diejenige Gefahr wirklich
vorausgesehen habe, die ihm unter den vorhandenen Umständen nicht verborgen seyn konnte.
§. 813. Wer sich eines zum Tödten bestimmten Instruments auf
eine tödliche Weise bedient, hat die rechtliche Vermuthung, daß er die
Lebensgefahr vorausgesehen habe, wider sich.
§. 814. Eben dieses findet statt, wenn er sich eines andern
Instruments auf eine Art bedient, wie es nur in der Absicht, zu tödten,
gebraucht zu werden pflegt.
§. 815. Ist es jedoch in den Fällen des §. 811. bis 814.
nach den vorwaltenden besonderen Umständen wahrscheinlich, daß der Thäter
dennoch die Absicht zu tödten nicht gehabt habe: so soll zehnjährige bis
lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe an die Stelle der Todesstrafe
treten.
§. 816. Ist auf eine vorsätzlich zugefügte, aber weder an
sich, noch in Beziehung auf den Beschädigten, tödliche Verletzung, der Tod
dennoch, als mittelbare Wirkung dieser Verletzung, erfolgt: so soll der Thäter
sechs- bis zehnjährige Festungsstrafe leiden.
§. 817. War die vorsätzlich zugefügte Verletzung an sich
tödlich; das Leben des Beschädigten aber ist durch besondre Umstände oder
Zufälle noch erhalten worden: so hat der Thäter zehnjährige bis lebenswierige
Festungsstrafe verwirkt.
§. 818. Hätte der Getödtete durch rechtzeitige Hülfe
gerettet werden können; der Thäter aber hat denselben hülflos gelassen: so ist
er, wenn er die daraus ent stehende Gefahr voraussehen mußte, als ein
Todschläger mit dem Schwerdte zu bestrafen.
§. 819. Ist die vorsätzlich zugefügte an sich nicht
tödtliche Wunde ohne Schuld des Thäters tödtlich geworden: so tritt die §. 816.
verordnete sechs- bis zehnjährige Festungsstrafe ein.
§. 820. Hat jemand, der an sich im Stande der Nothwehr sich
befindet, mit Überschreitung der Gränzen derselben, seinen Gegner getödtet: so
soll wider ihn zwey- bis vierjährige Festungsstrafe statt finden.
§. 821. Wer bey Ausübung des ihm zukommenden Rechts der
mäßigen Züchtigung, einen Theil des Körpers, aus dessen Beschädigung der Tod
leicht erfolgen könnte, vorsätzlich verletzt, der soll, wenn der Gezüchtigte
wirklich an der Verletzung stirbt, mit sechs- bis zehnjähriger Festungsstrafe
belegt werden.
§. 822. Ein Gleiches soll statt finden, wenn in dem Maaße,
oder in der Dauer der Züchtigung; dieGränzen so weit überschritten worden, daß
der Tod des Gezüchtigten daraus erfolgt ist.
§. 823. Sind die vorsätzlich zugefügten Mißhandlungen so
beschaffen gewesen, daß der Tod daraus erfolgen mußte: so ist der Thäter als
ein Todtschläger zu bestrafen.
§. 824. Ist aber klar, daß die Ausübung des Rechts zur Züchtigung
ein bloßer Vorwand, und hingegen der Vorsatz zu tödten wirklich vorhanden
gewesen: so findet die ordinaire Strafe des Mordes statt. (§. 826. sqq.)
§. 825. Wachen und andere Staatsbeamte, welche das Recht,
Gewalt anzuwenden, mißbrauchen, sind ebenfalls nach Vorschrift des §. 821-824.
zu beurtheilen.
Mord.
§. 826. Derjenige, welcher mit vorher überlegtem Vorsatze zu
tödten einen Todschlag wirklich verübt, soll als ein Mörder mit der Strafe des Rades von oben herab
belegt werden.
§. 827. Wenn jemand, mit dem Vorsatze zu tödten, einem
andern eine Verletzung zufügt, welche zwar an sich nicht tödtlich ist, aber in
der Folge durch einen Zufall tödtlich wird: so soll er mit dem Schwerdte
hingerichtet werden.
§. 828. Wenn die mit dem Vorsatze, zu tödten, zugefügte
Verletzung an sich tödtlich war, das Leben des Beschädigten aber durch
besondere Umständeoder Zufälle noch gerettet worden: so findet gegen den Thäter
Staupenschlag, nebst lebenswieriger Festungs- oder Zuchthausstrafe statt.
§. 829. Grausamkeiten und Mißhandlungen, welche vor, bey,
oder nach Verübung des Mordes an dem Getödteten begangen worden, wirken allemal
Schärfung der verwirkten Todesstrafe.(§. 47.)
§. 830. Die Todesstrafe wird allein dadurch, daß die
boshafte Absicht des Mörders mit Geringschätzung des eignen Lebens verbunden
gewesen, noch nicht ausgeschlossen.
§. 831. Ist aber ausgemittelt, daß jemand, bey sonst
ungestörtem Gebrauche seines Verstandes, aus Schwärmerey, oder sonst in der
Absicht, hingerichtet zu werden, einen Todschlag begangen hat: so soll derselbe
zwar seinen Endzweck nicht erreichen;
§. 832. Er soll aber lebenslang im engsten Gefängnisse unter
besonderer Aufsicht bewahrt, und zu gewissen bestimmten Zeiten öffentlich
gezüchtigt werden.
§. 833. Wer tödtlich Verwundeten, oder sonst Todkranken, in
vermeintlich guter Absicht das Leben abkürzt, ist gleich einem fahrläßigen
Todschläger nach §. 778.779. zu bestrafen.
§. 834. Wer einen Andern auf dessen Verlangen tödtet, oder
ihm zum Selbstmorde behülflich ist, hat sechs- bis zehnjährige, und bey einem
überwiegenden Verdachte, den Wunsch nach dem Tode bey dem Getödteten selbst
veranlaßt zu haben, lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 835. Vorsätzliche Mörder werden allein durch den Umstand,
daß der Entleibte ohne dies dem Tode nahe gewesen sey, von der übrigens
verwirkten Strafe nicht befreyet.
§. 836. Wenn die Absicht zu tödten, die in dieser Absicht
zugefügte Beschädigung, und der darauf erfolgte Tod des Entleibten außer allen
Zweifel gesetzt sind; der Umstand aber, daß der Tod die Wirkung der That
gewesen sey, aus andern Gründen, als der bloßen eigenen Angabe des Verbrechers,
auch nur wahrscheinlich erhellet: so tritt die ordentliche Strafe des Mordes
ein.
§. 837. Wer, in der Absicht zu tödten, jemanden eine
unheilbare Verletzung zufügt, ist, je nachdem der Verwundete dadurch mehr oder
weniger unbrauchbar oder unglücklich gemacht worden, mit zehn-,
zwanzigjähriger, oder lebenswieriger Festungs- oder Zuchthausstrafe zu belegen.
§. 838. a) Ist die Absicht zu tödten schon in äußerliche
Handlungen ausgebrochen; dadurch aber noch kein Schade verursacht worden: so
hat der Thäter vier- bis sechsjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 838. b) Ist er aber von Vollendung der That aus eigener
Bewegung abgestanden: so kann er auf Begna- digung Anspruch machen.
Verabredeter Mord.
§. 839. Haben mehrere sich zu Ausführung eines Mordes
verbunden: so hat der Rädelsführer, wenn er zugleich der unmittelbare Thäter
gewesen, die Strafe des Rades von. unten herauf verwirkt.
§. 840. Hat der Rädelsführer den Mord nicht unmittelbar
verübt: so trifft ihn dennoch allemal die Strafe des Rades von oben herunter.
§. 841. Gegen denjenigen unter den übrigen Mitverbundenen,
welcher den Mord wirklich ausgeführt hat, findet die Strafe des Rades von oben
herab; gegen die Andern aber, welche nach Vorschrift des §. 71. 74. als
Miturheber anzusehen sind, lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe statt.
§. 842. Kann der eigentliche Thäter nicht ausgemittelt
werden: so sind die sämmtlichen Mitverbundenen, welche bey dem Morde selbst
Hand angelegt haben, mit der Strafe des Schwerdtes zu belegen; den Rädelsführer
aber trifft, auch in diesem Falle, die §. 840. bestimmte Strafe des Rades von
oben.
§. 843. Ist der Thäter ausgemittelt: so soll gegen die
übrigen Mitverbundenen, welche bey der That nicht Hand angelegt haben, nach
Beschaffenheit ihrer sonstigen Mitwirkung, eine zehn- bis zwanzigjährige
Zuchthaus- oder Festungsstrafe erkannt werden.
§. 844. Ist bey einer unter Mehrern vorgefallenen Schlägerey
ein Todschlag begangen worden: so finden in Ansehung des überführten Thäters
die Vorschriften des §. 806. sqq. vom Todschlage statt.
§. 845. Haben mehrere dem Entleibten tödtliche Wunden
beygebracht: so ist von diesen derjenige, welcher zuerst von den tödtlichen
Werkzeugen gegen denselben Gebrauch gemacht hat, als Todschläger zu bestrafen.
§. 846. Gegen die Uebrigen, welche gleichfalls überführt
sind, dem Entleibten tödtliche Wunden beygebracht zu haben, soll, nach
Verhältniß ihres bösen Vorsatzes, zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe
erkannt werden.
§. 847. Diejenigen, welche sich keines an sich oder durch
den gewählten Gebrauch tödtlichen (§. 814.) Gewehrs bedient haben, sind, wenn
sie dennoch einer tödlichen Verwundung überführt worden, mit sechs- bis
zehnjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe zu belegen.
§. 848. Wie ein im Tumulte, ohne vorhergegangene
Conspiration, verübter Todschlag bestraft werden solle, ist im Vierten
Abschnitte §. 169. sqq. verordnet.
Befohlner Mord.
§. 849. Wer einem Andern, die Verübung einer Mordthat
befohlen, aufgetragen, oder ihn dazu gedungen hat, ist als der Rädelsführer des
begangenen Mordes zu bestrafen.
§. 850. Mit der Strafe des Schwerdtes wird er belegt, wenn
der Auftrag nicht ausdrücklich auf den wirklich erfolgten Todschlag, aber doch
auf eine solche Beschädigung gerichtet gewesen, woraus, nach dem natürlichen
und bekannten Laufe der Dinge, (§. 806.) der Tod des Beschädigten leicht
erfolgen konnte.
§. 851. Erhellet hingegen aus den Umständen, daß in dem
Falle des §. 850. die Tödtung nicht bloß ohne, sondern auch wider seinen Willen
erfolgt sey: so hat er dennoch zehnjährige Festungstrafe verwirkt.
§. 852. Wer die Ausführung des aufgetragenen Mordes
übernimmt, ist, wenn keine erschwerende Umstände eintreten, dennoch als ein
vorsätzlicher Mörder, nach Vorschrift des §. 826., mit dem Rade von oben zu
bestrafen.
§. 853. Umstände, welche die Strafe des Mordes überhaupt
erschweren, oder vermindern, müssen auch bey einem solchen Mörder in
Betrachtung gezogen werden.
Banditen.
§. 854. Hat sich jemand mehr als einmal zu Ermordung Anderer
brauchen lassen: so soll er zum Richtplatze geschleift, und daselbst mit der
Strafe des Rades von unten belegt werden.
Raub und Mord.
§. 855. Wie derjenige, welcher, um zu rauben, einen Mord
begeht, gestraft werden solle, ist im Vierzehnten Abschnitte bestimmt.
Vergiftung.
§. 856. Auf jede Mordthat, welche unter Umständen, oder
durch Mittel verübt worden, die ihrer Natur nach, vorzüglich schwer zu
vermeiden oder zu entdecken sind, soll die durch die That an sich verwirkte Art
der Todesstrafe durch Schleifung auf den Richtplatz geschärft werden.
§. 857. Dergleichen geschärfte Strafe trifft also
denjenigen, der einen Mord durch Gift begangen hat.
§. 858. Das Verbrechen der Vergiftung ist für vollzogen zu
achten, wenn es gewiß ist, daß der Entleibte nach beygebrachtem Gifte gestorben
ist, und es wenigstens mit Wahrscheinlichkeit ausgemittelt worden, daß der Tod
eine wirkliche Folge des empfangenen Gifts gewesen sey.
§. 859. Hat der Leichnam nicht besichtigt werden können: so
ist der Tod für eine Wirkung des Gifts zu halten, wenn der Vergiftete binnen
acht Tagen nach dem ihm zuletzt erweislich beygebrachten Gifte gestorben ist,
und keine andre Ursache des Todes erhellet.
§. 860. Wer zur Vergiftung durch Zubereitung oder
Herbeyschaffung des Gifts absichtlich hilft, soll mit dem Schwerdte
hingerichtet werden.
§. 861. Im Wiederholungsfalle tritt die §. 854. bestimmte
verschärfte Strafe des Rades ein.
§. 862. Wenn das, in der Absicht zu tödten, beygebrachte
Gift, den Vergifteten wahnsinnig gemacht hat, und die Wiederherstellung des
verlornen Vernunftsgebrauchs zweifelhaft ist: so hat der Thäter die Strafe des
Rades von oben verwirkt.
§. 863. Hatte der Thäter die Absicht, den Vergifteten
wahnsinnig zu machen, und ist daraus ein Wahnsinn, dessen Heilung zweifelhaft
ist, entstanden: so soll die Strafe des Schwerdtes statt finden.
§. 864. Eben diese Strafe muß erkannt werden, wenn das mit
der Absicht zu tödten beygebrachte Gift eine Krankheit verursacht hat, welche
den Vergifteten auf Zeitlebens unbrauchbar oder unglücklich macht.
§. 865. Hat das in böser Absicht beygebrachte Gift, nur eine
heilbare Krankheit verursacht: so soll nach Beschaffenheit der Dauer und Gefahr
dieser Krankheit, eine zehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder
Zuchthausstrafe statt finden.
§. 866. Sind jemanden unschädliche Sachen mit der Absicht zu
tödten beygebracht worden: so soll auf eine sechs- bis zehnjährige Zuchthaus-
oder Festungsstrafe erkannt werden.
§. 867. Wer durch Liebestränke tödtet, hat eine zehn- bis
fünfzehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 868. Im Falle eines dadurch veranlaßten unheilbaren
Wahnsinnes, soll acht- bis zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt
finden.
§. 869. Ist durch einen solchen Liebestrank eine andre
Krankheit verursacht worden: so soll nach Beschaffenheit ihrer Gefahr und
Dauer, eine vier- bis achtjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe erkannt
werden.
§. 870. Sind durch Vergiftung der Brunnen, Gewässer,
Speisen, Getränke, Kleidungsstücke, oder anderer zum Gebrauch für Mehrere
bestimmten Sachen, Menschen ums Leben gekommen: so soll der Vergifter zum
Richtplatze geschleift, und von unten herauf gerädert werden.
§. 871. Ist durch dergleichen Vergiftung zwar niemand
getödtet; wohl aber mehreren Menschen ein bleibender Nachtheil an ihrer
Gesundheit zugefügt worden: so wird der Vergifter mit dem Schwerdte gerichtet,
und der Körper aufs Rad gelegt.
§. 872. Hat durch eine dergleichen Vergiftung noch kein
Mensch an seiner Gesundheit Schaden genommen: so hat der Thäter Staupenschlag
und lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
Verwandten- und Aelternmord.
§. 873. Kinder, die ihre Aeltern ermorden, sollen öffentlich
gestäupt, sodann zum Richtplatze geschleift, und daselbst mit dem Rade von
unten herauf hin- gerichtet werden.
§. 874. Mord der Kinder oder Ehegatten wird mit dem Rade von
unten herauf, und mit Schleifung des Verbrechers zum Richtplatze gestraft.
§. 875. Wer Geschwister oder solche Seitenverwandten, denen
er Respect schuldig ist, oder mit welchen er in häuslicher Verbindung lebt,
ermordet, der soll ebenfalls zum Richtplatze geschleift, und mit dem Rade von
oben herab hingerichtet werden.
§. 876. Eine gleiche Strafe findet statt, wenn ein Mord an
angenommenen oder Pflege Aeltern(! = Pflegeältern), oder Kindern, oder
Vormündern, oder Pflegebefohlnen verübt worden.
§. 877. a) Ingleichen, wenn Gesinde seine Herrschaft;
Unterthanen ihre Obrigkeit; Untergebne ihren Vorgesetzten ermorden.
§. 877. b) Auch wird jeder an Beamten des Staats in oder
wegen der Ausrichtung ihres Amts verübte Mord, wenn nicht besondre Gesetze
nähere Bestimmungen enthalten, nach Vorschrift des §. 875. bestraft.
§. 878. Todschlag an Aeltern zieht öffentliche Geißelung,
Schleifung zum Richtplatze, und Hinrichtung durchs Schwerdt nach sich.
§. 879. Bey einem an Kindern oder Ehegatten begangenen
Todschlage, wird die Strafe des Schwerdtes(!) durch Schleifung des Verbrechers
zum Richtplatze geschärft.
§. 880. Wenn aber der Fall des Uebermaaßes in der Züchtigung
eintritt, finden die §. 821-824. gegebenen Vorschriften statt.
§. 881. Wer an Geschwistern oder andern nach
§. 875-877. a. b)
besonders zu schonenden Personen einen Todschlag begeht, soll an einem
Schandpfahle öffentlich ausgestellt, und sodann mit dem Schwerdte hingerichtet
werden.
§. 882. In Fällen, wo gegen gemeine Mörder nur die Strafe
des Schwerdtes statt findet, trifft die Mörder der Aeltern die Strafe des Rades
von oben herunter, mit der §. 878. verordneten Schärfung.
§. 883. In eben diesen Fällen werden die Mörder der Kinder
und Ehegatten zur Richtstätte geschleift, und daselbst mit dem Schwerdte
hingerichtet.
§. 884. In Fällen, wo ein gemeiner Todschläger lebenswierige
Festungsstrafe verwirkt haben würde, wird ein an Aeltern verübter Todschlag mit
dem Schwerdte gestraft.
§. 885. In der Bestrafung eines an Aeltern oder andern
Verwandten begangnen Todschlags oder Mordes, macht es keinen Unterschied: ob
die Verwandschaft aus einer Ehe, oder durch unehelichen Beyschlaf entstanden
sey.
§. 886. Doch muß in allen Fällen, wo die Strafe der
Verwandschaft wegen erhöht oder geschärft werden soll, der Thäter das zwischen
ihm und dem Getödteten obwaltende Band gewußt haben.
Kindermord.
§. 887. Die Tödtung neugebohrner Kinder wird hier mit dem
Namen des Kindermordes belegt.
Vorbeugungsmittel: 1) überhaupt;
§. 888. Um den Kindermord möglichst zu verhüten, haben die
Gesetze unbescholtnen ledigen Weibspersonen, wenn sie unter dem Versprechen der
Ehe geschwängert worden, die Rechte und Würden einer Ehefrau, oder wo die Ehe
nicht statt finden kann, einer Hausfrau beygelegt. (Tit. I. §.
1047. sqq.)
§. 889. In jeglichem Falle haben Weibspersonen, welche außer
der Ehe geschwängert worden, die Tit. I. §. 1044. sqq. oder doch die §. 1028.
sqq. bestimmte Entschädigung von dem Schwängerer zu erwarten.
§. 890. Auch für das Beste der aus einem unehelichen
Beyschlafe erzeugten Kinder ist durch die Vorschriften des Neunten Abschnitts
im zweyten Titel gesorgt.
§. 891. Sobald die Schwangerschaft angezeigt ist, muß der
Leibesfrucht ein Vormund bestellt werden, welcher deren Rechte wahrnehmen, und
für des Kindes Verpflegung und Erziehung sorgen muß. (Tit. II. §.
614. sqq.)
§. 892. In welchen Fällen die Verwandten der Mutter und des
Schwängerers, und zuletzt der Staat, bey Verpflegung des unehelichen Kindes zu
Hülfe kommen müssen, ist ebenfalls am angeführten Orte verordnet.
§. 893. Besonders ist jedes Orts Obrigkeit die Vorsorge für
dergleichen Kinder zu übernehmen schuldig.
§. 894. Wo keine öffentliche Gebährhäuser vorhanden sind,
muß die an jedem Orte zur Hülfe der unehelich Geschwängerten bestellte Hebamme,
schwangere und der Entbindung nahe Personen, die sich bey ihr melden, ohne
Widerrede aufnehmen, und mit der erforderlichen Pflege versorgen.
§. 895. Die Obrigkeit jedes Orts muß dafür sorgen, daß den
Hebammen, welche zu dieser Verpflegung bestimmt sind, eine hinlänglich geraume
Wohnung
verschafft, und sie
mit dem nöthigen Vorschusse, zu Bestreitung der Niederkunfts- und
Verpflegungskosten, versehen werden.
§. 896. Kann dergleichen Vorschuß von dem Schwängerer, oder
denen, welche bey dessen Ermangelung oder Unvermögen dazu verpflichtet sind,
nicht sofort beygetrieben werden: so muß die Obrigkeit selbigen aus einer dazu
angewiesenen öffentlichen Casse nehmen.
§. 897. Ist die Geschwängerte den Vorschuß aus eigenen
Mitteln zu leisten im Stande: so soll ihr dazu durch die bereiteste Execution
gegen den Schwängerer wieder verholfen werden.
§. 898. Auch ist jeder Anverwandter, und überhaupt jeder
wohlgesinnte Bürger des Staats berechtigt, sich der Geschwängerten anzunehmen,
sie zu verpflegen, und die Auslagen von demjenigen, welcher eigentlich dazu
verpflichtet wäre, zurückzufordern.
§. 899. Zur Festsetzung solcher Forderungen §. 897. 898.
soll kein förmlicher Prozeß verstattet; sondern die obrigkeitlich ermäßigte
Summe von dem ei- gentlichen Schuldner, sobald derselbe ausgemittelt ist,
unverzüglich beygetrieben werden.
§. 900. An Orten, wo zur Geburtshülfe der unehelich
Geschwängerten keine eigenen Hebammen bestellt sind, muß diejenige, bey welcher
sich die Schwangere meldet, mit deren Anverwandten, Herrschaft, oder
Hausgenossen, den Ort der Niederkunft, und die Verpflegung während der Wochen
verabreden; wenn dies aber nicht geschehen kann, der Obrigkeit den Fall zur
weitem Verfügung anzeigen.
2) Entdeckung der Schwangerschaft, a) von Seiten der Schwangern;
§. 901. Jede Frauensperson, die eines unehelichen Beyschlafs
sich bewußt ist, muß auf ihre körperliche Beschaffenheit, und die bey ihr sich
ereignenden ungewöhnlichen Umstände sorgfältig Acht haben.
§. 902. Mütter, Pflegerinnen, und Andere, die in Ermangelung
der Mutter an deren Stelle treten, müssen daher ihre Töchter oder
Pflegebefohlnen, nach zurückgelegtem vierzehnten Jahre, von den Kennzeichen der
Schwangerschaft, und den Vorsichtsregeln bey Schwangerschaften und
Niederkünften, besonders von der Nothwendigkeit der Verbindung der Nabelschnur,
jedoch mit Vorsicht, unterrichten.
§. 903. Sobald eine Geschwächte aus solchen ungewöhnlichen
Umständen eine Schwangerschaft vermuthen kann, muß sie davon ihrem Schwängerer
Nachricht geben; auch sich den Aeltern, Vormündern, oder bey deren Ermangelung
einer Hebamme, oder einer andern ehrbaren Frau, welche selbst schon Kinder
gehabt hat, entdecken, und sich deren Unterrichts bedienen.
§. 904. Frauenspersonen, welche sich nicht unter Aufsicht
ihrer Anverwandten oder Vormünder befinden; oder sich diesen sogleich zu
entdecken Anstand nehmen; müssen, sobald sie ihrer Schwangerschaft gewiß sind,
nothwendig einer Hebamme, oder einem Geburtshelfer, sich anvertrauen, und mit
denselben, wegen ihrer künftigen Niederkunft, die vorläufigen Anstalten
verabreden.
§. 905. Nähert sich die Zeit der Niederkunft: so muß sich
die Geschwächte zu der von ihrer Schwangerschaft unterrichteten Hebamme
begeben, und ihr den Ort ihres Aufenthalts, und die zu ihrer Niederkunft
wirklich getroffenen Anstalten näher anzeigen.
§. 906. Jede Person, der eine außer der Ehe Geschwängerte
ihr Geheimniß anvertrauet hat, muß selbiges, bey willkührlicher, doch
nachdrücklicher Strafe (§. 34. 35.) so lange verschweigen, als keine Gefahr
eines wirklichen Verbrechens von Seiten der Geschwächten zu besorgen ist.
§. 907. Die öffentlich bestellten Hebammen und Geburtshelfer
sollen daher zur Verschwiegenheit in dergleichen Fällen besonders mit
verpflichtet werden.
§. 908. Hebammen, welche den unehelich Geschwängerten
Vorwürfe machen, oder sie hart behandeln, sollen, nach Beschaffenheit der
Umstände, als Injurianten bestraft, und ihres Amts entsetzt werden.
§. 909. Eine Geschwächte, die ihre Schwangerschaft gehörig
entdeckt; und den Anweisungen der Personen, welchen sie sich anvertrauet hatte,
treulich nachkommt; auch bey herannahender Niederkunft ihre Pflicht erfüllt,
bleibt von aller Verantwortung frey; selbst wenn ein todtes Kind zur Welt
kommen sollte.
§. 910. Geschieht die Entbindung in Beyseyn zweyer Frauen,
unter welche auch die Mutter zu rechnen ist: so kann die Geburt, außer dem
Falle- einer richterlichen Nachfrage, gegen jedermann verschwiegen werden.
§. 911. Wenn der Geburtshelfer oder die Hebamme gegenwärtig
ist: so ist die Anwesenheit einer einzigen ehrbaren Frau hinreichend.
§. 912. War aber nur die Geburtshelferin, oder eine andere
Person, ganz allein bey der Niederkunft zugegen: so muß diese, wenn das Kind
todt zur Welt gekommen, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt
gestorben ist, einen solchen Vorfall, bey Vermeidung drey- bis
sechsmonathlicher Gefängniß- oder Zuchthausstrafe, dem Richter ohne Zeitverlust
zur nähern Untersuchung anzeigen.
§. 913. Ueberhaupt muß außer dem Falle des §. 910. 911. die
todtgeborne, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt verstorbene
uneheliche Leibesfrucht, dem Richter allemal binnen vier und zwanzig Stunden
nach der Geburt, oder dem Tode des Kindes, vorgezeigt werden.
b) von
Seiten des Schwängerers;
§. 914. Jede Mannsperson, die sich eines außer der Ehe
gepflogenen Beyschlafs bewußt ist, muß auf die Folgen, welche diese Handlung
bey der Geschwächten hervorbringen kann, aufmerksam seyn.
§. 915. Sobald er durch die Entdeckung der Geschwächten,
oder sonst, die vorhandene Schwangerschaft vermuthen kann, muß er darauf
dringen, daß die Geschwächte den gesetzlichen Vorschriften §. 901-913. gehörig
nachkomme.
§. 916. Verabsäumt er diese Pflicht (§. 915.) so macht er
sich in allen Fällen, wo die Geschwächte zur Strafe gezogen werden muß, einer
zwey- bis vier- monathlichen Gefängnißstrafe schuldig.
c) der
Aeltern, Dienstherrschaften und Hauswirthinnen
§. 917. Auf die einer Schwangerschaft verdächtigen
Weibspersonen müssen die Aeltern derselben, besonders die Mutter, oder die an
deren Stelle tritt, genaue Obsicht nehmen.
§. 918. Eine gleiche Pflicht liegt den Dienstherrschaften,
oder denjenigen Hausbedienten ob, denen die Aufsicht über das weibliche Gesinde
aufgetragen ist.
§. 919. Auch Haus- oder Stubenwirthinnen, bey welchen ledige
Weibspersonen gemeinen Standes ohne ihre Aeltern sich eingemiethet haben,
können sich dieser Obliegenheit nicht entziehen.
§. 920. Alle vorstehend benannte Personen müssen, sobald sie
zum Verdachte einer Schwangerschaft Anlaß finden, die Verdächtige zur Rede
stellen; und nach erfolgtem Eingeständnisse, das, was zur Verhütung eines
besorglichen Verbrechens dienen kann, veranstalten.
§. 921. Wollen sie dergleichen Vorhaltung nicht selbst
übernehmen; oder läugnet die Verdächtige eine vorhandne Schwangerschaft
beharrlich, ohne die Gründe des Verdachts durch wahrscheinliche Gegengründe zu
heben: so müssen sie ihren Verdacht, nebst den Gründen desselben, der Obrigkeit
zur weitern Untersuchung anzeigen.
§. 922. Jede der Schwangerschaft Verdächtige muß sich, bey
beharrlichem Läugnen, auf Verlangen der Aeltern, Dienstherrschaft, oder
Obrigkeit, und nach dem Befinden zweyer ehrbaren Frauen, der Untersuchung einer
vereideten Hebamme unterwerfen.
§. 923. Findet diese keinen Grund zum Verdacht: so müssen Aeltern,
Dienstherrschaften, und Obrigkeit, bey ihrem Zeugnisse sich beruhigen.
§. 924. Die Hebamme selbst aber muß noch ferner auf
dergleichen verdächtig gewesene Person ein wachsames Auge richten, und, bey
sich ereignendem vermehrten Verdachte, die Untersuchung wiederholen.
§. 925. Wird die Verdächtige bey der Untersuchung wirklich
schwanger befunden: so muß die Hebamme entweder mit den Aeltern, oder sonstigen
Vorgesetzten der Schwangern, wegen der Art ihrer Niederkunft das nöthige
verabreden; oder den Fall der Obrigkeit anzeigen.
§. 926. Im letztern Falle muß die Obrigkeit die Schwangere
einer genauen Aufsicht unterordnen, und zur Verhütung eines Kindermords
zweckmäßige Ver- fügungen treffen.
§. 927. Wenn die §. 917-919. und 924. benannten Personen
ihre Pflichten vernachläßigen, und dadurch zu einem Kindermorde auch nur
entfernten Anlaß geben: so haben sie dadurch zwey-, vier- bis sechsmonathliche
Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 928. Mütter und Pflegerinnen, die sich einer solchen
Verabsäumung ihrer Pflichten schuldig machen, sollen mit der härtesten im §.
627. bestimmten Strafe belegt; saumselige Obrigkeiten aber, nach Verhältniß
ihrer Verschuldung, mit Suspension oder Cassation bestraft werden.
d) Pflichten derjenigen, denen eine Schwangere sich
entdeckt.
§. 929. Auch solchen Personen, welche mit der Geschwängerten
in keiner besondern Verbindung stehen, liegt dennoch ob, dieselbe, wenn sie
ihnen ihre Schwangerschaft anvertrauet, oder eingesteht, zu Beobachtung der
gesetzlichen Vorschriften (§. 901. sqq.) anzumahnen.
§. 930. Nehmen sie wahr, daß sie ihre Schwangerschaft auf
eine gesetzwidrige Weise zu verheimlichen Willens sey: so müssen sie solches
ihren Aeltern, Vor- mündern, oder andern Personen, unter deren nähern Aufsicht
sie sich befindet, oder auch der Obrigkeit ungesäumt anzeigen.
§. 931. Die unterlassene Beobachtung dieser Vorschriften
soll, wenn die Leibesfrucht durch Schuld der Geschwächten verunglückt, mit
einer vierwöchentlichen Gefängniß-, oder fünfzig Thalern Geldstrafe geahndet
werden.
§. 932. Ueber dieses sollen alle diejenigen, welche ihre
Pflicht, die Scfiwangerschaft zu entdecken, vernachläßigt haben, wegen der
sämmtlichen Untersuchungskosten für das Ganze haften.
Verheimlichung der Schwangerschaft.
§. 933. Eine Geschwächte, welche die Entdeckung der
Schwangerschaft an die Aeltern, Vormünder, Dienstherrschaften, Hebammen oder
Obrigkeit, länger als vierzehn Tage, nachdem sie dieselbe zuerst wahrgenommen
hatte, verschiebt, macht sich einer strafbaren Verheimlichung der
Schwangerschaft schuldig: und wegen aller daraus entstehenden nachtheiligen
Folgen verantwortlich.
§. 934. Sobald die Leibesfrucht das Alter von dreyßig Wochen
erfüllt hat, kann der Vorwand, daß die Geschwächte ihre Schwangerschaft noch
nicht wahrgenommen habe, oder die zu deren Anzeige bestimmte Frist noch nicht
abgelaufen sey, ferner nicht statt finden.
§. 935. Wird eine Geschwächte, die ihre Schwangerschaft
nicht vorschriftsmäßig angezeigt hat, von einer unzeitigen Leibesfrucht
entbunden: so begründet dieses wider sie eine Anzeige (Indicium), daß sie die
Frucht vorsätzlich abgetrieben habe (§. 986. sqq.)
§. 936. Wird dieser Verdacht durch die darauf gerichtete
Untersuchung nicht bestätigt: so wird sie wegen verheimlichter Schwangerschaft
nach den folgenden Vorschriften bestraft.
§. 937. Wenn sie jedoch die unzeitige Leibesfrucht binnen
vier und zwanzig Stunden nach ihrer Entbindung den Gerichten vorzeigt; und
weder bey der Obduktion, noch bey der vorläufigen Vernehmung der Gebährerin
selbst, so wie derjenigen, welche zur Zeit der Entbindung um sie waren, einige
weitere verdächtige Umstände wegen etwaniger Abtreibung oder Vernachläßigung
der Frucht sich hervorthun; so soll die Gebährerin mit der förmlichen
Criminalinquisition und aller Strafe verschont, und nur mit den Kosten der
vorläufigen Untersuchung belegt werden.
§. 938. Fällt ihr nur eine Vernachläßigung der Leibesfrucht
zur Last: so hat sie eine vier- bis achtwöchentliche Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 939. Hat sie die Leibesfrucht vorzuzeigen unterlassen; es
findet sich aber, daß selbige noch nicht dreyßig Wochen alt gewesen sey: so hat
die Geschwächte, wenn sie einer im §. 933. beschriebenen Verheimlichung der
Schwangerschaft schuldig befunden wird, je nachdem die Leibesfrucht sich diesem
Alter mehr oder weniger genähert hatte, eine sechsmonatliche bis zweyjährige
Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 940. Ist die nicht vorgezeigte Leibesfrucht
wahrscheinlicher Weise tod zur Welt gekommen; es kann aber nicht ausgemittelt
werden: daß selbige unter dreyßig Wochen alt gewesensey: so hat die Gebährerin
eine zwey- bis dreyjährige Zuchthausstrafe zu gewärtigen.
§. 941. Ist es gewiß, daß das Kind bey der Geburt gelebt
habe; oder daß es zwar tod geboren, aber schon dreyßig Wochen oder darüber alt
gewesen sey: so finden die in Ansehung der vollständigen Kinder §. 957. sqq.
gegebenen Vorschriften Anwendung.
§. 942. Ist das Alter der Leibesfrucht ungewiß; und ist der
Umstand, daß sie tod zur Welt gekommen sey, nicht auszumitteln: so soll das
Straferkenntniß auf eine drey- bis vierjährige Zuchthausstrafe gerichtet
werden.
§. 943. a) Ist es ungewiß: ob die Geschwängerte ihre
Schwangerschaft gewußt habe; dagegen aber ausgemittelt, daß die Frucht noch
nicht das Alter von drey Monathen erreicht hatte; und sind sonst keine Anzeigen
des geflissentlichen Mißgebährens, vorhanden: so soll mit weiterer Untersuchung
gegen die Gebährerin nicht verfahren werden.
§. 943. b) Ist ausgemittelt, daß die Frucht schon über drey
Monathe, aber noch nicht dreyßig Wochen alt gewesen; und kann die Gebährerin
nicht überführt werden, ihre Schwangerschaft schon vierzehn Tage vor der
Entbindung gewußt zu haben (§. 933.): so hat die Gebährerin dennoch, bloß weil
sie die Frucht nicht vorgezeigt, Gefängniß- oder Zuchthausstrafe auf drey bis
sechs Monathe verwirkt.
Verheimlichung der Niederkunft.
§. 944. Die Niederkunft ist für verheimlicht zu achten, wenn
zur Zeit der Geburt keine Hebamme um Beystand ersucht, und auch keine andre
ehrbare Weibsperson dabey zugezogen worden.
§. 945. Doch soll die Niederkunft niemals für verheimlicht
geachtet werden, wenn die Gebährerin, noch bey eintretenden Geburtswehen, um
Hülfe gerufen, und dieselbe wirklich erhalten hat.
§. 946. Dagegen soll aber auch einer Weibsperson, welche
ihre Schwangerschaft bis zur Niederkunft verheimlicht hat, die Entschuldigung,
daß sie von der Geburt übereilt worden, niemals zu statten kommen.
§. 947. Wenn wider die Verordnung des §. 912. 913. das
todtgeborne, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt verstorbene
Kind, nicht binnen der daselbst bestimmten Frist dem Gerichte vorgezeigt
worden: so ist, wenn auch die Schwangerschaft angezeigt, die Vorschrift des §.
944. aber nicht beobachtet worden, dennoch die Niederkunft für verheimlicht zu
achten.
. §. 948. Ist das Kind am Leben erhalten worden: so soll die
Verheimlichung der Geburt nicht gerügt werden.
a) Ohne Verheimlichung der Schwangerschaft,
§. 949. Hat die Geschwächte ihre Schwangerschaft zwar
entdekt(! = entdeckt); aber dennoch ihre Niederkunft wider die Vorschrift des
§. 944. verheimlicht, und das todgeborne, oder binnen vier und zwanzig Stunden
nach der Geburt verstorbene Kind, ist ohne kirchliches Begräbniß heimlich weggeschaftworden:
so hat sie schon dafür eine sechsmonatliche Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 950. Eben diese Strafe findet statt, wenn das todte Kind
durch Zufall, oder sonst ohne ihr Zuthun, dem ordentlichen Begräbnisse oder der
richterlichen Untersuchung entzogen, und dem Richter ein solcher Vorfall nicht
binnen vier und zwanzig Stunden angezeigt worden.
§. 951. Ein solcher Zufall wird nicht vermuthet; sondern muß
klar nachgewiesen werden, oder doch aus den Umständen wahrscheinlich erhellen.
§. 952. Die §. 949. bestimmte Strafe findet statt, wenn auch
kein weiterer Grund vorhanden ist, anzunehmen, daß die Gebährerin an dem Tode
der Leibesfrucht Schuld habe.
§. 953. Kann die Art und Ursach(!) des Todes (§. 952.) durch
Besichtigung des Kindes nicht mehr ausgemittelt werden: so hat die Gebährerin
eine zweyjährige Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 954. Ist der Zufall, wodurch das Kind dem Begräbnisse,
oder der richterlichen Untersuchung entzogen wird, durch die Schuld der
Gebährerin veranlaßt worden: so hat sie, wenn ihre Unschuld an dem Tode des
Kindes ausgemittelt ist, eine Einjährige; bey dem Mangel dieses Beweises aber
eine zwey- bis dreyjährige Zuchthausstrafe zu gewärtigen.
§. 955. Hat die Gebährerin die Leibesfrucht vorsätzlich in
den Zustand versetzt, daß ihre Verschuldung oder Unschuld an dem Tode des
Kindes nicht mehr ausgemittelt werden kann: so hat sie, der angezeigten
Schwangerschaft ungeachtet, nach Verhältniß der wider sie streitenden
Vermuthung einer bösen Absicht, eine vier- bis sechsjährige Zuchthausstrafe
verwirkt.
§. 956. Ist sie einer vorsätzlichen unnatürlichen Behandlung
des Kindes verdächtig: so soll sie, je nachdem dieser Verdacht mehr oder
weniger dringend ist, mit einer sechs- bis zehnjährigen Zuchthausstrafe belegt
werden.
b) mit verheimlichter Schwangerschaft verbunden.
§. 957. Hat die Geschwächte Schwangerschaft und Niederkunft
verheimlicht: so soll sie, wenn sie ein vollständiges Kind todt zur Welt
gebracht hat, mit vier- bis sechsjähriger Zuchthausarbeit gestraft wer- den.
§. 958. Einem vollständigen Kinde wird eine Leibesfrucht,
welche schon über dreyßig Wochen alt ist, gleich geachtet; doch soll, wenn das
Kind nicht völlig ausgetragen gewesen, nur der niedrigste Grad der gesetzlichen
Strafe statt finden.
§. 959. Hat das Kind, nach dem Befunde der Sachverständigen,
in der Geburt noch gelebt: so wird die §. 957. bestimmte Strafe auf acht bis
zehn Jahre er- höht.
§. 960. a) Zeigen sich aber an dem Körper des Kindes
tödtliche Verletzungen, ohne daß ein von der Mutter verübter Mord vollständig
ausgemittelt ist: so soll dieselbe dennoch mit öffentlichem Staupenschlage und
lebenswieriger Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 960. b) Ist zwar keine Spur tödtlicher Verletzung; wohl
aber der Verdacht einer sonstigen unnatürlichen und lebensgefährlichen
Behandlung gegen die Gebährerin, welche Schwangerschaft und Geburt verheimlicht
hat, vorhanden: so findet gegen sie zwölf- bis fünfzehnjährige Zuchthausstrafe,
nebst Willkommen und Abschied statt.
§. 961. Ist ein Kind, welches nach §. 958. für vollständig
zu achten, von einer Geschwächten, welche die Schwangerschaft nicht entdeckt
hatte, heimlich geboren; dessen Körper aber von ihr dergestalt behandelt, oder
weggeschafft worden, daß die ordnungsmäßige Untersuchung der Sachverständigen:
ob das Kind bey der Geburt gelebt habe ? nicht mehr erfolgen kann: so hat die
Gebährerin gleiche Strafe (§. 960. b) verwirkt.
§. 962. Ist sonst ausgemittelt, daß das Kind in der Geburt
gelebt habe; die Mutter läugnet aber den Vorsatz, zu tödten, und kann dessen
auch sonst nicht überführt werden: so soll die §. 960. a) bestimmte ordentliche
Strafe wider sie statt finden.
§. 963. Der Beweis des Umstandes, daß das, erweislich ohne
Schuld der Gebährerin, in oder nach der Geburt gestorbene Kind, ,der
richterlichen Untersuchung durch einen von ihrer Seite unverschuldeten Zufall
entzogen worden, kann dieselbe, wenn sie die Schwangerschaft nicht angezeigt,
und heimlich geboren hat, von der §. 959. bestimmten acht- bis zehnjährigen
Zuchthausstrafe nicht befreyen.
§. 964. Wenn es auch noch ungewiß ist: ob die Gebährerin das
todte Kind vorsätzlich der richterlichen Untersuchung entzogen habe: so hat sie
dennoch eine zehn- bis zwölfjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied
verwirkt, wenn sie sowohl die Schwangerschaft als Geburt verheimlicht hat.
Kindermord.
§. 965. Eine Mutter, die ihr neugebohrnes Kind bey oder nach
der Geburt vorsätzlich tödtet (§. 806. und 826.), soll mit der Todesstrafe des
Sehwerdts belegt werden.
§. 966. Jede vorsätzliche Unternehmung oder Veranstaltung der
Mutter, welche den Tod ihres neugebornen Kindes, dem gewöhnlichen und ihr
bekannten Laufe der Dinge gemäß, nach sich gezogen hat, ist mit dieser Strafe
zu ahnden.
§. 967. Wenn eine Wöchnerin ihr Kind durch unterlassene
Verbindung der Nabelschnur vorsätzlich verbluten läßt; oder demselben die
nöthige Pflege und Wartung vorsätzlich entzieht: so wird sie als die Mörderin
desselben angesehn. §. 968. Wenn zwar die gefährliche Behandlung des Kindes (§.
966.) erwiesen; aber nicht genugsam ausgemittelt ist, daß das Kind lebendig zur
Welt gekommen sey, oder in der Geburt noch gelebt habe: so soll Staupenschlag
und lebenswierige Festungsstrafe statt finden.
§. 969. Hat die Mutter ein lebendiges Kind an einem Orte, wo
es nicht leicht gefunden werden kann, ausgesetzt, oder aussetzen lassen: so hat
sie, wenn der Tod des Kindes dadurch verursacht worden, die Strafe des
Schwerdts verwirkt.
§. 970. Bleibt das solchergestalt ausgesetzte Kind dennoch
am Leben: so soll die Mutter sechs- bis zehnjährige Zuchthausstrafe leiden.
§. 971. Ist die Aussetzung an einem von Menschen gewöhnlich
besuchten Orte, und mit solchen Anstalten geschehen, woraus der Vorsatz, das
Leben des Kindes erhalten zu wollen, erhellet: so findet, je nachdem das Kind
leben bleibt, oder umkommt, sechsmonatliche bis dreijährige Zuchthausstrafe
statt.
§. 972. Ist die Gebährerin von ihren Aeltern zum Kindesmorde
verleitet worden: so soll sie zwar mit der Todesstrafe verschont, aber nach
vorgängigem Staupenschlag, mit lebenswieriger Festungsstrafe belegt werden.
Mitverbrecher.
§. 973. Der Sohwängerer und die Aeltern, welche zur Verübung
eines Kindermords angereizt haben, oder dazu behülflich gewesen sind, werden,
wenn die That wirklich ausgeführt worden, mit dem Schwerdte hingerichtet.
§. 974. Hat aber jemand von ihnen ohne Zuthun der Mutter den
Mord selbst verübt: so trifft ihn allemal die §. 826. bestimmte Strafe des
Mordes.
§. 975. Sobald der Schwängerer wahrnimmt, daß die
Geschwächte ihre Schwangerschaft oder Niederkunft zu verheimlichen vorhabe, muß
er den Aeltern, Dienstherrschaften, oder andern Personen, bey denen die
Geschwängerte sich aufhält, oder der öffentlichen Hebamme des Orts, oder der
Obrigkeit selbst, davon Nachricht geben.
§. 976. Unterläßt er dieses und das Kind verunglückt: so hat
ein solcher Schwängerer die Hälfte der Strafe, welche nach Unterschied der
Fälle die Geschwängerte leiden muß, verwirkt.
§. 977. Wird aber die Mutter mit Todes-, lebenswieriger,
oder zehnjähriger Zuchthausstrafe belegt: so soll gegen einen solchen
Schwängerer fünf- bis acht- jährige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt
finden.
§. 978. Hat der Schwängerer die Geschwächte zur
Verheimlichung der Schwangerschaft und Niederkunft selbst aufgemuntert,
verleitet, oder ihr dabey thätigen Beystand geleistet, so soll er mit der Geschwächten
gleiche Strafe leiden.
§. 979. Doch soll, wenn gegen die Geschwächte Todes- oder
lebenswierige Zuchthausstrafe erkannt wird, der Schwängerer in diesem Falle (§.
978.) mit zehnjähriger Festungsstrafe belegt, und der Vollstreckung des
Todesurtels an der Geschwächten beyzuwohnen genöthigt werden.
§. 980. Hat ein Andrer die Geschwängerte in gesetzwidriger
Verheimlichung der Schwangerschaft, oder Niederkunft, durch bestimmten Rath,
oder thätigen Beystand begünstiget: so soll dergleichen Person die Hälfte der
von der Hauptverbrecherin verwirkten Strafe leiden.
§. 981. Wird die Kindermörderin zum Tode, oder zu
lebenswierigem Gefängnisse verurtheilt: so soll gegen diejenigen, welche die
Verheimlichung der Geburt begünstigt haben, fünf- bis sechsjährige Festungs-
oder Zuchthausstrafe statt finden.
Bestimmung der Geschwängerten, welche nach diesen
Vorschriften zu beurtheilen sind.
§. 980. Alles, was vorstehend gegen den Kindermord, und
gegen die Verheimlichung der Schwangerschaft und Geburt verordnet ist, gilt in
Ansehung aller Weibspersonen, die entweder niemals verheirathet gewesen, oder
Wittwen, oder von ihren Männern geschieden sind.
§ 983. Auch verheirathete Weibspersonen sind nach diesen
Gesetzen zu beurtheilen, wenn sie wenigstens Ein Jahr lang von ihren Männern
entfernt gelebt haben; oder wenn sie sonst, aus Bewußtseyn eines unehelichen
Beyschlafs, ihre Schwangerschaft und Geburt verheimlichen.
§. 984. Wenn Ehefrauen ihre eheliche Kinder ermorden, so
tritt die §. 874. bestimmte Strafe ein.
Abtreibung der Leibesfrucht.
§. 985. Weibspersonen, welche sich eines Mittels bedienen,
die Leibesfrucht abzutreiben, haben schon dadurch Zuchthausstrafe auf sechs
Monathe bis Ein Jahr verwirkt.
§. 986. Ist durch solche Mittel eine Leibesfrucht innerhalb
der ersten dreyßig Wochen der Schwangerschaft wirklich abgetrieben worden: so
soll die Thäterin mit Zuchthausstrafe auf zwey bis sechs Jahre belegt werden.
§. 987. Hat aber eine Weibsperson, durch der- gleichen oder
andere gewaltsame Mittel, den Tod der Leibesfrucht nach der dreyßigsten Woche
ihrer Schwangerschaft befördert: so soll dieselbe acht- bis zehnjährige
Zuchthausstrafe leiden.
§. 988. Wer durch schädliche Medicin, oder auf andre Art,
zur Abtreibung eines Kindes vorsätzlich Hülfe leistet, wird mit gleicher
Strafe, wie die Mutter selbst, belegt.
§. 989. Personen, welche sich schon mehrerer solcher
Verbrechen schuldig gemacht haben, sollen, wenn sie auch dafür noch nicht
bestraft worden, zur Staupe geschlagen, und lebenslang auf die Festung gebracht
werden.
§. 990. Ist die Abtreibung von einem Dritten ohne Wissen und
Willen der Mutter veranstaltet worden: so hat der Thäter zehnjährige bis
lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 991. Sind in der Absicht, eine Weibsperson unfruchtbar zu
machen, schädliche Arzeney- oder andre Mittel gebraucht, oder gegeben worden:
so findet gegen den Thäter Gefängniß- oder Zuchthausstrafe auf zwey bis vier
Jahre statt.
Zwölfter Abschnitt Von fleischlichen Verbrechen
Vorbeugungsmittel.
§. 992. Aeltern und Erzieher müssen ihre Kinder und Zöglinge
gegen das verderbliche Laster der Unzucht durch wiederholte lebhafte
Vorstellungen der unglücklichen Folgen desselben warnen, und sie zu einem ehrbaren
sittsamen Lebenswandel ernstlich anweisen.
§. 993. Solchen Aeltern, Vormündern, und Erziehern, welche
ihre Untergebenen durch ärgerliche Reden und Handlungen zur Wollust reizen,
oder ihren Hang zu Ausschweifungen begünstigen, sollen die Rechte der Erziehung,
und die damit verknüpften Vortheile genommen werden.
§. 994. Die Aeltern sollen alsdann das Recht des Nießbrauchs
von dem Vermögen ihrer Kinder; die Vormünder die ihnen sonst zukommende
Belohnung; und die Erzieher ihr Amt oder ihren Gehalt verlieren.
§. 995. Gesinde und Hausgenossen, welche unschuldige Kinder
durch unzüchtige Reden, Erzählungen, oder Handlungen, zu Ausschweifungen der
Wollust reizen, sollen mit willkürlicher körperlicher Züchtigung, Gefängniß-,
oder Zuchthausstrafe, bis zu sechs Monathen, belegt werden.
§. 996. Kuppler und Kupplerinnen, welche junge Leute, oder
auch verheirathete Personen, zu Ausschweifungen verführen, ihnen dazu
Gelegenheit verschaffen, oder sonst beförderlich sind, haben Zuchthaus- oder
andere Strafarbeit, auf sechs Monathe bis zwey Jahre verwirkt.
§. 997. Haben sie aus dergleichen Kuppeleyen ein Gewerbe
gemacht: so soll zwey- bis dreyjährige Zuchthausstrafe eintreten; diese mit
Willkommen und Abschied geschärft; und ein dergleichen Verbrecher, nach deren
Erduldung, aus seinem bisherigen Aufenthaltsorte für immer verbannt werden.
§. 998. Haben Eltern, Erzieher oder Erzieherinnen, oder
Andere, deren Aufsicht junge Personen anvertrauet sind, sich einer solchen
schändlichen Verkuppelung ihrer Kinder, Zöglinge, oder Untergebenen schuldig
gemacht: so wird die Dauer der an sich verwirkten Zuchthausstrafe gegen sie
verdoppelt.
Gemeine Hurerey.
§. 999. Liederliche Weibespersonen, welche mit ihrem Körper
ein Gewerbe treiben wollen; müssen sich in die unter der Aufsicht des Staats
geduldten(!) Hurenhäuser begeben.
§. 1000. Dergleichen öffentliche Häuser sind nur in großen
volkreichen Städten, und nicht anders als in abgelegenen, und von öffentlichen
Wegen und Straßen entfernten Orten zu dulden.
§. 1001. Aber auch in diesen soll sich niemand, bey ein- bis
zweyjähriger Zuchthausstrafe, unterfangen, eine dergleichen Hurenwirthschaft
ohne ausdrück liche Zulassung der Polizeyobrigkeit des Orts anzu legen.
§. 1002. Die Polizey muß dergleichen Häuser unter
beständiger ganz genauer Aufsicht halten; und öftere Visitationen mit Zuziehung
eines Arztes darinn vor- nehmen; auch alles anwenden, was zu Vermeidung der
weitern Verbreitung venerischer Krankheiten dienlich ist.
§. 1003. Auch muß die Polizey den Verkauf berauschender
Getränke in dergleichen Häusern nicht gestatten.
§. 1004. Ohne Vorwissen und Erlaubniß der Polizey, muß kein
Hurenwirth oder Hurenwirthin, bey fünfzig Thaler Strafe für jeden
Uebertretungsfall, eine Weibsperson aufnehmen.
§. 1005. Ist eine unschuldige Person, durch List oder
Gewalt, in ein solches Haus mit Vorwissen oder Genehmigung des Wirths gebracht
worden: so hat letzterer öffentliche Ausstellung, und sechs- bis zehnjährige
Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied verwirkt.
§. 1006. Auch ist dergleichen Verbrechern unter keinerley
Vorwande die weitere Betreibung einer solchen Wirthschaft zu verstatten.
§. 1007. Minderjährige Weibspersonen sollen in solche Häuser
nicht aufgenommen, und wenn es dennoch ohne Meldung, oder gar wider das Verbot
der Polizey geschehen ist, der Wirth oder die Wirthin mit Ein bis zweyjähriger
Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1008. Befindet sich ein Weibsbild in einem solchen Hause
schwanger: so muß die Hurenwirthin der Polizeyobrigkeit davon sofort, als
solches zu ihrer Wissenschaft gelangt, Anzeige thun.
§. 1009. Unterläßt sie dieses; und es erfolgt eine heimliche
Geburt, oder gar ein Kindermord: so hat die Hurenwirthin, bloß der
unterlassenen Anzeige wegen, die §. 928. bestimmte Strafe verwirkt.
§. 1010. Die Verpflegung einer solchen Person während der
Wochen muß die Hurenwirthin besorgen, wenn, keine öffentliche Anstalt zur
Verpflegung der Wöchnerin vorhanden ist.
§. 1011. Es bleibt aber derselben vorbehalten, deren Ersatz
von dem Schwängerer, oder, wenn dieser nicht auszumitteln ist, von der Mutter
selbst, oder aus der Armencasse zu fordern.
§. 1012. Sobald das Kind entwöhnt worden, muß selbiges der
Mutter weggenommen, und auf Kosten derjenigen, welche nach Vorschrift des
Zweyten Titels §. 612-632. dazu verbunden, und des Vermögens sind, sonst aber
auf öffentliche Kosten, verpflegt und erzogen werden.
§. 1013. Wird eine Weibsperson in einem der- gleichen Hause
mit einer venerischen Krankheit befallen: so muß es die Wirthin der Polizey
sofort anzeigen, und nach deren Anordnung, für die Cur und Verhütung des
weitern Ansteckens sorgen.
§. 1014. Unterläßt sie dieses: so hat sie das erstemal
Gefängnißstrafe auf drey Monathe; im Wiederholungsfalle aber sechsmonatliche
Zuchthausstrafe, mit Willkommen und Abschied verwirkt.
§. 1015. Hat die angesteckte Weibsperson ihre Krankheit
verschwiegen, und dadurch zur weitern Ausbreitung des Uebels Anlaß gegeben: so
soll sie mit Zuchthausstrafe auf sechs Monathe bis Ein Jahr, nebst Willkommen
und Abschied, belegt werden.
§. 1016. Ueberhaupt muß die Polizey die Verbreitung der
venerischen Krankheit durch schickliche Anstalten zu verhüten suchen.
§. 1017. Sind in einem solchen Hause Diebstähle,
Schlägereyen, oder andere Verbrechen vorgefallen: so ist der Wirth dem
Beschädigten, der auf andere Weise zu seiner Schadloshaltung nicht gelangen
kann, dafür allemal verhaftet.
§. 1018. Auch ist derselbe der Theilnehmung an dem
Verbrechen selbst so lange verdächtig, als das Gegentheil nicht ausgemittelt
werden kann.
§. 1019. Haben die Hurenwirthe, zur Verhütung solcher
Verbrechen, nicht alle mögliche Mittel und Sorgfalt angewendet: so sollen sie,
nach Verhältniß der begangenen Fahrläßigkeit, mit Geld- oder Leibesstrafe
belegt werden.
§. 1020. Der Austritt aus dem Hurenhause darf keiner darin
bisher befindlich gewesenen Weibsperson, die ihre Lebensart ändern, und sich
auf eine ehrbare Weise nähren will, verschränkt oder erschwert werden.
§. 1021. Selbst wegen gegebener Vorschüsse, oder sonst gemachter
Schulden, darf der Wirth eine solche Person, bey Verlust der Forderung, wider
ihren Willen nicht zurückhalten.
§. 1022. Alles, was bisher §. 1000-1021. verordnet worden,
findet sowohl wegen der Hurenwirthe, als Wirthinnen statt.
§. 1023. Weibspersonen, die von der Hurerey ein Gewerbe
machen, ohne sich ausdrücklich unter die besondere Aufsicht der Polizey zu
begeben, sollen aufgegriffen, und zu dreymonatlicher Zuchthausarbeit
verurtheilt werden.
§. 1024. Nach ausgestandener Strafe sind sie in Arbeitshäuser
abzuliefern, und daselbst so lange zu verwahren, bis sie zu einem ehrlichen
Unterkommen Lust und Gelegenheit erhalten.
§. 1025. Doch sollen Personen, welche sonst die §. 1023.
1024. bestimmte Strafe verwirkt haben, mit selbiger verschont werden, wenn sie
ihre Schwangerschaft gehörig anzeigen, und sich bey ihrer Niederkunft
vorschriftsmäßig verhalten.
§. 1026. Alle nicht in Hurenhäusern lebende Personen, welche
wissen, daß sie mit einer venerischen Krankheit behaftet sind, aber dennoch
sich mit Andern fleischlich vermischen, und wieder damit anstecken, haben eine
dreymonatliche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1027. Die übrigen Folgen des unehelichen Beyschlafs sind
im eilften Abschnitte des zweyten Titels bestimmt.
Verführung.
§. 1028. Hausbediente, welche die Tochter oder andre
Verwandtin ihrer Herrschaft, mit welcher, wegen Ungleichheit des Standes, eine
Heirath nicht statt finden kann, verführen und schwächen, sollen mit
Zuchthausstrafe, auf Ein bis drey Jahr, nebst Willkommen und Abschied belegt
werden.
§. 1029. Ist keine solche Ungleichheit des Standes
vorhanden: so soll nur auf sechsmonatliche bis einjährige Zuchthaus- oder
Festungsstrafe erkannt wer- den.
§. 1030. Wenn Aufseher eines Gefängnisses, Arbeits-, Armen-
oder Waysenhauses, die unter ihrer Verwahrung oder Aufsicht stehenden Personen
zur Befriedigung ihrer Geilheit mißbrauchen: so sollen sie ihres Amtes
verlustig erklärt, und über dieses mit sechsmonatlicher, bis zweyjähriger
Gefängniß- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1031. Erzieher, Prediger, und andre Lehrer, welche die
ihrer Erziehung oder ihrem besondern Unterrichte anvertraute Personen schänden,
werden zu allen öffentlichen Aemtern, Würden und Ehrenstellen für immer
unfähig.
§. 1032. Außerdem haben sie Festungs- oder Zuchthausstrafe,
auf zwey bis vier Jahre verwirkt.
§. 1033. Stiefältern, welche ihre Stiefkinder, noch während
des Lebens des andern Ehegatten, zur Unzucht verführen, sollen gleiche Strafe leiden.
§. 1034. Ist dieses (§. 1033.) nach dem Tode des andern
Ehegatten geschehen: so findet nur die Hälfte der §. 1032. bestimmten Strafe
statt.
§. 1035. Wenn Stiefkinder mit Stiefältern Unzucht treiben:
so wird in der Regel angenommen, daß erstere von letztern dazu verführt worden;
und die Stiefkinder sind sodann mit aller Strafe zu verschonen.
§. 1036. Ist aber das Gegentheil klar: so sollen sowohl die
Stiefältern, als die Stiefkinder, im Falle des §. 1033. mit ein- bis
zweyjähriger, im Falle des §. 1034. aber mit sechs- bis zwölfmonathlicher
Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1037. Vormünder, welche mit ihren Pflegebefohlnen Unzucht
treiben, werden im zweifelhaften Falle als Verführer angesehn, und mit ein- bis
zweyjähriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe belegt.
§. 1038. Ist das Gegentheil klar: so findet gegen sie nur
eine willkührliche Strafe statt.
Blutschande.
§. 1039. Aeltern und Großältern, welche ihre eheliche Kinder
oder Enkel zur Unzucht mißbrauchen, sollen mit Festungsstrafe, auf drey bis
fünf Jahre, belegt werden.
§. 1040. In solchem Falle soll gegen die Kinder, welche das
achtzehnte Jahr zurückgelegt haben, eine sechsmonathliche bis einjährige
Zuchthausstrafe erkannt; jüngere Kinder aber sollen mit der Strafe verschont
werden.
§. 1041. Unzucht unter schon mannbaren ehelichen
Geschwistern, voller oder halber Geburt, wird mit Festungs- oder
Zuchthausstrafe, auf ein bis zwey Jahre geahndet.
§. 1042. Blutschande unter unehelichen Verwandten dieser
Art, (§. 1039-1041.) soll an demjenigen, welcher die Verwandschaft gewußt hat,
willkührlich (§. 35.) bestraft werden.
§. 1043. In allen vorstehend bestimmten Fällen (§.
1039-1042.) müssen die Personen, welche Blutschande getrieben haben, von
einander gänzlich entfernt werden.
§. 1044. Um aber dergleichen Unheil mit desto mehrerer
Sicherheit zu verhüten, sollen Aeltern mit ihren Kindern verschiedenen
Geschlechts, die schon zehn Jahr oder darüber alt sind, nicht in Einem Bette
schlafen.
§. 1045. Auch Geschwistern verschiedenen Geschlechts, soll
dergleichen Zusammenschlafen, sobald das jüngere das zehnte Jahr vollendet hat,
nicht gestattet werden.
§. 1046. Die Uebertretung dieser Vorschrift ist, so lange
noch kein Verbrechen begangen worden, an den Aeltern durch gerichtlichen
Verweis, und im Wiederholungsfalle, mit verhaltnißmäßiger willkührlicher
Gefängnißstrafe zu ahnden.
§. 1047. Ist aber zwischen Geschwistern, durch Nachsicht der
Aeltern, wirkliche Unzucht veranlaßt worden: so haben letztere, nach
Beschaffenheit der Umstände, die den Kindern §. 1040. bestimmte Strafe ganz
oder zur Hälfte verwirkt.
Nothzucht.
§. 1048. Wer eine unschuldige Frauensperson durch Getränke
oder andre Mittel ihrer Sinne beraubt, um sie zur Wollust zu mißbrauchen, soll,
wenn er auch seinen Zweck nicht erreicht, mit drey- bis sechsmonatlicher, wenn
aber die Schandthat wirklich verübt worden, mit vier- bis sechsjähriger
Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1049. In so fern dadurch der Gesundheit geschadet, oder
ein Wahnsinn verursacht worden: treten die wegen der Liebestränke oben §. 867.
bis 869. bestimmten Strafen hinzu.
§. 1050. Wer dergleichen Person durch Arglist und
betrügliche Kunstgriffe zur Wollust verführt, soll, außer der ihr schuldigen
Privatgenugthuung, sechs- monatliche bis einjährige Festungs- oder
Zuchthausstrafe leiden.
§. 1051. Wer durch gefährliche Bedrohungen des Lebens, oder
der Gesundheit, unter Umständen, wo deren Erfüllung mit Wahrscheinlichkeit zu
erwarten war, eine Frauensperson zu seinem Willen nöthigt, gegen den soll
Festungsstrafe auf drey bis fünf Jahre statt finden.
§. 1052. Wer mit unwiderstehlicher Gewalt eine Person, die
über zwölf Jahre alt ist, nothzüchtigt, soll sechs- bis achtjährige
Festungstrafe leiden.
§. 1053. Ist die Geschändete unter zwölf Jahren: so hat der
Thäter acht- bis zehnjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 1054. Jede an einer solchen unerwachsenen Person verübte
Unzucht wird als Nothzüchtigung angesehen; und, wenn ein eigentlicher Zwang zur
Gestattung des Beyschlafs nicht ausgemittelt ist, mit drey bis fünf Jahren
Zuchthaus- oder Gefängnißstrafe belegt.
§. 1055. In allen Fällen wird die Dauer der Strafe,
verhältnißmäßig, bis zu zehn und zwölf Jahren verlängert, wenn die Geschändete,
durch die an ihr verübte Gewalt, an ihrer Gesundheit erheblich und dauernd
gelitten hat.
§. 1056. Ist der Tod durch die gewaltsame Mißhandlung
verursacht worden: so tritt die Strafe des Schwerdtes ein.
§. 1057. Es macht in Ansehung der Strafe keinen Unterschied:
ob das Verbrechen gegen eine verheirathete oder unverheirathete Person verübt
worden sey.
§. 1058. Doch findet verhältnißmäßige Minderung der Strafe
statt, wenn die genothzüchtigte Person schon vorher in dem Rufe einer
schlechten liederlichen Lebensart gestanden hat.
§. 1059. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß außer
der durch die Gesetze bestimmten Strafe, der Verbrecher der Beleidigten zur
Privatgenugthuung verpflichtet sey.
§. 1060. Wenn die Beleidigten dergleichen Verbrechen nicht
rügen, und wenn dadurch auch kein öffentliches Aergerniß gegeben worden: so
findet keine richterliche Untersuchung von Amts weger statt.
Ehebruch.
§. 1061. Ein jeder Ehebruch wird, jedoch nur auf Antrag des
beleidigten Ehegatten, mit den im Ersten Titel §. 766. sqq. geordneten Strafen
geahndet.
§. 1062. Wird durch dergleichen Verbrechen eine Ehe wirklich
getrennt: so soll der Ehemann, welcher sich dessen mit einer ledigen
Weibsperson schuldig gemacht hat, willkührliche Gefängnißstrafe leiden.
§. 1063. Hat aber eine Ehefrau, durch den mit einer ledigen
Mannsperson getriebenen Ehebruch, zur Trennung der Ehe Anlaß gegeben: so soll
gegen sie Gefängniß- oder Zuchthausstrafe auf drey bis sechs Monathe statt
finden.
§. 1064. Sind in gleichem Falle beyde den Ehebruch begehende
Theile verheirathet gewesen: so haben beyde sechsmonathliche bis einjährige
Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1065. In allen Fällen, wo auf gewisse Arten der Unzucht
Criminalstrafen verordnet sind, müssen selbige geschärft werden, wenn das
Verbrechen von einer verheiratheten Person begangen worden.
Bigamie.
§. 1066. Wer vor Trennung einer Ehe wissentlich und
vorsätzlich eine andre vollzieht, soll mit ein- bis zweijähriger Zuchthaus-
oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 1067. Auch wer selbst noch unverheirathet ist, aber
wissentlich eine bereits verehelichte Person hei rathet, hat eine
sechsmonatliche bis einjährige Zucht hausstrafe verwirkt.
§. 1068. Wer sich fälschlich für unverheirathet ausgiebt,
und dadurch einen Andern zu einer solchen nichtigen Ehe verleitet, soll mit
dreyjähriger Zuchthausstrafe belegt werden.
Unnatürliche Sünden.
§. 1069. Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche
Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden können,
erfordern eine gänzliche Vertilgung des Andenkens.
§. 1070. Es soll daher ein solcher Verbrecher, nachdem er
ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied ausgestanden
hat, aus dem Orte seines Aufenthalts, wo sein Laster bekannt
geworden ist, auf immer verbannt, und das etwa gemißbrauchte Thier getödtet,
oder heimlich aus der Gegend entfernt werden.
§. 1071. Wer jemanden zu dergleichen unnatürlichen Lastern
verführt und mißbraucht, der ist doppelter Strafe schuldig.
§. 1072. Machen sich Aeltern, Vormünder, Lehrer oder
Erzieher dieses Verbrechens schuldig: so soll gegen dieselben vier- bis achtjährige
Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied statt finden.
Dreyzehnter Abschnitt Von Beleidigungen der Freyheit
Ueberhaupt.
§. 1073. Niemand soll ohne Recht die persönliche Freyheit
eines Andern beeinträchtigen.
§. 1074. Auch im Falle des Züchtigungsrechtes ist keine
längere als acht und vierzigstündige Einsperrung erlaubt.
§. 1075. Landstreicher, Bettler,
versteckte Schuldner, flüchtige Verbrecher, ingleichen Personen, welche mit
gefährlichen Unternehmungen umgehen, können so lange, bis die obrigkeitliche
Hülfe haben ist, auch von Privatpersonen mit Gewalt angehalten und festgenommen
werden.
§. 1076. Es muß aber die Anzeige oder Ablieferung an die
Obrigkeit sofort, und längstens binnen vier und zwanzig Stunden erfolgen.
§. 1077. Wer außer diesen Fällen (§. 1075. und 1076.) und
außer seinem Amte, einen Menschen, der seines Verstandes mächtig ist, mit
Gewalt festhält, einsperret, oder Wider seinen Willen zu etwas nöthiget, oder
die Vorschriften des §. 1076. übertritt, hat, wenn auch keine in den folgenden
Gesetzen bestimmte erschwerende Umstände eintreten, dennoch eine Gefängniß-,
Zuchthaus- oder Festungsstrafe von vierzehn Tagen bis zu sechs Monathen
verwirkt.
§. 1078. Hat eine dergleichen Beraubung der Freyheit über
drey Tage gedauert: so treten die in Ansehung der Privatgefängnisse ertheilten
Vorschriften ein.
Privatgefängnisse.
§. 1079. Niemand soll, ohne Vorwissen des Staats,
Privatgefängnisse, Zucht- oder Irrenhäuser anlegen.
§. 1080. Wer sich dessen unterfängt, hat bloß dadurch einhundert
bis dreyhundert Thaler Geld- oder verhältnißmäßige Gefängnjßstrafe verwirkt.
§. 1081. Wer jemanden in einem dergleichen Gefängnisse hält,
oder dahin abliefert, soll, wenn auch keine erschwerenden Umstände eintreten,
und noch kein Schade entstanden ist, ein- bis zweyjährige Festungs- oder
Zuchthausstrafe leiden.
§. 1082. Hat jemand dadurch Leben, Verstand, oder Gesundheit
verloren: so sollen die §. 797-801. bestimmten Strafen eintreten.
Menschenraub.
§. 1083. Wer Kinder ihren Aeltern raubt, oder vorenthält, um
sie in einer andern Religion zu erziehen, soll so lange zu gefänglicher Haft
gebracht werden, bis er dieselben wieder herbeyschafft.
§. 1084. Diese Strafe kann bey hartnäckiger Weigerung, den
Aufenthalt des geraubten Kindes anzugeben, durch Einsperrung bey Wasser und
Brod, und durch körperliche Züchtigung geschärft werden.
§. 1085. Auch wenn die Kinder wieder herbeygeschafft worden,
und keinen Schaden erlitten haben, soll er dennoch mit willkührlicher doch
empfindlicher Leibesstrafe belegt werden.
§. 1086. Diese Strafe kann bis zu zweyjähriger Zuchthaus-
oder Festungsstrafe erstreckt; und muß, wenn die geraubten Kinder Schaden
genommen haben, nach Vorschrift des §. 1082. verschärft werden.
§. 1087. Wer sich der Person eines andern bemächtigt, um durch
die Entfernung desselben sich gewisse Vortheile zu verschaffen, oder ihm, oder
seinen Ange
hörigen, wegen vermeintlich erlittner Beleidigung,
Unannehmlichkeitenzu verursachen, der begeht einen Menschenraub.
§. 1088. Unbefugte gewaltsame Werber; Bettler und
Bettlerinnen, welche Kinder, stehlen, um sich deren zum Betteln zu bedienen;
ingleichen diejenigen, welche sich der Kinder bemächtigen, am sie zu berauben,
machen sich dieses Verbrechens schuldig.
§. 1089, Wer einen Menschenraub
begeht, soll so lange mit Gefängniß- oder Festungsarrest belegt wer- den, bis
der Geraubte seine Freyheit wieder erlangt hat.
§. 1090. Wird der Geraubte wieder
frey: so findet gegen den Räuber, nach Verhältniß der Zeit, während welcher der
andere seiner Freyheit beraubt gewesen, und der übrigen demselben wiederfahrnen
bessern oder schlechtem Behandlung, drey- bis zehnjährige Festungsstrafe statt.
§. 1091. Ist keine Hofnung, daß der Geraubte wieder in
Freyheit kommen werde: so muß der Räuber lebenswierige Festungsstrafe leiden.
§. 1092. Diese Strafe wird bis auf zehn Jahre vermindert,
wenn der Geraubte dennoch wieder frey, oder wenn zuverläßig bekannt wird, daß
sich derselbe in keiner unglücklichen Lage befinde.
§. 1093. Dagegen hat der Räuber die Strafe des Schwerdts
verwirkt, wenn durch den Raub der Tod des Geraubten veranlaßt worden, und der
Räuber die Todesgefahr vermuthen können.
§. 1094. Uebrigens finden auch bey diesen Verbrechen die
Vorschriften des §. 1082. Anwendung.
Entführung
§. 1095. Wer ein Frauenzimmer wider ihren und ihres Vaters,
Vormundes, oder Ehegatten Willen, in der Absicht sie um ihre Ehre zu bringen,,
entführt, und die Entehrung wirklich vollzieht: der soll mit achtjähriger
Festungsstrafe belegt werden.
§. 1096. Ist die Entehrung noch mcht erfolgt, und die
Entführte nicht gemißhandelt worden: so findet eine zwey- bis dreyjährige
Zuchthaus- oder Festungsstrafe statt.
§. 1097. Ist die Entführte gemißhandelt worden: so soll,
nach Beschaffenheit dieser Mißhandlungen, und je nachdem die Entehrung
hinzugekommen ist, oder nicht, eine vier- bis zehnjährige Zuchthaus- oder
Festungsstrafe erkannt werden.
§. 1098. Ist zu der Entführung wirkliche Nothzucht
hinzugekommen; oder der Verlust der Gesundheit bey der Entführten dadurch
veranlaßt worden: so soll der Thäter lebenswierige Festungsstrafe leiden.
§. 1099. Ist dureh die Entführung der Tod des Geraubten
veranlaßt worden: so hat der Entführer die Strafe des Schwerdtes verwirkt.
§. 1100. Hat jemand eine Person zwar in der Absicht, sie zu
heirathen, und mit ihrer eigenen Einwilligung, aber doch gegen den Willen
dererjenigen, deren Consens zur Gültigkeit einer Ehe nach den Gesetzen
nothwendig ist, entführt: so soll er, je nach- dem letztere, ihre Einwilligung
in die Heirath zu versagen, an sich mehr oder weniger Grund gehabt, mit
Gefängniß- oder Festungsstrafe auf sechs Monathe bis zu zwey Jahren belegt
werden.
§» 1101. Erfolgt die Einwilligung obgedachter Personen nach
vollbrachter That: so findet nur eine willkührliche (§. 35.) Gefängnißstrafe
statt.
§. 1102. Verweigern dieselben ihre Einwilligung: so wird,
auf den Fall, daß die Entführte zugleich entehrt worden, die nach §. 1100.
verwirkte Strafe verdoppelt.
§. 1103. a) Auch soll auf den Antrag dieser Personen (§.
1100.) gegen diejenige Person, welche sich gutwillig hat entführen lassen, eine
willkührliche (§. 35.) Gefängniß- oder Zuchthausstrafe erkannt werden.
§. 1103. b) In allen Fällen, da mehrgedachte Personen die
gerichtliche Untersuchung eines solchen Vorfalls verbitten, um den größern
Nachtheil, welchen das damit verbundene Aufsehen der Familie zuziehen möchte,
zu vermeiden, soll der Richter diesem Gesuche willfahren.
§. 1104. Ist die Entführung einer Person, die nicht unter
Aeltern, Vormündern, u. s. w. steht, wider den eignen Willen derselben, aber in
der Absicht, sie zu ehelichen, geschehen: so soll, wenn auch sonst keine
erschwerende Umstände eintreten, die §. 1100. verordnete Strafe verdoppelt; und
wenn andre Gewaltthätigkeiten hinzugekommen sind, auch in einem solchen Falle
die Vorschrift §. 1097. 1098. 1099. beobachtet werden.
Vierzehnter Abschnitt
Von Beschädigung des Vermögens überhaupt und von Entwendung
insonderheit
Grundsätze.
§. 1105. Niemand soll, ohne Recht, den Andern an seinem
Eigenthume oder Vermögen beschädigen.
§. 1106. Wer dieses thut, der soll, außer dem
Schadensersatze, je nachdem die Beschädigung aus Fahrlässigkeit; oder
vorsätzlich, in der Absicht sich zu bereichern; oder aus Bosheit, Rache, oder
Muthwillen zugefügt worden, verhältnißmäßige Strafe leiden.
Fahrlässigkeit.
§. 1107. Beschädigungen aus Fahrlässigkeit ziehen, außer dem
Schadensersatze, zugleich Strafe nach sich, wenn der Beschädiger dabey gegen
ein ausdrückliches Polizeygesetz gehandelt hat.
/. Diebstahl.
§. 1108. Wer um seines Gewinns, Vortheils, oder Genusses
willen, eine bewegliche Sache aus dem Besitze eines Andern ohne dessen
Vorbewußt(!) oder Einwilligung entwendet, der macht sich eines Diebstahls
schuldig.
§. 1109. In der Natur und Bestrafung des Diebstahls macht es
keinen Unterschied: ob die Sache dem wahren Eigenthümer, oder einem bloßen
Besitzer entwendet worden.
§. 1110. Auch derjenige, welcher seine eigne Sache einem
Andern, welchem auf deren Besitz, Genuß, oder Verwahrung ein Recht zukommt, in
der Absicht, mit dem Schaden desselben sich Vortheile zu verschaffen,
entwendet, begeht einen Diebstahl.
§. 1111. Auch an Sachen, die noch nicht in dem Besitze einer
gewissen bestimmten Person sich befinden, wird ein Diebstahl begangen, wenn die
Entwendung ohne Vorwissen oder Einwilligung desjenigen geschieht, welchem das
Recht zukommt, Andre von der Besitznehmung auszuschließen.
§. 1112. Die Absicht, sich mit dem Schaden eines Andern
Vortheil zu verschaffen, wird bey einer jeden Entwendung vermuthet.
§. 1113. Doch kann diese Vermuthung schon durch das
Verhältniß der Personen gegen einander, oder durch die besondern Umstände,
welche bey der Handlung vorkommen, ausgeschlossen werden.
§. 1114. Ob der gesuchte Vortheil erreicht worden sey, oder
nicht, macht in der Bestrafung keinen Unterschied, sobald nur der Dieb die
entwendete Sache in seine Gewahrsam genommen hat.
§. 1115. Wenn jemand etwas entwendet, um sich oder Andere
aus dringender Leibes- oder Lebensgefahr zu retten: so soll der Fall von dem
Richter höhern Orts zur Begnadigung des Thäters angezeigt werden.
§. 1116. Die Wiederherbeyschaffung oder Erstattung des
Entwendeten wirkt nur in so weit, als sie freywillig, ohne Zuthun des Richters,
und ohne Schaden eines Dritten geschieht, eine Minderung der Strafe.
§. 1117. Kann die Erstattung, oder der Ersatz, auf andre
Weise nicht geleistet werden: so ist der Entwender, auf den Antrag des
Beschädigten, in einer öffentlichen Anstalt, oder sonst, so lange zu arbeiten
schuldig, bis von seinem Erwerbe die Schadloshaltung erfolgen kann.
§. 1118. Ist das, was der Verbrecher durch seine Arbeit
erwirbt, zu dessen nothdürftiger Unterhaltung nicht hinreichend: so muß der
Beschädigte, welcher, seines Privatinteresse wegen, auf Verlängerung des
Verhafts(!) anträgt, das Fehlende zuschießen.
§. 1119. Ist die Entwendung nicht aus Gewinnsucht geschehen:
so findet zwar nicht die Strafe des Diebstahls, wohl aber diejenige statt,
welche der Thäter nach seiner anderweitigen unerlaubten Absicht verwirkt hat.
(Abschn. XVI.)
§. 1120. Wenn jemand, um sich zu seinem vermeintlichen
Rechte zu verhelfen, unbefugter Weise Sachen in Besitz nimmt: so treten die
Strafen der unbefugten Selbsthülfe ein. (§. 157. sqq.)
Gemeiner Diebstahl ohne erschwerende Umstände.
§. 1121. Ein Diebstahl, welcher ohne Anwendung einiger
Gewalt, und ohne besonders erschwerende Umstände verübt worden, wird gemeiner
Diebstahl genannt.
§. 1122. Gemeiner Diebstahl an Eßwaaren oder Getränken, blos
zu eignem Gebrauch des Entwenders, soll nur polizeymäßig untersucht werden.
§. 1123. Je nachdem bloße Lüsternheit, oder wirkliches
Bedürfniß, die Veranlassung des Diebstahls gewesen ist, soll körperliche
Züchtigung, Strafarbeit auf vier und zwanzig Stunden bis acht Tage, oder
verhältnißmäßige Gefängnißstrafe stattfinden.
§. 1124. Andrer gemeiner Diebstahl ist, wenn der Werth des
wirklich Entwendeten fünf Thaler oder weniger beträgt, nur eben so polizeymäßig
zu untersuchen, und mit Gefängniß auf acht Tage bis vier Wochen zu ahnden.
§. 1125. Beläuft sich der Werth oder Betrag des durch bloßen
gemeinen Diebstahl Entwendeten über fünf Thaler: so soll der Dieb mit
Strafarbeit, oder Zuchthausstrafe, von vier Wochen bis zu zwey Jahren belegt
werden.
§. 1126. Je nachdem der Werth oder Betrag des Entwendeten
höher, oder niedriger; die Verheelung(!) des Diebstahls, nach Beschaffenheit
der Sache, leichter, oder schwerer; und die innere Moralität der Handlung
selbst größer oder geringer gewesen ist, muß die Dauer der Strafe, in jedem Falle,
von dem Richter nach obiger Anweisung §. 1125. bestimmt werden.
§. 1127. Wenn ein Erbe aus einer liegenden oder noch
ungeteilten Erbschaft etwas entwendet, um sich dadurch, mit dem Schaden seiner
Miterben, oder der Erbschaftsgläubiger, einen Vortheil zu verschaffen: so muß
er nicht nur vollkommnen Ersatz leisten, sondern auch den doppelten Werth der
entwendeten Sache der Armencasse als Strafe erlegen.
§. 1128. Kann er diese Geldstrafe nicht aufbringen: so muß
er als ein gemeiner Dieb bestraft; und dabey auf die Quantität dessen, was
durch den Diebstahl den Miterben und Gläubigern entzogen werden sollen,
Rücksicht genommen werden.
§. 1129. Entwendet der Erbe eine zum Vermächtniß bestimmte
Sache: so ist er deshalb einem andern Diebe gleich zu achten.
§. 1130. Uebrigens ist der, welcher gemeinschaftliche Sachen
entwendet, in Ansehung dessen, was ihm nicht gebührt, als Dieb anzusehen.
§. 1131. Wenn ein Handlungsgesellschafter den andern
bestiehlt: so ist die That einem Hausdiebstahle (§. 1137. sqq.) gleich zu
achten.
§. 1132. Wie einer, welcher sich gefundene Sachen
widerrechtlich zueignet, zu bestrafen sey: ist am gehörigen Orte bestimmt. (Th.
I. Tit. IX. §. 70-73.)
§. 1133. Entwendungen, welche unter Aeltern und Kindern,
unter Ehegatten, oder unter Geschwistern vorgefallen sind, sollen als Diebstahl
nicht angesehen, noch von Amts wegen untersucht oder bestraft werden.
§. 1134. Ein Gleiches gilt von andern Anverwandten, welche
sich in einer gemeinschaftlichen Hauswirthschaft befinden.
§. 1135. Nicht minder von Diebstählen, welche von
Pflegebefohlnen und Zöglingen an ihren Vormündern, Pflegevätern, und andern
Erziehern, oder an deren Hausgenossen begangen worden.
§. 1136. Wird aber die Entwendung von demjenigen gerügt,
unter dessen Hauszucht der Verbrecher steht: so muß dieselbe an dem Thäter,
gleich jedem andern gemeinen Diebstahle bestraft werden.
Mit erschwerenden Umständen.
§. 1137. Kleine Hausdiebstähle, welche von Gesinde und
Hausgenossen, an demjenigen, in dessen Lohn oder Brod sie stehen, oder an
dessen Hausgenossen verübt worden, ist der Richter von Amts wegen zu
untersuchen, und zu bestrafen nicht schuldig.
§. 1138. Es stehet dem Hausvater frey, den Entwender seines
Dienstes sofort zu entlassen. (Tit. V. §. 120.)
§. 1139. Wird aber der Diebstahl von ihm gerügt: so soll auf
Strafarbeit oder Gefängnißstrafe nach Vorschrift des §. 1122. 1124. erkannt;
und diese Strafe durch eine mäßige körperliche Züchtigung, am Anfange und Ende
derselben, geschärft werden.
§. 1140. Bey größern Hausdiebstählen, wird die an sich
verwirkte Strafe des gemeinen Diebstahls nicht nur um die Hälfte der Dauer,
nämlich von sechs Wochen bis auf drey Jahre, verlängert; sondern auch mit
Willkommen und Abschied geschärft.
§. 1141. Eine gleiche Verlängerung und Schärfung der Strafe
soll erkannt werden, wenn Sachen die nicht unter genauer Aufsicht und
Verwahrung gehalten werden können, entwendet worden.
§. 1142. Diese Strafe findet also statt, wenn in Feuers-,
Wassers- oder Kriegesnoth, an den geretteten, oder vor dem Feinde geflüchteten
Sachen ein gemeiner Diebstahl begangen worden.
§. 1143. Ferner alsdann, wenn ein solcher Diebstahl an
Thieren auf der Weide; an Ackergeräthschaften, die auf dem Felde stehen zu
bleiben pflegen; an Bienenstöcken; oder an Feld- und Gartenfrüchten, die noch
nicht gesammelt sind, verübt wird.
§. 1144. Ein Gleiches findet statt, bey Entwendungen des im
Walde oder an der Ablage stehenden, so wie des Schwemm- und Flößholzes.
§. 1145. Wilddiebereyen, die ohne Schießgewehr, Netze, öder
Schlingen verübt sind, werden als gemeiner; wenn sie aber mit dergleichen
Werkzeugen verübt worden, als ein schwerer; und an Personen, welche ein Gewerbe
daraus machen, als ein gewaltsamer Diebstahl gestraft.
§. 1146. Eben das gilt von Entwendungen der Fische aus
Hälten(!), Privatseen, oder Teichen.
§. 1147. Auf Entwendungen der Fische aus fliessenden
Wässern, in welchen jemanden die Fischereygerechtigkeit zusteht, oder aus
großen Landseen, findet die Strafe des bloßen gemeinen Diebstahls statt.
§. 1148. Ein Diebstahl, der bey Nachtzeit verübt worden, muß
schärfer bestraft werden, als derjenige, welcher am Tage begangen ist.
§. 1149. Ist den Kirchen, milden Stiftungen, Staats- oder
andern öffentlichen Cassen, oder Magazinen, oder auch den Posten, durch
gemeinen Diebstahl etwas entwendet worden: so muß die Dauer der Zuchthausstrafe
auf acht Wochen bis vier Jahre bestimmt, und dieselbe durch Willkommen und
Abschied geschärft werden.
§. 1150. Gleiche Verdoppelung und Schärfung findet statt, wenn
ein Diebstahl zwar ohne Gewalt, und ohne besonders erschwerende Umstände, aber
mit außerordentlicher List, Schlauigkeit, oder Verwegenheit verübt worden.
§. 1151. Diebstahl, der an öffentlichen Denkmälern, oder
andern Zierrathen öffentlicher Gebäude und Plätze begangen worden, soll als
gemeiner, doch unter erschwerenden Umständen verübter Diebstahl bestraft
werden. (§. 1140. sqq.)
§. 1152. Schärfung der Strafe des gemeinen Diebstahls durch
körperliche Züchtigung, aber ohne Verlängerung der Dauer, soll erkannt werden,
wenn Gräber oder Leichname bestohlen worden.
§. 1153. Ein Todtengräber, welcher selbst Leichen entwendet,
hat gleiche Strafe und Entsetzung von seinem Amte verwirkt.
§. 1154. Wenn andere Personen Leichen entwenden: so sollen
sie, auf Antrag der Verwandten des Verstorbenen, als Injurianten bestraft
werden.
§. 1155. Auch wenn kein Verwandter auf die Bestrafung des
Leichendiebstahls anträgt, findet den- noch eine achttägige bis
vierwöchentliche Gefängnißstrafe statt.
§. 1156. Diebstähle, welche an einem dem Gottesdienste
gewidmeten, oder andern öffentlichen privilegirten Orte begangen worden, sind
mit der §. 1152. vorgeschriebenen Strafe zu belegen.
§. 1157. In allen Fällen, wo bey Verübung eines gemeinen
Diebstahls, der Verbrecher Gewehr, oder andere gefährliche Werkzeuge, welche
Leute seines Standes sonst nicht zu tragen pflegen, bey sich geführt hat, ohne
jedoch davon Gebrauch zu machen, wird die an sich verwirkte Strafe um drey
Monathe bis Ein Jahr verlängert. (§. 1175.)
Wiederholter gemeiner Diebstahl.
§. 1158. Hat jemand mehrere gemeine Diebstähle begangen, und
ist er deswegen noch niemals gestraft worden: so soll er diejenige Strafe
leiden, welche, nach Verhältniß der durch alle Diebstähle zusammen entwendeten
Summe, und der dabey mit eintretenden erschwerenden Umstände verwirkt ist.
§. 1159. Hat aber jemand, welcher wegen eines gemeinen
Diebstahls schon einmal zur Strafe verurtheilt worden, dieses Verbrechest zum
zweytenmale begangen: so soll die Strafe, welche durch die noch unbestraften Diebstähle
verwirkt ist, der Dauer nach verdoppelt werden.
§. 1160. Macht er sich dieses Verbrechens, nach zweymaliger
Verurtheilung, zum drittenmale schuldig: so soll er, nach ausgestandener
Strafe, in einem Arbeitshause so lange verwahrt, und zur Arbeit angehalten
werden, bis er sich bessert, und hinlänglich nachweiset, wie er künftig seinen
ehrlichen Unterhalt werde verdienen können.
§. 1161. Fällt er nach seiner Entlassung dennoch in sein
voriges Laster wieder zurück: so hat er lebenswierige Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1162. Eben dieses findet statt, wenn er entweicht, ehe er
die zum drittenmale erkannte Strafe völlig ausgestanden hat.
gewaltsamer Diebstahl.
§. 1163. Ein Diebstahl, welcher durch gefährliches
Einsteigen oder Erbrechen verübt worden, wird ein gewaltsamer Diebstahl
genannt.
§. 1164. Unter gefährlichem Einsteigen wird ein solches
verstanden, welches durch Leitern und andere dergleichen Hülfsmittel, durch
mühsame oder schwer abzuwendende Anstalten; oder durch besonders verwegene
Unternehmungen bewerkstelligt wird.
§. 1165. Das Oeffnen verschlossener Behältnisse durch
Nachschlüssel, Dietriche, oder andere Werkzeuge, wird dem gewaltsamen Erbrechen
gleich geachtet.
§. 1166. Diebe, welche sich des Nachts in die Häuser
schleichen, oder sich über Nacht in denselben verschließen lassen, haben die
Strafe des gewaltsamen Diebstahls verwirkt.
§. 1167. Gewaltsame Diebstähle sollen mit Zuchthausstrafe
auf sechs Monathe bis drey Jahre, nebst Willkommen und Abschied bestraft
werden.
§. 1168. Die Dauer der Strafzeit eines gewaltsamen
Diebstahls muß von dem Richter, nach Beschaffenheit der angewendeten Gewalt;
nach der Zeit, wann selbiger verübt; nach der Größe der Gefahr, welcher das
gemeine Wesen, oder einzelne Mitglieder desselben, dadurch ausgesetzt worden;
und nach der Wichtigkeit der entwendeten Sache oder Summe, bestimmt werden.
§. 1169. Gewaltsamer Diebstahl in unbewohnten Gebäuden,
Behältnissen, Gärten, Scheunen, oder Fischhältem, wird als ein gemeiner
Diebstahl unter erschwerenden Umständen bestraft, (§. 1137. sqq.)
§. 1170. Wer in der Absicht, Eßwaaren, Feld- oder
Gartenfrüchte zu stehlen, einsteigt, oder mit Gewalt einbricht; gegen den wird
die Strafe eines gemeinen Diebstahls gleicher Art, durch körperliche Züchtigung
geschärft.
§. 1171. Die Strafe des gewaltsamen Diebstahls ist verwirkt,
sobald das gefährliche Einsteigen oder Erbrechen, mit der Absicht zu stehlen,
wirklich geschehen ist.
§. 1172. Doch findet, wenn die Besitznehmung der gestohlnen
Sachen nicht vollendet worden, nur der geringere Grad der gesetzlichen Strafe
statt.
§. 1173. Auch diese wird, wenn das Einsteigen oder Erbrechen
nicht vollendet worden, der Dauer nach verkürzt, je nachdem die unternommene
Gewalt der wirklichen Ausführung mehr oder weniger nahe gewesen.
Mit erschwerenden Umständen.
§. 1174. Wenn bey einem gewaltsamem Diebstahle annoch
erschwerende Umstände hinzukommen: so wird die Dauer der durch die That selbst
verwirkten Strafe verlängert.
§. 1175. Ist ein Dieb, bey einem gewaltsamen Diebstahle, mit
Gewehr oder andern gefährlichen Werkzeugen versehen gewesen, ohne jedoch davon
gegen jemanden Gebrauch gemacht zu haben: so soll gegen ihn die durch den
gewaltsamen Diebstahl selbst verwirkte Strafe (§. 1167.) um sechs Monathe bis
zwey Jahre verlängert werden.
§. 1176. Die Beschaffenheit der Waffen, und die nach den
Umständen vorwaltende mehrere oder mindere Gewißheit, daß der Dieb, bey
vorgefundnem Widerstände, davon Gebrauch gemacht haben würde, bestimmen diese
Verlängerung der Strafzeit.
§. 1177. Eine gleiche Schärfung der Strafe des gewaltsamen
Diebstahls findet statt, wenn Kirchen Staats- oder andre öffentliche Cassen,
oder Magazine, durch gewaltsames Einstelgen oder Erbrechen bestohlen worden.
§. 1178. Werden Reisenden auf öffentlicher Straße, oder in
den Gasthöfen, Kasten, Kisten, Felleisen, oder andre Behältnisse abschneidet,
oder erbricht, hat die gewöhnliche Strafe des gewaltsamen Diebstahls verwirkt.
§. 1179. Wer aber öffentliche Posten auf dergleichen Art
bestiehlt, gegen den soll die gewöhnliche Strafe des gewaltsamen Diebstahls auf
die Hälfte der Dauer verlängert werden.
§. 1180. Ist in vorerwähnten Fällen (§. 1177. 1178. 1179.)
der Dieb, bey Unternehmung des gewaltsamen Diebstahls, mit gefährlichen Waffen
versehen gewesen: so soll die gewöhnliche Strafe, allenfalls bis zu acht
Jahren, verdoppelt werden.
Wiederholter gewaltsamer Diebstalil.
§. 1181. Hat jemand mehrere gewaltsame Diebstähle, jedoch
ohne erschwerende Umstände begangen: so soll er mit ein- bis vierjähriger
Festungs- oder Zuchthausstrafe nebst Willkommen und Abschied belegt werden.
§. 1182. Ist die widerholte Ausübung des gewaltsamen
Diebstahls mit erschwerenden Umständen verknüpft gewesen: so findet gegen den
Verbrecher vier- bis zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe, mit gleicher
Züchtigung, statt.
§. 1183. Ist aber jemand wegen gewaltsamen Diebstahls
bereits einmal verurtheilt worden: so soll er, bey dessen Wiederholung, je
nachdem erschwerende Umstände vorwalten, oder nicht, mit zehnjähriger bis
lebenswieriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe belegt, und am Anfange der
Strafzeit, wie auch am Ende, wo letzteres statt findet, gezüchtiget werden.
//. Gewaltthätige Besitznehmung fremden Eigen thums.
§. 1184. Wer um seines Gewinns, Vortheils, oder Genusses
willen, unbewegliche Sachen, ohne Recht, gewaltsamer Weise in Besitz nimmt, hat
schon deswegen zwey- bis dreyjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1185. Diese Strafe soll statt finden, so bald die Gewalt
verübt worden; wenn auch die Besitznehmung selbst nicht hat vollzogen werden
können.
§. 1186. Ist jemand; dadurch beschädigt, oder ein Tumult
erregt worden: so finden die Vorschriften des §. 167. sqq. 796. sqq. 844. sqq.
Anwendung.
Raub.
§. 1187. Wer durch Gewalt an Menschen, bewegliche Sachen,
wozu er kein Recht hat, seines Gewinns, Vortheils, oder Genusses wegen in
Besitz nimmt, macht sich eines Raubes schuldig.
§. 1188. Auch schon derjenige, welcher einen Diebstahl ohne
wirkliche Gewalt, jedoch unter Androhung gefährlicher Behandlung ausübt, hat
als Räuber eine acht- bis zehnjährige Festungsstrafe, nebst Züchtigung am
Anfange und Ende der Strafzeit, verwirkt.
§. 1189. Sind Menschen durch Binden, Knebeln, Schläge, oder
sonst, aber ohne Schaden an Gesundheit und Leben, gemißhandelt worden: so
findet gegen den Räuber eine zehn- bis fünfzehnjährige Festungsstrafe, mit
gleicher Züchtigung, statt.
§. 1190. Ist dem Beraubten durch die erlittenen
Mißhandlungen eine erhebliche Verstümmelung, oder bleibender Nachtheil an
seiner Gesundheit zugefügt worden: so hat der Räuber, nach Beschaffenheit dieses
Schadens, fünfzehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe, nebst Willkommen
und Abschied verwirkt.
§. 1191. Ist durch die nach §. 1189 zugefügten Mißhandlungen
der Tod des Beraubten wirklich befördert worden: so soll der Räuber mit dem
Schwerdte gerichtet, und der Körper auf das Rad geflochten werden.
§. 1192. Gleiche Todesstrafe soll statt finden, wenn die
verübte Mißhandlung an sich tödtlich war: das Leben des Beraubten aber durch
besondre Umstände, oder Zufälle noch erhalten worden.
§. 1193. Wer einen Andern vorsätzlich mordet, um sich durch
den Tod desselben Gewinn oder Vortheil zu verschaffen, oder zu versichern, der
hat die Strafe des Rades von unten verwirkt.
§. 1194. Hat der Räuber, erst bey wirklich vorgefundenem
Widerstände, den Andern getödtet: so ist er mit dem Rade von oben herab zu
bestrafen.
§. 1195. Hat der Räuber den Raub selbst ohne Verübung eines
Mordes vollzogen, und erst nachher den ihn verfolgenden Beraubten, bloß zur
Vertheidigung seines eignen Lebens getödtet: so soll er mit dem Schwerdte
hingerichtet werden.
§. 1196. Ist aber in diesem Falle, (§. 1195.) die Tödtung
von dem Räuber nicht bloß zur Verteidigung seines Lebens, sondern auch des
Raubes geschehen: so trifft ihn dennoch die Strafe des Rades von oben herab.
Straßenraub.
§. 1197. Straßenraub, d. i. ein solcher, der auf
öffentlichen zum gemeinen Gebrauche bestimmten Fahr- und Fußwegen, ingleichen
auf öffentlichen Plätzen, Straßen, und Gassen verübt worden, soll, wenn er auch
nur durch gefährliche Drohungen geschehen ist, mit zehn- bis fünfzehnjähriger
Festungs- oder Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied, belegt werden.
§. 1198. Sind von dem Räuber wirkliche Gewalttätigkeiten,
aber ohne Nachtheil an Gesundheit und Leben ausgeübt worden: so findet eine
durch gleiche Züchtigung verschärfte fünfzehnjährige bis lebenswierige
Festungs- oder Zuchthausstrafe statt.
§. 1199. Ist der Beraubte von dem Räuber an seiner
Gesundheit, oder an seinen Gliedmaßen (§. 1190.) beschädigt worden: so soll der
Räuber mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 1200. In den Fällen, wo der bloße Raub mit dem Schwerdte
geahndet wird, (§. 1191. 1192. 1195.) soll, im Falle des Straßenraubes, die
Strafe des Rades von oben eintreten.
§. 1201. Der Straßenräuber hat die Strafe des Rades von
unten unter eben den Umständen verwirkt, weswegen,,den gemeinen Räuber ,die
Strafe des Rades von oben treffen würde (§. 1194. 1196.)
§. 1202. Wo aber die Strafe des Rades von unten gegen den
bloßen Räuber erkannt werden müßte (§. 1193.), da soll diese Todesstrafe gegen
den Strassenräuber durch Schleifung zur Richtstätte verschärft werden.
Wiederholter Raub.
§. 1203. Im Falle des ohne vorgängige Bestrafung
wiederholten Raubes, soll die sonst verwirkte Festungs- oder Zuchthausstrafe
der Dauer nach verlängert, die lebenswierige aber durch Staupenschlag
verschärft werden.
§. 1204. Ist der Räuber schon einmal zur Strafe des Raubes
verurtheilt worden, oder hat er mehr als zwey Räubereyen ausgeübt: so soll er
gleich denen, welche in Banden rauben, gestraft werden. (§. 1212. sqq.)
Versuchter Raub.
§. 1205. Der Räuber soll mit der durch die That verwirkten
Strafe belegt werden, wenn er gleich den gesuchten Vortheil noch nicht
erhalten, oder wieder verloren hat.
§. 1206. Jeder gewaltsame Angriff eines Menschen, der auf
öffentlicher Straße verübt wird, soll, wenn das Gegetheil nicht klar erhellet,
als ein Raub ange- sehen und bestraft werden.
§. 1207. Wer einem Andern, auch ohne die Absicht zu rauben,
auf öffentlicher Straße auflauert, ihn insultirt und beleidigt, der soll, nach
Bewandniß der Unistände, mit zwey- bis zehnjähriger Festungsstrafe belegt
werden.
III. Diebstahl und Raub in Banden.
f. 1208. Wenn Mehrere die Ausübung eines Diebstahls mit
einander verabredet haben: so finden die §. 68. und 73. enthaltenen Grundsätze
Anwendung.
§. 1209. Haben Mehrere sich verbunden, den Diebstahl als ein
gemeinschaftliches Gewerbe zu betreiben: so hat der Rädelsführer zehnjährige
bis lebenswierige, die andern Mitverbundenen aber eine sechs- bis zehnjährige
Zuchthaus- oder Festungsstrafe, welche durch Willkommen und Abschied geschärft
wird, verwirkt.
§. 1210. Sind von einer zusammengerotteten Bande gewaltsame
Diebstähle verübt worden: so soll der Anführer mit der Todesstrafe des Galgens
belegt werden.
§. 1211. DieübrigenMitgenossen sollen, wenn durch die That
an sich fünf- oder mehrjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt wäre,
mit lebenswieriger; sonst aber mit zehnjähriger Festungsstrafe, nebst
Willkommen und Abschied, belegt werden.
§. 1212. Hat eine solche Bande wirkliche Räubereyen verübt:
so hat der Anführer wenigstens die Strafe des Rades von oben herab verwirkt.
§. 1213. In Ansehung derjenigen Handlungen der Raubgenossen,
welche der Rädelsführer befohlen, genehmiget, oder auch nur geduldet hat, ist
er als ein Haupturheber zu bestrafen.
§. 1214. Die übrigen Genossen sollen, wenn nicht schon durch
den Raub an sich die Todesstrafe verwirkt ist, ohne Unterschied, mit
Staupenschlag, Brandmarkung, und lebenswieriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 1215. Uebrigens sind die Mitgenossen einer Räuberbande,
wenn dieselben auch keinen Straßenraub begangen haben sollten, mit der Strafe
der Straßenräuber zu belegen.
§. 1216. Räuber, welche zu den von ihren Mitgenossen
verübten Mordthaten, wenn auch nur durch Wache halten, wissentlich behülflich
sind, haben dennoch die Strafe des Rades von unten verwirkt.
§. 121.7. Räuber, welche die Mordthaten ihrer Mitgenossen,
die sie zwar nicht voraus gewußt, wobey sie aber gegenwärtig gewesen .sind,.
hätten hindern können; und dieses zu thun unterlassen haben, sollen mit dem
Rade von oben herab hingerichtet werden.
IV. Theilnehmung an Raub und Diebstahl.'
§. 1218. Wer an den Vortheilen eines Diebstahls Theil nimmt,
ist, in Ansehung der mit dem Thäter vorher verabredeten Handlungen, als
Miturheber anzusehn.
§. 1219. Auch bey gewaltsamen Diebstählen ist derjenige als
Miturheber zu betrachten, welcher die ausgeübte Gewalt durch Lieferung der Werkzeuge,
Wache halten, oder andre Hülfsleistung, wissentlich unterstützt hat.
§. 1220. Diese Strafe trifft ihn selbst alsdann, wenn er den
verabredeten Vortheil wirklich nicht empfängt.
§. 1221. Hat er aber den Vortheil ausgeschlagen oder
ausgeliefert, und die noch unentdeckten Mitverbrecher angezeigt: so kann er auf
Begnadigung Anspruch machen.
§. 1222. Wächter und Wachen, welche wissentlich, aus
gewinnsüchtigen Absichten, einen Diebstahl geschehen lassen, haben die Strafe
des gewaltsamen Diebstahls verwirkt; auch wenn die That selbst ohne Gewalt
verübt worden.
§. 1223. Wer Diebesgesindel seines Nutzens wegen hegt; oder
Dieben zu Verheimlichung, Fortschaffung, oder Veräußerung der gestohlnen Sachen
Hülfe
zusagt und leistet, hat sechsmonatliche bis zweyjährige
Zuchthaus- oder Festungsstrafe, nebst Züchtigung am Anfang und Ende der
Strafzeit, verwirkt.
§. 1224. Weiß er, daß die von ihm verhehlten Sachen geraubt
worden, oder daß das Diebsgesindel sich mit Rauben abgiebt: so soll gegen ihn
auf drey- bis vierjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe, nebst gleicher
Züchtigung (§. 1223.) erkannt werden.
§. 1225. Wer einem Räuber, von dem er weiß, daß er zugleich
morden will, oder sonst schon gemordet hat, zu Verhehlung oder Fortschaffung
der geraubten Sache Hülfe zusagt, und in der Folge wirklich leistet, der hat
Staupenschlag und lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 1226. Eben diese Strafe findet statt, wenn jemand einem
dergleichen Mordräuber zu Begünstigung künftiger Räubereyen einen Zufluchtsort
verstattet.
§. 1227. Wer Räuber gegen die Nachforschung der Obrigkeit
verbirgt, oder ihnen Gelegenheit und Gegenstände zu Verübung ihrer Räubereyen
nachweiset, soll, wenn er auch der §. 1223-1225. beschriebnen Theilnehmung
nicht überführt werden könnte, dennoch eine zweyjährige Festungs- oder
Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied leiden.
§. 1228. Diese Strafe wird verdoppelt, wenn ihm bekannt war,
daß die von ihm begünstigten Räuber sich mit Morden abgeben.
§. 1229. Wer Räubereyen, oder gar Ermordungen, in seiner
Behausung, mit seinem Vorwissen begehen läßt, der soll .dem Thäter gleich
bestraft werden.
§. 1230. Wer Diebe oder Räuber wissentlich beherbergt, oder
gestohlne Sachen verhehlt, muß nicht nur die §. 1223. bestimmte Strafe dulden,
sondern geht auch des gemißbrauchten Gewerbes verlustig.
V. Verbeugungsmittel,
a) verbotener Kauf gestohlner Sachen.
.§. 1231. Ein jeder, dem von Verdächtigen (Th. I. Tit. XV.
§. 19.) oder Unbekannten, welche nicht mit dem Verkaufe solcher Sachen ein
öffentliches Gewerbe treiben, (Ebendas. §. 43. 44.) Sachen zum Kauf oder Pfande
angetragen werden, ist schuldig, zu prüfen: ob der Antragende wahrscheinlich
über die angebote nen Sachen zu verfügen, berechtigt sey.
§. 1232. Besonders muß diese Vorsicht alsdann beobachtet
werden, wenn der Verkäufer oder Verpfänder ein Dienstbote, oder Hausgenosse,
und die Sache so beschaffen ist, daß sie wahrscheinlicher Weise der
Dienstherrschaft, oder dem Hausvater gehören könnte.
§. 1233. In einem solchen Falle muß der Käufer, oder
Pfandnehmer, sich bey der bloßen Angabe des Antragenden nicht beruhigen;
sondern bey der Herrschaft oder dem Hausvater selbst nachfragen: ob etwa eine
Untreue des Gesindes oder der Hausgenossen mit unterlaufe?
§. 1234. Mit ganz unbekannten Leuten, welche Sachen von Werthe,
z. B. Gold, Silber, Juwelen, und andre Kostbarkeiten, zum Kauf oder Pfand
anbiethen, soll sich niemand darüber einlassen.
§. 1235. Eben so wenig darf dieses geschehen, wenn die
angetragne Sache von der Beschaffenheit ist, daß Leute von dem Stande und
Gewerbe des Antragenden dergleichen Sachen nicht zu haben pflegen.
§. 1236. Erwächst aus Vergleichung der Beschaffenheit der
Sache, und der Person des Antragenden, oder aus dem die Forderung des
Verkäufers beträchtlich übersteigenden Werthe der Sache, ein wahrscheinlicher
Verdacht, daß sie entwendet sey: so ist ein jeder, welcher aus dem Handel oder
Pfänderleihen ein Gewerbe macht, bey willkührlicher doch nachdrücklicher Geld-
oder Gefängnißstrafe (§. 35.) schuldig, eine solche verdächtige Sache anzuhalten,
und an die Polizey-Obrigkeit des Orts zur weitern Untersuchung abzuliefern.
§. 1237. Eben diese Strafe findet statt, wenn ein solcher
Handelsmann oder Pfandverleiher, durch öffentliche Bekanntmachungen,
obrigkeitliche Warnungen, oder auch nur durch glaubwürdige Privatanzeigen
benachrichtiget ist, daß Sachen von dieser Art, und mit solchen Kennzeichen
versehen, gestohlen oder verlohren worden.
§. 1238. Hat jemand wissentlich gestohlne Sachen gekauft,
oder zum Pfand angenommen: so soll er, wenn er auch an dem Diebstahle auf die
§. 64. bis 84. beschriebene Art keinen Theil genommen hat, dennoch als ein
gemeiner Dieb bestraft werden.
§. 1239. Wenn Leute, die aus dem Handel oder Pfänderleihen
ein Gewerbe machen, gestohlne Sachen, wegen welcher sie auf die §. 1237.
gedachte Art gewarnt worden, dennoch kaufen, oder als Pfand annehmen: so sind
sie als gemeine Diebe zu bestrafen; ob sie gleich der Wissenschaft selbst nicht
völlig überführt werden können.
§. 1240. Hat außerdem jemand gestohlne Sachen, zwar nicht
wissentlich, aber doch mit Verabsäumung der gesetzlichen Vorsicht, gekauft oder
angenommen; so soll er, nach Verhältniß der begangenen Nachläßigkeit,
willkührliche doch nachdrückliche Geld- oder Gefängnißstrafe (§. 35.) leiden.
§. 1241. Diese Strafe wird verdoppelt, wenn er sich eines
solchen Vergehens nach vorgängiger Bestrafung zum zweytenmale schuldig macht.
§. 1242. Demjenigen, welcher den Handel oder Pfandverkehr
bisher als ein Gewerbe getrieben hat, soll, wenn er sich des §. 1239.
beschriebenen Vergehens mehr als einmal schuldig macht, außer der an sich
verwirkten Strafe, die fernere Ausübung seines Gewerbes, bey mehrjähriger
Gefängniß- oder Zuchthausstrafe, gänzlich untersagt werden.
§. 1243. Hat ein Jude wissentlich gestohlne Sachen gekauft,
oder zum Pfande angenommen; so verliert er den Schutz des Staats, und soll aus
dem Lande geschafft werden.
§. 1244. Kann die gestohlne Sache oder der volle Werth
derselben dem rechtmäßigen Inhaber nicht erstattet werden: so ist gegen den
Verbrecher, noch vor seiner Wegschaffung aus dem Lande, mit ein- bis
zweyjähriger Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied, zu verfahren.
§. 1245. Hat ein Jude zwar weder wissentlich, noch gegen
erhaltene Warnung, aber doch mit Verabsäumung der gesetzlichen Vorsicht, eine
gestohlne Sache gekauft, oder zum Pfand angenommen: so findet gegen ihn die §.
35. vorgeschriebne willkührliche Strafe statt.
§. 1246. Wird er aber zum zweytenmale auf einer solchen
Uebertretung betroffen: so soll, wenn er auch der Wissenschaft nicht
vollständig überführt werden könnte, dennoch mit der §. 1243.1244.
vorgeschriebenen ordentlichen Strafe wider ihn verfahren werden.
§. 1247. Esverstehtsichabervonselbst,daß dadurch dem
Beschädigten das Recht, auf Abarbeitung des Schadens nach Vorschrift des §.
1117. anzutragen, nicht benommen werde.
b) Pflichten der Schlosser.
§. 1248. Die Schlosser sollen, bey zehn Thaler Strafe, ohne
Genehmigung des Eigentümers oder der Herrschaft, welche die Wohnung inne hat,
kein Schloß Öfnen, oder einen neuen Schlüssel dazu machen.
§. 1249. Bey gleicher Strafe sollen sie keinen
Hauptschlüssel ohne Einwilligung des Hauswirths verfertigen.
§. 1250. Auch müssen sie demselben das Modell, oder die
Patrone davon, treulich ausliefern.
§. 1251. Wenn ein Schlosser diesen Verbothen (§. 1248-1250.)
entgegen handelt: so verfällt er nicht nur in zehn Thaler Strafe; sondern er
ist auch schuldig, den aus seiner Unvorsichtigkeit entstandnen Schaden zu
vertreten.
§. 1252. Eben dieses findet statt, wenn Schlosser ihre
Dietriche nicht sorgfältig verwahren, oder unsichern Personen verabfolgen.
§. 1253. Schlosser, welche sich des Diebstahls oder einer
Theilnehmung an demselben schuldig gemacht haben, sollen nicht nur mit
geschärfter Strafe des Diebstahls belegt; sondern es soll ihnen auch die
fernere Ausübung ihres Handwerks bey sechsmonatlicher Zuchthausstrafe untersagt
werden.
VI. Von Concussionen.
§. 1254. Wer durch Concussionen einen Andern zu einem
nachtheiligen Vertrage nöthiget, hat eine willkührliche Geld- oder
Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 1255. Ist jemand durch Concussion genöthiget worden,
Gelder oder Sachen ohne Vergeltung zu geben: so ist eine dergleichen
Erpressung, nach Maaßgabe der dazu gebrauchten Mittel, gleich einem Diebstahle
oder Raube zu bestrafen.
Fünfzehnter Abschnitt
Von Beschädigungen des Vermögens durch strafbaren Eigennutz
und Betrug
Begriffe und Grundsätze.
§. 1256. Jede vorsätzliche Veranlassung eines Irrthums,
wodurch jemand an seinem Rechte gekränkt werden soll, ist ein strafbarer
Betrug.
§. 1257. Bloßer Eigennutz ist nur in so fern strafbar, als
er in den Gesetzen ausdrücklich verboten worden.
§. 1258. Öffentliche Ahndung findet in allen Fällen statt,
wo mit dem Bigennutze ein wirklicher Betrug verbunden ist.
§. 1259. Verbotener Eigennutz und Betrug sollen mit einer
dem gesuchten unerlaubten Gewinne angemessenen Geldstrafe belegt werden.
§. 1260. Wenn in den Gesetzen keine besondre Strafe bestimmt
ist: so soll der, welcher sich eines strafbaren Betruges, oder ausdrücklich
verbotenen Eigennutzes schuldig gemacht hat, um den doppelten Betrag des
gesuchten Gewinnes fiscalisch bestraft werden.
§. 1261. Kann dieser Gewinn nicht ausgemittelt werden: so
muß der Richter die Geldstrafe nach dem Betrage des dem Andern zugefügten Schadens
festsetzen.
§. 1262. Kann die Geldstrafe nicht erlegt werden, so muß der
Betrüger in einer öffentlichen Anstalt so lange arbeiten, bis selbige
herbeygeschafft worden.
§. 1263. Ergiebt sich, aus den Umständen, daß der Betrüger
die verwirkte Geldstrafe nicht werde verdienen können: so tritt
verhältnißmäßigeGefängniß-oder Zuchthausstrafe an deren Stelle.
§. 1264. Ist die betrügerische Handlung noch nicht
vollendet; oder läßt sich die Summe des beabsichtigten Vortheils, oder
verursachten Schadens nicht ausmitteln: so soll eine dem Grade der Boßheit, und
der Gefährlichkeit der Absicht angemessene willkührliche (§. 35.) Geld- oder
Gefängnißstrafe eintreten.
§. 1265. Sobald aus einer, wider das Verbot der Gesetze,
oder mit Verstellung oder Verfälschung der Wahrheit unternommenen Handlung,
nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge, Nutzen für den Handelnden, und Schaden
für einen Andern entsteht, wird bey ersterem die Absicht, letzteren zu seinem
Vortheile zu verkürzen, vorausgesetzt.
§. 1266. Ist das Gegentheil dieses Vorsatzes klar, oder
wahrscheinlich: so muß nach der sonst zum Grunde liegenden Absicht bestimmt
werden: ob und welche Strafe statt finde.
§. 1267. Der Ersatz des durch Betrug zugefügten Schadens,
macht den Betrüger nicht straflos.
§. 1268. Doch wird die Strafe gemindert, wenn der Betrüger
freywillig von der Ausführung des Betruges wieder abgestanden, oder nach bestem
Vermögen den Schaden abzuwenden bemüht gewesen ist (§. 61. sqq.)
/. Verbotener Eigennutz.
1) Unbefugter Handel und Wandel.
§. 1269. Wer aus Eigennutz eines Gewerbes oder Handels sich
anmaaßt, wozu nur gewisse Classen, oder einzelne Einwohner des Staats, nach
ihren ausschließenden Privilegien berechtigt sind, muß, außer der Vergütung des
zugefügten Schadens, und entzogenen Gewinnes, eine Geldstrafe von zehn bis
fünfzig Thalern entrichten.
§. 1270. Sind auf gewisse Arten des unbefugten Gewerbes
andre Strafen in den besondern Verordnungen bestimmt: so hat es dabey sein Bewenden.
2) Wucher.
§. 1271. Höhere Zinsen, als die Gesetze verstatten (Th. I.
Tit. XI. §. 803. sqq.) können rechtsgültiger Weise weder versprochen noch
gegeben werden.
§. 1272. Was über die gesetzmäßigen Zinsen gezahlt ist, kann
binnen sechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld annoch zurückgefordert
werden.
§. 1273. Wer, um diesen Verordnungen (§. 1271. 1272.)
auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern Namen oder
Geschäfte zu verbergen sucht, ist als Wucherer zu bestrafen.
§. 1274. Der Wucherer muß dem Fisco den ganzen
verschriebenen Betrag an Capital und Zinsen zur Strafe erlegen,
§. 1275. Bey fortlaufenden Zahlungen oder Leistungen, deren
Ende gar nicht bestimmt ist, oder erst künftig durch die Aufkündigung bestimmt
werden soll, wird die Geldstrafe nach
der Summe des ausbedungenen Capitals, und der wirklich statt der Zinsen
erhobenen Vortheile berechnet.
§. 1276. Wenn auch der Schuldner die ihm wirklich obliegende
Zahlung zu leisten außer Stande ist: so muß der Wucherer doch die §. 1274.1275.
bestimmte Summe aus eignen Mitteln zur Strafe entrichten.
§. 1277. Jede lästige Bedingung, hinter welche der Gläubiger
die übermäßigen Zinsen versteckt, ist als Wucher anzusehen.
§. 1278. Auch der macht sich des Wuchers schuldig, welcher
dem Schuldner, außer dem Th. I. Tit. XI. §. 817. bestimmten Falle, nicht die
volle Summe des Kapitals zahlt.
§. 1279. Sobald der Vortheil, welchen der Gläubiger aus der
an sich erlaubten Vorauszahlung der Zinsen zieht, ein Mehreres beträgt, als der
Unterschied zwischen den angerechneten geringern, und den höhern gesetzmäßigen
Zinsen ausmacht, muß der Gläubiger als Wucherer angesehn werden. (Th. I. Tit.
XI. §. 817.)
§. 1280. Wenn Waaren statt Geldes gegeben; oder die Valuta
eines Wechsels oder Schuldscheines, worauf ganz oder zum Theil Waaren geliefert
sind, baar verschrieben worden: so finden die Vorschriften Th. I. Tit. XI. §.
715-726. Anwendung.
§. 1281. Doch ist der Fiscus nicht verbunden, sich an dem,
was der Schuldner nach Th. I. Tit. XI. §. 717. 719. 724.726. zu leisten hat, zu
begnügen; sondern er kann sich, wegen des verschriebenen Betrags, nach Maaßgabe
des §. 1276. an den Gläubiger halten.
§. 1282. Wenn statt der Zinsen des Darlehns, gewisse
Naturalien oder andere Sachen, oder auch die Leistung gewisser Arbeiten oder
Dienste vorbedungen worden: so findet die Vorschrift Th. I. Tit. XI. §.
812-814. Anwendung.
§. 1283. Uebersteigt der Werth der bedungenen Lieferung oder
Leistung, nach dem niedrigsten Preise der nächstvorhergehenden sechs Jahre, den
gesetzmäßig erlaubten Zinsfuß um mehr als Eins vom Hundert: so ist ein Wucher
vorhanden; und der Gläubiger hat die §. 1274. bestimmte Strafe verwirkt.
§. 1284. In Ansehung der Conventionalstrafen findet
dasjenige statt, was Th. I. Tit. XI. §. 825. und 826. verordnet ist.
§. 1285. Die Ausbedingung des Einlagers ist sowohl bey dem
Darlehns-, als bey andern Verträgen, als unerlaubte Selbsthülfe verboten.
§. 1286. Wer bey einem Darlehne, oder anderem Geschäfte,
sich mehr als die gesetzmäßigen Mäklergebühren versprechen oder bezahlen läßt,
hat eine Strafe von fünfzig bis fünfhundert Thalern verwirkt.
§. 1287. Ist er als öffentlicher Mäkler angestellt und
verpflichtet: so wird er noch außerdem seines Amtes entsetzt.
§. 1288. Alles, was vom Wucher bey Darlehnen(!) verordnet
ist, findet auch bey andern Geschäften statt; in so fern nicht die höheren
Zinsen eine Bedingung des ursprünglichen Contrakts gewesen sind.
§. 1289. Was vorstehend vom Geldwucher verordnet ist, gilt
unter den Th. I. Tit. XI. §. 856. bis 860. enthaltenen Bestimmungen auch vom
Wucher mit Getreyde, und andern Dingen, welche den Gegenstand eines
Dahrlehnscontracts ausmachen können.
3) Dardanariat.
§. 1290. Wer wider ein ausdrückliches Verbot des Staats,
sein Getreyde verheimlicht und zurückhält, wird mit der Confiscation des
übermäßigen Vorraths bestraft.
§. 1291. Für einen übermäßigen Vorrath ist derjenige zu
halten, welcher den doppelten Betrag der eignen Nothdurft bis zur Aerndte
übersteigt.
4) Auf-
und Vorkäuferey.
§. 1292. Wer durch Auf- und Vorkäuferey Lebensmittel und
andre gemeine Bedürfnisse vertheuert, oder die Zufuhre derselben zu den
öffentlichen Märkten zu hindern oder zu schwächen unternimmt, soll nach
Bestimmung der Polizeygesetze eines jeden Orts, nachdrücklich bestraft werden.
5) Ueberschreitung
der Taxe.
§. 1293. Eben dieses findet statt, wenn der Verkaufspreis
die festgesetzte Taxe übersteigt.
6) Büchernachdruck.
§. 1294. Bücher, auf welche ein Königlicher Unterthan das
Verlagsrecht hat, soll niemand nachdrucken.
§. 1295. Hat der rechtmäßige Verleger ein ausdrückliches
Privilegium erhalten: so hat der Nachdrucker eines Buchs, welchem ein solches
Privilegium vorgedruckt, oder dessen Inhalt auf oder hinter dem Titelblatte
bemerkt ist, die in dem Privilegio angedrohete Strafe verwirkt.
§. 1296. a) Findet die Strafe aus einem besondern Privilegio
nicht statt: so soll dennoch der Nachdruck auf den Antrag des rechtmäßigen
Verlegers confiscirt, und zum Verkauf unbrauchbar gemacht; oder dem Verleger,
wenn er es verlangt, überlassen werden.
§. 1296. b) Es muß aber, in diesem letztern Falle, der
rechtmäßige Verleger, wenn er den Nachdruck übernehmen will, die von dem
Nachdrucker darauf verwendeten Auslagen demselben auf die zu leistende
Entschädigung anrechnen, oder so weit sie dazu nicht erforderlich sind, an die
Strafcasse herausgeben.
§. 1297. a) So weit der Nachdruck selbst verboten ist, darf
auch niemand, bey gleicher Strafe, mit auswärts nachgedruckten Büchern Handel
treiben.
§. 1297. b) Buchbinder dürfen des Handels mit ungebundenen
Büchern, und bloß gehefteten Schriften, bey Strafe der Confiscation des Werks,
und des für schon verkaufte Exemplare gelöseten Werths, sich nicht anmaßen.
§. 1297. c) Ein Verfasser kann seine für eigne Rechnung
gedruckten Schriften zwar durch sich selbst, oder auch durch Andere verkaufen;
es darf aber dergleichen Verkauf nicht in einem öffentlichen Laden, und an
Orten, wo Buchhändler sind, nicht durch Buchbinder geschehen.
§. 1297. d) Uebertretungen dieser Vorschrift werden
ebenfalls mit der Strafe der Confiscation nach §. 1297. b) geahndet.
7) Unerlaubte
Spiele.
§. 1298. Hazardspiele sind unerlaubt, sobald aus der
Beschaffenheit der spielenden Personen, des Einsatzes, und der übrigen Umstände
erhellet, daß selbige aus Gewinnsucht gespielt werden.
§. 1299. Unter den Hazardspielen wird besonders, Bassette,
Lansquenet, Faraon, Cinq et Neuf, Quinze, Passe ä dix, Lotto, Trischacken,
Würfeln, und ähnliche Spiele verstanden.
§. 1300. Wer bey dergleichen Spielen die sogenannte Bank
macht, hat, nach Beschaffenheit des Spiels, der Höhe des Einsatzes, und der
Größe des gesuchten unerlaubten Gewinns, fiscalische Strafe von hundert bis
tausend Ducaten verwirkt.
§. 1301. Jeder Mitspieler sowohl bey dem Faraon, als allen
übrigen Hazardspielen, wie solche Namen haben mögen, soll, nach gleichem
Verhältnisse, um fünfzig bis dreyhundert Ducaten fiscalisch bestraft werden.
§. 1302. Das Wetten, oder sogenannte Pariren, ist, wenn es
auch bey erlaubten Spielen geschieht, dennoch dem Hazardspiele gleich zu
achten.
§. 1303. Leute, die von Spielen Gewerbe machen, und zu
solchem Ende Brunnen, Bäder, und andre öffentliche Oerter und Versammlungen
besuchen, sol len über die Gränze geschafft; wenn sie aber dennoch zu Treibung
ihres verbothnen Gewerbes zurückkeh ren, auf Ein Jahr zur Festung abgeliefert
werden.
§. 1304. Gast- und Caffeewirthe, und überhaupt alle
Unternehmer öffentlicher Zusammenkünfte, welche verbotene Spiele bey sich
dulden, sollen dreyhundert Thaler Strafe entrichten.
§. 1305. Haben sie zu solchen Spielen verschlossene Zimmer
hergegeben, oder sonst zu deren Verheimlichung mit gewirkt, so wird die Strafe
verdoppelt.
§. 1306. Werden sie zum zweytenmale wegen einer solchen
Uebertretung zur Verantwortung gezogen, und schuldig befunden: so sollen sie,
außer der Geldbuße, mit dem Verluste ihres Gewerbes bestraft werden.
§. 1307. Officianten, welche von Hazardspielen ein Gewerbe
machen, sollen ihres Amts entsetzt werden.
8) Stiftung
von Uneinigkeiten in Familien.
§. 1308. Wer aus eigennützigen Absichten, durch Verläumdung,
Uneinigkeiten unter nahen Verwandten oder Ehegatten stiftet, soll nach
Verhältniß der zum Grunde liegenden boshaften Absicht, und des daraus,
entstandnen Schadens, mit nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe belegt
werden.
9) Erbschieichung.
§. 1309. Wer dergleichen Uneinigkeit in der Absicht stiftet,
Erbschaften oder Vermächtnisse den natürlichen Erben zu entziehen, und selbige
sich oder andern zuzueignen, der ist als ein Betrüger zu bestrafen.
10) Unerlaubte Contracte.
§. 1310. Wer einem Minderjährigen Darlehn oder sonst
unerlaubten Credit giebt, der soll, außer der von selbst folgenden Nichtigkeit
des Vertrags, eben so viel, als die geliehene oder geborgte Summe oder Waare
beträgt, zur Strafe entrichten.
§. 1311. Eben so wird der bestraft, welcher einer zwar
großjährigen, aber wegen Verschwendung oder sonst unter Vormundschaft stehenden
Person unerlaubten Credit giebt.
§. 1312. Ferner derjenige, welcher wissentlich Kindern, die
zwar großjährig, aber noch unter väterlicher Gewalt sind, Gelder oder Sachen
zur Schwelgerey, Ueppigkeit, oder Verschwendung borgt, oder leihet.
§. 1313. Wer von dergleichen Personen (§. 1310- 1312.)
Kostbarkeiten, Kleidungsstücke u. s. w. ohne Einwilligung ihrer Vorgesetzten
kauft, zu Pfande oder an Zahlungsstatt annimmt, und ihnen dadurch die Mittel zu
ihren Ausschweifungen verschafft; der ist gleicher Strafe schuldig.
§. 1314. Wer einer Person vom Militairstande gegen das
Verbot der Gesetze (Th. I. Tit. XI. §. 700.) Credit giebt, wird um so viel, als
die Forderung beträgt, fiskalisch bestraft.
§. 1315. Ist der Vorschuß absichtlich zu Schwelgereyen und
Ausschweifungen gegeben worden: so hat der Uebertreter, noch außerdem, eine der
Hälfte des Vorschusses gleich kommende Geldstrafe verwirkt.
§. 1316. Wer von einer Militairperson brauchbare
Mondirungsstücke(!), oder andre zum Kriegsdienste gehörige Sachen kauft, oder
sonst an sich bringt, muß, außer dem an das Regiment zu ersetzenden Schaden,
den dreyfachen Werth eines solchen Stücks zur Strafe entrichten.
§. 1317. Wegen des strafbaren Leihens und Borgens an
Studirende, hat es bey den Vorschriften des zwölften Titels §. 104. sqq. sein
Bewenden.
§. 1318. Wer sich mit vorstehend benannten Personen (§.
1310-1317.) in dergleichen unerlaubte Verträge einläßt, hat die gesetzmäßige
Strafe verwirkt, wenn auch nicht erhellet, daß es aus Eigennutz geschehen sey.
§. 1319. Aber auch derjenige, welcher andern Personen von
bekannter unordentlicher Lebensart, wissentlich und vorsätzlich, zu einer
vorhabenden liederlichen Verschwendung Gelder oder Sachen giebt, verliert, wenn
es aus eigennützigen Absichten geschehen ist, seine Forderung zum Besten der
Armencasse.
§. 1320. Hat jemand aus dergleichen eigennütziger Absicht,
die ihm bekannte Verschwendung und Ausschweifungen einer verheiratheten Frau,
ohne Vorwissen ihres Mannes, mit Vorschüssen unterstützt: so soll er, außer dem
Verluste der Forderung, um den Betrag des Vorschusses fiskalisch bestraft
werden.
§. 1321. Sind dergleichen Vorschüsse solchen Per- sonen (§.
1319. 1320.) nicht aus Eigennutz, sondern aus andern unerlaubten Absichten
geleistet worden: so soll, nach Verhältniß des für den Verschwender oder dessen
Familie daraus entstandenen Schadens, willkührliche (§. 35.) doch nachdrückliche
Geld- oder Leibesstrafe statt finden.
§. 1322. Was §. 1310-1321. von Vorschüssen vorgeschrieben
worden, ist auch vom Creditiren der zur Verschwendung oder liederlichen
Ausschweifung dienlichen Sachen zu verstehen.
§. 1323. Eben dieses findet auch statt, wenn unter den §.
1320. bestimmten Umständen, der Ehefrau, ohne Vorwissen ihres Mannes, Sachen
abgekauft, oder von ihr zum Pfände angenommen werden.
§. 1324. Mit der §. 1321. festgesetzten Strafe sind auch
diejenigen zu belegen, welche ein Gewerbe daraus machen, junge Leute zu
Ausschweifungen zu verführen, und ihnen dazu Gelegenheit machen.
//. Betrug, gemeiner;
§. 1325. Wegen der Folgen des gemeinen Betrugs, der in
Contracten, oder sonst im Handel und Wandel verübt worden, hat es bey den Vorschriften
der bürgerlichen Gesetze sein Bewenden.
§. 1326. Wird bey einem über dergleichen Geschäfte
entstandenen Rechtsstreite ein grober Betrug vollständig ausgemittelt: so soll
in dem Urtel über die Hauptsache, zugleich auf verhältnißmäßige Geld- oder Gefängnißstrafe
gegen den Betrüger erkannt werden. <§. 35.)
§. 1327. Gesetzwidrige Handlungen, welche in der Absicht
unternommen worden, um einen Andern wider sein Wissen und Willen um das Seinige
zu bringen, werden dem Betruge gleich geachtet.
qualificirter.
§. 1328. Ein unter erschwerenden Umständen verübter Betrug
soll von Amts wegen untersucht, und der Regel nach mit einer dem doppelten
Betrage des gesuchten Gewinns gleichkommenden Geldstrafe belegt werden. (§.
85.)
A. Untreue,
§. 1329. Diese Strafe (§. 1328.) trifft also denjenigen,
welcher, außer der allgemeinen Verbindlichkeit, noch besondere Verpflichtungen,
einen Andern mit Treue und Redlichkeit zu behandeln, auf sich hat, und
denselben gleichwohl hintergeht.
1) von
Beamten;
§. 1330. Die Strafe ungetreuer Beamten ist im Siebenten
Abschnitte bestimmt.
2) von
Vormündern;
§. 1331. Vormünder und Curatores, die durch untreue und
unredliche Verwaltung des Vermögens ihres Pflegebefohlnen die Remotion verwirkt
haben (Tit. XVIII. §. 924. sqq.), sollen, außer der ordinairen Strafe des
qualificirten Betrugs, (§. 1328.) für unfähig erklärt werden, ein öffentliches
Amt zu bekleiden; irgend eine Art des Erfüllungseides wider den Willen des
andern Theils zu leisten; und in Andrer Rechtsangelegenheiten ein glaubwürdiges
Zeugniß abzulegen.
§. 1332. Hat ein solcher Vormund einen wirklichen Diebstahl
an seinem Pflegebefohlnen begangen: so soll er mit der Leibesstrafe eines unter
erschwerenden Umständen begangnen Diebstahls belegt werden.
3) von
Mäklern;
§. 1333. Oeffentlich bestellte Mäkler, welche Betrügereyen
begehen, oder begünstigen, sollen außer der verwirkten ordinairen Strafe des
Betrugs, ihres Amts entsetzt, und daß dieses geschehen sey, an der Börse, so
wie durch die öffentlichen Anzeigen, bekannt gemacht werden.
4) von Justizcommissarien und
Consulenten.
§. 1334. Justizcommissarien und Consulenten, welche aus
eigennützigen Absichten schädliche Rathschläge wissentlich geben, haben, außer
der §. 1328. bestimmten Strafe, auch die Cassation verwirkt.
§. 1335. Wenn sie die Rechtsangelegenheiten der Parteyen aus
eigennützigen Absichten verschleppen, oder vernachläßigen: so sollen sie nicht
nur die §. 1328. bestimmte Strafe leiden, sondern auch, wenn dievorgängige
Warnung fruchtlos gewesen ist, ihres Amtes entsetzt werden.
§. 1336. Haben dergleichen Personen sich sogar in ein
Verständniß mit dem Gegentheile, zum Schaden ihrer Partey, eingelassen: so soll
die Strafe gegen sie, durch öffentliche Bekanntmachung, und Zuchthaus- arbeit
auf sechs Monathe, bis zu Einem Jahre geschärft werden.
§. 1337. Auch haben sie in diesem Falle, gleich den
treulosen Vormündern (§. 1331.) den Verlust des gerichtlichen Glaubens
verwirkt.
§. 1338. Justizcommissarii und Consulenten, welche zur Verdunkelung der Wahrheit, und
Verzögerung der Prozesse, ihren Parteyen mit Rath und That an die Hand gehen,
sollen allemal ihres Amtes entsetzt, und zu fernern Diensten des Staats für
unfähig erklärt werden.
§. 1339. Justizcommissarii können streitige Forderungen,
welche vor das Gericht gehören, bey welchem sie stehen, ohne vorgängige Anzeige
und Genehmigung der vorgesetzten Behörde, durch Kauf, Tausch, Cession, oder
sonst, weder als Gläubiger, noch als Schuldner übernehmen. (Th. I. Tit. XL §.
385-387.)
§. 1340. Besonders sollen sie sich keinen bestimmten Antheil
an der durch sie beyzutreibenden Forderung versprechen lassen.
§. 1341. Wenn sie diesen Vorschriften (§. 1339. und 1340.)
zuwider handeln: so sollen sie den doppelten Betrag des gesuchten Vortheils dem
Fisco zur Strafe erlegen.
§. 1342. Sollten aber Gründe vorkommen,weswegen die Parteyen
einen dergleichen Vertrag für zuträglich halten: so muß selbiger dem Richter
zur Genehmigung vorgelegt werden.
§. 1343. In den Fällen, wo die Genehmigung des Richters
erforderlich ist, muß derselbe prüfen: ob dabey eine Concussion, oder
hinterlistige Bevortheilung der Partey zum Grunde liege.
§. 1344. Ist ein gegründeter Verdacht einer Hinterlist oder
Erpressung nicht vorhanden, oder ist derselbe durch die von dem Richter
geschehene Belehrung der Partey gehoben worden: so kann die Genehmigung eines
solchen Vertrages nicht versagt werden.
5) Von Privatverwaltern;
§. 1345. Privatverwalter und Rechnungsführer, welche
vorsätzliche Betrügereyen in ihrem Amte begehen, sollen um den doppelten Betrag
des gesuchten Vortheils oder verursachten Schadens bestraft werden. (§. 1261.)
§. 1346. Privatverwalter, welche die Rechte, oder das
Interesse ihrer Herrschaft in ihren Amtsobliegenheiten muthwillig
vernachläßigen, sollen, außer dem Schadensersatze, zur Gefängnißstrafe auf vier
bis acht Wochen verurtheilt werden.
§. 1347. Haben sie Gelder oder Naturalien, welche von ihnen,
vermöge ihres Amts, schon empfangen und eingehoben worden, unterschlagen: so
sollen sie, außer der durch den Betrug verwirkten Geldbuße, auch noch die
körperliche Strafe gemeiner Diebe leiden.
§. 1348. Jeden Verwalter, der sich eines Betrugs, einer
groben Fahrläßigkeit, oder eines feindseligen Betragens gegen seine Herrschaft
schuldig macht, ist diese seines Amts sofort zu entsetzen berechtigt.
§. 1349. Betrügereyen der Privatverwalter gegen ihre
Prinzipale sollen nur auf Antrag der letzten untersucht und bestraft werden.
6) des
Gesindes;
§. 1350. Veruntreuungen des gemeinen Gesindes und der
Hausgenossen, durch Unterschlagung der ihnen anvertrauten Gelder oder Sachen,
sollen niemals mit Gelde gebüßt, sondern als Hausdiebstahl angesehen, und
bestraft werden.
§. 1351. Dienstboten und Hausgenossen, die auf den Namen der
Herrschaft, oder des Hausvaters, ohne deren Vorwissen Schulden machen; oder in
Ausrichtung ihrer Geschäfte und Aufträge, zur Bevortheilung der Herrschaft, mit
andern in Verständniß treten, sind als gemeine Diebe zu bestrafen.
§. 1352. Es findet aber auch hier die Vorschrift des §.
1349. Anwendung.
7) bey Depositis;
§. 1353. Wie die Veruntreuung gerichtlich niedergelegter
Gelder oder Sachen zu ahnden sey, ist §. 377. sqq. und §. 418. sqq. verordnet.
§. 1354. Privatpersonen, welche ein ihnen zur Verwahrung
anvertrautes Gut angegriffen, oder verzehrt haben, sind mit der auf den
qualificirten Betrug gesetzen Strafe (§. 1328.) zu belegen.
§. 1355. Wer das ihm anvertraute Gut vorsätzlich abläugnet
soll, noch außer dieser Strafe, für unfähig erklärt werden, irgend eine Art des
Erfüllungseides zu leisten, und ein glaubwürdiges Zeugniß abzulegen.
§. 1356. Ist ein zur Zeit einer Feuers-, Wassers- oder
Kriegsnoth(!) anvertrautes Gut abgeläugnet worden: so soll, außer der
vorbestimmten Unfähigkeit zu Eidesleistungen, auf die Strafe eines unter
erschwerenden Umständen begangnen Diebstahls erkannt, und selbige öffentlich
bekannt gemacht werden.
§. 1357. Wer ein dergleichen anvertrauetes Gut (§.
1354-1356.) verzehrt, oder abhanden bringt, soll, wenn er dem Niederleger den
dadurch verursachten Schaden nicht ersetzen kann, nach Verhältniß desselben
statt der §. 1354; bestimmten Geld- zu drey- bis achtzehnmonathlicher Festungs-
oder Zuchthausstrafe verurtheilt werden.
§. 1358. Wer von Sachen, die bey ihm in Verwahrung oder als
Pfand niedergelegt worden, ohne ausdrückliche Einwilligung des Eigenthümers
Gebrauch macht; der hat dadurch Gefängnißstrafe auf drey bis vierzehn Tage,
oder verhältnißmäßige Geldstrafe verwirkt.
§. 1359. Ist mit dem Gebrauche der Sache eine beträchtliche
Gefahr für den Eigenthümer verbunden gewesen; oder ist daraus für denselben ein
wirklicher Schade entstanden: so soll der Verwahrer, nach Verhältniß der Gefahr
oder des Schadens, eine vierzehntägige bis sechswöchentliche Gefängnißstrafe
leiden.
§. 1360. Ist dadurch ein Schade an der Gesundheit veranlaßt
worden: so findet Festungs- oder Zuchthausstrafe von sechs Wochen bis zu
achtzehn Monathen statt.
§. 1361. Ist der Tod eines Menschen die Folge einer Solchen
unerlaubten Handlung gewesen: so treten die Vorschriften vom Todschlage aus
Fahrläßigkeit ein. (§. 691. 777. sqq.)
§. 1362. Werden an den zur Verwahrung übergebenen Sachen
Schlösser oder Siegel geöffnet: so finden die Vorschriften Th. I. Tit. XTV. §.
26-40. Anwendung.
§. 1363. Wer überführt wird, das Schloß oder Siegel, unter
welchem ihm die Sache zur Verwahrung übergeben worden, eigenmächtig eröffnet zu
haben, soll schon deswegen mit acht- bis vierzehntägigem Gefängnisse bestraft
werden.
§. 1364. Ist dies in der Absicht geschehen, von der zur
Verwahrung erhaltenen Sache einen widerrechtlichen Gebrauch zu machen: so wird
die im §. 1358. sqq. auf den widerrechtlichen Gebrauch gesetzte ordentliche
Strafe bis zur Hälfte verschärft.
§. 1365. Eben diese Strafe wird verdoppelt, wenn mit der
eigenmächtigen Eröffnung die Absicht zu entwenden verbunden war.
§. 1366. Wer Sachen, welche ihm bloß zu seiner Sicherheit
eingeräumt worden, widerrechtlich gebraucht, abläugnet,oderunterschlägt,ist mit
derjenigen Strafe zu belegen, welche in gleichem Falle (§. 1354. 1355. 1357.)
in Ansehung des Verwahrers verordnet ist.
§. 1367. Wissentliche und widerrechtliche Verpfändung
fremder Sachen ist, wenn sie von Seiten des Inhabers geschieht, als eine
Veruntreuung nach Vorschrift des §. 1328. 1329. zu bestrafen.
§. 1368. Wer fremde Sachen, um sie zu verpfänden, entwendet,
hat die Strafe des Diebstahls verwirkt.
§. 1369. Die im §. 1367. verordnete Strafe trifft auch den,
welcher wissentlich fremde Sachen kauft, eintauscht, zu Pfande, oder sonst
widerrechtlich in Gebrauch nimmt; wofern nicht die härtern Strafen des §. 1358.
sqq. eintreten.
8) durch
Erbrechung fremder Briefe;
§. 1370. Wer die Briefe eines Andern, ohne dessen Willen,
und ohne besondre Befugniß öffnet, hat schon dafür drey- bis vierzehntägige
Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 1371. Ist dergleichen widerrechtliche Erbrechung fremder
Briefe zugleich als Mittel zu Ausübung eines andern Verbrechens gebraucht
worden: so wird die Strafe des letzten um ein Viertheil verschärft.
9) von
Bevollmächtigten;
§. 1372. Wer bey Ausrichtung eines übernommenen Auftrags
seinen Machtgeber hintergeht, und dadurch vorsätzlich in Schaden bringt, soll
eben so viel, als der Schade beträgt, zur Strafe entrichten.
§. 1373. Hat jemand Gelder oder Sachen, die er vermöge
erhaltenen Auftrags für einen Andern in Empfang genommen, veruntreuet, und den
Empfang dem Machtgeber verschwiegen, oder abgeläugnet: so soll er, außer obiger
Ahndung, mit der Leibesstrafe des gemeinen Diebstahls belegt werden.
§. 1374. Ist der Bevollmächtigte ein Justizcommissarius: so
hat er, außer der §. 1373. bestimmten Strafe, auch die Cassation verwirkt.
10) Von Handlungsgesellschaftern;
§. 1375. Gegen Handlungsgesellschafter, die einander
betrügen, soll die ordinaire Strafe der Untreue (§. 1328.1329.) stattfinden.
11) im Assecuranzvertrage.
§. 1376. Eben so sollen Versicherer und Versicherte, die
sich solcher Betrügereyen gegen einander schuldig gemacht haben, bestraft
werden.
B. Verfälschungen
§. 1377. Gegen Betrügereyen, welche auf eine vorzüglich
listige und schwer zu entdeckende Weise verübt worden, soll die ordinaire
Strafe jedesmal geschärft werden.
§. 1378. Betrügereyen, wodurch gewissen Personen oder Sachen
Merkmale von Eigenschaften, welche
ihnen nicht zukommen, zu Bevortheilung Anderer beygelegt,
oder wodurch wirklich vorhandene Eigenschaften in gleicher Absicht verheimlicht
worden, sind als Verfälschungen mit geschärfter Strafe zu ahnden.
§. 1379. Auch der macht sich dieses Verbrechens schuldig,
der sich der von Andern gemachten Verfälschungen, wissentlich, zum Nachtheile
eines Dritten bedient.
1) der Urkunden;
§. 1380. Wer zur Ausübung eines Betrugs falsche schriftliche
Urkunden verfertigt, oder richtige verfälscht, der soll, außer der ordinairen
Ahndung des qualificirten Betrugs (§. 1328.) zugleich verhältnißmäßige Leibes-
oder Ehrenstrafen leiden.
§. 1381. Wie diejenigen zu bestrafen sind, welche Banknoten,
Pfandbriefe, und andre zum allgemeinen Umlaufe im Publico öffentlich bestimmte
Papiere verfälschen, oder nachahmen, ist §. 267. sqq. verordnet.
§. 1382. Wer auswärtige Banknoten, Pfandbriefe, oder andre
dergleichen zum allgemeinen Umlaufe bestimmte Papiere verfälscht, oder
nachmacht, soll drey- bis sechsjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe leiden.
§. 1383. Haben jedoch dergleichen Papiere innerhalb Landes
keinen Umlauf: so findet nur die Hälfte dieser Strafe (§. 1382.) statt.
§. 1384. Wer aus eigennützigen Absichten eine Verfälschung
oder Nachmachung gerichtlicher oder andrer öffentlicher Urkunden begeht, soll,
außer der ordinairen Ahndung (§. 1328.) mit der Strafe eines unter
erschwerenden Umständen begangenen Diebstahls belegt werden.
§. 1385. Ist er selbst eine zur Verfertigung, Aufnehmung,
oder Verwahrung solcher Urkunden öffentlich bestellte Person: so soll diese
Strafe in der Dauer verdoppelt, und durch Cassation und öffentliche
Bekanntmachung geschärft werden.
§. 1386. Wer in der Absicht, Andere zu bevortheilen falsche
Wechsel oder andere Privatschriften macht, oder darin etwas verfälscht, gegen
den soll auf sechsmonatliche bis zweyjährige Zuchthausstrafe erkannt werden.
§. 1387. Ist die Verfälschung durch Nachmalung der Hand,
oder Nachbildung des Siegels eines Andern verübt worden: so wird der Betrüger,
außer der ordinairen Ahndung (§. 1380.), mit zwey- bis vierjähriger
Zuchthausstrafe belegt.
§. 1388. Eben diese Strafe soll auch wegen Unterschiebung
falscher Testamente statt finden.
§. 1389. Ist durch die falsche Urkunde noch niemand wirklich
betrogen worden: so findet die halbe Strafe der Verfälschung (§. 1380 bis
1387.) statt.
§. 1390. Im Wiederholungsfalle soll der Verfälscher, der
Betrug mag ausgeführt seyn, oder nicht, wenn er ein Jude ist, den Schutz des
Staats, so wie ein Kaufmann seine kaufmännische Rechte verlieren; gegen andere
aber die durch die Verfälschung an sich verwirkte Strafe um die Hälfte der Zeit
verlängert werden.
§. 1391. Hat jemand falsche Urkunden, nicht bloß zur
Hintergehung einer gewissen bestimmten Person, sondern zu Ausübung mehrerer und
wiederholter Betrügereyen verfertigt: so soll die verwirkte Strafe durch
öffentliche schimpfliche Ausstellung geschärft werden.
§. 1392. Diese Schärfung trifft besonders denjenigen, der
unter dem Schutze solcher falschen Zeugnisse, zu seinem eignen Vortheile,
Collecten auf den Namen einer Commune, Kirche, Schule, oder andern öffentlichen
Anstalt einsammelt.
§. 1393. Hat der Betrüger nicht für andre, sondern für sich
selbst, obschon unter einem falschen Namen, dergleichen Einsammlungen gemacht:
so hat er ein- bis zweijährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 1394. Marktschreyer und Charlatans, welche falsche
Zeugnisse von ihren angeblichen Curen aufzeigen, sollen mit sechswöchentlicher
bis einjähriger Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1395. Die im §. 1393. verordnete Strafe soll auch gegen
den erkannt werden, welcher durch falsche Adels- oder Doctorsdiplome, oder
andre dergleichen falsche Zeugnisse und Urkunden, das Publicum in Ansehung
seines Standes, seiner Herkunft, oder andrer persönlichen Verhältnisse, aus
eigennützigen Absichten zu hintergehen sucht.
§. 1396. Wer, auch ohne falsche Urkunden zu machen, des
Adels oder höherer Stufen desselben, ingleichen solcher Würden oder
Ehrenzeichen, deren Verleihung nur dem Staate zukommt, in der Absicht Andre zu
bevortheilen, zur Ungebühr sich anmaßt, der soll als ein Betrüger (§. 1328.)
bestraft, und dieses öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 1397. Ist die ungebührliche Anmaßung nur aus Eitelkeit
geschehen: so findet fiskalische Geldstrafe von zwanzig bis hundert Thalern
statt.
§. 1398. Wer Urkunden entwendet, oder unterschlägt; ist
gleich dem, welcher sie verfälscht, zu bestrafen.
2) falsches Spiel;
§. 1399. Betrug im Spiele, der nur ein oder andresmal
begangen worden, wird als ordinairer Betrug geahndet. (§. 1325.)
§. 1400. Wer aber von falschen Spielen ein Gewerbe macht,
soll als ein listiger Dieb gestraft, und nach aus- gestandener Strafe über die
Gränze verwiesen werden. (§. 1303.)
§. 1401. Wer sich mit einem Trunkenen in hohe, obschon sonst
erlaubte Geldspiele einläßt, soll den gezogenen Gewinn zurückgeben, und eben so
viel an Geldstrafe entrichten.
3) Goldmacher und Wahrsager;
§. 1402. Leute, die durch bezügliche Gaukeleyen, als
Goldmacher, Geisterbanner, Wahrsager, Schatzgräber u. s. w. das Publicum
hintergehen, haben, außer der ordinairen Strafe des Betruges, Zuchthausstrafe
auf sechs Monathe bis Ein Jahr, und öffentliche Ausstellung verwirkt.
4) Gränzverrückung ;
§. 1403,. Wer aus Eigennutz, und um seines Vortheils willen,
Gränzsteine, oder andre zur Bestimmung der Privatgränzen gesetzte Zeichen
wegreißt, verrückt, oder sonst verändert, der soll um den doppelten Betrag des
dadurch gesuchten Vortheils bestraft werden.
C. Betrug mit Verletzung andrer Pflichten. 1) Meineid und
Lügen vor Gericht.
§. 1404. Wenn mit einem Betruge, außer der Beleidigung des
Betrogenen, zugleich die Verletzung andrer Pflichten verbunden ist: so findet
allemal Schärfung der ordinairen Strafe statt.
§. 1405. Wer im Prozesse, als Partey oder Zeuge, einen
falschen Eid wissentlich leistet: der wird aller Aemter, Würden, bürgerlichen
Ehre und Gewerbe, für immer verlustig; soll als ein meineidiger Betrüger
schimpflich ausgestellt, oder öffentlich bekannt gemacht; und außerdem, nach
Verhältniß des angerichteten Schadens, mit ein- bis dreijähriger Festungsstrafe
belegt werden.
§. 1406. Ist der Meineid um Gewinns oder Vortheils willen
begangen worden: so wird der Verbrecher, noch über alles dieses, um den
vierfachen Betrag des gesuchten Vortheils bestraft.
§. 1407. Diese Strafen des Meineides treffen also
denjenigen, welcher durch einen von dem Gegentheile zugeschobenen, oder von dem
Richter abgeforderten Eid, eine Unwahrheit wissentlich bekräftigt.
§. 1408. Es macht in dieser Strafe keinen Unterschied: ob
der geforderte Eid von einer Partey oder einem Zeugen abgeleistet worden.
§. 1409. Mit eben dieser Strafe soll auch der belegt werden,
welcher die ihm beywohnende Wissenschaft von einer Sache, oder Begebenheit, zu
deren Angabe er solchergestalt gerichtlich aufgefordert worden, eidlich
ableugnet(!).
§. 1410. Wer die Sorgfalt, zu welcher ihn der Eid
verpflichtet, nicht angewendet, oder sonst etwas eidlich als wahr bekräftiget,
oder als unwahr abgeleugnet hat, was er schon zur Zeit des geleisteten Eides
anders hätte wissen können, und sollen, der hat eine sechsmonathliche bis
zweyjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1411. a) Hat er aber von selbst seinen Irrthum angezeigt,
oder die Folgen desselben gehoben: so soll nur eine willkührliche
Gefängnißstrafe gegen ihn erkannt werden.
§. 1411. b) Auch diese Strafe fällt weg, wenn der Irrthum
noch innerhalb acht Tagen nach Ableistung des Eides angezeigt wird, und sonst
keine Spuren einer vorsätzlichen Verstellung der Wahrheit vorhanden sind.
§. 1412. Wer in einer Criminalsache durch ein falsches
eidliches Zeugniß dazu beygetragen hat, daß ein Unschuldiger gestraft worden,
gegen den wird die ordinaire Strafe des Meineides verhältnißmäßig, allenfalls
bis zur Todesstrafe, geschärft.
§. 1413. Wenn mehrere ein falsches Zeugniß unter sich
verabreden: so soll die sonst verwirkte Strafe verschärft; und wenn dadurch ein
Mensch ums Leben gekommen ist, die Strafe des Rades von unten an dem Urheber
vollzogen werden.
§. 1414. Wer durch Bestechungen, oder andere versprochene,
oder wirklich verschafte Vortheile, einen Andern zu einem vorsätzlichen
falschen Eide verleitet, soll mit dem Meineidigen gleiche körperliche Strafe
leiden; und außerdem, um den vierfachen Betrag des gesuchten Vortheils, an
Gelde gestraft werden.
§. 1415. Wenn jemand, durch versprochne oder gegebene Belohnung,
Zeugen zur Aussage der Wahr- heit zu bewegen sucht: so soll auf ihr Zeugniß zu
seinem Vortheile keine Rücksicht genommen werden.
§. 1416. Zeugen, welche dergleichen Belohnung fordern oder annehmen, haben
sechswöchentliche bis einjährige Gefängniß- oder Arbeitshausstrafe verwirkt.
§. 1417. Haben sie dergleichen Belohnung unter Androhung
eines falschen Zeugnisses zu erpressen gesucht: so soll ihnen eine ein- bis
zweyjährige Zuchthausstrafe zuerkannt werden.
§. 1418. Hat der Zeuge, auf Befragen des Richters, das
Versprochne oder den Empfang der Belohnung eidlich abgeläugnet: so tritt die
Strafe des Meineides ein. (§. 1405. sqq.)
§. 1419. Bey der Bestrafung eines falschen Eides macht es
keinen Unterschied: ob selbiger mündlich oder schriftlich, persönlich oder
durch einen Bevollmächtigten, vor versammeltem Gerichte, oder vor einem
Abgeordneten desselben geleistet worden.
§. 1420. Wer in Angelegenheiten seines Amts etwas Falsches
oder Unwahres, wider besseres Wissen, als wahr und richtig, auf seinen geleisteten
Amtseid bezeugt oder versichert: der soll als ein Meineidiger bestraft werden.
§. 1421. Mitglieder solcher Religionsparteyen, die mit dem
Vorrechte, nicht schwören zu dürfen, im Staate aufgenommen worden, sind als
Meineidige zu bestrafen, wenn sie die feyerliche Bekräftigungsformel, welche
bey ihnen die Stelle des Eides vertritt, zur Bestätigung einer Unwahrheit
mißbrauchen.
§. 1422. Wie diejenigen bestraft werden sollen, welche in
Prozessen Unwahrheiten gerichtlich, obschon nicht eidlich, behaupten, oder die
Wahrheit dem Richter vorsätzlich verheelen, ist in der Prozeßordnung
vorgeschrieben.
§. 1423. Wenn einer Partey, oder einem Zeugen, gegen ihre
gewissenhafte Versicherung, die förmliche Eidesleistung erlassen worden, und
diese Versicherung wissentlich unrichtig gewesen ist: so soll der Lügner zu
allen nothwendigen und Zeugeneiden für unfähig erklärt, und mit Gefängniß- oder
Arbeitshausstrafe auf sechs Monathe bis zu Einem Jahre belegt werden.
§. 1424. Wenn aber jemand in Fällen, da die Gesetze, statt des
Zeugeneides, nur eine Versicherung auf Ehre fordern, eine Unwahrheit
solchergestalt wissentlich und vorsätzlich bekräftigt: so findet gegen ihn die
ordinaire Strafe des Meineides statt.
§. 1425. Da Schuldverschreibungen und Verzichtsleistungen
durch den Eid keine größere Kraft erhalten: so soll, wegen eines solchen
Mißbrauchs der Eide, sowohl derjenige, welcher den Eid gefordert, als der,
welcher selbigen geleistet hat, mit Geldstrafe von fünf bis zehn Thalern belegt
werden.
§. 1426. Aus eben den Gründen sind alle außergerichtliche
Versprechungseide bey gleicher Strafe verboten.
§. 1427. Wer einen andern zu einer nach den Gesetzen
ungültigen Handlung durch den Eid hat verpflichten wollen, soll diese Strafe
doppelt entrichten.
§. 1428. Werden andern zu einer verbotenen Handlung durch
den Eid verpflichten will, gegen den wird die Strafe des durch dergleichen
Verführung begangenen Verbrechens nachdrücklich geschärft.
§. 1429. Wer durch einen außer(!) gerichtlichen Eid jemanden
hintergeht, gegen den wird die Strafe des qualificirten Betrugs (§. 1328.) um
die Hälfte erhöht. §. 1430. Wer nach vorgängiger Bestrafung sich zum
zweytenmale eines Meineides schuldig macht, soll, nach Beschaffenheit des
dadurch verursachten Schadens, mit sechs- bis zehnjähriger, auch bey besonders
erschwerenden Umständen, mit
lebenswieriger Festungsarbeit bestraft werden.
Falsche Anschuldigung und Anklage.
§. 1431. Wer jemanden wissentlich ohne Grund eines
Verbrechens beschuldiget, soll in der Regel die Hälfte der Strafe erdulden,
welche den Denunciaten getroffen haben würde, wenn die Beschuldigung wäre wahr
befunden worden.
§. 1432. Ist der Denunciat zufolge der falschen Denunciation
unschuldig bestraft worden: so soll den Denuncianten diejenige Strafe treffen,
welche der Denunciat schon wirklich erlitten hat; in so fern nicht nach §.
1431. eine härtere Strafe eintreten würde.
§. 1433. Ist der eines todeswürdigen Verbrechens
Angeschuldigte im Arrest an einer dadurch veranlaßten oder tödtlich gewordenen
Krankheit gestorben: so hat der falsche Denunciant lebenswierige; im Falle der
erfolgten Hinrichtung aber, eine gleiche Todesstrafe verwirkt.
§. 1434. Ist der Angeklagte, gegen welchen Todes- oder
lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe erkannt worden, oder unter
vorausgesetzter Wahrheit der Denunciation hätte erkannt werden müssen, noch am
Leben: so hat der Denunciant zehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder
Zuchthausstrafe ver wirkt.
2) doppelte
Taufe;
§. 1435. Wer um Gewinns und Vortheils willen, mit
Verschweigung der schon empfangenen Taufe, sich oder die Seinigen abermals
taufen läßt, gegen den wird die ordinaire Strafe des qualificirten Betruges
durch körperliche Züchtigung geschärft.
3) Unterschiebung
fremder Geburt;
§. 1436. Wer durch Unterschiebung eines fremden Kindes die
Familienrechte betrüglicher Weise kränkt, hat Zuchthaus- oder Festungsstrafe
auf Ein bis vier Jahre verwirkt.
§. 1437. Diese Strafe trifft hauptsächlich diejenigen,
welche für eine gar nicht vorhandene, oder verunglückte Geburt ein fremdes Kind
unterlegen;
§. 1438. Aber auch diejenigen, welche Kinder, die ihrer
Pflege und Wartung anvertrauet sind, vorsätzlich, und um Betrugs willen, mit
andern verwechseln.
§. 1439. Hat ein Mitglied der Familie selbst sich eines solchen
Verbrechens theilhaftig gemacht: so wird dasselbe, noch außer dieser Strafe,
aller ihm als einem solchen Mitgliede zukommenden Rechte und Vortheile
verlustig.
4) Mißbrauch
fremden Namens und Wappens.
§. 1440. a) Wer zur Ausführung eines Betruges, sich eines
fremden Familiennamens oder Wappens
bedient, der soll mit der ordinairen Strafe des qualificirten Betrugs
belegt, und dieses, zur Genugthuung für die beleidigte Familie, öffentlich
bekannt gemacht werden.
§. 1440. b) Wer, auch ohne unerlaubte Absicht, eines fremden
Familiennamens oder Wappens unbefugter Weise sich bedient, dem soll dergleichen
Anmaßung bey willkührlicher doch nachdrücklicher Geldstrafe untersagt, und
diese Strafe, im Uebertretungsfalle, gegen ihn wirklich verhängt werden.
D. Betrug des Publici.
§. 1441. Auf Betrügereien, welche nicht bloß zur
Vervortheilung gewisser bestimmter Personen, sondern des Publici überhaupt
abzielen, muß die ordinaire Strafe des qualificirten Betruges allemal geschärft
werden. (§. 1328).
1) Verfälschung von Waaren, Maaß und Gewicht;
§. 1442. Wer die zum Verkaufe bestimmten Lebensmittel, oder
andre Waaren, mit fremden Materialien vermengt oder versetzt, um dadurch ihr
Maaß und Gewicht, oder ihre scheinbare Güte, betrüglicher Weise zu vermehren,
gegen den wird die Strafe des qualificirten Betruges (§. 1328.) um die Hälfte
geschärft.
§. 1443. Ist durch dergleichen Verfälschung zugleich das
Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet, oder wirklich beschädigt
worden: so hat es bey den Vorschriften des Eilften Abschnitts sein Bewenden.
§. 1444. Die §. 1442. bestimmte Strafe findet auch gegen
diejenigen statt, welche falsches Maaß oder Gewicht führen.
§. 1445. Desgleichen gegen diejenigen, welche mit Zeichen
oder Proben, die nur für Waaren von gewisser Art oder Güte bestimmt sind,
Waaren von schlechterer Art oder Güte betrüglicher Weise bezeichnen.
§. 1446. Außer der Strafe solcher Betrügereyen, soll auch
allemal der Vorrath von Waaren oder Sachen, an welchen der gleichen
Verfälschung begangen wor- den, confiscirt werden.
§. 1447. So weit es nothwendig ist, die fernern schädlichen
Folgen des Betrugs zu verhüten, sind solche Vorräthe zu vernichten; sonst aber
zum Besten der Armen zu verwenden.
§. 1448. Hat jemand, der wegen eines solchen Betrugs schon
bestraft worden, sich desselben abermals schuldig gemacht: so soll er. außer
der an sich verwirkten Strafe, Handel und Gewerbe zu treiben für unfähig
erklärt, und dieses öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 1449. Ein Gleiches soll statt finden, wenn ein solcher
Betrüger zwar noch niemals bestraft worden; aber doch diese Art des Betrugs
schon seit Einem Jahre getrieben, und die frühere Entdeckung desselben durch
besondere List und Verschlagenheit zu verhindern gewußt hat.
§. 1450. Hat, durch dergleichen Betrug, der Credit und
Absatz der Landeserzeugnisse und Fabrikwaaren in auswärtigen Landen Schaden
erlitten: so soll der Betrüger, außer der an sich verwirkten Ahndung des
Betrugs, selbst (§. 1442.), noch mit geschärfter Zuchthausstrafe, auf sechs
Monathe bis drey Jahre, belegt werden.
§. 1451. Wer Waaren von an sich untadelhafter Güte, mit dem
Namen oder Merkmale inländischer Fabrikanten oder Kaufleute fälschlich
bezeichnet, hat eine willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt. (§.
35.)
2) Bankerut, a) betrüglicher;
§. 1452. Ein betrüglicher Bankerutier ist derjenige, welcher
sein Vermögen verheimlicht, um seine Gläubiger zu hintergehen.
§. 1453. Wer in der Absicht, sich mit dem Schaden seiner
Gläubiger zu bereichern, ein Unvermögen zu zahlen fälschlich vorgiebt, soll
öffentlich ausgestellt, für ehrlos erklärt, und mit lebenswieriger
Festungsarbeit bestraft werden.
§. 1454. Wer durch Aufstellung erdichteter Gläubiger, oder
durch betrügliche Begünstigung solcher, deren Forderungen ungegründet, oder
übertrieben sind, oder sonst, die zur Bezahlung richtiger Schulden vorhandene
obgleich unzureichende Masse schmälert, wird des gerichtlichen Glaubens und
aller bürgerlichen Ehre verlustig, und soll fünf- bis zehnjährige
Zuchthaustrafe leiden.
§. 1455. Auch diese Strafe soll nach der Größe der
vorgehabten Verkürzung, und nach Beschaffenheit der zur Verheelung des Betrugs,
durch Verfälschung der Handlungsbücher und andrer Urkunden, oder sonst
angewendeten Mittel, noch ferner, und allenfalls bis zu lebenswieriger
Festungsarbeit geschärft werden.
§. 1456. Ein solcher betrüglicher Bankerutirer wird, wenn er
vor Vollziehung der Strafe gestorben, oder entwichen ist, für ehrlos erklärt,
und sein Bildniß an den Galgen geheftet.
§. 1457. In allen Fällen eines betrüglichen Bankeruts, soll
die Festungs- oder Zuchthausstrafe, am Anfange und Ende der Strafzeit, durch
Züchtigung verschärft werden.
b) muthwilliger;
§. 1458. Wer durch übertriebenen oder liederlichen Aufwand
sich außer Zahlungsstand gesetzt hat, ist ein muthwilliger Bankerutirer.
§. 1459. Für übertrieben ist jeder Aufwand zu achten, der
die Nothdurften und gemeinen Bequemlichkeiten des Lebens übersteigt, und mit
den jedesmaligen wirklichen Einkünften des Schuldners nicht im Verhältnisse
steht.
§. 1460. Insonderheit ist ein Aufwand, welcher durch Spiel,
Wetten, Schwelgerey, und unzüchtige Lebensart verursacht worden, unter allen
Umständen, und ohne weitere Untersuchung, als übertrieben, anzusehen.
§. 1461. Ein muthwilliger Bankerutirer soll aller Ehren und
Würden im Staate für unfähig erklärt, zu drey- bis sechsjähriger
Zuchthausstrafe verurtheilt, und diese Bestrafung, öffentlich bekannt gemacht
werden.
§. 1462. Ist er ein Kaufmann, so verliert er noch außerdem,
für immer, alle kaufmännische Rechte; so wie ein Jude für sich und seine
Familie den Schutz des Staats.
§. 1463. Entzieht sich ein solcher muthwilliger Bankerutirer
der Strafe durch die Flucht: so soll sein Bildniß an einen Schandpfahl geheftet
werden.
§. 1464. Wer zu einer Zeit, da er keine wahrscheinliche
Aussicht hat, seine Gläubiger jemals befriedigen zu können, dennoch zu
Unterstützung seiner Verschwendung Schulden macht, ist als ein muthwilliger
Bankerutirer anzusehen, und mit fünf- bis sechsjähriger Zuchthausstrafe zu
belegen.
§. 1465. Werden die unter solchen Umständen (§. 1464.)
gemachten Schulden zu Vergrößerung der Masse verwendet: so soll ein solcher
Bankerutirer mit drey- bis vierjähriger Zuchthausarbeit belegt werden.
c) fahrlässiger.
§. 1466. Wer zu einer Zeit, da er weiß, daß sein Vermögen
zur Bezahlung seiner Schulden nicht mehr hinreiche, aber noch Hoffnung hat, daß
selbiges sich im Kurzen verbessern werde, mit Verheimlichung seiner
Vermögensumstände neue Schulden macht, und dadurch den Verlust seiner Gläubiger
vergrößert, soll als ein fahrlässiger Bankerutirer angesehen werden.
§. 1467. Eben dafür ist derjenige zu achten, der bey der
Unzulänglichkeit seines Vermögens, den Rest desselben zu seinen eignen oder der
Seinigen Bedürfnissen, obschon ohne Verschwendung, verzehrt, und dadurch seinen
Gläubigern entzieht.
§. 1468. Ein Kaufmann, welcher entweder gar keine
ordentlichen Bücher führt, oder die Balance seines Vermögens, wenigstens
alljährlich einmal, zu ziehen unterläßt, und sich dadurch in Unwissenheit über
die Lage seiner Umstände erhält, wird bey ausbrechendem Zahlungsunvermögen als
ein fahrlässiger Bankerutirer bestraft.
§. 1469. Ein solcher fahrlässiger Bankerutirer (§.
1466-1468.) wird, wenn er in einem öffentlichen Amte steht, dieses Amtes, und
wenn er ein Jude ist, seines Schutzprivilegii, so wie ein anderer Kaufmann
aller kaufmännischen Rechte, verlustig: also daß er ohne besondere Erlaubniß
keinen Handel weiter treiben darf.
§. 1470. Außerdem hat derselbe, je nachdem der Verlust der
Gläubiger größer oder geringer, und das Unvermögen durch längere oder kürzere
Zeit verheimlicht worden ist, Zuchthaus- oder Festungsstrafe von Einem bis zu
drey Jahren verwirkt.
§. 1471. Die Hoffnung, durch weit aussehende
Handlungsspeculationen eine schon vorhandene Vermögensunzulänglichkeit zu
decken, kann einen fahrlässigen Bankerutirer nicht entschuldigen.
§. 1472. Eben so wenig ist die Erwartung künftiger
Erbschaften, oder anderer Anfälle, auf welche der Schuldner noch kein
unwiderrufliches Recht erlangt hat, dazu hinreichend.
d) unbesonnener;
§. 1473. Wer mit fremdem Gelde, ohne Genehmigung des
Gläubigers, verwegene und unsichere Unternehmungen wagt, durch deren
Fehlschlagung seine Gläubiger in Schaden und Verlust gesetzt werden, wird als
ein unbesonnener Bankerutirer bestraft.
§. 1474. Ob ein dergleichen Unternehmen für unbesonnen zu
achten sey, muß durch Sachverständige untersucht und beurtheilt werden.
§. 1475. Außer dem Verluste der Handlungsgerichtigkeit(!),
oder des Schutzprivilegii, hat ein solcher Bankerutirer Gefängnißstrafe, auf
sechs Monathe bis zu zwey Jahren, verwirkt.
e) was bey dem Bankerute überhaupt
zu beobachten sey.
§. 1476. Jeden erfolgenden Bankerut ist der Richter von Amts
wegen zu untersuchen, und nach Befund der Umstände zu bestrafen schuldig.
§. 1477. Ein zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern
getroffenes Abkommen kann denselben zwar von der Abarbeitung des Ausfalls,
nicht aber von der Untersuchung und Strafe des Bankeruts befreyen.
§. 1478. Wer bey Behandlung der Gläubiger einen derselben,
welcher kein vorzügliches Recht hat, vor den übrigen begünstigt, hat schon
dafür eine sechs- wöchentliche bis dreimonatliche Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1479. Kaufleute, welche durch Unglücksfälle zu zahlen
unvermögend geworden, sind nicht als Bankerutirer anzusehen.
§. 1480. Die Vorsteher und Aeltesten der Kaufmannschaft
jedes Orts sind schuldig, die ihnen bekannt werdenden Fälle eines strafbaren
Bankeruts, dem Richter bey hundert Ducaten fiscalischer Strafe anzuzeigen.
§. 1481. Nach den von ihnen an die Hand zu gebenden, oder
sonst eingezogenen Nachrichten, muß der Richter hauptsächlich beurtheilen: in
wie fern es einer förmlichen Criminaluntersuchung wegen vorgefallenen Bankeruts
bedürfe.
§. 1482. Einen unvermögenden Schuldner, welcher, um sich der
richterlichen Untersuchung zu entziehen, austritt, oder seinen Aufenthalt
verbirgt, trifft die Verrauthung eines muthwilligen Bankeruts.
§. 1483. Hat ein ausgetretener Kaufmann seine Bücher bey
Seite gebracht; oder dieselben in solcher Unvollständigkeit oder Verwirrung
zurückgelassen, daß daraus die Lage seines Vermögens und seiner Geschäfte nicht
übersehen werden kann: so ist er für einen betrüglichen Bankerutirer zu achten.
§. 1484. Wenn der ausgetretene Schuldner auf ergangene
öffentliche Vorladung sich nicht gestellt: so soll das wider ihn gefällte Urtel
in den öffentlichen Anzeigen bekannt gemacht werden.
§. 1485. Die Ehefrau eines Bankerutirers, welche an dem
Verbrechen des Mannes wissentlich und unmittelbar Theil genommen hat, verliert
ihr eigenthümliches Vermögen zum Besten der Gläubiger, und hat die Hälfte der
den Mann treffenden Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1486. So oft ein Bankerut durch Verschwendung oder
übermäßigen Aufwand verursacht worden, soll die Ehefrau mit ihrem Eingebrachten
den Gläubigern der sechsten Classe nachstehen.
§. 1487. Kann sie aber ausweisen, daß sie an dem übermäßigen
Aufwande des Mannes keinen Theil genommen, oder daß sie denselben wegen dieses
Aufwandes gewarnt habe: so behält sie das in der Concursordnung angewiesene
Vorzugsrecht.
Sechszehnter Abschnitt
Von Beschädigungen des Vermögens aus Rache, Bosheit und
Muthwillen
Grundsätze.
§. 1488. Wer aus Rache, Bosheit, oder Muthwillen, einen
Andern an seinem Eigenthume oder Vermögen beschädigt, der soll nicht nur den
Schaden ersetzen, sondern auch verhältnißmäßige Leibesstrafe leiden.
§. 1489. Der Grad der strafbaren Leidenschaft, welche aus
einer solchen unerlaubten Handlung hervorleuchtet; die Größe des verursachten
Schadens, und der für den Beschädigten daraus entstandenen Gefahr, bestimmen
die Art und das Maaß der verwirkten Strafe.
Beschädigungen aus Muthwillen.
§. 1490. Geringe Beschädigungen, die aus bloßem Muthwillen
verübt sind, sollen polizeymäßig, durch körperliche Züchtigung, Strafarbeit,
oder Gefängniß, nach dem Alter und Stande des Beleidigers, geahndet werden.
§. 1491. Ist durch solchen Muthwillen ein erheblicher Schade
entstanden: so soll Gefängniß- oder Zuchthausstrafe von vier Wochen bis zu zwey
Jahren statt finden.
Aus Bosheit oder Rache.
§. 1492. Beschädigungen aus Bosheit oder Rache, wodurch nur
einzelne Bürger des Staats an ihrem Eigenthume oder Vermögen gekränkt worden,
sollen, wenn damit keine Gefahr für das Publicum verbunden gewesen, und in den
Gesetzen keine besondre Strafe auf den Fall bestimmt ist, mit Festungs- oder
Zuchthausstrafe von drey Monathen bis zu drey Jahren geahndet werden.
§. 1493. Wenn bey Beschädigungen des Vermögens zugleich das
Hausrecht verletzt oder die persönliche Sicherheit des Beleidigten, oder der
Seinen, in Gefahr gesetzt worden: so soll die sonst verwirkte Strafe um ein
Drittel geschärft werden.
§. 1494. Liegt bey der Schadenszufügung eine unversöhnliche
Feindschaft gegen den Beschädigten zum Grunde: so soll der Beschädiger, nach
ausgestandener Strafe, bewandten Umständen nach, aus dem Wohnorte des
Beleidigten verwiesen werden.
Siebzehnter Abschnitt Von Beschädigungen mit gemeiner
Gefahr
Landesbeschädiger.
§. 1495. Gegen Landesbeschädiger, welche mehrere Bürger des
Staats, oder gar das Publicum überhaupt, in Schaden oder Gefahr setzen, soll
allemal geschärfte mehrjährige Festungsstrafe statt finden.
§. 1496. Wenn bey unerlaubten Handlungen, außer dem zunächst
Beleidigten, zugleich das Publicum, oder andere Bürger des Staats in Gefahr
gesetzt wor- den: so muß die sonst verwirkte Strafe nach Verhältniß dieser
Gefahr jedesmal geschärft werden.
§. 1497. Wer durch vorsätzliche Beschädigungen von Gebäuden,
Wegen und Brücken, Vieh und Gut der Einwohner, oder Reisenden, in Gefahr
versetzt, soll mit Festungsstrafe von sechs Monathen bis zu drey Jahren belegt
werden.
§. 1498. Ist die Absicht, jemanden an seinem Leibe zu
beschädigen klar: so hat der Thäter sechs- bis zehnjährige, und wenn die
Absicht zu tödten damit verbunden gewesen, lebenswierige Zuchthaus- oder
Festungsstrafe verwirkt.
§. 1499. Ist ein solcher Schade (§. 1498.) wirklich
geschehen: so soll die dadurch verwirkte gesetzliche Strafe wegen der gemeinen
Gefahr geschärft werden.
§. 1500. Wer, um einen Mangel an Lebensmitteln oder andern
Bedürfnissen im Publico zu veranlassen, dergleichen Sachen verderbt, hat eine
sechs- bis zehn- jährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 1501. Ist dadurch ein Mangel an solchen Lebensmitteln
wirklich verursacht worden: so soll der Thäter gestäupt, und mit lebenswieriger
Festungsarbeit bestraft werden.
§. 1502. Sind durch einen solchen Mangel, oder vermittelst
eines dadurch veranlaßten Tumults, Menschen ums Leben gekommen: so soll der
Thäter, wenn ihm auch die Absicht zu tödten nicht
beygemessen werden
kann, dennoch mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 1503. Ist die Absicht zu tödten mit einem solchen Unternehmen
verbunden gewesen: so hat er, wenn die Absicht erreicht worden, die Strafe des
Rades von unten; bey unerreichter Absicht aber, die Strafe des Schwerdtes,
nebst Schleifung zur Richtstätte, und Flechtung des Körpers aufs Rad verwirkt.
§. 1504. Wer dergleichen zum gemeinen Gebrauche bestimmte
Sachen, in der Absicht, Verdruß, Schmerzen, Eckel(!), oder Vermögensverlust zu
veranlassen, verfälscht oder verderbt, soll mit ein- bis vierjähriger
Zuchthausoder Festungsstrafe belegt werden.
§. 1505. Wird diese Absicht wirklich erreicht: so kann diese
Strafe bis auf sechs Jahre Festungs- oder Zuchthausstrafe verschärft werden.
§. 1506. Wer ansteckende Seuchen unter das Vieh verbreitet,
hat, wenn es vorsätzlich geschehen ist, eine drey- bis sechsjährige; im Falle
einer groben Fahrläßigkeit aber, oder bey übertretenem Polizeygesetze, eine
sechsmonathliche bis dreyjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 1507. Ist es um Gewinns und Vortheils willen geschehen:
so soll sechs- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe statt finden.
§. 1508. Eben so soll derjenige bestraft werden, welcher
Gemeinweiden, Wiesen, Hütungen, oder Teiche vergiftet.
Landzwinger.
§. 1509. Wer unter Androhung eines gemein schädlichen
Unternehmens etwas zu erpressen sucht, hat nach Verhältniß des angedroheten
Uebels, der Größe seiner Bosheit, und der von ihm zu besorgenden Gefahr,
sechsjährige, zehnjährige, oder auch lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
Vorsätzliche Brandstiftung.
§. 1510. Wer in Wohnhäusern, Schiffen, oder andern Gebäuden,
vorsätzlich Feuer anlegt, um dadurch jemanden zu beschädigen, wird als ein
Brandstifter angesehn.
§. 1511. Jede vorsätzliche Brandstiftung, wodurch das Leben
eines oder mehrerer Menschen, oder ganze Städte, Flecken, Dörfer, und sonst bey
einander liegende Wohngebäude, oder Schiffe in Gefahr gesetzt worden, zieht in
der Regel Todesstrafe nach sich.
§. 1512. Wer eine solche gefährliche Feuersbrunst in der
Absicht, unter Begünstigung derselben Mord, Raub, oder ein andres Verbrechen,
worauf die Todesstrafe steht, zu begehen, veranlaßt hat, der soll, ohne
Rücksicht auf den Erfolg, als ein Mordbrenner mit der Strafe des Feuers belegt
werden.
§. 1513. Sind bey dergleichen Mordbrennerey Menschen ums
Leben gekommen: so soll die Todesstrafe des Feuers, nach Verhältniß der
begangnen Grausamkeiten, geschärft werden.
§. 1514. Sind dergleichen Grausamkeiten zwar nicht begangen;
es ist aber die Feuersbrunst an einem bewohnten Orte, und zu einer Zeit
angelegt worden, da die Einwohner gewöhnlich schon im Schlafe liegen: so hat
der Thäter die Strafe des Feuers verwirkt, wofern Menschen in einem solchen
Brande, oder bey Gelegenheit desselben, ihr Leben verloren, oder einen
bleibnden Nachtheil an ihrer Gesundheit erlitten haben; wenn auch der Thäter die §. 1512. gedachte
mordbrennerische Absicht nicht gehabt hätte.
§. 1515. Ist bey einem solchen zur Nachtzeit angelegten
Brande weder die §. 1512. bemerkte mordbrennerische Absicht vorhanden gewesen;
noch ein Mensch an Leben oder Gesundheit auf vorstehende Art beschädigt;
gleichwohl aber durch Einäscherung von Häusern und Gebäuden ein Schade von
Fünf- hundert Thalern oder mehr verursacht worden: so findet die Strafe des
Schwerdts nebst der Verbrennung des Körpers Statt.
§. 1516. Eben diese Todesstrafe wird, jedoch ohne
Verschärfung, erkannt, wenn zwar Menschen das Leben verloren, oder einen
bleibenden Nachtheil an ihrer Gesundheit erlitten haben, der Brand aber am
Tage, und ohne die im §. 1512. gedachte Absicht angelegt worden.
§. 1517. Ist durch eine in bewohnten Gegenden vorsätzlich,
jedoch ohne mordbrennerische Absicht, (§. 1512.) am Tage erregte Feuersbrunst
zwar kein Mensch an Leben oder Gesundheit verletzt worden; dennoch aber an
Häusern, Gebäuden, Gütern und Vermögen der Einwohner ein Verlust von
Fünfhundert Thalern oder mehr entstanden: so wird der Thäter mit lebenswieriger
Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt.
§. 1518. Ist kein dergleichen beträchtlicher Schade
verursacht; die Brandstiftung aber bey nächtlicher Weile verübt worden: so hat
der Thäter zehn- bis fünfzehnjährige Festung- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1519. Ist das ohne beträchtlichen Schaden gedämpfte Feuer
am Tage angelegt, und dadurch die Rettung erleichtert worden: so soll der
Thäter sechs- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe leiden.
§. 1520. Wer durch Ansteckung seines Eigenthums das Feuer
weiter zu verbreiten, oder Andere zu betrügen sucht, wird gleich dem, welcher
fremdes Eigenthum in Brand steckt, bestraft.
§. 1521. Wer Wälder vorsätzlich in Brand steckt, soll zu
einer sechs- bis zehnjährigen, oder auch, wenn dadurch ein sehr erheblicher
Schade verursacht worden, in lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe
verurtheilt werden.
§. 1522. Wer einzeln stehende unbewohnte Gebäude, oder andre
Behältnisse, Holzvorräthe, Feld- oder Gartenfrüchte, dergestalt anzündet, daß
die Flammen, nach dem natürlichen Laufe der Dinge, bewohnte Gegenden nicht
ergreifen können, der soll, nach Verhältniß des angerichteten Schadens, mit
drey- bis sechsjähriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 1523. Gegen einen Verbrecher, welcher sich mehrerer
Brandstiftungen schuldig gemacht hat, soll, wenn er auch wegen einer jeden
insbesondere nur zeitigen Verlust der Freyheit verwirkt hätte, den- noch
lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe erkannt werden.
§. 1524. Würde ihn ohne dies schon wegen Einer Brandstiftung
lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe treffen: so soll, wegen
Wiederholung des Verbrechens, der Staupenschlag hinzukommen.
§. 1525. Die durch einzelne Brandstiftungen verwirkte
Todesstrafe soll, im Falle der Wiederholung des Verbrechens, verschärft worden.
§. 1526. Was vorstehend (§. 1523-1525.) verordnet worden,
findet statt, wenn der Verbrecher wegen der vorhergehenden Brandstiftungen noch
nicht bestraft worden.
§. 1527. Ist er aber schon einmal wegen versuchter oder
unternommener Brandstiftung bestraft worden: so hat er im Wiederholungsfalle
die Strafe des Schwerdts verwirkt, wenn gleich die That an sich eine gelindere
Strafe nach sich gezogen hätte.
§. 1528. Wegen einer solchen Wiederholung (§. 1527.) wird
die sonst verwirkte gelindere Todesstrafe in die härtere verwandelt.
Versuchte Brandstiftung.
§. 1529. Auch auf bloß versuchte Brandstiftung, wenn gleich
der Ausbruch des Feuers ohne Zuthun des Thäters unterblieben ist, soll nach
Verhältniß der bevorgestandenen Gefahr, mehrjährige Festungsstrafe folgen.
§. 1530. Hat der angelegte Brand gar nicht gezündet: so hat
der Thäter drey- bis fünfjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1531. Hat er die That bereut, und den Zunder wieder
weggenommen, oder das Feuer, ehe es zum Ausbruche gekommen ist, wieder
gelöscht: so soll sechsmonathliche bis zweyjährige Gefängniß- oder
Arbeitshausstrafe eintreten.
§. 1532. Hat der Thäter um Hülfe gerufen, und dadurch allen
Schaden verhütet: so findet gleichfalls die Vorschrift des vorhergehenden §.
1531. Anwendung.
§. 1533. Ist durch des Thäters Rufen um Hülfe zwar nicht
aller Schade, aber doch die Vergrößerung desselben verhütet worden: so soll er
mit der übrigens verwirkten Todesstrafe verschont, und die sonst etwa
eintretende ordinaire Strafe gemildert werden.
§. 1534. Ist der Thäter durch persönliche Rache oder
Feindschaft zu der versuchten Brandstiftung bewogen worden: so soll er, nach
ausgestandener Strafe, aus dem Orte oder der Provinz, wo er das Feuer angelegt
hat, auf immer verbannt werden.
§. 1535. Wer aus Bosheit oder Muthwillen, durch gefährliche
Drohungen von Feueranlegen und Brandstiftungen, seine Mitbürger beunruhigt; der
hat Zuchthausstrafe von sechs Monathen bis zu zwey Jahren verwirkt.
§. 1536. Wer durch dergleichen Drohungen Geld oder andere
Vortheile von einzelnen Privatpersonen zu erpressen sucht, der soll mit
Zuchthausstrafe von drey bis sechs Jahren belegt werden.
§. 1537. Wer durch solche gefährliche Brandbriefe, oder
Aufsteckung von Brandzeichen, Erpressungen über ganze Oerter oder Gegenden zu
verüben sich unterfängt; der soll, nach Verhältniß der daraus wirklich
bevorgestandenen Gefahr, zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe leiden.
Polizeygesetze zu Verhütung der Feuersbrünste.
§. 1538. Jeder Einwohner des Staats ist schuldig, Vorsicht
anzuwenden, damit durch sein Zuthun oder Veranlassung kein Feuerschade
entstehe.
§. 1539. Wer einen Bau führen, oder Hauptreparaturen
unternehmen will, muß sich dazu vereideter Werkmeister bedienen; und nach den
zur Abwendung der Feuersgefahr abzielenden Anweisungen derselben sich achten.
(Th. I. Tit. VIII. §. 66. sqq.)
§. 1540. Handwerker und Professionisten, welche in Feuer
arbeiten, müssen die Polizeyordnungen jedes Orts, wegen der Anlage und
Verwahrung ihrer Werkstätte, ingleichen wegen ,der Art und Zeit, sich des
Feuers zu bedienen, genau beobachten.
§. 1541. Alle sich von selbst entzündende oder leicht
feuerfangende Waaren, Materialien, und andre Vorräthe, müssen an Oertern, und
in Behältnissen, wo ihre Entzündung nicht gefährlich werden kann, vorsichtig
aufbewahrt werden.
§. 1542. Auch müssen Waaren, welche, wie Hanf und Pech,
nicht ohne Gefahr bey einander aufbewahrt werden können, von einander
abgesondert gehalten werden.
§. 1543. Gewerbe und Verrichtungen, deren Betrieb mit
besondrer Feuersgefahr verbunden ist, sollen in Städten, Flecken, Dörfern, und
überhaupt in der Nähe von andern einer leichten Entzündung ausgesetzten
Gebäuden, nicht geduldet werden.
§. 1544. Jeder Hauswirth ist schuldig, dafür zu sorgen, daß
die Feuerstellen in seinem Hause beständig in baulichem brandsicherem Stande
unterhalten, und besonders die Schornsteine zur gesetzten Zeit ordentlich
gefegt werden.
§. 1545. Besonders müssen die Schornsteinfeger, sowohl auf
dem Lande, als in den Städten, dafür haften, daß die Reinigung der Schornsteine
gehörig erfolge.
§. 1546. Wenn der Eigenthümer oder Einwohner auf die
Erinnerung des Schornsteinfegers nicht achtet: so ist dieser zur Anzeige bey
der Polizeyobrigkeit gehalten.
§. 1547. Ein jeder überhaupt ist schuldig, in Ansehung des
Feuers und Lichts die genaueste Vorsicht zu beobachten.
§. 1548. In Scheuern und Ställen, Böden, und andern
Behältnissen, wo feuerfangende Sachen zu seyn pflegen, soll sich niemand mit
bloßem Feuer oder Lichte, brennenden Kienspänen, oder Fackeln betreten(!)
lassen.
§. 1549. Vielmehr soll sich ein jeder dazu der Oellampen in gehörig
verwahrten blechernen Laternen bedienen.
§. 1550. Niemand soll an einem solchen Orte, oder auch in
oder bey den Betten und Lagerstellen, in Wäldern, in den Dörfern bey Häusern,
in den Ställen, auf den Höfen, oder in den Dorfstraßen, und solchen Gegenden,
wo leicht Feuer entstehen könnte, Taback rauchen.
§. 1551. In Wäldern und Heiden soll niemand bey trockener
Jahreszeit, oder an gefährlichen Stellen, Feuer anmachen.
§. 1552. Auch auf freyen Plätzen darf, in einer gefährlichen
Nähe von Gebäuden, oder andern feuerfangenden Sachen, kein Feuer angemacht
werden.
§. 1553. Niemand soll Kohlenbecken, oder andre
Feuerbehältnisse, an Orten, wo dadurch Brand veranlaßt, oder Menschen durch den
Dampferstickt werden könnten, über Nacht stehen lassen.
§. 1554. Des Schießens mit Feuergewehr, des Raketenwerfens
und andrer Feuerwerke, in der Nähe von Häusern, Gebäuden, oder andern leicht
entzündbaren Sachen, soll sich ein jeder enthalten.
§. 1555. Wer den §. 1538-1554. vorgeschrienen(! =
vorgeschriebenen) Vorsichtsregeln zuwider handelt, macht sich der in den
besondern Verordnungen festgesetzten Polizeystrafen schuldig.
§. 1556. Die gewöhnliche Polizeystrafe soll, nach Verhältniß
der Unvorsichtigkeit, der Größe der Gefahr, und der Qualität der Person, in den
Polizeygesetzen näher bestimmt werden.
Unvorsichtige Brandstiftung.
§. 1557. Wer durch Uebertretung solcher Polizeygesetze eine
wirkliche Feuersbrunst veranlaßt, der soll, nach Verhältniß des entstandenen
Schadens, mit Gefängniß- oder Arbeitshausstrafe, von sechs Monathen bis zwey
Jahren, oder auch, nach Beschaffenheit der Umstände und Person, mit fünfzig bis
tausend Thaler Geldstrafe belegt werden.
§. 1558. Wer außerdem durch Unvorsichtigkeit, oder
Verabsäumung der gewöhnlichen Sorgfalt, zum Entstehen einer Feuersbrunst Anlaß
giebt, der soll nach gleichem Verhältnisse, Arrest oder Arbeitshausstrafe auf
vier Wochen bis zu Einem Jahre leiden, oder zwanzig bis fünfhundert Thaler
Geldstrafe erlegen.
§. 1559. Hausväter und Dienstherrschaften sind schuldig, auf
ihre Familie und Gesinde, wegen behutsamen Verhaltens mit Feuer und Licht,
sorgfältige Aufsicht zu führen.
§. 1560. Ein Gleiches liegt, in Ansehung der Fremden und
Reisenden, denjenigen ob, welche dieselben aufnehmen und beherbergen.
§. 1561. Sobald vorgedachte Personen wahrnehmen, daß
diejenigen, welche in diesem Betrachte unter ihrer Aufsicht stehen, mit Feuer
und Licht fahrläßig umgehen, müssen sie solchem sofort nachdrücklich steuern,
oder der Obrigkeit davon Anzeige machen.
§. 1562. Auch Hauswirthe, welche dergleichen unvorsichtige
Behandlung an ihren Miethsleuten wahrnehmen, sind, wenn sie derselben nicht
selbst hinlänglich steuern können, der Obrigkeit Anzeige zu thun verbunden.
§. 1563. Wenn durch die Schuld und Fahrläßigkeit der
Familie, des Gesindes, oder der Fremden, Feuer entsteht: so soll der einer
vernachläßigten Aufsicht überführte Hausvater, Dienstherr, oder Gastwirth, die
Hälfte der von dem unvorsichtigen Brandstifter selbst verwirkten Strafe leiden.
§. 1564. Hat jemand die Gewohnheit der seiner Aufsicht
anvertraueten Personen, mit Feuer und Licht unvorsichtig umzugehen, gewußt; und
gleichwohl selbiger vorschriftsmäßig zu steuern unterlassen: so soll er eben
so, wie der schuldbare Brandstifter bestraft werden.
§. 1565. Jeder, in dessen Wohnung oder Behausung ein Feuer
ausbricht, welches leicht gefährlich werden könnte, ist den Vorfall sofort kund
zu machen, und die öffentliche Hülfe ohne Zeitverlust herbeyzurufen schuldig.
§. 1566. Wer das ausgebrochne Feuer zu verheimlichen, und
mit den Seinigen in der Stille dämpfen zu wollen unternimmt, soll, wenn es
wirklich ohne weitern Schaden gelöscht worden, dennoch mit fünf bis zwanzig
Thalern Geld-, oder verhältnißmäßiger Leibesstrafe belegt werden.
§. 1567. Ist aber durch solche Verheimlichung die
öffentliche Beyhülfe verabsäumt, und dadurch ein erheblicher Schade angerichtet
worden: so soll die Strafe der unvorsichtigen Brandstiftung statt finden. (§.
1557.)
§. 1568. In Ansehung derjenigen, welche vermöge ihres Amtes,
oder zufolge ihrer Bürgerpflicht, ausbrechende Feuersbrünste kund zu machen,
oder bey deren Dämpfung mit zu wirken schuldig sind, hat es bey den
Vorschriften ihrer Amtsinstructionen, und den besondern Feuerordnungen sein
Bewenden.
§. 1569. Wer die nach diesen Ordnungen zu haltenden
Löschgeräthschaften nicht vorräthig, oder nicht im Stande hat; der soll zu
seiner Pflicht sofort durch Execution angehalten werden.
§. 1570. Ist die Anschaffung, oder Instandhaltung, aus
Nachläßigkeit oder unzeitiger Sparsamkeit unterblieben.: so soll der
Uebertreter den doppelten Werth des fehlenden oder untauglichen Geräthes zur
Strafe entrichten.
Von vorsätzlich verursachten Ueberschwemmungen.
§. 1571. Wer Dämme, Deiche, Schleusen, oder andre
Wasserbaue, wodurch ganze Gegenden und Feldmarken wider die Gewalt des Wassers
geschützt werden sollen, vorsätzlich durchsticht, wegreißt, oder sonst
dergestalt beschädigt, daß dadurch ein gewaltsamer Durchbruch oder
Ueberströmung des Wassers verursacht wird; der hat die Todesstrafe verwirkt.
§. 1572. Ist durch eine boshaft verursachte Ueberschwemmung
nur in Wäldern, oder an Aeckern und Wiesen ein Schade geschehen: so soll der
Thäter dennoch mehrjährige bis lebenswierige geschärfte Festungsstrafe leiden.
§. 1573. Wer Dämme oder Schleusen an Privatgewässern,
Graben, oder Teichen, durchsticht, oder sonst beschädigt, und dadurch ein gefährliches Uebertreten
solcher Wässer vorsätzlich verursacht; der soll, nach Verhältniß des
entstandenen Schadens, mit Zwey- bis zehnjähriger Festungs- oder
Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1574. Ist die boshafte Ueberschwemmung in der Absicht,
Menschen zu tödten, verursacht, und diese Absicht wirklich erreicht worden: so
soll die geschärfte Strafe des Rades statt finden.
§. 1575. Wenn auch noch kein Schade geschehen ist: so hat
doch der, welcher in der Absicht zu tödten, ein dergleichen Verbrechen
unternommen hat, lebenswierige Zuchthausstrafe nebst Staupenschlag verwirkt.
§. 1576. Auch derjenige, welcher eigenmächtig, ohne
vorhergegangne Untersuchung oder Warnung der unterhalb Liegenden, Dämme
durchsticht, oder Schleusen beschädigt, um sich von dem andringenden Wasser zu
befreyen, soll, wenn nicht die äußerste Noth vorhanden gewesen, mit
Gefängnißstrafe von sechs Monathen, bis zu drey Jahren belegt werden.
§. 1577. Wie diejenigen, welchen die Unterhaltung der Dämme, Teiche und Schleusen, und die Aufsicht darüber obliegt, bey Vernachläßigung ihrer Pflichten und daraus entstandenen Schaden gestraft werden sollen, ist in den besondern Strohm-, Teich- und Uferordnungen festgesetzt.
* Die ursprünglich im Allgemeinen Gesetzbuch vorgesehenen §§ 860-869, 922, 926 sind im Allgemeinen Landrecht gestrichen worden. In den Ausgaben von 1794, 1796 und 1804 ist aber die Zählung des Allgemeinen Gesetzbuchs beibehalten worden. Die so entstandene Lücke ist erst 1806 beseitigt worden.